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Full text of "Archiv der Pharmazie"

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ARCHIV 


PHARMACIE, 


Eine Zeitschrift 


des 


allgemeinen deutschen Apotheker-Vereins, 


ABTHEILUNG NORDDEUTSCHLAND. 


Herausgegeben 


unter Mitwirkung des Directoriums 


von 


H. Warkenrodet-und L. Bley. 


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IV. Jahrgang. 


y. 


un —— , iiiSiunemun—— 
HANNOVER." 
Im Verlage der Hahn’schen Hofbuchhandlung. 


1854. aus 


ARCHIV 


DER 


PHARMAUCIE. 


7 
Zweite Reihe. LXXVI. Band. 
Der ganzen Folge ECXXVN. Band. 

—4+27-/ 


Unter Mitwirkung der Herren 


Bohlen, Droste, Fischer, Fritze, Geiseler, Hennig, Hornung, Hutstein, Jau- 
ssen, Landerer, Lichtenberg, Livonius, Ludwig, Meurer, Oswald, A. Over- 
beck, Peckoldt, Rebling, Schnauss, Schwacke, Taubert sen. 


herausgegeben 


von 


du Mönil’se Vereinsjahr. 


4 HANNOVER. 
im Verlage der Hahn’schen Hofbuchhandlung. 


1854, 


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SOTANIGAL 


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Inhaltsanzeige. 


Erstes Heft. 


Erste Abtheilung. 


I. Physik, Chemie und praktische Pharmacie. Seite 


Ueber Empl. Cantnaridum ordinar.; von Oswald, Apotheker 
Ina Be TE . 1 

Ueber die Einwirkung der gasförmigen schwefligen Säure auf die 
peroxyde des Bleies und Mangans; vonDr. A. Overbeck 2 

Warnung bei Anfertigung von Buntfeuergemengen; von Theodor 


Fischer, Apotheker in Cahla ...... TE ROLE MB 3 
Ueber Verunreinigung des Chinin. sulphuric......ee-22un2202.. 5 
Ueber Prüfung des Chinins; von O.Livonius in Stralsund.. 6 
'Veber Bereitung des Jodkaliums aus eur von Dr. A. 

Ovearbeck TEEN 203% EHMIE 

Il. Naturgeschichte und habakagnaie 
Naturhistorische Notizen von Tanderer'in Athen ....2.222..: 10 
RS Bericht, .... 0.0. 2 a Ne 1966 
DI merataPund Krilik. 2%. 2.0 22.2. 2a see 67 


Zweite Abtheilung. 
Ve retmtsz BuKSun g 
A) 'Vereins - Angelegenheiten. 
Vils, gehalten in der Generälversammlung des norddeutschen 


Apotlieker-Vereins zu du M&nil’s Gedächtniss zu Bad Oeyn- 
hausen am 15. und 16. September 1853; vom Oberdirector 


Dr. L. F. Bleyn........2eeoneeeninenoneensnennennenn 73 
"Veränderungen in den Kreisen des Vereins........2e22222.... 80 
Notizen aus der General-Correspondenz des Vereinseen einen. 81 


2) Biographisches Denkmal 
'für August Peter Julius du M&nil, Dr!'phil.,"Apotheker in 
Wunstorf, K. Hannov. Geh. Ober- Berg- Commissair us. W,; 
BL. Blow. 202 a ee ee a ‚83 


dr: 


vi Inhaltsanzenge. 


ur Seite 
3) Medicinal- Gesetzgebung... . .......ur 2222220000. 109 
4) Ueber Heilwässe und künstliche, und 
ihre Wirkupg* ngechlichen Körper in 
Rücksic 1x W.Bullrich, 
Apot U een 110 
5) Der deutsc en auf der Welt- 
Industrie -Ausstlin9 antWeprfork 1853 ........... 111 
6) Miscellen.:. „pe. 7.8. 2... 00. 2. Me 113 
7) Personalnotize# LH LH.ERIIENIE......... 119 
8) Notizen zur praktischen Pharmacie .............. 119 
Zweites Heft. 
. 9, iR 
Erste Abtheilung. En 


I. Physik, Chemie und praktische Pharmacie 


Ueber die Alkaloide in der Rinde der Cinchona lancifolia Mut.; 


vontDr.a&G: Kl: Bidtel..e Si. na. 3. 121 
Chemische Untersuchung des Sem. Lycopodii; von Dr. J.Schnauss 

Im benal...ne. SARA MONTE RE, u. OIUER, Li... 2) ee . 124 
Ueber das Saponin; von Dr. A. 0 vonbeckinnan. Alc: 134 
Eine interessante Lichtentwickelung bei der Krystallisation des 

chlorsauren Baryts; von Hutstein in Breslau............ 239 
I. Monatsbericht. .'....233 .. 2:4. 0.037 6 eu... 138—183 
II Literatug und Kritik ©. 2. 2. 20 BR 2. 


Zweite Abtheilung. 
V ey6s Zr 
4) Biographisches Denkmal. » 
Dr. Jonathan Pereira, Mitglied der Königl. Gesellschaft, der 


Londoner Gesellschaft, des Königl. Collegiums der Londoner 
Aerzte:u. 8. Wi... Napa Sue 1.0 are. %. .193 


2) Bericht über die zu Ehren des Herrn Professors 
Dr. Duflos in Breslau am 47. November veran- 
stalteie Bestlichkeit ..;nsis uk said riet san ame . 204 


3) Medicinalwesen .............. ee: Ah > 5 ... 206 


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Inhaltsanzeige. vu 


Seite 
k) Vereins - Angelegenheiten. 
Dankschreiben des Herrn Burkhardt............c..... a 
Veränderungen in den Kreisen des Vereins .......22222cuu22.\ 218 
Notizen aus der General-Correspondenz des Vereins. .......... 218 
5) Kleine Mittheilung von Hrn. Apotheker Schultze 
DI Vorkrc see sea cchene sen ... 219 


Bemerkungen zu der Mittheilung des Hrn. Collegen Schultze.... 219 


6) Die Königlichen Gärten zu Herrenhausen bei Han- 
nover. Ein Führer durch dieselben von Her- 
mann Wendland. Mit zwei Plänen. Hannover. 


Hahn’sche Hofbuchhandlung. 1852. .............. 221 
7) Ueber Copal und Drachenblut, Aloe etc......... ...226 
BAOlEDapierR 22. 2220. ee a 227 
er Handelßberieht :;.......4,..: P800 Be ke 2. AUBOIR 
10) Statistische Mittheilungen.................2..... 237 
20 Zur Warnung... Rh PuszaRlondge 537 
12) Notizen zur praktischen Pharmacie ............. 239 

ie AR ee 


Drittes Heft. 
Erste Abtheilung. 
I. Physik, Chemie und praktische Pharmacie. 


Ueber die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze und über 


Wismuthoxydhydrat; von C. E. Janssen in Altona ...... 241 
Nachtrag zum Kino; von Dr. Hennig in Leipzig....... adshkute 260 
Darstellung des Spiritus ammoniaci c. Dzondii; von Rebling, 

Apotheker in Langensalza........... EN 2) ara tee Erle 265 
IE&Monatsbericht................ EL 2 aaa 267—308 
li. Literatur und Kritik....... Rn URN SEAT. 


Zweite Abtheilung. 
Nieren ein su zke, u ta nu 


4) Biographische Denkmale. 
Friedrich Rudolph Cochler ..........:-.2cese.sooneeeenennns 321 
ER Bchler. nee ann erh ran. sin a Wapeaalofagaiele ale nn cafe 322 


vim Inhaltsanzeige. 
. } Seite 
2) Vereins- Angelegenheiten, 
Ueber das Archiv der Pharmacie. (Vortrag, gehalten in der Gene- 
ralversammlung zu Bad Oeynhausen am 15. September 1853 


von Dr. Geiseler, Apotheker u.s. 0 EEE a a. - 325 
Veränderungen in den Kreisen des Vereins.....uenunersereeee . 330 
Notizen aus der General-Correspondenz des Vereins........... 330 
Aufforderung... ...-:2sosenenensenenesennnenee nme Er a 331 
An die Mitglieder des Kreises Arnsberg... .... ce zu. 0n. eo 331 
3) Bericht über brasilianische Heilmittel; von Peckoldı 

(Fortsetzung) "res rernen- Ola nererununnenene 31 
4) Uebersicht der von den Homöopathen angewende- 

ten. Pflanzen... . 22a arme 335 
5) Tabelle über den Verlust beim Pulvern verschie- 

dener Droguen .. -....... ....22.2.4. 2... ee 337 
6) Zur Medicinal-Polizei....... SE PT EE MU TEEN 337 
7) Medicinisches.............- at 340 
8) Technologische Mittheilungen...................: 343 
9) Botanisches . . 2. „4ga4cnrla auerse oe re 350 
10) Handelsbericht (Fortsetzung). .....»«-..reenser00. 352 
AA) Ueber Blutegel und deren Handel; von J.H.Schwacke 

ENT TA 1 a a 360 

Blutegelhandel......--eeeersseresunsenanenneenenenne een. 862 
12) Personalnotizen .....-.--.crrcreure. “00 ar 365 
43) Notizen zur praktischen Pharmacie........ 7. 


- 


zu 


ARCHIV DER PHARMACIE. 


CXXVIH. Bandes erstes Heft. 


Erste Abtheilung. 
I. Physik, Chemie und praktische 
Pharmacie. 


Veber Empl. Caniharidum ordinar.; 
Oswald, 


Apotheker in Oels. 


Man sollte wohl eigentlich glauben, dass dieses all- 
bekannte und alte Mittel keiner besonderen Erwähnung 
mehr bedürfe, so wie, dass längst die Acten über die beste 
Bereitungsart desselben geschlossen sein müssten, Dem 
ist aber nicht so, wie man aus den neuesten Mittheilungen 
im Jahresbericht der praktischen Pharmacie und in einem 
der neuesten Hefte dieses Archivs ersehen kann. 

Namentlich leidet die Vorschrift der Pharm. borussica 
an zwei Uebelständen, die leicht zu Misshelligkeiten und 
Unannehmlichkeiten Veranlassung geben und schon lange 
gegeben haben. Das Pflaster klebt nicht, und wenn es 
nicht sehr fest aufgebunden wird, zieht es nur langsam, 
namentlich wenn es recht genau nach Vorschrift bereitet 
worden ist. Diese Erfahrung habe ieh eine ganze Zeitlang 
gemacht, beständig wurden Klagen über schlechtes Ziehen 
erhoben, obschon ich auf das Gewissenhafteste die Vor- 
schrift befolgte. Dabei stellte sich aber jederzeit heraus, 
dass wenn das Pflaster in der Officin gestrichen und mit 
gutem Heftpflaster versehen, auch wohl ein wenig Cantha- 


Arch.d. Pharm, CXXVII. Bds. 1. Hfi. L 


2 Overbeck, gasförmige schweflige Säure auf Hyperosxyde. 


riden- und Kampferpulver aufgestreut worden war, der 
Erfolg ein günstiger war. 

Um nun diesem Uebelstande abzuhelfen, den ich darin 
suchte, dass bei dem Pflastermischen die fast erstarrte 
Masse nicht im Stande sei, das Cantharıdin auszuziehen 
und dadurch die schnellere Wirkung zu bedingen, lasse 
ich jetzt schon seit langen Jahren 

4) das Cantharidenpulver mit der vorgeschriebenen 
Menge Oel 8—14 Tage an einem mässig warmen 
Orte stehen; 

2) setze ich zu 2 Pfund Pflaster  Unzen Empl. ad- 
haesivum zu, und nehme die entsprechende Menge 
Canthariden mehr; 

3) werden die mit Oel digerirten Canthariden zur 
heissen Pflastermasse zugemischt. 

Seit dieser Abänderung ist noch nicht eine einzige 
Klage vorgekommen, was eben seinen Grund in dem 
besseren Ausziehen des Cantharidins und dem besseren 
Anheften des Pflasters hat. 


tr ae — 


Ueber die Einwirkung der gasfürmigen schwef- 
ligen Säure auf die Hyperoxyde des Bleis 
und Mangans; 


von 


Dr. A. Overbeck. 


Gmelin sagt in seinem Lehrbuche, dass schweflige 
Säure durch die Hyperoxyde einiger Metalle in Schwefel- 
säure verwandelt werde und die so gebildete Schwefel- 
säure sich dann mit dem bis zum salzfähigen Zustande 
reducirten Metalloxyde verbinde. 

Um zu erfahren, in wie weit dies für Blei- und Man- 
ganhyperoxyd Geltung habe, wurden einige Versuche von 
mir angestellt. 

Ueber die in Glasröhren einige Linien hoch geschich- 
teten Hyperoxyde wurde theils trocknes, theils feuchtes- 


Fischer, Warnung bei Anfertigung von Buntfeuergemenyen. 3 


schwelligsaures Gas, theils in der Kälte, theils unter gleich- 
zeitiger Erwärmung der Glasröhren mittelst mehrerer ein- 
einfachen Spirituslampen hinweggeleitet. 

So fand sich, dass die trockne schweflige Säure weder 
in der Kälte, noch in der Wärme auf Braunstein wirkt; 
das feuchte Gas dagegen sehr schnell, unter Bildung von 
schwefelsaurem Manganoxydul. 

Beim Bleisuperoxyd war die Erscheinung eine andere. 
In der Wirkung des feuchten oder trocknen Gases wurde 
kein Unterschied beobachtet. Dagegen ergab sich bei 
wiederholt angestellten Versuchen das überraschende Re- 
sultat, dass, wahrend in der Kälte unter heftigem Erglühen 
die ganze Masse sich sehr schnell in weisses schwefel- 
saures Bleioxyd verwandelt, in der Wärme dieselbe Er- 
scheinung weder so rasch, noch so stark eintritt, was um 
so auffallender ist, als das Bleihyperoxyd schon beim 
gelinden Erhitzen für sich einen Theil seines Sauerstoffs 
leicht verliert. 


De een m 


Warnung bei Anfertigung von Buntfeuer- 
gemengen ; 


von 


Theodor Fischer, 
Apotheker in Cahla. 


Im Junihefte des Archivs der Pharm., Jahrg. 1853, S. 366 
findet sich ein Aufsatz über Explosion von Buntfeuer- 
gemengen. Zur Wiederholung und gleichzeitiger Bestäti- 
gung der Warnung sei mir erlaubt, einen Vorfall mit- 
zutheilen, welcher im Laufe des vergangenen Sommers in 
meinem Geschäfte vorgekommen ist. 

Am 25. Juni v. J. wurden bei Gelegenheit einer Illu- 
mination mehrere Parthien Roth-, Weiss- und Grünfeuer 
bei mir bestellt. Das Grünfeuerpulver, von welchem hier 
besonders die Rede sein soll, bestand aus: 

Baryt. nitric. Zvj 


Sulph. depur. 3 
Kali chloric. 3jjß 


1%* 


4 Fischer, Warnung bei Anfertigung von Buntfeuergemengen. 


also im Ganzen 40} Unzen. Dieses Gemenge wurde am 
selbigen Tage Vormittags ungefähr 10 Uhr angefertigt und 
in einem Papierbeutel auf das Repositorium der Offhein, 
wo die fertigen Medicamente aufbewahrt zu werden pfle- 
gen, gestellt. Ohne jedoch den Grund zu kennen, weshalb 
zu solchem Zwecke nur ausgewaschene Schwefelblumen 
genommen werden sollen, war dies doch bei den vorher 
angefertigten Mischungen geschehen. Weil aber die Flores 
sulphuris lot! durch den plötzlich starken Gebrauch defect 
wurden, hiess ich meinem Gehülfen, der die Gemenge 
machte, um die noch vorhandenen Flores sulphuris low 
zur Receptur zu schonen, ungewaschene Schwefelblumen 
nehmen. Das Pulver blieb stehen, ohne abgeholt zu wer- 
den, bis Nachmittags 4 Uhr, da bemerkte auf einmal mein 
Gehülfe, welcher in der Officin beschäftigt war, dass die- 
selbe sich mit einem bräunlich-rothen, erstickendem Dampfe 
anfüllte, und ein Zischen der dastehenden Gemenge sich 
hören liess; gerade als er sich dem in einem Papierbeutel 
sehr zusammengedrückten Gemenge nähern wollte, ent- 
stand eine Explosion mit einer mehrere Fuss hohen präch- 
tig grün emporschlagenden Flamme, und die Officin füllte 
sich noch dichter mit Dampf. 

Aus dem anstossenden Nebenzimmer durch das Ge- 
räusch und den Lichtschein herbeigeführt, fand ich eben 
die Flamme im Erlöschen. Das Repositorium, in dessen 
Nahe das Gemenge gestanden hatte, glimmte, eine Menge 
Tincturengläser waren wie mit einem weissen Hauch über- 
zogen, die der Explosion am nächsten stehenden waren 
wegen Hitze nicht anzugreifen, das Eine fiel beim Weg- 
nehmen in Stücke. 

Anfangs glaubte ich, die Unvorsichtigkeit durch genä- 
herte Feuerfunken sei Schuld daran, was aber entschie- 
den verneint wurde. Da kam ich sogleich auf den Gedanken, 
dass die ungewaschenen Schwefelblumen durch die ihnen 
anhängende Schwefelsäure die Schuld daran tragen möch- 
ten, welche auf den salpetersauren Baryt zersetzend ein- 
wirkte. Kurz darauf erhielt ich das betreffende Archivheft 
und sah mithin meine Vermuthung bestärkt. Der an den 


Verunreinigung des Chinin. sulphurie. 5 


Tincturgläsern haftende schmutzig- weisse Beschlag liess 
sich nur mit vieler Mühe durch Abwaschen und Abkratzen 
entfernen. Genauere Versuche mögen die Richtigkeit der 
gegebenen Erklärung darthun. 

Es ist daher den Herren Collegen, so wie Allen, die 
sich mit der Anfertigung von Buntfeuerflammen beschäf- 
tigen, zu empfehlen: 4) bloss gewaschene Schwefelblumen 
zu nehmen und 2) die Gemenge in wohlverstopften Glä- 
sern an einem feuerfesten Orte aufzubewahren. 


Ueber Verunreinigung des Chinin. sulphuric. 


(Briefliche Mittheilung von Hrn. Robert Lehmann in Liebenwalde 
an Dr. Bley.) 


Da schon vielfach vorgekommene Verunreinigungen 
des Chin. sulphuric. mitgetheilt worden sind, z.B. mit oxal- 
saurem Kalk /Arch. der Pharmacie, LIV. p.192), mit Milch- 
zucker v. Sckeyde (Archiv der Pharmacie, LVI. p. 171) 
und andere, so schien mir es nothwendig zu sein, jedes 
käufliche Chin. sulph. einer Prüfung zu unterwerfen. Bei 
einem kürzlich gekauften Chin. sulph. machte ich nun die 
Entdeckung bei der Prüfung, dass es sowohl beim Auf- 
lösen in 30 Th. heissem Alkohol, als auch auf Platinblech 
verbrannt und geglüht einen nicht unbedeutenden pulver- 
förmigen Rückstand hinterliess; der letztere Versuch ergab, 
dass er aus unorganischen Stoffen bestehe. Dieser näher 
untersucht, gab das Resultat, dass selbiger nur Natrum 
sulph. war. Diese Verunreinigung war auch nach weiteren 
Versuchen nicht unbedeutend, indem 40 Gran desselben 
2} Gran Natr. sulph. gaben. 

Diese grobe Verunreinigung lässt vermuthen, dass die- 
ses Chin. sulph. durch das Auge oder Gewicht leicht als 
ein verdächtiges erscheinen muss, ich erlaube mir deshalb 
einige Gran beizufügen, und werden Sie mit mir über- 
einstimmen, dass es doch, nicht näher untersucht, trü- 
gen kann, zumal es beı Bereitungen von Mixturen aus 


6 Livonius, 


Chin. sulph. cum Aqua et Acıd. gar nichts Befremdendes 
zeigt. Nur bei Auflösungen in Alkohol thut es sich leicht 
kund; jedoch kommen selbige in der Receptur selten vor. 

Da die Chinin-Präparate immer noch im hohen Preise 
stehen, so ist jegliche Verunreinigung zu befürchten; des- 
halb ist es die grösste Pflicht des Apothekers, jedes ge- 
kaufte Chin. sulph. vor der Dispensation einer Prüfung zu 
unterwerfen, wozu diese wenigen Zeilen beitragen mögen. 


Die bemerkte Verunreinigung mit schwefelsaurem 
Natron hat ihre Richtigkeit. Dr. Biet 


—— a ——- 


Veber Prüfung des Chinins; 
von 
©. Livonius in Stralsund. 
(Briefliche Mittheilung an Dr. Bley.) 


Ich bin so frei, folgende kleine Mittheilung Ihrer 
gefälligen Prüfung mit der Bitte vorzulegen, dieselbe, wenn 
Sie sie der Beachtung werth halten, ins Archiv auf- 
zunehmen. Im Anfange vorigen Jahres las ich in einer 
Zeitschrift eine Notiz von A. Vogel über Chininreac- 
tionen, wo er bei der bekannten Prüfung des Chinins 
mit Chlorwasser und Ammoniak anführte, dass wenn man 
statt des Ammoniaks eine gesättigte Lösung von Ferro- 
cyankalium zusetze, eine prächtige rothe Färbung hervor- 
gerufen würde. Ich versuchte diese Reaction in den 
verschiedensten Verhältnissen, erhielt sie aber nicht, wor- 
auf ich auf den Gedanken kam, einen Zusatz von Am- 
moniak zu machen, womit ich denn auch die Reaction 
auf die schönste Weise hervortreten sah. Vielfach habe 
ich dieselbe wiederholt und stets erhalten, aber zugleich 
gefunden, dass man vorsichtig dabei zu Werke gehen 
muss, es auf die Menge der verschiedenen Reagentien 
ankommt, und ebenso auf die Reihenfolge. In folgender 
Weise habe ich stets die gedachte Reaction erhalten: 


Prüfung des Chinins. 7 


Ich nahm etwa 4 Gran schwefelsaures Chinin, übergoss 
dies in einem Reagensglase mit 4 Drachme guten Chlor- 
wassers, nach tüchtigem Schütteln fügte ich eben so viel 
destillirtes Wasser hinzu, dann 5—6 Tropfen’ einer kalten, 
gesätligten Auflösung von Ferrocyankalium und darauf 
2 — 3 Tropfen Ammoniakflüssigkeit. So wie das Ammoniak 
hinzukommt, erscheint die tiefrothe Farbung der Flüssig- 
keit, welche auf Zusatz von wenig Salzsäure wieder ver- 
schwindet, durch vorsichtige Uebersättigung mit Ammoniak 
von neuem wieder eintritt, welcher Versuch sich öfter 
wiederholen lässt. Lange aber dauert die schöne rothe 
Farbe nicht; zumal bei Zutritt von Licht geht sie bald in 
ein schmutziges Braun über. 

Weil nun diese Reaction eine so schön in die Augen 
fallende und auch empfindliche ist, so machte ich mit 
sämmtlichen mir zu Gebote stehenden Alkaloiden, als: 
Cinchonin, Morphin, Strychnin, Veratrin, Atropin, Digitalin, 
Nicotin, Piperin, Caffein, Salicin, Ergotin, Phlorrhidzin, San- 
tonin Gegenversuche unter denselben Cautelen, erhielt 
aber bei keinem diese Reaction. Sie ist also als eine 
durchaus für das Chinin charakteristische; selbst bei vor- 
waltendem Cinchonin tritt die rothe Färbung, jedoch etwas 
blasser hervor. Hinsichtlich der Empfindlichkeit habe 
ich gefunden, dass mit etwas Zinet. Chinae simpi., so wie 
in dem kalten Auszuge der China regia zum Extr. Chinae 
fr. p. sehr gut ein Chiningehalt derselben nachzuweisen 
ist. Im Laufe des vorigen Jahres kam mir die neue Auf- 
lage von Fresenius’ Handb. der Analyse zu Händen, worin ich 
in einer Anmerkung bei dem Abschnitte über Chinin fand, 
dass Fresenius die von A. Vogel angegebene Reaction 
nicht bestätigi gefunden habe. Ich schrieb deshalb sogleich 
an ihn, theilte ihm bescheiden meine Versuche mit und 
ersuchte ihn, sie seiner Beachtung zu würdigen, erhielt 
aber von demselben keine Antwort, und habe auch später 
in den verschiedenen Zeitschriften über diese Reaction 
keine weitere Mittheilung gefunden. Heute nun erhalte 
ich das Aprilheft der Annalen für Chemie und Pharmacie 
von Wöhler und Liebig, worin ich eine speciellere 


8 Overbeck, 


Angabe von A. Vogel zu dieser Chininreaction lese; es 
heisst darin, dass das Gelingen des Versuches von der Concen- 
tration der Ferrocyankaliumlösung und von der Abwesenheit 
der Salzsäure im Chlorwasser abhinge, erwähnt wird dabei, 
dass ein Zusatz von Ammoniak auch mit verdünnter Ferro- 
cyankaliumlösung die Reaction erscheinen lasse. Ich habe 
nun meine Versuche in früherer Weise wiederholt, habe 
aber ohne Zusatz von Ammoniak die Reaction nicht erhal- 
ten, wohl aber gefunden, dass die Gegenwart von etwas 
Salzsäure die Reaction durchaus nicht hindert, dass schwe- 
felsaures Chinin, so wie salzsaures mit etwas Salzsäure 
gelöst, in oben erwähnter Weise die Reaction stets deut- 
lich und schön erscheinen lassen, nur müssen dann einige 
Tropfen Ammoniak mehr hinzugesetzt werden. 

Bei Wiederholung der Versuche nach der Angabe des 
Hrn. Livonius habe ich seine Wahrnehmungen durchaus 
bestätigt gefunden. Dr. Bley. 


—er Le te — 


Veber Bereitung des Jodkaliums aus Formyljodid; 
Dr. A. Overbeck. 


Bei der grossen Anzahl von Vorschriften zur Berei- 
tung von Jodkalium könnte es überflüssig erscheinen, noch 
eine neue hinzuzufügen. Jedoch möchte die folgende als 
eine für Zöglinge der Pharmacie recht instructive Arbeit 
vielleicht einige Beachtung finden. 

Zur Bildung des Formyljodids hat mir folgendes Ver- 
hältniss der drei auf einander einwirkenden Substanzen 
das beste Resultat gegeben: 3 Aeq. Weingeist, 6 Aegq. 
Jod, 5 Aeq. Kali. — Nach der Aetiologie 

3C°H>0,HO + 12J + 10KO 
20 C?HJ® + 5KJ + KO,C:HO® + AHO 
-- 1C°H50,C'H?0? + AKJ + 4HO 
kommt auf #J allerdings nur 1C*H50,HO. Allein die 
Masse verdickt sich durch Ausscheidung des gebildeten 


Bereituny des Jodkaliums aus Formyljodid. 9 


Formyljodids bald so, dass der grössere Zusatz von Wein- 
geist zur Beschleunigung der Operation sehr wesentlich 
ist. Dieselbe findet in folgender Weise statt. 

Nachdem man die dem vorgeschriebenen Verhältniss 
von C*H°0O,HO entsprechende Menge wässerigen Wein- 
geistes zuvor gelinde in einem Becherglase oder Kolben 
erwärmt hat, fügt man das trockne Jod und das in mög- 
lichst wenig Wasser gelöste Aetzkalı abwechselnd in der 
Weise hinzu, dass vor dem jedesmaligen neuen Zusatze 
von Jod zuvor vollständige Entfärbung eingetreten ist. Das 
gebildete Jodoform scheidet sich grösstentheils schon wäh- 
rend der Operation in citronengelben Blättchen aus; zu 
seiner vollständigen Abscheidung giesst man die 20fache 
Menge des angewandten Weingeistes an Wasser hinzu, 
sammelt das Ganze auf einem Filter, presst es zwischen 
Fliesspapier und kocht es dann mit Kalilauge (auf 1 Aeg. 
Jodoform 4 Aeq. KO), bis es vollständig in ameisensaures 
Kalı und Jodkalium zersetzt ist. 

Letztere Flüssigkeit wird nun, vereint mit der vom 
Jodoform abhiltrirten, zur Trockne eingedampft, hierauf 
mit etwas Holzkohlenpulver (zur leichteren Zersetzung des 
etwa gebildeten jodsauren Kalis) gemengt und geglüht; die 
geglühte Masse, welche neben Jodkalium noch kohlensaures 
Kalı enthält, wird entweder direct mit Alkohol, oder nach 
vorheriger Neutralisation durch Jodwasserstoffsäure mit 
Wasser ausgezogen. Der eine oder andere Auszug liefert 
nun durch Krystallisation reines Jodkalium. 


10 


AI. Naturgeschichte und Pharma- 
kognosie. 


Naturhistorische Notizen 


von 


Landerer in Athen. 


4) Ueber die Thermen von Gümlick bei Brussa, 


Fünf Stunden von Brussa, wo die so berühmten Ther- 
men Kleinasiens sich befinden, liegt ein kleiner Flecken, 
Gümlick genannt und kaum eine Viertelstunde davon ent- 
fernt sind Thermen, die von den Türken sehr besucht 
werden und sich eines bedeutenden Rufes zu erfreuen 
haben. Dieselben entspringen am Fusse eines aus Kalk- 
tuff bestehenden Berges, der auf Gneis und Glimmer- 
schiefer lagert, sammeln sich zu einem kleinen Bache und 
ergiessen sich in einem zu Gümlick befindlichen Badehause 
in eine Cisterne, die zum Gemeinbade dient, woraus man 
das Wasser in andere Zimmer, in denen sich elende Bade- 
wannen befinden, hinleiten kann. Die Armen, welche zu 
diesen Thermen ihre Zuflucht nehmen, graben sich Gru- 
ben in die Erde, leiten das Wasser hinein, bauen sich 
über denselben aus Holz eine kleine Hütte, die sie mit 
Oleanderzweigen bedecken, um sich gegen die Sonnen- 
hitze zu schützen, und gebrauchen das Wasser Monate 
lang. Aehnliche Vorrichtungen sah ich auch in den Bä- 
dern von Smyrna, wo sich oftmals 30 bis 40 solcher Hüt- 
ten hinter einander gebaut finden, worin die armen Kran- 
ken sich baden. 

Das Thermalwasser von Gümlick besitzt einen sehr 
bittersalzigen Geschmack, entwickelt einen Geruch nach 


Landerer, naturhistorische Notizen. aA 


Schwefelwasserstoffgas und soll eine Wärme von 48° R. 
zeigen. 


2) Ueber die Art und Weise der Cultur und Ver- 
vielfältigung des Oelbaums im Oriente. 

Seit einigen Jahren haben die Gutsbesitzer Griechen- 

lands den Oelbaumpflanzungen und deren Vervielfältigung 


eine grössere Aufmerksamkeit — und das mit vollem 
Rechte — gewidmet, als dies in früheren Jahren gesche- 


hen ist Die Beweggründe dazu sind folgende. Der Oel- 
baum bedarf sehr wenig Pflege, und wenn er jeden Monat 
einmal bewässert wird, so ist das genügend. Die Bear- 
beitung des Bodens, worauf derselbe steht, mittelst des 
Pfluges und wie es sonst für nöthig erachtet wird, ist der 
Saat, die zwischen den Oelbäumen gemacht wird und in 
Gerste besteht, noch mehr zuträglich, und der Ertrag an 
Früchten ist ein Aequivalent für die Auslagen der Boden- 
bearbeitung. Sehr kräftig werden die Oelbäume, wenn 
man um dieselben einen Graben gräbt und in diesen 
Ziegendünger schüttet, welcher durch Hineinleiten von 
Wasser allmalig ausgelaugt wird und den Bäumen sehr 
zuträglich sein soll. 

Die Vermehrung der Oelbäume wird in Griechenland 
auf folgende Weise erziel. Man verschafft sich junge, 
drei- bis sechsjährige Bäumchen des wilden Oelbaums, 
der alle Abhänge der Berge in Form eines sehr strüppi- 
gen Gesträuches überzieht, und die man sich namentlich 
aus der Maina auf billige Weise verschaffen kann, wo ein 
armsdicker wilder Oelbaum etwa 2 bis 3 Kreuzer kostet 
Ist man nun sicher, dass sie gewurzelt haben, was man 
erst nach zwei bis drei Jahren mit Gewissheit sagen kann, 
indem die Pflanze oftmals im ersten Jahre treibt, während 
sie im zweiten oder dritten Jahre austrocknet und zu 
Grunde geht, so werden sie oculirt oder auf die gewöhn- 
‚ liche Art und Weise durch das Reis veredelt. Die geeig- 
neteste Zeit dazu ist der Monat März, die Operation erfor- 
dert jedoch sehr viel Umsicht und Aufmerksamkeit, indem 
sonst über die Hälfte der veredelten Bäume nicht an- 


12 Landerer, 


schlagen. Gewöhnlich jedoch werden die aus den alten 
Wurzelstöcken des edlen Oelbaums — die man oft, wenn 
sie keine Früchte mehr geben, als Brennholz benutzt’ — 
emporwachsenden Bäumchen von der Mutterpflanze ab- 
geschnitten und versetzt; eine solche kräftige Oelbaum- 
wurzel kann acht bis zehn Bäume geben, die man in gutes 
Erdreich versetzt, das man steinfest um den Wurzelknol- 
len, der jedoch nicht eine Wurzelfaser mehr haben darf, 
einstampft und von Zeit zu Zeit, namentlich jedoch im 
Anfange, bis sie Wurzeln geschlagen haben, stark begiesst. 
In Messenien hatten die Türken zur Zeit der Revolution 
alle Oelwaldungen niedergebrannt, nur die Wurzeln blie- 
ben verschont. Aus diesen sind nun viele Tausende jun- 
ger und kräftiger Oelbäume emporgewachsen und ganz 
Messenien ist mit Oelwäldern bedeckt, deren Verkauf nach 
allen Theilen des Landes für die Messenier ein nicht un- 
bedeutender Industriezweig geworden ist. In der Maina 
werden ganze Zweige der Länge nach in die Erde gelegt 
und recht fest gestampft. Diese Ableger, die man Gro- 
daria nennt, schlagen Wurzel, und nach zwei oder drei 
Jahren werden sie in so viele Pflanzen zertheilt, als sie 
Wurzeln getrieben und Zweige entwickelt haben, und so- 
dann versetzt. Ein junger edler, zum Verpflanzen geeig- 
neter Oelbaum kostet etwa 2} bis 3 Drachmen, je nach 
ihrer Dicke, und haben sie die Stärke eines Mannesarmes, 
so kosten sie auch wohl 5 Drachmen, während ein ähn- 
licher wilder Baum mit 30 bis 50 Lepta bezahlt wird. 
Es ist schwer, den wilden vom edlen Oelbaüm zu unter- 
scheiden, und wer nicht viele Praxis hat, kann sicher 
sein, sehr häufig beim Einkaufe betrogen zu werden. Das 
Hauptkennzeichen des edlen Oelbaumes ist das grössere, 
lebhaft grünere Blatt, wenn der Verkäufer dieselben nicht 
abgeschnitten hat, indem das Blatt des wilden um ein 
Bedeutenderes kleiner und mehr graugrün ist. Ebenso 
ist der Stamm des wilden Oelbaums mehr gekrümmt und 
mit weisser Rindenborke bedeckt, was bei dem Stamme 
des edlen Baumes nicht der Fall ist. 


nalturhistorische Nolizen. 43 


3) Weitere Bemerkungen über die Blumen und deren 
Gebrauch bei den alten Griechen. 


Scilla maritima. X des Dioskorides. BoAxınös. — 
Nach Theophrast glaubten die Alten, wie die Blüthezeit 
der Meerzwiebel ausfalle, so geriethen auch die Aussaaten 
des Getreides. Die alten Nieder-Aegypter hielten sie für 
das sicherste Mittel gegen den Typhus, nannten sie das 
Auge des Typhon, eines alten Königs von Aegypten, des 
Bruders von Isis und Osiris, und ihm zu Ehren errichtete 
man zu Pelusium einen Tempel, auf dessen Altan eine 
Meerzwiebel stand. Pythagoras lernte ihren Gebrauch 
in Aegypten kennen und soll durch dieselbe und den dar- 
aus bereiteten Essig sein Leben auf 170 Jahre verlängert 
haben. 

Olea europaea. “Exal«. — Nach der Mythe brachte Herku- 
les den Oelbaum zuerst aus Taurien, damit er am Saronischen 
Meerbusen sich seine Keule davon schneiden könne. Her- 
kules, der die Olympischen Spiele einsetzte, ordnete auch 
an, dass man vom Oelbaum für die Sieger die Kränze neh- 
men solle. Die Göttin Minerva pflanzte ihn in ihrem Tempel 
zu Athen und dann weiter über ganz Griechenland und 
seine Colonien. Athene war gleich der Demeter kundig 
in der Wahl des Bodens; denn sie pflanzte den Oelbaum 
in Attika, wo er auf dem kalkmergeligen Boden ziemlich 
gut gedeiht, während Demeter das Getreide in den Eleu- 
sinischen Gefilden und in Böotien zu pflanzen lehrte, wes- 
halb auch Böotien und Theben, ihrer Fruchtbarkeit wegen, 
die Kornkammern des Landes genannt wurden. Der zehnte 
Theil des Ertrages der Oelbäume von Athen wurde für 
den Schatz der Göttin eingesammelt, auch hatte sie noch 
eigene mit Oelbäumen bepflanzte und mit Hecken um- 
gebene Grundstücke, die verpachtet wurden; das Pacht- 
geld verwendeten die Priester zur Unterhaltung des Dien- 
stes der Göltin. 

Die Hellenen rechneten den Oelbaum auf der Akro- 
polis zu Athen und den zu Delos zu den ältesten Gewäch- 
sen der Vorzeit. Auch das Holz dieses heiligen Baumes 


1% Landerer, 


ward sehr geachlet; aus demselben schnitten die Alten 
Bilder der Gottheiten, auch die eherne Axt, welche Mene- 
laus dem getödteten Pisander abnahm, und die, welche 
Ulysses von der Kalypso erhielt, hatten Stiele von künst- 
lich gearbeitetem, feingeglättetem Olivenholze. Die Oel- 
baumzweige waren schon in den ältesten Zeiten das Zei- 
chen des Friedens. 


Carica sativa. und. Feigenbaum. — Als die Deme- 
ter nach Hellas kam, empfing sie Phytalos in seinem Hause 
gastfreundlich und erhielt dafür von der Göttin die Pflanze 
des edlen Feigenbaums. Von dieser wurde der Feigenbaum 
nun,wie der Oelbaum von der Athene, über ganz Griechenland 
verbreitet und hiess vorzugsweise der heilige Baum, da 
vorher die Menschen sich nur von Eicheln ernährt haben 
sollen. Die Feige hatte bei den Alten eine heilige, mysti- 
sche Bedeutung, sie war Symbol der Fruchtbarkeit und 
Fortpflanzung. 

Die vorzüglichsten Feigen Griechenlands waren in 
Attika. Sie wurden so sehr geschätzt, dass ihre Ausfuhr 
streng verboten war und Wächter (?), die man Sykophan- 
ten nannte, darüber gesetzt waren. 


Morus alba et nigra. Zuxapıyta. — Der Maulbeerbaum 
war bei den Alten das Symbol der Klugheit, weil er im 
Frühjahre spät zu treiben anfängt, wo keine Kälte mehr 
zu befürchten ist. Der Peloponnes soll unter den letzten 
Kaisern von Constanlinopel wegen seiner Aehnlichkeit mit 
dem Blatte des Maulbeerbaumes von dem Namen des 
Baurnes Mope& den Namen Morea erhalten haben. 


Citrus Aurantium — Die Früchte der Hesperiden, 
die man auch die goldenen Früchte oder goldenen Aepfel 
(XpusöpnAe) nannte, wurden nach der Mythe durch Her- 
kules nach Griechenland gebracht. Sie wurden nach Athe- 
näus von den Alten mit Wein gegen Schlangengift genossen 
und damit die zu dieser Todesart Verurtheilten gerettet. 
In den ältesten Zeiten nannte man den Citrusapfel den Medi- 
schen, später den Assyrischen Apfel, und zuletzt Kıtrion, 
woraus Citron gebildet wurde. In Deutschland hiess er 


naturhistorische Notizen. 15 


Judenapfel, weil ihn die Juden zum Laubhüttenfeste be- 
nutzten und theuer erkauften, 

Der Mandelbaum, ’ Auuyöarde, war bei den Alten Sinn- 
bild der Thätigkeit, weil er so früh blüht, im Gegensatze 
zum Maulbeerbaum, der klug wartet, bis alle Fröste vor- 
über sind. 

Punica granatum. “Poa,“Poör«. — Die Blüthen, Balaustae, 
sind ein Geschenk der feurigen Liebe. Der Granatapfel 
war der Proserpina geheiligt und entstanden aus einem 
Blutstropfen. Er war bei den Alten das Symbol der 
Fruchtbarkeit und gehörte zu ihren Mysterien. 

Pyrus communıs sylvestris. ’ Aypas Dioscorides, ’Arıdıd 
und ’AyAaöı heut zu Tage. — Plutarch berichtet, dass an 
gewissen Festen der Argiver die Knaben Ballachraden 
(Birnschüttler) genannt wurden, wahrscheinlich zur Erin- 
nerung daran, dass die unter Inachos in den Peloponnes ein- 
gewanderten Hellenen dort die ersten wilden Birnen fan- 
den, nach welcher das Land Apia, später Achras, d. ı. das 
Land der wilden Birnen, genannt wurde. 

Juglans regia. Kapva. — Der Nussbaum war gleich 
allen eicheltragenden Bäumen dem Zeus heilig, seine Frucht 
wurde im Alterthum die Euböische Nuss (Kapvov ’ Eußoixsv) 
genannt, und es scheint demnach, dass derselbe zuerst 
ın Euböa cultivirt wurde (Theophrast). In dem Augen- 
blicke. wo die Braut in das hochzeitliche Gemach ein- 
geführt wurde, streueten die Hellenen Nüsse unter die Gäste 
und Kinder, damit Zeus dem neuvermählten Paare Frucht- 
barkeit schenken möge, und diese Sitte hat sich noch bis 
auf den heutigen Tag erhalten. Weil dieselben beim Hin- 
werfen auf den Boden zurückprallten und wieder auf- 
sprangen, galten sie auch für ein Zeichen der Munterkeit. 
Die Lacedämonischen Jungfrauen feierten zur Zeit der 
Einsammlung der Nüsse ein Fest, Karya genannt, zu Ehren 
der Artemis Karyatis. 

Laurus nobilis. Adgvn. — Der Lorberbaum war dem 
Apollo geheiligt. Er war Symbol des Ruhmes und des 
Verdienstes (Baccalaureus); ein Lorberkranz schmückte 
den Sieger zu Delphi; denn die Delphier sagten, dass der 


16 Landerer, 


älteste Tempel des Orakels des Apollo von einem Lor- 
berbaume gemacht worden ‚sei, dessen Zweige man aus 
dem Thale Tempe geholt habe. Auch die Priester des 
Apollo trugen Lorberkränze. Die Pythia zu Delphi käuete 
Lorberen, ehe sie sich auf den mit Lorberzweigen 
umwundenen Dreifuss setzte, und diese Prophezeiung 
nannte man Lauromantia. Um prophetische Träume zu 
haben, legten die Alten Lorberblätter unter das Kopf- 
kissen, und ebenso glaubte man, dass der Lorberbaum 
gegen den Blitz schütze. 

Pinus. Iltrus Dioscorid. ’EX&rn, P. picea. — Sämmt- 
liche Kiefern waren wegen ihres Harzgehaltes dem Dio- 
nysos gewidmet, namentlich jedoch die Pinie, weil sie 
die schönsten Zapfen trägt. Die Thyrsusstäbe seines Ge- 
folges hatten daher an der Spitze einen Pinienzapfen. 

Platanus orientalis. Ilaravos Dioscorid. — Pausanias 
zahlt die Platane zu den ältesten Gewächsen, aus grauer 
Vorzeit stammend. Er erwähnt der Platane, Menelais ge- 
nannt, die von Menelaus an einer Quelle bei der Stadt 
Kaphya gepflanzt sein soll, als er sein Heer gegen Troja 
sandte. Von der Platane, die an der Quelle unweit Aga- 
memnons Zelte bei Aulis stand, deren Homer in der Iliade 
gedenkt, wurde das noch übrige Holz im Tempel der 
Artemis bei Aulis aufbewahrt. 

Cypressus. Kurdpissos.. — Dieser düstere Baum, der 
im Oriente die Ruhestätten der Geschiedenen beschattet, 
war dem Pluto geheiligl. Aus seinem unverwüstlichen 
Holze wurden in Aegypten die Mumiensärge gefertigt. 
Amor hatte Pfeile aus Cypressenholz, auch wurden daraus 
Götterbilder geschnitzt. 

Myrtus. Mopsivn. — Als Aphrodite dem Schaum der 
Wogen entstiegen war, suchte sie sich zu verstecken, und 
das nächste Gebüsch, unter dem sich die schönste der 
Göttinnen barg, war ein Myrtenstrauch, und deshalb war 
derselbe der Aphrodite geheiligt. 

Viteo Agnus Castus. “Ayyöos. — Nach Pausanias hiel- 
ten die Hellenen den Keuschbaum, welcher in dem Hera- 
Tempel der Samier zu den Füssen der Göttin stand, unter 


nalurhistorische Notizen. 47 


dem sie geboren worden war, für das älteste der Ge- 
wächse, das wohl erhalten und grünend aus der Vorzeit 
übrig geblieben war. In Athen bestreueten die Frauen bei 
den Thesmophorien ihre Sitze und Betten mit den Blättern. 


Anagyrıs foetida. ' Avayopıs Dioscorid. — Die zerrie- 
benen Blätter geben einen fast unerträglichen Gestank von 
sich. Die Alten sagten daher bei Aufregung von unan- 
genehmen und verdriesslichen Sachen: »Die Anagyris 
schütteln.« 


Rosmarinus offieinalis. Aıßavotis. — Olibanum-Pllanze, 
so genannt wegen ihrer Aehnlichkeit im Geruch mit dem 
wirklichen Olıbanum. Die Römer nannten sie Rosmarınus 
von Ros maris, Ros terrae, weil er auf kahlen Hügeln 
und am dürren und steinichten Ufer des Meeres vorkommt. 
Sie pflegten denselben in ihren Gärten zu Kränzen und 
für die Bienen, und Horatius sagt: »Coronans marino rore 
Deos«. Auch bei denalten Hellenen wurde derselbe zum 
Flechten von Kränzen gebraucht und deshalb A:ßavwrks 
stegavop.arıyı, Rosmarınum Coronarıa genannt, Die mit dem 
Flechten der Kränze sich beschäftigenden Leute hiessen 


Irepavwrköxot, 


Diese Notizen schliesse ich mit der Bedeutung des 
Crocus bei den Alten, Kpöxos des Dioscorides: Die 
Abstammung ist sehr ungewiss, scheint jedoch von 
den dreitheiligen Narben der Kpoxtöss, von Kpöxn, Flocke 
— Folium — abzustammen; auch glaubt man, der 
Name sei demselben wegen der gelben Farbe des Eies 
’Qo5 xpöxos, gegeben. Diese Pflanze war der Ceres und den 
Eumeniden geheiligt. Safran in Wein oder in Wasser 
aufgelöst wurde wegen seines Wohlgeruches im Theater 
und an andern Orten, auch auf den Scheiterhaufen bei 
dem Opfer, welches man der Gottheit brachte, umher- 
gesprengt. Als Nero von Achaja nach Rom zurückkehrte, 
wurden die Strassen, durch welche er seinen Einzug hielt, 
damit besprengt. Die Farbe des Safrans war zu den 
Zeiten der Kaiser auch Staatsfarbe und die Priester der 
Cybele trugen safrangelbe Kleider. 

Arch. d. Pharm. CXXVII. Bds. 1. Hft. 2 


18 Landerer, naturhistorssche Notizen. 


Calamus Arundo. Karapos, von Karas Apäasdaı, leicht 
zu sammeln, ist in der Beziehung interessant, als die 
Schäfte dieses Rohres zur Hirtenpfeife verwandt wurden, 
und deshalb erhielt dasselbe den Beinamen ’AvAntıxds ; 
denn die Flöte der Alten bestand aus ineinander gesteck- 
ten Schäften dieses Rohres. Die Alten pflegten dasselbe 
seiner grossen Nützlichkeit wegen mit vieler Sorgfalt und 
unterschieden, je nach dem Gebrauch, der davon gemacht 
wurde, mehre Arten: KaAapos Adyvat und Karanos Dpaypiens. 
Die erstere — Donax — erhielt diesen sehr bezeichnen- 
den Beinamen von öovw, hin und her bewegen, weil 
dasselbe leicht vom Winde bewegt wird; die zweite — 
— Phragmites — zum Zaune dienlich, wegen des allge- 
meinen Gebrauches zum Umzäunen der Gärten u.s. w.; 
eine Art führte den Beinamen Charakias, wegen ihrer 
Benutzung zu Pfählen u. s. w. 


19 


Kill. Monatsbericht. 


Ueber einige Ursachen des Misslingens der photo- 
graphischen Operationen. 


Bei der grössten Vorsicht, die man bei Darstellung 
der Silbersalze anwendet, geschieht es leicht, dass nicht 
alle Einflüsse des Lichtes und reducirend wirkender Mate- 
rien, so wie die des Schwefelwasserstoffs und überhaupt 
Wasserstoff enthaltender Stoffe abgehalten werden. In 
die Hände des Photographen kommt das Silbersalz in 
einem schon etwas durch Reductionen modificirten Zu- 
stande. Die Folge davon ist, dass nun auch die Bilder 
nicht recht scharf ausfallen, sie werden ungleich, bekom- 
men ein verschleiertes Ansehen, und besonders fällt das 
positive Bild nicht gut mehr aus. 

Es giebt viele-Körper, welche bei vollkommenster 
Dunkelheit Jodsilber, Bromsilber und Chlorsilber reduciren, 
wenn auch in viel geringerem Grade, als es das Licht 
thut. Die Wirkung solcher Substanzen erstreckt sich an- 
fangs nur auf die Oberfläche, und daher bleibt die Schicht 
unter derselben noch eine Zeitlang fähig, in der Camera 
obscura ein schwaches Bild zu geben, allein ein solches 
Bild genügt den Ansprüchen nicht mehr. 

Es kommt daher Alles darauf an, solche Substanzen 
vollständig abzuhalten, und daher vor Allem diese zu 
kennen. Es haben besonders Terpentinöl, Schwefelwasser- 
stoff, in Zersetzung begriffene organische Materien der- 
gleichen Wirkungen, manche in so hohem Grade, dass die 
mit einigen Tropfen der Lösung von Silbersalpeter versetzte 
Gallussäurelösung sich sogleich mit einer Metallhaut von 
reducirtem Silber überzieht. 

Als _Schutzmittel gegen solche Einflüsse empfiehlt. 
Bertsch, in dem Raume, in dem man solchen schädlichen 
Einflüssen ausgesetzt ist, etwas Chlor zu entwickeln. 
( Compt. rend. T. 37. — Chem.-pharm. Centrbl. 1853. ei 44.) 


J* 


20 Specifisches Gewicht des Selens. 


Ueber das Verhältniss zwischen Atomgewicht der ein- 
fachen Körper und ihrer specifischen Wärme. 


Das Verhältniss, in welchem «einerseits die specifische 
Wärme der einfachen Körper zu der des Wassers und 
andererseits das Atomgewicht der einfachen Körper zu 
dem des Wassers steht, wenn man das Atomgewicht des 
Wassers durch die Anzahl der darin enthaltenen Atome 
dividirt, giebt eine neue Bestätigung für die Hypothese, 
dass die Gase in einem gleichen Volum eine gleiche An- 
zahl von Atomen enthalten. 

Denn wenn das Wasser nicht aus A At. Sauerstoff 
und 2 At. Wasserstoff, sondern aus # At. Sauerstoff und 
A At. Wasserstoff bestände, so würde sein mittleres Atom- 


gewicht nicht m — 37,5, sondern 153 — 56,95 sein. Diese 
letztere Zahl steht in keinem besondern Zusammenhange 
mehr mit den specifischen Wärmen. 

Ebenso verhält es sich mit dem Chlor. Wenn das 
Chlorbaryum nicht Rcl? ist, sondern RC] wäre, so steht 
auch hier das mittlere Atomgewicht nicht mehr mit der 
spec. Wärme im Zusammenhange. Ebenso verhält es sich mit 
den Chloriden R: cl’, oder in gewöhnlicher Formel R? Cl. 

Demnach hält es Granier für erwiesen, dass gleiche 
Volumina der Gase bei gleicher Temperatur und unter 
gleichem Drucke eine gleiche Anzahl von Atomen ein- 
schliessen. 

Granier hält es für am besten, die frühere Schreib- 
art in Atomen wieder allgemein einzuführen, da man aus 
der in Aequivalenten geschriebenen Formel nicht zum 
mittleren Atomgewichte gelangt. Man sollte, meint er, 
überhaupt die Zahlen, die man jetzt willkührlich bald 
oben hald unten an die Symbole anhängt, wie z.B. SO, 
und SO®, wobei es zufallıg dasselbe ist, ob man die For- 
meln Atome oder Aequivalente bedeuten lässt, durch eine 
Uebereinkunft dahin bestimmen, dass sie in dem einen 
Falle nur Atome, in dem andern nur Aequivalente bedeu- 
ten. (Compt. rend. T.37. — Chem -pharm. Centrbl. 1853. 
No. 42) B. 


Ueber das specifische Gewicht des Selens. 


Aus den sehr umfassenden Versuchen von F. G. 
Schaffgotsch geht hervor, dass 

1) das Selen bei 16° R. zwei verschiedene specifische 
Gewichte hat; das spec. Gew. von 4,282 gehört dem amor- 
phen, glasigen, das grössere 4,801 dem krystallinischen, 


Amorphismus und Polymorphismus des Schwefels. 21 


körnigen Zustande an. 


Beide Zustände lassen sich nach 


Willkür hervorrufen und ineinander umwandeln, je nach- 
dem man rasch oder langsam erkalten lässt. 

2) Das blutrothe, flockige, kalt gefällte Selen (Selen- 
blut) hat die Dichtigkeit des amorphen, mag es nun durch 
die Wärme sein scheinbares Volumen und seine Farbe 


geändert haben oder nicht. 


p. 66—82.) 


(Poggd. Annal. 1855. No. 


9. 
Mr. 


Amorphismus und Polymorphismus des Schwefels. 


Nach Brame lassen sıch die Verschiedenheiten des 
Schwefels in folgender Weise mit den beiden Krystall- 
formen desselben vereinigen. 


4) Farbe: 


2) Consistenz : 
3) Dichte: 


4) Verdunstung: 


Erstarrungspunct 


3) 
6) 


Rhombenokta@der von 
1010,47% 

Farblos oder gelb, 
transparent od. opak. 
Hart, zerreiblich. 
2,07. 


Keine. 


110 — 113° 


Wirkung der Tem-|Macht ihn opak ohne 


peratur über 100°|Aenderung der Dichte. 


Einwirkung des 
Lichtes: 
Contraction: 
Mechanische Wir- 
kung: 
Metamorphose: 
Dürch die Meta- 
imorphose erzeugte 
Wärme: 


7) 


8) 
3) 


10) 
11) 


Keine. 


Unmerklich. 
Keine. 


Keine. 


Keine. 


Schiefes, monoklinisches 
Prisma. 


Gelb, honiggelb, braun, 


Weich, biegsam. 

Minimum 1,933, Maximum 
1,9820. 

Giebt silberschwärzende 
Dämpfe, die sich auf 
einer Glasplatte zu Bla- 
sen u. Oktaedern ver- 
dichten lassen. 

110 — 104 und darunter. 

Aendert die Dichte u. die 
Krystallform in dasRhom. 
benoktaeder. Wird opak. 

Wirkt wie die Wärme. 


Vorhanden, variabel. 

Bedingt die Metamorphose 
in d. Rhombenoktaeäder. 

Cytogene Rhombenoktaed. 


12,59 od. 2,57 Wärmeein- 
heiten (nach Mitscherlich). 


42) Flüssige und gas- Kleinere Rhombenok- Rhombenoktaäder. 


förmige Lösungs- 
mittel geben: 
13) Spec. Wärme: 
14) Durch Verbrennen 
entwickelte Wärme 
45) Löslichk. inSchwe- 
felkohlenstoff: 
16) Chemische Wir- 
kung: 


taeder. 


1. 
2200 Calorien 
‘(Favre und 
Vollkommen, 


Keine. 


1,021. 
40 Cal. mehr als der erstere 
Silbermann). 

Bleiben 0,05 Rückstand als 
schiefes Prisına. 
Schwefelquecksilber 
metall. Ansehen, 

schwefel etc. 


von 
Jod- 


22 Amorphismus und Polymorphismus des. Schwefels. 


Alle diese Verschiedenheiten erklärt Brame aus dem 
Vorhandensein des Schlauchzustandes in der prismatischen 
Krystallform. 

Der Schlauch ist ein kleiner Sack, der zum Theil 
noch flüssigen, zum Theil den weichen Schwefel einschliesst, 
der Dämpfe ausgiebt, krystallisirt, und mit der Zeit oder 
durch den Einfluss der Wärme, Lösungsmittel, mecha- 
nischer Wirkungen erhärtet, die Eigenschaft hat, sich braun 
zu färben, indem er Schwefeldämpfe absorbirt, und bei 
gewöhnlicher Temperatur die Dämpfe von Jod und Queck- 
silber zu absorbiren. 

Daher kommt die braune Farbe der Nadeln oder 
schiefen Prismen. Die geringere Dichte derselben von 
1,932 — 1,982, die sich mehr oder weniger, je nach dem 
Zustande der Metamorphose der Schläuche abändert, das 
Ausgeben von Dampf bei gewöhnlicher Temperatur, die 
Erniedrigung des Schmelzpunctes, die Wirkung der Wärme 
unter 100°, die Wirkung des Lichtes, der Contraction der 
Prismen, die in den Schläuchen in Rhombenoktaedern 
krystallisiren, erklären das Freiwerden der Wärme bei 
der Krystallisation; die höhere specifische Wärme, die 
grössere Wärme, die er beim Verbrennen giebt und welche 
dieselbe ist, wie die vom weichen Schwefel, erklären die 
Metamorphose zu Rhombenoktaädern durch eine grössere 
oder geringere Menge Lösungsmittel. 

Die Unlöslichkeit der äusseren Hülle der Prismen im 
Schwefelkohlenstoffe bei gewöhnlicher Temperatur soll 
sich daraus erklären lassen, dass sich aussen utriculäre 
Hülsen condensirt und zusammengefügt haben, während 
die innere Masse, woselbst die Hüllen nicht aneinander 
kleben, gelöst wird. Die prismatische Gestalt ist überhaupt 
der Wirkung eines Ueberschusses vom Lösungsmittel zu- 
zuschreiben. Endlich sind die chemischen Wirkungen des 
säulenförmig krystallisirenden Schwefels dieselben, wie 
die des unversehrten akrystallinischen Schlauches. Im 
Gegensatze zu voriger Form des Schwefels hat der in 
Rhombenoktaedern krystallisirte Schwefel dieselben Eigen- 
schaften, wie der Schlauch oder Utrikel, nachdem er in 
Krystalle überging; überdies entstehen aus dem Utrikel 
nur Rhombenoktaäder. 

Nach Brame’s Meinung sei hiermit der allotropische 
und isomere Zustand des schiefen Prismas erklart, deren 
Erscheinung mit der Condensation von weissem oder gel- 
bem Schwefeldampfe und deren Uebergang in den utri- 
culären Zustand zusammenfällt. 

Brame glaubt, dass seine Untersuchungen unter 


Beiträge zur Aerographie. 23 


Anderem auch die Bedeutung der endlich hervortretenden 
und bleibenden Krystallgestalten, so wie sie Hauy be- 
‘gründete, erkennen lassen, wofür auch die ungleiche Lei- 
tungsfähigkeit in der Richtung der Axen eines. Krystalles, 
wie deSenarmont nachwies, spricht. Die Krystallform 
steht mit einer grossen Anzahl chemischer und physika- 
lischer Eigenschaften im engsten Zusammenhange. Die 
Krystallform gehört zu den eine Art chemisch und phy- 
sikalisch charakterisirenden Merkmalen, wie Chevreul 
sie ansieht. So ist die Form, die den Schwefel als Species 
charakterisirt, das Rhombenoktaeder; das schiefe Prisma 
desselben ist keine Species, denn es erklären sich aus 
dieser Gestalt nur specielle Eigenschaften; der darin 
schlauchförmig vorhandene Schwefel soll dann in einem 
gewissermaassen latenten Zustande, der der latenten Wärme 
entspricht, vorhanden sein. (Compt. rend. 7.37. — Chem.- 
pharm. Centrbl. 1853. No. 44.) B. 


Beiträge zur A&drographie. 

Herr Dr. Friedemann in München hat wie Jeder, 
der sich mit Aufzeichnung der Wolkengestaltung beschäf- 
tigt, gefühlt, dass die wenigen Howard’schen Bezeichnun- 
gen, selbst wenn man sich, wie das meteorologische Institut 
in Preussen, noch der Zahlen 0, A, 2, 3....10, um die 
verschiedenen Grade der Howard’'schen Bezeichnungen 
anzugeben, bedient, doch nur Unvollkommenes leisten und 
dass diese Terminologie bei weitem der in der Botanik 
angewendeten nachsteht. Es schlägt deshalb derselbe 
vor, erst die Himmelszustände im Allgemeinen zu bezeich- 
nen in Coelum serenissimum (C. S.S), serenum [(Ü. S.), 
mixtum, obscuraium, nimbosum und nubilatum. Den Cir- 
rus Howard's theilt er nun ein in Cir. palmıformis, macu- 
losus, gossypiformis und diffusus. Die Haufwolke, Cumulus H., 
zerfällt in Uum. albus und griseus, wodurch ihre grössere 
oder geringere Entfernung von der Erde genau bezeichnet 
wird. Die Lagewolke, Stratus How. theilt Friedemann 
aus gleichem Grunde in griseus und albus, nimmt aber 
auch hier noch eine dritte Form an, den St. coeruleus, 
welcher sich nur am Horizonte Morgens und Abends zeigt 
und dadurch entsteht, dass mehrere Lagewolkenschichten 
sich hintereinander befinden. Er nennt ferner Horizont 
denjenigen Theil, der bis etwa 45° über den Rand hinauf- 
steigt und theilt diesen nach der gewohnten Weise; die 
Scheitelgegend bezeichnet er mit Z. Als Beispiel giebt 
er folgende Beobachtung aus der Nähe von Passing. 


24 Capillar- oder adhäsive Verwandtschaft. 


Den 18. Juli Morgens 4 Uhr: 

Coelum mixtum, Cirrocumulus, Cirr. maculosus, 
Cumulo-stratus coeruleo-griseus. 

C. serenum, Stratus coeruleus in margine superiore rubeolens. 
C. serenum, Str. coeruleus in marg. rubeolens. 

. Horizontum serenum, Str. longus albo-coeruleus. 


C. serenum, Cirr. diffusus, gossypiformis. 

Horiz. serenum, Str. coeruleo-albus. 

Str. coeruleus usque ad eireiter 30 gradus, in marg. super, 
albus; strat. cum coerul., stratus albus. 

S. »C. mixtum, Cumulus coeruleo-albus. 

W. C. serenum in Horiz, Str. griseo-albus. 


( Poggd. Annal. 1853. No.8. p. 591 — 600.) B. 


5 Uhr. 


SZN zRo2nN 


Capillar- oder adhäsive Verwandtschaft *). 


Chevreul hat über Capillar - Verwandtschaft in der 
Akademie zu Paris eine Abhandlung verlesen, wodurch er 
den Einfluss derselben beim Aufbewahren von Stoffen, 
bei der chemischen Analyse und in der Technik nachweist. 

Veranlasst wurde Chevreul zur Aufstellung dieser 
Art der Verwandtschaft durch das Vermögen, mit welchem 
Kohle, die durch Glühen organischer Substanzen mit 
schwefelsaurem Kali entstanden, das Schwefelkalium zurück- 
hält; es kann derselben nämlich das letzte nicht durch 
Wasser, sondern nur durch Salzsäure entzogen werden. 
Er zählt nun zuerst Versuche auf, welche er mit verschie- 
denen Substanzen und einer Lösung von 1,37 Kalk in 
1000 Theilen Wasser angestellt; diese Lösung wurde 
nämlich: 

in 80 Tagen während 13 Jahren 


von Kies aus der Seine auf...1,20 Th. auf 0,66 zurückgebracht 
»\.)grobem Sand... er 1,20 0,66 
„  Ziegelsteinpulver ........ 0,93 „ 0,15 
» künstlicher Puzzolane ....0,26 » 0,13 
„ "natürlicher Z ....0,20 0,13. 


Chevreul überzeugte sich ferner, dass eine Auflösung 
von Kalk beim Aufbewahren in einer Glasflasche schwa- 
cher und Kalk durch das Glas niedergeschlagen werde. 

Eine andere Reihe von Versuchen. wovon er die 
Resultate mittheilt, beziehen sich auf Wolle, Seide und 
Baumwolle und zwar auf die Mengen, welche von diesen 
Stoffen aus den Lösungen von Chlornatrium, Quecksilber- 
chlorid,-Schwefelsäure, Salzsäure, Kalk- und Barytwasser, 


*) Wir wissen zwar schon Vieles von der Verwandtschaft und Zer- 
legung durch Adhäsion, doch scheint mir in diesem Aufsatze 
vieles Neue und Nutzbare enthalten. Mr. 


Chlormagnesium. — Bereitung der reinen Magnesia. 25 


Alaun, salpetersaurem Baryt, salpetersaurem Bleioxyd und 
Kaliumeisencyanür aufgenommen werden. Hierbei zeigten 
sich folgende drei Verschiedenheiten: A) das Verhältniss 
zwischen dem aufgelösten Körper und dem Wasser bleibt 
unverändert; 2) der Faserstoff nimmt mehr vom Wasser 
oder 3) mehr von dem aufgelösten Stoffe auf. Abhängig 
ist die Aufnahme von der Concentration der Flüssigkeit, 
von der Temperatur und von der Dauer der Berührung. 
Hierauf beruht es auch, dass manchen Faserstoffen die 
aufgenommene Substanz, man mag noch so lange waschen, 
nie ganz entzogen werden kann, und dass beim Filtriren 
durch Papier Verluste und Zersetzungen entstehen können, 
je nachdem ein oder der andere Bestandtheil mehr ange- 
zogen wird. ‘Dass der Alaun sich unzersetzt auf die Pflan- 
zenfaser niederschlägt, hat Chexwreul wie schon früher 
Thenard aufgefunden. Als ein Beispiel, dass in einzelnen 
Fällen nur Wasser aufgenommen werde, führt Chevreul 
an, dass in einer Lösung von Chlornatrium in Wasser, in 
welches Sehnen eingelegt wurden, sich Kochsalzkrystalle 
bildeten. ( Compt. rend. T.36. p.981—987. — Polyt. Centrbl. 
1853. No. 15. p. 932— 936.) Mr. 


Chlormagnesium. 


Wenn ‘man Chlormagnesium eine Viertelstunde roth- 
glühen lässt, so enthält es immer noch Chlor. Dunstet 
man die Lösung des Salzes ein, so fangt das Salz an sich 
zu zersetzen, sobald so viel Wasser verschwindet, als die 
Formel MgCl + 6HO fordert. Will man dieses Hydrat 
erhalten, so hält man nach Casaseca mit dem Abdam- 
pfen ein, sobald die aufsteigenden Wasserdämpfe anfangen 
das Lackmus zu röthen. Man erwärmt nun eine Silber- 
schale, giesst das Salz hinein und dreht die Schale in 
kaltem Wasser nach allen Seiten, bis das Salz sich überall 
gleich dick anlegt. So kann man es in zusammenhängen- 
den Stücken durch einen Stoss auf die umgestürzte Schale 
herausbringen. Zertheilt man es dagegen, indem die Schale 
auf dem Wasserbade bleibt, mit einem Silberspatel, so 
erhält man es pulverförmig. ( Compt. rend. T.37. — Chem.- 
pharm. Centrbl. 1853. No. 46.) B. 


Bereitung der reinen Magnesia. 


Es giebt nach Henry Wartz Meinung wenige Sub- 
stanzen, deren Bereitung mehr Schwierigkeiten darbietet, 
als die der reinen Magnesia. Man sollte denken, dass die 


26 ‚Bereitung der reinen Magnesia. 


gewöhnliche Reinheit der schwefelsauren Magnesia, welche 
man in grosser Menge im Handel findet, das Problem 
erleichterte. Aber dem ist nicht so, weil man bis jetzt 
noch kein einfaches Mittel gefunden hat, um die reine 
Magnesia aus diesem Sulfat zu gewinnen. Gewöhnlich 
schlagt man die heisse Losung durch kohlensaures Natron 
nieder, und glüht den erhaltenen Niederschlag, um die 
Kohlensäure auszutreiben. Aber die kohlensaure Magnesia 
reisst immer im Moment der Fällung eine gewisse Menge 
kohlensaures Natron mit nieder, wovon sie durch Aussüs- 
sen nicht vollständig befreit werden kann. 

Ein zweiter Uebelstand dieses Verfahrens besteht 
darin, dass man das kohlensaure Natron in chemisch rei- 
nem Zustande verwenden muss. Denn wenn dieses Salz 
Kieselerde, Phosphorsäure und die übrigen Verunreini- 
gungen der käuflichen Soda enthielte, so würden diese 
verschiedenen Substanzen in dem erhaltenen Producte sich 
wiederfinden. 

Die neue Methode von Henry Wartz besteht darin, 
die reine Magnesia aus dem Nitrat zu gewinnen, welches 
man erhält, wenn man die gewöhnliche kohlensaure Mag- 
nesia mit käuflicher Salpetersäure behandelt. 

Die käufliche kohlensaure Magnesia (doch wohl nur 
die englische?) enthält nach Wartz nebenbei schwefel- 
saure Magnesia, Chlormagnium, eine sehr grosse Menge 
Kieselerde, Spuren von Phosphorsäure, Eisenoxyd, Thon- 
erde, Kalk, Alkalien und organische Materie. 

Dieses unreine Carbonat mischt man mit so viel kauf- 
licher Salpetersäure, dass letztere nicht hinreicht um Alles 
aufzulösen. Filtrirt man alsdann, so bleibt auf dem Filter, 
ausser dem überschüssigen Magnesiacarbonat, alles Eisen- 
oxyd, alle Thon- und Kieselerde. Die Lösung enthält sal- 
petersaure Talkerde, gemischt mit einer geringen (Quantität 
Sulfat und Chlorür derselben Base, salpetersauren Kalk 
und eine organische Materie, welcher sie ihre Färbung 
verdankt. 

Die hauptsächlichste Schwierigkeit besteht darin, den 
Kalk aus dieser Flüssigkeit zu trennen. Dies geschieht 
milteist ein wenig Magniasulfat und einer gewissen Menge 
Alkohol. Man fügt diese beiden Substanzen zu der Lösung 
und überlässt sie einige Augenblicke der Ruhe. Der 
schwefelsaure Kalk ist bekanntlich in weingeisthaltigem 
Wasser fast unlöslich; er schlagt sich langsam in krystal- 
linischem Zustande nieder. 

Die kalkfreie Flüssigkeit verdampft man in einer Por- 
cellanschale, und trägı die trockne Masse in einen Platin- 


Chemische Verbindungen des Kupfers mit dem Zinn. 27 


tiegel ein, worin man sie einer sorgsamen Calcination 
unterwirft. Sobald sich keine rothen Dampfe mehr ent- 
wickeln, ist alle Salpetersäure ausgetrieben; man steigert 
die Temperatur alsdann bis zum Rothglühen und erhält 
sie einige Minuten darin. Die geglühte Masse wäscht man 
nach dem Erkalten mit destilliriem Wasser, um die Alkali- 
salze und die kleine Menge Magnesiasulfat. welche sie 
noch entbält, daraus zu entfernen, und erhält so reine 
Magnesia. (Journ. de Pharm. et de Chim. Sepi. 1853.) 

A. 0. 


Chemische Verbirdungen des Kupfers mit dem Zinn. 


Nach Rieffel giebt es mindestens sieben chemische 
Verbindungen zwischen Zinn und Kupfer, und dem Gesetze 
zufolge, welches sich ın deren chemischen Zusammen- 
setzung zeigt, ist die Zahl derselben noch viel grösser. 

No. 1. und 2. ist fast zinnweiss, 3. eisengrau, & gold- 
gelb, 5 morgenroth, 6. rosafarben-gelblich, 7. rosenroth: 

In 100 Theilen: 
41) CuSn?® 1,11 Kupfer 98,89 Zinn 


9) CuSn?® 2,19 97,81 
3) Cu Sn 34,98 65,02 
4) SnCu2® 92,81 7,19 
5) SnCu?!S 96,27 3,73 
6) SnCu’? 97,48 ; 2,52 
7) SnCu?® 98,10 1,90. 


Die Verbindung CuSn hat das Merkwürdige, dass 
darin die Eigenschaften der beiden Metalle fast vollkom- 
men neutralisirt sind, bis etwa darauf, dass die Legirung 
noch die Farbe des Zinns und die Eigenschaft des Kupfers 
hat, im flüssigen Zustande specifisch schwerer zu sein, 
wie im festen. Sie krystallisirt in grossen Blättern und 
schmilzt bei 100°, ist hart und zähe. 

Die erste Gruppe von Verbindungen, in deren Formeln 
das Kupfer vorn steht, CuSnx steht in ihren Eigenschaften 
dem Zinn näher, CuSn?* und CuSn‘*® krystallisiren beide 
in Nadeln, die von verschiedenen Mittelpuncten ausgehen, 
die Nadeln von CuSn:*sind grösser, als dıe vom anderen. 

Die zweite Gruppe von Verbindungen, in deren For- 
meln das Zinn vorangesetzt ist, SnCux, nähert sich in 
ihren Eigenschaften mehr dem Kupfer, dieses drückt den 
Legirungen den Charakter auf. SnCu?* schmilzt bei 900 
bis 4000°. Alle sind im flüssigen Zustande dichter, wie 
im krystallisirten, sind sehr zahe, ofı mehr als reines 
Kupfer, die Dehnbarkeit geht umgekehrt, der Härte pro- 
portional, und schien bei SnCu°® grösser zu sein, als 


28 Reaction auf Molybdänsäure. 


beim Kupfer. Es hält schwer, diese Verbindungen in rei- 
nem Zustande zu bekommen, man darf die Hitze nicht 
höher steigern, ais zu ihrer Bildung gerade nöthig ist. 
Da nun die Hitzegrade, bei denen die obigen Legirungen 
entstehen, einander sehr nahe liegen und sich immer die- 
jenige Verbindung bildet, die der Hitze gerade entspricht, 
so entstehen oftmals andere Verbindungen als die, welche 
dem Gewichtsverhältnisse der gemischten beiden Metalle 
entspricht. 

Die nicht in chemischen Proportionen zusammenge- 
setzten Legirungen sind einfacher Weise Gemische von 
den beiden proportionirten Verbindungen, zwischen denen 
sie ihrer Mischung nach liegen, wenigstens wenn sie nicht 
überhitzt sind, wodurch der Kupfergehalt immer höher 
wird. Besonders gilt dieses von denen, die hinsichtlich 
ihrer Zusammensetzung zwischen SnCu und SnCu?* lie- 
gen, wozu fast alle die technisch äÄnwendbaren Legirungen 
gehören, worunter einige die bis jetzt unerklärlichen Eigen- 
schaften haben, dass sie 

A) nach dem Aufglühen härter und weniger schmied- 
par sınd, als nach dem Abkühlen in Wasser, umgekehrt 
wie beim Stahl; 

2) im festen Zustande eine grössere Dichte haben, als 
dem arithmetischen Mittel aus den Dichten der Bestand- 
theile ‘entspricht (SnCu* und SnCu?'). Dieses kommt 
nicht von einer eigentlichen Verdichtung der Metalle in 
Folge chemischer Attraclion, ‚sondern daher, dass Sn Cu®, 
indem es krystallisiren und sich in den Poren von Sn Cu?® 
ausdehnen will, ein Hinderniss darin findet, dass diese 
letztere Legirung viel früher erstarrt als sie selbst; 

3) das Maximum der Zunahme an Dichte im festen 
Zusiande bei etwa der Zusammensetzung von 35—36 Zinn 
in 100 Th. der Legirung statt findet, und das Maximum 
der Dichte selbst ein Wenig vor dieser Zusammensetzung, 
welches Maximum dann auch die Dichte des Kupfers selbst 
und somit auch alle Verbindungen SnCux in oben bezeich- 
neter Weise übersteigt. (Compt. rend. T. 37. — Chem.- 
pharm. Centrbl. 1853. No. 44.) B. 


Reaction auf Molybdänsäure. 


Dr. Hirzel hat bemerkt, dass eine Lösung von rei- 
nem Eisenvitriol unter Zufügung von etwas freier Schwefel- 
oder Salzsäure in molybdänsäurehaltigen Flüssigkeiten 
eine kornblumenblaue Färbung hervorbringt, welche meh- 
rere Tage sich erhält. Wolframsäure zeigt diese Reaction 


L) 


Messung hoher Temperaturen durch Platin. 29 


vicht. Diese wird entweder bei Anwendung von Schwefel- 
säure aus ihren Lösungen als weisses Pulver gefällt und 
so der Einwirkung des Reagens ganz entzogen oder die 
Flüssigkeit färbt sich bei Gegenwart von Phosphorsäure 
braungeib, aber nicht blau. 


Das Reagens kann vorräthig gehalten werden, indem 
man 4 Th. Eisenvitriol in 20 Th. Wasser löst und hierauf 
5—8 Th. Schwefelsäure hinzufügt. 


Kleine Quantitäten Salpetersäure oder die Gegenwart 
anderer Säuren hindern die Reaction nicht, sie vermindern 
höchstens ein wenig die Schönheit der Färbung, welche 
bei Concentration der Flüssigkeit auch an Intensität 
zunimmt. (Zeitschr. für Pharm. 1853. No. 2.) R. 


Messung hoher Temperaturen durch Platin. 


Nach J. Wilson verfährt man folgendermaassen: 

Ein gewogenes Stück Platin wird einige Minuten der 
Hitze, die man messen will, ausgesetzt. Man zieht das- 
selbe mit einer rothglühenden Zange heraus und lässt es 
in ein Gefäss fallen, das ein bekanntes (das doppelte) 
Gewicht Wasser enthält, dessen Temperatur man bestimmt 
hat. Aus der Temperaturzunahme des Wassers berechnet 
man die Menge Wärme, die das Platin abgegeben hat. 
{ Cw. Engin. Juli 1852. — Chem.-pharm. Centralbl. 1853. 
No. 49.) B. 


Neues Fiebermittel. 


Dr. Mason Houlton hat kürzlich Parthenium inte- 
grifolium mit vollkommenem Erfolg bei intermittirendem 
Fieber angewandt. Diese Pflanze wächst in grosser Menge 
im Westen und Südwesten der Vereinigten Staaten. Die 
Blüthenspitzen von intensiv bilterem, chininartigem Ge- 
schmack werden als Infusum angewandt: 2 Unzen der- 
selben sind ein therapeutisches Aequivalent für 20 Gran 
schwefelsaures Chinin. (New York Journ. of Pharm.) 

; A. ©. 


1 


30 Oelige Substanz im käuflichen Chloroform, 


Ueber die ölige Substanz im käuflichen Chloroform, 


H. Pemberton in Philadelphia untersuchte, ob bei 
Anwendung von gemeinem Branntwein bei Bereitung des 
Chloroforms Nebenproducte entstehen, deren Bildung ver- 
hütet wird, wenn man statt des Branntweins starken Alko- 
hol anwendet. Pemberton destillirte 23} Pfund aus 
Alkohol bereitetes Chloroform von 1,49 spec. Gewicht, das 
von allem freien Chlor und von Säure befreit war, anfangs 
aus einem Wasserbade, dann aus einem Oelbade. Die 
letzte Fraction, welche im Wasserbade noch überging, 
hatte fast genau dasselbe spec. Gewicht, wie das ursprüng- 
liche Chloroform, aber einen schwachen Geruch nach 
Fuselöl. 

Das Destillat aus dem Oelbade nahm nach und nach 
an spec. Gewichte ab. Das bei 100° übergehende Product 
hatte 1.200 spec. Gewicht und das bei 138° übergehende 
von 0,865. 

Ausserdem destillirtte Pemberton fractionirend grosse 
Quantitäten Chloroform, die aus anderem Alkohol und 
solche, die aus gemeinem käuflichen Branntwein darge- 
stellt waren. 

Das Resultat dieser Behandlung lehrte, dass ein gleich 
gutes Chloroform aus den verschiedenen spirituösen Flüs- 
sigkeiten erhalten wird, dass es also viel bequemer ist, 
zur Bereitung des Chloroforms gemeinen Branntwein an- 
zuwenden, als reinen Alkohol, und dass man leichter das 
bereitete Chloroform von seinen Beimischungen befreit, 
als den Branntwein entfuselt. 

Bei allen Destillationen der verschieden bereiteten 
Chloroforme blieb in der Retorte als Rückstand eine 
geringe Menge Oeles, die sich aus dem Wasserbade nicht 
mehr überdestilliren liess. Man musste nun das Oelbad 
anwenden, und dann ging zuerst ein dem letzten aus dem 
Wasserbade ähnliches Product über, die folgenden Men- 
gen wurden dunkel, fast schwarz, die Dichte nahm auf 
0,985 ab, Geschmack und Geruch änderten sich gleich- 
falls und es blieb in der Retorte ein geringer Rückstand 
von einer schwarzen, wachsähnlichen Substanz, die geruch- 
los war und wie Pech mit dick rauchender Flamme 
brannte. 

In diesem Rückstande des Chloroforms hat Pember- 
ton zwei verschiedene Substanzen von verschiedenem 
Siedepuncte unterscheiden können. Die von geringerem 
spec. Gewichte und niederem Siedepuncte ist eine farb- 
lose klare Flüssigkeit von aromatisch obstartigem Geruche, 


Die Alkaloide der Chinarinden. 31 


etwa wie ein Gemisch von essigsaurem und baldriansau- 
rem Amyl riecht, von stechendem, ätherartigem Geschmacke, 
wie Alkohol brennend, hat 0,840 spec. Gewicht und sie- 
det bei 138°. 

Die zweite Substanz hat den Geruch und Geschmack 
der vorigen Substanz in geringerem Grade, der Siedepunct 
liess sich nicht bestimmen, weil sich die Substanz beim 
Sieden zersetzte. Sie ist mehr ölig, weniger ätherartig, 
als die vorige. 

Bei Behandlung beider Substanzen mit zweifach 
chromsaurem Kali und Schwefelsäure werden sie in ein 
Gemenge von baldriansaurem Amyloxyd und freier Bal- 
driansäure verwandelt, ohne dass eine Bildung von Salz- 
säure oder ein Austreten von Chlor bemerklich wurde, 
die obige Beimischung des Chloroforms ist also offenbar 
ein der Amylreihe angehöriger Körper, der vom Fuselöle 
des Alkohols oder Branntweins herrührt. 

Pemberton hält den Rückstand von Chloroform für 
ein Gemisch von Paramylen und. Metamylen, möglicher- 
weise mit geringen Mengen von Amylen /Pharm. Journ. 
and Transact. V. 12. — Chem.-pharm. Uentrbl. 1353. No. 28.) 

B. 


Ueber die Alkaloide der Chinarinden, 


Wenn man irgend eine Verbindung des Cinchonins 
der Hitze aussetzt, so verwandelt sich das Cinchonin in 
eine neue Base. Pasteur belegt diese mit dem Namen 
Cinchonicin. 

Um das Cinchonicin zu erhalten, muss man gewisse 
Bedingungen einhalten. Erhitzt man die Cinchoninsalze, 
so schmelzen sie, und dann zersetzen sie sich unmittelbar, 
und wenn man das Schmelzen des Cinchonins nicht bei 
einer Temperatur einleitet, die vom Zersetzungspuncte 
hinreichend weit entfernt liegt, so bildet sich zwar Cin- 
chonicin. aber dieses zersetzt sich dann sogleich durch 
tiefere Einwirkung der Hitze. Das gemeine schwelelsaure 
Cinchonin z.B schmilzt erst, zersetzt sich dann und bil- 
det eine schön rothe harzähnliche Masse, welche ein Zer- 
zetzungsproduct des Cinchonieins ist. Fügt man aber zum 
schwefelsauren Salze ein wenig Wasser und etwas Schwe- 
felsäure, bevor man es der Hitze ausseizt, so bleibt das 
Salz, selbst nachdem alles Wasser ausgetrieben ist, ge- 
schmolzen, und zwar bei einer viel niedrigeren Tempera- 
tur. Es genügt dann, das Salz 3—4 Stunden bei 120 
bis 130° zu erhalten, um es ganz und gar in schwefel- 


32 Die Alkaloide der Chinarinden. 


saures Cinchonicin umzuwandeln. Der Körper, der die 
Masse färbt, erzeugt sich in fast unwägbarer Menge. 

Chinicin. Ganz auf dieselbe Weise, wie man aus dem 
Cinchonin das Cinchonicin bekommt (z. B. aus schwefel- 
saurem Cinchonin) erhält man auch aus dem Chinin eine 
neue Base, welche Pasteur dem entsprechend Chini- 
cin nennt. 

Beide neue Basen haben mit den ihnen isomeren, 
aus denen sie entstanden sind, die vollkommenste Analo- 
gie, und mit einander die grösste Aehnlichkeit. Beide 
sınd im Wasser fast unlöslich, leicht löslich in absolutem 
und gemeinem Alkohol. Sie verbinden sich leicht mit 
Kohlensäure und treiben das Ammoniak aus seinen Ver- 
bindungen aus. 

Chinidin und Cinchonidin. Die Widersprüche, die 
man in den Angaben der Chemiker, welche die erste 
dieser Basen untersucht haben, findet, kommen daher, 
dass man zwei verschiedene Basen mit einander verwech- 
selt hat, die in dem Chinidin des Handels fast stets mit 
einander gemengt vorkommen. Das Chinidin, welches 
4833 von Henry und Delondre entdeckt wurde, ist 
eine ganz andere Substanz als die, welche man jetzt, und 
besonders in Deutschland so nennt. 

Für die Base, welche wasserhaltig und mit Chipin 
isomer ist, verwittert, die Polarisationsebene nach Rechts 
ablenkt und eben so wie Chinin auf successiven Zusatz 
von Chlor und Ammoniak eine grüne Färbung annimmt, 
behält Pasteur nur den Namen Chinidin bei. 

Zum Unterschiede von der vorigen Base nennt Pa- 
steur die andere Cinchonidin. Diese ist mit dem Cincho- 
nin isomer, dreht nach Links und färbt sich nicht grün 
bei der oben angegebenen Reaction. Gerade diese Base 
macht die grössere Menge des jetzt käuflichen Chinidins 
aus. Es ist sehr leicht zu erkennen, ob ein Cinchonidin 
mit Chinidin gemengt ist. Man lässt nämlich das Gemenge 
krystallisiren. An warmer Luft verwittern die Krystalle 
des Chinidins sehr bald, werden weiss und matt, wäh- 
rend die Krystalle des Cinchonidins klar bleiben. Eben 
so gut kann man sie natürlich auch durch die Reaction 
mit Chlor und Ammoniak unterscheiden. 

Wenn man Chinidin und Cinchonidin eben so, wie 
beim Chinin und Cinchonin angegeben, einer mässigen 
Hitze aussetzt, so bekommt man auch zwei ihnen isomere 
Basen und, was besonders merkwürdig ist, ganz dieselben 
beiden Basen, die Chinin und Cinchonin geben, namlich 
aus Chinidin das Chinicin und aus Cinchonidin das Cin- 


Die Alkaloide der Chinarinden. 33 


chonicin, so dass also von den vier Basen der Chinarin- 
den: Chinin, Chinidin; Cinchonin, Cinchonidin; die beiden 
ersten sich in gleiches Gewicht Chinicin verwandeln las- 
sen, ein Beweis, dass sie selbst unter einander isomer 
sind, während die beiden letzten sich in gleicher Weise 
in Cinchonicin verwandeln lassen und sich eben so deut- 
lich als unter einander isomere Körper darbieten. 

Die Beziehungen unter den Molecülen dieser sechs 
Alkaloide erscheinen unter einer neuen Gestalt, wenn man 
das Rotationsvermögen derselben ins Auge fasst. Betrachte 
man zuerst die drei isomeren Körper: Chinin, Chinidin, 
Chiniein. Das Chinin dreht nach Rechts, das Chinidin 
nach Links, beide stark. Das Chinicin dreht nach Rechts, 
aber sein Drehungsvermögen ist, verglichen mit dem der 
beiden vorigen Körper gleich. 

Ganz dieselbe Erscheinung findet statt bei Cinchonin, 
Cinchonidin, Cinchonicin. Die beiden ersten drehen stark 
das eine Rechts, das andere Links, das Cinchoniein dreht 
nach Rechts, aber nur schwach. 

Pasteur erklärt diese Erscheinungen nun folgender- 
maassen: Das Molecul des Chinins ist doppelt, besteht 
aus zwei activen Körpern, der eine davon dreht stark 
nach Links, der andere sehr wenig nach Rechts, Dieser 
letztere, unter dem Einflusse der Wärme stabil, wider- 
steht einer isomeren Umwandlung, und indem er ohne 
Veränderung im Chinicin fortbesteht, ertheilt er diesem 
die Eigenschaft, die Polarisationsebene schwach nach 
Rechts zu drehen. Der andere Körper, der im Gegen- 
theile sehr activ ist, wird durch den Einfluss der Wärme 
inactiv, wenn man Chinin erhitzt und dadurch in Chinicin 
verwandelt. Demnach wäre Chinicin nichts anderes als 
Chinin, worin die eine der beiden activein Gruppen inactiv 
geworden ist. 

Das Chinicin ist aber auch ein Chrnidin, worin eine 
der beiden activen Gruppen inactiv wude, nur mit de m 
Unterschiede, dass beim Chinidin jene sehr active Gruppe 
rechts, während sie beim Chinidin links ist; in jedem 
Falle aber ist diese Gruppe mit derselben stabilen und 
wenig nach Rechts activen Gruppen vereinigt, welche im 
Chiniein fortbesteht und demselben seine Fähigkeit, die 
Polarisationsebene schwach nach Rechts zu drehen, 
ertheilt. 

Das Chinoidin ist stets ein Product der Veränderung 
oder Umwandlung der in den Rinden enthaltenen natür- 
lichen Alkaloide Pasteur macht die Chininfabrikanten 
auf diesen Punct besonders aufmerksam. Seine Entstehung 


Arch. d. Pharm. CXXVII. Bds. 1. Hft. 3 


34 Condensation des Nicotins in Pfeifen und Oiyarren. 


hat zwei Bedingungen. Einmal entsteht es, wenn in Ame- 
rika die abgeschälten Rinden der Sonne ausgesetzt, das 
andere Mal bei der Fabrikation des schwefelsauren Chinins. 
Pasteur beobachtete nämlich, dass die Lösung von 
jedem Chinin- und Cinchoninsalze, wenn man sie der 
Sonne aussetzt, bald rothbraun wird. Es bilden sich hier 
wie in der der Sonne ausgesetzten Rinde jene braunen harz- 
artigen Körper, die den grösseren Theil des Chinidins 
ausmachen. Diese Veränderung ist nun überdies dieselbe, 
wie die, welche Chinin und Cinchonin in höherer Tem- 
peratur erleiden. Pasteur ist daher der Meinung, dass 
man aus dem Vaterlande der Chinarinden reichhaltigere 
Rinden bekommen würde, wenn daselbst beim Trocknen di- 
rectes Sonnenlicht abgehalten würde. Ebenso räth derselbe 
dem Fabrikanten, bei allen Operationen, welchen er die Rinde 
unterwirft, den Einfluss des directen Sonnenlichtes zu ver- 
hüten. /Compt. rend. T.37.— Chem.-pharm. Centrbl. 1853. 
No. 39 ) B. 


Condensation des Nicotins in den Pfeifen und Cigarren. 


Jedermann weiss, dass das Ende einer Cigarre einen 
sehr scharfen Geschmack besitzt, eben so der letzte Theil 
des Tabacks in der Pfeife. Malapert misst diesen Ge- 
schmack der stärkeren Anhäufung des Nicotins bei, 
Es ist bekannt, dass das Nicotin beim Brennen des 
Tabacks nicht vollkommen consumirt oder zersetzt wird, 
und dass es in Wasser vollkommen löslich ist. Wenn 
eine Pfeife oder Cigarre anfängt zu brennen, so streicht 
der Rauch durch den übrigen Taback hindurch und lagert 
dort beständig Nicotin ab, und zwar, je nasser das Cigar- 
renende oder der Boden der Pfeife sind, desto mehr. 
Das Nicotin zersetzt sich bei hoher Temperatur; seine 
Mischung mit einem flüchtigen Körper bewahrt es vor der 
Zersetzung, indem er seine Verdunstung begünstigt. Das 
erklärt, warum der Gebrauch des feuchten Tabacks schnel- 
ler belästigt, als der des trocknen. Im ersten Falle wird 
das Nicotin durch den sich bildenden Wasserdampf vor 
der Zersetzung bewahrt und weit von dem Verbrennungs- 
heerde fortgeführt; im zweiten Falle sind die Wasser- 
dämpfe nicht reichlich genug, um das Nicotin vollständig 
der Zersetzung zu entziehen, wenigstens während die 
ersten Portionen des Tabacks verbrannten; ein Theil des 
giftigen Princips ist darin zerstört. Dem zufolge räth Ma- 
lapert den Rauchern: 

A) den zu feuchten Taback nicht zu rauchen; 


Einwirkung gewisser Säuren ete. auforgan. Substanzen. 35 


2) die Pfeife mit einem Recipienten zur Condensation 
des Nicotins zu versehen; 

3) die Pfeife oder Cigarre nur halb zu rauchen, und 
den andern mit Nicotin geschwängerten Theil wegzuwerfen. 
(Bull. de la soc. de med. de Poitiers. — Journ. de Pharm. 
d’Anvers. Juillet 1853.) AO: 


Einwirkung gewisser Säuren, Chloride, Jodide und 
Fluoride auf Terpentinöl, Citronöl, Alkohol, Holzgeist, 
Zucker und andere organische Substanzen. 


Marcellin Berthelot suchte neue Beweise für die 
Ansicht von Dumas und Boullay, dass der Aether 
C:H:,HO sei, beizubringen und glaubt dieselben in der 
Wirkung gewisser neutraler Chloride auf den Alkohol und 
Aether, in der Bildung von Amidbasen bei Einwirkung 
von Salmiak oder jodwasserstoffsaurem Ammoniak auf 
Alkohol und Aether bei hohen Temperaturen und in anderen 
Reactionen gefunden zu haben. Ohne uns weiter in die 
Erwägung der Frage, ob Aethyloxyd oder Aetherinhydrat 
einzulassen, wollen wir Berthelot’s Beobachtungen im 
Auszuge wiedergehen. 


l. Fluorborgas und organische Substanzen. 


Celiulose unter allen ihren Formen, als Baumwolle, 
Leinwand, Papier, Holz wird durch Fluorbor unmittelbar 
geschwärzt. - 

Schiessbaumwolle absorbirt wenig Fluorborgas, 
ohne sich zu farben und ohne seine Fähigkeit zu ver- 
puffen, einzubüssen. Ist ihr noch etwas unveränderte 
Baumwolle beigemengt, sei es nun durch unvollkommene 
Umwandlung der Baumwolle in Pyroxylin, sei es, dass 
man gute Schiessbaumwolle mit unveränderter Baumwolle 
gemengt hat, so verpufft sie schon bei gewöhnlicher Tem- 
peratur, sobald sie mit Fluorborgas in Berührung kommt. 

Stärkemehl so wie Gummi absorbiren das Fluor- 
borgas bei gewöhnlicher Temperatur langsam und zer- 
fliessen, ohne sich zu schwärzen. 

Zucker absorbiri bei gewöhnlicher Temperatur kein 
Fluorborgas, schwärzt sich auch nicht, beim Erwärmen 
jedoch verschluckt er dasselbe und schwärzt sich. 

Weinsäure bei 400° C. 8 bis 10 Stunden lang mit 
Fluorborgas erhitzi, verliert ihr Rotationsvermögen nicht. 

Ein Gemenge aus Buttersäure und Alkohol wird 
durch Fluorborgas in Buttersäureäther umgewandelt. 


3* 


36 Einwirkung gewisser Säuren ele. auforgan. Substanzen. 


Benzin absorbirt selbst beim Sieden kein Fluorborgas. 

Terpentinöl absorbirt bei 20°C 6 bis 8 Proc. 
seines Gewichts Fluorborgas, färbt sich selbst bei Abschluss 
der Luft roth, verdickt sıch und nimmt den Geruch des 
Terebens an. Bringt man in einer geräumigen Probe- 
röhre 4 Vol. Terpentinöl und ? Vol. Fluorborgas zusam- 
men, so wird das letztere absorbirt und das Terpentinöl 
kommt ins Sieden. Nach dem Erkalten ist es roth gefärbt, 
dichroisch, ohne Rotationsvermögen, klebrig und der grösste 
Theil desselben destillirt erst bei 300° C. und darüber. 
Hier hat also 1 Gew.-Th. Fluorborgas 160 Gew-Th. Ter- 
pentinöl isomerisch umgewandelt; bei dieser Umwandlung 
verliert das Terpentinöl bedeutende Wärmemengen. Es 
findet hier eine Analogie mit dem Chromoxyde statt, 
welches beim Erhitzen unter plötzlichem Erglühen in das 
in Säuren unlösliche Chromoxyd umgewandelt wird. 

Tereben absorbirt ebenfalls Fluorborgas, aber ohne 
sich zu röthen, ohne sich zu verdicken und ohne eich 
merklich zu erhitzen. 


U. Einwirkungvon Säuren, Chloriden, Jodiden 

und Fluoridenauf Terpentinöl und Citronöl. 

\)EinwirkungbeigewöhnlicherTemperatur. 

Beim Zusammenbringen von rauchender oder nicht 
rauchender Schwefelsäure mit Terpentinöl oder Ter- 
pinol C?°H!s,HO oder Citronöl konnte Berthelot keine 
Bildung einer gepaarten Säure beobachten. Folgende 
Beobachtung scheint aber für eine Vereinigungsfähigkeit 
des Terpentinöls mit Schwefelsäure zu sprechen. Con- 
centrirte Schwefelsäure mit sogenanntem Naphthaöl des 
Handels, welches viel Terpentinöl als Bestandtheil ent- 
hält, begiebt sich alles Terpentinöl mit Schwefelsäure zu 
einem rothen Gemenge verbunden an den Boden der 
Gefässe; die darüber schwimmende Flüssigkeit besitzt 
kein Rotationsvermögen mehr und absorbirt kein Fluor- 
borgas, ist also frei von Terpentinol. 

Fluorsiliciumgas wird vom Terpentinöl nicht 
absorbirt. 

Chlorzink, Weinsäure, Oxalsäure und Essig- 
säure bewirken selbst nach einmonatlicher Einwirkung 
keine Veränderung des Terpentinöls. 

2) Einwirkung bei 100°C. 

Terpentinöl in zugeschmolzenen Glasröhren bei 
400° C., desgl. bei 200 bis 240°C. längere Zeit erhitzt, 
verändert sich durchaus nicht, namentlich behält es sein 
Rotationsvermögen unverändert bei. 


Einwirkung gewisser Säuren etc. auforgan. Substanzen. 37 


Erhitzt man hingegen Terpentinöl mit wasserfreier 
Borsäure,oder krystallisirter Oxalsäure, oderEssig- 
saurehydrat, oder krystallisirter Weinsäure, oder 
Chlorzink in verschlossenen Gefässen bei 100° C. % bis 
130 Stunden lang, so vermindert sich sein Rotationsver- 
mögen und es verändert sich der Geruch desselben. Die 
Umwandlung ist um so bedeutender, je länger die Ein- 
wirkung der Wärme dauert. 

Eisessig wirkt stärker, als wässerige Essigsäure, 
besonders modificirend wirkt Oxalsäurehydrat. Das mit 
Weinsäurehydrat bei 100° €. behandelte Terpentinöl nimmt 
denselben Citrongeruch an, den es erst durch eine Er- 
hitzung für sich, bei 300° C. erhält. Durch Einwirkung 
des Chlorzinks bei 100° C. färbt sich das Terpentinöl 
etwas. 

Terpentinöl (französisches) 73 Stunden lang mit kry- 
stallisirter Oxalsäure bei 100°C. erhitzt, wurde der frac- 
tionirten Destillation unterworfen; es lieferte Producte von 
sehr verschiedenem Siedepunct. Das erste und haupt- 
sächlichste Destillationsproduct zeigte den Siedepunct des 
Terpentinöls (160° C.), besass den Geruch des Terebens, 
lenkte als 400 Millimeter dicke Schicht den mittleren gel- 
ben Lichtstrahl (die Uebergangsfarbe) — 16,8%, während 
die Ablenkung des ursprünglichen unveränderten Terpen- 
tinöls — 35°,4% und die des rohen umgewandelten Ter- 
pentinöls — 15°,2% betrug. Das zweite Destillationspro- 
duct war klebrig, rein gelb gefärbt und zeigte keinen 
Dichroismus. In der Retorte hinterblieben keine flüchtigen, 
beinahe feste Producte. 

Das durch Essigsäure bei 100° C. modificirte Terpen- 
tinöl zeigte statt — 35°, \ ursprünglicher Ablenkung nur 
noch — 31°,3%. Es hatte seinen ursprünglichen Siede- 
punct völlig beibehalten. 

Das durch Oxaisäurehydrat durch 130stündige Ein- 
wirkung bei 100° C. modificirte Terpentinöl hat die Fähig- 
keit verloren, unter Einwirkung der Salpetersäure Terpen- 
tinölhydrat und durch Einwirkung des salzsauren Gases 
künstlichen Kampfer (salzsaures Terpentinöl) zu bilden. 
Das bei 100° C. 130 Stunden lang mit Chlorzink behan- 
delte Terpentinöl hat wie das durch Oxalsäure veränderte 
nur noch das Rotationsvermögen — 14°,2\, besitzt aber 
noch die Fähigkeit, Hydrat zu bilden, nur geschieht 
diese Bildung langsamer, als beim unveränderten Ter- 
pentinöl. 

Das durch Weinsäurehydrat und Essigsäure- 
hydrat modificirte Terpentinöl giebt eben so schnell 


38 Einwirkung gewisser Sauren ete. auf organ. Substanzen. 


Krystalle von Terpentinölhydrat, wie das unveränderte 
Terpentinöl. 

Terpentinöl 130 Stunden lang bei 1000 C. mit Chlor- 
calcium, 20 Stunden-bei 1000 C. mit Cyankalium in 
Berührung, behielt sein ursprüngliches Rotationsvermögen 
und seine Fähigkeit, Hydrat zu bilden, unverändert bei. 

Während das unveränderte französische Terpentinöl 
eine Drehung der Polarisationsebene nach Links be- 
wirkt, sind das englische Terpentinöl und das Citronöl 
rechtsdrehend. Aber auch diese beiden letzteren Oele 
erleiden durch Behandlung mit den genannten Säuren 
und mit dem Chlorzink bei 2000C. eine Schwächung ihres 
Rotationsvermögens. Für sich allein können sie bis auf 
200 bis 2400 C. ohne Schwächung des Rotationsvermö- 
gens erhitzt werden. 

3) Einwirkung bei höheren Temperaturen 
als 40009 C. j 

a) Die Einwirkung des Chlorzinks auf Terpentinöl 
bei 1000C ist schwach und langsam, wird aber bei 2700C. 
(einer Temperatur, bei welcher das Terpentinöl für sich 
schon anfängt, modificirt zu werden), weit energischer. 
Das Oel färbt sich, riecht nach Tereben. Seine Wirkung 
auf den rothen Lichtstrahl sinkt von — 270,7) auf 
— 440,7, seine Dichtigkeit bei A419 C. steigt von 0,8673 
auf 0,8698. 

Die Producte, welche durch Einwirkung des Chlor- 
zinks bei 1000 C. bis 2700C. auf französisches Terpentinöl 
erhalten worden waren, gaben vermischt ein erstes De- 
stillat, welches bei 1600 C. überging und unverändertes 
Terpentinöl einzuschliessen schien. Es lenkte den mitt- 
leren gelben Strahl um — 240,9) (während das Rotations- 
vermögen des unveränderten Oels — 350,4 und des 
veränderten nicht destillirten Oels — 150,5 betrug). Das 
zweite Destillat war rosenroth gefärbt, das dritte klebrig, 
dichroisch und zeigte den hohen Siedepunct des Colo- 
phens (3150C). Während der Einwirkung des Chlor- 
zinks auf Terpentinöl entwickelt sich etwas reines 
Wasserstoffgas; bei 14000 C. ist diese Entwickelung 
sehr langsam, bei 2700C. schneller, so dass sie ein Platzen 
der Gasröhre bewirkt. Die Menge des nach 130stündiger 
Einwirkung bei 1000 C. entwickelten Gases steigt schon 
auf das 15- bis 20fache Volum des einschliessenden Roh- 
res. Diese Menge beträgt dem Gewichte nach nur 1 bis 
2 Tausendtheile des Terpentinöls. Nimmt man an, dass 
dabei Camphogen C2°H'* aus dem Terpentinöl C?°H'® 
gebildet werde, so berechnet sich daraus für 1} Tausend- 


Einwirkung gewisser Sdurenete.auforgan. Substanzen. 39 


theile Wasserstoff etwa die Zersetzung eines Zehntels des 
Terpentinöls. 

b) Terpentinöl 5 Stunden lang bei 200 bis 2200 C. mit 
Wasser, Chlorbaryum, Chlorstrontium, Chlor- 
calecium, Fluorcalcium, Fluormagnium und Pla- 
tinschwamm behandelt, erleidet keine Aenderung seiner 
Eigenschaften. 2 Stunden lang zwischen 200 und 2409 C. 
mit Chlorbaryum, Chlorcalcium, Chlornatrium 
und Salmiak erhitzt, bleibt es ebenfalls unverändert 

c) Bei 240 bis 2500 C. beginnt die Wärme allein schon 
verändernd auf Terpentinöl einzuwirken, doch geschieht 
die Veränderung nur langsam. Durch die Gegenwart des 
Wassers, des Chlorbaryums, Chlorstrontiums, 
Chlorcalcıiums, Fluorcalciums, Salmiaks und 
Jodammoniums wird sie bei denselben Temperaturen 
auffallend beschleunigt. So betrug das Rotationsvermögen 
des französischen Terpentinöls für den mittleren gelben 
Strahl — 350,4); nach 7- bis Sstündiger Erhitzung zwi- 
schen 240 bis 2500 C. betrug das Rotationsvermögen des 
für sich allein erhitzten Terpentinöls nur noch -— 320,45), 
des mit BaC] erhitzten — 320,85%, des mit SrCl— 280,4 \, 
des mit CaCl — 210,1\, des mit HO —- 250,6\, des mit 
CaF -— 50,9%. Das Rotationsvermögen des unveränderten 
Oeles für den rothen Strahl betrug — 270,7\, nach 7- bis 
8stündiger Einwirkung des Jodammoniums bei 240 bis 
2500C. war es auf — 90,8% herabgesunken. 

Das unveränderte englische Terpentinöl lenkte den 
rothen Strahl + 140,6 /, nach 7- bis Sstündiger Erhitzung 
mit Salmiak bei 240 bis 2500C. nur noch + 120,1 f. 

Das mit Jodammonium erhitzte französische Terpen- 
tinöl hatte sich stark gefärbt und das mit Fluorcalcium 
erhitzte Oel roch nach Tereben. 

Einwirkung desChlorcalciums aufTerpentinöl. 


Ablenkung des mittleren 


Temperatur. Dauer d. Einwirkung. gelben Strahls, bei einer Dichtigkeit. 
Dicke der Schicht von 
100 Millimeter. ; 
2500C. 2 Stunden — 25015% .. 0,8684 bei 90C. 
220 — 250 51 » — 1902 %.. 
270 2 » — 150,2 


Das unveränd. Terpentinöl — 3504 % . . 0,8682 bei $0C. 

Das durch Einwirkung des Wassers und des Chlor- 
calciums veränderte Terpentinöl besitzt noch die Fähig- 
keit, Terpentinölhydrat zu bilden; das der Einwirkung 
des Fluorcalciums ausgesetzt gewesene Oel vermag die- 
ses nicht mehr. Das Product der Einwirkung des 
Chlorcalciums bei 2500C. bis auf ! Rückstand destillirt, 


40 Einwirkung gewisser Säuren etc. auf organ. Substanzen. 


gab ein Destillat, dessen Rotationsvermögen — 270,2 
(während das Rohproduct — 250,15\, das unveränderte 
Oel — 350,4 \) 

Das Product der Einwirkung des Chlorcalciums bei 
2700C. fing bei 9610 an zu sieden und bei 1650C. war 
Alles überdestillirt. 

d) Bei Temperaturen über 2500C. wirkt die Wärme 
allein schon modifieirend auf das Terpentinöl ein, sehr 
kräftig bei 3000C. Bei diesen Temperaturen werden des- 
halb die Wirkungen der Zusätze verdeckt. 

Die mitgetheilten Resultate lassen sich folgender- 
maassen zusammenfassen: Das Terpentinöl und im schwä- 
cheren Grade auch das Citronöl wird bei Berührung mit 
gewissen Säuren, sauren und neutralen Chloriden, Fluori- 
den und Jodiden, ja selbst bei Berührung mit Wasser 
entweder schon bei gewöhnlicher Temperatur oder in 
verschlossenen Gefässen bei 1000 C. oder bei 2500C. in 
isomere Modificationen verwandelt: seine physischen 
Eigenschaften (Drehungsvermögen, Dichtigkeit. Geruch, 
Siedepunct) und bis zu einem gewissen Grade auch seine 
chemischen Eigenschaften (Verbindungsfähigkeit mit Was- 
ser und Salzsäure) erleiden mehr oder weniger bedeu- 
tende Aenderungen. Nur in einem Falle, nämlich bei 
Einwirkung des Chlorzinks, ist die Umwandlung in eine 
isomere Modification von einer theilweisen Zersetzung des 
Terpentinöls unter Wasserstoffentwickelung begleitet. 

Diese Umwandlungen besitzen theils allgemeine, theils 
besondere Charaktere. 


A. Allgmeine Charaktere. 


1) Die Modificationen finden durch Contactwir- 
kung statt, d. h. ohne dass bei irgend einer Temperatur 
das Terpentinöl oder Citronöl sich mit dem zugesetzten 
Körper verbindet, oder dass letzteres davon absorbirt, oder 
sich (mit Ausnahme der Essigsäure) in dem Oele auflöst. 

2) Die hervorgebrachten Wirkungen sind bleibend, 
namentlich der Grad des Drehungsvermögens. 

3) Die Umwandlungen entwickeln sich langsam und 
stufenweise, sie wachsen mit der Zeit und mit der 
Temperatur. | 

4) Immer wird das Rotationsvermögen ge- 
sch wächt. 

B. Besondere Charaktere, Ä 

Die Umwandlung des Oeles C?°H'* varıırt nach der 
Natur des Oeles, der Natur des einwirkenden Körpers und 
nach der Temperatur. 


Einwirkung gewisser Säuren etc. auforgan. Substanzen. 4 


1) Die energischen Säuren des Mineralreichs, z.B. die 
Schwefelsäure, desgleichen das Fluorbor wirken bei ge- 
wöhnlicher Temperatur modificirend; die schwächeren 
Säuren, so wie die organischen Säuren z.B Oxalsäure, 
Weinsäure, Essigsäure wirken erst bei 1000C ; die Chlo- 
ride der Erdalkalimetalle, der Salmiak, das Jodammo- 
nium, Fluorcalcium und das Wasser erst gegen 2500 C; 
Chlorzink zwischen 1000 C. und 25000. 

2) Citronöl zeigt einen grösseren Widerstand gegen 
die umwandelnden Körper, als Terpentinöl. Wein- 
säure und Citronsäure sind auf Citronöl bei 1000 C. ohne 
Wirkung; erst bei 3000 C. beginnt dieselbe. Terpentinöl 
wird schon bei 2500C, durch Weinsäure modificirt. Salz- 
säure wirkt auf beide Oele verschieden (wie Berthelot 
in einer früheren Arbeit zeigte). 

3) Chlorcalcium ändert bei 2500C. das Rotations- 
vermögen des Terpentinöls um 3 seines Werthes, lässt 
aber die Dichtigkeit des Oeles ungeändert; Chlorzink 
hingegen ändert Rotationsvermögen und Dichtigkeit. 

4) Essigsäure modificirt bei 1000C.,Chlorcalcium 
bei 2700C. das Terpentinöl, ohne den Siedepunct dessel- 
ben zu ändern; Chlorzink und Oxalsäure modificiren 
das Terpentinöl und ertheilen ihm einen höheren Siedepunkt. 

5) Die Producte der Einwirkung des Chlorzinks sind 
dichroisch, die der Oxalsäure sind es nicht. 

6) Das Rotationsvermögen der Umwandlungsproducte 
durch Chlorzink concentrirt sich in den flüchtigeren Pro- 
ducten, woraus hervorgeht, dass das Drehungsvermögen 
der minder flüchtigen Producte gleich Null ist. Bei den 
Umwandlungsproducten durch Chlorcaleium und Oxalsäure 
ist eine solche Concentration nicht zu bewirken. 

7) Je nach dem auf das Oel einwirkenden Körper 
zeigt sich bei dem modificirten Oele eine verschiedene 
Fähigkeit, Hydrat zu bilden. 

8) Die Umwandlung des Oeles ist immer unvollstän- 
dig, es besteht das modificirte Oel aus einem Gemenge 
von unverändertem Oele und verändertem Oele. Letzteren 
fehit das Rotationsvermögen und die Fähigkeit, sich mit 
Salzsäure zu künstlichem Kampfer zu verbinden. 

9) Das nach Soubeiran und Capitaine durch 
Erhitzung des künstlichen Kampfers (salzsauren Terpen- 
tinöls) mit Kalk abgeschiedene Camphen besitzt kein 
Rotationsvermögen mehr, obgleich der künstliche Kampfer 
dasselbe noch besass. Diese Umwandlung ist der Ein- 
wirkung des gebildeten Chlorcalciums auf das frei gewor- 
dene Terpentinöl zuzuschreiben. 


42 Einwirkung gewisser Säuren ete. auf organ. Subslanzen. 


10) Eine höchst merkwürdige Thatsache ist die modi- 
fieirende Einwirkung des unlöslichen Fluorcalciums 
auf Terpentinöl. Von der Unlöslichkeit dieses Körpers 
in Terpentinöl überzeugte sich Berthelot. 


III. Zersetzung des Terpentinölhydrats, 


Unter dem Einflusse einer Spur von Schwefelsäure 
oder einer anderen Säure zerfällt nach List das Terpen- 
tinölhydrat 4HO,C?°H!® in seiner weingeistigen Lösun 
beim Sieden in Wasser und ın Terpentinöl HO,C?°H:e, 
welches als ein riechendes Oel auf der Oberfläche des 
Weingeistes schwimmt. 

Dieselbe Zersetzung findet nach Berthelot statt 
durch Erhitzung des Terpentinölhydrats mit Chlorzink bei 
4009 C.,mit Chlorcalcıum, Chlorstrontium, Chlor- 
ammonium und Fluorcalcium bei 960 bis 1800C. 
Bei denselben Temperaturen üben Chlorbaryum,Chlor- 
natrium so wie Wasser keinen zersetzenden Einfluss. 
Jenseits 2000C. zerfällt das Terpentinölhydrat ohne Mit- 
wirkung eines anderen Körpers. 

Mit krystallisiirtem Jodammonium in einem ver- 
schlossenen Glase bei 2500C. erhitzt, zerfällt das Ter- 
pinol HO,C:?°H's; es bildet sich eine wässerige Lösung 
von Jodammonium und Terpentinöl C2°H'°, welches noch 
eine kleine Menge Terpinol gelöst enthält. Das abge- 
schiedene Terpentinöl hat nun seine Fähigkeit, mit Salz- 
säure künstlichen Kampfer zu bilden, verloren. 


IV. Zucker und Chlormetalle. 


Trockener Zucker, 16 Stunden lang bei 1000C. allein, 
oder mit trockenem Chlorcalcium, oder Chlorbaryum oder 
Chlorstrontium erhitzt, erleidet keine Aenderung. Kleine 
Mengen von Wasser auf den Zucker getröpfelt und das 
feuchte Gemenge einige Stunden im verschlossenen Ge- 
fässe bei 1000C. erhitzt, giebt etwas modificirten unkry- 
stallisirbaren Zucker; denn in weinsaurem Kupferoxydkali 
bewirkt die Masse einen geringen Niederschlag von Kupfer- 
oxydul. Schon Pelouze und Malaguti beobachteten 
diese Umwandlung des gemeinen Zuckers in unkrystalli- 
sirbaren. Chlorcalcium, bei Gegenwart von wenig 
Wasser mit Zucker 2 bis 3 Stunden lang im Verschlos- 
senen bei 1000C erhitzt, erzeugt weit grössere Mengen 
des unkrystallisirbaren, das weinsaure Kupferoxydkali 
fällenden Zuckers, als die Einwirkung des heissen Was- 
sers allein. 5 bis 6 Stunden der Einwirkung des feuch- 
ten Chlorcalciums bei 1000C, reichen hin, den Zucker 


' 


Einwirkung gewisser Säuren ele. auforgan. Substanzen. 43 


stark zu bräunen. Feuchtes Chlorstrontium und Chlor- 
baryum wirken ähnlich, jedoch minder energisch. Feuch- 
tes Chlornatrium, Fluorcalcium, Platinschwamm, wässeriger 
Weingeist sind ohne merkliche Wirkung Salmiak 
ändert den Zucker rasch; Astündige Einwirkung desselben 
bei 4900C schwärzt den Zucker. Unter allen diesen 
Reactionen der Chloride auf Zucker ist die des Salmiaks 
die auffallendste. 


V. Alkohol und Chloride; Aetherbildung. 


Absoluter Alkohol A! Stunden lang bei 3000C. mit 
reinem krystallisirtem Chlorcalcium im verschlossenen 
Glase erhitzt, nimmt einen Geruch nach Aether an, ohne 
permanente Gase zu bilden. Eben so lange bei 3600 C. 
mit krystallisirtem Chlorcalcıum im Verschlossenen erhitzt, 
trennt sich der Alkohol in zwei Schichten; eine wässe- 
rige Auflösung des Chlorcalciums und eine ätherische. 
Beim Oeffnen der Röhre erhält man das 15- bis 20fache 
ihres Volums ölbildendes Gas. 

Chlorstrontium entwickelt aus Alkohol bei 3600 C. 
nur Spuren von Aether und kein ölbildendes Gas. 

Chlorbaryum, Chlornatrium, Bromkalium, Jodkalium 
und Fluorcalcium bewirken bei keiner Temperatur Aether- 
bildung aus Alkohol. 

Auch Hitze allein scheidet keinen Aether aus dem in 
Röhren eingeschlossenen Alkohol, selbst nicht die Roth- 
glühhitze; der Alkohol zersetzt sich vollständig unter 
Kohleabscheidung. 

Das ölbildende Gas scheint sich übrigens direct aus 
dem Alkohol zu bilden; denn reiner Aether bei 3600 C. 
mit Chlorcaleium erhitzt liefert kein permanentes Gas, 

Berthelot stellt sich die Entstehung des Aethers 
bei Einwirkung der Schwefelsäure oder des Chlorcal- 
eiums auf Alkohol vor als ein Zerfallen des Alkohols in 
Kohlenwasserstoff C'H' und 2HO durch den katalyti- 
schen Einfluss der Schwefelsäure oder des Chlorcalciums; 
der Kohlenwasserstoff C*H' vereinigt sich im Entstehungs- 
momente mit unzersetzbarem Alkohol zu Aether. Also 

2(C:H°O?) = C?H°O: + C:H* + 2HO 
= G’H!°O: (Aether) + 2HO. 

Findet aber die katalytische Einwirkung der Schwefel- 
säure oder des Chlorcalcıums mit grösserer Energie statt, 
so verliert der Kohlenwasserstoff CH‘ seine Fähigkeit 
Verbindungen einzugehen und verwandelt sich in ölbil- 
dendes Gas CH oder eine besondere Modification des 
Kohlenwasserstoffs C'H', ähnlich der durch Einwirkung 


kk Einwirkung gewisser Säuren etc. auforgan. Subslanzen. 


der Säuren oder der Chloride auf Terpentinöl erzeugten 
Modification des Kohlenwasserstoffs C?°H'°, welche eben- 
falls ihre Verbindungsneigung verloren hat. 


VI. Holzgeist und Chlorcalcium. 


Holzgeist, einer Temperatur von 3600 C. ausgesetzt, 
wird theilweise zersetzt; es erzeugt sich kein permanentes 
Gas, wohl aber eine- kleine Menge eines flüssıgen Kohlen- 
wasserstoffs, der sich beim Mischen des modificirten Holz- 
geistes mit Wasser ausscheidet und das Gemisch trübt. 

Chlorcalcium mit Holzgeist eine Stunde lang über 
3600 C erhitzt, zerlegt denselben in 2 Schichten, eine wäs- 
serige und eine ölige. Die letztere nimmt an der Luft 
einen ausserordentlich starken Geruch an und enthält 
wahrscheinlich einen Kohlenwasserstoff. Beim Oeffnen 
der Röhre entwickelt sich ein brennbares Gas in bedeu- 
tender Menge; beim Verbrennen giebt es salzsäurefreie 
Producte. Wasser löst 20 Volumen dieses Gases; Kalı- 
hydrat verbindet sich nicht damit; es besitzt den Geruch 
und dıe übrigen Eigenschaften des Holzäthers (oder Me- 
thylenhydrats oder Methyloxyds). Da Methyloxydhydrat 
mit concentrirter wässeriger Chlorcalciumlösung auf 3600 C. 
erhitzt, keinen öligen Körper liefert, so muss dieser bei 
dem obigen Versuche direct aus dem Holzgeiste ent- 
standen sein. 


VH, Bildung von Amidbasen durch Einwirkung 
des Salmıaks oder des Jodammoniums auf 
Alkohol und Holzgeist. 


A. Alkohol und Salmiak oder Jodammonium. 

Der Salmiak wirkt auf den Alkohol ähnlich dem 
Chlorealcıum, ätherbildend. Dazu reicht schon eine Tem- 
peratur von 2800C. hin, in der Nähe von 4000 C. ist die 
Zersetzung des Alkohols beinahe vollständig. Die im ver- 
schlossenen Glasrohre enthaltene Flüssigkeit trennt sich 
in eine wässerige und eine ätherische. Oelbildendes Gas 
wird dadurch nur wenig entwickelt. 

Jodammonium wirkt schon bei 3600C. auf ähn- 
liche Weise wie Salmiak. 

Die unter dem Aether befindliche wässerige Lösung 
des Salmiaks oder Jodammoniums enthält Kohlenwasser- 
stoff-Ammoniakbasen (Amidbasen, Amminverbindungen), 
unter denen das Aethylamin vorwaltete. Denn als die 
Lösung mit Kalilauge destillirt, das alkalische Destillat ın 
Salzsäure aufgefangen, die saure Lösung zur Trockne ein- 
gedampft und die salmiakreiche Salzmasse mit Alkohol 
ausgezogen wurde, löste sich darin ein Salz auf, welches 


Einwirkung gewisser Säuren ete. auforgan. Substanzen. %5 


nach dem Verdunsten des Alkohols in breiten, etwas gelb- 
lich gefärbten Schuppen krystallisirte, die mit Kalilauge 
übergossen ein alkalisches, entzündliches, mit bleicher 
Flamme brennendes Gas von ammoniakalischem Geruch 
entwickelten. Die wässerige Lösung dieses Salzes gab 
mit Platinchlorid und Weingeist einen gelben Niederschlag, 
der hauptsächlich aus Platinsalmiak bestand; aus der 
Mutterlauge krystallisirren dann grosse platte orangegelbe 
Nadeln in reichlicher Menge, welche mit Kalilauge sogleich 
ein brennbares alkalisches Gas entwickelten und bei der 
Analyse 11,580), C — 3,87%, H — 4,870), N — und 37,170], Pt 
lieferten (das Chlor wurde nicht bestimmt). Die daraus 
berechnete Formel (C>H5,H’N),HCI + PiCl? verlangt 
C = 11,63, H = 3,49, N = 5,43, Pt = 38,22 und Cl = 41,23. 
Die Formel des Aethylamins = (C*H',H®N), HC] + PıCl: 
— (C*H>,B?N), HCI + PıiCl®? = C’H’N,HCI + PıCl2. Es 
musste also ausser dem Aethylamin noch eine andere koh- 
lenwasserstoflfreichere Amidbasis, vielleicht Propylamin 
— C:H°,B>N = C°H’,H:N = C5H?’N vorhanden sein. 
Die Analyse eines zuletzt aus der Mutterlauge krystallisi- 
renden Salzes gab 10,62%), Kohlenstoff, d.h. immer noch 
mehr, als das Aethylamin verlangt. 

Berthelot macht es wahrscheinlich, dass unter den 
flüchtigen Alkaloıden, welche sich hier bilden, auch Ho ff- 
mann’s Basıs C'#H2°NO sich befinde, welche beim Er- 
hitzen in Triäthylamin, ölbildendes Gas und Wasser zerfällt. 
Denn als er das jodwasserstoffsaure Salz mit Kalilauge 
bis zum Aufhören der alkalischen Dämpfe unter zeitwei- 
ligem geringem Wasserzusatz destillirt hatte und nun den 
Retorteninhalt völlig zur Trockne verdampfte, erhielt er 
von neuem eine reichliche Entwickelung alkalischer Dampfe 
in dem Augenblick, wo die Masse trocken wurde. Diese 
Reaction zeigt Hoffmann’s Basis ebenfalls. 

Die Bildung des Aethylamins und verwandter Basen 
aus Alkohol durch Salmiak oder Jodammonium findet nur 
zwischen 3000 C. und der Rothglühhitze statt, bei 4000C. 
geht sie mit Leichtigkeit vor sich. Bei Rotbglühhitze 
beginnen die gebildeten Amidbasen zersetzt zu werden. 
Ammoniakalischer Alkohol, denselben Temperatu- 
ren ausgesetzt, liefert kein Aethylamin, ölbildendes 
Gas mit Jodammenium mit oder ohne Zusatz von Platin- 
schwamm bei hohen Temperaturen erhalten, liefert kein 
Aethylamin. Auch Chloräthyl C®H>Cl, welches bei 
Rothgluth in ölbildendes Gas und Salzsäure zerfällt, giebt 
mit Salmiak oder Jodammonium erhitzt kein Aethylaımin 
oder nur Spuren desselben. 


416 Einwirkung gewisser Säuren ete. auforgan. Substanzen. 


B. Holzgeist und Salmiak oder Jodammonium. 

Holzgeist, 8 Tage lang bei 1000 C. mit Jodammonium 
behandelt, giebt Spuren von Methylamin; bei 3009C. mit 
Salmiak behandelt, liefert er kleine Mengen von Methylen- 
hydrat (Methyloxyd, Holzäther) und ziemliche Mengen 
von Methylamin und anderen Amidbasen. Der zur Trockne 
verdampfte Inhalt der Röhre, mit absolutem Alkohol behan- - 
delt, gab an diesen ein zerfliessliches Salz ab, von deut- 
lichem Geruch des salzsauren Methylamins. Aetzkali ent- 
wickelte daraus ein eigenthümlich riechendes, alkalisches 
brennbares Gas, und Platinchlorid fallı aus der Lösung 
des Salzes eine gelbe, ir wässerigem Weingeist unlösliche 
Verbindung, welche bei der Analyse 11,1% bis 11,250), € 
— 338 bis 3,870), H — 4,60 bis 5,300), N — 44,09%, Cl und 
38,35 bis 38,86%, Pt lieferte. Daraus berechnet sich die 
Formel (C5H°,H®N), HCI + PıCl?2. Es enthält also ausser 
dem Methylamin C?H®,H:?N = C?H?,H’N noch andere 
kohlenwasserstoffreichere Amidbasen, wenigstens bis zur 
dritten (dem Propylamin) hinauf. 

Die Bildung von Amidbasen durch Einwirkung des 
Salmiaks auf den Holzgeist scheint bei 3000C. am besten 
vor sich zu gehen. Bei 3600C. entwickelt sich eine Menge 
von Methylenhydrat (Methyloxyd) und ölige Producte, und 
die Menge der Amidbasen wird geringer. Ein Platinsalz, 
aus Producten der Einwirkung des Salmiaks auf Holzgeist 
bei 3600 C. gewonnen, enthielt 3,509. C., 3,740), H und 
44.590, Pt (das Chlor wurde nicht bestimmt). Die Formel 
3(C°H:, HPN,HEI + PiCl2) "+ 3 (HFNEI, Piel?) verlauet 
3,450, C — 2,300, H — 42,40%, Pt und 51,850), Cl. Es 
war dieses Salz also ein Gemenge aus Salmiak mit salz- 
saurem Methylamin. 

Ammoniakhaltiger Holzgeist ändert sich bei 2500C. 
nicht in Methylamin um. 


C. Amylalkohol (Kartoffelfuselöl)undSalmiak. 


Amylalkohol, 2 Stunden lang bei 3000C. mit Salmiak 
behandelt, wird nicht verändert; mit Jo<dammonium 2 Stunden 
lang bei 250 — 2800C. in Berührung, bildet derselbe kleine 
Mengen von Kohlenwasserstoff- Ammoniak - Basen. (Annal. 
de Chim. et de Phys. 3 Ser. Tom. 38. Mai. 1853. Pag. 39—76.) 


A. Ludwig. 


Der Mais, dessen Anbau und Verwendung in Mexico. %7 


Unterscheidung der flüchtigen Oele aus der Reihe C>H'. 


Ein streng chemisches Mittel zur Unterscheidung der 
flüchtigen Oele aus der Reihe C°H' hatte man bis jetzt 
nicht. Geschmack, Geruch und die Wirkung des polari- 
sirten Lichtes waren bisher die einzigen Unterscheidungs- 
merkmale,. Durch Schönbein ist bekannt, dass gewisse 
Oele durch Ozonisation die Fähigkeit erlangen, schwar- 
zes Bleisulfid in weisses Sulfat zu verwandeln. 

Aber Greville Williams hat gefunden, dass mehre 
ätherische Oele diese Eigenschaft im normalen Zustande 
besitzen, oder wenigstens in dem Zustande, worin man 
sie im Handel trifft. 

Andere im Gegentheil scheinen sie zu entbehren, und 
auf diese Differenz stützt sich das neue Verfahren, wel- 
ches im Folgenden besteht. 

Man setzt Bleipapier über eine Flasche der Wirkung 
des Schwefelammoniums aus, bis es eine gleichförmige 
braune Farbe erlangt hat. Alsdann giesst man einen Tropfen 
des zu prüfenden Oels auf das so präparirte Papier, und 
entfernt den Ueberschuss des Oels durch Anwendung 
künstlicher Wärme Auf diese ‘Weise findet man, dass 
Terpentin-, Münz- und Lavendelöl die Farbe zerstören, 
Pomeranzen-, Anis- und Cassıaöl dagegen keine Verände- 
rung hervorbringen. 

Terpentin- und Pomeranzenöl gewähren den schärf- 
sten Contrast und eine Verfälschung des letzteren durch 
ersteres ist daher leicht zu finden Bei einem Gehalt von 
4 Proc. ist die Wirkung eben so scharf, wie mit reinem 
Terpentinöl. /Philos. Mag. — Journ. de Pharm. et de Chim. 
Aoüt 1853.) Ar: 


Der Mais, dessen Anbau und Verwendung in Mexico. 


Der Mais /Zea Mais, Linne) ist nicht nur wegen 
seines zierlichen Baues, wegen der prachtvollen Blätter, 
der zarten Inflorescenz und Vielfarbigkeit seines geschmei- 
digen Rohres eine der schönsten Grasarten, sondern auch 
eine der nützlichsten, ja für Mexico und einen grossen 
Theil Amerikas wirklich die nützlichste. Seine Schönheit 
haben die Mexicaner zu allen Zeiten anerkannt; heutiges 
Tages werden die Altäre in Kirchen und Kapellen mit 
Maishalmen geschmückt, in welche Blumen eingeflochten 
werden. Bei den alten Mexicanern war der Mais ein 
Symbol in ihrem Kalender und eine heilige Ausschmückung 
ihrer Gräber. Die Incas von Peru cultivirten ihn in ihren 
Gärten als Zierpflanze und unter den altperuanischen 


18 Der Mais, dessen Anbau und Verwendung in Mexico. 


Kunstwerken in Gold sind die Nachahmungen der Mais- 
pflanze die gelungensten. 

Schon aus dem zuletzt Angeführten geht der Werth 
hervor, den diese Pflanze für die Bewohner Amerikas 
hatte, ebenso wie der Beweis, dass man die Cultur der- 
selben lange vor der Entdeckung der neuen Welt daselbst 
und vorzugsweise in Mexico kannte. Vor der Eroberung 
Mexicos war er in Europa unbekannt und Cortez führte 
bei seiner ersten Rückkehr an den Hof Karl’s V. (1519) 
auch einige Maiskolben als Geschenk mit. 

Dessen ungeachtet kann man Mexico nicht mit Gewiss- 
heit als das wahre Vaterland dieser Pflanze ansehen, 
wohl aber Amerika, denn nur die Mexicaner, die Einwoh- 
ner von Haiti und einige Völker Südamerikas haben eigene 
Namen für den Mais, ein Umstand, der nicht ohne Wich- 
tigkeit ist, weil wir annehmen können, dass ein Gegenstand, 
wofür irgend eine Sprache keinen Namen hat, fremden 
Ursprungs ist. 

So haben z.B. die Indianer Mexicos kein Wort für 
Weizen, Gerste, Hafer, Apfel, Birne, Feige, süsse Orange 
u.s.w. und belegen sie mit den spanischen Namen, wohl 
aber für alle einheimischen Fruchtpflanzen, wie Zea Mais, 
Linne; Lechium edule, Sw.; Lucurna mamosum; ÜCercus 
vartabilis; Arachis hypogaea, Linne; Agave americana, 
Linne; Lycopersicum esculentum u.s.w. Das Wort Mais 
kommt von dem haitischen Mahiz. 

Die Chinesen und Japaner haben eben so wenig ein eige- 
nes Wort für den Mais, obwohl er bei jenen Völkern schon 
vor der Entdeckung Amerikas bekannt gewesen sein soll. So 
nennen die Chinesen ihn ya-chu-chu, Korn von chu oder 
ya (Nierenstein) oder yamy, Reis, ahnlich dem Nierenstein ; 
die Japaner nanbamhubi, d.h. Korn von Necuban oder 
schlechtweg ausländisches Korn, wie wir ihn z.B. türki- 
schen Weizen nennen. Es ist somit weit wahrschein- 
licher, dass der Mais von der neuen Welt nach der alten 
kam, als umgekehrt; denn hätten asiatische Völker den 
Mais nach Amerika gebracht, so würden sie auch die für 
die alte Welt weit wichtigeren Cerealien mit verpflanzt 
haben. 

Jedoch kommt der Mais nirgends wild vor. Man 
findet zwar häufig in Mexico einzeln stehende Maispflan- 
zen, die sich von selbst anbauten und ohne Cultur ge- 
deihen, die aber und wenn sie auch mehrere Stunden 
von bewohnten Orten entfernt stehen, nicht für wild 
gehalten werden können, da sie trotz der oft ungeheuren 
Ausartung immer den Charakter des Culturmaises tragen. 


Der Mais, dessen Anbau und Verwendung in Mexico. 19 


Durch Papageien z. B., welche des Morgens aus Sierra 
caliente nach Sierra templada in bedeutenden Zügen zie- 
hen, um die Maisfelder zu besuchen, können Maiskörner 
weit hergetragen und verpflanzt werden. 


Trotz der vielen Varietäten, die man in Mexico findet, 
giebt es doch nur die eine Linne&’'sche Species. Man 
unterscheidet zwei Arten, einen Mais alto und temporal; 
‘sie bieten aber keine botanischen Unterschiede dar. 


Die bekanntesten in Mexico cultivirten Abarten sind: 


A) Maiz de padus mit kleinen achtreihigen Kolben, 
die unbedeutendste Varietät. 


2) Maiz inanchado oder chinesco. eine ergiebige Art 
mit weissen, gelben und rothen Körnern, zuweilen auch 
ganz blauen, in welchem Falle er denn pinto heisst. 

3) Maiz blanco, eıne sehr ergiebige Abart, die ein 
feines und süsses Mehl giebt. 


4) Maiz amarillo, von welchem man wiederum zwei 
Unterarten unterscheidet, nämlich 


a, Maiz amarillo grueso, welcher fast am häufigsten 
gebaut wird und selten weniger als zwei bis drei 
Kolben, jeder zu 300 bis 600 Körnern, giebt, und 

b. Maız amarillo bequeno, der nicht so gross und stark 
ist, aber im feuchten Boden 10 bis 15 Proc. mehr 
wiegt, als der obige. 

5) Maiz cuareniano, in Mexico bekannter unter dem 
Namen Maız iremes oder olote colorado, welcher schnell 
reift und in den kältesten Landstrichen angepllanzt wird. 

6) Maiz tardıo oder de riego, die ergiebigste aller 
Abarten, die in der Umgegend der Stadt Mexico und in 
vielen feuchten Landstrichen gebaut wird. 


Am besten gedeiht der Mais in einem feuchten und 
warmen Klima, hat aber den grossen Vorzug vor anderen 
Cerealien, dass er in Mexico so gut in terra caliente 
(heissen Landstrichen) als in terra fria (kalten) mit Erfolg 
gebaut werden kann. Seine Höhengrenzen sind ungefähr 
2000 bis 8000 Fuss über dem Meeresspiegel, daher die 
zur Reife nothwendige Zeit sehr verschieden. Sie schwankt 
mit allen Zwischenzeiten zwischen sieben Monaten und 
sechs Wochen. Der Mais ist für Mexico die wichtigste 
Pflanze und Missjahre durch Trockenheit, Hagel, Winde und 
Krankheiten der Pflanze hervorgebracht, sind die traurigsten. 


Die in Mexico bekanntesten Krankheiten des Mais, so 
wie die schädlichsten Thiere sind folgende: 


Arch.d. Pharm. CXXVII. Bds. 1. Hit. k 


50 Der Mais, dessen Anbau und Verwendung in Mexico. 


1) La raquitis, eine Art Auszehrung, welche den Mais 
befällt, wenn er auf sterilem Boden gesäet wird und kurz 
nach der Saat zu feuchtes und kaltes Weiter hatte. Das 
Rohr wird dann dünn und der Kolben hat nur wenige 
Körner. 

2) El carbon, ein vegetabilischer kohlenartiger Aus- 
wuchs, welcher in den Aehren wächst und bewirkt. dass 
die Blüthen zu Grunde gehen. Ein Insect scheint diesen 
Misswachs hervorzubringen. K 

3) El hongo, eine Art Uredo, der sich vorzüglich in 
dem Kolben bildet und ihn zerstört. 

Von Tbieren: 

1) Eine Maulwurfsmaus aus der Gattung Ascomys, 

welche die Felder untergräbt und die Pflanzen zerstört. 


2) Die Larve einer Melolontha, welche nicht nur die 
Wurzeln angreift, sondern oft auch die Stengel und Kol- 
ben vernichtet. 

3) Viele Noctuae und Phalaenae. 

Der Mais wird in Mexico zu verschiedenen Zeiten 
gebaut, besonders in solchen Landstrichen, wo man neun 
Monate hinreichende Feuchtigkeit hat In terra caliente 
nimmt man den ersten besten zunächst des Hauses gele- 
genen Fleck, haut Bäume und Sträucher ab, verbrennt 
sie und säet Mais. In den kälteren Strichen giebt es aber 
zwei Arten des Anbaues, die mit Bewässerung und die 
ins trockne Land. Bei letzterer unterscheidet man wie- 
der drei verschiedene Methoden. 

Häufig wählen die Mexicaner das Land gar nicht aus 
und bauen den Mais oft auf Schichten verhärteten Thons, 
wo der Ertrag nur sehr gering ist. 

Wie viel Mexico jetzt producirt, lässt sich unmöglich 
bestimmen ; aber bedenkt man, dass er das Hauptnahrungs- 
mittel von fast fünf Millionen Menschen und zugleich das 
einzige Kornfutter für alle Arten Hausthiere ist, so muss 
sich das Gesammtproduct wenigstens auf 100 Millionen 
Metzen belaufen. 

Die verschiedenen Theile des Mais und die Arten, in 
welchen man ihn in Mexico benutzt, sind folgende: 

A. Von der Pflanze: 

1) Die alten Mexicaner machten aus dem Safte des 
Halmes Zucker und dıe neueren ein gegohrenes Getränk, 
pulque de maiz 0 mayo genannt. — Auch gelangen die 
Versuche, aus demselben Branntwein zu brennen. Den 
sehr zuckerreichen Stengel essen die Indianer roh. 


’ 


Neue Reaction auf Strychnin und seine Salze. 51 


2) Die unreifen Kolben /mazerca) werden gekocht 
und dienen vielen Armen als einzige Nahrung. 

3) Halm und Blätter liefern ein ausgezeichnetes Fut- 
ter für Pferde und Maulthiere. 

B. Von der trocknen Pflanze: 

1) Man benutzt Stengel und Blätter zur Fütterung der 
Thiere und zur Construirung von kleinen Häusern und 
Hütten, deren Wände aus dem Rohr und deren Dächer 
aus den Blättern hergestellt werden. 

2) Aus dem reifen Korn bereitet man wie aus der 
Gerste ein Art Bier /chicha), ein angenehmes und gesun- 
des Getränk. 

3) Aus dem Maismehl in Wasser gekocht und in Ver- 
bindung verschiedener Gewürze viele Arten Bräue /atole) 
und eine Brodart, Namens arepa. 

4) Die reifen Körner geröstet, so wie das daraus 
bereitete Mehl /pinole) werden häufig in terra caliente 
gebraucht. 

5) Endlich wird der Mais in sehr grosser Menge von 
den Mexicanern in den tortillas verzehrt, die auf folgende 
Weise zubereitet werden: Die Maiskörner werden in einem 
Gefasse mit Wasser und zuweilen mit: Hülfe von etwas 
Kalk erweicht, sodann auf einem flachen Stein zu einer 
feinen Masse gerieben und aus dieser sehr dünne Kuchen 
gebildet, die man auf einer erhitzten Thonplatte bäckt. — 


‚Heiss von der Platte werden sie genossen und ersetzen 


dem Mexicaner das Brod, welchem er tortıillas vorzieht. 
Aus den Blättern wird auch Papier gemacht und das 
rohe Blatt im Süden zur Verfertigung der sogenannten 
Stroheigarren /Cigarritos) verwendet. /Heller's Reisen in 
Mexico ) Dr. Helft. 


Neue Reaction auf Strychnin und seine Salze. 


Die Anwendung des doppelt-chromsauren Kalıs zur 
Erkennung des Strychnins leidet nach William Davy 
an manchen Gebrechen. Die violette Farbe ist nur ephe- 
mer und geht fast augenblicklich ins Braune, dann ins 
Olivenfarbene über; ausserdem ist sie nicht unabhängig 
von der Gegenwart gewisser organischer Materien, wie 
Zucker, Alkohol, Aether. 

William Davy hat nun ein Salz gefunden, welches 
dieselben Vortheile bietet, wie das doppelt-chromsaure 
Kali, ohne denselben Unannehmlichkeiten unterworfen zu 


)* 


52 Wirkung der Eisenowydulsalze auf Pyroxylin. 


sein. Das rothe Cyaneisenkalium giebt mit dem Strych- 
nin eine ausserordentlich intensive violette Farbe, welche 
stabil und unabhängig von der Gegenwart organischer 
Materien ist. Man operirt übrigens genau so, wie bei dem 
Verfahren von Lefort und Thompson. Es ist eine 
einfache Substitution des doppelt-chromsauren Kalis durch 
das rothe Cyaneisenkalium, 


Die Empfindlichkeit dieses neuen Reagens ist nach 
Davy ausserordentlich. Mit einem einzigen Tropfen einer 
Lösung, welche nur !/,gooo Ihres Gewichts Strychnin ent- 
hält, konnte er noch eıne hinreichend charakteristische 
Färbung erhalten. (Journ. de Pharm. et de Chim. Sept.1853.) 

AG. 


Wirkung der Eisenoxydulsalze auf Pyroxylin. 


A. Becamp hat Schiessbaumwolle mit Eisenchlorür 
behandelt und dabei gefunden, dass unter Bildung von 
Stickoxydgas die Baumwollenfaser mit Eisenoxyd sich 
bedeckt, dass man leicht durch Salzsäure entfernt. Die 
Analyse der so gereinigten Faser zeigte, dass dieselbe in 
der That die Zusammensetzung der Baumwolle wieder 
angenommen habe. Es wurden namlich gefunden: 43,346 
Kohlenstoff, 6,308 Wasserstoff. 

Diese Baumwolle, nach Braconnot'’s Methode behan- 
delt, um sie in Krümelzucker zu verwandeln, gab einen 


Zucker und eine zweite Substanz, welche die Eigenschaf- 


ten des Dextrins hatte. 


Als Becamp diese Substanz nochmals mit dem 
Gemische von 3 Theilen rauchender ‘Salpetersäure und 
5 Th. engl. Schwefelsäure behandelte, verwandelte sich 
die Substanz wieder in Pyroxylin, das eben so lebhaft 
wie das ursprüngliche verpuffte. 


B&camp hat also die Baumwolle aus dem Pyroxylin 
wieder hergestellt, ebenso, indem er das Verhältniss vom 
Eisenchlorür änderte, das Amylum aus Nitramidin (Xyloi- 
din), das Gummi aus dem nitrirten Gummi. (Compt. rend. 
T.'37. — Chem.-pharm. Centrbl. 1853. No. 44) B. 


Chinesisches Insectenwachs. 53 


Chinesisches Insectenwachs. 

Daniel Hanbury macht darüber folgende Mitthei- 
Jungen: 

Synonyme. Chunypihla Pihla oder Pela. Japa- 
nisches Wachs, Baumwachs, chinesisches Pflanzenwachs, 
Spermaceti vegetabile 

Geschichte. Nach dem chinesischen Schriftsteller 
Siu kouang-ki wurde es erst in der Mitte des 13ten Jahr- 
hunderts in China bekannt. Es scheint indess selbst noch 
lange Zeit hernach nur spärlich vorgekommen zu sein, da 
der Abbe Gosier berichtet, es werde für den Kaiser 
und die höchsten Mändarinen reservirt. 

Verwechselung. Das Chunypihla der Chinesen ist 
mit anderen Insectenproducten verwechselt worden, wie 
mit der Ausscheidung von Coccus ceriferus (weisses Lack) 
und mit der durch F/ata limbata, F.nigricornis und der von 
andern Insecten gebildeten Substanz. "Die Unterscheidungs- 
merkmale bestehen in Folgendem: 

Das weisse Lack ist zerbrechlich und halb durch- 
scheinend, schmilzt bei 145° F., ist löslich in Aether und 
in Alkohol, wird durch fixe Alkalien unvollständig verseift. 
Im Munde wird es weich und zah und schmeckt bitter. 

Die wachsähnliche Substanz der F. limbata löst sich 
leicht in Wasser; aus der heissen Lösung scheiden sich 
beim Erkalten weisse Krystalle ab. 

Production. Fast bis auf den heutigen Tag ist die 
Insectenspecies, welche das chinesische Wachs hervor- 
bringt, ein Gegenstand grosser Unsicherheit gewesen. 

Den ausdauernden Bemühungen William Lockhart's 
verdanken wir die Entdeckung, dass das chinesische Insec- 
tenwachs durch eine bis jetzt nicht beschriebene Coceus- 
Species erzeugt wird. Westwood hat die von Lock- 
hart nach England geschickten, im rohen Wachs ein- 
geschlossenen Insecten untersucht, und schlägt dafür den 
Namen Coccus Sinensis vor. Der unvollkommene Zustand 
der Proben und der Mangel der männlichen Insecten 
schliessen die Möglichkeit "einer vollkommenen wissen- 
schaftlichen Beschreibung aus; die vorhandenen Reste 
bestehen aus einer trocknen. hohlen, fast sphärischen 
Masse, häufig etwas runzlich, äusserlich glänzend und von 
einer tief-rothbraunen Farbe. Diese Masse, welche der 
ausgewachsene Körper des weiblichen Insects ist, varirt 
im Durchmesser von 3,0—%ıo Zoll. An der Stelle, womit 
es am Ast befestigt war, befindet sich eine lineare Oeff- 
nung; ausserdem bemerkt man häufig noch ein oder meh- 
rere kleine Löcher. 


5% Chinesisches Insectenwachs. 


Wie man aus beistehender Zeichnung ersieht, 
‘gleicht es, in dem Wachsüberzuge des Astes 
eingeschlossen, einem kleinen Gallapfel oder einer 
runden sitzenden Beere. Ausser diesen grossen 
weiblichen Insecten enthält das Wachs noch eine 
Menge kleiner jüngerer Thiere, welche wahr- 
scheinlich hauptsächlich das Wachs erzeugen. 
Diese gleichen ihrer Gestalt nach den Keller- 
asseln. Das rohe Wachs selbst bildet rings um 
den Ası einen weissen. weichen, faserigen, sammtarligen 
Ueberzug von !o— ho Zoll Dicke. Das abgeschabte 
findet man in leichten. platten. krummen oder runden 
unregelmässigen Stücken, welche höchstens einen halben 
Zoll lang sind. 

Kein Europäer hat bis jetzt Gelegenheit gehabt, das 
lebende Insect an seiner natürlichen Localität zu beob- 
achten. Die folgenden Notizen über seine Cultur sind 
hauptsächlich chinesischen Autoren entnommen. 

Im Frühling werden die Cocons, welche die Eier 
des Insects enthalten, in Blätter gewickelt und in ver- 
schiedenen Entfernungen an den Aesten des Baumes aul- 
gehangen. Nach 8 Tagen bis % Wochen sind die Eier 
ausgebrütet und die Insecten, welche weiss sind und die 
Gestalt der Hirsekörner besitzen, kriechen aus und be- 
festigen sich an die Aeste des Baumes, oder verbergen 
sich unter den Blättern, Einige Autoren berichten, dass 
die Insecten in dieser Periode ein Bestreben haben, vom 
Baume herunter zu steigen und, sobald sie an seinem 
Fusse Rasen finden, dort zu bleiben. Um dies zu ver- 
meiden, halten die Chinesen den Boden kahl, so dass die 
Insecten statt niederwärts vielmehr aufwärts steigen. Die 
jungen Insecten heften sich an. die Aeste und beginnen 
bald ein weiches Wachs auszuscheiden, welches später 
härter wird, wodurch der Baum wie mit Rauhfrost über- 
zogen scheint. Das Insect selbst wird, wie die chine- 
sischen Autoren sagen, allmälig in Wachs verwandelt. Die 
Aeste des Baumes werden nun abgeschabt, die gesammelte 
Masse bildet das rohe Wachs. Die Zeit der Einsammlung 
variirt wahrscheinlich in den verschiedenen Districten; 
einige Schriftsteller nennen den Juni, andere den August. 
Einen Theil des Wachses, welcher zu fest haftet und 
dessen Entfernung mit zu grossen Schwierigkeiten ver- 
knüpft sein würde, lässt man sitzen; in ihm bilden sich 
die-Cocons, worin die Insecten ihre Eier legen. 

Was den Baum selbst betrifft, so ist die Kenntniss 
darüber noch sehr mangelhaft. Ein durch Fortune aus 


Chinesisches Insectenwachs. 55 


China nach England geschicktes Exemplar, welches der- 
selbe von katholischen Missionären erhielt, hat bis jetzt 
noch nicht geblüht, so dass weder das Genus, noch die 
natürliche Familie mit Sicherheit bestimmt werden konnte. 
Den Blättern nach zu urtheilen möchte es ein Fraxinus sein. 

Nach Julien dagegen lebt das Insect auf vier ganz 
anderen Pflanzen, nämlich auf Ahus succedanea, Ligustrum 
lucidum, Hibiscus Syriacus und einer vierten, deren bota- 
nischer Namen noch unbekannt ist. 

Localität. Das Insectenwachs wird nach Julien 
in den Provinzen Sze-tchuen, Hou-kouang, Yun-nan und 
Fo-kien gesammelt; nach Du Halde auch in Che-kiang 
und Kiang -nan. 

Chemische Charaktere u. Zusammensetzung. 
Dieselben sind von Brodie eifrig studirt. Nach diesem 
Chemiker ist das Wachs, wie es im Handel vorkommt, 
fast chemisch rein. Durch Alkohol kann man kleine Men- 
gen Fett davon trennen und bei der Destillation giebt es 
Spuren von Akrolein. Indess sind die Verunreinigungen 
von keinem Belang. 

Der Schmelzpunct des käuflichen Wachses ist 181,4° F., 
der des vollkommen reinen 179,6° F, Es lösı sich sehr 
wenig in Alkohol und in Aether, aber mit grosser Leich- 
tigkeit in Naphtha, woraus es krystallisirt erhalten werden 
kann. 

Das Mittel der mit gereinigtem Wachs von Brodie 
angestellten Analysen giebt folgende Zusammensetzung: 

Kohlenstoff.......... 82,235 


Wasserstoff......... 13,575 
Sanerstolle Sn. aa 4,190 
100,000, 


welche mit der Formel C!°®H'!°sO*' übereinstimmt. 

. Obgleich das Wachs durch Kochen mit Kalilauge nur 
wenig verseift wird, so kann es doch leicht durch Schmel- 
zen mit festem Kali zersetzt werden, wie Maskelyne 
beobachtet hat, indem es durch Aufnahme von 2 Aeg. 
Wasser in Cerotin und Cerotinsäure zerfäll. Maskelyne 
hat ferner gezeigt, dass durch die Einwirkung von Kalk 
er Kali das Ganze in Cerotinsäure verwandelt werden 

ann. . 

Handel. Dr.Macgowan schätzt die jährliche Pro- 
duction des chinesischen Wachses auf circa 400,000 Pfund, 
im Werth von circa 100,000 spanischen Thalern. 

Gebrauch. In China macht man Kerzen, theils aus 
dem Insectenwachs allein, theils aus einer Mischung des- 
selben mit einer anderen weichen Fettsubstanz. Um diesen 


56 Erkennung von Blutflecken. 


weichen Kerzen einen harten Ueberzug zu geben und sie 
vor dem’Abschmelzen zu schützen, werden sie in geschmol- 
zenes, oft durch Alkanna roth gefärbtes Insectenwachs 
getaucht. 

Lockhart berichtet, dass der Schnitt der Bücher 
und der Rand der Schuhsohlen mit dem Wachs eingerie- 
ben werden, um ihnen Glanz zu verleihen. 

Als Arznei wird das Insectenwachs von den Chinesen 
äusserlich und innerlich in einer Menge Krankheiten ge- 
braucht. Du Halde sagt: Es stillt das Blut, lindert die 
Schmerzen, es restaurirt, stärkt die Nerven und heilt Bein- 
brüchke Gosier erwähnt ausserdem seine Anwendung 
bei Wunden und giebt an, dass es häufig unzenweise als 
Stimulans verschlungen wird.. (Pharm. Journ. and Transaet. 


April 1853 ) A. 0. 


Ueber die Erkennung von Blutflecken. 


Die Methoden, die Gegenwart des Blutes auf Lein- 
wand oder anderen Kleidungsstücken, welche dem Che- 
miker vom Gerichte zur Untersuchung eingereicht werden, 
mit Gewissheit darzuthun, haben sich bis jetzt nicht ganz 
hinreichend erwiesen. Dr. J. Loewe hat sich deshalb 
bei einer Untersuchung gleicher Arı veranlasst gefunden, 
die bis jetzt bekannten Reactionen über diesen Gegenstand 
zu prüfen, und ist auf eine eigene Methode geführt, welche 
bis jetzt in der chemischen Literatur noch nicht erwähnt 
gefunden worden ist. 

Auf die Thatsache gestützt, dass stickstoffhaltige Kör- 
per und namentlich Blut, in dessen Masse eine so reiche 
Menge von Proteinverbindungen verflüssigt sind, beim 
Zusammenschmelzen mit kohlensaurem Kali die Ursache 
zur Bildung von Cyankalium sind, und letzteres bei wäs- 
seriger Lösung mit Eisenfeile in Berührung sich in gelbes 
Blutlaugensalz umsetzt, glaubt Dr. Loewe, dass die Nach- 
weisung der Blutflecken durch folgenden Versuch sich 
müsse feststellen lassen. 

Ein Stückchen der mit Blut durchdrungenen Leinwand 
wird mit destillirtem Wasser in einer kleinen Porcellan- 
schale befeuchtet und. so lange damit in Berührung gelas- 
sen, bis das letztere die aufgetrocknete rothe Masse völlig 
gelöst und die Leinewand fast farblos erscheint. Letztere 
nimmt man alsdann mit der Pincette heraus, presst sie 
zusammengefaltet zwischen zwei Glasplättchen aus, reinigt 
sie noch vollständig mit etwas destillirtem Wasser und 
spült die letzten Tropfen zu dem rothen Inhalte des Schäl- 


ee 


Erkennung von Bluiflecken. 57 


chens. Die gefärbte Flüssigkeit versetzt man mit kohlen- 
saurem Kali und dampft sie bei 105° €. zur vollständigen 
Trockne ab; eine höhere Temperatur muss vollständig 
vermieden werden. Den nun erhaltenen wasserfreien 
Rückstand giebt man in eine mehr lange als weite Glas- 
röhre, welche unten in einer Spitze ausgezogen ist, und 
bedeckt ihn noch mit einer Lage von kohlensaurem Kali, 
um so viel als thunlich den Zutritt der atmosphärischen 
Luft zu verhüten, welche leicht eine Umsetzung des Cyan- 
kaliums in cyansaures Kali während der Schmelzung her- 
beiführen könnte, welches letztere Salz für die Bildung 
von Ferrocyankalium ganz ohne Einfluss ist, wodurch 
leicht ein negatives Resultat sich ergeben würde Auch 
könnte man die Schmelzung in einem kleinen eisernen 
Tiegel ausführen, der von etwas mehr hoher als weiter 
Gestalt und nach Art der Platintiegel mit einem über- 
greifenden Deckel zu verschliessen ist. — Die Masse im 
Glasröhrchen setzt man nun längere Zeit hindurch mit 
Hülfe des Löthrohrs einer starken Schmelzhitze aus, lässt 
sie dann erkalten, schneidet in der Nähe der dunkeln 
Probe das Röhrchen mit einem Feilstriche ab «und wirft 
es mit seinem offenen Ende in ein Reagensgläschen, in 
welches man ein wenig warmes Wasser und Eisenfeile 
oder besser Schwefeleisen gebracht hat. Den Process 
der Ferrocyankaliumbildung sucht man durch gelindes 
Erwärmen zu beschleunigen und zu unterstützen, filtrirt 
dann die Lösung von dem metallischen Rückstand in ein 
anderes Probirgläschen ab, säuert das alkalische Filtrat 
mit Salzsäure schwach an, um das vorhandene kahlensaure 
Kali zu zersetzen, und giebt nun zu der schwach sauren 
Lösung 1—2 Tropfen Eisenchlorid. Die Flüssigkeit färbt 
sich sogleich gelblichgrün, da die entstehende Verbindung 
von Berlinerblau wegen ihrer grossen Vertheilung in der 
vom überschüssigen Eisensalze gelb gefärbten Lösung 
suspendirt ist. Nach kurzem Stehen hat sich das blaue 
Präcipitat an dem Boden des Röhrchens abgesetzt und 
kann nun an seinen charakteristischen Eigenschaften er- 
kannt werden. Eine grosse Anzahl von Versuchen, welche 
mit ganz kleinen Proben von mit Blut imprägnirter Leine- 
wand ausgeführt wurden, haben stets ein positives Resultat 
gehabt, mochte die eingetrocknete Masse nun längere oder 
kürzere Zeit auf der Faser gehaftet haben, und Loewe 
ist der festen Ueberzeugung, dass auch nach einem Ab- 
schnitte von Jahren ihre Gegenwart dieser Beweisführung 
sich nicht entziehen wird. Getragene und von Schweiss 
durchdrungene Leinwand wurde für sich der Schmelzung 


58  Vorsichtsmaassregeln beim Gebrauche des Chloroforms. 


mit kohlensaurem Kali unterworfen, um durch den Versuch 
festzustellen, ob die in den schweissigen Exhalationen 
enthaltenen Ammoniakverbindungen zur Cyanbildung bei- 
tragen könnten, wodurch allerdings in manchen Fällen 
das Experiment zweifelhaft wurde; allein nie sind‘ die 
geringsten Spuren von blauen Flöckchen bei Zusatz von 
Eisenchlorid und nach langer Zeit ruhigen Stehens wahr- 
genommen worden. Die Lösung des Eisensalzes wurde 
vor dem Zusatze nochmals filtrir, um allen Täuschungen 
vorzubeugen und alsdann das Röhrchen mit einem Korke 
verschlossen. Ausserdem ist es wohl schon wahrschein- 
licher, dass Ammoniakverbindungen bei Gegenwart des 
Alkalis schon bei niederer Temperatur sich zersetzt und 
verflüchtigt haben würden, als anzunehmen, dass bei den 
hohen Hitzgraden, wie sie die Cyanbildung verlangt, letzt- 
genannte Verbindung aus den Bestandtheilen des Ammo- 
niaks enstehen sollte. Gerade der hohe Reichthum des 
Blutes an Proteinsubstanzen ist der Cyanbildung selbst 
bei geringen dem Versuche ausgesetzten Mengen günstig, 
und Loewe ist der Meinung, dass dieses Experiment 
charakteristisch genug ist, um die Gegenwart einer so 
complicirten Flüssigkeit in zweifelhaften Fällen darzuthun. 
Wo organische Pigmente wegen ihrer Aehnlichkeit mit 
dem Blutfarbstoffe einen Zweifel aufkommen lassen, da 
lässt letzterer sich schon beseitigen durch das deutlich 
ausgeprägte Verhalten jener zu Ammoniak, unterchlorig- 
saurem Kalk, Natron oder freiem Chlor, und was die Rost- 
flecken anbelangt, so werden diese nimmer, haften sie 
auf der Pllanzenfaser oder auf den Klingen schneidender 
Instrumente, beim Verschmelzen mit kohlensaurem Kali, 
Cyankalium oder Doppelcyanür erzeugen können. ( Polyt. 
Journ. Juni 1X53.) B. 


Vorsichtsmaassregeln beim Gebrauche des 
Chloroforms. 


Nach den Versuchen Flourer’s erstreckt sich die 
Wirkung des Chloroforms nach und nach von den Lappen 
des grossen Gehirns aus auf das kleine Gehirn, dann auf 
die hintere Hälfte und die Wurzeln der Sensitivnerven 
des Rückenmarkes, dann auf die vordere Hälfte und die 
Wurzeln der Bewegungsnerven des Rückenmarkes, endlich 
auf das verlängerte Mark. Ein chloroformirtes Thier ver- 
liert daher erst die Intelligenz und das Gleichgewicht der 
Bewegung, dann das Gefühl, dann die Bewegung. In 
diesem äussersten Momente concentrirt sich das’ Leben 


Vorsichtsmaassregeln beim Gebrauche des Chloroforms. 59 


noch in dem verlängerten Marke und bald darauf stirbt 
das Thier. 

Nach Baudens soll man daher vor dem Chlorofor- 
miren die Natur des Patienten genau erforschen, den Herz- 
schlag und die Lungen auscultiren und sich überzeugen, 
dass er keine organischen Fehler hat, die als Contradic- 
tionen gelten. Solche sind Asthma, Lungenphthisis, Chlo- 
rose, Anämie etc. Der Kranke muss ruhigen Geistes sein 
und darf durchaus keine Furcht vor dem Chloroformiren 
haben, namentlich muss er das Chloroformiren selbst ver- 
langen und das vollste Vertrauen zu seinem Arzte haben. 
Die Operation darf nur in grossen und leicht auszulüften- 
den Zimmern geschehen. 

Zur Vorsicht beim Chloroformiren soll man, wie es 
Gu&rin machte, das Chloroform in kleinen, langen, gra- 
duirten Fläschchen führen, so dass jeder Grad 4 Grm. 
Chloroform fasst. Man soll den Puls, die Lungenbewe- 
gungen und die Zeit des Einathmens nach einer Secunden- 
uhr abzählen und auf die Stärke und Frequenz des Herz- 
schlages gehörig ‚achten. Der Kopf des Kranken soll 
durch ein Kopfkissen unterstützt hoch liegen, und es soll 
das Chloroform mittelst eines Taschentuches zum Ein- 
alhmen gegeben werden, indem man zuerst 4 Grm, und 
nach und nach mehr darauf giesst. Man halt das Tuch 
zuerst in einiger Entfernung vor dem Munde, nähert es 
dann, doch so, dass ein Theil des Mundes stets offen und 
frei bleibt, Indem man den Kranken gelinde in die Hände 
kneift und ihn fragt, was man thut, muss man aus der 
Antwort genau den Augenblick erkennen, wo er die Be- 
sinnung verliert, und dann die Operation schnell ausführen. 
Zur Zeit der eintretenden Anästasie fangen die Patienten 
häufig an zu reden, die Worte verlieren den Zusammen- 
hang; jedenfalls soll nun das Taschentuch entfernt und 
nicht beibehalten werden, wie es geschieht. Jetzt ist 
besonders Vorsicht und Aufmerksamkeit auf den Puls, das 
Herz und den Athmungsprocess nothwendig, und wenn 
man unwillkührlich den Patienten bis zum zweiten Sta- 
dium, der totalen Anästasie, gebracht hat, soll man alle 
Mittel anwenden, um die Anästasie auf den ersten Grad 
zurückzubringen. Bei länger dauernden Operationen soll 
man dem Patienten das Chloroform intermittirend geben. 

Nach dem Chloroformiren, wenn dies ohne Unfall vor 
sich gegangen ist, bedarf es weiter keiner Behandlung. 
Ist es dagegen zu weit gegangen, so soll man durch Oefl- 
nen von Fenstern schnell frische Luft schaffen, den Patien- 
ten auf den Rücken legen, um die Circulation leichter 


60 Die Liebig’sche. Reaction auf Harnstoff. 


herzustellen, die vier Extremitäten aufheben, um das Blut 
leichter wieder nach dem Herzen hin fliessend zu machen, 
den Schaum vor dem Munde des Kranken entfernen, ein 
künstliches Athmen hervorzubringen suchen, indem man 
abwechselnd die Wände des Thorax und Abdomen com- 
primirt, auf das Gesicht Gläser voll kalten Wassers als 
Douche schütten, Luft einblasen oder einpumpen, nach 
Ricord Wasser, nöthigenfalls einen Löffel voll mit ein 
Paar Tropfen Ammoniak eingeben, und selbst die Elek- 
tricität zu Hülfe nehmen. ( Compt. rend. T. 37. — Chem.-. 
pharm. Centrbl. 1853. No.42) B. 


Vorkommen einer der vegetabilischen Cellulose 
ähnlichen Substanz im Gehirn. 


Purkinje hat im Menschenhirne eigenthümliche Kör- 
per gefunden und beschrieben, die aus concentrischen 
Schichten gebildet sind und eine den Amylumkörnern ana- 
loge Structur haben. Dieselben Körper hat man später 
noch an anderen Stellen des Gehirns, in den oberfläch- 
lichen Schichten der Wände der Ventrikel und im Rücken- 
marke gefunden. Einige Beobachter meinen, dass der 
acervulus cerebri aus derselben Substanz bestehe 

Virchow beobachtete unter dem Mikroskope, dass 
auf Zusatz von Jodflüssigkeit diese Körper eine bläuliche 
Farbe annahmen. Wenn man nun Schwefelsäurehydrat 
dazu brachte, so trat auch die violette Farbung ein, welche 
die vegetabilische Cellulose unter gleichen Bedingungen 
zeigt, 

® Dabei macht Virchow die Bemerkung, dass die Stelle 
im Gehirne, wo sich diese Körper besonders finden, die- 
selbe Gegend ist, durch deren Verletzung Bernard die 
Entstehung des Zuckerharnes bedingte. /Compt. rend. 
T. 37. — Chem.-pharm. Centrbl. 1353. No. 4%.) B. 


Die Liebig’sche Reaction auf Harnstoff. 


Bekanntlich hat Liebig als eine durchaus sichere 
Reaction zur Erkennung des Harnstoffs in einer Flüssigkeit 
empfohlen, dem zu prüfenden Liquidum eine kleine Menge 
Kalilauge beizumischen und dann Quecksilbersublimat- 
lösung tropfenweise zuzusetzen. Durch Entstehung eines 
blendend weissen Niederschlags, welcher aus einer Ver- 
bindung von Harnstoff und Quecksilberoxyd besteht, lässt 
sich die kleinste Menge des Harnstoffs entdecken. 


Ueber die Fettsäure. | 61 


Dr. H. Hirzel hat nun die richtige Bemerkung ge- 
macht, dass dieselbe Reaction auch durch reines Ammoniak 
und viele organischen Basen hervorgerufen wird, so dass 
es absolut nothwendig sei, sich erst von der Abwesenheit 
des Ammoniaks zu überzeugen, ehe man die Liebig'sche 
Harnstofiprobe in Anwendung bringt. (Zeitschr. für Pharm. 
V. Jahrg. No.9.) 


Ueber die Fettsäure. 


H. Carlet hat die von Bouis selbst aus dem Rici- 
nusöl dargestellte Fettsäure, um sie näher untersuchen zu 
können, angewandt. Derselbe thut dar, dass diese Säure 
mit der nach dem älteren Verfahren dargestellien Säure 
identisch ist. Sie hat die Formel C?°H!°O*, giebt im 
Sonnenlichte mit Chlor die beiden Substitutionsproducte 
C:°H:’ClO® und C?°H!°C1?O®. Beide sind gelb und bei 
gewöhnlicher Temperatur zähe, teigartig. 

Carlet führt als einen neuen Körper das fettsaure 
Methyloxyd C:°H!°O°,2(C?H®O) auf. Man erhält diesen 
Körper leicht, indem man die Fettsäure in concentrirter 
Schwefelsäure löst und nach und nach Holzgeist dazu 
setzt, indem man um abzukühlen das Gefäss öfters in 
kaltem Wasser bewegt. Der Aether wird nachher abge- 
schieden, indem man die Flüssigkeit in Wasser giesst. 
Man wäscht nun den Aether erst mit etwas Alkalı ent- 
haltendem Wasser, dann mit Wasser und krystallisirt ihn 
aus Wasser um. Dieser Körper ıst fest, schmilzt bei 25,5°, 
beim Erkalten in Nadeln erstarrend. Der feste Aether ist 
schwerer als Wasser, der geschmolzene leichter als dieses. 
Er hat einen schwachen Geruch, siedet bei 285°. Kali 
verwandelt ihn in fettsaures Kalı und Holzgeist. Das von 
Redtenbacher zuerst dargestellte feitsaure Aethyloxyd, 
C?°H:°O°,2(C#H°0O), hat Carlet ebenfalls analysırt Es 
bleibt bis — 9° flüssıg, leichter als Wasser, siedet bei 308°. 

Auch hat Carlet Rowney’s Angaben über das 
Sebamid und die Sebaminsäure geprüft. Er findet sie 
bestätigt, indem durch Einwirkung von Ammoniak auf das 
fettsaure Methyloxyd das Sebamid entstand. 


Mit Wasser setzt sich das Sebamid in sebaminsaures 
Ammoniak um. (Chem.-pharm. Centrbl. 1853.) B. 


62 Untersuchung der Butter auf ihren Fettgehalt, 


Zusammensetzung; des Rindstalges. 


W. Heinz hat mit Geha Bönatgkeit mit welcher 
er schon mehrere Fette untersuchte, auch das Rindstalg 
eıner Untersuchung unterworfen und dabei gefunden: 

1) dass das Stearin aus Rindstalg gleich zusammen- 
gesetzt ist, wie das aus Hammeltalg abgeschiedene und 
also nicht ungefahr 2 Proc. Kohlenstoff mehr enthält, wie 
Arzbächer behauptet; 

2) dass der Nüssige Theil der aus dem Rindstalg 

abgeschiedenen Feutsäuren wesentlich Oelsäure (C3 430° 
+10) sei, dem aber noch eine geringe Menge einer 
anderen Säure beigemischt ist, welche ein niedrigeres Alom- 
gewicht, als die Oelsäure besitzt; 

3) dass der feste Theil des Rindstalges aus zwei 
Säuren: der Stearinsäure (C?°H3°0° + HO) und der Pal- 
mitinsäure (C??H?'O: + HO) bestehe. 

Aus der gewonnenen Palmitinsäure hat er das Natron-, 
Magnesia-, Baryt-, Blei-, Kupfer- und Silbersalz dargestellt, 
und aus deren Analyse auch die Zusammensetzung der- 
selben bestätigt. (Poggd Annal. 1853. No.8. p.579—591.) 

Mr. 


Untersuchung der Butter auf ihren wirklichen 
Fettgehalt. 


Dr. L. v. Babo in Freiburg bedient sich zur Bestim- 
mung des reinen Fettes in der "käuflichen Butter des was- 
serl@eren Aethers, den er erhält, indem 6 Unzen Aether 
mit 1 Unze ausgeglühter Pottasche geschüttelt werden. 
Die hierzu nöthigen Röhren kann man sich leicht anfertigen; 
auf 10 Volumth. “der zu untersuchenden Butter nimmt man 
ein gleiches Volum Aether, um sogleich den Gehalt der 
Butter nach Procenten bestimmen zu können. A Volumth. 
Rückstand entspricht 10 Proc. Wasser, Käse, Salz oder 
sonstige Verunreinigung; ist die Gradeintheilung so ein- 
gerichtet, dass man noch halbe und viertel Grade ablesen 
kann, so sieht man, dass die Untersuchung eine ziemlich 
genaue werden kann. Versuche bestätigten die Genauig- 
keit des Verfahrens und es fand sich "auf diese Weise 
Butter mit nur 5 Proc., aber auch mit 40 Proc. Verunrei- 
niıgung. (Agron. Ztg. 1853. No. 30. — Polyt. Cenirbl. 1853. 
No. 16. p. 997 — 1001.) Mr. 


re 


Miscellen. 63 


‘ Gasgebläselampe. 


. Diese Lampe, von Dr. Heeren in Hannover construirt und in 
Fig. 1. im Aufriss, in Fig. 2. im verticalen Querschnitt gezeichnet, ist 


Fig. 1. 


in + der wirklichen Grösse dargestellt. Sie ist sowohl zum Glasblasen, 
als auch zu Glühungen aller Art mit grosser Bequemlichkeit und Kosten- 
ersparniss zu verwenden. Die Lampe ist auf dem Glasblasetische a, a, 
auf welchem ein Klotz b durch Schrauben befestigt, aufgeschraubt; 
e ist das vom Blasebalg herkommende, d ein kurzes Rohr von vul- 
kanisirtem Kautschuk, welches den Wind dem Blaserohr der Lampe e 
zuführt. Dieses Rohr ist aber mit einer eingeschraubten Spitze ver- 
sehen, deren Oeffnung die Weite einer dicken Stecknadel haben kann; 
von solcher Spitzen bedarf man mehrere von verschiedener Weite. 
Auch ist dies Rohr bei f mit einer gezahnten Stange und einem 
Triebe versehen, um es höher oder niedriger zu stellen. Das obere 
Ende des Blaserohres geht durch den Boden eines nach oben sich 
erweiternden Conus g, welcher unten einen längern Rohransatz k 
enthält, in welchem sich das Blaserohr ohne erhebliche Reibung auf- 
und abschieben lässt. Durch das Messingrohr k gelangt das Leuchtgas 
in den ebenfalls von Messing gefertigten Behälter i, der an der Aussen- 
seite ein langes Schraubengewinde enthält, um so mittelst eines Deckels Z 
geschlossen werden zu können, zu welchem Ende er mit einem Arm m 
versehen ist. In der Mitte dieses Deckels ist eine Oeffnung für die 
Flamme, welche ınan durch verschiedene Deckplatten grösser und 
kleiner machen kann. Da es der Lampe nie an Luft fehlt, wenn der 
Blasebalg angetreten ist, so ist die Lichtentwickelung zwar schwach, 


64 Miscellen. 


aber die Hitzeerzeugung um so stärker. — Soll die Flamme als Löth- 

rohrflamme benutzt werden, so wird sich das durch ein angehrachtes 
Charnier am Ausströmungsrohre leicht bewirken lassen. Auch lässt 
sich die Flamme noch mit einer Esse umgeben, wozu der Dr. Heeren 
sich eines hessischen Schmelztiegels bedient, an welchem der Boden 
abgeschlagen ist. (Mittheil. des Gew.-Ver. für das Königr. Hannover. 
1853. H.2. p. 108. — Polyt. Centrbl. 1853. No. 19. p. 1187 — 1189.) 

Mr. 


Eine neue Bürette. er 


Diese Bürette, von R. Kersting in Riga ange- 
geben und hierneben abgebildet, lässt sich leicht auf 
folgende Art anfertigen. Ein Glasrohr 4-3 Zoll weit, 
20 Zoll lang und von 4— ? Linie Wandstärke wird 
zuerst an dem einen Ende vor der Blaselampe zuge- 
schmolzen. Darauf biest man 4 Zoll von diesem Ende 
mit möglichst kurzer Krümmung ein Knie von 45°. 
Dicht hinter der Biegung erhitzt man den kurzen 
Schenkel und bläst die Stelle zu einer zollweiten Kugel 
aus. Einen halben Zoll hinter der Kugel scheidet 
man das zugeschmolzene Ende ab und erweitert den 
Rand der ÖOefinung wie bei einer Medicinflasche. 
Wenn man nun auch das andere Ende des langen 
Schenkels zuschmilzt, so ist das Gefäss bis zum An- 
bringen des Maassstabes fertig. Diese Bürette bat den 
Vortheil, dass man sie gut verkorken und dass man 
bei einiger Uebung die Reagensflüssigkeit tropfenweis 
herausfliessen lassen kann. (Annal. der Chem. u. Pharm. Bd, 87. p.33.) 

Mr. 


Verfälschung des Cichorien - Caffees. 


A. Marquis hat eine Menge Proben von käuflichem Cichorien- 
Caffee untersucht und dabei folgende Verfälschungen gefunden: 

1) Geröstetes Brod. — Dieses entdeckt man durch die Färbung, 
welche das Decoct mit Jod giebt, so wie durch den Geruch beim 
Einäschern, welcher dem von verbrennendem Dextrin ähnlich ist. 

2) Sand, Erde. 

3) Ziegelmehl. — Die Asche ist röthlich, rauh anzufühlen, und 
enthält wechselnde Mengen von Eisenoxyd, Kieselerde, Thonerde, 
kohlensaurem und schwefelsaurem Kalk. 

4) Abgängiges Beinschwarz aus den Zuckerfabriken. — Beim 
Decantiren bleibt es zuletzt zurück. Beim Verbrennen entwickelt sich 
ein Caramelgeruch und die Asche enthält sehr viel Kalkphosphate. 

5) Gesiebte Steinkohlenasche. — Beim Anrühren des Pulvers in 
Wasser schlagen sich zuerst kleine Kohlenstückchen nieder, welche 
der Verbrennung entgangen sind. Die Asche ist weisslich oder leicht 
und entbält reichliche Mengen von Thon oder von Thon und kohlen- 
saurem Kalk, welche von den Thon- oder Kalkmergeln herrühren, 
womit man die feinen Kohlen mengt, um daraus feste Massen zu for- 
men. (Journ. de Pharm. et de Chim. Sept. 1853.) Au 08 


Miscellen. 65 


Syrupus ferri et mangani jodatı. 


Nach William Procter wird ein solcher Syrup nach folgen- 
der Vorschrift bereitet. Man nimmt Jodkalium 1000 Gr., schwefel- 
saures Eisenoxydul (in Krystallen) 630 Gr., schwefelsaures Mangan- 
oxydul 210 Gr., rostfreie Eisenfeile 100 Gr., gepulverten weissen 
Zucker 4800 Gr., destillirtes oder gekochtes Wasser eine hinreichende 
Menge. 

lan reibt die schwefelsauren Salze und das Jodkalium jedes für 
sich zu Pulver, mischt sie mit der Eisenfeile, fügt 4 Unze destillirtes 
Wasser hinzu und reibi zu einem gleichförmigen Brei. Nach einigen 
Minuten fügt man wiederum 7 Unze destillirtes Wasser hinzu, reibt 
aufs neue und lässt es dann 15 Minuten lang stehen. Hierauf wird 
ein dritter Wasserzusatz gemacht und gemischt. Der Zucker wird 
dann in eine Flasche geschüttet, welche ein wenig mehr als 12 Unzen 
fasst. Den Salzbrei schüttet man dann aus dem Mörser auf ein Filter, 
und wenn die concentrirte Lösung durchgelaufen ıst, giesst man destil- 
lirtes oder gekochtes Wasser sorgfältig in kleinen Portionen darüber, 
bis die Lösung der Jodmetalle verdrängt ist. Zuletzt giesst man so 
viel gekochtes Wasser hinzu, dass es 12 Unzen werden und schüttelt 
die Flasche, bis der Zucker gelöst ist. Man kann die Auflösung 
dadurch beschleunigen, dass man die Flasche in warmes Wasser stellt. 


Jede Unze dieses Syrups enthält 50 Gr. des Gemisches der was- 
serfreien Jodmetalle, im Verhältniss von 3 Th, Jodeisen auf 1 Th. 
jJodmangan, und die Dosis beträgt 10 Tropfen bis 4 Drachme. 

Wegen der Schwerlöslichkeit des schwefelsauren Kalis und der 
geringen Menge des angewandten Wassers ist nur wenig von jenem 
Salze i:ı Syrup enthalten. Die Eisenfeile wird zugesetzt, um eiwa 
frei gewordenes Jod zu säitigen. Die Anwendung entweder von 
destillirtem, oder von gekochtem Wasser ist nothwendig, um die Wir- 
kung der Luft auf die Jodide zu verhindern. Der Syrup hat eine 
blasse Strohfarbe; sind die Salze nicht vollständig zersetzt, so hat er 
eine grünliche Farbe, und mit der Zeit scheiden sich alsdann Krystalle 
von schwefelsaurem Kali ab. (Americ. Journ. of Pharm. — Pharm. 
Journ. and Transact. Aug. 1853.) 


Syrup. albuminatus 


bereitet man nach Sianislas Martin durch Auflösen von 500 Grm, 
gepulvertem Zucker in 250 Grm. frischem Eiweiss bei höchstens 70°. 
Er erweist sich sehr heilsam gegen Diarrhöen, und wird ausserdem 
als Antidot bei Kupfer- und Quecksilbervergiftungen gebraucht. (Bull, 
general de therap. — Journ. de Pharm. et deChim. Sept. 1853.) 
AD. 


Die Rinde von Ulmus fulva 


wird in Form eines Infusums oder Breiumschlags neuerdings in den 
Vereinigten Staaten als erweichendes Mittel angewandt. (Pharm. 
‚Journ. and Transact. Sept. 1853.) A.O 


Arch.d. Pharm. CXXVII. Bds. 1. Hft. 5 


66 Miscellen. 


Verfälschte Citronensäure. 


Jackson macht darauf aufmerksam, dass jetzt häufig Acid. tar- 
taric, statt Acid. citric. von Droguisten in den Handel gebracht werde, 
(Pharm. Journ. Aug, 1853.) 


Collodium ferruginosum und seine Anwendüng. 


Man kennt die guten Wirkungen der Solution des schwefelsauren 
Eisens in Erysipelas, Anstalt hierin eine einfache adstringirende 
Action zu sehen, derjenigen des schwefelsauren Zinks ganz analog, 
sind Einige der Meinung gewesen, das Eisen entwickele in diesem 
Falle durchaus specielle Kräfte und da das Collodium unter diesen 
Umständen ebenfalls nützlich ist, so hat Dr. Aran den Einfall gehabt, 
beide Mittel mit einander zu verbinden, um den Kranken mit ihren 
zwiefachen Heilpotenzen zu bevortheilen. Wir haben dieser Idee 
keine grosse Wichtigkeit beigelegt, allein es würde nicht das erste 
Mal sein, dass, während man eine unrealisirbare Idee verfolgt, man 
ein unvorhergesehenes Resultat erhält, das vielleicht weit nützlicher 
ist, als das, was man erwartete. So würde es mit dem neuen Col- 
lodium nach dem Bulletin de Therapeutique sein. Hier seine For- 
mel: Gewöhnliches Collodium, ätherische Tinctur des Eisenchlorids 
oder Tinct. Bestuscheffü, von beiden gleiche Theile dem Gewichte 
nach. Es geht aus dieser Mischung eine trübe opale Flüssigkeit von 
einer schönen Maronenfarbe hervor, die alsbald unter dem Einflusse 
der Wirkung der Luft zu einer Okerfarbe übergeht. Wenn dies Col- 
lodium eine gewisse Zeitlang aufbewahrt worden ist, so präcipitirt 
eine gewisse Quantität Eisenoxyd. Ueber die Haut ausgebreitet 
bildet dies Collodium eine Schicht von etwas geringerer Dicke, als 
die des gewöhnlichen Collodiums, aber in einer ganz andern Art, 
biegsam und resistent. Man kann von dem Muskel alle möglichen 
Bewegungen ausführen, die Haut in jeder Weise spannen lassen, ohne 
Spalten zu beobachten, wie sie das gewöhnliche Collodium immer 
darbietet. Seine Adhärenz ist auch sehr gross. Man hat davon eine 
Lage auf der Hand gehabt, die erst nach 2—3 Tagen weggenommen 
worden ist. Dagegen zeigt sich die Constrietion davon geringer 'und 
folglich erträglicher. Unter dem Einflusse der Wirkung der Luft geht 
die Collodiumlage von der Maronen- in die mehr oder weniger dun- 
kelrothe Okerfarbe. über. — Es war nun gesagt, dass, wenn das 
Collodium ferrug. auch nicht das gewöhnliche Collodium dethronisirt, 
es gewiss in vielen Fällen ersetzen könne, wo man weniger zum 
Zwecke habe, eine Compression auszuüben, als kranke Oberflächen 
der reizenden Wirkung der Luft oder der umgebenden Körper zu 
entziehen, und sie einer directen fortgesetzten medicamentösen Ein- 
wirkung zu unterwerfen. Wir zweifeln sehr, dass das auf die Haut 
applicirte Eisen eine sehr positive Wirkung habe, und wir zweifeln 
noch mehr, dass, eingeschlossen in dem Gewebe des Collodiums, es 
überhaupt im Stande sei, eine Wirkung auszuüben. Allein wenn das 
Collodium ferrug. zugleich adhärirender und einfacher wäre, als das 
gewöhnliche Collodium, so würde das eine glückliche Modification sein. 
(Revue med, chirurg.) Aug. Droste, Dr. 


67 


IV. Literatur und Kritik. 


Die ostindische Rohwaarensammlung der Friedrich-Alexan- 
der-Universität zu Erlangen, beschrieben und erläutert 
von Dr, Theodor Wilhelm Christian Martius. 
Erlangen 1853. 


Bei Gelegenheit der Generalversammlung des süddeutschen Apo- 
theker-Vereins in Nürnberg im August 1853 war das oben genannte 
Schriftchen ausgelegt und mir eingehändigt worden. Im Interesse der 
Mitglieder des Apotheker-Vereins will ich daraus einige Mittheilungen 
mir erlauben. 

Das Schriftchen ist dem Dr. J. Forbes Royle, Professor der 
Materia medica und Therapie am Kings-Collegium inLondon gewidmet. 


für die Besucher der ostindischen Rohwaarensammlung hat Dr. 
Martius ein Vorwort gegeben. In demselben wird erzählt, dass 
diese Sammlung der Königl. Universität durch das Wohlwollen des 
Sir James Weier Hoog, Chairman der ostindischen Compagnie, 
zugekommen ist. Auf dem Transporte ging Manches verloren. Da 
aber Martius so glücklich war, durch die Güte des Prof. Royle 
in London eine Sendung ähnlicher Gegenstände zu erhalten, so konnte 
derselbe Manches in der erstgedachten Sammlung ergänzen. Die 
Sammlung ward grösstentheils in Glasgefässen untergebracht, aber gut 
verschlossen, um, wie es im Vorworte heisst, dadurch der Neugierde 
und Fingerfertigkeit zu begegnen. Man muss aufrichtig bedauern, 
dass solche Maassregeln nöthig wurden. Von einigen Stoffen, von 
welchen grössere Mengen zu Gebote standen, wurden chemische Ana- 
Iysen veranstaltet, unter Mitwirkung des Professors Gorup von 
Besanez. 


Ein Ueberrest der Samen und Früchte ward zu Versuchen an 
den botanischen Garten abgegeben, so wie an einige landwirthschaft- 
liche Institute. 


Hinsichtlich der Nomenclatur hat Martius bei allen den Kör- 
pern, welche als Arzneimittel dienen, den von allen Pharmakognosten 
befolgten Weg eingeschlagen und die Droguen unter den Abtheilun- 
gen aufgeführt, unter welchen sie als Theile der Pflanzen erscheinen. 


Von der Universität wurden Martius zwei Schriften übergeben, 
welche in Folge der Zusendungen aus Ostindien von verschiedenen 
Comites angefertigt waren. Bei einer dieser Schriften war auch Dr. 
James Vaugham thätig, welchem man interessante Nachrichten 
verdankt über die Arzneimittel Ostindiens. 


Die Sammlung zu sehen war den Besuchern der Nürnberger Ge- 
neralversammlung, welche am 27. August den Abstecher nach Erlan- 
gen mitmachten, vergönnt, und so auch mir. 


68 Literatur. 


Aus dem Pflanzenreiche, 

Tange. — Agar-Agar. Agal-Agal. Fucus spinosus. Aus Sin- 
gapore. — Agar-Agar carang. Gracilaria lichnoides aus Malacca. 

Wurzeln. — Rad, aconiti ferocis vom Himalaya, gegen den Biss 
giftiger Schlangen angewendet. Soll tödtlich wirken. — Rad. Acori 
Calami ind. — Rad. Baj raj. Stammpflanze unbekannt. Aus dem 
Distriet Rhangulpore in Patna. — Rad. Bombacis septenati. Bombax 
septenatum Jacg. — Rad. Budrungae. Zanthoxylon. Budrunga aus 
Caleutta. Rad. Chaya. Hedyotis umbellata L., dient zum Rothfärben 
der Baumwollenzeuge. — Rad. Chynlen. Coptis tecta Wallich. — 
Rad. Casti. Auclandia Castus Falcon. Dient als Parfüm, — Rad. 
Eulopiae, wie Salep gebraucht. — Rad. Foetidiae mauritianae. — Rad, 
Hedychii spicati. — Rad. Jatamansi. Nardus verus. Nardostachys 
Jatamansi. Als Räuchermittel gebräuchlich. — Rad. Momordicae mu- 
ricatae. — Rad. Mongkadu. Morinda umbellata L., dient zum Färben. 
Rad. Morindae eitrifoliae, dient zum Rothfärben, wie auch Rad. Mun- 
jistae, Rubia cordata Thb., R. cordifolia L. — Rad, Muthae Sangar. 
Cyperus Munga. — Rad. Nannari. Periploca indica, riecht nach Va- 
nille, wirkt wie Sassaparille. — Rad. Nardostachys. — Rad. Rhei. 
Ein Exemplar, das mit der im Handel vorkommenden Wurzel keine 
Aehnlichkeit hat. 

Hölzer. — Lignum Kudrang, aus Malacca. Wahrscheinlich ein 
Farbholz. — Lign. Lakah, aus Singapore. Abstammung unbekannt. — 
Lign. Sapan. Caesalpinia Sapan. 

Stengel. — Stipites Cannabis indicae. Churrus. Die Stengelspitzen 
des ostind, Hanfes, an dem die Blätter durch das ausgeflossene Harz 
zusammengeklebt sind. — St. Chiraytae. Gentiana Chirayla. Aus den 
nördlichen Berggegenden am Ganges. — St. Justitiae paniculatae, sehr 
bitter. — St. Plumbaginis Zeylanicae, blasenziehend. Eine Abkochung 
soll auch innerlich gebraucht werden. 

Rinden. — Cortex Acaciae arab. Babul. Als Gerbemittel ge- 
braucht. — C. Artocarpis Locuchae. Gebrauch unbekannt. — C. Mang- 
les. Rhizophora MangleL. Dient als Heilmittel, häufiger zum Gerben. 
— (. Myricae Sapidae. Die Früchte sind essbar. — C. Sagah. Stamm- 


pflanze unbekannt. Farbstoff. — C. Samak. Singapore. 
Blätter. — Fol. Cassiae. — F, Cinnamomi albiflori vel F. Mala- 
bathri. — F. Podocarpi nanae, aus Calcutta. — F. Sennae, Cassia 


medieinalis Bischoff. Aehnlich den Tennyvelly - Sennesblättern, aber 
dunkelgrüner mit beigemischten gelben Blättern. 

Kräuter. — Hb. Adianth. cordati, wie Hb. Capill. Ven. benutzt. 
— Hb. Spilanthis. Spilanthes Acmella L. 

Blüthen. — a) Unentwickelte. Cariophylli. — b) Entwickelte. 
Flores Buteae frondosae. Schon seit 1846 im Handel als Pulsay Flow- 
ers. — Fl. Nyctanthis. Enthalten einen dem Safran ähnlichen Farbstoff. 
— Fl. Pterospermi aceroides von Pterospermum glabrescens Wight. 

Ganze Früchte. — Baccae Saponariae, Sapiadus marginatus 
Willd. S. emarginatus Vahl. — Capsulae Papaveris von Papaver som- 
niferum L. — Fructus Barringtoniae acutangulae von Eugenia acu- 
tangula L. — Fructus Capsici fastigiati, als Speisegewürz gebraucht, 
ebenso F. Capsici frutescentis. — F. Cassiae fistulae. — F. Chaul- 
mograe odoralae, dient gegen Hautkrankheiten in Salbenform. — F. 
Cordiae grandiflorae, hat Aechnlichkeit mit den Sebesten. — F. Dio- 
spyri glutinosae, enthalten Adstringens und Leim. — F. Helicteris Iso- 
vae, dient gegen Kolik, — F. Pothos. Pothos offiein, Roxb, Wurm- 


a. 


Literatur. 69 


mittel. — F. Randiae dumetorum. Im Aufguss als Brechmittel, auch 
zum Fangen der Fische gebraucht. — F. Caesalpiniae, als Gerbmittel, 
wie auch F. Libidibi. 

Samen. — Sem. Adiowaen. Ptychotis Ajowan. Dient als Ge- 
würz. — S. Arachis hypogaeae, liefert ein schmackhaftes Oel. — Sem. 
Arecae. Betelnüsse. Ein starker Handelsartikel. — S. Bassiae. Bassia 
butyracea, enthält viel Pflanzentalg. — S. Caesalpiniae Bonducellae. 
Guilandina Bonduc. Enthält Bitierstoff, die Kerne dienen den Kindern 
zum Spielen. — $. Chberangee. — S. Dolichi Catjang, dienen zur Nah- 
rung. — S. Dolichi uniflori. — S, Echitis antidysentericae. — S. Eleu- 
sines Coracanae. — S. Holei sacharati, dienen als Nahrungsmittel, wie 
auch S. Holci Sorghum. H. spicati. — S. Cala Gira von Serratula 
anthelmintica Roxb. Wurmmittel. — S. Kaszin. — S. Malkingore. 
Nutzen unbekannt. — S. Nelumbii speciosi. Dienen grün als Nach- 
tisch, die Blumen zum Parfümiren des Thees, die Pflanze war im 
Cultus der Alten dienlich. — S. Nigellae. Nigella indica. Dient als 
Gewürz. — Von S. Oryzae sind 40 Proben vorhanden. — S. Panici 
italiei, ein wichtiges Nahrungsmittel. — S. Paspali scrobiculati. Nah- 
rungsmittel; ebenso S. Phaseoli Mungo. — S. Ramtillae v. Heliopsis 
platyglossae. — S.Ricini majoris. Jatropha Curcas, liefert ein trock- 
nendes Vel — S. Serratulae. Abstammung und Gebrauch unbekannt. 
— 5. Sinapis dichotomae. Dient als abergläubisches Mitiel. — S, Sin. 
rugosae. Giebt scharfen Senf. — S.Strychn. potatorum, Dienen zum 
Klären des Wassers. — S, Tropa® bispinosae. Wasserkastanie. Dient 
im Cultus und zur Nahrung. — S. Urucu, Bixa Orellana. — Urkee. 
Abstammung und Gebrauch unbekannt. 

Krankhafte Absonderungen aus Pflanzen. — Tabasheer. 
Bambuszucker. Kieselerdebydrat. — Gallae Tamariscinae, Tamarix 
articulata Vahl. 

Pflanzensatzmehle. — Arrow Root und Sago Farina. 

Eingedickte Pflanzensäfte. — Catechu, blasses, bei uns 
selten. — Kino indieum von Pterocarpus Marsupium Roxb, — Vaniga. 
Terminalia alata G. Don und T. tomentosa Wight. — Pelachy treeper. 
Abstammung und Gebrauch unbekannt. — Kino Dhank von Butea fron- 
dosa Roxb. — Patasa Gummi, ist geruchios, von geringem Geschmack. 
Kochendes Wasser nahm eine stark rothbraune Färbung dadurch an, 
ohne merkliche Aufnahme an Gummi. Alkohol färbte sich wenig, Aether 
gar nicht Die Asche enthält Kalk, Thonerde, Natron, Kali. 


Zuckerartige Pflanzenstoffe. — Sarcocolla. Penaea Sar- 
cocolla Berg. ‘ 

Gummiarten. — G. arabicum. G. Ghati. G. Meliae. 

Feste Harze. — Resina Alribe. Canarium strietum Roxb. Ge- 
brauch unbekannt. — Resina Copal. Hymenaea verrucosa Gaertn. — 
Res. Dikamali. Gardenia lucida Roxb.— Res. Dipterocarpi von Shorea 


trinervia Banks. — R.Kalti Mandu, ein in dünnen Stangen vorkommen- 
des Harz. Lacca rubra scheint ein Abfall der Schellackbereitung zu sein. 
— Res. Malaccensis. Abstammung und Anwendung unbekannt. — 
Res. Mulii Paul ebenso, — Res. Shoreae robustae. Vatica robusta. 
Martius erhielt es früher vom Prof. v Ludwig in St. Petersburg 
unter dem Namen »indisches Anime«. — R. Vateriae indicae. Vate- 
ria indica. Firniss- oder Talgbaum. Ein Harz, welches einen Stich 
ins Grünliche zeigt. 

Gummiharze. — Hier finden sich Ammoniak, Bdellium, Myrrha 
und Olibanum. 


70 Literatur. 


Pflanzenfette und Seifen. — Sevum Garciniae, Gareinia 
purpurea Roxb. Cocos-Talg. Das frische Oel der Früchte dient als 
Speiseöl. — Seife. Saboon aus Calcutta in Scheiben und Kugelform. 


Aus dem Thierreiche. 
Wachs. — Haifischfinnen, werden in China gebraucht, 


Aus dem Mineralreiche. 


1) Ostindischer Salpeter. — 2) Natürliches kohlensaures Natron. 
Soll in 100 Theilen enthalten: 
Kieselerde und Sand..... 34,61 
Bisenn, 3m. RIED LE 1,54 
Thonerde ea. era ns 0,26 
Kälk.. eo! AN 0,16 
Maguestal: 0,29 
Kal 2,95 
Natron IDEE 22,59 
Koblensäure............. 16,00 
Glühverlust. a 32 4,20 
Wasserverlust bei 100°... 17,59 
Chlor ya 
Schwefelsänire i .... „unbestimmt 
99,89. 

3) Magnesit von Madras. — In 100 Theilen: 
Magnesia,. ... „nepyenietel-i.e 45,36 
Kohlensäure. newa.csa 6 50,90 
Kalkar eerehhshräne 0,67 
Natrony. Yen 0,42 
Kalk sa sessikoss el 0,35 
Thonerde +... „salz 24..3%3 0,26 
Kieselerde „nu nsadandser 0,23 
Wasser. las. IR. Ns 0,16 
Phosphersäure .......:.. Spur 
Ghloter- aloe nd . Spur 

98,45 

Webfaser und Seilerstoffe, 

a) Vegetabilische. — Baumwolle. Man zählt nach Dr. Royle 


6 Arten: Gossypium indicum, giebt die Baumwolle in Indien, China, 
Arabien, Persien, Kleinasien und tbeilweise Afrika. — Gossypium her- 
baceum, in Indien heimisch. — Gossypium barbadense, mexikanische 
oder westindische Baumwolle, wird auf Bourbon gebaut und heisst 
daher auch Bourbon -Baumwolle. — Gossypium acuminatum Roxb,., 
peruvian. Royle, liefert die Baumwolle von Fernambuco, Maranham, 
überhaupt die brasilianische wie peruanische; ist längst in Indien 
eingeführt. — Gossypium religiosum. In vielen Gegenden Ostindiens 
und Chinas. Dient zur Verfertigung der gelbfarbigen Baumwollen- 
zeuge, die den Namen »Nanking« führen. — Bombax malabaricum Dec., 
heptaphyllum Car. In 27 Proben vorkanden, 


Faserstoffe. 


Sun Janapam Indiaham. Crotalaria juncea. Papilionaceen, von 
Wallich entdeckt. Die Faser dient zu Packtuch-Stricken. — Yut, 


Literatur. 74 


Yute, Paat. Carchorus olitorius. Tiliaceen, einjährig, in Bengalen 
gebaut. Dient zu Seilerzwecken. Die Blätter werden als Gemüse 
benutzt. — Reah. Urtica tenaeissima. Als Hanf und dafür gut vor- 
bereitet, erlangt die Faser eine merkwürdige Stärke, gebleicht nimmt 
sie einen schönen Seidenglanz an. — Chinagras. Urtica nivea Willd. 
Urtieaceen. Wird gebleicht, gefärbt, zu 25 Proc. mit 75 Proc. Schaf- 
wolle zu Tuch verarbeitet. — Aloesfasern. Agave vivipara L. Bro- 
meliaceen. Sehr schön weiss. — Musafasern. Musa paradisiaca L. 
Aus dem Stamm bereitet. Singapore. Stark, nicht ganz weiss. — 
Manillahanf. Musa textilis. Aus Manilla sollen jährlich 15,000,000 Pfd. 
ausgeführt werden. — Talli Nanas. Ananassa sativa. Ananasfasern. 
— YVYercum nar. Ushir. Aschar. Calotropis gigantea R. Brown. 
Asclepiadeen. In Bengalen und Madras häufig. — Umbaree. Maesten. 
Pat. Hibiscus cannabinus L. Malvaceen. — Sabdariffafasern. Sab- 
dariffa rubra Dec. Malvaceen. — Dhuncha. Doncha. Sesbania 
eannabina Retz. Papilionaceen. In Bengalen gebaut. Dient zu Fisch- 
netzen. — Trarancorefasern. Abstammung unbekannt. Faser schön, 
seidenartig. — Nilgerisfasern. Urtica heterophylla Wallich. — Boeh- 
meriafasern. Javafasern. Java. Eine äusserst schöne weisse feine 
Faser. 
Flecht- und Seilerstoffe. 

Piassara. Attalea funifera. Palmen. Dient zu Kehrmaschinen. — 
Gomutifasern. Ejuh. Arenga sacharifera.. Palmen. Als Schreibfedern 
gebrauchi, auch zu Seilen, liefert auch Sago. — Gomutitan. Arenga 
sacharifera Willd. Dient zu Stricken. — Coir, Cocos nucifera Lin. 
Palmen. — Rhabhooretan, vielleicht von Andropogon digitatus stam- 
mend. — Theng-ban shaw. Als Fechtmaterial benutzt. — Astarinde. 
Patoo. — Broussenetiabast. Broussonetia papyrifera. — Shaw -me. 
Flechtmaterial. — Seretula. Graminee (?). 


Animalische Webstoffe. 
Tussur Cocons. Bombyx Paphia. Von Bombay bis nach China, 
Der Cocon ist eiförmig, 44 Centimeier lang. — Tussur - Seide. — 
Moonko-Seide. Aereah-Seide, 


Bei dem Besuche in Erlangen im August 1853 war es mir und 
Dr. Herzog vergönnt, einen Theil dieser ostindischen Sammlung in 
Augenschein zu nehmen und darin viel Seltenes und Merkwürdiges 
zu sehen. Zu genauerer Durchsicht gehört indess eine längere Zeit, 
als uns bei dem kurzen Aufenthalte vergönnt war, wobei wir ins- 
besondere die Abwesenheit des Professors Dr. Martius zu bedauern 
hatten. 

Dr. L. F. Bley. 


Vollständiges etymologisch - chemisches Handwörterbuch, 
mit Berücksichtigung der Geschichte und Literatur der 
Chemie. Zugleich als synoptische ‚Encyclopädie der 
gesammten Chemie, von Dr. C.E. Wittstein. Zwei- 
tes Ergänzungsheft. München 1853. 

Der ausserordentlich fleissige Verfasser liefert wiederum ein neues 


Heft des so nützlichen Handwörterbuches, dessen frühere Hefte im 
Archive rühmlich erwähnt worden sind, 


72 Literatur. 


Dieser neue Band umfasst 1529 Naınen, welche meistens mit 
einer kurzen Erklärung begleitet sind, wobei bei früher noch nicht 
aufgeführten eine etymologische Herleitung beigefügt ist, z.B. Abrazit 
aus «& (nicht v) Bpafeıv, sieden, schäumen, bezieht sich auf das Ver- 
halten des Minerals zu Säuren und vor dem Löthrohre. Alle die 
Artikel, welche bereits im Hauptwerke und im ersten Ergänzungshefte 
vorkommen, sind mit einem Sternchen bezeichnet. Die gedachte neue 
Sammlung ist entstanden einestheils aus den Arbeiten der Chemiker 
in den Jahren 1849, 1850, 1851 und 1852 und giebt einen Beweis 
des Fleisses, der auf dem Felde der Chemie immerfort thätig ist, 
anderntheils aus den Entdeckungen anderer Naturforscher auf den 
Gebieten der Botanik, Mineralogie, Anatomie, so weit die Resultate 
ihrer Forschung die Pharmakognosie angehen. Die Reichhaltigkeit 
ergiebt sich aus den vorhin angeführten Zahlen und für die umsichtige 
Zusammenstellung bürgt der Name des Verfassers, welcher für diese 
Arbeiten dasselbe wissenschaftliche Interesse an den Tag gelegt hat, 
das seine Arbeiten jederzeit erkennen lassen. 

Allen Chemikern, Apothekern und sonstigen Naturforschern, 
welche das grosse Feld der neuen Forschungen auf ihren Gebieten 
übersehen wollen, ist dies Werk sehr zu empfehlen. Die Ausstattung 
ist vollkommen anerkennenswürdig. 


Dr. L. F. Bley. 


T|—nn— 


73 


Zweite .Abtheilung. 


Vereins - Zeitung, 
redigirt vom Directorio des Vereins. 


1) Vereins - Angelegenheiten. 


Vortrag, gehalten in der Generalversammlung des nord- 
deutschen Apotheker-Vereins zu du Menil’s Gedächt- 
niss zu Bad Oeynhausen am 15. und 16. September 1853; 
vom ÖOberdirector Dr. L. F. Bley. 


Hochgeehrte Herren, liebe Collegen und Freunde! 

Wenn wir unsere leizte Generalversammlung an der Gränze 
unseres und des süddeutschen Vereins zu Frankfurt a. M. hielten als 
erste gemeinschaftliche beider Vereins - Abtheilungen gemäss den 
Satzungen, weiche dem allgemeinen deutschen Apotheker - Vereine zu 
Grunde gelegt sind, so haben wir heute den Sitz der 33sten General- 
Versammlung unseres norddeutschen Vereins nach Westphalen ver- 
legt, nahe dem Orte, wo einst vor 34 Jahren seine Stiftung statt 
fand, wie dieses zu Minden am 8. September 1820 geschah. Wenn 
in früheren Zeiten, namentlich aber in den ersten zwanzig Jahren des 
Bestehens des Vereins die Generalversammlungen stets ausschliess- 
lich in Westphaien statt fanden, so ward dieser Sitz der Stiftung seit 
dem Jahre 1840 verlassen und die Generalversammlungen abwechselnd 
in Leipzig, Braunschweig, Berlin, Blankenburg, Cöln, Dresden, Rostock, 
Jena, Leipzig, Dessau, Hamburg, Frankfurta. M. gehalten. Die diesjährige 
Versammlung sollte nach dem Beschlusse der Directorial - Conferenz 
in Hannover statt finden. Schon waren einige Verabredungen mit 
den dortigen Vereins - Beamten vorausgegangen, als von Seiten dor- 
tiger Collegen Schwierigkeiten erhoben wurden, welche uns sofort 
von dem Wunsche absehen liess, die Versammlung in Hannover zu 
halten; wir wandten unsern Blick nach Breslau; dort ward der 
Wunsch mit collegialischer Zuvorkommenheit aufgenommen, jedoch 
die Ausführung einer dort abzuhaltenden Generalversammlung zweck- 
mässiger für die Sommermonate des künftigen Jahres gefunden, wo 
sie dann, wenn Gott will, im August zu Breslau statt finden soll. 
So ward von mir der Vorschlag gemacht, die diesjährige Versamm- 
lung im Bade Oeynhausen zu feiern, wo das Directorium bei Gele- 
genheit der Abhaltung seiner Conferenzen schon oft Gelegenheit hatte 


Arch. d. Pharm. CXXVII. Bds. 1. Hifi. 6 


7% Vereinszeitung. 


sich der Schönheit der Gegend mit den interessanten Umgebungen zu 
erfreuen, und so haben wir Sie denn, geehrte Collegen, einzu- 
laden, hier mit uns die 34ste Stiftungsfeier zu begehen. Ich hoffe, 
dass diese Wahl Sie befriedigen und Sie hier einige Tage trau- 
lichen collegialischen Verkehrs verleben mögen. Wir werden hier 
weniger, als in grossen Orten der Fall ist, wo die Interessen von 
so mancherlei Gegenständen in Anspruch genommen werden, wor- 
unter die Versammlung, also der eigentliche Zweck leidet, von 
der eigentlichen Bestimmung abgezogen und so spreche veh den 
Wunsch aus, dass unsere Zwecke hier recht befriedigend möchten 
erreicht werden. Sie sind nur nicht so sehr bloss der wissenschaft- 
liche Verkehr, als der freundschaftlich - collegialische; denn obgleich 
wir auf die wissenschaftlichen Forschungen im Vereine und die Mit- 
ıheilung deren Ergebnisse grossen Werth legen, so hat doch die per- 
sönliche Anregung eine noch grössere. Der nächste Zweck unserer 
Versammlung ist nun Bericht zu geben über die Gestaltung des Ver- 
eins, zu welehem wir jetzt übergehen wollen. 

Zuvor aber erkläre ich die Generalversammlung, welche dieses 
Mal dem Andenken eines der verdientesten Stifter, dem Ehren-Senior 
des Vereins, dem verewigten Geh. Ober-Berg-Commissair und Hofrath, 
Ritter Dr. Julius August du M&nil gewidmet sein soll, für eröff- 
net und begrüsse alle geehrten Theilnehmer mit herzlicher Freude Sie 
willkommen heissend. 


Bericht über die Gestaltung des Vereins imJahre 1852/53. 


Unsere letzte Generalversammlung zum Andenken Goebel’s war 
als eine gemeinschaftliche leider weniger besucht von den Mitgliedern 
unserer norddeutschen Abiheilung, als zu wünschen gewesen wäre. 
Wenn in derselben die Rede war von neuen Bemühungen, welche 
auf den Wunsch des Directoriums eintreten sollten wegen Erlangung 
günstigerer Bedingungen bei Versendung unserer Zeitschriften für die 
Lesezirkel, so habe ich zwar dem Berichte im Januar- Hefte des 
Archivs bereits in einer Note beigefügt, dass diese Bemühungen, 
welche im November v. J. in Berlin von mir versucht worden sind, 
erfolglos geblieben waren, weil sie an dem Festhalten des Königlichen 
Ministeriums bei den einmal aufgestellten Satzungen in der Postver- 
waltung scheitern mussten. Durch die Bemühungen, insonderheit des 
Herrn Medicinalraths Dr. Müller in Berlin, sind weitere Versuche 
in dieser Angelegenheit gemacht worden, indem selbst Se. Maj. der 
König für diese Angelegenheit interessirt worden ist. Leider aber sind 
bis dahin günstigere Resultate nicht erzielt worden und wir dürfen 
als ausgemacht annehmen, dass so lange das gegenwärtig aufgestellte 
System in der Postverwaltung aufrecht erhalten wird, an günstigere 
Verhältnisse nicht zu denken ist, was wir freilich beklagen müssen. 
Das Directorium hat nochmals diese Angelegenheit reiflich erwogen, 
aber zu keinem anderen Beschlusse kommen können als dem, wie er 
schon im vorigen Jahre verkündigt werden musste, nämlich, dass die 
Fortdauer der Lesezirkel als ein Hauptmittel der Fortbildung der Mit- 
glieder aufrecht erhalten werde, dass man es aber den einzelnen 
Kreisen selbst anheim geben wolle, die Zahl der Zeitschriften auf die 
wichtigsten zu beschränken. Die Aufhebung der Lesezirkel würde 
heissen, dem Verein ein Testimonium paupertatis ausstellen hinsicht- 
lich seines geistigen Strebens. Das kann und wird Niemand wollen, so 
hoffen wir es von der Ehrenhaftigkeit unserer Mitglieder, 


Vereinszeitung. 75 


Glaubt aber eins oder das andere der Vereinsmitglieder Vorschläge 
machen zu können rücksichtlich besserer Gestaltung der Verhältnisse 
der Lesezirkel, so möge er in der morgenden Versammlung nach zu- 
voriger Anmeldung dafür das Wort nehmen. Grössere Ordnung in 
den Lesezirkeln wird in den meisten Kreisen gewünscht. Die Kreis- 
directoren und die ordnungsliebenden Mitglieder mögen sich bemühen, 
sie aufrecht zu erhalten durch strenge Controle der weniger pünct- 
lichen Leser und Absender, welche allenfalls, wenn andere Mittel 
nicht fruchten, durch Ausschliessung entfernt werden können. 


Gegenüber dem unglücklichen Verhältniss der Porto - Bestimmung 
müssen wir es mit tiefem Dankgefühl erkennen, dass von Seiten eini- 
ger hohen Regierungen die Portofreibeit aufrecht erhalten ist, wie 
von der Königlich Sächsischen und Herzoglich Braunschweigischen. 


Leider sehe ich mich nicht in den Stand gesetzt, über günstige 
Veränderungen zu referiren, welche von Seiten der Medicinal-Gesetz- 
bung eingeleitet worden zur Verbesserung der pharmaceutischen Ver- 
hältnisse. Es ist hier und da Einiges geschehen zur Einschränkung 
des homöopathischen Selbstdispensirens, als im Königreich Bayern, 
wo solches beim Militair verboten ist, und zur Steuerung des arg 
ausgebreiteten Debits der sogenannten Geheimmittel. Es mnss hier 
noch viel geschehen zu Gunsten der Apotheker, wenn ihnen einiger- 
maassen zu dem gebührenden Rechte soll verholfen werden. Indess 
wird so lange nichts Durchgreifendes zu erwarten sein, bis dass das 
Ziel unseres Strebens erreicht ist, nämlich der Pharmacie eine wirk- 
samere Stimme in den Medicinal- Behörden zu verschaffen und dieses 
wird alsdann gelingen, wenn man eben eingesehen haben wird, wie 
kein Arzt eine vollständige Eiusicht in die pharmaceutischen Verhält- 
nisse besitzt und wie der Pharmacie zu ihrer vollständigen wissen- 
schaftlichen Entwickelung eine weniger beengende Form nothwendig 
ist. Das setzt freilich voraus, dass man überhaupt wissenschaftlichem 
Fortschritte geneigt sei, wie wir das Gottlob im deutschen Vaterlande 
nicht anders erwarten dürfen. 


In jedem Berichte, welchen mein Vorgänger, der verewigte Hof- 
rath Dr. Brandes, geliefert hat und in jedem Vortrage, welchen ich 
in den zehn Generalversammlungen, welche ich zu eröffnen die Ehre 
hatte, gehalten habe, ist die Veranstaltung der Kreisversammlungen 
besprochen und warm empfohlen und dennoch hat sie, man kann 
sagen, jährlich sich vermindert, so dass in diesem Jahre nur von sehr 
wenigen Kreisversammlungen die Rede sein kann, welche im Kreise 
Münster, Dresden und Halle statt gefunden haben. Im Kreise Bern- 
burg hatte der Kreisdireetor Hr. Brodkorb sich Mühe gegeben, eine 
solche zu Stande zu bringen, doch gelang dieses nicht wegen zu wenig 
Zusagen. Es ist zu beklagen, dass dıeses Mittel zur näheren Bekanntschaft 
der Collegen unter einander und zur Berathung über die Abstellung 
mancher Missbräuche so wenig benutzt wird. Bereits im vorigen 
Jahre habe ich mich weitläufiger über den Werth dieser Specialver- 
sammlungen ausgesprochen. Wollen die Mitglieder sie nicht benutzen, 
nun so dürfen sie sich nicht beklagen, dass ihnen nicht Gelegenheit 
gegeben sei, über collegialische Verhältnisse sich auszusprechen. 

Jetzt soll zunächst die Rede sein von der Gehülfen- Unter- 
stützungs- Angelegenheit. Seit meinem letzten Berichte sind wesent- 
liche Veränderungen nicht eingetreten. 


6* 


76 Vereinszeitung. 


Die Gesammt- Einnahme betrug...... *... 2775 Thlr. 24 Sgr..2 Pf. 
davon nur 87 Thlr. von Nichtmitgliedern. 
An dürftige Gehülfen wurden überwiesen 1060 Thlr. 


In der Herbst- Conferenz.......::-..... 140 » 
1200 Thlr. 
Die Bucholz - Gehlen - Trommsdorff’sche 
Stiftung zahlte........... Eee san 1,250. Thir. 
Besass eine Einnahme von ............ 877 Thlr, 


und ein Vermögen von 21190 Thlr. 
Unsere Allgemeine Unterstützungs - Gasse 
besass eine Einnahme von.........-. 880 Thlr. 23 Sgr. 4 Pf. 
wovon 671 Thlr. 21 Sgr. aus der Mün- 
chen- Aachener Feuer - Assecuranz. 
Dieselbe ertheilte an Unterstützungen. .... 735 Thlr. 
mithin wurden an Unterstützungen gezahlt 
an Gehülfen und die Familien verwili- 
weter Apotheker über .............. 2200 Thlr. 


Es ist also durchaus kein Grund vorhanden zu sagen, dass nichts 
oder doch nur sehr wenig für diesen Zweck geschehen sei. Jeder, 
wer sich mit dieser Angelegenheit ernstlich beschäftigt und darin einen 
tiefen Einblick gethan hat, wird gestehen müssen, dass das Directo- 
rium des Vereins von jeher, insbesondere aber seit dem Jahre 1848, 
dieser Sache seine ganze Aufmerksamkeit zugewendet und Alles ver- 
sucht habe, um bessere Resultate zu erzielen. Dafür sprechen ganz 
besonders die Verhandlungen beim allgemeinen deutschen Apotheker- 
Congresse zu Leipzig im September 1848 und in der Generalversamm- 
lung zu Dessau im Jahre 1849. Wer weiss nicht, wie edler Eifer 
uns damals vorrechnete, dass die deutschen Apotheker für diesen 
Zweck jährlich 10 — 12000 Tblr. zusammenbringen würden und wie 
man mit dieser Summe würde ansehnliche Pensionen zahlen können. 
Das war schön, nur Schade, dass die Rechnung in der Praxis sich 
anders herausstellte. Die Subscriptionen in unserm Vereine gaben 
anfangs 1500, später 1900 Thlr. Einnahme, ausschliesslich der älte- 
ren Einnahme a 15 Sgr. pro Mitglied, die wohlweislich vom Direc- 
torium festgehalten war. In Süddeutschland aber war damals das 
Ergebniss noch viel geringer, ja die meisten Apotheker wollten nicht 
über 1 Fl, Beitrag beisteuern. Diejenigen aber, denen die Unter- 
stützungs-Einrichtung vornehmlich zu gute kommt, die Herren Gehül- 
fen, sie thun für diesen Zweck immer weniger, ja sie haben den- 
selben sogar neuerdings aus den Satzungen ihres Vereins hinweg- 
gelassen. Dieser Umstand hat aber gar wesentlich beigetragen, vielen 
Apothekern diese Sache zu verleiden und so hat mancher seinen 
Beitrag vermindert oder ganz zurückgezogen. Das Directorium hat 
hier mancherlei Maassregeln versucht, sie haben nicht zum Ziele 
geführt, weil die Mitglieder sie nicht haben ausführen helfen. 

In diesen Tagen nun, als ich eben mit Abfassung dieses Berichts 
beschäftigt war, ward mir vom Vicedirectorium Hannover ein Aufsatz aus 
einer Versammlung Hannoverscher Collegen eingesandt, welche diese 
Unterstützungs - Angelegenheit abermals gewissermaassen neu umge- 
staltet wissen will. Es heisst darin, dass sich durch alle Hefte unsers 
Archivs. wie ein rother Faden die alte Rede hindurchziehe, dass der 
Apothekerstand im Argen liege und dass es an Gehülfen, namentlich 
guten Gehülfen fehle. Es heisst ferner: Ausgezeichnet steht in die- 


Vereinszeitung. 77 


ser Hinsicht der Apotheker da, dem es nicht vergönnt war einen 
eigenen Heerd zu gründen. Es ist dann die Rede von dem rührenden 
Bilde eines im Dienste ergrauten Pharmaceuten, der dienstunfähig 
geworden. Das trifft zusammen mit den Schilderungen, die uns von 
den Meistern der Pharmacie: Bucholz, Trommsdorff bereits vor einem 
halben Jahrhundert aufgestellt wurden. 

Dann heisst es weiter, dass die Gehlen - Bucholz - Trommsdorff’sche 
Stiftung für ausgediente Pharmaceuten jährlich etwa nur 380 Thlr. 
verausgabe bei circa 20000 Thlr. Capital, dass der norddeutsche 
Apotheker- Verein sich zwar dieser Sache warm angenommen habe, 
indess mit nur geringem Erfolge. Wir meinen nun, dass das erzielte 
Resultat kein so ungünstiges sei; denn wenn wir bereits seit meh- 
reren Jahren gesehen, dass 1500 — 2000 Thlr. an Unterstützung gezahlt 
sind, so ist das wahrlich keine Kleinigkeit, was wir anerkennen 
müssen, wenn wir auch gern diese Summe verdoppelt oder verdrei- 
facht sehen möchten: denn Niemand ist wohl näher eingeweihet in 
die Mängel und Leiden alter Gehülfen als die, welche sich Jahr aus 
Jahr ein mit ihren Klagen, ihren Bitten und den Berichten der Kreis- 
beamten und Collegen haben beschäftigen müssen, die oftmals selbst 
von ihnen aufgesucht wurden und Niemand wohl geneigter mehr als 
bisher zu thun, sobald Aussicht vorhanden ist, dass man in dem 
Maasse mit den Unterstützungen fortfahren könne. 

Wenn unser werther College, der den Vortrag zu Lehrte, wel- 
cher hier gedruckt vorliegt, hielt, die Meinung aufgestellt, dass der 
geringe Erfolg der Unterstützungs-Angelegenheit im Apotheker-Verein 
daher rühre, dass sein Wirkungskreis zu ausgedehnt sei, so, meine 
Herren, wird hier ein Satz aufgestellt, dem ich nicht beipflichten 
kann, der gegen die alte Erfahrung spricht: dass Viele mehr ver- 
mögen, als Wenige, dass Einigkeit stark mache. Diese Sätze sind in 
der Erfahrung begründet und unser Verein ist ein directer Beweis 
für die Richtigkeit, wenn man nur unparteiisch erwägen will, was 
im Vereine geleistet worden ist. Doch werde ich versuchen, den 
Beweis in Zahlen aufzustellen, aber ich glaube versichern zu dürfen, 
dass verhältnissmässig in keinem Kreise für humane Zwecke so viel 
geleistet worden ist, als im Apotheker- Vereine in Norddeutschland 
seit 10 Jahren. Dass nicht noch mehr geleistet wurde, meine Herren, 
an wem hat das gelegen? Am Directorium wahrlich nicht, das weder 
Zeit noch Mühe, noch Anstrengung, noch manche bittere Erfahrung 
gescheut hat, seinen Plan mit Consequenz zu verfolgen. Es ist in 
rein humaner Ansicht die Meinung ausgesprochen, dass eine Summe 
von 2700 Thlr., wie selbige der ganze norddeutsche Verein beitrage, 
vom Vicedireetorium Hannover allein beigesteuert werden müsse. 
Wohlan, meine Herren, wir wollen das bestens acceptiren im Namen 
der bedürftigen Pharmaceuten, denen auch wir eine kräftige Unter- 
stützung zuwenden möchten und deshalb wünschen, dass die sanguini- 
schen Hoffaungen sich erfüllen möchten. 

Aber wenn in demselben Aufsatze auch die Rede ist davon, dass 
die Gehlen - Bucholz - Trommsdorff’sche Stiftung vorzüglich nur für 
Preussen bestimmt sei, so ist die Ansicht irrig und nirgends ausge- 
sprochen; es würde dieses auch ein Unrecht sein, da die Summe 
durch Beiträge aus ganz Deutschland zusammengebracht ist, ferner, 
dass vom norddeutschen Apotheker - Vereine nicht viel für den Antheil 
auf Hannover falle. Ich bemerke, dass obschon die Beiträge unserer 
geehrten Herren Collegen in Hannover nur etwa 200 Thlr. betragen 


78 Vereinszeitung. 


haben, doch über 200 und selbst 310 Tblr. an Unterstützung im Hanno- 
verschen gezahlt worden sind; denn nie hat das Directorium gefragt, 
ob auch von da, wohin die Unterstützungen flossen, ein Aequivalent 
gezahlt worden ist, es hat also im allgemeinen Interesse gehandelt 
und sich niemals von Sonderinteressen, welche der Tod aller wahren 
Vereinigung sind, leiten lassen. 

Doch, meine Herren, ich habe mich schon zu lange bei diesem 
Gegenstande verweilt, er wird auf den Wunsch der Hannoverschen 
Herren Collegen für morgen auf die Tagesordnung gestellt und ich 
kann hier nur Namens des Directoriums den Wunsch aussprechen, 
dass die Besprechung ein glänzendes Zeugniss ablegen möge von wahr- 
haft humaner Gesinnung, die nur durch die That als solche sich kund- 
giebt und sodann, dass die dortigen Herren Collegen uns allen darin 
als Muster und Vorbilder voranleuchten mögen, gern wollen wir 
ihnen einen solchen Vorzug einräumen und hoffen, dass ihr Beispiel 
mächtig auf eine nützliche Nachfolge wirken möge, dann ist dem 
Zwecke Genüge geschehen. 

Noch ein Wort über die Allgemeine Unterstützungs -Casse. Ihre 
Haupteinnahme hat selbige aus der Prämie der Aachen - Münchener 
Feuerversicherungs -Gesellschaft, welche in diesem Jahre auf 637 Thlr. 
sich belaufen hat. 

Im Interesse des guten Zwecks mache ich die Herren Collegen 
aufmerksam, dass wir bereits über 2000 Thlr. dieser Gesellschaft ver- 
danken und es darum wohl zu wünschen ist, dass diejenigen Mitglie- 
der, welche ihre Habe aufs neue versichern, sich dieser Gesellschaft 
anschliessen, indem mit der grösseren Zahl der Mitglieder aus unserem 
Vereine auch die Summe der Prämie wachst. — Die Spar- und Leib- 
renten - Anstalt, welche der ehrenwerthe College Dr. Geffcken in 
Lübeck ins Leben gerufen, hat wenigstens einen Anfang genommen. 
Die Betheiligung können wir nur allen den Gehülfen empfehlen, welche 
ein kleines Vermögen sich segensreich anlegen wollen. 

Die Gesammt-Einnahme hat in der General- Casse beitragen 
8840 Thlr. 15 Sgr. 3 Pf. von 1552 Mitgliedern. 

Die Ausgabe hat betragen 8328 Thlr. 7 Sgr. 8 Pf, 


An Mitgliedern sind zugetreten: ausgeschieden: 
42 aus den Rheinischen Kreisen ...... 13 Mitglieder 
17 u 7 Westphälischen TIER 1 5 ur "A 5 7 7 
MON: Hannoverschen PRERTE RE 3 1 
Sein m Braunschweigschen VE = SSR Jap =) n 
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1 un Schlesischen BCE Dad „2 414 " 
non Holstein-Lübeckschen »  ...... 2 „ 


kir College Faber wird Ihnen die Generalrechnung vorlegen. 
Sie werden daraus ersehen, dass glücklicher Weise unsere Finanz- 
verhältnisse sehr günstig sind. Ueber die Capital- Casse und die 
Brandes-Stiftung wird Ihnen Herr Director Herzog nähere Mittheilung 
machen, 


Vereinszeitung. 9 


In den Kreisen sind folgende Veränderungen vorgekommen. Im 
Kreise Gotha hat Hr. Hof- Apotheker Dr. Bucholz die Verwaltung 
niedergelegt, an seine Stelle ist Hr. Hof-Apotheker Schaefer ge- 
treten. Im Kreise Gummersbach trat an Hrn, Schoppe’s in Siegburg 
Sielle Hr. Marder in Gummersbach. Es scheint indess diesem schon 
lange siechenden Kreise an Lebensfähigkeit zu fehlen, weshalb wohl 
ein2 Vertheilung der Mitglieder in die benachbarten Kreise wird ge- 
schehen müssen. An Hrn. Kreisdirector Colberg’s in Halle Stelle 
trat Hr. Brodkorb daselbst, der jetzt zwei Kreise, Bernburg und 
Halle, verwaltet. An die Stelle des Medieinal-Assessors Daehne in 
Posen trat Hr. Winkler daselbst. An die Stelle des Hrn. Demong 
in Sarstedt im Kreise Hildesheim Hr. Horn in Gronau als Kreis- 
director, der Kreis Hannover ward von Hrn. Stromeyer über- 
nommen. 

An die Stelle des Hrn. Vice- Directors Siemsen in Altona trat 
Hr. Geske daselbst. 

Im Königreich Sachsen ward der Kreis Erzgebirge - Freiberg 
errichtet, als deren Vorstand Hr. Apotheker Wiedemann in Freiberg 
wirkt. Den Kreis Neustadt-Dresden übernahm Hr. Vogel daselbst, 

Im Vicedirectorium Preussen -Posen trat der Kreis Elbing ins 
Leben, dessen Vorstand Hr. Hildebrand in Elbing ist. Im Vice- 
directorium Hannover ward ein neuer Kreis Harburg hergestellt, 
dem Hr. Dr. Hardtung in Harburg vorsteht. Der Kreis Güns in 
Ungarn hat den Befehlen der Ungarischen Statthalterei gemäss seine 
Verbindung mit unserem Vereine aufgeben müssen. 

Aus Bukarest in der Wallachei schloss sich uns Hr. Hof-Apotheker 
Dr. Steege als Mitglied an. — Durch den Tod haben wir an Mitglie- 
dern verloren: die Herren: Blase in Gassen, Motz in Tambach, Mül- 
ler in Danzig, Göllner in Kranichfeld, Borottin Lengefeld, Musack in 
Gumbinnen, Rommlitz in Kobylin, Klose in Kempen, Lazarowitz 
in Schweiz, Schultze in Thorn und das Ehrenmitglied Hr. Rieke in 
Jever, so wie den Geh. Hofrath und Professor Dr. Leopold Gme- 
lin in Heidelberg, den ausgezeichneten Chemiker und Gelehrten, der 
ein Muster deutscher Gediegenheit und deutschen Fleisses sein classi- 
sches Werk in mehrere Sprachen übertragen sah, und sich so ein 
Gedächtnissmal gesetzt hat, das seinen Namen lange in Ehren halten 
wird. An Dr. Wilh. Meissner in Halle verloren wir zur Zeit ein 
Mitglied des Vorsteheramts der Hagen - Bucholz’schen Stiftung, deren 
Gründung sein und seines versorbenen Freundes Dr. Rudolph 
Brandes Werk war, 

Allen den Verstorbenen weihen wir ein dankbares Andenken. 

Auch den Verlust zweier der Fürstlichen Gönner und Schirm- 
herren des Vereins hat derselbe zu beklagen, Se. Königl. Hoheit des 
Grossherzogs Carl Friedrich von Sachsen - Weimar -Eisenach und 
Se. Hoheit des Herzogs Georg von Sachsen-Altenburg, welche dem 
Directorium und der Redaction Merkmale Höchstihrer Gewogenheit 
haben zu Theil werden lassen. 

An neuen Ehrenmitgliedern haben wir gewonnen: den Fürsten 
von Saim-Horstmar und die Herren Professor Dr. Alex. Braun 
in Berlin, Dr. Schmidt in Heidelberg, den Geh. Sanitätsrath Bon- 
gard in Erkrath, den Geh. Medicinalrath und Kreisphysikus Dr. Litz- 
mann in Gadebusch, den Chemiker Hutstein in Breslau, den Hospi- 
tal - Chef Apotheker Bonnewyn in Tyrlemont, die Apotheker Dr. 
Becker in Essen, Poleck in Neisse, Heinzerling in Vöhle und 


80 Vereinszeitung. 


Provisor Böhm in Braunschweig, Apotheker Kroll in Melbourne 
in Australien, von welchen die HerrenBongard,Litzmann,Becker, 
Poleck, Heinzerling und Böhm das Jubelfest 50jähriger Dienst- 
treue feiern konnten, woran wir ihnen unsere Theilnahme bezeugter. 

Ein gleiches Fest zu begehen war dem Geh. Medicinalrath Dr. 
Staberohin Berlin beschieden, welchem wir zu demselben das Diplom 
eines Ehrenpräsidenten des Vereins überbracht haben. Er bedau- 
ert, dass sein Gesundheitszustand ihm nicht erlaubt in unserem Kreise 
dieses unser 34stes Stiftungsfest begehen zu helfen. Derselbe empfiehlt 
sich ihnen Allen angelegentlich und hat seinen besten Wunsch aus- 
gesprochen für das fernere Gedeihen des Vereins, an dessen Ergehen 
er den lebhaftesten Antheil nimmt. 

Vor eigentlichen Unglücksfällen hat uns die Hand des Herrn gnä- 
dig bewahrt. 

Wenn die Redaction des Archivs noch in keinem Jahre Mangel 
gelitten hat an Unterstützung durch Beiträge, so ist in diesem Jahre 
wenigstens eine Ebbe bisweilen eingetreten, so dass die Redactoren 
doppelt Mühe haben aufwenden müssen, die Hefte vollkommen regel- 
mässig erscheinen zu lassen. Dieselbe erkennt deshalb um so dank- 
barer an die Bemühungen der Herren: Baer, Becker, H. Bley, 
Bohlen, Bolle, Bohm, Brandes, Brodkorb, Cöster, Dro- 
ste, Franke,Geiseler, Geubel, Gruner, Hendess, Hennig, 
Hornung, Hugy, Ingenohl, Kümmell, Klobach, Kühn, 
Landerer, Leonhard, Marsson, Meurer, Mohr, Müller, 
Oberdörffer, Overbeck sen. und jun., Puttfarcken, Rebling, 
Reichardt, Sandrock, Schmidt, Schnauss, Schreiber, 
Schultz, Ulex, Vogel, Walpert, Weissenborn, welche uns, 
zum Theil wiederholte, werthvolle Beiträge lieferten. 

Ich lade die Mitglieder und Ehrenmitglieder des Vereins ein zur 
ferneren gütigen Unterstützung durch wissenschaftliche Arbeiten und 
praktische Mittheilungen. 

Die Mitglieder, so weit sie in sich die Kraft fühlen, dem Vereine 
und der Pharmacie durch wissenschaftliche Arbeiten nützen zu kön- 
nen, werden gewiss ihrerseits geneigt sein zu beweisen, dass das 
wissenschaftliche Streben im Vereine unvermindert besteht zur Ehre 
unseres Standes Mögen sie das unserem Wunsche gemäss bestätigen. 
Wir können darin ein besseres Vorbild nicht haben als das du M&- 
nil’s, des Mannes, dessen Andenken die heutige Generalversamm- 
lung und das folgende Vereinsjahr gewidmet sein soll, der vom Jüng- 
lingsalter bis zu den Greisesjahren unermüdet thätig war zum Nutzen 
der Pharmacie. Ehre seinem Andenken! 


Veränderungen in den Kreisen des Vereins. 


Im Kreise Paderborn 
sind ausgeschieden die Herren: van Nuyss in Lichtenau und 
Barckhausen in Lügde. 
Im Kreise Eifel 
scheidet Hr. Apoth. Wahlenberg in Büdingen aus dem Vereine. 
Im Kreise Cöln 
ist Hr. Apoth. Krönig in Cöln nach Verkauf seiner AupMeRe 
ausgetreten, ebenso Hr, Bongardt in Hückeswagen. 


Vereinszeitung. 81 


Im Kreise Altenburg 
ist eingetreten: Hr. Apoth. Krafft in Schmölln. 


Im Kreise Coburg 
ist Hr. Apoth. Gründler in Coburg gestorben, die Erben be- 
halten die Mitgliedschaft bei. 
Ausgeschieden ist: Hr. Apoth. Solbrig in Nordhalben. 
Im Kreise Hannover 
sind eingetreten: HH. Apoth. Bodenstab in Schwarmstedt und 
Nölke in Bissendorf. 
Im Kreise Görlitz 
ist Hr. Apoth. Schneider in Seydenberg ausgetreten, so wie 
Hr. Apoth. Burkhardt in Nisky, an dessen Stelle Hr. Apoth. Fasold 
daselbst trıtt. Hrn. Apoth. Burkhardt ist in Ansehung seiner Ver- 
dienste das Ehrendiplom ertheilt worden. 
Im Kreise Jena 


ist eingetreten: Hr. Apoth. Wilhelm in Neustadt a.d. Orla und 
Hr. Busse in Apolda, früher in Bernburg. 


Im Kreise Erzleben 
ist eingetreien: Hr. Apoth. Schnöckel in Seehausen bei Mag- 
deburg. 
Im Kreise Stendal 
ist eingetreten: Hr. Apoth. Uderstedt in Seehausen in der 
Altmark. 
Aus dem Kreise Schwelm 
sind ausgeschieden: HH. Apoth.Bädecker jun. in Witten, Hasse 
in Blankenstein, Schwartz in Sprockhöwel, Kannegiesser in 
Herdicke. 
Aus dem Kreise Duisburg 
sind geschieden: die HH. Hager und Flügel, Apotheker in 
Bochum. 
Aus dem Kreise Arnsberg 
sind eingetreten: die HH. Apoth. Henke in Unna und Libeau 
in Hörde. 
Diese vorgenannten 8 Mitglieder treten in den neugebildeten 
Ruhr-Kreis, 
dem sich als neue Mitglieder anschliessen : 


Hr. Apoth. Grevel in Wenigern, 


„ „ Jansen in Steele, 
" „ Weeren in Hattingen, 
" "  Hempel in Dortmund, 


m » Ruhfuss daselbst, 
Als Kreisdirecior ist Hr. Bädecker jun, in Witten bestellt worden. 


Notizen aus der General- Correspondenz des Vereins. 


Von Hrn. Med.-Ass Overbeck wegen Med.-Rath Dr. Müller’s 
Aufforderung, seine Kreisdirectoratsführung. An HH. Dr. Meurer 
und Vicedir Bucholz wegen Wahl zur Vorsteherschaft der Hagen- 
Bucholz’schen Stiftung. Von Hrn, Vicedir. Ficinus wegen Bestellung 
des Jahrbuchs für prakt. Pharm., Kreisversammlung. Von Hrn. Kreis- 


82 Vereinszeitung. 


director Giese wegen Abgangs zweier Mitglieder. Von Hrn. Kreisdir, 
John wegen Register zum Archiv. Von Hrn Kreisdir. Struve wegen 
Jahrbuch für prakt. Pharm. Von Hrn. Schlotfeldt wegen Geheim- 
nisskrämereien. Von Hrn. Dir. Dr. Geiseler wegen Archivs und 
Excerpte dafür. Von Hrn. A. Frickhinger wegen Revalenta arabica, 
Von Hrn. Salinedir. Brandes wegen Generalrechnung. An Hrn, Geh. 
Med.-RathDr.Staberoh wegen Hagen-Bucholz’scher Stiftung. Von Hrn. 
Hornung Arbeiten für's Archiv. Von Hrn. Kreisdir. Unger wegen 
neuen Mitgliedes. Von Hrn. Apoth. Dr. Leube wegen pharmaceut. 
Geräthe. An Hrn. Med.-Rath Dr. Mohr wegen Mittheilung für’s Archiv. 
An Hrn. Kreisdir. Neunerdt ebendeshalb. Von Hrn. Med.- Rath 
Overbeck wegen Excerpte für’s Archiv. Von Hrn. Dir. A. Over- 
beck Arbeit für dasselbe. Von Hrn. Salinedir. Brandes wegen 
Rechnung für Kreis Schleswig. Von Hrn. Vicedir. Löhr wegen eini- 
ger Veränderungen in den Kr. Cöln und Eifel und Einziehung des 
Kreises Siegburg. Von Hrn. Kreisdir. Schröter wegen neuen Mit- 
gliedes. Von Hrn. Kreisdir. Knorr wegen Nachrichten aus Brasilien. 
Von Hrn. Jobst wegen Etablissement. Von Hrn. Oberdir. Dr..Walz 
wegen Austausch von Archiv und Jahrbuch. Von Hrn. Vicedir. Os- 
wald wegen Fest für Hrn. Prof. Duflos, zwei neue Kreisdireetoren 
und neue Mitglieder im Kr. Oels. Von Hrn. Vicedir. Ober-Med.-Ass. 
Dr. Wild Diplom für neues Mitglied im Kreise Corbach. Von Hrn. 
Vicedir. Retschy wegen Unterstützungs - Angelegenheit, Bestellung 
vom Jahrbuch. An Hrn. Dr. Schür wegen seiner Beiträge. Hrn. 
Hornung wegen Recension. Von Hrn. Geh. Med.-Rath Dr. Sta- 
beroh wegen Angelegenheit der Hagen-Bucholz’schen Stiftung. Von 
Hrn. Dir. Dr. Herzog wegen Unterstützungs-Angelegenheit. Franke’s 
Tafeln. An Hrn. Kreisdir. Brodkorb mehrere Stellen und Kauf- 
gesuche überwiesen. Von Hrn. Vicedir. Dr. Wild wegen Bestellung 
des Jabrbuchs. Von Hrn. Kreisdir. Löhlein wegen Hrn. Solbrig’s 
Reste und Austritt. Von Hrn. Kreisdir. Kümmell wegen Fr. Wirth’s 
Buch und Zahlung dafür. Von Hrn. Apoth, Jahn wegen Journal- 
zirkel. An Se. Exc. Hrn. Minister v. Raumer Einsendung des Archivs. 
Von Hrn. Vicedir. Berg-Comm. Retschy Diplom-Bestellung für neue 
Mitglieder. Von Hrn. Med.-Ass. Overbeck wegen chemischer Ar- 
beiten. Von Hrn. Kreisdir. Struve wegen verspäteter Anmeldung 
eines Rücktritts und neuer Mitglieder. An Hrn. Dr. Herzog wegen 
Brandes - Stiftung. Von Hrn. Vicedir. Giseke in Eisleben wegen 
neuen Mitgliedes. Von Hrn. Vicedir. Ficinus wegen zweier desgl. 
Von Hrn. Med. -Rath Dr. Müller wegen seiner Aufforderung zur 
Angabe der Portokosten. An Hrn. Geh. Med.-Rath Dr. Stabe- 
roh wegen Hagen-Bucholz’scher Stiftungs-Angelegenheit. Mittheilung 
an die HH, Meurer und Bucholz. An Hrn. Kreisdir. Hoffmann 
Bitte wegen Listen über Portokosten. Von Hrn. Ehrendir. Dr. Meu- 
rer Beitrag zum Archiv. An Hrn. Vicedir. Bucholz Diplome für 
neue Mitglieder. Von Hrn. Dir. Dr. Geiseler Bestellung mehrerer 
Diplome für neue Eintritte.e HH. Hahn’s Hofbuchhandlung wegen 
Besorgung der Register auch für abgehende Mitglieder. 


Vereinszeitung. 83 


2) Biographisches Denkmal 
für 
August Peter Julius du Menil, 
Doctor der Philosophie, Apotheker in Wunstorf, Königl. Hannov. 
Geh. Ober- Berg-Commissair, Fürstl. Schaumburg-Lippescher Hofrath, 
Mitstifter und Director des Apotheker-Vereins in Norddeutschland, 
Ehren- und wirkliches Mitglied vieler gelehrten Gesellschaften etc.; 


von Dr. L. F. Bley. 


Wenn ein Freund aus unserer Mitte scheidet, der ein thätiges 
und nützliches Leben geführt hat, so sehnen wir uns nach einem Bilde, 
welches uns auch nach seinem Tode sein Audenken ins Gedächtniss 
zurückruft, 

Ein solches Lebensbild dem Heimgegangenen aufzustellen, war 
mir gewissermaassen von demselben übertragen, indem er mir von 
dem Krankenlager, auf das er im vorletzten Winter vor seinem Ableben 
gesunken war, schrieb: Ich wünsche, dass Du einst meinen Lebens- 
lauf verfassest und bemerke, dass unter meinem Nachlasse Material 
dazu vorhanden ist. Gern war ich zur Vollziehung dieses Wunsches 
bereit und ich muss gestehen, dass der Verstorbene durch umfang- 
reiches Manuscript mir diese Arbeit erleichtert hat, was ich um so 
dankbarer erkenne, als die Zeit, welche ich der Abfassung widmen 
konnte, noch durch vielfach anderweitige Geschäfte mir geschmälert 
wurde. Auch glaube ich im Sinne des Verewigten zu handeln, wenn 
ich mich so viel als möglich an seine Autobiographie gehalten habe. 

Unser du M&nil, dessen Vorfahren sich eigentlich du Mesnil 
schrieben, stammte aus einer angesehenen Familie in Frankreich, 
welche im Jahre 1713 unter der Regierung Ludwigs XIV. Frankreich 
und mit dem Vaterlande reiche Güter zu Mer in der Gegend von Blois 
verliess. Veranlassung zu dieser Auswanderung war die Aufhebung 
des Edicts von Nantes. Der Grossvater wandte sich zuerst nach dem 
Haag, wo er mehrere Jahre lebte, dann aber dieses Wohnort mit der 
Stadt Celle im Lüneburgischen vertauschte, wohin ihn zunächst eine 
Erbschaft rief. Sein ältester Sohn Jacob ward Privatsecretair der 
Königin Caroline Mathilde von Dänemark. Er.beschäftigte sich nach 
dem Ableben seiner Gebieterin mit Sprachunterricht in Celle. Dieser 
Jacob du Mönil, Vater unseres kürzlich verewigten Freundes, 
zeichnete sich durch eine tüchtige Bildung, wie durch Rechtschaffenheit 
aus und stand mit seiner Gattin, einer geborenen de Proha aus 
Braunschweig, in hoher Achtung. Ihre Ehe war mit 8 Söhnen geseg- 
net, von welchen August der fünfte war, der am 2. November 1777 
geboren ward. 

Auf dem Gymnasium der Vaterstadt legte er den Grund zu seiner 
Bildung. Mit einem Freunde Müller, der nachmals Advocat in Han- 
nover war, übte er sich fleissig in der lateinischen Sprache. Der 
Conrector Grünebusch war ihm besonders ein gütiger Lehrer, der 
höchst anregend auf das Denken wirkte. Aus dieser Jugendzeit erwähnt 
der Verstorbene zweier seiner theuersten Freunde, Marheinicke 
und Gosewisch, an die er sich mit ganzer Seele anschloss. Der 
Knabe du M£nil lebte gern für sich, bauete sich Zimmer auf dem 
Hausboden, trieb darin Geographie und Zeichnen, auch versuchte er 
sich damals in kleinen Gedichten. Der einsame Verkehr mit sich selbst 
führte ihn fast zur religiösen Schwärmerei, der seine Eltern Einhalt 


8 Vereinszeitung. 


ihaten, Die Bekanntschaft eines Buchhändlers gab Gelegenheit, manche 
nützlich bildende Schriften kennen zu lernen. Er zeigte Interesse für 
Mechanik und besuchte deshalb gern die mechanische Werkstatt des 
Herrn Völeker, wo er manche nützliche Kenntnisse sich erwarb, 

Im Herbste 1792 trat unser August bei dem Apotheker Demp- 
wolf in Lüneburg in die Lehre. Die Wichtigkeit der Wahl seines 
Berufs begriff er schnell und mit Begierde fasste er Alles auf, was 
ihm in der Erlernung förderlich sein konnte. Freilich waren die 
Mussestunden knapp, denn nicht mehr als täglich 1 Stunde und Sonn- 
tags etwa 4 Stunden blieben ihm zu seinen Studien. Diese grosse 
Beschränkung wirkte niederschlagend auf ihn ein und es trat eine 
Gemüthsverstimmung ein, die man für eine Wurmkrankheit haltend 
mit heftigen drastischen Mitteln verfolgte. An Lehrbüchern empfing 
er zu seiner Ausbildung von dem Principal Bindheim’s Rhapsodien 
und Hagen’s Anfangsgründe der Apothekerkunst. An mündlichen 
Unterricht dachte damals noch kein Principal. Er achtete seinen Prin- 
cipal Dempwolf aber sehr wegen seines redlichen Charakters und 
seiner Wohlthätigkeit. Heimlich nur konnte er aus seines Principals 
Bibliothek Wiegleb’s und Gren’sChemie, Hoffmann’s Flora ger- 
manica und Reuss Compendium mineralogicum benutzen, In dem 
berühmten Arzte Dr. Lentiin fand er einen Gönner, der ihn mit Dar- 
reichung nützlicher Werke unterstützte. Ein anderer Arzt, Dr. Stick, 
half ihm Pflanzen bestimmen, die er auch nur heimlich sammeln konnte. 
Sein ältester Bruder, bereits Professor an der Ritterakademie, versorgte 
ihn mit mancherlei bildenden Werken, und wirkte überhaupt sehr 
günstig auf des jungen Bruders geistige Ausbildung. Seine Lehrzeit 
war eine ziemlich freudenlose, doch fand er in dem Umgange seines 
Mitzöglings Georg Crome (nachher Professor in Möggelin) einigen 
Ersatz. Sonstigen Umgang zu unterhalten, gestatteten die Verhält- 
nisse nicht. 

Die Pharmacie war in jener Zeit lange noch nicht so weit aus- 
gebildet als jetzt, aber es ward mit Eifer und Treue an der Vervoll- 
kommnung derselben gearbeitet durch Hagen, Göttling, Hermb- 
städt, Wiegleb, Westrumb, Trommsdorff, die Botanik ward 
durch Diedrichs und Wildenow, die Mineralogie von Karsten 
und Walerius, die Physik von Gren u.s. w. cultivirt und einzelne 
Apotheker liessen sich das Studium ihrer Werke sehr angelegen sein 
und wirkten wieder aufmunternd auf ihre Umgebung. So förderte ein 
glücklicher Zufall bei dem jungen du M&£nil die Neigung zur Chemie 
sehr. Etwa im Jahre 1794 kaın einst ein Mann in die Dempwolf’sche 
Apotheke, um daselbst einen Freund zu besuchen. Er geräth mit 
diesem in ein interessantes Gespräch über Chemie und entfaltete dabei 
so tiefe Kenntnisse, dass dieses die Bewunderung des jungen du M&nil 
erregte und ein heisses Verlangen in ihm erweckte nach gleichem 
Schatze von Kenntnissen. Dieser Mann war Dr. Wackenroder, 
Besitzer der Apotheke in Burgdorf, mit dem du M&nil in der Folge 
sich befreundete. Ein anderer glücklicher Umstand, welcher seiner Hin- 
neigung zum Studium der Mineralogie grössere Nahrung darbot, war 
der, dass ein Professor aus Kiel Boraciten suchte und sie gegen andere 
- Mineralien umtauschte. Du M&nil besass einen hübschen Vorrath- 
von Boraciten und er kam so in Besitz einer kleinen Mineralien- 
sammlung. Diese Sammlung, so wie 500 selbst gesammelte Pflanzen. 
machten den jungen Apothekerlehrling sehr glücklich. 

Je seltener damals bei den angehenden Apothekern eine wissen-— 


Vereinszeitung. 85 
schaftliche Grundlage anzutreffen war, um so mehr machte sich ein 
anmaassendes Wesen unter denselben bemerklich, weil sie sich Gelehrte 
dünkten, manche ihrer Pflichten nicht erfüllen zu brauchen glaubten, 
oder nicht immer vollführen wollten was ihr Amt mit sich brachte 
und was denn Principale wie Dempwolf übel bemerkten. In der 
That wurde am Ende des vergangenen Säculums Vieles von dem, was 
ausgezeichnete Männer wie Trommsdorff etc. zur Würdigung der 
Pharmacie in Zeitschriften vortrugen, von jungen Pharmceuten ganz 
unrecht verstanden, du M&nil suchte aber in Allem die goldene 
Mittelstrasse zu bewahren und dies glückte ihm. 

Es mag hier noch bemerkt werden, dass das Beispiel du MeEni!'s 
grosser Einfluss auf Crome hatte, und dass der Eifer jenes wiederum 
diesen belebte, ferner, dass das gemeinschafliche Wirken Beider nach 
einem und demselben Ziele sie auf das Engste vereinigte. Crome’s 
Schicksal war nachher stets mit dem du M&£nil’s verwebt, z. B. bot 
Dempwolf letzterem eine namhafte Summe zur Vollendung seiner 
Studien auf einer Universität an, aber die Besorgniss, die Summe nicht 
wieder erstatten zu können, liess sie selbigen nicht annehmen, auch 
glaubte er die Güte des Gönners zu missbrauchen; Crome, weniger 
scrupulös, benutzte was jener verschmähete, er ging nach Göttingen, 
während du Me£nil seine Stelle in Schwerin als Administrator der 
Gottschalk’schen Apotheke annahm. Jener wurde einige Jahre später 
Professor am Thaer’schen Institut zu Mögelin und bekleidete hier ein 
Amt, welches du M&nil früher von seinem Freunde Einhof ange- 
tragen war. Obiger Abschweifung erlaube man mir noch hinzuzusetzen, 
dass du M&nil nachher einsah, wie schädlich ihm seine Bescheiden- 
heit gewesen war, da er einige vortheilhafte Lehrstellen, auf die ihn 
seine Gönner Hermbstädt und Andere aufmerksam gemacht hatten 
und die er seinen Kenntnissen nach ehrenvoll bekleiden konnte, an 
sich vorübergehen lassen musste. 

Hatte du M&nil die Erlaubniss, einige Stunden des Nachmittags 
ausser dem Hause zu geniessen, so eilte er zur Familie des Raths 
Gebhardi (machmaligem Hofrath und Bibliothekar in Hannover) und 
des Syndicus Roscher, wo er die gütigste Aufnahme fand und die 
er niemals, ohne an Menschenkenntniss gewonnen zu haben, verliess. 

Eine Reise zu Fuss, die er mit seinem Bruder machte, würde zu 
den angenehmsten seines Lebens gehört haben, wenn sie nicht durch 
die lebensgefährliche Krankheit des Vaters veranlasst gewesen wäre. 
Die Söhne fanden den ehrwürdigen Greis sehr schwach und sahen 
die nahe Vollendung desselben voraus. Kaum vernahm du M&nil 
vor Wehmuth noch die leisen Worte, welche aus dem von Liebe 
überströmenden Herzen seines Vaters kamen, immer war ihm der Aus- 
druck der frommen Hingebung gegenwärtig, den er in den Blicken 
seines besten Freundes auf Erden beim Abschied wahrnahm. Kurz 
darauf im Jahre 1795 starb dieser treffliche Mann, du M&änil beweinte 
seinen Tod. 

In seiner Vaterstadt schien ihm Alles schon nach drei Jahren so 
verändert, dass es ihm schwer wurde, seine Traurigkeit darüber 
zurückzuhalien; vergebens fragte er hief nach dem einen oder andern 
seiner Freunde und zum ersten Male blickte er nun mit ernstlichem 
Nachdenken auf die Wandelbarkeit alles Irdischen. 

Nach beendigten Lehrjahren, Ostern 1797, bekam du M&£nil eine 
Stelle bei dem Dr. Silentz zu Schleswig und reiste mit einem Herrn 
v.Liliencron und Ahlefeld über Hamburg ab. In letzterer bedeu- 


86 Vereinszeitung. 


tenden Handelsstadt brachten damals viele Tausende wegen der Revo- 
lution in Frankreich ausgewanderte Royalisten noch grössere Lebhaf- 
tigkeit hervor, er blieb hier einige Tage; einen unbeschreiblich ange- 
nehmen Eindruck machte auf ihn das französische Theater, wovon er 
den Director, den berühmten Chevallier, kennen zu lernen das 
Vergnügen hatte 


In Schleswig verlebte er ein sehr angenehmes Jahr, überaus glück- 
lich machte ihn die als Gehülfe erhaltene grössere Freiheit, wie auch 
die Artigkeit, mit der ihm alle seine Hausgenossen begegneten. Die 
Nähe des Wohngebäudes an einem kleinen Meerbusen (der Schlei), 
die freundliche Gegend um die Stadt, der fürstliche Garten, die nahen 
Gehölze, die so sehr zum Frohsinn gestimmten Einwohner; alles dieses 
machte ihm Freude und hob sein für die Schönheiten der Natur und 
Freundschaft so empfängliches Herz zu hohen Gefühlen. Hier zählte 
er schon in wenigen Monaten einige biederen Freunde, als deu nach- 
herigen Obermedicus Wendt zu Kopenhagen, den Prediger Borm, 
auch andere gelehrte und kunstliebende Gönner fand er, durch ihre 
Hülfe bekam er Licht über die damals herrschende Philosophie Kant's 
und konnte sich lehrreiche Bücher verschaffen, z. B. des Engländers 
Smellie’s Werke ete., so fand er hier auch den Weg, der ihn zu 
allen pharmaceutischen Hülfswissenschaften führte. Die Citate in 
Gren’s Grundriss der Chemie leiteten ihn auf Naturphilosophie, diese 
wiederum auf tiefere Schritte in die Mathematik, worin er denn auch 
das Seinige that etc. Viel verdankte er damals den Werken Kiese- 
wetter’s, Bezout’s, und so war ihm schon das erste Jahr nach 
seiner Lehre nützlich und heilbringend. 


Auf dem Schlosse Gottorp, wo der Landgraf Carl residirte, fand 
er bei den Pagen leichten Zugang und wurde sehr gern gesehen. 


Sein Lehrprincipal Dempwolf hatte ihm eine Stelle in der 
Andreä’schen Apotheke zu Hannover ausgewirkt, diese erhielt er und 
begab sich darauf 1798 nach besagter Stadt, wo er 7 Jahre lang 
blieb, vorzüglich deshalb so lange, weil es ihm hier an keiner Gele- 
genheit sich auszubilden fehlte. Gruner, der diese Apotheke erst 
administrirte und dann kaufte, besass viele Bücher und theilte sie gern 
mit, du M&nil war daher in der Lage, fast alle wichtigen Schriften 
über Chemie und Pharmacie zu studiren. Er las Scheele’s und 
Bergmann’s, Foureroy'’s etc. Werke in der Ursprache, und da 
sie ihn sehr ansprachen, so erweckten sie auch den unwiderstehlichen 
Trieb in ihm, sich den physiologischen und chemischen Wissenschaften, 
deren einzelne Zweige ihm schon geläufig waren, vornehmlich zu wid- 
men. Es häuften sich nun bald Auszüge und kleine Aufsätze in seinen 
Repositorien nnd er wagte es von jenen sogar einige in Crell’s 
Annalen, wie in das Hannöverische Magazin einrücken zu lassen. Im 
21sten Jahre schrieb er ein Verzeichniss der um Hannover wildwach- 
senden Pflanzen und kurz darauf eine Anleitung zur Untersuchung der 
Mineralwässer, ferner eine Methode, rothes Antimonsulfurid aus Kalium- 
oxydsulfit darzustellen etc, dann eine Rede über den Werth der 
Pharmacie, worin sich die Denkungsart des Verfassers lebhafı aus- 
spricht. Gelehrte Freunde fehlten ihm freilich in Hannover fast gänz- 
lich, doch fand er geschickte Collegen an Bor&e, nachher in Elbin- 
gerode, Hasse jetzt in Dresden, Driedrichs jetzt in Nordheim, 
auch traf er hier seine alten Schulfreunde Dr. Schilling und Advocat 
Müller wieder an, deren Umgang ihm viel werth war; aber seine 


Vereinszeitung. 87 


stummen Freunde, die Bücher, galten ihm fast noch mehr, ihrer bedurfte 
er jeden Tag, an ihnen hing er deshalb eifrigst. 

Als 1803 die Franzosen ins Land kamen, erwarb er sich unter 
diesen mehrere wissenschaftliche Freunde, gern dachte er an den 
trefflichen Generalarzt Pinot, einen edlen Mann, der ihn in Paris 
aufnehmen und dort auf seine Kosten studiren lassen wollte, ferner 
an Laubert, Guilbert und Fabul&t, wovon er jenen 1826 in 
Paris und diesen um eben die Zeit in Metz wiederzusehen die Freude 
hatte. 

Die freundlichste Aufnahme fand er in dem Hause des Procurators 
Körber, der Commissaire Otto und Mügge, wie in Herrenhausen 
bei Cleves, dem Gartenmeister Mertens ete. In der Andreä’schen 
Apotheke würde er die glücklichsten seiner Lebenstage zugebracht 
haben, wenn nicht einige nicht so zart als er fühlende Collegen sie 
ihm verbittert hätten. Sich ihnen niemals freundschaftlich mittheilen 
zu können, brachte endlich eine sehr trübe Stimmung in ihm hervor; 
er war überzeugt, Niemand etwas in den Weg gelegt zu haben und 
seine Stelle vollkommen auszufüllen, wollte daher nicht verkannt sein, 
dennoch musste er sehen, dass; man gerade da, wo er Ehre einernten 
zu müssen glaubte, mit Vorurtheil gegen ihn erfüllt war. Hierüber 
oft mit wehmuthsvollen Gedanken beladen, eilte er nach Herrenhausen, 
um in dem dortigen Berggarten Zerstreuung zu finden, denn es gab eine 
Zeit, in welcher er die Botanik besonders liebte und übte, später mässigte 
er seinen Hang zu selbiger, weil er einsah, dass er ihm für das tiefere 
Eindringen in Chemie und Physik hinderlich werden konnte, doch 
hatte du M&@nil sich ein nicht unbedeutendes Herbarium gesammelt. 

Als im Jahre 1798 die Hochzeit seines ältesten Bruders zu Brüg- 
gen bei Alfeld gefeiert wurde, überreichte er dem jungen Paar ein 
Gedicht in französischer Sprache, welches ein Freund in Musik gesetzt 
hatte; es kam unerwartet, weil Niemand Sinn für Metrik in dem 
Pharmaceuten du M&nil vermuihete. Stets begeisterte ihn zur Nach- 
ahmung die Handlungsweise Andreä’s, die Wahrnehmung seines 
grossen Edelmuths, seiner unbeschreiblichen Herzensgüte, seiner Wohl- 
thätigkeit, wie auch seiner mannigfaltigen Kenntnisse entzückte ihn, 
und er nahm es sich vor, die Biographie desselben zu entwerfen, die 
dann 24 Jahre später von ihm bearbeitet und in Spangenberg’s 
vaterländischem Archiv abgedruckt wurde. 

Die Tischgesellschaft Gruner’s war nicht selten durch die Gegen- 
wart ausgezeichneter Männer belebt, man sah hier einen Köhler und 
Reinhold, ireffliche Kanzelredner, den Liefgelehrten Roscher, Ober- 
justizrath, Gebhardi, Oberbibliothekar, Mühry, Stieglitz, Bode- 
mann, Aerzte ete., sämmtlich Männer, deren hochgebildeter Geist 
sich oft in sehr lebrreichen Vorträgen und scharfsinnigen Bemerkungen 
über mancherlei Gegenstände des Wissens ausliess, was denn den 
besten Einfluss auf du M&nil ausübte. 

Die ihm ausser der Apotheke zugestandene Musse benutzte er 
sorgfältig. Seine Zeit war für bestimmte Studien so eingetheilt, dass 
er nach einem regelmässigen Gange Mathematik und Philosophie, 
Botanik und Mineralogie, auch Zoologie, Chemie und Physik abwech- 
selnd trieb. Belletristrik, Geschichte und Geographie waren zur Erho- 
lung für den Sonntag bestimmt. Stunden, die ihm in den Monaten 
Jali und August übrig blieben, widmete er den Sprachen, so dass er 
fast jedes Jahr eine lateinische Grammatik und einen leichten römischen 
Classiker durchnahm, Vom Griechischen wusste er’ nicht viel, weil 


88 Vereinszeitung. 


es ihm nicht nöthig schien, dagegen setzte er den Unterricht im Eng- 
lischen und Italienischen fort, ersteres verstand er und im letzterem 
besass er einige Fertigkeit. Das Französische, seine halbe Mutter- 
sprache, schrieb und redete er nicht nur geläufig, sondern dichtete 
selbst darin. 

1801 freuete er sich, durch Versuche gefunden zu haben, dass 
sich Sulph. stib. aur. durch Glühen des Kaliumoxydsulfats 4 Theile, 
Antimonium crud. 2 Theile, Schwefel 1 Theil und hinreichendes 
Kobhlenpulver bis zum Fliessen etc. sehr wohl bereiten liesse, und 
dass man reiche Ausbeute bekommt. Herr v. Crell nahm diese 
Erfahrung als eine Neuigkeit im 5ten Stück seiner Chem. Annalen 
1802 auf. 

Etwas später erschien eine Anleitung zur Analyse der Mineral- 
wässer von ihm im 2. Bd. gedachter Annalen, welche Pfaff in sei- 
nem Handbuche der analytischen Chemie, 2. Bd. pag. 61 eine sehr 
verdienstvolle Arbeit nennt. 

Von Jugend auf an Sparsamkeit gewöhnt, that er mit einer klei- 
nen Einnahme von 80 Thlr., die er hier bekam, mehr als mancher 
andere mit dem Dreifachen, 4 dieses Geldes gab er seiner Mutter und 
den Rest verwandte er an die nöthigsten Kleidungsstücke und auf 
antiquarische Bücher u. s. w. 

Während seine Collegen öffentliche Gärten besuchten und hier 
manchen Thaler liessen, erlaubte er sich hier selten eine Portion 
Caffee zu geniessen, gewöhnlich geschah es in dem damals Wallmoden- 
schen Garten, wo ihn die Gemäldesammlung sehr ergötzte. 

Um Ostern 1805, nachdem Gruner kurz zuvor mit ihm ein Ver- 
zeichniss des Mineraliencabinets aufgenommen halte, verliess er Han- 
nover; längst hatte er sich überzeugt, dass sein fernerer Aufenthalt 
in dieser Stadt ihm zu Nichts nützen würde, glaubte daher sein Glück 
anderswo eher zu finden. Beim Abschied konnte er sich das schmerz- 
liche Gefühl des Verkanntseins nicht nehmen. Im Gruner’schen Hause 
hatte er zwar das Zutrauliche vermisst, wozu seine Seele so sehr 
hinneigte, dennoch blieb es ihm immer theuer, denn war Gruner 
auch damals nicht sein warmer Freund, so verdankte er ihm doch 
manches Gute, später zeigte er sich wirklich freundlich gesinnt. 

Eimbeck war die Stadt, welche er mit der Residenz vertauschen 
musste. Die Bekanntschaft mit Biedermännern, die er hier bald machte, 
die Häuslichkeit, welche in diesem Orte allgemein herrschte, wie auch 
die Herzlichkeit, womit ihm die Familie Hink entgegenkam, sprachen 
ihn ausserordentlich an. In der Apotheke fand er mehrere Bücher 
vor, unter welchen er eifrigst Skuhr’s botanisches Handbuch und 
Klaproth’s Analysen studirte.e In den Sommermonaten schrieb er 
eine Dissertation De venenis mineralibus et de methodis in cada- 
vere humano, die in Göttingen gut aufgenommen wurde, auch unter- 
nahm er auf Ansuchen des dortigen Magistrats und des dortigen 
Physikus Schwarz die Analyse des Mineralwassers vom Altenburger 
Berge. 

Dieser ausgezeichnete Mann war so sehr du M&nil’s Freund, 
dass er wünschte, selbigen einst im Besitz der Apotheke des Magistrats 
zu sehen, und das Seinige dazu beitragen wollte. 

Doch Eimbeck war ihm weit mehr als in oben erwähnter Hinsicht 
interessant, Die eigenthümliche Schönheit der Natur um diese Stadt, das 
Vergnügen, welches er bei seinen botanischen Ausflüchten im Besteigen 
der nahen Gebirge, wie auch im Durchstreifen der freundlichen Thäler 


yo 


Vereinszeitung. . 89 


und schauerlichen Wälder empfand, war ihm so neu als seiner Stim- 
mung woblthätig, und konnte er früher nicht ins Freie gehen, ohne 
Gottes Güte und Allmacht zu preisen, so fühlte er sich vornehmlich 
hier, wo ihm Alles so unaussprechlich ansprechend geschaffen schien, 
aufs Höchste gehoben, 

Eine Aeusserung des braven alten Apothekers Hink, die sich 
dahin deuten liess, dass du M&nil, wie früher einige andere, auf 
seine Stelle, also auf seinen Tod wartete, machte einen so unheimlichen 
Eindruck auf ihn, dass er sich entschloss, seine Stelle sobald als mög- 
lich aufzugeben, glücklicherweise hatte ihn Gruner unterdessen zum 
Administrator der Apotheke zu Schnackenburg an der Elbe mit beson- 
derer Güte der Hannover’schen Regierung empfohlen. du M&nil 
freueie sich der ihm gewordenen Stelle um so mehr, da der Antrag 
auf eine für ihn sehr ehrenvolle Weise geschah, man bielt das Examen 
für überflüssig, er bestand es jedoch unter dem Leibmedicus Lode- 
mann und unter dem Raths-Apotheker Schröder, seinem nach- 
herigen treuen Freunde. 

Nun machte er die Reise nach Schnackenburg zu Fuss, einsam 
durchwanderte er die ziemlich öde Gegend dahin über Wittingen, 
Lüchow und Gartow. 

Hier höchst ermüdet angekommen, wollte er ausruhen, da hiess ihn 
aber ein strenger Gerichishalter des Grafen von Bernstorf.noch in der 
Nacht weiter gehen, weil er keinen Pass vorzeigen konnte. Die Nähe 
des Napoleonischen Heeres mochte diese für ihn harte Begegnung 
noihwendig gemacht haben. 

Schnackenburg hat nicht die schöne Lage Schleswigs, doch wirkte 
der Gedanke, sich wieder in einer Wassergegend zu befinden, sehr 
angenehm auf sein Gemüth, der Ört erlaubte ihm das Vergnügen 
der Wasserfahrten auf einem grossen Flusse, die, wie man weıss, ihre 
eigenthümlichen Reize besitzen. Hierzu kam, dass sich mehrere lustige 
oder vielmehr lebensfrohe junge Männer seines Alters daselbst vor- 
fanden und dass er in deren Gesellschaft manche glückliche Stunde 
verleben konnte. Mit Dr. Ellissen, einem talentvollen Manne, 
pflegte er die beste Freundschaft. Obgleich er mit diesem manchen 
wissenschaftlichen Gegenstand beleuchtete, so bemerkte er doch, dass 
hier seine Kenntnisse eher ab- als zunahmen. Was er an Pflanzen, 
Mineralien, Büchern etc. natte, ruhete fern von ihm in Kisten zu Han- 
nover. &Gleichsam ahnend, dass sein Aufenthalt in Schnackenburg nur 
kurz sein würde, glaubte er ihren Besitz noch einige Zeit verschmerzen 
zu müssen; an neuen gelehrten Journalen fehlte es ihm ganz. Diese 
Lage war ihm schwer zu ertragen, doch änderte es sich plötzlich damit. 
Dempwolf bot ihm unvermuthet die erwähnte Unterstützung zum 
Besuche der Akademie an, und Crome, welcher die Gottschalk’sche 
Apotheke in Schwerin administrirte, benutzte sie, nachdem du M&nil 
selbige abgeschlagen hatte, letzterer erhielt nun die Administration 
seines Freundes. Nicht leicht war der Abschied von Schnackenburg 
für ihn, denn er hatte in mehreren braven Familien die freundlichste 
Begegnung genossen, wodurch sein Sinn für gesellschaftliche Freuden 
unter ächten Biedermännern völlig befriedigt wurde und selbst zuge- 
nommen hatte. Unter den Annehmlichkeiten, die er zur Zeit seines 
Aufenthaltes in mehrgedachtem ‚Städtchen genoss, stand bei ihm eine 
zweimalige Reise nach Lüneburg obenan; hier machte ihn der Pro- 
fessor Timäus, ein alter Gönner, auf seinen Zögling Elise Pickel 
aufmerksam, ein Mädchen, welches sich schon mehrere Jahre unter 


Arch. d. Pharm, CXXVII. Bds. 1. Hfi. 7 


90 Vereinszeitung. 


seiner Pflege brav gezeigt hatte, er empfahl es ihm zur künftigen 
Gattin. du M&nil erkannte ihre Vorzüge bald und wählte sie schon 
damals im Herzen. 

Seine Ankunft in Schwerin um Michaelis 1806 fiel in eine verhäng- 
nissvolle Zeit! Nach einigen Wochen zog sich der Schauplatz des 
Krieges hierher. Bernadotte verfolgte einen Rest der bei Jena 
geschlagenen Preussischen Armeen, nämlich das früher vom Herzog 
von Weimar und dann von Blücher befehligte Corps. Dieser tapfere 
Feldherr erschien mit seinen fortwährend kämpfenden Kriegern Abends 
am 2. und 3. November vor dem Thore, wo die halbe Stadt sie mit 
allen Nahrungsmitteln versorgte, die sie mit Begierde und herzlichem 
Danke annahmen, Kurz nachher stellte sich der benannte französische 
General, begleitet vom Herzoge von Mecklenburg (Friedr. Franz) zum 
Frühstück auf dem Schlosse ein. Durch die Fürsorge des letzteren 
blieb keine französische Besatzung in Schwerin, aber einige Tage 
später, am 8, 10., 12. sah man die Truppenabtheilung, die Lübeck 
erobert hatte, mit reicher Beute aller Art beladen, wovon man meh- 
reres Schätzbare für ein Spottgeld kaufen konnte, ankommen. Die 
Apotheke, welche du M&nil verwaltete, litt unter solchen Umständen 
ausserordentlich, und um so mehr, da sie in Schulden steckte, daher 
immer wenig baares Geld vorhanden sein konnte. du M&nil war 
dem Hause ‚seiner Bekanntschaft mit der französischen Sprache wegen 
nun höchst nützlich, denn es gelang ihm dadurch, manchen unartigen 
Soldaten unter der häufigen Einquartierung zur Ordnung zu bringen, 
und selbst der Apotheke durch kleine Lieferungen an die Officiere 
zu nützen. 

Gleich nach seinem Antritt musste er sich im Hause des Sanitäts- 
raths Heinemann einem Examen unterwerfen, wodurch er Lob ein- 
erntete und die Zuneigung jenes in vollem Maasse gewann. Die 
Sorgfalt, welche er seinem neuen Amte widmete, erlaubte ihm wenig 
Musse, so dass, wenn er auch keine Rückschritte in den Wissen- 
schaften machte, es mit dem Fortkommen darin doch auch nicht beson- 
ders aussah. Unter den Hauslehrern der dortigen Ersten und Reichen 
fand er mehrere Freunde. Der damalige Hofmedicus Sachse, der 
Münzmeister Damel und der Archivsecretair Meineke erlaubten ihm 
freundschaftlichen Zutritt in ihre Familien. Für Ersteren übersetzte er 
ein Werk in französische Sprache, welches zur Concurrenz um den 
Preis, den Napoleon für die beste Schrift über den Croup ausgesetzt 
hatte, nach Paris gesandt wurde. Was -du Me&nil in Schwerin an 
chemischen und andern Arbeiten hervorbrachte, blieb ungedruckt; 
nur eine kleine Abhandlung über die Gefährlichkeit der gifiigen Wurzel 
des Wasserschierlings, die der Schweriner See beim Austreten etc, 
an den Ufern häufig zurücklässt, wurde wegen einiger vorgefallenen 
Vergiftungen in Schweriner. Blättern abgedruckt. 

Er bekam auch hier seine Bücher und Naturalien aus Hannover. 
Da nun zu dieser Zeit Sammlungen naturhistorischer Gegenstände in 
Schwerin selten waren, so veranlassten die seinen, ihrer Unbedeutsam- 
keit ungeachtet, doch mehrere Besuche von den Gebildeten der Stadt, 
was ihn erfreute. 

Mit Crome unterhielt er einen zwar langsamen, aber doch 
ununterbrochenen Briefwechsel, auch suchte er diesen mit mehreren 
ausgezeichneten Gelehrten anzuknüpfen. H.F. Link, damals in Rostock, 
behandelte ihn mit vieler Freundschaft; dieser veranlasste seine Pro- 
motion zum Dr. phil., wovon ihm die Nachricht durch das Gouverne- 


Vereinszeitung. 91 


ment auf das Ehrenvollste zu Theil wurde. Man berief sich bei der 
Promotion auf frühere von du M&nil gelieferten Schriften, nament- 
lich auf eine dissertatio de venenis mineralibus und auf die Ausbildung, 
die er in Briefen an Link kund gegeben hatte. 

Bei Gelegenheit eines Besuches in Lüneburg (1809) verlobte sich 
du Mönil mit oben erwähnter Elise Pickel. 

Die Umstände der Wiltwe Gottschalk waren nicht weniger 
als lachend, nämlich von der Art, dass wenn die auf ihrer Apotheke 
ruhenden Capitalien gekündigt wurden, und jene meistbietend verkauft 
wäre, für sie kaum etwas übrig blieb. Die Vormundschaft nahm daher 
eine sich darbietende Gelegenheit, sie vortheilhaft anzubringen, wahr 
und forderte du M&nil auf, den Verkauf etc. zu besorgen; er blieb, 
um das Eincassirungsgeschäft bei den Restanten zu beendigen, bis 
Ostern 1809. 

Nun bemühete er sich um einen eigenen Heerd, reisete nämlich 
nach Kyritz im Preussischen, wo eine Apotheke vacant sein sollte; 
aber vergebens, denn sie war kurz zuvor an den Mann gebracht; 
hierauf sah er seinen Wunsch in Wunstorf befriedigt, dort schloss er 
unter den Augen Gruner’s und des Obercommissairs Mügge den 
Kauf seiner Apotheke ab, trat sie schon um Johannis des nämlichen 
Jahres an und verheirathete sich dann bald darauf mit seiner Verlobten. 

In den ersten beiden Jahren konnte du M&nil kaum mehr thun, 
als seine Apotheke in bessern Stand setzen, denn sehr Vieles war 
darin zu ändern. Im dritten Jahre ward ihm in Folge einiger seiner 
chemischen Abhandlungen die Stelle eines Directors des Pulver- und 
Salpeterwesens für das Ocker- und Allerdepartement im Königreiche 
Westphalen angetragen, diese bekleidete er fast zwei Jahre; seine 
Functionen bestanden darin, die Salpeterplantagen zu befördern und 
jeden, der sie anzulegen wünschte, zu unterrichten; auch hatte er die 
Oberaufsicht über die Pulvermünlen, über den Handel und über den 
Transport des Pulvers und Salpeters. Er war obiger Dinge wegen 
genöthigt oft zu reisen, was ihn dann in Verhältnisse brachte, wodurch 
er seine Menschenkenntniss sehr vermehren konnte. In den Städten 
Braunschweig, Hildesheim, Celle, Goslar, Helmstädt, Wolfenbüttel 
u. a, m. erwarb er sich manche Freunde. Als 1813 das Königreich 
Westphalen wieder aufgelöst wurde, ging auch ihm sein Dienst ver- 
loren, er hoffie ihn durch einen andern ersetzt zu sehen, aber dies 
traf nicht ein. Um diese Zeit fing er an, sich wieder seinem Lieb- 
lingsstudium zu widmen, auch seine chemischen Kenntnisse praktisch 
anzuwenden. Um dieses in grösserem Umfange zu können, verbes- 
serte er seinen Apparat, und liess sich 18.6 ein Privatlaboratorium 
bauen. Späterhin erschien dann manche Frucht seines Fleisses. Un- 
ter den Briefen, die er von ausgezeichneten Männern aufbewahrte, 
findet man die Namen: Meinecke, Schweigger, Schweigger- 
Seidel, Gilbert, Trommsdorff, Crell, Link, Breithkaupt, 
Vogel, Kargar, Bedemar, Wurzer, Berzelius, Gmelin, 
Bauersachs, Leonard, Robinet, Stolze, Hermbstädt, Gru- 
ner, Wendt, Iisemann, Brand&, Kastner,Buchner, Schee- 
ver, Stromeyer, Hausmann, Sprengel, Weigel, Eschen- 
bach u. a. m. 

du Me&nil’s Eifer für die Chemie war. gross (Stromeyer 
nannte ihn Feuereifer),; dennoch gelang es ihm nicht, bedeutende, die 
Wissenschaft erweiternde Entdeckungen zu machen, seine isolirte Lage 
erlaubte es ihm nur sich der Analyse zu widmen. In seinen Schrif- 


7* 


92 Vereinszeitung. 


ten gab er manche Verbesserung von Analysirmethoden, auch einige 
neue an, doch musste er oft sehen, wie andere ohne des Urhebers 
zu erwähnen, sie benutzten und sich sein Verdienst zueigneten, 


Man findet eine grosse Anzahl chemische Abhandlungen u.a. von 
ihm in den Zeitschriften z. B. in v. Crell’s Annalen, Gilbert’s Annalen 
der Chemie und Physik, Schweigger und Schweigger-Seidel’s Journa- 
len, Buchner’s Repertorium, Brandes Archiv, im Hannoverschen Ma- 
gazin u. Ss. w. 
An Büchern schrieb er: 
1) Den mineralogischen Theil der Crome’schen Naturgeschichte für 
Landwirthe. Hannover. 

2) Disquisitiones chemicae nonnullor. fossilium. Schmalkalden 1825. 

3) Chemische Analysen. Schmalkalden 1825. 

4) Versuch über Stöchiometrie. Hannover. 

5) Chemische Forschungen im Gebiete der anorganischen Natur. 
Hannover, 

6) Leitfaden zur Untersuchung der Mineralkörper. Gotha. 

7) Ueber die Schwefelquellen zu Eilsen. Hannover. 

8) Ueber den Rehburger Gesundbrunnen. Hannover. 

9) Reagentienlehre der Pflanzenanalyse. Halle. 

10) Handbuch der Reagentien- und Zerlegungslehre. Lemgo. 

11) Analyse der Concremente. Altona. 

12) Ueber das Selbstdispensiren der homöopathischen Aerzte. Celle. 
Karlowa. 


Auf Veranlassung einer Briefeinlage an Hofrath Brandes vom 
Prof. Meinecke in Halle kam du M&nil mit jenem in Correspon- 
denz, wodurch denn bald der Wunsch sich kennen zu lernen geäussert 
und erfüllt wurde. Die persönliche Begrüssung der beiden Freunde 
war wie unter Wissenschaftsverwandten gewöhnlich, ungemein herz- 
lich, Man war schon in den ersten Stunden des Zusammenseins über 
die Gründung eines pharmaceutischen Vereins für Westphalen überein- 
gekommen, doch fand der Vorschlag du M&nil’s, solchen über das 
nördliche Deutschland auszudehnen, Statute drucken zu lassen und 
dieser Societät den Titel »Apotheker-Verein für Norddeutschland« zu 
geben, Gehör; es wurde nun mit der Ausführung alles dieses rasch 
zu Werke geschritten. Dieser Verein, in welchem, wie du Menil 
gern versichert, Brandes das grosse Verdienst einer sehr acuraten 
und treuen Oberdirection hat, zeigt sich noch jetzt, wie Jeder weiss, 
sehr folgenreich. 


1824 ward du M&nil zum Königlichen Ober-Bergcommissair er- 
nannt, eine Auszeichnung, die ihm um so angenehmer war, da sie 
ihm durch Empfehlung einiger damals am Ruder stehender trefflicher 
Männer ward. Sein Patent war mit den schmeichelhaftesten Worten 
abgefasst und vom König Georg IV. unterschrieben, und ihm ein sol- 
cher Rang darin gegeben, dass er die Uniform der höhern Bergbeam- 
ten tragen durfte. 


Kurz vor dieser Zeit machte du M&nil die Analyse der Dribur- 
ger Mineralquellen; nicht genug konnte er die Güte und Artigkeit 
rühmen, mit der ihm Herr v, Sierstorpf, der Besitzer Driburgs, 
begegnete, ebenso pries er immer die ausserordentliche Humanität, 
die ihm einige Jahre nachher der Fürst zu Schaumburg-Lippe und 
seine Räthe bei Untersuchung der Quellen zu Eilsen widerfahren 
liessen, und war stolz auf die Beförderung zum Hofrath, die ihm von 


Vereinszeitung. 93 


diesem verehrungswürdigen Fürsten zu Theil wurde. Im Königreich 
Hannover ward sie ehrenvoli anerkannt. 

Die Analyse des Mineralwassers zu Rehburg hatte für ihn die 
gute Folge, dass das Hannoversche Gouvernement ihm Unterstützung 
zu einer längst beschlossenen wissenschaftlichen Reise nach London 
und Paris bewilligte. Diese Reise, welche er im Mai 1826 antrat, 
war ihm, der sich durch Lesung mehrerer Werke über Frankreich 
und England geschichtlich, geographisch, topographisch etc. unter- 
richtet hatte, ausserordentlich belehrend. Obgleich er sie in kurzer 
Zeit beendigte, so sah er doch, schon seit früher Jugend daran ge- 
wöhnt, schnell zu beobachten, nämlich das Wesentliche eines Gegen- 
standes schnell aufzufassen, in kurzer Zeit viel Sehenswerthes. Sein 
erster Weg in London ging zuDavy. Dieser treffliche Mann nahm ihn sehr 
gütig auf und er hatte das Glück, mit selbigem fast eine Stunde lang die 
interessanteste Unterhaltung in französischer Sprache zu pflegen. du M&- 
nil wurde zu einer Hauptsitzung der Royal Institution im Sommerpalaste 
eingeladen, was er dann mit Freuden annahm. Hier präsidirte Davy 
(mit einem kleinen Präsidentenhut auf dem Kopfe) mit vieler Würde. 
Fast aus allen Weltgegenden sah man Gelehrte, wie die Fremdenliste 
es bewies. Nach beendigter Sitzung wurde du M&nil auf die Biblio- 
thek der Naturforscher geführt, wo er unter andern ausgezeichneten 
Männern Brande&, Hattshed und Wollaston antraf; mit letztern 
beiden unterhielt er sich lange über chemische Gegenstände bei einer 
Tasse Thee. Die Darstellung des Aluminium von Oerstedt machte 
um diese Zeit hier Aufsehen ; man hatte sie so eben erfahren. du M&- 
nil besuchte auch seiner Freund Heuland, wo er die schönste 
Sammlung von Mineralien sah, ferner das britische Museum, die Apo- 
thekaries Hall und andere öffentliche Institute. Seine Hinreise geschah 
über Minden, Düsseldorf, Aachen, Tournais, Lille und Calais. In Aachen 
gab ihm Dr. Monheim Gelegenheit, viel Schönes und Merkwürdiges 
zu sehen, z. B. die heissen Schwefelquellen etc. Von Tournais aus 
besuchte er die Bäder St. Ammands, wo er sich Schlamm zur chemi- 
schen Untersuchung zu verschaffen wusste. Er nahm seinen Rückweg 
über Amiens nach Paris. In der Hauptstadt Frankreichs ward ihm 
die frenndlichste Aufnahme vom Prof. Gilbert, von Robinet und 
Henry dem Aeltern zu Theil. Unter den Männern, deren Bekannt- 
schaft ihm sehr theuer war, nennt er noch Henry den Jüngern, 
Petroz, Pelletier, Thenard u. m. a. Vauquelin sah er in 
der Münze, seine Unterhaltung war trocken. Laugier, bei dem 
sich du M&nil am liebsten und am längsten verweilte, begegnete ihm 
mit einer Freundlichkeit und Zuvorkommenheit, die ihn rührte, so oft 
er davon sprach, auch Thenard war besonders gütig gegen ihn. 
Dieser gab ihm ein Empfehlungsschreiben an den berühmten Civiale, 
in dessen Wohnung er zwei Operationen der Harnsteinzerreibung, näm- 
lich an einem Greis und einem jungen Mann von 16 Jahren, mit der 
grössten Geschicklichkeit ausgeführt sah. 

In der Pharmacie centrale des Hopitaux fand er manche schöne 
und nachahmungswürdige Einrichtung, aber bei weitem nicht in der 
Grösse und Anzahl, als in der Apothekaries Hall in London. 

Sein liebster Zufluchtsort in Paris war, wie sich leicht denken 
lässt, der Jardin de plantes; hier sieht man bekanntlich aus allen drei 
Reichen der Natur zusammengehäufte Schätze; dann das Conserva- 
toire des arts et des metiers, ferner die Gemäldegallerie, der Saal der 
Antiken etc. Es knüpfte sich dem Anschaun alles dieses Schönen und 


94 Vereinszeitung. 


Nützlichen bei ihm die liebe Erinnerung an die früher von ihm gesehe- 
nen freilich viel kleineren Sammlungen Schleswigs, Schwerins, Lud- 
wigslusts, Cassels, Braunschweigs, Berlins und Dresdens freundlich an. 

Im Palais des beaux arts wohnte er der grossen Sitzung bei, 
welche die Mitglieder der Academie royale des sciences jedes Jahr am 
ersten Montage des Monats Juni halten, hier trugen mehrere wichtige 
Männer die trefflichsten Reden vor, z. B. Cuvier, Dupin u. s. w. 

Zu den erwünschtesten und glänzendsten Epochen seines Lebens 
rechnete er noch die Theilnahme an der jährlichen Feier der Stiftung 
des Apotheker-Vereins und den Versammlungen der Naturforscher zu 
Berlin, in Hamburg und andern Orten. 

Es verdient bemerkt zu werden, dass, wenn du M&nil reisete, 
was nicht selten geschah, stets das Bedürfniss sich zu belehren, fast 
die einzige Veranlassung dazu war, und nie der Gedanke an Vergnü- 
gen oder Zerstreuungen allein; damit er den Seinigen nichts dadurch 
entzog, verdiente er die Kosten vorher mit literarischen Arbeiten, und 
beobachtete unterwegs die allergrösste Sparsamkeit: dennoch gab es 
Menschen, welche sein Streben verkannten, es nicht sehen wollten, 
dass er sich sogar solcher Ausgaben enthielt, die selbst der gewöhn- 
lichste Bürger für den gewöhnlichsten Lebensgenuss nöthig achtet, 
und vergassen, dass ihm in Rücksicht seines haushälterischen Lebens 
wohl solche edle Genüsse auf Reisen zu gönnen waren. 

Seit 1826 floss ihm das Leben unter Annehmlichkeiten, die er aus 
der Familie, den Studien und dem Naturgenuss zu ziehen verstand, 
ruhig dahin Die wachsende Hoffnung, dass seine Kinder einst alle 
versorgt werden würden, trug viel zu seiner Erheiterung bei, Einige 
Reisen verschönerten, wie er gern gestand, sein Leben sehr, unter 
diesen brachte eine ins Mecklenburgsche geschehene, welche er, um 
die ihm noch von 1806 und 1809 übrig gebliebenen Freunde wie- 
derzusehen, unternahm, reichliches Vergnügen, er machte aber auch 
oft ernste Betrachtungen über die Wandelbarkeit aller menschlichen 
Dinge, z. B. über die häufige zu emsige Betriebsamkeit mancher 
Individuen im Vergleich der kurzen Dauer unseres Lebens und über 
die trügliche Erfahrung, wie selten man das mit Sorgen und Mühe 
Erworbene bis ans Ende ungetrübt geniessen kann. Später gewährte 
ihm eine Fahrt nach Paderborn zur Directorial-Versammlung viel Ver- 
gnügen und gab ihm Gelegenheit, sein Handbuch der Reagentien- 
und Zerlegungslehre in Lemgo anzubringen, wobei wieder eine andere 
Reise bei gleicher Veranlassung nach Braunschweig etc., die ihm je- 
doch durch Erkältung oder Rückbleibsel der Grippe ein bedenkliches 
Uebelbefinden verursachte, ein Uebelbefinden, bei welchem er sich 
mit dem Gedanken von einem nahen Hinscheiden vertraut machen zu 
müssen glaubte. 

Am 8. März 1838 hatte er die Freude, das Jubiläum seines wür- 
digen ältesten Bruders, erst in Gesellschaft seiner Geschwister, dann 
am 27sten desselbigen Monats bei einem von Seite der Stadt Lüneburg 
gestifteten grossen Feste zu feiern. Die Beschreibung obiger Reisen 
befindet sich unter den Manuscripten du M&nil’s. 

1839 — 40 gab er seine kleinen Schriften in 4 Bändchen heraus. 

Verehrung und innige Dankbarkeit gegen Gott begleiteten ihn 
auf allen seinen Wegen. Wohlwollen gegen Jedermann und Aufrich- 
tigkeit war ihm stets Bedürfniss, Lüge und Trug ein Abscheu. Im 
Umgang sanft und friedfertig, suchte er es Jedem in seiner Umgebung 
nach Wunsch zu machen und trauerte, wenn er hierin verkannt wurde. 


Vereinszeitung. 95 


Seinem Bestreben nach Belehrung mischte sich immer hohes Gefühl 
oder vielmehr tiefe Anerkennung der grossen Eigenschaften eines all- 
waltenden weisen und gütigen Wesens ein, also auch häufig die, damit 
verbundene Beseligung. Die Antriebe seines Fleisses waren vornehm- 
lich in späteren Jahren weit weniger Ehrgeiz, als der Wille, durch 
seine Erfahrung und Kenntnisse zu nützen, wie auch der Gedanke, 
durch einigen Ruf seiner Familie Eingang zum (äussern) Glücke zu 
verschaffen. Hier will ich mir erlauben, eine Stelle aus seiner Selbst- 
biographie einzuschalten, welche Licht über seine Denkweise giebt: 

»Wenn es schon nicht leicht ist, Andere nach äusseren Eindrücken 
zu schildern, so gelingt dieses sehr schwer oder gar nicht an sich 
selbst. Wer übrigens den Blick, die Mienen und überhaupt das ganze 
Benehmen einer Person studiren will, um dadurch auf sein Inneres 
zu schliessen, muss ein mit grossem Ehalussc schen Scharfblick wohl 
begabter Menschenkenner und ein durch längeren Umgang vertraut 
gewordener Freund derselben sein. Nur sein Inneres darf und kann 
ein Autograph und zwar sehr vorsichtig zu beschreiben wagen, näm- 
lich dann erst, wenn er sich in reiferen Jahren gehörig kennt; aber 
eine gefährliche Klippe bleibt es immer, befleissigt man sich auch den 
Mittelweg hierin einzuschlagen, bekennt man mit Demuth seine wohl 
eingesehenen Schwächen, so wird doch jedes Lob, dessen man sich 
würdig hält, schiechtes Glück machen, und warum? weil das Eigenlob 
der Narren schwer von dem Selbstgefühl des eitle Ehre verachtenden 
Mannes unterschieden werden kann. Diese Schilderung schrieb ich 
daber aus dem Bedürfniss über mich selbst nachzudenken nieder, auch 
weil sie eine verwandte Seele, wenn ich längst nicht mehr bin, in- 
teressiren könnte.« (du Menil) 

Sein für das contemplative Leben stets sehr geneigter Sinn liess 
ihn früh den hohen Werth eines ordentlichen Wandels schätzen, er- 
kennen, dass man nur durch Befolgung aller Regeln, die den recht- 
lichen Mann bezeichnen, achtungswürdig wird und bleibt; er beging 
daher keine eigentlich leichtsinnige Streiche. Lustigen Brüdern folgte 
er nie und gerieih er unter selbige, so ward er durch sie vorsichtig 
und lernte einsehen, dass wenn ihr Treiben auch nicht geradezu Un- 
rechtlichkeit. verrieih, es doch endlich auf Verschwendung und Zeit- 
tödtung hinauslief — er mied sie deshalb wo er nur konnte. Es lag 
übrigens schon in seinem Charakter oder Temperamente, dem Leicht- 
sina nicht nachzugeben. 

Er hatte stets den regsten Willen sich moralisch zu vervollkomm- 
nen — dass Salomo in der Jugend Gott um Weisheit bat, gefiel ihm 
schon in seinem sechsten Jahre so sehr, dass er sich eines Morgens 
auf seine Kniee warf und in dem inbrünstigsten Gebet ein Gleiches 
that. Jede ihm geschehene Wohlthat stimmte ihn sehr früh zu tiefem 
Danke und za edlen Gefühlen, als z, B. seine Eltern ihm ein neues 
Kleid schenkten, eilte er in ihre Arme und versicherte von Erkennt- 
lichkeit durchdrungen, dafür ein guter Mensch werden und ihnen 
Freude machen zu wollen. Solche Aufwallungen seines Gefühls kehr- 
ten häufig zurück und befestigten eine gewisse stets gleiche beglückende 
Stimmung in ihm. In seinen Jünglingsjahren hielt er ein Buch, wel- 
ches den Titel führte: Resolutions chretiennes ganz besonders in Ehren, 
er regelte und vermehrte seine guten Vorsätze nach diesem Werke: 
es kam ihm abhanden, sehr lange betrauert er den Verlust desselben. 

Zu edlen Handlungen war er von Jugend auf gestimmt, sie ge- 
währten ihm mehrmals in seinem Leben den süssen Genuss des Wohl- 


96 Vereinszeitung. 


thäters; aus seinen Kinderjahren erinnerte er sich, einem Fallsüchtigen 
die Daumen aus den Händen gewunden und ihm dadurch Erleichte- 
rung verschafft zu haben. Einen Betrunkenen brachte er fast zur 
Nachtzeit in sein Haus; dieses Mannes Dank, der ihm wiederholt 
wurde, belohnte ihn auf das Herrlichste — doch um Dank war es ihm 
nie zu ihun, nur seiner Pflicht als Menschenfreund wollte er nach- 
kommen. Den Armen zu helfen, war ihm grosse Freude, 

Misslangen ihm oft die seiner Meinung nach bestens durchdachten 
Pläne, so that ihm dieses zwar leid, aber nicht, weil er seinen Ruhm 
dadurch geschmälert glaubte, oder weil er ehrgeizig war, nein, weil 
der Nutzen, den er sich für Freunde, Verwandte, auch für die Wis- 
senschaften davon versprach, verloren ging. Besondere Schritte zur 
Vermehrung seines Einkommens machte er nie, denn er war zufrie- 
den mit dem, was ihm Gott gegeben hatte, doch äusserte er sich 
manchmal verdriesslich darüber, dass seltsame Umstände ihn nicht ver- 
dienen liessen, was er nach einem billigen Mittelansatz verlangen konnte. 

Seine Liebe zu den Eltern blieb stets neu in ihm, und wenn er 
schon in seiner Kindheit in Thränen schwimmend an ihr Ende dachte, 
und Gott flenentlich um die Erhaltung ihres ihm so theuren Lebens 
bat, so that er dieses noch mehr in spätern Jahren. Seine Mutter 
und Brüder unterstützte er von seinem kärglichen Gehalte nach Kräf- 
ten und. selbst mit eigner Aufopferung. Sparsamkeit liebte er sehr, 
vornehmlich, weil sie ihn zu Beschäftigungen anregte, die keine Reue 
zurücklassen, und sie ihm erlaubte, wenn auch wenig neue doch merk- 
würdige antiquarische Bücher zu kaufen, und höchst angenehme und 
lehrreiche Erfahrungen auf Fussreisen zu sammeln. 

Man sah ihn wenig in grösseren Gesellschaften, hier fand er sich 
jedoch auch an seiner Stelle, wenn er Leute darin antraf, mit denen 
er wenigstens auf kurze Zeit interessante Gespräche anknüpfen konnte, 
aber stets unwohl, wenn, wie fast immer, Innigkeit fehlte und man 
nur um die Zeit auszufüllen; zum Kartenspiel, zum Rauchen und zu 
Gesprächen über gewöhnliche Tagesneuigkeiten schritt oder zu den 
fadesten Gesellschaftsspielen seine Zuflucht nehmen musste, Beson- 
ders auf Reisen zeigte er sich stets als fröhlichen Gesellschafter, in 
der Heimath aber als solcher die Bahn zu brechen, war ihm nicht 
möglich. Im Ganzen lebte er zu Hause mehr zurückgezogen, doch 
sah man zuweilen, dass er Lichtzeiten in Gesellschaften hatte, glück- 
lich und fröhlich darin war, z. B. nach Beendigung einer anhaltenden 
chemischen Arbeit. Was übrigens vielen Einfluss auf seinen Wider- 
willen gegen (einzelne der) Gesellschaften hatte, war, dass er die 
Stunden seiner Musse feiern und besser anderswo geniessen zu kön- 
nen glaubte, z. B. in der schönen Unterhaltung einer guten Lectüre, 
in der Vollbringung einiger sich auferlegter belletristischer Arbeiten ete, 
Eigentlich war er durch den genussreichen frühern Umgang mit bie- 
dern Freunden von allen Seiten her verwöhnt; jene hatte eran jedem 
Orte, wo er in seinen besten Jahren lebte, gefunden; ohne Männer, 
an die er sich zutrauensvoll wenden konnte, sprach ihn keine Gesell- 
schaft an. Zechfreunde, die man allenthalben in Fülle antrifft, ver- 
schmähte er fast immer. Bescheidenheit bei seinen Unterredungen 
liess er nie aus den Augen, der Gedanke an guwantum est quod nes- 
cimus verliess ihn nie, er gab daher Recht wo es nur irgend anging, 
verläugnete sich aber auch nicht, wo es darauf ankam, die rechte 
Seite einer Sache aufzudecken, das Gute derselben zu vertheidigen; 
hier wandte er die ganze Kraft seines Geistes an. Er hörte eines 


Vereinszeitung. 97 


Jeden Meinung gern, erwog sie und widersprach nur dann mit Eifer, 
wenn er Irrthümer in wahre Sophistereien übergehen sah. 

Er war Feind des bösen Leumundes, schwieg, wenn sein Urtheil 
über das Betragen des Nächsten nicht zum Besten desselben ausfallen 
konnte, lieber ganz, als dass er es böslich mitgetheilt hätte und ver- 
theidigte, wo es möglich war, Sehr wenig fand er sich geneigt, sei- 
nen Witz über die Fehler Anderer, vorzüglich solcher, die sich nicht 
vertheidigen konnten, auszulassen. Weil er oft froher Laune war und 
er sich gern humoristisch ausdrückte, so gaben seine Vorträge und 
Einfälle oft Stoff zum Lachen — lag hin und wieder ein Doppelsinn 
in dem was er sagle, so wusste er es doch fein genug auszuspinnen, 
um das Zartgefühl nicht zu verletzen. 

Selbst anstrengenden mechanischen Arbeiten unterzog er sich in 
seinen Jünglingsjahren gern, wenn er auf einige Freistunden des 
Abends rechnen durfte, um diese sämlich zur Vergrösserung seiner 
Kenntnisse anzuwenden, 

Bei wissenschaftlichen Uebungen war er oft viel zu ungeduldig, 
immer schien ihm das Leben für das, was er noch lernen wollte zu 
kurz; dieses schadete seinem Fortkommen in dem philosophischen 
Theile des Fachs ungemein und obgleich er wohl wusste, dass es 
nicht auf multa sondern auf multum beim Studiren ankommt, so eilte 
er doch immer zu sehr. Viel zur Erleichterung seiner Studien ver- 
mogte der Umstand, dass er sich gedrängte Aüszüpe aus den Abhand- 
lungen mehrerer Zeitschriften machte, dadurch also ruhiger zu denken 
gezwungen war. Die Mathematik trieb er deshalb anfänglich nicht 
mit Nutzen, und erst sehr spät, als er jede Figur nämlich mit einiger 
Weile zeichnen und Rechnungsexempel auf der Tafel dreimal gelassen 
zu wiederholen im Stande war, gewährte sie ihm einen angenehmen 
Genuss. Eine ähnliche Eile hatte er bei seinen ersten praktisch - che- 
mischen Arbeiten, er irrte daher eher als Andere und um so leichter, 
da er in der Chemie sein eigener Lehrer war. Ein Fehler, (der wie 
die übrigen aus der Hast entsprang, mit der er alles beseitigen wollte) 
war an ihm, dass er sich als Anfänger in der Analyse nicht über- 
winden konnte, eine Untersuchung zu wiederholen; nachher bequemte 
er sich gern dazu. Mit Feuereifer begann er seine analytisch - chemi- 
sche Laufbahn und hätte er nicht in den besten Lebensjahren die 
praktische Pharmacie ausüben müssen, so ist nicht daran zu zweifeln, 
dass er Manchen seiner rüstigen Zeitgenossen vorgeeilt wäre, denn 
er kam bei seinen häufigen sowohi praktischen als literarischen Pro- 
ductionen oftmals auf wichtige Ideen, die er nutzlos vorühergehen 
lassen musste, weil er sie auszubilden, oder sie selbst zu notiren nicht 
Zeit hatte: so theilte er schon im Anfang des Jahres 1818 (vor Davy) 
und früher — siehe Jasche mineralogische Studien. Quedlinburg pag. 
60 — seinen Freunden neue Ansichten über Geognosie mit; so machte 
er dem Ober- Apotheker Fabulet (später zu Metz) schon zur Zeit 
der französischen Occupation (1806) auf die Rolle aufmerksam, welche 
die Elektricität bei chemischen Verbindungen spielt, entwarf gleichsam 
den Anfang einer Elektrochemie. 

