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ARCHIV
PHARMAUCIE
Bine Zeitschrift
des
allgemeinen deutschen Apotheker -Vereins,
Abtheilung Norddeutschland.
Herausgegeben vom Directorium unter Redaction
von
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Im Selbstverlage des Vereins.
In Commission der Buchhandlung des Waisenhauses in Halle a/S.
1872.
ARCHV
DER
PHARMAUIE.
Zweite Reihe, OXLIX. Band.
Der ganzen Folge CXCIX. Band.
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Unter Mitwirkung der Herren
0. Becker, E. Biltz, F. A. FlĂŒckiger, Adelb. Geheeb, 6. GlĂ€ssner,
E. Hallier, E. Heintz, B. Hirsch, A. Hirschberg, Karl Jehn,
F. Kostka, R. Mirus, H. MĂŒller (Jena), J. MĂŒller (Breslau), R. Palm,
E. Pfeiffer, E. Reichardt, Chr. Rump, E. Schering, Jul. Schnauss,
F. Schrage, âŹ. Sommer, W. Stromeyer, Fr. Vieweg u. Sohn
herausgegeben vom Directorium unter Redaction
von
H. Ludwig.
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NEW YORK
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1. Jahrgang.
Im Selbstverlage des Vereins.
In Commission der Buchhandlung des Waisenhauses in Halle a/S.
1872.
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MAY 22 1901
A. Originalmittheilungen.
I. Chemie und Pharmacie.
Untersuchung ven Roggenmehl auf fremde Bei-
mengungen, besonders auf &erstenmehl.
Von Dr. ©. Sommer, Apotheker in Schwarzenfels.
Im April des Jahres 1871 wurde ich. von dem hie-
sigen Amtsgericht beauftragt, vier SĂ€cke mit circa 8 Ctr.
Mehl zu untersuchen und anzugeben, ob in den SĂ€cken rei-
nes Roggenmehl, oder ob Gerstenmehl darunter gemengt sei?
Ich begab mich alsbald in den Nachbarort, wo auf einem
luftigen Bodenraume das Mehl seit 3 Jahren lagerte. Die
SÀcke waren zum Theil noch nicht geöffnet; ich schnitt sie
daher in der Mitte der LĂ€nge nach auf, entfernte ca. 10 Pfad.
von dem oben aufliegenden Mehle und dann erst nahm ich
2 Pfd. Probemehl heraus. Nur die Àussere Schicht des Mehles
fand ich mehr oder weniger zusammengeballt, nach Innen
fast gar nicht. Von einem unangenehmen, sogenannten mul-
sterigen Geruche, konnte ich wenig bemerken. Um ein ver-
gleichendes Urtheil ĂŒber die Reinheit des Mehles zu erlan-
gen, musste ich mir vor allen Dingen reines Roggen- und
reines Gerstenmehl verschaffen. Zu diesem Zwecke begab
ich mich in eine MĂŒhle, liess den Mahlgang gehörig reinigen
und schĂŒttete selbst reinen, gesiebten Roggen auf. Die erste
Handvoll Mehl, welche aus dem Mahlgange hervorkam, wurde
bei Seite gelegt; der Rest wurde sorgfÀltig aufbewahrt.
Genau so verfuhr ich mit der reinen, gesiebten Gerste.
Arch. d. Pharm. OXCIX. Bds. 1. Hit, 1
d Untersuchung von Roggenmehl auf fremde Beimengungen etc,
. Hierauf, âschritt, âich zum Vergleiche der verschiedenen
Proben, âDas âu; "untersuchönde Mehl war gröber gemahlen
und le von Farl be, als das selbstgemahlene Mehl, ob-
wohl die Ffucht vorher nicht angefeuchtet (genetzt) worden
war und somit weit mehr Kleientheilchen enthielt, als wenn
dieses geschehen wÀre.
Mit Wasser angeknetet, zeigte sich der Geruch des rei-
nen Roggenmehles nicht. â Der Geschmack war nicht rein,
sondern war bei allen 4 Proben sÀuerlichsalzig, spÀter
fade, aber nicht bitter.
Unter der -Loupe, bei einer 6fachen Vergrösserung
erkannte man mehr und grössere Kleientheilchen, vermengt
mit vielen schwarzen Fragmenten (vielleicht von Kornrade
oder Wachtelweizen herrĂŒhrend) wie bei reinem Roggen-
mehle. À
In der Voraussetzung, dass das MĂŒllertuch auch zer-
reisst und undicht wird, liess ich sÀmmtliche Mehlproben
nach einander durch ein feines Zuckersieb gehen. Aus der
jedes Mal zurĂŒckbleibenden Kleie und sonstigen Fragmenten
konnte ich schon auf etwaige VerfÀlschungen schliessen. Da-
bei stellte sich heraus, dass von den 4 zu untersuchenden
Mehlproben jede 1°, grobe Kleie enthielt, wÀhrend reines
Roggenmehl und reines Gerstenmehl je nur /, °% gröbere
Kleie hinterliessen. Das Roggenmehl eines hiesigen BĂ€ckers
besass davon nur 1), %-
In der groben Kleie der 4 Proben liessen sich mit unbe-
waffneten Augen BruchstĂŒcke von Hafer, Gerste, Weizen,
Roggen, Erbsen erkennen, sowie HĂŒlsen von Erbsen, Gran-
nen von Gerste, Spelzen von Gerste und Hafer, endlich StĂŒcke
todter MehlwĂŒrmer. Eine Probe davon enthielt sogar noch
eine ganze Erbse und ein ganzes Haferkorn. Diese ganze
Auslese fĂŒgte ich spĂ€ter meinem Berichte an das Amt bei.
Um zu sehen, wovon eine Anzahl dunkler HĂŒlsenfragmente
darunter herstammten, bediente ich mich des Mikroskopes.
Ein StĂŒckchen wurde auf dem Objectivglase mit dem
kleinen DeckglĂ€schen unter HinzufĂŒgung eines Tropfens de-
stillirten Wassers schwach gerieben, so dass sich die StÀrke-
Yu ya
Untersuehung von Roggenmehl auf fremde Beimengungen ete. b}
körnchen von der Schale trennten. Bei einer 200 fachen linea-
ren Vergrössung erkannte ich deutlich die charakteristischen
walzlichen theilweise der LĂ€ngenaxe nach mit Rinnen ver-
sehenen, StÀrkekörnchen der Papilionaceen, wahrscheinlich
der Wicken. Die StÀrkekörnchen von Weizen, Roggen und
Gerste sind kreisrund und etwas plattgedrĂŒckt, wie Linsen.
Die fraglichen Mehlproben zeigten ebenfalls unter dem
Mikroskope deutlich die StÀrkekörnchen der Papilionaceen
und des Hafers. Die StÀrkekörnchen des letzteren sind poly-
gonal. Dagegen ist es mir nicht gelungen, hierbei mit der-
selben Deutlichkeit die StÀrkekörnchen der Gerste von denen
des Roggens zu unterscheiden, obwohl die RoggenstÀrke ein
mehr sternförmiges Hilum besitzt.
Giebt man dagegen zu der GerstenstÀrke auf dem Ob-
jecetivglase etwas destillirtes Wasser, bedeckt mit einem Deck-
glĂ€schen, nimmt mittels etwas Filtrirpapier das ĂŒberflĂŒssige
Wasser wieder hinweg und. bringt mit einem GlasstÀbchen
einen Tropfen concentrirte SchwefelsÀure von 1,84 spec. Gew.
hinzu, so wird man bei einer 200 fachen Vergrösserung bemerken,
dass, nachdem die Àussere Schicht der Körnchen zerstört ist,
dieselben, ehe sie sich völlig auflösen, in viele Polyeder zer-
fallen. Das Verhalten besitzt weder die Weizen-, noch die
RoggenstÀrke; sie werden vielmehr gleichförmig aufgelöst.
Bei der Behandlung des fraglichen Mehles auf gleiche
Weise konnte man eine Anzahl StÀrkekörnchen ebenso sich
auflösen sehen, wie bei der reinen GerstestÀrke.
Die vier Mehlproben, wÀhrend 6 Stunden dem Woasser-
bade ausgesetzt, ergaben einen Wassergehalt von 14,5 %/,.
Ein ferneres Verfahren, festzustellen, ob ein Roggen-
mehl rein sei, beruht auf dem Gehalt an Kleber. Hierbei
folgte ich den Angaben von W. Danckwortt, Archiv der
Pharmac. Januarheft 1871.
Es wurden aus MĂŒllertuch Nr. 12 eine Anzahl 8 Centm.
lange und 4 Gentm. breite Beutelchen angefertigt. Sie wurden
im Wasserbade ausgetrocknet, gewogen und mit einem Ge-
mische aus 10 Grm. lufttrockenen Mehle und 1 Grm. ausge-
gohrener, ausgewaschener und 12 Stunden lang im Weasser-
1*
Ă€ Untersuchung von Roggenmehl auf fremde Beimengungen ete.
bade getrockneter Weizenkleie gefĂŒllt. Die Beutelchen wur-
den gleichmÀssig befeuchtet, !/; Stunde stehen gelassen,
alsdann zugebunden und solange mit destillirtem Wasser aus-
geknetet, bis dasselbe klar abliefÂŁ. Nachdem sie 24 Stunden
lang im Wasserbade getrocknet waren, wurden sie gewogen
und die Klebermenge nach Abzug des Gewichtes des Beutel-
chens und der Kleie gefunden.
Selbstgemahlenes Roggenmehl hinterliess 0,84%).
a Gerstenmehl 5 Du 2
Jede der 4 Mehlproben h 2,00 ,
Wenn sich hieraus auch ergiebt, dass das streitige Mehl
kein reines Roggenmehl war, so konnte ich doch nicht auf
die Menge der ZusÀtze schliessen; denn:
â
1) war das Mehl sauer, (es röthete angefeuchtetes blaues
Lackmuspapier sofort) wodurch schon eine gewisse Menge
Kleber in den löslichen Zustand ĂŒbergefĂŒhrt war und daher
nicht in dem seidenen Beutelchen zurĂŒckgehalten wurde;
2) war das Resultat ein unsicheres, da das grobgemahlene
mehr Kleie zurĂŒckliess, als reines, feingemahlenes Mehl.
Hierdurch halte ich mich berechtigt, der Kleberprobe bei
Mehluntersuchungen eine allzugrosse Wichtigkeit nicht bei-
legen zu dĂŒrfen.
Jedenfalls mĂŒsste erst ein Normalsieb mit genau bestimm-
ter Weite der Maschen festgestellt werden, durch welches
jedes Mehl, das der Kleberprobe unterworfen wird, abzusie-
ben sei. Das Alter, die Aufbewahrungsmethode etc. wird
auch nicht ohne Einfluss auf den Kleber bleiben.
Beim vorsichtigen EinÀschern im Platintiegel hinterliessen
die 4 Mehlproben im Mittel aus 3 Versuchen je 2%, Asche.
Unter denselben Bedingungen ergab reines Roggenmehl
einen Aschengehalt von 1°/,; reines Gerstenmehl 2°, und
das Roggenmehl eines hiesigen BÀckers 1,5°/,.
Eine weitere Untersuchung der Asche auf einen Kupfer -,
oder Thonerdegehalt, oder eine Chlorverbindung, ergaben ein
negatives Resultat. Wenigstens konnte ich in der geringen
Menge nur Spuren von Thonerde nachweisen. Wie ich
Untersuchung von Roggenmehl auf fremde Beimengungen ete. 5
aber oben erwÀhnte, besass das streitige Mehl einen sÀuerlich -
salzigen Geschmack. _ Es musste offenbar Kochsalz zuge-
gen sein, und diese Chlorverbindung war beim GlĂŒhen zerstört
worden.
Um das Kochsalz zu isoliren und vorlegen zu können,
musste ich einen anderen Weg einschlagen. Der kĂŒrzeste
wÀre freilich gewesen, in einem grossen Platintiegel eine
grössere Menge Mehl vorsichtig zu verkohlen und die Kohle
auszulaugen etc. Allein emen so grossen Platintiegel besitze
ich nicht und ein Porzellantiegel wĂŒrde nicht ohne Einfluss
auf das Kochsalz in der Hitze geblieben sein.
Ich versuchte daher den Weg der Dialyse. Roggen-
ınehl, mit destillirtem Wasser eingerĂŒhrt, giebt eine schwer zu
dialysirende Masse. Zieht man dagegen das Mehl mit 30%,
Weingeist wiederholt aus, so wird das etwa vorhandene Koch-
salz gelöst, ohne dass die Masse schleimig wird, und lÀsst
sich bequem in einem Beutel auspressen. Die spirituösen
FlĂŒssigkeiten wurden gemischt, filtrirt, der Spiritus abdestillirt
und der RĂŒckstand im Wasserbade, bis zum völligen Ver-
dunsten des Spiritus erhitzt. Die trĂŒbe, dickliche Masse
wurde nun mit einem gleichen Volumen destillirten Wassers
verdĂŒnnt und in den Dialysator gebracht. Nachdem der Ap-
parat 12 Stunden lang bei 16°C. ruhig gestanden hatte,
wurde die FlĂŒssigkeit im Ă€usseren GefĂ€sse herausgegossen
und durch frisches, destillirtes Wasser ersetzt und nach
12 Stunden dieselbe Operation wiederholt. Die vereinigten
FlĂŒssigkeiten wurden im Wasserbade zur Syrupsconsistenz
verdunstet. Der Syrup schmeckte stark sauer salzig. Er
wurde vorsichtig in einen Platintiegel zur Trockne verdunstet
und verkohlt. â Die erhaltene Kohle ward fein zerrieben,
mit destillirtem Wasser ausgewaschen, die FlĂŒssigkeit filtrirt,
im Wasserbade eingedickt und ĂŒber SchwefelsĂ€ure krystallisi-
ren gelassen. Die krystallinische Masse enthielt auch kleine
Kochsalzkrystalle. Der grösste Theil davon wurde in einem
(GlÀschen den Acten beigegeben, der Rest auf die bekannte
Weise auf Chlor und Natrium geprĂŒft und als solches fest-
gestellt,
6 Ueber ein Chromo - Glykosid im Wachtelweizen.
Ein gleiches Resultat ergaben alle 4 Proben des zu
untersuchenden Mehles.
Dagegen blieben das reine Roggen- und Gerstenmehl,
sowie das eines hiesigen BĂ€ckers ohne Resultat. Verglei-
chende Versuche durch Zumischen von Kochsalz zum reinen
Roggenmehle ergaben einen Àhnlichen sauren Geschmack bei
einem Gehalte von 1, %, Kochsalz. Da ich es mit einem
absichtlich verfÀlschten Mehle zu thun hatte, dehnte ich meine
Versuche auch noch auf Alaun und Kupfervitriol aus, welche
hÀufig als Aufbesserungsmittel eines schlechten Mehles ge-
nannt werden, allein ohne Erfolg. Gyps etc. konnte wegen
des relativ geringen Aschengehaltes nicht darin sein.
Aus vorstehender Untersuchung geht hervor, dass das
untersuchte Mehl kein reines Roggenmehl war. . Es
war vielmehr ein Mehl aus sogenannter Mengefrucht, war
schlecht gemahlen und wurde, um es haltbarer und leichter
backend zu machen, mit Kochsalz gemischt. Jedenfalls hat
der Kochsalzgehalt viel zu der Haltbarkeit des Mchles bei-
getragen, sonst wĂŒrde dasselbe schwerlich nach 3 Jahren so
gut erhalten geblieben sein.
Ueber ein Chromo -61lykosid im Wachtelweizen,
(dem Samen von Melampyrum arvense L.).
Von Hermann Ludwig u. Hermann MĂŒller in Jena,
Der Wachtelweizen, auch Kuhweizen, Taub-
weizen, Ackerbrand genannt, ist eine hÀufig auf Aeckern,
zumal auf Thon- und Kalkboden, unter dem Wintergetreide
wachsende Pflanze aus der Familie der Rhinanthaceen.
Der Name weAdurevgov kommt schon bei den Alten vor
(z. B. bei Theophrast, in dessen Naturgeschichte der Ge-
wĂ€chse im 8. Buche, 4. Kapitel, nach K. Sprengelâs Ueber-
setzung wir lesen: âder sicilische Weizen hat ein eigenes
Unkraut, Melampyron genannt; dies ist aber unschÀdlich
Ueber ein Chromo- Glykosid im Wachtelweizen. 7
und nicht so schwer wie der LĂŒlch, nimmt auch nicht so den
Kopf einâ); er bezeichnet, abgeleitet von u&Aac, schwarz
und zvoog Weizen, eine Pflanze, welche unter dem
Getreide wÀchst und deren Samen mit dem Weizen
Aehnlichkeit haben, aber dunkler sind und werden.
Vielleicht ist diese Art und das Ă€hnliche sĂŒdlicher wachsende
Melampyrum barbatum gemeint.
Keiner der alten Schriftsteller hat von der rothen oder
violetten Farbe Nachricht gegeben, die deren Samen dem
Brode mittheilen. Aber schon Hieronymus Bock erwÀhnt
in seinem Kreutterbuche (Strassburg 1572, 8. 219) des
âKĂŒhweissenâ der das Brot blauschwarz mache (Man
vergl. meine Mitth. ĂŒber das Rhinanthin, im Archiv d.
Pharm. 1870, II. R., 142. Bd. S.: 203. 204, wo auch Gas-
pardâs Angaben ĂŒber Melampyrum und Rhinanthus ent-
halten sind. Gaspard leitet die FĂ€rbung des Brodes von
einem âkĂ€seartigenâ Stoffe dieser Samen ab.)
Ehedem waren die Samen in Pulverform als Farina
Melampyri als zertheilendes und erweichendes Mittel im
Gebrauch. (Geigerâs Handb. d. Pharm. II. Bd. I. Abthl. S.438.).
Das Melampyrin von HĂŒnefeldt, aus Melampyrum
nemorosum (Ann. d. Pharm. 1837. Bd. 24, S. 241), fĂŒr
welches Eichler die Formel C1?H!5013 aufstellte, ist nach
L. Gilmer identisch mit Duleit, Formel = C!?H1402,
Erlenmeyer und Wanklyn finden fĂŒr das von Merk
aus Melampyrum nemorosum und Melampyrum
vulgatum Pers. (= M. pratense L.) dargestellte Me-
lampyrin ebenfalls die Formel C1?H1+0!2 Diesem man-
nitĂ€hnlichen SĂŒssstoffe der Melampyrumarten kann die fĂ€rbende
Eigenschaft des Wachtelweizens durchaus nicht zugeschrieben
werden, wohl aber einem Glykoside, das wir in diesen Samen
in farblosen Krystallen erhalten haben. Das Folgende schliesst
sich an die Notiz im Archiv der Pharmacie, Augustheft 1871
an, wo von dem einen von uns darauf aufmerksam gemacht
wird, dass in dem Wachtelweizen ein Àhnlicher, wo nicht
identischer Stoff vorkomme, als in dem Samen von Rhinan-
thus Alectorolophus.
8 Ueber ein Chromo - Glykosid im Wachtelweizen.
Stud. pharmac., Herr Heinrich Gutzeit aus Wilhelm-
haven, hatte die GĂŒte, uns im August 1571 eine QuantitĂ€t
der in Samen stehenden Pflanze von GetreideÀckern am Haus-
berge bei Jena fĂŒr die Untersuchung zu sammeln.
80,0 Grm. Samen von Melampyrum arvense, zum Theil
in noch nicht ganz reifem Zustande und daher noch ziemlich
weich, wurden etwas zerquetscht und zweimal mit starkem
Weingeist ausgezogen. Der rothbraun gefÀrbte Auszug wurde
zur Syrupsconsistenz abgedampft und zur Abscheidung fetti-
ger Theile mit Wasser aufgenommen, die wÀssrige Lösung
zu dĂŒnner Syrupsconsistenz verdunstet und mit etwa der
15fachen Menge eines Gemisches aus gleichen Theilen Alko-
hol und Aether behandelt und so eime brÀunliche Lösung
erhalten, die nach Verdampfung des Aethers und eines Theils
des Alkohols der Krystallisation ĂŒber SchwefelsĂ€ure ĂŒberlas-
lassen wurde. Nach einigen Tagen war die ganze Masse zu
warzig gruppirten Krystallnadeln von rothbrauner Farbe er-
starrt. Dieselben betrugen an Gewicht etwa 1,0 Grm.
Es wurden hierauf 220,0 Grm. reifere und daher trock-
nere Samen (von hornartig zÀher Beschaffenheit) in Arbeit genom-
men und dieselben unzerquetscht 2 mal mit Weingeist von 90 Vol.
Proc. ausgezogen, und so eine FlĂŒssigkeit von hellerer Farbe erhal-
ten, die wie oben behandelt wurde. Sie lieferte etwa 2 Grm.
ebenso warzenförmig gruppirter Nadeln von nur schwach
brÀunlich-gelblicher FÀrbung, die auf ihr Verhalten zu ver-
schiedenen Reagentien geprĂŒft wurden, in welchem sie den
zuerst erhaltenen glichen. Der noch ĂŒbrige Theil derselben
wurde mit absolutem Alkohol in der WĂ€rme behandelt, der
eine geringe Menge brÀunlicher Flocken ungelöst liess. Die
Lösung lieferte fast rein weisse Krystalle, die auf
Fliesspapier an der Luft getrocknet wurden.
In einem Theile derselben wurde das Wasser bestimmt.
0,276 Grm. verloren bei 24-stĂŒndigem Stehen ĂŒber Schwe-
felsÀure 0,008 = 2,898 %,, sodann beim Erhitzen auf 100° im
Luftbade noch 0,015 â 5,434 °/,, also im Ganzen 8,333 %
HO. Bei weiterem Erhitzen auf 100° entliessen sie kein
Wasser mehr,
Ueber ein Chromo-Glykosid im Wachtelweizen. I
Die so getrockneten Krystalle wurden schliesslich zur
Isolirung ihres zuckerartigen Spaltungsproductes verwendet:
in Wasser gelöst, mit einigen Tropfen SalzsÀure gekocht,
von dem abgeschiedenen, im Wasser unlöslichen braunen
Spaltungsproducte abfiltrirt, das Filtrat mit frisch gefÀlltem
PbO,CO? zur Trockne verdampft und die Masse mit Alko-
hol ausgezogen. Dieser hinterliess nach dem Verdunsten
einen braungelben, dicken Syrup, der nach einigen Tagen
krystallinisch wurde und dann noch zu einem GĂ€hrungsver-
suche diente, wobei er mit guter Bierhefe krÀftige Kohlen-
sÀureentwickelung zeigte.
Reactionen des krystallisirten Chromogens aus Melam-
pyrum arvense L.:
1) Die concentrisch strahligen NadelwÀrzchen erschienen
fast weiss, nur noch wenig grau gefÀrbt und lösten sich leicht
in kaltem, noch leichter in heissem Wasser zu einer fast farb-
losen FlĂŒssigkeit.
2) Die Krystalle fÀrbten, benetztes blaues Lackmuspapier
schwach weinroth, welche Röthung wohl von noch etwas anhÀn-
genden fĂ€rbenden Stoffen herrĂŒhrt. Die Krystalle besitzen
keinen Geruch, aber einen bitterlichen, hintennach sĂŒsslichen
Geschmack.
3) In Weingeist von 90 Grad beim ErwÀrmen leichtlös-
lich zu einer kaum noch gelblich gefĂ€rbten FlĂŒssigkeit.
4) Die wÀssrige Lösung, mit SalzsÀure versetzt und
gekocht, fÀrbt sich rasch gelb, braun, bis schmutzig violett
und die mit Wasser verdĂŒnnte Lösung scheidet violettbraune
Flocken ab.
5) Die wĂ€ssrige Lösung, mit etwas verdĂŒnnter Schwefel-
sÀure vermischt und gekocht, fÀrbt sich erst gelb, dann braun
und scheidet bei VerdĂŒnnung braune Flocken aus, wĂ€hrend
die FlĂŒssigkeit einen cumarinartigen Geruch verbreitet. Das
Filtrat giebt, mit CuO, SOŸ und NaO-Lauge erwÀrmt, eine
krÀftige Abscheidung orangerothen Kupferoxyduls, enthÀlt mit-
hin durch Spaltung gebildeten Zucker.
6) Die weingeistige Lösung, mit SalzsÀure ver-
setzt, fÀrbt sich beim ErwÀrmen rasch dunkelbraun, beim
10 Ueber ein Chromo-Glykosid im Wachtelweizen.
VerdĂŒnnen nur hellbraun (weder blau, noch violett, noch
roth) und bleibt klar.
7) Die mit verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure versetzte, wein-
geistige Lösung zeigt, erwĂ€rmt, eine entschieden grĂŒne FĂ€r-
bung (in einem gewissen Zeitpunkte dunkelgrĂŒn); beim
VerdĂŒnnen mit Wasser beobachtet man blĂ€ulichgrĂŒne
FĂ€rbung ohne TrĂŒbung.