Weil er in einer Epoche lebte, in der die Chemie und Physik 
manche kleine und grosse Veränderung erlitt, daher einen grossen 
Theil seiner Musse mit Prüfung des Alten gegen das Neuere zubringen 
musste, so verstrichen viele Monate, ehe er die jüngsten Ideen über 
Stöchiemetrie als richtig oder besser anerkennen konrte, während 
Jüngere Chemiker, denen frühere Theorien unbekannt waren, in die 


98 Vereinszeitung. 


neuesten Ansichten der Dinge bald eingeweiht wurden. Noch bis 1800 
herrschte das Stahl’sche System, welches bald von dem Lavoisier’- 
schen überflügelt wurde, dann erschütterte manchen Satz jener beiden 
(Systeme) die Lehre Berthollets’, hieräuf siegten wiederum die 
Gesetze der chemischen Proportionen und der Elektrochemie, so dass 
man neben Licht immer vielen Schatten und so umgekehrt gewahrte, 

Weil du M&nil einsah, dass er unter günstigen Umständen leicht 
zur Ausführung des einen oder andern glücklichen Einfalls für die 
Erweiterung der Chemie gekommen wäre, so schmerzte es ihn, wenn 
Andere die von ihm sehnlichst erwünschten unbenutzt vorübergehen 
liessen, gratulirte sich aber wiederum in einer Zeit gelebt zu haben, 
da mancher Gegenstand des wissenschaftlichen Forschens als völlig 
ergründet angesehen werden kann. Manchmal stieg in ihm der Ge- 
danke auf, dass unsern Nachkommen wohl wenig in der Chemie zu 
entdecken übrig bleiben würde; aber nur flüchtig blieb ihm dieser 
Gedanke, da es leicht ersichtlich ist, dass die Tiefen der Natur uner- 
messlich sind, und dass hinter dem Vorort unsers Wissens unstreitig 
noch eine Welt der feinsten Naturgesetze zu entdecken ist, welche zu 
finden es einer Ewigkeit bedarf. 

Es war kein Eigensinn, wenn er bei Benennung der chemischen 
Körper einem weniger betretlenen Wege folgte, sondern die Ueber- 
zeugung, dass der gewählte wirklich der beste ist. Er gebrauchte 
die Ausdrücke Sulfat, Nitrat, Protoxyd, Deutochlorid, Sulfurid ete., 
weil sie ihm consequent schienen. Sehr gut wusste er es, dass auf 
den Namen im Ganzen nicht viel ankommt, aber sein Geist war zu 
sehr an Folgerichtigkeit gewöhnt, als dass er anders hätte handeln 
können; auch hielt er die Nomenelatur für das Aushängeschild des 
jedesmaligen Siandes einer Wissenschaft, wollte jene dieser also so 
anpassend als möglich machen. Dass er sich hierüber manchem unge- 
rechten Tadel aussetizte und dass selbst der Absatz seiner Bücher da- 
durch bedeutend litt, war ihm nicht unbekannt, dennoch glaubte er 
sich treu bleiben zu müssen. Als ein junger Chemiker, dessen Talent 
durch eine günstige Lage bald bekannt wurde, ihm mit einiger Un- 
verschämtheit einwarf, dass er statt Kaliumoxydhydrat Natriumoxyd- 
carbonat hätte gebrauchen können, antwortete er gelassen: jenes Auf- 
lösungsmittel wirkt am schnellsten und kräftigsten von allen, ich be- 
reite mir esleicht und weiss gut damit umzugehen, dieses genüge Ihnen ;« 
ich führe dieses an um zu zeigen, dass wenn er in manchen Dingen seinen 
eignen Gang ging, er es stets mit triftiigen Gründen vertheidigen konnte. 
Glaubte er eine Methode einschlagen zu müssen, die als nicht ganz 
scharf bekannt war, so sorgte er auch dafür, dass etwaige Rückstände 
des einen oder andern Bestandtheils ihm im Verfolg der Arbeit nicht 
entgingen. Dass er dem mittelmässigen, kurzsichtigen und pedanti- 
schen jungen Chemiker dadurch Gelegenheit zu Spöttereien gab, 
kümmerte ihn wenig, da es ihm genug sein musste doctis placuisse. 

Weil er nie ohne edles Selbstgefühl war, so.glaubte er in späteren 
Jahren sich hinreichend über einige Schwächlinge gehoben und die 
Urtheile über seine Schriften wenig achten zu müssen; er wusste aus 
dem Leben vieler ausgezeichneten Männer, dass ihnen Kritiken mehr 
Verdruss als Belehrung gebracht hatten. Recensionen, die weder 
bittern Tadel noch Schmeichelei enthielten, und ohne die Wahrheit 
zu fährden, entschuldigend oder schonend waren, machten ihm stets 
grosse Freude. Schmerzlich ward er ergriffen, wenn er in jüngern 
Jahren sich von Schulfreunden in Kenntnissen vorgeeilt sah, oder diese 


Vereinszeitung. 99 


die Universität betraten, bald nachher für Gelehrte galten,und deshalb 
geachtet wurden, während er diesen Weg für sich verschlossen sah. 
Zu sehr fast fühlte er, bei seinem heissen Drange sich in den Wissen- 
schaften hervorzuthun, welchen grossen Vorzug in dieser Hinsicht Ver- 
mögensumstände gewähren. Sein ganzes Leben hindurch war sein 
Hang zu den von ihm erwählten ‚nützlichen Beschäftigungen so gross, 
ja leidenschaftlich, dass er schon beim Schlafengehen des Aufstehens 
mit Ungeduld gedachte; er erkannte aber auch, dass die Stille und 
Ruhe früher Morgenstunden ausserordentlich zur Arbeit einladen und 
ihr erspriesslich sind, 

Er hatte nie das Glück, seine Werke neu aufgelegt zu sehen, 
wäre ihm dieses geworden, so würden sie sich der Vollkommenheit 
genähert haben, da seine Kenntnisse und Erfahrungen in den letzten 
Zeiten ausserordentlich rasch zunahmen. Man darf sagen, dass seine 
Bücher ihrer Eigenthümlichkeiten wegen neu waren. Man hatte vor ihm 
noch keine Mineralogie für Oeconomen, er lieferte sie als Fortsetzung 
der Crome’schen Naturgeschichte. 

Ein kleines stöchiometrisches Werk für Pharmaceuten fehlte und 
er schrieb es. Sein Leitfaden zur Analyse der Mineralien ist ein ori- 
ginelles Werk, denn Niemand kam auf die Idee für jedes hier gehörig 
classificirte Fossil eine Analysirmethode nebst Varianten zu geben. 
Seine Reagentienlehre für die Pflanzen - Analyse hat die Bahn gebrochen, 
man vermisste sie; das Handbuch der Reagentien- und Zerlegungs- 
jehre von ihm war in der Ari und so bequem für den Gebrauch nicht 
vorhanden. Uebrigens ist in seinen drei analytischen Werken manche 
gute Erfahrung verborgen, die Andere benutzten ohne sie je hervor- 
gehoben zu haben. Er schrieb noch ein Werk über Eilsen, Rehburg, 
über die Analyse der CGoncremente. 

Ob du Möänil Naturgaben besass, war ihm ziemlich unbekannt, 
denn er sah in keiner seiner Productionen die von ihm gewünschte 
Vollkommenheit. Er drang in manche Kunst und Wissenschaft ein, 
weil er es wollte und die Nothwendigkeit davon einsah, nicht aber 
weil ihn ein gleichsam blindes unwillkürliches Streben dahin zog. 
Wo eine Lücke in seinem Wissen von ihm erkannt wurde, sorgte er 
für die rasche Ausfüllung derselben. 

Nichts war ihm schrecklicher, als ein Lehren gewöhnlichen Schlages, 
aber wer ihm durch einige Winke in seinen Studien forthalf, Hinder- 
nisse wodurch der schnelle Lauf des Stromes jener etwas aufgehalten 
war, hinweghob, dem begegnete er mit freundlicher Dankbarkeit. 

du Me&nil reisete gern allein, ausgenommen, wenn er einen recht 
innigen Freund tinden konnte, dessen Zweck dabei dem seinigen ähn- 
lich war, doch seiten hatte er dieses Glück. War es eine Fussreise 
die er antrat, so belebte sich sein Inneres schon mit den ersten 
Schritten die er ins Freie machte, die Natur elektrisirte ihn gleichsam, 
brachte hohe Empfindungen in ihm hervor und diese gingen dann 
stets in Dankgebete gegen den Allgütigen über, Aller häuslichen 
Sorgen entledigt und so frei, wie es ein Sterblicher nur immer sein 
kann, fühlte er sich dann! 

Dem Reisegefährten war er ein humoristischer und jovialer Ge- 
sellschafter.. Nicht nur wusste er ihn mit einer Fülle lustiger Anec- 
doten zu ergötzen, sondern auch manches Witzige seiner Art mit ein- 
zusireuen, wodurch er ihn zu gegenseitigen Ergiessungen der guten 
Laune vermochte. Immer kleidete er den Gegenstand seines Scherzes, 
wenn die Zweideutigkeit dabei nicht vermieden werden konnte, so 


100 Vereinszeitung. 


ein, dass jener den Klugen nie in Verlegenheit setzen konnte; nichts 
war ihm daher verdriesslicher, als wenn Jemand so indiscret handelte, 
selbigen zu entlarven oder eine Ironie ohne Schonung seiner zu er- 
klären, doch konnte es ihm viel Vergnügen machen, wenn dieses mit 
Delicatesse geschah oder Ironie mit Ironie vergolten wurde. Die Fuss- 
reisen hatten unter andern auch dadurch viel Anziehendes für ihn, 
dass er sich auf selbigen häufig ehrlichen Landleuten anschliessen und 
durch sie manches über eine nahe Gegend, über die Verhältnisse ihrer 
Bewohner, wie auch über die Cultur ihrer Ländereien etc. erfahren 
konnte. Das Naive und die Redseligkeit, womit sie denn Vieles erzähl- 
ten, erheiterten ihn ungemein. Ihre Frage, wess Standes du M£nil 
sei, beantwortete er nicht immer wahr, was dann zu sehr lustigen 
Gesprächen Anlass gab. Weil er bemerkt halte, dass der Landmann 
ihn manchmal für einen Geistlichen gehalten und ihm dadurch Achtung 
bewiesen batte, so benutzte er dieses, um sie als solcher zu belehren, 
redete z. B. über die Erziehung der Kinder, das Beste was er gehört 
oder gelesen hatte, und verliess sie dann immer von ihrem wohlge- 
meinten Lebewohl begleitet. Es war ihm Bedürfniss, jeden Tag, an 
welchem er eine Fussreise begann oder sie fortsetzte, Arme gleichsam 
aufzusuchen und nicht froher konnte er sein, als wenn es ihm gelun- 
gen war einen Dürftigen herzlich erquickt zu haben. Kam er in eine 
grosse Stadt, so war sein Erstes, sich den Grundriss derselben zu 
kaufen; nach diesem durchwanderte er dann fast jeden ihrer Winkel 
und wurde gleich so sehr mit ihr vertraut, dass er die ihm empfohle- 
nen oder sonst bekannt gewordenen Merkwürdigkeiten leicht finden 
konnte. Gewöhnlich wusste er sich durch seine Gespräche bei den 
Directoren der Institute die er sehen wollte, so beliebt zu machen, 
dass sie ihm mehr zeigten, ihn mehr belehrten, als er erwartete; 
dieses Glück ward ihm oft, weil es ihm besonderes Vergnügen machte, 
die Technik eines jeden Gewerbes gründlich kennen zu lernen. Die 
Chemie und Physik kam ihm hierbei sehr zu Statten. 

Wenig war ihm der Genuss höherer Vergnügungen vorzüglich 
dann, wenn seine Familie keinen Antheil daran nahm; er verschaffte 
ihr selbigen daher so oft er konnte, z. B. durch Wanderungen auf’s 
Land, in nahe Dörfer zum glücklichen Landmann, in schöne Gehölze, 
auf durch herrliche Aussichten bekannte Anhöhen und Berge etc.; 
er sah ein, dass sie angenehme Erinnerungen zurückliessen. 

Wenn in seinen häuslichen, bürgerlichen und wissenschaftlichen 
Verhältnissen manches vorkommen musste, was ihm Misvergnügen ja 
Kummer verursachte, so erhob er sich doch wo möglich über alles 
dieses. Tief geschlagene Wunden liess er durch die Zeit mit stiller 
Ergebung in den Willen Gottes wieder ausheilen, Feinde sich heiser 
schreien, und wo seine Ehre in Gefahr kam, wusste er sie mit philo- 
sophischer Würde zu vertheidigen, immer mit Sanfımuth und ohne Lei- 
denschaft. Man sehe hierüber, was er in der Vorrede zu seinem 
Handbuche der Reagentien- und Zerlegungslehre sagt. 

Unser du M&nil war von mittlerer Statur und den grössten Theil 
seines Lebens hindurch ziemlich wohlbeleibt. 

Er gehörte bis zu seinen spätesten Tagen zu den fleissigsten Män- 
nern unter seinen Fachgenossen. 

Gross ist die Zahl seiner Schriften, welche theils in selbststän- 
digen Werken, theils in zerstreuten Abhandlungen, meistens chemischen 
und pharmaceutischen Inhalts, in verschiedenen Zeitschriften erschie- 
nen sind, als in Crell’s Annalen der Chemie, in Schweigger und Mei- 


Vereinszeitung. 401 


necke’s Journal der Chemie, in Trommsdorff’s Journal der Pharmacie, 
in Buchner’s Repertorium und in Brandes’, Wackenroder’s und Bley’s 
Archiv der Pharmacie. 


Buchner hat in der von ihm aufgestellten Biographie du M&nil’s 
in seinem Repertorium, Bd. 78. 1842. die folgenden Abhandlungen auf- 
gezählt: 


4810. 
1811. 


1813. 


Beitrag zur Kenntniss der Natur des Torfs. Trommsd. Journ. 
der Pharmacie. Bd.19, St.2. p. 6. 

Rede über Pharmacie. Ebend. Bd. 20, St.i. p. 3 

Chemische Untersuchung eines diabetischen Harns. Ebend. 
Bd. 22. St. 1. v. 67. 

Chemische Untersuchung einer Iymphatischen Flüssigkeit. Eben- 
das. p 71. t 


. Ueber die natürlichen Salpetererden. Ebend. Bd. 23. St. 1. 


pag. 36. 


. Nachträgliche Bemerkungen über den diabetischen Harn. Ebd. 


Bd. 25. St.1. p. 356. 


. Ueber eine im Zimmtöle abgelagerte kryst. Säure. Journ. für 


Chem. u. Phys. Bd.21. p. 224. 


. Analyse des Lautenthaler Schwefelzinks. Ebend. Bd. 24. p.67. 


Ueber essigsaures Silber etc. Ebend. p. 94. 

Ueber Alaun. Trommsd. N. Journ. Bd. 2. St.1. p. 337. 

Ueber Vergiftung durch ätzendes Quecksilbersublimat und Arse- 
nik. Ebend. St. 2. p. 368. 

Ueber Liquor Mindereri. Ebend. p. 373. 

Ueber Quecksilberoxyde. Ebend. p.374. 


. Analyse eines dunkel-olivengrünen Pechsteins. Journ. f, Chem. 


u. Phys. Bd. 26. p. 387. 

Ueber Bereitung der Blausäure. Ebend. p. 395. 

Ueber .Harzseifen einiger Balsame. Ebend. p. 398. 

Ueber Gallensteine und deren chem. Untersuchung. Ebd. p.400. 
Scheidung der Talkerde von der Kalkerde. Ebend. Bd.27. p.48. 
Analyse eines Manganerzes vom Büchenberg bei Elbingerode. 
Gilbert's Annal. der Phys. Bd. 60. p. 87. 

Analyse eines Mangankiesels von llefeld. Ebend. p. 92. 
Zerlegung der Harzer Kieselmangane. Ebend. Bd. 61. p. 199, 
Chem. Analyse des strahligen Cölestins von Benie. Trommsd. 
N. Journ. Bd.3. St,1. p. 268. 

Westrumb als Mensch und Gelehrter dargestellt. Journ, für 
Chem. Bd. 28. p.1. 

Zerlegung einiger Kieselschiefer. Ebend. p. 238. 

Chem. Untersuchung des jaspisarligen und des gemeinen ältern 
Uebergangskieselschiefers vom Büchenberge. Ebend. Bd. 29. 
pag. 160. 

Nachträge zur Analyse der Mineralwässer im Allgemeinen etc. 
Ebend. Bd. 30. p. 95. 

Ueber das mit flässigem Erdharz angeschwängerte Mineralwasser 
zu Edemissen bei Braunschweig. Ebend. p. 100. 

Ueber zwei Erdarten aus der Gegend des schwarzen Meeres. 
Ebend. p. 187. 

Analyse eines Arsenikkieses von Zinnwald, Ebend. p. 329. 
Notizen über Untersuchung des Ackerbodens, Trommsd.N,J. 
Bd.4. St.i. p. 303. 


102 


1820, 
1821. 


Vereinszeitung. 


Chem. Zergliederung der Fischknochen. Ebend. p. 273. 

Ueber das Hornmanganerz. — Ueber Zundererz. — Ueber er 
erde-Bereitung. Ebend. Bd. 31. p. 210. 

Analyse eines Pferdeblasensteins. Ebend. Bd. 33. p. 330, 
Chem,- mineralogische Untersuchungen über einige ausgezeich- 
nete Erze des Harzes. Ebend. p.435. 

Analyse eines bei Ovelgönne niedergefallenen Meteorsteins Gil- 
bert’s Ann der Phys. Bd. 68 p. 371. 

Ueber die Steinkohle des Deisters und deren Analyse. Trommds. 
N. Journ. Bd.5 Sı.1. p. 184. 

Uebersicht der Bestandtheile einiger vom Dr. du M&nil unter- 
suchten Fossilien. Journ. für Chem. u. Phys. Bd. 34. p. 351. 
Chem. Untersuchung einiger Harzer Hüttenproducte. Ebend. 
pag. 440. 

Analyse zweier Stilbitarten. Ebend. Bd. 36. p. 164. 

Ueber Zerlegung des salzsauren Baryts in hoher Temperatur. 
Trommsd. N. Journ Bd.6. St.1. p. 213. 

Die Analyse aphoristisch abgehandelt: Brandes’ Archiv. Bd.1. 
p. 29, 139, 227. Bd.2. p 194. 

Analyse des Driburger Mineralwassers. Ebend. p. 70. 
Bemerkungen über Plumb. ustum und Tinet. cupri spirituosa. 
Ebend. Bd.2. p. 158. 

Bemerkungen über pharm. Anstalten in Hamburg; über Exztr. 
chinae. Ebend. p. 259. 

Disquisitiones chemicae nonnullorum fossilium adjectis notis 
analysin eorum spectantibus. Schmalkaldiae. 

Chem. Analysen unorganischer Körper als Beitrag zur Kennt- 
niss ihrer insern Natur. Schmalkalden. 

Ueber essigsaures Eisenoxydul. Repert, für die Pharm. Bd. 14. 
pag. 215. 

Untersuchungen über verschiedene arseniksaure und phosphor- 
saure Metallsalze. Journ. für Chem. u. Phys. Bd. 37. p. 185. 
Ueber den Eisengehalt einiger blausauren Präcipitate. Ebend. 
Bd. 58. p.16. 

Ueber den zu Ovelgönne im Oldenburgischen nach einem Don- 
nerwetter gefundenen Stein. Ebend. p. 365. 

Nachträgliche Notiz über die Ovelgönner Steinmasse. Gilbert’s 
Ann. der Phys. Bd. 75. p. 114. 

Analyse des sibirischen hellbläulichen Berylis. Journ. für Chem, 
und Phys. Bd. 39. p. 487. 

Ueber Arsenikgehalt im Schwefel. Brand. Archiv. Bd 4. p. 238. 
Ueber gebrannten Alaun. Ebend. p. 241. 

Ueber Verwandlung des Eisenoxydul-Acetats. Ebend. p. 243. 
Ueber Strychnin. Ebend. p. 244. 

Ueber Goslaer Zinkvitriol. Ebend. p. 246. 

Ueber Kupfersalmiak-Tincturen. Ebend. p. 251. 

Ueber Apotheken-Visitationen. Ebend. p. 319. 

Fortsetzung der aphoristischen Abhandlung über Analyse. Ebd. 
Bd. 3. p. 31, 148, 314. Bd.4. p 49, 150. 

Ueber eine besondere Entzündung. Ebend. p. 348. 

. Fortsetzung der aphoristischen Abhandlung über Analyse. Ebd. 
Bd.7.'p.17 u. 123. Bd.8. p.26. 

Einiges aus dem Leben Ilsemann’s. Ebend. p. 225. 


- Pharmaceutische Notizen. Ebend. Bd. 8. p.85. 


1824. 


1826, 


Vereinszeitung. 103 


Ueber kohlensaures Quecksilberoxydul. Trommsd. N, Journ, 
Bd. 8. St. 1. p. 272. 

Ueber Zersetzbarkeit des anthrazothionsauren Kalis. Ebend. 
pag- 274. 

Versuch, reines kohlensaures Kali auf einem neuen Wege zu 
bereiten. Ebend. 

Eisentinetur mit Kaliüberschuss. Ebend. p.276. 

Verhalten des Schwefelantimons zu Schwefelkalium. Fbend, 
pag. 277. 

Ueber Selen. Ebend. p. 293. 

Ueber Auflöslichkeit des oxals Sodiumoxyds. Ebend. p. 297. 
Bemerkungen über Bleisalze. Ebend. p. 298. 

Ueber Verfertigung von Kautschukröhren. Ebd. Bd. 9 p.278. 
Ueber mittelst Schwefelwasserstoff bewirkte Zinkpräparate, 
Journ für Chem. u. Phys. Bd. 40. p. 247. 

Ueber eine leichte und schnelle Art, Kautschukröhren zu ver- 
fertigen. Ebend. p. 255. 

Ueber die wässerige und geistige Auflösung des Schwefel- 
kaliums. Ebend. p. 341. 

Erfahrungen über die Ausscheidung des Titanoxyds. Ebend. 
Bd. 42. p. 56. 

Chemische Untersuchung der Rosskastanienrinde. Taschenbuch 
für Scheidek. u Apotheker. 45. Jahrg. p. 1. 

Erfahrungen bei Bereitung des hydrojodsauren Kalis. Ebend. 
Geschichtlich-wissenschaftliche Darstellung der Stöchiometrie u. 
Elektrochemie ete. Hannover. 

Selenium in einem Harzer Fossile gefunden. Journ, für Chem. 
und Phys. Bd.43. p. 440. 

Analyse des Kolophonits von Arendal. Ebend. Bd.44. p.52. 
Ueber den Werth der lateinischen Sprache in der Pharmacie, 
Trommsd. N. Journ. Bd. 10. St.1. p. 81. 

Ueber das Wachsthum der Chemie und Physik in den letzten 
Zeiten. Ebend. p. 90. 

Versach über Pflanzenanalyse. Ebend. Bd. 1, St.2. p.89. 
Analyse eines im gelrornen Pyrmonter Trinkwasser erzeugten 
Niederschlags. Ebend. p 176 

Ueber Analyse der Mineralwässer. Brandes Archiv. Bd. 112. 
p-17 u. 311. 

Anleitung zur Prüfung des Chlorealeciumoxyds nach Gay-Lussac. 
Ebend p 49. 

Chem. Untersuchung des Goslarschen Kupfervitriols. Ebend. 
pag. 88. 

Die Analyse aphoristisch abgehandelt. Ebend. Bd. 12. p.72. 
Bd. 14. p. 217. 

Bemerkungen über Matthäi’s Abhandung: »Giebt es essigsaure 
Mineralwässer?« Ebend. p. 324. 

Ueber Auflöslichkeit des schwefelsauren Caleinmoxyds in Sal- 
petersäure. Ebend. p 179. 

Gläserne Gefässe in jeder Richtung abzusprengen. Ebd. p. 130. 
Chemische Forschungen im Gebiete der anorganischen Natur. 
Hannover, 

Neue physikalische Untersuchung des Schwefelwassers, so wie 
auch des Badeschlamms zu Eilsen. Hannover. Trommsd. 


N. Journ. Bd. 13. St. 2. p.3. 


y ER 


40% 


1826. 


Vereimszeitung. 


Analyse des Salzwassers zu Sottorf bei Rodenberg. Kastn. 
Archiv. Bd. 7. p. 207. 


Versuch einer neuen Zerlegungsart des Schiesspulvers. Ebend. 
pag. 223. 

Chemische Analysen des Urins. Repert. für die Pharmacie. 
Bd. 23. p. 353. ı 

Die Analyse aphoristisch abgehandelt. Fortsetzung. Brandes 
Archiv. Bd. 17. p. 7. 

Systematische Anordnung, Darstellungsweise und Haupteigen- 
schaften verschiedener Pflanzenbestandtheile. Trommsd.N.Journ. 
Bd.12. St. 1..p: 3: 

Ueber den Torf. Ebend. St.2. p.3. 

Analyse des Feldspathschiefers von Güldenhai. Ebend. p. 22. 
Analyse eines zeisiggrünen Kieseleisenhydrats aus dem Ändreas- 
berge. Ebend.- p. 27. 

Analyse eines derben Wiesenerzes. Ebend. p.28. 

Analyse des kryst. Eisenkiesels von Iserlohn. Ebend. p. 33. 
Ueber einen hellblauen Kalkspath von Wradiska. Ebend. p. 36. 
Ueber den Gehalt an Talciumoxyd in dem geglühten Ammon. 
Tale. phosphat. Ebend. p. 37. 

Rede über die Vortheile des Reisens für Pharmaceuten gesetzten 
Alters. Ebend. Bd. 14. St. 1. p. 37. 

Ueber Digitalin. Ebend. St.2. p. 227. 

Ueber das Verhalten einer Mischung von Magniumoxyd und 
Alumiamoxydsulfat gegen Natriumoxydcarbonat. Journal für 
Chem. u. Phys. Bd. 50. p. 380. 

Scheidung des Mangans von Eisen und Kobalt. Ebend. Bd.51. 
pag. 225. 

Ueber das Verhalten des schwefelsauren Bleis gegen Salzsäure. 
Ebend. p. 226. 

Erfahrungen bei Zerlegung der natürlichen Sulfuride des Zinks. 
Ebend. p. 368. 

Fortsetzung der aphorist. Abhandlung über Analyse. Brandes 
Archiv. Bd. 15. p.57. Bd. 23. p. 38. 

Analyse eines zeisiggrünen erdigen Fossils ete. Kastn. Archiv, 
Bd. 10. p. 292. 

Analyse des schwarzen Schörls etc. Ebend. Bd.11. p. 485. 
Analyse des sog. Misy aus dem Rammelsberge. Ebend. p.488. 
Analyse eines für Kalkspath gehaltenen Fossils ete. Ebend. 
pag. 490 

Analyse des Urins eines an grosser Schwäche leidenden Kran- 
ken. Brand. Archiv. Bd. 25. p. 129. 

Ueber den Harzer Datolith, Journ. für Chem. u. Phys. Bd. 52. 
pag. 364. 

Ueber die Humussäure. Ebend. Bd. 53. p.126. 

Versuch einer verbesserten chemischen Nomenclatur. Trommsd. 
N. Journ. Bd. 17. St.1. p. 69. 
Ueber einige Ursachen des Missverständnisses zwischen Phar- 
maceuten und ihren Gehülfen. Ebend. p. 88. 

Bemerkungen über einige Fossil- Analysen. Kastn. Archiv.‘ 
Bd.16. p- 98. 

Zur Kenntniss des Schwefelkaliums. Ebend. p. 105. 

Ueber Schwefelsäure. Ebend. p. 199. 

Bemerkungen über das Saliein. Ebend. Bd. 18. p.124. 


Vereinszeitung. 405 


. Analyse eines rabenschwarzen Anthrakonits von Nendorf. Ebend. 


pag. 126. 

Analyse des Heilwassers zu Hiddingen. Ebend. p. 258. 

Der Rehburger Brunnen als Cur- und Erholungsort. Hannover. 
(Zweite Aufl. 1830). 

Leitfaden zur chemischen Untersuchung der Naturkörper ete. 
2 Bde. Gotha. 


. Erfahrungen bei der Analyse verschiedener Arten des Bade- 


schlamms. Repert. für die Pharm. Bd. 39. p. 196. 
Ueber die Vernachlässigung richtiger Ausdrücke bei chemischen 
Beschreibungen. Trommsd. N. Journ. Bd. 23. St. 1. p. 80. 


. Chemische Untersuchung einiger ungewöhnlichen Blasenconcre- 


mente. Trommsd. N. Journ. Bd. 24. St. 1. p. 277. 
Vermischte chemische Bemerkungen. Ebend. p. 282. 
Die Reagentienlehre der Pflanzen- Analyse. Celle (2. Aufl. 1841). 


. Analyse der Rinde der Föhre, Pinus sylvestris. Archiv der 


Pharm. 2. R. Bd. 1. p. 61. 

Ueber Quellsäuren. Ebend. p. 172. 

Ueber die Fällung des Kupfer- und Bleioxyds durch einige 
unlösliche Carbonate. Ebend. p. 179. 

Ueber das Austrocknen narkotischer Extracte. Ebend. p. 219. 
Versuche über den humussäureähnlichen Absatz aus kochenden 
Pflanzenabsuden, und Methode, das Amylum davon zu trennen. 
Ebend. p. 259. 


Ueber die quantitative Bestimmung des Schwefels im Schwefel- 


balsam. Ebend. Bd. 2. p. 67. 

Ueber Arseniksulfurid. Ebend. p.85. 

Ueber ein zum Schärfen der Messer und Poliren des Stahls 
sehr anwendbares Pulver. Ebend. p. 97. 

Ueber weinige Opiumtinceturen. Ebend. p.105. 

Ueber Bereitung des Kaliumoxydacetats etc. Ebend, p. 135, 
Ueber den Einfluss flüchtiger Oele auf die Solutionen der Salze 
in Weingeist. Ebend. p. 147. 

Ueber Trennung des Chlors vom Cyan. Ebend. p. 225. 

Ueber den Chlorgehalt des Lüneburger Gypses. Ebend, p,294. 
Ueber den Citronensaft. Ebend. p. 322. 


‚Ueber Silberoxydborat. Ebend. Bd.3. p.57. 


Ueber Scheidung des Kadmiums vom Wismuth. Ebend. p.194. 
Ueber Balsam. Filieis. Ebend. p. 223. 
Ueber eine neue und schnelle Bereitung des Kaliumoxydbicar- 
bonats. Ebend. Bd.4. p 31. 

Ueber Extr. hyosciami e seminibus. Ebend. Bd.5. p. 62. 
Analyse der Fischschuppen. Ebend. p.143. 

Ueber Mercurprotochiorid. Ebend, p. 313. 

Ueber die Gewinnung des Morphins aus grünen Mohnköpfen. 
Ebend. Bd. 6. p. 57. 

Ueber destillirtes Wasser. Ebend. p. 70. 

Ueber die Scheidung des Ammoniakmagnesiumoxydphosphats 
vom basischen Caleiumoxydphosphat Ebend. p.73. 

Ueber Myrrhen -Extract. Ebend. p. 88. 

Ueber die Bereitung des Lig. ammon. succini. Ebend. p. 92. 
Ueber den Metallgehalt der Fischschuppen. Ebend. p. 155. 
Ueber den durch das Kochen mit der Auflösung des -Kalium- 
oxydcarbonats bereiteten Kermes. Ebend. p. 281. 


Arch, d, Pharm. CXXVII. Bds. 1. Hft. 8 


a. 


106 


1836. 


Vereinszeitung. 


Analyse gebrannter Menschenknochen aus deutschen Urnen etc, 
Ebend. p. 29i. 

Ueber die Bereitung des Eisenprotojodids und Kaliumjodids. 
Ebend. Bd. 7. p.56. 

Ueber den durch Galläpfelaufguss in Galläpfelsolutionen erhal- 
tenen Niederschlag. Ebend. p. 77. 

Chemische Mittheilungen über Metalle aus käuflichem Zink; 
über Eisenchlorür; über Kaliumoxydcarbonat, Ebend. Bd. 8. 
pag. 59. 

Handbuch der Reagentien- und Zerlegungslehre, oder chemisch- 
analytische Studien nach einem neu erprobten Plane. Lemgo. 
Analyse zweier Pferdeblasenstein-Sedimente. Archiv der Pharm. 
2R. Bd.9. p. 113. 

Wichtige technische Behandlung des Kautschuks. Ebend. p.179. 
Notiz über Resina Succini balsamica. Ebend. Bd.10. p. 92. 
Chemische Bemerkungen über Zersetzung des Alembrothsalzes 
durch Kupfer; über Manganacetat; über Zinnober auf nassem 
Wege etc. Ebend. Bd. 11. p.42. 

Versuche über die Trennung des Calciumoxyds vom Magnesium-- 
oxyd etc. Ebend. p. 128. 

Ueber Zersetzung des Mercurprotochlorids am Sonnenlichte.. 
Ebend. p. 247. 

Die Analyse der thierischen Concretionen oder Anleitung, diese 
abnormen Erzeugnisse nach ihren physikalischen Merkmalen 
kennen zu lernen ete. Altona. 


. Ein brauner verbrennlicher Körper aus dem Spiritus muriat. 


aether. Archiv. der Pharm. 2.R. Bd.13. p.83. 

Ueber die Zersetzung des Mercurprotochlorids und Bleioxyd- 
sulfats mittelst Zink und Wasser. Ebend. Bd.14. p. 142. 
Etwas über Farbestoff der Damascener Rosen. Ebend. Bd. 15. 
pag. 252. 

Gedanken über mancherlei Gegenstände der Welt- und Men- 
schenkunde. Auch unter dem Titel: Aug. Jul. du Menil’s 
kleine Schriften. 1. u. 2. Bdch. (Celle). 


. Desselben kleinen Schriften. 3. u. 4.Bdch. (Das letzte auch. 


unter dem Titel: »Mancherlei für Geist und Herz«. 1. Bdch.). 
Ebend. 

Ueber einige Concretionen, in vierfüssigen Thieren gefunden. 
Archiv der Pharm, 2.R. Bd. 24. p. 135. 


. Ueber Kupferoxyd-Ammoniak-Tartarat. Ebend. Bd. 25. p. 176. 


Ueber Farbenveränderungen einiger Tincturen. Ebend. Bd. 27. 


pag. 102. 
Ueber Zersetzung des Silberchlorids. Ebend. Bd.28. p. 189. 


. Ueber eine Ursache des Trübwerdens verschiedener Meilagen. 


Ebend. Bd. 29. p. 369. 

Ueber ein aus Bleioxyd- Acetat bereitetes Ammoniak - Acetat. 
Ebend. Bd. 30. p. 33. 

Praktische Notizen über Succinsäure; über Extr. Dulcamarae ;. 
über Pulverisirung gewisser Salze; über schwerlösliche Salze 
nebst leichtlöslichen; über Erzeugung eines Sulfats im Gold- 
schwefel; über Valeriana. Ebend. Bd. 31. p. 188. 

Treuer Wegweiser für arbeitende Chemiker und Freunde der 
analytischen Chemie. Nürnberg. 


Vereinszeitung. 107 


Seitdem sind aber noch von ihm erschienen: 

1) Ueber eine empfehlenswerthe Darstellungsweise des Quecksilber- 
oxyds durch Fällung der salpetersauren Lösung mittelst kohlen- 
sauren Natrons und Erhitzen der Präcipitats im Kolben, 

2) Ueber die Zerlegung des Cölestins in technischer Hinsicht. 

3) Ueber Mercurprotox zu Auflösungen. 

4) Bereitung des zur Analyse der Silicate gebräuchlichen aus 
gleichen Atomen Natriumoxyd und Kaliumoxydcarbonat beste- 
henden Gemenges. 

5) Ueber Tartar. natronalus. 

6) Geruchlose Hydrochlorsäure. 

7) Ueber Bereitung des Kaliumsulfurats zur Fällung einiger Metalle 
aus gewissen pharmaceutischen Präparaten, 

8) Ueber Silbersalze zum inneren Gebrauch. 
9) Ueber Sul/ph. stib. aurant. 
10) Zucker mit Nalr. subcarbonic. 
11) Zur Unterscheidung der Cocosnussölseife von der Baumölseife 
und Talgseife. 
12) Ueber fauliges Wasser. 
13) Recension von B. Meylink Woordenboek van Droogereyen. 
14) Recension vem Handbuche der angewandten Chemie von Dumas, 
deutsch von Buchner. 
15) Kurzer Lebensabriss des Dr. Friedr. Krüger, Medicinalraths 
und Hof-Apothekers in Pyrmont. 
16) Ueber blauen Urin. 
17) Recension von Siller’'s Lehrbuche der Pharmacie. 
18) Ueber valeriansaures Zinkoxyd. 
49) Braune Miniaturfarbe. 
20) Ueber Krystallisation der Salze. 
21) Ueber Anstellung junger Pharmaceuten als Provinzialchemiker. 
22) Ueber den officinellen Regenwurm Lumbricus terrestris. 
23) Ueber das Verhalten geringer Mengen des frisch gefällien 
Kupfersulfurats in erwärmten Salzauflösungen. 
24) Ueber die Darstellung des Hydrothionsäuregas, wie auch des 
Ammoniumsulfhydrats durch dasselbe. 
25) Schwefelsaure Talkerde mit überschüssiger Basis. 
26) Ueber Anthracokali. 
27) Ueber narkotische Extracte. 
28) Das Nordseewasser um Föhr im Herzogthum Schleswig. 
29) Ueber Wermuth und Lavendelsäure. 
30) Ueber die Zwecklosigkeit der Saturalionen. 
31) Ueber Bereitung der Extracte. 
32) Vorschrift zur Bereitung des Champagnerweins. 
33) Ueber Lig. Ammon. benzoiei. 
34) Erinnerung an eine leichte und bequeme Bereitungsart des 
Ammoniakliquors. 
35) Etwas über die Art des Curirens vor 500 Jahren. 
36) Ueber Zimmtcassia. 
37) Ueber das Extract und das Harz der Wachholderbeeren. 
38) Ueber Silberchloridzersetzung. 
39) Andenken an Roth. 
40) Chemische Untersuchung des Schwefelwassers zu Seebruch. 
Noch einen Monat vor seinem Tode hat du Mönil ein kleines 
Schrifichen für seine Freunde zum Andenken an sein 60jähriges Phar- 


8* 


108 Vereinszeitung. 


maceuten-Jubiläum verfasst, welches in Celle bei seinem Schwieger- 
sohn, dem Buchhändler E H. C. Schulze, erschienen ist und man- 
ches Freundliche enthält *). 

Ausserdem hat du M&nil eine grosse Menge Auszüge aus den fran- 
zösischen Journalen der Chemie und’ Pharmacie für das Arcliv bearbeitet 
und zwar mit einer für sein hohes Alter bewundernswerthen Sorgfalt. 

So betheiligte er sein Interesse am Vereine und als Director des- 
selben nicht allein durch die Arbeiten, mit welchen er die Redaction 
des Archivs sehr eifrig unterstützte, sondern er that dieses auch 
durch seine fleissige Theilnahme an den Directorial- Conferenzen, den 
Generalversammlungen, durch eine häufige Correspondenz mit dem 
Vberdirector, auch durch Beiträge zu den milden Stiftungen, wie er 
noch in der letzten Zusammenkunft mitihm dem Dırectorium einen ansehn- 
lichen Beitrag einhändigte zur Brandes-Stiftung. In diesem Sinne ist denn 
auch von der edlen hinterlassenen Wittwe eine von dem Verewigien 
verdiente Honorarsumme zu diesem Zwecke freundlichst überwiesen. 

Wir sind dem Verewigten zu Dank verpflichtet für die Dienste, 
welche er unserer Kunst und Wissenschaft, wie unserem Vereine gelei- 
stet hat, und wollen unserer Dankbarkeit einen Ausdruck geben durch 
die heutige Generalversammlung, welche seinem Andenken gewidmet 
sein soll, wie durch das nächste Vereinsjahr, welches mit seinem 
Namen geschmückt sein soll. Durch die Gnade der göttlichen Vor- 
sehung war es dem Verewigten gegönnt fast bis zum 75sten Lebens- 
jahre wirksam zu sein, da sowohl Körper- wie Geisteskräfte ziemlich 
ungeschwächt bis zu den letzten Wochen seines Lebens sich erhalten 
hatten. Fast 60 Jahre lang war er in seinem Berufe als Apotheker 
thätig; am 1. October 1842 konnte er im Schoosse seiner Familie 
und umgeben von mehreren seiner Freunde und Berufsgenossen sein 
Jubelfest 50jähriger Wirksamkeit feiern, bei welcher Gelegenheit er 
von der Hannoverschen Staatsregierung zum Geheimen Ober - Berg- 
Commissair ernannt wurde und vom Apotheker- Vereine einen silbernen 
Pokal nebst der Urkunde eines gestifteten du Mänil’schen Legats erhielt. 

Durch die damals schon beginnende Krankheit des Oberdirectors 
Dr. Brandes verhindert, konnte leider der Feier nicht diejenige 
Theilnahme gewidmet werden, welche zu wünschen gewesen wäre. 
Um so mehr hatte das Directorium es für seine Pflicht erachtet, bei 
der zu hoffenden Feier des 60jährigen Jubelfestes, zu welcher der 
Jubilar schon zeitig eingeladen hatte, seine Theilnahme an dem so 
seltenen Ereignisse auf eine ausgezeichnete Weise an den Tag zu 
legen. Es war deshalb die Ernennung du M£nil’s zum Ehrenprä- 
sidenten des Vereins so wie Uebergabe der Urkunde durch das ge- 

sammte Directorium beschlossen. Von Seiten des Oberdirectors war 
eine Festschrift vorbereitet, doch im Rathe der Vorsehung war es 
anders beschlossen; unser Jubilar erkrankte im Monat Juli und starb 
den 28sten desselben Monats, ein Todesfall, der freilich bei dem hohen 
Alter du M&nil’s nicht unerwartet kommen konnte, aber dennoch 
überraschte, da wir erst noch bei der Directorialeonferenz den Heim- 
gegangenen in voller Rüstigkeit begrüsst hatten. Der Verewigte hat 
eine trauernde Wittwe hinterlassen, mit welcher er über 43 Jahre 
lang in einer zufriedenen Ehe gelebt hat. Diese Ehe war mit einer 
zahlreichen Nachkommenschaft gesegnet, denn zwei Söhne und sieben 


*) Metrische Erholungen für seine Freunde zum Andenken an sein 
60jähriges Pharmaceuten- Jubiläum. Celle 1852. 


Vereinszeitung. 109 


Töchter wurden ihm geboren, von welchen die ersteren des Vaters 
Fach ergriffen, der älteste unser werthes Vereinsmitglied und Kreis- 
dırector des Kreises Hoya - Diepholz in Brinkum und der zweite der 
Nachfolger in des Vaters Geschäft ist. Von den Töchtern sind sechs 
glücklich verheirathet, eine die Stütze der trefflichen Mutter in den 
Tagen des Alters. Der verewigte du Menil war bei allen seinen 
Unternehmungen immer auf das Wohl der Seinigen bedacht. 

Wir freuen uns, dass er seine späteren Tage mit dem befriedi- 
genden Bewusstsein verleben konnte, seine Kinder wohl gerathen 
und günstig versorgt zu sehen. Er legte einen grossen Werth auf 
äussere Ehren, deren Erweisung ihm auch vielfach zu Theil wurde. 
Wir können nur wünschen, dass das Lebensbild des Verewigten unter 
den Collegen viele Nachfolger in seinen gediegenen Kenntnissen und 
seinem Fleisse erwecken möge. 

Wir werden ihm ein dankbar-freundschaftliches Andenken 
bewahren. 


3) Medicinal- Gesetzgebung. 


Königlich Preussische Verordnung, die Apotheker erster 
und zweiter Classe betreffend. 


Auf Antrag des Ministeriums der geistlichen-, Unterrichts- und Medi- 
cinal- Angelegenheiten ist von des Königs von Preussen Majestät unter 
Aufhebung der bis jetzt bestandenen Eintheilung der Apotheker in 
zwei Classen genehmigt worden, dass die Approbation zum selbst- 
ständigen Betriebe der Apothekerkunst und zum eigenthümlichen Er- 
werbe einer Apotheke künftig nur solchen Pharmaceuten ertheilt 
werde, welche die für Apotheker erster Classe vorgeschriebenen Staats- 
prüfungen zurückgelegt haben. 

Berlin im December 1853. 


Verfügung an sämmtliche Regierungen, betreffend die 
Befähigung eines Apothekers zur Theilnahme an Apo- 
theken - Revisionen. 

Auf den Bericht vom . „ . eröffne ich der Königlichen Regierung, 
dass die Befähigung, an Apotheken-Revisionen als pharmaceutischer 
Commissarius Theil zu nehmen, nicht nothwendig von dem 
eigenen Besitze einer Apotheke abhängig ist. In den hier 
maassgebenden Paragraphen 3 und 5 des Circulair- Rescripts vom 
13. Mai 1820 ist nur von einem praktischen d.h. rein praktisch aus- 
gebildeten Apotheker, der wo möglich cursirt haben soll, die Rede, 
ohne dass des Apotheken-Besitzes erwähnt wird. Nicht alle phar- 
maceutischen Assessoren, welche besonders zu Apotheken - Visitatio- 
nen zugezogen werden sollen, sind im Besitze eigener Apotheken. 
Es ist daher unbedenklich, zu diesem Geschäfte im dortigen Regie- 
rungsbezirke den Apotheker N., obschon derselbe im vorigen Sommer 
seine Apotheke verkauft hat, auch ferner zu verwenden. 

Berlin, den 5. Januar 1853. 

Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- 

Angelegenheiten. 
Im Auftrage (gez) Lehnert. 


410 Vereinszeitung. 


Pharmaceutischer Studienplan in Oesterreich. 


Der Kaiser hat einen neuen Studienplan für das Magisterium der 
Pharmacie an den Universitäten zu Wien, Prag, Pesth und Krakau 
genehmigt. Nach demselben ist zum Eintritte in das pharmaceutische 
Studium, um das Magisterium zu erlangen, ein gutes Zeugniss über 
die an einem Untergymnasium absolvirten Studien erforderlich. Ueber- 
dies muss der Eintretende einen Lehrbrief über Pharmacie besitzen 
und zwei Jahre in einer Apotheke als Gehülfe gedient haben. Der 
Studiencursus dauert zwei Jahre. Der Candidat hat strenge Prüfungen 
zu bestehen. Auch soll dieser Studienplan an den Universitäten Grätz, 
Innsbruck und Lemberg eingeführt werden. (Zeitungsnachrichten, im 
December 1853.) 


Pharmaceutische Lehrstühle in Paris. 


Durch Kaiserliches Decret wird der durch Orfila’s Ableben frei 
gewordene Lehrstuhl der medicinischen Chemie bei der hiesigen 
medicinischen Facultät mit dem der organischen Chemie, der dafür 
den Namen eines Lehrstuhls der organischen und mineralischen Che- 
mie erhält, vereinigt und dafür ein Lehrstuhl der Pharmaceutik errich- 
tet, wozu Herr Soubeiran, Mitglied der Akademie der Wissen- 
schaften und Professor der pharmaceutischen Schule berufen ist. 
(Zeitungsnachricht.) B. 


4) Ueber Heilwässer, natürliche und künstliche, 
und ihre Wirkung auf den menschlichen Körper 
in Rücksicht auf die Gesundheit; von A. W. 
Bullrich, Apotheker erster Classe. Berlin 1853. 


Man sollte nach dem Titel glauben, dass in diesem Schriftchen 
von dem Werthe der Heilquellen und der künstlichen Mineralwässer 
die Rede sei, doch dem ist nicht so; es ist eine blosse Empfehlung 
eigens fabricirten Sodawassers, das marktschreierisch genug ausposaunt 
wird. Man höre: »Jeder Mensch ist verpflichtet, nach seinen Kräften 
zum Nutzen der grossen Gesellschaft, welcher er angehört, beizutra- 
gen und seine erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen, insofern ihre 
Verbreitung der allgemeinen Wohlfahrt Nutzen bringen kann, der 
Oeffentlichkeit nicht zu entziehen und es der Gesellschaft zu über- 
lassen, welchen Gebrauch sie davon machen will, unbeirrt ob die 
Bemühungen anerkannt werden oder nicht, soll er nicht sein Licht 
unter den Scheffel stellen oder das ihm anvertraute Pfund vergraben, 
sondern mit der ihm von Gott verliehenen Geisteskraft, zum Heile 
seiner Mitmenschen, die ja alle seine Brüder sind, Wucher treiben.« 

»Dem sich aus den Schlacken des niedern Erdenlebens heraus- 
gearbeiteten und dadurch freieren Geiste kann es nicht entgehen, 
dass wenigstens Jedem dieser freieren Geister auf der Bühne des Erden- 
lebens seine Stellung angewiesen ist und er zu Dingen berufen wer- 
den kann, wovon er nie sich etwas träumen liess, und deutlich muss 
er den Finger des Allmächtigen anerkennen, der oft den gegen das 
Schicksal Ankämpfenden, wenn er ein sich selbst gestecktes Ziel ver- 
folgt, durch Schicksalsfügungen auf den ihm angewiesenen Standpunct 
hinführt und dankbar sich erhoben fühlen, ein schwaches Werkzeug 
in den Händen des Höchsten für würdig befunden zu sein.« 


Vereinszeitung. aan 


Ferner heisst es: »Das Gebiet der Heilkunst besitzt eine unzäh- 
lige Menge gelehrter Schriften, aber sie sind, so weit meine Kenntniss 
reicht, alle nicht im Stande, dem Heilwissenschaft Studirenden einen 
klaren Ueberblick über Ursache, Wesen und Bildung der Krankheiten 
zu gewähren, weit weniger also dem Laien. Hieraus erhellt, dass es 
trotz allen Schriften dennoch bisher an einem allgemein verständ- 
lichen, Ursache, Wesen und Bildung der Krankheiten klar beleuch- 
tenden Rathgeber bei Krankheitsfällen gefehlt hat; diesem Uebelstand 
abzuhelfen habe ich mich für berufen und verpflichtet gehalten. Die- 
sen Beruf glaube ich darin zu erkennen, dass trotz meines Wider- 
strebens, den Beruf als Arzt zu meinem Lebensunterhalt zu erwäblen, 
und des Bestrebens, mich von dieser Thätigkeit fern zu halten, ich 
durch unwiderstehlichen Drang, die Thoren Zufall nennen, oft in 
entscheidenden Augenblicken an das Krankenlager geführt und 
das Werkzeug geworden bin, durch dessen einfachen Verstand der 
Tod gezwungen worden ist, die nach der ihm von den behandelnden 
schulrechten Aerzten zugesprochenen Beute ausgestreckte Hand zu- 
rückzuziehen, ebenso sind viele Kranke von jahrelangen, nach dem 
bisherigen Stande der Kunst für unheilbar gebaltenen Uebeln, ohne 
meinen thätlichen Beistand, dadurch befreit worden, dass ich sie 
belehrt habe wie diese Uebel entstehen und wie sie solche behandeln 
müssen. Die im Allgemeinen noch wenig richtig erkannte Cholera 
hat auch dazu beigetragen, indem von schulrechten Aerzten und sog. 
Laien nach meiner einfachen Methode viele Menschen gerettet worden 
sind. Aus alle dem scheint mir der Beruf hervorzugehen, diese mir 
verliehene Gotteskraft, zu heilen, durch Verbreitung meiner geringen 
Kenntnisse auf diejenigen zu übertragen, welche davon Gebrauch 
machen und die Segnungen eines gesunden Menschen geniessen wollen. « 

Nach dieser Ein:eitung wird dann das Sodawasser eigener Fabrik 
a Flasche 74 Sgr. angepriesen, was ein billiger Preis genannt wird 
in Betracht der vorzüglichen Leistungen, da von keinem anderen 
Wasser bewiesen sei, dass es diesem Sodawasser an die Seite gestellt 
werden könne. 

Wir können es nur bedauern, dass auch Apotheker in die Rolle 
der After- Aerzte verfallen. DPA ErBlely: 


5) Der deutsche Droguenhandel vertreten auf der 
Welt - Industrie - Ausstellung in Newyork 1853. 


Das ausgezeichnete Droguerie- Handelshaus Gehe et Comp. in 
Dresden hat einen Catalog einer Sammlung von Droguen erscheinen 
lassen, welche dasselbe zur Ausstellung in Newyork gebracht hat. 

Diese Sammlung enthält unter der Abtheilung: Rohe Droguen 
oder Naturalien, inclusive Mineralien und mineralische Erzeugnisse und 
einer Serie Farben, Gifte und Gummi, besonders deutsche, medicinische 
und gewerbliche Exportartikel nicht weniger als 612 Nummern, dar- 
unter mancherlei besonders bemerkbare Stoffe, z. B.: 

In Abtheilung A. 

Alumen natronatum. 

Alumina sulphurica. 

Arsenic. rubrum, besonders zum Maroquinleder, zur Marine- 
Bauholz - Conservation. 

Bismuthum. Eine Scheibe von 22, Pfd. 


112 Vereinszeitung. 


Cabat - Blätter zur Seidenschwarzfärberei, 

Cadmium metallicum von 4, 5 und 16 Pfd. 

Cortex Aurantiorum sine parenchyma viridia, ökonomischer in 
Anwendung und von feinerem Geschmack als die gewöhnliche Sorte 
von Parenchym. 

Damar viride et rubrum, den wir schon auf der Ausstellung bei 
der Generalversammlung in Dresden 1845 sahen. 

Flores Nag Kassar 

Fucus amylaceus. 

Fungus Melitensis, Malteserschwamm. 

Galatine rosacouleur. 

Ein essbares chinesisches Vogelnest. 

Hb. Plectanthri graveol., Patchoulikraut. 

Lithionglimmer von Altenburg in Sachsen. 

Muschelseide von Pinna nobilis zu Handschuhen benutzt. 

Ol, Arnicae cerystallisatum. 

» Lythantracis, Steinkohlenöl. 
» Tuberosae. 
» Vitis vineferae. 
Palladium, Platinerz. 
Radix Cana Carganae. 
„ Lopez. 

Strontianit aus Westphalen. 

Turiones Pinguhas Gambi, von einer Palmenart, neues blutstil- 
lendes Mittel. 4 

Zibethum verum vom rothen Meere. 

Albumin aus Blut und aus Eiern. 

Picrinsäure. 

In Abtheilung B. Präparate. ‘557 Nummern. 
Darunter: 

Acidum ammoniacum? butyricum, chininum, chinovicum, meco- 
nicum cryst. 

Aether oenanthieus, oxalicus. 

Ammonium biehromicum purum. 

Asarin, Atropin, Asparagin, Beberin, Brunein, Carbonum_ tri- 
chloretum, Chelidonin, Codein, Cubebin, Daturin, Digitalin, Delphinin, 
Filicin, Gentiein, Haematoxylin, Jalapin, Meconin, Menispermin, 
Nieotin, Ononin, Papaverin, Peucedunin, Sanguinarin, Xylostein. 

Eıne allöopathische Haus - Apotheke mit 16 Flaschen, 6 Fächern 
mit Kräutern, Blumen, Pflaster und eine Wage. 

Homöopathische Medicamente. Von Gruner in Dresden. 

63 verschiedene Haus-Apotheken zu 60, 70, 30, 48, 24 Gläsern, 
108 Gläser mit Streuzucker-Arzneien, dann Arnica-Tinctur und 
Pflaster, 

Ein Nachtrag enthält ein Verzeichniss schöner Erzstufen von Wis- 
muih, Kobalt, Nikel und Arsenik, 7 Nummern umfassend. 

In Abtheilung C. Apparate für Apotheker, Chemiker und 
Mineralogen, von Porcellan, Glas; Alkoholometer, Höllensteinformen, 
Korkbohrer, Reagentienkasten, Platingeräthe, Löthrohr, Wagen und 


Gewichte, Pappschachteln, bunte Papiere. 466 Nummern umfassend. 
B. 


Vereinszeilung. 113 


6) Miscellen. 


Ueber die Bewohner Griechenlands, deren Sitten und 
Gewohnheiten; von X. Landerer, Professor und 
Leib-Apotheker in Athen. 

Die Neugriechen, die Nachkommen jener alten Hellenen, die sich 
durch Geschmack, Kunstsinn und ihre Talente vor allen andern Natio- 
nen auszeichneten, machen den zahlreichsten Theil der heutigen Bevöl- 
kerung Griechenlands aus. Mit diesen vermischt finden sich bei einer 
Bevölkerung von i Million etwa 180,000 Albanesen, auch Arnauten 
genanni, die aus Epirus oder Albanien nach Hellas eingewandert sind, 
Sie leben vorzugsweise in Arkadien, in Attika und auf den Inseln 
Spezzia, Hydra, Poros, Aegina und Salamis. Die heutigen Albanesen 
sind Nachkommen der alten Illyrier, die sich auch mehrfach mit den 
alten Griechen vermischt haben. Der Name Albanese soll von dem 
Berge Albion stammen, der sich zwischen Illyrien und Croatien nach 
Osten hinzieht. Sie unterscheiden sich von den übrigen Einwohnern, 
den eigentlichen Griechen, sowohl durch ihre eigenthümlichen Sitten, 
als auch durch Tracht und Sprache, welche man die Albanesische 
oder Seypetaren-Sprache nennt und die ein Gemisch der alten Illyri- 
schen, der lateinischen und gallischen Sprache zu sein scheint. Die 
alt-Ilyrische Sprache scheint Aehnlichkeit mit der alt- Pelasgischen 
gehabt zu haben, woraus ihre Verwandtschaft mit der alt-griechischen 
zu erklären ist. Franken nennt man im Oriente alle Europäer, die 
sich daselbst angesiedelt haben, und deren giebt es eine nicht unbe- 
deutende Menge. Juden findet man im freien Griechenland nur we- 
nige, kaum etwa 2060 Familien; mehr jedoch in der Türkei, wo sich 
deren allein in der Stadi Thessalonich gegen 20,000 finden, die aber 
sehr verachtet sind. 

Das häusliche Leben des Neugriechen zeigt noch sehr viele Eigen- 
thümlichkeiten, die man aus den klassischen Werken des Alterthums 
kennt. Die Wohnungen der nicht Vornehmen sind eingetheilt wie 
ehemals. Ein grosser Saal scheidet das Haus in zwei Hälften, wovon 
die eine Hälfte von den Männern, die andere von der Hausfrau mit 
den Töchtern bewohnt wird, die man Androniten und Gynaekoniten 
nannte. Hier zünden sie Abends die in der Mitte stehende Lampe 
an und unter dem Grusse: Kar &oripa beginnen sie die nächt- 
lichen Arbeiten — die Frauen und Mädchen erzählen sich Geschichten, 
gleich wie es die Griecheu des Älterthums thaten. Die Lampe brennt 
die ganze Nacht hindurch, so arm der Grieche auch sein mag, und 
das Auslöschen derselben während der Nacht würde als Geiz oder 
als Zeichen der grössten Habsucht ausgelegt werden. Das Haus des 
Griechen ist einstöckig. Es befindetsich weder Bett noch Sopha darin, nur 
eine Kiste zum Aufbewahren der Kleider. Abends wird eine Art Tep- 
pich auf dem Boden ausgebreitet und so der Boden zum Bette umge- 
wandelt, auch wird dieser Teppich auf ein dem Sopha ähnliches höl- 
zernes Gestell geworfen und dieses in ein Kanapee verwandelt. Die 
Wohnungen der Bauern auf dem Lande bestehen nur aus einem ein- 
zigen Raume, der auf einer Seite durch Bretter abgetheilt ist, worin 
Nachts das Vieh gestellt wird; grösstentheils jedoch bleibt das Vieh 
über Nacht unter freiem Himmel, In dieser kleinen Wohnung des Bauern 
befindet sich der ganze Vorrath der Erzeugnisse: die Früchte meistens 


Alk Vereinszeitung. 


in grossen geflochtenen Körben, welche mit Lehmerde dicht über- 
zogen sind, der Wein in grossen Fässern, das Oel in grossen irdenen 
Töpfen, in ähnlichen wird auch das Wasser aufbewahrt, deren es 
einige giebt, die 300—500 Maass Wasser fassen. Um das Trink wasser 
im Sommer kühl zu machen, wird es in kleine unglasirte thönerne 
Krüge gefüllt, und an Orte gestellt, die dem Luftzuge sehr ausgesetzt 
sind. Da diese Krüge nun sehr porös sind, so fängt das Wasser an 
durchzusickern, weshalb man sie auch Schwitzkrüge nennt. Durch 
die Verdunstungskälte wird das Wasser sehr abgekühlt. Bei länge- 
rem Gebrauch verlieren sie jedoch diese Eigenschaft und werden zu 
diesem Zwecke untauglich. Die Ziegenfelle dienen als Schläuche zum 
Aufbewahren von Butter und Käse, und zwar wird der mit Haaren 
versehene Theil nach Innen genommen. Ebenso werden Schaffelle 
zum Fortschaffen des Weines und Oeles benutzt, und in diesen soge- 
genannten Askias fördert man Oel und Wein aus den entferntesten 
Gegenden auf dem Rücken der Saumthiere nach den Hauptstädten. 
Der ganze Hausrath des griechischen Bauers besteht in einigen Rohr- 
decken und wollenen Teppichen, die als Unterlagen zu ihrem Nacht- 
lager und auch zum Zudecken dienen; ausserdem in einigen Pfannen 
und Töpfen und in einem hölzernen Tische, der kaum 8—10 Zoll 
hohe Füsse hat. Stüble kennt man nicht. Die Mahlzeit wird auf 
diesem Tische aufgestellt und Alle setzen sich mit gekreuzten Beinen 
um denselben herum; ist ein Fremder dabei, dem man eine besondere 
Ehre erweisen will, so bringt man demselben ein Kissen, um 
sich darauf zu setzen, und Gabel und Messer, die man im Allge- 
meinen für überflüssig hält, indem man sich begnügt, die Speisen mit 
den Fingern zum Munde zu führen. Wird jedoch etwas Flüssiges 
aufgetragen, so liegen hölzerne Löffel auf dem Tische, mit denen man 
das Gericht aus der gemeinsamen Schüssel herauslangt. 

Das griechische Brod ist grösstentheils Gerstenbrod. Das Mehl 
wird mit Wasser zu einem Teig gemengt und ohne Hefe über Nacht 
stehen gelassen, sodann andern Tages gebacken. Anstatt des eigent- 
lichen Brodes macht man oftmals nur einen Kuchen aus Mehl und 
Wasser, den man in die heisse Asche legt oder zwischen zwei Eisen- 
blechen bäckt. Einen grossen Genuss finden die Leute daran, diesen 
heissen Teig so warm als nur möglich zu essen. 

Der reiche Grieche hält täglich zwei Mahlzeiten. Vorzüglich liebt 
man in ganz Griechenland die am Spiesse gebratenen Lämmer, die 
ganz auf den Tisch gebracht werden. Gekochte Kräuter, namentlich 
die Radikia, Cichorium, Intybus, Malva rotundifolia, Kohl, Oliven, 
Kaviar, Octopoden, Seethiere jeder Art und gesalzene Fische sind die 
gewöhnlichen Speisen der Griechen während der Fastenzeit. Nach 
der Mahlzeit findet der Gebrauch des Händewaschens statt; ein mes- 
singenes Becken steht auf einem Seitentischehen, wohin sich Jeder 
begiebt, um sich die Hände zu waschen. Der Nachtisch besteht in 
den verschiedensten Früchten, in Hesperiden, Mandeln, Kichererbsen, 
Astragalus creticus, Zibeben, Weinbeeren von Korinth, Chalba (d. i. 
ein Gemenge aus Honig und Sesamsamen) und in Gelatinen aus Amy- 
luı und eingekochtem Weinmost, 

Nachdem man den Tisch hinweggenommen, wird zum Tabacks- 
rauchen und zum Kaffee geschritten. Man setzt sich mit gekreuzten 
Beinen auf die Sophas und der Diener bringt nun Jedem eine voll- 
gestopfte Tabackspfeife, die man, bis der Bediente mit der glühenden 
Kohle kommt, in ein kleines messingenes Gefäss hält, das auf den 


Vereinszeitung. 115 


Teppich gesetzt wird, um diesen, im Fall etwas aus der Pfeife heraus- 
fallen sollte, vor dem Anbrennen zu schützen. Die Pfeifenköpfe kom- 
men ausConstantinopel und sind oftmals hübsch vergoldet. Die Mund- 
stücke der langen, aus Kirsch- oder Jasminholz bestehenden Pfeifen- 
röhren sind gewöhnlich von Bernstein oder aus Glaspasten und oftmals 
mit Edelsteinen und Smalte prächtig verziert, so dass sie zuweilen 
einen Werth von 5—6000 Piaster haben. Der griechische Taback ist 
sehr gut, am meisten wird der von Aminos bei Volo geschätzt. Wer 
bei dem Griechen eine Visite macht, dem wird von dem Diener eine 
gestopfte Pfeife gebracht und die glühende Kohle darauf gelegt, so- 
dann auch ein Glüko (d.i. eine Confitüre aus Rosenzucker, eine 
Gelatine aus Cydonia, oder eingemachte Weichseln, Citronen, Pomeran- 
zen u.s. w.), das sich auf einem silbernen Teller in einem Glase befindet, 
präsentirt. Auf demselben Präsentirteller befinden sich noch zwei 
kleine silberne Schalen, von denen eine die silbernen Löffelchen ent- 
hält, deren man sich beim Genuss des Glüko bedient, die sodann nach 
dem Gebrauch in das andere leere Gefäss gethan werden. Hernach 
nimmt man Wasser und später den nie mangelnden Kaffee. An die- 
sen Gerüssen nehmen alle gegenwärtigen Personen Theil, die sich 
dann in einem Kreise umhersetzen, Die Kaileeschale befindet sich 
nicht in der Untertasse, sondern in einer silbernen Schale, damit man 
die Finger nicht verbrenne, denn der Kaffee wird auf türkische Art 
mit dem Satze und so heiss als möglich in die Tasse gegossen. Wäh- 
rend der Zeit bleibt der Diener in einer Ecke des Zimmers stehen, 
um die geleerten Tassen in Empfang zu nehmen. Wünscht der Herr 
oder die Frau einen Bedienten oder die Magd, so wird nicht geklin- 
gelt, sondern man schlägt nach türkischer Sitte die Hände zusammen, 
Die Musik der heutigen Griechen ist altgriechischer Abstammung, 
melodisch und die Melodie derselben ihrem Wesen nach ganz ver- 
schieden von der der abendländischen Völker. Ihr inneres Wesen 
nähert sich dem der Gregorianischen Musik, hat jedoch andere orien- 
talische Elemente der Chromathie und Harmonie. Die heut’ zu Tage 
noch gebräuchlichen Instrumente sind Ueberbleibsel des Alterihums. 
Bäder werden von den Griechen sehr geliebt, jedoch nicht nach 
europäischer Art, sondern Schwitzbäder, Chamams. Diese bestehen 
aus verschiedenen Räumen, in denen man sich auszieht, abkühlt, die 
Badekleider anzieht und für das eigentliche Schwitzbad vorbereitet. 
In demselben lässt man sich von dem Badewärter abreiben, sodann 
einseifen und durch Uebergiessen mit warmem Wasser vollkommen 
reinigen. In einigen Badeanstalten kann man sich auch abmartern 
und kneten lassen, Bei dieser manchmal sehr schmerzhaften Behand- 
lung wird man auf einem in der Mitte des Chamams stehenden Mar- 
mortische ausgestreckt hingelegt, Hände und Füsse werden auf alle 
nur mögliche Weise zusammengelegt und zusammengedrückt, bis alle 
Muskeln zu krachen anfangen, Ist man dieser Strapaze salt, so 
lässt man sich von neuem abreiben und begiebt sich nun mit trock- 
nen Beinkleidern angethan, in die andern Gemächer, um auszuruhen 
und sich von dieser Quälerei zu erholen. Für ein solches Schwitz- 
bad bezahlt man nach Gutdünken, der gewöhnliche Preis ist jedoch 
11/,g Drachme, und ausserdem noch ein Trinkgeld für den Badewärter. 
Die Badegemächer sind klein, theils viereckige, theils runde Stuben, 
mit Marmor gepflastert, und haben eine runde Kuppel mit einer Menge 
von kleinen runden gläsernen Fenstern, die ein dumpfes mattes Licht 
verbreiten. Theils in der Mauer, theils im Fussboden sind Röhren 


116 Vereinszeitung. 


angebracht, durch welche heisse Luft in die Badstuben strömt. Der 
Boden ist so heiss, dass man nicht mit blossen Füssen darauf stehen 
kann, weshalb der Badegast vor dem Eintitt in das Badezimmer höl- 
zerne Schuhe bekommt. Mehr noch als die Männer lieben die Frauen 
im ganzen Oriente die Bäder, und es sind jeden Tag bestimmte Stun- 
den nur für Frauen bestimmt, die sodann von Badewärterinnen bedient 
werden oder sich ihre eignen Mägde zur Bedienung mitbringen. Was 
nun die Einwirkung dieser Schwitzbäder auf den Organismus anbelangt, 
so ist dieselbe sehr wohlthätig, indem oft ein einziges Bad einen lang- 
wierigen rheumatischen Schmerz, Katarrh und ähnliche von Erkäl- 
tungen herstammende Leiden zu heilen oder zu lindern vermag. Ist 
man jedoch nicht sehr vorsichtig nach dem Bade und setzt sich durch 
zu schnelles Entfernen aus demselben der Kälte der Nacht aus, so 
kann dies die Ursache der gefährlichsten Leiden werden. 


Das weibliche Geschlecht in Griechenland ist einem schnellen Hin- 
welken unterworfen, und eine Frau von 30 Jahren sieht aus wie eine 
von 40 oder 45 Jahren in den nördlichen Klimaten. Dieser frühen 
Alterung sind die an heisse Bäder gewöhnten Frauen am meisten 
unterworfen, denn diese Gewohnheit raubt der Haut ihre Farbe, die 
Hitze erschlafft Muskeln und Nerven und solche Damen werden schnell 
runzlig und erdulden das Ungemach eines frübzeitigen Alters. 


Eine andere schädliche Sitte, die sich seit lange eingeschlichen, 
ist das Schminken, welches mit Substanzen geschieht, die gewöhnlich 
Quecksilber enthalten und dadurch das Gesicht sehr schnell altern 
machen. Ebenfalls leiden solche Frauen an den Folgen chronischer 
Vergiftung, die Zähne fallen aus und dreissigjährige sehen sechzig- 
jährigen ähnlich, Ebenso hat sich aus den ältesten hellenischen 
Zeiten das Bemalen der Augenbraunen und der Nägel, so wie das Fär- 
ben der Haare, was gewöhnlich in den Bädern geschieht, auf die 
heutigen Griechinnen vererbt. Das erstere, wodurch man dem Auge 
mehr Ausdruck zu geben sucht, hiess bei den Alten Stimmisma und 
geschah mittelst Stöb. sulphurat. oder auch mittelst feiner und leichter 
Kohle. Solche Stimmismata oder Schwärzen fanden sich in alten Gräbern 
in eigenen Schminkkästchen. Die kohlehaltige Farbe scheint das 
Trygenon Melan oder ein Atramentum tenue der Alten gewesen zu 
sein, nämlich Kohle aus Weintrestern mit Wasser gemischt. Haare 
werden durch die sog. Kenna röthlichbraun, Nägel braungelb gefärbt, 
ein gelbliches Pulver, das aus Aegypten kommt und eine gröblich 
zerstossene Pflanze ist. Da die vornehmen Griechinnen glauben, 
dass das Stillen der Kinder ihrer Schönheit Abbruch thue, so nehmen 
sie gewöhnlich Ammen (Paramannen), diese verlassen jedoch ihre 
Säuglinge sehr oft, entweder wegen Kränkung oder aus einer andern 
Ursache. Die Nothwendigkeit, eine Amme zu halten, gehört zu den 
häuslichen Plagen. Für eine Amme werden ohne Kost, Kleidung und 
Geschenke, jährlich 500 Drachmen —= 240 fl. bezahlt. 


Was die Männer betrifft, so kann man sie schön nennen. Sie 
tragen Schnurrbärte und die Geistlichen lassen sich den ganzen Bart, 
wie auch das Haupthaar wachsen, das bei mehreren kirchlichen Ver- 
richtungen, wenn sie ihre Mützen abnehmen, ihnen auf die Schultern 
herabfällt. Die gemeinen Griechen behalten noch immer die Thesei- 
sche Tonsur bei, indem sie nur den vordern Theil des Kopfes scheeren. 
Diese Sitte soll nach Plutarch darin ihren Grund haben, dass Feinde 
sie nicht bei dem vordern Haupthaar fassen konnten. Da diese Sitte 


- 


Vereinszeitung. 417 


besonders bei den Albanesen statt fand, so nannte Homer dieselben: 
die Hinten-Behaarten. Der Gruss der Griechen hat etwas Ehrwür- 
diges; sie legen die Hand auf die Brust mit dem Ausruf: Chaire! 

Auch die Barbierstuben der Griechen sind bemerkenswerth. Es 
befinden sich darin in der Regel keine Stühle, sondern rund herum steht 
eine Bank, auf welche die zu Rasirenden sich der Reihe nach setzen. 
Die griechischen Barbiere rasiren sehr gut und haben eine leichte 
Hand. Mit dem Rasiren ist auch der Gebrauch des Kopfwaschens 
verbunden. Der ganze Kopf wird mit diekem Seifenschaum einge- 
rieben, Haare, Ohren und Augen mit demselben vom Barbier abge- 
waschen, wobei man die letzteren fest zudrücken muss, damit nichts 
davon hineinkommt; sodann lässt man aus einem über dem Kopfe 
befindlichen Gefässe immer frisches Wasser laufen und wäscht nun 
Kopf, Gesicht und Hals völlig rein von der Seife; darauf reinigt der 
Barbier Nase und Ohren mittelst einer Pincette von den Haaren und 
reibt das Gesicht mit wohlriechendem Wasser. Für diese Operation 
bezahlt man gewöhnlich 1/3 Drachme. 

Das Osterfest feiern die Griechen mit Gepränge durch öffentliche 
Feste und Tänze; jede Familie schlachtet für dasselbe ein Lamm, das 
am Spiesse gebraten und im Familienkreise verzehrt wird; auch wer- 
den die Eier roth gefärbt, welches Vergnügen sich auch der Aermste 
nicht versagt. Alle Fesie werden gewöhnlich mit dem Tanze geschlos- 
sen, und zwar mit dem Nationaltanze, der sogenannten Romaika. 
Bei demselben geben sich die Tänzer die Hände und bilden einen ofle- 
nen Kreis. Statt der Handschuhe bedient man sich der seidenen Sack- 
tücher, und so geht man im Kreise herum, den Tanz durch den Natio- 
nalgesang erheiternd. Bei den Männern besteht die Hauptschönheit 
darin, tüchtige Sprünge tactmässig zu machen und den Boden stark 
mit den Füssen zu schlagen. Zuerst tanzen sie langsam und gehen 
im Schritt rund herum, so wie jedoch die Musik lebbafter wird, be- 
kommen auch die Tänzer mehr Leben und endigen mit grossem Lärm 
und völliger Ermattung. 

Die Zeitrechnung der Griechen ist von der im Abendlande verschieden, 
da sie den Gregorianischen Kalender nicht anerkennen, sondern gleich 
‚den Russen den alten beibehalten haben, wodurch eine Verschieden- 
heit von zwölf Tagen entsteht, so dass z.B. der 10. Mai der Griechen 
der 22ste der übrigen europäischen Völker ist. Auf dem Lande be- 
dienen sich die Leute noch der türkischen Zeitrechnung und mit Son- 
nenuntergang beginnen die Stunden der Nacht, so dass die zweite 
Sinnde 2 Uhr, die dritte 3 Uhr u.s. w. genannt wird. Nachdem die 
zwölf Stunden der Nacht vorüber sind, beginnen die Stunden des 
Tages, In den Nachtgleichen fällt die Mitternacht genau mit der sechs- 
ten Stunde der Nacht, der Mittag aber mit der sechsten Stunde des 
Tages zusammen. 

Ist Jemand in einer befreundeten Familie gestorben, so versam- 
meln sich dessen Anverwandte am Sterbebetie, um zu weinen und 
Klagelieder anzustimmen. Es giebt eigene Frauen, Klagefrauen genannt, 
die durch ihr Heulen und Weinen die Trauernden verrückt machen 
könnten, und man kann sich keinen schrecklicheren Anblick denken als 
den, wenn man den Todten aus dem Hause trägt. Alles schreit zu- 
sammen, die Weiber raufen sich die Haare aus, stossen die Köpfe an 
die Wände und dergl. mehr, um dadurch ihren Schmerz über den 
Verlust des Hingeschiedenen zu erkennen zu geben. Die Leichen wer- 
den in offenen Särgen zu Grabe getragen und die der Kinder, Jung- 


118 Vereinszeitung. 


frauen und unverheiratheten Jünglinge mit Blumen bekränzt. Die 
Freunde und Verwandten des Hingeschiedenen begleiten den Leichenzug 
und lassen sich oftmals nur mit Mühe von den kalten Ueberresten 
trennen. Sehr getadelt wird es, wenn eine Frau, die ihren Mann ver- 
loren, vor Ablauf eines Jahres ihr Trauerkleid ablegt. Auf einigen 
Inseln trauern die Frauen ihr ganzes Leben lang. Am Abend des 
Begräbnisstages versammeln sich, nach einer in vielen Theilen des 
Peloponnes herrschenden Sitte, im Trauerhause die Nachbarn und 
Freunde, bringen Speisen mit und essen mit der trauernden Familie 
zu Abend, wobei sie dieselbe durch fromme Erzählungen und Mah- 
nungen zu trösten suchen. Ein solches Mahl heisst Makaria. Nach 
einiger Zeit wird für den Verstorbenen ein Seelenamt gehalten und 
je nach den Vermögensumständen der Familie inmitten der Kirche auf 
einen Tisch das Opfer gestellt, welches in gekochtem Weizen und 
Weintrauben, verziert mit vergoldeten oder versilberten Mandeln und 
Nüssen, besteht, und der Tisch ringsum mit brennenden Kerzen um- 
geben, Nach dem Seelenamte geht jeder Anwesende hin, um davon 
zu essen, oder man vertheilt diese sogenannte Kollyba unter den 
Leuten. Im Peloponnes und in Rumelien gehen die Anverwandien 
2—3 Stunden von ihrem Wohnorte weg, stellen sich mit einem 
kleinen Tischehen auf die Kreuzstrassen und theilen die Kollyba an 
die Vorübergehenden aus. 

Die griechische Nationaltracht ist sehr schön und bietet dem Eit- 
len ein grösseres Feld dar, als dem Pariser Stutzer seine Tracht. Sie 
besteht aus der Fustanella, die gegen 50 Ellen Leinwand erfordert 
und sehr steif sein muss, damit sie regelmässige Falten schlägt; in 
prachtvoll gestickten Gamaschen, reich mit goldenen und seidenen 
Schnüren besetzt, in einem reich gestickten Gürtel, worin zwei mit 
Silber oder Gold beschlagene Pistolen, ein kostbarer Dolch und ein 
Handschar, d.i. ein Mittelding zwischen Dolch und Säbel, steckt. Fer- 
ner in einer Aermelweste, die ebenfalls mit Gold- und Silberschnüren 
reich besetzt ist, und unter dieser das eigentliche Gilet. Ueber der 
Aermelweste wird noch ein besonderer, bis auf die Kniee gehender 
Waffenrock, dessen Aermel aufgeschlitzt sind, getragen. Diese in der 
That schöne, jedoch unzweckmässige Kleidung erfordert die grösste 
Reinlichkeit, daher die Grenztruppen und das unregelmässige Heer, 
welche dieselbe ebenfalls tragen, sehr schmutzig aussehen. Ein solcher 
Anzug kommt auf etwa 1000 Thaler zu stehen und wird nur noch am 
Hofe von den Adjutanten des Königs und einigen Primaten des Lan- 
des getragen. Die Frauen niedern Standes und auf dem Lande tragen 
ein langes, unten gesticktes Hemd und darüber einen langen weissen 
Rock mit Aermeln; um den Kopf wird ein weisses Tuch gewickelt, 
das auch Stirn und Kinn bedeckt. Wird jedoch die Sitte streng be- 
obachtet, so ist das Gesicht, nach Art der türkischen Frauen, so ver- 
bunden, dass nur die Augen sichtbar bleiben. Im Ganzen zeigt das 
weibliche Geschlecht grosse Zurückhaltung gegen die Männer, denen 
überall ausgewichen wird, namentlich gegen Fremde. Wo es möglich 
ist, vermeiden die griechischen Frauen jedes öffentliche Auftreten und 
die Bauerweiber ziehen sich in ihre Häuser zurück, sobald sie ein 
fremdes Gesicht erblicken. Aus diesem Grunde werden viele Geschäfte, 
die anderwärts von weiblichen Dienstboten verrichtet werden, von 
Männern besorgt; so geht z.B. in Griechenland keine Magd auf den 
Markt, noch über die Strasse, um einzukaufen, sondern der männliche 
Diener muss alle Einkäufe besorgen. 


Vereinszeilung. 119 


7) Personalnotizen. 


Herr Apotheker Krappe in Weimar ist von S. K. H. dem Gross- 
herzoge von Sachsen-Weimar-Eisenach zum Medicinal-Assessor ernannt 
worden. 


8) Notizen zur praktischen Pharmacie. 


Anzeige. 


In dem ehemisch-pharmaceutischen Institute zu 
Jena beginnen gegen Ende Aprils d.J. die Vorlesungen und prak- 
tischen Uebungen für das Sommersemester. Anfragen und Anmeldungen 
sind möglichst zeitig an den unterzeichneten Director zu richten. Der 
achte öffentliche Bericht befindet sich im Archiv der Pharmacie, 
Bd. 63. Heft1. 


Jena, im Januar 1854. Dr. H. Wackenroder, 
Geheim. Hofrath und ordentlicher Professor 
der Chemie. 


Zur Besorgung und Unterbringung von Provisoren und Apotheker- 
gehülfen, so wie auch zur Vermittelung des An- und Verkaufs von 
Apotheken empfiehlt sich bestens 

J. L. Ernst, Apotheker. 
Berlin, Oranienburger Chausseestrasse No. 100, 


Auch kann ich zur Zeit circa 8 Apotheken zum Ankauf nachweisen. 
er J. L. Ernst. 


Das Wirth’sche Kochbuch betreffend. 


Da noch viele Beträge für dasselbe in Rest sind, so werden die 
Herren Empfänger Namens der Frau Wirths gebeten, die Zahlung 
baldigst durch die Herren Vereinsbeamten an Herrn Salinedirector 
Brandes machen zu wollen. B. 


Apotheken - Verkauf. 


Eine gut eingerichtete Apotheke in einer der grössten Provinzial- 
städte Schlesiens, welche nach Fraction der letzten zehn Jahre einen 
jährlichen Umsatz von 6600 Rthir. reines Medicinalgeschält macht, 
ist bei einer Anzahlung von 20,000 Rihlr. baar, unter sonst billigen 
Bedingungen aus freier Hand zu verkaufen. Nähere Auskunft ertheilt 
Herr Apotheker J. H. Büchler in Breslau. 


Stelle gesucht. 


Ein betagter, doch noch kräftiger, und zu jeder Receptur fähige 
pensionirte Apothekergehülfe sucht jetzt oder später eine Stelle, am 
liebsten in einer Hospital-Apotheke. Die Bedingungen bittet man an 
Herrn P. Weber bei Herrn Hoffmann in Trier zu senden. 


120 Vereinszeitung. 


Anzeige. 


Sehr guten reinen Dornburger Cölestin, den Centner & 21/, Thlr,, 
frei am Bahnhofe zu Apolda, liefert fortwährend in jeder beliebigen 
Quantität 

Friedrich Carl Mann, 
Bürger zu Dornburg bei Jena. 

Herr Mann besitzt schon seit 25 Jahren die Cölestingruben bei 
‚Dornburg und liefert das Mineral gehörig gewaschen und gereinigt, 
so dass dasselbe unmittelbar zur Bereitung der Strontiansalze ver- 
wendet werden kann. Der Transport des Dornburger Cölestins ist 
jetzt durch die Eisenbahn sehr erleichtert. H. Wackenroder. 


Gehülfenstellen gesucht. 
Einen jungen, gut empfohlenen Gehülfen kann nachweisen 


Apotheker Freyberg jun. in Delitzsch. 


Ein junger Pharmaceut sucht auf Ostern eine Gehülfenstelle; nä- 
here Auskunft ertheilt gern auf frankirte Anfragen 
der Apotheker Graf in Sachsenhagen. 


Giftschein- Formulare. 


Bei der Revision der Apotheken habe ich nicht selten Gelegen- 
heit gehabt zu bemerken, dass die Giftscheine über verkaufte Gifte 
nur unvollständig den Anforderungen genügen, die, auch abgesehen 
von besonderen gesetzlichen Bestimmungen, schon aus der Forderung 
eines Empfangscheines an sich consequent folgen. Daher habe ich 
zur Erleichterung des Geschäftsverkehrs gedruckte Giftschein-Formu- 
lare, wie sie ähnlich auch in andern Staaten in Gebrauch sein mögen, 
mehrmals empfohlen. Diese Formulare haben Anklang gefunden, und 
ich bin von mehreren Apothekern ersucht worden, einen billigen Druck 
und Debit solcher Formulare zu.veranlassen. 

Die hiesigen HH. Buchdruckereibesitzer Schreiber et Sohn 
haben nun der an sie ergangenen Aufforderung entsprochen und lie- 
fern jetzt die beim Gebrauch ‘bloss auszufüllenden Giftschein - Formu- 
lare auf gutem Schreibpapier zu dem Preise von 6 Sgr. das Buch. 
Da 192 Formulare in 1 Buche enthalten sind, so kommt das einzelne 
Formular noch nicht auf ; Pfennig zu stehen. Es dürften sich daher 
diese Formulare zum Gebrauch in den Apotheken, zunächst in Thürin- 
gen, sehr wohl eignen und empfehlen. 

Jena, Dr. H. Wackenroder, 
den 15. Januar 1854. Geh. Hofrath u. Prof. . 


Berichtigung. 


Im Novemberheft Bd. CXXVI. H. 2. p.148 anstatt H. Hoesch lies: 
R. Hoesch. 


Hofbuchdruckerei der Gebr. Jänecke in Hannover. 


ARCHIV DER PIARWACIE. 


CXXVNH. Bandes zweites Heft. 


Erste Abtlheilung. 


I. Physik, Chemie und praktische 
Pharmacie. 


Veber die Alkaloide in der Rinde der Cinchona 
lancifolia Mut. ; 
Dr. G. J. J. Bidtel. 


(Die nachstehende Mittheilung ist ein u Auszug aus einer 
grösseren ungedruckten Ahhkandlung des Hrn.‘ Dr. Bidtel, die jedoch 
unter demselben Titel, Berlin 1854, jetzt En, ist), HLLEW'r.) 


Nach Anführung der bekannteren Methoden zur Ab- 
scheidung der Chinaalkaloide und der Haupteigenschaften 
des Chinins und Cinchonins, geht der Verfasser über zur 
quantitativen Bestimmung des Chinins und Cinchonins in 
einer Chinarinde, die Ruiz selbst gesammelt hatte und 
die ihm von Klotzsch, dem berühmten Custos des König- 
lichen Herbariums in Berlin, übergeben worden war mit 
der Bestimmung, die Gegenwart der Alkaloide und die 
Menge derselben auszumitteln. 

Die Rinde war versehen mit der Etiquette: Cinchona 
laneifolia Mutis ( Cinchona angustifolia Ruiz), Quina Funita 
ex D. Lopez, Quima naranjada ex D. Bruns Sta Fee de 
Bogota. 

Die Rinde des Stammes, der dickeren und der dün- 
neren Aeste wurde untersucht. Dieselbe wurde mit Was- 
ser besprengt, recht fein gerieben und mehrere Stun- 
den hindurch bei 1000 C. ausgetrocknet. Dann wurden 
58,458 Grm, davon abgewogen End mit Wasser, dem etwas 
Salzsäure hinzugefügt worden, mehrere Male eine Viertel- 


Arch.d. Pharm. CXXVII, Bds. 2. Hft. 9 


122 Bidtel, 


stunde lang ausgekocht. Die Flüssigkeit wurde durch 
Fliesspapier filtrirt und der Rückstand mit warmem Was- 
ser ausgewaschen. Das Decoct wurde im Wasserbade bis 
zur Trockenheit eingedampft und nun der Rückstand mit 
einer kleinen Menge Wassers, dem einige Tropfen Salz- 
säure beigefügt worden, in gelinder Wärme digerirt. Hier- 
bei blieb das Chinaroth zurück, das durch ein Filter 
getrennt und gut ausgewaschen wurde. 

Die Flüssigkeit wurde im Wasserbade bis zur Extract- 
dicke verdampft und der Rückstand in heissem Alkohol 
aufgelöst, die Auflösung aber, wenn sie nicht ganz klar 
war, filtrirt. Die nur ein wenig gefärbte helle Flüssigkeit 
wurde mit Platinchlorid vermischt, so lange noch ein 
Niederschlag entstand. Der in einem Platindoppelsalze 
bestehende Niederschlag wurde auf einem bei A1000C. 
getrockneten und genau tarirten Filter gesammelt, mit 
Alkohol lange ausgewaschen, bei 1000 C. ausgetrocknet 
und auf dem Filtrum gewogen. Das Gewicht betrug 
4,293 Grm. 

Davon wurden 1,3225 Grm. abgenommen, in schwach 
angesäuertem Wasser suspendirt, und dann 24 Stunden 
lang Schwefelwasserstoffgas hindurchgeleitet. Zur Ent- 
fernung des überschüssigen Schwefelwasserstoffs wurde 
die Flüssigkeit schwach erwärmt. vom Schwefelplatin 
abfiltrirt und im Wasserbade concentrirt. Nach dem Er- 
kalten wurden die Alkaloide durch Ammoniak vollständig 
ausgefällt, auf einem bei 4000C. getrockneten und gewo- 
genen Filter gesammelt, ausgewaschen und nach dem 
Austrocknen bei 100%C. gewogen. Es wurden 0,5415 Grm. 
reine Basen erhalten. 

Um dieselben von einander zu trennen, wurde das 
klein zerschnittene Filter in einem kleinen, nicht voll- 
ständig verschlossenen Kolben eine Zeitlang mit Aether 
erwärmt. Nach dem Erkalten wurde die ätherische Lösung 
des Chinins vom ungelösten Cinchonin durch Filtration 
abgesondert. Durch langsames Verdampfen der Lösung 
in einer gläsernen Schale unter dem Recipienten der 
Lufipumpe wurden sehr schöne, seidenartig glänzende, 


Alkaloide in der Rinde der Cinchona lancıfolia Mut. 423 


weisse Krystalle des Chinins erhalten, deren Gewicht nach 
dem Trocknen bei 600 C. 0,484 Grm. betrug. 

Das Cinchonin wurde aus den Papierschnitzeln durch 
Alkohol ausgezogen und in gleicher Weise in der Glas- 
schale erhalten. Es hatte eine krystallinische Textur, 
aber ein minder schönes Ansehen, als das Chinin. Seine 
Menge betrug 0,0575 Grm. 

Auf dieselbe Weise wurden noch zwei Versuche 
angestellt. Die Resultate waren: 


I; II, III. 
Chin. eelasn DE a 2,307 EN 2,67 Proc. 
Cinehonin ...... EP 0291,28, 0,33" 


Zur Prüfung der Zusammensetzung des Platindoppel- 
salzes wurde ein Theil desselben im Platintiegel stark 
geglüht und aus der Menge des hinterbliebenen Platins 
die Menge der gefällten organischen Substanz leicht 
gefunden. 

Auf ganz dieselbe Weise wurde die Quantität der 
Alkaloide auch in der Rinde der dickeren Aeste und dünneren 
Zweige bestimmt, jedoch ohne Wiederholung. Die Gesammt- 
resultate nach Procenten der Rinden sind: 


Chinin. Cinchonin, 
Rinde des Stammes ........ DIT ee 0,313 
m. "der. dickeren Aesie *. 1433 =... 2,730 
» der dünneren Zweige 1,03 ........ 1,590. 


Die Untersuchung. der Rinde der Henlea rosea, aus 
Carsten’s Sammlung entnommen, ergab die vollständige 
Abwesenheit des Chinins und Cinchonins in dieser Rinde. 

Ueber die Rinde der Cinchona lancıfolia Mutis scheint 
bis jetzt nur Schwartz Untersuchungen angestellt zu 
haben, ohne jedoch die Menge der darin enthaltenen 
Alkaloide quantitativ zu bestimmen. 


9* 


12% Schnauss, 


Chemische Untersuchung des Semen Lycopodii; 


von 
Dr. J. Schnauss in Jena. 


In der Absicht, den Pollen, resp. die Sporen verschie- 
dener Pflanzen einer näheren Untersuchung und Verglei- 
chung ihrer chemischen Bestandtheile zu unterwerfen, 
wozu mir eine Bemerkung meines Freundes, Dr. Lud- 
wig, Veranlassung gab, begann ich die Reihe mit dem 
Semen Lycopodü, da er am leichtesten in hinlänglicher 
Menge zu bekommen war. Nun ist derselbe zwar schon 
mehrmals untersucht worden, wıe z.B. von Bucholz, 
John, Raspail und Macaire Princep; dennoch 
dürfte es wohl gerechtfertigt erscheinen, wenn ich hier- 
mit die Resultate meiner jahrelangen sorgfältigen Arbeiten 
über denselben Gegenstand veröffentliche, um so mehr, 
als sie von denen der genannten Chemiker in Manchem 
bedeutend abweichen und wohl auch einiges Neue 
enthalten. 

Zur Erleichterung des Ueberblickes führe ich hier 
die wichtigsten der früheren Arbeiten über die Bestand- 
theile des Semen Lycopodi und einiger anderer Pollen-, 
resp. Sporen -Arten in kurzen Auszügen an: 

1. Macaire Princep hat den Pollen der Ceder 
und des Zycopod. untersucht. Ersterer enthält phosphor- 
saures, schwefelsaures, äpfelsäures Kali, Kieselerde, Zucker, 
Gummi, gelbes Harz und eine stärkeartige unlösliche Sub- 
stanz. Das Pollenin davon soll bestehen aus: 


Ceder. Lycopod. 
C= 40,0 = 52,2 
0 = 48,3 ‚0 = 392 
Be — ie H.=,,86 

100,0 100,0. 


Er findet also in beiden keinen Stickstoff. 

2. Winkler findet das Zycopodium gleich der Stärke 
von einer unlöslichen Hülle umgeben, die durch Reiben 
zerstört werden kann, worauf Wasser die löslichen Bestand- 
theile leicht ausziehe, welche 12,5 Proc. betragen sollen. 


chemische Untersuchung des Semen Lycopodü. 125 


Nach dem Verdunsten hintenlässt das Wasser eine hell- 
gelbe, glänzende, spröde Masse, die sowohl in kaltem als 
in warmem Wasser leicht auflöslich ist und in Alkohol 
und Aether unlöslich. Eine concentrirte Auflösung wird 
von Jodtinctur mit orangegelber Farbe gefällt. Der in 
kaltem Wasser unlösliche Theil des Lycopodium soll mit 
Wasser gekocht eine Auflösung geben, die, ohne kleister- 
artig zu sein, durch Jod blau wird. (?) 


3. Braconnot hat den Pollen von Typha latifolia 
untersucht. Er enthält nach ihm Zucker, Gummi, Extrac- 
tivstoffe, Fett u. A. und zurückblieb ein Pollenin, das sich 
von dem der Datteln und dem Zycopodium unterscheidet. Es 
enthielt weniger Stickstoff als das Pflanzeneiweiss, und 
wird von concentrirter Schwefelsäure, Salzsäure und kochen- 
der Essigsäure gelöst und daraus durch Wasser gefällt. 
Dieser Niederschlag ist in Kali und Ammoniak löslich, 
woraus er durch Säuren wieder gefällt wird. Kocht man 
aber die Lösung in Kali, so wird sie nicht mehr von 
Säuren gefällt, wohl aber von Alkohol und Gerbstoff. Es 
fault nicht. 


%. Fritzsche hält das sogenannte Pollenin für ein 
Organ, welches aus mehreren unlöslichen Pflanzenstoffen 
bestehe, Es wird von zweı, bisweilen von drei Häutchen 
umgeben. Das äusserste Häutchen färbt sich mit Jod 
braun, das innerste nimmt aber davon keine Farbe an. 
Das äusserste wird durch keine Reagentien angegriffen, 
selbst nicht durch concentrirte Schwefelsäure. 

Die innerhalb der Häutchen befindliche Masse, das 
Polienin, besteht nach Fritzsche 1) aus einem Schleim, 
welcher sich in einem halbflüssigen Zustande befindet, in 
Wasser aufquillt und darin vertheilt, durch Säuren coagu- 
lirt wird und sich mit Jod braun färbt; 2) aus einem 
ölartigen Körper, welcher in Tropfen. durch die ganze 
Schleimmasse vertheilt ist; 3) aus kleinen Stärkekörnern, 
welche sich mit Jod blau färben. 

Durch etwas verdünnte Schwefelsäure zerplatzen die 
Häutchen. Durch Kochen mit Wasser, Alkohol und Aether 


126 Schnauss, 


wird der Pollen nicht verändert, aber die beiden letz- 
teren ziehen ein wenig Fett aus den Integumenten. Wird 
der Pollen mit verdünnter Kalilauge gekocht, so sieht es 
zwar aus, als wäre der Inhalt der Häutchen ausgezogen 
worden, wird aber das Ungelöste nachher wieder getrock- 
net, so erkennt man, dass der Pollen bloss angeschwol- 
len war und dass die Häutchen noch das meiste von dem 
umschliessen, was sie vorher enthielten. 


5. Bucholz fand im Zycopodium: »einen eiweiss- 
ähnlichen Stoff, Pollenin genannt, ein fettes Oel, wachs- 
artige Substanz, Stärkemehl, Zucker und schleimiges 
Extract« (Schömann, Arzneimittellehre, S. 592.) 

In diesen verschiedenen Untersuchungen finden sich 
mancherlei Widersprüche und Unrichtigkeiten. Ich gehe 
nun zu meiner eigener Untersuchung über, die neben 
vielem Interessanten auch manche Schwierigkeit darbot. 
Abgesehen von den nur sehr geringen Mengen löslicher 
Stoffe, war es besonders die starke hygroskopische Eigen- 
schaft der Sporen, welche die quantitative Analyse 
erschwert. Ihre äusserst schwer verbrennliche Kohle 
machte vorläufig deren genaue wyuantitative Analyse 
unthunlich. 

Die Untersuchung, zu der ich mehr als 4 Pfund Mate- 
rial verwendete, habe ich erstens nach den verschiedenen 
Lösungsmitteln und zweitens nach den die chemische 
Constitution des Sporen selbst verändernden Kräften ein- 
getheil Die nachfolgenden Versuche wurden oft drei- 
bis vierfach wiederholt, um über das Resultat vollkommen 
sicher zu sein. 


I. Das wässerige Extract des Semen Lycopodii. 


Dasselbe wurde erhalten, indem eine beträchtliche 
Quantität des Semen Lycopodü mit der drei- bis vier- 
fachen Menge destillirten, auf etwa 300 C. erwärmten 
Wassers !/, Stunde lang geschüttelt und dann abfiltrirt 
wurde. Die Masse wurde dann nochmals mit Wasser 
ausgekocht. Das Semen Lycopodü bildete zuletzt einen 
dicken Brei mit dem Wasser, auch wenn letzteres ganz 


chemische Untersuchung des Semen Lycopodü. 427 


ganz kalt war, und sonderte sich selbst nach längerem 
Stehen nicht wieder ab. Diese Eigenschaft kommt auch 
dem ganz reinen Pollenin zu und hängt wahrscheinlich 
von dessen grosser wasseranziehenden Kraft ab. Pflanzen- 
schleim konnte nicht nachgewiesen werden. Das Filtriren 
geht leicht von statten, es bleibt jedoch den Sporen eine 
bedeutende Menge Wassers mechanisch anhängen, das nur 
durch vielmal wiederholtes Auswaschen und zuletzt Aus- 
pressen mit den darin gelösten Stoffen vollständig gewon- 
nen werden kann. Wenn das klare farblose Filtrat nahe 
bei der Kochhitze verdampft wird, so bildet sich auf der 
Oberfläche eine sehr dünne, schwach opalisirende Haut 
von Pilanzenalbumin. Das davon Abiäiltrirte und vorsich- 
tig bis nahe zur Trockniss Verdampfte ist braun, von 
klebriger Consistenz und besitzt einen bitteren Geschmack, 
so wie eine schwach saure Reaction. Mit Natronkalk 
gemengt und erhitzt, entwickelt es noch bedeutende Men- 
gen Ammoniaks und mit Soda (die vorher geprüft worden) 
auf Kohle geglüht und dann mit Wasser und etwas Nitro- 
prussidnatrium in Berührung gebracht, gab es eine starke 
Schwefelreaction. Aus allem diesem ging die fernere 
Gegenwart einer Proteinsubstanz hervor, und zwar des 
Pflanzencaseins oder Legumins; denn concentrirte Salz- 
säure färbte eine kleine Probe im ersten Augenblick dun- 
kelblau. In Wasser gelöst, zeigte das Extract einen bedeu- 
ienden Gehalt an organischen Kalksalzen, besonders an 
äpfelsaurem Kalk. Die Prüfung auf Citronen- und Essig- 
säure, wiederholt und mit möglichster Umsicht angestellt, 
gab wegen der kleinen Quantität und des Gemenges so 
verschiedener organischer Substanzen kein sicheres Resul- 
tat. Wir besitzen auch auf Gummi kein ganz specielles 
Reagens, wenn dasselbe mit vielen anderen organischen 
Substanzen gemengt ist. Das schon vor langer Zeit dazu 
empfohlene schwefelsaure Eisenoxyd in wässeriger Lösung 
kann jedoch nur für ziemlich concentrirte gummöse 
Lösungen erfolgreich benutzt werden, und in besonderen 
Fällen, wie in dem vorliegenden, nur unter gewissen Vor- 
sichtsmaassregeln. Das schwefelsaure Eisenoxyd erzeugt 


128 Schnauss, 


nämlich in den meisten concentrirten Pflanzensäften, selbst 
ohne Gegenwart von Gummi, einen flockigen Niederschlag 
von Gyps, wenn dieselben, wie fast immer, reich an Kalk- 
salzen sind. Um die Gegenwart des Gummi zu consta- 
tiren, musste ich daher zunächst ein schwefelsaures Alkalı 
zusetzen, um den Gyps so weit als möglich auszufällen; 
zu:dem Filtrat fügte ich schwefelsaures Eisenoxyd, wel- 
ches jetzt wirklich die Gegenwart von nicht unbeträcht- 
lichen Mengen Gummi /Arabin) zu erkennen gab. 

Interessant ist die Abwesenheit von Stärkemehl und 
Zucker, letzteres wegen des in der Folge angegebenen 
Verhaltens des Alkoholextractes. 

Wenn man in dem inneren Zellgewebe der Sporen 
des Lycopodium auf mikroskopischem Wege die Gegen- 
wart von Amylum beobachtet haben will, so ist es doch 
gewiss, dass die chemische Prüfung mit alkoholischer 
Jodlösung völlig negativ ausfällt. 

Unter dem Mikroskop, bei 125facher Linear - Ver- 
grösserung schon recht deutlich, erscheinen die Sporen 
bekanntlich in Gestalt unregelmässig rundlicher, auf der 
Oberfläche mit kleinen Spitzen versehener Körner (von 
gelblicher Farbe bei dem Lycopodium). Die Structur der 
inneren Zellen lässt sich recht deutlich erkennen. Presst 
man die Objeetgläser unter gelinder Reibung etwas zu- 
sammen, so zerplatzen gemeiniglich mehrere Sporen und 
der Inhalt zeigt sich in Form kleinerer und grösserer 
ganz klarer Oeltröpfehen Auf Zusatz von Jodtinctur 
bleiben letztere gänzlich unverändert, und das häutige 
Säckchen, aus dem sogenannten Pollenin bestehend, wird 
nur etwas dunkler gelb gefarbl. Nach Schleiden’s 
Ansicht ist ebenfalls kein Stärkemehl im Lycopodium 
enthalten. 

17,5 Grm. lufttrockner Bärlappsamen wurden mit I Pfd. 
destillirttem Wasser auf vorerwähnte Weise möglichst voll- 
ständig extrahirt. Der nach dem Verdampfen. hinterblie- 
bene, unter der Luftpumpe getrocknete Rückstand wog 
0,0910 Grm, was 0,52 Proc. im Wasser lösliche Bestand- 
theile des Samens beträgt. 


chemische Untersuchung des Semen Lycopodiü. 129 


Ein zweiter Versuch mit 8,742 Grm. Bärlappsamen 
ergab 0,036 Grm. Extract oder 0,41 Procent. Das Mittel 
wäre folglich 0,46 Procent. Die quantitative Bestimmung 
der einzelnen Bestandtheile des wässerigen Extracts schien 
mir ohne besonderes Interesse zu sein; ich unterliess sie 
daher, da dieselbe der kleinen Menge des Extracts wegen 
auch kaum ausführbar gewesen wäre. 


I. Das alkoholische Extracıt. 


Dasselbe enthielt die Hauptbestandtheile und wurde 
mit besonderer Sorgfalt untersucht. Ich wendete sowohl 
Spiritus von 80 Procent, als auch absoluten Alkohol an. 
Ersterer nimmt einige der in Wasser löslichen Bestand- 
theile mitauf; dieLösung trübtsich aufZusatz von absolutem 
Alkohol. Die Sporen wurden kochend mit einer bedeu- 
tenden Menge Alkohols (von SO Proc) behandelt. Letzte- 
rer zeigte nach dem Filtriren, je nach der Concentration, 
eine mehr oder weniger intensive bouteillengrüne Farbe. 
Während des Abdampfens und sobald der Alkohol gröss- 
tentheils entfernt und fast nur noch eine wässerige Lösung 
vorhanden ist, trübt sich die gelblich werdende Flüssig- 
keit unter Abscheidung dunkel -olivengrüner Oeltropfen. 
Die letzteren wurden sogleich mit einer Pipette vorsich- 
tig abgenommen. Nach dem Erkalten verloren sie ihre 
Durchsichtigkeit und erstarrten zu einer schmutzig-grünen 
Masse von Butterconsistenz, worin sich gelbliche Flocken 
eines andern Körpers ausgeschieden hatten. Erhitzt man 
das Fett gelinde bis zum Schmelzen, so sieht man diese 
Ausscheidung noch deutlicher. Durch Behandeln mit Aether, 
worin die gelblichen Flocken unlöslich sind, kann man 
sie vom Fett trennen. Nach dem Verdampfen des Aethers 
bleibt die fettartige Substanz ziemlich rein zurück. Sie 
besitzt eine schmutzig-grüne Farbe, einen hervorstechend 
obstähnlichen süssen Geruch und einen gleichen, etwas 
bittern Geschmack. Durch Kali wird dies Fett unter Ver- 
lust der grünen Farbe leicht verseift und von Säuren dar- 
aus in gelblichen Flocken gefällt, denen noch der Geruch 
ein wenig adhärirt. Letzterer rührt offenbar von einer 


130 Schnauss, 


sehr geringen Menge eines ätherischen Oeles her, das sich 
nicht isoliren lässt. Durch Destillation des Fettes mit 
Wasser geht nichts Sichtbares mit diesem über, es nimmt 
aber den Geruch etwas an. Ebenso mit verdünnter Schwe- 
felsäure behandelt, giebt das Fett ein schwach sauer rea- 
girendes Destillat von eigenthümlichem, buttersäureähn- 
lichem Geruch. Das Fett verliert mit der Zeit und bei 
wiederholtem Auflösen seine graue Farbe vollständig und 
erhält ein schmutzig-hellbraunes Ansehen. Der Geruch 
bleibt aber fast mit gleicher Deutlichkeit. 

Der in Flocken sich aus dem Fett ausscheidende Kör- 
per zeigt ein eigenthümliches chemisches Verbalten. Im 
frischen Zustande und noch feucht ist er in absolutem 
kochendem Alkohol etwas löslich, wird darin aber, nach 
dem Trocknen und längeren Aufbewahren, fast ganz un- 
löslich. Seine Trennungsweise von dern ihn begleitenden 
Fett lehrt ferner, dass er auch in Aetber unlöslich ist. Er 
stellt in reinem Zustande eine bernsteingelbe, geruch- und 
geschmacklose, durchsichtige, amorphe Masse dar, die in 
dünnen Lamellen, wie man sie nach dem Verdampfen der 
alkoholischen Lösung erhält, elastisch biegsar und nicht 
pulverisirbar ist. Anfangs hielt ich ihn für eine Art Wachs, 
und wahrscheinlich ist dies dieselbe Substanz, welche in 
den vorhin citirten Untersuchungen verschiedener Chemi- 
ker irriger Weise als Wachs angegeben wird, denn aus- 
serdem kommt keine wachsähnliche Substanz weiter in 
den Sporen des Zycopodium vor. Vom Wachs unterschei- - 
det sich aber dieser Körper vollkommen durch sein grös- 
seres spec. Gewicht, d.h. er sinkt im Wasser unter. Er 
ist ferner bei gelindem Erwärmen nicht schmelzbar und 
stärker erhitzt, verbrennt er mit dem eigenthmlichen Ge- 
ruch sticksoffhaltiger Substanzen. Mit Natronkalk gemengt 
und geglüht, entwickelt er Ammoniakgas, das an der 
Bräunung des Curcumapapiers, den Salmiaknebeln und 
an dem Geruch unzweifelhaft erkennbar ist. Die mit Soda 
auf Kohle geglühte Masse giebt mit Nitroprussidnatrium 
intensive Schwefelreaction. Besonders charakterisirt die- 
sen eigenthümlichen Körper seine Unlöslichkeit in den ver- 


chemische Untersuchung des Semen Lycopodü. A31 


schiedensten Flüssigkeiten. Wie schon erwähnt, ist er 
unlöslich in Wasser, Alkohol und Aether, ferner in kochen- 
der concentrirter Essigsäure und Salzsäure; sogar con- 
centrirte kochende Kalilauge wirkt scheinbar nicht darauf 
ein, höchstens wird der Körper undurchsichtig und horn- 
artig. Verdünnte Salpetersäure bleibt ohne Einfluss, con- 
centrirte kochende Salpetersäure bringt die oben erwähnte 
Verwandlung in eine hornartige Substanz hervor und scheint 
ihn nach dem Waschen und Trocknen schwach explosiv 
gemacht zu haben. Concentrirte kochende Schwefelsäure 
verkohlt ihn unter Entwickelung von schwefliger Säure. 
.Bedenkt man, dass das Pollenin, d. h. die häutige 
Umhüllung der Sporen, an und für sich in den meisten 
Flüssigkeiten unlöslich ist; ferner, dass es Stickstoff und, 
wie ich selbst gefunden habe, auch Schwefel enthalt, so 
ist es wahrscheinlich, dass der oben beschriebene Stoff 
eine lösliche Modification des Pollenins, vielleicht eine 
zweite innere Hülle der Sporen ist, welche vermöge der 
Endosmose von kochendem Alkohol nebst dem Fett, Zucker 
und den übrigen löslichen Substanzen ausgezogen, an der 
Luft sich verändert und nun ebenfalls unlöslich wird, also 
gleichsam in den Zustand des natürlichen Pollenins über- 
geht. In dieser Eigenschaft und dem Gehalt an Stickstoff 
und Schwefel würde sich einige Aehnlichkeit mit den 
Proteinsubstanzen finden lassen, wenn die Unlöslichkeit 
des neuen Körpers in Alkalien und Sauren und seine 
bedingte Löslichkeit in Alkohol ihm nicht eine besondere 
Eigenthümlichkeit verliehe. Schon Raspail hat bekannt- 
lich das Pollenin für eine kleberarlige Substanz erklärt. 


Wenden wir uns nun zur näheren Betrachtung der 
Flüssigkeit, welche nach Absonderung der obenschwim- 
menden Feittröpfehen zurückbleibt. — Ist die Extraction 
durch absoluten Alkohol ausgeführt worden, so scheiden 
sich oft schon beim Abdestilliren des Alkohols zur Hälfte, 
wenn man ihn erkalten lässt, kleine drusig verbundene 
Krystalle von Zucker aus. In der Trommerschen Probe 
reducirt dieser Zucker erst beim Kochen; durch Schwefel- 


132 Schnauss, 


säure wird er nicht sogleich geschwärzt. Er verhält sich 
also ähnlich dem Rohrzucker. Macht man den Auszug 
mittelst Alkohols von circa 80 Proc., so erhält man keine 
Zuckerkrystalle beim Abdampfen, weil die Anwesenheit 
kleiner Mengen wässeriger, nichtkrystallisirbarer Extractiv- 
stoffe, wie z.B. Gummi, dies verhindert. Das Gemenge 
dieses Alkoholextracts reducirt das Kupferoxyd schon bei 
800, enthält also neben dem krystallisirbaren Zucker noch 
Fruchtzucker. In einer sehr stark eingedampften Probe 
dieser Masse, welche ıch mehrere Monate in einem Ge- 
fässe luftdicht verschlossen hielt, hatten sich zuletzt doch 
noch Zuckerkrystalle ausgeschieden. 

Es ist auffallend und möchte sich schwer erklären 
lassen, dass das wässerige Extract kaum eine Spur Zucker 
enthält, während der Alkohol-Auszug sehr reich daran ist. 
Der Zucker müsste denn in besonderen Zellen sich befin- 
den, deren Wandungen nicht dem Wasser, sondern erst 
dem Alkohol den Durchgang gestatten, indem sie selbst 
in letzterem löslich sind. Der Zucker hängt dem grünen 
Fett hartnäckig an; hebt man letzteres möglichst sorgfäl- 
ig mit einer Pipette ab und wäscht es mehrmals mit 
Wasser, so giebt dieses noch lange eine Zuckerreaction. 

Sowohl die Rückstände der alkoholischen als auch 
der wässerigen Extracte schmecken stark bitter, besonders 
die letzteren. Es ist daher die Gegenwart eines in Was- 
ser und Alkohol löslichen Bitterstoffes zu vermuthen, der 
schwer oder nicht krystallisirbar ist und sonst keine cha- 
rakteristischen Eigenschaften besitzt, da es mir nicht ge- 
lang, ihn zu isoliren. 

Kocht man dieselbe Probe des Sem. Lycopodü mehr- 
mals, etwa drei bis vier Mal, mit Alkohol aus, so enthal- 
ten die letzten Auszüge nur noch ein wasserhelles, geruch- 
loses Fett, das beim Stehen an der Luft schwach gelb- 
lich wid. Es ist dasselbe, welches im 


Il. Aetherischen Extract 
enthalten ist. 
Wenn durch Behandeln der Sporen mit Wasser, Kali- 


chemische Untersuchung des Semen Lycopodiü. 433 


lauge, Salzsäure und Alkohol dieselben den grössten Theil 
ihrer löslichen Bestandtheile verloren haben, so zieht 
Aether gewöhnlich noch eine verhältnissmässig nicht un- 
bedeutende Menge eines farb- und geruchlosen fetten 
Oeles aus, das nach seiner Reindarstellung bald gelblich, 
trübe und sehr dickflüssig wird. Dabei scheidet sich ein 
festes Fett in Flocken aus, welches aber keine Aehnlich- 
keit mit dem im grünen Fett des Alkohol-Auszuges vor- 
kommenden neuen Körper hat. Das Oel löst sich in kal- 
tem Alkohol kaum, in erwärmtem aber leicht auf. Beim 
Erkalten desselben scheidet sich das feste Fett schnell aus. 


Die quantitativen Verhältnisse der Alkohol- und Aether- 
Extracte sind folgende: 

4) 2,359 Grm. bei 1200C. getrocknetes Sem. Zycopodü 
gaben, mit einem Ueberschuss von absolutem Alkohol 
wiederholt ausgekocht und abgedampft, 0,120 Grm. Extract, 
hauptsächlich aus dem grünlichen Fett bestehend. Dies 
ergiebt 4,18 Proc. des Sem. Lycopodii. 

2) 5,530 Grm. trockner Sem. Lycopodiü mit Alkohol, 
dem ein wenig Aether zugesetzt worden, mehrmals aus- 
gekocht, gaben: 0,269 Extract oder 4,86 Proc, also im 
Mittel beider Versuche 4,52 Proc. 

3) Von den oben erhaltenen 0,269 Grm. Extract waren 
0,060 Grm. Zucker und 0,201 Grm. Fettsubstanz nebst dem 
neuen Körper. In 100 Theilen dieses zuletzt erwähn- 
ten Gemenges sind annäherungsweise 85 Procent Fett 
und 15 Proc. des neuen Körpers enthalten. Berechnet 
man diese sämmtlichen Bestandtheile auf 400 Th. der 
lufttrockenen Sporen, so ergiebt sich ungefähr folgendes 
Verhältniss: 


Fertig, #u% 3070 » 


(Fortsetzung folgt.) 


— ae —— 


13% Overbeck, 


Veber das Saponin ; 


Dr. A. Overbeck *), 


Dass das Saponin bei Einwirkung verdünnter Säuren 
und Alkalien in der Hitze‘ ein Zersetzungsproduct giebt, 
welches Fr&emy zu den Säuren’rechnet und Aesculinsäure 
nennt, ist bereits bekannt. 

Dass das Saponin aber als zweites Zersetzungspro- 
duct Traubenzucker giebt, dass es gerade auf in diesen 
und obige Substanz zerfällt, wurde bisher nicht beob- 
achtet. 

Das zu den Versuchen dienende Saponin wurde 
durch Auskochen der officinellen Seifenwurzel mit 
Weingeist von 80 Proc. erhalten. Beim Erkalten hatte es 
sich in weissen Flocken ausgeschieden, die auf einem Fil- 
ter gesammelt, zwischen Papier gepresst und dann zur 
Entziehung des beigemengten Fettes wiederholt mit Aether 
behandelt wurden. Die letzte Reinigung geschah durch 
mehrmalige Digestion der weingeistigen Lösung mit Thier- 
kohle. Das letzte farblose Filtrat hinterliess das Saponin 
bei langsamem Verdunsten als eine schön weisse, leicht 
zerreibliche Masse, welche im Uebrigen die in den Lehr- 
büchern angegebenen physikalischen Eigenschaften besitzt. 

Die Verbrennung der bei 1000 getrockneten Substanz 
geschah mit chromsaurem Bleioxyd. 

I. 0,300 Substanz gaben 0,190 HO und 0,512 CO:. 


II. 0,250 » » 0,176HO » 0428 CO?. 
Ill. 0,205 nl; » 0,142 HO » 0,355 CO3. 
Berechnet Gefunden 
Ik 1I. II. 

IT To 

C?2 47,54 46,54 46,68 47,22 

H3®8 7,16 7,03 7,82 7,69 

03° 45,30 46,40 45,50 45,09 

100,60 99,97 100,00 100,00. 


*) Das hier Mitgetheilte wurde vom Verf. im Wesentlichen schon 
in der Naturforscher- Versammlung zuWiesbaden vorgetragen. 0. 


über das Saponın. 435 


Beim. Zusatz von verdünnter Schwefelsäure oder Salz- 
säure zu der wässerigen Saponinlösung findet keine Trü- 
bung statt. Aber beim Erwärmen scheidet sich alsbald 
eine Gallerte aus: Ist nicht hinreichend Wasser vorhanden 
um dieselbe suspendirt zu erhalten, so gesteht die ganze 
Flüssigkeit zu einer steifen Gallerte. 

Eine hinreichend verdünnte wässerige Lösung einer 
grösseren Menge Saponin wurde mit verdünnter Schwefel- 
saure ungefähr fünf Minuten gekocht, die ausgeschiedene 
Gallerte auf einem Filter gesammelt und so lange aus- 
gesüsst, bis das Filtrat keine Reaction auf Schwefelsäure 
mehr gab. 

Das Filtrat gab, nach Entfernung der Schwefelsäure 
durch kohlensauren Baryt, bei freiwilligem Verdunsten 
einen süssen Syrup, aus dem sich Krystalle von Trauben- 
zucker ausschieden. Dieselben wurden in Wasser gelöst; 
die Lösung mit Kali und Kupfervitriol versetzt, gab schon 
in der Kälte eine reichliche Ausscheidung von Kupfer- 
oxydul. 

Obige Gallerte wurde zur weiteren Reinigung in Aetz- 
natron gelöst und aus dieser Lösung durch Salzsäure wieder 
gefall. Da indess diese Operation keinen wesentlichen 
Nutzen zu versprechen schien, so wurde eine andere Rei- 
nigungsmethode gewählt. Nach mehrmaliger Digestion der 
weingeistigen Lösung mit Thierkohle erschien die Sub- 
stanz für die Analyse geeignet. Beim Verdunsten der 
weingeistigen Lösung blieb sie in hurnartigen Blättchen 
zurück, die sich leicht von der Schale ablösen lassen 
und zu einem weissen Pulver zerreiblich sind. 

I. 0,246 Substanz, bei 1000 getrocknet, gaben bei Ver- 
brennung mit chromsaurem Bleioxyd 

0,19% HO und 0,571 CO®. 


Die zweite Verbrennung missglückte. 


Berechnet Gefunden 
937055523 63,30 
H!? 3,23 8,76 
08 28,20 27,94 


99,95 100,00. 


136 Overbeck, über das Saponin. 


Das Saponin enthält folglich neben A At. sog. Saponin- 
säure 2 At. Traubenzucker. 
Saponin = C!?H>: O>°. 


1. Sog. Saponinsäure..... C!841406 
9. Traubenzucker ........ C?2°42402! 
C42438030, 


Wenn nun auch diese Gleichung in ganz annehm- 
barer Form aufzutreten scheint, so muss ich doch selbst 
vom kritischen Standpuncte aus die aufgestellten Formeln 
noch nicht für endgültig halten. So lange weder das Sa- 
ponin, noch die sogenannte Saponinsäure in krystallisirter 
Form erhalten wird, können die für sie gegebenen For- 
meln nur einen grösseren oder geringeren Grad von Wahr- 
scheinlichkeit besitzen. Weil eben durch die beobach- 
tete Spaltung die gegebenen Formeln in näheren Zusam- 
menhang treten und durch diesen eine bessere Einsicht 
in die Zusammensetzung der in Rede stehenden Substanz 
gewähren, als dies bisher möglich war, so habe ich mir 
erlaubt, die gegebenen Beobachtahgel bis nl Weiteres 
mitzutheilen. 

Durch die gefundene Spaltungsweise tritt das Saponin 
zugleich in einige Beziehung zum Salicin und Phloridzin, 
Wie hier das Saliretin, so scheint mir auch dort die sog. 
Saponinsäure besser den indifferenten Substanzen ange- 
reiht zu werden. Schon Fr&my führt an, dass seine 
saponinsauren Salze durch Kohlensäure leicht zerlegt wer- 
den. Ich habe ferner gefunden, dass, wenngleich die 
Saponinsäure in dem ursprünglichen gallertartigen Zustande 
ziemlich leicht löslich in ätzenden Alkalien ist, und aus 
dieser Lösung durch Säuren wieder fällbar, ‚andererseits 
dagegen die Einwirkung der wässerigen Alkalien auf die 
pulverige Säure selbst beim Kochen nur eine unvollstän- 
dige ist; dass ferner ihre weingeistige Lösung durch eine 
gleichfalls weingeistige Lösung von neutralem essigsaurem 
Bleioxyd nicht gefällt wird. Auf der andern Seite wird 
dagegen bekanntlich die wässerige Saponinlösung durch 
basisch - essigsaures Bleioxyd gefällt; schon Barytwasser 
bringt in ihr einen Niederschlag hervor. Man sieht also, 


Lichtentwickelung bei Krystallisation chlorsauren Baryts. 137 


dass man consequenter Weise alsdann auch das Saponin 
selbst den Säuren zuzählen müsste. Statt aber die Zahl 
der organischen Säuren unnöthiger Weise um eine neue 
zu vermehren, und dieser letzteren somit einen wohlaus- 
geprägten Charakter aufzudrücken, den sie nicht besitzt, 
scheint es angemessener, sie vorläufig noch, wie das Sa- 
ponin, den indifferenten Substanzen beizuzählen, und dürfte 
der Name Saporetin vielleicht nicht unpassend sein. 


— er er 


Eine interessante Lichtentwickelung bei der Kry- 
stallisation des chlorsauren Baryts; 


von 


Hutstein in Breslau, 


Als ich chlorsauren Baryt in kleinen Quantitäten dar- 
stellte, gewahrte ich bei der Krystallisation desselben, dass 
kleine blaue Funken aus der Flüssigkeit hervorsprangen. 

Im Laufe dieses Sommers, wo etwa 30 Pfund auf einmal 
krystallisirt wurden, bot sich mir ein seltenes Schauspiel dar. 
Die Schale mit der stark eingedampfien Lauge des chlor- 
sauren Baryts wurde bedeckt in einem Keller bei Seite 
gestellt. Zufällig hatte ich kurz darauf hier noch eiwas 
zu thun. Durch ein ziemlich heftiges Knistern wurde ich 
nach der Stelle, wo die Schale stand, hingelenkt. Die 
Papierdecke der Schale hob ich auf und sah, wie etwa 
halbzolilange Funken mit bläulich-rothem Licht unter Kni- 
siern massenweise aus der Lauge hervorsprangen. Aehn- 
liche Erscheinungen sind zwar bei der Krystallisation der 
arsenigen Säure und einiger andern Salze bekannt, aber 
in diesem Maasse und mit diesem Glanze ist das Leuchten 
krystallisirender Körper mir noch nicht vorgekommen. 


Arch, d. Pharm. CXXVII. Bds. 2. Hft. 40 


138 


II. Monatsbericht. 


Untersuchungen über die chemische Verwandtschaft 


hat R. Bunsen geliefert, über die Folgendes zu berichten 
ist. — Die Kraft, welche als Ursache der chemischen Ver- 
bindung und Trennung betrachtet wird, lässt sich bekannt- 
lich durch die mannigfachsten Einflüsse erhöhen und 
schwächen. Ihre Grösse wechselt unter dem Einflusse des 
Lichtes, der Wärme und der Elektricität; sie ist eine 
andere, wenn das Verhältniss der wirkenden Massen sich 
ändert und wird wesentlich von dem Aggregatzustande 
der Materie, so wie von dem Contacte derselben mit sub- 
stantiell verschiedenen Stoffen bedingt. Man kann sie 
daher als eine Function aller dieser Einflüsse betrachten. 
Wäre die mathematische Form dieser Function bestimmbar, 
so würde dadurch ein Maass für die absolute Grösse die- 
ser Kraft selbst gegeben sein. 

Berthollet, der berühmte Verfasser der chemischen 
Statik, war der erste, welcher die Ursache der chemi- 
schen Erscheinung von diesem Gesichtspuncte aus be- 
trachtet hat. Seine geistvollen Anschauungen führten ihn 
zur Annahme des nach ihm bekannten, noch heute als 
gültig betrachteten Gesetzes der Massenwirkung, durch 
welches er das Abhängigkeitsverhältniss ausdrücken zu 
können glaubte, in welchem die Verwandtschaft zu der 
Masse sich verbindender Stoffe steht. Diesem Gesetze 
zufolge theilt sich ein Körper, dem zwei ihrer Natur und 
Grösse nach verschiedene im Ueberschuss vorhandene 
Stoffe zur chemischen Verbindung dargeboten werden, 
nach einem Verhältniss in diese Stoffe, das dem Producte 
aus deren relativen Massen in ihre absolute Verwandt- 
schaftskraft proportionell sein soll. 

Bunsen hat dieses Gesetz geprüft, wobei sich aber 
ein ganz anderes Gesetz ergeben hat, das nicht unwichtige 
Aufschlüsse über die Wirkungsweise der Verwandtschaft 


Untersuchungen über die chemische Verwandischaft. 139 


verspricht. Der Inhalt dieses Gesetzes lässt sich in fol- 
gende vier Sätze zusammenfassen: 

4) Werden dem Körper A zwei oder mehrere im 
Ueberschuss vorhandene Körper B, 3’... zur Verbindung 
unter den dazu günstigen Umständen dargeboten, so wählt 
sich der Körper A von den Körpern B, B’... stets nur 
solche Mengen aus, welche in einem stöchiometrischen 
Verhältniss zu einander stehen, so dass also neben A, 2, 
3... Atomen der einen Verbindung stets A, 2,3, &... 
Atome der andern entstehen. 

2) Bildet sich auf diese Art neben einem Atom der 
Verbindung A + B ein Atom der Verbindung A + B', 
so lässt sich die Masse des Körpers B gegen die von B’ 
bis zu einer gewissen Grenze vermehren, ohne dass jenes 
Atomverhältniss dadurch eine Veränderung erleidet. Wird 
aber diese Grenze überschritten, so springt das Atomverhält- 
niss plötzlich von 1:4 auf 1:2, 1:3, 2:3 u s.w.um. Die 
Masse des einen Körpers lässt sich nun wieder ohne 
Aenderung dieses letztern Atomverhältnisses vermehren, 
bis eine abermalige Grenze erreicht wird, wo dasselbe 
von neuem in ein anderes übergeht. 

3) Wirkt ein Körper A reducirend auf eine im Ueber- 
schuss vorhandene Verbindung 3 + C, so dass C unter 
Bildung einer Verbindung von A und B frei wird, so ist, 
wenn Ü auf die neugebildete Verbindung reducirend zurück- 
wirken kann, das Endresultat der Zersetzung ein solches, 
dass der reducirte Theil von 3 + C gegen den nicht- 
reducirten in einem einfachen Atomverhältnisse steht. 

4) Auch bei diesen Reductionen kann die Masse des 
einen Gemengtheils ohne Aenderung des vorhandenen 
Atomverhältnisses bis zu einer gewissen Grenze vermehrt 
werden, über welche hinaus dann ebenfalls sprungweise 
Aenderungen derselben, aber immer nach kleinen ratio- 
nellen Zahlen entstehen. 

Man darf sich nicht wundern, dass diese merkwürdigen 
Beziehungen bisher unbeachtet geblieben sind, da sie nur 
da hervortreten, wo die Verbindungs Erscheinungen, welche 
davon beherrscht werden, vollkommen gleichzeitig vor 
sich gehen. 

Diese Gesetze sind nun durch weitere Experimente 
erwiesen, auf die wir hier verweisen müssen (AÄnnal. 
der Chem. u. Pharm. B.85. H. 2.) b. 


10* 


140 Aggregatzustand des Kohlenstoffs. 


Ueber den Aggregatzustand des Kohlenstoffs. 


Despretz’s bis jetzt angestellten Versuche haben 
gelehrt, dass wenig Hoffnung vorhanden ist, den krystal- 
lisirten Kohlenstoff durch Schmelzen oder plötzliches Ver- 
flüchtigen von Kohle zu erhalten. 

Es stellt sich nämlich nunmehr heraus, dass die. ge- 
schmolzene reine Kohle ebenso wie der geschmolzene 
Diamant nichts Anderes als amorpher Graphit sind, dass 
der plötzlich verflüchtigte und an den Wänden der Gefässe 
niedergeschlagene Kohlenstoff ein schwarzes amorphes 
Pulver ist. 

Am besten noch hat Despretz das Ziel durch lang- 
same Wirkung eines Inductionsstroms erreicht. Ein Ballon 
mit zwei Tubulaturen, die ebenso wie beim elektrischen 
Ei gestellt sind, diente zu dem Versuche. Durch die untere 
wurde ein Kohlencylinder von einigen Centimetern Länge 
und einem Centimeter Dicke angebracht. Durch die obere 
ein Bündel von etwa einem Dutzend feinen Platindrähten 
eingeführt, so dass Kohle und Platin etwa 5—6 Centim. 
von einander entfernt blieben, und nun der Ballon luftleer 
gemacht. Nun liess man den inducirten Strom eines Ruhm- 
korffschen Apparates über einen Monat lang wununter- 
brochen hindurchgehen. 

In dieser Zeit setzte sich auf dem Platindrahte eine 
dünne Schicht eines schwarzen Pulvers ab. Unter dem 
Mikroskope erkannte man in diesem deutlich Okta@der- 
segmente, auch verschiedentlich modificirte Okta&@der. 
Gaudin hat dieses Pulver geprüft, indem er es als Schleif- 
pulver für Rubine anwandte, und an diesem Pulver alle 
Eigenschaften von dem sonst zu demselben Zwecke die- 
nenden Pulver von Diamanten erkannt. 

Die Oktaöder waren unvollständig ausgebildet, d. h. 
es fehlte meist die Hälfte, so wie in einer Schicht von 
Alaunkrystallen es an den einzelnen Krystallen zu sein 
pflegt. Darunter sind weisse opake bis durchsichtige kleine 
Oktaöder, ebenso ist es bei den plattenförmigen Körpern 
(Okta&ödersegmenten?), sie haben denselben Reflex wie 
der Diamant. ; 

Bei alle dem ist es Despretz nicht gelungen, Dia- 
manten von wägbarer Grösse zu machen. Despretz hat 
bis jetzt den Kohlenstoff nur in schwarzen Okta&@dern, 
farblosen durchsichtigen Okta@dern, in farblosen und durch- 
sichtigen Lamellen dargestellt, welche dieselbe Härte wie 
Diamantpulver hatten, und sich ohne allen Rückstand ver- 
brennen liessen. 


Eigenthümliche Metallreductionen auf nassem Wege. AH 


In einem anderen Versuche ersetzte Despretz die 
Platindrähte durch Platinblech. Hier erhielt er kein schwar- 
zes Pulver. 

Endlich brachte er an dem positiven Pole einer Daniel- 
schen Batterie einen Kohlencylinder, an dem anderen einen 
Platindraht an und tauchte beide Pole in angesäuertes 
Wasser. Der Apparat wirkte so über zwei Monate. Auf 
dem Platindrahte schlug sich ein schwarzes Pulver nieder, 
in dem man unter dem Mikroskope nichts Krystallinisches 
wahrnahm. Dieses Pulver polirt zwar auch den Rubin, 
allein nicht so schnell wie Diamantenpulver. Hinsichtlich 
dieser Eigenschaft, den Rubin zu poliren, ordnet Despretz 
die Kohle nun so: 

4) Der Kohlenabsatz auf trocknem elektrischem Wege. 

2) Der Kohlenabsatz auf nassem elektrischem Wege. 

3) Graphit aus den Gasbereitungsretorten. 

4) Plötzlich verflüchtigte Kohle. 

5) Holzkohlenpulver. 

Da die Härte von No.4. der des gepulverten Diaman- 
ten gleichkommt, und aus dem, was oben weiter ange- 
geben ist, schliesst Despretz, dass der Absatz auf den 
Platindrähten, der sich auf trocknem elektrischem Wege 
erzeugte, wirklich in kleinen Diamanten bestanden habe. 
(Compt. rend. T.37. — Chem.-pharm. Centrbl. 1853. No.46.) 

B. 


Eigenthümliche Metallreduetionen auf nassem Wege. 


Wenn man nach Wöhler in eine concentrirte Zinn- 
chlorürlösung einen blanken Stab von Zinn stellt und auf 
die Lösung vorsichtig Wasser fliessen lässt, so dass beide 
Flüssigkeiten möglichst unvermischt bleiben, so beginnt 
sogleich an der Berührungsgrenze derselben die Reduction 
von metallischem Zinn, welches in sehr glänzenden Kry- 
stallen den Zinnstab umgiebt. In kurzer Zeit erreichen 
sie Zolllänge und scheinen nicht zum regulären System 
zu gehören. Ihre Bildung geschieht so rasch, dass sich 
die Erscheinung recht gut als Vorlesungsversuch zeigen 
lässt. Diese Erscheinung hat schon Bucholz beobachtet. 


Hiller, von Wöhler beauftragt, bemerkte, dass zur 
Bildung grösserer Krystalle die Lösung des Zinnchlorürs 
sauer sein müsse. Die Krystalle bilden sich dann an der 
Berührungsgrenze beider Flüssigkeiten, wobei von dem 
in die Chlorürlösung tauchenden Zinn eine gewisse Menge 
aufgelöst wird, ohne Wasserstoff-Entwickelung. Es wird 
mehr Zinn aufgelöst als reducirt. Ist die Lösung neutral, 


142 Passiver Zustand vom Nickel und Eisen. 


so entstehen die Zinnkrystalle nicht an der Berührungs- 
grenze, sondern sie erscheinen auf dem in der Chlorür- 
lösung stehenden Theile des Zinnstabes nur in Gestalt 
kleiner Blättchen. 

Wenn man blankes Kupfer in eine concentrirte und 
neutrale Lösung von salpetersaurem Kupferoxyd stellt und 
auf diese eine Schicht Wasser fliessen lässt, so bedeckt 
sich nach einiger Zeit die ganze Oberfläche des Kupfer- 
streifens mit sehr kleinen braunrothen Krystallen von 
Kupferoxydul. Bleibt das Ganze längere Zeit stehen, so 
beginnt die Reduction auch von metallischem Kupfer in 
kleinen, aber sehr scharfen, glänzenden Krystallen. An 
der Berührungsgrenze wird viel Kupfer aufgelöst. 

Aehnlich aber weniger wirksam verhält sich eine 
Lösung von schwefelsaurem Kupfer. In einer Kupfer- 
chloridlösung bedeckt sich der Kupferstreifen mit kleinen 
farblosen Krystallen von Kupferchlorür, ohne Reduction 
von Metall. Zink in eine concentrirte Lösung von Zink- 
chlorür gestellt und über letzteres eine Wasserschicht 
gegossen, belegt sich unten mit grauen Metallwarzen. 

Cadmium verhält sich in salpetersaurer Oxydlösung 
ganz ähnlich; das reducirte Metall ist aber mehr pulver- 
förmig und deshalb an der Luft leichter oxydirbar, wie 
das reducirte Zink. 

Blei reducirt aus einer mit Wasser überlagerten Lösung 
von neutralem salpetersaurem oder essigsaurem Bleioxyd 
Blei in kleinen glänzenden Krystallen, deren Vermehrung 
bald aufhört. 

Wismuth reducirt Wismuth in glänzenden Krystall- 
blättchen aus einer Lösung von Wismuthchlorür, auf die 
zuerst Salzsäure und darauf Wasser geschichtet wurde. 


Auf Silber, welches in einer mit Wasser überlagerten 
concentrirten Lösung von salpetersaurem Silberoxyd steht, 
wird metallisches Silber in Gestalt feiner, aber oft ansehn- 
lich hoher Verästelungen oder Dendriten reducirt, die 
sonderbarer Weise stets nur an einzelnen Puncten auf der 
Silberfläche entstehen. 

Gold, Platin, Eisen und Antimon zeigten dieses Ver- 
halten nicht. Ein Zinnstab in einer Lösung von Titan- 
chlorid war ohne Wirkung. (Annal. der Chem. u. Pharm. 
B.85. H.2.) B. 


Ueber den passiven Zustand vom Nickel und Eisen. 


Nachdem von Keir an dem Eisen die Eigenschaft 
entdeckt war, die wir jetzt die Passivität des Eisens 


Passiver Zustand vom Nickel und Eisen. 443 


nennen, wurde sie von verschiedenen Gesichtspuncten aus 
von Herschel, Faraday, Schönbein, Buff, de la 
Rive, Andrews, Mousson, Millon, Beetz und 
Rollmann studirt. Aus den Resultaten der Untersuchun- 
gen dieser Gelehrten geht hervor, dass das Eisen diese 
Eigenschaft nicht nur durch die Berührung mit rauchender 
Salpetersaure erhält, sondern auch noch dann, wenn man 
es über der Lampe blau anlaufen lässt, oder es in nicht 
rauchende Salpetersäure eintaucht und in der Flüssigkeit 
mit einem Platinstreifen berührt. 

Dasselbe erreicht man, indem man das Eisen mit dem 
positiven Pole einer galvanıschen Säule in Verbindung 
bringt. Das passive Eisen wird wieder activ, wenn man 
es, nachdem es aus der Salpetersäure herausgenommen 
ist, in Wasser wieder eintaucht. 

Dieselben Erscheinungen zeigen auch mehr oder weni- 
ger Nickel und Kobalt. Beide Metalle können wie Eisen 
passiv werden. Nickles benutzte zu den Versuchen 
Draht von chemisch reinem Kobalt und Nickel, das Deville 
selbst dargestellt hatte. 

In Berührung mit rauchender Salpetersäure nehmen 
diese beiden Metalle einen passiven Zustand von sehr 
geringer Dauer an, aber ihre Passivität wird stabil, wenn 
die Metalle, nachdem man sie über der Lampe oder über 
Kohlen hat blau anlaufen lassen, ganz heiss in die Säure 
eintaucht. Sie werden nun wie Eisen passiv, und wiewohl 
sie weniger negativ als Eisen werden, so können sie doch 
dem actıven Eisen, wenn es in nicht rauchende Salpeter- 
säure eingetaucht und mit jenen Metallen berührt wird, 
den passiven Zustand ertheilen, so dass die heftige Wir- 
kung der Salpetersäure auf das Eisen aufhört. 

Das Platin ist zu allen drei Metallen, wenn diese sich 
im passiven Zustande befinden, positiv, und ist negativ zu 
jedem derselben im activen Zustande. 

Nickles hat ferner die elektrochemischen Verhält- 
nisse des Eisens, des Kobalts, des Nickels im activen 
und passiven Zustande in verschiedenen Säuren, so wie 
in wässerigem Kali geprüft. Der negative Charakter des 
passiven Eisens spricht sich nur in der Salpetersäure 
deutlich aus, in den anderen Flüssigkeiten, die versucht 
wurden, blieb das Eisen positiv. In wässeriger Kalilauge 
blieben die Verhältnisse zwischen den activen und pas- 
siven Metallen dieselben, als wenn die negativen Eigen- 
schaften derselben aufgehoben wären, doch war es nicht 
so, denn wenn die Metalle nach dem Eintauchen in Kali- 
lauge in Salpetersäure von 4,34 spec. Gewicht gebracht 


144 Krystallinisches Eisenoxydhydrat. 


wurden, so zeigte sie dasselbe elektrochemische Verhalten, 
das ihrem passiven Zustande entspricht, sie werden durch 
diese Säure nicht angegriffen. 

Die folgenden Reihen drücken die Verhältnisse zwi- 
schen Eisen, Nickel, Kobalt in den beiden Zuständen aus, 
indem in der Ordnung das positive Metall vor das nega- 
tive gestellt ist, so dass die Reihen mit + anfangen und 
und mit — aufhören. 


In den Flüssigkeiten actives Metall passives Metall 
Rauchende Salpetersäure... . ....ee......0.00000 0 + Co, Ni, Fe — 
Salpetersäure von 1,34 spec. Gew. + Fe,Co,Ni— + Co,Ni, Fe — 
Schwefelsäure, SO? + HO,........ + Co, Fe, Ni — + Ni, Co, Fe — 
Dieselbe mit 9 Th. Wasser verdünnt + Fe,Ni,Co— + Fe, Co, Ni — 
Kalllangeiiucunae  Mankei + Fe, Ni, Co — + Fe, Ni, Co — 


(Compt. rend. T.37. — Chem.-pharm. Centrbl. 1853. No. 46.) 
B. 


Krystallinisches Eisenoxydhydrat, 


Limberger hat die Beobachtung ebenfalls gemacht, 
dass das officinelle Eisenoxydhydrat unter Umständen 
krystallinisch und daher weniger wirksam als Gegengift 
bei Arsenikvergiftungen wird, und dass dieses nicht allein 
durch die Länge geschieht, sondern auch schneller eintritt, 
wenn dieses Präparat unter den Gefrierpunct des Wassers 
abgekühlt wird. Bei — 6° tritt die Metamorphose wäh- 
rend des Gefrierens ein. Dieses krystallinisch gewordene 
Eisenoxyd hat eine viel hellere Farbe als das amorphe, 
ist in Essigsäure von 1,030 spec. Gew. sehr wenig löslich, 
in Essigsäure von 1,0759 leicht löslich. Setzt man zu 
dieser Lösung das achtfache Wasser, so scheidet sich 
nach wenig Tagen ein Theil des Eisens als ein gelblich- 
röthlicher Bodensatz wieder ab. f 


Wittstein hat durch J Wolff diese Angaben wei- 
ter prüfen lassen. Das zum Versuche dienende Eisenoxyd- 
hydrat wurde analysirt und hatte die Zusammensetzung 
Fe:O?,3HO. Nach dem Gefrieren desselben im Brei- 
zustande während einer Nacht von — 85° und nachdem 
die Masse ganz fest geworden, erschien das Eisenoxyd- 
hydrat unter dem Mikroskope deutlich krystallinisch. Das 
krystallinische hatte zufolge der Analyse folgende Zusam- 
mensetzung: | 

Eisenoxyd 10,46 | entsprechend 
Wasser 3,60 \ Fe?O3,3HO, 


also genau dieselbe Menge Wasser wie vor dem Gefrieren. 


Verbindungen der schwefl. Säure mit den Kupferoxyden. 145 


Wittstein prüfte das Verhalten dieses gefrorenen 
Oxyds dann weiter auf sein Verhalten zu Weinsäure und 
Citronensäure. Man brachte in drei Probecylinder gleiche 
Quantitäten breiigen amorphen Eisenoxydhydrats, setzte 
zwei derselben eine Nacht hindurch einer starken Frost- 
kälte aus, liess dann wieder aufthauen, warf in den der 
Frostkälte nicht ausgesetzt gewesenen (das amorphe Hydrat 
enthaltenden) Cylinder (No. 1.) ein Paar Krystalle Weinstein- 
säure, in den einen der gefrorenen Cylinder (No. 2.) eben so 
viel Weinsteinsäure, in den andern (No.3.) eben so viel Citro- 
nensäure, stellte die so vorgerichteten Cylinder in ein 
Zimmer, wo die Temperatur während des Versuchs von 
+ 10 bis 16°C. wechselte und schüttelte von Zeit zu Zeit 
um. In No.4. war schon nach } Stunde eine vollständige 
Lösung erfolgt; in No 2. dauerte der Act der Lösung 
6 Stunden und in No.3. fast 9 Stunden. Hieraus ist ersicht- 
lich, dass dieses gefrorene Oxydhydrat in organischen 
Säuren allerdings weniger löslich ıst, als das amorphe, 
doch nicht so schwer löslich, als das durch die Länge 
der Zeit krystallinisch gewordene. Der Grund hiervon 
liegt sehr wahrscheinlich darin, dass das letztere, wie 
Wittstein früher schon nachgewiesen hat, die Hälfte 
des ursprünglichen Wassergehaltes hat, während das ge- 
frorene noch den ganzen Wassergehalt hat. ( Wittstein’s 
Vierteljahrsschr. 2. Bd. 1853.) B. 


Einige Verbindungen der schwefligen Säure mit 
den Rupferoxyden. 


Die Existenz der einfachen Salze der schwefligen 
Säure mit Kupferoxydul und Kupferoxyd scheint zweifel- 
haft. Die Doppelsalze derselben Säure sind nach L. P&ean 
v. Saint-Gilles dreierlei Art. 

1) Schwefligsaure Kupferoxydul-Oxydsalze. Sie ent- 
stehen durch Behandeln der im Ueberschusse vorhandenen 
Kupferoxydsalze mit schwefliger Säure oder mit schwellig- 
sauren Alkalien. 

2) Schwelligsaure Kupferoxydul-Alkalien. Sie ent- 
stehen bei Behandlung von Kupferoxydulsalzen mit über- 
schüssigem schwelligsaurem Alkali. 

3) Intermediäre oder grüne Sulphite. Sie sind eigent- 
lich Doppelsalze von einem Kupferoxydoxydulsalze und 
einem schwefligsauren Kupferoxydulalkali. 

1) Schwefligsaure Kupferoxydul-Oxydsalze. 
— 4. Gelbgrünliches Sulphit (Cu?O02,SO?) + (CuO, SO?) 


16 Verbindungen der schwefl. Säure mit den Kupferoxyden. 


+ 5HO, entsteht, wenn man langsam einen Strom von 
schwefliger Säure in die Lösung von essigsaurem Kupfer- 
oxyd einleitet. Es scheidet sich dann als gelber flockiger 
Niederschlag ab, der durch Zusatz einer Säure verschwin- 
det. Es entsteht auch, wenn man ein Alkalisulphit mit 
einem Kupferoxydsalze mischt, es enthält dann aber stets 
etwas schwelfligsaures Alkali. 

 Unlöslich in Wasser, ohne Zersetzung in schwefliger 
Säure und Essigsäure, ferner in der Lösung von Kupfer- 
oxydsalzen löslich; diese letztere färbt sich dadurch sma- 
ragdgrün. Kali verwandelt es in ein grünliches Oxyd, 
dessen Farbe von dem Gemenge des blauen Kupferoxyds 
mit gelbem Oxydulhydrate herrührt. An der Luft unver- 
änderlich, in Ammoniak mit blauer Farbe löslich. Analyse: 

Cu 4342 43,31 
SO: 29,16 28,70 
HO 20,16. 

B. Rothes Sulphit (Cu?0,SO?)+ (CuO,SO?)+2HO. Alle 
Lösungen des vorigen Salzes setzen das rothe, von Che- 
vreul beschriebene, von Rammelsberg analysirte Salz 
ab. Es unterscheidet sich vom vorigen nur durch 3 Aegq. 
Wasser, hat aber ganz andere Eigenschaften. 

Die Mittel nämlich, welche das erstere Salz lösen, 
haben keine Wirkung auf das rothe Salz, und Kalı giebt 
damit keinen grünen, sondern einen braunen Niederschlag, 
indem das rothe Salz nicht blaues Kupferoxydhydrat, son- 
dern schwarzes Kupferoxyd fallen lässt, welches mit dem 
gelben Oxydulhydrate gemischt ist. 

Die Bildung der schwefligsauren Kupferoxydoxydul- 
salze kann auf folgende Weise erklärt werden. Sobald 
man ein schwelfligsaures Alkali mit einem Kupferoxydsalze 
zusammenbringt, so findet gleichzeitig Reduction und dop- 
pelter Austausch statt, so dass das gelbe Kupferoxydoxydul 
entstehen muss. 

Wendet man ein Haloidsalz des Kupferoxyds an, so 
findet auch eine Wechselzersetzung statt, welche durch 
ES lken des Kupferoxydulhaloidsalzes bedingt 
wird. 

Behandelt man dagegen ein Sauerstoffsalz, so findet 
keine Wechselzersetzung statt, weil keine einfachen Sauer- 
stoffsalze vom Kupferoxydul existiren. L.Peanv.Gilles 
konnte wenigstens auf nassem Wege keine erhalten, und 
die Reaction von salpetersaurem Silber, nach Berzelius 
Vorschlag angewandt, gab nur Kupferoxyd und einen Ab- 
satz von metallischem Silber. In Folge dessen existirt 
also das schwefligsaure Kupferoxydoxydul fort. Die Wir- 


Verbindungen der schwefl. Säure mit den Kupferoxyden. 1&7 


kung der freien schwefligen Säure geht nach dem Ber- 
ihellot'schen Gesetze der Massenwirkung vor sich, es bil- 
det sich eine ihrer Masse entsprechende Menge von gelbem 
schwefligsaurem Kupferoxydoxydul, das in dem Ueber- 
schusse der angewandten Säure gelöst bleibt. Durch 
Erhöhung der Temperatur entweicht dann dieser Ueber- 
schuss schwefliger Säure, und das Sulphit bleibt nun 
zuerst noch in der Lösung vom schwefelsauren Kupferoxyd 
gelöst, bildet eine smaragdgrüne Lösung, indem diese das 
Kupferoxyd löst und das Kupferoxyd spaltet, so dass sich 
Flittern von metallischem Kupfer auscheiden. 

2) Schwefligsaure Kupferoxydul-Alkalien. 
— Die Doppeisalze mit Natron und Kali sind leicht zer- 
setzbar und daher schwierig darzustellen. Die beiden 
folgenden Salze stellte der Verf. dar, indem er Kupfer- 
chlorür mit einem Ueberschusse von schwelligsaurem 
Ammoniak behandelte. 

Das Sulphit (A), (Cu?O, SO?) + (TNH:O, SO:) + 10HO 
(neues) krystallisirt in feinen Nadeln, die sich beim Erwär- 
men leicht in ihrer Mutterlauge lösen, beim Abkühlen setzt 
es sich von neuem in voluminösen Prismen ab. An feuch- 
ter Luft verwandelt es sich unter Ausdunsten von Ammo- 
niak und indem es Sauerstoff aufnimmt, in ein blaues Salz. 

Das Sulphit (B), (Cu?O, SO:) + (NH°O,SO?), von Ro- 
g0jski, entsteht, wenn man die Lösung des vorigen Sal- 
zes mit schwelliger Säure sättigt. Der Verf. überzeugte 
sich, dass dieses Salz noch Kupferoxydsalz enthält. 

3) Die intermediären Sulphbite. — Wenn man 
die schweflige Säure, bevor man die beiden concentrirten 
Lösungen von schwefligsaurem Ammoniak und schwefel- 
saurem Kupferoxyd mischt, mit schwefliger Säure sättigt, 
so bleibt das gebildete schwefligsaure Kupferoxydul in 
Lösung, die Flüssigkeit wird grün. Später setzen sich 
hellgrüne Krystalle ab, die sich in ihrer Mutterlauge nicht 
wieder lösen. Dieses Sulphit entsteht durch Verbindung 
von einem Molecule des gelben Sulphits mit dem Sulphite 
(B). Seine. Formel ist: 

Cu?0,50° + NH'O,SO: + Cu20,S0O: 
+ CuO,S0O? + 5HO. 

Der Verf. hat auch ein diesem isomorphes Kalisalz 
erhalten, doch ist es viel schwieriger darzustellen. (Compt. 
rend. T.36. — Chem.-pharm. Centrbl. 1853 No.48) B. 


148 \ Methode der Aschenanalyse. 


Methode der. Aschenanalyse. 


Die von G. C. Wittstein bei Analysen von Aschen 
befolgte Methode ist folgende: 


a) Wittstein trocknet die so viel als möglich zer- 
kleinerte Substanz bei 100° und verkohlt sie in einer 
flachen, dünnen, glasirten Porcellanschale. 

b) Die Kohle wird noch heiss in ein tarirtes Schälchen 
gebracht und gewogen. 

c) Man befeuchtet die kohlige Masse mit destillirtem 
Wasser, reibt sie mit Hülfe eines kleinen Pistills von Por- 
cellan oder Achat in dem Schälchen fein, setzt mehr 
Wasser hinzu, bringt Alles auf ein Filter, dem ein zweites 
gleich schweres (als Tara dienendes) seitwärts eingescho- 
ben ist, wäscht die Kohle so lange aus, bis einige Tropfen 
des Waschwassers, auf Platinblech verdampft, keinen 
Rückstand mehr hinterlassen, verdampft das Filtrat zur 
Trockne und stellt die trockne Masse bei Seite. 


d) Das Filter mit der ausgewaschenen Kohle breitet man 
auf einer Unterlage von mehrfach zusammengelegtem Druck- 
papier aus einander, trocknet es bei 100° und wägt es, 
ındem man das leere oder Tara-Filter zu den Gewichten 
lest. Was die Kohle jetzt weniger wiegt, als vor der 
Behandlung mit Wasser, besteht aus den durch das Was- 
ser weggeführten Verbindungen 


e) Man schüttet die ausgewaschene Kohle in einen 
tarirten Platintiegel, verbrennt über dem Tiegel denjenigen 
Theil des Filters, an welchem kohlige Theile hängen ge- 
blieben sind, lässt die Asche in den Tiegel fallen, und 
glühet den Tiegel, nachdem der Tiegel halb aufgelegt ist, 
so lange, bis keine schwarzen Pünctchen mehr in der 
Masse zu bemerken sind. Damit die Verbrennung der 
Kohle etwas rascher vor sich geht, rührt man von Zeit 
zu Zeit mit einem Platindraht vorsichtig um. Bei sehr 
stickstoffhaltigen Substanzen, z. B. Samen, deren Kohle 
meistens äusserst langsam verbrennt, kann man diesen 
Process beschleunigen, wenn man der Masse von Zeit zu 
Zeit, nachdem man sie jedesmal hat etwas abkühlen las- 
sen, einige Tropfen concentrirter Salpetersäure oder einige 
Körnchen salpetersaures Ammoniak zufügt. Nach vollen- 
deter Einäscherung wägt man den Tiegel noch warm. 
Addirt man zu dem Gewichte des Tiegelinhalts den Gewichts- 
verlust, welchen die kohlige Masse durch die Behandlung 
mit Wasser erlitten hat /d), so erhält man die Menge der 
Aschenbestandtheile der Substanz. 

Quantitative Bestimmung der einzelnen Aschenbestand- 


Methode der Aschenanalyse. 149 


theile.— Die Quantität der zu untersuchenden Asche braucht 
niemals mehr als 20 Gran zu betragen, kann aber auch 
bis zu 10 oder 8 Gran herabsinken. Hat man bedeutend 
mehr als 20 Gran erhalten, so wägt man 20 Gran davon 
ab. Dieses Abwägen geschieht auf die Weise, dass man 
von der durch Eindampfen erhaltenen Salzmasse /c) die- 
selben Bruchtheile nimmt, wie von dem eingeäscherten 
Antheile /e). Hätte man z.B. in ce gerade A0. Gran, in e 
aber 27,2 Gran bekommen, so müssten von jenen A0 Gran 
5,38, von diesen 2,72 Gran 14,62 Gran genommen werden, 
nach den Proportionen: 
372:20 = 10 : 5,38 
IE 2EL230 = 62 
20,00. 


4) Man bestimmt nun die Kohlensäure, indem man 
die abgewogene Asche in einem Kolben mit Salpetersäure 
übergiesst, und findet durch den Verlust die Kohlensäure 
unter Anwendung der bekannten Hülfsmittel, die zum 
Zurückhalten des Wasserdampfes dienen. 

2) Der Inhalt des Kolhens wird auf ein Filter gebracht; 
was auf dem Filter zurückgeblieben ist, wird ausgewaschen, 
getrocknet und hierauf mit Salzsäure digerirt. Die salz- 
saure Flüssigkeit seihet man durch dasselbe Filter, wäscht 
den Filterinhalt aus, trocknet ihn und hebt ihn einst- 
weilen auf. 

Das salpetersaure Filtrat fallt man mit salpetersaurem 
Silberoxyd, und aus dem Gewichte des erhaltenen Chlor- 
silbers, welches man auf einem gewogenen Filter gesam- 
melt und bei 400° getrocknet hat, berechnet man das 
Chlor. 100 Th. Chlorsilber enthalter 24,7% Th. Chlor. 

3) Die vom Chiorsilber abfiltrirte Flüssigkeit wird mit 
dem No. 2. erhaltenen salzsauren Filtrate vermischt und 
dadurch zugleich von dem überschüssig vorhandenen Sil- 
ber befreit, dann durch Chlorbaryum gefällt, der Nieder- 
schlag nach dem Waschen und Trocknen vom Filter 
genommen, dieses verbrannt, die dabei gebliebene Asche 
dem Niederschlage zugesetzt und letzterer geglüht. 100 Th. 
schwefelsaurer Baryt enthalten 34,35 Th. Schwefelsäure. 

4) Die vom schwefelsauren Baryt abfiltrirte Flüssigkeit 
wird durch Schwefelsäure (von der ein Ueberschuss zu 
vermeiden ist) vom überschüssig zugesetzten Baryt befreit, 
dann zur Trockne verdunstet, die trockne Masse mit ver- 
dünnter Salzsäure übergossen, die Flüssigkeit ziemlich weit 
verdunstet, wieder mit Wasser verdünnt und filtrirt. Der 
Filterinhalt wird mit dem in No. 2, erhaltenen Filterinhalte 


150 Methode der Aschenanalyse. 


vereinigt, beide Filter verbrannt, die Asche davon dem 
Uebrigen zugesetzt und gemeinschaftlich geglüht. Die 
geglühte Substanz giebt durch Wägen die ganze Menge 
der in der Asche vorhandenen Kieselsäure. Sieht die 
Kieselsäure vor dem Glühen grau oder gar schwarz aus, 
so enthält sie Kohle eingemengt; in diesem Falle erhitzt 
man sie in dem tarirten Platintiegel erst bis beinahe zum 
Glühen, wägt sie, glüht hierauf, bis sie ganz weiss gewor- 
den ist, wagt wieder und erfährt dadurch, wie viel die 
verbrannte Kohle betrug, Man hat dann diesen Antheil 
Kohle in dem Resultale der Analyse aufzuführen, oder 
besser, man zieht ihn von dem Gewichte der in Arbeit 
genommenen Asche ab; sind z.B. 20 Gran Asche aufgelöst, 
und beim Glühen der Kieselsäure 0,5 Gran Kohle verbrannt 
worden, so hatte man eigentlich nur 19,5 Asche vor sich. 

Will man wissen, ob und wie viel Kieselsäure im 
unlöslichen Zustande — als sog. Sand — vorhanden ist, 
so kocht man die geglühte und gewogene Kieselsäure mit 
einer Auflösung von 1 Th. kryst. Soda in 8 Th. Wasser 
eine halbe Stunde lang, ersetzt das verdunstete Wasser, 
filtrirt, sammelt das Ungelöste, wäscht, trocknet und glühet 
es. Sein Gewicht wird als Sand, der aufgelöste Antheil 
als Kieselsäure berechnet 

5) Die von der Kieselsäure abfiltrirte Flüssigkeit wird 
mit Ammoniak im Ueberschusse gefällt, die von dem 
dadurch entstandenen Niederschlage getrennte Flüssigkeit 
in einem verschlossenen Glase bei Seite gestellt (s. No. 10.), 
der gewaschene Niederschlag in verdünnter Salzsäure gelöst, 
und diese Lösung erst mit Ammoniak, dann mit Essigsäure 
übersättigt. Dabei scheiden sich phosphorsaures Eisen- 
oxyd = Fe?O° + PO° und phosphorsaure Alaunerde = 
Al?O: + PO> in Flocken ab, deren Gewicht durch Glü- 
hen bestimmt wird. Den geglühten Niederschlag löst man 
wieder in kochender Salzsäure, kocht die Solution mit 
Kalilauge, filtrirt vom Eisenoxyde ab, und übersättigt das 
kalinische Filtrat mit- Essigsäure. Es fällt phosphorsaure 
Alaunerde nieder, deren Gewicht man von dem Gesammt- 
gewichte der phosphorsauren Alaunerde und des phosphor- 
sauren Eisenoxyds abzieht, wodurch man die Menge des 
phosphorsauren Eisenoxyds erfahrt. 
100 Th. phosphors. Alaunerde enthalten 58,35 Th. Phosphor- 

säure, 
100 » » Eisenoxyd » 47,36 » Phosphor- 
säure. 

6) Die essigsaure Flüssigkeit, von welcher die phos- 

phorsaure Alaunerde und das phosphorsaure Eisenoxyd 


Meihode der Aschenanalyse. 154 


zusammen abgeschieden sind, wird zur Entfernung und 
Bestimmung der noch darin enthaltenen Phosphorsäure 
mit essigsaurem Bleioxyd gefällt, der Niederschlag in ver- 
dünnter Salpetersäure gelöst, aus der salpetersauren Lösung 
das Bleioxyd durch Schwefelsäure und Alkohol ausgefällt 
und aus dem Filtrate die Phosphorsäure durch schwefel- 
saure Talkerde und Ammoniak als phosphorsaure Ammo- 
niak - Talkerde abgeschieden. Letztgenanntes Doppelsalz 
verwandelt man durch Glühen in "phosphorsaure Talkerde, 
von der 400 Th. 64,28 Th. Phosphorsäure enthalten. 

Addirt man zu der in diesem Versuche erhaltenen 
Phosphorsäure denjenigen Antheil, welcher in No. 5. als 
phosphorsaures Eisenoxyd und phosphorsaure Alaunerde 
erhalten wurde, so erhält man als Summe die ganze Menge 
der in dem Ammoniak-Niederschlage (No. 5.) befindlichen 
Phosphorsäure. 

7) In die von dem phosphorsauren Bleioxyde getrennte 
Flüssigkeit leitet man Schwefelwasserstoff, um das über- 
schüssig zugesetzte Blei zu entfernen, filtrirt das Schwefel- 
bleiı ab, und versetzt das Filtrat mit Ammoniak im 
Ueberschusse. Der dadurch erzeugte Niederschlag von 
Schwefelmangan wird mit schwefelammoniumhaltigem Was- 
ser gewaschen, in Salzsäure aufgelöst, die Lösung mit 
Soda kochend gefällt, der Niederschlag durch Glühen in 
Manganoxyduloxyd verwandelt und dieses auf Manganoxyul 
berechnet. 400 Theile Manganoxyduloxyd entsprechen 
93,03 Th. Manganoxydul. 

8) Die von dem Schwefelmangan abfiltrirte Flüssigkeit 
wird mit oxalsaurem Ammoniak gefällt, der Niederschlag 
durch schwaches Glühen in kohlensauren Kalk verwandelt, 
und mit dem Gewichte des letzieren der Kalk berechnet. 
100 Th. kohlensaurer Kalk enthalten 50 Th. Kalk. 


9) Die von dem oxalsauren Kalke getrennte Flüssigkeit 
wird mit phosphorsaurem Natron versetzt, der dadurch 
erzeugte Niederschlag von phosphorsaurer Ammoniak-Talk- 
erde geglüht, wobei ®phosphorsaure Talkerde zurückbleibt, 
und aus dieser die Talkerde berechnet. 400 Th. ?phos- 
phorsaure Talkerde enthalten 35,72 Th. Talkerde. 

10) Es ist nun noch die Flüssigkeit zu untersuchen, 
welche in No. 5. von dem durch Ammoniak erzeugten 
Niederschlage abfiltrirt und einstweilen bei Seite gestellt 
war. Sie enthält, neben den Alkalien, entweder noch 
Phosphorsäure und dann keine anderen Basen mehr, wie 
z.B. bei Samenaschen, oder noch Kalk und Talkerde und 
dann keine Phosphorsäure mehr, wie z.B. bei Aschen und 


152 Methode der Aschenanalyse. 


Hölzern, Kräutern etc. Der weitere Gang der Analyse 
wird dadurch modificirt. 
a) Es ist noch Phosphorsäure vorhanden. 

41) Man fallt die ammoniakalische Flüssigkeit mit 
Chlorbaryum, und berechnet aus dem erzeugten und ge- 
glühten Niederschlage von phosphorsaurem Baryt = 5BaO 
+ 2PO> die Phosphorsäure. A400 Th. dieses phosphor- 
sauren Baryts enthalten 27,34 Th. Phosphorsäure. Der 
gefundenen Phosphorsäure addirt man die in No. 6. ermit- 
telte Phosphorsäure hinzu. 

Der erhaltene phosphorsaure Baryt muss auf einen 
möglichen Gehalt von schwefelsaurem Baryt geprüft wer- 
den, der alsdann vorhanden ist, wenn in No. 4. beim Aus- 
fällen des überschüssigen Baryts zu viel Schwefelsäure 
angewandt worden war. Man behandelt daher den ge- 
glühten und gewogenen phosphorsauren Baryt mit ver- 
dünnter Salpetersäure; löst er sich darin nicht vollständig 
auf, so bestimmt man das Gewicht des ungelöst geblie- 
benen Antheils (des schwefelsauren Baryts) und zieht 
dasselbe von dem Gesammtgewichte des Niederschlags ab. 

12) Die von dem phosphorsauren Baryt abfiltrirte 
Flüssigkeit befreit man mittelst kohlensauren Ammoniaks 
von dem überschüssig zugesetzien Baryt, verdunstet sie 
alsdann zur Trockne, glüht die Salzmasse gelinde und 
wägt den Rückstand. Diesen Rückstand löst man in höchst 
wenig Wasser, setzt Platinchlorid und hierauf Alkohol 
hinzu, sammelt den entstandenen Niederschlag von Kalium- 
platinchlorid auf einem gewogenen Filter, trocknet ihn 
bei 400° und bestimmt sein Gewicht. 400 Th. Kalium- 
platinchlorid enthalten 30,57 Th. Chlorkalium und entspre- 
chen 19,32 Th. Kali. 

13) Das im vorigen Versuche gefundene Chlorkalium 
zieht man von dem Gesammitgewichte des Chlorkaliums 
und Chlornatriums ab, und berechnet aus dem Reste, d.i. 
aus dem Chlornatrium, das Natron. 100 Th. Chlornatrium 
entsprechen 52,97 Th. Natron. 

b) Es ist keine Phosphorsäure mehr vorhanden. 

A) Man fällt aus der ammoniakalischen Flüssigkeit 
mit oxalsaurem Ammoniak den Kalk und addirt dazu den 
in No.8. erhaltenen Kalk. 

12) Die von dem oxalsauren Kalke abfıiltrirte Flüssig- 
keit wird mit phosphorsaurem Ammoniak versetzt und der 
dadurch erzeugte Niederschlag wie in No.9. behandelt. 

13) Die von der phosphorsauren Ammoniak-Talkerde 
getrennte Flüssigkeit wird zur Entfernung der überschüssig 
zugesetzten Phosphorsäure, so wie einer (von No. 4.) etwa 


Butylalkohol. 153 


vorhandenen geringen Menge Schwefelsäure mit Chlor- 
baryum versetzt, filtrirt, der überschüssig zugesetzte Baryt 
mittelst kohlensauren Ammoniaks entfernt, im Uebrigen 
ganz so verfahren, wie oben a) No.12. und 13, angegeben 
ist. (Vierteljahrschr. für prakt. Pharm. 2. Bd.) B. 


— ke — 


Ueber den Butylalkohol 


hat A. Wurtz Versuche angestellt. — Es ist bekannt, 
dass Kartoffelfuselöl bei einer bedeutend unter 1300 lie- 
genden Temperatur ins Sieden kommt. Wenn das Ther- 
mometer 4300 zeigt, ist bei der Destillation schon ein 
beträchtlicher Theil übergegangen. Das Destillat bildet 
gewöhnlich zwei Schichten, eine untere wässerige und 
eine obere, welche unabhängig von einer gewissen Menge 
mitübergegangenen Amylalkohols gewöhnlichen Alkohol 
und, wie sich Wurtz auch überzeugt hat, Butyl enthält. 
Diese Alkohole besitzen verschiedene Siedepuncte und 
man kann sie durch fractionirte Destillation trennen. Um 
diese langwierigen Operationen abzukürzen, bedient sich 
Wurtz eines kleinen Kugelapparats, welchen er über dem 
Kolben, in dem die Destillation geschieht, angebracht hat 
und welcher die Dämpfe der am wenigsten flüchtigen 
Flüssigkeiten sich condensiren und in den Kolben zurück- 
fliessen lässt. Bei dieser Destillation bemerkt man, dass 
das Thermometer sich längere Zeit zwischen 108 und 1180 
stationär erhält. Die Flüssigkeit, welche zwischen diesen 
Temperaturgrenzen überdestillirte, wurde für sich aufge- 
fangen und zur Befreiung von den etwa beigemischten 
zusammengesetzten Aetherarten A8 Stunden lang mit Aetz- 
kalı sieden gelassen. Das bei 1120 übergehende Destillat, 
Butylalkohol, zusammengesetzt nach der Formel C®H!vO:, 
ist eine farblose, das Licht stark brechende Flüssigkeit, 
specifisch leichter als Wasser, von Geruch des Amylalko- 
hols, doch weniger unangenehm und mehr weıinartig. 
Schmelzendes Aetzkali verwandelt ihn in Buttersäure unter 
Entwickelung von Sauerstoff. Phosphorchlorid verwandelt 
ihn in Butylchlorwasserstoffäther. (Annal. der Chem. und 
Pharm. 85, 2.) 


Arch. d. Pharm. CXXVII. Bds. 2. Hit. A 


15%  Bestandtheile des Commisbrodes und der Kleie. 


Bestandtheile des Commisbrodes und der Rleie. 


Poggiale hat auf Veranlassung der Kriegsverwal- 
tung das Commisbrod der französischen, belgischen, nie- 
derländischen, badischen, preussischen, frankfurter, baie- 
rischen, würtembergischen, spanischen, piemontesischen 
und österreichischen Truppen untersucht. 


Das Maximum an Kleber = 8,95 Proc. findet sich im 
französischen Brode, welches für das beste erklärt wird; 
alle übrigen Brodarten enthielten weniger; das Minimum 
— 4,85 hatte das preussische Brod. 


Die Kleie ist von Poggiale ebenfalls auf ihren Nah- 
rungswerth untersucht worden, er hat die darin enthal- 
tenen Mengen stickstoffhaltiger Materie, Stärke etc. be- 
stimmt. 


Die Stärke wurde durch Diastase löslich gemacht 
und entfernt, sie bestand dann nur noch aus Zellen, 
weissen und mehr oder weniger braunen, und enthielt 
eine reichliche Menge Fett. Die so von aller Stärke be- 
freite Kleie mit Salzsäure behandelt, lieferte 19,563 Trau- 
benzucker, der nur, wie Poggiale meint, aus Cellulose 
entstanden sein kann. 

Die Kleie, die man zwei Hunde hatte fressen lassen, 
gab, nachdem sie durch den Verdauungsapparat gegangen 
war, an mit Salzsäure angesäuertes Wasser, womit die 
Masse einige Minuten lang gekocht war, 40,501 ihres 
Gewichtes ab und lieferte 21,358 Traubenzucker. Als der 
Rückstand dann mit verdünnter Kalilauge behandelt war, 
verminderte sich das Gewicht auf 37,552 Proc Demnach 
würde die nicht verdauete Kleie noch 80 Proc. Nahrungs- 
stoff enthalten. 


Durch Behandlung von noch 10 Grm. Kleie, nachdem 
dieselbe durch den Verdauungsapparat der beiden Hunde 
gegangen war, mit concentrirter Schwefelsäure, wurden 
4,15 Traubenzucker erhalten. Dieselbe Menge reiner 
Cellulose gab 4,17 Traubenzucker; 56 Grm. getrockneter 
Kleie, die durch Diastase von Stärke befreit waren, ver- 
loren in der Verdauung nur 13 Grm. an Fett und stick- 
stoffhaltiger Materie. Auch wurde die Beobachtung ge- 
macht, dass die Thiere, die nur mit Kleie ernährt wur- 
den, alle bedeutend an Gewicht verloren. 

Zusammensetzung der Kleie: 


VEISSertn 080 fa. 00er re UT MEN AL SCREEN TREE 12,669 
ICE EN ER ee N he Rn SIE er 1,909 
Lösliche stickstofffreie Materie, Dextrin oder ähnl. Materie. 7,709 


Lösliche stickstoffhaltige Materie (Albumin) ....... 5,615 


Extraetbereitung und Bestimmung der Extractmengen. A55 


Unlösliche stickstoffhaltige Materie assimilirbare ... ».. 3,867 


nicht assimilirbare . 3,516 
in. ne 3 pt 2,877 
Stärke ea En on, ha Ban ns age 21,692 
BERKER .. mahe 34,575 
A 1 . !. 5,514 


99,943. 
(Compt rend. T. 37. — Chem.-pharm. Centrbl. 1853. No.39.) 
B. 


Ueber Extractbereitung und Bestimmung der 
Extractmengen. 


Binder hat Versuche angestellt. den Extractgehalt 
wässeriger Auszüge von Vegetabilien bei constanter Con- 
centration aus dem spec. Gewichte bestimmbar zu machen. 
Indem er für diesen Zweck durch Digeriren, Infundiren und 
Kochen Auszüge bereitete, fand er die Erfahrung älterer 
Pharmaceuten, dass man durch wiederholtes Auskochen 
mehr Extract von Vegetabilien erhält, als durch Infun- 
diren, nur bestätigt. Es muss daher das spec. Gewicht 
der Auszüge desto beträchtlicher sein, je vollkommener 
die Extraction gelungen, und bei einer und der anderen 
Substanz in dem Maasse mehr betragen, als dieselbe der 
Erfahrung nach mehr Extract liefert, als eine andere, 
Man wird daher auch finden, dass die Aufgüsse ein gerin- 
geres spec. Gewicht haben, als die Absude, und diese, 
wenn sıe nur mit der zehnfachen Menge Wassers bis auf 
eine bestimmte Menge gekocht wurden. ein geringeres 
spec. Gewicht zeigen, als wenn solche mit der 20fachen 
Menge Wassers eben so weit eingekocht. waren, als die 
vorigen. Dieses gilt im Allgemeinen von den Extracten. 


Setzt man nun zwischen der Menge der zu extra- 
hirenden Substanz und der Menge des reinen Auszuges, 
gleichviel ob Infusum oder Decoctum, ein bestimmtes Ver- 
hältniss fest, welches Binder 1:5 setzt, und prüft den 
Auszug auf sein spes. Gewicht (bei + 140 R.), so zeigen 
die beiden letzten Ziffern der Decimalzahl, die das spec. 
Gewicht der Flüssigkeit ausdrückt, zugleich die Procente 
oder Hunderttheile an, welche man von 100 Gewiehts- 
theilen derselben Substanz, von welcher der Auszug be- 
reitet worden, an fertigem Extract von gehöriger Consi- 
stenz erwarten kann, z.B. wenn der Aufguss irgend einer 
vegetabilischen Substanz nach dem oben angegebenen 
Verhältnisse bereitet, ein spec Gewicht = 1,015 zeigt, 
der Absud aber — 1,022, so geben 100 Pfd. dieser Sub- 


11* 


156 Extractbereitung und Bestimmung der Extracimengen. 


stanz durch Infusion 45 Pfd., durch Decoction aber 22 Pfd. 
fertiges Extract. So findet man denn das spec. Gewicht 


nachstehender Auszüge folgendermaassen verschieden: 


Infusum. Decoctum, einfach. Decoctum, doppelt. 
Absynthii — 1,020 Absynthii —1,025 Absynthi ==1,030 
Acori —=1,015 Acori —=1,022 Acori 41,025 
Centaurii — 1,015 Centaurii —1,018 Centaurii = 1,022 
Chamomill. =1,018 Chamomill. = 1,025 _ _ 
Chinae fusc. —=1,010 Chinae fusc. —= 1,018 Chinae fusc. — 1,022 

reg.) 221,012 — reg. =1,020 neo, == 1,025 
Dulcamarae ==1,005 Dulcamarae =1,015 Dulcamarae = 1,020 
Gentianae — 1,020 Gentianae —1,023 Gentianae — 1,040 
Graminis —= 1,015 Graminis == 1,020 Graminis =. 1:022 
Guajacilign. — 1,003 Guajaei —1,005 Guajaci = 1,006 
Millefol.,hb.fl.— 1,018 Millefolii —=1,020 Millefolii —=1,023 
Quassiae, lig. —= 1,002 Quassiae —41,005 Quassiae —=14,008 
Rheichin. == 1,056 'Rhei chin. = 1,040 _ er 
Tarax. r. sicc. =1,015 Taraxaei —41,025% Taraxaecı — 1,030 
Trifol. fiir. =1,030 Trifolii — 1,032 = e 
Valerianae —14,015 Valerianne ==1,020 Valerianae = 1,022. 


Bei den Extracten, welche aus dem frisch gepressten 
Safte der Wurzeln und Kräuter bereitet werden, ist die 
obige Methode, die Ergiebigkeit an Extract durch das 
spec. Gewicht des frisch gepressten zu bestimmen, zur 
Zeit noch nicht anzuwenden. 

Binder hält es nun von Vortheil für die Praxis, bei 
der Exıractbereitung von vorn herein angeben zu können, 
wie viel Extract ein wässeriger Auszug liefert, und sucht 
dieses durch Bestimmung der Gewichtsmenge eines zu 
prüfenden Auszuges und des spec. Gewichts zu erreichen. 
Wenn man nämlich die Auszüge verschiedener vegetabi- 
lischer Substanzen, ohne Rücksicht auf die Art und Pro- 
portion, nach welcher solche bereitet worden, nach dem 
Absetzen bei + 190 R. auf ihr spec. Gewicht prüft und 
die Menge genau abwägt, beides notirt, und diese Mani- 
pulation während des Abdampfens mehrmals, d.h. in ver- 
schiedenen Zeiträumen wiederholt, so erhält man Zahlen, 
die im Vergleiche mit der Gewichtsmenge des fertigen 
Extractes die Materialien zur Construction einer Tabelle 
abgeben, deren Zahlenreihen dann, wenn sie durch die 
Resultate absichtlich bereiteter Auflösungen der Extracte 
in Wasser von 5 zu 5 Proc, und wiederholte Prüfung 
des spec. Gewichtes controlirt und ergänzt worden sind, 
in der Praxis äusserst bequem und zur Vorausbestimmung 
der Extractausbeute eines Quantums von Extractflüssigkeit 
unentbehrlich sind. Binder hat eine solche Tabelle 
berechnet. /Viertelj. Sch. f. pr. Pharm. Bd.2. — Chem.- 
pharm. Centrbl. 1853. No. 36.) B. 


Chem. Ausmittelung organ. Alkaloide in Vergiftungsfällen. 157 


Das abyssinische Heetoo, 


Heetoo ist der Name einer Rinde, welche die Abyssi- 
nier zur Bereitung ihres Meths verwenden. Der Baum 
wird nach Vaughan 12— 16 Fuss hoch, der Stamm ist 
aussergewöhnlich dick. Die Blumen gleichen den Lotos- 
blumen, und die Samen sind denen der Baumwollenpflanze 
nicht unähnlich. Zur Bereitung des Meths wird die Rinde, 
welche bitter tonisch schmeckt, zunächst eine Zeitlang in 
Wasser geweicht, hierauf mit Honig versetzt und die Gäh- 
rung eingeleitet. Nach vier oder fünf Tagen ist das Ge- 
tränk fertig: es ist erfrischend und wirkt, mässig genos- 
sen, aufheiternd, im Uebermaass dagegen giftig. 

Nach Hanbury ist Vaughan’s Äeetoo identisch mit 
Salt's /Voyage to Abyssinia, London 1211) Sadoo oder 
Suddoo, ferner mit Isenberg's (Abyssinien und die evan- 
gelische Mission, Bonn 1844) Ts’ado, mit Richard’'s Staddo 
oder Thaddo, und dem in Mussowah sog. Tatooddoo. 
Diese Namen gelten in gleicher Weise für Rinde, Wurzel 
und Frucht desselben Baums, des Ahamnus ınebrians, 
R. Brown, oder Rhamnus Staddo, Rıchard. 

Verschieden vom ZHeetoo ıst dagegen das Keesho, 
Isenberg’s Gescho oder Harris’ Gesho (Highlands of 
Aethiopia, London 1844). Unter diesem Namen werden die 
Blätter eines anderen abyssinischen Baumes gleichfalls zur 
Methbereitung verwendet. Der botanische Name des Baumes 
ist bis jetzt noch unbekannt. (Pharm. Journ. and Transact. 
June 1553.) A.,0! 


Chemische Ausmittelung organischer Alkaloide in 


Vergiftungsfällen. 


Prof. Ehrmann hat in der österreichischen Zeit- 
schrift für Pharmacie No. 20, 1853. eine zweckmässige 
Zusammenstellung gegeben über dieses schwierige Capitel 
der Toxikologie mit Zugrundelegung der Arbeiten von 
Stass /im Journ. de Pharm. et de Chim. Octbr. 1852.), 
welche für unsere Leser von Interesse sein wird. 

Die Ausmittelung organischer Gifte wird stets eine 
schwierige Aufgabe bleiben, doch ist sie nicht unmöglich. 
Wo dieselbe irgend ausführbar ist, können die nachste- 
henden Angaben einen guten Anhalt geben. 

Die Versuche von Stass haben sich erstreckt über 
die Anwesenheit von Aconitin, Anilin, Atropin, Brucin, 
Codein, Colchicin, Coniin, Delphinin, Emetin, Hyoscyamin, 
Morphin, Narcotin, Nicotin, Picolin, Petinin, Solanın, Strych- 
nın und Veratrin 


158 Chem. Ausmittelung organ. Alkaloide in Vergiftungsfällen. 


Im Allgemeinen ist zu bemerken, dass die Alkaloide 
die Eigenschaft besitzen, mit einem Ueberschuss an Säure, 
in Wasser und Alkohol lösliche Salze zu bilden, welche 
durch fixe Alkalien zersetzt werden, so dass die frei 
gewordene Base momentan oder bleibend in der vorhan- 
denen Flüssigkeit aufgelöst bleibt, ferner dass die festen und 
nicht flüchtigen Alkaloide, wenn sie im freien und im auf- 
gelösten Zustande in einer Flüssigkeit vorhanden sind, 
daraus vom Aether, wenn derselbe in hinreichender Menge 
vorhanden angewandt wird, aufgenommen werden, dem- 
nach das Verfahren, die Alkaloide in den verdächtigen 
Substanzen nachzuweisen, in der Hauptsache mit jenem 
übereinstimmt, welches man in der Regel anwendet, um 
sie aus Vegetabilien, in welchen sie enthalten sind, zu 
isoliren.; der Unterschied besteht hauptsächlich darin, durch 
geeignete Mittel die Substanzen, denen sie beigemengt 
worden, in geeigneter Weise abzusondern, jene durch ein 
Alkali frei zu machen und ein Lösungsmittel, worin sie 
am leichtesten löslich sind, anzuwenden. 

Die Anwendung von Wasser und Weingeist von ver- 
schiedener Stärke, je nach der Beschaffenheit der zu 
behandelnden Substanz, entspricht in den meisten Fällen, 
um die fremden Substanzen abzuscheiden und das Alka- 
loid in ein kleineres Volum zu concentriren, wo sodann 
doppelt kohlensaures Kalı oder Natron, oder nach Umstän- 
den die beiden Alkalien in ätzendem Zustande angewen- 
det, jenes frei macht, welches in die Auflösung übergeht, 
besonders wenn dieses an überschüssige Wein- oder Oxal- 
säure gebunden war. 

Die sonst in Anwendung gebrachte Methode zur Ab- 
scheidung extractiver und dergleichen Substanzen, basisch 
essigsaures Blei anzuwenden, entspricht dem Zwecke nicht; 
denn manche Stoffe werden selbst durch einen bedeuten- 
den Ueberschuss dieses Fällungsmittels nicht entfärbt; 
dann hängt der Schwefelwasserstoff, welcher zur Abschei- 
dung des Bleis angewandt wird, manchen organischen 
Stoffen hartnäckig an, welche sodann bei Einwirkung der 
Luft oder gelinder Wärme sich leicht verändern. Aber 
die Anwendung des Bleisalzes hat noch den Nachtheil, 
dass man in die zu prüfende Substanz Metall bringt, wo- 
durch weitere Reactionen auf metallische Stoffe unmög- 
lich werden. 

Auch die Anwendung der thierischen Kohle als Ent- 
färbungsmittel hat man möglichst zu vermeiden, weil sie 
nähere Bestandtheile organischer Stoffe aufnimmt und 
abscheidet, so dass, wenn das Alkaloid in geringer Menge 


Chem. Ausmittelung organ. Alkaloide in Vergiftungsfällen. 159 


vorhanden war, man in dem Filtrate nichts mehr findet 
und das Alkaloid nur erst durch Behandlung der Kohle 
mit heissem Alkohol wieder erhalten werden kann. 

. Ist nun in dem Inhalte des Magens oder der Gedärme 
die Anwesenheit eines giftigen Alkaloids auszumitteln, so 
verwandelt man den Inhalt in einen möglichst gleichför- 
migen feinen Brei, bringt diesen in einen Kolben, über- 
giesst mit dem doppelten Gewichte möglichst wasserfreien 
Alkohols, schüttelt fleissig um, setzt 8—27 Grm. fein- 
gepulverte Weinsteinsäure zu, stellt das Gemenge einige 
Zeit in eine Temperatur von 50— 60°R,, filtrirt nach dem 
Erkalten, wäscht das Filtrum mit Alkohol aus, so lange 
derselbe noch etwas aufnimmt. Sämmtliche geistige Aus- 
züge verdampft man im luftleeren Raume oder doch bei 
einer 360 R. nicht übersteigenden Wärme. 

» Scheidet sich während des Verdampfens Fett oder 
ein anderer unlöslicher Körper ab, so bringt man die rück- 
bleibende Flüssigkeit auf ein kleines Filter von weissem 
feinem Papier, nachdem dieses vorher mit destillirtem 
Wasser genässt ist, und dampft endlich das Filtrat ım 
luftleeren Raume oder unter einer Glasglocke neben Schwe- 
felsäure ab. Der saure Rückstand wird in möglichst we- 
nig destillirtem Wasser gelöst, die Lösung in ein Fläschchen 
gebracht und mit doppelt kohlensaurem Kali oder Natron 
versetzt, bis die freie Säure gesättigt ist, das Ganze mit 
dem vier- bis fünffachen Volum reinen Aethers versetzt, 
umgeschüttet und sich selbst überlassen, dann etwas des 
ätherischen Auszuges auf einem Uhrglase der freiwilligen 
Verdunstung überlassen, um zu ermitteln, ob das vom Aether 
aufgenommene Alkaloid fix und fest oder flüssig und flüchtig 
ist, wonach die weitere Behandlung also geschehen soll: 


A. Verfahren, um die Anwesenheit eines flüs- 
sigen und flüchtigen Alkaloıds nachzuweisen. 


Ist ein solches vorhanden, so bemerkt man, dass 
während des Verdunstens des Aethers sich an der inne- 
ren Wand des Uhrglases schwache ölige Streifen bilden, 
welche sich langsam nach dem Boden desselben begeben; 
in diesem Falle giebt auch der Inhalt der Schale einen 
mehr oder minder unangenehmen Geruch von sich, der 
je nach der Natur des Alkaloids in mehr oder minderem 
Grade reizend oder stechend ist, aber auch zum Theil 
durch gleichzeitige Anwesenheit von thierischen Stoffen 
maskirt sein kann. Ist nun Grund vorhanden, die Anwe- 
senheit eines flüchtigen Alkaloids anzunehmen, so giesst 
man zu dem Inhalt des Fläschchens 3— % Drachmen star- 


160 Chem. Ausmiitelung organ. Alkaloide in Vergiftungsfällen. 


ker Kali- oder Natronlauge, schüttelt gut um, lässt absetzen, 
sondert die obere Schicht durch einen Scheidetrichter ab, 
schüttelt die untere Flüssigkeit noch drei- oder viermal 
mit Aether, um sie möglichst vollständig zu extrahiren, 
vereinigt sämmtliche ätherische Auszüge in einem Fläsch- 
chen, versetzt diese mit reiner verdünnter Schwefelsäure, 
schüttelt gut durch, sondert die sich abscheidende äthe- 
rische Schicht ab und behandelt die saure Flüssigkeit 
aufs neue mit Aether. Durch dieses Verfahren werden 
die flüchtigen Alkaloide als Nicotin, Anilin, Chinolein, Pico- 
lin und Petinin, nebst dem etwa vorhandenen Ammoniak 
in schwefelsaure Salze verwandelt, welche mit Ausnahme 
des schwefelsauren Coniins in Aether unlöslich sind, auf 
ein kleines Volum concentrirt, welche sich ım sauren 
Wasser finden, wogegen vom Aether die thierischen Stoffe 
aufgenommen und so entfernt werden, daher in der äthe- 
rischen Flüssigkeit nur diese nebst einem Antheil schwe- 
felsauren Coniins enthalten ist und nach dem freiwilligen 
Verdunsten einen gelb gefärbten Rückstand von widrig 
thierischem Geruch liefert neben dem der Geruch nach 
Schierling auftritt, wenn Coniin vorhanden war. — Um 
aus der sauren schwefelsauren Auflösung das Alkaloid 
wieder zu isoliren, setzt man derselben ın merklichem 
Ueberschusse eine concentrirte Aetzkali- oder Natronlauge 
zu, schüttelt, zieht das freigewordene Alkaloid wieder- 
holt mit Aether aus und überlässt die ätherische Lösung 
bei möglichst niedriger Temperatur der freiwilligen Ver- 
dunstung, wobei das Ammoniak fortgeht, dessen letzten 
Rest man durch Behandlung unter der Glocke neben 
Schwefelsäure entfernt, wobei das etwa vorhandene Alka- 
loid zurückbleibt und an seinen Eigenschaften näher be- 
stimmt werden kann. 

‚Soll ein Alkaloid in einem organischen Gewebe, wie 
Leber, Herz, Lungen, so wie im Blute nachgewiesen wer- 
den, ‘so müssen die festeren Organe so viel als möglich 
zerkleinert, die Masse mit reinem und sehr starkem Alko- 
hol benetzt, ausgepresst und diese Operation wiederholt 
werden, um alles Lösliche auszuziehen, worauf man wei- 
ter nach der angegebenen Weise verfährt. 

Es ist Stass gelungen, im Blute des Herzens eines 
‚durch Einspritzen von Nicotin in den Rachen vergiftelen 
Hundes dieses Gift nachzuweisen, insbesondere das Nico- 
tin-Platinchlorid in Form dunkelgelber vierseitiger rhom- 
bischer Prismen krystallisirt darzustellen. Auch in einer 
sehr alten Tinctur von Conium maculatum konnte Coniin 
nachgewiesen werden. 


Chem. Ausmittelung organ. Alkaloide in Vergiftungsfällen. 164 


B. Verfahren zur Ermittelung eines festen 
und fixen Alkaloids. 


Beim Abdunsten des Aethers, mit welchem man die 
mit doppelt kohlensaurem Alkali versetzte weinsaure Flüs- 
sigkeit behandelt hat, bleibt ein alkaloidischer Rückstand 
oder nicht. Im letzten Falle versetzt man die Flüssigkeit 
mit Kali- oder Natronlauge, schüttelt sie anhaltend mit 
Aether, wodurch das freigewordene in der alkalischen 
Lauge vorhandene Alkaloid ausgezogen wird und nach 
dem Abdampfen des Lösungsmittels in Form eines unge- 
färbten, meist milchigen Fluidums, worin nicht selten feste 
Theile schwebend sich befinden, zurückbleibt, deren Ge- 
ruch in der Regel unangenehm thierisch, aber nicht stechend 
ist, und rothes Lackmuspapier bläuet; dasselbe ist der 
Fall, wenn das Alkaloid durch doppelt kohlensaures Kali 
freigeworden und die ätherische Solution dem freiwilligen 
Verdunsten überlassen wird. 

Im Falle nun auf die eine oder andere Weise ein 
festes Alkaloid gefunden ist, bleibt noch die Reindarstel- 
lung übrig. Zu diesem Zwecke bringt man in die Schale 
einige Tropfen sehr verdünnter Schwefelsäure, mischt 
diese durch Bewegen der Schale so viel als möglich mit 
dem Inhalte; meistens ergiebt sich, dass das saure Was- 
ser die Wand des Gefässes nicht benetzt und sich zwei 
Schichten bilden, von welchen die eine eine fettige Substanz 
enthält, die andere eine Lösung des gebildeten sauren 
schwefelsauren Alkaloids ist. 

Die wässerige Flüssigkeit, welche bei gut durch- 
geführter Operation farblos ist, wird klar abgesondert, 
die Schale mit einem Tropfen schwefelsauren Wassers 
ausgewaschen, das man dann zu ersterer hinzusetzt und 
in die gereinigte Schale unter die Glocke neben Schwe- 
felsäure bringt, worunter man sie so lange lässt. bis unge- 
fähr noch t vom Volum der Flüssigkeit im Rückstande 
sich befindet, welchen man zur endlichen Reindarstellung 
des Alkaloids mit einer saturirten Lösung des kohlen- 
sauren Kali in merklichem Ueberschusse versetzt, sodann 
mit passender Menge absoluten Alkohols behandelt, wel- 
cher das Alkaloid aufnimmt, das gebildete schwefelsaure 
und das überschüssige kohlensaure Kali ungelöst lässt; 
aus der so erhaltenen Lösung krystallisirt durch freiwilliges 
Abdunsten des Alkohols das Alkaloid. b. 


162 Bernsteinflora und Bernstein. 


Bernsteinflora und Bernstein, 


Ueber die im Bernstein enthaltenen vegetabilischen 
Reste und den Bernstein hat Professor Dr. Goeppert 
eine vortreffliche Untersuchung geliefert, die durch Alex. 
v. Humboldt dem 6ten diesjährigen Berichte der Königl. 
Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin übergeben 
wurde. Die Resultate der Untersuchung sind von grossem 
Interesse. 

Die Untersuchung hat ergeben, dass die ganze Bern- 
steinflora aus 2% Familien, 6% Gattungen und 462 Arten 
besteht. i 

Nach Goeppert unterliegt es nun keinem Zweifel 
mehr, dass 

1) eine nicht geringe Zahl von Pflanzen der Tertiär- 
formation, insbesondere Zellenpflanzen, sich durch die 
Diluvialformation hindurch erhalten haben, und in die 
Jetztwelt übergegangen sind. Die Pflanzen schliessen sich 
also in dieser wie ın vielen anderen Hinsichten den Thie- 
ren an, von denen Gleiches schon früher nachgewiesen 
wurde. 

2) Die Art und Weise der Zusammensetzung dieser 
Flora, wie die völlige Abwesenheit einer tropischen, ja 
selbst subtropischen Form spricht für das junge Alter der 
Bernsteinformation. die wir unbedingt zu den jüngsten 
Schichten der Tertiärgebilde, zur Pliocen - Abtheilung rech- 
nen müssen. Vorherrschend können wir sie als eine 
Waldflora bezeichnen, ohne jedoch damit behaupten zu 
wollen, dass in jener Zeit nicht auch noch viele andere 
Pflanzen existirt hätten; jedoch der Bernstein als Product 
von gesellig bei einander wachsenden, also waldbildenden 
Bäumen, konnte, wie begreiflich, keine anderen, als eben 
in der Nähe des Waldes befindliche Pflanzen und deren 
Theile einschliessen. 

3) Die Zellen-Kryptogamen der Bernsteinflora lassen 
auf eine grosse Aehnlichkeit mit unserer gegenwärtigen 
Flora schliessen, die sich bedeutender herausstellen würde, 
wenn nicht die uns fast gänzlich fehlenden Cupressineen 
und ebenso die äusserst zahlreichen Abietineen und Eri- 
ceen ihr ein fremdartiges Gepräge verliehen. Dies erin- 
nert ganz und gar, wie insbesondere die von Goeppert 
mit Bestimmtheit erkannten Thuja occidentalıs, Sedum ter- 
natum, Andromeda hypnoides und ericoides zeigen, an die 
heutige Flor des nördlichen ‚Theiles der vereinigten Staa- 
ten, ja hinsichtlich der letzteren beiden Pflanzen sogar 
an die hochnordische Flora überhaupt; denn Andromeda 


Bernsteinflora und Bernstein. 163 


hypnoides wächst nicht bloss in den hochnordischen west- 
lichen Gebirgen Amerikas, sondern auch auf Labrador, 
Grönland und Island, ja auch in Lappland, Norwegen, 
Sibirien, umkreist ‘also fast den Polarkreis, und Andromeda 
ericoides gehört sogar den Alpen und den Ufern des Eis- 
meeres in Sibirien und Kamtschatka allein an. Anderer- 
seits erscheint auch wieder das Vorkommen des Liboce- 
drites salicornioides sehr merkwürdig, indem der lebende, 
mit ihr fast ganz übereinstimmende Zibocedrus chilensis 
auf den Anden des südlichen Theiles von Chili zu Hause 
ist. Diese Art, wie der Taxodites europaeus Endl. sind 
übrigens die beiden einzigen Arten, die diese Flora mit 
der Tertiärflora anderer Gegenden gemeinschaftlich besitzt. 

4) In der lebenden Flor jener hochnordischen Län- 
der finden wir jedoch die Cupressineen und Abietineen 
nicht so zahlreich vertreten, wie in der Bernsteinflora. 
Der nördliche Theil der vereinigten Staaten zählt zwar 
wohl 13 Abietineen, deren Analoga sich auch zum Theil 
in der Bernsteinflora finden, jedoch nur 5 Cupressineen. 
Die Bernsteinflora enthält dagegen 31 Abietineen und 
20 Cupressineen. Der bei weitem grösste Theil ist also 
dort jetzt nicht vorhanden, am wenigsten so zahlreiche 
Arten, wie die Bernsteinbäume, die in dieser Hinsicht, 
nämlich rücksichtlich des Harzreichthums, nur mit der 
neuseeländischen Dammara australis "sich vergleichen las- 
sen, deren Zweige und Aeste von weissen Harztropfen so 
starren, dasssie wie mit Eiszapfen bedeckt erscheinen. Unter 
den Cupressineen finden wir sogar zwei, die Zibocedrites- 
Arten, die ihre Analoga nur in der gemässigten Zone des 
südlichen Amerikas aufzuweisen haben. Wenn wir beden- 
ken, welch unermessliches Areal jene gesellig wachsenden 
Pflanzen heute noch in den nordischen Gegenden einneh- 
men (Abies alba und nigra erfüllen vorherrschend, ver- 
mischt mit der weniger häufigen Abies balsamea, den 
nordöstlichen Theil von Amerika, einen Raum von 50,000 
Quadratmeilen, während Adies sibirica Ledeb.; Larix 
davurica Turcez.; L. sibirica Fischer; Abies ovata Loud.; 
Pinus Cemöra L. auf einem Raume von mindestens 
200,000 Quadratmeilen die ungeheuren Wälder Sibiriens 
bilden), so können wir, da die Vegetationsverhältnisse und 
Gesetze von jeher dieselben waren, hieraus wohl mit 
Recht schliessen, dass auch die Bernsteinflora auf einem 
viel ausgedehnteren Raume verbreitet war, als man ge- 
wöhnlich anzunehmen geneigt ist, ja sich vielleicht auf 
sämmtliche arktische Länder der Erde erstreckte. Auch 
spricht dafür schon ganz ungezwungen die grosse Aus- 


16% Bernsteinflora und Bernstein. 


dehnung des Vorkommens von Bernstein, und zwar unter 
gleichen Verhältnissen zerstreut, in den jüngeren Diluvial- 
schichten Nordamerikas, wie von Holland, quer durch 
Deutschland, Russland, Sibirien, bis nach Kamtschatka hin. 

5) Aus der so eben beschriebenen Art der Zusam- 
mensetzung der bis jetzt ermittelten Bernsteinflora, welche 
also der Vegetation nördlicher Gegenden so ähnlich er- 
scheint, lässt sich einigermaassen durch Vergleichung mit 
einer umfangreichen Flora der Gegenwart, wie etwa mit 
der Flora von Deutschland, ahnen, welche Menge von 
Arten glückliche Funde noch zu ermitteln vermöchten. 

Die im Bernsteine enthaltenen Kryptogamen gehören 
sämmtlich zu Arten, oder sind solchen Arten analog, 
welche bei uns namentlich in Wäldern noch häufig ange- 
troffen werden. Es ist also kein Grund vorhanden, nicht 
auch die Anwesenheit der selteneren und anderen Loca- 
litäten. angehörigen vorauszusetzen. Die neueste krypto- 
gamische Flora von Deutschland von Rabenhorst ent- 
hält 4056 Pilze, 433 Flechten, 1531 Algen, 176 Lebermoose, 
539 Laubmoose, 67 Farrn, Equiseten und Lycopodien; 
und die Bernsteinflora aus allen diesen Classen, die mit 
Ausnahme der Lycopodien und Equiseten darin repräsen- 
tirt sind, enthält bis jetzt nur 60. Die deutsche phanerogame 
Flora, nach der neuesten Ausgabe von Koch’s Deutsch- 
lands Flora (1851) filhrt im Ganzen 3454 in 135 Familien 
vertheilte Arten auf; die Bernsteinflora umfasst in 20 Fa- 
milien 102. Unter ihnen finden wir in der Bernsteinflora 
die Cupuliferen mit 40, in der deutschen mit 12, die Eri- 
cineen mit 2%, in der deutschen mit 23 Arten vertreten. 
Das Verhältniss der strauch- und baumartigen Gewächse 
zu den krautartigen ist in der deutschen Flora 1:40 
(333 :3121), in der Bernsteinflora umgekehrt wie 40:1 
(94:9). Wenn wir nun hieraus vielleicht nicht ganz unbe- 
rechtigter Weise auf ein ähnliches Verhältniss der übrigen 
Familien in der Bernsteinflora schliessen wollten. so geht 
klar hervor, dass gewiss nur der allergeringste Theil der- 
selben bis jetzt zu unserer Kenntniss gelangt ist. 

Unter den bituminösen Hölzern der preussischen 
Braunkohle, von der Goeppert aus der äusserst reichen 
Sammlung des um die Kenntniss des Bernsteins sehr ver- 
dienten Dr. Thomas eine grosse Auswahl aus dem Sam- 
lande vorliegt, so wie auch unter den von Menge in 
Redlau bei Danzig beobachteten Hölzern findet sich kein 
Holz, in welchem der Bernstein, was Goeppert durch- 
aus als ein Kriterium betrachtet, im Innern in grösserer 
oder geringerer Masse abgesondert vorkommt. Die in 


Bernsteinflora und Bernstein. 165 


denselben enthaltenen Harzgefässe gehören sämmtlich zu 
den einfachen, die nur aus einer einfachen Reihe über 
einander stehender Zellen bestehen, in denen nicht gelbe 
Harzmassen, sondern dunkelbraune, mehr oder minder 
durchscheinende Harztropfen enthalten sind, wie sie den 
Cupressineen oder der von Goeppert aufgestellten Gat- 
tung Cupressinoxylon zukommen. Die zusammengesetzten 
Harzgefässe der Abietineen, erfüllt mit Bernstein, wodurch 
sich die Bernsteinbäume auszeichnen, hat Goeppert 
darunter nicht bemerkt. Hierauf legt derselbe in dia- 
gnostischer Hinsicht einen grossen Werth, weil bei der 
grossen Verwandtschaft, welche die Coniferen hinsichtlich 
der Stuctur unter einander zeigen, solche Kennzeichen 
hoch zu halten sind. Dass Dr. Reich auch aus einigen 
derselben durch trockene Destillation Bernsteinsäure schied, 
spricht nicht gegen Goeppert’s Behauptung, da bekannt- 
lich nicht bloss durch Oxydation aller Wachse oder Fette, 
sondern auch durch den Gährungsprocess von Aepfel- 
säure Bernsteinsäure gebildet wird. Die Hölzer der Braun- 
kohlenformation Preussens schliessen sich durch das Vor- 
herrschen der Gattung Cupressinoxylon der Braunkohlen- 
formation des übrigen Deutschlands an, womit wieder die 
Bernsteinflora nicht übereinstimmt. Nirgends in Deutsch- 
land hat man irgendwo in der Braunkoblenformation selbst 
Bernstein gefunden, wohl aber in dem darüber liegenden 
Diluvium, was oft damit verwechselt worden ist. Bestimmt 
weiss Goeppert dies z.B. von dem angeblich aus der 
Braunkohle bei Grünberg in Schlesien stammenden Bern- 
steine, der auch nur dem Diluvium angehört. 

Der Grund und Boden, wo wir den Bernstein heute 
noch antreffen, ist vielleicht überall ein secundärer und 
nicht die Erzeugungsstätte desselben. In Schlesien. wo 
Goeppert ihn aus eigener Anschauung kennt, und wo 
man an mehr als 100 Orten Bernstein in Stücken ver- 
schiedener Grösse, ja bis zu 6 Pfund Schwere gefunden 
hat, so wie in anderen Gegenden, deren Beschreibung 
mit der unserigen übereinstimmt, ist seine Lagerstätte, wie 
schon oben erwähnt, nur dem Diluvium zuzuzählen. Der 
verstorbene Berend theilte diese Ansicht, welche ins- 
besondere auch für Preussen Menge aus eigener Beob- 
achtung aufrecht erhält. Goeppert selbst hatte noch 
nicht Gelegenheit, die preussischen Braunkohlenlager zu 
untersuchen. In Norwegen fand Scherer den Bernstein 
auch nur in einer geschiebhaltigen Lehmformation; A. 
v. Brevern zu Gischigiusk in Kamtschatka, insbesondere 
nach der trefflichen Untersuchung der gefundenen Pflanzen- 


166 Bernsteinflora und Bernstein. 


reste durch v. Mercklin, auch nur auf secundärer Stätte. 
Der von H. Rink auf der Hafeninsel nördlich von der 
Disko-Insel im dänischen Handelsdistricte von Nord-Grön- 
land entdeckte Bernstein sieht jenem, nach v. Helmer- 
sen, ausserordentlich ähnlich. Er ist in kleinen rund- 
lichen Körnern in einem mit Holzresten verschiedener 
Grösse durchsetzten schwarzen Schieferthone enthalten. 
Die Holzreste zeigen noch Structur und auch im Innern 
wirklichen Bernstein, so dass man hier wirklich einen 
Bernstein liefernden Baum vor sich sah, den Vaupelt 
in gerechter Anerkennung des um die Erforschung jener 
fernen Gegenden so verdienten Dr. Rink Pinites Rınkia- 
nus nannte. Der Bernstein findet sich hier in grösseren 
Harzgefassen ganz so, wie dies der Gattung Pinus eigen- 
thümlich ist. Vielleicht gehört also, wie schon oben ange- 
deutet wurde, die ganze Bernsteinformation nicht zur 
Tertiärformation. sondern nur zum Diluvium. Die weitere 
Erforschung dieser letzteren, bis jetzt fast noch ganz unbe- 
kannten Flora wird hierüber erst entscheidende Aufschlüsse 
zu geben vermögen. Indessen sind folgende Thatsachen 
von besonderem Interesse. In Nordamerika hat man in 
dem Magen der in dortigen Diluvial- Ablagerungen bei 
New-Yersey gefundenen Mastodonten wohlerhaltene Zweige 
von Thuja occidentalis gefunden, die man, wie schon 
erwähnt, mit Bestimmtheit auch im Bernsteine entdeckte. 
Desgleichen traf man in den Diluvial- Ablagerungen am süd- 
lichen Gestade des Erie - Sees und am Erie-Canale des 
Staates New -- York, in einer Tiefe von 118 Fuss, mit Süss- 
wassermuscheln Reste von Abies canadensis an, einem 
gegenwärtig noch in der Nähe wachsenden Baume, den 
Goeppert freilich nicht mit völliger Gewissheit, auch 
in den Bernsteineinschlüssen erkannte. Auch die Diluvial- 
periode Sibiriens zählt einige Glieder der jetztweltlichen 
Flora, wie Goeppert durch Untersuchung der soge- 
nannten Adams- und Noahhölzer, welche dort zugleich 
mit den Mammuths gefunden werden, nachgewiesen hat. 
7) Die Höhe der gewaltigen Fluthen, welche den 
‘ Bernstein verschwemmten, lässt sich in unseren Gegenden 
noch aus dem Vorkommen desselben ermitteln. Bernstein 
findet sich am Riesengebirge in der Nahe von Herms- 
dorf, unmittelbar beim dasigen herrschaftlichen Schlosse, 
in fast 1250 Fuss Seehöhe, und bei Tannhausen mit Spu- 
ren von Rollung zeigendem Treibholze, beim Grundgraben 
der Grossmann’schen Fabrik in 1350 Fuss Seehöde. So 
hoch haben also die Diluvialfluthen, welche die Gegenden 
von Holland bis zum Ural mit den nordischen Geschieben 
überschütteten, an unsere Gebirge hinangereicht. 


Bernsteinflora und Bernstein. 167 


8) Der Bernstein selbst stammt also, wie sich auch 
aus Goeppert's neueren Untersuchungen ergiebt, nicht 
von der einzigen Art, die man früher Pinites succinifer 
nannte, sondern nachgewiesenermaassen zunächst auch 
noch von acht anderen Arten, ja vielleicht lieferten, da 
Goeppert mit gutem Grunde glaubt, dass der Bernstein 
nur ein durch die Fossilisation verändertes Fichtenharz 
ist, alle in dem Bernsteinwalde vegetirenden Abietineen 
oder auch vielleicht die Cupressineen hierzu ıhre Con- 
tingente. Dafür sprechen Goeppert’s Versuche, Bern- 
stein auf einem ähnlichen Wege wie Braunkohle, nämlich 
auf nassem Wege, zu bilden. Als Goeppert nämlich 
Harz von Pinus Abies mit Zweigen dieses Baumes drei 
Monate lang in warmem Wasser von 60 — 809 digerirte, 
roch das Harz nicht mehr terpentinarlig, sondern ganz 
verändert angenehm balsamisch, war aber doch noch in 
Weingeist löslich. Diese Fähigkeit verlor jedoch wenig- 
stens zum Theil venetianischer Terpentin, der mit Zwei- 
gen von Lerchenbäumen ein Jahr lang auf ähnliche Weise 
digerirt worden war, näherte sich also in dieser Beziehung 
dem Bernsteine, der vom Weingeiste fast gar richt auf- 
gelöst wird. Als Goeppert nun Fichtenharz ohne Zusatz 
von Holztheilen digerirte, war ausser Veränderung im 
Geruche selbst nach zwei Jahren das Harz unvollkommen 
löslich geblieben. Es scheint, als wenn die anderweitigen 
organischen Bestandtheile des Holzes, vielleicht die Humus- 
säuren, welche während der beginnenden Umbildung des 
Holzes in Braunkohle entstehen, bei der Umwandlung des 
Harzes nicht ohne Einfluss seien. Mit Rücksicht auf diese 
Erfahrungen hat Goeppert abermals Versuche einge- 
leitet. Alle Formen des Vorkommens lassen sich aus sei- 
ner ursprünglichen Gestalt als dünnflüssiges Harz sehr 
leicht erklären, wie die Tropfen, die concentrisch scha- 
ligen Stücke, Producte mehrerer zu verschiedenen Zeiten 
erfolgender Ergüsse, von denen Goeppert vortreffliche, 
noch auf Rinde sitzende Exemplare besitzt; ferner die 
flachen mehr oder minder concaven Stücke, die entweder 
ım Umfange des Stammes, zwischen den Jahresringen 
sassen, und dann auf beiden Seiten die Abdrücke der 
Markstrahlenendungen zeigen, oder sie nur auf einer der 
concaven Seite besitzen, in welchem Falle sie auf dem 
von der Rinde entblössten Stamme abgesondert werden. 
Die plattenförmigen Stücke mit gleich weit von einander 
entfernten, mehr oder minder angedeuteten Längslinien 
(den Jahresringen), sassen excentrisch im Stamme und die 
gewöhnlich sehr grossen kugelförmigen oder rundlichen 


168 Zusammensetzung des Thymianöles. 


Massen, oft mit tiefen, der Form der Aeste oder Wurzeln 
entsprechenden Eindrücken versehen, wurden von dem 
unteren Theile des Stammes oder von der Wurzel excer- 
nirt, wie wir dies nicht bloss bei Coniferen, sondern auch 
bei anderen, durch reichliche Harzabsonderung ausgezeich- 
neten Bäumen, z.B. Copalbäumen sehen. Die weissliche 
Farbe rührt nicht von besonderen Arten her, sondern 
kommt an einem und demselben Holzreste von Bernstein- 
bäumen mit denen anderer Farben gemischt vor, wie 
Goeppert schon früher fand, und durch wiederholte 
aufmerksame Prüfung des alten und neuerdings hinzu- 
gekommenen Materials nun zu bestätigen vermag. (Chem.- 
pharm. Centrbl. 1853. No. 39.) 


Zusammensetzung des Thymianöles. 


Das mit der Zeit aus dem Thymianöle sich abschei- 
dende Stearopten nennt A. Lallemant Thymol. 

Das Thymol hat die Zusammensetzung C?°H'!*O: 
(auf 4 Vol. Dampf bezogen), ist krystallisirt, die Grundform 
ist ein schiefes rhombisches Prisma. Der Geruch ist ange- 
nehm nach Thymian, der Geschmack heiss und gepfeffert. 
Es schmilzt bei 440 und destillirt ohne Veränderung bei 
2300 über. Siedepunct constant. Es bleibt nach dem 
Schmelzen bei gewöhnlicher Temperatur lange flüssig, 
erstarrt dann, wenn man scharfeckige Körper hineinwirft. 
In Alkohol und Aether ist es leicht löslich. 

In Wasser löst es sich wenig, aus der Lösung in 
Alkohol wird es durch Wasser nicht niedergeschlagen. 
Es hat kein Rotationsvermögen, im festen Zustande aber 
hat es eine Wirkung auf polarisirtes Licht wie andere 
doppeltbrechende Körper, was also eine Folge seiner 
Krystallgestalt in diesem Zustande ist. Gegen Lackmus 
ist es neutral, verbindet sich indessen mit Natron und Kali. 

Sulphothymate von der Formel C?° (H!3S?0>) O2, MO, 
Die Sulphothymolsäure entsteht daher wie alle analogen 
Aethersäuren durch Vereinigung von 4 Aeq. Thymol und 
2 Aeq. wasserfreier Schwefelsäure, 

Thymolchlorverbindung C?°H°C1°0? entsteht durch 
Einwirkung von Chlor bei zerstreutem Lichte auf Thymol 
unter Entwickelung von Salzsäure. Es ist eine terpentin- 
arlig flüssige, gelbliche Masse und riecht lange anhaltend 
kampferartig. 

Durch Salpetersäure wird das Thymol verharzt, und 
endlich in Oxalsäure umgewandelt. 


Bildung von Theer aus ölbildendem Gase. 169 


Doveri hat angegeben, dass das Thymianöl aus 
zweierlei Arten bestehe Das eine siede beı 175 1800, 
das andere bei 225— 2350. Dieses letztere ist fast ganz 
das Thymol Lallemant’s. Das erstere Oel enthält auch 
noch über zwei Drittel seines Gewichtes Thymol. Das 
oben angegebene Verhalten zu Aetzkali und Natron diente 
Lallemant, das Thymol im Thymianöle zu erkennen 
und daraus zu scheiden. Wirft man einige feste Stücke 
Kali oder Natron hinein, so erstarrt das ganze Oel in 
einiger Tagen. Schüttelt man es mit Kalilauge, so löst 
sich das Thymol darin auf, man giesst das darauf schwim- 
mende Oel ab und scheidet aus der Lauge dann das 
Thymol für sich durch eine Säure ab, Thymen, C?°H:®. 
Dieser Kohlenwasserstoff ist das eben beschriebene flüch- 
tigere Oel des Thymians; man erhält es rein, wenn man 
wie oben angegeben verfahrt und dann das abgeschiedene 
Oel einige Male über kaustisches Kalı destillirt. Siedet 
bei 465°, verbindet sich mit Salzsäure, hat kein Rotations- 
vermögen, auch nicht die feste Verbindung mit Salzsäure, 
es ist isomer mit Terpentinöl. 

C2°H!° Thymen, €C2®(HsC1°)O: gechlortes Thymol. 
C:°(H!*)O: Thymol, C?° (H'3S2O5) O2 Sulphothymolsäure. 
(Compt. rend. T.37.— Chem.-pharm. Centrbl. 1853. > 48.) 


Bildung von Theer aus ölbildendem Gase. 


Das Entstehen von Theer aus ölbildendem Gase, wel- 
ches bis jetzt noch nicht bekannt war, ist von Magnus 
unwiderleglich dargethan worden; in der Rothglühhitze 
zerlegt sich das ölbildende Gas in Theer- und Sumpfgas, 
in der Weissglühhitze aber werden beide letztere in 
Kohlenstoff und Wasserstoff zerlegt, Sumpfgas wird in der 
Rothglühhitze nicht zerlegt Der auf diese Weise gebil- 
dete Theer ist heller oder dunkler, flüchtiger oder weni- 
ger flüchtig, weil es absolut unmöglich ist, ein Rohr durch 
und durch gleichmässig zu erhitzen. Der Grund, dass die 
Bildung des Theers aus ölbildendem Gase nicht früher 
erkannt worden ist, liegt darin, dass bei der trocknen 
Destillation organischer Substanzen gleichzeitig Theer aus 
der Substanz, welche man verkohlt und aus dem ölbil- 
denden Gase erzeugt wird. Beide Theerarten unterschei- 
den sich aber dadurch, dass der Theer, welcher aus der 
Zerstörung der Substanz selbst, wenn diese nicht absolut 
stickstofffrei ist, wie Zucker, Weinsäure u. s, w., stickstoff- 
haltig, der aus einfach Kohlenwasserstoff erzeugte aber 


Arch.d. Pharm, CXXVII. Bds. 2. Hft. 412 


170 Verbindung der Pelargonsäure mit Stickoxyd, 


stickstofffrei ist; es liefert daher der stickstofffreie Theer 
vorzugsweise Naphthalin, der stickstoffhaltige die in neue- 
ster Zeit so wichtig gewordenen Verbindungen Anilin, 
Leucolin etc. — Das nach der Zersetzung des olbildenden 
Gases in der Rothglühhitze zurückbleibende Sumpfgas, 
was immer auch noch etwas unzersetztes ölbildendes Gas 
und Wasserstoff beigemengt enthält, brannte stets mit 
einer ziemlich leuchtenden Flamme, gleich der des gewöhn- 
lichen Leuchtgases aus Steinkohlen. (Poggy. Annal. 1853. 
No, 9. S.1— 11.) Mr. 


Verbindung der Pelargonsäure mit Stickoxyd. 


Nach den Versuchen von Cahours vereinigt sich 
der in dem Fenchelöl enthaltene Kohlenwasserstoff direct 
mit dem Stickoxyd zu einer krystallisirbaren Verbindung. 
Dieses war das bisher einzig bekannte Beispiel einer orga- 
nischen Verbindung, welche Stickoxyd enthält 

Chiozza fand, als er Pelargonsäure darstellen wollte 
durch Oxydation von Rautenöl, eine Verbindung dieser 
Säure mit Stickoxyd. Diese Verbindung besitzt saure 
Eigenschaften und stellt mit den Basen gut krystallisirbare 
Salze dar. Das Rautenöl wurde mit einem gleichen 
Gewichte käuflicher Salpetersäure, die mit einem gleichen 
Volum Wasser verdünnt war, behandelt. Nach drei- bis 
vierstündigem Sieden wurde das auf der Säure schwim- 
mende Oel abgenommen, gewaschen und mit concentrirter 
kaustischer Kalilauge behandelt. Es entstand eine Art 
syrupdicker, stark gefärbter Emulsion, in welcher ein kry- 
stallinischer Niederschlag suspendirt war, dessen Menge 
auf grössern Zusatz von Wasser sich vermehrte. Die 
Flüssigkeit wurde filtrirt und das klare Filtrat zur Darstel- 
lung der Pelargonsäure verwendet, welche den Haupt- 
bestandtheil des Products ausmachte. Der Niederschlag 
wurde zuerst mit Aether behandelt, um ihn von einem noch 
darin enthaltenen neutralen Oel zu befreien und dann 
mehrmals aus Alkohol umkrystallisirt. Im reinen Zustande 
zeigte er sich in Form von prächtigen quadratischen Tafeln 
von schön gelber Farbe und starkem Glanz: er ist wenig 
löslich in kaltem Wasser und in kaltem Alkohol, siedend 
aber leicht löslich. Beim raschen Erhitzen brennt er ab 
wie ein Gemenge von Salpeter und Kohle und lässt einen 
Rückstand von kohlensaurem Kali zurück. Dieser gelbe 
Niederschlag ist das Kalısalz einer neuen Säure, welche 
nach der Formel C°H:°O?, N?O? zusammengesetzt ist. 
Zur Isolirung der Säure hat man nur das Kalisalz in 


Kohlensaures Amyloxyd. 47a 


siedendem Wasser zu löser und die Lösung mittelst einer 
verdünnten Mineralsäure zu zersetzen. Die Säure schei- 
det sich dann auf dem Boden des Gefässes in Form eines 
sehr schweren schwach gelblich gefärbten Oels ab, von 
schwachem Geruch, der Pelargonsäure nicht ahnlich. Mit 
siedendem Wasser gewaschen und im Wasserbade getrock- 
net. erhält man die Säure rein. Sie macht auf Leinen 
einen gelben Fleck, auf Papier einen Fettfleck, der beim 
Erwärmen verschwindet. Wenn man eine kleine Portion 
der Säure in einem Proberöhrchen erhitzt, so tritt zu 
einem gewissen Zeitpunct auf einmal eine reichliche Ent- 
wickelung von Stickoxyd ein, welchem brennende Gase 
beigemengt sind. Die hervorstechendste Eigenschaft der 
Säure ist die nur sehr geringe Löslichkeit aller ihrer 
Salze in kaltem Wasser. 

Das Natronsalz wird in schönen gelben Blättchen 
erhalten, die dem Kalısalz ähnlich sind; aus einer bei 
dem Sieden gesättigten Lösung scheidet sich das Salz 
beim Abkühlen fast ganz wieder ab. 

Das Ammoniaksalz, ebenfalls. nicht löslicher, krystal- 
lisirt in sehr glänzenden langen Blättchen. Das Baryısalz 
bildet ein gelbes leichtes Pulver Das Silbersalz gleicht 
dem Barytsalze. Beim Erhitzen entzündet es sich und 
brennt mit ziemlicher Flamme und hinterlässt reines 
Silber. (Annal. der Chem. u. Pharm. 85, 2. B. 


Kohlensaures Amyloxyd. 


Wenn man nach Bruce Kalium oder Natrium auf 
trockenes oxalsaures Amyloxyd einwirken lässt, erwärmt 
sich die Flüssigkeit; es bildet sich eine braune Masse um 
die Metallkugeln und ein farbloses entzündbares Gas wird 
entwickelt. Eine fortdauernde Einwirkung tritt erst bei 
Erwärmung ein. Bei der Destillation der Flüssigkeit bleibt 
ein brauner Rückstand, hauptsächlich aus kohlensaurem 
Alkali und Kohle bestehend; das Destillat ist blassgelb. 
Wenn dieses Destillat rectificirt wird, so geht bei 1300 
hauptsächlich Amylalkohol über; der Siedepunct hält sich 
längere Zeit auf 2250 constant, es geht kohlensaures Amyl- 
oxyd über; später bleibt der Siedepunct kurze Zeit bei 
2600 constant wo wahrscheinlich unzersetztes oxalsaures 
Amyloxyd übergeht; zuletzt bleibt ein zäher, etwas dun- 
kel gefärbter, stark riechender Rückstand in der Retorte. 

Dasjenige Destillat, welches bei 223 — 2260 übergeht, 
giebt bei wiederholter Rectification eine bei 2260 siedende 


12* 


172 Neue Methode zur Bereitung des Toluidins. 


Flüssigkeit von 0,9065 spec. Gewicht bei 15,5, welche 
reines kohlensaures Amyloxyd ist, 


gefunden berechnet 
Kohlenstoff..... 65,68 65,12 C}hl 65,34 
Wasserstoff..... 11,30, 14,31 H!! 10,89 
Sauerstoff ...... _ —_ 03 Ta 
100,00. 


(Annal der Chem. u. Pharm. 3) 


Neue Methode zur Bereitung des Toluidins. 


Nach J. Chautard bildet sich durch Behandlung 
des Terpentinöls mit Salpetersäure eine harzige Masse, 
welche sich bei längerem Kochen löst. Die saure Flüs- 
sigkeit lässt auf Wasserzusatz ein safrangelbes Harz fallen, 
welches aus zwei Substanzen besteht, von denen die eine 
in Ammoniak, so wie den fixen Alkalien unlöslich ist, die 
andere sich vollständig in Ammoniak mit rother Farbe 
löst, und durch die Säure in gelben Flocken daraus 
gefällt wird. Diese beiden Harze enthalten die Elemente 
der Untersalpetersäure. 

Destillirt man das Harzgemisch mit Kalilauge, so geht 
in die Vorlage eine stark alkalische Flüssigkeit über, 
welche neben Ammoniak eine eigenthümlich riechende 
organische Base enthält. 

Die im Distillationsproducte enthaltenen harzigen 
Materien trennt man am leichtesten durch einen geringen 
Ueberschuss von Salzsäure. Man verdampft im Wasser- 
bade und erhält ein Salzgemenge von Chlorammonium 
und chlorwasserstoffsaurem Alkaloide. Das Ganze wird 
mit starkem Alkohol behandelt, welches den grössten 
Theil des Ammoniaksalzes zurücklasst. Die alkoholische 
Lösung, filtrirt und zur Trockne verdampft, wird in 
einer kleinen Menge Wasser wieder aufgenommen. Die 
neue Lösung giebt mit Chlorgold einen reichlichen Nieder- 
schlag, der sich nach einigen Minuten in eine krystallini- 
sche Masse verwandelt. 

Durch die Analyse dieses Goldsalzes ergab sich fol- 
gende Formel: Au?Cl?,C:+H°N,HCl. 

Das Alkaloid ist Toluidin. (Journ. de Pharm. et de 
Chim. Sept. 1853.) A. ©. 


Verbindungen des Glycerins mit Säuren etc. , 173 


Verbindungen des Glycerins mit den Säuren und 
synthetisch dargestellte Fette. 


Die ersten Resultate, welche Berthelot bei seinen 
Versuchen, die Fette aus dem Glycerin und den entspre- 
chenden Säuren wieder herzustellen, erhielt, sind schon 
vor einiger Zeit mitgetheilt worden. Die weiteren Ergeb- 
nisse derselben Untersuchung sind: 

Die künstlichen Fette entstehen A) durch directe Ver- 
einigung der beiden unmittelbaren Bestandtheile, indem 
man in verschlossenen Gefässen Glycerin mit der Fettsäure 
bei einer höheren Temperatur längere Zeit in Berührung 
lässt. Sie bilden sich ındessen auch fast alle schon bei 
gewöhnlicher Temperatur, nur erhält man auf diesem Wege 
sehr geringe Mengen. 2) Auch durch Wechselzersetzung 
von Aethern der Säuren und Glycerin, und 3) durch Ein- 
wirkung von trockner Salzsäure auf syrupdickes Glycerin 
und die Fettsäure. In Bezug auf diese letztere Bildungsart 
ist zu bemerken, dass, wenn man in grosser Menge wäs- 
serige Salzsäure auf die Fette einwirken lässt, diese be- 
kanntlich umgekehrt in Glycerin und in Fettsäuren gespal- 
ten werden. 

Die Körper, welche Berthelot auf diesem synthe- 
tischen Wege erhielt, sind neutral, verbinden sich vor einer 
eingeleiteten Verseifung nicht mit Alkali, sind zum Theil 
flüssig, zum Theil krystallinisch, und lassen sich in ihren 
Formeln alle als Säure + Glycerin — Wasser darstellen. 
Sie lassen sich in zwei Reihen ordnen, die Körper der 
einen Reihe sind identisch mit den natürlichen neutralen 
Fetten, die der zweiten sind den Aethern analog. 


1) Verbindungen des Glycerins mit den Fettsäuren 
im engeren Sinne: 

Stearine. Berthelot hat ein Monostearin, Diastearin, 
Tetrastearin dargestellt. Das letztere ist mit dem natür- 
lichen Stearin identisch. 

Ct2442 08 — C3°H35 0% + C6H305 — 2HO 

C32h!63015 = 670139097? + 3C6h!606 DL 4h?0 
erhält man, indem man gleiche Theile Stearinsäure und 
Glycerin 24 Stunden lang auf 200° erhitzt. Beiderlei 
Bestandtheile bleiben über einander liegen, wie wenn sie 
keine Einwirkung auf einander gehabt hätten. Die neu- 
trale Verbindung, welche entsteht, ist im überschüssigen 
Glycerin auch unlöslich.. Man nimmt daher nach dem 
Erkalten die feste Fettschicht ab, schmelzt sie, mischt 
etwas Aether und dann gelöschten Kalk dazu, und erhält 
die Mischung eine Viertelstunde lang bei 100°. Das wieder- 


Das Monostearin 


47% Verbindungen des Glycerins mit Säuren etc. 


erzeugte Fett lässt sich aus dieser Mischung nur mittelst 
siedenden Aethers ausziehen, die übrig gebliebene Stearin- 
säure, die der Kalk gebunden hat, löst der Aether nicht. 
Das Fett ist weiss, neutral, wenig in kaltem Aether löslich 
und krystallisirt in feinen, doppelt strahlenbrechenden 
Nadeln. Behandelt man sie mit Bleioxyd bei 100°, so 
bekommt man wieder Glycerin und bei 70° schmelzbare 
Stearinsäure, und zwar beträgt die Menge des Glycerins 
so ziemlich ein Viertel vom Monostearin. Das Monostearin, 
406 Stunden bei 100° mit Salzsäure zusammen erhalten, 
bildet Glycerin und Stearinsäure. 

Ein ähnliches Product, indessen nicht rein, bekommt 
man, wenn man bei 400° gasförmige, trockne Salzsäure 
mit syrupförmigem Glycerin und Stearinsäure zusammen- 
bringt. Das Product enthält Salzsäure und schmilzt bei 47°. 

Ueberlässt man Glycerin und Stearinsäure drei Monate 
lang der gewöhnlichen Temperatur, so bekommt man auch 
Spuren von einer neutralen krystallisirten Fettmasse. 

ann $ 078478 012? — 2036436 0? + C5H8 05 — 2HO 
Diastearin C’6hl5ıQ1ı — C70h!3907 + C5h!°0% — 2h?0 
erhält man, wenn man 414 Stunden lang gleiche Theile 
Stearinsäure und Glycerin bei 100° erhält. Reinigung 
durch Kalk und Aether. Neutrale, körnige, weisse Masse, 
erscheint unter dem Mikroskope in schiefen, abgeplatteten, 
doppelt brechenden Lamellen. Schmilzt bei 58° und 
erstarrt bei 55°. Giebt beim Erhitzen Acrolein. Mit Blei- 
oxyd bei 100° behandelt, erhält man daraus wieder Gly- 
cerin und bei 170° schmelzbare Stearinsäure. 
C!509146016 — 40369360 + C6HS0$ — 6HO 
C!46n252Q13 — 2C70h13907 4 G6h1506 — 6h20 
bekommt man durch Erhitzen eines Gemisches von Mono- 
stearin mit 15—20mal so viel Stearinsäure auf 270°. Es 
tritt Wasser aus, das sich im oberen Theile des Rohres 
verdichtet. Diese Verbindung entsteht durch einfaches 
Schmelzen durchaus nicht, es ıst längere Zeit dazu erfor- 
derlich. Man reinigt das künstliche Fett ebenso wie die 
vorigen. Das Tetrastearin ist neutral und hat die Zusam- 
mensetzung des natürlichen Stearins. 

2) Margarine. Berthelot erhielt mit Margarinsäure 
aus Menschenfett das Monomargarin und Tetramargarin. 

Monomargarin, C?°H:°0O8 = C?:H3:0* + C°H:0° 
— 2HO, erhält man bei 100 200°, auch in geringer 
Menge bei gewöhnlicher Temperatur. Es bildet sich leich- 
er, als die übrigen festen Fette. 

Schmilzt bei 56°, erstarrt bei 49°. Mit Bleioxyd ver- 
seift, giebt es bei 60° schmelzbare Margarinsäure. Reac- 


Tetrastearin 


Verbindungen des Glycerins mit Säuren etc. N75 


tionen denen des Stearins ähnlich. Mit Alkohol versetzte 
Essigsäure zersetzt es in 106 Stunden theilweise, es bildet 
sich Aether der Margarinsäure und Glycerin, was bei den 
Stearinen nicht der Fall ist. 

Das Tetramargarın scheint sich bei Einwirkung eines 
Ueberschusses von Margarinsäure auf Monomargarin zu 
bilden. Es konnte nicht völlig rein erhalten werden. 
Nach der Verseifung bildete es eine bei 60° schmelzbare 
Margarinsäure und Glycerin. 

Da die Stearine, die mit einer 70° schmelzbaren Säure 
bereitet wurden, nach der Verseifung eine Säure von dem- 
selben Schmelzpuncte, und ebenso die Margarine mit einer 
Säure von 60° Schmelzpunct eine Säure von demselben 
Schmelzpuncte wiedergeben, so schliesst Berthelot 
(NB. umgekehrt wie Heintz kürzlich), dass beide Fette 
bestimmte und permanente Körper sind. 

3) Palmitine. Die Palmitinsäure bildet mit Glycerin 
drei neutrale Fette. Alle geben, mit Bleioxyd verseift, 
eine bei 61° schmelzbare, bei 46° erstarrende Palmitin- 
säure wieder. 

Monopalmitin, C3®H3°0° = C3?H3?O' + C5H30° — 
2HO, schmilzt bei 58°, erstarrt bei 45°. Bei 100° mit 
Alkohol und Essigsäure 102 Stunden lang behandelt, giebt 
es wieder Glycerin, ebenso wie das natürliche Palmitin. 

Diapalmitin, Cr°H’°O:? — 2C3?H3?0° + C5H50® 
— 2H0O, schmilzt bei 59°, erstarrt bei 51°. 

Tetrapalmitinn; C3+H 10016 — % (C??H320*:) + 
C:H°O05 — 6HO, schmilzt bei 60°, erstarrt bei 46°. Iden- 
tisch mit dem natürlichen Palmitin. 

%) Oleine. Berthelot erhielt bei 200° ein neutrales 
klares 

Monolein, C*?H:°0® = C3°H:?0*: + C°H°O° — 2HO. 
Schwierig durch Bleioxyd, gar nicht durch Alkohol und 
Essigsäure zu verseifen. Bildet sich auch, indem man 
Oleinsäureäther, Glycerin und Salzsäure zusammenbringt, 
und auch ohne die Mitwirkung der Salzsäure. 

Diolein, C’®H’:O!2 = 2C?'H3:0: + C°H°0s8 — 
2HO, erhält man, indem man das natürliche Olein 
22 Stunden lang bei 200° erhält. Es hat bei 21° ein spec. 
Gew. von 0,921, krystallisirt bei 15°. Entsteht auch durch 
Erhitzen von Monolein mit Oelsäure, 

Es folgen nun weitere Verbindungen und zunächst 
die des Glycerins mit den flüchtigen Fettsäuren. 

Diese Verbindungen entstehen auf dieselbe Weise, wie 
die oben erwähnten. Es sind neutrale, wohlriechende 
Flüssigkeiten, welche durch Einwirkung von Alkalien, 


176 Verbindungen des Glycerins mit Säuren etc. 


Wasser, Essigsäure, wässeriger Salzsäure in Säure und 
Glycerin sich spalten. Ein Gemisch von Alkohol und 
Salzsäure verwandelt sie in Aether und Glycerin. Alkohol 
allein und in grosser Menge angewandt, bedingt diese 
Zersetzung bei 100° in 83 Stunden, bei gewöhnlicher 
Temperatur und unter Zutritt der Luft. 


Man erhitzt zur Darstellung dieser Verbindungen die 
Säure mit Glycerin, sättigt nach dem Erkalten mit kohlen- 
saurem Kali, schüttelt mit Aether, dampft im Wasserbade 
ein und trocknet in der Leere mit Anwendung von Wärme. 
In der Zeit von drei Monaten bilden sich diese Verbin- 
dungen auch bei gewöhnlicher Temperatur, wenigstens die 
der Buttersäure. Endlich entstehen sie auch noch, wenn 
man trocknes Salzsäuregas auf das Gemisch von Glycerin 
und flüchtiger Fettsäure einwirken lässt. 

Monovalerin,, G!*H:!°O® — C!oH!°027 TB 
2HO, bildet sich bei 200° als neutrale ölige, wohlriechende 
Flüssigkeit von 1,100 spec. ‚Gew. Ammoniak wandelt es 
in Valerianid um. 

Divalerin, C2°H?:O!: = 2C!°H!°O: + C°H?O° — 
2HO. Neutrales, unangenehm riechendes Oel, bitter und 
gewürzhaft schmeckend, 1,059 spec. Gew. Entsteht bei 
275° aus wasserhaltiger Säure und Glycerin. 

Monobutyrin, C'H'O° = C’H®0* + C°H°0° — 
2HO. Neutral, flüssig, ölig, wohlriechend, schmeckt ge- 
würzhaft bitter, 1,088 spec. Gew., bildet sich bei gewöhn- 
licher Temperatur, und bei 200° bei Gegenwart von 
überschüssigem Glycerin. Verseifung durch Baryt scheidet 
die Hälfte ihres Gewichts Glycerin ab. 

Dibutyrin, C2?H::0!2 = 2C°H?0° +.CCH’ 0. 
2HO. Neutral, flüssig, ölig, 1.081 spec. Gew., bei 300° 
ohne wesentliche Zersetzung flüchtig, mit Alkohol und 
Aether mischbar, in Wasser leicht löslich, bildet sich bei 
275°, oder bei 200° mit wasserhaltiger Säure. Wird durch 
Baryt verseift und giebt dabei zwei Drittel des Gewichts. 
Buttersäure. 

Butyridin, C!*H!20? = C’H°O*? + C°H°0° — 3HO. 
Flüssig, neutral, von unangenehmem Geruch, von mittlerer 
Flüssigkeit, von 1,084 spec. Gew., löst sich in kohlen- 
saurem Natron nicht unbeträchtlich und bildet sich, wenn 
man / Th. Glycerin mit A Th. Buttersäure auf 200° erhitzt. 
Mit Ammoniak liefert es binnen fünf Tagen Butyramid. 

Acetin, C!°H!°O° = C:H'O' + C5H?0° — 2HO. 
Flüssig, neutral, von schwach ätherartigem Geruche, 1,20 
spec. Gew., bildet sich bei 100°. 


Zusammensetzung der Butter. 477 


Acetidin, C'°H°O’ = C*H!O: + CSH°0° — 3H0. 
Flüssig, neutral, wohlriechend, von stechendem Geschmack, 
mischt sich mit Wasser, flüchtig bei 3800, von 1,18% Dichte. 
Bildet sich unter sehr verschiedenen Umständen, bei 2750, 
bei 2000, bei Ueberschuss von Glycerin, wie auch von Säure. 

Glycerin und organische Säuren. Glycerin ver- 
bindet sich mit Benzo&@säure, Fettsäure, Camphorsäure mit 
der Zeit, bloss durch Wirkung der Wärme. 

Benzoicin, C?°H'?0® = C!'H°O* + C°H°0° — 2HO. 
Gelbliches Oel, dickklebrig, fast unoxydabel, 1,228 spec. 
Gew. Bildet sich bei 200 und 2750. Auch bei gewöhn- 
licher Temperatur und durch Einwirkung von Salzsäure 
auf das Gemisch von Benzo&säureäther und Glycerin, und 
auch bei 1000, wenn eine grosse Menge Glycerin auf den 
Aether der Benzo@säure einwirkt. Alkalien wandeln es 
in ars und Glycerin um. Ammoniak giebt Ben- 
zamid. 

Sebin, C?2H?°O!° = C?°H'°0° +2C°H°0° — 4HO, 
entsteht bei 2000. Neutraler, krystallisirbarer Körper, wird 
durch Bleioxyd in Fettsäure und Glycerin zerlegt. 

Camphorin ist neutral, klebrig wie dicker Terpentin, 
löslich in Aether, durch Bleioxyd in seine Bestandtheile 
zerlegbar. 

Berthelot hat auch als eine Verbindung des Gly- 
cerins mit Salzsäure das 

Chlorhydrin, C°H’ClO® = C5H®0° + HCl — 2HO, 
erhalten. Man sättigt erhitztes Glycerin mit Salzsäuregas 
und erhält die Lösung bei 1000 etwa 36 Stunden lang. 
Man neutralisirt mit kohlensaurem Natron, zieht mit Aether 
aus und verdunstet diesen. Der Rückstand wird destillirt, 
er siedet constant bei 2270. Das so erhaltene Chlorhydrin 
wird nochmals mit Kalk und Aether behandelt. Neutrales 
Oel, von frischem, süssem, zuletzt stechendem ätherartigem 
Geschmack, mischt sich mit Wasser und Aether, hat 
1,31 spec. Gew. 

Alle mittelst Salzsäure dargestellte Glycerinverbin- 
dungen anderer Säuren enthalten Chlorhydrin beigemengt. 
( Compt. rend. T. 37. — Chem.-pharm. Centrbl. 1853. No.46, 
und 47.) B. 


Zusammensetzung der Butter. 


W. Reiniz, der schon so manche Arbeit über die 
Fette geliefert, hat auch die Butter aufs neue einer Unter- 
suchung unterworfen, seine Untersuchung aber bloss auf 
die nicht-füchtigen Fettsäuren beschrankt; in Betreff der 


178 Zusammensetzung der Butter. 


flüchtigen erkennt er die Untersuchungen von Lerch als 
endgültig an. — Die Resultate seiner Untersuchung sind 
in aller Kürze folgende: 

A) Die in der Butter von Bromeis angenommene 
Stearinsäure ist, wie es schon anderswo von der Margarin- 
säure nachgewiesen, ein Gemisch von Stearinsäure und 
Palmitinsäure. 

- 2) Die in der Butter enthaltene flüssige, nicht flüchtige 
Säure ist hauptsächlich Oelsäure und verdient daher nicht, 
wie Bromeis es für nöthig hielt, den Namen Butterölsäure. 

3) Findet sich in der Butter eine eigenthümliche Säure, 
welche in ihrem Hydrat über 38 At. Kohlenstoff auf % At. 
Sauerstoff enthält. Diese Säure nennt er Butinsäure und 
ihre wahrscheinliche Formel ist C*°H:°O:. Sie ist schwer 
in kaltem Alkohol löslich und fällt bei partieller Fällung 
mit essigsaurer Talkerde zuerst mit nieder. Ihr entspricht 
das in der Butter enthaltene Butin, in welchem sie mit 
Glycerin verbunden ist. 

%) Es enthält die Butter, doch nicht in vorwaltender 
Menge, Stearin. 

5) Die grösste Menge des in der Butter enthaltenen 
Fettes ist Palmitin. 

> Coccinsäure oder Coccin findet sich in der Butter 
nicht. 

7) Ausserdem kömmt noch in der Butter Myristin vor, 
dessen Säure bei der Verseifung die am leichtesten in 
Alkohol löslichen Salze bildet. 

Es enthält demnach die Butter: 

4) Buttersäure....C® H® O: 
2) Capronsäure. ..C'2H'?O* 
3) Caprylsäure...C!°H'°O® 
4) Caprınsäure ...C2°H?°O* 
5) Myristinsäure..C2°H230* 
6) Palmitinsäure..C3?H320* 
7) Stearinsäure...C3sH3°O* 
8) Butinsäure ....C#°H®°O%. 

Die Atomzahl sowohl der flüchtigen, als fixen Säuren 
der Butter ist demnach durch %# theilbar, es ist also weder 
Valerian-, Oenanth-, noch Pelargonsäure unter den flüch- 
tigen Säuren der Butter. Wenn nicht die Säure (Pichurim- 
talgsäure) von der Formel C?*H?:O‘: zwischen den 
flüchtigen und fixen Säuren ausfiele, so wären alle Zusam- 
mensetzungen der Formel C‘"H*O* in der Butter ver- 
treten. Görgey und Fehling fanden Aehnliches im 
Cocusöl und es wird deshalb wahrscheinlich, dass in den 
Fetten nur Säuren vorkommen, deren Kohlenstoff-Atomzahl 


Untersuchung der fetten Oele mit Schwefelsäure. 179 


durch 4 theilbar ist. Die Margarinsaure stand diesem 
Satze entgegen, sie ist aber durch W. Heintz' Unter- 
suchungen als selbständig nicht mehr vorhanden, und 
deshalb findet er es auch wahrscheinlich, dass diejenigen 
Fettsäuren, welche diesem Gesetze sich nicht fügen, als 
Gemische mehrerer Fettsäuren noch nachgewiesen werden. 
Von den im Walirath nach ihm enthalten sein sollenden 
Coccin- und Cetinsäuren vermuthet W. Heintz auch, dass 
sie Gemische verschiedener Säuren sind und verspricht 
deshalb fürs Nachste deren Untersuchung (Poggd. Annal. 
1853. No.9. p. 137—165.) Mr. 


Untersuchung der fetten Oele mit Schwefelsäure. 


Auf Veranlassung des Professors Fehling haben die 
Herren Faisst undKnauss das Maumene'sche Verfahren, 
die Reinheit der fetten Oele aus der Temperatur zu erken- 
nen, welche entsteht, wenn man dieselben mit concentrirter 
Schwefelsäure mischt, geprüft und gefunden, dass man 
gleiche Resultate nur unter ganz gleichen Umständen erhalt, 
dass die Temperaturerhöhung wesentlich bedingt ist von 
der Schnelligkeit des Mengens, von der Stärke und Quan- 
ttät der Säure, von der Temperatur der Substanzen vor 
dem Versuche, von den Quantiläten, welche man zu einem 
Versuche verwendet und von der Stärke des Glases. Am 
zweckmässigsten wendet man reines Schwefelsäurehydrat 
an, doch beim Leinöl kann man diese nicht brauchen, 
sondern man muss eine nur 90 Proc. haltige Schwefelsäure 
verwenden. — Bei den Versuchen wurden stets 13 Grm. 
Oel mit 5 Grm. einfach Schwefelhydrat oder, wenn 90pro- 
centige verwendet wurde, mit 74 Grm. schnell bei der 
gewöhnlichen Stubentemperatur gemischt. Es ergaben 
sich folgende Resultate: 

Olivenöl mit reinem Schwefelsäurehydrat stieg um 380C. 


Lecceröl —_ — _ 40 
Mandelöl _ - _ 40 
Rüböl _ En _ 59" 
Mohnöl —_ _ _ 70 u 
Leeceröl mit 9Oprocentiger Schwefelsäure stieg um 30 » 
Rüböl _ _ _ 37,9 
Leinöl == = == TEN, 


Die Herren Faisst und Knauss untersuchten nun 
auf ganz gleiche Weise Olivenöl mit 

5 Proc. Mohnöl, hierbei stieg die Temperatur um 39,60 C, 

10 _ en au Man 

15 — _- 42,8 „ 

20 —_ —_ _ 44,4 ” 


180 Miscellen. 


95 Proc. Mohnöl, hierbei stieg die Temperatur um 46 °C, 


30 — we. _— 47,6 2 
35 = _ —_ 49,2 u 
40 7. Zi ar 50,8 " 
45 TR De —_— 52,4 „ 
50 — — —_ HH m 
55 _ _ —_ 55,6 ” 
60 —_ —_ —_ 57,2 u 
65 = FIE; ne 58,8 „ 
70 — ja” er 60,4 " 
75 = —_ u 62 » 
80 _ —_ _ 63,6 „ 
85 _ —_ _ 65,2 » 
90 — — _ 66,8 » 
95 Eau = 68,4 " 


Leinöl giebt eine Temperaturerhöhung von 750C.; 
enthält es | 
5 Proc. Rüböl, so steigt die Temperatur nur um 73,10C. 


10 1 2 % ER” 
15 _ — — 69,4 
20 oz _ _ 67,5 " 
25 == m — 65,6 " 
30 —_ _ E= 63,7 v 

Leinöl mit 5 Proc. Lecceröl giebt eine Temperaturerhöhung von 72,75» 
10 — — — 70,5 „ 
15 — - _ 68,3 
20 _ 66,0 

(Gewbl. aus Würtemberg. 1853. _ Polyt Centrbl. 1853. 

No. 16. p. 1006 — 1010.) Mr. 

era 


Neues Mittel gegen Geschwüre und Krebs. 


Die nachstehende sehr beachtenswerthe Mittheilung verdanken wir 
der Güte des Hrn, Med.-Raths Dr. Goullon in Weimar. Ob aber dieses 
Mittel mehr durch den Galvanismus, oder durch unmittelbare Einwirkung 
der entstehenden löslichen Metallverbindungen auf die Geschwüre ein- 
wirke, müssen wir dahin gestellt sein lassen. Dazu sei bemerkt, dass 
das neuerdings so viel Aufsehen machende Mittel des auch in Deutschland 
bekannten italienischen Arztes Prof. Dr.Landolfi zusammengesetzt ist 
aus Antimonchlorid, Zinkchlorid, Goldchlorid und Chlorbrom, ana, und 
mit Mehl und etwas Wasser oder besser Salzsäure angerührt, in Form 
einer Paste auf die krebsartigen Geschwüre aufgelegt wird. Das 
Mittel ist eine braunrothe, bromähnliche Flüssigkeit von erstickendem 
Bromgeruch. H. Wr. 


Das Journal de St. Petersbourg vom 27. November 1853 enthält 
folgende Mittheilung, welche hier wörtlich übersetzt folgt. 

Das Protokoll der Sitzung der Kaiserlichen Akademie vom 14ten 
(26.) November 1851 enthält folgende Paragraphen: 

Der Dr. Crusell richtet an die Akademie die Bitte, das bei ihr 
am 11. Februar 1848 deponirte versiegeltz Packet zu öffnen und den 


Miscellen. 181 


Inhalt desselben einfach in ihrem Protokoll zu bezeichnen. Bei Eröff- 
nung des Packets findet sich folgende Notiz: »Elektrolytisches Pulver. 
Am 29. Januar 1848 streute ich auf ein Geschwür ein Gemenge von 
Zink - und Kupferfeile, der Kranke empfand sogleich einen lebhaften 
Schmerz, welcher sich nur durch die galvanische Wirkung der beiden 
Metalle und der Flüssigkeit des Geschwürs erklären liess. Den fol- 
genden Tag fand ich die fragliche Parthie mit einer trocknen, Metall- 
theilchen enthaltenden Kruste bedeckt. Diese fiel nach einigen Tagen 
ab und hinterliess eine völlig reine Wundfläche. Man kann die Wir- 
kung dieses Aetzmittels nach der darin enthaltenen Menge Zinks regu- 
liren, indem die galvanische Wirkung mit der Lösung dieses Metalles 
erlischt. 

Der Dr. Crusell übergiebt der Akademie ein zweites versiegeltes 
Packet, welches deponirt wird. (Bull. phys.-mathemat. T. 10. No.9. 
pag. 144.)« ei MB 


Maria Grigorieva Vasilieva, die Frau eines Bürgers, 
50 Jahre alt, wendete sich an mich in der Mitte Octobers 1848 (folgt 
die Wohnung). Diese Frau hatte einen grossen und tiefen Krebs, 
welcher den grössten Theil der rechten Brust verzehrt hatte; er war 
von üblem Geruch. Die Kranke hatte heftige Schmerzen. 

Den 21. October unternahm ich die elektrolytische Operation des 
Krebses, wie ich sie so eben beschrieben habe. Sie bestand lediglich 
in der Auflegung des elektrolytischen Pulvers. 

Die Vernarbung war am 1. December, 41 Tage nach der Operation, 
vollständig beendigt. 

Diese Thatsache wird von dem Dr. Rosenberger, Mitglied des 
Medieinal-Collegiums des Kaiserl. Ministeriums des Innern, mit folgen- 
den Worten bestätigt: 

»Auf Verlangen des Dr. Crusell bezeuge ich hierdurch, dass 
ich im vergangenen Winter die Bürgerin etc. Vasilieva (folgt die 
Wohnung), welche von ihm operirt worden ist, zweimal besucht habe; 
das erste Mal! habe ich an derselben an der Stelle der rechten Brust 
eine nach der Operation noch offene Wunde, das andere Mal dagegen 
eine einfache Narbe nach vollständiger Heilung jener Wunde gesehen. 
Die Photographie der Vasilieva, welche mir nachher vorgelegt 
worden ist, der danach gemachte Holzschnitt und dessen Abdrücke 
sind getreu dem Origiral entsprechend, « 

St. Petersburg, il. August 1849. 

Dr. Rosenberger, Staatsrath. 


Ueber den Veilchensyrup und den Farbstoff der Veilchen. 


Enz hat sich die Mühe gegeben (s. Wittstein’s Vierteljahrsschrift 
für prakt. Pharm. Bd. 2.), durch Reagentien den Farbstoff der Veil- 
chen von den andern blauen Blumenfarbstoffen zu unterscheiden, weil 
der Syrup. Violarum oft künstlich zusammengesetzt wird, indem man 
Blumenblätter von einigen Malvaceen oder Ranunculaceen mit Violen- 
wurzeln zugleich auszieht und diesen Auszug mit Zucker versetzt. 

Nach Demselben kann der ächte Veilchensyrup von dem künst- 
lichen leicht durch Zinnchlorür unterschieden werden. Nur wenn 
man den Syrup aus andern Veilchenarten wie Viola hirta, canina 
u.s. w, und Veiichenwurzel dargestellt hat, ist es schwer, dieses durch 
Reactionen zu ermitteln. 


182 Miscellen. 


Enz empfiehlt, zur Bereitung des Veilchensyrups nicht zinnerne 
Gefässe anzuwenden, da der in solchen bereitete Syrup zinnhaltig 
wird. Enz giebt folgende Tabelle über die Reactionen der oben 
erwähnten Farbstoffe. 


Bedeutung: 1. Blumenblätter, — 2. Farbe des wässerigen Aufgusses. 
— 3. Zinnchlorür. — 4. Bleizucker. — 5. Bleiessig. — 6. Schweflige 


Säure. — 7. Chlorwasser. — 8. Eisenvitriol. — 9 Salpetersaures 
Quecksilberoxydul. — 10. Essigsaures Eisenoxyd, — 11. Alaun. — 
12. Aetzkali. — 13. Schwefelsäure. — 14. Neutrales chromsaures Kali. 


4. Viola odorata. 2. indigoblau — 3. lebhaft veilchenblau gefällt — 
4. grün gefällt — 5. hellgrün gefällt — 6, gebleicht — 
7. gebleicht — 8. dunkelgrün gefällt — 9. hellgrün 
gefällt — 10. dunkelgrün gef. — 11. nicht verändert — 
12. grün gefärbt — 13. roth gef. — 14. grün gefärbt. 

„  hirta... 2. hellblau — 3. lebhaft veilchenblau gef. — 4. grün 
gef. — 5. hellgrün gef. — 6. gebleicht — 7. gebleicht 
— 8. dunkelgrün gef. — 9. hellgrün gef. — 10. dun- - 
kelgrün gef. — 11. nicht verändert — 12. grün gef. 
— 13. roth gef. — 14. grün gefärbt 
» canina. 2. violet — 3. lebhaft veilchenblau gef. — 4. grün 

gef. — 5. hellgrün gef. — 6. gebleicht. — 7. gebleicht 
— 8. dunkelgrün gef. — 9. hellgrün gef. — 10. dun- 
kelgrün gef. — 11. nicht verändert — 12. grün gef. 
— 13. roth gefärbt — 14. grün gefärbt. 

Delph. consolid. 2. violet — 3. schmutzigblau gef. — 4. grün gef. — 
5. hellgrün gef. — 6. gebleicht — 7. gebleicht — 
8. dunkelgrün gef. — 9. grau gef. — 10. dunkelgrün 
gef. — 11. grün gef. — 12. grün gef. — 13. roth 
gef. — 14. grün gefärbt. 


Malva arborea. 2. dunkelroth — 3. lebh. dunkelroth gef. — 4. oli- 
vengrün gef. — 5. blaugrün gef. — 6. gebleicht — 
7. gebleicht — 8. violet gef. — 9. grau gefällt — 
10. dunkelblau gefärbt — 411. erhöht — 12. grün 
gefärbt — 13. roth gef. — 14. dunkelgrün gefärbt. 
„ sylvestris. 2. violet — 3. carminroth gef, — 4. graugrün gef. — 
5. heller — 6. gebleicht — 7. gebleicht — 8. dunkel- 
grün gef. — 9. graugrün gef. — 10. dunkelgrün gef. 


— 11. geröthet — 12. grün gefärbt — 13. roth ge- 
färbt — 14. grün gefärbt. 

Indigosolution. 2, blau — 3. nicht verändert — 4. nicht veränd. — 
5. nicht veränd. — 6. nicht veränd. — 7. gebleicht 
8. nicht verändert — 9. desgl. — 10. desgl. — 11. desgl. 
— 12. desgl. — 13. desgl. — 14 grün gefärbt. 


(Chem.-pharm. Centrbl. 1853. No.47.) B. 


Die Blätter der Esche 


sind von mehreren Aerzten mit dem günstigsten Erfolge gegen Gicht 
und Rheumatismus angewandt worden. Man nimmt ein versüsstes 
Infusum. (Dublin Medical Press. — Pharm. Journ. Sept. 1853.) 

A. 0. 


Miscellen. 183 


Holzdeckel für Gläser. 


Die englischen Fabrikanten haben 
diesem Gegenstande grosse Aufmerksam- 
keit gewidmet, und von York aus hat 
man neuerdings einen Schraubendeckel 
und einen mit Kork besetzten Deckel 
in den Handel gebracht, welche beide 
viel Nutzen versprechen. Die von Buchs- 
baumholz sind die besten, aber da der 
Preis desselben gegenwärtig sehr hoch 
ist, so werden für gewöhnliche Zwecke 
andere Holzsorten substituirt. Einige 
Deckel sind auf der oberen Innenseite 
mit einer elastischen Lage versehen, 
welche beim Niederpressen am Rande 
des Glases durch die Gewalt der Schraube 
eine grössere Sicherheit gewährt. 


Der beistehende Holzschnitt stellt 
ein Glas mit einem Schraubendeckel dar 
mit einem auf der Glasseite inwendig 
mit Kork besetzten Deckel ehne Schraube. 


(Pharmae. Journ. and Transact. Septbr. 
1853.) 5 


Als Mittel gegen die Traubenkrankheit 


werden empfohlen: 

1) Seifenwasser. 2) Theerwasser. 3) schwach ammoniakalisches 
Wasser. 4) aromatisches Wasser. 5) Kalkwasser. 6) salzsaures 
oder schwefelsaures Wasser. 7) Salzwasser. 8) Chlorwasser. 9) Schwe- 
felwasserstoffwasser.. 10) Gypspulver. 11) Chausseestaub. 12) ge- 
pulverte Erde. 13) Asche. 14) Kohlenpulver. 15) Schwefeldampf. 
(Journ. de Pharm. d’Anvers. Sept. 1853.) A 


Verfälschungen. 

Chevallier macht darauf aufmerksam, dass neuerdings häufig 
Bismuth. nitr. praec. verfälscht sich im Handel findet mit Chlorwismuth ; 
Kerm. miner. mit rotnem Ocker; Magnes. ust. mit Kalk und Wasser; 
Chinin. sulf. mit Cinchonin ; Farin. sem. lin. mit ausgepresstem Lein- 
mehl; Gummi arab. mit Gummi indic.; Chocolade mit Satzmehl; Cap- 
sulae bals. Copaiv. mit fettem und mit Terpentinöl. (Journ. de Pharm. 
d’Anvers. Sept. 1853.) A. O0. 


184 


III. Literatur und Kritik. 


Die Geschichte der Chemie. Von der Kindheit des Men- 
schengeschlechts bis auf unsere Tage, von Rudolph 
Wagner, Professor in Nürnberg. Auch unter dem 
Titel: Bildungshalle im Sinne und Geiste unserer Zeit. 
Für alle Stände. Achter Band. Die Geschichte der 
Chemie. Leipzig, Verlag von Otto Wigand. A854. 
VI. 106 Seiten. 


Im Vorworte sagt der Verf.: »Eine von den Wissenschaften, die, 
obgleich aus der Kindheit des Menschengeschlechts stammend, erst in 
der neuern Zeit ihre Selbstständigkeit erlangt haben, aber durch das 
vereinte Wirken zahlreicher Kräfte merkwürdig schnell zu einem hohen 
Grade der Ausbildung gediehen sind, ist die Chemie. Die Geschichte 
der Chemie ist ein wesentlicher Theil der Geschichte des menschlichen 
Geistes. Ihre Entwickelung ist ein Spiegel von dem Geiste, welcher 
die Zeit beherrschte, ın der sie die Gemüther der Menschen erfüllte. 
Und wenn wir auch die Irrthümer, in denen sie sich bewegte, erkannt 
haben, so dürfen wir sie doch nicht ausstreichen aus der Stelle, die 
sie einmal eingenommen; wir würden uns der Gefahr aussetzen, viel- 
leicht ein ähnliches Schicksal von unsern Enkeln zu erleiden. 

In der Chemie haben stets+nur exireme Richtungen wechselweise 
die Herrschaft behauptet. Bald war sie eine verachtete Beschäftigung, 
bald die gepriesene Wissenschaft. — Die Chemie ist eine Macht ge- 
worden; sie ist als Wissenschaft berufen, der Praxis als sichere Lei- 
terin zu dienen. Im Verein mit der Mechanik und Physik hat sie der 
Industrie zu ihrem heutigen Glanze verholfen, deren wahre Grösse 
darin besteht, dass sie angefangen hat, den alten Fluch der physischen 
Arbeit von dem Geschlechte abzuwälzen, und die Naturkräfte zwingt, 
für sie einzustehen im Joch. Doch fragen wir: Was will und was 
kann die Chemie in ihren Bestrebungen erreichen? Sie lehrt uns die 
Gesetze kennen, denen die Stoffe unterworfen sind, welche in der 
belebten und leblosen Natur einander sich nahen; sie eröffnet uns 
neue Blicke in den Haushalt der Natur; sie lehrt uns die Phänomene 
kennen, welche vor unzähligen Jahren bei der Bildung der Oberfläche 
unserer Erde statt fanden; sie giebt uns Aufschluss über die Bildung 
heilbringender Quellen und leitet uns bei der Nachahmung derselben; 
sie klärt uns auf über die Processe, welche im lebenden Organismus 
des Menschen und des Thieres vor sich gehen, aus deren Kenntniss 
der Arzt eine tiefe Belehrung zieht. Sie gewährt uns einen Blick in 
das geheimnissvolle Leben der Pflanzen und deren innige Beziehung 
zu dem Boden, der sie trägt, und zu der Luft, die sie ernährt; sie 
leistet dem Arzt Hülfe, wenn er nach Heilmitteln sucht, unserm 


Literatur, A85 


gestörten Organismus sein Gleichgewicht wieder zu geben; sie leiht 
ihre Erfahrung dem Arme der Gerechtigkeit und entdeckt mit wach- 
samem Auge den Mord, welcher seine Opfer vielleicht schon seit 
Jahren im Grabe sicher verschlossen wähnt; sie macht die Kunst des 
Krieges furchtbarer, ihn selbst daher mehr und mehr unmöglich; sie 
erweitert alle Künste des Friedens, sie schafft neue. 

Hinsichtlich der Schilderung der Entwickelung der Chemie zu 
ihrer jetzigen Grösse lassen sich fünf verschiedene Zeitalter der Chemie 
bilden, nämlich: 

I. die Chemie der Alten (bis 300 n. Chr.); 
II. das Zeitalter der Alchemie (von 300 — 1525); 
III. das Zeitalter der Chemiatriker (von 1525 — 1650); 
IV. das Zeitalter der phlogistischen Chemie (von 1650 —1775); 
V. das Zeitalter der analytischen Chemie (von 1771). 

In dem I. Abschnitte wird die erste Kenntniss chemischer Gewerbe 
und Handgriffe den Aegyptern, vorzüglich der Kaste der Priester zu- 
geschrieben, Bei diesen wird zuerst die Darstellung und Bearbeitung 
der Metalle und mehrerer Legirungen, die Bereitung der Soda, des 
Salmiaks und Alauns, des Kochsalzes und des Glases, der Ziegel- und 
Töpferwaaren, des Bleiweisses, Grünspans, blauer Farben, die Fär- 
berei der Seide, das Einbalsamiren der menschlichen Leichen angetroffen. 

Zunächst wurden chemische Kenntnisse angetroffen bei den Chi- 
nesen und Indiern, doch hat man bei der Abgeschlossenheit der Völker 
Chinas und Hindostans keine Fortschritte in der Chemie anderwärts 
ihnen zu verdanken; obschon man sicher weiss, dass die Porcellan- 
bereitung, die Bearbeitung mancher Metalle und Farben (auch des 
Papiers) ihnen bekannt war. Dass die Phönicier die Erlinder der 
Glasfabrikation gewesen seien, wird als irrthümlich bezeichnet und 
den Aegyptern zugeschrieben, während den Phöniciern, welche eine 
Handelsnation waren, die Verbreitung dieser Kunst beigemessen wird. 
Die chemischen Kenntnisse der Israeliten brachte Moses aus Aegypten 
mit. So finden wir bei ihnen schon Kenntnisse über das Gold, Silber, 
Kupfer, Zinn, Eisen und Blei. 

Die Griechen haben die Chemie nicht bereichert, sie waren den 
Juden nicht überlegen an Kenntniss chemischer Thatsachen. Ihre Be- 
strebungen neigten sich mehr dem Gebiete des Schönen zu, der Bild- 
hauerei, Baukunst, Steinschneiderei, der Mosaikbildung, Giessen von 
Statuen in Metall; mehr aber noch trat ihre geistige Kraft auf in 
Politik, Rhetorik, Poesie, Philosophie, Aesthetik. Selbst für die Er- 
weiterung der Heilkunde finden wir bei den Griechen nichts Erheb- 
liches. 

Bei den Römern findet sich Geneigtheit für die Naturwissenschaf- 
ten nur sparsam, und das Vorhandene war ein Erbe, das ihnen die 
Besiegung Griechenlands überbrachte. Aber die Kriegszüge der römi- 
schen Heere gaben Veranlassung, dass fremde Länder erforscht und 
naturhistgrische Erfahrungen gesammelt wurden. Doch thaten die 
Römer nichts für die Erweiterung der Kenntnisse in der Chemie. 

Schon 600 Jahre v. Chr. zu Solon’s Zeitalter stellte Thales das 
Wasser als den Grundstoff der Bildung aller Dinge auf. Ein halbes 
Jahrhundert später verwarf Anaximander diese Ansicht des Thales 
and ertheilte den Charakter des Ursprungs einem hinsichtlich der Quan- 
tität unbegrenzten, hinsichtlich der Qualität unbestimmten Stoffe, wel- 
cher die bei der Entstehung des Kosmos hervortretenden Körper und 
Eigenschaften nicht als wirklich existirende, sondern nur als dynamisch 


Arch. d. Pharm. CXXVI. Bds. 2. Hft. 13 


NS6 Literatur. 


mögliche vereinige. Anaximenes stellte die Luft als Ursprung auf, 
Heraklit nahm im Jahre 500 v. Chr. als solches das Feuer an und im 
Jahre 440 v.Chr. ward von Empedokles die Ansicht begründet, dass 
Wasser, Feuer, Luft und Erde als die Grundiagen der Schöpfung zu 
betrachten seien, welche man denn auch bis in die neuesten Zeiten 
unter dem Namen der Aristotelischen Elemente kennt, 


II. Abschnitt. Zeitalter der Alchemie, 

Die Astrologie und Alchemie haben vornehmlich bis in das 16te 
Jahrhundert, letztere sogar bis in das 1Ste, ihre Herrschaft über, die 
Geister ausgedehnt. 

Erst im 4Aten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung begann 
die Chemie Leben zu zeigen. Diese ersten Lebenszeichen gingen von 
der Alexandrinischen Akademie aus. Allerdings sind die ersten Ver- 
suche, Gold zu machen, schon einem früheren Zeitalter angehörig: 
denn nach Plinius bemühte sich schon Kaiser Caligula, Gold aus 
Schwefelarsenik zu machen. Ja nach alten Legenden sollen Moses 
und seine Schwester Mirjam, auch der Apostel Johannes, Zweige in 
Gold, und -Kiesel in Karfunkel verwandelt haben. 

Die Alchemie ist ein Kind der hohen Schule von Alexandrien. 
Durch die Araber ward sie verbreitet zunächst über Spanien, Frank- 
reich, Italien, Deutschland und England. 

Der bedeutendste arabische Alchemist ist Geber. Nach ihm haben 
sich besonders Albertus Magnus (1193 — 1280), Roger Baco (1214 — 
1292), Villanovanus (1235—1312), Raymund Lullus (1235—1315 ?) 
und Basilius Valentinus als Alchemisten einen Namen erworben, Von 
diesen zeichnete sich Albertus von Bollstedi oder Alb. Magnus durch 
grosse Gelehrsamkeit in der Theologie, so wie auch den mathematischen 
und Naturwissenschaften aus; er entdeckte das metallische Arsenik 
und dessen Schwefelverbindungen, er kannte die Reinigung des Gol- 
des mittelst Blei, seine Scheidung vom Silber u.s. w. Roger Baco, der 
seiner Kenntnisse wegen den Ehrennamen Doctor mirabilis erhielt, 
ward wegen vermeintlicher Gemeinschaft mit bösen Geistern von den 
Mönchen verfolgt und musste zehn Jahre im Gefängniss schmachten. 
Villanovanus war als Arzt, Philosoph, Chemiker bekannt; auch er 
ward von der Geistlichkeit verfolgt. Raymund Lullus, auf Majorca 
geboren, erst ein Wüstling, dann Theolog, war als Missionair unter 
den Muhamedanern thätig. Er wollte Gold machen, um das Christen- 
thum zu fördern. Basilius Valentinus, ein Benedictiner im St. Petrus- 
kloster zu Erfurt, einer der bedeutendsten Chemiker der Vorzeit, der 
das Zink und Spiessglanz und ihre Verbindungen beschrieb, so wie 
viele metallische Salze; er kannte das Knallgold. Ueber Analyse me- 
tallischer Körper gab er zuerst Kunde. 

Die eifrigste Goldmacherei entstand erst im 44ten Jahrhunderte. 
In England erliess Heinrich IV. ein Verbot dagegen, aber Heinrich VI. 
begünstigte sie, wie in Frankreich Carl VII., in Deutschland, des Kai- 
sers Sigismund Gemahlin Barbara und später noch Leopold I., Kaiser 
Rudolph Il., Kurfürst August von Sachsen, dessen Gemahlin Anna von 
Dänemark, der Kurfürst Johann Georg von Brandenburg. Leopold 
Thurnheysser, Johann Friedrich Bötiger, Dominico Manuel Ca&tano 
waren Goldmacher im 18ten Jahrhundert. 


III. Zeitalter der Chemiatrik. 
Basilius Valentinus bediente sich der Chemie zur Herstellung neuer 
Arzneimittel aus dem Reiche der Metalle, 


Literatur. 187 


Philippus Aureolus Paracelsus Theophrastus Bombastus von Hohen- 
heim aus Einsiedeln in der Schweiz, der ein unstätes Leben führte, 
Wunderdoctor, dann Professor der Medicin, hernach Lehrer der Chemie 
war, ein fleissiger Schriftsteller; er führte die Apotheker zur Beschäf- 
tigung mit der Chemie hin. 

Ein Zeitgenosse des Paracelsus war Georg Agricola, ein sächsi- 
scher Arzt, einer der gediegensten Chemiker damaliger Zeit, der be- 
sonders im Berg- und Hüttenwesen Verbesserungen angab. 

Oswald Crull, Leibarzt eines anhaltischen Fürsten, verbesserte die 
Bereitung mehrerer Arzneimittel, kannte das Chlorsilber, das er Horn- 
silber nannte, führte den Tartarus vitriolatus und die Bernsteinsäure 
in den Ärzneischatz ein. 

Mynsicht, Leibarzt in Schwerin, gab Vorschriften zur Darstellung 
von mehreren Arzneimitteln und führte den Brechweinstein als sol- 
ches ein. 

Libavius aus Halle prüfte die Ansichten des Paracelsus mit kriti- 
schem Blick, entdeckte das Zinnchlorid, kannte das Rothfärben des 
Glases mittelst Goldes, zeigte die Uebereinstimmung der Schwefelsäure 
durch Destillation und Verbrennung erhalten, kannte die Darstellung 
künstlicher Edelsteine, des Weingeistes aus gegohrenen Früchten u. s. w. 

Angelus Sala, Leibarzt in Güstrow, kannte die Bestandtheile des 
Salmiaks. 

Johann Baptist van Helmont, Graf von Merode, studirte Chemie 
und Mediein, wies zuerst auf wissenschaftlichem Wege die luftförmigen 
Körper nach und nannte sie Gase; er ist der Begründer der pneu- 
matischen Chemie; er kannte schon Wasserglas. 

Rudolph Glauber, Arzt und Laborant in Caristadt, Salzburg, . 
Kitzingen, Frankfurt, Cöln, Amsterdam, stellte das schwefelsaure Natron 
dar, kannte viele Chlorverbindungen. 

Franz de la Bo&@ Sylvius, Arzt in Hanau, Leyden und Amsterdam, 
kannte den Unterschied des arteriellen und venösen Blutes, kannie 
viele, namentlich heroische Arzneimittel, z. B. Spiessglanzpräparate, 
kannte das Vorkommen des Anımoniaks in den Pflanzen. Sein Wir- 
ken diente dazu, den Aerzten die Wichtigkeit der Chemie klar zu 
machen. 

Otto Tachen aus Herford, der selbstständigste Chemiker seiner Zeit, 
gab eine wissenschaftliche Definition des Begriffes Salz. Er lebte mei- 
stens in Venedig, kannte den Unterschied des destillirten Wassers von 
gewöhnlichem beim chemischen Gebrauch, die Gewichtszunahme der 
Metalle bei der Oxydation. 


IV. Zeitalter der phlogistischen Chemie, 


In der ersten Zeit dieses Abschnittes, in der 2ten Hälfe des 17ien 
Jahrhunderts, befassten sich hauptsächlich Aerzte mit der Chemie, und 
erst in der 2ten Hälfte dieses Jahrhunderts, also fast 100 Jahre später, 
bemächtigten sich dieser Wissenschaft auch Apotheker, Theologen und 
Berg- und Hüitenleute. 

Robert Boyle ahnte zuerst das Dasein einer grossen Anzahl von 
Grundstoffen, alsman bis dahin angenommen halte. Er war der eigent- 
liche erste Entdecker des Mariotie’schen Gesetzes, er kannte die Eigen- 
schaft der atmosphärischen Luft, durch brennende Körper und Athınen 
der Thiere verdorben zu werden, er kannte die Verwandischaftsreihe 
mehrerer Metalle zu den Säuren, entdeckte die Phosphorsäure und 
erweiterte die technische Chemie mit werthyollen Entdeckungen. 


188 Literatur. 


Ein Zeitgenosse war Johann Kunkel von Löwenstern, ein Apo- 
theker aus Rendsburg, wirkte in Lauenburg, Dresden und Berlin, starb 
als Bergrath in Stockholm. Entdecker des Phosphors, dessen Berei- 
tung Brandt, der erste Entdecker, geheim hielt, des Sa nee, 
verschiedener Glasflässe u.s.W. 

Johann Joachim Becher in Mainz, gestorben in London, ungemein 
thätig als Chemiker, Mechaniker und Technolog. Er legte das Fun- 
dament zu der sogenannten phlogistischen Chemie. 

Homberg aus Batavia, studirte in Jena, Leipzig, Prag und Paris, 
Arzt des Herzogs von Orleans, entdeckte den Phosphor, die Borsäure, 
die er für ein Salz hielt, lehrte eine bessere Methode zur Scheidung 
von edlen Metallen u. s. w. ’ 

Nicol. Lemery, ein ausgezeichneter Apotheker und Professor in 
Montpellier. Sein Lehrbuch der Chemie erlebte 13 Auflagen. 

Georg Ernst Stahl aus Ansbach, studirte in Jena, lebte als Leib- 
arzt in Weimar, ward später Professor in Halle, zuletzt Leibarzt des 
Königs von Preussen in Berlin. Lehrte das Phlogiston, 

Friedrich Hoffmann aus Halle, studirte in Erfurt und Jena, lebte 
als Arzt in Minden und Halberstadt, als Professor in Halle, dann als 
königl. Leibarzt in Berlin, kehrte aber später nach Halle zurück. Er 
untersuchte Mineralwässer, stellte den Liquor anodynus dar. 

Boerhave, studirte in Leyden Theologie und Mathematik, später 
Medicin, ward Professor in Leyden, Er betrachtete zuerst die Chemie 
als Wissenschaft. 

Caspar Neumann, Apotheker in Züllichau, später Professor in 
Berlin, stellte viele Untersuchungen an. 

Theodor Eller aus Plötzkau bei Bernburg, fürstl. Leibarzt, später 
Professor in Berlin. 

Joh. Heinr. Pott aus Halberstadt, studirte in Halle, Professor in 
Berlin, entdeckte die Bernsteinsäure, verbesserte viele Arzneimittel, 

Andreas Sigismund Marggraf, Apotheker in Berlin, dann Assistent 
Neumann’s, studirte noch in Frankfurt, Strassburg, Halle, Freiberg. 
Im 29sten Jahre Mitglied der Akademie in Berlin, später Director der 
physikalischen Classe, fand in vielen Gewächsen Zucker auf, so in 
der Runkelrübe, und lehrte denselben darstellen, er prüfte viele Pflan- 
zen, entdeckte die Ameisensäure, den künstlichen Moschus und vieles 
Andere. 

Stephan Godefroy, Apotheker, studirte Medicin in Montpellier, 
Professor der Chemie in Paris, stellte Untersuchungen über chemische 
Verwandtschaft an. Sein Bruder Joseph war ebenfalls Pharmaceut 
und Chemiker. 

Johann Hellot, Mitglied der Akademie in Paris, ward Director 
der Färbereien, lehrte die Wirkung der Beizmittel, 

H. L. Duhamel du Monceau in Paris, erwies die Verschiedenheit 
des Natrons vom Kali, lehrte kohlensaures Natron darstellen. 

P. J. Macquer, Professor in Paris, nützlich thätig als technischer 
Chemiker. 

Cadet, Apotheker in Paris, Entdecker des Alkarsins. 

Rouelle, ein eifriger Professor. 

Joseph Black aus Bordeaux, studirte in Glasgow und Edinburgh, 
Professor an beiden Orten, zeigte zuerst das Falsche der Hypothese 
des Phlogiston. 

Hier am Ende des IV. Abschnitts fährt der Verf. fort: »Ums Jahr 
1773 erschienen auf dem Schauplatze der Welt drei Männer, welche 


Literatur. 189 


die Gestalt der Chemie nothwendig verändern mussten. Verschieden 
durch Alter und Stellung, arbeiten alle drei an demselben Werke mit 
gleichem Muthe, zu derselben Zeit, aber nicht mit demselben Glücke. 
Der eine von ihnen, Cavendish, ein Weltmann, reich, umgeben von 
den berühmtesten Gelehrten und an ihrer Spitze stehend, erhebt sich 
über den Ruhın aller seiner Zeitgenossen. Der andere, Priestley, ein 
Theolog, ein Politiker durch seine Stellung, ohne irdische Güter und nur 
durch einige Freunde der Wissenschaften unterstützt, wirft einen vor- 
übergehenden Glanz, aber einen so lebhaften Glanz, dass unsere Augen 
davon geblendet sind. Der letzte, Scheele, ein Apothekergehülfe, 
dürftig und bescheiden, Allen und fast sich selbst unbekannt, tiefer 
als der erste, höher als der zweite stehend, beherrscht er die Natur 
durch die Macht der Geduld und des Genies, entreisst ihr ihre Geheim- 
nisse und erringt das schönste Blatt aus dem gemeinschaftlichen Lor- 
beer.« 

Cavendish, ein Neffe des Herzogs von Devonshire, entdeckte das 
Wasserstoffgas, bestimmte seine Eigenschaften, wie die der Koblen- 
säure. Seine gründlichen Untersuchungen trugen zum Sturze des phlo- 
gistischen Systems viel bei. 

Priestley, ein Prediger, später Sprachlehrer, schrieb eine Geschichte 
der Elektricität, machte sich berühmt durch gründliche Untersuchungen 
über die Kohlensäure, Stickstoffoxyd, Sauerstoffgas, schweflige Säure, 
Chlorwasserstoffgas, Aınmoniakgas, Kohlenoxydgas, Stickstoffoxydulgas. 

Olaf Torbern Bergmann aus Westgothland, studirte in Upsala Ma- 
thematik und Naturwissenschaften, wurde von seinem Lehrer Linne 
ermuntert, ward Professor der Physik, Chemie und Mineralogie, grün- 
dete ein neues Mineralsystem, gab eine vollständige Anweisung über 
die Reagentien, eine Anleitung zur Prüfung der Mineralwässer, auch 
der gasförmigen Bestandtheile, vervollkommnete die Anwendung des 
Löthrohrs und Jie Verwandtschaftstafeln u. s. w. 

Carl Wilhelm Scheele, einer der ersten Chemiker aller Zeiten, 
Apotheker, geboren in Stralsund, später sich aufhaltend in Gothenburg, 
Malmöe, Stockholm und Upsala, war mit Bergmann bekannt, wurde 
im Jahre 1775 Apothekenbesitzer in Köping. Leider starb er schon 
noch nicht 44 Jahre alt. Er entdeckte das Sauerstoffgas, das Man- 
gan, Chlor, den Baryt, eine grosse Reihe organischer und unorgani- 
scher Säuren und sonstiger Stoffe. 


V, Zeitalter der analytischen Chemie, 


Beginnt, wie allgemein bekannt, mit Lavoisier’s Entdeckungen, 
Geboren im Jahre 1743, zeichnete sich Lavoisier schon im Jahre 1764 
durch wissenschaftliche Untersuchungen aus, im Jahre 1768 war er 
schon Mitglied der Akademie, 1771 Generalpächter, welche Stellung 
zu seinem frühen Ende beitrug. Er unternahm weitläufige Versuche 
über die gasförmigen Stoffe, die sich aus den Cloaken entwickeln. 
Begründer des antiphlogistischen Systems. Den 8. Mai 1794 endete 
sein Leben das Henkerbeil Robespierre’s. r 

Um 1785 fand dieses System Stützen in Berthollet, Guyton - Mor- 
veau, Fourceroy; in Deutschland durch Klaproth, Bucholz, Hermbstädt, 
Gren, Richter, Trommsdorff, Wenzel, Westrumb, Wiegleb, fast alle aus 
der Schule der Pharmacie, die sie in die Reihe der wissenschaftlichen 
Fächer erhoben. 

Ausser diesen sind in diesem Zeitaiter noch genannt: Vauquelin, 
Proust, Dalton, Gay-Lussac, Thenard, Welter, Davy, Berzelius, den 


190 Literatur. 


eine kurze Biographie nach Verdienst geschildert hat, ferner Faraday, 
Mitscherlich, Dumas, Liebig, Wöhler, deren Verdienste mehr oder 
weniger umfassend geschildert werden. Am Schlusse des Werkes 
werden nur namentlich eine Reihe von Chemikern aufgeführt, unter 
welchen wir antreffen: Buchner, Bunsen, Döbereiner, Delffs, Duflos, 
Fresenius, Leopold Gmelin, Kastner, Knapp, Knop, Kopp, Kuhlmann, 
Löwig, Marchand, Merck, Mohr, Monheim, Mulder, Osann, Otto, Payen, 
Peligot, Pelouze, Peitenkofer, Rammelsberg, Redtenbacher, Rose, 
Scherer, Schlossberger, Schönbein, Schrötter, Stöckhardt, Ulex, Var- 
rentrapp, Walz, Wackenroder, Wittstein, Wurz und viele andere, dar- 
unter die meisten aus der Schule der Pharmacie hervorgegangen sind 
und zum Theil ihr noch angehören. 

Wir können diesen Abriss der Geschichte der Chemie unsern 
Lesern bestens empfehlen als einen namentlich in Beziehung auf die 
früheren Perioden der Chemie ebenso interessant als gründlich ver- 
fassten. Die neueste Periode ist, obschon sie fast die Hälfte des Wer- 
kes umfasst, doch etwas kurz weggekommen, wie schon daraus her- 
vorgeht, dass die Arbeiten von Bunsen, Döbereiner, Erdmann, Fresenius, 
L. Gmelin, Kastner, Löwig, Marchand, Rose und Andern gar nicht 
angeführt worden sind, deren weitere Ausführung wir um der grös- 
seren Vollständigkeit und der ansprechenden Darstellungsweise des 
Verfassers sehr gewünscht hätten. 

Die Ausstattung an Druck und Papier ist vollkommen würdig. 


Dr. L. F. Bley. 


Die Preussische Arzneitaxe, deren Wesen, Entwickelung 
und Folgen, nach amtlichen Quellen von O. A. Ziurek, 
BL NERHT: Berlin, Hirschwald’sche Buchhandlung. 
1853. 


Der Verfasser singt wehmuthsvoll der Pharmacie ein Trauerlied. 
Die Pharmacie, das ist in kurzem Bilde zusammengefasst der Glaubo 
des Verf., sei von ihrer einstmaligen Grösse endlich dahin gekommen, 
im Alter gebeugt da zu stehen; die eigenen Kinder, Chemie und Natur- 
wissenschaften, welche die Pharmacie ehemals gepflegt, drohten die 
Mutter zu verschlingen. Während die Pharmacie früher in ihrer Blüthe 
als Wissenschaft und Kunst geprangt, ‘wanke sie jetzt am verdorrten 
Stabe einher. Funzig Jahre wäre gar kein Fortschritt an ihr mehr 
wahrzunehmen, selbst das Gesetz hätte die ärmste vernachlässigt, und 
die Pharmaceuten, früher Heroen der Kunst und Wissenschaft, seien 
fast nichts als Salben- und Saftköche geworden. 

Doch noch ist ein Erlöser vorhanden; darum zaget nicht, meine 
Herren Collegen. Waren wir auch Alle eingeschlafen und an einen 
tiefen Abgrund gerathen — noch wacht ein Genius über uns und 
dieser ist der Verf. des »Wesens etc. der Preuss. Arzneilaxe,« 

Herr Ziurek will die Pharmacie retten. Im Jahre 1849 las 
man von ihm eine Schrift: »Der Staat und die Apotheken.« Dazumal 
flatterten auf seiner Fahne die inhaltsschweren Worte: Hebt die Pri- 
vilegien auf! Das Panier ist leider nicht siegreich vorgedrungen, 
darum wird 1853 ein anderes aufgesteckt, es heisst: Schafft die hohe 
Arzneilaxe weg; seit 1815 hat alle Welt darunter leiden müssen, nur 
Ihr Herren besitzenden Collegen habt allein den Vortheil davon ge- 
habt. Auf solche Anschuldigungen könnte man füglich schweigen, 


Literatur. 91 


denn sie sind oft genug und schlagend widerlegt worden (siehe die 
Artikel über wohlfeile Arzneien von Dr. Geiseler in dem August-, 
September- und December -Hefte 1849 des Archivs der Pharmacie). 
Einzelnes aus der Schrift des Verf. der »Preuss. Arzneitaxe etc.« ver- 
dient aber wohl eine nähere Beleuchtung. 


Der Verf, behauptet, die Kaufpreise der Apotheken hätten sich 
allmälig mehr und mehr durch die hohe Arzneitaxe gesteigert, so dass 
die öffentliche Meinung immer misstrauischer gegen ein Institut ge- 
worden, welches ohnehin von dem Publicum nur als eine Last ange- 
sehen würde, Der Ertrag der Apotheken, welcher trotz der Erhöhung 
der Kaufpreise für den Besitzer noch gewinnreich gewesen, müsse 
daher ein ganz unnatürlicher sein. Sind nun aber in der That die 
jetzigen Preise der Apotheken der hohen Taxe zuzuschreiben? Ueberall, 
wohin wir uns umschauen, nehmen wir bei andern Besitzihümern die- 
selben Steigerungen der Preise wahr. Der Verf. nimmt zwar eine 
ungeheure Majorität naturgemässer Preisbestimmungen bei Verkäufen 
von Grundstücken, grossen und kleinen Gütern und solchen Instituten, 
deren Erirag keinem Wechsel unterworfen, im Gegensatz zu denen 
der Apotheken an, und dennoch kann man täglich die Beobachtung 
machen, dass auch diese Besitzthümer innerhalb 30 Jahren den dop- 
pelten und dreifachen Werth erlangt haben. Das liegt einzig und 
allein in dem gegenwärtigen Genuss eines langen Friedens, welcher 
den Werih des Besitzihums erhöht und die grössere Entwerthung des 
Geldes verursacht hat. Die Praxis würde uns auch den Beweis für den 
unnatürlichen Gewinn des Apothekers in der That schuldig bleiben. 
Wenn dem so wäre, müssten wir unter den Pharmaceuten, namentlich 
solchen, welche sich lange Jahre hindurch ihres Besitzthums erfreut 
haben, reiche Männer antreflen. Aber nur ausnahmsweise giebt es 
wohlhabende Pharmaceuien, meist nur in solchen Fällen, wo das 
Besitzthum auf Kind und Kindes-Kinder fortgeerbt ist; dagegen finden 
wir unendlich viele, welche ihres Broderwerbes wegen zu Neben- 
geschäften gezwungen sind. 


Allgemein bekannt ist es, dass in kleinen Städten so mancher 
Apotheker das Geschäft eines Materialisten anfangen oder übernehmen 
muss, von dessen Betrieb er vielleicht früher nie eine Ahnung hatte. 


Die Kritik des Verf. erstreckt sich nun sonderbarer Weise nur 
über die Taxen von 1815 —1847; die Taxe von 1853 scheint der 
Verf. gar nicht zu kennen, obwohl seine Schrift vom August d.J. 
datirt ist. Ein Vergleich der Taxe von 1847 und 1853 würde den 
Verf. zu seiner hohen Freude überzeugen, dass die letztere bedeutend 
herabgesetzt ist, ja sogar einzelne Artikel so niedrig gestellt sind, 
dass Einkaufs- und Verkaufspreis mit nur einigem Gewinn gegen- 
wärtig in gar keinem Einklang stehen. Das schwefelsaure Chinin 
kostete im Sommer das Pfund 64 Thlr., die Unze folglich 4 Thlr., 
die Drachme 15 Groschen im Einkaufspreise; rechnet man Fracht, 
Emballage, Dispensationsverlust hinzu und vergleicht man den Preis 
der Taxe, welcher das ganze Jahr hindurch unverändert auf 214 Gro- 
schen für die Drachme zu stehen kam, so wird man leicht ermessen 
können, welcher Gewinn dem Apotheker geblieben; bei 25 Procent 
Rabatt aber, welchen der Apotheker häufig zu geben gezwungen ist, 
wird man mit entschiedenem Nachtheil verkaufen müssen. 


Die Anordnung der technischen Commission, welche die Taxe ent- 
worfen, bei allgemeiner Verringerung der Arzneipreise in den letzten 


- 


192 Literatur. 


Taxen, eine theilweise unbedeutende Erhöhung der Arbeitspreise be- 
stimmt zu haben, ist dem Verf. ebenfalls Gegenstand seiner Angriffe 
geworden. Dem Verf. ist es hierbei ganz gleichgültig und der Beach- 
lung nicht werth gewesen, dass Decocte und Infusion gegenwärtig 
eine kostspieligere und sorgfältigere Bereitungsweise erfordern, als es 
früher der Fall gewesen, dem gemäss also auch eine entsprechende 
Erhöhung des Preises verdient haben. Wenn man aber im Allgemei- 
nen erwägt, dass nicht allein die Arzneipreise billiger geworden, son- 
dern der Verbrauch der Medicamente seit Jahren Abbruch erlitten 
durch die Vereinfachung der ärztlichen Verordnungen, durch die ver- 
schiedenen Heilmethoden der Hydrotherapie, Homöopathie u. s. w., 
ferner durch den immer mehr überhand nehmenden Charlatanismus 
unserer Zeit, durch Anpreisung von Geheimmitteln, die überall bei 
dem leichtgläubigen Publicum Eingang finden und oft zehnfach höher 
bezahlt werden, als sie in den Apotheken kosten würden: so fragen 
wir: welcher Gewinn bleibt unter solchen Umständen dem Apotheker, 
wenn er nicht einigermaassen für die Arbeit eine entsprechende Ent- 
schädigung erhält? 

Der Verf, hat seine Schrift, die von einer Masse unnöthiger Fremd- 
wörter förmlich überschwemmt ist, einem hochgestellten einflussrei- 
chen Manne, Herrn Geh. Ober-Regierungsrath und Director der Medi- 
cinal-Abtheilung des Innern, Lehnert, dessen Güte er wahrscheinlich 
die Einsicht in die Königl. Preuss. Acten über die Taxe verdankt, 
gewidmet. Es steht zu erwarten, dass dieser hochverehrte Mann 
nicht durch Scheingründe eine Meinung gewinnen wird, welche der 
Verf. Jedem aufbürden will, nämlich die Nothwendigkeit von der Ver- 
ringerung der Preuss. Arzneitaxe, die in ihrer praktischen Anwendung 
sicherlich unzählige Apotheken in den Abgrund des Verderbens stür- 
zen würde. 


Mühlberg a. d. Elbe. . Lichtenberg. 


493 


u. 


Zweite .Abtheilung. 
Vereins - Zeitung, 


redigirt vom Directorio des Vereins. 


4) Biographisches Denkmal. 


Dr. Jonathan Pereira, 
Mitglied der Königl. Gesellschaft, der Londoner Gesellschaft, des 
Königl. Collegiums der Londoner Aerzte, Vicepräsident der Königl. 
med. und chirurg. Gesellschaft; Ehrenmitglied der pharm. Gesellschaften 
von Grossbritannien, Petersburg und Portugal, der medic.- physikal. 
Gesellschaft zu Erlangen und des hessischen Vereins für Naturgeschichte; 
correspond, Mitglied der Pariser Societät für Pharmacie; Examinator 
der Materia medica und Pharmacie an der Universität London; Arzt 
am Londoner Hospital u.s. w. 


Der Tod eines Arztes, dessen Talente, Ausdauer und Fleiss ihn 
zu einer hohen wissenschaftlichen Stufe erhoben, wird unter allen 
Umständen von Jenen, welchen seine Kenntniss Heilung und Genesung 
brachte, so wie von seinen Freunden schmerzlich gefühlt. Dieser 
Schmerz ist aber tiefer, wenn die Abberufung unter Umständen erfolgte, _ 
die den Mann in der vollen Kraft seines Lebens, mitten auf seiner dem 
menschlichen Geschlechte so erspriesslichen Thätigkeit entführt. Aber 
nicht bloss als praktischer Arzt sei hier Dr. Pereira’s rühmend ge- 
dacht; da er das Band zwischen Pharmacie und medicinischer Praxis 
durch seine Forschungen inriger geknüpft, so müssen an diesem Orte 
seine Verdienste um die Pharmacie nicht minder, als jene, die er sich 
durch seine ärztliche Thätigkeit erworben, näher zur Sprache gebracht 
werden. In beider Hinsicht war er eine Autorität, auf welche sich 
die Männer der Wissenschaft der genannten Branchen in zweifelhaften 
Fällen mit Vertrauen beriefen. Schien ärztliche Praxis gleich sein. 
Endziel, so war er doch in Chemie und Materia medica, besonders 
in den früheren Jahren seiner Laufbahn, der Begründer einer bedeu- 
tenden Schule, und später, wo sein Ruf und seine Popularität als Arzt 
immer höher stieg, theilte er als Professor der Materia medica an 
der pharmaceutischen Gesellschaft gern die Resultate seiner wissen- 
schaftlichen Forschungen und Erfahrungen mit. In letzterer Hinsicht 
ist sein Name so sehr mit den Fortschritten der Pharmacie in England 
verwachsen, dass eine Skizze seines Lebens und Wirkens auch den 
Lesern dieser Zeitschrift gewiss willkommen sein wird. 


Arch. d. Pharm. CXXVII. Bds. 2. H£ft. 1% 


19%  Vereinszeitung. 


Jonathan Pereira war geboren im Pfarrspiel Schoredish zu 
London am 22. Mai 1804. In einem Alter von zehn Jahren brachte 
ihn sein Vater an die klassische Akademie in Queen Street, Finsburg, 
wo er gegen vier Jahre verweilte und sich bald als einen der fähig- 
sten Köpfe unter den Schülern jener Anstalt auszeichnete. Die Lehr- 
gegenstände, an denen sich dort seine Fähigkeit übte, waren* jedoch 
keineswegs von der Art, wie sie ihm für seinen künftigen Beruf von 
wesentlichem Nutzen sein konnten. Da sein Vater, Londoner Kauf- 
mann und Assecurateur bei Lloyds, durch einige unglücklich ausge- 
fallene Speculationen in seinen vorher sehr blühenden Vermögensum- 
ständen ziemlich zurückgekommen war, so wurde Pereira in einem 
Alter von 15 Jahren aus jener Schule genommen und zu Hrn, Catham, 
einem Schiffs-Chirurgen, der damals in City- Way grosse Praxis halte, 
in die Lehre gegeben. Noch vor Ablauf der drei Lehrjahre hob sich 
jedoch dieser Vertrag, weil der Lehrherr unterdessen in einen Zustand 
von Geistesabwesenheit gefallen war. Während dieser Zeit hatte aber 
unser Pereira sich fortwährend viel mit klassischen Studien beschäf- 
tigt. Namentlich war es die Bearbeitung eines Wörterbuches aller 
der wissenschaftlichen Ausdrücke, welche in medicinischen Werken 
nur irgend vorkommen mögen. 

1821 trat er als Student in Aldersgate-General-Laboratorium ein 
und hörte da die Vorlesungen des Dr. Clutterbuk über Chemie, 
Materia medica und praktische Heilkunde, des Dr. Birkbek über 
Naturphilosophie und des Dr. Cambe über Botanik, Dann besuchte 
er für wundärztliche Praxis auch das St. Bartholomäus-Hospital. Im 
Jähre 1823 ward in Aldergate-Street-Laboratorium eine Apotheker- 
Stelle vacani, um welche er sich jetzt auf Anrathen Dr, Clutter- 
buk’s und einiger andern seiner medicinischen Freunde bewarb. Da 
aber zur Uebernahme einer solchen Stelle die Licenz der Apotheker- 
Gesellschaft erforderlich war, so bereitete er sich nun mit andauern- 
dem Fleiss für ein Examen vor, welches er am 6. März 1823 in einem 
Alter von 19 Jahren mit Auszeichnung bestand, und dann seine Ein- 
gaben für die Stelle machte, die von Seiten der Angestellten beim 
Institut die wirksamste Unterstützung fand. 

Zum Apotheker beim General-Laboratorium ernannt, bildete er 
nun um sich einen Kreis von Zuhörern, die durch ihn auf ihre phar- 
maceutischen Examina vorbereitet wurden. Dies Unternehmen war 
von grossem Erfolg begleitet und trug in der Folge nicht wenig zur 
Begründung seines Rufes als eines ausgezeichneten Lehrers bei. Für 
den Gebrauch seiner Zuhörer veröffentlichte er damals verschiedene 
Werke, namentlich eine Uebersetzung der Londoner Pharmakopöe vom 
Jahre 1824 mit einer wissenschaftlichen Darlegung der pharmacenti- 
schen Präparate, ihrer Reactionen und Zersetzungen; ferner erschie- 
nen: Selecta e Praescriptis, ein kleines Werk, das wir in seiner elf- 
ten Auflage vom Jahre 1851 unsern jungen Lesern als sehr nützlich 
empfehlen können. Später ein »Handbuch für den Gebrauch der Phar- 
macie Studirenden«, das nachher mit des Verf, Erlaubniss von Dr. 
Steggal! angenommen und herausgegeben wurde, und neulich eine 
»Generaltafel der Atomen-Zahlen mit einer Einleitung in die Atomen- 
Theorie.a Diese Werke machten ihn in der wissenschaftlichen Welt, 
nicht minder als Lehrer, wie als Forscher bekannt, 

Am 3. Juni 1825 wurde er Mitglied des den der Wund- 
ärzte und im Jahre 1826 folgte er Dr. Clutterbuk als Lector der 
Chemie am Aldersgate-Streei-Laboratorium., 


Vereinszeitung. 195 


In seinen ersten Vorlesungen gab er eine Uebersicht der Chemie 
als Wissenschaft von ihren ersten Anfängen bis dahin, wo sie nun 
mil ihren neuesten Entdeckungen und Resultaten auftrat. Die Vor- 
lesungen fanden ihres blühenden Styls und der überaus zahlreichen 
Präparate und Producte wegen, die dem Unterrichte zur Veranschau- 
lichung dienten, unter den vielen Zuhörern, die sich dabei eingefun- 
den, grossen Anklang. So ward damals als eine neue Entdeckung 
auch das von Balard in Montpellier zuerst gewonnene Brome vor- 
gezeigt. 

Seine Forschungen über Hateria medica führten ihn auch zu den 
französischen und deutschen Autoren, und um sich leichter mit ihren 
Werken bekannt Machen, lernte er jetzt auch die deutsche und 
französische Sprache. Im Lauf von zwei Jahren hatte er sich voli- 
kommen über den Stand der Materia medica in jenen Ländern orien- 
tirt, ordnete und classificirte die Fortschritte nach wissenschaftlichen 
Principien und fing an, die Resultate derselben in einem grossen und 
bändereichen Werke niederzulegen. Täglich stand er um 6 Uhr auf 
und widmete ungefähr 16 Stunden des Tages seinen namentlich in 
dieses Werk einschlagenden Studien. Sein Gedächtniss, das ihm nicht 
leicht eine Thatsache mit Bezug auf die Verfasser und Autorität, wo 
er sie geschöpft, entschlüpfen liess, war ihm bei der Förderung und 
Aufspeicherung der Materialien zu seinem Werke eine wesentliche 
Hälfe, 

So entstanden nach und nach seine »Grundzüge der Materia me- 
dica«, ein Werk, das ihn viele Jahre vor 1827 beschäftigt, weshalb. 
er auch erst mehrere Jahre nach diesem Zeitraume wieder vor dem 
Pubicum mit einer literarischen Arbeit erschien. — 1828 eröff- 
nete er im Laboratorium einen Cyclus von Vorlesungen über Mate- 
ria medica, und sein Auditorium wurde bald das besuchteste in 
London, sein Lehrerverdienst von seinen Zuhörern immer besser ge- 
würdigt und anerkannt. Mehrere Jahre lang setzte er diese Vorträge 
fort und berichtigte und fügte Alles, was als neuere Thatsachen und 
Entdeckungen zur Kenntniss gekommen war, hinzu. Dadurch förderte 
er aber auch sein dem Druck zu übergebendes Werk, welchem zu- 
gleich diese Vorlesungen als Grundlage und einleitende Vorbereitung 
dienten. 

Zu Anfang des Jahres 1832 gab er seine Stelle als Apotheker am 
Laboratorium auf und erhielt als ein Zeichen der Achtung und Aner- 
kennung von den Directoren des Instituts einen silbernen Präsentir- 
teller. Im September desselben Jahres verheirathete er sich und be- 
zog als praktischer Arzt in Aldersgate-Street eine Wohnung. 

Im Winter 1832 wurde ihm die Professur der Materia medica 
an der neu errichteten Schule in Aldersgate-Street ertheilt und um 
dieselbe Zeit wurde er Nachfolger von Dr. Gordon als Lector der 
Chemie am London Spital. Während seine Vorlesungen an der Alders- 
gate- Schule sich eines gewünschten Fortgangs erfreuten, veranlasste 
ihn Dr. Cummin, der hier Medicina forensis vortrug, als der Heraus- 
geber der Medical Gazette, seine Vorlesungen über Materia medica 
in diesem Journal zu veröffentlichen. Ob nun gleich um diese Zeit 
mit dem Druck der Grundzüge der Materia medica schon begonnen 
war, so machte diesen der Verfasser doch wieder rückgängig, fest 
überzeugt, dass eine vorläufige Veröffentlichung seiner Vorlesungen in 
der Medical Gazette für die weitere Verbreitung und Vervollständi- 
gung des Werkes nur von Nutzen sein könne. Die Vorlesungen 


1h* 


196 Vereinszeitung. 


erschienen also in den Jahrgängen 1835, 36 und 37 der genannten 
Zeitung und trugen nicht wenig dazu bei, den Ruf ihres Verfassers 
sowohl in England als auf dem Continente immer weiter zu verbreiten, 

Seine Vorträge in Aldersgate-Schule wurden so zahlreich besucht, 
dass er es für nöthig fand, ein neues Auditorium zu bauen, welches 
ihm eine Ausgabe von 700 Pfd. Sterl. (8400 fl.) verursachte. Die 
Honorare trugen ihm jährlich über 1000 Pfd. (12,000 fl.) ein, und so 
riethen ihm seine Freunde, sich wohl zu bedenken, ob von seinem 
Jahreseinkommen ein so beträchtlicher Theil auf die Erbauung eines 
Hörsaals verwendet werden dürfe, der im Fall, dass er jene Profes- 
sur wieder aufgeben wolle, für ihn von keinem dauerndem Nutzen 
sei. Aber er liess sich dadurch keineswegs von seinem einmal ge- 
fassten Vorsatze abbringen. Es war sein Leben hindurch sein Grund- 
satz gewesen, kleinlicher Rücksichten wegen nie von einem Vorhaben 
abzustehen, das er als ein der Wissenschaft und ihren höheren Zwe- 
cken erspriessliches ansah, und so befolgte er diesen Grundsatz auch 
diesmal und baute das Auditorium. Bald darauf machten ihm die Vor- 
steher des St. Bartholomäus - Hospitals den Antrag, Vorlesungen als 
Professor der Chemie und Materia medica auch an ihrer Lehranstalt 
zu übernehmen. Darauf ging er ein, gab einen Prospect der Vor- 
lesungen, die er an der Hospital-Schule zu halten gedachte, im Druck 
heraus und traf sonst für dieselben seine Vorkehrungen. Nach den 
Statuten des Hospitals, wie man ihm zu verstehen gab, war es jedoch 
erforderlich, dass wer an dieser Schule Professor wurde, ähnliche 
‘Verbindlichkeiten an andern Lehranstalten aufzugeben hatte. Das 
wollte er jedoch nicht, und so handelte es sich darum, ob zu seinem 
Gunsten die Vorsteher des St. Bartholomäus - Hospitals vielleicht eine 
Ausnahme von der Regel machen und in Beireff seiner das Statut 
suspendiren sollten. Medicinische Zeitschriften eröffneten darüber eine 
Discussion. Die Medical Gazette trat auf die Seite derjenigen, welche 
Pereira unter den von ihm vorgeschlagenen Bedingungen gewinnen 
wollten. Die Lanzette war der enigegengesetzten Meinung und er- 
blickte hier eine Bevorzugung, die gegen einen Professor, welcher 
erst durch seine Vorlesungen Allen bekannt werden musste, nicht 
geübt werden sollte. Der Erfolg dieser Discussion war ein Beschluss, 
dem zufolge das Gesetz zu Gunsten Pereira’s wohl einige Modifi- 
cation erfahren, aber nicht gänzlich davon Umgang genommen werden 
könne, und da Pereira sich nicht darauf einliess, so ward aus der 
Sache nichts. Er blieb daher Lector am London -Hospital, verliess 
aber gleichwohl ungefähr ein Jahr später die Aldersgate-Schule. 

Da seine in der Medical Gazelle erschienenen Vorlesungen über 
Materia medica im Publicum grossen Anklang fanden, so beeilte sich 
nun die Buchhandlung Langmann um so mehr mit der Heraus- 
gabe der Grundzüge, wovon der erste Band im Jahre 1839 erschien, 
und die ganze Auflage desselben war vergriffen, ehe dass im Jahre 
4840 der zweite Band ausgegeben werden konnte. Eine Gesammt- 
ausgabe des zweibändigen Werkes erschien dann sogleich zwei Jahre 
später, nämlich im Jahre 1842. 

Im Jahre 1840 hatte sich Pereira angeschickt, um an einer der 
Universitäten Schottlands zu promoviren und London für zwei Jahre 
zu verlassen. Allein unerwartet wurde die Stelle eines Assistenz-Arz- 
tes am London-Hospital vacant. Da sich Pereira schon früher eine 
solche Stellung gewünscht, so beschloss er nun, unter den Mitbewer- 
bern aufzutreten; da aber ein solcher Arzt Licentiat im Collegium der 


Vereinszeitung. 197 


Aerzte sein musste und die Ausschreibung den Termin zum Examen 
nur auf 8—10 Tage hinaussetzte, so war für Pereira nicht eben 
zu zaudern. Um über die letzte Frist, die von den Examinatoren ge- 
währt werden könne, Erkundigung einzuziehen, begab er sich zum 
Vorsitzenden des 'Collegiums, Sir Henry Halford, und erfuhr, dass 
ihm allenfalls 2— 3 Tage Verlängerung noch gewährt werden könne. 
Diese benutzte er nun, um in seinem Gedächtniss alle jene Details 
aufzufrischen, welche als Vorbereitung auf ein solches Examen erfor- 
derlich sind. Nicht ohne einige Befangenheit ging Pereira zum 
Examen. Am Schluss desselben zeigte sich jedoch, dass seine Befürch- 
tung unbegründet gewesen, denn man begrüsste ihn da als Einen, der 
sein Examen mit Glanz bestanden habe. Ueber Materia medica, seine 
Haupiwissenschaft, wollten ihn die Examinatoren, namentlich Sir Henry 
Halford, gar nicht examipiren. 

Seine beabsichtigte Promotion an einer schottischen Universität 
unterblieb nun gänzlich, und da es bei seiner Anstellung am London- 
Hospital jetzt überhaupt nicht mehr nöthig war, sich der Umständlich- 
keit und dem schleppenden Geschäftsgange der englischen Universitäten 
zu fügen, so bewarb er sich nun um den medicinischen Doctorgrad 
bei der Universität Erlangen, und erhielt sein Diplom wenige Wochen 
nachdem er auch Licentiat im Collegium der Aerzte geworden war. 
Nach einigen sich für ihn erhebenden Schwierigkeiten, die er aber 
durch die Bemühungen seiner Freunde glücklich überwand, war diese 
Anstellung am Hospital am 8. März 1841 wirklich erfolgt, und schon 
vorher, nämlich 1839, ward er zum Examinator der Materia medica 
an der Londoner Universität ernannt. 

Ueber obige Mittheilungen finden sich Artikel in der Lanzette, 
der Med. Times und Gazette und in andern Zeitschriften. 

Nun kommen wir aber zu einem Lebensabschnitt Dr. Pereira’s, 
wo uns dessen Verbindung mit der pharmaceutischen Gesellschaft in 
den Stand setzt, ihn in seiner Eigenschaft als Lehrer und wissenschaft- 
lichen Forscher von neuen glänzenden Seiten kennen zu lernen. 

Noch ehe zu Bloomsbury Square die neue pharmaceutische Schule 
eröffnet wurde, nämlich im Jahre 1842, erboten sich, um das Unter- 
nehmen zu fördern und die Vortheile darzulegen, welche mit dem 
Lehrsystem einer solchen neu zu gründenden Gesellschaft verbunden 
seien, mehrere Professoren zu einleitenden Vorlesungen. 

Am 30. März desselben Jahres gab Pereira auch eine solche 
Vorlesung und wählte dazu die neuesten Entdeckungen in der Mate- 
ria medica. Die Art des Vortrages, die Uebersicht und Ausführlichkeit, 
verbunden mit den nöthigen Proben aus jeder Classe, machte auf die 
anwesenden Mitglieder einen höchst vortheilhaften Eindruck, und man 
kam nun zu dem Entschlusse, Dr. Pereira als Professor der Schule 
gewinnen zu wollen. Sogleich konnte jedoch dies Vorhaben nicht 
ausgeführt werden, da man bereits für die Eröffnung der Schule und 
der Vorlesungen, die dort gehalten werden sollten, mit drei Andern 
in Verbindung getreten war, nämlich mit Dr. A, T. Thomson über 
medicinische Botanik und Materia medica, mit Hrn. Fowers über 
Chemie und mit Hrn. Redwood über Pharmacie. Ob man aber gleich 
den für dieses Semester entworfenen Lectionsplan nicht abändern wollte, 
so wurde mit Dr. Pereira doch das UVebereinkommen getroffen, an 
gewissen Abenden Vorlesungen über irgend einen interessanten Gegen- 
stand, den man seiner Wahl anheimstellte, zu halten. Das geschah im 
Monat August und September desselben Jahres, wo man von ihm zwei 


198 Vereinszeilung. 


Vorlesungen über die elementare Zusammensetzung der Nahrungsmittel 
zu hören bekam. Später erschienen diese Vorlesungen in einem 
besonderen Werke von 541 Octavseiten unter dem Titel: »Abhand- 
lung über Nahrungs- und Arzneimittel mit diätetischen Verhaltungs- 
regeln in Fällen, wo die Verdauungsorgane sich in einem ungeregelten 
Zustande befinden, und mit einem Nachweis über einige Verköstigungs- 
anstalten der Hauptstadt, namentlich in Armen- und Kinderbewahr- 
anstalten, in Gefängnissen, Irren- und Krankenhäusern.« 

Im März, April und August des Jahres 1843 wurden von ihm 
drei Vorlesungen über die Polarisation des Lichtes gehalten, dazu einige 
praktische Nutzanwendungen und Winke, namentlich über die Art, 
wie man verschiedene Oele, Terpentine, Balsame und andere Flüssig- 
keiten und Substanzen zu unterscheiden habe. Den durch die Rota- 
tion des Polariskops hervorgebrachten Farbenwechsel untersuchte und 
beschrieb er sorgfältig, indem er sich, um diese Lichtphänomene zu 
erklären, zugleich des Oxyhydrogen-Mikroskops bediente. Da der 
Gegenstand sein höchstes Interesse in Anspruch nahm, so finden wir 
die hier ausgesprochenen Grundsätze auch bei allen seinen nachfol- 
genden pharmakologischen Forschungen zu Grunde gelegt. Um den 
Erfolg dieser Vorlesungen zu sichern, sparte er weder Fleiss noch 
Kosten, gab sie auch später erweitert und umgearbeitet als eine Ab- 
handlung heraus, die von Männern der Wissenschaft wohl gekannt 
und geschätzt ist, obgleich für gewöhnliche Zuhörer, vor welchen 
diese Vorlesungen gehalten wurden, der Gegenstand fast ein wenig 
zu verwickelt und abstract war. 

‘Im Jahre 1843 wurde Dr. Pereira Professor der Materia medica 
an der pharmaceutischen Gesellschaft und hielt als solcher im Monat 
September an der pharmaceutischen Schule seine erste Vorlesung, die 
vor Mitgliedern und Associirten zahlreich besucht wurde. Es war 
das erste Mal, wo für die Apotheker des dortigen Stadttheils Vor- 
lesungen in Materia medica ein solcher Cours eröffnet wurde, und 
die Behandlung war von der für den Gegenstand im London-Hospital 
und den andern Medicinal-Schulen angenommenen in so fern gänzlich 
verschieden, als man hier sich vorzugsweise mit Therapie und einer 
genauen Aufzählung der Arzneimittel und ihren Wirkungen beschäftigt, 
während, als von secundärer Wichtigkeit, ihre chemisch - physiologi- 
schen Eigenschaften nur sehr oberflächlich behandelt werden, Dr, 
Pereira wusste hier einen glücklichen Mittelweg zu treffen, gab, 
indem er im Allgemeinen von Therapie und der Wirkung der Arznei- 
mittel handelte, zugleich solche Vorschriften, wie sie dem Apotheker 
bei der Bereitung von Nutzen sind. Da es für den Pharmaceuten hier 
nur gewisser Winke bedarf, um mit Vorsicht zu Werke zu gehen, so 
gab es deren genug, um ihm die Verantwortlichkeit seines Amtes 
erkennen zu lassen und eben ins Ausland zu schicken. Ausführlicher 
war er dagegen in Behandlung der Materia medica von naturgeschicht- 
licher, commercieller und chemischer Seite, und obgleich «darin Stu- 
dirende der medicinischen Schule, da sie mehr die praktische Anwen- 
dung, nämlich die Therapie, vor Augen haben, in der Regel nicht eben 
viel Anziehendes finden, so wusste Dr. Pereira doch gerade dafür 
mit einem eigenen Tact sein Talent zu entfalten, und von Dioscorides 
und Galen bis herüber ins Bereich der London-Docks entging ihm 
nichts, was hier seinem Gegenstande zu einer interessanten Aufhellung 
dienen konnte. Auf blossen Glauben nahm er schon gar nichts hin, 
wollte von manchen neu eingeführten Droguen auch die ursprüng- 


Vereinszeitung. 499 


liche Verpackung wissen, und ergab es sich dann, dass über den 
Ursprung manches Medicaments auf naturgeschichtlichem Wege nicht 
eben was Sicheres zu ermitteln war, so ruhte er doch nicht eher, 
bis er das Kunst- oder Naturproduct bis zur Quelle seiner ersten 
Entstehungart hinauf verfolgt hatte. Zu diesem Zwecke unterhielt er 
eine sehr ausgebreitete Correspondenz, wusste sich so aus den entfern- 
testen Gegenden der Erde Nachweise über gewisse vegetabilische Pro- 
ducte, deren Genera und Species zu verschaffen, die bisher für die 
wissenschaftliche Welt noch immer in ein geheimes Dunkel gehüllt 
waren, Auf dem Continent wurde er in diesem seinem Bestreben 
wesentlich unterstützt durch seine wissenschaftlichen Freunde G@uibourt, 
Dr.Martius, Dr. Julius Martiny und Ändere, die ihm fortwährend 
darüber ihre Forschungen und Erfahrungen reichlich mittheilten. Bei 
der Untersuchung der pharmaceutischen Producte und Substanzen, 
ihrer Structur, ihrer chemischen, botanischen und physiologischen 
Eigenschaften war das Mikroskop sein treuer Gefährte, und auf was 
er sich einmal warf, darin vertiefte er sich auch mit ganzer Seele, 
berieth sich mit seinen Autoritäten, und schrieb nicht eher als That- 
sache oder Erfahrung etwas nieder, bis er sich darüber nach allen 
Seiten hin vollkommen mit sich und denen, die ihm darüber referirten, 
ins Klare gesetzt hatte. 

Auf diese Weise erwarb sich Dr. Pereira einen Schatz von prak- 
tischen Kenntnissen, die, methodisch geordnet und zurückgelegt, ihm 
dann für jede seiner neuen Arbeiten höchst hülfreich zur Hand waren, 
und so ward es ihm möglich, dass diejenigen, die sich über irgend 
einen zweifelhaften Gegenstand der Maieria medica Auskunft von ihm 
erbaten, auch nie ohne eine solche von ihm gingen. War der Nach- 
weis von ihm nicht sogleich zu erholen, so kam er doch bald dar- 
auf, oder so, dass er in seiner Bibliothek sogleich das Buch aufschlug, 
wo er enthalten war. Ueber solche Nachfragen, kamen sie auch noch 
so häufig, wurde er nie ungehalten, im Gegentheil, es schien ihm eine 
Art von Genugthuung, Andern in der Vervollständigung und Berei- 
cherung ihrer Kenntnisse dienen und in ihnen den Eifer und Enthu- 
siasmus für die Wissenschaft, von dem er selbst beseelt war, erwecken 
zu können. Neue Zugänge und Adepten waren ihm daher nur er- 
wünscht, und da er immer verschiedene Forschungsgegenstände in 
Untersuchung zog, so verfuhr er dabei nach einer gewissen Methode, 
worüber er sich auch gern gegen Andere aussprach, keineswegs also 
aus den Mitteln, wodurch er selbst zu einem so hohen Grade von 
Wissenschaft gelangt war, Schülern und Mitforschern ein Geheimniss 
machte, Gelegentlich würzte cr seine Vorlesungen auch mit Anec- 
doten und hatte immer eine Sammlung von Abdrücken, Nachbildungen 
und Illustrationen zur Hand, indem sie durch Anschauung das Gedächt- 
niss unterstützten, zugleich der Sache selbst zur Erläuterung dienten, 
Besonders willkommen waren ihm jene unter den Studirenden, welche 
am Schluss der Vorlesungen ihn noch um eine nachträgliche Erläu- 
terung baten oder sonst auf eine Weise den Eifer, den sie für die 
Wissenschaft hegten, gegen ihn an den Tag legten. In seinen gedruck- 
ien Werken, die sich wie seine mündlichen Vorträge durch eine Fülle 
von Abbildungen, durch Schärfe und Genauigkeit in den. Definitionen 
und Beschreibungen auszeichnen, war er derselbe, und was man da 
als Thatsache hingestellt findet, das ist ohne Weiters als solche anzu- 
nehmen. Nur von zu vielen Autoren ist es bekannt, dass sie das, 
was von Ändern entdeckt worden, als Gemeingut ansehen, und nicht 


200 Vereinszeitung, 


eben, wenn es nur von ihnen benutzt worden, zu einer genauen 
Angabe der Quellen, woraus sie geschöpft, sich verpflichtet fühlen. 
Pereira war in dieser Beziehung von einer viel gewissenhafteren 
Denkart, citirte genau seine Autorität, schenkte aber auch nicht Jedem 
Glauben, sondern constatirte erst nach genauer Untersuchung und $Sich- 
tung. Eine andere höchst lobenswerthe Eigenschaft dieses Maanes 
war, dass er den Dünkel und eine gewisse unter Männern der Wissen- 
schaft so häufig vorkorimende Eifersucht auf fremdes Verdienst durch- 
aus nicht theilte, dass er, auch wenn Andere, ohne ihn als die Quelle zu 
nennen, aus seinen Werken schöpften, darüber nicht aufbrausend wurde, 
sondern des Umstandes höchstens mit einem Lächeln gedachte. Zu einer 
gewissen Zeit seines Lebens widmete sich Pereira vorzugsweise 
literarischen Arbeiten und; seinem Lehrerberuf. Er las in einem Se- 
mester drei verschiedene Collegien und hielt zwei, bisweilen auch 
drei Vorlesungen an einem Tage, Zur Zeit seiner Ernennung zum 
Assistenzart am London-Hospital wünschte er seiner ärztlichen Praxis 
wegen Erleichterung in seinen übrigen Arbeiten. Es geschah daher 
nicht ohne Widersireben, dass er bei der pharmaceutischen Gesellschaft 
die Professur annahm; da ihm aber für die Förderung der Pharmacie 
als Wissenschaft im Allgemeinen sowohl, als für das Institut insbeson- 
dere das Unternehmen ein sehr wichtiges schien, so drängte das jede 
andere Rücksicht bei ihm in den Hintergrund und er entzog sich für 
das Wintersemester 1851/55 den Vorlesungen über Materia medica zu 
Bloomsbury-Square keineswegs. Im Jahre 1844 trat er einen Theil 
seiner Vorlesungen über Chemie am London-Hospital an Dr. Letheby 
ab, und im Jahre 1846 that er das gänzlich. 1851 führte die Apo- 
iheker-Gesellschaft die Neuerung ein, dass sie zur grössten Unbe- 
quemlichkeit der Professoren an den medicinischen Schulen die Materia 
medica zu einer Sommer-Vorlesung machte. Er gab daher seine Pro- 
fessur der Materia medica am Hospital auf und setzte bloss seine 
Vorlesungen bei der pharmaceutischen Gesellschaft fort. 

Im Jahre 1845 war Dr. Pereira Mitglied des Königl. Collegiums 
der Aerzte geworden und gleich darauf wurde er auch Ausschuss- 
mitglied des Collegiums zur Bearbeitung der Pharmakopöe, dem er, 
wie wir zu glauben berechtigt sind, von wesentlichem Nutzen gewesen 
ist. Das Amt eines Curators des Museums, mit dem er sich sofort 
bekleidet sah, legte er nicht vor seinem Tode nieder. Die Archive 
des Collegiums, die mit unter seinem Verschluss waren, ermöglichten 
ihm die Entdeckung einiger wichtigen auf Materia medica bezüglichen 
Manuscripte, mit deren Durchsicht zum Behuf einer theilweisen Publi- 
cation, die ihm das Colleg erlaubte, er sich sofort vielfach beschäftigte. 

Als Dr. Pereira seine Professur der Materia medica am Lon- 
don-Hospital aufgegeben hatte, verpflanzte er mit sich auch den wich- 
tigsten Theil seiner pharmakologischen Sammlung (nahe an 500 Num- 
mern) nach Bloomsbury-Square, wo er davon in seinen Vorlesungen 
Gebrauch machte. Die Exemplare, welche später Eigenthum der phar- 
maceutischen Gesellschaft wurden, waren wegen der Umstände, unter 
welchen sie Pereira acquirirt hatte, besonders merkwürdig. Viele 
davon kamen direct von dem Orte ihres Ursprungs, an andere knüpf- 
ten sich gewisse geschichtliche Erinnerungen und eine beträchtliche 
Zahl derselben waren die Originale der in seinen Grundzügen der 
Materia medica abgebildeten Exemplare. War die Sammlung auch 
nicht mehr die»seine, in seinen wissenschaftlichen Untersuchungen liess 
er darum nicht nach, fing auch an mit Hülfe seiner auswärtigen Cor- 


Vereinszeitung. 207 


respondenten und auf anderem Wege zum Behuf seiner Forschungen 
eine neue Sammlung anzulegen. Kurz vor seinem Tode liess er zur 
Aufnahme derselben noch ein Local bauen und war eben damit be- 
schäftigt, in verschiedenen Sälen die Aufstellung und Anordnung sel- 
ber zu leiten, als ein unglückliches Ereigniss seiner wissenschaftlichen 
Thätigkeit auf einmal ein Ziel setzte. Eben untersuchte er eine Sub- 
stanz, die unter dem Namen Hausenblase (abgebildet im Januarhefte 
1853 des pharmac. Journ. p. 343) eingeführt war, und verglich, um 
die Species des Fisches von welchem sie kam, zu ermitteln, die Exem- 
plare des Hunter’schen Museums. Beim Heruntersteigen von der zum 
Museum führenden Treppe fiel er und zerriss. sich die Rectusfemoris- 
Muskeln beider Beine, So lange er nun an das Bett gefesselt war, 
setzte er nichts desto weniger seine Correspondenz fort und empfing 
diejenigen, welche ihn eines wissenschaftlichen Zweckes wegen be- 
suchten. 

Anscheinend hatte er sich von seinem Fall so ziemlich wieder 
erholt und liess sich schon seit einigen Tagen in einem Rollstuhle 
öfters in ein anstossendes Zimmer fahren, als der Tod seinem Leben 
nach ungefähr zwanzig Minuten plötzlich ein Ende machte. Man kann 
annehmen, dass durch seinen Fall, der die nächste Veranlassung dazu 
gewesen, im Innern ihm etwas zersprengt worden. Schon vorher 
hatte er zuweilen Anfälle von heftigem Herzklopfen, das jedoch 
.- eben nicht von beuruhigender Art gewesen, wenn nicht anzunehmen, 
dass hier irgend ein organischer Fehler zu Grunde gelegen, der dann 
durch die Erschütterung sogleich letal wurde. 

Unter Dr. Pereira’s Original-Arbeiten, welche während seiner 
Verbindung mit der pharmaceutischen Gesellschaft zur Kenntniss des 
Publicums gelangten, führen wir folgende an, welche theils in den 
Versammlungen der Gesellschaft vorgelesen wurden, theils als Original- 
Artikel im Pharm. Journal erschienen: Die Varietäten des Hyoscya- 
mus; die Früchte von Schierling, Anis und Hundspetersilie; die Cey- 
lon - Cardamome ; Paradieskörner ; chinesische Galläpfel ; jähriger 
Winterwurm (officinelle Pflanze aus China); Kartoffel-Stärke; über 
die Bildung wissenschaftlicher Comit&s zur Förderung der Pharma- 
kologie; Scammonium-Verfälschung; einige seltene Arten von Rha- 
barber; Samory-Hausenblase; die Kreis- Polarisation verschiedener 
terpentinartiger Substanzen; Formyl-Chlorid oder Kohlen-Terchlorid; 
Banbury-Rhabarber; Alkornoque-Rinde; die Frucht von Ammonium 
Malagueite; Cardamomen aus Abyssinien; mikroskopische Pflanzen, 
wie sie sich in pharmaceutischen Flüssigkeiten darstellen (4 Abhand- 
jungen); Nachrichten über verschiedene Droguen aas St. Petersburg; 
die leichten und schweren Varietäten von kohlensaurer und calcinirter 
Magnesia, präparirte Kreide und präcipitirter kohlensaurer Kalk (zwei 
Abhandlungen); Lig. Acidi Arsenici hydrochloriei; Leberthran; der 
Farbestoff des Lackmus (zwei Abhandlungen); die im Handel vor- 
kommenden Ingwer-Varietäten; die im Handel vorkommenden Cur- 
cuma-Arten; Amomum citratum, eine noch unbeschriebene Carda- 
mome; die Alkohol-Probe für die Reinheit des Ricinus- und Croton- 
Oels; Kosso; Hyraceum; Myrospermum pubescens; Myrospermum 
von Sonsonate; Nay-Kafar; Calysaccium longifolium; Kokum-Butter; 
die Gegenwart des Salicyl-Hydrurets in Aqua Castorei; schwarzer 
Balsam aus Peru; Mischmee Bitter oder Coptis-Teeta; die Zersetzung 
des Chloroforms; Soceotrina-Aloe-Saft u. s. w. 

Ausserdem lieferte er für das Journal noch manche Artikel und 


202 Vereinszeitung. 


Anmerkungen zu den Arbeiten Anderer, wofür er kein Honorar nahm. 
Die wichtigern wissenschaftlichen Aufsätze revidirte er und war immer 
bereit, uns mit seinem guten Rath beizustehen. während es ihm Ver- 
gnügen machte, hier sich ganz mit dem Schild der Anonymität zu 
decken, und so veröffentlichte er oft ohne seinen Namen Notizen, die 
zur Vervollständigung einer künftigen Ausgabe seiner Materia medica 
dienten, und citirte sie dann, obwohl sie ursprünglich von ihm her- 
rührten, als die Mittheilungen eines Andern. Nur auf sein ausdrück- 
liches Verlangen standen wir von der Honorirung solcher Beiträge 
ab; sein beklagenswerthes Ende legt uns aber darüber kein längeres 
Schweigen auf und wir erwähnen dieser Thatsache, um damit seiner 
gelälligen und liberalen Gesinnung zugleich Gerechtigkeit widerfahren 
zu lassen, 

Alle, welche Dr. Pereira kannten, werden ihm als einer der 
ersten Autoritäten jenes Zweiges der Wissenschaft, worin er sich aus- 
zeichnete, das Zeugniss eines höchst fleissigen und unermüdlichen 
‘Arbeiters geben. Da er die Wissenschaft nur um ihrer selbst willen 
liebte, so begnügte er sich mit der Freude, die ihm wissenschaftliche 
Beobachtungen und die Festsiellung der Wahrheit gewährten, wollte 
dadurch nicht eben seinen Ruhm in der Welt verbreitet sehen. Was 
er für Chemie wirkte, war nicht minder bedeutend, als es seine Lei- 
stungen in der Materia medica waren. Doch lag er darum nicht 
minder den Pflichten ob, welche er im London-Hospital übernommen . 
hatte, und seine ausgedehnte ärztliche Praxis war zur Zeit seines 
Todes noch immer im Zunehmen. Ein Kupferstich von ihm ist so eben 
unter den Händen des Künstlers, und wir hoffen, Abdrücke davon in 
unserer Mai- Nummer mittheilen zu können. 

Gleichzeitig bildete sich ein Comit& zur Errichtung leines 
Denkmals für Pereira. Präsident ist N. Ward, die Schatz- 
meister N. Letheby und Professor Redwood. Unter den Mit- 
gliedern begegnen wir den gefeiertsten Namen englischer Gelehrter. 

In einer Versammlung des Comit&s im London -Hospital am 7ten 
Februar 1853 ward einstimmig beschlossen: 

Eine Subscription für ein Ehrengedächtniss Pereira’s zu eröfl- 
nen. Es besteht 

4) in der Marmorbüste des Verstorbenen, die im neuen Collegium 
des London -Hospitals aufgestellt werden soll; 

2) in einem Kupferstich, welcher das Bild des Versiorbenen dar- 
stellt, wovon ein Probe-Abdruck Jedem, der mit nicht weniger 
als einer Guinee subseribirt, zukommen soll, und ein gewöhn- 
licher Abdruck Jedem, der mit einer halben Guinee unterzeichnet. 

Zu Schatzmeistern ernannt sind die Herren Dr. Bethely am 
London-Hospital und Redwood, Professor bei der pharmaceutischen 
Gesellschaft; alle Mitglieder des Comites sind berechtigt, Subscriptionen 
anzunehmen, 

Gegen 100 Personen haben bereits subscribirt, eine vollständige 
na derselben wird in der Folge veröffentlicht werden. 

J. B. Christin, Honorar - Secretair. 


Vorstehende Mittheilungen sind dem A12ten Bande pag. 409 des 
Pharmaceutical Journal entnommen. Ich hege die Ueberzeugung, 
dass den verehrten Lesern die Kenntniss von den Lebensverhältnissen 
eines so ausgezeichneten Gelehrten in hohem Grade angenehm ist, 


Vereinszeitung. 203 


Ich habe nur noch Weniges beizufügen. — Wie’ hock man Pe- 
reira’s Verdienste in England zu schätzen weiss, geht aus der vor- 
stehenden Schlusserklärung zur Genüge hervor. Der Nekrolog selbst 
ist jedenfalls aus der Feder eines Mannes geflossen, welcher mit die- 
sem irefflichen Gelehrten in näherer Beziehung stand. 

In der langen Reihe von Jahren, in welchen es mir vergönnt 
war, mit Dr. Pereira brieflich zu verkehren, habe ich ihn immer 
als einen dienstfertigen und dabei ungemein wahrheitsliebenden Mann 
kennen gelernt. In seinem Urtheil über die wissenschaftlichen Bestre- 
bungen seiner Fachgenossen war er stets mild, selbst dann, wenn es 
seinen grossen und umfassenden Kenntnissen gelang, Unrichtigkeiten 
zu entdecken. Hatte er selbst sich einer unrichtigen Ansicht hin- 
gegeben, so war er ehrenhaft genug, rücksichtslos den Irrthum zu 
bekennen. Es war eine Freude, sich mit ihm in eine wissenschaftliche 
Discussion einzulassen, wobei er die Ansichten der Gegenpartei jedoch 
nur dann anerkannte, wenn es gelang, ihn durch schlagende chemische 
Versuche oder auch durch das Mikroskop zu überführen. Sein immen- 
ses Gedächtniss und seine erstaunliche Literaturkenntniss kamen ihm 
irefflich zu Statten, und seine ausgezeichnete, die Literatur aller Völker 
umfassende Bibliothek machte es ihm sehr leicht möglich, aus den 
Quellen zu schöpfen. Es ist sehr zu wünschen, dass dieselbe nicht 
zersplittert, sondern irgend einer pharmaceutischen Anstalt oder einer 
Universitätsbibliothek einverleibt werde. 

Pereira war ein schöner, grosser Mann, in der Unterhaltung 
äusserst beweglich und lebendig und wegen seiner vielseitigen Kennt- 
nisse höchst angenehm. Sein Äuge war sehr sprechend und aus- 
drucksvoll, sein Erscheinen durchaus edel, einnehmend und anziehend. 
Er lebie in den glücklichsten ehelichen Verhältnissen. Seine Frau 
repräsentirte das Bild einer vollendeten liebenswürdigen englischen 
Frau. Die Ehe war kinderlos, aber eine Nichte eine heitere Zugabe 
in dem Familienleben Dr. Pereira’s. Das persönliche Wohlwollen, 
mit welchem mich und meinen Sohn Dr. Pereira während eines 
mehr denn zehnwöchentlichen Aufenthaltes in London beglückte, hatte 
in uns das Gefühl der innigsten Verehrung und Dankbarkeit für den 
so früh Vollendeten gesteigert. Die unermüdete Zuvorkommenheit 
Pereira’s gefiel sich in den Beweisen der zartesten Aufmerksamkeit 
und Dienstbereitwilligkeit, und wer wusste, wie sehr Pereira durch 
die mannigfachsten Verhältnisse und seine grosse Praxis in Anspruch 
genommen war, musste es nur dankbarst anerkennen, wie er seine 
Zeit und Musse auch den Fremden zuwendete. 

Es war mir auch vergönnt, Dr. Pereira als Lehrer in den 
Vorlesungen, weiche er in der pharmaceutischen Gesellschaft hielt, 
wirken zu sehen. Er sprach grösstentheils frei, unterstützt von einem 
vortrefllichen Apparat, und suchte durch chemische Versuche, auf 
welche er als Pharmakognist einen sehr grossen Werth legte, seinem 
zahlreichen Zuhörerkreis nutzbringend zu werden, Der Vortrag selbst 
war sehr lebendig, jedoch nach vollendeten Sätzen mit so kleinen 
Ruhepuncten, so dass wir Mühe gehabt hätten, vollständig nachzu- 
schreiben. Als Anhalt dienten ihm seine Elements of Materia medica 
and Therapeutics, wovon die dritte Auflage bis S. 1538 ausgegeben 
ist, das Manuscript selbst aber vollständig ausgearbeitet vorliegen soll. 


Aschelmannstein bei Reichenhall, den 18. August 1853. 
Dr. Theodor Martius. 


20% Vereinszeitung. 


2) Bericht über die zu Ehren des Herrn Professors 
Dr. Duflos in Breslau am 17. November 
veranstaltete Festlichkeit. 


Als im Anfange dieses Jahres sich die Nachricht verbreitete, dass 
Herr Prof. Dr. Duflos seine Stellung als Administrator der Königl. 
Universitäts- Apotheke so wie die Professur an der Königl, Univer- 
sität zu Breslau aufgeben wolle, und keine Hoffnung mehr vorhanden 
zu sein schien, dass er der Provinz, in welcher er so segensreich 
gewirkt und so viele Freunde erwarb, erhalten werden würde, trat 
ein Comite zusammen, bestehend aus dem Hrn, Apotheker Müller, 
Hrn. J. H. Büchler in Breslau und dem Apotheker Oswald zu 
Oels, welche den Vorschlag machten, Hrn. Prof. Duflos bei seinem 
Scheiden noch ein sichtbares Andenken der Hochachiung und Liebe 
zu überreichen, welche er sich durch seine Verdienste erworben. 
Dieser Gedanke fand allgemeinen Beifall, und die Gaben, welche von 
seinen Collegen wie von den übrigen Freunden beigesteuert wurden, 
machten es möglich, ein Geschenk zu wählen, das nicht allein Werth 
hatte, sondern ihm auch noch von Nutzen sein konnte, nämlich einen 
grossen Platinkessel mit Deckel und Spatel, und einen noch grössern 
von Silber. Während die nothwendigen Einleitungen getroffen wur- 
den, änderte sich kurz vor Johannis auf einmal die ganze Angelegen- 
heit auf eine höchst erfreuliche Weise, indem Se. Excellenz der Herr 
Minister v. Raumer nach einer genauen Recherche durch einen 
hohen Beamten so günstige Vorschläge machen liess, dass Duflos’ 
Verbleiben dadurch möglich gemacht wurde. Welch’ allgemeine 
Freude und Befriedigung das hervorgebracht hat, bedarf weiter kei- 
ner Erörterung, mit Vergnügen kamen die Beiträge ein, da dieselben 
jeizt verwendet werden konnten, um zur Feier eines frohen Ereig- 
nisses zu dienen, (die nun auch nicht übereilt zu werden brauchte, 

Nachdem also die 9 Zoll im Durchmesser, 31/, Zoll tiefe und mit 
dem Spatel 451/4 Loth wiegende Platinschale mit Deckel, so wie der 
131/g Zoll im Diameter, 43/4 Zoll tiefe, 4 Pfund 17 Loth wiegende 
Silberkessel fertig und in einem sauberen Besteck untergebracht waren, 
in dessen inzeren Deckel auf grünen Sammt mit Goldschrift die Namen 
der Betheiligten eingedruckt sind, wurde zur Uebergabe der 17. No- 
vember Vormittags 41 Uhr bestimmt, 

Das hierzu bestimmte Comit& bestand ausser den Erstgenannten 
aus Hrn. Prof. Dr. Goeppert, Hrn. Prof. Kirchhof, Hrn. Dr. 
Middelsdorpf und Hrn. Kaufmann Liebich, und begab sich zur 
angeführten Zeit in die Wohnung des Hrn. Prof. Duflos, woselbst 
der Vicedirector des Apotheker- Vereins Oswald folgende, die oben 
angeführten Verhältnisse berührende Anrede hielt, und das Etui unter 
den herzlichsten Glückwünschen für des Freundes Wohl über- 
geben wurde. 

»Als in den ersten Monaten dieses Jahres unter Ihren näheren 
Bekannten ‚und späterhin in einem grösseren Kreise sich die Nachricht 
verbreitete, dass Sie, verehrter Freund und ‚College, Ihre bisherige 
Stellung nicht allein aufgeben wollten, sondern sogar Ihr ‚gänzliches 
Scheiden aus der Provinz zu befürchten stand, da waren wir Alle, 
die wir uns zu Ihren specielleren Freunden zu zählen das Glück hat- 
ten, als auch die grosse Menge Derjenigen, welche aus dem reichen 


Vereinszeitung. 208 


Borne Ihres Wissens von nah und fern zu schöpfen kamen, und sich 

uten Rath in allen Branchen der technischen Chemie von Ihnen 
erholten, tief betrübt über dieses bevorstehende bedauerliche Ereig- 
niss, Mit jedem Monate steigerte sich die Gewissheit Sie zu verlie- 
ren, denn schon trafen Sie Anstalten, in der Ferne ein neues Domi- 
eil zu suchen. Wir waren also auf den schlimmsten Fall gefasst und 
wahrhaft ergriffen davon. In dieser Stimmung war es, wo ein Beschluss 
gefasst wurde, welcher bei Ihren Collegen und Freunden den lebhaf- 
testen Anklang fand, Ihnen, verehrter Freund, noch mit unserem herz- 
lichen Lebewohl ein Zeichen unserer Liebe, Dankbarkeit und Aner- 
kennung Ihrer Verdienste um das Vaterland, die Provinz, so wie um 
Ihre Freunde und Bekannten zu überreichen, 

Da auf einmal brach durch das dunkle Gewölk ein Lichtstrahl, 
der sich bald zum schönsten Morgenroth der Hoffnung für uns ent- 
wickelte. Dem thätigen Wirken eines hochverehrten Freundes, so 
wie der weisen Einsicht unserer höchsten vorgesetzten Behörden haben 
wir es zu verdanken, dass Ihnen die Möglichkeit geboten wurde, in 
Ihrer Stellung verbleiben zu können. Sie sind uns also nun erhalten, 
und wir ergriffen daher mit wahrer Freude diese Gelegenheit, Ihnen 
diesen Beweis unserer Hochachtung und Verehrung an den Tag zu 
legen, da dieser nicht mehr mit dem Schmerz der Trennung und des 
Scheidens verknüpft ist. 

Nehmen Sie also freundlichst dieses Etui an, von welchem die 
Geber von Herzen wünschen, dass es Ihnen Freude machen und 
Nutzen gewähren möge. Der Himmel erhalte Sie uns noch recht lange!« 

Herr Professor Duflos war sichtbar überrascht und gerührt, so 
wie aber auch hoch erfreut über diesen Beweis von Hochachtung 
und Liebe. 

Nachdem das Comit& noch eine heitere Stunde bei dem Gefeierten 
zugebracht, wurde derselbe zu einem Souper eingeladen, welches für 
denselben Abend im Gasthofe zum Weissen Adler arrangirt worden 
war, und an welchem sich im Ganzen 106 Personen betheiligt hatten, 

Nachdem die Gesellschaft sich versammelt, wurde Herr Prof. 
Duflos durch das Comite -Mitglied Oswald abgeholt und hierauf 
von den Freunden aus Breslau und der Provinz begrüsst und beglück- 
wünscht. 

Bei dem Abendbrod brachte demnächst Herr Prof. Dr. Goeppert 
den Toast auf Se. Majestät unsern allergnädigsten König und Herrn, 
als den Beschützer und Beförderer der Wissenschaften und Künste 
aus, sodann auf Ihre Majestät die Königin, unsere erlauchte Landes- 
mutter, ferner auf Se. Königl. Hoheit den Prinzen von Preussen und 
das ganze Königl. Haus, — Nach diesem brachte Herr Prof, Dr. Loe- 
wig die Gesundheit auf Se. Excellenz den Hrn, Minister v. Raumer, 
6essen hoher Einsicht namentlich das Verbleiben Duflos’ zu danken ist. 
Hierauf bat der Vicedirector Oswald um das Wort, erwähnte die 
ursprüngliche Veranlassung zu diesem Feste, welches sich so günstig 
für uns gestaltet habe, nachdem schon alle Hoffnung aufgegeben wor- 
den, berührte die Freude, welche das überreichte Geschenk dem 
Gefeierten bereitet habe, und bat mit ihm in ein kräftiges Hoch für 
Hrn. Professor Dufles einzustimmen, welches im vollsten Sinne des 
Wortes geschah. Nach diesem wurde ein Lied, welches Freundes 
Hand ihm gewidmet hatte, gesungen, worauf er dann tief eigrif- 
fen den anwesenden und abwesenden Freunden für diese vielen 
Beweise von Achtung und Liebe dankte. 


206 Vereinszeitung. 


Eine Menge heiterer und ernsterer Toaste folgten hierauf, von 
denen ich noch die auf den anwesenden würdigen Hrn. Geh, Medici- 
" nalrath Benedict (durch welchen Herr Prof. Duflos nach Breslau 
gekommen ist), und des auf das Wohl des norddeutschen Apotheker- 
Vereins erwähne, so wie eines interessanten Vortrages des Hrn. Prof. 
Dr. Elvenich über die abstracten und empirischen Wissenschaften. 
Ausserdem wurden noch zwei sehr heitere Lieder, die eigens von 
Freunden gedichtet waren, gesungen, welche die von Anfang an 
herrschende gemüthliche Heiterkeit und Fröhlichkeit nun noch höher 
stimmten. 

Das Etui war zur Ansicht ausgestellt und hat allgemein die Wahl 
der Gegenstände befriedigt. Erst spät endete dies schöne Fest, wel- 
ches bei Allen, die daran Theil genommen, die freundlichste Rück- 
erinnerung zurücklassen wird. 


3) Medicinalwesen. 


Das Reichs- Gesetzblatt für das Kaiserthum Oesterreich, Jahr- 
gang 1853, LXXXIV. Stück (ausgegeben und versendet am 6. Decem- 
ber 1853) enthält folgende, für das Kaiserthum Oesterreich sehr wich- 
tige Verordnung, deren Folgen für die Pharmacie in anderen deut- 
schen Staaten nicht ausbleiben können und in mancher Hinsicht hof- 
fentlich auch nicht ausbleiben werden. - 


Erlass des Ministers für Cultus und Unterricht vom 27sten 
November 1853, wodurch, in Folge Allerhöchster Ent- 
schliessung vom 8. November 1853, ein neuer Lehr- 
plan für das Magisterium der Pharmacie an den 
Universitäten in Wien, Prag, Pesth und Krakau, und 
nach eben diesem Lehrplane das pharmaceutische 
Studium an den Universitäten in Gratz, Innsbruck 
und Lemberg eingeführt wird. 

Seine k. k. Apostolische Majestät haben mit Allerhöchster Ent- 
schliessung vom 8. November 1853 den im Nachhange angeführten 
Lehrplan für das Magisterium der Pharmacie und die Einführung des 
pharmaceutischen Studiums an den Universitäten in Gratz, Innsbruck 
und Lemberg nach eben diesem Lehrplane Allergnädigst zu geneh- 
“ migen geruhi. 


Studienplan für das Magisterium der Pharmacie, 


$. 1. Wer an einer österreichischen Lehranstalt pharmaceutische 
Studien machen will, um das Magisterium der Pharmacie zu erlangen, 
muss vorerst die Lehrgegenstände des Untergymnasiums sich eigen 
gemacht haben, und sich darüber mit dem von einem öffentlichen 
Gymnasium ausgestellten Zeugnisse der ersten Classe ausweisen kön- 
nen, überdies die Pharmacie nach der bestehenden Gremial - Ordnung 
erlernt und nach erhaltenem Lehrbriefe wenigstens durch zwei Jahre 
in einer öffentlichen Apotheke des Inlandes als Gehülfe gedient haben. 


Dauer des Studiencurses und Lehrgegenslände. 
$. 2. Der Studiencurs dauert zwei Jahre, 


Vereinszeitung. 207 


Die .obligaten Lehrgegenstände sind: 


Im ersten Jahre. 
Experimental- Physik, Mineralogie, Zoologie, Botanik. 
‚ Im zweiten Jahre. 
Allgemeine anorganische und organische, dann analytische Chemie, 
pharmaceutische Chemie, Pharmakognosie. 


Strenge Prüfungen. 
$. 3. Derselben sind drei, nämlich zwei theoretische und eine 
praktische. 
I. Theoretische strenge Prüfung. 
Gegenstände: 
Experimental- Physik, Botanik, Mineralogie, Zoologie. 


U. Praktische strenge Prüfung. 
Gegenstände: | 

Bereitung zweier pharmaceutischen Präparate, - Vornahme einer 
chemischen Analyse, 

IH. Theoretische strenge Prüfung. 
Gegenstände: 

Pharmakognosie, Allgemeine anorganische und organische, dann 
analytische Chemie, Pharmaceutische Chemie, Apotheker - Medicinal- 
Verordnungen, 

$. 4. Die erste strenge Prüfung wird an der philosophischen, 
die zweite und drilte werden an der medicinischen Facultät, oder, 
wenn sich an der Universität keine mediecinische Facultät befindet, 
vor einer hierzu unter dem Vorsitze des Directors der chirurgischen 
Lehranstalt eigens zusammengesetzten Prüfungs- Commission abgelegt. 

$. 5. Die Anmeldung zu der ersten strengen Prüfung geschieht 
daher beim Decane des philosophischen, die zur zweiten und dritten 
strengen Prüfung beim Decane des medicinischen Professoren - Colle- 
giums, oder beim Director der chirurgischen Lehranstalt. 

$. 6. Für die erste und für die dritte strenge Prüfung ist eine 
Dauer von zwei Stunden festgesetzt. 

Die Dauer der zweiten (praktischen) strengen Prüfung hängt von 
der Beschaffenheit der Präparate ab, welche der Examinand zu berei- 
ten kat, 

$. 7. Bei der ersten strengen Prüfung muss die Botanik so viel 
wie möglich an frischen, sonst an getrockneten Pflanzen, die Minera- 
logie am Objecte geprüft werden. 

$. 8. Die praktische strenge Prüfung findet im chemischen Labo- 
ratorium unter der Aufsicht des Professors der Chemie und der übri- 
gen Mitglieder der Prüfungs-Commission ($. 15), dann in Gegenwart 
jener Schüler, weiche diesem Prüfungsacte beiwohnen wollen, statt. 

Die dabei vorzunehmende chemische Analyse ist eine qualitative 
und rücksichtlich des einen oder des anderen, im zu analysirenden 
Körper enthaltenen Bestandtheiles, nach Anordnung des Decans des 
medicinischen Professoren-Collegiums (chirurgischen Studien-Directors) 
auch eine quantitative. 

Den Vorgang bei den betreffenden chemischen Operationen und 
das Resultat derselben, hat der Candidat in Form einer schriftlichen 
Abhandlung zusammen zu fassen, und zur Approbation der Prüfungs- 
Commission ($. 15) vorzulegen. 

$- 9. Bei der dritten strengen Prüfung wird die Pharmakognosie 
an einer Waarensammlung geprüft. 


208 Vereinszeitung. 


Der Candidat hat die einzelnen Droguen zu nennen, die Kenn- 
zeichen ihrer Güte, die gewöhnlichen Verwechslungen, Verunreinigun- 
gen und Verlälschungen derselben mit anderen Körpern und wie diese 
entdeckt werden, anzugeben. 

$. 10. Die erste strenge Prüfung kann schon am Schlusse des 
ersten Studienjahres oder während des zweiten abgelegt werden, 

Bei der Anmeldung zu derselben muss der Candidat sich 

a) über den Besitz aller Erfordernisse zur Aufnahme in das phar- 
maceulische Studium, 

b) über die Frequentation der Collegien des ersten pharmaceutischen 
Jahrganges ausweisen. 
$. 11. Die zweite (praktische) strenge Prüfung kann im zwei- 

ten Semester des zweiten Studienjahres abgelegt werden, 

Bei der Anmeldung zu derselben muss der Candidat sich 

a) über die mit gutem Erfolge bestandene erste strenge Prüfung; 

b) über die Frequentation der Collegien des ersten Semesters des 
zweiten Jahrganges ausweisen. 

Sohin werden ihm vom Decane des medicinischen Professoren- 
Collegiums (chirurgischem Studien-Director) nach Einvernehmung des 
Professurs der Chemie, die chemischen und pharmaceutischen Opera- 
tionen angedeutet, die er auszuführen hat. 

$. 12. Die dritte strenge Prüfung kann gleich nach dem Schlusse 
des zweiten Studienjahres abgelegt werden. 

Bei der Anmeldung zu derselben muss der Candidat sich 

a) über die gut bestandene praktische strenge Prüfung; 

b) über die Frequentation der Collegien des zweiten pharmaceuti- 
schen Jahrganges ausweisen. 

Die bei der praktischen Prüfung vom Candidaten verfertigten 
pharmaceutischen Präparate und die von ihm über diese Präparate 
und die chemische Analyse verfasste schriftliche Abhandlung, haben 
bei der dritten strengen Prüfung vorzuliegen. 

$. 13. Die zweite und die dritte strenge Prüfung müssen an ein 
und derselben Lehranstalt abgelegt werden. 

$. 14. Die Prüfungs - Commission besteht, bei der ersten stren- 
gen Prüfung, aus dem Decane des philosophischen Professoren - Col- 
legiums als Vorsitzendem, wenn er zugleich Professor eines der Prü- 
fungsfächer ist, sonst dem Dienstältesten unter den Professoren dieser 
Fächer als Delegaten des Decanes des philosophischen Professoren- 
Collegiums, dann aus den Professoren der Physik, der Botanik, der 
Mineralogie, der Zoologie. : 

$. 15. Die Prüfungs- Commission bei der zweiten (praktischen) 
strengen Prüfung besteht: 

a) an vollständigen Universitäten, an welchen sich ein medieinisches 
Doctoren-Collegium befindet, aus dem Decane des medicinischen 
Professoren-Collegiums als Vorsitzendem, dem Decane des medi- 
einischen Doctoren-Collegiums und dem Professor der Chemie; 

b) an vollständigen Universitäten, an welchen sich kein medieini- 
sches Doctoren-Collegium befindet, aus dem Decane des medi- 
einischen Professoren - Collegiums als Vorsitzendem, dem Pro- 
fessor der Chemie und einem Gastprüfer; 

c) an der Universität in Krakau aus dem Decane des medieinischen 
Professoren -Collegiums als Vorsitzendem, den Professoren der 
Chemie und der Pharmacie; 

d) an Universitäten, an welchen sich keine medicinische Facultäs 


Vereinszeitung. 209 


befindet, ‘aus dem chirurgischen Studien-Director als Vorsitzen- 

dem, dem Professor der Chemie und einem Gastprüfer. 

$ 16. Die Prüfungs - Commission bei der dritten strengen Prü- 
fang besteht: 

a) an vollständigen Universitäten, an welchen sich ein medicini- 
sches Doctoren- Collegium befindet, aus dem Decane des medi- 
einischen Professoren-Collegiums als Vorsitzendem, dem Decane 
des medicinischen Doctoren - Collegiums, den Professoren der 
Chemie, der Pharmakognosie und einem Gastprüfer ; 

b) an vollständigen Universitäten, an welchen sich kein medicini- 
sches Doctoren - Collegium befindet, aus dem Decane des medi- 
einischen Professoren -Collegiums als Vorsitzendem, den Profes- 
soren der Chemie, der Pharmakognosie, und einem Gastprüfer; 

ec) an der Universität in Krakau aus dem Decane des medicinischen 

Professoren -Collegiums als Vorsitzendem, den Professoren der 

Chemie, der Pharmacie, und einem Gastprüfer; 

d) an Universitäten, an welchen sich keine medicinische Facultät 
befindet, aus dem chirurgischen Siudien - Director als Vorsitzen- 
dem, den Professoren der Chemie, der Pharmakognosie, und 
einem Gastprüfer. 
$: 17, Die Calcüls bei den strengen Prüfungen sind: Genügend 

— mit Auszeichnung — nicht genügend. 

$. 15. Von allen Mitgliedern der Prüfungs -Commission wird 
darüber abgestimmt: 

1) ob der Candidat in jedem einzelnen Fache Genüge geleistet hat 
oder nicht; 

2) ob er, wenn er aus allen Gegenständen Genüge geleistet hat, 
einen ausgezeichneten Calcül aus einem, mehreren oder allen 
Prüfungsgegensländen verdiene. 

Das Resultat wird in beiden Fragen durch die absolute Majorität 
aller Votanten bestimmt, 

Bei sich ergebender Stimmengleichheit entscheidet aber die Stimme 
des Examinators des Faches. 

$. 19. Hat der Candidat bei einer der theoretischen Prüfungen 
aus einem oder dem anderen Lehrgegenstande nicht Genüge geleistet, 
so hat er die Prüfung aus demselben, nach einem von der Prüfungs- 
Commission zu bestimmenden Zeitraume, aber nie vor Ablauf von 
drei Monaten, vor der ganzen Prüfungs - Commission zu wiederholen. 
Hat er aus zwei oder mehreren Lehrgegenständen nicht Genüge gelei- 
stet, so hat er die ganze strenge Prüfung, frühestens nach Ablauf von 
6 Monaten zu wiederholen. 

Hat der Candidat bei der praktischen strengen Prüfung nicht 
Genüge geleistet, so hat er nach dem Ermessen der Prüfungs - Com- 
mission die praktisghe strenge Prüfung entweder zum Theil durch 
Anfertigung des einen oder des anderen pharmaceutischen Präparates 
oder Ausführung einer chemischen Analyse, nach dreimonatlicher 
Verwendung im chemischen Laboratorium, oder die ganze praktische 
strenge Prüfung nach einer sechsmonatlichen Verwendung im chemi- 
schen Laboratorium zu wiederholen. 

$- 20. Die Wiederholung einer strengen Prüfung darf nur Ein- 
mal statt finden. 

$. 21. Hat der Examinand bei allen drei strengen Prüfungen 
Genüge geleistet, so wird er beeidet und erhält er das Diplom als 
Magister der Pharmacie. 


Arch d. Pharm, CXXVII, Bds, 2. Hft. 45 


210 Vereinszeitung. 


$. 22. Die Beeidigung geschieht an Universitäten, an welchen 
eine medicinische Facultät besteht, in der bisher üblichen Weise, 
an Universitäten aber, an welchen keine medicinische Facultät besteht, 
wird die Beeidigung vom mediecinichen Studien - Director im Beisein 
des Vorsitzenden der ersten pharmaceutischen strengen Prüfung, vor- 
genommen. 

$. 23. Das Diplom wird: 
a) an vollständigen Universitäten, an welchen bei der medieinischen 
Facultät nebst dem Professoren -Collesium auch ein Doctoren- 
Collegium besteht, von den beiden Decanen der medicinischen 
Facultät, dann von dem Vorsitzenden bei der ersten pharmaceu- 
tischen strengen Prüfung und vom Notar der medicinischen 
Facultät; 
b) an vollständigen Universitäten, an welchen bei der medicinischen 
Facultät kein Doctoren-Collegium besteht, von den Vorsitzenden 
bei den drei pharmaceutischen strengen Prüfungen und vom 
Notar der medicinischen Faeultät; 
c) an den Universitäten, an welchen keine medicinische Facultät 
besteht, von den Vorsitzenden bei den drei pharmaceutischen 
strengen Prüfungen unterfertiget. 
$. 24. Ueber die strengen Prüfungen der Pharmaceuten wird 
sowohl an der philosophischen als an der medicinischen Facultät, 
von den bei diesen Prüfungen Vorsitzenden ein Protokoll geführt, in 
welchem 1) der Vor- und Zuname, 2) das Alter, 3) die Religion des 
Examinanden, 4) die Lehranstalt, an der er seine Studien, und bei 
der zweiten strengen Prüfung 5) auch die Lehranstalt, an der er die 
erste strenge Prüfung zurückgelegt, dann 6) der Caleül, den er bei 
jeder strengen Prüfung erhalten hat, endlich in dem bei der medici- 
nischen Facultät zu führenden Protokolle 7) auch der Tag, an wel- 
chem ihm das Diplom ausgefertigt und der Tag, an welchem er beci- 
digt wurde, aufgezeichnet werden. 

$. 25. Für die strengen Prüfungen, dann für die Beeidigung 
und Anfertigung des Diplomes hat der Examinand (wie bisher) eine 
Taxe von 84 fl. 30 kr. zu entrichten. 


Von diesen entfallen: * 
fürs diesBaaultätscasse Hu 1, ne RT nf. 
für die Eidesablegung 
aub'den’Decamiid.un RE ER RE 
aussdeniNpian hen 4 fl. 30 kr. 
für’ das!Diplomiin.lu.) nat Syasık gta 33 rk: 
in den Rest von. . . Ra an DR 1 5 17. 5 


theilen sich zu gleichen Theilen die Examinatoren. 

Da bei der ersten strengen Prüfung vier, bei der zweiten drei, 
bei der dritten fünf, also bei allen drei strengen Prüfungen zusammen 
zwölf Examinatoren fungiren, so entfällt auf jeden Examinator die 
Quote von 5 fl. 321g kr. C. M. 

$. 26. An den ÜUnversitäten, an welchen keine medieinischen 
Faeultäten bestehen, wird die Taxe pro 3 fl. für die Facultätscasse, 
zur Bildung eines Universitäts-Canzleifondes verwendet, und fällt für 
die Beeidigung die Taxe von 4 fl. 30 kr. dem Director der mediei- 
nisch - chirurgischen Studien, der Betrag von 4 fl. dem Vorsitzenden 
der ersten pharmaceutischen strengen Prüfung zu. 

Die Ausstellung des Diplomes geschieht vom medicinisch - chirur- 
gischen Studien-Directorate und wird der, nach Herstellung des 


Vereinszeitung. 214 


Diplomes, von der Taxe pro 8 fl. 30 kr. sich ergebende Ueberschuss 
zur Bildung eines Canzleifondes der chirurgischen Lehranstalt ver- 
wendet. 

$. 27. Die in den $$. 21 bis inclusive 26 enthaltenen Bestim- 
mungen haben als provisorische bis zur definitiven Organisirung der 
Facultäten, mit welcher auch die Regelung der sirengen Prüfungen 
und der betreffenden Taxen in Verbindung gesetzt werden wird, zu 
bestehen. 

; Uebergangsbestimmungen. 

$.28. Pharmaceuten, welche den zweijährigen Lehrcurs im Studien- 
Jahre 1852 —53 vollendet haben, könzen die strenge Prüfung während des 
Studienjahres 1853 — 54 noch nach den früheren diesfälligen Bestim- 
mungen ablegen. Nach Ablauf des Studienjahres 1853 —54 aber 
werden bezüglich der strengen Prüfungen für sie, so wie für jene 
Pharmaceuten, welche im Studienjahre 1853 —54 erst den zweiten 
Jahrgang des betreffenden Lehrceurses zurücklegen, obige neue Bestim- 
mungen eintreten; nur wird bei ihrer ersten strengen Prüfung die 
Physik, die sie nach dem früheren pharmacentischen Studienplane zu 
hören nicht verbunden waren, wegbleiben. 

Bei den strengen Prüfungen der Pharmaceuten, welche den zwei- 
jährigen Lehrcurs erst mit dem. Studienjahre 1853 — 54 beginnen, 
werden jene neuen Beslimmungen in ihrer ganzen Ausdehnung Platz 
greifen, Thun n. p. 


Hieran reihe ich folgende Skizze aus einer kleinen Schrift, die 
unter dem Titel: »Ueber die Ausbildung der Pharmaceuten. Eine 
Gelegenheitsschrift von Dr. H. Wackenroder und Dr. L. F. Bley. 
Hannover 1853. Hahkn’sche Hofbuchhandlung « zu Anfang vorigen 
Jahres erschien und der Jubelfeier des Herrn Geh. Medicinalraths Dr. 
H. Staberoh in Berlin gewidmet ist, 


Skizze. 


$. 1. Der Vorsteher einer Apotheke ist in der Regel Eigen- 
thümer und Besitzer derselben mit dem Rechte der Vererbung oder 
des freien Verkaufes an einen qualificirten Nachfolger. 

Die Qualification ist geknüpft an eine bestimmte Altersreife und 
an die Ablegung eines Staatsexamens. . 

$. 2. Der Apotheker hat auch das Recht, gewisse Neben- 
geschäfte, die das Medicinalgeschäft nicht stören, zu betreiben. Dazu 
werden zuweilen, z. B. zur Betreibung eines Materialwaarengeschäftes, 
Concessionen, oder besondere Erlaubniss zur Uebernahme von Aem- 
tern erforderlich sein, 

$. 3. Der Apotheker steht als Medicinalperson unter der sani- 
tätspolizeilichen Controle des Staats, Vor Allem darf er nicht ohne 
vorangegangene Anzeige seinen Posten verlassen. Er ist verpflichtet, 
den Vorschriften der Apothekerordnung nachzukommen, 

Als Kaufısann oder Beamter steht er unter anderweiligen Con- 
trolen und Autoritäten. 

$. 4. Das Staatsexamen des Apothekers umfasst nur seine Stel- 
lung im Staate als Medicinalperson, nimmt aber zugleich auf die mit 
der praktischen Pharmacie verbundenen und sehr oft zum Bestehen 
der Apotheken unerlässlich nolhwendigen kaufmännischen und lech- 


15* 


212 Vereinszeitung. 

nisch - chemischen Beschäftigungen der Apotheker Rücksicht, insbeson- 
dere aber auch auf die Ausführung polızeilich - gerichtlicher Unter- 
suchungen, 

Es giebt nur eine einzige Classe von Apothekern, da auch 
in anderen sogenannten studirten Fächern keine Absonderung und 
Trennung der Fach- und Standesgenossen statthaft ist. Nur nach dem 
Grade der Befähigung werden, der Gerechtigkeit gemäss, Unterschiede 
gemacht, indem man z.B. eine genügende, gute, sehr gute Qualifica- 
tion unterscheidet, 

Für grössere Staaten existiren mehrere Examinationsbehörden, 
die unter sich communieiren, nach gleicher Instruction sich zu richten 
gehalten sind und nur nach gemeinschaftlichen Beschlüssen verfahren, 
damit der Maassstab, womit die Fähigkeit der Examinanden bemessen 
wird, so viel als thunlich, ein gleicher werde. 

Wer von den Examinatoren eigenwillig oder mit Leidenschaft 
verfährt und gegen seine Instruction handelt, muss ausscheiden. 

Die Examinationsbehörde besteht aus mindestens 3 Mitgliedern, 
von denen der Präses ein praktischer Arzt, ein Mitglied ein prakti- 
scher Apotheker und das zweite ein pharmaceutischer Chemiker von 
Fach ist. Wenn irgend thunlich, so ist auch ein pharmacentischer 
Botaniker von Fach hinzu zu ziehen. Es ist in der Natur der Sache 
begründet, dass die Examinanden von denen, welchen das unaus- 
gesetzte Studium Lebensaufgabe ist, nicht nur das tiefere Eingehen 
in die Wissenschaft auf ihrem dermaligen Standpunct, sondern auch 
zugleich die möglichste Billigkeit in der Beurtheilung des Umfanges 
der Kenntnisse erwarten dürfen, 

Die Abstimmung gilt nach der Majorität. Bei vier Abstimmenden 
und eintretender Gleichheit der Stimmen gelten nur die drei Stimmen 
des Apothekers, Chemikers und Botanikers. Das Prineip der Abstim- 
mung soll jedesfalls ein gerechtes gegen den Staat, wie gegen den 
Examinanden sein. 

$. 5. Dem praktischen Arzte gebührt die Anordnung des Exa- 
mens und die Ueberwachung der Instruction der vorzüglich thätigen 
Examinatoren. 

Das Examen währt nicht über 14 Tage, kann aber auch abge- 
kürzt werden, und soll mit den möglichst geringen Unkosten für den 
Examinanden verbunden sein. 

Die Ausführung im Einzelnen wird durch das Loos bestimmt, so 
weit es irgend thunlich ist. 

41) Das Examen beginnt mit der Anfertigung von zwei durch das 
Loos angegebenen Präparaten, einem leichteren und einem schwere- 
ren. Die Darstellung wird unter den Augen des Apothekers ausge- 
führt. Es wird darüber in der Apotheke selbst eine schriftliche Aus- 
arbeitung von dem Examinanden verfasst. Dieselbe wird von dem 
Apotheker und dem Chemiker kritisirt und schriftlich begutachtet, und 
auch von den übrigen Mitgliedern vidimirt. 

2) Es muss der Examinand ein Paar Recepte anfertigen, worüber 
der Apotheker ein schriftliches Urtheil zu den Acten giebt. 

3) Dem Examinanden fallen zwei Präparate durch das Loos zu, 
die er qualitativ analysirt und bestimmt und auf ihre Reinheit prüft. 

4) Der Examinand hat durch das Loos zwei Gemenge zu bestim- 
men, die er unter den Augen des Chemikers einer qualitativen 
Analyse unterwirft. Ueber N? 3) und 4) sind schriftliche Ausarbei- 
tungen unter Clausur zu machen, die von dem Chemiker und dann 


Vereinszeitung. 213 


von dem Apotheker zu begulachten und von den übrigen Mitgliedern 
zu contrasigniren sind, 

5) Der Examinand bestimmt durch das Loos eine polizeilich- 
gerichtliche Untersuchung, welche er auszuführen und über welche 
er ebenfalls unter Clausur einen Aufsatz einzuliefern hat, Begutach- 
tung und Contrasignatur wie vorhin, 

6) Eine durch das Loos zu bestimmende leichtere, kurze quan- 
titative Analyse eines pharmaceutisch- oder technisch - chemischen 
Präparates oder eines wichtigen Naturproductes. Aufsatz wie vorhin. 

7) Eine schriftliche Arbeit unter Clausur über ein chemisches 
oder physikalisches Thema, das der Pharmacie nahe liegt und einen 
weiten Umfang hat, ohne Verbindlichkeit der ganzen Erledigung des- 
selben, bestimmt der Candidat ebenfalls durch das Loos. Der Che- 
miker begutachtet, die übrigen Mitglieder conirasigniren. 

8) Eine ähnliche botanisch-pharmakognostische Arbeit wird durch 
das Loos bestimmt. Sie enthält Allgemeines und Specielles, ist um- 
fassend und lässt dem Examinanden Raum zu ausführlicher oder weni- 
ger ausführlicher Bearbeitung. Sıe wird gleichfalls unter Clausnr aus- 
geführt. Begutachtung durch den Botaniker oder das pharmaceutische 
Mitglied. Contrasignatur von den übrigen Mitgliedern. 

Sämmiliche Aufsätze und schriftlichen Ausarbeitungen werden zu 
den Acten genommen. Sie dienen zur Formirung des Endurtheils. 

9) Mündliches, wo möglich öffentliches Examen. 

1. Von dem medicinischen Mitgliede wird über die Pharmakopöe 
im Allgemeinen, über Toxikologie, heftige Mittel und deren Dosen, 
über die im Lande geltende Apothekerordnung und die darin vor- 
kommenden Pälichten und Rechte der Apotheker examinirt. Ein Zeit- 
raum von 1/ Stunde dürfte dazu meistens ausreichen. 

2. Ueber Botanik mit Vorlegung von trockenen und frischen 
Pflanzen examinirt der Botaniker oder anstatt dessen das pharmaceu- 
tische Mitglied. Sodann werden nach dem Loose gewisse Gruppen 
von Pflanzen bestimmi, über welche sich vorzugsweise die Prüfung 
zu erstrecken hat. Ferner werden Droguen aus dem Pflanzenreiche 
so wie auch einige Droguen aus dem Thierreiche mit Berücksichtigung 
der Zoologie überhaupt zur Bestimmung vorgelegt. — Ungefähre Dauer 
dieser Prüfung: bis 11,, Stunden. 

3. Von dem Chemiker werden pharmaceutische, technische und 
wiehtige chemische Präparate vorgelegt und daran Fragen angeknüpft, 
Sodann aber werden durch das Loos fesigestellt: 

a) aus der allgemeinen und pharmaceutischen Chemie nebst 

Physik, 

b) aus der Phytochemie, 

c) aus der Zoochemie, 
gewisse Abschnitte oder Gruppen der isegenstände, über welche eine 
tiefer eingehende Prüfung anzustellen ist. Dabei ist auf die beson- 
dere Anwendung der Chemie auf Pharmacie, Mediein und die tech- 
nischen Künste Rücksicht zu nehmen. 

Ueber das mündliche Examen wird ein Protokoll geführt und die- 
ses ebenfalls ad acta genommen, 

Die Censur wird gleich nach bestandenem Examen eriheilt und 
mit in das Protokoll aufgenommen, dem Examinirten aber alsbald 
zugefertigt, 4 

$. 6. Jedes Lardeskind hat das Recht, das Staatsexamen zu 
verlangen; eben so Ausländer, die die Verwaltung einer Apotheke 


2ik Vereinszeitung. 


des Landes übernehmen wollen. Zugelassen werden auch Auslän- 
der, die sich bittweise an die Examinationsbehörde wenden. 

Bedingungen zum Bestehen des Examens sind : 1) Nachweis eines 
mindestens einjährigen akademischen Studiums; 2) einer Conditions- 
zeit von mindestens 3 Jahren; 3) einer Lehrzeit von mindestens 
3 Jahren. Belege einer moralischen Führung verstehen sich von selbst. 

Das akademische Studium kann auf irgend einer deutschen Uni- 
versilät absolvirt und die Condition in Apotheken des In- und Aus- 
landes abgelegt werden; die Lehrzeit aber muss in irgend einer 
deutschen Apotheke rite et legitime bestanden sein. 

$. 7. Die Zulassung zum akademischen Studium wird abhängig 
gemacht von einer angemessenen Vorbildung. Dieses Maturitätszeug- 
niss der Pharmacie Studirenden wird sich nach Umständen modifi- 
eiren. Da wo auf den Universitäten besondere Einrichtungen bereits 
bestehen, wird sich am leichtesten die Ausführung ergeben. Wer 
nicht hinlängliche praktische Vorbildung zeigt, wird zurückgewiesen. 
Die ganze Vorbildung des Pharmaceuten wird sich hiernach am ein- 
fachsten, natürlichsten und leichtesten reguliren, 

An jeder deutschen Universität muss dem Bedürfnisse der studi- 
renden Pharmaceuten gründlich abgeholfen werden, indem die Fächer 
gelesen werden, in denen der Pharmaceut sich ausbilden muss. Ins- 
besondere müssen geeignete Laboratorien zum Unterricht der Pharma- 
ceuten, wenn auch nicht exclusive für diese allein, hergestellt werden 

Das Studium der Pharmacie wird nach gewissen Regeln geord- 
net, damit sich jeder studirende Pharmaceut darnach richten könne. 
Die pharmacenutischen Institute an den Universitäten entsprechen den 
Seminarien oder Facultäten in andern gelehrten Fächern. 

Der studirende Pharmaceut wird immatrikulirt als Studirender. 
Seine Matrikel läuft eben so lange wie die jedes andern Studirenden. 
Er hat alle Rechte und Pflichten eines Studirenden. Indessen darf 
der Pharmaceut nicht eher zum Studium einer andern Fachwissenschaft, 
z.B. der Medicin, übergehen, bevor er nicht das sonst vorgeschriebene 
Gyınnasialexamen bestanden hat, 

Von dem pharmaceutischen Institute oder, wo ein solches nicht 
besteht, von der Universität werden die Abgangszeugnisse ausgefertigt. 
Ohne dieses, so wie ohne die Zeugnisse über genügende Lehrzeit 
und Conditionsjahre, kann das Staatsexamen nicht bestanden werden. 

$ 8. Die Conditionszeit wird in herkömmlicher Weise bestan- 
den. Der Gehülfe ist der Untergebene des Principals in allen Dingen, 
welche die Führung des Geschäfts und die Hausordnung mit sich 
bringen. 

Der Gehülfe kann nur fungiren, wenn er auf die geltende Apo- 
thekerordnung verpflichtet worden ist und vorher Beweise seiner 
Fähigkeit beigebracht hat. 

Das Gehülfenexamen soll umfassen: 

1. Eine Bekanntschaft mit der Landespharmakopöe, aus welcher 
er nach dem Loose zwei bis drei Seiten vollständig zu übersetzen 
hat und zwar schriftlich unter Clausur, 

2. Er hat, nach dem Loose, eine Frage aus der Keceptirkunst, 
eine Frage aus der pharmaceutischen Chemie, betreffend ein currentes 
Präparat, eine Frage aus der Botanik nebst Pharmakognosie schrift- 
lich unter Clausur zu beantworten. 

3. Im mündlichen Examen werden die Regeln der pharmaceuti- 
schen Technik, Receptirkunst und Geschäftsordnung durchgenommen. 


Vereinszeitung. 215 


Sodann erstreckt sich die Prüfung über den wesentlichen Inhalt der 
Apothekerordnung, namentlich in Betreff der heftig wirkenden Mittel 
und Gifte, deren Abstammung, Gaben und Art der Dispensation. 

Endlich wird über die Gründzuge der pharmaceutischen Chemie 
und Pharmakognosie das mündliche Examen sich zu verbreiten haben. 

Das mündliche Examen währt höchstens 3 Stunden. Für das 
schriftliche Examen wird eine Zeit von 2 Tagen zugestanden. 

Dem mündlichen Examen schliesst ein praktisches sich an, in 
welchem der Examinand einige Arzneimischungen zu bereiten und 
einige Präparate anzufertigen hat, unter specieller Aufsicht des mit- 
examinirenden Apothekers. Die dafür bestimmte Zeit kann 1 bis 
2 Tage sein, 

Die Examinatoren müssen ein Amtsarzt und ein Apotheker sein, 
mit gleicher Stimmberechtigung. Beide müssen vorher zu dem Exa- 
minanden in keinen geschäftlichen Beziehungen gestanden haben oder 
zunächst zu demseiben stehen. Der Lehrherr hat der mündlichen 
Prüfung beizuwohnen, wenn die Umstände es gestatten, 

Ueber das Wohlverhalten des Examinanden haben der bisherige 
Principal und der bezügliche Amtsarzt (Physikus, ‚Bezirksarzt) ein 
gewissenhaftes Zeugniss auszustellen. Dieses ist von den Examina- 
toren mit aufzunehmen in das von ihnen auszustellende Testimonium, 
in welchem zugleich die Censur: genügend, gut oder sehr gut, ange- 
führt wird. Zugleich ist zu erwähnen, ob der Examinand erst die 
Lehre verlassen oder bereits schon ein oder mehrere Gehülfenexamina 
in andern Ländern bestanden hat. 

Die Unkosten sind möglichst zu ermässigen, Die Examinations- 
Commission ist nach Umständen eine beständige oder alternirende, 
muss aber jedenfalls keinen allzu grossen Bezirk umfassen. 

Jeder angestellte Amtsarzt und jeder Apotheker ist verbunden, 
diese Examina nach Anordnung der Behörden zu übernehmen. Nur 
gehörig motivirte und statihaft befundene Ablehnungen können Gel- 
tung erlangen. 

$: 9. Vor Eintritt in die Lehre hat der Anfänger seine Befähi- 
gung darzuthun vor dem betreffenden Amtsarzte und dem Apotheker, 
bei dem er in die Lehre zu treten beabsichtigt. 

Abgesehen von den contractlichen Bedingungen zwischen dem 
Principal und den Angehörigen des Lehrlinges, welche rein privat- 
rechtlicher Natur sind, müssen an den angehenden Lehrling von Sei- 
ten der Sanitätsbehörde folgende Forderungen gestellt werden: 

1. Körperliche und geistige Gesundheit. Die grossen Ungleich- 
heiten in der körperlichen und geistigen Ausbildung junger Leute von 
44 bis 16 Jahren, so wie die ungemein grossen Verschiedenheiten in 
den äusseren Verhältnissen der pharmaceutischen Lehrlinge in den 
Städten und auf dem Lande und in ihrer häuslichen Situation lassen 
schwerlich eine durchgreifend gerechte und billige Feststellung des 
Alters zu, welches zum Beginn der pharmaceutischen Laufbahn erfor- 
derlich sei. Das Alter zwischen dem zurückgelegten 14. und 16. Jahre 
mag wie bisher so auch fortan das geeignetste und den bürger- 
lichen Verhältnissen am meisten convenirende für den Beginn der 
Lehre sein 

2. Beibringung eines Sittenzeugnisses von dem Schulvorsteher 
oder von Privatlehrern. 

3. Beibringung von Schulzeugnissen, in denen vornehmlich 
bezeugt sein muss: 


216 Vereinszeitung. 


a) der erlangte Grad der Kenntnisse in der lateinischen Sprache; 
b) in der Mathematik ; 

c) in der allgemeinen und in der deutschen Geschichte; 

d) in der deutschen Sprache. ; 

Als wünschenswerth ist auch einige Bekanntschaft mit der grie- 
chischen und französischen Sprache anzusehen, Vorkenntnisse in den 
Naturwissenschaften sind zwar erwünscht, erselzen aber keinesweges 
die nothwendigen Schulkenntnisse. 

Zum Beweise, dass diese erlangt worden, und zugleich zum 
Belege der Orthographie und einer deutlichen Handschrift, sind von 
dem angehenden Lehrling vier Schulaufgaben aus den genannten vier 
nothwendigen Fächern des Schulunterrichtes einzureichen, 

Um den Differenzen auszuweichen, die sich über das Maass der 
Schulkenntnisse der angehenden Lehrlinge erhoben haben, indem die 
Einen die Vorbildung aus Secunda, die Andern die aus Tertia des 
Gymnasiums fordern, so mag im Allgemeinen nur bemerkt sein, dass 
eine tüchtige Schulbildung auch dem Pharmaceuten von grossem 
Nutzen sein wird, dass aber auch durch fortgesetzten Privatunterricht 
manche Lücken ‚ausgefüllt werden können. 

Wir haben hierbei die Verhältnisse, wie das praktische Leben 
sie darbietet, berücksichtigt, ohne das Ideal aus dem Auge zu ver- 
lieren, dem nachzustreben ist. Auch halten wir dafür, dass ohne 
vieles Gouverniren die Angelegenheiten der Lehrlinge und Gehülfen 
so zu sagen von selbst sich regeln werden, wenn die in den $$. 4, 
5, 6 und 7 über das Staatsexamen und das akademische Studium 
vorgeschlagenen Bestimmungen zur Geltung kommen. 

Dem eintretenden Lehrlinge wird ein Zeugniss seiner Befähigung 
mit Hinzufügung der erlangten Note vom Amtsarzte ausgestellt. 

$. 10. Der Apothekenvorsteher hat die Pflicht, seinen Gehülfen 
alle irgend mögliche Gelegenheit zu ihrer weiteren praktischen Aus- 
bildung in der Pharmacie, namentlich auch in der Geschäftsführung 
und Buchhaltung darzubieten. Im Allgemeinen widerstrebt es daher 
auch der Fortbildung der Gehülfen, ‚wenn in den Apotheken blosse 
Receptarii und Defectarii beschäftigt werden. Eine sehr natürliche 
Folge davon ist eine schädliche Einseitigkeit der Pharmaceuten in 
ihrem Berufe. 

Gegen die Lehrlinge übernimmt der Lehrherr die Verpflichtung, 
sie in ihrem Fache anzuweisen und zu unterrichten. In welcher 
Weise dieses zu geschehen habe, darüber kann keine Vorschrift gege- 
ben werden, weil einem Jeden die Geltendmachung seiner Individua- 
lität freistehen muss. Allein dafür, dass der junge Pharmaceut nach 
überstandener Lehre befähigt sei, sein Gehülfenexamen zu bestehen, 
muss der Lehrherr verantwortlich sein. Würde das Examen nicht 
bestanden, so müsste der Lehrherr verpflichtet sein, für die weitere 
noihwendige Ausbildung des Lehrlings in einer andern Apotheke 
Sorge und vielleicht auch Kosten zu tragen. Dagegen muss dem 
Lehrherrn auch das Recht zustehen, den Lehrling nach abgelaufener 
halber Lehrzeit entlassen zu können, wenn keine Aussicht vorhanden 
ist, dass der Lehrling seine Qualification zum Gehülfen innerhalb der 
stipulirten Lehrzeit erlangen werde, 


Vorstehende Skizze ist nicht bloss ein Entwurf, sondern stimmt 
in den wesentlichsten Puncten, namentlich auch in Betreff des Staats- 


h' MM. 
vo 


Vereinszeitung. 217 


examens ($$. 4, 5 und 6), mit dem im Grossherzogthume S. Weimar- 
Eisenach gegenwärtig zur Geltung kommenden Anordnungen überein, Bei 
näherer Erwägung der Abweichungen der Oesterreichischen Verordnung 
von den bei uns geltenden Bestimmungen werden sich im Ganzen nur 
solche Unterschiede herausstellen, die entweder nur von localen Ver- 
hältnissen bedingt und daher unwesentlich sind, oder die den in bei- 
den Schriftstücken leitenden Gedanken, dass nämlich die Pharmacie 
wie jede andere akademische Disciplin zu behandeln sei, betreffen. 
In dem Oesterreichischen Erlass ist dieser Grundgedanke bis zu sei- 
nem Ende mit Consequenz durchgeführt, was freilich bei uns noch 
nicht der Fall ist, auch wohl nicht eher geschehen dürfte, als bis 
andere grössere deutsche Staaten hierin vorangehen. Man darf aber 
annehmen, dass Oesterreichs Beispiel allmälig Nachfolge finden werde, 
wie es ja auch in manchen andern Zweigen der Administration, die 
mit den Fortschritten der Zeit in Einklang stehen, mit Fug und Recht 
Nachfolge im übrigen Deutschland gefunden hat. Der Kaiserstaat wird 
bei solcher Annäherung an das übrige Deutschland seinerseits auch 
gewinnen, gerade wie bei der so eben ins Leben getretenen Steuer- 
convention, von der so viel Heil erwartet wird hüben und drüben. 
Vorläufig darf man sich darüber freuen, dass in der Oesterreichischen 
Verordnung über das Apothekerexamen ein entschiedener Fortschritt 
zu dem, was die vorwärts drängende Zeit unabweislich verlangt, 
gefunden werden muss. H. Wackenroder, 


4) Vereins - Angelegenheiten. 


Dankschreiben des Herrn Burkhardt. 


Hochzuverehrender Herr Doctor und Oberdirector! 


Einem hochverehrten Directorio des Apotheker-Vereins in Nord- 
deuischland stalte ich meinen tiefgefühlten und herzlichsten Dank ab 
für die mir so unerwartete und unverdiente Ehre, welche Dieselben 
mir durch Uebersendung eines Diploms als Ehrenmitglied Ihres hoch- 
achtbaren Vereins bei meinem Ausscheiden aus dem bisherigen Ver- 
bande erwiesen haben. Ich betrachte diese Auszeichnung zugleich als 
das erfreulichste Geschenk, welches mir zu Theil werden konnte, für 
einen Zeitpunct, wo ich im kommenden Frühling auf eine 50jährige 
Laufbahn meines Berufes in Stille, aber mit dem gerührtesten Dank 
gegen Gott zurückblicke, nachdem ich im Jahre 1804 als Apotheker- 
gehülfe eine schwere Lehrzeit von sechs Jahren, nach damaligem 
Brauch, ohne wirkliche Wissenschaft, bloss als empirische Kunst, 
beendigt hatte. 

Die Zeiten sind für unsern Stand und Beruf seitdem so durchaus 
umgewandelt, dass ich bei meinem geringen Wirken und in dem Stre- 
ben nach Verbesserung und Fortschritt mehr als viele andere Herren 
Collegen veranlasst bin, die Wahrheit Ihres Mottos: »Hora ruit!« 
zu bestätigen. 

Möge der deutsche Apotheker-Verein sein hohes segensreiches 
Ziel, trotz aller Mängel der Gegenwart, immer mehr und immer 
‚schneller verwirklicht sehen ! 


218 Vereinszeilung. 


Mit der grössten Hochachtung empfiehlt sich 
Ew. Wohlgeboren 
Niesky, den 20. December 1853. 
ganz ergebenster 
Friedrich Burkhardt, 
emerit. Apotheker. 


Veränderungen in den Kreisen des Vereins. 


Im Kreise Münster 
tritt die Clüsener’sche Apotheke in Greven aus dem Vereine 
und Hr. Apoth. Christel in den Kreis Arnsberg über, nachdem er 
eine Apotheke in Lippstadt erworben hat. 
Eingetreten sind: die HH. Apoth. Oelrichs und Krautheim, 
beide in Münster. 
Im Ruhr-Kreise 
sind eingetreten: Hr. Apoth. Schramm in Gelsenkirchen, 
Z "„ Erdmann in Dortmund, 
" "»  _Vette in Langenberg. 


Im Kreise Arnsberg 
ist eingetreten: Hr. Apoth. Wigginghaus in Schwerte. 


Im Kreise Königsberg in Pr. 
ist eingetreten: Hr. Apoth. Bredschneider in Königsberg. 


Im Kreise Cleve 
ist der Assistent H. van Moorsel in Amsterdam eingetreten, wel- 
cher früher als dem Kreise Cöln angehörig aufgeführt wurde. 


Im Kreise Oels 
ist eingetreten: Hr. Apoth. Raschke in Oels. 


Im Lreise Grüneberg (Neustädtel) 
sind eingetreten: HH Apoth Carl Wilh. Wiehr in Grüneberg 
und Friedr. Wilh. Gustav Freude in Naumburg am Bober. 
Hr. Apoth. Poppo ist nach Bernstadt gezogen und in den Kreis 
Oels übergetreten. 


Notizen aus der General- Correspondenz des Vereins. 


Von Hrn. Vicedir. v. d. Marck wegen Einrichtung des Ruhr- 
Kreises, fernere Mitglieder desselben, Instruction für Hrn. Kreisdir. 
Bädecker. Von Hrn. Vicedir. Ficinus wegen Eintritts neuer Mit- 
glieder in Kr. Leipzig. Von Hrn. Viecedir. Oswald wegen Bestellung 
des Kreisdirectorats Oels. Instruction für Hrn. Wrede, Von Hrn. 
Dr. Meurer wegen Beiträge zum Archiv. Von Hrn. Behre in 
Freienwalde abermalige Bewerbung um Unterstützung. Hrn. Apoth. 
Bredschneider in Königsberg Diplom gesandt durch Hrn. Vicedir. 
Kusch. An Hrn. Brodkorb wegen Stellenvermittelung. Von Hrn. 
Dr. Schmidt sen. in Sonderburg Wünsche den Verein betreffend. 
Von Hrn. Kreisdir. Müller wegen Kr. Arnsberg. Von Hrn. Vicedir. 
v.d.Marck Anmeldung neuer Mitglieder, Jahresbericht an das Direc- 
torium. An Hrn. Med.-Ass. Overbeck wegen Geh.-Unterstützungs- 
Gesuche von den HH. Behre, Suppius u.A. VonHrn.Dr. Aschoff 
sen. Einsendung seiner Anweisung zur Prüfung der Arzneimittel. Von 
Hrn. Vicedir. Löhr wegen einiger Kreis-Angelegenheiten und Beitrag 


Vereinszeitung. 219 


zum Archiv. Von Hrn. Geh. Med.-Rath Staberoh wegen Hagen- 
Bucholz’scher Stiftung. Von Hrn. Prof. Dr. Heintz wegen pharma- 
ceutischen Instituts in Halle. Empfang von 100 Thir. aus dem Vice- 
direct. Schlesien. Sendung derselben nach Hannover an HH. Hahn. 
Von Hrn. Dir, Dr. Herzog wegen Lehrlings. Von Hrn. Vicedir. 
Oswald wegen neuer Mitglieder und wegen Generalversammlung 
in Breslau. An Hrn. Kreisdir. Müller deshalb. Von Hrn. Apoth. 
Ravenstein wegen anderweitigen Etablissements. Von Hrn. Vicedir. 
v. d. Marck Anmeldung neuer Mitglieder im Kr. Münster. Gesuch 
des Hrn. Bröcklein in Bad Elster um Pension für Hrn. Seckel, 
Anfrage deshalb bei Hrn. Vicedir. Ficinus. Von Hrn. Kreis- 
director Overbeck Meldung des Eintritts des Hrn. Rob, Bran- 
des in Salzuflen. Von Hrn. Vicedir. Kusch wegen Aus- und Ein- 
tritte in den Kr. Elbing, Danzig, Posen, Lissa u. Königsberg. Diplome 
für die HH. Ludwig, Kujawa und Engelhard, Von Hrn. Dr. 
Meurer Beitrag zum Archiv. Von Hrn. Vicedir. v. d. Marck Ein- 
sendung für die Bibliothek. Yon Hrn, Dr. Abl in Prag Einsendung 
seiner Revisions-Protokolle. 


5) Kleine Mittheilung von Hrn. Apotheker Schultze 
in York. 

Der Obstbau, von welchem die meisten Bewohner des Altenlandes 
leben, hai seit circa vier Jahren wenig eingetragen, indem die Blüthen- 
knospen durch ein Insect zernagt wurden. Im October kriechen die 
Thierchen aus der Erde auf den Baum und legen daselbst ihre Eier. 
Die im Frühling daraus enistehenden Raupen nähren sich von den 
Knospen, und fallen im Sommer vom Baume, um sich in der Erde zu 
verpuppen, in welchem Zustande sie bis October bleiben. Diese 
Thiere, hier vom Landmann plattdeuisch »Freter« (Fresser) genannt, 
halten im vorigen Jahre so überhand genommen, dass man den tota- 
len Ruin des Obstbaues fürchten musste; es ist aber jelzt ein siche- 
res Mittel dagegen gefunden. Der Baum wird nämlich vier Fuss über 
der Erde mit Papier von NY, Fuss Breite umbunden und dieses mit 
Theer bestrichen ; durch den Theer wird das Hinaufkriechen unmög- 
lich gemacht, indem die Thiere entweder umkehren oder am Theer 
festkleben. Beifolgend sende ich Ihnen ein geflügeltes männliches und 
einige ungeflügelte weibliche Exemplare. 

Noch erlaube ich mir Ihnen eine hier vorgefallene Quacksalberei 
mitzutheilen. Ein Auswärtiger verkaufte hier an verschiedene Leute 
ein dunkelgraues Pulver, 2 Drachmen an Gewicht, und ein braunes 
Pflaster, 1/g Unze schwer, wofür er sich 1 Thlr. bezahlen liess, 
unter dem Vorgeben, dass ersteres jede Krankheit und letzteres jede 
Wunde heile, sobald man es heimlich gebrauche. Bei der Unter- 
suchung fand ich, dass das Pulver mit Kohle gefärbte Kreide und das 
Pflaster kampferhaltiges Bleipflaster (Empl. minii adust.) war. 


Bemerkungen zu der Mittheilung des Hrn.CollegenSchultze. 


Dieser schädliche Schmetterling dürfte Fidonia defoliaria (Wald- 
lindenspanner oder Blatträuber) sein, soweit sich dieses an dem ziem- 
lich abgeriebenen Männchen erkennen lässt; die ungeflügelten Weib- 


220 Vereinszeitung. 


chen stimmen ganz gut mit der Beschreibung derselben überein. In 
der Lebensart hat dieser Schmetterling mit Acidalia brumata (Winter- 
spanner oder Frostschmeiterling) Vieles gemein; von dem der Ento- 
mologie Unkundigen mögen dieselben daher auch wohl oft verwech- 
selt werden, und der Schaden, den ersterer anrichtet, häufig wohl dem 
letzteren, der als sehr schädlich bekannt ist, zur Last gelegt werden. 
Da der Schaden, den beide und vielleicht noch einige andere in der 
Lebensweise verwandte Spanner anrichten und die Mittel diesem vor- 
zubeugen keineswegs so bekannt sind, als sie es sein sollten, so reihe 
ich hier Einiges über diesen Gegensland ein. 


Das Eigenthümliche dieser unansehnlichen Schmetterlinge, welche 
zu der Abtheilung der Spanner (Geomeira) gehören, ist, dass bloss 
die Männchen vollständig ausgebildet sind, die Weibchen aber bei 
Acidalia brumala nur kurze, verkrüppelte Flügel haben, welche bei 
Fidonia defoliaria ganz verkümmert sind. Nur die Männchen schwär- 
men Abends, oft in grosser Menge herum, während die Weibchen 
auf der Erde kriechen, wo die Männchen sie zur Begattung aufsuchen, 
Ist diese vollzogen, dann erklimmen die Weibchen die benachbarten 
Obst- und andere Laubbäume (oft auch wohl schon vor der Begat- 
tung, sobald sie nur aus der Puppe geschlüpft sind). und legen ihre 
sehr zahlreichen Eier an die Knospen, in Moos und Flechten an dem 
Stamme und Aesten oder in die Risse der Rinden. Sie sind hier so 
fest angeklebt, dass kein Regen sie abzuwaschen vermag, und eben 
so wenig leiden sie von der sirengsten Kälte. Beim Entlalten der 
Knospen kriechen die jungen Raupen aus, umspinnen jene, fressen 
die Blüthe aus und verzehren dann auch die Blätter. Anfangs Juni 
lassen sich die Raupen, nachdem sie ofı grosse Verheerungen an Obst- 
bäumen namentlich, angerichtet haben, an Fäden auf die Erde nieder, 
in welchen sie sich um die Bäume herum verpuppen. Erst im Septem- 
ber, October und November entwickelt sich dieser Spanner, ja Acida- 
lia brumala bis inden December hinein, woher dieser die Namen Winter- 
spanner, Frostschmetterling, erhalten hat. 


Die Kenntniss der Lebensweise dieser Insecten hat uns auch die 
beste Art sie zu vertilgen oder wenigstens zu vermindern, an die 
Hand gegeben. Zunächst wendet man sich gegen die Puppen, da die 
Raupen nicht in grossen Nestern gesellig zusammen leben und ihnen 
deshalb weniger beizukommen ist. Man gräbt daher die Erde, soweit 
die Aesie reichen, mindesiens einen Fuss tief um die Barinz herum 
auf und stampft diese dann wieder so fest, dass der Spanner nicht 
aus der Puppe schlüpfen kann, oder diese vielmehr zerstört wird, 
Doch lässt sich dieses Mittel nicht allenthalben anwenden und unvoll- 
kommen ausgeführt verspricht es wenig Erfolg. 


Kaum von grösserer Wirkung dürfte das zweite Mittel sein, 
Abends ein Feuer um die Bäume anzuzünden. Hat sich der Schmet- 
terling in Unzahl vermehrt, so werden allerdings grosse Mengen, 
indem ‚sie nach dem Feuer schwärmen, vernichtet werden, aber die 
grössere Zahl wird doch entgehen. Ai erfolgreichsten und glück- 
lichsten sucht man die flügellosen Weibchen von ihrer Wanderung am 
Stamme der Bäume abzuhalten und sie hier zu vernichten; und da- 
durch bekommt es Jeder in die Hand, seine eigenen Obstbäume zu 
schützen, selbst wenn der Nachbar nichts zur Vertilgung dieser bösen 
Gäste that oder in einem nahen Gebüsche oder Walde sich nichts 
gegen sie ausrichten liesse. 


Vereinszeitung. 321 


Man bestreicht nämlich Papier mit Theer oder einer klebrigen 
Salbe, welche man aus 16 Th. Kolophonium, 6 Th. Terpentin und 
12 Th. eines nicht trocknenden Oels zusammengeschmolzen hat und 
legt Ringe von einem halben bis ganzen Fuss Breite rings um die 
Baumstämme herum, Befestigt man in einiger Entfernung über dem 
ersiern Ringe noch einen zweiten am Stamme, so geht man um so 
sicherer. Die Weibchen werden auf ihrer Wanderung von diesen 
klebrigen Ringen auf- und festgehalten und dieselben bald in grösserer 
Menge bedecken. Es ist aber unumgänglich nothwendig, die Ringe 
so oft zu erneuern oder zu überstreichen, als sie ihre Klebkraft zu 
verlieren beginnen. Dass man alle Baumstützen entfernen oder diese, 
wie Spaliere mit gleichen Ringen umgeben muss, darf wohl nicht 
besonders erwähni werden. Soiehe Gürtel oder Ringe unmittelbar 
auf die Baumstämme anzubringen, ist zu widerrathen, da die Rinde, 
indem sie durch einen solchen der freien Einwirkung der Luft und 
Feuchtigkeit entzogen wird, leicht fehlerhaft und brandig werden 
würde, überdiess aber diese Gärtel sich nicht so leicht erneuern und 
entfernen lassen, als wenn der Theer auf Papier gestrichen ist. Das 
Entfernen der Ringe ist aber nothwenrdig und das Verbrennen der- 
selben zu empfehlen, da auf dem Theere viel Eier stecken, die gänz- 
lich mit verrichtet werden müssen. 

Eine Beschreibung zu geben -unterlasse ich deshalb, da wir es 
eben mit mehreren Arten zu thun haben und der aufinerksame Beob- 
achter in einem der besseren Schmetlerlingswerke sich bald darüber 
belehren wird. Hornung. 


6) Die Königlichen Gärten zu Herrenhausen bei 
Hannover. Ein Führer durch dieselben von 
Hermann Wendland. Mit zwei Plänen. 
Hannover. Hahn’sche Hofbuchhandlung. 1852. 


Vor den vielen Reisenden, welche gegenwärtig Hannover berük- 
ren, besuchen die meisten die dorligen grossarligen Garten - Anlagen, 
für welche in neuester Zeit durch die Munificenz des nun verewigten 
Königs Ernst August so Vieles geschehen ist, dass diese Anlagen 
zu den vorzüglichsten Deutschlands gehören. Schon seit 200 Jahren 
existirt dieser Garten. Von Hannover führt eine 6828 Fuss lange 
und 125 Fuss breite Linden- Allee nach Herrenhausen, welche schon 
im Jahre 1726 angelegt worden ist. Diese von vierfachen Baum- 
gruppen gebildete Allee dient als beliebtester Spazierweg. Zunächst 
läuft diese Allee an dem königlichen Garten und Lustschlosse Mon- 
brillant vorbei, welches zur Sommerresidenz der Königlichen Familie 
dient, Indem man von Monbrillant die Allee wieder durchschreitet, 
gelangt man zu dem Georgen- Garten, der aus dem ehemals Gräflich 
Wallmoden'schen Garten und mehreren angekauften kleinen Grund- 
stücken gebildet ist. Er führt den Namen nach dem Könige Georg IV. 
Im Schlosse findet sich eine Sammlung von Bildhauerwerken und 
Deigemälden. Ueber eine steinerne Brücke, Angusten-Brücke, und 
dann über eine eiserne, die Friederiken-Brücke, gelangt man in den 
grossen oder Herrenhäuser Garten, der im Jahre 1665 vom Herzog 
Johann Friedrich gegründet wurde, der auch die noch jetzt im 


222 Vereinszeitung. 

Gange befindlichen Wasserkünste anlegen liess, die später noch erwei- 
tert wurden. Die Anlage des Gartens, der etwa eine Fläche von 
182 Morgen umfasst, ist ganz in dem alten steifen französisch-hollän- 
dischen Style der Zeit Ludwig XIV. angelegt und mit einer 90 Fuss 
breiten Linden-Allee durchschnitten, in der südöstlichen und südwest- 
lichen Ecke mit zwei grossen Pavillons versehen. Der grössere Theil 
des Gartens ist durch 12 Fuss hohe Hecken von Hainbuchen durch- 
schnitten. 

Die sämmtlichen Wasserkünste springen vom Pfingstfeste an bis 
zu Michaelis an jedem Sonntage und Mittwoch von 3— 5 Uhr. Ziem- 
lieh in der Mitte des Gartens findet sich ein im Freien angelegtes 
Theater. Unweit des Schlosses sind die Treibereien gelegen. In 
Mistbeeten werden vorzüglich Gurken, Melonen, Blumenkohl und 
Erdbeeren, in den Häusern Weintrauben, Pfirsiche, Aprikosen, Pflau- 
men, auch Himbeeren getrieben. 

Vestlich vom Schlosse liegen die Cascaden, durch Reihen von 
fünf übereinander liegenden bleiernen Becken gebildet. Hier wach- 
sen vorzüglich Schlingpflanzen. Hier finden sich schöne Exemplare 
der Gunnera scabra, einer Pflanze aus Chili. In der sogenannten 
Orangerie finden sich über 150 schöne Exemplare von ÖOrangen-, 
Lorberen- und Myrtenbäumen, ausgezeichnete Exemplare von Mag- 
nolia grandiflora, Hibiscus syriacus, Arbutus Unedo. Ein kleines 
Bassin ist belebt von einer zahlreichen Schaar von Goldfischen. Hier 
ist der Standort der ägyptischen Papierstaude, Cyperus Papyrus. 
Das untere ÖOrangeriehaus ist mit Frescomalereien und mit Büsten 
römischer Kaiser verziert, welche die Franzosen 1803 nach Paris 
wandern liessen, von wo sie zum Theil 1816 wieder die Rückreise 
antraten. 

Eine Abtheilung des Gartens, der sogenannte Berggarten, wurde 
vorzüglich seit 1831 neu eingerichtet, eine Gartenbibliothek gegründet, 
ein grosses Ananashaus erbaut, in dem jährlich über 700 Pd. Ananas- 
früchte gezogen werden; ein Uamelienhaus und ein Haus für Ericeen 
und Cacteen eingerichtet, so wie eins für Orchideen. Nach dem Tode 
der Königin Friederike, Gemahlin Ernst August’s, ward vom 
Jahre 1842 — 1847 ein Mausoleum erbauet, auch ein neues Orchideen- 
haus construirt. Im Jahre 1846 — 1848 ward an der Stelle des alten 
Palmenhauses ein neues, fast ganz aus Eisen und Glas, errichtet, und 
1850 ein nenes Glashaus. 1851 ward ein Haus für die Victoria 
regia eingerichtet und mehrere Häuser erweitert. 

Einen Ruf erhielt der Garten zuerst durch den an demselben 
als Beamten angestellten Botaniker Fr. Ehrhardt, dann durch den 
Garten- Inspector J. Ch. Wendland, der sich auch als Schriftsteller 
auf dem Felde der Botanik und Gartencultur einen rühmlichen Namen 
erworben hat. Der jetzige Vorsteher ist der Hof- Garten - Inspector 
H. L. Wendland, der ebenfalls als botanischer Schriftsteller be- 
kannt ist. 

Auf dem Platze unweit des Pavillons und unweit der Orangerie 
steht ein schönes Exemplar von Sophora japonica, nahe dabei meh- 
rere Exemplare von Agave americana aus Mexico stammend, wo ihr 
Saft zu einem berauschenden Getränke benutzt wird. Sie hlühet auch 
hier in Hannover nicht ganz selten. Die grösste Zierde des Gartens 
enthält das Palmenhaus, welches 115 Fuss lang, 32 Fuss breit und 
42 Fuss hoch ist. Dasselbe wird durch zwei Wasserheitzungen und 
im Nothfalle noch durch vier Kanäle erwärmt. In diesem Hause findet 


Vereinszeitung. 223 


man ein ausgezeichnetes Exemplar von Livistona ausiralis von über 
25 Fuss Höhe; der Stamm hat fast 6 Fuss im Umfange, die Krone 
wird von gegen 80 schirmförmigen Blättern gebildet. Ganz nahe 
stehen schöne Exemplare von Calathea (Maranta) Zebrina, Bego- 
nia rhiginifolia. Eine schöne Dattelpalme, Phoenix dactilifera, 
zieht das Auge des Beschauers auf sich. Neben einer ausgezeichnet 
schönen Livistona chinensis prangt eine Strelilzia angusta mit 6 Fuss 
langen und 3 Fuss breiten Blättern als Hauptzierde, Von Bambusa 
latifolia sind einige Exemplare sichtbar. Auch die Cocospalme, 
Syagrus botryophora, mit langen krausen grasartigen Blättern, die 
Latania Commersoni, rothe Sammipalme, Caryota sereus mit aul- 
faliender Blattforn, der schöne silberweisse Chamaerops Hystrix mit 
fusslangen Stacheln am Stamme, die vorzüglich schöne, seltene Thri- 
nax radiata mit fächerförmigen, silberweissen Blättern, die Chamae- 
dorea elatior, ein grosser Pandanus utilis finden sich hier. Nebenan 
prangt der Riesencactus, Cereus peruvianus, der noch nicht geblühet 
hat, aber so festes Holz liefert, dass es im Vaterlande zu Rudern und 
Thürschwellen benutzt wird, Nahe dabei hat eine Oelpalme, Elais 
guineensis, ihren Platz, welche das afrikanische Palmöl liefert. Oest- 
lich steht Dioon edule aus Mexico, welche Sago liefert, und Cycas 
revoluta. Cocos nucifera, ächte Cocospalme, ist in einem Exemplare 
vorhanden, das hier im Jahre 1841 aus Samen gezogen wurde. In 
der Nähe steht der schöne Lamafarn, Cibotium Schiedei aus Mexico, 
mit 8 Fuss langen Blättern. Ceroxylon andicola, von Alex.v.Hum- 
boldt entdeckt, Im südlichen Theile der Rotunde steht die schöne 
Seaforthia elegans, die Kentia sapida von der Insel Norfolk, die 
südlichste Palme des Erdkreises, welche sich noch auf dem 38, Grade 
südlicher Breite findet, Ferner findet man Astrocaryon Ayri mit 
schwarzen Stacheln, die ausgezeichnete Chamuedorea Ernesti Augnsti, 
Saccharum officinarum, Coffea arabica, den Aflenbrodbaum, Adanso- 
nia digitata, der ein Alter von mehreren Tausend Jahren errei- 
chen soll, Chaemaedorea scandens, Plectocamia assamicn, Dra- 
caena Draco, Angiopteris longifolia, eine grosse Seltenheit aus 
Java, mit grossen schönen doppelt-gefiederten Wedeln, Cycas circi- 
nalis, Encephalaetos Altensteinii, Lehmannüi, caffer und horridus 
aus ÖOstindien, dem Cap der guten Hoffnung und Mexico. An der 
nordwestlichen Ecke steht Ficus Rozburghi, nahe dabei Pandanus 
horridus und Pandunus odoratissimus mit in drei Spiralen um den 
Stamm herausstehenden, sehr dicht gestellten langen schwertförmigen 
Blättern. In der Nachbarschaft steht der Jamaica - Pfeffer, Pimenta 
vulgaris, Coccoloba pubescens, die Weinpalme, Arenga saccharifera, 
Chamaerops Martiara, die einzige europäische Palıne, Chamaerops 
humalis, in Valencia und am Ebro zu Hause, nahebei Cocos campe- 
stris. Die schöne Pleciocomia assamica ist eine der schönsten Pal- 
men hiesiger Sammlung. Nahe am Palmenhause ist im Garten die 
Familie der Coniferen untergebracht, unter welchen zwei schöne 
Exemplare der Moretonbay - Tanne, Araucaria Cunninghamii, der 
bermudische Wacholder, Juniperus bermudiana, dessen Holz das beste 
Bleistifibolz liefert, bemerklich. Links vom Palmenhause trifft man 
schöne Exemplare von Acacia floribunda, Kunzea corifolia, Cam- 
phora officinalis, Callistemon lanceolatum und rugulosum, Ango- 
phora cordifolia, Acacia verticillata, Royaena lucida, die Kork- 
eiche, Quercus suber, Eucalyptus und Melaleuca, Banks’a margi- 
nata. In der Nähe sind die Schmetterlingsblumen, die Ilex, die 


BEN 


224 Vereinszeitung. 

Cupuliferen, Solanaceen, Hermanniaceen, Cisticeen, Euphorbiaceen, 
Malvaceen, Compositen, Rosaceen untergebracht. Ficus Sycomorus, 
die palästinische Feige, 'mit wenigen werthvollen Früchten; die Cusua- 
rineen mit ihren blattlosen, dünnen, fadenförmigen, gegliederten Aesten 
werden mit Schachtelhalm und Kiefern verglichen. Auf zwei Beeten 
finden sich die neuholländischen Akazien, die im Frühjahre im Hause 
eine Prachtfülle von Blüthen entwickeln, 

Die Salisburia adentifolia mit langgestielten fächerförmigen 
Blättern gehört zu den Nadelhölzern, von denen sie im Aeussern 
wenig Aehnlichkeit zeigt. Von den Nadelhölzern sind ferner bemer- 
kenswerth: Dacrydium Franklini und elatum, Cupwessus funebris, 
welche wie unsere Weiden hängende Zweige hat, Die Neuseeland- 
Tanne, Dammara australis, die " chilesische Tanne, Araucaria imbri- 
cata, trägt Früchte, welche in Chili als Desert gegessen werden; die 
Norfolk - Tanne, Araucaria excelsa und brasiliensis, Cunninghamia 
lanceolata, Dacridium cupressinum soll in ihrem Vaterlande über 
200 Fuss hoch werden, Pinus Deodora von den Gebirgen Nord- 
Indiens, soll dort 42 —13 Fuss im Umfange erreichen, auch Pinus 
Cedrus kommt hier vor, doch sind die Exemplare nicht sehr ansehn- 
lich. — Unter den neuholländischen Myrtaceen gehören die Eucaiyp- 
ius Leplospermum und Melaleuca zu den grösseren, Melaleuca Cajo- 
puti liefert das officinelle Cajoputöl und die Jambosa vulgaris die 
schöne Frucht Poma rosa. Unter den Eucalyptus -Arten finden sich 
die riesenhaften Bäume in WVandiemensland. Einige werden über 
200 Fuss hoch und setzen erst bei 70 — 100 Fuss Höhe Zweige an, 
Man hat Exemplare gesehen von 250 Fuss Höhe und 551/g Fuss Um- 
fang fünf Fuss über die Erde, an der Basis über 70 Fuss, Euca- 
Zyptus resinifera liefert nach Endlicher Kino australis. — Die 
Proteaceen Neuhollands und Südafrikas zeichnen sich durch die Man- 
nigfaltigkeit der Blätter aus, der Silberbaum, ZLeucadendron argen- 
teum, zeichnet sich durch weisse Behaarung aus. Nebenan ist eine 
canadische Tanne ansgezeichnet, auch die Cussonia spicata. Rechts 
davon steht die Aloysia citridora, welche sehr wohlriechend: ist, 
nahe dabei ein anderes Beet mit Pharmium tenax. 

An der Ostseite des früheren Palmenhauses steht der Trompeien- 
baum, Teecoma radicans. Unter den Tropenpflanzen im Hause sind 
zu bemerken Astrapaea Wallichii und mollis. Das nordöstlich ste- 
hende Erikenhaus enthält eine vorzüglich reiche und schöne Samm- 
Jung der Haidearten, auch die feineren Cap- und neuholländischen 
Pflanzen und einige Farrnkräuter sind hier untergebracht. Die aus 
Valparaiso stammende dreifarbige Kapuzinerkresse, Trropaeolum trico- 
dor, ist eine niedliche Pflanze. Vor der Ostseite des Hauses liegt ein 
Rosengarten. Rechts liegt das Orchideenhaus. Dasselbe enthält viel 
Seltenes und Schönes, darunter die Gattungen Stanhopea und Catte- 
deya mit prachtvollen Blumen. Oncidium Pupilio, westindische 
Schmetterlingsblume; die in 2— 3 Fuss langen Stielen sitzende Blume 
sieht wie ein Schmetterling aus, Vanille planifölia mit ihren wohl- 
riechenden Samenhüllen (Früchten), die Königspflanze der Javaner 
Anoectochilus celaceus mit sammtbraunen Blättern, wie mit Gold- 
fäden durchwebt, Anoectochilus argenteus ist grün mit weissen 
Streifen. 

In einem Glaskasten sieht man die Nepenthes und Dionaea. 
Von ersterer sind Nepenthes destillatoria und Rafflesiana ausgezeich- 
net, Die sonderbare Dionaea muscipula, amerikanische Fliegenfalle, 


3 Vereinszeitung. 225 
bildet-an den Enden ihrer Blätter eine Falle aus zwei breiten fleischi- 
gen Lappen, deren Ränder lange liaare haben. In dem Augenblicke, 
wo.ein laseet oder anderer freınder Gegenstand hineinfällt, schliessen 
sich die Lappen krampfhaft und bleiben geschlossen so lange Bewe- 
gung statt findet. Auf kleinen Stellagen sieht man zahlreiche kleine 
Palmen, Farrnkräuter, kleine Bromaliaceen. Merkwürdig sind die 
Hirschhaarlarrn, Platycereum. Das schöne Polypodium morbillosum 
findet sich über dem Eingange. 

Auch der Brodfruchtbaum, Artocarpus tncisa, mit schönen 
gelappten Blättern, Cacaobaum, T’rkeobroma Cacao, Mahagonibaum, 
Swietenia Mahagoni, die Elfenbeinpalme von Neugranada kommen 
hier vor. In dem südlicher liegenden Hause werden besonders Syre- 
nen, Schneebälle, Rosen, Hyacinthen im Winter getrieben. — Das 
Caetushaus hat zwei Abtheilungen, wovon die eine besonders Pelar- 
gonien, die andere Cactus- und Aloö-Arten hat. Südlich gelegen im 
Hause NE 9 sind besonders mittelhohe Tropen untergebracht, als 
Begonien, Gloxinien, Gesnerien, Achimenes. Einige Exemplare von 
Lourus Cinnamomum und Laurus Cassia haben hier ihren Platz, 
Unter den vielen Ficus -Arten ist der Banyanbaum, Ficus Indica, 
der merkwürdigste, der an den Ufern des Nerbuddah eine solche 
Ausdehnung erreichen soll, dass ein einziger Baum einen Umkreis von 
20600 Fuss einnimmt, Catha edulis, dessen Blätter zu einem in der 
Wirkung dem Caffee ähnlichen Getränke benutzt werden. Hier ist 
auch eine Gifipflanze von heftiger Wirkung, Trzplarzis. americana, 
neben dem Piper nigrum. Man sieht hier baumartige Nesselpflanzen, 
deren Nesseln wie Brennnessela wirken. Nach Schleiden bestehen 
die Haare der Nesseln aus einer einzigen Zelle, die hohl ist und an 
ihrem untern Ende eine, einem Schlangenzahn ähnliche Giftdrüse ent- 
hält. — In den Ananashäusern werden jährlich etwa 700 Pfd. Früchte 
gezogen. Das grosse Glashaus ist für die Neuholländer Pilanzen zur 
Aufnahme im Herbste bestimmt und hat eine Länge von 120 Fuss, 
eine Tiefe von 33 Fuss und eine Höhe von 24 Fuss. ' Das Camelien- 
haus zählt Hunderte von Camelier, die von Februar bis April in Blüthe 
stehen. Südlich vom Camelienhause liegt das Haus „N2 14, das einen 
wahren Schatz der seltensten Tropenpflanzen enthält, darunter die sel- 
iene Napoleona imperialis, der berühmte Kuhbaum, Galacdoden- 
dron utile, ein Exemplar von dem malayischen Giftbaume, Antiaris 
tozicaria, der Gummigutibaum, Kanthochimus pictorius, der Muscat- 
nussbaum, Alyristica moschata, Agatopkyllum aromaticum und Ca- 
ryophyllus aromaticus, die Cephaelis Ipecacuanha aus Brasilien, Dex 
Paraguariensis, Garcinia Mongastana mit schönen Früchten, Ja- 
tropka Manihot liefert im Safte der Wurzel ein schnell tödtendes 
Gift, die Wurzel liefert ausgekocht Mandiocoa oder Cassavamehl, 
Cinchona Calysaya, Hymenaea verrucosa, Copalbaum, Tamarindus 
indica, Haematozylon campechianum, Quassia amara, Guajacum 
officinale, Strychnos nur, Zibeihnuss, Duria zibethinus, Pogostemon 
patchoully, als Parfümerie gebraucht. In einem besondern Hause 
findet sich die Frctorie regia mit Blättern von über 6 Fuss im Durch- 
messer. Das Blatt soll binnen 24 Stunden 15 —17 Zoll wachsen. 
Nach einem hier gemachten Versuche trug ein 5l/g Fuss grosses Blatt 
einen siebenjährigen Knaben von 55 Pfd. Schwere und noch 70 Pfd. 
Gewicht 3—4 Minuten lang ohne zu sinken. Die Blüthe ist rein 
weiss und geht später ins Röthliche über; sie entwickelt anfangs 
einen angenehmen Duft. Der Same ist dunkelgrün, wie türkischer 


Arch. d. Pharm. CXXVII, Bds, 2. It, 16 


226 Vereinszeitung. 


Weizen geformt und mehlhaltig. Neben der Vicloria regia vegelirt 
das herrliche Nelumbium speciosum und capsicum und die niedliche 
Pistia Stratiates. Exemplare von Nymphaea coerulea, rubra, den- 
lata, Lotos, finden sich in Schalen aufgestellt. — An besonders merk- 
würdigen Exemplaren von Blumen und Pflanzen finden sich noch im 
Garten: Pinus strobus, ein vortrefflicher Baum, Acer sacchariferum, 
Taxodium distichum, eine schöne Cypresse aus Nordamerika, der 
Papier-, Maulbeerbaum, Broussonelia papyrifera, schöne Eichen, als 
Quercus alba, nigra, imbricala, heterophylla, tinctoria, macrocarpa, 
Liriodendron tulipifera, Liquidambar styraciflua. 

Das Mausoleum, wo die Leichen des Königs Ernst August 
und seiner Gemahlin Friederike ruhen, ist im griechischen Style 
erbaut. Darin ist der Sarkophag der Königin von Rauch in Berlin 
gefertigt. Das Haus ist mit einer Umgebung von Eichen geziert, 

Wir haben auf unserer Rückreise von der Generalversammlung im 
Bad Oeynhausen in Gesellschaft der Freunde und Collegen Bolle, 
Geiseler, Herzog, Hornung und Selle unter der Leitung des 
Hrn. Bennewitz die Schätze dieser ausgezeichneten Gartenanlagen 
zu Herrenhausen in Augenschein genommen und uns daran erfreut. 
Auf die Beschreibung des Hrn. Wendland machen wir alle Lieb- 
haber schöner Gärten, welche nach Hannover kommen, aufmerksam. 

B. 


7) Ueber Copal und Drachenblut, Aloe etc. 


D. Hanbury hat dem englischen Arzte Vaughan zu Aden in 
Arabien folgende Notizen mitgetheilt: 

Copal wird von der der Insel Zanzibar gegenüber liegenden 
Küste gebracht; man gräbt ihn, wie es heisst, dort aus der Erde, 
wo er in unregelmässigen Schichten liegt. Die Gruben, wenn man 
sich dieses Ausdrucks bedienen darf, sind Privateigenthum des Imam 
von Maskat, An der Westküste von Afrika, unter demselben Breite- 
grade, etwa in der Gegend von Congo, sollen die Portugiesen ähn- 
liche Lager aufgefunden haben. 

Drachenblut ist im südlichen Arabien und Socotora, eben so 
den Somalis unter dem Namen »das Blut der beiden Brüder« bekanni. 
Auf der Insel Socotora wächst der Baum mit der Aloe sehr reichlich, 
Er findet sich ebenso in Hadramaut und an der Ostküste von Afrika, 
doch kommt von hier aus sehr wenig in den Handel, weil die Ein- 
geborenen den Werth des Gegenstandes nicht kennen. 

Drachenblut, Aloe, Orsellflechte und Ghen oder flüssige Butter 
sind fast die einzigen Artikel, welche Socotora ausführt. Diese wer- 
den meist von den jenen Völkerstämmen eigenen Schiffen mitgenom- 
men, welche alljährlich vom Persischen Golfe im Monate Februar 
ankommen, nachdem sie in den Hauptstädten an der Küste des süd- 
lichen Arabiens vorkehrten; sie bringen Datteln mit, welche ihre 
Stapelwaare ausmachen, ferner kleine Parthien Zeuge, Reis, Zucker, 
Eisen, womit sie gegen die Producte des Landes Tauschhandel treiben, 

Die Boote gehen dann von hier nach Zanzibar, woselbst sie die 
Artikel, die sie von Socotora entgegengenommen haben, absetzen; 
diese gehen dann auf die indischen Märkte. Die Schiffe gehen dann 
etwa im April mit Korn beladen zurück, besuchen noch hier und da 
eine Stadt an der arabischen Küste und erreichen den Golf etwa im 
Mai wieder. Vaughan erfuhr von einem erfahrenen Seemanne, 


Vereinszeitung. 227 


während er auf der Rhede von Maskat vom 21. Novbr. bis 10. Dechr. 
4835 vor Anker lag, dass von jenen Schiffen der Eingeborenen, die 
etwa 50 bis 252 Tonnen Tragfähigkeit hatten und bei jenem Hafen 
vorbei westwärts segelten, etwa 12,880 Tonnen Datteln fortgeführt 
werden. Es geht hieraus allein schon heraus, wie stark der Handel 
mit diesem Artikel zwischen dem Persischen Meerbusen, dem südlichen 
Arabien, Socotora und Zanzibar sein muss. (Ph. Journ. and Transact, 
V.12. — Chem.-pharm. Centrbl. 1853. No. 37.) 


8) Holzpapier. 

Hr. Oberforstmstr. v. Pannewitz sprach am 5. Jan. 1853 in der 
Sitzung der sschles. Gesellsch. für vaterl. Cultur über dessen Afertigung, 
nachdem er historisch die früher aus andern Materialien bereiteten 
Papiere erwähnt hatte, wobei er bemerkte, dass das chines. Blumen- 
oder Reispapier aus dem Marke von Aeschynomene paludosa, A. aspera 
und A. lagenaria angeferligt werde; dass sich das Papyruspapier bis 
in das 8. und 9. Jahrh. erhielt, das Baumwollenpapier von den Arabern 
im 11. Jahrh. eingeführt, im 13. Jahrh. durch die in Deutschland ge- 
machte Erfindung des Leinenpapiers verdrängt wurde. Die neueren 
Versuche, Papier aus der Wolle von Pappeln, Disteln und Wollgras, 
aus Nesseln, Moos, Stroh, Blättern und Stengeln verschiedener Pflanzen, 
Holz von Buchen, Weiden, Flachs, Werg, Maishüllen, Lindenbast, Fichten- 
nadeln, Runkelrübenmark, Kartoffelwurzeln, Binsen, Seidelbast, Torf 
u.s. w. sind noch, wenn wir vielleicht das Stroh ausnehmen, von 
keinem praktischen Belang geworden. 

Erst in neuester Zeit ist es dem Papierfabrikanten Gross in Warm- 
brunnen gelungen, aus Fichter- (Rothtannen-) Holz ein brauchbares 
Papier darzustellen, das, durch schöne weisse Farbe ausgezeichnet, zu- 
gleich wegen des Harzgehaltes das Leimen entbehrlich macht. Das 
hierzu benutzte Holz muss frei von Harzzellen und Knoten sein (daher - 
Aeste nicht verwendbar), auch nicht von zu alten Stämmen herkom- 
men, Holz von Weisstannen, Kiefern, Linden, Espen und Weiden lie- 
fert minder brauchbares Papier. 

In Betreff der Bereitung müssen folgende Angaben genügen, da das 
Verfahren noch ein Geheimniss ist. Das Holz wird zu weissem feinen 
Brei zermalmt, dieser wird gebleicht und theils ganz allein, theils in 
Mischung mit Gangzeug aus Leinenlumpen in die Bütte gebracht und 
wie anderes Papier verarbeitet; das Leinen ist nur bei gemischten 
Papieren in geringem Grade nöthig. Hinsichtlich des aus Holz verfer- 
tigten Schreibpapiers findet ein Unterschied in der Güte gegen Lumpen- 
papier gar nicht statt; zwar ist Holzpapier jetzt noch etwas gelblicher, 
als gutes Lumpenpapier; doch wird sich dies unzweifelhaft durch ver- 
vollkommnetes Bieichen beseitigen lassen. Das aus Holz bereitete Druck- 
papier zeichnet sich vor dem aus Leinen geferligten noch durch leich- 
teres und innigeres Annehmen der Schwärze aus; auch zum Farben- 
druck eignet es sich vorzüglich; die Färbung in Roth und Blau gelingt 
sehr befriedigend. Von unübertroffener Schönheit und Brauchbarkeit 
sind endlich die Pappen aus Holzpapiermasse, welche die aus Lumpen 
durch Glätte und Reinheit übertreifen und schon jetzt ausgedehnte Ver- 
breitung gefunden haben. Das mit Leinenlumpen gemischte Holzpapier 
lässt sich beim Verbrennen durch einen brenzlichen Geruch von rei- 
nem unterscheiden. Zum Beweise der Vollkommenheit des Holzpapiers 
hat der Vortragende 4 Exemplare der Verhandlungen des schles. Forst- 


16* 


228 Vereinszeitung. 


vereins mit mehreren colorirten und schwarzen Kunsibeilasen drucken 
lassen, von denen ein Exemplar, so wie eine Reihe von Proben des 
Holzpapiers in seinen verschiedenen Zubereitungs- und Verarbeitungs- 
weisen, vorgezeigt wurden. Auch legte derselbe eine aus Espenho!z 
geflochtene, durch ausserordentliche Feinheit und Biegsamkeit ausge- 
zeichnete Tischdecke vor. (Bot.Zig. 1853. p.276.) Hornung. 


9) Handelsbericht. 


Dresden, Anfang Januar 1854. 

Wir begrüssen unsere geehrten Freunde mit den aufrichtigsten 
Wünschen für eine segensreiche Gestaltung dieses neubegonnenen Jah- 
res, und warten zugleich in der gewohnien Weise mit unsern neuen 
Preis-Notirungen auf, die wir freundlicher Berücksichtigung empfohlen 
halten. Ueber den bisherigen Gang des Droguen-Marktes und dessen 
dermalige Siellung ist ganz neuerlich von den höchst respectabeln 
Droguen - Maklern Herren H. & G. A. Lappenberg in Hamburg in 
deren Rückblick auf das Jahr 1853 so Zuverlässiges und Treffendes 
berichtet worden, dass wir nichts Besseres zu sagen wüssten. Wir 
gesiatien uns daher, deren Bericht nachstehend vollständig abzudrucken. 
Auch haben unsere Preise in der That den Vergleich der Hamburger 
Platz-Notirungen nicht zu scheuen, und bestätigen, wie sehr wir bemüht 
sind, unsere Preise ım Niveau der ersten Märkte zu halten und ersie 
Vortheile zu bieten, und wie wir in der That bei vielen Artikeln 
momentanen Mangels vor den extremen Schwankungen und vorüber- 
gehenden Steigerungen zu bewahren so glücklich sind, so lange unsere 
Lager - Bestände dies verstalten. 

Nur wenige Bemerkungen von unserm eigenen speciellen Stand- 
puncte haben wir noch beizufügen. Der Anschluss Hannovers und 
des Steuervereins an den Norddeutschen Zollverein ist mit dem 1. Januar 
nun thatsächlich ins Leben getreten und auf Grund der bekannten 
Zollvergünstigungen haben wir von unserm versteuerten Lager in 
Harburg gutes Brasil. Arrow-Root in Fässern a 200 Pfd.; Ammon, 
ie depurat. bekannte reine und grusfreie Qualität in Blechen 
a 50 und 100 Pfd.; schön weissen Tabioca-Sago; Ol. ricini, prima 
weiss in Kisten & 4 Blechen a 40 Pfd.; Kali chloricum in Fässern 
a 1 Cir.; Natrum bicarbonic. anglie. weiss, rein, krystallisirt oder 
gepulvert, in Fässern zu 1 und 2 Ütr., u. a. vortheilhaft anzubieten 
laut unserer Liste. Es sind diese begünstigten Artikel vielfach nach- 
gefragt, und baldige Bestellung dürfte im Interesse der Reflectanten seie. 

Aloe, durch Mangel an Zufuhren höher gegangen, hat überdem 
im Verbrauch zugenommen, weil drastische Mittel bei Aerzten beliebter 
‚geworden. 

Amygdalae haben wir süsse Sicilianer und Majorca, so wie bittere 
kleine Berberice billig. 

Balsam copairae; unsere directen Zufuhren gestaltelen einige 
Ermässigung des Preises, wir empfehlen sowohl ältere dickflüssige, 
vollkommen probehaltige prima Maracaibo-Waare, als auch frische 
Para, die wir beide neuerlichst von Amerika erhielten. Letztere bil- 
ligere Gattung ist als vollkommen ächt zu garantiren und schön blank, 
doch noch zu jung, um Salmiakprobe zu bestehen; indess wird viel- 
fach diesem jungen dünnflüssigeren Balsam wegen seines grössern 
Gehalts an ätherischem Oele grössere Wirksamkeit zugeschrieben. 

Canthariden;; der gesteigerte Werth verhinderte bei statt finden- 


Vereinszeitung. 229 


der Geldklemme noch lebhaften Absatz und Speculations - Unterneh- 
mungen; aber der geringe Ertrag der letzten Ernte ist eben. so sehr 
Thatsache, wie die Beschränktheit .der Vorräthe auf allen Haupt-Märk- 
ten; von neuer Ernte sind Ablieferungen vor September nicht zu 
erwarten, bis dahin wird der reguläre Consum die jetzigen Preise 
daher bewilligen müssen, falls nicht sogar neue Steigerung auf Ver- 
brauch und durch vermehrten überseeischen Begehr hervorgerufen 
werden sollte. 

Castoreum canad. erfuhr in der Londoner December-Auction der 
Hudsonsbay - Compagnie einige Preisreducliion unter dem Eindruck 
allgemein matien Geschäfts und schwieriger Geldverhältnisse; doch 
zogen die niedrigen Quotirungen nach der Auction alsbald noch viele 
Käufer an, so dass bereits Alles geräumt ist. Wir sind ganz günstig 
damit versorgt worden und können unsere sorgfältig sortirte Waare 
in drei Nummern offeriren: scharf getrocknete elect. in nur grossen 
und vollen Beuteln, gute frische Qualität in natureller Beschaffenheit, 
und den kleinen Ausfall und Bruch. 

Cort. chinae reg. erhielten wir in schöner Monopolwaare eine 
Kleinigkeit billiger. Der Abzug von Ckinin, ebenso wie von Chinoidin 
und Cinchonin, ist, trotz der von Hamburg berichteten Flauheit, von 
hier aus unterstützt von einladenden Notirungen fortwährend lebhaft 
gewesen. Sicher ist bei den jetzigen Preisen Nichts zu riskiren; 
wohl aber mögen Fabrikanten dieselben länger als bis Frühjahr nicht 
garanliren, weil sie dann grössern Begehr durch Fieberepidemien 
erwarten und Aufschlag der Chinarinden zufolge der letzten Vorgänge 
in Bolivien vermuthen. 

Crocus besitzen wir neben ächter Gastinois die billigere Spanische 
Waare und empfehlen beide bestens. 

Von guten gelben Flores verbasei, und von Flores chamom. vulg. 
fanden noch einige Ablieferungen statt; aber Flores rosarum rubr. 
fehlen gänzlich. Flores arnicae und tiliae sind sehr weggesucht. 

Für Fol. Sennae ist der Wendepunct bereits eingetreten; die 
bisherigen ungemein niedrigen Preise deckten bei weitem nicht die 
Kosten und haben neue Abladungen von Sennaar nach Aegypten daher 
verhindert. Inzwischen sind Läger zusammengerückt und für die 
wenigen verbliebenen Vorräthe, so wie neu angebrachten Parthien 
entschieden höhere Preise‘ gefordert, bei beschränkter Qualitäts-Aus- 
wahl. Noch zu rechter Zeit sicherten wir uns eine Parthie schöner 
Alexandriner Waare, grün von Blatt und wenig gebrochen, davon 
wir, so lange reichend und je nach Wunsch ganz oder ‚halb depurirt, 
unsere Kunden gern vortheilhaft versorgen. Es ist ausser Zweifel, 
dass der Artikel sehr bald wesentlich höhere Preise bedingen wird, 
und auch die jetzt noch sehr billige ostindische Sorte gewinnt an 
Bedeutung. 

Gummi Arabicum ver. in allen Discriptionen, so wie ostindie. 
und ächten harten Gummi Senegal offeriren wir abermals billiger. 
Gummi Mastix in Hamburg bereits 17 Mark Banco — 8} Thlr. per 
Pfund für Durchschnitts - Qualität notirt. Gummi Galbanum empfeh- 
lenswerth in schöner granis und Massawaare. 

Harz, braunes amerikanisches, geben wir noch unter, Hamburger 
Netirung; englisches, in Hamburg mangelnd, ist bei uns vorräthig. 

Herba menthae piperitae in guter letzijähriger Blätterwaare am 
Lager. 

Hydrargirum vivum, so wie Cinnabar praep, stellen sich um 
eine Kleinigkeit billiger, lediglich durch günstige Coursverhältnisse, 


230 Vereinszeitung. 


bezüglich der augenblicklich herunter gegangenen Oesterreichischen 
Bank - Valuta, deren Besiand nichl zu garantiren ist. 


Kali carbonic. russie. ward, durch die hohen Frachten des letzten 
Herbstes vertheuert, bereits höher bezahlt. 


Manna. Die neue Ernie brachte schöne Qualität, und die ersten 
Parthien erfuhren bedeutenden Preisabschlag; doch stellte sich schliess- 
lich der Ertrag nicht so reichlich dar als erwartet, und Witterungs- 
verhältnisse waren der Ernte selbst nachtheilig gewesen, so dass 
seitdem bereits der Werth um 40 — 50 Proc. wieder aufgeschlagen; 
wir versorgten uns zum niedrigsten Moment und dürfen unsere Noti- 
rung als billig, wie die Qualität unserer Waare als schön empfehlen, 


Mel american. im Preise steigend, Vorräthe beschränkt, wir 
besitzen noch weisse steife Ia. Cuba-Waare, und gute gelbe Qualität. 


Unsere Preise für Ol. carvi sind beachtenswerth gegenüber dem 
hohen Werthe des Samens. Ol. jecoris aselli noliren wir helle blanke 
ächte Dorschwaare billig; hingegen hat die weisse Langton Waare 
von Neufoundland, deren Production nicht genügte für den bedeuten- 
den eigenen Consum Englands wesentlichen Aufschlag erfahren, dem 
unsere Notiz noch entfernt nicht entspricht. Ol. lauri express. gestie- 
gen zufolge unergiebiger Lorbeer-Ernte. Ol, olivarum; die Conjunctur 
dieses wichtigen Productes des Südens hat neulich, besonders in Bezug 
auf das gewöhnliche grüne Baumöl einen rückgängigen Charakter 
angenommen, uud Abschlüsse für Frühjahr haben zu sinkenden Preisen 
statt gefunden, nachdem aus mehreren, besonders spanischen Districten 
über den Zustand der Oliven und die Aussicht für die nächste Ernte 
günstige Berichte eingelaufen; es bleibt zu wünschen, dass keine 
widrigen Umstände die Tendenz eines Preisabschlages stören mögen, 
der im Interesse des starken Verbrauchs für Fabrikzwecke besonders 
willkommen zu heissen sein wird, — Weniger günstig lauten die 
Berichte aus den Districten für feine Speise- Oele (Ol. olivar. pro- 
vinc.), und Ermässigungen für diese Sorten werden minder bedeu- 
send sein. 

Unser Opium garantiren wir als höchste Ja. Smyrna -Qualität mit 
reichem Morphiumgehalt. 

Rad. alihaeae bleibt speculationswerth billig. Rad. jalappae, der 
letzte Jahrgang hat eine recht vorzügliche Qualität geliefert, doch hat 
dieselbe nur allzubald sich vergriffen, so dass gute Waare sich schon 
knapp macht und höher bezahlt wird. Rad. liquirit. russic. besitzen 
wir Lager in Hamburg und Stettin, mit denen wir bald geräumt haben 
dürften, da anderwärts Vorräthe wenig, neue Zufuhren aber nicht vor 
Mai‘zu erwarten sind. Von Rad. caincae hatten wir wieder einige 
Zufahr. In Betreff Rad. rhei Moscovit. dürfen wir die Notiz des 
Hamburger Berichtes in so fern erläutern, als Abnahme des Verbrauchs 
in unsern Kreisen nicht so sehr zu bemerken gewesen, vielmehr der 
Debit bei der vorzüglich schönen Qualität unserer Stück für Stück 
ausgelesenen Waare ein fortgesetzt erfreulicher geblieben. Rad. salep. 
deutsche runde fehlt ganz; Levantiner ist gleichfalls wenig gesammelt 
worden, daher höher im Preise. 

Semen ‚cynae gesiebt grün grobkörnig, loco Stettin; und ergiebige 
Siem. sabadill. loco Hamburg, notiren wir billig. Sem. staphis agriae 
ist vorigen Herbst sehr reichlich geerntet und wesentlich im Preise 
herabgesetzt. 

Spongiae marinae sind ganz seltener Weise dermalen abundant, 
schön und billig, deshalb sehr geeignet zu vorsorglichem Einkauf, 


Vereinszeitung. 251 


Styraz liquid., so wie Terebinth. venet, verdienen zu unsern billigen 
Notirungen alle Beachtung. 

Spermaceti konnte etwas ermässigt werden. 

Die Conjunctur in Tartarus crud., depurat. und Acid. tarlaric., 
so wie sonstigen Weinstein- Präparaten ist seit unserm September- 
Bericht in einer Weise fortgeschritten, wie sie im nachstehenden 
Hamburger Bericht bereits treffend geschildert ist; Weinsteinsäure war 
im höchsten Moment in Hamburg mit 34 Schill. Bco. = 32 Sgr. bezahlt, 
und hatte hierbei auch die Speculation mitgewirkt, die seitdem bereits 
wieder etwas nachgelassen, so ist doch gar nicht zu zweifeln, dass 
der im Allgemeinen hohe Werth jener Producte sich mindestens be- 
haupten wird, bei dem ihatsächlichen Mangel des durch Nichts zu 
ersetzenden Rohstoffes und dem grossen Umfange des Verbrauchs. 

Mit Vanille sind wir noch billig im Verhältniss zu den auswärtigen 
Notirungen; in Hamburg 14—17 Mk. Bco. In Thee’s halten wir fort- 
während gut assortirtes Lager. Candirten Ingber besitzen wir auch 
den beliebten trocknen in Holzkisichen. 

Der Werth des Spiritus ist nun doch wieder abgeschlagen und 
die Preise für Aether- und Alkohol-Präparate sind daher wieder bil- 
liger za erlangen gewesen. Auch ist es gelungen, doch zu einigem 
Vorrath dieser so stark gefragten Artikel zu kommen, so dass wir 
prompte Bestellungen prompt zu eflectuiren hoffen. 

Die Inhaber von Jod an dem englischen Markte zeigten sich vor 
Kurzem nachgiebiger, weil eine Parthie Jod an den Markt sich drängte, 
auf welche Vorschüsse entnommen waren; dieselbe erwies sich jedoch 
sehr bald als mit Eisenfeilspänen verfälscht und brachte eine grossarlige 
Betrügerei zur Schau. Immerhin war es uns gelungen, jenen Moment 
der Flauheit benutzend, mit einem Limit durchzubringen, welches eine 
ziemliche Herabsetzung unserer Notirungen für reine Jodine und Jod- 
kalium verstattet; schwerlich dürfte eine Gelegenheit hierzu sich vor 
Eintritt der neuen Kelpernte wiederholen, um so weniger als die 
Eigner von Jod jetzt nach Entdeckung ihres Betrugs sicher ihre For- 
derungen wieder höher stellen dürften. 

Phosphor gestiegen zufolge der vertheuerten Koblen und Arbei- 
Aerlöhne. 

Die erhöhten Forderungen für Blei haben eine Steigerung der 
Preise für Glätte, Menie und Bleizucker nach sich gezogen; an Stelle 
des leiztern wird zu technischen Zwecken neuerdings mit sehr gün- 
stigen Erfolgen holzessigsaures Blei vielfach angewendet, welches bei 
gleicher Wirksamkeit zu billigerem Preise als der Bleizucker sich 
darstellt. — Auch Zinkweiss ist durch Vertheuerung des Rohmetalls 
höher gegangen. — Für blausaures Kali hat sich in Folge des wäh- 
rend der letzten Monate von verschiedenen Seiten sich einstellenden 
lebhafteren Begehrs doch einige Besserung des so sehr herabgedrückt 
gewesenen Preises für jelzt geltend gemacht. 

Alaun in Fässern zu 1 und 5 Ctr. Depöt einer der anerkanntesten 
Fabriken, deren Product durch Reinheit der Qualität den vortheil- 
haftesten Ruf geniesst; wir geben davon zu Fabrikpreisen, und bei 
ansehnlichen Posten: mit möglichster Ermässigung ab. 


Unsere bester Dienstleistungen bleiben Ihnen eifrig gewidmet und 
wir empfehlen uns mit Hochachtung. 


Gehe & Co. 


232 Vereinszeitung. 


Rückblieksauf das Jahr. 1853. 


Hamburg, den 31. December 1853. 

Die diesjährige Einfuhr von Alaun bestand fast ausschliesslich aus 
englischem und schwedischem; von ersterem wurden 1415 Fässer 
und von letzierem 400 Fässer angebracht. Die Preise stiegen in den 
letzten Monaten bei vermebrter Nachfrage und sind nur mässige Lager 
gegenwärtig vorhanden. Von chines. sind wir ohne neuen Zuzug 
geblieben, die Anfang d. J. lagernden 2000 Säcke sind zum grössten 
Theil zum Export genommen worden. 

Cap-Aloö hat seit zehn Jahren nicht einen so hohen Werth er- 
reicht, wie jetzt; es ist dies die Folge der schon seit den vorher- 
gehenden Jahren schwächer gewordenen Zufuhren, welche stets rasch 
in Consumenten-Hände übergingen, so dass sich nie ein drückender 
Vorrath ansammeln konnte. 

Der Ausfall in dem Import von Arrowroot ist früheren Jahren 
gegenüber bedeutend zu nennen und kann dieser Umstand bei fer- 
nerer Dauer füglich nicht ohne Rückwirkung auf die Preise bleiben. 

Balsam. Die Ankunft von Balsam Copaivae ist wieder häufiger 
geworden und haben sich in Folge dessen die in der ersten Hälfte 
des Jahres bestehenden hohen Preise später- nicht behaupten können; 
auch darf die jetzige Notirung von 22 Schill. nicht als Norm für den 
Verkauf von Parthieen gelten. Die diesjährigen Zufuhren bestanden 
hauptsächlich in Maracaibo Balsam, von Para ist wenig herangebracht 


worden. — Bälsam Peru war von geringem Inieresse für den hie- 
sigen Markt, weil Einsendungen von Amerika ausgeblieben und Jeder- 
mann den Artikel von England committirte. — Für Balsam Tolu zeigte 


sich sehr wenig Verwendung und ist selbst von den vorigjährigen 
Importen noch ein grosser Theil unbegeben. 

Der Preis von raffinirtem Boraz stieg Anfang d. J. von 91, auf 
104/, bis 101/, Schill. — Von ostind. Borax und von Borax-Säure ist 
hier nichts an den Markt gebracht worden, 

Die Importation von Cacao hat in diesem Jahre wieder einen 
grösseren Umfang erreicht und beträgt im Ganzen 18,746 Säcke, da- 
gegen belief sich dieselbe im v. J. auf 11,200 Säcke und im Jahre 
1851 auf 10,500 Säcke, Diese Zunahme ward herbeigeführt durch 
die grösseren Abladungen, welche von Guayaqui! nach unserm Markt 
gebracht worden sind; es haben solche in den letzten 142 Monaten 
13,115 Säcke ausgeliefert, während in den vorhergehenden beiden 
Jahren zusammen nur 2288 Säcke davon eingeführt wurden. Bei der 
niedrigeren Stellung, welche Guayaquil Cacao auf andern Märkten 
im Laufe des ersten Halbjahres eingenommen hatte, war auch hier 
ein Weichen der Preise unvermeidlich und haben sich diese seit Juni 
auf 35/g bis 37/g Schill. gehalten bei gutem Abzug, da die Fabrikanten 
überall ohne Vorrath waren; das Lager beträgt gegenwärtig ca. 
2500 Säcke, wovon sich noch 1750 Säcke in erster Hand befinden 
und bei dem jetzigen Werth vom Markt zurückgehalten werden. — 
Von Para waren Anfang d.J. ca. 4000 Säcke vorhanden, zugeführt 
wurden 3225 Säcke, ca. 3000 Säcke weniger als im Jahre vorher; 
die Preise erlitten im Frühjahre einen Rückgang und blieben im Laufe 
des Sommers gedrückt, im September zeigte sich starke Nachfrage für 
Export und Speculation, welche den Werth ungefähr 1/y Schill. erhö- 
hete; indessen hat sich in der letzten Zeit der Markt wieder etwas 
mehr zu Gunsten’ der Käufer gestellt; der Vorrath besteht in ca. 1000 


”* 


Vereinszeitung. 233 


Säcken. — Bahia hat sehr wenig Verwendung gefunden und keine 
Aenderung im Werth erfahren; eingeführt wurden nur 215 Säcke 
un: sind zur Zeit etwa 150 Säcke vorräthig. — Von Domingo, wovon 
sich bei Beginn d.J. ca. 1200 Säcke am Markt befanden, erhielten 
wir eine ungewöhnlich kleine Einfuhr von 282 Säcken; die im Herbst 
herrschende Frage für diese Bohne hat bei etwas erhöheten Preisen 
die Lager sehr aufgeräumt und bleibt der Vorrath nur noch ca. 300 
Säcke. — Trinidad hat sich niedrig ım Werih erhalten, indess hat 
dies keinen grösseren Consum bewirkt und ist von den zugeführten 
41450 Säcken noch ein beträchtlicher Theil am Markt. — Caracas und 
Angustura sind in schöner Qualität gut verkäuflich gewesen, zumal 
nur kleine Zufuhren davon gekommen sind. — Martinique hat gefehlt. 


Ungeachtet die Preise von Ceylon-Canehl sich aufs neue niedri- 
ger gestellt haben, wird keine Zunahme im Verbrauch dieses Gewür- 
zes bemerkbar. — Von Java-Canehl ist etwas mehr als früher heran- 
gebracht worden, die geringen Sorten fanden am meisten Absalz. 


Cardamom. Die Zufuhren von Malabar und Madras sind bei 
weitem nicht so gross gewesen, wie in den vorhergehenden Jahren, 
allein dies ist kaum bemerkt worden, da die Lager ohnehin noch sehr 
reichlich mit dem Artikel versehen waren. Speculative Ankäufe stei- 
gerten im Februar die Preise um einige Schillinge, diese Erhöhung hat 
sich später nicht völlig behaupten können und ist das Geschäft im 


Allgemeinen nicht lebhaft gewesen. — Ceylon hat für gute Qualität 
einen ziemlich gleichmässigen Werih gehabt bei hinlänglich versorg- 
tem Marki. — Von Java wurden 30 Säcke zugeführt, die zum gröss- 


ten Theil noch lagern und auf 8 Schill, gehalten werden. 


Von Cassia Fleres befand sich Anfang d.J. fast nichts am Markte 
und für die zuerst eintreffenden Zufuhren bewilligte man 24 bis 25 
Schill.; diese hohen Preise sind für die grösseren Parthien welche im 
Herbst ankamen, nieht zu bedingen gewesen, und haben dieselben 
nur theilweise 18 und i7 Schill. aufbringen können; selbst die billi- 
geren Offerten, welche später gemacht worden sind, haben keinen 
stärkeren Absatz gefördert, da dieser Artikel überhaupt nur einen be- 
sehränkten Consum findet, und es bleibt jetzt noch ein Vorrath von 
ungefähr 200 Kisten, einschliesslich der in diesem Monat gelandeten 
ca. 100 Kisten. Die Einfuhr war in diesem Jahre ca. 797 Kisten, 
dagegen 1852: 309 Kisten und 1851: 166 Kisten. 

Das Geschäft in Cassia lignea ist auch in diesem Jahre von gutem 
Erfolge für die Imporleure gewesen, ungeachtet die Zufuhren von 
einem solchen Umfange waren, wie nie zuvor in einem gleichen Zeit- 
raume, mit Ausnahme des Jahres 1850. Ein vollständig entsprechen- 
der Absatz hat sich dieser grossen Einfuhr entgegengestellt und dem 
Markt durchgängig eine feste Haltung verschafft. Die vom 1. Januar 
bis ult. Juni eingetroffenen 13,000 Kisten wurden sämmtlich bald nach 
Ankunft zu 113/4 Sch. begeben und war davon bereits fast Alles zum Ver- 
sand gebracht, als im August der »Codan« mit 2243 Kisten anlangte, 
welchen fernere 2000 Kisten per »Jeremiah Garnett« Anfang Septem- 
ber folgten. In jener Periode nahm das Geschäft eine andere Wen- 
dung, sowohl diese Parthien, als auch noch schwimmende 3000 Kisten 
wurden von einem Speculanten aufgekauft; der Artikel ist seitdem 
successive auf einen höheren Werth gebracht worden und wird gegen- 
wärlig mit 131/, ä 133/, Schill, bezahlt. Von den in diesem Monat 
angekommenen Zufuhren sind nur die 750 Kisten ex »Emilie« noch 


234 Vereinszeitung. 


unverkauft, der Vorraih beträgt schliesslich 4000 Kisten, die Einfuhr 
in d.J. 21,565 Kisten und 19,902 Matten, die Ausfuhr ca. 20,000 Kisten. 

Von Cassia vera lagerten bei Beginn d. J. 900 Packen, meistens 
aus geringer grauer Waare bestehend, die sich bis zum Herbst gänz- 
lich aufräumten; es sind in d. J. nur unbedeutende Zufuhren gekom- 
men, im vorigen Monat an den Markt gebrachte 387 Matten von aus- 
serordentlich feiner Qualität wurden sehr hoch bezahlt und sind davon 
nur noch etwa 1000 Pfund vorhanden. 

Importen von Cassia fistula haben wieder aufgehört; durch die 
ungewöhnlich starke Nachfrage, welche der Artikel in diesem Jahre 
gefunden, ist der Vorrath beinahe geräumt und der Preis auf 25 Mrk. 
gesteigert worden. 

Der Preis von raffinirtem Camphor war im Laufe d. J. nur ge- 
ringer Schwankung unterworfen und hat sich durchschnittlich auf 
131/, Schill. erhalten. Gegen Jahresschluss ist es etwas flauer mit dem 
Artikel geworden, und haben einige ältere Lager, welche zum Ver- 
kauf angeboten wurden, nicht vollständig den notirten Preis bedingen 
können. Der Absatz von Camphor ist zwar von grösserer Ausdeh- 
nung gewesen als in den vorhergehenden Jahren, aber nicht von 
demselben Umfange wie die diesjährige Einfuhr, welche 2573 Kisten 
beträgt; von den kürzlich angelangten Zufuhren befinden sich noch 
670 Kisten am Markt. 

Wir mussten ult. v. J. unsern Bericht über Cantharides unter dem 
Eindruck eines flauen Marktes schliessen, und wenn gleich durch 
etwas Nachfrage im Laufe des Monats Januar der Artikel eine bessere 
Stellung annahm, so war dies nur vorübergehend und haben die Preise 
bis zum Sommer hin eine gedrückte Haltung gehabt; das Herannahen 
der neuen Einsammlung veranlasste die Inhaber zur Räumung ihrer 
Lager, wodurch eine Reduction des Preises von 64 auf ca. 50 Schill. 
erfolgte. Gerade um jene Zeit trafen von Russland die Berichte ein 
über den beschränkten Ertrag des diesjährigen Fanges, so wie die 
dafür bezahlten hohen Preise; dies bewirkte einen raschen Wechsel 
in dem Werth des Artikels an unserm Markt, der sich plötzlich auf 
72 Schill. hob und sich später auf 76 Schill. stellte. Die Speculation 
hatte übrigens keinen bessern Erfolg als im vorigen Jahre, da die 
Consumenten uns fast gänzlich im Stich lassen, und sind unter diesen 
Umständen Verkäufe nur zu Preisen unter 70 Schill. in der letzten 
Zeit möglich gewesen, Der gegenwärtige Vorrath beläuft sich auf 
5000 Pfd., die Einfuhr in d. J. war ca. 28,000 Pfd. 

Im Werth von Cristal Tartari und Weinstein ist eine grosse Ver- 
änderung eingetreten und das Geschäft in beiden Artikeln, seit einer 
Reihe von Jahren ein schwerfälliges zu nennen, hat plötzlich einen 
sehr lebhaften Schwung erhalten. Die den Süden Europas wiederholt 
heimsuchende Traubenkrankheit und der daraus entspringende Mangel 
an Weinstein einerseits, so wie andererseits die Ausfuhrverbote be- 
züglich dieses Products in einigen Staaten, gaben den Impuls zu einer 
Steigerung, die sich über alle Märkte verbreitet hat und welche erst 
Halt machte, nachdem die Preise ungefähr 100 Proc. aufgeschlagen 
waren. Allerdings hat die Kauflust in der letzten Zeit nachgelassen 
und sind Verkäufe nicht immer zu den nolirten Preisen zu erzwingen 
gewesen, allein im Allgemeinen herrscht Vertrauen für den Bestand 
der jetzigen Preise, namentlich im Hinblick auf die sehr gelichteten 
Lager auf allen Märkten, verbunden mit der Schwierigkeit, sich aus 
den Productionsländern aufs neue zu versorgen; überdies bezweifelt 


Vereinszeitung. 235 


man eben so sehr, dass der Consum eine Einschränkung erfahren 
könne, als dass ein Surrogat für Weinstein zu finden sei. — Die Stei- 
gerung von Weinsteinsäure war eine natürliche Consequenz, und wenn 
sich dabei die Speculation etwas überstürzte, so geschah es wahr- 
scheinlich in der Annahme, dass die Fabrikanten dieses Artikels nicht 
so reichlich mit dem Rohstoff versehen seien, als sich später heraus- 
stellte. In den letzten Monaten war es mit Weinsteinsäure flau und 
ca. 4 bis 6 Schill. billiger zu kaufen, als in der theuersten Periode. 
Die Zufuhren von Cristal Tartari und Weinstein haben in d.J. nicht 
die Hälfte der durchschnittlichen Einfuhr früherer Jahre betragen. 

Die günstige Meinung, welche sich beim Beginn d.J. für Cubeben 
kund gab, hat sich im Laufe desselben völlig bewährt; der Preis ist 
allmälıg gestiegen in Folge der spärlichen Ankunft, und es ist in Eng- 
land bereits vor einigen Monaten der Mangel so fühlbar geworden, 
dass ein grosser Theil der auf dem Continent vorhandenen Lager nach 
dort verschifft worden ist. Bleiben die Zufuhren von Östindien so 
klein wie bisher, so scheint eine fernere Erhöhung des Werthes aus- 
ser Frage zu sein. Importirt wurden hier in d.J. 324 Säcke, da- 
gegen 1852: 815 Säcke. 

Die grossen Zufuhren, welche in den vorhergehenden Jahren von 
Curcuma herangekommen, haben wieder nachgelassen, und es ist durch 
die niedrigen Preise hier und bei den hohen Frachten in Bengalen 
Speculation für den Artikel hervorgerufen worden, welche bereits eine 
bessere Stellung desselben herbeigeführt hat. Die Einfuhr belief sich 
in d, J. auf 964 Säcke, gegen 8360 Säcke und 1500 Beutel im vori- 
gen; wir schätzen das Lager gegenwärtig auf: 2500 Säcke Bengal, 
700 Säcke Malabar und Madras und 500 Säcke Java. 

Das Geschäft in Chinin war nicht von Bedeutung; der Preis zog 
im Frühjahr etwas an, hat aber später etwas nachgelassen; ebenso 
herrschte für Chinoidin und Cinchonin selten Nachfrage (in Hamburg). 

Cortex Chinae. Gleich wie im vorhergehenden Jahre hat sich 
auch diesmal für graue Chinarinde wenig Verwendung gezeigt, grös- 
sere Aufträge für Huanuco z.B., wie solche in früheren Jahren häufig 
vorkamen, sind ausgeblieben, und haben daher die eingeführten 199 
Kisten und 30 Seronen mühsam und nur zu niedrigsten Preisen rea- 
lisirt werden können. Es muss hierbei berücksichtigt werden, dass 
die diesjährigen Importen wenig von schöner Waare enthielten, so 
wie überhaupt jetzt viele Bastardsorten von grauer Rinde in den 
Handel kamen, und nur selten Loxa- und Huanuco-China von so aus- 


geprägtem Charakter wie ehemals. — Von China regia und rubra 
sind keine directen Sendungen und sind deshalb diese Artikel ohne 
Interesse für unsern Markt geblieben. — Die angebrachten Parthien 


Flava waren von so untergeordneter Qualität, dass sich selbige noch 
in Händen der Importeure befinden. — Huamalis fand keine Nachfrage. 

Cort. Cascarillae war nicht sehr courant und hat keine Verän- 
derung im Werth erfahren. 

Der Preis für Cor!. Simaruba schwankte zwischen 6 und 16 Schill. 
pr. Pfd,, je nach den zeitweilig existirenden Vorräthen ; die kürzlich 
auf der Elbe angelangte Zufuhr von 33 Packen ist bereits in zweite 
Hand übergegangen, welche dafür 11 Schill. verlangt. 

Man hat es wieder versucht, Dividivi bei uns einzuführer, und 
wie es scheint, mit besserem Erfolge für die Importeure als früher. 

Gallen. Die steigende Tendenz der Preise für levantische Gallen, 
welche im v.J. herrschte, ist in d. J. einem Wechsel unterworfen 


’ 


236 Vereinszeitung. 


gewesen und sind die Notirungen gegenwärtig ca. 10 bis 12 Mark 
niedriger als vor 12 Monaten; es ist dies eine Folge der wesentlich 
grösseren Zufuhren. Am gangbarsten von allen Sorten waren dunkel- 
grüne, weisse waren stets begehrt, wenn sie fehlten, aber fast nie 
verkäuflich, sobald solche vorhanden. — Chinesische Gallen sind in 
ungleich grösserem Maasse zugeführt worden als bisher, nämlich ca. 
2108 Kisten, von denen allerdings noch ca. 1000 Kisten im Markt 
verbleiben. Das Geschäft darin hat einen unregelmässigen Verlauf ge- 
habt, und nach dem plötzlichen Auftauchen und Verschwinden der 
Frage für diesen Artikel, „naleneis vor höheren eder billigeren 
Preisen, muss man annehmen, dass derselbe, obschon seit fünf Jahren 
im Handel bekannt, noch nicht genügend im Wertbe abgeschätzt ist, 
oder die Anwendung desselben für industrielle Zwecke nur periodisch 


ist. — Von Myrabolanes sind keine Zufuhren erschienen; eine kleine 
Parthie, die sich Anfang d.J. im Markt befand, hat sich bald nachher 
aufgeräumt. 


Glätte und Mennie verfolgten ebenso wie blauer Vitriol die seit 
vorigem Jahr eingetretene Steigerung im Verbältniss zu der bestehen- 
den Conjunctur der diese Artikel producirenden Metalle. 

ummi. Das Geschäft in levant. Arabicum war sehr schleppend 
bei gedrückten Preisen; es ist von geringen Sorten ziemlich viel 
herangebracht worden, wovon aber das Meiste noch unverkauft lagert. 
Dasselbe lässt sich von ostind. Arabicum sagen, welcher zwar weniger 
wie gewöhnlich zugeführt wurde, aber ungemein schwachen Verbrauch 
fand, namentlich war dies der Fall bei geringeren Gattungen, welche 
aber schwer verkäuflich sind; für feine blonde Waare suchte sich im 
Frühjahr eine Besserung der Preise geltend zu machen, es ist diese 
aber nicht von langer Dauer gewesen. — Von Eap Gummi haben wir 
keine Zufuhren gehabt und sind die Lager davon beinahe geräumt, 
— Von Gummi Senegal waren Zufuhren beträchtlicher als in den 
letzten Jahren, auch in diesem Gummi ist ungeachtet der sehr billig 
gewordenen Preise das Geschäft auf unserm Platz ohne Leben gewesen. 
— Für ostind. Copal ist in diesem Jahre eine neue Erhöhung des 
Werthes von ca. A Schill. pr. Pfund eingetreten, hauptsächlich herbei- 
geführt durch die im Monat Februar wesentlich höher gestellten Noti- 
rungen in Nordamerika, wo die Ankünfte des Zanzibar Copal sich 
auch zu sehr vermindert haben, um eine Wiederausfuhr in demselben 
Maasse wie bisher zu gestatten. Unser Markt ist aus diesem Grunde 
hauptsächlich auf die directen Importen von Zanzibar angewiesen 
gewesen, welche sich auf ca. 55,000 Pfd. beliefen, während die 
Gesammteinfuhr ca. 75,000 Pfd. betrug, ca. 10,000 Pfd. weniger als 
im vorigen Jahre. Die den Importeurs successive höher bewilligten 
Preise sind nur mühsam von Seiten der zweiten Hand wieder zu 
erreichen gewesen, da sich die Consumenten jetzt bloss für den noth- 
wendigsten Bedarf mit dem Artikel versehen, nichts desto weniger 
erweisen sich die Lager bei Jahresschluss sehr gelichtet und es wird, 
bevor uns neue Sendungen von Zanzibar zu Händen kommen, noch 
eine geraume Zeit verstreichen. 


were 


“ 


"  Vereinszeitung. 23 


2 


40) Statistische Mittheilungen, 


Preussen zählt bei einer Bevölkerung von fast 17 Millionen Men- 
schen ausser 344 Kreisphysikern 3800 promovirte Aerzte, wovon 
2691 Geburtsheifer. Wundärzte 1. Classe ergab die letzie Zählung 
1075, wovon 767 Geburtshelfer, Wundärzte 2. Classe 906, wovon 245 
zur Geburtshülfe berechtigt waren; für die letzteren sind ausserdem 
11,435 Hebammen concessionirt. Apotihekenbesitzer zählt man 1518, 
Demnach kommen nach dieser Angabe auf circa 11,200 Einwohner des 
Preussischen Staates eine Apotheke, — Von diesem Heilpersonale 
absorbirt die Stadt Berlin: 2 Kreisphysiker, 446 praktische Aerzte, 
244 Geburtshelfer, 39 Wundärzte 1. Classe, von denen 19 Geburts- 
helfer, 47 Wundärzte 2. Classe, von denen 10 Geburtshelfer, ausserdem 
102 Hebammen. Apothekenbesitzer zählt die Hauptstadt Preussens 37. 
Nach der Einwohnerzahl Berlins kommt nach dieser Statistik auf je 
noch nicht 1000 Menschen 1 promovirter Arzt. Die vorhandenen 
ärztlichen Kräfte in anderen Landesgegenden kommen diesem Ueber- 
flusse auch noch nicht im Geringsten nahe. Der 1,227,000 Seelen 
zählende Regierungsbezirk Breslau z.B. besitzt bei 24 Kreisphysikaten 
379 promovire Aerzte, 96 Wundärzte 1.Cl., 95 2. Cl. neben 788 Heb- 
ammen. Apotheken zählt dieser Bezirk 90. 

> 


11) Zur Warnung. 
Hochgeehrter Herr Oberdirector! 

Noch einmal muss ich auf die in meinem letzten Briefe erwähnte 
Angelegenheit, die Bettelei des Hrn. Grodzki in Bromberg zurück- 
kommen, und Sie ersuchen, in unserm Archive eine Anzeige zu erlas- 
sen, dass Hr. Apotheker Rob. Grodzki in Bromberg die Unter- 
stützung seiner Collegen nicht verdiene. Die Einlage des Hrn. Collegen 
N.N., der Hrn. Grodzki genau kennt, wird Sie von den Verhält- 
nissen desselben näher unierrichten, so wie die Unverschämtheit, mit 
der der Manu zu Werke geht, aus den andern ‚Beilagen zu ersehen 
ist. Nehmen wir, dass der G. 500 dergl. Briefe schreibt und nur von 
200 Collegen jährlich ven jedem 1 Thir. erhält, so scheuert er 200 Thlr. 
zusammen, ohne dafür Etwas zu thun, als Bettelbriefe zu schreiben. 
Sein Schriftstellertalent können Sie aus den beiden hierbei liegenden 
Brochüren *) ersehen. Meinen freundlichen Gruss. L. B. 


N., den 18. November 1853. 
Geehrter Herr College! 


Auf Ihre sehr geehrte Anfrage in Betreff der Verhältnisse des 
Apothekers Grodzki bin ich so frei, Ihnen nachstehend mitzutheilen, 
was mir über dieselben bekannt ist. 


*) 4. Die Sehnsucht der Braut nach dem Geliebten von Robert 
Grodzki, Königl. Preussischem Apotheker. Preis 2 Sgr. 6 Pf. 
Bromberg 1853. 

2. Himmelsklänge oder die Unsterblichkeit der Seele in Beziehung 
auf chemische Begriffe von RobertGrodzki. Bromberg 1853. 


8 
* 


238 Vereinszeitung. 


Hr. Grodzki hat bereits zwei Apotheken besessen, zuletzt die 
in Pakosc und diese vor ungefähr 2 Jahren verkauft. Ausser dieser 
Apotheke war Hr. Grodzki noch Besitzer einer ländlichen Wirth- 
schaft bei Culm. Während der letzten Zeit seines Aufenthaltes in 
Pokose verlor Grodski seine Frau, suchte bald nach deren Tode 
eine andere Lebensgefährtin mit Vermögen und scheint in Betreff der 
Lebensgefährtin auch seinen Zweck erreicht zu haben, da er bald 
nach Berlin reiste und von dort verheirathet zurückkehrte. Herr 
Grodzki lebte mit seiner jungen Frau erst einige Zeit auf seiner 
ländlichen Besitzung, zog dann vor ungefähr 11/, Jahren nach Brom- 
berg, kaufte ein einstöckiges Haus mit Garten vor der Stadt und 
beabsichtigte, sich ferner durch Commissionsgeschäfte sein Brod zu 
erwerben. — — Jedenfalls gehört aber Grodzki nicht zu den unter- 
stützungsbedürftigen Personen, da ihm solche Mittel zu Gebote standen, 
die es gestatteten, dass er ausser der Apotheke noch eine ländliche 
Wirthschaft besitzen konnte, und er diese Mittel weder während noch 
nach dem Verkauf der Apotheke, durch den er noch gewonnen, ein- 
gebüsst hat. Dass die Zinsen des Vermögens des Grodzki und der 
Ertrag seines Commissionsgeschäftes zur Bestreitung seines Lebens- 
unterhaltes, wenn er sich auch sehr einschränkt, ausreichen, ist nicht 
anzunehmen, doch kann er eine Verbesserung seiner Lage sehr gut 
herbeiführen, wenn er sein jetzt ganz unthäliges Leben aufgiebt und 
wieder eine Apotheke erwirbt, wozu er um so mehr die nöthigen 
Mittel besitzt, da dieselben sich gegen früher durch das Vermögen 
seiner zweilen Frau vergrössert haben. 


Bromberg, den 16. Novemher 1853. 
Mein sehr geehrter Herr College! 


In Beziehung auf die Ihnen gewordene Schilderung — und Sie 
an mein Herz der Dankbarkeit drückend für die an den Tag gelegte 
Liebe — nehme ich Veranlassung, zweimal jährlich an Ihr Herz zu 


klopfen und sehe demnach, nach Sirach 14. 14., wenngleich der gering- 
sten Liebe entgegen. 

Des einen guten, liebreichen Werkes bedarf ich, um zu Johannis 
Miethe, Schulgeld und Abgaben zahlen zu können, und die 
andere Liebe meiner guten Collegen ist mir nothwendig, um meiner 
Familie eine Weihnachtsfreude zu bereiten, da meine Kin- 
der sehr fleissig lernen. Hochachtungsvoll bin ich, ein Recept im 
Gefühle der Dankbarkeit übersendend, 

Ihr 
dankbarer College 
Robert Grodzki. 


Vorzügliches Mittel gegen den Schmerz hobler Zähne: 


Bec. Cerae alb. 3jjj 
Olei Amygdal. ZB 
Liq. et adde 
Ol, Cajeputi 
Ol. Caryophillor. ana 9jj 
Ol. Origani cretic. ZB 
Kali nitr, p. grXll 
Pulv. Opii grX 
Pulv. Lign. sant. rubri grVIll. 
Mf. Bals. D. S. Zahnbalsam. 3) 5 Sgr. 


dr 


24 
= 


E Vereinszeitung. 239 


42) Notizen zur praktischen Pharmacie. 


Bestellung des Jahrbuches für praklische Pharmacie 
betreffend. 


Nach einer Uebereinkunft mit dem Directorio der süddeutschen 
Vereins-Abtheilung werden wir das Jahrbuch für praktische Phar- 
macie, herausgegeben von DDr. Walz und Winckler, vom Jahr- 
gange 1854 an für ‚einen billigen Preis erhalten, wenn zahlreiche 
Bestellungen eingehen. Dieser Preis ist a Exemplar des Jahrgangs 
von 12 Heften auf 2 Thir. 61/g Sgr. exel. Portokosten, und 2 Thlr. 
20 Sgr. incl, Portokosten festgestellt. 


Bis dahin sind folgende Bestellungen eingegangen: 
Für das Vicedirectorium Braunschweig ..... 3 Exempl. 


„on n Bernburg-Eisleben.. 7 D 
„on „ SEN ET TER 7 „ 
„on " Westphalen ....... 7 „ 
„ou " Mecklenburg....... 2 ” 
7 7 „ Schlesien Tatra. . 4 ” 
” [7 " am«kheinftir. ters, # 6 „ 
wre „ Hannover.......... 9 ” 
„ den Kreis Treysa...... er et " 
» das Vicedirectorium Preussen-Posen .... 6 „ 


Diejenigen der Herren Vereinsbeamte, welche noch mit den Be- 
stellungen zurück sind, ersuche ich um gefällige baldige Erklärung. 


Der Oberdirectior. 


Pharmaceutisches Institut in Halle a.d.S. 


Das Königl. Prenssische Ministerium der geistlichen, Unterrichts- 
und Medicinal- Angelegenheiten hat das pharmaceutische Institut in 
Halle, welches bisher unter der Leitung des Professors Steinberg 
stand, und von dessen Tode an his jetzt geruht hat, neuerdings mit 
dem chemischen Institute der Universität Halle vereinigt und dem 
bisher allein als Professor der Chemie an dieser Universität fungiren- 
den Dr. W. Heintz die Leitung desselben übertragen. Derseibe wird 
im Verlaufe zweier Semester Experimentalchemie, Pharmacie, 
Theorie der Chemie, so wie organische und physiologi- 
sche Chemie vortragen und die analytischen so wie pharma- 
ceutisch-chemischen Uebungen im Laboratcrium leiten. Von 
dem vorgesetzten Ministerium ist ihm auferlegt, einzelnen unbemittelten 
Pharmaceuten das Honorar für diese Vorlesungen zu erlassen, und 
haben diese daher Gelegenheit, wenigstens diese Hauptcollegia 
unentgeltlich zu hören. Botanik, Physik, Pharmakologie 
werden von den Herren Professoren v. Schlechtendal, Knob- 
lauch und Krahmer vorgetragen, wogegen Hr. Prof. Burmeister 
Zoologie und allgemeine Naturgeschichte liest. Die Vor- 
lesungen und praktischen Uebungen für das Sommersemester beginnen 
gegen Ende des April, Anfragen und Anmeldungen sind möglichst 
zeitig an den Professor Dr. Heintz in Halle a. S. zu richten, 


240 Vereinszeitung. M 


Anzeige und Bitte. 


Durch sion Königl. Hochlöbl. Regierung ist mir die Befug- 
niss ertheilt, ein Vermittelungsgeschäft zur Placirung von Gehülfen und 
Lehrlinger zu etabliren. Indem ich dieses den Herren Apothekern, 
wie den jungen Pharmaceuten und denen, die sich der Pharmacie 
widmen wollen, bekannt mache, bitte ich um gefällige Aufträge, und 
werde bemüht sein, dem Vertrauen zu entsprechen. 

Breslau, J. Scholz, 
Nicolai-Stadtgraben No. 5. Apotheker. 


4 
Apotheken - Kaufgesuche. 


Eine Apotheke mit reinem Medieinalgeschäft und mit einem jähr- 
lichen Umsatze von 3000 bis 5000 Thir. wird zu kaufen gesucht. 
Offerten bitte ich franco an mich einzusenden. 
Detmold, im Januar 1854. Jos. Engelsing. 


"Unterzeichneter sucht, vorzugsweise im Hlannoverschen, Olden- 
burgischen oder in Mecklenburg, eine Apotheke mit jährlichem Umsatz 
von 2000 ‘bis 3500 Thlr. zu kaufen. Postfreie Oflerten sind an den- 
selben, d.Z. in der Raths-Apotheke zu Hannover, zu adressiren. 

C. Polensky. 


Eine Apotheke mit 3000 Bis 4000 Thir. Umsatz wird zu kaufen 
gesucht. Frankirte Offerten werden unter der Adresse des Herrn 
Weichbrod (Berlin, Wilbelmsstr. No. 138.) erbeten. 


/ a en 


Apotheken- Verkauf. 

Eine mit Realprivilegium versehene neu erbaute Apotheke in einer 
Landstadt und wohlhabender Umgegend Schwarzburg-Sondershausens 
soll Familien- Angelegenheiten halber schleunigst verkanft werden. 
Nähere Nachricht hierüber ist zu erfragen unter der Adresse poste 
restante S. L. Weissensee. 


Nachweisung für stellensuchende Gehülfen. 


Herr Apotheker Jagielski in Posen hat sich auf das Ansuchen 
vieler seiner Collegen zur Nachweisung stellensuchender Gehülfen und 
vacanter Stellen bereit erklärt, — Die Herren Gehülfen, denen hierbei 
keine Kosten erwachsen, wollen die Güte haben, sich in vorkommen- 
den Fällen unter portofreier Einreichung ihrer Zeugnisse an den Herrn 
Apotheker Jagielski wenden, 


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Alofbuchdruckerei der Gebr. Jänecke in Hannover. 


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Heyfe's Fremdmwörterbud in der elften Ausgabe jegt wieder voll: 
' ftändig durch alle Buchhandlungen zu erhalten. 


Im Verlage der Hahn’fhen Hofbuchhandlung in Hannover ift fo 
eben wieder vollftändig erfhienen: a 7 


Allgemeines verdeutjchendes und erflärendes 


Sremdmwoörterbuch 


mit Bezeichnung der Auöfprache und Betonung der Wörter umd genauer 
Angabe ihrer Abftammung und Bildung. 


Reu bearbeitet von 


Dr. K. DITE 2, Henfe, 


Krofeffor an der Königl. Univerfität zu Berlin. 


Elfte durchaus verbefjerte und mit mehr ald 6000 nenen 
Wörtern bereicherte Auflage. 


60 Bogen in Lerifon=Dctad mit gefpaltenen Columnen in ı Bande. 
Nreis 3 Ihr. 


Seit denn Erfcheinen der zehnten Ausgabe diefes Werfes jind in allen 
Gebieten de8 Lebens, der Wiflenfchaften, .dver Künfte und Gewerbe fo viel 
neue Fremdwörter aufgetaucht, daß nicht fowohl das Auffuchen und Sam= 
meln neuen Stoffes, ald vielmehr das Ausfcheiden de8 überflüffigen und 
vorübergehenden die fchwierigfte Aufgabe bei diefer Bearbeitung war. Bei 
der forgfältigften Auswahl und Sichtung hat gleihmwohl diefe Ausgabe 
einen Jzuwadhö bon mindeftens 6000 neuen Wörtern erhalten. 
Nur durch etwas Fleineren und gedrängteren Drud war e8 zu bemirfen, 
daß ungeachtet diefer bedeutenden Bereiherung der Umfang des 
Buches doh nur um ein paar Bogen erweitert wurde und der biß- 
herige Preis defjfelben unverändert bleiben Fonnte. 

Zugleich) hat auch diefe neue Ausgabe durch gründlichere etymologifche 
Worterflärung, fchärfere Begrifföbeftimmung, folgerehte Anordnung der 
Bedeutungen, angemeffene und treffende Verdeutfehung wieder mefentlich 
gewonnen. Ganz befonders hat der Herr Verfafler eö fi angelegen fein 
laflen, die Sprach und fachgemäßeften Verdeutfchungen theild felbft zu 
bilden, theild bei clafiifhen Schriftftellern und vorzüglid in der älteren 
Sprade und den Miumdarten aufzufuchen, deren Schäße zur Befruchtung 
und Bereiherung der hocdhdeutfhen Schriftfprahe und zu ihrer Reinigung 
bon Fremdmwörtern vor allem vermendet zu werden verdienen. 

Sp mwird denn das Fremdmwörterbud in diefer neuen, fo fefentlich 
verbeflerten und bereicherten elften Ausgabe feinen biöherigen Rang aud) 
ferner um fo ficherer behaupten, und durd feine Keichhaltigfeit und 
Zuverläffigfeit den immer mehr gefteigerten Anforderungen der Zeit auf 
das vollftändigfte genügen. 

Dag auch die übrigen frefflihden Hehpfe’ihen deutfchen Sprad= 
hriften in ihren ganz neuen und zeitgemäßen Bearbeitungen von dem 
hochverdienten Herrn Brofeffor Dr. 8. HeHyfe allgemein gefhäkt und 
bis in das entferntere Ausland verbreitet und in den Xehranftalten 
eingeführt jind, bejtätigen die oft wiederholten Auflagen derfelben, indem 
bereitd von der deutfhen Shulgrammatif (1 Thlr.) die 17te — bon 
dem Leitfaden (1, Thlr.) die 16te und von der Ausführliden 
Grammatif (2 Bände 627; Thlr.) die 5te Auflage in demfelben Ber- 
lage erfchienen find. 


Fr. Krancke’s bürgerliche und Fanfmännifche Arithmetif 
jest vollftändig. 


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Mrancke. DBierter Theil, oder: Ausführliches Lehr: 
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1853. 11, Zhlr. 
Hiermit ift num bie faufmännifche Arithmetif vollendet, wovon der 
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beträgt. Die beiden erften Theile: „Bürgerlice Arithmetif» foften 35/6 Thlr., 
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Friedrich Ruofe, 


erftem Anabenlehrer an der Altftädter Bürgerfchule und Nechnenlehrer an der Hanbels- 
ichule fo wie auch an der Handmwertöfchule zu Hannoper. 


gr. 8. 1854. Wreid 3, Thlr. 


Hofbuchdruckerei der Gebr. Jänecke in Hannover, 


ARCHIV DER PIIARNACHE 


CXXVIN. Bandes drittes Heft. 


Erste Abtheilung. 


I. Physik, Chemie und praktische 
Pharmacie. 


Ueber die basischen salpetersauren Wismuth- 
oxydsalze und über Wismuthoxydhydrat; 


von 
C. E, Janssen in Altona. 

In einem, im Archiv der Pharmacie (Bd. 68. p. 1 u. 129.) 
erschienenen Aufsatze über Magisterium Bismuthi hatte ich 
die, namentlich durch H. Becker entdeckten Verbindun- 
gen des Wismuths mit Salpetersäure und die von ihm und 
Andern über deren Constitution mitgetheilten Ansichten 
zum Gegenstande einer Arbeit gemacht, deren Resultate 
mich dahin führten, für diese Salze neue Formeln auf- 
zustellen, nach welchen dieselben als bestimmte Verbin- 
dungen des neutralen salpetersauren Wismuthoxyds mit 
vierfach-basischem Nitrat des Wismuths betrachtet wer- 
den können. 

Dieser Ansicht ist Wiggers in Canstatt’s Jahres- 
bericht, 1851, S.105 ff. mit einer Kritik entgegengetreten, 
die mich veranlasst, den Gegenstand nochmals wieder 
aufzunehmen. 

Die Hauptvorwürfe, die Wiggers mir und Becker 
in diesem Aufsatze macht, sind folgende: 

A) Ich habe, um meine Formeln begründen zu kön- 
nen, für erforderlich gehalten, das Atomgewicht des Wis- 
muths auf ein Drittel des jetzigen, d.h. wieder auf das 
frühere zu reduciren. 


Arch.d. Pharm. CXXVII. Bds. 3. Hft. 17 


2342 Janssen, 


2) Becker sowohl als ich hätten zu wenig auf die 
Schwierigkeiten Rücksicht genommen, die in Frage ste- 
henden Salze in ihrer absoluten Reinheit darstellen zu 
können, und deshalb unsere Formeln auf die Resultate 
von Analysen gegründet, deren Fehler nicht so sehr in 
der Methode, als vielmehr einzig in den Objecten selbst 
zu suchen seien. 

3) Deshalb seien wir Beide in den Fehler verfallen, 
einen zu grossen Werth auf die Resultate der Analyse 
gelegt zu haben, und hätten in Folge dessen die Atome 
von Wismuth, Salpetersäure und Wasser so lange gegen 
einander vermehrt oder vermindert, bis durch deren Be- 
rechnung auf Procente ein mit der Analyse stimmendes 
Resultat erhalten worden sei. 

4) In Folge dessen hätten meine Formeln einen so 
unwahrscheinlichen Ausdruck bekommen, obgleich kein 
Grund geltend gemacht werden könne, die Atome der 
Bestandtheile anders zu gruppiren, als die Formeln bis- 
her vorlagen. 

In Folge welcher Grundlagen die von mir aufgestell- 
ten Formeln ein so ganz eigenthümliches und ungewöhn- 
liches Ansehen erhalten hätten, ist von Wiggers zugleich 
auseinander gesetzt worden. 

Wiggers betrachtet diese Salze als Verbindungen 
von Wismuthoxydhydrat mit neutralem Salze nach der 
allgemeinen Formel: Bi?O?, 3N0° +xBi?0® + 3HO, 
und wenn diese Verbindungen beim Trocknen Wasser 
verlieren, so kann der Wasserverlust nur auf Kosten des 
letzten Gliedes statt finden, indem sich die davon vor- 
handenen Atome der Reihe nach in 2Bi?O®?, 3HO ver- 
wandeln. Dass ein solches Wismuthoxydhydrat keine 
Unwahrscheinlichkeit ist und sich von analogen Verhält- 
nissen nicht entfernt, hält Wiggers nicht für erwähnens- 
werth, da von Eisen sowohl ein Fe?O3, 3HO, als auch 
2Fe?0°,3HO existire, welches erstere leicht in das letz- 
tere übergeht. Aus diesem Grunde ist auch von ihm die 
Existenz des 2Bi?O®, 3HO weder nachgewiesen, noch 
die Umwandlung des einen Hydrats in das andere auch 
nur versucht worden. 


die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze etc. 243 


Dennoch lässt sich nicht läugnen, dass diese Art und 
Weise, die Verbindungen zu betrachten, nicht allein ein- 
facher, sondern eben deswegen auch natürlicher ist. Um 
sie aber für richtig zu halten, müssen sich auch alle 
Erscheinungen dieser Betrachtungsweise anschliessen las- 
sen, alle verschiedenen Salze müssen Verbindungen die- 
ser Körper in bestimmten Proportionen darstellen, ihre 
Zusammensetzung muss mit den Ergebnissen der Analyse 
übereinstimmen. 


Bisher zeigte nun die Analyse solcher Verbindungen 
keine damit übereinstimmende procentische Zusammen- 
setzung, und zieht man dann bei Beurtheilung dieses Ge- 
genstandes ohne Anwendung eigener Versuche nur die 
theoretische Speculation zu Rathe, so bleibt allerdings 
nur die Alternative, entweder die Analysen für unrichtig 
zu halten, oder das analysirte Object für unrein zu er- 
klären. 


Wiggers stellt nun obiger Ansicht gemäss eine ent- 
sprechende Reihe von Salzen auf, und da in diesen das 
darin enthaltene Wismuthoxydhydrat seine entsprechenden 
3 Atome Wasser nicht verläugnen darf, so kommt der- 
selbe zu dem dadurch bedingten Schluss, dass das von 
Becker und mir als selbstständig bezeichnete Magisterium 
Bismuthi als solches nicht existire, sondern nichts 
weiter als ein unreines dreifach-basisches Salz 
sei, dass ferner die fehlende Stufe, das einfach- 
basische Salz keinenfalls als nicht existirend oder nicht 
darstellbar angenommen werden dürfe; dass endlich, wenn 
die Salze eine solche rationelle Repräsentation gestalteten, 
meine neue Theorie von selbst fiele. t 


Nach Wiggers bilden die Wismuthsalze folgende 
Reihe von Formeln, denen ich die berechnete procen- 
lische Zusammensetzung nach dem berichtigten Atom- 
gewicht des Wismuths beifüge *). 


”) Bi? — 2600. Bi?03 —= 2900. NO = 675. 


Ar 


9hk Janssen, 


Bi?03 NO° HO 


1) Bi?03, 3N05 + 9HO........ — 4884 341 47,06 
2) Bi203, 3N05 +12H0....... — 46,41 32,27 21,52 
3) Bi?03, 3N05 + Bi?0°,3H0.. fehlt 


4) Bi?03, 3005 + 2Bi203,3 HO 
5) Bi?03, 3N0° + 3Bi?0°,3HO 
6) Bi?0®, 3NO° + 4Bi?03,3HO 81,12 11,28 7,6 
7) Bi?0°, 3N0° + 5Bi?03, 3HO 82,41 9,59 8,0 

Hinsichtlich des von mir gebrauchten älteren Atom- 
gewichts des Wismuths wurde mir von H. Becker in 
einer mündlichen Unterhaltung über diesen Gegenstand 
derselbe Vorwurf gemacht. Da mir bei Abfassung mei- 
nes Aufsatzes jedoch das von Schneider berichtigte 
Atomgewicht des Wismuths noch nicht bekannt war, so 
glaubte ich keinen Fehler zu begehen, wenn ich statt der 
Formel Bi?O® die ältere von BiO in den dadurch erleich- 
terten Berechnungen beibehielt, da die Verhältnisse zwi- 
schen Wismuthoxyd, Salpetersäure und Wasser unter sich 
nach beiden Formeln dieselben bleiben. 

Da andere Motive, als das erwähnte, mir fern lagen, 
so kann jede durch jenen Tadel hervorgerufene Berich- 
tigung nur erwünscht sein. Ich stelle daher zuvörderst 
die nach dem berichtigten Atomgewicht umgerechneten 
Formeln, mit gleichzeitiger Berücksichtigung der Becker- 
schen, nochmals hierher, wobei ich mich zugleich der 
dadurch bedingten Bezeichnungen und Abänderungen be- 
diene, welche sich durch die allerdings ergebenden gerin- 
gen Differenzen als nothwendig herausstellen *). 


A) Neutrales Salz mit 9 At. Wasser. 
Bi?O® + 3N05 + 9HO. 


716.31 417,6 5,93 
79,5 13,83 69 


nun 


Berechnet Früher berechnet Gefunden 
Bi?03 = 48,84 49,31 
NOMT=INSUM 33,83 
HO —+47,06 17,02 
Mit 12 At. Wasser: 
Bi?203° — 46,21 46,68 47,64 
NO 3227 32,03 32,439 
HO — MT 21,49 19,921. 


*) Einer gütigen Erlaubniss des Hrn. Becker zufolge werde ich 


die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze etc. 245 


2) Erstes Subnitrat. 
6Bi?0® + 6NOS + 12H0O. 


Becker 
Berechnet Früher Gefunden denaberdr Gr 
berechnet —— berechnet, , _ 7 8 
Bi?0? = 76,31 206,05 . 77,1.1.7260,04 79.048. 071,33,.0.70,94 
NO>@#— 7177516 17532” 16,830.17,69 177.927.021:7.20,.1.7,25 
HO = 5,93 3,83 6,064 5,71 5,825 5475320 
3) Zweites Subnitrat. 
11 Bi?O® + 9NO> + 21 HO 
5 BI?O3 + ANO® + 9HO (Becker). 
Becker 
Berech- Früher Gefun- Berech- Früher Gefunden 
net berechnet den net berechnet. 1 Rente 
5120? = 79,82 79,39 79,622 79,62 79,91 79,85 80,16 
NO° = 15,06 14,76 14,562 14,82 14,62 14,52 14,58 
HONRZE55,12 5,85 6,016 5,56 5,47 5,63 5,26 
4) Drittes Subnitrat. 
16 Bi:O° + 12N0> + 30HO 
4Bi?0° + 3NO5 + 9HO (Becker). 
Becker 
Berech- Früher Gefun- Berech- Früher Gefunden 
net berechnet den net berechnet —. 
Bi?03 — 80,17 80,46 79,25 79,556 79,77 80,33 
NO5 = 13,99 13,80 13.83 13,644 13,86 13,6 
HO MN. 574 6,92 6,8 6532.21.6:02 
5) Vierfach basisch salpetersaures Wismuthoxyd. 
5Bi:0? + 3NO5 + 6HO 
5Bi:0: + 3N05 + 8HO (Becker) 
Becker 
Berech- Früher Gefunden Berech- Früher Gefunden 
net berechn. — _- —_—. net berechn. — - _—. 
Bi?03 = 84,3 84,54 84,61 84,77 83,21 83,47 83,76 84,55 
N02.,.:=14,77.,.41,59. 44,24 . 41,87 ,. 41,625.11,45-,41;6:- ‚10,93 
E02 —7 3.9357 3,87.1224,1307 23.36 5,17 ,,5,08 4,64 4,52 


bei dieser Arbeit eine von ihm mir .brieflich mitgetheilte Kritik 
meines Aufsatzes und der von Wiggers gegebenen Kritik, so 
wie eine erneuerte Revision eigenen Arbeit benutzen, 
und spreche ich zugleich meinen herzlichsten Dank für diese so 


seiner 


246 Janssen, 


Man wird aus diesen Berechnungen ersehen, dass die 
geringen Differenzen, die sich nach den von mir berech- 
neten und den aus Schneider’s berichtigtem Atom- 
gewichte sich ergebenden Zahlen auf die von mir aufge- 
stellten Formeln keinen dieselben wesentlich verändernden 
Einfluss ausüben Denn die nun erforderliche Vergrös- 
serung derselben um das Dreifache ändert ihren Ausdruck 
nicht, indem die relativen Mengen der einzelnen Bestand- 
theile dieselben bleiben. Der Fehler, dieselben nach dem 
alten Atomgewichte zu berechnen, konnte auf das Resul- 
tat weder bestimmend noch nachtheilig einwirken, und 
es konnte, um dieselben zu begründen, eine absichtliche 
Reduction des Atomgewichts des Wismuths weder erfor- 
dert noch beabsichtigt werden. 

Da nun in der Art der Berechnung kein Grund ge- 
funden werden kann, obige Formeln für falsch zu halten, 
so ist zu untersuchen, ob deren Unrichtigkeit in der feh- 
lerhaften Analyse, oder in den Objecten selbst ihren 
Grund habe. 

Was die Letzteren anbetrifft, so hat Becker dieselben 
aufs neue einer gründlichen Revision unterworfen, deren 
Resultate die Grundlage des Folgenden bilden. Er schreibt 
mir darüber Folgendes: 

»1) Einfach-saures Nitrat. — Dasselbe bildet 
sich nach allen bisherigen Erfahrungen nur beim Zusam- 
menbringen von neutralem (dreifach-saurem) Nitrat mit 
kaltem Wasser, und zwar, so weit ich habe bemerken 
können, momentan, ohne Zwischenbildung von weniger 
basischen Verbindungen, wie Wigers anzunehmen geneigt 
ist. Nach vielfachen Beobachtungen, zumal mikroskopi- 
schen, behält der beim Eingiessen einer Wismuth-Auflösung 
in Wasser entstehende Niederschlag ganz seine Form und 
seine sonstigen Eigenschaften, bis er durch allmälige 
Einwirkung des Wassers in Magist. Bism. verwandelt wird. 


uneigennützige Unterstützung aus, deren Werth noch durch Ueber- 
sendung einer Suite von Präparaten erhöht wurde, die zu den 
so nothwendigen erneuerten Analysen ein mehr als hinreichendes 
vortreffliches Material lieferte. 


die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze etc. 247 


Das zu Anfang ausgeschiedene Subnitrat zeigt nur nicht 
das eigenthümlich glänzende, schuppig krystallinische Aus- 
sehen der späteren Ausscheidungen, was einfach darauf 
beruht, dass diese zum Theil aus der entstandenen sauren 
Flüssigkeit in grösseren Blättern abgesondert werden. Be- 
kanntlich lösen sich die zuerst entstehenden Antheile des 
basischen Salzes beim Umrühren vollständig wieder auf. 
Erst mit dem sich allmälig vergrössernden Gehalte des 
Wassers an neutralem, mittelst der ausgeschiedenen Sal- 
petersäure aufgelöst bleibendem Salze entstehen perma- 
nente Fällungen, und mit diesen zugleich bei fernerem 
Zusatze von neutraiem Nitrat Ausscheidungen des auf- 
gelöst gewesenen sauren Salzes, und gerade diese Aus- 
scheidungen haben das schuppig krystallinische Ansehen, 
oline gerade immer bestimmte Krystallcontouren erkennen 
zu lassen. Essind, wie erwähnt, grössere glänzende Blät- 
ter, während der erste Niederschlag mehr in kleineren 
Partikeln erscheint. Man sieht den Vorgang auch unter 
dem Mikroskope sehr deutlich, wenn man einen Tropfen 
Wismuth-Auflösung mit Wasser zusammenfliessen lässt. 
Es erfolgen zuerst sehr zarte Ausscheidungen, um welche 
sich bei der hier schneller statt findenden Sättigung des 
Wassers mit neutralem Salze, die weiteren Ausscheidun- 
gen strahlig gruppiren. Hat man zur Zersetzung einer ge- 
gebenen Menge neutralen Nitrats nicht mehr Wasser ge- 
nommen, als gerade nöthig ist, so sieht man nach been- 
digter Fällung in der milchigen Flüssigkeit alle Formen 
des Salzes von der ersten amorphen, bis zum späteren 
deutlich blättrigen neben einander, und darin tritt nicht 
eher Veränderung ein, als bis das Salz sich in Magist. 
Bism. verwandelt. Ausgezeichnet krystallinisch erscheint 
das !/,saure Salz auch, wenn man es aus Wismuth- Auf- 
lösungen durch Zumischen von Wasser zu dieser entste- 
hen lässt. Weshalb sollte nicht hier die weniger basische 
Verbindung entstehen, wenn eine solche existirte?« 

Ganz in derselben Weise, wie Becker angegeben, 
habe auch ich die Entstehung dieses Salzes beobachtet, 
und niemals bemerkt, dass der Bildung dieses Nitrats 


248 Janssen, 


diejenige eines einfach basischen Salzes vorherginge, wie 
Wiggers für wahrscheinlich halt. »Die Erfahrung,« sagt 
Becker, »weiss jedoch nichts von der Richtigkeit dieser 
Annahme,« und Wiggers selbst giebt dafür keine Be- 
weise, sondern nur — Vermuthungen. Er vermuthet, 
dass der voluminöse flockige Niederschlag, den man beim 
Zusammenbringen von Wasser mit Wismuth - Auflösung 
erhält, einfach-basisches Salz sei, welches dann bald zu 
perlmutterglänzenden Schüppchen, dem zweifach-basischen 
Salze, zusammensinkt; übersieht aber ganz, dass in mei- 
nem Aufsatze angegeben steht S. 3: dass gerade jener 
voluminöse Niederschlag sich als sogenanntes zweifach- 
basisches Salz ausweist; S.12: dass die Schüppchen sich 
bei Säure-Ueberschuss bilden, nach den Analysen aber 
(Vers. 41 und 27.) beide Körper dieselbe Zusammensetzung 
ausweisen. Eben die leichte Zersetzbarkeit des einfach- 
basischen Salzes soll, der Stabilität des zweifach-basi- 
schen Nitrats gegenüber, für die Gegenwart des ersteren 
sprechen. Nun aber habe ich in meinem Aufsatze nirgends 
von einer solchen Stabilität dieses Salzes, die das- 
selbe befähigt, »dass es von allen Salzen am leichtesten 
rein erhalten werden könne«, geredet, sondern dessen 
leichte Zersetzbarkeit, die ja ganz allgemein bekannt ist, 
selbst in den Flüssigkeiten, aus denen es sich bildet (S. 12) 
und durch Wasser, mit dem es in Berührung kommt (S.13) 
absichtlich erwähnt. 

»Durch fernere Einwirkung von Wasser geht das 
*saure Salz in basischere Producte über.« 

»a) In kaltem, saurem Wasser, oder in kalten, 
sehr verdünnten sauren Nitrat- Auflösungen wandelt sich 
das saure Salz, wahrscheinlich unter Mitwirkung des 
vorhandenen oder gebildet werdenden neutralen Nitrats, 
in %saures Nitrat, in das eigentliche Magisterium Bıs- 
muthi um, und zwar entsteht unter diesen Umständen ein, 
nach meiner Ueberzeugung von allen Einmengungen freies, 
rein krystallisirtes Salz. Geringe Abweichungen in den 
Temperaturverhältnissen und in dem Grade der Verdün- 
nung der Lauge können auf die Gestalt der Krystalle in 


die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze etc, 249 


sofern einen Einfluss äussern, als man einmal kürzere und 
stämmigere, ein andermal schmälere und nadelförmige 
Krystalle erhält; aber der Typys der Krystallisation, wel- 
cher sich in schmalen, etwas gedrückten, aber nicht sehr 
flachen, meistens an den Enden dachförmig zugespitzten 
Prismen ausspricht, bleibt immer derselbe. Nur da, wo 
die Bildung äusserst langsam vor sich geht, entstehen 
kurze, breite Prismen von mehr tafelförmigem Umriss. In 
allen Fällen aber ist, abgesehen von der verschiedenen 
Grösse der einzelnen Krystall-Individuen, mikroskopisch 
betrachtet entschiedene Gleichförmigkeit gar nicht zu ver- 
kennen, und man hat bei einem richtig bereiteten Salze 
nicht die entfernteste Veranlassung, an Einmengungen an- 
derer Subnitrate zu denken.« 

»Ebenso bestimmt, wie seine Entstehungsweise und 
seine äussere Form, ist auch das sonstige Verhalten des 
“sauren Salzes, namentlich gegen Wasser. In niederer 
Temperatur ist dasselbe sehr beständig. Kaltes Wasser 
wirkt so gut wie gar nicht auf dasselbe ein. Mag man es 
anhaltend auswaschen, oder es in kaltem Wasser zertheilt 
länger mit demselben in Berührung lassen, immer bemerkt 
man nur eine kaum wahrzunehmende saure Reaction. Man 
kann dieses Subnitrat ruhig auswaschen, ohne auch von 
dieser Seite her Einmengungen neuer Verbindungen be- 
fürchten zu müssen. Schwefelwasserstoff bräunt zwar das 
mit dem tsauren Salze in Berührung gewesene Wasser 
etwas, aber anfänglich nur schwach, und merklich erst 
nach längerer Einwirkung des Wassers. Wie lange aber 
diese Einwirkung auch dauern mag, von einer Formver- 
änderung der Krystalle oder von der Bildung amorpher 
Producte, welche sich durch suspensive Trübung des 
Wassers äussern würde, ist — wohlverstanden aber bei 
gewöhnlicher Temperatur — nie etwas zu bemerken ge- 
wesen.« 

Becker liess dieses Salz früher durch Umsetzung 
des Isauren Nitrats in 50°C. warmem Wasser bereiten, 
nachdem 3, der sauren Flüssigkeit durch eben so viel 
Wasser ersetzt worden war. Diese Umsetzung findet eben 


250 % Janssen, 


so gut in der Kälte statt, in welchem Falle die Krystalle 
grösser und vollkommener ausgebildet erscheinen. Dies 
in der Kälte gebildete Salz verhält sich ganz wie Becker 
angegeben, es wird von kaltem Wasser nur schwer an- 
gegriffen. Fand die Bildung aber bei 500C. statt, so ver- 
hält sich das Salz gegen kaltes Wasser nicht so ganz 
indifferent, sondern es schwemmt sich, ähnlich dem durch 
kochendes Wasser bereiteten Duflos’schen Salze, zu einer 
Milch auf und wird dann in ein basischeres Salz zerlegt. 
Weiterhin werde ich darauf zurückkommen, wo ich das 
Verhalten aller Salze gegen Wasser vergleichsweise be- 
sprechen werde. 

Becker sowohl als ich betrachten dieses, vonBecker 
als das eigentliche Magisterium Bismuthi bezeichnete Salz 
als ein selbstständiges, wohlcharakterisirtes, welches durch- 
aus nicht mit dem folgenden Subnitrate, dem dreifach- 
basischen Salze von Wiggers zu verwechseln sei. 
Hierin stimmen auch meine Analysen vollkommen mit 
denen Becker’s überein, und wenn Becker’s For- 
mel 5Bi?O°, ANO5 nachweist, in der meinigen aber 
AN Bi?O°, 9NO’ angenommen werden, so stimmen auch 
diese Verhältnisse bis auf 4, völlig mit einander überein. 

Nach Becker’s Formel muss dieses Salz 14,82 NO>, 
das dreifach-basische Salz 13,83 NO5 enthalten, eine Dif- 
ferenz von über A Procent. Nach meiner Formel berech- 
nen sich für ersteres 15,06 NO, für letzteres 13,99 NO3>; 
ebenfalls eine Differenz von nahe 1 Procent. 

Obgleich nun in den Analysen die Menge’ der Sal- 
petersäure zwischen 14,232 und 144,98 NO® schwankt, so 
sinkt die Menge doch nie unter 14,2, erreicht nie die für 
das dreifach-basische Salz erforderliche Menge von 13,99 
Procent, sondern nähert sich sehr häufig dem Gehalt von 
15,06 Procent. 

Die Menge des Wismuthoxyds ist freilich in beiden 
Salzen fast gleich, und dies mochte Wiggers verleiten, 
die Differenzen der Analysen auf Rechnung der Dauer 
und Schärfe des Trocknens zu schieben. Lässt man die- 
sen Einwand gelten, so ist es sehr verzeihlich, wenn man 


- 


die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze etc. 251 


beide Salze mit einander identificirt. Schärfe und Dauer 
des Trocknens aber können nicht als influirende Potenzen 
in Anschlag gebracht werden, wenn, wie Becker und 
ich es ausdrücklich erwähnten, über Schwefelsäure im 
luftverdünnten Raume so lange bei gewöhnlicher Tem- 
peratur getrocknet wird, bis das Gewicht des Körpers 
nicht mehr verändert wird. 

Da nun hierin keine Fehlerquelle liegen kann, so 
muss die erwähnte Differenz von 4 Proc. NOS doch sehr 
auffällig erscheinen, um so mehr, da es sich um einen 
Ueberschuss handelt. 

Zieht man aber in Betracht, dass man bei Anwen- 
dung von kochendem Wasser stets ein Salz erhält, 
welches, wenn man nicht auswäscht, nie unter 
150 NO>5 enthält, dass aber das dreifach-basische Salz mit 
13,990 NO®, selbst bei niedrigerer Temperatur, nie als 
erstes Product der Einwirkung des Wassers 
auf neutrales Salz gebildet, sondern nur erhalten 
wurde, wenn das mit kochendem Wasser erhaltene Salz 
ausgewaschen wird, wie es Becker nachgewiesen hat, 
und auch aus Duflos’ Vorschrift erhellt, so sprechen 
diese Facta doch gewiss deutlich dafür, dass es ausser 
dem dreifach-basischen Salze noch ein anderes sehr con- 
stantes Salz mit einem grösseren Gehalt an Salpetersäure 
geben müsse. Unter welchen Verhältnissen dieses Salz 
sich durch Einwirkung von Wasser in sogenanntes 3fach- 
basisches Salz umwandelt, werde ich weiter unten be- 
sprechen. 

»6) Bringt man das von aller sauren Lauge befreiete 
*saure Nitrat mit grossen Mengen kalten Wassers in 
Berührung, so bildet sich das 2 saure Salz.« 

In saurem Wasser zerfällt das saure Nitrat bei 
erhöheter Temperatur nach Becker’s neueren Ansich- 
ten anders, als derselbe früher annahm. 

Becker schreibt mir darüber: 

c) »Das Verhalten des + sauren Nitrats gegen saures 
Wasser von erhöheter Temperatur, stellt sich nach mei- 
nen jetzigen Ansichten etwas anders dar, als ich früher 


252 Janssen, 


angegeben habe. Ich nahm nämlich an, dass das !saure 
Salz in heissem saurem Wasser in 3saures (Duflos’sches) 
Salz verwandelt werde, dass letzteres also ein secundäres 
Product sei. Diese Ansicht stützte sich auf die Wahr- 
nehmung, dass einerseits das Duflos’sche Mag. Bism., wel- 
ches durch Zersetzung des neutralen Nitrats mit heissem 
Wasser entsteht, und andererseits das Salz, welches ich 
durch Erhitzen von kalt gefälltem !saurem Salze mit der 
sauren Lauge erhielt, zwar nicht ganz gleiche äussere 
Form, aber gleiche Eigenschaften und eine gleiche Zusam- 
mensetzung zeigten. Meine jetzigen Beobachtungen haben 
mich indessen belehrt, dass diese beiden Salze durchaus 
verschieden sind; dass das &saure Salz überall gar nicht 
hierher gehört, sondern ein primäres Zersetzungspro- 
duct des neutralen (dreifachsauren) Nitrats durch heisses 
Wasser ist, also als ein Analogon des einfach-sauren Sal- 
zes, dem es sich auch in seinen Eigenschaften, wie ich 
später zeigen werde, nahe anschliesst, betrachtet werden 
muss, und dass, wenn man das zweite Salz, welches durch 
Erhitzen des +sauren Nitrats mit saurer Lauge entsteht, 
auch als ein Zersetzungsproduct des letzteren betrachten 
kann, man doch jedenfalls das in der Flüssigkeit enthal- 
tene neutrale Salz als bei der Bildung mitwirkend ansehen 
müsse. Es gewinnt dieses letztere Subnitrat an Interesse 
durch die Wahrscheinlichkeit, dass es mit dem nach Ihrer 
Vorschrift bereiteten Mag. Bism. identisch ist, und deshalb 
betrachte ich es hier, und nenne es, um mich bei der 
Bezeichnung kürzer fassen zu können, ß Subnitrat.« 
»Das ßSubnitrat steht in Form und Eigenschaften dem 
“sauren Salze ziemlich nahe, unterscheidet sich aber 
bestimmt von demselben durch die kürzere und robustere 
Form der Krystalle, so wie dadurch, dass es vom reinen 
Wasser unter Bildung eines basischeren, ebenfalls aber 
krystallinischen Productes zersetzt wird. Dieses zeigt 
sich schon beim Auswaschen des Salzes, indem das Ab- 
laufende bis zur erfolgten Umbildung fortwährend sauer 
reagirt. Schneller geht die Umsetzung in grösseren Was- 
sermengen vor sich, namentlich bei gelindem Erwärmen. 


die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze etc. 253 


Hierbei erfolgt aber nie die Bildung von amorphem Salze, 
oder sie zeigt sich nur in einer schwachen suspensiven 
Trübung des Wassers; und dadurch unterscheidet sich 
dieses Subnitrat wiederum andererseits von dem 3 sauren 
Salze, mit welchem ich es früher, zunächst seiner Zersetz- 
barkeit wegen, für identisch hielt.« 

»Schon ehe ich diese Versuche anstellte, hatte ich 
an Ihrem Mag. Bism. die Bemerkung gemacht, dass es 
sich nicht ohne Zersetzung auswaschen lasse, und war 
dadurch zu der Meinung veranlasst, dass es mit dem 
ssauren Salz identisch sei. Genauere Untersuchungen 
haben mich aber überzeugt, dass Ihr Präparat hierher 
gehört. Die Bildung desselben lasst an eine Identität 
auch sehr wohl denken, da Sie die Umsetzung in der 
mit wässerigem Ammoniak nicht völlig neutralisirten, daher 
auch neutrales Salz enthaltenden, nur mässig verdünnten, 
Flüssigkeit bei 40—500C. vor sich gehen lassen, einer 
Temperatur, in der die Bildung des ßSubnitrats ebenfalls 
erfolgt.« 

Zu diesem ßSubnitrat zählt Becker ferner noch 
sein 2saures Nitrat + 2 At. Wasser, und das bei gelin- 
dem Erwärmen kalt gesättigter Wismuthlösungen sich 
abscheidende Salz. In beiden Fällen bildet sich ein Salz, 
welches mit dem ßSubnitrat in seinem‘ Verhalten, nament- 
lich gegen Wasser, ganz übereinstimmt. Wenngleich die 
Analysen dieser verschiedenen Bildungen nicht genau 
übereinstimmen, so hält Becker es doch für möglich, 
dass dieses Salz, mein Mag. Bism. und ßSubnitrat diesel- 
ben Verbindungen, nur mit verschiedenem Wassergehalte 
wären. 

Die Zersetzungsproducte sämmtlicher drei Salze, 
sagt Becker, verhielten sich ganz gleich. Durch Aus- 
waschen auf dem Filter erhalt man nur unbestimmte Kry- 
stallisationen. Nur die etwas abweichende Krystallform 
unterscheidet die Zersetzungsproducte der erwähnten 
Nitrate von dem sauren Salze. Im Uebrigen sind sie 
demselben ganz gleich. Namentlich zeigt kaltes Wasser 
keine oder höchst schwache Einwirkung auf dieselben. 


254% Janssen, 


Nach den Analysen der mir übersandten Präparate 
dieses BSubnitrats ergiebt sich die Uebereinstimmung des- 
selben mit meinem Mag. Bism. zugleich aber auf die, mit 
dem bei 500C. bereiteten Mag. Bism., Becker. Alle 
diese Präparate, Zersetzungsproducte des 4sauren Nitrats 
durch saures Wasser bei erhöheter Temperatur, 
sind sicher dieselben Verbindungen, modificirt durch Tem- 
peratur- oder Säureverhältnisse bei ihrer Entstehung, wie 
sich auch aus dem Verhalten gegen Wasser nachweisen 
lässt. Ich werde weiter unten darauf zurückkommen. 

2) Magisterium Bismuthi Duflos. 3 saures Nitrat nach 
Becker. »Auch diese Verbindung habe ich, sagt Becker, 
da sie einen hauptsächlichen Stein des Anstosses in der 
Anordnung der basischen Wismuthnitrate bildet, aufs neue 
aufmerksamen Beobachtungen unterzogen, deren Resultate 
mich jedoch in meiner Ueberzeugung von der Eigenthüm- 
lichkeit dieses Salzes nur haben bestärken können, wenn 
sich meine Ansicht über die Entstehung desselben auch 
in etwas geändert hat. Früher stellte ich die Bildung 
dieses Salzes in Parallele mit der des ?sauren Salzes, 
indem ich, wie ich schon erwähnte, glaubte, dass es aus 
ısaurem Salze in sauren heissen Flüssigkeiten entstehe, 
wobei ich freilich, um mir die weniger basische Natur 
dieser Verbindungen in Vergleich mit dem eigentlichen 
Mag. Bism. zu erklären, dem neutralen Salze in der sau- 
ren Flüssigkeit eine Mitwirkung bei der Bildung einräu- 
men musste, eine Meinung, in der ich durch die schon 
erwähnte vermeintliche Identität des ß Subnitrats mit den 
Duflos’schen Mag. Bism. bestärkt wurde. Eine genauere 
Betrachtung der Bildung und der Eigenschaften dieses 
Subnitrats berechtigt aber vollkommen dazu, dasselbe 
dem !sauren Salze an die Seite zu bringen, als eine die- 
sem analoge und nur durch die Temperatur des Wassers 
modificirte Bildung. Die äussere Form ist von der des 
ısauren Salzes gänzlich verschieden, tritt aber sehr con- 
stant in ausserst kleinen, kurzen, an einander hängenden 
Prismen auf. Wasser zerlegt das $saure Salz sofort, wenn 
auch nicht so rasch als das !saure Salz, aber schneller 


die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze eic. 255 


als das ßSubnitrat. Wäscht man das $saure Nitrat auf 
dem Filter auch nur ein- oder zweimal aus, so findet 
man nach dem Trocknen schon grössere flache Prismen 
in dem Salze. Fährt man mit dem Auswaschen fort, so 
verwandelt sich der gesammte Filterinhalt, während das 
Ablaufende stets merklich sauer reagirt, in ein prismati- 
sches Salz, meistens von sehr verschiedener Grösse der 
Krystalle, oft mit einzelnen sehr grossen Krystallen unter- 
mischt, zuweilen freilich erst nach tagelangem Auswaschen. 
Eine Trübung des Ablaufenden, wie sie beim Auswaschen 
des !sauren Salzes allemal statt findet, bemerkt man hier 
weniger, doch muss der Umbildung des Salzes zu einer 
ganz neuen Form eine momentane Auflösung vorhergehen, 
wie man denn auch beim Eingiessen einer Auflösung von 
neutralem Nitrat in siedendes Wasser, die zuerst entste- 
henden Antheile des Niederschlags völlig wieder ver- 
schwinden sieht.« 

»Das Zersetzungsproduct ist das Analogon des !sau- 
ren Salzes, und möglicherweise mit demselben identisch, 
wenn erneuete Analysen nicht die früher von mir ange- 
gebene Zusammensetzung bestätigen sollten. Zur rich- 
tigen Darstellung desselben, meines früheren sauren 
Salzes, giesst man auch hier, wie bei Darstellung des 
Mag. Bism.,, nach Entstehung des &$sauren Salzes, die 
saure Flüssigkeit ganz ab, und ersetzt sie mit einer klei- 
neren Menge Wasser (auf 4 Unze neutrales Salz etwa 
8 Unzen) und lässt nun die Umsetzung in der Kälte oder 
doch nur mit Unterstützung von gelinder Wärme erfolgen. 
Nach einigen Tagen findet man das gesammte Salz in 
sehr flachen, nicht sehr schmalen, an beiden Enden abge- 
stumpften Prismen, rein, ohne alle Beimischungen fremd- 
artiger Bildungen krystallisrt, die man, ohne eine Zer- 
setzung befürchten zu müssen, einige Male auswaschen 
darf, da kaltes Wasser auch auf dieses Product nur äus- 
serst schwach einwirkt.« 

»Die Analogie des 3sauren Salzes mit dem 1fach- 
sauren wird noch durch den bemerkenswerthen Umstand 
erhöht, dass ersteres nach vollständiger Entfernung aller 


256 Janssen, 


sauren Flüssigkeit in grossen Mengen kalten Wassers 
zertheilt, ebenfalls ein amorphes, wahrscheinlich 3 saures 
Salz liefert. Um jedoch alle Einmengung krystallisirter 
Verbindungen zu vermeiden, muss man die Wassermengen 
auch hier recht gross nehmen. Die Umbildung erfolgt 
langsamer als bei dem isauren Salze. Eine Auflösung 
des 3sauren Salzes zu Anfange der Einwirkung des 
Wassers bemerkt man nicht; das am Boden liegende 
Salz lockert sich bei öfterem Umrühren allmälıg zu einer 
suspensiven sich schwer wieder absetzenden Milch auf.« 


Wiggers, der alle unter dem Namen Mag. Bism. 
bisher angeführten Präparate, die nicht mit dem dreifach- 
basischen Salze in der Analyse übereinstimmen, für unrein 
hält, erklärt auch dieses Salz für ein dreifach-basisches, dem 
noch neutrales Salz beigemengt sei; und dass diese aus- 
gesprochene Vermuthung richtig sei, beweist nach ihm 
der Umstand, dass dieses Salz durch blosses Auswaschen 
in jenes umgewandelt werde. Von dem Mag. Bism. Becker, 
welches aber nicht durch blosses Auswaschen einer 
solchen Umwandlung unterliegt, wird dennoch eben das- 
selbe behauptet. Dieses ganz verschiedene Verhalten bei- 
der Salze gegen Wasser möchte jedoch bei Beurtheilung 
der Constitution derselben nicht ganz ausser Acht zu 
lassen sein, und ich muss Becker darin vollkommen 
beistimmen, dass er auf dieses Verhalten einen besonde- 
ren Werth legt. Unter diesem Gesichtspuncte werde ich 
nun auch die oben besprochenen Präparate: ‘das Mag. 
Bism. Janssen und das ßSubnitrat, mit dem Mag. Bism. 
Duflos und Becker vergleichsweise betrachten, indem ich 
die Analysen der mir übersandten Präparate und die der 
eigenen Versuche neben einander stelle. 


A. Duflos’ Magisterium Bismuthi. 

A) Mit einigen Unzen Wasser in der Kälte umge- 
setzt: (Becker) 

32 Gran gaben geglüht 17,7 Gran Oxyd........ — Bi203 80,45 

25 Hi „ 7,58 Gran Ba0,S03 — 3,439 Gran N0O° — NO5 13,73 

HO 5,8 


die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze etc. 257 


2) Mit einigen Unzen Wasser in gelinder Wärme 
behandelt: (Becker) 


20 Gran gaben geglüht 15,93 Gran Oxyd....... . — Bi203 79,65 
25.” „ 7,929 Gran Ba0,503— 3,597 GranNO5 = NO05 14,388 
HO 5,962 


3) Bis zum Aufhören der sauren Reaction im Filter 
ausgewaschen: (Becker) 


20 Gran gaben geglüht 15,96 Gran Oxyd....... — Bi203 79,8 
ab. „ 7,357 Gran Ba0,503 — 3,329 GranN0° — NO? 13,316 
HO 6,884 


%) Durch Vertheilen in sehr vielem Wasser umge- 
wandelt: (Becker) 


20 Gran gaben geglüht 16,83 Gran Oxyd ....... = Bi203 84,15 
SET, „ 5,036 Gran Ba0,503 — 2,285 GranN0° —= N0° 9,14 


HO 6,1 


B. Selbstbereitetes Duflos’sches Mag. Bism. 


5) 20 Gran gaben geglüht 16,15 Gran Oxyd...... — Bi203 80,75 
5 m " 8,572 Gran Ba0,503 — 3,889 NO° = NO? 15,556 
HO 3,694 


6) 60 Gran des Salzes B. wurden mit 4 Unzen kal- 
tem Wasser übergossen. Anfangs bildete sich eine Milch, 
die dann einen festen Salzkuchen absetze. Das aufge- 
quollene Salz blieb nach dem Aufrütteln suspendirt. Nach 
drei Wochen wurde das Salz gesammelt und analvysırt. 


20 Gran gaben geglüht 16 Gran Oxyd .......... — Bi203 80,0 
235 „ 7,476 Gran Ba0,S03 — 3,392 Gran NO®° —= NO5 13,568 
HO 6,432 


7) 60 Gran Salz B. wie im vorigen Versuche mit 
kochendem Wasser (k Unzen) übergossen und damit 
drei Wochen bei 60 — 700 C. digerirt. 


20 Gran gaben geglüht 17,75 Gran Oxyd....... — Bi203 88,75 
25 _" „ 1,906 Gran Ba0,S03 — 0,864 GranN05 — N05 3,456 
% HO 7,794 


8) Das aus ! Unze neutralen Salzes erhaltene Duflos- 
sche Salz wurde nach Abgiessen der sauren Lauge so- 
gleich in 32 Unzen kaltes Wasser vertheilt. Es bildete 
sich eine milchige Flüssigkeit. Die kleinen Krystalle ver- 


Arch. d. Pharm. CXXVII, Bds. 3. Hft. 18 


258 Janssen, 


wandelten sich in ein amorphes Pulver. Nach 24 Stun- 
den wurde es analysırt. 


20 Gran gaben geglüht 16,9 Gran Oxyd........ = Bi203 84,5 
25: Nr 5,363 Gran Ba0,S03 = 2,433 Gran NO = NO5 9,732, 
HO 5,768 


9) Wie im vorigen Versuche mit Anwendung von 
32 Unzen kochendem Wasser. Fast völlige Lösung des 
Salzes, dann Ausscheidung eines fein krystallinischen Pul- 
vers. Nach 24 Stunden krystallisirt: 


20 Gran gaben geglüht 16,79 Gran Oxyd....... = Bi203 83,95 
Daun) „ 5,402 Gran Ba0,S03 = 2,451 GranN0O° = N05 9,804 
HO 6,246 


C. Becker’s Magisterium Bismuthi. 
10) Nach der früheren Methode dargestellt: (Becker) 


18 Gran gaben geglüht 14,35 Gran Oxyd....... —= Bi203 79,72 
23 u „ 8,266 Gran Ba0,S03 — 3,75 GranN05 = NO5 15,004 
HO 5,276 


11) Dasselbe nach mehrtägiger Berührung mit kaltem 
Wasser: (Becker) 


10 Gran gaben geglüht 7,99 Gran Oxyd........ — Bi203 79,9 
INN 8,276 Gran Ba0,S03 — 3,755 Gran NO® = NO0° 15,02 
HO 5,08 


42) Nach der früheren Methode im grösseren Maass- 
stabe dargestellt: (Becker) 


10 Gran gaben geglüht 7,95 Gran Oxyd........ — Bi203 79,5 
16 » 5,448 Gran Ba0,S03 = 2,472 Gran NO5 = NO05 15,44 
HO 5,06 
13) Dasselbe Präparat mit kaltem Wasser behandelt: 
(Becker) 
20 Gran gaben geglüht 15,9 Gran Oxyd......... = Bi203 79,5 
2 8,426 Gran Ba0,S03 — 3,823 Gran NO5 —= N0° 15,292 
HO 5,208 


Selbstbereitetes Mag. Bism. Becker. 
a) Bei 500 C, bereitet: 
14) 20 Gran gaben geglüht 15,99 Gran Oxyd| _ _R2N3 7 
20 ” 7 " 15,93  ” 7 = 15,96 —Bi 0° 79,8 
25 n „ 8,217 Gr. Ba0,503 = 3,778GranN0° = NO05 15,112 
HO 5,088 


die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze etc. 259 


15) 60 Gran mit 4 Unzen kaltem Wasser wie in 
Versuch 6. Es bildete sich eine Milch, die sich selbst 
nach 8 Tagen nicht völlig aufklärte. Das Salz quoll 
sehr auf. 


48 Gran gaben geglüht 14,42 Gran Oxyd = 80,11%, — 8.203 80,03 
= em ’ 


DO „ 7 15,99 7 IIZ— 79,95 m 
25 „ 7,535 Gran Ba0,S03 — 3,419 Gran NO> 
— 13,6760 ae, 
25 » n 7,693 n == Gran NO> u 
— 13,96% 
HO 6,152 


16) Das aus 1, Unze neutralem Salze bei 500 C. 
gewonnene Mag. Bısm., sogleich wie in Versuch 8 mit 
32 Unzen kaltem Wasser behandelt, bildete keine Milch. 
Die Form der Krystalle blieb unverändert. Das Filtrat 
wübte sich kaum mit Ammoniak. 


20 Gran gaben geglüht 15,94 Gran Oxyd....... = Bi203 79,7 
253 „ 7,713 Gr. Ba0,S03 = 3,4997 Gr. N05 = N05 13,999 
HO 6,301 


17) Wie im vorigen Versuche mit 32 Unzen kochen- 
dem Wasser, Salz theilweise gelöst. Das Ungelöste änderte 
die Form nicht. Das Gelöste schied sich beim Erkalten aus in 
kleinen zarten sechsseitigen Tafeln. Das Filtrat gab mit 
Ammoniak einen starken Niederschlag. 


20 Gran gaben geglüht 16,7 Gran Oxyd........ = Bi203 83,5 
Iöse » 4,997 Gran Ba0,S03= 2,2367 GranN05 — N05 9,068 
HO 7,432 
b) Durch Umsetzen in der Kälte bereitet: 
18) 20 Gran gaben geglüht 15,96 Gran Oxyd....... —= Bi203 79,8 
3” „ 7,832 Gr. Ba0,S03 — 3,554 Gr. NO5 = N05 14,216 
HO 5,984 


19) 60 Gran des Salzes b) wurden mit 4 Unzen 
kaltem Wasser, wie angegeben, behandelt. Keine Form- 
veränderung der Krystalle. Das Wasser reagirte kaum 
sauer, gab mit Ammoniak nur eine geringe Trübung, 


20 Gran gaben geglüht 15,99 Gran Oxyd........ = Bı2)3 79,95 
235 u „ 7,763 Gran Ba0,S0% — 3,522 Gran N05 — NO5 14,008 
HO 5,962 


(Fortsetzung folgt.) 


—u ee 


18° 


260 Hennig, 


Nachtrag zum Kino; 
von 
Dr. Hennig in Leipzig. 


Am Nachweise der Galläpfelgerbsäure im Kino waren 
in meiner Abhandlung über Kino in dies. Archiv, Bd. 73. 
p.129 noch drei Erfordernisse zu erfüllen: A) die Löslichkeit 
in Aether, welche zwar auch beim gewöhnlichen Gerbstoffe 
eine geringe ist; 2) der mit Brechweinstein zu erhaltende 
Niederschlag (welchen Pereira’s ostindisches Kino ja 
unmittelbar liefert); 3) die dokimastische Brenzgaliussäure. 

Nach der zuletzt und als ergiebigst beschriebenen 
Methode suchte ich ein möglichst reines Tannin aus 5 Grm. 
afrikanischem Kino auszuziehen. Der erste wässerige 
Auszug wurde unter die Glocke der Luftpumpe gebracht, 
die nächsten weniger reinen sogleich mit Bleizucker ver- 
setzt. Nachdem ich die bleihaltigen Niederschläge bis zur 
Erschöpfung des Kino fortgesetzt und gesammelt, berech- 
nete ich aus der Verbrennungsanalyse die Procente gewon- 
nener Gerbsäure, um sie mit dem Rückstande des reineren 
Körpers, welcher im Vacuo unterdess abgedampft war, zu 
wägen. Es ergab sich ein Reinertrag von nahezu 3 Tan- 
nin auf 400 Kino. 

Doch erwies sich die erste Probe noch etwas blei- 
haltig, was nach dem früher beschriebenen Verhalten des 
Bleiessigs zu einer gerbsäurehaltigen Lösung nicht auffallen 
kann. Da genug Kinogerbstoff vorlag, so durfte ich wagen, 
zur Ausscheidung der Spuren des Metalloxyds HS zu 
benutzen. Das vom Schwefelblei abfiltrirte wässerige 
Tannin wurde abermals im Recipienten abgedunstet und 
der Sublimation zwischen zwei Uhrgläschen, deren oberes 
durch feuchte Compressen immer kühl erhalten ward, 
unterworfen. Nach etwa 10 Minuten vorsichtiger Erhitzung 
erschien ein bläulicher Anflug, endlich ein feiner reifahn- 
licher, unter dem Mikroskope punctförmiger Staub, welcher, 
mit heissem Wasserdampf befeuchtet, nach Verdunstung 
des gesammelten Tropfens mikroskopische Stäbchen hinter- 


Nachtrag zum Kino. 261 


liess. Ich bereitete nun eine grossere Menge Gerbsäure 
aus dem Kino, welche an der Luft abgedampft ein gelb- 
liches glänzendes Pulver gab. Dieses lieferte bei der 
Sublimation nach obiger Weise nicht nur Nadeln und lange 
stabförmige (mikroskopische) Krystalle, welche sich oft 
schwertförmig kreuzten oder kammartig an eine Axe an- 
legten, sondern auch vierseitige Täfelchen, welche sich 
dem rhombischen Systeme zuneigten und ein Diagonalen- 
kreuz durchscheinen liessen. Diese Krystalle ergaben 
mit reiner Kalilauge schon in der Kälte eine langsam 
zunehmende bräunliche Färbung, nach ihrer Concentration 
aber mit Kalkwasser einen namentlich bei gelindem Erwär- 
men hervortretenden gelblichen Schimmer, welcher gegen 
den Rand des verdunsteten Tropfens hin, wo die Krystalle 
dichter gedrängt lagen, aus dem Gelbröthlichen ins Gelb- 
braune hinüberzog. Hiernach halte ich das aus der Kino- 
serbsäure gewonnene Product der trocknen Destillation 
für Brenzgallusaure. Die Reaction dieser Säure auf 
Eisenoxydsalze, welche obnehin eine nur bei grösseren 
Mengen hervortretende ist, so dass ich bei einer Probe mit 
anderweit bezogener chemisch reiner Pyrogallussäure nur 
eine blass stahlblaue Färbung erhielt, war bei den bisher 
dargestellten kleinen Mengen Gerbstoffs und dem Kino 
unthunlich. Dieser Gerbstoff ist immer noch mit etwas 
Kinosäure verunreinigt, und ein nicht unbeträchtlicher 
Gehalt an Kalk (mit Spuren von Bittererde) hindert, wie 
ich mich überzeugte, wesentlich die Gewinnung grösserer 
Mengen von Brenzsäure. Beide störende Begleiter kann 
man dadurch entfernen, dass man eine sehr kleine Portion 
verdünnter Kleesäure der wässerigen Lösung des Kino- 
gerbstoffs zusetzt, ehe sie unter den Recipienten der Luft- 
pumpe behufs der Abdunstung gebracht wird. Man erhält 
dann eine gummiartige, fast krystallhelle Masse als Rück- 
stand, welche ein reichliches Sublimat, allerdings mit Kry- 
stallen wasserfreier Kleesäure gemengt, liefert und beim 
Erhitzen erst violett, zuletzt schwarz wird und rasch ver- 
brennt, nur eine Spur MgO ausgiebt. Solches Tannin 
wurde auch von reinem Aether aufgenommen; nachdem er 


262 Hennig, 


2% Stunden darüber gestanden und durch freie Verdunstung 
die Lösung auf + ihres Volumens eingeengt worden, re- 
agirte sie schwach auf Fe’Cl®, Auch mit Brechweinstein- 
lösung gab dieses Educt eine deutliche Trübung. 


Herr Dr. Wittstein *) hat den Versuch, durch wel- 
chen ich zuerst die Reaction auf Eichengerbsäure mit 
Eisenchlorid erhielt, nach seinem Ausdrucke »wiederholt«, 
ohne dieses Merkmal zu finden. Doch, nachdem er refe- 
rirt, dass ich einen geistigen Kinoauszug mit geschlämmter 
Bleiglätte bei Luftabschluss in Berührung gelassen hatte, 
nach mehreren Wochen erst die überstehende fast entfärbte 
Flüssigkeit abgedunstet, den Rückstand mit Wasser über- 
gossen und im Augenblicke, wo er sich zu färben anfıng, 
von der wässerigen Auflösung getrennt, welche nun deut- 
lich mit Fe?Cl® blau wurde, beschreibt er seinen Nach- 
versuch also: »Ich digerirte 4 Theil gewöhnliches afrika- 
nisches Kino mit 12 Theilen Weingeist von 60 Proc,, colirte 
zur Entfernung der aufgequollenen ungelösten Masse, setzte 
zu der Flüssigkeit ein dem angewandten Kino gleiches 
Gewicht feingepulvertes Bleioxyd, stellte das Gefäss 
bedeckt an einen Ort von mittlerer Temperatur und 
rührte fleissig um. Jeden Tag wurden ein Paar Tropfen 
abfiltrirt und mit Eisenchlorid versetzt. Bis zum 7. Tage 
hatte die Flüssigkeit ihre ursprüngliche dünne Beschaffen- 
heit behalten und mit Eisenchlorid entstand jedesmal eine 
schmutzig-grüne Trübung. Am 8. Tage war die Flüssigkeit 
syrupdick geworden, eine abfiltrirte Probe zeigte jetzt nur 
noch wenig Farbung und Fe?C]? ertheilte ihr eine schwache 
grüne Farbe. Am 9. Tage endlich war die Flüssigkeit 
gallertartig erstarrt und musste, um etwas davon abfiltriren 
zu können, verdünnt werden; das Filtrat war wasserhell 
und erlitt durch Eisenchlorid keine Veränderung mehr. 
Eine zweite Versuchsreihe, in ähnlicher Weise angestellt, 
führte zu demselben Resultate.« 

Mit Uebergehung derjenigen Puncte, in welchen unser 
beiderseitiges Verfahren zu augenscheinlich differirt, kann 


*) Vierteljahrschrift für praktische Pharmacie. II. 4. S. 560. 


Nachtrag zum Kino. 263 


ich nur auf das Wesentliche des fraglichen Experimentes 
zurückkommer. Zunächst hebe ich hervor, dass meine 
Kinotinetur, laut S. 134 meiner Abhandlung *), bedeutend 
stärker war und (vergl. S. 136 und 153) frei von Pectin, 
welches eben im Kino so eigenthümlich sich verhält, dass 
es selbst in der stärkeren Tinctur eine Zeitlang suspendirt 
bleibt, scheinbar aufgelöst ist, dann aber zum Gelatiniren 
der Bleiverbindungen seiner Begleiter (Qt und Ki) Anstoss 
giebt. Da ich nun den Zeitpunct bis heute nicht ermitteit 
habe, von wo an über dem kinosauren Bleioxyd in jenem 
Versuche Gerbsäure in Lösung bleibt, ein damaliger zwei- 
ter Versuch mir aber ebenfalls misslang, weil ich abge- 
halten war. zur rechten Zeit die Trennung vorzunehmen, 
so habe ich dieses anfängliche Verfahren auch nicht zur 
sicheren Darstellung der Qt aus dem Kino empfohlen, darf 
also auch nicht danach zur Rechenschaft gezogen werden, 
wenn man meine Angaben über die Natur des adstrin- 
girenden Stoffes im Kino anzweifelt. Möge hier ein Nach- 
versuch Platz finden, welcher mich erst kürzlich wieder 
überzeugte, dass die genaue Berücksichtigung der Umstände, 
unter welchen das entscheidende Experiment (S. 148) ge- 
lang, unerlässlich ist. Ich bedurfte einer grösseren Portion 
Tannın des Kino zur Sublimationsprobe und brachte, um 
Zeit zu ersparen, einen 93procentigen Weingeist unmittel- 
bar mit etwa einem Drittel vom feinen Pulver der afrika- 
nischen Sorte zusammen. Statt der Tinctur entstand eine 
starre Sulze, zu welcher ich etwa das doppelte Volumen 
von demselben Spiritus gab; dann stellte ich die hermetisch 
verschlossene Glasflasche auf den Kopf. Nach einigen Tagen 
war aber der unter der Gallerte stehende Weingeist rosen- 
roth gefärbt und gab auf Zusatz einer verdünnten Lösung 
des Eisenchlorids einen vollkommen blauschwarzen Nieder- 
schlag **). So wäre eine Methode gefunden, ohne vorherige 


*) S. dieses Archiv, Bd. 73. H.2. 

*“) Ich kann nur rathen, bei den kleineren Proben mit Kinogerbsäure 
eine sehr kleine Menge des Eisenoxydsalzes oder dieses in sehr 
verdünnter Form zuzusetzen, weil-bei dem geringen Gehalt des 
Kino an Taunin, welcher es gewerblich für den Gewinn von 


26% Hennig, Nachtrag zum Kıno. 


Behandlung mit einem Metallsalze unmittelbar aus der 
Drogue möglichst viel Gerbstoff zu ziehen, und es bedurfte 
nur eines geringen Zusatzes der alkoholischen Lösung des 
basischen Bleiacetats, um ein sehr reines Tannin unter 
das Vacuum zu bringen. Die von der Tinctur rückständige 
Gallerte liess ich mehrere Tage mit destillirtem Wasser 
in der Kälte stehen; dieses nahm schnell viel kinosaures 
Bleioxyd auf, wodurch es sich stark trübte, nach einer 
weiteren Frist war jedoch das Ganze wieder zu einem 
Gelee gestanden, aus welchem sich mittelst kalten Wassers 
noch ziemliche Mengen gefärbten Gerbstoffs ziehen liessen. 


Ich habe in einem späteren Aufsatze *) darauf hin- 
gewiesen, dass nach dem Einnehmen grösserer Mengen 
von Gerbsäure der Harn eine Beschaffenheit annehme, 
welche ihn dem fieberhaften an die Seite stellt und die 
Vermuthung ausgesprochen, dass die stark saure Reaction 
des gallus- und pyrogallussäurehaltigen Urins, die aus 
demselben reichlich sich absetzenden Harnsäurekrystalle, 
und einige Nebenumstände auf die Anwesenheit freier 
Milchsäure deuteten. Zwar suchte ich solche vergeblich 
bei längerem Genusse kleiner Gaben Tannin (das. S. 632), 
vor Kurzem aber untersuchte ich meinen eigenen Harn 
nach dem Einnehmen eines wässerigen Aufgusses von 
2 Drachmen Extr. Ratanhiae und fand in der ten und 
5ten Portion (etwa 5 Stunden nach dem Genusse des Mit- 
tels) nicht nur Spuren der Abkömmlinge der Gerbsäure, 
sondern auch Bedingungen wieder, welche auf vorgebildete 
oder während der Behandlung leicht sich bildende Milch- 
säure hinwiesen; ich hebe unter ihnen die Gegenwart 
oxalsauren Kalks im gestandenen Urin hervor. Die kte Por- 
tion hinterliess nach dem Abdampfen und Ausziehen mit 
Alkohol einen Syrup, welcher nach Lehmann ’s **) Vor- 
schrift behandelt, einige Effllorescenzen unter dem Mikroskop 


Gerbsäure untauglich erscheinen lässt, das gelbe Eisensalz leicht 
den blauen Niederschlag grünt. 

*) Archiv für physiol. Heilkunde, XII. 31. bes. S. 614. 

*#) Lehmann, physiol. Chemie, 2. Aufl. I. S. 96. 


Rebling, Darstellung des Spiritus ammon, c. Dzondu. 265 


anschiessen lässt, die ich für milchsauren Kalk halten 
konnte; die öte Portion ergab nach derselben Behandlung 
nur Essigsäure. 


ee — 


Darstellung des Spiritus ammoniaci c. Dzondii; 


von 


Rebling, 


Apotheker in Langensalza. 


Derselbe kann auf eine leichte und schnelle Weise 
dargestellt werden, wenn aus Lig. ammon. caust. das Gas 
entwickelt und in starken Alkohol geleitet wird. In eine 
circa 3 Pfd. Wasser fassende Blechbüchse, deren Durch- 
messer nach Höhe und Breite gleich und an welcher der 
Deckel mit einem Tubulus versehen ist, giebt man 1 Pfd. 
Liq. ammon. caust., befestigt in dem Tubulus ein I IRohr 
von Blech oder Glas, deren Schenkel aber 8—10 Zoll 
hoch sind, und leitet das auf einer Spirituslampe im Was- 
serbade erhitzt, entwickelte Ammoniakgas in } Pfd. vor- 
geschlagenen Spirit. vini aleohol., welchen man noch zur 
bessern Abkühlung in ein Gefäss mit Wasser setzen kann. 
Man erhitzt so lange, als noch ununterbrochen Gasblasen 
auftreten; lässt diese nach und will der vorgeschlagene 
Spiritus zurücktreten, fängt auch das Gasleitungsrohr an 
warm zu werden und schlagen sich in demselben Wasser- 
tropfen nieder, so ist die Arbeit, welche ungefähr eine 
Stunde dauert, beendigt. Während der Arbeit schwenkt 
oder schüttelt man die Vorlage um, was aber kaum nöthig 
ist. Das fertige Präparat wird auf seinen Ammoniakgehalt 
geprüft, und da der Lig: ammon. caust. offiein. dieselbe 
Stärke hat, so hat man nur nöthig, 4 Quentch. davon ver- 
gleichsweise mit 4 Quentch. Spiritus Dzondi zu prüfen. 
Man färbt das Präparat (1 Quentch.) mit einigen Granen 
Lackmus blau und tröpfelt verdünnte Schwefelsäure (1 Th. 
auf 9 Th. Wasser) so lange hinzu, bis die blaue Flüssig- 
keit fleischroth wird. Damit alle Tropfen eine gleiche 
Grösse haben, lasse ich sie an einem Schwefelhölzchen 


266 Rebling, Darstellung des Spiritus ammon. e. Dzondii. 


herablaufen. Ich gebrauchte z.B. zu einer so verdünnten 
Säure, welche ich aus käuflicher Schwefelsäure gemischt 
hatte und deren spec. Gewicht ich gar nicht weiter be- 
achtete, 1140 Tropfen, bei einigen Tropfen mehr, wurde die 
vorher blassblaue Flüssigkeit ganz fleischroth. Ich habe 
mich überzeugt, dass auf diese Weise, wenn man doppelt 
so viel Lig. ammon. caust. anwendet, mit dem Gase nur 
wenig Wasser übergeführt wird, nur ungefähr 4 Quent- 
chen, und es genügt, etwas stärkeren Spiritus anzuwen- 
den, als die Pharmakopöe zu diesem Präparate verlangt, 
wenn man nicht vorzieht, das feuchte Gas durch einige 
Unzen Chlorcalecium streichen zu lassen. Dass man den 
Ammoniakgehalt auch durch's Zumessen verdünnter Säu- 
ren ermitteln kann, versteht sich; mir ist aber die ange- 
führte Methode, da ich mich von der gleichen Grösse der 
Tropfen überzeugt halte, weit schärfer, man müsste denn 
die Säure mit wenigstens 40—50 Theilen Wasser ver- 
dünnen und nebenbei noch zum Maasse einen engen Cy- 
linder verwenden, um den Ammoniakgehalt bis auf !/,oo 
Theil nachweisen zu können. 

Öhiges Blechgefäss, auf dessen ebenem Deckel noch 
ein knieförmig gebogenes Blechrohr eingelöthet ist und 
dadurch zu einer kleinen Blase mit Helm wird, verwende 
ich zu mehreren pharmaceutischen Präparaten, welche — 
wenigstens hier — nur in kleinen Quantitäten gebraucht 
und vorräthig gehalten werden, z.B. zur Darstellung von 
Aqua Asae foetidae, Aqua Üascarillae, Cinnamomi_ spir., 
Opü ete., Spiritus Ammon. caust. Dz., Spiritus angelicae 
und mastich. comp. u.s.w. Selbst zu Wässern aus Blu- 
men oder getrockneten Kräutern, welche wegen ihres 
grossen Volumens in solchen kleinen Gefässen nicht gut 
dargestellt werden können, kann dieser Apparat benutzt 
werden, wenn die Species zuerst mit 6 Th. kochenden 
Wassers infundist und ausgepresst, dann nochmals mit 
weniger Wasser ebenso behandelt und nur das Infusum 
zur Destillation verwendet wird. 


ehem 


[KG 
jo) 
1 


341. Monatsbericht. 


Schwefelsaures Ralınatron. 


Die Chemiker beschäftigen sich neuerdings mit der 
Frage, ob einige Mineralsäuren, welche man bisher für 
einbasische hielt, nicht als zweibasische betrachtet werden 
müssen. Während einige von ihnen, z. B. die Salpeter- 
säure, immer einfach neutrale Salze bilden, zeigen andere, 
worunter die Schwefelsäure als Typus gelten kann, eine 
grosse Neigung zur Bildung von sauren Salzen und von 
Doppelsalzen. Die Schwefelsäure zeigt nach Gladstone 
in der That diesen Charakter in einem so hohen Grade, 
dass man alle Gründe, welche man für den zweibasischen 
Charakter der Weinsäure geltend macht, auch für sie 
gelten lassen muss. Die Analogie fehlt nur in Einem 
Puncte, nämlich in der Bildung des dem weinsauren Natron- 
kali entsprechenden Doppelsulfats. Ein solches darzustel- 
len, hat sich nun Gladstone bemüht. Er kam auf die 
Idee, dass die beim Erkalten einer siedend heiss bereiteten 
Lösung von einem zusammengeschmolzenen Gemenge von 
2 Th. schwefelsaurem Kalı und 4 Th. Chlornatrium unter 
leuchtenden Strahlen sich ausscheidenden Krystalle das 
gesuchte Doppelsulfat sein könnten. Die Analyse ergab: 


Schwefelsäure... 48 
ENTER 47T 
NaTLOn 5, 

100 


ya Resultat die Formel 5 (KO, SO3) + NaO, SO? 
ergıedt. 

T Gladstone hielt die Krystalle folglich für nicht rein, 
sondern für ein Gemisch des fraglichen Doppelsulfats mit 
einer grossen Menge schwefelsauren Kalis. Um nun reine 
Krystalle zu erbalten, stellte Gladstone eine Reihe von 
Versuchen an. Er nahm Kali und Natron in verschiedenen 
Verbindungen, mischte sie in wechselnden Mengen. und 
stellte so zwölf verschiedene Versuche an. Die bei jedem 
erhaltenen Krystalle wurden analysirt. Das hygroskopische 


268 Gegenwart des Natrons in käuflichen Kalisalzen. 


Wasser wurde durch Erwärmen ausgetrieben; die Schwe- 
felsäure auf die gewöhnliche Weise durch Baryt, das Kali 
durch Platinchlorid bestimmt. 

Unter allen Umständen ergaben sich dieselben procen- 
tischen Gewichtsverhältnisse der drei Substanzen. Sämmt- 
liche auf die verschiedenste Weise erhaltenen Krystalle 
zeigen die Zusammensetzung 5 (KO, SO°) + NaO,SO®, so 
dass man nicht umhin kann, dasselbe als ein 'constantes 
neues Doppelsulfat zu betrachten. (Journ. de Pharm. et de 
Uhim. Oct. 1853.) A: 


Gegenwart des Natrons ın den käuflichen Ralisalzen. 


Die Chemiker, welche oft Gelegenheit haben, die 
Pottasche des Handels zu prüfen, wissen nach Greville, 
dass sie oft (?) mit Soda gemengt ist. Beträgt das Ver- 
hältniss der letzteren nur 6—8 Proc.. so braucht man sich 
deshalb nicht zu beunruhigen; denn dieses Verhältniss 
findet sich oft selbst in der natürlichen Pottasche (?). Aber 
oft ist das Verhältniss weit beträchtlicher und Greville 
sagt, Pottasche untersucht zu haben, worin sich die Soda 
in solcher Menge fand, dass sie ohne Zweifel betrüglicher 
Weise hineingebracht war, sei es, um ihre Sättigungs- 
capacität zu erhöhen, sei es, um die Krystallisationsfähig- 
keit ihrer Salze zu vermehren. 

Die Pottasche des Handels besteht, wie man weiss, 
abgesehen von einigen unwesentlichen Bestandtheilen, aus 
Wasser, kohlensaurem Kalı, Chlorkalium und schwefel- 
saurem Kali. Ihr Werth hängt von dem Gehalt an kohlen- 
saurem Kalı ab, welchen man durch das gewöhnliche 
alkalimetrische Verfahren erfahrt. Nichts ist zugleich ein- 
facher, als die Menge der drei andern Substanzen genau zu 
bestimmen. Summirt man nun die gefundenen Quantitäten 
der vier Substanzen zusammen, so gelangt man oft zu 
einer weit höheren Zahl, als die ist, welche das Gewicht 
der angewandten Pottasche ausdrückt In diesem Falle 
kann man versichert sein, wenn übrigens die Analyse 
sorgfältig ausgeführt war, dass sich eine gewisse Menge 
Soda in der Mischung fand, und ihr Verhältniss kann selbst 
mit hinreichender Sicherheit aus der Differenz der beiden 
Zahlen bestimmt werden. 

Das Natron besitzt eine weit grössere Sättigungscapa- 
cität, als das Kali. so dass die gefundene Alkalimenge in 
jenem Falle natürlich feblerhaft ist. 

Hat man so nicht allein den Beweis der Gegenwart 
des Natrons, sondern auch seines Gewichtsverhältnisses, 


Passiver Zustand des Nickels und Kobalts. 269 


so kann man jenes Alkali durch die gewöhnlichen Reagen- 
tien: antimonsaures Kali etc, so wie durch das Löthrohr 
noch positiv constatiren. (Journ. de Pharm. et de Chim. 
Oct. 1853.) A. ©. 


Bereitung des einfach - und zweifach - kohlensauren 


Natrons. 

W.E. Newton hat in England ein Patent auf 
Bereitung des einfach- und doppelt-kohlensauren Na- 
irons genommen, welche darin besteht, dass er das 
durch Behandlung des Glaubersalzes mit Kohle, Säge- 
spänen u. dergl. in der Hitze erzeugte Schwefelnatrium in 
Wasser löst, und durch mehrere übereinander stehende 
Fässer, welche nach Art der Woulf’schen. Flaschen mit 
einander verbunden sind und in welchen sich die Lösung 
von Schwefelnatrium befindet, die Gase leitet, welche in 
den Feuerungen der Dampfkessel sich erzeugen. Die Gase 
vorher durch Wasser, welches auf 10,000 Cubikfuss Gas 
etwa A Pfd. Kalk enthält, geleitet, steigen zuerst in das 
unterste, dann in das zweite und dritte Fass. Ist in dem 
unteren Fasse alles Schwefelnatrium zerlegt, so lässt man 
die Lauge der oberen Fässer herunter und füllt das oberste 
mit frischer Lauge. Der aus dem obersten Fasse ent- 
weichende Schwefelwasserstoff wird noch wieder benutzt. 

Zur Bereitung des doppelt-kohlensauren Natrons be- 
nutzt er das beim Verdunsten der Lauge sich absetzende 
krystallinische kohlensaure Natron, welches gerade so viel 
Wasser enthält, als es bei der Umbildung in doppelt- 
kohlensaures Salz bedarf und leitet nun in den Raum, 
wo dies dünn ausgebreitet liegt, das gereinigte Gas der 
Feuerungen. (London Journ. 1853. p. 213— 217. — Polyt. 
Oentrbl. 1853. No.20. p. 1248— 1249.) Mr. 


Passiver Zustand des Nickels und Kobalts. 


J. Nickles hat gefunden, dass chemisch reines Nickel 
und Kobalt, gleich dem Eisen, passiv zu werden im Stande 
sind. — In rauchender Salpetersäure ist ihre Passivität 
nur sehr kurz, werden die Metallstücke aber durch Hitze 
gebläut und noch heiss in die Säure eingebracht, so ver- 
halten sie sich ganz wie passives Eisen; sie übertragen 
aber ihren passiven Zustand auf in nicht rauchende Sal- 
petersäure gebrachtes actives Eisen. — Platin ist negativ 
gegen alle drei Metalle im passiven Zustande, und in die- 
sem Zustande ist jedes der letzteren negativ gegen sich 
ım positiven Zustande. 


270 Mineralwasser von Wolkenstein. 


Diese drei Metalle zeigten in den verschiedenen Zu- 
ständen folgendes elektro-chemische Verhalten: 


Flüssigkeit Im activen Im passiven 
+ Zustande — 
Rauchende Salpetersäure ....... _ Co, Ni, Fe 
Salpetersäure von 1,34° Dichte... Fe, Co, Ni Co, Ni, Fe: 
SOSSH On: ee N 2 Co, Fe, Ni Ni, Co, Fe 
SOHN FRYHOT re Fe, Ni, Co Fe, Co, Ni 
Kahlauge „INA MEN Fe, Ni, Co Fe, Ni, Co. 
(Compt. rend. T. 57. p. 248. — Poggd. Annal. 1853. No. 10. 
p. 331 — 352.) Mr. 


Meteoreisen von Cosby Creek. 


Dieses Meteoreisen ward als 442 Pfd. schwere Masse 
entdeckt. 
Es ist von Joy analysirt. Die Bestandtheile sind: 


iso ak, Se ER 91,635 
Nickel... 21.0.2 U 5,846 
Kobalt: „Jastalag: 328: 0,309 
Phosplier...ia:.. slasscer 0,195 
Kupfernun sr ab cher 
LÄCTERENE NEN: \ 0,219 
MIaNBan ern a ee 0,092 
GEB. SER. an Re 0,798 
Ouanzu N ANHEFARR 0,079 
Schwefel... J:8a 1042. ? 
99,673. 
( Annal. der Chem. u. Pharm. 86. 1.) B. 


Mineralwasser von Wolkenstein. 


Seyferth hat dasselbe analysirt. 

Die Temperatur war 25°,5 bei 30° C. Lufttemperatur. 
Spec. Gewicht 1,00258. ! 

10000 Th. Wasser gaben 2,489 schwach geglüheten 
festen Rückstand. 

In 40000 Th. Wasser sind enthalten: 


Chlognatrium 5.1: 35: 0,0286 
Chlormagnesium............... 0,0827 
Chlorkalume sa ee m 0,0410 
Chlogealcgn: 2 er 0,2764 
Schwefelsaures Kali.......... 1,7708 
Kohlensaurer Kalk. .......... 0,1985 
Kohlensaures Eisenoxydul ..... 0,0685 
Kıpselsäure: 0.335 5:2 Uli le 0,0330 
Organischer Stoff ............ 0,0055 


Ungarische Braunkohlen. — Torf von St. Wolfgang. 271 


Die Menge der freien Kohlensäure in 10000 Th. Was- 
ser beträgt 0,9555 Th, von denen 0,2264 als an Carbo- 
nate von Kalk und Eisen gebunden angenommen werden 
müssen, demnach bleiben für die Menge der vom Wasser 
absorbirten wirklich freien Kohlensäure nur 0,7291 Th. 
(Annal. der Chem. u. Pharm. &5. 3.) B. 


Ungarische Braunkoblen. 


In dem Laboratorio der k. k. geologischen Reichs- 
anstalt sind die Braunkohlen aus der Umgebung von Gran 
von Carl v. Hauer auf ihren technischen Werth unter- 
sucht worden. Diese Kohlen enthalten sehr wenig Wasser, 
wodurch also die Heitzkraft derselben wenig influirt wird. 
Es findet sich aber viel Schwefelkies darin eingesprengt. 


Aschen- 1 Gewth. Wärme- Heizeffect 

gehalt reducirt Ein- in Ctnrn. — 

Gewth. Blei heiten 1W,Klft. 30zöll. 

weichen Holzes 
1. Dorog.... 6;91Proc 19,15 4327 12,1 
3. Doroe..:.. 042: '» 19,10 4316 12,1 
3. Mogyoros. 6,0 » 19,25 4350 12,0 
Blokedter.re 19,57, 2 18,45 4169 12,6 
3 Annathal. 5,7 .» 19,40 4384 11,9 
6 Mogyoros. 21,7 » 15,15 3423 15,3 
7. Ammnathal.. 4,7 » 19,05 4305 12,2 
8. Mogyoros. 5,9 » 19,40 4384 11,9 
9. Mogyoros. 10.1 » 17,85 4034 13,0 


Man ersieht hieraus, dass im Durchschnitt 12 Centner 
dieser Braunkohle so viel Hitze geben, als A Klafter Holz. 
(Zur Bestimmung des Heizwerthes der in Thüringen so 
häufig zur Anwendung kommenden Braunkohle, namentlich 
aus der Preuss. Provinz Sachsen und dem Herzogthum 
Altenburg, würden ähnliche Untersuchungen von grossem 
ökonomischen und technischen Werthe sein.) (Jahrb. der 
k. k. geolog. Reichsanstalt. 1853. No.1. p. 151.) H. Wr. 


Torf von St. Wolfgang in Oberösterreich. 


In dem Laboratorio der geologischen Reichsanstalt zu 
Wien ist der braune, faserige, stellenweise dichtere und 
dunklere Torf von St. Wolfgang von Dr. J. v. Ferstl 
untersucht worden. A400 Gewichtth. des lufttrocknen Tor- 
fes enthalten: | 


Wasser ss Ru 14,50 
ABche: ea he: 3,48 
Organische Substanzen. ....... 82,02 


272 


+ 


Torf von St. Wolfgang. 


Die fernere Untersuchung ergab in 100 Th. des Torfes: 
N. In Wasser lösliche Bestandtheile: 
a. Organische Bestandtheile mit Spuren von Ammoniak 1,500 
b. Unorganische Bestandtheile: 


Schwefelsauren Kalk......-.... 0,041 
UChIorRANUm. Senn. cn oe = 0,008 
Chlornatrium a sn 222 su eneeNeae 0,007 
Chlormagnesium. .. 2.2.2... 00. 0,049 
Eisenoxyd.. 4... . ...% VOR ONERBE- 0,015 
Alaunenler sur. stetere euer de len ie 0,013 
Kieselerde ... 4% : 23 3043 0,026 
0,159. 


9. In Salzsäure lösliche Bestandtheile: 


a. Organische 


b. Unorganische: 


RIOEDRBESAUNEN. CE SE DON were 1,070 
Kalkamıa H. ... oder dr 1,052 
Tanardet........ Suhdt..ae. 0,29 

EiBemesydl. - 2... 0,12 

Manganoxydul............... 2 
Alssınende 2... a BB RM M 0,312 
Kieselerden....2.. 0 RR. 2 0,046 

2,934. 


era leg um's Bo wie 9 Ghe oa,» Die oh. une aan 


. .0,159 


1,659 


...2,934 


3,060 


3. In Wasser und Salzsäure unlösliche Bestandtheile: 
a. Organische: 


b. Unorganische 
c. Wasser 


Humussaure......  Sasalusen: 22,600 
Humuskohle. u. asmal u 34,700 
Harz ee ee ne 4,100 
NVachsms u Er 0: ee Ne 1.400 
Bianzenfaser Bee ee er 16,220 


k. Kohlensäure unbestimmt. 


Asche. 


we e_a sie 0 ale, „_eta,n ®, dia sung» aLejanie 


° oln/® ee} @i en e as Lele. = eo #4P,Ln se „al Be 6 e-ayee B ne 


Summa 101,529 
In 100 Gewichtsth. Asche, welche 287% Ge- 
wichtsth. des Torfes entsprechen, sind gefunden worden: 


MOhlensaurer er een een. 10,08 
Phosphorsäure... =. iz. + «wrld.) 1,07 
Schwefelsäure... . .n.lcaerh. EEE 
Kieselsäure- . .... 14. 386. .02.4: 45,56 
Eisenoxyd........ Beer. 8,76 
Nlaunerder innen Sera 44,43 
Kalkstein. 2 ee ea 15,32 
Balkerde. runter erstere hnersiernte 1,37 
Bananen 0,65 
INetEINON er SLR, re 


Schwefelsäure im Bunsen’schen Apparate. 273 


Die Brennkraft dieses Torfes ist durch die Menge des 
reducirten Bleies bestimmt. A Gewichtsth. Torf reducirt 
im Mittel 142 Gewichtsth. Blei, was — 3118 Wärme-Ein- 
heiten ist; also werden 16,8 Centner Torf gleichwerthig sein 
mit 4 Wiener Klafter 30zölligen weichen Holzes. (Jahrb. 
der k.k. geolog. Reichsanstalt. 1853. No.1. p.152.) H. Wr. 


Verwendung einer salpetersäurehaltigen Schwefelsäure 
im Bunsen’schen Apparate. 


Die Unannehmlichkeiten, welche die Anwendung der 
Salpetersäure im Bunsen’schen Apparate durch das Frei- 
werden von salpetriger Säure veranlasst, glaubte E.Guignet 
dadurch zu beseitigen, dass er eine Mischung von Mangan- 
hyperoxyd mit etwas verdünnter Schwefelsäure anwandte, 
um den am Pole frei werdenden Wasserstoff zu binden. 
Die Wirkung war, mit der Sinusboussole gemessen, ganz 
gleich einer andern Batterie, welche mit Salpetersäure 
gefüllt war und ausserdem ist dieses Verfahren auch 
weniger kostspielig., Von F. P. Leroux wurde diese 
Angabe geprüft, aber nur dann bestätigt, wenn Koblen- 
eylinder, welche schon vorher mit Salpetersäure gefüllt 
gewesen waren, benutzt wurden; es führten ihn aber diese 
Versuche auf ein anderes Verfahren, wodurch die beiden 
von E. Guignet erzielten Vortheile erreicht werden, 
dass nämlich dieselbe elektrische Wirkung erhalten wird, 
wenn man anstatt Salpetersäure zum Füllen der Kohlen- 
eylinder- concentrirte Schwefelsäure mit einem Zusatz von 
5— 10 Proc. Salpetersäure verwendet. Es wird namlich 
hierdurch eine vollkommene Zersetzung der Salpetersäure 
bewirkt und also das Freiwerden von salpetriger Säure 
verhindert. — Die im Kohleneylinder enthaltene Flüssigkeit 
kann durch Ersatz der verbrauchten Salpetersäure bis auf 
den angegebenen Procentgehalt so lange brauchbar erhal- 
ten werden, als die Schwefelsäure noch im Stande ist, 
Wasser zu entziehen; geschieht dies nicht mehr, so kann 
man die Flüssigkeit, nachdem sie kurze Zeit gekocht worden, 
zum Füllen des Gefässes, in welchem die Zinkceylinder sich 
befinden, benutzen. (Compt. rend. T. 37. p. 174—177 und 
p. 355—357. — Polyt. Centrbl. 1855. No. 21. p. 1309-1312.) 

Mr. 


er 


Arch. d. Pharm. CXXVIT. Bds. 3. Hft. 19 


27% Ueber die Amide. 


Ueber die Amide; von Ch. Gerhardt und 
L. Chiozza, 


Führt man nach Gerhardt’s Vorschlag die Körper 
der organischen Chemie auf eine geringe Anzahl Typen, 
auf den des Wassers, der Salzsäure, des Ammoniaks etc. 
zurück, und sucht dabei die auf solche Weise hervortre- 
tenden Körper in eine Reihe zu bringen, so findet man, 
dass die einzelnen Glieder dieser Reihen nicht überein- 
stimmende Eigenschaften haben. Ordnet man die Reihen 
selbst nach den Eigenschaften der Körper, so findet man 
Progressionen, in deren Folge diejenigen Glieder am mei- 
sten in ihren Eigenschaften von einander abweichen, je 
weiter sie in der Reihe von einander entfernt stehen. 
Eine jede der Reihen ein und desselben Typus, der Säuren, 
neutrale Körper und Basen umfasst, kann nur so gebildet 
werden, dass die Säuren das eine Ende der Reihe, die 
Basen das andere Ende bilden, während die neutralen 
Körper in die Mitte zu stehen kommen. 

Nennt man nun, um abzukürzen, das erstere Ende 
das positive, das andere das negative Ende der Reihe, 
so kann man sagen, dass es organische Radicale, 
wie Methyl, Aethyl. Phenyl, gebe, die, wenn sie Was- 
serstoff in den oben angedeutetien Typen vertreten, 
positive oder den Basen mehr oder weniger ähnliche 
Körper erzeugen, während andere Radicale, wie Acetyl, 
Benzoyl, Cumyl, bei ähnlicher Substitution negative Deri- 
vate oder Säuren geben. 

Wie es scheint, bestätigt sich diese Ansicht jetzt für 
den Typus Wasser oder der der Oxyde, der die Alko- 
hole, Aether, die Säurehydrate, die Anhydride umfasst, 
ebenso für den Typus der Salzsäure. : 

Was dagegen den Typus Ammoniak betrifft, so haben 
die Chemiker bisher nur basische Körper demselben ein- 
zureihen gewagt, und besonders haben Hofmann ’s schöne 
Arbeiten dieses Gebiet sehr erweitert. 

Gerhardt nimmt an, dass alle jene Körper nur dem 
positiven Ende einer Reihe angehören, deren negatives 
Ende auch vorhanden sein muss, so dass unter dem 
Typus Ammoniak auch Säuren erscheinen müssen. 

“Die Darstellung der Amide nach dem gewöhnlichen 
Verfahren ist oft sehr mühsam und langwierig. Ger- 
hardt und Chiozza haben gemeinschaftlich für die in 
obigem Sinne angestellten Untersuchungen direct das 
trockene kohlensaure Ammoniak mit den Chlorverbindun- 
gen behandelt, die den zu prüfenden Säuren entsprechen. 


Ueber die Amide. : 275 


So erhielten sie diejenigen Amide, welche sie pri- 
märe Amide nennen, d.h. solche, in welchem 4 At. Was- 
serstoff durch die negativen Radicale Benzoyl, Amyl, Ace- 
tyl, Salicyl, Sulphophenyl etc. ersetzt ist: 

Benzoylamid. Salieylamid. Acetylamid. Sulphophenylamid, Cumylamid. 
C’h50 C’h°0? Kuns)), 47509 oh 10 

n h n h n h n h 1) h 

| h h Un U h 

oder in gewöhnlichen Formeln: 


C!4#H50?2 ;Cı14H50*° ;C'H30? Cı2H5S20° ,C20H11Q2 
en ee: N ie: N] H N u 
H IH H H H 


Um hieraus die secundären Amide abzuleiten, erhitzen 
Gerhardt und Chiozza die primären mit einer äqui- 
valenten Menge Chlorbenzoy!, Chlorcumyl, Chlorsulpho- 
cumyl etc. Es entweicht dann Salzsäure und es bildet 
sich das secundäre Amid. Erhitzt man indessen zu weit, 
so entstehen noch weiterhin Nitryle (Cyanätherarten). 


Die tertiären Ammoniake, d.h. solche, worin 3 At. 
Wasserstoff durch negative Radicale ersetzt sind, lassen 
sich meist viel leichter darstellen, als die secundären, weil 
diese letzteren, da sie die Eigenschaften, Metalle zu bin- 
den, in höherem Grade haben, als die primären, meist 
schon bei gewöhnlicher Temperatur von den Chlorverbin- 
dungen des Benzoyls, Cumyls, Acetyls etc. angegriffen 
werden. 

Die Darstellung der Amide, so wie Gerhardt und 
Chiozza sie geben, geschieht also auf dem Wege der 
Wechselzersetzung gerade so, wie die Aether, die Alka- 
lien, die wasserfreien Säuren erzeugt werden. 

Die bis jetzt von Gerhardt und Chiozza darge- 
stellten Körper sind nachstehende: 


Das Benzoylsalieylamid, 


C’h:0O: C::H>50% 
n!C’h>O oder N!C!:H:O2, 
h H 


eine in sehr feinen Nadeln krystallisirende Substanz, un- 
löslich in Wasser, wenig löslich in Alkohol, leicht löslich 
in Alkalien. Die alkoholische Lösung röthet Lackmus. 
Man erhält davon leicht das Silbersalz, Bleisalz, Kupfersalz. 


Das Cumylsalicylamid. 


C’ h> O0: G!4H5 O0: 
n!C!°h!'O oder njGet0r, 
h H 


Es ist dem vorigen ähnlich, 
19* 


2376 Ueber die Amide, 


Das Benzoylsulphophenylamid, 

nee :G12H5S?0% 
n)C’hsO oder NIC=B°0: 
Ih H 


welches in schönen platten Nadeln krystallisirt, ist stark 
sauer, in Wasser wenig löslich, leicht löslich in Alkalien, 
es bildet mit den Basen leicht Salze. Das Silbersalz ist: 
C5h5>SO? ae a 
n!C’h>0 oder N!Cı:H> O0: 


ag A 
es krystallisirt in farblosen, in a: Wasser lös- 
lichen Nadeln. 
Das Dibenzoylsulphophenylamid, 


(sh5SO: G!2H5S?0O*: 
n!C’h’O oder N!C!:H>50: 
C’h30O C:?H50: 


krystallisirtt aus Aether in sehr schönen Prismen, mit 
Octaöderflächen und Diamantglanz. Es verhält sich zum 
Benzoylsulphophenylamid eben so, wie wasserfreie Ben- 
zoösäure zum Benzo&säurehydrate. 

Das Cumylbenzoylsulphophenylamid, krystallisirbar, 


( h>5 Ss0: C\:H> S:0: 
n!C’ h’ © oder N)C!:H5 O2, 
G!:°h!!O G2°H!:!02 
Das Dibenzoylphenylamid, d.i. Dibenzanilid, 
Gsh> C!2H5 
n’C’h°’O oder Nic n°0n, 
C’h>0 C!*H50: 


bildet schöne glänzende Nadeln, die in kaltem Wasser 
wenig löslich sind, 

In einer etwas später veröffentlichten Note spricht 
Gerhardt über den Unterschied zwischen der im Vor- 
stehenden dargelegten Ansicht und der von Wurtz, so 
wie seiner früheren. 

Der Inhalt derselben ist der: Es ist möglich, im Am- 
moniak direct 1, 2, 3 Atome Wasserstoff durch dieselben 
organischen Radicale zu ersetzen, die, wenn sie A oder 
alle 2 Atome Wasserstoff im Wasser vertreten, wasser- 
haltige und wasserfreie Säuren erzeugen. Die oben be- 
schriebenen Körper sind ja saure Ammoniake, welche den 
wasserhaltigen Säuren entsprechen, und neutrale Ammo- 
niake, die den wasserhaltigen Säuren entsprechen, und 
zwar sind diese Körper nicht hypothetische. Die Amid- 
säure ist hiervon ausgenommen. 

Wurtz ist nun der Meinung, dass die sauren Amide 
von Gerhardt und Chiozza nicht so, wie er die von 


Ueber die Amide. 2377 


ihm und Hofmann entdeckten Basen wirklich ableitet, 
aus dem Ammoniaktypus zu entwickeln seien, er leitet 
vielmehr die Amide von dem Typus Wasser ab und nimmt 
in Folge dessen an, dass die Amide Säuren sind, in wel- 
chem der Sauerstoff OÖ durch das Residuum NH ver- 
treten ist. | 

Aehnliche Ideen hat Gerhardt schon früher aus- 
gesprochen, z.B.: Stellt man das Residuum NH® — H? 
durch Am vor, so ist: 

Oxalsäure 402708 wir Am? 

6 4 2 
Oxaminsäure cH2)0" Oxamid CH 0: Ac. 


Der Unterschied zwischen der Ansicht von Wurtz 
und der von Gerhardt ist nun der, dass Wurtz diese 
Formeln als wirklichen Ausdruck der Constitution der 
Amide ansieht, während Gerhardt dieselben nur als 
synoptische Ausdrücke gab. 

Die Formeln der Residua, so wie alle synoptischen 
Formeln dienten nur dazu, nach Ausführung des Experi- 
mentes eine Gruppe von ähnlichen Verhältnissen zusam- 
menzufassen, während die Formeln der Molecule, im 
Sinne Gerhardt’s, dazu dienen sollen, bei Untersuchung 
Anleitung zu geben, wie man zu neuen Thatsachen gelangt. 

Die neue Theorie umfasst den grösseren Theil 
der gut untersuchten Amide der organischen Chemie. 
Der Begriff Typus ist aber verschieden von dem, wel- 
chen Wurtz annimmt, denn dieser Chemiker beschränkt 
den Begriff Ammoniaktypus nur auf die basischen Deri- 
vate desselben und leitet die Amide vom Typus Wasser 
ab, und zwar nur aus dem Grunde, weil es saure Amide 
giebt, und weil Gerhardt auch gewisse organische Säu- 
ren aus dem Typus des Wassers ableitete. 

Die Typen Gerhardt’s aber sind nicht, wie die 
nach Dumas, moleculare Systeme, deren Eigenschaften 
sich in allen Substitutionen gleich bleiben; Gerhardt 
theilt nicht die Meinung, dass alle Derivate von einer 
Säure wieder Säuren, die von einem Alkali wieder Alka- 
lien sein müssen Seine allgemeinen Typen: Wasser, 
Wasserstoff, Salzsäure, Ammoniak bezeichnen jeder eine 
Reihe von Körpern, die sich nach einem gewissen Gesetze 
der Zunahme oder Abnahme an einander reihen lassen, 
wobei jede Reihe in dem eben angegebenen Sinne ihr 
positives und negatives Ende hat. 

Wurtz wird aber auch darin übereinstimmen müs- 
sen, dass der Typus Wasser nicht bloss Säuren, sondern 
auch Basen umfasst. Das eine Ende der hierher gehöri- 


.- 


278 Theorie der Amide. 


gen Reihe bilden Säuren, das andere Basen, wie Kali, 
Natron etc. In derselben Weise kann also auch der Typus 
Ammoniak eine Reihe darstellen, an deren positivem Ende 
Methylamin, Aethylamin erscheinen, während das andere 
durch Säuren gebildet wird. 

Gerhardt ist der Meinung, dass, wenn Wurtz 
diese sauren Körper nicht dem Ammoniaktypus unter- 
ordnet, derselbe sıch vielleicht zu sehr von der Existenz 
der Amidsäure leiten lasse, mit welchen man die neuen 
Amide von Gerhardt und Chiozza leicht verwechseln 
kann. Wie Wurtz leitet auch Gerhardt die: Amid- 
säure vom Wassertypus ab, und findet darin gerade eine 
Bestätigung seiner Theorie der parallelen Reihen, weil 
sie die negativen Glieder darstellen, welche dem Ammo- 
niumoxydhydrate entsprechen, während Hofmann’s 
Basen, wie z.B. das Teträthylammoniumoxydhydrat, die 
positiven Glieder derselben Reihe sind. /Compt. rend. 
T. 37. — Chem.-pharm. Oentrbi. 1853. No. 45.) B. 


Theorie der Amide; von Ad, Wurtz. 


In den jetzt am meisten üblichen Formeln der Aequi- 
valente ausgedrückt, kann man die einbasischen Säuren 
von je 2 Moleculen Wasser als Typus ableiten. Die bei- 
den Sauerstoffatome des Wassers nehmen also eine beson- 
dere Stelle in der Gruppe von Elementen der Säuren ein, 
sie dürfen daher nicht mit den Sauerstoffatomen zusam- 
mengeworfen werden, welche die complexe Gruppe, die 
ein Wasserstoffatom vertreten soll, oder wirklich vertritt, 
enthält. Man drückt dieses durch die Schreibart aus. 
Die Essigsäure ist nach solcher Vorstellung: 

GeB302} i 
mat Q2: 

Die Entstehung der Amide von einbasischen Säuren 
erklärt sich nun sehr leicht. 2 Molecule Wasserstoff vom 
Ammoniak nehmen die 2 Molecule Sauerstoff, welche 
rechts von der Klammer stehen, und diesen Platz nimmt 
dann das Residuum NH? — 0° — NH ein. 


- Ein Amid ist also nichts anderes, als Wasser, worin 
der Sauerstoff des Typus Wasser durch das Residuum NH 
ersetzt ist, indem A Molecul Ammoniak 2 Aeq. Wasser- 
stoff verlor. Diese Substitution ändert demnach die all- 
gemeine Formel der Verbindung nicht ab, wie folgende 
Uebersicht lehrt. 


er Amide. 279 


Essigsäure. Acetamid. Aethylacetamid. 


C+H>0: C:H30: C:H30: : 
> jo: # Inu no |ncc«ns) 


Wasserfreie Essigsäure. Diacetamid. Aethyldiacetamid. 
C+H>0: C:H>0: CH’O:lne, 
C:H:0:| 0 C:1sg: | NH CH>0:| NIC H>). 


Untersuche man nun die Entstehung der zweibasischen 
Säuren. Die zweibasischen Säuren lassen sich nach Ger- 
hardt aus 2 Moleculen Wasser ableiten. In den gewöhn- 
lichen Formeln muss man zu 2 binären Gruppen des 
Moleculs Wasser (das in 2 Aeq. besteht) seine Zuflucht 
nehmen. Man kann dann annehmen, dass in jeder Gruppe 
ein Aeg. Wasserstoff durch eine säurebildende Gruppe 
ersetzt werden kann. so dass eine zweibasische Säure 
aus zwei mit einander verkuppelten einbasischen Mole- 
culen zusammengesetzt erscheint. Die Constitution der 
Oxalsäure z.B. würde hiernach sein: 


2 Molecule Wasser. are 
10° “y 10: 
H| 092% 
pn 0° n | 0%. 


Die Amide der Oxalsäure bilden sich nun bekannt- 
lich, indem {4 oder 2 Molecule Ammoniak mitwirken und 
4 oder 2 Molecule Wasser austreten. Nach dem Principe 
Wurtz’s kann man die Reaction durch folgende Formeln 
_ darstellen: 


Oxalsäure. Dioxamid. Oxaminsäure. Oxamethan. Diäthyloxamid. 
EB 670% )., m (20% C2O?} m 020? 
R (0 H INH menu Ge NH 5 IN(C-H>) 


0332.62021.,,.020%), CO, CO 


Die Bernsteinsäure, als eine andere zweibasische 
Säure, kann als aus 2 einbasischen Gruppen C°H?O: 
bestehend angesehen werden. 


Bringt man die Säure dann unter solche‘ Bedingun- 
gen, dass 2 Aeq. Ammoniak auf diese Säure einwirken 
können, so bekommt man, indem 4 Aeq. Wasser austreten 
müssen, das Disuceinamid. Leitet man dagegen die Bedin- 
gungen so, dass nur 4 Aeq. Ammoniak einwirken kann, 
und dass ebenfalls 4 Aeq. Wasser austreten, so reicht der 
Wasserstoff des Ammoniaks nicht mehr zur Bildung die- 
ser Wassermenge aus, das Molecul Ammoniak verliert 
unter dieser Bedingung nur 2 Aeq. Wasserstoff, mit dem 
sich die 2 basischen Aequivalente Wasserstoff der beiden 


280 Theorie Me. 


Bernsteinsäuregruppen vereinigen. So erhält man dann 
das Succinimid Laurent’s und Gerhardt’s, welches 
F. d’Arcet unpassend Bisuccinamid nannte. Die folgen- 
den Formeln drücken die Constitution dieser Amide aus: 
Bernsteinsäure. Disuceinamid. Suceinimid. 
NH c:m:o>} 


C*:H?0O: 0: CG°H:0O: N 
H H 


Um noch ein Beispiel zu geben, wählt Wurtz hier 
noch die Amide der Kohlensäure. Da sie zweibasisch 
ist, und ihr Molecul daher durch 2 Aeq. Wasser ausge- 


drückt werden muss, so hat man: 
Hypothet. 
Kohlensäurehydrat. Carbamid. Urethan. Aethylurethan. 


a N: Pan. ir Inc) 

co Co) u: co 0) 

10: 10 cp) 0 ct. 

Bei der geringen Anzahl der Amide dreibasischer 
Säuren wählt Wurtz hier die Anilide der Citronensäure 
Pebal’s, um ein Beispiel zu geben, wie sich deren Con- 
stitution nach obigen Principien darstellen lässt. Man 


substituire für Wasserstoff in NH der vorstehenden For- 
meln das Phenyl C':H°, so hat man: 


Citronensäure. Citralinid. 


C*H?03 C:H203 TE +H 20: Murau 
tor SO ncvEN &naos NEE 


C:H2O0°| „, CH?0O° HELGE un 
a ae IN(C>Hs) |N (C'>H5) 


°H 0? CH O0: 
ar 102. DOINICHBN, 

Aus diesen Formeln leiten sich leicht die beiden fol- 
genden Körper ab, nämlich die zweibasische Citromon- 
anilsäure, die durch Elimination von 2 Moleculen Wasser 
entsteht, und die einbasische Citromonanilsäure, gebildet 
unter Elimination von # Moleculen Wasser. 

Die im Vorstehenden gegebenen Entwickelungen 
passen besonders auf die gewöhnlichsten Fälle, in denen 
Amide entstehen, d.h auf die Wirkung, die das Ammo- 
niak selbst ausübt, oder, wenn man will, auf die Einwir- 
kung der Hitze auf ein Ammoniaksalz. Es lassen sich 
aber auch nach Wurtz andere Bildungsweisen von 
Amiden so erklären, wie im Folgenden gezeigt wer- 
den soll. 


Theorie der Amide, 281 


N) Reagirt Ammoniak auf einen Aether, z.B. auf den 
Essigäther, so nimmt das Ammoniak die 2 Molecule Sauer- 
stoff, die sich ausserhalb der Gruppe befinden, auf; es 
bilden sich 2 Molecule Wasser, die nun durch Wechsel- 
zersetzung auf die beiden Aethergruppen wirken, so dass 
ein Amid und ein Alkohol entstehen muss. Die Zer- 


C:H>0: ke _C*H?0: 
C:H:O: CHOR ch 
2. C:H5 NH+2H0 = H INH+ E | 08. 


2) Wenn Ammoniak auf das Chlorid einer sauerstoff- 
haltigen Gruppe von Elementen einwirkt, so trennen sich 
2 Molecule Wasserstoff von Ammoniak, das eine bildet 
mit dem Chlor Salzsäure, die austritt, das andere vertritt 
das Chlor und das Residuum NH? — H: = NH, verbindet 
sıch nur mit der durch Substitution modificirten binären 
Gruppe: 

Benzoylchlorid. Benzamid. 


G!:H50? C!:H50: 
eo |+NB=CH+" INH. 


3) Wenn der Cyansäureäther Ce OÖ: auf eine waäs- 


serfreie oder wasserhaltige Säure einwirkt, z.B. auf wasser- 
freie Essigsäure, so verbindet sich der Kohlenstoff des 
Aethers mit dem Sauerstoffe der Säure, es bildet sich 
Kohlensäure, und das Residuum N (C:H>) des Aethers 
überträgt sich als Ganzes auf die beiden Gruppen der 
Essigsäure: 
N ro GEON 
Gans 0° + Cinsg. 0? = 0° + Eon | NICH) 
Hieraus lassen sich die sauren Eigenschaften gewisser 
Amide ohne Weiteres erklären. Dass die Oxaminsäure 
eine Säure sein muss, und zwar eine einbasische Säure, 
folgt daraus, dass sie als Ganzes eine der beiden ein- 
basischen Gruppen der Oxalsäure einschliesst. Auch folgt 
daraus, dass die Amide, die man jetzt als neutrale betrach- 
tet und keinen Sauerstoff ausserhalb der Gruppen ent- 
halten, unter gewissen Bedingungen den basischen Wasser- 
stoff der primitiven Gruppen der Säuren selbst, oder den 
Wasserstoff des Residuums NH nicht nur gegen eine andere 
organische Gruppe, sondern auch gegen ein Metall ver- 
tauschen können. 


EZ 
282 Theorie & Amide. 


In einem späteren Artikel begegnet Wurtz den Ein- 
würfen, welche in der Abhandlung der Amide von Ger- 
hardt ihm gemacht werden. Er hebt darin hervor, dass 
seine Formeln nicht mit den Formeln der Residua Ger- 
hardt's identisch sein, sondern wirklich als Molecular- 
formeln gelten sollten. Gerade die Tendenz der Stabilität 
eines Typus, die sich durch so viele Beispiele in der Che- 
mie nachweisen lässt, spricht in den Substitutions-Erschei- 
nungen für Wurtz’s Meinung. Denn man sieht zu häufig 
einen Typus verschiedenen Erschütterungen seines Mole- 
culs widerstehen. So bildet die Salpetersäure z.B. mit 
der Benzo&säure die Nitrobenzo&säure, die offenbar den 
Typus der ursprünglichen Säure noch hat. Schwefel- 
wasserstoff verwandelt sie in Benzaminsäure: 

Benzo&säure. Nitrobenzoesäure, Benzaminsäure, 

C'°H°0?] 9: C!sH: (NO®) 0: Cı#H+(NH?)O? 
Hain \ H H 

Wurtz hält es ferner für nothwendig, dem Typus 
einen Umfang stabiler Eigenschaften bis zu einem gewissen 
Grade zuzuschreiben, und für einen Irrihum, wenn man 
denselben nur durch mechanische und in Hinsicht der 
Eigenschaften einflusslose Ursachen bedingt ansieht. Die 
Eigenschaften der Körper erscheinen ihm mehr als eine 
Function des Typus. 

Es versteht sich leicht, dass die Eigenschaften einer 
Verbindung, besonders wenn die des Typus selbst nicht 
sehr hervortreten, sich sehr bedeutend durch die Substi- 
tution abandern müssen. So kann das Wasser als Typus 
der Oxyde eben sowohl sehr starke Basen als Säuren 
darstellen, je nachdem sehr stark positive oder negalive 
Elemente den Wasserstoff desselben vertreten. 

Alle diese Fälle aber schliessen die nicht aus, ın 
welchen der Einfluss des Typus bemerkbar wird. Um 
dieses deutlich zu machen, wählt Wurtz das folgende 
Beispiel, worin zwei Körper verglichen werden, die die- 
selben Elemente in derselben Anzahl enthalten: Harn- 
stoff und Carbamid enthalten nach Wurtz dieselben 
Molecule und dieselben Gruppen, haben aber verschiedene 
Eigenschaften, die Wurtz daraus erklärt, dass der Harn- 
stoff ein Ammoniak und das Carbamid ein Amid ist, wie folgt: 


Loy Rn h 
H | NH NH 
610) "o 
G 
H | NA NH 


Verbindung des Schwefeläthyls ete. mit Chloriden. 283 


Aehnliche Verhältnisse existiren nach Wurtz zwi- 
schen den Körpern, die man Hydramide genannt hat und 
den Alkaloiden, in welche sich diese Körper so leicht 
umwandeln lassen. /Compt. rend. T. 37. — Chem.-pharm. 
Centrbl. 1853. No.43.) B. 


Verbindung des Schwefeläthyls und Schwefelmethyls 
mit Chloriden, 


Man nimmt im Allgemeinen an, dass das Mercaptan 
(C:H5S,HS) ein Alkohol ist, dessen ganzer Sauerstoff- 
gehalt ersetzt ist durch Schwefel, und dass das Schwefel- 
äthyl (C°H5S) sich zum Mercaptan verhält, wie der gewöhn- 
liche Aether zum Alkohol. 

Da Alkohol und Aether mit gewissen Chlormetallen 
krystallinische Verbindungen bilden, so suchte Loir ana- 
loge Verbindungen mit dem Mercaptan und Schwefeläthyl 
und Schwefelmethyl hervorzubringen. 


I. Verbindung des Schwefeläthyls mit Queck- 
silberchlorid (CH5S,HgC)). 

Fügt man zu einer wässerigen Lösung von Queck- 
silberchlorid einige Tropfen Schwefeläthyl oder seine wein- 
geistige oder ätherische Lösung, oder auch das Wasser, 
womit man diesen Aether wäscht, so schlagen sich beim 
Umrühren zahlreiche feine durch einander geschlungene 
Krystallnadeln nieder. 

Ist das Verhältniss des Schwefeläthyls zu gross, so 
bildet sich ein klebriger weisser Niederschlag, welcher 
sich, in Berührung mit einer neuen Sublimatlösung, in 
Nadeln verwandelt. 

Diese Nadeln werden durch Filtration getrennt, mit 
kaltem Wasser und mit Alkohol gewaschen, und dann 
zwischen Papier getrocknet. Man löst sie hierauf in sie- 
dendem Alkohol, filtrirt die Lösung, und erhält so durch 
Abkühlung schöne lange Krystalinadeln. 

Eigenschaften. Die erhaltene Verbindung krystal- 
lısirt sehr leicht in schönen farblosen Nadeln, welche das 
Licht stark brechen. Sie verbreitet einen sehr unange- 
nehmen Geruch, und ist schwerer als Wasser. Im Wasser- 
bade oder im Oelbade erhitzt, fängt sie bei 820 an zu 
schmelzen, und ist bei 900 vollständig zerschmolzen: es 
ist dann eine farblose, durchscheinende Flüssigkeit, welche 
beim Erkalten zu Krystallnadeln erstarrt, die sich von 
verschiedenen Mittelpuncten aus ringsum strahlenförmig 
ausbreiten. Bis zu 1100 im Oelbade erhitzt, beginnt sie 


284 Verbindung des Schwefeläthyls ete. mit Chloriden. 


sich zu verflüchtigen;, bei 1450 wird die Flüssigkeit schmie- 
rig und bräunt sich; bei 2000 wird sie schwarz. In einer 
Röhre über der Weingeistlampe erhitzt, zersetzt sie sich 
zuletzt vollständig, wobei sie dicke weisse stinkende 
Dämpfe, metallisches Quecksilber und einen beträcht- 
lichen kohligen Rückstand giebt. Die Dämpfe brennen 
bei Annäherung eines entzündeten Körpers mit grüner 
Flamme; es entwickelt sich schwellige Säure und Chlor- 
wasserstoffsäure. 

Unter eine Glasglocke über Schwefelsäure gestellt, 
verliert sie anfangs nicht merklich an Gewicht. Nach fünf 
oder sechs Stunden verlieren die Krystalle an der Ober- 
fläche ihre Durchsichtigkeit; die Analyse weist alsdann 
ein grösseres Verhältniss von Chlor und Quecksilber nach. 
Der Luft ausgesetzt, werden die Krystalle auch oberfläch- 
lich matt, und verlieren Schwefeläthyl. 

Wie von siedendem Alkohol, werden sie auch von 
Aether und Holzgeist gelöst. Durch langsame Verdun- 
stung aus diesen letzteren Vehikeln erhielt Loir schöne 
schiefe rhombische Prismen; die Winkel betragen: 


für dieiSeitenllachen 3:1... rer 710012 
103,40 
180°,52 

für die Basis über die Seitenflächen ... 73°,10. 


Schwefelwasserstoff zersetzt die Verbindung; es bil- 
det sich Schwefelquecksilber. Wird diese Zersetzung durch 
einen Strom trockenen Schwefelwasserstoffgases bewirkt, 
so entwickeln sich reichliche Dämpfe von Chlorwasser- 
stoffsäure, und es condensirt sich Schwefeläthyl. 

Salpetersäure greift sie selbst in der Kälte an; es 
entwickeln sich rothe Dämpfe; die Flüssigkeit enthält 
keine Schwefelsäure, gerade wie bei der Einwirkung der 
Salpetersäure auf das Schwefeläthyl. 

Schwefelsäure greift sie bei gewöhnlicher Temperatur 
nicht an; in der Siedhitze wird sie aber davon aufgelöst 
und stark braun gefärbt, unter Entwickelung von schwel- 
liger Säure und Chlorwasserstoffsäure. 

Kali und Kalk, in festem Zustande, wie in Lösung, 
färben die Krystalle gelb. Trocknes Wasserstoffgas,.über 
ein Gemisch der Verbindung mit gebranntem Kalk geleitet, 
nimmt das Schwefeläthyl daraus fort. 

Giesst man die ätherische Lösung dieser Verbindung 
in Ammoniak, so schlägt sich Chlorquecksilber - Amid- 
quecksilber nieder; der Aether löst das in Freiheit gesetzte 
Schwefeläthyl auf. 


Verbindung des Schwefeläthyls ete. mit Chloriden. 285 


Zusammensetzung. 
Gefunden: Berechnet: 
Onscksilhar , » .. 4. 5 lade 55,68 55,36 
SRIOTHER. 2 eos onen aege 19,84 19,67 
Schwefel‘... . en 8,43 8,35 
Kohlenstoff... ....... 12,68 13,33 
BMasserstoft =...% : Wa 0 3,06 2,79 


99,69 100,00. 
Hieraus resultirt die Formel C*H5S,HgCl. 


II. Verbindung des Schwefeläthyls mit Platin- 
chlorid (C*H°S)? PıCP. 

Diese Verbindung bildet sich unter denselben Umstän- 
den, wie die vorhergehende, in Form kleiner gelber Kry- 
stallnadeln. . 

Eigenschaften. Sie verbreitet nur einen geringen 
unangenehmen Geruch; sie ist schwerer als Wasser. Sie 
schmilzt bei 1080, es ist dann eine schmierige röth- 
liche Flüssigkeit; bei erhöhter Temperatur giebt sie 
weisse, stiinkende Dämpfe, brennt mit grüner Flamme 
unter Bildung von schwefliger Säure und Chlorwasser- 
stoffsäure. Wenn man sie in einem Schälchen glüht, so 
brennt sie mit stark russender Flamme und lässt einen 
Rückstand von metallischem Platin. Sie ist beständiger 
als die vorhergehende Verbindung; indess verliert sie an 
der Luft auch Schwefeläthyl. 

Sie ist sehr leicht in sıedendem Alkohol löslich, wor- 
aus sie sich zum Theil beim Abkühlen in Gestalt kleiner 
gelber durchscheinender Krystalle niederschlägt. Durch 

asser wird sie aus der alkoholischen Lösung gefällt. 

Durch Schwefelammonium wird sie braun gefärbt. 

Salpetersäure greift sie selbst in der Kälte an; es 
entwickeln sich rothe Dämpfe; die erhaltene Flüssigkeit 
enthält keine Schwefelsäure. 

Schwefelsäure greift sie in der Kälte nicht an; beim 
Kochen damit wird die Flüssigkeit stark gebräunt. 

Kalı und Kalisalze werden durch eine alkoholische 
Lösung dieser Verbindung stark gefällt. 

Zusammensetzung. 


Gefunden: Berechnet: 
PlauUma IR WEIHER, 37,81 37,95 
Ghlor nie ss rg 26,43 27,38 
Schwefel:”; „usndssagae de 12,74 12,33 
Kohlenstofft ar E08 18,84 18,49 
Wassenstolt. Serge nr, 4,58 3,85 


j 100,40 100,00. 
Hieraus resultirt die Formel (C+H>S)? Pı Cl. 


986 Zur Kenntniss der isomeren Säuren. 


II. Verbindung des Schwefelmethyls mit 
Quecksilberchlorid C?H:S,HgCl. 

Durch Substituirung des Schwefeläthyls durch Schwe- 
felmethyl nach der obigen Methode bereitet. Die Eigen- 
schaften sind denen der correspondirenden Aethylverbin- 
dung analog. 

Das Mittel der Quecksilberbestimmungen betrug 61,09. 
Die Formel verlangt 60,24. 


IV. Verbindung des Schwefelmethyls mit 
Platinchlorid (C?H°’S)?,PıCl?. 

Bereitung und Ejgenschaften der früheren analog. 
Bei der Analyse wurde im Mittel gefunden 42,7% Platin. 
Die Formel verlangt 42,64. : 

Loir beabsichtigt in der Folge noch andere Verbin- 
dungen des Schwefeläthyls und Schwefelmethyls mit 
Chlor-, Jod- und Brommetallen darzustellen. /Journ. de 
Pharm. et de Chim. October 1853.) A. ©. 


Zur Kenntniss der isomeren Säuren 
hat J. Gottlieb folgende Beiträge geliefert. 

Ueber einige Untersalpetersäure haltende 
DerivatevonCitraconanilinundltaconanilid. — 
Die Einwirkung der Salpetersäure auf Citronensäure ist 
nach ihrer Concentration verschieden, indem verdünnte 
Säure zur Bildung von Mesaconsäure, stärkere zur Ent- 
stehung einer grossen Anzahl von Zersetzungsproducten 
Veranlassung giebt, unter welchen die von Baup unlängst 
erwähnten, mit Eulyt- und Dyslytsubstanz bezeichneten 
Körper ihrer Eigenschaften und Zusammensetzung wegen 
als die interessantesten zu nennen sind. Dagegen schei- 
nen die durch Salpetersaure mit ltaconsäure erzeugten 
Verbindungen von® den gewöhnlichen Producten stickstoff- 
freier organischer Säuren, wie Weinsäure und ähnliche, 
nicht abzuweichen. Die geregelte einfache Wirkung, 
welche ein Gemenge von constanter Salpetersäure und 
Schwefelsäure auf so viele organische Substanzen schon 
bei gewöhnlicher Temperatur ausübt, machte es rathsam, 
einem genaueren Studium der Zersetzungsproducte der 
Brenzcitronensäure durch erwärmtes Salpetersäurehydrat 
jenes der Einwirkung des erwähnten Gemisches voraus- 
zuschicken. Dazu erwiesen sich einige der früher beschrie- 
benen Anilide tauglich, weil sie sich unverändert in Schwefel- 
säurehydrat lösen und so viele Erscheinungen secundärer 
Zersetzungsweisen ausschliessen, deren Auftreten bei Anwen- 


Zur Kenntniss der isomeren Säuren. 2387 


dung von Säurehydraten mit Recht zu fürchten gewesen 
wäre. Gottlieb wahlte zuerst Citraconanil und Itacona- 
nilid, beide krystallisirbare Substanzen, welche sich leicht 
in grösserer Menge schaffen lassen. Zur Untersuchung 
bediente sich der Verfasser einer Methode der Stickstoff- 
bestimmung, die sich nur in der Ausführung von der 
Bunsen’schen unterschied. Eine etwa 0,7 Meter lange 
Verbrennungsröhre wird an einem Ende in eine engere, 
beiläufig 0,1 Meter lange Spitze ausgezogen. Um das 
Hineinfallen von Kupferoxyd und der Mischung zu hin- 
dern, schiebt man einen aus geglühten Kupferspänen oder 
besser aus feinen Kupferdraht geformten Pfropf bis an 
das Ende des weitern Theils und stösst ihn dort ziemlich 
fest. Hierauf bringt man eine 0,06 Meter lange Schicht 
von ausgegiühtem Kupferoxyd in die Röhre und lässt die 
innige Mischung von Substanz (etwa 100— 120 Milligrm.) 
mit Kupferoxyd in einer Lage von etwa 0,2 Meter Länge 
folgen. Ein zweiter Pfropf trennt das Gemenge von dem 
nun folgenden, etwa 0,1 Meter hoch aufgeschüttetem Kupfer- 
oxyd, dann kommt metallisches Kupfer, ein dritter Pfropf 
und endlich eine 0,1 Meter lange Schicht von gröblich 
gepulvertem Chlorcalcium. , Die Röhre wird endlich pas- 
send ausgezogen und vorläufig zugeschmolzen. Beim 
Beginn der Operation legt man die Röhre so in einen Ver- 
brennungsofen, dass das hintere ausgezogene Ende hinrei- 
chend weit aus demselben ragt, um das spatere Abschmel- 
zen leicht zu machen. Auch muss, wie natürlich, der das 
Chlorcaleium enthaltende Theil der Röhre vorn aus dem 
Ofen herausreichen. Nachdem die Röhre an beiden Enden 
geöffnet ist. verbindet man das hintere mit einer Gasent- 
wickelungsflasche, aus welcher Wasserstoff durch einen 
mit Schwefelsäure gefüllten Liebig’schen Kugelapparat 
und von da in die Röhre gelangl. An dem vordern 
Ende wird ein knieförmig gebogenes 0,8 Meter langes 
Gasleitungsrohr mittelst Kautschuks befestigt und in eine 
kleine Quecksilberwanne eingesenkt. So vorgerichtet, 
lässt man durch den Apparat drei Stunden lang einen 
ruhigen Strom von Wasserstoff gehen, worauf das hintere 
Ende abgeschmolzen und die vordere Schich® Kupferoxyd 
so weıt erhitzt wird, dass die Verbrennung des Wasser- 
stoffs vor sich geht, wobei das Chlorcalcium das gebil- 
dete Wasser absorbirt und‘ der ganze Apparat binnen 
Kurzem völlig lufileer gemacht wird, was an der Höhe 
der im Gasleitungsrohre aufgestiegenen Quecksilbersäule 
leicht zu controliren ist. Man umgiebt zunächst das 
Kupfer mit glühenden Kohlen und schreitet zur Verbren- 


288 Zur Kenntniss der isomeren Säuren. 


nung in gewöhnlicher, recht ruhiger Weise. Man erhält 
so etwa 100 Cubikcentimeter Gas. Dadurch wird die aus 
einer ungleichförmigen Verbrennung möglicherweise her- 
vorgehende Verschiedenheit der Zusammensetzung des 
Gemenges in der Glocke und in der Röhre bis zum 
Unmerklichen herabgestimmt und eine Fehlerquelle ver- 
mieden. Das in der Röhre befindliche Chlorcalcium, wenn 
es auch die Gase nicht vollständig austrocknet, vermin- 
dert doch die Bildung von Wassertröpfchen und den durch 
Absorption von Kohlensäure bedingten Verlust an letzterer. 
Man muss daher vor der Messung die Gase mittelst Chlor- 
calcium trocknen. 

Die Bestimmung des Verhältnisses der Kohlensäure 
zum Stickstoff wird mit 30—40 Cubikcentimeter des erhal- 
tenen Gemenges vorsichtig ausgeführt. Der Rest kann zu einer 
Wiederholung der Analyse, zum Theil auch dazu dienen, 
das Gas auf einen Stickoxydgehalt zu prüfen. Bei rich- 
tiger Leitung der Operation hat Gottlieb nie eine Spur 
wahrgenommen, 

Citracondinitranil. -— Um mittelst eines Gemen- 
ges von Salpeter- und Schwefelsäurehydrat eine einfache 
und ruhige Zersetzung des Citraconanils zu bewerkstel- 
ligen, ist es nothwendig, durch äussere Abkühlung die 
Temperaturerhöhung zu mässigen und herabzustimmen, 
welche schon eintritt, wenn man auch nur wenig der 
genannten Substanz in einen grossen Ueberschuss des 
Säuregemisches einträgt. Jede kleine Portion Citraconanil 
bringt an der Berührungsfläche eine dunkle Färbung her- 
vor, die nach dem Umrühren verschwindet. Das Anil 
löst sich schnell und vollständig auf. Hat man so all- 
mälig etwa 4 Grm. Citraconanil in 400 Grm. Säure gebracht, 
so ist es nöthig, wieder eine vollständige Abkühlung des 
Gemenges abzuwarten, bevor man mit dem Eintauchen 
fortfährt, weil sonst leicht die Salpetersäure eine zweite 
sehr stürmische Zersetzung veranlasst, welche unter hef- 
tiger Gasentwickelung und Bildung von harzartigen brau- 
nen Substanzen einen völligen Verlust des angewendeten 
Citraconanils herbeiführt, weshalb es auch nicht rathsam 
ist, mit grösseren Mengen zu operiren. Will man grössere 
Mengen von Citracondinitranil darstellen, so ist es am 
besten, das Säuregemenge in mehrere kleine Becher- 
gläser zu vertheilen, diese mit Eis zu umgeben und, so- 
bald das Eintragen des Citraconanils vollendet ist, die 
Säure in einem dünnen Strahle unter beständigem Umrüh- 
ren in kaltes Wasser fliessen zu lassen. 

Das Citracondinitranil wird durch das Wasser als 


Zur Kenntniss der isomeren Säuren. 289 


eine anfangs weiche, blass-schwefelgelb gefärbte harzige 
Masse ausgeschieden. Die Einwirkung der Salpetersäure 
geht sehr schnell vor sich und man hat eine Verunreini- 
gung des Products mit noch unverändertem Citraconanil 
nicht zu fürchten, wenn man die Ausscheidung mit Wasser 
unmittelbar nach dem Eintragen der letzten Portionen 
Citraconanil vornimmt, 

Die erstarrte Masse wird mit Wasser gewaschen, wo- 
bei sie gewöhnlich durch die Wirkung der Salpetersäure 
eine orangegelbe Farbe annimmt. Das rohe Product 
löst man in kochendem Weingeist, aus dem es sich beim 
Erkalten in feinen gelben Nadeln abscheidet, während 
aus der Mutterlauge zuerst noch wenig unreine Substanz, 
später ein braunrother Körper erhalten wird. Durch 
Kochen mit Thierkohle und wiederholtes Umkrystallisiren 
lässt sich das Citracondinitranil völlig reinigen. Es bildet 
dann farblose, concentrisch vereinigte feine Nadeln, leicht 
löslich in Weingeist, schwer löslich in Wasser. 

Zusammensetzungsformel: C??H’O!:N3. 

Durch Einwirkung der kohlensauren Alkalien auf 
Citracondinitranil entsteht Dinitranilin. 

Einwirkung des Schwefelammoniums auf 
Dinitranilin. — Wenn Dinitranilin mit einem grossen 
Ueberschusse von Schwefelammoniumlösung etwa zwei 
Stunden lang gekocht wird, so erleidet es eine vollstän- 
dige Zerlegung. die sich kund giebt durch dunkelrothe 
Färbung der Flüssigkeit; es bildet sich Azophenylamın, 
eine schwache Base, welche Verbindungen eingeht mit Chlor- 
wasserstoffsäure, Oxalsäure, Salpetersäure, Schwefelsäure. 

Citraconazophenylimid. — Citronensäure zer- 
legt sich mit Azophenylamın fast eben so leicht als mit 
Anılin. Löst man die Base in einem Ueberschusse der 
wässerigen Säure und dampft im Wasserbade ein, so 
scheidet sich eine krystallinische Verbindung aus, schwer 
löslich in Wasser und mittelst desselben leicht von der 
anhängenden Säure zu befreien. Verdünntes Ammoniak 
nimmt eine geringe Menge einer zweiten Säure weg, welche 
Citraconazophenylaminsäure ist. Der Rückstand in heissem 
Weingeist gelöst, bildet beim Erkalten feine, lockere, 
schwefelgelbe, nadelförmige Krystalle, welche nach mehr- 
maliıgem Umkrystallisiren aus Weingeist reines Citraconaz- 
ophenylimid sind. 

Oxalazophenylimid entsteht durch Auflösen von 
Azophenylamin in einem Ueberschusse von wässeriger 
Oxalsäure und Eindampfen im Wasserbade. (Annal. der 
Chem. u. Pharm. 85. 1.) 


Arch. d. Pharm. CXXVII. Bds, 3. Hit. 20 


290 Producie der trockenen Destillation des Zuckers. 


Ueber die Producte der trockenen Destillation 
des Zuckers 
hat C. Völckel Untersuchungen angestellt. 

Producte der Destillation des Zuckers. — 
Der Zucker schmilzt bei 1600C., bei 2200 geht derselbe 
unter Verlust von 2 Aeq. Wasser in Caramel: C!?H°O? 
über. Wird die Temperatur auf 250 — 3000 C. gesteigert, 
so leidet der Zucker eine tiefer gehende Zersetzung. Der 
Caramel bläht sich stark auf, es destillirt eine schwach 
gelb gefärbte Flüssigkeit über von durchdringendem, die 
Augen reizendem Geruch und schwach saurer Reaction. 
Bei noch höherer Temperatur wird das Destillat stärker 
gefärbt und trübe. Das letzte Destillat ist dickflüssig, 
wie roher Holzessig gefärbt und sondert ein dickflüssiges 
dunkelbraunes Oel ab. Man erhält 32—34 Kohle, 50 bis 
5% Proc. saures Destillat, so dass 12—18 Proc. in Gas- 
form entweichen. ; 

Bei Rectification des sauren Destillats (Zuckeressig) 
wird zuerst eine sehr flüchtige, gelblich gefärbte Flüssig- 
keit erhalten, die aus flüchtigen Körpern besteht, deren 
Siedepunct unter A000 C. liegt, dann folgt mit saurem 
Wasser ein gelb gefärbtes, schwereres Oel als Wasser. 
Wenn das saure Destillat bis auf den sechsten Theil über- 
destillirt ist, so hört die Ausscheidung des flüchtigen 
Oels auf. In der Retorte bleibt Zuckertheer zurück. 

Gelbliche Flüssigkeit. — Die bei der Destillation 
des Zuckeressigs zuerst destillirte gelbe Flüssigkeit ward 
mit Kalilauge neutralisirt und im Wasserbade rectificirt, 
mit Chlorcalcium entwässert, für sich destillirt. Bei 300 
begann die Destillation; bei 500 trat schwaches Kochen 
ein und zwischen 60 — 65°C. ging sämmtliche Flüssigkeit 
mit gelber Farbe über. Sie besitzt einen Geruch nach 
Aldehyd, ist in Wasser leicht löslich; die Flüssigkeit ent- 
hält Aceton und Aldehyd. 

Gelbes Oel. — Das gelbe Oel wird mit Kalilauge 
reclificirt; es erschien wiederum gelb, konnte auch, mit 
Wasser destillirt, nicht farblos erhalten werden. 

Dieses Oel verhält sich wie Furfurol. 

Mit concentrirrem Ammoniak geht das Oel in Fur- 
furamın über. 

Zuckeressig. — Derselbe kann mittelst Aethers von 
anhängendem Furfurol befreit werden. Bei der Destilla- 
tion dieses Essigs bleibt etwas Zuckertheer im Rückstande, 
dessen Bildung von theilweiser Zersetzung der flüchtigen 
gepaarten Essigsäure herrührt. Der hierdurch abgeschie- 
dene Körper ist ein nicht flüchtiger, bitterer, in Wasser, 


Producte der trockenen Destillation des Zuckers. 291 


Alkohol und Aether löslicher Stoff, das Assamar. Auch 
durch starke Basen wird diese flüchtige gepaarte Essig- 
säure zersetzt. 

Kalilauge färbt Zuckeressig, der eine kleine Menge 
Furfurol aufgelöst enthält, sogleich dunkler gelb. Diese 
gepaarte Essigsäure lässt sich nicht isoliren. 

Zuckertheer. -- Derselbe betragt etwa 6 Proc. des 
Zuckeressigs. 

Assamar. — Nach Reichenbach’s Angaben ist 
dieser Körper identisch mit dem bitteren Körper des 
Zuckertheers. Man erhält dasselbe aus der wässerigen 
Flüssigkeit des Zuckertheers, wenn man mit kohlensaurem 
Natron neutralisirt und die stark gefärbte Flüssigkeit bei 
gelinder Wärme im Wasserbade abdunstet und den Rück- 
stand, von Syrupdicke mit absolutem Alkohol auskocht, 
den alkoholischen Auszug mit dem mehrfachen Volum Aether 
vermischt, so lange als noch eine Trübung erfolgt. Diese 
geistig-ätherische Lösung wird im Wasserbade abdestil- 
lirt and der syrupartige Rückstand mit wasserfreiem Aether 
behandelt, der fast alles aufnimmt, die Lösung im Wasser- 
bade abdestillirt, der Rückstand von Syrupdicke in Was- 
ser gelöst, filirirt, die Lösung unter der Luftpumpe mit 
Hülfe von concentrirter Schwefelsäure verdunstet. So 
wird das Assamar erhalten als Syrup, der noch eine 
Spur Natron bei sich führt. Die einfachste Formel ist 
C°°H''!O0'!. In Betreff des Verhaltens dieses Assamars 
gegen Alkalien und Säuren weichen die Beobachtungen 
Völckel’s von den Reichenbach’s ab. 