8) Mit reiner kalter Natronlauge ĂŒbergossen, giebt
das Chromogen gelbliche FĂ€rbung, die beim Kochen nicht
stĂ€rker wurde, wĂ€hrend die mit verdĂŒnnter SO3 gekochte
und filtrirte Lösung (wegen ihres Gehaltes an KrĂŒmelzucker),
mit Natronlauge gekocht, intensiv gelb wurde.
9) Mit AgO,NO?Ÿ kalt, keine Reaction, erwÀrmt, gelbe
FÀrbung, mit H?N zusatz erwÀrmt, flockige schwarze FÀllung
von metall. Silber.
10) Keine FÀllung- durch Bleiessig, höchstens eine
TrĂŒbung.
11) Trocken in einer Proberöhre erhitzt, schmilzt das
Chromogen zu gelber Masse, brÀunt sich, entwickelt sauer
reagirende, theerabsetzende DÀmpfe, die anfangs fettig, spÀter
caramelartig riechen und es hinterbleibt viel Kohle, die auf
Platinblech verbrennt, wobei nur Spuren alkalisch reagirondor
Asche hinterbleiben.
12) Auf Platinblech erhitzt, verbrennt es mit leuchtender
Flamme.
13) Eisenchlorid ist ohne auffÀllige Reaction auf die
wÀssrige Lösung des Chromogens, wie auf dessen Producte
der trocknen Destillation.
14) Conc. Lösung des CUhromogens in Wasser, mit conc.
nicht rauchender SalpetersÀure versetzt, fÀrbt sich nach ein-
ander gelb, roth, bis intensiv braun; beim ErwĂ€rmen gelbâ
unter Entwickelung rother DĂ€mpfe.
15) Conc. SchwefelsÀure fÀrbt die Krystalle augenblick-
lich dunkelbraun.
Aus den mitgetheilten Reactionen ergiebt sich, dass das
CUhromogen des Melampyrum arvense dem Rhinanthin
Die krystallinischen Bestandtheile der Alo&. 11
ungemein Ă€hnlich ist. Zu weiteren Versuchen reichte fĂŒr
jetzt unser Material nicht,
Jena, Novbr. 1871.
Die krystallinischen Bestanidtheile der Aloe.
Von Dr. F. A, FlĂŒckiger, Prof. d. Pharmacie und Pharmacognosie
in Bern. *)
Durch meinen Freund Daniel Hanbury erhielt ich eine
reichliche Probe von Natal-Alo&, bemerkenswerth wegen
ihrer OpacitĂ€t und blassen Farbe. DĂŒnne Splitter derselben
sind so schwach durchscheinend, dass sie nur eine schwache
braune Farbe zeigen. Der Bruch grösserer StĂŒcke zeigt eine
dichte, muschlige OberflÀche von dunkelgraubrauner Farbe,
mit gelblichen Adern und ohne denâ starken Glasglanz der
frischen BruchflĂ€chen der ĂUapalo&.
Werden StĂŒcken derselben reichlich mit Weingeist be-
netzt und mikroskopisch (besonders im polarisirten Lichte)
untersucht, so sieht man zahlreiche Krystalle eingebettet in
einer leichtlöslichen, gelben, amorphen Masse. Dan. Han-
bury beobachtete zuerst, dass die Krystalle dagegen sich nur
spÀrlich lösten und dass bei Behandlung der rohen Drogue
ınit Weingeist jene sich als ein weissliches Pulver absetzten;
desshalb vermuthete er, dass sie vom Aloin verschieden sein
möchten. Diese Krystalle aus Natal- Alo@ sind nur undeut-
lich ausgebildet, meistens dĂŒnne, kurze Prismen, bĂŒschelig
vereinigt, wie das Aloin aus Leberaloe. Zuweilen sind sie
vereinzelt, tafelförmig, rectangulÀr und bei geringer Vergrösse-
rung in Theilchen der Alo&, die man unter Glycerin betrach-
tet, sichtbar. Es ist nicht schwierig, die Krystalle aus der
Natalalo& abzuscheiden. Wenn man die Drogue mit ihrem
*) Als Separatabdruck aus âthe Pharmaceutical Journal for
September Znd and 16 th, 1871â vom Herrn Verfasser erhalten.
H, 1.
12 Die krystallinischen Bestandtheile der Aloe.
gleichen Gewicht oder etwas weniger Weingeist bei einer
120° Fahrenh. nicht ĂŒbersteigenden Temperatur anreibt, so
wird der amorphe Bestandtheil aufgelöst; die hinterbleibenden
Krystalle lassen sich auf einem Filter sammeln und mit kleinen
Mengen kalten Weingeist waschen. So lassen sich gegen
16 bis 22 Proc. rohe, blassgelbe Krystalle gewinnen.
Die Schwierigkeiten. beginnen bei der Reinigung dieser
Krystalle. Zu diesem Zwecke habe ich die gebrÀuchlichen Lö-
sungsmittel durchgeprĂŒft, ohne eine FlĂŒssigkeit zu finden, welche
durchaus geeignet wÀre, mein Nataloin (welchen Namen
ich fĂŒr diese Substanz vorschlage) zu lösen. Weder Wasser,
noch Benzol, C?S*, PetroleumÀther, Chloroform, noch Aether
ist fÀhig, das Nataloin in merklicher Menge zu lösen. Ein
Gemisch aus 1 Th. Aether und 3 Th. Weingeist wirkt etwas
besser; ebenso wasserfreies Aceton, reiner Methylalkohol und
Amylalkohol, Eisessig und EssigĂ€ther. FĂŒr das passendste
Lösungsmittel halte ichâ den gewöhnlichen Weingeist,
von welchem bei 60° Fahrenheit 70 Theile 1 Th. Nataloin lösen,
wÀhrend von dem genannten Gemisch aus Aether und Wein-
geist 60 Theile, vom Methylalkohol 35 Theile, vom EssigÀther
50 Th., vom reinen Aether 1236 Th. und vom absoluten Al-
kohol 230 Th. dazu gehören, um 1 Th. der Substanz aufzu-
lösen. (Herr Edward Histed aus London, der sich mit der
Untersuchung der Natalalo& beschÀftigte, erklÀrt den Methyl-
alkohol fĂŒr das beste Lösungsmittel fĂŒr das Nataloin). Zarte
Krystalle von Nataloin sind etwas intensiver gelb gefÀrbt, als
Schwefelblumen; dickere Krystalle erscheinen mehr orange.
Ihr Geschmack ist rein bitter, weder ein sĂŒsslicher, noch
ein scharfer Nachgeschmack ist zu bemerken.
In warmem oder heissen Weingeist ist es um ein gerin-
ges löslicher, als in kaltem. Erhitzt man die FlĂŒssigkeit nur
mÀssig, so fÀrbt es sich dunkler unter rother FÀrbung, so
dass eine UmÀnderung offenbar wird; man kann eine solche
durch Abdampfung im Vacuum vermeiden. Die beste Methode
des Umkrystallisirens scheint die zu sein, dass man das Nata-
loin mit 60 bis 70 Theilen Weingeist auf 100 bis 120° Fahrenh.
erhitzt und die so erhaltene Lösung einige Wochen hindurch
Die krystallinischen Bestandtheile der Aloe. 13
der freien Verdunstung aussetzt; so erhÀlt man Krystalle von
!/, bis !/, Millimeter LĂ€nge. Die Krystallisationen des Na-
taloins sind sehr charakteristisch.
Die zarten, zuerst ausge-
schiedenen Krystalle sowohl, als die spÀter ausgeschiedenen
bilden meistens ausserordentlich dĂŒnne und zerbrechliche
SchĂŒppchen, die den in der Drogue ursprĂŒngl. vorhandenen
Krystallen nicht gleichen.
Nataloin.
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Pau NE aatsı Door en,
Fam,
rer, |
| | Por: ai
A, aus absolutem Alkohol krystallisirt,
B,C,D, E, F, J aus Weingeist langsam angeschossen,
G, H, aus Weingeist rasch abgeschieden,
K, aus Aether krystallisirt,
j4 Die krystallinischen Bestandtheile der Alo8.
Die am vollstÀndigsten entwickelten Krystalle des Nata-
loins sind Quadrate oder wenigstens rectangulaire Tafeln (A),
bei denen 2 Ecken Àbgestumpft sind (B); die Abstumpfung
ist auf beiden Seiten der Tafel nicht die gleiche (C) und ist
zuweilen auf eine einzige Seite beschrÀnkt (D). Krystalle,
an allen 4 Ecken abgestumpft, finden sich selten (BE) und zu-
gespitzte Tafeln, wie bei F, bilden nur Ausnahmen. Nataloin,
welches sich aus alkohol. Lösung rasch abgesetzt, zeigt vor-
herrschend Formen wie @ und zuweilen wie H, und lÀngs-
gestreift. Die letzteren Gestalten scheinen krystall. Combina-
tionen und nicht individuelle Krystalle darzustellen.
Werden die Formen H im polarisirten Lichte betrachtet,
so verhalten sich die beide Theile abe und adc meistens
deutlich verschieden in der Richtung ihrer Lichtbrechungs-
vermögen, welches beim Nataloin immer wahrhaft brillant ist.
Auch unregelmÀssig entwickelte Formen, wie J, werden beobach-
tet. Die Krystalle des reinen Nataloin sind gewöhnlich so
zart, dass ihre Winkel nur annÀhernd mittelst des Mikro -
Goniometers bestimmt werden können. Einige nicht ganz
genugthuende SchĂ€tzungen lieferten mir 82° fĂŒr Winkel a
und 139° fĂŒr Winkel db. Die Krystalle brechen leicht nach
ihrer LÀngsrichtung, z. B. nach «a c Fig. H, aber noch leichter
in einer Richtung parallel ihrer OberflÀche. Wenn eine alko-
holische Lösung sehr langsam verdunstet, so können daraus
tafelföormige Krystalle von einer gewissen Dicke erhalten wer-
den, aber in einem weniger reinen Zustande.
Bei einer Störung zeigen ihre LÀngsrÀnder eine deut-
liche blÀttrige Structur, wie in Fig. K, solche Krystalie bilden
sich aus einer Lösung in EssigÀther; aus einer alkohol. Lö-
sung erhÀlt man meist regulÀre, vierseitige Tafeln. Das Na-
taloin giebt kein Wasser ab, wenn es ĂŒber concentrirter
SchwefelsÀure aufbewahrt oder auf 212° Fahrenh. erhitzt wird;
hierdurch unterscheidet es sich von dem Aloin der Herren
Smith in Edinburgh, welches auch Dr. Stenhouse unter-
suchte. Nach diesen Chemikern verliert krystallisirtes Aloin
2,69 Proc. Wasser, wenn es ĂŒber conc. HO,S03 getrocknet
wird und verliert sein kryst. Ansehen gÀnzlich, wenn es
Die krystallinischen Bestandtheile der Aloe. 15
einige Tage lang im Wasserbade erhalten wird. Auch bei
284° Fahrenh. verliert Nataloin noch nichts an Gewicht. Erst
bei 320° Fahrenh. beginnt die Zersetzung, wobei es grau
wird; der Verlust nach mehren Stunden betrug nur 3,8 Proc.
Bei 356 bis 374° Fahrenh. schmilzt das Nataloin, nach-
dem es vorher dunkel braunroth geworden ist, aber es ist
noch theilweise krystallisirbar, wie man sich bei Behandlung
desselben mit. Lösungsmitteln ĂŒberzeugen kann.
Nataloin ist in conc. SchwefelsÀure löslich; die orange-
farbene Lösung giebt bei Zusatz einer kleinen Menge Was-
ser einen Niederschlag, aber die dunkle Farbe desselben zeigt,
dass hier eine VerÀnderung des Nataloins eingetreten ist.
Wenn der Dampf von rauchender SalpetersÀure vorsichtig
ĂŒber eine solche schwefelsaure Nataloinlösung getrieben wird,
so nimmt letztere eine schön grĂŒne Farbe an, welche schnell
durch Roth in Blau ĂŒbergeht. Diese sehr intensive und
unterscheidende Reaction, welche zuerst von Herrn Histed
ausgefĂŒhrt wurde, kann auch so ausgefĂŒhrt werden, dass man
einen Salpeterkrystall in der SchwefelsÀurelösung des Nata-
loins herumrollen lÀsst. Ein Körnchen chlorsaures Kali
bewirkt eine schön grĂŒne Zone, die alsbald wieder ver-
schwindet. Wismuthsalpeter giebt beinahe dieselbe Reaction.
Zweifach chroms. Kali wirkt in gleicher Weise wie auf
Strychnin, nur ist die Farbe weniger rein.
Natalalo&, so reich an Nataloin, giebt ebenfalls diese
Reactionen, wodurch sie schon von der Cap-, Zanzibar-
und Barbados-Alo& unterschieden werden kann.
Erhitzt man Nataloin mit SalpetersÀure von 1,30 spec.
Gew. auf 140 â 160° Fahr., so erhĂ€lt man eine rothe Lösung,
die nach und nach gelb wird, so wie das Nataloin verschwun-
den ist. Ich konnte in dieser Lösung weder PikrinsÀure,
noch ChrysamminsÀure finden, welche letztere nach
Stenhouse entsteht, wenn Aloin mit NO° behandelt wird.
Nataloin lieferte mir nur OxalsÀure.
Ich habe 5 Analysen ausgefĂŒhrt, um die Elementarzu-
sammensetzung des Nataloins festzustellen, Bei der Ver-
brennung im Sauerstoffstrome lieferten:
16 Die krystallinischen Bestandtheile der Aloe.
I. 0,2025 Grm. 0,4380 Grm. CO? u. 0,1125 Grm. Wasser.
11: 0,2450.7,,:. 20.9323. E00, 2032 02ue r
Tl... 0,2288... .0,5135,X â00. Hau» 12158 .
IV. 02605, ,>...10:59487 7 â0. SR 3;
2041598: 7 ,...1035257 âen 220.089 8 %
Diese Resultate entsprechen folgenden Procenten:
IE IR TE IV. Ye
v3 59,14 61,18 58,38 60,15
HEâIEG 6,24 5,92 5,95 6,25
Das Mittel aus diesen Zahlen ist C = 59,56 und H=
6,10 Proc. Die analysirten Krystalle waren von verschiede-
nen Darstellungen und bei 212° F. getrocknet, mit Ausnahme
von Nr. V. Die letztere enthielt die reinsten und schönsten
Krystalle, die ich erhalten hatte; ich trocknete sie mehre
Tage ĂŒber conc. SchwefelsĂ€ure und nur kurze Zeit bei 212° F.
Die Analyse dieser Krystalle erscheint mir als die am meisten
Zutrauen verdienende; ihre Resultate fĂŒhren zu der Formel
C32H33015, woraus sich folgende Procente berechnen:
C 32 â 408 59,47
H3â 38 5,54
O0 15 â 240 34,99
686 100,00.
Sowohl die Analyse V als die allgemeine Mittelzahl
aller Analysen stimmt leidlich mit dieser Formel.
Jetzt ist dieselbe Formel von Stenhouse seinem kryst.
hydratischen Aloin beigelegt worden. Von seinem Molekul
Wasser H?O befreit, enthÀlt das wasserfreie, amorphe Aloin
âvon Stenhouse 61,07%), C und 5,39%, H, womit nur
meine Analyse III sich vergleichen lÀsst. Eine Thatsache,
welche zu Gunsten eines höheren Kohlenstoffgehaltes spricht,
ist, dass ich die Drogue selbst weniger reich an Kohlen-
stoff fand als ihren krystall. Bestandtheil. Ich unterwarf
0,2645 Grm. bei 212° F. getrockneter Natal-Alo& der Ble-
mentar- Analyse ebenfalls mit HĂŒlfe von Sauerstoffgas und
erhielt 0,5365 Grm. CO? und 0,1385 Grm. Wasser; diese
Alo& enthÀlt mithin nur 54,63 %, C und 5,8°/, Wasserstoff,
Die krystallinischen BestÀndtheile der Aloe. | 17
Stenhouse, indem er die obige Formel fĂŒr kryst.
Aloin, oder Ă3+H?°O'4 fĂŒr das wasserfreie Aloin wĂ€hlte, war
hierzu wohl berechtigt, da er ein bromirtes Aloin in Krystal-
len daraus erhielt, dessen Formel O3?H3°BrŸO01# ist. Aber
mein Nataloin lieferte mir kein wohl definirtes Brom-
derivat. Wird Brom zu demselben gefĂŒgt, so erhitzt sich
das Gemenge und Brom wird augenscheinlich absorbirt.
Die orangefarbene Masse ist hierbei viel löslicher in Wein-
geist und Holzgeist geworden als frĂŒher, aber die Lösun-
gen geben keine Krystalle, weder bei langsamer Abdam-
pfung, noch bei Wasserzusatz. Auch erhitzte ich Nataloin
mit Brom in zugeschmolzener Glasröhre mehre Tage lang
auf 212° F., aber trotz der theilweisen Absorption des Broms
gab diese Methode keine zufriedenstellenden Resultate. Ich
habe diese Bromproducte nicht weiter untersucht. Jod scheint
unfÀhig zu sein, sich mit Nataloin zu verbinden. Irgend eine
kryst. Verbindung oder ein wohl- definirtes Zersetzungspro-
duct des Nataloins wĂŒrde allein die Grundlage fĂŒr Feststel-
lung seiner Formel abgeben. Nach den unbefriedigenden Ver-
suchen mit Brom und Jod habe ich geglaubt zu besseren
tesultaten zu gelangen, wenn ich das Nataloin mit verdĂŒnn-
ter SchwefelsÀure kochte. Ich that solches in einer vorher
mit gewöhnl. Leuchtgas gefĂŒllten und zugeschmolzenen Glas-
röhre, um den Einfluss der Luft abzuhalten. Die FlĂŒssigkeit
nahm dessen ungeachtet eine dunkle Purpurfarbe an; mit
kohlens. Baryt gesÀttigt, wurde sie vorsichtig eingedampft.
Dabei wurde ein neuer Körper in farblosen, dĂŒnnen, federigen
Krystallen erhalten; derselbe trat aber in so geringer Menge
auf, als dass ich viele Versuche damit hÀtte anstellen können,
(Vielleicht ist es derselbe Stoff, den Rochleder 1861 und
1863 aus Alo& erhielt). Er löst sich in Methylalkohol und
all den obengenannten FlĂŒssigkeiten, gleich den anderen Pro-
dueten dieser Zersetzung.
Ein Àhnliches unbefriedigendes Resultat erhielt ich, als
ich das Nataloin mit metall. Zink und verdĂŒnnter EssigsĂ€ure
. gelinde erwĂ€rmte. Das Nataloin wurde grĂŒnlich und löste
sich dann auf; als das Zink durch HS aus der Lösung
Arch, d. Pharm. (XCIX. Bds. 1. Hit, 2
18 Die krystallinischen Bestandtheile der Aloe.
entfernt worden war, erschien die FlĂŒssigkeit beim Abdampfen
purpurfarben, schmeckte nicht mehr bitter und gab nur Spu-
ren des krystallisirten Körpers, der sich bei der Einwirkung
der verdĂŒnnten SchwefelsĂ€ure gebildet hatte. Bei Einwirkung
eines Gemisches von conc. SalpetersÀure und SchwefelsÀure
auf das Nataloin bildete sich keine Verbindung.
In alkalischen FlĂŒssigkeiten löst sich Nataloin unter
Verdunkelung seiner Farbe auf.
Bei der trocknen Destillation desselben erhÀlt man gelbe
â oder braune, saure Oele, die keinen besonders aromatischen
Geruch besitzen. Alle bisher berichteten Thatsachen erlauben
uns nicht, ĂŒber die chemische Constitution des Nataloins ein
definitives Urtheil abzugeben. Sie reichen aber hin, dasselbe
als einen neuen Körper hinzustellen, verschieden von dem
bisher bekannten Aloin, obgleich in der procentischen Zu-
sammensetzung keine betrÀchtliche Verschiedenheit (vielleicht
gar keine solche) statt findet.
Ich habe auch von London einige Aloepartien erhalten,
die von Zanzibar eingefĂŒhrt und 1867 m den Handel
gebracht waren. Diese Drogue ist von blass röthlichbraunem
- Ansehen und so stark krystallinisch, dass man sie fast als
ein rohes Aloin bezeichnen. könnte. Herr Hanbury ist
der Meinung, dass sie von der sogenannten Soccotrin-
Alo& nicht verschieden und durch freies . Eintrocknen der
krystallinischen Portionen erhalten worden sei, die aus der
flĂŒssigen Soccotrinalo& in der Ruhe sich absetzen.
Er versichert mir ferner, dass er in HĂ€uten importirte
feste Zanzibaralo& beobachtet habe (doch nur selten),
welche theils glasig und durchsichtig, theils stark krystalli-
nisch war.
Die Krystalle der Zanzibar-Alo& sind verhÀltnissmÀssig
breite Prismen, wie ich sie nie im Natalalo& gefunden, noch
daraus erhalten habe und die Leberfarbe der letzteren ist ausser-
ordentlich unÀhnlich der röthlichen der Zanzibarsorte. Die
Krystalle der letzteren lassen sich nicht so leicht isoliren, wie
diejenigen der Natalalo&e, da sie in ihrer Löslichkeit derjeni-
gen der amorphen Aloösubstanz nÀher kommen. »ie lÀsst
Die krystallinischen Bestandtheile der Alo&. 19
sich aber mittels Wasser oder schwachem Weingeist in der
Weise erhalten wie Stenhouse, Smith und Groves in ihren
Abhandlungen ĂŒber das Aloin angeben. Herr Histed, wel-
cher so freundlich war, mir einige Proben davon zu senden,
hatte diese Krystalle erhalten, indem er die gepulverte rohe
Drogue mit Weingeist von 0,960 benetzt und die teigige
Masse zwischen Oalico scharf gepresst, darauf das gelbliche
krystall. Residuum in warmem, schwachen Weingeist gelöst
und die beim AbkĂŒhlen und in der Ruhe sich abgeschiedenen
Krystalle durch Umkrystallisiren gereinigt hatte.
Aloin aus Zanzibar-Alo& ist gewöhnlich weniger
glÀnzend von Farbe, als Nataloin, seine Krystalle sind schmÀ-
ler und unvollkommen ausgebildet. Der krystallographische
Charakter des Zanzibaraloins ist verschieden von dem
des Nataloins; die Formen des ersteren sind federbuschartig
gruppirte Nadeln und Prismen (tufted needle-shaped
prismes). Ihr bestes Lösungsmittel ist der Holzgeist, aus
welchem 2 bis 3 Millimeter lange und 1 M.M. breite Krystalle
erhalten werden können. Zanzibar- Aloin ist viel leichter
löslich, als Nataloin.
Bei gewöhnl. Temp. löst sich 1 Th. Zanzibar-Aloin in
30 Theilen Weingeist, 9 Th. EssigÀther, 380 Th. reinem
Aether und in 90 Theilen Wasser; in Methylalkohol ist es
sehr reichlich löslich.
Diese Zahlen legen die Verschiedenheit beider unter-
suchten Aloine klar vor Augen. Aber es finden sich noch
andere Unterschiede.
Zanzibar -Aloin löst sich auch in conc. SchwefelsÀure; aber
auf Zusatz einer oxydirenden Substanz, z. B. von Salpeter-
sÀure, tritt keine VerÀnderung der gelben Farbe ein, was
doch so intensiv bei Nataloin geschieht.
Der Geschmack beider Substanzen ist ein wenig ver-
schieden, â Zanzibar-Aloin verursacht anfangs einen sĂŒssli-
chen Geschmack, rasch von einem rein bitteren gefolgt; Na-
taloin schmeckt nur rein bitter,
Ferner, das Zanzibar-Aloin enthÀlt Wasser und giebt
dasselbe, ĂŒber conc, SchwefelsĂ€ure stehend, ab. Die lufttrockne
2%*
50 Die krystallinischen Bestandtheile der Aloe.
Substanz verlor in einigen Tagen 11,7 bis 12,4 Proc. Was-
ser; darauf der Luft ausgesetzt, absorbirte es dieselbe Menge
Wasser wieder. Dasselbe lufttrockne Aloin, 10 Tage lang
bei 212° F. erhalten, verlor 14,5 Proc.; der Gewichtsverlust
stieg nur auf 13,2 Proc., wenn es einige Stunden lang bei
320° F. (160° C.) erhitzt wurde.
Ich habe wiederholt diese Versuche in Betreff des Was-
sergehalts der lufttrocknen Substanz angestellt, da ihre Resul-
tate von den Stenhouseâschen ĂŒber das Aloin abweichen.