Das was Mulder mit Ulminsäure bezeichnet und 
hier durch Zersetzung des Assamars mittelst Säuren erhal- 
ten wird, hält Völckel für eine sehr gemengte Substanz. 
Das Assamar und der Zucker erleiden bei dem Kochen 
mit Säuren zwei verschiedene Zersetzungen. Aus dem 
Zucker bildet sich zuerst Glucinsäure: C®H°O°, aus die- 
ser Apoglucinsaure: C!®H'°O!°. Ausser dieser Haupt- 
zersetzung ist noch eine untergeorlnete wahrzunehmen, 
in der Bildung von Ameisensäure und einem in Weingeist 
löslichen Körper. 

Rothbraune Substanzen. — Bei der Destillation 
des rohen Zuckeressigs setzen sich sowohl an den 'Wän- 
den, wie am Boden der Retorte rothbraune Körper ab, 
Zersetzungsproducte der flüchtigen Oele, des Furfurols, 
auch des Assamars. Dieselben sind in Weingeist und in 
verdünntem Kali theils leicht, theils schwer löslich. Eın 
anderer Theil von rothbraunen' Körpern wird aus dem 
bei der Destillation des rohen Zuckeressigs bleibenden 


20* 


292 Producte der trockenen Destillation des Zuckers. 


Rückstande, dem Zuckertheer, bei dem Vermischen mit 
Wasser in Form einer weichen rothbraunen Masse abge- 
schieden. Die weiche Beschaffenheit rührt zunächst von 
eingeschlossenem Assamar her; mit Wasser gekocht nimmt 
dieses einen bittern Geschmack an und die Substanz wird 
nach dem Erkalten fest. Dieselbe ist dann mehr braun 
als rotb. Sie besteht in einem braunrothen, in Aether 
löslichen Harze und einem rothbraunen, in Aether unlös- 
lichen, in Weingeist ziemlich leicht löslichen Körper. Das 
braunrothe Harz wird nur in geringer Menge erhalten 
(aus dem Zuckertheer von 2—3Pfd. Zucker nur 2 Deeci- 
gramme) Es hat die grösste Aehnlichkeit mit dem in 
Aether löslichen Harze, das bei der Einwirkung von Kali 
auf das zwischen 400 und 1600 C. destillirende Oel 
entsteht. 

Der in Aether unlösliche, in Weingeist lösliche, roth- 
braune Körper erweicht nicht mehr in kochendem Was- 
ser, löst ‚sich aber in geringer Menge darin auf. Die 
weingeistige Lösung hat eine schön rothbraune Farbe, 
sie röthet Lackmuspapier und giebt mit einer weingeisti- 
gen Lösung von essigsaurem Bleioxyd einen gelbbraunen 
Niederschlag. Auch dieser Körper wird nur in kleiner 
Menge erhalten (aus dem Zuckertheer von 2—3 Pfund 
Zucker nur 1— 2 Gramme). Dieser Körper ist ein Zer- 
setzungsproduct des Assamars unter Ausscheidung von 
Wasser und Ameisensäure entstanden. Nach diesen Unter- 
suchungen scheint es Völckel leicht, eine einfache Erklä- 
rung über sämmtliche Erscheinungen bei der trockenen 
Destillation des Zuckers zu geben. 

Die Körper, die sich hier bilden, sind ihrer Zusam- 
mensetzung nach sehr einfach. Sie haben, mit Ausnahme 
der wahrscheinlich durch eine secundäre Zersetzung ent- 
standenen flüchtigen Flüssigkeiten, wie das Aceton, die Zer- 
setzungsproducte desselben, die flüchtigenOele, die bei 1600C. 
überdestlliren, noch die Zusammensetzung des Zuckers. 
Sie enthalten nämlich Wasserstoff und Sauerstoff zu glei- 
chen Aequivalenten. Die wichtigsten Körper, welche bei 
der Destillation des Zuckers entstehen, sind ausser dem 
Wasser und der zurückbleibenden Kohle, die Furfuröle: 
Cı5sH5O°, Essigsäure: C'H'O', so wie die gepaarte 
Essigsäure, deren abgeschiedener Paarling als Assamar: 
C2°H::O!', vielleicht C2°H!°0!°+HO erhalten wird. 
Die Hauptzersetzung, welche der Zucker erleidet, beruht 
demnach auf einer Ausscheidung von Wasser und Bildung 
von flüchtigen Körpern, die man als Kohlehydrate betrach- 
ten kann. 


Das narkotische Princip des gemeinen Bovists. 293 


Der Zucker geht also zuerst bei der Erhitzung über 
seinen Schmelzpunct bei einer Temperatur von 210 bis 
2200C. unter Abgabe von 2 Aeq. Wasser in Caramel: 
C!2H°O? über. Wird die Temperatur im Oelbade gestei- 
gert auf 2500 C., so destillirt unter starkem Aufblähen, 
das von dem Entweichen des Wasserdampfs aus dem 
dickflüssigen geschmolzenen Caramel herrührt, schwach- 
saures Wasser über mit etwas Furfurol. Es entweicht 
kein permanentes Gas. Der Rückstand des Zuckers, der 
einer Temperatur von 2500 C. ausgesetzt war, ist noch 
grösstentheils mit dunkler Farbe löslich. Der in Wasser 
unlösliche Theil hat eine schwarze Farbe, ist aufgebläht, 
in Weingeist unlöslich und nur in geringer Menge löslich 
in. Kalilauge. Diesen schwarze Körper nennt Völckel 
Caramelan. Bei Steigerung der Temperatur von 250 auf 
3000 €. ist die Umwandelung des Caramels in Caramelan 
vollständiger. Es beginnt zugleich die Zersetzung des 
Caramelans und die Bildung von Furfurol, Essigsäure, 
gepaarter Essigsäure, nebst Wasser. Es tritt also aus dem 
Caramelan Wasserstoff und Sauerstoff, theils als Wasser, 
theils in Verbindung mit Kohlenstoff als Furfurol, Essig- 
säure, nebst dem Paarling aus. Dadurch geht das Cara- 
melan in einen kohlenstoffreicheren Körper über. Der 
Zuckertheer ist eigentlich nur Furfurol. das wegen auf- 
gelöster Zersetzungsproducte des Furfurols dunkel gefärbt 
und dickflüssıg ist. (Annal der Chem. u Pharm. 85. 1) B. 


Ueber das narkotische Prineip des gemeinen Bovists, 


Das narkotische Princip des gemeinen Bovists zeich- 
net sich nach: Richardson. durch folgendes Verhalten 
vornehmlich aus: 

N) Es verdampft frei während‘ der Verbrennung des 
Schwammes, und da es sich im Rauche findet, so ıst es 
sehr flüchtig. 

2) Die Verbrennung im Sauerstoffgase zerstört das 
narkotische Princip nicht. 

3) Es wird weder durch Wasser, noch durch Alko- 
hol, noch durch eine starke alkalische Lösung absorbirt 
oder. zerstört. (Assoc. med. journ. — Journ. de Pharm. 
d’Anvers. Aoüt 1853.) A. ©. 


” 


294 Wasser- und Fettgehalt des Gehirns. 


Bereitung des Glycerins. 


Das Glycerin wird gewöhnlich im grossen Maassstabe 
durch directe Verseifung von Oel mit Bleioxyd erhalten. 
Diese Methode ist indess zu umständlich und zu kostspie- 
lig. Das auf andere Weise bisher bereitete ist meistens 
nicht rein und aus diesem Grunde weder in der Medicin, 
noch in der Parfümerie anwendbar. 


Nach einer neuen Methode von Campbell Morfit 
erspart man Zeit, Arbeit und Kosten und erhält ein durch- 
aus reines Präparat. 

Man schmilzt 100 Pfd. Oel, Talg, Schmalz oder Stearin 
im Dampfbade und setzt dann eine aus 15 Pfd. Kalk und 
44 Gallonen Wasser bereitete Kalkmilch hinzu, bedeckt 
hierauf das Gefäss und hält es so lange im Dampfbade, 
bis die Verseifung vollständig erfolgt ist. Die Fettsäuren 
verbinden sich mit dem Kalk zu unlöslichen Kalkseifen, 
während das Glycerin mit dem Kalküberschuss im Was- 
ser gelöst bleibt. Man lässt abkühlen und absetzen und 
giesst dann durch ein Tuch. Die durchgelaufene Flüssig- 
keit enthält nur das Glycerin und den überschüssigen 
Kalk. Sie wird sorgfaltig im Dampfbade concentrirt, wo- 
bei sich ein Theil des Kalks abscheidet. Der Rest wird 
durch Einleiten von Kohlensäure entfernt. Die vom koh- 
lensauren Kalk befreiete Flüssigkeit wird dann nur noch 
bis zur gehörigen Consistenz eingeengt. (Amer. Journ. of 
Pharm. — Pharm. Journ. and Transact. Aug. 1853) 4.0. 


Wasser- und Fettgehalt des Gehirns. 


Prof. Schlossberger in Tübingen hat zwei seiner 
Schüler, J. Hauff und R. Walther, veranlasst: 


1) eine Vergleichung des Wasser- und Fettgehalts in 
den anatomisch unterscheidbaren Substanzen, 

2) eine Vergleichung der entsprechenden Gehirntheile 
bei Thieren verschiedener Classen und Ordnungen 
mit Rücksicht auf dieselben Theile beim Menschen, 

3) bei Thieren gleicher Art, aber verschiedenen Alters 

zu unternehmen. 

Die Resultate ihrer Untersuchung haben die Verfasser 

in nachfolgenden Tabellen verzeichnet. 


x 


Wasser- und Fettgehalt des Gehirns. 295 


Unterschied des Wassergehalts der beiden Substanzen 
bei verschiedenen Thieren. 


Wasser in 100 Theilen: 


Erwach- Subst. |Subst., Junge | Subst. |Subst. aseine 
sene medull.| cort. | Thiere. |medull.| cort. ; 
Thiere, We theile. 


81,01) Medull, ob. 


Katze .. 67,14 | 82,83/Katze ....| 71,90 
(1 Jahr alt) 82,67| (x Jahr) 81,00| long. ... 
(Katze) | 72,07 
Bind ...... 82,47|Kalb..... 74,81 | 85,45| Corp. stria- 
(2 Jahre) 79,50\(3 Wochen)| 74,63 | 86,33| tum (Kalb)| 81,26 
"Hund .... 81,03/Kalb.....| 76,28 | 84,62) Nerv.olfac- 
{3 Jahre) 82,35] (14 Tage) 83,70) torius... | 80,07 
(Hund) 
Schaf .;..: 82,96 
(3 Jahre) 82,80 
Kaninchen 80,00 Nerv. obl. | 71,06 
(1 Jahr) (Kaninch.) 
Kaninchen 81,04 Nerv. olfac- 
(1 Jahr) torius...| 79,16 
Hlderas (Kaninch.) 
Exemplar.. 80,06 


Unterschied des Wassergehalts in verschiedenen Theilen 
von zwei menschlichen Gehirnen: 


Gehirn Gehirn Gehirn Gehirn 
E II. IE U. 
Corpus callosum... 70,61 70,81 |Corpus striatum.... 79,84 
70,34 69,66 80,36 
70,68 Arbor vitae ....... 81,36 79,94 
70,50 80,24 
69,64 80,96 
Subst. cortic....... 86,33 85,00 81,23 
85,76 84,84 |Pons varol......... 75,54 72,09 
85,26 73,49 70,00 
86,64 Medulla oblong..... 69,74 72,78 
85,90 69,17 71,00 
Thalam. optic...... 76,32 75,34 


78,26 79,28 


Es ergiebt sich hieraus, dass die weisse Substanz 
ganz bedeutend wasserärmer ist, als die graue. 


296 Wasser- und Fettgehalt des Gehirns. 


Fett in 100 Theilen: ° 


N Verschie- 
TWACH- | Subst. |Subst.| Junge Subst. |Subst. dene 
ans medull.| cort.| Thiere, /{medull.| cort.| Gehirn- 
Thiere, . 
theile, 
Katze ....| 20,78 | 6,25 |Katze ....| 17,35 | 6,32 | Medull. obl.| 45,83 
(Jahr) | 21,07 | 5,99 | (dahr)| — | 6,30 | (Katze) |46,51 
Rind..... 17,23 | 6,18 |Kalb...... 14,43 | 4,84 |Corp.striat.| 8,02 
(2 Jahre)| 20,00 | 7,33 |(3 Wochen)| 15,01 | 4,55 | (Kalb) 
Hund ....| 20,62 | 6,27 |Kalb...... 14,04 | 5,71 | Nerv. olf...| 10,354 
(3 Jahre) 17,15 | 7,14 | (14 Tage)| 15,14 | 5,57 (Hund) 
Schaf... 18,24 | 6,52 
@ Jahre)| 17,97 | 9,41 
Kaninchen | 20,38 | 7,03 | _ Medull. obl.| 18,23 
= 7,25 (Kaninch.) 
Kaninchen | 19,85 | 7,03 Nerv. olf. | 5,87 
(1 Jahr) | (Kaninch,) 


| 


Fett im Gehirn erwachsener Menschen: 


Hirn Hirn Hirn Hirn 
I. II. I. IL. 
Corpus callosum... 15,41 11,90 |Corpus striatum.... 8,69 
15,37 14,30 7,173 
15,32 Arbor vitae ....... 6,06 5,96 
14,94 6,88 
16,98 6,35 
Subst. cortie....... 4,84 4396 5,84 
4,98 4,76 |Pons varoli........ 11,74 13,88 
5,08 13,65 14,96 
4,84 Medulla oblongata .. 15,21 15,12 
5,75 12,86 15,50 
Thalam. optic. .... 10,31 11,26 
10,57 9,30 


Vergleichung des Wasser- und Fettgehalts bei Thieren 
verschiedener Classen und Ordnungen. 
Erwachsene Säugetbiere. 


Wasser Fett 
De | nd a 
Subst. Subst, Subst, Subst. 
med, cort. med. cort, 
Bande. Mar 70,97 82,47 17.23 6,18 
67,58 79,50 20,00 7,33 
Schäfa. ee, 68,53 82,96 17,97 6,41 


69,67 82,80 18,24 6,52 


Wasser- und Fettgehalt des Gehirns. 297 
Wasser Fett 
Subst. Subst. Subst. Subst. 
med. cort. med. cort. 
Hund..:.... 67,28 81,03 20,62 6,27 
66,60 82,35 17,15 7,14 
Haze ':..... 67,14 82,83 21,07 5,99 
Pr 82,67 20,78 6,35 
Kaninchen... 67,37 81,04 19,85 7,25 
66,24 80,00 20,38 7,03 
Graue und weisse Substanz, nicht isolirbar. 
Wasser Fett 
Maus..... 20 (ehe! 7,47 
79,31 7,92 
77,34 8,65 
76,00 8,86 
Junge Säugethiere., 
Wasser Fett 
u — —— 
Malae 3. tree 71,90 81,0 17,38 6,32 
— 81,00 — 6,30 
Kalb (3Wochen) 74,81 85,45 14,43 4,84 
74,63 86,33 15,01 +4,55 
Kalb (2 Wochen) 76,28 83,70 13,04 | 
72,87 84,62 15,14 5,97 
Erwachsene Vögel, Amphibien, Fische. 
Wasser Feit 
Rabe (! Jahr)... 80,40 5,54 Thal. optic... 79,58 Wasser 
80,09 6.12 8,19 Fett 
Taube (2 Jahre).. 80,98 6,14 Thal. optic... 76,15 Wasser 
80,18 9,97 9,34 Fett 
Taube (1 Jahr) .. 81,83 5,27 Cerebellum.. 70,70 Wasser 
82,18 5,08 5,94 Fett 
Rana tempor. ... 80,00 7,27 
84,05 7,24 
86,44 50,8 
Junge Vögel. 
Wasser Fett 
Fringilla coelebs ... 81,86 6,59 
82,79 5,91 
Z chloris.... 86,52 4,00 
86,63 4,21 
85,78 4,21 
(Annal. der Chem. u. Pharm. 85. 1.) B. 


298 Gehirnbestandtheile. 


Ueber einige Gehirnbestandth 


eile. 


Fettgehalt des menschlichen Gehirns 


nach E. v. Bibra. 


Im Mittel von 9 Untersuchungen, bei Individuen von 
19 bis 38 Jahren, hatte das meiste Fett in absteigender 


Reihenfolge: 
1. Medulla oblongata mit.... 17,14 Proc. 
2. Hemisphären Z 16,00 u 
3. Cerebellum „ 15,93 u 
4, Crura cerebri „ 14,94 u 
5. Corpora striata Z 12,34 
6. Thalami nerv. optic. » 12,80 


ennonswur 


Wurde der Fettgehalt der angegebenen einzelnen Par- 
thien des Gehirns je für ein Individuum zusammengenom- 
men, so ergab sich für eine andere Reihe Folgendes: 


Mann "„ 272 »  durchdasSchwert gerichtet 13,89 


. Mann „ 33 „ Säufer, Phthisis p. tuberc. 15,30 


Weib ”..35,$tr  Phibisis patch. (ua! 14,77 nm 
a N HEINE, 


Für diese 9 Fälle ist das Mittel 14,43 Procent Fett- 
gehalt für menschliches Gehirn in den Altersstufen zwi- 
schen 19 und 38 Jahren. 
Für ältere Leute und Greise von 59 bis 86 Jahren 
ergab sich folgender Fettgehalt der einzelnen Parthien: 


Mann „ 38 »  Caries tuberculosa..... 


1) Medulla oblongata..... 17,45 Proc. 
2) Hemisphären ......... 13,98 
3) Crura cerebri......... 13,80 
4) Cerebellum........... 12,41 
5) Corpora striata......- 172 


Der Gesammtfettgehalt erwies sich als folgender: 


Mann von 59 Jahren, Morbus Brightii .. 


Ds en, Marasmus senilis.... 12,44 
„ „ 79 „ Altersschwäche..... 15,32 
" „ 80 " EEE: 13,41 
m " 86 [Z N TE 12,42 


Fettgehalt des Gehirns der Säugethiere. 


. 43,01. Proc. 


„ 


Beim Hunde im Mittel von zwei Untersuchungen: 


1. Thalami nervorum opticorum ... 24,05 Proc. 


2. Medulla oblongata ............ 20,58 


Melizura Gerebii ... 0... -Medaee 13,1 


. Mädchen von 19 Jahren Typhus...............- 11,38 Proc. Fett 
Mann m9. um Herzfehlere.. 9.00... KR Eee 7 
Mann „ 20.» Phthisis pulm. tuberculosa 16,40 „ u 
Mann N desgl, 1 LE Dr 

. Mann „as u desgl. 16,16 „ m 


Gehirnbestandtheile. 299 


4. Cerebellum et pons Varoli..... 15,08 Proc. 
5. Corpora striata .....eu.o.. en AO 
Gr Hemmspharen .....2.osnseoe nee 11,60  ” 


Bei einem dritten: 


1. Medulla oblangata.... 18,10 Proc. 
2. Corpora striata....... 13,28 7, 
3. Hemisphären......... 19,19% 167 
4. Cerebellum ...... ST IELIN en 
5. Crura cerebri....... 12118 
6. Thalami nerv. optic... 11,44 


Der Gesammtgehalt an Fett ergab: I. 16,60; II. 47,24; 
II. 15,54. 


Beim Fuchse: 


1. Medulla oblongata ... 20,00 Proc. 
2. Crura .cerebri ....... 16,24  ” 
3. Corpora striata...... 12,67...” 
4. 'Gerebellum .....2.... 11573, ‚u 
5. Hemisphären........ 9,238" 
6. Thalami nerv. opt.... 8,72 » 


Der Gesammtgehalt an Fett: 13,0% Procent. 


Bei zwei Katzen, als Mittel vollkommen übereinstim- 
mender Versuche: 


£ bei einer dritten: 
1. Medulla oblongata.... 19,11 Proc. 17,20 Proc. 


2. Gerebellum 2. ...#. .. 11,95. # 9,834 ” 
3. Hemisphären......... 11,95 ” 56 
4. Crura cerehri....... 10,25” 9,70 


Der Gesammtfettgehalt war: I. 43,30; IL. 47,65; 
II, 40,57. Im Mittel 13,8%. 


Dickhäuter. 
Pferd. Zwei Thiere. 


1. Medulla oblongata ... 23,32 Proc. 
2. Grurascerehri......... 18.51 Ew 
3. Hemisphären ........ 17,37 
4. Cerebellum.......... 17,07 
5. Thalami. ..... 4... 16,42 
6. Corpora striata ...... 15,22 » 
Gesammmtfettgehalt im Mittel: 16,47. 
Schwein: 
1. Medulla oblongata.... 20,59 Proc. 
2. Crura cerebri ....... 18,50 „ 
3. Thalami nerv. opt. .... 17,56 
4. Corpora striata...... 14,20 
5. Cerebellum.......... 11,87 
6. Hemisphären ..... u 11568 


Gesammtgehalt: 15,73. 


300 Gehirnbestandtheile. 


Wiederkäuer. 


Schaf. 
1. Medulla oblongata ... 18,13 Proc. 
9.-Grurascerebri. . ea 16,42 
3. Thalami nerv. opt.... 14,85 „ 
4. Cerebellum..... ER SHE) MT 
5. Corpora striata ...... N 
6. Hemisphären......... 943" 


Gesammtgehalt im Mittel: 14,09. 


Kalb. Mittel von zweı Versuchen. 


1. Medulla oblongata ... 18,95 Proc. 
2. Thalami nerv. opt.... 17,44 


3. Corpora striata ...... 15,25  " 
4, Crura cerebri........ 15,24 ” 
5. Cerebellum ......... 12,88 
6. Hemisphären ........ 11,55 


Gesammitgehalt als Mittel: 13,84. 


Reh. Mittel von zwei Versuchen. 


1. Medulla oblongata ... 16,77 Proc. 
2. Crura cerebri....... 11,06 
3. Cerebellum .....-... 11,08 
4. Hemisphären ........ 10,13 
5. Thalami nerv. opt.... 941 
6. Corpora striata ...... 7,27” 


Gesammitgehalt im Mittel: 40,95. 


Gemse. 
1. Medulla oblongata.... 17,29 ne 
2. Cerebelläa..22. 04.) 11,25 
3. Thalami nerv. opt. ... 10,50 » 
4. Crura cerebri........ 9,92 u 
5 Hemispbären ........ 9,84 » 
6. Corpora striata...... 8,82 


Gesammtgehalt: 11,27. 


Nager 
Hausratte\. &12 8 un erh pAR BRUT ER 9,90 Proc. 
Keldhasea. una 2.0 Re 10,81 
Kaninchen, erwachsen, doch jung... 9,34 
" von kaum halber Grösse 8,37 


Das gesammte Hirnfett besteht aus Cerebrinsäure, aus 
Cholesterin und noch verschiedenen andern Fetten, etwa 
20 bis 21 Cerebrinsäure, 30 bis 33 Cholesterin und Rest 
anderer Fette. 


Gehirnbestandiheile. 301 


Wassergehalt des menschlichen Gehirns. 
Bei Mädchen von 19 Jahren 76,68 Proc. 


» Mann "20 74,53 " 
" n „ 23 " 7 3 25 ” 
7 „ "” 37 v 74,90 „ 
7 " " 33 [7 74 ‚si “a 


" Weib ua 30m 75,79 » 
Als Mittel: 75,54 Proc. 


Wassergehalt des Gehirns der Thiere. 


Proc. Proc. Proc. 
Hund..... 74,28 Fuchs.... 74,84 Katze .... 75,95 
Pferd)... 73,72 Schwein.. 74,77 Kalb 5 r. 77,14 
Schaf... 77,60 Beh..e;. 79,27 Gemse .... 78,63 
Raite.... 74,25 Hase... 74,59 Kaninchen. 78,42 
Nussheher 77,40 Balken... 707209 Euler... 79,27 
Feldhuhn.. 77,91 Taube.... 81,59 Baus... 79,63 


Verhalten der grauen und weissen Substanz. 
Bei einem Manne von 30 Jahren. 
Graue Substanz Weisse Substanz Weisse Substanz 


derHemisphären derCorp. call. der Medulla obl, 
I 6,43 20,43 14,67 
Wasser.r....... 83,97 69,19 72,53 
Unlösliches..... 10,00 10,38 a Ste) 
Mann von 59 Jahren. 
Bet nr.20.6..2 5,46 20,39 21,18 
Wasser........: 88,22 25 63,54 
Unlösliches..... 6,32 7,16 15,28 
Menschlicher Fötus von 10 Wochen. 
Ben: 0... 1,26 Cerebrinsäure schien vorhanden, 
Wasser... .:. 85,10 dagegen kein Cholesterin. 
Uniösliches ..... 13,64 
Zwei Tage altes Pferd. 
Medull. obl.  Cerebeil. Crura cereb. Hemisphären. 
Be 22.0: 13,70 8,58 8,96 8,96 
Wasser... .. 73,67 88,99 80,28 76,44 
Unlösliches... 18,36 2,46 10,76 14,60 
Corp. striat. Thal.nerv. opt. Corp. call. 
Beil na. . 8,96 _ 10,05 
Wasserren... 80,73 89,22 79,50 
Unlösliches..... 10,31 _ 10,45 


Die ganze Menge des Fettes berechnet sich hiernach 
auf 9,86, jene des Wassers auf 81,26 Procent. 
Phosphorgehalt des Gehirns. 


Der Phosphorgehalt der Gehirnfette wurde dadurch 
bestimmt, dass die Fettgemenge nach dem Wägen mit 


302 Gehirnbestandtheile. 


einer Mengung von vollständig reinem kohlensaurem Natron 
und Salpeter sehr innig vermischt und in einem grösseren 
Platintiegel verbrannt wurde. Die Verbrennung geschah sehr 
rasch, ohne Verlust und ohne Kohle zu hinterlassen. Der 
Verf. schloss, dass durch die Verbrennung eine Oxydations- 
stufe des Phosphors gebildet werde, welche vom Natron 
im Zustande des Entstehens aufgenommen und gebunden 
werde und hat hierauf durch Behandlung mit Wasser, 
überschüssiger Salzsäure, Ammoniakzusatz und schwefel- 
saurer Talkerde die Phosphorsäure gefällt und sehr über- 
einstimmende Resultate erhalten. Es ist dabei nöthig, schon 
vor dem Wägen das Fett für sich höchst sorgfältig zu 
mengen, indem die verschiedenen Fette verschiedenen 
Phosphorgehalt haben. Es scheint also der Phosphor, 
befinde er sich in welcher Verbindung er wolle im Fette, 
vollständig durch das angegebene Verfahren erhalten zu 
werden. 


Wurden aber gewogene Mengen des Schrötter’schen 
sogenannten amorphen Phosphors mit einem vollständig 
phosphorfreien Fette auch noch so innig gemengt und 
nachher wie oben untersucht, so wurde nie die angewen- 
dete Zahl und überhaupt sehr verschiedene Resultate er- 
halten. Der Verf. schliesst, dass der Phosphor nicht in 
un Modification des reinen Zustandes vorhanden sein 

ürite. 


Wenn mit rauchender Salpetersäure mit oder ohne 
Zusatz von chlorsaurem Kali irgend ein phosphorhaltiges 
Gehirnfett längere Zeit gekocht wurde, so ward stets eine 
geringere Menge Phosphor erhalten, als nach dem vom 
Verf. angewandten Verfahren. Es wurden auch verschie- 
dene Male phosphorhaltige Gehirnfeitte mit verdünnter 
Salzsäure anhaltend gekocht und hierauf mittelst eines 
Talkerdesalzes der Phosphorsäuregehalt der abfiltrirten 
Flüssigkeit zu bestimmen gesucht. Allein es wurden so 
entweder unendlich kleine Mengen von Phosphorsäure, 
oder unwägbare Spuren erhalten, woraus sich ergiebt, 
dass der Phosphor nicht in irgend einer in Salzsäure lös- 
lichen Verbindung im Gehirnfette sich befindet, und ebenso 
A als demselben etwa anhängendes phosphorsaures 
Salz. 


An Phosphor wurde gefunden : 


Phosphor : 

Bei 1 Mädchen von 19 Jahren, Typhus........ im Gehirnfett 2,53 Pre. 
„ 4 Mann ". 59...” ..Morb. Bright..... " 1,68 
Pr Le + „ .65 „ Marasm. sen..... „ Ri m 


Aria Wh „ 80 „ Altersschwäche,. ” „ 1,93 


Bestandtheile des Froschfleisches. 303 


Graue Subst.: 
Bei 1 Mann von 30 Jahren, Phthisis pulm. tub. im Gehirnfett 1,88 Pre. 
; Weisse Subst.: 
nal 8 „ 30 n ” Z [7 ” 1,54 Pre. 
Bei 1 Hunde............ im Gehirnfett 1,74 Proc. Phosphor - 
ns Matze; s.'or= el!) ar „ " 1,67 " m 
NE H " 2 „ 2 
„4 » von 2 Tagen » " 1,93 u Z 
DAR GEMSE......=2.....7 48 „ " 340 u „ 
erehenE 1. Sa ER " n 299 u „ 
mr Schafe „ZUR. n ” 2,07 ” ” 
” 1 Kalbe RE SEES ” 7} 1,82 7 7 
sl Haseninagi.sutstzil, " n 2,35 ” 
71 Kaninchen Er een. „ „ 207. m „ 
Be " junges Th. » 2 1,27 „ „ 
BE [2 7 1,53 " " 
721. Nussheher...... ..... 7 n 2,60 " „ 
+ Auinle UL.  BUARSR; " " 1,90 7 ’ 
„1 Taube RE AESEE FE I RU ER ” ” 1,99 „ ” 
Gans - ae 7 „ 2,17 7 " 
( Annal. der Chem. u. Pharm. 85. 2.) B. 


Bestandtheile des Froschfleisches. 


Prof. Moleschott in Heidelberg hat einige Mitthei- 
Jungen gemacht über die Bestandtheile des Froschfleisch- 
Extracts. Er fand darin auch Harnsıoff und Oxalsäure. 
Von Liebig veranlasst, unternahm Groh& neue Unter- 
suchungen über das Froschfleisch. . Diese wurden so an- 
gestellt, dass die Fleischmassen im Porcellanmörser zer- 
drückt, im Becherglase mit lauem Wasser übergossen, 
mittelst Glasstabes heftig gequirlt und im Presstuche aus- 
gepresst wurden. Die trübe Pressflüssigkeit von wenig 
röthlicher Farbe röthete Lackmus schwach, ward im 
Wasserbade bei 50—60°% erwärmt, zeigte sehr lebhafte 
Bewegung und bei 65—700 Ausscheidung weissen Gerinn- 
sels in grossen Flocken. Beim Abdampfen des Filtrats 
nach zuvorigem Versetzen mit Barytwasser zur Entfernung 
der phosphorsauren Salze, im Wasserbade, schieden sich 
bei jedem Grade weiterer Concentration Flocken ab von 
organischen Stoffen, welche ungeachtet aller Vorsicht sich 
gelblich oder bräunlich färbten. Die eingedampften Mas- 
sen wurden im Wasserbade mit Alkohol ausgezogen, der 
sie grösstentheils löste. In dem Falle, dass man unter- 
lässt, den wässerigen Auszug vor dem Eindampfen mit 
Barytwasser zu versetzen, bleiben in dem in Alkohol un- 
löslichen Theile die phosphorsauren Salze grösstentheils 
zurück, welche dann nach einigen Tagen herauskrystal- 


304 Bestandtheile des Froschfleisches. 


lisiren. Das alkoholische Filtrat enthält alle übrigen kry- 
stallisirbaren Bestandtheile mit amorpher organischer Masse. 
Aus der zur Syrupsconsistenz abgedampften Lösung schei- 
den sich nach wenig Tagen dediei: Krystalle von Krea- 
tin aus. Einige Tropfen der Mutterlauge gaben mit con: 
centrirter Chlorzinklösung auf einem Uhrglase mit einem 
Glasstabe gerieben, eine Menge weisser krystallinischer 
Substanz, d. bh. eine Doppelverbindung von Chlorzink- 
Kreatinin. Nebenbei finden sich noch Krystalle von 
Chlorkalium und Kochsalz und ganz kleine Nadeln, welche 
für inosinsaures Natron gehalten wurden. Ein Zusatz von 
concentrirter Salpetersäure zu der Mutterlauge zeigte unter 
dem Mikroskope lange Prismen und rhombische Tafeln, 
die schwache Aehnlichkeit von Harnstoffkrystallen zeigen, 
aber doch wesentlich verschieden von jenen Krystall- 
formen sind, welche durch dieselbe Säure aus harn- 
stoffhaltigen Lösungen hervorgebracht werden. Die Kry- 
stalle, welche sich in der alkoholischen Lösung des 
Fleischextracts absetzten, Kreatinkrystalle, wurden sorg- 
fältig mit kaltem Alkohol gewaschen, in Wasser gelöst, 
mit etwas Thierkohle im Wasserbade digerirt. Bei dem 
Verdunsten des Filtrats schieden sich helle durchsichtige 
monoklinometrische Prismen reinen Kreatins ab zugleich 
mit Kreatinin. Von Kleesäurekrystallen kann nicht mehr 
die Rede sein, eben so wenig von kleesaurem Harnstoff. 


Der Nachweis der Milchsäure geschah nach Liebig's 
Methode. Der Syrup, aus welchem sich Kreatin und 
Kreatinin abgesetzt hatte, wurde in Alkohol aufgenommen 
und mit SO® versetzt. Zu der vom Niederschlage abfil- 
trirten Flüssigkeit fügte man so lange Aether, als noch 
ein Niederschlag entstand, wodurch alle fremden Salze 
entfernt werden und eine fast reine Auflösung von Milch- 
säure und Aether erhalten wird. Nach Abdestilliren des 
Aethers wurde der saure Rückstand mit Kalkmilch dige- 
rirt und das Filtrat .der Selbstverdunstung überlassen. 
Hierbei schieden sich Körner milchsauren Kalks ab. So- 
nach enthält das Froschfleisch-Extract weder Harnstoff, 
noch ÖOxalsäure;, was Moleschott dafür gehalten, ist 
Kreatin, Kreatinin und salpetersaures Kali. In dem Frosch- 
fleisch-Extracte finden sich dieselben organischen wie an- 
organischen Bestandtheile, wie in den bisher untersuchten 
Fleischsorten. (Annal. der Chem. u. Pharm. 85.2.) B. 


—— er  — 


Miscellen. 305 


Eschenbaum - Blätter --Syrup. 


Die antarthritischen und antirheumatischen Eigenschaften, welche 
man in den Blättern der Esche erkannt zu haben glaubt, veranlassen 
uns, die Formel des Syrups zu veröffentlichen, der dem Dr. Mou- 
chon in einem Falle von cuteanischem Hüftschmerze, der chronisch 
und rebellisch war, auffallende Hülfe geleistet hat: 

Gepulverte Eschenbaum-Blätter... 125 Grm. 
Kochendes Quellwasser.......... 1000 
Fackersyrup... ed sg 1000 » 

Man bringt erst auf etwa 4 Stunden das Eschenpulver und das 
doppelte Gewicht kochenden Wassers, das man ungefähr in demselben 
Temperaturgrade in einem verschlossenen Gefässe hält, mit einander in 
Berührung; dann nimmt man seine Zuflucht zu einem passenden Depla- 
cirungsapparate und dem übrig gebliebenen Wasser, das stets in dem 
Kochgrade gehalten werden muss, um dasPulver vollständig zu erschöpfen. 
Hierauf concentrirt man das Infusum (l’hydrol&e) mit dem Syrup, um 
das Ganze aul ein Gewicht von 1000 Grm. zurückzuführen. 

Der aus diesem Verfahren hervorgehende Syrup ist stark gefärbt; 
er hat das Ansehen des componirten Sarsaparillen-Syrups, er besitzt 
aber nichts, was den Geschmacksorganen missfallen könnte. Er ent- 
hält genau auf 32 Grm. alle auflöslichen oder wirksamen Stoffe von 
4 Grm. Blätter, was die von den Herren Pouget und Peyrand 
vorgeschriebene Dosis auf 2 Tassen kochenden Wassers ist. 

Das kochende Wasser erschöpft viel mehr das Eschenblätterpulver, 
als das kalte Wasser, wie ich mich davon bei zwei vergleichenden 
Versuchen habe überzeugen können. Das hat seinen Grund in dem 
gedrängten Gewebe dieser Blätter, was übrigens bei allen Pflanzen 
der Fall sein wird, deren Vegetalfiber dieselbe Dichtigkeit darbietet. 

Da die Blätter des Eschenbaumes nichts in ihrer Natur haben, 
was einen verdriesslichen Einfluss auf unsere Organe ausüben könnte, 
und da die abführende Wirkung, welche sie in grossen Dosen äussern, 
gar keine Furcht zu motiviren vermögen, so kann die Dosis die- 
ses Syrups dreist bis zu 4 Suppenlöffel voll in 24 Stunden gebracht 
werden und zwischen diesem Maximum und dem Minimum von 2 Löf- 
feln voll, die man mit eben so viel Tassen kochenden Wassers ver- 
mischt, variiren. (Ab. med. 26. 53.) Dr. Aug. Droste. 


Ueber Spiritus ferri chlorati aethereus. 


Die nach den bisherigen Vorschriften bereitetete Tinet. nervina 
enthält Chlorür und Chlorid in einem unsichern Verhältnisse, und eben 
dadurch muss von verschiedener Intensität die Farbe je nach dem 
Alter und der Einwirkung des directen und zerstreuten Lichtes sein. 
Sämmtliche Synonyme deuten aber darauf hin, dass dieTinctur ledig- 
lich nur Chlorür enthalten soll. 

Bei der verschiedenen arzneilichen Wirkung des Eisenchlorürs 
und Chlorids muss es daher wünschenswerth erscheinen, ein Präparat 
zu besitzen, welches constant dieses oder jenes enthält. 

E. Mayer hält es daher für besser, den Spir. ferri chlorati 
welher. aus Eisenchlorür zu bereiten. Er giebt folgende Vorschrift, 
welche auch der Vorschrift der bayerischen Pharmakopöe entspricht: 
302 Gr. eingetrocknetes Eisenchlorür, 20 Drachm. Aether, 40 Drachm. 


Arch.d. Pharm. CXXVII. Bds. 3, Hft. 21 


306 Miscellen. 


Weingeist. Oder zur Bereitung des Liquors ex tempore: 40 Gr. Eisen- 
chlorür, 160 Gr. Aether, 320 Gr. Weingeist. 2681 ist nämlich die 
Zahl des Eisenchlorids mit 6 At. Wasser, von dem das Ol. Martis 
2 seines Gewichtes enthält. Diesem entspricht ein Doppelatom ein- 
getrocknetes Eisenchlorür mit 2 At, Wasser: 2037. Es kommen also 
für» 400 Gr. krystallisirtes Eisenchlorid (600 Gr. Eisenchloridliquor) 
302 Gr. eingetrocknetes Eisenchlorür in Rechnung, was den ange- 
gebenen Proportionen entspricht. (Wiitsteins Vierteljahrschr. 2. Bd. 


4. Heft. 1853.) B. 


Werthbestimmung des rothen Cyaneisenkaliums. 


Wenn sich das rothe Cyaneisenkalium im Handel stets in grossen 
Krystallen fände, so würde die Werthbestimmung überflüssig sein. Da 
es sich aber häufig als Pulver findet, gemengt mit Chlorkalium und 
ge!bem Cyaneisenkalium, so ist es wohl von Wichtigkeit, ein leichtes 
Mittel an der Hand zu haben, um seinen wirklichen Werth zu be- 
stimmen. 

Zu diesem Endzwecke kann man nach Francis Lieshing die 
Titrirmethode anwenden, und zwar mittelst einer Lösung des ersten 
Schwefelkaliums. Da dieses Reagens aber nicht stabil genug ist, um 
längere Zeit ohne Veränderung aufbewahrt werden zu können, so 
musste es wünschenswerth erscheinen, ihm ein anderes zu substituiren, 
was jene Eigenschaft in einem höheren Grade besässe. — Ein solches 
ist das Schwefelarsennatrium (3NaS, AsS°’ + 15H0). Dasselbe wird 
durch das rothe Cyaneisenkalium leicht zersetzt, wie durch Säure und 
durch Chlor. Durch die Wirkung der Säuren wird das Schwefelarsenik 
sogleich gefällt, unter Entweichen von Schwefelwasserstolf, — Eine 
neutrale Lösung von rothem Cyaneisenkalium wird durch Zusatz einer 
kleinen Menge Schwefelarsennatriums anfangs nur opalisirend. Bei 
weiterem Zusatz wird sie sauer; dann tritt der oben erwähnte Fall 
ein: gelbes Schwefelarsenik wird präcipitirt und Schwefelwasserstoff 
entweicht. — Macht man eine der beiden Lösungen durch Zusatz von 
kohlensaurem Natron alkalisch, so wird auch das Schwefelarsenik 
zersetzt. Die Flüssigkeit wird milchig durch die Abscheidung des 
Schwefels und hat zuletzt die reinste weisse Farbe. Dieser Punct der 
vollständigen Zersetzung kann noch leichter erkannt werden durch 
Zusatz einiger Tropfen eines Cochenilledecocts, welches seine Farbe 
verliert, so lange noch unzersetztes rothes Cyaneisenkalium vorhanden 
ist, und sie wieder gewinnt in demselben Augenblick, wo Alles zer- 
setzt ist, 

Die Bestimmung selbst nimmt man in folgender Weise vor. Man 
löst einerseits 100 Gr. des zu prüfenden rothen Blutiaugensalzes in 
 Unzen Wasser, andererseits 20 Gr. Schwefelarsennatrium und 40 bis 
50 Gr. reines kohlensaures Natron in einer kleinen Menge Wasser. 
Letztere Lösung giesst man in das Alkalimeter und verdünnt sie mit 
so viel Wasser, dass sie 400 Theilstriche des Instrumentes bedeckt, 
und dass jeder Theilstrich (= 1yg Gr. Schwefelarsennatrium) genau 
0,25 Proc. rothem Blutlaugensalz entspricht. Man giesst dann so viel 
von dieser zweiten Lösung in die erste, bis die Farbenwandlung des 
Cochenilledecocts eintritt, und braucht nur noch die Anzahl der Theil- 
striche ‚abzulesen, um den Gehalt an Ferrideyankalium zu erfahren, 
(Journ. de Pharm. et de Chim. Oct. 1853.) & ©. 


Miscellen. 307 


Reinigung des Rüböls. 

4 Pfd. Eichenlohe werden mit 8 Pfd, Wasser gekocht und dann 
diese Abkochung nebst 24 Pfd. kochenden Wassers zu 100 Pfd. Rüböl 
geschüttet und tüchtig umgerührt. Nach einiger Ruhe setzt sich das 
Oel klar ab und ist sowohl zum Brennen, als auch zur Maschinen- 
schmiere vollkommen gereinigt, (Deutsche Musterztg. 1853. No 6. — 
Polyt. Centrbl. 1853. No.22. p. 1408.) Mr. 


Mittel zur Bewahrung des Mandelöls vor dem Ranzigwerden. 


Nach der Zeitschrift der Pharmacie für Oestreich verhindert man 
das Ranzigwerden des Mandelöls durch Erwärmen im Wasserbade und 
Filtriren nach dem Erkalten. Hierdurch wird das darin enthaltene 
Eiweiss (Emulsin) zum Gerinnen gebracht, und die 3—4 Proc. Wasser, 
welche sich dabei finden, verdunsten. (Polyt. Cenirbl. 1853. No. 22, 
pag. 1408.) Mr. 


Berechnung des in Paris verloren gehenden Düngematerials. 


Brivis berechnet, dass in Paris allein (1000 bis 1200 Grm. täglich 
Urin auf den Einwohner gerechnet) wenigstens 30000 Kilogrn. Harn- 
stoff oder 8934 Kilogrm. Stickstoff täglich verloren gehen, welche bei 
richtiger Verwendung im Stande wären, täglich 223 Hectaren Land, 
jährlich 81522 Hectaren zu düngen. Die Harnsäure und die Ammo- 
niaksalze des Urins sind hierbei noch gar nicht in Rechnung gebracht. 
Berücksichtigt man ferner noch die festen Excremente und den thie- 
rischen Dünger, so kann man sich einen Begriff von der ungeheuren 
Quantität befruchiender Materie machen, weiche nutzlos verloren geht. 
(Journ. de Chim. med. — Jorn. de Pharm. d’Anvers. Aoüt 1853.) 

A. O. 


Unzerstörbare Aufschriften für Säuregläser. 


Schubert empfiehlt hierzu die verdünnte Schwefelsäure, aus 
1 Th. concentrirter Schwefsäure mit 6 Th. Wasser bereitet. Wenn 
man das Papier, welches mit Schwefelsäure geschrieben worden, 
erwärmt, entsteht wie bekannt eine schwarze Schrift, die als unzer- 
störbar angesehen werden muss. (Wiürzb. Wochenschr. 1853. p. 407. 
— Polyt. Centrbl. 1853. No. 21. p. 1344.) Mr, 


Kitt für Porcellan. 


Man benetzt 8 Grm. Hausenblase mit Wasser und lässt sie auf- 
weichen; dann setzt man so viel Alkohol hinzu, um sie zu bedecken, 
und löst sie in gelinder Wärme auf. Diese Lösung wird mit einer 
Auflösung von 4 Grm. Mastix in 8 oder 12 Grm. rectificirtem Weingeist 
gemischt und dann 4 Grm. feingepulvertes und befeuchtetes Ammoniak- 
gummi zugesetzt; hierauf im Wasser bis zur gehörigen Consistenz 
verdampft und in einer Flasche aufbewahrt. Will man den Kitt ge- 
brauchen, so taucht man die Flasche in heisses Wasser und streicht 
ihn dann mittelst eines Holzspans auf das zuvor erwärmte Porcellan, 
und presst die Stücken bis zum vollständigen Erkalten zusammen, 


21" 


308 Miscellen. 


Zu demselben Gebrauch kann man noch eine andere Mischung 
bereiten durch Auflösen der Hausenblase in Eisessig und Eindicken 
der Lösung zu einer Gallerte. Eine vorangehende Erwärmung ist bei 
seiner Anwendung nicht nöthig. (Journ. de Pharmacol. — Journ. de 
Pharm. d’Anvers. Sept. 1853.) A. 0. 


Neue Quelle von Guano. 


Die Kalksteinhöhlen des indischen Archipels sind wahrscheinlich 
eine neue Quelle von Guano. Die darin abgelagerten Excremente von 
Vögeln und anderen Thieren sollen eine unermessliche Ausdehnung 
besitzen. Bisher wurden sie nur als eine Salpeterquelle benutzt. 
Aber nichts lässt daran zweifeln, dass sie die befruchtende Eigenschaft 
des peruanischen Guano in hohem Grade besitzen. (Pharm. Journ. 
and Transact. Sept. 1853.) RD: 


Bereitung von Chromgelb. 


Auf folgende Weise erhält man ein Chromgelb, welches billiger 
ist, als das gewöhnlich im Handel vorkommende, und gleichwohl gut 
deckt. 

Man löst essigsaures Blei in warmem Wasser auf und setzt zu 
dieser Lösung die nöthige Menge Schwefelsäure, um das Bleioxyd in 
Sulfat zu verwandeln. Die von dem abgesetzten Niederschlage klar 
decantirte Flüssigkeit enthält die Essigsäure, und kann zur Bereitung 
von Bleizucker benutzt werden. Das Bleisulfat wird nach gehörigem 
Aussüssen mit einer heissen Lösung von neutralem chromsaurem Kali 
behandelt (25 Th. von letzterem auf 75 Th. von ersterem gerechnet). 
Die Flüssigkeit enthält dann schwefelsaures Kali, welches man zu Nutze 
machen kann, und der Niederschlag besteht aus ebromsaurem und 
schwefelsaurem Bleioxyd. Das so erhaltene Product deckt eben so 
gut, wie das reine Chromgelb und hat eine eben so schöne Farbe. 
(Pharm. Journ. and Transact. Sept. 1853.) A. O0 


Neues Filter von Dublanc. 


Man bedient sich statt des Glastrichters eines doppelten Trichters 
aus verzinntem oder versilbertem Eisen oder Kupferdrahts, in der Art 
angewendet, dass man im äussern Drahttrichter das Faltenfilter, dessen 
Falten denen des ersten entsprechen, gehörig anbringt und dann den 
gleichgefalteten innern Trichter so darüber legt, dass die Falten, welche 
sich nun nicht mehr verrücken können, regelmässig vertheilt sind. 
Dieses Filter soll bei wässerigen Flüssigkeiten und Syrupen in derselben 
Zeit um die Hälfte mehr als die gewöhnlichen Filter liefern. (Dingl. 
polyt. Journ. 128. 44.) B. 


309 


JEl. Literatur und Kritik. 


Gregory-Gerding's organische Chemie oder kurzes Hand- 
buch der organischen Chemie, nach der dritten Auflage 
der »Outlines of organic Chemisiry«. Von Dr. med. 
William Gregory, Professor der Chemie an der 
Universität Edinburgh. Frei bearbeitet mit zahlreichen 
Zusätzen von Dr. Th. Gerding. In drei Lieferungen. 
Mit in den Text eingedruckten Holzschnitten von 
G. Metzger in Braunschweig. Erste Lieferung. 
Braunschweig, €. A. Schwetzke & Sohn. (M. Bruhne.) 
1854. 5S.1—256 und eine Tabelle. (Compl. circa 
3 Thlr.) 


Die organische Chemie, welche so rasche Fortschritte macht und 
hierdurch so sehr auf andere Wissenschaften einen Einfluss ausübt, 
wird jetzt, man möchte sagen vorzugsweise, von den ausgezeichnete- 
sten Männern getrieben, und deshalb dürfen wir uns nicht wundern, 
wenn so häufig Abhandlungen und Schriften in diesem Theile der 
Chemie erscheinen. Ja Dank möchten wir Denen besonders zollen, 
welche es unternehmen, das in Abhandlungen und Journalen Zerstreute 
zu sammeln und wissenschaftlich geordnet uns in einem Ganzen vor- 
legen. Dies ist nun im vorliegenden Handbuche geschehen, und man 
kann dasselbe um so inniger begrüssen, als es in Hinsicht auf Anord- 
ordnung des grossen Materials, so wie in der Ausführung des Ein- 
zelnen, seinem Zwecke möglichst entspricht. 

Dies Handbuch, von dem die erste Abtheilung bereits erschienen 
ist und welches aus drei Abtheilungen bestehen soll, von denen aber 
wohl die letzten stärker werden dürften, als die erste, soll noch im 
Jahre 1854 beendigt werden und nicht über 3 Thlr. kosten. 

In der Einleitung (5S.) wird der Begriff der organischen Chemie 
festgestellt, dann die in den organischen Verbindungen vorkommenden 
Elemente aufgezählt und der Unterschied zwischen den Verbindungen 
der organischen und unorganischen Natur entwickelt. Das Uebrige 
zerfällt nun in den allgemeinen und speciellen Theil: in dieser ersten 
Abtheilung ist der allgemeine Theil (80 5.) und vom speciellen die 
mit I. bezeichnete Reihe der organischen Radicale und zwar bis zum 
Anfang der zweiten Unterabtheilung besprochen. 

Die erste Reihe, die organischen Radicale, zerfällt in zwei Ab- 
theilungen, wovon die erste die nicht unter eine gemeinschaftliche 
Formel zu bringenden, die zweite aber die der Formel CaHr +! 
entsprechenden Radicale enthält, Zur zweiten Reihe oder Familie 
rechnet der Verf. die organischen Säuren; zur dritten die bekannten äthe- 
rischen Oele, zur vierten die Harze, zur fünften die indifferenten, kry- 


310 Literatur. 


stallisirbaren, stickstofffreien Bitterstoffe, zur sechsten die Farbstoffe, 
zur siebenten die organischen Basen und Alkaloide, welche weiter in 
künstliche und natürliche eingetheilt werden; zur achten gehören die 
indifferenten stickstofffreien Verbindungen, zur neunten die durch trockne 
Destillation des Holzes erzeugten Stoffe; zur zehnten die vegetabili- 
schen und animalischea stickstoff- und schwefelhaltigen Verbindungen. 
Im A1ten Abschnitte soll eine Uebersicht der Bildung vegetabilischer 
Verbindungen gegeben und die Beziehung des vegetabilischen Lebens 
zum animalischen uud zum Mineralreiche entwickelt werden, und end- 
lich soll ein genaues Register das Werk schliessen, wodurch dasselbe 
gewiss erst seine vollkommene Brauchbarkeit erhält, weil man sich 
ohne dasselbe schwer in der grossen Menge Material zurecht finden 
würde. 

Aus der hier mitgetheilten Anordnung ersieht man, was der Verf. 
auf S. 85 selbst ausspricht, dass er der von Liebig *) aufgestellten 
Ordnung gefolgt ist, was in doppelter Beziehung nur angenehm sein 
kann, denn es ist "diese Anordnung in Deutschland die bekannteste 
und gewiss auch diejenige, welche die klarste Anschauung bedingt. 
Sowohl seiner Anordnung, als Ausführung wegen ist dies Handbuch 
Lehrenden und Lernenden, Medicinern, Pharmaceuten und Technikern, 
ja Jedem, der sich mit organischer Chemie beschäftigen will, zu em- 
pfehlen, jedoch mit der Voraussetzung, dass Derjenige, welcher es 
benutzen will, mit den Gesetzen der unorganischen Chemie bekannt 
ist, denn zweckmässiger Weise sind diese als bekannt bei der Abfas- 
sung dieses Handbuches angenommen. 

Der allgemeine Theil beginnt daher sofort mit der Constitution 
der organischen Verbindungen und es entwickelt der Verf. zuerst die 
verschiedenen Theorien klar und deutlich, beleuchtet sie kritisch und 
benutzt von jeder, auch im speciellen Theile, was zur klaren An- 
schauung der Vorgänge hinführt. Zuerst wird die Theorie der zusam- 
mengesetzien Radicale entwickelt, hierbei auch der Davy’schen An- 
sicht, dass nämlich selbst die unorganischen Säuren als aus Radicalen 
und Wasser bestehend (SO? + H), also als Wasserstoffsäuren ange- 
sehen werden können, eine ausführliche Betrachtung gewidmet. Der 
Radicaltheorie folgt der Verf., wie schon aus dem Obigen hervorgeht, 
vorzugsweise. Sodann wird die Theorie der chemischen Typen. die 
von den Franzosen vorzugsweise ausgebildete und angenommene Sub- 
stitutions-Theorie, ausführlich besprochen und gezeigt, wie auch durch 
sie nur so mancher Vorgang klarer gemacht wird. Hieran reiht sich 
die Lehre von den Homologen, welche durch eine Tabelle mit 17 Col. 
verdeutlicht wird. Es wird nun noch die Kerntheorie auseinander- 
gesetzt und die Lehre von den Paarlingen, zwar nur kurz, aber eben 
so klar, als alles Vebrige entwickeli. Nun werden die Zersetzungen 
der organischen Verbindungen und die daraus hervorgehenden Meta- 
morphosen besprochen, und zwar in fünf Abschnitten: Im ersten die 
Einwirkung des Sauerstoffes, im zweiten die der Säuren, im dritten 
die der Basen, im vierten die der Wärme bei und ohne Zutritt von 
Sauerstoff und endlich im fünften die Veränderungen, welche orga- 
nische Stoffe durch Fermente erleiden. Unter Ferment wird nicht 


*) Handbuch der Pharmacie zum Gebrauch bei Vorlesungen und 
zum Selbstunterricht für Aerzte, Apotheker u.s.w. von Th. L. 
Geiger. te Auflage, neu bearb. von Dr. J. Liebig. Ar Bd. 
2te Abth. Organische Chemie. 


Literatur. 311 


bloss Hefe, sondern auch andere in Zersetzung begriffene stickstoff- 
haltige Körper, welche die weitere Zersetzung anderer herbeiführen, 
verstanden; deren Wirkung wird S.63 dadurch erklärt, dass die Fer- 
mente durch den stets in Veränderung begriffenen Zustand auch bei 
andern Körpern, mit denen sie in Berührung kommen, das Gleich- 
gewicht der Atome stören und zum Entstehen neuer Verbindungen 
Veranlassung geben. Einen besonderen Abschnitt hätte bei der Zer- 
setzung oder Einwirkung anderer Stoffe auf organische Verbindungen 
auch noch das Chlor verdient, und zwar nicht bloss vom theoretischen 
Standpuncte aus, sondern auch, weil das Chlor im Leben vielfache 
Anwendung findet. Ausführlich wird im ersten Abschnitte auch das 
Verfahren der Elementaranalyse angegeben und durch gute Holzschnitte 
verdeutlicht, Bei den Angaben des bei der Elementaranalyse gebil- 
deten Ammoniaks hätte wohl auch die Auflösung der Weinsäure in 
Weingeist einer Erwähnung verdient, und nicht zweckmässig ist an- 
statt mit »Verwesung« eine Abtheilung mit »Eremacausie« überschrieben. 

Alles dies ist nur kurz besprochen; es wird aber doch Jeder, 
der die nöthigen Vorkenntnisse besitzt, einen klaren Begriff von dem 
Abgehandelten bekommen, und recht zweckmässig reiht sich an die 
Zersetzung durch Fermente die künstliche Darstellung organischer Ver- 
bindungen an, 

Der Bestimmung der Atomgewichte organischer Verbindungen ist 
ein besonderer Abschnitt gewidmet: er zerfällt in die Bestimmung des 
Atomgewichts der organischen Säuren, der Basen und der indifferenien 
Stoffe. Es ist genau angegeben, wie man aus den bei der Elementar- 
analyse erhaltenen Zahlen der einzelnen Elemente die empirische For- 
mel und das Atomgewicht der Säure oder Base findet. — Es folgt 
nun die Constitution der organischen Säuren, wobei die früher schon 
erwähnte Davy’sche Ansicht, dass alle Säuren als Wasserstoffsäuren 
anzusehen seien, weiter entwickelt und S.82 der Ausspruch gethan 
wird, dass viele Thatsachen bewiesen, dass der Wasserstoff derselben 
bei der Bildung von Salzen durch Metalle vertreten werde, und dass sie 
somit diese Theorie bestätigen. Es werden deshalb auch bei den 
Formeln der organischen Säuren im speciellen Theile immer beide 
Theorien durch Schemata entwickelt. 

Endlich wird noch die Isomerie der organischen Verbindungen 
besprochen und die Bedeutung von isomer im engeren Sinne, von 
metamer und polymer angegeben und durch Anführen von Beispielen 
jeder einzelne Begriff verdeutlicht. Eine Eintneilung der organischen 
Verbindungen, welche ich schon besprochen und welche, wenn auch 
nicht rein wissenschaftlich, doch praktisch brauchbar genannt werden 
muss, schliesst den ailgemeinen Theil dieses gewiss sehr lehrreichen 
Werkes. 

Die Reihe der organischen Radicale, welche im speciellen Theile zuerst 
besprochen werden, eröffnet das Amid; von diesem werden zwei Ver- 
bindungen mit Wasserstoff aufgeführt: das Ammoniak oder Hydramid 
Ad,H und das Ammonium Ad.H?, welches letztere als ein zusammen- 
gesetztes Metall (?) betrachtet und gleich dem Hydramid in die unor- 
ganische Chemie verwiesen wird. Es wird zwar das Ammonium 
gewöhnlich in der unorganischen Chemie abgehandelt, nach meiner 
Meinung hätte aber doch in einem selbstständigen Handbuche der 
organischen Chemie dasselbe recht gut dazu gezogen werden können, 
ja sollen, und zwar mit um so grösserem Rechte, als der Verf. Ver- 
bindungen des Amids mit Quecksilber, Kupfer, Silber, Platin u. s, w. 


312 Literatur. 


ausführlich bespricht, jedoch hierbei die von Hirzel aufgestellte An- 
sicht über diese Verbindungen nicht erwähnt. 

Bei jedem Radical ist das Atomgewicht angegeben und hierbei 
der Wasserstoff als Einheit angenommen; es ist deshalb das Atom- 
gewicht des Amids = 16,19. 

Das zweite Radical, welches besprochen wird, ist das Kohlen- 
oxyd, als Radical C20?. Hieraus entsteht durch Hinzutreten von 4 At. 
OÖ die Kleesäure; nebenbei wird die Kohlensäure erwähnt, ferner die 
Rhodizon-, Crocon- und Mellithsäure. Durch Einwirken des Sonnen- 
lichtes auf Chlor- und Kohlenoxydgas entsteht Phosgengas C 0 Cl. 

Das Cyan ist das dritte Radical, von dem seine Verbindungen 
mit Wasser- und Sauerstoff, so wie die polymeren Verbindungen mit 
letzterem für sich und mit Basen, so wie deren Zersetzungsproducte 
ausführlich besprochen und immer eins aus dem andern entwickelt 
werden. Hieran knüpfen sich die Verbindungen des Cyans mit den 
Haloiden, mit dem Schwefel und mit den Metallen, aus welchen letz- 
teren sich wieder neue Radicale, das Ferro- und Ferridcyan, bilden, 
welche, so wie auch Kobaltid, Chromid, Piatina- und Iridocyan, 
letztere nur kurz, besprochen werden. 

Mit dem, was $.117 von der Zersetzung der Blausäure durch die 
geringste Spur Schwefelsäure gesagt ist, kann Recensent aus Erfah- 
rung nicht übeseinstimmen, eben so wenig damit, dass das Einathmen 
von Ammoniakgas oder die Anwendung einer Auflösung des schwefel- 
sauren Eisenoxyduls und kohlensauren Kalis, wie S.121 angegeben, 
als ein Gegenmittel gegen Vergiftung mil Blausäure angesehen werden 
könne, diese Dinge wirken bloss im Reagensglase. 

Das zehnte Radical, welches abgehandelt wird, ist das Schwefel- 
cyan, aus dessen Zersetzung das elfte Radical, das Melon, hervorgeht. 

Als zwölftes Radical wird das Uryl aufgestellt. Hier werden zuerst 
die Harnsäure und die aus der Einwirkung des Sauerstoffes auf die- 
selbe hervorgehenden Producte besprochen, und nun erst die Ansicht 
über die Zusammensetzung des Uryls und die Entstehung der neuen 
Stoffe aus ihm entwickelt. Hierdurch wird allerdings eine grössere 
Klarheit erlangt, als wenn der theoretische Theil zuerst ausgeführt 
worden wäre. Den Anhang hierzu bildet das Harnoxyd, Cistivoxyd, 
Guanin und die Ueberharnsäure. 

Recht anschaulich und ausführlich wird das 13te Radical, das 
Benzoyl, mit seinen Verbindungen und Zersetzungsproducten abgehan- 
delt, an welches sich gleich die verwandten Radicale, Salicyl, Cinn- 
amyl (Toluyl) und als sechzehntes Radical das Guajacyl anschliessen. 
Als Anhang zum Benzoyl wird noch das Amygdalin, die Amygdalinsäure, 
das Bittermandelöl und Kirschlorbeeröl besprochen, wobei ich nur 
bemerke, dass das Auspressen der bittern Mandeln zwischen warmen 
Messingplatten, welches hier empfohlen ist, nicht rathsam sein möchte. 

Bei der Entwickelung der Theorie über die Bildung des Bitter- 
mandelöls wird auch noch des Cumylwasserstoffs und der Cuminsäure 
gedacht und als Anhang des Salicy!s das Saliein, Phloridzin, des Ani- 
syls und der Anissäure erwähnt. 

Am Schluss der Betrachtung dieser Radicale wird noch in einer 
Recapitulation hervorgehoben, welche Aehnlichkeit zwischen dem Cyan, 
Ferrocyan und diesem verwandten Radicalen mit dem Chlor statt finde; 
wie das Amid sich dadurch auszeichne und von den andern Radicalen 
unterscheide, dass aus seinen Verbindungen immer wieder neue Basen 
hervorgehen und wie die zuletzt abgehandelten Radicale sich dadurch 


Literatur. 313 


charakterisiren, dass sie mit dem Wasserstoff ätherische Oele, mit dem 
Sauerstoff Säuren und mit den Haloiden besondere Verbindungen er- 
zeugen; es wird klar gemacht, in welcher Beziehung die Radicale, ihre 
Verbindungen und deren Zersetzungsproducie zu einander stehen. Diese 
Betrachtung ist, ohne in unnütze Speculationen auszuarten, höchst 
genial durchgeführt, und es zeigt uns, wie die verschiedenartigsten 
Untersuchungen oft dazu dienen, eine unserer Ansichten aufzuklären. 
Als ein Beispiel, wie der Verf. solche Themata behandelt, führe ich 
eisen Satz von $.236 an: »Aus Allem geht hervor, dass die Salicyl- 
»säure eine Verbindung von grossem Interesse ist; einmal wegen ihres 
» Verhältnisses zum Salicylwasserstoff und Salicin, sodann wegen ihrer 
»Analogie in der Bildung, Constitution und Eigenschaften mit der Ben- 
»zo@säure, ferner wegen ihres Vorkommens in der Natur in der Ver- 
»bindung mit Methyl, und endlich wegen ihrer schnellen Umwandlung 
»in Indigosäure, Carbolsäure und Pikrinsalpetersäure.« 


Die zweite Abtheilung der Radicale, welche der Formel CnHn +! 
entsprechen, beginnt mit dem Methyl, welches vorzugsweise als das 
erste Glied einer sehr merkwürdigen Gruppe homologer Radicale in- 
teressant ist. Hier haben wir nur erst den Anfang von dem, was 
darüber mitgetheilt werden soll, vor uns. 


Aus dem bier Mitgetheilten wird man ersehen, wie der Verf. sein 
Material verarbeitet, und ich kann hier nur wiederholen, was auch 
schon aus meinen eingeschalteten Bemerkungen ersichtlich, dass der 
Verf, in Anordnung und Ausführung Alles gethan hat, um mit Ver- 
meidung aller Umwege und Weitschweifigkeit eine möglichst klare 
Anschauung bei dem hervorzurufen, welcher die nöthigen Vorkennt- 
nisse zum Studium der organischen Chemie mitbringt. Auch ist nament- 
lich noch für die Pharmaceuten und Mediciner dadurch gesorgt, dass 
diejenigen Stoffe oder Präparate, welche irgend eine Anwendung in 
der Heilkunde finden, besonders hervorgehoben und ausführlicher be- 
handelt werden. 


In der Hauptsache selbst verdient dieses Handbuch der organi- 
schen Chemie alles mögliche Lob, aber sehr tadelnd muss ich mich 
über die Nachlässigkeit im Druck aussprechen. Für das Auge ist 
Papier und Druck ganz angenehm, aber an der Correctheit ist viel 
zu tadelo. Die vorkommenden Fehler sind zum Theil wohl was man 
gewöhnlich Druckfehler nennt, zum Theil sind sie aber von der Ärt, 
dass man sie dem Verf. oder dessen Handschrift, oder auf jeden Fall 
dem Leser der letzten Correctur zur Last legen muss, 


Vorzüglich ais Fehler der letzten Art sehe ich es an, wenn $.13 
unien zweimal statt »Ac« — Ae. 5.44 statt »schwer oder unschmelz- 
bar« — schmelzbar, S. 111 statt »Alaunerdes — Alaun, $,113 statt 
»stickstoffhaltig«e — animalisch, S. 116 statt »Cyanwasserstoffsäure«e — 
Cyansauerstoifsäure, 8.132 statt »Cyanursäure« Cyansäure, und eben- 
daselbst statt »Chloreyan« — Chlorgas, $.138 stait »cyansauresı — 
kohlensaures, S.140 statt »Cyanwasserstoffsäure« — Cyansäure, S. 171 
statt »Bromiden« — Chromiden steht; ferner wenn $. 232 zweimal 
»Kümmelöl« steht, wo doch Ol. Cumini gemeint ist, und S. 233 statt 
»aromatisch« — animalisch gedruckt worden. Solche Fehler sind 
gewiss sehr störend für den Anfänger, aber auch die folgenden, da 
sie vorzugsweise in Verwechselung von Zahlen und Buchstaben, die 
hier Bedeutung von Worten haben, bestehen, und welche mehr dem 
gewöhnlichen Corrector als Fehler anzurechnen sind. Von solchen 


31% Literatur. 


habe ich mir beim Lesen angestrichen: S. 23 ist zweimal Col. 15 statt 
47, und S.34 Col.10 statt 12, S.46 oben eine Fig. e angezogen, aber 
nicht vorhanden, S.48 ist aufFig. 6 anstatt Fig. 7 hingewiesen. $.106 
steht C2O statt C20?2, S.109 © statt Cl, S.118 tariftes statt tarirtes, 
S.119 20 statt 80, $S.123 bei der Zersetzung des cyansauren Kalis 
durch eine starke Säure muss es anstatt CO? heissen 2C0?, derselbe 
Fehler findet auch $S. 124 oben statt. S.134 unten steht statt Cy — 
C, S.138 statt »anzieht« — auszieht, S.149 muss statt Fe stehen: 
K°, S.150 muss es statt 2CfyH3 + HS—=2CfyH? +4S heissen: 2Cfy 
Pb? + 3HS —=2CfyH? +35, S. 151 ist ein ähnlicher Fehler, S. 167 
2.8 ist das O zu viel, S.182 Z,2 muss hinter Wasserstoff »mehr« 
eingeschaltet werden. S. 205 muss anstatt Hz° — H!®, S.212 statt 
»salpetrige Säure« — Untersalpetersäure, "ebendaselbst statt H3 — H°® 
und statt 2NO — 2N0* stehen; S.213 steht wieder statt Unter- 
salpetersäure — salpetrige Säure. $.216 fehlt bei der Atomangabe 
der ‚wasserfreien Benzo@säure hinter O die ?, S.220 bei Benzoinam 
muss es anstatt O* — ÖO? heissen, und S, 223 steht einmal die Eilf 
anstatt bei H bei Cl. S. 230 fehlt die zweite Sylbe von »jedoch«, 
S.234 steht bei essigsaurem Kali C!* stati C*, 8.235 Conmarin statt 
Cumarin, statt + das Zeichen —=, und bei Nitrosalieylsäure statt O0? 
0?; S.236 bei Benzol O statt H, S. 242 bei Phloridzin ist der Was- 
serstoff mehrmals falsch angegeben und S, 246 in der Mitte steht hin- 
ter H eine 7 statt 11, und S. 252 fehlt bei der Bezeichnung des Methyl- 
oxyds hinter H die 3. 

Diesem langen Sündenregister des Setzers oder wessen sonst wird 
wohl durch ein Druckfehler-Verzeichniss und in den folgenden Lie- 
ferungen schon von vorn herein durch mehr Sorgfalt abgeholfen wer- 
den, damit nicht durch eine Nebensache das Buch an seinem Werthe 
verliere. 

Meurer. 


Aus der Bearbeitung von 


»M.V.Regnault’s Schule der Chemie« durch Dr. C. H. Th. 
Kerndt, Berg- und Hütten -Ingenieur, Docenten der 
Chemie und Technologie an der Universität Leipzig, 
Secretair des Kunst- und Gewerbe-Vereins daselbst 
u.s.w. Leipzig, bei Otto Spamer. 1851. 


theile ich nur mit das 
Vorwort. 


Mit lebhafter Freude übergebe ich den Lehrern, Jüngern und 
Freunden der Naturwissenschaften Regnault’s »Premiers Elements 
de Chimie« in meiner deutschen Bearbeitung, selbst wenn ich nicht 
glücklich genug gewesen wäre, in allem Wesentlichen das Rechte 
getroffen zu haben. 

Meine Freude, zur Verbreitung des vorliegenden, auf den Grund- 
pfeilern der Logik und Naturgemässheit basirenden Elementar - Lehr- 
buches des gefeierten Regnault das Meinige beizutragen, steigert 
sich um so mehr, wenn ich meinen Blick auf jenes trostlose Ag- 
gregat von chemischen Schulbüchern richte, die unter diesem oder 
jenem Titel sich ins Publicum einzuschleichen wussten, ohne irgend 
wie Anwartschaft auf gründliche Methode und ächte Popularität zu 


Literatur. 315 


haben. Kann es aber befremden, dass der Pfad in den Tempel der 
Chemie als ein überaus dornenreicher erscheint, wenn Lehrer und 
Lernende einem Leitfaden anvertraut sind, in welchem Akroamati- 
sches mit Erotematischem chaotisch vermengt ist, und ohne 
alle Consequenz bald die heuristische, bald eine andere Lehrmethode 
in Anwendung gebracht wird. 

Regnault’s Schule der Chemie ist frei von jenen planlosen 
Einfällen des Apotheker-Chemismus, der so häufig aus un- 
sern chemischen Elementar-Lehrbüchern herausriecht, in welchen 
der Theelöffel und das Medicinglas bei Beschreibung der Experimente 
wo möglich niemals vergessen wurde; sie ist frei von jener Recep- 
tirwuth, welche sich abmüht, an die Entwickelung eines jeden 
Naturgesetzes, an die Betrachtung einer jeden wissenschaftlichen Ana- 
logie irgend eine ver unübertreffliche Vorschrift zu dieser oder 
jener technisch - chemischen Operation anzuhängen, wodurch der Autor, 
im naiven Zuirauen zu sich selbst, den Stempel buntschillern- 
der Charlatanerie sich auf die Stirn drückt und der Sinn des 
Lernenden für ernstes, wissenschaftliches Vorwärtsschreiten leider so 
wesentlich beeinträchtigt wird. 

Schon die bereits erwähnten, mit aller Prägnanz hervortretenden 
Vorzüge des vorliegenden Lehrbuches vor einer Vielzahl deutscher 
sogenannter Schulen der Chemie waren sattsam hinreichend, 
mich zu der Uebertragung und Bearbeitung desselben zu bestimmen. 
Ich glaube erwarten zu dürfen, dass auch die deutsche Ausgabe, ähn- 
Iıch wie das französische Original und dessen italienische Bearbeitung 
durch Masserotti, vielfache Wanderungen durch die Hände der 
Chemiker und Freunde der Naturwissenschaften machen wird, und 
zweifle nicht, dass ihrer trefflichen Ausstattung Seitens des Verlegers 
bei äusserst billiger Preisstellung die verdiente Anerkennung zu Theil 
werden wird. 

Die wenigen nicht berichtigien Setzersünden, welche der kundige 
Leser finden und selbst verbessern wird, wolle man mit der Entfer- 
nung des Druckers vom Wohnorte des Verfassers geneigtest entschuldigen. 

Leipzig, den 1. Mai 1851. Dr. Kerndt.« 


Mir wurde bei Lesung dieses Vorworis zu Muthe, als hörte ich 
einen Verkäufer von falschen Edelsteinen einen ächten Edelstein, 
den er zufällig gefunden, mit Heruntersetzung seiner Handelsgenossen, 
der Juweliere, dem Publicum anpreisen. Man wird es gewiss gerecht 
finden, dass ein solcher hämischer Angriff auf meine Fachgenossen eine 


Abfertigung erhalte. 
Dr. H. Ludwig. 


Revisions Protokoll für die Civil-Apotheken, anwendbar in 
allen civilisirten Staaten, verfasst von Dr. phil. Fried- 
rich Abl, k.k. Feld-Apotheken-Senior u.s.w., Mit 
dem ersten Preise gekrönte Preisschrifi. Prag 1854. 

. Prof. Dr. Wittstein in München hatte die Preisfrage ausge- 

schrieben: ü 
1) Sind die gesetzlich bestehenden Apotheken - Revisions - Proto- 

kolie so beschaffen, dass sie den Anforderungen der praktischen Aerzte, 

der Beruhigung der Kranken und der evidenten Ueberwachung der 

Medieinal-Behörden vollkommen entsprechen? 


316 Literatur. 


2) Im Verneinungsfall: Wie sollen diese Revisions- oder Visi- 
tations-Protokolle benannt und verfasst werden, um den drei wich- 
tigen Anforderungen in der ersten Frage genau zu entsprechen? — 
Hierzu wäre ein Formular zu entwerfen und sammt Motivirung vor- 
zulegen, und Beides müsste so beschaffen sein, dass damit nicht allein 
den im ersten Puncte der Preisaufgabe gestellten Anforderungen ent- 
sprochen, sondern die Ausführung auch für die Gesammt-Pharmacie 
im gebildeten Europa praktisch anwendbar wäre und allen hohen 
Medieinal-Behörden zur geneigten Würdigung empfohlen werden könnte. 

Dr. Abl fand mit seiner Arbeit den Beifall der Preisrichter, welche 
neben Dr. Wittstein, die Apotheker Dr. Frickhinger und Lam- 
precht waren, welche sich also ausgesprochen haben: 

Die erste Frage der Preisaufgabe ist, wie dies von jedem Ein- 
geweihten erwartet werden musste, verneint. 

Die Antwort auf die zweite Frage ist ein Verbesserungsantrag 
der bisherigen Art und Weise der Apotheken-Revisionen, ein Ver- 
besserungsantrag von so vollendeter Ausführung, wie man diese von 
wenig Männern zu erwarten berechtigt war. Der Autor hat »Apo- 
theken-Revisions-Protocolle« in Vorschlag gebracht, deren Einführung 
nicht nur 4) dem Wohle der Kranken, 2) einer erschöpfenden Sani- 
tätspolizei, 3) den Anforderungen des Arztes, sondern namentlich auch 
4) der Zufriedenstellung des redlichen Apothekers entsprechen würde; 
denn wie sie die ersten drei Bedingungen erfüllen, so beruhigen sie 
im gleichen Grade den rechtlichen Apotheker, da sie ihn schützen vor 
der Willkür mit der praktischen Pharmacie wenig vertrauter Medicinal- 
Beamten, vor der Kurzsichtigkeit jener Visitatoren, welche befangen 
und unbewandert das Wichtige vom Unwichtigen nicht trennen können. 

Es kann hier nicht unsere Absicht sein, in eine detaillirte Bespre- 
chung des Elaborats selbst einzugehen, da es in der Natur der Sache 
liegt, dass dieselbe ungewöhnlich lang ausfallen und doch nicht so 
vollständig genügen würde, als nachdem der Hr. Verf., um was wir 
ihn hier eben so aufrichtig als dringend ersuchen, dasselbe dem Druck 
übergeben und dadurch dem Publicum zugänglich gemacht hat, Um 
aber doch einen Blick in den reichen Inhalt dieser meisterhaften 
Arbeit zu gewähren, wollen wir das systematische Inhaltsverzeich- 
niss kurz durchgehen. 

Nachdem der Hr. Verf. in der Vorerinnerung den Standpunct, 
von dem aus er seine Auffassung betrachtet wissen will, und die 
Motive, welche ihn bei der Ausarbeitung leiteten, bezeichnet hat, 
geht er zur Literatur über Apotheken-Visitationen und -Revisionen über. 
Diese Literatur greift bis zum Jahre 1784 zurück und enthält alle seıt- 
dem erschienenen Anleitungen für den in Rede stehenden Zweck, 
Hieran schliesst sich eine Beurtheilung dieser Literatur. Dann folgt 
als Vorwort eine Erläuterung über die Einriebtung und den Umfang 
des vom Verf. entworfenen Revisionsprotokolles, welche auf 24 Bogen 
in 57 Columnen, nebst einigen leeren Columnen in Vorrath, nicht nur 
alles Nöthige für Apotheken-Revisionen und auf den zu wenig beach- 
teten Befund des gesetzlich literarischen Bestandes nach den neuesten 
Anforderungen der Pharmacie, sondern auch den bisher ganz ver- 
feblten und vernachlässigten Qualifications-Ausweis über das sämmt- 
liche Apotheken-Personal in einer Originalarbeit beigeschlossen ent- 
hält. Nun folgen: eine vollständige Instruction zur Apotheken-Revision 
und Super-Revision. Ferner ein Qualifications-Ausweis über das 
sämmtliche Apotheken-Personal, mit einer Qualifications - Urkunde für 


Literatur. 317 


Gehülfen (als Formular). Medicamenten- Catalog, zum Beleg des 
Revisions-Protokolls über nachverzeichnet revidirte und geprüfte Heil- 
artikel. Super-Revision. Schlussbericht der Apotheken-Revision und 
Super-Revision (als Beispiel). Revision der Haus- Apotheken der 
Landärzte etc. Revisions-Tabelle über die revidirten Haus-Apotheken 
(als Formular). Schliesslich ein alphabetisches Register über die ganze 
Arbeit, in welchem man sogleich denjenigen Gegenstand, über den 
man Auskunft zu erhalten wünscht, paginirt angezeigt findet. 

Mit wahrem Vergnügen erklären wir schliesslich diese gediegene 
Arbeit für mehr als würdig des ausgesetzten ersten Preises. Dr. Alb. 
Frickhinger. Lamprecht. Dr. W. G. Wittstein. 

Nachdem Ref. so die Leser des Archivs in den Stand gesetzt hat, 
den Plan des Verf., so wie die Meinung der Preisrichter kennen zu 
lernen, will derselbe dieser Beurtheilung "seine eigene Ansicht beifügen. 

Wenn es S.2 heisst: So hat z.B. Preussen angeordnet, dass 
die Apothekenbesitzer gegen Diäten beauftragt werden sollen, wechsels- 
weise als Apotheken-Revisoren zu fungiren (d.h. der Apotheker versieht 
die Arbeit der Revision und der Arzt hat die Ehre und das Verdienst 
davon, Anmerk. von Dr. Abl), so ist noch beizufügen, dass die Ver- 
ordnung den Sinn hat: »Was die praktischen Apotheker betrifft, so 
können nicht nur die bei den Medicinal-Collegien und Sanitäts-Com- 
missionen angestellten Assessores Pharmaciae, sondern auch alle als 
rechtliche und geschickte Männer anerkannte, wo möglich cursirte 
Apotheker, deren Offieinen sich in einem tadellosen Zustande befinden, 
zu diesem Geschäfte zugezogen werden *). 

Wenn es nun bei Abl heisst: »Welche Rücksichten ein solcher 
Apothekenbesitzer als temporärer Apotheken-Revisor gegen seine Col- 
legen — die ihn wieder das nächste Mal zu revidiren beordert werden 
— haben müsse, lässt sich erklären; folglich können wir auch in 
Preussen das uns vorgesteckte Muster zur Apotheken -Revision nicht 
finden«: so würde es heissen, an der Rechtlichkeit der preussischen 
Apotheker zweifeln, wenn man glauben wollte, weil ihre Apotheken 
von den Collegen revidirt werden, in deren Apotheken sie als Revi- 
soren kommen, dürften sie es weniger genau nehmen. Das ist nun, zur 
Ehre der preussischen Apotheker gesagt, nicht der Fall, kann auch 
nicht so leicht vorkommen, da doch die hauptsächlich beauftragten 
Regierungs - Medicinal- Räthe meistens durch eine lange Uebung auch 
einige praktische Einsicht sich erworben haben. Uns ist im Gegentheil 
bekannt, dass viele dieser revidirenden Apotheker mit grosser Strenge 
verfahren und selbst, wenn einzelne Fälle vorkommen sollten, wo 
Rücksichten genommen würden, diese gewiss zu den Ausnahmen ge- 
hören. 

Wenn nun Dr. Abl fortfährt: »Auf diese Erfahrurgen gestützt, 
hat man in Oesterreich anno 1848 und 1849 beantragt, dass die Apo- 
theken-Revisionen durch eigens vom Staate hierzu angestellte Revisoren 
vorgenommen werden sollen«, so wollen wir doch auf unserer in der 
Denkschrift über den derzeitigen Standpunct und die Verhältnisse der 
Pharmacie in Deutschland, Hannover 1845, p.23 ausgesprochenen An- 
sicht beharren, es als das wohlfeilste nnd beste Verfahren anzusehen, 
den Apothekern die Revisionen zu übertragen mit Zuziehung der 
Gerichtsärzte etc. Wir wollen nicht behaupten, dass dieses Verfahren 


*) Dr. E. F. Aschoff (nicht Ashoff, wie Dr. Abl schreibt), 
Anleitung zur Prüfung der Arzneimittel. 3. Aufl, p.4. $.3. 


318 Literatur. 


auch auf Oesterreich das anwendbarste sei, da uns die nähere Bekannt- 
schaft vieler österreichischen Apotheker zur Zeit noch abgeht. 

In der Literatur fehlt: Anweisung zur Prüfung der Arzneimittel 
als Leitfaden bei Visitation der Apotheken, wie bei Prüfung chemisch- 
pharmaceutischer Präparate überhaupt, von Dr. Adolph Duflos. 
Breslau 1849; Anweisung zur Prüfung und Aufbewahrung der Arznei- 
mittel, von Zapp, Apotheker in Deutz. Cöln 1854; Dr. E. F. 
Aschoff, Anweisung etc., 3. Aufl. Lemgo 1854. 

Wenn es in der Beurtheilung. der angeführten Literatur, 8.5 
heisst: »Die Wackenroder’schen Protokollnetze sind zu umständlich 
und würde man diese 128 Netze mit gutem Gewissen ausfüllen, so 
müsste durch den nöthigen Aufwand an Zeit eine Störung in dem 
fortlaufenden Geschäfte zum Nachtheile der Kranken herbeigeführt 
werden«. Dieser Ausspruch beweist, dass Hr. Dr. Abl die Netze bei 
Revisionen nicht selbst angewendet hat, er würde sonst aus Erfahrung 
wissen, dass die Revision dadurch nicht aufgehalten, sondern beschleu- 
nigt wird, wie ich ihn aus dem praktischen Gebrauche versichern 
kann. Auch vermag ich nicht darin einzustimmen, dass die Wacken- 
roder’schen Protokollnetze Columnen für zu geringfügige Gegenstände 
enthalten, mir hat noch alles darin Enthaltene wichtig genug‘ geschie- 
nen, um der Beachtung nicht zu entgehen. Endlich aber bin ich der 
Ansicht, dass sie sich vorzüglich mit dem beschäftigen, wozu sie 
bestimmt sind, nämlich mit dem Zustande der Apotheken, wobei das 
Personal, Gehülfen und Lehrlinge, nur beiläufig mit in Betracht kom- 
men, denn es handelt sich vorzüglich nur um den Zustand der Apo- 
iheke nebst Zubehör. Die Lehrlinge müssen vor und nach der Lehrzeit 
geprüft werden, die Gehülfen werden bei uns, wie in Braunschweig 
und Hamburg vereidigt. Jeder gewandte Apotheken-Revisor wird 
leicht ermitteln, welcher Art die Lehrlinge und Gehülfen sind, ohne 
im Protokollnetze dazu noch eine Anweisung zu empfangen. Lehrlinge 
und Gehülfen sind in der Apotheke bald vorübergehende Personen, 
das Object, die Apotheke und ihr Zustand mehr dauernd, Der Gehülfe 
ist bei dieser Revision in der Rheinprovinz, bei der nächsten vielleicht 
in Pommern oder Schlesien, man kommt ihm also nicht nach mittelst 
des Protokollnetzes. Eher ist das schon der Fall bei dem Lehrling, 
der doch vielleicht zwei Revisionen während seiner Lehrzeit mit erlebt, 
und an ihm kann sich kund geben, wie der Apotheker seine Pilicht 
als Lehrherr erfüllt. Das aber alles niederzuschreiben bedarf es nur 
weniger Zeilen. Aus diesem Grunde habe ich nicht übereinstimmen 
können in der Ausstellung an jenen Netzen. Das, was ich auszusetzen 
habe, ist, dass nicht eine vollständige Series medicaminum dabei 
gegeben ist: denn die neueste preussische ist unvollständig und enthält 
manche wichtige Mittel nicht, weil sie auch in der Pharmakopöe sich 
nicht mehr finden, wiewohl keineswegs darum weniger in Anwendung 
kommen. Man glaubte bei Herausgabe der 6. Auflage der Pkarma- 
copoea borussica den Arzneischatz in engere Grenzen weisen zu kön- 
nen; die Erfahrung hat das nicht bestätigt. 

In einer Note S. 7 heisst es, dass es hinsichtlich der Beschaffung 
des literarischen Apparates so weit gekommen sei, dass die Apotheker, 
welche darauf etwas verwenden, zu den Ausnahmen gehören. Sollte 
das in Oesterreich der Fall sein, so ist es zu bedauern. In Nord- 
deutschland fehlt es selbst in den kleinsten Apotheken nicht leicht an 
dem Nöthigsten, worauf allerdings der seit 34 Jahren bestehende 
Apotheker- Verein Manches mit beigetragen haben dürfte. Aber es 


- Literatur. 319 


handelt sich nicht bloss um die Förderung der nöthigen wissenschaft- 
lichen Werke, sondern vorzüglich um die Mittel, die allerdings öfters 
fehlen und um so mehr fehlen werden, wenn man die Taxen herab- 
setzt und das Selbstdispensiren der Aerzte und Thierärzte ferner 
gestattet. 0 

Wenn es in der Anmerkung zu S.9 heisst: »Mit dieser Instruc- 
tion soll durchaus nicht eine Belehrung aller einzelnen Arzneimaterialien 
gegeben werden«, so würde das besser heissen: rüber alle Arznei- 
materialien etc. ı 

Wenn S.10 als der Zeitraum zur Wiederkehr der Apotheken- 
Revision ein jährlicher angenommen wird, so möchte das, soll die 
Revision eine sorgfältige sein, ohne Noth grossen Aufwand an Kräften 
und Kosten erfordern. Bei in gutem Zustande befindlichen Apotheken 
dürfte eine Wiederkehr aller 3 Jahre vollkommen genügen. 

S.11. $.7. fordert für die Revision einer Apotheke mit grösserem 
Geschäfte 2 Tage; mir scheint 1 Tag vollkommen zu genügen, zumal 
wenn die Vorschrift in $.8. befolgt wird. 

In Anmerkung ad $.12. S.12 erkennt Dr. Abl selbst das Unprak- 
tische und Absurde, wie er sagt, der Prüfung der Gehülfen und Lehr- 
linge bei der Revision, während er doch zuvor getadelt hat, dass die 
Wackenroder’schen Protokollneize für diese Prüfung nicht Columnen 
genug haben. Es wird dabei manches Wahre und Nützliche gesagt. 

Gewiss in der besten Absicht ist im $.25. ausgesprochen, dass 
die pharmaceutischen Zeitungen (Zeitschriften) nur durch das Ober- 
Medieinal- Collegium eingeführt und durch die motivirten Revisions- 
Protokolle am Leben erhalten werden können. Wir wollen darauf 
bemerken: Hätte man in Norddeutschland auf die Einwirkung der 
Behörden und auf die Einwirkungen der Revisions-Protokolle warten 
wollen, so hätten wir wahrscheinlich noch bis heute keine pharma- 
ceutische Zeitschrift. Aber auch in Oesterreich existirt durch Hrn. 
Professor Dr. Ehrmann in Olmütz seit mehreren Jahren eine solche 
Zeitschrift, welche nur mehr Unterstützung vom pharmacenutischen 
Publicum in Oesterreich selbst bedarf, um den Anforderungen mehr 
und mehr zu genügen. 

Im $.26. 5.16 keisst es: »Die Columne 51 hat die homöopa- 
ihische Arznei-Expedition zu revidiren«, was wohl heissen soll: In 
der Columne 51 ist der Revisionsbefund etc. zu verzeichnen? 

Im $.27.: »Dieser Inhalt etc.«, ist der Hr. Verf. aus der Con- 
struction gefallen. 

Wenn $.28. S.17 in d vorschreibt, dass bei Streitigkeiten über 
die Güte oder Verwerflichkeit einzelner Heilstoffe diese an den näch- 
sten Professor der Chemie oder Pharmakognosie zu senden seien, so 
scheint es passlicher, dass solche Stoffe der Medicinalbehörde ein- 
gesandt werden, 

im $. 33. S.20 muss es statt Gewichter »Gewichtes heissen. 

Das vorliegende Werk verdient die Beachtung der Medicinal- 
behörden im vollen Maasse und es würde nur als ein Fortschritt 
anzusehen sein, wenn man bei den Apotheken-Revisionen die Vor- 
schläge des Verf., welche grösstentheils vollkommen praktisch sınd, 
berücksichtigen wollte. 

Bernburg, im Januar 1854. 

Dr._L..E. Bley: 


5 


320 Literatur. * 


Analyse chimique des eaux du Departement de la Gironde, 
par J. J. Faure&, membre de l’Acad@mie des sciences, 
belles -lettres et arts de Bordeaux, Bordeaux 1853. 
199 Pages in Octavo. " 


Obgleich dieser Schrift ein Localinteresse zu Grunde liegt, so 
verdient sie doch eine Berücksichtigung über das von ihr zu betref- 
fende Landgebiet hinaus, weil ihr Thema mit den allgemeinen Lebens- 
verhältnissen eng zusammenhängt. Die Fortschritte der allgemeinen 
Gesundheitslehre und des Ackerbauwesens, deren wir uns zu erfreuen 
haben, sind nämlich mit dem bisher zu sehr vernachlässigten Studium 
der Wässer, die dem Menschen zum Gebrauche dienen sollen, auf das 
Innigste verbunden. 

Im Jahre 1850 forderte ein namhafter Gelehrter, der eine kurze 
Zeit Ackerbauminister am französischen Hofe war, Dumas, die Aka- 
demie zu Paris auf, die über diesen wichtigen Gegenstand angestellten, 
aber zerstreut umherliegenden Analysen in eine Gesammtausgabe zu 
vereinigen und begehrte von ihr, dass sie in den verschiedensten 
Landesbezirken Untersuchungen der Wässer an der Oberfläche und in 
der Tiefe veranlassen möchte. Durch einen solchen Aufruf angeregt, 
hat Faur& nun die Wässer der Quellen, Brunnen, Bäche und Flüsse, 
ja selbst des Meeres, die das Departement der Gironde bespülen und 
baden, einer genauen und strengen Analyse unterworfen. Sich dabei 
auf Niemand verlassen wollend, hat er das betreffende Wasser selbst 
geschöpft und damit auf das Sorgfältigste operirt. Sein umständlich 
angegebenes Verfahren mag die Aufmerksamkeit der Chemiker sehr 
in Anspruch nehmen. 

Aehnliche Untersuchungen in jeder wichtigen Stadt und deren 
Umgebung würden von einem in die Augen springenden Nutzen sein, 
Es müssten daraus nutzbare Lehren für die Volksgesundheit und 
namentlich für diejenigen Erdbewohner hervorgehen, welche durch 
die schlechte Beschaffenheit ihrer Wässer alljährlich mörderischen 
Fiebern unterworfen werden. Die Mittel, schlechtes Wasser in ge- 
sundes und trinkbares ohne sonderliche Kosten umzuwandeln, sind 
leicht anzuwenden. Es ist daher äusserst wünschenswerth, dass sich 
zahlreiche Chemiker begegnen, welche ähnliche Arbeiten unternehmen, 
wie sie Faur& ausgeführt hat, der ihnen dazu zugleich als Vorbild 
dienen kann. 

Osnabrück, im December 1853. 

" Dr. August Droste. 


P | 321 


Zweite ‚Abtheilung. 


Vereins - Zeitung, 
redigirt vom Directorio des Vereins. 


4) Biographische Denkmale. 


Friedrich Rudolph Cochler. 


Friedrich Rudolph Cochler, Apotheker und Stadtältester 
in Tarnowitz, Ehrenmitglied des norddeutschen Apotheker - Vereins, 
starb am 4. December 1853. 

Er war geboren den 3. April 1795 in Tarnowitz. Seine erste 
Bildung erhielt er auf der evangelischen Schule daselbst, kam dann 
auf ein Breslauer Gymnasium und trat 1811 bei dem Medicinal-Asses- 
sor und Apotheker Fischer in die Lehre. Nach beendigter Lehrzeit 
besuchte er das chemisch - pharmaceutische Institut des Professors 
Dr. Trommsdorff in Erfurt, servirte eine kurze Zeit in Coburg bei 
dem Apotheker Eyring und ging dann nach Berlin, ‚wo er sich 
durch den Besuch der Vorlesungen an der Universität für das Staats- 
examen vorbereitete, welches er auch im Juli 1817 ablegte. 

Sein Vater, ebenfalls Apotheker, war ihm früh gestorben, und 
die bis dahin administrirte Apotheke übernahm unser Cochler sehr 
jung noch im Jahre 1817, verehelichte sich auch bald mit einer 
Tochter des Königlichen Hütten-Inspectors Bouterwek in Friedrichs- 
hütte, mit welcher er bis zu ihrem Tode im März 1842 eine sehr 
glückliche Ehe führte. Im Jahre 1847 verheirathete er sich zum 
zweiten Male mit einer Tochter des Rendanten Beck, die aber im 
April des vorigen Jahres starb, nachdem ihr sechs Wochen vorher ihr 
dreijähriger Sohn vorangegangen war. Diese herben Verluste, ver- 
bunden mit anderen, nicht minder traurigen Todesfällen in der Ver- 
wandtschaft, wirkten auf sein Gemüth sehr drückend. Am 22. Novem- 
ber wurde er bettlägerig und starb am 4. December an einer Gehirn- 
ausschwitzung. 

Cochler war ein seltener, begabter Mensch. Die Gelegenheit, 
sich zum tüchtigen Apotheker auszubilden, hatte er gut genützt und 
er wusste sich bald durch den Feuereifer, mit welchem sein wiss- 
begieriger Geist jede dazu gebotene Gelegenheit ergriff, eine seinen 
geistigen Fähigkeiten und seiner sowohl praktischen als wissenschaft- 
lichen Bildung entsprechende Stellung zu verschaffen. Er entwickelte 
— -Besitzer eine unermüdliche Thätigkeit, wahrhafte 


. d. Pharm. CXXVII. Bds. 3. Hft. 92 


Arc 


322 Vereinszeitung. 


Berufstreue und einen so reichen Schatz von Kenntnissen und Fähig- 
keiten, dass seine Apotheke sich sehr bald eines ganz vorzüglich 
guten Rufes und daher auch eines sehr frequenten Geschäfts erfreute. 

In allen Hülfswissenschaften der Pharmacie war Cochler gründ- 
lich gebildet und folgte allen neueren Erfahrungen. Sein Lieblings- 
studium war jedoch die Chemie, mit der er sich sehr viel praktisch 
beschäftigte. 

Cochler schrieb nicht gern, weil er sehr kurzsichtig war, und 
öfters leidende Augen hatte. Dieser Umstand und seine grosse 
Bescheidenheit sind schuld, dass die Wissenschaft nicht durch seine 
Erfahrungen bereichert wurde. Für die wissenschaftliche Ausbildung 
seiner Zöglinge war er sehr thätig, was Viele dankbar anerkennen 
werden. Eben so wirkte er durch viele Jahre eifrig als Lehrer an 
der Bergschule in Tarnowitz, 

Für die Idee einer wissenschaftlichen Vereinigung der Apotheker 
Oberschlesiens war Cochler schon im Jahre 1830 mit Lehmann 
und Zellner thätig, ward dafür und in Anerkennung seines regen 
Strebens nach Wissenschaftlichkeit und für die Würde der Pharmacie 
‚ von dem Directorio des norddeutschen Apotheker-Vereins mit dem 
Diplom als Ehrenmitglied belohnt, und er bewirkte auch mit Loh- 
meier und Lehmann den Anschluss der Apotheker Oberschlesiens 
an den norddeutschen Verein. 

Cochler war der beste Mensch; ein treuer Freund und Rath- 
geber; der uneigennützigste Helfer in der Noth. Das Andenken des 
wackern Mannes wird in den Herzen seiner Freunde nicht untergehen. 

Wie sehr er aber auch bemüht war, im Gemeindewesen zu wir- 
ken, in welchem grossem Vertrauen er bei seinen Mitbürgern stand, 
und wie gross die Liebe war, deren er sich erfreute, dies beweist 
der Nachruf, der nach seinem Tode von dem Magistrat und den 
Stadtverordneten in der Breslauer Zeitung ihm geweiht wurde. 
Er lautet: 

»Unsere Stadt betrauert heute den Verlust eines ihrer acht- 
barsten Bürger. Friedrich Rudolph Cochler, Apotheker und 
Stadtältester hierselbst, ein Mann, geachtet und geliebt von Allen, 
die ihn kannten, vor wenigen Wochen noch in der Fülle seiner 
Kraft dastehend, ist heute zur ewigen Ruhe getragen worden. Was 
er der hiesigen Commune während seines dreissigjährigen Wirkens 
als Magistrats- Mitglied und Stadtverordneter gewesen, welche 
wesentlichen Dienste er derselben mit der seltensten Aufopferung 
geleistet, wie dies von der ganzen hiesigen Bevölkerung dankbar 
anerkannt worden, davon hat heute sein Leichenbegängniss, mehr 
als alle Worte es zu sagen vermögen, deutliche Kunde gegeben. 
Er war ein guter Mensch, sein Andenken wird im Segen bleiben, 
möge die Erde ihm leicht sein.« 

Rybnik, den 7. Januar 1834. Fritze, 

Kreisdirector. 


Johann Wächter. 


Tief empfindet die Stadt Tilsit den Verlust durch den am 6. Octo- 
ber 1853 erfolgten Hintritt dieses Mannes, der durch sein Leben in 
seltener Weise wohlthätig und fördernd in Vielem und für Viele war; 
es sei daher vergönnt, einen kurzen Rückblick auf die Laufbahn des 
Entschlafenen zu werfen, und der Welt eine richtige Erkenntniss sei- 


PY 


Vereinszeitung. 323 


nes Werthes, eine Anschauung der umfassenden Thätigkeit desselben 
zu geben. 

Johann Wächter wurde am 24. August 1786 zu Königsberg 
in Preussen geboren. 

Er erhielt seine Schulbildung in dem Collegio Fridrieiano seiner 
Vaterstadt, und trat, zur Pharmacie stets grosse Liebe zeigend, am 
1. October 1801 in die Königliche Hof- Apotheke in Königsberg 
ein. — Besitzer dieser Apotheke war damals der ausgezeichnete Apo- 
theker und Professor der Chemie Carl Gottfried Hagen. — Mit 
höchster Achtung und Liebe sprach der Verstorbene von seinem Lehr- 
herrn und noch in späteren Jahren, nachdem seine Geschäftsthätigkeit 
eine so umfangreiche war, erkannte er es stets an, dass er den Grund 
zu seiner Geschäftskenntniss in dem Hagen’schen Hause gelegt. — 
Dem muntern, geschickten und brauchbaren Lehrlinge konnte die 
Liebe des Lehrherrn nicht fehlen, er benutzte ihn deswegen häufig 
als Famulus bei seinen chemischen Vorlesungen an der ‘dortigen Uni- 
versilät, und gab dadurch dem Wissensdrange desselben hinreichenden 
Stoff, den der Lehrling auch nach dem damaligen Standpuncte dieser 
Wissenschaft ausbeutete, so dass derselbe nach vollendeter Lehrzeit 
mit einem ausgezeichneten Testimonium entlassen wurde. — Nach den 
gesetzlichen fünf Servirjahren als Gehülfe, in welcher Zeit er häufig 
die chemisch-pharmaceutischen und botanischen Vorlesungen seines 
würdigen Lehrers frequentirte, legte er vor der medicinischen Ober- 
Examinations- Commission das Examen als Apotheker erster Classe 
ab. Gleich darauf erhielt er eine Stellung in der Stadt, der er spä- 
ter seine ganze Wirksamkeit seines schöpferischen Genies widmen 
sollte; er trat als Provisor in das Apothekengeschäft des Herrn Kla- 
bund in Tilsit, dem er mit Eifer und Liebe vorstand, schied jedoch 
nach kurzer Zeit aus demselben, um in die Officin des Apothekers 
Carl Friedr. Jabs zu treten. Letzterer segnete bald nach dem 
Eintritt des neuen Provisors das Zeitliche, und die hinterbliebene 
Wittwe reichte später dem Apotheker Wächter die Hand. 

Nun war der heimathliche Heerd gefunden, an dem der that- 
kräftige, unternehmende Geist weiterbauen konnte, und mit kühnem 
Flügelschlage begann der Dahingeschiedene, unterstützt von seiner 
ihm tren zur Seite stehenden Gattin, die Vergrösserung des Geschäf- 
_ tes. — Das mit der Apotheke verbundene Colonialwaarengeschäft 
erweiterte sich von Jahr zu Jahr, das zu enge Haus wurde mit einem 
gelegeneren, geräumigeren verlauscht, und der rastlose Geist begann 
bereits die kaufmännische Thätigkeit weiter auszudehnen, als ihm im 
Jahre 1816 der Tod die treue, rastlos schaffende Gattin nahm, 

Den zweiten glücklichen Ehebund schloss der Verewigte mit sei- 
ner, ihn jetzt überleberden Gattin, geb. Riedel, im Jahre 1817, 
und schritt mächtig vorwärts auf der begonnenen Bahn. 

Im Jahre 1821 errichtete er eine Zuckersiederei, wodurch er den 
Impuls zu fabriklichen Unternehmungen in Tilsit gab. Eine Feuers- 
brunst verzehrte zwar ım Jahre 1823 das Wohnhaus, die Apotheke, 
die Zucketsiederei, die Speicher und bedeutende Waarenvorräthe, 
indess erstand nun das jetzige Wohnhaus, Speicher und Apotheke in 
der deutschen Strasse, in schönem, grossem Style. Die Zuckersiederei 
wurde iın Jahre 1824 neu und grossartiger am Mühlenteiche erbaut, 
im Laufe der Zeit mit allen neueren Apparaten versehen und es gesell- 
ten sich zwei bedeutende Dampf- Oel-Fabriken, viele Speicher, eine 
Knochenbrennerei, Essigfabrik, Fabrik zu nmkreide und Raspeln 


22% 


324 Vereinszeitung. 


von Farbehölzern u. d.m. dazu. Alle diese Fabrikanlagen, nach dem 
erfinderischen Geiste des Schafferss mit Thürmen und Belvederes 
geziert, umschliessen geräumige Höfe und gewähren dem Besucher 
einen erhebenden, wohlthuenden Eindruck, zeugend von der schöpfe- 
rischen, genialen Kraft des Mannes, der sie ins Leben rief. 

Da diese Fabriken mit den Häusern der Fabrikarbeiter einen 
kleinen Stadttheil bilden, so hat die Königl. Regierung dem Wunsche 
des Gründers entsprechend, der in hoher Achtung und Verehrung 
gegen seine ihn jetzt überlebende Ehegattin deren Taufnamen zu 
verewigen wünschte, der ganzen Schöpfung den Namen: »Emilienhof« 
beigelegt. 

Hunderte von Arbeitern fanden in diesen Fabriken dauernde und 
lohnende Beschäftigung; milde und liebevoll waltete er über diesel- 
ben, indem er in den letzten Jahren seines Lebens ganz dort wohnte, 
und segenverbreitend wirkte die Fabrikthätigkeit auf viele andere 
Erwerbszweige der Stadt. 

Seine Mitbürger erkannten in ihm sehr bald den praktischen 
genialen Mann, und so wie er durch deren Vertrauen zu allen städ- 
tischen Ehrenämtern gelangte, vertrat er auch die Stadt fast auf allen 
Provinzial- Landtagen, war Deputirter auf dem vereinigten Landtage 
im Jahre 1847, und in der ersten Kammer. 

Vornehmlich lagen ihm die Angelegenheiten des hiesigen Handels- 
standes am Herzen; er betrieb die Bildung der Corporation der Kauf- 
mannschaft, und erwirkte dafür die Sanction von Sr. Majestät dem 
Könige. Viele Jahre hindurch war er Vorsitzender in dem Aeltesten- 
Collegio der Kaufmannschaft, und hauptsächlich seinen Bemühungen 
verdankt dieselbe z.B. die Errichtung des Packhofes, der Königl. 
Bank u. d.m. — Allen Bewohnern Tilsits und der Umgegend wird 
es nicht unbekannt sein, wie viel Mühe sich der Verstorbene um 
Erbauung der ersten Chausseestrecke von Tilsit bis Ragnit, gegeben. 
So wie in der Regel hohe Staatsbeamie, wenn sie Tilsit besuchten, 
ihn durch ihren Besuch erfreuten, war sein Haus auch Gelehrten und 
Künstlern stets offen, und vielen der Letzteren war er ein Mäcen. 

Um den ganzen Umfang der, Berufsthätigkeit anzudeuten, die 
Wächter umfasste, sei hier angeführt, wie er zu gleicher Zeit neben 
der Leitung seiner bedeutenden Fabriken und Handelsgeschäfte, Vor- 
steher der Stadtverordneten, der Aeltesten der Corporation der Kauf- 
mannschaft, des Casino - Actien- Comites, eines Ühaussee- Actien- 
Comites und mehrerer anderer Vereine war. Seine Hauptbestrebun- 
gen bei der Gründung der Fabriken gingen dahin, seine begüterten 
Mitbürger auf gleicher Bahn vorwärts zu ziehen, und dass ihm dies 
in mancher Beziehung auch gelungen, beweisen die in Tilsit blühen- 
den Anlagen, die die Stadt zu einem Fabrikort erhoben, die ihre 
Fabrikate in den Welthandel bringt. — In Anerkennung dessen, was 
Wächter für Tilsit und die Provinz geleistet, verlieh die Staats- 
regierung ihm im Jahre 1834 den Charakter eines Commerzien- 
rathes. . 

Am 1. October 1851 feierte er sein fünfzigjähriges Jubiläum, zu 
dem ihm der norddeutsche Apotheker - Verein das Ehrendiplom ver- 
lieh. Bei den vielen grossen und mannigfaltigen Beweisen der Liebe, 
Zuneigung und Aufmerksamkeit, die ihm in so ehrender und über- 
raschender Weise hierbei gespendet wurden, hat ihn diese Auszeich- 
nung mit am meisten cut und das um so mehr, als er das Apo- 
thekerfach vorzugsw: warmer Liebe gepflegt. 


Vereinszeitung. 325 


Schwere Unglücksfälle rüttelten mächtig an dem nicht zu starken 
Körper des Entschlafenen; von eilf Kindern sind zehn ihm in das 
Jenseils vorangegangen, der einzige ihn überlebende Sohn weilt brust- 
krank noch in den Bädern, . 

So nahte der 6. October 1853. Von einer erfolglos unternom- 
menen Badereise zurückgekehrt, vermochte die morsche irdische Hülle 
den schaffenden, feurigen Geist nicht länger zu halten; nach zwei- 
tägigem Krankenlager endete ein Lungenschlag plötzlich das Leben 
des seltenen Mannes. 

Sein Begräbniss fand unter allgemeiner Theilnahme Statt. Die 
Sirasse an den Fabriken war mit beflorten Laubgehängen und Blumen 
geschmückt, Herr Ober-Prediger Concentius sprach, als der 
Sarg auf dem Wagen gehoben war, auf dem Fabrikhof eine gehalt- 
volle Trauerrede und an der geöffneten Gruft ein Gebet. Unter Vor- 
tritt der zahlreichen Arbeiter begleiteten wohl gegen 200 Personen, 
darunter die Spitzen der Behörden, die städtischen Körperschaften, 
die Kaufmannschaft, die Loge etc. den Verstorbenen, 


2) Vereins- Angelegenheiten. 


Ueber das Archiv der Pharmacie. 


(Vortrag, gehalten in der Generalversammlung zu Bad Oeynhausen 

am 15. September 1853 von Dr. Geiseler, Apotheker zu 

Königsberg in der Neumark, Director des norddeutschen Apotheker- 
Vereins.) 


»Alles Menschliche muss erst wachsen und werden und reifen, 
Und von Gestalt zu Gestalt führt es die bildende Zeit.« 


Ja, die bildende Zeit hat auch unseren Verein erst zu dem 
gemacht, was er jeizt ist! Wie er aber an Ausdehnung und Umfang 
zugenommen, also extensiv forigeschritten ist, so hat er nicht minder 
intensiy an innerer Stärke und Kraft mit jedem erneuten Jahre gewon- 
nen. Was ihm die Lebenskraft verleiht, was seine Dauer sichert, 
was seiner unaufhaltsamen Fortschritt zum Höheren und Besseren 
beding!, was seine Seele ist, die ihren Leib immer trefflicher und 
schöner ausbaut: das habe ich beim Stiftungsfest im vergangenen 
Jahre bezeichnet und den wissenschaftlichen Sinn seiner Mifglieder 
sein Lebensprincip genannt. Als einen Ausfluss desselben erwähnte 
ich damals beiläufig nur der Zeitschrift des Vereins, des Archivs der 
Pharmacie; über dasselbe besonders einige Worte zu sprechen, 
betrachte ich heute als meine Aufgabe. 

Zeitereignisse schnell bekannt zu machen, Ideen darüber in Um- 
lauf zu setzen, neue Erfindungen und Erfahrungen mitzutheilen, über- 
haupt Nachrichten aller Art zu verbreiten und dadurch den Gang 
der Geschäfte zu erleichtern, so wie auf die öffentliche Meinung ein- 
zuwirken, ist Aufgabe der Zeitschriften und Zeitungen im Allgemeinen. 
In älteren Zeiten war dies Mittel ganz unbekannt, es ist eine erst 
aus den Fortschritten der Cultur hervorgegangene Erfindung neuer 
Zeit, die durch die Einführung der Buchdruckerkunst und der Posten 
begünstigt nach und nach eine unübersehbare Ausdehnung und einen 


eben so unübersehbaren Einfluss gewonnen ast ein Jahrhundert 
hindurch hatten indessen schon allgemein chriften bestanden, 


326 Vereinszeitung. 


die in schlichten Erzählungen und Berichten die einzelnen Begeben- 
heiten mittheilten, ohne auf ihren inneren Zusammenhang oder ihre 
muthmaasslichen Folgen Rücksicht zu nehmen, als man erst anfing, 
auch literarische Zeitungen, wissenschaftliche Journale zu redigiren. 
Sie betrachteten von ihrem Ursprunge an ihre Aufgabe unter einem 
anderen und höheren Gesichtspuncte, sie suchten das Verhältniss der 
verschiedenen wissenschaftlichen Erscheinungen, wo nicht zu dem 
höchsten Ideal, so doch meist zu dem eben bestehenden Grade und 
Charakter der literarischen Cultur auszumitteln, und bestimmten dar- 
nach ihren grösseren oder geringeren Werth. So mussten sie, wie 
oft auch beschränkte Vorurtheile, oder noch niedrigere persönliche 
Rücksichten unter ihrem Schilde ihr zügelloses Spiel trieben, einer 
der kräftigsten Hebel der literarischen Cultur der gesammten gebil- 
deten Welt werden; sie wurden in der That auch das Bindemittel 
zwischen den verschiedensten Nationen, welche sich bisher, in sich 
abgeschlossen, bloss in ihrer Individualität ausgebildet hatten; sie 
erzeugten durch den gegenseitigen Umtausch der Ideen Vielseitigkeit 
und Mannigfaltigkeit der gelehrten Bildung, sie erweckten Wettstreit 
unter den Nationen und regten durch die Oeffentlichkeit dieser Ver- 
handlungen die auf der literarischen Bühne auftretenden Männer zu 
einem grösseren Streben nach Vollkommenheit kräftig an; sie brach- 
ten Licht und Uebersicht, Ordnung und Bewusstsein in die bisher 
meist nur durch Zufälligkeiten bestimmten und fast bewusstlosen 
literarischen Bemühungen, Die durch die allgemeinen literarischen 
Journale herbeigeführten Erfolge waren zu glänzend, als dass man 
sich nicht hätte gedrurgen fühlen sollen, selbst zur Ausbildung und 
Erweiterung einzelner Wissenschaften eigene Journale zu schaffen. 
In Deutschland hatte schon zu Anfang dieses Jahrhunderts jede ein- 
zelne wichtigere Disciplin ihre eigene Zeitschrift, und auch die Phar- 
macie war hierin nicht zurückgeblieben. Bereits seit dem Jahre 1780 
wurde in Weimar der Almanach für Scheidekünstler und Apotheker 
herausgegeben; seit dem Jahre 1790 erschienen die Berliner Jahr- 
bücher der Pharmacie; im Jahre 1793 gründete Trommsdorff sein 
Journal der Pharmacie, später erst folgten Buchner’s Repertorium, 
Geiger’s Magazin, die Annalen der Chemie und Pharmacie, das 
Jahrbuch der praktischen Pharmacie und viele andere von kürzerer 
oder längerer Dauer, ja die pharmaceutischen Zeitschriften ver- 
mehrten sich in dem Maasse, dass die Ergebnisse derselben im 
Jahre 1830 bereits in einem eigenen wöchentlich erscheinenden Blatte, 
dem pharmaceutischen Centralblatte, concentrirt werden konnten, 
Unser Archiv der Pharmacie wurde im Jahre 1822 gegründet. 

Man hat den allgemeinen und besonderen wissenschaftlichen Zeit- 
schriften den Vorwurf gemacht, dass sie leicht von-dem ernsten Stu- 
dium der Wissenschaften abziehen ; die bereits erwähnten glänzenden 
Erfolge beweisen das Gegentheil; namentlich aber trifft die natur- 
wissenschaftlichen Journale, die zur sofortigen Verbreitung neuer 
Erfahrungen so unumgänglich nöthig, zur Förderung der Erkenniniss 
so nützlich sind, dieser Vorwurf nicht. In der Naturwissenschaft 
kommt es ja hauptsächlich darauf an, dass jeglicher Fortschritt in 
derselben sogleich zu neuen Forschungen benutzt, und alle Arbei 
und alles Studium ein gemeinsames werde, und dann sind denn die 
Journale gleichsam die Flug- und Kettenbrücken, auf denen die Ideen 
und Entdeckungen, wie die Personen auf den Eisenbahnen, durch die 
Welt fliegen und G 5 t werden. 


Vereinszeitung. 327 


Was aber von der Naturwissenschaft im Allgemeinen gilt, das 
git auch von jedem einzelnen Zweige derselben, also auch von der 
Pharmacie, und wenn ein pharmaceutisches Journal für seinen Leser- 
kreis den Anforderungen, die man nach dem Gesagten überhaupt an 
eine wissenschaftliche Zeitschrift zu machen hat, entspricht und ausser- 
dem noch den Verband unter den Mitgliedern eines Vereins erhält, 
wie dies das Archiv der Pharmacie ihut, so hat es gewiss einen 
doppelten Werth. 

Als unser Verein noch im Entstehen war, geschahen die den 
Mitgliedern zu machenden Mittheilungen durch schriftliche Circulare, 
nach der Gründung des Archivs, also schon im Jahre 1822, wurden 
dieselben in dieser Zeitschrift mit abgedruckt in der Voraussetzung, 
dass jedes Mitglied des Vereins auch das Archiv halten würde. Dies 
war indessen wegen des bedeutend hohen Preises des Archivs nur 
Wenigen möglich, und es kam daher darauf an, auf eine billigere 
Art wenigstens das Nöthigste, was die Verwaltung des Vereins 
betraf, den Gliedern desselben bekannt zu machen. Solches wurde 
bewirkt durch die pharmaceutische Zeitung, die im Jahre 1827 ins 
Leben trat, monatlich zweimal erschien und jährlich 11/3 Thlr. kostete, 
Das Archiv wurde dadurch eine rein wissenschaftliche Zeitschrift, 
die pharmaceutische Zeitung dagegen war, obgleich sie das wissen- 
schaftliche Element nicht ganz ausschloss, doch mehr den materiellen 
und Verwaltungsverhältnissen des Vereins gewidmet. So hatte denn 
unser Verein zwei Zeilschriften, beide aber konnten wirkliche Organe 
des Vereins nur dann sein, wenn sie von den Mitgliedern als Eigen- 
ikum erworben wurden, Dies geschah indessen selbst in Bezug auf 
die pharmaceutische Zeitung nur unvollständig, und man schritt nun 
erst, im Jahre 1839, zu der jetzigen Einrichtung, nach welcher jedes 
Mitglied für einen nur um ein Weniges erhöhten jährlichen Vereins- 
beitrag Vereinszeitung und Archiv, die zu einer Zeitschrift vereinigt 
wurden, erhält. Der Ober-Director unseres Vereins, R. Brandes, 
gesegneten Ändenkens sagte damals, indem er die pharmaceutische 
Zeitung schloss: »Nicht aufhören also wird dies Blatt, es wird in 
einer fruchtbringenderen Form wieder erscheinen, und zwischen allen 
Mitgliedern des Vereins und allen Beamten desselben das vereinigende 
Band, für die ganze Anstalt das belebende und kräftigende Medium 
sein. Die Einrichtung, die jetzt das Directorium für diese Anstalt 
getroffen hat, kann wohl eine grossartige genannt werden; nur das 
schöne Zusammenwirken aller Mitglieder und die treue Hingebung 
aller Beamten des Vereins macht sie möglich. Das wird sie auch 
erhalten und dem Verein seine ehrenvolle Stellung sichern.« 

Brandes hat sich nicht getäuscht, die Treue und der Eifer der 
Mitglieder haben die Archiveinrichtung nicht nur’ erhalten, sondern 
auch unter der Leitung einsichtiger Redactoren noch erweitert. Aber 
die Einrichtung hat auch eine rückwirkende Kraft zu äussern nicht 
verfehlt. Ihr allein ist es zuzuschreiben, dass die Zahl der Mitglieder 
des Vereins um das Dreifache gestiegen, die ehrenvolle Stellung des 
Vereins gesichert, sein Segen vermehrt ist. Beweise für die Wahr- 
heit dieser Behauptungen sind die jetzt vorliegenden Erfolge und 
Thatsachen. Unser Archiv mag in mancher Beziehung vielleicht ande- 
ren pharmaceutischen Zeitschriften nachstehen ; unstreitig aber ist es 
das vielseitigste pharmaceutische Journal. Es hat die Bestimmung, in 
seinem ersten Theile auf dem Felde der nenn zunächst die 


Arbeiten der Vereinsmitglieder bekannt zu machen und von ihren 
Be 4 


328 Vereinszeitung. 


Leistungen Zeugniss zu geben; Mittheilungen von anderen Personen, 
die nicht Vereinsmitglieder sind, Berichte über wissenschaftliche Fort- 
schritte und Entdeckungen und Excerpte aus anderen Journalen bilden 
eine Zugabe, damit das Archiv möglichst alles für die pharmaceu- 
tische Praxis Wichtige enthalte, ein werthvolles pharmaceutisches 
Repertorium darstelle. In seinem zweiten Theile, der sogenannten 
Vereinszeitung, dient das Archiv der Verwaltung des Vereins und 
bringt schnell zur Kunde, was von den Vereinsbeamten und Vereins- 
gliedern ausgeführt, oder wovon ihnen Nachricht gegeben werden 
soll; es theilt die Verfügungen und Verordnungen der Behörden in 
Bezug auf die pharmaceutische Gesetzgebung mit, behandelt merkan- 
tilische Angelegenheiten des Fachs, ist aber insbesondere gewidmet 
den Erörterungen über die äussere und innere Stellung der Apothe- 
ker im Leben und im Staate, In allen Abtheilungen sollen vorzugs- 
weise die Vereinsmitglieder sprechen; das Feld, auf welchem sie 
sprechen können und sollen, ist aber so wenig beschränkt, dass kein 
Gegenstand ausgeschlossen werden darf, der irgendwie eine Bezie- 
hung zur Pharmacie hat. Ob das weite pharmaceutische Feld im 
Archiv bebaut und reichlich bebaut sei, davon zeugt das Archiv selbst, 
Was für die Darstellung und Prüfung der Arzneimittel, also für die 
Pharmakopöen geliefert, wie für die verschiedenen pharmaceutischen 
Unterstützungs- Anstalten gewirkt, was zur Regelung der verworrenen 
Concessionsangelegenheit gethan, wie den Stürmen von 1848 ent- 
gegengetreten, was für alle Interessen des Standes geschehen, wie 
die Bildung der jüngeren Standesgenossen befördert, was endlich zur 
Hebung der Pharmacie nach Innen und nach Aussen beigetragen ist: 
das sehen wir in seinen Blättern verzeichnet. Wer eine Geschichte 
der Pharmacie in Deutschland seit dem Jahre 1839 schreiben will, 
alle Materialien dazu findet er in unserm Archive. 

Benutzen wir, verehrteste Collegen, aber unser Archiv wohl so, 
wie wir eigentlich sollten? Wohl manches Wort ist und wird in 
ihm gesprochen, manches Wort, das in Vieler Herzen und Seelen 
wiederklingt, manches Wort, das für die Wissenschaft wie für die 
Kunst einen gleich hohen Werth hat; aber könnte von uns 1600 Mit- 
gliedern nicht viel mehr noch gesprochen, viel mehr noch erörtert 
und gefördert, viel mehr noch ausgekämpft werden? Wir sehen und 
wissen, dass in unserer Mitte so viele schöne Kräfte vorhanden sind, 
wir hören in Gesprächen so viele werthvolle Erfahrungen, so viele 
treffliche Gedanken, so viele gereifte Ansichten und Urtheile, wir 
hören sie mittheilen, wenn die Veranlassung zu mündlicher Bespre- 
chung gegeben ist, — 0! möchten wir sie aber doch auch lesen in 
unserem Archiv, möchte mehr noch als bisher erwogen werden, 
dass Schreiben Sprechen, ja erfolgreicher und bedeutungsvoller und 
wichtiger noch als Sprechen geworden ist, seit die Druckschrift dem 
Worte. Millionen Zungen und Flügel gegeben! Oft schon habe ich 
hervorgehoben, dass es ein erhebendes, wohlthuendes Bewusstsein 
ist, einem Vereine anzugehören, der so viele Mitglieder zählt, der so 
weit verbreitet ist; wird dies Bewusstsein nicht aber dadurch erst 
ein wahrhaft innerlich befriedigendes, dadurch, dass man zu jeder 
Zeit zu seinen Genossen sprechen kann? Wir schreiben mit Recht 
den Versammlungen der Vereinsmitglieder einen so grossen Werth zu, 
ist aber nicht grösser noch der Werth einer Versammlung, die immer 
gehalten, nie geschlossen wird, an welchem Theil zu nehmen kein 
Vereinsglied gehindert ist? In dem eigenen Hause, am heimathlichen 


Vereinszeitung. 329 


Heerde, in der Mitte der Berufsgeschäfte, umgeben von den Sorgen, 
wie von den Freuden des Lebens, und doch zugleich in der Ver- 
sammlung, in der vollständigen lückenlosen Versammlung aller Vereins- 
genossen sein zu können, — das ist es, was das Archiv möglich 
macht und möglich gemacht hat, das ist es, was in dem Archiv dem 
Vereine den grössten Reiz und die mächtigste Anziehungskraft, aber 
auch zugleich eine niemals wankende, sichere Stütze verleiht! Ich 
möchte unser Archiv vergleichen einer Palästra, in welcher die Kräfte 
der Vereinsgenossen für ihren Beruf geübt und gestärkt werden, in 
welcher es nicht fehlt an schattigen Baumgängen, unter deren hohem 
Dach in freundlicher, lieber Gesellschaft man sich wohl fühlt, nicht 
fehlt an mächtigen Säulenhallen, durchweht von der Wissenschaft 
reiner, erquickender Luft. Mit Recht kann ich unser Archiv wenig- 
stens nennen einen steis offenen Sprechsaal, in welchem die Vereins- 
mitglieder redend und wirkend, hörend und urtheilend eintreten kön- 
nen zu jeder Zeit, an keinen Ort, an keine Versammlungsstunde 
gebunden, Die Worte, in diesem Saale gesprochen, klingen als wären 
sie mit tausend Zungen gesprochen, an die Ohren von Tausenden, 
sie tönen weithin, wie der Schall einer mächtigen Glocke, verhallen 
aber nicht wie dieser, sie tönen fort und fort, auch wenn der Spre- 
cher den Mund und die Augen für immer und längst geschlossen. 

Unser Archiv erscheint also nicht allein als eine Zeitschrift, deren 
Aufgabe die Förderung der pharmaceutischen Kunst und Wissenschaft 
ist, sondern auch als ein Sammelplatz für die Mitglieder unseres 
Vereins, auf welchem alle Standesinteressenberathen werden, 

In neuester Zeit ist von vielen Seiten her der Wunsch laut 
geworden, dass das Archiv mehr und im weiteren Sinne als bisher 
ein pharmaceutisches Centralblatt werden möge. Dieser Wunsch ist 
grösstentheils hervorgerufen durch die dem Vereine in einigen Staaten 
entzogene Portovergünstigung, welche eine Beschränkung der Zahl 
der in den Lesezirkeln bisher gehaltenen Journale nothwendig gemacht 
hat. Viele meinen nun, dass die Lesezirkel ganz aufgehoben werden 
könnten, dass dagegen im Archiv in Excerpten Alles mitgetheilt wer- 
den müsste, was alle anderen pharmaceutischen Journale darbieten, 
Das Aufhören der Portovergünstigung ist an sich schon ein sehr betrü- 
bendes Ereigniss; es beweist, dass der Ausbildung der pharmaceuti- 
schen Wissenschaften nicht mehr die frühere Theilnahme gewidmet 
wird; wollte man sich dadurch aber auch noch bestimmen lassen, 
die Tendenz des Archivs zu verändern, in ihm nicht bloss das Wich- 
tigste, sondern Alles im Auszuge zu geben, was die anderen phar- 
maceulischen Zeitschriften enthalten, hiesse das nicht, das Uebel noch 
vergrössern, dem Vereine die mächtigste und wichtigste Stütze neh- 
men, das Archiv herabsetzen und in demselben nicht mehr den Ver- 
sammlungsort gewähren, den es gewähren soll? Immer Raum für 
die Worte der Vereinsglieder zu haben, das ist des Archivs höchste 
Bestimmung; zu zeigen, dass die Vereinsgiieder Vieles und Tüchtiges 
leisten, nicbt minder sein Zweck. Für diesen Zweck, verehrteste 
Vereinsgenossen, lassen Sie, auch wenn wir Opfer bringen müssen 
zur Erhaltung und Förderung des Vereins, wie bisher nach Kräften 
uns wirken und durch Beibehaltung der Lesezirkel mehr noch uns 
anregen! Ja! lassen Sie unseren Sprechsaal in seiner Räumlichkeit 
uns erhalten und ihn mehr noch beleben, damit das collegialische 
Band, welches in unserem Vereine uns umschliesst, dadurch mehr 
noch befestigt, die bewährte Archiveinrichtung uns erhalten werde. 


330 Vereinszeitung. 


Der Werth, der Einfluss des Archivs wird erhöht durch jede, auch 
die kleinste Mittheilung der Vereinsglieder.. Wo man spricht, da lebt 
man auch im wahren Sinne des Worts, und wo man im höheren Sinne 
lebt, da fühlt man sich auch heimisch und wohl. Der Rede, der An- 
sprache folgt die Antwort, und ist das Gespräch erst hergestellt, dann 
wachsen den Gesprächstheilnehmern die geistigen Schwingen. Möge 
von ihnen getragen werden unser Archiv für und für, möge unter 
ihrem Schutze unser schöner Verein gedeihen und wachsen wie bis- 
her und einer immer höheren Vollkommenheit entgegenreifen! 


Veränderungen in den Kreisen des Vereins. 


Im Kreise Lüneburg 
ist der Kreisdirector Hr. Prollius von Uelzen nach Hannover 
gezogen, behält aber die Leitung des Kreises Lüneburg bei. 


Im Kreise Hannover 
ist eingetreten: Hr. Apoth. Stoffregen in Münder. 


ImKreise Stade 
ist Hr. Administr. Busse in Drochtersen ausgeschieden. 
Im Kreise Ostfriesland 
ist Hr. Apoth. Kittel in Timmel wieder eingetreten, 
Im Kreise Harburg 
sind die HH.Lohmeyer und Seelhurst in Winsen eingetreten. 
Im Kreise Hanau 


ist Hr. Apoth, Kämpff in Meerholtz ausgeschieden, um nach 
Amerika auszuwandern. 


Im Kreise Arnsberg 


bleibt Hr. Henke in Unna Mitglied und geht nicht in den Ruhr- 
kreis über. 
Im Kreise Kreuzburg 


ist Hr. Apoth. Zoelffel in Reichthal ausgetreten. 


Notizen aus der General-Correspondenz des Vereins. 


An die HH. Geh. Med.-Rath Dr. Staberoh, Meurer und 
Bucholz Angelegenheiten der Hagen-Bucholz’schen Stiftung. Von 
den HH. Dr, Meurer, Hornung, Schwacke, Bohlen, Tauber, 
Dr. Overbeck Mittheilungen für das Archiv. Von Hrn. Salinedir. 
Brandes wegen Rechnung des Vereins. Von Hrn. Dir. Dr. Gei- 
seler Anmeldung neuer Mitglieder. Von Fürstl. Schwarzburg. Justiz- 
amt Schlotheim wegen Todes des Pensionairs Beetz. Von Dir. Dr. 
Herzog wegen Brandes-Stiftung. Von Hrn. Vicedir. Berg-Comm. 
Retschy wegen Veränderungen in den Hannov. Kreisen. Bewer- 
bung des Hrn. Ernst um Unterstützung. Von Hrn. Vicedir. Oswald 
wegen Veränderungen in den Schlesischen Kreisen, Generalversamm- 
lung in Breslau. Von Hrn. Med.-Rath Dr. Müller wegen restiren- 
der Erklärung in der Porto-Angelegenheit. Von Hrn. Apoth. Blass 
Unterstützung für Hrn, Bender beantragt. Von Hrn. Kreisdir. Med.- 
Ass, Beyer wegen Austritts des Hrn. Kämpff im Kreise Hanau. 


Vereinszeitung. 331 


An Hrn. Apoth. du M&nil Biographie seines Vaters. Von Hrn. 
Baarts Beitrag zur Gehülfen-Unterstützung. Von Hrn, Dr. Riegel 
wegen Archiv-Versendung. Von Hrn. Ober-Dir. Dr. Walz wegen 
Versendung des Jahrbuches. Von Hrn. Kreisdir. Brodkorb wegen 
Archivbestellung. Von Hrn, Apoth. Heise desgleichen, 


Aufforderung. 

Diejenigen HH. Vicedirectoren, Kreisdirectoren und Mitglieder des 
Vereins, welche noch nicht der Bitte um Einsendung der Angabe über 
die Portokosten der Lesezirkel genügt haben, werden ersucht, dieses 
ungesäumt thun zu wollen, weil ohne diesen Eingang keine Schritte 
zur Erlangung von günstigen Bedingungen geschehen können, 


Der Oberdirecter. 


An die Mitglieder des Kreises Arnsberg. 
Hierdurch ersuche ich die geehrten Herren Collegen freundlich: 
a) die rückständigen Beiträge baldigst einzusenden; 


b) darauf zu achten, dass nach $.46. der Grundsätze des Vereins 
bei Annahme eines Lehrlings Zwei Thaler zur Unterstützungs- 
Casse des Vereins zu zahlen sind; 


ce) sich gefälligst im Interesse des wohlthätigen Zweckes mehr als 
bisher durch Beiträge an dem Gehülfen-Unterstützungs-Institute 
zu betheiligen. 


Arnsberg, im Februar 1854. 
Der Kreisdirector E. Müller. 


3) Bericht über brasilianische Heilmittel ; 
von Peckoldt. 


(Fortsetzung.) 


Piccydaria macrocarpa. Jequitiba. Ein schöner, grosser Baum 
mit dicker, harter, dunkelgelber Rinde, von bitterm, adstringirendem 
Geschmack, welche gewöhnlich nur äusserlich angewandt wird, z.B. 
als Decoct bei den hier so häufig vorkommenden Anschwellungen der 
Füsse; auch zu Waschungen bei chronischen Wunden besonders heil- 
sam. Das Extract als Pflaster. Innerlich gegen Haemoptisis. Dosis 
1 Unze Cortex zu 24 Unzen Decoct, 


Mirabilis dichotoma L. Maravilha oder Bonnina oder Bellas 
noites. Die drastische Wurzel wird der Jalappa substituirt. Die Dosis 
ist 2 Drachmen. Gegen Wassersucht, Leucorrhea etc. 


Sisyrinchium galazoides.. Die knollige, orangegelbe, süsslich 
schmeckende Wurzel wird als Purgativ benutzt; 1—6 Wurzelknollen 
ungestossen infundirt und Abends getrunken, (vide Cassia occiden- 
talis). Dieselbe besitzt viel Stärkmehl, ist geruchlos, von weissgelb- 
licher Farbe und süsslichem Geschmack, welches ein scharfes Princip 
enthält, das energisch brechend und abführend wirkt. Dieses Stärk- 


332 Vereinszeitung. 


mehl, Maririco benannt, wird von den Apothekern in Rio de Janeiro 
sehr gesucht und theuer bezahlt, indem es als Ingredienz zu einer 
Composition »Purgante de maririgo« dient, welche aus benannter 
Substanz, Scammonium, Zucker und Harz von Convolvulus operculatus 
zusammengesetzt wird. 

Piper umbellatum. Pariparoba oder Caapeba. Eine 4—5 Fuss 

hohe, strauchartige, sehr häufig vorkommende Pflanze. Officinell ist 
die Wurzel, im frischen Zustande von aromatischem, pfefferähnlichem 
Geruch und bitterem, etwas beissendem Geschmack. Wirkt magen- 
stärkend, schweisstreibend und etwas diuretisch, Wird von den Aerz- 
ten mit gutem Erfolge bei den Nachkrankheiten der hiesigen Sumpf- 
fieber angewandt. Ebenso als Getränk bei siphylitischen Wunden, 
Krätze und andern Hautkrankheiten. Das Decoct von 1 Unze zu 
12 Unzen Colatur. 
Acanthospermum. Picao da Praia. Eine kriechende Pflanze, 
viel Schleim enthaltend, von aromatisch -bitterem Geschmack. Wirkt 
tonisch und diuretisch und findet als Antefebril vielfache Anwendung, 
so wie bei Diarrhea hepatica. Die Pflanzer, welche in den Sumpf- 
gegenden wohnen, trinken das Infusum an der Stelle des Thees als 
Schutzmittel gegen das Sumpffieber. Nach dem Fieber nimmt man 
Bäder von dem Pflanzendecocte, welche stärken sollen. 


Jatropha Curcas. Pinhao de Purga. Die in Europa schon be- 
kannten Früchte haben eine höchst drastisch-purgirende und brechen- 
erregende Wirkung. 2 bis 3 Samenkörner sind schon hinreichend, 
diese Wirkung hervorzubringen. Der Strauch kommt hier sehr häu- 
fig vor und werden Gärten und Weiden damit umzäunt. Das Oel 
ersetzt das Oleum Crotonis und wird viel davon nach Europa ver- 
sandt; gewiss um das theure Oleum Crotonis damit zu vermischen! 


Petiveria tetrandra. Pipi oder Raiz de Guine. Ein 3—5 Fuss 
hoher Strauch, wovon nur die federkieldicke, sehr stinkende und 
scharf schmeckende Wurzel officinell,. Wirkt schweisstreibend und 
stimulirend. Besonders bei Paralysis sehr häufig benutzt, wo die 
Pflanzer folgenderweise verfahren: Eine Handvoll dieser Wurzel wird 
in einem Topfe mit kochendem Wasser infundirt, fest verschlossen eine 
halbe Stunde digeriren gelassen, dann lässt man es noch einmal auf- 
wallen und stelli es unter einen mit einem Loche versehenen Stuhl 
oder sonst irgend ein passendes Gestell, worauf sich der Kranke setzt, 
umhüllt vielfach mit wollenen Decken und lässt auf diese Art die 
Dämpfe während einer Viertelstunde einwirken, bringt denselben dann 
sogleich in ein schon erwärmtes Bett und lässt den Schweiss fort- 
wirken, Diese Procedur wird alle zwei Tage wiederholt und ist von 
sehr gutem Erfolge gekrönt. Die geistige Tinctur dient als Einreibung 
bei benannter Krankheit, 

Phyllanthus niruri. Pombinha. Die ganze Pflanze im Infusum 
gegen Urinbeschwerden; besonders gegen Diabetes mellitis mit dem 
Decoct von der Rinde der Picramia ciliata vermischt. 


Plüchea Quitoc. Quitoco oder Cuculaje. Die sehr angenehm 
aromatisch riechende Pflanze wird gewöhnlich nur in Bädern ange- 
wandt. Wirkt tonisch und stimulirend. Gegen Hysterie mit vielem 
Erfolg. 

Anatherum bicorne. Sape. Diese 2—3 Fuss hohe Graminee ist 
hier ein sehr nützliches Gewächs, indem es zum Dachdecken dient. 
Die etwas sudorifisch wirkende Wurzel ersetzt hier die Rad. Graminss. 


Vereinszeitung. 333 


Kalanchoe brasiliensis. Sayao. Die fleischigen Blätter sind das 
Emplastrum universale der Pflanzer. Das Decoct wird mit Erfolg 
zum Reinigen alter Wunden benutzt. Der Saft ist der hauptsächlichste 
Bestandtheil eines zertheilenden Balsams, welcher auch den Namen 
Sayao, nach dieser Pflanze, führt. 

Bigonia hirtella. Surucura oder Azedinha. Die ganze Pflanze 
wird benutzt. Wirkt adstringirend. Ist das Universalmittel der Pflan- 
zer gegen chronische Diarrhöen und wird auf folgende Weise mit stets 
gutem Resultate gegeben: Eine Handvoll dieser Pflanze wird mit 
4 Quart Wasser gut gekocht, ausgepresst und mit einigen Tropfen 
Limonensaft vermischt. Eine Tasse davon früh nüchtern getrunken, 
eine halbe Stunde darauf dieselbe Portion als Klystier. Zur Nacht, 
ehe man zu Bette geht, wird dasselbe repetirt, und auf diese Weise 
4 Tage fortgefahren. Alsdann nimmt man 1 Octava (beinahe 1 Drachme) 
Ipecacuanha grob gestossen, mit 1 Tasse kochendem Wasser infun- 
dirt, lasse das Infusum über Nacht stehen, am Morgen wird es eine 
Zeitlang tüchtig umgerührt, colirt und auf einmal getrunken, Derselbe 
Wurzelrückstand wird des Abends wieder mit 1 Tasse kochenden Was- 
sers infundirt und des Morgens auf dieselbe Weise getrunken; auf 
diese Art wird stets mit demselben Rückstande dreimal verfahren. 
Ist Rückfall zu befürchten, so repetirt man in 14 Tagen die Cur. 

Die Pflanze enthält viel Oxalsäure. Wird auch gegen Blasen- 
krankheiten angewandt, 

Paullinia pinnata. Timböo. Der wirksamste Theil dieses klet- 
ternden Strauches ist die Wurzelrinde, von angenehm aromatischem, 
dem Moschus ähnlichem Geruch. Ist als schmerzstillende, äusserliche 
Arznei officinell, und besonders mit Pulv. sem. lipi als Cataplasma, 
wo es zuweilen, wenn es auf zarten Stellen applicirt, eine pustulöse 
Eruption hervorbringt. Die Pflanzer benutzen die Wurzelrinde bei 
sehr vielen Krankheiten, doch ihrer stark giftigen Eigenschaft wegen 
meistentheils nur äusserlich, z. B. gegen schwarzen Staar, krebsartige 
Wunden, Unterleibsbeschwerden etc.; auch wird dieses Mittel allge- 
mein anempfohlen gegen Hundswuth, innerlich in sehr kleinen Dosen 
und äusserlich auf der Wunde ein mit dem Infusum bereitetes Cata- 
plasma. 

Gewisse Stämme der Neger von der Küste Afrika’s sind ebenfalls 
mit den Wirkungen dieses Gewächses bekannt, indem es ebenfalls an 
der afrikanischen Küste wachsen soll, und wissen aus der Wurzel ein 
schnelltödtendes Gift zu bereiten, welches schon zu vielen verbreche- 
rischen Zwecken gedient und manchen grausamen Pflanzer des Lebens 
beraubt. 

Auch wird die Wurzei zum Fischfange benutzt, wie in andern 
Gegenden die Sem. Cocculi. 

Die Dosis zum äusserlichen Gebrauch ist 4 Unze zu 16 Unzen 
Decoct. 

Caladium bicolor. Tinhorao. Das Decoct der Blätter wird als 
Gurgelwasser bei Halsentzündungen angewandt; zuweilen wird es 
auch als Anthelminthicum benutzt, doch habe ich nie beobachtet, dass 
dasselbe einige Wirkung hervorbrachte. Von allen hier wachsenden 
Caladium-Arten ist diese diejenige, deren Wurzel am wenigsten giftig 
wirkt. 

Tradescentia diuretica. Trepoeraba. Das Hämorrhoiden -Speci- 
ficum der Pflanzer. Von dem Decocte der Pflanze zu gleicher Zeit 
Sitzbäder und Klystiere. Seiner stark diuretischen Eigenschaft wegen 


334 Vereinszeitung. 


wird das Decoct auch häufig gegen Hydropesia, so wie gegen krank- 
hafte Urinverhaltung als Injection angewendet. Der Geschmack der 
Pflanze ist sehr dem der Rad. Saponariae ähnlich. 

Datura arborea. Trombeteira. Die Blätter dieses Strauches wer- 
den von den hiesigen Aerzten vielfach angewandt, doch nur äusser- 
lich. Bei Diarrhöen habe ich es zur Stillung der Leibschmerzen als 
ein wirkliches Specificum gefunden. Die grossen Blätter werden mit 
Oel bestrichen, auf einem heissen Steine erwärmt und aufgelegt; ge- 
wöhnlich ist der Schmerz in zehn Minuten verschwunden. Besonders 
hülfreich bei Rheumatismen und andern schmerzhaften Affectionen, wo 
das Oel benutzt, welches auch in vielen Apotheken dem Oleum hyosm. 
coctum substituirt wird. Das Blätterdecoct zu Bädern gegen Gicht, 
Neuralgia etc. 

Bixa orellana. Urucu. Die Samen werden mit Zucker zu einem 
Syrup gekocht und gegen Brustkrankheiten genommen. Im Uebrigen 
ist diese Pflanze wegen ihres Farbestoffs (Orlean) in Europa. hinrei- 
chend bekannt. Man findet diesen Strauch besonders dort in grosser 
Menge, wo sich Indianer aufhalten, welche den Farbestoff zum Be- 
malen des Körpers benutzen. Dosis: 1 Drachme Samen zu 8 Unzen 
Infusum. 

Sida carpinifolia. Vassoura. Die Blumen und Blätter werden 
von den Pflanzern statt der Malva gebraucht. 

Trichilia calhartica. Marinheiro de folha miuda. Officinell ist 
die sehr bittere Wurzelrinde; innerlich 2 bis 3 Drachmen zu 24 Unzen 
Decoct; als Klystier: drei Finger voll der frischen Wurzelrinde wer- 
den mit 1 Flasche Wasser macerirt, 2 Löffel Oel und hinreichend 
Zucker zugemischt. Heilkräftig bei Bauchwassersucht, Oedema pedum, 
Anschwellungen der Milz und Leber, Ictericia, Zellgewebsverhärtung, 
Infareten, chronischer Erysipelas, Syphilis und besonders Tertiärfieber; 
bei letzterem wird die Tinctur als Schutzmittel genommen, muss aber 
stets mit grosser Vorsicht gebraucht werden, da es stark drastisch 
wirkt. 

Triechilia glabra. Tuaüra oder Marinheiro de folha larga. Die 
Wurzelrinde hat dieselben Eigenschaften wie die vorige; nur wirkt 
sie noch weit energischer und wird deshalb aus Vorsicht weniger 
benutzt. Ist sehr bitter und adstringirend. 

Davilla rugosa. Cipo le cario oder Cambaibinha. Die Wurzel 
ist officinell. Das Decoct gegen atonische Geschwüre als Waschung; 
die Bäder des Decocts gegen geschwollene Testikel, so wie die Dampf- 
bäder eine allgemeine Anwendung finden gegen alle Arten von Ge- 
schwülsten. Wirkt tonisch und stimulirend. 

Hypericum cannatum. Orelha de gato. Die resinöse Pflanze 
wirkt adstringirend und roborirend und als Decoct findet es häufige 
Anwendung gegen Affectionen des Schlundes als Gurgelwasser. 

Velinga adstringens. Barba timao. Das Decoct der Rinde gegen 
Blutflüsse und Schwäche nach denselben, innerlich tassenweise getrun- 
ken; als Sitzbad gegen weissen Fluss (Leucorrhea); ferner zum 
Waschen der Wunden von schlechtem Aussehen, so wie auch als 
Cataplasma. Hauptsächlich findet die Rinde vielfache Anwendung zum 
Ledergerben. Nach Europa wird dieselbe unter dem Namen Cor- 
tex adstringens brasiliensis versandt. 

Palicurea speciosa. Douradinha de campo. Das Infusum der 
Blätter wird von den Pflanzern als Getränk gegen Bubonen gegeben 
und soll überhaupt sehr antisyphilisch wirken, so wie gegen Krank- 


ER 


Vereinszeitung. 335 


heiten der Haut und der Urinwerkzeuge. Aeusserlich als Cataplasma 
wirkt es erweichend. Die Früchte sind giftig und werden von den 
Rattenvertilgern zu einer Giftcomposition benutzt. Die Dosis der Blät- 
ter ist 4 Drachme zu 6 Unzen Infusum. y 


(Fortsetzung folgt.) 


4) Eine Uebersicht der von den Homöopathen 
angewendeten Pflanzen 


dürfte den meisten Ayioskiokelin interessant sein, darum giebt Ref. eine 
solche nach einer Recension von »Dr. Casparts homöopathischem 
Dispensatorium für Aerzte une Apotheker etc.« in der Botanischen 
Zeitung. 

Die Arzneimittel sind nach: dem Alphabete geordnet und es wird 
die ganze Pflanze angewendet, wo nicht ein einzelner Theil derselben 
bloss namhaft gemacht ist. Aconitum Napellus L. [Kraut]. Actaea 
spicata L. [|Wurzel, Beeren]. Aethusa Cynapium L. Agaricus mus- 
earius L. Agnus castus L. (Vitex). Aloe. Ammoniacum Gummi. 
Anacardium orientale (Samecarpus Anacardium L.) [Frucht]. Ana- 
gallis arvensis. Angusturae cortex (Bonplandia trifoliata W.) [Rinde]. 
Angustura Spuria (der Verf. nennt die Abstammung derselben von 
Strychnos nux vomica nicht) Anisum stellatum (Illicium anisatum L.) 
[Samen]. Armoracia (Cochlearia A,L.) [Wurzel] Arnica montana L. 
[Wurzel innerlich, Tinctur der ganzen Pflanze äusserlich]. Artemisia 
Absynthium. A. vulgaris. Arum maculatum [Wurzel, von den Blät- 
tern zu sammeln]. Asa foetida [hierbei machen wir die Bemerkung, 
dass die Pflanze nicht in Gärten gezogen wird und noch sehr 
wenig bekannt ist). Asarum (europaeum L.). Asparagus (ofli- 
einalis L.) [Wurzeltriebe]. Athamanta (Oreoselinum L.) [Wurzel 
und Kraut]. Belladonna (Atropa Belladonn. L.) [blühende Pflanze). 
Berberis vulgaris L. [Wurzel]. Boletus Satanus Lenz. Bovista (Ly- 
coperdon B.L.) [Sporen]. Brucea antidysenterica [Wurzel]. Bryonia 
alba L. [Wurzel] Caladium sanguineum Pers. Calendula (offic. L.) 
Camphora. Capsicum (aunuum L.) [Frucht und Samen]. Cascarilla 
(Croton Case. L.) [Rinde]. Chamomilla (Matricaria Ch. L.). Cheli- 
donium majus L. Chenopodium glaucum L. China (Cinchona officin, 
L.) [Rinde]. Cicuta virosa L. [Wurzel]. Cina (Artemisia judaica L.) 
[Blüthenköpfchen]. Cinnamomum (Laurus Cion, L.) [Rinde]. Cistus 
canadensis (Cistus Helianthemum L.), ist in Nordamerika gebraucht 
worden, daher der Namen. Citri Succus. Clematis (Clematis erecta 
L.) [Blätter]. Cocculus (Menispermum C. L.) [Samen]. Coffea ara- 
bica L, [Samen]. Colchicum autumnale L. [Wurzel]. Colocynthi (Cu- 
eumis Col.L.) [Frucht}. Conium maculatum L. [Blätter]. Convolvulus 
(C. arvensis L.) Copaivae Balsam. (Copaifera offic.) Crocus sativus 
L. [Narben]. Croton Tiglium L. [Samen]. Cyclamen europaeum L. 
[Wurzel]. Daphne indica (der Verf. weiss nicht, was dies ist, aus 
nordamerikan. Journalen.}) Dietamnus albus L. [Wurzel]. Digitalis 
purpurea L. [Blätter]. Dipterix odorata W. [Samen]. Drosera (ro- 
tundifolia L.). Dulcamara (Solan. Dulcam. L.). Eugenia Jambus L. 
[Samen]. Euphorbium (Euphorbia offieinarum L.) Evonymus euro- 
paeusL, [Früchte]. Faba Pichurim. Filix mas (Aspidium f. m. Spr.). 
Fragaria vesca L. [Kraut]. Gentiana cruciata L. [Wurzel und Blätter]. 


336 Vereinszeitung. 


G. lutea L. [Wurzel]. Granatum (Punica Gr. L.) [Wurzel]. Gratiola 
offic. L._ Guajaci Gummi (Guajacum offic. L.) Helleborus niger L, 
[Wurzel]. Heracleum Sphondyleum L. [Kraut]. Humulus Lupulus L, 
[weibliche Zapfen]. Hyoscyamus niger L. Hypericum perforatum L. 
Jacea (Viola tric. L.) Jalappa (Convolvulus Jalappe L.) Jatropha 
Curcas L. [Samen]. Ignatia amara L. [Samen]. Indigofera tinctoria L, 
[Indigo]. Ipecacuanha (Cephaelis Ipec. W.) Psychotria emetica L. 
[Wurzel]. Juglans regia L. [Fruchtschalen und Blätter]. Juncus pilo- 
sus L. Lactuca virosa L.. Lamium album L. Ledum palustre L. 
Lobelia inflata. Lolium temulentum L. Lycopodii Pollen (Lycopodium 
clav. L.) [Sporen]. Menyanthes trifoliata L. Mercurialis perennis L. 
Mezereum (Daphne Mez. L.) [Rinde]. Millefolium (Achillaea Millef. L.). 
Morphium. Myrtus communis L. [Blätter], Nux moschata (Myristica 
offic. L.) [Samen]. Nux vomica (Strychnos nuc. vom. L.) [Samen]. 
Oenanthe crocata L. [Wurzel]. Opium (Papav. somnif. L.) Paeonia 
offic. L. [Wurzel]. Panax quinquefolium L. [Wurzel]. Paris quadri- 
folia L. Petroselinum sativum. Phelandria ag. Semen (Phel. agq. L.) 
[Samen|. Pimpinella alba (P. saxifraga L.) [Wurzel]. Pinus sylvestris 
L. [junge Zapfen]. Pothos foetidus (Draconthium foetid. L.) [Wurzel 
und Samen]. Prunus Laurocerasus L. [Blätter. Prunus Padus L. 
[Blätter oder innere Rinde]. Pr. spinosa L. [Blüthenknospen]. Pul- 
satilla (Anemone pratensis L.). Ranunculus acris L. R. bulbosus L. 
R. flammula L. R.repens L. R. sceleratus L. Raphanus sativus L. 
[Wurzel des schwarzen Rettigs]. KRatanhia (Krameria triandra Ruiz) 
[Wurzel]. Rheum (Rh. palmatum L. wahrscheinlich). Rhododendron 
chrysanthum L. Rhus (Rh. radicans oder Toxicodendron) [Blätter]. 
Rhus Vernix L. [Blätter]. Ruta graveolens L. Sabadilla (Veratrum 
Sab.) [Samen]. Sabina (Juniperus S. L.) [Blätter]. Sambucus nigra L. 
Sanguinaria canadensis L. [Wurzel]. Sassafras (Laurus $. L.) [Holz]. 
Sassaparilla (Smilax S. L.) [Wurzel]. Scrophularia nodosa L. Secale 
cereale L. [Blüthe]. Secale cornutum. Sedum acre L. Senega (Po- 
Iygala S.L.) [Wurzel]. Senna (Cassia lanceolata und obovata). Ser- 
pentaria (Aristolochia S. L.) [Wurzel]. Solanum Lycopersicum L. 
Solanum mammosum L. [Frucht]. Sol. nigrum L. Sol. tuberosum 
aegrotans [kranke Kartoffelknollen], Spigelia Anthelmia L. Squilla 
maritima L. [Zwiebel]. _Staphysagria (Delphinium St. L.) [Samen]. 
Strammonium (Datura Str. L.). Sambul Radix. Symphytum offici- 
nale L. [Wurzel und ganze Pflanze]. Tabacum (Nicotiana Tab. L.) 
Tanacetum vulgare L, Taraxacum (Leont. T. L.) Taxus baccata L. 
[Zweigspitzen]. Teucrium Marum L. [ohne Wurzel]. Thea caesarea 
(Thea bohea und viridis L.) [Blätter]. Thuja oceidentalis L. [Blätter]. 
Tilia europaea grandiflora [Blumen]. Tussilago Petasites L. Urtica 
urens L. ‚Uva ursi (Arbutus U. u. L.) [Blätter]. Valeriana offic. L. 
[Wurzel]. Veratrum album L. [Wurzel]. Verbascum Thapsus L. 
Vinca minor L. Viola odorata [Blume oder blühende Pflanze]. Zin- 
giber (Amomum Z.L.) [Wurzel]. 

Mit Recht bemerkt Schlechtendal am Schlusse: »Dies Ver- 
zeichniss der pflanzlichen Arzneimittel, deren sich die Homöopathen 
bedienen, zeigt, dass es in der botanischen Bestimmung nicht sehr 
sorgfältig ist, dass eine Menge sonst obsoleter Mittel in Gebrauch 
gezogen werden, und dass manches aufgenommen ist, welches bei uns 
schwer zu beschaffen sein dürfte.« '(Bot. Ztg. 1853. p. 700.) 

Hornung. 


4 


Bus 
Vereinszeitung. 337 


5) Tabelle über den Verlust beim Pulvern verschie- 
dener Droguen. 


Proc. Proc. 
AO aTBE 3 02 0.n0.. 1,50 'Fol2lSennae alex. ........... 63 
Arena. Sl. 1,63 n ” 111 [ AA NEE .. 3,96 
Alawenmiskeis. .e.eon.n. 5,76: Bad Cala . 2.2 ..02 7,41 
Ammon. muriat..occer..-. 841 ».&Colambiy...: 2.02.25 3,47 
er RR 2,80 ARQUrenDI. Fee er 2 3.08 
Msulph.22.....0.6 RT „ Gentian...... ocoehe 1.2246 
Basler 22.2 15,45 nRAGISCyREh ee ent. 4,06 
Sapo medic.......- KIN 33,33 ”. Hellebor-—.. 2. 22.2.. 4,31 
Cannella alb............. 4,26 „Helennt. cr Re 4,00 
Cassia einnam.........: +. 5,20 IR TDecae.S.. 0 0. 4,10 
Chmarrepia none nea.ae: 450D Rurirelorste en Ban are 3,34 
Cs nr saces. 3,81 Me Jalappae ........... 4,00 
AIOC ee edece. 6,25 „sRheil’moscov. ....,.: ı WAT 
Garechumn. Be eh. 4,58 „= Salep= 3. -SREmenn 3,84 
Euphorbium...........-- 3,84 IT SENEBBC.E een 5,08 
Knomen...nes. le. ce. 3,60 wANSerpentar ae 4,44 
Mastiche.... - . ...- tee 8,47 w* Valeman.!..n%.. Sue 4,24 
Mvrrkara Mn... 3,15 DA 4,51 
Opmam. .. „E Mer... SE GLOE N ISCH AT en anne 
Sang. Dracon..........-. 5,00 #% GOHandrL-. 2.002002. 2,02 
Tragacanthae.......»..... 4,64 "0, LinL)- us acahalase ® 0,87 
Herbiabomnir a0... Htduı KNDeH vom. Sal 3,79 
u neIkal.. ea cn. 4,04 Cantharides ........ ar EB 
FE NBROSeNEm. u. 875! ıGellaeız. same. Sal NE 4,34 
Flor& Arnicae:........... 3,381, Secale corm. ar... 10. 4,39 
Colocynthides...cereeue:. 67,23? 
(New York Journ. of Pharm. Aug. 1852.) 4.0. 


6) Zur Medicinal - Polizei. 


4 
Toxikologische Mittheilungen vom Apotheker Taubert sen. 
in Tültz. 
Vergiftung durch äpfelsaures Kupferoxyd. 

Es ist Gewohnheit, beim Ausputzen der Weihnachtsbäume die 
Aepfel mit Blattgold zu überziehen. — Wäre dieses ächt, so würde 
es keinen Schaden thun, so aber ist das Blattgold (Goldschaum) Kupfer- 
schlag, wie der Silberschaum Zinnschlag ist. Mit diesem Goldschaum 
waren auch hier die Aepfel eines Weihnachtsbaumes überzogen. Ein 
von einem Kinde genossener Apfel erregte ein furchtbares Erbrechen, 
und zeigte ganz die Vergiftung durch äpfelsaures Kupferoxyd an. Es 
wäre wünschenswerth, die Anwendung des Blattgoldes zu diesem 
Zwecke aus der menschlichen Gesellschaft zu verbannen. 


Vergiftung durch arseniksaures Kupferoxyd. 
Von der Messe zurückgekehrt, bringen die Handelsleute Zucker- 
werk, in bunten Schächtelchen verpackt, für kleine Kinder mit. — 


Arch. d. Pharm. CXXVII. Bas. 3. Hit. 23 


% 


. 


338 Vereinszeitung. 


So vielfach die Anordnungen auch über giftige Farben geschehen, 
wonach ausdrücklich nur Pflanzen - Farbestoffe, die unschädlich sind, 
zum Färben von Genussmitteln angewandt werden sollen, so ist doch 
noch keine genügende Vorsicht beim Anstreichen derjenigen Behälter 
mit metallischen Farbestoffen beachtet worden, in welchen sich Genuss- 
mittel befinden. Es ist daher nicht selten, dass die Schächtelchen 
dieser Zuckerwaaren mit rothen, grünen, blauen und weissen Ver- 
zierungen mineralischer Farbanstriche verseben sind. Nachdem die 
Kinder den Inhalt der Behälter verzehrt, spielen sie mit denselben, 
und lecken die bunten Farben ab, in der Meinung, dass auch diese 
süss sind; und es entstand in Folge eines solchen Genusses bei einem 
Kinde ein heftiges Erbrechen, welches 6 Stunden anhielt und nur 
durch den Genuss lauwarımer Milch gehoben wurde, Dies Schächtel- 
chen war auf der Deckseite mit grünen und weissen Puncten verziert, 
dessen Farbestoffe ihrer furchtbaren Wirkung nach nichts anderes wie 
Bleiweiss und Scheel’sches Grün waren. 

Eine alte Gewohnheit, dem Branntwein eine gewisse Klare zu 
geben, setzen die Schenker einen kleinen Antheil Alaun hinzu, wie 
dies bei den hier abgehaltenen Revisionen oft bemerkt wurde, indem 
kaustisches Ammoniak stets einen Niederschlag von Thonerde, hingegen 
salpetersaurer Baryt — Schwefelsäure anzeigten. 


Vergiftung durch Cicuta virosa. 


Der Besitzer einer Herrschaft biesiger Gegend wurde von einem 
heftigen rheumatischen Leiden heimgesucht, woran derselbe, mehrere 
Jahre litt. Der Gebrauch von Medicamenten, die ohne Erfolg blieben, 
liess ihn endlich zu der Anwendung von Volksmitteln schreiten, die 
indess leider einen sehr traurigen Erfolg hatten. Derselbe liess sich 
nämlich die Wurzeln des hier häufig wachsenden Wasserschierlings 
einsammeln und mit diesen, nachdem dieselben vorher in heisser Asche 
gebraten worden, die Brust, den Bauch, Rücken und Arme einreiben. 
Es erfolgte des Nachts 12 Uhr, 2 Stunden nach dem Einreiben, ein 
so heftiges Erbrechen und Krämpfe, dass der herbeigerufene Arzt 
denselben nicht mehr lebend antraf. Wenn die Lehrer ihren Schülern 
die Giftpflanzen Deutschlands zeigen und ihnen die Wirkungen der- 
selben mittheilen möchten, so würde hiermit manchem Unglück ge- 
steuert werden. 

Caffee-Vergiftung. 

Ein mir übergebenes Gefäss, in welchem eine Caffee-Abkochurg 
enthalten war, ergab bei der Untersuchung einen Gehalt von Daturin, 
ausser diesem eın butterartiges Oel. Der Genuss dieses Caflees hatie 
eine bis zur Raserei sich steigernde Wirkung gehabt. 


1) Lackmuspapier wurde schwach geröthet. Salpetersaures Silber 
und salpetersaurer Baryt keine Reaction, mitbin weder Salzsäure noch 
Schwefelsäure vorhanden. Die hier vorhandene Säure schien vielmehr 
eine aus dem Zuckerstoffe der Cichorienwurzel gebildete Essigsäure 
zu sein. 

2) Schwefelwasserstoff und Ammoniakflüssigkeit keine Reaction, 
Schwefelsäure, Weinsteinsäure und Oxalsäure keine Reaction. Es 
waren somit in der Flüssigkeit weder metallische Gifte noch Kalk, 
Kali oder Erden. Es konnte somit nur ein vegetabilisches Gift vor- 
handen sein, welches sich auch durch nachstehenden Versuch bestätigte, 


Eu 


Vereinszeitung. 339 


3) Die Flüssigkeit wurde mit Alkohol vermischt, und mit Kalk- 
hydrat versetzt, filtrirt, und mit ein wenig Schwefelsäure vermischt. 
Zum Theil verdampft, wurde dieselbe mit kohlensaurem Kali zersetzt, 
Der Niederschlag getrocknet, mit Aether, Alkohol ausgezogen, mit 
Blutlaugenkohle entfärbt, filtrirt, und mit Wasser vermischt, der Ver- 
dunstung überlassen, wobei sich glänzende Krystalle abschieden, die 
das Rhabarberpapier bräunten und in siedendem Wasser schmolzen. 
Eigenschaften des Daturins. 

4) Die Oeitheile, welche in erwärmtem Alkohol flüssig wurden 
und denselben milchicht trübten, wurden in Aether aufgelöst, nach 
dessen Verdunsten sich dieselben wieder trennten. 

5) Ein harziger Stoff schied sich während der Untersuchung ab 
und wurde als von den Samenkapseln herrührend angesehen. 

Hiernach konnte die Vergiftung nur als von den ‘Samen und 
Samenkapseln des Datura stramonii herrührend angesehen werden. 


Quacksalberei. 


Berlin. In der gegenwärtigen zur Quacksalberei so geneigten 
Zeit dürfte ein Fall, der vor dem Uriminalgericht verhandelt wurde, 
um so bemerkenswerther sein, als er zeigte, wie gefährlich es ist, 
sich unwissenden Personen in Krankheitsfällen zu überlassen. Eine 
alte 75jährige Frau, die seit Jahren verbotene Curen förmlich gewerbs- 
mässig betrieben und bereits dreimal dieserhalb bestraft worden ist, 
stand heut abermals unter der Anklage der Medicinalpfuscherei vor 
den Schranken. Die Mittel, die sie in innern wie in äussern Krank- 
heiten anwendete, waren stets dieselben, nämlich Einreibungen, Be- 
streichen mit den Händen auf den kranken Theil und Hersagen von 
sogenannten Bannformeln. In dem zur Auklage gestellten Falle hatte 
sie eine innerliche Krankheit in derselben Weise behandelt, die Krank- 
heit war indess schon nach drei Tagen so schlimm geworden, dass 
der Kranke hatte zur Charite gebracht werden müssen, wo er längere 
Zeit verblieb. Der Gerichtshof erklärte sie der Medicinalpfuscherei 
für schuldig und erkannte gegen sie auf das nach $. 199 des Straf- 
geselzes zulässige höchste Strafmaass, nämlich 50 Thlr. Geldstrafe 


event. 6 Wochen Gefängniss. pe 


Ein Betrugsfall, der für die Verkäufer von Geheimmitteln lehr- 
reich sein dürfte, kam gestern bei der zweiten Deputation des Criminal- 
gerichts zur Verhandlung. Der Angeklagte war ein bisher unbeschol- 
tener Bediente, der einem Hausknecht, welcher an Harnbeschwerden 
litt, gegenüber behauptet hatte, im Bezitze eines Geheimmitiels dagegen 
zu sein und demselben ein solches in der That auch gegen Zahlung 
von 2 Thlrn. zum Gebrauch übgggeben hatte. Als das Mittel nicht 
half, erklärte der Angeklagte, noch ein zweites Mittel zu haben, für 
das er 1 Thir. forderte und erhielt, wogegen er das Mittel verabfolgte, 
das gleichfalls keine Wirkung äusserte. Das erste bestand nach 
angestellter chemischer Untersuchung aus Kampferspiritus und Baumöl 
und die Ingredienzien zu beiden Mitteln haben nach sachverständigem 
Gutachten 2 Thlr. 3 Sgr. gekostet. In dieser Handlungsweise ward 
ein Betrug gefanden, wegen dessen das Gericht den Angeklagten zu 
2 Monaten Gefängniss und 50 Thir. Geldbusse oder noch 1 Monat 
Gefängniss verurtheilte. 


I% 
" 23 


340 Vereinszeitung. 
7) Medicinisches. 
Ueber die Heilung des Krebses. 


Zu den schrecklichsten Krankheiten, von. denen die leidende 
Menschheit heimgesucht wird, gehört der Krebs, mit welchem Namen 
man im Allgemeinen jene bösartigen, häufig an der weiblichen Brust, 
den Lippen, doch auch an allen übrigen Körperstellen vorkommenden 
Geschwülste bezeichnet, welche auf einem bestimmten Allgemeinleiden 
beruhen oder wenigstens dasselbe zur Folge haben, in der Regel 
nach ihrer Ausrottung immer wieder zum Vorschein kommen und den 
Tod des davon befallenen Individuums sicher herbeizuführen pflegen. 

Wiewohl die ausgezeichnetsten Aerzte aller Zeiten diesem furcht- 
baren Uebel ihre ungetheilte Aufmerksamkeit zuwandten und die 
gediegensten Forschungen namentlich der neueren Zeit über Wachs- 
thum, Structur und chemische Beschaffenheit dieser eigenthümlichen 
Gebilde viel Licht verbreitet haben, so sind doch — um die Wahrheit 
zu gestehen — in der Heilung derselben bis jetzt keine erheblichen 
Fortschritte gemacht worden. Die älteren Aerzte zerstörten sie durch 
das Messer, das Glüheisen oder das Aetzmittel, und ebenso kämpfen 
auch noch die heutigen Aerzte, zwar nach zweckmässigeren Methoden, 
aber keineswegs mit grösserem Glücke gegen das verheerende Leiden. 

Indess je ohnmächtiger demselben von jeher die ärztliche Kunst 
gegenüberstand, desto geschäftiger waren Quacksalber und Betrüger 
aller Art, diese schwache Seite der Medicin zu ihrem Vortheile aus- 
zubeuten. Es gab zu allen Zeiten und giebt auch jetzt Charlatans 
genng, welche sich rühmen, im Besitz eines untrüglichen Mittels gegen 
alle Krebsschäden zu sein und die leichtgläubigen Patienten unter 
lügnerischen Versprechungen an sich heranlocken. Sie blenden und 
täuschen den Unkundigen durch Mittheilung einer Menge von Attesien 
und Danksagungen angeblich von ihnen geretteter Personen, durch 
Erzählung von zahlreichen, durch ihr Mittel verrichteten Wunderkuren 
selbst in Fällen, wo die berühmtesten Aerzte nichts hätten ausrichten 
können, so wie durch prahlerische Anpreisungen und Berichte in den 
Zeitungen, welche von ihnen selbst oder ihren erbärmlichen Helfers- 
helfern ausgehen; diesen schmetiernden Trompetenstössen in den öffent- 
lichen Blättern fügen sie endlich nach ächter Marktschreierart den 
Nimbus des Geheimnissvollen hinzu, indem. sie von dem wunder- 
baren Zufalle reden, dem sie die Erlangung ihres Geheimmittels 
verdanken, von den ungeheuren Summen Geldes, welche ihnen von 
Aerzten oder wohl gar vom Staate für die Mittheilung ihres Geheim- 
nisses gehoten worden u. dergl. m. Es herrscht unter der Mehrzahl 
von Laien der solchen Betrügern sehr zu Statten kommende Irrthum, 
dass es sich bei der Heilung des Krebses hauptsächlich nur darum 
handele, die kranke Geschwulst gründlich zu entfernen. Allein, wie 
bereits angedeutet worden, beruht dies Uebel in der Regel auf einer 
eigenthümlichen, allgemeinen Säftekrankheit (Krebsdykrasie), als des- 
sen örtliches Product, gleichsam als dessen Abzugscanal, die an irgend 
einer Stelle des Körpers auftretende Geschwulst angesehen werden 
muss; die Zerstörung dieser letztern ist daher nieht hinreichend, eine 
dauernde Heilung herbeizuführen, weil die Quelle der Krebsbildung 
fortdanert, aus welcher immer wieder von neuem dieselben krankhaften 
Ablagerungen hervorgehen, um an demselben Orte oder an anderen 
Körpertheilen zum Vorschein zu kommen. Die Erfahrung hat sogar 


a 


Vereinszeitung. 341 


gelehrt, dass der tödtliche Ausgang nicht selten nach gewaltsamen 
Eingriffen viel schneller eintritt, als wenn man die Geschwulst unbe- 
rührt sich selbst überlassen hätte. Eine gründliche Hülfe würde 
also meistentheils nur durch Beseitigung des zu Grunde liegenden 
Allgemeinleidens erzielt werden können, wogegen es jedoch eben so 
wenig ein Heilmittel giebt, wie gegen Schwindsucht und Cholera. 

Indess sprechen viele sichere Beobachtungen dafür, dass die 
Krebsgeschwulst nicht immer der Ausdruck eines Allgemeinleidens, 
sondern wenigsiens in einigen, wiewohl seltenen Fällen ursprünglich 
ein rein örtliches Uebel ist, ein örtlich begrenzter Krankheitsheerd, 
von dem aus erst nach einem gewissen Zeitpuncte allmälig die ganze 
Säftmasse angesteckt und gleichsaın vergiftet wird. In diesen wenigen, 
günstigen Fällen ist allerdings eine frühzeitige Entfernung der Geschwulst 
das geeignete, ja sogar das einzig und allein zuverlässige Mittel, um 
eine vollständige Heilung herbeizuführen. Es ist dabei aber von der 
grössten Wichtigkeit, alles Krankhafte aufs Sorgfältigste zu entfernen 
und durchaus nichts, was den Keim zur Neubildung abgeben könnte, 
zurückzulassen. Dies ist augenscheinlich fast immer am schnellsten 
und sichersten durch das Ausschneiden der Geschwulst zu bewerk- 
stelligen, während das Aetzmittel nur unter bestimmten Verhältnissen 
den Vorzug verdient. Daher bedienen sich durchschnittlich die operi- 
renden Aerzte des Messers, während die unwissenden Charlatans das 
Aetzmittel und zwar das allergefährlichste, den Arsenik, benutzen. 
In der Regel besteht nämlich ihr gepriesenes Geheimmittel ausser 
anderen unwesentlichen Beimischungen aus diesem furchtbaren Gifte, 
welches, auch bloss örtlich angewandt, tödtlich werden kann und es 
schon häufig genug geworden ist. So sagt der berühmte Chirurg 
Astley Cooper in seinen Vorlesungen über Chirurgie (B. 1.11. Vorl ): 
»Quacksalber pflegen Geschwülste in der Brust durch Arsenik zu zer- 
stören. Frauen sind zuweilen Närrinnen und unterziehen sich lieber 
einer Qual, wobei das Messer nicht in Anwendung gebracht wird, als 
dass sie sich einer Operation unterwürfen, welche ihnen nicht den 
zehnten Theil des Schmerzes machen würde. Sie gehen zu einem 
Quacksalber, der ihnen von der Menge der Curen erzählt, welche 
ihm vermittelst eines Specificums gegen krebshafte Leiden gelungen 
sind; und in der That zerstören diese Afterärzte sehr 
häufig die krebshafte Stelle und das Leben der Patientin 
dazu. Hr. Pollard, ein Wundarzt, erzählte mir gestern von einer 
Person in der Stadt, welche ein Arsenikpräparat gegen Krebs der 
Brust gebraucht hat, in Folge dessen sie vor Ablauf einer 
Woche gestorben ist.« 

Diese Bemerkungen mögen genügen, um dem grösseren Publicum 
den richtigen Gesichispunct zur Beurtheilung von sogenannten Krebs- 
heilungen zu geben. Der wirkliche Krebs wird — dies steht unum- 
stösslich fest — äusserst selten gründlich beseitigt und die Heilungen, 
mit denen Quacksalber prunken, sind entweder nur scheinbare, d.h. 
die Geschwulst ist augenblicklich entfernt, um nach kuzer Zeit schreck- 
licher wiederzukehren, oder die angebliche Heilung betrifft Personen, 
welche nicht am wahren Krebs, sondern an einer äusserlich zwar 
ähnlichen, aber gutartigen Geschwulst litten. 

Mögen daher die Leidenden in ihrem eigenen Interesse wohl auf 
ihrer Hut sein! Mögen sie sich warnen lassen vor jenen Alles ver- 
sprechenden und nichts haltenden Gauklern und Geheimnisskrämern, 
um nicht Gefahr zu laufen, selbst in den günstigsten Fällen, wo eine 


342 Vereinszeitung. 


Rettung möglich ist, als ein Opfer der Unwissenheit oder des gefähr- 
lichen Mittels, für immer die Gesundheit oder wohl gar das Leben 
einzubüssen. (Zeitungsnachricht.) B. 


Mittheilung über Heilung des Krebses; von L. Bohlen, 
Apotheker in Dessau. 


Man hat, so lange ein Heilverfahren statt findet, nach Mitteln 
gegen den bösartigen Krebs gesucht, stets um das Messer zu ver- 
meiden und hat, obgleich von 50 zu 50 Jahren ein Mediciner auftaucht, 
der den Krebs ohne Messer heilen will, wie mir ein geistreicher Arzt 
sagte, doch immer wieder seine Zuflucht zu letzterem genommen. 
Nach den hier in unserer Nähe ausgeführten Curen des Dr. Landolfi 
aus Neapel, der sich seit 20 Jahren mit Behandlung Krebskranker 
beschäftigt, scheint es diesmal, als wenn die Medicamente den Sieg 
über das Eisen davontragen wollten. Ich halte es für Pflicht, die 
Herren Collegen in der Ferne mit den neuen Medicamenten, welche 
dazu gebraucht werden, bekannt zu machen, und verweise ich die- 
jenigen, welche eine nähere Erörterung des fraglichen Heilverfahrens 
wünschen, auf die in diesen Tagen bei Schettler in Cöthen erschie- 
nene Broschüre des Herrn Geh. Ober-Medicinalrathes Dr. v. Brunn: 
»Die Methode, den Krehs und die krebsartigen Krankheiten zu heilen 
und seine Mittel dagegen«. Preis 5 Sgr. r 

Dr. Landolfi wendet zur Beseitigung des Krebses eine Paste 
an und verordnet dazu aus der Apotheke: 

Chlorbrom 

Aurum muriatici 

Zinci murialici 

Lig. Stib. muriat. ana 3j ad 3ß 
M.D. in vitro. 

Dieses Mittel rührt er mit Mehl an und legt, je nachdem der 
Krebs bedeutend ist oder nicht, solche Paste auf Leinwand, mehr oder 
weniger dick gestrichen auf. Hierzu kommt oft, nicht imıner die innerliche 
Anwendung desreinen Brom in Verbindung mit Extr. conii und Sem. Phe- 
landrii in Pillenform. Nach der Broschüre v. Brunn’s soll nun das 
Bromchlor schwer zu bereiten und zu bekommen sein, dies ist jedoch 
nicht der Fall und der Apotheker, von dem solches Präparat verlangt 
wird, lasse Chlor langsam aus der nach der Pharmacopoea Borussica 
vorgeschriebenen Mischung durch reines Brom streichen, welches in 
einem mit Schnee oder Eis umhüllten Glase enthalten ist, so lange bis 
krystallinische Gruppen entstehen. Man nehme die Arbeit im Freien 
vor und hüte die Kespirationsorgane sowohl bei Bereitung des Mittels, 
wie auch beim Ausgiessen in ein anderes Geläss. Das verordnete 
salzsaure Gold ist nicht das Kochsalz enthaltende der Pharmac. Boruss., 
sondern die bis zur Trockne abgedampfte, gesättigte reine Goldlösung. 

Dr. Landolfi macht kein Geheimniss aus seinen Mitteln und hat 
mit der grössten Bereitwilligkeit den Aerzten und Apothekern, die zu 
ihm kamen, mit seinem Heilverfahren, mit seinen Mitteln und deren 
Bereitung bekannt gemächt, in Folge dessen unsere Aerzte bereits oft 
die Landolfi’schen Mittel in den Apotheken hier verordnet und die 
besten Erfolge davon gesehen haben. 

Zum Wohle der Menschheit ist die grösste Verbreitung dieses 
Heilverfahrens zu ‚wünschen und dies der Zweck dieser Zeilen. 


Vereinszeitung. 343 


8) Technologische Mittheilungen. 


Heizung und Lüftung. 


In unserem deutschen Klima, das in gewissen Jahreszeiten die 
äussere Lufttemperatur so tief herabsinken lässt, dass sie auf längere 
Zeit dem Menschen unangenehm und selbst nachtheilig werden würde, 
müssen wir durch künstliche Erwärmung die Luft auf einen höheren, 
dem thierischen Lebensprocesse nöthigen Wärmegrad erheben. Wir 
bezwecken dies durch Heizung, wobei wir auf sehr verschiedene Art 
verfahren, jedenfalls aber der Consumtion von wärmeerzeugenden 
Körpern oder sogenannten Brennmaterialien durch Verbrennung nicht 
entbehren können. Da diese Consumtion einen fortwährenden Kosten- 
aufwand hervorruft, der mit den steigenden Preisen der Brennmate- 
rialien immer grösser wird, so wird schon dadurch allein die Ver- 
besserung der üblichen Heizmethoden zu einer der materiellen Haupt- 
fragen der Zeit. Es kommen ausser dem Kostenpuncte aber noch 
andere wichtige Rücksichten ins Spiel, einmal die Feuergefährlichkeit, 
dann und hauptsächlich der Einfluss der Heizung auf die Gesundheit 
der bewohnten Käume, auf welche letztere man erst in neuerer Zeit 
in gebührender Weise aufmerksam geworden ist. Ueber die physi- 
kalischen Erscheinungen, die bei der Heizung eintreten, müssen wir 
kurz sein und uns mit Hinweisung auf die allgemeinsten Gesetze 
begnügen. Die Fähigkeit der Luft, die empfangene Wärme durch 
ihre Masse hindurch fortzupflanzen, ist äusserst gering, und ihre 
Erwärmung durch Heizung würde sehr schwierig und langsam von 
statten gehen, wenn nicht schon im Anfange des Erwärmungspro- 
eesses eine Strömung entstände, welche man als die hauptsächlichste 
Verbreiterin der Wärme anzusehen hat. Die mit dem erhitzten Me- 
dium (der Ofenfläche) zunächst in Berührung stehende Luftschicht 
erfährt nämlich mit der Temperaturerhöhung sogleich eine Vermeh- 
rung ihres Volums und somit eine Verminderung ihres eigenthümlichen 
Gewichts, wodurch sie von der kältern Luft von der Stelle gedrückt und 
genöthigt wird, sich in die obersten Regionen des Raumes zu bege- 
ben, Mit der an ihre Stelle tretenden kälteren Luft geht derselbe 
Process vor sich, und so findet nach und nach die ganze Menge der 
Zimmerluft auf dem Wege dieser Strömung Gelegenheit, sich an der 
heissen Fläche zu erwärmen, Da die Wärme ausser durch unmittel- 
bare Berührung auch durch Strahlung sich fortpflanzi, so werden auf 
diesem Wege auch entferntere Luftschichten erwärmt und durch die 
Strömung fortbewegt. Auf diese Weise würde die Heizung der Zim- 
mer sehr leicht, schneli und mit geringem Aufwande von Brennstoff 
bewirkt werden, wenn nicht durch vielfältige Ursachen, welche mei- 
stens in der Natur der Sache liegen und niemals zu vermeiden sind, 
in den Zimmern eine fortwährende Entziehung von Wärme und Ent- 
weichen von erwärmter Luft statt fände. Einmal werden die Wände 
des Zimmers, die Fenster- und Thürflächen fortwährend Wärme von 
der inneren Luft annehmen und nach aussen abgeben, ferner sieht 
die innere Luft als wärmer und leichter mit der äussern nicht im 
Gleichgewicht, sondern alle Oeffnungen, wie Ritzen und Fenster der 
Thüren und ganz besonders das ‚Oeffnen derselben, werden dazu die- 
nen, von unten kalte Luft herein, von oben warme Luft hinauszu - 
lassen, endlich ist es für den Aufenthalt im Zimmer durchaus noth- 


3hh Vereinszeitung. 


wendig, dass die durch das Athmen und die Ausdünstung verbrauchte 
Luft stets durch frische ersetzt wird (Ventilation). Nach einer Schätzung 
von Munke beträgt der angeführte Verlust, selbst das abgerechnet, 
was die noihwendige Ventilation dazu beiträgt, in zwölf Stunden das 
Fünffache, nach einer anderen Berechnung nahe das Sechsfache der 
Wärme, welche nöthig ist, um das in einem Zimmer von gewöhn- 
licher Einrichtung ursprünglich enthaltene Luftquantum bis auf 200 C. 
zu erwärmen. Zum Theil wird dieser Schaden durch die Lebens- 
wärme der in Zimmer befindlichen Personen, so wie durch das Bren- 
nen von Lichtern und Lampen aufgehoben, doch bleibt es unter allen 
Umständen gewiss, dass der grösste Theil der consumirten Brennstoffe 
nicht zur ursprünglichen Erwärmung der Luft in den Zimmern, sondern 
vielmehr zur fortwährendenAusgleichung des besprochenenVerlustes dient. 

Bei der gewöhnlichen Einrichtung unserer Gebäude ist es kaum 
möglich, ökonomisch zu heizen. Sehr häufig kommt namentlich in 
grösseren Städten die denkbar schlechteste Einrichtung vor: hohe 
Zimmer, dünne Wände, grosse und schlecht schliessende Fenster und 
Thüren. In solchen Zimmern sammelt sich die erwärmte Luft oben 
an, während der untere Raum durch fortwährendes Einströmen der 
äussern Luft kalt bleibt. Will man warm wohnen, so construire man 
die Zimmerwände aus möglichst schlechten Wärmeleitern. Bei Neu- 
bauten giebt man in neuester Zeit hohlen Ziegeln den Vorzug, und 
mit Recht, da isolirte Luft ein sehr schlechter Wärmeleiter ist, Mauern 
aus hohlen Ziegeln erbaut mithin sehr warm halten, Alte Mauern 
kann man verbessern durch Bekleiden mit Tapeten, noch besser mit 
Holz, wobei man den Zweck am sichersten erreicht, wenn man zwi- 
schen der Mauer und der Verkleidung einen kleinen Zwischenraum lässt. 
Doppelfenster, die aber nicht zu nahe an einander stehen, und Doppel- 
thüren vor allen Zimmeröffnungen, welche in ungeheizte Räume füh- 
ren, sind von vorzüglicher Wirkung. Nach Beobachtungen, die in 
ihrem Resultat so weit wie es bei solchen Dingen möglich ist, über- 
einstimmen, wird durch den Quadratfuss Mauer von 2° Dicke, von 
gebrannten Ziegeln, nach aussen gehend, abgekühlt in jeder Minute, 
0,0035 Kubikfuss Zimmerluft, dagegen durch den Quadratfuss Fläche 
einfacher Fenster in der Minute 1,50 Kubikfuss, durch die äussere 
Luft, welche 'ein gewöhnliches Fenster von 51/; —6 Fuss Höhe und 
3—31/g Fuss Breite durch die Oeffaungen einströmen lässt, 11 Kubik- 
fuss, und durch eine gewöhnliche Thür ebenfalls 11 Kubikfuss. Bei 
dicht und gut schliessenden Doppelfenstern beträgt die Abkühlung 
durch die Fläche auf den Quadratfuss und in der Minute nur 0,50 
Kubikfuss, und die Abkühlung durch Oeffnungen (11 Kubikfuss) fällt 
ganz weg, eben so bei Doppelthüren. Es erklärt sich daraus, dass 
die Anschaffungskosten von Doppelfenstern und Doppelthüren in ver- 
hältnissmässig kurzer Zeit, vielleicht in zwei Wintern, durch die bedeu- 
tende Ersparniss an Brennmaterial ausgeglichen werden. 

Welches Brennmaterial die grössten ökonomischen Vortheile 
gewähre, entscheidet sich nach den relativen Preisen der einzelnen 
Brennstoffe, welche in den einzelnen Gegenden so verschieden sind, 
dass sich darüber keine allgemeinen Regeln aufstellen lassen. Nur 
das lässt sich sagen, wie viel Wärme die einzelnen Stoffe ent- 
wickeln. Man berechnet dies auf verschiedene Art, unter anderm 
darnach, wie viel Pfunde Wasser durch ein Pfund des Brennstoffes 
von 00 auf 1000 C. erhoben werden. Diese Berechnungsart liegt der 
folgenden Tabelle zu Grunde. 


Vereinszeitung. 345 


Es werden von 00 C. auf 1000 C gehoben: 

Durch 4 Pfd. völlig trockeres Holz (nach Prechtl) . 35 Pfd. Wasser. 
" „ ” " 1 " (nach Rumford) 36 ” 7) 
ee Sei „ » (nach Despreiz) 36 » „ 

"  #  » Jufttrockenes Holz (nach Prechtl)... 26 » " 
”"»  » » Holz mit 20 Procent Feuchtigkeit 
(nach Despretz) 27 » n 


"»  # „ reine Kohle........ ” " 78" n 
" ns" «Holzkohle... =. ” 7 5 n " 
7 PR? [2 Gfach,Brechtl) 3:0: wu.ka.r- 73 n ” 
”" "# n englischen Anthracit (nach Fyfe).... 75 

"» nv » sächsischen » PR ee BU RERE ER ETLEN : 1: WET) ” 
"„ u " Steinkohle (nach Precht!) ......... 60 n 
”»  n «„ bituminöseSteinkohle (nach Despretz) 60 » „ 
u Kracher n Braunkohle » n 60 „ 
„ "nn gemeine " (nach Prechtl) 45 m " 
"» u» " Steinkohlencoak..... „ „ 36 " 
"» » " Braunkohlencoak.... » " 65 " 
u 7) „» bester Sorte „ " 70 u " 
BulensNorf, besten: «.: :«.; " „ 30 n 
” nn v str ete (nach Despretz) 30 u " 
“* « „ Torfkohle, beste (nach Prechil) .... 64 „ „ 
"  n » Kohlenwasserstoffgas (nach Precht). 76 „ 
"  # n Wasserstoffgas (nach Despreiz) .... 236 " 
"„» nn Alkokol..... „ „ u Moin „ 
" "m Oel, Wachs, Talg (nach Prechtl) .... 78 „ 
"„ # » Lohkuchen .... » " N ZADIER n 
"»  # „ Aether (nach Despretz).......-... 80 u „ 


”»  # n» Weingeist von 33 Proc. (nach Precht) 52 Z 

Dies ist die theoretische Heizkraft; in der Praxis stellt sich das 
Verhältniss vermöge der Concurrenz einer Menge von zufälligen und 
entgegenwirkenden Umständen häufig anders. In England fand man 
bei zuverlässigen Beobachtungen, dass 100 Pfund lufttrockenes Buchen- 
scheitholz so viel leisten als 48 Pfund Steinkohlen in Stücken, als 40 
bis 60 Pfund gemischter Kohlengries mit 1/7 Wasser angemacht, als 
44 Pfund fetter Gries mit 1/jg Wasser, als 37 Pfund gemeiner Gries 
mit 4/17 Wasser und 1/; Lehm, als 38 Pfund Gries mit 1; Wasser und 
/;z Lehm. Der hessische Gewerbeverein untersuchte den Wirkungs- 
werth von Holz, Torf und Steinkohle unter verschiedenen gut ein- 
gerichteten Kesselfeuerungen. Man fand, dass im Durchschnitt der 
auf sechs solcher Feuerungen bezüglichen Versuchsreihen ein Pfund 
vor zwei Jahren gefällten Buchenscheitholz 2,075, ein Pfund Torf 
1,992 und ein Pfund Kohlengries 5,201 Pfund Wasser von 00 ver- 
dampften, 

Bei den tausendfältigen Formen, welche die Vorrichtungen zum 
Heizen im Leben annehmen, lassen sich drei wesentliche Theile unter- 
scheiden: der Raum, worin die Verbrennung vor sich geht, oder der 
Feuerraum, der Raum, worin die Hitze ihre Wirkung ausübt, oder 
der Heizraum, und endlich der Rauchfang, welcher theils zur Her- 
vorbringung des Luftzugs, theils zur Ableitung der Verbrennungspro- 
ducte dient. Zwei Grundbedingungen muss jede dieser Einrichtungen 
erfüllen: Erhaltung der Temperatur, welche das Material zu seiner 
Verbrennung bedarf, und Hinzuführung der dazu erforderlichen Luft 
(Sauerstoff). Mangelt es an dem einen oder dem andern, so ist die 


346 Vereinszeitung. 


unfehlbare Folge ein unvollkommenes Verbrennen, mithin auch eine 
unvollständige Wärmeentwickelung, ein Uebelstand, der in der Praxis 
niemals ganz vermieden werden kann, Die erzeugte Wärme ist zu- 
gleich die Kraft, welche die Luft nach dem Brennraume hinzutreibt, 
was vermittelst der Esse geschieht. Diese ist ein auf eine bestimmte 
Höhe über den Feuerraum sich erbebender Kanal, dessen Querschnitt 
in einem bestimmten Grössenverhältniss zu dem Feuerraum bleiben 
muss. Wo man Steinkohlen brennt und deshalb eines Rostes benö- 
thigt ist, müssen die Rostzwischenräume zusammen eine Oeffnung bil- 
den, welche sich zu dem Querschnitt der Esse wie 1:4 verhält. Die 
Esse muss oben und unten mit der äussern Luft in Verbindung stehen, 
Die Luftsäule, welche im Innern der Esse steht, wird von einer äussern 
Säule desselben Umfangs im Gleichgewicht erhalten, es hört aber 
dieser Zustand von dem Augenblicke an auf, wo das Feuer auf die 
innere Luftsäule einwirkt, diese ausdehnt und specifisch leichter 
macht. Das Gleichgewicht ist gestört, die äussere Luft fällt in den 
Raum nach, welchen die nunmehr aufsteigende innere Luft verlässt, 
erwärmt dort ebenfalls und muss wieder einer Quantität kälterer Luft 
Platz machen. Der so entstehende Luftzug dauert so lange als die 
Verbrennung. Jede Störung des Einströmens der äussern Luft benach- 
theiligt den Process des Verbrennens.. Als ein wesentliches Hinder- 
niss des Einströmens ist die Reibung anzusehen, welche der Luftstrom 
an der inneren Essenfläche erfährt. Ein nachlässiger Beruf der Esse, 
das Anhäufen von Russ, die Verlegung des Rostes durch Asche und 
Brennstoff sind zu vermeiden. Auch der Einfluss des Windes wirkt 
in der Regel störend und ist schwerer zu umgehen. Es kann dies 
auf zweifache Weise geschehen, entweder so, dass man den Schorn- 
stein, mithin den Zug, so viel erhöht, dass diese Störung überwunden 
wird, oder dadurch, dass an der Mündung des Schornsteins gewisse 
Vorrichtungen angebracht werden, welche die Mündung bis auf eine 
gewisse Höhe vom Druck des Windes freihalten. Die Erscheinung, 
dass die Sonnenstrahlen, wenn sie in gewissen Zeiten in den Rauch- 
fang einfallen, den Zug hemmen, »den Rauch zurückdrücken«, wie 
man im gewöhnlichen Leben sagt, ist noch nicht hinreichend erklärt, 
Rauchende Essen gehörten so lange zu den grössten häuslichen Un- 
annehmlichkeiten, als die Männer der Wissenschaft es unter ihrer 
Würde hielten, sich mit einem anscheinend so geringfügigen Gegen- 
stande zu beschäftigen. Jetzt kennt man mehrere wesentliche Mittel 
zur Abhülfe, nun Physiker und Techniker sich mit diesem Uebelstande 
beschäftigen. Erwärmte Luft kann nicht mit hinreichender Kraft in 
einer Esse emporsteigen und Gegenströmungen überwinden, wenn 
nicht darunter, d.h. an der Feuerstelle, eine gehörige Menge frischer 
und dichter Luft dieses Aufwärtsstömen bewirkt. Bei jedem Zimmer, 
mag das Haus gebaut sein wie es sei und die Ursache des Rauchens 
irgend welche sein, ist das folgende Verfahren anzuempfehlen: Man 
führe aus der freien Luft eine Röhre, die nach der Grösse des Zim- 
mers und des Rostes verschieden weit sein, jedoch auch für das 
kleinste Zimmer wenigstens zwei Zoll im Durchmesser haben muss, 
unter den Fussboden, unmittelbar unter den Rost, bedecke die Oeff- 
nung mit einem Gitter, damit keine Asche hineinfallen kann, und ver- 
sehe die Röhre auch mit einem Ventil, um das Zuströmen der Luft 
reguliren zu können. Eine Vorrichtung dieser Art wird das Rauchen 
eines Zimmers fast in allen Fällen verhindern. Bei starkem Winde 
rauchen leicht Essen, die zu weit und gleichmässig gebaut sind. In 


Vereinszeitung. 347 


diesem Falle verenge man die Esse an ihrem obern Ende, wodurch 
man die gute Wirkung erlangt, dass der Zug an Geschwindigkeit zu- 
nimmt, und zwar an dem Puncte, wo es wegen der verminderten 
Temperatur der aufsteigenden Luft am nothwendigsten ist: Auch 
wenn man, wie manche Praktiker anrathen, den Kaminquerschnitt in 
der Nähe des Ofens und da, wo die Rauchröhre hineingeht, verengt, 
muss man eine Verengung oben anwenden. Am zweckmässigsten 
sind die engen oder sogenannten russischen Essen, die 8 bis 
10 Geviertzoli Weite in ihrer ganzen Höhe haben und "gewöhnlich 
nur den Rauch aus den Oefen desselben Stockwerks aufnehmen. Rau- 
chen Essen nur bei gewissen Winden, weil diese wegen lokaler 
Eigenthümlichkeiten die Oeffnung des Schornsteins treffen, so versieht 
man den Schornsteinkasten an der Aussenseite mit einer Haube. 
Diese lässt sich entweder beweglich anbringen, so dass ihre Oefl- 
nung in Folge der Wirkung des Windes selbst von dem Winde sich 
abwendet, oder feststehend, wobei die Oelfnung so angebracht ist, 
dass der Wind nie einfallen kann. Diese letzte Art von Hauben ver- 
dient den Vorzug. Alle die Vorrichtungen helfen indessen nichts, wenn 
der Feuerstelle nicht von unten die erforderliche Quantität frischer 
Luft zugeführt wird, was die erste aller Aufgaben ist. 

Zu den ältesten Heizeinrichtungen gehören die Kamine, die 
noch jetzt in England und Frankreich allgemein gebräuchlich sind. 
Bei dieser Einrichtung theilt ein im Zimmer unter einem Rauchfange 
brennendes Feuer seine Wärme unmittelbar durch Strahlung der 
Zimmerluft mit. Um zu verstehen, wie ökonomisch unvortheilhaft 
diese Methode ist, muss man wissen, dass die aus einem Brennstoff 
entwickelte Wärme auf zweierlei Weise auf die Umgebung übertragen 
wird, nämlich durch Strahlung und durch unmittelbare Berührung. 
Peclet hat durch sinnreiche Untersuchungen gefunden, dass die 
sirahlende Wärme beim Holz 1/5. bei der Holzkohle 1/y, bei der Stein- 
kohle ungefähr eben so viel und bei dem Torf 5/j9g der ganzen ent- 
wickelten Wärmemenge beträgt, Bei der Kaminfeuerung geht mithin 
die Hälfte und mehr Wärme verloren, und die einzigen Vortheile die- 
ser Einrichtung bestehen darin, dass sie schnell Wärme erzeugt und 
den behaglichen Anblick des brennenden Feuers gewährt. Kamine 
erfordern ausserdem, wenn der Rauch nicht im Zimmer sich verbrei- 
ten soll, eine lebhafte Ventilation, wodurch die Luftströmung bis zum 
Zuge sich steigern und sehr nachtheilig wirken kann. Rumford 
u.A. haben an den Kaminen verschiedene Verbesserungen angebracht, 
um die Strahlung nach dem Zimmer möglichst zu erleichtern und die 
Wärme der entweichenden Luft für dasselbe nutzbar zu machen. Zu 
diesem Zwecke hat mar den das Feuermaterial enthaltenden Rosikorb 
so viel als möglich von der Kaminwand nach vorn gerückt und die 
Nische desselben so gestaltet, dass deren innere Fläche gleichsam wie 
der Reflector einer Laterne die Wärmestrahlen auffängt und nach dem 
Zimmer entisendet. Ferner hat man die Kaminöffnung enger gemacht 
und mit Schiebern versehen, wodurch der Verlust an Wärme aller- 
dings geringer wird, jedoch bei weitem nicht in dem Grade, dass die 
ökonomischen Resultate der anderen Heizapparate dadurch erreicht 
würden. Dem Zweck der Wärmeersparung verdanken die sogenann- 
ten Ofenkamine ihre Entstehung. Der beste ist der von Desar- 
nod erfundene; das Kamin steht vorgerückt und isolirt im Zimmer, 
und ist nach hinten durch eine Eisenplatte geschlossen, über welche 
hinweg der Rauch durch einen Schlitz nach einer Circulation und 


348 Vereinszeitung. 


von da in die Esse entweicht. Hierbei erfolgt die Erwärmung des 
Zimmers neben der Strahlung vorzugsweise durch unmittelbare Ein- 
wirkung der erhitzten Eisenplatte und Circulation auf die Zimmerluft*), 

Die verschiedenen Zimmeröfen haben alle eine solche Einrich- 
tung, dass die Verbrennung zwar im Zimmer erfolgt, aber in einem 
abgesehen von der Zugöffnung verschlossenen Raume, auf dessen 
Wände zunächst und von da an die Zimmerluft die entwickelte Wärme 
übertragen wird. Die Materialien, welche zum Bau vom Oefen benutzt 
werden, sind Gusseisen, Schwarzblech und Thon (Backsteine, Fayence). 
Die tägliche Erfahrung lehrt, dass eiserne Oefen rasch- heizen und 
schnell erkalten, thönerne umgekehrt, Wenn die Brennstoffe mit der- 
jenigen Lebhaftigkeit verbrennen, welche zur vollständigen Entwicke- 
lung der Wärme nöthig ist, so geschieht diese letztere viel rascher 
und intensiver, als für den Zweck der Zimmerheizung passend ist, 
denn diese erheischt eine anhaltend gleich bleibende Temperatur, eine 
zwar vollständige, aber so langsam vor sich gehende Entwickelung 
der Wärme, dass dadurch möglichst lange in der Zimmerluft eine 
Temperatur von etwa 200 hervorgebracht wird, Das Eisen ist zu 
diesem Zwecke wenig geeignei, weil es die Wärme fast eben so 
schnell verbreitet als empfängt, dagegen gewährt der Thon darin 
einen entschiedenen Vortheil: so rasch ihm auch die Wärme von 
innen zufliessen mag, stets wird er sie ungleich langsamer und all- 
mälig abgeben. Bei unseren gewöhnlichen Oefen, die über dem eiser- 
nen Ofenkasten einen irdenen Aufsatz von bedeutender Masse haben, 
ist dieser letztere Theil ein wirklicher Wärmespeicher, indem er die 
vom Feuer entwickelte Wärme fast vollständig aufnimmt und nur all- 
mälig und ganz gleichmässig der Luft des Zimmers mittheilt, auch 
nachdem das Feuer selbst Jange erloschen ist. Bei solchen Oefen ist 
die im Vergleich zu anderen Oefen sehr bedeutende Masse ein noth- 
wendiges Erfordernis. Da das Eisen unter gleichen Umständen in 
derselben Zeit 16,5mal und das Blech 27,5mal so viel Wärme abgiebt 
als der Thon, so muss ein thönerner Ofen 16,5mal so gross sein 


*) Die englischen Kamine, und die Heizung überhaupt, gehen einer 
völligen Revolution entgegen, wenn sich eine in neuester Zeit 
gemachte Erfindung bewähren sollte. Wie das »Athenaeum« 
vom 3. April 1852 berichtet, wurden im polytechnischen Insti- 
tut zu London einige merkwürdige Proben gemacht, um die 
Ergebnisse dieser Erfindung zu prüfen, auf die der Entdecker 
Dr. Buchhoffner mit einem Hrn. Defries ein Patent genom- 
men hat. Die Erfindung besteht darin, dass man im Kamin 
statt der Kohlen dünne Metallstücke anwendet, die, wenn man 
einen kleinen Strom von Gas darauf wirken lässt, augenblicklich 
glühend roth werden und eine ausserordentliche Hitze verbrei- 
ten. Die Flamme, welche durch eine geeignete, aber sehr ein- 
fache Einwirkung des Gases erzeugt wird, das mit den Metall- 
plättchen vereint wirkt, hat das Aussehen eines hellen, freund- 
lichen Kohlenfeuers, und ist kaum davon zu unterscheiden. Die 
Hitze kann regulirt werden, indem man den Hahn der Gasröhre 
dreht. Es bleibt kein Russ, kein Rauch, noch sonst eine Un- 
annehmlichkeit der Kohlenfeuer, und das Gas kann, wie man 
sagt, augenblicklich ausgelöscht oder das Feuer so schwach als 
man will gehalten werden. 


Vereinszeilung. 349 


als ein gusseiserner, und 27,6mal so gross als ein blecherner, Dass 
die gusseisernen Oefen trotz ihrer Mängel bei uns noch so häufig 
angewendet werden, beruht auf ihrer schnellen Wirkung, auf ihrer 
Wohlfeilheit, auf ihrem bleibenden Materialwerth und auf der 
Leichtigkeit, mit welcher sie fabrikmässig angefertigt werden kön- 
nen. Bei den russischen Oefen besteht die Masse des Ofens 
ganz aus Backsteinen, und es sind solche Oefen für Zimmer, 
welche den ganzen Tag über eine gleichmässige Temperatur bei- 
behalten sollen, die vorzüglichsten, auch äusserst ökonomisch, so- 
bald dafür gesorgt wird, dass die in die Esse entweichende Luft ihre 
Wärme so weit, als dies ohne Benachtbheiligung des Luftzugs geschehen 
kann, an die Ofenmasse abgiebt, Den russischen Oefen verwandt sind 
die Kachelöfen, welche bei weniger Masse die Wärme rascher 
mittheilen, aber leichter wieder abkühlen. Diese Oefen werden von 
aussen geheizt, und haben häufig den Fehler einer zu grossen Weite 
des Kastens und der Kanäle, wodurch ein bedeutender Wärmeverlust 
entsteht. Bei den von innen zu heizenden Oefen, wozu die eisernen 
Oefen fast ohne Ausnahme gehören, wird, wie bei den Kaminen, eine 
stärkere Ventilation nöthig, da sie die zur Verbrennung dienende Luft 
aus dem Zimmer selbst entnehmen. Bei ihnen kommt es hauptsäch- 
lich darauf an, sowohl einerseits die mit der Zimmerluft in Berührung 
stehende, als auch die innere, den Verbrennungsproducten die Wärme 
entziehende Oberfläche möglichst durch Vermehrung der Züge zu ver- 
grössern, wodurch auf doppelte Weise erspart wird. Die Züge und 
Röhren dürfen nie weiter sein, als zu Hervorbringung des nöthigen 
Luftzugs erforderlich ist, Da mit dem Rauche manche Theile entwei- 
chen, die in Folge eines unvollkommenen Verbrennungsprocesses ihre 
Wärme nur theilweise abgegeben haben, so ist man auf sogenannte 
rauchverzehrende Vorrichtungen bedacht gewesen, welche sämmtlich 
bezwecken, die Verbrennung dadurch nachträglich zu vollenden, dass 
man einen heissen Luftstrom mit dem Rauche zusammenführt. Alle 
Versuche dieser Art haben bis jetzt einen geringen Erfolg gehabt. 
Sehr praktisch ist eine Verbesserung, die der Professor Meissner‘ 
angegeben hat, und die darin besteht, die Stubenöfen mit einem Man- 
tel zu umgeben, welcher die Luft dicht am Fussboden einströmen 
lässt. Bei unseren Oefen ist die gleichförmige Vertheilung der Wärme 
durch das Zimmer eine unvollkomımene, und namentlich bleibt die 
unterste Luftschicht am Zimmerboden kalt, wodurch die sowohl unan- 
genehmen als ungesunden kalten Fussböden entstehen. Die Oefen 
erheben sich mit ihrem untersten wärmegebenden Theile um einen bis 
zwei Fuss über den Fussboden des Zimmers, und die unterhalb befind- 
liche kalte und schwerste Luftschicht steigt nicht zur erwärmenden 
Oberfläche auf, Der Mantel sperrt die ganze Wärme abgebende Ober- 
fläche in vertikaler Richtung von der Zimmerluft ab und lässt sie mit 
dieser nur unten und oben in Verbindung treien. Es entsteht dadurch, 
wenn der Öfen geheizt ist, eine Art Kamin zwischen dem Ofenkörper 
und dem Mantel, die in diesem Kamine befindliche Luft erwärmt sich, 
wird specifisch leichter als die äussere Zimmerluft, und das Gleich- 
gewicht der Zimmerluft ist gestört. Die erwärmte Luft innerhalb des 
Mantels wird nach den aerodynamischen Gesetzen hinaufgedrängt, und 
vom Boden tritt die kältere Luft zur Erwärmung an die Oberfläche. 
Die dadurch eingeleitete Bewegung bringt aber nun alle im Zimmer 
befindliche Luft aus allen Puncten zur Erwärmung, und eine einmal 
aufgestiegene Luftmasse kommt nicht wieder zu einer zweiten Berüh- 


350 Vereinszeilung. 


rung der Ofenfläche, bis nicht alle Theile der andern Masse denselben 
Weg gemacht und dieselbe Temperaturerhöhung am Ofen erlitten haben. 
Die bisher. genannten Vorrichtungen sind dazu bestimmt, einen 
einzigen Raum von einem in diesem Raume selbst befindlichen Puncte 
aus zu erwärmen. Bei einer zweiten Classe von Heizungsmethoden 
ist der Zweck die Erwärmung einer grössern Zahl von Zimmern oder 
auch nur eines grossen Raumes durch einen ausserhalb angebrachten 
Wärmeheerd. Bei diesen Meihoden findet eine Fortleitung der Wärme 
statt, und man bedarf dazu eines materiellen Substratis, welches für 
diesen Zweck beweglich, flüssig oder gasförmig sein muss, indem die 
ganze Fortleitung auf dem Streben beruht, welches die wärmern Theile 
haben, in die Höhe zu steigen. Man wählt dazu entweder die Luft 
selbst, oder Wasser, oder Wasserdämpfe, wonach zwischen Luft- 
heizung, Wasserhbeizung und Dampfheizung unterschieden 
wird. (Fortsetzung folgt.) 


9) Botanisches. 


Ueber die Traubenkrankheit. 


Mohl theilt die Resultate seiner neuesten Beobachtungen über 
diese mit, welche er jetzt von ihrer ersten Entwickelungsperiode 
verfolgt hat, während er früher die Krankheit nur im Stadium der 
höchsten Eutwickelung zu beobachten Gelegenheit hatte. Aus dieser 
sehr wichtigen und inieressanten Arbeit geht hervor, dass das Oidium 
Tucker: allein als Ursache der Krankheit angesehen werden muss und 
hierin stimmt Mohl mit ausgezeichneten italienischen Beobachtern, wie 
Amici, Visiani, Zanardimi etc. überein. Esist dieses von prak- 
tischer Wichtigkeit, da man vielfach vorgeschlagen hat, die Krankheit 
durch Abschneiden der Reben etc. zu beseitigen, was nach Mohl’s 
Erfahrungen nicht nur ohne Nutzen, sondern oft auch nachtheilig ist. 
Er fand, dass zwischen dem Auftreten der Krankheit an einem  be- 
stimmten Orte und zwischen der physikalischen Beschaffenheit des 
letztern, ‘der geognostischen Unterlage, der Trockenheit und Feuchtig- 
keit des Standorts, seiner Exposition gegen die Himmelsgegend u. s. w. 
sich keine bestimmte Beziehung ermitteln liess. Unter den verschie- 
densten Verhältnissen waren die Reben im vorigen Jahre gleichmässig 
stellenweise von der Krankheit bis zur völligen Vernichtung der Ernte 
erkrankt und zeigten doch alle im Mai und Juni dieses Jahres ein 
kräftiges Wachsthum. Von vorzüglicher Wichtigkeit für die Theorie 
der Krankheit ist für Mohl die Verbindung des Pilzes mit der Nähr- 
pflanze. In dem ersten Entwickelungsgrade erschienen ‚die befallenen 
Theile der Rebe noch mit vollkommen unveränderter grüner Farbe, 
doch bemerkt man bald, wenigstens mit der Loupe, zahlreiche kleine 
braune Flecken auf der mit dem Pilze überzogenen Epidermis. Ist 
die Erkrankung aber weiter vorgeschritien, so haben sich schon grös- 
sere braune Flecken gebildet und dieser Zustand ist zur Untersuchung 
weniger geeignet. In jenen braunen Flecken erkennt Mohl die Haft- 
organe des Pilzes, von denen aus, als den Angriffsstellen, der parasitische 
Pilz seinen schädlichen Einfluss auf die Rebe ausübt, indem von diesen 
Puncten aus die Epidermis erkrankt. Anfangs nimmt die Epidermis- 
zelle, auf welcher das Haftorgan festsitzt, eine bräunliche Färbung an, 
die Entartung und Erkrankung dehnt sich aber bald auch über die 


Vereinszeitung. 354 


benachbarten Zellen in mehr oder weniger grosser Ausdeknung aus 
und es entstehen auf diese Weise auf den Beeren kleine, jedoch mit 
blossen Augen wohl sichtbare Knötchen, auf der Rinde der Zweige 
aber grosse braune Flecken. Es zieht dieses das Verderben der äus- 
sern Rinderschichten nach sich und hindert an den Beeren das weitere 
Wachsthum der Schale, da aber das Fruchtfleisch ungestört fortwächst, 
so hat dieses das Zerplatzen der Beeren zur Folge. In diesen Ver- 
hältnissen und namentlich in der Reihenfolge der Erscheinungen findet 
Mohl den sichersten Beweis dafür, dass die Erkrankung der Rebe 
vom Pilze ausgeht. Die dieser Abhandlung beigegebenen Tafel-Abbil- 
dungen stellen den Pilz in seinen verschiedenen Entwickelungsstufen 
und in verschiedener Vergrösserung sehr schön dar. Diejenigen, 
welche sich für diesen Gegenstand besonders interessiren, mögen die 
Abhandlung selbst, aus welcher hier nur ein sehr gedrängter Auszug 
gegeben werden konnte, nachschlagen. (Bot. Zig. 1853. p. 585.) 

. Hornung. 


Champignon aus kohlensaurem Kalke. 


‚Dieser Parasit erscheint nur auf kürzlich bearbeitetem, noch feuch- 
iem Gypse. Er entwickelt sich vorzüglich in Mauerwinkeln oder längst 
der Karniesse, die dem Luftstrome und dem Lichte ausgesetzt sind. 
Seine Form ist globulös. Jedes Kügelchen zeigt sich aus einer Unend- 
lichkeit kleiner anderer zusammengesetzt, die vereint nicht grösser 
sind, als ein Hirsekorn. Dieser Schwamm hat eine kirschrothe Farbe, 
Die ihn erzeugenden Keimkörnchen sind in einer dicken und fleischigen 
Hülle (peridium) eingeschlossen. Er hat für unsere Organe weder 
Geruch, noch Geschmack. Sein färbendes Princip löst sich in Aether, 
Dies Vegetabil exislirt 3 bis 4 Tage. Nach dieser Zeit bräunt es sich 
und fault. (Abeille med. 9. 1853.) Dr. A. Droste, 


Zu der diesjährigen Generalversammlung, Thierschau, Producten- 
und Geräthe- Ausstellung des landwirthschaftlichen Provinzialvereins 
für die Mark Brandenburg und Niederlausitz zu Berlin hatte die 
Inspection des Königl, botanischen Gartens zu Schöneberg ein Sortiment 
von ausländischen Nadelhölzern, bestehend aus 60 Arten, 
geliefert, darunter die Mutterpflanze des Dammarharzes (Damara 
australis), die des Sandarakharzes (Cullitris quadrivalvis), die Cedern 
des Libanon und des Himalaya, die Torreya Humboidei und Podocar- 
pus Salicifolius aus Caracas; die Aruncaria Brasiliens und der Nor- 
folkinseln, die grossfrüchtigen Wachholder Südeuropas, die Cryptomaria 
Japans, die langnadligen Kiefern Mexikos, die Weisstanne der grie- 
chischen Inseln und Spaniens (Picea cephalonica) u.s. w. (Bot. Ztg. 
1853. p. 616.) Hornung. 

Ungeheure Orangenbäume, mit noch viel grössern Olivenbäumen 
vermengt, wachsen auf Corfu ohne alle Öultur in dichten Waldungen 
um alle Hügel, und Sie können sich mein Entzücken denken, wenn 
ich Ihnen sage, dass die Vegetation hier noch viel ausserordentlicher 
ist, als in Sieilien. Unter den Oelbäumen hat man einen dichten 
Schatten und zwar so, dass der Farbe und Grösse nach wir im ersten 
Augenblicke die Oelbäume für Steineichen hielten. Alle Früchte sind 
ungleich grösser, Cactus, Alo& und Rosen bilden die Hecken. (Bot. 
Ztg. 1853. p. 584.) Hornung. 


352 Vereinszeitung. 


10) Handelsbericht. 
(Fortsetzung von Bd. CXXVII. H.2. p. 236.) 


Nachdem in den letzten Jahren sich eine bessere Verwer- 
thung für afrikanischen Copal herausgestellt, hat man sich wie- 
der eifriger um die Nachsuchung an Ort und Stelle bekümmert 
und es sind davon namhafte Parthien nach Europa gebracht wor- 
den. Dies hat denn auch eine stärkere Versorgung unseres Marktes 
veranlasst, der an Zufuhren in diesem Jahre ca. 1242 Säcke und 
166 Fässer, zusammen ca. 200,000 Pfd. erhalten hat; es hat sich dafür 
ein entsprechender Abzug gezeigt und bleibt uns gegenwärtig ein Vorrath 
von ca. 60,000 Pfd. übrig. Die Preise blieben im Frühjahr steigend 
bis zum Eintreffen grösserer Zufuhren, jedoch hat sich die alsdann 
eintretende Ermässigung derselben hauptsächlich auf die geringen Qua- 
litäten erstreckt, welche den Hauptbestand der diesjährigen Imporien 
bildeten, während hübsche naturelle Waare wenig vorgekommen ist 
und einen ungefähren Werth wie zu Anfang dieses Jahres einnimmt. 
— Die steigende Conjunctur, welche die Preise von Gummi Damar 
im vorigen Herbst angenommen hatten, macht bei dem in den ersten 
Monaten d, J. für diesen Artikel herrschenden Begehr noch wesentliche 
Fortschritte, prima Qualität stieg auf 9—91/, Schill., naturelle im Ver- 
hältniss und ist im Verlauf des Jahres bei Aufhörung der speculativen 
Frage hin und wieder etwas billiger anzukommen gewesen. Gegen- 
wärtig gewinnt der Artikel wieder eher eine steigende Tendenz und 
rechtfertigt sich solche durch den mit dem Maass der Zufuhr durchaus 
im Einklang stehenden Consum, wir können z. B. nach einer Zufuhr 
von 431 Kisten nur ein Lager von 200 Kisten nachweisen gegen ca. 
300 Kisten ult. 1853. — Gummi Benzoes und Guttae sind lässige 
Verkaufs - Artikel geworden, weil der Consum derselben sehr abge- 
nommen hat. — Dasselbe ist der Fall mit Gummi Elemi, ungeachtet 
Zufuhren davon ausbleiben. — Der Mangel an Gummi Mastix wird 
nachgerade bedenklich und drohet der Artikel bald gänzlich zu fehlen, 
Preise sind seit Anfang des Jahres wieder um das Doppelte gestiegen. 
— Der Absatz von Gummi elasticum ist in diesem Jahre so ungemein 
stark gewesen, dass die älteren Lager und neuen Importen nicht hin- 
gereicht haben, demselben Genüge zu leisten. Alles was von Para 
herangebracht wurde, ist sofort von den Consumenten aufgegriffen 
worden und ungeachtet bei solchem Treiben die Preise um 100 Proc. 
gestiegen sind, erblicken wir dennoch auf allen Seiten denselben 
Mangel und dieselbe Hast, neue Ankünfte in Beschlag zu nehmen. 
Wir müssen es beklagen, dass eben in diesem Jahre die Zufuhren von 
Para an unserem Markt ungewöhnlich klein ausgefallen sind, denn es 
erreichten selbige nicht den vierten Theil der vorigjährigen Einfuhr 
und betragen im Ganzen ca, 36,000 Pfd. Diese Conjunctur ist den 
Inhabern von Para Gummischuhen gut zu Statten gekommen, da sich 
ihnen Gelegenheit geboten, ihre zum Theil bedeutenden Lager von 
diesem Artikel, für den sich fast gar keine Verwendung zeigt, wenig- 
stens zum Werth des Gummi zu realisiren und mögen davon ca. 
100,000 Paar begeben sein, wodurch der Vorrath auf etwa 10,000 Paar 
verschiedener Dimensionen reducirt worden ist. Bei der grossen Noth 
haben übrigens auch Abfälle von Elasticum jeglicher Art aushelfen 
müssen und hat man selbst dafür extreme Preise vergütet. — Von 
ostind. Elasticum lagerten hier Ende v. J. 45,000 Pfd., zugeführt 


Vereinszeitung. 353 


wurden aufs Neue 5000 Pfd. und bleiben uns jetzt noch ca. 1000 Pfd.; 
so sehr man sich früher auch sträubte diesen Gummi zu verarbeiten, 
scheint doch jetzt die Benutzung desselben allgemeiner zu werden 
und es ist eine gleiche Qualität gegen Ende d. J. mit 10 Schill. pr. 
Pfund bezahlt worden, welche zu Anfang desselben nicht 6 Schill, 
aufbringen konnte. Kleine Importen von der Westküste Amerikas 
haben ebenfalls langsam, indess zu etwas höheren Preisen, als eben 
erwähnte Gattung, Absatz gefunden. 

Amerikanische Patent- Gummischuhe kommen mit jedem Jahre 
mehr in Aufnahme, wir erhielten davon ca. 350,000 Paar; die Preise 
sind ziemlich gleichmässig mit denen vom v. J. geblieben, ungeachtet 
der Steigerung des rohen Gummi. 

Die Verwendung von Guita Percha hat, wie wir schon Ende 
v. J. nachwiesen, in Deutschland sehr abgenommen, eingeführt wurden 
ca. 35,000 Pfd., ausgeführt ca. 70,000 Pfd. und sind gegenwärtig nur 
8000 Pfd. vorräthig. In England dagegen hat die Anlegung unter- 
seeischer Telegraphen grosse Quantitäten von diesem Material in An- 
spruch genommen und eine bedeutende Erhöhung des Preises zur 
Folge gehabt, der hier von 10 Schill. auf 17 Schill. avaneirt ist. 

Von amerikanischem Harz betrug: 

Ao. 1850: Einfuhr 18,318 Fässer, Ausfuhr 15,200 Fässer 


„ 1851: » 23,250 do. "19,000 do. 
5134853 217370 734,074. '.)do: „ 97,000 do. 
„1853: » 26,327 do. „ 31,300 do. 


Der Ausfall in der Importation dem vorhergehenden Jahre gegenüber 
findet seinen Grund bauptsächlich in dem hohen Stande der Frachien, 
und der Umstand, dass dieser Artikel nicht mehr als Ballast nach 
Europa gebracht worden, hat dem Werthe desselben eine bessere 
Haltung als sonst gesichert. Bei dem starken Abzug, welcher sich 
für braunes Harz in den ersten Monaten d. )J. einstellte und den der- 
zeitigen Vorraih von ca. 12,000 Fässern fast aufräumte, stieg der 
Preis von 21/, auf 31/9 Mark; in der Mitte des Jahres auf ca. 27/g Mark 
gewichen, erholte sich derselbe bald wieder durch die grossen Auf- 
träge, welche sich Anfangs October unserem Markt zuwendeten und 
hat sich seitdem auf 33/9 Mark gestellt, helles Harz war besonders in 
den geringen und Mittel-Sorten gefragt und ist ca. 3/5 Mark theurer 
geworden. Es lagern bei Schluss des Jahres noch 9000 Fässer braunes 
und helles Harz. — Englisches Harz hat fast gänzlich gefehlt. — 
Gallipot ist weit weniger als gewöhnlich zugeführt worden und bis 
auf wenige Fässer geräumt. 

Das Geschäft in Inyber ist nicht sehr lebhaft gewesen und un- 
berührt von der Steigerung, welche fast alle anderen Gewürze erfuh- 
ren, haben die Preise dieses Artikels gleich wie im v.J. einen niedri- 
gen Stand behalten. Es wurden zwar im Februar auf Speculation 
ziemlich bedeutende Ankäufe gemacht, doch sind dieselben nicht von 
besonders günstigem Erfolge begleitet gewesen, da sich im Allgemeinen 
der Consum schwächer erwiesen ais sonst. Directe Importen sind seit 
zwei Jahren fast gänzlich unterblieben und müssen wir wiederholt auf 
die mässigen Zufuhren von diesem Artikel aufmerksam machen; es 
wurden eingeführt: 


Ao. 1848: ca, 532,000 Pfd. Ao. 1851: ca. 250,000 Pfd. 
» 41849: » 560,000 „ 41852: » 300,000 
„ 1850: „ 1,229,000 » „ 4853: » 350,000 


Der jetzt bestehende Vorraih wird auf 350,000 Pfd. geschätzt. 
Arch.d. Pharm. CXXVII. Bds. 3. Hft. 24 


354 Vereinszeitung. 


Der Absatz von candirtem Ingber ist während der ersten Hälfte 
des Jahres von kleinem Umfange gewesen und hat erst die zuneh- 
mende Frage im Herbst den Verkauf der ziemlich angehäuften Lager 
möglich gemacht. Für Ingber in Töpfen wurde nach Beschaffenheit 
der Qualität 71/g bis 9 Schill., in Fässera 6 bis 7 Schill. pr. Pfund 
bezahlt Gegenwärtig befinden sich in Importeurs Händen noch ca. 
800 Kisten. 

Jodine und Hydrojodkali haben den zu Anfang d. J. beste- 
henden Werth nicht völlig behaupten können und es ist auch die im 
Monat September eingetretene speculative Frage nicht von langer 
Dauer gewesen, weil man bei den jetzigen hohen Preisen von Seiten 
der Käufer mit grosser Vorsicht zu Werke geht. 

Für rothes chromsaures Kali hatten in den ersten Monaten 
die Preise eine etwas höhere Stellung erreicht, bei Eintreffen von 
Zufuhren im Frühjahr sind dieselben wieder gewichen und haben im 
Verlauf des Jahres sich auf ca. 61/, Schill. gehalten, bis vor einigen 
Wochen in Folge der höheren Notirung in England auch hier eine 
Besserung der Preise eingetreten ist, welche jetzt für englisches 
auf 7 Schill., für nordisches auf 6l/, Schill. gehalten werden. — 
Blausaures Kali hat wenig Verwendung gefunden und sind die 
Umsätze davon am hiesigen Platze nicht von Bedeutung gewesen; im 
vorigen Monat tauchte plötzlich von verschiedenen Seiten Frage auf, 
es wurde sofort Lärm geschlagen und die Fabrikanten setzten rasch 
ihre Preise höher, der Begehr hat indessen sehr bald nachgelassen 
und sind bereits wieder billigere Offerten gemacht worden. 

Von Lakritzen haben die Zufuhren ca. 700 Kisten weniger be- 
tragen, als im v. J. und ergiebt sich dieser Ausfall hauptsächlich bei 
Sicilianer und Calabreser Saft, welcher letztere sich zu erhöhe- 
ten Preisen sehr aufgezehrt hat. Von Bayonner sind einige hundert 
Kisten mehr als im letzten Jahre angebracht worden und existirt davon 
noch ein genügender Vorrath für den Winterbedarf. 

Lorbeeren haben sich ziemlich gleichmässig im Werth behauptet, 
Lorbeerblätter dagegen sind bei beschränkten Ankünften von 
40 Mark auf 13 Mark gestiegen. 

Die hohen Preise, welche bisher bei der Seltenheit von Manna 
existirt haben, sind jetzt im Weichen begriffen, nachdem bereits kleine 
Sendungen von der neuen und billiger einstehenden Ernte einge- 
troffen sind. 

Entgegengesetzt wie in dem v. J. war diesmal die Einfuhr von 
Maeisblüthen wesentlich grösser, dagegen die von Macisnüssen bedeu- 
tend kleiner, als in den vorhergehenden zwölf Monaten; wir erhielten 
von Blüthen 98 Fässer und 330 Kisten, von Nüssen 87 Fässer und 
38 Kisten, gegen 65 Fässer und 172 Kisten Blüthen und 160 Fässer 
und 102 Kisten Nüsse im Jahre 1852. In beiden Artikeln ist die Spe- 
eulation zu verschiedenen Malen thätig gewesen und die Preise haben 
durchschnittlich einen weit höheren Stand eingenommen, als im Jahre 
vorher. . 

Die niedrigen Preise, welche bei überführtem Markt im v. J. für 
Nelken zu bedingen waren, scheinen Importeure veranlasst zu haben, 
die Abladungen etwas einzuschränken. Die Gesammt-Einfuhr während 
der letzten drei Jahre umfasste ca. 1 Million Pfd. oder durchschnittlich 
ca. 340,000 Pfd. per Jahr, wogegen wir in den verflossenen zwölf 
Monaten nur 150,000 Pfd. empfingen, zum grössten Theil von Zan- 
ztbar. Speculation und reichlicher Abzug brachten im Frühjahr eine 


Vereinszeitung. 355 


Erhöhung des Preises von 63/; auf 71, Schill, zu Wege und wenn 
gleich derselbe später auf 67/, Schill. zurückging, so hat doch die 
zuleizi zum Verkauf gebrachte Parthie wieder 71/g Schill. aufbringen 
können und wir schliessen jetzt mit 7Y/, Schill. bei festem Markt; im 
Durchschnitt ist der Werth Nelken ca. 10 Proc. höher gewesen, als 
im Jahre vorher. Wir behalten einen Vorrath von ca. 50,000 Pfd. — 
Von Nelkenstengeln wurden 100,000 Pfd. eingeführt, wofür man höhere 
Preise als im v.J. bewilligt hat; die noch ie zweiter Hand befindlichen 
20,000 Pfd. werden jetzt auf 31/, Schill. gehalten. 

Oleum. Von Ol. Anisi Stellati bestand der Vorratih am 1. Januar 
in 70 Kisten und wurde derselbe durch im Laufe des Monais ein- 
treffende Zufubren auf ca. 209 Kisten; diese Anhäufung wirkt nach- 
theilig auf den Werth, welcher durch Auction-Verkäufe momentan auf 
57 Schill. herabgedrückt wurde und sich bei sehr trägem Abzug 
langsam von 33/, auf 4 Mark hob, während verschiedene indirecte 
Zufuhren einer ferneren Sieigerung hemmend enigegen traten. Un- 
geachtet diese vorauszusehen war, bei dem seit geraumer Zeit obwal- 
tenden Missverhältniss des hiesigen Werthes im Vergleich zu den 
Bezugspreisen von China, hat dennoch dieser Artikel von keiner 
Seite richtige Anerkennung sich erringen können und isi es den 
Importeuren vorbehalten geblieben, jetzt selbst von der steigenden 
Copjunctur zu profitiren, nachdem sich von allen Seiten Bedarf einstellt, 
man hat für die letzthin eingegangenen Aufiräge bereits 45/, Mark 
bewilligen müssen und ist gegenwärtig nicht mehr unter 43/, Mark 
anzukommen; der Vorrath beirägt noch 100 Kisten. — Für Ol. cassiae 
hat sehr wenig Frage geherrscht und hat bis vor Kurzem der Preis 
sich unverändert auf 7 Mark gehalten; es hat sich in den letzten 
Monaten eiwas bessere Meinung für diesen Artikel geäussert, da bei 
den nicht grossen Zufuhren die Lager sich allmälig lichten und nur 
kleine Bestände im Markt sind, die heutige Notirung ist 71/, Mark. 
— Von Ol. Cajeputae sind directe Importen ausgeblieben und haben 
die bei Anfang des Jahres vorhandenen 36 Körbe für den beschränkten 
Consum dieses Artikels bis jetzt hingereicht. — Für Peffermünzöl ist 
die seit v. J. eingetretene Erhöhung der Preis ferner forigeschritten, 
die Nachfrage war zufriedensiellend und sind jetzt die Lager nur 
schwach versehen. — Ol. Ricini hat einen niedrigen Stand behalten, 
da sich überall die Vorräthe zu sehr angehäuft haben, es wurden 
importirt nur ca. 229 Kisten, dagegen im Jahre 1852: 918Kisten und 
36 Fässer. 

Orlean. Die Einfuhr von Brasil erreicht kaum die Hälfte der 
vorjährigen, die meisten Parthien waren von mittel und geringer Qua- 
lität, wofür selbst zu billigen Preisen sich selten Abzug zeigte, da 
überhaupt für den Artikel kein starker Begehr gewesen ist; prima 
Qualität hat sich besser verwerihen können, weil selbige nur selten 
vorkam. Der Vorrath besteht bei Jahresschluss in 600 Körben. — 
Cayenne Orlean ist sehr incourani geworden und wird daher sehr 
wenig eingeführt. 

Pfeffer. Die Importen von schwarzem Pfeffer haben ca. 12,000 
Säcke weniger ausgeliefert, als im Jahre 1852 und betragen selche im 
Ganzen 11,448 Säcke, (eine Einfuhr von 2600 Säcken per »Lady 
Arabella« muss in Cuxhaven überwintern). Dieser‘ Ausfall in der 
Einfuhr, so wie die höheren Bezugspreise von Ostindien haben wesent- 
lich auf unsern Markt influirt; seit den ersten Monaten d.J. hat der 
Artikel eine sehr feste Haltung angenommen’und es haben die Preise 


24 * 


4 


356 Vereinszeil ung. 


eine langsame Steigerung fortdauernd bis zum Herbst verfolgt, alsdann 
aber durch die vermehrte Nachfrage zum Versand sowohl wie für 
Speculation einen rascheren Aufschwung genommen und sich ca. 1 Schill. 
pr. Pfund höher gestellt als vor 12 Monaten. In den letzten beiden 
Monaten hat der Begehr etwas nachgelassen und die Preise haben 
einen kleinen Rückgang erlitten, jedoch spricht sich im Allgemeinen 
Vertrauen für den ferneren Bestand des jetzigen Werthes aus. Der 
Vorrath beträgt ca. 2000 Säcke und ist ca. 2500 Säcke kleiner als 
ult. 1852. — Von weissem Pfeffer sind die Ankünfte sehr beschränkt 
gewesen, der Preis ist ven ca. 8 auf 12 Schill. avancirt, da nur noch 
wenige Säcke vorhanden sind; einige Zufuhren, die wir bei Wieder- 
eröffnung der Schifffahrt entgegen zu nehmen haben, kommen unter 
diesen Umständen dem Markt gut zu Statten. — Von langem Pfeffer 
sind ausser kleinen Einsendungen von Nebenplätzen nur 60 Säcke 
von Batavia gekommen, welche zu hohen Preisen Verwendung gefun- 
den haben, da dieser Artikel überall selten geworden ist. 

Piment hat fast durchgängig einen höheren Werth inne gehabt 
als im Jahre 1852, der aber, wie diesem Artikel eigenthümlich, häufigen 
Fluctuationen unterworfen war. Die Preise hatten in den ersten Monaten 
eine steigende Richtung und hoben sich bei lebhaftem Geschäft von 
53/g Sehill. auf 6 Schill. Im April wurde es flauer mit dem Artikel, 
der für geringe Waare auf 51, Schill., für gute Qualität auf 53/4 Schill. 
wich; die Frage nahm im August wieder zu und steigerte den Preis, 
unterstützt durch namhafte Ankäufe für Speculanten, bis auf circa 
61, Schill. Seit October sahen wir einen Rückgang der Preise ein- 
trelen und macht sich erst in diesem Monat eine bessere Stimmung 
wieder geltend, so dass die letzte von Jamaica angekommene Zufuhr 
coulant zu 57/3 Schill. begeben wurde. Die gegenwärtigen Vorräthe, 
wovon der grösste Theil zu dem jetzt bestehenden Werth vom Markt 
zurückgezogen worden, schätzt man auf 3000 Säcke, dagegen betrug 
das Lager ult. v. J. 2000 Säcke; die Einfuhr beläuft sich auf 9540 
Säcke, gegen 11833 Säcke im Jahre 1852. 

Quecksilber ist einer neuen Reduction des Werthes von ca, 3 Schill. 
pr. Pfund in d. J. (1853) unterworfen gewesen. 

Radix. Für Rad. Chinae zeigte sich selten Frage, Zufuhren von 
Östindien müssen bei dem niedrigen Preise unterbleiben. — Galanga 
hat sich im Frühjahr von 16 auf ca. 18 Mark gehoben und würde 
wohl eine fernere Erhöhung im Werth erfahren haben, wenn: der 
Abzug eben so bedeutend als in den beiden vorhergehenden Jahren 
gewesen wäre; es ist nur eine Parthie von 200 Ballen importirt wor- 
den, welche von sehr geringer Qualität war und deshalb billig. zu 1 
a 11l/, Mark verkauft werden musste. Die in diesem Monat zuge- 


führten 100 Ballen sind noch nicht an den Markt gekommen. — Rad. 
Gentianae hat bei beschränkter Nachfrage einen niedrigen Werth 
behalten. — Das Geschäft in Rad. Jalappae ist nicht viel besser 


gewesen als im v.J., die Preise waren niedriger als in jener Periode, 
aber Verkäufe demungeachtet nur langsam zu beschaffen, weil wenig 
von schöner Waare vorkam und scheuen sich die hiesigen Importeure 
aus diesem Grunde, den Artikel als Retouren von Mexico zu benutzen. 
— Ipecacuanhae hat in d. J. einen Werth gehabt, der seit vielen 
Jahren nicht mehr existirt hat; der Preis stieg in dem ersten Halbjahre 
von 41], Mark auf ca. 8 bis 9 Mark und haben die im Herbst in 
England eingetroffenen ziemlich bedeutenden Zufuhren nicht einen 
so grossen Einfluss ausgeübt, als man anfangs vermuthele, der Artikel 


Vereinszeitung. 357 


hat in diesem Monat bereits wieder eine steigende Richtung angenom- 
men und gilt 6 Mark als äusserste Notirung. — Russisches Süssholz 
ist nicht übermässig zugeführt worden und bedingt successive höhere 
Preise. — Von Spanischem sind Zufuhren fast gänzlich ausgeblieben 
und der Vorrath beinahe geräumt. — Von Bayonner befindet sich 
noch etwas zu 101/3 Mark im Markt. — Von Rad. Ratanhiae erhielten 
wir im Herbst eine directe Sendung von 58 Seronen, welche rasch 
Käufer gefunden hat. — Was wir am Schluss des v.J. in Betreff von 
Rhabarber berichtet, können wir heute nur wiederholen, jedoch mit 
dem Unterschiede, dass die Abnahme der Verschilfungen von China 
noch auffälliger geworden und die dadurch bewirkte Wertherhöhung 
noch grössere Fortschritte gemacht hat als im Jahre 1852. In Amerika 
sowohl wie in Europa tritt auf allen Märkten ein so bemerkbarer 
Mangel an dem Artikel ein, dass sich die Consumenten in Zeiten 
vorzusehen haben, um nicht ganz ausser Vorralh zu kommen, da sich 
nachgerade berechnen lässt, auf wie lange noch die jetzigen Bestände 
für den gewöhnlichen Verbrauch ausreichen können Die in d.J. nach 
unserem Markt gekommenen Zufuhren, fast sämmilich auf directem 
Wege von China, belaufen sich auf 5741/| Kisten und 202/, Kisten, 
wovon 1731/| Kisten als Beiladung für England bestimmi waren. So 
wie überhaupt die letzte Ernte Nichts von ganz feiner Qualität aus- 
geliefert hat, sind auch die hier zum Verkauf gebrachten Parthien nur 
als guf mittel und fein mittel zu bezeichnen gewesen; von ganz 
geschälter Waare sind nur kleine Pöste vorgekommen. Die im v. J. 
übrig gebliebenen Lager, zum Theil aus sehr geringer alter Waare 
bestehend, „sind bei der steigenden Conjunctur ebenfalls sehr weg- 
gesucht worden und können wir im Ganzen jetzt noch einen Vorrath 
von ca. 80 Kisten nachweisen Russische Rhabarber kommt mit jedem 
Jahre mehr ausser Verbrauch. — Die Preise von Sassaparille haben 
wenig variirt, Honduras und Caracas haben sich elwas niedriger 
gestellt, dagegen hat Vera Cruz einen ziemlich gleichmässigen Werth 
behauptet. Von Honduras ist ungefähr halb so viel als im Jahre vorber 
importirt worden und haben die Zufuhren den sirengen Ansprüchen, 
die man einmal an die Qualität dieses Artikels erhebt, selten voll- 
ständig genügt; der jetzige Vorrath ist nicht von Belang. — Was von 
Caracas in guter Waare ankam, hat stets rasch Verwendung gefunden. 
Von den eingeführien 698 Ballen Vera Cruz sind noch ca. 100 Ballen 
vorhanden. Die von Manzanillo und Valpariso angebrachten 163 Ballen 
haben sich zu angemessenen Preisen verwerthei. — Übschon der Ver- 
brauch von Rad. Senegae sehr nachgelassen, haben sich dennoch, da 
seit zwei Jahren die Zufuhren ausgeblieben sind, die älteren Lager 
beinahe geräumt, und man ist gezwungen gewesen, die von 15 Schill. 
successive auf 44 Schill. pr. Pfund erhöhete Forderung für vorge- 
kommene Aufträge zu bewilligen. — Aehnlich ist es mit Rad. Ser- 
pentariae der Fall, wofür der Preis von 8 auf 12 Schill pr. Pfund 
gestiegen ist. 

Von den zugeführten 528 Ballen Bengal Saflor ist nur ein kleiner 
Theil hier an den Markt gekommen; das Geschäft in dem Artikel ist 
für die Importeure nicht lohnend gewesen, die Nachfrage war beschränkt 
und die Preise hatten eine weichende Tendenz. Das Lager besteht 
gegenwärlig in ca. 120 Ballen. 

Sago. Die im v.J. eingetretene Erhöhung der Preise von diesem 
Artikel hat keine grössere Einfuhr zur Folge gehabt und stellt sich 
diese im Vergleich zu den vorbergehenden Jahren wie folgt: 


358 Vereinszeitung. 


Ao. 1853. 1852. 1851. 1850. 
ROM RRS, SEA 650 Fässer 1465 Fässer 2320 Fässer : 
Para & Bahia 432 Colli 546 Colli 981 Colli (2231 Colli 
Perl-Sago 2333 Kisten 5609 Kisten 7249 do. 2870 Kisten. 


Der Export von Brasil Sago ist bis zum Herhst von geringem 
Umfange gewesen, doch hat sich seit den letzten Monaten ein sehr 
lebhaftes Geschäft darin entwickelt, veranlasst durch den am 1. Januar 
1854 erfolgenden Eintritt Hannovers in den Zollverein und sind die 
hiesigen Lager zum grössten Theil jenseits der Elbe gewandert, so 
dass der Markt augenblicklich nur kleine Bestände aufzuweisen hat. 
Eine Steigerung der Preise war bei der starken Nachfrage unaus- 
bleiblich, für feinen Rio-Sago hat man zuletzt 41/, Schill. bezahlt. 
Für Perl-Sago hat fortwährend guter Begehr geherrscht und da die 
Ankünfte nicht im Verhältnisse zn demselben standen, ist eine graduelle 
Wertherhöhung von ca. 25 Proc. möglich geworden. 

Sal amoniacum und Sal volatile sind etwas im Werth gewichen, 
das schöne Fabrikat der hiesigen chemischen Fabrik macht zu höheren 
Preisen dem englischen Salmiak erfolgreich Concurrenz. 

Salpeter. Von Ostindischem wurden 9485 Säcke eingeführt, 
gegen 14,526 Säcke im v.J., das Meiste davon ist via England zuge- 
führt worden, weil von Calcutta direct nur wenige Schiffe eintrafen. 
Der jetzige Vorrath beträgt 1500 Säcke, dagegen ult. 1852: 3000 Säcke. 
Die Preise haben in den letzten Monaten etwas angezogen und ist 
dies ebenso der Fall mit raffinirtem Salpeter, wovon jeizt wenig von 
England zugeführt wird, da die hiesige Fabrik im Stande ist, den- 
selben zu gleichen Preisen zu liefern, wie die englischen Fabriken. 
— Das Geschäft in Chili Salpeter hat auf unserem Markt eine noch 
grössere Ausdehnung als im v.J. erreicht, die Einfuhr bleibt seit einer 
Reihe von Jahren im Zunehmen, es betrug dieselbe: 


A0.1846. 1848. 1849. 1850. 1851. 1852, 1853. 
5800 Säcke 67488. 15,690 $. 18,580 S. 21,707 S. 30,988 58. 39,122 S. 


In demselben Maasse vergrössert sich der Consum und findet dieser 
Artikel als Düngungsmittel mehr und mehr Aufnahme von Seiten der 
deutschen Landwirthe. Die ersten diesjährigen Zufuhren kamen spät 
im Frühjahr herein und wurden inzwischen bei dem bestehenden 
Mangel für die derzeitigen Lager hohe Preise bewilligt; im Laufe des 
Sommers und namentlich gegen Schluss des Jahres ist eine Ermässigung 
eingetreten. Der jetzt bestehende Vorrath beläuft sich auf 4000 Säcke. 

Das Geschäft in Schellack hat einen ruhigen Verlauf gehabt, ab- 
hängig von dem sich zeigenden reellen Consum, der im Frühjahr zu 
erheblichen Umsätzen Anlass gegeben hat. Die in jener Zeit ein- 
getretene Erhöhung der Preise erstreckte sich nicht allein auf geringe 
Sorten, womit die Lager zu jener Periode schwach versorgt waren, 
sondern ebenfalis auf orange Schellack, und bildet diese Sorte jetzt 
den Hauptbestandtheil unseres ziemlich ansehnlichen Lagers, wovon 
sich in Händen der Empfänger noch 800 Kisten befinden. Die Einfuhr 
beläuft sich in d. J. auf 2037 Kisten und 686 Packen, ungefähr 500 
Kisten weniger als im vorigen Jahre. 

Die Importation von rohem Schwefel ist seit vier Jahren auf das 
Doppelte gestiegen und hat in den letzten 12 Monaten ca. 81/4 Million 
Pfund betragen, wovon ein grosser Theil hier zum Verkauf gekommen 
ist; der Preis schwankte zwischen 41/; Mark und 43/4 Mark, es lagern 
gegenwärtig 567,000 Pfd. — Von raffinirtem Schwefel haben die 


Vereinszeitung. 359 


Zufuhren kaum für den Bedarf hingereicht und besitzen wir auch jetzt 
nur ein kleines Lager von 317 Kisten. 

Semen. Der Preis für Sem. Cumini hat sich bereits wieder etwas 
gehoben, seitdem sich die Anfuhren davon vermindert haben. — Levant. 
Sem. Cynae ward auch in d. J. viel zugeführt und hat sich die im 
Frühjahr eingetretene Erhöhung des Werthes später nicht völlig be- 
haupten können. — Sem. Cydonorium und Sabadill sind schwer ver- 
käuflich gewesen bei der geringen Nachfrage, welche dafür bestand. 

Spangrün ist bedeutend theurer geworden und gegenwärtig nur 
sehr wenig davon vorhanden, 

Von Sternanis wurden 1016 Kisten eingeführt gegen 1160 Kisten 
im v. J.; der Artikel hat im ersten Halbjahre einen ziemlich gleich- 
mässigen Werth gehabt, doch sind für die später eingetroffenen Zu- 
fuhren successive höhere Preise zu bedingen gewesen und ist für die 
in voriger Woche an den Markt gebrachten 200 Kisten ex »Emilie« 
91, Schill. bewilligt worden. Der jetzt bestehende Vorrath von 
400 Kisten befindet sich zum grössten Theil in Händen von Speculanten. 

Tamarinden haben die bei überführtem Markt erlittene Eniwer- 
thung überstanden, die niedrigen Preise haben Consumenten zu grös- 
seren Einkäufen aufgefordert und können wir, nachdem wir in den 
letzten 12 Monaten fast gänzlich ohne Zufuhren geblieben sind, gegen- 
wärtig nur kleine Bestände nachweisen. 

Die Uebersicht des Geschäftes in Terpentinöl liefert in d.J. fol- 
gendes Resultat: 

ensniatn 4:5 Januar. zei, - eisen) pie 67,520 Pfd. 

Einfuhr bis 31 Dec. 1,616,000 Pfd 


American.: 5540 Fässer a 240 Pfd. 1,329,600 


Französ.: Se Ve. Kar — 19,200 
" 240 Oxhoft & 650 — 156,000 
“ 139 Stück & 80 „» = 111,200 


1,683,620 Pfd. 
Lager am 31. December: 
American.: 4421 Fässer & 240 „» = 341,040 » 
Französ.: 20 Oxhoftä 650 „» = 13,000 


Total 354,040 Pfd. 
Export vom 1. Jan. bis ult Dee. 1,329,480 


1,683,520 Pfd. 

Mit jedem Jahre gewinnt das Geschäft in Terpentinöl eine grössere 
Ausdehnung: im Vergleich zu v. J. war der Import ca. 777,140 Pfd. 
und der Export ca. 437,490 Pfd. grösser, seit fünf Jahren erblicken 
wir eine Zunahme im Export von ca. 800,000 Pfd.; der Consum 
erleidet demnach durch den höheren Werth keine Abnahme, der 
Durchschnittspreis war im v.J. ca. 27 Mark, in d.J. ca. 341/, Mark, 
Zu Anfang d.)J.stieg der Preis bei schwachem Vorratb und kleinen Zufuh- 
ren von ca. 35 auf 40 Mark; die weichende Tendenz, die der Artikel im 
Frühjahr annahm, dauerie fort bis zum August und wurde der Preis 
durch forcirte Lieferungs-Verkäufe zeitweilig auf ca. 25 Mark herab- 
gedrückt. Das plötzliche Aufspringen der Preise in Amerika führte 
auch auf unserem Markt einen raschen Wechsel im Werth von Ter- 
pentinöl herbei und nachdem im Herbst grosse Umsätze darin statt 
gefunden, nehmen die Preise eine ungefähr gleiche Stellung ein wie 
vor 12 Monaten. 


360 Vereinszeitung. 


Terpentin. Von amerikanischem sind in d.J. zuerst Zufuhren in 
grösserem Maasse hier an den Markt gebracht worden und hat sich 
dafür eine völlig entsprechende Verwendung gezeigt, der Begehr war 
im vorigen Monat sehr lebhaft und haben sich die derzeitigen Lager 
zu 8/4 Mark aufgeräumt, so dass nur noch 32 Fässer im Markt ver- 
bleiben. — Französischer hat sich ebenfalls bei grösserer Einfuhr zu 
höheren Preisen als in den vorhergehenden Jahren verwerthet, es 
lagern davon noch ca. 60 Oxhoft. — Für venetianischen ist die Nach- 
frage weniger befriedigend gewesen. 

Terra Catechu hat in d. J. eine glänzende Epoche gehabt und 
sich auf einen Werth emporgeschwungen, den wir seit einer langen 
Reihe von Jahren nicht mehr kannten. Die durch den obwaltenden 
Krieg gehemmte Ausfuhr dieses Artikels in Birma und der dadurch 
verursachte Ausfall in der Importation in Europa brachten, verbunden 
mit speculativen Unternehmungen, eine Steigerung zu Wege, welche 
den Preis von ca. 14 Mark auf 40 Mark gehoben hat. Der Vorrath 
bestand am 1. Januar in 150,000 Pfd., seit 12 Monaten wurden nur 
35,000 Pfd. zugeführt und ist bei Jahresschluss nichts mehr vorhanden. 

Die steigende Conjunetur, welche für Terra Japonica im v. J. 
eintrat, hat sich fortdauernd behauptet und der Preis hat seit Anfang 
d. J. eine graduelle Erhöhung von 16 Mark auf 25 Mark erfahren. 
Die Zufuhren sind von mässigem Umfange gewesen, zusammen circa 
495,000 Pfd. betragend, welche guten Absatz gefunden haben, begün- 
stigt durch die höhere Stellung, welche der Artikel auf den englischen 
Märkten fast durchgängig einnahm. Es bleibt nur ein kleiner Vorrath 
von ca. 5000 Pfd. im Markt; von den in Cuxhaven angekommenen 
ca. 200,000 Pfd. ist die Hälfte bereits seit längerer Zeit disponiri. 

Toncabohnen behalten einen hohen Werth bei beschränkten Zu- 
fuhren: die Anfang d. J. noch lagernden 25 Fässer, so wie die seit- 
dem angebrachten 30 Fässer sind bis auf einige wenige Fässer suc- 
cessive zum Versand genommen worden. 

Die günstigere Meinung, welche sich bereits im v. J. für Vanille 
äusserte, ist auch in d. J. vorherrschend geblieben und hat die Stei- 
gerung der Preise namentlich in den letzten Monaten grössere Fort- 
schritte gemacht. 

Zinnober. Für österreichischen ist wiederum eine Reduction des 
Werthes eingetreten. — Chinesischer findet wenig Frage, die erst 
vor einigen Tagen zugeführten 30 Kisten sind noch in Händen der 
Empfänger. 


44) Ueber Blutegel und deren Handel; 
von 


J. H. Schwacke in Alfeld. 


Meinen jüngsten Artikel im Novemberhefte *»haben Hamburger 
jüdische Concurenten benutzt — das Archiv in der Hand! — Reisen 
zu machen, um das Stölter’sche Etablissement in Misscredit zu bringen. 
Das wird freilich nur schwer partiell gelingen können, denn Erstens 
liefern alle Handelsquellen der Egel mehr oder weniger bluthaltige 
Waare, mögen sie von der Elbe oder vom Rhein, vom reisenden 
Händler, Droguisten oder vom Egelzüchter selbst aus irgend einem 
Theile des grossen Deutschlands bezogen werden, überall finden wir 
dieselbe Methode, überall denselben Fehler. Deshalb ist auch die Anzeige: 


Vereinszeitung. 361 


»frisch aus dem Teiche« nichts weiter als ein thörichter Köder, 
den man den Gläubigen auftischt. — Zweitens halte ich gerade Herrn 
Stölter für den Mann, welcher am ersten im Stande ist, diesem 
Uebel abzuhelfen, sowohl seiner grossen Anlagen, als auch seiner 
gediegenen Kenntnisse wegen und seines guten Willens. 

Man muss eigentlich den Blutegelzüchtern Gerechtigkeit wider- 
fahren lassen, wenn sie die Egel mit Blut füttern ! 

»Die Nahrung des Blutegels besteht, wie schon Morand sehr 
richtig bemerkt, lediglich nur in Blut*); auch findet man, wie auch 
bereits Hunzmann angiebt, den Magen entweder mit Blut gefüllt 
oder man bemerkt Schleim in grösserer oder geringerer Menge in 
demselben, aber ohne je die Spuren eines anderen Nahrungsstoffes **), 
als die Reste von Thieren, darin wahrzunehmen, — Ausgehungerte 
Egel besitzen an ihrem natürlichen Aufenthaltsorie eine grosse Gefräs- 
sigkeit, und fallen sehr begierig über Thiere und selbst Menschen 
her, welche denselben mit nackten Füssen betreten, ja man hat Bei- 
spiele, dass an solchen Orten, wo sich sehr viele Egel aufhielten, 
Kinder ihren Bissen unterlagen.a (Brandt u. Ratzeburg, medicinische 
Zoologie, 2. Bd. S. 256.) 

Die Egelzüchter haben also Recht, wenn sie die Zucht- und 
jungen Egel mit Blut füttern, um solche für ihre Zwecke zu ver- 
mehren und heranzuziehen. Der Zweck der Handelsegel ist aber 
ein rein medicinischer, und nach meiner Ansicht ist das Publicum 
berechtigt, vom Apoiheker so gut tadellose Egel für schweres Geld 
zu fordern, wie es berechtigt ist, tadellose Arzneien zu verlangen. 
Bluthaltige Egel sind aber durchaus zwecklos. 

»Die Egel setzen sich nur an, wenn sie Hunger haben und ihre 
Magenvorräthe verzehrt sind!« (Med. Zoolog.) 

Man sieht also, dass die Egel Jahre lang hungern können, d.h. 
ohne Blut leben — aber wovon leben sie denn? und nur dann sind 
sie medicinisch nützlich, d. h. sie saugen begierig. 

Ein wichtiger Umstand ist noch der, dass die Egel so äusserst 
langsam verdanen, ja ein gefütterter Egel hat selbst im Zustande der 
Freiheit zwei Jahre nöthig, bevor er das Blut verdaut hat (Stölter). 
Hieraus erhellt, wie viel Teiche nöthig sind, um blutfreie Egel für 
den Handel fischen zu können, und daher werden wir dies schöne 
Ziel in Bälde bei Herrn Stölter erreicht sehen. 

Die langsame Verdauung der Egel bringt es mit sich, dass oft ein 
Egelvorrath nach Monaten noch Exemplare zeigt, welche Blut abson- 
dern und häufig gerade dann, wenn sie durch die Hand des Baders 
gesetzt werden sollen. Sofort werden die Egel mit tadelndem Geschrei 


*) Clesius und Andere glauben, sie verschlucken mikroskopische 
Thierchen, was Blainville wohl nicht ohne Grund (?? Schwacke) 
in Zweifel zieht. Die ganze Organisation, namentlich die des 
Mundes und des Darmcanals und die Lebensweise der Egel, 
besonders im Zustande der Freiheit zeigt, dass sie sich vom 
Blute nähren sollen und (?? S.), weshalb auch junge Egel nie 
ihre vollkommene Entwickelung und Ausbildung, ebenso wie 
eine gehörige Sauglähigkeit erlangen, wenn ihnen die für sie 
geeignete Nahrung fehlt. (Brandt„und Ratzeburg, a. a. O. die 
Anmerkung ) 

»#) Ist das so gewiss? — Hier könnte sich ein gewandter Praktiker 

mit dem Mikroskop nützlich machen. Schwacke, 


x 


362 Vereinszeitung. 


retournirt, und ich habe sie immer gegen andere möglichst bessere 
umgetauscht. Ich will hier einen besonderen Fall einschalten: Ein 
Beamter lässt aus meiner Officin zwei Egel holen, um solche selbst 
seiner Frau, welche an Zahnweh leidet, ans Zahnfleisch zu setzen. 
Beim Bemühen, die Thiere zum Beissen zu bringen, entleeren sie aber 
Blut in den Mund der Frau! — Der Mann kommt entrüstet an, macht 
meinen Leuten die bittersten Vorwürfe und ich — habe die Kunde 
verloren! 

Durch den Blutgehalt der Egel und ihre Kostbarkeit hat der Ver- 
brauch in der Apotheke wesentlich abgenommen. Die Bader bemühen 
sich, selbst Egel zu fangen, entleeren die gebrauchten Thiere von Blut 
und suchen sie für kommende Fälle wieder geschickt zu machen und 
liefern jetzt in den meisten Fällen die Egel selbst, berechnen dann 
nur die wirklich gesogenen Egel incl. Arbeit für den Preis der Officin. 
Die Kranken bitten schon die Aerzte, die Egel nicht aus der Apotheke 
zu verschreiben, was auch nur in Nothfällen geschieht. Die Aerzte 
sind auch bei Verbrauch der Egel gewaltig sparsam geworden — der 
grossen Kosten wegen. . 

Nun komme ich zum Bericht über die letzte Egelsendung des 
Herrn Stölter vom September 1853. 


Diese 100 Stück grosse Egel waren sehr schön und haben sich 
bis heute (Februar) im Allgemeinen sehr gut conservirt. Ganz blutfrei 
kann ich sie nicht nennen, da 4 Stück allerdings beim Gebrauch Blut 
entleert haben und zurückgeliefert nachher gestorben sind. Also bei 
solcher Zahl und solcher Zeit ein äussert glückliches Resultat, ich ver- 
lange es nicht besser! — Ich werde nun meinen Jahresbedarf bald 
von Herrn Stölter beziehen und nach Jahresfrist darüber berichten 
und bitte auch meine Collegen um ein Gleiches. 


Was nun noch die Ringbildung betrifft, so entsteht sie dadurch: 
wenn die Egel durch Aufbewahren in reinem Wasser behindert wer- 
den, ihre auf der Haut sich festsetzende Ausdünstung sich selbst 
abstreifen zu können, welche Beobachtung um so bemerkenswerther 
ist, als man diese Erscheinung der gestörten Häutung der Egel zuzu- 
schreiben hat. Die Ringbildung beobachtet man das ganze Jahr, wäh- 
rend die Häutung nur von Juni bis ultimo August statt findet (Stöl- 
ter). Deshalb hat Stölter dem Aufbewahren der Egel in Erde den 
Vorzug gegeben. Die Ringbildung trat auch häufig bei letzter Sendung 
ein, wird sie zeitig entfernt, so sterben die Thiere nicht. Sie erfordert 
daher grosse Aufmerksamkeit. 


Blutegelhandel. 
Hildesheim, Januar 1854. 


Seit dem 12jährigen Bestehen unseres Geschäftes erlaubten wir 
uns, den Herren Apothekern alljährlich unser Preisverzeichniss zu 
übersenden, in welchem wir die Preise der Blutegel stets für das 
ganze Jahr feststellien, wozu wir durch diejenigen Behörden veranlasst 
wurden, in deren Auftirage wir von Zeit zu Zeit Bericht, behuf gesetz- 
licher Bestimmung der Preise der Blutegel in den Apotheken, erstatten. 
Die Erfahrung hat uns jedoeh gelehrt, dass dieses Princip für unser 
Geschäft sich als ein unausführbares herausstellt; da bei den so häufig 
vorkommenden Conjuncturen im Blutegelhandel ein Sinken oder Steigen 
der Preise mit Bestimmtheit auf längere Zeit sich nicht vorhersehen 


Vereinszeilung. 363 


lässt, Nur zu sehr haben wir dies im vorigen Jahre, wo eine sehr 
günstige Conjunctur im Blutegelhandel statt fand, empfunden, und 
wenn wir auch während dieser Zeit ebenfalls unsere Preise niedriger 
notirten, oder durch ein grösseres Sortiment der Egel auszugleichen 
suchten, so hatten wir doch das Vorurtheil der hohen Preise gegen 
uns, welches zu vermeiden wir für die Folge uns zur Aufgabe gemacht 
haben. 

Wir sind vermittelst unserer directen Beziehungen aus den Ein- 
kaufsländern, wo durch fortwährende Anwesenheit unseres Associe 
jeder Vortheil auf das Sorgfältigste wahrgenommen wird, so wie 
durch die übrige Einrichtung unseres Geschäfts und des uns erfreuen- 
den täglichen Absatzes im Stande, uns jeder ehrlichen Concurrenz zu 
unterwerfen und werden wir in der Zukunft unsere Preise stets nach 
den allgemeinen Tagespreisen notiren; jedenfalls aber unsere Blutegel, 
wenn nicht billiger, doch mindestens eben so billig, als sie irgend 
einer unserer Concurrenten ablässt, verkaufen, wobei wir die bei den 
Sendungen unvermeidlichen Unkosten, als: Porto, Emballage etc. auf 
unsere alleinige Rechnung auch ferner übernehmen werden, welche 
wir dem erzielten Absatze auch in weitere Ferne zu Gute rechnen . 
wollen. 

Sollte jedoch die Feststellung der Preise fürs ganze Jahr von 
Seiten unserer geehrten Kunden ausdrücklich gewünscht werden, so 
sind wir auch gern bereit, über diese besonders abzuschliessen, und 
bitten in diesem Falle um gefällige Mittheilung Ihres Wunsches. 

Wenn wir nun auch das uns bisher geschenkte Vertrauen dankbar 
anerkennen und mit unserem Absatze von Egeln zufrieden sind, so 
hoifen wir doch dieses Vertrauen durch das für die Zukunft fest- 
gestellte Princip sowohl in der Preisnotirung, als auch in Auswahl 
der Qualität der Blutegel immer mehr zu befestigen und möchten 
namentlich diejenigen Herren, die diesen Artikel bis jetzt noch nicht 
von uns bezogen, ersuchen, einmal einen Versuch bei uns zu machen. 
Recht sehr müssen wir aber alle unsere geehrten Geschäftsfreunde 
bitten, gefälligst darauf Bedacht zu nehmen: sich vor Eintritt der Hitze 
mit einem Vorrathe von Blutegeln zu versehen, damit Sie durch beor- 
derte Sendungen während der Hitze keine Verluste erleiden und erlau- 
ben wir uns deshalb auf das dem nachstehenden Preis - Verzeichnisse 
nachgefügte Avertissement besonders aufmerksam zu machen. 

Schliesslich bemerken wir noch, dass durch den nunmehrigen 
Anschluss des Hannoverschen Landes an den deutschen Zollverein 
auch die Plackereien auf den Zollämtern aufgehört haben, und indem 
wir Sie nochmals um Ihr völliges Vertrauen bitten und Sie um Ihre 
geneigten Aufträge ersuchen, geben wir die Versicherung, dass wir 
neben einer billigen Preisnotirung namentlich unsere besondere Sorgfalt 
darauf richten werden: dass stets nur dauerhaft gesunde und saug- 
lustige Blutegel aus unserer Handlung versandt werden, damit wir 
versichert sein können, uns damit die vollkommene Zufriedenheit 
aller unserer geehrten Geschäftsfreunde auf die Dauer zu erhalten 
und glauben wir in Rücksicht des vorstehenden Inhalts der ferneren 
Zusendung von Preis- Verzeichnissen überhoben zu sein. 

Können wir bei unsern vielseitigen Verbindungen mit dem phar- 
maceutischen Publicum unsern geehrten Kunden noch anderweit nütz- 
lich werden, z.B. durch Nachweisung von Apothekergehülfen-Vacanzen 
oder Vermittelung des An- und Verkaufs von Apotheken etc., so 
unterziehen wir uns diesen Bemühungen wie bisher gern und gralis. 


364 Vereinszeitung. 


Unter Zusicherung einer prompten, reellen und billigen Bedienung 


zeichnen wir hochachtungsvoll und ergebenst 


G. F. Stölter & Comp. 


Gegenwärliges Preis- Verzeichniss der Blutegel - Handlung von 
G. F. Stölter & Comp. in Hildesheim, 


In unseren Teichen conservirte Blutegel: 

Mittlere Sorte, Gemischte Sorte, Grosse Sorte, 
gew. pro Mille 2 Pfd., gew. pro Mille 3Pfd., gew. pro Mille 5 Pfd., 
100 St. 4l/, bis 5 Thlr. 100St. 54/g bis 6 Thlr. 100 St. 61/, bis 7 Thlr. 

Bei Aufträgen auf 500 Stück werden 21/, Thlr. und so fort auf 
jede 100 Stück 1/g Thlr., also auf 1000 Stäck 5 Thlr. Rabatt gewährt. 
Deutsche, in unserer Zuchlanlage gezogene Blutegel, werden gleiche 
Sorten von derselben Grösse und Gewichte, im Verhältniss der vor- 
stehenden Preise pro 100 St. Y/g Thlr. höher notirt; können jedoch 
nur nach vorhandenem Vorrathe, welcher oft sehr beschränkt ist, 
effectuirt werden. Für Teichbesitzer: Spitzen ä Pfd. 16 Thir. 
Zuchtegel, gewogen pro Mille 10 Pfd., 80 Thlr. Für Händler: 
Kleine saugfähige Egel, gewogen pro Mille 1!/; bis 11/, Pfd., 25 Thlr., 
so wie Ausschussegel, alle Sorten gemischt, pro Mille 20 Thlr. Depot- 
geschäften wird bei einer Abnahme von über 1000 Sı. aller Sorten 
ein angemessener Rabatt bewilligt. 

Ueber die Grösse der vorstehenden drei Sorten dient uns die 
von dem Königl. Preussischen Medicinal-Collegium fesigesetzte Bestim- 
mung zur Norm und ist namentlich die gemischte Sorte zum Vorrath 
in Apotheken besonders zu empfehlen, da diese aus grossen und mittel 
Blutegeln besteht und deshalb allen Anforderungen des Publicums 
entspricht. 

Das Fallen oder Sieigen der Preise richtet sich nach den en gros 
Preisen pro 1000 St. und beschränkt sich bei einzelnen 100 St. nur 
stets auf wenige Groschen. Im Allgemeinen werden sich die Preise 
in den vorstehenden Grenzen halten und geben wir die Versicherung, 
dass nicht ohne besondere Veranlassung davon abgewichen werden soll, 


Avertissement. 

Die Preise werden steis per Comptant berechnet, jedoch wird unsern 
festen Kunden ein Ziel von 2 bis 3 Monaten bewilligt; nur müssen wir 
bitten, den bewilligten Credit nicht über diese Zeit in Anspruch zu neh- 
men. Zahlungen in rein Preuss. Courani, den Thaler zu 24 Ggr. (Hannov.) 
oder gleich 30 Sgr. (Preuss.) gerechnet. Gold und Papiere zum Tages- 
Cours. Decorte an den notirten Preisen können bei dem geringen Nutzen, 
welchen wir in Anspruch nehmen, nicht bewilligt werden. — Alle Blutegel 
werden jedesmal kurz vor der Versendung frisch aus Teichen ent- 
nommen und die Gesundheit derselben bei der Versendung von uns 
verbürgt; jedoch können wir bei Sendungen, welche während einer 
Hitze von mehr als 15°R. beordert werden, uns auf Reclamationen 
nicht einlassen, da namentlich grosse Hitze während des Trans- 
ports auf Blutegel immer schädlich einwirkt. — Weitere Unkosten 
für die Herren Auftraggeber finden nicht statt; die Uebersendung der 
Blutegel wird von uns frango besorgt und für Emballage nichts 
berechnet. —, Alle Aufträge werden mit umgehender Post, spätestens 
innerhalb 24 Stunden nach Eingang effecwirt. — Gedruckte Auwei- 
sungen zur zweckmässigen Aufbewahrung der*Blutegel werden auf 
Wunsch gratis beigegeben 


Vereinszeitung. 365 


12) Personalnotizen. 


Die medieinische Facultät zu Jena hat unter dem Decanate des 
Hofraths und Professors Dr. Ried am 31. Januar d. J. den Geheimen 
Hofrath und Professor Dr. Ph. H. Wackenroder Honoris causa 
zum Doctor Medicinae creiri. 


Die Königlich Sardinische pharmaceutische Gesellschaft hat den 
Medicinalrath Dr. Joh. Müller, Apotheker in Berlin, zu ihrem Ehren- 
witgliede erwählt. 


13) Notizen zur praktischen Pharmacie. 


Ankündigung, Kryptogamen-Sammlungen betreffend. 


I. Neue Ausgabe von Klotzschii Herbarium mycologicum. 


Die grosse Theilnahme, welche meine Kryptogamen - Sammlungen 
im In- und Auslande gefunden, spricht für ihren praktischen Werth 
und Nutzen. Das Herbarium mycologicum hatte von Hause aus nur 
eine geringe Auflage, es konnte daher die Zeit nicht fern liegen, wo 
sie vergriffen war. Die 1-15. Centurie fehlen gänzlich, von der 16. 
bis 49. sind nur noch wenige Exemplare vorräthig. Da nun seit Jahr 
und Tag wiederholte Anfragen wegen vollständiger Exemplare des- 
selben an mich ergangen sind, die ich leider abschläglich bescheiden 
musste, so babe ich mich dadurch veranlasst gefühlt, eine neue Aus- 
gabe zu veranstalten, in der Voraussetzung, dass die Theilnahme vor- 
läufig wenigstens von der Art ist, dass die Verlagskosten gedeckt 
werden. 

Und so lade ich hiermit zur Subscription auf diese neue Aus- 
gabe des mycologischen Herbariums ein und bemerke nur noch, a) dass 
die Einrichtung i im Wesentlichen dieselbe bleiben wird; b) dass der Preis 
einer in 4.-Pappband gebundenen Centurie 5 Thlr., ohne Einband 4 Thlr. 
ist; ec) die Subscriptien geschieht in Dresden bei dem unterzeichneten 
Herausgeber oder bei einer auswärtigen soliden Buchhandlung; d) die 
erste Centurie erscheint noch in diesem Jahre, 1855 die zweite und 
dritte, indem zu den drei ersten das Material vollständig beisammen 
ist; e) die Auflage isi auf 100 Exemplare stark berechnet und Samm- 
ler erhalten für 5 vollständige Nummern Sarcomyceten, für 10 Nummern 
Pyreno- und Coniomyceten Ein Freiexemplar. Ich setze dabei aber 
voraus, dass die Exemplare vollzahlig und so weit vorbereitet sind, 
dass sie keine wesentliche Arbeit mehr erfordern. Die Bestimmung 
oder Gontrole werde ich gern übernehmen. Falls von anerkannten 
Autoritäten neue Gatlungen und Arten eingeliefert werden, so haben 
dieselben — wenn eine Revision nicht ausdrücklich verlangt wird — 
ihre Bestimmungen selbst zu vertreten; ich verwahre mich daher 
für diese Fälle ganz ausdrücklich. 


ll. Kryptogamen-Sammlung für Schule und Haus. 


Wiederholt bin ich aufgeferdert worden, compendiöse Sammlun- 
gen der sämmtlichen Kryptogamen für Schulen und andere Bildungs- 
anstalten, wie auch für solche Privaten, die nur einen Ueberblick 
über dieses Gebiet gewinnen wollen, zusammenzustellen. Auch hierzu 


a 


366 Vereinszeitung. 


habe ich mich entschlossen, das Material ist beisammen, und so for- 
dere ich denn zur Subscription hiermit auf. Diese Sammlung wird zu- 
vörderst die Repräsentanten aus allen Hauptgruppen der Pilze, Flech- 
ten, Algen, Laub- und Lebermoose, Farren, Lycopodien, Equiseten 
und Rhizocarpen liefern. Die erste Lieferung wird gegen 300 Species 
enthalten und in sich abgeschlossen sein. Eine zweite und dritte Lie- 
ferung, womit das Ganze schliesst, wird nur geniessbare und ver- 
dachtige Pilze, andere zu technischen Zwecken verwendbare und para- 
sitische, Krankheiten der Culturgewächse erzeugende Kryptogamen 
enthalten. 

Jeder Art soll ein möglichst ausführlicher Text, enthaltend die 
Erklärung des systematischen Namens, Local- und Provinzial-Namen, 
die Angabe des Vorkommens und geographischer Verbreitung, seines 
Baues und Erkennungszeichens, seines Nutzens oder Schadens, den 
er im Haushalte der Natur oder dem der Menschen übt u.s. w. bei- 
gegeben werden. 

Diese Sammlung erscheint in Folio-Format auf starkem weissem 
Papier, jede Hauptgruppe in einem sauberen Umschlage. 

Der Preis der ersten Lieferung ist 5 Thlr., der der 2ten und dten 
a2 Thlr. Wer auf das Ganze subscribirt, erhält es für 7 Thlr 15 Ngr, 

Die erste Lieferung erscheint, so wie Verlagskosten gedeckt sind. 


IH. Io Bezug auf meine Algen- und Bacillarien-Sammlungen be- 
merke ich, dass dieselben in Dresden nur direct von mir zu beziehen 
sind, an auswärtige Buchhandlungen werden sie mit 20 Proc. Rabatt 
abgegeben. 

Dresden, im Februar 1854. Dr. L.Rabenhorst. 


Empfehlung. 


Hiermit erlaube ich mir die ergebenste Anzeige, dass ich neben 
meinem Apothekengeschäft noch eine 


Dampf -Destillation ätherischer Oele 


errichtet, und mir dabei zur Aufgabe gemacht habe, alle Oele, die 
ich anfertige, vollkommen rein, ohne alle Beimischung und Ver- 
dünnung, nur in der vorzüglichsten Qualität zu liefern. Diejenigen 
Oele, die ich nicht selbst anfertigen kann, beziehe ich aus einer 
Quelle, die mich in den Stand setzt, auch diese Oele von einer Rein- 
heit und Feinheit zu liefern, wie dieselben nicht gewöhnlich im Han- 
del vorkommen. 

Zu diesem Unternehmen bin ich durch die in allen pharmaceu- 
tischen Journalen sich wiederholenden Klagen meiner Herren Collegen 
über die maasslosen Verfälschungen der ätherischen Oele veranlasst 
worden, und ich erlaube mir die ergebenste Bitte auszusprechen, die- 
ses gewiss löbliche Unternehmen möglichst zu unterstützen. Durch 
eine allseitige Unterstützung einer reellen ätherischen Oelfabrik würde 
dieser Handel nach und nach auf eine solidere Basis gebracht werden, 
was gewiss sehr wünschenswerth wäre. 

Ausserdem erbiete ich mich noch, von mir zu diesem Behuf über- 
sendeten Vegetabilen gegen billigen Arbeitslohn das Oel abzudestilliren. 

Preis-Courante werden auf Verlangen franco zugesendet. 

Rötha, im Januar 1824. W.E. Henny. 


Vereinszeitung. 367 
Dampf-Destillir- Apparate 


mit Stahl legirten zinnernen, desgleichen mit abgehobelten Eisen- 
und Messingplatten, konisch ausgedrehten, dampfdicht eingeschliffenen 
Verschliessungen sind zu dem Preise von 30 bis 150 Thir. in meinem 
Magazin wieder vorräthig, welche ich den Herren Apothekern hier- 
nit bestens empfehle. 
Christian Hering, 
Jena, Fabrikant chemischer u. pharmac. 
im Februar 1854. Geräthschaften im Jena. 


Verkaufs-Anzeige. 


Hayne's geireue Darstellung der Arzneigewächse, 
13 Bde. complet, mit Kupf. und sehr gut gehalten, 
so wie desselben 
Termini botanici iconib. illustrat. A starker Band. 
stehen zum Verkauf. Auf portofreie Anfragen ertheilt Auskunft 
der Apotheker Weimann zu Grünberg in Schlesien. 


Mineralientausch. 


Ich suche neue Tausch-Verbindung mit Petrefacten und Mineralien, 
namentlich kann ich an 100 Arten Petrefacten des Wiener Bodens 
und viele Arten der hiesigen Tertiär-Formation abgeben. Ich tausche 
gern gegen gleiche oder auch gegen andere naturhistorische Gegen- 
stände. : 

Apotheker Pfeffer in Grebenstein. 


Empfehlung. 

Zur neuen Einrichtung einer Apotheke kann ich die gläsernen 
Standgefässe von W. Baika in Prag sehr empfehlen, da diese nicht 
allein von sehr reinem Glase, schöner Form, mit correcter und gut 
eingebrannter Schrift versehen sind, sondern auch sogar incl. Fracht 
und Steuer billiger sind, als ich sie aus einer andern Bezugsquelle 
hätte erhalten können. 

Apotheker Pfeffer in Grebenstein, 


An- und Verkäufe von Apotheken 


jeder Grösse, in allen Provinzen belegen, werden nachgewiesen und 
bestens realisirt durch L. F. Baarts, 
Apotheker I. Cl. und Agent. 
In firma: L.F.Baarts & Co. 
Berlin, Schützenstrasse 24., vom 3. April 1854 ab: Jägerstrasse 10. 


Nachweisung für stellensuchende Gehülfen. 


Herr Apotheker Jagielski in Posen hat sich auf das Ansuchen 
vieler seiner Collegen zur Nachweisung stellensuchender Gehülfen und 
vacanter Stellen bereit erklärt. — Die Herren Gehülfen, denen hierbei 
keine Kosten erwachsen, wollen die Güte haben, sich in vorkommen- 


368 Vereinszeitung. 


den Fällen unter portofreier Einreichung ihrer Zeugnisse an den Herrn 
Apotheker Jagielski wenden, 


Apotheken - Kaufgesuche. 


Eine Apotheke mit reinem Medicinalgeschäft und mit einem jähr- 
lichen Umsatze von 3000 bis 5000 Thlr. wird zu kaufen gesucht. 
Offerten bitte ich franco an mich einzusenden. 
Detmold, im Januar 1854. Jos. Engelsing. 


Unterzeichneter sucht, vorzugsweise im Hannoverschen, Olden- 
burgischen oder in Mecklenburg, eine Apotheke mit jährlichem Umsatz 
von 2000 bis 3500 Thlr. zu kaufen, Postfreie Offerten sind an den- 
selben, d.Z. in der Raths-Apotheke zu Hannover, zu adressiren. 

C. Polensky. 


Eine Apotheke mit 3000 bis 4000 Thlr. Umsatz wird zu kaufen 
gesucht. Frankirte Offerten werden unter der Adresse des Herrn 
Weichbrod (Berlin, Wilhelmsstr. No. 138.) erbeten. 


Apotheken- Verkauf. 


Eine mit Realprivilegium versehene neu erbaute Apotheke in einer 
Landstadt und wohlhabender Umgegend Schwarzburg-Sondershausens 
soll Familien- Angelegenheiten halber schleunigst verkauft werden. 
Nähere Nachricht hierüber ist zu erfragen unter der Adresse poste 
restanle S. L. Weissensee. 


Eine mit Realprivilegium versehene Apotheke mit Materialgeschäft, 
im Grossherzogthum Weimar, ist zu verkaufen. Näheres weiset nach 
der Apotheker Rebling in Langensalza. 


Vacante Stellen. 


Einen brauchbaren und soliden Gehülfen, welcher sich für ein 
kleines Geschäft eignet, sucht bei Zusicherung von freundlicher Be- 
handlung, freier Station und 80 Thlr. jährlichem Gehalte 

der Apotheker Gollner in Kranichfeld 
im Herzogthum Sachsen-Meiningen. 


Es wird vielseitig gewünscht, dass sich in einem Landstädichen 
der Niederlausitz, mit wohblhabender Umgegend, wieder ein zweiter 
praktischer Arzt und Geburtshelfer niederlassen möge. Wo? ist zu 
erfahren durch Hrn. Apotheker Brodkorb in Halle. - 


Verkaufs- Anzeige. 
Pfeffermünz- und Krausemünzpflanzen, & Schock 3 Sgr., über 10 


Schock 2 Sgr. 6 Pf., hat jedes Quantum abzulassen 
der Apotheker G. Denstorff in Schwanebeck. 


Hofbuchdruckerei der Gebr, Jänecke in Hannover. 


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ARCHIV 


PHARMACIE. 


Eine Zeitschrift 


des 


allgemeinen deutschen Apotheker-Vereins. 


ABTHEILUNG NORDDEUTSCHLAND, 


Herausgegeben 


unter Mitwirkung des Directoriums 


von 


H. Warkenroder und L. Bley, 


IV. Jahrgang. 


Bin. u 
HANNOVER. 


Im Verlage der Hahn’schen Hofbuchhandlung. 


1854, 


| ARCHIV 


PHARMACHE. 


Zweite Reihe. LXXVIM. Band. 
Der ganzen Folge CXXVM. Band. 


Unter Mitwirkung der Herren 
Bechert, Bredschneider, Droste, Hornung, Jahn, Janssen, Junghähnel, Lan- 
derer, Martius, Maschke, Menke, Meurer, Mirus, Müller, Ochs, Oswald, 
Owen Rees, Rebling, Schwacke, Taubert, Tod, Tuchen, Walpert, 
Weppen, Wiehr ; 
herausgegeben 


von 


H. Wackenroder und £. Die. 


du Menil’sches Vereinsjahr. 


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HANNOVER. 
Im Verlage der Hahn’schen Hofbuchhandlung, 


1854, 


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inhaltsanzeige. 


Erstes Heft. 


Erste Abtheilung. 


I. Physik, Chemie und praktische Pharmacie. Seite 
Ueber die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze und über 
Wismuthoxydhydrat; von C. E. Janssen in Altona (Fort- 
A a er ORTE RER Er | 
Ueber Extraetum ferri pomatum; von Rebling............... 19 
Beitrag zur Erkennung von Blutflecken auf leinenen und baum- 
wollenen Zeugen; von C. Wiehr, Apotheker in Grünberg 21 
Ueber schwefelsäurehaltigen weissen Arsenik; von F. Oswald 


naWrelst7o man. De. EANSUENE RER  AMBRIETT, WR ERATTO. m % 23 
BENnSchbeiseht 4. 0:00 a ar sine ee .. 24—68 
= Eiteratur "und? Kritik: ®, 222.2), 05 RAIL RE) 


Zweite Abtheilung. 
Mar sin. 5.32 © Tr... UMDLnE 


1) Die Ausbildung der Apotheker. 


Die Aufhebung der Prüfungen für Apotheker 2. Classe in den 
Königl. Preussischen Staaten betreffend; von Dr. Johannes 


Miller, Apotheker ın: Berlm....., ou... ao Seen seen see eis 81 

2) Vereins - Angelegenheiten. 
Veränderungen in den Kreisen des Vereins......2ere-esesnone 54 
Aust Gehülfen-Unterstätzung,; liadisanan sin sinlt emp nn Me nee 84 
Notizen aus der General-Correspondenz des Vereins ..........- 85 
3) Ueber die Verhältnisse der Apotheker in Galizien... s6 
Bar ‘Medicinal-Polizei u... N u 90 


5) Bibliographischer Anzeiger...........2uec.us000e 92 


vi Inhaltsanzesge. nun 

0 Seite 
6) Naturwissenschaftliche Mittheilungen ...... Sr 36 
7) Technologische Mittheilungen ................... 111 
8) Zur Agricultur u... „ug a u 120 
9)sHandglebericht u... .:=..2e 2 EEE 23 
10). Personalnotizen.. . „2... assaeemsse Bea u); 
11) Notizen zur praktischen Pharmacie ............. 127 


Zweites Heft. 


Erste Abtheilung. 
I. Physik, Chemie und praktische Pharmacie. 


Ueber den Arsengehalt des Eisenochers aus der erbohrten Mine- 
ralquelle zu Rehme; von H. Wackenroder............ 129 

Ueber die Bildung der Phosphorsäure im Blute; von G. Owen 
Breies,.Med.. Dr... 1ajer»30, egsvenorera aie 2u ee solange a tale ere ke ee 133 

Ueber die heilkräftige Wirkung der Blüthen des Mandelkürbis; 
von C. Junghähnel, Apotheker in Taucha.............. 134 


Chemische Untersuchung eines sogenannten Heil- und Präservativ- 
Pulvers gegen Milzbrand oder Blutseuche der Schafe; von 
Dr. ER. Dley sms Er ERROR 136 
Chemische Untersuchung der unorganischen Bestandtheile der 
Früchte von Prunus domestica; von W. Tod aus Oldisleben 136 


Pharmaceutisch-chemische Notizen; von Rebling............ 142 
Ueber die Tinct. Ferri acetic. Radem.; von A. Bechert....... 147 


II. Naturgeschichte und Pharmakognosie. 


Ueber die verschiedenen Manna-Sorten; von Landerer...... 153 
Einige Bemerkungen über die Traubenkrankheit; von Demselben 156 


Ueber den Anbau des Mohns und die Bereitung des Opiums in 
der Agentur von Benares, nebst einer kurzen Skizze über die 
Constitution des Bezirks; mitgetheilt von Fr. Weppen.., 157 


Die ökonomischen, medicinischen, technischen und Zierpflanzen 
Chinas; von Prof. Th. Martius.........2rseuensesener- 169 


UR Manatsbericht...........». :.- -:..... Joule Anzuashs 177— 209 
IV. Literatur und Kritik ..... .zu.0*> a Mad, PRRORERENEBE U 


4 Inhaltsanzeige. vo 


Seite 
Zweite Abtheilung. 
Werten Ss ze un 2 
1) Vereins- Angelegenheiten. 
BEnnslinne,ser Redaclion ....... „sans acer Sn aan nenn ee 225 
Versammlung der Apotheker, im Vereine der Aerzte und Apo- 
theker im Regierungsbezirk Merseburg, zu Naumburg...... 226 
Veränderungen in den Kreisen des Vereins .......zzunenesoren. 231 
Notizen aus der General-Correspondenz des Vereins........... 232 
2). Beaneitaxe:. . Diskus. 1a: ERENLEH, = 232 
3) Medicinal-Polizei. 
Chemisches Obergutachten über eine angeschuldigte Vergiftung 
durch Phosphorteig; von H. Wackenroder...........-. 233 
%) Zur Industrie und Technologie .............. er a4 
BIBEDIABISEHES „...n.. wre ann IRRE 177 lot. 248 
6) Handelsbericht aa 22 Y 32.44.19. RES 250 
TE eg a an Baches uaicke SE u 
8) Notizen zur praktischen Pharmacie .............. 255 


Drittes Heft. 


» Erste Abtheilung. 
I. Physik, Chemie und praktische Pharmacie, 


Ueber die Fällung des Bleioxyds durch Schwefelsäure und Tren- 
nung des schwefelsauren Bleioxyds vom schwefelsauren Baryt; 
vonatl.- Wrack eprioider... 22% sagenssee = ehe roreneke let Biere 257 

Pharmaceutische Notizen; von J. H. Schwacke in Alfeld..... 261 

Bereitung des Syr. Amyli jodati; von O. Maschke in Breslau 263 

Ueber Oleum jodatum; von R. Bredschneider, Apotheker in 
OR 263 

Pharmaceutische Notizen; von Demselben ee ee 266 

Ueber die Bereitung des Chlorbroms als Bestandtheil des Lan- 
dolfi'schen Aetzmittels; von Dr. Mirus, Hof-Apotheker in Jena 268 

Jodhaltige rohe Salpetersäure; von Demselben 

Ueber Extractum Ligairitiae; von Reben... ...22:..:.2.:.: 273 


II. Naturgeschichte und Pharmakognosie. 


Ueber den Anbau des Mohns und die Bereitung des Opiums in 
der Agentur von Benares, nebst einer kurzen Skizze über 
die Constitution des Bezirks. (Fortsetzung) .........r..r. 275 


vun Inhaltsanzeige. 
Seite 
Die ökonomischen, medicinischen, technischen und Zierpflanzen 
Chinas; von Prof. Th. Martius. (Fortsetzung Jeu.......- 290 
III. Monatsbericht ..... ee - es u... 297—335 
IV. Literatur und Kritik........ hot: N ae NG 
Zweite Abtheilung. 
Verve n,s z e 1.2 u. nga 
A) Zur Medicinal - Polizei. 
Revalenta arabica betreffend .....».“..:2ereesneneenennnnnen 353 
Neueste Bayerische Verordnungen, die Ankündigungen, Anprei- 
sungen und den Verkauf von Gebeimmitteln betreffend. .... 354 
Königl. Bayerische Verordnung, die Färbung des Papiers und der 
Tapeten mit arsenigsaurem Kupfer betreflend .....rrur...: 354 
Calomel-Waschwasser ......--.-eeresenereeenennen nenn nun 355 
Ueber Geheimmittel ......-..- IISNEENEN EEE 356 
2) Vereins- Angelegenheiten. 
Veränderungen in den Kreisen des Vereins......-...... ..ue . 360 


Bericht der Bucholz-Gehlen-Trommsdorff’schen Stiftung zur Unter- 
stützung ausgedienter würdiger Apothekergehülfen; vom 


Jahre 1893. >. Aue a. san le einen sl eue PReee 360 
Notizen aus der General-Correspondenz des Vereins. ...e...... 362 
3) Frankreichs Medicinal-Statistik...............- .. 362 
4) Neues Arzneimittel .........- re re 6 
5) Technologische Mittheilungen.................... 363 
6) Merkwürdigkeiten aus dem Pflanzenreiche. Zusam- 

mengestellt und mitgetheilt von H. Walpert............ 380 
7) Handelsbericht ........»-- N ae 2) 


8) Notizen zur praktischen Pharmacie............... 391 


Todes - Anzeige. 


Am 19. April Abends starb nach kurzem Kranken- 
lager der Rechnungsführer unsers Vereins, Herr Saline- 
director Wilhelm Brandes, welcher seit zehn Jahren 
als solcher und schon früher als Archivar und Secretair 
dem Vereine die wesentlichsten Dienste geleistet hat. Wir 
bedauern innig den Verlust dieses braven, redlichen Man- 
nes, als den eines theuren Freundes. 


Das Directorium. 


Aufforderung. 


Diejenigen Vereinsbeamten, welche mit Ablegung der 
Rechnung und Einsendung der Gelder noch im Rückstande 
sind, werden hierdurch aufgefordert, Rechnungen und 
Gelder möglichst bald an den Director der Generalcasse, 
Herrn Apotheker Faber in Minden, einzusenden, da unser 
Rechnungsführer, Herr Salinedirector Brandes, leider 
gestorben ist. 


Das Directorium. 


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ARCHIV DER PIHARNACIE. 


CXXVIN. Bandes erstes Heft. 


Erste Abtlheilung. 


1. Physik, Chemie und praktische 
Pharmacie. 
Ueber die basischen salpetersauren Wismuth- 
oxydsalze und über Wismuthoxydhydrat; 


von 


C. E. Janssen in Altona. 


(Fortsetzung von Bd. CXXVII. H.3. pag. 259.) 


D. a) Becker’s %-Subnitrat. 


20) 20 Gran gaben geglüht 15,96 Gr. Oxyd....... — Bi?03 79,8 
DL " 8,086 Gr. Ba0,S03 — 3,669Gr.N05 = N05 14,676 
HO 5,524 


2\) Dasselbe Salz so lange ausgewaschen, als das 
Ablaufende noch sauer reagirte, und dadurch in ein Salz 
von neuer Form verwandelt. (Becker.) Zum Theil amorph. 


18 Gr. gaben geglüht 14,5 Gr. Oxyd............. — Bi203 80,55 
25 n nv 7,486 Gr. Ba0,SO3 — 3,396 Gr. N0° — NO> 13,584 
HO 5,866 


22) Ein ß-Subnitrat eines andern Versuches ebenso 
behandelt, (Becker.) 


20 Gr. gaben geglüht 16,03 Gr. Oxyd.......... — Bı203 80,15 
25 u „ 7,762 Gr. Ba0,S03 —= 3,522 Gr. N05 = N05 14,088 
HO 5,762 


23) ß-Subnitrat durch Behandeln mit einigen Unzen 
Wasser in der Kälte. (Becker.) 


15 Gr. gaben geglüht 12 Gr. Oxyd.............. — B:i203 80,0 
25 nn " 8,048 Gr. BaO, S03 — 3,652 Gr. N0O° = NO05 14,608 
HO 5,392 


Arch.d. Pharm. CXXVIII. Bds. 1. Hft. 1 


2 Janssen, 


24) Dasselbe mit einigen Unzen Wasser in gelinder 
Wärme behandelt. (Becker.) 


18 Gr. gaben geglüht 14,45 Gr. Oxyd.......... — Bi2)3 80,237 
23 „ 8,036 Gr. Ba0,S03 = 3,646 Gr. NO = N05 14,584 
HO 5,146 
25) Dasselbe mit mehr Wasser behandelt. (Becker.) 
48 Gr. gaben geglüht 144,35 Gr. Oxyd.......... = Bi2)3 79,61 
35.u° "7,88 Gr. Ba0,S03 — 3,584 Gr. N05 = N05 14,336 
HO 6,054 


b) Subnitrat durch stärkeres Erhitzen einer gesättigten Wis- 
muthlösung erhalten. Nicht ausgewaschen. (Becker.) 


26) 22 Gr. gaben geglüht 17,15 Gr. Oxyd......... = Bı2)3 77,95 
25117 1 u ’8,364'Gr. Ba0, 803 = 3,795 Gr. NO5 = N05 145,18 
HO 6,87 


27) Dasselbe durch Behandeln mit wenig Wasser in 
ein neues Salz umgesetzt. (Becker.) 
20 Gr. gaben geglüht 15,96 Gr. Oxyd.......... = Bi2)3 79,8 
3 » u» 7,426 Gr. Ba0,S03 — 3,369 Gr. NO5 = N05 13,476 
10 6,724 
c) Subnitrat durch Verdampfen einer Wismuthlösung 
erhalten. (Becker) 


28) 20 Gr. gaben geglüht 15,59 Gr. Oxyd........ — Bi2)3 77,95 
23 » »  8,66Gr.Ba0, S03= 3,929 Gr. NO° = N05 15,716 
HO 6,334 


29) Dasselbe durch Behandeln mit wenig Wasser in 
ein neues Salz umgeselzt. (Becker.) 
20 Gr. gaben geglüht 15,96 Gr. Oxyd......... = Bi293 79,8 
23 „ 7,683 Gr. BaO, S03 = 3,486 Gr. N0° = N05 13,94% 
HO 6,256 


d) Selbstbereitetes ß-Subnitrat. 


30) 20 Gr. gaben geglüht 15,96 Gr. Oxyd........ — Bi203 79,8 
23 » 8,029Gr.Ba0,S03 — 3,643 Gr.N05 = N05 14,572 
HO 5,628 


31) 60 Gran dieses Salzes wurden mit 4 Unzen kal- 
tem Wasser wie in Vers. 6) behandelt. Es bildete sich 
keine Milch ; die Krystalle änderten ihre Form nicht. 

20 Gr. gaben geglüht 15,97 Gr. Oxyd.......... — Bi2)3 79,85 


25 »  » 7,901 Gr. Ba0,S03 — 3,585 Gr. NO5 —= N05 14,34 
HO 5,81 


die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze etc. 3 


E. a) Janssen’s Magisterium Bismuthi. (Becker.) 


32) 22 Gr. gaben geglüht 17,54 Gr. Oxyd ......... — Bi203 79,73 
23. n " 8,09 Gr. Ba0,S03 — 3,67 Gr. NOS = NO05 14,68 
HO 5,99 


33) Mit einigen Unzen Wasser in der Kälte behan- 
delt. (Becker.) 


15 Gr. gaben geglüht 12,08 Gr. Oxyd........... = Bi2J)3 80,53 
25 » » 8,066 Gr. Ba0, S03 — 3,66 Gr. N0O° = N05 14,64 
HO 4,83 


34) Mit einigen Unzen Wasser in gelinder Wärme 


erhalten. (Becker.) 
20”Gr. gaben’ gegläht 15,9 Gr."Oxyd. 2..." — Bi203 79,5 
5" „ 8,19 Gr. Ba0,S03 —= 3,716 Gr. NO® = NO5 14,864 
N0 5,636 


35) Dasselbe Präparat bis zum Aufhören der sauren 
Reaction ausgewaschen und dadurch gänzlich in ein neues 
Salz umgesetzt. (Becker) Aus zwei Versuchen. 


a ans, Gestalt ehr | 16,075. .... = Bi203 80,375 

25 nu „ 7,811 Gr Ba0, S03 — 3,544 Gr. N05]3,55 Gr. 

25 2 „a 7,831 ” „ — RL ” ”„ N0O5—= NO5 14,200 
HO 5,425 


36) Dasselbe Präparat mit viel kaltem Wasser 
behandelt, zeigt Spuren einer amorphen Bildung. (Becker.) 
20 Gr. gaben geglüht 16,12 Gr. Oxyd.......... = Bi2J3 80,6 
25. W „ 7,377 Gr. Ba0,S03 — 3,347 Gr. N05 = N05 13,388 

HO 6,012 


37) Dasselbe Präparat in sehr niedriger Temperatur 
(bis + 300C. gehend) erhalten, unzersetzbar durch Wasser 
(wahrscheinlich {saures Salz). Becker). 

20 Gr. gaben geglüht 20 Gr. Oxyd.....cec20n. — Bı203 80,0 
Bas „ 7,87 Gr. Ba0,S03 = 3,57 Gr.N05 = NO05 14,28 
HO 2,72 


b) Selbstbereitetes Magisterium Bismuthi. (Janssen)) 


38) 20 Gr. gaben geglüht 15,96 Gr. Oxyd........- —= Bı203 79,8 
3» »  8,039Gr.Ba0,$03 —3,618Gr.N05—= N05 14,592 
HO 5,608 


4* 


% Janssen, 


39) 60 Gran dieses Präparats mit # Unzen kaltem 
Wasser wie in Vers. 6) behandelt. Schwach milchige Trü- 
bung. Klärte sich schnell wieder auf. 


20 Gr. gaben geglüht 16,13 Gr. Oxyd............ — Bi203 80,65 
25" m. 2,733 Gr. Ba0, SO3.— 3,51 Gr. NOS _ — N05 13504 
"no 5,31 


40) Das aus 4 Unze neutralem Salze bereitete Prä- 
parat wurde wie in Vers. 8) mit 32 Unzen kaltem Was- 
ser behandelt. Keine Aufschwemmung, noch Formver- 
änderung der Krystalle. Das Filtrat trübte sich nicht 
mit Ammoniak. 


20 Gr; gaben geglüht 15,95 Gr. Oxyd..........- — Bi203 79,75 
95m 0 75752 Gr. Ba0;503 — 3,517, Gr. NO5 — N05 14,068 
HO 6,182 


41) Dasselbe Präparat wie im vorigen Versuche mit 
32 Unzen kochendem Wasser behandelt. Form des 
Salzes blieb unverändert. 


20 Gr. gaben beim Glühen 16,58 Gr. Oxyd...... — Bı203 82,9 
35» » 5758 Gr. B30,803-— 2,613|Gr: NO5 — N05 10,452 
HO 6,648 
c) In der Kälte bereitetes Magisi. Bism. (Janssen) 
bei 15° C. 
43) 20 Gr. gaben geglüht 15,9 Gr. Oxyd.......... — Bi203 79,5 
25 " 7,822 Gr.Ba0, S03 = 3,549 Gr.N0O° = NO> 14,196 


tem Wasser wie in Versuch 6) behandelt. Milchige Auf- 
schwemmung, rasche Klarung. Keine Formveränderung. 
Das Filtrat reagirte kaum sauer. 


20.Gr.. gaben geglüht 16 Gr. Oxyd.............. — B.203 80,0 
25 n " 7,604 Gr. Ba0,S03 = 3,45 Gr. N0°,. = N05 13,8 
HO 6,2 


F. a) Janssen’s Magist. Bismulhi mit einer Abän- 
derung von Becker, indem das mit Ammoniakwasser ab- 
geriebene neutrale Nitrat (1 Unze) in 2% Unzen kaltes 
Wasser gegossen und bis zur Umbildung in Krystalle in 
die Kälte gestellt wird. 


die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze etc. 5 


44) 15 Gr. gaben geglüht 12,06 Gr. Oxyd........ = Bi293 80,4 
25 u „ .7,959.Gr. Ba0,S03 — 3,611 Gr. NO5 = NO05 14,444 . 
HO 5,156 
b) Dasselbe Präparat aus Wismuthlösung. (Becker.) 
45) 15 Gr. gaben gegläht 12,02 Gr. Oxyd......... — B:i203 80,13 
25»  » 7,93 Gr..Ba0,803 — 3,598 Gr. N05 = N05 14,392 
HO 5,478 


c) Dasselbe Präparat aus neutralem Salz selbstbereitet. 
0 
46) 20 Gr. gaben geglüht 15,97 Gr, Oxyd —= 79,85 9, — Bı203 79,8 


30 ” ” „# 45! 95 ” ” S== =i19, TuS) [2 
25 Gr. gaben 7,773 Gr. Ba0,503 = 3,527Gr.N05= 14,108 1 _ n5 
25 m 7,644 u " — RR EEE BENEN au 13,99 
HO 6,21 


47) 60 Gran des Salzes ce) wurden mit 4 Unzen kal- 
tem Wasser wie in Versuch 6) behandelt. Die Krystalle 
blieben unverändert. 


20 Gr. gaben geglüht 16. Gr.Osyd ............... = B:i203 80,0 
25 u " 7,604 Gr. Ba0, S03 —= 3,45 Gr. N05... = N05 13,8 
HO 62 


48) Das aus } Unze neutralem Salze bereitete Prä- 
parat wurde wie in Versuch 8) mit 32 Unzen kaltem 
Wasser behandelt. Keine Einwirkung, noch Formverän- 


derung. 
20 Gr. gaben geglüht 15,98 Gr. Oxyd..........- — Bi203 79,9 
25» »„ 7,723 Gr. Ba0,503 = 3,504 Gr. N0O® = Nb5 14,016 


HO 6;084 


49) Wie im vorigen Versuche mit 32 Unzen kochen- 
dem Wasser, Die Mischung wurde milchig trübe und 
klärte sich langsam. Niederschlag krystallinisch. 


20 Gr. gaben geglüht 16,95 Gr. Oxyd........... — Bi203 84,7 
ZEIT) " 5,797 Gr. Ba0,S03 — 2,798 Gr. N0O5 = N03 11,192 
50 4,108 


Betrachtet man Jas Verhalten aller dieser Salze gegen 
Wasser, wie es sich aus den angeführten Versuchen her- 
ausstellt, so ist das Ergebniss ein verschiedenes, je nach- 
dem man kaltes oder kochendes Wasser auf dieselben 
einwirken lässt. 


6 Janssen, 


Im Allgemeinen ist die Einwirkung des Wassers der 
- Art, dass sich die Salze in basische Producte umwandeln. 

Bei Anwendung kochenden Wassers findet diese 
Umwandlung ziemlich unregelmässig statt. 

Grosse Mengen kochenden Wassers verwandeln das 
Magist. Bism. Duflos (Vers. 9.) in ein Salz, welches dem- 
jenigen gleich ist, welches durch Zersetzung desselben 
Salzes mit grossen Mengen kalten Wassers hervorgebracht 
wird. (Versuch 8.) Die Zersetzungsproducte enthalten auf 
84 bis 84,5 Bi?O® 9,7 bis 9,8 Salpetersäure. 

Durch gleiche Mengen kochenden Wassers zerlegt 
sich das Magist. Bism. Becker in ein Salz (Vers. 17) mit 
83,5 Bi?O3 auf 9,068 NO®. 

Das Magist. Bism. Janssen in ein Salz (Vers. 41.), wel- 
ches 82,9 Bi?O® und 10,452 NO®; und 

das dritte Subnitrat in ein solches (Vers. 49.), welches 
auf 84,7 Bi:O>, 11,192 NO5 enthält. 

In allen diesen Fällen hatten sich basischere Producte 
gebildet, die sich dem vierfach-basischen Nitrate mehr 
oder weniger näherten. Die völlige Umwandlung in die- 
ses Salz möchte wohl von der Menge des Wassers und 
von der Dauer der Einwirkung abhängen. 

Bei Anwendung des kalten Wassers geht diese Um- 
wandlung, selbst bei grossen Mengen Wassers, nur 
bis zur Erzeugung des dritten Subnitrats, bei 
Einwirkung desselben auf bei + 50°C. bereitetes Magist. 
Bism. Becker (Vers. 15 u. 46), auf 8-Subnitrat (Vers. 21, 22, 
25 und 31.) und auf Magist. Bism. Janssen (Vers. 35, 36, 
39 und 40.). 

Wenig kaltes Wasser wirkt auf diese drei Salze 
auch nur wenig ein. So beim Magist. Bism. Becker (Ver- 
such A und 13.), beim ß-Subnitrat (Vers. 23 und 24.), beim 
Magıst. Bism. Janssen (Vers. 33 und 3#) 

Anders verhält sich das Magist. Bism. Duflos. Schon 
wenig kaltes Wasser wandelt dieses Salz unter Auf- 
schwemmen zu einer Milch, in das dritte Subnitrat 
um. (Vers. 4, 2, 3 und 6) 

Grosse Mengen kalten Wassers schwemmen es 


die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze etc. 7 


ebenfalls zu einer Milch auf, verwandeln es aber in ein 
basisches Nitrat mit 9,7 — 9,8 Proc. NOS (Vers. k und 8), 
dem vierfach-basischen Nitrate nahe stehend. 

Das erste Subnitrat wandelt sich durch grosse 
Mengen kalten Wassers in das vierfach-basische Nitrat, 
nachdem es sich zuvor in Wasser auflöste. 

Wenig kaltes Wasser zersetzt es jedoch nur bis 
zur Bildung des zweiten Subnitrats. 

Hierdurch unterscheidet sich das Magist. Bism. Duflos 
nach der einen Seite von den drei erwähnten Salzen, 
nach der andern von dem ersten Subnitrate. 

Das dritte Subnitrat endlich, dessen Darstellung mir 
früher nicht gelang, welches aber durch das Präparat F. 
in sehr reinem Zustande repräsentirt wird, wird weder 
durch wenig, noch durch viel kaltes Wasser ver- 
ändert. 

Aus diesen Versuchen geht also hervor, dass sich das- 
selbe Salz gegen Wasser verschieden verhalten kann, je 
nachdem man grössere oder geringere Mengen auf das- 
selbe einwirken lässt. Ein anderer Grund dieses verschie- 
denen Verhaltens liegt in der Bereitung. Wir sahen näm- 
lich, dass diese Präparate dem Einflusse des Wassers um 
so mehr widerstehen, je mehr sich ihre Zusammensetzung 
derjenigen des dritien Subnitrats nähert, Dieser Zusam- 
mensetzung kommen sie aber um so näher, je niedriger 
die Temperatur bei der Bereitung war (Vers. 18, 37, #2), 
je langsamer sie sich also bildeten; sie rücken aber 
dem zweiten Subnitrate um so näher, in je höherer 
Wärme sie sich bildeten, je rascher sie entstanden (Ver- 
such 20, 30, 32, 38). Da nun das Verhalten dieser beiden 
Subnitrate gegen kaltes Wasser ein gänzlich verschie- 
denes ist, so muss auch das der besprochenen Salze ver- 
schieden sein, je nach der Temperatur, bei der sie sich 
bildeten. 

Dass aber bei dieser Bildung offenbar nur die Tem- 
peratur den bestimmenden Einfluss äussert, nich: aber die 
Gegenwart von Säure oder neutralem Salze, geht schon 
aus der Erfahrung hervor, dass man aus sauren und neu- 


8 Janssen, 


tralen Wismuthlösungen durch Wasser dasselbe Salz er- 
zeugt. Noch deutlicher aber sieht man dies bei Vers. 18 
und 42; denn, obgleich in Vers. 42. die Säure zum gröss- 
ten Theil durch Ammoniak entfernt wurde, ward doch ein 
dem Magist. Bism. Decker ganz gleiches Präparat gewon- 
nen, weil die Umsetzung ın beiden Fällen in niedriger 
Temperatur vorgenommen wurde. Was in diesen beiden 
Fällen bei geringeren Wassermengen durch die langsamere 
Einwirkung bewirkt wurde (denn die Umbildung war in 
beiden Fällen erst nach einigen Tagen vollendet), erlangt 
man binnen kurzer Zeit, wenn man, wie in Vers. 4#., die 
Menge des Wassers vergrössert. In allen drei Fällen aber 
erhält man das dreifach-basische Salz (F), wie aus der 
Zusammensetzung und dem Verhalten desselben gegen 
Wasser erhellt. 

Jedenfalls äussern Temperatur und Wassermengen einen 
entschieden bestimmenden Einfluss bei Bereitung der ba- 
sischen Wismuthnitrate, und der Vorwurf Wiggers’' in 
Betreff der Reinheit der Objecte ist nicht ganz unbegrün- 
det, wenn bei Bereitung derselben die Verhältnisse zwi- 
schen neutralem Salz und Wasser, und die Temperatur 
nicht an bestimmte Normen gebunden und genau einge- 
halten werden. 

Lässt sich auch aus diesem Verhalten der Salze gegen 
Wasser nicht die höchst wahrscheinliche Identität des 
Magıist. Bism Becker und Janssen und des ß-Subnitrats 
vollständig beweisen, so geht doch so viel daraus hervor, 
dass sie weder mit dem Magist. Bism. Duflos, noch mit 
dem dreifach-basischen Salze im Sinne Wiggers’ zusam- 
mengeworfen werden können. Sie müssen, dem zweiten 
Subnitrate angehörig, als eigenthümliche Salze eben so 
gut betrachtet werden, als das Magist. Bism. Duflos. und 
das dritte Subnitrat, und ihr Dasein allein ist Grund genug, 
die Richtigkeit der von Wiggers aufgestellten Reihen, 
zu bezweifeln. 

Becker erklärt die Bildung sämmitlicher basischer 
'Salze in seinem Schreiben sehr gut, indem derselbe sie 
als die Producte der Einwirkung kalten oder kochen- 


die basischen salpelersauren Wismuthoxydsalze etc. 9 


den Wassers auf das neutrale Salz in zwei Reihen bringt 
und in Parallele stellt. 

Durch Einwirkung des kalten Wassers auf das neu- 
trale Salz entsteht das einfach-saure Salz. Als Ana- 
logon desselben entsteht durch Einwirkung des kochen- 
den Wassers auf das neutrale Salz das Mag. Bism. Duflos. 

Beide Salze sind die Anfangsglieder dieser Reihen. 
Durch weitere Einwirkung entsteht. aus dem einfach-sau- 
ren Nitrat bei Anwendung geringer Wassermengen das 
Magist. Bism. Becker, !saures Nitrat, bei Anwendung gros- 
ser Quantitäten das *saure Nitrat. 

Aus dem Magist. Bism. Duflos entsteht durch geringe 
Wassermengen &saures Nitrat, durch grössere Wasser- 
mengen ebenfalls 2saures Nitrat. (?) (Siehe jedoch Vers. 4.) 

Durch (die Analysen der Producte wird die Richtig- 
keit dieser Ansichten (bis auf den letzten Punct) bestätigt. 

Eine dritte Reihe, zu der Becker das ß-Subnitrat, 
das Magist. Bism. Janssen und die durch Abdampfen oder 
Erkalten gesättigter Wismuthlösungen sich bildenden Nie- 
derschläge rechnet, hält Becker selbst für noch zweifel- 
haft. Dass die beiden ersten Salze sich dem Magist. Bis- 
muthi becker anschliessen, ist schon auseinandergesetzt 
worden. Dass letztere Niederschläge aber sich mehr dem 
einfach-sauren Salze in ihrer Zusammensetzung nähern, 
geht aus ihren Analysen (Vers. 26 und 28.) hervor. 

Gehen wir nun, nach Beleuchtung der gewonnenen 
praktischen Resultate der Analyse, zur Betrachtung der 
theoretischen Formeln über, so wurde schon oben erwähnt, 
dass nach derAnsicht Wiggers’ alleSalze nach der Formel 
Bi:0°,3N0° + x Bi?0°,3 HO zusammengesetzt seien, und 
dass wenn die Analyse eine diesen Verhältnissen entspre- 
chende Wassermenge in den Salzen nachzuweisen nicht 
im Stande sei, der Wasserverlust nur auf Kosten des leiz- 
ten Gliedes der Formel statt findet, indem sich die davon 
vorhandener Atome der Reihe nach in 2Bi?0°,3HO ver- 
wandeln. 

Zufolge dieser Betrachtung, der, wie Becker richtig 
bemerkt, der Nachweis wenigstens hätte zu Grunde liegen 


10 Janssen, 


müssen, einerseits, dass ein solches Wismuthoxydhydrat 
wirklich existire, andererseits, dass sich Bi?O3,3HO auch 
wirklich in 2 Bi?O°, 3HO umwandeln lasse, findet Wiggers 
es nicht für unwahrscheinlich, dass mein vierfach-basisches 
Nitrat nach der Formel: Bi’O°,3N0° + 2Bi?0°,3HO zu- 
sammengesetzt sein könne (der dreifache Ausdruck meiner 
Formel in anderer Gestalt). Da aber das Wismuthoxyd- 
hydrat in allen andern Salzen seine drei Atome Wasser 
nicht verläugne, so zweifelt Wiggers keinen Augenblick, 
dass dieses Salz noch volle 3 Procent Wasser mehr ent- 
halte, als die Analysen ergeben haben. 


Wenngleich ich diese unerwiesene Behauptung, gleich 
Becker, stark bezweifle, da, abgesehen von der Existenz 
eines solchen Wismuthoxydhydrats, es mir um so unwahr- 
scheinlicher erscheint, dass das Bi?O3, 3HO in seiner 
Vereinigung mit einem zweiten Körper, dem Bi?O?, NO>, 
eine solche Umsetzung erleiden sollte, da es noch nicht 
bekannt ist, dass dieser Körper eine solche Zersetzung 
für sich beim Trocknen erlitten hätte: so schien mir doch 
die Andeutung der möglichen Existenz eines Hydrats nach 
der Formel 2Bi°O®, 3HO anregend genug, die Zusammen- 
setzung des Wismuthoxydhydrats, zu dessen Untersuchung 
die von mir aufgestellten Formeln bisher keine Veranlas- 
sung gaben, näher zu erforschen. 


Zu diesem Behufe wurden folgende Versuche ange- 
stellt: 


A) Eine Portion neutrales Salz wurde mit Hülfe von 
etwas Salpetersäure in kaltem Wasser gelöst und diese 
Lösung in eine verdünnte, im Ueberschuss vorhandene, 
von kohlensaurem Salze völlig freie Aetzkalilauge gegos- 
sen, mehre Stunden der Ruhe überlassen, dann mit kal- 
tem Wasser vollkommen ausgewaschen, der Niederschlag 
gepresst und bei gewöhnlicher Temperatur über Schwefel- 
säure im luftverdünnten Raume getrocknet, bis das Gewicht 
desselben nicht mehr abnahm, sondern constant blieb. 


die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze etc. A 


11,05 Gr. verloren beim Glühen 0,61 Gr. — 10,44 Gr. Bı203— 94,47 9 Bi203 


16,56 " „ 08 „ =15,16 „ „ —=95,16 n 
19,02 n 2.1.01, 08:.2 NED a — I 
10,8 u „ vn . 531027 nn — I0I% 
19,47 " mn ATS SSH an 912 " 


Miuel — 94,65. 
B?O® — 94.65 
HO 5,35. 

Zu genauerer Bestimmung wurde eine neue Portion 
neutrales Salz bereitet. Die gut ausgebildeten Krystalle 
wurden zerrieben, zwischen Papier vollkommen getrock- 
net und dann zu den folgenden Versuchen verwandt. 


Zuvörderst wurde Oxyd- und Säuregehalt desselben 
bestimmt, um danach die Menge des Oxyılhydrats berech- 
nen zu können, die das Salz liefern musste, je nachdem 
dasselbe als Bi?O®, 3HO oder 2Bi?O®, 3HO betrachtet 
wird. 

49,2 Gr. Salz gaben geglüht 23,69 Gr. Oxyd = 48,159 B.203 

Be et, a 

100 Salz enthalten im Mittel 48,1758 Bi?Os, 

50 Gr. Salz gaben 36,063 Gr. Ba0,SC3 = 16,69 Gr. N0° —= 33,334 N05 
SOOr mn 102389 Mer „ — BT 
100 Salz enthalten im Mittel 33,328 NO°. 

Das Salz besteht demnach aus: 

Bi?0? — 48,175 
No 2 3332 
HO = 18505. 
100 Theile Salz müssen also liefern: 
an Bi?O:,3HO = 53,781 Th. 
» 2Bi?0°,3HO = 50,978 » 

2) 100 Gran Salz wurden mit Wasser zerrührt und 
mit Kalilauge bis’ zur stark alkalischen Reaction versetzt, 
der Niederschlag gewaschen und über Schwefelsäure im 
lufiverdünnten Raume getrocknet. Er wog 51 Gran. 


13,39 Gr. gaben geglüht 12,59 Gr. Oxyd —= B.203 91,02 
13,05 ” " "n 12,22 ” " = L4 93,64 
RENT 08,98 


Im Mittel —= 93,717. 


kj 


u 


12 Janssen, 


3) 100 Gran Salz wurden zerrieben, in salpetersäure- 
haltigem Wasser gelöst und die klare Lösung in über- 
schüssige verdünnte Kalilauge gegossen, der Niederschlag 
mit kaltem Wasser gewaschen und über Schwefelsäure 
getrocknet. Er wog 51,3 Gran. 

10,55 Gr. gaben geglüht 9,93 Gr. Oxyd = Bi203 94,12 

11,46 » ” „ 410,831 „ " —: " 94,33 

nr „14.07. n.2.m. a A a 
Im Mittel = 94,293. 

%) 100 Gran Salz, wie im vorigen Versuche behan- 
delt, lieferten 50,9 Gran trocknen Niederschlag. 

11,53 Gr. gaben geglüht 10,82 Gr. Oxyd = Bi203 93,84 
44,5 i% „ n 10,8 „ „ 93,91 
14,14 n v 13,27 n „. 93,84 
Im Mittel = 93,863. 
Demnach lieferten 400 Th. Salz an Wismuthoxydhydrat: 


Il 


Berechnet 
Vers. 2. 3. 4. Mittel Bi203,3H0 2.B.203, 3HO 
51 Gr. 51,3 Gr. 50,9 Gr. 51,066 53,781 50,978 
Das erhaltene Wismuthoxydhydrat enthielt: 
Berechnet 
Vers. 1. 2. 3. 4. Mittel Bı203,310 2B:ı203, 340 
Bi203 — 94,65 93,717 94,293 93,863 94,131 89,58 94,51 
40, == 35,35. 6,283 3,207 6,137. 9;869 10,42 5,49 


Aus der Menge des erhaltenen Niederschlages sowohl, 
als aus der Zusammensetzung desselben, lässt sich wohl 
mit Gewissheit folgern, dass das Wismuthoxydhydrat nach 
der Formel 2Bi?0°,3HO zusammengesetzt und danach 
die bisherige — Bi?O°, 3HO zu berichtigen ist. Wenn 
aber die Existenz des Bi?O®,3HO wegfäallig wird, so ver- 
liert die von Wiggers aufgestellte Reihe ihre Gültigkeit 
völlig. Es wird dann aber auch das dreifach - basische 
Salz in der Wiggers’schen Bedeutung hinfallig, es lässt 
sich nicht mehr als ein dreifach-basisches Salz be- 
trachten. 

Aendert man nun mit Zugrundelegung dieser Formel 
die von mir aufgestellten Formeln in der Art um, dass 
man in dieselbe 2Bi?O®,3HO transponirt, so bietet sich 
folgende Zusammenstellung der basischen Nitrate. 


die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze etc. 13 


1) Zweifach-basisches Salz (früher vierfach-basisches Nitrat): 
(2 Bi? 0°, 3HO)? + Bi? 0°, 3N0° + 3Aq 
= 5B1?03++3N05 +9H0. 
2) Erstes Subnitrat: 
[(@Bi?0°,3H0): + Bi?0°,3N0°]) + Bi?0°,3N0° +6Agq 
= 6Bi?0? +6N05 +12H0. 
3) Zweites Subnitrat: 
2 [(2Bi?03, 3H0)? + Bi?0°,3N0°] + Bi?0°,3N05 +9Aq 
— 41Bi1?0° + 9NO° +21HO. 
R Drittes Subnitrat: 
3[(2Bi?0°,3H0)? + Bi?O?, 3NO:] + Bi2O>, 3NO5 +12 Aq 
— 46Bi?0° + 12N05 + 30H0O. 

Man ersieht aus dieser Zusammenstellung, dass, wenn- 
gleich die Gruppirung des Wassers eine andere geworden, 
die Formeln bei’ Transponirung des 2Bi?0®,3HO in die- 
selben, dennoch an Werth und Bedeutung unverändert 
geblieben sind. Sie bilden zudem eine völlig geschlos- 
sene Reihe. Es verbindet sich in den verschiedenen Sal- 
zen A At. neutrales Salz mit A, 2 und 3 At. zweifach-basi- 
schem Salze. Das Wasser findet sich in allen Salzen in 
dem Verhältniss, dass für jedes Atom neutrales Salz 3 At. 
Krystallwasser aufgenommen werden. Ferner zeigen die 
beigefügten empirischen Formeln, wie in den drei Sub- 
nitraten in jedem folgenden die Zahl der Atome des 
Bı:O0° um 5, die der Salpetersäure um 3 und die des 
Wassers um 9 steigen. Eben diese übereinstimmenden 
Verhältnisse wären wohl geeignet, die Richtigkeit meiner 
Formeln zu bestätigen, wenn man nicht, wie Wiggers 
mit Recht bemerkt, ihr Ansehen ein so ganz eigenthüm- 
liches und ungewöhnliches wäre. So lange sich alle Er- 
scheinungen nach meiner Formeln besser erklären lassen, 
als nach den bisherigen Ansichten, mit denen sie, wie 
sowohl Becker als ich bewiesen haben, nicht in Einklang 
zu bringen waren, hatte ich keinen Grund ihre Richtig- 
keit zu bezweifeln. In Folge der berichtigten Zusammen- 
setzung des Wismuthoxydhydrats jedoch stehe ich keinen 
Augenblick an zu erklären, dass ich die Zweifel Wig- 
gers' an die Richtigkeit derselben theile. 


1% Janssen, 


Die Annahme der Formel 2Bi?0:, 3HO lässt nämlich 
eine Classification zu, die mit den älteren Ansichten sehr 
wohl übereinstimmt, dabei allen bekannten Salzen den 
ihnen zukommenden Platz anweisi und mit den Analysen 
der Salze vollkommen in Einklang zu bringen ist. Es 
wird genügen, die Formeln einfach herzusetzen. 


A. Einfach-basisches Nitrat. 
3Bi?0°, 3NO:, 6HO. 


a) Wasserhaltig — b) Wasserleer 
Bi203,3N05 + 2 B:2U3, 3HO + 3Aq 
3B2)3 — 76,31 3 Bı203 — 78,64 
3N05 1 ==2W47,76 3N0 1853 
6.40 15,93 3H07 27306 Mr 


2. Ein eindrittel-basisches Nitrat. 
11 B?0° + 9NO®° +21 HO. 


a) Wasserhaltig — b) Wasserleer 
Bi203,3 N05 + 1!(2B.203,3H0) + 3Agq 
32 B.203 — 79,82 33B12)3 — 81,12 
3005 — 15,06 3N05 — 15,44 
OD 4.HOXR — 73.08 


3. Anderthalbfaches Nitrat. 
8Bi?0° + 605 + A5H0. 


a) Wasserhaltir — b) Wasserleer 
Bı203,3N05 + 13 (2B1203,3H0O) + 3Aq 

4 B2203 — 80,17 4 Bi2)3 — 82,08 

3N05 = 13,99 ESNOSr—I33 

TEHON Vz 5,84 440 -» = 3,59 


k. Zweifach-basisches Nitrat. 
5Bı 0° + 3N0° + 9HO. 


a) Wasserhaltig — b) Wasserleer 
B203,3N05 + 2(2B.203,3H0) +3 Aq 

5B2)3 — 82,62 .5B12)3 — 84,3 

3,.N05,-, 5:44,55 % „3N05° = 11,17 

9.HQ 4. = 5,83 . 6H0 = ;3,93 


Betrachtet man noch einmal kurz alle Salze mit Bezug 
auf diese Formeln, so findet man, dass das einfach- 
saure Nitrat (Becker), mein erstes Subnitrat oder 
das zweifach-basische Salz (Wiggers) als einfach- 
basisches Nitrat betrachtet werden muss. Die Nothwen- 


die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze ec. 15 


digkeit der Existenz eines einfach -basischen Nitrats im 
Sinne der Wiggers'schen Reihe wird hinfällig. Die Ana- 
Iysen beziehen sich auf das wasserhaltige Salz, des- 
sen Wasser zur Hälfte beim Trocknen entweicht, wie 
Heintz gefunden hat. Es ist das Krystallwasser des 
Salzes, und stimmt die Analyse des wasserleeren Salzes 
nach Phillipps genau mit der Berechnung überein. 
Erfahrung und Theorie lassen keinen Zweifel, dass dieses 
Salz im wasserleeren und wasserhaltigen Zustande bekannt 
und untersucht worden ist. 

Darf man von den an diesem Salze gefundenen und 
bestätigten Erfahrungen auf das Nächste schliessen, so 
ergiebt sich, dass auch hier ein wasserhaltiges und was- 
serleeres angenommen werden kann. Das erstere, das 
wasserhaltige 4!basische Nitrat, wird in seiner 
Reinheit durch das Magist. Bism. becker, sein ?!saures 
Nitrat, repräsentirt. Ihm schliessen sich die mehr oder 
weniger reinen Producte des Mag. Bism. Janssen und das 
ß-Subnitrat Becker’s an, die sich je nach der Höhe 
der Temperatur, bei der sie bereitet wurden, mehr oder 
weniger demselben in der Zusammensetzung nähern. 

Das aus dem neutralen Salze durch kochendes 
Wasser bereitete, nicht ausgewaschene Product, das Mag. 
Bism. Duflos, das $saure Nitrat Becker’s, entspricht 
dem wasserleeren Salze. 

In dem folgenden Salze, dem A!fach-basischen 
Nitrate, findet man das ?saure Nitrat (Becker) und 
das dreifach -basische Nitrat der Wiggers’schen 
Reihe wieder. Dass dieses Präparat, wie Wiggers meint, 
das alleinige reine Magist. Bismuthi ist, auf dessen 
Reindarstellung die Bemühungen der Chemiker vorzugs- 
weise gerichtet sein müssen, bezweifle ich, da es einer- 
seits gewiss am seltensten rein erhalten wurde, anderer- 
seits nach dem Gesagten gewiss nicht berechtigt ist, ein 
ausschliessliches Privilegium der Aufnahme in den Arznei- 
schatz zu beanspruchen. Hierher gehört auch das Magıst. 
Bism. Duflos nach dem Auswaschen. In dieser Behand- 
lung nimmt das wasserleere Duflos’sche Salz, indem 


16 Janssen, 


es dabei zu einer Milch aufschwemmt, sein Krystallwasser 
wieder auf, zerfällt aber der feinen Zertheilung wegen 
durch den Einfluss des Wassers in A4fach-basisches Nitrat. 
Am reinsten wird dieses letztere wohl erhalten, wenn man 
die von Becker empfohlene, beim Präparate F. (S. 4) 
angeführte Methode befolgt, wodurch der nach meiner 
Vorschrift durch Ammoniak wasser erzeugte Brei sich nach 
und nach in A!fach-basisches Nitrat umsetzt. Das 
wasserleere Salz wurde bei diesem Salze noch nicht 
beobachtet 

Das vierte Salz dieser Reihe, das zweifach-basi- 
sche Nitrat, das &3saure Nitrat Becker's, das vier- 
fach-basische Nitrat Janssen’, tritt nach den Ana- 
Jysen wiederum im wasserleeren Zustande auf, und 
scheint die Vermuthung Wiggers zu bestätigen, dass 
diese Verbindungen ihr Wasser um so leichter verlieren, 
je grösser die Anzahl der Atome des Wismuthoxydhydrats 
in denselben ist. Es bestätigt die Formel aber auch zu- 
gleich die Richtigkeit der Analysen, ohne dass man nöthig 
hat, mit Wiggers die Menge des Wassers um mehrere 
Procente höher anzunehmen, als die Analyse darin nach- 
weist, 

Alle Salze ‚haben mit einander gemein, dass sie das 
Wasser des Wismuthoxydhydrats in ihrer Zusammensetzung 
nicht verläugnen, dass sie im wasserhaltigen Zustande 
insgesammt 3 At. Krystallwasser aufweisen, dass sie 
dieses unter Umständen verlieren, das dem Hydrat ent- 
sprechende Quantuın aber unter allen Umständen behalten. 

Eine Hauptfrage in Hınblick auf die praktische An- 
wendung obiger Erfahrungen wäre noch zu beantworten, 
die Frage nämlich, welche Bereitungart des Magist. Bism. 
die sicherste Gewähr für ein immer gleiches Präparat biete. 
Die Wahl des Präparats selbst kann nur zwischen dem 
Magist. Bısm. Duflos, Decker, und dem von Becker vor- 
geschlagenen Präparate F schwanken. 

Was das Mag. Bism. Duflos betrifft, so bildet das- 
selbe an und für sich ein sehr constant zusammen- 
gesetztes Präparat. Da aber dasselbe als solches nie 


die basischen salpelersauren Wismuthoxydsalze ete. 47 


offieinell war, sondern nach Duflos’ Vorschrift erst 
ausgewaschen wird, so ist zu bedenken, dass eben dieses 
Auswaschen eine sehr verschiedene Zusammensetzung des 
Präparats bedingt, wenn nicht die Menge des Auswasch- 
wassers genau vorgeschrieben wird, da man, je nach der 
Dauer des Auswaschens, das Alfach- oder ein basischeres 
‚Nitrat erhält. (Vers. 2, 3 und 6. Vers. 4 und 8) Die 
Unsicherheit, die hier im Auswaschen liegt, trifft die Be- 
reitung selbst beim Magist Bism. Becker. Denn wenn- 
gleich eine Temperatur von 50° C. vorgeschrieben ist, so 
liegt es doch auf der Hand, dass das einfach - basische 
Salz der Einwirkung des 50°C. warmen Wassers längere 
oder kürzere Zeit ausgesetzt ist, je nachdem man mit 
grösseren Quantitäten, oder nur im Kleinen arbeitet. Dass 
aber diese Dauer der Einwirkung von entschiedenem 
Einfluss auf die Zusammensetzung des Salzes ist, ist sicher, 
und man wird Gefahr laufen, bald das I!fach-, bald das 
4}fach-basische Nitrat, oder wechselnde Gemenge beider 
zu erhalten. 

Die älteren Vorschriften wissen überhaupt von einer 
Anwendung der Wärm& bei Bereitung des Magist. Bism. 
nichts. Schon aus diesem Grunde würde ich mich für 
die von Becker vorgeschlagene Abänderung meiner Vor- 
schrift aussprechen, deren Befolgung das A!fach-basi- 
sche Nitrat sehr rein liefert. Da man nur in der Kälte 
arbeitet, die Menge des Wassers genau vorgeschrieben 
ist und kaltes Wasser auf das Präparat, selbst bei län- 
gerem Auswaschen, nicht einwirkt, so fallen die erwähn- 
ten Fehlerquellen von selbst weg. Eine Verunreinigung 
mit salpetersaurem Ammoniak, die meinem Präparate leicht 
anhängt, wenn man nicht hinreichend auswusch, ist durch 
die Art der Bereitung gleichfalls ausgeschlossen. 

Man verfährt nach Becker, je nachdem man neu- 
trales Salz, oder gesättigte Wismuthlösungen anwendet, 
wie folgt: 

{) Aus neutralem Salze. 

2 Unzen feingepulvertes neutrales Salz werden mit 

6 Unzen Wasser, dem zuvor 40 Drachmen Zig. ammon. 


Arch. d. Pharm, CXXVIII. Bds. 1. Hft, > 


18 Janssen, die basischen salpetersauren Wismuthoxydsalze. 


caust. (0,96) zugemischt wurden, zu einem gleichmässigen 
zarten Brei verrieben und dieser in 24 Unzen kaltes Was- 
ser gegossen. Das Gemenge lässt man nun unter öfterem 
Umrühren ruhig so lange stehen, bis der Niederschlag 
vollkommen krystallinisch geworden ist, was nach einigen 
Tagen statt gefunden hat. Dann giesst man die Flüssig- 
keit ab und wäscht die Krystalle so lange mit kaltem 
Wasser, bis sie keine Reaction mehr auf Ammoniak zei- 
gen. Man kann das neutrale Salz auch mit !/; seines 
Gewichts Wasser schmelzen lassen und dann das Ammo- 
niakwasser unter starkem Schütteln allmälig hinzumischen- 


2) Aus Wismuthlösungen. 


Will man dieses Salz aus gesättigten Wismuthlösungen 
bereiten, so ist es nöthig, dass man, um die Menge des 
Ammoniaks zu bestimmen, den Säuregehalt der Wismuth- 
lösungen kenne. Hat man sich die zur Auflösung des 
Wismuths verbrauchte Säuremenge bemerkt, so bedarf man 
(die durch den Oxydationsprocess verschwundene Säure 
unberücksichtigt gelassen): 


auf 1 Unze Säure von 1,3 sp.Gew. 43 Drachm. Ziq. amm. caust. 
» A » )) Boy II ee ehe 5 » » 


BER 0 » »„ 42 Da » 


Die Aetzammoniakflüssigkeit wird mit der fünf- bis 
sechsfachen Menge Wasser verdünnt und der Wismuth- 
auflösung unter Schütteln allmälig hinzugemischt. Den 
entstandenen Salzbrei schüttet man in Wasser, dessen 
Menge das 36—48fache von dem aufgelösten Metall be- 
trägt und verfährt dann weiter wie oben angegeben, 
Die von dem gebildeten Magisterium Bismuthi abgegos- 
sene saure Flüssigkeit wird nicht weiter benutzt, weil sie 
wenig Wismuth mit dem grössten Theil der Unreinigkei- 
ten der verwandten Menge des Metalls, und namentlich 
viel Kupfer enthält, 


————rr ge —— x 
“i 


Rebling, über Exir. ferri pomalum. 19 


Ueber Extractum ferri pomatum; 


von 


Rebling. 


Da dieses Jahr keine hinreichende Menge von die- 
sem Extracte zur Zeit dargestellt worden war, so machte 
ich einen Versuch mit Weinreinetten, ein von Vielen wegen 
seines angenehm weinsauren Geschmacks sehr beliebter 
Speiseapfel, der aber dieses Jahr (1853) klein und sehr 
sauer geblieben war, so dass beim Verspeisen die Backen 
so zu sagen zusammengezogen wurden, und mir selbst 
Holzäpfel und die unreifen Aepfel nicht so viel Säure zu 
besitzen schienen. 

Da mir im Laufe der Arbeit der Apfelbrei weder 
schwarz wurde, noch auch das eingedampfte Extract wenig 
stark eisenhaft schmeckte, so versetzte ich das wiederum 
aufgelöste Extract von neuem mit Eisen, brachte es unter 
stetem Umrühren zur Extractdicke, löste auf u.s.w. Das 
Extract war und blieb aber von schön brauner Farbe, 
war ganz durchsichtig und schmeckte angenehm, nur 
wenig nach Eisen und zeigte auch den eigenthümlich star- 
ken Tintengeruch nicht. Wurde das aufgelöste sowohl 
als das steife Extract mit gerbstoffhaltigen Substanzen zu- 
sammengebracht, so wurde es nicht schwarz, so dass ich 
mich um so mehr dazu verstand, Versuche damit anzu- 
stellen, wie viel Eisen darin enthalten sei. 

Zu gleicher Zeit nahm ich auch das officinelle Extract, 
welches mit Holzäpfeln bereitet war, in Untersuchung- 
Nachdem das Aufgelöste von 100 Gran Extract abgedampft, 
eingeäschert, mit Salzsäure ausgezogen, durch Salpeter- 
säure oxydirt und mit Ammoniak niedergeschlagen wor- 
den war, so ergab sich, dass das ausgefällte Eisenoxyd 
in beiden Extracten ganz gleich viel betrug; nämlich in 
dem officinellen betrug das Oxyd 3,56 Gran und in dem 
aus Reineiten bereiteten 3,50 Gran. Dass das Extract wenig 
nach Eisen schmeckt und keine schwarzgrüne Farbe besitzt, 
rührt j denfalls von Fruchtzucker her, welcher in dieser 
Aepfelsorte vorhanden ist und welcher das Eisensalz vor 

. 9% 


20 Rebling, über Extr. ferri pomatum. 


der höheren Oxydation schützt und wodurch ebenfalls 
wohl der schwache Geruch und Geschmack bedingt wird, 
Eigenschaften, welche wohl diese Bereitungsart empfehlen 
könnten. 

Das aus unreifen Aepfeln bereitete Extract enthält ein 
Salz auskrystallisirt, was man schon beim sanften Reiben 
zwischen den Fingerspitzen fühlt. Unter dem Mikroskope 
sind es theils einzelne Krystallnadeln und schief abge- 
stutzte Säulen, theils rosettenförmige Anhäufungen der- 
selben. Sie sind vollkommen durchsichtig und farblos; 
man erhält sie ganz rein, wenn man das Extract, ohne es 
im Mörser zu zerreiben, mit kaltem Wasser anrührt und 
den bleibenden pulverförmigen Rückstand mehrmals mit 
Wasser auswäscht. Aus obigen 100 Gran erhielt ich ! Gran 
und erwies sich das Salz als pflanzensaures (weinstein- 
saures?) Eisenoxydul ohne Kalk etc., was schon im Pla- 
tinlöffel durch’s Erhitzen, Behandeln mit Salzsäure etc. 
leicht erkannt werden konnte. 

Ich glaube vor Kurzem einen Aufsatz gelesen zu haben, 
wo über Eisenpräparate in medicinischer Hinsicht gespro- 
chen und so ich glaube die Frage gestellt wurde: welches 
Eisenpräparat wird wohl vom Organismus am leichtesten 
assimilirt und vom Magen vertragen? Mir wenigstens ist 
nicht mehr auffallend *), warum 1—2 Drachmen Eisen- 
extract besser vertragen wird, als wenn der Arzt eben so 
viel Eisenpulver verschreibt, welches in einigen Tagen 
verschluckt werden muss! In nachfolgenden officinellen 
Eisenpräparaten sind enthalten: 


In Extr. ferriı pomatum ..... 4,2 Proc. Eisen 
bis annähernd 2 » » 


Liq.; ferri ‚aeehei.. „u... 800 » » 
» » chlo also. are en 10,8 ) » 
» » " sesquichlor..... 166 » » 

Spirit. ferri chlor. aether. 0,98 » » 

Tinct ferri acetici........ 6,00 » » 


» » pomati  0,17—0,30 » » 
je nachdem ein eisenhaltigeres Extract verwendet wurde. 


*) Hierbei kann auch wohl auf die Abhandlung Bd. 75. pag. 1 
dieses Archivs verwiesen werden. Die Red. 


Wiehr, Erkennung von Blutflecken auf Zeugen. 21 


Beitrag zur Erkennung von Blutflecken auf lei- 
nenen und baumwollenen Zeugen; 


von 


C. Wiehr, 


Apotheker in Grünberg. 


Durch eine Mittheilung, welche ich im Archiv der 
Pharmacie, Bd. CXXVI. H.I. über die Erkennung von Blut- 
flecken auf Kleidungsstücken finde, werde ich angeregt, 
auch meine Erfahrung über diesen Gegenstand mitzutheilen. 

Am 16. Februar 1853 wurden mir in einer Criminal- 
gerichts-Sache einige Stücke Zeug, auf welchen sich rothe 
Flecke befanden, zu einer chemischen Untersuchung über- 
geben; es war dies ein schmutziges altes Grastuch von 
grober grauer Leinewand und ein blau und weiss carrir- 
ter Kopfkissen - Ueberzug, Es war die Aufgabe, fest- 
zustellen, ob die darauf befindlichen Flecke von Blut 
herrühren. 

Zu diesem Zwecke wurde von jedem Stücke Zeug 
ein Stückchen, welches mit der rothen Farbe durchdrun- 
gen war, berausgeschnitten und jedes für sich mit kaltem 
destillirtem Wasser ausgezogen. Ich bemerke hierbei, dass 
die Flecke von dem Grastuche schon in Fäulniss über- 
gegangen waren, da es lange Zeit in Dünger vergraben 
gelegen hatte. Die filtrirte Flüssigkeit von dem Grastuche 
hatte eine schmutzig-braunrothe Farbe. Bei Anwendung 
der Reagentien, welche im „Lehrbuch der Chemie von 
Berzelius« Bd.9. p.19 angegeben sind, als: Chlorwasser, 
Ammoniak, Salpetersäure und Gallustinctur, und welche 
besonders auf den Nachweis von Albumin gerichtet sind, 
wurden zwar die dabei angegebenen Reactionen erhalten, 
doch aber, weil die Flüssigkeit nicht rein roth war, nicht 
so deutlich, als dass ich die Gegenwart von Blut dadurch 
vollkommen festgestellt hätte ansehen können. Bei der 
zweiten Flüssigkeit von dem Kopfkissen Ueberzuge, welche 
dadurch, dass die unächte blaue Farbe desselben durch 
Blauholz erzeugt war, eine dunkel-violette Farbe hatte, 
liessen sich diese Reagentien gar nicht in Anwendung 


Mia 


22 Wiehr, Erkennung von Bluiflecken auf Zeugen. 


bringen. Ich versuchte mit den auf den Zeugen befind- 
lichen Blutflecken Cyankalium zu erzeugen. Zu diesem 
Zwecke röstete ich, nachdem ich mich vorher auf be- 
kannte Weise überzeugt hatte, dass das Zeug keine Wolle 
enthielt, ein rotbgefärbtes Stückchen des Grastuches in 
einem Porcellantiegel, so dass es sich zu Pulver reiben 
liess, mischte dieses Pulver mit etwas kohlensaurem Kali 
und glühte das Gemisch nun stark. Die geglühte Mischung 
wurde mit destillirtem Wasser extrahirt und der filtrirten 
Flüssigkeit ein wenig einer Auflösung eines Eisenoxydul- 
salzes und eines Eisenoxydsalzes zugesetzt, wodurch ein 
Niederschlag von unbestimmter Farbe, bestehend aus durch 
überschüssig angewendetes kohlensaures Kali gefälltem 
Eisenoxydul und Eisenoxyd und gebildetem Eisencyanür- 
Cyanid (?) erzeugt wurde. Es ward nun etwas verdünnte 
Schwefelsäure zugesetzt, wodurch das Eisenoxydul und 
Eisenoxyd sich auflöste, dagegen das in der Schwefelsäure 
unlösliche, gebildete Eiseneyanür-Cyanid mit seiner rein 
blauen Farbe hervortrat. Dasselbe Resultat wurde erhal- 
ten mit einem Stückchen des carrirten Zeuges, worauf 
sich rothe Flecke befanden, keineswegs aber mit Stück- 
chen der Zeuge, worauf sich keine Blutflecken wahrneh- 
men liessen. 

Diese Versuche habe ich noch oft wiederholt mit 
anderm Blut, und selbst bei den kleinsten Quantitläten von 
Blut genügende Resultate erhalten. 

Es gelingt diese Operation auch, wenn ein Stückchen 
mit Blut beflecktes Zeug mit Aetzlauge gekocht, die Flüs- 
sigkeit zur Trockne abgedampft und geglüht, darauf ebenso 
mit Eisensalzen und Schwefelsäure behandelt wird. 

Auch wenn sich die Blutflecken auf Metallgegenstän- 
den befinden, wird dieses Verfahren, indem auch Blut- 
flecke durch Aetzlauge von dem Metall gelöst werden, in 
Anwendung gebracht werden können. 


—— re — 


Oswald, über schwefelsäurehaltigen weissen Arsenik. 23 


Ueber schwefelsäurehaltigen weissen Arsenik; 
von 
F. Oswald in Oels. 


Vor Kurzem erhielt ich einige Pfund gestossenen 
weissen Arsenik, den ich einige Tage stehen lassen musste, 
ehe ich ihn in die Standgefässe füllen konnte. Bei dem 
Oeffnen des Kistchens fand ich, dass der doppelte Beutel, 
namentlich zunächst der Umschnürung, ganz nass war und 
das Papier röthlich, wie von verdünnter Schwefelsäure 
angegriffen, aussah. Um den Unannehmlichkeiten des Zer- 
reissens des Beutels zu entgehen, füllte ich ihn gleich aus, 
was nur noch mit Mühe, ohne dass er zerriss, geschehen 
konnte. 

Die Prüfung zeigte ganz unzweideutig die Schwefel- 
säure an, wie ich es bald vermuthet hatte. Da sich nun 
voraussetzen lässt, dass nicht durch einen Zufall in der 
Droguerie-Handlung diese Verunreinigung in den Arsenik 
gekommen ist, so lässt sich nur vermuthen, dass gleich- 
zeitig mit dem Arsenikschlich Schwefelkiese abgetrieben 
worden sind, wodurch Schwefelsäuredämpfe zugleich mit 
dem Arsenik sublimirten und an demselben adhärirten, bei 
dem Debit aber erst Gelegenheit hatten, mehr Feuchtig- 
keit anzuziehen und sich nun erst bemerklich machten, 
was in den festgepackten Fässern nicht so leicht statt fin- 
den konnte. Früher ist mir dieser Fall nicht vorgekommen. 


I. Monatsbericht. 


Gusseiserne Magnete. 


Crahay macht auf die Entdeckung des Prof. Flo- 
rimond in Löwen aufmerksam, dass man weit wohlfeiler 
aus Gusseisen durch Ablöschen, als aus Stahl Magnetstäbe 
und hufeisenförmige Magnete bilden könne. Florimond 
hat nach und nach vier magneto-elektrische Maschinen 
ausführen lassen, welche alle ihre Kraft vollkommen bei- 
behalten haben. (Mon. ind. 1853. p.1788. — Polyt. Centrbl. 
1853. No.23. p. 1465.) Mr. 


Ueber Verdampfung von Flüssigkeiten. 


Aus angestellten Versuchen hat Marcet folgende 
Thatsachen notirt: 

4) Eine der Luft in offenen Gefässen ausgesetzte Flüs- 
sigkeit, wie Wasser oder Alkohol, ist immer kälter, als 
die umgebende Luft und der Unterschied ist um so grös- 
ser, je höher die Temperatur der umgebenden Luft ist. 
So beträgt die Differenz einige Zehntelsgrade zwischen 
0° und 5°C, sie beträgt A! Grade zwischen 20° und 25° 
und 5 bis 6 Grade zwischen 45° und 50°. 

2) Je nach Beschaffenheit des Gefässes ist die Ver- 
dunstung einer Flüssigkeit mehr oder weniger stark; so 
verdunsten z.B. Wasser und Alkohol, welche in Gefässen 
von glasirtem Porcellan enthalten sind, schneller als in 
vollkommen ähnlichen Gefässen von Glas oder Metall, 
ohne dass man den Unterschied dem Einflusse der Strah- 
lung oder der Leitungsfahigkeit zuschreiben kann. 

3) Die Temperatur einer Flüssigkeit wechselt nach 
der Natur des Gefässes, welches sie enthält, während die 
Gefässe von gleicher Form und Grösse sind. So ist das 
Wasser zwischen 15 und 18° um 3/9, Grad wärmer in 
einem Metallgefäss, als in einem Gefäss von Glas, und die 
Differenz nimmt mit der steigenden Lufttemperatur immer 
zu. Diese dritte Thatsache ist nothwendig Folge der 
zweiten, dass Gefässe von verschiedenem Material die 


Verbesserungen im Titrirverfahren. 25 


Verdunstung der Flüssigkeiten mehr oder weniger be- 
schleunigen oder verzögern. 

#) Wenn alles gleich bleibt, scheint die Natur und 
Grösse der Oberfläche der Gefässe, so wie die Masse oder 
Tiefe der Flüssigkeit in gewissen Grenzen die Verdunstung 
beschleunigen zu können. 

5) Wasser, welches eben so viel Kochsalz enthält, 
wie das Meerwasser, verdunstet weniger rasch und erzeugt 
folglich weniger Kälte, als unter denselben Umständen 
das süsse Wasser. 

6) Wasser über Quarzsand verdunstet, je nach der 
Natur des Gefässes, um 5—6 Proc. schneller, als eine 
gleiche Oberfläche von Wasser ohne Sand. 


7) Als Folge des Vorhergehenden ist denn auch die 
Temperatur der mit Sand versetzten Flüssigkeit immer um 
einige Zehntelsgrade geringer, als die von anderm Was- 
ser. (Dingl. polyt. Journ. 128. 51.) B. 


Verbesserungen im Titrirverfahren, 


Die Gay-Lussac’sche Bürette hat Dr. Mohr noch zu 
verbessern gesucht. Es gelang ihm, den theuren gläsernen 
Hahn durch eine einfache und wohlfeile Vorrichtung zu 
ersetzen, welche Jeder ohne alle Kunstfertigkeit herstellen 
kann, welche zu jeder beliebigen Zeit absolut luft- und was- 
serdicht schliesst und durch einen Händedruck beliebig sich 
öffnen lässt. Es ist dieses ein kleines Stückchen vulka- 
nisirter Kautschukröhre, die durch eine Klammer aus 
Messingdraht geschlossen wird. Die Enden dieser Klam- 
mer, welche Mohr Quetschhahn genannt hat, sind nach 
den entgegengesetzten Seiten unter rechten Winkeln um- 
gebogen und mit Druckplättchen versehen, so dass, wenn 
man gegen die beiden Enden drückt, sich die Klammer 
öffnet und nach Willkür einen einzigen Tropfen oder 
einen vollen Strahl durchlässt. Das Maassrohr ist eine 
gerade, möglichst kalibrische und in ötel oder A0tel ge- 
theilte Glasröhre, die unten etwas enger ist, um die Kaut- 
schukröhre einzupassen. Ein kleines Stückchen Glasröhre 
bildet den Ausfluss unter dem Quetschhahn. Die mit dem 
Quetschhahn versehene Maassröhre befindet sich an einem 
beliebigen Stative senkrecht angebracht, dass man ihr 
jede Höhe geben kann. Beim Gebrauche füllt man die 
Röhre bis über den Nullpunct mit der Probeflüssigkeit, 
öffnet den Quetschhahn einen Augenblick ganz, um die 
Luft aus der Ausflussröhre zu verdrängen und lässt jetzt 


26 Verbesserungen im Titrirverfahren. 


genau bis an O0 anlaufen. Man bringt deshalb das Auge 
auf die Höhe von 0, stösst den Quetschhahn zwischen 
Daumen und Zeigefinger der rechten Hand und drückt 
leise. Man sieht jetzt aber die Flüssigkeit langsam sinken, 
sobald die nach unten gerichtete Concavität der Flüssigkeit 
den Theilstrich, wie den Kreis einer Tangente berührt, 
lässt man den Hahn los und im selben Augenblicke steht 
auch die Flüssigkeit still und bleibt wochenlang bei 0 
stehen, wenn man von oben die Verdunstung verhütet. 
Die Proberöhre ist dann normal gefüllt und man geht zu 
dem Versuche über, welches im Sitzen geschieht, während 
man das Anfüllen der Röhre im Stehen besorgt. Man hat 
nun die gewogene Substanz in einem passenden Glase 
und lässt durch Drücken des Quetschhahns die Flüssigkeit 
hinzutreten. 

Diese Ausflussbürette ist zu allen Probeflüssigkeiten 
anzuwenden, mit Ausnahme des übermangansauren Kalis, 
bei dem Mohr sich einer Glasröhre, die nach Art eines 
Stechhebers unten und oben eingezogen und von unten 
an bis zu 3/, ihrer Länge in Y, oder !/;, C.C. graduirt ist. 

Bei weitem die wichtigste Anwendung der Titrirme- 
thode in der Chemie findet bei der Alkalimetrie statt. Als 
controlirende Substanz hat Mohr die mit 3 At. Wasser 
krystallisirte Kleesäure angewendet, von welcher er I Atom- 
gewicht zul Liter Wasser zur Lösung nimmt, so dass 63 Grm. 
krystallisirte Kleesäure in die Literflasche gebracht, .diese 
mit 3/4 destillirrem Wasser gefüllt, durch Umschütteln ge- 
löst, die Flasche bei 14° R. scharf bis zur Marke gefüllt 
und innig gemischt werden muss. 

Als alkalische Urflüssigkeit benutzt derselbe Aetznatron, 
welches er auf die Weise vor dem Anziehen von Kohlen- 
säure verwahrt, dass er die mit der Luft eintretende 
Kohlensäure durch ein Gemenge von feingeriebenem Glau- 
bersalz und Aetzkalk absorbirt, welches sich in einer 
Chlorcalciumröhre befindet, die noch aussen ganz offen ist 
und mittelst eines Korkes auf der Flasche befestigt ist. 
Das Aetznatron wird so titrirt, dass beim Mischen des- 
selben mit einem gleichen Volum der Probekleesäure der 
letzte Tropfen Natron die Farbe aus Roth in Blau ver- 
wandelt. Dieses gelingt durch einen einzigen Tropfen, 
wenn keine Kohlensäure in dem Gemische vorhanden ist. 

Beim Titriren kohlensaurer Alkalien verfährt Mohr 
so, dass er von dem geglühten und wasserleeren Alkali 
4/0 Atomgewicht in Grammen abwägt, also von Soda 
5,32 Grm., von Pottasche 6,92 Grm. Da die Probeflüssig- 
keit in 4000 C.C. A Atomgewicht Kleesäure enthält, so 


Verbesserungen im Tütrirverfahren. ®7 


würden 400 C.C. dieser Flüssigkeit genau Y,9 Atomgewicht 
eines jeden Alkalis genau sättigen. Das Alkali bringt er 
mit etwas Lackmustinctur in eine kleine Kochflasche, lässt 
einen Strahl Probeflüssigkeit zu, welche das Alkali unter 
Aufbrausen zersetzt. Die Flüssigkeit wird zum Kochen 
gebracht und mehr Probesäure zugesetzt bis zur zwiebel- 
rothen Farbe, dann noch Probesäure zugelassen bis zu 
den nächsten vollen 5 oder 10 C.C. Alsdann ist der 
Sättigungspunct des Alkalis um 2—5 C.C. überschritten 
und dieses muss genau bestimmt werden. Darauf wird 
eine in Y/,, C.C. getheilte Handpipette bis zum Nullpunct 
mit Probenatron gefüllt, tropfenweise in die rothe Alkalı- 
flüssigkeit gebracht unter Umschwenken. Darauf wird die 
verbrauchte Cubikcentimeter-Anzahl Aetznatron abgelesen, 
von den verbrauchten Cubikcentimetern Probesäure abge- 
zogen, der Rest giebt die Procente an chemisch reinem 
kohlensauren Alkali an. 

Hat man kohlensaure freie Alkalien oder Oxyde, so 
kann man direct mit der Säure bis zum Rothwerden der 
Lackmustinctur gehen. — Statt dass man das Alkalı ın 
Atomgewichte nimmt, kann man auch jede beliebige Menge 
desselben abwägen und mit Tabellen den Werth desselben 
aus der Titrirung berechnen. Diese Tabellen sind einfach 
die Producte aus dem 1000sten Theile des Atomgewichtes 
mit den ganzen Zahlen A bis 9. A Liter Probeflüssigkeit 
sätligt 4 Atomgewicht = 53,2 Gran wasserleeres kohlen- 
saures Natron; A C.C. sätligt also 0,0532 Grm. 

Will man den Ammoniakgehalt eines Salzes titriren, 
so destillirt man dasselbe mit Wasser und überschüssigem 
Aetzkalk in eine mit Lackmustinctur roth gefärbte gemes- 
sene Menge von Probesäure, etwa 200— 300 C.C. Diese 
Säure muss während der Destillation roth bleiben. Wenn 
sie alles übergehende Ammoniak verschluckt hat, titrirt 
man den nicht gesättigten Theil der Säure mit Probenatron 
zurück, zieht die Cubikcentimeter des Natrons von denen 
der Kleesäure ab und berechnet das Resultat nach den 
Tabellen. 

Die Acidimetrie ist noch einfacher, weil dabei keine 
Kohlensäure interveniren kann Man färbt die gewo- 
gene Menge Säure mit Lackmustinctur lichtroth und titrirt 
sie mit Aetznairon blau. Die verwendeten Cubikcentimeter 
berechnet man nach den Tabellen, wenn man von der 
Säure nicht gerade das Gewicht von 1/,, Atom genom- 
men hat. 

Nach einer andern Methode bestimmt Mohr zugleich 
das absolute und specifische Gewicht der zu analysirenden 


28 Verbesserungen im Titrirverfahren. 


Flüssigkeit und zwar ohne Gefahr von Verdunstung und 
Verlust. 

Eine 40 C.C. Pipette, welche bis zu einem Striche 
mit destillirttem Wasser von 14°R. gefüll, davon genau 
AO Grm. fasst, wird mit einem einfachen Schlusse aus vul- 
kanisirtem Kautschuk versehen. Die Pipette hat unten 
eine weitere Röhre und oben einen engen Hals, in wel- 
chem der Strich ist. Ueber die enge Röhre wird ein 
dreiseitiges Metallblättchen geschoben mit einem Loche 
in der Mitte, welches auf der Anschwellung der Pipette 
sitzen bleibt. An den drei Enden der Blättchen wer- 
den messingene Elastiques befestigt, welche unten wieder 
ein gleich grosses Metallblättchen tragen, auf dem ein 
Stückchen Kautschuk angebracht ist. Dieser Apparat ist 
aufeiner genauen Waage tarirt und hängt an einer Schlinge. 
Die Flüssigkeit wird nun angesogen, bis an den Strich 
auslaufen gelassen, die Elastiques unter den Ausfluss der 
Pipette gespannt. Der Inhalt der Pipette wird mit Gram- 
men ausgewogen. Die erhaltene Zahl drückt das absolute 
Gewicht in Grammen und das specifische für Wasser = 
A0 aus. Man hat also das Komma eine Stelle links zu 
setzen, um das specifische Gewicht für Wasser = A zu 
haben. Die Pipette wird dann über das Glas gebracht, 
worin die Probe gemacht werden soll und man lässt sie 
darin ablaufen. 

Eine andere Methode, Säuren zu titriren, besteht in 
der Anwendung eines chlorsilberhaltigen Ammoniaks. Das 
chlorsilberhaltige Ammoniak ist genau auf die Probeklee- 
säure litrirt, so dass bei gleichen Volumen der letzte 
Tropfen Säure eine bleibende Trübung veranlasst. In jedem 
Falle muss die Saure zum Ammoniak und nicht umgekehrt 
gefügt werden, weil sonst von vornherein ein Niederschlag 
entstände, der sich erst bei bedeutender Uebersättigung 
mit Ammoniak lösen würde. 


Das Probeammoniak stellt man dar, indem man 470 C.C. 
flüssiges Ammoniak von 0,96 spec. Gew. in eine Literflasche 
bringt und darin etwas frisch bereitetes, noch feuchtes 
Chlorsilber auflöst, dann diese Flasche bis an den Strich 
mit destillirtem Wasser anfüll. Es muss jetzt geprüft 
werden. Man saugt 40 CC. heraus, bringt sie in eine 
Flasche und lässı aus der in Y,, €C.C. getheilten Pipette 
die Probekleesäure einfallen. War das Ammoniak zu stark, 
so hat man ausser den ersten 10 C.C. Säure noch einige 
Zehntel Säure verbraucht. So viel man im*Ganzen ver- 
braucht hat, so viel muss das übrige Ammoniak für jede 


Jodbestimmung. 29 


40 C.C. durch Verdünnung mit Wasser vermehrt werden. 
(Annal. der Chem. u. Pharm. 86. 2.) B 


Ueber Jodbestimmung 
hat R. Kersting Folgendes veröffentlicht. 


I. Joedbestimmung im Urin. 


Der beste Weg wurde gefunden in der Destillation 
mit Schwefelsäure. Als Apparat diente eine gläserne 
Retorte, deren Bauch gegen 300 C.C. Inhalt hat. Auf 
ihren Hals wird eine Glasröhre von 34 Zoll Weite und 
2 bis 3 Fuss Länge als Kühlrohr geschoben. Hals und 
Rohr müssen einen stumpfen Winkel mit abwärts geneigten 
Schenkeln bilden, so dass alles Flüssige im Halse nach 
der Retorte zurückfliesst. Das Kühlrohr wird am Retor- 
tenhalse mit Schweinsblase dicht umklebt und in seiner 
ganzen Länge mit Mousselin umwickelt, welcher zur Ab- 
kühlung mit einem Pinsel feucht erhalten wird. Ein Opo- 
deldocglas dient als Vorlage. 

Als wesentliches Material ist nöthig jodfreie englische 
Schwefelsäure. Von der ausreichenden Reinheit überzeugt 
man sich dadurch, dass man 40 CC. mit 10 C.C. Wasser 
mischt, 10 C.C. abdestillirt und mit Palladiumchlorür auf 
einen Niederschlag prüft. Hat man Urin mit geringem 
Jodgehalt, so übersättigt man ihn mit Kali und destillirt 
200 bis 250 C.C. bis auf einen Rest von 20 bis 40 C.C. 
ab; das Destillat enthält kein Jod. Zu dem abgekühlten 
Rest giesst man ohne Schütteln 20 C.C. englische Schwe- 
felsäure in die Retorte, fasst ihren Hals, taucht ihren 
Bauch unter kaltes Wasser und schwenkt ruhig hin und 
her, bis die beiden Schichten ohne starke Erhitzung ge- 
mischt sind. Rei stärkerem Jodgehalt mischt man direct 
50 bis 100 C.C. Urin mit 20 C.C. Schwefelsäure. Die 
Destillation geht über der Weingeistflamme leicht von 
Statten ohne Aufstossen. Die Destillation wird fortgesetzt, 
bis dass im Kühlrohre weisse Dämpfe von Schwefelsäure- 
hydrat sich zeigen. Das Destillat enthält Jodwasserstoff, 
alle flüchtigen Säuren des Urins, Kohlensäure, schweflige 
Säure und Schwefelsäure. 

Einrichtung des Destillats zur quantitativen Bestim- 
mung. Die schweflige Säure muss genau zu Schwefelsäure 
oxydirt werden. Dazu hat man drei Flüssigkeiten nötbig: 
i) Gesättigte Chlorkalklösung. 2) Wässerige Lösung von 
schwelliger Säure oder saurem schwelfligsaurem Natron. 
Man verdünnt 1 Th. der concentrirten Lösung mit 100 Th. 


30 Jodbestimmung. 


Wasser. 3) Stärkekleister, äus 4 Th. Stärke, !/,, englischer 
Schwefelsäure und 24 Wasser bereitet. 

Man setzt dem Destillat 4 bis 2 Tropfen Stärkekleister 
zu, tröpfelt darauf so lange Chlorkalklösung hinein, bis 
die Flüssigkeit eben blau erscheint, und vertreibt die blaue 
Färbung wieder durch 1 oder 2 Tropfen schwaches schwe- 
fligsaures Wasser. Die Flüssigkeit ist dann fertig zu der 
Maass- und Gewichtsbestimmung mit Chlorpalladium. 

Der von Osann in den »Annalen der Chemie und 
Pharmacie, Bd. XXIl S.166.« vorgeschlagene Weg zur Jod- 
bestimmung wird als unrichtig verworfen. Auch Rabour- 
din’s Vorschlag fand sich nicht probehaltig. 

Il. Maassbestimmung des Jods durch 
Palladiumchlorür. 

Voraussetzungen. — Wenn eine Jodmetallösung mit 

Ueberschuss von Palladiumchlorür und etwas Salzsäure 
bei 60—100° geschüttelt wird, so scheidet sich in wenigen 
Secunden Jodpalladium in schwarzen käsigen Flocken ab. 
Die überstehende Flüssigkeit erscheint völlig klar und 
farblos. Ist aber Jod im Ueberschuss, so erfolgt die Ab- 
scheidung viel langsamer und setzt sich zum Theil als 
schwarzer Ueberzug fest an die Gefässwandung. Wenn 
man 3C.C. einer Jodkaliumlösung, die Y/,90000 Jod enthält, 
mit 2 Tropfen Palladiumchlorürlösung von !/ı900 Palladium- 
gehalt mischt, so entsteht starke Bräunung und durch 
Schütteln in der Wärme ein schwarzer Niederschlag. 
1/,, Milligrm. Jod ward noch angezeigt. Bei einem Gehalt 
von !/|000000 Jod zeigt sich unter gleichen Verhältnissen 
noch eine schwache Bräunung, wenn man von oben in 
ein Reagensglas sieht. Das ist die Wirkung von 1/3900 
Milligramm Jod. 
Palladium enthält, wurden von 2 Tropfen Jodkaliumlösung 
(1000 Jod) stark braun gefärbt. Bei 1900000 Palladium 
bringen 2 Tropfen Jodlösung auch noch Braunung hervor, 
welche in einer Flüssigkeitsschicht von 2—3 Zoll Dicke 
noch gesehen werden kann. 

Die Schärfe der Reaction und die leichte und schnelle 
Abscheidung des Jodpalladiums bei richtiger Behandlung 
macht eine Maassbestimmung sowohl des Jods, als auch 
des Palladiums möglich, welche an Genauigkeit und Be- 
quemlichkeit mit der des Silbers und Chlors weltteifert. 

Material. Man bedarf drei Flüssigkeiten: 

N) Reine Jodkaliumlösung von genau 909 Jodgehalt. 
Be: wird durch directe Wägung und Lösung in Wasser 

ereitet. 


Jodbestimmung. 31 


2) Saure Palladiumchlorürlösung von !/379 Palladium- 
gehalt, welche man darstellt, indem man einen Theil in 
- Königswasser heiss löst, das Salz bei 100°C. zur Trockne 
eindampft, dazu 50 Th. concentrirte Salzsäure und 2000 Th. 
Wasser setzt. 

3) Die zu prüfende Jodlösung Hat man die Jodver- 
bindung trocken in passender Form, so löst man sie in 
wenig Wasser, bestimmt, wie nachstehend angegeben, den 
Jodgehalt annähernd, verdünnt damit die übrige Lösung 
zu etwa 1,000 Jodgehalt und bestimmt nun noch einmal 
genau. Ist jodhaltiger Urin zu analysiren, so wendet man 
das saure Destillat direct an. 

Arbeit. Die Fällung des Jodpalladiums und somit 
die Bestimmung des Jodgehaltes gelingt also am besten: 
In ein weisses Medicinglas, das 400 bis 200 C.C. Inhalt 
hat, giesst man A0 C.C. der Palladiumlösung, verkorkt 
leicht und stellt das Glas in einen Topf mit heissem Was- 
ser (60 bis 100°C.) Man giesst aus der Bürette Jodlösung 
zu, schüttelt und erwärmt einige Secunden. Von der kla- 
ren Flüssigkeit giesst man etwas in zwei farblose Reagens- 
gläschen ab, so dass beide etwa 2 Zoll hoch gefüllt sind. 
Wenn man nun dem einen Glase noch einige Tropfen 
Jodlösung zusetzt, so kann man durch Vergleichung mit 
dem andern gut sehen, ob sie noch Bräunung hervorbringt. 
Nach Gutdünken fügt man die nöthige Menge Jod zu, 
schüttet die Proben wieder in das erste Glas zurück, 
erwärmt, schüttelt, lässt absetzen, prüft wieder im Reagens- 
glase und fährt so fort, bis eine neue Menge Jod keine 
Färbung mehr erzeugt. Zuletzt prüft man eine filtrirte 
Probe und wenn diese weder von Palladium, noch von 
Jodlösung merklich gebräunt wird, so kann sie kaum 
1/1600000 Ueberschuss an einem dieser Stoffe enthalten. 
Eine solche Maassbestimmung konnte in 49—15 Minuten 
ausgeführt werden. Der Verfasser hielt ein ausgewasche- 
nes und gewogenes Filter bereit, in welchem er das Jod- 
palladium sammelte und zur Vergleichung dem Gewichte 
nach bestimmte. Gilt es, eine Palladiumbestimmung zu 
machen, etwa die zur genaueren Verdünnung der rohen 
Lösung No.2,, so fällt man 40 C.C. davon mit der Jod- 
lösung No.4. Jeder Cubikcentimeter der letztern entspricht 
0,42 Milligrm. Palladium. 

Gilt es, den Jodgehalt der Lösung No 3. zu bestimmen, 
so muss man genau titrirte Palladiumlösung No.2. anwen- 
den. Jeder Cubikcentimeter derselben entspricht A Milligrm. 
Jod. Aus der Menge der verbrauchten Jodlösung berech- 
net man den Jodgehalt der ganzen untersuchten Flüssigkeit. 


32 Jodbestimmung. 


Beimengungen, welche nicht stören. — Als solche 
zeigten sich: Verdtnnte Salzsäure, Schwefelsäure, Phos- 
phorsäure, Salpetersäure, Essigsäure; ferner die neutralen 
Kali-, Natron- und Ammoniaksalze dieser Säuren, ebenso 
Chlorcalcium, Chlorzink, Bleizucker; endlich folgende orga- 
nische Stoffe: Zucker, Harnsäure, das Destillat von Urin 
mit Schwefelsäure, Alkohol, Aether, Citronenöl, Stärke- 
kleister. Bromnatrium wirkte bei Gegenwart von Essig- 
säure ebenfalls nicht störend. Bei Gegenwart von freien 
Mineralsäuren und beim Erhitzen wurde Jodpalladium 
gelöst. Wenn daher Brommetall zugegen ist, so muss man 
die Palladiumlösung nach dem Abmessen mit Kali neutra- 
lisiren, mit Essigsäure schwach sauer machen und die 
Fällung in gewöhnlicher Temperatur vornehmen. 


Als störende Beimengungen zeigten sich: freie Alka- 
lien, welche Palladiumoxyd fällen, freies Chlor, Brom und 
Jod, Cyan, viel Salpetersäure in der Hitze, schweflige 
Säure. Diese Substanzen lösen Jodpalladium auf, verhin- 
dern also die Fällung. 

Fast alle diese Störungen lassen sich aber beseitigen. 
Die Alkalien sättigt man mit Schwefelsäure. Das freie 
Chlor, Brom und Jod wandelt man durch vorsichtigen 
Zusatz von wässeriger schwelliger Säure bei Gegenwart 
von 1—2 Tropfen Stärkekleister, wie in 1) beschrieben 
wurde, in Wasserstoffsäure um, und sättigt diese, bei gar 
zu grossem Ueberschuss, mit Kali. Schwellige Säure wird 
wiederum durch Chlorkalklösung und Salzsäure vorsichtig 
zu Schwefelsäure oxydirt. In den beiden letzten Fällen 
giebt Stärkekleister den Sättigungspunct genau an. Beginn 
der Blaufärbung ist Chlorüberschuss, Verschwinden der- 
selben bei Zusatz von schwelliger Säure ist Chlorsättigung. 


III. Maassbestimmung des Jods durch 
Quecksilberchlorid. 


Diese Methode ist eben so scharf und noch bequemer 
auszuführen, als die vorige. Sie kann aber in Gemengen 
nur selten Anwendung finden. 


Voraussetzungen. — A) Quecksilberchlorid ent- 
färbt blaue Jodstärke durch Bildung von Quecksilberjodid 
und Chlor. 

2) Wenn Jodwasserstoffsalze (Jodide) und Jodstärke ge- 
mischt sind, so zersetzt die Quecksilberchloridlösung zuerst 
die Salze und die Entfärbung der Jodstärke erfolgt zuletzt. 

3) Wenn die Lösung so verdünnt ist, dass sie nur 
1/0000 Jod enthält, so bleibt das gebildete Quecksilber- 


Jodbestimmung. 33 


jodid gelöst und die Entfärbung der Jodstärke erfolgt in 
klarer Flüssigkeit mit sehr scharfer Grenze. 

Aus diesen Erscheinungen geht hervor, dass die Menge 
der zur Entfärbung gebrauchten Quecksilberlösung das 
genaue Maass für den Jodgehalt der Flüssigkeit abgiebt. 

Material. — A) Reine Jodkaliumlösung von Y/g000 
Jodgehalt. Man löst 1,308 Grm. geglühtes Jodkalium ın 
Wassser zu 100 C.C. Flüssigkeit. Diese Lösung enthält 
oo Jod. Hiervon 10 C.C. mit Wasser gemischt zu 1000 
Cubikcentimetern giebt eine Lösung von !,go00 Jodgehalt. 

2) Bromwasser (mit Y/jg0o Brom). Das mit Bromüber- 
schuss geschüttelte Wasser enthält ungefähr 4, Brom. 
Dieses mit Wasser zu 50 Maass verdünnt, giebt Lösung 
von Yı60o Brom. Der Bromgehalt braucht keineswegs 
genau zu sein. 

3) Stärkekleister (mit 1/,, Stärke) wie oben bereitet. 

4) Quecksilberchloridlösung mit 1/,ooo HgCl. Man löst 
A Grm. des Salzes in 1000 Grm. Wasser warm auf. Die 
genaue Bestimmung geschieht mittelst der Jodkalium- 
lösung No. 1, 

5) Die zu prüfende Jodlösung. Hat man das Jod in 
passender Verbindung, so löst man diese in wenig Was- 
ser, bestimmt den Jodgehalt annähernd, verdünnt die 
Lösung zu etwa 1/oooo Jodgehalt und wiederholt die Be- 
stimmung mit genauer Grenze. _ 

Die Arbeit beginnt mit Ermittelung der Menge Subli- 
matlösung, welche 4 Gewichtstheil Jod sättigt. Man schüttet 
dazu 100 C.C. Jodlösung No.1,, d. i. 0,010 Grm. Jod in 
ein weisses Becherglas, das A—2 Liter Wasser fasst, setzt 
10 Tropfen Stärkekleister und 40 Tropfen Bromwasser zu. 
Die Flüssigkeit erscheint tiefblau. Nun giesst man bei 
stetem Schütteln der Jodlösung so lange Sublimatlösung 
aus der Bürette zu, bis die blaue Färbung vollkommen 
verschwunden ist. Die Zahl der verbrauchten Cubikcenti- 
meter entspricht einer Menge von 0.010 Grm. Jod. — Wenn 
man auf gleiche Weise die unbekannte Jodlösung No. 5. 
behandelt, so giebt das Maass der bekannten Sublimat- 
lösung den Jodgehalt an. 

Als Beimengungen, welche nicht stören, wurden durch 
eine Reihe von Versuchen folgende gefunden: Neutrales 
schwefelsaures, phosphorsaures, salpetersaures Natron, 
schwefelsaures Ammoniak, essigsaures Bleioxyd, concen- 
trirte Essigsäure, Zucker. 

Störend zeigten sich dagegen: Freie Mineralsäuren, 
Essigsäure und ihre Salze, wenn die Menge der letztern 
die des Jods um das Zwanzigfache überstiee. Salzsäure 


Arch,d, Pharm. CXXVIII. Bds. 1. Hft. 3 


3% Quantitative Bestimmung der Salpetersäure. 


und bromwasserstoflsaure Salze stören gleichfalls. (Ann. 
der Chem. u. Pharm. 87. 1.) B. 


Auffindung des Phosphors bei Vergiftungen. 


A. Lipowitz in Posen hat für die Fälle. wo ihn 
selbst das von Schacht /(Archw der Pharmacie, Bd.66. 
p.165.) angegebene Verfahren, den Phosphor bei damit 
Vergifteten aufzusuchen, im Stiche liess, die Eigenschaft 
des Schwefels, sich mit Phosphor. zu verbinden, welche noch 
auftritt, wenn auch nur 2 Proc. Phosphor gegen das Gewicht 
des Schwefels zugegen sind, benutzt, um denselben in 
Leichen nachzuweisen. Wenn sich der Phosphor aus dem 
zur Untersuchung Vorliegenden in Substanz nicht heraus- 
finden lässt, so säuert man das zu Untersuchende mit 
Schwefelsäure an und bringt es nebst einigen Brocken 
Schwefel in eine Retorte mit leicht anliegender Vorlage 
und versetzt es ins Kochen. Nach halbstündigem Kochen 
untersucht man das Destillat nach Schacht’s Angabe mit 
salpetersaurem Silberoxyd. Den hineingeworfenen Schwe- 
fel sucht man durch Schlammen vom Rückstande zu tren- 
nen und zu reinigen und kann durch Erwärmen desselben 
im Wasserbade oder durch Oxydation mit Salpetersäure 
die Gegenwart des Phosphors ın der kleinsten Quantität 
nachweisen; auch kann ein Stückchen davon, in eine Glas- 
röhre eingeschlossen, dem Gerichte mit dem Gutachten 
übergeben werden. (Poggd. Annal. 1853. No. 12. p. 600 
bis 606.) Mr. 


Neue Methode zur quantitativen Bestimmung 
der Salpetersäure. 


Martin befreit die auf Salpetersäure zu untersuchende 
Substanz durch Kochen mit Kali von vorhandenem Ammo- 
niak, bringt sie mit metallischem Zink zusammen in ein 
Glasgefäss, welches eine genügende Menge Wasser enthalt, 
und fügt nun nach und nach Salzsäure oder Schwefelsäure 
dazu. Die Salpetersäure soll vollständig in Ammoniak 
verwandelt werden, so dass die Methode schliesslich auf 
eine Ammoniakbestimmung hinausgeht. (Chem.-pharm. 
Oentrbl. 1854. No.4.) 


Bereitung von reinem Ralıhydrat. 


Erhitzt man Salpeter mit metallischem Kupfer zum 
Glühen, so wird die Salpetersäure vollständig zersetzt und 


Zinnyodür. 35 


man erhält ein Gemenge von reinem Kali mit Kupferoxyd. 
Auf diese Weise kann man sich zu analytischen Zwecken 
sehr bequem reines Kalihydrat bereiten, da es sehr leicht 
ist, sich vollkommen reinen Salpeter zu verschaffen. Auf 
1 Th. zerriebenen Salpeter nimmt man 2 bis 3 Th. Kupfer 
in Form von käuflichem Blech, von der Dünne, dass es 
sich mit der Scheere in kleine Stückchen zerschneiden 
lässt. Diese füllt man mit dem Salze in abwechselnden 
schmalen Schichten in einen eisernen Tiegel und setzt 
diesen bedeckt etwa 4 Stunde lang einer mässigen 
Rothglühhitze aus. Nach dem Erkalten wird die Masse 
mit Wasser behandelt, die Kalilauge in einen schmalen 
verschliessbaren Cylinder gegossen, vollkommen klären 
gelassen und dann von dem abgesetzten Kupferoxyd mit 
einem Heber klar abgezogen. Sie enthält keine Spur 
Kupfer aufgelöst. 

Am zweckmässigsten ist es aber, sich für diese Ope- 
ration einen kupfernen Tiegel machen zu lassen, um die 
Verunreinigungen mit Eisen zu vermeiden. 

Bei dem obigen Verhältniss von Salpeter und Kupfer 
wird letzteres zum Theil nur zu Oxydul oxydirt. Man 
kann es bei einer neuen Bereitung von Kali zum zweiten 
Male anwenden, indem man dann auf A Th. Salpeter A Th. 
von diesem Oxyd und 1 Th. metallisches Kupfer nimmt. 
Zuletzt kann man es, nach dem völligen Auswaschen, zur 
Bereitung von Kupfervitriol benutzen. (Ann. der Chem. u. 
Pharm. 1853.) B. 


Zinnjodür, 

Man erhält diese Verbindung in sehr schönen, glän- 
zenden Prismen von gelbrother Farbe, wenn man in einer 
unten zugeschmolzenen langen Glasröhre ziemlich concen- 
irirte Jodwasserstoffsäure mit Streifen von Stanniol Tage 
lang in gelindem Sieden erhält oder noch leichter, wenn 
man das Zinn mit der Säure ın ein starkes Glasrohr ein- 
schmilzt und dieses mit gehöriger Vorsicht in einem Oel- 
bade stundenlang einer Temperatur von 420, höchstens 
150° aussetzt. Nach dem Erkalten findet man die noch 
übrigen Zinnblätter mit den schönsten Krystallen bedeckt. 

Die Versuche sind in Wöhler’s Laboratorium von 
Dünhaupt gemacht. (Annal. der Chem. u. Pharm. O6; 3.) 


36 Niobsäure, Pelopsäure und Tantalsäure. 


Niobsäure, Pelopsäure und Tantalsäure. 


H. Rose, der früher die Unterschiede und Aehnlich- 
keiten der Niob-, Pelop- und Tantalsäure erforscht hat, 
aus welchen Forschungen hervorging, dass zwischen der 
Tantal- und Pelopsäure eine so grosse Aehnlichkeit statt 
findet, dass nur erst nach sehr sorgfältigen Untersuchungen 
deren Selbsständigkeit von ihm erkannt wurde; der 
ferner fand, dass die Niobsäure weit mehr, als die Tantal- 
säure, von der Pelopsäure verschieden sei, hat in Ver- 
bindung mit Weber diese Säuren der genausten Unter- 
suchung unterworfen, aus welcher hervorgeht, dass die 
Tantalsäure eine selbstständige Säure ist und wie man 
dieselbe frei von Wolframsäure und Zinnoxyd darstellen 


kann. — Es geht aber ferner daraus hervor, dass Niob- 
und Pelopsäure Verbindungen ein und desselben 
Metalls mit Sauerstoff sind. — Diese Säuren wer- 


den aus den verschiedenen Chloriden dargestellt. Das 
gelbe Chlorid darzustellen, welches bei seiner Zersetzung 
die Pelopsäure liefert, gelingt vollkommen, wenn man die 
Niobsäure folgenden von Weber festgestellten Bedin- 
gungen unterwirft: 

1) Es muss die Menge der Kohle, welche man aus 
Stärke und Zucker darstellt, wenigstens das Dreifache der 
angewandten Säure betragen. 

2) Es muss alle Feuchtigkeit aus dem Gemenge durch 
starkes Glühen in einer Kohlensäure -Atmosphäre entfernt 
werden. 

3) Die Kohlensäure muss, nachdem das Rohr erkaltet, 
vollständig von trocknem und von atmosphärischer Luft 
freiem Chlorgase verdrängt werden, und 

%) darf das Rohr nicht früher und nur langsam erhitzt 
werden, bis dasselbe gelblich-grün vom darin befindlichen 
Chlor erscheint. 

Nach H.Rose muss also das Pelopium aus der Reihe 
der Elemente gestrichen werden und die jetzt Pelopsäure 
bezeichnete Verbindung des Niobiums mit Sauerstoff würde 
nach ihm Niobsäure benannt werden; welche Bezeichnung 
die bis jetzt Niobsaure benannte Säure erhalten dürfte, 
wagt er noch nicht zu bestimmen, da seine Arbeiten noch 
nicht geschlossen und das Verhältniss des Sauerstoffes in 
beiden Säuren noch nicht genau festgesetzt ist. (Poggd. 
Annal. 1853. No. 11. p. 456 — 471.) . Mr. 


— re - 


Verbind. flücht. Oele mit zweifach schwefligs. Alkalien. 37 


Ueber Salpeter in wässerigen Ertracten. 


A. Frickhinger fand in einem 7 Jahre alten Exir. 
Hyoseyami Salpeter. In einem anderen frisch bereiteten 
Extracte derselben Pflanze war kein Salpeter vorhanden. 
Derselbe hält es für wahrscheinlich, dass der Salpeter 
sich in dem alten Extracte auch erst mit der Zeit gebil- 
det hatte, dass solcher also kein Bestandtheil des ursprüng- 
lichen Pflanzensaftes ist. 

Dass altes Extr. Cardui bened. viel Salpeter enthält, 
ist bekannt; Frickhinger fand aber auch den Salpeter 
in frischem Extracte von dieser Pflanze, welche auf einem 
gedüngten Boden gebaut war. 

In den alten Extracten beiderlei Pflanzen war kein 
freies Ammoniak zu entdecken, wohl aber Ammoniaksalze, 
deren Menge übrigens bei keinem bedeutender war, als 
in den frisch bereiteten Extracten. 


Beim Extr. Cardui bened. war eine verworrene Kry- 
stallmasse entstanden, welche überwiegend aus Salpeter- 
prismen, dann aus schwefelsaurem Kali und Gyps bestand. 
Beim Einäschern des Extractes wurde der Platintiegel 
stark angegriffen. Die Asche enthält ferner kohlensaures 
Kali, phosphorsaures Kali, Chlorkalium, Schwefelcalcium, 
Eisenoxyd. ( Wittst. Vierteljahrsch. Bd.2. Hft 4. 1853.) B. 


Verbindungen einiger flüchtigen Oele mit den zwei- 
fach schwefligsauren Alkalien. 


Cäsar Bertagini bemerkte bei der Untersuchung 
des Verhaltens des schwefligsauren Ammoniaks zu der 
Nitroverbindung, welche durch die Einwirkung rauchender 
Salpetersäure auf Bittermandelöl entsteht, dass diese Nitro- 
verbindung selbst in der Kälte mit dem schwelligsauren 
Salze eine wohl krystallisirte und bestimmte Verbindung 
bildet, und dass sie sich zu den anderen schwefligsauren 
Alkalien in derselben Weise verhält. Die vollständige 
Analogie in dem chemischen Verhalten dieser Nitrover- 
bindung und dem des Bittermandelöls leitete auf die Ver- 
muthung, dass auch dieses letztere krystallisirte Verbin- 
dungen mit den schwefligsauren Salzen bilden könne. Der 
Versuch bestätigte die Vermuthung und gab zu erkennen, 
dass sich diese Verbindungen leicht erhalten lassen. Ber- 
tagini fand noch, dass andere, dem Benzoylwasserstoffe 


38  Verbind. flücht. Oele mit zweifach schwefligs. Alkalien. 


analoge flüchtige Oele ähnliche Verbindungen bilden können. 
Es ergab sich, dass der Benzoylwasserstoff, der Anisyl- 
wasserstoff, der Cinnamylwasserstoff, der Cumylwasser- 
stoff, das Aldehyd der Oenanthylsäure und das der Caprin- 
saure fast unmittelbar und unter Wärmeentwickelung mit 
den schwelligsauren Salzen krystallisirte Verbindungen 
bilden. Keine solche Verbindungen geben das Lavendelöl, 
Anisöl, Sternanisöl, Sellerieöl, Copaivöl, Kümmelöl, Wachol- 
deröl, Corianderöl, Myrtenöl, Fenchelöl, Majoranöl, Sabi- 
naöl, Salbeiöl, Wintergreenöl, Ingweröl, Pomeranzenblüthöl, 
Petersilienöl, Melissenöl, Muscatnussöl, Pimentöl, Macisöl, 
Angelicaöl, Calmusöl, Pomeranzenöl, Rosenholzöl, Sassa- 
frasöl, Camillenöl, Cubebenöl, Thymianöl, Bergamottöl, 
Cederöl, Cajeputöl u. a. Eben so wenig verbindet sich 
mit den schwelligsauren Salzen das Furfurol, der Methyl- 
alkohol, die flüchtigen Flüssigkeiten, die sich ausserdem 
im rohen Holzgeist finden, das Kreosot, das Phenol, Ben- 
zen, der Benzo&äther, Butteräther, Oxaläther, Amylalkohol, 
das Chloroform, der Schwefelkohlenstoff, das Cymen und 
die verschiedenen Kohlenwasserstoffe, die sich in den 
Arten von Zimmtöl finden. 

Der Verfasser erinnert, dass die flüchtigen Oele, welche 
sich mit schwefligsauren Alkalien verbinden, sich sehr nahe 
stehen und der Analogie nach, welche sie in ihrem Ver- 
halten zum Aldehyd zeigen, als Aldehyde im weiteren 
Sinne betrachtet werden können. Er bediente sich des 
zweifach schwefligsauren Kali von 28— 300 des Baume- 
schen Aräometers, des zweifach schwefligsauren Natrons 
von 270 und des zweifach schwefligsauren Ammoniaks 
von 290. Um zu erkennen, ob ein flüchtiges Oel Verbin- 
dung mit den schwefligsauren Alkalien eingehe, brachte 
der Verfasser dasselbe mit den Lösungen jener Alkalien 
zusammen, schüttelte einige Minuten lang, wobei die Ver- 
bindung bereits schon eintrat, wenn Neigung vorhanden 
war. Entstand in der Kälte keine Verbindung, so ward 
die Flüssigkeit erwärmt und in gut verschlossene Röhren 
Monate lang sich selbst überlassen. Die Analyse geschah 
nach den gewöhnlichen Methoden, doch bot sie einige 
Schwierigkeiten dar, da es sich um Verbindungen han- 
delte, die durch die Wärme leicht zersetzt werden und 
viel schweflige Säure enthalten. Die schweflige Säure 
wurde in Schwefelsäure umgewandelt, indem die Verbin- 
dung in concentrirter Salpetersäure aufgelöst oder mit 
Salpeter und kohlensaurem Natron verbrannt ward. 

Vor der Beschreibung der einzelnen aldehydähnlichen 
Verbindungen mit den ‘zweifach schwefligsauren Alkalien, 


Verbind. flücht. Oele mit zweifach schwefligs. Alkalien. 39 


theilt der Verfasser noch einige andere Versuche mit, 
welche er über diese flüchtigen Oele angestellt hat. Er 
wollte prüfen, ob es noch andere Salze gebe, welche die 
Eigenschaft besitzen, mit den gedachten Oelen Verbindun- 
gen einzugehen. Als er in der Kälte und in der Wärme 
das Bittermandelöl, das Zimmtöl und das Kümmelöl mit 
concentrirten Lösungen von Borax, zweifach kohlensaurem 
Kali, zweifach kohlensaurem Natron, saurem äpfelsaurem 
Ammoniak, essigsaurem Kali, saurem weinsaurem Ammo- 
niak, zweifach oxalsaurem Kali, salpetersaurem Ammoniak 
und oxalsaurem Ammoniak behandelte, fand keine Ein- 
wirkung statt. 

Verbindungen des Benzoylwasserstoffs. — 
Wenn Bittermandelöl einige Augenblicke mit einer con- 
centrirten Lösung von zweifach schwefligsaurem Salze von 
Kali, Natron oder Ammoniak geschüttelt wird, so tritt 
Wärmeentwickelung ein und bei Anwendung der beiden 
ersteren Salze bilden sich sofort weisse krystallisirte Ver- 
bindungen, welche die Flüssigkeit erfüllen, während bei 
Anwendung des letzteren Salzes eine vollkommen klare 
und geruchlose Lösung entsteht. Die Lösung des flüch- 
tigen Oels in mit schwelliger Säure gesältigtem Wasser 
scheidet nichts Krystallisirtes ab. Lässt män aber die 
schwellige Säure nıcht auf das Bittermandelöl für sich, 
sondern auf dasselbe bei Gegenwart einer Alkalilösung 
einwirken, so zeigen sich augenblicklich dieselben Erschei- 
nungen, welche die zweifach schwefligsauren Alkalien 
hervorbringen; nicht so mit den zweifach schwefligsauren 
Erdsalzen. 

Benzoylwasserstoffundzweifachschweflig- 
saures Natron. — Wenn zu dem Bittermandelöl 3 bis 
4 Vol. einer concentrirten Lösung von zweifach schwellig- 
saurem Natron gefügt werden und geschüttelt wird, so bildet 
sich in der Flüssigkeit schnell eine krystallinische Masse, 
welche alles Bittermandelöl enthält. Die Krystalle werden 
von der Mutterlauge getrennt, getrocknet, und drei- bis vier- 
mal aus 50proc.Alkohol umkrystallisirt. Dieselben enthalten: 


LE ee 38,16 
Wasserstollt, N 3,70 
SCHWERTE RATEN EN, 14,72 
Natron ae: 14,15 
Sauerstofg sa:r.d e 29,27 
Die Formel soll sein: 100,00. 


N 370%, CHI APIRG IE ENAS20° 
Die Leichtigkeit, mit welcher das Bittermandelöl in 
diese Verbindung eingeht und wieder daraus erhalten 


40 Verbind. flücht. Oele mit zweifach schwefligs. Alkalien. 


werden kann, bietet ein ziemlich einfaches Mittel dar, das 
rohe Oel zu reinigen und die darin noch enthaltenen 
Nebenbestandtheile zu untersuchen. Zu diesem Zwecke 
schüttelt man das käufliche Bittermandelöl mit dem drei- 
bis vierfachen Volum einer Lösung von schwelfligsaurem 
Natron, sammelt die Krystallmasse nach einigen Stunden, 
trocknet sie auf einem porösen Steine und wäscht sie im 
Verdrängungsapparate mit kaltem Weingeist, der zuerst 
grünlich gelb, dann farblos abfliesst; nach nicht langer 
Zeit scheidet sich Blausäure aus. Man lässt dann die 
Krystalle von neuem trocknen, löst sie in der möglichst 
kleinen Menge kalten Wassers auf und zersetzt die warme 
Lösung nach dem Filtriren mit concentrirter kohlen- 
saurer Kalilösung. Benzoylwasserstoff sammelt sich an 
der Oberfläche, man braucht ihn nur abzugiessen und mit 
Chlorcalcium zu destilliren, um ihn rein zu erhalten. 

Die Mutterlauge enthält fast alle Blausäure und Ben- 
zo@säure aus dem rohen Oele. Der Weingeist enthält 
einen braunen, stechend und unangenehm riechenden 
Rückstand, der noch etwas Bittermandelöl und Blausäaure 
enthält. 

Benzoylwasserstoffundzweifachschweflig- 
saures Kali geben eine Verbindung, die aus verdünnter 
Lösung in schönen, rectangulären Blättchen krystallisirt. 

Verbindungen des Nitrobenzoylwasser- 
stoffs. — Die Verbindungen, welche der Nitrobenzoyl- 
wasserstoff in Berührung mit schwefligsauren Alkalien bil- 
det, sind es, die zur Entdeckung der anderen Verbindun- 
gen dieser Art führten und werden leicht erhalten durch 
Behandlung der Nitroverbindung mit schwefligsauren Sal- 
zen oder durch Zusammenbringen der Nitroverbindung 
mit Lösungen der Alkalien und Einleiten von schwellig- 
saurem Gas. 

Nitrobenzoylwasserstoff und zweifach 
schwefligsaures Ammoniak. — Der Nitrobenzoyl- 
wasserstoff ist nur äusserst wenig löslich in kaltem Was- 
ser, aber leicht löslich bei Gegenwart von schwefligsaurem 
Ammoniak, mit dem es eine krystallisirbare Verbindung 
giebt. Ihre Zusammensetzung drückt die Formel aus: 

C!*H!'N:S?O:3 oder NH?O,S?O',C!:H>NO° + 2 Ag. 

Nitrobenzoylwasserstoffund zweifach 
schwefligsaures Natron. — Wenn unter Erwärmung 
Nitrobenzoylwasserstoff in schwefligsaurem Natron gelöst 
wird, erhält man beim Erkalten eine in glänzenden gelben 
Blättern krystallisirte Substanz, welche durch mehrmaliges 
Auflösen in kochendem Wasser leicht gereinigt wird, 


Verbind. flücht. Oele mit zweifach schwefligs. Alkalien. 4 


Die Formel ist diese: NaO,S?O:,C1:H>NO° +11 Ag. 

Verbindungen des Salicylwasserstoffs. — 
Wenn die aus Salıcylwasserstoff und Alkalien entstehenden 
Verbindungen der Einwirkung schwefliger Säure unter- 
liegen, so bilden sich krystallisirte Verbindungen analog 
den vorhergehend beschriebenen. Sie können auch leicht 
so erhalten werden, dass man den Salicylwasserstoff in 
der Kälte mit schwelfligsauren Salzen schüttelt. 

Salicylwasserstoff und zweifach schweflig- 
saures Kali geben eine geruchlose weisse Krystall- 
masse. Das Product wird aus der alkoholischen Lösung 
umkrystallisirt. Leichter wird es gewonnen, wenn man 
salicyligsaures Kali in gewöhnlichem Weingeist in der 
Kalte lost, die Lösung auf 40 —50° erwärmt und einen 
Strom von schweiligsaurem Gas eintreten lässt, bis die 
gelbe Farbe verschwunden ist. Die erhaltenen Krystalle 
haben diese Zusammensetzung: 

DEU2KS520!° =K0,5:0, CH 0% -+-1.Ag 
Die Verbindung ist weiss und zart glänzend, riecht etwas 
nach Salicylwasserstoff. 

Salicylwasserstoffundzweifach schweflig- 
saures Natron geben eine weisse Krystallmasse; wird 
diese unter Erwärmen in der Mutterlauge wieder gelöst, 
so scheiden sich beim Erkalten schön glänzende Krystalle 
ab, von schwelligem Geruch und Geschmack. 

Salicylwasserstoffundzweifach schweflig- 
saures Ammoniak. — Eine concentrirte Lösung von 
schwelligsaurem Ammoniak löst stets ihr gleiches Volum 
Salicylwasserstoff. Nach einigen Stunden scheiden sich 
Krystalle ab; wird Wasser zugesetzt und erwärmt, so 
löst sich die Verbindung auf und scheidet sich in glan- 
zenden schwach gelblichen Nadeln aus, welche an der Luft 
zu einer gelben, zähen, bitter schmeckenden Substanz 
werden. 

Abkömmlinge des Salicylwasserstoffs und 
zweifach schwetligsaure Alkalien. — Das Chlor- 
salicyl, welches selbst in der Wärme in Wasser kaum 
löslich ist, löst sich leicht darin auf, wenn das letztere 
ein zweifach schweiligsaures Alkali enthält. Es bilden 
sich weisse glänzende Krystalle. Das Bromsalicyl ver- 
hält sich wie das Chlorsalicyl. Auch das Nitrosalicid 
giebt eine krystallinische Verbindung. (Fortsetzung folgt.) 


( Annal der Chem. u. Pharm. 85. 2.) B, 


42 Ueber das Kümmelöl. 


Ueber das Fkümmelöl. 

C. Völckel und Schweitzer haben schon früher 
nachgewiesen, dass das Kümmelöl aus einem Gemisch 
von einem sauerstoffhaltigen und einem sauerstofffreien 
Oele besteht. Das sauerstofffreie, Carven genannt, hat 
nach Schweitzer dieselbe Zusammensetzung wie Ter- 
pentinöl. Man erhält es durch Destillation des rohen 
Kümmelöls mit gepulvertem Aetzkali oder geschmolzenem 
Phosphorsäurehydrat. Das sauerstoffhaltige Oel wird da- 
durch in Carvacrol verändert. Völckel hat nun ver- 
sucht, das Carvol rein darzustellen. Das rohe Kümmelöl 
färbt sich bei dem Aufbewahren, herrührend von einer 
kleinen Menge einer flüchtigen Substanz, welche auch 
durch Alkalien leicht verändert wird. Um das Kümmelöl 
davon frei zu machen, setzte man die Hälfte des Volums 
einer alkoholischen Lösung von Aetzkali zu, erwärmte 
gelinde, schied das Oel mit Wasser ab und destillirte es 
mit Wasser. Als Rückstand blieb eine weiche harzartige 
gefärbte Substanz, von der Aetzkali nur wenig löste. 
Dieses so gereinigte Oel ist farblos, von angenehmerem, 
feinerem Geruch, als das rohe. Dieses Oel, mit Wasser 
von Alkohol gereinigt, über Chlorcalcium entwässert, 
beginnt bei 1750C. zu kochen, der Siedpunct steigt zuerst 
langsam und es destillirt der grössere Theil bis 2000 C. 
über. Von da steigt das Thermometer rasch auf 2250 C. 
der kleinere Theil geht bei 225— 2320 C. über. In der 
Retorte bleibt eine kleine Menge Oel, stark gefärbt und 
dickflüssig. 

Die Siedepuncte des sauerstofffreien und des sauer- 
stoffhaltigen liegen ziemlich weit von einander, nämlich 
1750 C. und 2250 C, so konnte eine Trennung durch 
Destillation versucht werden, welche auch gelang, indem 
zuerst das mittlere Destillat (200 — 2250 C.) umdestillirt 
ward, wobei ein Theil schon unter 2000 C. übergeht; 
ein anderer Theil zwischen 200 und 2250 C. und eine 
kleine Menge von 225 — 2300 C. Durch wiederholte 
Destillationen ward auf diese Weise das Destillat zerlegt. 
Beim gleichen Verfahren mit dem ersten Destillate (175 
bis 2000 C. Siedepunct) gelingt es durch viele Destilla- 
tionen, das Kümmel6l in zwei Hauptportionen zu trennen. 
Der grössere Theil des Kümmelöls destillirt alsdann voll- 
ständig von 175— 1780 C. über, der kleinere von 225 bis 
2300 C. Ausserdem wird noch eine kleine Menge Oel 
erhalten, dessen Siedepunct zwischen diesen liegt, das 
aber seiner geringen Menge halber sich durch Destillation 
nicht weiler zerlegen lässt, 


Ein neues fossiles Harz. 43 


Das von 175—1780 C. übergehende Oel hat einen 
dem Kümmelöl ähnlichen, aber viel angenehmeren, feine- 
ren Geruch. Spec. Gewicht = 0,861 bei 4 0C. Es besitzt 
die Eigenschaften des Carven; nach Schweitzer: 


berechnet gefunden 
„m — 
5 Aeq. Kohlenstoff ..... 375 83,24 88,08 
Me, Wassersioft.....- 50 11,76 11,87 
425 100,00. 


Das von 225— 2300 €. überdestillirende Oel, Carvol, 
besitzt einen dem vorigen ähnlichen Geruch. Es wird 
bei jeder Destillation in kleiner Menge verändert, stets 
bleibt eine kleine Menge gefärbtes, dickflüssiges Oel im 
Rückstande. Diese Veränderung des Carvols durch die 
Wärme ist die Ursache des steigenden Siedepunctes. Das 
Carvol ist schwer vollständig zu verbrennen, es bleibt ein 
wenig Kohle zurück. 

« ‘ berechnet gefunden 


I a aeg 
30 Aeg. Kohlenstoff....2250 80,00 80,04 80,17 80,22 
21 » Wasserstoff ... 262,5 9,33 90,45 9,54 9,38 
Bu wii Sanerstoff.”... 300 10,67 10,51 10,29 10,40 


28121,5 100,00 100,00 100,00 100,00. 

Es scheint, dass das Carvol schon durch blosses 
Erhitzen bis zum Kochen in geringer Menge in Carvacrol 
übergeht. Die oben angeführten Analysen des Carvols 
ergeben nämlich einen kleinen Ueberschuss an Kohlen- 
stoff, der sich leicht erklären lässt, wenn man die Bildung 
einer kleinen Menge Carvacrol bei der Destillation des 
Carvols annimmt. /(Annal der Ohem. u. Pharm. 85.2) B. 


Ein neues fossiles Harz, 


Dr. Mailet in Dublin hat dasselbe aus den Stein- 
gruben in der Nähe von Wigan erhalten als kleine runde 
schwarze Tropfen, in den kleinsten Splittern dunkelroth- 
braun und durchscheinend, spröde, von ziemlich glänzen- 
dem, muschligem Bruch, gepulvert von Zimmitfarbe, schwach 
harzig riechend. Spec. Gewicht = 1,136. Härte = 3. 

Auf Platinblech erhitzt, schwillt es an, entzündet sich, 
verbrennt wie Pech mit unangenehmem empyreumatischem 
Geruche und russender Flamme, hinterlässt wenig graue 
Asche. In einem geschlossenen Rohre erhitzt, zeigen sich 
Spuren von Wasser. Unter Schmelzung entstehen ölähn- 
liche übelriechende brenzliche Producte von gelbbrauner 
Farbe, welche destilliren und Kohle hinterlassen. 


kh Bestimmung der Essigsäure. 


Wasser, Alkohol, Aether, kaustische und kohlensaure 
Alkalien, auch verdünnte Säuren lösen es nicht auf; selbst 
starke Salpetersäure löst es nur langsam auf. Die Asche 
enthält: kohlensauren Kalk und Spur von Kieselsäure, 
Thonerde und Eisenoxyd. Zusammensetzung: 

77,15 Kohlenstoff 
9,08 Wasserstoff 
10,12 Sauerstoff 
3,68 Asche. 

Formel: C!°H’O. Man hat den Namen Skleretinit 
vorgeschlagen. [Anal der Ohem. u. Pharm. 80. 1.) B. 


Bestimmung der Essigsäure. 

Die Bestimmung der Essigsäure durch eine titrirte 
Lösung von reinem kohlensaurem Kali leidet nach Gre&- 
ville an dem Uebelstande, dass der Sättigungspunct keine 
wohl bestimmte Grenze bildet. Diese ist im Gegentheil 
so unsicher, dass Gr&ville, wenn er zwei Bestimmungen 
hinter einander mit derselben Säure und derselben Nor- 
malflüssigkeit machte, dennoch ganz verschiedene Resul- 
tate erlangte. Die Ursache dieser Divergenz beruht ganz 
allein in der entwickelten Kohlensäure. Dieses Gas, frei 
und in Lösung im Wasser befindlich, in demselben Augen- 
blick, wo die Sättigung statt findet, muss natürlicher 
Weise für seine eigene Rechnung auf das Lackmus wirken; 
die dadurch hervorgebrachte weinrothe Nuance, gemischt 
mit dem überschüssige Saure bezeichnenden Roth oder dem 
überschüssiges Alkali bezeichnenden Blau, lässt den wich- 
tigen Punct nicht treffen, Wollte man, um dies zu ver- 
meiden, die Flüssigkeit erhitzen oder die Saturation selbst 
in der Wärme vornehmen, so würde man hierbei in einen 
noch grösseren Fehler verfallen, ein beträchtlicher Theil 
der Essigsäure würde sich verflüchtigen und der Analyse 
entgehen. — Um jene Uebelstände zu vermeiden, schlägt 
Greville eine neue Normalflüssigkeit vor, nämlich eine 
titrirte Lösung von Zuckerkalk. 

Der in Zuckersyrup gelöste Kalk wurde allerdings 
schon von Peligot empfohlen, um bei Anwendung 
des Varrentrapp- Will'schen Verfahrens zur Bestimmung 
des Stickstoffs die Chlorwasserstoffsäure zu sätligen. 
Aber er hatte es nur für diesen besondern Fall empfoh- 
len, ohne die Aufmerksamkeit der Chemiker auf eine all- 
gemeine Anwendung desselben zur Saurebestimmung zu 
lenken. Das hat eben Gr&ville gethan. — Bei Bestim- 
mung der Essigsäure verfährt Greville folgendermaassen: 
Er macht zunächst auf die gewöhnliche Weise eine Lösung 


Quantitative Bestimmung des Gerbstoffs. 45 


von Kalk in Zuckersyrup und bestimmt ihre Stärke. 
Hierauf verdünnt er sie mit so viel Wasser, dass 5 Theil- 
striche der Bürelte 1 Theil wasserfreier Essigsäure ent- 
sprechen; es ist nicht nothwendig, die Lösung schwächer 
zu machen. Alsdann wägt er 50 Grm. der zu prüfenden 
Essigsäure ab, verdünnt sie und legt einige Stückchen 
Lackmuspapier hinein. Die Flüssigkeit aus der Bürette 
wird nun tropfenweise hinzuzegossen, bis das Lackmus 
plötzlich seine Farbe verändert und blau wird. Der Ueber- 
gang ist scharf markirt und ausserdem kann man die 
Reäction noch empfindlicher machen, indem man gegen 
das Ende ein Stückchen Curcumapapier hineinlegt, um die 
kleinste Menge Alkali zu erkennen — Diese Zuckerkalk- 
Normalllüssigkeit istnach Gr&ville der früher verwende- 
ten Lösung von kohlensaurem Kali unendlich vorzuziehen. 
Während man gezwungen ist, mit letzterer zwei Bestim- 
mungen zu machen und von beiden die Mitte zu nehmen, 
um nur ein annähernd richtiges Resultat zu erhalten, ge- 
nügt bei der neuen Normalflussigkeit eine einzige Bestim- 
mung; denn alle Operationen gaben die nämliche Zahl, 
das Resultat ist äusserst exact. (Journ. de Pharm. et de 
Chim. October 1853.) A.10% 


Quantitative Bestimmung des Gerbstoffs. 


Professor Dr. Fehling empfiehlt, nachdem er die 
früheren Verfahrungsarten mit Leim, thierischer Haut, 
Eisenoxydhydrat, Chinin, Thonerdehydrat u. s. w. geprüft 
und nicht hinreichend befunden, eine verdünnte Lö- 
sung eines guten Leimes anzuwenden und, worauf 
er besonders aufmerksam macht, die Flüssigkeiten kalt 
zusammenzubringen, denn nur hierdurch werde eine leichte 
und vollkommene Abscheidung bewirkt. — Es muss zuerst 
eine Leimlösung bereitet werden; hierzu löst der Verf. 
10 Grm. (Buxweiler) Leim durch Einweichen und Erwär- 
men in Wasser und verdünnt, bis das Ganze ein Liter 
beträgt. Zur Titrirung der Leimlösung löst er 0,2 Grm. 
bei 1000 C. getrocknete Gerbsäure in 1400 — 120 Grm. 
Wasser und setzt nun zur kalten Lösung so lange Leim- 
lösung, als noch ein Niederschlag entsteht, der sich leicht 
und schnell absetzt. — Aus der verbrauchten Menge Leim- 
lösung berechnet sich nun leicht der Gerbstoffgehalt der 
zu untersuchenden Substanz nach Procenten. Sind z.B. 
auf obige 0,2 Grm Gerbsäure 33 Cubikcentimeter Leim-. 
lösung verbraucht worden, so entsprechen je 165 Cubik- 
centimeter der verbrauchten Leimlösung 4 Grm. Gerb- 


k6 Schwammsäure. 


säure. — Zu bemerken ist aber noch, dass, da die Leim- 
Auflösung durch das Aufbewahren an Sättigungscapacität 
verliert, dieselbe immer frisch angewendet oder jedesmal 
von neuem bestimmt werden muss. — Die Ausziehung 
der zu untersuchenden Substanzen bewirkt der Verf. durch 
Deplacement in einer Glasröhre, auf welche er auch bei 
sehr harten Vegetabilien noch einen Druck anwendet, 
indem er eine Glasröhre auf das Rohr, worin sich die 
Substanz befindet, aufsetzt und mit Wasser füllt. Catechu 
und ähnliche Stoffe werden bloss durch Auskochen aus- 
gezogen. 
Nach dieser Methode des Verfassers sind 

in der Fichtenrinde... 5— 7 Proc. Gerbstoff 

„ alter Eichenrinde.. 9 

s.pesseren_  ,, ..12—10 = 

Spiegelrinde enthält .. 19 — 21 

Knoppern enthalten... 30 — 33 


Aleppo-Galläpfel..... 60 —66 ,„ » 
Chinesische Galläpfel. . 70 =) 5 
(Gewerbebl. aus Würtemb. 1853. No. 38. — Polyt. Centrbl. 
1853. No. 22. p. 1392 — 1396.) Mr. 
Schwammsäure. 


Boiley hat über die Schwammsäure einige Unter- 
suchungen angestellt: 

Clavarıa flava. — Er presste den Saft, wusch das 
Ausgepresste mit Wasser, und dampfte ab im Wasser- 
bade, übergoss das fast trockene Extract mit Weingeist, 
aus welchem sich Krystalle von Mannit abschieden. Der 
Saft ward mit destillirtem Wasser übergossen, heiss filtrirt, 
das Filtrat mit Weingeist versetzt, die stark saure wein- 
geistige Flüssigkeit mit Bleizucker zersetzt, der Nieder- 
schlag mit Schwefelwasserstoff zersetzt, filtrirt und im 
Wasserbade abgedampft und Krystalle erhalten, welche 
nach der Reinigung sich als Kleesäure verhielten. — 
Agaricus piperalus enthält nur Fumarsäure. — Agaricus 
muscarius. In diesem Schwamme ward mit vieler Wahr- 
scheinlichkeit die Gegenwart von Lichenstearinsäure nach- 
gewiesen. (Annal. der Chem. und Pharm. 86.1) B. 


Oxylizarinsäure (Purpurin). 
Schunk hat vor einiger Zeit die Vermuthung aus- 
gesprochen, dass die Oxylizarinsäure von Debus oder das 
Purpurin des Krapps ein Gemenge von Alizarin und einem 


Neue Reihe metallhaltiger organ. Körper. #7 


Harze sei. Debus widerlegt diese Ansicht; eine mittelst 
essigsauren Kupferoxyds gereinigte Oxylizarinsäure gab 
wiederum Resultate, die der Formel Cı°H°0s° + HO ent- 
sprechen. (Annal. der Chem. u. Pharm. Bd.86. 1853.) B. 


Eine neue Reihe metallhaltiger organischer Körper. 


E. Frankland hat seine Untersuchungen fortgesetzt 
über die organischen Körper, welche Metalle enthalten. 

Die wirksamen Kräfte, deren er sich bediente, waren: 
Wärme und Licht. In manchen Fällen kann jede von 
diesen angewendet werden, in andern bedingt nur Eine 
derselben die Bildung der gewünschten Verbindung, wäh- 
rend seltener die Mitwirkung beider für diesen Zweck 
nöthig zu sein scheint. Bei den Versuchen, bei welchen 
Wärme angewendet wurde, liess der Verf. die Substanzen 
in zugeschmolzenen Glasröhren von etwa 12 Zoll Länge, 
» bis 1 Zoll Durchmesser und etwa 4 Zoll Glasdicke auf 
einander einwirken. Um die gasförmigen Einwirkungs- 
producte in dem Zustande vollkommener Reinheit für die 
weitere Untersuchung zu erhalten, wurden die Röhren vor 
dem Zuschmelzen luftleer gemacht; sie wurden dann etwa 
zur Hälfte in ein Oelbad getaucht und auf die erforderliche 
Temperatur erwärmt. In den Fällen, wo der Einfluss des 
Lichtes angewendet wurde, waren die Röhren meistens 
durch einen 18zölligen parabolischen Hohlspiegel concen- 
trirten Sonnenstrahlen ausgesetzt, in dessen Focus die 
Röhren entweder geradezu oder, zur Absorption der 
Wärmestrahlen, mit einer Lösung von schwefelsaurem 
Kupferoxyd umgeben gebracht wurden. So konnten Wärme 
und Licht verstärkt vder vermindert werden, was sich als 
sehr nützlich zeigte. 

Einwirkung von Zinn auf Jodäthyl. — Wenn 
Jodäthyl und metallisches Zinn entweder der Einwirkung 
der Wärme oder des Lichtes ausgesetzt werden, so löst 
sich das Zinn allmälıg in der ätherischen Flüssigkeit, 
welche zuletzt zu einer Masse von beinahe farblosen Kry- 
stallen erstarrt. Diese Reaction wird am zweckmässigsten 
durch die Einwirkung des Lichtes bewerkstelligt und dabei 
ein Ueberschuss von Zinn in Form von fein zerschnittener 
Zinnfolie angewendet. Die Röhren mit diesem Inhalt 
müssen in die Nähe des Brennpunctes eines grossen para- 
bolischen Hohlspiegels gebracht und eine allzu starke 
Temperatur durch Eintauchen in Wasser oder schwefel- 
saure Kupferlösung verhütet werden. Sind die Sonnen- 


m 


48 Neue Reihe metallhaltiger organ. Körper. 


strahlen nicht durch einen Brennspiegel concentrirt, oder 
die Röhren nur dem diffusen Tageslichte ausgesetzt, so 
erhält man keine Krystalle und es ist dann eine Zeit von 
Wochen, selbst Monaten erforderlich, um gehörige che- 
mische Einwirkung statt finden zu lassen, die bei Anwen- 
dung des Hohlspiegels in wenigen sonnigen Tagen sich 
vollendet. Die Flüssigkeit nimmt allmälig eine strohgelbe 
Farbe an, aber das Festwerden wird möglichst lange ver- 
hindert; indem man die Temperatur um 20 bis 30° C. 
höher steigen lässt, als die der umgebenden Luft, so wird 
fast die ganze Menge des Jodäthyls mit dem Zinn vereinigt. 
Wenn Wärme an Stelle des Lichtes angewendet wird, so 
dürfen die Röhren nicht mehr als 4 Zoll im Durchmesser 
haben und, um Explosionen zu vermeiden, nur zum vierten 
Theil mit Zinn und Jodäthyl gefüllt sein; die Verbindung 
geht bei etwa 180°C. vor sich. Die Anwendung der 
Wärme ist deshalb viel weniger zweckmässig, als die des 
Lichtes. Die auf beide Arten erhaltenen Resultate sind 
identisch. 

Untersuchung der festen Producte. — Die 
feinen Enden der Röhren, in welchen die Einwirkung des 
Jodäthyls auf Zinn statt fand, wurden unter schwefel- 
kaliumhaltigem Wasser und einem mit derselben Flüssigkeit 
gefüllten Gefässe geöffnet, das krystallinische Product 
herausgenommen und nachdem es zum Zweck der Ver- 
jagung des unverbunden gebliebenen Jodäthyls während 
einiger Minuten schwach erwärmt worden war, mit Alkohol 
erhitzt, in welchem sich die Krystalle rasch auflösten und 
nur eine kleine Menge eines hellrothen Rückstandes liessen, 
der als Zinnjodür erkannt wurde. Die filtrirte Alkohol- 
lösung wurde dann im luftileeren Raume über Schwefelsäure 
verdunstet, wo sich balıl eine reichliche Menge langer nadel- 
förmiger Krystalle ausschied, welche mit ein wenig ver- 
dünntem Weingeist gewaschen und zwischen Flıesspapier 
gepresst und im Juftleeren Raume über Schwefelsäure 
getrocknet wurde. Die Zusammensetzung war: 

0 24 11,18 
H> b) 2,33 
Sn 58,82 27,40 
J 126,84 59,09 
i. 100,00. 
Formel C'H>Sn). 

Frankland nennt diese Verbindung Jod-Stannäthyl. 
Dasselbe krystallisirt in durchsichtigen, schwach strohgelb 
gefärbten Nadeln, welche gerade rectanguläre Prismen, 
oft von Ya Zoll Breite und 2--3 Zoll Länge, haben. Sie 


“ 
.. Neue Reihe metallhaltiyer organ. Körper. 49 


sind leicht löslich in Aether und in siedendem Alkohol, 
weniger in kaltem Alkohol und Wasser; die wässerige 
Lösung wird zersetzt beim Sieden, indem Stannäthyloxyd 
niedergeschlagen und Jodwasserstoff gebildet wird. Jod- 
Stannäthyl schmilzt bei 42° C. und siedet bei 240° unter 
theilweiser Zersetzung. Es besitzt einen eigenthümlich 
stechenden, dem Senföl etwas ähnlichen Geruch. 
Stannäthyloxyd.— In Berührung mit den Lösun- 
gen von Alkalien wird das Jod-Stannäthyl sofort zersetzt 
unter Bildung von Stannäthyloxyd und einem Jod-Alkali- 
metall. Zusammensetzung: 
Gt! 


24 25,05 

HS 5 5,22 

Sn 58,82 61,39 
) 8 8,34 
100,00. 


Stannäthyloxyd ist ein weisses amorphes Pulver, wel- 
ches grosse Aehnlichkeit mit Zinnoxyd hat, aber specifisch 
leichter ist; es riecht eigenthümlich, schwach ätherartig, 
schmeckt bitter, ist unlöslich in Wasser, Alkohol und 
Aether, löst sich aber leicht in verdünnten Säuren und 
Alkalien. Mit Säuren bildet es schwierig krystallisirbare 
Salze. 

Schwefel-Stannäthbyl. — Wenn man Schwefel- 
wasserstoff durch eine saure Lösung eines Salzes von 
Stannäthyloxyd leitet, entsteht ein weisser Niederschlag. 
Er bildet ein weisses amorphes Pulver, stechend ekelhaft 
wie starker Meerrettig riechend. 

Chlor-Stannäthyl, C:HSnCl, wird am besten dar- 
gestellt, indem man Stannäthyloxyd in verdünnter Salzsäure 
löst, nach dem Abdampfen bei gelinder Wärme oder im 
lufileeren Raume über Schwefelsäure bilden sich lange 
farblose Nadeln. Ist mit der Jodverbindung isomorph. 

Stannäthyl. — Wenn ein Streifen Zink in eine 
Lösung eines Stannäthylsalzes (am besten von Chlor-Stann- 
äthyl) getaucht wird, so bedeckt er sich rasch mit dicken 
oligen Tropfen von gelber Farbe, welche endlich vom 
untern Ende des Zinks abfliessen und sich auf dem Boden 
des Gefässes ansammeln. Die Bildung der ölartigen Flüssig- 
keit wird durch gelinde Wärme befördert. Das gelbe 
Oel, mit kaltem Wasser gewaschen, über Chlorcalcium 
getrocknet und analysirt, gab die Zusammensetzung von 


c 2 237,32 
H5 5 5,69 
Sn 5882 66,99 

100,00, 


Arch. d. Pharm. CXXVIIT, Bds. 1. Hft. & 


N | 


50 Neue Reihe metallhaltiger organ. Körper. 


Es bildet bei dem gewöhnlichen Luftdrucke eine dicke, 
schwere, ölige Flüssigkeit von gelber oder bräunlich-gelber 
Farbe und einem ausserordentlich stechenden Geruch, 
welcher dem der Verbindung desselben gleich, doch viel 
stärker ist. Es ist unlöslich in Wasser, löslich in Alkohol 
und Aether. Bei etwa 145° kommt es ins Sieden, metal- 
lisches Zinn wird abgeschieden und es destillirt eine 
farblose Flüssigkeit über von eigenthümlichem Geruch, 
die viel Zinn enthält und sich nicht mit Jod und Brom 
zu verbinden scheint. 

In Berührung mit der Luft zieht das Stannäthyl den 
Sauerstoff derselben rasch an und verwandelt es in ein 
weisses Pulver, welches alle Eigenschaften des Stannäthy]- 
oxyds zeigt. Die Chlor-, die Jod- und Bromverbindung 
bilden sich augenblicklich bei Einwirkung von Chlor, Jod 
oder Brom oder den Wasserstoffsäuren derselben auf 
Stannäthyl, die beiden erstern sind in jeder Beziehung 
identisch mit den oben erwähnten Salzen. Die Bromver- 
bindung, durch Zusatz einer alkoholischen Bromlösung zu 
einer alkoholischen Lösung von Stannäthyl, bis die Farbe 
nicht länger verschwand, dargestellt, schied sich in langen 
weissen Nadeln aus, von Ansehen und Eigenschaften dem 
Jod- und Chlor-Stannäthyl gleich. Zusammmensetzung: 


ce 24 14,30 
H5 5 2,98 
Sn 58,82 35,05 
Br 80 47,67 


167,52 100,00. 
Es zeigt sich also das Stannäthyl in seinen chemischen 
Eigenschaften den Radicalen vollkommen gleich, da es 
sich direct mit den elektronegativen Elementen vereinigt. 


Untersuchung der gasförmigen Producte, 
— Die procentische Zusammensetzung des Gasgemenges, 
welches bei Einwirkung der Hitze auf Jodäthyl und Zinn 
entsteht, ist nach verschiedenen Versuchen: 
Aethylwasserstoff.... 81,61 81,43 
Oelbildendes Gas.... 16,82 17,28 
Sticksio.— Zr... .: 159% 1,29 
100,00 100,00. 
Einwirkung von Zink auf Jodmethyl. — 
Wenn Jodmethyl und Zink in einer zugeschmolzenen 
Röhre einer Temperatur von etwa 150°C. ausgesetzt wer- 
den, löst sich das Zink allmälig auf unter Entwickelung 
eines Gases, während eine Masse weisser Krystalle und eine 
farblose leicht bewegliche, das Licht stark brechende 


Neue Reihe metallhaltiger organ. Körper. 51 


Flüssigkeit nach wenigen Stunden die Stelle der ursprüng- 
lich angewandten Substanzen einnehmen. 

Zinkmethyl besteht aus A At. Zink und A At. Methyl. 
Es vereinigt sich direct mit Sauerstoff, Chlor, Jod etc. und 
bildet nicht sehr beständige Verbindungen. Seine Affinität 
zum Sauerstoff ist sogar grösser, als die des Kaliums. 
In Berührung mit atmosphärischer Luft entzündet es sich 
sogleich, brennt mit prächtig grünlich-blauer Flamme und 
bildet weisse Wolken von Zinkoxyd; in Berührung mit 
reinem Sauerstoffgas brennt es mit Explosion und die 
Gegenwart einer kleinen Menge seines Dampfes in ent- 
zündlichen Gasen theilt diesen die Eigenschaft mit, sich 
in Sauerstoffgas von selbst zu entzünden. In Wasser 
gebracht, bewirkt das Zinkmethyl eine Zersetzung dessel- 
ben mit explosionartiger Heftigkeit und Entwickelung von 
Hitze und Licht. Wird diese Zersetzung gemässigt, so 
dass jede stärkere Temperaturerhöhung vermieden wird, 
so sind Zinkoxyd und Methylwasserstoff die einzigen Zer- 
setzungsproducte. Die ausserordentlich grosse Affinität 
des Zinkmethyls zu Sauerstoff, seine eigenthümliche Zu- 
sammensetzung und die Leichtigkeit, mit der es erhalten 
werden kann mit diesen Eigenschaften, werden es wohl zu 
Umwandlungen organischer Verbindungen anwenden lassen. 

Das Gasgemenge, als Zersetzung des Jodmethyls durch 
dasselbe Metall erhalten, bestand aus: 


Meihylio34D:2.159: 233% 50,20 
Methylwasserstoff....... 49,80 
100,00, . 2 


Dasjenige Gas, welches bei der Einwirkung von Was- 
ser auf die festen und flüssigen Producte der Zersetzung 
des Jodmethyls durch Zink entsteht, erwies sich als reiner 
Methylwasserstoff. 

Bei der Einwirkung von Zink auf Jodmethyl gehen 
also zwei von einander ganz verschiedene Zersetzungs- 
processe vor sich; bei Zersetzung des Jodmethyls durch Zink 
entsteht Zinkmethyl unter Bildung von Jodzink und Methyl. 

Einwirkung von Zink auf Jodäthyl. — Zink- 
äthyl. Dasselbe bildet sich unter denselben Umständen 
wie Zinkmethyl, indem man Jodäathyl an der Stelle von 
Jodmethyl anwendet; es ist eine farblose, durchsichtige 
Flüssigkeit, welche das Licht stark brieht und einen eigen- 
thümlichen, durchdringenden Geruch hat; es ist weniger 
flüchtig als Zinkmethyl und lässt sich nicht so leicht rein 
darstellen, da es eine kleine Quantität Aethylgas gelöst 
zurückhält; seine Affinitäten sind auch schwächer, als die 
des Zinkmethyls und es entzündet sich an der Luft von 


4* 


52 Neue Reihe metallhaltiger organ. Körper. 


selbst nur dann, wenn es in grössern Mengen derselben 
ausgesetzt wird. Lässt man es in Sauerstoff langsam 
absorbiren, so bildet es ein weisses amorphes Oxyd; es 
verbindet sich auch direct mit Jod, Chlor und Brom. In 
Berührung mit Wasser wird es sogleich in Zinkoxyd und 
Aethylwasserstoff zersetzt. 

Einwirkung von Zink auf Jodamyl. -- Zink- 
amyl entsteht, wenn Jodamyl durch Zink bei 180° C. zer- 
setzt wird. Sie ist eine farblose, durchsichtige Flüssigkeit, 
welche in Berührung mit der Luft raucht, ohne sich dabei 
von selbst zu entzünden; durch Wasser wird sıe zu Zink- 
oxyd mit Amylwasserstoff zersetzt. Formel: C!‘H!'Zn. 

Einwirkung von Quecksilber auf Jodmethyl 
im Lichte. — Jodmethyl, in Berührung mit metallischem 
Quecksilber dem Sonnenlicht ausgesetzt, färbt sich bald 
roth durch das Ausscheiden von Jod, nach einigen Stunden 
verschwindet diese Färbung und eine kleine Menge gelbes 
Jodquecksilber setzt sich unten in der Flüssigkeit ab. Bei 
Einwirkung des Sonnenlichtes während einiger Tage ver- 
mindert sich das Volum des Quecksilbers beträchtlich, es 
setzen sich weisse Krystalle an und es entsteht eine farb- 
lose krystallinische Masse, wenn die Einwirkung etwa eine 
Woche hindurch gedauert hat. Wird die Masse mit Aether 
behandelt, so löst sich die neue Verbindung auf, welche 
auf diese Art von dem metallischen Quecksilber und der 
kleinen Menge gleichzeitig gebildeten Jodquecksilbers ge- 
trennt werden kann. Es entwickelt sich bei der Krystallbil- 
dung nur wenig Gas. Beim freiwilligen Verdunsten gesteht 
die ätherische Lösung zu einer Masse kleiner farbloser kry- 
stallinischer Blättchen, welche diese Zusammensetzung 


zeigen: c? 12 3,51 
H3 3 0,88 
Hg 200 58,51 


I 196,84 37,10 
341,84 100,00. 

Diese Verbindung besteht also aus Jod und einer 
metallhaltigen organischen Substanz, die aus 4 At. Methyl 
und A At. Quecksilber zusammengesetzt ist. 

Jodquecksilbermethyl ist ein weisser fester Körper, 
welcher in kleinen perlmutterglänzenden Blättchen kry- 
stallisirt, die in Wasser unlöslich, in Alkohol ziemlich 
löslich, in Aether und in Jodmethyl leicht löslich sind. 
Bei gewöhnlicher Temperatur ist es nur wenig flüchtig, 
stösst einen schwachen, eigenthümlich unangenehmen Ge- 
ruch aus, welcher beim Einnehmen einen ekelerregenden 
Geschmack hinterlässt; bei 100° ist die Flüssigkeit weit 
beträchtlicher, bei 443° schmilzt es und sublimirt ohne 


Arrow-root von Portland, 53 


Zersetzung in glänzenden dünnen Blättchen. Mit fixen 
Alkalien und mit Ammoniak wird es in Quecksilbermethyl- 
oxyd verwandelt. | 

Eine entsprechende, Amyl enthaltende Verbindung 
wird, obwohl schwierig, unter ähnlichen Umständen erhalten. 

Frankland hat auch einige Versuche mit andern 
Metallen dargestellt und gefunden, dass die meisten fähig 
sind, mit Methyl, Aethyl und Amyl in Verbindung zu treten. 
Besonders gehen Arsen, Antimon, Chrom, Eisen, Mangan 
und Cadmium leicht Verbindungen ein. 

Stannäthyl, Zinkmethyl, Quecksilbermethyl sind voll- 
kommen analog dem Kakodyl. (Ann. der Chem. u. Pharm, 
85. 3) B. 


Ueber das Arrow-root von Portland. 

Nach Groves ist dieses Arrow-root das Satzmehl 
der Knollstöcke von Arum maculatum, welche in den 
Monaten Mai und Juni gesammelt werden. Die im Mai 
gesammelten sind nicht so ergiebig, wie die später gesam- 
melien. Der frische Knollstock ist ausserordentlich scharf 
und bringt beim Kauen ein höchst unangenehmes prickeln- 
des Gefühl im Munde hervor. Diese Schärfe geht beim 
Rösten nicht vollständig verloren. 

Lindley berichtet, die Knollstöcke verlören durch 
Kochen ihre Schärfe und seien dann essbar; aber Groves 
hat diese Anwendung nie beobachtet. Beim Vergleich des 
in Rede stehenden Satzmehles mit dem Bermuda Arrow- 
root fand Groves, dass ersteres keine so klare und steife 
Gallerte giebt wie letzteres; sie ist indess vollkommen 
geruch-, geschmack- und farblos. Unter dem Mikroskop 
betrachtet, haben die Körner eine unregelmässige sphä- 
rische Gestalt, und sind im Durchschnitt dünner, als die 
gewöhnliche Stärke. — Das Portland Arrow-root wird nur 
auf der Insel Portland gemacht, und zwar schon seit 
undenklichen Zeiten. Die Pflanze wurde wahrscheinlich 
wegen ihrer pfeilförmigen Blätter von den Einwohnern 
Arrow-root benannt, und vielleicht hat die Maranta arun- 
‚dinacea jenen Namen erst von dem früher bekannten 
Portland Arrow-root entlehnt*). (Pharm. Journ. a. Transaect. 
Aug. 1853.) ie: 


*) Man sieht, dass dieses Arrow-root die ehemals officinelle Fae- 
eula rad. Ari ist (cfr. Jüngken, corpus pharmaceutico-chymico-medi- 
cum. Ed.III. Frankof. ad Moen. 1732. p.673). In Slavonien ist 
die gedörrete Wurzel ein gewöhnliches Nahrungsmittel (Richard’s med. 
Bot. von Kunze und Kummer. 1824. p. 53.) Die Red, 


 — 


54 Harnstoffverbindungen etc. 


Ueber einige Harnstoffverbindungen und eine neue 
Methode zur Bestimmung von Kochsalz und 
Harnstoff ım Harn. 


J. v. Liebig weiset darauf hin, dass er bereits im 
Octoberhefie der Annalen 1851 einer Verbindung von 
Harnstoff mit Quecksilberoxyd erwähnt habe, welche in 
Gestalt eines weissen gelatinösen Niederschlags erhalten 
werde, wenn man eine Auflösung von Sublimat in eine 
mit Kalilauge alkalisch gemachte Harnstofflösung giesst. 
Werther habe schon früher beobachtet, dass Harnstoff 
mit Quecksilberchlorid eine in platten, perlglänzenden 
Säulen krystallisirende Verbindung eingeht, die nach Piria 
mit Kali einen weissen Niederschlag giebt, ähnlich dem 
Amidquecksilber, explodirend beim Erhitzen. | 


Liebig hat drei Verbindungen des Harnstoffs mit 
Quecksilberoxyd erhalten, wovon eine später auch von 
Dessaignes beschrieben worden, welche direct erhalten 
wird, die andern aber werden durch Fällung einer alka- 
lischen Harnstofflösung mit Sublimat oder salpetersaurem 
Quecksilberoxyd dargestellt. 


+ 

A. Harnstoff-Quecksilberoxyd 2HgO + a (U=1Aeg. 
Harnstoff), — Wenn man in eine warme Harnstofflösung 
mit Wasser aufgeschlämmtes Quecksilberoxyd bringt, so 
lösen sich die ersten Portionen vollkommen auf, ein Ueber- 
schuss von Quecksilberoxyd verwandelt sich darin allmälig 
in ein weisses oder gelblich- weisses Pulver. Nach dem 
Trocknen im luftleeren Raume ist die Farbe desselben 
schwach gelb; wird es trocken in einer Röhre erhitzt, so 
zerlegt sich. die Verbindung ohne zu verpuffen, es ent- 
wickelt sich Ammoniak, dann sublimirt metallisches Queck- 
silber auf, es bleibt ein gelber Rückstand von Mellon, der 
erst beim Glühen unter Entwickelung von Cyangas ver- 
‚schwindet. Im feuchten Zustande verknistert es unter den- 
selben Umständen, man beobachtet einen dunkeln Funken 
von grünem Lichte. Liebig hat durch Digestion des 
Quecksilberoxyds mit einer Harnstofflösung im Wasserbade 
die Verbindung nie ganz frei von cyansaurem Quecksilber- 
oxyd oder Oxydul erhalten können, dabei tritt stets eine 
schwache, aber deutliche Ammoniak - Entwickelung auf, 
Das gebildete gelblich-weisse Pulver löst sich in diesem 
Falle in Blausaure und Salzsäure mit Hinterlassung eines 
schwarzen Rückstandes von metallischem Quecksilber und 
mit schwacher Gasentwickelung auf und diese Lösung 
entwickelt mit Kalkmilch versetzt Ammoniak Dieses ist 


Harnstoffverbindungen ete. 55 


der Charakter der cyansauren Salze. In 100 Harnstoff- 
Quecksilberoxyd fanden sich: 


Quecksilberoxyd........ 81,09 
Haruston. oe 21,45 
102,54. 


Die Gewichtszunahme über 2} Proc. scheint die For- 
mel von Dessaignes zu bestätigen, wonach durch die 
Aufnahme von Quecksilberoxyd in dieser Verbindung 1 Aegq. 
Wasser austritt. 


B. Harnstoff- Quecksilberoxyd 3HgO + U. — Wenn 
einer Harnstofflösung Kalilauge zugesetzt und damit eine 
Sublimatlösung mit erneuertem Zusatz von Kalilauge ge- 
mischt wird, so dass die Flüssigkeit stets alkalisch bleibt, 
so erhalt man einen dicken gelatinösen, schneeweissen 
Niederschlag, welcher nach dem vollkommenen Auswaschen 
noch feucht in siedendes Wasser gebracht, zu einem san- 
digen, körnigen Pulver von gelber oder gelbweisser Farbe 
wird. Das Wasser nimmt hierbei eine alkalische Reaction 
an und empfängt einen Gehalt von Harnstoff. Nach dem 
Trocknen ist das Pulver röthlich-gelb, es zersetzt sich in 
einer engen Glasröhre unter Knistern, in feuchtem Zustande 
oft unter Explosion; im Dunkeln leuchtet die Substanz 
bei dieser Zersetzung und man bemerkt schön grün gefärbte 
Funken, es entwickelt sich dabei Wasser, kohlensaures 
Ammoniak und es sublimirt metallisches Quecksilber mei- 
stens ohne allen Rückstand von Meilon; die Verbindung 
löst sich ohne Aufbrausen in Blausäure und Salzsäure auf, 
Alkalien bewirken in letzterer Lösung einen weissgelben 
Niederschlag. Die Analyse ergab: 


Quecksilberoxyd........ 324 84,37 
Härnstoff.............- 60 15,63 
384 100,00. 


C. Harnstoff- Quecksilberoxyd 4HgO + Ü. — Wenn 
man anstatt einer Sublimatlösung eine salpetersaure Queck- 
silberlösung mit einer alkalischen Harnstofflösung fällt, so 
erhält man einen weissen, etwas minder gelatinösen Nieder- 
schlag, der in kochendem Wasser ebenfalls diese Beschaf- 
fenheit verliert und zum sandigen Pulver zusammenfällt. 
Eine deutliche krystallinische Beschaffenheit war nicht zu 
sehen. Zusammensetzung: 


4 Aeq. Quecksilberoxyd ...... 432 87,804 
4.13, Harnstoff 8 60 12.196 


492 100,00, 


56 Harnstoffverbindungen ele. 


Silberoxyd-Harnstoff. — Wenn frisch nieder- 
geschlagenes Sılberoxyd in feuchtem Zustande in eine 
Harnstofflösung gebracht und 40—80° warm gestellt wird, 
so ändert nach einer oder zwei Stunden das Silberoxyd seine 
Farbe, es scheint von einem Puncte aus aufzuschwellen, 
wird heller, grau und körnig; wenn die Masse eine gleich- 
förmige Farbe angenommen hat und man etwas davon 
unter das Mikroskop bringt, so sieht man, dass das Pulver 
aus durchsichtigen, ziemlich regelmässigen kaum gefärbten 
prismatischen Krystallen besteht. Die Verbindung löst 
sich leicht und ohne Gasentwickelung in Salpetersäure, 
schwer in Ammoniak; sie verglimmt an einer Stelle, mit 
einem glühenden Körper berührt, unter starker Ammoniak- 
Entwickelung zu einer dunkel gefarbten zusammenhängen- 
den Masse, welche jetzt mit Säuren aufbraust und mit 
Salpetersäure neben Kohlensäuregas, Stickoxydgas oder 
salpetrige Säure entwickelt. Wird die verglimmte Masse 
in einer Röhre erhitzt, so nimmt man den starken Geruch 
der Cyansäure wahr und es sublimirt ein weisser Körper 
mit den Eigenschaften des Cyamelids. Die Harnstoffver- 
bindung wird bei dem ersten Verglimmen in ein Gemenge 
von metallischem Silber mit cyansaurem Silberoxyd ver- 
wandelt. Bei dem Erhitzen in der Röhre entsteht eine 
zweite Feuerscheinung, das cyansaure Silberoxyd zerlegt 
sich, ein Theil des Cyans entweicht als Cyansäure, eine 
andere Portion bleibt bei dem Silber zurück; es bleibt in 
der That, wenn der Rückstand mit Salpetersäure gekocht 
wird, ein Gemenge von weissem Cyansılber und braunem 
Paracyansilber zurück. Zusammensetzung: 


3iAeg. Silberoxyd..n21 2a et: 384 85,29 

iv Barnstolle Anker 60 14,71 

408 100,00. 
Salpetersaurer Quecksilberoxyd-Harn- 
stoff — Wenn man einer Harnstoff-Auflösung eine Lösung 


von salpetersaurem Quecksilberoxyd zusetzt, so entsteht 
sogleich ein schneeweisser flockiger Niederschlag, welcher 
Harnstoff. Quecksilberoxyd und Salpetersäure enthält. Je 
nach dem Verhältnisse, ın welchem die beiden Lösungen 
vermischt werden oder dem Säuregehalt des Quecksilber- 
salzes entstehen drei Verbindungen oder Gemenge der- 
selben, die sich durch ihren Gehalt von Quecksilberoxyd 
unterscheiden 

Diese drei Verbindungen besitzen die folgenden gemein- 
schaftlichen Eigenschaften: sie liefern mit Kupferoxyd ver- 
brannt ein Gasgemenge, worin sich Stickgas und Kohlen- 


Harnstoffverbindungen ele. 57 


säuregas in dem Verhältnisse wie 3 zu 2 Vol. befinden, 
dieses ist das nämliche Verhältniss, wie im salpetersauren 
Harnstoff. Wird mit Schwefelwasserstoff das Quecksilber- 
oxyd entfernt, so bleibt in der davon abfiltrirten Flussig- 
keit reiner salpetersaurer Harnstoff, der bis auf den letzten 
Tropfen krystallisirt. Diese Verbindungen unterscheiden 
sich demnach nur durch einen ungleichen Gehalt an Queck- 
silberoxyd; sie lösen sich ohne Rückstand in Blausäure 
und heisser Salpetersäure; in der salpetersauren Lösung 
bringt Kalı einen weissen Niederschlag hervor. Wenn sie 
trocken längere Zeit in einem Luftstrome erhitzt werden, 
entsteht Zersetzung, sie nehmen eine gelbliche Farbe an 
und ihre salpetersaure Lösung giebt jetzt mit Kali einen 
gelblichen Niederschlag. 


=E 

A. NO5,U-+4HgO. — Wenn man die Harnstofflösung 

mit der Quecksilberlösung sehr verdünnt und warm mischt, 

und den entstehenden Niederschlag in der Flüssigkeit 

stehen lässt, so fällt er ziemlich schnell zu einem schwe- 

ren weissen Pulver zusammen, welches unter dem Mikros- 

kope die Form von runden Körnern zeigt, die aus sehr 

kleinen concentrisch gruppirten Nadeln bestehen. Zusam- 
mensetzung: 


1 Aeq. Salpetersäure ........... 54 9,90 
A arBernstolts.z... acerieiek 60 10,98 
4 »  Quecksilberoxyd........ 432 79,12 

546 100,00. 


B. NOS, Ü + 2HgO. — Wenn eine Auflösung von 
krystallisirtem salpetersaurem Harnstoff in eine mit etwas 
Salpetersäure versetzte mässig verdünnte Lösung von sal- 
petersaurem Quecksilberoxyd gegossen wird, bis eine 
schwache Trübung sich zeigt, die nicht wieder verschwin- 
det, dann abfiltrirt wird, so scheiden sich feste, harte 
Krusten ab, bestehend aus einer Zusammenhäufung von 
rechtwinkligen, glänzenden, durchsichtigen kleinen Tafeln. 
Zusammensetzung: 


1 Aeq. Salpetersäure.........- 54 16,37 
en , Harnstoll ar See 2, 60 18,18 
2 » Quecksilberoxyd....... 216 65,45 

330 100,00. 


c. NOs,Ü + 3HgO. — Wenn man einer Harnstoff- 
lösung eine verdünnte Lösung von salpetersaurem Queck- 
silberoxyd zusetzt, bis sich noch ein Niederschlag bildet, 
und den weissen Brei an einem 40 — 50° warmen Orte 
sich selbst überlässt, so entstehen sechsseitige, durch- 


58 Harnstoffverbindungen ete. 


sichtige Blättchen, unter denen man mit dem Mikroskope 
rundliche Körner der erstern und einzelne quadratische Tafeln 
der andern Verbindung bemerkt. Die Verbindung hat sich 
nicht ganz rein von diesen Beimischungen erhalten lassen. 

Quantitative Bestimmung des Chlors in 
neutralen Flüssigkeiten vermittelst sälpeter- 
sauren Quecksilberoxyds. — Salpetersaures Queck- 
silberoxyd bringt in einer Harnstofflösung sogleich einen 
dicken weissen Niederschlag hervor, diese Fällung findet 
nicht statt durch eine Sublimatlösung. Wenn man eine 
Chlorverbindung der Alkalimetalle mit salpetersaurem 
Quecksilberoxyd vermischt, so setzen sich diese Salze um 
in Sublimat und in ein salpetersaures Salz der alkalischen 
Base. Eine gesättigte Lösung von Kochsalz mit einer 
concentrirten Lösung von salpetersaurem Quecksilberoxyd 
vermischt, erstarrt zu einer blättrigen Masse von Queck- 
silberchlorid. 

Versetzt man eine Harnstofflösung mit Kochsalz und 
giesst langsam in kleinen Portionen eine verdünnte Lösung 
von salpetersaurem Quecksilberoxyd hinzu, so ensteht an 
dem Orte, wo beide Flüssigkeiten sich berühren, eine 
weisse Trübung, die aber beim Umschütteln sogleich wie- 
der verschwindet, so dass die Flüssigkeit so hell und 
durchsichtig ist wie zuvor; ohne das Kochsalz würde die- 
selbe bleibend trüb geblieben sein. Dies dauert so lange, 
bis das zugefügte salpetersaure Quecksilberoxyd genau 
hinreicht, das Kochsalz ın Sublimat umzusetzen; über 
diese Grenze hinaus bringt ein einziger Tropfen des Queck- 
silbersalzes eine blendend weisse Trübung hervor. Es ist 
nach diesem Verhalten einleuchtend: wenn man die Queck- 
silbermenge in der Lösung des salpetersauren Quecksilber- 
oxyds kennt, welche man einer kochsalzhaltigen Harn- 
stofflösung von unbekanntem Gehalt an Kochsalz bis zur 
Entstehung des bleibenden Niederschlags zugesetzt hat, so 
weiss man damit den Chlor- oder Kochsalzgehalt dieser 
Lösung, 1 Aeq. Quecksilber in der verbrauchten Lösung 
entspricht genau A Aeq. Chlor- oder Kochsalz. Kennt 
man umgekehrt den Kochsalzgehalt der Harnstofflösung 
und ist der Quecksilbergehalt der Lösung unbekannt, so 
lässt sich mit Leichtigkeit der Quecksilbergehalt der ver- 
brauchten Lösung berechnen. 

Dieses Verfahren zur Bestimmung des Kochsalzgehalts 
eignet sich ganz besonders für den Harn, da man diesem 
keinen Harnstoff zuzusetzen braucht; es kann, wie sich 
von selbst versteht, zur Bestimmung des Chlorgehalts 
einer Salzsäure oder des Meerwassers überhaupt da, wo 


Harnstoffverbindungen ete. 59 


man eine grössere Anzahl von dergleichen Bestimmungen 
in kürzester Zeit zu machen hat, mit Vortheil angewendet 
werden. Für diejenigen Fälle, in denen das Kochsalz 
nicht im Harn, sondern in andern netitralen Flüssigkeiten 
zu bestimmen ist, muss die folgende Methode in einigen 
Purcten geändert werden. 

Bereitung des salpetersauren Quecksilber- 
oxyds. — Man übergiesst 1 Th. reines Quecksilber mit 
5 Th. Salpetersäure von 1,425 specif. Gewicht in ein 
Becherglas, setzt dasselbe in ein Sandbad, erhitzt es unter 
häufigem Zusatz einiger Tropfen Salpetersäure, bis keine 
rothen Dämpfe mehr entweichen und ein Tropfen mit 
Kochsalzlösung sich nicht mehr trübt, dampft die Lösung 
im Wasserbade bis zur Syrupsconsistenz ab. 

Um diese Quecksilberlösung zur Kochsalzbestimmung 
zu verwenden, muss sie titrirt, d.h. auf einen bestimmten 
Gehalt von Oxydsalz gebracht werden. Dieses kann auf 
zweierlei Weise geschehen. Man titrirt sie entweder direct 
mit einer Lösung von reinem Kochsalz von bestimmtem 
Gehalt, oder man bestimmt den Gehalt an Quecksilberoxyd 
und verdünnt sie sodann mit so viel Wasser, dass 1 Cubik- 
centimeter der verdünnten Quecksilberoxydlösung genau 
40 Milligrm. Kochsalz anzeigt. Für beide Verfahrungs- 
weisen bedarf man einer Kochsalzlösung von bestimmtem 
Gehalt an Kochsalz. 

Wenn man reines durchsichtiges Steinsalz von groben 
Stücken mit Wasser übergiesst, so löst sich bei 12—24 °R. 
und wenn die Flüssigkeit unter häufigem Umschütteln 
24 Stunden stehen gelassen wird, eine unveränderliche 
Menge Salz auf. 10 Cubikcentimeter dieser klar filtrirten 
Lösung enthalten, ohne dass man eine Wägung vorzu- 
nehmen hat, ein bestimmtes nicht wechselndes Gewicht 
Kochsalz. 

In Uebereinstimmung mit Fuchs und Fehling fand 
Liebig in 10 C.€. gesättigter Kochsalzlösung im Mittel 
3,182 Grm. Kochsalz. Wenn man daher 20 C.C. bei 
gewöhnlicher Temperatur gesättigter Kochsalzlösung mit- 
telst einer Pipette genau abmisst (den an der Spitze der 
Pipette hängenden Tropfen nicht abgeblasen) und mit 
298,# C.C. Wasser mischt, so hat man: 


a u NR 318,4 C.C. verdünnte Kochsalzlösung 


and darin 2>< 318,4 Milligrm. Kochsalz. In 10C.C. die- 
ser Lösung sind demnach enthalten 200 Milligrm. Kochsalz. 

Darstellung der Probeflüssigkeit für die 
Kochsalzbestimmung. — Man misst mit einer kleinen 


60 Harnstoffverbindungen etc. 


Pipette, welche bis an den Strich in der engen Röhre 
genau 40 C.C. Flüssigkeit fasst, 40 C.C. der Kochsalz- 
lösung ab, lässt dieselbe in ein kleines Becherglas fliessen 
und setzt 3 C C. einer Harnstofflösung zu, die in 100 C.C. 
k Grm. Harnstoff, in 4 C.C. demnach 40 Milligrm Harnstoff 
enthalt. Man füllt jetzt die verdünnte Quecksilberlösung, 
welche titrirt werden soll, in ein Tropfglas, bemerkt sich 
den Stand derselben, und giesst sie tropfenweise in die 
mit Harnstoff wersetzte Kochsalzlösung, welche man in 
eine rotirende Bewegung versetzt; sobald in der Flüssigkeit 
ein deutlicher Niederschlag bleibend entsteht, ist die Probe 
fertig. — Wenn man für 10 C.C. Kochsalzlösung 7,8 C.C. 
Quecksilberlösung bis zum Eintreten eines Niederschlags 
verbraucht hat, so ist diese zu concentrirt, um eine genaue 
Titrirung zuzulassen, man verdünnt sie mit ihrem gleichen 
Volumen Wasser und macht die Probe zum zweiten Mal. 
Angenommen, man habe jetzt für 10 C.C. der mit Harn- 
stoff versetzten Kochsalzlösung bis zur Bildung einer Trü- 
bung 15,5 C.C. Quecksilberlösung nöthig gehabt, so setzt 
man jetzt zu je 155 Vol. dieser Quecksilberlösung 45 Vol. 
Wasser zu, wodurch man 200 Vol. einer Quecksilberlösung 
erhält, von der 20 C.C. genau 200 Milligrm. Kochsalz 
oder 4 C.C. 40 Milligrm. Kochsalz anzeigen. Verbraucht 
man in der ersten Probe für 10 C.C. Kochsalzlösung 
2,7 C.C. Quecksilberlösung, so setzt man dieser vor der 
definitiven Titrirung die fünf- bis sechsfache Menge Wasser 
zu. Die Quecksilberlösung, die man titriren will, darf 
nicht allzuweit in ihrer Concentration von dem Gehalt 
entfernt sein, den man ihr geben will. Durch einen Con- 
troleversuch wird die Richtigkeit der Abmessungen ge- 
prüft; den Grad der Trübung, den man bleibend erhält, 
wenn man zu A0C.C. der harnstoffhaltigen Kochsalzlösung 
20 C.C. der Probeflüssigkeit zugemischt hat, muss man 
bei den eigentlichen Bestimmungen im Auge behalten. 
Darin, dass man bei der Anwendung dieser Probeflüssig- 
keit zu den quantitativen Bestimmungen des Kochsalzes 
mehr Quecksilberlösung hinzusetzt, wodurch die Trübung 
stärker, oder weniger, wodurch sie schwächer wird, liegt 
eine Fehlerquelle, die man bei einiger Uebung leicht 
beseitigt. — Diese Probeflüssigkeit ist für die Fälle berech- 
net, in denen man ausser Chlormetallen keine fremden 
Salze und keinen Ueberschuss von Harnstoff in Lösung 
hat; sie giebt aber einen kleinen Fehler bei der Anwen- 
dung zur Bestimmung des Kochsalzes im Harn. Diesem 
Fehler wird vorgebeugt, wenn man den 10 C.C. Kochsalz- 
lösung, welche mit 3 C,C. Harnstofflösung versetzt sind, 


Harnstoffverbindungen etc. 61 


5 C.C. einer kalt gesättigten Lösung von Glaubersalz 
zuseizt und die Probeflüssigkeit titrirt. 

Die Methode der Chlorbestimmung durch ein Silbersalz 
ist sehr genau; doch steht die durch salpetersaures Queck- 
silberoxyd der erstern nicht nach, sie eignet sich aber 
nur für neutrale oder nur schwach saure oder alkalische 
Flüssigkeiten, weil ein Säureüberschuss die Fällung der 
Harnstoffverbindung hindert. Zur Bestimmung des Koch- 
salzes im Harn ist es nöthig, die in demselben enthaltene 
Phosphorsäure auszufällen. Dazu hat Liebig eine Mischung 
von A Vol, einer kalt gesättigten Lösung von salpeter- 
saurem Baryt mit 2 Vol. kalt gesättigtem Barytwasser 
zweckmässig gefunden. Von dieser Mischung setzt man 
4 Vol. zu 2 Vol. des zu untersuchenden Harns, filtrirt die 
Flüssigkeit und nimmt die alkalische Reaction mit Salpeter- 
säure hinweg. Zum Versuch nimmt man 45 C.C. dieser 
Flüssigkeit, entsprechend 10 C.C. Harn und misst sie ab 
mit einer kleinen Pipette, welche bis an den Strich genau 
dieses Volum ohne Unterabtheilungen fasst, man lässt die 
Flüssigkeit in ein kleines Becherglas fliessen, ohne den 
anhängenden letzten Tropfen abzublasen und vermischt 
damit die Quecksilberlösung unter Umschütteln. Nachdem 
die Trübung sich eingestellt hat, liest man die aus dem 
Tropfglase geflossene Probeflüssigkeit ab; jeder verbrauchte 
Cubikcertimeter entspricht 40 Milligrm. Kochsalz. 

Die Richtigkeit und Uebereinstimmung dieser Bestim- 
mungen hängt wesentlich davon ab, dass man bei der 
Neutralisation des mit Barytwasser und salpetersaurem 
Baryt gefällten Harns nicht mehr ‚Salpetersäure zusetzt, als 
nöthig, um eine schwach saure Reaction herzustellen, wes- 
halb es besser ist, nicht die abgemessene 15 C.C. Flüssig- 
keit, die man zur Probe nimmt, sondern das ganze Filtrat, 
von dem man etwas zurückbehält, mit Salpetersäure anzu- 
säuern. — Bei der Bestimmung des Harnstoffs im Harn 
verursacht der Kochsalzgehalt einen Fehler, welcher durch 
vorangehendes Ausfällen des Chlors bei ganz scharfen 
Analysen beseitigt wird und es dient für diesen Fall die 
Kochsalzbestimmung mittelst salpetersauren Quecksilber- 
oxyds, um genau die Menge der Silberlösung, welche auf 
die nämliche Menge Kochsalz titrirt ist, zu kennen, die 
man dem Harn zur Ausfällung zuzusetzen hat. 

Bestimmung desQuecksilberoxydsin einer 
Lösung des salpetersauren Quecksilberoxyds. 
— Wenn man Lösungen von salpetersaurem Quecksilber- 
oxyd und phosphorsaurem Natron mit einander mischt, so 
enisteht sogleich ein weisser flockiger Niederschlag von 


62 Harnstoffverbindungen elc. 


phosphorsaurem Quecksilberoxyd, der beim Stehen in der 
Flüssigkeit rasch krystallinisch wird. Sublimatlösung hin- 
gegen lässt sich mit dem phosphorsauren Alkali mischen, 
‚ohne dass eine Trübung entsteht. Wird zu der Mischung 
der erstgenannten Salze eine Kochsalzlösung gesetzt und 
zwar ehe der Niederschlag krystallinisch geworden ist, so 
setzt sich das entstandene phosphorsaure Quecksilberoxyd 
mit dem Chlornatrium sogleich um in Sublimat und phos- 
phorsaures Natron, der entstandene Niederschlag ver- 
schwindet und die Flüssigkeit wird klar und hell. Hierauf 
hat Liebig ein Verfahren gegründet, den Gehalt an Queck- 
silberoxyd in der salpetersauren Lösung mit ziemlicher 
Genauigkeit zu bestimmen. A Aeq. phosphorsaures Queck- 
silberoxyd bedarf zu seiner Wiederauflösung 1 Aeq. Chlor- 
natrium und wenn man daher die Menge des zugesetzten 
Chlornatriums kennt, so weiss man damit den Quecksilber- 
gehalt der Quecksilberlösung. 

Bereitung der zur Quecksilberbestimmung 
anzuwendenden normalen Kochsalzlösung. — 
Nach den Atomgewichten des Kochsalzes und des Queck- 
silberoxyds entsprechen 108 Quecksilberoxyd 58,6 Koch- 
salz oder 200 Oxyd entsprechen 108,52 Kochsalz. Wenn 
man also 20 C.C. einer gesättigten Kochsalzlösung mischt 
mit 566,8 C.C. Wasser, so hat man 586,8 C.C. verdünnte 
Kochsalzlösung, welche im Ganzen 6368 Milligrm. Kochsalz 
(den Gehalt in 20 C.C. gesättigter Lösung) enthält in 
40 C.C., mithin 408,52 Milligrm. Kochsalz, entsprechend 
200 Milligrm. Quecksilberoxyd (1 C.C. Kochsalzlösung = 
20 Milligrm. Quecksilberoxyd). 

Am besten muss die zur Probe dienende Quecksilber- 
lösung in 10 C.C. nicht mehr als 180—200 Milligrm. Queck- 
silberoxyd enthalten. Zur Ermittelung der Concentration 
macht man einen Versuch, indem man 10 C.C. Kochsalz- 
lösung mit 4 C.C. einer gesättigten Lösung von phosphor- 
saurem Natron mischt und zu dieser Mischung aus einem 
Tropfglase die Quecksilberlösung bis zur Entstehung eines 
beim Umschütteln nicht weiter verschwindenden Nieder- 
schlags zufliessen lässt. Angenommen, man habe 2, C.C. 
Quecksilberlösung verbraucht, so entsprechen diese 200 
Milligramm Oxyd; 10 C.C. davon enthalten über 800 
Milligramm Oxyd, was zu concentrirt ist. Diese Lösung 
ist vor der Probe mit 3 Vol. Wasser zu verdünnen. Von 
dieser verdünnten Quecksilberlösung misst man 10 C.C. 
in ein Becherglas, versetzt diese mit 4 C.C. der erwähnten 
Lösung von phosphorsaurem Natron und lässt aus dem 
Tropfglase die titrirte Kochsalzlösung unter beständiger 


Harnstoffverbindungen ete. 63 


Bewegung, gegen Ende sehr langsam, zufliessen, bis der 
gebildete Niederschlag völlig wieder gelöst ist. Der Zusatz 
des phosphorsauren Natrons und der Kochsalzlösung muss 
rasch auf einander folgen; wenn nämlich einige Minuten 
zwischen beiden verstrichen sind, so wird das phosphor- 
saure Quecksilberoxyd krystallinisch und es löst sich nicht 
mehr oder nur schwierig auf. Die Quecksilberlösung darf 
nicht viel freie Säure enthalten, so dass sie nach dem 
Zusatz des phosphorsauren Natrons nicht mehr sauer 
reagiren darf. Ist eine saure Reaction vorhanden, so muss 
man einige Tropfen kohlensaures Natron zusetzen, bis sich 
basisches Salz niederschlägt, was mit 4 oder 2 Tropfen 
Salpetersäure wieder in Lösung gebracht wird. 

Methode zur Bestimmung des Harnstoffs 
ım Harn. — Diese Methode beruht auf der Fällbarkeit 
des Harnstoffs durch salpetersaures Qnecksilberoxyd. Wenn 
man einer verdünnten Harnstofflösung eine verdünnte 
Lösung von salpetersaurem Quecksilberoxyd allmälig zu- 
setzt und die freie Säure der Mischung durch Barytwasser 
oder verdünntes kohlensaures Natron von Zeit zu Zeit 
neutralisirt, so erhält man einen flockigen, etwas auf- 
gequollenen schneeweissen Niederschlag, welcher in Was- 
ser unlöslich ist. Fährt man fort mit dem Zusatz von 
Quecksilbersalz und kohlensaurem Natron abwechselnd, 
so lange dieser Niederschlag noch entsteht, so tritt ein 
Punct ein, bei dem durch den Zusatz von kohlensaurem 
Natron in der Mischung eine gelbe Färbung von Queck- 
silberoxydhydrat oder basisch salpetersaurem Quecksilber- 
oxyd entsteht. Wenn dieser Punct eingetreten ist, enthält 
die Flüssigkeit keine bestimmbare Menge von Harnstoff 
mehr, aller Harnstoff ist gefällt. Dieser Niederschlag ent- 
hält auf 4 Aeq. Harnstoff & Aeq. Quecksilberoxyd. 

Um zu erkennen, ob man die richtige zur Hervor- 
bringung der Verbindung des Harnstoffs mit A At. Queck- 
silberoxyd nöthige Menge des Quecksilbersalzes zugesetzt 
hat, ist nach dem Zusatze desselben zur harnstoffhaltigen 
Flüssigkeit die Neutralisation mit kohlensaurem Natron 
nothwendig. Giebt 1 Tropfen der Mischung auf einem 
Uhrglase mit I Tropfen kohlensauren Natrons eine weisse 
Flüssigkeit, so ist noch freier Harnstoff in der Flüssigkeit, 
erst dann ist die Grenze erreicht, wenn sich beim Zusam- 
mentreffen beider Tropfen an der Oberfläche eine gelb- 
liche Haut zeigt. 

Darstellung der zur Fällung des Harnstoffs 
im Harn dienenden Quecksilberlösung — Man 
löst zuerst # Grm. reinen Harnstoff in Wasser auf und 


64 Harnstoffverbindungen etc. 


verdünnt mit so viel Wasser, dass das Volum der Lösung 
genau 200 C.C. beträgt. Von der Lösung des salpeter- 
sauren Quecksilberoxyds, welche zur Bestimmung des 
Harnstoffs im Harn dient, sollen 20 C.C. genau hinreichen, 
um den Harnstoff in 40 €.C. der Harnstofflösung genau 
anzuzeigen: 4 C.C. soll AO Milligrm. Harnstoff entsprechen. 
Die Quecksilberlösung muss deshalb so viel Quecksilber- 
oxyd enthalten, dass es hinreicht, um mit 100 Milligrm. 
Harnstoff die salpetersaure Verbindung mit A Aeq. Queck- 
silberoxyd zu bilden und noch einen kleinen Ueberschuss 
von Oxyd, welcher dient, um die vollkommene Fällung 
des Harnstoffs anzuzeigen, so zwar, dass bei der Hinzu- 
fügung des letzten Tropfens der 40 C.C. Quecksilberlösung 
zu der Harnstofflösung, wenn einige Tropfen der Mischung 
mit koklensaurer Natronlösung versetzt werden, eine deut- 
liche Färbung wahrzunehmen ist. Am einfachsten erhält 
man die Probeflüssigkeit, wenn man reines metallisches 
Quecksilber in einem Becherglase in reiner Salpetersäure 
löst und unter öfterem Zusatz von etwas Salpetersäure in 
der Wärme erhält, bis man keine Spur mehr von salpetrig- 
sauren Dämpfen entweichen sieht, sodann in demselben 
Gefässe im Wasserbade zur Syrupsdicke abdampft und 
mit so viel Wasser versetzt, dass in 400 C.C. der verdünn- 
ten Flüssigkeit sich genau 7,140 Grm. Quecksilber befinden. 
Dieses geschieht, wenn man auf 100 Grm. Quecksilber (in 
salpetersaures Oxyd verwandelt) so viel Wasser setzt, dass 
das Volum der Flüssigkeit 1400 C.C. beträgt. 

Wendet man zur Darstellung des salpetersauren Queck- 
silberoxyds krystallisirtes salpetersaures Quecksilberoxydul 
an, was leichter rein zu erhalten ist, als metallisches 
Quecksilber, und hat man eine concentrirte Lösung des 
Oxydsalzes von unbekanntem Gehalt, so muss dieser Gehalt 
ausgemittelt und durch Zusatz von Wasser auf die ange- 
gebene Stärke verdünnt werden. Vor der Anwendung 
zur Bestimmung des Harnstoffs im Harn muss die Queck- 
silberlösung auf ihre Richtigkeit mittelst einer Lösung von 
reinem Harnstoff geprüft werden, wozu die Lösung dient, 
welche in 10 C.C. 200 Milligrm. Harnstoff enthält. 

Es ist zweckmässig, bei der Verdünnung der concen- 
trirten Quecksilberlösung, sie durch den Wasserzusatz nicht 
sogleich auf den berechneten Gehalt zu bringen, sondern 
weniger Wasser Zu nehmen und mit der Harnstofflösung 
zu probiren und fertig zu machen. Man verfährt am besten 
so, dass man 40 C.C. der concentrirten Quecksilberlösung 
mit ihrem fünf- oder zehnfachen Volum Wasser verdünnt 
und in 10 C.C. der verdünnten Lösung den Oxydgehalt 


Harnstoffverbindungen ete. 65 


mittelst phosphorsauren Natrons und der titrırten Kochsalz- 
lösung annäherungsweise bestimmt. Wenn man z. B. für 
10C.C. der fünffach verdünnten Quecksilberlösung 18,5 C.C. 
Kochsalzlösung verbraucht, so lässt sich der Wasserzusatz 
leicht berechnen. Zu 10 C.C. der concentrirten Lösung 
sollten 38,5 C.C. Kochsalzlösung (entsprechend 772 Milligrm. 
Quecksilberoxyd) verbraucht werden; es sind verbraucht 
5>x< 185 = 925 C.C. Kochsalzlösung, Wenn man zu 
10 C.€. der concentrirten Quecksilberlösung 92,5 Kochsalz- 
lösung verbrauchte, so hat man 4,16 C.C derselben genau 
nöthig für 38,5 C.C. Kochsalzlösung. Wenn man 416 Vol. 
der concentrirten Quecksilberlösung mischt mit 584 Vol. 
Wasser, so hat man 1000 Vol. einer verdünnten Lösung, 
von welcher 10 C.C. genau 38,5 C.C. Kochsalzlösung 
entsprechen. Man misst 10 C.C. der normalen Harnstoff- 
lösung ab und setzt aus einem Tropfglase die verdünnte 
Quecksilberlösung hinzu, bis ein Paar Tropfen der Mischung 
auf einem Uhrglase mit kohlensaurer Natronlösung eine 
deutliche gelbe Färbung geben. Wenn man dazu 19,25 C.C. 
Quecksilberlösung braucht, so fügt man jetzt auf je 
192,5 C.C. der Lösung 
7,5 C.C. Wasser zu und macht eine neue 


200,0 — und damit die letzte Probe. Wenn nach dem Zusatz 
von 20 CC. die Erscheinung der gelben Farbe deutlich 
ist, so kann die Quecksilberlösung zur Harnstoffbestimmung 
im Harn gebraucht werden. Auf die richtige Beschaffen- 
heit der Probeflüssigkeit muss alle Sorgfalt verwendet 
werden, da sie die Stelle einer Waage vertritt, mit der 
man, wenn sie einen Fehler hat, um so ungenauere 
Wägungen macht, je kleiner die Gewichtsunterschiede sind, 
die man bestimmen will. Der kleine Ueberschuss von 
Quecksilberoxyd in der Probeflüssigkeit ist gleich dem 
Zeiger der Waage, die gelbe Färbung der Ausschlag der- 
selben, dessen Grösse man sich genau merken muss Die 
Probeflüssigkeit ist auf eine Harnstofflösung titrirt, welche 
2 Proc. Harnstoff enthält; 15 C.C. dieser Harnstofflösung 
bedürfen zur Ausfäilung des Harnstoffs und zur Anzeige 
der vollendeten Fällung 30 €.C. Quecksilberlösung; man 
erhält 45 C.C. Mischung, worin sich im Ganzen 30 mal 5,2 
— 156 Milligrm. freies Quecksilberoxyd befinden, jeder 
Cubikcentimeter enthält 3,47 Milligrm, Quecksilberoxyd. 
Wenn die 15 C.C. Harnstofflösung 4 Proc. Harnstoff ent- 
halten, so hat man zusammen 75 C.C. Mischung, worin sich 
312 Milligrm. Quecksilberoxyd befinden, in jedem Cubik- 
centimeter 4,16 Milligrm., demnach 0,69 Quecksilberoxyd 


Arch. d. Pharm. CXXVIII, Bds, 1. Ilft, 5 


66 Harnstoffverbindungen ete. 


mehr als erforderlich ist, um die ursprüngliche Färbung 
hervorzubringen. 

Genaue Versuche haben gezeigt, dass man bei Harn- 
analysen, wenn der Harnstoffgehalt zunimmt, einen Fehler 
begeht, welcher den Harnstoffgehalt verkleinert. In dem 
eben berührten Falle würde man bis zur Erscheinung der 
ursprünglichen Färbung nicht 60 C.C., sondern nur 50,37 
Cubikcentimeter Quecksilberlösung zusetzen. Um diesen 
Fehler zu beseitigen, müssen auf 45 C.C. Harn für die 
Anzahl der Cubikcentimeter Quecksilberlösung, die man 
mehr als 30 C.C. zur Fällung gebraucht, der Mischung 
die halbe Anzahl Cubikcentimeter Wasser von der Probe 
mit kohlensaurem Natron zugesetzt werden; verbraucht 
man z. B. 20 C.C. mehr, so setzt man A0 C.C. Wasser 
dazu. Man wird stets finden, dass man nach dem Wasser- 
zusatz einige Tropfen Quecksilberlösung zusetzen muss, 
um die richtige Anzeige zu bekommen. Aus denselben 
Gründen muss man, wenn der Harnstoff des Harns nur 
A Proc, beträgt, um die Probe zu haben, auf 15 C.C. Harn 
nicht 15 C.C. Quecksilberlösung, sondern 15,3 C.C. zu- 
setzen. Um diesen Fehler zu beseitigen, der den Gehalt 
vergrössert, muss man bei verdünnterem Harn für je 5CC. 
Quecksilberlösung, die man weniger als 30 C.C. verbraucht, 
von der Summe der verbrauchten Cubikcentimeter Queck- 
silberlösung 0,1 C C. abziehen. Verbraucht man also für 
15 CC. Harn 25 C.C. Quecksilberlösung, so ist der Gehalt, 
249 Milligrm., ausgedrückt durch 24,9 C.C. Quecksilber- 
lösung. — Zur Bestimmung des Harnstoffs im Harn be- 
reitet man sich zuerst eine Mischung aus 2 Vol. Baryt- 
wasser mit 4 Vol. einer Auflösung von salpetersaurem 
Baryt, beide kalt gesättigt, und mischt A Vol. dieser alka- 
lischen Flüssigkeit mit 2 Vol. Harn. Man bedient sich 
eines kleinen Glascylinders, den man. zweimal bis zum 
Ueberfliessen anfüllt. Die Oeffnung wird mit einer Glas- 
platte bedeckt, so dass der Ueberschuss abfliesst; den- 
selben Cylinder füllt man einmal in gleicher Weise mit 
der Barytlösung und giesst seinen Inhalt zu dem Harn im 
Becherglase, bei der Vermischung entsteht ein Niederschlag, 
den man abfiltrir. Von der durchlaufenden Flüssigkeit 
misst man für jede Analyse 15 C.C. ab, welche 10 C.C. 
Harn entprechen. Man lässt zu diesem Volum Harn, ohne 
vorher zu neutralisiren, aus einem Tropfglase die titrirte 
Lösung des salpetersauren Quecksilberoxyds zufliessen 
unter Umrühren und nimmt, wenn man keine Fällung mehr 
bemerkt, die Probe vor Zu dem Zwecke schüttet man 
einige Tropfen der Flüssigkeit mit dem Niederschlage aus 


Harnstoffverbindungen ete. 67 


dem Becherglase in ein Uhrglas und lässt von dem Rande 
des Uhrglases aus einige Tropfen kohlensaurer Natron- 
lösung zufliessen, am besten aus einer Kautschukpipette. 
Behält die Mischung ihre weisse Farbe, so muss der Zusatz 
von Quecksilberlösung vermehrt werden und dieses so 
lange, bis bei einer neuen Probe aus dem Becherglase 
nach dem Zufliessen mit dem kohlensauren Natron eine 
deutliche gelbe Färbung entsteht. Man liest dann die 
Anzahl der verbrauchten Cubikcentimeter ab und corrigirt 
die Zahl je nach dem Gehalt des Harns auf die ange- 
gebene Weise. 

Verfahren zur Bestimmung des Harnstoffs 
im kochsalzhalt. Harn. — Es hat sich gefunden, dass der 
Kochsalzgehalt des Harns, wenn derselbe 4 —1! Procent 
beträgt, auf die Bestimmung des Harnstoffs mittelst sal- 
petersauren Quecksilberoxyds influirt. Wenn zu 10 C.C. 
einer reinen Harnstofflösung 20 C.C. der titrirten Queck- 
silberlösung zugesetzt werden, so bringt kohlensaures 
Natron eine deutlich gelbe Färbung von gefälltem Queck- 
silberoxyd hervor. Versetzt man jetzt die Mischung mit 
100—200 Milligrm. Kochsalz und nimmt die Probe von 
neuem vor, so bleibt die gelbe Färbung bei Zusatz des 
kohlensauren Natrons aus und, um dieselbe wieder zum 
Vorschein zu bringen, muss man 41—2! C.C. der Queck- 
silberlösung mehr zusetzen, es fällt deshalb die Bestimmung 
um 45—25 Milligrm. Harnstoff zu hoch aus. Ganz dasselbe 
zeigt sich beim Harn. — Es ist aus der Methode der 
Kochsalzbestimmung mittelst salpetersauren Quecksilber- 
oxyds ersichtlich, dass eine Kochsalz enthaltende Harnstoff- 
lösung durch salpetersaures Quecksilberoxyd nicht gefällt 
wird, und dass nicht eher eine Fällung durch das sal- 
petersaure Quecksilberoxyd entsteht, als bis das Kochsalz 
vollständig in Sublimat übergeführt ist. In einer Lösung 
von 200 Milligrm. Harnstoff und 400 Milligrm. Kochsalz in 
10 © C. Wasser, welcher man 20 C.C. Quecksilberlösung 
zusetzt, ist der Ueberschuss des Quecksilbersalzes, welcher 
beim Zusatz von kohlensaurem Natron die gelbe Färbung 
gegeben haben würde, nicht als salpetersaures Salz, son- 
dern als Sublimat enthalten und es ist offenbar, dass die 
Aenderung der Anzeige durch die Bildung und Gegenwart 
des Sublimats verursacht wird. Anstatt 3,46 Milligrm. sal- 
petersaures Quecksiiberoxyd enthält die Mischung dieselbe 
Menge Sublimat. 

Wenn man eine Lösung von Sublimat so weit mit 
Wasser verdünnt, dass sie mit kohlensaurem Natron 
einen braungelben Niederschlag von Quecksilberoxyd giebt, 


5* 


68 Harnstoffverbindungen ele. 


dann die nämliche Sublimatlösung mit A Tropfen Salpeter- 
säure versetzt und dem kohlensauren Natron hinzutropft, 
so bleibt die Mischung beider klar, es bildet sich kein 
Niederschlag, oder höchstens eine schwache weissliche 
Trübung, aus der sich nach langem Stehen einzelne braun- 
gelbe Blättchen absetzen. In dieser Beschaffenheit befindet 
sich der Sublimatüberschuss, sie enthält den grössten Theil 
der Salpetersäure im freien Zustande Durch diese Säure 
wird ein Theil des kohlensauren Natrons in doppelt-koh- 
lensaures Salz übergeführt, welches den Sublimat nicht 
fällt. Enthält die Mischung in Folge eines grösseren Koch- 
salzgehalts eine grössere Menge Sublimat, so ist die frei- 
werdende Kohlensäure nicht genügend, um die Fällung 
alles Quecksilberoxyds zu verhüten, es entsteht ein braun- 
gelber Niederschlag. Darin scheint der Grund zu liegen, 
warum die Anzeige der vollendeten Fällung des Harnstoffs 
durch die Gegenwart einer gewissen Menge Kochsalz 
weiter hinausgerückt wird und warum die Grenze der 
Reaction sich nicht erweitert, wenn der Kochsalzgehalt 
zunimmt. Bei einem Harn, welcher I—A1 Proc. Kochsalz 
enthält, kann man ohne Weiteres, um die richtige Zahl 
der Milligrammen Harnstoff in 10 C.C, Harn zu erhalten, 
von der Anzahl der verbrauchten Cubikcentimeter der 
Quecksilberlösung 2 CE C. abziehen und auch wenn der 
Kochsalzgehalt des Harns verschiedener Individuen in ge- 
wissen Grenzen wechselt, so sind die erhaltenen Unter- 
schiede im Harnstoffgehalt dennoch richtig und vergleich- 
bar mit einander, nur in der absoluten Quantität ist ein 
Fehler, welcher uncorrigirt 15— 20 Milligrm auf 10 C.C. 
Harn ausmacht. Bei Bestimmungen, in welchen es auf 
die absolute Quantität Harnstoff im Harn ankommt, muss 
das Chlor im Harn entfernt, das Kochsalz in salpetersaures 
Natron verwandelt werden. Dieses geschieht durch Aus- 
fällung mit salpetersaurem Silberoxyd. Man nimmt eine 
Silberlösung von 44,601 Grm. geschmolzenem_ salpeter- 
saurem Sılberoxyd und verdünnt so weit, dass das Volum der 
Lösung 400 C.C. beträgt. 4 C.C. enthält 29,101 Milligrm. 
salpetersaures Silberoxyd, entsprechend 10 Milligrm. Koch- 
salz. — Die Quecksilberlösung correspondirt mit dieser 
Silberlösung, beide zeigen beim Verbrauch von gleichem 
Volum einerlei Mengen Kochsalz an. Wenn man demnach 
10 CC. Harn von der Quecksilberlösung 12,5 C.C. zusetzen 
musste bis zum Erscheinen der Trübung, so wird in dem 
gleichen Volum Harn durch Zusatz von 43,5 C.C. Silber- 
lösung das Chlor vollkommen gefällt und es bleibt kein 
Silber in Lösung. /Ann. der Chem. u. Pharm. 85. 3) B. 


— N a 


69 


III. Literatur und Kritik. 


Lehrbuch der pharmaceutischen Technik. Nach eigenen 
Erfahrungen bearbeitet von Dr. Friedrich Mohr, 
Assessor etc. (jetzt Medicinalrath). Zweite vermehrte 
und verbesserte Auflage. Mit 444 darunter 169 neuen 
in den Text eingedruckten Holzschnittien. Braun- 
schweig 1853. 


Der beste Beweis für die Brauchbarkeit und den Werth dieses 
Werkes ist die so bald erfolgte zweite Auflage. Die Vorrede sagt 
aus, welche Zusätze und Verbesserungen diese neue Ausgabe erfahren 
habe. Dieselbe ist um 9 Bogen im Umfange vermehrt und enthält 
über anderthalb hundert mehr an Holzschnitten, welche sich durch 
eine vorlreffliche Ausführung auszeichnen. 

Der erste Unterschied, der zwischen beiden Anflagen hervortritt, 
ist, dass die erste mit deutschen, die zweite mit lateinischen Lettern 
gedruckt ist. 

Mit dem Verf halte ich die Lage der Apotheke gegen Norden 
für die unzweckmässigsie, was ich schon vor langen Jahren erklärt habe, 
Die Nachtheile, welche der Verf. in dem unmittelbaren Eingange in 
die Apotheke von der Strasse aus findet, kann ich so hoch nicht 
anschlagen. Die Unannehmlichkeit ist nicht so gross, als wenn der 
Eingang durch eine enge Hausflur statt findet, auf welcher für den 
Haushalt die Einkäufe geschehen. Nur dann finde ich die Unannehm- 
lichkeit empfindlich, wenn der Eingang in die Apotheke zugleich der 
für das Haus ist, wie man es noch öfters trifft und auch dieser Uebel- 
stand ist nicht immer abzuändern bei alten Einrichtungen. Die Erhö- 
hung des Eingangs zur Apotheke über das Pflaster der Strasse hat in 
manchen Orten, welche z. B. der Ueberschwemmung ausgesezt sind, 
grosse Vortheile in Beziehung auf Trockenheit des Locals. 

S.8 ist die Abbildung eines Kastens zu Vegetabilien (Rad. Liqui- 
ritiae) angebracht, mit sich selbst schliessendem Deckel, und $.9 die 
Zeichnung eines Kastens mit zwei Abtheilungen. S.11 ist über den 
Plan zum Baue einer Apotheke die Rede und hier ein ganz neuer 
Zusatz mit den Fig 7., 8., 9. eingeschaltet. 

In Fig. 10. ist der Durchschnitt des Halses einer Wasserflasche 
abgebildet, um den überschliessenden Stopfen zu veranschaulichen und 
so die hölzernen oder blechernen Deckel entbehrlich zu machen. Man 
erhält solche Flaschen und Gläser sehr schön von Batka in Prag, 
doch ist die Ausgabe nicht unbedeutend. 

S 17 ist sogar das Gewicht der Leiter angegeben (zu 131/g Pfd.). 

S.35 und 36 ist über die für das Laboratorium zweckmässigen 
Wasserleitungen ausführlicher die Rede, als in der ersten Ausgabe 
und durch 2 Zeichnungen verdeutlicht. S.41 ist ein Zusatz gegeben 
aber die Einrichtung eines Abzuges für Dämpfe, wie man einen sol- 


70 Literatur. 


chen jetzt überall in chemischen Laboratorien für Arbeiten mit Säuren, 
Gasen etc. findet. 

Eine Veränderung findet sich im 3ten Capitel, welches über den 
Trockenschrank handelt, während in der ersten Auflage vom Material- 
zimmer die Rede war. 5.50 und 51 ist dieses Capitel durch eine 
Zeichnung und Beschreibung eines schwebenden Trockenschrankes 
erweitert. 

Zweiter Abschnitt. — 1. Capitel. Dampfapparat. Zu den 
hier genannten Bezugsquellen für Dampfapparate ist noch zu nennen: 
Bitter inBielefeld, der sehr zweckmässig eingerichtete Apparate liefert. 

S. 74 und 75 sind Abbildungen von den Dampfapparaten Bein- 
dorff’s, so wie Mürrle’s und Wolff’s gegeben, die auch beschrie- 
ben sind. Ueber die Aufstellung dieser Apparate ist umständlich 
Anweisung ertheilt. Unter 5) ist die Instandhaltung des Apparats 
besprochen. 

S 95 ist die Einrichtung zur Dampfdestillation des Hrn. Med.- 
Raths Ritter in Stetlin abgebildet und genau erläutert. 

Während das 2te Capitel den Dampfapparat mit gespannten Däm- 
pfen behandelt, ist im 3ten Capitel der Rührer in Betracht gezogen. 
Diese Vorrichtung hat eine wesentliche Verbesserung erfahren. 

Im Aten Abschnitte des 2ten Capitels über Extractionen ist $. 130 
ein Zusatz über einen Apparat zur chemischen Prüfung von Vege- 
tabilien etc. oder animalischen Stoffen hinzugekommen und mit Fig. 87 
bereichert. 

Ueber die Presse ist S 143 eine Erweiterung hinzugekommen. 

Im 7ten Capitel über Destillation ist eine Veränderung vorge- 
nommen, indem die Destillation mit dem Dampfapparate hier einge- 
schaltet ist. Auch findet sich eine Abbildung mehr als in der ersten 
Ausgabe. 

Bei dem Artikel »Aetherretification« ist der Vorschlag von Hoyer 
(Archiv der Pharm. Bd. 63. $.140) aufgenommen. 

Im 10ten Capitel: Gasentwickelung, sind 3 neue Abbildungen 
bemerklich. 

Im: I4ten Capitel ist der Apparat zur Calomelsublimation etwas 
verändert worden. 

In dem Artikel »Filtriren« ist die Bemerkung über Honig weg- 
gefallen, wohl weil sie da nicht am rechten Platze war. In Fig. 201 
ist ein neuer Apparat zum Filtriren empfohlen, 

Die S. 252 abgebildete Spritzflasche ist eine verbesserte Form. 
Ueber das Taylor’sche Filter ist umständlicher verhandelt. 

Das 14te Capitel bringt einen neuen Artikel: »Krystallisationdecken 
der Krystalle«, welches in seltenen Fällen Anwendung in der Phar- 
macie findet. 

Der Artikel: Gröbliche Verkleinerung der Vegetabilien, ist durch 
Abbildung eines chinesischen Schneidemessers bereichert, jedoch nur 
als Curiosität. 


Beim Präpariren ist die Führung des Läufers durch Zeichnung 
versinnbildet. 

Im i7ten Capitel ist ein neuer Artikel: »Handmühlen«, abgehan- 
delt. 5.307 ist eine Abbildung der excentrischen oder Bogardus- 
Mühle gegeben, welche von Mohr gerühmt wird und für grosse 
Apothekengeschäfte nützlich sein mag. 

Ein neues Capitel ist das 18te, welches von »Ueberzogenen Pil- 
len, Pastillem und Capsulen« handelt, 


Die 5, 521 gegebene Vorschrift zu Morsellen wird in Norddeutsch» 


Literatur. 7 


land nicht befriedigen, die Morsellen werden ärmlich aussehen; wir 
nehmen auf 20 Unzen Zucker 21/, Unzen geschälter Mandeln, welche 
zum Theil mit Cochenille, Safran etc. gefärbt werden, 1 Unze Pista- 
zien, 6 Drachmen Citronat, eben so viel Pomeranzenschalen-Confect, 
Zimmt, Nelken, Cardamomen, Ingwer, von jedem 1 Drachme, Alant, 
Muscatnuss und Muscatblüthe, von jedem 1/3 Drachme. Wenn man 
diese Morsellen auch nicht macht, um Aerzte zum Neujahr zu beschen- 
ken, was bei uns schon seit 34 Jahren verboten ist, so bereitet man 
sie recht schön zu Weihnachten, um Familienglieder und Freunde 
damit zu erfreuen. Man stellt sie auch dar ohne die Gewürze mit 
Ananas-Essenz oder dergleichen und buntgefärbten Mandeln, was sehr 
hübsch aussieht. 

Im 19ten Capitel: »Vom Binden«, sind 4 neue Abbildungen hin- 
zugekommen. 

Das 20ste Capitel spricht über Wage und Gewicht. Auch hier 
kommen einige Zusätze und Verbesserungen in den Abbildungen vor. 

Das 21ste Capitel: »Bestimmung des specifischen Gewichtse, hat 
ebenfalls eine Erweiterung erfahren. 

Im 25sten Capitel S.373 sind noch die Vortheile der vulkanirir- 
ten Kautschukröhren auseinandergesetzt. 

In dem Artikel: »Ueberziehen gläserner und porcellanener Ge- 
fässe mit Kupfer« ist S.392 unter Fig. 339 eine vollständige Abbildung 
der Ueberkupferung mit besonderer Zelle aufgestellt. 

Das 33ste Capitel: »Vom Giessen«, behandelt die Anfertigung der 
Zinkkolben, des Höllensteins und der Formen dazu, der Metallkönige 
und des getröpfelten Salpeters. 

Im 34sten Capitel: »Von den Sieben«, sind die Siebboden aus 
Messingdraht mit eingeschaltet, welche früher nicht berücksichtigt waren, 

In der ersten Ausgabe war hinter der Abtheilung: »Von dem 
Waschen« ein Capitel: »Befreiung des Laboratoriums von Rauch, 
Gasen etc.«; dieses ist in dieser zweiten Ausgabe im 2ten Capitel: 
»Das Laboratorium«, eingeschaltet. 

Im Capitel: »Von der Receptirkunst«, ist jetzt der Gebrauch der 
Korkzange mit erwähnt, der früher beim Receptirtische gedacht war, 
In der Abtheilung: »Von den Decocten«, ist auch des Gebrauchs der 
Gasflamme gedacht, wie man selbige in Berlin z. B. in vielen phar- 
maceulischen Laboratorien benutzt findet. In dieser Abtheilung ist 
auch die Rede von einem segenannten Warmhalter, einem Gefässe, 
bestimmt, die heissen Infundirbüchsen aufzunehmen und vor dem schnel- 
len Abkühlen zu verwahren. Diese Vorrichtung dürfte leicht ent- 
behrlich sein, obschon es Fälle giebt, wo sie nützlich sein könnte; 
doch bietet der Dampfapparat meistens Raum dar zum Aufstellen der 
allmälig abzukühlenden Infusa u. s. w. 

Vor den Seihern von Messingdraht würde ich den von Porcellan, 
welche jetzt ganz zweckmässig ausgeführt käuflich zu haben sind, den 
Vorzug geben. 

S. 460 bei Besprechung der Saturationen ist noch einmal des Ein- 
wurfs gedacht, den früher der nunmehr verstorbene Geh, Ober-Berg- 
Commissair Hofrath Dr. du M&@nil in Wunstorf gegen Mohr’s Satu- 
rationen erhoben hat und gegen den Med.-Rath Dr. Mohr bereits im 
Archiv der Pharmacie zu Felde gezogen ist. Mohr nennt diese 
Controverse selbst eine abgethane Sache. Warum also nochmals dar- 
auf zurückkommen, zumal der Verstorbene sich nicht weiter verthei- 
digen kann? Statt der früher in unserer Gegend sehr üblich gewesenen 
Saturationen bedient man sich jetzt fast nur des Brauseyulvers, wel- 


\ 


72 Literatur. 


ches viel verordnet wird. Der Vorschlag, den Patienten die Satu- 
rationen im Kohlensäuregas-Apparat zu verabfolgen, wird wohl nur 
selten in Anwendung kommen können, weil es für viele Apotheker 
zu kostspielig sein dürfte, mehrere solcher Apparate zu beschaffen, 
ohne Aussicht die Auslage wieder zu erhalten. Um Entgegnungen vor- 
zubeugen, will ich bemerken, dass ich zwei solcher Apparate der Güte 
des Herrn Gressler in Erfurt verdanke, die eben so zweckmässig 
als sauber gearbeitet sind. - 

In dem 12ten Capitel: »Buchführung«, wird des Ober-Feld-Apo- 
thekers Dr. Abl in Prag Vorschlages zu einer pharmaceutischen Buch- 
führung gedacht und mit schlimmen Beisätzen bezeichnet. Mir würde 
es sittlicher Würde gemässer geschienen haben, dieselben wegzulassen. 
Dr. L. F. Bley. 


Der Führer in die organische Chemie. Mit besonderer 
Berücksichtigung ihrer Beziehungen zur Pharmacie, 
Medicin und Toxikologie. Von Dr. Heinrich Hirzel, 
Privatdocenten der Chemie an der Universität zu Leip- 
zig, Assistent am Kühn’schen Laboratorium daselbst 
u.s. w. Nebst vielen in den Text gedruckten erläu- 
ternden Schemas, einem analytischen Anhang, syste- 
matischer Inhaltsübersicht und alphabetischem Register. 
Vollständig in Einem Bande. Erste Hälfte. Leipzig, 
Verlag von Hermann Bethmann. 1854. 8. 320 S. 


Der dem pharmaceutischen und medicinischen Publicum schon 
lange rühmlichst bekannte Verfasser des obigen Werkes, Dr. Hein- 
rich Hirzel, welcher bisher, wenn wir einige Monographien über 
Arzneikörper ausnehmen, uns vorzugsweise seine Arbeiten aus der 
unorganischen Chemie mittheilte und im Jahre 1852 die Literatur mit 
einem kurzgelassten Handbuche der unorganischen Chemie (Archiv 
der Pharmacie. 1853. Bd. 1. pag.77) bereicherte, hat jetzt auch 
ein Handbuch der organischen Chemie unter dem Titel: »Der Füh- 
rer in die organische Chemie«, welches man auch als zwei- 
ten Theil seines Handbuches über die gesammte Chemie betrachten 
kann, erscheinen lassen. Nach diesem bescheidenen Titel sollte man 
glauben, dies Buch sei nur für Anfänger, Studirende bestimmt, doch 
kann ich aus voller Ueberzeugung es jedem Fachgenossen empfehlen, 
der auch schon seine Studien durchgemacht hat, da dies Werk, seiner 
Vollständigkeit wegen, ihm doch in aller Kürze über Alles Auskunft 
geben wird bis in die neueste Zeit; denn es sind z.B. schon die 
ersten Arbeiten Pasteur’s über die Wein- und Traubensäure, die 
Arbeiten von Rochleder und den österreichischen Chemikern über 
die Gerbsäuren, die von W. Heintz über die Fetisäuren und ähn- 
liche angeführt und benutzt, 

Aus der ganzen Anlage des Werkes spricht sich die Befähigung 
des Verf. zu einem nützlichen Schriftsteller aus, ja selbst das Formelle 
ist zweckmässig. Der Druck, selbst der kleinsten Schrift, ist deutlich 
und dem Auge nicht unangenehm, die Ueberschriften treten scharf 
hervor, das Wesentlichste ist grösser, das weniger Wesentliche, die 
Um- und Zersetzungen, mit kleinerer Schrift gedruckt, und die che- 
mischen Vorgänge sind durch in den Text gedruckte Schemas sehr 
gut verdeutlich, Dem Buche soll ausser dem Inhalisberichte auch 


Literatur. 73 


ein alphabetisches Sachregister und, was mir besonders empfehlens- 
werth erscheint, ein -analytischer Anhang beigefügt werden. Der 
Druckfehler sind nur wenige, ich habe nur 2 oder 3 in dieser ersten 
Abtheilung gefunden, was besonders bei chemischen Handbüchern 
hoch anzuschlagen ist, da falsche Buchstaben und Zahlen in den For- 
meln dem Anfänger das ganze Buch fast unbrauchbar machen. 

Dies Handbuch der organischen Chemie ist als ein selbsiständiges 
in jeder Art anzusehen; denn obgleich der Verf. in der Einleitung 
auf seinen »Führer in die unorganische Chemie« verweist”) und es 
ihm nur dadurch möglich wurde, auf so wenigem Raume, auf circa 
40 Bogen so viel, ja man kann sagen Erschöpfendes zu geben, und 
obgleich die Ansichten Anderer nicht bloss angeführt und besprochen, 
sondern auch verarbeitel worden sind, so ist doch Alles zu einem 
selbstständigen System verschmolzen. 

Damit aber Jeder das Buch kennen lerne und dann selbstständig 
sein Urtheil über dessen Einrichtung fällen kann, will ich, da der 
ausgegebene Prospect nur sehr allgemein gehalten ist, eine Ueber- 
sicht desselben geben, so weit es das bis jetzt Erschienene gestattet, 

In der Einleitung, welehe 45 Seiten umfasst, wird zuerst der 
Unterschied der unorganischen und organischen Verbindungen so fest- 
gestellt, als sich dies überhaupt thun lässt, dann die Constitulion der 
organischen Verbindungen, immer mit! Hinblick auf das Historische und 
Chronologische, zuerst nach Berzelius’ Ansichten, durch welche 
überhaupt die Radicaltheorie hervorgerufen wurde und welche sich 
nachher in zwei verschiedene Reihen spaltete, entwickelt. Beide Rei- 
hen, die Liebig’sche Radicaltheorie, welche, wie bekannt, auch sauer- 
stoffhaltige Radicale annimmt und die von Berzelius und Löwig 
werden nun noch weiter veranschaulicht. Der Verf, führt sodann die 
Substitutions-Erscheinungen dem Leser vor und kommt so zur Sub- 
stitutionstheorie oder der Lehre von den chemischen Typen, welche 
von Dumas vorzugsweise begründet wurde, aber nach dessen Ansicht 
aufgefasst, wie der Verf. sich ausspricht, oft bis zum Absurden führt 
und deshalb schon oft Gegenstand des Spottes wurde. — Nachdem 
im weiteren Verlaufe die Erscheinungen der Paarung veranschaulicht 
worden sind, kommt der Verf, zur Kerntheorie, welche von Lau- 
rent und Gmelin vollkommen ausgeführt und durch Löwig’s An- 
sichten über die Constitulion der organischen Radicale mit der Radi- 
caltheorie verbunden worden ist. Diese Radical-Kern-Theorie wird 
nun vollständig entwickelt, denn der Verf. folgt derselben bei der 
Eintheilung des Ganzen und bei der Entwickelung des Speciellen in 
der Hauptsache, doch wird unbeschadet dieser Ansicht auch die Lie- 
big’sche immer noch angegeben. Gern wird wohl Jeder das Mangel= 
hafte der Radicaltheorie Liebig's zugeben, sie hal aber doch durch 
ihre Einfachheit so viel Platz im Leben gewonnen, dass man bei deren 
Nicht -Anwendung in ähnliche Fehler verfällt, wie wenn man vom 
Sonnen-Auf- und Uniergehen spricht. In einen solchen Wider- 
spruch ist auch unser Verf. verfallen, wenn er S. 240 schreibt: »das 
Bittermandelöl sei nicht giftig«; man weiss recht gut, dass er den 
Benzoylwasserstoff Liebig’s meint, eine Bezeichnung, welche er nach 
seiner angenommenen Änsicht nicht brauchen kann. 

*) Jede Lieferung des »Führers in die organische Chemie« kostet 
14 Thlr. und die 2te Lieferung soll bis Ostern erscheinen. Beide 
Bände, der Führer in die unorganische und organische Chemie, 
werden zusammen mit 4 Thir, abgelassen, 


7h Literatur. 


Es wird nun im Allgemeinen das physikalische und chemische 
Verhalten der organischen Verbindungen entwickelt, wobei sich der 
Verf. namentlich bei dem physikalischen, da er sich an den Führer 
in die unorganische Chemie anlehnen kann, sehr kurz fasst; was die 
chemischen Verhältnisse betrifft, so wird erst die Bildung, dann die 
Um- und Zersetzung der organischen Verbindungen besprochen. Zu- 
erst die freiwillige Umsetzung organischer Verbindungen, wofür als 
Beispiele das Cyansäurehydrat, das Aldehyd angeführt werden; so- 
dann geht er zur Umsetzung durch andere Körper über und spaltet 
diesen Theil in zwei, je nachdem der die Umsetzung veranlassende 
Körper selbst mit zersetzt wird oder nicht. Zu der letzten Art gehört 
die Wirkung der Schwefelsäure auf Stärke, Milchzucker u.s. w., zu 
der ersten das, was man gewöhnlich die Gährung nennt, Der Begriff 
Gährung ist sehr allgemein aufgefasst, auch wird dazu noch die Ver- 
wesung und Vermoderung gezählt, doch aber auch auf Liebig’s hier- 
von abweichende Ansicht aufmerksam gemacht und dann klar die 
verschiedenen Gährungstheorien entwickelt und auch hier, wie über- 
haupt bei Allem, vom Verf. das Geschichtliche mit im Auge behalten. 


Er schildert nun zuerst die Zersetzung der organischen Verbin- 
dungen durch die Wärme und entwickelt diese in ihrer Aufeinander- 
folge wissenschaftlich, wobei ich nur die weitere Zersetzung der 
zuerst erzeugten Stoffe und die Angabe, dass die Kohle stickstofffreier 
Körper Wasserstoff enthält, vermisse. Es wird nun auch des Lichtes 
und der Elektricität als hierher gehöriger Agentien gedacht und dann 
die Einwirkung der Combustoren, des Sauerstoffs, Chlors, Broms, Jods 
und Schwefels; sodann der Säuren, der Basen und der Salze auf 
organische Substanzen aufgeführt, wozu ich nur bemerke, dass die 
Wirkung der Hyperoxyde mit Säuren mehr zu der der Combustoren, 
als der der Säuren gehören möchte. 


Nach dieser Einleitung geht der Verf. zur speciellen Betrachtung 
der organischen Verbindungen über und zählt zur ersten Abtheilung 
die aus Stickstoff und Kohlenstoff bestehenden Radicale: Hier wird 
neben dem Cyan auch das Melan als besonderes Radical aufgezählt, 
Indem diese Abtheilung an die Spitze gestelli worden, gewinnt der 
Verf. einen sehr zweckmässigen Uebergang aus der unorganischen 
Chemie in die organische. 


Hier, wie überhaupt, wird nun zuerst das Vorkommen und die 
Bildung, die Darstellung, die Eigenschaften und das physiologische 
Verhalten, jedoch letzteres oft nur in der Ueberschrift, dann die Con- 
stitution und wo es nöthig die verschiedenen Ansichten über die- 
selbe, endlich die Um- und Zersetzungen angegeben. 


Zu dem S.65 über das Jodcyan Mitgetheilten möchte ich nur 
noch bemerken, dass Jodeyan sich auch zuweilen bei der Jodbereitung 
erzeugt und so als Verunreinigung des letzteren auftritt (Archiv der 
Pharm. 1850. Bd.1. 5.129). Ferner ist mir nicht klar, welche Gründe 
den Verf. bestimmten (S.81), das Cyankalium, um es frei von cyan- 
saurem Kali zu erhalten, nicht durch Schmelzen von gelbem Blut- 
laugensalz darstellen zu lassen. Endlich bemerke ich noch, dass 
die Anwendung des Cyankaliums nach H. Rose’s (Poggend. Annal, 
1850. No.10. S. 193) neuesten Bekanntmachungen wohl eine Beschrei- 
bung in der Analyse finden dürfte, welche Mittheilungen aber dem 
Dr. Hirzel beim Niederschreiben seines Werkes noch nicht bekannt 
sein konnten. 

Die zweite Abtheilung umfasst die Kohlen-, Wasser- und Sauer- 


r 


Literatur. 75 


stoff-Verbindungen, welche der Verf. nach ihrem verschiedenen Haupt- 
charakter in Säuren, indifferente Stoffe und Basen eintheilt, 

Die Säuren, welche zum grössten Theil in dem bis jetzt erschie- 
nenen Werke besprochen werden, theilt er zur besseren Uebersicht 
in folgende Gruppen: 1) die Reihe der Oxalsäure, 2) der Ameisen- 
säure, 3) der Benzoesäure, 4) der Gerbsäuren und 5) der Faxbsäuren, 

Nachdem eine allgemeine Uebersicht der Reihe der Oxalsäure 
gegeben, werden in derselben besprochen: 1) die Oxalsäure (Mes- 
oxalsäure, Melithsäure, Krokonsäure und Rhodizonsäure), 2) Fumar- 
säure, 3) Aconitsäure, 4) Bernsteinsäure, 5) Aepelsäure, 6) Wein- 
säure, 7) Traubensäure, 8) Citronsäure, 9) Milchsäure, 10) Chelidon- 
säure, 11) Meconsäure, 12)Angelicasäure, 13) Chinasäure, 14) Cainca- 
säure, 15) Veratrinsäure, 16) Santoninsäure (= Santonin). 

Zur Reihe der Ameisensäure rechnet der Verf.: die Ameisensäure, 
die Essigsäure, die Propionsäure, Buttersäure, Baldriansäure und sämmt- 
liche flüchtige und nicht-flüchtige letisäuren. Bei Betrachtung der 
letzteren sind auch die durch W. Heiutz’ Untersuchungen gewonnenen 
neuen Ansichten immer berücksichtigt; nur die Resultate der Unter- 
suchungen Berthollet’s, die Säuren mit Glyceryloxyd zu verbinden, 
konnten natürlich noch nicht erwähnt werden. Der Zusammenhang 
dieser Säuren ist sehr gut durch die Bildung der Keione, der Alde- 
hyde und deren nahe Beziehung zu den Alkoholen nachgewiesen, 
woraus es sich denn auch rechtfertigt, dass für alle diese Säuren 
Radicale angenommen werden, welche nach Löwig’s Ansicht aller- 
dings nicht so einfach aus blossen Elementen gebildet dastehen, son- 
dern aus einem activen verbindungsbestimmenden und einem mehr 
passiven (gepaarten) Radicale bestehen, zu denen oft noch im Kohlen- 
sioffkern C2, C!, C$ oder C° hinzutritt. 

Die Benzoösäure-Reihe bilden: die Benzoösäure, Spiroylige- (Sali- 
eylsäure-Salieylwasserstoff) und Spirolsäure, Toluylsäure, Anisylsäure, 
Anissäure, Zimmtsäure, Coumaryligesäure und Cumarylsäure, Cumin-, 
Nelken- und Guajaksäure. 

Die vierte Reihe bilden die Gerbstoffe oder Gerbsäuren, wobei 
die Ansichten von Hennig, auch die neuesten Untersuchungen von 
Rochleder und den andern österreichischen Chemikern Beachtung 
finden, aber doch letztere als noch nicht fest begründet angesehen 
werden. 

Die letzte Reihe enthält die Farbsäuren oder stickstofffreien Farb= 
stoffe 

Das ganze Werk ist mit steter Rücksicht auf die Pharmacie, 
Mediein und Toxikologie bearbeitet, deshalb auch immer in einem 
Anhange zu den rein wissenschaftlichen Betrachtungen der schon ge- 
bildet vorkommenden oder durch die Kunst dargestellten und irgend 
wie in genannter Beziehung Anwendung findenden Substanzen auf- 
geführt und besprochen worden; so z.B. bei der Ameisensäure das 
Formylchlorid, nach den Fettsäuren die flüssigen und festen Fette, zu 
welchen letzteren auch das Wachs gezogen wird, endlich auch die 
Seifen und Pflaster. Bei jedem Stofle ist auch sein Aequivalent, Was- 
serstoff als Einheit genommen, angegeben. 

Wenn man bei dieser Darstellungsart des Verf. genaue Kenntniss 
der genannten Wissenschaften und seine vorzügliche Befähigung, Alles 
praktisch aufzufassen, klar und lebendig darzustellen, kennt, so wird 
wohl daraus mit Recht der Schluss gezogen werden können, dass dies 
Werk allen Pharmaceuten, Medieinern und Toxikologen höchst will- 
kommen’ sein muss, und dass ich dasselbe als höchst nützlich, seinem 


76 Literatur, 


Zweck vollkommen entsprechend, empfehlen kann, und nur noch 
wünsche, dass der Buchhändler sein Versprechen hält und uns in den 
nächsten Monaten die zweite Abtheilung liefert. 

Im Januar 1854. Meurer. 


Anweisung zur Prüfung der Arzneimittel auf ihre Güte, 
Aehtheit und Verfalschung, nebst praktischer Anlei- 
tung zu einem zweckmässigen Verfahren bei den Visi- 
tationen der Apotheken und einem Verzeichnisse der 
gebräuchlichsten chemischen Reagentien, zum Gebrauch 
für Physici, Aerzte, Apotheker und Droguisten eniwor- 
fen von Dr. E. F. Aschoff. 3te vermehrte und ver- 
besserte Auflage. Lemgo und Detmold 1854. 


Dieses den Ehren- und wirklichen Mitgliedern des norddeutschen 
Apotheker-Vereins gewidmete Werk hat sich in den beiden früheren 
Auflagen Anerkennung bei allen Sachkundigen erworben. Die An- 
ordnung ist im Ganzen dieselbe geblieben. 

Im $.8. sind die Diäten und Reisekosten für die Visilations- 
Commissarien nach dem Ministerial- Rescript vom 10. Juni 1848 be- 
richtigt, nämlich zu 21/g Thlr. pr. Tag, für jede auf der Eisenbahn 
zurückgelegte Meile 10 Sgr., 20 Sgr. für Nebenkosten im Ganzen, für 
jede mittelst Fuhrwerk zurückgelegte Meile Landweg 1 Thlr, 

Dass zur Revision einer Apotheke in einer grossen Stadt zwei 
Tage nöthig sein sollten, scheint nicht wohl zulässig. Mit dem Ge- 
schäfte vertraute und gewandie Revisoren werden dasselbe vollstän- 
dig in einem Tage erledigen können. 

Im $. 17. ist die Vorschrift eingeschaltet, dass jeder Gehülfe und 
Lehrling im Besitz eines Exemplars der Pharmakopöe sein soile; es 
steht aber nicht der Grund dabei, dass man beabsichtigt hat, hier- 
durch den Mangel an hinlänglicher Kenntniss der lateinischen Sprache 
zu begegnen. Es steht sehr zu bezweifeln, dass der Zweck durch 
gedachte Maassregel werde erreicht werden; vielmehr würde es nütz- 
lich sein, wenn man vor der Annahme des Lehrlings denselben einer 
strengen Prüfung rücksichtlich seiner Kenntniss in der lateinischen 
Sprache unterwürfe. 

Im $. 19. sind in Zusätzen Verzeichnisse derjenigen Medicamente 
gegeben, welche ihrer giftigen Natur wegen oder sonst abgesondert 
aufbewahrt werden sollen. Ganz richtig und vollkommen der Billig- 
keit angemessen ist die Bemerkung, dass unmöglich verlangt werden 
könne, dass alle Apotheken ganz vollkommen eingerichtet sein sollten. 
Die Einrichtung müsse sich nach der Localität richten. Bei Neubauten 
könne man grössere Ansprüche machen, als in älteren Localen. Der 
billig denkende Sachverständige wird in den Anforderungen das rechte 
Maass treffen. Aber leider kommt es vor, dass einzelne Medicinal- 
beamte ihre Befugniss überschreiten und dem Apotheker kostspielige 
Verpflichtungen willkürlich auflegen, von welchen das Gesetz nichts 
weiss, z. B. Neubauten, Vergrösserung der Apotheken-Locale. Der 
gewissenhafte Apotheker wird alle Verpflichtungen, die im Gesetze 
begründet sind, streng erfüllen, Willkürlichkeiten aber auf das Gesetz 
verweisen, das für Alle Norm sein soll 

Im $.26. ist der Vorrichtung zum Stossen erwähnt, welche der 
Verf. in Brandes’ Archiv der Pharmacie, Bd. VII. p. 76 beschrieben 
hat, Da diese Beschreibung jelzt vielen jüngeren Apothekern nicht 


Literatur. 71 


mehr zugänglich sein möchte, so wäre eine kurze Beschreibung hier 
an rechter Steile gewesen. 

$. 39. ist sehr zweckmässig so abgeändert, dass statt der blossen 
Aufzählung der Reagentien die Darstellung kurz angeführt ist. 

Acelum concentratum. — Bei Angabe des spec. Gewichts sollte 
auch die Temperatur + 150 R. bemerkt sein. Die Vorschrift der Phar- 
makopöe giebt stets ein im geringen Grade salzsäurehaltiges Präparat, 
weshalb eine geringe Trübung nicht auffallend ist. 

Nach Duflos geben 5 Drachmen officinelier Lig. Kali carbonie. 
mit 4 Drachmen Essig eine fast vollkommen neutrale Mischung. 


Acetum erudum. — Hier könnte die Probe auf Schwefelsäure 
mittelst Zuckers erwähnt sein. 
Acidum aceticum. — Der Probe mittelst Nelkenöls, wovon die 


Säure ein gleiches Volumen zu einem gleichförmigen Gemisch aufneh- 
men soll, ist nicht gedacht. 

Acidum benzoicum. — Hippursäure giebt sich schon zu erkennen 
durch beim Schmelzen entstehende rothe Färbung. 

Acidum hydrochloratum. — Die Prüfung auf Arsengehalt mittelst 
eines blanken Kuplerstreifens ist nicht aufgenommen. 

Acidum hydrocyanatum, besser hydrocyanicum, wird durch einen 
kleinen Gehalt von Ameisensäure haltbarer, weshalb ein solcher kei- 
nen Tadel finden sollte. 

Acidum phosphoricum. — Die Probe mittelst Indigo auf Salpeter- 
säure findet sich nicht angegeben. 

Acidum turtaricum. — Traubensäure, welche gegenwärtig aber 
fast nicht mehr in der Weinsteinsäure angetroffen wird, unterscheidet 
sich durch das Verwittern der Krystalle von der Weinsteinsäure. 


Aether. — Man vermisst die einfachste Probe mittelst Lackmus- 
papiers. 
Aqua Amygdalar. amar. — Da die quantitative Bestimmung des 


Blausäuregehalts mittelst salpetersauren Silbers längere Zeit erfordert, 
so lässt sich doch aus der Anwendung der salpetersauren Quecksilber- 
oxydullösung die Güle des Wassers ziemlich erkennen durch eine ent- 
stehende stärkere oder weniger starke schwärzlich-graue Trübung. 

Chloroform ist nicht aufgenommen, steht freilich leider auch nicht 
in der Pharmakopöe, wie vieles Andere, was der Apotheker haben muss. 

Weshalb die beiden Artikel: »China Jaen oder Tens und »dunkle 
Jaer oder Ten« nicht in einen Artikel vereinigt sind, ist nicht abzusehen. 

Empl. Cerussae. — Ein einigermaassen nicht ganz unbedentender 
Kupfergehalt giebt sich schon durch eine graugrünliche Farbe zu er- 
kennen. Geringe Spuren dürften ohne Nachiheil sein. 

Bei den Extracien ist vorzüglich darauf zu sehen, dass selbige in 
den Lösungen keine zu grossen Absätze geben, was auf nicht gehörige 
Reinigung vor deren letztem Abdampfen deuten würde und dass die 
Abdampfung nicht über offenem lebhbaftem Feuer geschehen ist, was 
der genaue Sachkundige am Geruche erkennt, worauf die Anmerkung 
S. 89 mit allem Recht aufmerksam macht. 

Ferrum lacticum findet sich nicht. 

Glandes Quercus tost. — Wenn es heisst, sie dürfen nicht zu 
stark gebrannt sein, so ist das zu allgemein. Man sollte den Eichel- 
kaffee von hellbrauner Farbe fordern. 

Kali carbonicum purum. — Wenn dasselbe zu analytischen Zwe- 
cken dient, so darf man keineswegs geringe Spuren von salz- oder 
schwefelsauren Salzen dulden. Zum bloss pharmaceutischen Gebrauch 
kommt es allerdings auf einen solchen Rückhalt nicht an, allein für 
selbigen bedarf man nur des Kali carbon. depuratum. 


78 Literatur. 


Liquor ammonii succin. — Zur Prüfung auf Essigsäure dient 
auch der Zusatz von etwas Eisenchloridlösung, wobei das Filtrat nicht 
röthlich erscheinen darf. 

Liquor Chlori. — Am schnellsten auf seinen Gehalt an Chlor zu 
prüfen, indem man eine Lösung von 18 Gran kryst. schwelels. Eisen- 
oxydul in eine Unze Chlorwasser giesst und Kaliumeiseneyanid zusetzt. 
Eine blaue Färbung beweist die zu geringe Stärke. 

Ol. Cacao. — Wenn es dabei heisst: ein ranziger Geruch deutet 
auf eine Verfälschung mit Talg, so ist das wohl nicht immer richtig, 
da auch reines Cacaoöl, wenn es stark erhitzt oder wenn es alt wird, 
einen ranzigen Geruch annimmt. — Bei der Prüfung der ätherischen 
Oele auf Beimischung von andern wohlfeileren Oelen, z. B. Terpentinöl, 
verfährt man zweckmässig, indem man in ein kleines Becherglas recht 
heisses Wasser giesst und auf die Oberfläche das verdächtige Oel trö- 
pfelt. Man entdeckt so leicht durch den Geruch das beigemischte Oel. 

Rad. Caryophyllatae dürfte wohl von andern Wurzeln durch sei- 
nen gewürzhaften Geruch unterschieden werden, 

Rad. Jalappae. — Unter denselben kamen vor einigen Jahren 
getrocknete Früchte im Handel vor, welche im äussern Ansehen einige 
Aehnlichkeit wit der Jalappenwurzel besassen. 

Rad. Pimpinell. — Es ist dabei wohl vorzüglich auf die Ein- 
sammlung guter kräftiger Wurzeln zu sehen, die durch Geruch und 
Geschmack als solche sich zu erkennen geben. Ref. erinnert sich, 
einst vom verewigten Prof Dr. L. Th. Fr. Nees von Esenbeck die 
Aeusserung vernommen zu haben, dass er in dortiger Gegend fast nur 
geschmacklose Wurzeln im Handel gefunden habe. 

Rad. Ratanhiae. — Bei der zeitigen Wohlfeilheit der Wurzel und 
der im Ganzen geringen Verwendung dürften Verfälschungen kaum 
noch vorkommen. 

Rad. Senegae. — Gar nicht selten findet sich in der Senega eine 
strohhalmsdicke, kanehlfarbene, ganz geschmacklose Wurzel, welche 
von einer noch unbekannten Pflanze stammt, aber gar keine Aehn- 
lichkeit mit der Senega hat und verworfen werden muss. 

Rotulae Menthae pip. — Es ist darauf zu sehen, dass sie mit 
reinem, echtem Pfeffermünzöl bereitet sind. Unechtes, terpertinölhal- 
tiges Pfeffermünzöl wird bei der Anwendung zu den Küchelchen fast 
augenblicklich erkannt, 

Sem. Colchici. — Wenn dieser Samen nicht recht sorgfältig ge- 
trocknet oder wenn er vor der vollkommenen Reife gesammelt ist, 
wird er leicht schimmlig und ist dann verwerflich, 

Sem. Phellandrii ist durch seinen ausgezeichneten Geruch gar leicht 
zu erkennen und dürfte bei dem so sehr billigen Preise keinen Ver- 
fälschungen ausgesetzt sein. 

Sem. Sinapis kommt gar nicht selten schimmlig und von geringer 
Güte im Handel vor, weshalb man beim Einkauf vorsichtig sein muss. 

Spir. saponatus. — Vor einigen Jahren hielt es schwer, eine gute 
Oelseife im Handel zu finden, welche einen nicht gelatinirenden Spi- 
tus gab, sie mochte also mit Talg verfälscht sein. 

Stibium sulphurat. aurant. — Wenn es bei der Prüfung mittelst 
destillirten Wassers heisst: Schütteln mit Wasser, Filtration und Prü- 
fen durch Reagenspapier und völliges Verdunsten, verräth durch eine 
Reaction, dass das Präparat nicht gut ausgesüsst, durch einen Rück- 
stand desgleichen; so ist das nicht klar ausgedrückt, da z.B. man- 
cher mit Prüfung der Apotheken beauftragte Arzt meinen könnte, es 
dürfte kein Rückstand im Filter bleiben, 


Literatur. 79 


Syrup. Althaeae geht gar leicht in Gährung über und besitzt dann 
einen weinigen Geschmack, stösst Blasen von Kohlensäure aus. 

Das Werk hat sich streng an die in die Pharmakopöe aufgenom- 
menen Gegenstände gehalten und so vıele Arzneistofle und Arzneipräpa- 
rale unberücksichtigt gelassen, welche man doch in jeder Apotheke vor- 
rälhig wünschen muss, z.B. Acidum ciltricum, Aconitin, Chloroform, 
Coniinum, Ferrum lacticum, durch deren Berücksichtigung das Buch 
noch geeigneter zu seinem Zwecke geworden wäre. 

Wir zweifeln nicht, dass das vormals recht beliebte Werk noch 
eine weitere Auflage erleben werde; für diese wünschen wir dann 
Berücksichtigung der angezeigten Mängel. Dr. L. F. Bley. 


Polizeilich-chemische Skizzen von Dr. J. Gottlieb, Pro- 
fessor der Chemie am Joanneum in Gratz. I. Ueber 
die Zusammensetzung, Werthbestimmung und Verfäl- 
schungen von Milch, Butter, Wachs, Wallrath, Honig 
und Seife. Leipzig, Verlag der Renger’schen Buch- 
handlung. 1853. gr. 8. II. S. 140. 


Die chemische Analyse hat in der neuesten Zeit, namentlich bei der 
Auffindung unorganischer Substanzen, ungemeine Fortschritte gemacht, 
dem ungeachtet treten aber auch hier noch dem geübten Arbeiter Schwie- 
rigkeiten in den Weg, wenn mehrere Stoffe mit einander in Verbindung 
vorkommen; ich erinnere hier nur an die neuesten Untersuchungen von 
H. Rose über die Anwendung des Cyankaliums zur Ausscheidung von 
Metallen (Poggend. Annalen. 1853. No.10.) Vermehrt werden diese 
Schwierigkeiten, wenn organische Verbindungen den unorganischen sich 
zugesellen, wie z.B. die Wirkung des Schwefelwasserstoffs auf Metalle, 
die Wirkung des Kupferoxyd-Ammoniaks auf arsenige Säure durch die 
Abkochung von Zwiebeln, rohen Kaffee oder andere organische Sub- 
stanzen gestört wird. Die Schwierigkeiten werden aber noch grösser, 
wenn es sich darum handelt, in organischen Verbindungen oder Ge- 
mischen derselben andere verunreinigende von derselben Abstammung 
nachzuweisen. Daher muss man es gewiss Denen Dank wissen, welche 
die Forischritte der Wissenschaft anwenden, um in das bisher noch 
dunkie Gebiet der angewandten Chemie Licht zu bringen, da die frü- 
heren polizeilichen und kaufmännischen Prüfungen dieser Art viel zu 
wünschen übrig lassen. Durch den letzten Ausspruch will ich aber 
keineswegs den Männern zu nahe treten, von welchen jene jetzt für 
unvollkommen anerkannte Untersuchungen und Angaben herstammen, 
da ja Jeder, der sich die Mühe giebt, darüber nachzudenken, weiss, 
dass die Unvollkommenbeiten nicht an den Arbeitern, sondern an dem 
Stande des damaligen Wissens lagen. 

Zuerst war es wohl Duflos, der es fühlte, dass dieses Fach einer 
Bearbeitung bedürfe; er sammelte das Zerstreute und suchte die Fort- 
schritte der Wissenschaft in diesen angewandten Theil der Chemie zu 
übertragen und so dieselbe für das Leben werthvoll und brauchbar zu 
machen (A. Duflos u. A.Hirsch, die wichtigsten Lebensbedürfnisse, 
ihre Aechtheit und Güte etc. 2, Aufl. 1846. Breslau, Hirt.). Auf diese 
Unterlagen fortbauend, arbeitet in neuerer Zeit Bolley; doch mehr die 
Wissenschaft und den Gegenstand selbst fördernd sind die Untersuchun- 
gen des Prof,Dr. Gottlieb, dessen Werkchen ich hier anzeige, anzu- 
sehen. In dem vor uns liegenden ersten Hefte theilt derselbe seine 
Untersuchungen über die Milch, Butter, das Wachs, den Wallrath, Honig 


* 80 Literatur. 


und die Seife mit, und zwar auf eine Weise, dass nicht leicht irgend 
Jemand ohne Interesse, ohne Belehrung dieses Werkchen lesen wird, 
Man findet hier nicht bloss eine Zusammenstellung des bis jetzt Bekann- 
ten oder sich Bewährten, sondern es ist auch alles Angeführte geprüft, 
und wo das Alte sich nicht bewährt, nach Neuem gesucht und das 
Gefundene und die Art, es zu finden, genau angegeben. Zuerst be- 
trachtet der Verf. jeden einzelnen der genannten Stoffe als Ganzes 
mit den im Leben naturgemäss vorkommenden Abänderungen; dann 
werden die näheren Bestandtheile desselben einer genaueren Betrach- 
tung unterworfen, was gewiss auch unsern Fachgenossen von beson- 
derem Werth ist, da es sich hier um Vieles handelt, was nur der phy- 
siologischen Chemie angehört. Jeder dieser einzelnen Bestandtheile wird 
nun nach seinen physischen und chemischen Eigenschaften betrachtet 
und aus diesen das Verhalten des Ganzen in seinem verschiedenen doch 
naturgemässen Vorkommen entwickelt; aus dem Abweichen von letz- 
terem ergiebt sich nun der verschiedene Werth desselben, welcher aber 
nun noch durch Verunreinigungen und Verfälschungen geschmälert wer- 
den kann. Letztere werden nun vollständig angeführt und da, wo die 
früher gebräuchlichen, vom Verf, geprüften Entdeckungsmethoden zum 
Erkennen nicht ausreichen, durch neue Verfahrungsarlen ersetzt. Bei 
jedem der besprochenen Stoffe wird am Schlusse der allgemeine Gang 
der einzuschlagenden Untersuchung kurz wiederholt und so dem be- 
schäftigten Praktiker die Benutzung des Buches erleichtert. 

Um den Leser in den Stand zu setzen, selbst ein Urtheil über den 
Werth dieses Werkchens zu fällen, will ich nur ein@ von den vielen 
selbst angestellten Arbeiten des Verf, um zu einem endgültigen Resul- 
tate zu gelangen, kurz vor die Augen führen. Um die sonst so leicht 
genommene Entdeckung des Talges und der Talgsäure im Wachse nach- 
zuweisen, theilt der Verf. nicht bloss die Untersuchungen von Ettling, 
Gay-Lussac, Gerhardt, Poleck und Brodie mit, sondern hat 
dieselben zum Theil, namentlich die des Letzteren, wiederholt; er führt 
ferner nicht bloss die von Duflos, Geith, Regnard und Lebel 
angeführten Prüfungsmethoden an, sondern weist auch deren Unzuläng- 
lichkeit nach, und kommt nun wieder erst nach vielfältig angestellten 
Versuchen zur Angabe einer neuen stichhaltenden Prüfungsmethode, Es 
wird z.B die Verfälschung mit Stearin nach des Verf. Verfahren noch 
erkannt, wenn auch nur 3 Proc. zugegen sind. Das Stearin wird durch 
die dasselbe stets begleitende Oelsäure erkannt, welche mit Bleioxyd 
eine in Aether lösliche Verbindung eingeht und auf diese Weise nach- 
gewiesen wird. Die Stearinsäure giebt sich zu erkennen und zwar bei 
einer Menge von 5—6 Proc. durch Verdunsten der geistigen Mutterlauge, 
welche, nachdem man das Wachs mit kochendem Alkohol behandelt hat, 
nach dem Erkalten zurückbleibt und worin ein Theil der Stearinsäure 
mit dem Cerolein gelöst bleibt, sich aber von diesem durch ihre kry- 
stallinische Beschaffenheit leicht unterscheiden lässt. 

Mit gleich serupulöser Genauigkeit behandelt der Verf. jeden ein- 
zelnen der genannten Stoffe, und es kann Jedermann nur wünschen, 
dass derselbe fortfahre, seine Kräfte diesem Theile der angewandten 
Chemie zu widmen; denn dann werden wir gewiss mit der Zeit ein 
Werk erhalten, welches, indem es mit der Entwickelung der Wissen- 
schaft Schritt hält, seinen Zweck so vollkommen erreicht, dass es 
nichts zu wünschen übrig lässt. 

Die Ausstattung des Buches ist elegant, der Druck correct. 

Meurer, 
2 


81 


Zweite .Abtheilung. 


Vereins - Zeitung, 
redigirt vom Directorio des Vereins. 


1) Die Ausbildung der Apotheker, 


F 


Die Aufhebung der Prüfungen für Apotheker 2. Classe in 
den Königl. Preussischen Staaten betrefjend, von Dr. 
Johannes Müller, Apotheker in Berlin. 


Die Allerhöchste Cabinets- Ordre, nach welcher ein jeder Phar- 
maceut, der künftig eine Apotheke im Preussischen Staate zu verwalten 
resp, selbsiständig zu führen gedenkt, in Berlin vor der Ober -Exa- 
minations - Commission seine Staalsprüfungen als Apotheker 1. Classe 
ablegen muss und also diese Bestimmung gleichzeitig die Aufhebung 
der Prüfungen für Apotheker 2. Classe involvirt, hat gewiss jeden 
denkenden Pharmaceuten zu Betrachtungen verschiedener Art Veran- 
lassung gegeben. Auch uns, die wir das Leben der studirenden Phar- 
anaceuten, das Studium derselben und die Ablegung der Examina aus 
der nächsten Anschauung kennen zu lernen Gelegenheit haben, hat 
diese Anordnung zum ernsten Nachdenken angeregt. 

Bei Emanirung derselben hat man gewiss die weisesien, die 
besten Absichten hinsichtlich wissenschaftlicher Ausbildung der Phar- 
maceuten im Auge gehabt, da anerkannt bei hiesiger Universität mit 
die grössten Coryphäen gerade der Wissenschaften wirken, welche 
den Pharmaceuten am nächsten liegen, ohne indess zu verkennen, dass 
auch andere Universitäten ausgezeichnete Männer in diesen Fächern 
mit Stolz die ihrigen nennen dürfen. Wer möchte wohl nicht die 
hohen Verdienste der Herren Professoren Braun, Dove, Magnus, 
Mitscherlich, Rose, so wie der Herren Geh. Medicinal-Rath Dr. 
Staberoh und Ober-Hof-Apotheker Dr. Wittstock gerade um die 
Pharmacie anerkennen, welcher Pharmaceut wollte nicht mit Achtung 
und Liebe ihrer gedenken! Obgleich wir nun nicht leugnen wollen, 
dass nach verschiedenen Richtungen hin Verbesserungen und pecu- 
niäre Erleichterungen in Bezug des Studienwesens der Pharmaceuten 
eintreten könnten, auch namentlich von den Herren Leitern der phar- 
maceutischen Studien Veranlassungen geboten wurden, die zerstreut 
wohnenden studirenden Pharmaceuten in einer so grossen Stadt wie 
Berlin, wo bekanntlich so mancher Yater den Verlust eines Sohnes 
(oder doch dessen moralischen Tod) betrauert, mehr in Zirkeln zu 


Arch. d, Pharm. CXXYII. Bas, 1. Hft, 6 " 


„> 


L; 
82 Vereinszeitung. 


concentriren, wie hierin manche andere Universitäten uns als Muster 
voranleuchten, damit die eigentlichen Zwecke nicht so oft verfehlt wer- 
den: so möchten wir doch nicht gern in den Augen der jetzt an der 
Spitze stehenden Männer als anmaassend erscheinen, wenn wir mit 
unsern wohl von Vielen als gut geheissenen Vorschlägen so offen 
hervortreten wollten. Nur drei Fragen wollen wir für jetzt vorlegen 
und beantworten, und daran eine Bitte knüpfen, die in den weitesten 
Kreisen die günstigste Aufnahme finden möge, 

1) Erlauben es nämlich jedes Pharmaceuten Verhältnisse, den in 
der Allerhöchsten Cabinets-Ordre enthaltenen Befehlen, also Besuchen 
der Vorlesungen an der Universität während mindestens zweier Se- 
mester (später vier Semester) und alsdann Absolvirung der Staatsprü- 
fungen, welches zusammen mindestens fast einen Aufenthalt in Berlin 
von 4! später 24 Jahren erheischt, nachzukommen? 

Erwägt man bei den jetzigen Verhältnissen die. Lage der Apo- 
iheker, namentlich auf dem Lande, überhaupt genau, so muss man 
die Frage unbedingt verneinen; ein Ausspruch, bei welchem mir die 
Zustimmung von mindestens zwei Drittheilen der Preussischen Apo- 
iheker zur Seite steht. Auch die häufigen Erfahrungen, welche man 
hier in jedem Semester zu machen Gelegenheit hat, dass nämlich immer 
mehr Pharmaceuten behufs Absolvirung der Staatsprüfungen hierher 
kommen, denen es an Mitteln zur Ausführung derselben gebricht, 
sprechen laut für meine Behauptung. 

3) Welche Folgen wird die Allerhöchste Bestimmung haben? 

Antwort: Es werden sich unbedingt weniger junge Leute der 
Pharmacie widmen, namentlich wenn ein jeder Principal dem anzu- 
nehmenden jungen Manne vorerst gewissenbaft die Licht- und Schatten- 
seiten des von ihm zu ergreifenden Faches vor Augen führt. 

3) Welche Mittel sind erforderlich, um auch den unvermögenden 
ialentvollen jungen Leuten den Weg ht zu versperren, in Berlin 
studiren resp. ihre Staalsprüfungen absolviren zu können? 


Zur Beantwortung dieser Fragen babe ich drei Vorschläge zu 
machen: e 

4) Könnte man den notorisch Unvermögerden das Honorar für die 
Vorlesungen resp. die Examinationsgebühren vollständig erlas- 
sen. (Dieses, kann jedoch rechtlicher Weise den Herren Pro- 
fessoren und Examinatoren nicht zugemuthet werden, weil solche 
auf die Honorare angewiesen sind.) Es müsste im Falle der 
Annahme den Herren Professoren und Examinatoren eine Ent- 
schädigung aus Staatsmitteln dafür werden. Oder 

2) könnte man die Zinsen des Vereins - Capitals des Apotheker- 
Vereins von Norddeutschland, welches jetzt auf über 10,000 
Thaler angewachsen ist, zur Unterstützung solcher hülfsbedürf- 
tigen Pharmacenten mit verwenden. Oder endlich 

3) Alles, was Pharmacenut heisst, muss durch freiwillige Beiträge 
einen Fond zusammenbringen, dessen Zihsen zur Unterstützung 
der hülfsbedürftiigen Pharmaceuten benutzt werden. 


Wenn mich meine Ahnung nicht trügt, so werden wir die bei- 
den ersten Vorschläge wohl fallen an müssen, weil man wahr- 
scheinlich nicht darauf eingehen wird, und wären also auf unsere 
eigenen Kräfte angewiesen. Ich will daher gern meine Hand dazu 
bieten und zur Gründung eines nöthigen Fonds in meiner Umgebung 
durch Einsammlung von Beiträgen mitwirken; mögen aber auch alle 


Vereinszeitung. 83 


andern Pharmaeeuten, Alt und Jung, nicht zurückstehen und, die Wich- 
ligkeit dieser Angelegenheit erkennend, ibr Scherflein beitragen. Die 
Herren Kreisdireetoren namentlich bitte ich, in ihren Kreisen dafür 
recht thälig zu sein, denn wie man sich nach der Abrechnung im 
Decemberhefte 1853 überzeugt haben wird, reicht die Brandes-Stiftung 
kaum fast aus, einen jungen Maun zu unterstützen, 


Jedenfalls ist die höhere Anforderung, welche man in wissen- 
schaftlicher Hinsicht an den Apetheker macht, vollkommen gerecht- 
ferligt, und wir haben uns für die Aufhebung des Unterschiedes durch 
Eintheilusg der Apotheker in die I. und Il. Classe bereits in der 
»Denkschrift über den derzeitigen Standpunet und die Vernältnisse der 
Pharmacie in Deutschland. Hannover 1848.« S. 21 ausgesprochen. 
Die Forderung des akademischen Studiums, welche bereits früher in 
Bayern und Oesterreich gestellt wurde, war zwar observanzmässig in 
Preussen eingeführt, doch keineswegs als gesetzliche Bestimmung, und 
ist es auch gegenwärtig noch nicht. Dass manche Apotheker wegen 
der Kosten ins Gedränge kommen werden, ist wohl nicht in Abrede 
zu stellen. Dass sich aber deshalb weniger Jünglinge zur Erlerneng 
der Apothekerkunst finden sollen, ist wohl eine Vermuthung, deren 

© Bewahrheitung erst abzuwarten ist Jeder junge Apotheker weiss jetzt 
vorher, dass er ohne ein akademisches Studium nicht leicht hoffen könne, 
den gesetzlichen Anforderungen zu genügen. Nun ist es allerdings 
ein UVebelstäand, dass sehr wenige Apotheker in den Genuss von Sti- 
pendien kommen werden, einestheils weil diese fast durchgängig nur 
verliehen werden an solche junge Männer, welche die Abiturienten- 
prüfung an einem Gymnasium bestanden haben; sodann aber, weil 
viele Stipendien nur zur Unterstützung von angehenden Theologen, 
Juristen und Medieinern bestimmt sind. Es ist also zu wünschen, 
dass von Seiten der Staatsregierung hier mehr als bisher geschehe; 
denn wenn auch hier und da die Direcioren der pharmaceutisch- 
chemischen Institute, welche mit Universitäten verbunden sind, ver- 
pflichtet sind, mittellose Pharmaceuten ohne Honorar an ihren Vor- 
lesungen Theil nehmen zu lassen, so reicht das doch nicht aus, wes- 
halb wir in unserer neuen Denkschrift S. 37, $ 30. des Vorschlages 
zu einer Apothekerordnung bereits ausgesprochen haben: 

a) dass man studirenden Apothekern während ihres Aufenthalts 
an der Universität Anspruch auf das akademische Bürgerrecht und 
Zutheilung von Stipendien zugestehen möge. 

b) Im $. 77., dass man bei Eriheilung von Concessionen bedacht 
sein möge, einen Stipendienfond zu gründen, : 

Was den Vorschlag des Collegen Müller anlangt, die Zinsen des 
Capitals des Apotheker-Vereins zu Stipendien zu verwenden, so geht die- 
ses einmal deshalb nicht an, weil diese Zinsen gegenwärtig noch noth- 
wendig zu den Verwaltungskosten gebraucht werden, wie dieses in 
$. 61. der Grundsätze des Apotheker-Vereins in Norddeutschland, 8te 
Auflage, ausdrücklich ausgesprochen ist; sodann aber würden darüber 
dech auch nur die Mitglieder des Apotheker-Vereins zu verfügen 
haben. 

ec) Der vom Med.-Rath Dr. Müller ad 3) gemachte Vorschlag 
zur Beschaffung eines Fonds ist vollkommen zweckmässig, und sehr 
zu wünschen, dass reichliche Beiträge eingehen. Aber allerdings ist 
auch von Seiten des Apotheker-Vereins für diesen Zweck schon Einiges 


6* 


8 Vereinszeituns. 
& 


geschehen in der Gründung der Brandes - Stiftung, welche gegründet 
ist aus freiwilligen Beiträgen der Gönner, Ehren- und wirklichen Mit- 
glieder des Vereins, um hoffnungsvolle junge Pharmaceuten bei ihren 
Studien zu unterstützen, deren Vermögen bis jetzt freilich nur 2850 Thlr. 
beträgt, die eine Zinseneinnahme von etwas über 100 Thlr. gewähren, 
womit natürlich nur eine Beihülfe für einen oder zwei Studirende 
gereicht werden kann. 

Jedenfalls verdient der Vorschlag des Collegen Dr, J. Müller die 
Beachtung der Mitglieder. und eignet sich vorzüglich zu einer weite- 
ren Berathung bei Gelegenheit der Generalversammlung des Vereins, 
wie in den Kreisversammlungen, weshalb derselbe der Aufmerksam- 
keit aller Mitglieder bestens empfohlen wird. 

Dr. L: F’Bley: 


2) Vereins - Angelegenheiten. 


Veränderungen in den Kreisen des Vereins. 


Im Kreise Sommerfeld 
ist eingetreten: Hr. Apoth, Pahl in Crossen. 


Im Kreise Minden 


" Z Hr. Apoth. Braun in Hausbergen. 
Im Kreise Stettin 
or " Hr. Apoth. Conradt in Wollin. 
Im Kreise Posen 
e n Rr. Apoıh. Pomorski in Schrimm. 
Im Kreise Bromberg 
" DZ Hr. Apoth. Groschowsky in Lapienne, 
Im Kreise Gotha 
n Z Hr. Apoth. Klinge in Gräfentonna. 
Im Kreise Saalfeld 
er " Hr. Apoth. Eschenbach in Königsee. 


Zur Gehülfen-Unterstützung. 
Von den Herren Provisoren und Gehülfen in Dresden sind fol- 


gende Beiträge für die Gehülfen-Ünterstützung durch Herrn Kreis- 
director Yogel eingesammelt worden: 


Von den Herren: 
Löwen-Apotheke: 

Bogenhandt 2 70m 2 Thle, 
Schwender se m Mer 
Kröhne;. Ss nl 
Oltos, 2.62 anni 
Hofacker:... euere rt 
Lorenz... sera 1 
Waurich a aaa 
Präeger. .«.: ,... 0% en a 
Latus . . 10 Thlr. 


Vereinszeitung. 85 


Transport . . 140 Thir. 


Von den Herren; 


Marien-Apotheke: 
Dorn EN sch"; 1 Ki 
Körner he 
Salamonis-Apolheke: 
Beuckardas nme are I: 
Billion. 0,0200 2 1, 
Fuhr e E 51 „ 
Hoff .ı OB 
Mohren-Apotheke: 
Langenfchd us 8.28 he. 1a 
Bley sl Ban Ye u. A 
Back . . 4445 
Hof-Apotheke: 
LEE a A EL 


Briedsich aa 4 Mi, 


Schwan-Apotheke: 
Bellenmannine lernen ea LAN, 
Rockin, ehe 
VE ee re ut 


Kronen-Apotheke: 
Bichlera ya er se N es 

Adler-Apotheke: 
Boocksche me. a en RER RR, 
Künzel 3 1 


Johannes-Apotheke: 
Geisler ts N aa I EI 
Knacktussia are en a 
Bötichernents Art 1er 
Engel-Apotheke: 


Hoffmann A 5; 
Brunnemannan es. Ne 2; 
Mnnchkar: 2 zarten 175, 
Louis Kitzler, Lehrling . . 1 ae 


—# 39. Ihr. 

Hierzu von F. H. Vogel, ausserordentl. 

Beitrag pro 1854 . . .» + 15 » 
Summa . . 50 Thlr. 

Das Directorium kann nicht umhin, den freundlichen Gebern für 
die wackere Bethätigung ihres Interesses an einer edeln Sache den 
aufrichtigsten Dank zu sagen, mit dem Wunsche, dass dieses rühm- 
liche Beispiel fleissige Nachfolge erwecken möge. 


Das Directorium. 


Notizen aus der General- Correspondenz des Vereins. 
Von Hrn. Kreisdir. Müller wegen Kreises Arnsberg. Von HH. 
Hornung, Meurer, Schwacke, Martius, Livonius, Hirsch- 
berg, Bohlen, Rabenhorst, A, Overbeck, Schulz Beiträge 


86 Vereinszeitung. 


zum Archiv. Von Hrn, Witt wegen Gehülfen-Unterstülzung. Von 
Hrn. Vicedir. Ficinus wegen Porto-Angelegenheit etc. Von Hrn. 
Vicedir. Giseke wegen mehrer Vereins-Sachen. Von Hrn. Dr. Walz 
wegen Jahrbuches für prakt. Pharmacie. Von Hrn Kreisdir. Küm- 
mell wegen Fr. Wirth’s Tod und Unterstützung ibrer Kinder. Von 
Hrn, Vicedir. Bucholz wegen Zutritis in den Kr. Gotha und Saalfeld; 
Taxe. Von Hru. Kreisdir. Brodkorb wegen ‚Journalzirkel u. s. w. 
Von Hrn. Dir. Faber wegen Eintritis des Hrn. Braun in Kr, Minden. 
Von Hrn. Vicedir. Giseke wegen Zutritts im Kr. Sommerfeld. Von 
Hrn. Vicedir. Löhr wegen Eingehen des Kreises Siegburg. Von den 
Hl. Overbeck, Faber, Herzog, Geiseler wegen Directorial- 
Conferenz. Von Hrn. Viecedir Kusch wegen Zutritts in den Kr. Posen 
und Bromberg Von Hrn. Apoth. Schacht wegen mehrere Medicinal- 
Angelegenheiten. Von Hrn. Vicedir. Marsson wegen Zutritts im 
Kr. Stettin. Von Hrn. Apoth Dr. Frickhinger wegen Revalenta 
arabica. Von Hrn. Kreisdir. Vogel wegen Beiträge zur Gehüllen- 
Unterstützung. Von Ürn Kreisdir. Hirschberg wegen Unterstützungs- 
Angelegenheit. An die HH. Kreisdir. Wrede, Wetter, Neunerdt, 
Riegel, Müller, Overbeck, Giese, Herrenkohl, Tuchen, 
Gumpert, Ibach, Kümmell, Wigand, Schäfer, Fischer, 
Bolle, Muth, Limann, Strauch, Cöster wegen Einsendung der 
Portolisien. Von Hrn. Kreisdir, Müller wegen Vorbereitung zur 
Generalversammlung. 


3) Ueber die Verhältnisse der Apotheker 


in Galizien, 


Nach dem Hof-Canzlei-Decreie vom 27. November 1845, Z. 37,382 
sind die Apothekergewerbe in Galizien in der Regel als Personal- 
gewerbe anzusehen, die weder vererbt, noch veräussert, noch ver- 
pachtet werden können, und deshalb auch keiner Verpfändung fähig 
sind. Sie erlöschen daher mit dem Tode des Betheiligten, wenn er 
unverehelicht stirbt und dürfen, wenn er eine Witiwe hinterlässt, nur 
von dieser, so lange sie im Wittwenstande verbleibt, keineswegs von 
den Kindern fortgesetzt werden. Nur dann, wenn Apotheker Söhne 
mit den erforderlichen Eigenschaften hinterlassen, soll diesen, wenn 
ihre Mutter stirbt, oder sich wieder verehelicht, der Vorzug vor andern 
Mitbewerbern eingeräumt werden, 

Als verkäufliche Apoihekergewerbe sind jene anzusehen, welche 
vor Kundmachung des obgedachten Hof-Canzlei-Derreis mit Bewilligung 
der Behörde und unter einem privatrechtlichen Titel erworben wurden, 
oder auf die bis zum Tage der Kundmachung der bezogenen Verord- 
nung unter Bewilligung der Behörde ein dingliches Recht erworben 
wurde. Der Eigenthümer eines verkäuflichen Apothekergewerbes darf 
dasselbe verpfänden und mit Vorwissen des Landes-Guberniums unter 
was immer für einen privatrechtlichen Titel veräussern; nur darf bei 
der Veräusserung der Normalpreis des Gewerbes nicht überschritten 
werden. Als Normalpreis eines verkäuflichen Apothekergewerbes hat 
derjenige Betrag zu gelten, um welchen dasselbe vor Kundmachung 
der bezüglichen Verordnung zum letzten Male veräussert wurde, 

Wenn aber das Apothekergewerbe mit dem Hause, in welchem 
die Apotheke untergebracht ist, oder mit den Geräthschaften zusammen 


Vereinszeilung. 87 


veräussert wurde und der Werth desselben nicht abgesondert oder 
in gar keinem Geldanschlage erscheint, so ist der Normalpreis auf 
folgende Arl zu erheben: 

1) Ist das Gewerbe mit dem Hause zusammen veräussert, und 
der besondere Anschlag desselben nicht angegeben worden, so muss 
das Haus besonders abgeschätzt, dieser Schätzungswerth des Hauses 
von dem zusammen bezahlten Werthe abgeschlagen und der verblei- 
bende Betrag als Normalwerth des Gewerbes angenommen werden. 

2) Ist das Gewerbe mit den Geräthschaften veräussert worden, 
so müssen letztere besonders abgeschätzt werden, um den Normalpreis 
jenes zu ermitteln. 

3) Falls kein bestimmter Betrag weder mit noch ohne das Haus 
und dıe Geräthschaften für das verkäufliche Gewerbe entrichtet wor- 
den, ist eine billige Schätzung desselben mit Rücksicht auf die Zeit 
und Örtsverhältnisse vorzunelimen, um den Normalpreis des Gewerbes 
festzuseizen. 

Ueber die verkäuflichen Apothekergewerbe sind bei den beiref- 
fenden Behörden Vormerkprotokoile zu führen, in diesen jedem ver- 
käuflichen Apothekergewerbe ein eigenes Blatt zu widmen, und auf 
diesem der Besitzstand und die mit demselben sich ergebenden Ver- 
änderungen mit Beziehung auf den Werth des Gewerbes einzuschalten, 
und alle sich hierauf beziehenden Lasten einzutragen. Für jede solche 
Eintragung ist eine Taxe von i5 kr. C.M. zu entrichten. 

Die Entscheidung, ob ein Apothekergewerbe ein persönliches oder 
ein verkäufliches sei, steht dem Landes-Gubernium und im weitern 
Zuge der Hofstelle zu, und nur auf Grund eines rechtskräftigen Erkennt- 
nisses darf eio Apothekergewerbe als verkäuflich in das besagte Vor- 
merkprotokoll eingetragen werden 

Aus den vorstehend eilirten Bestimmungen ist zu entnehmen, dass 
die Apotheker Galiziens in einer gleichsam exceptionellen Stellung sich 
befinden, denn während in andern Kronländern Personal -Gerechtsame 
ohne Gefahr für den bisherigen Besitzer derselben im Sinne des Hof- 
Canzlei-Decrets vom 16. April 1835, 2.8731 (vach welchem nur bei 
neu einzurichtenden Apotheken die Verleihung der Personal-Befugnisse 
im Wege des Concurses siatt zu finden hat, auf die bestehenden derlei 
Gewerbe im Erledigungsfalle aber keine Anwendung ha!, sondern nur 
die allgemein geltenden Vorschriften zu beobachten kommen) anbeim- 
gesagt werden können, nachdem der abtretende Apotheker mit seinem 
Nachfolger um eine bestimmie Ablösungssumme sich verständigt hat, 
welcher auch die angesuchte Verleihung des anheim gesagten Postens 
sicher gewärligen kann, eben da keine Concurrenz eigzuleiten ist: 
riskirt der galızische Apotheker bei vorhabender Anheimsagung seines 
Personal- Belugnisses sein auf die Errichtung der Apolheke verwen- 
deles Vermögen, nachdem nicht gesetzliche Fürsorge getroffen worden, 
dass der Nachfolger dem abtretenden Apolheker, der Wittwe oder 
den Erben eine angemessene Entschädigung für die Apotheken - Ein- 
‚richtung, Waarenvorrath und die Ausstände, so wie billiger Weise ein 
bestimmtes Superplus, wie es in den gewöhnlichen Fällen geschieht, 
zu leisten verhalten wird. 

Es giebt in Galizien eine nicht unbedeutende Anzahl Apotheker, 
die theils aus Alter, steter Kränklichkeit oder wegen Ermangelung 
von männlichen Erben ihre Personal- Befugnisse anheimsagen, wie 
auch Wittwen einen Provisor selbst heirathen oder eine Tochter hei- 
rathen lassen und diesem das Geschäft übertragen würden, wenn nicht 


88 Vereinszeitung. 


die Gefahr des Verlustes des Eigenthums damit verbunden wäre; 
denn da bei erfolgter Abtretungs-Erklärung die Competenz-Eröffnung 
veranlasst wird, so ist die Hoffnung auf Entschädigung oder Ablösung 
der Utensilien, Waarenbestände ete. in ferne Aussicht gestellt, sohin 
das Eigenthum des Besitzers gefährdet. 

Mit Zunahme der Population und Erweiterung der Städte, so wie 
bei gesteigerten Bedürfnissen wurde auch eine Vermehrung der Ge- 
werbe im Allgemeinen nothwendig, und da früherhin dieselben in der 
Regel geschlossene Zünfte bildeten, oder, was insbesondere bei vielen 
der frühern Apotheken der Fall war, ihre Rechte auf ertheilte landes- 
fürstliche Privilegien gründeten, so ward für nothwendig gefunden, 
um den Werth jener nicht zu schmälern, Personal-Befugnisse zur Aus- 
übung der neu errichteten Gewerbe zu ertheilen, womit man gleich- 
zeitig einen andern Zweck zu erreichen vorhalte, nämlich geschickten 
und thätigen, aber unbemittelten Gehülfen die Möglichkeit einer Eta- 
blirung darzubieten, und so mittelbar die Industrie selbst zu heben 
und die Erzeugnisse der Gewerbsthätigkeit auf eine höhere Stufe der 
Vollkommenheit zu bringen. 

Dieses an und für sich zweckgemässe und in seinen Folgen für 
das Allgemeine unverkennbar wohlthätige System hat man nun auch 
auf die Pharmacie, da die praktische Ausübung derselben den soge- 
nannten Polizeigewerben eingereiht worden, ausgedehnt, daher die 
nach einem in den bezüglichen Kronländern ungleich festgesetzten 
Termin errichteten Apotheken auch als Personal- Befugnisse erklärt 
und mit diesem Beisatze auch ausdrücklich verliehen wurden. 

Wenngleich der um die Verleihung eines Personal - Befugnisses 
competirende Pharmaceut die Bedingungen kennt, unter welchen ihm 
diese ertheilt wird, so treten diese doch bei dem Bestreben, eine 
bürgerliche fixe Stellung zu erringen, in den Hintergrund, deren Folgen 
ihm erst später klar werden, nachdem er mit Familie gesegnet und 
bei den gegenwärtigen Verhältnissen nicht im Stande ist, für selbe 
etwas zurückzulegen, sohin nur mit mehrfachen Sorgen und ander- 
weitigen Entbehrungen selber eine angemessene Erziehung angedeihen 
lassen kann. 

In diesem Zeitpuncte wird es den Meisten unheimlich zu Muthe, 
wenn sie bedenken, das für die Errichtung der Apotheke verausgabte 
Capital stehe auf dem Spiele, und die Hinterlassenen können nicht 
mit Sicherheit darauf rechnen, dass ihnen ein Antheil davon zu Gute 
kommt, wie denn selbst die Wittwe gleichsam mit gebundenen Händen 
gewärtigen muss, in wie fern der Provisor deren und der sonsligen 
Erben Bestes sich angelegen sein lässt, der wieder einerseits die Stelle 
eines Dieners, andererseits den Verwalter eines fremden Eigenthums 
spielt, an welches ihn kein specielles Interesse knüpft, um, wenn auch 
in einer fernern Zeit, die Früchte einer aufopfernden Thätigkeit mit- 
geniessen zu können. 

In keinem anderen Geschäfte ist ein Capital, das man der Errich- 
tung eines Personalgewerbes widmet, so sehr gefährdet, als bei der 
Pharmacie und alle auf dessen Betrieb verwendeten Sorgen, Mühe 
und angewendeten Kenntnisse so wenig lohnend, als bei dem Apo- 
thekerstande, worüber nur Eine Stimme herrscht; denn jedem anderen 
Geschäftsmanne steht ein unbeschränkter Spielraum zu Gebote, nach 
welchem er beliebig den Umfang der Geschäftsthätigkeit ausdehnen 
kann; ihn beengen innerhalb gesetzlicher Schranken weder Instruc- 
tionen, Verantwortlichkeiten, um den Absatz seiner Erzeugnisse nahe 


Vereinszeitung. 89 


und ferne zu bewerkstelligen, so wie sich besondere Vortheile zu 
sichern, endlich mindert sich in keinem andern Gewerbfache der Werth 
des Fundus instructus so sehr, als in jenem des Apothekers. 

Diese angedeuteten und noch andere hier nicht zu erwähnenden 
Verhältnisse der Besitzer von Apothekenpersonalien haben den Wunsch 
derselben nach Gleichstellung der Rechte mit den übrigen Collegen 
rege gemacht, was Gegenstand der Discussionen der Apotheker- Ver- 
sammlungen zu Leipzig und Wien war, und in Folge dessen auch in 
die Petition der Bevollmächtigten des österreichischen Apotheker-Con- 
gresses an das Ministerium des Innern aufgenommen und auf die 
Nothwendigkeit hingewiesen wurde, dass sämmtliche Apotheker in 
bezüglicher Hinsicht gleich gestellt werden, so wie die Inconsequenz 
dargeihan wurde, vermöge welcher den Apothekern verschiedene 
materielle Rechte eingeräumt werden, wodurch einzelne zum Nachtheile 
der übrigen bevorzugt werden; und wenn ja der Staat Gründe hat, 
einzelnen Personen auf Lebensdauer Befugnisse zur Ausübung der 
Pharmacie zu eriheilen, so erbeische es die Billigkeit, so wie der 
Schutz des Eigenihums, dass Maassregeln getroffen werden, nach wel- 
chen der Nachfolger gehalten sein soll, dem Anheimsagenden oder 
den Erben ausser dem erhobenen Werth der Utensilien und Waaren- 
vorrätlhe noch einen der Brutto-Einnahme angemessenen Preis hinaus- 
zuzahlen, wie solches in Preussen gesetzlich eingeführt ist, wo, um 
den concessionirlen abgehenden Apotheker vor einem mit Verschleude- 
rung der Apotheken-Einrichlung etc. verbundenen Verlust zu bewahren, 
nach dem Ministerial-Erlasse vom 21. October 1846 der neue präsum- 
tive Geschäftsnachfolger verpflichtet ist, dieselben zu eineın angemes- 
senen Preise zu übernehmen, dem auch, wenn gegen dessen Quali- 
fication kein Einwand vorliegt, die Concession zu ertheilen ist. Das- 
selbe ist auch in Würtemberg durch Königl. Verordnung vom 26sten 
Januar 1843 eingeführt, 

Gegen die beantragte Gleichstellung der Personalisten mit den 
Besitzern von verkäuflichen Geschäften erheben wohl letztere ihre 
Stimme mit dem Einwande, dass dadurch der Werth ihrer Privilegien 
sich vermindere; allein die Erfahrung hat diese Angabe keineswegs 
bestätigt, denn es sind ausserhalb Galizien Verkäufe von Apotheken 
beider Kategorien vorgekommen, wo es sich herausstellte, dass der 
für solche bezahlte Betrag den sogenannten Normalpreis weit über- 
schritt, der doch vorschriftmässig eingehalten werden sollte, ja mehrere 
factisch personelle Gerechtsame wurden weit höher bezahlt, als der 
einfachen Ablösung nach dem gemachten Vorschlage angemessen. Der 
einzige Unterschied bestand allein in der Form der Abtretung, und 
viele der als verkäuflich geltenden Apotheken sind ursprünglich der 
Person des Bewerbers um solche verliehen worden, ohne dass jeder 
dieser Umstände in der betreffenden Urkunde bemerkt worden wäre, 
die sodann anstandslos verkauft, so wie vererbt wurden, bis diesem 
durch spätere gesetzliche Bestimmungen zwar ein Ziel gesetzt worden, 
ohne dass, wie gesagt, bei weitern Uebertragungen von Seite der 
Behörden Schwierigkeiten dagegen erhoben worden wären, und solche 
an das Eigenthum gefährdende Bedingungen, wie in Galizien, geknüpft 
hätten, 

Um die Gleichstellung der concessienirten mit den sogenannten 
Real-Apothekern anzubahnen, hat die Grossherzogl. Badische Regierung 
die Initiative ergriffen, vwämlich mittelst Staats-Ministerial-Entschliessung 
vom 29. October 1852 gestatlet, dass alle Jene, welche es wünschen, 


90 Vereinszeitung. 


ihr Geschäft in die Kategorie der Privilegirten umzuändern, die Hälfte 
einer einjährigen Brutto -Einnahme nach einem dreijährigen Durch- 
schnitte als Taxe zu erlegen, wonach auf gestellles Ansuchen die 
Verleihung des Realrechtes solchen ertheilt wird. 

Diese Maassregel verdient alle Beachtung, denn selbe erscheint 
als einziger Ausweg, um die bisherigen Besitzer von Personal-Gerecht- 
samen in den Stand zu seizen, ihr Eigentihum zu sichern, und damit 
zu Gunsten ihrer Erben frei verfügen zu können, ohne die Möglichkeit 
auszuschliessen, dass auch minder Bemittelte in den Besitz eines Ge- 
schäftes gelangen können, denn eben nur der Umstand, dass Personal- 
Befugnisse für die Gläubiger keine Sicherheit gewähren, ist Schuld, 
dass solche kein dergleiches Geschäft durch förmlichen Kauf mit theil- 
weiser Anzahlung und Versicherung des Restbetrages zu Gunsten des 
Verkäufers oder eines Darlehners an sich bringen können, in welcher 
Rücksichtnahme sich auch gewiss alle Personalisten bereitwillig finden 
würden, eine dergleiche Taxe zu erlegen. 

In dieser Veranstaltung, falls sich die Oesterreichische Regierung 
bewogen finden würde. selbe einzuführen, sehen die galizischen Apo- 
iheker allein den Rettungsanker, der sie in den sichern Hafen der 
Erhaltung des Eigenthums bringt, die Liebe zu einem Stande, der mit 
so vielen Beschwerlichkeiten, Entsagungen und Widerwärtigkeiten 
verknüpft ist, aufrecht zu erhalten, vorzugsweise aber geignet ist, 
vielen jetzt bedrängten Familien Ruhe und das angenehme Bewusisein 
zu verschaffen, dass die gebrachten Opfer des Familienvaters nicht 
verloren, sondern den Nachkommen gesichert bleiben, was allein das 
Glück der bürgerlichen Gesellschaft ausmacht; denn ohne gesichertes 
Recht über wohlerworbenes Gut mit voller Beruhigung verfügen zu 
können, giebt es keine Freudigkeit im Berufe und im Leben, und diese 
ist dem persönlich Berechtigten eben so nothwendig, wie dem Real- 
Besitzer, welche der Staat allein gewähren können soll. (Oesterr. 
Zeitschr. für Pharm. 1854. No.2.) B. 


Wir sehen hieraus, dass die in der Versammlung des süddeutschen 
Apotheker-Vereins zu Nürnberg im August 1853 so vielfach ungünstig 
beurtheilte Verordnung der Grossherzogl. Badischen Regierung von 
den österreichischen Apothekern als eine günstige Maassregel be- 
irachtet wird, als welche sie auch von den Herren Collegen Dr. Rie- 
gel, v. Berüff, Dr. Herzog, mir und einigen andern angesehen 
worden ist, Bley. 


4) Zur Medicinal - Polizei. 


Schädlichkeit der Anwendung unverzinnter 
ge Kupfergeschirre. 
Pleischl in Wien hat aufs Neue die Schädlichkeit unverzinnter 
Kupfergeschirre als Speisegeräihe nachgewiesen, also die Resultate 
der frühern Versuche von Eller und Drouard, dass solche Geschirre 
nicht schädlich seien, wenn sie rein und blank gescheuert seien und 
die Speisen darin nicht verkühlen, als völlig nichtig erwiesen. 

Bier, welches darin gekocht wurde, fand sich kupferhaltig, ob- 
gleich das Gefäss, so weit es von dem kochenden Biere bedeckt 
war, blank geblieben war. 


® 


Vereinszeitung. 9 


Kochsalzlösung 1:60 war nach 20 Stunden langem Kochen bei 
15 —i7°R., als auch nach einstündigem Kochen kupferhaltig. 

Verdünnie Essigsäure 1 Acet. dest. wit 3 Ag. dest. erwies sich 
nach stundelangem Kochen stark kupferhaltig; ebenso verhielt sich 
Weinsteinsäurelösung 1:60. Ausser dem Kupfer in Lösung halte sich 
auch noch ein unlösliches Kupfersalz gebildet. — Als man in einem 
blanken kupfernen Gefässe Sauerkraut eine Stunde lang kochen liess, 
zeigte sich sowohl dieses, als auch die davon abgegossene Brühe 
kupferhaltig. Auch nach dem Kochen von geirockneten Zweischen 
zeigte sich das Kochgefäss da, wo Flüssigkeit, Kupfer und Luft sich 
berührten, nach aufwärts mit einem grünlichen Ueberzuge bedeckt, 
der sich theilweise in Wasser löste und auf Kupfer reagirte. Selbst 
nach dem Kochen von Rindfleisch wurde ein Kupfergehalt in der Suppe 
und dem Fette nachgewiesen, (Zeitschr, der Wiener Aerzte. 1853. 
307.) B. 


Steuerung der Marktschreierei. 


Nach einer Mittheilung der Redaction der österreichischen Zeit- 
schrift für Pbarmacie hat die k.k. Statthalterei den Magistrat in Wien 
beauftragt, gegen den marktschreierischen Verkauf von Arzneien, ins- 
besondere von Geheim- und Universalmitteln einzuschreiten, die Ueber- 
ireter der bestehenden Medicinalgesetze zur Verantwortung zu ziehen 
und die Bestrafung zu beantragen. Zugleich ist eine Aufforderung an 
die medicinische Facultät ergangen, den Magistrat dabei zu unterstützen. 


Geheimmittel - Aufdeckung. 


Anadoli, eine von Kreller in Nürnberg verfertigte Zahnreini- 
gungsmasse, ist nach Witistein zusammengesetzt aus: 
100,8 Gran Seile 

105,6 „  Stärkemehl 

23,8 „  Seifenwurzel 

4,8 „» ätherischem Oele, 

kostet mit Glasfläschchen höchstens 6 Kreuzer, wird aber zu 36 Kreu- 
zer verkauft. (Wittst. Vierteljahrsschr. 11. 2.) B. 


Das Augenwasser des Augenarzles A. Hette 
in Regensburg. 


Dieses Augenwasser befindet sich in versiegelten und mit Etignetie 
versehenen, dünnen, halbweissen, cylindrischen Gläsern von 13 Zoll 
Durchmesser und reichlich 5 Zoli Höhe. Der Inhalt, nicht ganz 
2 Unzen schwer, ist eine dünne, dunkel-weingelbe Flüssigkeit von 
geistigem und stark aromatischem Geruche nach verschiedenen äthe- 
rischen Oelen, worunter besonders Lavendelöl, Bergamottöl und Ros- 
marinöl zu erkennen war. Auch Kampfer konnte darin wahrgenom- 
men werden. Wasser verursachte eine starke weisse Opalisirung und 
liess den Rosmaringeruch sehr deutlich hervortreten. Spec, Gewicht 
= 0,908. 

Nach Wittstein’s Versuchen zufolge ist das Hette’sche Augen- 
wasser eine Auflösung von verschiedenen ätherischen Oelen und Opium- 
linctur in etwa 50procenthaltigem Weingeist. Es kann dem Verfertiger 


92 Vereinszeitung. 


sammt Glas und Signatur nicht über 6 Kreuzer zu stehen kommen, 
bringt ihm daher netto 900 Proe. ein. (MWittst, Vierteljahrschr. 2. Bd. 
H.4. 1853.) B. 


—— 


5) Bibliographischer Anzeiger für Pharmaceuten. 


1854. No. 1. 


Algae marinae siccata. Eine Sammlung europ. u. ausländ. Meeralgen 
in getrockn. Exempl., m. e, k. Texte versehen v. Dr. L. Rabenhorst 
u. G. v. Martens. Herausg. v. R. F. Hohenacker. 3.Lief. Fol. 
(50 Bde. m. aufgekl. Pflanzen u. Text.) Esslingen, Weychardt 
in Commiss. geb, ä baar n. n. 4 Thlr. 

Arznei-Taxe, neue, für das Königreich Hannover, vom 1. Octbr. 
1853. gr. 8. (40 S.) Hannover, Hahn. geh. n. 1/, Thlr. 

— Königl. Preussische, für 1854. gr.8. (648.) Berlin 1854, Gärt- 
ner. geh. n. 1/3 Thir. 

Aschoff, Dr, E. F., Anweisung zur Prüfung der Arzneimittel auf 
ihre Güte, Aechtheit und Verfälschung, nebst einer prakt. Anlei- 
tung zu einem zweckmässigen Verfahren bei den Visitationen der 
Apotheken u. einem Verzeichniss der gebräuchl. chem. Reagen- 
tien zum Gebrauch für Physici, Aerzte, Apotheker u. Droguisten 
entworfen. 3. verm. u. verb. Aufl, 8. (XI. 203 8.) Lemge 
1854, Mayer, geh. n. 2/3 Thlr. 

Berg, Privatdoc. Dr. O. C. und C. F. Schmidt, Darstellung und 
Beschreibung sämmtl. in der Pharm. Boruss. aufgeführten offici- 
nellen Gewächse oder der Theile u. Rohstoffe, welche von ihnen 
in Anwendung kommen, nach natürlichen Familien. (In ca. 36 
Heften.) 1.Heft. gr.4, (128. u. 6 col. Steintaf.) Berlin 1854, 
Förstner. n. 5/g Thlr, 

Bromeis, Privatdoc.Dr.C., die Chemie mit besond. Rücksicht auf Tech- 
nologie, zum Gebrauch bei Vorträgen an Universitäten u. höheren 
Lehranstalten, beim Unterricht an Gymnasien, Real- u. Gewerbe- 
schulen, so wie zum Selbstunterricht. Mit 80 in den Text ein- 
gedruckten Holzschn. (In 3 Lief.) 1. Lief. Lex.-8. (IV. S.1 
bis 160.) Stuttgart 1854, Franke. geh. 28 Ngr, 

Dietrich, Dr. Dav., Encyklopädie der Pflanzen. Nach dem Linne- 
schen Pflanzensystem geordnet. II. Bd, 17. Lief. gr. 4. (64 S. 
mit 4 Kupftaf. u. 1 Steintaf,) Jena, Schmidt, geh. a& n 1 Thlr, 
col. a n. 2 Thlr. 

Fiora von Deutschland. Herausgegeb. von Prof. Dr. F.L. von 
Schlechtendal, Prof. Dr. F. E. Langethal und Dr Ernst Schenk. 
3. Aufl. XI. Bd. i1.—12.Lief. Mit 16 col. Kupftaf, 8. (32 8.) 
Jena, Mauke. geh. an. 1/3 Thlr. 

— — 4. Auflage. VI. Bd. 3.u.4. Heft. Mit 16 color. Kupftaf. 8. 
(32 S.) Ebend. an. 1/3 Thlr. 

Fresenius, Prof. Dr. Remig., Anleitung zur qualitativen chemischen 
Analyse oder die Lehre von der Gewichtsbestimmung und Schei- 
dung der in der Pbarmacie, den Künsten u. Gewerben und der 
Landwirthschaft häufiger vorkommenden Körper u.s w. Für 
Anfänger u. Geübtere bearb, 3te sehr verm. u. verb. Aufl. Mit 
in den Text eingedr. Holzschn. 1. Hälfte. gr. 8. (XU. 5.1 bis 
220.) Braunschweig, Vieweg u. Sohn, geh. n. 11/3 Thlr. 

— Anleitung zur qualit. chem, Analyse oder die Lehre von den Ope- 


Vereinszeitung. 93 


rationen, v, d. Reagentien u. v. dem Verhalten der bekannteren 
Körper zu Reagentien, so wie systemat. Verfahren zur Auffindung 
der in der Pharmacie, den Künsten, Gewerben u. der Landwirth- 
schaft häufiger vorkomm. Körper in einfachen u. zusammengesetz- 
ten Verbindungen. Für Anlänger u. Geübtere bearb. Mit einer 
Vorrede v. Just. Liebig. 8. verb. Aufl. gr. 8. (XXIV.u. 307 S.) 
Ebend. geh. n. 12/3 Thlr. 

Gerhardt, Ch., Lehrbuch der organ. Chemie. Nach dem französ. 
Orig. für deutsche Verhältnisse bearb. v. Prof. Dr. Rud. Wagner. 
1. Bd. 1-2. Lief. gr. 8. (S. 1—256 mit eingedr. Holzschn.) 
Leipzig 1854, O0. Wigand. geh. ä n. 16 Ngr. 

Gottlieb, Prof.Dr.J., Lehrbuch der reinen u. techn. Chemie, Zum 
Gebrauch an Real- u. Gewerbeschulen, Lyceen, Gymnasien u.s. w. 
und zum Selbstunterricht. Mit gegen 300 in den Text eingedr. 
Holzschn. 3. Lief. gr. 8. (1—2.Lief. Vil. 5. 1--480.) Braun- 
schweig, Vieweg u. Sohn. geh. n. 2 Thlr. 

Gregory-Gerding’s organische Chemie od. kurzes Handbuch der 
organ, Chemie nach der 3. Aufl. der »Outlines of organic che- 
misirys. Von Prof. Dr. William Gregory. Frei bearb. mit zahlr, 
Zusätzen von Dr. Th. Gerding. Mit in den Text eingedr. Holzschn. 
In 3 Lief. 1.Lief. 8. (S.1—256 mit 1 Tab. in qu. Fol.) Braun- 
schweig 1854, Schwetschke u. Sohn. geh. 1 Thlr, 

Griesbach, Prof. Dr. A., Bericht über die Leistungen in der geo- 
graphischen u. systematischen Botanik wöhrend des Jahres i850. 
gr. 8. (120 S) Berlin, Nicolai, geh. n. >/, Thlr. 

Hager, Herm., die neuesten Pharmakopöen Norddeutschlands, Com- 
mentar zu der Preuss., Sächs, Hannöv., Hamburg. u. Schlesw.- 
Holst. Pharmakopöe. Mit zahlr. eingedr. Holzschn. u. Lith. 7. Lief. 
gr. 8. (S. 625-720.) Lissa, Günther. geh. a n. 1, Thlr. 

Heer, Prof. Dr. Osw., der botanische Garten zu Zürich. 4. (23S. 
mit 1 Steintaf, in Fol.) Zürich 1852, Höhr. geh. n. 14 Ngr. 
color. n. 18 Ngr. 

Hirzel, Privataoc. Dr. Heinr., der Führer in die organ. Chemie. 
Mit besond. Berücksichtigung ihrer Beziehung zur Pharmacie, 
Mediein u. Toxikologie. Mit vielen in den Text gedr. erläutern- 
den Schemas, einem analyt. Anhang, systemat. Inhaltsübersicht u, 
alphab. Register. 1. Hälfte. 8. (S.1-320.) Leipzig 1854, Beth- 
mann, geh. n. 1 Thir. 6 Ngr. 

Jahresbericht über d. Fortschritte d. reinen, pharm, u. techn. Chemie, 
Physik, Mineralogie u. Geologie. Unter Mitwirkung von H. Buff, 
E. Dieffenbach, C. Ettling, F. Knapp, H. Will, F. Zamminer her- 
ausgegeben von Prof. Dr. Justus Frhr. v. Liebig u. Herm. Kopp. 
Für 1852. 2. (Schluss-) Heft. gr. 8. (XVII. S.481 — 1036.) Gies-. 
sen, Ricker. n. 21/5 Thlr, 

Kützing, Prof. Dr. Frdr. Traug., Tabulae phycologicae oder Abbild. 
der Tange, 3. Bd. 6—10.Lief. od 25—30. Lief. des ganz. Werkes. 
gr. 8. (50 Steintaf. u. $.17—28.) Nordhausen, Köhne in Comm. 
In Mappe ä n. 1 Thlr. col. & n. 2 Thlr, 

Lehmann, Prof. Dr. L.G., vollständ. Taschenbuch der theoretischen 
Chemie. 6te vollkommen umgearb. Aufl. gr. 16. (XIV. 720 S.) 
Leipzig, 1854. Renger. geh. 21/, Thlr. 

Lexikon, physikalisches. Eneyklopädie der Physik und ihrer Hülfs- 
wissenschaften: der Technologie, Chemie, Meteorologie, Geogra- 
phie, Geolcgie, Astronomie, Physiologie u.s. w. 2te neu bearb, 


94 Vereinszeitung. 


mit in den Text gedr. Abbild. ausgestatt. Ausgabe. Begonnen von 
Prof. Dr. Osw. Marbach. Fortges. vom Doc. Dr. L. S. Cornelius, 
25— 26. Lief. (Fäulniss— Feuerkugel.) gr. 8. (3. Bd. $, 1—160.) 
Leipzig, O0, Wigand. geh. & 1/5 Thlr. 

Mitscherlich, Pofr. GC. G, Lehrbuch der Arzneimittellehre. 3. Bd. 
2. Abth. Medicamenta resolventia. gr. 8. (S. 112—278.) Ber- 
lin 1859, G. Beihge. geh. n 5/g Thlr. (I-IM. 2. n. &2/3 Thir.) 

Müller, Dr. Carl, Deutschlands Moose oder Anleitung zur Kenntniss 
der Laubmoose Deutschlands, der Schweiz, der Niederlande und 
Dänemarks, für Anfänger sowohl wie für Forscher ‘bearb. Mit 
Abbild. in eingedr. Holzschn. 3—5. Lief. gr. 8. (S. 193-512.) 
Halle, G. Schwetschke. geh. a n. 12 Ngr. 

Nägeli, Carl, systematische Uebersicht der Erscheinungen im Pflan- 
zenreiche, Aladem. Vortrag, gehalten den 14. März 1853. Mit 
erläut. Anmerk. gr. 4. (IM, S. 68.) Freiburg im Br., Wagner. 
geh. n. 18 Ngr. 

Naumann, Prof. Dr. Carl Fr., Anfangsgründe der Krystallographie. 
2te verm. u. verb, Aufl. Mit 26 Steindrektaf, gr.®. Nr 292 S.) 
Leipzig i854, Arnold. geh. n. 2 Thlr. 

Ohm, Dr. @-$S, Grundzüge der Physik, als owner zu seinen 
Vorlesungen. I. Abth. Allgem, Physik. Mit 80 eingedr. Holzschn. 
gr. 8. (193 $S.) Nürnberg, J.L. Schrag. geh. 1 Thlr. 

Pelouze, J. u. E. Fremy, Handbuch der Chemie für Gewerbtrei- 
bende, Künstler u. Ackerbautreibende. 2. Lief. gr. 8. (S. 65 
bis 128. mit 4 Steintaf.) Leipzig, E. Schäfer. geh, an. 1/g Thlr, 

Preise von Arzneimitteln, welche in der 6. Aufl, der Königl. Preuss, 
Landes -Pharmakopöe nicht enthalten sind. Für das Jahr 1854. 
Nach den Prineipien der Königl. Preuss. Arzneitaxe berechnet. 
Anhang zur amtl. Ausgabe der Königl. Preuss. Arzneitaxe für 1854. 
gr. 8 (63 S.) Berlin 1854, Gärtner. geh. n. 4/3 Thlr. 

Rabenhorst, Dr. L., Synonymen-Register zu Deutschlands Krypto- 
gamen- -Flora. gr. 8. (144 S.) Leipzig, Kummer. geh. 5/, Thlr. 
1compl. 8 Thlr. 13 Ngr.) 

Regnault-Strecker’s kurzes Lehrbuch der Chemie. In 2 Thin. 
2. Bd, A. u.d.T.: Kurzes Lehrbuch der organ. Chemie. Von 
Prof. Dr. Ad. Strecker, Mit 44 in den Text eingedr. Holzschn. 
gr. 12. (XIX. S.418.) Braunschweig, Vieweg ı. Sohn. geh, 
n. 11/9 Thlr, (compl. n. 31/, Thlr.) 

Reichenbach, Hofr. Prof. Dr. H.L,n. Doc. H. G. Reichenbach, 
Deutschlands Flora mit höchst naturgetr. Abbild. No. 161—164. 
gr. 4. (40 Kupftaf. und 32 S. Text. in Lex.-8.) Leipzig, Abel. 
an. 5/6 Thlr. color. A n 11/, Thlr. 

— dasselbe. Wohlf, Ausg. Halbcol. Ser. I. Heft 93 — 96. Lex.-8. 
(40 Kupftaf, u. 32 S, Text.) Ebd. a n. 16 Ngr. 

— Iconographia botanica.. Tom. XXVI. Icones florae germanicae. 
Tom. XVL: Corymbiferae. Decas 5—8. gr. 4. (40 Kpftaf. u. 
245. Text.) Ibid. a n. 5/; Thlr. col. a 11/5 Thlr. 

Rossmässler, C. A, Flora im Winterkleide, Mit 150 Abbild. 
in eingedr. Holzschn, u. 1 Titelbild in Tondr., gez. v. E. Merkel. 
8. (VIIL. 155 S.) Leipzig 1854, Costenoble. cart, n. 11/4 Thlr. 

Schaerer, Pastor Ludov. Eman., Lichenes helvetiei exsiccati. Ac- 
cedunt species nonnullae exterae. Fasc. XXV. et XXVI. No. 601 
bis 650. 4. (1 Bl. Text.) Bernae 1852. Leipzig, Fr. Fleischer. 
Verlag u. Commiss. In Kasten baar n. 33/4 Thlr. 

Schneider, weil. Oberlehr. Dr. K.F.R., deutsches Giftbuch oder die 


Vereinszeitung. 95 


eiftigen Pflanzen, Thiere u, Mineralien Deutschlands zur Lehre u. 
Warnung. 8. (VII. S.142.) Stolp 1854, Fritzsch. geh. n. Y3Thlr. 

Schramm, Theod., Examinatorium der Chemie. 2. Th. 2te verb. u. 
verm, Aufl. A.u.d.T.: Examinatorium der organ. Chemie. . 21e 
verb, u. verm. Aufl. gr, 16. (VIII. 200 S.) Tübingen, Osiander. 
geh. n. 1/g Thlr, 

Schubert, Dr. F., Lehrbuch der techn, Chemie. Mit 208 eingedr. 
Holzschn, Lex.-8. (VII, 530 S.) Erlangen 1854, Enke. geh. 
2 Thir. 28 Ngr. 

Solt&sz, M, Memoranda der allgem. Botanik und die Medicinal- 
pflanzen der österrreich. Pharmakopöe. Für Mediciner u, Phar- 
maceuten. Mit 1 Taf. in Fol. u. 2 litk. Figurentaf. in qu.4. 12. 
IV. (106 S.) Wien 1854, Sollmeyer & Comp. geh. ». 16 Ngr. 

Steetz, Dr. Joach., die Familie der Tremandreen u. ihre Verwandt- 
schaft zu den Familien der Lasiopetaleen. Ein Beitrag für den 
Ausbau des natürl. Pflanzensystems, gr. 8. (VII. 111 5.) Ham- 
burg, Meissner. geh. n. 2/3 Thlr. 

Steudel, E. @, Synopsis plantarum Glumacearum. (la XI Fasc.) 
Fasc.4—4, (S. 1-80.) Stuttgartiae 1854, Metzler. geh. n. 26 Ngr. 

Stolle, Dr. Ed., Thermometrische Tabelle nach den Scalen v. Cel- 
sius, Reaumur und Fahrenheit, nebst den bemerkenswerthesten 
Naturerscheinungen aus dem Gebiete der Chemie, Physiologie, 
Klimatologie und phys. Geographie in ihrem Zusammenhange mit 
der Temperatur. Nach Alfr. S. Taylor’s Entwurf frei bearb, 
1 Bog. in gr. Fol. Berlin 1854, Herbig. n. Y/3 Thlr. 

Wagner, Prof. Dr, Rud., die Chemie fasslich dargestellt nach dem 
neuesten Standpuncte der Wissenschaft für Studiırende u. Freunde 
der Naturwissenschaften. 3te umgearb. u. verm. Aufl. Mit 86 
eingedr. Original-Holzschn. gr, 8. (IX. 586 8.) Leipzig 1854, 
0. Wigand. geh. n. 21/z Thlr. 

Will, Prof. Dr. Heinr,, Anleitung zur chem. Analyse, zum Gebrauch 
im chem. Laboratorium zu Giessen. 3. Aufl. 8. (XVIH. 2788.) 
Heidelberg 1854, C. F. Winter. geb. n. i Thlr. 8 Ngr. 

— Tafeln zur qualitativen chemischen Analyse. 3 Aufl. gr. 8. (IIS. 
10 Tab. in qu. gr. 4) Ebend. 185%. geh. m. 16 Ngr. 

Willkomm, Maur., Icones et descriptiones plantarum novarum crili- 
carum et rariorum Europae austro-oceidentalis praecipue Hispa- 
niae. Tom, I. Fase. 4. Imp.-4. (S. 33—40 mit 8 col. Kpftaf. 
in Imp.-4. un. gr. Fol.) Lipsiae, Payne. ä n. 2 Thlr. 

Winkler, Dr. Ed., der autodidactische Botaniker oder erfahrungs- 
gemässe u. zweckentsprechende Anleitung zum Selbststudium der 
Gewächskunde. 2—5. Lief. Mit 12 lith. u. color. Taf. Abbild, 
gr. Lex,-8. (5.17—80.) Leipzig, E. Schäfer. geh. ä n. Y3 Thir. 

Wislocki, Dr. Theoph., Repetitorium der Pharmakognosie u, Phar- 
makologie. 12. (IV. 316 S.) Wien, Sollmeyer & Comp. geb, 
n. 11/, Thlr. 

Wiltstein, Dr. G. €., vollständ. etymol.-chem. Handwörterbuch, mit 
Berücksichtigung der Geschichte und Literatur der Chemie, Zu- 
gleich als synopt. Encyklopädie der gesammten Chemie. 2tes 
Ergänzungsheft. gr. 8. (II. 243 S.) München, Palm. geh. n. 
41/ Thlr. (compl. n. 4121/, Thlr.) 

Ziurek, 0.A., die preuss, Arzneitaxe, deren Wesen, Entwickelung u, 
Folgen vom Gesichtspuncte des allgem. Interesses u. nach amtl Quel- 
len beurtheilt. gr. 8, (IX. 1028.) Berlin, A. Hirschfeld. geh. 1/y Thlr, 

Pen a Mr, 


96 Vereinszeitung. 


6) Naturwissenschaftliche Mittheilungen. 


Sitzung des nalturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen 
und Thüringen. 

Halle, den 27. Juli. Hr. Thümmler berichtet über ein in 
den Steinkohlengruben bei Dölau vorgekommenes Ereigniss, welches 
drei Menschenleben in Gefahr brachte. Bei Aufnahme der Bühne in 
einem älteren Schachte drangen plötzlich die Wasser mit solcher 
Gewalt hervor, dass sie die Arbeiter 33 Fuss emporschleuderten 
und diese sich nur durch Festhalten an der oberen Verzimmerung 
vor dem Ertrinken retteten, Der Redner erklärte den plötzlichen 
Andrang der Wassermasse dadurch, dass der zu wälligende Schacht 
durch eine in grösserer Teufe befindliche Strecke mit einem 
zweiten jetzt unzugänglichen Schächte in Verbindung steht und 
aus diesem das Wasser erhielt, welches durch einen in letzterem 
statt findenden Druck hervorgedrängt wurde. Um der möglichen 
Wiederkehr eines solchen Ereignisses vorzubeugen, beabsichtigt 
Hr. Thümmler eine schwimmende Bühne zu legen. — Hr, Giebel 
sprieht über die verschiedenen Verhältnisse des Nasenbeines bei den 
Carnivoren -Raubthieren, vorzüglich um deren Wichtigkeit für die 
Systematik nachzuweisen. Er hebt als am wichtigsten hervor die 
Verlängerung dieses Knochens nach hinten im Verhältniss zum ober- 
sten Rande des Kieferbeines. Es ist nämlich das Nasenbein entweder 
kürzer, gleich oder länger als jener äusserste Forisatz des Oberkie- 
fers. Für die Gattungen der Raubthiere hat dieser Unterschied keine 
Bedeutung, wohl aber für die Arten. Im Allgemeinen haben die 
Katzen ein kürzeres Nasenbein, die Hunde dagegen häufiger ein län- 
geres oder dem Oberkiefer gleiches; bei den Mardern und Viverren 
ist das kürzere Nasenbein sehr häufig, weniger das längere und sel- 
ten das dem Kiefer gleich lange. — Hr. Schliephacke legt die 
Schwierigkeiten dar, welche sich in neuerer Zeit bei der syslemali- 
schen Bestimmung der Pllanzenspecies herausgestellt haben und weist 
auf die mikroskopische Untersuchung als die bis jetzt schon für die 
Kryptogamen geeignetste Methode der Unterscheidung hin. Als Beieg 
seiner Behauptungen zeigt er unter dem Mikroskop die Bracteen von 
Aspidium Brauni und A. aculeatum, welche Species äusserlich schwie- 
rig von einander zu unterscheiden sind, aber in dem feineren anato- 
mischen Bau ihrer Bracieen am Wurzelstock sogleich die charakteri- 
stischen Eigenthümlichkeiten erkennen lassen. — Hr. Kohlmann 
theilt als Ergebniss eine Excursion in den Harz mit, dass der gegen- 
wärtig im Betriebe stehende Steinbruch bei Suderode die deutsche 
Schichtung des Gypses darthue. Hr. Krause und Hr, Giebel, auf 
eigene mehrjährige Beobachtungen derselben Localität gestützt, deu- 
teten diese Schichtung als eine regelmässige Absonderung, wenn nicht 
jener geschichtete Gyps dem unmittelbar daneben anstehenden Leiten- 
gyps der Keuperformation angehören sollte. — Hr. Bär meldet, dass 
auf Veranlassung der von verschiedenen französischen Chemikern — 
Foucault, Chatin — aufgestellten Behauptung: die erste Ursache 
der Entstehung des Kropfes und Cretinismus in solcher Allgemeinheit, 
wie es in besonderen Gegenden statt hat, sei dem Mangel an Jod in 
dem Trinkwasser, den Nahrungsmitteln, der atmosphärischen Luft, 
Lohmeyer die Luft von Göttingen auf einen etwaigen Jodgehalt 
untersucht habe, weil bier der Kropf nicht auftritt, während er sich 


Vereinszeitung. 97 


in einigen benachbarten Dörfern, z.B. in Lengden, sehr häufig findet. 
Die Resultate waren negative, eben so wenig fand er Jod in Eiern 
und der Milch. Diese Versuche geben dem Vortragenden jedoch nicht 
eine so überzeugende Sicherheit, dass man Lohmeyer’s Ausspruch, 
die Annahme der französischen Chemiker sei durchaus irrig, als 
berechtigt ansehen kann. 


Sitzung am 3. August. Hr. Kohlmann beschrieb ein neues 
Barometer ohne Quecksilber und Glas. Dieses besteht aus zwei dün- 
nen, gewölbten Messingstreifen, die an den beiden hervorragenden 
Kanten zusammengelöthet und in ihrer Längsdimension zu einem Kreise 
zusammengekrümmt sind. Das Ganze erhält dadurch die Gestalt eines 
nicht ganz geschlossenen, einen Zoll breiten und vier Zoll im Durch- 
messer fassenden Ringes mit schwach convexer, innerer und äusserer 
Seite. An der durchbrochenen Stelle sind die beiden Enden des Rin- 
ges ebenfalls luftdicht zugelöthet und die Luft ist aus demselben theil- 
weise ausgezogen. Der Mittelpunct der äusseren Platte ist an der 
Seitenwand“ eines umschliessenden Dosen - Gehäuses dicht unter dem 
Haken zum Aufhängen des Apparates befestigt. Die beiden frei herab- 
hängenden Enden des Ringes stehen mit einer Hebelvorrichtung, ähn- 
lich derjenigen am Metall - Thermometer in Verbindung, welche jede 
Bewegung der Arme auf einen Zeiger überträgt und dieselbe auf 
einer kreisförmigen Skale am Rande des Dosen-Gehäuses in bedeu- 
tender Vergrösserung angiebt. Die Bewegung ist eine Folge der 
ungleichen Spannung der äusseren und inneren Ringfläche. Bei schwä- 
cherem Luftdruck entfernen sich die beiden Arme von einander, bei 
slärkerem gehen sie zusammen. Der Zeiger bewegt sich im ersteren 
Falle nach links, im zweiten nach rechts. Der Gang stimmt nach den 
bisherigen Beobachtungen sehr gut mit einem genauen Heberbaro- 
meter; letzteres wird jedoch bei weitem an Empfindlichkeit über- 
iroffen. Dieser Umstand und die grosse Bequemlichkeit auf Reisen 
machen das neue Instrument sehr empfehlenswerth und insbesondere 
geeignet zu Höhenmessungen, sobald erst die Tabellen zur Correctur 
wegen der Temperatur vorliegen. Hr. Mechanieus Schmidt in Halle 
liefert dasselbe in trefilicher Ausführung. — Der von Hrn. Beek ein- 
gesandte Bericht über den Stand der atmosphärischen Elektricität wäh- 
rend des Juli bezeichnet diesen als einen mittelstarken, der zu sechs 
verschiedenen Zeitpuncten durch statt habende Niederschläge noch 
erheblich verstärkt wurde. — Hr. Kohlmann nahm in Folge dieses 
Berichtes Veranlassung, die zur Beobachtung der Luft-Elektriecität 
dienende Vorrichtung, so wie die hierbei in Anwendung kommenden 
Elektrometer näher zu beschreiben. — Hr. Wesche sprach über den 
ungleichen Milchertrag bei den Kühen, der zwischen 700 Quart und 
darunter jährlich bis 7000 Quart und darüber variirt; selbst wenn 
die Individuen von gleicher Race und Grösse sind und gleiche Nah- 
rung und Pflege erhalten. Man hat lange nach Anzeichen für die 
verschiedene Milchergiebigkeit gesucht, bis es einem Franzosen Güe- 
non, der darauf ein Studium von 25 Jahren verwendet, deshalb 
viele Reisen unternommen hatte und sogar selbst Viehhändler gewor- 
den war, gelang, ein solches in dem Haarstrich zu finden, der hinter 
dem Euter aufwärts geht und hier verschiedene Zeichnungen dar- 
bietet, welche Guenon den Milchspiegel nennt. Nach diesen hat 
er acht Classen mit je acht Ordnungen aufgestellt und ausserdem noch 


m 


Arch.d. Pharm. CAXVII. Bds. 1, Hit. d 5 


98 Vereinszeilung. 

46 Bastarde, im Ganzen also 80 Bilder. Im Allgemeinen beträgt der 
Milchertrag bei der ersten Ordnung der ersten Classe täglich 18 Quart 
während einer Dauer von 9 Monaten; eben so fällt gemeinhin eine 
jede Ordnung um 2 Quart täglich ab. Die Ergiebigkeit der ersten 
Ordnung der nächsten Classe ist um 2 Quart geringer, als in der ent- 
sprechenden Ordnung der vorhergehenden Classe, während die Dauer 
gleichfalls um 14 Tage abnimmt. In der letzten Ordnung der letzten 
Classe erhält man nur ein Quart Milch täglich und nur einen Monat 
lang. Grösse der Individuen, Futter und Pflege derselben bedingen 
einen Unterschied von 2 bis 4 Quart täglich. — Dieselben Zeichen 
nun wie bei den Kühen findet man auch bei den Stieren und dieser 
Umstand muss beachtet werden, wenn man milchreiche Kühe ziehen 
will. Guenon’s Beobachtungen haben bei den Deutschen Land- 
wirthen keine grosse Beachtung gefunden, wer sich aber darnach bei 
der Zucht richtet, soll gute Resultate erzielt haben. — Hr. Kohl- 
mann erläuterte hierauf noch Ampere’s Theorie der elektrischen 
Ströme. 


Sitzung am 9. November. Nachdem der Vorsitzende, Hr. Gie- 
bel, das vereinigte August- und September - Heft der Vereins - Zeit- 
schrift übergeben hatte, trug Hr. Weber den Witterungsbericht für 
den Monat October vor. — Hr. Stippius legte ein Auerhuhn vor, 
welches vor einigen Tagen im Harz erlegt worden war. — Hr. Kohl- 
mann erörterte Papinius’ Dampfapparat nach einer Abbildung in 
dessen Schrift: » Ars nova ad aquam ignis adminiculo efficacissime 
elevandam 1707.« Der Dampf wird hierbei in einem kugelförmigen 
Kessel entwickelt und drückt auf einen hölzernen Kolben, der sich im 
einem Cylinder befindet. Das unter dem Kolben befindliche Wasser 
wird durch diesen beim Herabbewegen mittelst einer Röhre in einen 
zweiten Cylinder getrieben, in welchem es durch die Expansion einer 
darüber befindlichen Luftschicht nach Belieben durch Oeffnung eines 
Hahnes bis zu bedeutenden Höhen emporgehoben werden kann. Bei 
dieser Maschine wurde das Sicherheitsventil für Dampf zum ersten 
Male angewandt. Eben so wurde auch hier schon das Vacuum über 
dem Kolben und somit das Aufsteigen desselben durch Condensation 
des D ampfes vermittelst eines kalten Wasserstromes hervorgebracht. — 
Hr. Giebel legte den Gaumen eines fossilen Fisches des Thüringer 
Muschelkalks aus Hrn. Ed. Anton’s Sammlung vor und erläuterte 
den Bau des Zahnsystemes, so wie die Synonyiie der Gattung und 
der A-t. Die Zähne bedeckten den Gaumen zu einigen Hundert in 
dicht gedrängter Stellung, sind von Sandkorngrösse bis zu 1“ Durch- 
messer, kugelig, nierenförmig oder unregelmässig gestaltet, auf dünnen 
Stielen befestigt, im Innern hohl, aussen mit einem schwarzen Schmelz 
bedeckt. Der Scheitel trägt bei den noch nicht abgenutzten ein rund- 
liches Köpfchen, bei den abgenutzten ist er platt oder etwas vertieft. 
Die übrige Oberfläche des Zahnes ist verlical gestreift, Schon im 
October 1847 hatte der Redner dieses Gaumenstück als zur noch 
ungenügend charakterisirten Pycnodonten - Gattung Coloborus gehörig, 
der Gesellschaft vorgelegt und zugleich den Nachweis geliefert, dass die 
allgemein verbreiteten sogenannten Gyrolepis-Schuppen des Deutschen 
Muschelkalkes demselben Thiere angehört haben. Bald darauf beschrieb 
}H. v. Meyer, ohne des Redners ausführliche Abhandlung mit genauer 
Zeichnuug zu berücksichtigen, fünf neue Arten der Gattungen Pycno- 
dus und der neuen Cenchrodus, Omphalodus auf einzelne Zähne aus 


Vereinszeitu.g. 09 


dem Schlesischen Muschelkalk, die aber sämmtlich auf dem vorgezeig- 
ten Gaumenstück des Coloborus vereinigt sind und daher auch keine 
einzige jener fünf neuen Arten gerechtfertigt erscheint. In neuester 
Zeit sind von Gervais wiederum zwei Arten der Gattung Coloborus 
aus dem Französischen Muschelkalk abgebildet worden, welche nach 
den vorgelegten Zeichnungen gleichfalls nicht von des Redners Art 
abweichen. So hatte dasselbe Thier in wenigen Jahren acht syste- 
matische Namen erhalten, theils in Folge der Verkennung seiner Cha- 
raktere, theils durch die Nichtberücksichtigung schon publieirter Uuter- 
suchungen. Hr. Giebel nahm hiervon Gelegenheit, sich noch weiter 
über die gegenwärtig in der Paläontologie herrschenden, deren Fort- 
schritt henmenden Richtungen, insbesondere der leichtfertigen Species- 
macherei zu verbreiten. 


Sitzung am 16. November. Der Vorsitzende, Hr. Giebel, 
erinnerte daran, dass mit der heutigen 205. Sitzung die Gesellschaft 
in das 8. Jahr ihrer Thätigkeit eintrete. Ferner stellte derselbe einen 
Vergleich an zwischen den Sitzungen des ersten Jahres und den 
jetzigen, der zur weiteren Debatte Veranlassung gab. — Hr. Faltin 
führte an, dass durch die neuesten Arbeiten von Berthelot endlich 
der Beweis für die Richtigkeit der Ansicht, die man bisher über die 
Natur der Fette hegte, geliefert worden sei. Man nahm nämlich an, 
dass diese Verbindungen der fetten Säuren mit einer organischen 
Basis, also Salze seien, durch die Einwirkung stärkerer Basen — bei 
der Verseifung — geht die fette Säure eine Verbindung mit der stär- 
keren Basis ein und bildet so die Seife, während die organische 
Basis der ursprünglichen Verbindung abgeschieden wird, aber in dem 
Moment der Trennung sogleich Wasser in sich aufnimmt. Aus den 
Seifen kann man die feiten Säuren sehr leicht wieder abscheiden und 
auch die durch die Verseifung aus den Fetten abgeschiedene Base 
kann man, aber nur in ihrer Verbindung mit Wasser — das Glycerin 
oder Oelsüss — für sich gewinnen: aber bis jetzt gelang eine Wieder- 
vereinigung beider zu einem Felt nicht. Deshalb machte sich eine 
andere Ansicht geltend, nach der die fette Säure und die Basis nicht 
in dem Felt enthalten wären, sondern erst durch die Verseifung dar- 
aus entstanden. Jetzt endlich ist es Berthelot gelungen, die ein- 
zige Stütze dieser Ansicht umzuwerfen, indem er aus fetten Säuren 
und G!ycerin duch Einwirkung einer höheren Temperatur wirklich 
Feite erzeugt hat und zwar die Verbindungen der gewöhnlich in den 
Felten vorkommenden fetten Säuren und auch der flüchtigen. — 
Hr. Schliephacke berichtete, dass die Kryptogamenflora unserer 
unmittelbaren Umgebung in diesem Jahre durch zwei Pflanzen — 
Blechnum spic. Roth, ein sehr schönes Farrnkraut, und Lycopodium 
clavatum, die beide, jedoch steril, in der Dölauer Heide gefunden 


wurden, bereichert worden sei. Sodann legte derselbe eine 
neue Drogue — die Stammspitzen eines baumartigen Farrnkrautes, 
die ausgezeichnete adstringirende Eigenschaften besitzen — vor. Auf 


der Oberfläche befinden sich lange rothbraune Haare, so dass das 
Ganze Aehnlichkeit mit einem Eichhörnchenschweife zeigt. Einige 
dieser Haare auf eine Schnittwunde gelegt, stillen die Blutung sehr 
schnell. s Mutterpflanze giebt man Cibotium glaucescens an, doch 
versichert Hr. Kegel, der Gelegenheit gehabt hat, diese Pflanze oft 
lebend zu sehen, dass er nie eine solche Haarbekleidung an ihr wahrge- 
nommen habe. — Hr. Bär theilte mit, dass das Kleeblatt der grossen 


1* 


41009 Vereinszeitung. 


Entdeckungen, auf die das Jahr, in dem wir leben, gerade nicht sehr 
Ursache hat stolz zu sein, jetzt voll sei. Zu den tanzenden 
Tischen und der feststehenden Erde ist denn endlich als wür- 
diges Seitenstüäck die Goldmacherkunst, ein Spuk vergangener 
Jahrhunderte, wieder aufgefunden. Bereits im Juni wurde an die 
Pariser Akademie eine Schrift eingereicht, die folgenden Titel führte: 
»Die Metalle sind keine einfachen Körper, sondern zusammengeselzte. 
Die künstliche Darstellung der edeln Metalle ist möglich, ist eine That- 
sache.« Das Original dieses neuesten Wunderwerkes eines Berge 
versetzenden Glaubens herbeizuschaffen war bis jetzt noch nicht 
selungen, dafür aber fiel dem Redner in diesen Tagen eine wort- 
getreue Uebersetzung dieser Schrift, die auf dem künzesten Wege 
von Frankreich — über Bukarest — zu uns gelangt war, in die 
Hände. Obgleich wir die Würdigung dieses Machwerkes, das uns 
mit einer Entdeckung bekannt macht, welche »die kühnsten Geister 
durch ihre Wichtigkeit erschrecken wirde, Andern überlassen müssen, 
können wir einige Randzeichnungen jedoch nicht unterdrücken. Der 
Verfasser rühmt die Logik, mit der er bei seinen Versuchen zur Dar- 
stellung des Goldes zu Werke gegangen ist. Von einer solchen aber 
ist in der Schrift selbst durchaus keine Kede, denn im Eingange führt 
er an, dass es ihm gelungen sei, durch Umwandlung einige Gram- 
men Gold, wohlverstanden mit geringfügigen Kosten, darzustellen und 
am Ende fordert er — und dies ist des Pudels Kern — von der 
Oeffentlichkeit Geld, um Gold machen zu können. — Es genügt voli- 
ständig, von den zahlreichen Beweisen für die Möglichkeit der neuen 
Entdeckung, die übrigens denen, welche der Dr. Schöpffer als die 
Stützen seiner Weisheit ansieht, so ähnlich sind, wie ein Ei dem 
andere, nur einen einzigen hervorzuheben. Stahl’s Lehre vom 
Phlogiston, die längst in die historische Rumpelkammer geworfen ist, 
wird hier von Neuem als Evangelium gepredigt. Nach ihr waren die 
Metalle zusammengesetzte Körper, gebildet aus kalkarligen Stoffen und 
einem räthselhaften Körper, dem Phlogiston. Letzteres konnte man 
den Metallen nehmen, wodurch sie in Metallkalke verwandelt wur- 
den und diesen konnte man es wieder zuführen, d.h. wieder Metalle 
aus ihnen machen, Aber für sich darstellen konnte man diesen Stoff 
nicht, er war unfassbar, Ausser anderen merkwürdigen Eigenschaf- 
ten war ihm auch die eigen, die Körper, mit denen er sich verbun- 
den hatte, leichter zu machen, als sie vor dem Hinzutreten des neuen 
Körpers gewesen waren. In dieser Widersinnigkeit sah Stahl auf- 
fallender Weise eine Stütze seiner Ansicht, indem er sagte: »da das 
Phlogiston leichter ist als die Luft, so sucht es den Körper, mit dem 
es sich verbunden hat, zu heben, wodurch dieser einen Theil seines 
Gewichtes verliert.« Dem Phlogiston wurde also hier gleichsam die 
Function eines Luftballons übertragen. An der gewohnten Unver- 
schämtheit fehlt es der kleinen Schrift auch nicht. Lavoisier wird 
hier als Irrlehrer hingestellt, der den Forschern einen falschen Weg 
gebahnt habe. Nun, wenn alle falsche Wege zu einem solchen Ziele 
führen, wie der von Lavoisier eingeschlagene, so würden bestimmt 
die richtigen sehr bald verödet sein. Ihm hat die Chemie in einem 
Zeitraume von lange nicht hundert Jahren Erfolge zu verdanken, wie 
sie keine andere Wissenschaft aufzuweisen hat. Seit dem letzten 
Viertel des vorigen Jahrhunderts hat unsere Wissenschaft, in Folge 
des Aufschwunges, den sie durch Lavoisier erhielt, Fortschritte 
gemacht, gegen die alle Errungenschaften der ganzen Zeit vorher — 


Vereinszeitung. 101 


und diese ist nicht klein, wenn wir bedenken, dass wir der Cultur 
Aegyptens, von welchem Lande sogar der Name der Wissenschaft her- 
stammen soll, nach Lepsiusein Alter von 25,000 Jahren zuschreiben 
können — verschwinden. Seit Lavoisier und in Folge seiner Ent- 
deckungen ist die Chemie eine Macht geworden; zu keiner Zeit haben 
die Chemiker einen gerechteren Anspruch auf den Namen »der Gold- 
macher« — freilich in einem edleren Sinne — gehabt, als eben jetzt, 
wo die Anwendung der Wissenschaft auf das praktische Leben die 
zahlreichen Bedürfnisse der Menschen leichter, weil um einen gerin- 
geren Preis, befriedigt und stets neue Erwerbsquellen eröffnet. Wäh- 
rend die tanzenden Tische, die erste grosse Entdeckung unseres Jah- 
res, ganz Europa in einen rasenden Taumel versetzten, so dass man 
an der Vernunft der Menschheit irre werden konnte, war die kurz 
darauf sich offenbarende Weisheit des Dr. Schöpffer nur im Stande, 
ein sehr geringes Aufsehen zu erregen. Von dem neuesien Wunder- 
kinde des menschlichen Geistes — ohne Widerrede die folgenschwerste 
Entdeckung aller Zeiten — dessen Geburt doch bereits seit dem Juni 
datirt, scheint man nun gar keine Notiz nehmen zu wollen. Ist denn 
aller Enthusiasmus bei Gelegenheit der tanzenden Tische auf einmal 
verpufft oder sollte die Prophezeiung des »Kladderadasch« von wegen 
der Schamröthe doch Wahrheit geworden sein? — Hr. Kohlmann 
erörterte Savary’s Dampfmaschine nach einer Beschreibung vom 
Jahre 1696. Versuche mit einem Modelle derselben wurden in Geger- 
wart des Königs William zu Hampton-Court und vor der König- 
lichen Societät 1699 ausgeführt. Der Dampf drückt bei dieser Ma- 
schine unmittelbar auf das in einem metallenen Cylinder befindliche 
Wasser und treibt es in ein seilliches Rohr empor; darauf wird der 
Dampf durch Abkühlung verdichtet und der leere Cylinderraum füllt 
sich von Neuem durch ein besonderes Saugrohr mit Wasser an. Der 
Maschine fehlt demnach der für die praktische Anwendung wesent- 
lichste Theil — der Koiben. Papinius hat ihn zuerst angewandt 
und somit den Mise angebahnt, auf welchem Newkomen und Watt 
so Grosses geleistet haben, Im Gegensatze zu diesen glänzenden 
Resultaten wurden einige der vielen, aber steis verunglückten Ver- 
suche erwähnt, Rotafionsmaschinen ohne Kolben mit gleichem Effect 
zu conslruiren. Die meisten scheiterten an der Schwierigkeit, alle 
Verbindungen gehörig luftdicht zu verschliessen; auch sind sie durch 
die Watt’sche Auffindung des Mechanismus zur Verwandlung der 
geradlinigen Bewegung in eine rotirende entbehrlich. Bemerkens- 
werth ist indess, dass Clegg, Mechaniker und Inspector der ersten 
öffentlichen Gasanstalt in London, bei diesen Versuchen iS14 auf die 
Entdeckung der Gasuhr kam, bei welcher das Leuchtgas auf seinem 
Röhrenwege ein von einem cylinderförmigen Mantel umgebenes Schau- 
felrad dreht und durch ein damit verbundenes Zeigerwerk die Menge 
des in einer gewissen Zeit verbrauchten Gases angiebt — einer Erfin- 
dung, die für die allgemeine Einführung der Gasbeleuchtung von der 
grössten Bedeuiurg geworden ist, 


Sitzung am 2. November. Hr. Faltin berichtete die inter- 
essanten Versuche, welche der Prof. Schrötter in Wien über das 
Gefrieren des Wassers im luftverdünnten Raume und die dabei durch 
das Verdunsten des Eises erzeugte Kälte angestellt hat. Bei der 
Luftpumpe, deren Schröiter sich bediente, waren alle Häbne ver- 


eijswm” 
popal 
T op 


ı 1901 


102 Vereinszeitung. 


wmieden; sammt den Kugelventilen waren sie durch über einander con- 
centrisch drehbare und zweckmässig durchbohrte und zusammen- 
geschliffene Platten ersetzt, auf welche Art ein bei weitem sicherer 
Verschluss bewirkt und das Eindringen der Luft nach aussen voll- 
ständiger verhindert wird. Die Thatsache, dass man durch Beschleu- 
nigung der Verdunstung des Wassers und des Eises im luftverdünnten 
Raume die Temperatur weit unter den Gefrierpunet bringen könne, 
war bereits 1811 von Leslie und Consitiachi bemerkt. Schröt- 
ter gelangte zu weiteren Resultaten, von denen das wichligste darin 
besteht, dass man im Stande ist, mit einer verhältnissmässig sehr gerin- 
gen Menge Eis — 3 Grm,, oder ungefähr 3/} Quentchen für die 
Stunde — beliebige Körper eine lange Zeit einer Temperatur von 
mindestens min, 33 bis min. 40 Grad — in der das Quecksilber ge- 
friert — ununterbrochen und fast ohne alle Kosten aus- 
zusetzen, Es wird dadurch möglich, Fragen zu beantworten, die nur 
zu stellen man bisher kaum dachte, da es ganz und gar an Milte!n 
fehlte zu Beantwortung derselben. Wahl kann man durch Verdun- 
sten eines Gemisches von fester Kohlensäure und Aeıber eine bei wei- 
tem niedrigere Temperatur hervorbringen, unter min. 90 Grad und 
durch Verdunsten des flüssigen Stickstolloxyduls sogar eine von 
min. 115 Grad, jedoch nur auf kurze Zeit, da diese Versuche sehr 
amständlich und kostbar sind. Die niedrigste Temperatur, welche 
Schrötter hervorbrachte, war die von min. 42 Grad; jedoch ist 
dies wahrscheinlich noch lange nicht die äusserste Grenze, welche 
auf diese Art erreicht werden kann. — Hr. Bär kam einem 
früher gegebenen Versprechen nach, indem er das bereits vor 
längerer Zeit bereitete Natriumnitroprussid, so wie sehr schöne 
Krystalle von Kaliumeiseneyanür — gelbem Blutlaugensalz — aus 
welcher Verbindung die zuerst angeführte durch Einwirkung ver- 
dünnter Salpetersäure und Wärme und Sättigen der kaffeebraunen 
Flüssigkeit mit Soda dargestellt wird, vorlegte. Zur Erklärung 
des Namens Prussid führte er an, dass dieser vom Berlinerblau, 
einer Verbindung von Cyan mit Eisen, die zufällig zu Anfange des 
vorigen Jahrhunderts von einem Farbenkünstler Diesbach zu Berlin 
entdeckt worden ist, herstamme. Sie bildete nämlich später den Aus- 
gangspunet zur Erkenntniss und Darstellung der Cyanverbindungen 
und deshalb erbielt die Cyanwasserstoffsäure den Namen Blausäure. 
In Frankreich und England heisst das Berlinerblau und die Blausäure 
Preussisches Blau und Preussische Säure. Der Redner führte zwar 
Einiges über die weiter von Playfair entdeckten Nitroprussidver- 
bindungen an, auf die complicirteren Verhältnisse jedoch ging der- 
selbe nicht weiter ein, da diese bis jetzt mit Sicherheit noch nicht 
erkannt sind. Ausführlicheres darüber versprach er in der Zeitschrift 
des Vereins beizubringen, Ferner wurde die äusserst empfindliche 
Reaction des Nitroprussidnatriums auf Schwefel — eine prächtig violetie 
Ren) “  - vezeigt, wobei auch der anderen Mittel gedacht wurde, 

'endung der Schwefel nachgewiesen werden kann. 

och an Empfindlichkeit bei weitem von dem neuen 

en, so dass es damit möglich ist, die Gegenwart des 

em einzigen Haar mit Bestimmtheit nachzuweisen. 