Dessen Aloin (C3*H19015 nach alter Schreibweise) ver-
liert nur 2,69 Proc. Wasser, wenn es einige Stunden bei
212° F. getrocknet wird, aber nicht 11 bis 12 Proc, wie
mein Aloin aus Zanzibar - AloÂŁ. |
In Betreff der Elementarzusammensetzung stimmt mein
wasserfreies Zanzibar- Aloin mit dem Stenhouseâschen
krystallisirten Hydrate so nahe als möglich. Er giebt
die folgenden Zahlen fĂŒr sein im Vacuum getrocknetes
Aloin. (Phil. Magaz. XXXVII (1851) 481 et seq, Gme-
linâs Chemie, VII (1866) 1370).
berechnet gefunden
I II
032 204 59,47 59,39 59,24
1b 19 5,54 5,97 5,79
0157720 34,99
343 100,00.
Andrerseits lieferten. mir 0,2108 Grm. Aloin, von Herrn
Histed aus Zanzibar-Alo& bereitet, die ich 3Tage lang ĂŒber
SchwefelsÀure trocknete, bis ihr Gewicht sich nicht weiter
verminderte, 0,4576 Grm. CO? und 0,1128 Grm. Wasser,
d.h. dieses Aloin enthÀlt 59,2%, ©. und 5,94%, H.
Unter Annahme der neuen Atomgewichte haben wir:
Stenhouse FlĂŒckiger
berechnet im Mittel
B2E08 59,47 59,32 59,20
IS 38 9,54 5,88 5,94
O1572210 34,99 34,80 34,86
686 100,00 100,00 100,00,
° Die krystallinischen Bestandtheile der Alo&. pi
Aber Stenhouse nimmt in seinem Aloin ein Mole-
kĂŒl Wasser an und bezeichnet es dann durch die Formel
G34H3#014 + H?O, wÀhrend meine Analyse sich auf ein
Aloin bezieht, das ich nach einer sorgfĂ€ltigen Trocknung ĂŒber
SchwefelsÀure als wasserfrei betrachte. Bei der Hitze
des Dampfbades sind noch 3 Proc. hinweggegangen, aber ich
halte dafĂŒr, dass dieser Verlust von einer Zersetzung her-
rĂŒhrt, da die Substanz dabei eine etwas dunklere FĂ€rbung
annimmt.
Diese Bedenken werden durch- die obigen Feststellungen
bestĂ€tigt, welche zeigen, dass lufttrocknes Zanzibar-Aloin ĂŒber
SchwefelsÀure 11 bis 12 Proc. an seinem Gewicht verliert.
Wenn wir annehmen, wozu wir wohl berechtigt sind, dass
dieser Verlust aus Wasser besteht, so können wir dem
lufttrocknen Zanzibar-Aloin die Formel C3?H3Âź015+5H?O
zutheilen, welche 11,59 Proc. Wasser verlangt, eine Zahl, die
mit meinen Versuchen gut stimmt.
Es gelang mir nicht, aus Zanzibar-Aloin das krystallinische
Bromproduct (Bromaloin) darzustellen, welches nur aus Bar-
bados-Aloin zu erhalten ist.
Die Reaction der SalpetersÀure auf beide Aloine ist
unterscheidend, â mit der letzteren entsteht eine tiefrothe
Farbe, welche nicht durch erstere und nicht bei Nataloin
erscheint.
Alle diese Thatsachen fĂŒhren zu der Ueberzeugung, dass
das Aloin aus Zanzibar-Alo& nicht allein vom Nataloin ver-
schieden ist, sondern auch von dem Aloin aus Barbados -
Alo&, welches die Herrn Smith zuerst erhielten.
Ich habe dessenungeachtet es noch nicht fĂŒr passend
gehalten, dem Aloin aus Zanzibar- Aloe einen anderen Namen
zu geben, da ich weitere Untersuchungen darĂŒber fĂŒr nöthig
halte.
Unter allen UmstÀnden ergiebt sich aus den vorliegenden
Thatsachen mit Sicherheit, dass in den Aloesorten mehr als
ein krystallinisches, bitteres und farbiges Princip vorkommt,
92 Erfahrungen bei Apothekenrevisionen.
Erfahrungen .bei Apothekenrevisionen.
Von F. Schrage, Apotheker in Pewsum.
1) Magnesia hydrico-carbonica und M. usta
finden sich sehr hÀufig mehr oder weniger eisenhaltig, ein
Umstand, welcher bei Einkauf der ersteren Beachtung ver-
dient.
2) Es finden sich sehr hÀufig Zwei-Oentigramm-
stĂŒcke von grösserem Umfange als dem der FĂŒnf-Genti-
gsrammstĂŒcke: kein Practiker wird verkennen, dass in
diesem Verhalten eine bedenkliche Veranlassung zu Verwechs-
lungen liegt.
3) Gute SĂ€ulentarirwagen kommen nicht selten
nach verhÀltnissmÀssig kurzem Gebrauch in nicht hinreichend
empfindlichem Zustande vor, wÀhrend hÀngende Tarirwagen
nach vielen Jahren tÀglichen Gebrauchs gewöhnlich gut ge-
funden werden. Es liegt hinreichendes Material vor zur
BegrĂŒndung der Annahme, dass die Ursache dieser Erschei-
nung darin zu suchen ist, dass eine vollstÀndig lothrechte
Stellung der SĂ€ulenwage entweder von vorn herein ĂŒbersehen
oder im Drange des GeschĂ€fts nicht immer ĂŒberwacht wird.
So entsteht grössere Reibung und mit ihr sofort sowohl
geringere Empfindlichkeit, als auch raschere Abnutzung.
4) Ein durch sein Verhalten gegen Alkohol sofort zwei-
felhafter Orlean, bezogen von einem geachteten Handlungs-
hause, gab bei nĂ€herer PrĂŒfung folgendes Resultat.
20 Theile der bezogenen Orleana humida gaben
nach dem Trocknen im Dampfbade 9,3 trockenen RĂŒckstand:
der letztere, mit Wasser behandelt, hinterliess 3,5 im Was-
ser nicht lösliches Sediment.
Anderntheils gaben 3 Theile des vorhingenannten, im
Dampfbade getrockneten Orleans nach oft wiederholter Ex-
traction und Auswaschung mit Alkohol einmal 2,24, ein zwei-
tes Mal 1,97, im Mittel also 2,15 in Alkohol unlöslichen
RĂŒckstand.
Dieser wenig geffrbte RĂŒckstand verhielt sich durchaus
wie Gummi arabicum, gefÀrbt durch ein sehr feines, in Wasser
Ueber Charta nitrata. a}
nicht lösliches Sediment von kaum wÀgbarer Menge. Man
hat hier also einen Orlean vor sich, der, getrocknet, nur zu
einem Drittel aus dem in Alkohol löslichen Farbestoff, zu
zwei Dritteln aus Gummi besteht.
Ueber Charta nitrata.
Von A. Hirschberg in Sondershausen,
Dieses gegen eine gewisse Art von Asthma als Heil-
und Hausmittel vielfach gebrÀuchliche Papier hat Verf. eine
lange Reihe von Jahren hindurch im Privatgebrauch zu erpro-
ben Gelegenheit gehabt, bei Bereitung desselben aber statt
des Kali nitricum das weniger rasch verpuffende Natrum
nitricum und zwar zu 2,0 Grm. auf einen Bogen Papier ver-
wendet. Statt weissen Druckpapiers wurde mit grösserem
Erfolg das röthliche, mit Wolle gemischte, in Sechstel- Bogen
getheilte Löschpapier gebraucht und das derart getheilte mit
der Salzlösung getrĂ€nkte Papier ohne Anwendung kĂŒnstlicher
WÀrme im Schatten getrocknet; im anderen Falle hÀuft das
Salz sich an den RĂ€ndern des Papiers an und statt des ruhi-
gen VerglĂŒhens erfolgt ein von Detonation und Fiammen
begleitetes Verbrennen desselben.
Das trockne Papier wird, wenn es in Gebrauch gezogen
werden soll, mehrfach gefaltet und zu einer möglichst festen
Lunte zusammen gedreht, deren Festigkeit durch UmschnĂŒren
mit salpetrisirien BaumwollenfÀden vermehrt werden kann,
Beim Verbrennen stĂŒtzt man diese Lunten durch .ein Gestell
von dinnem Eisendraht, welches man auf einer feuerfesten Un-
terlage aufstellt und athmet den sich aus dem VerglĂŒhen der
Lunte entwickelnden Rauch in einem mindestens die Körper-
lÀnge des Patienten betragenden Abstand ein. Ein Sechstel-
Bogen des Papiers reicht, wenn anders das Mittel ĂŒberhaupt
angezeigt ist, und bei Ansatz des Asthmas sofort angewendet
wird, in der Regel, unter Erregung einer gelinden Narkose,
aus, um das Asthma wirksam zu coupiren. Die DrahtstĂŒtze
24 Chemische Notizen.
verhindert die bei einer soliden Unterlage der Lunte stets
erfolgende theilweise Condensation des Rauchs, durch welche
derselbe ĂŒbelriechender wird.
Bevor die Herren Vohl und Eulenberg ihre schönen
Untersuchungen ĂŒber die physiologische Wirkung des Tabaks-
rauches veröffentlicht hatten, hat man als Ursache der Wir-
kung des Salpeterpapiers wohl die hierbei aus der Zersetzung
der SalpetersÀure resultirende niedrigere Oxydationsstufe des
Stiekstoffs mit als solche angesprochen.
Nach diesen Untersuchungen aber darf wohl nicht bezwei-
felt werden, dass die Wirkung dieses Mittels auf die der
beim VerglĂŒhen des Papiers sich bildenden Picolinbasen
zurĂŒckzufĂŒhren sei. |
In der eitirten Arbeit wird auch nachgewiesen, dass in
dem Rauch der Stengel von Datura Stramonium, einem alt-
bekannten Mittel gegen Asthma, kein Daturin, sondern Pyri-
dinbasen enthalten sind.
Chemische Notizen.
Von Dr. Emil Pfeiffer aus Jena,
1) Ueber antimonhaltiges Blei (Plomb antimonie).
Legirung des SchwefelsÀurereservoirs der auf Luftver-
dĂŒnnung beruhenden Eisapparate von Carre. (Es giebt auch
ein System, dessen Wirkung auf der Destillat. von Ammoniak-
flĂŒssigkeit beruht.)
Sie besteht nach meiner Analyse aus:
95,07 pr. Cent. Blei und
4.93 Antıimon.
Der Zusatz von Antimon ist hier geschehen, um dem
Blei mehr HĂ€rte zu geben, da unter Anderm die Einfluss-
mĂŒndung des SchwefelsĂ€urereservoirs mittels eines aus dem
gleichen Metallgemisch bestehenden Stöpsels hermetisch ver-
schlossen werden muss, und wird der Zweck recht gut
erreicht,
Chemische Notizen, 25
2) Stanniol aus einer französischen WerkstÀtte,,.
lieferte bei der Analyse:
99,85 pr. Cent. Zinn und
DAS, MAnIImOn!
3) Ueber Antimon als Grund der Durchdringung
(Durchlöcherung) und des Auslaufens der Schmelz-
tiegel einer GlashĂŒtte Nordfrankreichs.
Die Besitzer jener GlashĂŒtte glaubten den Grund des
Auslaufens ihrer 'Tiegel in einer Verunreinigung der ange-
wendeten Soda suchen zu mĂŒssen, da mit schwefels. Natron
an Stelle der Soda dieses Durchbohren nicht eingetreten war
und bekam ich desshalb StĂŒcke eines solchen Tiegels zur
nÀheren Untersuchung zugesandt. Die circa 4 Centim. star-
ken und gut gebrannten TiegelwÀnde, waren an der Aus-
flussstelle trichterförmig bis zur halben Dieke zum Schmelzen
gekommen und befand sich dort eine schwarzgrĂŒn gefĂ€rbte
Glasmasse, von deren tiefliegendem Punkte aus ein rundes
Loch im Durchmesser von Y/, bis 1 Cent. Durchmesser bis
nach Aussen fĂŒhrte. An dieser Ă€ussern Seite nun fand sich
ein Ueberzug eines weissen Emails, dem schon durch Kochen
mit SalzsÀure bedeutende Mengen Antimon entzogen werden
konnten.
Beim Zerschlagen eines andern StĂŒckes wurden nun
sogar Kugeln metallischen Antimons von bisâ zu !, Cent.
Durchmesser aufgefunden, die fast bis an die AussenflÀche
des Tiegels vorgedrungen waren und immer eine kegelförmig
verbreitete, dunkelgrĂŒn bis schwarz gefĂ€rbte Glasmasse hinter
sich zurĂŒckgelassen hatten.
Die von Eisenoxydul schwarz gefÀrbte Glasmasse, die
ganz auflĂ€llig von der farblosen, den ĂŒbrigen GlasstĂŒcken
innen anhÀngenden Glasmasse abstach, enthielt nur_sehr ge-
ringe Mengen Antimon, hingegen war die aussen rings um
das Loch verbreitete weisse Masse wesentlich ein Anti-
mon-Email.
Die Herren hatten also ihrer Glasmasse eine Antimonver-
bindung zugesetzt, was sie auch spÀter zugegeben haben.
â
26 Chemische Notizen,
.Durch den Einfluss des kohlensaur. Natrons und vielleicht
organischer ZusÀtze war dieses Metall regulinisch ausgeschie-
den worden; da es nun vermöge seiner Schwere sich nicht
an die OberflÀche erheben konnte, um dort den zu seiner
Oxydation nöthigen Sauerstoff zu finden, hatte es diesen zu-
vörderst dem in den TiegelwÀnden enthaltenen Eisenoxyd
entzogen, dasselbe zu Eisenoxydul reducirend. Durch die
hierbei erzeugte WĂ€rme schmolz die Tiegelmasse selbst mit der
(lasmasse unter Bildung jenes schwarzen Glases zusammen.
Das Metall durchbohrte nun da, wo die Kugel noch gross
genug war, die ĂŒbrigbleibende WandstĂ€rke und verbreitete
sich, aussen angekommen, als weisses, AntimonsÀure und
Antimonoxyd haltendes Email.
4) Sel Boergrave,
eine belgische SpecialitÀt: eine grobzerriebene Salzmasse von
verwittert krystallinischem Ansehn, von der circa 60 Grm. m
einer Schachtel mit Gebrauchsanweisung auf den Deckel auf-
gedruckt fĂŒr 75 Centimes (circa 6 Sgr.) verkauft werden.
Dieses kaffeelöffelweise in einem Glase Wasser zu neh-
mende Salz gab mir bei seiner Analyse:
50,93 pr. Cent. Wasser â 6,9 Aequiv.
520122 52 Schwerelsanmne âıl =
6222,00. Macnesia âal Br
99,89 pr. Oent.
0,099 â ,â Eisenoxyd waren unlöslich aus der
neutralen Lösung abfiltrirt worden und offenbar nur zufÀllige
âVerunreinigung von der OberflĂ€che des zum Zerkleinern
benutzten eisernen Mörsers herrĂŒhrend.
Das Salz bestand also offenbar nur aus krystallisir-
ter schwefelsaurer Magnesia. SpÀter habe ich in
einer andern Apotheke Belgiens ein Product gefunden, dem
circa 2â 3pro Ăent. CitronensĂ€ure zugesetzt waren. Nach ein-
gezogener Erkundigung erfuhr ich noch, dass es eigentlich
durch Zusatz von eirca 1 pr. Cent. Chlornatrium, 2 pr.
Ăent. schwefelsaurem Kali und etwas Zucker bereitet
werden sollte.
Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers. 27
Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers.
Von Julius MĂŒller, Apotheker in Breslau.
(Vorgetragen in der Schlesischen Gesellschaft fĂŒr vaterlĂ€ndische Cultur,
Naturwissenschaftliche Section, am 25. October 1871.)
Im FrĂŒhjahr dieses Jahres, als vereinzelte FĂ€lle von
Fleckentyphus in Breslau auftraten, wurde ich von dem diri-
girenden Arzte des Allerheiligen - Hospitals Herrn. Geheimrath
von Pasteur bewogen, die TrinkwÀsser, von denen die Er-
krankten getrunken, chemisch und mikroskopisch zu unter-
suchen, um dadurch möglichenfalls zu constatiren, ob das
Trinkwasser als Herd der Ansteckung zu betrachten, oder
aber, ob es in irgend welchen Zusammenhang mit den Er-
krankungen. zu bringen sei. Ich ergriff um so lieber diese
Arbeit, als die Trinkwasser-Frage Breslauâs eine stets bren-
nende ist; freilich gebrach es mir an Zeit, dieselbe im Allge-
meinen mit der AusfĂŒhrlichkeit zu behandeln, die nöthig ist,
um sie zu einem einigermaassen befriedigenden Abschluss
zu bringen â hierzu mĂŒssten die Brunnen aller Strassen in
kĂŒrzeren ZwischenrĂ€umen und zwar zu gleicher Zeit quanti-
tativ untersucht werden; â immerhin aber bin ich zu der
Ansicht gelangt, dass das Trinkwasser den Herd des Flecken-
typhus nicht abgegeben habe.
Ich beschrÀnkte mich bei der Untersuchung selbst auf
quantitative Bestimmung des Gesammt-RĂŒckstandes,
derSchwefelsĂ€ure, derorganischen Substanzen, vorâ
Allem aber der SalpetersÀure und des Ammoniaks,
d.h. der Stoffe, die ursprĂŒnglich nicht im Wasser, sondern
erst in Folge thierischer und menschlicher Auswurfsstoffe, von
denen der die Brunnen umgebende Boden imprÀgnirt ist, in
das Trinkwasser gedrungen sind. War die Menge der Sal-
petersĂ€ure und des Ammoniaks, die ich â auch in den am
meisten davon enthaltenden WĂ€ssern â fand, eine gewiss
nur geringe, so darf doch nicht vergessen werden, dass diese
beiden Verbindungen, namentlich die letztere, bei Bildung aller
Organismen eine grosse Rolle spielen. â
28 Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers.
Das Ammoniak bestimmte ich nach Nessler; es wurden
3 Liter Wasser mit Kalihydrat versetzt, eine genĂŒgende Menge
Quecksilberjodid-Jodkaliumlösung zugefĂŒgt, der dadurch ent-
standene Niederschlag mit Natronhydrat und Schwefelnatrium
destillirt, das entweichende Ammoniak in SalzsÀure geleitet
und das gebildete Chlorammonium durch Platinchlorid be-
stimmt; eine Methode, die bei einiger Uebung schnell und
sicher zum Ziele fĂŒhrt. â Die SalpetersĂ€ure bestimmte âich
nach Marx vermittelst einer genau gestellten Indigolö-
sung. Ist diese Methode auch nicht absolut genau, so giebt
sie doch sicher, wenn man die Indieolösung sich selbst
gestellt hat, die zu erreichende Farbe also genau kennt,
gewiss sehr annĂ€hernd richtige Resultate. â Die organische
Substanz bestimmte ich nach Trommsdorf durch Reduction
desĂŒbermangans. Kalis in alkalischer FlĂŒssigkeit.
Zur Untersuchung gelangten 10 WĂ€sser der verschieden-
sten Gegenden âder Stadt; aus allen wollten die Erkrankten
getrunken haben. Ich bezwecke nicht, hier die genauen Zah-
len der gefundenen Mengen obengenannter Substanzen anzu-
geben; ich will nur anfĂŒhren, dass die betreffenden WĂ€sser
_ nach ihren Bestandtheilen zu den verschiedensten der Stadt
gehörten. So gab das Wasser des Ritterplatzes â eines der
besten Trinkwasser, die Breslau hat, im Liter 0,5 Grm. Ab-
dampfungs- RĂŒckstand; die anderen schwankten zwischen
0,5 â 1,948 Grm. RĂŒckstand. Die Menge der organischen
Substanz war ganz variabel; es wurden auf 1 Liter 2 Milligrm.,
3,5 Milligrm., 9,8 Milligrm. und mehr ĂŒbermangansaures Kali
- verbraucht. Ebenso verschieden war der Gehalt an Schwe-
felsÀure; er varıirte zwischen 0,04 bis 0,29 im Liter. Auch
die Ammoniak- und SalpetersÀure- Menge waren ganz ver-
schieden; eines der WĂ€sser war fast frei an Ammoniak,
andere enthielten im Liter bis 0,00553; der SalpetersÀure-
Gehalt schwankte zwischen 0,007 â0,25 Grm. im Liter. â
Vergleicht man ĂŒbrigens die Mengen der SalpetersĂ€ure
und des Ammoniaks in den verschiedenen WÀssern, so fÀllt
sofort die Thatsache in die Augen, dass, je grösser der
Gehalt an SalpetersÀure, um so geringer der an Ammoniak;
Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers, 29
und umgekehrt, je grösser der Gehalt an Ammoniak, um
so geringer der an SalpetersÀure. Es lÀsst sich dies Fac-
tum dadurch leicht erklÀren, dass das Ammoniak, in welcher
Verbindung der Stickstoff vermittelst der Kloaken zuerst in
den Boden gelangt, nach und nach beim Sickern durch das
Erdreich sich: zu SalpetersÀure oxydirt. Hierbei sei noch
erwÀhnt, dass durchschnittlich die WÀsser des rechten Oder-
ufers der Stadt Breslau alle reicher an Ammoniak, dagegen Àrmer
an SalpetersÀure, die des linken Oderufers reicher an Salpeter-
sĂ€ure, dagegen Ă€rmer an Ammoniak sind. Der Grund hierfĂŒr liegt
wahrscheinlich in der Bodenbeschaffenheit: das linke Oderufer
besteht namentlich aus derbem kiesigen Sande, ein
Material, welches der atmosphÀrischen Luft reichlich Gelegen-
heit zur Oxydation bietet, das rechte Oderufer dagegen aus
mit thonigem Schlamm begleitendem Schliefsand. â
Vergleicht man nun die hier bei der Fleckentyphus - Frage
in Betracht kommenden TrinkwÀsser in ihren chemischen
Bestandtheilen, so ergiebt sich, dass nicht die geringste Ueber-
einstimmung zu finden ist, und dass unter ihnen die besten wie die
schlechtesten WĂ€sser Breslauâs erscheinen. War es auch eine
Unmöglichkeit, durch die chemische Analyse den etwaigen
Ansteckungsstoff zu finden, so wÀre es doch denkbar gewe-
sen, falls dieser wirklich im Wasser sich befinde, irgend eine
Uebereinstimmung der chemischen Bestandtheile nachzuweisen.
Ich ging dabei von der Ansicht aus, dass der betreffende
Ansteckungsstoff, Àhnlich wie gewisse Pflanzen z. B. nur auf
Kalkboden gedeihen, ebenfalls gewisse anorganische Substan-
zen zu seiner Entwicklung nöthig habe. Diese Annahme hat
sich nicht bestÀtigt, da die chemischen Bestandtheile der
betreffenden WĂ€sser in keinerlei Zusammenhang zu bringen
sind. â Immerhin wĂ€re es wohl gewagt, in Folge dessen
behaupten zu wollen, das Trinkwasser könne unmöglich den
Ansteckungsstoff enthalten; muss doch hierĂŒber in erster
Reihe das Mikroskop zu Rathe gezogen werden. Ich habe
dasselbe fleissig benutzt, bin aber in dem Erkennen der klei-
nen Organismen doch zu unsicher, um darin irgend etwas
Entscheidendes aufstellen zu können; nur soviel kann ich
30 Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers.
sagen, dass ich mit Ausnahme des zur Zeit der Untersuchung
trĂŒben Wassers einer einzigen Strasse âder Grossen Rosen-
gasse Nr. 12,â wo Bacterien und Monaden sicher zu
erkennen waren, in den anderen WĂ€ssern nichts irgend Auf-
fallendes, ja nichts Lebendes gesehen habe. â
Erscheint es nach diesen Untersuchungen als höchst
unwahrscheinlich, dass das Trinkwasser den Ansteckungs-
stoff enthalten solle, so wird es fast zur Unmöglichkeit,
wenn man bedenkt, dass bei den wenigen diesmal in
Breslau aufgetretenen Fleckentyphus - FĂ€llen angenommen
werden mĂŒsste, gerade nur die ungefĂ€hr 12 Brunnen, von
denen die Erkrankten getrunken, hÀtten den betreffenden An-
steckungsstoff enthalten und gerade nur die wenig Erkrank-
ten hÀtten den geeigneten Boden zur Entwickelung des Con-
tagium dargeboten. ErfÀhrt man nun noch, dass Leute, die
in der erwÀhnten Grossen Rosengasse 12, woselbst auch
einige Erkrankungen vorgekommen sind, ihre Schlafstelle
haben, vielleicht nie, sicher aber nicht aus dem da befindlichen
Brunnen Wasser trinken, so wird oben aufgestellte Behaup-
tung noch mehr bestĂ€tigt. â
Nichts destoweniger unterschÀtze ich die Wichtigkeit
eines guten Trinkwassers; im Gegentheil mĂŒsste die Polizei
â namentlich bei Anlage neuer Brunnen, die in grossen
StĂ€dten ja stets unweit der Kloaken angelegt werden mĂŒssen,
aufs SorgfĂ€ltigste fĂŒr ausreichende Umkleidung von Kies,
Kohle ete., sowie fĂŒr gute Ăementation sorgen. â
Einmal mit der Wasserfrage beschÀftigt, verfolgte ich
dieselbe weiter, Ich liess die betreffenden genau analysirten
WÀsser, Anfang Mai geschöpft, in offenen, nur mit der Glas-
platte lose verschlossenen GefÀssen dem Lichte ausgesetzt
stehen. Sie blieben bis auf grösseren oder geringeren Ab-
satz von Eisenoxydhydrat und kohlensaurem Kalk unverÀndert
bis Anfang Juli. Der Grund hierfĂŒr liegt in dem so selten
gehabten Sonnenschein; denn als Anfang Juli die Sonne leb-
haft auf die WĂ€sser einwirkte, zeigte sich bald Bildung von
Organismen. Die WĂ€sser wurden meist zuerst trĂŒb, setzten
nach und nach immer mehr und mehr grĂŒne, resp. braune
Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers. 31
Substanzen am Boden ab, bis endlich die Vermehrung der-
selben aufhörte und das ĂŒber dem Bodensatz befindliche Was-
ser wieder völlig klar wurde. Hierbei beobachtete ich, dass
in den an Ammoniak reichen WĂ€ssern die angefĂŒhrte Ver-
Ă€nderung zuerst sichtbar wurde.