Versuch konnte jedoch nicht angestellt werden, da 

ım Abend es nur Einem gesiattet, die intensive, 

ntane Färbung wahrzunehmen, und der Versuch zu 

m öfters hinter einander gemacht werden zu können. 


Vereinszeitung. 103 


— Hr. Heintz sprach über Gerhardt’s und Chiozza’s Ansichten 
in Betreff der Constitution der zweibasischen Säuren und der Amide. 
Eben so wie diese Chemiker die Hydrate der einbasischen Säuren als 
ein Atom Wasser betrachten, in welchem die Hälfte des Wasserstoffs 
durch ein Element oder durch eine Atomgruppe — ein zusammen- 
geseiztes Radical — ersetzt ist, sehen sie auch die zweibasischen 
Säuren als zwei Atome Wasser an, in welchem gleichfalls eine solche 
Vertretung statt findet. In den von Gerhardt und Chiozza nach 
dieser Betrachtungsweise aufgestellten Formeln für die beiden Säure- 
gruppen finden wir leicht eine Erklärung für den Umstand, dass wir 
aus den zweibasischen Säuren durch Entziehung des Hydratwassers 
wasserfreie Säuren darstellen können, während die einbasischen hier- 
bei anderweite Zersetzungsproducte liefern. Dies ist für die ersteren 
ein charakteristisches Erkennungszeichen; ein anderes geben sie in 
der Einwirkung des Phosphorsuperchlorids auf die Hydrate der bei- 
den Säurengruppen, die sonst nicht immer leicht zu erkennen waren. 
Die Amide reihen Gerhardt und Chiozza dem Ammoniak so an, 
wie die organischen Säuren und Aetherarten dem Wasser. Früher 
stellte man nur solche Verbindungen in die Ammoniakreihe, die ent- 
schieden eine alkalische Reaction zeigten, während nach der Anschau- 
ungsweise von Gerhardt und Chiozza in jeder Reihe eines be- 
stimmten Typus Basen und Säuren zugleich mit den dazwischen lie- 
genden indifferenten Gliedern, zu welchen sie eben in der Ammoniak- 
reihe die Amide rechnen, vorkommen können. _Hiernach müssten die 
beiden Atome Wasserstoff des in den Amiden enthalten gedachten 
Ammoniaks durch Atomgruppen ersetzbar sein? Und dies ist in der 
That der Fall, wie es Gerhardt und Chiozza an zahlreichen Bei- 
spielen nachgewiesen haben. Wurtz hält jedoch diese Ansicht für 
unpassend. Er betrachtet die Amide, wie früher auch Gerhardt, 
als Derivate des Wassertypus. Der Unterschied beider Ansichten ist 
jedoch unbedeutend und der ganze Streit um so mehr ein müssiger, 
da durchaus die Formel nicht dargethan wird, dass die Anordnung 
der Atome wirklich eine solche ist, wie sie die Formel angiebt. — 
Hr. Giebel erläuterte Hirtel’s Untersuchungen über die Querthei- 
lung der Schwanzwirbel bei den Sauriern. Derselbe beginnt in der 
Regel am 4. bis 6. Wirbel und läuft allermeist bis zum letzten Wir- 
bel hin. Sie ist bei vielen so locker, dass der Wirbel an dieser 
Stelle leichter zerbricht, als im Gelenk und dies ist der Grund, wes- 
halb die Schwänze der Eidechsen und auch der Blindschleichen so 
leicht zerbrechen. Bei andern jedoch ist sie nur durch eine schwache 
Querfurche oder Wulst angedeutet. Nicht bloss der Wirbelkörper 
ist getheilt, sondern auch seine Fortsetzung — Hr. Schliephacke 
brachte einen eigenthümlichen Umstand zur Sprache, der ihm bei der 
Destillation von Chlorwasserstoffsäure begegngl. war. 


Sitzung am 23. November. In Veranlassung seines letzten 
Vortrages gab Hr. Bär eine Skizze der Geschichte der Alchemie in 
den letzten 150 Jahren. Das vergangene Jahrhundert zeigt uns die 
Eigenthümlichkeit, dass höchste Blüthe und Verfall der hermetischen 
Kunst ihm angehören. Wohl hatten die Fürsten, nachdem sie durch 
Jahrhunderte hindurch selbst eifrig mit Retorte und Ti egel operirt 
hatten, um die köstliche Tinctur zu bereiten, von der ein Tropfen 
unendliche Mengen von Blei oder Quecksilber in Gold und Silber ver- 


10% Vereinszeitung. 


wandeln sollte, endlich erkannt, dass sie Spielbälle in den Händen 
schlauer Betrüger gewesen, die man sich nun auf nicht sehr glimpf- 
liche Weise vom Halse schaffte. So wurde der berüchtigte Vagant 
Ga&tano, Graf Ruggiero, der nach vielen Irrfahrten nach Berlin 
verschlagen war und hier versprochen hatte, den Schatz um belie- 
bige Summen zu bereichern, 1709 in einem mit Flittergold beklebten 
Kleide an einen vergoldeten Galgen aufgehängt. Ein ähnliches Schick- 
sal theilte ein Deutscher Industrieritter, Hector v. Klettenberg, 
der dem Italienischen in nichts nachstand. Auf Befehl August Il. 
von Sachsen und Polen wurde er 1720 auf dem Königstein enthauptet. 
Solche Mittel brachten zwar die fahrenden Adepten zum Verschwin- 
den, aber die grosse Kunst blühte mehr denn je; von den Höfen dem 
Scheine nach verscheucht, wurde sie jetzt zum ersten Male Gemein- 
gut des Volkes. Wie sehr die Epidemie grassirte, ersehen wir aus 
den poetischen Klagen einiger Adepten, die ihrem Zorne darüber, 
dass die keilige Kunst in den Koth getreten wurde, in Versen Lufs 
machten. So schrieb einer: 

Wer im gemeinen Dienst dem Staat nichts nützen kann, 

Wer jung als Passagier sein Hab und Gut verthan, 

Will nun in Müssiggang aus Gläsern, Rauch und Kohlen 

(Schaut doch dies Wunderwerk) des Schadens sich erholen. 
Und ein anderer: 

Es will fast Jedermann ein Alchemiste heissen, 

Ein grober Idiot, der Junge mit dem Greisen; 

Bartscheerer, altes Weib, ein kurzweiliger Rath, 

Der kahlgeschorne®® Mönch, der Priester und Soldat. 
Doch Einzelne sind leichter zu betrügen als Viele und so musste sich 
denn die geheime Kunst bald wieder ihre Anhänger unter den Gebil- 
deten suchen. Wir staunen jetzt, wenn wir unter den Vereinzelten, 
die jetzt noch diesem Wahne anhingen, die ersten Geister unseres 
Volkes finden. Selbst Friedrich Il, war nicht frei davon. 1751 
erschien eine Frau v. Pfuel mit zwei schönen Töchtern in Potsdam 
und machte so, indem sie den Reigen der fahrenden Adepten schloss, 
das alte Wort derselben wahr, dass die Goldmacherei eine wahre 
Frauenarbeit sei. Die Operationen dieser schönen Damen, die viel- 
leicht noch andere Absichten hatten, als dem Golde die Seele aus- 
zuziehen, kosteten dem grossen König 10,000 Thlr., ohne dass er 
dafür die Seele des Goldes erlangte. Der Spott, mit dem er später 
die Alchemie reichlich geisselte, war also theuer genug erkauft. 
Auch Göthe finden wir vertieft in dem Studium der Koryphäen der 
Alchemie und ging er mit nichts Geringerem um, als den Stein der 
Weisen — die Universalmediein — zu entdecken. Die schönste Frucht, 
welche uns die durch viele Jahrhunderte eifrig betriebene geheim- 
nissvolle Kunst geliefert hat, ist Göthe’s »Faust«, direct hervor- 
gegangen aus seinem mystisch -alchemistischen Treiben. Das 18. Jahr- 
hundert ist reich an gelungenen Experimenten. Wir führen hier nur 
die an, welche in unserer Stadt ausgeführt sind. Grosses Aufsehen 
erregie eine gelungene Umwandlung, die 1750 in der hiesigen Waisen- 
haus- Apotheke vorgenommen worden war. Von der Richtigkeit die- 
ser Thatsache war selbst ein seiner Zeit sehr geschätzter Gelehrter, 
der Kriegs- und Domainenrath, so wie Berg- und Salinendirector 
v. Leysser (1771) überzeugt. Ein anderer Hallescher Gelehrter, 
der berühmte Theologe Semler, beschäftigte sich direet mit der her- 
metischen Kunst, Er suchte, gleich Göthe, eifrig nach der Univer- 


Vereinszeilung. 105 


salmediein, um den sterblichen Menschen das verlorene Paradies 
wenigstens theilweise wieder zu verschaffen. Bei diesen Versuchen 
sah er nun leibhaft vor seinen Augen das reinste Gold hervorwach- 
sen. Der berühmte Chemiker Klaproth sollte die Zweifel gegen 
dieses Wunder entwaflnen, weshalb Semler vor dessen Augen und 
in Gegenwart einer glänzenden Gesellschaft in Berlin operirte, wobei 
er aber nichts als Spott und Hohn erntete, denn es ergab sich, dass 
der Goldmacher von einem Soldaten, dem er Gutes gethan, in der 
woblgemeinten Absicht, seinem Wohlthäter Vergnügen zu bereiten, 
hinter’s Licht geführt worden war. Der Glaube an die Verwandlung 
der Metalle ist bis in die neueste Zeit hinein nicht untergegangen; 
Einzelne halten stets noch hartnäckig daran fest. 1796 stiftete der 
Verfasser der bekannten Jobsiade, Dr. Kortüm in Bochum, mit dem 
Dr. Bebrens zu Schwerte bei Dortmund die hermetische Gesell- 
schaft, deren Wirken wir bis 1819 verfolgen können. 1832 erschien 
hier in der Buchhandlung des Waisenhauses eine Geschichte der Al- 
chemie vom Professor Dr. Schmieder, der vollkommen davon über- 
zeugt war, dass die Verwandiung der Metalle möglich sei und dass 
der Stein der Weisen zu verschiedenen Zeiten wirklich existirt habe. 
Einzelne Familien glauben noch hier und da im Besitz des Geheim- 
nisses zu sein. So wurde 1837 dem Gewerbeverein in Weimar eine 
Tincetur übergeben, die aber bereits Gold enthielt, damit sich Jeder 
von der freilich sehr schwachen Kraft derselben überzeugen könne, 
In Paris ist die Sache sogar bis in die neueste Zeit wissenschaftlich 
betrieben worden, wie wir dies aus dem 1844 erschienenen Lehr- 
buch der Chemie von Baudrimont ersehen. Nach ihm hat sich 
ein gewisser Javary vielfach mit Versuchen beschäftigt, deren Resul- 
tate mit der Zeit ein Gelingen in Aussicht stellten. Seiner Ansicht 
nach ist der Sauerstoff das mächtige, die Umwandlung bewirkende 
Prineip. Zu diesem Glauben waren bereits die Alchemisten gekom- 
men, Sie sahen die Luft, das flüchtigste aller Wesen, als die Mate- 
ria prima an und scheuten sich nicht, mit Kröten, Schlangen und 
Eidechsen, namentlich den goldgefleckten, zu operiren. Hier glaubten 
sie mit Zuversicht den Stein der Weisen zu finden, denn ihrer-Ansicht 
nach mussten diese Thiere, da sie lange ohne Nahrung ausdauern 
können und sich folglich von der Luft nähren, das flüchtige Princip 
der Luft in sich verdichten. — Hr. Schliephacke legte nachträg- 
lich Blechnum Spicert und Lycopodium elavatum in fruchtbaren und 
unfruchtbaren Exemplaren ver und erläuterte daran den Unterschied 
beider Zustände. Sodann brachte er nähere Details in Betreff der 
oben erwähnten Umwandlung in Gold, die i750 in der hiesigen 
Waisenhaus- Apotheke statt gefunden hat, bei, Der Adept, welcher 
einem Apothekergehülfen das wunderbare Mittel gegeben hatte, war 
ohne Abschied verschwunden, als dieser in seiner Freude zu ihm 
gerannt kam, um ihm den unerwarteten Erfolg zu verkünden. Nie 
hat man den Verschwundenen in Halle wiedergesehen. Der Gold- 
arbeiter Lemmerich, in der Ulrichsstrasse damals wohnhaft, erklärte 
das Gold für das beste, welches er jemals gesehen, aber es sei kein 
natürliches. Drei Loth kaufte er für 36 Reichsthaler und ersuchte 
den Verkäufer, bald mit neuem Golde wieder zu kommen. Schmie- 
der sieht diese Transmutation als den wichtigsten Beweis für die 
Wahrheit der Alchemie an; dagegen seien keine Zweifel zu erheben. 
— Hr. Körner berichtete über die endliche Auffindung der Nord- 
west- Durchfahrt zwischen dem Atlantischen und Stillen Ocean, über 


x 


406 Vereinszeitung. 


welche die Zeitungen so widersprechende Nachrichten gegeben haben, 
nach einem Briefe A. v. Humboldt’s an ©. Ritter. M’Clure, 
ein Irländer, mit dem Commando des »Investigator« bekleidet, folgte 
1849 dem Capt. Collinson nach der Behringsstrasse. Letzterer 
kehrte des Eises wegen zur Ueberwinterung nach Hong-Kong zurück ; 
ersterer folgte jedoch dem vom Capt. Kellet, Befehlshaber des 
»Herald«, gegebenen Signal zur Rückkehr nicht und bebarrte kühn 
auf seinem Entschluss, nach N.-O. zu schiffen. Sein Ungehörsam 
wurde mit Erfolg gekrönt. Von Juli bis September 1850 folgte er 
der Küste Nordamerikas vom Cap Barrow (156 Grad w. L. v. G.) 
an bis Cap Bathurst (127 Grad). Hierauf segelte er in nordwest- 
licher Richtung nach dem sogenannten Bankslande und fand dasselbe 
aus zwei grossen Inseln, von denen er die westliche Barings-, die 
östliche Prinz Alberts-Insel nannte, bestehend. Die Meerenge, welche 
diese beiden Inseln trennt, ist die nordwestliche Durchfahrt. Sie zeigte 
sich höchst günstig, um die See im S. der Melville-Inseln zu errei- 
chen. Am 8, October jedoch fror das Schiff ein, nahe am N.-O.-Aus- 
gange des Canals und mehrere während des Winters unternommene 
Erpeditionen führten zu der Erkenntniss, dass die Strasse in die 
Barrowstrasse einmünde und dass die N.-W.-Passage bestimmt ermit- 
mittelt sei. Wäre das Wasser nur wenige Tage offen geblieben, so 
hätte die Fahrt in Einem Sommer und in nicht längerer Zeit als 
2l/g Monat zurückgelegt werden können. Am 54. Juli 1851 wurde 
endlich das Schiff wieder frei, doch war es unmöglich vorzudringen, Am 
16. August wurde M’Clure zur Rückkehr gezwungen. Mit unsäg- 
licher Mühe gelangte er an die N.-O.-Seite der Baring-Insel, wo das 
Schiff in der Nacht zum 24. Septbr. wieder einfror und am 10. April 
1853 noch fest lag. Von hier aus hatte man im April 1852 auf der 
Melville-Insel einen Bericht über die Fahrt niedergelegt, der glück- 
licher Weise von Capt. Kellet’s Officieren gefunden wurde. Lieut. 
Pim erhielt von ihm den Auftrag, die Unglücklichen aufzusuchen. 
Dies gelang und zwar zu einer Zeit, wo die im Eise Eingeschlossenen 
sich schon mit dem verzweifelten Entschluss vertraut gemacht hatten, 
auf irgend eine Weise dem eisigen Gefängniss zu entfliehen, denn 
dazu, dass der »Investigator« vom Eise befreit würde, war der zahl- 
losen Eismassen wegen, welche die Barrowstrasse und die S.-W.- 
Küste der Melville-Insel sperrten, keine Aussicht. Die Beschilfung 
der N.- W.- Passage ist nach M’Clure von O. her nicht möglich, 
wohl aber von W. durch die Prince of Wales-Strasse und entlang der 
amerikanischen Küste. Treibholz und Wildpret — Rennthiere und Hasen — 
giebt es hier im Ueberfluss, die kühnen Seefahrer verschafften sich von 
letzterem über 4000 Pfund. So ist denn endlich ein Problem gelöst, das 
drei Jahrhunderte hindurch den Unternehmungsgeist der seefahrenden 
Nationen beschäftigte. Englands bewährter Flagge bleibt die Ehre, 
durchgeführt zu haben, was unmöglich schien. Die endliche Auffin- 
dung dieser Durchfahrt ist aber nur ein Triumph der Wissenschaft, 
denn die von ihr erwarteten Handelsvortheile haben bereits längst 
alles Interesse verloren. Das glänzende Resultat eines kühnen Muthes 
wird aber sehr getrübt durch die gleichzeitige Trauerbotschaft, dass 
von Franklin’s Expedition keine Spur aufzufinden sei. Sir E. Bel- 
cher’s neueste Depeschen geben diese Hoffnung jedoch immer noch 
nicht auf. — Hr. Andrae sprach über Höhlen und Spaltenbildungen 
in Steiermark, die nordöstlich von Gratz im Uebergangskalkgebirge 
und insbesondere nördlich von Weiz auftreten, wo sich die Grasel- 
höhle, das Katerloch, Patschaloch und Kabelloch finden. Unter diesen 


Vereinszeitung. 107 


ist allein die erstere Tropfsteinhöhle, die anderen bieten mehr oder 
weniger ausgedehnte Räume dar, in denen zerrissene und zerklüftete, 
meist scharfkantige Kalkmassen die Wandungen bilden und nur aus- 
nahmsweise einzelne Tropfsteine enthalten sind. Diluviallehm wurde 
nur in der Graselhöhle beobachtet. Zwei bekanntere und häufiger 
besuchte Höhlen finden sich an der Eisenbahn zwischen Gratz und 
Bruck an der Mur: nämlich die Badelhöhle bei Peggau und die Dra- 
chenhöhle bei Minniiz. Die erstere hat eine doppelte Ocffnung, die 
beide in der Weise mit einander communiciren, dass man durch die 
eine im tiefern Niveau hinein, dann ziemlich dem Ansteigen der 
Sehichten eine halbe Stunde folgend im köhern Niveau wieder her- 
auskommen kann. Die Drachenhöhle befindet sich bei etwa 3000 W. 
Fuss Höhe in dem steil nach dem Murthale abfallenden Röthelstein 
und enthielt mehrere Etagen, deren Zugänge aber zur Zeit des Be- 
suches verfallen waren. Genannte Höhlen führen keine Stalaktilen, 
wohl aber mehrere Fuss mächtige Lehmansammlungen, die schon 
reiche Ausbeute an fossilen Knochen geliefert haben. Weiter gedachte 
der Redner noch der Weiterlöcher — tief ins Kaikgebirge hinein- 
gehende Schlünde am 4770 Fuss hohen Schöckel — so wie der bei 
Semnach versinkenden und bei Peggau wieder hervortretenden Que!- 
ien des Uebergangskalkes und der Felsenengen —, hier gewöhnlich 
wit dem Naiınen »Klamm« belegt —, durch welche Raab und Weiz 
fliessen, — Hr. Giebel legte einige für die Sammlung eingegangene 
Seeigel aus den Tertiärschichten Westfalens ver und zeigte einige 
eigen!bümliche Pflanzenreste aus dem Steinsalzlager von Wieliczka. 
Darauf wies er nach, dass der Klippdachs (Hyraz) im Oberkiefer 
neben den beiden grossen Schneidezähnen noch je einen kleinen hin- 
fälligen besitzt, der bisher ganz übersehen zu sein scheint. Hinsicht- 
lich der Artdilfferenzen machte der Redner auf erhebliche Eigenthüm- 
lichkeiten im Schädelbau des Syrischen und Capischen Klippdachses 
aufmerksam und zog die Existenz aller anderen, fast nur auf Farben- 
unterschiede des Pe!zes begründelen Arten in Zweifel, — Hr. Koh!- 
mann trug nach einer brieflichen Mittheilung des Hrn. Beek fol- 
gende von diesem unweit Halle auf dem Wege von der Heide nach 
den Weinbergen gemachte Beobachtung vor. Am 20. d. M. Abenis 
ib 20° stieg plötzlich ın der Nähe des Zeniths, von N.-O. nach S.-W. 
einen grossen Bogen beschreibend, ein schmaler Lichtstreif am Him- 
melsgewölbe empor. Derselbe war ziemlich intensiv rothgelb, zeigte 
keine Aehnlichkeit mit einer Sternschnuppe und war von keinem 
bemerkbaren Geräusch begleitet, Einige Personen, welche dieselbe 
Erscheinung gleichzeitig von den Weinbergen aus beobachteten, 
schätzten die Länge des Lichtbogens auf 20 — 24 Ellen bei einer 
Breite von 1/4 Elle. Es schien ihnen, als erhöbe sich derselbe von 
dem dortigen Teiche aus bis zu einer Zenithalhöhe von 12 Ellen. 
Der starke Nebel verhinderte indess ein näheres Erkennen. Diese 
räthselhafte Erscheinung veranlasste den Referenten zu einigen Mit- 
theilungen über das Zodiakallicht (Thierkreislicht), dessen wahre 
Natur wegen Mangels an vielseitigen Beobachtungen ebenfalls noch 
nicht genau erkannt ist. „Es zeigt sich besonders nach Untergang der 
Sonne am westlichen, seltener des Morgens vor ihrem Aufgange am 
östlichen Himmel als ein weisslicher Lichtschimmer in Gestalt einer 
schräg gegen den Horizont längs dem Thierkrei-e sich erstreckenden 
Pyramide. Zur Veranschaulichung wurde v. Horner’s Zeichnung 
nach einer von demselben am 13. December 1803 auf dem Aulanti- 
schen Ocean gemachien Beobachtung vorgelegt. »Schon in der Däm- 


108 Vereinszeitung. 


merung«, sagt dieser so genau beobachtende und so gewissenhaft 
erzählende Gelehrte, »als keine röthliche Farbe mehr am Himmel war, 
im Halbschatten der Nacht, zeigte sich über der blass-grünlichen, 
unbestimmten Helligkeit im Westen ein röthlicher Schimmer, der un- 
gefähr bei 13 Grad Höhe anfing. Späterhin nahm er selbst vom Hori- 
zont Besitz und reichte verwaschen und nicht über 4 Grade breit in 
den Zenith hinauf. Um &n 30° war das Zodiakallicht sehr helle und 
ging, unter « und B Capricorni südlich anfangend, bis an den Wid- 
der hinauf. Unten bildete es ein Dreieck von ungefähr 12 Grad Höhe 
und 8—10 Grad Basis am Horizont.« Schon früher, am 23. Novem- 
ber, sah v. Horner das -Zodiakallicht unter 4 Grad N. B. auch in 
Osten, indem es genau auf den Regulus zuging. Es liegt etwas Auf- 
fallendes in dem Umstande, dass das Phänomen gleich nach der ersten 
Wahrnehmung desselben durch Cassini 1683 mehrmals beobachtet 
wurde, die Astronomen der neuesten Zeit aber, obgleich ihre Zahl 
gross ist, fast gänzlich darüber schweigen. La Caille’s Aussage, 
dass sich dasselbe in der äquatorischen Zone häufig zeige, wird durch | 
einen der gewichtigsten Gewährsmänner, A v. Humboldt, bestä- 
tigt, Am schönsten sah er es auf dem Rücken der Mexikanischen 
Cordilleren an den Ufern des Toczuvo-Sees in Januar 1804. Der 
belle Lichtschein stieg mehr als 60 Grad über den Horizont hinauf; 
die Milchstrasse schien vor dieser Helligkeit zu erblassen, und wenn 
zerstreute, bläuliche Wolken sich im Westen gesammelt hatten, so 
verbreitete sich ein Schein als vom aufgehenden Monde. In der gan- 
zen Pyramide, hauptsächlich im Innern, fanden oft deutliche Licht- 
wechsel statt, die von zwei zu zwei Minuten dauerten. Die Sterne 
strahlten mit unverändertem Glanz und keine Spur eines vorhandenen 
Nebels war zu bemerken. 


Die Umgestaltung der Erdrinde. 


Bekannt ist, welche unermessliche Mengen von Schlamm und 
Gerölle der Po jährlich in den Winkel des Adriatischen Meeres 
schleudert und eine Abnahme des Wassers, eine Erhöhung des Mee- 
resbodens wäre hier eine sehr natürliche Erscheinung. Sie findet 
auch in der That in gewisser Weise stalt5 aber um so mehr muss 
es uns überraschen, wenn die unwiderleglichsien Beweise vorliegen, 
dass das ganze Land nichts desto weniger sinkt. Allmälig zwar, aber 
unaufhaltsam, so lautet Schleiden’s Prophezeiung, sinkt die Dogen- 
stadt Venedig in den Abgrund des Meeres. Schon als 1722 das Plla- 
ster des St, Marcusplatzes um 11/, Fuss erhöht werden musste, fand 
man beim Aufreissen des Bodens noch ein 5 Fuss tieferes Pflaster, 
welches damals 3 bis 3l1/g Fuss unter dem Wasserspiegel lag, und 
jetzt läuft schon wieder jedes Hochwasser in die Magazine und Kir- 
chen dieses Platzes hinein. Bei Zara liegen die schönsten Mosaik- 
pflaster unter dem Wasser. Auf der Südspitze der Insel Vragnitza 
erblickt man bei ruhiger See eine ganze Reihe geordnet neben .ein- 
ander stehender Steinsarkophage. Dieselbe Erscheinung können wir 
längs der ganzen Küste von Dalmatien verfolgen. 

Kaum hatte der Engländer Wilde durch äusserst sorgfältige 
Beobachtungen an Ruinen und durch Vergleichung geschichtlicher 
Angaben nachgewiesen, dass die ganze Küste Asiens von Tyrus bis 
Alexandrien seit den Zeiten der Römer ins Meer versinke, so gab 
Murchison in seiner Geologie von Russland die sichersten That- 
sachen dafür an die Hand, dass das nördliche Russland und Sibirien 


Vereinszeitung. 109 


seit der Zeit, als in jenen Ländern die mächtigen Mammuths lebendig 
begraben wurden, sich ununterbrochen und stetig aus den Fluthen 
des Eismeeres hervorheben und noch vor Kurzem hat Dr. Pingel 
aus Kopenhagen das allmälige Eintauchen Grönlands in das Meer 
durch zahlreiche Beobachtungen nachgewiesen. Kurz, wohin sich die 
durch "Celsius und Leopold v. Buch aufmerksam gemachten 
Geognosten jetzt mit ihren Forschungen wenden, zeigt sich ein Auf- 
steigen oder Versinken des Landes und das Studium der Geologie 
lässt uns erkennen, dass diese Erscheinungen durchaus nichts Neues 
in der Geschichte unseres Planeten sind, 

Dass bei vulkanischen Ausbrüchen neue Berge und Inseln, d.h. 
Berge des Neeresbodens, entstehen können, ist zu bekannt, als dass 
es nölhig wäre, an die unzähligen Beispiele zu erinnern. So ward 
Chile am Saum der Cordilleras gehoben. Die durch eine solche 
Hebung während des Erdbebens vom 20. Februar 1835 veränderte 
Beschaffenheit des Meeresbodens veranlasste den Untergang der von 
Capitain Fitzroy befehligten Fregatte »Challenger«, in Folge dessen 
der Capitain vor ein Kriegsgericht gestellt, aber natürlich freigespro- 
chen wurde. Dies Umänderungen sind aber nicht so umfassend und 
ilefgreifend, als die schon erwähnten Vorgänge, wo ohne alle Krämpfe 
der Erde, ohne dass irgend eine auffallende Erscheinung den Men- 
schen aufmerksam machte, ganze Landstriche sich erheben oder ver- 
sinken. So war es schon zu Celsius’ Zeiten auch in der Ueber- 
zeugung der Bewohner der West- und Ostküste Schwedens eine fest- 
gestellte Thalsache, dass sich das Wasser von dem Lande zurück- 
ziehe. Celsius selbst stellte ausführliche Nachforschungen deshalb 
an, und die Sache wurde dadurch ganz ausser allen Zweifel gestellt, 
obwohl die richtige Erklärung, dass sich nämlich ganz Schweden mit 
Ausnahme von Schonen südwärts von Söwitsburg, langsam aus dem 
Meer emporhebe, erst durch Leopold v. Buch ausgesprochen wurde. 
Selbst das Maass dieser Erhebung wurde schon von Celsius ziem- 
lich genau auf 3 Fuss im Jahrhundert festgestellt, so dass man vor- 
aussichtlich in einigen Tausend Jahren von Stockholm nach Abo 
trockenen Fusses wird hinüber gehen können. Diese Erhebung wird 
von Norden nach Süden immer geringer. Schonen und Bornholm 
stehen fest; darüber hinaus dagegen in Jütland hat man entschiedene 
Beweise vom allmäligen Sinken des Landes, und auch auf Ostpreussen 
scheint sich dieser allmälige Untergang auszudehnen. 

Während der berühmte Englische Geologe Lyell ähnliche Regio- 
nen der allmäligen Hebung und Senkung an der Ostküste Amerikas 
nachgewiesen hat, sind gleiche Thatsachen auch für das übrige Europa 
zum Theil lange bekannt, nur nicht immer im Zusammenhange aufge- 
fasst und gewürdigt. Fast die ganze Westküste von Schottland und 
England zeigt oft bis zu einer Höhe von 500 Fuss, ja bei Moel Try- 
fane in Caernarvonshire selbst von 1000 Fuss über dem Meeresspie- 
gel reihenweise über einander stehende Küstenbänke, welche dieselben 
Muscheln enthalten, die noch jetzt in dem benachbarten Meere leben. 
Aller angewendeten Mühe ungeachtet wird der chemals vortreffliche 
Hafen von Hithe in Kent gegenwärtig vom Vieh beweidet, statt von 
Schiffen befahren. Diese offenbaren Beweise allmäliger Hebung des 
Landes, die leicht durch unzählige Beispiele vermehrt werden können, 
verschwinden aber gegen die Südspitze von England völlig, und gehen 
wir weiter nach Süden hinab, so treten die entgegengeselzien Erschei- 
nungen deuilich vor Augen. So wie in der Südsee die Korallenthiere, 
so kämpfen in den nördlichen Küsten von Deutschland und Holland 


410 Vereinszeitung. 


die Menschen, um ihren beständig sinkenden Boden gegen die andrin- 
genden Fluthen durch Dämme, die sie fortwährend erhöhen müssen, 
zu erhalten. Das ehrmels so ausgedehnte Ostfriesland wurde 1240 
theilweise ein Raub des Meeres, welches ein damals noch 6 Stunden 
im Umfang haltendes Stück, die Insel Nordstrand, davon abriss. Am 
41. October 1635 wurde auch diese zum Theil verschlungen und es 
blieben nur die ganz kleinen Inseln, das jetzige Nordstrand und Pel- 
worın, übrig. Aehnliches gilt von der ganzen Inselreihe, welche sich 
längs der Küste der Nordsee hinzieht, die immer mehr und mehr zer- 
stückelt und vernichtet wird. Im Jahre 1277 entstand durch Ein- 
bruch des Meeres der Dollart und der Zuydersee und 1241 der Bies- 
bresch. Im Jahre 1332 unterlag der östliche Theil von Südbeveland 
mit den Städten Borselen und Remersvalen und zahlreichen Dörfern 
den vordringenden Gewässern, so wie 1658 die Inseln Orisant nord- 
östlich von Nordbeveland. An der ganzen Jütischen Ostküste zeigen 
submarine Wälder und sichtbar eultivirter Boden unter dem Wasser 
das Sinken des Landes an. Neben diesem im Sinken begriffener 
Streifen giebt uns die Westküste von Frankreich wieder ein anderes 
Bild, In Bourgneuf bei La Rochelle scheiterte 1752 ein Englisches 
Schiff auf einer Austernbank und dieses Wrack liegt jetzt mitten in 
einem bebauten Felde, 15 Fuss über dem Meeresspiegel. Die Gemeinde 
dieses Ortes hat allein in den letzten 25 Jahren dem Meere über 
2000 Morgen culturfähiges Land abgewonren Sonst landeten die 
Holländer ihr Salz in Port Bahand, welches jetzt 1000 Fuss vom 
Meere entfernt liegt. Olonne, ehemals eine Insel, ist jetzt durch 
Wiesen und einige Moräste mit dem Lande verbunden. Aehnliches 
findet bei Marennes und auf Oleron Anwendung, und wenn wir diese 
Linie fortsetzen, treffen wir, wie schon bemerkt, auf gleiche Erschei- 
nungen im Mittelmeere. Im Jahre 1248 schillte sich Ludwig der Hei- 
lige in dem damals berühmten Hafen von Aignes Mortes ein, der jetzt 
eine Stunde vom Meere liegt. Gehen wir weiter nach Italien, so 
lassen sich von Rom und Neapel interessante Beispiele aufführen. 
Hier steht besonders der berühmte Tempel des Serapis bei Puzzuoli, 
dessen drei Säulen in bedeutender Höhe einen breiten Streifen zei- 
gen, der von Bohrmuscheln angefressen ist, ein unwidersprechliches 
Zeugniss von einer früheren Senkung bis zu dieser Tiefe, während 
er sich erst später wieder erhoben hat. Gegenwärlig zeigt der von 
Wasser überfluthete Tempelgrund ein abermaliges Sinken des Bodens 
an und nicht fern davon erzählt ein alter Mönch bei den Capuzinern, 
dass er in seiner Jugend noch im Weingarten des Klosters Trauben 
gepflückt, wo jetzt an derselben Stelle sich lustig die Fischerboote 
schaukeln. Doch hier hängen die Bewegungen des Landes entschie- 
den mit vulkanischen Erscheinungen zusammen, während sie im Adrie- 
tischen Meere rein hervortreten. 

Zum Schluss erwähnen wir noch Neuholland, welches nach den 
Beobachtungen von Barwin auch in einer Region des Sinkens liegt. 
Dieser seltsame Welttheil, weit entfernt ein neues junges Land zu 
sein, ist, nach der Ansicht der heutigen Naturwissenschaft, vielmehr 
mit seiner wunderlichen, fast aller Verwandtschaft entbehrenden Flora, 
mit seiner nicht minder abweichenden, in mannigfacher Beziehung 
lebhaft an längst vergangene Bildungsperioden der Erde erinnernden 
Thierwelt, ein absterbender Greis, den die Fluthen allmälig begraben. 
Diese Bewegungen der Länder und Erdtheile sind nichts Wunderbares, 
wenn man bedenkt, welch eine dünne, früher so häufig durchbrochene 
Erdrinde die feurıge Masse des Erdballs umspannt. (Triest. Ztg) B. 


Vereinszeitung. 11 


7) Teehnologische Mittheilungen. 


Heizung und Lüftung. 
(Fortsetzung von Bd. CXXVII. H.3. p. 350.) 


Die Luftheizung. Die älteste Art derselben, schon bei den 
Römern in Bädern und wahrscheinlich auch in Wohnzimmern im Ge- 
brauch, noch jetzt in Treibhäusern und sonst üblich, ist die Canal- 
heizung. Die in einem ausser- und unterhalb gelegenen Feuerheerde 
erzeugten Gase und Rauch werden durch ein System von Canälen 
unter dem Fussboden fortgeführt, wo sie ihre Wärme an das zu hei- 
zende Local abgeben und dann durch den Schornstein entweichen. 
Diese Heizungsart empßehlt sich für Wohnzimmer sehr, vorzüglich 
deshalb, weil der Fussboden und die auf ihm ruhende unterste Luft- 
schicht steis warm erhalten werden, ist jedoch höchstens im ustern 
Geschoss des Hauses anzubringen und auch da nur mit Schwierigkeit. 
Bei der eigentlichen Luftheizung hat man ebenfalls ein System 
von Canälen, durch die theils dem Ofen kalte Luft zugeführt, theils 
die erwärmte Luft von demselben fortgeführt wird. Der Heizofen 
wird an einem den zu erwärmenden Localitäten nahen, wo möglich 
eiwas tiefer liegenden Orte aufgestellt, mit einem luftdichten Mantel 
oder mit Seitenmauern so umgeben, dass man durch eine gut schlies- 
sende Thür zwischen Mantel und Ofen zu Reinigungen vder Ausbesse- 
rungen gelangen kann. Von dem höchsten Puncte dieser Heizkammer 
führen die Warmluftcanäle zu den Localitäten, und von den Localitäten 
die Kaltluftcanäle zum Boden der Heizkammer zurück. Die Leitungs- 
canäle für warme und kalte Luft legt man in die Zwischenmauern der 
Gebäude, wo sie dem freien Luftzutritt nicht ausgesetzt sind. Die 
Warmlufteanäle müssen vom Ofen aus in immerwährend steigender 
Richtung in die Localitäten geführt werden, und ihre in die Zimmer 
gehenden Oeifnungen versieht man mit Schiebern, um diese Oeflnungen 
willkürlich öffnen und schliessen zu können; dasselbe geschieht auch 
bei den die Luft zurückführenden Kaltluftcanälen. Man wirft der 
Luftheizung vor, dass sie die Luft im Zimmer zu sehr austrockne und 
dadurch nachtheilig auf die Gesundheit wirke. Um dem vorzubeugen, 
bringt man wohl Wassergefässe in den Röhren an, welche die erwärmte 
Luft ausströmen. Die bemerkten übeln Folgen dürften indessen durch 
den Staub entstanden sein, der durch zu schnelle Circulation der Luft 
mit zum Ofen geführt wird, hier versengt und die Luft für das Ein- 
athmen ungesund macht. Diesem Nachtheil begegnet man durch enge 
Canäle, welche möglichst flach sind. 

Die Wasserheizung. Diese Methode lässt heisses Wasser, 
welches in einem Kessel erhitzt wird, durch ein Röhrensystem in die 
zu heizenden Localitäten führen und nach Abgabe seiner Wärme in 
den Erwärmungs-Apparat zurückleiten. Da das Wasser eine grosse 
Wärmecapacität besitzt, so braucht es nicht sehr heiss zu sein, um 
eine bedeutende Menge Luft zu erwärmen. Weitere Vortheile sind, 
dass die Temperatur sehr gut geregelt werden kann, und der in der 
Luft vorhandene Staub an den erwärmenden Oberflächen der Wasser- 
leitung sich nicht fangen kann. Ein Nachtheil besteht darin, dass 
man das Wasser nicht auf grosse Höhen leiten kann, ohne den Druck 
im Wasserkessel gefährlich zu vermehren. Diese Heizmethode gehört 
ganz der neuesten Zeit an. Ist es vielleicht richtig, dass die Wasser- 
heizung vor etwas mehr als 60 Jahren in Frankreich bekannt war, 


112 Vereinszeitung. 


wofür nur ein einziger Fall als Beispiel angeführt wird, so hat die 
Erfindung jedenfalls 40 Jahre ganz geruht, und erst dann haben Phy- 
siker und Techniker, Chabannes, Bacon, Atkinson, sie weiter 
ausgebildet. Jetzt hat die Methode eine grosse Verbreitung und eifrige 
Anhänger. Die neueste (zweifelhafte) Verbesserung ist die von Per- 
kins, welche darauf beruht, dass das Wasser im Erwärmungs-Appa- 
rate auf sehr hohe Hitzgrade gebracht und so durch die Localitäten 
geleitet wird, wodurch man erreicht, dass man bedeutend kleinere 
Erwärmungsflächen anwenden kann. Diese Perkins’sche Methode hat 
jedoch Nachtheile, indem der hermetische Verschluss sehr sorgfältig 
zu beobachten ist, viele Sicherheitsvorrichtungen nöthig werden und 
trotzdem Sprengungen von Röhren vorkommen. Für manche Zwecke 
im bürgerlichen und industriellen.Leben ist die Wasserheizung sehr 
anwendbar. Dies gilt namentlich für solche Räume, die wie Kirchen, 
Versammlungsorte, Gesellschaftshäuser, Theater, Treiıbhäuser, nur zeit- 
weise geheizt werden, und wo die Aufgabe dahin geht, einige Stunden 
hindurch eine mässige Wärme ohne beständiges Nachheizen zu erhal- 
ten. In Paris hat man Kirchen und andere öffentliche Gebäude in 
den vierziger Jahren auf Wasserheizung eingerichtet, und ist durch 
das Resultat zufrieden gestellt worden. Der Palast des Rechnungshofes 
und des Staatsraths am Quai d’Orsay wird durch einen einzigen Kessel 
durchaus geheizt; von diesem Kessel führen eine Menge Röhren das 
Wasser in die Wasseröfen der verschiedenen Säle. Der Ileerd dieser 
Heizeiarichtung befindet sich in einem Keller, dennoch sendet sie 
durch ihre Röhren das zur Heizung nöthige Wasser in alle Gemächer 
des ersten und zweiten Stocks nach dem Quai hinaus. Diese Röhren 
durchlaufen eine Länge von mehr als 900 Fuss und erwärmen dabei 
alle Säle binnen einer Stunde zu der erforderten Temperatur. Durch 
Paxton, den Architecten des Londoner Aussteliunugsgebäudes, wurde 
der berühmte Wintergarten des Herzogs von Devonshire zu Chatsworth 
auf Wasserheizung eingerichtet, Das vollkommene Gelingen dieses in 
mehrfacher Beziehung äusserst schwierigen Werkes hat in England 
eine sehr gute Meinung von der Wasserheizung verbreitet. Man wirft 
ihr Kostspieligkeit vor, ihre Anhänger behaupten, dass diese Heizungs- 
methode die wohlfeilste von allen sei. (Vgl.: Die Warmwasserheizung 
mit Ventilation, von Charles Hood, deutsch von Dr. C.H. Schmidt, 
Weimar 1847.) 

Dampfheizung. So wie die Heizung mit warmem Wasser, ist 
im Wesentlichen auch die Heizung mit ‚Wasserdämpfen einzurichten 
und eingerichtet; auch hier kann man mittelst Wasserdampf von ge- 
wöhnlicher Spannung unter dem Drucke einer Atmosphäre, oder unter 
dem Drucke mehrerer Aimosphären, also mit höherer Temperatur als 
100°, heizen,.— im erstern Falle entweichen die allenfalls nicht ab- 
gekühlten Dämpfe aus den Leitungsröhren ungehindert ins Freie, und 
das aus den abgekühlten Dämpfen entstandene Wasser fliesst in einer 
eigenen Rückleitung, manchmal auch in der Dampfleitung selbst, wie- 
der in den Erwärmungs-Apparat zurück ; im zweiten Falle, wenn mit 
Dämpfen von höherer Temperatur, also mit gespannten Dämpfen von 
mehr als einer Atmosphäre, geheizt werden soll, muss die Dampfleitung 
geschlossen und zur Sicherheit mit Ventilen versehen werden, welche 
bei. Veberspannung den überflüssigen Dampf entweichen lassen; auch 
hier wird das condensirte Wasser wieder zum Apparate zurückfliessen. 
Bei dieser Rückführung des Wassers ist sowohl hier, als im ersten 
Falle darauf vorsichtig zu sehen, dass dieses rückfliessende Wasser 


Vereinszeitung. 413 


dem aus dem Dampferzeugungs-Apparate durch die Erwärmungsleitung 
streichenden Dampfe kein Hinderniss werde. Die Schnelligkeit, mit 
welcher Wasserdämpfe eine auch sehr lange Leitung durchströmen, 
macht es möglich, in der ganzen Leitung die Röhrenoberflächen in fast 
ganz gleicher, beliebig hoher Temperatur zu erhalten, so dass, wenn 
man mit auf fünf Atınosphären gespannten Dämpfen heizen will, mau 
im Stande ist, auch bei der ausgedehntesten Leitung die der Spannung 
zugehörige Temperatur, hier also 153° C. zu halten. Obgleich wegen 
Sicherheit vor Explosionen und wegen genügenden, hemetischen Schlus- 
ses der Dampfleitung hier ebenso alle jene Vorsichtsmaassregeln wie 
bei Wasserheizungen nach Perkins Methode noihwendig werden, so 
fallen hier einige Vorrichtungen doch weg, und andere sind leichter, 
mit weniger Kosten und sicherer durchzuführen; als z. B. die Vor- 
richtungen zur Reinigung der Röhren und das willkürliche Absperren 
einzelner Localitäten von der Hauptleitung mittelst Seitenröhren und 
kleinen Hähnen. (Vergl.: Ueber Luft-, Dampf- und Wasserheiz-Appa- 
rate für Wohnungen und ähnliche Zwecke, von M. Reinscher, in 
der »Zeitschrift des österreichischen Ingenieur - Vereinse, 2. Jahrgang 
No.5) 

Eine Vergleichung aller genannten Heizungsmethoden ergiebt für 
Wohnungen einen unleugbaren Vorzug des gewöhnlichen Ofens mit 
Mantel als des bequemsten und wohlfeilsten Apparales, Bei den 
neuern Heizungen mit Luft, Wasser oder Dampf sind nicht nur die 
Anlagekosten um ein Beträchtliches höher, sondern es entstehen auch 
bedeutende Wärmeverluste, einmal, weil bei diesen Methoden ein voll- 
ständiges Abgeben der Wärme viel schwieriger zu erreichen ist, wie 
bei guten Stubenöfen, dann, weil die Leitungsröhren auch da, wo sie 
nicht wärmen sollen, Wärme abgeben. Man erspart bei diesen Metho- 
den an Arbeit, man verringert ferner die Wärmeverluste, welche von 
dem Anbrennen und Abgehen des Feuers unzerirennlich sind. Im 
praktischen Leben wird Luftheizung u. s. w. nur da zu empfehlen sein, 
wo eine so grosse Zahl von Stubenöfen besorgt werden muss, dass 
der dabei entstehende Verlust grösser ist als das, was bei diesen 
neuen Methoden eingebüsst wird. Die Heizung mit Wasserdämpfen 
hat im industriellen Leben einige so wichtige Vortheile, dass sie in 
vielen Fällen trotz Wärmeverlust und Kosten die zweckmässigste und 
auch wohlfeilste wird. Dies tritt dann ein, wenn die Wasserdämpfe 
vor ihrer Verwendung zur Heizung als mechanische Krafı benutzt 
werden, denn dann kostet der Brennstoff für die Heizung nichts, und 
man hat lediglich die Röhrenführungen oder auch an festen Puncten 
stehende Apparate herzustellen. 

Wie wir gesehen haben, ist die Zuführung von frischer Luft ein 
wesentliches Erforderniss der Heizung, da der Verbrennungsprocess 
andernfalls stocken und endlich aufhören müsste. Eben so nöthig ist 
frische Luft für die Erhaltung des menschlichen Körpers, der in un- 
reiner Luft nicht lange ausdauern kann, ohne dass sich die nachthei- 
ligsten Wirkungen zeigen, So einfach und allgemein anerkannt dieser 
Satz ist, so hat es doch sehr lange Zeit gedauert, ehe man die Noth- 
wendigkeit erkannt hat, die menschlichen Wohnungen durch Lüftung 
gesunder zu machen, und erst in unserer Zeit haben die Regierungen 
zu diesem Zweck Sanitätsmaassregeln angeordnet. Zu einer ununter- 
brochenen Ausübung der Functionen des menschlichen Körpers ist eine 
bedeutende Luftmenge eben so nothwendig, als nahrhafte und gesunde 
Speise, Durch das Athmen wird den Lungen Sauersto@ zugeführt, 


Arch. d. Pharm. CXXWVII Bis. 1 Uft. 8 


11% Vereinszeitung, 


beim Ausathmen strömt kohlensaures Gas als eins der Hauptproducte 
der Respiration zurück. Es wird also durch die Athmung ein Theil 
der Luft in Kohlensäure verwandelt, und diese ausgeathmete Luft ist 
zu einer neuen Einathmung fast untauglich. Nach Dumas verwandelt 
ein Mensch in einer Stunde durch seine Respiration allen in 90 Liter 
Luft enthaltenen Sauerstoff in Kohlensäure, und das in dieser Zeit aus- 
geathmete Luftvolumen beträgt 333 Liter, welche fast 0,04 Kohlensäure 
enthalten. Es ist demnach fast 4 Cubikmeter oder etwa 11 Gubikfuss 
Luft auf das Individuum in der Stunde erforderlich, damit dieselbe 
Luft nur ein einziges Mal durch die Lungen gehe. Der Mensch wirkt 
aber noch auf eine andere Weise zum Verderben der ihn umgebenden 
Luft, nämlich durch die Ausdünstung der Haut und der Lungen. Die 
so entwickelten Dünste lösen sich in der Luft auf, allein sie sind von 
thierischen Materialien begleitet, welche der Luft sehr schnell einen 
schlechten Geruch mittheilen. Diese Materialien sind die mächtigste 
Ursache der Ungesundheit, denn in sehr vielen Fällen, wo. die Luft 
der Zimmer, in denen eine grosse Anzahl von Menschen sich aufhält, 
das Athmen sehr erschwert, findet man in ihren Bestandtitheilen keine 
wesentliche Vermehrung der Kohlensäure. Diese verschiedenen Ein- 
flüsse heben die Lufimenge, deren der Mensch in der Stunde bedarf, 
auf etwa 6 Cubikmeter. Dass ein solches Quantum ausreiche, weiss 
man durch praktische Versuche und Erfahrungen. Die Primärschule 
in der Rue Neuwve Coquenard zu Paris, welche gewöhnlich 210 Kinder 
enthält, wird mittelst einer besondern Vorrichtung erwärmt und ven- 
tilirt. Man kann durch dieselbe sehr leicht die Luftmenge messen, 
welche aus dem Saale während einer gegebenen Zeit ausströmt. Bei 
einer Ventiation von 6 Cubikmeter auf den Schüler und in der Stunde 
war die innere Luft gänzlich geruchlos und die Organe fanden keinen 
Unterschied mit der äussern Luft. Dasselbe haben die im Saale der 
ebemaligen Deputirtenkammer angestellten Versuche ergeben, Auch 
die Lichter, Lampen, Gasilammen verderben die Luft. Die Flamme 
eines Gasstromes von derselben Leuchtkraft, wie ein gewöhnliches 
Kerzenlicht, macht 200 bis 300 Cubikfuss Luft in der Minute zur 
Respiration untauglich, Endlich sind noch die mechanischen Unreinig- 
keiten der Wohnungen, der Staub, die bei manchen Gewerben ent- 
stehenden leichten Abfälle u s. w. in Betracht zu ziehen. “Durch 
verdorbene Luft entstehen eine Menge von Krankheiten. Der Typhus 
und andere bösarlige Fieber, Scrophelkrankheiten und viele geringere 
Uebel werden so hervorgerufen, die Ausbildung der Auszehrung und 
anderer furchtbarer Leiden stark begünstigt. In dem Dorfe Oresmeaux 
bei Amiens, das von Webern bewohnt wird, riefen die niedrigen, 
sehr ungenügend gelüfteten Wohnungen eine allgemeine Krankheit 
hervor. Fast alle Einwohner litten an Scropheln, und manche Familien 
starben in Folge dieses Ülebels fast gänzlich aus. Da wurde fast der 
dritte Theil des Dorfes durch Feuer zerstört, die Häuser wurden auf 
eine gesündere Weise wieder aufgeführt, und in diesen neuen Gebäu- 
den hörten die Scropheln nach und nach auf. Ein längerer Aufenthalt 
in verdorbener Luft stimmt den ganzen Organismus herab, die Spann- 
kraft und Verdauungsfähigkeit des Magens wird geschwächt, eine 
zunehmende Melancholie verräth die Zerrüttung der feineren Organe, 
Katarrh, Rheumatismus, schlechte Verdauung, Nervenschwäche, Krank- 
heiten der Gelenke und der Haut, selbst des Gesichies und Gehörs 
stellen sich ein. Es ist darum nicht zu verwundern, dass jede Seuche 
in solchen Stadttheilen, wo viele Menschen in kleinen Wohnungen 


Vereinszeitung. 115 


zusammengedrängt leben, ihre furchtbarsten Verheerungen anrichtet, 
und dass solche Gegenden als Heerde der Ansteckung wirken. Wo, 
wie in Krankenhäusern, viele Kranke vereinigt sind, findet eine förm- 
liche Concentration des Ansteckungsgiftes statt, worüber unter Andern 
Dr. Arnott in Edinburg interessante Beobachtungen angestellt hat. 
In gut geleiteten Krankenhäusern vereinzelt man deshalb die an an- 
steckenden Uebeln leidenden Kranken und sorgt für starke Lüftung, 
was sich als der beste Schutz gegen Ansteckung erwiesen hat. 

Die von den Lungen ausgeathmete Luft ist schwerer als reine 
Luft, weshalb sie zu Boden sinken würde, wenn sie nicht im Körper 
so viel Wärme aufnähme, dass sie dadurch eine ziemlich bedeutende 
Neigung erlangt, in die Höhe zu steigen. Athmet man an einem 
ruhigen, aber kalten Tage in der freien Luft, so wird man wahrneh- 
men, dass der Hauch aufwärts steigt, was selbst dann der Fall ist, 
wenn man abwärts haucht, Es ist dies eins der einfachen und wohl- 
Ihätigen Gesetze der Natur, welche zu unserer Erhaltung beitragen. 
In Folge ihrer höhern Temperatur erhebt sich die verdorbene Luft 
mit solcher Geschwindigkeit, dass sie sehr bald über die Zone der 
Respiration hinauskommt und daher nicht wieder eingeathmet werden 
kann. Von diesem einfachen Gesetze lässt sich Vortheil ziehen, indem 
man der verdorbenen Luft einen freien Abzug verschafft und sich auf 
diese Weise von ihren schädlichen Einflüssen befreit. Es würde dies 
viel häufiger geschehen, wenn nicht das Vorurtheil bestände, dass die 
Ventilirung eine ausserordentlich verwickelte Wissenschaft sei, welche 
bedeutende Kenntnisse voraussetze, ausserdem auch grosse Kosten und 
verwickelte Maschinerien erfordere. Beides ist nicht der Fall: die 
Ventilirung liegt im Bereich der Geschicklichkeit jedes Bauhandwerkers, 
und in gewöhnlichen Fällen sind die Kosten unbedeutend, Maschinen 
nicht nöthig. 

Die Lüftung wird in zwei Classen getheilt, in die natürliche 
und künstliche, und die erstere findet in Privatwohnungen ihre 
Anwendung. Geräumige Zimmer, die der Aufenthalt von wenigen 
Menschen sind, bedürfen der Lüftung am wenigsten, da theils die 
Feuerung, wenn sie im Zimmer geschieht, theils Thüren und Fenster, 
auch die bestverschlossenen, einen Luftzug hervorbringen. Dennoch 
ist auch bei solchen Zimmern Ventilirung anzurathen, um in Krankheits- 
fällen und dann, wenn sich gelegentlich mehr Menschen darin ver- 
einigen, gesunde Luft zu haben, Nothwendiger ist die Lüftung bei 
den sogenannten Berliner Oefen, in denen man eine Brennmaterial- 
menge auf einmal verbrennen lässt und alsdann den Ofen verschliesst, 
um die Wärme in ihm zu bewahren. ist hier das Brennmaterial nicht 
ganz und gar verkohlt, ehe der Ofen verschlossen wird, und der 
Verschuss nicht luftdicht, so dringt leicht kohlensaures und Kohlen- 
oxydgas in die Zimmer und verdirbt die Luft im höchsten Grade, so 
zwar, dass durch solche Oefen bereits Erstickungen herbeigeführt 
worden sind... Wo in Privatwohnungen zugleich Gewerbe betrieben 
werden, oder eine grössere Anzahl von Menschen denselben Raum 
benutzt, da ist Lüftung unbedingt nrothwendig, und bier sind nur die 
einfachsten Mittel von Erfolg, indem nur diese in den meisten Fällen 
angewendet werden können und durch locale Verhältnisse der gewöhn- 
lichen Bürger - und Bauernhäuser bedingt sind. 

Bei der natürlichen Lüftung kommen hauptsächlich zwei Dinge in 
Betracht, die Zuführung frischer Luft in das Innere der Gebäude und 
die Abführung der verdorbenen aus denselben. Zu dem ersten Zwecke 


5* 


116 Vereinszeilung. 


bringt man Oeflnungen von hinreichender Grösse in der äussern Mauer 
an, nahe am Fussboden oder unter dem Fenster. Diese vielleicht 
1 bis 4} Zoll breiten Oeffnungen versieht man aussen mit Siebböden 
oder Zinkblech, auch im Innern, wenn man will. Sehr gewöhnlich 
sind Lüftungsfenster, bei denen eine Scheibe entweder durch einen 
weissblechernen Ventilator, oder durch eine fein durchlöcherte Glas- 
scheibe ersetzt wird. In neuen Gebäuden lassen sich Canäle im Innern 
der Wände anbringen und nach jedem beliebigen Puncte leiten. Die 
eindringende (schwerere) Luft hilft wirksam mit, die verdorbene 
(leichtere) Luft zu vertreiben. Das einfachste Mittel, das letztere zu 
erreichen, besteht in dem Anbringen von Oeffnungen in der Decke 
oder in deren Nähe. Eine solche Oeffnung wird fast immer wirken, 
da die Zimmerluft im Winter stets wärmer ist als die äussere, im 
Sommer, wenigstens dann, wenn viele Menschen im Zimmer sind, die 
Lüftung mithin nothwendig ist. In England wendet man als Ventile 
eiserne Röhren an, die durch die Zimmerwand in den Kamin eintreten 
und gegen das Zimmer ein Gitterwerk haben, hinter welchem ein 
Stück gewöhnliches geöltes seidenes Zeug hängt, so dass die warme 
und verdorbene Luft in den Kamin strömen kann, wogegen Rauch in 
das Zimmer zu dringen verhindert wird. Man verfertigt die Ventile 
auch von dünnem Metallblech an und hängt sie so auf, dass sie sich 
bei dem leisesten Hauche bewegen. Ventile der ersten Art kosten in 
Deutschland eiwa 1 Thlr., der letztern das Doppelte, Das in England 
patentirte Verfahren des Dr. Chown benutzt zur Ventilation den 
Heber. Der kürzere Schenkel eines solchen Hebers wird in den zu 
ventilirenden Raum geführt, während der längere Schenkel auswärts 
angebracht ist und die Luft abführt. Man bringt die Mündung des 
kurzen Schenkels da an, wo sie den Strom aufnehmen kann, und 
führt ihn z. B. in die Esse, und man hat sogleich eine vollständige 
Circulation hergestellt. Ein solcher Heber ist höchst einfach und in 
den meisten Fällen leicht anzubringen. In grossen Wohngebäuden, 
Schlössern u. s. w. geschieht es wohl, dass man nicht jedes einzelne 
Zimmer lüftet, sondern den Flur und das Treppenhaus mit vieler 
frischer Luft versieht, so dass diese Räume Vorrathskammern sind, aus 
deren jedes einzelne Zimmer seinen Bedarf entnimmt, Eine solche 
Lüfiung im Grossen hat ihr Bequemes, aber auch ihre Nachtheile, 
indem man wegen der Menge von Strömungen, welche durch die mit 
Flur und Treppenhbause in Verbindung stehenden Thüren und Fenster 
entstehen, Gefahr läuft, dass ein Zimmer mehr gelüftet wird als das 
andere, ja manches gar nicht. Wendet man keins dieser Mittel an, 
so versäume man wenigstens nicht, Thüren und Fenster so oft als 
möglich zu öffnen, sowohl in Wohn- als Schlafzimmern, Nimmt man 
in letztern Morgens einen üblen Geruch wahr, so ist dies die sicherste 
Andeutung, dass Ventilirung nöthig ist. Man kann gar nicht zu viele 
Luft herbeischaffen.. Was man über die Nachtheile des Zugs sagt, 
beruht auf argen Uebertreibungen; Zugluft schadet bloss krankhaf- 
ten Naluren, namentlich solchen, die mit Gicht und Rhenmatismus 
geplagt sind. 

Bei der künstlichen Lüftung kann man den Luftstrem in jeder 
Richtung leiten, nach oben, nach unten und nach der Seite, was man 
durch Maschinen bewirkt, oder durch andere Vorrichtungen, wie 
Pumpen, Windräder, Schrauben, auch durch Lüftungsessen. Die künst- 
liche Ventilirung zerfällt wieder in zwei Abtheilungen, je nachdem 
man Druck- oder Saugkraft anwendet. Bei der ersten Art treibt man 


2 


Vereinszeitung. 117 


mit einer Druckpumpe oder andern Maschine frische Luft in das Innere 
eines Gebäudes, und lässt die verdorbene Luft durch Fenster und 
Thüren oder auch durch besondere Canäle entweichen. Die saugende 
Ventilirung bewirkt man durch Maschinen, welche die Luft aus dem 
Innern der Gebäude auspumpen oder aussaugen, während die frische 
Luft durch Thüren und Fenster oder durch besondere Oeffnungen ein- 
strömt. Die zu diesen Zwecken nöthigen Maschinen sind immer mehr 
oder weniger zusammengeselzt und kostbar, und die natürliche Ven- 
tilirung behauptet aus diesem Grunde den Vorzug. Geschickte Tech- 
niker behaupten, dass jedes neue Gebäude so eingerichtet werden 
könne, um die erforderliche Lufimenge ohne Beihülfe von Maschinen 
zu erhalten. Bei alten Gebäuden, Kirchen, Krankenhäusern, Schulen, 
Theatern kommen allerdings Fälle vor, dass Lüftung ohne Maschinen 
sich nicht bewirken lässt. Am wichtigsten ist selbstredend die Lüftung von 
Krankenhäusern, wo die Luft im höchsten Grade verdorben wird, wo- 
durch die furchtbarsten ansteckenden Krankheiten entstehen, 2. B. nach 
Sehlachten typhöse Fieber, an denen weit mehr Soldaten sterben, als 
in den Gefechten, und die sich aus den Lazarethen über ganze Städte 
und Gegenden verbreiten. Aber auch in den Kirchen, die gewöhnlich 
am mangelhaftesten ventilirt sind, findet eine bedeutende Verunreini- 
gung der Luft statt, ebenso in Schulen, Theatern. Die verschiedenen 
Pläne und Apparale, welche zur künstlichen Ventilirang dienen, können 
wir nicht erörtern und müssen den Leser auf technische Werke ver- 
weisen, an denen kein Mangel ist. Eine gute Zusammenstellung findet‘ 
man in: Robert Scott Burn, praktisches Handbuch der Ventilation 
oder Lüftuug, deutsch von Dr. Carl Hartmann. Das gediegenste 
wissenschaftliche Werk ist: E Peclet, Trait& de la chaleur, consi- 
deree dans ses applications, 3, edition, Liege 1844. (Steger’s Ergän- 
zungsblätter, VIII 241.) G. 


Neue Lederbereitung. 


In unsern Tagen sind wir so sehr an Erfindungen und Entdeckungen 
gewöhnt, dass wir bei jedem neuen Lärmschlage uns innerlich zurufen : 
»Wir wollen es abwarten! Was wir unsern Lesern heute berichten, 
gehört zwar nicht in die Classe der welterschütternden Neuheiten, es 
greift aber tief in das Interesse des Ackerbaues ein; denn es handelt 
sich um nichts Geringeres, als um ein gänzliches Aufgeben aller zum 
Gerben des Leders bisher gebrauchten Stoffe, die, De in Betreff 
auf Rinden, für manche Gegenden eine grossartige forstliche Einnahme 
waren. Von einer andern Seite betrachtet, ist. diese Erfindung aber 
nicht sofort als eine staatswirthschaftlich günstige zu betrachten; denn 
anstatt jener rohen Stoffe (Rinden, Blätter, Wurzeln, Harze (Catechu), 
ireten ediere vegetäbilische und t!hierische, z.B. Gerstenmehl, Reis- 
mebl, oder andere derartige Stoffe ein, welche wenig Kleber, aber 
viel Stärke enthalten; ja selbst Stärke allein, Butter, Milch, Fett, in 
einer g’wissen Mischung, werden auf die Häute geschmiert, woranf 
leiztere eine gewisse Zeitlang in einem Dreh-Cylinder behandelt wer- 
den, der sie sofort für die Zurichtung fertig macht. 

Dieser Erfindung wurde, nach Lindley, vor drei Jahren zuerst 
gedacht, als ein Hr. Preller zu London am 18. September 1852 ein 
Patent auf eine Lederbereitung nahm, bei welcher die gebräuchliche 
Lehe oder Rinde keinen Bestandtheil bildete. In einer neuen Num- 
mer des Mechanic’s Hagazin erfolgt nun die vollste Bestätigung von 


418 Vereinszeitung. 


Hrn. Preller’s Verfahren für die Praxis. Es heisst darin: »Dieses 
Verfahren ist so merkwürdig originell und bietet in seiner Weise eine 
ganze Reihe von so praktischen Vortheilen, dass eine gänzliche Um- 
gestaltung des Gerbens bevorsteht. Ganz neue Kennzeichen werden 
an die Stelle der alten treten müssen, nach welchen die Güte und 
praktische Tauglichkeit des Leders ferner zu beurtheilen ist, Hr. Prel- 
fer hat in Landstreet (Southwark) eine Factorei eröffnet, in welcher 
er die Fertigung des Leders in solcher Ausdehnung und mit solchem 
guten Erfolge betreibt, wie man es in Erwägung der kurzen Zeit des 
Bestehens nicht vermuthei hätte. Seine Lederarten haben einen sehr 
hohen Ruf erlangt und sind für viele technische Zwecke bereits äus- 
serst beliebt, besonders für Treibriemen, wobei dieselben eine beson- 
dere Stärke, Gleichmässigkeit der Textur, so wie Biegsamkeit und 
Dauerhaftigkeit entwickeln.« 

»Preller’s Leder ist viel leichter und fester, und zwar in sol- 
chem Grade, dass ein mit Eichenlohe gegerbtes, 2 Zoll dickes Leder 
dem von Preller, von nur 4 Zoll Dicke, bei andauernder Ausdeh- 
nung und Arbeit nicht widerstehen konnte. Ein 3 Fuss langer, un- 
gefähr % Zoll breiter und 4 Zoll dicker Streifen riss erst, nachdem 
6 Cir. 20 Pfd. daran gehängt wurden, während ein anderer von 
Ochsenhaut nach dem Eichenrinden-Verfahren gut gegerbter von glei- 
chen Raumverhältnissen nicht 5 Centner tragen konnte ohne zu reis- 
sen. Treibriemen von Preller’s Leder, in welche man probeweise 
Einsätze vom besten mit Eichenlohe gegerbten Leder angebracht hatte, 
bewiesen sich vortrefflich, während die letzteren Stücke bald nach- 
gaben. Schafleder und Leder von jungen Ziegen, das man gewöhnlich 
mit der Hand zerreissen kann, erfordert, wenn es nach Preller’s 
Verfahren gegerbt ist, ausserordentliche Kraftanstrengung, dasselbe 
damit zu thun.« 

»Ein anderer grosser Vortheil von Preller’s Bereitungsweise 
ist die Schnelligkeit derselben. Lindley’s Gewährsmann sagt: Die 
dickste Ochsenhaut erfordert nur eine Behandlung von 2} Tagen, um 
vollständig vorbereitel zu sein. Als Beleg zeigte man uns die Haut 
eines grossen Preisstieres von der letzten Rindvieh-Ausstellung. Unter 
den günstigsten Umständen erfordert es jetzt in der Gerbelake 4 —5 
Wochen, und nach dem ältesten Verfahren, nach welchem man die 
Häute in tiefen Gruben mittelst Schichten von Lohe sonderte, manch- 
mal sogar 4 Jahre. Die zur grossen Ausstellung nach London ein- 
gesendete Wallrosshaut hatte eine Zeit von 4 Jahren zum Gerben 
erfordert; nach Preller’s Verfahren dagegen würden 60 Stunden 
oder eine abermalige Bewegung in der Trommel von je 10 Stunden 
hinreichend gewesen sein. Die mit dem neuen Verfahren verbundene 
Zeitersparniss giebt diesem Geschäftszweige einen vorher nie gekann- 
ten Grad von Lebhaftigkeit « 

»Ferner hat Preller’s so zubereitetes Leder eine ausserordeni- 
liche Fähigkeit, das Wasser auszuschliessen, und es besitzt eine so 
merkwürdige Geschmeidigkeit, dass es für Schuhe und Stiefel dem besten 
lohgahren Leder bedeutend voransteht. Wenn auf gewöhnliche Weise 
gegerbtes Leder eine halbe Stunde lang gekocht wird, so findet man 
entweder, dass ein holzartiges Gefüge (Textur), oder unter andern 
Bedingungen eine leimartige Verdickung annimmt. Das eine wird 
nach und nach spröde und steif, das andere dagegen schlüpfrig 
und gallertartig. Preller’s Leder nimmt beim Kochen eine dem Horn 
ganz ähnliche Dichtigkeit an; dies erfordert aber ein Kochen von meh- 


Vereinszeilung. 119 


reren Stunden. Im gewöhnlichen Zustande ist es merkwürdig ge- 
schmeidig, eine Eigenschaft, welche es auch zu Schuhsohlen sehr 
tauglich macht.« 

Seit Jahren hat man sich über unsere heutzutage sehr schnell 
zubereiteten Lederarten ereifert. Man fand, dass sie im Vergleich zu 
sonst sehr schlecht sind, und dies ist in der That auch der Fall. 
Gärtner, Landwirthe, Forstmänner, Soldaten etc., welche ihr Beruf stets 
ins Freie führt, ohne Rücksicht aufs Wetter, haben diese Nachtheile 
oft genug erfahren, und es giebt gewisse geheime oder bekannte Ver- 
fahrungsweisen, das Leder bald mit Talg oder Wachs, bald mit Kaut- 
schuk-Auflösung so weit wasserdicht zu erhalten, dass es bei Thau- 
welter, in Schnee und Regen, am Fusse nicht zu einer schlüpfrigen 
Leimmasse wird. Oft verfehlt aber auch das beste dieser Mittel den 
Zweck. In Hinsicht auf gute, weissgegerbte Wildhäute hatten die 
Ureinwohner Nordamerikas stets den Vortheil vor den civilisirten Ger- 
bern. Sie behandelten nämlich die Weissfelle, nachdem sie dieselben 
der scharfen Lake aus der Rinde und den Blättern von Rhus typhinum 
(Virginischem Sumach), Rhus glabrum (Gelbholz) etc. ausgesetzt hat- 
ten, mit dem Hirn oder Mark von Thieren irgend welcher Art, und 
erreichten damit den Vortheil, dass das Leder, nachdem es durchnässt 
gewesen, beim darauf folgenden Trocknen nicht steif wurde oder 
gar brach. 

Das plötzliche Steigen der Preise roher Häute auf den amerika- 
nischen Märkten und die massenbaften Aufkäufe, welche in letzter Zeit 
für englische Rechnung überall geschehen, zeigt, dass dieses Patent 
vielfach angekauft und diese Art Lederbereitung in England rasch eine 
allgemeine werden wird. Kaum werden sechs Monate vergehen und 
die nach Preller’s Verfahren bereiteten Leder werden auf dem 
Markte des Festlandes einen solchen Einfluss ausüben, dass jenes 
Patent auch hier bei uns wird angekauft werden müssen. Unsere 
Städte werden dadurch in sanitätischer Hinsicht bedeutend gewinnen. 
Ein Gewerbe, das überall die Städte mit Gräben und Gruben verun- 
staltet und verunreinigt, wird durch Preller’s Erfindung auf eine 
viel geringere Räumlichkeit beschränkt. Nebenbei gesagt, ist es merk- 
würdig genug, dass der Process des Gerbens, obschon biblischen 
Datums, doch erst in neuerer Zeit wissenschaftlich erkannt und erklärt 
worden ist. Es war diese Kunst ganz und gar rein praktischen Ur- 
sprungs. Kaum hat man sich nun denselben erklärt, so kommt ein 
anderer Praktikus, wirft Alles, was man seit mehr als 1000 Jahren 
davon erkannte und erprobte, über den Haufen und stellt ein neues 
praktisches System auf, das in seiner Weise für die Wissenschaft nicht 
minder räthselhaft werden dürfte. 

Zuletzt ist die genannte Erfindung ein abermaliger Sieg der Feld- 
eultur über die Waldeultur zu nennen, so wie wir factisch nach allen 
Seiten hin dieses siegreiche Vorschreiten der ersteren erblicken. Für 
den Waldbau ist die Neuerung hauptsächlich insofern von Vortheil, 
dass der Anwuchs junger Eichen für die Zukunft einen Schutz erfährt, 
welcher dieser Holzart in Betracht der grossen technischen Nützlich- 
keit längst zu wünschen gewesen wäre, nämlich da, wo sie bis jetzt 
noch füglich am rechten Orte bezeichnet werden kann. 


420 Vereinszeitung. 


8) Zur Agricultur. 


Ueber Wahrnehmungen in der Agricullur; vom Apotheker 
Taubert in Tuetz. 


In einem grossen Theile der Erdfläche scheinen die Massen für 
die Vegetation völlig steril zu sein; — Regen und Sonnenschein bleiben 
fast wirkungslos auf ihren Organismus, und nur dürftig entwickeln sich 
einzelne Gräser und Flechten. Doch die Cultur scheut ihr Ansehen 
nicht, sie wagt vielmehr, wenn auch mit hohem Preise, sie thätig für 
sich zu machen. Hier wird das vegetalive Leben der Pflanzenwelt 
durch Moder erregl, dort giebt man dem Boden einen Zusatz von 
Lehm oder Thon, als Bindemittel, um demselben die Feuchtigkeit mehr 
zu erhalten, die der Moder durch seine kühlende und belebende Eigen- 
schaft nicht zu verleihen vermag, und Beiden fügt man gleichsam als 
Würze den auflösenden Kalk oder den Guano hinzu. Bei einem solchen, 
nach den Erfahrungen der Agricultur, und nach richtigen Mischungs- 
verhältnissen zusammengesetzten Boden, in welchem keiner der er- 
wähnten Zusätze den andern durch seine physikalischen und chemischen 
Bestandiheile überragt, treten die vegetativen Erscheinungen sichtbar 
hervor, die Pflanzen gedeihen, und bringen reichlichen Gewinn, und 
die Arbeit des Landmanns wird ihm zum Segen. Schon sind die 
physikalischen Einflüsse hervortretend, wo kaum eine chemische Thä- 
tigkeit anzunehmen ist, denn noch unverbunden wirken die Stoffe 
schon bei ihrer Annäherung durch Elektrismus. Inniger und wahr- 
nehmbarer durch ihre chemische Vereinigung, kräfliger und mehr 
hervortretend durch einen Zusatz von Dünger, als Humus und Ammo- 
niak. Hier bildet sich humussaures Ammoniak, dort humussaurer Kalk 
als Nahrungsmittel für die Pflanze, die zu ihrer Ernährung und Ent- 
wickelung so wenig die Säure als das Aetzkali verträgt, und nur aus 
der neutralen Verbindung ihrer Salze Nahrung schöpft. Hier bilden 
sich Harn und phosphorsaure Salze, dort wird das Eisen und der 
Kiesel, nebst andern vorhandenen Elementen in auflöslichen Salzen, 
zur Aufnahme für die Pflanze disponirt, und die unorganischen Ele- 
mente verfeinert in die organischen Gebilde hinübergeführt. Während 
die Pflanzen die frei werdende Kohlensäure, in Verbindung mit Wasser, 
durch die Haarröhrchen ihrer Wurzelzasern einsaugen, nehmen sie 
unter Einwirkung des Lichtes Kohlenstoff und des Nachts Sauerstoff 
durch die Poren der Blätter in sich auf, während sie den Ueberschuss 
Beider, insofern sie denselben nicht assimiliren, als Sauerstoff und 
Kohlensäuregas wieder ausathmen, und zwar Ersteren bei Tage und 
Letzteres des Nachts. Ebenso saugen die Blätter miltelst der Poren 
die Feuchtigkeit des nächtlichen Thaues ein, und verdunsten ebenso 
den Ueberschuss desselben. Was der elektrische Strahl des Lichtes 
der Pflanze zu ihrem Gedeihen, in Verbindung mit sonstigen atmo- 
sphärischen Einflüssen ist, das ist die chemische Thätigkeit der Stoffe 
und der sie begleitenden Elektricität in ihrem Nischungsverhältnisse 
durch Trennung und Vereinigung, 

Wenn in den fruchtreichen Gegenden Amerikas durch den fort- 
dauernden Anbau dort üblicher Getreidearten die Bebauer des Ackers 
aus gewinnbringendem Antriebe veranlasst, die Flächen ihrer Besitzun- 
gen fast immer mit Kornarten zu bestellen, so hat dieser Anbau ergeben: 
dass eine Erschöpfung des Bodens um so leichter eintreten musste, 


P Vereinszeitung. 12% 
als demselben hierdurch die für die Pflanzengattungen erforderlichen 
Elemente nur zu bald entzogen wurden, um so mehr, je weniger 
Sorgfalt auf die Erseizung derselben geübt wurde, und dass selbst 
die fruchtbarsien Uräcker mit ihren überfüllten Humusmassen arm an 
diesen und somit untragbar wurden. Auch in unseren Gegenden ist 
der Anbau von Getreidearten ein hervorragender, zu denen besonders 
die Calamität der Besitzer Anlass giebt, um des augenblicklichen 
Gewinns wegen, den ungeheuren Ausfall nicht berechnend, den eine 
gleichmässige Entziehung derselben Bestandtheile des Bodens mit sich 
bringen muss. Es entstehen somit arme Aecker und sorgenlose Bemü- 
hungen. Nur wenige Landwirthe erkennen diesen Nachtheil und 
wissen durch Ruhe und Anbau von Futtergräsern dem Boden jene 
Bestandtheile wieder zuzuführen, die demselben durch den Anbau von 
Getreidearten entzogen worden sind. Eine sechsjährige Rotation einer 
mit Pimpinella saxifraga, Medicago minima, Poa trivalis und pra- 
iensis, so wie Lolium perenne und Fesituca ovina angebauten Weide- 
fläche, dessen Bestellung mit 1 Thlr. pro Morgen zu veranschlagen ist, 
bringt bei der hiermit in Verbindung stehenden Viehstückzahl eine 
Progression der Ackerfläche hervor, die selbst den sterilsten Boden 
zu tragbarem Acker umzuwandeln vermag, uneingedenk des segen- 
reichen Anbaues von Mais, Luzerne und Klee in den humusreicheren 
Ackerflächen. Wenn ein Theil der ackerbautreibenden Bewohner der 
Provinz Schlesien ihre Schafzucht auf den Anbau von Futtergräsern 
gründen, und auf kleinen Flächen einen verhältnissmässig grossen 
Viehstand halten, so beruht dies einzig und allein auf dem System der 
Conservirung ihrer Boden durch Zuführung eines grösseren Procent- 
gehaltes an Humus und Ammoniaksalzen im Gegentheil der Ausporerung 
durch anhaltenden Anbau gleicher Fruchtkörner auf einem und dem- 
selben Boden. Schon durch die Eintheilung der Aecker in Schlägen, 
und der hier vorwaltenden Ruhelegung der Boden, bringt durch die 
atmosphärischen Niederschläge in einer Reihe von Jahren demselben 
einen Procen!gehalt an tragbaren Elementen, die sich bei Beanspruchung 
desselben hinreichend zu erkennen geben, wie dies selbst diejenigen 
Flächen darthun, die Jahre lang unbenutzt brach gelegen, oder andere, 
die bisher nur zum Anbau von Holzarten benutzt worden sind, und 
die in reicher Ansammlung von Humus mehrere Jahre hindurch ohne 
Dung reichlich tragen und erst nach längerer Zeit einen neuen Ersatz 
von Triebkraft gebrauchen. Mit dem Anbau von Futiergräsern steht 
die Vermehrung des Viehbestandes und somit der grösseren Dungkraft, 
an der es fast immer fehlt, in naher Verbindung; die leider nur zu 
irrige Ansicht eines Mehrertrages durch Körneranbau, bekämpft, wird 
jedem intelligenten Landwirthe bald die Ueberzeugung geben, dass nur 
der Anbau von Fultergräsern der Vermehrung seines Viehbestandes, 
der grösseren Tragbarkeit seiner Boden nützlich und somit die Folge 
einer grösseren Wohlhabenheit des achtungswerthesten Gewerbestandes 
sein wird. 


 Knochendüngerfabrikation in England, 


Hunt in London lässt die frisch ankommenden Knochen auf einer 
Maschine zermalmen, in einem Kessel mit kochendem Wasser ausziehen, 
das Fett abschöpfen, welches zur Seifenbereitung dient; die von Fett 
befreiten Knochen werden vermengt mit den von auswärts bezogenen 
trocknen Knochen weiter behandelt, Sie werden gemeinschaftlich noch 


122 Vereinszeitung. 


weiter zerkleinert und später zermahlen. Ein Theil derselben wird so 
an die Landwirthe verkauft, sie wirken langsam wie organischer und 
mineralischer Dünger. Für die, welche eine schnelle Wirkung vor- 
ziehen, werden die Knochen mit Schwefelsäure zersetzt; man lässt sie 
deshalb 1—2 Tage lang in Wasser liegen, bringt sie dann mit 35 Proc: 
Schwefelsäure in grosse gusseiserne, mit Blei gefütterte horizontale 
Cylinder von 2 Meter Länge und 1 Meter Durchmesser, aber mit einer 
Oeffnung versehen. Man setzt nun die durch den Cylinder gehende 
Achse in Umdrehung, dieselbe ist mit eisernen Armen versehen, welche 
das Gemenge 4—5 Stunden lang umrühren. Diese angesäuerten Kno- 
chen werden nun noch mit ihrem gleichen Volum Knochenkohlenabfall 
der Zuckerfabriken gemengt, um dem Ganzen Pulverform zu geben. 
Dieser Knochendünger, welcher ä Centner etwa 6 Gulden kostet, soll 
sehr günstig wirken. (Amtl. Ber. der Lond. Ausstell.) B. 


Ueber ungewöhnliche Wurzelentwickelung des Raps. 


Der Regierungsrath v. Massow hatte auf seinem Gute Kommel- 
witz bei Steinau a. 0. im Mai v.J. ein sonst überaus nasses Feld durch 
Drainirung so trocken gelegt, dass es sich zum Bau des Rapses ge- 
schickt zeigte. Plötzlich hörte im Mai d. J. der sonst reichliche Ab- 
fluss des Wassers auf, das Feld versumpfte und das fernere Gedeihen 
des Rapses erschien sehr zweifelhaft. Bei genauer Betrachtung der 
Röhren (der Hauptstrang wurde innerhalb einer Länge von 600 Fuss, 
mehrere seitliche von 100 Fuss Länge geöffnet), fand man sie mit 
einem fädigen, weisslichen Gebilde dicht erfüllt, welches eben durch 
seine Anhäufung den Abfluss verhinderte. Es erschien dem Aeussern 
nach durchweg wurzelähnlich, gehörte jedoch nicht in die Reihe der 
Kryptogamen, die heute, an Allem Schuld, wie neulich Jemand scherz- 
haft sagte, zuweilen allerdings in Röhren von Wasserleitungen ihren 
Wohnsitz aufschlagen. In der Mitte jeder einzelnen ungegliederten 
Faser zeigte die mikroskopische Untersuchung ein Spiralgefässbündel, 
umgeben von dünnwandigen Parenchymzellen von derselben Art, wie 
wir sie bei Wurzeln des Rapses sehen, wofür auch ihr starker rüben- 
artiger (reruch und Geschmack sprach. Endlich haben auch genaue 
später angestellte Untersuchungen den Zusammenhang der Wurzeln der 
Rapspflanze mit dem im Innern der Drainröhren vorhandenen oft noch 
2—3 Fuss langen Wurzelfasern auf das Bestimmtieste nachgewiesen, 
obschon sich die Röhren in der nicht geringen Tiefe von mindestens 
4, theils selbst 6 Fuss befinden. Der lockere Boden begünstigte wohl 
das Hinabsteigen der Wurzeln und das fliessende Wasser beförderte 
diese gewaltige Entwickelung, die bei Landpflanzen in solchem Grade 
sonst nicht vorkommt. Vielleicht lässt sich durch eigene Vorrichtun- 
gen den nicht unbedeutenden Nachtheilen, die durch obige Erschei- 
nung veranlasst werden können, bei Anlage der Drainage vorbeugen; 
wenigstens ist es im vorliegenden Falle dem Regierungsrath v. Mas- 
sow gelungen, das beinahe drei Wochen lang vom Wasser überflu- 
thete Rapsfeld noch so zu erhalten, dass sich noch auf einen ziem- 
lichen Ertrag hoffen lässt. (Bot. Ztg. 1853. p. 494.) Hornung. 


Vereinszeitung. 123 


9) Handelsbericht 


von 


Wenzel Batka in Prae. 


Die orientalischen Angelegenheiten, obschon seit einem Jahre eine 
der gewöhnlichsten Tagesfragen, sind durch die bis jetzt misslungenen 
Friedensversuche in eine ernste Verwickelung übergegangen und äus- 
sern — wenn auch ziemlich entfernt von uns — doch ihre bedenklichen 
Folgen auf den kürzlich eingetretenen hohen Stand des Silber-Agios. 
Die unerwartete Vertheuerung der Lebensmittel, welche die Erhöhung 
der Zölle noch mehr steigert, hat viele Geschäfte ins Stocken gebracht 
und so sehen wir diesmal nicht ohne einen getrübten Blick in die 
Zukunft; — wir wollen inzwischen, wie immer, der über uns wal- 
tenden göttlichen Vorsehung vertrauen und somit nicht muthlos, son- 
dern von den besten Glückwünschen begleitet auch dieses neue Jahr 
beginnen! 

Der Zolivertrag mit den deutschen Vereinsstaaten tritt mit dem 
ersten Tage dieses Jahres ins Leben und lässt uns vorläufig einen 
lebhaften Austausch der durch den Vertrag gegenseitig zollfreien rohen 
Naturproducte des Pflanzen- und Mineralreichs erwarten; auch mehrere 
Manufactur- und Kunstproducte sind der fremden und heimischen 
Concurrenz durch begünstigte Zölle näher gerückt und es kömmt nun 
Alles darauf an, mit Seherblick und einer richtigen Ermessung unserer 
industriellen Kräfte diejenigen Gegenstände zu erspähen, die natur- 
wücbsig im Auslande einen Absatz finden, und den grossen beabsich- 
tigten Austausch begünstigen können. 

Was meine inliegenden Preise betrifft, so muss ich bemerken, 
dass sie im December verfasst, nach dem Course von 115 Proc. be- 
rechnet, folglich in dem jetzigen Augenblicke niedriger sind, als sie 
bei dem heutigen hohen Stande des Courses einzustehen kommen; — 
allein in der Hoffnung, dass diese Krise vorübergehend sein werde, 
will ich sie nicht ändern, behalte mir jedoch bei Fortbestand den 
verhältnissmässigen Zuschlag vor. 

Die ostindischen Droguen betreifend, habe ich Folgendes 
zu bemerken: Trotzdem, dass der Kaffern-Krieg etwas nachgelassen 
hat, sind die geringen Zufuhren von Cap-Alo& Schuld, dass dieser 
Artikel noch immer im Steigen ist. Was Borax, Cassia cinnanomea, 
Kampfer, Rad Rhabarbar, Anisi stellatum (Semen & Oleum), Galanga 
und Thees betrifft — so sind die Unruhen in China die Ursachen, dass 
diese Artikel eine fortwährend steigende Tendenz behaupten. Alle 
chinesischen Producte, besonders aber Rheum, wegen allgemeinen 
Mangels an feiner geschälter Waare, sind Speculations-Artikel gewor- 
den; und nur Flor. Cassiae, welche wegen langen Ausbleibens der- 
selben sehr hoch getrieben wurden, sind in Folge plötzlicher grösserer 
Zufuhren augenblicklich etwas billiger geworden. Der hohe Preis 
der China Zimmt Cassia hat eine nülzliche Concurrenz der Java 
Cassia lignea hervorgerufen, der ich meinen Preis-Courant nicht ver- 
schliessen wollte, da ich sie als die eigentliche ursprüngliche Cassia 
lignea betrachte, und die chinesische deshalb zum Unterschiede Cassia 
cinnanomea benenne. Die übrigen Gewürze, mit Ausnahme von Ceylon 
und Java Zimmt, die bei uns und in vielen andern Ländern noch zu 
wenig gewürdigt, daher vernachlässigt sind, befinden sich im Steigen; 
wie Sie bei Macis- Nüssen, Nelken, Nelkenöl, Cubeben, Piper. alb. 


124 Vereinszeitung. 


und /ongum bemerken werden; und zwar ohne Rücksicht auf die 
specielle Ursache unseres durch das Agio erhöhler Zolles. — Catechu 
verdankt seine Wichtigkeit weniger seinen arzneilichen Eigenschaften, 
als vielmehr der grossen techuischen Anwendung als Gerbstoff in der 
Färberei, und seine ausserordentliche Steigerung (von 100 Procent) 
wesenilich den Umstande, weil es grösstentheils aus Pegu kommt, wo 
der englische Krieg mit Birma die Bereitung gestört und die Zufuhren 
unterbrochen hat. Copal, Damar, Gutta Percha, wovon grosse tech- 
nische Verwendung die Preise hoch erhalten, finden Sie höher. Auch 
ostindischer Sago und echtes Arrow root wird in Folge der in Europa 
gestiegenen FEcule oder Stärkemehl-Producte höher gehalten. Billiger 
sind durch die Concurrenz der Zufuhren bloss Gallae chinensis, gummi 
resin, Benzoes, Manilla Elemi, Gummi Gutti, Hba. Plectanthr. Pat- 
schouli, Rad. Zedoariae, Ol. Ricini und Cera japonica geworden 

Unter den westindischen Erzeugnissen ist ausser dem 
fühlbaren Mangel an Rad. Ipecacuanhae, Senegae und Gummi elasti- 
cum keine grosse Steigerung eingetreten; Cochenille als vielgesuchte 
Farbe, Kaffee und Vanille als Consumtions-Artikel, so wie Lig. Sas- 
safras, Ol. menthae, Canella alb., Rad. serpentariae wegen vermin- 
derter Zufuhren sind gestiegen. Bals. copaivae, peruvian,, Castoreum 
canad , Colophonium, China flava et rubra, Cort. geoffreae et Sima- 
rubae, Fabae Tonca, Rad. Jalapae, Ratanhiae, Sassaparillae, Sper- 
macelt und Sem. Sabadillae durch grössere Zufuhren dagegen etwas 
billiger geworden. 

Unter den levantiner Arzneistoffen sind unbedeutende Ver- 
änderungen vorgefallen; Mocca-Kaffee, dessen vorzügliche Qualität 
noch von keiner Sorte übertroffen wurde, folgte der allgemeinen Stei- 
.gerung dieses Artikels. Mastix fehlt noch allgemein; denn er kommt 
beinahe ausschliesslich im Archipel nur in Scio durch besondere klima- 
tische Verhältnisse begünstigt vor, und da die Mastixbäume (Pistacia 
lentisca) durch den strengen Winter von 1850 nicht nar vorübergehend 
berührt, sondern sämmtlich zu Grunde gegangen sind und abgehauen 
wurden, so wird es erklärlich, warum dieser Artikel in den darauf 
folgenden Jahren, ebenso wie jetzt und noch wenigstens fünf Jahre 
weiter mangeln und hoch bezahlt werden wird; denn der Baum muss 
wenigstens acht Jahre alt sein, ehe die Harzgefässe wieder Mastix 
liefern. — Weihrauch und Eupkorbium ist gleichfalls seltener gewor- 
den, jedoch wahrscheinlich nur wegen Mängels an Sammlern. Gummi 
arab,, Gummiresina ammoniae., Assa foetida, Myrrha, Storax liquid , 
Bo, Ol. rosarum, Rad. Salep, Sem. Cynae, Cocculi indiei, En 
spongiae sind billiger. Gummi Ladanum "venalis, Storax calamita, 
so wie Scammonium de Smyrna, sind nach meiner Untersuchung reine 
Kunstproducte, weshalb ich mich vor jedem Tadel verwahre, der durch 
irgend eine ähnliche Entdeckung anderseits mich treffen könnte, Die 
ersten zwei Artikel, bloss zu Räucherkerzen angewandt, finden eine 
Entschuldigung; : allein dass. das sogenannte Smyrner Scammonium noch 
weiter in meinen Preisen bleiben sollte, kann ich nicht zugeben, nach- 
dem ich mittelst Brodkrumen, Guajakharz, etwas Benzoäs, Scammoßium- 
Staub, Graphit und Gummi arab., folglich durch die Synthese, dasselbe 
Product dargestellt babe, wie es im Handel vorkommt. Auch das 
Aleppo- Scammonium ist nicht ganz frei von Extract-Beimischung, ent- 
spricht jedoch, wenn glasig — seiner angezeigten drastischen Wirkung, 
während obiges Kunstproduct ganz verwerflich ist. Wir bedürfen bei 
den im. Handel vorkommenden Opiumsorten dieselbe Vorsicht; denn. 


Vereinszeilune. 125 


die Opium-Fabrikanten im Oriente machen immer gläuzendere Geschäfte 
durch die Vermischung von Opium-Extraet und Gummi mit dem eigent- 
lichen Milchsaft und man hat Noth, ein gutes Morphium haltiges Opium 
selbst von Sınyrna direct zu erhalten. — Meine kritische Untersuchung 
der Harze liegt im Manuscripte seit acht Jahren vorbereitet; allein 
mir bleibt als Geschäftsmann nicht Zeit zur vollständigen Ausarbeitung 
dieser grössern wissenschaftlichen Aufgabe. 

In den südlichen und italienischen Artikeln sind es vor- 
züglich: Aerugo, Manna, Ol. laurinum und Tart. crudus, welche eine 
bedeutende Conjunctur im Laufe der letzten Ernte getroffen haben. 
Diese Artikel sind theilweise durch Mangel, theilweise (wie bei Manna) 
durch Speculations-Aufkäufe an der Quelle theurer geworden. Auch 
Crocus und Sem. psylli folgen einer steigenden Neigung, wogegen 
Amygdalae, Ol. amygdalar., Aqua naphae, Aqua lauro cerasi, Essen- 
zen, Cort. Citri, Ol. Olivarum, Sapo venet. et Marseilliensis, Semen 
staphisagriae und Succus etwas billiger geworden sind. 

Unter den nordischen Producten gelang es mir, einen ganz 
vorzüglichen Berger Leberthran (Ol. jecoris aselli) direct zu beziehen, 
der sich nicht nur durch Wirksamkeit und Geschmack auszeichnet, 
sondern dabei auch billiger notirt ist. Ebenso werden Sie auch Aga- 
ricus, Stearina et Sem. Cydonior, billiger finden. 

Bezüglich des Vegetabilien- und Productenhandels, der 
anerkannt einen meiner Hauptzweige mit dem Auslande bildet, beziehe 
ich mich auf meinen Bericht vom Monat August. Der Mangel au 
Flor. Chamomillae vulg., Malvae arboreae, Papaveris, Rosarum rubr., 
Sambuei, Tiliae, Verbasci, Hba, Card. benedict., Salviae et Hyssopi, 
Rad. Elemi ei Calami mundat., Sem. et Ol. Carvi, Sem. et Ol. lini, 
Sem. sinapis alb, Sem. Foenu graeci, Nuces persicor., Piper hispan, 
Sem. et Ol. Papareris hat sich seitdem immer mehr ausgesprochen 
und ist bei einigen so gross, dass die Preise fortwährend im Steigen 
begriffen sind und manche davon bald ganz fehlen werden. Billiger 
geworden sind dagegen: Arsenicum, Anlimon. Bismuthum, Cera citrina, 
Cera alb. (wunderschön), Cerussae, Cineres clavellat., Flor. Calen- 
dulae, Paeoniae, Lavandulae, EHiba. Althaeae, Botryos, Majeranae, 
Melissae, Menthae crisp. et pip., Lithargyrum, Mercur. viv. (in Folge 
der Californischen Concurrenz), Rad. Althacae, Angelicae, Bardanae 
et Polypodiüi, Secale cornut., Sem. anisi, foeniculi, coriandri und die 
daraus bereiteten Oele. Auch Ol. terebinthinae ist durch Concurrenz 
des amerikanischen und französischen Oeles billiger, 

Als Elaborate habe ich (für meine auswärtigen Verbindungen) 
der narkotischen Extracte, Laetuearium, Roob sambuci, Syrup. rubi 
idaei und mehrerer französischen Apothekerwaaren zu erwähnen, die 
ich in den bestmöglichsten Quantitäten anbieten kann. 

Nicht leicht lässt sich unter den chemischen Producten seit 
Jahren ein so bedeutender Höhensprung anführen, als der im ver- 
gangenen Jahre mit solcher Schnelle erfolgte Aufschlag der Wein- 
stein- Präparate, Acidum tartaric, el Crystall. tartari haben 
sich in kurzer Zeit doublirt; was jedenfalls viel sagen will, denn 
wenn auch die Traubenkrankheit als Grund angegeben wurde, so ist 
sie doch nicht allgemein gewesen (in Ungarn und Oesterreich gar 
nicht) und nur die Speculation durch Aufkäufe des Rohproductes 
gleichzeitig an allen Orten, in Verbindung mit der riesenhaften Zu- 
nahme des Bedarfs von Brausepulvern, besonders in Amerika, konnte 
eine so schnelle Steigerung rechtfertigen. Der Winter dürfte inzwischen 


H 


126 Vereinszeilung. 


wieder einige Mässigung in diese Verhältnisse bringen — ohne dass 
man jedoch an das Zurückgehen auf die früheren Preise so leicht 
denken könnte. — Im Verhältniss zu dem Preise der Weinsäure ist 


Acid. citric. des angenehmeren Geschmacks wegen zu. empfehlen. 
Aether und die übrigen geistigen Präparate sind in Folge der grossen 
Theuerung von den grösstentheils zur Branntweinbrennerei bei uns 
verwendeten Kartoffeln höher gegangen, so wie durch Jie grossen 
Branntweinlieferangen nach dem Kriegsschauplatze im Oriente über 
Triest. Ich habe in dieser Beziehung durch die »Bohemia« ein neues 
Verfahren, aus Runkelrüben Branntwein direct zu erzeugen, mitgetheilt, 
welches ich der allgemeinen Berücksichtigung für das nächste Jahr 
sehr empfehle. Sulfas Chininae und Jodkali erhalten sich sehr fest 
im Preise, der sich nach dem heutigen Course leider viel höher stellt. 
Acetas morphü, Acid. carboazotic. (zur Erkennung vegetabilischer 
Fasern), Acid. phosphorie, siccum, Ammonia pura, Amygdalin, Cad- 
uium und Salze, Carbon, trichlor , Chinina pur , Chloroform, Cin- 
chonin, Coffein, Collodium, Eupion, alle Mercurial-Präparate, Hyposulfis 
sodae (zur Daguerreotypie), Murias Chininae, Paraffin, Santonin, Strych- 
nin, Veratrin, Magnesia, Nitrum, Phosphor, der auch amorph (teigartig 
und bei gewöhnlicher Temperatur unentzündlich) von mir geliefert 
wird, so wie auch Salmiak, Sal amarus, Strontiana nitrica finden 
Sie billiger notirt. Als neu aufgenommen sind: Acidum pyrogallicum 
(zum Schwarzfärben der Haare und zur Photographie), Collodium 
cantharidale, cantharidina eryst., Mantina eryst. — Chemisch reinen 
Zink zu Marsh Untersuchungs-Apparat auf Arsenik habe ich jederzeit 
vorräthig. Zinkweis hat ohne Widerspruch in Saniläts - Rücksichten, 
unveränderlich weisser Farbe und Billigkeit den Vorzug vor dem 
dadurch zurückgedrängten Bleiweisse; allein für die Dauerhaftigkeit 
möchte ich doch letzteren als eine festere chemische Verbindung mit 
der Fettsäure (Bleipflaster) ein günstigeres Prognostikon stellen. 
Unter den Requisiten und Utensilien finden Sie durch Qua- 
lität und Länge ausgezeichnete englische schön gefärbte Bindfäden 
und das Medicinglas um Vieles billiger, als vor dem Jahre und 
von schöner, gleichförmiger, in Messingformen gearbeiteter Qualität. 
Ebenso sind auch Papier und besonders schöne Pappschachteln 
billiger als irgendwo, was ich bei Aufträgen besonders zu beachten bitte. 


10) Personalnotizen. 


Bekanntmachung. 


Nur durch die freundliche Betheiligung so vieler früheren Mit- 
glieder des hiesigen chemisch-pharmaceutischen Instituts ist es möglich 
geworden, das Jubiläum des Hrn. Geh. Hofrath Dr. Wackenroder 
am 12. November v. J. in der beabsichtigten Weise durch Ueberrei- 
chung von Festgeschenken zu begehen. Da es nun wegen Andrangs 
von Geschäften nicht geschehen konnte, allen Herren, welche unserer 
Aufforderung in so erfreulicher und gültiger Weise durch Einsendung 
von Beiträgen Folge gegeben haben, einzeln und besonders unseren 
verbindlichen Dank auszusprechen: so verfehle ich nicht, dies nach- 
träglich Namens des Vorstandes des pharmaceulisch-naturwissenschaft- 
lichen Vereins hiermit zu thun und zugleich folgende allgemeine 
Rechnungs - Abfertigung hinzuzufügen, 


Vereinszeitung. 127 


»Die Verzeichnisse über Einnahme und Ausgabe, betreffend das 
Jubiläum des Hrn. Dr. Wackenroder, sind durchgesehen und für 
richtig befunden worden. « 

Jena, den 26. Januar 1854. 

Der derzeitige Vorstand des pharmaceulisch - naturwissen- 
schaftlichen Vereins: 
G. Graefe, L. Baumgarten, 
Schriftführer. , Cassirer, 
Das Festcomite: 
Dr. Mirus, Dr. Schleiden, Dr. E. Schmid, 
Hof-Apotheker. Professor, Professor. 


In Betreff der beiden Festgeschenke erlaube ich mir noch die 
Bemerkung, dass der silberne Ehrenkranz im Umfange einem Herrnhut 
gleichkommt und das grosse Album so eingerichtet ist, dass Gedenk- 
blätter fortwährend eingefügt werden können. Da das Album nur 
durch eine recht grosse Anzahl von Gedenkblättern früherer Instituts- 
Mitglieder den vollen Werth erhalten kann, so erlaube ich mir, nach 
dem ausdrücklichen Wunsche des Hrn. G. H. Dr. Wackenroder, 
noch einmal die Bitte an alle früheren Mitglieder des Instituts, welche 
bis jetzt noch keine Gedenkblätter eingeschickt haben, zu richten, 
solche gefälligst einzusenden, Ein halber Briefbogen grösseren For- 
mates ist in der Breite zu beschreiben und kann dann zweimal 
gebrochen in einem Briefcouverte entweder direct oder durch die 
Hahn’sche Hofbuchhandlung in Hannover und Leipzig versendet werden. 

Jedes Blatt wird, wie ich versichern darf, vom Hrn. G. H. 
Wackenroder mit grösstem Danke aufgenommen werden. 

Jena, im Februar 1854, 

E. Reichardt, 
Assistent am chemisch-pharmaceu- 
tischen Institute. 


Ehrenerweisungen . 


Die Svenska Läkare Sällskapet (SocietE des Medecins Suedois) 
zu Stockholm hat den @eh. Hofrath und Professor Dr. ph. et med, 
H. Wackenroder zu ihrem auswärtigen Mitgliede ernannt. 


Se. Majestät der König von Preussen haben dem Hofbuchhändler 
Herrn Heinrich Wilhelm Hahn in Hannover den rothen Adler- 
orden 3. Classe zu verleihen geruhet. 


141) Notizen zur praktischen Pharmacie. 


An die Herren Vereinsbeamte. 


Es geschieht häufig, dass bei Anmeldungen neuer Mitglieder die 
Abmeldungen der Vorgänger nicht gemacht werden, wodurch dann 
nothwendig Fehler in den Listen und in der Bestellung der Archiv- 
Exemplare veranlasst werden, die dem Verein unnütze Kosten machen. 
Aus diesem Grunde ist es durchaus nothwendig, dass auch über die 
abgehenden Mitglieder dem Oberdirector stets Anzeige gemacht und 
bei Bestellungen von Diplomen etc, jedesmal bemerkt werde, wie 
viele Exemplare vom Archive der Kreis nöthig hat, 

Das Directorium. 


128 Vereinszeitung. 


Für jedes Exemplar des bei dem Direetorio bestellten Neuen Jahr- 
buches für praktische Pharmacie ist von den Herren Kreisdirectoren 
die Summe von 2 Thlr. 20 Sgr. baldigst an die Genera[eR den. 

Das Directorium. 


Die um die Mitte des Monats Mai zu haltende Directvrial-Conferenz 
macht es nothwendig, dass die Abrechnungen der Kreise und Vicedirec- 
torien noch in diesem Monate an den Kechnungsführer, Herrn Saline- 
director Brandes in Salzuflen, eingesandt werden, 

Bernburg, Anfangs April 1854. 


Der Oberdirector. 
Stelle gesucht. 


Ein tüchtiger Pharmaceut, der seit 4 Jahren einer Apotheke als 
Administrator vorstand und die: besten Zeugnisse aufzuweisen hat, 
sucht von Johannis d.J. ab eine ähnliche Stelle. Nähere Auskunft 
ertbeilt der Apotheker Walpert in Herrnstadt, Reg.-Bez. Breslau. 


Lehrlingsgesuch für eine Apotheke in Dresden. 
Einem körperlich und geistig tüchtigen Knaben, der Lust hat die 
Pharmacie zu erlernen, kann ein Platz nachgewiesen werden durch den 
Dresden 1854. Dr. Meurer, 
gr. Plauensche Gasse No. 16. 


Vacante Stellen. 


Ein wit den nöthigen Vorkenntnissen versehener junger Mann 
kann sofort bei dem Unterzeichneten unter billigen Bedingungen in 
die Lehre treten. Th. Schäfer, 

Hof-Apotheker in Gotha. 


Nachweisung für stellensuchende Gehülfen. 


Herr Apotheker Jagielski in Posen hat sich auf das Ansuchen 
vieler seiner Collegen zur Nachweisung stellensuchender Gehülfen und 
vacanter Stellen bereit erklärt. Wünschenswerth ist es, dass insbe- 
sondere der polnischen Sprache kundige Gehülfen die Güte 
haben, sich in vorkommenden Fällen unter portofreier Einreichung 
der abschriftlichen Zeugnisse an den Herrn Apotheker Jagielski zu 
wenden, wobei noch zu bemerken, dass denselben weitere Kosten in 
keinem Falle erwachsen. 


Verkaufs-Anzeige. 
Dr. G. W. Bischoff, Handbuch der botanischen Ter- 
minologie und Systemkunde 


soll für 24 fl. = 131, Thir. abgelassen werden vom 
Apotheker Röthe in Windecken bei Hanau. 


Todesanzeige. ’ 


Unser würdiges Ehrenmitglied, der Provisor August Ferdi- 
nand Günther, welcher im Herbste des Jahres 1845 sein funfzig- 
jähriges Jubiläum als Apotheker feierte, ist im hohen Alter zu Naum- 
burg a.d S. entschlafen. 


Hofbuchdruckerei der Gehr, Jänecke in Hannover. 


en 


Kissinger 
Mineralwasser - Füllung 


1S5% 


HH 


Obgleich der Ruf der ausgezeichneten Heilkräfte der Kissinger 
Mineralwasser, insbesondere des Rakoczy, alle Welttheile bereits 
durchdrungen, so scheint dennoch die Anwendung derselben vom 
ärztlichen Standpuncte aus häufig bei weitem noch nicht genug in 
ihrem hohen Werthe und in ihren vielseitigen chemischen, pharma- 
kodynamischen und therapeutischen Heilwirkungen erkannt und in 
dieser Bedeutung in einer Menge Krankheitsformen gewürdigt zu 
sein, wo bei deren gehöriger Anwendung oft bei den hartnäckigsten 
Leiden schon in kurzer Zeit nach dem Gebrauche der Trinkkur auf- 
fallende Besserung des Patienten zu erwarten ist, und bei fort- 
gesetztem Gebrauche selbst dann noch das Uebel gänzlich gehoben 
wird, wo vorher oft Jahre lang vergeblich andere Heilmittel ange- 
wendet worden waren. 

Bei dem vorherrschenden Reichthum und der glücklichsten 
Mischung heilwirkender Salze, besonders des Chlornatrins, dann 
des Eisenoxyduls, des kohlensauren Natrons und der 
freien Kohlensäure, ist der Kissinger Rakoczy eines der 
souverainsten Mittel für den jetzt regierenden Krankheits-Genius der 
meisten Patienten, er zeigt den grössten Einfluss auf die Säftemischung, 
auf Verdauung, auf die Leber, auf Pfortader- und Gebärmuttersystem, 
und bietet den Vortheil vor andern drastischen Heilmitteln, dass er 
mit seiner auflösenden und zertheilenden, die stärkende, belebende 
Wirkung verbindet. Die zunächst in die Augen fallenden Wirkungen 
sind: gesteigerter Appetit, vermehrte, doch nicht schwächende Stuhl- 
ausleerungen, Regulirung der Ausscheidung der Harn- und Geschlechts- 
werkzeuge, gesunder Schlaf, Wiederkehr der heiteren Stimmung, 
gesteigerte geistige Energie und Lebenslust. Am heilkräftigsten zeigte 
er sich bis jetzt in folgenden Krankheitsformen: 


Bi 


Br 

e) N 
Die meisten chronischen Unterleibskrankheiten, beson. 
Hämorrhoiden. dann Leber-, Gallen - und Mi el 
träge und schwache Verdauung, Verschleimung, äh 
Fettsucht, Würmer. Plethora des Unterleibs, Stuhl 
Appetitlosigkeit, Säurebildung, Wallungen, Herzklop 
mässiger Puls, Schwindel, Nervenaufregung, geis 
körperliche Abspannung u. s. w. 


Hypochondrie, Melancholie. Hysterie und verschied ıdere 
Nervenkrankheiten. 


3) Rheumatismus und Gicht. 
4) Krankheiten der Nieren und Blase, Steinbeschwerden u. s. w. 


5) Rothlaufformen von Störungen im Pfortadersystem bedingt. 
6) Hautausschläge, Finnen, Flechten. E 


7) Unregelmässige Menstruation, weisser Fluss, Unfruchtbarkeit. 
8) Verschleimung der Lungen auf Laxität beruhend. 


Ganz besondere Würdigung verdient die oben bezeichnete Ver- 
bindung der Salze mit der Kohlensäure und dem Eisenoxydul, wo- 
durch ein dem jetzigen herrschenden Krankheitscharakter, welchem 
bei vorwiegender Venosität eine grosse Abspannung oder Reizbar- 
keit des Nervensystems zu Grunde liegt, in allen Beziehungen ratio- 
nell anpassendes Heilmittel geboten wird, welches gerade hierin, 
in seiner nicht schwächenden, sondern mit der lösenden und abfüh- 
renden die stärkende und belebende Wirkung verbindenden Eigen- 


schaft, den offenbaren Vorzug vor den laxirenden Bitterwässern 
und derg]. behauptet, 


Eine Kissinger Rakoczykur eignet sich aber auch prophylak- 
tisch als Vorbeugungsmittel gegen Bildung chronischer 
Unterieibskrankeiten für viele Personen, und besonders jene 
wohlbeleibte Constitutionen, bei welchen unregelmässige und man- 
gelhafte Ausscheidungen, namentlich in der Unterleibssphäre, statt 
finden, woselbst der Ursprung der später sich ausbildenden Gicht, 
Lungenkrankheiten, Hämorrhoiden und anderer Unterleibsbeschwerden 
zu suchen ist. So gilt der Rakoczy auch als ein treffliches Vor- 
beugungsmittel gegen die asiatische Cholera, indem seine Haupt- 
hestandtheile in der ihnen eigenen natürlichen Zusammensetzung als 
Heilmittel gerade jenen krankhaften Vorgängen im Organismus kräf- 


tig enigegenwirken, in welchen die Prädisposition zur Cholera vor- 
zuglich erkannt wurde. 


Bei der herannahenden Frühlingszeit, welche sich zu Mineral- 
wasserkuren besonders eignet, bringen wir hiemit zur Anzeige, dass 
die diesjährige frische Füllung des Rakoczy und der übrigen 
Kissinger Mineralwasser bereits begonnen hat, und können Bestel- 
lungen direct oder bei allen zunächst gelegenen Mineralwasser- 
sandlungen ausgeführt werden, welche auch Kissinger Brunnen- 
gehrauchsberichte gratis verabreichen. 


Bad Kissingen, im März 1854. 


j 


2 


2) 


Gebrüder Bolzano. 


Hofbnchdruckerei der Gebr. Jänecke in Hannover. 


SE 


ARCHIV DIR PHARNACHE. 


4 
na EXKVM. Bandes zweites Heft. 


vn 


=: Erste Abtheilung. 


I. Physik, Chemie und praktische 
Pharmacie. 


Ueber den Arsengehalt des Eisenochers aus der 
erbohrten Mineralquelle zu Rehme; 


von 
H. Wackenroder. 

Die warme Salzquelle zu Rehme bei Minden, welche 
aus einem 2300 Fuss tiefen Bohrloche hervortritt, ist in 
neuerer Zeit zu grossem Ansehen gelangt. Daher erklärt 
sich leicht der Wunsch, über die Bestandtheile dieser 
Heilquelle eine möglichst vollständige Kenntniss zu er- 
langen. 

So wurde denn auch an mich das Ansuchen gestellt, 
den Eisenocher zu untersuchen, der sich einige hundert 
Schritte weit von dem Bohrloch aus dem abfliessenden 
Wasser, nachdem dasselbe durch das Badehaus hindurch- 
gegangen ist, allmälıg absetzt. 

Der Brunnenarzt, Herr Dr. Alfter zu Rehme, hatte 
zu dem Ende eine ziemliche Quantität des ocherigen 
Schlammes einsammeln und noch feucht in ein irdenes 
Gefäss einschliessen lassen, das, obwohl mit guter Blei- 
glasur versehen, doch vielleicht besser mit einem Gefässe 
von Porcellan oder Glas wäre zu vertauschen gewesen. 
Das wohl verpackte Gefäss wurde mir durch meinen 
Collegen, Hrn. Oberappellationsgerichtsrath und Professor 
Dr. Danz, im Spätsommer des vorigen Jahres übergeben, 
konnte aber erst zu Anfang dieses Jahres entleert werden, 
als sich Zeit zur Untersuchung des Ochers darbot. 


Arch.d. Pharm. CXXVIII,Bds. 2. Hft. 9 


130 Wackenroder, 


Der Ocher zeigte sich beim Oeffnen des Gefässes noch 
feucht und ziemlich stark salzhaltig. Derselbe wurde 
zuvörderst vollständig mit Wasser ausgelaugt, dann ge- 
trocknet und von der nicht grossen Menge beigemengter 
Holzsplitter so viel als thunlich mechanisch befreiet. Nach 
völligem Austrocknen bei 100° C, zeigte derselbe eine sehr 
lockere Beschaffenheit und eine schön ochergelbe Farbe. 

Von Salzsäure und auch von destillirter Schwefel- 
säure, die mit einem gleichen Volum Wasser verdünnt 
worden, wurde der Ocher bis auf einen sandigen Rest 
aufgelöst, der nach dem Glühen, wobei die geringe Menge 
organischer Theile zerstört wurde, von 9,328 Grm. aus- 
getrocknetem Ocher 0,779 Grm. oder 8,35 Proc. betrug. 

Eine nähere Untersuchung weder dieses Rückstandes, 
noch der Auflösungen auf andere Bestandtheile, als auf 
die aus sauren Lösungen durch Schwefelwasserstoff fäll- 
baren Metalle lag nicht in dem augenblicklichen Interesse 
und unterblieb daher. 

Um bei der Auflösung des Ochers in Salzsäure kein 
Chlorarsen zu verflüchtigen, wurde die Salzsäure nur 
von mässiger Concentration und bei gelinder Digestions- 
wärme angewendet. Die Schwefelsäure dagegen konnte 
unbedenklich stärker erhitzt werden, bis der Rückstand 
seines Eisengehaltes völlig beraubt war. 

Die ziemlich stark verdünnten sauren Lösungen wur- 
den so lange mit schwefligsaurem Gas behandelt, bis das 
Eisenchlorid vollständig zu Chlorür, das schwefelsaure 
Eisenoxyd völlig zu Oxydulsalz reducirt worden war. 
Nachdem die überschüssige schweflige Säure durch Erhitzen 
verjagt worden, wurde alsbald ein Strom von Schwefel- 
wasserstoffgas durch die Flüssigkeiten hindurchgeleitet, 
die Flüssigkeiten aber eine nur kurze Zeit im bedeckten 
Cylinder der Ruhe überlassen und dann abfiltrirt. Eine 
erneuerte Behandlung der Filtrate mit Schwefelwasserstoff 
zeigte, dass dieselben durchaus keinen Niederschlag mehr 
"bildeten. 

Die verhältnissmässig starken Niederschläge wurden 
zuerst mit Schwefelwasserstoffwasser und dann mit reinem 


 Arsengehalt des Eisenochers zu Rehme. 131 


Wasser schnell abgewaschen und noch feucht im Trichter 
mit einer wässerigen Lösung von kohlensaurem Ammo- 
niak übergossen. Sie lösten sich darin fast vollständig 
auf. Die ausgewaschenen Filtra zeigten nur einen so 
geringen schwarzen Anflug, dass eine quantitative Bestim- 
mung desselben nicht lohnend erschien. Durch Verbren- 
nen des Papiers und Glühen der Asche mit Soda unter 
Zusatz von ein wenig Salpeter und durch Schlämmen des 
Geglüheten konnten jedoch grauweisse, weiche Metall- 
flittern in geringer Menge abgeschieden werden. Da auf 
der Kohle auch ein geringer gelber Beschlag zu bemerken 
war, so konnte das in kohlensaurem Ammoniak unlös- 
liche Schwefelmetall nur für Bleisulfid, aber nicht für 
Zinnsulfür angesehen werden. Ob nun diese geringe Spur 
von Blei möglicherweise nicht auch aus der Bleiglasur 
des Aufbewahrungsgelässes ihren Ursprung genommen 
hatte, muss dahin gestellt bleiben. 

Die ammoniakalische Lösung des Schwefelarsens 
wurde alsbald mit Salzsäure schwach angesäuert und 
sogleich noch mit etwas Schwefelwasserstoff versetzt, um 
kein Schwefelarsen unausgefällt zu lassen. Der rein gelbe 
Niederschlag von Schwefelarsen, auf dem Filtrtum mit 
Schwefelwasserstoffwasser thunlichst schnell ausgewaschen 
und dann sogleich, zuletzt bei einer Temperatur von 100° C. 
getrocknet, durfte nun als Dreifach-Schwefelarsen = As2$3 
angesehen und als solebes zur Berechnung benutzt werden. 

Von den angestellten Versuchen will ich drei hervor- 
heben, die unter meinen Augen von den Herren Ruff, 
F. Overbeck und G. Graefe ausgeführt worden und 
als gelungen zu betrachten sind. Zu dem Versuch I. dien- 
ten 40,0 Grm. Ocher, in Schwefelsäure aufgelöst; zu den 
Versuchen Il. und II. je 9,328 Grm. und 10,0 Grm. Ocher. 
der in Salzsäure aufgelöst wurde. Es wurden ausser Spu- 
ren von Schwefelblei erhalten: 

N 1. II. Im Miitel 
Dreifach - Schwefelarsen 1,035 — 1,211 — 1,220 — 1,1553 Proc. 

Da das Arsen in den ocherigen Absätzen der Mineral- 

wässer am wahrscheinlichsten als arsenige Säure vor- 


9* 


132 Woackenroder, Arsengehalt des Eisenochers zu Rehme. 


handen ist, so berechnen sich darnach folgende Procente 
der arsenigen Säure in dem bei 100° C,. ausgetrockneten 
Eisenocher von Rehme: 
L; 1: II. Im Mittel 
Arsenige Säure 0,8332 — 0,9749 — 0,9816 — 0,9301 Proc. 

Es können solche quantitative Bestimmungen dann 
ein grösseres Interesse gewinnen, wenn sie mit anderen 
ähnlichen verglichen werden. Nun ist auch schon in meh- 
reren eisenhaltigen Absätzen aus Mineralwässern das Arsen 
quantitativ bestimmt worden, wenngleich nach verschie- 
denen analytischen Methoden, so dass diesen ein Theil 
der Abweichungen wohl dürfte beigemessen werden. Um 
die Vergleichung anstellen zu können, habe ich da, wo 
es nöthig war, die Reduction auf arsenige Säure vor- 
genommen. 


Vorkommen Arsenige Säure 


dunkel gefärb- 


ter Sprudelstein Se In aukal- der CHEBE u. 


Pharm, B.73.; — dies. 
Arch. B. 65. p.178. 


Nähere : | Literarische 
des = in Procenten des e 
Bisendchers! Bestimmung. | Kenne | Nachweisungen. 
Wiesbaden .. Rus dem Bade- 
hause z. Adler 3,03 
Aus dem Hause Will, in Annal. deı 
des Hrn. Apo- Chem. u.Pbarm. B. 61 
thekers Lade.. 2,61 p. 192.; — dies Arch. 
Aus dem Koch- B:52.2p. 274% 
brunnen..... 3,88 
Alexisbad.... | Aus der Bade- 
quelle nn: 0,9215 Bleya. Diesen 
Re dies.Arch. B. 52.p.268. 
quellen na sr 0,1125 
Alexisbad..../ Aus der Bade- Rammelsberg, ir 
>’ I 
nl ER 1,2998 Poggendorfl’s Annalen 
Aus der Trink- SE Er £ 
e B.72.p.571; — dies 
quelle. 0,0330. Arch. B 54, p.170, 
Liebenstein... | Aus dem eisen- | 
halt. Säuerling. 0,6128 Ludwig, in diesem 
Driburg..... Desgleichen... 0,0629 Arch, B. 51. p. 145. 
kKehme zn... Ausder erbohr- i 
ten Badequelle. 0,9301 Wackenroder. 
Carlsbad.... | Eisenschüssiger Bam Leoddin 


Rees, Bildung der Phosphorsäure im Blute. A33 


Ueber die Bildung der Phosphorsäure im Blute; 


G. Owen Rees, M. D.*) 


In dem Januarhefte Ihrer werthvollen Zeitschrift, Jahr- 
gang 1849, das ich so eben erst erhalten habe, finde ich 
eine Notiz des Hrn. Dr. Reich in Königsberg, worin er eine 
Theorie des Athmungsprocesses als seine originelle giebt, 
welche ich schon im Juni 1847 der Royal Society vor- 
legte und dann im hilosophical Magazıne Juli 1848 ver- 
öffentlichte. In meiner Abhandlung sage ich deutlich 
und bestimmt, dass durch den Act des Athmens die 
phosphorisirten Fette des Venenblutes in Phosphorsäure, 
Wasser und Kohlensäure zersetzt werden; dass die Phos- 
phorsäure mit dem Alkali des Blutes sich zu dreibasischem 
(tribasic) phosphorsaurem Natron verbindet, welches dem 
arteriellen Blute seine hellere Farbe ertheilt; und dass 
der Typus der Venenblutkörperchen eine phosphorisirtes 
Fett enthaltende Masse ist, während die Blutkörperchen 
im arteriellen Blute ein solches Fett nicht enthalten. 

Sie werden, meine Herren, mich sehr verbinden, 
wenn Sie diese Anzeige in Ihrer Zeitschrift bekannt 
machen, da ich gern den Hrn. Dr. Reich darauf auf- 
merksam machen möchte, dass ich diese Athmungstheorie 
und meine darauf bezüglichen Versuche schon im Juni 
1847 der Royal Society vorlegte. Ich bin überzeugt, dass 
dies die wahre Theorie des Athmungsprocesses ist. Auch 
halte ich die Ausscheidung von Wasser und Kohlensäure 
für minder wichtige Theile des Athmungsprocesses, als 
die Zurückhaltung eines Ueberschusses des phosphor- 
sauren Salzes im arteriellen Blute. 


*) Der geehrte Herr Verf. hat uns vor Kurzem diese Mittheilung 
in Briefform gemacht, die wir glauben beibehalten zu müssen. 
Die Red. 


13% Junghähnel, 


Veber die heilkräitige Wirkung der Blüthen 
des Mandelkürbis; 


C. Junghähnel, 


Apotheker in Taucha. 


Es dürfte den Lesern dieses Archivs nicht unwill- 
kommen sein, über ein, wie mir scheint, wichtiges Heil- 
mittel Notiz zu erhalten. 

Eine nicht seltene Krankheit Neugeborener ist die 
Urinbeschwerde — gegen. welches Uebel manches Mittel 
nicht immer mit sicherem Erfolg und gewünschtem Resul- 
tat angewendet wird. Nun ist jetzt ein, wenn es sich bei 
fernerer Anwendung noch vollständiger bethätigen sollte, 
Radicalmittel aus dem Volke mir bekannt geworden, das 
aller Berücksichtigung werth erscheint. Dieses Mittel sind 
die Blüthen vom Mandelkürbis (Cueurbita Pepo). 

Die Anwendung sowohl der frischen, als auch getrock- 
neten Blüthen besteht in dem wässerigen Aufguss. Eine 
frische oder zwei getrocknete Blüthen werden mit einer 
kleinen Obertasse kochenden Wassers übergossen, die 
Blüthe aber darin liegen gelassen. Der Aufguss wird 
theelöffelweise gegeben 

Eine hiesige Kaufmannsfamilie hat mich zuerst davon 
unterrichtet. Die Kinder derselben litten in der ersten 
Lebenszeit stets an solchen Urinbeschwerden, so dass 
immer eine künstliche Entleerung der Harnblase vorge- 
nommen werden musste. Die Familie wurde schon vor 
einigen Jahren mit diesem Mittel bekannt gemacht. Die 
erste Anwendung fiel in die Blüthezeit der Kürbisse, und 
so wurde Hülfe aus dem Garten des Apothekers, meines 
Vorgängers, verlangt. Alle Mittel, selbst mehrmaliges 
Ablassen des Urins, hatten bei dem unter den grässlich- 
sten Schmerzen liegenden einjährigen Kinde nichts gehol- 
fen; aber nach dem ersten Theelöffelchen von dem Auf- 
guss einer frischen Kürbisblüthe fand eine Harnentlee- 
rung sofort statt. Diese Wirkung wiederholte sich nach 
zweimaliger Anwendung. Daher haben diese Leute und 


Wirkung der Blüthen des Mandelkürbis. 135 


deren hiesige Verwandte stets Kürbisblüthen gesammelt, 
um im Nothfall davon zu haben. Auch bin ich dringend 
gebeten worden, solche zu sammeln, was heuer auch 
nicht unterlassen werden wird. 

Eine gleiche, jene Wirkung des Kürbisses bestätigende 
Erfahrung ist die folgende. Ein früher gesundes, blühen- 
des Mädchen aus dem gebirgigen Voigtlande, mit Spitzen 
und dergleichen Dingen handelnd, sah vor einem Jahre 
ungemein blass und angegriffen aus. Auf mein Befragen, 
was ihr fehle, gab sie an, sie leide an grossen Schmer- 
zen beim Urinlassen. Es wurde ihr nun das oben erwähnte 
Mittel vorgeschlagen und angerathen, durch dessen Ge- 
brauch sie denn auch gründlich wieder hergestellt ist. 
Die Geheilte erinnerte sich nun auch eines ihr bis dahin 
unerklärlichen Umstandes. Sie habe nämlich zu der Zeit, 
als sie mit obigem Leiden behaftet gewesen, in einem 
Wirthshause Abends Kürbissuppe mitgegessen und darauf 
zum ersten Male in ihrer Krankheit den Urin ohne Schmer- 
zen gelassen, ja es sei derselbe, ohne dass sie es hätte 
hindern können, unwillkürlich abgegangen. 

Zusatz. Die obigen Bemerkungen dürften wohl 
geeignet sein, die Praktiker zu geeigneten Versuchen mit 
den Floribus cueurbitae zu veranlassen. In den mir zu 
Gebote stehenden älteren und neueren pharmakologischen 
Werken, z. B. in der immer noch sehr achtenswerthen 
»Materia medica« von Löseke, 7. Aufl. von J. F. Gme- 
lin. Berlin 1800, habe ich keine Hinweisung auf die frü- 
here medicinische Anwendung der Kürbisblumen finden 
können. Die übergrosse Anzahl der harntreibenden Mittel 
deutet schon darauf hin, wie verschiedenartig die Ver- 
anlassung zu den Harnbeschwerden sind und wie wenig 
auf ein mehr allgemein passendes Mittel zu rechnen ist. 
Da die Krankheiten der Harnwege überhaupt zu den am 
wenigsten besiegbaren, weil meistens am wenigsten er- 
kannten gehören, wozu auch die Gegenwart ihre zahlreichen 
Belege darbietet: so mag die Hinweisung auf das obige neue 
Mittel als wohl gerechtfertigt erscheinen. 7. Wackenroder. 


a —e 


136 Tod, 


Chemische Untersuchung eines sogenannten Heil- 
und Präservativ - Pulvers gegen Milzbrand oder 
Blutseuche der Schafe ; 


von 


Dr. L. F. Bley. 


Ein ausgezeichnet tüchtiger Oekonom, dessen Schaf- 
heerden öfters von der gedachten Seuche heimgesucht 
wurden, richtete an mich das Gesuch, ihm die Bestand- 
theile eines Pulvers auszumitteln, welches ihm als Präser- 
vativ gegen die Blutseuche mitgetheilt worden war. 

Dieses Pulver soll in der Art angewendet werden, 
dass zu zwei Metzen Pulver (eine hiesige Metze ist gleich 
lg Berliner Scheffel) eine Metze Viehsalz genommen und 
Beides mit einander gemengt wird. Von diesem Gemenge 
soll bei vorkommender Krankheit je einen Tag um den 
andern ein Esslöffel voll jedem Thiere gereicht werden. 

Das gedachte Präservativ ergab bei der chemischen 
Prüfung folgende Zusammensetzung: 


Gröblich gepulverte Knochenkohle ....... 16 Unzen, 
Schwefelsauren Kalk, 

Ghlorcaleium, von. jedem, . m .ns- + 1 Drachme, 
Kohlensaures Eisenoxydul ......... N, » 
Schwefelsaures Natron ........... 2 » 


Chemische Untersuchung der unorganischen Be- 
standtheile der Früchte von Prunus domestica; 


von 


W. Tod aus Oldisleben *). 


21 Stück im October 1853 gesammelte, schon einige 
Tage alte, aber völlig gesunde Zwetschen wurden sorg- 


*) Diese Untersuchung wurde auf meine Veranlassung unternommen, 
weil jede nähere Kenntniss der Bestandtheile der Zwetschen 


Unorg. Bestandtheile der Früchte von Prunus domestica. 137 


fällig von ihren Kernen befreit und die Kerne sowohl als 
auch das Fleisch einer quantitativen Untersuchung unter- 
worfen. Der analytische Gang der Untersuchung richtete 
sich ganz nach dem von Hrn. Geh. Hofrath Wackenroder 
im »Archiv der Pharmacie« (Bd. 53. p.A. u. Bd. 57. p. 17.) 
angegebenen, mit einigen kleinen Modificationen, wie sie von 
Hrn. E. Reichardt bei der Untersuchung der unorgani- 
schen Bestandtheile der Salix vitellina (Archiv der Phar- 
macie Bd. 73. p. 257.) angewendet wurden, da die erhal- 
tenen Aschenmengen zu gering waren, um eine Theilung 
der wässerigen Auszüge vornehmen zu können. 


Die 21 Stück Zwetschen wogen 248,100 Grm. ; also durchschnittlich wog 
1 Zwetsche 11,867 Grm. 
hiervon wog das frisch abge- 
sonderte 'Bleisch . .... ......- 227,200 » also durchschnittlich wog 
das Fleisch 11,072 Grm, 
die frischabgesonderten Kerne 16,690 also durchschnittlich wog 
der Kern 0,795 Grm. 
Verlust beim Auskernen, der 
als fleischige Substanz mit zu 
bereeinennisb. .r. ..... = a enas: 3,210 
249,100 Grm. 
Die frische Fleischsubstanz wog also Die frischen Kerne wogen 
232,410 Grm. 16,690 Grm. 
bei 1000. getrocknet 91,506 » bei 1000C. getrocknet 11,536 » 
Vegetationswasser 140,904 Grm. Vegetationswasser 5,154 Grm. 


Die ganzen Zwetschen enthielten demnach: 
trockene Substanz 103,042 Grm. 
Vegetationswasser 146,058 

249,100 Grm. 


Folglich würde eine trockne Zwetsche 4,357 Grm. 
trocknes Fruchtfleisch geliefert haben. 


oder Pflaumen. nicht nur ein allgemeines Interesse darbietet, 
sondern auch für das Saalthal von besonderer Bedeutung ist, 
da die Zwetschenernte einen sehr werthvollen Theil unserer 
jährlichen Ernte ausmacht. Die Untersuchung ist mit Präcision 
unter meinen Augen ausgeführt worden, B. Wr: 


138 Tod, 


I. Analyse des Fruchtfleisches der Zwetschen. 
Die angegebenen 91,506 Grm. trockenes Zwetschen- 
fleisch lieferten beim Verkohlen: 14,00 Grm. Kohle und 
nach dem Ausziehen mit Wasser 0,360 Grm. Asche. 
Trockenes Fleisch 91,506 Grm. 


Kohle 14,060 
Asche 0,360 


Die gemengten wässerigen Aus- Die in Wasser unlöslichen Aschen- 
züge aus Kohle und Asche er- bestandtheile ergaben: 
gaben als Besiandtheile: Eisenoxyd..... Spuren 
Chlorkalium... Spuren Alaunerde.... 0,008 Grm. 
Kalııan zn. 0,395 Grm. Kalk „2:87 0,142 u 
Kalk 27:23. 0,025 Talkerderen 0,023 
Schwefelsäure. 0,192 u Manganoxydul 0,004 « 
Phosphorsäure. 0,006 Phosphorsäure 0,126 » 
0,618 Grm, Kieselsäure ... 0,005 
0,308 Grm. 
In Wasser lösliche Bestandtheile 0,618 Grm. 
" „ unlösliche [2 0,308 " 
0,926 Grm. 


Auf 400 Theile frischen Zwetschenfleisches berechnet: 


auf wasserfreie Salze berechnet: 


Chlorkalium _ Chlorkalium E= 
Kalk A: 0,011 Th. Schwefelsaures Kali. 0,176 Th. 
Kal Bar RE OT n Koblensaures Kali... 0,110 
Schwefelsäure ..... 0,085 „ Phosphorsaurer Kalk 0,005 
Phosphorsäure ..... 0,003 „ (3Ca0 + PO°) 


Schwefelsaurer Kalk 0,016 « 


Eisenoxyd ......... —_ Phosphors. Alaunerde 0,006 
Alaunerde........- 0,005 (A?03 + PO°) 
Kalkan... 0,063 Phosphors. Kalk... 0,109 » 
Talkexrde'..:......: 0,010 (3Ca0 + PO?) 
Manganoxydul...... 0,002 Kohlensaurer Kalk.. 0,007 
Phosphorsäure ..... 0,055 Kohlens. Talkerde... 0,0058 
Kieselsäure'..... o.. 0,002 » » Manganoxydul 0,003 
De ge Kieselsäure ........ 0,002 u 
0,407 Th. Er Pe 7 3 VRBRREEE 


Unorg. Bestandtheile der Früchte von Prunus domestica. 139 


Auf 100 Theile trocknen Zwetschenfleisches berechnet: 


Chlorkalium ....... _ 
2 N 0,027 Th 
ale ae an. 0,430 
Schwefelsäure ..... 0,210 
Phosphorsäure...... 0,007 
Eremosud.......-; —. 
Alaunerde......... 0,009 
Kae 4 0,156 
Talkerder u... 0,025 
Manganoxydul...... 0,004 
Phosphorsäure ..... 0,138 
Kieselsäure ........ 0,006 


1,012 Th. 


auf wasserfreie Salze berechnet: 
Schwefels. Kali .... 0,398 Th. 
Kohlens. Kali...... 0,315 
Phosphors. Kalk ... 0,015 » 
"@&Ca0 + PO) 

Schwefels. Kalk .... 0,046 


Phosphors. Alaunerde 0,021 „ 
(Al?O3 + PO) 
Phosphors. Kalk ... 0,272 „ 
(3Ca0 + PO?) 
Kohlens. Talkerde... 0,052 
» Manganoxydul 0,006 » 


Kiesels. Kalk....... 0,019 
Kieselsäure ........ 0,006 
1,150 Th. 


I. Analyse der Kerne. 


Die 41,536 Grm. getrocknete Zwetschenkerne gaben 


3550 Grm. Kohle und diese 
Wasser 0,900 Grm. Asche. 
Trockene Kerne 


Kohle 
Asche 


Bestandtheile der gemengten wäs- 
serigen Auszüge: 


Chlorkalium ....... 0,021 Grm. 
Kal res ee 0,050 
NE SERIES 0,045 „ 
Schwefelsäure...... 0,0355 
Phosphorsäure ..... 0,022 


0,162 Grm. 


nach dem Ausziehen mit 


11,556 Grm. 
3.550 
0,900 u 


Die im Wasser unlöslich, Bestand- 
theile ergaben: 


Eisenoxyde.. a ve 0,026 Grm. 
Alaunerde ......... Spuren 
Kalk en 0,207 " 
Talkende 4 nr. 0,068 
Manganoxydul ..... 0,002 
Phosphorsäure ..... 0,109 
Kieselsäure ........ 0,061 
0,473 Grm 


In Wasser lösliche Bestandtheile 0,162 Grm. 


n n unlösliche 


" 0,473 " 


0,635 Grm. 


140 Tod, 
Auf 100 Theile frischer Kerne berechnet: 


auf wasserfreie Salze berechnet: 


Chlorkalium. ...... 0,012 Th. Chlorkalium........ 0,012 Th. 

Kali „u. 2.06 - 0,030 Kohlens./Kalır...... 0,027 

Kalkan ar of 0,026 Schwefels. Kali..... 0,017 

Schwefelsäure...... 0,021 »- Schwefels. Kalk.... 0,030 » 

Phosphorsäure ..... 0,012 Phosphors. Kalk ... 0,025 » 
(3Ca0 + PO) 

Eisenoxyd..... ..- 0,014 Phosphors. Eisenoxyd 0,027 
Kalk a Seen 0,124 (Fe?03 + PO°) 

Talkerder. ir er 0,040 Phosphors, Kalk.... 0,109 
Manganoxydul...... 0,001 (3Ca0 + PO°) 

Phosphorsäure ..... 0,064 Kohlens. Kalk...... 05115 u 

Kieselsäure ...... ‚+ 0,036 „  Talkerde.... 0,082 » 

es ER » Manganoxydul 0,002 w 

0,380 Th. De yes h .. 0,0386 

0,484 Th. 


Auf 100 Theile trockener Kerne berechnet: 
auf wasserfreie Salze berechnet: 


Chlorkalium........ 0,018 Th. Chlorkalium........ 0,018 Th. 
Kali. een. sed .. 0,045 Koblens, Kali ...... 0,006 
Kalkar ae seiner. 0,038 Schwefels. Kali .... 0,059 » 
Schwefelsäure...... 0,029 „ Kalk.... 0,044 » 
Phosphorsäure ..... 0,018 » Phosphors.. „ ... 0,088 
(3Ca0 + .PO°) 
Eisenoxyd .......... 0,021 Phosphors. Eisenoxyd 0,040 » 
Kalk 0,179 u (Fe?03 4 PO?) 
Talkerde. 434034: 0,058 Phosphors. Kalk ... 0,160 » 
Manganoxydul...... 0,002 (3Ca0 + PO°) 
Phosphorsäure ..... 0,093 Kohlens. Kalk...... 0,166 
Kieselsäure......... 0,051 »... Talkerde..... 03207 
ERFEg »  Manganoxydul 0,003 
O,550r1B2 Kieselsäure ........ 0,051 
0,705 Th. 
Aus den angegebenen Resultaten folgt: 
Das Fleisch einer frischen Zwet- Der frische Kern von 100 Theilen: 
sche liefert von 100 Theilen: 
trockene Substanz 39,37 Th. trockene Substanz 69,10 Th. 
Kohle 6,05 » Kohle 21,27 


Asche 1,35 ” Asche 5,39 ” 


Unorg. Bestandtheile der Früchte von Prunus domestica. N44 


Eine Zwetsche überhaupt giebt von 100 Theilen 
trockene Substanz 41,38 Th. 

Kohle 7,07 '» 

Asche 1,04 » 


Das Fleisch einer frischen Zwet- Der frische Kern in 100 Theilen 


sche besteht in 100 Th. aus: aus: 
Vegetationswasser... 60,63 Th. 30,90 Th. 
Organ. Bestandtheile 38,97 65,30 
Unorgan. " 0,40 3,30 
100,00 Th. 100,00 Th. 


Die ganze Zwetsche in 100 Theilen 


Vegetationswasser... 58,62 Th. 
Organ. Bestandtheille 40,75 
Unorgan. " 0,63 


100,00 Th. 


Die des Kernes auf wasserleere 
Salze berechnet, in 100 Theilen 


Die unorganischen Bestandtheile 
des Fleisches einer Zwetsche 


auf wasserleere Salze berechnet, aus: 

nn 10 Theilen ausr "2 nlarkalinım. a... 2,48 Th 
Schwefels. Kali..... 38,91 Th. Schwefels. Kali..... 3,33, u 
Kohlens. AR) Ber, Koblens. ee 0:00 
Schwefels. Kalk.... 5,21 » Schwefels. Kalk .... 6,20 


Phosphors. Kalk.... 24,76 
(3Ca0 + PO?) 

Phosphors. Alaunerde 1,13 
(Al?0? + PO>) 


Phosphors. Kalk.... 27,70 
(3Ca0 + PO°) 

Phosphors. Eisenoxyd 5,60 
(Fe?0°? + PO>) 


Kohlens. Talkerde... 5,00 Kohlens, Taikerde... 16,90 » 


» Manganoxydul 0,65 » Manganoxydul 0,41 
Kieselsäure.......-. 0,43." a WR alksa.. 28: DIT 
FemBET En Kieselsäure......... 743 

100,00 Th. a . 

100,00 Th. 


Zusatz. Man ersieht aus diesen Analysen abermals 
die Abwesenheit von Natron, dessen Gegenwart in allen 
unseren Binnen-Gewächsen ich zufolge zahlloser Ver- 
suche so lange durchaus verneinen muss, bis ich von der 
Unzulänglichkeit der Prüfung mit antimonsaurem Kali über- 
zeugt bin. Dabei dürfte die Bemerkung nicht unpasslich 


142 Rebling, 


sein, dass, wie schon anderwärts von mir angegeben 
worden ist, aus den Aschen durch Auslaugen derselben 
mit Wasser die Alkalisalze entweder vollständig, oder bis 
auf eine unmerkliche Spur ausgezogen werden; dass vor 
der Prüfung des Auszuges mit antimonsaurem Kali alle 
Kalk- und Talkerde entfernt, und dass endlich jedes Mal 
ein controlirender Gegenversuch in der Art ausgeführt 
werden muss, dass ein Theil der Flüssigkeit mit einer 
kleinen Menge desjenigen Natronsalzes versetzt wird, das 
in der zu prüfenden Flüssigkeit vorausgesetzt werden 
darf. Obwohl man vermuthen sollte, dass auch Natron- 
salze in die Pflanzen übergingen, so kann man doch nicht 
über das Ergebniss des unmittelbaren Experimentes hin- 
auskommen. Auch in der gewöhnlichen Pottasche lässt 
sich auf demselben Wege keine Spur von Natron auffinden. 

Eine ganz besondere Eigenthümlichkeit des Zwetschen- 
oder Pflaumenbaumes ist noch der grosse Gehalt an Kalk- 
salzen, der nicht bloss in der Asche der Früchte, sondern 
auch vornehmlich in der Asche des Holzes desselben 
angetroffen wird. Die Untersuchung der Holzasche des 
Zwetschenbaumes aus dem Saalthale werde ich demnächst 


mitzutheilen im Stande sein. H. Wackenroder. 
“ 
Pharmaceutisch - chemische Notizen; 
von 
Rebling. 


I. Resina Jalapae. — Die Reinheit dieses Harzes — 
selbst wenn es nur mit 5 Proc. wohlfeileren Harzen, als 
mit Dammar, Colophonium, Olibanum versetzt wäre — 
erkennt man auf eine leichte Weise schnell und sicher, 
wenn man ungefähr 5 Gran in einem Platinlöffel bis zur 
Entzündung erhitzt, darauf den Löffel vom Feuer entfernt, 
und ruhig abbrennen lässt. Das reine Harz brennt auf 
diese Weise nämlich ganz ohne Russ-Abgabe, was man 
durch ein darüber gehaltenes Papier und auch schon 


pharmaceutisch- chemische Notizen. 143 


mit den Augen bemerkt. Bei diesem Versuche ist jedoch 
wohl zu Berken, dass man den Löffel eben nur so lange 
in der Spiritusflamme lässt, bis die Dämpfe des geschmol- 
zenen und zersetzten Harzes sich entzünden; dan muss 
man den Löffel entfernen und ruhig on lassen. 
Wird hingegen der Löffel so stark und so lange erhitzt, 
dass eine zollgrosse Flamme entsteht, so tritt auch Russ 
auf, aber nur momentan und hört mit dem Kleinerwerden 
der Flamme sogleich wieder auf. — Die mit 5 Proc. 
wohlfeilem Harze verfälschte ZAesina Jalapae entlässt 
aber bei der Entzündung, selbst bei dem kleinsten Flämm- 
chen, bis zu Ende Russ. 

II. Tinctura Nucum vomicarum, auch eine Extract- 
lösung, wird‘ leicht erkannt und von anderen bitteren 
Tincturen unterschieden, wenn man etwa + Drachme mit 
10— 15 Tropfen concentrirter Schwefelsäure in einem 
Porcellanschälchen über der Spiritusflamme erhitzt, 
selbst wenn hierauf die Flüssigkeit ausgegossen und die 
feuchte Schale nur vorsichtig weiter fort erhitzt wird — 
wird die Flüssigkeit dunkel kirschroth. — Ich zweifle, 
dass diese Reaction von dem in der Tinctur vorhandenen 
Strychnin oder Brucin abhängig ist; directe Versuche haben 
dem wenigstens widersprochen und ich glaube daher, dass 
sie von einem anwesenden Proteinkörper und Zucker 
(der, nach einem speciellen Versuche mit Kupfersalz, darin 


enthalten ist) hervorgerufen wird. — Auch mit concen- 
irirter Salzsäure wird die schöne kirschrothe Farbe 
erzeugt. 

III. Bismuthum. — Man kann den Arsengehalt des 


rohen käuflichen Metalles rechi leicht und sehr augen- 
fällig nachweisen, mit schon 20—30 Gran Metall, wenn 
solches in einer Federspuhl-starken, einige Zoll langen 
Glasröhre über der Spirituslampe erhitzt wird. Das Arsen 
verflüchtigt sich und legt sich an den kalten Seiten- 
wänden krystallinisch als arsenige Säure an. Ich will 
hier auf die besondere Eigenschaft der arsenigen Säure 
aufmerksam machen, dass dieselbe nicht nur Octaäder 
bildet, die unter der einfachen Loupe zu erkennen sind, 


Nik Rebling, 


sondern auch, woraufich vorzüglich Gewicht legen möchte, 
der Anflug die kalte Glasfläche nicht etwa gleichmässig 
dick überzieht, sondern vielmehr mit Krystallen überzieht, 
die einzeln von einander abgesondert liegen und zwischen 
sich eine leere Glasfläche lassen. Es mag dieses von der 
grossen Krystallisationsfähigkeit der arsenigen Säure wäh- 
rend der Sublimation abhängig sein. 

IV. Ferrum sulphuratum. — Obgleich dieses Präpa- 
rat eines der am leichtesten darstellbaren ist, so gelang 
es mir doch nicht immer so, wie ich es gewohnt war. 
Mein mehrere Jahre ausreichender Vorrath war verbraucht 
und hatte ich eine Mischung von 16 Th. Schwefel und 
27 Th. Eisenfeilspäne vom Schlosser, fein abgesiebt zur 
Schmelzung genommen, ohne dass ich ein gutes Präparat 
erzielen konnte. Es war mir um so auffallender, als ich 
kurz vorher zur Instruction eines Lehrlings circa 30 Gran 
einer Mischung von Pulv. ferri puri und Schwefel in einem 
gewöhnlichen gläsernen Probiercylinder über der Spiritus- 
lampe zusammengeschmolzen hatte. Diese Mischung war 
kaum bis zur Schmelzung des Schwefels erhitzt, als auch 
schon die Verbindung eintrat. Am Boden des Cylinders 
fing das Pulver an zu glühen und pflanzte sich das Glühen 
gleich Zunder durch das ganze Gemisch fort, ohne dass 
sich Schwefel verflüchtigte. 

Eine gleich grosse Menge des Gemisches aus Eisen- 
feilspänen in einem fingerlangen Glascylinder erhitzt, 
verhielt sich anders. Das Glas musste viel länger erhitzt 
werden, die Masse entwickelte Dämpfe, die die breiige 
Masse aus der Glasmündung herauspresste; dabei ver- 
flüchtigte sich viel Schwefel, so dass, nachdem endlich 
nach starker Erhitzung die Masse theilweise aber schwach 
glühte, statt N1 Theile, nur 8! Theile eines Schwefeleisens 
verblieben, welche sonach 2: Theile Schwefel weniger in 
in seiner Mischung enthielt. Dass aus diesem Präparate 
nicht die zu erwartende Menge Gas dargestellt werden 
konnte, verstand sich von selbst; ausserdem hatte es aber 
noch den Nachtheil, dass, um die Entwickelung einzuleiten, 
das Gefäss stark erhitzt werden musste. 


pharmaceutisch- chemische Notizen. Ak5 


Die Ursache, warum die Eisenfeilspäne unserer Hand- 
werker nicht schon bei gelinder Hitze sich mit Schwe 
verbinden, fand ich nach Anetelliicil einiger Versu che bald. 
Das weiche Schmiedeeisen, woraus fast nur die Feilspäne 
unserer Schlosser bestehen, geht bei einer so gelinden 
Hitze, bei welcher der Schwefel sich noch nicht verflüch- 
tigt, keine Verbindung mit dem Schwefel ein, wohl aber 
das Gusseisen, woraus unser officinelles Pulv. ferri puri 
besteht. Ich habe 4 Pfd Schwefeleisen-in einem gewöhn- 
lichen Medicinglase, das mit etwas Draht einige Male 
umwickelt war, über einer Spirituslampe geschmolzen. 
Die Ursache mag wohl die leichtere Schmelzbarkeit des 
Gusseisens sein, welches bei A100° C, hingegen das 
Schmiedeeisen erst bei 1600° C. in Fluss kommt. 

Dabei erinnere ich mich eines Aufsatzes im Journale 
für praktische Pharmacie von Winkler und Walz, worin 
der Verf. eine Eisenpulvermühle beschreibt, welche er in 
Tyrol besichtigte. Hier wurde auch die irrige Ansicht 
ausgesprochen, das Pulver werde dort aus Stabeisen ge- 
fertigt durch Feilen und nachheriges Stampfen der Späne 
in Mörsern. Die Feile wird vom weichen Eisen aber so 
schnell unwirksam (uneigentlich stumpf genannt, da sich 
nur das Eisenpulver zwischen den Hieben der Feile fest- 
setzt), dass ein solches Pulver das Doppelte mehr kosten 
würde. Wer sich der Mühe unterzieht, Stabeisen und 
Gusseisen nur kurze Zeit zu feilen, der wird finden, dass 
man in viermal kürzerer Zeit Gusseisen in Pulver ver- 
wandeln kann, als Schmiedeeisen. 

Wir haben am Schwefel ein sehr leichtes Prüfungs- 
mittel, um selbst kleine Mengen Stab- und Gusseisen von 
einander zu unterscheiden. 

Es erscheint mir nicht unwichtig, selbst nöthig zu 
sein, hier noch einen Zusatz zu Pulv. ferri puri, seine Rei- 
nigung mit dem Magnet betreffend, zu machen. Früher 
war diese Art der Reinigung von Eisenfeilspänen ziemlich 
verbreitet Sie hörte auf, als durch Fabriken zu einem 
billigen Preise ganz reines Eisenpulver in den Handel 
kam, doch erlebte ich noch neulich, dass meine Preis- 

Arch. d. Pharm. CXXVIII. Bds. 2. Hft. 10 


146  Rebling, pharmaceutisch- chemische Notizen. 


notirung für einige Drachmen Eisenpulver von einem frü- 
heren Apotheker für zu hoch erachtet wurde; er babe 
immer das Pulver durch Ausziehen mit dem Magnet sich 
sehr billig dargestellt. Obgleich ich das Gegentheil und 
selbst Verwerfliche dieser Methode schon aus Erfahrung 
wusste, so unterliess ich doch nicht, auch meine jungen 
Leute durch einen directen Beweis davon zu überzeugen. 
Nicht nur, dass diese Arbeit sehr langsam von Statten geht 
und man Stunden lang arbeiten muss, bevor man eine 
nur irgend lohnende Menge durch den Magnet ausziehen 
kann, weil man nach jeder Belastung des Magnets diesen 
durch gelindes Anschlagen von den mechanisch mit in die 
Höhe gerissenen Messingtheilchen zu befreien suchen muss, 
sondern es werden auch Messing, Holz und Schmutz aller 
Art noch festgehalten. Schon mit der einfachen Loupe 
erkennt man die untergemischten Messing- oder Kupfer- 
theile in dem rein sein sollenden Eisenpulver, welche 
Verunreinigung durch Auflösen desselben und Nachweisen 
des Kupfers durch die Reagentien leicht darzuthun ist. 


V. Alumen ustum. — Da ich viel gebrannten Alaun ver- 
brauche, so habe ich auf meiner trocknen Materialkammer 
einen Schubkasten,welcher mehrere Pfund davon aufnehmen 
kann, und glaube auch damit demVerlangen unserer Pharma- 
kopöe zu genügen, welche vorschreibt: loco sieco servetur. 
Man kann sich leicht überzeugen, dass eine blosse Aufbewah- 
rung an einem trocknen Orte nicht genügt, wenn vom 
frisch gebrannten Alaun etwas in den Mund genommen 
und gekauet wird. Der frisch gebrannte Alaun ist ganz 
ohne Geschmack und knirscht; hingegen langer aufbe- 
wahrt, zeigt er den eigenthümlichen süsslichen Geschmack 
des gewöhnlichen Alauns. — Der gebrannte Alaun, als ein 
sehr poröser Körper, zieht begierig aus der Luft Feuch- 
tigkeit an, ohne jedoch seine lockere Beschaffenheit zu 
verlieren, der meinige hatte 40 Proc. Wasser angezogen. 
(Bekanntlich hat man den gebrannten Alaun früher als ein 
Mittel zur Entwässerung des Weingeistes empfohlen. 

Die Red.) 


Bechert, über die Tinct. ferri acelic. Radem. 147 


VI. Alumen depuratum. — Da dieses Salz jetzt so häu- 
fig etwas ammoniakhaltig im Handel vorkommt, so stellt 
man sich den reinen Alaun daraus am leichtesten und 
wohlfeilsten dar, wenn man so viel Chlorwasser oder Gas 
in die Lauge bringt, bis sie darnach riecht, dann zur 
Krystallisation abdampft und die letzte Lauge wegwirft. 
Die gesammelten Krystalle müssen auf einem Trichter so 
lange mit Wasser abgespült werden, bis das Waschwasser 
nicht mehr auf Chlor reagırt. 


— ee  —— 


Ueber die Tinctura Ferri acetic. Radem.; 


A. Bechert. 


Die widersprechenden Meinungen vieler Aerzte über 
die Wirkung der Rademacher'schen Eisentinctur, so wie 
die vielseitig aufgestellte Behauptung, dass gedachtes Prä- 
parat nach der von Rademacher gegebenen und von 
Schacht recipirten Vorschrift immer bleihaltig sei *), ver- 
anlassten mich zu einer Reihe von Arbeiten, deren Ergeb- 
nisse ich den Lesern des Archivs mir mitzutheilen erlaube. 

Zersetzt man der Vorschrift gemäss 24 Th. essigsaures 
Bleioxyd durch 23 Th. schwefelsaures Eisenoxydul mit 
Hülfe von 48 Th. destillirtem Wasser und 96 Th. reinem 
Essig — Acet. pur. Pharm. Boruss. — filtrirt nach gesche- 
henem Aufwallen des Gemenges und prüft das Fil- 
trat mit Schwefelwasserstoff auf Blei, so ist man nicht 


*) Das Unbegründete, wenigstens Uebertriebene dieser Angabe ist 
bereis von mir dargethan worden in Bd.71. p. 156 seq. dies. 
Archivs. In derselben Abhandlung habe ich zugleich die Resul- 
tate der Analyse von zwei Tincturen mitgetheilt, welche den 
sehr ungleichen Gehalt an Eisenvitriol in den Tincturen nach- 
weisen und mich zu demselben Vorschlag geführt haben, welchen 
Hr. Bechert am Schlusse seiner Abhandlung erneuert, nämlich: 
directe Vermischung des essigsauren Eisenoxyds mit Weingeist 
(a. a. 0. p.156). H. Wackenroder. 


10* 


148 Bechert, 


im Stande, selbst in der durch Abdampfen stark einge- 
engten Flüssigkeit nur eine Spur von Blei nachzuweisen. 

Giebt man nach geschehenem Aufwallen und Erkalten 
des Gemenges die vorgeschriebenen 80 Th. höchst recti- 
ficirten Weingeist hinzu und macerirt unter öfterem Um- 
schütteln und Oeffnen der Flasche, so vermag man gleich- 
falls zu keiner Zeit in einer abfiltrirten Probe Spuren von 
Blei aufzufinden. 

Diese Abwesenheit des Bleies kann nicht befremden, 
wenn man erwägt, dass die Neigung der Schwefelsäure 
und ihrer Salze, aus den Auflösungen der neutralen Blei- 
salze unlösliches schwefelsaures Bleioxyd zu fällen, eine 
längst bekannte Thatsache ist, und dass die Leichtigkeit, mit 
welcher die chemische Wechselwirkung zwischen essig- 
saurem Bleioxyd und schwefelsaurem Eisenoxydul vor 
sich geht, durch die hier vorgeschriebene Anwendung von 
Wärme vergrössert wird. Zieht man ferner in Betracht, 
dass zur Zersetzung von 2% Th. essigsaurem Bleioxyd 
23 Th. schwefelsaures Eisenoxydul vorgeschrieben sind, 
während 19,2 Th. des letztern genügen, und dass schliess- 
lich in einer Flüssigkeit, wie sie hier vorliegt, sch wefel- 
saures Blei unlöslich ist: so scheint der Verdacht wohl 
begründet, ein in der fertigen Tinctur vorkommender Blei- 
gehalt werde durch irgend eine Verunreinigung des rohen 
Essigs, welche auf das schwefelsaure Bleioxyd auflösend 
wirkt, herbeigeführt. | 

Solche Verunreinigungen kann der rohe Essig mit 
sich führen, wenn er auch strenge den Anforderungen der 
Pharmakopöen entspricht. 

Der grösste Theil des käuflichen Essigs wird durch 
die allgemein bekannte Schnellessigfabrikation gewon- 
nen, durch Oxydation eines verdünnten Weingeistes 
durch den Sauerstoff der Luft. Die atmosphärische Luft 
ist nie frei von kohlensaurem Ammoniak, welches sich 
beim Durchstreichen derselben durch die Essigständer 
natürlich in essigsaures Ammoniak umwandelt, von dessen 
Auflösungen das schwefelsaure Bleioxyd in reichlicher 
Menge aufgenommen wird. Ausserdem setzen die Essig- 


über die Tinct. ferri acetic. Radem. 149 


fabrıkanten dem verdünnten Weingeiste nicht selten eine 
Auflösung von Weinsteinsäure hinzu, in der Meinung, den 
Essigsäurebildungsprocess zu begünstigen. In den Auf- 
lösungen der freien Weinsteinsäure und deren Ammoniak- 
salz ist das schwefelsaure Bleioxyd aber gleichfalls auf- 
löslich *). 

Wir haben somit drei nicht selten vorkommende Ver- 
unreinigungen des rohen Essigs, essigsaures Ammoniak, 
weinsteinsaures Ammoniak und Weinsteinsäure, kennen 
gelernt, die auf das schwelelsaure Bleioxyd auflösend wir- 
ken und, da die ursprüngliche Vorschrift zur Tinct. Ferri 
aceticı Radem. rohen Essig vorschreibt, als Ursache einer 
vorkommenden Verunreinigung des Präparats mit Blei 
anzusehen sind. 

Der geringe Gehalt des rohen Essigs an Essigäther 
bestimmte Rademacher, das rohe Fabrikat dem gerei- 
nigten vorzuziehen, wahrscheinlich nicht deshalb, weil er 
dieser Spur von Essigäther eine besondere Wirkung zu- 
schrieb, sondern weil er durch dieselbe einen lieblichen 
Geschmack seiner Tinctur erzielen wollte. 

Da nun bei der Gegenwart von Weingeist und freier 
"Essigsäure und der gedachten Bereitungsmethode stets 
Spuren von Essigäther gebildet werden, so können wir 
wohl, ohne die Autorität Rademacher's zu beeinträch- 
tigen, vorschlagen, hier den rohen Essig durch den gerei- 
nigten zu ersetzen, um so mehr, als dadurch jede Ver- 
unreinigung mit Blei ausgeschlossen wird. 


Gehen wir anderseits näher auf die Vorschrift zur 
Bereitung der Rademacher'schen Eisentinctur ein, so finden 


*) Dass das schwefelsaure Bleioxyd von den Auflösungen verschie- 
dener Ammoniaksalze, wie des schwefelsauren, weinsauren und 
esssigsauren Ammoniaks, in reichlicher Menge aufgenommen wird, 
ist bekannt. Neu war mir die Auflöslichkeit desselben in freier 
Weinsteinsäure. Diese Auflösungen des schwefelsauren Bleioxyds 
in Weinsteinsäure werden in keinem Verhältnisse durch Sch wefel- 
säure gefällt, wogegen Wackenroder behauptet, dass ein 
Ueberschuss von freier Schwefelsäure die Auflöslichkeit des schwe- 
felsauren Bleioxyds in andern Säuren verhindert. Bechert. 


150 Bechert, 


wir, dass es so leicht kein anderes nach chemischen 
Grundsätzen zubereitetes Arzneimittel giebt, dessen wirk- 
sames Princip der Qualität und Quantität nach so ver- 
schieden wäre. 

Durch das Zusammenreiben der vorgeschriebenen 
24 Th. Bleizucker mit 23 Th. Eisenvitriol und Aufkochen 
des entstandenen Breies in Essig und Wasser wird sämmt- 
liches Bleioxyd in unlösliches schwefelsaures Bleioxyd 
übergeführt, während das Eisenoxydul aus 19,2 Th. Eisen- 
vitriol als essigsaures Salz neben dem überschüssig zuge- 
setzten Eisenvitriol, 3,8 Th., in Lösung geht. Dieses letz- 
tere wird auf Zusatz des Weingeistes nach dem Erkalten 
zwar nicht vollständig, aber zum grössten Theile gefällt *). 


Sehen wir das gebildete schwefelsaure Bleioxyd als 
ausser Wirkung getreten an, so haben wir in dem Gemenge 
aufgelöstes essigsaures Eisenoxydul und schwefelsaures 
Eisenoxydul, ausserdem schwefelsaures Eisenoxydul in 
kleinen Krystallen ausgeschieden. Durch öfteres Umschüt- 
teln und Oeffnen der Flasche geschieht auf Kosten des 
atmosphärischen Sauerstofls die langsame Oxydation des 
essigsauren und des aufgelösten schwefelsauren Eisen- 
oxyduls zu Oxydsalzen. In dem Maasse, in welchem 
letzteres oxydirt wird, gehen gleiche Mengen des auf 
Zusatz von Weingeist ausgeschiedenen Eisenvitriols in 
Lösung, um an der Oxydation Theil zu nehmen, da das 
schwefelsaure Eisenoxyd in alkoholhaltigen Flüssigkeiten 
leicht löslich ist. 


Das schnelle Vorschreiten dieser chemischen Vorgänge 
wird von dem häufigen Umschütteln des Gemenges, dem 
häufigen Oeffnen der Flasche und der Grösse des flüssig- 
keitleeren Raumes in derselben abhängen. Denken wir 
uns auf diese Weise die Umwandlung sämmtlichen Eisen- 
oxyduls in Eisenoxyd vollendet, so müssen wir, abgerech- 


*) In einem verdünnten Weingeiste, wie hier, ist das schwefelsaure 
Eisenoxydul unlöslich, Die Löslichkeit desselben in der vor- 
liegenden Flüssigkeit mag durch die Gegenwart der freien Essig- 
säure bedingt sein. Bechert. 


über die Tinct. ferri acetic. Radem. 151 


net diejenige Menge Eisenoxyd, welche sich ungeachtet 
der vorhandenen freien Essigsäure als basisches Salz 
abscheidet, in der fertigen Tinctur den -Eisengehalt der 
ganzen Menge des angewandten Eisenvitriols, 23,0 Th., 
wiederfinden und zwar: 

1) 5,319 Fe aus 19,2 FeO,SO® + 7HO als essigsaures 
Eisenoxyd; 

2) 1,052 Fe aus 3,8 Fe0,SO® + 7HO zum grössern 
Theile als schwefelsaures, zum kleineren Theile als essig- 
saures Eisenoxyd. 

Rademacher selbst beansprucht diesen Eisengehalt 
auch nicht und giebt an, dass sich das überschüssige 
schwefelsaure Eisenoxydul in der weingeisthaltigen Flüs- 
sigkeit ausscheide, ohne der oben angegebenen chemischen 
Vorgänge zu gedenken. Er rechtfertigt den Ueberschuss 
von 3,8 Th. Eisenvitriol dadurch, dass derselbe zur sichern 
Zersetzung des Bleizuckers, d.h. zur Erzielung eines blei- 
freien Präparats, gewählt sei. 

Unterbrechen wir dahingegen die Maceration nach 
einigen Monaten, wo die Tinctur die verlangte rothe Farbe 
angenommen hat, so finden wir in der abfiltrirten Flüs- 
sigkeit den Eisengehalt von: 

1) 5,319 Fe aus 19,2Fe0,SO® + 7HO theils als essig- 
saures Eisenoxyd, theils als essigsaures Eisenoxydul; 

2) x — 1,052 Fe aus x — 3,8FeO, SO® + 7HO als 
essigsaures Eisenoxyd, schwefelsaures Eisenoxyd und 
schwefelsaures Eisenoxydul. 

. Hieraus folgt zur Genüge, dass weder von einem 
gleichen Eisengehalte, noch von einer gleichen chemischen 
Verbindung desselben in dem fertigen Präparate die Rede 
sein kann. Die Controle durch das speecifische Gewicht 
wird hier zu einer illusorischen, da Flüssigkeiten mit glei- 
chem Eisengehalte verschiedene Dichtigkeit haben, wenn 
sich dasselbe im Zustande des Oxyds oder Oxyduls und 
in Verbindung mit verschiedenen Säuren befindet. Dazu 
kommt noch, dass die Anwendung des rohen Essigs vor- 
geschrieben ist, dessen specifisches Gewicht bei gleichem 
Essigsäuregehalte sehr verschieden sein kann. 


W 


152 Bechert, über die Tinct. ferri acetic. Radem. 


Der quantitative Eisengehalt der Tinctur liesse sich 
wohl bei einiger Modification der Originalvorschrift fixiren 
und zwar auf folgende Weise: 

Dem in Essig, Acet. pur., und Wasser aufgekochten 
Breie aus Eisenvitriol und Bleizucker fügt man nach voll- 
ständigem Erkalten in einer gut verschliessbaren Flasche 
die vorgeschriebene Menge Weingeist hinzu, lässt das 
Gemenge bei mittlerer Temperatur und stetem Verschlusse 
der Flasche #—6 Stunden zur Abscheidung des durch 
den Weingeist fallbaren Eisenvitriols stehen und filtrirt 
schnell. Das Filtrat, welches die 19,2 Th. schwefelsauren 
Eisenoxyduls entsprechende Menge essigsaures Eisenoxydul 
und die in der Flüssigkeit bei der angegebenen Tempe- 
ratur auflösliche Menge schwefelsaures Eisenoxydul enthält, 
überlässt man unter denselben Bedingungen, wie sie die 
Vorschrift angiebt, der Oxydation durch den Sauerstoff 
der Luft. Auf diese Weise würde man durch eine Ope- 
ration von mehreren Jahren sammtliches Eisenoxydul 
in Oxyd umwandeln können *). j 

Vielleicht wäre es zweckmässig, die Tinct. Ferri acet. 
Radem. durch Mischen aus Lig. Ferri acetici Pharm. Boruss., 
Acet. pur., Spirit. rectificaliss. und Aq. dest. zu bereiten. 


*) Da die wässerige Lösung des Eisenvitriols niemals vollständig in 
schwefelsaures Eisenoxyd übergeht, auch wenn sie viele Jahre 
der Luft ausgesetzt bleibt, so ist daran zu zweifeln, dass unter 
Einfluss der Essigsäure und des wässerigen Weingeistes der ent- 
gegengeseizte Fall eintreten werde. Die Red, 


’ 153 


II. Naturgeschichte und Pharma- 
kognosie. 


Veber die verschiedenen Manna-Sorten ; 
Landerer. 


Ausser den gewöhnlichen Manna - Sorten giebt es 
auch noch folgende Mannaähnliche Secretionen der Pflanzen. 

1) Manna laricina s. Brigantina Darunter versteht 
man kleine, süsse, nach Terpentin schmeckende Körnchen, 
die sich auf den Nadeln von Larix europaea vorfinden. 
In Griechenland findet man sie auf Pinus marilima und 
P. cephalonica. Dieses Secret scheint ein Product der 
Vollsaftigkeit, der Polysarcia oder Polyopie, wie ich diese 
Krankheit nennen möchte (d. i. von Ilords und’ Ortoga, Viel- 
saftigkeit), zu sein. Eine Hauptbedingung zur Entstehung 
derselben ist wohl eine Verwundung der jungen Aeste 
dieser Fichte. Diese und ähnliche Pflanzen - Seltenheiten 
werden in Griechenland von den Klostergeistlichen gesam- 
melt und dieser Manna pinea schreiben die Leute Heil- 
kräfte gegen Leiden des uropoetischen Systems zu. 

2) Manna cedrina. Ist eine auf der Ceder vorkom- 
mende süssschmeckende Secretion, die einen besonderen 
Werth hat. wenn sie von den Cedern des Libanon gesam- 
melt ist. Von diesen Cedern, deren noch 18 aus den älte- 
sten Zeiten herstammende vorhanden sind, sammeln die 
Klostergeistlichen die in durchsichtigen Tropfen aus den 
von Thieren verwundeten Zweigen ausfliessende Manna, 
welches sie in kleinen Büchsen von Weissblech sorgfältig 
aufbewahren und gegen Maras (d.i. Schwindsucht) den 


454 Landerer, 


Patienten als höchst heilkräftig empfehlen und verkaufen. 
Die mir zu einer Untersuchung als Geschenk dargebrachte 
Manna cedrina ähnelt der später zu beschreibenden M. 
alhagina, besitzt einen Terpentin-ähnlichen Geruch und ähn- 
lichen, jedoch süssen, Manna - artigen Geschmack und 
klebt gleich den Harzen an den Zähnen, A Dramm. die- 
ser Manna wird mit #—6 Piaster bezahlt. 

Die auf dem heil. Berge Libanon stehenden, aus dem 
grauen Alterthum stammenden Cedern haben eine Dicke 
von 30 — 40 Fuss und sind am Fusse mit kleinen 
runden Mauern umgeben, in Form von Altären, bei wel- 
chen an gewissen Festtagen Gottesdienst gehalten wird. 

3) Manna australis nennt man einen durch Verwun- 
dungen aus der Rinde von Eucalyptus mannifera ausllies- 
senden Saft. 

4) Manna quercina findet sich nach starken Nebeln 
auf den Blättern von Quercus infectoria in Form eines 
dicken mehlartigen Ueberzuges, der beim Schütteln herab- 
fällt oder durch Sonnenhitze auf den Blättern festschmilzt. 

5) Manna celasirina ist eine Manna -ähnliche süsse 
Masse, die durch den Stich von Psyllus mannifera aus 
den Celastrus- Arten ausfliesst. 

6) Manna cistina s. labdanifera s. hispanica kommt als 
Seltenheit in Griechenland vor. Zu den sehr häufig vor- 
kommenden Pflanzen gehören Cistus salviaefolius und ©. 
labdanıfera, die wahrscheinlich der nicht geeigneten kli- 
matischen Verhältnisse wegen kein Labdanum -Harz ent- 
halten und in dieser Beziehung ganz unberücksichtigt blei- 
ben. Die Landleute nun sammeln -die frischen Blätter, 
binden sie in kleine Büschelchen und bewahren dieselben 
unter dem Namen Tsai-Thee als schweisstreibendes Mittel 
auf, um sich im Erkrankungsfalle ein Getränk bereiten zu 
können. Diese Manna labdanifera kommt ebenfalls nur 
selten vor und fliesst in Folge von Verwundungen der 
jungen kräfiigen Pflanze aus. Gewöhnlich sah ich die- 
selbe in Form von Tropfen, die einen sehr süssen, ange- 
nehm aromatischen Geschmack besitzen. Nur einmal hatte 
ich Gelegenheit, sie in Form einer Stalaktiten -ähnlichen, 


über die verschiedenen Manna - Sort en 455 


den Stengel umfassenden Masse zu sehen, gleich der Zacca 
in baculıs. 

7) Manna alhagina s. persica. Der kleine Strauch m 
aus dem diese Manna tröpfelt, findet sich in Griechenland u 
an Meeresgegenden, sehr häufig jedoch in Kleinasien, ww 
ganze Strecken mit dieser Pflanze bedeckt sind. Aedy- ? zu 
sarum alhagi und H. maurorum sind die Pflanzen, welche 
den Israeliten Manna gegeben haben; von den Griechen 
wurde sie Aposöpeit, "Aspöperı, Thau- und Luft-Honig, ge- 
nannt. Theophrast nannte sie Mel exaere, Plinius Mellius 
humor, Men arabum. Diese Manna tröpfelt während der 
heissen Sommermonate aus jenen Pflanzen, jedoch nach 
vorhergegangener Verwundung, gewöhnlich in Folge der 
Bisswunde, denn die Pflanze ist eines der Hauptnahrungs- 
mittel für die Kameele. Die ausfliessende Manna wird 
gewöhnlich von den Begleitern der Caravanen, die sie als 
ein vorzügliches Nahrungsmittel betrachten, gesammelt, in 
kleine thönerne Krüge gefüllt und für den Winter aufbe- 
wahrt. Aelianus sagt über diese Manna: »Protinus aöris 
mellis coelestia dona«. 

Ich gehe endlich zur Manna tamariseina über, die ich 
Manna Montis Sinai nennen möchte, weil sie beinahe aus- 
schliesslich von den Klostergeistlichen des Berges Sinai 
gesammelt wird. Der Baum, welcher diese Manna liefert, 
heisst Tamarix mannifera und wächst bis auf die höch- 
ste Spitze des Sinai-Gebirges. Der Ausfluss der Manna 
wird durch den Stich eines auf diesem Baume lebenden 
Insectes, Coccus mannıparus, bewirkt. Oftmals ist der Aus- 
fluss so stark, dass derselbe die ganzen Zweige umzieht 
und von denselben herabtröpfelt, wo er sich mit dem feinen 
Sande und den abgefallenen Blättern dieses Baumes ver- 
mischt und sodann eine schlechte Sorte Manna bildet. 

Die Klostergeistlichen sammeln diese Tropfen vor Auf- 
gang der Sonne, wo sich dieselben noch in concretem 
Zustande befinden, während sie um die Mittagszeit durch 
die grosse Sonnenhitze ganz flüssig werden. Die Tama- 
risken- oder Sinai-Manna besitzt einen sehr süssen Ge- 
schmack und wird in kleinen Blechbüchsen von den 


® 


156 Landerer, über die Traubenkrankheit. 


Klostergeistlichen an die Pilger oder Fremden entweder 
verkauft, oder auch zum Geschenk angeboten, wofür man 
dann jedoch immer ein Geschenk an das Kloster giebt. 
Ausserdem wird dieselbe in grosse thönerne Gefässe ge- 
füllt und dient den Geistlichen mit Brod und andern Früch- 
ten zum Nachtisch. Die Araber halten diese Manna für 
eines der ausgezeichnetsten Heilmittel, das zur Bereitung 
von verschiedenen zusammengesetzten Arzneien verwen- 
det und gegen Brustleiden empfohlen wird. 


—r et — 


Einige Bemerkungen über die Traubenkrankheit ; 


Landerer. 


Die Traubenkrankheit, welche in dem ersten Jahre 
ihres Auftretens in Griechenland sich nur auf die Korinthen- 
Pflanzungen erstreckte und grosses Unglück verursachte, 
hat sich nun auch auf die übrigen Weinberge ausgedehnt, 
und zwar in solchem Maasse, dass die Leute in manchen 
Gouvernements des Reiches kaum Trauben zum Essen 
fanden. In andern Gegenden blieben die Weinberge ver- 
schont oder der Schaden war nicht so bedeutend; jedoch 
dehnte dieser sich sodann auch auf den Wein selbst aus, 
und beinahe aller Wein, der aus kranken Trauben gekel- 
tert wurde, ist verdorben und sauer geworden. In der 
That möchte man glauben, dass das Oidium mehr ein 
Krankheits - Product, als Krankheits - Erzeuger ist, und 
sich in Folge einer Zersetzung des Saftes des Weinstocks 
erzeuge. 

Gegen die Traubenkrankheit wurden in Griechenland 
mit den mannigfaltigsten Mitteln Versuche angestellt, jedoch 
ohne günstige Resultate. Im gegenwärtigen Jahre werden 
eine Menge Weinbergbesitzer einen Versuch mit einer 
Lösung von Asphalt in Oel machen, womit sie die stär- 
keren Stämme des Weinstocks bestreichen wollen. Ob 
durch dieses Verfahren ein günstiges Resultat erzielt wird, 


Anbau des Mohns und Bereitung des Opiums. 157 


behalte ich mir vor. Ihnen demnächst mitzutheilen. Zu 
diesem Mittel nehmen die Leute aus dem Grunde ihre 
Zuflucht, da man aus den Schriften der Alten und zwar 
aus Strabo ersieht, dass man sich des Asphalts gegen ei 
sehr verderbliche Krankheit der Weinstöcke mit Nutze 
bediente, die Strabo Milingra nennt und die eine Art 
Mehlthau gewesen sein dürfte. 

Eine besondere Berücksichtigung als Heilverfahren 
gegen die verderbliche Krankheit dürfte das Versetzen der 
Weinstöcke von einem Medium in ein anderes verdienen. 
Zum Beweise dieses nützlichen Verfahrens führe ich fol- 
gende praktische Versuche an, die mir der Beachtung 
wohl werth erscheinen und es verdienen, der Oeffentlich- 


keit übergeben zu werden. Ein Gutsbesitzer in Athen, auf, 


die Meinung sich stützend, dass die Ursache der Krank- 
heit in den Bodenverhältnissen begründet sei, versetzte 
eine Menge von Weinstöcken, die in demselben Jahre im 
höchsten Grade an der Traubenkrankheit litten, nachdem 
er die Wurzeln beschnitten hatte, wie man es in ähnlichen 
Fällen im Orient zu thun pflegt, und zum grössten Erstau- 
nen Aller, die von diesem Ereigniss Kenntniss erhalten 
hatten, blieben die versetzten Weinstöcke von der Krank- 
heit gänzlich verschont und trugen die köstlichsten Früchte, 
während alle andern Reben, die stehen geblieben waren, 
an dem Otdium zu Grunde gingen. 


I ae — 


Veber den Anbau des Mohns und die Bereitung 
des Opiums in der Agentur von Benares, 
nebst einer kurzen Skizze über die Consti- 
tution des Bezirks. 


(Aus den Berichten des Gouvernements von Bengalen von W. C. B. 
Catwell, Med.Dr.; mitgetheilt von Fr. Weppen, Apotheker zu 
Markoldendorf.) 


Der Anbau des Mohns in dem Britischen Ostindien 
beschränkt sich auf den grossen centralen Landstrich am 
Ganges, der ungefähr 600 engl. Meilen lang und 200 Meilen 


- 


158 Anbau des Mohns und Bereitung des Opiums 


breit, im Norden von Goruckpore, im Süden von Hageren- 
baugh, im Osten von Dingepore und im Westen von Agra 
begrenzt ist. Dieser weite Landstrich ist in zwei Agen- 
turen getheilt, die zu Behar und zu Benares. Den Vorsitz 
der ersteren hat ein zu Palma stationirter Agent, woselbst 
sich die Centralfactorei der Agentur befindet. Die. letz- 
tere steht unter der Controle einer zu Ghazeepore woh- 
nenden Agenten. Hier ist zugleich die Hauptfactorei der 
Benares-Agentur. Die Controle des ganzen Bezirks steht 
endlich dem zu Calcutta befindlichen Büreau für Zölle, 
Opium und Salz zu. Die Agentur von Behar ist die grös- 
sere und wichtigere, da sie etwa dreimal so viel von der 
Waare zu Markte bringt, wie die Agentur von Benares. 

Die Agentur von Benares begreift acht Abtheilungen 
in sich, nämlich die von Benares und Mirzapore, von Gha- 
zeepore, Azimphur, Juanpore, Selimpore, Goruckpore, Cawn- 
pore und Futtehpore. In diesen acht Abtheilungen war 
der Gesammtbetrag des zur Mohncultur benutzten Landes 
im Jahre 1849 — 50: 107823 Beegahs, 1 Beegah = 27225 
Quadratfuss. 

Jede Abtheilung steht unter der Leitung eines Unter- 
agenten, welcher auf einer Centralfactorei wohnt, wo der 
jährliche Ertrag seiner Abtheilung zusammengebracht und 
von wo derselbe nach der Hauptfactorei in Ghazeepore 
geschafft wird. 

Ausser diesen Officianten sind die Collectors aller 
Districte, in welchen Unteragenten stehen, ex o/ficio Opium- 
beamte und jeder übt eine allgemeine Controie über den 
Subagenten seines Districts. Alle Correspondenz zwischen 
dem Agenten und dem Unteragenten geht durch die Hände 
des Opiumbeamten; er ist dafür verantwortlich, dass keine 
Gelder zu Ausgaben für den Bezirk zur Disposition des 
Unteragenten gestellt werden ohne vorhergehende Geneh- 
migung des Agenten; er ist mit der Untersuchung aller 
Streitigkeiten beauftragt, welche in Angelegenheiten des 
Bezirks entstehen können, und während es seine Pflicht 
ist, die Autorität des Unteragenten in jeder Weise auf- 
recht zu erhalten, ist es gleichfalls seine Obliegenheit 


En 


in der Agentur von Benares. Wr 159 


immer für die Wohlfahrt und das Interesse der Cultiva- 
toren zu sorgen und dahin zu sehen, dass kein ungehöri- 
ger Einfluss geltend gemacht wird, um sie gegen ihre 
Wünsche zum Anbau des Mohns zu veranlassen. In den 
Abtheilungen, wo sich kein Opiumbeamter befindet, wird 
diese Controle von den Agenten in Person geführt. Ob- 
schon indess die oben erwähnte Controle über das Ver- 
halten der Unteragenten vorhanden ist, so liegt doch die 
wirkliche Leitung der Geschäfte seines Districts gänzlich 
in seinen Händen. Da es aber unmöglich sein würde, 
persönliche Aufsicht über das ganze Geschäft im Einzel- 
nen zu führen, so hat er eine Anzahl eingeborner, ver- 
antwortlicher Officianten unter sich, welche Gomaschtas 
heissen und denen besonders wichtige Pflichten auferlegt 
sind, welche alsbald näher bezeichnet werden sollen. 
Jede Abtheilung ist in eine gewisse Anzahl Unter- 
abtheilungen gebracht, welche Koten Illaquas heissen und 
von solcher Grösse sind, dass ein einzelner verantwort- 
licher Officiant eine wirksame Controle über alle darin 
vorkommenden Operationen führen kann. Jeder dieser 
Koten Illaquas steht unter der unmittelbaren Leitung eines 
Gomaschta. Der Gomaschta hat seinen Hauptaufenthalt 
in dem Kotee, einem im Mittelpuncte gelegenen Gebäude, 
worin sich zugleich die Casse unter Aufsicht eines Tah- 
vildar oder Cassenmeisters befindet, nebst einer Einrich- 
tung, die den Gomaschta in den Stand setzt, dem Unter- 
agenten über sein Illaqua gehörig Rechnung abzulegen. 
Nachdem der Unteragent mit den Mohnbauern abge- 
schlossen hat, ist es Pflicht des Gomaschta, das Land 
auszumessen und sich zu versichern, dass es so viel be- 
trägt, als was sie anzubauen eingewilligt haben. Die Rich- 
tigkeit dieser Ausmessung wird wiederum von dem Unter- 
agenten geprüft, welcher in der kalten Jahreszeit seinen 
District durchreist und Probemessungen gewisser Theile 
des zu cultivirenden Bodens anstellt. Ferner ist es Pflicht 
des Gomaschta, den Bauern seiner Illaqua Vorschuss zu 
zahlen, welchen er von dem Subagenten erhält, und end- 
lich nimmt er ihr Product in Empfang und wägt es. Für 


er 
f. 


160 Anbau des Mohns und Bereitung des Opiums 


die richtige Ablieferung an die Hauptfactorei in Ghazee- 
pore ist er veran tlich. Zur Hülfe der Gomaschtas bei 
ihrem Verkehr mit den Bauern und bei der Aufsicht über 
dieselben bedient man sich der sogenannten Jemadurs 
und Zilladurs, denen es obliegt, persönlich die Mohnbauer 
zu beaufsichtigen und den Fortschritt der Cultur zu be- 
wachen. Ausser diesen eingebornen Officianten ist in 
jeder Abtheilung noch ein eingeborner zuverlässiger Mann 
angestellt, welcher Mohotomim heisst, eine allgemeine Auf- 
sicht über Alles führt, was in der Abtheilung vor sich 
geht und öfters an den Agenten oder Subagenten von dem 
Gange der Geschäfte in dem Districte Rapport abstattet. 
Aus dem Gesagten erhellt, dass die Zahl der eingebornen 
Angestellten in der Benares-Agentur sehr beträchtlich ist. 
Die des ersten Ranges beläuft sich auf nahe 150, während 
die der untergeordneten Officianten und besoldeten Die- 
ner beinahe 1200 beträgt. Ausser diesem permanenten 
Etat werden zur Zeit der Opiumbereitung in der Factorei 
zu Ghazeepore allein noch über 600 Personen verwendet, 
mit Einschluss von 3 bis 4 Europäischen Gehülfen und 12 
bis 14 Europäischen christlichen Burschen. Die Zahl der 
augenblicklich mit der Opiumeultur in der Agentur beschäf- 
tigten Personen ist sehr beträchtlich. Im Jahre 1849—50 
hatten sich 21549 Lumberder zum Mohnbau bereit er- 
klärt und die Totalsumme der Nebenbauer war 406447. 
Zieht man ferner in Betracht, dass die Familien dieser 
Individuen nicht wenig Theil nehmen an den Arbeiten der 
Cultur und der Bereitung des Opiums, so kann man sich 
_ einen Begriff von der grossen Anzahl Menschen machen, 
_ deren Wohlfahrt und Interesse allein von der Agentur 
zu Benares abhängen. 

Trotz der Ausdehnung dieser weitläufigen Einrich- 
tung geht Alles seinen guten Gang, und das Benehmen 
aller Officianten ist nach gewissen Regeln geordnet, die 
vom Agenten oder vom Opiumbüreau ausgehen. 

Dies ist ein leichter Umriss von der Einrichtung der 
Agentur und von den Mitteln und Maassregeln, die 'man 
ergriffen hat, um eine treue Erfüllung der Pflichten gegen 


in der Agentur von Benares. w 161 


die Regierung von Seiten der Betheiligten und eine billige 
Behandlung der Mohnbauer zu erreicher 

Es ist strenge Regel in der Agentur, dass es gänzlich 
im Belieben eines Jeden stehen soll, entweder auf die 
Cultur des Mohns zu denjenigen Preisen einzugehen, die 
für die Production von der Regierung festgestellt werden, 
oder dieselbe ganz abzulehnen. Die Uebereinkunft findet 
statt zwischen dem Unteragenten und einem Lumberder, 
einer Person, welche verschiedene Bauern unter sich hat, 
für die sie als Bevollmächtigte auftritt. Nachdem der 
Accord geschlossen worden, empfängt der Lumberder ein 
gedrucktes Formular in Hindusprache, Hath chittee genannt, 
in welchem die Stipulationen des Contracts und die Stra- 
fen, welche auf einer Verletzung seiner Bestimmungen 
stehen, klar auseinander gesetzt sind. In dieses Formular 
wird auch der Name des Lumberders und seiner Unter- 
gebenen eingetragen, so wie die Grösse des zu cultiviren- 
den Landes, das Maass desselben, vom Gomaschta bezeugt, 
die Quittung über alles empfangene Geld, das Gewicht 
und die Beschaffenheit alles gelieferten Opiums und des- 
sen Werth. Der Hath chittee ist in der That ein Bericht 
und Beleg zu jeder Verhandlung zwischen dem Lumber- 
der oder seinen Untergebenen und dem Unteragenten oder 
Gomaschta von der Zeit der Uebereinkunft an bis zur 
endlichen Bezahlung des Products und zur Berichtigung 
der Rechnung. Da es bei der Agentur Regel ist, dass 
die Schlussregulirung mit den Bauern von dem Unter- 
agenten in Person geschieht, so wird er durch den Hath 
chittee in Stand gesetzt, dieselbe sofort vorzunehmen, in- 
dem er in gedrängter Form einen beglaubigten Bericht 
aller etwaigen Verhandlungen zwischen dem Gomaschta 
und den Bauern darbiete. Um den Bauer in Stand zu 
setzen, seine Feidarbeiten fortzuführen, bekommt er von 
Zeit zu Zeit Vorschüsse, die im Ganzen ungefähr die Hälfte 
des erwarteten Ertrages ausmachen. Wenn das Land in 
früheren Zeiten cultivirt gewesen ist, so kennt man seinen 
Durchschnitisertrag;; ist es aber neues Land, welches der 
Unteragent für tauglich hält, so bekommt der Bauer zu 

Arch. d. Pharm. CXXVIII. Bds. 2. Hft. a 


162 Anbau des Mohns und Bereitung des Opiums 


den gewöhnlichen Vorschüssen noch einen Extravorschuss 
von so und so viele den Beegah, damit er besondere 
Sorgfalt auf die Bestellung des Bodens verwenden kann. 
Der erste Vorschuss wird beim Abschluss des Accords 
oder Bundobust geleistet, und zwar im September oder 
October, der zweite nach vollendeter Einsaat im Novem- 
ber, die letzte, die Chooktie-Zahlung, findet unmittelbar 
nach Ablieferung und Wägung des Products statt. Nichts 
“ kann dem Bauer vortheilhafter sein, als diese Vorschüsse; 
er ist keiner Art von Erpressung ausgesetzt und erhält 
sichere Mittel, einen guten Gewinn durch gewöhnliche 
Sorgfalt und Rechtlichkeit zu erlangen. 

Es ist feststehende Regel bei de Agentur, dass die 
Rechnungen der Bauern von einer Ernte abgemacht sein 
müssen vor dem Beginn der andern, und dass nichts aus- 
stehen darf. Wenn ein Bauer betrügerischer Weise ver- 
säumt hat, so viel Opium zu bringen, als zur Deckung 
der ihm geleisteten Vorschüsse dient, so wird das, was 
er schuldig geblieben, nöthigenfalls auf gerichtlichem Wege 
auf einmal eingezogen; hingegen wenn er hinreichend 
beweisen kann, dass er wegen Missgeschick und unvor- 
hergesehener Umstände halber säumig gewesen, und dass 
die Liquidation seiner Schuld gänzlich ausser seinem Ver- 
mögen liegt, so wird darüber vom Agenten an die Regie- 
rung berichtet, mit der Bitte, dass die Schuld ab- oder 
zugeschrieben werde. Diese Einrichtungen sind sehr weise, 
denn nicht-liquidirte Schulden können ein kräftiges Mittel 
der Unterdrückung werden, und man darf denselben einen 
_ grossen Theil des Streites und des Verbrechens in den 
_ Indigodistricten von Unter-Bengalen zuschreiben. Es ist 
klar, dass der Bauer, wenn seine Schulden so bedeutend 
werden, dass er sie nicht berichtigen kann, nicht mehr 
seinen freien Willen hat, sondern Satz dem des Gläu- 
bigers dient, für den er nolens Holen arbeiten muss. Eine 
solche Bürde kann selbst vom Vater auf den Sohn erben. 
Die Billigkeit des Agentursystems und die Gerechtigkeit, 
welche den Bauern zu Theil wird, ergiebt sich am besten 
aus der Bereitwilligkeit, die sie zur Cultur bezeigen, und 


in der Agentur von Benares. 163 


auch aus dem verhältnissmässig seltenen Vorkommen von 
Beschädigung der Felder, die zur Mohncultur dienen. 

Das zur Mohncultur ausgewählte Land liegt gemeinig- 
lich in der Nähe von Dörfern, wo es am leichtesten ge- 
düngt und gewässert werden kann. Wenn bei solcher 
Lage der Boden fett ist, so pflegen die Bauern während 
der regnichten Jahreszeit erst eine Ernte Mais oder Ge- 
müse davon zu ziehen und nachher im September den 
Boden für die folgende Mohnsaat zu beackern und zu 
düngen. Bei anderer Lage aber und wenn der Boden 
mager ist, erniet man im Verlauf des Jahres nur Mohn 
davon. Vom Anfang der Regenzeit, im Juni oder Juli bis 
zum October hin, wird der Boden durch öfteres Pflügen 
und Jäten zugerichtet und gereinigt und so weit gedüngt, 
als es die Mittel des Bauers erlauben. Zuletzt wird der 
Boden im October und November mit dem Pfluge gut 
aufgelockert und in die Höhe gebracht und dann mittelst 
eines schweren hölzernen Blockes zerdrückt, den man 
darüber hinzieht. Damit ist er zur Saat fertig. 

Der Ertrag von verschiedenem Lande ist sehr varia- 
bel. Bei günstiger Beschaffenheit des Bodens und der 
Witterung kann man 12 —13 Seers (26 Pfd.) vorschrifts- 
mässiges Opium von jedem Beegah erhalten. Bei weniger 
günstigen Bedingungen beläuft er sich nur auf 3—%k Seers, 
der gewöhnliche Ertrag variirit von 6—8 Seers per 
Beegah. 

Die chemische Prüfung verschiedener Bodenarten in 
Verbindung mit ihrer Productionskraft bietet ein Feld zu 
sehr nützlichen und interessanten Untersuchungen dar. 
Ebenso ist es wichtig, zu erforschen, wie das Verhältniss 
zwischen den Alkaloiden sich gestaltet, namentlich von 
Morphin und Narkotin, bei Opium, welches in verschie- 
denen Localitäten gewonnen ist. Dass atmosphärische 
Verhältnisse einen gewissen Einfluss hierauf haben, ist 
wahrscheinlich; dass sie den Ertrag mit bedingen und 
Verschiedenheiten in den physikalischen Eigenschaften der 
Drogue hervorbringen, weiss jeder Bauer. Thau z.B, 
befördert den Ausfluss des Saftes aus der Kapsel und 


11% 


16% Anbau des Mohns und Bereitung des Opiums 


vermehrt dessen Quantität, macht ihn aber zugleich dun- 
kel und flüssig. Ostwind, welcher hier zu Lande immer 
von einem nasskalten Zustande der Atmosphäre begleitet 
ist, verlangsamt das Ausfliessen des Saftes und macht ihn 
dunkel und flüssig, Ein mässiger Westwind mit nächt- 
lichem Thau ist der Einsammlung am günstigsten, sowohl 
hinsichtlich der Quantität als Qualität. Ist aber der West- 
wind, welcher sehr trocken zu sein pflegt, heftig, so fin- 
det die Ausschwitzung aus den Kapseln nur spärlich statt. 
Während diese Wirkungen des Wetters recht wohl be- 
kannt sind, liegt ihr Einfluss auf Veränderung der gegen- 
seitigen Verhältnisse der chemischen Bestandtheile des 
Saftes der Mohnpflanze noch mehr im Dunkeln, und es 
ist höchst wahrscheinlich, dass die chemische Zusammen- 
setzung des Bodens in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle 
spielt. Dr. O’Shaugnessy ist gewiss der geschickteste 
Chemiker, der seine Aufmerksamkeit auf diesen Punct 
gelenkt hat. Die Resultate seiner Analysen von Opium- 
proben aus den verschiedenen Abtheilungen der Behar- 
Agentur sind aller Beachtung werth. Im Opium von acht 
Abiheilungen der Agentur fand er die Quantität des Mor- 
phins variirend von 42 bis 3! Proc., des Narkotins von 
2 bis 3} Proc., bei einem Wassergehalt des Opiums von 
23 bis 25 Proc. Im Opium aus dem Hazareebaahg-District, 
welches 23 Proc. Wasser enthielt, fand er 41 Proc. Mor- 
phin und 4 Proc. Narkotin, während er aus einer Probe 
von Patna nicht weniger als 103 Proc. Morphin und 6 Proc. 
Narkotin erhielt, bei einem Wassergehalt von 13 Procent. 
Hinsichtlich dieser letzteren Probe bemerkt Dr. O'Shaug- 
nessy, dass der Mohn während seines Wachsthums drei- 
mal gewässert und dass der Boden nicht gedüngt worden 
sei. Es ist zu bedauern, dass diese interessanten Resul- 
tate nicht mit einer Analyse des Bodens, auf welchem 
das Opium erzielt war, verbunden- wurden, denn die oben 
erwähnte grosse Differenz derselben ist der verschiede- 
nen Beschaffenheit des Bodens zuzuschreiben. 

Das Klima, in welchem das Opium von Patna pro- 
ducirt wurde (dieses steht dem besten Türkischen oder 


in der Agentur von Benares. 165 


Aegyptischen Opium an narkotischer Wirkung nicht nach) 
war ganz dasselbe, als worin die verhältnissmässig gerin- 
gen Proben der oben erwähnten acht Abtheilungen gesam- 
melt wurden, und konnte daher keinen Einfluss auf die 
Verschiedenheiten des aus verschiedenen Localitäten ge- 
wonnenen Opiums gehabt haben. 

In Benares und Behar wird ausschliesslich die weisse 
Varietät des Mohns gebaut. An günstigen Plätzen wächst 
er üppig und erreicht gewöhnlich die Höhe von 4 Fuss. 
Der Stengel ist ästig und endigt in 2 bis 5 eirunden Kap- 
seln, etwa von der Grösse eines Enteneies. In ungefähr 
3! Monaten kommt die Pflanze zur Reife und die Zeit 
ihrer Cultur ist ausschliesslich die kalte Jahreszeit, vom 
November bis zum März. Man hat es vortheilhaft gefun- 
den, die in den verschiedenen Abtheilungen gebrauchte 
Einsaat alle zwei oder drei Jahre zu wechseln und es 
giebt gewisse Districte, welche ganz vorzüglichen Samen 
erzeugen, von woher man deshalb den Vorrath bezieht 
und an die Bauern entfernter Agenturen vertheilt. Nach- 
dem der Boden in der vorhin beschriebenen Weise vor- 
bereitet worden, geschieht das Säen, indem man den 
Samen weitläufig über das Land streut. Dies findet statt 
zwischen dem 4. und 15. November. Nach drei oder vier 
Tagen lässt man den Pflug wieder über das Land gehen, 
um den Samen unterzubringen, nachher wird der Boden 
mittelst des erwähnten Blocks wieder geebnet. Die ganze 
Oberfläche wird dann in quadratische Felder getheilt mit 
etwa 10 Fuss Seite und mit kleinen Gräben versehen zum 
Zweck der Wässerung. Wie oft diese nöthig ist, hängt 
grossentheils von der Witterung ab; wenn einige starke 
Regenschauer im December, Januar und Februar fallen, 
so reichen zwei Wässerungen aus, während eine fünf- 
oder sechsmalige Wiederholung erforderlich sein mag, 
wenn die kalte Jahreszeit wenig oder gar keinen Regen 
bringt. Zehn oder zwölf Tage dauert es bis zum Keimen 
des Samens und nachdem die jungen Pflanzen eine Höhe 
von 2—3 Zoll erlangt haben, werden sie sorgfältig gejätet 
und, wo sie zu dick stehen, ausgezogen. Im Fortschritt 
zur Reife unterliegt die Mohnpflanze mancherlei Beschä- 


166 Anbau des Mohns und Bereitung des Opiums 


digung. Sie kann von ungewöhnlich starkem Froste leiden, 
oder im Wachsthume zurückbleiben in Folge eines Fehl- 
schlagens der ersten Einsaat, wodurch später eine zweite 
nöthig wird, oder wegen ungewöhnlicher Hitze und feh- 
lender Feuchtigkeit. Ein Theil verwelkt auch wohl aus 
unbekannten Ursachen oder wird vom Mehlthau ergriffen ; 
endlich leidet die Pflanze öfters von einem Parasiten, dem 
Orobanche Indica, welche sich an ihre Wurzeln ansetzt, 
wodurch sie abstirbt. Im Februar ist die Pflanze gemei- 
niglich in voller Blüthe. Gegen die Mitte des Monats und 
eben vor dem Abfallen der Blumenblätter werden diese 
sorgfältig abgepflückt und gesammelt. Man formt daraus 
kreisrunde Kuchen von 40 — 1% Zoll Durchmesser und 
ungefähr !/;, Zoll Dicke. Die Art der Zubereitung ist 
folgende: Ein flaches, rundes, irdenes Gefäss wird bis 
zu dem erforderlichen Grade erhitzt, indem man es um- 
gekehrt über ein gelindes Feuer legt. Einige Blumenblätter 
werden dann über die erhitzte convexe Oberfläche ge- 
breitet und sobald der klebrige Saft, welchen sie enthal- 
ten, hervorschwitzt, legt man andere auf die feuchte Ober- 
fläche und drückt sie mit einem Tuche an. Dies wird so 
oft wiederholt, bis der Kuchen die erforderlichen Dimen- 
sionen erhalten hat. Statt des irdenen Geschirrs benutzt 
man auch zuweilen einen flachen eisernen Kochtopf. Diese 
Kuchen, bekannt unter dem Namen »Blätter«, werden in 
der Factorei zu Ghazeepore sorgfältig sortirt und je nach 
Farbe und Grösse in drei Classen gebracht. Die kleineren 
dunkeln Blätter gebraucht man zu der inneren, die gröss- 
ten und hellsten zu der äussern Umhüllung der Opium- 
kuchen. Einige Tage nach Entfernung der Blumenblätter, 
wenn die Kapseln völlig entwickelt sind, beginnt die Ein- 
sammlung des Safıes, welche vom 20. Februar bis zum 
25. März dauert. Die Art der Einsammlung ist folgende: 
Etwa um 3 oder 4 Uhr Nachmittags ritzt man die Kapseln 
mit scharfen eisernen Instrumenten, Nushturs. Ein solches 
besteht aus vier schmalen, eisernen Stäben oder Blättern, 
jedes etwa 6 Zoll lang und ungefähr so dick wie ein 
Federmesser. An dem einen Ende ist jedes Blatt nicht 
über 4 Zoll breit, aber es wird allmälig breiter bis zu 


in der Agentur von Benares. 167 


4 Zoll am andern Ende, wo es tief gekerbt ist. Die Seiten 
der Kerbe sind etwas gekrümmt und zu scharfen Kanten 
geschliffen, die äussern Ecken sind scharf zugespitzt. Die 
vier kleinen Blatter sind neben einander gelegt und mit 
einem baumwollenen Faden fest zusammengebunden, die 
Spitzen am schneidenden Ende derselben sind von ein- 
ander ungefähr Y/,, Zoll getrennt gehalten mittelst eines 
baumwollenen Fadens, welcher zwischen jedem Paar be- 
nachbarter Blätter hindurchgezogen ist. So stellt das 
Instrument 4 Paar gekrümmter, spitziger Klingen dar, die 
in ihrer Gestalt etwas den lanzettförmigen Klingen eines 
Schröpfers gleichen. Beim Gebrauch des Nushtur wendet 
man zur Zeit nur eine Reihe der Spitzen an und ritzt die 
Kapsel der Länge nach von unten bis oben, meistens längs 
der an der Aussenseite der Kapsel bemerkbaren Erhö- 
hungen, welche die Anheftung der innern Scheidewände 
bezeichnen. Die so gemachten Einschnitte sind nur sehr 
oberflächlich und gehen durch das dünne Perikarpium 
der Kapsel. Wenn man die Kapsel einer im Wachsthum 
begriffenen Mohnpflanze horizontal abschneidet, so bemerkt 
man nach einigen Secunden, dass die Ausschwitzung zuerst 
und in grösster Menge an den Theilen des Sarkokarpiums 
statt findet, welche der Basis der Scheidewände entspre- 
chen. Uebrigens dringt der Saft nicht bloss hier hervor, 
sondern zuletzt aus der ganzen Oberfläche des durch- 
schnittenen Sarkokarpiums. Ausserdem kommt er nicht 
in Tropfen, als wenn er aus Longitudinalgefässen hervor- 
dringt, sondern schwitzt allmälıg aus dem Zellgewebe 
aus. Auf einem dünnen Abschnitte der Kapsel bemerkt 
man bei starker Vergrösserung keine Longitudinalgefässe, 
sondern eine verworrene Masse von Zellgewebe nimmt 
den Raum zwischen dem Epikarp und Endokarp ein und 
entgegengesetzt den Verdoppelungen des Endokarps, welche 
die Scheidewände bilden, sind die Zellen viel weiter, als 
an andern Stellen, daher die rasche Ausschwitzung des 
Safıes an diesen Puncten. Demnach ist die übliche Art, 
Einschnitte zu machen, die zweckmässigste. Jede Kapsel 
wird zwei- bis sechsmal geritzt, je nach ihrer Grösse, und 
zwar in einem Zwischenraume von 2—3 Tagen. 


168 Anbau des Mohns und Bereitung des Opiums. 


Die Sammlung des Saftes von den so geritzten Kap- 
seln geschieht frühzeitig am folgenden Morgen und zwar 
mittelst eines Instruments von Eisenblech, Seetooah genannt, 
von der Form einer hohlen Kelle. Damit wird der Saft 
von der Oberfläche der Einschnitte abgekratzt, bis die 
Kelle voll ist, worauf man ihren Inhalt in einen irdenen 
Topf thut, welchen der Sammler an der Seite mit sich 
führt. Wenn auch die Pflanze keinen Saft mehr liefert, 
so findet sie doch noch eine nützliche Verwendung, indem 
man die Kapseln sammelt und aus dem Samen Oel be- 
reitet, welches von den Eingebornen zum Brennen und 
in der Küche gebraucht wird. Von der ganzen Frucht 
macht man ein Confect, ähnlich dem Kümmelconfect. Aus 
dem trocknen Kuchen, welcher nach dem Auspressen des 
Oels zurückbleibt, wird von den Dürfiigen eine Art unge- 
säuertes Bro‘ bereitet, oder man giebt ihn dem Vieh oder 
benutzt ihn zu Umschlägen. Die von Samen befreiten 
Kapseln sind noch anwendbar zu erweichenden und 
schmerzstillenden Decocten, welche die Eingebornen so- 
wohl innerlich gegen Husten, als äusserlich gegen Lähmungen 
benutzen. Die Stengel mit den Blättern lässt man stehen, 
bis sie in dem heissen Winde des Aprils und Mais voll- 
kommen trocken geworden sind. Dann werden sie ent- 
fernt und in ein grobes Pulver verwandelt, welches in 
der Gegend als Mohnabfall bekannt ist und zum Verpacken 
des Opiums dient. Der frisch gesammelte Saft der Kap- 
seln hat das Ansehn einer feuchten körnigen Masse von 
blassrother Farbe und auf dem Boden des Gefässes be- 
findet sich eine dunkle kaffeeähnliche Flüssigkeit, welche 
Pussewah heisst. Der frische Saft röthet Lackmuspapier 
stark und wirkt rasch auf metallisches Eisen, dasselbe 
alsbald mit einer schwarzen Kruste von mekonsaurem 
Salze bedeckend. Zu Hause thut der Sammler den Saft 
in ein flaches irdenes Gefäss, welches so geneigt wird, 
dass aller Pussewah abfliessen kann. In dieser Stellung 
lässt man das Gefäss, bis alles Flüssige getrennt ist. Der 
Pussewah wird in einem bedeckten Gefässe bei Seite 
gestellt und nicht weiter beobachtet, als bei der Wägung 
in der Ghazeepore-Factorei. (Fortsetzung folgt.) 

— Hi — 


Die Pflanzen Chinas. 169 


Die ökonomischen, medicinischen, technischen 
und Zierpflanzen Chinas; 
von 
Prof. Th. Martius. 
(Aus Wells William’s ihe Middle Kingdom.) 


Die Botanik Chinas ist in Vergleich mit dem, was 
wir über die Floren anderer Länder wissen, fast noch 
unbeschrieben. Zwei oder drei Arten der Fichte (viel- 
leicht Pinus longifeliae und Pinus Webbiana?) werden 
auf dem Perlflusse herunter nach Canton geflösst; sie 
kommen von dem Meiling und aus Kwangsi; das Holz 
wird als Brennmaterial benutzt und die Balken und Pfeiler 
zu Gebäuden. Das Holz der Melia (Melia Azadirachta 
Linn.) oder Indiens Stolz wird gewöhnlich zu Kunst- 
möbeln in Canton angewendet; auch giebt es auf den 
Märkten viele Arten von Nutzhölzern, von welchen einige 
eingeführt werden, die meisten aber einheimisch sind. 
Eine Art der Geder, Nan-muh oder südliches Holz 
genannt, welches der Zeit und den Insekten widersteht, 
wird als besonders schätzbar betrachtet und vorzüglich 
zu kaiserlichem Gebrauch und für die kaiserlichen Gebäude 
aufgespart. Rosenholz, Adlerholz und das Bauholz der 
Bastard-Banane dienen ebenfalls za mancherlei Zimmer- 
mannsarbeiten. 

Die Einwohner sammeln an der Küste grosse Mengen 
Seetange und brauchen dieselben in den Gewerben so wie 
zur Nahrung. Die darunter befindliche Gigartina tenax 
wird als ein vortreffliches Material zu Leim und Firniss 
erwähnt. Sie wird einfach gekocht und der durchschei- 
nende Leim auf eine poröse Art Papier, welches Scha- 
ischi heisst, gebürstet, wodurch es nach dem Trocknen 
fast transparent erscheint. Auch dient jener Tang als 
Kleister zum Steifmachen der Seiden- und Gaze-Zeuge, 
und bei der Fabrikation von Laternen so wie zur Ver- 
fertigung von Papier für Gitter und Fenster verwendet 
man ihn häufig. Diese und andere Arten des Seetangs 


470 Martius, 


werden von den Insulanern im Süden zu einer Gallerte 
gekocht, die zur Speise dient. Im Handel ist sie unter 
dem Namen des Agar-Agar bekannt. Unter anderen 
kryptogamischen Pflanzen aus China ist das tartarische 
Lanne (Aspidium Baromez Willd), welches Darwin in 
seinem »Botanischen Garten« so enthusiastisch beschrieben 
hat, lange Zeit berühmt gewesen; es ist theilweise ein 
künstliches Erzeugniss des Scharfsinns chinesischer Gärt- 
ner, welche die natürliche Beschaffenheit der Pflanzen 
benutzen, um sie in eine dem Schafe oder einem andern 
Gegenstand ähnliche Gestalt zu bringen. 

Das Verzeichniss der grasartigen Nährpflanzen ist 
ist gross; die gemeinen Arten derselben umfassen sowohl 
den Berg- ais den Sumpf-Reis, Weizen, Gerste und Hafer, 
die Hirse von Barbados, auch die rispenförmige Hirse, 
von welcher die Chinesen mehrere Arten angeben, und 
das Zuckerrohr. Es giebt eine Art Gras ( Coix Lachryma 
Linn.), welches im Süden in Menge angebaut wird, um 
daraus Fussboden-Teppiche von verschiedenen Graden 
der Feinheit zu weben, deren gröbere Arten auch zur 
Errichtung von Hütten für die Arbeiter beim Häuserbau 
und selbst zu Wänden in den Wohnungen der Armen 
gebraucht werden. Das beste kommt von Lientan, west- 
lich von Canton. Futtergräser für Thiere werden nicht 
angebaut, aber das Land bringt viele Arten hervor, welche 
zur Zucht von Schaf- und Rinderheerden tauglich sind. 
Eine Art des Andropogon und eine des Rohres wachsen 
auf den Hügeln um Canton, und werden jeden Herbst 
von den Armen zur Feuerung abgeschnitten. Wenn die 
Hügel von ihrer Grasdecke gut geschoren sind, wer- 
den die Stoppeln angezündet, um Asche als Düngmittel 
für die nächste Ernte zu erhalten — ein Verfahren, wel- 
ches die Hügel von allem Gesträuch und Bäumen entblösst. 
Der Bambus wird um Dörfer herum wegen seines ange- 
nehmen Schattens und seiner Schönheit gezogen, und ein 
solcher Hain gewährt Jahr aus Jahr ein Triebe von jeder 
Grösse zu den mancherlei üblichen Benutzungen. Keine 
Pflanze verleiht einem Garten oder Dorfe einen so orien- 


die Pflanzen Chinas. 7A 


talischen und ländlichen Anblick, als die bosketartigen 
Anpflanzungen dieses gefälligen und stattlichen Grases. 
Die Stengel treiben ihre wogenden Blüthenbüschel bis zur 
Höhe von 50 Fuss und darüber und bilden, sich bei jedem 
Lüftchen bewegend, einen Gegenstand von grosser, dieser 
so nützlichen Pflanze ungemein wohl anstehenden Zier- 
lichkeit. Diese Grasart führt mit Recht den Namen einer 
nützlichen, denn sie wird von den Chinesen zu ungemein 
vielen Zwecken verwendet — von denen allerdings in 
andern Ländern einige durch ganz verschiedene Materia- 
lien erreicht werden — so dass man sie mit Recht ihre 
Nationalpflanze nennen kann. Sie wird aus Sprösslingen 
und Schossreisern gezogen; nachdem sie aber einmal 
gewurzelt hat, verlangt sie keine weitere Pflege. Die 
gemeine gelbe Art erstreckt sich über alle südlichen und 
östlichen Provinzen; aber die von chinesischen Schrift- 
stellern erwähnten Varietäten belaufen sich auf sechzig. 
Von ihnen dient die schwarzhäutige zur Verfertigung von 
Möbeln, und die niedrig wachsende fein gezweigte, schlanke, 
benutzt man bei der Verfertigung von Schreibpinseln. 

Die zarten Schösslinge werden zur Nahrung angebaut, 
und wenn sie vier bis fünf Zoll hoch sind, gekocht, ein- 
gemacht, auch eingesalzen. Aber man sticht die »zarten 
Knospen und Triebe nicht gleich Spargeln«, wie Murray 
behauptet. Die Wurzeln werden zu phantastischen Bil- 
dern von Menschen, Vögeln, Affen oder zu monströsen 
Zerrbildern der belebten Natur, zu Laternengriffen und 
Stöcken geschnitten, oder zu ovalen Stäben für Götzen- 
diener, um zu erraihen, ob die Götter ihre Bitten erhö- 
ren oder abschlagen, Die schmal zulaufenden Triebe 
werden zu allen Zwecken gebraucht, wozu man Stangen 
anwenden kann. Es bedient sich ihrer zum Tragen, 
Unterstützen und Fortstossen von Massen der Lastträger, 
der Zimmermann und der Schiffer; man verwendet sie zu 
den Querbalken der Häuser, den Rippen der Segel, zu 
Schäften der Lanzen, zum Flechten der Hürden, zu Röh- 
ren der Wasserleitungen, so wie zu Stäben und Rippen 
der Regenschirme und Fächer. 


172 Martius, 


Die Blätter werden auf Schnüre genäht, um Regen- 
mäntel zu machen, in Haufen zusammengekehrt bilden 
sie Dünger, geflochten geben sie Matten zur Bedeckung 
der Häuser. In Ruthen gespalten und in Stücke verschie- 
dener Grösse zerschnitten, wird das Holz zu Körben und 
Mulden von jeder Form verarbeite. Man dreht Taue 
daraus, flechtet Decken über Fahrzeuge, und wirkt sie in 
Matten für die Decoration der Theater, oder für die Dächer 
der Schiffe und für Waarenkisten, Das Abgeschabte selbst 
wird als Werg aufbewahrt und mit dem Schabsel des 
indischen Rohres (Rottang) vermischt, dient es um Matratzen 
damit auszustopfen. Der Bambus liefert das Bett zum 
Schlafen und das Lager zum Ausruhen; die Essstäbchen 
zum Mahle, die Pfeife zum Rauchen und die Flöte zur 
Unterhaltung; den Thürvorhang und den Kehrbesen; 
ausserdem Schirme, Stühle, Ständer und Sophas zu den 
verschiedenen Zwecken der Bequemlichkeit und des Luxus 
im Hause. Die Matratzen für das Lager, der Stuhl zum 
Sitzen, der Tisch zum Mittagsessen, Stoff zur Nahrung 
und die Feuerung zum Kochen derselben — werden alle 
von ihm gewonnen. Die Ruthe zum Regieren des Schü- 
lers und das Buch, worin er lernt, haben beide in ihm 
ihren Ursprung. Die verjüngt zulaufenden Pfeifen des 
Sang oder der Mund-Orgel (Papageno-Pfeife) und das 
gefürchtete Werkzeug des Lictors — das eine zum Her- 
vorbringen von Harmonien, das andere zu tödtlicher Be- 
strafung bestimmt, liefert es. Die hölzerne Nadel, um das 
Haar aufzustecken, und den Hut, das Haupt zu beschützen; 
das Papier zum Schreiben, den Stiel des Pinsels, womit 
geschrieben: wird, so wie das Futteral, worin die Pinsel 
aufbewahrt sind, fertigt man aus dem Bambus. Der Stab, 
um Längen, die Schale, um Flüssigkeiten zu messen, und 
der Eimer zum Schöpfen des Wassers; die Blasbälge zum 
Anblasen des Feuers und die Flasche zum Halten des 
Dochtes; der Vogelkäfig und das Krebsnetz; die Angel- 
stange und der Sumpitan, das Wasserrad und die Dach- 
rinne, der Schieb- und Handkarren u. s. w. u.s. w., werden 
sammtlich aus diesem prächtigen Grase gemacht oder 


die Pflanzen Chinas. 473 


vervollständigt, dessen anmuthige Schönheit während des 
Wachsens seiner mannigfaltigen Nutzbarkeit, wenn es 
abgeschnitten ist, gleichkommt. 

Ohne die beständige Anwendung des Bambus könnte 
China kaum regiert werden, noch das Volk seinen täg- 
lichen Berufsarbeiten nachgehen. Der Bambus dient zur 
Verschönerung des fürstlichen Gartens und zur Beschat- 
tung der Bauernweiler, zur Errichtung der Hecken, welche 
ihre Grundstücke scheiden und zur Verfertigung der Werk- 
zeuge, womit sie ihr Land bearbeiten, so wie zur Ernäh- 
rung des darauf arbeitenden Viehes, und endlich, was die 
Chinesen allgemein glauben, bringt er Samen hervor, um 
in Jahren der Hungersnoth den Mangel anderer Ernten 
zu ersetzen. Nichts giebt es, womit sie so gut malen und 
zeichnen, und die Kieselerde-haltigen Bambusrohre gewäh- 
ren ein vortreflliches Material, um ihre Geschicklichkeit 
im Holzschneiden und Schreiben an den Tag zu legen *). 

Paimen giebt es im südlichen China nicht im Ueber- 
fluss, obgleich man vielerlei Arten bemerkt hat. Die 
Kokosnuss (Cocos nucifera Linn.) blüht in Hainen und 
auf der angrenzenden Küste, und die Fächerpalme 
(Raphis) wird wegen ihrer Blätter cultivirt. Der Rotang 
(Daemonorops Draco Mart.) soli in China einheimisch 
sein, allein es ist noch nicht bewiesen. Alles, was davon 
zu Canton zu Fabrikzwecken gebraucht wird, wird sammt 
der Betelnuss — der Frucht der Areca-Palme (Areca 
Catechu Linn.) von Borneo und aus dem Archipel ein- 
geführt. Die Dattelpalme ist in China unbekannt. Die 
Schraubenfichte (Pandanus odoratissimus Linn. fils.) 
ist längs der südlichen Küsten häufig, und erstreckt sich 
nördlich bis nach Liu-tschiu. Die Chinesen speisen gele- 
gentlich ihre Zapfen und pflanzen sie zu Hecken an, 
indem theils die sonderbare Vermehrung durch Aus- 
schiessen von Wurzeln längs des Bodens, überall wo 
Feuchtigkeit und Bodenbeschaffenheit ihre Entwickelung 


*) Chinese Commercial Guide, 2te edition, pag. 132. — Chinese 
Repository, Vol. III. pag 201. 


174 Martius, 


begünstigen und theils ihre stacheligen rauhen Blätter, 
die in Büscheln aufwärts wachsen, sie für diesen Zweck 
geeignet machen. Die drahtartigen Fibern der Blätter 
der Raphis werden in Fäden getrennt und häufig zur 
Verfertigung von Seilen, Tauen, Besen, Hüten, Sandalen 
und selbst von Kleidern oder Mänteln für Regenwetter 
gebraucht. 

Mehrere Arten der Aroideen werden zur Nahrung 
angebaut, unter welchen das Caladium cuculatum Pers., 
Caladium esculentum Vent. und Arum Indicum Lour. die 
gewöhnlichsten sind. Die unterirdischen Stengel der Sa- 
gittaria chinensis Linn. enthalten viel mehligen Stoff und 
werden darum geschätzt; der Geschmack ist dem der 
vorhergehenden ähnlich und alle wachsen in sumpfigem 
Boden. Die Wurzeln dieser Pflanzen und die der Wasser- 
Kastanie (Trapa bicornis Linn. fils) werden zu einem 
Pulver gemacht, das dem Arrow-Root ähnlich ist und 
unter dem Volke viel Nachfrage hat. Der Kalmus (Aco- 
rus Calamus Linn.) wird vielfach wegen seines Aromas 
als Arznei gebraucht. Die Stengel einer kleinen Binsen- 
art (Juncus) werden von sumpfigen Grundstücken gesam- 
melt, das Mark (Sim-Sim) sorgfältig herausgenommen 
und von den Armen zu Lampenherzen oder Lampen- 
dochten benutzt. 

Die ausgedehnte Gruppe der Lilien enthält viele 
prachtvolle Zierden des Gewächshauses und Gartens. Sie 
sind in China einheimisch und einige dienen zu Nahrungs- 
artikeln. Die Agapanthus oder blaue afrikanische Lilie, 
vier Arten der Hemerocallis oder Taglilie und die duf- 
tende Tuberose sind sämmtlich um Canton gemein; die 
letzte wird auf grossen Plätzen gezogen, um die Nach- 
frage nach ihren duftenden Blumen zu befriedigen. Acht 
oder zehn andere Arten der Lilie, unter denen die ge- 
fleckte Tigerlilie und die rein weisse sich auszeichnen, 
verschönern ebenfalls die Gärten, während die beschei- 
dene Commelina mit ihren zarten blauen Blüthen die 
Hecken und Spaziergänge schmückt. Viele zwiebelartigen 
Pflanzen, mit Einschluss der Zwiebeln, der Cubeben, Peter- 


die Pflanzen Chinas. 175 


silie u.s. w. sind hier zu nennen, da Chinesen an ihnen 
so viel Geschmack bei ihren Tafeln finden, als sie die 
Blumensträusse von den schönen und duftenden Verwand- 
ten derselben, bewundern. Die sonderbare rothblättrige 
(Dracaena ferrea Linn.) ist ein Glied dieser Gruppe und 
hauptsächlich wegen ihrer langen rothen Blätter bemer- 
kenswerth. Die Alo& findet sich bei Canton häufig, aber 
aus ihren Blättern gewinnt man wenig oder kein Seilwerk. 

Die Yamswurzel [Brodwurzel] ( Dioscorea alata? Linn.) 
wird in China nicht viel gezogen, obgleich ihre gesunden 
Eigenschaften als Nahrungsmittel wohl bekannt sind; ihr 
einheimischer Name ist Fa-schu, was die grosse Kar- 
toffel bedeutet. Die nämliche Gruppe, zu welcher die 
Yams gehört, liefert den Rahm-Apfel, eine der wenigen 
Früchte, welche aus dem Auslande in China eingeführt 
worden sind. Sie nennen ihn Fan-Litschi oder fremde 
Litschi, und haben ihn wahrscheinlich den Portugiesen 
zu verdanken. Die Familie der Amarylliden wird durch 
viele schöne Arten von Crinum, Nerine und Amaryllis 
repräsentirt, welche sämmtlich in den Gärten häufig vor- 
kommen. Ihre nutzlose Schönheit: wird durch die ein- 
fache, aber nützliche Banane oder Paradiesfeige ausgegli- 
chen, welche von allen Culturpflanzen nächst der Sago- 
palme den grössten Beitrag gesunder Nahrung im Ver- 
hältniss zu ihrer Grösse liefern soll. Sie gewährt jedoch 
den Chinesen nicht so viel Nahrung, wie den Einwohnern 
der Archipels und Südamerikas, obwohl sie die gewöhn- 
liche Sommerfrucht in Canton ist. 

Ingwer, dieses angenehme Magenmittel, wird durch 
das ganze Innere angebaut und in den Strassen frisch als 
ein Küchenkraut zum Verkauf ausgestellt; er wird, wenn 
er frisch ist, zum Würzen der Gerichte gebraucht, ausser- 
dem aber zur Ausfuhr eingemacht. Die Alpinia Galanga 
Swtz. und Canna oder Indian schot, beide zu derselben 
Famile gehörend, sind gewöhnliche Gartenblumen. 

Die grosse Familie der Orchideen hat nicht weni- 
ger als neunzehn, den Einwohnern Chinas bekannte 
Arten, unter welchen die Luftpflanzen (Vanda und Aerides) 


176 Martius, die Pflanzen Chinas. 


sehr beliebt sind. Diese werden unter den Bäumen in 
Körben aufgehängt, und entfalten ihre Blüthen viele 
Wochen hindurch, wobei die einzige Sorgfalt anzuwenden 
ist, sie täglich zu begiessen. Die eigentliche Art der 
Aerides gehört zu den schönsten Erzeugnissen der Pflan- 
zenwelt, da ihre Blumen in langen Trauben von zarter 
Farbe und köstlichem Dufte geordnet sind. Die schöne 
Bletia, Arundina, Spathoglottis und Cymbidium, kommen 
in feuchten und höher gelegenen Stellen auf den Inseln 
bei Macao und Hongkong häufig vor. 

Viele Arten der Fichte, Cypresse und desEiben- 
baumes, welche die drei Unterabtheilungen der zapfen- 
tragenden Pflanzen bilden, sind in China vorhanden, und 
liefern einen grossen Theil des Bau- und Brennholzes, 
Der Lärchbaum und die Pinus Massoniana Lamb. finden 
sich nach den Beobachtungen der Gesandtschaften häufig 
auf den Hügeln. Die Fichten um Canton erreichen selten 
ihr volles Wachsthum. Der Wachholder und die Thuja 
werden öfters von den Gärtnern gewählt, um ihre Geschick- 
lichkeit, sie in rohen Darstellungen von Vögeln und Thie- 
ren wachsen zu lassen, zu erproben, indem der Preis 
dieser Curiositäten im Verhältniss zu ihrer Groteskheit 
und Schwierigkeit steht. Der Samen der Salisburia adi- 
antifolia Sm. ( Ginkgo biloba Linn.) ist eine der gewöhn- 
lichsten Nüsse in Norden; die Blätter werden zuweilen, 
als Präservativ gegen Insekten, in Bücher gelegt. 


(Fortsetzung folgt.) 


477 


3X. Monatsbericht. 


Wilson’s Pyrometer. 


Zur Bestimmung hoher Wärmegrade bedient man sich 
nach Pouillet der Luft, die, in eine hohle Platinkugel 
eingeschlossen, sich beim Erhitzen ausdehnt und durch 
eine feine Röhre heraustritt. Die abgetriebene Luft sam- 
melt man über Wasser, misst sie und bestimmt aus deren 
Menge die Hitzgrade. Leichter, bequemer und im hohen 
Grade sicherer ist das Verfahren von John Wilson, welcher 
die Erhitzung des Wassers durch einen hineingeworfenen 
Platinwürfel wahrnimmt, um daraus die Hitze des letztern zu 
bestimmen. Die Menge des Wassers kann man verschieden 
nehmen, doch genügt nach Wilson die doppelte Gewichts- 
menge des Platins. Wog z.B. der Platinwürfel 4000 Gran, 
das Wasser bei einer Temperatur von 60° Fahr. 2000 Gran 
und wurde es durch das hineingeworfene erhitzte Platin 
zum Steigen bis auf 90° Fahr. gebracht, so würde die 
Differenz der Hitze, resp. 30° mit 2 multiplicirt 60° Diffe- 
renz als die Temperatur ergeben, auf welche die gleiche 
Gewichtsmenge Wasser gesteigert worden wäre. Wäre 
in einem zweiten Falle die Wassertemperatur um 20° 
gestiegen, so würde die Temperaturdifferenz bei gleichem 
Wassergewicht um 80° Fahr. gestiegen sein. Zur Reduc- 
tion der Grade auf Fahrenheit'sche muss man sie mit 
31,25 multipliciren, da dies die specifische Wärme des 
Wassers ausdrückt, im Vergleich zu der des Platins, letztere 
—/ genommen. Werden sehr genaue Resultate verlangt, 
so muss man eben so sorgfältig verfahren, wie bei der 
specifischen Wärme der Körper, d.h. es muss die Zer- 
streuung der Wärme durch Leitung und Strahlung ver- 
hindert werden. Der Apparat besteht in einem polirten 
eisernen Cylinder von 3 Zoll Höhe und 2 Zoll Weite, man 
stellt es in einen concentrischen Cylinder, welcher von dem 
eingeschlossenen Gefässe beiläufig 4 Zoll absteht. /Jahrb. 
für prakt. Pharm. XXVII. 3.) B. 


Arch, d. Pharm. CXXVIII. Bas. 2. Hft. 12 


178 Einfluss des Druckes auf chemische Verbindungen. 


Latente und specifische Wärme .des Eises. 


Die latente Wärme des Eises, welche von Blak 80, 
von Wilke 72, von Laplace und Lavoisier 75, von 
Regnault,Prevostaye und Dessains 79,1 angegeben, 
und endlich nach Person = $0 gesetzt werden muss, 
ist nach Joh. Gadolin 81,1. Auf die Untersuchungen 
des Letztern, welche in Nov. Act. Reg. Soc. Upsal. Vol. V. 
enthalten und wenig bekannt zu sein scheinen, macht 
Angström aufmerksam. Er bemerkt dazu, dass wenn 
diese Versuche auch wegen des Mangels der Instrumente 
in früherer Zeit als mangelhaft erscheinen dürften, so 
werden diese Mängel doch überwogen durch die Genauig- 
keit und die Menge der Versuche (184), welche Gadolin 
angestellt hat. Zwischen dem lockern und körnigen Schnee 
fand Gadolin keinen Unterschied. 

Für Wachs findet Gadolin nach derselben Abhand- 
lung die latente Wärme = 39,290 und schliesst hieraus, 
dass die Annahme eines absoluten Nullpunctes nach Craw- 
ford unhaltbar sei, da derselbe hiernach für das Wasser 
auf — 470,6° und für das Wachs auf — 480,3° zu liegen 
komme. /Poggd. Annal. 1853. No.11. p.509—512) Mr. 


Einfluss des Druckes auf das Bestehen chemischer 
Verbindungen. 


Das Chlorhydrat. das sich unter gewöhnlichem Atmo- 
sphärendrucke und bei gewöhnlicher Temperatur bald 
zersetzt, erhält sich selbst bei Sommertemperatur in zuge- 
schmolzenen Röhren grossentheils unzersetzt unter dem 
Drucke des Chlors, das sich aus einem zersetzten Theile 
frei macht. In einem solchen Rohre, wenn es in Wasser 
von 30—40° Temperatur getaucht wird, zersetzt sich das 
Chlorhydrat, es stellt sich aber nachher bei gewöhnlicher 
Temperatur selbst im Sommer zum Theil wieder her. 

Diese Zersetzung wird nicht durch Ausschluss der 
Luft unter dem Drucke von Chlorgas von der Spannung 
der Atmosphäre verhindert, unter solchem zersetzte es 
sich, als dıe Temperatur über 0° stieg, wie gewöhnlich. 

Ein Rohr, in welchem Chlorhydrat eingeschmolzen 
war, lag ferner einen ganzen Tag in der Sonne an einem 
Sommertage. Es wurde zwar flüssig, allein es zeigte sich 
nun nicht, wie sonst, die Zersetzung des Wassers mit frei 
werdendem Sauerstoffe. 

Wöhler hat früher die Beobachtung bekannt gemacht, 
dass sich bei der Darstellung von flüssigem Schwefel- 


Magnetischwerden des Eisens durch Lochen etc. 479 


wasserstoff aus Wasserstoffsupersulphuret in zugeschmol- 
zenen Röhren zuweilen farblose Krystalle bilden, die beim 
Oeffnen des Rohres sogleich verschwinden. 

In zwei Röhren, in denen sich kein Schwefelwasser- 
stoff flüssig, sondern nur Schwefel abgeschieden hatte, 
bildeten sich diese Krystalle in grosser Mengef sie erschie- 
nen dagegen nicht in einem dritten Rohre, in welchem 
das Wasserstoffsupersulphuret mit concentrirter Salzsäure 
zugleich eingeschlossen war. 

Daher schliesst Wöhler, müsse die krystallinische 
Verbindung, da sie ohne Zweifel ein Hydrat des Schwefel- 
wasserstoffs ist, entstehen, wenn man mit säurefreiem 
Hydrate eine kleine Menge Wasser eingeschlossen hat, 
welches sich dann unter dem Drucke des sich concen- 
trirenden Schwefelwasserstofis verbinde. Unter diesem 
Drucke erhielt es sich bei gewöhnlicher Temperatur. 
Erwärmt man das Rohr in Wasser auf 30°, so zergeht 
die Verbindung und wird schnell flüssig und nachher beim 
Erkalten auf die gewöhnliche Temperatur wieder fest. 
[Annal. der Chem. u. Pharm. Bd. 85.) B. 


Magnetischwerden des Eisens durch Lochen 
und Luftwellen. 


Wenn nicht-magnetisches Eisenblech von 4—5 Linien 
Dicke und 30—40 Zoll im Quadrat an einer Umfangsseite 
gelocht wird, so zeigt sie sich magnetisch und die der 
gelochten Seite entgegenstehende zeigt den Nordpol. So- 
bald aber die entgegenstehende Seite gelocht wird, so 
erlangt die zu dieser unter einem rechten Winkel stehende 
Umfangsseite den Nord- und die entgegenstehende den 
Südpol; werden alle vier Umfangsseiten gelocht, so zeigt 
sich keine Spur von Magnetismus. Eine 6 Zoll lange, 
! Zoll breite, nicht-magnetische Uhrfeder, in ihrem Schwer- 
puncte an einem Seidenfaden befestigt und aufgehängt, 
bleibt in jeder Lage und nach jeder Richtung ruhig schwe- 
bend. Wird aber eine Bleikugel einige Zoll unter der 
hangenden Uhrfeder und zu dieser parallel aus beliebiger 
Entfernung abgeschessen, so wird die Uhrfeder augen- 
blicklich magnetisch, inclinirend, stellt sich in magnetischen 
Meridian, bleibi magnetisch und verliert in Folge der 
Inclination das Gleichgewicht. (Dingl. Polyt. Journ. 127. 
467.) B. 


— ie — 


180 Selenäthyl. 


Ueber das Selenäthyl. 


Neue Versuche über das bereits im Jahre 1836 von 
Löwig entdeckte Selenäthyl hat C. A. Joy in Wöhler’s 
Laboratorium angestellt, die aber nicht vollendet werden 
konnten, wejl der Verf nicht den Ekel überwinden konnte, 
den der Geruch des Körpers erregte. Joy stellte den- 
seiben dar durch Destillation einer Lösung von Selenkalium 
mit äthyloxydschwefelsaurem Kali. Zur Bereitung des 
Einfach-Selenkaliums wurde Kalihydrat in 4 Theilen Wasser 
gelöst, die Lösung in zwei gleiche Hälften getheilt, die 
eine vollständig mit Selenwasserstoffgas gesättigt und dann 
die andere zugemischt. Das Selenwasserstoffgas wurde 
mit Chlorwasserstoffsäure aus Seleneisen entwickelt, be- 
reitet durch Erhitzen eines Gemenges von gleichen Theilen 
reiner Eisenfeile und Selenpulver in einer Glasretorte. 
Die Entwickelung des Gases geschah. weil es sich in 
Berührung mit Luft sogleich zersetzt in einem Apparat, 
aus dem vorher durch Wasserstoffgas alle atmosphärische 
Luft ausgetrieben war und der mit dem Wasserstoffent- 
wickelungs- Apparate in Verbindung blieb, damit nach 
beendigter Entwickelung des Selenwasserstoffgases letzte- 
res ganz ausgetrieben und in die Kalilauge getrieben 
werden konnte, die sich ebenfalls in einem mit Wasserstoff 
gefüllten Gefässe befand. 

Das Selenäthyl ist ein klares, blassgelbes Liquidum 
von abscheulichem Geruch, es ist schwerer als Wasser, 
damit nicht vermischbar. angezündet brennt es unter Ver- 
breitung rother Selendämpfe. 


Salpetersaures Selenäthloxyd entsteht durch 
Auflösung von Selenäthyl in erwärmter, mässig starker 
Salpetersäure unter Entwickelung von Stickoxydgas. Es 
konnte nur als concentrirte Auflösung erhalten werden. 


Selenäthyl-Chlorür. — Die Auflösung des Selen- 
äthyls in Salpetersäure verhält sich zu Chlorwasserstoff- 
säure wie die des Telluräthyls; sie wird bei Zumischung der 
Säure milchweiss und gleich darauf scheiden sich Tropfen 
von einem ölförmigen Körper aus, nämlich dem Selen- 
äthyl-Chlorür. Es ist ein klares, blassgelbes, in Wasser 
untersinkendes Liquidum. 


Als der grössere Theil des Selenäthyl-Chlorürs längere 
Zeit mit der Salpetersäure und Chlorwasserstoffsäure ent- 
haltenden Flüssigkeit, in der es sich gebildet hatte, in 
Berührung gelassen wurde, bildeten sich auf der Grenze 
letzterer und dem Chlorür farblose, klare, sehr scharfe 
ansehnlich grosse Krystalle, wahrscheinlich eine organische 


Flüchtige Oele und zwerfach-schwefligsaure Alkalien. A81 


Chlor-Selenverbindung, deren weitere Zusammensetzung 
nicht ermittelt ward. 

Selenäthyl-Oxychlorür C'H’SeO + C:H’SeCl. 
— Das Selenäthyl-Chlorür ist leicht löslich in Ammoniak 
und bildet damit Chlorammonium und Selenäthyl - Oxy- 
chlorür. Wird die Lösung verdunstet, so kann man letz- 
teres durch absoluten Alkohol von Salmiak trennen. Es 
krystallisirt in glänzenden farblosen Würfeln, die sich 
gewöhnlich sternförmig gruppiren. 

Selenäthyl-Bromür C'H°’SeBr scheidet sich in 
Gestalt eines ceitrongelben, in Wasser untersinkenden Oeles 
aus, wenn die Lösung des salpetersauren Selenäthyloxyds 
mit Bromwasserstoffsäure vermischt wird. 

Selenäthyl-Jodür C'H’SeJ entsteht, wenn die 
Lösung des salpetersauren Salzes oder auch die des Selen- 
äthyl-Chlorürs mit Jodwasserstoffsäure vermischt wird. 
Es ıst ein schwarzes, halb metallisch glänzendes, in Was- 
ser untersinkendes Liquidum, ähnlich dem Brom. Es ist 
ohne Geruch, erstarrt nicht bei 0°. (Annal. der Chem. u. 
Pharm. 86. I.) B. 


Flüchtige Oele und zweifach-schwefligsaure Alkalien, 


Ueber die Verbindungen einiger flüchtigen Oele mit 
den zweifach -schwefligsauren Alkalien hat Cäsar Ber- 
tagnini Untersuchungen angestellt. 

Verbindungen des Anisylwasserstoffs — 
Der Anisylwasserstoff (die anisylige Säure) bildet mit Leich- 
tigkeit in Berührung mit schwefligsauren Alkalien Verbin- 
dungen, welche denen der flüchtigen Oele entsprechen. 

Anisylwasserstoff und zweifach-schweflig- 
saures Natron. — Esreicht hin, den Salicylwasserstoff 
mit zweifach-schwefligsaurem Natron tüchtig zu schütteln, 
um fast sogleich eine butterartige Masse zu erhalten, welche 
bei etwas längerem Schütteln deutlich krystallinisch wird. 
Nach dem Trocknen und Auflösen in siedendem Weingeist 
krystallisirt die Verbindung in zarten weissen, glänzenden 
Blättchen. Die Zersetzung ist fast unvermeidlich. Die 
aufgestellte Formel ist diese: C!°H’NaS?O!° = NaO, 
S20°,C!°H:O0*° + Agq. 

Anisylwasserstoff und zweifach-schweflig- 
saures Kali. — Die Verbindung wird wie die vorher- 
gehende erhalten. Man lasst von der krystallisirten Masse 
die Mutterlauge abtropfen und krystallisirt dann aus ver- 
dünntem Weingeist um. Die Verbindung zerfällt leicht in 
Anisylwasserstoff und schwefelsaures Salz. 


182 Flüchtige Oele und zweifach -schwefligsaure Alkalien. 


Anisylwasserstoff und zweifach-schweflig- 
saures Ammoniak. — Unter Schütteln vereinigen sich 
beide Substanzen zu einer krystallinischen Masse, welche 
in Wasser leicht löslich ist. 

Verbindungen des Cinnamylwasserstoffs. 
— Die verschiedenen Arten Zimmtöl, welche im Handel 
vorkommen, geben in Berührung mit schwelligsauren Alka- 
lien feste Producte durch die Bildung krystallisirbarer 
Verbindungen des in ihnen enthaltenen Cinnamylwasser- 
stoffs Diese Verbindungen bilden sich mit grosser Leich- 
tigkeit, aber sie können nicht mit derselben Sicherheit, 
wie die im Vorhergehenden beschriebenen, krystallisirt 
erhalten werden; nur die Verbindung mit zweifach-schwe- 
fligsaurem Kalı krystallisirt leicht. 

Cinnamylwasserstoff und zweifach-schwe- 
fligsaures Kali. — Bei dem Schütteln des Oels von 
Ceylon-Zimmt oder chinesischem Zimmt mit dem drei- 
bis vierfachen Volum einer Lösung von schwefligsaurem 
Kali zeigt sich Wärme -Entwickelung, und es bildet sich 
fast augenblicklich eine feste Masse aus krystallinischen 
Schüppchen. 

Wenn die Krystalle von der Mutterlauge getrennt 
werden, so erhält man eine gelblich salzartige Masse, 
welche noch den Kohlenwasserstoff aufgesogen enthält, 
der neben dem Cinnamylwasserstoff in Zimmtöl enthalten 
ist. Man reinigt die Masse durch Pulvern und Waschen 
mit Weingeist, bis derselbe keine gelbe Farbe mehr an- 
nimmt. Die zurückbleibende salzige Masse besteht aus der 
Verbindung des Cinnamylwasserstofls, welche man nach 
Auflösen in siedendem Weingeist, beim Erkalten der 
Lösung in schönen silberglänzenden Schuppen erhält. Die 
Verbindungen aus ceylonischem Zimmt und aus chine- 
sischem Zimmt sind übereinstimmend. 

Cinnamylwasserstoff und zweifach-schwe- 
fligsaures Natron — Bei der Mischung einer Lösung 
von schwefligsaurem Natron mit Zimmtöl tritt Temperatur- 
erhöhung ein und es entsteht eine faserig krystallinische 
Masse, welche nach einiger Zeit wieder flüssig wird, indem 
sich allmälıg an der Oberfläche der Salzlösung eine Oel- 
schicht bildet, deren Menge weit geringer ist, als die des 
verbrauchten Oels. Diese ölige Flüssigkeit bildet mit 
schwefligsauren Alkalien nicht mehr feste Verbindungen, 
und wird auch durch Salpetersäure nicht mehr in festen 
Zustand übergeführt. Sie besteht vielleicht aus dem im 
Zimmtöl enthaltenen flüchtigen Oel, welches so von dem 
Cinnamylwasserstoff abgeschieden ist, da es scheint, dass 


Fiüchtige Oele und zweifach -schwefligsaure Alkalien. 183 


der letztere aufgelöst bleibt und die von ihm mit schwe- 
fligzaurem Natron gebildete Verbindung sich nur sehr 
schwierig in dem festen Zustande erhalten lässt. Bei dem 
freiwilligen Verdunsten der Lösung erhält man zusammen 
mit Krystallen von schwefelsaurem Natron auch undurch- 
sichtige krystallinische Warzen, die sich an den Rändern 
des Gefässes bilden und welche die fragliche Verbindung 
zu sein scheinen. Sie sind löslich in siedendem Weingeist 
und krystallisiren beim Erkalten der Lösung in langen, 
dünnen, kugelförmig gruppirten Nadeln. 

Cinnamylwasserstoff und zweifach-schwe- 
fligsaures Ammoniak. — Wenn Cassia-Oel mit einer 
concentrirten Lösung von zweifach-schwelligsaurem Ammo- 
niak geschüttelt wird, so erfolgt die Verbindung, es ent- 
wickelt sich Wärme und auf der Oberfläche der Flüssig- 
keit scheiden sich allmälıg Oeltröpfchen aus, welche keinen 
Cinnamylwasserstoff mehr enthalten. Dieser bleibt gelöst 
in der Flüssigkeit, aus welcher sich bei starker Concen- 
tration die Verbindung in glänzenden Blättchen abscheidet, 

Reiner Cinnamylwasserstoff löst sich in grosser Menge 
in schwefligsaurem Ammoniak, und bildet damit eine 
Flüssigkeit von Oelconsistenz, welche nach einiger Zeit 
zu einer krystallinischen Masse gesteht. 

Verbindungen des Cumylwasserstoffs (Cu- 
minöls). — Cuminöl, mit den Lösungen von zweifach- 
schwelligsauren Alkalien geschüttelt, giebt eine milchige 
Flüssigkeit und später eine Krystallmasse von Buttercon- 
sistenz. 

Cumylwasserstoff und zweifach-schweflig- 
saures Kali. — Wenn dieses Oel mit einer nicht sehr 
concentrirten Lösung von zweifach - schwefligsaurem Kali 
gelinde erwärmt wird, so löst sich ein grosser Theil des 
Cumylwasserstofls, indem er sich mit dem schwefligsauren 
Kali verbindet, und bei dem Erkalten scheidet sıch die 
Verbindung in glänzenden Blättchen ab. Indem man die 
Operation wiederholt, gelangt man dahin, allen Cumyl- 
wasserstoff in die Verbindung mit schwefligsaurem Kali 
überzuführen. Die so erhaltene Verbindung lässt sich in 
Wasser nicht ohne Zersetzung auflösen. Man braucht 
indess dem Wasser nur etwas schwefligsaures Salz zuzu- 
setzen, um die Zersetzung zu verhindern, worauf dann 
die Krystalle selbst in der Wärme ohne Zersetzung gelöst 
werden können. Wird die Verbindung in einem Röhrchen 
erwärmt, so entwickeln sich schwefligsaures Gas und 
Cumylwasserstoff, welcher an der Luft zu weissen Kry- 
stallen von Cuminsäure wird. 


184 Flüchtige Oele und zweifach-schwefligsaure Alkalien. 


Cumylwasserstoff und zweifach-schweflig- 
saures Natron. — Schüttelt man das Oel mit zweifach- 
schwefligsaurer Natronlösung, so bildet sich eine butier- 
artige Masse, welche nach einigen Stunden noch grössere 
Consistenz zeigt und aus Cumylwasserstoff und Cvmol 
besteht. Wird das Product von der Mutterlauge getrennt, 
und löst es in siedendem, sehr verdünntem Weingeist, so 
erhält man beim Erkalten der Lösung die Verbindung in 
zusammengewachsenen Nadeln krystallisirt. Durch mehr- 
maliges Umkrystallisiren aus Weingeist kann man sie rein 
erhalten. Die Resultate der Analysen führen für diese 
Verbindung zu der Formel C?°H!5NaS?O!° oder auch 
NaO, S?O:,C?°H!:O? + 3Ag. 

Cumylwasserstoff und zweifach-schweflig- 
saures Ammoniak. — Das Cuminöl siellt beim Schüt- 
teln mit schwefligsaurem Ammoniak fast augenblicklich 
eine Krystallmasse dar, welche nach Trennung von der 
Mutterlauge und Lösung in siedendem- Weingeist schöne 
Nadelgruppen abscheidet. 

Verbindungen des Oenanthyl-Aldehyds 
(Oenanthols), — Das Destillationsproduct des Ricinusöls, 
welches Oenanthol enthält, löst sich ın der Kälte, mit 
Lösungen schwelligsaurer Alkalien geschüttelt, fast sogleich 
unter Wärme-Entwickelung auf und bildet dann feste 
Massen, welche mehr oder weniger krystallinisch sind. 
Diese Verbindungen lassen sich auch hervorbringen, dass 
man in das frisch in weingeistigem Kali, Natron oder 
Ammoniak gelöste Oenanthol schwelligsaures Gas einleitet. 
Sie haben eine den erwähnten Verbindungen analoge 
Zusammensetzung. Die Natronverbindung krystallisirt leicht, 
lässt sich also leicht rein darstellen und zur Erkennung 
des Oenanthols anwenden. 

Oenanthyl-Aldehyd und zweifach-schwe- 
fligsaures Natron wird dargestellt durch Schütteln 
des rohen Productes von der Destillation des Ricinusöls 
mit einer concentrirten Lösung von zweifach - schwelflig- 
saurem Natron oder durch Lösung desselben Productes 
in der verdünnten Lösung des schwelfligsauren Salzes. Im 
erstern Falle erhält man sogleich eine krystallinische 
Masse, im letztern scheidet sich beim Erkalten eine wohl- 
krystallisirte Substanz aus. Man lässt die Verbindung in 
einem Trichter trocknen, löst sie dann in siedendem Wein- 
geist und filtrirt heiss, presst die Krystalle in einem Tuche, 
wäscht mit kaltem Weingeist, so lange es noch nach Acrolein 
riecht, lässt auf Fliesspapier trocknen und krystallisirt aus 
siedendem Weingeist oder aus warmem Wasser. Man 


Flüchtige Oele und zweifach-schwefligsaure Alkalien. 185 


erhält glänzende Blättchen. Die Formel ist: C!*H!’Na 
S20!° oder NaO, S?O°,C!?H!:O: + 3Aag. 

Die Verbindung des Oenanthyl-Aldehyds mit zweifach- 
schwefligsaurem Natron kann benutzt werden, um das 
Oenanthyl-Aldehyd rein zu erhalten. Man schüttelt des- 
haib das Destillationsproduct des Ricinusöls mit kohlen- 
saurer Kalilösung, wobei die beiden Flüssigkeiten sich 
vereinigen und eine Lösung bilden, welche, bis beinahe 
zum Sieden erhitzt, das Oenanthol an der Oberfläche 
ausscheidet, welches dann leicht abgenommen werden 
kann. Diese Flüssigkeit behandelt man mit schwefligsaurer 
Natronlösung in gelinder Wärme, wobei ein ölartige Flüs- 
sigkeit zurückbleibt, die nach fettem Oel riecht. Bei dem 
Erkalten scheiden sich Krystalle ab, welche getrocknet 
und in der Wärme in mit Salzsäure oder Schwefelsäure 
verseiztem Wasser gelöst, das Oenanthol rein von andern 
Substanzen liefern. Dieselbe Natronverbindung lässt sich 
vortheilhaft anwenden, um die Anwesenheit des Oenanthyl- 
Aldehyds (Oenanthols) zu erkennen, wenn es mit andern 
flüchtigen Substanzen gemengt ist, die seine Erkennung 
erschweren, nämlich durch die Leichtigkeit, mit welcher 
sich die Verbindung bildet und in der Lösung von schwe- 
fligsaurem Natron krystallisirt, wenn auch nur wenig 
Oenanthyl- Aldehyd zugegen ist. 

Oenanthyl-Aldehyd und zweifach-schwe- 
fligssaures Kali. — Beim Schütteln des Oenanthyl- 
Aldehyds mit zweifach -schwefligsaurem Kalı bildet sich 
ein Brei, welcher nach und nach krystallinisch erscheint, 
aber eine butterartige Consistenz behält. Beim Erwärmen 
der Flüssigkeit löst sich der Brei, wird das Product nach 
dem Trocknen in Weingeist gelöst, so erhält man es in 
kleinen Nadeln krystallisirt. f 

Oenantihyl-Aldehyd und zweifach-schwe- 
fligsaures Ammoniak. — Man erhält die Verbindung, 
wenn man Oenanthyl-Aldehy]| mit zweifach-sch wefligsaurem 
Ammoniak schüttelt und das Product in siedendem Wein- 
geist löst. 

Verbindungen des Caprinyl-Aldehyds. — 
Das Rautenöl kann nach Gerhardt als das Caprinyl- 
Aldehyd betrachtet werden. Es bildet mit Leichtigkeit 
krystallinische Verbindungen, wenn es mit alkalischen Basen 
und schwefliger Säure zusammentrifft. ' 

Caprinyl-Aldehyd und zweifach-schweflig- 
saures Ammoniak. — Schüttelt man Rautenöl mit einer 
Lösung von zweifach-schwefligsaurem Ammoniak, so bildet 
sich zuerst eine Art von Emulsion, es scheidet sich eine 


186 Flüchtige Oele und zweifach - schwefligsaure Alkalien. 


butterartige Masse ab, welche allmälig ganz fest wird und 
nach dem Trocknen wachsartig aussieht. Durch Lösen 
in Weingeist erhält man schöne Schuppenkrystalle. For- 
mel: «GC? °H37,NSFORM = NH'O, $20*. 0201270: + 3Aq. 

Caprinyl-Aldehyd und zweifach-schweflig- 
saures Natron. — Rautenöl wird in Berührung mit 
zweifach-schwefligsaurem Natron zu einer butterartigen 
Masse, die mit der Zeit krystallinisch wird. In Weingeist 
gelöst erhält man zarte Krystallblättchen. 

Caprinyl-Aldehyd und zweifach-schweflig- 
saures Kalı. — Rautenöl mit dem Salz geschüttelt zeigt 
anfangs weder Lösung, noch Festwerden; letzteres tritt 
nach mehren Stunden ein. Es bildet sich eine Krystall- 
masse, die sich leicht in Weingeist löst. 

Die von dem Verf. beschriebenen Verbindungen hat 
derselbe betrachtet als entstanden durch die Vereinigung 
der aldehydartigen Substanzen mit den zweifach-schwellig- 
sauren Alkalien und Krystallisationswasser, und zwar so- 
wohl nach den Resultaten der Analysen, als nach der 
Bildungsweise. Ihre Constitution kann aber auch aus 
einem andern Gesichtspuncte betrachtet werden. Man 
kann annehmen, dass sie gepaarte Säuren enthalten, welche 
aus der schwefligen Säure und den verschiedenen aldehyd- 
artigen Körpern bestehen. 

Die Resultate der vorliegenden Untersuchung lassen 
sich also zusammenfassen: 

A) Die flüchtigen Oele, welche den Charakter als 
Aldehyde haben, mögen sie nun als Wasserstoffverbin- 
dungen (wie der Benzoylwasserstoff) oder als eigentliche 
Aldehyde zu betrachten sein, besitzen die Eigenschaft, mit 
zweifach-schwefligsauren Alkalien sehr leicht krystallisirte 
Verbindungen zu bilden, welche I Aegq. Aldehyd, A Aegq. 
zweifach -schwefligsaures Alkali und verschiedene Aequi- 
valentmengen Wasser enthalten. 

2) Versuche mit einer grossen Anzahl flüchtiger Oele, 
welche nicht aldehydartiger Natur sind, ergaben, dass 
diesen jene Eigenschaften nicht zukommen. 

3) Alle diese Verbindungen bilden sich rasch beim 
Schütteln der flüchtigen Oele mit den zweifach-schwelflig- 
sauren Alkalien in der Kälte, oder durch Zusammenbringen 
der flüchtigen Oele mit den Lösungen der Alkalien und 
Einleiten von schwefliger Säure in die Flüssigkeit, sie sind 
fast ganz unlöslich in concentrirten Lösungen der schwe- 
tligsauren Salze und in kaltem Weingeist, sie sind leicht 
löslich in Wasser; sie bilden weisse, glänzende Krystalle; 
sie zersetzen sich leicht bei Einwirkung von Säuren, Basen, 


Zusammensetzung des Oleum Thymi. 187 


salzbildenden Elementen und auch bei schwacher Erwär- 
mung, wobei die zu ihrer Bildung verwendeten Aldehyde 
wieder abgeschieden werden. Sie können mit vielem 
Vortheil dazu benutzt werden, die in ihre Zusammensetzung 
eingehenden flüchtigen Oele zu reinigen und in Mischungen 
mit andern Flüssigkeiten erkennen zu lassen. ( Annal. der 
Chem. u. Pharm. 85. 2.) 


Zusammensetzung des Oleum Thymi. 


Nach Lallemand besteht das Ol. Thymi aus zwei 
wesentlichen Bestandtheilen, aus Thymen = C:°H'‘, und 
Thymol = C?° (H!'O?) Durch Schüiteln des Oeles mit 
einer concentrirten kaustischen Natronlauge bindet man 
das Thymol an letztere; das darüber schwimmende Thy- 
men wird abgegossen und zur vollständigen Reinigung 
wiederholt über Aetznatron destillirt. So erhält man einen 
farblosen, angenehm riechenden Kohlenwasserstoff. Er 
siedet bei 165°, hat dieselbe Dampfdichte, wie das Ter- 
pentinöl, und giebt mit Chlorwasserstoflsäure eine dem 
Terpentinkampfer entsprechende Verbindung. Im reinen 
Zustande besitzt das Thymen das Rotalionsvermögen nicht. 

Das Thymol, ein Stearopten, wird aus seiner Natron- 
verbindung durch Salzsäure abgeschieden, hierauf in Alko- 
hol gelöst, und durch Verdunsten desselben krystallisirt 
erhalten, in Form durchscheinender, rhomboidaler Tafeln, 
welche einen sehr piquanten Geschmack besitzen, bei 44° 
schmelzen und constant bei 230° unverändert überdestil- 
liren. In Aether, wie in Alkohol, ist das Thymol leicht 
löslich; aus der alkoholischen Lösung wird es durch 


Wasser nicht gefällt. — Gegen Lackmuspapier verhält es 
sich neutral; kann sich indess, wie schon bemerkt, mit 
kaustischen Alkalien verbinden. — Chlor greift das Thymol 


im zerstreuten Lichte lebhaft an, wobei sich Chlorwasser- 
stoffsäure in reichlicher Menge entwickelt. Nach been- 
digter Einwirkung hat man eine schmierige, gelbliche 
Flüssigkeit von Kampfergeruch und der Zusammensetzung 
C2°H°Cl50:2. — Die Salpetersäure wirkt gleichfalls sehr 
lebhaft auf das Thymoi ein und verharzt es. Setzt man 
die Oxydation bis zum fast vollständigen Verschwinden 
der harzigen Materie fort, so bildet sich ein reichlicher 
Niederschlag von krystallisirter Oxalsäure. — In erwärm- 
ter concentrirter Schwefelsäure löst sich das Thymol leicht 
auf. Beim Erkalten gesteht das Gemisch zu einer kry- 
stallinischen Masse, welche sich in Wasser sehr leicht löst. 
Sättigt man die Lösung mit kohlensaurem Bleioxyd oder 


188 Chemische Analyse der Vogelbeeren. 


Baryt, so erhält man beim Abdampfen ein Salz, welches 
aus absolutem Alkohol umkrystallisirt wird, und woraus 
man die neue Säure in reinem Zustande abscheiden kann. 
Dieselbe zeigt folgende Zusammensetzung: C?°(H!?S205)02. 
(Journ. de Pharm. et de Chim. Oct. 1853.) 4.0. 


Chemische Analyse der Vogelbeeren. 


Da bis jetzt eine vollständige chemische Untersuchung 
der Früchte des Vogelbeerbaumes /Sorbus aucuparia) noch 
nicht geschehen ist, so ist eine solche von Dr. J, Byschl 
unternommen worden. Nach dessen Untersuchung sind 
die reifen Vogelbeeren in 4000 Theilen folgendermaassen 
zusammengesetzt: 

Aetherischer Auszug: 
a) Eisengrünender Farbstoff, nebst Aepfelsäure, rothem Farb- 


stolfunud, Kalksalzens.41%..1 0% arasrelaeren en raten ee RE 2,00 
b) Wachsartige Materie mit rothem Farbstoff und stearopten- 
artigein. älherischem Velen... 7... ...2...2 000. 4,50 
Weingeistiger Auszug: 
a) Gährungsfahiger Zucker.........- none 8.22 
Nichtgährungsfähiger Zucker (amorphes Sorbin)........ ; 
b) Eisengrünender Gerbstoff, nebst Aepfelsäure, scharfer Ma- 
terie,, Bitterstoff und Kalksalzen.. ...........0e0.r0Jo.ean 198,78 
Wässeriger Auszug: Gummiger Extractivstoff............. 10,50 
Salzsaurer Auszug: In Humussubstanzen umgewandelte 
Materier.a trete ns Eu IL VE rn 26,50 
Unlöslicher Rückstand (Pflanzenfaser)....... 58,50 
NVasserenun een parete tele ec ... 691,00 
1000,00 
Ueberhaupt enthalten 1000 Theile reife Beeren: 
WIASBeT en een 691,00 
Feste Materien....... 309,00 
1000,00 


und die letzten liefern 10,464 Th. Asche. 


Ferner hat Byschl durch seine Untersuchung ermit- 
telt, dass die reifen Vogelbeeren zur Darstellung der Aepfel- 
säure nicht geeignet sind und dass 400 Unzen reife Vogel- 
beeren 1,73 Unzen wasserfreien Traubenzucker enthalten. 

Das Sorbin krystallinisch darzustellen, ist aber bis jetzt 
noch nicht gelungen. ( Witist. Vierteljahrsschr. Bd.2. H.4. 
1853 ) B. 


© 
Heilmittel im südlichen Afrika. 189 


Die Heilmittel der Colonisten und Eingeborenen 
ım südlichen Afrika. 


Die nachstehende Liste von Pflanzen, die wir in der 
Schrift des Dr. Kretzschmar über Südafrika vorfinden, 
enthält die Volksmittel, deren sich die Colonisten und 
farbigen Eingeborenen in Krankheiten zu bedienen pflegen: 

Knonvltonia vesicatoria, Brennblätter, wird nur äus- 
serlich als Irritans angewandt. Werden die Blätter zer- 
quetscht auf die Haut gelegt, so ziehen sie in ! ‚Stunde 
Blasen. Die Wurzeln pflegt man gegen Kopfschmerz in 
Scheiben geschnitten auf die Schlafe zu binden. Ueber- 
haupt wird sie in allen rheumatischen und neuralgischen 
Affectionen mit gleicher Wirkung, wie Senf- und spani- 
sches Fliegenpflaster gebraucht. Sie ist an allen feuchten 
Orten anzutreffen. 

Ranunculus pubescens, Krebsblätter. Der ausge- 
drückte Saft oder die zerquetschte Pflanze wird auf kreb- 
sige Geschwüre gelegt, jedoch ohne günstigen Erfolg. 

Cissampelos capensıs L, Davidchen. Ein Strauch, 
der in allen gebirgigen Gegenden anzutreffen ist. Seine 
Wurzeln werden als Brech- oder Purgirmittel gebraucht; 
dem dünnen Ende zugeschabt erregen sie Purgiren, um- 
gekehrt Erbrechen. 

Polygala serpentaria, Kaffirschlangenwurzel. 
Wird in Caffraria gefunden und von den Caffern für 
Gegengift bei Schlangenbiss gehalten. Sie gleicht der 
Polygala Senega. 

Mundtia spinosa, Schildkrötenbeeren, wächst auf 
sandigen, dürren Flächen, besonders nahe der Küste. Die 
Spitzen der Zweige werden als Decoct bei Schwäche- 
zuständen gebraucht. 

Sapindus capensis, wilde Pflaumen. Dieser Strauch 
wächst überall im nordöstlichen Theile der Colonie. Das 
Fleisch der Frucht, welche der Pflaume etwas ähnelt, ist 
von angenehm säuerlich weinigem Geschmacke. Der Kern 
enthält ein Oel, welches in therapeutischer Hinsicht dem 
Ol. Rieini gleichkommt. Aeusserlich wird es gegen Tinea 
und Alopecta gebraucht. 

Dondonia Thunbergiana, Sandolive. Ein strauch- 
artiges Gewächs in den sandigen Strecken der westlichen 
Küstenländer. Eine Abkockung der Frucht wird als Ab- 
führmittel gebraucht. 

Monsonia ovata wird äusserlich und innerlich gegen 
Schwäche, Durchfälle, Ruhren, schlaffe Geschwüre ge- 
braucht. 


NE 
190 Heilmittel im südlichen Afrika. 


Polyactium triste. Die rothe Wurzel dieses Pelargo- 
niums ist gelind verstopfend. Getrocknet und gepulvert 
wird es bei Diarrhöen und Ruhren genommen. Es wächst 
in alien Theilen der Colonie an Bergabhängen und ver- 
wittertem Geklüft. 

Peristera anceps De Cand. Ein gewöhnliches Mittel 
der Malaien zur Erleichterung der Catamenien und des 
Geburtsgeschäfts. Wächst ziemlich allgemein verbreitet 
an feuchten Stellen und Wassergräaben. 

Pelargonium cucullatum. Es wird häufig am Tafel- 
gebirge gefunden. Im Decoct wird es gegen Colik, Nieren- 
steine und Störungen in der Urinsecretion gebraucht. Früher 
wurde‘die Pflanze unter dem Namen #erba Altheae nach 
Holland exportirt. 

Melianthus major, der Myrrhe ähnlich, wird äusserlich 
als Reizmittel bei laxen oder fauligen Geschwüren an- 
gewandt. 

Borosma crenata. Bueco. Die Buchublätter sind seit 
langer Zeit schon nach Europa versandt worden, wo man 
sie bloss in Krankheiten des uropoetischen Systems an- 
wendet; in Afrika werden sie aber in sehr vielen andern 
Krankheiten und mit glänzendem Erfolge gebraucht. Es 
gilt als Universalmittel und auf jeder Farm werden Bucco- 
blätter mit Essig oder Branntwein infundirt vorräthig ge- 
halten. Beider Aufgüsse bedient man sich bei Contusionen 
mit sehr günstigem Erfolge. Gleich wirksam zeigen sie 
sich in der Form des Bades gegen neuralgische und rheu- 
matische Affectionen. 

Bei uns wurde sehr oft die Wirksamkeit der Pflanze 
in Zweifel gezogen, in solchen Fällen war aber wahr- 
scheinlich nicht die Borosma erenata, sondern die B. serra- 
thfolsa Willd. oder das Empleurum serrulatum Sol. benutzt 
worden, die der erstern ähnlich sind, aber in therapeu- 
tischer Hinsicht hinter ihr zurückstehen. 

Sie wächst überall auf den das Vorgebirge durch- 
ziehenden Gebirgsketten und ist so reich an aromatischem, 
kampferhaltigem Oele, dass, wenn man sie in Papiersäcken 
aufbewahrt, das Papier ganz feucht und mit Oel durch- 
drungen ist. Wenn der Bucco zu alt und trocken kein 
Oel mehr abgiebt, ist er nicht zu brauchen. Soll er daher 
sich wirksam erweisen, so müsste er fest verpackt in 
wohlverlötheten Blechkasten nach Europa versandt werden. 

Dass in seinem kampferartig aromatischen Oele seine 
Heilkraft liegt, unterliegt keinem Zweifel, daher sollte man 
bei seinem Gebrauche nur die Auflösung mit Essig oder 
Alkohol wählen. 


Heilmittel im südlichen Afrika. 194 


Fagara capensıs, wilde Cardamom. Die Frucht, eine 
aromatische Beere, ist den Cardamomen ähnlich und wird, 
wie sie in der Flatulenz, Lähmung und überhaupt da 
angewandt, wo ein Reiz ausgeübt werden soll. Sie wächst 
in den Waldungen der östlichen Küste. 

Meihyscophylium glaucum, holländischer Bosse- 
manthee. Die Blätter dieses Busches werden allgemein 
als Ersatz für Thee gebraucht; zuweilen auch gegen 
Asthma, chronischen Katarrh und Lungenkrankheiten. 

Cyclopia genistordes, Honigthee. Ein süsslicher, zu- 
sammenziehender, allgemein verbreiteter Thee wird von 
den Blättern bereitet und wie der vorige bei Brustaffec- 
tionen gebraucht. 

Borbonia cordata, Erstickungsthee. Wird vor- 
zugsweise bei Krankheiten, die mit Alhmungsbesch werden 
verbunden sind, angewandt und, wie es scheint, mit gutem 
Erfolge. Seine Wirkung ist harntreibend. Die Pflanze 
wächst auf dem Tafelberge und anderen hohen Gebirgen. 

Vascoa amplexicaulis De Cand,, Süssholzbusch. 
Ein schöner Strauch, meistens auf sandigen Gebirgen 
wachsend, dessen Wurzeln viel Aehnlichkeit mit denen 
der Glyeyrrhiza glabra haben. Eine Abkochung wird 
bei Lungenaffectionen angewandt. 

Vascoa perfoliata De Cand. Ein concentrirtes Decoct 
wirkt als starkes Diureticuam und wird daher mit Erfolg 
in Wassersuchten gereicht. Wachst in den Bergen von 
Hottentots - Hollom. 

Acacia horrida Willd, Dornbaum. Das Gummi 
dieses schönen Baumes steht dem arabischen nicht nach 
und wird in bedeutenden Massen ausgeführt. An den 
dünnen Zweigen der Mimose findet man es in grossen, 
krystallhellen Massen; an den Stämmen ist es braunroth, 
von brenzlichem zusammenziehendem Geschmacke, wahr- 
scheinlich mit dem Adstringens der Rinde gemischt. Von 
den Eingeborenen wird es häufig als Nahrungsmittel benutzt. 

Clıffordia illierfolia L., Doronthee. Die stacheligen 
Blätter werden als Brustthee benutzt. 

Citrillus amarus, wilde Wassermelonen. Die 
Frucht erreicht die Grösse eines Kinderkopfs. Das Fleisch 
wirkt stark purgirend und würde, zum Extract eingedickt, 
dem der Coloquinten in therapeutischer Hinsicht nicht 
nachstehen. Wachst auf allen dürren Sandflächen. 

Crassula tetragona L. Die Rinde der saftigen, adstrin- 
girenden Pflanze pflegt in Milch gekocht und gegen Diar- 
rhöe benutzt zu werden, ebenso die Orassula portulacea L. 

Cotyledon orbieulata L, Schweinsohren. Die 
dicken Blätter der safligen Pflanze, ihrer Gestalt wegen 


192 Heilmittel im südlichen Afrika. 


mit obigem Namen belegt, wachsen in allen gebirgigen 
Gegenden der Colonie. Sie gewähren ein vorzügliches 
Mittel gegen Hühneraugen. Man legt ein Blatt, dessen 
Oberhaut auf der oberen Seite entfernt worden, auf das 
Hühnerauge und nimmt es erst ab, wenn es welk gewor- 
den, gewöhnlich nach 12 bis 24 Stunden und findet dann 
alle verhärteten Theile so weich, dass sie mit Leichtigkeit 
entfernt werden können. 

Mesembryanthemum acinacıforme L., Pferdefeigen, 
und Mesembryanthemum edule L, Sauerfeigen, werden 
bei sehr vielen Leiden allgemein angewandt. Mit Ausnahme 
der Citrillen gedeihen sie auf dürrem Sande, wo keine 
andere Pflanze fortzukommen scheint. Sie sind von säuer- 
lichem, salzigem, adstringirendem Geschmack. Der aus- 
gepresste Saft der dicken, saftigen Blätter wird innerlich 
und äusserlich gebraucht. Als ein schnell blutstillendes 
und harntreibendes Mittel wird es mit ausgezeichnetem 
Erfolge angewandt, ebenso als Gurgelwasser gegen Aph- 
then, Geschwüre im Halse u. dergl. Die Geschwüre in 
der Halsschwindsucht werden in ihrer Ausbreitung be- 
schränkt. 

Mesembryanthemum erystallinum L., Eispflanze. 
Dem vorigen ähnlich, enthält es doch weit mehr Aepfel- 
säure; es wird bei den oben aufgeführten Krankheiten 
angewandt, zeigt sich aber von specifischer Wirkung in 
der Enuresis spasmodica. Sie wächst ebenfalls im Sande, 
meist in der Nähe der Meeresküsie. 

Hydrocotyle bupleurifolia, Ruhrgras. Aus der Wur- 
zel und dem Kraut wird ein zusammenziehendes Decoct 
bereitet, welches in der Ruhr und chronischen Diarrhöen 
mit Erfolg gebraucht wird. Wächst in der Umgegend 
der Capstadt in grosser Menge, ebenso Aydrocotyle plan- 
tagineae. 

Bubon Galbanum L., wilder Sellerie. Dieses Dol- 
dengewächs erreicht eine Höhe von 6 bis 8 Fuss und 
wächst überall in Schluchten und an feuchten Orten. Es 
wird als Diureticum gebraucht und gegen Harngries als 


wirksam empfohlen. Aus seinen Stengeln schwitzt eine 


weisse, harzartige Masse, welche jedoch nichts mit dem 
Gummi Galbanum gemein hat. 

Arctopus echinatus L., Flachdorn. Wächst in allen 
Theilen der Colonie und ist als harntreibendes Mittel seit 
den ältesten Zeiten in Gebrauch gewesen. In therapeu- 
tischer Hinsicht steht er der Sassaparilla nahe und wird, 
wie diese, in chronischen Hautkrankheiten angewandt. Die 
Wurzel enthält ein eigenthümliches Alkaloid, welches mit 


5 24 
Heilmütel im südlichen Afrika. 193 


Säuren Neutralsalze bildet, z.B. das Arctopium sulphuricum 
in weissen Krystallschuppen, wovon } Gran schon den 
Speichel zum Gerinnen bringt. Durch Einschnitte in die 
Wurzel erhält man ein eigenthümliches Harz. 

Die Schwarzen wenden dies Mittel hauptsächlich gegen 
Syphilis an, welche unter ihnen sehr häufig vorkommt. 

Viscum capense L., Wurzelpfropfreiser. Dieser 
Schmarotzerstrauch mit seinen schönen rothen Blumen 
wächst an den Stämmen mehrerer Arten Rhus und Euclea 
und ist der europäischen Mistel ähnlich. Man gebraucht 
ihn in Pulverform und Abkochung bei krampfhaften Zu- 
fällen, vorzüglich in der Epilepsie, Chorea. 

Valeriana capensiss, Katzenkraut, zwar nicht so 
kräftig, als die V. officinalis, doch in therapeutischer Hin- 
sicht eben so wirksam. Sie wächst überall an feuchten 
Orten. 

Matricaria capensis L, wilde Camille. Sie bedeckt 
oft grosse Flächen, doch glaubt man allgemein, sie sei 
nicht so wirksam, wie die gemeine Camille. Dennoch 
steht sie nicht nur der Matricaria Chamomilla und Anthe- 
mis nobilis gleich, sondern übertrifft sie sogar noch. Die 
Pflanze ist von bitterem aromatischem Geschmack und 
enthält sehr viel Oel. Sie wird vielfältig in rheumatischen 
und Krankheiten der weiblichen Geschlechtsorgane in 
Dampfbädern mit vorzüglichem Erfolge angewandt. 


Garuleum bipinnatum. Die Wurzel gleicht der Rad. 
Senegae, ist von scharfem, bitterem Geschmack und enthält, 
wie jene, eine grosse (Quantität harzigen Stoffes. Man 
gebraucht sie in denselben Fällen, wie die Rad. Senegae. 
— Auch gegen den Schlangenbiss wird sie im Decoct 
innerlich gebraucht und die Wunde damit gewaschen. 

Cotula multifida De Cand. wenden die Hottentotten 
gegen Rheuma, Verbrennungen und Hautausschläage an. 

Artemisia afra. Die ganze Pflanze hat einen balsa- 
mischen Geruch und einen bitteren, aromatischen, doch 
widerlichen Geschmack. Bei langwierigen Unterleibsleiden 


leistet sie gute Dienste. Man nimmt sie innerlich als Decoct 


und Tinctur, gebraucht sie auch zu trocknen Raucherungen 
und Bädern bei Rheumatismus, Oedem, Blutunterlaufungen 
u.s.w. Sie bewährt sich ferner als ein gutes Wurmmittel. 
Wächst überall in der ganzen Colonie in grosser Menge. 

Tanacelum muitiflorum, Wurmkraut,. Enthält viel 
Harzstoff und ein eigenthümliches ätherisches Oel von 
starkem Geruche und einem aromatisch bitterem, scharfem 
Geschmacke. Es wird als krampfstillendes, wurmtreiben- 


Arch. d. Pharm, CXXVIII. Bds. 2. Hft. 43 


19% Heilmittel im südlichen Afrika. 


des Mittel gebraucht. Grosse Strecken sind überall damit 
bewachsen. 

Eriocephalus afrıcanus L., wilder Rosmarin. Un- 
serem Rosmarin ähnlich, wirkt diuretisch. Man trifft ihn 
auf den meisten Gebirgen der Colonie. 

Stoebe Rhinozerotis L, Rhinozerosbüsche, Be- 
decken ungeheure Strecken wüsten Landes im Westen der 
Colonie. Jeder Theil des Strauches ist bitter und harzig. 
Man pflegt die grünen Aeste der Zweige mit Wein oder 
Alkohol ausziehen zu lassen und bei Digestionsstörungen 
zu gebrauchen. Ein vortreffliches Mittel. 

Leyssera gnaphaloides L, Gelbblumenthee. Wird 
als Thee bei katharrhalischen Affectionen benutzt. 

Osmites Bellidiastrum L. Die Pflanze enthält sehr 
viel aromatisches Oel, welches dem Cajeputöl ähnlich ist, 
und wird im Aufguss bei Brust- und Verdauungsbeschwer- 
den benutzt. In Alkohl gelöst zeigen sie sich sehr wirk- 
sam bei Lähmungen. Waächst überall auf den Gebirgen 
und in grosser Menge auf dem Tafelgebirge. 


Euryops multieidus De Cand. Ein kleiner Busch, von 
dessen Stämmen und Zweigen ein gelblich durchschei- 
nendes Harz schmilzt, welches dem Mastix in jeder Hinsicht 
gleicht. Wächst an den sandigen Ufern des Elephanten- 
flusses. 

Stobaea heterophylla, Harngrieswurzel. Die zer- 
quetschten Wurzeln werden bei Harngries in Tinctur ver- 
ordnet. Sie wächst auf dem sandigen Haidegrunde der 
Südspitze. 

Lobelia pinifolia L. Die harzige Wurzel des kleinen 
Strauches ist schweisstreibend. Man braucht das Decoct 
bei Hautkrankheiten, Rheumatismen und Gicht. Wächst 
überall in dem gebirgigen Westen der Colonie. 

Gomphocarpus undulatus. Seine scharfe, bittere Wur- 
zel wird im Decoct oder Infusum bei Wassersuchten und 
in Tinctur bei Colik gebraucht. Er wächst auf den Hoch- 
ändern der westlichen Provinz. 

i Solanum giganteum, Heilblätter. Die Blätter wer- 
den auf Geschwüre gelegt: zuerst die wollige Seite zur 
Reinigung eines schlechten Geschwürs, dann die glaite zur 
schnellen Heilung. 

Datura Stramonium Juss. Die Blätter sind das vor- 
züglichste Mittel gegen die grossen Schmerzen des ein- 
heimischen Zinkenkoorts; sie werden erwärmt auf die 
schmerzhaften Theile gelegt, bis Schweiss erfolgt, oder 
man gebraucht den Dampf des Aufgusses zum Bade. 


Heilmittel im südlichen Afrika. 195 


Lyperra atropurgurea, Gelbblümchen. Bisher wur- 
den dıe gelbbraunen Blumen nur bei Krämpfen kleiner 
Kinder angewandt. Die Malaien farben ihre Tücher damit 
dunkel-orangegelb. Die Blumen der Zyperia erocea be- 
sitzen dieselhe Eigenschaft als Arznei und Färbestoff. Sie 
wachsen auf den Hochländern da am üppigsten, wo der 
Boden mit Eisenocker durchdrungen ist. 

Mentha lavendulacea. Sie enthalt ein ätherisches Oel 
von bitterem, scharfem Geschmack, und wird wie die 
anderen Münzen gebraucht. Wachst üppig an allen feuch- 
ten Orten. 

Leonotis Leonurus und ZL. ovata, wilder Hanf. Wird 
als Emmenagogum und Purgans gebraucht. Getrocknet 
rauchen es die Hottentotten und Buschmänner anstatt 
des Tabacks. Beide sind betäubend und erzeugen einen 
dauerndern Stumpfsinn, als Opium. Wächst auf fettem 
Boden. 

Cassytha filiformis L. Ein blattloser Parasit, wächst 
überall; eine Abkochung wird gegen Kopfläuse gebraucht, 
auch soll sie das Wachsthum der Haare befördern. 

Protea mellifera L, Zuckerbusch. Die Hüllen der 
herrlichen Blume dieses schönen Busches sind mit einer 
süssen wässerigen Feuchtigkeit erfüllt, die sehr viel Zucker- 
stoff enthält. Durch Eindickung bereitet man einen treff- 
lichen Syrup, ein ausgezeichnetes Mittel gegen Katarrh. 

Rieinus lwidus. In frischem Zustande ist das Oel 
sehr angenehm, gleicht einem feinen Mandelöle und ist 
dann auch wirksamer. Die Eingeborenen pflegen den 
Samen zu essen, allein sehr vorsichtig, denn schon einige 
Körner verursachen Durchfall Auf feuchtem Grunde ge- 
deiht die Pflanze überall und erreicht oft eine Höhe von 
70 Fuss. 

Hyamanche globosa. Die Frucht des Busches ist sehr 
giftig. Mit dem Pulver der vierzelligen Nüsse pflegen die 
Colonisten Hyänen und andere wilden Thiere zu vergiften. 
Es scheint Strychnin zu enthalten. Die Pflanze wächst 
am Elephantenflusse. ie 

Gunnera perpensa L.. wilder Rettig. Wächst überall 
an feuchten Orten. Die Wurzel in Abkochung wird gegen 
Verdauungsbeschwerden gebraucht, die Tinctur gegen Harn- 
gries, die Blätter infundirt gegen Katarrh, die frischen Blät- 
ter äusserlich zur Reinigung von Wunden und Geschwüren. 

Piper capense L., Buschpfeffer. Wächst in den 
dichten Waldungen der östlichen Küstenländer. Seine 
Beeren, von aromatischem Geruch und beissendem Ge- 
schmack pflegen, in Alkohol aufgelöst, gegen Verdauungs- 


43* 


SE 


196 Heilmittel im südlichen Afrika. 


beschwerden gebraucht zu werden. Sie sehen aus wie 
Cubeben, haben einen ähnlichen Geschmack und dürften 
sich vielleicht in denselben Fällen wirksam erweisen. 

Callitris Echlorüi Schubertia capensis. Von den Zwei- 
gen und Zapfen schmilzt ein Harz aus, welches bald an 
der Luft verhärtet, gelb wird und von Sandarak nicht sehr 
verschieden ist. Desselben bedient man sich zu Räuche- 
rungen bei Rheumatismen, Gicht und Oedem und verwen- 
det es zu Pflastern. Wächst auf den Gedernbergen bei 
Clanwilliam. 

Haemanthus coccineus L, Sandelblätter. Die fri- 
schen Blätter pflegt man auf Geschwüre zu legen. Die 
Zwiebel, in Scheiben geschnitten, wird in Essig eingeweicht, 
dann Honig zugesetzt und im Oxymel gekocht, welches 
in Wassersuchten ein vorzügliches Diureticum sein soll. 

Gethyllis spiralis. Die fleischige Frucht, mit Alkohol 
gekocht, wird für ein stärkendes Mittel gehalten. Sie 
riecht wie eine Ananas. " 

Aloe. Es sind am Cap drei Arten einheimisch: Aloe 
ferox, die beste, A. africana, minder bitter und drastisch, 
A. plicatilis, wild wie die Alo& von Barbadoes. Von den 
Colonisten wird die Alo& nur selten als Drasticum ange- 
wandt, doch werden grosse Mengen ausgeführt, da im 
Innern grosse Gebirgsketten mit Alo& bewachsen sind. 

Drimia altissima. Aus der ziemlich festen Substanz 
des Zwiebelgewächses wird ein Oxymel bereitet, der in 
der Wirkung dem der Scilla gleichkommt. 

Tulbaghia alliacea und cepacea. Dies Zwiebelgewächs 
gleicht dem Knoblauch und wird am Cap vorzugsweise 
als Anthelminthicum angewandt. 

Eriospermum latifolıum. Die dunkelrothen Knollen 
werden zerquetscht auf wunde Hautstellen und Geschwüre 
gelegt. Die Muhamedaner gebrauchen eine Abkochung 
gegen Amenorrhöe. 

Die Fucoideen sind sehr zahlreich und, wie stets in 
der heissen Zone, oft von gigantischer Grösse, wie Echlonia 


ne Largassa, Laminariae, Macrocystis pyrıfera etc., 


‘die ohne Zweifel sehr reich an Jod sind. Selbst kleine 

Algen, z. B. Botryocarpa prolifera, färben es, wenn nur 

kurze Zeit in Wasser getaucht, dunkel -orangefarben. 
Berlin. Dr. Helfft. 


Glycerin. — Prüfung der Seifen. 197 


Glycerin. 


In grösster Menge und am wohlfeilsten lässt sich nach 
Chevallier das Glycerin aus dem Wasser darstellen, 
welches in den Stearinfabriken bei der unvollkommenen 
Verseifung mit Kalkmilch abfällt. Es wird dasselbe mit 
Schwefelsäure gefällt und verdunstet, doch ist hierbei zu 
beachten, dass man das Verdunsten mehrere Male unter- 
brechen und nach dem Erkalten der Flüssigkeit den von 
Neuem ausgeschiedenen Gyps entfernen muss, Sollte das 
Fluidum, nachdem dies geschehen, freie Schwefelsäure zei- 
gen, so wird diese durch Kali gesätügt, welches sich beim 
Verdunsten bis zu 30° B. abscheidet und nach dem Erkalten 
davon getrennt wird. Die Farbe ist jetzt eine bernsteingelbe 
und kann durch etwas thierische Kohle leicht ganz entfernt 
werden. Die Flüssigkeit hat nun die Consistenz eines 
Syrups und ist ganz farblos. Perrin benutzt das so 
erhaltene Glycerin als Zusatz .zu Toilettenseifen, zur Berei- 
tung wohlriechender Essenzen und anderer Parfümerien. 
Da es die Haut sehr geschmeidig macht, empfiehlt es sich 
und auch die Seifen, welche es enthalten, gegen manche 
Arten von Hautkrankheiten, wie dasselbe gewiss auch in der 
Technik bald eine Anwendung finden wird. (Bull. de la 
soe. d’ene. Mai 1853 p.232. — Polyt. Centrbl. 1853. No.21. 
P- 1321 — 1322.) Mr. 


Prüfung der Seifen. 


Da mit den im-Handel vorkommenden Seifen so man- 
cherlei Betrug getrieben wird, indem man ihnen die ver- 
schiedenartigsten Substanzen, z.B. Stärkemehl, Leim, mine- 
ralische Körper etc. oft in beträchtlicher Menge zusetzt, 
so liegt eine Prüfung derselben beim Einkauf im eigenen 
Interesse. Wittstein empfiehlt daher das Verfahren zur 
Untersuchung der Seife, welches Dumas in seiner ange- 
wandten Chemie beschreibt, als das beste in dieser Hin- 
sicht. Es ist folgendes: Beim Auflösen in Weingeist darf 
gute Seife nicht mehr als 1 Proc. ungelöste Theile hinter- 
‚lassen. Die Bestimmung des Wassers geschieht, indem 
man von der Oberfläche und aus der Mitte dünne Streifen 
schneidet und einer Temperatur von 100° aussetzt; der 
Gewichtsverlust ist Wasser. Die Menge des Alkalis erfährt 
man, wenn man eine bestimmte Menge Seife in Wasser 
löst und der Lösung so lange verdünnte Schwefelsäure 
zusetzt, bis die alkalische Reaction verschwunden ist. 

Um die Menge der fettigen Materien zu bestimmen, 


* 


198 Bestandtheile des menschlichen Schweisses. 


setzt man eine abgewogene Menge wasserfreies Wachs zu 
der mit Schwefelsaure gesättigten Seifenlösung und erhitzt, 
bis Alles geschmolzen is. Nach dem Erkalten wäscht 
man den entstandenen Wachskuchen ab, trocknet und 
wägt ihn; was er mehr wiegt, kommt auf Rechnung des 
Fettes der Seife. Die mit Schwefelsäure gesättigte Flüssig- 
keit kann dann verdampft und aus den erhaltenen Kry- 
stallen oder durch Platinchlorid ermittelt werden, ob die 
Basis Kali oder Natron oder eine Mischung von beiden ist. 


Mitunter enthalten die Seifen auch freies, d. h. nicht 
an Fettsäure gebundenes Kali, welches in solchem Falle 
ganz oder grossentheils als Carbonat darin ist; oder es 
findet sich darin eine Portion Fett im freien Zustande. 
Man findet Beides durch folgende Versuche. 


Man löst eine Portion Seife in Weingeist von 80 Proc. 
auf; bleibt kein Rückstand, so beweist dies zugleich die 
Abwesenheit von Alkali-Carbonat. Hat sich hingegen nicht 
Alles aufgelöst, so sammelt man den Rückstand auf einem 
Filter, wäscht ibn mit Weingeist von derselben Stärke 
vollständig aus, stellt dann den Trichter mit dem Filter 
auf ein anderes Gefäss und setzt das Waschen mit reinem 
Wasser fort. Zeigt das Waschwasser alkalische Reaction, 
so ist kohlensaures Alkali zugegen, dessen Menge man 
durch Sättigen des Waschwassers mit Schwefelsäure von 
bekannter Stärke bestimmen kann. — Um freies Fett 
nachzuweisen, löst man die fragliche Seife in 8 Tbeilen 
schwachem Weingeist (von 30 Proc.) auf. Gelatinirt dann 
auch eine solche schwach geistige Lösung in der Kälte, 
wie es bei den Talgseifen der Fall ist, so besass sie doch 
in der Wärme so viel Dünnflüssigkeit, dass sich das freie 
Fett davon abscheiden konnte. Nach dem Erkalten kann 
dasselbe leicht abgenommen und gewogen werden. 

( Wultst. Vierteljahrschr. 2. Bd. 4. H. 1853.) B. 


Bestandtheile des menschlichen Schweisses, 


Favre hat umfangreiche Untersuchungen darüber 
angestellt, aus denen sich folgende Schlüsse ergeben. 


N) Die Materien des Schweisses sind mit Ausnahme 
unbedeutender Spuren in reinem Wasser ganz löslich. 

2) Die bei weitem prädominirende Mineralsubstanz im 
Schweisse ist das Chlornatrium. 

3) Der Gehalt an alkalischen Sulfaten ist ausserordent- 
lich gering, der an alkalischen oder alkalisch-erdigen Phos- 
phaten fast Null. 


Neue Körper in Flüssigkeiten durch Elektricität. A499 


4) Die Analyse weist unwiderlegbar die Existenz der 
mh hp im Zustande eines Alkalısalzes im Schweisse 
nach. 

5) Ausserdem fand sich eine neue Säure, die Schweiss- 
säure, ebenfalls als Alkalisalz. 

6) Ferner wurde Harnstoff im Schweisse gefunden. 

7) Der Gehalt an Fett und Eiweiss ist sehr gering. 

8) Die Menge des Kalis im Vergleich zum Natron ist 
verhältnissmässig grösser bei den Salzen mit organischen 
Sauren, als bei den Mineralsalzen im Schweisse. 

9) Der Schweiss desselben Individuums, zu verschie- 
denen Zeiten gesammelt, hatte dieselbe Zusammensetzung, 
unter der Bedingung, dass die Volumina des ausgetriebe- 
nen Schweisses fast gleich sind. 

10) Fractionirt man den Schweiss von einer Transpi- 
ration in mehre Theile, so findet man Verschiedenheiten 
in dem wechselseitigen Verhältniss der Mineralsalze und 
der Salze mit organischen Säuren: die ersteren finden 
sich in der letzten Partie in überwiegender Menge. 

ii) Das Verhältniss des Wassers zur Summe der festen 
Bestandtheile wechselt nicht merklich in den verschiede- 
nen Zeiten, wo der Schweiss gesammelt wird. (Journ. 
de Pharm. et deChim. Sept. 1853.) A. O 


Bildung neuer Körper in Flüssigkeiten durch 
Elektricität. 

Dumas und Prevost hatten schon beobachtet, dass 
sich im Eiweiss und im Blute durch Einwirkung der Säule 
Fäden zeigen, welche vorher nicht darin existirten, und 
dass sie in der letzteren Flüssigkeit ganz das Ansehen 
der Muskelfaser haben. Aber hierbei erkannten sie der 
Elektricität nur die Fähigkeit zu, die in den Flüssigkeiten 
bereits enthaltenen Kügelchen in Fäden zu trennen. Das 
oben genannte Phänomen scheint nach Carlo Maggio- 
ravi im Gegentheil einen andern Grund zu haben. Die 
Rlektricität besitzt nach Maggioravi die Eigenschaft, 
Fäden und andere Körper von organischer Structur in 
den Flüssigkeiten zu erzeugen. Nicht allein im Eiweiss 
und im Blute, sondern auch in jeder andern Flüssigkeit, 
welche aller festen Molecüle entbehrt, kann man sich von 
dem Erscheinen solcher Körper überzeugen, wenn man 
sie der Einwirkung der Elektricität unterwirft. 

Das Experiment ist sehr einfach. Man nimmt frisch 
destillirtes Wasser und prüft einige Tropfen davon unter 


200 Neue Körper in Flüssigkeiten durch Elektrieität. 


dem Mikroskop, um sich zu vergewissern, dass kein fester 
Körper darin schwimmt. Hierauf lässt man etwas davon 
auf ein Uhrglas fallen, taucht das Ende eines Metalldrah- 
tes hinein, der mit dem Conductor einer Elektrisirmaschine 
communicirt, bedeckt das Glas mit einem andern und 
lässt die Maschine ungefähr eine Stunde lang einwirken. 
Untersucht man dann mit demselben Mikroskop das so 
elektrisirte Wasser, so bemerkt man darin kleine Körper 
von Zellen- oder Linsenform, darunter mehr oder weniger 
lange, fast immer gespaltene Fäden. Sämmtliche so ent- 
standene Körper lösen sich nicht in concentrirter Essig- 
säure und widerstehen der Wirkung einer hohen Tempe- 
ratur. Lässt man das elektrisirte Wasser einige Male 
aufwallen und prüft es dann unter dem Mikroskop, so 
wird man sehen, dass die Körperchen die Gestalt nicht 
verändern; man bemerkt nur hier und da, den Fäden 
entlang, zahlreiche Kügelchen, durch den Riss der Zellen, 
welche sie umgeben, hervorgebracht. 

Dieselbe Erscheinung wie in destillirtem Wasser, be- 
merkt man auch in organischen Flüssigkeiten, wie im 
Fleischdecoct, in der Gummilösung u.s.w. Diese Flüssig- 
keiten enthalten allerdings schon organische Molecüle 
suspendirt; aber die vergleichende Untersuchung dersel- 
ben Flüssigkeiten vor und nach der Behandlung mit Elek- 
tricität lässt keinen Zweifel über die Bildung neuer Körper. 

Theilt man das Weisse eines Eies in zwei gleiche 
Theile, bewahrt die eine Hälfte unter einer Glasglocke 
auf und unterwirft die andere 14 Tage lang, täglich zwei 
bis drei Stunden, der Einwirkung der Elektricität: so ist 
nach dieser Zeit die Verschiedenheit der beiden Flüssig- 
keiten so gross, dass sie dem nackten Auge sichtbar ist. 
Das elektrisirte Eiweiss nimmt eine blassgelbe Farbe an, 
wird dick, schmierig, lässt sich in feine Fäden ziehen und 
unter dem Mikroskop entdeckt man darin einen Complex 
organischer Körper, den man in der andern Hälfte Eiweiss 
keineswegs bemerkt. Die langen Fäden, die Zellen und 
die kleinen Lamellen werden in gleicher Weise mit un- 
bewafinetem Auge gesehen. 

Um in kurzer Zeit die Wirkungen zu studiren, welche 
die Elektricität auf das Eiweiss ausübt, bringt man einen 
Tropfen dieser Substanz auf das Glas des Mikroskops; 
kaum ist er in Berührung mit dem Leitungsdrabt der Elek- 
trisirmaschine, so bläht er sich auf und nimmt sehr rasch 
eine pyramidale Gestalt an. Bringt man 1 Tropfen Ei- 
weiss an das Ende eines Messingdrahtes, der mit dem 
Conductor in Verbindung steht, so wird man sehen, dass 


. 


Neue Körper in Flüssigkeiten durch Elektrieität. 201 


er sich durch eine einzige Drehung der Scheibe verlän- 
gert; bei fortgesetziem Drehen wird er nach verschiede- 
nen Richtungen mit Gewalt fortgeschleudert und in ausser- 
ordentlich feine Fäden zertheilt. Die Elektricität scheint 
jedes Atom Albumin zu durchdringen, und dieses jene 
nicht allein sehr schnell zu leiten, sondern ihre Intensität 
noch zu verstärken. 

Bei andauernder Behandlung mit Elektricität erzeugt 
sich in manchen Flüssigkeiten, wie im Fleischdecoct und 
im Eiweiss, ausser den genannten Körperchen noch eine 
Materie von röthlicher Farbe. 

Ausserdem bemerkt man oft in Molken, in Bouillon 
und im Eiweiss, nachdem man sie lange Zeit der Einwir- 
kung der Elektricität unterworfen, einige linsenförmige 
Körperchen, welche mit einer sehr lebhaften Rotations- 
bewegung begabt sind. 

Ein Taubenei wurde 14 Tage lang, zwei Stunden täg- 
lich, elektrisirt; ein mit dem Conductor der Maschine in 
Verbindung stehender Draht ging durch eine kleine Oeff- 
nung in seiner Mitte. Beim Zerbrechen des Eies konnte 
man dann mit blossem Auge lange Fäden von röthlicher 
Farbe bemerken. Bei mikroskopischer Untersuchung fand 
sich das Gelbe in feine Körner, das Weisse in sehr kleine 
Zellen verwandelt, und mitten im Weissen konnte man 
einige andere Fäden mit beweglichen Schwänzen unter- 
scheiden. 

Durch Galvanısmus kann man die genannten Körper- 
chen in gleicher Weise erzeugen, wie durch Reibungs- 
Elektricität. Eine nur aus zwei Plattenpaaren von dem 
Durchmesser eines Thalers bestehende Säule, deren Lei- 
tungsdrähte in Berührung mit der Flüssigkeit sind, zeigt 
schon nach zwei Tagen die fraglichen Körperchen, aber 
mehr Zellen und weniger Fäden. Die Erzeugnisse einer 
stärkeren Säule stehen nicht im Verhältniss zu der Inten- 
sität des Stromes. Die Stärke der elektrischen Kraft ist 
hierbei nicht maassgebend, sondern die Dauer ihrer Ein- 
wirkung. 

Am zahlreichsten und mannigfaltigsten werden die 
organischen Gebilde durch Einwirkung des Elektromagne- 
tismus. (Arch. belg. de med. milit. — Journ. de Pharm. d’ Anv 
Aoüt 1853.) 4.0. 


202 Prüfung einer Bultermasse auf Ziegenbutter. 


Ueber die Reaction der frischen Milch. 


Bei den vielfach widersprechenden Angaben über die 
Reaction frischer Milch hielt Schlossberger eine neue 
Prüfung für zweckdienlich. Er veranlasste Prüfungen in 
Hohenheim, deren Resultate die nachstehenden sind: 


A. Versuche an Kühen. 


1) Bei Stallfütterung mit Heu, Spreu und Runkelrüben: 
unter 20 Fällen nur mal schwach säuerlich und einmal 
stark sauer. 

2) Stallfütterung mit Topinambur und Futterroggen 
(Juni Abendmilch): in 39 Fällen 8mal schwach sauer, nie 
stark sauer. 

3) Stallfütterung mit grünem Futter (erster Schnitt von 
rothem Klee): unter 35 Beobachtungen (Abendmilch) A6mal 
schwach und 16mal stark sauer; und nur 3 Fälle neutral. 


B. Versuche an Stuten (zur Zeit des Abfohlens). 

1) Stallfütterung (Hafer und Heu, April): unter 9 Fällen 
einmal säuerlich, nıe sauer. 

2) Stallfütterung (Hafer und Heu, Mai): unter Al Fällen 
wurde kein einziges Mal Lackmus geröthet.; 

3) Theilweiser Weidegang; Morgens und Abends nach 
Heufütterung: unter 9 Fällen einmal sauer. 

%) Vollständiger Weidegang, ohne alles Heu, nur noch 
6 Pfd. Hafer täglich: 15 Beobachtungen, und alle sauer, 
nämlich 6 stark und 9 schwach sauer. 

C. Versuche an Mutterschafen. 

4) April; die Milch Morgens im Pferch untersucht 
(vollständige Weide): alle Milch sauer (8 Fälle). 

2) A bis 8 Tage nach dem Lammen bei ausschliess- 
licher Stallfütterung: alle neutral oder nur zweifelhaft 
säuerlich. 

3) 8 bis 1% Tage nach dem Lammen bei ausschliess- 
lichem Weidegang, aber Nachts im Stalle: unter 8 Fällen 
2 sauer. 

%) Bei ausschliesslicher Grasfütterung im Stalle: alle 


- 


Fälle sauer. (Annal. der Chem.u. Pharm. 87.3.) B. 


Prüfung einer Buttermasse auf Ziegenbutter. 


Walz war mit einer solchen Prüfung beauftragt und 
führte sie aus, indem er 2 Loth der Masse mit Aetzkali 
verseifte, die Seife durch Chlorwasserstoffsäure zersetzte, 
die Fettsäure gut auswusch und mit Wasser der Destillation 


Natur des Fettes der Canthariden. 203 


unterwarf. Das erhaltene Destillat roch nach Buttersäure, 
ohne bockartigen Nebengeruch, wie Ziegenbutter ihn geben 
soll. Das wasserhelle Destillat wurde mit Alkohol und 
Schwefelsäure digerirt, wobei nur Butteräther sich bildete. 
(Jahrb. für prakt. Pharm. XXVIl. 3.) B. 


Darstellung der Harnsäure von Wicke., 


In einen geräumigen kupfernen Kessel werden 20 Loth 
Borax in 70 Pfd. Wasser gelöst, in die Lösung zwei leinene 
Beutel, jeder 3{ Pfd. trockne Tauben -Excremente enthal- 
tend, gebracht und eine Stunde lang unter Umrühren ge- 
kocht. Die Beutel werden entfernt, abtropfen gelassen, 
in der kochenden Boraxlösung + Pfd. krystallisirter Sal- 
miak aufgelöst, der Kessel vom Feuer entfernt und erkalten 
gelassen. Nach 12 Stunden findet man einen reichlich 
grünlich-weissen Niederschlag von harnsaurem Ammoniak. 
Die klare Flüssigkeit wird mit einem Heber entfernt, neues 
Wasser aufgegossen und diese Operation erneuert, bis die 
Flüssigkeit farblos geworden ist. Der Niederschlag wird dann 
wieder mit verdünnter Boraxlösung gekocht, wobei viel 
schleimige Masse ungelöst bleibt. Die Lösung wird erwärmt 
und in eine Mischung von I Lth. Schwefelsäure mit 2Lth. 
Wasser gegossen. Nach dem Erkalten hat sich die Harnsäure 
krystallinisch abgeschieden. Sie ist hellbraun gefärbt und 
wird gereinigt durch Auflösen in Kali, Eintrocknen der 
Lösung, Wiederholung derselben Operation und Zersetzung 
mittelst Schwefelsäure Wicke erhielt so 4 Proc. schnee- 
weisser Harnsäure aus den Tauben-Excrementen. (Annal. 
der Chem. u. Pharm. 57. 2) DB. 