. Betrachtet man mit blossen Augen die gebildeten, auf
dem Boden befindlichen Organismen, so fÀllt Jedem sofort die
Mengen- und Farben- Verschiedenheit auf. Von den drei
WĂ€ssern, die ich der Gesellschaft vorgezeigt, ist der Boden-
satz des ersten Wassers der unbedeutendste, braun und dicht;
der des zweiten Wassers erheblicher, grĂŒnlich braun und
voluminöser, der des dritten der grösste und dunkelgrĂŒn.
Untersucht man jeden einzelnen Bodensatz mit dem Mi-
kroskop, so findet man, abgesehen von Infusorien, die in
allen vorhanden, dass der braune des ersten Wassers lediglich
aus Diatomeen mit braunem Inhalt besteht, grĂŒne pflanz-
liche Gebilde sind nicht vorhanden; der grĂŒnbraune Boden-
satz des zweiten Wassers zeigt auch viele Diatomeen,
es sind aber auch sehr erhebliche Mengen grĂŒner pflanzlicher
Gebilde âProtococcusâ bemerkbar; der dunkelgrĂŒne Bo-
â densatz des dritten Wassers endlich zeigt ĂŒberwiegende Bil-
dung der grĂŒnen einzelligen Alge im Vergleich zum
Vorkommen der Diatomeen. Frag ich mich nun nach
einem Grunde dieser verschiedenen Mengenentwicklung der
ehlorophyllreichen Alge, so kann ich denselben nur in dem
verschiedenen Ammoniak-Gehalt der WĂ€sser finden, um so
mehr als ich beobachtete, dass mit der Beendigung der orga-
nischen Entwicklung alles Ammoniak aus dem Wasser ver-
schwunden war. Ich glaube, dass der Stickstoff zur Bildung
des stickstoffhaltigen Chlorophylis nur vom Ammoniak, nicht
aber, wie ich gleich nachweisen werde, von der SalpetersÀure
hergenommen wird; ist das Ammoniak verbraucht, so hört die
weitere Entwicklung auf. Das erste Wasser, das so gut
wie frei von Ammoniak ist, zeigt gar keine Bildung chloro-
phylihaltiger Algen, ja auch die Diatomeen sind nicht grĂŒn;
bei dem zweiten Wasser, das in 1000 0.0. 0,00087 Grm.
Ammoniak enthielt, finden wir neben Mengen von Diatomeen
32 Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers.
srĂŒne Protococeus-Arten; bei dem dritten WaĂ€sser endlich,
das in 1000 C.C. 0,0053 Grm. Ammoniak ergab, ist die Bil-
dung der grĂŒnen Alge eine ganz bedeutende. Mir wird es
schwer, diese Beobachtungen dem reinen Zufall zuzuschreiben,
um so mehr, als die WĂ€sser dicht neben einander standen.
Hoffentlich kann ich im nÀchsten Sommer, in welcher Zeit die
Sonne diese Versuche so begĂŒnstigt, meine Behauptung, dass
also die Bildung der chlorophyllhaltigen Organismen im Zu-
sammenhang mit dem Ammoniakgehalt steht, aufrecht erhal-
ten. Eine BestĂ€tigung dafĂŒr habe ich in dem der Sonne
ausgesetzten Oderwasser des Breslauer neuen Wasserhebe-
werkes gefunden. Dasselbe ist fast absolut frei von Ammo-
niak und es haben sich in der That keine chlorophyllhaltigen
Algen entwickelt.
Endlich will ich hierbei noch erwÀhnen, dass, wenn bei
der Entwickelung der Organismen, wie ich schon angefĂŒhrt,
aus allen WĂ€ssern das Ammoniak verschwunden ist, der Ge-
halt an SalpetersÀure dagegen sich nicht im Geringsten ver-
Àndert hat. Die WÀsser zeigen sÀmmtlich noch jetzt ganz
dieselbe Menge SalpetersÀure, als an dem Tage, wo ich sie
der Sonne ausgesetzt; der Stickstoff der SalpetersÀure also
ist zur Bildung der niederen Organismen nicht verbraucht
worden. â |
Hieran anschliessend, berichtete ich der Gesellschaft ĂŒber
5 angestellte Versuche, die beweisen sollen, welchen Eintiluss
die in der Luft befindlichen Sporen bei Bildung der sich im
Wasser entwickelnden Organismen haben, und dass auch hier
die sich auf geeignetem Boden entwickelnden kleinen Orga-
nismen der Luft durch Baumwolle zurĂŒckgehalten werden.
Bei allen fĂŒnf Versuchen wurde am 25. August aus ein und
demselben Brunnen geschöpftes Wasser, das ziemlich reich an
Ammoniak wie SalpetersÀure war, verwendet.
Zum ersten Versuch wurde das Wasser in einem mit
einer Glasplatte lose bedeckten Glase, direkt wie es vom
Brunnen genommen, der Sonne ausgesetzt. Schon am vierten
Tage zeigten sich die ersten AnfĂ€nge grĂŒner Organismen,
die sich bis Mitte September vermehrten. Um diese Zeit
Ueber VerÀnderungen des Trink wassers. 33
hörte die Weiterentwickelung auf; gleichzeitig war alles
Ammoniak aus dem Wasser verschwunden, die Menge der
SalpetersĂ€ure aber nach wie vor dieselbe. â
Der zweite Versuch wurde so angestellt, dass das Was-
ser vor dem EinfĂŒllen in das lose bedeckte Glas eine halbe
Stunde lang lebhaft gekocht wurde; hier also waren sicher
die im Wasser befindlichen Sporen getödtet. Dabei sei
erwÀhnt, dass das Wasser bei dem Kochen ungefÀhr ?/, sei-
nes Ammoniak - Gehaltes verloren hatte, Ebenfalls der Sonne
ausgesetzt, zeigten sich bei diesem Wasser nach sechs Tagen
die ersten AnfÀnge der organischen Entwickelung; Mitte
September war auch hier dieselbe beendet. Die entwickel-
ten Organismen konnten nur von den in der Luft ent-
haltenen Sporen herrĂŒhren. Unter dem Mikroskop zeigten
sich die gebildeten Organismen identisch mit den im nicht
gekochten Wasser entstandenen und zwar waren es ausser
Infusorien âProtococcus- Arten und Diatomeen,â nur war die
Menge der grĂŒnen Alge eine bei Weitem geringere, als wie
bei dem nicht gekochten Wasser. Es bestÀtigt dies meine
oben mitgetheilte Beobachtung, da ja in der That das ge-
kochte Wasser weit weniger Ammoniak enthÀlt, als das nicht
gekochte. â
Zum dritten Versuche wurde in einem ungefÀhr !/, Liter
fassenden Kolben mit langem Halse wenig destillirtes Wasser
gebracht und dies so lange gekocht, bis aus dem Kolben alle
Lnft verdrÀngt war, hierauf der Hals mit einem Kautschuk -
Pfropfen luftdicht verschlossen. Am Brunnen selbst wurde
nun der Pfropfen unter Wasser, das jetzt natĂŒrlich. in den
Iuftleeren Kolben hereinstĂŒrzte,, heruntergenommen, der Hals
sofort mit vorher durch Kochen in Weingeist gereinigter
Baumwolle lose gefĂŒllt und nun das Wasser ebenfalls der
Sonne ausgesetzt. Nach 5â6 Tagen zeigten sich auch hier
die AnfÀnge der organischen Entwickelung, die sich bis Mitte
September erheblich vermehrten. Es sind dies, wie ich mich
durch einen anderen ebenso angestellten Versuch ĂŒberzeugt
habe, ausschliesslich chlorophylihaltige Protococeus - Arten ohne
irgend welche Diatomeen. Die hier eingetretene Entwickelung
Arch, d, Pharm. CXCIX, Bds, 1. JIft, 3
34 Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers.
muss, wenn in der That die Baumwolle die m der Luft
enthaltenen Sporen zurĂŒckhĂ€lt, lediglich von den im Wasser
schon vorhandenen Sporen herrĂŒhren. â
Zum vierten Versuch wurde ebenfalls in einen Kolben,
auf dessen Hals ich eine zweimal rechtwinklig gebogene, an
beiden Seiten offene Glasröhre luftdicht aufgesetzt, etwas
destillirtes Wasser gebracht und dasselbe bis zur Austrei-
bung der Luft im Kochen erhalten; dann wurde die Àussere
Deffnung der Röhre in schon eine halbe Stunde lang gekoch-
tes Wasser wÀhrend des Siedens getaucht. Das kochende
Wasser stieg nun- in dem Maasse, als die WasserdÀmpfe im
Kolben sich abkĂŒhlten, in den Kolben. Sobald derselbe voll
war, wurde sofort der Hals mit ebenfalls vorher geremigter
Baumwolle gefĂŒllt, und das Wasser der Sonne ausgesetzt.
Das Wasser ist noch jetzt ebenso klar wie vorher, es haben
sich absolut keine Organismen entwickelt. Die in dem Was-
ser enthaltenen Sporen sind also durch das vorhergegangene
Kochen völlig getödtet und die in der Luft vorhandenen in
der That durch die lose aufgesteckte Baumwolle völlig zurĂŒck-
gehalten worden. â
Der fĂŒnfte Versuch endlich wurde wie der vierte ange-
stellt, nur schmolz ich hier, nachdem das kochende Wasser
in den Kolben gestiegen, die Àussere Oeffnung der Glas-
röhre zu. SelbstverstÀndlich konnte hier eine organische
Entwickelung nicht eintreten und ist auch nicht eingetreten.
Aus diesen Versuchen geht hervor, dass die Bildung
der Organismen beim Stehenlassen unserer TrinkwÀsser theils
von den schon im Wasser befindlichen, theils von den durch
die Luft in dasselbe gelangten Sporen herrĂŒhrt; dass die
vermittelst der in der Luft enthaltenen Sporen gebildeten
Organismen dieselben sind, wie die bei Abschluss der Luft,
wo nur Diatomeen nicht entstehen, sich bildenden; dass die
im Wasser befindlichen Keime beim Kochen getödtet und die
in der Luft enthaltenen durch Baumwolle zurĂŒckgehalten
werden. â
Praktisch verwerthen will ich diese Versuche im kĂŒnf-
tigen Sommer, wenn die Sonne die Versuche begĂŒnstigt,
Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers. 35
insofern, als ich durch die so sehr gerĂŒhmten Kohlenfiter
filtrirtes Brunnenwasser sofort in der beschriebenen Weise
in einen Kolben bringen und, mit gereinigter Baumwolle
bedeckt, der Sonne aussetzen werde. Sind, wie behauptet
wird, in der That die Sporen durch das Filtriren zurĂŒckge-
blieben, so könnte, wie beim gekochten Wasser, keine orga-
nische Entwickelung in diesem Wasser entstehen. WĂ€re
dies doch der Fall, so gingen also die Sporen durch die
Kohle durch, das Filtriren selbst hÀtte nur einen geringen
Werth. â
Um endlich synthetisch nachzuweisen, ob die im Trink-
wasser sich bildenden Organismen mit den chemischen Be-
standtheilen desselben in irgend welchem Zusammenhang stehen,
oder ob dieselben rein dem Zufall zuzuschreiben sind, habe
ich Anfang Septembers verschiedene Flaschen mit chemisch
reinem, destillirten Wasser, in welches ich, dem Gehalt der
TrinkwÀsser angemessen, in die eine Flasche salpetersaures
Ammoniak, in die andere salpetersaures Kali, in die dritte
kohlensaures Ammoniak, in die vierte phosphorsaures Natron
und in die fĂŒnfte Chlornatrium gebracht, der Sonne aus-
gesetzt.
Es zeigte sich trotz des lebhaften Sonnenschemes bis
Ende September absolut keinerlei Bildung irgend welcher,
weder thierischer noch pflanzlicher, Organismen. Die in der
Luft enthaltenen Sporen hatten also trotz des vorhandenen
Ammoniaks, der SalpetersÀure etc. im den WÀssern keinen
keimungsfÀhigen Boden gefunden; es muss in Folge dessen
in den TrinkwÀssern doch noch etwas Andres vorhanden
sein, was die Eniwickelung der Sporen begĂŒnstigt. â Um
die hingestellten destillirten WÀsser nun den TrinkwÀssern
Ă€hnlicher zu machen, fĂŒgte ich zu jedem etwas kohlensauren
Kalk, gelöst in KohlensÀure, zu; bis heute ist aber trotz die-
ses Zusatzes eine Entwickelung von Organismen nicht er-
folgt. -â- Im nĂ€chsten Sommer werde ich mit diesen Ver-
suchen fortfahren, werde in jedes der WĂ€sser eine kleine
Menge irgend welcher organischen Substanz zufĂŒgen
y%
36 Der Erstarrungspunkt des Broms.
und sehen, ob dadurch vielleicht die Sporen der Luft zum
Keimen veranlasst werden. In jedem Falle erstatte ich ĂŒber
die gewonnenen Resultate Bericht.
J. M.
In Betreff der eben besprochenen VerhÀltnisse verdient
nachgelesen zu werden: L. Pasteur, Memoire sur les cor-
puscules organisees, qui existent dans lâatmosphere,; examen
de la doctrine des generations spontandes. (Annales de chi-
mie et de physique III. ser., tome 64, pag. 5â 110; 1862.)
Ein Auszug dieser Abhandlung findet sich im Journ. f. prakt.
Chem. 1862, Bd. 85, 8. 465â 472 und in Kopp- Willâs
Jahresb. f. 1861. (Giessen 1863.) 8. 159 â 163.
i HA. Ludwig.
Der Erstarrungspunkt des Broms
(des wasserfreien)
liegt nach Heinrich Baumhauer bei â 24°%,5 Cels. Das
feste Brom » erscheint als eine rothbraune (nicht bleigraue)
krystallinische Masse.*) Danach ist auch die Angabe in
Nr. 1 (3. Jan. 1872) des chemischen Ăentralblatts zu berich-
tigen, nach welcher dieser Punkt bei 24°,5 liegen soll.
H.L.
*) Berichte d. deutsch. chem. Gesellsch. zu Berlin. 4, Jahrg. Nr. 17.
S. 927 vom 11. Dec. 1871.
37
II. Chemische "Tâechnologie.
Ueber Chromotypie.
Von Dr. J, Schnauss in Jena.
Seit der Entdeckung der Photographie auf Papier durch
Fox Talbot im Jahr 1839 glaubte man lange Zeit an die
Unentbehrlichkeit der Silberverbindungen fĂŒr diese Bil-
der. Auch in diesen Anschauungen brachten die letzten Jahre
eine gewaltige UmwÀlzung hervor. Zwar wusste man schon
seit 1841 durch die veröffentlichten Untersuchungen von Ro-
bert Hunt, dass man auch mit anderen Verbindungen Licht-
abdrĂŒcke auf Papier erhalten könne und dem Chemiker waren
viele Zersetzungen bekannt, welche das Sonnenlicht auf an-
dere Stoffe ausĂŒbt. So grĂŒndet sich beispielsweise der erste
Versuch Nicephore Ni&pceâs, des berĂŒhmten Entdeckers
der Daguerreotypie (gleichzeitig mit Daguerre 1839),
auf das Unlöslichwerden des Asphaltes durch das Licht
(1814), und auch wÀhrend der praktischen Verwendung der
Papierphotographie wurden eine Menge verschiedener Salze
als Ersatz des kostbaren Silbers vorgeschlagen, besonders
Eisenoxyd-, Uranoxyd- und chromsaure Salze.
Aber alle, mit alleiniger Ausnahme der chromsauren
Salze, bewÀhrten sich nicht in der Praxis. Durch letztere
jedoch wurden neuerdings eine Reihe neuer Verfahren in die
technische Photographie eingefĂŒhrt, welche von höchster
Wichtigkeit sind, und die man, als auf ein und demselben
Prineipe beruhend, zweckmÀssig unter dem Namen Chro-
motypie begreift, zur Unterscheidung von der gewöhnlichen
âPhotographie mit Silbersalzen.
38 | Ueber Chromotypie.
Die chromsauren Salze werden ebensowenig, wie das sal-
petersaure Silberoxyd, an und fĂŒr sich durch das Licht ver-
Ă€ndert; in Verbindung mit organischen Substanzen dagegen
erleiden sie gleichzeitig mit den letzteren eine VerÀnderung _
ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften.
Man trÀnke ein Blatt gewöhnlichen Schreibpapiers mit
einer starken Lösung von doppeltchromsaurem Kali oder
Ammoniak, trockne dasselbe bei Lichtabschluss und setze es
unter einem durchsichtig gemachten Kupferstich oder einem
photographischen Glasbilde dem Sonnenlicht eine Zeitlang aus;
es entsteht eine schwachbraune Zeichnung des Originals
auf gelbem Grund. Legt man dieselbe in ein GefÀss mit
Wasser, so löst sich allmĂ€hlich die gelbe Farbe â das un-
zersetzt gebliebene doppeltchromsaure Kali â auf und es
bleibt nur die schwachbraune Zeichnung zurĂŒck, natĂŒrlich in
Licht und Schatten das umgekehrte Abbild des Originals.
Die mit dem chroms. Salz auf dem Papier vorgegangene Zer-
setzung ist eine Reduction, doch nicht bis zu Cr?O3, sondern
wohl mehr zu eimer Art chromsaurem Chromoxyd>»
doch kann man dies der geringen Menge wegen nicht mit
Sicherheit nachweisen. Einen ganz Àhnlich gefÀrbten Nieder-
schlag, das reinechromsaure Ohromoxyd (Cr?03,0r 03
+ 9HO) erhÀlt man durch Zusatz von einfach chroms. Kali
-zu einer Lösung von Chromalaun. â
Mischt man die Lösung des doppeltchroms,. Kali vor
Ihrem Auftragen auf Papier mit Gummilösung, Eiweis- oder
Gelatinelösung, so lehrt nach erfolgter Exposition am Licht
schon der Augenschein, dass das Bild bedeutend krÀftiger,
daher auch die VerĂ€nderung des Ăhromsalzes grösser ist.
Zugleich hat die beigegebene organische Substanz, soweit sie
vom Lichte getroffen worden, ihre Löslichkeitin Was-
ser eingebĂŒsst. Gerade diese letztere Eigenschaft ver-
leiht dem ganzen Vorgang seine Wichtigkeit fĂŒr die Tech-
nik. Die Unlöslichkeit in Wasser ist so vollstÀndig gewor-
den, dass man âdurch eine Mischung von âGelatine- âoder
Gummilösung und doppelt chroms. Kali leinene und baum-
wollne Stoffe, die man damit trÀnkt und dem Sonnenlicht
Ueber Chromotypie. 39
eine Zeitlang aussetzt, vollkommen wasserdicht machen kann.â
(Musterzeitung, Jahrgang 20. 8. 65).
AnfÀnglich der Meinung, dass die durch das Licht aus
der Gummichromatlösung erzeugte, braune, unlösliche Substanz
in einem Probierglas sich als ein Niederschlag abscheiden
wĂŒrde, suchte ich mir eine grössere QuantitĂ€t davon zu ver-
schaffen. Ich fĂŒllte zu diesem Zweck mehre GlĂ€ser mit
dicker, klarer Gummilösung, die ich 1) mit KO, 20r0 2) mit
HNO, 3CrO3 und 3) mit reiner ChromsÀure versetzte und
sie sÀmmtlich mehre Tage hindurch dem direeten Sonnen-
licht exponirte. In keiner der Lösungen entstand jedoch ein
Niederschlag, sie wurden nur mehr oder weniger braun und
zĂ€hflĂŒssig, die Cr?O3 enthaltende am stĂ€rksten; durch zuge-
setztes Wasser liessen sie sich sÀmmtlich leicht zu einer kla-
ren, braunen Lösung verdĂŒnnen; Ammoniak bewirkt kemen
Niederschlag darin; auf Zusatz desselben zu einer salpeter-
sauren Lösung des Cr203, GrOŸ, entsteht bekanntlich ein
graugrĂŒner Niederschlag von Cr?0°-+ 6HO.. Setzt man
jedoch zu der gummösen Lösung des Kalibichromates einige
Tropfen SchwefelsĂ€ure, so ist im Sonnenlicht binnen !/, â
1 Stunde â ohne weitere ErwĂ€rmung â eine völlige
Umwandlung der Cr 0° in Cr?O3 erfolgt und Ammoniak giebt
einen graugrĂŒnen Niederschlag. Doch kann man diese Wir-
kung der SOÂź% nicht dem Freiwerden der CrOÂź und. deren
Zersetzung unter Vermittelung der organ. Substanz durch das
Licht zuschreiben, denn reine UrO°, mit Gummi dem Licht
»xponirt, verhÀlt sich fast nicht anders, wie die mehrfach
chroms. Salze, wÀhrend der Inhalt des Reagenzglases, wel-
cher aus CrO3 und Gummilösung bestand, ebenfalls durch
Zusatz von ein paar Tropfen SO? zur raschen Verwandlung
in Or?03 disponirt wurde. |
Die prÀdisponirende Verwandtschaft der Schwe-
felsÀure zum Chromoxyd, unter Mitwirkung der organi-
schen Substanz, (Gummi, Leim) und des Lichtes zerle-
gen hier im Verein die ĂhromsĂ€ure. Die an die obere
Wandung der ReagenzglÀser gespritzten Theilchen der Gum-
michromatlösungen (ohne 80°) zeigten dagegen eine ganz
40 Ueber Chromotypie.
deutliche grĂŒne Farbe und waren in Wasser völlig unlös-
ich geworden. Es ergiebt sich hieraus, dass die Zersetzung
durch das Licht bei dĂŒnnen Schichten viel vollstĂ€ndiger
ist, eine Folge der orangegelben Farbe sÀmmtlicher Lö-
sungen, welche bekanntlich alle chemischen Strahlen des
Lichtes absorbirt, daher die Zersetzung eine nur ganz
oberflÀchliche sein kann. Uebergiesst man das Fensterglas
des photographischen Dunkelzimmers mit doppeltchroms. Kalı
und einem geeigneten Bindemittel, so können darin alle Ope-
rationen, ohne durch chemische Strahlen Schaden zu leiden,
ausgefĂŒhrt werden.
Als Absorptionsvermögen des chroms. Kalis â doch
wohl des einfachen? â giebt der Prof. Sachs in WĂŒrz-
burg im Verlauf seiner Untersuchungen âĂŒber die Assimila-
tionsthĂ€tigkeit der Pflanzenâ die Zahl 88,6 an, d.h. die Ein-
wirkung des Sonnenlichtes auf Chlorophyll, durch eine Schicht
chroms. Kalis dringend, ist â 88,6, nach der erzeugten 00?
berechnet, wÀhrend dieselbe bei reinem Wasser = 100 ange-
nommen wird. Wie oben gesagt, muss die AbsorptionsfÀhig-
keit des KO,2CrO? gegen chemisch wirksame Strahlen fast
vollstĂ€ndig sein, auch besteht nach Lommelâs Ansicht die
Einwirkung des Lichtes auf Chlorophyli in der mechani-
schen IntensitĂ€t des Lichtes â d.h. in der lebendigen
Kraft der Aetherschwingungen â im Gegensatz zu der
physiologischen und chemischen IntensitÀt desselben.
Man möge diese kleine Abschweifung verzeihen!
In Bezug auf die Lichteinwirkung auf Gummichromatlö-
sung in ReagenzglÀsern stellte ich noch folgende Versuche
an. ChromsÀure, mit Zuckerlösung vermischt, fÀrbte sich
nur etwas dunkler rothbraun im Licht, bei Abschluss dessel-
ben blieb die Mischung lange Zeit unverÀndert. Ein Zusatz
einiger Tropfen SchwefelsÀure Àndert nichts. Die rasche
Verwandlung der CrO3 im Licht, wenn sie mit Gummi und
SO? vermischt wird, beruht daher nicht auf der Bildung
einer zuckerartigen Substanz aus dem Gummi. Bei Licht-
abschluss findetinderMischung vonSO3,KO,2CrO?
und Gummi erst nach etwa 3 Stunden eineBildung
UeberChromotypie. 41
von Er?O3 statt. Am schnellsten erfolgt die Zersetzung des
Kalibichromates im Licht, wenn es mit Glycerin gemischt
und in dĂŒnner Schicht, etwa auf ein Uhrglas gegossen, dem-
selben exponirt wird. Hier zeigt sich schon in wenigen
Minuten eine tiefgrĂŒne FĂ€rbung. Eine FĂ€llung ist nicht zu
bemerken, auch nicht auf Zusatz von Ammoniak, da Glyce-
rin bekanntlich die FĂ€llung der Metalloxyde durch Alkalien
verhindert. Die Zersetzung und Bildung von Cr?O° geht
so rasch und sichtbar vor sich, dass sich das Ganze wohl zu
einem Collegienversuch eignen dĂŒrfte, um die Zersetzung der
Bichromate durch das Licht zu demonstriren.
Die WĂ€rmewirkung der Sonnenstrahlen kann man bei
diesen Versuchen leicht ausschliessen, wenn man das Reagenz-
glÀschen mit der Mischung in ein Glas mit kaltem Wasser
stellt. Uebrigens lÀsst sich die Mischung von schwefels.
Kupferoxyd-Kali und Glycerin nach Dr. Burgemeister
sogar kochen, ohne reducirt zu werden, wÀhrend diese
Reduction im Sonnenlicht bald eintritt.
Werden feinpulverige und gegen die verschiedenen anzu-
wendenden WaschflĂŒssigkeiten indifferente, d. h. unlösliche
Körper, wie Kohlepulver u. dergl. mit der Gummi- oder Ge-
latinechromatlösung in passendem VerhÀltniss innig |gemengt
und auf Papier oder eine andere Unterlage aufgetragen, hierauf
unter einem Negativ dem Lichte ausgesetzt, so geben sie ein
Abbild desselben, weil sie durch das unlöslich gewordene
Gummi u.s. w. an den vom Lichte getroffenen Stellen mit
festgehalten werden. Aller Ueberschuss des Pulvers geht
beim Waschen des Papiers in Wasser und sanftem Ueber-
streichen mit einem Pinsel weg. Nimmt man Kienruss als
Farbstoff, so erhÀlt man die sogenannten Kohlebilder,
welche, ursprĂŒnglich von Pounci entdeckt, mannigfache Mo-
dificationen und Verbesserungen erfuhren. In die Praxis
sind diese Bilder, soviel mir bekannt, nur von Braun in
Dornach eingefĂŒhrt worden, dessen ausgezejehnete Stereo-
skopbilder in der ganzen Welt bekannt sind. Das Kohle-
verfahren eignet sich jedoch am besten fĂŒr Photographien
42 Ueber Chromotypie.
in grossem Format, wozu es auch Braun vorzugsweise
anwendet.
Eine derartige Mischung von Gummichromat und
Kohlepulver (Lampenruss) liefert auch eine fĂŒr gewisse
Zwecke, z. B. fĂŒr Etiquetten zu chemischen GefĂ€ssen und
zum Zeichnen der WĂ€sche brauchbare Tinte, wie meime Ver-
suche mich lehrten. Trifft man das VerhÀltniss der Mischung
gut und setzt man das Geschriebene eine hinlÀngliche Zeit
dem Sonnenlicht aus, so wird es fĂŒr Wasser ganz unlöslich,
und nur starke Ă€tzende FlĂŒssigkeiten vermögen die Tinte
unter MithĂŒlfe mechanischer Reibung nach und nach wieder
zu entfernen. Durch eime Lösung von ĂŒbermangansaurem
Kali, welche man vorsichtig ĂŒber die beschriebenen Stellen
streicht, werden dieselben viel intensiver und in der WĂ€sche
haltbarer, indem sich Manganoxyd darauf ausscheidet. Nur
wird die WÀsche an den Stellen, wo obige Lösung sie
berĂŒhrt, gelblick. Nimmt man anstatt Kohlepulver andere
gepulverte Farben, die chemischen EinflĂŒssen möglichst wider-
stehen, z. B. Zinnober, so erhĂ€lt man auch gefĂ€rbte Tinten. â
Um zu dem photographischen Verfahren zurĂŒck zu kehren,
so erzielt man auf Àhnliche Weise ferner noch eine Anzahl
wichtiger technischer Verwendungen, indem man dem .Kohle-
pulver Email- oder Porzellanschmelzfarben substituirt. Die
Gummichromatlösung wird auf eine Glasplatte aufgetragen,
nach dem Trocknen unter einem Transparentpositiv belichtet,
und nun mit obiger, aufs feinste geschlÀmmten. Farbe einge-
stÀubt. Durch zartes Abpinseln wird jeder Ueberschuss der
Farbe entfernt, die Schicht mit diekem nicht jodirten Collo-
dium ĂŒberzogen und mittels des jedem Photographen bekann-
ten Verfahrens in Form eines HĂ€utchens mit sammt dem
Emailbild abgezogen. Dasselbe wird sodann auf Email oder
Porzellan aufgelegt und nach dem Trocknen eingebrannt.
Man erhÀlt auf diese Art die bekannten, unverÀnderlichen
Email- und Porzellanphotographien.
Auch die Photolithographie grĂŒndet sich auf den
Gummichromatprocess. Das unter einem Negativ belichtete
Chrömatpapier bietet, wie oben bemerkt, nach dem Auswaschen
Ueber Chromotypie. 43
eine braune, positive Copie des letzteren auf weissem Grund
dar, diese wird mit lithographischer Tinte unter den nöthigen
Vorsichtsmaassregeln ĂŒberzogen. Die âTinte haftet nur an
den braunen Stellen und es bleibt nun noch das Uebertragen
des schwarzen Tintebildes auf lithographischen Stein ĂŒbrig,
âdas jedem Lithographen bekannt ist, sowie auch die nachlol-
gende Behandlung des Steins bis zum Druck. Wird die mit
lithographischer Tinte ĂŒberzogne Zeichnung auf Zinkplatten
oder andere Metallplatten ĂŒbertragen, so erhĂ€lt man die Pho-
tozinkographien u.s.w. Anfangs wurde die Photolitho-
graphie nach dem ersten, ursprĂŒnglichen Verfahren des Nice-
phore Nicpce mittels einer auf dem Stein aufgetragener,
Àtherischen Asphaltlösung und Belichtung der Asphaltschicht
unter einem Negativ ausgefĂŒhrt; das Bild trat wĂ€hrend des
Waschens der Asphaltschicht mit dem Lösungsmittel hervor,
indem die belichteten Stellen unlöslich blieben. Man erhÀlt
jedoch auf die Weise nur unvollkommene Resultate. â
In der neusten Zeit hat eine Anwendung der Chromotypie
alle anderen an Wichtigkeit weit ĂŒbertroffen. Eine Mischung
von Gelatinelösung und ein wenig Chromat (doppeltchroms.
Kali oder Ammoniak) liefert nemlich die Grundlage zur Er-
zeugung von Reliefbildern, die sich vortrefflich zum
Druck eignen und alle Zartheiten des Originals auf das vol-
lendetste wiedergeben. Die frĂŒheren photographischen Druck-
methoden dagegen gaben fast alle nur harte Bilder, ohne
Halbtöne, eigneten sich daher nur zur Wiedergabe von Kunst-
blÀttern in Linien oder Punkten. Der Reliefdruck dagegen,
zuerst von Joseph Albert in MĂŒnchen und Wood-
bury in England praktisch verwendet, eignet sich ganz
besonders zu Portraits in jeder Grösse, natĂŒrlich ebenso gut
auch zu BReproductionen. Dem Princip nach sind sich beide
Verfahren ziemlich gleich, in âder praktischen AusfĂŒhrung
unterscheiden sie sich dadurch, dass nach Albertâs Methode
der Druck unmittelbar durch die Reliefgelatineschicht erfolgt,
wÀhrend nach Woodbury von dem Gelatinerelief erst ein
Abdruck gemacht wird, entweder in Letternmetall â analog
44 Ueber Chromotypie.
dem Auerâschen Naturselbstdruck â oder durch Galvano-
plastik in Kupfer, und von diesem hierauf erst auf Papier.
Das interessante Verfahren zur Erzeugung photogra-
phischer Gelatinereliefbilder ist folgendes:
Eine ziemlich starke Auflösung von Gelatine in Was-
ser wird mit ein wenig Bichromat versetzt und noch warm
auf eine genau horizontal liegende Spiegelglasplatte gegos-
sen. Die so erhaltene, gleichmÀssige Gelatineschicht wird im
Dunkelzimmer zum Trocknen hingestellt; bei warmer Som-
mertemperatur sind einige Stunden genĂŒgend, bei sehr dicker
Gelatineschicht und niedriger Temperatur etwa 24 Stunden,
um die Platten zum Ăopiren reif zu machen. Sie dĂŒrfen we-
der klebrig, noch ganz erhÀrtet sein. Dilettanten, welche
diesen interessanten Versuch selbst anstellen wollen, ist zu
rathen, die Gelatineschicht sofort auf nicht gefirnisste, nur
gummirte Negative (Bildseite) aufzutragen. Man kann auf
diese Weise ohne weitere Vorkehrung, als eine passende
Aufstellung, sodass die Sonnenstrahlen möglichst senkrecht
auf die Platte fallen, das Entstehen des Reliefs beobachten.
Wer es zum erstenmal sieht, ist ĂŒberrascht, dass die Licht-
strahlen ebenso leicht, als sie zeichnen können, auch wie mit
einem Grabstichel gleich dem geschicktesten Kupferstecher zu
graviren verstehen! Ist die Schicht noch feucht genug, so
entsteht ein sehr starkes Relief, wenn sie schon zu sehr ein-
getrocknet sein sollte, so bemerkt man dasselbe erst deutlich
beim nachfolgenden Auswaschen der Schicht mit warmem
Wasser, wodurch zugleich das löslich gebliebene Bichromat
entfernt wird. Am besten gelingt der Versuch mit einem
recht scharfen, krÀftigen Negativ nach einer Reproduction in
Linienmanier oder nach einer Architectur. Die directen Son-
nenstrahlen mĂŒssen senkrecht auffallen, wesshalb zur Dar-
stellung solcher Reliefbilder im Grossen am, besten eine
sogenannte Solarkamera verwendet wird, in welcher mittels
eines drehbaren Spiegels und einer Condensations- Linse âdie
Lichtstrahlen stets senkrecht auf die in mitten des Apparates,
doch etwas hinter dem Brennpunkt der Linse befestigte
Platte fallen. Letzteres muss man desshalb beachten, weil
Ueber Chromotypie. 45
die Platte im Brennpunkt der Linse durch die Hitze zersprin-
gen und die Gelatine erweichen und abfliessen wĂŒrde. Mit
diesem Apparat lassen sich auch die Reliefplatten nach Al-
bert am besten darstellen, indem man die Gelatinchromat-
lösung auf eine sehr dicke Spiegelplatte auftrÀgt und das
Negativ getrennt davon an der Vorderwand der Solarkamera
anbringt. Es ist hierbei auch in den Willen des Operateurs
gegeben, das Bild zu vergrössern.
Das Relief ist oft sehr stark, so lange noch die Gelatine
feucht ist, verschwindet jedoch beim Trocknen zum Theil
wieder, wĂ€hrend dadurch die Feinheit der Zeichnung zunimmt. â
Ist die Gelatine unmittelbar auf das Negativ aufgetra-
gen, so lÀsst sich durch nochmaliges Ueberziehen des bereits
erzeugten, getrockneten Reliefs mit Gelatinchromat und wie-
derholtes Exponiren an die Sonne u.s.f. das Relief verstÀr-
ken. Es wÀre zu versuchen, ob sich auf diese Weise nicht
zuletzt Reliefcopien, namentlich von grösseren Bildern, erzeu-
gen liessen, die dem Tastsinn genĂŒgend deutlich wĂ€ren, um
als Unterrichtsmittel bei Blinden angewendet zu werden.
Ich halte es hier nicht fĂŒr am Platze, auf nĂ€here De-
tails der Albertâschen und Woodburyâschen Methoden
einzugehen. Wer sich nĂ€her darĂŒber unterrichten will, dem
empfehle ich die LectĂŒre des âPhotographischen Ar-
chivs,â herausgegeben von Dr. Liesegang, namentlich
der JahrgÀnge 1869 und 1870. Als besonders interessant
möchte ich nur hier noch die eigenthĂŒmliche Art des Druckes
nach Woodbury mittheilen. WÀhrend erwÀhntermaassen
Albert sofort mit seinen Gelatinereliefs, nachdem sie mit
Druckerfarbe ĂŒberzogen, direct auf Papier druckt, nimmt
Woodbury erst einen Abdruck des Gelatinebildes durch
starke Pressung in Letternmetall vor. Die ?/,â starke Platte
des letzteren wird hierauf horizontal gelegt und mit etwas
Gelatinelösung ĂŒbergossen, die irgend einen beliebigen, am
besten dem gewöhnlichen Photographierton Àhnlichen Farbstoff
enthÀlt. Mittels einer Spiegelglastafel presst man nun das
zur Aufnahme des Bildes bestimmte Papier gegen die Platte,
wodurch die Gelatinelösung in die feinsten Vertiefungen der-
46 Ueber die Schnellessigfabrikation und Mycoderma aceti.
selben eingedrĂŒckt wird. Es ist also ebenfalls ein Relief-
gelatinebild, welches nach dem Trocknen dem Papier anhaftet,
und dessen Lichtpartien durch das weisse Papier selbst dar-
gestellt werden. Hier nehmen also die vertieften Stel-
len der Druckplatte die Farbe an, wÀhrend dagegen bei den
anderen photographischen Druckverfahren, so auch bei der
Alberttypie, die erhabenen Stellen der Matrize die
Druckfarbe aufnehmen, letztere bedĂŒrfen demnach nicht erst
eines Umdruckes, wie die nach Woodbury erzeugten Re-
liefplatten. Des letzteren AbdrĂŒcke sind, als aus Gelatine
bestehend, in heissem Wasser löslich; um sie unlöslich zu
machen, kann man die Bilder durch Eintauchen in Tannin-
lösung fÀrben und gleichsam gerben.
Auf gleiche Weise ertheilt man auch den Gelatinereliefs,
bevor sie den weiteren Manipulationen unterworfen werden,
grössere Festigkeit. | i
Ueber die Schnellessigfabrikation und Mycoderma
aceti. |
. Von Dr. âŹ, Sommer, Apotheker zu Schwarzenfels.
Die jĂŒngste Abhandlung unseres grossen Chemikers J.
v. Liebig: Ueber GĂ€hrung, ĂŒber Quelle der Muskelkraft
und ErnÀhrung, in den Annalen der Chemie und Pharmacie,
1870, hat die Mykologen zu verschiedenen Schriften, fĂŒr und
segen, veranlasst.ââ) Die Mykologen haben Pasteur gegen-
ĂŒber festgestellt: Die Behauptung, einer jeden speciellen
GĂ€hrungsform liege ein specifischer, besonderer Ferment-
organismus zu Grunde, sei aufzugeben und gehöre keiner
der kleinen Organismen, welche hier in Frage kommen, einer
einzigen GĂ€hrungsform ausschliesslich an. Das Wort Fermente
oder âHefenâ sei daher im morphologischen Sinne als ein
Collectivbegriff erkannt worden. **)
*) Mykologische Berichte von Herm. Hoffmann, Giesen 1870 u. 1871,
##) Daselbst 1871 8. 59,
Ueber die Schnellessigfabrikation und Myceoderma aceti. 47
Ebenso tritt J. v. Liebig gegen die Behauptung Pas-
teurâs, die AlkoholgĂ€hrung sei ein physiologischer, die Er-
nÀhrung der Hefenzelle begleitender Act, in seiner obigen
Schrift auf; er weisst nach, dass der chemische Vorgang der
GĂ€hrungserschemungen auf eine chemisch -physikalische Ur-
sache zurĂŒckzufĂŒhren sei, und lenkt die Aufmerksamkeit auf
die Wirkung, welche ein Stoff im Zustande einer Molekular-
bewegung auf eines zweiten, hochzusammengesetzten ausĂŒben
muss, dessen Theile, durch eine schwache Anziehung zusammen-
gehalten, in einer gewissen Spannung sich befinden.
Herm. Hoffmann bemerkt hierzu:*) âEs ist klar,
dass Liebig ebensowenig, wie Pasteur, die AlkoholgÀhrung
erklÀrt hat, denn der Vergleich mit der Diastasewirkung ist
keine ErklÀrung, sondern eine Constatirung einer möglicher
Weise analogen Thatsache. ErklÀrt sind beide nicht, gewiss
ist nur, dass die HefegÀhrung an der lebenden Hefe haf-
tet. Der innere Vorgang, wie ihn Liebig sich denkt, ist
eine Hypothese, welche vielleicht richtig ist; sie ist durch keine
bessere ersetzt in ihrer dermaligen Form, aber chemisch erwie-
sen kann man sie schwerlich nennen. Ausserdem leidet sie
an dem Fehler allzugrosser Allgemeinheit, denn in letzter
Instanz beruht alle chemische ThÀtigkeit, namentlich im Orga-
nismus, auf mitgetheilter Bewegung. â
Bei der EssiggÀhrung schreibt Pasteur der Essig-
mutter (Mycoderma aceti) eine Àhnliche ThÀtigkeit zu, wie -
der Hefe und sagt: âder Essig ist das Product der Essig-
mutter.â Dagegen behauptet Liebigâ), dass die Essigbildung
aus Spiritus nicht bedingt ist durch einen physiologischen
Prozess, die EssigsÀure ist nicht ein Product von Mycoderma
aceti, sondern das Product eines Oxydationsprocesses,
Hierbei stĂŒtzt sich J. v. Liebig besonders auf die Schnell-
essigfabrik von Herrn Riemerschmied in MĂŒnchen, wel-
cher einen Buchenholzspan aus der untersten Schicht eines
Essigbilders, der ununterbrochen seit 25 Jahren nach der-
#) Mykologischer Bericht. 1871 8, 62.
##) Ueber GĂ€hrung ete, 8, 56.
48 Ueber die Schnellessigfabrikation und Mycoderma aceti.
selben Art und Weise im Betrieb ist, vorlegt und frei von
Mycoderma aceti fand. Dabei soll nichts anderes, wie ver-
dĂŒnnter Alkohol und etwas unfertiger Essig von der vorher-
gehenden Operation zugesetzt werden.
Wenn die Feststellung der Species mikroscopischer Ge-
bilde, die Art der ThÀtigkeit derselben in physiologischer Be-
ziehung etc. Sache der Physiologen und Mykologen ist, so
dĂŒrfte jene Angabe des Herrn Riemerschmied, sowie die
Schlussfolgerung des Herrn v. Liebig, dass bei der Schnell-
essigfabrikation mittels HobelspÀnen die Mitwirkung von
Mycoderma aceti nicht nöthig sei, doch von einem Sachver-
stÀndigen bezweifelt werden.
Nach meiner langjÀhrigen Erfahrung halte ich bei der
Schnellessigfabrikation die lebende Essigmutter ebenso nöthig,
wie bei der AlkoholgÀhrung die lebende Hefe. Dass die
SpÀne in der untern Schicht der Essigbilder ohne Myco-
derma aceti gefunden werden, kann ich nur bestÀtigen. Das
beweist aber solange Nichts, bis nachgewiesen und fest-
gestellt ist, dass sie auch in der obersten Schicht fehlt!
Zeigt Herr Riemerschmied aus seiner obern und ober-
sten Lage SpÀhne, die mindestens !/, Jahr in Anwendung
und im Innern der Bilder sich befinden, ohne Mycoderma
aceti, so will ich meinen Zweifel fahren lassen.
Nach meinen Erfahrungen fand ich sie stets in der
obern Lage; wo die Mycoderma aceti fehlte, bildete sich auch
kein Essig. Die obere Schicht SpÀne muss bei der grössten
Aufmerksamkeit und Reinlichkeit- von Zeit zu Zeit erneuert
werden, indem durch eindringenden Staub etc. die ThÀtigkeit
der Mycoderma aceti verringert oder ganz aufgehoben wird.
Wer, wie ich, wiederholt Gelegenheit hatte, neue Schnell-
essigfabriken einzurichten und schon vorhandene aufzubessern,
wird wissen, dass bei genauster Beobachtung der Temperatur,
des SĂ€ure- und Alkoholgehaltes der Mischung u. s. w.
dennoch nach eirca '/, Jahr die EssigsÀurebildung stockt, um
schliesslich ganz einzuschlafen. Hat man die Essigfabrik fĂŒr
Fremde eingerichtet, so kommt man in den Verdacht, mehr
versprochen zu haben, als man halten kann, wird wohl gar
Ueber die Schnellessigfabrikation und Myeoderma acetı. 49
fĂŒr einen Schwindler gehalten. Was ist das? Es werden alle
auftreibbaren Schriften ĂŒber Schnellessigfabrikation nachge-
schlagen, alle möglichen Geheimmittel, Zucker, Weinstein,
Sauerteig u. s. w. zugesetzt. Doch kein Buch giebt Aus-
kunft darĂŒber. Am besten ist, man wartet nun ab, bis sich
Mycoderma aceti gebildet hat. Dieses bewirkt man durch
einen sehr geringen Zusatz von Bier oder Weinmost, das
heisst, durch Stoffe, welche die Bildung der Mycoderma aceti
befördern. Hat man Essigmutter auf seinen SpÀnen, dann
muss die Zumischung so gehalten werden, dass dieselbe nicht
ĂŒberhand nehmen kann und ââdie Quelle stets sich wieder-
holender Störungenâ 'wird, wie J. v. Liebig 8. 51 seiner
Sehrift ganz richtig bemerkt.
Ferner war es mir bis jetzt ganz unmöglich und viele
andere Fabrikanten, welche ich darĂŒber gesprochen, sind der-
selben Ansicht, mit reinem verdĂŒnnten Weingeist und unfer-
tigem Essig der vorhergehenden Operation, Essig zu erzeu-
gen. Stets fand ich, dass jeder Fabrikant offen oder im
Geheimen, solche ZusĂ€tze machte, die ihm oft fĂŒr hohe Sum-
men verrathen wurden und welche er am geeignetsten hielt.
Wiederholt habe ich mitten in der besten Essigbildung
alle ZusĂ€tze weggelassen, nur verdĂŒnnten Weingeist und Essig
von frĂŒher zugesetzt und wie gewöhnlich weitergearbeitet.
Es ging einige Zeit gut, so lange die Essigmutter noch Bil-
dungsstoffe vorfand ; waren diese aber erschöpft und die
Mycoderma aceti ausgelaugt, so wurde der Essig immer schwÀ-
cher, bis die Bildung desselben ganz aufhörte. Setzte ich
hierauf etwas Bier oder dergl. hinzu, dann begann allmÀhlig
wieder ein Steigen des EssigsÀuregehaltes.
Anderseits muss es jedem Fabrikanten und dem, wel-
cher sich mit Interesse dem Studium der Essigbildung zuwen-
det, aufgefallen sein, dass bei der Schnellessigfabrikation nur
ein Essig (sogenannter Essigsprit) erzeugt werden kann von
einem Gehalte nicht ĂŒber 9%, wasserfreier EssigsĂ€ure!