Die Natur des Fettes der Canthariden. 


Dieses Fett, aus Trommsdorff’s chemischer Fabrik 
bezogen, war nach Gössmann von butterartiger Con- 
sistenz, etwas körnig, stark grün gefärbt, besass den Ge- 
ruch der Canthariden, reagirte sauer. Die Fettmasse 
wurde aus margarin- und elainsaurem Lipyloxyd bestehend 
gefunden. (Annal. der Chem. u. Pharm. 86. 3 ) Bi; 


Prüfung des Olivenöls auf einen Gehalt an 
Mohu- oder Erdnussöl, 


C. Marchand, welcher die oben genannten Oele 
und die Gemische derselben nach allen Beziehungen hin 


204 Gehäusedeckel der Weinbergsschnecke. 


physikalisch untersucht hat, und auch das vonLefebre in 
Amiens vorgeschlagene verschiedene specifische Gewicht, 
da es nur zwischen den engen Grenzen von 54—59° liegt, 
eben so unzureichend, als die Verschiedenheit der übrigen 
physikalischen Eigenschaften fand, benutzt die Schwefelsäure 
als Unterscheidungsmittel, doch nicht in Rücksicht auf die 
verschiedene Temperatur, welche sie mit den Oelen erzeugt, 
sondern in Hinblick auf die verschiedene Farbe, welche 
die chemisch reine, ungefärbte Säure bei der Berührung 
mit den verschiedenen Oelen hervorbringt. — Man bringt 
zu diesem Behufe 4 Tropfen des fraglichen Oels und 
2 Tropfen Schwefelsäure auf einen Porcellanteller und 
nach und nach durch Steigen in Berührung. 

Olivenöl, so behandelt, zeigt an der Berührungs- 
stelle eine gelbe, ins Orange ziehende Farbe, das zunächst 
befindliche ıst schmutzig-grau und geht rasch in Schwarz- 
braun über, während die anfangs gelbe Stelle nach und 
nach leicht kastanienbraun wird. Niemals kommen blaue 
oder lilla Farben zum Vorschein. 

Mohnöl nimmt, ebenso bebandelt, augenblicklich 
eine schöne citrongelbe Farbe an, nach 40 — 15 Minuten 
werden die umgebenden Theile rosenroth, dann rasch lılla, 
welches immer dunkler wird. 

Beim Erdnussöl bemerkt man ein’ leichtes und 
rascheres Mischen des Oels mit der Schwefelsäure, daher 
die sich erst bildende gelbe Farbe schnell in Kastanien- 
braun übergeht, die Umgebung wird hier rasch dunkel- 
olivengrün, nicht erst schmutzig-grau, wie beim Olivenöl. 

Auch Gemische dieser Oele sollen sich bei einiger 
Uebung leicht beim Festhalten an die Grundeigenschaften 
unterscheiden lassen. /Journ. de Pharm. Oct. 1853. p. 267 
bis 274. — Polyt. Centrbl. 1853. No. 23. p. 1447 — 1450.) 

fe ua Mr. 


Analyse des Gehäusedeckels der Weinbergsschnecke 
(Helix pomatia) von Wicke. 
3 CaO, PO> 5,73 ' 
CaO, CO: 94,2% BT 
93397: * 
Analyse eines Trochusdeckels. ” 
Ca9,.C07 98,72 
Organische Substanz, Spuren 
von phosphorsaurer Talkerde 1,28 


100,00. 
(Annal. der Chem. u. Pharm. 87. 2.) B. 


Oyankalium in der analytischen Chemie. 205 


Die Anwendung des Cyankaliums in der analytischen 
Chemie. 


.. H. Rose hat Versuche angestellt, um zu bestimmen, 
in welchen Fällen das jetzt leicht darzustellende Cyan- 
kalium zur quantitativen Analyse verwendet werden kann. 
Nach ihm ist das Cyankalium bei Analysen auf nassem 
Wege da zu benutzen, wo Metalle zu trennen sind, von 
denen die Verbindung des einen mit Cyan in Cyankalium 
vollständig löslich, dıe des andern unlöslich ist. 

Die Anwendung des Cyankaliums in der 
analytischen Chemie. — Das Cyankalium, welches 
jetzt durch Liebig’s Entdeckungen so billig dargestellt 
werden kann, eignet sich nach H. Rose in der quantita- 
tiven Analyse auf nassem Wege zur Trennung mehrerer 
Metalle nur da, wo das eine der entstandenen Cyanmetalle 
in Cyankalium vollständig löslich, das andere unlöslich ist, 
und bei der Reduction von Metallen auf trocknem Wege nur 
dann, wenn die Verwandtschaft des Cyans zum Metall eine 
geringe ist; aus den Oxyden bildet sıch dann cyansaures 
Kali, aus den Schwefelmetallen Rhodankalium. Nach ıhm 
sind daher nur das Arsenik, das Antimon, das Wismuth, 
Blei und Zinn durch Cyankalıum vollständig zu reduciren. 
Ueber letztere Methode hat er Versuche angestellt, aus 
denen Folgendes hervorgeht. 

Arsenikverbindungen. — Das Cyankalium lässt sich 
zur Reduction des Arsens sehr gut verwenden, doch wegen der 
Flüchtigkeit des Arsens nur zur qualitativen Bestimmung. 
Es findet zwar die Reduction aus den höheren und niede- 
ren Verbindungen des Arsens mit Sauerstoff und Schwefel 
statt, doch immer leichter aus den niederen, daher man 
diese zu erhalten suchen muss. Ganz verhindert wird 
die Verflüchtigung, wenn noch mehr Schwefel oder andere 
leicht reducirbare Metalle vorhanden sind. Arsenigsaures 
Kupferoxyd, arsensaures Natron und Bleioxyd geben einen 
starken Arsenspiegel, wenn sie mit Cyankalıum zusammen- 

geschmolzen werden, doch erhält man keine Spur, wenn 
- man dem ersteren Kupferoxyd, oder den beiden letzteren 
 Bleioxyd zusetzt. Wenn man As?S? mit PbS, durch Fäl- 
Jung erhalten, mit CyK erhitzt, so erhält man einen deut- 
lichen Arsenspiegel, aber keine Spur, wenn beide Schwe- 
felverbindungen vorher zusammengeschmolzen wurden. 
Auch Silberoxyd und Gold vermag die Verflüchtigung des 
Arsens zu verhindern. Eisen, Nickel und Kobalt lassen 
ebenfalls eine Verflüchtigung des Arsens nicht zu. Dahin- 
gegen können Manganoxyd, Zinkoxyd, Wismuthoxyd, wenn 


206 Ueber Liebig’s Reaction auf Harnstoff. 


sie auch in grosser Menge vorhanden sind, die Verflüchtigung 
des Arsens bei dem erwähnten Reductionsverfahren nicht 
hindern. Von keinem Metall lässt sich aber das Arsen so 
vollkommen durch Schmelzen mit Cyankalium trennen, 
als vom Antimon, und zwar sowohl aus den Sauerstoff- 
als Schwefelverbindungen. Doch kann man dies Verfahren 
zur Prüfung des Antimon crud. deshalb nicht anwenden, 
weil letztes immer Schwefeleisen, Schwefelblei u. s. w. 
enthält. Noch ist zu bemerken, dass die arsenigsauren 
und arsensauren Salze der Alkalien und Erden sehr leicht 
durch CyK reducirt werden und das Arsen sich verflüchtigt; 
nur der arsensaure Kalk wird sehr schwer zerlegt. 
Antimonverbindungen. — Aus den Versuchen 
von H. Rose, das Antimon aus seinen Verbindungen mit 
Sauerstoff und Schwefel zu reduciren, geht hervor, dass 
die Verbindung des Antimons mit Sauerstoff durch CyK 
vollkommen reducirt wird, dass man das Antimon aber 
doch nicht genau quantitativ bestimmen kann, denn es 
verflüchtigt sich theils etwas Antimon, theils wird auch 
etwas bei dem Auswaschen mit Wasser gelöst, wenn man 
nicht sehr rasch verfährt. Aus dem Schwefelantimon wird 
durch Schmelzen mit CyK nur der grösste Theil Antimon 
reducirt und zwar unter Bildung von Rhodankalium; der 
andere Theil bildet mit dem entstandenen Schwefelkalium 
ein Schwefeisalz, welches der Einwirkung des CyK wider- 
steht. — Im Ganzen verhalten sich also die Verbindungen 
des Antimons mit Sauerstoff und Schwefel denen des 
Arsens analog. (Poggd. Annal. 1853. No. 10. p. 193— 208.) 
2 Mr. 


Ueber Liebig’s Reaction auf Harnstoff. 


Diese besteht darin, dass der Harnstoff durch Queck- 
silberchlorid in einer Flüssigkeit, wenn diese durch Kali 
schwach alkalisch gemacht, sich als einen blendend-weissen 
Niederschlag zu erkennen giebt. Dieselbe Reaction bringt 
aber auch nach H. Hirzel reines Ammoniak und viele 
organische Basen hervor; es ist daher nöthig, da Ammo 
niak in thierischen Flüssigkeiten fast immer vorkommt 
sich erst von dessen Abwesenheit zu überzeugen. /(Zischr. 
für Pharm. 1353. No.9. p. 144 ) Mr. 


Miscellen. 207 


Salmiakfabrikation mittelst der ammoniakalıschen Flüssig- 
keit der Steinkohlengas - Anstalten. 


Das Verfahren der HH. Möhrlin und Stoll, welche mittelst 
der ammoniakalischen Flüssigkeit der Steinkohlengas-Ansialten Salmiak 
fabrieiren, ist folgendes: 

Die ammoniakalische Flüssigkeit wird mit einer gewissen Menge 
gebrannten und gelöschten Kalks vermischt und dann in einem mittelst 
Dampfs erhitzten Kessel von Eisenblech destillirtt. Die flüchtigen Theile 
des Gemisches ziehen durch ein Schlangenrohr, worin sich der grösste 
Theil des Theers verdichtet, während das Ammoniak seinen Weg fort- 
setzt und durch einen Wulf’schen Apparat streicht, worin es die fremd- 
artigen Substanzen fast gänzlich abseizt, worauf es sich in einem 
letzten, mit kaliem Wasser umgebenen Gefässe verdichtet. Dieses 
flüssige Ammoniak wird zur Vorsicht ein zweites Mal destillirt. Das 
so gereinigte Ammoniak, welches nur noch unmerkliche Spuren von 
Theer enthält, dient, indem man es mit käuflicher Salzsäure in schwa- 
chem Ueberschuss sättigt, zur Bereitung des Salmiaks. 

Die salzige Auflösung wird über freiem Feuer in einem bleiernen 
Kessel abgedampft, und in dem Maasse, als sich das Salz niederschlägt, 
zieht man es mit hölzernen Rechen heraus; man lässt es abtropfen, 
worauf es in eine Ziegelform gebracht und darin mittelst einer Schrau- 
benpresse stark zusammengedrückt wird. Diese Salmiakziegel werden 
auf Trockengestelle in einer kleinen Kammer gebracht, die durch einen 
Theil der vom Abdampfkessel abziehenden Wärme geheizt wird. 

Durch Sublimation liefert solcher Salmiak ein ganz weisses und 
reines Product. (Bull. de la Soc. industr. de Mulhouse. 1853.) B. 


Untersuchung über die Wirkungen der erdigen Streu 
in den Viehställen. 


Payen hat schon früher die Anwendung von im Ofen getrock- 
neter Erde empfohlen, um Blut und die Exeremente dadurch aufsaugen 
zu lassen, welche man als Dünger benutzen will. 

Da man seit einigen Jahren auf manchen Gütern sich erdiger Streu 
bedient, um den Harn der Ställe etc. aufsaugen zu lassen, und über 
die Wirkung der verschiedenen Erden, besonders des kohlensauren 
Kalks, des Merge!s keine bestimmten Thatsachen vorliegen, die zur 
Beurtheilung der Wirkung dieser Körper auf den Harn dienen können, 
so hat Payen mit Poinsot und Wood Untersuchungen über diesen 
Gegenstand angestellt. Aus den Untersuchungen lässt sich schliessen: 

1) Gelöschter Kalk in einem Verhältnisse, welches das Gemenge 
ieigig macht, kann 6 Tage lang den grössten Theil der stickstoffhaltigen 
Substanzen des Harns, und wenn das Gemenge eine dicke Schicht 
bildet, fast den ganzen Stickstoffgehalt desselben (sogar mehr als der 
Thon) conserviren. 

2) Kreide, feucht und in einem Verhältnisse angewandt, wobei 
das Gemenge wenig consistent bleibt, in dünrer Schicht der freien 
Luft ausgesetzt, beschleunigt die Zersetzung des Harns und seinen 
Verlust an Stickstoff bedeutend im Vergleiche mit dem Kalkhydrat und 
dem Thon; in diesem Zustande, welcher im Stalle offenbar nachtheilig 
ist, könnte sie jedoch auf den Feldern die Fortschritte der Vegetation 
beschleunigen. 


en 


= 


208 Miscellen. 


3) Trockne Kreide, in dem Verhältnisse, welches eine feste 
Mischung giebt, und wenn man der Masse eine gewisse Dicke lässt, 
kann die stickstoffhaltigen Bestandtheile des Harns conserviren, jedoch 
nicht so gut wie das Kalkhydrat, 

4) Von diesen drei Mineralsubstanzen vermag, wenn das Gemenge 
in dünner Schicht der Luft ausgesetzt wird, nur der Thon den Verlust 
des grössten Theils der im Harne stickstoflhaltigen Substanzen zu ver- 
hindern. (Dingl. polyt. Journ. Bd. 130. H. 2.) 


Quantitative Bestimmung des Zinks im Messing und 
in der Bronze. 


Man soll zu diesem Behufe nach Bobierre die Zinkdämpfe in 
der Glühhitze durch einen Strom Wasserstoffgas entführen. Man setzt 
die Legirung in einem kleinen Porcellanschälchen höchstens # Stunden 
der Rothglühitze aus und leitet einen raschen Strom Wasserstoffgas 
darüber. Diese Methode soll genaue Resultate geben. (Dingl. polyt. 
Journ. 127. 398.) B. 


Sauerstoffgehalt verschiedener Braunsteine. 


Die in der Natur vorkommenden reinen Manganerze geben nach 
Kerl folgende Mengen Sauerstoff ab: 


Pyrolusit........ 18,10 Proc. Sauerstoff 
Varyiciasr. an 13,80 u 
Braunitf ea 10,00 7 
Hausmannit..... 6,80" „ 
Philomelan...... wechselnde Ausbeute, 


(Berg- u. Hültenm. Ztg. 1853. No. 9.) B. 


Bereitung des Dammarfirnisses. 


Nach Miller soll man in ein Gefäss von verzinntem Eisenblech, 
welches so gross ist, dass es nur halb gefüllt wird von der Mischung, 
gepulvertes auserlesenes Dammarharz bringen und so viel Terpentinöl 
hinzusetzen, dass ein leichter Teig entsteht, dann die Mischung unter 
Umrühren bis zum Sieden erhitzen und damit anhalten, bis dass der 
Boden des Gefässes sichtbar wird, dann vom Feuer nehmen und nach 
einiger Abkühlung so viel Terpentinöl beifügen, dass auf 1 Theil Dam- 
marharz 1% Theile Terpentinöl kommen und sodann durch Filz oder 
Watte filtriren. Um diesen Firniss, der starken Reibungen nicht wider- 
steht, dazu fähiger zu machen, soll man 1 Pfd. weissesten Copal 
schmelzen, mit 8Loth hellem Leinölfirniss versetzen und 1 Loth Dam- 
marfirniss langsam unter Umrühren hinzumischen und die nöthige Menge 
Terpentinöl hinzufügen. (Würtemb. Gewbl. 1853. 10.) B. 


Farbloser Lack. 


Man soll 4 Pfd. Sandarak, 17 Loth Kampfer und 24 Loth vene- 
tianischen Terpentin nach einander in 3 Schoppen Weingeist auflösen, 
die Lösung zum Klären an einem warmen Orte stehen lassen und mit 
dem erwärmten Lack in möglichst dünnen Schichten lackiren. (Gewbl. 
f. Grossh. Hessen. 1853. p. 15.) B. 


Miscellen. 209 


Salben für Leder. 


Hardegg giebt dazu folgende Vorschriften: 

No.1. 25 Pfd. gelbes Wachs, eben so viel Terpentinöl, 25 Pfd. 
Baumöl, 25 Pfd. Ricinusöl und 50 Pfd. gereinigtes abgekochtes Leinöl 
werden durch Schmelzen vereinigt und 371 Pfd, reinster Holztheer 
unter Umrühren hinzugemischt, 

No. 2, 121 Pfd. gelbes Wachs, 121 Pfd. Terpentinöl, eben so 
viel Rieinusöl, 125 Pfd. gereinigtes und gekochtes Leinöl und 34 Pfd. 
Theer. 

Das Leder wird, nachdem es mehr oder minder gut gegerbt ist, 
12 — 24 Stunden in weiches Wasser gelegt und einige Male gewalkt. 
Die Fettigkeit auf der Oberfläche wird dann abgeschabt, das Leder 
durch Pressen und Aufspannen von der überschüssigen Feuchtigkeit 
befreit, wenn es beinahe trocken ist, nochmals leicht abgerieben und 
dann in der Nähe des Feuers mit der Salbe eingerieben, so lange es 
davon aufnimmt, dann an der Sonne oder in der Wärme getrocknet. Auf 
diese Weise ertheilt man dem Leder Schutz gegen die Einwirkung 
von Luft, Hitze, Schweiss und eine dem Kautschuk ähnliche Dehnbar- 
keit. Altes Leder von Stiefeln, Schuhen, Pferdegeschirr, Kutschen 
muss erst durch Waschen von allem Schmutze befreit und dann drei- 
mal eingerieben werden. (Gewbl. aus Würtemb.) B. 


Gefässe zur Aufbewahrung der Flusssäure. 


Städeler hat beobachtet, dass Gutta Percha und vulkanisirtes 
Kautschuk der Einwirkung der Flusssäure sehr gut widerstehen; diese 
Stoffe bieten deshalb ein geeignetes Material dar zur Anfertigung von 
Gefässen, worin die Säure aufbewahrt werden soll. 

Seit länger als 4 Jahre in einer von Hrn. Martin Wallach in 
Kassel erhaltene Gutta Percha - Flasche aufhewahrte Flusssäure zeigte 
sich bis auf den letzien Tropfen vollkommen klar und farblos. Zur 
Darstellung der Flusssäure benutzt Städeler einen Kolben von Blei, 
der die Form eines Digerirglases hat, dessen Hals abgesprengt ist. 
Er hat etwa 5” inneren Durchmesser und die Weite des sehr kurzen 
Halses beträgt gegen 13”. In die ausgedrehte Mündung wird ein gut 
schliessendes weites Bleirohr von 4” Länge gesteckt, dessen oberes 
Ende etwas zusammengezogen ist, damit es durch einen gewöhnlichen 
Flaschenkork, der ein zweischenkliges Bleirohr trägt, verschlossen 
werden kann. Der längere Schenkel dieses Rohres ist 6“ lang; man 
verbindet ihn mit einer diekwardigen Röhre von vulkanisirtem Kaut- 
schuk von beliebiger Länge, die in die zur Aufbewahrung der Fluss- 
säure bestimmte Gutia Percha - Flasche mündet. Wegen der leichten 
Absorption des Fluorwasserstoffgases und der damit verbundenen Gefahr 
des Zurücksteigens lässt man die Kautschukröhre während der Dar- 
stellung der Säure das vorgelegte Wasser nicht berühren, und trägt 
für eine gute Abkühlung Sorge. 

Der Apparat ist bei den angegebenen Dimensionen leicht zu rei- 
nigen, und die Verlängerung des Kolbens durch ein weites Bleirohr 
macht das Ueberspritzen von Gyps und Schwefelsäure unmöglich. 
(Ann. der Chem. u. Pharm. Bd. 87. p. 137.) 


un 


Arch. d. Pharm. CXXVII. Bäs. 2. H£ft, 14 


210 


IV. Literatur und Kritik. 


Canstatt’s Jahresbericht über die Fortschritte in der 
Pharmacie und verwandten Wissenschaften im Jahre 
1852. Verfasst von Dr. Eisenmann, Prof. Dr. Falk 
in Marburg, Prof. Dr. Klencke in Braunschweig, Prof. 
Dr, Löschner in Prag, Prof. Dr. Ludwig in Zürich, 
Prof. Dr. Scherer in Würzburg, Prof. Dr. Wiggers 
in Göttingen. — Neue Folge. II. Jahrgang. Zweite 
Abtheilung. Würzburg 1853. 


Bericht über die Leistungen in der physiologischen Physik von Dr. 
A. Fick, Prosector in Zürich, unter Mitwirkung des Dr. Ludwig 
in Zürich. 

Die Verfasser erklären sich in einer Einleitung über den Stand- 
punct, von dem sie bei ihrer Berichterstattung ausgehen wollen, Sie® 
trennen die allgemein physikalischen Arbeiten von den unmittelbar 
auf organische Erscheinungen Bezug habenden, stellen aber diejenigen 
Arbeiten zusammen, welche auf die moleeularen Vorgänge zurückgehen, 
und dann wiederum diejenigen, welche nur die Erscheinungen an 
endlichen Massen, als Elementen behandeln. Anhangsweise geben sie 
dann noch eine Besprechung der wichtigsten Arbeiten, durch welche 
neue Hülfsmittel oder Methoden für die physikalische Forschung über- 
haupt geschaffen sind. 

I. Rein physikalische Arbeiten, die auf die molecularen Vorgänge 
oder Kräfte zurückgehen, und namentlich auf die Constitution der 
Materie Bezug haben. Er 

Sie beginnen die Besprechung mit W. Webers elektro - dyna- 
mischen Maassbestimmungen, namentlich über den Zusammenhang der 
Lehre vom Diamaznetismus mit der Lehre vom Magnetismus und der 
Elektricität. Der Hauptgedankengang darin ist dieser: 

Man kann sich überhaupt 4 Arten von innern Ursachen denken, 
welche die magnetischen oder diamagnetischen Erscheinungen hervor- 
bringen können, die sich bei der Wirksamkeit einer äussern Ursache 
(einer magnetischen Scheidungskraft) zeigen: 

1) Es sind 2 magnelische Fluida vorhanden, die von ihrem pon- 
derabeln Träger mehr oder weniger unabhängig beweglich sind. 

3) Es sind 2 magnetische Fluida vorhanden, die jedoch nur mit 
den Molecülen ihres ponderabeln Trägers beweglich sind (drehbare 
Molecularmagnete). 

3) Es sind beharrliche, von den beiden elektrischen Fluidis gebil- 
dete Molecularströme vorhanden, die mit den Molecülen drehbar sind. 

4) Es sind nur die beiden beweglichen elektrischen Fluida vor- 
handen, die in Molecularströmung vers i können. 2) und 
3) sind nach Ampe&re’s Theoremen identisch, 


Literatur. 211 


Weber hat drei wichtige Erfahrungssätze als mit der Theorie 
im Einklang stehend nachgewiesen: 1) die Körper werden im All- 
gemeinen durch Wärmezufuhr ausgedehnt; 2) der Ausdehnungsco@f- 
fieient steigt mit zunehmender Temperatur; 3) die durch Wärme 
bewirkte Ausdehnung ist für specifisch schwerere Körper geringer. 
Die Theorie ergiebt ferner, dass für gewisse Werthe der reciproke 
Werth des Ausdehnungscoefficienten negativ werden kann, und daraus 
würde sich dann die merkwürdige Volumzunahme des Wassers bei 
abnehmender Temperatur unter 4°,1 und die vonMitscherlich beob- 
achtete Zusammenziehung des Kalkspaths in gewissen Richtungen bei 
zunehmender Temperatur erklären lassen, 

Seguin sucht die Bedingungen, unter denen die Phänomene der 
Cohäsion angesehen werden können, als einfache Folgen der allge- 
meinen Newton’schen Attraction darzustellen. Er verspricht künftig 
zu beweisen, dass die Molecüle, wenn man sie sich im Raume ver- 
breitet und sich selbst überlassen vorstellt, sich in geradlinige Reihen 
zu ordnen streben, die regeimässig um ein gewisses Centrum grup- 
pirt sind. 

Gaudin hat über Atomgruppirung im Molecül folgende Princi- 
pien aufgestellt: 

1) Ausser den tetratomischen Molecülen einiger einfachen Körper 
sind alle Molecüle und Atomfäden zusammengesetzt, die der reellen 
oder fingirten Axe des Molecüls parallel laufen. 

2) Ausser dem kubischen System sind alle Krystalle zusammen- 
gesetzt aus Molecülen mit parallelen Axen. 

3) Von allen Molecülen und Krystallen ausser denen von rhon- 
bisch- prismatischer oder gerade rectangulär - prismatischer Gestalt gilt 
dies: Verbindei man die reellen oder fingirten Centren der Atom- 
fäden (oder der Molecülfäden in den Krystallen) durch gerade Linien, 
so schneiden sich diese unter Winkeln von 60° oder 90°. 

4) Alle Molecüle unter den ebenen tetra@drischen, kubischen und 
rhombisch- oder rechteckig-prismatischen sind Doppelpyramiden ven 
3, 4 oder 6 Seitenflächen prismirt oder nicht. Diese Doppeipyramiden 
gruppiren sich zu 3 oder 6 um eine im hexagonalen, zu 4 oder 8 um 
eine im quadratischen System, mit oder ohne Einfassung von linearen 
Molecülen erster Ordnung, zu complicirteren Molecülen, die ihrerseits 
dann Tafeln oder Prismen mit 3, 4 oder 6 Seiten und mit abgestutz- 
ten Doppelpyramiden darstellen. 

Aus den Experimenten vonBecquerel und Fremy ergiebt sich, 
dass das Ozon nichts anderes ist, als eine alloiropische Modificalion 
des Sauerstoffs. ‚ 

Bunsen ist bei seiner Untersuchung über die Verwandtschaft zu 
folgenden Resultuten gelangt: 

1) Wenn man einen Körper A., der mit den Körpern B, B’ etc. 
Verbindungen einzugehen im Stande ist, mit diesen im Ueberschuss 
vorhandenen gleichzeitig unter Umständen zusammmenbringt, die der 
Verbindung günstig sind, so bemächtigt sich A. einer gewissen Quan- 
tität von jedem dieser Körper, und zwar stehen diese Quantitäten in 
eonstanten einfachen Verhältnissen, so dass sich 1,2,3 u. s. w. Alone 
von der einen Verbindung bilden, wenn sich 1, 2, 3 Atome u. s. w. 
von den andern bilden. 

2) Bildet sich ein Atom von der Verbindung A+B und eins 
von der Verbindung AB’, so kann man die angewandte Masse von. 
'B bis zu einer gewissen Grenze vermehren, ohne dass das Verhältniss 


ee (ir 


212 Literatur, 


der Quantitäten der beiden entgegenstehenden Verbindungen A + B 
und A+ B‘ geändert wird. Ueberschreitet man diese Grenze, so 
ändert sich jenes Verhältniss plötzlich, indem nunmehr auf 4 Atom 
der einen 2, 3 oder mehrere Atome der andern Verbindung kommen. 
Man kann dann die Masse von B wiederum bis zu einer neuen Grenze 
vermehren, ohne das Verhältniss zu ändern. 

3) Wenn ein Körper A auf einen Ueberschuss der Verbindung 
BC wirkt, die er unter Bildung von AB und Freiwerden von C zer- 
setzen kann, dann findet sich schliesslich die zersetzte Quantität von 
BC in einem einfachen Atomverhältniss zur unzersetzt gebliebenen. 

4) Man kann auch bei diesen Zersetzungen bis zu einer gewissen 
Grenze die Masse des Körpers vermehren, ohne dieses Atomverhält- 
niss zu ändern, bis es dann plötzlich in ein anderes übergeht. 

II. Rein physikalische Arbeiten, welche die Erscheinungen an 
endlichen Massen zum Gegenstande haben, 

Kupfer sucht das mechanische Aequivalent der Wärme dadurch 
zu bestimmen, dass er unmittelbar ihre ausdehnende Kraft mit der 
ausdehnenden Kraft eines Gewichts vergleicht, und findet Werthe, die 
von dem von Funke auf so ganz anderem Wege gefundenen Geseiz 
nicht erheblich abweichen. 

Favre und Silbermann haben eine sehr ausgedehnte und 
exacte Experimental-Untersuchung über die Verbrennungswärme einer 
grossen Anzahl einfacher und zusammengesetzter Körper angestellt. 
Namentlich interessant sind die Resultate in Betreff der Kohlenwasser- 
stoffe und der fetten Säuren. Es fand sich nämlich: Die Verbren- 
nungswärme der flüssigen, nach der Formel n (Ü2H?) zusammengesetz- 
ten Kohlenwasserstoffe ist um so kleiner, je mehr der Atomcomplex 
(C2H?) verdichtet erscheint, und zwar sinkt für jedes neu in die 
Verbindung eintretiende C:H? die Verbrennungswärme um die con- 
stante Anzahl von 37 Einheiten, so dass also die Gewichtseinheit der 
Verbindung n(C?H?) bei ihrer Verbrennung 37 Wärmeeinheiten mehr 
liefert, als die Gewichtseinheit der Verbindung (n + 1) (C?H2). 

Die Verbindungswärme der Stoffe aus der Gruppe der fetten 
Säuren wurde um so grösser gefunden, je öfter in ihre Formel der 
Atomcomplex (C?H?) eingeht. Etwas Analoges ergab sich für einige 
andere Gruppen von Stoffen, die aus C,H und O. bestehen. 

Auf die Verbrennungswärme des Schwefels schien die Krystall- 
form von Einfluss, Der Schwefelkohlenstoff hat bekanntlich eine grös- 
sere Verbrennungswärme, als die Summe seiner Bestandtheile. Kohle 
liefert in Stickoxydul verbrannt mehr Wärme, als in reinem Sauerstoff. 
Kalkspath absorbirt Wärme, indem er sich zersetzt. Arragonit absor- 
birt Wärme, indem er sich in Kalkspath umwandelt, 

III. Molecularphysik der organischen Materie. — Bietet Nichts 
dar, was die Pharmacie interessirt. 

IV. Physikalisch-physiologische Arbeiten der zweiten Gruppe. 

V. Hülfsmittel der physikalischen Forschung. 


Bericht über die Leistungen in der physiologischen Chemie 

von Dr. Scherer in Würzburg. 

Nach Besprechung eines Werkes: »Traite de Chimie anatomique 
et physiologique von Robin und Verdewil«, welche nichts Neues 
darbietet, kommt Dr. Scherer auf das Werk von Jacob Mole- 
schott: »Der Kreislauf des Lebens. Ph} ologische Antworten auf 
Liebig’s chemische Briefe.« P BR 


E 


Literatur. 213 


In diesen Briefen stimmt der Verf. grösstentheils den Ansichien 
Liebig’s bei, widerspricht aber in einigen ganz und gar. Mole- 
schott will die Kenntaiss der Natur als einen Weg zur Erkenntniss 
der Allmacht nicht gelten lassen. Als Erkenntnissquellen des Men- 
schen werden die Sinne bezeichnet, Je mehr diese entwickelt sind, 
um sc vollständiger wird die Erkenniniss; Entwickelung der Sinne ist 
die Grundlage der Entwickelung des Verstandes. Hat der Mensch alle 
Eigenschaften der Stoffe erforscht, die auf seine entwickelten Sinne 
einzuwirken vermögen, dann hat er auch das Wesen der Dinge 
erfasst. Damit erreicht er sein, d.h, der Menschheit, absolutes Wis- 
sen. Ein anderes Wissen hat für den Menschen keinen Bestand. Das 
Gesetz ist das Allgemeine aus den Eigenschaften vieler Körper und 
aus den sinnlichen Merkmalen verschiedener Erscheinungen. Es ist 
nur durch Erfahrung zu finden. Die Erklärung des Gesetzes ist nicht 
reine Thatsache der Vernunft, sie ist nur eine Weiterführung der Er- 
zählung. Das Gesetz ist nur der aus den sinnlichen Merkmalen ab- 
geleitete Gedanke. 

Der 3te Brief handelt von der durch die Waage nachgewiesenen 
Unsterblichkeit des Stoffes und von dem Kreislaufe desselben in der 
Natur. Der 4te von dem Wachsthum der Pflanzen und Thiere, bedingt 
durch die endosmotische Wirkung der Zellen, durch die Verdunstung, 
überhaupt durch den gegenseitigen Austausch von Flüssigkeiten, welche 
durch eine Haut getrennt sind. Der Austausch richtet sich nach der 
Art der Stoffe. Ohne Stoffwechsel lebt keine Zelle. Ohne lebende 
Zelle, die aus der umgebenden Keimflüssigkeit schöpft, ist Wachsthum 
nicht denkbar. Von der Erde als Werkzeug der Schöpfung von Thie- 
ren und Pflanzen handelt der 5te Brief. Nach festen Gesetzen soll 
die Pflanzenwurzel die organischen wie unorganischen Bestandtheile 
des Bodens aufnehmen. Zahlreiche Beispiele haben bewiesen, dass 
an ein allgemeines Gesetz der Vertretung in dem Sinne, der nur die 
Sättigung der Säuren durch ein bestimmtes Gewicht von Basen erfor- 
dern sollte, nicht zu denken ist. Wie die Pflanzenart an gewisse 
anorganische Bestandtheile des Bodens gebunden ist, und sie noth- 
wendig darin voraussetzt, so sind wieder gewisse Theile der Pflanze 
und ihre Entwickelung an gewisse Mineralbestandtheile geknüpft; so 
der Samen an Kalk und Phosphorsäure, der Stengel an Kalk und 
Chlor (so wie Kieselerde, wie Scherer mit Recht einschaltet). Die 
Haupimasse ihres Leibes bildet die Pflanze aus der Kohlensäure der 
Luft; allein ohne die anorganischen Stoffe ist die Bildung der orga- 
nischen Grundlage von Blatt und Stengel eine Unmöglichkeit. Die 
Thiere sind in dieser Hinsicht Ebenbild der Pflanze. Beim Thiere wie 
bei der Pflanze sind Art und Gattung, wie die Entwickelung der ein- 
zelnen Gewebe an die Aufnahme ganz bestimmter Salze ganz noth- 
wendig gebunden. 

Der 6te Brief vertheidigt die Humustheorie, schreibt dem humus- 
sauren Ammoniak eine grosse Rolle in der Pflanzenernährung zu. 
Ueber den Einfluss der Mineralbestandtheile des Bodens auf die Ent- 
wickelung der organischen Stoffe der Pflanze verbreitet sich der Tie 
Brief, während der Ste vom Verbäliniss zwischen Pflanzen und Tbie- 
ren redet. Scherer bemerkt hierzu: »dass Moleschott trotz sei- 
ner Vertheidigung der Humustbeorie das Eiweiss der Pflanze auf ein- 
mal nur aus Kohlensäure, Ammoniak und Wasser entstehen lasse und 
ausspreche: Thiere und Menschen können mittelst der Pflanzen aus 
Kohlensäure, Ammoniak und Wasser nebst einigen Salzen des Bodens 
hervorgehen !« 7 


7 


214 Literatur. 


Im 9ten Briefe wird die Ernährung und Athmung besprochen und 
die Liebig’sche Eintheilung der Nahrungsstöffe in plastische und Respi- 
rationsmittel bekämpft. Der 10te Brief handelt von der Entwickelung 
der Nahrung im Tbierkörper. Moleschott theilt die Nahrungsstoffe 
in eiweissartige Körper, in Fettbildner, in Fette und Salze, 

Im ilten Briefe bemüht sich Moleschott zu zeigen, wie mittelst 
der anorganischen Bestandiheile des Blutes aus den organischen Stof- 
fen die verschiedenen Gewebe des Körpers erzeugt werden. Unter 
der Mitwirkung der Kalisalze und der Phosphorsäure entstehen im 
Blute die Blutkörperchen, wie in den Cerealien die Samen, unter Mit- 
wirkung des Eisens der Blutfarbstof. Hier wird die Ansicht Mul- 
der’s vorgetragen, dass das Eisen im nicht- oxydirten Zustande im 
Farbstoff, der Phosphor nicht-oxydirt in den Eiweisskörpern enthalten 
sei. Die Verschiedenheit der Gewebe sei vor allen Dingen begründet 
auf die Mannigfaltigkeit der anorganischen Bestandtheile, welche durch 
die einzelnen Haargefässgruppen mit wechselnder Geschwindigkeit hin- 
durchschwitzen. Die Muskeln entstehen nur mit Hülfe des Chlor- 
kaliums, die Knorpel mit Hülfe des Chlornatriums, die Knochen unter 
Mitwirkung des koblensauren Kalks, die Haare unter Mitwirkung des 
Eisens (und der Kieselerde). Aus diesen und vielen andern That- 
sachen ergiebt sich das Gesetz einer festen und nothwendigen Ver- 
wandtschaft zwischen den organischen Grundlagen der Gewebe und 
den anorganischen Gewebebildnern, und dasselbe Gesetz gilt auch für 
die Flüssigkeiten, welche die Drüsen aus dem Blute absondern. Für 
die Milch, den Samen und die Eier sind phosphorsaurer Kalk und 
Kalisalze, für den Speichel Chlorkalium, für den Magensaft Chlor- 
natrium, für die Galle Natronverbindungen wesentlich nöthig,. Eisen- 
mangel im Blute bedingt die Bleichsucht, Jodmangel nach Chatin 
den Kropf und Kretinismus. Die Rückbildung im Thiere, welche im 
12ten Briefe besprochen wird, ist bedingt durch die Aufnahme von 
Sauerstoff. Er dringt durch die Wand der Haargefässe, nachdem er 
in der Lunge durch die doppelte Wand von Bläschen und Haar- 
gefässen in das Blut und mit diesem in alle Körpertheile gelangt ist, 
in die Gewebe ein, Die Verbrennung, durch welche die Blutbestand- 
theile in Gewebebildner verwandelt wurden, schreitet nun fort, die 
Grundformen der Gewebe zerfallen und die daraus resultirenden Stoffe 
sind keiner organisirten Form mehr fähig, Die stickstoffhaltigen Zer- 
selzungsproducte, die mit dem Harn aus dem Körper entfernt "werden, 
Marnsäure, Harnstoff ete., sind bereits in den Geweben enthalten. — 
Milchsäure, Buttersäure, Essigsäure, Ameisensäure, Bernsteinsäure, Klee- 
säure sind die Mittelsiufen zwischen Zucker und Fetten auf der einen, 
zwischen Kohlensäure und Wasser auf der andern Seite. In eben dem 
Grade, in welchem sich die Erzeugnisse der Rückbildung in den Ge- 
weben ansammeln, dringen sie in das Blut; hier werden durch das 
Athmen die gasförmigen, durch die Nieren die nicht-flüchtigen Umsatz- 
producte entfernt, Die Thätigkeit des Körpers lässt sich messen durch 
die Menge der Auswurfstoffe, die er entleert. Je thätiger der Mus- 
kel, desto reicher ist er an Milchsäure, an Kreatin u. s. w. 

Aber nicht bloss. Lungen und Nieren, auch Haut und Mastdarm 
entfernen die Producte der Rückbildung. Durch erstere wird Kohlen- 
säure und Wasser, durch letztere Galle, Darmsaft und Darmschleim 
entleert. Die Kohlensäure-Ausscheidung soll nach Scharling die 
der Haut um das 30fache, nach Gerlach um das 90fache übertreffen. 
Die Mastdarm - Ausscheidung ist nur H/j4 bis Iıg der Gesammt - Aus- 


e 


Literatur. 215 


scheidung. Schwefel und Phosphor verbrennen zu Schwefelsäure und 
Phosphorsäure und werden, an Basen gebunden, durch den Harn um 
so reichlicher entleert, je rascher der Stoffwechsel erfolgt. Gleichen 
Schritt hält die Ausscheidung der anorganischen Stoffe des Körpers 
mit der der organischen. 

Da der Stoffwechsel das Maass des Lebens ist, so muss nicht nur 
das kräftigste Einzelwesen den schleunigsten Stoffumsatz zeigen (was 
doch fraglich ist), sondern es muss einer erhöheten Tbhätigkeit auch 
eine schnellere Rückbildung enisprechen. Nach Gerlach wird von 
Menschen, die in körperlicher Bewegung sind, ie 9 Stunden durch 
die Haut so viel Kohlensäure ausgeschieden, wie sonst in 24 Stunden; 
beim Pferde im Trab ist die Ausscheidung im Vergleich zur Ruhe um 
das 41Tfache gesteigert. Auch geistige Thätigkeit vermehrt den Stofl- 
umsatz. Wenn auch die Bildungstätte der Auswurfsstoffe hauptsäch- 
lich in den Geweben zu suchen ist, so beginnt doch die Rückbildung 
schon im Blute. Das Feit erleidet bereits im Blute eine theilweise 
Verbrennung zu Kohlensäure und Wasser; das Gleiche findet statt 
beim Wein, Branntwein und Bier. 

Die Schnelligkeit des Stoffwechsels ergiebt sich ans der mittleren 
Lebensdauer hungernder Menschen, die 14 Tage beträgt und nach 
deren Verlauf der Mensch, so wie alle in denselben Verhältnissen 
befindlichen Wirbelthiere, #/j9 seines ursprünglichen Gewichts verloren 
hat. Da aber bei gehöriger Nahrung aile Lebensfunctionen viel ener- 
gischer erfolgen, als im Zustande des Hungers, so kann man anneh- 
men, dass der Körper in 20 bis 30 Tagen den grössten Theil seines 
Stoffes verändert. Nach Barral verlieren wir im Sommer in 24 Stun- 
den etwa 1/4, im Winter etwa 1/j9g unsers Körpergewichts. Dieser 
Verlust wird ersetzt durch die Nahrung und den eingeathmeten Sauer- 
stoff. Wenn die Neubildung der Rückbildung nicht gleich kommt, 
dann ist das Schwinden der Gewebe die unausbleibliche Folge. Mit 
dem Stoffe aber schwindet auch die Kraft. 

Im 13ten Briefe wird die Rückbildung der Pflanze abgehandelt. 
Die Vorwärtsbildung und somit Desoxydation prävalirt, doch findet 
auch Rückbildung, Desoxydation, statt, Beweis dafür ist die Sauer- 
stoffaufoahme im Dunkeln. Die Bildung von Benzodsäure, Gallussäure, 
Aepfelsäure, überhaupt aller Säuren, Basen, Farbstoffe, Harze geschieht 
durch Oxydation. Während das Thier die Stoffe der Rückbildung rasch 
ausscheidet, entwickelt und bewahrt die Pflanze ihre Rückbildungs- 
stoffe, indem sie dieselbe in Zellen bleibend ablagert, an welchen 
kaum noch eine Lebensthätigkeit wahrzunehmen ist. Die so erzeugten 
Pflanzenstoffe sind theils die wichtigsten Heilmittel, theils die lieblich- 
sten Sinnenreize für den Menschen. Ein Theil derselben tritt aber 
auch wirklich als Auswurf anf, wie z. B. die Riechstoffe der Pflanzen, 
Wasser, Kohlensäure und selbst Stickstoff. 

Im 14ten Briefe ist die Wärme der Pflanzen und Thiere Gegen- 
stand. Moleschott bestreitet gegen Liebig, dass die Wärmeent- 
wickelung des Thieres sich ganz aus dem Oxydationsprocesse erklären 
lasse. Der Kohlenstoff und Wasserstoff der Speisen verbrennen nicht 
mit derselben Wärmeentwickelung, als wenn sie in Luft oder Sauer- 
stoffgas direct verbrannt worden wären; denn es verbrennen im Tbier- 
körper weder Kohlenstoff noch Wasserstoff, sondern immer nur Ver- 
bindungen derselben mit Sauerstoff und zum Theil auch noch mit 
Stickstoff. Je reicher eine solche Verbindung von vorn herein an 
Sauerstoff sei, desto weniger Sauerstoff brauche sie aufzunehmen, um 


216 Literatur. 


zu Kohlensäure und Wasser zu verbrennen. Man kann niemals be- 
stimmen, wie viel Sauerstoff zur Erzeugung der Kohlensäure im Kör- 
per wirklich verbraucht werde. 

Die Wärmebildung, welche gleiche Gewichte von Kohlensäure 
voraussetze, sei verschieden, je nach dem ursprünglichen Gehalte des 
verbrennenden Körpers an Sauerstoff. In der ausgeathmeten Kohlen- 
säure sei sowohl von aussen zugeführter Sauerstoff enthalten, als auch 
ein Theil des Sauerstoffs, der in Zucker, Eiweiss und Fett schon vor- 
handen war. Dieser letztere Sauerstoff habe aber im Körper keine 
Wärme erzeugt. Seine Menge könne aber im einzelnen Falle nicht 
bestimmt werden und darum entfalle jeder Maassstab der Rechnung. 
Neben der Oxydation seien beständig noch andere chemische Acte 
thätig, in Folge deren Wärme frei werde. Jede Verbindung einer 
Base mit einer Säure mache nach Andrews Wärme frei, je nach 
der Art der Basis mehr oder weniger; dasselbe finde statt, wenn sich 
ein neutrales Salz in ein basisches verwandle. Eine sehr wichtige 
Wärmequelle sei die Verdichtung des Kohlenstoffs der aufgenommenen 
Kohlensäure. Ueberall sei Einklang zwischen Wärme und Stoffwech- 
sel und deshalb die Wärme ein Maass des Lebens, wenn darunter die 
erzeugle Wärmemenge verstanden werde. Uebertreffe der Verlust an 
Wärme die Entwickelung derselben, dann könne der Wärmegrad eines 
lebenden Wesens unter den des umgebenden Mediums herabsinken. 
Hindere man die Verdunstung, dann steige die Wärme über die des 
umgebenden Mediums. Neben der Ausstrahlung, Verdunstung und 
Auflösung in Wasser ist auch noch die Zersetzung, namentlich die 
Desoxydation Ursache von Wärmeverlust, daher finde bei der Umbil- 
dung von Zucker u.s. w. im Fett ein Wärmeverlust statt, wie das- 
selbe bei der Pflanze erfolge, wenn sie Holz, Stärkmehl, Fett und 
Wachs bilde, 

Die allmälige Entwickelung des Stoffes und die Rückbildung des- 
selben nach dem Tode durch Verwesung, Veränderung, Fäulniss, Gäh- 
rung wird im 45ten Briefe behandelt. 

Die Betrachtung des Einflusses der Nahrung, d.h. des Stoffes, auf 
die Thätigkeit und Leistungen des Menschen, durch viele Beispiele 
nachgewiesen, ist Gegenstand des i6ten Briefes, — Stoff und Kraft 
wird im A7ten Briefe abgehandelt. Stoff und Kraft ergänzen sich 
gegenseitig. 

Im A8ten Briefe wird versucht, den Zusammenhang des Gedan- 
kens mit der stofflichen Zusammensetzung und Veränderung des Hirns 
mit dem diesem Organe ausströmenden Blute mit den genossenen Sub- 
stanzen nachzuweisen, Stoffliche Veränderungen der Nerven pflanzen 
sich als Empfindungen zum Gehirn fort, während andererseits ver- 
schiedene Formen der Gebirnthätigkeit den verschiedensten stofflichen 
Bewegungsvorgängen des Körpers ihr Gepräge ertheilen. Der Gedanke 
sei Bewegung des Stoffes. Die Wirkungen des Gehirns sollen nach 
Liebig im Verhältnisse stehen zu der Masse des Gehirns. 

Im 19ten Briefe ist die Rede von der Empfindung, als eines Ver- 
hältnisses der Sinne zu den Dingen. Das Bewusstsein hat seinen Sitz 
nur im Gehirne, weil nur im Gehirn die Empfindung zur Wahrneh- 
mung kommt, das Bewusstsein fehle aber, wenn das Gehirn kein Blut 
mehr erhalte, oder wenn eine Ueberfüllung mit schwarzem venösem 
Blute seiner regelmässigen Thätigkeit eine Grenze setze. 

Endlich im 20sten Briefe: » Für’s ‘Leben«, tritt Moleschott 
den Einwürfen der sogenannten Idealisten gegen den Realismus, 


Literatur. 217 


gegen den Stoff und seine Bewegungserscheinungen entgegen und 
wendet sich dann zu einigen Fragen von volkswirthschaftlicher 
Bedeutung. Er spricht sich gegen das Vergraben der Leichen auf 
Kirchhöfen aus, wo die Stoffe für die Nutzanwendung verloren gehen; 
ist gegen Müller’s Vorschlag, die Kleie unter das Mehl zu mischen, 
empfiehlt zur Nahrung für die ärmere Classe die Benutzung der Legu- 
minosen; von der Verfertigung guten Fleisch-Extracts in Ländern wie 
Neu-Süd-Wales. Er erklärt die Theilungsprojecte des Socialismus und 
Communismus für Unsinn und Thorheit. Als Hauptaufgabe für die 
Wissenschaft in ihrer Beziehung zum Leben bezeichnet er die Lehre 
von einer richtigen Vertheilung. des Stoffes, da Armuth nur ein Man- 
gel an Stoff sei. Die Lösung dieser letzteren Aufgabe liege in der 
Hand des Naturforschers; am Baume der Erkenntniss wachse das 
Bedürfniss, aber in dem Bedürfniss keime die Macht, die es befrie- 
dige. Erkenntniss sei nicht bloss der höchste Preis, sie sei auch die 
breiteste Grundlage des Lebens. 

Chemische Statik, Respiration, Oxydation, Ernäh- 
rung und Stoffwechsel. — Hier wird eine wichtige Schrift von 
Bidder und Schmidt besprochen: »Die Verdauungssäfte und der 
Stoffwechsel. Mitau und Leipzig.«, auf welche wir hier nur verwei- 
sen können. 

Jod- und Bromgehalt des Wassers, der Luft u.s.w. — 
Chatin hat seine Untersuchungen über den Jodgehalt des Wassers 
und der Luft weiter ausgedehnt und gefunden: 

1) dass auf den Gipfeln und in den Thälern der Alpen die Luft 
und alle Süsswasser gleich arm an Jod sind; 

2) dass bei einer gewissen Entfernung von den Gebirgsmassen 
die Luft und die weichen Wässer mässig aber auf gleiche Weise Jod 
enthalten; 

3) dass fern von den Alpen, z. B. in Paris und London, die Luft 
und die weichen Wässer gleichmässig reich an Jod sind; 

4) dass die harten Wässer stets wenig oder kein Jod enthalten, 
wie auch der Zustand der Lnft sein möge; 

5) dass folglich stets ein Parallelismus zwischen der Luft und den 
weichen Trinkwässern, mit Ausschluss der harten Wässer, statt finde; 

6) dass es demnach möglich wäre, den Zustand der Luft durch 
den der weichen Wässer und umgekehrt zu bestimmen. 

7) dass der Jodgehalt der Mineralwässer mit der Beschaffenheit 
der Luft oder der süssen Wässer in keinem Zusammenhange stehe. 

Grange will durch ein neues Verfahren zur Bestimmung des 
Broms bei Anwesenheit von Jod, welches in dem Verhalten der rei- 
nen, von Salpetersäure freien Untersalpetersäure gegen diese beiden 
Haloide besteht, und wodurch nur das Jod, nicht aber das Brom und 
Chlor in Freiheit gesetzt werden, dahin gelangt sein, die constante 
Anwesenheit des Broms nebst Jod in vielen Substanzen nachzuweisen. 
So soll dasselbe in jedem normalen Harne neben Jod, und sogar in 
grösserer Menge als dieses vorkommen. Ebenso hat derselbe das 
Brom in einer grossen Anzahl von Trinkwässern in Paris, der Dau- 
phine, in Italien und Corsika aufgefunden. Das Jod soll in dem Harn 
in einer grösseren Menge enthalten sein, als in einem gleichen Volum 
Trinkwasser; auch der Harn der mit starken Kröpfen behafteten Per- 
sonen enthalte Jod. Rücksichtlich der Trinkwässer fand er im Glet- 
scherwasser kein Jod und in den Flusswässern um so grösseren Jod- 
gehalt, je weiter es von den Gletschern sich entferne. Bromüre und 


218 Literatur. 


Jodüre sollen gleich den Chlorüren beständige Begleiter unserer Nah- 
rungsmittel sein. Er will noch gefunden haben, dass Bromüre und 
Jodüre in den Wässern der höheren Gebirgsthäler, wo der Kropf sich 
nicht findet, fehlen; dass dagegen in den Wässern und Quellen von 
Lyon und Ganare das Jod sich reichlich finde und der Kropf dort 
einheimisch sei. Das Fehlen des Jods könne nicht Ursache des Kro- 
pfes sein, 

Gruppe der Eiweisskörper. — Zur Erkennung des Schwe- 
fels in organischen Substanzen eignet sich insbesondere das von Play- 
fair entdeckte Nitroprussidnatrium. Nach Bailey wird die schwe- 
felhaltige Substanz mit kohlensaurem Natron und wo es nöthig noch 
mit einer reducirenden Substanz geschmolzen; kommt die Masse dann 
mit einer verdünnten Lösung des Nitroprussidnatriums zusammen, so 
entsteht alsbald eine prächtige Purpurfarbe. Selbst in den kleinsten 
Mengen von coagulirtem Eiweiss, Harn, Nägeln, Federn, Senfsamen 
u.s. w., ja in kaum zolllangen Haaren gelang es, den Schwefelgehalt 
nachzuweisen. 

Dana empfiehlt, die schwefelhaltige Substanz mit Soda auf der 
Kohle vor das Löthrohr zu bringen, auf die geschmolzene Masse einen 
Tropfen Wasser und dann ein stecknadelgrosses Stück Nitroprussid- 
natrium zu geben, wonach sich die prächtige Purpurfarbe sogleich 
zeigen werde. Zusatz von etwas Stärkmehl verhüte etwaige Oxy- 
dation des Schwefels. Wird ein Haar um einen Platindraht gewickelt, 
dann befeuchtet in die Mischung von kohlensaurem Natron und Stärk- 
mehl getaucht und vor dem Löthrohr geglüht, so zeigt die geschmol- 
zene Masse mit obigem Reagens den Schwefelgehalt deutlich an. 


Gruppe der stickstofffreien Bestandtheile des Körpers. 


Fett und Zucker. — Blut. — Burin de Buisson, Apotheker 
in Lyon, wıll das Mangan als constanten Blutbestandtheil neben dem 
Eisen jederzeit gefunden haben. Nach seinen Analysen enthalten 
1000 Theile Blut: 

Blutkörper Eisenoxyd .Manganoxyd 


im normalen Zustande... 128,20 1,220 0,060 
bei, Blethora..a72......-.. 143,50 1,360 0,071 
bei Chlorose.........-. 63,98 0,500 0,025. 
Gewebe und Organe. — Siegmund hat in der Gebärmutter 


Kreatin, Essigsäure und Ameisensäure nachgewiesen. 
Speichel, Magensaft, Pancreassecret und Darmsaft. 
— Bidder und Schmidt haben gefunden, dass reiner Magensaft 
nüchterner Fleischfresser nur freie Salzsäure, keine Milchsäure noch 
eine andere organische Säure enthalte. 
In 1000 Theilen speichelfreien Magensaftes fanden sie: 
Nach Durchschneidung 
beider Vagus-Nerven 


Feste Siofle........ 26,938 28,118 
Ferment u.s. w..... 17,127 15,742 
Salzsäure Jtnacatar olase 3,050 2,022 
Chlorkalium ........ 1,125 0,818 
Chlornatrium ....... 2,507 1,581 
Chlorcalcium ....... 0,624 0,053 
Chlorammonium...... 0,468 4,517 
Phosphorsauren Kalk 1,729  _ 2,971 

" Talk 0,226 0,357 


"  Eisenoxyd 0,082 0,257 


Literatur. 219 


1000 Theile Pancreassaft ergaben: 


NVasser Am rw NEN nn 900,76 
Feste’ DIoker Sen. mHanın 99,24 
Organische Substanz .... 90,38 
Unorganische DARAN E.S6 
Die unorganischen Salze in 1000 Theilen: 
Schwefelsaures Kali....... 0,02 
u Natron..... 0,10 
Chlörnatrium...... .....- 7,36 
2basisch phosphors. Natron 0,45 
Natron er ee 0,32 
Kalk ie 0,22 
Naguesia nase ee 0,05 
Birenosy dk men 0,02 
8,54. 
1000 Theile Darmsaft ergaben: 
In Aether lösliches Fett und Gallensäure.......-.. 2,48 
In Aether unlösliches Cholal, Glyco- u. Taurocholsäure 20,21 
anni a eier: as ee Ska tale dapare Sakaran an sagen fig Häfen 1,43 
Parotisflüssigkeit a. einer Kuh b. eines Widders c. eines Pferdes 
uk ae EN LE 990,74 989,00 992,00 
Schleim und lösliche orga- 
nische Substanz ..... 0,44 1,00 2,00 
Kohlensaure Alkalien..... 3,38 3,00 1,08 
Chloralkalimetalle.. ..... 2,85 6,00 4,92 
Phosphorsaure Alkalien .. 2,49 1,00 Spur 
„ Kalkt 436%: 0,10 Spur Spur 
Maxillarflüssigkeit der Kuh: 
Wasser gan: sc 991,14 
Schleim AuWeR. 32 Mel: 1,73 
Löslicher thierischer Stoff 1,80 
Kohiensaure Alkalien.... 0,10 
Chloralkalimetalle....... 5,02 
Phosphorsaure Alkalien.. 0,15 
" Kalkyza. 0,06. 
Galle — Lieberkühn glaubt die schwefelhaltige Taurochol- 


säure im reinen Zustande dargestellt zu haben, indem er die von 
Heintz empfohlene fractionirte Fällung mit Bleizucker anwandte. 
Das Verfahren ist dieses: Man entfernt durch neutrales essigsaures 
Bleioxyd den dadurch fällbaren Theil der Glycocholsäure, fügt zur ab- 
filtrirten Flüssigkeit so lange basisch essigsaures Bleioxyd unter Um- 
rühren hinzu, bis der Niederschlag anfängt sich zusammenzuballen, 
beseitigt denselben, wendet nochmals dasselbe Reagens an, das Gefällte 
setzt sich als klebrige Masse an den Wänden des Gefässes ab und 
besteht aus taurocholhaltigem Bleioxyd, während in der vorgehen- 
den Fällung ein Gemenge von glycocholsaurem und taurocholsaurem 
Bleioxyd sich vorfindet, Das taurocholsaure Bleioxyd wird in sie- 
dendem Alkohol gelöst, heiss in ein grosses Gefäss mit destillirtem 
Wasser filtrirtt und das sich Absetzende durch Kneten gereinigt. An 
der Luft getrocknet, wird sie leicht pulverisirbar. So löst ınan 
sie in einer möglichst geringen Menge Alkohol unter Erwärmung 


2320 Literatur. 


auf und zerlegt sie durch einen Strom von Schwelfelwasserstoffgas. 
Die vom Schwefelblei abfiltrirte alkoholische Lösung ist ungefärbt. 
Im Vacuo abgedampft, hinterlässt sie ein pulverisirbares Harz, welches 
sich in wenig Wasser leicht zu einer klaren, stark sauer reagirenden 
Flüssigkeit auflöst; letztere trübt sich aber bald stark, wenn man 
noch viel Wasser hinzubringt, und nach freiwilliger Abdampfung bleibt 
ein in Wasser unlösliches, beinahe durchsichtiges Harz mit eingestreu- 
ten Krystallen (anscheinend Taurin) zurück. 
Schweiss, — Schottin fand im Schweiss in 1000 Theilen: 


Wasser. a am 00 977,4 
Epithehen”. amenen 4,2 
Organische Stoffe..... 141,3 


Anorganische Stoffe... 7,0 
400 Theile der Salze des Schweisses bestanden in: 


a. Fussschweiss b, Armschweiss 
Unlöslichen Salzen.,,.. 5,62 Proc. EN 
Löslichen Salzen ...... 94,38 „ 94,63 ” 
Die Asche des Fussschweisses enthielt in 100 Theilen: 
Phosphorsauren Kalk.,......... 4,1 Prac. 
” Talk und Eisen 1,4 
KO 11,1 
Natrium RAN TE 28,2 
CHOR N 31,3 
Schwefelsaure ne 5,5 
Phosphorsanre. „2. EINS WEN, 2,2 


An Fetten enthielt der Fussschweiss: Margarin, Stearin und Cho- 
lesterin. Ammoniak fand sich in geringer Menge, Harnstoff nicht. 
Bei Versuchen, arzneiliche Stoffe, welche eingenommen waren, im 
Schweisse zu entdecken, ergab sich: dass weder Zucker, noch Milch- 
säure, auch nicht Chinin und Salicin nachzuweisen waren, wohl aber 
konnten Weinsteinsäure, Bernsteinsäure, Benzo@säure, Zimmtsäure, 
auch Jodkalium entdeckt werden, 
Favre erhielt von Schottin abweichende Resultate. Er fand 
im Schweisse: Epidermisschuppen, Erdphosphate, Kochsalz, Chlor- 
kalium, wenig schwefelsaure Salze, Eiweiss, Spuren von phosphor- 
sauren Alkalien, Kalk und Magnesiasalzen, keine Harnsäure, noch 
Ammoniak, aber wohl organische Säuren an Natron und Kali gebun- 
den, dabei war Milchsäure und Schweisssäure, Letztere soll syrup- 
arlig, unkrystallisırbar, löslich in absolutem Alkohol sein, mit Basen 
lösliche Salze bilden; auch Harnstoff will er gefunden haben. 
In 1000 Theilen giebt er folgende Bestandtheile an: 
Chlornatrium ........... 2,2305 
Chlorkallume).. ass een 0,2437 ü 
Schwefelsaure Alkalien.. 0,0115 
Phosphorsaure Alkalien.. Spuren 


Z Erden.... ” 
Kalksalzer 7. nu a ur e 
Epnhehlem . rss U ” 
Alkalisches Albumin..... 0,0050 
Milchsaures Kali u. Natron 0,3171 
Hydrothions. » n 1.5623 
HIarnSstoii®. „RuAIEEER < 07 0,0428 
EEE LA 0,0136 


Literatur. 221 


Harn. — Klezinsky hat das Verhältniss zwischen phosphor- 
saurem Kalk und phosphorsaurer Magnesia in 100 Theilen ermittelt. 
Im Mittel fand sich : 

Phosphorsaurer Kalk .....- 67,55 
7 Magnesia... 32,65 | 

Scherer hat den Versuch angestellt zur genauen Bestimmung 

des Harnstoffs. Er fand Folgendes: 


In 24 Stun- Kind von Knabe von Mann von Mann von 
den: 34 Jahren 7 Jahren 22 Jahren 38 Jahren 

Harn a... 749C.0.=755Gr. 1055 = 1077 2110=2156 1720 =i76i 
Wasser.... 728,87 1044 2081,43 1689,7 Gr. 
Feste Stoffe 26,13 32,40 74,57 2er 
Anorg. Salze -10,98 10,23 23,62 20.91 „ 
Harnstoff... 12,98 18,29 27,00 29,82 » 
ee) 
Harnsäure 2 We 3,88 24,33 20,48 „ 
Schtenn .°) 


Kletzinsky suchte zu ermitteln, ob die Farbstoffe des Safrans 
und des Blauholzes in den Harn übergehen. Es fand sich, dass der 
Farbstoff nicht nachgewiesen werden konnte, dagegen roch der Harn 
nach Safran, Auch Farbstoff von Färberröthe, Alkanna und Guajak 
konnte nicht gefunden werden, wohl aber Erythrorat aus der Rhabar- 
ber. Nicht nachzuweisen war Farbstoff von Horus ftinctor., Daucus 
Carota, Stipites Jalapae, Äloes; dagegen liess sich Sennin der Fol. 
Sennae auffinden. 


Bericht über die Leistungen in der pathologischen Chemie. 


Gruppe der Eiweisskörper. — Kletzinsky hat eine com- 
parative Untersuchung des Fettgehalts der normalen Niere und der 
bei Morbus Brightii vorgenommen. In 1000 Theilen wurden gefunden: 


Normale Fettig Entartete 
Niere Bright’sche Niere 
WASserusen . sie. 836,3 818,48 842,4 
Feste Stoffe....... 163,7 451,52 157,6 
Beil. ur ei 5 4,7 3,94 5,7 
Proteinsioffe ...... 148,7 143,64 143,6 
Salze der Asche... 10,5 3,94 8,3 


, 

Urophaein nennt Heller den braunen Farbstoff, der sich dadurch 
zu erkennen giebt, dass der Harn, je reicher er an Urophaein ist, in 
überschüssige concentrirte Schwefelsäure geiropft, um so intensiver 
braun sich färbt. Die saure Reaction des Harns soll vorzüglich von 
diesem Urophaein herrühren, so wie der eigenthümliche Geruch. Es 
soll in keinem constanten gegenseitigen Verhältnisse zum Uroxanthin 
stehen. 

Uroxanthin soll durch sein Verhalten gegen rauchende concen- 
trirte Salzsäure erkannt werden. Wenn man 2 —4 Drachmen solcher 
Säure in ein Becherglas schüttet und dann tropfenweise den zu prü- 
fenden Harn in kleinen Portionen zusetzt, so ist auf Zusatz von 20 
bis 40 Tropfen Harns nach einiger Zeit an dem Erscheinen einer roth- 
violetten oder blauen Färbung, je nach der Intensität dieser Färbung, 
das Uroxanthin erkennbar. Bei sehr uroxanthinreichem, stark gelbem 
Harn soll selbst eine blaugrüne Farbe auftreten und sich ein kupfer- 
roth metallglänzendes Häutchen als ein Gemenge von Uroglaucin und 
Urrhodin ausscheiden. Uroxanthin reagirt sauer. Urrhodin und Uro- 


222 Literatur. 


glaucin sollen als solche in frisch gelassenem Harne vorkommen (bei 
Cytisis und im leizten Stadium der Bright'schen Krankheit). 


Kletzinsky hat Bright'schen Harn auf seinen Fettgehalt unter- 
sucht un®@ dabei gefunden in 1000 Harn: 


Morb. Bright. Pyuria renum 


Wasser). one, ARE Ei 953,80 948,12 
Beste,Stoffes,®. ..-“os.anre. 46,2 51,88 
Keit: syıdsh, Rene 0,26 0,48 
Harnstoff und Extractivstoff 0,70 0,96 
Asche... Bpsatilr. one cejeuotiete 0,37 0,48 
Eiweiss HR 23%. 4... 44,87 49,96. 


Unter den Zuckerproben bei diabetischem Harn sind nach Hel- 
ler die Trommer’sche und Heller’sche, Kochen mit Aetzkali, die ge- 
bräuchlichsten. Scherer bemerkt, dass letztere nur im Wiener 
pathologisch-chemischen Laboratorium benutzt werde. Das specifische 
Gewicht vom Zuckerharn schwankte zwischen 1020 bis 1058. 


Es ist sehr weitläufig das Verhalten des diabetischen Harns mit- 
getheilt; wir können hier nur darauf verweisen. 

In der Flüssigkeit einer Hydrocephalo-Encephalocele fand Lan- 
derer viel Albumin, verseifbares Fett, unorganische Salze des Blutes, 
Fibrin, Cholestearin. 

In einem Synovialfluidum aus einem eröffneten Kniegelenke fand 
Kletzinsky in 1000 Theilen: 


Wassers. 1 EN DAISAUER 961 
Albumin 
IULCHTR N en 74 
Protein 
Salze rg. 0 Dee x. 10 


Bericht über die Leistungen in der Pharmakologie und Toxikologie. 


Strychnos. — Bei einer Vergiftung, welche durch 4 Gran Strych- 
nin bewirkt wurde, bewiesen sich Gaben von 8 Gran Kampfer als 
sehr wirksam. Um Dumas’ Ansicht, dass das Chlor ein Antidot des 
Strychnins sein möchte, zu prüfen, wurde es bei mit Strychnin ver- 
gifteten Hunden angewandt. Er gab 5 Grm. Chlorflüssigkeit mit 250 
Grm. Wasser auf einmal und hinterher Brechweinsteinlösung, was 
sich wirksam bewies, wenn es schnell genug angewandt wurde. In 
einem Falle von Vergiftung bei einem Manne, der aus Verschen 1 bis 
2 Gran Strychnin erhielt, leistete Chloroform - Einathmung nützliche 
Dienste und binnen zwei Tagen war Genesung erfolgt. 


Guano.— Nach Recamier soll der Guano äusserlich und inner- 
lich angewendet sich als Heilmittel .bei flechtenartigen Ausschlägen, 
namentlich in Form von Bädern, wobei 1 Esslöffel voll Guano auf 
2 Eimer Wasser genommen wurde. 


Bericht über die Leistungen in der Lehre von den Anaesteticis, von 
Prof. Dr. Klencke. 


Hier sind mehrere Fälle von unglücklicher Anwendung des Chloro- 
forms angeführt. 


Literatur. 223 
Bericht über die Leistungen im Gebiete der Heilquellenlehre, von 
Prof. Dr. Löschner in Prag. 


Die von Ficinus in Dresden in Anwendung gebrachte Art und 
Weise, die versendeten natürlichen Mineralwässer ihrer chemischen 
Beschaffenheit und ihrer Temperatur nach dem Schöpforte so ähnlich 
als möglich an die Gebrauchenden zu dispensiren, verdient alle Be- 
achtung. Die dazu getroffene Einrichtung ist sehr zweckmässig. 


Schlangenbad. — Die wesentlichsten Quellen sind nach Fre- 


senius: 


die Röhrbrunnenquelle (22,8°R. — Trinkquelle) und die 


Schachtbrunnenquelle (25,6° R. — Badequelle). Die chemische Ana- 


Iyse von Fresenius ergab bei Berechnung der kohlensauren Salze: 


Einfache Carbonate 


Wasserfreie Bicarbonate. 


ini000 Th. ini16Unzen in1000Th. in 16 Unzen 

Schwefelsaures Kali.. 0,011563 0,091146 0,011868 0,091146 
Chlarkalium . ... ......R 0,005844  0,044882 0,005844 0,044882 
Chlornatrium ........ 0,237757 1,825974 0,237757 1,825974 
Phosphorsaures Natron 0,000620 0,004762 0,000620 0,004762 
Kohlensaures " 0,010290 0,079027  0,014563  0,111843 
n Kalk... 0,032667 0,2508582 0,047041 0,361275 

„ Talk ... 0,006215 0,047731 0,009471 0,072737 
Kieselsäure.......... 0,032623 0,250545  0,032623 0,250545 
Summa... 0,337854 2,594949 0,359787  2,763164 

Freie Kohlensäure .... 0,086981 0,668014  0,065078 0,499799 
Summa aller Bestandth. 0,424865 3,262963 0,424865 3,262963 


nebst unwägbaren Mengen von kohlensaurem Lithion (zweifelhaft), 
borsaurem Natron und Fluorcaleium, sehr geringe und kieselsaure 
Thonerde. 

Mineralquellen von Cannstatt und Berg. — Die Ana- 
Iysen rühren tbeils von Siegwart, theils von Mohrstadt her aus 
dem Jahre 1852. Die Quellen sollen seit 10 Jahren um circa den 
achten Theil am Gehalt fester Bestandtheile verloren haben durch 
Ueberschwemmung, Eindringen von Tagewässern u. s. w. 

Die Analysen scheinen unvollkommen. 


Arnshall enthält in 16 Unzen nach Lucas: 
Im Jahre 1851: Im Jahre 1852: 


Chlornatrium......... 1405,930 Gran 1723,1616 Gran 
Chlorkalium ..... 0.2... 0,146 0,1766 
Chlorcaleium ........ 71,270 49,5360 
Chlormagnesium...... 64,128 39,2448 
Schwefelsauren Kalk .. 8,294 13,0560 
Brommagnesium...... 0,169 0,3917 

Kohlens. Eisenoxydul,. 0,061 0,1712 

1550,998 
Spuren von Jodinagnesia. 
Imnanu. — Der Schlamm der Fürstenquelle zu Imnau enthält nach 


Gmelin viel Eisenoxydhydrat und kohlensauren Kalk, koblens. Talk, 
Thonerde, organische Stoffe, keine Spur Arsenik, Spuren von Mangan- 
oxyd. 100 Theile des Wassers sollen enthalten: 


224 | Literatur. 


Chlorminatrium IN. 0,443785 
Chlorkaliuml... ed 28.0 1,313465 
Schwefelsaures Kali......... 1,102100 
Kohlensauren Talk........... 2,514120 
„ Kalk 0. 2.00: 9.177433 

" Eisenoxydul..,... 0,051125 

" Manganoxydul... 0,092857 
Kieselerde........ Reel 1oRaheede 0,124893 
14,819778. 

Steben, — Das Mineralwasser enthält nach einer Analyse von 
Gmelin aus dem Jahre 4850 in 16 Unzen: 

Schwefelsaures Nairon...... 0,0784 Gran 
Chlornatrium- u. 3. 0021 
"Kohlensaures Natron........ 0,4927 u 
n Kal... uus44 1,6754 

" Talkerde...... 0,6920 u 

7 Eisenoydul .... 0,3142 
Kieselerde :.. 200,8, maunn 0,4708 " 
Organische Stoffe nebst Verlust 0,1152 » 
3,8578 Gran 

Kohlensaureigau..as erstere 13,1185 u" 


Unwägbare Spuren von Arsen, Zinn, Kupfer, Mangan, Thonerde, 
Phosphorsäure, Fluor, Quellsatzsäure, stickstoffhaltigen organischen 


Stoffen. 


Dieser Bericht ist wiederum ein Beleg für die Regsamkeit in den 
wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiete der Pharmacie und 


verwandten Wissenschaften. 


Dr. 


L. E. Bley, 


Zweite ‚Abtheilung. 


Vereins - Zeitung, 
redigirt vom Direetorio des Vereins, 


4) Vereins- Angelegenheiten. 
to) be] 


Mittheilung der Redaction. 


Nachdem an einen hochgestellten Herrn und Hofbeamten in Han- 
nover der Wunsch gerichtet worden, den Jahrgang 1853 des Archivs 
der Pharmacie (das seit 1839 in Hannover erscheint und mit dem 
Jahre 1853 in das zweite Decennium unter der gegenwärligen Redac- 
tion eingetrelen war) Sr. Majestät dem Könige von Hannover widmen 
zu dürfen, geruheten Se. Majestät, folgendes allergnädigstes Hand- 
schreiben zu erlassen: 

»Es ist Mir vorgetragen worden, dass Sie den Wunsch hegen, 
Ich möge gestatten, dass Mir der Jahrgang 1853 des Archivs der 
Pharmacie gewidmet werde, welches von Ihnen und dem Medi- 
einalrath Dr. Bley in Bernburg redigirt wird. 

Ich lasse es Mir zur Freude gereichen, diesen Wunsch zu er- 
füllen, um so mehr, als Ich die sich Mir darbietende Gelegenheit 
zur verdienten Anerkennung der seit einer Reihe von Jahren schon 
durch grosse Erfolge gewürdigten Bestrebungen der beiden Herren 
um gedeibliche Förderung der Zwecke des Norddeutschen Apo- 
theker-Vereins und um die Herausgabe jenes, als dessen Organ 
zu beirachtenden Archivs, wofür Mein Interesse noch dadurch 
gesteigert wird, dass der Verlag desselben in Meiner Residenz 
statt findet, nur gern habe ergreifen können. 

Ich versichere die Herren dieser Meiner Anerkennung im voll- 
sten Maasse und wünsche, dass Ihnen noch lange Zeit die Kraft 
bewahrt bleiben möge, jene Bestrebungen zu immer höherer Aus- 
bildung einer Wissenschaft fortzusetzen, die von der umfassendsten 
Bedeutung für das geistige und leibliche Wohl der Menschheit ist.« 

Hannover, den 17. November 1853. 

Ihr Woblgeneigter 
An Georg Rex. 
den Herrn Hofrath und ordentlichen 

Professor Dr. Wackenroder 

zu Jena, 


Indem wir vorstebenden Allerhöchsten Erlass zur Kenntniss sämmt- 
licher Vereinsmitglieder zu bringen uns verpflichtet halten, glauben 


Arch. d. Pharm. CXXVII. Bds. 2. Hft. 15 


226 Vereinszeitung. 


wir auch noch das folgende gewogentliche Schreiben Sr. Excellenz, 
des Herrn Oberhofmarschalls von Malortie hinzufügen zu müssen: 


»Ew. Hochwohlgeboren haben mich mit einer Zuschrift vom 
Sten d. M. beehrt, womit Sie mir eine Beschreibung Ihrer Jubelfeier 
am 12. November v. J. zu senden die Güte gehabt haben, nach- 
dem ich einige Tage vorher durch Herrn Hofbuchhändler Hahn 
das für des Königs Majestät bestimmte Dedications- Exemplar des 
Archivs der Pharmacie für 1853 nebst einem verschlossenen Briefe 
an des Königs Majestät erhalten hatte. 

Ich habe diesen, wie jenes an Allerhöchster Stelle selbst über- 
geben und ich lasse es mir zum Vergnügen gereichen, Ew. Hoch- 
wohlgeboren und Ihrem Herrn Collegen Dr. Bley zu bezeugen, 
dass des Königs Majestät bei diesem Anlass wiederum die gnädig- 
sten Gesinnungen der Anerkennung Ihrer Verdienste um die Hebung 
und Verbreitung der Wissenschaft zu äussern geruheten. Ich ent- 
ledige mich zugleich noch eines Allerböchsten Befehls, indem ich 
den Herren den Dank Sr. Majestät für die geschehene Ueberrei- 
chung abstalle, 

Ich verfehle dann ferner nicht, Ew. Hochwohlgeboren meiner 
regen Theilnahme an der begangenen Feier und an der in deren „ 
Anlass Ihnen gewordenen vielseitigen Anerkennung zu versichern, 

Mit hochachtungsvollster Gesinnung 

gehorsamst Ri 
Hannover, den 23. Januar 1854, Malortie, 


Sr. Hochwohlgeboren 
dem Herrn Geheimen Hofrath, 
Professor Dr. Wackenroder 

in Jena. 


Auch aus diesem Schreiben geht in höchst erfreulicher Weise die 
Anerkennung hervor, welche die Bestrebungen des norddeutschen 
Apotheker-Vereins auch im Königreich Hannover Allerhöchsten Ortes 
gefunden haben und noch finden. 

Die Redaction: 
H, Wackenroder. L. Bley. 


Versammlung der Apotheker, im Vereine der Aerzte und 
Apotheker im Regierungsbezirk Merseburg, zu Naumburg. 


Naumburg, den 12.- October 1853. 


Die Tage vom 9. bis 14. October d. J. waren für die Annalen 
der Stadt Naumburg ein höchst bedeutungsvolles Ereigniss, denn der 
Berliner Gartenbau-Verein hatte seine Generalversammlung nach Naum- 
burg verlegt und zu dieser Zeit eine Obst-, Wein- und Gemüse-Aus- 
stellung hier veranstaltet. 

Naumburg hatte der Gartenbau-Verein aus dem Grunde zum Ver- 
sammlungsorte in diesem Jahre gewählt, weil er hoffte, dass die Frucht- 
gattung der Weintrauben hier in reichlichster Fülle ausgestellt werden 
würde. Dies war denn auch der Fall, und konnte um so weniger 
befremden, wenn man weiss, dass in gesegneten Weinjahren die Wein- 
berge Naumburgs und Umgegend, als von Weissenfels bis Kösen, von 
Naumburg, Freiburg, Laucha bis Nebra einen Ertrag von 200,000 Thlr. 
für den rohen Weinmosi geben sollen, 


Vereinszeitung. | 227 


Die hiesigen Festordner hatten keine Mühe gescheut, und man 
fand in Folge ihrer Bemühungen denn auch aus den besten Wein- 
bergen eine ungemein grosse Anzahl von Traubensorten in allen Spe- 
cies und unter allen nur vorkommenden Namen ausgelegt. 

Die Frucht-Ausstellung selbst war in den schönen Sälen des hie- 
sigen Schiesshausgebäudes ausgestellt und der Hauptsaal selbst höchst 
kunstgemäss und prachtvoll arrangirt. Der Corridor desselben war 
in eben so viele Felder getheilt, als Länder ihre Fruchterzeugnisse 
zur Ausstellung gesandt hatten, und jedes Feld, mit den betreffenden 
Namen und schönen Formen in den entsprechenden Landesfarben, sehr 
geschmackvoll decorirt. N 

Man übersah hierdurch bald diejenigen Länder, welche durch 
ihren Fruchtsegen vertreten waren, und diese waren ungefähr: Frank- 
reich, Oesterreich, die Schweiz, Würtemberg, Baden, Bayern, Sachsen, 
Weimar u.m. a., und ausser der Proyinz Sachsen viele andere Pro- 
vinzen Preussens. Es lag daher für alle Naturforscher und Freunde 
der Obsteultur die grösste Veranlassung vor, Naumburg in den Tagen 
der Frucht-Aussiellung zu besuchen. 

Ausser den Mitgliedern des Gartenbau-Vereins, die hier zahlreich 
eingetroffen und in Privathäusern die freundlichste Aufnahme fanden, 
führten die Bahnzüge an jedem Tage, bei dem statt findenden herr- 
lieben Herbstwetier, denn auch eine grosse Anzahl von Reisenden 
hierher. Die Räume der Ausstellung waren stets überfüllt, so dass 
man nur in den Frühstunden des Vormittags die reichen Sammlungen 
mit Musse untersuchen und studiren konnte. 

Diese Frucht-Ausstellung gab denn auch den Vorstehern des Ver- 
eins der Aerzte und Apotheker des hiesigen Regierungsbezirks eine 
dringende Veranlassung, den Verein zu seiner halbjährlichen Versamm- 
lung nach Naumburg zu berufen, indem sie von der Ansicht ausgingen, 
dass sie den Mitgliedern desselben ausserdem einen vielleicht nie wie- 
derkehrenden Genuss hierdurch verschaffen könnten. 

Am 12. October trafen denn auch viele unserer Herren Collegen, 
theils mit Familie, theils chne dieselbe, hier ein und die meisten be- 
ehrten die Versammlung mit ihrer Gegenwari. 

Die Erschienenen waren: 


Herr College Bach, Herr College Schnabel, 

„ "„ Gause, " Z Stutzbach, 

” „... Gräfe, ” 7 Trommsdorff, 
” n Hahn, ” Z Vetter, 

„ „ Köhler, " " Wendel, 

Z nn alundneit, „ ” Wietzer, 

” 0... KR:D. DER „ Z Zuckschwerdt, 


der Berichterstatter Tuchen. 

Der Leiztere eröffnele die Sitzung mit einer Anrede und freund- 
licher Begrüssung und las darauf das Protokoll der letzten in Halle 
statt gefundenen Sitzung vor. Alsdann brachte er verschiedene Fach- 
interessen zur gemeinschaftlichen Berathung und Beschlussnahme. 

Hierauf überreichte Herr Assessor Lindner ein Schriftstück un- 
sers werthen Collegen Herrn Jonas, der durch Geschäftsverhältnisse 
behindert worden, der heutigen Versammlung beizuwohnen. Dasselbe 
wurde der Versammlung theils durch Herrn Gause, theils durch 
Herrn Lindner vorgelesen, und bezog sich hauptsächlich auf eine 
richtige wissenschaftliche Heranbildung junger Pharmaceuten in den 
Apotheken, Man erkannte zwar den unermüdeien Fleiss des Herrn 


228 Vereinszeitung. 


Verfassers bei Abfassung dieser Abhandlung mit dem grössten Lobe 
an, wollte in der beregten Angelegenheit jedoch keinen Beschluss 
fassen, sondern vereinigte sich dahin, Herrn Jonas zu bitten, seine 
Vorschläge dem ÖOberdirectorium des norddeutschen Apotheker-Ver- 
eins zu einer grösseren und allgemeineren Verbreitung und Kenntniss- 
nahme zu überreichen *). 

Nachdem die Discussion über die Fachinteressen geschlossen, 
wandte man sich zu den wissenschaftlichen Vorträgen. 


Tuchen erlaubte sich, der Versammlung eine kurze Uebersicht 
über diejenigen Gegenstände vorzutragen, die ihm in der Frucht- und 
Gemüse-Ausstellung hauptsächlich bemerkenswerth erschienen waren. 
Er machte auf die vorzüglichen Weinsorten des Herrn C.Köhlmann 
aufmerksam, die in grosser Manniglaltigkeit gut bezeichnet ausgelegt, 
aber sich nur auf solche Sorten bezogen, die hauptsächlich für’s Fass, 
für die Weinbereitung geeignet waren. Ausserdem sah man viele 
Sendungen aus Baden, Würtemberg, vom Rhein und aus hiesigen Ber- 
gen, und prangten die Tafeln mit den herrlichsten und seltensten 
Weintrauben, “ 

Eine merkwürdige Spielart fand sich unter einer der Trauben- 
Ausstellung vor, ein Harlekin- oder Mondwein, so genannt, weil die 
einzelnen grünlich - weissen Beeren auf ihrer Oberfläche nach den 
Mondvierteln dunkelblond gefärbt erschienen. Dieser Weinstock liefert in 
jedem Jahre dieselben Trauben, bildet eine besondere Species und ist 
deshalb mit dem Namen »Mondwein« belegt worden. 


Auch die Traubenkrankheit (Faserpilz, Eischimmel, Oidium Tuckeri) 
fand sich an ausgestellten weinkranken Trauben und an Zweigen der 
Weinreben vor. Wie ein so kleiner Pilz so ungemeine Verheerungen 
an dem so edlen Weinstock hervorbringen könne, davon konnte man 
sich hier deutlich durch den Augenschein überzeugen, und sind die 
beklagenswerthen Nachrichten um so glaubhafter, die aus Griechen- 
land, Spanien, dem südlichen Frankreich und aus andern Ländern 
über den angerichteten Schaden an den Reben gemeldet worden sind. 


Die Feststellung des Gattungscharakters Oidium scheint den Ge- 
lehrten übrigens viel zu schaffen gemacht zu haben, denn Schlech- 
tendal nannte ihn Oideum, Wallroth Ospora, Nees von Esen- 
beck Person, Sprengel Acrosporium und Kunze Alysidium. 


In der Naumburger Umgegend ist die Traubenkrankheit erst an 
einem Orte, und auch da nur in geringem Ülmfange, bemerkt worden. 


Die eingegangenen Sendungen von Aepfeln und Birnen, die selbst 
an den Tagen der Ausstellung täglich noch eintrafen, waren fast un- 
übersehbar und alle namhafte Sorten waren darunter vielfach ver- 
treten. 

Die Naumburger Umgegend erzeugt in obstreichen Jahren selbst 
ungeheure Quantitäten, namentlich von Arpfeln. Von den edleren 
Sorten werden sehr viele versendet, die grossen und gewöhnlicheren 
Sorten belegt man indess mit dem allgemeinen Namen »Musäpfel«. 
Viele derselben fand man denn auch unter den fremden Zusendungen 
unter hochklingenden Namen wieder vor. 


Aus den Vorträgen des Gartenbau -Vereins entnahm man übri- 
gens, dass es Hauptzweck desselben sei, die an vielen Orten unter 


*) Ist nicht geschehen. . B. 


! 


39 


iX 


Vereinszeilung. 


unrichtigen Benennungen vorkommenden Obstsorten zu classifieiren und 
den besten, dann richtig benannt, durch Verbreitung und Empfehlung 
Eingang in Deutschland zu verschaffen. 

Auch wurde vorgetragen, dass der blühendste Zustand der Obst- 
eultur in Würtemberg zu finden sei. 

Als die wohlschmeckendsten und vorzüglich empfohlenen Aepfel- 
sorten erlaube ich mir folgende zu nennen: 

1) die Pariser Rambour -Reinette, 

2) der grosse Rheinische Bohnapfel, 

3) die Kaiser-Calville, 

4) die Englische Gold-Reinette (Duhamel’s), 
5) die Ananas-Reinette, 

6) der edle Winter-Borsdorfer, 

7) die grosse Casseler Reinette, 

8) der rothe Pignon, 

9) der Louisenapfel. 

Unter der sehr grossen Anzahl von Birnen kann ich folgende als 
ganz vorzüglich und vom feinsten Wohlgeschmack aus eigener Ermit- 
telung empfehlen: 

1) die Argenson-Birne, 
2) die Wintermelis, 
3) die Salisbury. 

Die Argenson ist Ende October und die Wintermelis Ende Novem- 
ber geniessbar. 

Eine aus Nürnberg eingesandte Übst-Mustersammlung aus Papier- 
mache, von Aepfeln, Birnen, Pflaumen, Kirschen, Nüssen, Pfirsichen, 
Aprikosen, sollte als Norm zur richtigen Bestimmung der betreffenden 
Obstsorten dienen. Allgemein wurde dieser schönen Sammlung wegen 
ihrer naturgetreuen Nachbildung das grösste Lob gespendet. 

Eine grosse Sammlung von Kürbissen, von der kleinsten bis zur 
grössten 4 Clr. schweren Art, war durch vortreflliche Exemplare in 
allen Formen und Farben ausgestellt. 

Die Melonencultur war in allen bekannten Arten vertreten, dar- 
unter wurde eine neue Amerikanische, welche im Freien ohne Glas- 
bedeckung gedeiht, wegen ihres vortrefflichen Geschmacks sehr em- 
pfohlen, desgleichen eine grosse netzförmige Sicilianische, mit gelbem 
Fleisch und 20 Pfund schwer. 

Schöner Blumenkohl von Erfurt und Naumburg in den grössten 
Exemplaren, darunter verschiedener farbiger, Brassica oleracea, Cy- 
prica violacea, coerulea et viridis, von sehr gutem Geschmack. 


In der Ausstellung fand sich auch ein neu empfohlenes Gemüse, 
Cardy, Kardinartischocke, Cynara Cardunculus, vor. Mir war das- 
selbe nicht neu, indem ich es schon vor 10 Jahren im Garten gezogen. 
In Schmidling’s Gartenbuch wird eine neue Cultur-Anweisung ge- 
geben, wie dasselbe, nachdem es herangewachsen, behandelt werden soll. 


Ferner waren ausgestellt: schöner Wirsing, Weisskraut, Rosen- 
oder Sprossenkohl. Desgleichen eine grosse Sammlung von Rüben, 
als Futterrüben, Runkelrüben, grosse Tellerrüben, Zuckerräben, Kohl- 
und Wasserrüben in schönsten Exemplaren, 


Als neues Gemüse wurde die Kerbelrübe (Scandix bulbosa) sehr 
empfohlen und von einem Mitgliede des Gartenbau-Vereins darüber 
ein Vortrag gehalten. Diese Wurzel kommt, in Bouillonsuppen genos- 
sen, im Geschmack fast den Fleischklösschen nahe, und verdient auch. 


230 Vereinszeitung. 


geschmort, wie Kastanien, die grösste Empfehlung*). Zuckerpastinak- 
wurzeln, sehr grosser schöner Sellerie, roth und weiss, in grosser 
Auswahl. 

Gurken, namentlich lange Schlan 
vollkommensten Früchten ausgestellt. 

Schöne Sortimente von Zwiebeln sah man ausgelegt, von der 
Riesenzwiebel bis zur kleinsten Perlzwiebel, vielseitig gefärbt und in 
der Formbildung sehr verschieden. 

Auffallend schöne Reitige, darunter neue rosenroihe Sommer- 
oder Butterrettige. 

Viele schöne Sortimente von Kartoffeln, darunter eine Sammlung 
von 100 Arten aus Potsdam. 

Ausserdem wechselten zusammengestellte Sammlungen von Krack- 
mandeln, Pfirsichen, Reineelauden in allen bekannten Species. 

Eine sehr reiche Sammlung von allen nur vorkommenden Wald- 
und Wallnüssen war schön geordnet ausgestellt und erregte allgemeine 
Aufmerksamkeit. Desgleichen schöne Exemplare von Ananas, viele 
Arten von Bohnen und Erbsen, darunter die Riesen-Schwertbohne. 

Es waren ferner schöne Früchte von Lycopersicum eseulentum, 
Liebesapfel, desgleichen von Solanum esculentum oder Melongena, 
Eierpflanze, zur Ausstellung geliefert. Hieran schloss sich noch eine 
schöne Sammlung von Schoten des Capsicum annuum in vielen Va- 
rietäten. 

Schliesslich fand man noch eine Ausstellung von schönen Instru- 
menten der Gärtnerei, umfassend alle mögliche Messer, Hacken, Karste 
und Geräthschaften, welche der Gärtner und Winzer zum besseren 
Betriebe bedarf. Ferner eine neue Art Pflanzen-Etiquetten auf Strei- 
fen von Kupferblech gepresst; sie waren dauerhaft, aber gewiss eben 
so theuer als schön. — 

Hierauf trat Herr Stutzbach auf und theilte der Versammlung 
mit, wie man ohne grosse Gefahr Rad. Hellebori albi und Euphor- 
bium stossen könne. Derselbe habe bei ersterer Ol. Amygdalar. und 
bei letzterem verdünnten Spiritus, und zwar nur wenige Tropfen an- 
gewendet, um das belästigende Verstäuben der Substanzen zu ver- 
meiden. 

Ebenderselbe zeigte eine neue Zusendung von Rad. Hellebori 
albi vor. Die Wurzeln wichen ganz von der herkömmliehen Form 
ab, jedoch lag die Formverschiedenheit in der Jugend der Wurzel, 
und war die Verität derselben nicht zu bestreiten. 

Herr Neumann sprach über Darstellung der Blausäure und 
näherte sich in seinen Ansichten und Verfahren dem von Mohr. 

Tuchen zeigte verschiedene Sorten von Cacao vor, so wie sie 
jetzt im Handel vorkommen, als Bahia, Carracas, Guajaquil, Martinique 
und Para. Darunter eine Surte Carracas aus einer alten Droguen- 
sammlung, in zolllangen Bohnen, von seltenem Vorkommen. Ferner 
zeigte derselbe der Versammlung ein Plund ziemlich chemisch - reines 
Kobaltmetall vor, desgleichen Resina Guajaci in lacrimis und Areca- 
nüsse, die gepulvert als Adstringens zu Zahnpulver verwendet werden, 

Hierauf wurde von Demselben ein Vortrag über Rad. Hellebori 


gengurken, fand man in den 


*) Ich bin gern bereit, von meinem Samenvorrath unentgeltlich 
kleine Qwantitäten an meine Herren Collegen abzugeben, — 

Ich verdanke der Güte des Hrn. Collegen Dr. Tuchen eine 
solche Probe. B. 


Vereinszeitung. 231 


nigri und Rad. Adonidis vernalis gehalten, worin er der Versamm- 
lung mittheilte, dass er viel öfterer, als man glauben sollte, in den 
Apotheken anstatt der ersteren die letzieren Wurzeln vorgefunden 
habe. Die falsche Christwurzel habe bekanntlich im Aeussern viel 
Aehnlichkeit mit der ächten, besonders wenn dieselbe, wie es bei 
älteren Vorräthen fast immer der Fall wäre, ohne Blätter angetroffen 
würde. Die Adoniswurzel sei nun nicht unbedeutend stärkemehl- 
hallig, was sich in einer Abkochung derselben mittelst Jods leicht 
nachweisen lasse. Er habe daher ein bequemes Mittel entdeckt, wie 
man auf der Stelle die Adoniswurzel von der ächten Niesswurzel 
unterscheiden könne. Es würde nämlich mit- einem scharfen Messer 
eine glatte Schnittläche auf der Oberfläche der Wurzel bewirkt und 
diese hierauf mit Tinct. Jodi bestrichen, Die feste derbe Substanz 
der Rad. Hellebori nigri werde hierdurch wenig verändert, nähme 
aber doch eine mahagonybraune Färbung an; bei Rad. Adonis vern. 
werde dagegen die Schnitifläche dunkel-violetiblau gefärbt und träten 
späterhin aus der Färbung die grauen oder hellbräunlichen Fasern und 
Rippen der Wurzeln hervor. Hierdurch könne man mit grösster Be- 
stimmtheit den auffallenden Unterschied zwischen beiden Wurzeln in 
der kürzesten Zeit durch den Augenschein beweisen. 

Der Vorsteher der ärztlichen Abtheilung, Herr Sanitätsrath Dr, 
Schwabe, trat hiernach in die Versammlung, bat ums Wort, begrüsste 
dieselbe und trug in einer kleinen Anrede die Bitte vor, dass die 
Herren Apotheker sich doch an dem im Reg.-Bezirk Merseburg er- 
scheinenden Correspondenzblatte betheiligen möchten. 

Die Versammlung war bereit, diesem Wunsche nachzukommen, 
und wird der Unterzeichnete bemüht sein, recht viele der äbwesenden 
Herren Collegen zur Theilnahme an diesem Blatte zu bewegen. 

Obgleich in der letzten Versammlung zu Halle eine grosse Anzahl 
von Vorträgen auf heute versprochen worden, so fehlten dieselben 
jedoch zum grössten Theil gänzlich. 

Berr College Assessor Hahn hatte die Freundlichkeit gehabt, die 
Aufnahme und Führung des Protokolls zn übernehmen, wofür ihm der 
Unterzeichnete bestens dankte. 

Die Versammlung wurde geschlossen, und späterhin vereinigte 
eine reichbesetzte Mittagstafel beide Sectionen zu einem gemeinschaft- 
lichen Essen, was bis gegen Abend in heiterer Unterhaltung fortdauerte. 


Dr. Tuches, p.t. Vorsteher. 


Veränderungen in den Kreisen des Vereins. 
Kreis Oels betreffend. 


Der angezeigte Eintritt des Herrn Poppo aus Naumburg, der 
nach Bernstein gezogen ist, beruht auf Irrthum. 


Im Kreise Stavenhagen 
ist eingelreten: Hr. Apoth. v. Boltenstein in Neubrandenburg. 
Im Kreise Güstrow 
" " Hr. Apoth.-Administr. Range in Goldberg. 
Im Kreise Schwerin 
„ " Hr. Apoth. Würges in Kloetz. 


232 Vereinszeitung. 


Notizen aus der General- Correspondenz des Vereins. 


Von HH.DD. Herzog, Geiseler, Overbeck, Faber wegen 
Directorial-Conferenz. Von Hrn. Kreisdir. Tauchen Bericht über phar- 
maceutische Versammlung, Tod des Pensionairs Günther. Fr. Zie- 
geldecker wegen fernerer Unterstützung. Von Hrn. Kreisdir. Winck- 
ler in Posen wegen Gehülfen- Versorgungs-Instituts. Von Hrn, Vicedir. 
Grischow Anmeldung neuer Mitglieder. Von Hrn. Salinedir. Bran- 
des wegen Abrechnung des Kreises Berlin. Von Hrn. Med.-Rath Dr. 
Müller wegen Porto-Angelegenheit. Von Hrn. Kreisdir. Limann 
wegen Journalzirkels. Von Hrn. Vicedir. Löhr wegen An- und Ab- 
meldung von Mitgliedern. Von Kreisdir. Oswald wegen Re:tes eines 
geisteskrank gewordenen Mitgliedes, Rechnung des Kreises Reichen- 
bach. Von Hrn. Kreisdir. Hollandt wegen Pension für Hrn. Wal- 
lesky. VonHrn. Vicedir. Bucholz wegen Eintritts eines neuen Mit- 
gliedes im Kr. Erfurt. Von Hrn. Vicedir. Bucholz, Dr. Geiseler 
und Hrn. Hornung wegen Archiv-Ängelegenheit. Von Hrn. Leidolf 
wegen Besteuerung der Apotheker. Von Hrn. Kreisdir. Strauch 
wegen eines neuen Mitgliedes. Von Hrn. Vicedir. Ohme Vorschlag 
wegen Gehülfen-Unterstützungscasse u.s. w. Hon Hrn. Larch& Mel- 
dung zu einer Pension. Von Prof. Dr. Martius Arbeit für’s Archiv. 
Von HH. Hornung, Dr. Meurer desgleichen. Von Hrn. Schnei- 
der wegen Unterstützung. Vor Hrn. Kümmell wegen Beitrags für 
Wirth’s Familie von Hrn. Reithamer. Von Hrn. Oberdir. Dr. Walz 
wegen des Jahrbuches. Von Hrn. Salinedir. Brandes wegen Aus- 
stellungen in mehreren Kreisrechnungen. Von Hrn. Taege in Thorn 
Anmeldung zum Beitritt. Von Hrn. Jahn Klage wegen Journalzirkel. 
Von Hrn. Soldat Bitte um Unterstützung. Von Hrn. Kreisdir. Cöster 
Befürwortung derselben. Von Hrn. Dr. Riegel wegen pharmaceu- 
tischer Statistik. Von Hrn. Subdir. Stölting wegen Prämie der 
Aachener und Münchener Feuer-Assecuranz. Von Hrn. Geh. Hofrath 
Dr. Menke Beitrag für das Archiv, 


2) Arzneitaxe. 


Brüssel, den 7. Februar. Die Regierung macht endlich Ernst 
und wird den Kammern ein neues Gesetz über die Ausübung der Heil- 
kunde vorlegen, das von der öffentlichen Meinung schon längst ver- 
langt, während von anderer Seite heftig dagegen operirt wurde, Eine 
Taxe für Aerzte und Apotheker, wie sie in Deutschland üblich und 
wie sie von einzelnen Stimmen unserer Presse begehrt wurde, wird 
die Regierung nicht vorschlagen, indem sie solche Bestimmungen für 
einen Eingriff in die persönliche Freiheit hält; dagegen sollen die 
Apotheken, zu deren Errichtung es übrigens keiner Concession bedarf, 
einer strengeren Controle, namentlich regelmässigen Visitationen unter- 
worfen, auch soll dem ärztlichen Personal das Selbstdispensiren der 
Arzneien untersagt werden, Am Sonnabend versammelte sich die 
Königl. Akademie der Medicin in geheimer Sitzung, um den betreffen- 
den Gesetzvorschlag zu begutachten. So viel wir vernommen, kamen 
in dieser Sitzung nur zwei Fragen vor. Die eine: ob eine Ober- 
Medicinalbehörde errichtet werden soll? wurde verneirend ertschie- 


Vereinszeitung. 233 


den; die andere wurde dahin bestimmt, dass in jeder Provinz die 
Beaufsichtigung der Medicina!polizei und der öffentlichen Gesundheit 
einer bestimmten Behörde zustehen soll. Da in einigen Klöstern die 
Seelenärzte sich auch mit der Herstellung ungesunder Leibesconstitu- 
tionen befassen, und dies zwar gralis thun, dabei aber doch ihre ein- 
träglichen Zwecke verfolgen, so lässt sich wohl denken, wie die 
klerikalen Blätter schon jetzt gegen die Absicht der Regierung demon- 
striren und darin besonders eine neue Belästigung des armen Land- 
volks sehen wollen. (Ztgsnachr.) 


3) Medicinalpolizei. 


Chemisches Ober gutachten über eine angeschuldigte Ver- 
giftung durch Phosphorteig; von H. Wackenroder. 


Die neuere Einrichtung der Schwurgerichte in Deutschland hat, 
gleichwie in die Criminalrechtspflege, so auch in die gerichtliche 
Medicin manche tief eirgreifende formelle Aenderung hervorgebracht, 
so dass es oftmals auch für den gerichtlichen Chemiker noihwendig 
wird, den ganzen actenmässigen Thatbestand aufzufassen. Aus diesem 
Grunde können die Mittheilungen über gerichtlich- chemische Unter- 
suchungen den gerichtlichen Chemikern jetzt meistens nur dann lehr- und 
hülfreich werden, wenn der nöthige Zusammenhang der Thatsachen 
nicht fehlt. Daher mag es gerechtfertigt erscheinen, zur vollständigen 
Einsicht in den chemischen Theil dieser, wie mir scheint, beachtens- 
werihen Vergiftungsgeschichte auch das Nöthige aus den Acten zu 
referiren, wozu mir die Erlaubniss ertheilt worden ist. 

Die Frau eines Zimmermeisters A. zu B., welche 14 Jahre älter 
war als ihr Mann, bewohnte mit einer ihrer Schwestern, Johanne, verwilt- 
weten Ü,, und deren beiden erwachsenen Kindern, einem Sohn und einer 
Tochter, das erefbte elterliche Haus, unter gemeinschaftlicher Benutzung 
der einzigen Küche im Hause. Der bis zu seiner Verheirathung regel- 
mässig lebende Mann ergab sich später dem Trunke, wozu ihn viel- 
leicht seine, wie es scheint, ungünstigen häuslichen Verhältnisse veranlas- 
sen mochten. Er führte öfters Streit mit seiner Frau und diese beklagte 
sich gegen Bekannte und Verwandte mehrmals über thätliche Miss- 
handlungen von Seiten ihres Mannes. Diese sollen auch nicht auf- 
gehört haben, als in der Mitte vorigen Jahres die Ehe mit einem 
Kinde gesegnet wurde. 

Am 19. October 1853 erkrankte die Frau A., ihre Krankheit nahm 
sehr zu, aber erst am 23. October wurde der Bezirksarzt D. zu ärzt- 
lichem Beistande herbeigerufen. Gleichzeitig am Abend dieses Tages 
errichtete die Patientin, die nur noch wenig reden konnte, ein Testa- 
ment, worin sie ihr Kind und ihre drei Schwestern zu Erben ein- 
selzte, ihren Ehemann aber enterbte. Dabei deutete sie an, dass sie 
von ihrem Ehemann durch ein Stück Kuchen, das er ihr, wie später 
nachgewiesen wurde, in der Nacht vom 18. auf den 19. October von 
einer Kirmess milbrachte, vergiftet worden sei. Als dieser Anschuldi- 
gung am 24. October weiter nachgeforscht werden sollte, war die 
Patientin bereits besinnungslos geworden, und es konnte nur das zu 
Protokoll genommen werden, was ihre Schwester Johanne, in deren 
Stube die Patientin geschafft worden war, von derselben vernommen 


M 


234 Vereinszeitung. 


hatte. Die Hauptanschuldigung blieb die, dass der Zimmermeister A. 
seine Ehefrau mit Phosphorteig vergiftet habe, der vor fast 1 Jahre 
aus der Apotheke zu B. gekauft und von dem noch ein Rest in der 
gemeinschaftlichen Küche aufgefunden worden sei. Die im Todes- 
kampf liegende Kranke habe zuletzt nur noch die Worte: »Gift, Gift, 
Schüsselbreit« hervorbringen können. Die Masse in der mit Papier 
bedeckten thönernen Büchse habe auch eine Farbe gezeigt, die ver- 
schieden sei von der, welche die Masse in einer Vertiefung habe, 
wonach eine neuerliche Herausnahme eines Theiles des Phosphorteiges 
wahrscheinlich werde. Da am 25. October Abends die Patientin starb, 
so wurde am 26. October eine Criminaluntersuchung gegen den so- 
fort inhaftirten Zimmermeister A. eingeleitet und auch die Section des 
Leichnams vorgenommen. 

Während nun die Criminaluntersuchung ihren Fortgang hatte, 
wurden die HH. ApothekerE. und F. zu G. mit der chemischen Unter- 
suchung der Phosphorlatwerge, und die HH. Apotheker H. und J. 
zu B, mit der chemischen Untersuchung des aus der Leiche heraus- 
genommenen Magens und Darmcanals nebst deren Contentis beauftragt. 
Die ersteren Chemiker reichten ihren chemischen Befund am 20. No- 
vember, die letzteren am 23. November ein. 

I. Die Untersuchung des am 24. December 1852 erkauften, also 
über 10 Monate alt gewordenen Phosphorbreies begann damit, appro- 
ximaliv zu bestimmen, wie viel frischen Phosphorbrei die Büclise 
fasste, als sie angefüllt war. 

Das Gewicht der noch vorhandenen Masse betrug i Unze 1 Drachme 
24 Gran oder 564 Gran Med.-Gew. Sie enthielt Fett, wobei jedoch 
das Mehl nicht weiter urgirt wurde. Eine mit Schwefelsäure vor- 
genommene Prüfung sollte auch Zucker nachweisen. 


Die Prüfung auf Phosphor wurde durch Erhitzen einer kleinen Menge 
der Masse auf der Eisenplatte, so wie durch Erhitzen mit Wasser vorge- 
nommen; das Leuchten derselben im Dunkeln zeigte Phosphor an. Durch 
das Kochen mit Wasser wurde der Phosphor auf die Oberfläche ge- 
trieben, wo er sich entzündete; zugleich sonderte sich auch Phosphor 
in geschmolzenem Zustande ab, der getrennt und nach dem Erkalten 
gewogen, auch auf seine Eigenschaften genau geprüft wurde. Durch 
Ausziehen des Phosphorteiges mit Wasser wurden die gebildete phos- 
phorige und Phosphorsäure nicht nur durch die saure Reaction, son- 
dern auch die erstere durch die Reduction des salpetersauren Silber- 
oxyds und Quecksilberoxyds und durch Fällung des Quecksilberchlorids, 
die letztere durch ammoniakalisches Chlormagnesium nachgewiesen, 


Kalter Aether zog aus der Masse Phosphor aus, der beim Ver- 
dampfen an dem Rauche der phosphorigen Säure erkannt wurde, 
Die Anwendung von Schwefelkohlenstoff erwies sich als unzweck- 
mässig, indem zugleich zu viel Fett mit in Auflösung kam, 


Zur quantitativen Bestimmung des Phosphors wählte man die 
mechanische Abscheidung des Phosphors mit der achtfachen Menge 
warmen Wassers, 

Die quantitative Bestimmung der phosphorigen Säure geschah nach 
dem Quecksilberchlorür, das aus Quecksilberchlorid durch den wässe- 
rigen Auszug gefällt wurde, 


Die Phosphorsäure wurde bestimmt mittelst Bleioxyds aus dem 
wässerigen, mit Salpetersäure abgedampften Auszuge, die aus der phos- 
phorigen Säure entstandene Phosphorsäure aber in Abzug gebracht. 


# 


Vereinszeitung. 235 


II. Die Untersuchung des Magens und Darmcanals begann am 
3. November mit einer Prüfung auf vorhandene freie Säure durch 
Reagenspapier, wodurch aber die Abwesenheit derselben bewiesen 
wurde. Dann wurde der grösste Theil dieser Eingeweide zerschnitten 
und mit Wasser der Destillation unterworfen. Das Destillat gab mit 
salpetersaurem Silberoxyd einen bräunlichen Niederschlag, der aber 
nur von organischer Substanz hervorgebracht wurde. Durch Abdam- 
pfen mit etwas Salpetersäure und Zusatz von ein wenig Ammoniak 
wurde keine Spur von Phosphorsäure, also auch nicht von phospho- 
riger Säure in den Contentis entdeckt. Zur Sicherheit wurde auch 
noch ein Gegenversuch mit einem Zusatze von Phosphorsäure zu der 
Flüssigkeit, die mit Silbersalz geprüft worden, angestellt. 

Da bei der Destillation der animalischen Substanzen mit Wasser 
keine phosphorige Säure im Destillat gefunden wurde, so schloss man 
auf die Abwesenheit von Phosphor und phosphoriger Säure darin. 
(Bestimmte Versuche über die Flüchtigkeit der letzteren mit Wasser 
scheinen jedoch nicht zu existiren.) — Die Destillation einer neuen 
Portion der animalischen Theile ergab dasselbe Resultat. 

Da möglicher Weise auch eine Vergiftung mit metallischen Giften 
stalt gefunden haben konnte, so wurden die der Destillation unter- 
worfenen animalischen Stoffe mit Salzsäure und chlorsaurem Kali aus- 
gekocht, die Flüssigkeit mit Schwefelwasserstoff behandelt und über- 
haupt so verfahren, wie erst kürzlich in diesem Archive bei Unter- 
suchung des Blutes (Bd. 76. pag.1) angegeben worden ist. Die 
Abwesenheit aller giftigen Metalle wurde vollkommen festgestellt. 

In dem nun eingereichten Gutachten des Bezirksarztes Dr. D, 
wurde indessen aus mehreren Gründen die Vergiftung mit der Phos- 
phorlaiwerge als wirklich erfolgt angesehen, von ‚ dem Oberstaatsanwalt 
jedoch das Einholen von Obergutachten sowohl von mir, als auch von 
der hiesigen medicinischen Facultät beschlossen. 

Das chemische Obergutachten, dessen Mittheilung ich nicht für 
unnülz zu erachten wage, lautete, unter Hinweglassung des Eingangs 
und der auf die Acten bezügliche Citate, nit geringen Abänderungen 
und einigen Abkürzungen folgendermaassen: 

I. Obergutachten über die Untersuchung der Phosphorlatwerge, 
welche von den HH. E. und F. zu G. angestellt worden. 

Die Masse in der Büchse wird als oberflächlich weiss, im Innern 
röthlich angegeben. Dieselbe war am 24. December 1852 aus der 
Apotheke zu B. entnommen und daher auch ohne Zweifel zu jener 
Zeit frisch angefertigt worden. Sie war also in dem Ueberreste bis 
zum 7. November 1853 mindestens 44 Wochen lang in einer mit Papier 
chen Büchse der Einwirkung der Luft ausgeselzt gewesen, und 
zwar den grössten Theil dieser Zeit hindurch in der Küche, wohin 
die Büchse, nach des angeschuldigten A. Angabe, von seiner verstor- 
benen Ehefrau selbst hingestellt wurde, weil sie den Geruch des 
Phosphorteiges, der in der Commode aus dem Teige entstand, uner- 
träglich fand. Dieser Geruch zeigt aber die Oxydation des Phosphors 
durch den Sauerstoff der Luft an und damit auch die allmälige Ver- 
minderung der Giftigkeit des Phosphorbreies bis endlich zur gänz- 
lichen Unschädlichkeit. 

Die HH. Chemiker konnten durch die Loupe keine Phosphor- 
partikeln wahrnehmen, bemerkten aber doch hier und da röthliche 
Stellen, die sie, wie es gewöhnlich ist, dem entstandenen Phosphor- 
oxyd zuschrieben. Der, besonders aus dem Innern der Masse hervor- 


* 


236 Vereinszeitung. 


tretende starke Phosphorgeruch liess aber die Vermuthung zu, dass 
noch Phosphor vorhanden sei. 

Die Ausmittelung der ursprünglichen Quantität des Phosphorteiges 
kann als eine approximative allerdings gelten. Sie fanden nabezu 
4 Loth, wovon die Hälfte noch vorhanden war. Herr Apotheker K. 
zu B. hat nach dem Augenmaasse eine kleinere Menge angegeben, 
nämlich 3 Loth. 

Indessen ist wenig Werth auf diese Abweichung zu legen, da 
nicht auszumitteln war, wie viel Wasser in dem ursprünglichen Brei 
sich befand. Da man einmal nicht vorzog, in der Apotheke zu B. 
über die Anfertigung des Phosphorbreies Erkundigung einzuziehen, 
was unbedenklich hätte geschehen können, so hätte man auch wehl 
die Gegenwart von Mehl in der Masse eben so gut nachweisen müs- 
sen, als die des Fettes. Die Anwesenheit von Zucker darin möchte 
nach dem angeführten Versuche allein auch nicht sicher sein. 

Auf diese Nebendinge kommt jedoch wenig oder nichts an. Man 
wusste, die Masse war ursprünglich der sogenannte Phosphorteig, der 
in frischem Zustande ein sehr starkes, in veraltetem Zustande ein 
schwaches oder gar kein Gift mehr ist. Die weitere Untersuchung 
richtete sich daher auch ganz richtig auf die Nachweisung von noch 
vorhandenem unverbranntem oder nicht oxydirtem Phosphor. In drei 
Versuchen schieden die HH. Chemiker auch in der That mit Hülfe 
von heissem Wasser Phosphor ab, und nahmen als Mittel aus den- 
selben 3,11 Gran Phosphor in der ganzen Masse von 564 Gran Gew, 
an, Demnach würden in 120 Gran oder 1/3 Loth der Masse enthalten 
sein höchstens ?/jg oder ungefähr 3/4 Gran Phosphor, Eine annoch 
bestandene Giftigkeit des alten Phosphorteiges muss daher anerkannt 
werden. Allein eben so wenig ist auch zu bezweifeln, dass eine in 
der That giftige Wirkung dieses alten Phosphorteiges auf einen Er- 
wachsenen erst dann hätte eintreten können, wenn I/y bis ganzes Loth 
des Teiges, also 1/} bis 1/g der ganzen noch vorhandenen Masse auf 
einmal wäre genossen worden. 

Wenn nun gleich richtig ist, dass die ganz genaue quanlitalive 
Bestimmung des Phosphors äusserst schwierig ist, und zwar durch Aether 
oder Schwefelkohlenstoff bewerkstelligt werden kann, so kann doch 
die mechanische Absonderung des Phosphors hier vollkommen genügen. 
Auch die quantitative Bestimmung der in der Masse entstandenen phos- 
phorigen Säure und Phosphorsäure ist hier hinlänglich genau und ver- 
dient Zutrauen, 

Die Schädlichkeit, um nicht zu sagen Giftigkeit der phosphorigen 
Säure wird jetzt allgemein angenommen, während noch vor wenig 
Jahren an ihrer Unschädlichkeit nicht gezweifelt wurde, gleichwie 
dies gegenwärtig in Betreff der Pbosphorsäure noch der Fall ist. Die 
Giftigkeit der phosphorigen Säure muss aber bei weitem geringer, als 
die des Phosphors selbst angenommen werden. Die HH. Chemiker 
berechneten für die noch vorhandene Menge der alten Latwerge 4,37 
Gran phosphorige Säure, so dass auf 1/g Loth derselben nur 9/9 Gran 
phosphorige Säure kommen würde, eine Menge, von der nicht mit 
Sicherheit gesagt werden kann, dass sie eine besonders giftige Wir- 
kung auf einen Erwachsenen ausüben würde. 

Aus der weiteren Untersuchung ergiebt sich, dass 13,17 Gran 
Phosphorsäure in der Masse enthalten waren, von deren Unschädlich- 
keit, ja bedeutender Heilkraft man allgemein vollkommen überzeugt 
ist, Rechnet man, der Abkürzung wegen, beide Säuren als Phosphor- 


* 


Vereinszeitung. 237 


säure, so mussten, um 17,54 Gran Phosphorsäure hervorzubringen, 
7,7 Gran Phosphor oxydirt werden, folglich mehr als das Doppelte der 
Phosphormenge, die jetzt noch in der Masse gefunden wurde. Folglich 
hatte die 10 Monate alte Phosphorlatwerge 2/3 ihrer Giftigkeit ver- 
loren. 

Bekannt ist, dass eine alte Phosphorlatwerge als Rattengift nicht 
mehr taugt, Jedoch sind auch Beispiele bekannt geworden, dass alt 
gewordene Phosphorlatwergen keineswegs unbedingt für unschädlich 
oder nicht giftig zu erachten sind. Darauf beziehen sich auch manche 
bekannt gewordene Rathschläge zur Herstellung recht kräftiger Phosphor- 
teige als Rattengift, z.B von Haendess (dies. Arch. Bd. 49, p. 277), 
welcher angiebt, dass der aus blossem Mehl und Phosphor bereitete 
Phosphorteig nicht über 8 Tage alt werden dürfe, ohne seine Wirk- 
samkeit zu verlieren. Ein geringer Zusatz von Senfpulver conservire 
dieses Rattiengifi aber mehrere Wochen hindurch. Im vorliegenden 
Falle war Fett hinzugemischt, vielleicht der Phosphor zuvor darin 
unvollständig aufgelöst worden. Unbekannt ist, in wie weit dadurch 
der Phosphor in dem Teige conservirt wird und eigentliches Gift bleibt. 


Nach diesem Allen treie ich der cbemischen Untersuchung der 
HH. Chemiker überall in den wesentlichen Puncten unbedenklich bei, 
muss aber die Angabe, dass die frische Latwerge, als sie die Büchse 
anfüllte, 22,338 Gran Phosphor enthielt, eben nur für eine annähernde 
halten. 

Ohne Zweifel bleibt die Frage nach der Giftigkeit des Phosphor- 
teiges zur Zeit der Untersuchung desselben die Hauptsache. Die 
Beantwortung derselben hätte ausser der quantilativen Bestimmung 
des Phosphors in der Latwerge wohl am besten und entschiedensten 
durch directe Versuche an Hunden oder Katzen beantwortet werden 
können. Obwcehl nun diese Versuche nicht angestellt worden sind 
und auch nicht nachgeholt werden können, so schien doch ein der- 
artiger nachträglicher Versuch mit dem Ueberreste des Phosphorteiges 
nicht ganz überflüssig zu sein. 


Daher öffnete ich erst am 9. Februar d.J. die mir zugeschickte 
Büchse. Der Phosphorteig, welcher seit der ersten Untersuchung am 
20. November 1853 um 12 Wochen, und seit der angeschuldigten Ver- 
giftung in der Nacht vom 18. auf den 19. October 1853 sogar um 
151/, weitere Wochen älter, und seit seiner Anfertigung am 24. De- 
cember 1852 überhaupi gegen 59 Wochen alt geworden war, bildete 
eine bröckliche, lockere, noch etwas kneibare Masse von weisser 
Farbe, die jedoch durch einige röthliche oder eisenockerähnliche Flecken 
in der Masse unterbrochen wurde. Beim Oeffnen der Büchse war ein 
sehr merkl cher Geruch nach Phosphor wahrzunehmen, der bekannt- 
lich der sich bildenden phosphorigen Säure zugeschrieben wird. Beim 
Erhitzen einer kleinen Menge der Masse im Platinlöffel entwickelten 
sich weisse, vorzüglich nach Fett riechende Dämpfe, die sich leicht 
entzündeten. Die Flamme gab einen merklichen weissen Rauch, wie 
der Phosphor und die phosphorige Säure, wenn sie an der Luft mit 
Flamme verbrennen. Die Fettdämpfe und die später hinzutretenden 
fetiden Dämpfe des verbrennenden Mehls verdeckten natürlich etwas 
die Erscheinungen, die sonst auch die kleinste Menge des verbren- 
nenden reinen Phosphors so bestimmt auszeichnen. Die nach stärke- 
rem Glühen binterbliebene Kohle gab an Wasser viel Sänre ab, die 
mit salpetersaurem Silberoxyd einen starken, weissen, in Salpetersäure 


238 Vereinszeitung. 


leicht löslichen Niederschlag hervorbrachte, der von entstandener 
@ Phosphorsäure herrührte. 

Eine andere kleine Portion des Teiges wurde mit wenig Wasser 
in einem Porcellanschälchen erhitzt. Hierbei fand keine Entzündung 
von Phosphor statt, wie es geschieht, wenn noch viel Phosphor in 
dem Phosphorteige enthalten ist, und wie es auch die HH. Chemiker 
E. und F. zur Zeit ihrer Untersuchung desselben Phosphorteiges be- 
obachteten, Uebrigens waren zu Anfang des Kochens noch röthlich- 
braune Theilchen zu unterscheiden, die aber nach kurzer Zeit ver- 
schwanden, Diese geringe Menge brauner Phosphorsubsianz oder 
Phosphoroxyd war offenbar in dem erhitzten Fette allmälig aufgelöst 
worden. Der entstandene weisse Kleister reagirte stark sauer, wurde 
von Jodwasser intensiv blau gefärbt und löste sich in concentrirter 
Schwefelsäure fast klar auf, indem das Fett als farblose Oeltropfen 
auf die Oberfläche trat. 

Unter dem Mikroskop konnten in dem Teige nur Fettbläschen und 
Amylumkörner wahrgenommen werden. Das Gewicht des Restes des 
Teiges betrug ziemlich genau 4 Scrupel. Derselbe wurde in Semmel- 
teig gehüllt und nach getroffener Verabredung mit Hrn. Dr.Domrich, 
Professor der Medicin und Mitvorsteher des hiesigen physiologischen 
Instituts, einem gesunden, slarken, ziemlich grossen Haushunde bei- 
gebracht. Das Thier hat nicht die allergeringste nachtheilige Wirkung 
von dem Genuss dieser 4 Scrupel der alten Phosphorlatwerge verspürt 
(wie dies aus dem Protokoll hervorgeht, das mein geehrter Herr Col- 
lege über diesen physiologischen Versuch aufzunehmen und zu den 
Acten zu liefern die Güte hatte). Dadurch ist aber der Beweis geführt, 
dass der Phosphorteig seine giftigen Eigenschaften vollständig verloren 
hatte, ungeachtet derselbe immer noch eine wohl und leicht bemerk- 
liche, wenngleich nicht grosse Menge von Phosphor und phospho- 
riger Säure enthielt, 

Das Resultat dieses Versuches ist um so weniger auffallend, wenn 
man bedenkt, dass der Phosphor in kleinen Gaben nichts weniger als 
Gift, sondern vielmehr ein von manchen Aerzten geschätztes reizendes 
und stimulirendes Arzneimittel ist, Ein Beispiel dazu aus neuerer Zeit 
liefert der Spiritus phosphoratus, welcher in der asphyclischen Cho- 
lera mit dem ausgezeichnetsten Erfolge angewendet worden sein soll. 
Ueber die Bereitung und die Form der Anwendung giebt der Apo- 
iheker Müller in der »Zeitschrift für Natur- und Heilkunde in Ungarn. 
1851. No.32.« (cfr. dies. Arch. Bd. 66. p. 237) Nachweisung, Von 
der Lösung des Phosphors in abselutem Alkohol werden dem Kran- 
ken alle 5 Minuten 10 Tropfen gereicht urd damit jedesmal 0,0118 
Gran Phosphor, so dass binnen 50 Minuten 0,118 Gran Phosphor ge- 
geben werden. Ohne grosses Gewicht auf solche medicinische Ver- 
sleichungen, die ungleichen Umständen angepasst werden, legen zu 
wollen, mag ich doch auch andererseits nicht verfehlen, enigegen- 
gesetzien unbegründeten Supposilionen entschieden enigegenzutreten. 
Die Meinung nämlich, dass mit der 10 Monate alten Phosphorlatwerge 
noch eine Vergiftung successiye hätte bewirkt werden können, ist durch 
nichts gerechtfertigt. Nimmt man an, wozu man wohl berechtigt ist, dass 
von dem in Alkohol aufgelösten und deshalb um Vieles energischer 
wirkenden Phosphor in Gran, binnen 1 Stunde dargereicht, als 
Medicament vertragen wird, so konnten von der alten Phosphor- 
latwerge, die in 120 Gran noch "ho Gran Phosphor enthielt, auch 
gewiss pro dosi 17 Gran oder fast 1 Scrupel, worin sich Yıo Gran, 


Vereinszeitung. 239 


Phosphor befand, ohne vergiftende Wirkung, ja ohne alle nachthei- 
ligen Folgen genommen werden. In den Acten kommt aber gar kein 
Umstand vor, der auf wiederholte Anwendung der alten Phosphor- 
latwerge zu Vergiftung der verstorbenen Frau durch ihren Ehemann 
einigermaassen mit Grund schliessen lässt. Als «einzige Anwendung 
des alten Phosphorteiges zur Vergiftung wird in den Untersuchungs- 
acten diejenige bezeichnet, als die Frau A, in der Nacht vom 18. auf den 
19. October 1853 das Stück Zwetschenkuchen verzehrte, das ihr von 
ihrem Manne von einer Kirmess mitgebracht war. Dass aber zu 
einer Vergiftung mindestens die Gabe von 1/, Loth der alten Latwerge 
erforderlich gewesen wäre, ist schon oben erwähnt worden. Nun 
kann aber unmöglich angenommen werden, dass die Frau, trotz des 
bei ihr vorausgesetzten nächtlichen Hungers, nicht durch den wider- 
wärligen Geruch von 1/, Loth des Teiges soilte gewarnt worden sein, 
zumal ihr der Geruch des Rattengiftes sehr wohl bekannt war. Das 
Gutachten des Herrn Bezirksarztes geht aber gerade von dieser un- 
haltbaren Supposition als einer Thatsache aus. 


In Betreff der übrigen Angaben über den Phosphorteig, die in 
den Acten vorkommen, muss ich mich noch aus physikalisch - chemi- 
schen Gründen erklären. Die Johanne C. sagt aus: »dass erst neuer- 
lich eine Quantität des Giftes scheine herausgenommen worden zu sein, 
wie man an der verschiedenen Farbe in und neben dem dadurch ver- 
ursachten Loche wahrnehme«. Die weiteren Aussagen dieser Frau 
bezeichnen die Farbe des Teiges als eine gelbliche. Ueber die Far- 
benwandlung, welche der in dem gewöhnlichen Phosphorteige befind- 
liche Phosphor durch Zutritt der Luft überhaupt und bei erneuerter 
Oberfläche erleidet, ist nicht einmal die jetzige Wissenschaft zur völ- 
ligen Entschiedenheit gelangt, und so dürfte jenen Aussagen um so 
weniger ein Gewicht beizulegen sein. Ob das Loch in dem Teige 
erst vor einigen Tagen, oder vor einigen Wochen gemacht worden, 
das entscheiden jene Aussagen gar nicht und keinesfalls mit Sicherheit, 


Die Büchse stand in dem Schüsselbrette der Küche. Die Verstor- 
bene wusste darum. Sie hatte dieselbe, zufolge der Acten, selbst 
dahin gestellt, und hat dieses Mitwissen vor ihrem Tode ausgespro- 
chen. Drei bis vier Wochen vor ihrer Erkrankung hat sie, wie un- 
zweifelhaft erwiesen ist, dem Zimmergesellen K. elwas von diesem 
Gifte zur Vertilgung der ihm so lästigen sogenannten Schwaben auf 
das Geheiss ihres Mannes überbracht. Daher musste auch am 24. Oc- 
tober die Masse in dem etwa am 1. October gemachten Loche noch 
eine andere Farbe besitzen, als auf ihrer Oberfläche, die 10 Monate 
lang der Luft ausgesetzt war. Der Ausdruck »neuerliche Herausnahme 
des Phosphorteiges« kann also nicht den mindesten Verdacht erregen 
und wird durch bekannte Thatsachen vollkommen gerechtfertigt. 


Das auf der Büchse liegende Papier war angeblich von Rauch 
geschwärzt, aber nicht mit Staub bedeckt, wie andere in der Nähe 
befindliche Gegenstände. Die Frau €. und eine ihr befreundete Nach- 
barin L, welche gemeinschaftlich die Büchse von ihrem Standorte 
wegnahmen, sagten aus, dass die Büchse in neuerer Zeit gebraucht 
sein müsse, )a dieselbe ungefähr am 1. October auch wirklich geöff- 
net worden, so folgt aus allen hierauf bezüglichern Angaben doch gar 
nicht, dass die Büchse noch später, als zu jener Zeit gebraucht wor- 
den wäre, 


240 Vereinszeilung. 


II. Obergutachten über die chemische Untersuchung der Einge- 
weide des Leichnams der verstorbenen Frau A. durch die HN. Chemi- 
ker H. und J 

Die zuerst auf die Anwesenheit von Phosphor oder phosphoriger 
Säure gerichtete Untersuchung ergab die völlige Abwesenheit dieser 
beider giftigen Stoffe. Auch nicht einmal freie Phosphorsäure konnte 
in den Eingeweiden entdeckt werden. Die Inzest Versuche ent- 
sprechen vollkommen den gegenwärtigen Forderungen der Wissen- 
schaft. 

Die Destillation der zerschnittenen Organe mit Wasser zur Ent- 
deckung des Phosphors und der phosphorigen Säure ist auch von 
andern Chemikern in ähnlichen Fällen mit Erfolg angewendet, nament- 
lich von Weimann (dies, Arch Bd.43. p. 312) und von Schacht 
in Berlin (ibid. Bd. 66. p. 165). Die Prüfung des Destillats auf phos- 
phorige Säure ist von den HH. H. und J. sehr genügend ausgeführt. 

Nach dem Ergebniss dieser Untersuchung und da in und an den 
zerschnittenen Eingeweiden keine freie Säure gefunden wurde in irgend 
einem vom Normalen abweichenden Grade, wäre eine weitere Behand- 
lung der organischen Theile mit Aether, wie sie von Smont und 
van Melckebeck (Annal. de la science medicale de Malines; dies. 
Arch. Bd.47. p. 70) empfohlen und von Ohme (dies. Arch. Bd. 48. 
p. 303) bei Untersuchung eines mit Phosphorteig versetzten Roggen- 
brodes angewendet worden, oder mit Schwefelkohlenstoff zur Extrac- 
tion etwa vorhandenen Phosphors überflüssig gewesen. Auch konnte 
hier ebenso wenig ein genügendes Resultat erwartet werden von der 
quantitativen Bestimmung der Phosphorsäure in den dargebotenen ani- 
malischen Flüssigkeiten, welche Methode von Dulk angewendet wurde 
bei der Selbstvergifiung eines Dienstmädchens, die mit ausgesetztiem 
und wahrscheinlich nicht ganz frischem Phosphorteig ausgeführt war 
und am 6ten Tage mit dem Tode endete (dies. Arch. Bd. 41. p. 155). 
Dulk sagt ausdrücklich, dass von den in einem versiegelten Topfe 
enthaltenen Gedärmen eine Flüssigkeit abzusondern war, die viel freie 
Säure enthielt und Lackmuspapier stark röthele. Die Säure erwies 
sich als freie Phospborsäure. Die HH. Chemiker sprachen aber be- 
stimmt aus, dass die animalischen Flüssigkeiten und die Wand des 
Magens selbst nur eine schwach saure Reaction gezeigt hätten, was 
dem normalen Zustande des Mageninhaltes beim Menschen völlig ent- 
spricht. Diese schwach saure Reaction konnte keinesfalls einer aus 
eingelührtem Phosphor entstandenen Phosphorsäure zugeschrieben 
werden. 

Daher kann ich dem Resultate der Untersuchung der HH. Chemi- 
ker H. und J. zustimmend beitreten,“ eine Wiederholung der Unter- 
suchnng der noch vorhandenen Reste aus dem Leichnam aber für 
überflüssig erachten. 

Die HH. Chemiker haben meiner Meinung nach ganz wohl gethan, 
die Contenta auch auf etwa darin vorhandene melallische Gifte zu 
untersuchen. Auch dieser Theil der Untersuchung ist völlig befriedi- 
gend und veranlasst mich zur beifälligen Zustimmung zu dem erlang- 
ten Resultate. 


Folgerungen. 


Ungeachtet der alte Phosphorteig, dessen Benutzung zu einer Ver- 
giftung der verstorbenen Frau A. supponirt worden, ohne Zweifel 
nur noch wenig giftig sein konnte, und ungeachtet die Untersuchung 


Vereinszeitung. 241 


des Magens und der Gedärme des Leichnams weder auf eine Vergif- 
tung mit Phosphorteig, noch mit einem metallischen Gifte geführt hat, 
wird dennoch in dem Gutachten des Bezirksarzies theils aus den Er- 
‘gebnissen der Obduction des Leichnams, theils aus den Krankheits- 
erscheinungen der Verstorbenen, so wie auch aus den Daten der Acten 
eine Vergiftung der Frau A. mit Phosphor als annehmbar, ja als sicher 
hingestellt. 

Diesem Ausspruche, der ohne alle genügende Beweisführung ge- 
blieben ist, muss ich entschieden entgegentreten aus folgenden Gründen: 

1) Der Giftigkeitsgrad des Phosphors hängt ab von der physika- 
lisch - chemischen Beschaffenheit des Phosphorss.. — Zwar wurde 
aus der alten Latwerge reiner Phosphor abgeschieden; es kann aber 
nicht sicher angegeben werden, ob der Phosphor schon zum Theil 
oxydirt, oder in die sog. rothe Phosphorsubstanz oder den amorphen 
Phosphor übergegangen war. Der amorphe Phosphor, der öfters mit 
Phosphoroxyd gemengt vorkommt (dies. Arch. Bd. 75. p. 136), ist nach 
den Versuchen von de Vry zu Rotterdam, die auch in der Thierarz- 
neischule zu Dresden bestätigt wurden (ibid. Bd. 74. p. 303), in Gaben 
von 16 bis 48 Gran Hunden gar nicht nachtheilig. Daher hätte über 
den Giftigkeitsgrad der i0 Monate alten Latwerge auch allein nur 
durch directe Versuche an Hunden entschieden werden können und 
müssen. 

Von dem gewöhnlichen frischen oder * Phosphor bedarf es nur 
einer sehr geringen Gabe zur Erkrankung oder auch tödtlichen Vergif- 
tung. Unter begünstigenden Umständen mag wohl, wie man annimmt, 
l/, Gran dieses Phosphors solche gefährliche Wirkung hervorbringen; 
im Allgemeinen möchte aber wohl eine etwas grössere Menge dessel- 
ben zur Tödtung eines Erwachsenen erfordert werden, Uebrigens 
lässt sich beim Phosphor wohl eben so wenig, wie beim weissen 
Arsenik eine ganz sichere Ziffer feststellen, um danach die Tödtlichkeit 
der Phosphordosis unter allen Umständen zu bemessen. Der bekannte 
Brera sah nach 2 Gran Phosphor den Tod eines Erwachsenen ein- 
treten. — Herr Apotheker A. Bechert (dies. Arch. Bd. 67. p- 275) 
nahm zur Ermittelung von Gegengiften Phosphorvergiftungen mit Ka- 
ninchen vor. Er fand unter Anderm, dass 1 Gran Phosphor in Mehl- 
teig den Tod eines Kaninchens nach 8 Stunden, eines zweiten Kanin- 
chens nach 8 Stunden 20 Minuten herbeiführte. Dagegen tödtete 
4 Gran Phosphor in Mohnöl aufgelöst, ein Kaninchen schon nach 2 Stun- 
den 40 Minuten. — Aus diesen Thatsachen geht klar hervor, dass 
ein sicherer Schluss auf den Giftigkeitsgrad der 10 Monate alten Phos- 
phorlatwerge nur nach directen Vergiftungsversuchen hätte gemacht 
werden können. 

2) Bis jetzt hat noch bei jeder wirklich stattgehabten Phosphor- 
vergiftung entweder der Phesphor in Substanz, oder doch die daraus 
entstandene Phosphorsäure in den Leichnamen oder in den durch 
Erbrechen ausgeworfenen Substanzen nachgewiesen werden können. 
Die von Bechert getödteten Kaninchen wurden 7 Stunden nach er- 
folgtem Tode von Hrn. Dr. Hartwich, Militär-Oberarzt zu Polzin, 
secirt. Beim Oeffnen des Magens wurde ein starker Phosphorgeruch 
und ein Aufsteigen von Phosphordämpfen bemerkt. — Lasssaigne 
(dies. Arch. Bd. 64. p. 60) vergiftete einen Hund mit Phosphorteig in 
der Art, dass das Thier nach öfterem Erbrechen erst am 5ten Tage 
starb. In der heftig entzündeten Schleimhaut des Magens und ganzen 
Darmcanals bis zum Rectum hin konnte Lassaigne nicht eine Spur 


Arch. d.Pharm. CXXVIIN. Bds. 2. Hft. 16 


242 Vereinszeitung. 


von Phosphor mehr entdecken, wohl aber in den ausgebrochenen, auf 
dem Boden eingetrockneten Materien, und das selbst noch nach fünf 
Tagen. Daher räth Lassaigne auch an, bei vorkommenden Phos- 
phorvergiftungen vornehmlich die durch das stattfindende Erbrechen 
ausgeleerten Stoffe mittelst Aethers auszuziehen und auf Phosphor zu 
prüfen, selbst wenn die Untersuchung auch erst nach mehreren Tagen 
ausführbar sein sollte. Schacht (a.a.©. pag.166) untersuchte den 
Magen und die Speiseröhre aus der Leiche Einer jungen Schauspiele- 
rin in Berlin. Der Obducent hatte weder einen ungewöhnlichen Ge- 
ruch, noch eine Entzündung des Magens und des Darmcanals bemerkt, 
wohl aber einige gelbliche Puncte auf der Innenfläche des Magens, 
die durch Schacht’s Versuche als Phosphor sich herausstellten. Nach 
den Angaben ihres Bräutigams sollte sich die Schauspielerin mit Arse- 
nik vergiftet haben, während er selbst den aus einer Berliner Apo- 
theke entnommenen Phosphorbrei genommen haben wollte. Die Un- 
wahrheit dieser Aussage ging aber unzweifelhaft aus Schacht’s 
Versuchen hervor, indem durch dieselben nicht nur die Anwesenheit 
von Phosphor, sondern auch zugleich die Abwesenheit aller metalli- 
schen Gifte in den Eingeweiden der Verstorbenen nachgewiesen wor- 
den. Da das Mädchen erst einige Standen vor ihrem Tode über Leib- 
schmerzen und Uebelkeit geklagt und sich auch heftig erbrochen hatte, 
so musste sich, in Uebereinstimmung mit den Versuchen von Las- 
saigne, nur noch wenig Phosphor im Magen vorfinden, und eine 
wirkliche Entzündung der Magenhäute hatte nicht zur Perfection kom- 
men, können. — Haendess (dies. Arch. Bd.49. p. 278) vergifteie 
eine Maus mit weissem Arsenik, eine andere mit Phosphorteig. Den 
Giften. diente ein Stück Brod als Vehikel. Der Arsenik führte den 
Tod schon nach 1/, Stunde, der Phosphor nach. 11/4 Stunde herbei. 
Ein Erbrechen fand bei beiden Thieren nicht statt. Die 7 Stunden 
nach dem Tode der Mäuse vorgenommene Section zeigte die Innenseite 
des Magens der ersteren stark geröthet, die der letzteren mit einer 
schwärzlichen Kruste überzogen. — Dulk (a.a.0.) fand, weil der 
Tod erst am 6ten Tage nach der Seibstvergiftung mit der wahrschein- 
lich nicht mehr ganz frischen Phosphorlatwerge eingetreien war, 
wenigstens noch die freie Phosphorsäure im Darmeanal, 

Vachdem also die richtig geführte chemische Untersuchung die Ab- 
“  .„neit des Phosphors oder einer der Säuren des Phosphrs in dem 
Darmcanal der verstrobenen Frau A. (durch Erbrechen ausgeworfene 
Materien fehlten überhaupt) unzweifelhaft dargethan hatte, so kann 
von chemisch - physiologischer Seite her weder eine schnelle, noch 
langsame Vergiftung durch Phosphor angenommen werden. 

3) Der nach siebentägiger Krankheit eingetretene Tod der Frau A. 
kann aus pathologischen Gründen unschwer erklärt werden. — Eine 
mehr oder weniger acute Vergiftung durch Phosphor hätte Erbrecken 
zur Folge haben, müssen, welches Symptom bei Menschen niemals 
fehlen wird. Allein die Berichte über die Krankheit der Verstorbenen 
verneinen dies ganz und gar. Eine sehr langsame, durch öfters wie- 
derholte kleine Gaben von Phosphor bewirkte Vergiftung mit andern 
Krankheitssymptomen ist aber, wie es scheint, bis jetzt noch nicht 
vorgekommen. Auch dürfte sich schwerlich im Voraus sagen lassen, 
ob eine solche Vergiftung möglich wäre, ohne dass nicht endlich 
Uebelkeit eintrete, Erbrechen erfolge und der penetrante Phosphor- 
geruch hervortrete, der den Wärtern weniger bemerklich würde, als 
den Patienten selbst. 


Vereinszeitung. 243 


Die im Ganzen geringe Röthung an der Cardia bis zu einem 
Drittheil der innern Magenfläche, wie es in dem Sectionsbefunde aus- 
drücklich heisst, während die übrige Innenfläche des Magens als nor- 
mal angegeben wird, berechtigt vielmehr zu der in dem Gutachten des 
Bezirksarztes ausgesprochenen Ansicht gerade entgegengesetzien Mei- 
nung. Auch die übrigen wenigen Stellen im Darmcanal, die sich etwas 
geröthet zeigten, können unmöglich auf eine tödtlich gewordene Darm- 
entzündung zurückführen, und das um so weniger, als diese strecken- 
und stellenweise Röthung nicht für eine Entzündung durch eingeführ- 
tes Phosphorgifi erachtet werden kann. — Die oben angeführten Be- 
obachtungen und Relationen von Lassaigne, Schacht, Haendess 
und Bechert und Hartwich weisen das entschiedene Gegeniheil 
nach, Lassaigne fand bei dem erst am 5ten Tage gestorbenen 
Hunde den Magen und ganzen Darmcanal heftig entzündet; Haen- 
dess sah den Magen der vergifteten Maus innen sogar geschwärzt. 
Dr. Hartwich fand den Magen der vergifteten Kaninchen nur am 
Pylorus und im Fundus stark geröthet, wie durch ein Blut-Extravasat, 
während er an den übrigen Eingeweiden der Thiere keine auffallende 
Veränderungen bemerken konnte. Schacht referirt, dass die nach 
einigen Stunden zu Ende gegangene acute Selbstvergiftung der Schau- 
spielerin gar keine Zeichen einer Entzündung im Magen und Darm- 
canal hinterlassen habe. 


Es ist daher völlig unzulässig, aus der Röthung des Magen -Ein- 
ganges, welche sich bei der Section der Leiche der verstorbenen Frau 
A. zeigte, auf eine Phosphorvergiftung zu schliessen, und es ist gänz- 
lich unstatthaft, eine solche Vergiftung nur nach dieser zufälligen, von 
andern Umständen leicht bedingten Abweichung vom Normalen als 
erwiesen hinzustellen. 


Der eingetretene Tod mit allen vorangegangenen Symptomen, so 
weit diese aus den Acten ersichtlich sind, findet seine genügende pa- 
thologische Erklärung in der krankhaften Beschaffenheit der Lungen, 
die durch die Section vollkommen aufgedeckt worden ist. Die 
Lungen waren dunkelroth, von bedeutender Ausdehnung, und zeig- 
ten einige Verwachsungen. Das Parenchym derselben war venös 
überfüllt, weicher als im normalen Zustande. Beim Einschneiden er- 
goss sich nach geringem Druck eine beträchtliche Masse einer eiter- 
förmigen, gelblichen, schaumartigen Flüssigkeit aus den Lungen. Da 
keine Verhärtungen oder Abscesse in den Lungen angetroffen wurden, 
so ist klar, dass die zur Fortsetzung des Lebens völlig untauglich ge- 
wordenen Lungen einer Entzündung unterlegen waren, in deren letz- 
tem Stadium eine Zersetzung des Blutes eintrat. 


Der Zusammenhang der Umstände, wodurch die verwickelte Cri- 
minaluntersuchung veranlasst wurde, ist nunmehr leicht zu erkennen. 
Die durch verschuldete oder unverschuldete Misshandlungen ihres Man- 
nes seit längerer Zeit gereizte Frau wurde durch die zum Tode füh- 
rende Lungenentzündung im höchsten Grade beängstigt. Diese Beäng- 
stigungen, durch mancherlei verklagende und anklagende Reden in 
der Umgebung der Kranken vermehrt, konnten die hart behandelte 
Frau bis zur Anklage einer Vergiftung durch ihren Mann und zu einer 
testamentarischen Enterbung desselben zu Gunsten ihres Kindes und 
ihrer Schwestern hinführen. Dabei ist noch besonders hervorzuheben, 
dass diese Handlungen in dem letzten Stadium der Krankheit vorge- 
nommen wurden, als schon ein Unvermögen des zusammenhängenden 


16* 


244 _ Vereinszeitung. 


Sprechens eingetreten war und der Todeskampf eine völlige Geistes- 
freiheit nicht mehr gewährte. 

Das Herbeiholen der Büchse mit dem alten, sicher ziemlich wir- 
kungslosen Phosphorteig durch die Schwester der Verstorbenen bald 
nach deren letztwilliger Verfügung und dem eingetretenen Tode, kann 
keineswegs als das Hervorziehen eines versteckten Giftes angesehen 
werden. Nur die Combination der Aussage einer sterbenden Frau und 
der von ihr verfügten Enterbung ihres Eiemannes mit der Herbei- 
schaffung eines 10 Monate lang aufbewahrten Rattengiftes, das man 
sich als sehr gefährlich vorstellen mochte, konnte zu einer ausführ- 
lichen Criminaluntersuchung wohl Veranlassung geben. Bedenkt man 
aber, dass die Büchse mit dem Gifte nicht verheimlicht worden und 
dass die Enterbung wahrscheinlich unfreiwillig erfolgte, so kann 
die zufällige tödtliche Erkrankung der Frau nicht mit einer Vergiftung 
derselben in Verbindung gebracht werden. 

Aus physikalischen, chemischen, physiologischen und pathologi- 
schen Gründen kann von einer Vergiftung der verstorbenen Frau A. 
durch Phosphor oder metallische Gifte durchaus keine Rede sein. 

Dr. ph. et med. H. Wr. 


Nach Abgabe dieses Obergutachtens und nach der etwas später 
erfolgten Einreichung des Obergutachtens der hiesigen medicinischen 
Facultät, die besonders dem zuletzt erwähnten Entlastungsgrunde sich 
zugewendet hatte und zu dem gleichen Ausspruche gelangt war, wurde 
der Angeschuldigte seiner fast halbjährigen Untersuchungshaft sofort 
entlassen. 


4) Zur Industrie und Technologie. 


Ueber die Entdeckung des Goldes in Australien. 


Sidney, den 8. October. (Times.) Die Regierung hat endlich 
den Beschluss gefasst, dem Entdecker der Australischen Goldlager, 
dem Mr. Hargraves, eine Belohnung von 10,000 £ Sirl. zu geben. 
Er war allerdings nicht der erste, der das Vorhandensein von Gold 
in Australien nachwies, doch ist es ihm unstreitig zu verdanken, dass 
die Entdeckung veröffentlicht und dadurch praktisch für die Welt von 
Nutzen wurde. Wäre es möglich, eine verlässliche Geschichte der 
Goldauffindung auf Australischem Gebiete zu schreiben, so könnte man 
ohne Zweifel eine allgemein interessante historische Abhandlung lie- 
fern; aber unglücklicher Weise beschränken sich unsere Quellen auf 
blosse Sagen, auf Gold-Legenden, wenn man sich so profan aus- 
drücken darf, und auch diese gehen rasch verloren. Gewiss scheint 
es, dass viele Leute schon vor langen Jahren von dem Goldreichthum 
des Landes Kenntniss hatten, und dass einer der ersten Entdecker mit 
seinem Funde grosses Unglück hatte. Das war ein Sträfling, der ein 
Stück Gold, das er ausgegraben wollte, zum Verkauf anbot. Die 
Behörden hielten ihn für einen Betrüger, der sein Klümpchen Gold 
aus einer Münze zusammengeschmolzen haben mochte, und liessen den 
neuen Columbus durchpeitschen. Er endete sein Dasein — die Ver- 
anlassung ist unbekannt — am Galgen, und mit ihm wurde seine Ent- 
deckung vergraben für viele Jahre. Später, so erzählt man sich, kamen 
ab und zu geheimnissvolle Individuen mit Goldklumpen nach Sidney und 
verkauften sie an einen dort angesiedelten Juden, der ein reicher Mann 


Vereinszeilung. 245 


geworden sein soll. Von Andern geht die Sage, dass sie in der 
Trunkenheit oft wunderbare Geschichten von Goldlöchern erzählt haben 
sollen, von denen sie im nüchternen Zustande Nichts wissen wollten. 
Man lachte über diese Käuze und vergass ihre Enthüllungen. Sie 
selbst starben und man hatte lange nichts mehr von goldenen Schätzen 
zu hören bekommen. Da stellten in neuester Zeit Geologen von Fach 
die Ansicht auf, Australien dürfte allem Anschein nach ein goldreiches 
Land sein; Murchison wies auf die Aehnlichkeit der dortigen blauen 
Berge mit dem Ural hin (1844), aber er hätte eben sowohl ihre Ana- 
logie mit den Mondbergen demonstriren können; man dachte nicht 
weiter daran. Graf Streletzky hatte sogar schon im Jahre 1835 
goldhaltige Quarze aus Australien nach Europa gebracht, und hatte 
die Colonial-Regierung aufgefordert, weitere Untersuchungen zu ver- 
anstalten. Stati dessen wurde er gebeten, seinen Fund geheim zu 
halten, um nicht die gesammte Sträflingsgemeinde in Aufruhr zu brin- 
gen, und er that es wirklich dieser Rücksicht wegen. Aehnliche Fälle 
kamen wiederholt vor, und die Regierung brachte es jedesmal dahin, 
dass das Geheimniss nicht in die Oeffentlichkeit drang. Nur der oben 
erwähnte Mr. Hargraves liess sich durch die kleinlichen — und 
wie sich jetzt zur Genüge herausgestellt hat, auch ungegründeten — 
Besorgnisse der Regierung nicht abhalten, selbst seine gemachten Ent- 
deckungen zu veröffentlichen. Die Folgen davon für Australien, für 
England und die ganze Welt sind bekannt. Hargraves war von 
Californien mit praktischen Erfahrungen über die Kunst des Schatz- 
hebens nach Australien gekommen; er hatte sich bald überzeugt, dass 
hier ein zweites Californien existire, legte seine Ansichten einem Mee- 
ting in Bathurst vor und fand Glauben. Von da an beginnt das neue 
Leben der Colonie, die grosse Einwanderung aus allen Welttheilen. 
Es fehlte ihm, wie allen grossen Entdeckern, nicht an entschiedenen 
Feinden. Die Schafzüchter waren erschrocken — sind es theilweise 
noch jetzt — weil sie fürchteten, die Schafzucht müsse aus Mangel 
an Arbeitern zu Grunde gehen, und sianden wie Ein Mann gegen ihn 
auf. Heute gestehen die Meisten schon ein, dass sie durch den Wech- 
sel nichts verloren und viel gewonnen haben. Der ungeschickten oder 
unglücklichen Goldsucher giebt es so viele, dass in den Schafzüchte- 
reien nie Mangel an Arbeitskräften ist; überdies haben sich ihrem 
Hammelfleisch und ihrer Welle neue Märkte erschlossen und von Jahr 
zu Jahr wird weniger Schaffleisch in den Schmeiztopf wandern. Wenn 
Einige behaupten, die Colonie habe in moralischer Beziehung ver- 
loren, so ist dies nicht minder falsch, Freilich — gegen die mora- 
lischen Zustände einer Wüste lässt sich schwer eine Einwendung 
machen, und wenn Menschen diese Wüste zu bewohnen anfangen, 
wird ihre moralische Vollkommenheit allmälig unvollkommener wer- 
den. In Australien kommen jetzt mehr Verbrechen vor, als zur Zeit, 
wo Schaf und Kängeruh in Unschuld neben einander hüpften; aber 
wo es damals Menschen gab, da waren es zumeist von der Welt aus- 
gestossene Verbrecher. die nur durch Peitsche und Galgen in Ordnung 
gehalten werden konnten. Mit diesen Zuständen verglichen, sind die 
gegenwärtigen jedenfalls vorzuziehen. In den Goldminen herrscht die 
beste Ordnung, und nachdem die Steuer für die Gräber um volle zwei 
Drittheile ermässigt worden ist, hat auch die Agitation gegen die 
Regierung ein Ende. Es treffen fortwährend Berichte über neu ent- 
deckte reiche Goldlager ein; manche klingen etwas mährchenhaft. Im 
Bezirk von Geelong sollen Klumpen von 170, 193 und 120 Unzen 


246 Vereinszeitung. 


Gewicht gefunden worden sein; die »Victoria« nahm 182,000, der 
»Roxburgh Castle« 70,000 Unzen an Bord; die Escorte vom berühm- 
ten Forest Creek brachte am 26. Septbr. 26,808 Unzen, von M’Ivor 
2257, vom Ballarat 12,162 Unzen nach Melbourne. 


Den obigen Nachrichten kann die Redaction dieser Blätter noch 
einige Data über das wunderbare Wachsthum der Australischen Colo- 
nien hinzufügen, dazu in Stand gesetzt durch gefällige Mittheilung 
einer Melburner Zeitung, die selbst schon einen grossartigen Beweis 
liefert, wie rasch ein Land gediehen ist, das vor einem Jahrzehend 
kaum noch den Anspruch an die Theilnahme des Welthandels und der 
allgemeinen Cultur erheben durfte. Der »Argus« ist das uns über- 
gebene Blatt, aus dem wir nachstehend einige Angaben machen; er 
ist eine Zeitung, aus der sich sehr wohl der Charakter eines streb- 
sam aufblühenden Landes im Contrast gegen die matte Existenz der 
sogenannten alten Welt ermessen lässt. Der »Argus« erscheint mit 
Ausnahme des Sonntags täglich in Melbourne, in dem für Deutsch- 
land unerhörten, für Englische Zustände gewöhnlichen Umfange von 
3 Bogen, jeder zu 23 Zoll Höhe und 344 Zoll Breite, und für den 
Localpreis von 62 Thlr. vierteljährlich — ein Abonnementspreis, den 
in Deutschland kaum einige Zeitungen für das ganze Jahr zu fordern 
wagen, wenn sie ihren Leserkreis nicht auf eine ihren Bestand be- 
drohende Minderheit von Abonnenten wollen herabsinken sehen. Noch 
ist dabei zu erwägen, dass der Melbourner »Argus« nicht eiwa Geld 
für Nachrichten aus der ganzen Welt auszugeben hat; er hält keine 
Correspondenten in allen Richtungen der Windrose, er bringt nicht 
etwa täglich ganze Spalten voll kostspieliger telegraphischer Nach- 
richten, er hält und verarbeitet nicht täglich ein ganzes Schock von 
Zeitungen aus allen Ländern und in allen Sprachen — er ist zu drei 
Vierteln ein Anzeigeblatt, und das vierte Viertel ist fast nur den 
innern Angelegenheiten der Colonie gewidmet. Auch diese Partie ist 
im höchsten Grade kennzeichnend für das Publicum der Zeitung. Es 
wird ihm darin eine lange Reihen von Adressen an die Wähler vor- 
geführt, neben einem Aufsatz über die Presse und über die Statistik 
Australiens. Also gerade die zuletzt genannie, erst in jüngster Zeit 
in ihrer grossen Wichtigkeit erkannte Hülfswissenschaft der Politik, 
für die wir in unsern Deutschen Blättern kaum einige spärliche Qua- 
dratzolle übrig behalten; sie ist es, mit deren Pflege sich eine Austra- 
lische Zeitung ausführlich beschäftigt und woraus sie Stoff für ihre 
Leser schöpft, die man sich demnach weniger auf polisische Unter- 
haltung aus der ganzen Welt, als auf Belehrung über die nächstlie- 
genden Zustände gerichtet, zu denken hat. Das ist sehr begreiflich, 
wo die Wahl zu den öffentlichen Aemtern eine so wichtige Ange- 
legenheit ist, dass ihr in dem viel beschäftigten Lande viel kostbare 
Arbeit und noch kostbarere Zeit geschenkt wird. Bei solchen Zustän- 
den ist es natürlich, dass die Tagespresse einen ganz hervorragenden 
Rang einnimmt, denn — so kann man wohl sagen — im umgekehrten 
Verhältniss zum innern Leben einer Gesellschaft steht ihr Ausdruck in 
Zeitungen. Der vor uns liegende »Argus«, der allerdings schon einige 
Monate älter als die letzten Australischen Nachrichten und vom 31. Mai 
1853 datirt ist, liefert zu dieser Behauptung treffliche Belege, und wir 
wollen die Auszüge daraus mit seinen Betrachtungen über die Austra- 
lische Presse beginnen. 


Vereinszeitung. 247 
Bi ; 

Der »Argus« hat eine grosse Meinung von der Tagespresse über- 
haupt und von sich insbesondere; unter dem, was er erstrebt, heben 
wir nur hervor, dass es ihm auch um Vertilgung des Krieges zu thun 
ist — er ist ein Friedensfreund. Auf den Bericht eines Unterhaus- 
Comites vom Jahre 1851 gestützt, stell der »Argus« sodann einen 
Vergleich zwischen den Zeitungen des Mutterlandes und denen der 
Colonie an In London erscheint ein halbes Dutzend von Tagesblät- 
tern und manche davon sind »mager genug«. Städte wie Manchester, 
Leeds, Birmingham, Edinburgh haben nicht eine täglich erscheinende 
Zeitung (das ist mit Erlaubniss des »Argus« nicht mehr richtig!) da- 
gegen drucke Geelong mit seinen 20,000 Einwohnern eine tägliche 
Zeitung, Sidney, Adelaide, Hobart Town, Melbourne haben deren jede 
ihrer zwei. Von den Londoner Zeitungen erschienen in dem genann- 
ten Jahre »Daily News« in 3500, »Morning Herald« in eben so viel, 
»Morning Chronicle« in 2950, also alle drei Zeitungen zusammen in 
9950 Exemplaren. »Vor weniger als 18 Jahren — sagt der stolze 
»Argus« nach dieser Aufzählung — landeten unsere ersten Ansiedler 
an den Küsten der Hobsons-Bay. Der Platz, auf dem wir jetzt im 
Mittelpuncte unserer staubigen und unruhigen Stadt schreiben, war 
damals vom Kängeruh und Emu bewohnt, die nur von Zeit zu Zeit 
von schwarzen Eingebornen gestört wurden. Und nun, ihr Gentle- 
men von der Britischen Presse, seht, was dieses junge Land in Zei- 
tungen leistet: Der täglich in Melbourne erscheinende »Argus« druckt 
11,000 Exemplare, mehr als alle drei genannte Zeitungen zusammen !« 
Nur Mangel an bessern Maschinen verbinderten ihn, die wachsende 
Nachfrage zu befriedigen und vielleicht eine Auflage von 15,000 zu 
machen. Dabei zählte die ganze Vietoria-Colonie nur 230,000 Seelen, 
also käme beinahe auf je 21 ein »Argus« — »ein solches Verhältniss 
dürfte wohl nicht zum zweiten Mal in der Welt vorkommen«. Wür- 
den die »Times« in demselben Verhältniss zur Einwohnerzahl Gross- 
britanniens abgesetzt, so müssten sie täglich eine Million Abzüge 
machen. Der Hauptgrund, warum dem nicht so sei, bestände nach 
dem »Argus« darin, dass er nicht wie seine englischen Brüder im 
Mutterlande mit dem rothen Stempel des Steuerbeamten beschmutzt 
werde, dass er nicht ein »gemeines Brandmal« wie sie an der Stirn 
trage, dass die Wissenschaft in seiner glücklichen Colonie nicht be- 
steuert sei, und dass es dort auch keine Inseratensteuer gebe. Dabei 
bezahle der »Argus« seine Arbeiter drei- bis vierfach so gut, als die 
Londoner Zeitungen; Papier, Farbe, Maschinen kämen ihm viel iheu- 
rer, da er sein Material erst von den Antipoden beziehen müsse. — 
Mit diesen positiven Daten beschliessen wir unsere Mittheilungen über 
die Australische Tagespresse, alle andern sehr erbaulichen Betrach- 
tungen des »Argus« über die Bedeutung derselben unterdrückend, uın 
noch einige statistische Angaben über den sonstigen Flor der dortigen 
Colonien auszugsweise wiederzugeben. 

Der Goldreichthum der Colonie Victoria, deren Hauptstadt 
Melbourne ist, hatte ein stetes Wachsthum gezeigt. Der Ertrag der 
Minen in den 15 Monaten, die mit dem 15. Mai v.J. endeten, wurde 
auf 4,891,000 Unzen geschätzt, im Werthe von beinahe 20 Mill. Pfd. 
Sterl. Das Gold wird aus den Minen durch den Staat oder durch 
Privatleute mit Escorten nach Melboure gebracht. Die escortirten 
Summen sind nach dem Fundorte oder nach andern Umständen so 
verschieden, dass in einem Verzeichniss derselben von 7 Wochen der 
schwächste von 24 Transporten 1410 Unzen, der stärkste 32,906 Unzen 


248 Vereinszeitung. 
#. 

heimbrachte. Die dadurch bekannt gewordenen Erträge erschöpfen 
aber bei weitem nicht die Wirklichkeit, denn mit der Zahl der Arbei- 
ter verglichen, würden sie Jeder nur 1 Unze per Woche erringen, 
und doch ergeben Beobachtungen an Ort und Stelle, dass der Arbeiter 
im Durchschnitt täglich 1 Unze gewinnt; dabei ist der Zu- und Ab- 
gang an Goldgräbern höchst verschieden und durch mancherlei Um- 
stände bedingt. Die Regierung, welche Licenzen zum Arbeiten in 
den Minen verkauft, hat neuerdings ein Regulativ zu diesem Behuf 
ausgearbeitet, an dem besonders bemerkenswerth ist, dass solchen 
Gesellschaften Begünstigungen zu Theil werden, die es übernehmen, 
schon einmal auf Raub ausgebeutete Gruben nochmals zu bearbeiten. 
Diese Gelegenheit ist begierig ergriffen, und so hofft man mit den 
Mitteln des wissenschaftlichen Bergbaues die Ergiebigkeit des Bodens 
ganz zu erschöpfen, da der Raubbau so oberflächlich arbeitet, dass er 
an einzelnen Stellen ein zweites, ja selbst ein drittes Mal wiederholt 
werden konnte. — Auch von Zinn, in Verbindung mit Gold, sind 
reiche Lager in der Colonie entdeckt, 


Ein solcher Flor des jungen Landes zieht natürlicher Weise den 
Handel und die Schifffahrt in ungewöhnlichem Maasse an. Die Dampf- 
schifffahrt ist aufs äusserste bemüht, die Fahrzeiten von und nach 
Melbourne zu kürzen, Einwanderer und Waaren strömen in immer 
grösseren Massen herbei und wir sehen aus den Anzeigen im »Arguse, 
dass an jenen entfernten Küsten Künste und Gewerbe von Menschen 
aller Nationen betrieben werden, die häufig noch nicht zu viel älte- 
ren und namhafteren Orten unsers Continents vorgedrungen sind. Vom 
1. Jan. bis 15. Mai 1853 waren in Melboure 42,317 Personen gelan- 
det, abgegangen waren in derselben Zeit 18,857, die Colonie hatte 
also in 44 Monaten einen Zuwachs von 23,460 Seelen erfahren. Als 
Uebelstand wurde freilich empfunden, dass der Abfluss von Einwan- 
derern aus der Stadt in das Innere der Colonie nicht im richtigen 
Verhältniss stand und in Folge dessen Miethe, Lebensmittel etc. in 
Melbourne eine unangemessene Höhe erreichten; beispielsweise wur- 
den Läden in der Hauptstrasse mit 2000 Pfd. Sterl. jährlicher Miethe 
bezahlt, die Bauplätze erreichen enorme Preise, für 1000 Ziegelsteine 
zahlt man 12 Pfd.Sterl. u.s.w. Das erschwert die Lage Neuankom- 
mender ungeheuer und macht die höheren Bequemlichkeiten des Lebens 
nur für die vom Glücke ganz ungewöhnlich Begünstigten zugänglich. 

Die politischen Verhältnisse der Colonie sind noch in der 
Ordnung begriffen; Fertiges ist über sie noch nicht mitzutheilen, da 
die Australischen Colonien bekanntlich noch mit dem Mutterlande 
wegen ihrer Selbstregierung im Kampfe liegen. Die betreffenden Mit- 
theilungen des »Argus« sind schon veraltet, wir schliessen daher hier- 
mit unsere Auszüge aus demselben. (Bl. für Hand., Gwbe. w. soc. Leb.) 


5) Botanisches. 


Beiträge zur Geschichte vorweltlicher Pflanzen 


von Dr. Th. Hartig berichten: In der Grube »Bleibetreu« des Sie- 
bengebirges, bekannt durch die daselbst vorkommenden, wohl erhal- 
tenen, kolossalen Baumstämme, war kurz vor meiner Anwesenheit 
daselbst ein Stollen durch den auf 6—7 Fuss Höhe abgebrochenen Stock 


Vereinszeitung. 249 
Sit 

einer Cypresse zufällig genau in der Mitte hindurch geführt. Zu bei- 
den Seiten der Stollenwände maass der Stock noch 11 Fuss im Brust- 
höhendurchmesser. Da stehende Stöcke nicht wie liegende Stämme 
eine Veränderung der räumlichen Verhältnisse ihrer Jahresschichten 
durch Druck erlitten haben, so liess sich hier eine genaue Zuwachs- 
berechnung führen, Zu diesem Zwecke entnahm ich dem Baume Holz- 
splitter vom Kerne, vom Splinte und zwischen beiden, von 2 zu 2 
Fuss Durchmesser-Differenz. Aus der Untersuchung dieser Holzstücke 
ergab sich eine durchschnitiliche Jahresringbreite von 747 Zoll. Den 
Halbmesser des Baumes in Brusthöhe zu 66 Zoll berechnet, ergiebt 
dies ein Baumalter vor 3100 Jahren. Die Cypresse gehört der Gat- 
tung Campozylon an. 

Solcher Braunkohlen-Flötze, wenn auch minder mächtige, finden 
sich dort 13 übereinander. Wenn nun in einem dieser Lager Pflanzen 
von mehr als 3000jährigem Alter vorkommen, so giebt uns dies einen 
ungefähren Anhalt zur Beurtheilung der Zeit, in welcher dieses Glied 
der Tertiärformation sich entwickelte, vorausgesetzt, dass diese Bäume 
an Ort und Stelle gewachsen sind, wie sich dieses im vorliegenden 
Falle kaum bezweifeln lässt. 

Die ächten Anthracite des Harzer Uebergangsgebirges, trotz ihrer 
mitunter bestimmt krystallinischen Structur, wie alle jüngeren Kohlen, 
entschieden vegetabilischen Ursprungs, geben keinen Aufschluss über 
die Pflanzen-Familien, aus denen sie entstanden sind. Eine Unter- 
suchung der Hornsteine mit eingesprengtem Anthracit vom Ober-Stahl- 
berge bei Rübeland giebt der Vermuthung Raum, dass es ausschliess- 
lich Zellenpflanzen gewesen sind, aus denen der Anthracit entstanden 
ist, da in der Quarzmasse des Hornsteins nebst den kleinsten Par- 
tikeln von Anthraecit in der Regel sehr deutliche zellenähnliche Bil- 
dungen, nie aber Fasern oder Gefässe sich zeigen. (Bot.Ztg. 1853. 
pag. 604.) Hornung. 


Auf Ceylon unterhält die Regierung einen botanischen Garten. 
Er ist ziemlich gross und gut angelegt und enthält nicht nur alle (?) 
einheimischen Pflanzen, sondern auch eine grosse Anzahl fremder. 
Unter andern sahen die Besucher den Kaflee-, Zimmt-, Muskatnuss- 
baum, die Baumwolienstaude, verschiedene Arten von Palmen und 
eine grosse Menge der schönsten Schlingpflanzen. Die Palme der 
Reisenden (?) (Travellers palm), die, wenn man sie mit einem Feder- 
messer ritzi, reines Wasser oder etwas Aehnliches von sich giebt, 
wächst hier, ist aber nicht einheimisch. Die für den Garten bestimmten 
Fonds sollen zur Erhaltung desselben nicht hinreichend sein, so dass 
das Unkraut, da nicht Leute genug da sind, um es auszujäten, überall 
hervorspriesst. Auch richten die Stachelschweine und Eichhörnchen 
viel Unheil an, (Bot. Ztg. 1853. p. 527.) Hornung. 


250 Vereinszeitung. 


6) Handelsbericht, 


Stuttgart, im Januar 1854, 


Das angetrelene neue Jahr fordert mich zum Danke für jede in 
dem vergangenen von Ihnen erhaltenen Beweise von Vertrauen auf 
und zu der Bitte, mir Ihre fernere Gewogenheit schenken zu wollen, 

Ich erlaube mir, Ihnen in diesem Rahmen ein Bild der gegen- 
wärtigen Verhältnisse des Droguenhandels zu entwerfen, welches nicht 
als eine Copie von Berichten aus auswärtigen Plätzen zu betrachten, 
vielmehr mit Notizen und Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen 
meiner geschäftlichen Thätigkeit begleitet ist, die schon öfters gut 
aufgenommen worden sind. 

Aloe swecotr. gestiegen; Zufuhren nur schwach, weil die poli- 
tischen Zustände im Caplande noch nicht geordnet sind. Dagegen 
empfehle ich Ihnen die Barbados, welche einen feinen Geruch hat, 
mehr Extract liefert, daher bisher ungleich theurer war, jetzt aber 
zufällig beinahe eben so billig erlassen werden kann als jene. 

Amygdalae im Anziehen. Die grossen bitteren Sicilianischen feh- 
len auf den Bezugsplätzen, sind daher theurer, dagegen die kleineren 
Barbarischen, bittere und süsse, zur Zeit noch billig. 

Bals. Copaivae.e. Es kommen nach und nach mehr Zufuhren, 
Neue Prüfungsmittel im Werke, da die bisher angewandten nicht stich- _ 
haltig sind. — Peruvian nigr. unverändert. 

Borax raff. wird monopolisirt von einer Gesellschaft, welche das 
Erzeugniss der rohen Säure aus den Maremmen von Toscana gepachtet 
hat. Nach neuen mir zugekommenen Berichten soll vor Kurzem Borax- 
säure in der Provinz Peru entdeckt worden sein. 

Cantharides, die besten neuen habe ich aus Sicilien bezogen. An 
manchen aus andern Ländern sind Spuren von der ungünstigen Witte- 
rung beim Einsammeln zu erkennen. Die geringe Production muss 
späterhin den Preis noch höher bringen. 

Castoreum Hudsonsbay. Die letzte Auction im December hat 
billigere Preise und eine schöne Auswahl gebracht, von der ich mich 
reichlich versorgt habe, — Bavaricum wird immer seltener und so 
theuer, dass ich nur aus Rücksicht für meine Abnehmer noch Vorrath 
davon halte; der künstliche, aus den grossen Beuteln des englischen 
nachgemachte Moskowitische, findet sich noch in verschiedenen andern 
Preis- Couranten verzeichnet. 

Cera citrina, Landwachs. Die Ausbeute war überall gering und 
äussert sich in steigenden Preisen. Ein nicht reines gelbes Wachs 
soll angeblich aus Algerien nach Frankreich kommen. — Cera alba 
in Scheiben in zwei Sorten noch billig. 

Chinin sulph. aus meiner Fabrik. Der Bedarf hat sich bereits 
in diesem Jahre so stark eingestelli, wie in dem verflossenen. Es 
sind Umstände vorhanden, dass er noch bedeutender werden kann 
und der Preis dann theurer wird. — Es wird mir berichtet, dass in 
der Madrider Gazeta eine sogenannte Entdeckung bekannt gemacht 
worden sei, nach welcher Chinin sulph. in Kaffee genommen seinen 
bittern Geschmack, unbeschadet der Wirksamkeit, verliere. Ich über- 
lasse Ihnen, den Werth dieser Nachricht zu würdigen. 

Chinidin sulph. Während dasselbe seit ein Paar Jahren aus dem 
Chinin sulph. ausgeschieden, in der leichtesten und weissesten Qua- 
lität dargestellt wird, in Menge zu haben und etwas billiger ist als 


Vereinszeitung. 251 


Chinin, fragt Niemand darnach. Uebrigens giebt es manche Fabriken, 
welche es mit der Ausscheidung des Chinidin nicht so genau nehmen 
als ich. — Es ist constatirt, dass in jeder Chinarinde, die China ent- 
hält, auch Chinidin vorkommt. Dagegen ist es auffallend, dass meines 
Wissens bis jetzt immer noch keine therapeutischen Versuche mit 
Chinidin angestellt und bekannt gemacht wurden, während ungleich 
weniger wichtige Arzneistoffe den umfassendsten Untersuchungen unter- 
worfen werden. 

Cinchonin pur. cryst. und sulph. werden immer stärker begehrt. 

Chinoidin hartes, rein und auflösbar in Weingeist und in ver- 
dünnter Säure. ; 

Cortex Chinae besitze ich alle Sorten in grossartiger Auswahl, 
und wenn es sich von Abnahme ganzer Kisten oder Suronen handelt, 
kann ich den Preis billiger stellen. Zwischen Peru und Bolivia ist 
der Krieg wirklich ausgebrochen, die Communication mit der letztern 
Provinz, welche die Monopol-Chinarinde liefert, dadurch ganz unter- 
brochen, so dass nicht vorauszusehen ist, bis wann die Verhältnisse 
in einen regelmässigen Gang kommen werden. Zuweilen kommen 
durch Contrebande einige Pöstchen an, die aber nicht immer sorgfältig 
sortirt sind, was dann am Preise nachgesehen wird. 

Collapiscium russische in Blättern. An einen billigen Preis ist 
lange nicht zu denken. 

Crocus habe ich superben neuen, von feurigem Ansehen, den ich 
durch eigene Agenten im Lande eingethan habe. In Frarkreich, Spa- 
nien und Puglien werden über geringe Ergebnisse der Ernten Klagen 
geführt und höhere Preise in sichere Aussicht gestelli. Die Ausfuhr 
nach Ostindien und China mehrt sich in dem Grade, als der Verbrauch 
auf dem deutschen Continent sich vermindert hat. 

_ Crystalli Tartari. Me'n Fabrikant in Venedig schreibt mir unterm 

28. December: er zweiile, ob er bis zum Frühjahr welche noch um 
85 fl. werde liefern können. Der grosse Verbrauch von Cremor 
Tartari in Amerika hat darin seinen Grund, dass derselbe zum Backen 
des Brods, der Kuchen von Reis, Buchweizen etc. in Verbindung mit 
Soda stait der Hefe angewendet wird. — Möchte doch der Gedanke 
sich verwirklichen, dass durch einen eigentlichen Winter künftig die 
Traubenkrankheit verdrängt werde, weil der unnatürlichen nassen 
und weichen Witterung in den vergangenen Jahren die Entstehung 
der Rebenkrankheiten zuzuschreiben sein möchte. 

Cremor Tartari in feinstem und ächtem Pulver und kalkfrei kommt 
immer mehr in Aufnahme, 

Extracte aus inländischen Vegetabilien bei grösserer Abnahme 
billiger. 

Von Flores Chamomiliae, Rosar. rubr. Damasc., Verbasci, Tiliae 
können nur Aufträge, die bald einkommen, mit hübschen Qualitäten 
ausgeführt werden, denn gross sind die Vorräthe nicht, 

Fol. Sennae alex. Mein Vorrath von der grossen Parthie, die 
®ich vor 1! Jahren eingethan habe, ist koapp beisammen. Schönste 
frische Waare fehlt gegenwärtig in ganz Europa. In Cairo liegt eine 
Partbie; allein die Schiffe in Egypten sind für Truppen und Kriegs- 
geräthschaften nach der Türkei in Beschlag genommen. Möchten sie 
uns nur Brodkorn bringen; die Sennesblätter könnten wir noch eine 
Zeitlang entbehren. — Ostindische und Mecca naturell und elect. so 
gut als man sie bekommen kann. Zufuhren bleiben wegen hoher 
Frachten aus. — Tinavelly sind in grünen ganzen Blättern in den 


252 Vereinszeitung. 


Ballen eingelegt, wie in einem Herbarium, und so wohlfeil, als sie 
noch nie waren. 

Gallus schöner schwarzer etwas niedriger, und eine billige Sorte 
am Wege. 

Glandes quercus wegen Misswachs theuer, 

Gummata sind schön und billig zu haben, und besonders der 
Arabische. — Von Gummi Galbani ist endlich wieder nach langer Zeit 
eine extra schöne Qualität in trocknen detaschirten Körnern angebracht 
worden, auf welchen ich aufmerksam mache. Der in massa fehlt. — 
Copal und Elasticum. Die Consumtion verschlingt Alles, was an- 
kommt. Letzterer beinahe um 100 Proc. gestiegen. Mit hartem Copal, 
mit Australischem und Manilla bin ich versehen. — Gummi Mastiz 
kommen immer nur Kleinigkeiten vor, die enorm bezahlt werden. 
Das Meiste, was im vorigen Jahre noch in Europa übrig war, wurde 
sogar für Constantinopel aufgekauft. Von Olibanum in lacrimis und 
in granis habe ich Vorrath, 

Jujubae sind in allen Ländern missrathen. Es giebt daher nur 
alte italienische, 

Kussoblüthe. Dieses Mittel hat sich sehr bewährt, kommt 
aber in verschiedenen Qualitäten in Handel. Aeltere Blüthe ist sehr 
billig zu haben, während die frische Blüthe ohne die dicken Stengel 
selten ist. — Man spricht von einer neuen Bandwurmrinde, aber nicht 
wo dieselbe zu haben ist. Hat doch Herr Hofrath Stoll im hiesigen 
Catharinen-Hospital mit 6 Drachmen Kusso einen Bandwurm von etlich 
und 40 Ellen Länge abgetrieben, der vorher andern Mitteln wider- 
standen hat. Mithin kann nicht leicht ein anderes neues weder wirk- 
samer, noch eben so billig sein als Kusso. 

Jodine*). Es ist nicht möglich, über den künftigen Preis die- 
ses Metalioids ein sicheres Urtheil abzugeben. Ich glaube nicht, dass 
die sanguinen Hoffnungen der Speculanten in Erfülluug gehen, aber 
auch nicht an einen starken Rückschlag, sonst würde der Preis wäh- 
rend der bedeutenden Geldkrisis in England erheblicher zurückgegan- 
gen sein. Wenn einmal die Verschiffungen wieder anfangen, wird 
sich das Weitere zeigen. 

Jodkalium ist noch still aus denselben Ursachen; vielleicht wäre 
jetzt der beste Zeitpunct zum Kaufen. 

Medicinkorken habe ich konisch geschnittene von feinem Holz. 

Manna. Obgleich die Einsammlung nicht so ergiebig war, als 
man glaubte, so hat sich doch der Preis gegen den von 1852 bedeu- 
tend billiger gestellt, auch ist die Qualität besser als damals, Ich bin 
ınit allen Sorten versehen, um Vortheile in den Preisen bieten zu können. 


*) Es hatte sich das Gerücht verbreitet, dass in London eine grosse 
Menge Jod mit Eisenfeile verfälscht entdeckt worden sei. Auf 
meine diesfalls dahin gerichtete Anfrage erhielt ich darüber fol- 
gende Auskunft: 

London, den 9. Januar 1854. * 

»Eine grossartige Verfälschung des Jods mit Eisen ist hier nicht vor- 
gekommen. Dagegen hat ein Schwindler nebst Wechselfälschungen 
auch Kegs (Fässer von 120 Pfd.) anfertigen und mit Eisen und Stahl- 
feilung füllen lassen in Conspiration mit einem Werftangestellten, War- 
ranis (Scheine) als Jodine ausgestellt, erhalten, auf welche von ge- 
wissen Mäklern Geld vorgeschossen wurde, welche nun das Nachsehen 
haben, wie sie wieder zu ihren Vorschüssen gelangen.« 


Vereinszeitung. 253 


Mercur. viv. Seit Entdeckung der Gruben in Californien billiger, 
so wie auch die Mercurial-Präparate. 

Moschus. Der feinste Tonquinische in schönen Beuteln findet sich 
nur unter Parthien, aus denen man denselben aussuchen muss, und 
kommt daher so theuer, dass Niemand an diesem Artikel etwas ver- 
dient. Von demselben ex resic. in Klümpchen ist der Begehr stärker, 
als der Vorrath. 

Nitrum raffin. anglic. Durch die kriegerischen Aussichten der 
Preis im Steigen. 

Oleum amygdalar. venale. Alle Vorräthe von diesem Oel waren 
schon im vorigen Spätsommer ganz vergriffen. Dasjenige, welches 
gegen das Ende des vorigen Jahres angebracht wurde, ist daher ganz 
frisch geschlagenes, das ich aus derselben Quelle bezogen habe und 
besitze, deren ich mich schon länger als 20 Jahre bediene. — Ol. 
amygdalarum aethereum sehr begehrt und steigend. — Ol. anisi stell. 
und Ol, Cassiae sind als chinesische Erzeugnisse der Speculation ver- 
fallen. — Ol. bergamot. und Ol. citri. Ihre Früchte sind im vorigen 
Jahre sparsam gerathen, daher stehen höhere Preise bevor. Man muss 
sichere Leute haben, um ächte Qualitäten davon zu erhalten, denn die 
Verfälschung in Sicilien ist sehr stark. — Ol. jecoris aselli von Ber- 
gen ist voriges Jahr in schönerer hellgelber Waare geliefert worden 
als früher. Die rothblanke Sorte scheint keine besondere Species, 
sondern aus dem gelben mit einem Zusatz von blankem Gerberthran 
bereitet zu sein. — Ol. jecoris aus Neufundland wird auch aus dem 
Stockfisch gewonnen, ist limpid, hat einen leichten grünlich - gelben 
Schein, einen feinen milden Thrangeruch und einen den Sardellen 
ähnlichen Geschmack. Es ist nicht leicht aus versicherter Hand zu 
bekommen, weil es in Amerika und England sehr gesucht ist, dass es 
schnell vergriffen wird. — Ol. laurin exzpr. gestiegen wegen Niss- 
rathen des ersten Stoffes. — Ol. menthae. Im vorigen Jahre hat dieses 
Oel in Amerika gefehlt, ist deshalb nicht nur dort gestiegen, sondern 
hat den gleichen Einfluss auch in England und anderwärts geübt. Ich 
führe alle Sorten von dem niedrigsten bis zu dem höchsten Preise und 
Güte. — Ol. neroli. Das feinste muss sehr hoch bezahlt werden, 
dagegen verkaufe ich sehr viel von einer Sorte, die nur um einen 
wenig bemerkbaren Grad von der allerfeinsten verschieden und un- 
gleich billiger ist. — Ol. olivarum fängt wieder aufs Neue an zu 
steigen, wie alle Feitwaaren. Mit besiem Nizza Oel bin ich ebenfalls 
versehen. — Ol. petrae wird rar werden, weil vor Kurzem die Gru- 
ben in Parma eingestürzt sind. — Ol. ricini alb, und anglic. zur Zeit 
noch sehr billig. — Ol. rosar, turtic., für dessen Aechtheit ich bürge, 
könnte jetzt nur mit grossem Risico wegen der bedingten Voraus- 
bezahlung aus dem Innern der Türkei bezogen werden. — Ol, tere- 
binthinae Wenn nicht ganz besondere Fälle eintreten, so ist nach 
Berichten aus Frankreich und Amerika an ein Heruntergehen des Prei- 
ses nicht zu denken, indem der Verbrauch desselben für Eisenbahnen, 
zum Reinigen der Maschiner und zum Camphin sich grossartig vermehrt 
hat. Auf eine Stetigkeit des Preises kann nicht gerechnet werden, 
zumal so lange der Rhein nicht offen wird. 

Opium fängt an, in trocknen kleinen Broden seltener zu werden, 
weil bald das neue kommt, das aber immer sehr weich und frisch ist. 
In Briefen aus Smyrna vom 21. December ist die Besorgniss ausge- 
sprochen, es könne für die bevorstehende Einsammlung an Händen 
fehlen, weil die Türken in Massen zur Armee ziehen. 


254 Vereinszeitung. 


Radız altheae ohne Knollen habe ich hier und auf auswärtigen 
Lagern. — Rad. ipecacuanhae. Angekommene Zufuhren haben den 
Preis heruntergebracht, der aber wieder steigen wird, wenn nicht 
noch mehr nachkommen, — Rad. liquiritiae. Wegen einer grossen 
Ueberschwemmung in Spanien seltener und theurer geworden. — Rad. 
jalappae. Viel geringes leichtes Zeug im Handel. Von wirklich 
schwerer Waare habe ich hier nur noch wenig, allein auf dem Rhein 


eine Parthie, die aber eingefroren ist, — Rad. ratanhiae kommt nur 
in jungen dünnen Wurzeln mit Knollen vor; lange Wurzeln fehlen 
ganz, 


Rhei. Mit schöner Moskowitischer bin ich noch versehen. In 
den Kronmagazinen zu Petersburg ist schönste frische Waare nicht 
mehr zu finden. — Chinesische. Ich habe alle Märkte untersucht 
und nur das Bessere davon, selbst zu den gestiegenen Preisen, ange- 
schafft. Alle Märkte in Europa sind entblösst, in Canton ist auch kein 
Vorrath, und selbst bei den gesteigerten Preisen dürfen die Ansprüche 
an die Qualität nicht zu hoch gespannt werden. Ich glaube im Stande 
zu sein, mit den Preisen der ersten Plätze Schritt halten zu können, 
und besitze } und 3 mundirte platte, so wie eine völlig 3 mundirte 
runde, die zu empfehlen ist. Ein Muster, das mir kürzlich von einem 
Seeplatze zukam, hielt ich für verdächtig, indem es sich von der 
Chinesischen Rhabarber im Geruch, Geschmack und Bruch wesentlich 
verschieden zeigte. Eine Erscheinung, so oft als Mangel an ächter 
eintritt. — Rhei Sassaparillae. Die Mexikanische, auch Tampico, 
Veracruz, de la Costa genannt, ist von allen Sorten diejenige, welche 
man am besten und billigsten bekommt. Die Honduras und Lissaboner 
lassen oft zu wünschen. Von letzterer geht die beste nach Italien 
und dem Orient, weil sie bei uns nicht bezahlt wird. — Rhei Senegae 
auf vielen Plätzen ausgegangen. 

Sacchar. lactis in Rollen und Platten krystallisirt im Steigen. Die 
Sieder haben sich durch die heruntergedrückten Preise ruinirt und 
mussten die Fabrikation aufgeben. 

Sanguis draconis in Bast billiger, 

Semen anisi stell. steigend. — Sem. cynae. Man sollte denken, 
dass die gegenwärtigen kriegerischen Zustände in Russland bedeuten- 
den Einfluss hervorbringen und Zufuhren in diesem Jahre aus den 
weit entlegenen Steppen zurückhalten könnten, zumal da in den letzten 
Jahren die Preise gegen die in früheren Jahren kaum, die Kosten 


deckten. Die frischen Sorten sind nahezu geräumt. — Sem. Iycopodii 
wegen mangelhafter Ernte gestiegen. — Sem. Sinapis brauner. Der 
Puglieser besitzt mehr Schärfe, als andere Sorten. — Sem. Staphys- 


agriae hat einen bedeutenden Preisabfall erlilten. 

Succus liquiritiae. Unerachtet immer neue Fabriken entstehen, 
die aber auch Facons mit nachgemachten Stempeln liefern, wird Alles 
verkauft; viel geht nach England und Amerika. Die meisten Liefe- 
rungsverkäufe in Neapel wurden zu steigenden Preisen gemacht. 

Viride aeris gestiegen. 

Zybeth habe ich ächten aus China in Originalpackung erhalten 
und billig. 

Thee’s. Von grünen und schwarzer Sorten habe ieh be- 
deutenden Vorrath hier, und auf Seeplätzen von Speculations-Einkäufen 
herrührend, um mit jenen Concurrenz zu halten. Die Verwickelungen 
in China sind dem Artikel günstig, indem berichtet wird, dass dort 
der Ausfall im Export bis Ende 1853 ein Drittheil ausmachen werde, 


Vereinszeitung. 255 


Gewürze. Cassia lignea in kleinen Bündeln wird ferner an- 


ziehen. — Cardamomen Ceylon noch billig. Malabar am Wege. 
— Cubeben gestiegen. — Macisblüthe, Muscatnüsse etwas niedriger. 
— Nelken Amboina und Bourbon gedrückt. — Zimmt Ceylon und 
Java viel zugeführt, auch Zimmtblüthe billiger. — Vanille habe ich 


in feinst krystallisirter und in ganz ordinärer Qualität. Die erste Hand 
hält den Artikel so theuer, dass nicht damit zu speculiren ist; sie 
verkauft aber auch nur wenig. 

In Chemikalien keine wesentlichen Veränderungen, als bei 
Acid. tartaric. aus bekannten Ursachen. Acid. citric. kommt immer 
mehr in Gebrauch, so wie Santonin. 

Spirituosa. Von feinstem Berliner Sprit und Alkohol, so wie 
von deutschem Alkohol habe ich Vorrath, es lässt sich aber von kei- 
nem Tag auf den andern auf den Bestand der Preise rechnen, die 
dem Börsenspiel verfallen sind. — Arac, ächter Batavia, so wie Rum 
in Original-Fässern und in Anbruch. — Malagawein wird ferner steigen. 

Behalten wir Frieden, so können sich meine hier niedergeschrie- 
benen Ansichten grösstentheils bestätigen; bekommen wir Krieg, dann 
treten andere Zustände ein. 

Stets zu Ihren Diensten empfehle ich mich mit aller Achtung 

Friedr. Jobst. 


7) Nekrolog. 


Der k. k. österreichische Feldzeugmeister Ludwig Freiherr 
von Welden, als eifriger Botaniker allen Freunden der Pflanzen- 
kunde bekannt, welcher am 7. August d. J. zu Grätz in Steiermark 
sein viel bewegtes Leben beschloss, hat sich ein würdiges Andenken 
gestiftet, indem er seine reiche Pflanzensammlung nebst der botanischen 
Bibliothek schon vor seinem Tode der botanischen Gesellschaft in 
Regensburg vermachi hat. Er war zu Laupheim in Würtemberg am 
10. Juni 1782 geboren und wollte anfangs die juristische Laufbahn 
betreten, ging aber zum Militairdienst über und bekam hier reiche 
Gelegenheit, viele Länder kennen zu lerner und vielseitige Bekannt- 
schaften anzuknüpfen. Seinem längern Aufenthalte in verschiedenen 
östreichischen Provinzen in einer höhern Stellung verdanken wir die 
genauere Durchforschung mehrerer derselben in botanischer Hinsicht, 
besonders auch des pflanzenreichen Dalmatiens, Der jüngere Schul- 
Les hat seinen Namen durch eine Waldenia gefeiert. (Bot. Zitg. 
1853. p. 736.) Hornung. 


8) Notizen zur praktischen Pharmaeie. 


Feuerversicherung. 5 

Im Interesse der einzelnen Mitglieder sowohl, als der milden 
Anstalten des Vereins werden die neu eingetretenen Mitglieder auf- 
merksam gemacht auf den Contract des Directoriums mit der Direction 
der Aachener und Münchener Feuerversicherungs - Gesellschaft, nach 
welchem die Abschlüsse mit jener Versicherungs - Gesellschaft für die 
Mitglieder sehr billig gestellt sind, aus denselben aber für die milden 
Stiftungen des Vereins ein ansehnlicher Vortheil erwächst, weshalb 


256 Vereinszeitung. 


nicht allein weit verbreitete Betheiligung, sondern auch Anzeige die- 
serhalb beim Directorium zu wünschen ist, 
Das Directorium. 


Nachweisung für stellensuchende Gehülfen. 


Herr Apotheker Jagielski in Posen hat sich auf das Ansuchen 
- vieler seiner Collegen zur Nachweisung stellensuchender Gehülfen und 
vacanter Stellen bereit erklärt. Wünschenswerth ist es, dass insbe- 
sondere der polnischen Sprache kundige Gehülfen die Güte 
haben, sich in vorkommenden Fällen unter portofreier Einreichung 
der abschriftlichen Zeugnisse an den Herrn Apotheker Jagielski zu 
wenden, wobei noch zu bemerken, dass denselben weitere Kosten in 
keinem Falle erwachsen. 


Verkaufs-Anzeige. 


Dr. G. W. Bischoff, Handbuch der botanischen Ter- 
minologie und Systemkunde 
soll für 24 fl. — 131, Thlr. abgelassen werden vom 
Apotheker Röthe in Windecken bei Hanau. 


Verkauf von Utensilien einer Apotheke. 


Das Repositorium, die Schubladen und Standgefässe nebst Recep- 
tirtisch einer vor ca. 20 Jahren ganz neu, nach der grossen Serie 
eingerichteten Apoiheke, sind baulicher Verhältnisse wegen billig zu 
kaufen und gegen Ende Mai d. J. zu übernehmen. Alles ist noch im 
besten Zustande, von Berliner Steingut, Thüringer Glas, und die Büch- 
sen von Ahornholz, mit gelben Schildern und schwarzer Schrift in 
Oelfarbe; die Gläser zu ätherischen Oelen haben eingebrannte Schrift. 
Nähere Auskunft bei Dr. L. C. Marquart in Bonn, 


Apotheken- Kaufgesuch. 
Eine Apotheke mit reinem Medicinalgeschäft und mit einem jähr- 
lichen Umsatze von 3000 bis 5000 Thlr. wird zu kaufen gesucht. 
Offerten bitte ich franco an mich einzusenden. > 
Detmold, im Januar 1854. Jos. Engelsing. 


Todesanzeige. 4 

Einer der Stifter der süddeutschen Apotheker-Vereins-Abtheilung, 

der Senior der Frankfurter Apotheker, Herr Friedrich Wilhelm 
Buchka starb 69 Jahre alt am 12. December 1853. " 


Directorial- Conferenz. 


Die diesjährige erste Directorial-Conferenz findet im Bade Oeyn- 
hausen bei Minden am 23., 24. und 25. Mai statt. Vereinsbeamte und 
Mitglieder, welche Theil nehmen wollen, sind willkommen. 

“ Das Directorium. 


Hofbuchdruckerei der Gebr. Jänecke in Hannover. 


ARCHIV DER PHARNACIE. 


CXXVIN. Bandes drittes Heft. 


Erste Abdtheilung. 


1. Physik, Chemie und praktische 
Pharmaäacie. 


Veber die Fällung des Bleioxyds durch Schwefel- 
säure und Trennung des schwefelsauren 
Bleioxyds vom schwefelsauren Baryt; 

H. Wackenroder. 


Die in der Abhandlung des Herrn A. Bechert (cfr. 
Bd.78. dies. Arch. p.149) angezogene »Behauptung« von mir 
in Betreff der Fällbarkeit des Bleies durch Schwefelsäure 
veranlasst mich, zur Sicherstellung des Thatsächlichen Fol- 
gendes zu bemerken. 

Sowohl in meinen grösseren, als auch in meinen klei- 
nen »analytisch-chemischen Tabellen«, deren Zuverlässig- 
keit die tägliche Probe in unserm Laboratorio bestehen 
muss, ist bei dem Verhalten des Bleioxyds gegen Reagen- 
tien wörtlich angeführt: »Das Bleioxyd wird gefällt durch 
verdünnte Schwefelsäure aus allen sauren und alka- 
lischen Auflösungen weiss, pulverig; durch ein grosses 
Uebermaass von verdünnter Schwefelsäure auch aus sehr 
stark sauren concentrirten und verdünnten Auflösungen 
langsam, aber immer (nur nicht bei Gegenwart von vieler 
Phosphorsäure öder Arsensäure) vollständig fällbar; 
auflöslich in sehr vieler verdünnter Salpetersäure oder 
Salzsäure und in vielem Aetzkali; in Essigsäure ein wenig 
auflöslich.« 

Arch. d. Pharm, CXXVII. Bds. 3. Hft. 17 


258 Wackenroder, 


Bei dem Verhalten der Schwefelsäure gegen Reagen- 
tien kommt die Schwerlöslichkeit des durch essigsaures 
Bleioxyd entstandenen Niederschlages in verdünnter Sal- 
petersäure und die geringe Löslichkeit desselben in Essig- 
säure abermals zur Sprache. 

Da die Tabellen (wie schon der Titel angiebt) sich 
zunächst nur auf die unorganischen Verbindungen der 
Salzbasen und Säuren beziehen, so ist es nicht erlaubt, 
die Angaben der Tabellen ohne Weiteres auf Verbindungen 
mit organischen Körpern anzuwenden. Würde man doch 
bei solchem Verfahren zu den unrichtigsten Vorstellungen 
kommen, z. B. von der Fällbarkeit des Eisens aus dem 
Blutlaugensalze durch Alkalien, Gerbsäure und Schwefel- 
ammonium. Nur für bestimmte derartige Einzelfälle lässt 
sich das Verhalten der Salzbasen und Säuren feststellen. 
Es ist z. B. nur bedingungsweise richtig, dass das Eisen 
als Oxyd und Oxydoxydul durch die ätzenden- und koh- 
lensauren Alkalien nicht gefällt werde, wenn eine genü- 
gende Menge von Weinsäure vorhanden ist; denn beim 
Kochen mit kaustischem Kali wird auch aus dem wein- 
sauren Eisenoxydoxydulkali /Zart. ferratus und Globuli 
Tartari martiales) das Eisen bis auf die letzte Spur abge- 
schieden. 

Daher kann es auch gar wohl sein, dass das Bleioxyd 
durch Schwefelsäure nicht ganz vollständig niedergeschla- 
gen wird, wenn zugleich Weinsäure in Menge vorhanden 
ist. Diese Säure benutzt man bekanntlich oft genug, um 
die Fällung unorganischer Salzbasen durch die gewöhn- 
lichen Reagentien aufzuheben. Hat man z. B. Chlorblei 
und Chlorantimon zusammen in Lösung, so kann, nach- 
dem die Flüssigkeit mit Weinsäure vermischt und verdünnt 
worden ist, das Blei ziemlich vollständig mit vieler ver- 
dünnter Schwefelsäure ausgefällt werden. 

Ueber. die Löslichkeit des schwefelsauren Bleioxyds 
hat Bischoff schon im Jahre 1822 (Schwergg. Journ. N. R. 
Bd.21. p.228) sehr genaue Versuche angestellt, die viel- 
fältiges Interesse gewähren. Nach ihm wird das in reinem 
Wasser beinahe ganz unlösliche schwefelsaure Bleioxyd 


Fällung des Bleioxyds durch Schwefelsäure etc. 259 


etwas löslich durch schwefelsaure fixe Alkalien, besonders 
aber durch Ammoniaksalze. Von einer Lösung des sal- 
petersauren Ammoniaks, die ein spec. Gew. von 1,29 hat, 
werden 969 Th. erfordert, um 1 Th. schwefelsaures Blei- 
oxyd bei 12,5C. aufzulösen. Von essigsaurem Ammoniak, 
von 4,036 spec. Gew., sind nur 47 Th. zur Auflösung eines 
Theils jenes Bleisalzes bei derselben Temperatur nöthig. 
Diese Angaben hat auch Gmelin in seinem Handbuch 
(4. Aufl, Bd.3. p.129) angeführt. Da nun Bischoff an- 
giebt, dass in der Lösung des schwefelsauren Bleioxyds 
in essigsaurem Ammoniak durch Schwefelsaure und durch 
schwefelsaures Kali eine Fällung entstehe, und dass bei 
einer Temperatur von 12°,5C. zur Auflösung A Th. schwe- 
felsauren Bleioxyds 172 Th. Salpetersäure von 1,14% spec. 
Gew. erfordert werden, so schien es nicht wohl möglich, 
eine genaue quantitative Scheidung des Bleies nach dem 
schwefelsauren Bleioxyde auszuführen. 

Ich habe daher schon vor längerer Zeit diesem Gegen- 
stande meine Aufmerksamkeit gewidmet und in Bd.41. 
p. 320 der Annalen der Pharmacie die Resultate meiner 
Versuche angegeben. Diese bestehen darin, dass aus der 
salpetersauren Lösung des schwefelsauren Bleioxyds das 
Oxyd vollständig oder nur bis auf ein Minimum wieder 
abgeschieden wird durch ein verhältnismässig grosses 
Uebermaass von verdünnter Schwefelsäure, aber nicht 
so durch schwefelsaure Alkalien. Die Ursache davon liegt 
ohne Zweifel in der Verstärkung der chemischen Ver- 
wandtschaft der Schwefelsäure durch ihre Masse. Diese 
oft wiederkehrende Erscheinung habe ich mit dem kurzen 
analytischen Ausdruck »Paralyse« bezeichnet (S. a. a. O.). 
Es konnte daher auch Otto /LZehrb. 2. Aufl. Bd.2. Abdth. 2. 
p.872.) auch recht wohl sagen: »ein grosser Ueberschuss 
von freier Schwefelsäure vermindert oder verhindert seine 
(des schwefelsauren Bleioxyds) Auflöslichkeit in andern 
Säuren«, und diese meine Angabe auf die analytische 
Bestimmung des Bleies beziehen. Diese Stelle hat Herr 
Bechert wahrscheinlich vor Augen gehabt, aber nicht 
ganz richtig angewendet. — Will man bei quantitativer 


1:7 


260 Fällung des Bleioxyds durch Schwefelsäure etc, 


Bestimmung des Bleies durch Schwefelsäure recht genau 
verfahren, so ist das Auswaschen des Niederschlages mit 
säurehaltigem Wasser anzuempfehlen. 

Die merkliche Löslichkeit des schwefelsauren Blei- 
oxyds in Salzen, namentlich in den Salzen organischer 
Säuren habe ich ebenfalls in einer andern Abhandlung 
»über Darstellung des essigsauren Kalis und Natrons« 
(dies. Arch. Bd. 15. p.71. seqg.; Pharm. Centrbl. 1838. p. 865) 
dargethan. Daselbst ist gezeigt worden, dass bei der Zer- 
setzung des Bleizuckers mit schwefelsaurem Kali stets eine 
geringe Menge von schwefelsaurem Bleioxyd aufgelöst 
bleibt, gerade so wie das essigsaure Zinkoxyd Spuren 
von schwefelsaurem Bleioxyd aufgelöst enthalten kann, 
die durch Schwefelwasserstoff nicht zu entfernen sind 
(s. Annal. der Pharm. Bd. 10. p.71). 

Die Versuche anderer Chemiker haben die merkliche 
Löslichkeit des schwefelsauren Bleioxyds in den Ammo- 
niaksalzen vollkommen bestätigt. Indessen scheint der für 
die analytische Chemie wichtige Umstand noch wenig 
beachtet zu sein, dass nämlich das schwefelsaure Blei- 
oxyd von stark alkalischem essigsaurem oder weinsau- 
rem Ammoniak mit grosser Leichtigkeit aufgenommen 
wird. Man hat hieran ein treffliches Mittel, aus einem 
Gemenge von schwefelsaurem Baryt und schwefelsaurem 
Bleioxyd, das zuweilen bei analytischen-Arbeiten entsteht, 
das letztere Salz leicht und vollständig abzuscheiden. In 
der ammoniakalischen Lösung können dann auf verschie- 
dene Weise, was hier nicht angeführt zu werden braucht, 
die Schwefelsäure und das Bleioxyd bestimmt werden. 

Auf die vorkommende Verunreinigung der Weinsäure 
mit kleinen Mengen von Bleioxyd, das möglicher Weise 
als schwefelsaures Bleioxyd vorhanden war, habe ich 
übrigens schon im pharmac. Centralbl. Jahrg, 183%. p. 503 
aufmerksam gemacht. Am a. O. ist gesagt worden: »ich 
habe keine Spur von Arsenik auffinden können in einer 
käuflichen Weinsteinsäure, welche grosse schöne Krystalle 
darstellte. Dagegen zeigte diese Säure eine nicht viel 
weniger tadelnswerthe Verunreinigung, nämlich mit Blei, 


4 
ya 


Schwacke, pharmaceutische Notizen. 261 


welches aus der wässerigen Auflösung der Säure beim 
Hindurchleiten von Schwefelwasserstoff gefällt wurde und 
dann. leicht erkannt werden konnte.« Es ist klar, dass 
man solche kleine Mengen von Blei entweder gar nicht 
oder nur höchst unsicher durch Schwefelsäure entdecken 
kann. 


re  — 


Pharmaceutische Notizen; 
von 
J.H.Schwacke in Alfeld. 

I. Wenn Hr. Oswald im Januarhefte sich über die 
Vorschrift der Pharm. bor. für Empl. canth. beklagt, so 
stimme ich ihm wesentlich bei. Diese Pharmakopöe schreibt 
auf 18 Unzen Masse 2 Unzen Cantharidenpulver vor, und 
das ist zu wenig. Die Pharm. hannov. schreibt dagegen 
6 Unzen vor, was ein treffliches Pflaster liefert. Es kommt 
darauf an, wie weit der Arbeiter den Ausdruck: »semire- 
frigeratis« ausdehnen will. Die Pharmakopöe hat im Sinn, 
die Canthariden nicht etwa in die siedend gewordene 
Masse einzurühren, damit das Cantharidin nicht theilweise 
zerstört werde. Ich rühre das Pulver sogleich ein, wenn 
sich am Rande der Pfanne eine schwache Erstarrung zeigt, 
giesse rasch in Papierkapseln aus, worauf das Pflaster 
sogleich erstarrt. Diese Arbeit erfordert einige Uebung, 
einen gewissen praktischen Blick, der sehr bald. erreicht 
wird. Der Rest wird von Agitakel und Pfanne zusam- 
mengekratzt und in ein Stängelchen geknetet, und somit 
jeder Verlust vermieden. Auf dieselbe Weise werden auch 
alle Kräuterpflaster behandelt und bleiben Jahre lang schön. 
Alle diese Pllaster dürfen nicht gerollt werden, sie dürfen 
nicht mit Wasser in Berührung kommen, sie schimmeln 
sonst, und das Ausrollen in Oel ist eine schmierige Arbeit, 
die nicht viel besser ist. Wenn ich in dieser Beziehung 
anzuordnen hätte, so schriebe ich vor, »effunde lege artis 
in capsulas papyraceas«, Das Pflaster der Hannov. Phar- 
makopöe hat niemals Klage über Unwirksamkeit herbei- 


262 Schwache, pharmaceutische Notizen. 


geführt; im Gegentheil sind Fälle bekannt geworden, wo 
es zu stark-gewirkt haben soll. Das Cantharidenpflaster soll 
auch kein Klebpflaster sein, es haftet leidlich auf der war- 
men Haut und wird durch ein Kreuz von Heftpflasterstreifen 
getragen. Gewandte Praktiker tränken ein Stückchen Fil- 
trirpapier mit Provenceröl (Baumöl riecht zu unangenehm), 
reiben die Oberfläche des Pflasters mit demselben Oel 
ein, decken das geölte Papier auf und legen das Pflaster, 
welches nun ganz nach Wunsch zieht. Dies ist nament- 
bei Kindern, zarten Damen und Männern mit stark be- 
haarter Brust nöthig; es können so keine Pflasterpartikel- 
chen auf der Haut haften bleiben, und im letzteren Falle 
würde das Pflaster die Haut nicht berühren. Das ge- 
brauchte Pflaster ist noch so kräftig, dass es ein Dutzend- 
mal, wohl umgeknetet, wieder benutzt werden kann. 

II. Unsere Landes-Pharmakopöe hat überhaupt noch 
viele Eigenthümlichkeiten und Vorzüge, die ich um keinen 
Preis verlieren möchte. Ich nenne nur: Narkotische Ex- 
tracte, Elect. e senna, bei richtiger Bereitung sehr schön 
und wohlschmeckend, nur muss die Pulpa prunorum zur 
Extractconsistenz verdampft sein, sie ist sonst nicht halt- 
bar. — Infus. sennae comp., die beste Vorschrift, die erfun- 
den werden kann; ich wenigstens würde das widerliche 
Getränk der Pharm. bor. nicht einnehmen. Sapo medı- 
catus, in geringer Menge das beste Vehikel für rebellische 
Pillenmassen u.s.w. Ich hege auch das Vertrauen zu den 
Herausgebern der neuen Hannov. Pharmakopöe, welche 
mit Sehnsucht erwartet wird, dass sie all’ das anerkannt 
Gute und Schöne unverändert lassen werden. 

III. Schliesslich noch ein Mittel gegen Acarus dome- 
sticus der Feigen. Man tröpfle in die Büchse etwas Chloro- 
form und decke zu. Die Milben sterben sammt ihrer 
Brut, das Chloroform verdunstet wieder und die Feigen 
sind wie neu. 


nr 
» 


Bredschneider, über Oleum jodatum. 263 


Bereitung des Syrupus Amyli jodati; 


OÖ, Maschke in Breslau, 


Als Basis der folgenden Darstellungsweise dieses 
Syrups dient die modificirte Stärke, deren Bereitung 
im Journal für prakt. Chemie, Bd. LXI. H.1. p.3 ausführ- 
lich angegeben ist. Von dieser Stärke nehme ich A Scru- 
pel auf I Gran Jod, löse die Stärke in einem Reagens- 
glase in 2 Drachmen destillirtem Wasser bei der Koch- 
hitze auf und setze die vollständig klare erkaltete Lösung 
in einem Mixturmörser unter fleissigem Umrühren zu 1 Gran 
fein zerriebenen Jods; zu der tiefblauen Flüssigkeit wer- 
den endlich noch 6 Drachmen Syr. simpl. Ph. bor. hinzu- 
gefügt. 


S— a 


Veber Oleum jodatum; 


R. Bredschneider, 
Apotheker in Königsberg in Pr. 


Es ist seit einiger Zeit, und fast durchgängig mit 
recht günstigem Erfolg, das Oleum jodatum nach Per- 
sonne in die medicinische Praxis eingeführt worden. Die 
Vorschrift zur Bereitung dieses Mittels ıst folgende: Man 
nehme 100 Theile gutes frisches Oel (von Oliven oder 
Mandeln) und } Theil Jod (auf 4 Unzen % Scrupel Oel, 
mithin 4 Scrupel Jod), bringe beides wohlgemischt in eine 
geräumige Flasche und Jleite in diese Wasserdampf bis 
zur Entfärbung des Oels. Dann setze man abermals ein 
gleiches Quantum Jod (4 Scrupel) hinzu und verfahre auf 
dieselbe Weise. Das Oel soll sodann mit einer schwa- 
chen Lösung des Bicarbonats von Kali gewaschen und 
filtrirt in einem gut verschlossenen Glase aufbewahrt wer- 
den. Nach Personne's Angabe soll bekanntlich bei die- 
sem Process die Hälfte des verwendeten Jods 90) sich 


964 Bredschneider, 


chemisch mit dem Oel verbinden, während die andere 
Hälfte mit aus den Bestandtheilen des Oels abgeschiede- 
nem Wasserstoff zu Jodwasserstoff vereinigt, vom Wasch- 
wasser aufgenommen und so entfernt wird. 

Kürzlich hat nun Berthe, ebenfalls in Paris, diese 
Bereitungsweise des Jodöls angegriffen und namentlich 
hervorgehoben, dass Wasserdampf mit dem Präparat in 
Berührung gebracht, diesem allmälig alles Jod als Jod- 
wasserstoff entziehe, dass das Mittel nie gleich viel Jod 
enthalte, sondern bald mehr, bald weniger, je nachdem 
man längere oder kürzere Zeit Wasserdämpfe hatte hin- 
durchstreichen lassen. Berthe& empfiehlt aus diesem 
Grunde, das Jod ohne Anwendung von Wasser, vielmehr 
durch blosses Zumischen zum Oel mittelst des Wasser- 
bades zu lösen, und will auf diese Weise ein stets glei- 
ches und ausgezeichnetes Präparat erhalten haben. 

Ich habe seit länger als einem Jahre häufig Gelegen- 
heit gehabt, das Ol. jodatum darzustellen, und kann ver- 
sichern, dass die Personne’sche Vorschrift ein ganz 
tadelloses Präparat giebt, wenn man nur einige Cautelen 
beobachtet, die ich gleich anführen will. Man vermeide 
das zu lange Hindurchleiten des Wasserdampfes. Dies 
erreicht man, wie auch schon von Buchner (Repertor. 
Bd.2. H.7) empfohlen worden, durch Einwirkung der 
Sonnenstrahlen auf das Gemisch von Jod und Oel vor 
dem Einleiten des Wasserdampfs. Ich habe meinerseits 
‚die Erfahrung gemacht, dass das Einwirkenlassen des 
Sonnenlichts auch auf das fertige Präparat sehr anzu- 
rathen ist, da es sich alsdann ungleich länger zu halten 
pflegte. Man trenne ferner das Oel so schnell als mög- 
lich von dem sauren Wasser, hüte sich aber auch eben 
so sehr, auch nur etwas von der alkalischen Lauge darin 
zu lassen. Am besten ist es, das Oel vorsichtig von dem 
Waschwasser abzuschöpfen und wiederholt warm durch 
Fliesspapier zu filtriren, dann aber, wie ich schon er- 
wähnte, noch einige Zeit den Sonnenstrahlen auszusetzen. 
Wir würden es Berth& gewiss sehr Dank wissen, wenn 
er im Stande gewesen wäre, durch eine so einfache Vor- 


über Oleum jodatum. 265 


schrift, wie die seinige, uns von der schwierigen und zeit- 
raubenden Bereitungsweise des Jodöls nach Personne 
zu befreien. Nach meinen Versuchen kann ich jedoch 
den Angaben Berthe&’s nicht beipflichten, da das ohne 
Anwendung von Wasserdampf bereitete Jodöl selten von 
Hause aus farblos wird; wenn dies aber dennoch glückt, 
nach wenigen Tagen bereits schwarz gefärbt erscheint 
und deutlich sauer reagirt. Wenn man es mit Wasser 
behandelt, zieht dieses Jodwassersioffsäure aus, und es 
tritt mithin derselbe Uebelstand ein, den Berth& dem 
Personne’schen Oel zum Vorwurf macht. Dass Oel in 
Berührung mit Wasser bald ranzig wird, lässt sich nicht 
bestreiten; man muss deshalb bedacht sein, beide sobald 
als möglich von einander zu trennen, und wird dann ge- 
wiss stets ein gleichmässiges, haltbares und wirksames 
Präparat erhalten, welches in 100 Theilen 1 Theil Jod 
chemisch gebunden enthält, was nach Berth&@'s Vor- 
schrift zu erreichen mir wenigstens nicht hat glücken wollen. 

Schliesslich bemerke ich noch, dass das Personne- 
sche Jodöl sich als ein vortreffliches und kräftiges Mittel 
in einer Reihe von Fällen bewährt hat und deshalb wohl 
mit Recht empfohlen zu werden verdient, um so mehr, 
als es sich leicht nehmen lässt und auch von Kindern 
jedes Alters sehr gut vertragen wird. Ich habe das Oel 
stets aus bestem Provenceröl bereitet, da Mandelöl das 
Mittel für den längeren Gebrauch zu sehr vertheuern 
dürfte. Das Präparat sieht fast wie gewöhnliches Oliven- 
öl aus, in der Regel jedoch etwas dunkler. Von einem 
ranzigen Geruch und Geschmack, wie ihn Berthe& stets 
bei diesem Oel gefunden haben will, konnte ich nichts 
oder nur äusserst wenig entdecken. Durch Verseifen des 
Oels, Einäscherung der Seife u.s. w. liess sich wiederholt 
Y/oo Jod in dem genau nach der Vorschrift bereiteten 
Präparate nachweisen, so dass mithin der von Berthe& 
gegen die Personne’'sche Vorschrift gerichtete Tadel 
durchweg ungerechifertigt erscheint. 


ie 


266 Bredschneider, 
- Pharmaceutische Notizen ; 


von 


R. Bredschneider, 
Apotheker in Königsberg in Pr. 


l. An vielen Orten werden trotz der fast allgemeinen 
Anwendung der Capsules aus Balsam- und Cubeben-Extract 
häufig noch Pillen aus Copaivabalsam mit und ohne Cu- 
beben verordnet. Gewöhnlich bedient man sich zur Bin- 
dung des Balsams in dieser Masse des weissen Wachses. 
Ungleich zweckmässiger erscheint es mir nach vieljähriger 
Erfahrung, statt dessen das chinesische Pflanzenwachs (die 
Cera japonica der Droguisten) anzuwenden. Wenn man 
A Unze davon bei gelinder Wärme zergehen lässt und 
dazu 2 Unzen Copaivabalsam setzt, hat man nach dem 
Erkalten eine Masse, von welcher 1} Theile einem Theile 
Balsam entsprechen. Diese wird in einem Pillenmörser 
erst für sich gehörig weich. gerieben und sodann das 
verordnete Cubebenpulver hinzugesetzt. Aufsolche Weise 
bereitete Pillen drücken sich nicht, weil sie die gehörige 
Härte haben, fallen nicht so gross, weil man nicht genö- 
thigt gewesen ist, eine Menge indifferentes Pulver hinein- 
zubringen, und lassen sich endlich in beliebiger Menge 
sehr schnell anfertigen, namentlich wenn man sich das 
Gemisch von Balsam und Cera japonica vorräthig hält. 
Es sind dies Vortheile, die jeder vielbeschäftigte Recep- 
{arius gewiss zu würdigen weiss. 

Bei dieser Gelegenheit kann ich den jüngeren Fach- 
genossen nicht genug empfehlen, sich bei dem Formen 
der Pillen statt der Finger des Pillenbrettchens zu bedie- 
nen. Mohr hat in seiner »Pharmaceutischen Technik« 
zu diesem Zweck kleine Scheibchen mit niedrigem Rande 
angegeben, die sich auch ganz gut bewähren, jedoch den 
Uebelstand haben, dass sie oft zerbrochen oder vielmehr 
zertreten werden und deshalb häufig zu lästigen Ausgaben 
Veranlassung geben. Unstreitig verdient die Methode den 
Vorzug, die bei grösserer Einfachheit zu gleichem Ziele 
führt. Es sei mir deshalb erlaubt, eine solche anzuführen. 


pharmaceutische Notizen. 267 


Wenn man die Pillen zu 30 abgeschnitten hat, bestreue 
man sie, sind sie weich, ziemlich stark, sind sie hart und 
nicht klebend, mit sehr wenig Lycopodium, nehme als- 
dann das Pillenbreit mit dem man die Stangen der Pillen- 
masse vor dem Abschneiden gleichmässig zu machen 
- pflegt (oder, wenn man eine Maschine von Holz hat, deren 
Abschneider mit der Rückseite), fasse das Holz mit bei- 
den Händen, übe einen schwachen aber gleichmässigen 
Druck auf die unterliegenden Pillen, damit keine entschlü- 
pfen kann, und bringe sie allmälig, unter Verstärkung des 
Druckes mittelst des Breitchens, in eine kreisende Bewe- 
gung, indem man eine solche mit den Unterarmen be- 
schreibt. In kürzester Zeit erscheinen die Pillen bei rich- 
tiger Manipulation wıe gedrechselt. Jeder, der sich diesen 
Handgriff zu eigen machen will und sich ohne Vorurtheil 
nur acht Tage bei vorkommenden Fällen darauf übt, wird 
sicher zum günstigsten Resultate gelangen und gewiss 
nicht wieder zum alten Schlendrian des Pillendrehens 
zwischen den Fingern zurückkehren. Hier nur noch die 
Bemerkung, dass kaum eine Viertelstunde erforderlich ist, 
acht Abschnitte der härtesten Pillen auf die angegebene 
Weise zu fertigen, dass ausserdem die Hände rein blei- 
ben und der die Arbeit verrichtende Pharmaceut deshalb 
nebenbei ganz bequem expediren kann. 

II. Es kommt bei der Receptur häufig vor, dass Mix- 
turen u.s.w. von kleinen darin schwimmenden Unreinig- 
keiten zu befreien sind. Eine recht zweckmässige Vor-. 
richtung, um dies zu erreichen, ist folgende: Man bringe 
die durchzugiessende Flüssigkeit in eine Mensur, reinige 
das Glas, setze auf dasselbe einen ganz kleinen Glastrich- 
ter, lege auf diesen etwa A Quadratzol! Flor (Baumwollen- 
gar, einen) und giesse durch diese, indem man 
den Trichter etwas hebt, die Mixtur. Eine Elle dieses 
Zeuges kostet 3 Sgr.; man reicht damit Monate lang und 
bedarf keiner Recepturcolatorien. Ich bediene mich die- 
ses Stoffes auch statt der übrigen Colatorien ‚beim Durch- 
seihen der Decocte und Infusionen mittelst der bekannten 
sehr zweckmässigen Decoctseiher von Zinn, Weissblech 


268 Mirus, 


oder Porcellan, wie sie bei Forke in Wernigerode zu 
haben sind. Dieser höchst reinliche und brauchbare Ap- 
parat verdient allgemeine Anwendung. Sein Gebrauch 
kostet ungleich weniger, als die Abnutzung der Colatorien, 
ganz abgesehen von den Unannehmlichkeiten, wie sie in 
jedem Geschäfte wohl bei Verwechselung von Colatorien 
vorgekommen sind. 

Dergleichen Uebelstände sind hier nicht möglich. Die 
Apparate werden nach dem Gebrauche mit den Mörsern 
zugleich täglich zweimal gereinigt, und wendet man hierbei 
die Vorsicht an, dass sie stets gehörig ausgetrocknet werden, 
so können sie füglich von Weissblech sein, ohne dass 
man Rosten zu befürchten hätte. 

In meiner Apotheke werden seit fünf Jahren solche 
Apparate von Weissblech statt der gewöhnlichen Colato- 
rien gebraucht, und erst jetzt habe ich Veranlassung neh- 
men dürfen, einige schadhaft gewordene durch neue zu 
ersetzen. Nie ist mir ein Fall vorgekommen, bei dem mir 
der Gebrauch der Colatorien wünschenswerther geschie- 
nen hätte. Zu Emulsionen freilich lassen sich die Apparate 
nicht brauchen, da die Emulsionen zu schwer durchgehen. 
Man thut deshalb wohl, für Emulsionen ausschliesslich 
einige .Colatorien zu halten. 


TG ze 


Ueber die Bereitung des Chlorbroms als Bestand- 
theil des Landolfi’schen Aetzmittels; 


von 


Dr. Mirus, 
Hof-Apotheker in Jena. 


Seit Anfang Januar dieses Jahres wird auch hier, 
sowohl in der Privat- als Spital-Praxis, das Landolfi'sche 
Causticum häufig angewendet, 

Dass das Mittel aus gleichen Theilen Chlorbrom, Zink- 
chlorid, Goldchlorid und Antimonchlorid bestehe, war als- 
bald bekannt; dennoch waren nähere Angaben für den 


Bereitung des Chlorbroms. 269 


Apotheker, von dem die Bereitung verlangt wurde, un- 
erlässlich. 

Der Güte des Herrn Apothekers Heise in Cöthen, 
wo bekanntlich der Professor Dr. N. Landolfi sich zwei 
Monate lang aufgehalten und an 400 Kranke behandelt 
hat, verdanke ich den Aufschluss, dass Zinkchlorid und 
Goldchlorid in fester Form genommen werden, und zwar 
das reine AuCl?, ohne Zusatz von Chlornatrium; der ofhi- 
cinelle Zig. Stibüi chlorati bildet hingegen das Antimon= 
chlorid. 

Behufs der Darstellung des Chlorbroms wurde, da 
eben die Temperatur im Freien einige Grade unter Null 
war, in ein Paar (Juentchen reines Brom, bedeckt in einem 
cylindrischen Halb-Unzen-Glase mit etwa 4 Zoll Wasser, 
ein langsamer Strom Chlorgas geleitet. Nach reichlich 
viertelstündigem Einleiten bildete sich Chlorhydrat und 
Chlorbromhydrat als feste Substanz, und nur die unterste 
Schicht der Mischung blieb noch flüssig. Das sofort mit 
einem gut schliessenden Glasstöpsel versehene Glas wurde 
gut mit feuchter Blase überbunden, über Nacht bei gleich 
niedriger Temperatur aufbewahrt. Am andern Morgen war 
in sämmtlichen untern Räumen des Hauses ein höchst 
durchdringender, die Augen stark reizender Chlor- und 
Bromgeruch verbreitet, und es ergab sich, dass die Blase 
zerfressen und der Stopfen des Glases aus dem Halse 
herausgetrieben worden war und fast der ganze Inhalt 
in der kurzen Zeit bis auf weniges Chlorhydrat, wie es 
schien, sich verflüchtigt hatte. 

Es versteht sich nach diesem Versuche von selbst, 
dass Einleiten von Chlor in unbedecktes Brom eine noch 
flüchtigere Verbindung liefert (Gmelin, Handb. der Chemie. 
V. Aufl. I. Bd. pag.784), welche unmöglich zum augen- 
blicklichen Verbrauch vorräthig gehalten werden kann. 
Eine solche Bereitungsweise und die Aufbewahrung ist 
aber in der wärmeren Jahreszeit noch schwieriger aus- 
führbar, wenn man auch nach dem Vorschlage von L.Boh- 
len in Dessau im Märzhefte des Archivs der Pharmacie 
das Glas, welches. das Brom enthält, mit Schnee oder 
Eis umhüillt. 


270 Mirus, 


Die einzig praktische Form des Chlorbroms zum phar- 
maceutischen Gebrauch ist, wie ich glaube, eine verdünnte 
Lösung, die, obgleich noch sehr flüchtig, nichts desto 
weniger sich in einem gut schliessenden Stöpselglase an 
einem kühlen Orte lange aufbewahren lässt. 

Man bereitet eine solche, indem man zuerst ein ganz 
gesättigtes Chlorwasser durch Einleiten von Chlor in ein 
nur zur Hälfte mit Wasser gefülltes Glas und häufiges 
Durchschütteln der Flüssigkeit darstellt; wenn der Moment 
eingetreten ist, wo kein Chlor mehr absorbirt wird und 
insbesondere der obere leere Raum des Glases gänzlich 
mit Chlor erfüllt ist, giebt man Brom in kleinen Portionen 
hinzu, schüttelt stark und fährt mit dem Zusatze von Brom 
fort, bis ein wenig Brom am Boden des Glases ungelöst 
bleibt. Es löst sich auf diese Weise vielleicht Y/, bis 
Y/, in dem Chlorwasser und man erhält eine dunkelorange- 
farbene Flüssigkeit, die beim Oeffnen des Glases oder 
Ausgiessen gelbrothe Dämpfe ausstösst, im Kalten oft 
krystallinische Gruppen von Chlorbromhydrat absetzt und 
sich ohne Zersetzung aufbewahren lässt. Ein Tropfen 
davon wiegt ungefähr 1 Gran. 

Da nach dem in 2ter Auflage erschienenen, bereits 
erwähnten Schrifichen des Geh. Ober-Medicinalraths von 
Brunn der Professor Dr. Landolfi die Umstimmung des 
bösartigen Charakters der Krankheit in einen gutartigen 
vorzüglich dem Chlorbrom zuschreibt, welches das Haupt- 
mittel genannt wird, so verlohnt es sich wohl der Mühe, 
dieses Präparat wiederholt einer Besprechung zu unter- 
werfen und zu zeigen, dass die Bereitung nicht so schwie- 
rig ist, als dort angegeben wird. Es ist die Feststellung 
einer leichten Darstellungsweise um so mehr wichtig, als 
das Mittel auch innerlich als Nachkur Monate lang von 
Landolfi gegeben wird. Freilich dürfte die dazu ge- 
wählte Pillenform, die das Chlorbrom neben Sem. Phel- 
landrii und Exir. Conii mac. enthält, wissenschaftlich be- 
trachtet, die unzweckmässigste sein. Ich habe bisher von 
der obigen Lösung des Chlorbroms immer auf 1 Gran 
vom Arzt verordnetes Bromum chloratum 3 Gran (Tropfen) 


Jodhaltige rohe Salpetersäure. 271 
der verdünnten Flüssigkeit nehmen lassen, und dieses 
Verhältniss möchte eben auch das richtige sein. 

Schliesslich will ich noch über die Bereitung der 
Paste selbst anführen, dass ich in einer Porcellan - Reib- 
schale mit Ausguss das zur Trockne eingedampfte Gold- 
chlorid aus 30 Gran Ducatengold (entsprechend 46 Gran 
Goldchlorid oder 96 Gran Auro-natrium chloratum) mit 
A Drachme Zincum chloratum der Pharmakopöe zusam- 
menreibe, 4 Drachme Zig. Stibüi chlorati und 3 Drachmen 
nach oben angegebener Methode dargestelltes verdünntes 
Chlorbrom hinzufüge und nun schnell 2 Drachmen fein- 
geriebenes Amylum darunter mische. Die Flüssigkeit wird 
sofort in ein passliches Glas mit weiter Oeffnung gegos- 
sen und der Rest mit einem Kartenblatte dazu gegeben; 
sie verdickt sich darin vermöge des aufschwellenden 
Amylums in einigen Minuten zu einer gleichmässigen Paste 
von weicher Salbenconsistenz. 

Das ganze Gewicht ist etwa {1 Unze; sie lässt sich 
mittelst eines Porcellanspatels leicht ausstreichen auf Lein- 
wand und appliciren. Das Amylum scheint hierbei vor 
dem Mehi den Vorzug zu verdienen. 

Da die Bereitung der Paste nur wenige Minuten er- 
fordert, wird sie immer kurz vor dem Gebrauch angefer- 
tigt und das Glas mit feuchter Blase gut verbunden. Bleibt 
ein Rest darin übrig, so wird derselbe bei unvollkomme- 
nem Verschluss bald dünnflüssig, ohne dass jedoch die 
Wirksamkeit des Mittels Boschimälert würde, wie mir ein 
hiesiger Arzt versicherte. 


—n 4440 —— 


Jodhaltige rohe Salpetersäure; 


von 


Dr. Mirus. 


Dieselbe ist aus der chemischen Fabrik in Schöne- 
beck bezogen, sie ist farblos, hat bei +110R. ein spec. 
Gewicht von 1,392 = 420Beaum&. In 2 Unzen derselben 


272 Mirus, jodhaltige rohe Salpetersäure. 


ist mittelst Silberlösung nur eine Spur Chlor aufzufinden; 
von Schwefelsäure und Metallen ist die Säure ganz frei. 
Dieselbe wurde portionenweise mit destillirtem Wasser 
verdünnt bis zu 1,20. Nachdem dies mehrere Male ge- 
schehen und die Säure immer farblos geblieben war, 
zeigte sich der Rest im Ballon gefärbt. Die. Färbung 
nahm nach der Verdünnung und Stehen an der Luft zu 
und die Farbe war endlich orangeroth; über der Flüssig- 
keit bildeten sich salpetersaure Dämpfe. Es ergab sich 
später, dass etwas von dem Zutum aus rotlhem Bolus in 
den Ballon gefallen war; die Säure enthielt jetzt Eisen. 
Auch gab sie nun mit Silbersolution ein geringes Opa- 
lisiren. Bei der damit ohne allen Zusatz vorgenomme- 
nen Rectification ging das Erste wie von Salpetersäure 
gelärbt über. Das Destillat wurde darauf mit Silbersolu- 
tion geprüft und ein starker weisser Niederschlag, am 
Lichte ins Gelbe neigend, erhalten, unlöslich in Ammoniak 
(Jod aus zersetzter JO°). Als aber die Säure fast bis 
zum Kochen erhitzt worden war, füllte sich der ganze 
leere Raum der Retorte, des Vorstosses und der Vorlage 
mit hyazinthrothen Joddämpfen, ja es legte sich selbst 
reducirtes Jod an einer kalten Stelle der Vorlage in den- 
dritischen Gebilden an. Ein Tropfen des Destillats mit 
Kleister gemischt, brachte die intensiv blaue Farbe der 
Jodstärke hervor. 

Nachdem von den eingelegten 12 Pfund etwa 8 bis 
10 Unzen übergegangen waren, hörte die Reaction auf 
Jod auf und es ging ganz reine, eine Zeitlang noch eine 
geringe Spur Chlor enthaltende Salpetersäure über. 

Die nämliche Operation wurde mit einer gleichen 
Menge derselben rohen Säure wiederholt und das gleiche 
Resultat. erhalten. In der Retorte blieb ausser einigen 
Unzen Flüssigkeit noch ein weisser Salzrückstand zurück, 
der sich in Wasser löste. Dieser feste Rükstand enthielt 
Eisen, Kalk, viel Kali, wenig Schwefelsäure und Chlor, 
neben Salpetersäure. 

Barreswill führt im Journal de Pharm. et de Chim. 
T. 24. (confr. Chem.-pharm. Centrbl. Jahrg. 1853. No. 52.) an, 


Rebling, über Extr. Liquiritiae. 273 


dass die Salpetersäure sehr gewöhnlich jodhaltig sei, gleich- 
wie der Kali- und Natronsalpeter. Ich kann daher diese 
Erfahrung durch obige Thatsachen bestätigen. 


Zusatz. Auch mir ist, vielleicht aus derselben Quelle, 
eine jodhaltige rohe Salpetersäure vor einiger Zeit zuge- 
kommen. Woher das Jod seinen Ursprung mag genom- 
men haben, muss dahin gestellt bleiben. Dass dass#Ibe 
aus dem jetzt so häufig verwendeten Chilisalpeter her- 
rühre, ist möglich, obgleich nicht sicher, da sich sonst 
wohl noch öfter diese Verunreinigung zeigen dürfte. Es 
mag für die Praxis vorläufig genügen, auf den auch bei 
uns nicht allzu selten vorkommenden Jodgehalt der käuf- 
lichen rohen Salpetersäure hingewiesen zu haben. 

H. Wr. 


Veber Extractum Liquiritiae ; 
von 
Rebling. 


Da gegenwärtig der Succus Liquiritiae, bessere Sorte, 
32 — 35 Thlr. kostet, so möchte es wohl nicht überflüssig 
sein daran zu erinnern, dass man sich den Suce. Lig. dep. 
wenigstens zur theilweisen Verwendung aus der Wurzel 
vortheilhafter darstellen kann, als aus dem Succus. Am 
vortheilhaftesten verwendet man die sogenannten Süss- 
holzschnitzel vom russischen Süssholze, die mir wenig- 
stens von Zeit zu Zeit zum Verkauf angeboten wurden 
und wovon ich den Ceniner mit circa 4 Thlr. bezahlte. 
Ich liess sie in einer Stampfmühle zu Pulver zerstossen, 
wofür ich ungefähr 15 Sgr. zahlen musste, und erhielt mit 
kaltem Wasser durch die Verdrängungsmethode aus 8 Thei- 
len 2! Theile, ferner ebenso bereitet, zuletzt das feuchte 
Pulver ausgepresst 23 Theile, mit 40°R. warmen Wassers 
3 Theile steifes Extract. Geschnittenes Süssholz lieferte 
durch diese Methode hingegen nur 14 Theile (von 8 Thei- 
len Wurzel) Extract. 

Arch. d. Pharm. CXXVIII. Bds, 3. Hft. 48 


21% Rebling, über Extr. Liquiritiae. 


Als Presstuch verwende ich eine gewisse Sorte Kaffee- 
säcke, sogenannte Bastsäcke, welche zu 5—7 Sgr. von 
unsern Materialisten zu haben sind und welche ich für 
jedwede Art Pressung als äusserst vortheilhaft erkannt 
habe. 

Das auf diese Art bereitete Extract hat freilich einen 
ganz andern Geschmack — den eigenthümlichen stark 
süssen, etwas kratzenden der Wurzel — als das aus dem 
käuflichen Succus bereitete, welcher seine Eigenthümlich- 
keit durch Anbrennen des dicken Saftes erhält. Nichts 
desto weniger ist er zur Pillenbereitung und als Solution 
in Mixturen, nicht aber zu gereinigtem Stangenlakritzen zu 
verwenden. 

Ich habe gefunden, dass zur Extraction des Wurzel- 
pulvers eben nicht viel mehr Wasser nöthig ist, als wenn 
der käufliche Succus, behufs der Darstellung von Suce. 
lig. dep., damit behandelt wird, und kann man daher bei 
der Preisberechnung den Ansatz dafür ganz weglassen. 
Es kommt daher das Pfund Extract zu stehen: 

8 Pfd. Wurzelpulver; a Pfd. höchstens 2Sgr. — 16 Sgr. 

daraus erhalten wenigstens 2Pfd. Extract, also 

A Pfd. Extract = 8 Sgr. 
8: Pfd!: Sueous &32 Thlr..........2..... 00. 70 Sgr. 
diese geben höchstens 6 Pfd. Extract, also kostet 

1 Pfd. Extract = NM Sgr. 8 Pf. 


# 


II. Naturgeschichte und Pharma- 
kognosie. 


Ueber den Anbau des Mohns und die Bereitung 
des Opiums in der Agentur von Benares, 
nebst einer kurzen Skizze über die Consti- 
tution des Bezirks. 


(Aus den Berichten des Gouvernements von Bengalen von W. C. B. 
Catwell, Med.Dr.; mitgetheilt von Fr. Weppen, Apotheker zu 
Markoldendorf.) 


(Fortsetzung von Bd. CXXVII. Hit. 2. pag. 168.) 


Das Opium erfordert nun eine fleissige Bearbeitung 
von Seiten des Bauers. Es wird täglich der Luft aus- 
gesetzt, aber nicht der Sonne, und regelmässig alle Paar 
Tage umgewandt, damit die ganze Masse gleichförmig 
trockne. Drei bis vier Wochen setzt man dies fort oder 
so lange, bis die Waare nahezu die rechte Consistenz 
erlangt hat. Probemässig ist dasjenige Opium nach dem 
Regulativ zu Benares, welches bei 200° Fahrh. vollständig 
getrocknet, 70 Proc. Rückstand lässt. Von dieser Con-' 
sistenz bringt die Agentur die Waare zu Markte und halt 
darauf so streng als möglich. Nach dieser Probe richtet 
sich auch der dem Bauer gezahlte Preis, den man erhöht, 
wenn der Gehalt darüber hinausgeht, und herabsetzt, 
wenn das Opium nichi probehaltig ist. 

Bei seiner Ankunft in der Ghazeepore-Factorei w#rd 
das Opium aus den verschlossenen irdenen Töpfen heraus- 
genommen und in weiten zinnernen Gefässen, Tagars ge- 
nannt, gewogen, wobei man nicht mehr als 20 Seers 
(20 Pfd.) zugleich auf die Waage bringt. Diese Wägung 
geschieht unter Aufsicht des Gomaschta oder seiner beglau- 


18* 


276 Anbau des Mohns und Bereitung des Opiums 


bigten Agenten von dem Koten, zu welchem das Opium 
gehört und im Falle benachbarter oder heimischer Kotens 
erscheinen die Bauer persönlich mit ihrem Product. Das 
Gewicht wird von einem Europäischen Officianten, der 
sich in einem andern Zimmer bei einer Controle- Waage 
befindet, bestätigt und der Tagar mit seinem Inhalte. ge- 
langt alsdann sofort auf einen Tisch, an dem der Opium- 
probirer oder ein erfahrener Unteragent und der einge- 
borene Opiumprobirer oder Purkhea sitzen. Der letztere 
taucht jetzt seine Hand in die Mitte und auf den Grund 
der Waare und rührt sie um, zugleich durch das Gefühl 
in verschiedenen Richtungen sich überzeugend, ob keine Un- 
reinigkeiten vorhanden sind. Dann nimmt er eine Handvoll, 
knetet sie zwischen den Fingern, giebt Farbe, Textur und 
Bruch an und bestimmt zuletzt das Aroma. Zur Probe 
wirft er dann eine kleine Portion auf einen Teller und 
schätzt die Consistenz. Diese Schätzung schreibt der 
Europäer auf einen Zettel und sendet sie mit der Probe 
nach dem Laboratorium, wo eine bestimmte Menge der 
Drogue genau gewogen und in einer Schale auf einer 
mit Dampf erwärmten Metallplatte getrocknet wird. Das 
Gewicht des Rückstandes wird genau bestimmt. Selten 
differirt die Schätzung des Purkhea von der wirklichen 
Probe um mehr als 4—2 Gran und sie dient zur CGontrole 
des letztern in Fällen eines offenbaren Versehens oder 
eines Zufalls, der sich leicht ereignen kann, wo eine 
“Menge seiner Operationen rasch vorgenommen werden, 
Die Zahl der Proben, welche täglich den Tisch des Pro- 
birers verlassen, beläuft sich nahe an 2000. Bei der 
Untersuchung, welcher man die Drogue hier unterwirft, 
wird die Quantität von Pussewah, welche sie enthalten 
mag, besonders bemerkt und ein Pussewah-Geld oder 
Batta wird erhoben im Verhältniss der anscheinend in 
der Waare befindlichen Menge, Der Grund hierfür ist, 
dass der Pussewah die physikalischen Eigenschaften des 
Opiums verschlechtert, dasselbe schwarz und weich macht, 
zugleich aber auch der Waare eine höhere Probe giebt, 
wenn sie getrocknet wird. 


in der Agentur von Benares. 271 


Der Tactus eruditus des Purkhea ist sehr merk würdig, 
selten verfehlt er selbst kleine Quantitäten der gröberen 
und fühlbareren Unreinigkeiten zu entdecken, wahrend er 
eben so empfindlich ist für die leichtesten Veränderungen 
der Farbe und des Geruchs. Sollte eine Probe verfälscht 
scheinen, so wird sie sogleich bei Seite gesetzt, um von 
dem Probirer untersucht zu werden, welcher darüber 
besonders an den Agenten berichtet. Dieser confiscirt 
die Waare, wenn hinreichender Grund vorhanden, sie wird 
vernichtet und der Bauer erhält nichts dafür. Bei gerin- 
geren Verfälschungen, welche die Waare nicht geradezu 
unbrauchbar machen, nimmt man dieselbe für halben Preis 
oder der untersuchende Officiant legt eine ihm angemes- 
sen erscheinende Strafe auf. Sie wird alsdann zum Zewah, 
d.h. zu dem Teige gebraucht, welcher zur Umhüllung der 
Opiumkuchen dient. Die grosse Wahrscheinlichkeit der 
Entdeckung und die Gefahr der Confiscation sind ein sehr 
wirksames Hinderniss der Verfalschung und die jährlich 
confiscirte Menge Opium ist verhältnissmässig klein. 

Die von den Bauern gemachten Verfälschungen sind 
sehr mannigfach. Die gröberen Unreinigkeiten, welche 
gewöhnlich dem Opium beigemischt werden, um das Ge- 
wicht zu vermehren, bestehen in Schlamm, Sand, Kohlen- 
pulver, Russ, Kuhmist, zerstossenem Mohn, Blumenblättern 
und Samen verschiedener Art. Alle diese Substanzen sind 
jeicht zu entdecken, indem man die Waare in kaltem 
Wasser einweicht, das Auflösliche und Leichtere von der 
zergangenen Masse abgiesst und sorgfältig das Sediment 
untersucht. Auf diese Weise werden Unreinigkeiten der 
obigen Art dem Auge sichtbar. Mehl ist ein beliebter 
Artikel der: Verfälschung, aber es lässt sich leicht ent- 
decken. Ein damit versetztes Opium wird bald sauer, hat 
einen eigenthümlich kurzen, rauhen Bruch; die Hervor- 
ragungen auf demselben sind matt, nicht aber hellroth und 
durchscheinend,. wie sie sein müssen, und wenn man eine 
Portion unter Wasser knetet, so kann man die Stärke aus 
der Oberfläche hervordringen sehen. Die Jodprobe giebt 
jedoch den vollen Beweis, wenigstens von der Anwesenheit 


973 Anbau des Mohns und Bereitung des Opiums 


einer stärkehaltigen Substanz. Häufig wird das Mehl 
gekochter Kartoffeln gebraucht, gelegentlich -auch ein 
unreiner Syrup, welche den meisten Bauern zur Hand 
sind. Ihre Gegenwart verräth sich durch einen eigen- 
thümlichen Geruch und veränderte Consistenz des Opiums. 
Ausserdem werden eine Menge Pflanzensäfte, Extracte und 
Farbstoffe dem Opium betrügerischer Weise beigemischt, 
z.B. der eingedickte Safı von Cactus Dilleni, die Extracte 
von Nicotiana tabacum, Dalura stramonium und Cannabis 
indica. Ferner die gummiartigen Ausschwitzungen ver- 
schiedener Pflanzen, Tamarindenmus und das Mus von 
Aegle marmelos. Um der Waare Farbe zu ertheilen, ge- 
braucht man Catechu, Curcuma, die gepulverten Blätter 
von Bassia latifolia u.s. w. 

Es ist nutzlos, bei einer Substanz von so complicirter 
Zusammensetzung wie Opium sich nach einer einzelnen 
Probe umzusehen, die mit chemischer Genauigkeit die 
Reinheit der Waare angeben könnte. Bestimmung des 
Morphins würde allerdings die beste Probe sein, aber sie 
wäre zu langweilig und zu theuer, um praktisch zu sein. 
Ausserdem beurtheilt man im Handel die Waare nach 
Farbe, Geruch und Textur, und Opium, reich an Morphin, 
aber durch sorglose Zubereitung fehlerhaft in den obigen 
Eigenschaften, würde trotz seiner narkotischen Wirksam- 
keit auf dem Markte wahrscheinlich mit Verdacht ange- 
sehen werden. Wenn daher das gelieferte Opium in die- 
ser Beziehung in Folge schlechter Behandlung fehlerhaft 
gefunden wird, so ist es, wenn auch sonst ganz unver- 
fälscht, einer Strafe unterworfen und wird bloss zum 
Lewah verwendet. 

Die Farbe eines gut bereiteten Opiums ist, in Masse 
gesehen, ein mattes Dunkelbraun, welches in ein helles 
Nussbraun übergeht, wenn eine kleine Portion davon dünn 
über eine weisse Fläche ausgebreitet wird. Es klebt an den 
Fingern, lässt sich etwas ausdehnen und ist auf dem 
Bruche uneben; enthält es viel Pussewah, so wird dadurch 
die Dehnbarkeit und Klebrigkeit vermehrt. Der Geruch 
ist eigenthümlich, vollkommen su: generis, nicht gerade 


in der Agentur von Benares. 279 


unangenehm und bei wohlpräparirter frischer Waare etwas 
obstartig. In kaltem Wasser zergeht es bald zu käsigen 
Flocken, die wie Erbsensuppe gefärbt sind und sich all- 
mälig absetzen. Die überstehende klare Flüssigkeit ist 
dunkel-braunroth. Unter Wasser zerbrochen haftet das 
Opium zuerst etwas an den Fingern, bald aber zertheilt 
es sich gänzlich. Sollte es betrügerischer Weise Gummi 
enthalten, so bleibt dies hartnäckig an den Fingern hängen 
und lässt sich nur schwierig entfernen. Auf diese Weise 
habe ich öfters die Gegenwart einer vogelleimartigen Sub- 
stanz entdeckt, welche wahrscheinlich der zähe Saft des 
Bananenbaumes /(Fieus indica) ist. Setzt man zu dem 
wässerigen Aufgusse einige Tropfen essigsaures Blei, so 
bildet sich ein schmutzig-grauer Niederschlag von mekon- 
saurem Blei in solcher Menge, dass er fast den ganzen 
Raum der Flüssigkeit einnimmt. Ammoniak giebt einen 
ähnlichen und fast eben so reichlichen Niederschlag, be- 
stehend aus Harzen und Alkaloiden. An der Luft wird 
er rasch schwarz. Jodtinctur giebt einen ziegelrothen 
und Eisenchlorid einen ähnlichen Niederschlag von etwas 
dunklerer Farbe. Diese Proben können in ein Paar Se- 
cunden gemacht werden und die Stärke der Niederschläge 
giebt einen ungefähren Maassstab von der Menge des in 
einem gegebenen Specimen enthaltenen Opiums,. Bei sehr 
stark verfäischter Waare ist der auf diese Arı gewonnene 
Beweis evident genug. Leimlösung zur Entdeckung von 
Gerbstoff und starker Alkohol zur Fällung von Gummi 
sind die einzigen noch etwa erforderlichen Reagentien. 
Nachdem das Opium gehörig im Magazine gewogen 
worden, unierliegt es in der Factorei einer geringen fer- 
neren Behandlung. Es wird nämlich, wenn es unter Probe 
ist, in weiten hölzernen Gefässen, die etwa A Maunds 
(10 Centner) fassen, hin und wieder umgestochen, bis es 
die gehörige Consistenz hat. Dabei überzieht es sich 
rasch mit einer dünnen schwärzlichen Kruste von Humus- 
säure und wird dunkler an Farbe in dem Maasse, als es 
der Luft und dem Lichte ausgesetzt bleibt. Ist es sehr 
wasserhaltig, so wird es in flachen hölzernen Kasten 


980 Anbau des Mohns und Bereitung des Opiums 


beständig umgerührt, bis es sich einem Gehalt von 70 Proc. 
fester Substanz nähert. Aus dem Hauptmagazine oder 
Malkhana wird die Drogue täglich zu etwa 250 Maunds 
ausgegeben, um in kleine Kugeln oder sogenannte Kuchen 
geformt zu werden. Zu diesem Zwecke sucht der Offi- 
ciant meistens solches Opium aus, welches entweder genau 
oder doch nahezu die rechte Consistenz hat, während zur 
Compensation Opium von stärkerer mit einer gewissen 
Quantität desselben von geringerer Consistenz ausgegeben 
wird, indem dieselbe in den verschiedenen so ausgesuch- 
ten Portionen durch Prüfung bestimmt worden ist. Diese 
Portionen werden genau gewogen, jede zu A0 Seers (20 Pfd.) 
und in flachen hölzernen Kasten von Männern durch tüch- 
tiges Kneten mit einander gemischt. Aus diesen Kasten 
wird das gemischte Opium in Büchsen von gleicher Grösse 
gethan und aus jeder eine Portion zur Probe genommen. 
Das Mittel der Proben giebt die durchschnittliche Con- 
sistenz des für den Tag ausgegebenen Opiums und dar- 
nach richtet es sich, ob die Waare zur Formirung in 
Kuchen tauglich ist. Die obigen Operationen sind gewöhn- 
lich gegen % Uhr Nachmittags vollendet und vor Abend 
bringt man das Opium aus den Büchsen in grosse hölzerne 
Kufen, 20 Fuss lang, 3! Fuss breit und 1 Fuss tief, welche 
in dem Formzimmer stehen. In diesen Kufen wird es 
nun noch einmal geknetet und gemischt, indem Männer 
bis zum Knie durch die Opiummasse von einem Ende 
der Kufe zum andern hin und her waten, bis sie eine 
gleichförmige Consistenz hat. Am folgenden Morgen wer- 
den zwei Portionen aus jeder Kufe probir. Wenn die 
Consistenz richtig ist, so beginnt sogleich das Formen. 
Längs jeder Seite des Zimmers, in welchem die Kufen 
sich befinden, sind die Kuchenmacher aufgestellt, gewöhn- 
lich 1440 an der Zahl. Jeder sitzt auf einem hölzernen 
Gestell und ist mit einer messingenen Schale, in Form 
einer hohlen Halbkugel, und mit einem zinnernen Gefässe 
versehen, welches graduirt ist, so dass es eine bestimmte 
Menge Wasser fasst. Am vorhergehenden Abend sind 
die zur Umhüllung der Kuchen erforderlichen Blätter 


in der Agentur von Benares. 281 


abgewogen, in Bündel von vorgeschriebenem Gewicht 
gebunden und angefeuchtet, um sie schmeidig zu machen. 
In der Mitte des Zimmers steht eine Anzahl kleiner Waa- 
gen, auf welchen die Quantität des für jeden Kuchen 
bestimmten Opiums besonders gewogen wird. _ Neben den 
Waagen sind Büchsen, mit Lewah gefüll, zum Ankleben 
der Blätter. Zur Bereitung des Lewah gebraucht man 
alles Opium geringerer Qualität; aller Pussewah wird 
gleichfalls zu diesem Zwecke verwendet, überdies noch 
eine ansehnliche Menge tadelloser Waare. Diese erhalt 
man beim Auswaschen der verschiedenen Gefässe, worin 
Opium enthalten war; es wird daraus eine halbflüssige 
Paste von solcher Consistenz gemacht, dass 400 Gran 
davon bei 200° Fahrh. zur Trockne verdampft, 53 Gran 
feste Substanz zurücklassen. Nach diesen Vorrichtungen 
nimmt der Kuchenmacher in seinem graduirten Gefässe 
aus der Lewahbüchse so viel, als für einen einzelnen 
Kuchen hinreicht und formt aus dem ihm zur Seite liegen- 
den Blätterbündel in dem Messingschälchen rasch das 
untere Segment der Opiumhülle, indem er ein Blatt über 
das andere klebt, bis zur Dicke eines halben Zolls, und 
zugleich eine gewisse Portion der äussern Blatter rund 
herum über den Rand des Gefässes frei herabhängen lässt. 
Ist dies vollzogen, so steht ein Knabe mit dem zum 
Kuchen nöthigen Opium bereit, welches er eben von der 
Waagschale geholt hat und in die zur Aufnahme zuberei- 
tete Hülle wirft. Der Kuchenmacher führt mit der linken 
Hand das Opium von den Seiten der Hülle nach Innen 
und schlägt dann die Blätter wohl bestrichen mit Lewah 
eines nach dem andern rund berum ein. Die freien Ecken 
der Blätter, welche bisher über den Rand der Messing- 
schale hingen, werden jetzt dicht zusammengezogen und 
darnach wird das Opium in seinem Blattbeutel gut zusam- 
mengedrückt. Nur noch ein kleiner Theil auf der Spitze 
bleibt unbedeckt zurück. Dieser wird rasch verschlossen, 
indem man Blatt auf Blatt legt, endlich wird die ganze 
obere Hälfte des Kuchens mit einem einzigen grossen 
Blatte zugedeckt. Der vollendete Kuchen ist an Grösse 


2832 Anbau des Mohns und Bereitung des Opiums 


und Gestalt ziemlich ähnlich einem Vierundzwanzigpfünder. 
Er wird in ein wenig feingestossenem Mohnabfall gerollt, 
welcher daran haftet, dann sogleich in einer kleinen irde- 
nen Schale, die gerade so gross ist, als die messingene 
Form, in der freien Luft dem directen Sonnenlichte drei 
Tage lang ausgesetzt und öfters umgewandt. Sollte er 
sich ausgedehnt haben und blasig geworden sein, so macht 
man eine Oeffnung, lässt das entwickelte Gas entweichen 
und schliesst sie dann wieder genau. Am Abend des 
dritten Tages werden die Kuchen mit ihren Schalen in 
die Kuchenrahmen gebracht, die aus flachen Brettern be- 
stehen und eine freie Circulation der Luft gestatten. Ein 
einzelner Mann macht durchschnittlich im Tage 70 Kuchen, 
einige sogar 90 — 100 von Morgens 9 bis Nachmittags 
3 Uhr. Die Anzahl der täglıch in der Factorei bereiteten 
Kuchen beläuft sich auf 6500 — 7000. Die Totalsumme ist 
in diesem Jahre (184950) 426,800 gewesen. 

Ende Juli’s hört die Zubereitung auf, aber die Kuchen 
erfordern noch immer viel Aufmerksamkeit, Sie werden 
in ihren Schalen beständig umgekehrt und sobald sie 
äusserlich beschlagen, zwischen trocknem Mohnabfall ge- 
rollt und gerieben. Ausserdem untersucht man sie einzeln, 
ob weiche Stellen daran sind und legt alsdann noch Blät- 
ter auf. Zuletzt giebt man ihnen durch Umschlagen eines 
einzigen grossen, sorgfaltig bereiteten Blattes eine ebene 
Oberflache und ein vollendetes Ansehn. 

Das festgesetzte Gewicht der Bestandtheile jedes Ku- 


chens ist: 
Seers Chks 


Probehaltiges Opium von 70 Proc..........- 1 10 

" "„ in Lewah verwandelt... 0 4 
Blatter... ALLER INCH ER RN en 0 55 
2 34. 


Gegen den October bin sind die Kuchen ganz trocken 
anzufühlen und haben beträchtliche Härte erlangt. Man 
packt sie nun in hölzerne Kasten, welche in 24 Fächer 
getheilt sind zur Aufnahme von eben so viel Kuchen. 
Letztere werden darin durch Ausfüllung aller Zwischen- 
räume mit Mohnabfall befestigt. 


in der Agentur von Benares. 283 


Man könnte meinen, dass die Mohnblumenblätter bei 
ihrer leichten Zerbrechlichkeit zum Einhüllen wenig taug- 
lich seien, aber die Hüllen der Opiumkuchen haben, offen- 
bar von einer fäulnisswidrigen Eigenschaft des Lewah, nach 
dem vollständigen Trocknen eine grosse Stärke. 3 bis & 
Monate nach der Fabrikation erfordern die Hüllen bestän- 
dige Sorgfalt und selbst nach dem Einpacken sind sie 
durch Dunst oder Feuchtigkeit dem Verderben unterworfen. 
Nach einer gewissen Zeit giebt jedoch das darin enthal- 
tene Opium keine Feuchtigkeit mehr an die Hülle ab und 
diese wird ausserordentlich fest. Man hat in der Ghazee- 
pore-Factorei drei Probekuchen, welche etwa 15 Jahre alt 
sind, so hart wie Holzkugeln sind. Man kann sie ohne 
Schaden von einer gewissen Höhe auf einen Steinboden 
fallen lassen. 

Der oben auseinander gesetzte Process findet seine 
Anwendung bei dem für den Chinesischen Markt bestimm- 
ten Opium, welches den grössern Theil des ganzen Vor- 
raths ausmacht. Bei dem für den einheimischen Gebrauch 
bestimmten Opium, dem sogenannten Abkaree-Opium, wird 
eine andere Methode befolgt. Durch Aussetzen an die 
Sonne bringt man dieses nämlich zu einem Gehalt von 
90 Proc. trockner Substanz, wonach es sich wie Wachs for- 
men lässt. Man macht daraus quadratische Stücke, welche 
A Seer wiegen. Diese werden in geöltes Nepaul-Papier 
geschlagen und in Büchsen, die mit Fächern versehen 
sind, gepackt. Dieses Opium hat nicht so viel Aroma, 
wie das in Kugeln, aber das ist auch der einzige Fehler. 
Dagegen hat es den Vorzug, dass es viel Waare in einem 
beschränkten Raume enthält und zwar in einem zum Ver- 
packen sich gut eignenden Zustande. 

Nach Vollendung der Fabrikation wählt der Magistrat 
von Ghazeepore aus dem Vorrathe beliebig sechs Kuchen 
zur Untersuchung und chemischen Analyse aus. Zwei 
davon werden an den Opiumprobirer in Calcutta gesandt, 
zwei an den Behar-Agenten und zwei behält man für die 
Benares-Agentur zurück. Bei der Untersuchung nimmt 
man auf folgende Puncte Rücksicht: 


285 Anbau des Mohns und Bereitung des Opiums 


A) das Bruttogewicht des Kuchens; 

2) das Gewicht der möglichst sauber abgeschälten 
Hülle; 

3) das Gewicht des darin enthaltenen Opiums; 

4) die Beschaffenheit der Hülle; 

5) die physikalische Beschaffenheit der Waare; 

6) ihre Consistenz; 

7) ıhren Gehalt an Extract, mit kaltem Wasser 
bereitet; 

8) den Morphingehalt; 

9) den Narkotingehalt. 


Folgende Tabelle zeigt die Resultate der chemischen 
Analyse des Opiums der Benares- Agentur in den letzten 
vier Jahren: 


Rückstand von 


ae ; e 2 
100 Gran einer Extract aus 100 | Morphin Narkotin 


Jahr. - . | Gran, mit kalteın in in 
Tempıv: 2009F. Wasser bereitet. | Procenten. | Procenten. 
ausgesetzt. 
1845 — 46 73 52,33 2,76 5,33 
25 50,26 2,20 5,20 
Durchschnitt 74 51,29 2,18 5,26 
1846 — 47 72 43,25 2,46 4,30 
72 42,25 2,30 4,75 
Durchschnitt 72 42,75 2,38 4,52 
1847 — 48 7A 44,43 2,23 5,66 
70 | 39,26 2,17 5,70 
Durchschnitt 70,5 41,84 2,20 5,68 
1818 — 49 75:3 47,37 2,75 3,85 
75,9 48,62 3,67 4,27 


Durchschnitt 75,9 47,99 3,21 4,06 


in der Agentur von Benares. 285 


Eine Hauptverschiedenheit des Opiums von Bengalen 
von dem Türkischen und Aegyptischen besteht in dem 
überwiegenden Verhäaltniss des Narkotins zum Morphin, 
welches sich in allen Jahren zeigt. Es ist wichtig, zu 
ergründen, ob die Behandlung des Saftes nach -der Ein- 
sammlung auf die Menge der Alkaloide oder der anderen 
im Opium enthaltenen Substanzen Einfluss haben kann, 
In der Türkei pflegt man den Saft mit Speichel zu schla- 
gen, in Malwa wird er sofort in Leinöl getaucht, während 
man ihn in Bengalen durch blosses Aussetzen an die Luft 
im Schatten zu der erforderlichen Consistenz bringt, 
zugleich aber auch alle wässerigen Theile desselben, 
die sich absondern lassen, zur Bereitung von Lewah 
benutzt. 


Folgendes sind die Resultate der Analyse eines im 
Februar 1850 gesammelten frischen Saftes, von welchem 
kein Pussewah getrennt war. Die Analyse nimmt beson- 
ders Rücksicht auf den Gehalt an Morpbin und Narkotin. 
Man hat nicht versucht, die andern Substanzen rein ab- 
zuscheiden. 


I. 


| 2000 Gran frisch gesammelter Saft, am Tage der Ein- 
sammlung dem Versuche unterworfen, gaben: 


Gran 
BHO STRDHRE NE EV: WORNSERHLIER AIR ESTATE SIR SE 11,1 
Narkotin . sa. a es AUSH 32,7 
Andere in Alkohol lösliche Substanzen, Codein, Narcein, 
Mekonsäure;. Harz; un S w.. as else SR 
Trocknes Mark, uslöslich in Alkohol, Holzsubstanz, Kaut- 
SAT SER AR Re En RN N 
Wasser und flüchtige Substanzen, bei 200° Fahrh. trennbar . 1210,0 
-.2000,0 


Bei dem folgenden Experimente wurde der Saft, statt 
sogleich in rohem Zustande verwendet zu werden, in einer 
Abdampfschale bis 200° Fahrh. erhitzt, bis er etwa die 
Consistenz des probehaltigen Opiums der Factorei haben 
mochte. 4000 Gran dienten zur Analyse: 


286 Anbau des Mohns und Bereitung des Opiums 


II. 
Gran 
HERMAN. Kais,"ifincha rat. tler to A 
Narkotın 02 2.0 0a an een - . .,.80,9 
Andere in Alkohol lösliche RI, Codein, NT Me- 
Konsäure, Hurz’u. 8. W. 0 Sun . 546,7 
Trocknes Mark, unlöslich in Alkohol, Holzsubstanz, Kaut- 
schük wsistiw. ll, NE IT HR AREAL TO 
Wasser und flüchtige Substanzen, bei 200° Fahrh. trennbar . 189,5 
1000,0 


Bei dem dritten Versuche wurde am 23. Februar eine 
Portion frisch gesammelter Saft in eine Porcellanschale 
gethan und gelegentlich umgerührt, bis er fest geworden 
war. Pussewah wurde nicht abgesondert. Am 7. Mai 
enthielt er 19,3 Procent feste Substanz und gab bei der 
Analyse folgende Resultate: 


IH. 
Gran 
Morphin. ya He ea 
Narkotiniaucor. oa. »hakar: TE »ikeiiege, Auer he Ye 
Andere in Alkohol lösliche San ykarıgen Codein, Narcaanı Me- 
konsäure, Harz u.5.wW. . ....2 0. 0.00 21.222008 
Trocknes Mark, unlöslich in Alkohol, Holzsubstanz, Kaut- 
schuk u.s. w.. .. ins 1 ET 3,7 
Wasser und flüchtige Substanzen, bei "2000 Fahrh, trennbar . 97,0 
1000,0 


Um diese Resultate mit einander vergleichbar zu 
machen, wollen wir annehmen, dass der Saft in jedem 
Falle durch Erhitzung auf 200° Fahrh. zu einem gleichen 
Grade der Trockenheit gebracht sei. Die Zusammen- 
setzung der drei Proben ergiebt sich dann wie folgt: 


I. I. Il. 
Morphin... en let a nee dal a BE 
Narkotin . . . ea ee OA Zar 
In Alkohol lösliche Sulatanzen 20. 0. 65,949ı 66,874:209,811 
Trocknes Mark, unlöslich in Alkohol . . 28,506 26,301 23,665 


99,872 100,031: 99,998 

Die Uebereinstimmung ist ziemlich genau, ausgenom- 
men in dem Falle, wo das Opium an dem Tage der 
Einsammlung geprüft wurde. Hier ist die Quantität des 


in der Agentur von Benarees. 287 


Morphins sehr gering, dagegen ist, gleichsam zum Ersatz, 
die Menge des Narkotins grösser, als die der andern Pro- 
ben. Dies führt zu der Vermuthung, ob es nicht möglich 
sei, dass sich Narkotin durch Abgabe von Kohlenstoff, 
Wasserstoff und Sauerstoff während der Analyse oder 
durch die Veränderung, welche der Safı von seinem Aus- 
tritt aus der Pflanze an erleidet, in Morphin verwandele. 
Indess beruht dies lediglich auf Speculation und könnte 
nur durch eine Reihe genauer Experimente, wobei man 
auf alle Bestandtheile des Opiums Rücksicht nähme, vom 
Tage der Ausschwitzung des Saftes an bis zum Aufhören 
aller Gährung, welches erst bei einer gewissen Consistenz 
desselben eintritt, genügend entschieden werden. Die 
Resultate der zweiten Analyse sind bemerkenswerth; es 
scheint, dass die Anwendung künstlicher Wärme, um den 
Saft rasch zu der erforderlichen Consistenz zu bringen, 
für die narkotischen Eigenschaften des Opiums nicht nach- 
theilig, sondern im Gegentheil eher vortheilhaft ist. 

Es ist schon oben bemerkt, dass die Bauer bei der 
Zubereitung des Opiums alles Flüssige davon ablaufen 
lassen, das natürlich aus den löslichen Substanzen des 
Opiums, aufgelöst in Thau oder atmosphärischer Feuchtig- 
keit, bestehen muss. Ich gehe nun mehr ins Einzelne 
hinsichtlich dieser Flüssigkeit, dem sogenannten Pussewah, 
welche in grossen Quantitäten, von mehreren Gallonen 
zur Zeit, und ım Zustande eines klaren Fluidums bis zu 
dem eines dicken Syrups nach der Factorei gebracht wird. 

Frisch gesammelter Pussewah ist eine dunkle Flüs- 
sigkeit, ähnlich starkem Kaffee, von einem eigenthümlichen 
Geruche. Er röthet Lackmuspapier stark und giebt mit 
essigsaurem Blei einen starken grauen Niederschlag. Ebenso 
mit Kalkwasser. Ammoniak verursacht eine starke Fällung 
von graubunter Farbe. welche bald gleichförmig schwarz 
wird. Starke Verdünnung mit Wasser veranlasst gleich- 
falls einen dunkelbraunen Niederschlag. Ich fand das 
specifische Gewicht von einem frisch gesammelten Pusse- 
wah — 1,120 bei + 83° Fahrh. und 100 Gran hinterliessen 
beim Eintrocknen 30 Gran gelbbraunen Rückstand, welcher 


288 Anbau des Mohns und Bereitung des Opiums 


im Geruch etwas dem erhitzten Burgundischen Pech ähn- 
lich war. Nachdem der Pussewah ungefähr bis auf ein 
Drittel concentrirt ist, hat er die Consistenz eines Syrups; 
nach und nach wird er fest. Während der heissen, trock- 
nen Monate erlangt dieser feste Rückstand die Härte eines 
Harzes, wird spröde und bricht wie Harz, aber sobald 
das Wetter feucht wird, zieht er Wasser an, wird schwarz 
wie Gagat und blank auf der Oberfläche und nimmt die 
Consistenz von Schusterpech an. Der Pussewah enthielt, 
wie zu vermuthen, einige der wichtigsten Bestandtheile 
des Opiums: Mekonsäure, Harz, Morphin und Narkotin. 
Aus 500 Gran festem Pussewah, worin 88,9 feste Substanz, 
erhielt ich 12 Gran reines Narkotin, aber nur eine Spur 
Morphin. Dies letztere Resultat möchte ich jedoch einem 
Zufall zuschreiben, da ich bei einer zweiten Analyse von 
500 Gran festem Pussewah, die beim Austrocknen 85,5 Gran 
Rückstand gaben, 10,6 Gran Morphin und 16,9 Gran Nar- 
kotin erhiel. Um sich einen Begriff davon zu machen, 
wie sehr die Zusammensetzung des Bengalischen Opiums 
durch die Gewohnheit, den Pussewah abzugiessen, affıcirt 
wird, muss man mit einiger Genauigkeit die von einer 
gegebenen Menge Opium gelieferte Quantität Pussewah 
bestimmen. Die Menge des probehaltigen Opiums, welches 
im Jahre 1849 —50 bei der Agentur von Benares in Em- 
pfang genommen wurde, betrug 48191 Maunds, die des 
abgelieferten Pussewah nahe an 100 Maunds, so dass das 
Verhältniss = 182 : 4 ist, wobei der Pussewah durch- 
schnittlich 50 Procent feste Substanz enthält. Es muss 
jedoch bemerkt werden, dass dieser Pussewah, obgleich 
von der Waare getrennt, für den Vorrath nicht verloren 
ist, sondern zu den Hüllen verwendet wird und dass, da 
die Chinesen aus dem Opium zum Zweck des Rauchens 
ein wässeriges Extract bereiten, alle Bestandtheile des 
Pussewah gewonnen werden, wenn man, wie es in China 
gebräuchlich ist, die Hüllen mit Wasser kocht. 

Unter den Tausenden von Personen, Bauern und 
Arbeitsleuten, von denen die Factorei zur Zeit der Em- 
pfangnahme und Bereitung des Opiums voll ist, hört man 


in der Agentur von Benares. 289 


niemals Klagen über eine schädliche Wirkung desselben, 
sie bleiben alle so frei von allgemeinem Unwohlsein, wie 
Personen, die nichts damit zu thun haben. Gelegentlich 
klagt wohl ein Besucher der Factorei über Schwindel und 
Kopfweh, aber die Europäischen Angestellten, welche den 
grössern Theil des Tages bei + 95 — 105° Fahrh. zwi- 
schen den mit Opium gefüllten Kisten hin und hergehen, 
verspüren nie nachtheilige Wirkungen davon. Der ein- 
geborene Purkhea sitzt gewöhnlich von 6 Uhr Morgens 
bis 3Uhr Nachmittags Hand und Arm fast immer in Opium 
getaucht, dessen Geruch er prüft, und doch fühlt er keine 
Unbequemlichkeit davon Er hat mir gesagt, dass er im 
Beginn der Campagne gewöhnlich ein Gefühl von Betäu- 
bung in den Fingern fühle, aber dies mag eher eine Folge 
der Ermüdung im Arm und in den Fingern sein, als eine 
Wirkung des Opiums. In den grossen Kufen waten Män- 
ner mehrere Stunden lang des Morgens bis zum Knie 
durch das Opium, bleiben stehend darin den grössten 
Theil des Tages und theilen dasselbe Armvollweise aus, 
wobei sie nackt sind, ausser einer Bedeckung um die 
Hüfte. Diese Männer klagen über ein Gefühl von Schläf- 
rigkeit gegen das Ende ihrer täglichen Arbeit und sagen, 
sie würden früh am Abend vom Schlaf überwältigt, aber 
sie klagen nicht, dass diese Wirkung unangenehm oder 
nachtheilig sei. Kleine Kinder, wenige Monate alt, kann 
man häufig auf dem mit Opium beschmutzten Boden unter 
den Kufen finden. Ihre gedankenlosen Mütter lassen sie 
in dieser gefährlichen Lage, aber ohne dass sich jemals 
ein schlimmer Zufall ereignete. Dies sind hinreichende 
Thatbeweise, dass die Gesundheit der in der Factorei 
Angestellten durchaus keiner Gefahr ausgesetzt ist, wäh- 
rend die Ungestraftheit, womit das Opium von Hunderten 
von Personen stundenlang gehandhabt wird, zeigt, dass 
es keine endermatische Wirkung äussert; denn ich bin 
geneigt zu glauben, dass der einschläfernde Effect, welchen 
die Kneter erfahren, durch die Lunge und nicht durch 
die Haut hervorgerufen wird. 


en — 


Arch,d, Pharm. CXXVII. Bds. 3. Hfi. 19 


290 Martius, 


Die ökonomischen, medicinischen, technischen 
und Zierpflanzen Chinas; 
von 
Prof. Th. Martius. 
(Aus Wells William’s the Middle Kingdom.) 

(Fortsetzung von Bd. CXXVII. Hft. 2. pag. 176.) 

Der Weidenbaum ist eine gewöhnliche Lieblings- 
pflanze in allen Theilen Chinas, und erreicht eine bedeu- 
tende Grösse. Staunton erwähnt einige derselben, 
welche funfzehn Fuss in Umfang hatten. Er sagt, dass 
sie die Landstrasse in der Nähe der Hauptstadt beschat- 
ten, und es ist wohl bekannt, dass sie selten in Gärten 
und längs der Wasserströmungen mangeln. Ihre Blätter, 
ihr Laub und ihre Eigenschaften bieten den Dichtern und 
den Schriftstellern viele Metaphern und Bilder dar; es 
wird auf diese Weise viel mehr Gebrauch von dem 
Baume gemacht, als auf irgend eine andere. _ Die Eiche 
findet wenige Freunde unter den Schöngeistern; aber den 
Werth ihres Holzes und ihrer Rinde kennt man sehr gut. 
Das Land bringt mehrere Arten hervor, von welchen 
einige zum Kohlenbrennen, 50 wie zur Nahrung cultivirt 
werden. Die Galläpfel werden zum Färben und in der 
Arznei gebraucht, und die Eicheln einiger Arten, nachdem 
man sie von den Schalen gereinigt hat, in Mühlen gemah- 
len, das Mehl in Wasser eingeweicht und zu einem Teig 
geknetet. Einige Missionare erzählen von einhundert Fuss 
hohen Eichen, aber die bisher beobachteten hatten unter 
funfzig Fuss Höhe. „Einen der grössten und interessan- 
testen dieser Bäume, welchen ich«, schreibt Dr. Abel, 
»Quercus densifolia genannt habe, glich in seinem glän- 
zend grünen Laube dem Lorbeer. Er trug Zweige und 
Blätter in einem dichten Gipfel, womit er einen nackten 
und geraden Stamm krönte; seine Frucht wuchs längs 
aufrechter, am Ende der Zweige befindlicher Aehren. 
Eine andere Art, welche eine Höhe von funfzig Fuss 
erreicht, trug die Früchte in langen hängenden Aehren. 


die Pflanzen Chinas. 291 


Die Central-Provinzen erzeugen diese Bäume im grössten 
Ueberfluss.« 

Die Kastanie, die Wallnuss und die Haselnuss 
sind sämmtlich in China einheimisch und ihre Frucht ist 
leidlich. Die Brodfrucht (Artocarpus) ist auf den Märk- 
ten Cantons bekannt, wird aber nicht viel gebraucht. Es 
giebt viele Arten der Feige, aber keine von ihnen 
erzeugt eine des Pflückens werthe Frucht. Die Portugie- 
sen haben die braune Feige in Macao, wo sie zur Blüthe 
kommt, eingeführt; sie wird Lou-hwa-kwo, d.i. blu- 
menlose Frucht, genannt. Die Bastard-Feige ist ein 
prachtvoller, schattiger Baum; seine Zweige breiten sich 
zuweilen über einen Flächenraum von mehr als hundert 
Fuss in die Quere aus. Die Mauern der Städte und 
Wohnungen bedecken sich bald mit der Ficus repens 
Willd., und werden, wenn sie unbelästigt bleibt, von ihren 
Wurzeln allmälig zerstört, Eine Art des Maulbeerbaums 
(Broussonetia papyrifera Vent.) liefert ein gutes Material 
zu Papier in ihrem Splintholz, welches mit Sorgfalt von 
der Rinde getrennt und zu einem Brei geschlagen, dann 
mit Reiskleister vermischt und wvermittelst Formen zu 
Bogen gebildet wird. Den grössten Theil des in Japan 
gebrauchten Papiers erhält man von dieser Substanz; die 
Chinesen wenden aber dazu gewöhnlich Bambus und 
Baumwolle an. Einiges davon ist sehr fein und seiden- 
artig. Das Blatt des gemeinen Maulbeerbaums ist der 
Hauptzweck seines Anbaues; aber auch die Frucht wird 
genossen und das Holz zu Lampenruss gebrannt, welches 
bei der Bereitung der chinesischen Dinte (Tusche) ge- 
braucht wird, 

Hanf wird wegen seiner Fasern angebauet; der Samen 
giebt ein Oel für den Haushalt und zu arzneilichen Zube- 
reitungen; aber die berauschende Substanz, welche Bang 
heisst und in Indien daraus gemacht wird, ist in China 
unbekannt. Die Familie der Proteaceae enthält die Dry- 
andra cordata Thunb. ( Elaeococcus verrucosus Juss.) oder 
Wu-tung, einen der Lieblingsbäume der Chinesen wegen 
seiner Schönheit, wegen des harten Holzes, das man von 


19* 


292 Martius, 


ihm erhält, und des aus seinem Samen gepressten Oeles. 
Die Samen der Jatropha Curcas Linn. und des Croton, 
welche zu der Familie der Euphorbiaceen gehören, liefern 
mehr Oel, als die Samen der Dryander, Einiges wird 
auch von der Sterculia gewonnen; die Samen dieses 
glänzenden Baumes sind nicht schädlich, wie die des 
Croton. Der berühmte Talgbaum (Stillingia sebifera Mich.) 
gehört zu der nämlichen Familie. Dieser symmetrisch 
gestaltete Baum ist ein Bürger aller östlichen Provinzen 
und gleicht der Espe an Form und Farbe der Blätter, so 
wie in seinem allgemeinen Umriss. 

Die Ricinus- Oelpflanze wird zum Gebrauch sowohl 
der Küche, als der Apotheke angebauet. 

Die Familie der Hippurinae liefert die Wasser- 
Stachelnuss (Trapa), deren Samen abgekocht in den 
Sırassen verkauft wird. Der einheimische Name bedeutet 
Büffelkopffrucht, indem die ungeöflneten Nüsse solchen 
auffallend ähnlich sind. Schwarzer Pfeffer ist ın 
China nicht einheimisch, wird aber eingeführt, nicht zu 
Gewürz, sondern zur Bereitung eines bei Fiebern zu 
reichenden Trankes. Der Betel-Pfeffer (Piper Betle 
Linn.) wird wegen seiner Blatter, die mit der Betelnuss 
gekäut werden, in grosser Menge angebauet. Eine andere 
Pflanze, nämlich der Aschulan ( Chloranthus inconspicuus 
Swtz.) giebt die Blumen, welche zum Parfümiren einiger 
Theesorten dienen. Die Krugpflanze, Nepenthes destilla- 
toria Linn, von den Chinesen Schweinekorb - Pflanze 
genannt, ist in der Nähe von Canton nicht selten; die 
Blätter oder Schläuche haben einige Aehnlichkeit mit den 
offenen Körben, welche man braucht, um die Schweine 
zu tragen. 

Viele Rumex - Arten werden wegen ihrer Blätter oder 
Samen als essbares Gemüse angebauet, darunter Spinat, 
grüner Basilicum, Mangold, Tausendschön, Hahnenkamm, 
Buchweizen u. s. w. anzuführen sind. Zwei Arten von 
Polygonum cultivirt man wegen der blauen Farbe, welche 
man aus den Blättern gleich dem Indigo durch Einwei- 
chung gewinnt. Buchweizen wird zur Nahrung dadurch 


die Pflanzen Chinas. 293 


bereitet, dass man ihn wie Hirse kocht; sein chinesischer 
Name bedeutet »dreieckigen Weizen«. Das Mehl wird zu 
Peking auch bei der Pastetenbäckerei angewendet. Der 
Hahnenkamm wird sehr bewundert von den Chinesen, 
deren Gärten mehrere glänzende Varietäten aufzeigen. 
Die Rhabarber ist ein Glied dieser nützlichen Familie; 
es werden aus den nördlichen Provinzen grosse Quan- 
titäten davon nach Canton gebracht. Die Chinesen betrach- 
ten die übrige Welt wegen des Thees und der Rhabarber 
von sich abhängig, da deren Einwohner genöthigt sind, 
zu ihnen zu kommen, um sich Hülfsmittel gegen eine, auf 
sonstige Weise unheilbare (?) Verstopfung zu verschaffen. 
Dieses Beweises bediente sich einst der Commissair Linn 
wirklich, als er gewisse beschränkende Verfügungen, die 
dem ausländischen Handel auferlegt werden mussten, 
empfahl, weil er voraussetzte, dass die ausländjschen 
Kaufleute gezwungen sein würden, jene Artikel zu jedem 
Preise zu kaufen. 

Die Ordnung der Stechpalmen liefert mehrere Arten 
Rhamnus, deren Früchte öfters auf Tafeln gesehen werden. 
Der Zizyphus liefert die chinesichen Datteln, und die 
fleischigen Stiele der Hovenia, welche in Hongkong ganz 
gewöhnlich ist, werden gegessen. Die Blätter des Rham- 
nus theezans Linn, gehören unter die vielen Pflanzen, 
welche von den ärmeren Chinesen als ein Ersatzmittel 
für den echten Thee eingesammelt werden. Die chine- 
sische Olive erhält man von der Pimela (Canarium album 
Raeusch und Canarium Pimela König), aber sie ist eine 
armselige Stelivertreterin für die reiche Olive Syriens. 

Die Glieder der weitverbreiteten und ausgedehnten 
Familie der Hülsenfrüchte nehmen eine wichtige Stelle 
in der chinesischen Pilanzenkunde ein, da sie viele ess- 
bare Gemüse und schätzbare Erzeugnisse liefern. Erbsen 
und Bohnen bilden Gegenstände eines ausgedehnten 
Anbaues, und die Lake, Soy genannt (ein von dem japa- 
nischen Soya abgeleitetes Wort), wird hauptsächlich aus 
einer Art des Dolichos nämlich Soja hispida Moench. 
gemacht. Eine der gewöhnlichsten Methoden ihrer Zube- 


294 Martius, 


reitung besteht darin, dass man die Bohnen abhäutet und 
zu Mehl reibt, welches mit Wasser und gepulvertem 
Gyps (?) oder Curcumapulver vermischt wird. Die gemei- 
nen Chinesen geniessen wenige Gerichte ohne Bohnen- 
Gelee oder Soya hinzuzuthun. Ein Glied dieser Familie 
giebt Indigo; aus den Knospen und Blättern einer Co- 
lutea soll man eine Art grüner Farbe erhalten. Süss- 
holz wird als Arznei hochgeschätzt und die roth und 
schwarz gefleckten Samen der Rosenkranz - Erbse ( Abrus 
precatorius Linn.) werden zu Halsschnüren und anderen 
Zierrathen gesammelt. Die Poinciana und Bauhinia wer- 
den wegen ihrer Blumen cultivirt; die Erythrina und 
Cassia gehören zu den am prachtvollsten blühenden 
Bäumen im Lande. Die Arachis hypochaea Linn., die 
Eirdnuss, wird wegen ihrer essbaren und öligen Samen 
in Menge gezogen. 


Die Obstsorten der Chinesen stehen im Ganzen an 
Geschmack und Grösse den gleichnamigen im Westen 
nach. Die Birnen, Pfirsiche, Pflaumen und Apri- 
kosen sind alle noch grosser Veredlung fähig. Mehrere 
Arten von Mandel werden wegen ihrer Blüthen cultivirt, 
und in Canton treibt man gegen Neujahr die knospenden 
Stengel der Mandel, der Narcisse, der Pflaume, des Pfir- 
sichs und des Enkianthus reticulatus Lindl. oder der 
Glockenblume zur Blüthe, als ein Anzeichen von Glück 
für das kommende Jahr. Den Birnen, Aepfeln und Quit- 
ten fehlt es im Allgemeinen an Wohlgeschmack, den man 
anderwärts an ihnen sucht, aber die Loquat ist eine ange- 
nehm säuerliche Frühlingsfrucht. Der Granatapfel wird 
vorzüglich wegen seiner Schönheit als blühende Pflanze, 
aber nicht als Frucht für die Tafel cultivirt; die Guajava 
( Psidium pomiferum Linn.) und Eugenia (Jambosa vul- 
garis DC.) oder Rosenäpfel, welche beide zu der gros- 
sen Familie der Myrtinae gehören, werden auf dem Markte 
erkauft und zur Darstellung von Gel&e verwendet. 


Die Rose ist unter den Chinesen so beliebt wie bei 
anderen Nationen und wird weit und breit cultivirt; man 


die Pflanzen Chinas. 295 


erwähnt zwanzig Arten sammt vielen Varietäten als im 
Lande einheimisch. Eine, welche zu Amoy gewöhnlich 
ist, hat gefüllte, aber geruchlose Blumen. Die Spierstaude, 
die Myrte, Quisqualis, die Henna ( Lawsonia inermis Linn), 
die weisse, purpurrothe und rothe Varietäten der Luger- 
stroemia, Hydrangra, die Passionsblume und das Haus- 
lauch gehören ebenfalls zu den Zierpflanzen, die man in 
Garten! findet. Wenige Bäume in irgend einem Lande 
bieten eine ierhehene Erscheinung dde wenn sie in voller 
Blüthe stehen als die Lagerstroemia. Die Melia und der 
Tamarix chinensis Lour. sind sehr schön blühende Bäume. 
Die Cactus- und Cereusarten wachsen im Süden, und 
Exemplare der letzteren, welche funfzig oder mehr präch- 
tige Blumen in voller Blüthe tragen, sind in den Nächten 
des Augustmonats zu Macao nichts Ungewöhnliches, 

Die Wassermelone, Gurke, der Kürbiss, Liebesapfel 
(Lycopersieum esculentum Miller), der Brinjal /(Solanum 
ovigerum Dunal) und andere Gartengemüse finden sich 
im Ueberfluss. Eine dieser Pflanzen, die Beninkasa ceri- 
fera Savi oder der Talgkürbiss, ist dadurch merk würdig, 
dass seine Oberfläche, wenn er reif ist, sich mit einem 
wachsartigen Ueberzug bedeckt, welcher wie Colophonium 
riecht. Der getrocknete Flaschenkürbiss (Cucurbita lage- 
naria Linn.) wird den Kindern an Bord der Schiffe auf 
den Rücken gebunden, um ihnen schwimmen zu helfen, 
wenn sie nkeklicher Weise über Bord stürzen sollten. 
Die Frucht nd die Blätter des Melonenbaumes /(Carica 
Papaya Linn.) Muh-kwa‘, d.h. Baummelone, werden 
gegessen, nachdem sie gekocht worden. Die Chinesen 
kennen die erweichende Eigenschaft der Ausdünstungen 
von den Blättern dieses Baumes, und benutzen sie zuwei- 
len zur Erweichung des Fleisches alter Hühner und 
Hähne, indem sie die eben getödteten Vögel in den Baum 
hängen, oder sie vorher auf dem Baume ernähren. Der 
Melonenbaum erreicht um Canton selten seine grösste 
Höhe (20 Fuss), weil sein schlanker Stamm den starken 
Winden nicht zu widerstehen vermag. Die Carambola 
oder Baumstachelbeere wird von den Chinesen viel genos- 


296 Martius, die Pflanzen Chinas. 


sen, Fremde aber finden keinen Geschmack daran. Der 
Baum selbst gewährt geringen Nutzen. 

Ginseng wird in den Waldungen Liaulings und der 
Mandschurei wild gefunden, wo Abtheilungen von Solda- 
ten und Trossdienern, die besonders zu diesem Zwecke 
ausgesendet werden, ihn einsammelt. Die Gegenden, wo 
er wächst, werden als kaiserliche Gehege betrachtet, 
und die Wurzel selbst ist zu einem Regierungsmonopol 
gemacht. Die Einfuhr der amerikanischen Wurzel selbst 
thut den kaiserlichen Verkäufen im Norden keinen ernst- 
lichen Eintrag, da die Chinesen die volle Ueberzeugung 
von der grossen Vortrefllichkeit ihrer eigenen Pflanze 
hegen, und da wegen des hohen Preises derselben nur 
ein geringer Theil davon nach dem Süden kommt. Unter 
zahlreichen Pflanzen der Malvaceen und Dianthaceae, die 
wegen ihrer Schönheit oder ihres Nutzens merkwürdig 
sind, erwähnen wir die Lychnis grandiflora. Jacg., fünf 
Arten der Nelke, die Althaea 'chinensis Cav., acht Arten 
des Hibiscus und andere malvenartige Blumen. Der 
Baumwollenbaum (Bombax pentandrum Linn.) ist zu Can- 
ton gewöhnlich; die fleischigen Blätter der Blumen dienen 
zuweilen als Nahrung. Das Gossypium herbaceum Linn. 
und die Sida tiliaefolia Fisch. geben Stofle zu Baum- 
wolle- und Grastuch; beide werden in den östlichen 
Provinzen, nördlich bis nach Peking, eultivirt. Die Blumen- 
blätter des Hibiscus Rosa sinensis Linn. werden bisweilen 
gebraucht, um daraus eine schwarze Flüssigkeit zum Fär- 
ben der Augenbrauen zu bereiten. Zu Batavia verwendet 
man sie zum Glänzendmachen der Schuhe. Die Früchte 
der Okra (des Hibiscus esculentus Guill u. Per.) bereitet 
man auf mannigfaltige Weise für die Tafel zu. 


(Schluss folgt.) 


HJIE. Wonaitsbericht. 


Ammoniakgehalt im Fluss- und Quellwasser. 


Boussingault hat das Wasser mehrerer Flüsse und 
Quellen auf ıbren Ammoniakgehalt untersucht, Seine 
Untersuchung gründet sich darauf, dass das freie Ammo- 
niak mit den ersten Portionen Wasserdampf vollständig 
entweicht. Es wurden daher die fraglichen Wässer mit 
einem Zusatz von Kali der Destillation unterworfen und 
das Fünftheil davon abdestillirt und im Destillate nach 
Pelligot mit Schwefelsäure das Ammoniak bestimmt. 
Die grösste Menge Ammoniak fand sich im Wasser aus 
der Bievre geschöpft bei Pont-aux-Triples, nämlich 0,00261 
Grm., gar keins im Wasser einer Quelle von Guermantes 
bei Lagry. (Compt. rend. T.36. p.814. — Polyt. Centrbl. 
1853. No. 23. p. 1471— 1472.) Mr. 


Absorption des atmosphärischen Wassers durch 
Mineralsubstanzen. 


J. Durocher weist nach, dass das Wasser der Atmo- 
sphäre sehr allgemein von Mineralkörpern aufgenommen 
wird, dass es also auf die Umwandlung von Mineralkör- 
pern von grossem Einflusse ist, wenn auch andere Ele- 
mente der Atmosphäre nicht mitwirken. 

Durocher versuchte, ob die wasserfreien Silicate 
auch Wasser absorbiren können, ohne von ihren Elemen- 
ten eins zu verlieren. Er liess verschiedene Mineralsub- 
stanzen unter einer Glocke in feuchter Luft 4 Jahre lang 
liegen und überzeugte sich, dass die Mineralkörper der 
folgenden Tabelle wirklich Wasser chemisch aufnehmen. 
Es sind, um hygroskopisches Wasser von gebundenem 
unterscheiden zu können, die Proben bei 15—100° ge- 
trocknet, dann geglüht. Das durch Glühen ausgetriebene 
Wasser ist in Chlorcalciumröhren aufgefangen und so 
gewogen. - 


298 Quantitative Bestimmung des Chlors etc. 


Hygroskop. Hygroskop. Absorb,Was- 
Wasser,durch Wasser, zwi- ser, das sich 
Wärme aus- schen 1000u, nurzwischen 


Name der Mineralien. Fundort. getrieben, Dunkelroth- 1000 bis zur 
zwischen 15  glühhitze, Rothglühhitze 
bis 1000, entwickelt. 
10,000tel. 10,000tel, 10,000tel. 
Feldspath, Orthoclas Utö (Schweden) 3 25 13 
Desgl. Becanne (lIlle et 
Vilaine) 12 51 14 
Desgl, Huelgoat (Finis- 
terre) 19 66 0 
Glasiger Feldspath Mont Dore (Puy 
de Dome) 4 88 6 
Albit Les Touches (Lr. 
inferieure) 10 58 3 
Oligoclas Skotwäng (Schwe- 
den) 2 19 4 
Dichter Feldspath Sala (Schweden) 0 5 2 
Desgl. Mont - Aventin 
(Obere Garonne) 10 55 19 
Glimmer Saint- Malo 38 266 23 
Amphibol, Horn- Frederikswärn 
blende (Norwegen) 7 28 11 
Pyroxen, Augit Umgegend von 
Neapel 6 50 11 
Eisenoxydoxydul Skotwäng (Schwe- 
den) 4 9 4 
Eisenglanz Insel Elba 3 11 4 
Blutstein Desgl. 1: 58 10 
Pyrolusit Desgl. 13 72 16 
Braunit Ilmenau 20 61 19 


(Compt. rend. T.36. — Chem.-pharm. Cenirbl. 1853. No.37.) 
B. 


Quantitative Bestimmung des Chlors und der 


Schwefelsäure durch Titrirung. 


Um den Chlorgehalt in löslichen Chlormetallen durch 
Titrirung zu erfahren, bedient sich Levol einer Lösung 
des salpetersauren Silbers; um aber das zugesetzte Maass 
genau zu bestimmen, setzt er der Lösung des Chlormetalls 
io einer gleichen Lösung von phosphorsaurem Natron 
hınzu. Um die Schwefelsäure durch die Maassanalyse zu 
bestimmen, wendet derselbe eine Lösung des salpeter- 
sauren Bleioxyds an und setzt der Auflösung des schwefel- 
sauren Salzes ein Paar Tropfen einer Jodkaliumlösung zu. 
Sollte freie Säure vorhanden sein, so muss diese vorher 
durch Talkerde neutralisirt werden. — In beiden Fällen 
bestimmt der entstehende gelbe Niederschlag die zuzu- 
setzende Menge des salpetersauren Silbers oder Blei- 


Blauer Schwefel. — Auffindung des Schwefelkohlenstoffs. 299 


oxyds. /Bull.delasoc. d’enc. Avril 1853. p. 220. — Polyt. 
Cenirbl. 1853. No. 24. p. 1509.) Mr. 


Ueber das Vorkommen des Jods. 


Nach Chatin finden sich auch Spuren von Jod im 
Regen, in Quellen, in Flusswasser von Guyana und Guade- 
loupe. Eben so im Taback von Havanna und von Frank- 
reich. Martin bestätigt das Vorkommen von Jod im 
Regenwasser des südlichen Frankreichs. (Compt. rend. 
T. 37. 1853.) B. 


Blauer Schwefel, 


Wenn zu einer concentrirten Lösung von Eisenchlorid 
auf einmal das 50- bis i00fache Volum gesättigtes Schwe- 
felwasserstoffwasser gemischt wird, so färbt sich die Flüs- 
sigkeit für einen Augenblick tief blau, indem sie gleich 
darauf von gefälltem Schwefel weiss wird. Alle Versuche, 
das Blau zu fixiren und die Ursache desselben zu erfah- 
ren, waren erfolglos. Es erinnert an die durch Schwefel 
bedingte blaue Farbe des Ultramarins und die tief blaue 
Farbe, welche die Auflösung des Schwefels in wasserfreier 
Schwefelsäure hat. /Annal. der Chem. u. Pharm. 86. 5 


Ueber Auffindung des Schwefelkohlenstoffs. 


Wenn zu einer Lösung von kaustischem Kali in ab- 
solutem Alkohol so viel Schwefelkohlenstoff gesetzt wird, 
als sich darin aufzulösen vermag, so bildet sich eine reich- 
liche Menge von xanthansaurem Kali. Diese Eigenschaft 
hat A. Vogel benutzt, um in einer Flüssigkeit geringe 
Mengen von Schwefelkohlenstoff zu entdecken. Setzt man 
zu einer grössern Menge der weingeistigen Kalilösung nur 
einen Tropfen Schwefelkohlenstoff oder leitet man einen 
Luftstrom über dieselbe, so entsteht zwar die eigentliche 
Krystallbildung nicht, allein auch in einer so verdünnten 
Lösung kann die entstandene Verbindung durch ihr Ver- 
halten zu Kupferoxydsalzen nachgewiesen werden. Das 
xanthansaure Kali giebt nämlich, mit essigsaurem Kupfer- 
oxyd oder mit Kupfervitriol versetzt, einen voluminösen 
eitrongelben Niederschlag. Diese Reaction tritt ein, wenn 
man auch nur eine geringe Menge Schwefelkohlenstoff zur 
weingeistigen Kalilösung zusetzt und zeigt sich am deut- 
lichsten, wenn man von der Flüssigkeit etwas bei gewöhn- 


300 Kohlensäure- u. Wärmemenge aus Beleuchtungsstoffen. 


licher Temperatur auf einem Uhrglase verdampfen lässt 
und dann den Rückstand mit einem Kupfersalz übergiesst. 
Da der gelbe Niederschlag von Ammoniak in der Kälte 
fast nicht gelöst wird, so kann er durch Behandeln hier- 
mit von dem gleichzeitig gebildeten Kupferoxydhydrat 
getrennt werden. 

Auch eine andere Eigenschaft des Schwefelkohlenstoffs 
kann zu einer noch empfindlicheren Reaction benutzt wer- 
den, wenn es sich darum handelt, die geringsten Spuren 
dieser Substanz zu entdecken. Wenn nämlich eine was- 
serige oder weingeistige Lösung von Schwefelkohlenstoff 
mit Kali gekocht wird, so bildet sich Kaliumsulphuret, 
welches auf Zusatz von salpetersaurem Bleioxyd einen 
schwarzen Niederschlag von Schwefelblei giebt Kocht 
man salpetersaures Bleioxyd mit Kali und setzt während 
des Kochens eine höchst verdünnte Lösung von Schwefel- 
kohlenstoff in Wasser hinzu, so entsteht sogleich der 
schwarze Niederschlag. 

Man hat bisher und auch mit Recht angenommen, 
dass in dem Steinkohlengase stets Schwefelkohlenstoff 
enthalten sei, indem die Bedingungen zu dessen Bildung 
bei der Gasbereitung aus Steinkohlen, die stets Schwelel 
enthalten, gegeben sınd. Durch die beschriebene Reaction 
gelingt es, in dem aus Steinkohlen bereiteten Leuchtgase 
sehr geringe Spuren von Schwefelkohlenstoff nachzuwei- 
sen. /(Annal. der Chem. u. Pharm. 86. 3.) B.. 


Entwickelung der Kohlensäure- und Wärmemenge 
aus verschiedenen Beleuchtungsstoffen. 
Frankland hat die Kohlensäure- und Wärmemenge 
berechnet, welche sich bei verschiedenen Beleuchtungs- 
stoffen erzeugen, wenn die Lichtintensitat der von 20 Wall- 
rathkerzen gleich ist, und dabei folgende Resultate erhalten: 


\ Kohlensäure Wärme, 
Dalaısaı. ua. lee er 10,1 Cubikf. 100 
Wachs 
Wallrath (| retten en 82 
Wallratnoldns er 6,4 „ 63 
Leuchtgas von London....... BEURT Mn 47 
„ » Manchester.... 40 32 
Gas von Cannel-Coal....... Sy en 32 
»  » Boysnadkohle...... Horn i9 
» u Lesmahagowkohle... 2,5 n 19 


Hieraus ergiebt sich, dass bei gleicher Lichtintensität 
die Gase die Luft weit weniger durch Kohlensäure ver- 


Bereitung des unterschwefligsauren Natrons. 301 


unreinigen und weit weniger Wärme entwickeln, als die 
übrigen Stoffe. /Le Technolog. Oct. 1853. p.28. — Polyt. 
Cenirbl. 1853. No. 24. p. 1536.) Mr. 


Neues Verfahren zur Darstellung von kohlensaurem 
Natron und Ralı. 


Die Dirigenten der chemischen Fabrik in Wohlgelegn, 
Ch. Böringer und G. Clemm, haben sich folgendes 
neue Verfahren, kohlensaure Alkalien darzustellen, für 
England patentiren lassen. — Das schwefelsaure Natron 
oder Kali wird mit Kohle im Ueberschuss in einem Flam- 
menofen reducirt und möglichst darauf gesehen, dass keine 
Oxydation wiederum statt findet.- Die Masse wird sofort 
in Wasser gelöst und derselben, je nachdem man das Eine 
oder Andere vor sich bat, doppelt-kohlensaures Natron 
oder Kali in geringem Ueberschuss zugesetzt. Dies Zu- 
sammenbringen geschieht in einem Kessel, welcher mit 
einem rauchfangähnlichen Ueberbau versehen ist, in wel- 
chem erstern das kohlensaure Salz bis zur Trockne ver- 
dunstet wird. Durch den Rauchfang wird der entweichende 
Schwefelwasserstoff abgeleitet und entweder durch voll- 
kommene Verbrennung zur Darstellung von Schwefelsäure 
oder durch theilweise Verbrennung zur Ausscheidung von 
Schwefel verwendet. — Das im Kessel erzeugte kohlen- 
saure Alkali wird nun durch Calciniren oder durch Auf- 
iösen und Krystallisiren zu der im Handel gebräuchlichen 
Drogue umgewandelt. — Das nöthige doppelt-kohlensaure 
Alkali erhält man, indem die den verschiedenen Feue- 
rungen der Fabrik entströmende Kohlensäure durch die 
Lösung des einfach-kohlensauren Salzes geleitet wird, 
(Rep. of Pat. Inv. Decbr. 1553. p.447. — Polyt. Centrbl. 1854. 
No.3. p. 159 — 160.) Mr. 


Leichte Methode zur Bereitung des unterschweflig- 
sauren Natrons, 


Durch eine gesättigte Sodalösung (welche frei von 
schwefelsaurem Salz ist) wird nach John C. Tallon 
schwellige Säure geleitet, bis eine Probe mit salpeter- 
saurem Silber einen weissen Niederschlag giebt; dann 
wird die Lösung in ein Becherglas gebracht und mit 
Schwefel (ungefähr Y3, vom Gewicht der in Lösung be- 
findlichen Soda) gekocht, bis eine Probe der Flüssigkeit 
init einigen Tropfen Chlorwasserstoffsäure einen Nieder- 


302 Quantitative Bestimmung der Alkalien. 


schlag von Schwefel giebt, und eine andere Portion mit 
salpetersaurem Silber einen weissen Niederschlag, der 
augenblicklich gelb und dann schwarz wird, worauf die 
Flüssigkeit schnell filtrirt und eingedampft wird, bis das 
Salz vollständig trocken ist. 

Der Vortheil dieses Verfahrens vor dem gewöhnlichen 
besteht darın, dass es keinen Gestank von schmelzendem 
Schwefel verursacht; ausserdem kostet es weniger und 
fordert nicht die unausgesetzte Aufmerksamkeit des Arbei- 
ters. (New York Journ. of Pharm. Sept. 1852.) A. ©. 


Ueber quantitative Bestimmung der Alkalien. 


Die so häufig vorkommende Umwandlung der Sulphate 
von Alkalien in Chloride führt man nach L. Smith’s 
Angabe gewiss zweckmässig so aus, dass man dieselben 
statt mit essigsaurem Baryt mit essigsaurem Bleioxyd be- 
handelt. Der Bleiüberschuss wird durch Schwefelwasser- 
stoff entfernt, die Flüssigkeit nachher mit einem Ueber- 
schusse von Salzsäure eingedampft. 

Um sich vor dem Beginn der quantitativen Analyse 
davon zu überzeugen, ob einem der drei Alkalien, Kali, 
Natron, Lithion von den beiden andern geringe Mengen 
sich beigesellt befinden, trocknet man vom Chloride des 
betreffenden mit 4 Tropfen mässig starker Platinchlorid- 
lösung auf einer etwas erwärmten Glasplatte ein. Man 
erkennt nun das Kali und Natron unter dem Mikroskope 
leicht an den bekannten Krystallformen der Doppelsalze. 
Ist Lithion da, so zerfliesst dessen Chlorid nachher an der 
Luft und löst die Krystalle der beiden anderen Doppel- 
salze, oder es hindert von vorn herein deren Entstehung. 
In diesem Falle zieht man das Chlorlithion durch Aether- 
weingeist aus und bringt die Probe vor das Löthrohr. 

Zum Aufschliessen von Silicaten empfiehlt derselbe 
A Th. des gepulverten Silicates mit 5— 6 Th. kohlensaurem 
Kalk und } bis 2 Th. Salmiak zu mischen, und nun im 
Platintiegel 30— 40 Minuten rothglühen zu lassen. So 
schliesst man leicht jedes Silicat auf. 