Hat man 4 Essigbilder (gewöhnlich sind es nur 3), wel-
che zusammen arbeiten, wobei in regelmÀssigen Zwischen-
Arch. d, Pharın, CXCIX, Bds, 1, Heft. 4
50 Ueber die Schnellessigfabrikation und Mycoderma aceti.
rĂ€umen von einem zum andern aufgeschĂŒttet wird, so wird
man bemerken, dass der 4te Bilder mit dem höchsten Essig-
sÀuregehalte, wÀrmer gehalten und zeitweilig mit dem Iten
oder 2ten Bilder gewechselt werden muss. Er besitzt immer
im Innern die niedrigste Temperatur von allen 4 Bildern,
weil eben die Oxydation des Weingeists bei ihm am langsam-
sten erfolgt. In einem Essig von ĂŒber 9%, EssigsĂ€ure fand
ich keine bildungsfÀhige Mycoderma mehr vor. Stellt man
gut abgewaschene Mycoderma aceti in einem Gemische von
reiner 10 proc. EssigsÀure und 2°/, Alkohol bei einer Tempe-
ratur von 16° C. einige Tage bei Seite, so findet keine Vermeh-
rung derselben statt. Sie ist auch nach einigen Tagen nicht
mehr im Stande, gehörig ausgelaugt, in einem normalen
Gemische von verdĂŒnntem Weingeist und 3 proc. Essig sich
zu vermehren oder den EssigsÀuregehalt zu erhöhen.
WÀre die EssigsÀurebildung aus Weingeist nur ein reiner
Ăxydationsprozess, unabhĂ€ngig von Mycoderma aceti, so mĂŒsste
nothwendig bei vermehrtem Weingeistzusatze in den Essigbil-
dern der EssigsÀuregehalt steigen. Ein vermehrter Zusatz von
Weingeist zu einem Essigsprit von 8 bis 9°), EssigsÀure be-
dingt aber nur einen grössern Gehalt an Weingeist im ablau-
fenden, fertigen Essig, was natĂŒrlich zu grossen Verlusten
Veranlassung giebt. |
Am ĂŒppigsten wuchert die Essigmutter nach dem Zu-
satze von etwas Bier zu einem schwachen Essig von 2 bis
3%, EssigsÀure und ebensoviel Weingeist. In den Essigbildern,
welche einen stÀrkeren Essig produciren, hat man von einer
Ueberwucherung des Pilzes wenig zu befĂŒrchten. Bei den
Bildern mit schwachem EssigsÀuregehalte muss man mit der
Zugabe von Bier vorsichtig sein, damit durch die vermehrte
Bildung des Pilzes die Lufteirculation im Innern nicht ge-
hemmt wird. Am leichtesten gelingt es bei der Schnellessig-
fabrikation, mit 3 Bildern einen Essig mit 6°, wasserfreier
EsigsÀure zu erzielen. In der That fand ich selten ein Pro-
duct von höherem Gehalte. Die Schnellessigfabrikation ist
die rationelle Cultur der Mycoderma aceti.
Ueber die Schnellessigfabrikation und Myceoderma acetı. 5i
âEs ist ganz unbezweifelbar, sagt J. v. Liebig,*) dass
die Essigmutter die Oxydation des Weingeists zu Essig zu ver-
mitteln vermag, aber diese Wirkung beruht nicht auf einem
physiologischen Vorgange. Der Weingeist bedarf zu seinem
Uebergange in EssigsÀure nur Sauerstoff, den ihm die Myco-
derma aceti aus ihrer Substanz heraus nicht geben kann und nicht
giebt. Die Analyse der Luft, welche die Essigbilder verlÀsst, be-
weist, dass der zur Oxydation des Weingeists dienende Sauerstoff
von der Luft genommen wird, und der einzige Antheil, den die
Essigmutter an diesem Processe nimmt, kann nur darin bestehen,
dassdurch sie diese Aufnahme vermittelt wird; sie ist nur durch
diese chemische Eigenschaft wirksam und kann als lebende
Pflanze, durch eine ganze Anzahl todter Stoffe undPflanzentheile
vertreten werden.â Hier ist die Vertretung der Mycoderma
aceti durch Platinmohr, HobelspÀne, Birkenreiser, T'rauben-
trester, Kohle etc. in's Auge gefasst. Von allen diesen
Stoffen findet bei uns nur die Anwendung von HobelspÀnen
Beifall. â Holzkohle fand ich ganz unbrauchbar.
Wie ich schon oben erwÀhnte, hört zum Verdrusse des
Besitzers bei neu errichteten Essigbildern nach einiger Zeit
die Essigerzeugung auf und beginnt erst wieder mit der Ent-
stehung der Essigmutter.
Wir haben hier offenbar 2 Arten von Essigbildung.
Zuerst mag allerdings die Bildung vor sich gehen, wie beim
Platinmohr durch Verdichten oder Ozonisiren des Sauerstoffes,
Oxydiren des Weingeists zu Aldehyd und Umpandlang des
letztern in EssigsÀure.
Nach einiger Zeit ruht aber die Essigbildung beim Pla-
'tinmohr ebenso gut, wie bei den HobelspÀnen; die Fabrikation
steht still, gerade wie oben angegeben.
Ob sich dabei im Platinmohr Àhnliche Zersetzungs- und
ĂOxydationsproducte bilden, wie bei der Anwendung des
Platinschwammes zu der Döbereinerâschen ZĂŒndmaschine, wĂŒrde
noch festzustellen sein.
Ueber GĂ€hrung ete. 8. 55. u. 56,
4#
52 Ueber die Schnellessigfabrikation und Mycoderma aceti.
Unzweifelhaft ist die ThÀtigkeit des Platinmohrs eine
mindere, als die der Mycoderma aceti. Nach J. W.Döberei-
nerâs Angabenâ) soll aus 33°, Weingeist ein so starker Essig
erhalten werden, dass er mit dem 8 bis 10fachen Gewichte Was-
ser verdĂŒnnt werden muss, um zum gewöhnlichen Gebrauche
zu dienen. Nehmen wir nur eine StÀrke von 31/,%), Essig-
sĂ€ure in dem verdĂŒnnten Essig an, so muss das erhaltene
Product mindestens 28 bis 30%, EssigsÀure enthalten haben.
In einer so starken SĂ€ure schrumpfen sowohl die Zellen der
Mycoderma zusammen, als auch die EssigÀlchen (Vibrio aceti)
zerstört werden. Lebende Organismen sind darin unmöglich.
â Wie oben gesagt, erzeugt aber Mycoderma aceti nie einen
Essig von einem höheren SÀuregehalte, wie 9%,. Nachdem
der in den Poren der HobelspÀne verdichtete und ozonisirte
Sauerstoff verbraucht ist, tritt zweitens die Mycoderma
aceti an die Stelle und leitet die Oxydation des Weingeists ein.
Das durch die SpÀne laufende Essiggut wird durch die von
unten kommende Luft weiter oxydir. Man findet in der
obern Lage der SpÀne die höchste Temperatur des Essig-
bilders, je weiter nach unten, desto niedriger ist dieselbe.
Bei best geleiteter Bildung von Essig findet man m dem
Producte stets noch Aldehyd und Weingeist; je weniger von
beiden noch darin ist, desto höher der EssigsÀuregehalt, um
so vortheilhafter fĂŒr den Fabrikanten und um so vollkomme-
ner ist die Darstellungsweise. f
In den chemischen Werken wird der schönen Entdeckung
F. W. Döbereinerâs, die Erzeugung von EssigsĂ€ure mit-
tels Platinmohr, nur ein theoretisches Interesse zugetheilt.
Doch wĂ€re es eines Preises wĂŒrdig, festzustellen, welche
Hindernisse der Ausbeutung dieser Entdeckung im Grossen
entgegen stehen.
Ende December 1870, nachdem ich in der Pharmaceu-
tischen Centralhalle Nr. 50 unter der offenen Correspondenz
*) Lehrbuch der praktischen u, theoretischen Pharmacie v. Dr. F\
Döbereiner, 3, Theil, 8. 454, »
Ueber die Schnellessigfabrikation und Myeoderma aceti. 53
Dr. Hagerâs Ansichten ĂŒber Pasteurâs Entdeckung, er
nennt sie Phantasien, gelesen hatte, theilte ich demselben
kurz meine Erfahrungen mit, bat ihn, das Nöthige zu ver-
öffentlichen und mir Werke anzugeben oder zu ĂŒbermitteln, in
welchen AusfĂŒhrlicheres ĂŒber die Darstellung der EssigsĂ€ure
mittels Platinmohr enthalten sei.
Ich beabsichtigte weitere Versuche darĂŒber anzustellen.
Hierauf theilte mir Dr. Hager mit, dass er schon vor 25
Jahren Versuche mit Platinmohr gemacht habe. Das Verfah-
ren habe nur ein theoretisches Interesse, der Platinmohr wer-
de bald unthÀtig u. s. w. Vielleicht findet sich Mancher
durch vorstehende Mittheilung veranlasst, diese Frage wieder
aufzunehmen, oder gelehrte Körperschaften u. d. gl. stellen
eine Summe dazu zur VerfĂŒgung. Die Hauptausgabe verur-
sacht der Platinmohr; dieser findet nach beendigten Versuchen
immer wieder Verwerthung.
Inzwischen haben die Pasteurâschen âPhantasienâ doch
einen reellen Erfolg erzielt, wenn man den französischen
Berichten Glauben schenken darf. Nach Angabe der deut-
schen Industrie-Zeitung Nr. 24, 1871, hat Breton-Lau-
gier in Orleans, indemer das von Pasteur im Jahre 1562*)
vorgeschlagene Verfahren, Essig aus Wein ohne weitere HĂŒlfs-
mittel als Mycoderma aceti zu bereiten, im Grossen ausfĂŒhrte,
den Preis von 1000 Fr. fĂŒr Verbesserung der Essigfabrikation
von der Pariser Societe dâ Encouragement erhalten,
Welche Stelle die Mycoderma aceti bei der Schnellessig-
fabrikation, besonders wenn man durch blosse theoretische
Speeculation geleitet die praktischen Erfahrungen unberĂŒck-
sichtigt lÀsst, spielt, will ich noch an folgenden Erlebnissen
zeigen.
â Vor ungefĂ€hr 10 Jahren hatte ich Gelegenheit, in einer
chemischen Fabrik, nicht weit vom Rhein gelegen, eine An-
stellung zu finden. In dieser Fabrik wurden ausser ver-
*) Dinglerâs Polytechnisches Journal Bd. CLXV 8. 303.
54 Ueber die Schnellessigfabrikation und Myecoderma aceti.
schiedenen pharmaceutisch-chemischen Produeten, auch in 30
Essigbildern âvon 12 Fuss Höhe und 4 Fuss Durchmesser
eine enorme Menge Essig dargestellt. Leider war die Essig-
fabrikation schon vor meiner Ankunft den HĂ€nden zweier
trĂ€ger Arbeiter ĂŒberlassen worden. Diese schĂŒtteten das
meist trĂŒbe Gemisch von Bier oder Wein noch sehr unregel-
mÀssig auf u. s. w. Es blieb dann auch nicht aus, dass die
LuftzĂŒge durch die HobelspĂ€ne theils durch mechanische Ver-
unreinigungen, theils durch MassenanhÀufung von Mycoderma
aceti verstopft wurden. Der Essig wurde langsam, aber stetig
schwÀcher. Die Luft in dem Essiglocale wurde so mit Alde-
hyd gefĂŒllt, dass der eine Arbeiter wiederholt Augenent-
zĂŒndung bekam; ein sicheres Zeichen einer unvollstĂ€ndigen -
Oxydation, einer gehemmten Lufteirculation im Innern der
Essigbilder. Man schritt zum Entleeren und Erneuern der
Bilder. Die HobelspÀne waren in der oberen Schicht ausser
mit Schmutz, meist mit ganzen Klumpen Mycoderma aceti
verunreinigt. Weiter abwÀrts fanden sich KnÀuel von verrot-
teten, mit weissem Schimmelpelz ĂŒberzogenen SpĂ€nen. Die
SpÀne selbst waren mehr oder weniger schwarz, zu Pulver
zerreibbar. In der NÀhe der unteren Luftlöcher fanden sich
ganze HĂ€nde voll Maden der Essigfliege.
Inzwischen hatte sich ein Mann in den Zeitungen angebo-
ten, ein neues Verfahren zu lehren, Schnellessig darzustellen,
wobei das stĂŒndliche AufschĂŒtten nicht erfordert wĂŒrde u. s. w.
Die Chefs der Fabrik kauften sein Geheimniss, der Mann
selbst richtete die Essigfabrik ein. Nach dessen Prineipe
sollten des Morgens 24 FĂ€sser, welche sich ĂŒber den Essig-
bildern befanden, mit Essiggut vollgepumpt werden. Mittels
eines Krahnes und einer sinnreichen Tröpfelvorrichtung sollte
der Inhalt dieser FĂ€sser innerhalb 24 Stunden ĂŒber die
HobelspÀne in den Bildern vertheilt werden. Der starke Es-
sig wurde entfernt und der schwache alsdann wieder in die
Höhe gepumpt. Bei dieser genialen Einrichtung war nur das
das MerkwĂŒrdige, nach der Aussage eines meiner Chefs (ein
berĂŒhmter Mann von sehr bekanntem Namen), dass man nicht
schon frĂŒher selbst auf diese Idee gekommen war. Nach circa
Ueber die Schnellessigfabrikation und Mycoderma aceti. 59
4 Monaten war die Umwandlung der Essigfabrik vollendet;
ich konnte vor Ungeduld die Zeit kaum erwarten, wann das
grosse Pumpwerk in Gang gesetzt werden sollte.
Die Essigbilder wurden wie gewöhnlich angesÀuert, und
zum Essiggute nichts verwandt, wie verdĂŒnnter Weingeist und
Essig von frĂŒherer Operation, und als dieser nicht ausreichte,
destillirter Essig von einer renommirten Schnellessigfabrik
in WĂŒrtemberg. âDoch grau ist alle Theorie etc.â Es ging
nicht. Zuerst platzte ĂŒberall dieâ 2 Zoll weite, mit '/, Zoll
dicker Wand versehene Zinnröhre; sie konnte dem Drucke
der 19 Fuss hohen EssiggutsÀule, selbst dann nicht wider-
stehen, nachdem sie in eine Fichtenholzröhre eingeklemmt
war. Es wurde nun zu einer Holzpumpe gegriffen, doch auch
diese erwies sich unbrauchbar; sie wurde fortwÀhrend undicht.
Man musste das Essiggut wieder durch mehre MĂ€nner in
die Höhe tragen lassen. Die Vertheilung auf den Hobel-
spÀnen erfolgte nun ganz herrlich; es gab aber keinen Essig!
Zu derselben Zeit wurde Pasteurâs Cultur der Myco-
derma aceti bekannt; ich schlug nach einigen Wochen vor,
die Salzlösungen der Phosphate etc. zusetzen, um Myco-
derma auf die SpÀne zu bekommen. Dieses geschah in dem
von Pasteur angegebenen VerhÀltnisse. Nach 5 bis 6
Tagen, (es war Anfangs Mai) hatte sich eine solche Menge
- Mycoderma aceti gebildet, dass sie die ganze Tröpfelvorrich-
tung verstopfte und an jedem Morgen 3 bis 4 Zoll lange
FĂ€den derselben an den Oeffnungen der Krahne hingen.
Man musste den ganzen Tag dazu verwenden, die Oeffnungen
wieder aufzurÀumen. Obwohl der SÀuregehalt im Grunde des
Essigbilders um einige Proc. zugenommen hatte, so wurde doch
nach kurzer Zeit die ganze Vorrichtungâ, welche ĂŒber 1000
Thaler gekostet hatte, bei Seite geworfen und zur alten
bewĂ€hrten Methode zurĂŒck gegriffen. WĂŒrde man ohne Myco-
derma arbeiten können, so wĂŒrde "die besprochene Methode
mancherlei VorzĂŒge vor der frĂŒheren haben. Aber selbst
nach einem sehr geringen Zusatze der Phosphate etc.
wurden dennoch alle. Tröpfelvorrichtungen durch Mycoderma
aceti verstopft,
56 Gewinnung metallischen Antimons.
Ein Àhnliches Loos traf ein um eine senkrechte Axe
bewegliches Kreuz, dessen Arme hohl und mit einer Tröpfel-
vorrichtung versehen waren, das der Besitzer in Höchst an
der Weser fĂŒr 10 Thaler aus Braunschweig geholt
hatte!
Dasselbe Resultat lĂ€sst sich bei dem W,Stegerâs Essig-
Generator nach Dr. W. Reinemann in BerlinÂź) erwarten.
Es werden gar bald die vielen kleinen Oeffnungen ihren
Dienst versagen.
Meine Versuche ĂŒber Mycoderma aceti werde ich fort-
setzen, ebenso ĂŒber Vibrio aceti, und werde ich spĂ€ter auf die
Verwerthung der mit Aldehyd und EssigsÀure beladenen Luft
zurĂŒckkommen.
Gewinnung metallischen Antimons.
Nach R. F. Smith, Glasgow, werden die feingepulver-
ten Antimonerze in heisse SalzsÀure (in hölzernen Trögen)
eingetragen, die Chlorantimonlösung wird abgezogen und in
dieselbe Zink oder Eisen eingefĂŒhrt. Man wĂ€scht und
trocknet den Niederschlag und schmilzt ihn in Tiegeln unter
einer Kohlenstaubdecke zusammen. (Specif. v. Patenten
f. Grossbrittannien u. Irland; d. 26. 2. 71; Ber. d. deutsch.
chem. Gesellsch. Berlin 13. Nov. 1871, 8. 855.).
HN
*) Industrie-BlÀtter Nr. 11, 1869,
III. Zoologie und Zoopharmacognosie.
Ueber Castoreum bavaricum.
Von Adelbert Geheeb, Apotheker in Geisa.
Bairisches Bibergeil scheint zu den seltensten Dro-
guen zu gehören und dĂŒrfte wohl nur in einigen sĂŒddeutschen
HandlungshÀusern noch anzutreffen sein. So finde ich es in
der Preisliste von G. B. Apel in SchweinfĂŒrt a/Main,
30 Grm. mit fl. 72 (= 41 Thlr. 4 Sgr. 3 Pf.) berechnet und
bei Grundherr & Hertel in NĂŒrnberg mit fl. 75
(= 42 Thlr. 25 Sgr. 8 Pf.) pro 30 Grm., â also fast noch
einmal so theuer, als die sibirische Waare! â Ich habe nun
aus beiden Droguenhandlungen ein Pröbchen dieser RaritÀt
kommen lassen und gleichzeitig, da in der mir zugÀnglichen
Literatur ĂŒber diesen Gegenstand nicht das Geringste zu
finden ist, um darauf bezĂŒgliche Notizen gebeten, welchem
Wunsche auch bereitwilligst entsprochen wurde. â Es schreibt
mir Herr G. KĂ€stner, Inhaber der Firma âG. B. Apelâ
in Schweinfurt, Folgendes:
âVor eirca 30 Jahren war bairisches Bibergeil keine
Seltenheit. Die Biber waren zunÀchst an der Isar, Salzach,
dem Inn, der Donau und Iller zu Hause, so dass unser alter
Herr Apel in den 30ger Jahren hÀufig mehre Pfunde Casto-
reum auf einmal erhielt, von gewissen UnterhÀndlern, welche
solches meistens von JĂ€gern, auch Wilddieben etc. an- und
zusammengekauft hatten. â
Seit 15-â-20 Jahren aber ist der Biber so grĂŒndlich aus-
gerottet, dass sich an der Isar nur höchst selten noch ein
58 Ueber Castoreum bavarıcum.
Exemplar vorfindet, so dass auch das Jagd- und Forst-
personal beauftragt ist, keine Biber zu schiessen, was aber
leider ziemlich zweck- und erfolglos ist, da es JagdpÀchter
und Wilderer noch genug giebt, welche dem Biber nach-
stellen. â
Aus diesem Grunde wurde auch in der bairischen Phar-
macopöe das Castoreum bavaricum gestrichen, mit der aus-
drĂŒcklichen Bemerkung, â,bei der Seltenheit und dem hohen
Preise des moskowitischen und des bairischen Bibergeils dĂŒrfe
auch das canadische verwendet werden. â Die Beutel des-
selben sollen nicht unter 3 Zoll LĂ€nge und 1%/, Zoll Breite
haben; der Inhalt derselben muss dicht, von harzartigem
Ansehen, durchdringendem Geruche und unangenehm bitte-
ren und scharfen Geschmacke seinââ etc. â
Aeltere Aerzte ordiniren aber nichtsdestoweniger bairi-
sches und moskowitisches Bibergeil, so dass in grösseren
Apotheken und besonders in den grossen StÀdten fast bei
jedem Apotheker mehr oder weniger Castoreum bavaricum
noch anzutreffen ist. Zu kaufen ist es aber fast gar nicht
mehr; denn wenn auch mancher Apotheker noch einige Un-
zen davon besitzt, so giebt er solches der Seltenheit wegen
um keinen Preis ab. â
Ich habe z. B. seit 1863 mich vergeblich bemĂŒht, wie-.
der etwas davon zu erhaschen; der letzte Kauf war 1863
von einem Ihrer Herren Ăollegen in MĂŒnchen, die Waare
ziemlich frisch und weich, nemlich nur oberflÀchlich getrock-
net, und kostete fl. 60 die Unze. â
Das Ihnen kĂŒrzlich zugetheilte erhielt ich hier von Herrn
Stadtapotheker Schuler aus GefÀlligkeit, da ich zur Zeit °
gar Nichts davon besitze.â â
Von den Herren Grundherr & Hertel in NĂŒrn-
berg, wird mir Folgendes mitgetheilt: âBairisches Castoreum
ist sehr selten geworden und wir haben schon einige Jahre
lang nicht mehr gehört, dass in der Isar oder Salzach ein
Biber erlegt worden wĂ€re, was in frĂŒheren Jahren sehr hĂ€ufig
vorkam. Da diese Thiere dem Uferbau viel schadeten, so
wurden sie ziemlich ausgerotte, In Nymphenburg bei
Ueber Castoreum bavarieum. 59
MĂŒnchen lebt noch ein Prachtexemplar, das zu sehen der
MĂŒhe werth ist. â Wir besitzen noch einen Doppelbeutel
von eirca fĂŒnf Unzen, den wir, wenn Sie wĂŒnschen, Ihnen
gerne zur Ansicht senden und Ihnen auch solchen kÀuflich
ĂŒberlassen. Derselbe stammt von einem Biber, der bei Mos-
burg in der Isar erlegt wurde, und uns dazumal aus erster
Hand verkauft wurde, daher wir auch fĂŒr dessen Aechtheit
einstehen können. â
Vor mehren Jahren haben wir in bairischem Castoreum
ein hĂŒbsches GeschĂ€ft gemacht, da wir feste Kundschaft am
Rhein und in Holland dafĂŒr hatten, und durch unsere Ver-
bindungen in Niederbaiern und dem Salzkammergut uns so
ziemlich das Meiste zukam, was erworben wurde. â Von
halben Beuteln haben wir auch noch einiges. â Leider ist
dieses Castoreum durch sein Alter sehr ausgetrocknet, die
Merkmale, die es von anderen Sorten unterscheiden, sind
daher nicht mehr leicht zu erkennen. â Doch der Geruch,
besonders wenn das Castoreum gerieben wird, giebt dem
Kenner sofort die Zusicherung der Aechtheit. â Sie erhalten
38 mit dem Defeete und werden Sie sich vom Gesagten
ĂŒberzeugen.â â
Die beiden mir vorliegenden Proben zeigen jedoch Àusser-
lich sowohl wie in ihrem chemischen Verhalten einige Ver-
schiedenheit .von einander; wir wollen, der KĂŒrze halber, die
NĂŒrnberger Probe mit N, die Schweinfurter mit S bezeichnen.
Beide Proben sind von eigenthĂŒmlichem, jedoch milden Ge-
schmack, und einem Geruch, der mehr an ER: als an
istische Waare erinnert. â
Probe N gelbbraun, schwach glÀnzend, Probe S dunkler,
fast röthlichbraun, von etwas stÀrkerem Glanze. Leicht zer-
reiblich, geben N und $ ein hell zimmtbraunes Pulver, wel-
ches bei N fast noch ein Minimum heller erscheint. â
Die beiden Proben stellen eine von hÀutigem Gewebe
durchzogene Masse dar. â Der weingeistige Auszug von
N ist hellröthlichgelb, von S ein Wenig dunkler; im. Verhal-
ten gegen Ammoniak aber sind beide Proben wesentlich von
einander verschieden. Zur Vergleichung wollen wir hier das
60 Ueber Castoreum bavaricum.
Verhalten des sibirischen oder moskowitischen (M) und des
canadischen (K) Bibergeils bei genanntem Reagens wiederho-
len, wie des m Marquart-Ludwigâs Pharmacie,
3. Bd. pag. 859 und 860, beschrieben ist.
âDer weingeistige Auszug von M. ist hellröthlichgelb bis
hellbraun und giebt, in Wasser getröpfelt, eine milchige TrĂŒ-
bung, die auf Ammoniakzusatz sich grösstentheils wieder
aufhellt; die dunkelrothbraune Tinctur von K giebt dabei
gelbliche Flocken, die durch Ammoniak unter dunkel-
brauner FĂ€rbung der FlĂŒssigkeit sich nicht völ-
lig wieder lösen.â â
Es zeigten nun die weingeistigen AuszĂŒge (Castor. 0,3,
Alkohol 2,5) der beiden Proben des bairischen Castoreum
(N und S) folgende Erscheinungen: Die Tinetur von S ertheilte
dem Wasser eine milchige TrĂŒbung, welche durch Ammoniak
zum grössten Theile verschwand, â die FlĂŒssigkeit blieb
schwach opalisirend, â ohne dass aber ihre Farbe
dunkler wurde! Probe N dagegen erzeugte eine milchige
TrĂŒbung, welche durch Ammoniak sich vollstĂ€ndig wie-
der aufhellte! â
Was einen etwaigen Gehalt an kohlensaurem Kalk
anbetrifft, so scheint derselbe dem bairischen Bibergeil zu
fehlen; weder die eine noch die andere Probe zeigte, beim
Uebergiessen mit SalzsĂ€ure, ein Aufbrausen. â
Es haben diese Untersuchungen also ergeben, dass die
eine Probe des Castoreum bavaricum dem sibirischen fast
gleich kommt, wÀhrend die andere sowohl Eigenschaften mit
dem canadischen als auch mit dem sibirischen heilt; dass es
aber auch scheint, die im Handel noch vorkommenden Proben
von bairischem Bibergeil seien nicht constant! â
Im Allgemeinen dĂŒrfte das bairische Castoreum, ver-
glichen mit den zwei gewöhnlichen Sorten des Handels,
zwischen beiden die Mitte halten. â
Geisa, im November 1871.
61
B. Monatsbericht.
N Physikâund'Chermme:
Ueber die AbkĂŒrzungen zur Bezeichnung der neuen
Maasse und Gewichte nach französischem System.*)
Bei EinfĂŒhrung des neuen Maass- und Gewichtssystemes
erscheint es sehr wĂŒnschenswerth, dass die gleichen AbkĂŒr-
zungen zur Bezeichnung der verschiedenen Grössen möglichst
allgemein angenommen werden. AuffÀlliger Weise ist bei
dem langen Bestehen dieses Decimalsystemes in Frankreich
keine AbkĂŒrzungsform der zu bezeichnenden Grössen allge-
mein gebrÀuchlich geworden. Es ist sehr zu bedauern, dass
die kaiserlich deutsche Aichungscommission in dieser Hinsicht
keine allgemein genĂŒgende Form der AbkĂŒrzungen in ihren
bisherigen Erlassen verlautbart hat. Die Annahme der fol-
genden VorschlĂ€ge wĂŒrde den Vortheil gewĂ€hren, durch einen
sehr einfachen Ausdruck sich darstellen zu lassen und zugleich
die einfachste Form fĂŒr den Buchdruck zu bieten. Weitere
Motivirung der VorschlÀge folgt unten.
1. Man bezeichne Meter, Gramm, Liter mit dem kleinen
Anfangsbuchstaben dieser Worte und setze, um die Multipla
zu bezeichnen, den grossen Anfangsbuchstaben der aus dem
Griechischen abgeleiteten Zahlwörter davor. Myriameter =
Mm, Kilogramm = Kg, Hektoliter = Hl. Die Unterabthei-
lungen werden nach den aus dem Lateinischen abgeleiteten
Zahlwörtern benannt. Man setze vor m, 8 oder I den klei-
nen Anfangsbuchstaben dieser Wörter. Ăentimeter = cm,
Milligramm = mg, Deciliter = dl. Cubik bezeichne man
durch eb, Quadrat durch g. Cubikcentimeter = cbem,
(Quadratkilometer = qKm.
*), Von Hrn. Fr. Vieweg und Sohn als Separatabdruck einge-
sandt, H,.LZ,
62 Ueb. d. AbkĂŒrzungen z. Bezeichnung d. neuen Maasse u, Gewichte ete.
2. Um die Stelle der Einheiten von den DecimalbrĂŒchen
zu trennen, setze man einen Punkt in halbe Höhe zwischen
die Zahlen.
Hiernach wĂŒrde man also schreiben:
Myxiameter., 2 020.07: % Nm
Kilometer. 1. Zungen 0, == Km
Hektometer RUE ah Hm
Dekameters er mm
Meier: 2.2 a0 a Wer 3 Em!
Decımeterze N 02 zer cm
Bentimeterz m. Sean em
Millimeter 2 rer Emm
Quadratkilometer. .. . =qKm
Quadratmeter." 4. ='am
Quadratcentimeterr . . . = gem
Quadratmillimeterr .. . =qmm
Cubikmyriameter. . . . = cbMm
Bukilckilomeier, 772.» 2 â ebkm
Qubikmeter, 22,277 âchm
Cubikeentimeter . . . . = cbem
Gubikmillimeter 2.2... =ââ.chmm
Kilastamm ur Ren
Hekiocramm . 22. .00.0- He
Dekagramm , ,.. . 2. v âDs
Gramm, tue? I sale
Decigramm â= le
Centisramm . . ..... ...2..==6g
Milligramm â mE,
Kılolter, 0. âau sn ae
Bektoller 0, 000.002,
Dekahlter; =, 0... =D
Tier. 2. ER
Desilter nee eve Se dl!
Ocnhlten ers
Milihitemsep ie. nl
Ueb. d. AbkĂŒrzungen z, Bezeichnung d. neuen Maasse u. Gewichte ete. 63
Beispiele.
Drei und BR Erlen ne)
Myriameter. . . 5 =â=.8:75. Mm
Siebenunddreissig einhalb- Kilometer â 375 Km
SiebenunddreissigtausendfĂŒnfhundert
Meter â 37500 m
ZweihundertfĂŒnf: andfĂŒnfzigtausendstel
Meter . , 02a
FĂŒnfundzwanzig einhalb Centimeter wann
ZweihundertfĂŒnfundfĂŒnfzig Millimeter. = 255 mm
Sechs und dreihundertdreiunddreissig-
tausendstel Kilogramm . . â 6333 Kg.
Sechstausenddreihundertdreiunddr eisig
Beamın. . â, â bad
ZweihundertfĂŒnfundfĂŒnfzigtausendstel
Gramm . . â En e
ZweihundertfĂŒnfundfĂŒnfzig "Milligramm â 255 mg
VierundfĂŒnfzig Hectolter. .. . . =54Hl
FĂŒnftausendvierhundert Liter . . . =54001
Sechseinenhalben Meter breit und neun
Meter lang =65x9. . â= 58°5 qm
Sechseinenhalben Meter breit, neun Me-.
ter lang, vier Meter hoch â =65
ae AN. vr. . â 234 cbm
Zwei Millionen dreimalhundertfĂŒnfund-
vierzigtausend, sechshundertacht-
undsiebenzig- und neunhundert-
siebenundachtzigtausend, sechs-
hundertvierundfĂŒnfzigmilliontel . == 2 345 678'987 654
Achtundneunzighundertstel . . . . = 0'98
Motive.
Der Vorschlag, die kleinen Buchstaben m, g, l, zur
Bezeichnung von Meter, Gramm und Liter zu benutzen, ist
der Anwendung der grossen Buchstaben desshalb vorzuzie-
hen, weil soviele grosse Buchstaben im Texte denselben fĂŒr
das Auge sehr lÀstig und unruhig erscheinen lassen und den
Leser nutzlos ermĂŒden. Ein grosser Buchstabe in der Mitte
von kleinen sieht ĂŒberdies nicht gut aus, und muss mög-
lichst vermieden werden. Man hat auch schon lÀngst Milli-
meter in der Regel mit mm bezeichnet.
Bisher bezeichnet man Gramm gewöhnlich mit grm,
Drei Buchstaben zu verwenden, ist ganz nutzlos, Man war
64 Ueb. d. AbkĂŒrzungen z. Bezeichnung d. neuen Maasse u. Gewichte etc.
dazu veranlasst, weil Gran, der kleinste Theil des frĂŒheren
Medicinalgewichtes, als gr abgekĂŒrzt zu werden pflegte.
Diese jetzt veraltete Gewichtsgrösse behĂ€lt diese AbkĂŒrzung
und verursacht keine Verwechselung mit Gramm â g.
Zur Bezeichnung von Oubik mĂŒssen zwei Buchstaben cb
benutzt werden, um die Verwechselung mit ce = Ăenti zu
vermeiden. Viele hatten die Gewohnheit, Cubik durch ceub
zu bezeichnen. Der dritte Buchstabe ist ĂŒberflĂŒssig.
Es ist wahr, dass Oubikcentimeter eine hÀufig vorkom-
mende Grösse ist und es lÀsst sich nicht leugnen, dass die Ab-
kĂŒrzung cc sehr kurz und bequemer als cbem ist. Aber es ist
eben eine rein conventionelle AbkĂŒrzung, die man bloss im
GedÀchtniss behalten muss, die in keine systematische Ab-
kĂŒrzungsweise passt. Endlich schlagen wir vor, den Punkt
in halber Höhe des Buchstabens als Trennung der Decimal-
brĂŒche von den ganzen Zahlen wie in England und meist
auch in Oesterreich gebrÀuchlich anzuwenden und je drei
Zahlenstellen von den vorhergehenden durch einen etwas
grösseren Zwischenraum der Uebersichtlichkeit halber zu
trennen.
Man mag die Trennung von je drei Zahlenstellen durch
ein Comma fĂŒr fehlerhaft und unstatthaft halten; diese Schreib-
art ist im tÀglichen Leben ganz allgemein, sogar in wissen-
schaftlichen Werken gar nicht selten. Es wird auch nicht
leicht gelingen, diese Gewöhnung gÀnzlich zu beseitigen. Sie
iördert die Uebersichtlichkeit grosser Zahlen. Beim Druck
ist dies ebenso gut und leicht durch Auseinanderschieben der
Zahlen an den betreffenden Stellen zu erreichen, beim Schrei-
ben verlangt es grosse Sorgfalt.
Wenn dann aber die DecimalbrĂŒche ebenfalls durch ein
Comma von den ganzen Zahlen getrennt werden, so entsteht
Unsicherheit und Verwirrung. Es liegen viele BĂŒcher vor,
wo nach dem Schema 2,345 gedruckte Zahlen bald Zweitau-
senddreihundertfĂŒnfundvierzig bald Zwei und dreihundertfĂŒnf-
undvierzigtausendstel bezeichnen. Namentlich in Abhandlun-
gen ĂŒber Wasserleitungen, Kanalisation u. s. w. wird diese
Confusion hÀufig gefunden.
Der Punkt in halber Höhe der Ziffer 2:3 ist ein sonst
nicht gebrauchtes Zeichen. Es braucht keine neue Type
gegossen zu werden. Das gewöhnliche Punktzeichen darf
nur umgekehrt in den Satz gestellt werden.
In Frankreich wendet man sehr viel den Punkt auf der
Linie zur Trennung der DeeimalbrĂŒche von den ganzen Zahlen an,
or
Ein natĂŒrlicher Glaubersalzfelsen. 6
Es ist dies nicht zu empfehlen, weil, so gestellt, der Punkt
als Multiplicationszeichen hÀufig benutzt wird.
Es ist auch nicht zu empfehlen, die Grössenbezeichnung den
Zahlen oben als Exponenten anzufĂŒgen, z. B. 6 Millimeter â
6ââ, ebensowenig wie die ganzen Zahlen aus einer grösseren
Schrift als die Decimalen, z. B. 6,°#5,
Die Anwendung einer anderen Schriftgattung vertheuert
nicht nur den Satz, sondern giebt, wenn sie eingebaut wird,
bei Correctur und Druck, durch Umfallen, Herausziehen u. s. w.
zu Fehlern Veranlassung, die sehr schwer vermieden werden,
weil sie oft sogar wÀhrend des Druckes erst entstehen, wÀh-
rend der Satz anfangs richtig war.
Die EinfĂŒhrung der vorgeschlagenen Schreibart in den
Schulen wĂŒrde die Anwendung bald sehr allgemein ver-
breiten.
Wer gewohnt ist, das Comma zur Abtrennung der Deci-
malbrĂŒche zu schreiben, wer Meter mit einem grossen M stets
geschrieben hat, braucht sich des Druckers halber keine an-
dere Schreibart anzugewöhnen. Es reicht aus, dass er dem
Manuseript eine Anweisung beifĂŒgt, wie er gedruckt zu haben
wĂŒnscht und dazu kann dieser Vorschlag als Schema benutzt
werden. \i
Friedrich Vieweg und Sohn.
Einen natĂŒrlichen Glaubersalzfelsen
hat Nöschel im Kaukasıs entdeckt. Diese eigenthĂŒmliche
Ablagerung befindet sich auf der rechten Seite der Jora,
etwa 3â4 Werst vom steilen, hohen Flussufer entfernt, nahe
der Soldaten- Ansiedelung Muchrevan, 20â25 Werst von
Tiflis und 10 Werst von der deutschen Colonie Marienfeld.
Der Ort des Lagers selbst bildet eine etwa Y, Quadratwerst
grosse und an 60 Fuss tiefe vegetationslose, muldenförmige,
âvon wellenförmigen HĂŒgeln umschlossene Vertiefung, an deren
Westseite nur das sich andrÀngende meteorische Wasser
einen Abfluss nehmen kann. Ein Bohrversuch ergab: Mer-
gel 1 Fuss, grauen, feuchten Thon 2,5 Fuss, dunkelgraue, bitu-
minöse, salzige Thonmasse 0,7 Fuss, reines Glaubersalz ange-
bohrt bis auf 5 Fuss, Wahrscheinlich aber ist die MĂ€chtig-
keit dieses merkwĂŒrdigen Salzstockes noch viel grösser;
Bohrversuche an 3 anderen Stellen in 60â80 Faden Ent-
Arch. d, Pharm, CXCIX. Bds, 1, Hft, 5
66 Chlorsaures Baryt.
fernung gaben dasselbe Resultat und berechnet Nöschel die
Grösse des ganzen Felsens auf mindestens 15,5 Mill.
Kubikfuss.
In der Umgegend von Tiflis giebt es mehre noch
grössere, jedoch mit Wasser angefĂŒllte Glaubersalzseen, von
denen bis jetzt die Apotheker sich dasjenige Glaubersalz holen
liessen, dass am Rande des Wassers auskrystallisirt war.
Seit einigen Jahren wurde die Ausbeute aber immer geringer.
Um ĂŒber die pharmaceutische und technische Verwendung des
von ihm entdeckten Glaubersalzfelsens genauere Untersuchun-
sen anzustellen, entblösste Nöschel mit vier Fuss Boden-
abhebung den Salzstock, der sich hart und fest wie Steinsalz
erwies. Mit entsprechenden Mitteln wurden dann nach
und nach mĂŒhsam zwei Wagenladungen voll Glaubersalz
losgebrochen. Die Stöcke aus der NÀhe des Ufers sind selbst
in der Dicke von 3 Zoll rein und durchsichtig wie Glas, mehr
nach der Mitte des Sees zu aber etwas trĂŒbe und von grauer
- Farbe durch kleme Erde- und Thontheilchen. Nach chemi-
scher Untersuchung m Tiflis ist es frei von jeder anderen
Salzbeimischung und enthĂ€lt nur 8â10 Proz. mechanisch
beigemengter Verunreinigungen. (Gaea.) Abg.
Chlorsaurer Baryt
wird nach Widemann folgendermaassen bereitet: Man erhitzt
im Wasserbade eine halbe Stunde lang eine Mischung von
1 Aeg. krystallisirter schwefelsaurer Thonerde, 1 Aeq. Schwe-
felsÀure und 2 Aeg. chlorsauren Kalis nebst Wasser soviel,
dass die Masse einen dĂŒnnen Teig darstell. Beim Erkalten
krystallisirt Kalialaun aus, ChlorsÀure bleibt gelöst. Man
fĂŒgt das drei- bis vierfache Volum Alkohol hinzu, filtrirt und
neutralisirt das Filtrat mit Barytwasser. Es scheidet sich
schwefelsaurer Baryt und auch noch etwas Alaun ab. Abermals
wird filtrirt, der Alkohol grösstentheils entfernt und der
RĂŒckstand nach nochmaligem Filtriren zur Krystallisation
gebracht. (Americ. Jowrn. of Pharmacy. Aug. 1871. p. 344.).
W».
Ueber Bromwasser als Reagens auf Phenol u. verwandte Körper. 67
Ueber Bromwasser als Reagens auf Phenol und ver-
y - wandte Körper.
Bei der Untersuchung emes Brunnenwassers, welches
durch Ammoniakwasser einer nahgelegenen Gasfabrik verun-
reinigt sein konnte, kam H. Landolt in den Fall, auf sehr
kleine Mengen von Phenol prĂŒfen zu mĂŒssen. Die blauvio-
lette FĂ€rbung mit Kisenchlorid ist wenig empfindlich und
auch nicht zuverlÀssig, da sie durch die Gegenwart geringer
QuantitÀten freier SÀure, sowie mehrer Salze, wie schwefel-
saures Kali, â Natron u. s. w. verhindert wird. Noch weni-
ger bietet die lichtenspanreaktion ein sicheres Kennzeichen,
und endlich hat auch der Geruch des Phenols von einer ge-
wissen VerdĂŒnnung an seine Grenze.
Ein den Anforderungen vollstÀndig entsprechendes Rea-
gens fand Landolt in dem Bromwasser, welches, im Ueber-
schuss zu einer verdĂŒnnten wĂ€ssrigen Phenollösung zugefĂŒgt,
sogleich einen gelblich- weissen, flockigen Niederschlag von
Tribromphenol erzeugt. Bei ungenĂŒgendem Zusatz von Brom-
wasser verschwindet anfangs die FĂ€llung. Wegen der Schwer-
löslichkeit des Tribromphenols ist die Keaction sehr empfind-
lich. Versuche mit titrirten Lösungen von reinem, krystalli-
sirten Phenol haben ergeben, dass, wenn im Liter 0,0229 Grm.
oder 1 Thl. Phenol auf 43700 Thle. Wasser enthalten ist,
mit Bromwasser noch immer eine sehr deutliche TrĂŒbung
entsteht. Die Ă€usserste Grenze fĂŒr die Kisenchloridreaktion
liegt bei einem Gehalt von 0,476 Grm. Phenol im Liter oder
1 Thl. auf 2100 Thl. Wasser. Man sieht aber bei dieser
VerdĂŒnnung die blauviolette Iarbe nur bei Betrachtung dicker
Schichten.
Empfindlicher ist der Geruch des Phenols. Derselbe
konnte eben noch wahrgenommen werden, wenn im Liter
FlĂŒssigkeit 0,357 Grm. oder 1 Thl. auf 2800 Thl. Wasser
vorkommen. Bei der doppelten VerdĂŒnnung war aller Ge-
ruch verschwunden, dagegen gab Bromwasser noch eine sehr
starke FĂ€llung.
Das sicherste Mittel, um zu erkennen, ob ein durch
Bromwasser erhaltener Niederschlag von Phenol herrĂŒhrt,
besteht darin, dass man denselben nach dem Abfiltriren und
Auswaschen in einem Beagenzrohr mit etwas Natriumamal-
gam und Wasser schwach erwĂ€rmt und schĂŒttelt. Wird dann
die FlĂŒssigkeit in ein SchĂ€lchen abgegossen und mit verdĂŒnn-
ter SchwefelsÀure versetzt, so tritt der charakteristische Ge-
5*
68 Ueber Bromwasser als Reagens auf Phenol u. verwandte Körper.
ruch des freien Phenols auf, und zugleich scheidet sich das-
selbe in öligen Tröpfchen ab. N
Sind höchst geringe Spuren von Phenol nachzuweisen,
z. B. in einem Brunnenwasser, welches auf eine schwache
Beimengung von Gaswasser zu prĂŒfen ist, so wird eine
grössere Menge FlĂŒssigkeit nach dem AnsĂ€uren mit verdĂŒnn-
ter SchwefelsÀure der Destillation unterworfen und die zuerst
ĂŒbergehende Portion mit Bromwasser versetzt. Zur Probe
wurden zu 20 Liter 50 C.0. Gaswasser gefĂŒgst, die FlĂŒssig-
keit in einer Zinnretorte auf 100° erwÀrmt und dann ein
langsamer Strom von Dampf eingeleitet. In den ersten Por-
tionen des Detillats gab Bromwasser einen starken Niederschlag.
Die Reaction lÀsst sich weiter benutzen, um im Harne
Phenol nachzuweisen. Versetzt man Menschenharn mit ĂŒber-
schĂŒssigem Bromwasser, so entsteht gewöhnlich sofort eine
TrĂŒbung, und nach mehrstĂŒndigem Stehen sammelt sich am
Boden des GefÀsses ein brÀunlicher, flockiger Niederschlag.
Wird derselbe auf einem kleinen Filter gesammelt, ausge-
waschen und der Behandlung mit Natriumamalgam unterwor-
fen, so tritt der Geruch nach Phenol auf das Unzweifelhafteste
auf. 500 C.C. Harn genĂŒgen, um eine hinreichende Menge
Niederschlag zu erhalten.
Das Bromwasser giebt endlich noch mit einer Anzahl
anderer Körper FÀllungen, die aber durch Behandlung mit
Natriumamalgam sich sÀmmtlich sehr leicht von Phenol unter-
scheiden lassen. So wird namentlich Anilin auch aus ganz
verdĂŒnnten FlĂŒssigkeiten in Form eines fleischrothen Nieder-
schlags von Tribromanilin gefĂ€llt. Die Grenze der VerdĂŒn-
nung, bei welcher noch eine TrĂŒbung durch Bromwasser
bemerkbar ist, liegt bei einem Gehalt von 0,0145 Grm. Ani-
lin im Liter oder 1 Thl. Anilin auf 69,000 Thl. Wasser. Die
bekannte Reaction âmit Chlorkalklösung ist viel weniger
empfindlich, die FÀrbung lÀsst sich kaum mehr beobachten,
-wenn im Liter 0,0386 Grm. oder 1 Thl. Anilin auf 25900 Thl.
Wasser vorhanden sind. Der Niederschlag ist in SalzsÀure
löslich, in verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure sowie in Natronlauge
dagegen nicht. Beim Stehen, rascher beim ErwÀrmen, fÀrbt
es sich nach und nach dunkelroth.
In einer wÀssrigen Toluidinlösung entsteht durch Brom-
wasser ein anfangs gelblicher, spÀter röthlichwerdender Nie-
derschlag, der in SalzsĂ€ure sich löst, in verdĂŒnnter Schwefel-
sÀure und Natronlauge dagegen unlöslich ist. Diese Reaction
ist jedoch âviel weniger empfindlich, als diejenige auf Anilin, â
*
Die Molecular - Rotation als Mittel zur Bestimmung d. Alkaloide ete. 69
Man erhÀlt ferner bei einer Anzahl von Alkaloiden mit
Bromwasser FÀllungen, Àhnlich wie solche auch durch Jod-
tinetur enstehen. So treten in nicht zu verdĂŒnnten Lösungen
der Salze von âChinin, Chinidin, Cinchonin, Strychnin und
Narkotin gelbe oder orangefarbene NiederschlÀge auf, welche
in SalzsÀure löslich, in Kali und Ammoniak unlöslich sind.
Eine jwĂ€ssrige Nicotinlösung giebt auch bei starker VerdĂŒn-
nung einen orangerothen Niederschlag. Beim Stehen son-
dern sich gelbe ölige Tropfen ab, welche beim Kochen in
Wasser verschwinden. Die rĂŒckstĂ€ndige FlĂŒssigkeit wird
durch Bromwasser von Neuem gefÀllt. Morphin giebt anfangs
einen weissen Niederschlag, der aber bald wieder verschwin-
det. (Berichte der deutschen chem. Gesellschaft. 4. Jahrgang.)
R. B.
Die Moleeular-Rotation als Mittel zur Bestimmung
der Alkaloide in den Chinarinden.
Die Molecular - Rotationen derjenigen Chinaalkaloide, welche
allgemein anerkannt, sind nach de Vry folgende:
Chinin.
in alkoholischer Lösung [ = 184,35 oe
in saurer Lösung laSj = 287,16
Chinidin
in alkoholischer Lösung gay) j = 2509,75
in saurer â \afj = nicht bestimmt.
Cinchopin
in alkoholischer Lösung (a) j = nicht bestimmt,
in saurer = Ir = 19046 7
Cinchonidin
in alkoholischer Lösung yalj = 144,61
in saurer â \afj = nicht bestimmt.
Ausser diesen 4 allgemein anerkannten Alkaloiden existirt
noch ein tes, das amorph, in Aether löslich ist und dessen
Verbindungen mit SĂ€uren gleichfalls amorph sind. Es ist
schwach rechts ablenkend.