Wenn man die geschmolzene Masse nachher aufweicht, 
so zerfliesst sie sehr bald. Man wäscht die Alkalien dar- 
aus mit Wasser aus, welches etwas Chlorcaleium und 
Aetzkalk mit löst, welche Smith nach dem Zusatze von 
etwas kohlensaurem Ammoniak zur heissen Lösung und 
Kochen entfernt. 

Um aber ganz genau zu arbeiten, trocknet man die 


Phosphormangan. — Uebermangansäure. 303 


ausgewaschene Masse, mischt sie nochmals mit der Hälfte 
des Gewichtes vom angewandten Mineral Salmiak, glüht 
nochmals und verfährt wie vorhin. 

Wenn das Material ausreicht, so schliesst Smith 
einen Theil des Silicates mit Soda, einen anderen mit 
Kalk auf. Soll aber mit einer einzigen Menge die Analyse 
ausgeführt werden, so wendet man zum Aufschliessen bes- 
ser das Gemisch von Chlorbaryum mit kohlensaurem Baryt 
an. /Sil. Dan. amer. Journ. — Chem.-pharm. Centrbl. 1553. 


No. 52.) B. 


Phosphormangan. 


Auf Wöhler’s Veranlassung behandelte Merkel ein 
inniges Gemenge von 40 Th. reinem geglühtem Braunstein, 
10 Th. weiss gebrannten Knochen, 5 Th. weissem Quarz- 
sand und 3 Th. geglühtem Kienruss in einem verklebten 
hessischen Tiegel in einem gut ziehenden Windofen eine 
Stunde lang in einer Temperatur, bei welcher Roheisen 
schmilzt. Nach dem Erkalten fand sich unter einer brau- 
nen, durchsichtigen Schlacke ein wohlgeflossener Regulus 
von Phosphormangan von der Farbe des grauen Roheisens, 
spröde und krystallinisch, von 5,951 spec. Gew. Zusam- 
menselzung:! 


Manpantrııs te 82 
Bhosphors..n...2. 18 
Formel: Mn>P. 


( Annal. der Chem. u. Pharm. 86. 3.) B. 


Uebermangansäure. 


Wenn man eine etwas grössere Menge von krystalli- 
sirtem übermangansaurem Kalı mit vollkommen concen- 
trirter Schwefelsäure übergiesst, so wird das Salz unter 
starker Wärme-Entwickelung zersetzt, indem aus der Masse 
rothe Flammen hervorbrechen und sich Manganoxyd bildet, 
welches, ähnlich den Zinkblumen, in spinnewebartigen 
dunkelbraunen Fäden und Flocken in der Luft herumfliegt. 
Zugleich wird reines Sauerstoflgas frei. (Annal. der Chem. 
u. Pharm. 86. 3.) B. 


304  Fritillaria imperialis als Ersatzmilttel der Kartoffel. 


Satzmehl der Fritillaria imperialis als theilweises 
Ersatzmittel der Kartoffel. 


Die hier genannte Pflanze ist bis dahin in Frankreich 
nur von Blumisten cultivirt worden, hat sich daselbst aber 
so acclimatisirt und ausgebreitet, dass man sie als einhei- 
misch in diesem Lande betrachten kann. Von Herrn 
Basset wird sie der besondern Aufmerksamkeit der 
Akademie der Wissenschaften zu Paris empfohlen. Seit 
4847 damit beschäftigt, Substanzen ausfindig zu machen, 
die bei eintretender Unzulänglichkeit der Kartoffeln als 
Ersatzmittel derselben dienen könnten, hat er zahlreiche 
Untersuchungen angestellt, um eine esculente Pflanze zu 
entdecken, die, wenn auch nur zum Theil, durch ihre 
Qualität und Quantität hierzu geeignet wäre. Die Fritil- 
laria imperialis hat ihm, wie er behauptet, dies-Problem 
gelöst. Aus seiner Mittheilung hierüber ergiebt sich Fol- 
gendes: 

Das Satzmehl der Fritillaria imperialis kann als Nah- 
rungsmittel dienen. Um ihm allen widerwärtigen Geschmack 
und fremdartigen Geruch zu nehmen, reicht es hin, das- 
selbe nach der ersten Waschung 24 bis 48 Stunden lang 
in erneuertem einfachen Wasser, in zum ö0sten Theile 
mit Weinessig versetziem Wasser, oder in Wasser mace- 
riren zu lassen, dem einige Tausendtheile Alkali beigemengt 
sınd. Eine Waschung in Wasser vervollständigt dann die 
Reinigung. Ungeachtet alles Nutzens indessen, den man 
vom Gesichtspuncte der Alimentation aus in der Pasteten- 
bäckerei, in der Vermischung desselben mit dem Getreide- 
mehle für die Jahre des Mangels, in der Bereitung der 
ökonomischen Suppen u. s. w. daraus ziehen könnte, un- 
geachtet der Idendität seines Geruchs und Geschmacks 
mit dem Arrow-root, der Tapiocca, dem Salep u. s. w. ist 
der Hauptzweck Basset’s gewesen, der Industrie eine 
abundante Substanz anzuweisen, bei deren allgemeiner 
Benutzung die Kartoffel ganz allein ihrer Normalbestim- 
mung überlassen bleiben könnten — der Alimentation für 
die Menschen und Thiere nämlich. 

Wenn die satzmehlhaltigen Rückbleibsel der Kartoffeln, 
fügt er hinzu, zum Mästen der Thiere zu dienen vermögen, 
so können die Ueberreste der Fritillaria imperialis, welche 
eine merkliche Portion Stärke (50 oder 60 auf 100 Theile) 
enthalten, leicht in Alkohol durch die bekannten Verfah- 
rungsweisen umgewandelt werden. (Sılz. der Akad. der 
Wiss. zu Paris am 22. Aug. 1853.) Dr. A. Droste. 


Producte der Destillation des Holzes. 305 


Producte der Destillation des Holzes. 


Beim Erhitzen des Holzes in einem eisernen Cylinder 
wird nach Völckel’s Untersuchung und Angabe zuerst 
das hygroskopische Wasser ausgetrieben, bei steigender 
Temperatur wird das wässerige Destillat sauer, es erscheint 
als Holzessig, aus dem sich in der Ruhe Holztheer ab- 
scheidet. Während der Destillation entweicht eine grosse 
Menge Gas, im Cylinder bleibt als Rückstand Holzkohle. 
— Völckel hat eine neue Prüfung des Holzessigs vor- 
genommen. In demselben finden sich eine grosse Anzahl, 
theils flüchtiger, theils nichtfluchtiger, als Holzgeist, die 
Acetone, flüchtige Oele, Ammoniak, einige flüchtige Basen 
von den stickstoffhaltigen Verbindungen des Holzes her- 
rührend, ferner saure Körper, Essigsäure, theils frei, theils 
in gepaarter Verbindung, Kreosot, nebst geringen Mengen 
eines oder mehrerer flüchtigen fetten Säuren. Die nicht- 
flüchtigen Körper sind Zersetzungsproducte der flüchtigen 
Oele und ganz besonders des Paarlings der Essigsäure. 
Die letztern bedingen die Farbe des rohen Holzessigs und 
bleiben bei der Destillation desselben als Theer und end- 
lich bei weiter fortgesetzter Destillation als Pech zurück. 
Der destillirte Holzessig enthält eine kleine Menge Furfurol, 
so wie andere flüchtige Oele. Beim Sättigen des destil- 
lirten Holzessigs mit Kalk scheidet sich beim Abdampfen 
ein gelbbrauner Körper ab. Aus der concentrirten Kalk- 
lösung krystallisirt beim Erkalten essigsaurer Kalk mit 
einer kleinen Menge einer Kalkverbindung der gepaarten 
Essigsäure. 

Durch scharfes Austrocknen, besser schwaches Rösten 
des Kalksalzes wird der Paarling der Essigsäure zersetzt 
und durch Destillation mit roher Salzsäure von 1,60 spec. 
Gewicht Essigsäure von 1,06 spec. Gew. erhalten. Wenn 
kein Ueberschuss von Salzsäure zur Zersetzung des Kalk- 
salzes genommen ist, so reicht eine Rectification der Essig- 
säure unter Zusatz von 1—4 Proc. chromsaurem Kali hin, 
um die Salzsäure zurück zu halten und den Beigeruch 
der Essigsäure zu entfernen. Dieser Beigeruch rührt daher, 
dass der aus dem Paarling entstandene braune Körper 
beim stärkern Erhitzen wieder zersetzt wird und die ge- 
wöhnlichen Producte der trocknen Destillation organischer 
stickstoflfreier Körper liefert. Wenn die Essigsäure noch 
einen brenzlichen Geruch besitzt, so muss man, um diesen 
bei der Destillation zu verhüten, das geröstete Kalksalz in 
kochendem Wasser lösen, die Lösung durch Stehenlassen 
oder Filtration durch Leinwand klären, mit etwas Salz- 


Arch.d. Pharm. CXXVII. Bds. 3. Hft. 20 


306 Producte der Destillation des Holzes. 


säure versetzen bis zur sauren Reaction und zur Trockne 
abdampfen. Man erhält auf diese Weise ein fast ganz 
weisses Kalksalz, das bei der Destillation mit Salzsäure 
und Rectißcation der Essigsäure mit saurem chromsaurem 
Kalı eine ganz reine Essigsäure giebt. 

Drei Momente sind bei der Darstellung der Essigsäure 
aus Holzessig wohl zu beachten: Das Ansäuern der Kalk- 
lösung beim Abdampfen, das Rösten und die Rectification 
mit saurem chromsaurem Kali. 

Flüchtige Oele des Holzessigs, welche 
schwerer sind als Wasser. — Der Holzessig enthält 
davon mehrere, dieselben finden sich auch im Holztheer. 
Man erhält dieselben aus dem Holzessig, wenn man destil- 
lirten Holzessig, von dem die flüchtigen Flüssigkeiten, wie 
Holzgeist, Aceton u. s. w. abdestillirt sind, mit Aether schüt- 
telt. Der Aether färbte sich gelb, während der Holzessig 
farblos wird. Wird der ätherische Auszug im Wasserbade 
abdestillirt, so scheiden sich aus der zurückbleibenden, 
gelb gefärbten sauren Flüssigkeit auf Zusatz von Wasser 
ein gelbbraunes Oel ab, das in Wasser untersinkt. Dieses 
Oel ist seinem Verhalten nach identisch mit dem Oel, 
welches Schweitzer aus dem rohen Holzgeist abge- 
schieden hat. Es riecht geräuchertem Fleisch oder Fischen 
ähnlich. In Kalilauge löst sich das Oel unter Entwickelung 
eines betäubenden Geruches auf, der von einer kleinen 
Menge organischer Basis herrührt, weil er auf Zusatz von 
Säure wieder verschwindet. Die dunkel gefärbte alkoho- 
hsche Lösung trübt sich in kurzer Zeit durch Ausscheidung 
eines gelbbraunen Körpers, der Pyroxanthin enthält. Aus 
der abfiltrirten, noch stark gefärbten alkalischen Flüssigkeit 
wird durch verdünnte Schwefelsäure ein anderer brauner 
Körper abgeschieden, und zugleich der Geruch des Kreo- 
sots wahrgenommen. Es ergiebt sich, dass das Oel, wel- 
ches, wie vorher angeführt, erhalten wird, ein sehr gemengtes 
Oel ist. Es enthält ein eigenthümliches Oel (Pyroxan- 
ihogen), das durch Einwirkung von Alkalien in Pyroxanthin 
übergeht, Kreosot, ferner mehrere flüchtige Oele, die durch 
Alkalien in braune Körper umgeäandert werden, welche in 
Kalı theils löslich, theils unlöslich sind. Letztere sind 
identisch mit den bei der Destillation des Zuckers erhal- 
tenen flüchtigen Oelen, Furfurol u. s. w. 

Flüchtige Flüssigkeiten des Holzessigs — 
Wenn die bei der Destillation des Holzessigs zuerst über- 
gehende gelbliche Flüssigkeit nochmals im Wasserbade 
destillirt wird, so enthält das Destillat alle diejenigen flüch- 
tigen Substanzen, deren Siedepunct unter 100°C. liegt, so 


Producte der Destillation des Holzes. 307 


wie eine kleine Menge der andern flüchtigen Oele, auch 
deren, welche bei der Destillation des Holztheers zuerst 
übergehen, die man gewöhnlich mit Eupion bezeichnet, 
welche Zersetzungsproducte der Essigsäure sind. Die 
Flüssigkeit, «roher Holzgeist trübt sich schwach mit Wasser. 
Der Hauptmenge nach besteht dieselbe aus essigsaurem 
Methyloxyd und den Acetonen (Aceton, Xylit, Mesit, u. s. w.). 
Die gelbliche Farbe des rohen Holzessigs rührt einerseits 
von einer geringern Menge der erwähnten Oele, die 
schwerer als Wasser sind, her, anderntheils von einer 
‘flüchtigen gelblichen Flüssigkeit, welche bei der Destilla- 
tion des Zuckeressigs zuerst übergeht von. 60—65° C. Siede- 
punct. Der rohe Holzgeist wird auf verschiedene Art 
gewonnen, indem man bei der Destillation des rohen 
Holzessigs das zuerst Uebergehende allein auffängt oder 
nebenbeı bei der Darstellung von braunern Bleizucker und 
der Gewinnung der Essigsäure aus rohem Holzessig. Bei 
der Vermischung des rohen Holzessigs mit Kalilauge erfolgt 
starke Färbung und Trübung, indem die gelbe Flüssigkeit 
die Furfurole und das Pyroxanthogen durch das Kali 
umgeändert werden. Im Grossen sucht man diese Um- 
änderungen, so wie die Zersetzung des essigsauren Methyl- 
oxyds durch öftere Destillation mit Kalkhydrat zu bewirken. 
Völckel hat gefunden, dass der Zweck nur vollständig 
erreicht wird, wenn man den Holzgeist unter öfterem 
Umschütteln oder Umrühren längere Zeit mit Kalkhydrat 
in Berührung lässt. Man gelangt aber schneller zum 
Zweck, wenn man den Holzgeist, nachdem er einige Male 
über Kalkhydrat destillirt worden ist, nochmals mit Kalk- 
brei und kohlensaurem Natron destillir. Das so erhaltene 
Destillat wird dann nochmals destillirt unter Zusatz von 
ein wenig verdünnter Schwefelsäure, um einen kleinen 
Gehalt von Ammoniak zu binden, und rectificirt über Aetz- 
kalk. Jetzt enthält der Holzgeist nur noch Aceton, Xylit 
und Mesit, so wie Zersetzungsproducte derselben, deren 
Trennung sehr schwierig ist. 


Wöhler umgeht die Schwierigkeiten in Betreff der 
Reindarstellung des Holzgeistes dadurch, dass er aus un- 
reinem Holzgeist durch Destillation mit Schwefelsäure und 
oxalsaurem Kali oxalsaures Methyloxyd darstellt, das 
leicht rein erhalten werden kann, und dieses mit ver- 
dünntem Kali versetzt. 


Den Siedepunct des möglichst gereinigten Holzgeistes 
fand Völckel = 64° C. bei 0,742 M. Barometerstand; 
das spec. Gew. = 0,796 bei 15,5°. 


20* 


308 Producte der Destillation des Holzes. 


Die Analyse gab: 
2 Aeq. Kohlenstoff.... 150,00 37,50 


4 „m Wasserstoff... 50,00 12,50 
2 n  Sauersioff..... 200,00 50,00 
400,00 100,00. 
Holzessigtheer. — Die dickflüssige Masse ward 


mit grössern Mengen Wasser ausgekocht, um Essigsäure, 
Assamar, flüchtige Oele, Kreosot u. s. w. zu entfernen. 
Nach öfterem Auskochen wird die in der Wärme noch 
weiche Masse bei gewöhnlicher Temperatur fest. Sie ist 
spröde, lässt sich pulvern, besteht aus rothbraunem, in 
Aether löslichem- Harz und einem braunen, in Alkohol 
löslichen Körper, Das rothbraune Harz erweicht sehr 
leicht in der Wärme und riecht alsdann stark nach Pech. 
Mehrere Tage einer Temperatur von 100° C. ausgesetzt, 
bleibt es bei dieser Temperatur fest und verliert nach 
und nach diesen Pechgeruch. Seine Zusammensetzung 
zeigte in 100 Theilen: 


Koblenstoff........ 70,36 
WVasserstoflfs: u... 7,40 
Sauerstoll.... 0... 22.24 

100,00. 


Der in Aether unlösliche braune Körper mit kochen- 
dem Alkohol behandelt, löste sich bis auf eine sehr geringe 
Menge eines schwarzen Körpers mit tief braunrother Farbe. 
Dieser braune Körper besteht aus: 


Kohlenstoff. ...... 64,25 63.54 
Wasserstoff... .... 512 5,10 
Sanerstoflg.... 2... 30,63 31,36 


100,00 100,00. 

Dieser Körper ist aus dem Assamar entstanden durch 
Austreten von Wasser und Ameisensäure, 

Aus der sauren wässerigen Flüssigkeit des Zucker- 
essigtheers lässt sich, wenn man dieselbe mit Kreide neu- 
tralisirt, Assamar erhalten. 

Holztheer ist ein Gemenge verschiedener Körper. 
Bei der Destillation des Holztheers gehen zuerst mit sau- 
rem Wasser flüchtige, gelb gefarbte Flüssigkeiten von 
beständig steigendem Siedepunct über. Diese bestehen 
vorzüglich aus den Zersetzungsproducten der Essigsäure. 
Darauf folgt ein dickflüssiges, gelb gefärbtes Oel, schwerer 
als Wasser, welches Kreosot enthält, zurückbleibt schwar- 
zes Pech Die zuerst übergegangene gelbe Flüssigkeit 
beginnt, für sich destillirt, schon bei 50° C. überzugehen, 
zeigt bei 60°C. ein schwaches Sieden, der Kochpunct 


Producte der Destillation des Holzes. 309 


erhebt sichrasch auf 100° C. und darüber, steigt zuletzt über 
200°C. Sämmtliches Destillat ist gelb gefärbt. Es finden 
sich darin ausser farblosen Flüssigkeiten in geringer Menge 
gelb gefärbte flüchtige Substanzen von verschiedenem 
Siedepunct. Diese leiziern werden durch Kali verändert 
und in nichtflüchtige gefarbte Körper umgewandelt, die 
in Kalı theils löslich, theils unlöslich sind. Sie scheinen 
identisch mit den Nüchtigen Flüssigkeiten und Oelen, welche 
Zersetzungsproducte des Zuckers sind. Die farblosen 
Flüssigkeiten sind theils sauerstofflrei, Kohlenwasserstoffe 
von der Formel (C®H?), theils sauerstoffhaltig. Das dick- 
flüssige, im Wasser untersinkende Oel ist gleichfalls sehr 
gemischt. Beim Behandeln mit concentrirter Kalilauge 
erfolgt eine Zerlegung. so wie eine theilweise Umänderung, 
welche letztere sıch durch Färbung, wie durch Ausschei- 
den einer braunen Substanz offenbart. Ein Theil des Oels 
löst sich hierbei in der Kalılauge auf, ein anderer Theil, 
der noch aus den specıfisch leichtern Flüssigkeiten besteht, 
schwimmt auf der Kalilauge. Nur der kleinere Theil des 
Oels besteht aus Kreosot. Beim Kochen der alkalischen 
Lösung erfolgt eine weitere Auscheidung von in Kali 
unlöslichen Körpern, zugleich verflüchugı "sich eine sehr 
geringe Menge einer organischen Basıs, so wie eine kleine 
Menge einer flüchtigen ölartigen Flüssigkeit, meist aus 
Kapnomor bestehend Beım Versetzen der alkalıschen 
Lösung mit verdünnter Schwefelsäure bis zur sauren Reac- 
tion scheidet sich eefarbtes kreosot ab, das bei der Destil- 
latıon schwach gelb gefarbt übergeht. Das gelbe schwere 
Oel besteht aus Flüssigkeiten, det leichter als Wasser sind, 
theils aus solchen Oelen, die durch Kali leicht derandent 
werden, als Pyroxanthogen, die Furfurole. Das Kreosot 
muss nochmals in Kalı gelöst, die Lösung mit Wasser 
vermischt, von einer sich abscheiddenden kleinen Menge 
Oel getrennt, die alkalische Lösung in einer Destllinlllase 
längere Zeit gekocht werden, oe mit dem Wasser eın 
farbloses Oel üherdestillirt und im specilischen Gewicht 
fast mit dem Kapnomor übereinstimmt. Das rückbleibende, 
mit Kalı behandelte Kreosot ist dunkel gefarbt. Verdünnte 
Schwefelsaure scheidet gefarbtes Kreosot ab. Mit nicht 
ganz hinreichender Menge vertdünnter Schwefelsaure ver- 
Setzt, so dass die Flüssigkeit nur noch schwach alkalisch 
ist, geht das Kreosot ind dem Wasser farblos über. Im 
Rückstande bleibt eine flüchtige fette Saure zuück von 
sehr übelm Geruch. Wenn eine grössere Menge Kreosot 
in einer Retorte mit eingesteektem Thermometer destillirt 
wird, so beginnt dasselbe bei 100% C. schwach zu kochen 


310 Producte der Destillation des Holzes. 


und es destillirt Kreosot mit Wasser über. Bei 195° C. 
tritt starkes Kochen ein und das Kreosot geht nun was- 
serfrei über. Das Thermoter erhebt sich schnell auf 200° C., 
bei welcher Temperatur das Kreosot schnell überdestillirt. 
Von da steigt das Thermometer langsam, der grösste Theil 
des Kreosots geht bis 208° C. vollkommen farblos über, 
später geht gelb gefärbtes über; bei 220° C. bleibt eine 
kleine Menge einer braunschwarzen, in der Wärme dick- 
flüssigen Flüssigkeit, die beim Erkalten fest wird, aber 
noch Kreosot enthält. Die Zusammensetzung fand sich also: 


berechnet gefunden 

24 Aeq. Kohlenstoff..... 1800 72,72 72,35 
44 „  Wasserstoff..... 175 7,07 7,16 
DERUERSAUERSIO eı. 1321. 500 20,21 20,49 
2475 100,00 100,00. 


Das specifische Gewicht fand Völckel = 1,076 bei 
45,5°C., während Reichenbach dasselbe zu 1,037 bei 
20° C. bestimmte. 

‚Kapnomor. — Völckel meint, dass das Reichenbach- 
sche Kapnomor ein Zersetzungsproduct seines Kapnomors 
sei. Er erhielt es durch Kochen einer stark alkalischen, ver- 
dünnten Lösung des Kreosots, welches einfach durch Behan- 
deln der schweren Theeröle mit Kalilauge und Abscheiden 
mit verdünnter Schwefelsäure dargestellt worden Mit dem 
Wasser geht hierbei in nicht grosser Menge ein farbloses 
flüchtiges Oel über, von fast gleichem specifischen Gewicht 
wie das Wasser. Durch mehrmaliges Behandeln mit con- 
centrirter Kalilauge, Destilliren mit Wasser, Schütteln mit ver- 
dünnter Schwefelsäure, Entwässern mittelst Chlorkalium und 
besondere Destillation wird diese Substanz rein dargestellt. 


Das Kapnomor zeigte folgende Zusammensetzung: 


20 Aeq. Koblenstoff..... 1500,00 81,64 
41: w. Wasserstofl.......2. 1372,50 7,48 
2 n Sauerstoff..... 200,00 10,88 


1837,50 100,00. 


Vergleicht man die für das Kapnomor angenommene 
Formel: C2°H!'O?: mit der des Kreosots: C?'H!'O5, 
so ergiebt sich eine sehr einfache Beziehung des Kapno- 
mors zu Kreosot. Das erstere kann aus letzterem ent- 
stehen, wenn sich aus letzterem 1 Aeq. wasserfreie Essig- 
säure abscheidet. Kapnomor scheint ein Zersetzungspro- 
duct des Kreosots zu sein. 

Das Kapnomor ist eine klare, farblose Flüssigkeit von 
eigenthümlichem Geruch und 0,995 spec. Gew. bei 15,5° C. 
Bei längerem Aufbewahren nimmt es einen Stich ins Gelbe 


Wirkung des Eisenchlorürs auf Pyroxylin. 314 


an. In concentrirter Schwefelsäure löst es sich mit pur- 
purrother Farbe. Die von Reichenbach noch aufgefun- 
denen Körper Picamar, Cedridet und Pittakall hat Völ- 
ckel nicht finden können. 


Pech. — Das Pech enthält ausser Paraffin nach 
Reichenbach, und Chrysen und Pyren nach Laurent 
noch mehrere Harze, entstanden aus der Umsetzung oder 
Zersetzung der flüchtigen Oele, eine kleine Menge Kreosot, 
so wie mehrere organischen Basen, hauptsächlich Zer- 
setzungsproducte des Paarlıngs der Essigsaure, des Assa- 
mars. 

Im Pech findet sich noch ein tief schwarzer Körper, 
unlöslich in Kalilauge, Salzsäure, Weingeist, er röthet feucht 
Lackmus, geht mit Kali in eine schwer lösliche Verbindung 
über. Seine Zusammensetzung ist in 400 Theilen: 


Kohlenstoff........ 65,04 
Wasserstoff. ....... 4,89 
Sauerstolk 2 ale dar 30,07 

100,00. 


Beim Vergleich der Zersetzungsproducte des Holzes 
mit den des Zuckers ergiebt sich, dass die Hauptproducte 
sind: Essigsäure theils frei, theils in gepaarter Verbindung, 
Assamar, Zersetzungsproducte desselben und Furlurole, 

Holzgeist, Aceton, Xylit scheinen Zersetzungsproducte 
der Essigsäure zu sein. (Annal. der Chem. u. Pharm. 86. 1.) 


Gase von der Destillation des Zuckers, 


C. Völckel konnte erst gegen das Ende der Destil- 
lation des Zuckers die Entwickelung von Gasarten beob- 
achten und hegt die Meinung, dass die Bildung dieser 
Gasarten zunächst. durch die Verwandtschaft des Sauerstoffs 
zum Kohlenstoff bedingt werde. Das zuerst entweichende 
Gas ist fast reine Kohlensäure, später war es zusammen- 
gesetzt aus: Kohlenoxyd und Koblenwasserstoff. ( Annal. 
der Chem. u. Pharm. 86. 1.) B. 


Wirkung des Eisenchlorürs auf Pyroxylin. 


Lässt man nach A. B&champ bei der Temperatur 
des siedenden Wassers eine concentrirte Eisenchlorürlösung 
auf Pyroxylin einwirken, so sieht man ersteres sich dunk- 
ler färben, und bald kann man reines Stickoxyd auffangen. 
Nach beendigter Gasentwickelung ist die Faser mit Eisen- 


312 Ein der Benzoesäure entsprechender Alkohol. 


oxyd imprägnirt. Dieses löst sich leicht in rauchender 
Chlorwasserstoffsäure, die mit ihrem gleichen Volum Was- 
ser verdünnt ist. Die entfärbte Faser, mit destillirtem 
Wasser abgespült, ist nichts anderes, als gewöhnliche 
Baumwolle, fast unverändert in ihrer Textur. Die Ele- 
mentar-Analyse ergab 43,346 Proc. Kohlenstoff und 6,309 
Wasserstoff. 

Diese Baumwolle gab, nach der Methode von Bra- 
ceonnot behandelt, eine zuckerartige Substanz und einen 
Körper, welcher das Ansehen und die Eigenschaften des 
Dextrins hat. 

Mit einem Gemisch von 3 Th. rauchender Salpetersäure 
und 5 Th. Schwefelsäure (erstes Hydrat) giebt sie aufs 
neue Pyroxylin, welches eben so lebhaft fulminirt, wie 
das ursprüngliche, und sich wie dieses in weingeisthal- 


tigem Aether löst. (Compt. rend. — Journ. de Pharm. 
d’Anvers. Sept. 1853.) A. 0%: 


Ein der Benzoesäure entsprechender Alkohol. 


S. Canızzaro hat über einen Alkohol, welcher der 
Benzo&säure entspricht, genaue Untersuchungen angestellt. 

Das Oel, welches durch die Einwirkung einer alko- 
holischen Kalılösung auf Bittermandelöl erhalten wird, hat 
die Zusammensetzung C‘'H°O:, ist farblos, specifisch 
schwerer als Wasser, bricht das Licht stark und siedet 
bei 204°. Obgleich die Zusammensetzung dieser Substanz 
der Formel der eigentlichen Alkohole Cr Hr+: 02 nicht 
entspricht, verhalt dieselbe sich doch gegen Reagentien 
wie ein Alkohol, als dessen Aldehyd das reine Bitter- 
mandelöl C:'H°O?2 zu betrachten ware. 

Durch die Einwirkung von gewöhnlicher Salpetersäure 
bei gelinder Wärme wird dieser neue Alkohol Zu Benzoyl- 
wasserstoff, durch die Einwirkung der Chromsäure zu 
Benzoösäure. Lässt man den Dampf dieses Alkohols über 
rothglühenden Platinschwamm streichen, so entsteht ein 
Oel, welches specifisch leichter ist als Wasser, vermuthlich 
C':H°. Bei dem Einleiten von Chlorwasserstoff in den 
der Benzo&säure entsprechenden Alkohol findet Wärme- 
Entwickelung statt und man erhält eine Flüssigkeit, die 
sich in zwei Schichten scheidet; die uniere ist eine wäs- 
serige Lösung von Chlorwasserstoff, die obere ist eine 
von dem Alkohol der Benzoösäure sich ableitende äther- 
artige Chlorverbindung C!°’H’Cl. Letztere ist eine das 
Licht stark brechende, heftig riechende Flüssigkeit, welche 
specifisch schwerer ist als Wasser und zwischen A480 bis 
185° siedet. Durch die Einwirkung von Aetzkali wird diese 


Die Arsenäthyle. 313 


Verbindung zu Chlorkalium und dem Alkohol der Benzo&- 
säure. Erwärmt man sie mit einer alkoholischen Lösung von 
Ammoniak im Wasserbade, so wird sie za Chlorammonium 
und zu einer Base, welche krystallisirbar ist und bei einer 
Temperatur schmilzt, die der Schmelzpunct des Toluidins ist. 
— Mischt man eine Auflösung des der Benzo&@säure ent- 
sprechenden Alkohols in Essigsäure mit einer Mischung 
von Schwefelsäure und Essigsäure, so zeigt sich ein oben- 
auf schwimmendes Oel, welches die Essigsäureätherart 
jenes Alkohols ist, C!3H'°O*. Diese Verbindung ist farb- 
los, specifisch schwerer als Wasser, siedet bei 210°, riecht 
sehr angenehm aromatisch, an den Geruch einiger Arten 
Birnen erinnernd, durch Erwärmen mit Kalılösung zerfällt 
sie in Essigsaure und den Alkohol der Benzo@säure. Diese 
Alkoholart scheint der Typus einer ganzen Classe neuer 
Alkohole zu sein. (Annal. der Chem. u. Pharm. 88. 1.) B. 


Ueber die Arsenäthyle. 


Dr. Landolt hat in einer Inauguraldissertation: Unter- 
suchungen über die Arsenäathyle. Breslau 1853. diese zum 
Gegenstand seines Studiumsgemacht. Der Herr Verfasser hat 
die Güte gehabt, uns diese Dissertation und zugleich fol- 
gende Einleitung dazu mitzutheilen. Die Red. 

»Das Kakodyl C*H’As lässt sich wie bekannt als eine 
Verbindung von A At. Arsenik mıt 2 At. Methyl betrachten. 
Es war daher von Interesse zu erfahren, ob nicht eine 
entsprechende Aethylverbindung, und zwar unmittelbar 
durch Vereinigung von Arsenik mit Aethyl erhalten wer- 
den könne. Die Untersuchung hat nicht nur diese Vor- 
aussetzung bestätigt, sondern ausserdem noch 2 andere 
Radicale. welche dem Subäthyl, SbAe?, und Submethy- 
lium, Sb Me®, correspondiren, kennen gelehrt. Es sind dem- 
nach die neuen Verbindungen folgende: 

1) As(C*H>)?2 = Arsenbiäthyl, 
2) As(C’H°)®? — Arsentriäthyl, 
3) As(C'H5)' — Arsenäthylium. 

Die vorliegende Abhandlung hat nur den Zweck, die 
angegebenen 3 Radicale festzustellen und dieselben in 
Beziehung auf ihre Verbindungsverhältnisse zu charak- 
terisiren. Eine vollständige Uebersicht über die Verbin- 
dungen der Arsenäthyle werde ich erst später, wenn die 
Untersuchung weiter vorgeschritten sein wird, geben können.« 


Die einzelnen Radicale und ihre Verbindungen sind die 
folgenden: 4) Arsenbiathyl oder Aethylkakodyl, As(C'H?)? 
—= AsAe?, ist eine schwach gelblich gefarbte, das Licht 
stark brechende Flüssigkeit, welche einen äusserst unan- 


31% Die Arsenäthyle. 


genehmen, durchdringenden, knoblauchartigen Geruch 
besitzt. In Wasser sinkt dieselbe unter, ohne sich damit 
zu mischen, in Weingeist und Aether ist sie jedoch leicht 
löslich und wird aus der weingeistigen Lösung durch 
Zusatz von Wasser vollständig ausgefallt. Der Siedepunct 
desselben liegt zwischen 485° und 490°, 

In Beziehung auf Verbindungsfähigkeit steht das Arsen- 
biäthyl mit dem Kakodyl, Stibäthyl u.s. w. auf gleicher 
Linie; an der Luft nimmt es sogleich Sauerstoff auf und 
bricht gewöhnlich in eine fahle Flamme aus, unter Ent- 
wickelung von Dämpfen von arseniger Säure. Besonders 
ausgezeichnet von den anderen Arsenäthylen ist das 
Arsenbiäthyl dadurch, dass bei unvollkommener Verbren- 
nung desselben, so wie durch Oxydation mittelst verdünn- 
ter Salpetersäure als secundäres Product immer eine rothe 
Substanz erhalten wird, welche dem Erytrarsin Bunsen’'s 
entspricht. Dieser Körper ist im Momente seiner Bildung 
hellroth, färbt sich aber bald dunkler, und bildet im 
trockenen Zustande ein braunes Pulver, welches nach 
längerem Verweilen an der Luft weiss wird. In Wasser, 
Weingeist und Aether ist dasselbe unlöslich., Beim Er- 
hitzen auf dem Platinbleche verbrennt es ohne Rückstand 
mit fahler Arsenflamme; in einem Röhrchen erhitzt, liefert 
es entzündliche, unangenehm riechende Dämpfe und hinter- 
lässt eine bedeutende Menge Arsen. 

Eine fernere charakteristische Eigenschaft des Arsen- 
biäthyls ist, dass dasselbe die Oxyde der edlen Metalle 
sogleich reducirt, was bei Arsentriathyl nicht der Fall ist. 

Mit den Haloiden vereinigt sich das reine Radical 
direct unter bedeutender Wärmeentwickelung, eben so 
mit Schwefel. Concentrirte Salpetersäure oxydırt dasselbe 
unter Feuerscheinung. 

In seinem Verbindungsverhältnisse schliesst sich das- 
selbe an das entsprechende Kakodyl an, und vereinigt 
sich dieses mit A At.O, Clu.s.w. Alle bis jetzt bekannten 
hierher gehörigen Körper sind flüssig und zeichnen sich 
besonders durch einen äusserst widerlichen, die Augen 
stark zu Thränen reizenden und lange haftenden Geruch 
aus. Ist man längere Zeit diesem Geruche ausgesetzt, so 
stellt sich Niesen, anhaltender Schnupfen und Kopf- 
schmerz ein. 

Das Einfach - Jodarsenbiäthyl = AsAe? J, erhält man 
durch Sättigen einer ätherischen Lösung des Radicales 
mit ätherischer Jodlösung und Verdunsten dieser Flüssig- 
keit bei abgehaltener Luft als gelb gefärbtes Oel, welches 
in Aether und Weingeist leicht löslich ist, mit Wasser 


Die Arsenäthyle. 315 


sich aber nicht mischt. An der Luft raucht die Verbin- 
dung nicht, beim Erhitzen verbrennt sie ziemlich schwer 
unter Entwickelung von Joddämpfen. Salpetersäure und 
Schwefelsäure zersetzt das Jodarsenbiäthyl unter Abschei- 
dung von Jod. 

Was die Neigung, Doppelverbindungen zu bilden, an- 
betrifft, so scheint diese dem Arsenbiäthyl in einem eben 
so hohen Grade, wie-dem Kakodyl eigen zu sein. 

2) Arsentriäthyl, As(C'’H®)? = AsAe3. Dieses Radi- 
cal erhält man in grösserer Menge, als das Arsenbiäthyl. 
Das mit Jodäthyl behandelte Arsennatrium wird trocken 
destillirt, und das erhaltene Gemenge von. Arsentriäthyl 
mit Arsenbiäthyl einer fractionirten Destillation unter- 
worfen, wobei das erstere zwischen 140° und 180° übergeht. 

Man erhält auf diese Weise das reine Radical als 
eine farblose, das Licht stark brechende, leicht beweg- 
liche Flüssigkeit, welche einen unangenehmen, dem Arsen- 
wasserstoffgase ähnlichen Geruch besitzt, sich mit Wein- 
geist und Aether leicht mischt, im Wasser aber unlöslich 
ist. — Das Arsentriäthyl fängt bei einem Barometerstande 
von 736 M.M. bei 140° zu sieden an, jedoch steigt der 
. Siedepunct nach und nach langsam bis 180°, während 
sich zugleich etwas metallisches Arsen ausscheidet. 

Das specifische Gewicht des flüchtigen Arsentriäthyls 
betragt bei 16,7° Temperatur 1,451. — Das specifische 
Gewicht des Arsentriäthyldampfes wurde nach der Gay- 
Lussac’schen Methode ausgeführt, welche auch Bun- 
sen bei vielen Kakodylverbindungen angewandt hat. 
Demnach ergiebt sich das specifische Gewicht des Arsen- 
triathyldampfes bei Berücksichtigung aller Correctionen 
zu 5.2783, welche Zahl mit dem berechneten Werthe 
5,6276 ziemlich übereinstimmt. Man hat nämlich 

Maass Spec. Gew. 


3 At. Aethylgas 6 12,110 
4 At. Arsengas 1 10,3995 
1 At. Arsentriäthylgas 4 22,5105, 


22,5105 : 4 = 5,6276. 

In Beziehung auf Verbindungsfahigkeit kommt das 
Arsentriäihyl dem Arsenbiäthyl sehr nahe. Uebergiesst 
man das Radical mit concentrirter Salpetersäure, so erfolgt 
die Oxydation unter starker Feuererscheinung und Explo- 
sion. In Salpetersäure von 1,42 spec. Gewicht löst es sich 
!angsam unter schwacher Entwickelung von Stickoxydgas, 
und man erhält salpetersaures Arsentriäthyloxyd; ein dem 
Erytrarsin ähnliches Product wird hierbei nicht gebildet, 
eben so wenig bei der Oxydation durch den Sauerstoff 


316 Die Arsenäthyle. 


der Luft. Die Oxyde der edlen Metalle werden durch 
das Radical nicht reducirt. Das Arsentriäthyl kommt in 
seinen Verbindungsverhältnissen mit dem entsprechenden 
Subäthyle vollkommen überein; es vereinigt sich wie die- 
ses mit 2 At. Cl, Br, J,S, und giebt mit 2 At. O eine Basis, 
welche 2 At. Säure sättigt. Von diesen Verbindungen hat 
Landolt bis jetzt folgende näher untersucht: 
Arsentriäthyloxyd, As, (C’H5)?O? — AsAe? O?. Lässt 
man eine ätherische L.ösung des reinen Radicales bei gewöhn- 
licher Temperatur langsam an der Luft verduusten, so bleibt 
das Oxyd als eine beinahe farblose ölıge Flüssigkeit von 
schwachem knoblauchartigem Geruche zurück. Dasselbe 
ist jedoch nicht rein, sondern mit anderen Oxydations- 
producten, welche aber bis jetzt noch nicht untersucht 
sind, vermischt. Grössere Mengen von Arsentriäthyloxyd 
werden sehr leicht erhalten, indem man die durch Ein- 
wirkung von Jodathyl auf Arsennatrium erhaltene Masse 
zuerst mit Aether und hierauf mit Weingeist auszieht, den 
weingeistigen Auszug abdampft und den Rückstand in 
einer Retorte trocken destillirt. Es erscheint dasselbe 
dann ebenfalls als schwach gelblich gefärbte, ölige Flüs- 
sigkeit, welche in Wasser untersinkt und sich nicht damit . 
mischt, in Aether und Weingeist aber leicht löslich ist. 

Lässt man reines Arsentriäthyl mehrere Wochen in 
einem lose verschlossenen Fläschen stehen, so bilden sich 
an der Oberflache desselben nach und nach sehr hübsche 
tafelförmige Krvstalle, und indem man, so wie sich eine 
Rinde davon gebildet hat, dieselbe hinunterstösst, kann 
zuletzt beinahe die ganze Flüssigkeit in diese feste Ver- 
bindung übergeführt werden. Die Krystalle sind ganz 
geruchlos, in Aether und Weingeist löslich; werden sie 
aber mit Wasser zusammengebracht, so zerfliessen sie 
wieder zu einem farblosen Oele, welches ganz ungelöst 
bleibt; auch in feuchter Luft findet das Zerfliessen statt, 
so wie beim gelinden Erwärmen. Diese Verbindung rea- 
girt sauer, die weingeistige Lösung derselben giebt mit 
salpetersaurer Silberoxydlösung einen gelben flockigen 
Niederschlag, welcher beim Trocknen sehr zusammen- 
schwindet und dann ein braunes Pulver darstellt. Das- 
selbe enthält 60.8 Proc. Silber. Ueber die Zusammen- 
setzung dieser Substanz hat Landolt noch nichts Nähe- 
res ermitteln können. 

Schwefelarsentriäthyl, As (CH>)? S? —= AsAe®S?., 
Wird eine ätherische Lösung von Arsentriäthyl mit ge- 
waschenen Schwefelblumen in einem Kolben gekocht, und 
die Flüssigkeit, gleich nachdem sich der überschüssige 


Die Arsenäthyle. 317 


Schwefel zu Boden gesetzt hat, in ein anderes Gefäss 
abgegossen und darin erkalten gelassen, so scheiden 
sich schöne säulenförmige Krystalle der Schwefelverbin- 
dung ab. Um sie aber recht rein zu erhalten, lässt man 
sie am besten aus Weingeist oder Wasser umkrystallisi- 
ren, wo sich dann die Verbindung in kleinen federartigen 
Krystallen ausscheidet. Die Verbindung ist in Weingeist, 
so wie in warmem Wasser und kochendem Aether leicht 
löslich. Der Geschmack ist bitter und im reinen Zustande 
ganz geruchlos. 

An der Luft verändert sich das Schwefelarsentriäthyl 
nicht im Geringsten. Concentrirte Salpetersäure wirkt 
sehr heftig auf dasselbe ein; der Schwefel wird zu 
Schwefelsaure oxydirt, das Arsentriäthyl jedoch nicht. 
vollständig. Verdünnte Salzsäure entwickelt etwas Schwe- 
felwasserstoff unter Bildung einer kleinen Menge von 
Chlorarsentriäthyl, welches sich durch einen durchdrin- 
genden Geruch zu erkennen giebt, jedoch ist die Zer- 
setzung nicht vollständig. Die wässerige Lösung der 
Verbindung giebt mit salpetersaurem Silberoxyd sogleich 
einen schwarzen Niederschlag von Schwefelsilber; in sal- 
petersaurem Quecksilberoxydul entsteht ein schwarzer 
Niederschlag, welcher nach und nach weiss wird, in 
Quecksilberchloridlösung ein voluminöser weisser. Das 
Schwefelarsentriäthyl ist eine sehr beständige Verbin- 
dung; kocht man dasselbe mit Kalilauge, so erfolgt keine 
Zersetzung, es schmilzt bloss und erstarrt beim Erkalten 
wieder zu einer krystallinischen Masse. Analyse: 


Aaylenbif- 1= 75 38,66 
rt 0 Ta 
Be 0, 0 Sr © Merz 
Ss 4617 15,77 2=32 16,50 


194 100,00. 

Jodarsentriäthyl, As(C'H°)?’J® — AsAe?J?. Wird zu 
einer ätherischen Arsentriäthyllösung so lange eine äthe- 
rische Jodlösung gesetzt, als noch eine Entfärbung ein- 
tritt, so scheidet sich die Verbindung in grosser Menge 
als schwefelgelber flockiger Niederschlag aus. Man trennt 
denselben sogleich von der Flüssigkeit, wäscht ihn mit 
etwas Aether und bringt ihn dann, nachdem er zwischen 
Papier gepresst und bei gelinder Wärme getrocknet 
wurde, in ein gut verschliessbares Gefäss. 

Diese Verbindung ist sehr unbestäandig; bleibt sie nur 
kurze Zeit an der Luft stehen, so bräunt sie sich, und 
zerfliesst bald zu einer syrupdicken. dunkelgefärbten 
Flüssigkeit. Das Jodarsentriäthyl ist in Wasser und Wein- 


318 Die Arsenäthyle. 


geist leicht löslich. Mineralsäuren zersetzen dasselbe 
sogleich unter Abscheidung von Jod. Analyse: 


FE TA 1= 7 18,03 
EIER. — 
H a a a 
J 60,98 60,74 6019 2—= 234 61,06 

416 100,00. 


Von Chlorarsentriäthyl konnten bis jetzt nur Spuren 
erhalten werden; eine Methode, dasselbe in grösseren 
Mengen darzustellen, fehlt noch. Bringt man weingeistige 
Lösung von Arsentriäthyloxyd mit concentrirter Salzsäure 
zusammen, und setzt nachher Wasser zu, so wird das 
Oxyd wieder unverändert ausgeschieden, doch nimmt 
‚dabei die Flüssigkeit einen unerträglichen, die Augen 
stark angreifenden Geruch an, welcher dem Arsentriäthyl 
durchaus nicht eigen ist, und daher nur von einer klei- 
nen Menge der Chlorverbindung herrühren kann. 

Salpetersaures Arsentriäthyloxyd erhält man, wenn 
das reine Radical oder das Oxyd mit verdünnter Sal- 
petersaure oxydirt wird. Dampft man die Flüssigkeit auf 
dem Wasserbade ab, so erhalt man einen dicken Syrup, 
aus welchem sich nach längerem Stehen unter dem Exsic- 
cator Krystalle ausscheiden, die jedoch an der Luft sehr 
schnell Wasser aufnehmen und zerfliessen. 

3) Arsenäthylium. Die Bildung dieses Radicales er- 
folgt analog der des Stibäthyliums und Stibmethyliums, 
indem sich 4 At. Arsentriathyl mit 4 At. Jodathyl zu Jod- 
arsenäthylium (AsAe'J) vereinigt. Das reine Arsenäthy- 
lium ist nicht bekannt; was die Verbindungen desselben 
betrifft, so ergiebt sich hier eine vollständige Ueberein- 
stimmung mit dem Stibmethylium, und somit auch mit 
Kalium oder Ammonium. Das Arsenäthylium vereinigt 
sich mit 4 At. Chlor, Brom, Jod zu krystallisırbaren Sal- 
zen; es giebt mit 4 At. Sauerstoff eine Basıs, welche in 
Beziehung auf alkalische Eigenschaften dem Kali sehr 
nahe kommt und mit den Säuren neutrale und saure 
Salze bildet. Diese Verbindungen zeichnen sich durch 
ihre grosse Krystallisationsfähigkeit, so wie durch ihre 
Beständigkeit aus; an der Luft verändern sie sich nicht 
im Geringsten, sie sind alle vollkommen geruchlos und 
sehr leicht löslich in Wasser. Ihr Geschmack ist bitter; 
giftige Eigenschaften scheinen sie nicht zu besitzen. Durch 
alle diese Eigenschaften unterscheiden sie sich bedeutend 
von den Arsenbiäthyl- und Arsentriathylverbindungen. 

Jodarsenäthylium, As(C:B5)'J = AsAe'J. Kommt 
Arsentriäthyl mit Jodäthyl zusammen, so erfolgt die Ver- 


Die Arsenäthyle. 319 


bindung gewöhnlich schon nach einigen Stunden, in der 
Kälte schneller, als in der Wärme, und die ganze Flüs- 
sigkeit erstarrt zu Krystallen. In Wasser und Wein- 
geist sind dieselben leicht löslich, unlöslich jedoch in 
Aether und in ätherhaltigem Weingeiste. In chemischer 
Beziehung verhält sich das Salz ganz wie Jodkalium. 
Bringt man eine wässerige Lösung von Jodarsenäthylium 
mit einem Ueberschusse von frisch bereitetem Silberoxyd- 
hydrat in Berührung, so bildet sich sogleich Jodsilber, 
und in der Lösung befindet sich Arsenäthyliumoxyd, wel- 
ches nach Verdunsten der Lösung als weisse Masse zurück- 
bleibt. Dasselbe besitzt eben so starke alkalische Eigen- 
schaften als das Stibmethyliumoxyd. 

Chlorarsenäthylium, As, Ae! CI! +8HO. Dieses Salz 
bereitet man am besten durch Sättigen einer Lösung von 
Arsenäthyliumoxyd mit verdünnter Salzsaure; es bleiben 
dann beim Abdampfen der Flüssigkeit Krystalle zurück, 
welche Krystallwasser enthalten und an der Luft sehr 
schnell en einen sehr bittern Geschmack besitzen 
und in Wasser und Weingeist sehr leicht löslich sind, 
Das Chlorarsenäthylium ist auch leicht zersetzbar. 

As _ E= 12—175.0 25,13 


C 2 ee OR On a 
H ng oO 6,70 
CI 11,58 1,8 1=355 11,89 
N ER 8—= 17,0 23412 


298,5 100,00. 

Zweifach schwefelsaures Arsenäthyliumoxyd, AsAe* 
0,H0,2SO®, wurde durch Fällung von Jodarsenäthylium 
mit eine Lösung von schwefelsaurem Silberoxyd, welche 
überschüssige Schwefelsäure enthielt, erhalten. Nach dem 
Filtriren und Abdampfen blieben körnige Krystalle zurück, 
welche durch mehrmaliges Umkrystallisiren rein erhalten 
werden konnten. Dieses Salz ist in Wasser und Wein- 
geist leicht löslich; der Geschmack desselben ist anfangs 
sauer, dann bitter. 


As _- — Au 26,04 
C 33,05 — 16 = 96 33,33 
H 7,59 — PER) 6,94 
HO _ _ ie—5EU 3,13 
S03 28,23 28,27 27—3S0 27,78 

283 100,00. 


(Obige Disertation; Chem.-pharm. Centrbl. 1853. No. 59.) 
B. 


320 Kreosot und seine Zersetzungsproducte. 


Capronalkohol. 


Auf Chancel’s Veranlassung, welcher vor Kurzem 
nachwies, dass unter den Fuselölen des Spiritus von 
Weintrestern der Propionalkohol vorkommt, ist dieses 
Material von Faget weiter auf Körper derselben Reihe 
untersucht worden. Bis jetzt fand er den Capronalkohol, 
Csh!:O oder C!?H'!°O?, eine stark lichtbrechende, klare, 
sehr aromatische, in Wasser unlösliche Flüssigkeit. Dichte 
bei 0° = 0,833, bei 100° = 0,754. Dampfdichte —= 3,53. 
Kali verwandelt diesen Alkohol bei höherer Temperatur, 
unter Einwirkung von Wasserstoff in Capronsäure, deren 
te der Formel Csh'!AgO?2 oder C!?H!!AgO* ent- 
sprach. 

h 3 bis k Grm. einer Probe, die Amylol enthielt, gaben 
nach Behandlung mit Schwefelsäure ein Kalısalz, das in 
Schuppen krystallisirte und 40,40 Proc. Kali hinterliess. 

Eın ähnliches Quantum Oel, das bei der Darstellung 
zwischen 45% und 166° übergegangen, lieferte bei der 
Behandlung mit Schwefelsäure und zweifach chromsaurem 
Kalı Capronsäure und ein bei 160° siedendes Oel, dessen 
Dampfdichte 7,3% und dessen Zusammensetzung C!®h?*O? 
oder GC? °9O** war. 

Andere Fractionen jenes Fuselöles, die zwischen 166 
und 195° übergehen, scheinen, den Analysen zufolge, 
Gemenge von Oenanthylalkohol, C’h'°O oder C!*H!+O?, 
und dem Caprylalkohol Bouis’s. C*h'*O? oder C'°H'*°O* 
zu sein. (Compt. rend. T. 37.— Chem.-pharm. Centrbl. 1854. 
No. 2.) B. 


Zur Kenntniss des Kreosots und seiner Zersetzungs- 
producte. 


Bereits vor längerer Zeit hatte v. Gorup-Besanez 
die Ansicht ausgesprochen, dass im Handel zum grossen 
Theile statt des Kreosots nur Phenylsäure, aus Steinkohlen 
dargestellt, vorkomme, welche Stoffe Gmelin leider für 
identisch genommen, während Gorup-Besanez sie 
für wesentlich verschieden erklärt und zur Entscheidung 
einige‘ Untersuchungen vorgenommen hat, die er aber 
selbst noch keineswegs für geschlossen erklärt. 

Er benutzte dazu Kreosot von Batka bezogen, welches 
den äussern Charakteren und dem allgemeinen Verhalten 
nach mit Reichenbach’s Kreosot übereinstimmte. Er 
fand, dass das rohe Product noch ein Gemenge mehrerer 
Verbindungen darstellte. Zur Gewinnung reinen Kreosots 


Kreosot und seine Zersetzungsproducte. 321 


destillirte er dasselbe und fing das von 203,5 bis 208° C. 
Uebergehende für sich auf, rectificirte dasselbe nochmals, 
Tage lang über geschmolzenem Chlorcalcium in luftdicht 
verschlossenen Gläsern stehen gelassen und zum dritten 
Mal rectifieirt. Dasselbe gab bei der Elementaranalyse: 


Kohlenstoff........ 75,32 74,68 
Wasserstoff. ......- 7,84 7,84 
Sauerstofl .... .../..0-..i: 16,84 17,48 


100,00 100,00. 

So stellte es eine farblose, ölige, nicht oder wenig 
und erst nach längerer Zeit nachdunkelnde, das Licht 
stark brechende Flüssigkeit von eigenthümlichem, pene- 
trantem, rauchähnlichem Geruch und beissendem, brennen- 
dem Geschmack von 1,040 spec. Gewichte; nicht krystal- 
lisirbar und auch bei sehr niederen Temperaturen flüssig 
bleibend, in Wasser wenig löslich, in Weingeist und Aether, 
so wie auch in Schwefelkohlenstoff in allen Verhältnissen, 
Schwefel lösend, Eiweiss coagulirend, Thiere in Dosen 
von 5—40 Tropfen binnen wenigen Minuten tödtend. 
"Ammoniak löste es in der Kälte, Kalihydrat ebenfalls, 
färbt sich bräunlich. Schmelzendes Aetzkali zersetzt das 
Kreosot, ebenso gebräunten Kalk. 

Salpetersaures Silberoxyd wird zu einem schönen 
Silberspiegel reducirt, ebenso werden Gold, Platin, Queck- 
silberoxydsalze und übermangansaure Salze reducirt. 

Ein Tannen- oder Fichtenspan mit Salzsäure befeuch- 
tet und nach dem Trocknen durch Kreosot gezogen, färbt 
sich nicht im Geringsten violett oder blau, höchstens schwach 
grünlich. Nach diesem allen ist dieses Kreosot wesent- 
lich verschieden von Phenylsäure. 

Bei den Bemühungen, Verbindungen des Kreosots mit 
anderen Körpern hervorzubringen, gelang es nicht, mit 
Kali oder mit Kalium eine krystallisirte Verbindung zu 
erzielen. 

Bleizucker fällt das Kreosot nicht, Bleiessig verdickt 
die Masse, an der Oberfläche scheidet sich eine syrup- 
ähnliche Flüssigkeit aus, welche mit Wasser gewaschen 
und über Schwefelsäure getrocknet 34,8 Proc. Bleioxyd gab. 

Chlorsaures Kali und Salzsäure gaben unter Bei- 
hülfe von gelinder Wärme eine stürmische Reaction; das 
Kreosot farbt sich braun, verdickt sich allmälig und 
wird heller, eine paradiesapfelrothe, zähe, Vogelleim ähn- 
liche Masse von durchdringendem Geruch, der die Augen 
zu Thränen reizt, bildend, die Masse schäumt stark. Nach 
mehreren Tagen wird die Masse heller, bis sie eine hell- 
gelbe ins Grünliche ziehende Farbe angenommen hat; 


Arch. d.Pharm. CXXVIIE. Bds.3.Hft. 21 


322 Kreosot und seine Zersetzungsproducte. 


beim Erkalten wird sie pflasterartig zähe, es entweicht 
reichlich Chlor. Wird die Einwirkung unterbrochen, und 
giesst man nach Absetzung der pflasterartigen Masse die 
Flüssigkeit ab, so erscheint die ganze Masse durchsetzt 
von glänzenden gelben Schüppchen, welche nach der 
Reinigung mit Weingeist schöne gelbe, goldglänzende 
Schuppen darstellten, die unter dem Mikroskope als rhom- 
bische Tafeln erschienen, sehr leicht, idioelectrisch, zer- 
reiblich, von schwach aromatischem Geruch und sublimir- 
bar waren. In Wasser ist dieser Körper unlöslich, beim 
Kochen wurde das Wasser blass-kobaltroth. Von Wein- 
geist bedarf I Theil der Substanz 171 Theile in sieden- 
dem Zustande. Aether löst dieselbe leicht. 

Die Zusammensetzung ist C?°H°C]°O®. Gorup-Besa- 
nez nennt diesen Körper Hexachlorxylon. 

Hexachlorhydroxylon entsteht, wenn Hexachlor- 
xylon in Wasser vertheilt und schwelligsaures Gas bis 
zur Sättigung eingeleitet wird, wobei die Krystalle bräun- 
lich-weiss werden und die rhombischen Blättchen in vier- 
seitige Prismen übergehen. Ist die Flüssigkeit mit schwel- 
liger Säure vollkommen gesättigt, so lässt man sie in einer 
wohlverkorkten Flasche unter öfterm Umschütteln so lange 
stehen, bis die gelben Blättchen verschwunden sind, was 
bis auf einige wenige der Zersetzung widerstehende 
Kryställchen binnen 24 Stunden geschieht. Man erhält 
dann nach dem Waschen und Trocknen kleine glänzend 
bräunlich - weisse prismatische Krystalle. Waschwasser 
und Filtrat geben beim Abdampfen einen amorphen Kor- 
per, der in concentrirter Lösung eine schön violette Fär- 
bung besitzt. Bei der Behandlung der Krystalle mit einem 
Gemisch von Weingeist und Aether lösen sie sich mit 
schwach gelblicher Farbe auf; die Lösung wird dunkler, 
braungelb und es bilden sich dunkelviolette Nadeln, die 
bei auffallendem Lichte schwarzgrün erscheinen. Aus 
der concentrirten Mutterlauge krystallisiren vierseitige 
Prismen von bräunlich- weisser blonder Farbe. Die Ana- 
Iyse gab: 26 Aegq. Kohlenstoff .... 156 36,53 


40 „ Wasserstof.... 10 2,34 
bus. Chlorzster. .W. 213 49,88 
6 „  Sauerstofl..... 48 11,25 

- 427 100,00. 


Die violette Verbindung gab: 
26 Aeq. Kohlenstoff .... 156 33,84 


122 u Wasserstoff ... 12 2,61 
ne slhlor sr. aseree 213 46,21 
109747, % Sanerstoft......: 80 17,34 


461 100,00. 


Kreosot und seine Zerseizungsproducte. 323 


Der Verfasser überzeugte sich, dass das Hexachlor- 
xylon nicht der einzige durch chlorsaures Kali und Salz- 
säure aus dem Kreosot entstehende Körper ist. Er erhielt 
aus der zähen, von gelben Krystallen durchsetzten Masse, 
beim Ausziehen mit kaltem Alkohol Krystalle, aus denen 
Alkohol wieder ein gelbes Sediment ausscheidet, das mit 
Weingeist behandelt Schuppen absetzt, welche Gorup- 
Besanez nicht für sein Hexachlorxylon hält. Die Lösung 
gab noch einige Ausbeute von Sediment und dieses durch 
Behandeln mit kochendem Weingeist grosse, prachtvoll 
glänzende, blass -goldgelbe vierseitige rhombische Tafeln, 
deren Zusammensetzung diese Formel ausdrückt: C25H’ 
C1>0®. Dieser Körper ıst Pentachlorxylon genannt, ist in 
Aether löslich, ebenso in kochender Essigsäure, 

Einwirkung von Silberoxyd auf Kreosot. — 
Wenn zu überschüssigem Kreosot Silberoxyd in kleinen 
Partien gegeben wird, so ist die Einwirkung eine minder 
heftige als eben angedeutet, wenn Kreosot auf frisch gefäll- 
tes Silberoxyd getropft wird. Silber wird theilweise redu- 
cirt, es bildet sich etwas oxalsaures Silberoxyd. Kochen- 
der Weingeist löst die Masse auf und hinterlasst nur das 
Silber und oxalsaures Silbersalz. Beim Erkalten scheidet 
sich ein Harz aus von blass-rosenrother Farbe und aro- 
matischem Geruch. Zusammensetzung: 


Kohlenstoff... 3552 
Wasserstoff .... 7,09 
Sauerstoff...... 17,39 


Dieses sind wenigstens die wichtigeren Zersetzungs- 
producte, welche sich bei dieser Untersuchung ergeben 
haben. Gorup-Besanez begleitet die Arbeit mit einer 
praktischen Bemerkung: Wenn es sich darum handelt, 
zu entscheiden, ob ein im Handel vorkommendes, für 
Kreosot verkauftes Product Carbolsäure enthält oder doch 
beigemischt enthält, so giebt der Siedepunct den sicher- 
sten Aufschluss, aber noch viel einfacher und ebenso 
sicher ist es, das Product mit Eisenchlorid und gewöhn- 
licher Essigsäure zu prüfen. Bei Gegenwart von Carbol- 
säure bewirkt Eisenchlorid stets eine blau- violette Fär- 
bung und hinterher weissliche Trübung, und Essigsäure 
löst in gelinder Wärme die Carbolsäure vollständig auf. 
Aus Buchenholztheer bereitetes Kreosot wird durch Eisen- 
chlorid nicht verändert und von gewöhnlicher concen- 
trirter Essigsäure auch in der Wärme nur theilweise auf- 
gelöst. Für den Geübten ist der Geruch übrigens allein 
schon entscheidend. /Ann.d. Chem. u. Pharm. 86. 2.) B. 


o]* 


Ad 


324 Krystallinische Bestandtheile des Opiums. 


Ueber einige krystallinische Bestandtheile des Opiums. 


Aus der umfassenden Arbeit Anderson's über das 
Opium theilen die Annalen der Chemie und Pharmacie 
Bd.86. 2. das Wichtigste mit. Anderson betrachtet von 
den aus dem Opium dargestellten basischen und indiffe- 
renten Substanzen nur das Morphin, das Codein, das 
Papaverin und das Narcotin als in ihrer Zusammensetzung 
genau bekannt, dagegen aber das Porphyroxin, das Opia- 
nin, das Thebain, das Pseudomorphin, das Narcein . und 
das Mekonin als genauerer Untersuchung bedürftig. — Zur 
Darstellung der untersuchten Basen hat Anderson die 
schwarze Mutterlauge benutzt, welche bei der Darstellung 
des salzsauren Morphins nach Robertson's und Gre- 
gory’s Verfahren bleibt. (Dieses Verfahren besteht darin, 
das wässerige Infusum von Opium mit einer Lösung von 
Chlorcalcium zu fällen, die Flüssigkeit von dem mekon- 
sauren Kalk abzufiltriren, zur Krystallisation einzudampfen, 
und dieses letztere so oft zu wıederholen, so lange noch 
salzsaures Morphin sich ausscheidet.) Die schwarze Flüs- 
sigkeit wird mit Wasser verdünnt und filtrirt, so lange 
Ammoniak zugesetzt, als noch ein Niederschlag sich bil- 
det, dieser durch ein Tuch colirt und gepresst. Er muss 
schnell aus der Presse entfernt werden, weil.er leicht 
harzig wird, mit Wasser angerührt und ausgepresst und 
so mehrmals verfahren werden. Der Niederschlag ent- 
hält Narcotin nebst viel Harz und wenig Thebain; die 
Flüssigkeit enthält Narcein und ist zur Darstellung des 
letztern aufzuheben. Ein Theil des Niederschlags wird 
mit rectifieirtem Weingeist gekocht und heiss filtrirt. Es 
scheidet sich unreines Narcotin ab, welches auf einem 
Tuche gesammelt mit wenig Weingeist gewaschen und 
gepresst wird. Die Mutterlauge wird zur Auflösung eines 
andern Theils des Niederschlags benutzt und so verfahren 
bis Alles aufgelöst ist. Die unreinen Narcotinkrystalle 
werden dann mit einer kleinen Menge starker Kalilösung 
abgespühlt, nach einiger Zeit mit Wasser gewaschen und 
zuletzt aus kochendem Weingeist umkrystallisirt. Die 
spirituöse Lösung, aus der sich unreines Narcotin abge- 
schieden, hinterlässt beim Destilliren im Wasserbade eine 
dunkle amorphe Masse, die aus viel Harz, wenig Narcotin 
und allem Thebain besteht. Diese Masse wird mit heisser 
verdünnter Essigsäure behandelt zur Auflösung der Basen, 
denen ein wenig Harz folgt. Zu dieser Lösung wird 
basisch essigsaures Bleioxyd gesetzt bis zur basischen 
Reaction, wo alles Narcotin und Harz ausgeschieden ist 


Krystallinische Bestandiheile des Opiums. 325 


und Thebain gelöst bleibt. Die Flüssigkeit wird vom 
Niederschlage abfiltrirt, das überschüssige Blei mit 
Schwefelsäure gefällt und aus der vom schwefelsauren 
Bleioxyd getrennten Flüssigkeit das Thebain durch Ammo- 
niak niedergeschlagen, der ausgewaschene Niederschlag 
in siedendem Weingeist gelöst, mit Thierkohle behandelt, 
bei dem Abkühlen erfüllt sich die Flüssigkeit mit glän- 
zenden Blätichen, die durch wiederholtes Umkrystallisiren 
gereinigt werden. Die Flüssigkeit, welche von dem 
ursprünglich ‘durch Ammoniak hervorgebrachten Nieder- 
schlage getrennt wurde, enthält Narcein, welches also 
erhalten wird: 

Die Flüssigkeit wird mit einer Lösung von essigsau- 
rem Bleioxyd versetzt und von dem entstehenden Nieder- 
schlage abfıltrirt. Das überschüssige zugesetzte Blei wird 
durch Schwefelsäure entfernt, die Flüssigkeit mit Ammo- 
niak neutralisirt, bei gemässigter Wärme der Verdunstung 
überlassen. Bei einiger Concentration zeigt sie ein Häut- 
chen an der Oberfläche und es scheiden sich beim Ab- 
kühlen Krystalle ab, die sich nach einigen Tagen ver- 
mehren; dieselben werden auf einem Tuche gesammelt, 
mit Wasser gewaschen. Sie wird mit einer grossen 
Menge Wasser gekocht und heiss filtrir. Es scheiden 
sich nach dem Abkühlen feine seidenartige Krystalle ab 
von Narcein, welche von anhängendem schwefelsaurem 
Kalk durch Auflösen in Weingeist getrennt und nach dem 
Kochen mit Thierkohle und Wiederauflösen in Wasser 
rein erhalten werden. 

Narcein. — Anderson hat dafür folgende Formel 
aufgestellt: C*°H?°’NO'®. Es krystallisirt in zarten seiden- 
artigen Krystallen, die sehr rein weiss sind; in kaltem 
Wasser ist es wenig löslich, in heissem leicht, leichter 
löslich in Weingeist, unlöslich in Aether. Ammoniak und 
verdünnte Kali- und Natronlösungen lösten es reichlicher 
als Wasser, aber auf Zusatz einer grossen Menge con- 
centrirter Kalilösung wird es, selbst aus heisser Lösung, 
in Form einer öligen Masse gefällt, die einige Zeit flüssıg 
bleibt. Beim Kochen mit verdünnter Salpetersäure färbt 
sich die Flüssigkeit gelb, beim Sättigen mit Kali ent- 
wickelt sich der Geruch einer flüchtigen Basis. Concen- 
trirte Salpetersäure wirkt in der Kälte heftig ein und in 
der Lösung findet sich Oxalsäure. Concentrirte Schwe- 
feisäure löst aas Narcein in der Kälte mit intensiv rother 
Färbung auf, die beim Erwärmen grün wird. Starke 
Salpetersäure löst es vollständig auf ohne blaue Färbung, 
welche nach Pelletier für das Narcein charakteristisch 


326 Krystallinische Bestandtheile des Opiums. 


sein sol. Anderson beobachtete diese nur bei unrei- 
nem Narcein. 

Salzsaures Narcein wird theils in concentrisch ver- 
wachsenen Nadeln, theils in dicken unregelmässigen Pris- 
men erhalten. Die Krystalle lösen sich leicht in Wasser 
und Weingeist, reagiren deutlich sauer. Zusammenselzung: 
CH: NO '®HCI. 

Schwefelsaures Narcein scheidet sich in Büscheln 
seidenartiger Nadeln aus, schwer löslich in kaltem, leicht 
löslich in heissem Wasser. 

Salpetersaures Narcein ist in der Kälte ziemlich schwer 
löslich. 

Thebain — Formel nach Anderson: C3®H2!NO®. 
Es krystallisirt aus der Lösung in Alkohol oder Aether 
in silberglänzenden quadratischen Blättchen, ist unlöslich 
in Wasser, leicht löslich in Alkohol und Aether, löst sich 
rasch in Säuren und bildet Salze, die aus der wässerigen 
Lösung nicht krystallisiren; ist unlöslich in Kaliı- und 
Ammoniaklösung Concentrirte Schwefelsäure färbt es 
tiefroth. Concentrirte Salpetersäure wirkt auch in der Kälte 
heftig ein In Salzsäure löst sich das Thebain leicht. 

RinwirkungvonSalpetersäureaufNarcotin. 
Concentrirte Salpetersäure wirkt heflig ein, es entsteht 
eine diekharzig aussehende rothe Masse. _Verdünnte Säure 
wirkt milder. 600 Grm. Narcotin mit 3,5 Unzen Salpeter- 
säure von 1,400 spec. Gew., mit 40 Unzen Wasser ver- 
dünnt, behandelt, zeigt sich erst ein Schmelzen des Nar- 
cotins, dann Auflösen, Entstehung eines geringen weissen 
Niederschlags, und später voluminöser Flocken. Wenn 
deren Menge nicht mehr zunimmt, trennt man sie mittelst 
Filtration durch Asbest, wäscht mit Wasser, das nichts 
auflöst und kocht sie in Alkohol. Diese Substanz nennt 
Anderson Teropiammon. Zusammensetzung:C oH?°NO2®. 
Die abgetrennte Flüssigkeit ist gelb und scheidet beim 
Uebersättigen mit Kali ein krystallinisches Pulver, Cotar- 
nin ab. In der alkalischen Flüssigkeit wurden Opian- 
säure, Hemipinsäure und eine andere Substanz Opıanyl 
gefunden. Bisweilen fehlt bei diesem Verfahren Opian- 
säure und Opianyl. Das letztere fanl sich nur, wenn die 
Bedingungen der Oxydation eingehalten sind. Zur Dar- 
stellung dieser leıztern Substanzen wird die alkalische 
Flüssigkeit auf ein kleines Volum abgedampft, der an- 
schiessende Salpeter entfernt, die syrupartige Flüssigkeit 
mit Alkohol behandeli zur Beseitigung des kohlensauren 
Kali, der Alkohol abdestillirt, der Rückstand mit Salpeter- 
säure versetzt, wobei ein Niederschlag sich bildet, der 
Opiansäure, Hemipinsäure und Opianyl enthält. 


Krystallinische Bestandtheile des Opiums. 327 


Opianyl ist in kaltem Wasser wenig, in heissem mehr 
löslich, löslich in Alkohol und Aether. Schwefelsäure 
bildet eine farblose Lösung, die beim Erwärmen eine 
schöne Purpurfarbe annimmt. Zusammensetzung:C?°H'!°O®. 

Opiany! zeigt eine interessante Beziehung zu Opian- 
säure und Hemipinsäure, als Opianyl G?"H!°O® 

ÖOpiansäure C2°H!°O!° 
Hemipinsäure C?°H!°O!?, 
wenn diese drei Verbindungen verschiedene Oxydations- 
stufen desselben Radicals wären. 

Die Ableitung des Opianyls von Narcotin ist sehr 
einfach. 2 At. Wasserstoff des Narcotins werden durch 
die Salpetersäure oxydirt und der Rest zerfällt in Opianyl 
und Cotarnin: 

CeH23N0°° +20 =&2cH!>NO® +C?°H'°O®: +. 2HO, 
Narcotin Cotarpin Opianyl 

Opianylhydrat = C?°H'‘O° +HO. t 

Opiansäure erhält nach Anderson die Berzelius’sche 
EFormel‘C?°H:°O"s; 

Opiansäureäther wurde von Anderson erhalten 
nach dem Zusatz von Salzsäure zu der alkoholischen 
Lösung von opiansaurem Kali. Er bildet farblose Nadeln, 
unlöslich in Wasser, leicht löslich ın Alkohol und Aether, 
schmilzt unter Wasser. Zusammensetzung: C'H°O 
+ C:°H°O°. 

Hemipinsäure wird erhalten bei weiterm Abdampfen 
der Lösung, aus welcher die Opiansaäure sich abgeschie- 
den hatte. Sie lasst sich farblos und frei von Opiansäure 
erhalten, wenn die Lösung mit essigsaurem Bleioxyd ge- 
fällt und das ausgewaschene hemipinsaure Bleioxyd durch 
'Schwefelwasserstoff zersetzt wird. Formel: C?°H'!°O!?. 
Saures hemipinsaures Kali wird in Form dicker, sechs- 
seitiger Tafeln erhalten. Bei 100° getrocknet = KO,HO 
+,C:°H°O0'°. 

Das krystallisirte Salz enthält noch 5 Aeq. Krystallwasser. 

Neutrales hemipinsaures Kali ist ein sehr leicht lös- 
liches schwierig krystallisirbares Salz. 

Neutrales hemipinsaures Silberoxyd ist ein weisser 
in Wasser unlöslicher Niederschlag =2AgO +C?°H?O'°. 

Saurer hemipinsaurer Aether, Aetherhemipinsäure, 
wird dargestellt durch Einleiten von Chlorwasserstoff in 
eine Lösung von Hemipinsäure in absolutem Alkohol, 
krystallisirt in Nadeln, wenig löslich in kaltem Wasser, 
etwas löslicher in heissem Wasser. Formel: C* H50,HO 
+ C?°H:0!°. Die krystallisirte Verbindung enthält noch 
4 Aeq. Wasser. 


328 Pinipikrin und Ericinol. 


Einwirkung von Salpetersäure auf Cotar- 
nin. — Die Producte der Einwirkung der Salpetersäure 
auf Cotarnin sind sehr mannigfaltig, es scheinen verschie- 
dene Zersetzungen gleichzeitig vor sich zu gehen, deren 
jede verschiedene Producte liefert. Wenn concentrirte 
Säure angewendet wird, entsteht Oxalsäure, bei Anwen- 
dung verdünnter Salpetersäure bildet sich eine andere 
Säure, die in der Salpetersäure gelöst bleibt. Die Dar- 
stellung dieser Säure ist nicht leicht. Es ist dieses die 
von Wöhler entdeckte Apophyllensäure = C!°H’NO®. 
(Annal. d. Chem. u. Pharm. 86. 2.) B: 


Pinipikrin und Ericinol. 

Kawalier hat unter den Besandtheilen der Nadeln, 
Rinde und Borke von Pinus sylvestris einen interessanten 
Körper unter dem Namen Pıinipikrin aufgeführt. Dieser 
Körper hat eine ausserordentliche Aehnlichkeit mit dem 
Ericolin, welches Rochleder und Schwarz in Calluna 
vulgaris und Rhododendron ferrugineum, Kawalier in 
Aretostaphylos officinalis und Dr. E. Willigk in Zedum 
palustre, Kuberth in Frica herbacea auffanden. Das 
ätherische Oel, das aus dem Pinipikrin bei der Einwir- 
kung verdünnter Mineralsäuren bei höherer Temperatur 
entsteht, ist ıdentisch mit dem Ericinol, das unter den- 
selben Verhältnissen aus dem Ericolin gebildet wird. Die 
Verfasser haben das Ericolin, um es mit dem Pinipikrin 
vergleichen zu können, aus Ledum palustre dargestellt, 
folgendermaassen. 

Das aus Blättern und Zweigen von Ledum palustre mit 
destillirrem Wasser bereitete und filtrirte Decoct wurde mit 
dreibasisch essigsaurem Bleioxyde versetzt und der gelbe 
Niederschlag durch ein Filter von der Flüssigkeit getrennt. 
Diese letztere wurde in einer Retorte auf ein Drittheil 
des Volums abdestillirt und die dabei ausgeschiedenen 
Mengen von Bleisalz abfiltrir. Das Filtrat wurde mit 
Schwefelwasserstoff behandelt, das Schwefelblei entfernt, 
und die Flüssigkeit zur Extractdicke eingedampft. Dieses 
Extract wurde mit einem Gemenge von wasserfreiem 
Weingeiste und Aether behandelt, wobei sich das Erico- 
lin löst und eine klebrige Masse zurückbleibt, die bald 
krystallinisch wird von der grossen Menge Zucker, die 
sie enthält. Nach dem Abdestilliren des Alkohols und 
Aethers wird der honigdicke Rückstand mit Alkohol und 
Aether von neuem behandelt und dieses Verfahren wie- 
derholt, bis der Körper ohne Rückstand in diesem Gemische 


Pinus sylvestris. 329 


löslich ist. Das bei 100° C. getrocknete, intensiv bittere, 
braungelbe Ericolin ist nicht spröde wie das Pinipikrin, 
sondern klebend. Es gab bei der Analyse folgende 
Zahlen: 

6:51,74 68 —= 408 51,6 

By442;18, 11:85): /55 6 

0 4110 1 N 

100,00 791 100,0. 

Cs°®H550:'=C?°H!°O:-+Ericinol = 4 (C!?H:°O!°),—HO. 
Dieses Ericinol könnte durch Aufnahme von Wasser in 
Zucker und Ericolin zerfallen. Es würde dabei auf die- 
selbe Menge Ericinol noch einmal so viel Zucker geben, 
als das Pinipikrin. In der That erhält man durch Behand- 
lung des Ericolins mit verdünnter Schwefelsäure ausser 
Ericinol und einem daraus sich bildenden Harze eine 
Flüssigkeit, die, mit kohlensaurem Baryt behandelt, von 
schwefel- und kohlensaurem Baryt abfiltrirt und zum Sie- 
den erhitzt, mit Barytwasser einen Niederschlag giebt. 
Dieser Barytniederschlag mit Wasser .angerührt und mit 
Kohlensäure behandelt, giebt nach Erwärmen und Filtri- 
ren mit Thierkohle eine Flüssigkeit, die sich gegen alka- 
lische Kupferoxydlösung wie Zucker verhält. Bei 100° C. 
getrocknet gaben: 

0,254 Substanz 0,3675 Kohlensäure und 0,1435 Was- 
ser. Der Zucker war nicht frei von Asche. 

Soviel ist nun gewiss, dass das Pinipikrin, so wie 
das Ericolin, welches noch genauer untersucht werden 
wird, die Entstehung der zahlreichen ätherischen Oele 
erklären, die Kohlenstoff und Wasserstoff im Verhältniss 
wie 5:4 enthalten, über deren Bildungsweise bis jetzt 
keine begründete Vermuthung aufgestellt werden konnte. 
(Sitz.-Ber. der K. Akad. der Wissensch. zu Wien. Bd. 11. — 
Chem.-pharm. Oentrbl. 1853. No, 54.) b. 


Zur Kenntniss der Pinus sylvestris. 


Wittstein hat das Holz und die Rinde der Pinus 
sylvestris untersucht. Beide sind von 135 bis 220 Jahre 
alten Bäumen, etwa 4! Fuss hoch über der Erde genom- 
men und bei 100° getrocknet. Nach Wittstein’s Ver- 
suchen enthält die Rinde einen Bitterstoff, der mit in dem 
Holze enthaltenen übereinzustimmen scheint. Ausserdem 
einen rothen Farbstoff, Gerbsäure, Ameisensäure, oxal- 
sauren Kalk, kein Stärkemehl. Das Holz enthält einen 
den Harzen sich nähernden Bitterstoff, den Wittstein 
Pityxylonsäure nennt, ferner Ameisensäure, zuweilen Spu- 


330 Pinus sylvestris. 


ren von Benzoesäure, vielleicht gar keine Gerbsäure, kein 
Stärkemehl. 

Die Pityxylonsäure ist in der wässerigen Abkochung 
des Fichtenholzes, mit Harz und gummiartiger Materie 
gemengt, enthalten. Man concentrirt diese durch Abdun- 
sten mit kohlensaurem Baryt und filtrirt. 

Die filtrirte Flüssigkeit liefert beim Eintrocknen eine 
bräunlich-gelbe, sehr bittere Masse, welche zerrieben ein 
lehmfarbiges Pulver darstellt. Aether löst daraus ein Harz 
auf, und dann zieht warmer Alkohol die Pityxylonsäure 
aus, wobei noch ein beträchtlicher Rückstand bleibt. Die 
filtrirte Lösung hinterlässt, nach dem Eintrocknen im 
Wasserbade, eine braungelbe, amorphe, an der Luft bald 
wieder zähe werdende Masse von äusserst bitterem Ge- 
schmack. Beim Verbrennen hinterliess sie ein wenig 
Asche, die alkalisch reagirte, aber wesentlich aus kohlen- 
saurem Baryt bestand. In kaltem Wasser löste sich die 
Masse schwer; kochendes nahm sie leicht auf, die klare 
blassgelbe Lösung wird aber in der Kälte wieder meist 
trübe; Lackmuspapier färbte sich durch dieselbe stark 
roth. Alkalien beförderten die Löslichkeit der Masse in 
Wasser in hohem Grade. 

Man löste diese Säure mittelst etwas Ammoniakflüs- 
sigkeit in Wasser und fällte durch Bleizucker. Der Nieder- 
schlag schmeckt bitter. Bei 110° getrocknet ergab die 


Analyse: 
eos): 44,757 44,400 25 44,431 
Klaaiecsi: sis 5,762 5,864 20 5,924 
BR ga 2 18,981 19,236 8 18,988 
PbO 30,50 — = 1 30,657 


100,000. 
Die im Bleiniederschlage enthaltene orgänische Sub- 
stanz besteht daher in 400 Theilen aus: 


Kohlenstofl.... 64,074 
Wasserstoff... 8,543 
Sauerstoff .... 27,383 

100,000. 


Die Analysen der Aschen der Fichtenrinde sind fol- 
gende: A. ist Rinde von einem 220 Jahre, B. von einem 
472 Jahre, C. von einem 435 Jahre alten Baume: 

A B C 
Aschenprocente 1,127 1,981 2,918. 
Zusammensetzung von 100 Theilen Asche: 


A B C 
NEIN er Or 1,783 2,115 0,736 
Natron... . 8.... 0,816 1,212 0,274 
Kalkan IT; 22,506 36,399 41,715 


Talkerde........ 1,580 1,009 0,634 


Chem. Bestandtheile der Digitalis grandiflora. 331 


A B cC 
Alaunerde........ 10,124 4,493 3,084 
Eisenoxyd....... 6,477 2,120 0,342 
Manganoxydul.... — 0,515 — 
Chan 2.2 94sbfe 0,150 0,112 0,051 
Schwefelsäure.... 1,428 0,424 — 
Phospborsäure.... 5,342 6,775 7,169 
Kieselsäure ...... 32,564 24,114 15,084 
Kohlensäure ..... 16,930 20,712 30,911 


100,000 100,000 100,000, 


Die Analysen der Aschen des Holzes von denselben 
Stämmen, die in derselben Ordnung mit A., B., €. bezeich- 
net sind, haben gegeben: 


A B C 

Aschenprocente 0,451 0,580 0,4219 
Zusammensetzung in 100 Theilen Asche: 

A B C 
ee 7.042 12,230 PN dr5\ 
SNatron,- ELLE 4,434 3,448 3,294 
KK. One .% 24,629 38,214 35,806 
Talkexde in. 5,276 3,714 6,792 
Alaunerde....... 0,916 0,713 0,257 
Eisenoxyd....... 4,921 1,914 7.758 
Manganoxydul.... m 0,057 0,158 
in 0,362 0,563 0,474 
Schwefelsäure.... 2,025 1,900 1,337 
Phosphorsäure ... 3,824 DL2H 6,502 
Kieseisäure ...... 30,296 14,403 11,872 
Kohlensäure ..... 16,257 20,115 22,975 

100,000 100,000 100,000. 
( Wütstein’s Vierteljahrschrift. Bd. 3. 1353.) B. 


Chemische Bestandtheile der Digitalis grandiflora, 


Als solche fand Walz: 

4) Eigenthümliche Fettsäure; 2) Essigsäure; 3) Amei- 
sensäure; 4) Phosphorsäure; 5) Salzsäure; 6) Gerbsäure; 
7) Weinsäure, 8) Aepfelsäure; 9) Pectin; 40) Gummi; 
41) Stärkemehl; 12) Bitterstoff (Digitalin?); 43) Krystal- 
lisirten, in Aether löslichen Stoff; 14) Kratzenden "Stoff 
(Digitalacrin?); 15) Harz, in Aether unlöslich; 16) Braunen 
Farbstoff; 17) Riechendes Prineip (Digitalosmin); 48) Chlo- 
rophyl]; 19) Kali; 20) Natron; 21) Kalk; 22) Talk; 23) Eisen, 
24) Kieselerde. 


332 Verbindungen des Allantoins mit Quecksilberoxyd. 


Darstellung von Ferrocyanwasserstoffsäure. 


Wenn man nach Liebig eine kalt gesättigte Lösung 
von Blutlaugensalz mit ihrem Volum rauchender Salzsäure in 
kleinen Portionen vermischt, so entsteht, wenn die Salz- 
säure ganz eisenfrei ist, ein schneeweisser, kalifreier Nie- 
derschlag von reiner Ferrocyanwasserstoffsäure. Man kann 
sie beinahe ohne allen Verlust mit Salzsäure auswaschen. 
Auf einem Ziegelsteine getrocknet, löst sie sich leicht und 
vollständig in Alkohol und kann daraus durch Ueber- 
schichtung mit Aether und Stehenlassen in schönen salz- 
säurefreien Krystallen erhalten werden. (Ann. der Chem. 
u. Pharm. 87. 1.) B. 


Prüfung des rothen Blutlaugensalzes. 


Dieser Prüfung bedarf besonders nach Francis 
Lieshing das im Handel vorkommende pulverige. Da nun 
nach ihm 6 At. Ferrideyankalium Jurch 4 At. Natrium- 
sulfarsenit und 3 At. kohlensaures Natron in 9 At. Ferro- 
cyankalium und 3 At. Ferrocyannatrium unter Ausschei- 
dung von Schwefel zersetzt werden, so hat er folgendes 
Prüfungsverfahren darauf gegründet. Die Prüfungsllüssig- 
keit besteht aus 20 Gran reinem krystallisirtem Natrium- 
sulfarsenit und 40—60 Gran kohlensaurem Natron in so 
viel Wasser gelöst, dass die, Flüssigkeit 400 Raumtheile 
einnimmt. Man löst nun 400 Gran des zu untersuchenden 
Salzes in etwa 2 Unzen destillirtem Wasser und setzt so 
lange von der Probeflüssigkeit hinzu, bis der ausgeschie- 
dene Schwefel eine weisse Farbe annimmt, oder noch 
besser bis ein Tropfen eines Cochenill- Auszugs nicht 
mehr entfärbt wird, sondern dauernd roth bleibt. Jeder 
Raumtheil der verbrauchten Probeflüssigkeit entspricht 
4 Procent Ferrideyankalium. — Das Natriumsulfarsenit 
bereitet man nach Rammelsberg, indem man 1 Theil 
Schwefel, I! Th. Operment und 8 Th. lösliches kohlen- 
saures Natron mit Wasser kocht, krystallisirt und umkry- 
stallisirt. /Ohem. Gaz. v. 12. April 1853. — Polyt. Centrbt. 
1853. No. 24. S. 1510.) Mr. 


Verbindungen des Allantoins mit Quecksilberoxyd. 


Das Allantoin zeigt, nach den Untersuchungen von 
Dr. Limpricht, ein ähnliches Verhalten gegen Sublimat 
und salpetersaures Quecksilberoxyd, wie der Harnstoff, 
und giebt zwei Verbindungen. 


Prüfung der essbaren Oele. 333 
A. Formel: 3(C®H>N*0O°),5HgO. 


c2: 144 14,51 
Hı5 15 1,51 

Nı2 168 16,93 

015 120 12,09 

5Hg0.... 545 554,93 
992 100,00. 

B. Formel: 5(C3H>N: O°),3HgO0. 
c*0 240 22,39 

H25 353 2323 

N20 230 26,11 

025 200 18,65 


3920....” 327%, %.30,50 


1072 100,00. | 
Beim Uebergiessen mit Wasser verliert die Verbindung 
ihre terpentinähnliche Beschaffenheit, wird weiss und 
pulverig und sie ändert ihre Zusammensetzung, es ent- 
steht eine an Quecksilber reichere Verbindung: 
3(C® H’ N'O°),4HgO. 


c2: 144 16,30 
H15 15 1,69 
Nı2 168 19,02 
015 120 13,69 
4Hg0O.... 436 49,3 
833 100,00. 


Eine wässerige Lösung des Allantoins wird nicht 
gefällt durch Sublimatlösung, dagegen bringt salpeter- 
saures Quecksilberoxyd auch bei starker Verdünnung 
einen voluminösen, nicht krystallinischen Niederschlag 
hervor. Formel: 2 (CEH>N' O°),5HgO. 


cı6 9% 11,38 

’ yto 10 1,18 
Ns 4112,:5. 13,238 

010 80 9,48 
5Hg0.... 55 6465 

843 100,00. 


Das Allantoin verbindet sich ausser mit dem Queck- 
silberoxyd noch mit einigen andern Metalloxyden: 
Kupferoxyd und Allantoin — Formel: 3 (C®H>N°O°),CuO. 
Bleioxyd und Allantoin — Formel: 2 (C®H>N'O°),3PPO,. 
Zinkoxyd und Allantoin — Formel: C®H°N:O>,2ZnO. 
Kadmiumoxyd und Allantoin — Formel: C°H>N'O5,CdO. 
{Ann. d. Chem. u. Pharm. 88. 1.) B: 


Prüfung der ren Oele. 


Der -Polizeicommissair von Fecamp übergab Herrn 
Apotheker Eugene Marchand eine Reihe von Oelproben, 


33% Prüfung der essbaren Oele. 


welche als Olivenöl gekauft und vermuthlich verfälscht 
waren, um dieselben auf ihre Reinheit zu prüfen. Das 
‚Olivenöl findet sich bekanntlich am häufigsten mit Mohnöl 
und Erdeichelöl verfalscht. 


Die seither bekannten Charaktere: Geschmack, Bla- 
senwerfen, specifisches Gewicht, Erstarrungspunct, und 
Verhalten gegen salpetersaures Quecksilberoxyd und unter- 
salpetrige Saure, genügen nicht, um vollständig gegen die 
Reclamationen der Verfälscher zu schützen; es fehlt noch 
immer eine specifische Reaction zur Erkennung der rei- 
nen Oele, so wie ihrer Mischungen. 


Dies wurde von Lefebre, wie schon vor ihm von 
Heydenreich und Penot erkannt, welche alle drei 
die Wirkung der Schwefelsäure auf die Pflanzenöle zum 
Ausgangspunct ihrer Beobachtungen machten, und das 
Princip aufstellten, dass, wenn man 8—10 Tropfen Oel 
mit 1 Tropfen Schwefelsäure zusammenbringt, mit Sesamöl 
eine lebhafte rothe Färbung entsteht; 


"mit Olivenöl eine gelbe; 

mit Mohnöl eine blassgelbe, deren Contouren schmutzig- 
grau sind; 

mit Erdeichelöl eine schmutzig - graugelbe. 


Aber die so charakterisirten Nuancen zeigen eine zu 
geringe Differenz, um eine exacte Lösung des fraglichen 
Problems zuzulassen. 


Dagegen hat Marchand mit demselben Reagens in 
anderer Weise genügende Unterscheidungsmerkmale her- 
vorgebracht. Wenn man nämlich auf einen Porcellanteller 
4 Tropfen reines Olivenöl oder Mohnöl oder Erdeichelöl oder 
eines Gemisches der drei Oele bringt, nun 2 Tropfen 
reine und sehr concentrirte Schwefelsäure darauf tröpfelt 
und dann das Gemisch des Oeles mit der Säure durch 
Neigen des Tellers zur Rechten und Linken, nach vor- 
und rückwärts auf einander wirken lässt, so beobachtet 
man folgende Erscheinungen. 


Olivenöl. An den Berührungspuncten entwickelt 
sich eine gelbe, ins Orange neigende Farbe; der flüssige, 
das Magma umgebende Theil, wird schnell Dante 2 
grau, allmälig ins dunkel Russbraune übergehend, wäh- 
rend die anfangs durch die Säure entwickelte gelbe Farbe 
nach und nach ins Hell-Kastanienbraune übergeht. Nie- 
mals erscheint Lilla oder Blau. 


Mohnöl. An den Berührungspuncten entwickelt sich 
augenblicklich eine schöne citrongelbe Farbe, welche an 


Prüfung der essbaren Oele. 335 


einigen Stellen schnell dunkel wird. Der flüssige Theil 
wird niemals schmutzig-grau, wie beim Olivenöl. Nach 
40 oder 45 Minuten sight man an einigen Puncten der 
flüssigen Theile eine Rosafärbung erscheinen, welche 
schnell hell-lilla wird. Nach einer halben oder drei Viertel 
Stunden ist die Lillafarbe ins Violett-Blaue übergegangen, 
während die anfangs durch die Säure entwickelte gelbe 
Farbe nach und nach falb-braun wird. 


Erdeichelöl verhält sich fast wie Olivenöl; nur ist 
die gelbe Materie reichlicher, erzeugt sich schneller und 
bräunt sich rascher; in weniger als 40 Minuten wird sie 
kastanienbraun. Die Säure mischt sich besser mit dieser 
Sorte Oel, als mit Olivenöl und Mohnöl. Die grauen Con- 
touren entstehen auch hier, wie beim Olivenöl; aber statt 
sich zu schwärzen, werden sie olivengrün. Das für 
Mohnöl charakteristische Lillablau erscheint nicht beim Erd- 
eichelöl. 


In Mischungenvon Oliven- und Mohnöl wird 
ersteres immer erkannt durch die schmutzig-graue Farbe, 
und die gelbe Farbe, welche um so brauner wird, in je 
grösserer Menge dieses Oel vorhanden ist. Ausserdem 
erkennt man das Mohnöl an dem Rosa -Lilla - Blau der 
Contouren. 


Mischungen von Oliven- und Erdeichelöl. — 
Ein Viertel vom letzteren verursacht eine hell-orange- 
gelbe Färbung, mit grau, zu äusserst olivengrünen Con- 
touren. In einer Mischung von gleichen Theilen werden 
die äusseren Contouren brauner. Bei drei Viertel Erd- 
eichelöl endlich entsteht eine gelb-röthliche Farbe mit 
olivengrünen Contouren. 


Mischungen von Mohn- und Erdeichelöl. — 
Es entsteht eine gelbe Färbung mit grauen Contouren. Ent- 
hält das Gemisch ein Viertel vom letzterem so entstehen 
das Lilla und Violettblau sofort, wie die gelbe Farbe ver- 
schwindet, um einem hellen Kastanienbraun Platz zu 
machen. Enthält das Gemisch drei Viertel Erdeichelöl, 
so entsteht eine orangegelbe Farbe mit grauen Con- 
touren. Später geht das Gelb in Hell- Kastanienbraun 
über, gemischt mit dem für das Mohnöl charakteristischen 
Lillablau. /Besonderer Abdruck aus dem Journ. de Pharm. 
et de Chım) AO: 


336 


ns 


IV. Literatur und Kritik. 


Synopsis plantarum seu Enumeratio systematica plantarum 
plerumque adhuc cognitarum cum differentiis speci- 
ficis et synonymis selectis ad modum Personii ela- 
borata auctore Dr. David Dietrich, Soc. plur. liter. 
sodali. Sectio quinta. Cl. XX— XXIII. Vimariae 1852. 
Sumptibus et typis Bernh. Frider. Voigt. 8. S. 587. 


Das vor 15 Jahren angefangene Werk, über dessen frühere Ab- 
theilungen in unserm Archive Bericht erstattet ist, liegt nun geschlossen 
vor, indem dieser 5te Band die 20., 21., 22. und 23. Classe des Linne- 
schen Systems umfasst. Schon beim Beginn desselben überstieg es 
fast die Kräfte eines Einzelnen, die in so vielen, zum Theil seltenen 
und kostbaren Werken zerstreuten Beschreibungen und Diagnosen 
neuer Pflanzen zusammenzutragen, zu sichten und zu ordnen; diese 
Schwierigkeit ist aber in den letzten Jahren durch die beinahe un- 
übersehbare Menge neuer Entdeckungen aus allen Theilen der Erde 
bedeutend gesteigert. Deshalb kann und wird auch Niemand eine 
vollständige Aufzählung der bekannten Pflanzen in dieser Synopsis 
erwarten. Seit dem Erscheinen der ersten Bände ist eine grosse Zahl 
neuer Gewächse entdeckt und zum Theil in gediegenen und umfang- 
reichen Werken beschrieben. Um nun das Werk so vollständig zu 
machen, als es dem Verf. möglich ist, beabsichtigt er einen Supple- 
mentband nachzuliefern und diesem ein Generalregister einzuverleiben; 
dem gegenwärtigen Bande dieses beizugeben war ihm schon deshalb 
nicht möglich, da die anfangs in Aussicht gestellte Bogenzahl schon 
um Vieles überschritten war. 

Im Interesse der gewiss zahlreichen Besitzer dieses Werkes ist 
es wünschenswerth, dass die Verlagshandlung durch einen entspre- 
chenden Absatz angeregt werde, die neuen Opfer, welche ein Supple- 
mentband erheischen würde, zu bringen. Für diejenigen, welche mit dem 
Werke noch nicht bekannt sind, erlaubt sich Ref, noch zu erwähnen, 
dass jeder Classe eine Uebersicht der Gattung vorausgesendet ist; 
Synonyme und Abbildungen sind nur spärlich citirt und das Vaterland 
kurz angegeben. Ein Nachtrag von 14 Seiten zu dem vorliegenden 
Bande und ein Druckfehler-Verzeichniss zu dem 3,, 4. und 5. Bande 
ist angehängt. Hornung. 


Index Palmarum, Cyclanthearum, Pandanearum, Cycadea- 
rum, quae in hortis europaeis coluntur, synonymis 
gravioribus interpositis, cura Hermanni Wend- 
land. Hannoverae, in libraria aulica Hahnii. 185%. 
gr. 8. XIV u. 688. 


Literatur, 33 


Die Cultur der Palımen, früher in europäischen Gärten nur äus- 
serst spärlich und mangelhaft betrieben, ist während der beiden letz- 
ten Jahrzehende Gegenstand einer besonderen, wiewohl kostbaren 
Liebhaberei geworden. Es findet in der That unter den grossen bo- 
tanischen und reichen Privat-Gärten ein wahrer Wetteifer statt, recht 
viele, verschiedene und neue Palmenarten zu besitzen; und die be- 
deutenderen Handelsgärtnereien machen darin ansehnliche Geschäfte. 


Das neue grosse Palmenhaus in dem Königlichen Berggarten zu 
Herrenhausen bei Hannover, unzweifelhaft eines der grössten derarli- 
gen in Europa, enthält zugleich die grösste Anzahl cultivirter Gat- 
tungen und Arten dieser Pflanzenfamilie, die jemals bei einander 
gesehen worden. Der Reichthum derselben hat sich besonders in den 
letzten Jahren sehr vermehrt. Im Jahre 1834 enthielt jener Garten 
an Palmen, Pandaneen und Cycadeen nur 21, gegenwärtig werden in 
demselben allein an Palmen 224, ausserdem 1 Phytelephas, en Cy- 
clantheen und Pandaneen 36, an Cycadeen 34 Arten cultivirt. 


Bei dem Vorhandensein eines so überaus reichen Materials musste 
der wohlunterrichtete Verf. um so eher sich berufen fühlen, eine 
systematische Uebersicht der Gattungen und Arten dieser interessanten 
Familie aufzustellen, als in der Nomenclatur derselben, zumal bei den 
Handelsgärtnern, eine grosse Verwirrung Raum gewonnen hatte. Diese 
Uebersicht sollte sich über alle in europäischen Gärten, die eigens 
deshalb von dem Verf. wiederholentlich besucht worden sind, er- 
strecken. 

Der oben genarnte »Index« enthält nunmehr die lehrreichen 
Resuliate der mühsamen Forschung. Er giebt eine ungemein grosse 
Vertrautheit des Verf. sowohl mit dem Gegenstande der Behandlung, 
als mit der betreffenden botanischen Literatur zu erkennen. Voran 
geht eine namhafte Aufführung der vom Verf. in dieser Hinsicht be- 
suchten Gärten; es sind deren 33 aufgeführt, einzelnen derselben sind 
Bemerkungen in Beziehung auf ihren Inhalt an Palmen beigefügt wor- 
den. Dann folgt der eigentliche Index, zuerst der Palmen. Gattungen 
und Arten sind in alphabetischer Ordnung aufgeführt, und sowohl die 
Namen der Autoren, als die hinzugehörigen Synonyme, den Arten 
auch die Gärten, in welchen sie anzutreffen sind, beigefügt worden. 
Allein an Palmen werden 286 Arten unter 54 Gattungen aufgeführt; 
dann an Cyclantheen und Pandaneen 40 Arten unter 7 Gattungen, und 
an Cycadeen 53 Arten unter 6 Gattungen, 


In einem Supplemente bietet der Verf. eine systematische Bear- 
beitung der Palmengattung Chamaedorea dar; sie enthält 42 Arten in 
4 Untergättungen aufgestellt; 8 Arten und eine Untergattung sind vom 
Verf. als neu unterschieden und mit genauen Diagnosen ausgestattet, 
Dasselbe ist auch der Fall mit 2 neuen Arten der Gattung Carludovica 
und einer neuen Ceratozamia, welche den Beschluss machen. 


Kenner sowohl als Liebhaber werden diesen »Index« willkommen 
heissen und sich desselben als eines eben so bequemen als lehrreichen 
Führers bedienen können. Die Einrichtung des Buches gewährt einen 
leichten Ueberblick ; die typographische Ausstattung ist vortreflich, 

Pyrmont, Dr. K. Th, Menke. 


Arch, d. Pharm, CXXVIII. Bds. 3. Hft, 23 


338 Literatur. 


Die Struve’schen Mineralwasser-Anstalten. Mit Portrait 
von Friedrich August Adolph Struve, den 
Ansichten der Trink - Anstalten in Berlin, Dresden, 
Brighton, Cöln und Petersburg und einer Ansicht des 
Laboratoriums in Dresden. Leipzig 1853. 


Eine der interessantesten und wohlthätigsten Erfindungen, welche 
der chemischen Forschung zu danken, ist die Nachbildung der Mine- 
ralwasser, welche in der neuesten Zeit durch die sorgfälligsten Ana- 
Iysen und die vortrefflichen Apparate und sonstigen Einrichtungen an 
Vollkommenbheit sehr gewonnen hat. Dem Dr. Friedrich Adolph 
Struve, Besitzer der Salamonis-Apotheke in Dresden, gebührt der 
Ruhm dieser Erfindung und der Ausbildung dieser chemischen Kunst, 
welche jährlich vielen Kranken die Wohlthat des Gebrauches ausge- 
zeichneter Heilquellen zugänglich macht, ohne dass sie weite Reisen 
nach den Ursprungsorten derselben machen. 

Durch den unglücklichen Zufall des Zerspringens einer Phiole bei 
der Prüfung der Blausäure zog Struve sich eine Lähmung der unte- 
ren Gliedmaassen zu, welche ihn zum Besuche mehrerer Mineralquel- 
len in Böhmen nöthigte, was denn die Veranlassung gab zur künst- 
lichen Nachbildung der Mineralwasser, welche zuerst im Jahre 1820 
im kleinen Maassstabe ausgeführt wurde. Die glücklichen Erfolge 
liessen noch in demselben Jahre einen Kurgarten in Dresden und einen 
solchen in Leipzig eröffnen, denen im Jahre 1823 die Errichtung der 
Trink-Anstalt in Berlin in Verbindung mit Soltmann folgte. Im 
Jahre 1825 ward die erste Trink-Anstalt ausserhalb Deutschlands, in 
Brighton in England, gegründet, dem später die Errichtung von künst- 
lichen Mineralwasser-Bereitungs- und Trink-Anstalten in Cöln, St. Peters- 
burg, Moskau, Warschau, Königsberg, Breslau, Hannover, Kiew, Odessa 
und Riga folgten. 

Das kleine Schriftchen berichtet uns die Geschichte dieser Erfin- 
dung und verwebt darin eine kurze Biographie des Erfinders, dessen 
Andenken auf die Nachwelt übergehen wird in dankbarer Erinnerung 
seiner Verdienste um die leidende Menschheit, 

Dr. L/F. Ble® 


Die Zaubereisünden in ihrer alten und neuen Form be- 
trachtet von Gotthilf Heinrich von Schuberi. 
Erlangen 1854. 


Die Veranlassung zur Herausgabe dieser Schrift ist eine zweifache: 
eine besondere und eine allgemeine. Erstere geht bloss den Verfas- 
ser an, der in seinem späteren Alter sich gedrungen fühlt, eine Schuld 
früherer Jahre zu bekennen, nämlich dass er in manchen seiner älte- 
ren Schriften sich habe verleiten lassen, viele jener eben so seltenen 
als seltsamen Erscheinungen aus einem nächtlichen Traumgebiete der 
menschlichen Natur für gesunde und geistig hochachtbare zu halten, 
welche doch ihrem Wesen nach krankhaft und der höheren Weihe 
des Geistes ermangeln. 

Die kleine, 42 Seiten umfassende Schrift zerfällt in 10 Abschnitte. 

4) Ein Sinnbild im Spiegel der Natur. — Der Verf. stellt 
hier als Beispiel auf das Streben der Stubenfliegen nach dem Lichte 


Literatur, 339 


der Kerzen, das nicht eher ruhe, bis es mit Verstümmelung und selbst 
dem Tode endige. So sei das Herz des Menschen, dieser Inbegriff 
seiner geistigen, so wie thierisch leiblichen Natur, zur Freude an dem 
Leben, zum Aufschwunge nach einem Lichte geschaffen, das von hö- 
herer Natur als das sichtbar leibliche, dem Geiste sein Leben gäbe 
und die Seele sammt dem Leibe mit des Lebens höchster Lust und 
Wonne fülle. Das Verlangen nach diesem seligen Wohlsein sei dem 
Menschen geblieben, auch auf dem Wege seiner Verirrungen, der von 
dem Lichte in tiefes Dunkel führe. Mitten in diesem Dunkel jedoch 
habe eine Macht, die in der Finsterniss herrsche, ein Feuer des Ab- 
grundes entzündet. 


2) Der Zug nach der Tiefe. — Nachdem der Verf. hinge- 
wiesen auf die geistigen Verirrungen des jüdischen Volkes zum Götzen- 
dienste heidnischer Götzen und dem Dienste der Wollust, fragt er: 
Hatte nicht der Götzendienst der alten wie der neuen Zeit seine 
geheimnissvollen Tiefen, seine Wunder, seine prophetischen Gesichte 
in das räumlich Ferne und in das Künftige, welche selbst den Weisen 
und Verständigen im Volke würdig schienen? Waren diese Wunder 
alle nur ein Blendwerk der äussern Sinne, oder lag ihnen ein anderes 
psychisches Element zu Grunde? 


3) Das Gebiet der psychisch somatischen Kräfte — 
Mit Recht hat man den Fernblick der Pythia mit dem Hellsehen des 
magnetischen Schiafwachens verglichen. Beide Erscheinungen sind 
dem Wesen nach sich verwandt, doch zeigt sich in jenem öfters noch 
als in diesem neben dem bloss menschlichen ein anderes fremdartiges 
Element, Nicht am Leibe des Zitteraales, sondern an dem lebenden 
Leibe aller Thiere und selbst der Menschen bezeugt es die Erregbar- 
keit der Nerven für den elektrischen Einfluss, dass in ihnen ein Prin- 
eip walte, welches mit dem elektrischen in ähnlicher wahrnehmbarer 
Beziehung steht, wie mit dem Gefühle unserer Hände irgend ein fester 
schwerer Körper, der wie die Hand aus irdisch elementaren Grund- 
stoffen besteht. Dass aber dieses Prineip nicht der chemisch - organi- 
schen Substanz der Nerven selbstständig eigen sei, sondern dass es 
dieser aus der dem Leibe innewohnenden Seele komme, das zeigt sich 
alsbald im Tode: denn selbst die Erregbarkeit für den galvanischen 
Metallreiz, welche einige Zeit nach dem Dahinscheiden des Lebens an 
den Nerven noch haftet, erscheint nur wie ein zurückgebliebener, bald 
verrinnender Tropfen in einem Gefässe, das seine Füllung von einer 
ausser ihm gelegenen Quelle empfing. 


Dass nur die Seele es sei, welche alle Erscheinungen der Art 
hervorruft, dies wird aus dem Anfang und Ende derselben erkannt. 


4) Die Stellung des Menschen zum Gebiete der höhe- 
ren Naturkräfte. — Während die Herrschergewalt der Seele über 
die Mächte der höhern Leiblichkeit auch bei den vollkommneren Thie- 
ren zunächst nur auf den Kreis ihres eigenen organischen Glieder- 
baues und seiner Erhaltung‘ beschränkt ist, reicht sie bei den Menschen 
unberechenbar weit über diesen Kreis hinaus. Der Hauch des innern 
Lebensodems strömt durch die Nerven in die Muskeln des eigenen 
Leibes, sollte er nicht auch in die Nerven eines andern Leibes seine 
Richtung nehmen und so in das bewusste wie in das unbewusste 
Werk des Lebens einer andern Seele eingreifen können? Dass er 
dieses wirklich könne, bezeugen uns die Wirkungen des Mesmerismus. 


22* 


340 Literatur. 


5) Ein Weg im Dunkeln, doch nicht ohne Führer. — 
Der Mensch vom Anfang war nicht von sterblicher Natur, sondern — 
dies sagt uns das Wort — der Tod ist ihm durch die Sünde gekommen. 
Der Geist, ohne Aufhören, fühlt den Trieb seiner Natur, sich aufzu- 
schwingen in das natürliche Element seines Ursprunges, aber die 
Schwinge ist ihm gelähmt, er ist versenkt in das irdische Wesen des 
Fleisches. r 

6) Die geistigen Weckstimmen aus dem Reiche der 
Sichtbarkeit. — Es ist der Geist der Werke, welcher dem Geiste 
des Menschen ohne Aulhören bezeugt, dass ein Gott sei. Die Stimme 
dieses Zeugnisses lässt sich vernehmen in dem milden Hauche des 
Frühlings, wie in dem Donner des Himmels, in dem Schrecken des 
Erdbebens, wie des Feuers aus der Tiefe. 


7) Die fleischliche Begeisterung. — Auch die unnatür- 
lichsten Anregungen dieser Art haben für die fleischliche Natur des 
Menschen einen übermächtig anlockenden Reiz, dieses bezeugt die 
Begierde, mit welcher die Säufer und Opiumraucher sich immer wie- 
der ihrer Lust hingeben, auch wenn sie das Grab und äusseres Elend 
vor sich im Wege sehen. 

8) Ein persönlicher Verkehr mit der Welt der Gei- 
ster. — Von der Macht des Einwirkens eines andern menschlichen 
‚Geistes auf den eigenen Geisi des Menschen zeugt nicht allein der 
Mesmerismus. Mit dem Quell der geistig heilenden und beseligenden 
Kräfte zugleich hatte sich auch ein Quell der verderbenden und feind- 
lichen Kräfte aus dem Abgrunde aufgethan (der Besessenen, deren 
Zustand nach v. Walther nicht mit dem des Wahnsinns zu ver- 
wechseln ist). 

Dem wundersüchtigen Vorwitze unserer Tage ist auf dem Wege 
jener hyper-physischen Versuche ein Fund gelungen, welcher weit 
über seine Erwartungen ging. Die Stimme eines wahrsagenden Gei- 
stes hat sich aus dem Holze des Tisches vernehmen lassen, welche 
zwar nicht durch hörbare Worte, wohl aber durch Schrift und Zei- 
chen den Fragenden zur Antwort steht. Es ist nicht ein Echo der 
eigenen Stimme des Nervengeistes, des fragenden Vorwitzes, welche 
die Orakelsprüche ertheilt, denn der Inhalt dieser Sprüche und die 
zum Theil unverkennbare Absichtlichkeit derselben bezeugt es uns, 
dass hier ein fremder Geist mit dem Geiste des Menschen sein Spiel 
treibe, in dessen Aussagen Wahrheit mit Irrthum und Erdichtung sich 
mischt. Wären aber auch die verborgenen Sprecher aus den »som- 
nambulen Tischen« wahrbhafte Bezeugungsgeister, welche wie die wahr- 
sagende Magd zu Philippi dem Paulus, dem Menschen allenthalben 
nachfolgten und entgegenträten, wo er mit den Kräften seiner innern 
Natur in ihr heimathliches Element hinaustritt, so müsste uns den- 
noch ihr Zeugniss, wie dem Apostel, ein wehethuendes sein, denn es 
käme aus einer Quelle, deren Wasser für unsern Geist kein Wasser 
des Lebens, sondern voll betrübender schädlicher Kräfte ist. 


9) Die verschlossene Zukunft und der geöffnete Ab- 
grund. — Das zu wissen, was Gott allein weiss, den verborgenen 
Rathschluss der Zukunft, das war und ist in ältester wie in neuester 
Zeit das krankhafte Trachten und Sehnen der gefallenen Men- 
schennatur gewesen. Dieses Forschen nach Uebernatürlichem sei 
nun ohne Strafe geblieben. Was in Beispielen die Weisheit des Alter- 


Literatur. 3hl 


thums andeuten wollte, das hat sich bis auf unsere Zeit als Wahrheit 
erwiesen: es liegt ein Fluch auf dem unseligen Bestreben des Men- 
schen, den Rathschlüssen der ewigen Weisheit durch vorwitziges For- 
schen nach denselben vorzugreifen. 

Schluss. — Der Aufschwung des Geistes in uns, wenn er die 
Weihe des festen prophetischen Wortes eınpfängt, und an diesem sich 
festhält, wird zum Gebet, dem eine bewegende Kraft inwohnt, welche 
so weit als der Himmel über die Erde, über die Wirksamkeit der 
psychisch pneumatischen Kräfte des sterblichen Wesens erhaben ist 
und zu einem Entzücken sich steigern kann, für welches die Menschen- 
sprache keine Worte hat. Und dieser Weg allein ist ein Weg des 
Friedens und solcher Freuden, welche die Welt uns nicht geben kann, 
und wir sollen wissen, welches der Weg zu diesem Vaterhause sei 
und durch welchen Vorgänger derselbe für alle Menschen geöffnet ist. 


So mahnt uns diese Schrift ‚vor den Verirrungen des mensch- 
lichen Verstandes in das Gebiet überirdischer Kräfte, welchen nur 


Unsegen folge. 
Dr. L. F. Bley. 


Ueber das Verhalten einiger Wasserpflanzen zu Gasen. 
Zur Habilitation in der philosophischen Facultät der 
Universität zu Leipzig bearbeitet und am 29. April 
1853 in dem Auditorium juridieum öffentlich zu ver- 
theidigen von Dr. Wilhelm Knop. Mit einer Tafel. 
Leipzig, Druck von J. B. Hirschfeld. 8. S. 63. 


Diese kleine Gelegenheitsschrift, welehe unser Wissen auf diesem 
Gebiete durch vielfache Versuche und Beobachtungen, die mit Um- 
sicht und Ausdauer angestellt wurden, nicht unwesentlich fördert, zer- 
fällt in mehrere Abtheilungen, die Ref. nach ihrer Ueberschrifi auf- 
führen wird, da es leider zu weit führen würde, dem Verf. hier 
schon mehr in die Einzelnheiten zu folgen. 

In dem ersten Abschnitte: »Ueber das Verhalten einiger Wasser- 
pflanzen zu Gasen«, welcher gewissermaasser als Einleitung zu den 
folgenden zu betrachten ist, werden die von andern Beobachtern bei 
ähnlichen Versuchen erlangten Resultate zusammengestellt und theil- 
weise mit Bemerkungen begleitet, auch der eignen, gemeinschaftlich 
mit des Verf. Bruder angesteliten Untersuchungen mit jenen verglei- 
chend und diese berichtigend gedacht. Die »Versuche mit Myriophyl- 
lum spicatum« sind sehr zahlreich und mannigfaltig abgeändert. Der 
Verf. wählte diese Pflanze darum, weil sie die Fähigkeit im hohen 
Grade besitzt, aus dem Durckschnitte ihrer Luftgänge Gas zu entwickeln, 
so dass man sich dieses leicht verschaffen kann. Die beigegebene 
Tafel enthält eine Abbildung dieser Pflanze nebst einigen Durchschnit- 
ten und einzelnen Theilen, an welchen die Gasentwickelung veran- 
schaulicht wird. Das Gas, welches zu verschiedenen Tageszeiten, bei 
verschiedener Beleuchtung, zum Theil von den im Freien wachsenden 
Pflanzen, vornehmlich aber von solchen, die unter sehr modificirten 
Verhältnissen in Glasröhren, Glasglocken etc. eingeschlossen und mit 
Wasser abgesperrt waren, gesammelt worden war, unterwarf der 


342 Literatur. 


Verf. einer chemischen Prüfung. Die Kohlensäure liess er durch Kali 
absorbiren und ermittelte das Volum des verschluckten Gases in gra- 
duirten Glasröhren. Das Sauerstoffgas aber liess er durch Gallussäure, 
oder Gerbsäure, welche in starker Kalilauge gelöst war, absorbiren. 
Der Verf. prüfte auch die Einwirkung des reinen Sauerstoffgases," des 
Sumpfgases, des ölbildenden Gases, des Kohlenoxydgases, des Wasser- 
stoffgases und des Stickstoffoxyduls, so wie verschiedener Gemische 
dieser Gase, auch die mit diesen in Glasröhren eingeschlossenen Pflan- 
zen; auch leitete er gewaschene Kohlensäure in das die Pflanzen um- 
gebende Wasser und sättigte dieses damit. 

Es schliessen sich hieran die. »Versuche über Sparganium ramo- 
sum«, »Bemerkungen über die Bedeutung einiger Organe der Wasser- 
pflanzen« und sehr mannigfaltige Beobachtungen »Ueber die Absorp- 
tion des Stickstoffs durch die Pflanzen«, Am Schlusse dieser letzteren 
Abhandlung stellt der Verf. eine Uebersicht der Resultate der ganzen 
Untersuchung zusammen, welche Ref. hier wörtlich wiederzugeben für 
das zweckmässigste hält. Es wird dadurch am besten gezeigt, wie 
vielseitig der Verf, experimentirt hat, und es wird diese Zusammen- 
stellung der Resultate, die oft auf die einzelnen Versuche hinweist 
und die zuweilen, ohne die bezüglichen Beobachtungen vorher gelesen 
zu haben, nicht vollkommen verständlich ist, alle diejenigen, welche 
sich für diesen Gegenstand interessiren, veranlassen, diese Abhandlung 
selbst zur Hand zu nehmen. 

Resultate. — Für das Hauptresultat halte ich die zuletzt an- 
geführten Thatsachen *), aus denen die Sätze 1) und 2) hervorgehen: 

1) Dass das Stickstoffoxydulgas nicht indifferent gegen Pflanzen 
ist, wie man bisher glaubte; es ist vielmehr in der Weise wie 
sauerstoffreiche Luft athembar. 

2) Stickstoffoxydul wird von verwesenden Pflanzentheilen und 
kohlenstoffhaltigen Salzen so zersetzt, dass sein Sauerstoffgehalt der- 
gleichen Stoffe in Wasser und Kohlensäure zersetzt, Aber es zersetzt 
sich mit Wasserstoff und Kohlenwasserstoff auch so, dass der Stick- 
stoff in die aus solchen Gemischen hervorgehenden Verbindungen mit 
eintritt, so dass das Stickstoffoxydul als eine Form angesehen werden 
muss, in welcher der Stickstoff von der Pflanze assimilirt werden kann, 


*) Diese beziehen sich auf die Versuche über die Einwirkung des 
Stickstoffoxyduls auf die verwesenden Pflanzen, aus denen er fol- 
gende Schlüsse zieht: 

1) das Stickstoffoxydul wird durch verwesende Pflanzentheile 
und kohlenstoffhaltige Salze (soll wohl Stoffe heissen) unter Bil- 
dung von Kohlensäure zersetzt. 

2) Der Stickstoff des Stickstoffoxyduls kann mit freiem Was- 
serstoff und dem Wasserstoff der Kohlenwasserstoffe sich zu Am- 
moniak oder stickstoffhaltiger organischer Substanz verbinden. 
Es folgt dieses aus der Volumverminderung der Gemische von 
von Wasserstoff und Sumpfgas mit Stickstoffoxydul. 

3) Es folgt aus 1) und 2) und dem vorzüglichen Gedeihen 
der Pflanzen im Gemische von ölbildendem Gase und Stickstoff- 
oxydul, dass das Stickstoffoxydul auch so in der Pflanze gebun- 
den werden kann, dass der Stickstoff in die Zusammensetzung 
von Kohlenwasserstoffen, Wasserstoff, die zur Pflanze von Aussen 
herzutreten, eingeht, wodurch solche Gase als wirkliche Nahrungs- 
mittel erscheinen. 


Literatur. 343 


3) Habe ich die Gründe dargelegt, aus welchen sich ergiebt, 
dass das Stickstoffoxydulgas in der Atmosphäre vorhanden sein muss, 
wiewohl man es bisher aus Mangel dazu geeigneter Mittel nicht darin 
hat nachweisen können. 


4) Findet sich in allen meinen Versuchen gar kein Grund, für 
die Wasserpflanzen eine directe Assimilation von Stickstoff anzuneh- 
men, die aus so vielen Gründen unwahrscheinlich ist. Als einfachen 
Grund für diese Ansicht wüsste ich nur den Grund anzugeben, dass: 
von Typhka-Schösslingen in 12 bis 24 Stunden Luft, die über 1/3 Sauer- 
stoff enthält, vollkommen bis zum drei- und vierfachen Volum der 
Pflanze absorbirt wird, ohne dass man bei unverletzten Pflanzen 
irgendwo, selbst nicht an der Wurzel, Gas austreten sieht. Indessen, 
da solche Gemische in Wasser löslich sind, könnten sie auch als gelöst 
aus Wasser übergegangen sein; und für diese Annahme sprechen in 
der That die Versuche, welche ich im Januar und Februar d.J. mit 
Schösslingen von Typha anstellte. Hier liess sich, indem die Pflänz- 
chen in Stickstoffoxydul vegetirten, deutlich wahrnehmen, dass dieses 
in Wasser lösliche Gas zum grössten Theile, wenn nicht ganz, von 
der Pflanze in das Wasser übergeführt wird und von hier aus wieder 
über den Wasserspiegel sich erhebt. 


5) Es enthält die grüne Materie der Blätter von Myriophyllum 
entweder geradezu ein Ammoniaksalz, oder doch eine Gruppe von 
Elementen, die beim Zusammentreffen mit kalter Kalilauge Ammoniak 
frei austreten lässt. 


6) Myriophyllum enthält einen Farbestoff, der durch Basen, be- 
sonders auch durch Ammoniak grün, durch Säuren roth wird. In der 
gesunden Pflanze liegen Kreise oder einzelne Zellen mit geröthetem 
Farbstoff dicht neben grünen. Der Inhalt der grünen Zellen grünt 
den Inhalt der roth erscheinenden Zellen, wenn man die Pflanze in 
siedendes Wasser legt. Kohlensäure röthei den grünen Farbestoff 
nicht. 

7) Die Entwickelung der Gase aus den Luftgängen findet über 
8°C. statt, bei 30°C. erschlafft das Zellgewebe der Pflanzen nach 
und nach, es tritt Wasser in die Höhlungen ein und nun ist der 
Athmungsprocess der Pflanzen gestört; die Pflanzen nehmen ein kran- 
kes Ansehen an. 15° bis 24° scheint die Temperatur zu sein, in der 
sie am lebhaftesten vegeiiren. 


8) Im Sonnenlichte, bei 18° bis 22° Wärme, athmet Myriophyllum 
im Wasser, das nur Kohlensäure enthält, 3 Tage lang fort, die Kohlen- 
säure wird zersetzt, wodurch der Sauerstoff im Innern der Pflanze 
zunimmt und die Pilanze sich selbst eine respirable Luft erzeugt. Der 
Stickstoffgehalt bekommt keinen Zuwachs. Der cubische Inhalt der 
ganzen Pflanze ist ungefähr das Doppelte vom cubischen Inhalte der 
Luftgänge, 

9) Gebt man von irgend einem der oben angeführten Ergebnisse 
aus, wo in mit Kohlensäure gesättigtem Brunnenwasser von 18° bis 
22° Temperatur im Sonnenlichte Gas ausgegeben wurde, z. B. von 
folgendem: 


Gas, gesammelt von 9— 11 Uhr 41—1 Uhr 
Sauerstoff 35 50 
Stickstoff 65 50 


100 100 


34% Literatur. 


so ist klar, dass hier und eben so in allen andern Fällen, selbst 
denen, wo Gas aus den in freier Natur wachsenden Pflanzen genom- 
men wurde, der Stickstoff auch sehr wohl von eingeathmeter, in Was- 
ser gelöster Luft herrühren kann, und nicht von Zersetzung organischer 
Materie innerhalb der Pflanze abzustammen braucht; dass ferner das 
Einathmen der in Wasser gelösten Luft nicht so rasch geht, dass da- 
durch der Sauerstoffverbrauch im Innern erseizt wird. Die Pflanzen 
in freier Natur enthielten Mittags Gas von meist 30 bis 35 Proc. 
Sauerstoffgehalt, d.h. die im Wasser gelöste Luftmischung, die ihr 
Tag und Nacht zu Gebote steht; dessen ungeachtet sinkt der Sauer- 
stoffgehalt Nachts in Stämmen auf 9 bis 7 Proc., in den Wurzeln noch 
mehr.. Dass dies Verbinden von Stoffen im Innern der Pflanze mit 
Sauerstoff die Temperatur der Pflanze erhöhen muss, versteht sich 
von selbst. 

10) Von diesem Einathmen von in Wasser gelöster Luft ist die 
Wasserpflanze eben so sehr abhängig, wie das Thier von seinem 
Athmungsprocesse; nur kommt hier noch dazu, dass die Pflanze durch 
die Fähigkeit, die Kohlensäure zu zersetzen, sich selbst die respirable 
Luft vermehrt. Die für die Pflanzen respirable Kohlensäure, die ihren 
Kohlenstoff der Pflanze überliefert, giebt keinenfalls den ganzen Sauer- 
stoff wieder. Direct ist dieses schon von de Saussure gefunden, 
aber es folgt auch aus allen meinen Versuchen über Sparganium, 
Typha, Alnus, Myriophyllum, dass ununterbrochen Sauerstoff in der 
Pflanze oxydirend wieder auftritt. Diese Oxydation hat die Natur 
dadurch beschränkt, dass sie für den aus Zersetzung der Kohlensäure 
entstehenden Sauerstoff bestimmte Wege vorgeschrieben hat. Bei 
Sparganium geht dieser Sauerstoff entschieden nach Aussen, nicht ins 
Innere der Pflanze. Ebenso sondern, wie den Physiologen längst 
bekannt ist, die grünen Conferven den Sauerstoff nach Aussen. Bei 
Wasserpflanzen ohne Spaltöffnungen, wie Myriophyllum, sammelt sich 
der Sauerstoff in den Luftgängen, woselbst er mit oxydirbaren Stof- 
fen zusammentreffen muss, da er hier verschwindet. Uebrigens geben 
die Blätter von Myriophyllum auch Sauerstoff nach Aussen ab. Zur 
Blüthezeit tritt er aus entstandenen Wunden, wie die abfallenden 
Blumenblätter solche mit sich bringen, aber auch schon früher aus 
den Axillen der Knospen aus und trifft hier die Organe der Blütben, 
die, wie man aus de Saussure’s Versuchen weiss, Sauerstoff stark 
absorbiren. Ist aber dieser zur Oxydation verschiedener Materien in 
der Pflanze nothwendige Sauerstoff nicht vorhanden, so stirbt die 
Pflanze unfehlbar ab. Lässt man eine grosse Menge Myriophyllum in 
wenig Wasser immer im Schatten, obne das Wasser zu erneuern, so 
wird es binnen 4 bis 8 Tagen unfehlbar übelriechende Gase, Fäulniss- 
producte ausgeben, die, wenn man das Wasser oft erneuert, oder die 
Pflanzen dem Luftzuge und dem Wechsel von Sonne und Nacht aus- 
setzt, nicht erscheinen. 

Man hat also klar die Erscheinung vor sich, dass eben die Stoffe, 
welche unter solchen Umständen als Zersetzungsproducte auftreten, 
durch den Sauerstoff, wenn er hinreichend vorhanden ist, .oxydirt 
werden, und dass auf diesem Wege aus der Pflanze, ebenso wie aus 
dem Blute, gewisse ‘Stoffe als Kohlensäure und Wasser wieder ent- 
fernt werden. 

Aus den Mengen Gas, die ich aus dem Versuche erhielt, kann 
man ermessen, in welchem Maasse die in den untergetauchten Wäl- 


Literatur. 345 


dern von Wasserpflanzen lebenden Thiere durch diese verbesserte ein- 
zuathmende Luft bekommen, die sie selbst mit ausgeathmeter Kohlen- 
säure beladen. Man sieht auch im Sonnenlichte die Wasserpflanzen 
stark von im Wasser athmenden Thieren besetzt. 


11) Die Zusammensetzung der Gase, die in den Luftgängen sich 
finden, hat als Factoren: a) die Intensität des Lichts, b) die Farbe 
des Lichts, c) die Quantität der Kohlensäure, die von der Pflanze ein- 
geathmet werden kann, d) die Dauer der Zeit, während welcher die 
Gase in der Pflanze eingeschlossen blieben. , 


Die Quantität der Kohlensäure im Wasser, das die Pflanzen um- 
giebt, vermehrt den Sauerstoffgehalt in der Zusammensetzung der Gase 
im Innern nicht in derselben geraden Proportion, in der die Kohlen- 
säure aussen zunimmt. Bei einer gewissen Grenze geht Kohlensäure 
unzersetzt in die Luftgänge über. Diese Grenze liegt ein wenig über 
dem Quantum Kohlensäure, das sich unter gewöhnlichem Atmosphären- 
drucke im Wasser löst. 

Die directen Sonnenstrahlen und das Licht von weissen Wol- 
ken beschleunigen die Gasentwickelung, das blaue Licht vom Him- 
mel und das von blauen Wolken retlectirte wirken am wenigsten gün- 
stig. Bei längerem Verweilen der Pflanzen unter solchem Lichte, in 
dem die Kohlensäure nicht zersetzt wird, sinkt der Sauerstoffgehalt 
des Gases. Der Erfolg aller dieser Wirkungen zusammen ist daher 
der, dass in Myriophyllum der Sauerstoffgehalt regelmässig steigt und 
fällt. Von Morgens früh mit etwa 7 bis 9 Proc. Sauerstoffgehalt be- 
ginnend, steigt dieser im Fluss- und Teichwasser bei Sonnenschein 
bis Nachmittags auf 33 bis 35 Proc., im kohlensäurereichen Wasser 
viel höher, über 70 Proc. Dann sinkt er wieder die Nacht hindurch 
und nimmt gegen Morgen wieder das Minimum an, um von da aus 
wieder zu steigen. Die Maxima unter einander verglichen, sind nicht 
gleich, sondern an trüben Tagen kleiner als an hellen; ebenso kleiner 
in Kohlensäure-ärmerem Wasser, als in Kohlensäure-reicherem. 


42) Die Blätier der Pflanzen athmen alle im Wasser löslichen 
Gase ein, die Blatifiederchen saugen ein, ergiessen den Gasgehalt in 
die Mitielrippe, diese in den Stamm. In grösserer Menge die sich 
leicht lösenden; doch scheint die Löslichkeit nicht der einzige Factor 
zu sein, der die eingeathmeie Quantität bestimmt, vielleicht ist es auch 
die Dichtigkeit; der Wasserstoff wird auch lebhaft eingeathmet. Am 
meisten von den Gasen, mit denen ich arbeitete, Kohlensäure und 
Stickstoffoxydulgas. Stickoxydgas zerstörte die Pflanzen schnell. Jeden- 
falls können daher Gase, die, wie das Sumpfgas, im Schlamme mit 
den Wurzeln in Berührung kommen, vor diesen aufgenommen wer- 
den, doch erscheint die Gegenwart der leichter löslichen Gase dabei 
als ein Hinderniss gegen die Aufnahme der schwerer löslichen, 


13) Kohlensäure, die durch Wurzeln aus dem Wasser, das mit 
Kohlensäure gesättigt war, in den Blättern von Sparganium ramosum 
aufsteigt, lässt sich mit Sicherheit darin nachweisen; sie vermehrt aber 
keineswegs den Sauerstoffgehalt ir der Luft der Luftgänge; sogar im 
hellsten Sonnenlichte, indem die Blätter durchscheinend sind, wird die 
Kohlensäure nur in der äussersten grünen Schicht zersetzt, und nur 
die Atmosphäre aussen wird dadurch sauerstoffreicher. Der Sauer- 
stoff, der in der äussersten grünen Schicht erzeugt wird, muss daher 
auf andern Wegen entfernt werden, als auf denen, auf welchen die 


346 Literatur. 


Luftgänge Luft erhalten, die immer constant das Verhältniss der atmo- 
sphärischen behielt, wenn die Blätter mit der freien Atmosphäre in 
Berührung blieben. Wurde aber die Atmosphäre selbst in geschlos- 
senen Räumen sauerstoffreicher gemacht, so drang diese mit der Zeit 
in die Pflanze ein und dann zeigte sich auch eine Vermehrung des 
Sauerstoffgehalts im Innern. Dieses Verhalten steht mit der Function 
der Spaltöffnungen, die Luft einzusaugen, im Einklange. Die Kohlen- 
säure wird erst, nachdem sie sich in der Flüssigkeit der Zellen gelöst 
hat, zersetzt und der Sauerstoff von der Zelle nach Aussen abge- 
sondert, 

14) Alle mit Spaltöffnungen versehenen Pflanzenorgane, so weit 
ich sie bis jetzt untersuchte, enthielten die Luft der Atmosphäre, und 
wenn diese überhaupt eine Veränderung in den Organen erlitt, so 
bestand sie in einer sehr geringen Verminderung des Sauerstoffgehalts. 

Die Pflanzen ohne Spaltöffnungen treten den Pflanzen mit Spalt- 
öffnungen gegenüber mit einer bestimmten Verschiedenheit in Bezug 
auf ihr Verhalten zu den einzuathmenden Gasen auf. Die Pflanze mit 
Spaltöffnungen führt in ihren in dem Boden befestigten Organen eine 
Luft, die ärmer an Sauerstoff ist, als die atmosphärische Luft. In den 
Blättern kommt der Sauerstoffgehalt dem der Atmosphäre höchstens 
gleich. Von der Wurzel bis zur Spitze führt diese Pflanze, wenn sie 
im hellsten Sonnenlichte vegetirt, ein Gas, das, um es kurz zu fassen, 
Sauerstoff-ärmer ist, als das aussen sie umgebende Gas, sie führt selbst 
den Sauerstoff nach Aussen. Das letztere Gas selbst ist an den Thei- 
len über der Erde reich an Sauerstoff (21 Proc.) und arm an Kohlen- 
säure, an der Wurzel im Boden arm an Sauerstoff (z. B. 12 Proc.) 
und reich an Kohlensäure (z. B. 11 Proc.). 

Die Pflanze ohne Spaltöflnung, als untergelauchte Wasserpflanze, 
ist an den Theilen über dem Boden aussen von einer an Sauerstoff 
und Kohlensäure reichen, im Wasser gelösten Luft umgeben; das Gas 
im Innern derselben ist nach der Einwirkung des hellsten Sonnen- 
lichtes sauerstoffreicher, als das der Umgebung. Die Pflanze führt 
den Sauerstoff von Aussen nach Innen. 

Ihre im Schlamm kriechenden Wurzeln befinden sich in einer Luft, 
die an Sauerstoff und Kohlensäure ärmer ist, als die Luft, welche in 
die Blätter ünd Stämme eindringt. 

15) Aus der bedeutenden Menge Gas, welche die Pflanzen durch 
eine besondere Thätigkeit einsaugen, wobei indessen die poröse Be- 
schaffenheit ihres Gewebes zu Hülfe kommt und das ÖOeflnen und 
Schliessen der Stomata eine Rolie spielen mag, kann man folgern, 
dass durch die Richtung, in welcher die Gase innerhalb der Pflanzen 
fortgeschoben werden, auch Strömungen in der Saftbewegung dersel- 
ben eintreten müssen, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass manche 
der beobachteten Saftströmungen in Pflanzen eine Folge von dem Ein- 
und Austritt der gasförmigen Körper sind. 

16) Die mit Haar dicht bedeckten Organe der Wasserpflanzen 
(Hydrochaeris, Trapa) haben die Function, im Wasser gelöste Luft 
einzusaugen.« r 

Durch die Einschaltung der vorstehenden Schlussfolgerungen ist 
die Relation über dieses. kleine Werkchen etwas umfangreich gewor- 
den; da solche Gelegenheitsschriften aber gewöhnlich nicht in den 
Buchhandel kommen, so hielt es Ref. um so mehr für seine Pflicht, 
länger bei derselben zu verweilen, als die Resultate, welche durch 


Literatur. 3%7 


diese Arbeit für die Wissenschaft erlangt sind, bei ihrer Wichtigkeit 
in weiteren Kreisen bekannt zu werden verdienen, um zur Fortsetzung 
und weiteren Ausdehnung derselben anzuregen. Nur kann Ref es 
nicht verhehien, dass eine andere Fassung dieser Schlussresultate, wie 
überhaupt in dem Werkchen selbst hier und da eine klarere Auf- 
fassung und Darstellung, nebst einer besseren Stylistik demselben 
einen noch höheren Werth verliehen und es anziehender gemacht 
haben würde. Der Verf, scheint die Masse der Resultate nicht immer 
vollkommen bewältigt zu haben; es bedünkt dem Ref. wenigstens, 
dass derselbe bei seinen Schlussfolgerungen wohl glücklicher die all- 
gemeinen Resultate vorangestellt hätte und von diesen zu den beson- 
deren übergegangen wäre. 
Hornung. 


sf- 

Die chemisch künstliche Bereitung der moussirenden Weine 
überhaupt und insbesondere des französischen Cham- 
pagners, ingleichen die durchaus nicht anstössige und 
sichere Nachbildung der heilsamsten und gebräuch- 
lichsten Mineralwasser, namentlich des Rakoczy-, Eger-, 
Pyrmonter-, Emser-,. Marienbader-, Kreuznacher-, Sel- 
ters-, Carlsbader-, Friedrichshaller-, Saidschützer- und 
Püllnaer-Wassers, in solcher Vollkommenheit, dass sie 
hinsichtlich ihrer Constitution den natürlichen analog 
sind, ja in gewissen Fällen letztere an Heilkraft noch 
übertreffen. Von C.G. Quarizius, Apotheker (a.D) 
in Dessau und Verfasser mehrerer technisch - chemi- 
schen Schriften, Weimar 4854, Verlag und Druck 
von B. Fr. Voigt. 


Herr Quarizius erhielt von Hrn. Buchhändler Voigt in Wei- 
mar den Auftrag zur Bereicherung der Literatur mit gegenwärtigem 
Werke. Derselbe versichert, den ehrenvollen Auftrag nicht nur gern 
übernommen, sondern auch so ausgeführt zu haben, dass ihn in wis- 
senschaftlicher Hinsicht kein Vorwurf werde treffen können. Er ver- 
wahrt sich auch, dass, wenn die Ausführung der Darstellung des 
Champagners nicht gelinge, alsdann seine Vorschrift keine Schuld 
treffe, sondern dieses an der gering geschickten Vollziehung derselben 
liegen müsse. 

In der Einleitung bespricht Hr. Quarizius den Unterschied 
zwischen dem künstlichen Champagner und den maussirenden Weinen 
überhaupt mit den künstlich dargestellten Mıineralwässern auf eine 
ganz populäre Weise. 

Dass der Weinstock jetzt fast in allen Erdtheilen cultivirt werde, 
ist doch wohl eine zu weit greifende Behauptung, da in den Län- 
dern, welche nördlicher als Deutschland gelegen sind, der Weinbau 
nicht mehr gedeiht und schon unsere norddeutschen Weine nur in sel- 
tenen Jahrgängen ein gutes Getränk liefern. 

Zur Düngung der Weinberge sind die Abfälle der Weinstöcke 
selbst das passendste Material. 

Wenn es S. 23 heisst, dass die Gährung das Stärkmehl erst in 
Schleimzucker, dann in wirklichen Zucker verwandele, so kann doch 


348 Literatur. 


damit nicht Rohrzucker, sondern nur Stärkezucker oder Traubenzucker 
gemeint sein, den man aber in der Regel nicht mit dem Namen wirk- 
licher Zucker belegt. 


Die auf S. 43 angegebene Prüfung auf Zucker mittelst Bleizuckers 
wird wohl schwerlich von einem mit den neueren Fortschritten in der 
Chemie einigermaassen Vertrauten angewendet werden, da man gegen- 
wärtig zweckmässigere und schneller zum Ziele führende Proben auf 
Zuckergehalt kennt. 


Eine merkwürdige Probe auf Obst- und Beeren-Wein lehrt der 
Verfasser S. 47 kennen. Es soll nämlich ein Niederschlag, welchen 
Platinlösung im Weine bewirkt, den Beweis liefern von einem Ge- 
halte an Obst- und Beerenwein, 


S. 65 lehrt der Verf. Champagner bereiten durch Zusatz von 
45 Gran doppelt-kohlensaurem Natron und 30 Gran krystallisirter 
Weinsteinsäure auf eine Flasche Wein. 


Zur Bereitung des Birken-Champagners oder moussirenden Birken- 
wassers nimmt man häufig statt des Birkensaftes, dessen Abzapfung 
der Verf. als den Bäumen nicht nachtheilig erklärt, womit die Forst- 
männer schwerlich einverstanden sein dürften, blosses weiches, zuvor 
abgekochtes Wasser, dem ein wenig essigsaures Kali zugeselzt wird, 
wie es sich im Birkensafte finden soll. 


Im Ganzen kann man die hier gegebene Mittheilung über künst- 
licheu Champagner mehr eine Erzählung, als eine genaue Belehrung, 
welche viel präciser sein muss, ansehen. Leider ist diese Erzählung 
sehr schlimm stylisirt, wovon sich namentlich auf S. 28, 29, 35, 36, 
38, 39, 41, 60 und 61 Proben vorfinden. Bei einiger Aufmerksam- 
keit und einem Streben nach übersichtlicher Darstellung konnte dieses 
Werkchen viel nützlicher ausfallen. Wir bedauern, dass der Verf. 
davon keine Ahnung zu haben scheint, was seiner Darstellungsweise 
fehlt, um ein populärer Schriftsteller zu sein. 


Die 2te Abtheilung handelt von den natürlichen und der Darstel- 
lung der künstlichen Mineralwässer. 


Nach einer überaus unklaren Besprechung über Mineralquellen 
überhaupt und deren Entstehung, wobei nicht allein ältere Abhand- 
lungen von Amdroz und Daniell zu Grunde gelegt sind, sondern 
auch neuere, als von Struve, @. Bischoff, kommt der Verf. zu 
dem eigentlichen Zwecke: »die Abhandlung der Darstellung künst- 
licher Mineralwässer betreffend«.. Man würde sich aber täuschen, 
wenn man hier eine genaue Beschreibung des Verfahrens vermuthet. 
Man wird nichts als ein oberflächliches Geschwätz finden von einer 
so schlimmen Satzbildung, dass in der That bei manchen Sätzen mehr- 
maliges Lesen nöthig ist, um zu erkennen, was der Verf. hat sagen 
wollen. Während der Verf. eine Anweisung zur Darstellung der 
Mineralwässer verspricht, gesteht er selbst S. 107 nicht einmal die 
Reinigungsweise des kohlensauren Gases zu kennen, welche doch 
andern wirklich Sachverständigen kein Geheimniss mehr ist. Es folgt 
S. 109 und weiterhin eine Beschreibung der zur Bereitung nothwen- 
digen Apparate, indess wird diese dem Laien ohne Abbildungen un- 
verständlich bleiben. S. 117— 128 werden dann Analysen verschie- 
dener Mineralwässer, als des Kissinger Rakoezy, der Adelheidsquelle 
zu Heilbronn, der Eger Franzensquelle, der Franzensbader Salzquelle, 


Literatur. 349 


des Emser Krähnchen, des Marienbader Kreuz- und Ferdinandsbrun- 
nens, des Pyrmonter Hauptbrunnens, der Kreuznacher Elisabethquelle, 
des Salzbrunnens, Elisabethbrunnens, Pouhon in Spaa, Wildunger Brun- 
nens, der Bilterwasser von Friedrichshall, Püllna, Saidschütz, des Sel- 
terser Wassers, des Karlsbader Mühl- und Neubrunnens, des Emser 
Kesselbrunnens, der Kosener (nicht Köserner, wie S. 127 steht) Sool- 
quelle, des Schlangenbader Schachtbrunnens, von verschiedenen Che- 
mikern mitgetheilt. Dieses ist der beste Theil des ganzen Buches. 
Es werden dann noch einige Notizen über das Verschliessen der Fla- 
schen, in welchen Mineralwasser versandt werden soll, so wie über 
den Liebig’schen Kohlensäuregas-Apparat, und endlich noch einige 
Vorschriften über Bereitung des kohlensauren Soda- und Magnesia- 
Wassers, einiger Bitterwasser, des Emser, Pyrınonter, Selters, Marien- 
bader Mineralbrunnens mitgetheilt. 

Das Werkchen könnte ein ganz brauchbares sein, wenn bei des- 
sen Ausarbeitung sich gründlichere Sachkenntniss mit grösserem Fleiss 


verbunden hätte. 
Dr. L. F. Bley, 


Henry Beasley’s neuer englischer Droguist für das Haus 
oder Taschen-Encyklopädie der neuesten und wich- 
tigsten Erfahrungen im Gebiete der Parfümerie, der 
Kosmetik in Beziehung auf Haut, Haare und Zähne, 
der Darstellung aller Art künstlicher Mireralwässer, 
der feinsten kühlenden und diätetischen Getränke, 
der Bereitung pikanter Gewürzpulver und Gewürz- 
saucen für dıe feinere Kochkunst, und endlich vieler 
Chemikalien für Künste, Gewerbe und die Hauswirth- 
schaft. Ein unentbehrliches Handbuch für Pharma- 
ceuten, Droguisten, Materialisten, Parfümisten, Destil- 
lateurs, Conditoren, Haushofmeister und Köche, so wie 
für Künstler und Gewerbtreibende überhaupt. Aus 
dem Englischen von Dr. Christian Heinrich 
Schmidt. Weimar 1854, Verlag und Druck von 
Bernhard Friedrich Voigt. 


Erste Abtheilung. Künstliche Mineralwässer und Salze zur 
Darstellung derselben. 

I. Capitel. Kohlensäurehaltige Mineralwässer. Die gegebenen 
Vorschriften sind äusserst oberflächlich. Im $. 5. ist ein kohlensäure- 
haltiges Lithionwasser angeführt. 

II. Capitel. Salinische kohlensäurehaltige Wässer. Hier sind Vor- 
schriften gegeben zur Bereitung der Mineralwässer von Baden, Carls- 
bad, Eger, Ems, Marienbad, Püllna, Seidlitz, Selters, Vichy, wobei 
keineswegs die neuesten und vollständigsten Analysen zu Grunde ge- 
legt sind. So fehlen z. B. im Egerwasser der Eisengehalt, das Lithion, 
Strontian, Manganoxyd, die phosphorsauren Salze, Kieselerde. Im 
Emser Wasser sind die Verhältnisse nicht die, welche die Analyse 
ergeben hat. 


350 Literatur. 


III. Capitel. Salinische nicht - kohlensäurehaltige Wässer. Hier 
finden sich Seewasser und Balarer Wasser aufgenommen. Bei erste- 
rem sind auf 1 Gailon = 160 Unzen 2 Drachmen Jodkalium und nur. 
1 Gran Bromkalium vorgeschrieben. 9 

IV. Capitel. Schwefelwasserstoffhaltige Wässer. Aachen. Die 
Vorschrift ist keineswegs eine genaue Nachahmung des chemischen 
Gehalts. 

V. Capitel. Stahlhaltige Wässer. Pyrmonter Quelle. Der Gehalt 
an schwefelsaurer Talkerde ist in der Vorschrift viel zu gross; Kali, 
so wie Lithion-, Kalk-, Strontian-, Thonerde-Salze fehlen ganz. 

VI. Capitel. Kohlensäurehaltige medicinische Wässer, welche keine 
Aehnlichkeit mit irgend einer natürlichen Quelle haben. Die erste 
Abtheilung umfasst nur 8 Seiten. 

Zweite Abtheilung. Parfümerie. 

I. Capitel. Destillitte Wässer. Dieses Capitel handelt von Dar- 
stellung des Rosen-, Orangenblüth-, Acacienblüth-, Bohnenblüth- und 
Hollunderblüth-, Erdbeeren-, Jasmin-, Moschus-, Veilchen- und Zimmt- 
wassers. 

II. Capitel. Geistige Wässer. In diesem Abschnitte sind 95 Vor- 
schriften aufgeführt zu Eau de Lavande, Eau de Cologne, Eau de 
Carmes, Eau d’ange, Eau de miel, Eau d’Elegance, Eau de Marechal, 
Eau de Millefleurs und viele andere. 

III. Capitel. Ammoniakalische Parfüme. Enthält 6 Vorschriften 
zu Eau de Luce, Essenz zu Riechfläschehen, Godfrey’s Riechsalz. 

IV. Capitel. Wohlriechende Essige. Hierin sind 11 Recepte zu 
aromalischem und Rosen-Essig, Lavendel-Essig, Orangenblüth-Essig etc. 
aufgeführt. 

V. Capitel, enthaltend Vorschriften zur Anfertigung von Potpour- 
ris, wohlriechenden Pulvern, Kisschen, Kugeln, Pastillen, Räucherkerzen. 


Dritte Abtheilung. Cosmetica für die Haut. 

I. Capitel. Waschmittel für das Antlitz. Diese bestehen in Re- 
cepten zu Mandelmilch, Rosenmilch, Gurkenmilch, Hauslauchmilch, 
Jungfernmilch, den Waschmitteln nach Schubarth, Withering, Siemer- 
ling, Alibert, Kittel. 

II. Capitel, Teigartige Massen. Pomaden, Cr&me, Lippensalben. 
Eine Sammlung von 33 verschiedenarligen Recepten. 

III. Capitel. Schminken für's Antlitz. Vorschriften zu rolhen und 
weissen Schminken von vollkommen unschuldigen Stoffen, 

IV. Capitel. Toiletteseifen. Umfasst 20 Recepte. 


Vierte Abtheilung. Kosmetische Mittel für das Haar, Ent- 
hält nur eine Vorschrift zu Haarpuder. 

I. Capitel. Zusammensetzungen zur Beförderung des Haarwuch- 
ses, 21 Recepte. 

II. Capitel. Pomaden und Waschwasser zur Verschönerung, Stär- 
kung und Reinigung der Haare. 16 Recepte. 

III. Capitel. Huiles antiques. Hier ist auch von der Darstellung 
des Rosenöls im Orient die Rede, Es wird hier erzählt, dass in 
China die frischen Rosenblätter mit den ölreichen Samen einer Digi- 
talis-Art, Digitalis sisama, geschichtet und nach mehrtägiger Mace- 
ration scharf ausgepresst würden. Sodann werde das Rosenöl durch 
Destillation vom fetten Oele getrennt. Ueber die Gewinnung des Rosen- 
öls in Damascus wird angeführt, dass dasselbe durch eine Art trock- 
ner Destillation aus Glasgefässen im Salzbade aus den frisch gesam- 


Literatur. 351 


melten Rosenknospen bereitet werde. Sodann folgen 14 Vorschriften 
über künstliche Oelmischungen. 

IV. Capitel. Waschmittel für die Haare. 6 Recepte. 

V. Capitel. Zusammensetzungen zum Steifmachen der Haare. 

VI. Capitel. Haarfärbemittel. Leider sind die meisten der Art, 
dass man vor dem Gebrauch warnen muss: denn sie enthalten grosse 
Mengen Bleioxyd, einige enthalten Silber, eines Kupfer und eines 
Pyrogallussäure. 

VII. Capitel. Kosmetische Stangenpomade für’s Haar; enthält 
4 Vorschriften, 

VIII. Capitel. Enthaarungsmittel. 4 Vorschriften, wovon 3 Aetz- 
kalk, hydrothionsauren Kalk empfehlen und eins Schwefelbaryum zu 
benutzen anräth.: 


Fünfte Abtheilung. Kosmetische Mittel für Zähne und Mund. 


I. Capitel. Zu Zahnpulver finden sich 51 Vorschriften. 

II. Capitel. Zahnpasten und Latwergen. 12 Vorschriften, 

II. Capitel. Flüssige Präparate für Zähne und Zahnfleisch. — 
Vorschriften zu Tincturen, Wässern und Elixiren enthaltend. 

IV. Capitel. Stärkere Tineturen, Solutionen oder Essenzen gegen 
Zahnweh. 16 Mittel. 

V. Capitel. Pillen oder Latwergen gegen Zahnweh. 4 Vorschriften. 

VI. Capitel. Kitte zur Ausfüllung hohler Zähne. 16 Vorschriften. 


Sechste Abtheilung. Getränke, diätetische Artikel und Gewürze. 


I. Capitel. Getränke und Pulver zur Bereitung derselben. Ing- 
werbier, Limonaden, Organden, Sherbet, Syrupe, Essige, Nelkenpul- 
ver, Gelees. 

II. Capitel. Diätetische Mittel. Gerstenwasser. Sago. Islän- 
disches Mocs. Carraghen-Moos. Verschiedene Gallerten. Chocoladen. 
Ervalenta. Revalenta. Diese Artikel, deren unverschämte Anpreisun- 
gen leider :die meisten deutschen Zeitungen füllen, ohne dass die 
Behörden diesen beabsichtigten Prahlereien bis dahin eine Grenze 
gesetzt hätten, besteht nach den hier mitgetheilten Angaben aus rolhen 
ägyptischen oder arabischen Linsen mit Gerstenmehl. — Fleischextract, 
Fleischzwieback u. s, w. 

III. Capitel, Gewürze und verschiedene Zusammensetzungen für 
die Küche. 10 Vorschriften. 

IV. Capitel. Essenzen. Tincturen für die Küche. 13 Recepte. 

V. Capitel. Essige. Saucen für die Küche. 19 Vorschriften. 

VI. Capitel. In Essig eingemachte Gegenstände. Pickles. 17 
Recepte. 


Siebente Abtheilung. Chemikalien, 


I. Capitel,. Verschiedene Präparate und Zusammensetzungen, wel- 
che in den Künsten, in der Hauswirthschaft, zu chemischen Unter- 
suchungen, zur Belustigung u. s. w. verwendet werden. 

In diesem Capitel sind Vorschriften enthalten zu: Achsenschmiere, 
Aetzflüssigkeiten, Aschenkugeln. Elektrotypische Mittel. Barytsalze. 
Benzol. Berlinerblau. Birnessenz. Blau, chemisches und sächsisches. 
Bleichflüssigkeit. Boraxglas. Branntweinfarbe. Braunschweiger Schwarz. 
Bronze. Bronzirflüssigkeit. Butter zu conserviren. Butteräther. Camphin. 
Candirte Gegenstände. Kapseln. Chlorkalk. Chlornatron. Chloroform. 
Chlorplatin, Chromoxyd. Cochenille, Colladien. Copirpapier. Dextrin. 


352 Literatur. 


Diastas. Dünger, künstlicher. Eier zu conserviren. Elektrotypformen. 
Essig. Farben für Conditoren. Feuer, farbige. Feuerschwamm. Fil- 
trirpulver. Firnisse. Flecke zu beseitigen. Fliegengift. Flussmittel. 
Flusssäure. Fuselöl. Darstellung und Benutzung desselben. Gährungs- 
hemmungsmittel. Galle, geläuterte, Gallussäure, brenzliche. Gase. 
Gefriermischungen. Gelatine. Gerbsioff. Glas. Holzkohle. Holzfärbung. 
Indig. Jod. Jodkalium. Kitte. Kleber. Knochenmehl. Kupfersalze. Lacke. 
Lackmus. Legirungen. Leim. Marınor, Milchconservirung. Möbelteig. 
Musivgold. Natron. Oelreinigung. Photographie. Pigmente. Prüfungs- 
mittel, z. B. auf hartes Wasser. Weinprobe u.s. w. Räucherungen. 
Säuren. Schiessbaumwolle. Schiesspulver. Schmiere für Leder, Seife. 
Siccativ. Siegellacke, Stärke. Stearin. Strontian. Tinten. Tusche, Ver- 
silberung. Vogelleim. Waschmittel. Wichse. Zink. 


Den Beschluss macht Capitel II.: Verhältnisse der englischen 
Maasse und Gewichte zu den preussischen, wie auch der Fahrenheit- 
schen Thermometerscale zu denjenigen von Celsius und Reaumur. 


Es ergiebt sich, dass dieses Buch ein nützliches Allerlei darbietet 
und so in vielen Fällen ein brauchbarer Rathgeber werden kann. 
Selbst Apotheker werden in denselben so manche Vorschriften bei- 
sammen finden, welche sie sonst erst mühsam aufsuchen müssten. Da 
der Preis ein billiger ist, so wird es gewiss zahlreiche Abnehmer 
finden, 


Dr. L.:F, Bley: 


353 


Zweite ‚Abtheilung. 


Vereins - Zeitung, 


redigirt vom Direetorio des Vereins. 


1) Zur Medieinal - Polizei. 


Revalenta arabica. betreffend. 


Ihre Immediat-Vorstellung vom 13ten v.M. und J. in Betreff des 
Debits der sogenannten Revalenta arabica ist ohne nähere Allerhöchste 
Bestimmung zur Verfügung an mich abgegeben worden. Ich eröffne 
Ihnen, unter Rücksendung der Anlage, dass das öffentliche Ausbieten 
der Revalenta arabica als eines Heilmittels gegen bestimmte Krank- 
heiten bereits verboten ist, dass aber der Ankündigung und dem Ver- 
kaufe der Substanz als Nahrungsmittel, da dasselbe keine schädlichen 
Bestandtheile enthält, nicht entgegengetreten werden kann. 

Berlin, den 13. Januar 1854. 

Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- 
Angelegenheiten. k 
An v. Raumer, 
den Apotheker Herrn 
Dr. Joh. Müller 
No. 407. M. hier. 


Noch am 30. April ist in den Berlinischen Nachrichten für Staats- 
und gelehrie Sachen (Spener’sche Zeitung) bei der Ankündigung die- 
selbe als Arzneimittel namentlich mit den Aitesten des Dr. Gries in 
Magdeburg, des Medicinalraths Wurzer in Bonn und anderer Aerzte 
angepriesen worden, ’ 


Im Namen Sr. Majestät des Königs. 

Den täglichen Anpreisungen in öffentlichen Blättern, der sogen. 
Revalenta arabica gegenüber, wird das Publicum darauf aufmerksam 
gemacht, dass die im Handel unter diesem Namen vorkommende Sub- 
stanz nichts als ein Bohnenmehl ist, vielleicht mit Zusatz von etwas 
Weinstein, dass dasselbe durchaus keine arzneiliche Kräfte besitzt, und 
als Nahrungsmittel von widerlichem Geschmack ist, und deshalb, aber 
auch wegen seines hohen Preises, durch viele andere Substanzen der 
Art ersetzt wird, 

Speyer, den 1, März 1854. 

Königl. Bayerische Regierung der Pfalz. 


Kammer des Innern. 
(Kreisbl. No. 16.) \ v. Hohe. 


Arch.d. Pharm. CXXVIIT. Bds. 3. Hft. = 


354 Vereinszeitung. 


Neueste Bayerische Verordnungen, die Ankündigungen, 
Anpreisungen und den Verkauf von Geheimmitteln 


betreffend. 


Durch ein Justizministerial-Rescript vom 12. December v.J. wird, 
da die gegen Aufnahme von Ankündigungen und Anpreisungen von 
Arznei- und Geheimmitteln in öffentlichen Blättern ohne polizeiliche 
Bewilligung erlassenen Verordnungen noch in Kraft bestehen, den 
Gerichten aufgetragen, alle durch solche Ankündigungen etc, began- 
genen Uebertretungen nach den für Behandlung von Polizeistrafsachen 
bestehenden Normen zu untersuchen und in Anwendung der den 
Polizeibehörden durch $. 91. des organischen Ediets vom 24, Sep- 
tember 1808, dann durch die Verordnungen vom 28. Februar 1858 
und 28. October 1846 eingeräumten Stralbefugniss abzurtheilen. »Diese 
den Gerichten seit Erlassung des Pressedicts vom 4. Juni 1848 oblie- 
gende Verpflichtung«, sagt das Ministerial- Rescript, »scheint nicht 
gehörig beachtet worden zu sein; jedenfalls ward sie bis jetzt nich! 
mit jener Consequenz, welche durch die Wichtigkeit des Gegenstandes 
geboten ist, durchgeführt. In Folge dessen haben sich in neuerer 
Zeit die Ankündigungen geheimer Arzneimittel, deren Anwendung 
unerfahrene Personen oft nicht nur in pecuniären Nachtheil versetzt, 
sondern auch an ihrer Gesundheit beschädigt, in auffallender Weise 
vermehrt und selbst in bedeutenderen Zeitungen Aufnahme gefunden. 
Nicht selten sind diese Ankündigungen mit den schmählichsten, das 
sittliche Gefühl verletzenden Exemplificationen verbunden.« 

Ferner wurden durch ein Ausschreiben der Königl. Regierung von 
Oberfranken sämmtliche Distriets-Polizeibehörden des Regierungsbezirks 
gemessenst angewiesen, mit aliem Nachdruck den Verkauf medici- 
nischer unpriveligirter Geheimnittel zu heinmen, Ankündigungen solcher 
Mittel als Veranlassung zu ungesäumten genauen Nachsuchungen bei 
den betreffenden Personen zu benutzen, und im Falle sich hierbei 
Verkaufsvorräthe von derlei Mitteln vorfinden, diese zu confisciren 
und mit nachdrücklichen Strafen einzuschreiten, B. 


Königlich Bayerische Verordnung, die Färbung des Papiers 
und der Tapeten mit arsenigsaurem Kupfer betreffend. 


Das Königl. Staatsministerium des Innern hat an sämmtliche Kreis- 
Regierungen folgende Verfügung erlassen: 

Durch Ministerial-Enischliessung vom 23. Januar 1848 ist den 
Königl. Regierungen, Kammer des Innern, eröffnet worden, dass die 
Anwendung des Schweinfurter Grün (arsenigsaures Kupfer) bei Tapeten 
und Anstrichen in so fern gestattet sei, als die damit angestrichenen 
Tapeten gehörig geglättet sind, und die für die Wände benutzte Farbe 
durch ein gutes Bindemittel befestigt wird. Hiernach sollten die Fabri- 
kanten, Gewerbs- und Handelsleute angewiesen, und das Publicum 
vor dem Gebrauche der ungeglätieten, mit arsenigsaurem Kupfer ge- 
färbten Tapeten, so wie des ÄAnstrichs von Wänden mit dergleichen 
Farben ohne gutem Beimittel gewarnt werden, Das unterzeichnete 
Staatsministerium sieht sich nun von Saniläts-Polizei wegen veranlasst, 
die Königl. Regierung, Kammer des Innern, auf diese Verfügungen 
hierdurch zu verweisen, damit dieselben neuerlich in Erinnerung ge- 
bracht werden, und ihre Beachtung allenthalben eine strenge Veber- 


Vereinszeitung. 355 


wachung finde. München, den ij. November 1853. Auf Sr. Königl. 
Majestät Allerhöchsten Befehl. Graf Reigersberg. 


Calomel- Waschwasser. 


In der Umgegend von Dinkelbühl (Mittelfranken) wird von Quack- 
salbern ein Schönheitswasser und eine Schönheitssalbe verkauft, welche 
zusammen 1 fl.6kr. kosten, dem Verfertiger aber höchstens auf 12 kr. 
zu stehen kommen. 


Nach Wittstein’s Untersuchung ist in dem etwa 4 Unzen hal- 
tender Medicinglase des Waschwassers 1 Drachme auf nassem Wege 
bereiteter Caromel enthalten. Die Schönheitssalbe wird in einem etwa 
6 Drachm. fassenden Porcellantöpfchen ausgegeben, und besteht aus 
einem Cerat vom besten Oele mit etwas Perubalsam, 


Dieses Waschmittel soll gegen Sommersprossen ganz vorzügliche 
Dienste leisten, wenn man aber erwägt, was für nachtheilige Folgen 
durch den Gebrauch desselben auf die Gesundheit ausgeübt wird, so 
wäre es wohl an der Zeit, dass der öffentliche Verkauf eines solchen 
Mittels polizeilich untersagt würde. (Wiittst. Vierteljahrsschr. Bd.2. 
H.4. 1853.) B. 


Berlin, 26. April 1854. _ Mehrere K. Regierungen haben sich 
vor Kurzem veranlasst gesehen, in Betreff der öffentlichen Anpreisung 
und des Verkaufs von Heilmitteln gegen Krankheiten auf Grund des 
$.11. des Gesetzes vom 11. März 1850 über die Polizei - Verwaltung 
für den ganzen Umfang ihrer Verwaltungshezirke Folgendes zu ver- 
ordnen: Wer unbefugter Weise irgend welche Stoffe als Heilmittel 
gegen Krankheiten oder Körperschäden öffentlich anpreiset, oder als 
ein solches Heilmittel verkauft und feil hat, wird mit einer Geldbusse 
von 3—10 Thlir. bestraft, vorbehälilich der durch die sonstigen gesetz- 
lichen Bestimmungen verwirkten strengeren Strafen. 


Das Arsenik-Gift dient bekanntlich dazu, eine schöne grüne 
Farbe herzustellen, dasselbe ist sogar zur Herstellung dieser Farbe auf 
Tapeten, Rouleaux u. s. w. gar nicht zu entbehren. Wird dabei mit 
der gehörigen Vorsicht verfahren, so entsteht aus dem Gebrauche sol- 
cher Decorationsmittel kein Nachtheil für die Gesundheit. Wird aber 
der Arsenik in zu starkem Maasse der betreffenden Farbenmischung 
zugesetzt, so kann ein solches Versehen die schrecklichsten Folgen 
für die Gesundheit nach sich ziehen, Die Polizeibehörden haben daher 
diesem wichtigen Gegenstande eine besondere Aufmerksamkeit zuge- 
wendet und es bestehen in mehreren grossen Städten in Betreff des- 
selben besondere localpolizeiliche Verordnungen. In Berlin hatte das 
Polizei- Präsidium durch eine Polizei- Verordnung vom 15. Mai 1850 
den Verkauf solcher arsenikhaltigen Gegenstände ganz verboten. Die 
Erfahrung hat aber gelehrt, dass eine solche Verordnung nicht aufrecht 
zu erhalten ist, ohne den Gewerben einen bedeutenden nicht zu recht- 
fertigenden Nachtheil zuzufügen, weil der Arsenik eben, wie schon 
oben angegeben ist, bei Herstellung gewisser grüner Farben durchaus 
nicht ‚zu entbehren, und weil sich bei gehöriger Vorsicht alle Nach- 
theile für die Gesundheit beseitigen lassen. Die polizeiliche Fürsorge 


23* 


356 Vereinszeitung. 


kann sich also eigentlich nur darauf beschränken, den übermässigen 
Gebrauch des Arseniks zu verhüten. In Folge dessen hat das Polizei- 
Präsidium in neuester Zeit von einer strengen Durchführung der Ver- 
ordnung vom 15. Mai 1850 Abstand genommen, zumal der $. 304. 
des erst nach dieser Verordnung publicirten neuen Strafrechis eine 
sehr zweckmässige Verordnung zur Erledigung des fraglichen Gegen- 
standes dahin enthält: »Wer vergiltete oder mit gefährlichen Stoffen 
vermischte Sachen mit Verschweigung dieser Eigenschaft verkauft, 
wird, wenn er wissentlich Unglück angerichtet hat, mit schweren 
Zuchthausstrafen, wenn er fahrlässig gehandelt hat, mit Gefängniss bis 
zu zwei Jahren bestraft.« — Es können also jetzt solche nicht über- 
mässig mit Arsenik verseizte Tapeten verkauft werden. Die beiref- 
fenden Kaufleute sind aber verpflichtet, beim Verkauf derselben das 
Publicum ausdrücklich von deren Eigenschaften zu unterrichten und 
zur Vorsicht zu ermahnen, 


Ueber Geheimmittel. 


Wenn man die vielen jeizt in allen Zeitungen und Localblättern 
(besonders in denen der kleineren Länder) marktschreierisch ausgebote- 
nen Heil- und Geheimmittel überblickt, so wird der Glauben unwill- 
kührlich in uns rege, dass die Industrie sich vor Allem dieses Feld 
als einen zur Ausbentung am meisten geeignelen Boden ausersehen 
habe. Da ist kein Theil des menschlichen Körpers vom Kopfe bis zu 
den Füssen, für welchen, wenn er leidend ist, nicht schon die zur 
radicalen Heilung dienende Panacee erfunden und ausgeboten wäre, 
und wenn man die für die verschiedensten Krankheiten gefundene 
und als unfehlbar gepriesenen Mittel betrachtet, so sollte man meinen, 
es sei dem Tode die Macht genommen, und die ewige Jugend des 
Menschengeschlechts bereits eingekehrt. 

Leider findet es sich bei näherer Betrachtung, dass wir um keinen 
Schritt weiter vorwärts gekommen sind, auch liegt einem grossen 
Theile der ausgebotenen Mittel gar nicht als Zweck die Heilung unter, 
sondern die Tendenz der Erfinder ist dahin gerichtet, sich selbst den 
Seckel zu füllen, wie denn auch schon mancher solcher Industrieritter 
sich beträchtliche Schätze erworben hat. 

Mehrere um ihre Staatsangehörigen besorgte Regierungen haben 
durch geeignete Vorschriften über den Arzneihandel diesen Bevorthei- 
lungen vorzubeugen gesucht. So sollen z. B. nach schon früher ven 
der Herzogl. Landes-Regierung in Meiningen getroffenen Bestimmungen, 
welche vor Kurzem wieder, zugleich mit einigen betreffenden Censur- 
Vorschriften, neu eingeschärft worden sind, die zu vorgeschützten 
Heilzwecken dienenden Arcana nicht ohne vorausgegangene Prüfung, 
auch nur zu bestimmten Preisen und aus Apotheken verkauft werden. 
Den Betrieb der zu häuslichem und allgemeinem Gebrauche zu ver- 
wendenden und der sogenannten kosmetischen Mittel hat man frei- 
gegeben unter der Bedingung, dass dieselben beim Verkauf nicht als 
Heilmittel empfohlen, ihnen auch keine für als solche bezeichnenden 
Etiqueiten beigegeben werden sollen. 

Ueber den letzterwähnten Umstand erhalten indessen die Behörden 
nur sehr selten Auskunft, denn sie bekommen die betreffenden Mittel 
nicht selbst zu Gesicht und es ist oft schwer, nach den Ankündigun- 
gen die arzneilichen von den übrigen Dingen zu unterscheiden, denn 


Vereinszeitung. 357 


ein erfinderischer Geist weiss sich zu helfen, wie z. B. das Folgende 
lehren wird. 

Neben verschiedenen zum Theil kosmetischen Mitteln, deren An- 
preisung in unsern Localblättern gerade jetzt mit bewunderungswür- 
diger Ausdauer betrieben wird und unter welchen z. B. das, das 
Grauwerden der Haare verhindernde Klettenwurzelöl des Carl 
Jahn in Gotha, ferner die Dr. Borchardt’s aromatische 
Kräuterseife, dann auch die (schon einen Heilzweck, wenigstens 
die Heilung der durch Frost etc. aufgesprungenen Hände verfolgende) 
Balsamische Erdnuss-Oelseife der Gebrüder Leder in 
Berlin, ferner noch »Suin de Boutewarde’s aromatische 
Zahnpasta oder Zahnseife« zunennen sind (welche letztere nach 
ihrem Begleitschein ein »medicinisch bereitetes« Mittel genannt wird 
und deshalb doch zum Ressort der Apotheker gehörig und den Zahn- 
pulvern gleichzustellen ist*), suchten sich bis zu der neu eingeführten 
Verordnung besonders die Ackermann’schen und Rheinischen 
Brustcearamelien durch Vervielfältigung der Verkaufs- Anzeigen 
den Rang streitig zu machen. 

Unter den letztgenannten Mitteln wetteiferten aber in derselben 
Zeit die krystallisirten Kräuterbonbons des Königlich 
Preussischen Kreisphysikus Dr. Koch zu Heiligenbeil, 
und die geschickte Art und Weise, mit welcher derselbe manövrirt, 
ist es, auf welche die Aufmerksamkeit hingelenkt werden dürfte. 

Wohlbekannt mit gewissen Medicinal-Einrichtungen der verschie- 
denen Länder weiss der Verbreiter recht gut, dass die betreffenden 
Bonbons nicht geradeze als Heilmittel declarirt werden dürfen. Trotz 
der ihnen seiner Angabe nach beigegebenen reichhaltigen Bestandtheile 
an vorzüglichst geeigneten Kräuier- und Pflanzensäften sind dieselben 
nur als mildnährendes, stärkendes und kräftigendes Hausmittel, 
welches sich sehr vortheilhaft vor den sogenannten ÖOttonen, Päle 
peetorale, unterscheidet, in der öffentlichen Ankündigung von demselben 
aufgeführt. Von der Antragung indessen, dem Mittel Absatz zu ver- 
schaffen, kann man sich dadurch einen Begriff machen, dass in den 
aneinander grenzenden Ländern von Hessen, Thüringen, Bayern und 
Preussen bereits nicht weniger als 44 Depositairs genannt sind, welche 
den Verschleiss der Bonbons zu besorgen haben. 

Auf den viereckigen Schachteln, in welchen die Bonbons ver- 
sendet werden, findet sich folgende Aufschrift: 

Doctor Kochs’ (Königl. Preuss. Kreisphysikus zu Heiligenbeil) 
Kräuterbonbons. 
(Bonbons aux herbes pectorales du Docteur Koch, medecin- 
major & Heitigenbeil) 
und weiter heisst es: »Diese aus den feinsten Kräuter- und Pflanzen- 
säften mit einem Theile des reinsten Zuckerkrystalls zur Consistenz 
gebrachten Kräuterbonbons wirken lösend und mildernd gegen Husten, 
Heiserkeit, Engbrüstigkeit, Brustbeklemmungen und andere katarrha- 
lische Uebel, indem sie durch ihre mildnährenden und stärkenden 
Bestandtheile die gereizten Schleimhäute in den Bronchien’ besänftigen 


*) Von dieser Seife sah ich bei einem meiner Bekannten ein Stück, 
welches derselbe zu dem Preise von 6 Sgr. angekauft hatte, 
Es sah lichtchocoladebraun aus, wog 5 Quentchen und war mit 
Pfeffermünzöl schwach parfümirt, dagegen ziemlich stark mit 
Bimssteinpulver ausgestattet. 


398 Vereinszeitung. 


und wieder kräftigen.«e — Wenn hiernach auch die arzneiliche Zu- 
sammensetzung ziemlich offen angedeutet ist, so sind die dahin ab- 
zweckenden Worte und besonders der Ausdruck Heilmittel oder Aehn- 
liches sorgsam vermieden. Nebenbei ist nun aber auch den Bonbons 
in den Schachteln eine weitere Erklärung beigelegt, welche wegen 
ihrer schwülstigen Fassung, besonders aber, um die Art und Weise 
zu zeigen, wie Dr. Koch so geschickt die ausgezeichnete Heilkräftig- 
keit seines Mittels hervorzuheben, bei alledem aber dasselbe immer 
wieder als Hausmittel hinzustellen bestrebt gewesen ist, einer ausführ- 
lichern Mittheilung werth ist. Das betreffende Doeument lantet fol- 
gendermaassen: _ — _ — -- _ _ — 


— — — — — — — — — — _—- 


»Es ist hier nicht thunlich, genauer auf die Bestandtheile unserer 
Bonbons einzugehen und die Gesichtspuncte zu entwickeln, welche 
bei der Composition maassgebend gewesen sind. Nur so viel bemer- 
ken wir, dass es unsere Aufgabe war — eine Aufgabe, deren Lösung 
wir seit Jahren mit allem Eifer nachgestrebt haben — in der Form 
eines Bonbons eine Anzahl von Pflanzenmitteln zu vereinigen, welche 
sich notorisch in Leiden der Respirationsschleimhaut bewährt batten. 


Gerade in unsern Tagen ist die Arzneimittellehre durch ‘chemische 
und physikalische Erfindungen, was die Zerlegung der Heilmittel so- 
wohl, als die Wirkung derselben auf den menschlichen Körper betrifft, 
ausserordenilich erweitert und bereichert worden. Die Wissenschaft, 
fortwährend tiefer in die Geheimnisse der Natur und ihrer Kräfte 
eindringend, hat viele zusammengesetzte ältere Heilmittel verworfen 
und neue an deren Stelle gesetzt, die einfacher und dennoch kräftiger 
auf den menschlichen Körper einwirken, welcher ebenfalls den genaue- 
sten Beobachtungen und Untersuchungen unterworfen worden, die zu 
früher unglaublichen Resultaten geführt haben. Das Blut und die 
übrigen Bestandtheile des menschlichen Körpers, aus deren mehr oder 
weniger anormalem Zustande die Krankheiten entstehen, hat man 
chemisch und mikroskopisch untersucht und diese Untersuchungen 
haben ganze frühere Theorien von Krankheiten evident verwerflich 
gemacht und an deren Stelle unwidersprechliche Resultate gesetzt. 
Durch einen einfachen Zusatz zu den gewöhnlichen Nahrungsmitteln 
gelingt es oft dem Arzte, schwere Krankheiten zu verhüten oder die 
schon entstandenen zu heilen. 


Wir sind in der Bereitung unserer Kräuterbonbons diesen Ergeb- 
nissen der allmäligen Ergründung der Naturgesetze gefolgt. — Wir 
haben vielen Herren Aerzten, deren Namen wicht nur in ihrem 
resp. Wohnorte einen guten Klang haben, sondern deren Ruf auch in 
weite Ferne gedrungen, die Composition unserer Kräuterbonbons vor- 
gelegt und von Allen ist dieselbe, nach erfolgter sorgfältiger Prüfung, 
als gut und zweckmässig befunden worden. Wir können daher 
diese aus den vorzüglichst geeigneten Kräuter- nnd Pflanzeusäften mit 
einem Theile des reinsten Zuckerkrystalls zur Consistenz gebrachten 
Kräuterbonbons als ein probates Hausmittel gewissenhaft empfehlen 

gegen trocknen Reiz- und Krampfhusten, Heiser- 
keit, Engbrüstigkeit, Brusibeklemmungen und 
andere katarrhalische Uebel. 

Sie werden in allen diesen Fällen lindernd, reizstillend 
und besonders wohlthuend auf die gereiste Luftröhre und ihre 
Verästelungen einwirken, den Auswurf sehr erleichtern und durch 


Vereinszeitung. 359 


ihre mildnährenden und stärkenden Bestandtheile die affıcirten 
Schleimhäute in den Bronchien wieder kräftigen. 

Es unterscheiden sich also Dr. Koch’s krystallisirte Kräuterbon- 
bons nicht nur durch diese ihre wahrhaft wehlthuenden Eigen- 
schaften sehr vortheilhaft von den so oft angepriesenen sogen. Cara- 
mellen, Ottonen, Päle pectorale etc., sondern sie zeichnen sieh von die- 
sen Erzeugnissen noch besonders dadurch aus, dass sie von den Ver- 
dauungswerkzeugen leicht ertragen werden und selbst bei länge- 
rem Gebrauche keinerlei Magenbeschwerden, weder Säure noch 
Verschleimung erzeugen oder hinterlassen u, s. w.« 

Fragen wir nun, woraus sind diese Bonbons von so ausgezeichnet 
heilsamen Eigenschaften, welche nach der mitbeigedruckten Bemerkung 
von dem Königl. Preuss. Medieinalrath und Stadtphysikus Dr. Mag- 
nus in Berlin chemisch analysirt und von vielen geachteten Aerzten 
als bewährt empfohlen sind, eigentlich bestehen und welche vor- 
züglich geeigneten Kräuter- und Pflanzensäfte oder Quimtessenzen sind 
wohl dazu benutzt worden, so glaubt Schreiber dieses die Frage mit 
Gewissheit dahin beantworten zu können, dass sie nach dem Mangel 
aller versuchten Reactionen etwas Derartiges nicht enthalten, sondern 
sie sind in ihrer chemischen Zusammensetzung und also auch in ihrer 
arzneilichen Wirkung dem Rohrzucker oder höchsten Falles dem Malz- 
zucker vergleichbar. Sie besitzen die Grösse und die viereckige Ge- 
stalt der sogenannten Malzsteinchen, aber von Malzauszug wird nicht 
viel dazu benutzt sein, denn im Geschmack isi wenig davon wahr- 
zunehmen und auch der Zucker ist zu schön krystallisirt. Statt dessen 
ist der Zuckerguss mit irgend einer Pllanzenfarbe (welche aus einem 
blauen und aus einem rothen Äntheile besteht, wovon der rothe in 
Wasser unlöslich ist und wahrscheinlich eine Art von Kugellack sein 
wird) röthlich-blau gefärbt, und als parfümirende Substanz ist Oleum 
Neroli in hächst geringer Menge benutzt — so dass man diese Bon- 
bonus allenfalls auch dem Syrop capillaire, der vor einiger Zeit in 
unsern Tageblättern eine nicht weniger grosse Rolle spielte, in medi- 
einischer Hinsicht an die Seite stellen kann. In einer sogenannten 
halben Schachtel, welche 5 Sgr. kostet, befinden sich 18 solcher 
Bonbons, diese wiegen 4 Loth. Das Pfund dieses der Hauptsache 
nach aus Zucker bestehenden Mittels berechnet sich also auf 1 Thlr. 
10 Sgr., wofür mar 6-7 Pfd. jedenfalls ungleich heilkräftigeren Malz- 
zucker ankaufen kann. 

Schreiber Dieses weiss nun zwar nicht, in wie weit Dr. Koch 
und jeder andere Arzt im Königreich Preussen zur fabrikmässigen 
Anfertigung und zum Vertrieb dieser Bonbons oder ähnlicher Mittel 
berechtigt ist. Im Allgemeinen wird aber zu fragen sein, zu welcher 
Gattung von Mitteln dieselben gehören. Nach ihrer Zusammensetzung 
sind sie zwar aus sehr unschuldigen Stoffen angefertigt und ihr Verbreiter 
selbst verfehlt nicht, sie ein Hausmittel zu nennen. Aus den übrigen 
Redensarien in seiner Anpreisung geht aber deutlieh hervor, dass sein 
Bestreben stark dahin gerichtet ist, seinem Fabrikate in den Augen 
des Publicums das Ansehen eines äusserst kräftigen Heilmittels in jeder 
Art von Brustleiden zu verschaffen. Aus diesem Grunde hätten diese 
Bonbons nach unserer Ansicht, besonders auch, weil in der Ankün- 
digung von Anwendung von vorzüglichst geeigneten (also vorzüglichst 
dienlichen — heilsamen) Kräuter- und Pflanzensäften die Rede ist, 
trotz Koch’s Stempelung derselben zum Hausmittel, doch immer als 
Arzneimittel betrachtet werden müssen, deren Vertrieb wohl nur allein 


360 Vereinszeitung. 


den Apothekern zukommt. Weil aber ihre Zusammensetzung von dem 
Erfinder keineswegs kund gegeben wird, so dürften sie noch mehr 
unier die Geheimmittel zu begreifen sein, welche nach Preussischen 
Gesetzen, so viel uns bekannt ist (wenn das Medicinalediet von 1725 
noch in Kraft ist — vergl. Koch’s Preuss. Medicinalgesetze) auch nur 
nach vorgängiger Prüfung und zwar ebenfalls aus Apotheken verkauft 
werden sollen. — Dem allgemeinen Urtheile mag übrigens die Ent- 
scheidung überlassen bleiben, ob ein in solcher Weise betriebenes 
Geschäft mit Kräuterbonbons dem Standpuncte und der Würde eines 
Königl. Preussischen Kreisphysikus angemessen ist! 


Meiningen, im Februar 1854. Franz Jahn. 


.2) Vereins -Angelegenheiten. 


Veränderungen in den Kreisen des Vereins, 


Im Kreise Ruppin 
ist eingetreten: Hr. Apoth. Schuncke in Wildberg. 


Im Kreise Sondershausen 
scheidet Hr. Fabrikant Schatten aus. 


Im Kreise Gotha 
tritt Hr. Apoth. Ottomar John in ‚Tambach ein, 


Im Kreise Hannover 
scheidet Hr. Apoth. Meier in Winsen aus, da er die Apotheke 
in Gieboldehausen erkauft hat. 
Im Kreise Hildesheim 
wird Hr. Apoth. Seelhorst in Meinersen zu Ende d. J. aus- 
scheiden. 
Im Kreise Lüneburg 
tritt zu Ende d, J. Hr. Apoth. Behr in Rehburg aus. 


Bericht der Bucholz- Gehlen - Trommsdorff’schen Stiftung 
zur Unterstützung ausgedienter würdiger Apotheker- 
gehülfen; vom Jahre 1853. 


I. 
Bestand des Capitalvermögens am Ende 
des Jahres 1852. „... 05 “ed eraat) .w 21,190 Th INSERer, 
Bestand desselben am Ende d. J. 1853 21,01 » 2» Tun 


Demnach würde sich der Unterstützungs- 
fonds verringert zeigen um . . . 2... 30 Thir. 11 Sgr. 4 Pf. 

Dieser Verlust ist jedoch nur scheinbar, da er hervorgegangen 
ist aus der Umwandlung einiger Staats- und Eisenbahnpapiere, welche 
eine geringere Rente trugen, gegen Papiere von gleicher Sicherheit 
und von grösserem Rentenertrage. Der Stiftungsfonds hat daher nur 
nominell an Capitalbestand verloren, während er eine Vermehrung 
seiner jährlichen Rente um 32 Thlr. 22 Sgr. 6 Pf. erzielte. 

“ Zudem ist aus Il. dieses Berichts ersichtlich, dass wir gegen das 

Jahr 1852 = 115 Thlr. mehr an hülfsbedürftige Gehülfen zahlten. 


Vereinszeitung. 


1. 


Pensionen für würdige und hülfsbedürftige Gehülfen: 
1) An Herrn Uffein in Rhoden 


” 


Schneider in Friesack . 


Flohr in Stollberg 
Beez in Immenrode 
Seyd in Schwarza 

Heinrichs in Pölitz 


Pollack in Pr. 


Friedland 


Becker in Blankenburg in Thürin- 
gen, 2tes Halbjahr ; 
Karbe in Berlin, 2tes Halbjahr . 


Zusammen 


I. 


Milde Beiträge gingen ein: 
Von den sechs Apothekern Erfurts . 


indem wir diesen Bericht, 


Für 1852: 
Herrn Gehülfen Bering in Erfurt . 


Pape daselbst . 
Fritzsche das. 
Lesser das. 
Löber das. 
Stock das. 


Schönduve das. . 


Ehrhardt das. 
Meyer das, 


Für 1853: 


Brömmel das. 
Krinitz das. 

Nitzschke das. 
Bering das . 
Ehrhardt das. 
Wagner das. . 


Kromeyer das... 


Teusler das, 
Hübner das. . 


361 

50 Thlr 
6% 
50 ” 
SO 
40 [3 
40 n 
60 
25 u 
2 u 

. 395 Thlr. 


. 12 Thlr. — Sgr. 


1 

1 

1 
Se 
1 

1 

1 

1 


| | » 


Zusammen . 28 Thlr. 17 Sgr. 
unsern Staiuten gemäss, hiermit ver- 


öffentlichen, können wir wegen der Grundsätze unserer Verwaltung 
auf unsere früheren Jahresberichte uns beziehen, und empfehlen hier- 
nach unsere Stiftung dem Wohlwollen aller derer, welche in derselben 
das schönste Denkmal unserer verklärten Stifter und den reinsten Aus- 
druck der menschenfreundlichen Leistungen erblicken, womit sämmt- 
liche Mitgründer das Wohl der Pharmacie von dieser Seite her ange- 


strebt haben. 


Erfurt, den 23. April 1854. 
Der Vorstand der Bucholz-Gehlen -Trommsdorffschen 


Bucholz, 
Biltz. 


Stiftung. 


W, Trommsdorff. 


Koch, 


W. Frenzel, 


A. Lucas, 


362 Vereinszeitung. 


Notizen aus der General-Correspondenz des Vereins. 


Von Hrn Kreisdir, Med.-Ass. Beyer wegen Veränderungen im 
Kr. Hanau Von Hrn. Vicedir. Löhr wegen eben solcher im Kr. Cöln. 
Von HN. Bender, Brewer, Schulz, Wahl, Ernst, Steinmül- 
ler, Wallesky, Brekenfelder, Karbe, Crowecke, Seckel, 
Lohmann, Kroll, Kalvert, Wirth’s Kinder, Wwe. Leonhard, 
Wwe. Hellwig, Wwe. Hecker Anträge zu Unterstützungen. An 
HH. Vicedir. Geske, Vicedir Ohme, Vicedir. Kusch, Kreisdir, 
Giese, Wetter, Dr. Geflcken, Limann wegen Abrechnungen. 
Von Hrn. Dr. A Overbeck und Hrn. R. Brandes wegen Todes 
des Hrn. Salinedir. Brandes. Wegen Directorial-Conferenz von den 
HH. Dir. Faber, Overbeck, Herzog, L. Aschoff. Wegen Ver- 
einsrechuung von Hrn. Ehrendir. Dr. Meurer und Hrn. Volland. 
Beitrag zum Archiv von HH. Med.-Rath Dr. Müller, Dr. Meurer, 
Dr.Overbeck. Von Hrn. Kreisdir. Bohlen wegen Hrn. Grodsky’s 
wiederholter Bitien. Von Hrn. Vicedir. Bucholz wegen Gehlen- 
Bucholz-Trommsdorff’schen Instituts, An sämmtliche HH. Vicedirec- 
toren nothwendige einstweilige Maassregela wegen Ablebens des Hrn. 
Rechnungsführers Von Hrn. Vicedir. Berg-Comm. Retschy wegen 
mehrerer Veränderungen in einigen Kreisen des Vicedir. Hannover. 
Von Hrn Med.-Ass. Reissner wegen pharmac. Statistik. Von Hrn. 
Dir. Dr. Geiseler wegen Kr. Ruppin. Von Hrn. Dr. Schmidt in 
Sonderburg Personalnotizen u. s. w. Von Hrn. Vicedir. Oswald 
wegen Generalversammlung in Breslau. Von Hrn. Vicedir. Bucholz 
wegen Eintritts des Hrn. John in den Kr. Gotha, Von Hrn. Vicedir. 
Ohme und Hrn. Prof, Polstorff Mittheilungen über Arzneitaxen 
u, Ss. W. 


3) Frankreichs Medicinal - Statistik. 


Die Gazette des Hospitaux giebt, zum Theil aus dem Annuaire 
medical p.1853 von Dr..Bauband, eine Medicinalstatistik von Frank- 
reich. Auf eine Bevölkerung von 35,781,628 Einwohner kommen 
11,217 Doctoren der Medicin, 7222 Sanitätsbeamte und 5175 Apo- 
theker, d.h. auf 1940 Eiow. ein Arzt und auf 6914 Einw. ein Apo- 
theker, sofern sie überall gleich vertheilt wären. Das ist aber kei- 
neswegs der Fall, vielmehr ist im Süden nicht nur die Zahl der Aerzte 
stärker als im Norden, sondern es giebt dort auch mehr Doctoren als 
Sanitätsbeamte. 


4) Neues Arzneimittel, 


Gebrauch des alkoholischen Extracis aus den Samen 
der Oenanthe Phellandrium. 


Nach Dr. Turnbull hat die Tineiur der Samen der Phellandrium 
eine entschieden günstige Wirkung bei Husten und anderen Brust- 
krankheiten. Vorzüglich wirksam ist das alkoholische Extract der 
Samen. (Pharm. Journ. and Transact. V,12. — Chem.-pharm. Centrbl. 
1853. No, 32.) B. 


Vereimszeitung. 363 


5) Technologisehe Mittheilungen. 


Ueber die Ursache der Umwandlung des weichen Brodes 
in altbackenes. 


Diese Umwandlung des Brodes wird in dem betreffenden Aufsatz 
im Archiv der Pharmacie, Seite 310 nach Boussingault in einen 
eigenthümlichen Molekularzustand gesetzt. Diese Hypothese mag rich- 
tig sein, doch wird dadurch nichts erklärt, denn es fragt sich sogleich: 
wodurch wird dieser eigenthümliche Molekularzustand hervorgebracht, 
was ist die Grundbedingung dieser Veränderung? — Das Brod ist ein 
Product der Gährung: wenn Mehl mit Wasser und Ferment gemischt 
der Wärme ausgesetzt wird, so tritt die Masse in Gährung, und diese 
durchläuft, wenn die erforderliche Feuchtigkeit vorhanden bleibt, alle 
Stadien, von der Zucker- bis zur Faulgährung. Der Brodteig wird 
oder soll in den Ofen gebracht werden, wenn er sich im zweiten 
Stadio, in der Weingährung befindet, das beweiset der Geruch. Durch 
die Hitze des Ofens wird der im Teige befindliche Weingeist ver- 
flüchtigt und bildet dadurch die vielen Bläschen oder Zellen, welche 
bei gut bereitetem Brode sichtbar sind und die Lockerheit desselben 
bedingen. Wenn das Brod im Ofen die gehörige Gahre erlangt hat, 
was der Bäcker durch gewisse Proben erkennt, so ist es ferlig und 
wird herausgenommen. Die im Brodteige begonnene Gährung ist aber 
jetzi nicht beendet, sondern nur gehemmt, sie schreitet von jetzt nur 
langsamer vor, weil Feuchtigkeit und Wärme vermindert sind: die 
weinige Gährung geht in die saure über, das Brod wird altbacken, 
Endlich wird es trocken und hart in trockner Zugluft, und die Gäh- 
rung steht still; oder es wird multrig, schimmlig, schmierig in feuch- 
ier Luft, es entwickelt sich die Faulgährung. 

Der Sauerteig, aus gleichen Bestandtheilen wie der Brodieig 
bestehend, ist auch denselben Gesetzen der Gährung unterworfen, und 
er theilt alle seine Eigenschaften dem damit hereiteten Brode mit. Je 
frischer, je jünger der Sauerteig, um so weniger desselben isı 
erforderlich, um so kräftiger ist die Gährung des Brodteiges, um so 
lockerer, leichter und wohlschmeckender wird das Brod, um so län- 
gere Zeit bleibt es frisch, d.h. es wird nicht so schnell-altbacken, 
daher die häufige Erscheinung, dass eine Hausfrau das frische Brod 
ihrer Freundin bewundert, welches doch älter als das ihrige ist. Je 
älter der Sauerteig, um so mehr ist davon erforderlich, um so unvoll- 
kommener, träger, matier wird die Gäbrung des Teiges: der Teig will 
nieht gehen, sagt die Hausfrau, der Teig hat zu kalı gestanden, sagt 
der Bäcker; und die durch starke Wärme und grössere Menge Sauer- 
teigs erzwungene schwache Weingährung geht schon im Teige in die 
saure Gährung über, der Teig setzt sich, es giebt Schliff, das Brod 
ist kleberig, hat keinen Wohlgeschmack, er schon, kaum kalt 
geworden, altbacken, schimmelt und verdirbt leicht. 

Die Meinung, dass altbackenes Brod mehr nähre, also in gleichen 
Gewichtstheilen mehr Nahrungsstoff enthalte, als frischbackenes, ist 
zwar ein weit verbreitetes Vorurtheil, dennoch aber ein Irrthum; 
gerade das Gegentheil findet Statt. Altbackenes Brod, und zwar Je 
älter je mehr, "bewirkt schon in verhältnissmässig kleiner Menge im 
Magen das Gefühl der Sälligung; dieses Sättigungsgefühl wird aber 
durch alle Stoffe erzeugt, die schwer verdaulich sind; altbackenes 


364 Vereinszeitung. 


Brod ist aber schwerer verdaulich als frischbackenes; schon ein vul- 
gärer Ausdruck sagt: es liegt lange vor den Wurmlöchern. Deshalb 
wird man von einer viel geringern Menge altbackenen Brodes gesät- 
tigt als von frischbackenen. Wenn nun aber letzteres, wie die täg- 
liche Erfahrung zeigt, in viel grösserer Menge in den Magen gebracht 
werden muss, ehe das Gefühl der Sättigung erzeugt ist, und dieses 
Sättigungsgefühl doch bald wieder verschwindet, bald wieder Appetit, 
Hunger eintritt, so liegt darin der Beweis, dass frischbackenes Brod 
leichter verdaulich als altbackenes und, weil es leichter verdaulich, 
dass es nahrhafter und deshalb gesunder ist als altbackenes. Denn 
die Nahrhaftigkeit einer Substanz hängt von der Verdaulichkeit, Assi- 
milirbarkeit derselben ab; denn nur was der Organismus verdauet, 
assimilirt, ist Nahrung, Nährstoff. Wenn also, wie die tägliche Erfah- 
rung zeigt, in demselben Zeitraume ein grösseres Quantum frisch- 
backenen Brodes verdaut wird als von altbackenem, so muss ersteres 
auch nahrhafter und deshalb gesunder sein als letzteres; denn die 
Gesundheit, das Wohlbefinden ist, so weit es hier in Betracht kommt, 
von der Menge und Verdaulichkeit der genossenen Nahrung abhängig. 

Schon vor etwa 30 Jahren ward hauptsächlich nachgewiesen, 
dass die Menge des beim Brodbacken entweichenden Weingeistes 
beachtenswerth sei, und eine Construction der Backöfen anempfohlen, 
bei welcher der aus dem Brodteige entweichende Weingeist aufge- 
fangen werden könne. Die Vervollkommnung der Spiritusfabrikation 
und die niedrigen Preise des Spiritus haben die Sache in Vergessen- 
heit gebracht. 

Durch diese kurze Relation habe ich nur die Aufmerksamkeit auf 
diesen, für alle brodessenden Menschen so wichtigen Gegenstand hin- 
lenken wollen, den fortwährend scharf ins Auge zu fassen, Aerzie 
und Apotheker berufen sind. Ochs. 


Die flüssigen, fetten und ätherischen Oele, so wie die 
Pflanzentalg- und Pflanzenwachs- Arten der Londoner 
Industrie - Ausstellung. 

Th. Martius hat aus jenem Berichte einen Auszug geliefert, 
der viele interessante Notizen enthält. 

In einem Vorworte bemerkt Martius, dass bei den enorm 
hohen Preisen der fetten Oele und Talgarten sich durch die Einfüh- 
rung einzelner neuer Pflanzenfetie gewinnhafte Unternehmungen 
begründen lassen würden und dass selbst für die Zwecke der Phar- 
macie Manches dabei erzielt werden könnte, dass aber zu fürchten 
sei, wir Deutschen möchten auch hier, wie immer, zu spät kommen. 

Um die Wichtigkeit vieler dieser Artikel zu zeigen, genügt es, 
einen Blick auf die Mengen zu werfen, welche in England in einem 
Jahre (1850) eingeführt wurden, wozu noch ungefähr 1,500,000 Ctnr. 
oder 150,000,000 Pfund Talg und etwa 20,000 Tonnen Thran, und 


Spermaceti 40,000,000 Pfund kommen. 
Leinsamen KRapssamen. 


AusRussland.......... ward eingeführt 482,813 Ort. 3,238 Ort. 
s#Schweden‘ .......: en H 37.038,5 — 
„.Norwegen..n..... A 5 265 , N, 

Dänemark.en..n... 5, 5 37:5 3,902 ,, 


” 


breussentnirkeun. 5 = 87,273 5 645 ‚, 


Vereinszeitung. 365 


Leinsamen. Rapssamen 
Aus den Hansestädten ward eingeführt 1,153 Ort. 2,872 Ort. 


vealalland.......... Rn = WS .S 201:,; 
BaNeapelm.ne.cı.... >> n UT OIN 5; _— 9 
». Oesterreich ...:..: H u 40 „ 2,480 , 
» Griechenland...... % n —m 3 1:637 5, 
„» Wallacheiu. Moldau ‚, > 910 ,, 1.2502,,; 
aAeeypien......:. » g 1 ra Ns — 5 

Östindien.....:... m s5 26,142 „, 13.1265, 
Yon andern Ländern .. 5% 262 „ 922 5 


626,495 Ort. 29,490 Ort. 
1 Quarter —= 640 Pfund. 


1848 1849 1850 
Von Palmöl..... ward eingeführt 51,021,800 49,333,100 44,858,900 
»» Cocosnuss-Oel „, e 8,546,300 6,445,200 9,804,000 
» Ricinus-Oel.. „ Br 458,800 968,100 — 
„ Oliven-Oel... , ss 20,172,000 33,928,000 41,566,000 
Diese Oele kommen aus folgenden Ländern: 
Palm-Oel Ricinus-Oel Oliven-Oel 
West-Afrika .... 47,556,400 — 2,000 
Vereinigten Staaten 1,334,900 29,000 — 
Neapel undSicilien 1,400 — 19,322,000 
Ostiedien.......- _ 931,500 _ 
Canarische Inseln 371,900 —_ - 
Mala 2.20. —_ — 4,674,000 
Märcker .2....... _ — 3,424,000 
inpE kanal... -- _ 1,664,000 
Spanien. .....-.. — — 1,706,000 
Bfasilien........ 52,500 E _ 
Ionische Inseln .. —_ — 1,212,000 
Marokko ....... _ E 736,000 
Neleira,..©..:,. 35,500 _ — 
Sardinien... .....,. 1,100 666,000 
Von andern Orten 700 6,500 922,000 
Pfund 49,333,000 968,100 34,328,000 


Auch Baumwollensamen-Oel war in Proben vorhanden. Der Samen 
wird an einigen Plätzen ausgeführt behufs der Gewinnung von Oel 
und Oelkuchen, 

W.Brotheronei Comp. hatten Proben von Rüb-Oel, Oliven-Oel 
und Mandel-Oel ausgestellt. Nach ihnen soll das Rüb-Oel sich besser als 
jedes andere eignen zum Schmieren der Maschinen, wenn es gut von 
dem Schleim befreiet ist. Eine Locomotive soll jährlich 90—100 Gal- 
lonen Oel (a 10 Pfd.) bedürfen, 

Schöne Proben verschiedener flüchtiger Oele, besonders aus den 
Blättern des Zimmtbaumes, befinden sich bei der Sammlung des Lon- 
doner Droguenhandels und eine schöne Probe englischen Rosen - Oels 
war von J. Bell ausgestellt. 

Sehr gutes gebleichtes Lein-Oel von Penny. 

In der Sammlung der englischen Patent Camphine Compagnie 
fand sich eine Anzahl Muster neuer raffinirter Oele, begleitet von 
Proben von Samen, aus welchen sie dargestellt wurden. 

In der ausgebreiteten Sammlung Liverpooler Importe findet sich 
eine werihvolle Reihe Oele, mit Einschluss der flüchtigen, als Anis-Oel, 


366 Vereinszeitung. 


Bergamolt-Oel, Cassia-Vel, Kümmel-Oel, Nelken-Oel, Zimmt-Oel, Citro- 
nell-Oel, Wacholder-Oel, Lavendel-Oel, Citronen-Oel, Citronengrass- 
Oel, Pomeranzen - Del, Muscatnuss - Oel, Orange-Oel, Pfeffermünz- Oel, 
Rosmarin-Oel, Rosen-Vel, Thymian-Oel. 

Die Sammlung der fetten Oele und Oelsamen umfasst folgende, 
welche in den Jahren 1849 und 1850 eingeführt worden sind: 


1849 1850 
Mohusamen. m.ue 1 3 _ 6,000 
Erdnüsse (Arachis) alt EB 160,000 180,000 
Ricinus-Oel Ost- und Westindien 10,000 90,000 
Ricinussamen Lissabon — 1,400,000 
Rapssaınen Antwerpen ; 12,000 30,000 
" N 6,000 10,000 
Oliven- Oel Manilla 112,000 16,000 
Bi Berberei 5,570,000  4,660,000 
5 Malaga 492,060 — 
$ Levante 2,486,000 4,200,000 
z Corfu 560,000 1,524,000 
F Leyhorn _ 30,000 
” Palermo 5,970,000 16,000 
= Gallipolli 4,840,000 9,630,000 


19,818,000 21,792,000 


Die Sammlung der von der ostindischen Compagnie ausgestellten 
Oele ist sehr reich und interessant. Unter den flüchtigen Oelen ist 
besonders das Rosen-Oel von Japone, Kotah und Kishingurh hervorzu- 
heben. Auch Oel vom Aloehoölze und Safran-Oel waren ausgestellt. 
Keora-Oel aus den wohiriechenden Blumen des Screw Pine (Pandanus 
odoratissimus) — herrliche Essenzen (Atiars) von verschiedenen 
Blumen aus Benares gesandt; Proben von Jasminum grandiflor. Lin. 
und Jasminum Sambac Lin.; Thus Khus Atter von Andropogon 
muricatum Retz, so wie die Attars Chumeylee, Beyla, Begla und 
Moteya. Grasssamen-Oel von Andropogon Schocnanthus Lin. (oder 
Calamus aromaticus) mit Samen und trockene Pflanzen beigefügt aus 
Malwa — Proben von Sirri oder Citronengrass-Oel aus Sumatra. Das 
wohlriechende flüchtige Oel verschiedener Andropogon-Arten wurde 
zum Parfümiren in England eingeführt. Es kommt aus Travancare 
unter dem Namen Geranium- Oel. Von den Molukken fand sich eine 
Reihe flüchtiger Oele mitgesandt, als Abier, Ananas, Goelang, Kod- 
janeas, Pulasare, Rampsing, Tjindar, Tjoelang, Yailang — Neiken-Oel 
aus Madras, herrliches Kayn-pateh, Cajeput- oder Macassar-Oel von 
Celebes werden erhalten von Syed-Omar und eine schöne Probe von 
Sandelholz- Oel von Santalina albina. Auch Camphor - Oel von 
Dryobalanops Camphora Colebr aus Sumatra nach China exportirt, 
wo dasselbe fast 100 Mal theurer als gewöhnlicher Kampfer sein soll, 

Besonders zahlreich war die Sammlung fesier fetter Oele, An 
Sainte et Comp. in Caleutta ward für Proben von raffinirtem 
Cocosnuss- Oel ein Preis ertheill, so wie an einige andere. Die 
beachtenswerthesten sind folgende: 

1) Sesam- Oel. Es werden in Indien 3 Varietäten gebaut, als 
»Suffed -til«, die weisssarlige Varietät, »Kala-til«, die theilweise 
farbige Varietät, »Tillee« oder der schwarze Til. Von letztern wird 
das Sesam- oder Gingelly- Oel des Handels gewonnen. Der Sesam- 
Samen enthält ungefähr 45 Procent Oel. Besonders schön sind die 


Vereinszeitung. 367 


Proben von Vizia nagram. Der Preis von Noovooloo Pyaroo oder 
Gingailis-Samen ist in N. Ciscar 4 Pfd. (45 fl.) die Tonne (2000 Pfd.). 
Die vom General-Commissair von Madras und von Professor Key 
mitgetheilten Proben sind vortrefllich. 

2) Ram-tl-0Oel (Valisoloo unnay im Tunesischen). Ein dem 
Rosen- Oel gleichendes, aus dem Samen der Guizotia oleifera DC. 
gewonnen, einer von Abystsinien eingeführten, in Bengalen gewöhn- 
lichen Pflanze. Der Ram-til oder Valisoloo-Samen giebt ungefähr 
34 Proc. Oel. Der Werth soll für die Gallone (10 Pfd,) 10 Pences 
(30 kr) sein. 

3) Erdnuss - Del aus dem Samen von Rhoe moong (Moong phullio) 
oder Arachis hypogaea Lin. enthält etwa 44 Proc. Oel, dient als 
Speise- und Brenn-Oel. Eingesandt aus Malwa und Malacca, 

4) Kossumba- oder Koosm- Oel, ein blass- bräunlich - gelbes Oel 
aus den Samen des Carthamus tinclorius, welche etwa 28Proe., enthalten. 

5) Skersha- oder Senf- Oel von Sinapis toria, arvensis, glauca. 

6) Ricinus- oder Castor - Oel. 

7) Mohn- Oel aus Calcutta und Bombay, fast farblos aus Tanjore. 

8) Croton - Oel aus dem Samen der Narpauba, einer Crolon- Art. 

9) Poor-Samen- Oel von Calophyllum inophyllum Lin. oder der 
Alexandririschen Lorbeeren, enthält an 60 Proc. Oel; es ist gewöhn-, 
lich grün von Farbe. 

10) Limbolee- Oel aus dem Samen der Bergora Koenigii von 
schön gelber Farbe aus Bombay. 

11) Napala- Oel aus dem Samen der Caataumnäke, Bhoga che- 
rinda oder Jatropha Curcas, schön hell-gelbes Oe! aus Madras. 

12) Lein - Oel, Fissce til, 

13) Mula unnay- Oel aus dem Samen von Argemone mezicana 
Lin. Als Brern-Oel, auch in der Medicin gebräuchlich. 

14) Cheeroojee - Oel, von der Frucht der Chirongia sapida Roxb. 
der Buchanania latifolia. 

15) Kanoyn nune oder Karranje- Oel aus dem Samen der Por- 
gamia glabra oder Galedapa arborea Lam., ein honigbraunes fast 
geschmackloses Oel, in gewöhnlicher Temperater flüssig, bei 55° zähe. 

16) Moonecla- Gel; Varoo samgaloo Nonal, aus dem Samen des 
Dolcuhos bifler. Lin (?) aus Tanjore. 

17) Cajan - Apfel - Oel; Moontha maunnerley noonal, aus dem 
Samen der Käpä mänä, Anacardium occidentale. 

18) Poonga- oder Poon- (?) Oel, aus dem Samen des Sapindus 
emarginalus Vahl. 

19) Badum noonae, Mandel-Oel, Terminalia sp., aus Tanjore. 

20) Coodivettij Poondoo-Vel Allium sp., aus Tanjore. 

21) Malkam nee-Öel.. Von Oelastrus paniculatus Wild. Scutia 
paniculata @. Don von Madras. 

22) Nahor-Nuss- Oel, 23) Moringa - Oel, Behenol, von Moringa 
plerygosperma Gaertner. 

24) Shammanatie- Oel von Palam cottah. 

25) Hingon- oder Hingota- Oel, gepresst von Balarites aegyp- 
tiana DC., aus Bombay. 

26) Dessy Akroot-Oel von Aleurites triloba Forst., Landwall- 
nuss- Oel aus Bombay. 

27) Saulbaumsamen- Oel von Shorea robusta Rozb. 

28) Chendoorookoo- Oel von Madura und Tinnevelly. 

29) Coorookoo - Oel ebendaher, 


368 Vereinszeitung. 


Drei Arten von Bassia, in Indien einheimisch, geben feste Oele 
und zu gleicher Zeit Zucker, Alkohol und Oel. 

30) Ipa-Oel (Eloopie unnay) aus dem Samen des Illupie-Baumes 
oder der Barsia longifolia in Madras und Hindostan. Das Oel ist 
weiss, bei gewöhnlicher Temperatur fest, schmilzt zwischen 70 und 80°. 

31) Epie- oder Mahowasamen- Oel. Ippa noonae aus dem Samen 
des Mahowabaumes, der Bassia latifolia, erhält man häufig in Ben- 
galen. Bei gewöhnlicher Temperatur fest, schmilzt bei 70°. 

32) Phoolwa oder vegetabilische Butter aus dem Samen der 
Bassia butgracea Rozb. 

33) Miniak Teukawung, ein fettes Talg von blassgrüner Farbe 
dem Myrtenwachs ähnlich, wahrscheinlich vom Talgbaume aus Java. > 

34) Piney-Talg aus der Frucht der Pegnie marum, Vateria indica 
Lin., weisses festes Talg, dient zu Lichtern, 

35) Cocum- Oel oder Cocum- Butter, aus dem Samen von Ga- 
reina purpurea Rozxb, weisses, hellgrün -gelbes, festes Oel. 

36) Kalizini oder Khatzum Aus dem Samen der Cant siragum 
Veronia anthelmintica Willd. Consistenz zwischen Talg und Wachs. 
Aus Bombay. 

37) Neem-Oel, von der reifen Frucht des Nien Ari ihto, Melia 
Azedirachta Lin., ein grosser schöner Baum. Das Oel ist, hellgelb 
bei gewöhnlicher Temperatur fest. Von Tarjore gesandt. } 

38) Gutta Bodah von Biliton, eine Art Wachs von hellgrüner 
Farbe, welches wahrscheinlich, gleich anderen Arten vegetabilischen 
Wachses in der Lichterfabrikation vortheilhaft zu gebrauchen ist. 

Proben von Citronenpress - Del von Galle und solche von Zimmt 
und Citronenöl und dem Oel der Bengalischen Quitte oder Aegle mar- 
melos Corr. von Ceylon waren vorhanden. Das Zimmt- Oel von 
Parlett, O’Halloran et Comp. von Columbo war sehr gut. Von 
Cocosnuss- Oel waren Proben vorhanden, bestimmt, den Process der 
Zubereitung zu erläutern, bestehend aus der Copperah, der getrock- 
neten Fruchi, dem ausgepressten Oel und der gereinigten und separat 
gewonnenen Stearin oder Elain. 

Eine Reihe ceylonischer Oele waren von Kandy aus einge- 
sandt, als: 

1) Balegorande, 2) Branjematy, 3) Castor, 4) Chandenade, 5) Do- 
rene, 6) Dummele, 7) Gingelly, 8) Kadjie, 9) Kekune, 10) Kallooraje, 
11) Kolestema, 12) Koola, 13) Mahakoomare, 14) Makula, 15) Nau- 
rawyene, 16) Rape-sud, 17) Rattee, 18) Siddharte. Leider waren 
diese Oele ohne praktische Notizen eingesandt. 

Schöne Proben von Myrten. Das Beerenwachs vom Cap der 
guten Hoffnung eingesandt. Soll sich zu Lichtern eignen in Verbin- 
dung mit andern festen Fetten 

Vom westlichen Afrika wurde von Warwik Weston eine Samm- 
lung von Oelen und Oelsamen vorgelegt als Shea- Butter oder Galum- 
Butter von der Frucht des Micadenia oder Bassia Barkiti, eines Bau- 
mes, welcher der Bassia latifolia ähnlich ist. Das Oel ist fast grün- 
lich-weiss, schmilzt bei 97° C. 

Eine Probe von Shea-Butter aus Cyga am Flusse Niger. 

Muster von Myrien- oder Herzenbaum-Wachs, nebst daraus berei- 
teten Lichtern. 

Gute Proben von Cocosnuss- Oel waren von Mauritius aus ein- 
gesandt. Muster von Lorbeer- Oel aus British Guyana, auch Crab- 
oder Carapa- Oel, von Äylocarpus carapa Spreng. 


Vereinszeitung. 369 


Ausgezeichnetes Oliven-Oel von Neu-Süd- Wales, ebenso aus 
Süd - Australien. Auch Sandelholznuss- Oel und Theer von Guildfort; 
ein aus dem Leptospermum destillirttes Oel und ein ähnliches Oel aus 
Eucalyptus piperita Smith, Methrosideros aromatica Salisb. gewon- 
nen, ein treflliches Auflösungsmittel für Kautschuk, dem Cajeput- Oel 
sehr ähnlich, wenn aicht gleich. Das Leptospermum- Oel hat eine 
blassgelbe Farbe und ein spec. Gew. von 0,9035. Das Eucalyptus- 
Oel ist farblos und von 0,9145 spec. Gew. 

Vortreffliches Pfeffermünz - Del von H. G. und L. B. Holchkirs 
von Lyons, New - York. 

Muster von Mais- Oel aus Greenbusch, New - York, 

Vorzügliche Muster Oesterreichischer Leinsamen- und Lein - Oel 
von St. Georg bei Marthausen. 

Vegetabilisches Wachs aus China, auch aus Japan, 

Muster verschiedener flüchtiger Oele aus Grasse Var, so rein 
erhalten mittelst eines directen Destillationsverfahrens, dass eine Rec- 
tification nicht nöthig ist. 

Aus Algier waren Proben von Leinsamen - Oel, Sonnenblumen- 
Oel, Camelien - Oel, Madia- Oel, Rieinus - Oel, Oliven - Oel, Colza-Oel, 
Senf- Del, Baumwollensamen - Oel ausgestellt, 

Eine schöne Sammlung von Oelen aus Cheragras von H.J. Mer- 
curin z.B. Bigararde, Citrine, Melarose, Absinthe Myrte, Rose, Gera- 
nium, Jasmin, Citron, Portugal, Petit grain, Neroli, Cedrat, Bergamotte. 
Von Simanses waren ähnliche Proben ausgestellt. 

Von Fabian aus Hambaldsan Fichtennadel - Oel. 

Von Schramın in Dessau gereinigtes Oel für Uhrmacher. 

Schöne Proben vor Lavendel- VDel, Wacholder-, Rosmarin- und 
Citronen- Del von F. L Leol|, 

Aus Estramadura Proben von Ricinus-, Lein- und Mandel-Oel. 

Birken - Oel aus Ozarskoe-Sielo, Schöne Proben von Wallnuss-, 
Lein-, Kohl- und Ricinus- Oel aus Turin. : 

Gutes Oliven - Oel aus Sassari. 

Schönes Citronen- Oel aus Malaga, schönes Oliven- Oel aus Ma- 
laga, Granada, Cordova, Badajoz. 

Vegetabilisches Wachs aus Domingo, von R. Schomburgh ein- 
gesandt. 

Oelmuster aus Tunis, z.B. Rosen- und Jasmin- Oel, gemischte 
Essenzen, als Quitten, Orangen, Benzo&, Alo&s. 

Aus der Türkei: Mandel- Oel von Damascus, Rieinus - Oel von 
Kleinasien, Lorbeer - Del von Djendgira, Leinsamen- Oel von Con- 
stantinopel, Oliven- Oel von Damascns, Brussa, Candia, Adramato, 
Menterche, Tripolis, Erzerum; Sesam - Oel von Constantinopel, Bayrut; 
.Sonnenblumen-Oel aus der Moldau; ferner: Rosen-, Geranium- und 
Andropogon- Oel, welches zur Verfälschung des Rosen - Oels dient, 
Orangeblüth - Oel. 

Bitteres Mandel- Oel von Sara, Fenchel - Oel von Brussa, Gera- 
nium- Oel von Meeca, Lorbeer- Oel von Salonik, Lavendel- Oel und 
Origen-Oel ebendaher, Orangeblüth-Oel von Constantinuopel, Pfeffer- 
münz- Oel von Janina, Kezar, Carlowa, Saida5 Rosmarin- Oel von 
Sınyrna, Rosen - De! von Kazemlik, Sago- Oel von Elliferm und Con- 
stantinopel, Sabina-Oel von Brussa, Spih-Oel von Brussa, Terpentin- 
Oel von Constantinopel, Brussa, Nicomedien. (Neues Jahrb. f. Pharm, 
2.1219 B. 


Arch. d. Pharm. CXXVII. Bas. 3. Hft. 9 


370 Vereinszeitung. 


Gefahr der Rauchfänge von Kupfer für die Personen, 
welche Gebrauch von Gas machen. 


(Aus dem Französischen vom Sanitätsrathe Dr, Droste in Osnabrück.) 


Diejenigen Leute, welche Gas zur Beleuchtung ihrer Magazine 
gebrauchen und einen Apparat besitzen, über dem ein Rauchfang 
von Kupfer angebracht ist, haben an letzterm die beständige Anwe- 
senheit eines weissen, den Anblick von Mehl darbietenden Staubes 
bemerken müssen. Vielleicht hat Niemand von ihnen sich über die 
Zusammensetzung dieses Staubes und die Zufälle, die er veranlassen 
kann, Rechenschaft gegeben. Es war daher interessant, seine Natur 
und Bildung zu untersuchen. Die Experimente, welchen wir uns hin - 
gegeben, haben uns deutlich erkennen lassen, dass diese pulverige Masse 
nichts anderes ist, als anhydrisches schwefelsaures Kupfer. Sie ist 
derselbe Körper, der im Handel den Namen blauer Vitriol führt und 
seine Farbe von seinem Krystallwasser hat. Kennt man nun die Natur 
dieser Substanz, so ist es leicht, sich ihre Production zu erklären. 
Das nicht gehörig gereinigte Leuchtgas enthält eine gewisse Quantität 
eines sauren Gemenges von Schwefel und Schwefelwasserstoffsäure. 
Dieser Körper ändert sich unter dem Einflusse der Hitze in Schwefel- 
säure um, die dann das schwefelsaure Kupfer erzeugt. 

Unter den zahlreichen Experimenten, die zur Bestimmung der 
Composition dieses Salzes dienen können, heben wir die folgenden 
hervor. Wenn man davon eine gewisse Quantität in Wasser auflösen 
lässt, so nimmt die Solution sogleich eine leichte Azurfarbe an; ein 
kleiner Ueberschuss von Ammmoniak giebt ihr eine prachtvolle blaue 
Farbe. Evidente Probe, dass dieser Körper Kupfer enthält. Es ist 
ein Sulfat; denn einige Tropfen Barytwassers bringen darin das bei 
den Chemikern so bekannte abundante Präcipitat hervor. 

Alle Kupfersalze zeichnen sich bekanntlich durch sehr giftige 
Eigenschaften aus. Die äusserste Zartheit desjenigen, welches uns 
hier beschäftigt, macht es um so gefährlicher, als der geringste Hauch, 
der leichteste Stoss es in der Luft verbreiten können, die wir athmen. 
Daraus erklären sich genugsam die Befindensstörungen und die Magen- 
schmerzen, die man anderen Ursachen beizumessen geneigt ist. — Es 
würde daher eine weise Maassregel sein, den Gebrauch dieser so 
gefährlichen Rauchfänge zu verwerfen und sie, wie es schon viele 
Menschen thun, mit Rauchfängen von Glas und Porcellan zu ersetzen. 
(Journ. de Chim. med.) 


Das amerikanische Platzekorn. 


Herr Forstrath Hartig erhielt aus Amerika eine kleinkörnige 
Varietät von Zea Mais, die dort unter dem Namen »Platzekorn« 
nach einem sehr eigenthümlichen Verhalten des Samenkorns bei höhe- 
rer Temperatur bestimmt ist. Dar Korn ist nicht grösser als eine 
kleine Erbse und von blutrother Farbe. Die Mehlkörner, wie gewöh- 
lich in ein grosszelliges Gewebe gebettet, sind so gedrängt entwickelt, 
dass jedes derselben eine vollkommen gepresste polyedrische Gestalt 
erhalten hat, wie dies theilweise auch bei den in Europa cultivirten 
grosskörnigen Maisarten der Fall ist. Einen wesentlichen Unterschied 
im Baue oder in der Lagerung des Mehles Letzterer von dem der 
kleinkörnigen Varietät, vermag ich überhaupt nicht aufzufinden. 


Vereinszeitung. 371 


Erwärmt man das Platzekorn in einem Blechlöffel oder einer 
Glasröhre, so eriolgt schon bei geringerer Temperaturerhöhung eine 
Anschwellung des Samenkorns. Bei fortgeseizter Erwärmung und 
noch weit unter der Temperatur, durch welche die natürliche Farbe 
der Oberfläche des Korns verändert wird, und ein wirkliches Rösten 
der Pflänzenstoffe eintritt, platzen die Samenkörner mit starkem Schalle 
und werden aus dem offnen Blechlöffel weit umhergeschleudert. Die 
Amylonmasse derselben hat sich dabei auf ungefähr das 6 — Sfache 
ihres ursprünglichen Volumens erweitert und erscheint nun als eine 
schneeweisse, dem Hollundermarke ähnliche Masse, den nach dem 
Samenmunde eingerollten Samenhäuten adhärirend, ähnlich der Baum- 
wolle in einer geplatzten Samenkapsel. Das Mikroskop zeigt nur, 
dass jedes einzelne Mehlkorn sich zu einer weiträumigen, äusserst 
dünnwandigen Zelle expandirt hat, so dass Schnitte aus der auf diese 
Weise veränderten Amylonmasse dem Bilde dünnwandigen Markzell- 
gewebes täuschend ähnlich sind. 

Sehr wahrscheinlich sind es durch die Erwärmung entwickelte 
Wasserdämpfe, welche sich in den inneren Raum der Amylonzellen 
ergiessen und die Erweiterung derselben veranlassen. Bemerkens- 
werth bieibt aber immer das plötzliche und gleichzeitige Eintreten 
dieser Wirkung in sämmtlichen Zellen und die Dehnbarkeit der Wan- 
dungen des Mehlkornes. 

Das Platzekorn, auf obige Weise in Blechgefässen geröstet, ist 
eine beliebte Confitüre auf dem Nachtische — allerdings wohl haupt- 
sächlich der Hinterwäldler. — Die weisse Mehlmasse zergeht leicht 
auf der Zunge und hat entfernt einen Geschmack nach Mandeln. 
(Bot. Zig. 1853. S. 638.) Hornung. 


Die India - Rubber - Fabrikation. 


Gummi-Elasticum, welches in Amerika unter dem Namen India- 
Rubber bekannt ist, ward noch unlängst als ein Stoff betrachtet, der 
für kaum Jemand anders einen Werth hatte, als für den Zeichner, 
der damit Linien vom Papier verwischen konnte. Ersi seitdem der 
Amerikaner Goodyear die Methode erfunden hat, das Gummi mit 
Schwefel zu vermischen und anderweitig so zu verarbeiten, dass die 
Mischung nachher allen Eindrücken der Natur widersteht, hat es eine 
ungeheure Wichtigkeit erlangt und seit 1844 seinen Weg in fast alle 
Zweige der menschlichen Beschäftigung gefunden. Mit aus India- 
Rubber geschnitzten Pferden, Löwen und Leoparden spielt das Kind- 
lein in der Wiege; in Böten von India - Rubber rettet sich der Mann 
aus der Gefahr der Wogen; auf ein Kissen von India- Rubber legt 
man sich schlafen, und vielleicht bald führen Segel von India-Rubber 
den Seemann über das Meer. 

Dieser Stoff ist bekanntlich der Saft eines Baumes, der in den 
Tropenländern einheimisch ist. Der meiste in Amerika gebrauchte 
wird aus Para in Brasilien eingeführt, obgleich auch Carthagena und 
Ostindien einen Theil von schlechterer Sorte liefern. Der Caoutchuc- 
baum soll übrigens fast in ganz Südamerika, Java, Singapore, Assam 
und im indischer Archipel zu Hause sein. Die Einfuhr des Saftes 
nach den Vereinigten Staaten hat sich seit 1548 verdreifacht. Die 
erwähnte Erfindung des Herrn Goodyear besteht darin, das Gummi 
mit Schwefel zu vermischen, beides zu zermalmen und es zu kochen, 
Die Composition wird je wärmer desto weicher, bis sie 212° Fahr. 


24 * 


372 Vereinszeitung. 


erreicht, wann sie steif und dann weder von Wärme noch von Kälte 
affieirt wird, Diese Erfindung gab zu einem Process Veranlassung, 
der eine Zeit lang in den Vereinigten Staaten grosses Interesse erregte 
und in welchem die berühmtesten Advocaten der Union — auch der 
verstorbene Daniel Webster — plädirten. Ein Bürger, Namens Day, 
machte Herrn Goodyear das Patent auf die Ertindung streitig, da- 
her jener Riesenprocess, Das wichtigste von Allem, wozu bisher das 
India-Rubber gebraucht worden, sind die Eisenbahnkarrenfedern, 
worauf für die Vereinigten Staaten die »New England Car Spring 
Company« ein Monopol hat und jährlich 400,000 Pfund rohes Mate- 
rial consumirt. Der Gesammtwerth aller in den Vereinigten Staaten 
producirten India- Rubber - Waaren beläuft sich jetzt auf 10 Millionen 
Dollars das Jahr, und man kann sagen, dass dieses Fabrikat erst seit 
1844 in Gang gekommen ist, da bis dahin nur einige wenige Fabriken 
mit Profit arbeiteten. Die meisten Fabriken dieses Artikels finden 
sich in den Staaten Newyork, Newjersee, Massachusetts, Rhode Island 
und Connecticut und geben vielen Tausenden von Personen Beschäfti- 
gung. Die Arbeiter sind meistens Knaben und Mädchen, aber auch 
Männer und Künstler finden vielfach darin Beschäftigung. Ersiere 
verdienen 2% bis 6 Doll. die Woche, letztere hohe Preise, je nach 
ihren Leistungen. In dem Städtchen Haarlem, unweit Newyork, ist 
eine Fabrik, die 200 bis 300 Arbeiter beschäftigt und täglich für 
1000 Doll. Waaren liefert. Eine Fabrik in Boston beschäftigt 500 
bis 500 Arbeiter und producirt für den Werth von 300,000 Doll. das 
Jahr. In Rhode Island ist nur eine, in Connecticut mehrere Fabri- 
ken, welche letztere zusammen 2000 Arbeiter beschäftigen und für 
4 Mill. Doll. das Jahr produciren, In Newjersey sind vier Fabriken, 
die zusammen jährlich für 1 Mill. Doll. Waaren liefern. Der Consum 
in einigen Artikeln ist ungeheuer. So werden z.B. in den Vereinig- 
ten Staaten jährlich an 4 Mill. Paar Schuhe aus India - Rubber ver- 
braucht ; die Hayward - Compagnie allein fabricirt deren täglich 3000. 
Die besten Gummi - Schuhe liefert die Fabrik von Hartshorn und 
Comp. in Providenze, deren Fabrikate den Vorzug haben, auch wäh- 
rend den längsten Seereisen ihren Glanz zu erhalten. Alle die ver- 
schiedenen Fabrikarbeiten natürlich unter Goodyears Patent, der 
Aussicht hat reicher zu werden, als einst Jacob Astor. Schon in 
der Londoner Industrie-Ausstellung machten die neuen in Amerika aus 
India-Rubber fabricirten Artikel recht viel Aufsehen und die jetzige 
in Newyork enthält deren eine ungemein interessante Auswahl, — 
Auch macht man jetzt bereits Versuche, die unterseeischen Telegraphen- 
drähte mit India-Rubber anstatt mit Gutta-Percha zu überziehen. Dass 
der Stoff zu Landkarten, Globen etc. gebraucht wird, ist bekannt, 
und man spricht schon ernstlich davon, die Banknoten aus India- 
Rubber anstatt aus Papier zu machen, wie es denn überhaupt das 
Papier bei verschiedenen Zwecken zu verdrängen bestimmt zu sein 
scheint. Die bisher von Nürnberg importirten Spielsachen für Kinder 
werden jetzt in Amerika grösstentheils aus India- Rubber gefertigt, 
und statt Katzen uud Hunde schnitzet man jetzt Löwen und Adler 
zum Vorbild für die kampflustige Jugend Amerikas Und bei alle 
dem ist die Fabrikation dieses merkwürdigen Baumsaftes erst in ihrer 
Kindheit. 


Vereinszeitung. 313 


Der gewöhnliche Hausschwamm, Merulius lacrimans, wird 
in Frankreich zum Gelbfärben der Wolle benutzt, was um so wichti- 
ger ist, als es an einer echten Farbe für gelbe Wolle noch gänzlich 
fehlen soll. Möge diese Anwendung zur Vertilgung dieser grössten 
Hausplage das Seinige beitragen ! (Bot. Ztg. 1853. p. 720.) 

Bestätigt sich diese Benutzung, dann dürfen wir hoffen, unter der 
grossen Menge der übrigen Schwämme einen gleichen Farbestoff zu 
finden. Denn so wichtig auch die Verwendung dieses bösen Fein- 
des wäre, so dürfte sich doch einiges Bedenken dagegen deshalb 
erheben, weil dadurch seine Verbreitung vielleicht in grösserem 
Maase befördert, als seine Vertilgung erreicht würde. Unter den 
Polyporinen (Löcher - Röhrenpilzen) und zunächst auch wohl unter 
unter den Hydneen (Stachelpilzen) nach einem solchen Farbestoffe zu 
forschen, wäre deshalb zu empfehlen. Hornung. 


Faust’s Sechswochenkartoffel. 


Der Kunstgärtner Leopold Faust in Berlin cultivirt seit eini- 
ger Zeit eine neue Kartoffelsorte, welche durch den preussischen 
Gartenbau-Verein den Namen »Faust’s Sechswochenkartoffel« 
erhalten hat. Neben einer höchst einfachen Culturmethode zeichnet 
sich diese Kartoffel durch eine ausserordentliche Vermehrung aus und 
ist in Folge ihrer frühen Reife der Krankheit nicht unterworfen. 
Der genannte Gärtner erhielt 2 Stück von dieser Kartoffel, unter der 
Angabe, dass sie aus Guatemala stamme. Er liess die Augen davon 
ausireiben, erzielte davon 17 Stauden und erntete noch in demselben 
Sommer 3 Berliner Scheffel. Die.Art der Vermehrung dieser Kar- 
toffel wurde ihm durch die Natur selbst gezeigt: er bemerkte, dass 
diejenigen Kartoffeln, welche noch an der Staude befindlich, von der 
Erde aber entblösst und daher der Luft ausgesetzt waren, von neuem 
austrieben. Nachdem dieselben 2— 3 Zull getrieben hatıen, nahm er 
sie von der Staude ab, legte sie wieder aus und erhielt nach 6 bis 
8 Wochen eine reichliche Ernte. Ferner machte er einen Versuch 
mit Stecklingen durch das Kraut in folgender Weise: er schnitt die 
oberen Spitzen 3— 4 Blätter lang unter dem Knoten, dem sogenann- 
ien Blattstiele, ab, steckte dieselben in ein Mistbeet und erntete gleich- 
falls in demselben Zeitraum eine Menge Kartoffeln, zwar nur von der 
Grösse einer Haselnuss, jedoch zur Saat vollkommeu genügend. Das- 
selbe Verfahren versuchte er in freier Erde mit gleichem Erfolge. 

Auf diese Weise ist es ihm gelungen, in kurzer Zeit eine reich- 
liche Ernte zu erhalten. Man soli diese Kartoffel jedoch erst dann 
legen, wenn sie stark ausgekeimt hat, wozu sie dadurch leicht zu 
bringen ist, dass man sie einer wärmeren Temperatur ausseizt. Am 
besten gedeiht sie in einem milden sandigen Boden. Der Ertrag wird 
zu 2 Berliner Scheffel pro Quadratruthe angegeben und der Geschmack 
soll ein vorzüglicher sein. Eigenthümlich ist, dass diese Kartoffel 
nieht blüht!! — Mehrere grössere Gutsbesitzer in der Umgegend von 
Berlin haben in diesem Jahre bereits versuchsweise diese Kartoffel 
in grösseren Quantitäten Ausgepflanzt, und beabsichtigten, ihren Bren- 
nereibetrieb bereits Ende Juli zu beginnen. (Bot. Zig. 1853. p. 703.) 

Hornung. 


37% Vereinszeitung. ” 


Mosenthin’s Riesenroggen. 


Zu den Kunst- und Handelsgärtnern, welche ihr Geschäft fleissig 
und mit wissenschaftlich-praktischem Sinne betreiben, gehört unstrei- 
tig auch Herr Mosenthin in Eutritsch bei Leipzig, wovon man 
sich beim ersten Besuche überzeugen kann. — Unter manchen andern 
Gewächsen kann man jetzt bei ihm eine neue Roggensorte, 
welche aus Südamerika stammt, sehen, die unsere jetzt bekannten 
Sorten an Grösse des Kornes und an Körnerertrag weit übersteigt. 
Von einem einzigen Korne, am 1. October 1850 ins freie Land gelegt, 
erntete er 12 Aehren mit 409 Körnern, und von 370 Körnern, am 
2. October 1851 gelegt, doch 8 Pfund Samen, obwohl die Schnecken 
einen Theil der Aussaat vernichtet hatten, also immer nach das 410. 
Korn, da zu einem Pfund 5000 Körner gehören, Der Halm wird 
gegen 3 Ellen hoch, ist ziemlich stark und markig, so dass nicht so 
leicht Lagern der Saat zu befürchten ist Die Aehre erreicht mit den 
Grannen (Hoesel) eine Länge von 13 Zoll und ist ohne diese 8 bis 
9 Zoll lang. Der Samen, das Korn, ist einen halben Zoll lang und 
bei der Stärke von einem reichlichen Achtelzoll sehr klar, Aus einem 
Korne entwickeln sich gegen 20 Halme, wodurch eine sehr dünne 
Saat bedingt sein wird. Die ganze Pflanze unterscheidet sich von 
unsern gewöhnlichen Sorten durch ein dunkleres Grün, durch breitere 
und längere Blätter und durch grössere, mehr abstehende Grannen, 
wodurch das ganze Feld ein kräftigeres, mehr stämmiges Aussehen 
erhält. Die Blüthe tritt 14 Tage später ein, als beim hiesigen Korne, 
ist von aussen fast unbemerkbar, und daher mehr gegen Wind und 
Regen geschützt. „ie Reife des Samens ist gleichwohl aber mit der 


einheimischen gleichzeitig. Sicherlich verdient diese Roggensorte, 
welche man »Mosenthin’s Riesen-Korn« benannt ‚hat, den 
Anbau in unserer Gegend. — Welchen botanischen Namen hat diese 


anscheinend neue Art Secale? (Bot. Ztg. 1853. p.679 ) Hornung. 


Die Hanfpflanze als Ersatz für Hopfen. 


Professor Rudolph Wagner in Nürnberg stellt am Schlusse 
einer Abhandlung über die Zusammensetzung des Hopfen-Oels in 
Erdmann’s Journal für praktische Chemie die Vermuthung auf, dass 
als Ersatzmittel des Hopfens in der Bierbrauerei vielleicht der Hanf 
mit Vortheil zu verwenden sein möchte. Hopfen und Hanf gehören 
bekanntlich zu einer und derselben natürlichen Pflanzenfamilie, den 
Urticeen, und haben in physiologischer Beziehung die grösste Aehn- 
lichkeit mit einander. Da nun das Betäubende des Bieres, wie sich 
aus den vorhergehenden Untersuchungen zweifellos ergiebt, nicht von 
dem eigentlichen Hopfen-Oel, sondern von einem noch nicht bekann- 
ten Bestandtheile des Hopfens herrührt, so könnte es möglicherweise 
richtig und vortheilhaft sein, statt des Hopfens Hanf zu bauen und 
denselben zur Bierbrauerei, um dem Bier die Bitterkeit und die betäu- 
bende Eigenschaft zu ertheilen, anzuwenden. Die Bitterkeit des Han- 
fes ist die nämliche, wie die des Hopfens.“ Für die Landwirthschaft 
wäre bei der Anwendung des Hanfes anstatt des Hopfens ausserdem 
noch der Vortheil, dass das Gedeihen des ersteren weit unabhängiger 
ist von Witterungsverhältnissen, als das Gedeihen des Hopfens, dass 
ferner nach dem Extrahiren der löslichen Bestandtheile der Hanfpflanze 


Vereinszeitung. 375 


dieselbe ihre Verwerthung zur Gespinnstfaser unverändert finden kann. 
Dass die Varietät des Hanfes, Cannabis indica, narkotische Bestand- 
theile enthält, ist den orientalischen Völkern seit den ältesten Zeiten 
hekannt, das berühmte Nepenthes der Alten, das alles Unangenehme 
vergessen machte und das Gemülh erheiterte, soll durch Abkochen 
von Hanfblättern bereitet worden sein. Der Araber benutzt noch 
heutzutage seine Hanfzeltchen (Haschisch), um sich zu berauschen, 
In den persischen Wirthshäusern auf dem Lande wendet man einen 
Aufguss der grösseren Blätter oder Kapseln (Subja oder Siahee) des 
Hapfes an, um die Ermüdung der Fussgänger zu heben. In Aegypten 
wird Hanfextract mit schwarzem Kaffee häufig nach Tisch genommen. 
Dass auch unser Hanf (Cannabis sativa) betäubend wirkt, ist den 
Producenten hinlänglich bekannt. Aus dem Allen folgt, dass der Hanf 
eben so wie der Hopfen und das Opium von den verschiedensten 
Völkern zu dem nämlichen Zwecke benutzt wird, (Bot. Ztg. 1853. 
p. 782.) Hornung. 


Von Dr. Riddel, Oberwundarzt in der Armee des Nizam, sind 
Versuche mit dem in Indien so häufig wachsenden Mudder, Ascle- 
pias gigantea, gemacht, deren Milch allmälig vertrocknet, eine der 
Gutta-Percha sehr ähnliche und dieselben chemischen Verhältnisse 
zeigende Substanz liefert, auch in heissem Wasser formbar ist. Ausser- 
dem liefert der Mudder eine trefflliche Faser, welche wie Hanf und 
Flachs zu benutzen ist. Diese Eigenschaften werden um so werth- 
voller, als die Pflanze mit dem ärmsten Boden vorlieb nimmt. Eine 
ähnliche Substanz liefert auch Euphorbia Pirucalli, nur wird sie, 
nachdem sie gesotten ist, hart und brüchig. (Bot. Zig. 1853. p. 872.) 

Hornung. 


Im Februarhefte der »Revue de l’Orient« steht eine Schilderung 
der Versuche, welche man mit dem Anbau von Krapp in Algier 
gemacht bat. Der Krapp liebt Kalkboden, der tief gelegen ist und 
von Sümpfen bedeckt war, die eine starke Humusschicht hinterlassen 
haben. Dieser Boden muss im Sommer etwas feucht erhalten wer- _ 
den, darf aber den Winter hindurch nicht unter Wasser stehen. Die 
»Paluds« von Avignon, welche von der Sorgue bewässert werden, 
sind hierzu der beste Boden; sie enthalten 90 — 93 Proc. kohlen- 
sauren Kalk und viel Humus. Aebnliche Landstriche giebt es in Al- 
gerien. Während aber in der Provence der Krapp 3 Jahre im Boden 
bleibt, gelangt er in Algerien in 18 Monaten zur Reife und liefert 
444 Proc. Färberröthe, während der provengalische nur 37 Proc. giebt. 
(Bot. Ztg. 1853. p. 631.) Hornung. 


Die Ostindische Compagnie hat der englischen Regierung eine 
Tonne Samen der indischen Ceder »Deodar« (Pinus Deodara Rozb.) 
zugestellt. Zwei bewährte Gärtner sind beauftragt, den heiligen Baum 
der Braminen in verschiedenen Gegenden Englands auszusäen. Er 
giebt vorzügliches Bauholz und ist ein grosser Schmuck der Land- 
schaft. (Bot. Ztg. 1853. p. 752.) Hornung. 


376 Vereinszeitung. 
Ein Lederlack 


kommt in schmalen länglichen Gläschen mit blauer Etiqueite und der 
Bezeichnung » Verms pour chaussures perfectionne par Bernardea 
von Frankreich aus in den Handel. In dem Fläschchen, welches mit 
starkem Stanniol und Kork verschlossen ist, befindet sich eine dunkel- 
blaue, schwach ins Violette ziehende Flüssigkeit von dicklicher syrup- 
artiger Censistenz im Gewicht von 4 Loth. ‘Nach den verschiedenen 
Versuchen, die damit vom Hrn. Ober- Apotheker Karl in Würzburg 
angestellt worden, ergab sich die Zusammensetzung dieses sogenann- 
ten Firnisses aus einer ziemlich concentrirten Abkochung von Cam- 
pecheholz (Blauspäne), worin Zucker und Gummi aufgelöst sind, 
nebst Zusatz von etwas Eisenvitriol und Weingeist. Nimmt man 
1 Loth Blauspäne, kocht solche mit 8 Loth gewöhnlichem Wasser 
auf die Hälfte ein und löst darin 4 Quentchen Zucker und 3 Quent- 
chen arabisches Gummi auf, versetzt sodann diese Mischung mit einer 
Lösung von Eisenvitriol (sogenanntes Kupferwasser) so lange, bis die 
vorher braunrothe Farbe der Abkochung in die violenblene Farbe 
übergegangen ist, und setzt etwas Weingeist hinzu, so erhält man 
diesen Firniss, der zum schnellen Anstreichen von Lederwerk, haupt- 
sächlich zum Bestreichen von Schuhen und Stiefeln in Frankreich 
häufig Anwendung findet. Ein Anstrich damit ist in circa fünf Stun- 
den, in der Wärme jedoch weit schneller trocken. Was den Preis 
einer soleben Mischung anbelangt, so kann Jedermann’ aus der eben 
angegebenen Zusammensetzung ersehen, dass derselbe höchst unbedeu- 
tend ist, und man also besser thut, sich diesen sogenannten Firniss 
selbst zu bereiten, als solehen enorm theuer aus dem Nachbarlande 
zu beziehen. (Dingler’s polytech. Journ.) B. 


Einfluss des Mutterkorns auf das Verkalben der Kühe. 


In der Thierarzneischule in Dresden fauden kürzlich auf Anord- 
nung des königl. Ministeriums Versuche statt, ob das Verfuttern von 
Mutterkorn Einfluss auf das Verkalben der Kühe äussere, Nach die- 
sem Versuche hatte selbst eine Gabe von 14 Loth Mutterkorn ein 
Verkalben nicht zur Folge, und da dasselbe wohl kaum in irgend 
einer Wirthschaft unter dem Schrotgetreide in solcher Menge zur 
Verfutterung kommen dürfte, so scheint kein Grund zu der Annahme 
vorzuliegen, dass das öfter vorkommende Verkalben der Kühe in dem 
nicht genügenden Reinigen des Getreides von Mutterkorn seinen 
Grund habe. (Sächsisches Amtsblatt.) B. 


Das Farrnkraut, ein geeignetes Material zur Stopfung 
von Betten u.s. w. 


Bei der letzten Versammlung des schlesischen Forstvereins in 
Ohlau kamen unter vielen höchst interessanten Gegenständen auch 
einer zur Sprache, der in weiteren Kreisen Beobachtung verdient. 
Durch Zufall hat nämlich der’ herzogliche Forstmeister Ulbrich zu 
Bernstadt gefunden, dass das Laub des in unsern Wäldern so häu- 
figen Farrnkrautes (Aspidium Sw.) zur Füllung von Betten, statt des 
Seegrases, der Federn u. s. w. benutzt werden kann. Es wird zu 


Vereinszeitung. 377 


dem Ende eingeerniet, wenn es auf der Blattspindel dürr geworden 
ist; dann ist es sehr elastisch, geruchlos und nimmt kein Ungeziefer 
auf. Würde man das Kraut grün schneiden und wie Heu dürr wer- 
den lassen, so würde es als zu kräftig und hart zu dem angegebenen 
Zwecke nicht verwendet werden können. Die Gewinnungskosten 
sind so unbedeutend, dass ein mit solchem Farrnkraut gefülltes Bett 
sehr billig zu stehen kommt, und der Herr Forsmeister hat durch 
eigene Erfahrung geprobt, dass selbst bei jahrelangem Gebrauche die 
Füllung sich elastistisch erhält. Wer die hin und wieder üblichen 
Gesindebetten kennt, der kann nur wünschen, dass statt der dumpfi- 
gen Entenfedern, statt des verfaulten Strohs, das obgedachte Material 
zur Anwendung kommen möge, da es selbst einem verwöhnten Kör- 
per höchst behaglich ist. B. 


Epheu als Buschbäumchen zu ziehen. 


Unser längst verkannter Epheu ist nun mit Recht zur Lieblings- 
pflanze geworden und prangt mit seinem gewöhnlichen oder dem 
kleinen Laube, so wie auch der irländische grossblättrige, der die 
Zimmerwärme besser vertragen kann, vor unsern Fenstern. Unsere 
Alten verstanden es aber auch schon, den Epheu als Buschbäum- 
chen in Gärten zu ziehen, wie zwei solche, wohl über 100 Jahr alte 
Buschbäumchen in einem Domherrn-Garten in Augsburg bethätigen. 
Diese zieht man auf folgende Weise: Man schneidet von einem Epheu, 
der bereits Blüthen und Samen macht und in solcher Art keine Ran- 
ken mehr, sondern feste Zweige mit einem mehr birnlaubartigen 
Blatie treibt, Zweige an den Augen ab und steckt sie in fette Erde 
an einem schattigen Platz, woseibst man sie stets feucht erhält, wor- 
auf sie Wurzeln schlagen und verpflanzt werden können. B. 


Mittel gegen Fliegen. 

Fliegen wird man dadurch sehr schnell aus den Zimmern los, 
dass man mit trockenen Kürbisblättern, die auf glühende Kohlen 
_ geworfen werden, räuchert. Die Fliegen entfernen sich sehr bald 
oder sterben. Hat man Vögel im Zimmer, so müssen diese zuvor 
herausgenommen werden, ebenso darf man selbst nicht im Zimmer 
bleiben, weil dieser Rauch Kopfschmerzen erzeugt. B. 


In Schottland wird der Galvanismus zum Schutze der 
Obstbäume gegen Insekten gebraucht. 


Man versieht den Baum am Fusse und Gipfel mit einem Ringe, 
den unteren aus Kupfer, den oberen aus Zink verfertigt. Werden 
beide Ringe mit einem Messingsdraht verbunden, so erhält jedes 
Insekt, das den Kupferring berührt, einen leichten galvanischen Schlag, 
von dem es betäubt oder gar getödtet wird. 


Das mit einem Preise gekrönte Verfahren des berühmten eng- 
lischen Gärtners T. A. Knigh — späte Schoten bis Ende Octo- 
berzuziehen — besteht in Folgendem: Das Land wird wie gewöhn- 


378 Vereinszeitung. 


lich gegraben, worauf man gerade die Stelle, wo die Reihen ange- 
bracht werden sollen, tüchtig mit Wasser durchnässt. Man überzieht 
nun von beiden Seiten die Ackerkrume 7 — 8 Zoll hoch zusammen 
und giesst von Neuem in so gebildeten Wällen so stark wie möglich. 
Nun erst legt man die Erbsen in einfachen Reihen, und zwar auf den 
Rücken dieser Wälle. Sie keimen bald, werden wöchentlich ein Mal 
begossen, bis etwa durchnässende Regen eintreten. So behandelt, 
wachsen die Erbsen üppig, tragen Schoten, und bleiben grün, bis 
der Frost sie tödtet, ohne von Mehlthau befallen zu werden, Stark- 
wüchsige Sorten eignen sich am besten zu solchen Culturen, Man 
säet von zehn zu zehn Tagen bis zu Johannis. B. 


Westphälischer Schinken. 


Folgendes ist das Verfahren, um Schinken, die den Geschmack 
der westphälischen erhalten sollen, einzusalzen. Zu einem grossen 
Schinken nimmt man 2 Pfd. Kochsalz, 22 Lth. Salpeter, } Pfd. brau- 
nen Zucker und 2 Maass altes Bier, kocht Alles zusammen und giesst 
die Masse siedend heiss über den Schinken. 16 Tage lang wendet 
man ihn täglich um und reibt ihn gut ein. 


Schutz der Maissaat gegen Feldmäuse, Vögel und Insekten. 


Zur Erreichung dieses Zweckes wenden die Amerikaner den 
Theer an. Der Mais wird Tags vorher mit heissem Wasser benetzt, 
dann der Theer mit Wasser gemengt, und über den genetzten Mais 
geschüttet, wodurch der Same einen dünnen Ueberzug von Theer 
erhält. Nach wenigen Stunden wird der Same mit Gyps, Holzasche 
oder Kalk gemengt, und dann, so lange er feucht ist, ausgesäet. 
Theer von den Gasanstalten wird wegen des durchdringenden Geruches 
jedem anderen vorgezogen. Einige räuchern ihren Saatmais; die Kol- 
ben werden nämlich im Freien ausgehängt, und darunter vorher in 
Theer getauchte Stöcke angezündet. Auch der vorher in einer Sal- 
peter - Auflösung eingeweichte Mais soll vor Insekten und anderen 
Feinden sicher sein. B. 


Die Fruchtbarkeit der Samen von Kürbissen und Gurken. 


Es wird in neuerer Zeit behauptet, dass in den Kürbissen und 
Gurken nur die Hälfte der Samenkerne fruchtbar sei, und zwar sollen 
die fruchtbaren Kerne diejenigen sein, welche in der Nähe des Sten- 
gelansatzes der Frucht sich befinden, während die andern, gegen das 
obere Ende der Frucht befindlichen, wohl Blumen, aber keine Früchte 
ansetzen sollen. Dieser Gegenstand verdiente wohl eine Prüfung 
durch Versuche. 


Fleisch bald weich zu kochen. 


Wenn das Fleisch im Topfe abgeschäumt ist, giesst man auf 
3 Pfd. Fleisch einen Kaffeelöffel voll Branntwein hinein. Dieses soll 
selbst von altem Vieh herkommendes Fleisch schnell weich machen, 
ohne dass man von dem Branntwein im mindesten etwas schmeckt. 
Dasselbe sollen auch Nesselblätter bewirken. Auch sollen Erbsen und 


Vereinszeitung. 379 


altes Fleisch in kurzer Zeit weich gesotten werden, wenn man 1 Pfd, 
Kieselsteine hineinlegt. (Frauendorfer Blätter.) B, 


Anweisung, frühzeitig Kartoffeln zu erhalten. 

Man bringt zu Ende des Monats Januar die Saatkartoffeln in einen 
warmen Stall und vermischt sie mit Erde, oder setzt sie in warme 
Keller in sandige Erde. Sobald die strenge Witterung nachlässt, wer- 
den die zum Keimen gebrachten Saatkarloffeln gepflanzt, und, wenn 
sie aufgegangen sind, wie gewöhnlich behandelt. Auf diese Weise 
gelangen sie schon (besonders bei der ersteren Behandlung) zu Anfang 
Juli nicht nur zur völligen Reife, sondern werden auch grösser und 
gewähren eine reichlichere Ernte. B. 


Leichte Erkennung und Entfernung eines Kupfergehalts 
im Branntwein. 


Oliven-Oel ist nicht nur ein vortreffliches Reagens, um das 
Vorhandensein eines Kupfersatzes in einer Flüssigkeit darzuthun, son- 
dern zugleich auch ein sicheres Mittel, um derselben diesen Kupfer- 
gehalt vollkommen zu entziehen. Setzt man z. B. einem Branntwein, 
welcher von kupfernen Destillationsgeräthen Kupfer aufgenommen hat, 
einige Tropfen Oliven- Oel zu und schüttelt ihn tüchtig damit, so 
zeigt nach einigen Minuten, d.h. nach erfolgter Absonderung des 
Öels, dieses sich grünlich gefärbt und enthält allen im Branntwein 
gelöst gewesenen Kupfersatz, so dass man mit den feinsten anderwei- 
tigen Reagentien keine Spur eines Kupfersatzes mehr in dem rück- 
ständigen Branntwein zu entdecken vermag. B. 


Als Mittel gegen Wanzen hat man den Trauben - Hollunder 
(rothbeerigen Hollunder, Sambucus racemosa) empfohlen. Man begiesst 
die zarten frischen Safttriebe in einem Topfe mit Wasser und bringt 
diesen Aufguss über Feuer, bis nach mehrstündigem Aufkochen ein 
brauner, möglichst concentrirter Absud entsteht. Mit diesem bestreicht 
“oder wäscht man die von den Wanzen heimgesuchten Stellen, bereitet 
darauf einen zweiten gleichen Absud, der nach geschlossenen Fen- 
stern kochend heiss und noch dampfend in die Mitte des Zimmers 
aufgestellt wird, um den ganzen Kaum mit dem stark riechenden 
Dampfe zu erfüllen, schliesst hierauf die Thür hinter sich zu, und 
die Wanzen werden für immer verschwunden sein. Die braune Fär- 
bung, welche der Absud bei dem Trocknen auf den Möbeln u. s. w. 
zurücklässt, ist mit Seifenwasser leicht zu entfernen. B. 


Lackfirniss auf Stahl und Eisen gegen Rost. 


Mit einer Mischung von 5 Theilen Leinöl-Firniss und 4 Theilen 
Terpentin-Oel bestreiche man die Eisen- und Stahlgeräthe, z.B. Flin- 
tenläufe, chirurgische und physikalische Instrumente u, s. w. möglichst 
gleichförmig und lasse sie, gegen Staub gesichert, trocken. Die so 
angestrichenen Geräthe behalten ihren Metallglanz, ohne zu rosten, 
(Mitheil. d. Nass. Gewerbe-Ver.) B. 


380 Vereinszeitung. 


6) Merkwürdigkeiten aus dem Pflanzenreiche. 
Zusammengestellt und mitgetheilt von H. Walpert. 


Herr Alex. v. Humboldt, der Alles umfassende Geist, sagt in 
seinen Ansichten der Natur: »Wer im ungeschlichteten Zwist der 
Völker nach geistiger Ruhe strebt, versenkt gern den Blick in das 
stille Leben der Pflanzen und in der heiligen Naturkraft inneres Wir- 
ken.« Es möge mir daher nicht verdacht werden, wenn ich hier 
einige Merkwürdigkeiten aus dem, den Beobachter immer von neuem 
zur Bewunderung auffordernden Pflanzenreiche mittheile. 


Wohl verdient die Pflanzenwelt die Theilnahme, die ihr von Freun- 
den aus allen Ständen gezollt wird, denn nicht nur bei Fürsten und 
andern hochgestellten Personen, Naturforschern u. s. w. findet sie ihre 
Verehrer, auch der Bewohner der schlichtesten Hütte erzieht sich 
wohl am Fenster seiner ärmlichen Wohnung irgend ein Lieblings- 
gewächs und freuet sich, wenn es ihm seine Pflege durch reichlichen 
Blüthenflor dankt. — Abgesehen von dem mannigfachen Nutzen der 
verschiedenartigsten Pflanzen, den sie durch Anwendung in der Medi- 
ein, Technik, Oekonomie und Haushaltung abgeben, erfreuen uns so 
unendlich viele derselben durch die Pracht ihrer Blumen im lebenden 
Zustande und die sogenannten Immortellen lange noch nachher, nach- 
dem sie schon von der Stammpflanze getrennt sind. Ebenso ergötzen 
viele durch den Wohlgeruch, den die meisten bei hellem Sonnenschein 
entwickeln, aber einige auch in der stillen Dämmerung des Abends 
und der Nacht. — Wie zierlich ist nicht das Laub von manchen 
Pflanzen, namentlich der meisten Papilionaceen. — Die Bäume, Be- 
wunderung erregend durch erstaunliche Höhe und mehr als tausend- 
jähriges Alter, sind geziert mit dem herrlichsten Blätter- und Blüthen- 
schmuck und enthalten im Innern einen Kern, der hier weiss, dort 
gelb oder roth oder schwarz gefärbt ist. — An den Mimosen und 
besonders an Mimosa pudica und M. sensitiva, finden wir eine grosse 
Reizbarkeit der Blätter; etwas Aehnliches bemerken wir an den Staub- 
fäden von Berberis vulgaris. 

Nun einiges Specielle. " 


Sophora japonica L., Papilionaceae, in Japan und China, hat 
ein sehr festes Holz, welches aber bei der Bearbeitung leicht Kolik 
und Diarrhöe verursachen soll. 

Hedysarum gyrans L. fil., Papilionaceae, in Ostindien. Die Blatt- 
-fiedern desselben bewegen sich von selbst und zwar die Seitenblätt- 
chen fortwährend auf- und absteigend, zugleich eine drehende Bewe- 
gung machend, hingegen das Endblättchen sich nur im Sonnenschein 
hin und wieder bewegt. 

Anacardium occidentale L., Cassuwvieae, Westindien; liefert be- 
kanntlich die ehemals offieinellen Elephantenläuse.. Der Kern der 
Nüsse ist essbar, aber die Fruchthülle enthält einen scharfen Saft, 
der beim Anzünden der Nuss unter öfteren Explosionen verbrennt, 
weshalb sie in neuerer Zeit unter dem Namen »Feuerwerksnüsse« 
wieder in den Handel kominen. 

Tribulus terrestris L., Zygophylleae, in Südeuropa, Orient; ist 
dadurch ausgezeichnet, dass ihre Früchte, von oben betrachtet, einem 
Maltheserkreuz ähnlich sehen, 


h 7 


Vereinszeitung. 381 


Porlieria hygrometrica R. et P., Zygoph., in Peru, kündigt durch 
das Ausbreiten ihrer Blattfiedern heitere, durch Zusammenlegen der- 
selben regnichte Witterung an. 

Melianthus major L., Zygoph., am Cap d. g. H., scheidet in den 
Blüthen einen weinartig schmeckenden geniessbaren Honigsaft in sol- 
cher Menge aus, dass er beim Schütteln des Strauches wie Regen- 
tropfen zur Erde fällt. Dies ist auch bei der Agave americana L. 
(Bromeliaceae) der Fall, 

Dictamnus albus L, Diosmeae, in Europa, entwickelt an warmen 
Sommerabenden an den Blüthentheilen eine solche Menge ätherischen 
Oeles, dass es eine entzündbare Atmosphäre um die Blüthentraube 
bildet. 

Euphorbia phosphorea Mart., Euphorbiaceae, in Brasilien. An 
deren durch Verwundung ausfliessenden Milch wurde Abends ein be- 
deutendes Leuchten beobachtet. 

Hura crepitans L., Euphorb., in Westindien und Südamerika, 
hat 2—3 Zoll breite Kapseln, welche bei der Reife mit einem Knall, 
der einem Pistolenschuss fast gleich kommt, zerspringen, wobei die 
spitzen Klappen weit weg geschleudert werden, so dass sie dem in 
der Nähe Befindlichen gefährlich werden können. Die unreifen Kap- 
seln werden nach Herausnahme der Samen zu Streusandbüchsen ge- 
braucht, daher der deutsche Namen: Sandbüchsenbaum. 

Euphorbiaceae überhaupt sind eine merkwürdige Familie, deren 
Glieder auch im Habitus sehr abweichen, so dass manche den Cactus- 
Arten ähneln. Die sämmtlichen enthalten scharfe und giftige Säfte, 
doch manche daneben ein nahrhaftes Mehl, wie Manihoi utilissima Pohl. 

Adansonia digitata L., Malvaceae, im tropischen Afrika, wird 
mehrere tausend Jahre alt. Sein Hauptstamm erreicht nur eine Höhe 
von 10 — 15 Fuss, aber eine Dicke von 20 — 27 Fuss. 

Metrosideros vera Rumph., Myrtaceae, auf den Molukken, zeich- 
net sich durch sein ungemein hartes, fast unzerstörbares Holz aus, das 
nur im frischen Zustande verarbeitet werden kann, ausgetrocknet aber 
von den gewöhnlichen Werkzeugen gar nicht angegriffen wird. Ebenso 
verhalten sich Arten aus der Gattung Mesua L. (Garcinieae) auf den 
indischen Inseln. 

Gustavia speciosa Dec., Myrtaceae, Be Columbiens, trägt ess- 
bare Früchte, die aber die merkwürdige Eigenschaft besitzen, dass 
bei Kindern nach ihrem Genuss die Haut am ganzen Körper gelb 
gefärbt wird, und erst nach 1—2 Tagen die natürliche Farbe wieder 
annimmt. 

Quisqualis indica L., Combretaceae, Molukken, Java. Die Blu- 
men dieses Strauches sind am ersten Morgen weisslich, Nachmittags 
blassröthlich, Abends rosenroth und am andern Morgen blutroth. Des- 
halb wird dieser Strauch Sonderling genannt. 

Rhizophora Mangle L., Rhizophoreae, Westindien und Südame- 
rika. Stamm und Aeste treiben eine Menge Luftwurzeln, welche sich 
bis in die Erde herabsenken, und bilden dadurch fast undurchdring- 
liche Wälder. Bald nach der Reife der Frucht dringt das Würzelchen 
des Samens heraus, verlängert sich sammt dem Stengelchen zu einem 
1—2 Fuss langen keulförmigen Körper, der sich endlich von der 
Frucht trennt, in die Erde wie ein Pflock eindringt und als Setzling 
fortwächst. 

Verea pinnata Spr. = Bryophyllum calycinum Salisb., Crassu- 
laceae, Molukken, hat fleischige Blätter, aus deren Randkerben auf 


382 Vereinszeilung. 


feuchter Erde sich Knospen und neue Pflanzen entwickeln. Der Saft 
der Blätter ist am Morgen sauer, Nachmittags fast geschmacklos, Abends 
bitterlich. 

Mesembryanthemum cerystallinum L., Ficoideae, Cap d.g.H., ist 
über und über mit Eistropfen ähnlichen Blättern besetzt, daher Eis- 
kraut genannt. 

Dionaea muscipula L., Droseraceae, Nordamerika. Bei der lei- 
sesten Berührung klappen die beiden Hälften der Blattscheiben zu- 
sammen, wobei die stachelähnlichen Wimpern sich.einwärts biegen und 
zwischen einander übergreifen. Auf diese Art werden Insekten gefan- 
gen und die Blätter breiten sich nicht eher wieder aus, bis das Insekt 
sich nicht mehr bewegt. Ob aber die Insekten zur Ernährung der 
Pflanze dienen, ist noch nicht erwiesen. 

Sarracenia L., Sarracenieae, Nordamerika, Ihre Blattschläuche 
enthalten eine Menge Wasser. s. Nepenthes. AN 

Hydnocarpus inebrians Vahl, Flacourtianeae, Ceylon, Mit den 
Früchten, welche berauschend wirken, werden Fische gefangen, doch 
soll der Genuss solcher Fische nachtheilig sein, 

Cacli spp., Nopaleae, wärmeres Amerika. Sie finden sich vor- 
zugsweise auf dürrem, wasserlosem Boden, da sie, wie alle Safıpflan- 
zen, die Feuchtigkeit mehr durch die Oberfläche des Stammes und 
der Blätter aufsaugen, als durch die Wurzeln. Da sie steis eine Menge 
wässerigen Saftes in ibrem fleischigen Parenchym anhäufen, so ge- 
währen sie namentlich den Pferden und dem Hornvieh eine köstliche 
Labung, und verdienen dadurch mit Recht der Namen der »Pflanzen- 

uelle der Wüste«e. Die meisten Arten tragen essbare, oft wohl- 
schmeckende Früchte, und obgleich die meisten nur milde wässerige 
oder milchige Säfte enthalten, so besitzen doch einige einen ätzend- 
scharfen Milchsaft. 

Carica Papaya L., Papayaceae, Südamerika; soll die merkwür- 
dige Eigenschaft besitzen, das zähe Fleisch alter oder frisch geschlach- 
teter Thiere mürbe zu machen, wenn es in die Blätter gewickelt auf- 
gehängt wird, oder wenn die Thiere mit den Blättern und Früchten 
gefüttert werden. 

Anastatica hierochuntica L., Cruciferae, Orient. Rose von Je- 
richo, ist deshalb bemerkenswerth, weil sich beim Trocknen die ganze 
Pflanze zu einem rundlichen Knäuel zusammenzieht und. im Wasser 
sich jedesmal wieder ausbreitet. 

Tetracera potatoria Afz., Dilleniaceae, Guinea; ist merkwürdig, 
weil dieser klimmende Strauch in seinem Innern eine grosse Merge 
trinkbares Wasser beherbergt, welches aus den abgeschnittenen Zwei- 
gen ausfliesst und dadurch für die Bewohner jener heissen, wasser- 
losen Gegenden sehr schätzbar wird, und wird auch dort unter dem 
Namen »Wasser- oder Brunnenbaum« angebaut. 

Anona squamosa L., Anonaceae, Südamerika. Alle Theile die- 
ses Baumes riechen stark und unangenehm, und obgleich auch die 
Schalen der Früchte einen widrigen terpentinartigen Geruch besitzen, 
so haben doch letztere im Innern einen wohlriechenden und beson- 
ders wohlschmeckenden Brei. x 

Suprosma arborea Blum., Cinchonaceae, Java. Sein hartes, stroh- 
gelbes Holz (Stinkholz) riecht nach Menschenkoth; doch wird es als 
wirksames krampfstillendes Mittel auf den Märkten Javas feilgeboten. 

Tabernaemontana utilis Arn., Apocyneae, britisches Guiana. Milch- 
baum. Aus Einschnitten in die Rinde fliesst reichlich eine Milch, die 
frei von Schärfe ist, sich länger als acht Tage unverändert aufbewah- 


& Vereinszeitung. 383 


ren lässt und wie Kuhmilch ais nahrhaftes, woblschmeckendes Getränk 
dient. Ebenso verbalten sich Gymnema lactiferum RBr., (Asclepia- 
deae) auf Ceylon und Galactodendron utile Kunth (Artocarpeae) in 
Carracas. 

Strychnos potatorum L., Aporyneae, Ostindien; dient zum Klären 
des unreinen Wassers aus Flüssen und Sümpfen, Es dürfen zu die- 
sem Behufe nur die innern Flächen der Trinkgefässe mit einem Samen 
dieses grossen Baumes während einiger Minuten gerieben werden. 

eisende und Soldaten tragen deshalb solche Samen immer bei sich. 

Asciepias syriaca L., Asclepiadeae, Nordamerika, ist erwähnens- 
werth wegen der vielfältigen Benutzung. Die ganze Pflanze enthält 
viel eines weissen, scharfen, Federharz führenden Milchsaftes, Die 
seidenhaarige Samenkrone dient zu Polstern, Kissen, Decken, und mit 
Wolle oder Seide vermischt zu Zeugen; die Stengel werden wie Hanf 
benutzt, die Rinde des Wurzelstocks dient als Heilmittel und die zar- 
ien Sprossen werden wie Spargel genossen. 

Gymnema sylvestre, Asclepiadeae, Ceylon; ist nicht scharf, aber 
nach Capitain Edgeworth hebt diese Pflanze, wenn sie gekaut 
wird, das Vermögen der Zunge auf, den Geschmack des Zuckers zu 
empfinden. Bei Thee z.B. schmeckt man das Arom des Thees, aber 
keinen Zucker; reines Zuckerpulver ist wie Sand auf der Zunge. 

Stapelia, Asclepiadeae, Cap d. g. H. Ihre Blüthen haben einen 
ekelhaft aasarligen Geruch. 

Hebenstreitia dentata L., Selagineae, Cap d.g. H., hat das Eigen- 
thümliche, dass ihre Blüthen des Morgens geruchlos, Mittags unan- 
genehm und des Abends sehr angenehm riechend sind. 

Pinguieula vulgaris L., Lentibulariae, Europa; wird von den 
Nordläudern in die frische Milch gethan, um das Gerinnen und Sauer- 
werden derselben zu verhüten. 

Utrieularia vulgaris L., Lentibul., Europa. Die Blasen der Blät- 
ter sind unter der Spitze mit einer verschliessbaren Querspalte ver- 
sehen und sind vor dem Blühen mit wässeriger Feuchtigkeit gefüllt, 
aber wenn die Pflanze blühen will, füllen sie sich mit Luft, wodurch 
der früher untergetauchte Stenge! an die Oberfläche des Wassers steigt 
und der Büthenstiel über das Wasser hervorragt. Nach dem Ver- 
blühen füllen sich die Blasen wieder mit Wasser und die Pflanze taucht 
wieder unter. 

Urticeae. Während sie mit wenigen Ausnahmen im Innern nur 
milde wässerige Säfte haben, sind sie äusserlich mit Brennharen besetzt, 
die einen schärfen brennenden Saft besitzen, der bei manchen zum 
gefährlichen Gift wird, 

Mirabilis Jalapa L., Nyctagineae, Südamerika, ist darin merk- 
würdig, dass Stengel und Blätter und besonders die Wurzel eine 
grosse Menge spiessiger Krystalle enthalten. 

Artocarpus incisa L., F. Artocarpeae, Südsee - Inseln, befriedigt 
fast alle Lebensbedürfnisse der Inselbewohner. Dieser Baum trägt so 
reichlich, dass drei Stäinme hinreichen während der 8- 9 Monate, 
dass sie Früchte tragen, einen Menschen zu ernähren. Die übrigen 
Monate leben die Bewohner von den eingemachten Früchten. Die 
Früchte werden entweder vor der völligen Reife abgenommen, geschält 
und in Blätter eingewickelt gebacken, oder man lässt sie, erst in Gru- 
ben aufgeschichtet, in saure Gährung übergehen und bäckt sie dann 
erst. Völlig reif geworden haben sie einen unangenehmen Geschmack. 
Das Holz, der Bast, der Milchsaft und die Asche der Blätter werden 
zu verschiedenen Bedürfnissen gebraucht. 


384 Vereinszeitung. R2 


Rafflesia Arnoldi R. Br., Cytineae, Sumatra, Obgleich nur Schma- 
rotzerpflanze auf Cissus- Arten, so hat sie doch eine so kolossale 
Blume, dass die Perigonröhre ungefähr 2 Maass Flüssigkeit fassen kann, 
der Durchmesser des Perigonsaumes beträgt 4 Fuss und die ganze 
Blüthe wird bis 10 Pfd. schwer. 

Cynomorium coccineum L., Balanophoreae, auf Wurzeln von 
Pistacia Lentiscus, Myrtus communis ete. ist im frischen Zustande im 
Innern weiss, giebt aber beim Druck einen blutroihen Saft von sich 
und wird beim Trocknen ganz dunkelroth. Es ist der Fungus meli- 
tensis, Maltheserschwamm. 

Hernandia sonora L., Hernandieae, Ost- und Westindien, hat 
ihren Beinamen davon, dass der Wind durch Eindringen in die ziem- 
lich kleine Oeffnung der stark aufgeblasenen derben Fruchtdecke ein 
eigenthümliches, weithin tönendes Getöse hervorbringt. 

Nepenthes L., Nepentheae, tropisches Asien. Diese Gattung hat 


aus den Blattstielen gebildete Schläuche, welche immerwährend ent- 


weder ein fast reines, geschmackloses oder ein schwach säuerliches 
Wasser enthalten, welches von der innern Wand der Schläuche aus- 
geschieden wird. Wenn der Deckel des Schlauches offen ist, so ver- 
dunstet das Wasser den Tag über, während der Nacht wird es aber 
wieder ersetzt, 

Vallisneria spiralis L., Hydrocharideae, Italien. Die männlichen 
Blüthen dieser Pflanze sind kurzgestielt und stehen ganz nahe am 
Boden unter Wasser; die weibliche Blüthe sitzt auf einem in dichten 
Schraubenlinien gewundenen Stiele, der sich zur Zeit der Blüthe so 
weit streckt, bis die Blüthe den Wasserspiegel erreicht, wo sie sich 
öffnet. Jetzt löst sich der ganze, von einer Scheide umgebene männ- 
iiche Blüthenkopf los und steigt an die Oberfläche des Wassers, wo 
die kleinen Blüthenknöpfe sich trennen, um die weiblichen Blüthen 
schwimmen, sich hier erst öffnen, und ihren Pollen auf dieselben 
gelangen lassen. Die weiblichen Blüthenstiele winden sich hierauf 
wieder schraubenförmig zusammen, und die Frucht reift unter Wasser. 

Musa L., Musaceae, heisse Zone. Die beiden am meisten culti- 
virten Pisangs, M. paradisiaca L. und M. sapientum L. verdienen 
deshalb unsere Bewunderung, weil ihre Cultur nur sehr wenig Mühe 
erfordert und sie doch eine so sehr vielfältige Benutzung zulassen. 
Nach der Fruchtreife wird nur der alte Stamm abgekauen, worauf 
sich die Stockknospen so rasch entwickeln, dass sie schon nach drei 
Monaten wieder Früchte bringen und zwar jeder Stamm nicht selten 
bis SO Pfdl. Da nun der Wurzelstock dreimal im Jahre fruchttragende 
Stämme bringt, so kann man den jährlichen Ertrag von einer Pflanze 
auf 1—14 Ctr. an Früchten rechnen. — Die Früchte werden halb 
oder völlig reif, roh, gekocht, geröstet oder in Butter gebraten ge- 
gessen. Die wässerige Abkochung derselben ist ein gewöhnliches 
Getränk und durch Gährung lässt sich eine Art Wein daraus bereiten. 
Die Knospe am Gipfel der Blüthenähre ist ein gutes Gemüse. Die 
Blätter dienen als Tischtuch und Teller, Sonnenschirm und Fliegen- 
wedel, zum Einpacken der Waaren und dem Indianer zum Einwickeln 
des Fleisches, wenn er es in erhitzten Gruben braten will. Die festen 
langen Fasern der Blattscheide dienen zu Tauen, Angelschnüren und 
zu Anfertigung von Zeugen zur Kleidung. Früchte, Wurzelstock, Saft 
des Stammes dienen ausserdem noch als Heilmittel. 

Ravenala madagascariensis Sonner., Musacear, Madagascar und 
Mauritius. Dieser, arbre du voyageur genannte Baum, hat seinen 
Namen daher, weil die Blattstielscheiden das ganze Jahr hindurch eine 


| 


| w Vereinszeitung. 385 
Menge reines und frisches Wasser enthalten, welches beim Anbohren 
oder Aufschneiden reichlich fliesst und den Wanderern zur angenehmen 
Erquickung dient. 

Ophrys, Orchideae. Diese Gattung zeichnet sich durch den 
merkwürdigen Bau ihrer Blüthen aus, welche mitunter einige Aehn- 
lichkeit mit Insekten haben. 

Phytelephas R. et P., Pandaneae, Peru, besitzt essbare Früchte, 

ie anfangs einen wässerigen Saft enthalten, der später milchig und 
süss, dann aber eine feste Masse wird und endlich Knochenhärte 
erlangt und das sogenannte vegetabilische Elfenbein liefert. 

Noch ein Paar Worte über die 

Musei, diese kleinen höchst zierlichen Pflänzchen, welche irotz 
ihrer Kleinheit einen sehr grossen Nutzen im Haushalte der Natur lie- 
fern. Sie bilden auf felsigem Gestein Dammerde, verarbeiten die löslichen 

BB estandiheile des Gesteins zu Pflanzensubstanz und zerfallen endlich 
selbst wieder zu Ackerkrume, auf diese Art Unterlage und Boden 
bildend. Auf höheren Gebirgen ziehen ihre dichten Rasen Feuchtigkeit 
aus der Luft ein, bewahren die wässerigen Niederschläge auf und 
dienen dadurch zum Theil mit als Wasserbehälter für Bäche; sind eine 
schützende Decke für zarte Wurzeln und Samen, halten zu grosse 
Sonnenhitze von keimenden Pflanzen ab und dienen kleineren Thieren 
zum Lager, Nest und Obdach. Die Gattung Sphagnum bildet ausser- 
dem einen Hauptbestandtheil bei der Bildung des Torfes. 


Die erratischen Blöcke und die dieselben bewohnenden 
Laubmoose. 

Höchst interessant ist es, dass auch die Moose und Flechten, 
welche sich auf den erratischen Blöcken unserer norddeutschen Ebene 
finden, deren Abstammung aus der skandinavischen Felsgebirgen be- 
stätigen. Nachdem Carl Müller in der »Natur« darauf aufmerksam 
gemacht hat, führt Dr. Itzigsohn in der Botan.. Zeitung diesen Gegen- 
stand weiter aus und zählt 10 Laubmoose als Bewohner der nord- 
deutschen erratischen Blöcke auf. Auch glaubt er, dass die Anzahl 
der Flechten, weiche jene Findlinge aus dem höheren Norden uns 
zugeführt haben, sehr gross sei. Hieran reiht er noch folgende an- 
ziehende Bemerkung. 

Was das Vorkommen erratischer Blöcke in hiesiger Gegend be- 
irifft, so erwähne ich, dass dieselben zahlreich und oft von bedeu- 
tender Grösse zu finden sind, wiewohl dieselben zu technischen Zwe- 
cken vielfach gesprengt und benutzt werden. Ich muss jedoch hier 
eines besonders grossen Zuges erratischer Blöcke Erwähnung thun, 
welcher etwa 2 Meilen von hier entfernt, sich in fast ununterbroche- 
ner Linie von dem Städtchen Schönfliess aus bis gegen Soldin hin- 
ziehen soll, so weit ich bis jetzt Kundschaft darüber eingezogen. 
Dieser Zug wird fast 2 Meilen in die Länge, in der Richtung von 
Osten nach Westen, gelagert sein; die Breite desselben soll an ein- 
zelnen Stellen fast !/y Meile betragen, wo dann fast Stein neben Stein 
ruhet. Die grössten dieser Granite sollen die Dimension eines kleinen 
Bauernhauses erreichen, wiewohl dieselben vielleicht zur Hälfte mit Erde 
bedeckt sind. Die ganze Strecke ist natürlich der Cultur unfähig. Nur an 
einem einzigen Puncte ist es dem Dr. Itzigsohn bisher möglich 
gewesen, diese Linie zu passiren, beim Dorfe Kostin, wo ein ansehn- 
licher Waldhügel ganz mit klaftergrossen Blöcken bedeckt ist. (Bot. 
Ztg. 1853. p. 601.) > _ A Hornung. 


Arch. d. Pharm. CXXVIM. Bds. 3. Hfi. 25 


386 Vereinszeitung. 
7) Handelsbericht. 


Dresden, Anfang April 1854. 


Seit unsern Markt-Mittheilungen im Januar d. J. sind bedeutungs- 
volle politische Ereignisse zur Entwickelung gekommen und haben 
auf den Handel der Europäischen Staaten fühlbaren Einfluss geübt, 
Die Erklärung des Krieges Seitens der Westmächte gegen Russland 
liegt als Thatsache vor; die Englische Kriegsflotte segelt nach der 
Ostsee, und die Ueberschiffung der Französischen und Englischen 
Expeditionstruppen nach dem Oriente ist energisch im Gange, während 
auf dem Kriegsschauplatze in der Türkei die Donau von den Russen 
überschritten und die Offensive eröffnet worden ist. Die Welt ist 
gespannt auf die Ereignisse der nächsten Zukunft, und der Standpunct 
des geschäftlichen Verkehrs bedauert lebhaft die kriegerische Wendung. 
Führt die Deckung der Kriegsbedürfnisse bei den auf beiden Seiten 
gemachten kolossalen Küstungen auch manche namhafte Einkäufe und 
manche vortheilbringende Conjuncturen in gewissen Fällen und Arti- 
keln herbei, im Allgemeinen werden die Consequenzen des Kriegs- 
zustandes, die Hemmungen von Absatz und Unternehmungslust, Stö- 
rungen der Communicationen, Erschwerungen der Creditverhältnisse 
und Fluctuationen der Course doch schwer empfunden. Mit Bedauern 
wird gegenüber den, wenn auch auf langjährigem freundschaftlichen 
und vertrauensvollen Verkehr beruhenden Kundschaften in Russland, 
an aussergewöhnlichen strengeren Zahlungsbedingungen festgehalten, 
weil sie durch Zeitumstände und gegenüber der Gold- und Silber- 
ausfuhrverbote, der in Russland steigenden Course und allen den 
möglichen Eventualitäten des Krieges und der Grenzabsperrungen ge- 
boten werden, und der Wunsch nach Rückkehr des Friedens und des 
gewohnten früheren ungehinderten Verkehrs ist gewiss allgemein ge- 
hegt, obwohl dessen Realisirung nicht so nahe zu liegen scheint. 

Die Communication zur See mit den Russischen Häfen der Ostsee 
ist für jetzt aufgehoben; die Beziehungen Russischer Producte für 
unsere Gegenden sind in Folge dessen und so lange die Russischen 
Grenzen Preussens und Oestreichs noch offen bleiben, auf den Trans- 
port zu Land per Fuhre angewiesen, welcher bei grösserer Langsam- 
keit nicht unbedeutend höhere Frachtkosten und Spesen in Anspruch 
nimmt. Letztere sind besonders empfindlich bei den ins Gewicht fal- 
lenden und weniger werthvollen Producten, und es haben in unserer 
Branche demzufolge die Preise für Ri! 

Russisches geschältes Süssholz wesentliche Erhöhung, ingleichen 
diejenigen für 

Semen cynae entsprechenden Aufschlag erfahren. 

In Casan Pottasche fanden erhebliche Umsätze zu steigenden 
Preisen statt, und auch wir räumten mit unserm Lager in Stettin; die 
Conjunctur dieses Artikels dürfte indess gewisser Begrenzung wohl 
unterworfen sein, weil Russische Zufuhren nicht ganz ausbleiben 
werden und er zu ersetzen ist durch die billige und gleich starke 
Ungarische Waare, und keine Veranlassung vorliegt, zu befürchten, 
dass Zufuhren von Pottasche aus Ungarn, Illyrien und aus Amerika 
mangeln werden, 

Canthariden in guter letztjähriger Waare mangeln in Russland 
wie in Ungarn fast gänzlich; Vorräthe an Deutschen und Englischen 
Märkten. sind nicht von Belang und wurden in letzter Zeit durch 


Vereinszeitung. 387 


überseeischen Bedarf mehrfach aufgesucht, was in Verbindung mit 
den Kriegszuständen neue Erhöhung des Werthes zur Folge gehabt. 


Collapiscium hingegen, glauben wir, wird vor der Hand noch 
zu bisherigem Werthe günstig zu kaufen sein, da einige Versendungen 
aus Russland unterwegs sich befinden. 


Moscow. Rhabarber geniesst entschieden günstigere Meinung bei 
dem vertheuerten Bezuge und dem Umstande, dass die Russische 
Krone, sich stützend auf einen durch die politischen Störungen in 
China herbeigeführten Ausfall der Production, alle Begünstigungen 
verweigert und das Auslesen der Waare nicht mehr gestattet; die 
Käufer müssen sich mit der naturellen Waare begnügen, und wir 
machen hierauf unsere Abnehmer besonders aufmerksam, weil unser 
hiesiger Vorrath der letzijährigen besonders schönen, in den Kron- 
Magazinen Stück für Stück ausgelesene Waare nur noch klein ist und 
“ wir die neue Waare der diesjährigen kleinen Zufuhr selbst aussuchen 
werden müssen, was noihwendig den Preis vertheuern wird. 


Unter den durch Kriegsbedarf berührten Artikeln unseres Faches 
ist Kali- Salpeter bedeutend gesteigert und dessen Ausfuhr ebense 
wie die des Harzes in England verboten; die Preiserhöhung für Kali- 
Salpeter, rohen wie raffinirten, ist ganz überraschend, und wir sind 
ihr noch nicht im gleichen Verhältniss gefolgt mit unsern Notirungen, 
zu denen wir chemisch reine und schöne weisse Qualität naturell in 
grössern und kleinern Krystallen durcheinander oder auch abgesiebt 
geben. — Erklärlich ist auch An 

Blei aufgekauft und theurer bezahlt, was erhöhend auf den Werth 
von Glätte, Mennie und sonstigen Bleipräparaten wirkte. 


Von Medicinalien hat vorzugsweise starkes Gesuch nach Chinin 
sulphurie. statt gefunden, und theils für Regierungs - Aufträge, theils 
für Privatbestellungen zur Deckung des sich lebhaft einstellenden Be- 
gehrs der Frühjahrsperiode, so wie der in Krieg verwickelten Land- 
striche sind erhebliche Quantitäten contrahirt worden zu schnell sich 
steigernden Preisen; zur prompten Lieferung hat kaum dem aufkom- 
menden Bedarf überall genügt werden können und für später sind die 
Fabrikanten bis Herbst nun schon stark engagirt. Wir rathen unsern 
Freunden, nicht zu zögern mit Versorgung zu unsern noch günstigen 
Notirungen, da fortschreitende Erhöhung kaum zu bezweifeln sein 
möchte. 

Aloe vom Cap trafen einige lange erwartete Zufuhren ein und 
verstatietien einige Ermässigung der zuletzt vorgekommenen hohen 
Notirungen. Möglicher Weise stellt die Conjunetur sich sinkend, wie- 
wohl der Verbrauch stark zugenommen hat, 

Asphalt in der billigen Amerikanischen Sorte erwarten wir eben 
eine Zufuhr direct, 

Balsam copaivae findet zu den niedrigeren Preisen vermehrten 
Abzug. 

Balsam de Tolu ist in neuer Waare billiger gekommen. 

Balsam de Peru aber von den Hauptinhabern, nachdem mehrere 
grössere Parthien aus dem Markt genommen worden, entschieden höher 
gehalten, und wir dürfen unsern Preis, noch auf frühern Einkauf 
basirend, als vortheilhaft anempfehlen. 

Raffin. Borax hat sich um eine Kleinigkeit billiger gestellt. 

‘ Für Roh-Camphor wurden höhere Preise bewilligt, was bald auf 
den Werth der raflinirten Waare influiren dürfte. 


388 Vereinszeitung. 


Ein Pöstchen des Cera vegetabil. Bahia erhielten wir wieder, 
das lange Zeit gemangelt und vielfach nachgefragt war. 

Celaceum ist in Folge einer Opposition unter den verschiedenen 
Fabrikanten wesentlich billiger geworden in einem Grade, der kaum 
lange anhalten dürfte. 

Colophonium erhielt neuen Impuls zur Steigerung durch grossen 
Bedarf bei den Schiffsbauten und Ausrüstungen in Frankreich und 
England, 

Mit den beliebten Cortex aurant. sine parenchim. können wir 
nun wieder dienen, und empfehlen von 

Cortex chinae ein wohlassorlirtes Lager. 

Crocus war neuerdings elwas billiger käuflich, sowohl in Gasti- 
nois- wie in Spanischer Waare, die wir beide als ächt aus unsern 
Händen garantiren. 

Die Anfuhren von Cubebae bleiben beschränkt und Preise stellten 
sich wieder höher. 

Von Fabae pichurin. erhielten wir neue Ablieferung zu ermäs- 
sigten Kosten. je 

Flores arnicae sind die letzten guten Parthiechen voriger en 
weggesucht, und etwa noch vorhandene kleine Rester bestehen nur 
noch in älterer Waare. Flor. chamom. Roman. exislirt nur wenig 
noch in Mittelqualität. Aber von Flor. maltae arbor. sind noch Pöst- 
chen schöner schwarzer Blumen zu liefern. Von Flor. sambuei ist 
das Verlangte kaum’ zu schaffen. Flor. tiliae sind noch kleine Rester 
zum Vorschein gekommen, und Flor. verbasci trotz hohen Preises 
vielfach begehrt gewesen. | 

In Fol. sennae haben wir uns bei der entschieden steigenden 
Tendenz mit starken Vorräthen ausgerüstet. 

Fructus tamarind. haben wir in schöner schwarzer Calcutta-Waare 
mit wenig Kernen zu empfehlen. 

Die Preise für Gummi arabicum erfuhren bei reichlicher Auswahl 
neuerdings wieder einige Ermässigungen; besonders ist auch Senegal- 
Gummi billiger geworden. 

Hochgereinigter Gutta Percha in weissen Stangen wird, aufgelöst 
in warmem Wasser, als Zahnkitt mit sehr befriedigendem Erfolge 
angewendet und ist bei uns vorräthig. 

Herba aconiti und belladonnnae exisliren nur in kleinen Pöstchen 
noch, an welche die Ansprüche wegen Qualität nicht gar zu hoch 
gestellt werden dürfen. Hb. cherelta indie, soeben in neuer Ablieferung 
wesentlich billiger. Von Hb. equisethi in langen kräftigen Halmen 
treffen die neuen Lieferungen nun ein und calculiren sich etwa 6 
driger. Herba menthae piperit. und crisp. kann in bester g rn 
Blätierwaare der letzten Ernte noch prompt effectuirt werden. 

Für Hydrargyrum und Cinnabar. praep. war aufs Neue wieder 
eine kleine Herabsetzung der Preise mit Hülfe günstig auskommender 
Course der Üestreichischen Valuta möglich. 

Kousso Brayera ist billiger anzuschaffen gewesen. _ 

Lacca in baculis eben wieder in sehr schöner Waare zugeführt, 
und Lacca in tabulis empfehlen wir in fein Orange wie in Leberfarben 
recht preiswerth. 

Von Lapis cancror. ward uns endlich Einiges zugeführt, womit 
wir den häufigen Nachfragen nun zu entsprechen vermögen. 

Die Preise für Lapis haematit. sind beträchtlich aufgeschlagen, 
weil die bisherigen Fundgruben im Erzgebirge plötzlich versiegien; 


Vereinszeitung. 389 


es wird nichts mehr gefördert und man hat noch keine Aussicht auf 
neue Quellen; Vorräthe aber existiren von keinem Belang, 

Auch Lapis smirid. Venet. in den verschiedenen Körnungen ist 
theliger geworden. 

 Macis ist bei nicht gar zu strengen Quantitäts-Ansprüchen etwas 
billiger zu berechnen. 

Mit Manna sind wir noch entschieden billig gegen jetzige Bezugs- 
kosten, und machen besonders noch auf die preiswerthe, sehr hübsch 
weiss fallende Manna canellata in fragment. aufmerksam. 

Es freut uns, nun auch wieder die Ankunft einiger Kisten Bombay 
Mastiz avisiren zu können, welcher recht hübsch granulirt fällt, und 
bei seinem niedrigen Werthe und guter Verwendbarkeit ungemein. 
viele Liebhaber finde. Auch die Griechische Waare ist etwas za 
stiger neuerlich anzuschaffen. ’ 

Mochkus tonquin. empfehlen wir in ächter und feinster Qualität 
und gut geformten Beuteln; auch cabardin. in guter Waare billig. 

Natrum nitricum hat neuerdings im Preise angezogen, da der 
Verbrauch ein bedeutender und fort und fort im Zunehmen ist; ausser 
zu den bekannten chemischen Zwecken hat sich die Verwendung in 
der Landwirthschaft an Stelle des Guano ganz wesentlich vermehrt; 
auch wird der Artikel jetzt vielfach zur Darstellung der besten Sorte 
Kali- Salpeter, mit Hülfe von Pottasche, angewendet. 

Ol. amygdal. aether. hat wesentlich erhöht werden müssen, da 
bittere Mandeln selten und theuer sind. Von Ol aurantior., bergamott., 
cedro trafen soeben unsere neuen Sicilianer Zufuhren ein ‚und com- 
plettirten unsere Vorräthe in den bekannten vorzüglichen Qualitäten, 
Ol. caryophyll. ist vertheuert worden durch die höhern Nelkenpreise. 

Ol. jecoris assell. von Bergen rückt in unserer feinen, mild- 
schmeekenden, hellen Qualität sehr zusammen und fraglich ist es, ob 
der Vorrath bis zur neuen diesjährigen Produttion ausreichen wird. 
Nach den bis jetzt eingelaufenen Berichten von Lofotlten soll der heu- 
rige Dorschfang ergiebig sein, doch unter den Stürmen zu leiden 
gehabt haben, welche die Fische wieder zerstreuen und deren Fang 
erschweren. Die Lebern der Dorsche zeigten sich ungewöhnlich fett. 

Ol. laurin. express. empfehlen wir in schöner frischer Waare vom 
Garda-See, und sind verhältnissmässig billig damit, denn die Bestände 
an der Quelle sind zu sieigenden Preisen geräumt. In den Notirungen 
der Oliven- Oele haben sich nennenswerthe Veränderungen bis jetzt 
nicht eingestellt; Deutsches Mohnöl ist eine Kleinigkeit niedriger ge- 
gangen. Öl. petrae citrin. fehlt an der Quelle gänzlich und muss der 
zweiten Hand höher bezahlt werden. Ol. rieini hat sich von so 
gedrücktem Stande nun doch erholt und bereits entschieden höhere 
Preise bedungen. Mit Ol. terebinthin. Americ. ist es ziemlich ruhig 
und unverändert; mit Germaniec. fortwährend knapp gewesen. 

Unser Opium von Smyrna in feinster Pasta und reichem Mor- 
phium - Gehalt erfreut sich ungetheilter Anerkennung. 

Platina-Metall haben wir einige Stücken aus abgenutzten Kesseln 
zum Verkauf, billig, zu chemischer Verarbeitung sich empfehlend. 

Von Rad. jalappae sicherten wir uns rechtzeitig noch eine Post 
guter ächter resinöser Waare, an der es anderwärts zu mangeln be- 
giont. Aad. imperatoriae ist wieder reichlicher zu haben. 

Rad. ipecacuwanhae ist fortwährend nur wenig von Brasilien zu- 
geführt gewesen, und kürzlich wurden die besten Vorräthe aus dem 
Markt genommen und auf Ordre versendet, was neuerdings höhere 


390 Vereinszeiltung, 


Forderungen für die nur noch sehr schwachen Vorräthe hervorgerufen 
hat, da gleichzeitige Rie-Janeiro-Berichte höhere Notirungen brachten 
und keine Abladungen meldeten. Wir liessen zur Herstellung iner 
besonders schönen Qualität einen naturellen Posten unter unseren 
Augen scharf reinigen und absieben, wovon uns ein Quantum guter 
gesunder Abfall geblieben ist, bestehend aus kleinen Fragmenten und 
klarem Absiebsel. Diesen unbedingt als ächt zu garantirenden und 
zum Pulverisiren wie zu Erzeugung von Emetin daher noch güt geeig- 
neten Abfall können wir billig anbieten. 

Für Rad. Rhei Sinens. scheint der Culminationspunct gekommen 
zu sein; unsere Freunde in Canton schreiben, dass daselbst zu über- 
‚spannten Preisen viel gekauft und nach Europa exportirt worden sei 
und dass wir dem zufolge hier sehr bald grössere Vorräthe zu nie- 
drigeren Preisen käuflich finden dürften. Wir möchten deshalb unsern 
Kundschaften anrathen, vorläufig doch nur den nöthigen Bedarf zu 
den dermaligen Preisen einzuthun, 

Schöne Levantiner Rad. salep offeriren wir in elegirter, wie in 
natureller Waare und haben die Tendenz des Artikels als steigend zu 
bezeichnen. Rad. senegae und serpentariae sind sehr knapp und 
theuer. 

Die Umsätze in weissem Tapioca-, so wie in braunem Ostind. 
Sago, mit wesentlicher Zollersparung über Hannover eingeführt, sind 
in letzten Monaten bedeutend gewesen und es hat sich vermehrter 
Consum als Folge der niedrigen Preise nicht verkennen lassen. Die 
Bestände in ersten Händen sind ziemlich geräumt und Avance schon 
bewilligt._ Wir haben noch stärkeres Lager davon für unsere Freunde 
reservirt. 

Von Semen cardui Mariae sind von letzter Ernte kaum einzelne 
Pfunde noch aufzufinden. Sem. colchici autumn. vielfach nachgefragt. 
Sem. carvi noch immer zu hohen Preisen gesucht. Sem. foeniculi 
vulgar. aber in schöner grüner Kamm-Waare billiger anzubieten. Sem. 
Iycopod. macht sich äusserst knapp, und ebenso Sem. sinapis nigr. 
wiederum theurer. Hingegen bleiben Sem. sabadill. und staphisagriae 
beachtenswerth billig. 

Suceus liquiritiae in den feinen ächten Calabria- Marken ist an 
der Quelle recht selten geworden und hat eine Preissteigerung von 
über 10 Proc. erfahren müssen. 

Für Tartarus crud., depur. und Acid. tartaric. gelten in der 
Hauptsache die früheren Verhältnisse, obwohl die politischen Zerwürf- 
nisse und deren Eindruck auf gewerblichen Vertrieb für Crystall tar- 
tari vorübergehend etwas maltere Stimmung und billigere Preise 
gebracht hatten, und die Forderungen für Acid. tartaric. neuerlich 
herabgestimmt haben. 

Venetianer Terpentin erfuhr neuerdings Aufschlag im Preise. 

Für Aether-Sorten sind kleine Ermässigungen, entsprechend den 
bereits etwas gesunkenen Preisen des Spiritus möglich gewesen. 

Auch Acid. citrieum stellte sich billiger. ' 

Brom war durch höhere Contracte wesentlich niedriger zu erlangen. 

Chinoidin liefern wir nun auch in ganz gereinigter Rollenwaare, 
in Säuren wie in Alkohol völlig klar löslich. 

Die frühern hohen Forderungen für Jodine haben sich doch nicht 
behaupten können, nachdem die Inhaber und Speculanten durch die 
politischen Vorgänge missgestimmt, und einige beträchtliche Parthien 
aus einer Concurs-Masse in Glasgow zum Verkauf angekündigt wurden. 


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Vereinszeitung. 391 


Es ist uns lieb, durch diese Umstände ermächtigt zu sein, unsern 
Abnehmern neuerdings wieder kleine Ermässigungen für dieses Product, 
so wie für Jodkalium vorlegen zu können, welches letztere wir in 
ausgezeichnet schöner, weisser, trockner Qualität liefern. 

Kali chloricum im Werth entschieden behauptet, doch trafen wir 
unsere Dispositionen, um auch grössere Posten prompt liefern zu 
können. 

Kreosot ist durch grössere Abschlüsse billiger zu erlangen gewesen. 

Lactucaricum Anglic. sehr theuer; Germanic., das an Wirksam- 
keit dem ersten nicht nachsteht, hingegen spottbillig. 

 Natrum acetic. selien und theurer. 1 

Die Fabrikanten von Phosphor haben eine Erhöhung ihrer Preise 
angekündigt zufolge vertheuerien Rohmaterials. 

Eine Post prima Sandford Blauholz- Eztract erwarten wir dem- 
nächst direct. 

Mit gelbem Blausauren Kali lässt man sich bei den gedrückten 
gewerblichen Zuständen billiger finden. 

Leim hingegen ist ansehnlich gestiegen, weil Rohstoffe nur mit 
Mühe und zu höhern Kosten aufzutreiben sind. 

Soeben erfahren wir noch von Wien, dass vom Aerar die Preise 
für Quecksilber und Zinnober, nachdem sie am 27. März um 5 Fl. 
erhöht, neuerdings wieder am 5. April um 10 Fl. gesteigert worden 
sind, welche Erhöhung allerdings durch Coursvergünstigung bei wei- 
tem nicht balaucirt wird. 

Wir halten uns Ihnen unter Beischluss unserer Preise bestens 
empfohlen und zeichnen 

hochachtungsvoll 
Gehe & Comp. 


8) Notizen zur praktischen Pharmacie. 


In der Provinz Sachsen und in den kleinen deutschen 
Fürstenthümern werden von zahlungsfähigen Käufern Apotheken 
mit 5-, 8-, 42- und 20,000 Thlr. Anzahlung durch mich zu 
kaufen gesucht. 

Dagegen kann ich in den Provinzen Preussen, Posen, Pommern, 
Mark, Schlesien und Rheinprovinz preiswerthe Geschäfte ver- 
schiedenen Umfanges bei angemessenen Anzahlungen 
den Herren Käufern offeriren. 

Berlin, Jägerstrasse 10. Bel-Etage. L. F. Baarts, 

Apotheker 1. Classe & Agent, 
in Firma L. F. Baarts & Co, 


Verkaufs- Anzeige. 
Fol. Lauro-Cerasi recent., den Centner 13 Thlr., das Pfund 4 Sgr., 
wie auch Ay. Lauro-Cerasi Ph. B. hat abzulassen 
"6. Krause, 
Apotheker in Oranienbaum 
bei Dessau. 


Berichtigung. 


Im Maihefte des Archivs (Bd. CXXVII. H.2.) S,231 lies statt 
v. Boltensiein — v. Boltenstern, 


% ‚ 1 


392 Vereinszeitung. 


Lehrlingsgesuch. 
In meiner Officin ist eine Lehrlingstelle offen. Ein junger Mann, 
mit den nöthigen Schulkenntnissen versehen und moralisch gut p- 
gen, kann sogleich oder zu Johannis eintreten. 
Greussen in Schwarzb.- Sondersh., im Mai 1854. 
Julius Kiel, Apotheker. 


Kauf- oder Pachtgesuch einer Apotheke. 


Es wird eine gute Apotheke, wo möglich bis Michaelis d. J., 
pachten oder zu kaufen gesucht. Man wünscht direct zu unter ha. 
Offerten unter der Adresse X. Z. beliebe man an Herrn Bürgermeister 
Dr. Dor| zu Greussen in Schwarzburg - Sondershausen zu senden. 


Verkauf von Utensilien einer Apotheke. 


Das Repositorium, die Schubladen und Standgefässe nebst Recep- 
tirtisch einer vor ca. 20 Jahren ganz neu, nach der grossen Serie 
eingerichteten Apotheke, sind baulicher Verhältnisse wegen billig zu 
kaufen und gegen Ende Mai d. J. zu übernehmen. Alles ist noch im 
besten Zustande, von Berliner Steingut, Thüringer Glas, und die Büch- 
sen von Ahornholz, mit gelben Schildern und schwarzer Schrift’ in 
Oelfarbe; die Gläser zu ätherischen Oelen haben eingebrannte Schrift, 
Nähere Auskunft bei Dr. L €. Marquart in Bonn, 


Verkaufs - Anzeige. 
Die Apotheke des verstorbenen Dr. A. van Hees in Cöln am 
Rhein soll verkauft werden. Zahlungsfähige Kaufliebhaber wollen 


sich dieserhalb an den Apgpifker Georg van Hees in Barmen 
wenden. 


Feuerversicherung. 


Im Interesse der einzelnen Mitglieder sowohl, als der milden 
Anstalten des Vereins werden die neu eingetretenen Mitglieder auf- 
merksam gemacht auf den Contract des Directoriums mit der Direction 
der Aachener und Münchener Feuerversicherungs- Gesellschaft, nach 
welchem die Abschlüsse mit jener Versicherungs - Gesellschaft für die 
Mitglieder sehr billig gestellt sind, aus denselben aber für die milden 
Stiftungen des Vereins ein ansehnlicher Vortheil erwächst, weshalb 
nicht allein weit verbreitete Betheiligung, sondern auch Anzeige die- 
serhalb beim Directorium zu wünschen ist. 

: Das Directorium. 


Nothwendige Anzeige. 


In der Directorial- Conferenz zu Bad Oeynhausen im Monat Mai 
d. J. ist die Rechnungsführung des Vereins unserem Ehrendirector 
Herrn Dr. Meurer in Dresden übertragen worden, an welchen dem- 
nach die Rechnungen und Gelder des Vereins einzusenden sind, 
Das Directorium. 


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£iofbuchdruckerei der Gebr. Jänecke in Hannever. 


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