Aus obigen Angaben geht hervor, dass die Chinaalka-
loide nicht nur in verschiedenem Grade, sondern auch in. ver-
schiedener Richtung ablenken. Bei der optischen Unter-
suchung der Gesammtalkaloide einer gegebenen Chinarinde kön-
nen daher drei FĂ€lle eintreten:
70 Die Molecular-Rotation als Mittel zur Bestimmung d. Alkaloide ete.,
1) Die Alkaloide zeigen gar keine Ablenkung; diese wĂŒrde
eintreten, wenn die relativen Mengen derselben von der Art
wÀren, dass sie sich gegenseitig aufhöben.
2) Ablenkung zur Rechten, wenn die Menge des Chmi-
dins, Cinchonins oder des amorphen Alkaloids die des Chi-
nins oder Cinchonidins ĂŒberwiegt.
3)-Ablenkung zur Linken, in welchem Falle Ohinm und
Cinchonidin die andern Alkaloide ĂŒberwiegen.
Wie beim Chinin die Ablenkung verschieden ist, je nach-
dem es in Alkohol oder in verdĂŒnnter SĂ€ure gelöst wurde,
so wird wahrscheinlich bei den andern Alkaloiden ein Gleiches
statt finden.
Da von den fĂŒnf genannten Alkaloiden zwei, nemlich
Chinin und das amorphe Alkaloid in Aether leicht löslich,
die andern hingegen sehr schwer löslich sind, so ergiebt
sich, dass wenn die Gesammtalkaloide mit Aether behan-
delt werden, die von dem darin unlöslichen Antheil bewirkte
Ablenkung von der zuvor beobachteten abweichen wird.
Die Differenz kann folgende sein:
1) Keine Ablenkung, wenn der in Aether unlösliche An-
theil genug Cimchonidin enthÀlt, um die entgegengesetzte des
Uinchonins zu neutralisiren..
(Auch Chinidin, als dextrogyre Substanz, kann das lÀvo-
gyre Cinchonidin neutralisiren, beide scheinen jedoch kaum
je mit einander in einer Rinde vorzukommen.)
2) Ablenkung zur Rechten, wenn das in Aether Unlös-
liche aus Cinchonin oder Chinidin oder. aus beiden zusammen
besteht, oder das etwa vorhandene Cinchonidin ĂŒberwiegt.
3) Ablenkung zur Linken, wenn das in Aether Unlös-
liche ganz oder hauptsÀchlich aus Cinchonidin besteht.
Die Hauptschwierigkeit bei derartigen Beobachtungen
liegt darin, dass man die Lösungen der Alkaloide nicht hin-
reichend ungefÀrbt erhalten kann. Am zweckdienlichsten ist
es, nachdem man den Gesammtgehalt einer Rinde an Alka-
loiden bestimmt hat, dieselben in verdĂŒnnter EssigsĂ€ure auf-
zulösen, mit etwas Bleiessig zu versetzen und das Blei durch
Schwefelwasserstof? zu prÀcipitiren. Das Schwefelblei ent-
fĂŒrbt stark. Man filtrirt und prĂ€eipitirt mit Aetzmatron, wĂ€scht
und trocknet den Niederschlag, der jetzt zur optischen PrĂŒ-
fung geeignet ist. ZunĂ€chst Bestimmung des Gewichts â p,
dann Lösung in verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure und Messung des
Volums der Solution = V. Die Lösung wird in emer 100 Mil-
limeter langen Röhre der Untersuchung unterworfen. Sind
die verschiedenen Alkaloide in solchen relativen Mengen vor-
Cyanwasserstoffsaur. Morphin. â Einwirk. v. Bromwasserstoff a. Kodein. 71
handen, dass sie sich neutralisiren, so erhÀlt man O° und hat
dies einfach zu notiren; findet aber Ablenkung statt, so notirt
man sie als a° â dem betrage derselben nach rechts oder
links. Man hat damit die nöthigen Data zur Berechnung
der Molecular- Rotation = (a)j der gemischten Alkaloide,
indem man die Formel gebraucht
a0 V
[a]j] = a N oder er
(Pharmac. Journ. and Transactions. Nr. LHIâLVIH. Third.
Ser. July 1871. p.1.f.). Ww».
Man vergleiche ©. Hesse, ĂŒber die Anwendung der
Polarisation zur Bestimmung des Werthes der Chinarinden.
(Archiv d. Pharm. Oct. 1871, II. Rh. Bd. 148, S$. 27.)
HA. L.
Cyanwasserstoffsaures Morphin
erhÀlt man nach Maisch durch FÀllung einer neutralen Mor-
phinsalzlösung mit Oyankalium. Es ist fast unlöslich in
Wasser, sowie in einem Ueberschuss des FĂ€llungsmittels,
dagegen wird es von SÀuren leicht gelöst, wesshalb Mor-
phinsalzlösungen durch BlausÀure nicht gefÀllt werden. (Amerie.
Journ. of Pharmacy. Jan. 1871. p. 258.). Wp.
Einwirkung von Bromwasserstoff auf Kodein.
Wright hat nachgewiesen, dass sich durch Einwirkung
von Bromwasserstoff auf Kodein drei Basen bilden, die er
Bromkodein, Deoxykodein und Bromtetrakodein nennt, Ueber
die Darstellung und das Verhalten des letztern giebt er nun
weitere Auskunft.
â Man erhitzt Kodein mit dem dreifachen Gewicht 48 pro-
centiger BromwasserstoflsÀure zwei Stunden lang im Wasser-
bade, verdĂŒnnt mit Wasser und fĂ€llt mit kohlensaurem Na-
tron. Der abfiltrirte Niederschlag wird mit Aether behandelt,
welcher die beiden erstgenannten Basen auflöst. Den unlös-
lichen RĂŒckstand löst man in schwacher BromwasserstoffsĂ€ure
auf und fĂŒgt allmĂ€hlig concentrirte SĂ€ure hinzu, wodurch das
Hydrobromat des Bromtetracodeins gefÀllt wird.
12 | Einwirkung von Bromwasserstoff auf Kodein.
Das zweite PrÀcipitat hiervon wird in Wasser gelöst,
mit einigen Tropfen Sodalösung gemischt und diese Lösung
abermals mit BromwasserstoffsÀure gefÀllt. Man erhÀlt weisse,
amorphe Flocken, welche, ĂŒber SchwefelsĂ€ure getrocknet,
beim Erhitzen bis 100° fest bleiben, aber, im feuchten Zustande
erwÀrmt, sich in eine dunkel gefÀrbte, theerige Masse ver-
wandeln. Sie sind das BromwasserstoffsÀure- Bromtetrakodein
â 072H8ÂźBrN?012,4HBr. Kohlensaures Natron fĂ€llt hieraus
einen weissen, sich schnell dunkelgrĂŒn fĂ€rbenden Körper, des-
sen Zusammensetzung zeigt, dass die abgeschiedene Base
Sauerstoff aufgenommen hat. Die frisch gefÀllte Base ist in
Wasser schwach löslich und wird aus dieser Lösung durch
Salzwasser wieder gefÀllt. In Aether und Benzol ist das
Bromtetrakodein fast ganz unlöslich, in Alkohol nur wenig
löslich. Wird dasselbe in schwacher SalzsÀure gelöst, durch
starke SÀure wieder gefÀllt und diese Operation mehrmals
wiederholt, so scheint das Brom darin durch Chlor ersetzt
zu werden, man bekommt schliesslich ein Chlortetrakodein.
Mit der Bildung der drei oben genannten. Basen durch
die BromwasserstoffsÀure ist, deren Wirkung auf das Kodein
noch nicht geschlossen; vielmehr entstehen neue Producte bei
lÀngerem Erhitzen mit grössern Mengen der SÀure. Geschieht
dies nemlich in einem zugeschmolzenen Glasrohre, so findet
sich eine Schicht Methylbromid auf dem theerartigen Inhalt
des Rohrs. Wenn letzterer, in Wasser gelöst und fractionirt,
verschiedene Male durch BromwasserstoffsÀure wieder gefÀllt
wird, so resultiren weisse Flocken eines Körpers, welchen
man seiner Zusammensetzung nach Bromtetramorphin nen-
nen kann. â
CH3BrN2012 FAHBr â=ACH3Br O0 H>BrN 02
Bromtetrakodein. Bromtetramorphin.
Diese neue Bromverbindung geht eben so wie das Brom-
tetrakodein durch Behandlung mit Chlorwasserstoff in Chlor-
tetramorphin ĂŒber. Wie es scheint, -existiren mehre Zwi-
schenstufen zwischen dem Brom- und Chlor - Tetramorphin.
Vier oder fĂŒnf sind von Wright dargestellt, doch ist bei
der grossen Aehnlichkeit derselben fĂŒr die Reinheit dieser
Körper keine Garantie vorhanden.
Bei sechsstĂŒndigem Erhitzen von bromwasserstoffsaurem
Bromkodein mit dem dreifachen Gewicht 48 procentiger Brom-
wasserstoffsÀure auf 100° in einem zugeschmolzenen Glasrohr
oder in offener Glasflasche, entwickelt sich reichlich Methyl-
bromid, Das theerartige Product, in warmem Wasser gelöst
Arbutin, â Das Melolonthin. 13
und mit kohlensaurem Natron gefÀllt, ist grösstentheils unlöslich
in Aether und besteht aus Bromtetramorphin. Die Àtherische
Lösung mit Chlor- oder Brom - WasserstoflsĂ€ure geschĂŒttelt,
giebt ein klebriges Liquidum, in dem sich beim Stehen Kry-
stalle von chlor- oder bromwasserstoflsaurem Deoxykodein und
einem niedrigeren Homologon bilden. Letzteres herrscht vor,
wenn die Darstellung in offener Flasche vorgenommen wurde.
Wright nennt dasselbe Deoxymorphin. (Pharmac. Journ.
and Transactions. Third. Ser. Part. XL. Nr. X\LVâXLVM.
May 1871: p. 866. Das. Nr. LIITâ LVII. July 1871. p. 84.).
W».
Arbutin
Folia uvae ursi sind von Jungmann mit wesentlich gleichen
Resultaten untersucht worden, wie sie Kawalier bereits er-
halten hat. Das Arbutin erhÀlt man nach dem Verfasser,
wenn das Decoct der BlÀtter erst mit Bleizucker, dann mit
Bleiessig ausgefĂ€llt, die filtrirte FlĂŒssigkeit durch Schwefel-
wasserstoff' vom Blei befreit, der Schwefelwasserstoff durch
Erhitzen entfernt und das Filtrat zum weichen Extract abge-
dampft wird. Die in dem Extract nach einiger Zeit sich
bildenden Krystalle werden zwischen Filtrirpapier gepresst
und durch Umkrystallisiren aus heissem Wasser gereinigt.
MolybdÀnphosphorsÀure ist ein empfindliches Reagens auf
Arbutin, sofern sich eine mit Ammoniak versetzte Lösung
desselben noch bei 140000 facher VerdĂŒnnung damit deutlich
blau fÀrbt.
Das von Hughes dargestellte sogenannte Ursin ist ein
mit |GallussÀure verunreinigtes Arbutin. (Americ. Journ. of
Pharmacy. May 1871. p. 202.). Wp.
Das Melolonthin.
Es wurde von Ph. Schreiner neben Leuein, Sar-
kin, Xanthin, HarnsÀure, oxalsaurem Kalk u. a.
Salzen in den MaikÀfern (Melolontha vulgaris)
aufgefunden. Zur Darstellung dieser Körper wurde der wÀss-
7A Das Melolonthin.
rige Auszug der zerguetschten Thiere durch Aufkochen von
Albuminaten befreit, colirt, hierauf filtrirt und das eingeengie
Filtrat mit Bleiessig gefÀllt. Aus dem Filtrate vom Bleinie-
. derschlage wurde das ĂŒberschĂŒssige Blei durch Einleiten von
Schwefelwasserstoff entfernt, hierauf vom Schwefelblei abfiltrirt
und auf ein kleines Volum eingeengt, wobei sich harnsaure
Salze abschieden. Nach Entfernung dieser letztern durch ein
Filter schied die FlĂŒssigkeit, bis zur Syrupsconsistenz con-
centrirt, nach lÀngerm Stehen Krystalle ab, welche unter dem
Mikroskop neben den kugeligen Formen des Leueins wohl
ausgebildete, nadelförmige âKrystalle erkennen liessen. Aus
der Mutterlauge dieser Krystallisation schied sich nach meh-
ren Tagen noch eine zweite Àhnliche ab. Beide Kıystalli-
sationen vereinigt wurden zuerst mit viel Weingeist von 80%,,.
dann 70°, lÀngere Zeit gekocht, wobei sich Leucin löste und ein
weisser, flockiger Körper ungelöst zurĂŒckblieb, der unter dem
Mikroskop gesehen, aus sehr feinen, kleinen Nadeln be-
stand. Aus dem 70°, Weingeist schieden sich schon wÀh-
rend des Filtrirens weisse sehr feine, mikroskopische Nadeln.
aus. Die Lösung dieser letztern Krystalle m heissem
Wasser zeigte nach dem Erkalten und theilweisen Verdun-
sten des Lösungsmiitels unter dem Mikroskop dieselben For-
men â abgestumpfte rhombische SĂ€ulen mit 2 EndflĂ€chen â
wie der aus Wasser umkrystallisirte, in Weingeist ungelöst
gebliebene Körper, war also mit diesem identisch. In dem
70 procentigen Weingeist hatte sich ĂŒbrigens von diesem Kör-
per nur eine sehr geringe QuantitÀt gelöst. Eine- nÀhere
Untersuchung dieser Substanz erwies neben Stickstoff auch
einen betrÀchtlichen Schwefelgehalt. Die Krystalle des Kör-
pers, durch Umkrystallisiren aus Wasser unter Zusatz von
einigen Tropfen Ammoniak rein dargestellt, sind vollkommen
farblos, prachtvoll seideglÀnzend, geruch- und geschmacklos,
hart, knirschen zwischen den»-ZÀhnen, lassen sich zu einem
schweren Pulver zerreiben, verlieren bei 100° C. nichts am
Gewicht und lösen sich in kaltem Wasser schwer, leichter:
in heissem, sehr wenig in Weingeist, dagegen leicht in
Kali, Natron, kohlensaurem Natron, kohlens. Ammoniak, Salz-
sÀure, SalpetersÀure, SchwefelsÀure und in Wasser, dem man
nur einige Tropfen Ammoniak zugesetzt hat, aus welcher
letzteren Lösung der Körper bei allmÀhligem Verdunsten des
Ammoniaks in grössern, tafelförmigen, rhombischen Formen
auskrystallisirt. In EssigsÀure sind die Krystalle schwerer
löslich, als in den genannten SÀuren. Die wÀssrige Lösung
ist ohne Einwirkung auf Pflanzenfarben, Mit Natronlauge
Wirkung des Sonnenlichtes auf Petroleum, 75
auf einem Silberblech erhitzt, geben die Krystalle einen
schwarzen Fleck von Schwefelsilber.
Beim Erhitzen auf Platinblech decrepitiren die Krystalle
und verbrennen, ohne zu schmelzen, unter Entwickelung des
Geruches nach verbrennenden Haaren. Die Elementaranalyse
der Substanz fĂŒhrte zu der Formel C!>H!?2N?S03. Leider
war die Menge derselben (aus 30 Pfund MaikÀfern des
Jahres 1870 wurden davon nur 1,56 Grm. gewonnen) zu
gering, um eine ausfĂŒhrliche Untersuchung damit vornehmen
zu können, und im Jahre 1871 war das Material nicht in
der nöthigen Menge zu beschaffen. Ph. Schreiner nennt
diesen Körper Melolonthin. (Berichte der deutsch-chem.
Gesellsch. in Berlin, 4. Jahrg.).
R. Bender.
Wirkung des Sonnenlichtes auf Petroleum.
Unter gewissen Bedingungen absorbirt, wie Grotowsky
beobachtete, das Petroleum im Sonnenlichte Sauerstoff, der
dadurch in Ozon umgewandelt wird. Dabei fÀrbt sich das
Petroleum gelb, nimmt einen anderen Geruch an und brennt
schwieriger als vorher. (The Pharmae. Journ. and Transaction.
Septbr. 1871, P. 226.).
Wp.
76
Il. Botanik und Pharmakognosie.
Ueber Eucalyptus - Kino
hat Prof. Dr. Julius Wiesner in Wien pharmacognosti-
sche Versuche veröffentlicht, welche er mit sog. Eucalyptus-
Gummisorten der Sammlung des österreich. Apothek.- Vereins
anstellte. Die letzteren stammen von dem um die australi-
sche Flora hochverdienten Director des botan. Gartens zu
Melbourne, Dr. Ferd. MĂŒller und waren von dem Herrn
Apotheker Sonder in Hamburg dem genannten Vereime
zugesendet worden.
Wiesner fand, dass der Hauptbestandtheil dieser Dro-
gue Kino-GerbsÀure ist und konnte diese SÀure in allen
ihm zu Gebote stehenden Proben derselben nachweisen. Das
Eucalyptus-Gummi gab, in Wasser gelöst, durch SchwefelsÀure
einen flockigen, blassrothen Niederschlag, welcher so lange
gewaschen wurde, bis das ablaufende Wasser nicht mehr
sauer reagirte.e Der Niederschlag wurde nun in heissem
Wasser gelöst und die Lösung nach dem Erkalten von dem
ausgeschiedenen Niederschlage abfiltrirt. Die rothe Lösung
wurde im Vacuum zur Trockne verdunstet und lieferte als
RĂŒckstand zarte durchsichtige rothe BlĂ€tter, welche, mikrosko-
pisch betrachtet völlig amorph und stark rissig erschienen.
Diese, nach Berzeliusâ Darstellungsmethode gewonnene Kino-
GerbsÀure löste sich in kaltem Wasser schwer, in heissem
Wasser leicht auf, die Lösung schmeckte zusammenziehend.
Auch in Weingeist löst sich die SÀure zu einer rubinrothen
FlĂŒssigkeit auf. Bisenchlorid bringt in der Auflösung der
Kino - GerbsÀure aus Eucalyptus -Gummiarten eine schmutzig-
grĂŒne FĂ€llung hervor; nur die GerbsĂ€ure aus dem Gummi
von Eucalyptus obliqua gab mit Eisenchlorid einen
schwarzvioletten Niederschlag. 5
Veber Eucalyptus- Kino. 7
Wiesner fand im Eucalyptuskino 15â17°/, Was-
ser. Es gab nur Spuren von Asche und liess keinen Zucker
erkennen, ebensowenig Pectinstoffe. Hingegen kommt in eini-
gen Sorten ein in Wasser auflösliches, dem Gummi arabicum
nahe stehendes Gummi vor: in der Drogue von Eucalyp-
tus gigantea Hook. im so grosser Menge, dass StĂŒcken
derselben in Weingeist sich gar nicht lösten. In einzelnen
Sorten wurde etwas Catechin gefunden; Brenzeatechin
scheint ein nie fehlender Bestandtheil des Eucalyptus - Kino
zu sein.
Die physik. Eigenschaften des Eucalyptus-Kino
stimmen im Allgemeinen mit denen des gewöhnlichen Kino
ĂŒberein. Das Eucalyptus-Kino bildet dunkelrothe Körner,
deren dĂŒnne Splitter im Mikroskope völlig durchsichtig und
amorph erscheinen. In kaltem Wasser sinken sie unter:
spec. Gew. 1,11 und nach Entfernung der Luft 1,14. In
Wasser lösen sie sich zu einer gelblichen, rothen oder brÀun-
lichen FlĂŒssigkeit von zusammenziehenden Geschmacke. Alle
Sorten von Eucalyptus- Kino geben, mit Wasser geschĂŒttelt,
schÀumende Lösungen.
Charakteristik der einzelnen Sorten von Eucalyptus-
Kino:
1) Kino von Eucalyptus corymbosa Sm. Blood-
woodgum. Aus Victoria und NeusĂŒdwales. StĂŒcke auf
frischer BruchflÀche stark glÀnzend, Farbe tiefroth, alte Bruch-
flĂ€chen röthlich bestĂ€ubt. â Unter allen Sorten am leichtesten
löslich in Wasser, Lösung tief blutroth, von deutlichem Ge-
ruch nach Bordeauxwein, schwach sauer, beim Erkalten sich
trĂŒbend, völlig frei von Gummi.
2) K. v. E. globulus Labill. Bröckelige lichtbraun-
roth gefÀrbte Masse, leicht lösl. in Wasser, Lösung blass
gelbröthlich, schwach sauer, beim Erkalten sich stark trĂŒbend,
beim ErwÀrmen sich wieder klÀrend. Frei von Gummi.
3) K. v. E. rostratus Schlecht. (E. robusta Sm.),
Redgum. Bröckelig, zirkonroth, stellenweise lichtbrÀunlich,
in Wasser und Weingeist sehr leicht löslich, neutral, frei
von Gummi. Mit RindenstĂŒcken verunreinigt.
4) K. v.E. leukoxylon, F. MĂŒller. Grosse schwarz-
rothe, mit fasrigen Theilen durchsetzte StĂŒcke. VerhĂ€lt sich
wie Nr. 2.
5) K. v. E. corynocalix F, MĂŒll. Bröckelige Masse,
röthlichbraun, fettglÀnzend, mit Rindentheilen gemengt. In
Wasser erst nach einiger Zeit, aber vollstÀndig löslich;
18 Ueber Eucalyptus - Kino.
Lösung schwach sauer, gelbröthlich, giebt beim Erkalten eine
schwache TrĂŒbung. Frei von Gummi.
6) K. v. E. eitriodora Hook, aus Queensland. Po-
röse, etwas grĂŒnlich schimmernde StĂŒcke vom Aussehen der
Alo& socotrina. Mit Rinde gemengt. Leicht löslich in Was-
ser, die Lösung riecht bordeaux- weinÀhnlich, reagirt schwach
sauer, hat gelbliche Farbe und trĂŒbt sich beim Erkalten.
7) K.v. E. maculata Hook., spotted gum. (dieser
E. liefert Ironbark) NeusĂŒdwales. Stimmt mit Nr. 6 völ-
lig ĂŒberein.
8) K. v. E. calophylla R. Br. Bröckelig, Körnchen
theils lichtbrÀunlich, theils zirkonroth. Leichtlöslich in Was-
ser, Lösung gelblich, schwach sauer, trĂŒbt sich beim Erkal-
ten, ist gummifrei.
-9)K.v. E. amygdalina Labill. StĂŒcke schwarz und
nur in ganz dĂŒnnen Splittern zirkonroth im durchfallenden
Lichte; fettglÀnzend, sehr zÀhe. Reich an fibrösen Rinden-
stĂŒcken. In Wasser leicht löslich, Lösung neutral, zwiebel-
roth, trĂŒbt sich beim Erkalten.
10) K. v. E. piperita Sm. StĂŒcke dicht, zirkonroth,
durchscheinend. Leichtlöslich in Wasser; Lösung gelblich-
roth, neutral, gummifrei. TrĂŒbt sich nicht beim Erkalten.
11) K. v. E. pilularis Sm. Black butlgum. StĂŒcke
theils matt, erdig, theils schwach fettglÀnzend, tief rothbraun.
Leichtlöslich in Wasser, Lösung roth, schwach saner, TrĂŒbung
beim Erkalten. Spuren von Gummi.
12) K. v. E. fabiorum Schlecht. StĂŒcke tiefschwarz-
roth, etwas durchscheinend, auf frischem Bruche starkglÀn-
zend. In Wasser nicht leicht löslich, Lösung gelblich, schwach
sauer, trĂŒbt sich beim Erkalten, enthĂ€lt Gummi.
13) K.v. E. fissilis MĂŒll. Tropfenartige, zĂ€he, schwarz-
rothe StĂŒcke, zirkonroth durchscheinend, auf frischem Bruch
fettglĂ€nzend. Lösung röthlich, neutral, trĂŒbt sich nicht beim
Erkalten.
14) K. v. E. gigantea Hook. ZĂ€he, tropfenartige, zir-
konrothe StĂŒcke, schwerlöslich in Wasser; Lösung brĂ€unlich,
neutral, trĂŒbt sich nicht, ist reich an Gummi.
15) K. v. E. viminalis Labill, Spröde, kinoartige
StĂŒcke. Löst sich nur unvollkommen in Wasser mit licht-
brÀunlicher Farbe. EnthÀlt etwas Gummi.
16) K.v. E. obliqua Lher. Kinoartige StĂŒcke, leicht
und völlig löslich in Wasser, Lösung tiefroth, neutral, trĂŒbt
sich nicht und ist gummifrei,
Eine merkwĂŒrdige Schmarotzerpflanze. «9
Die wÀssrigen Lösungen aller dieser Eucalyptus-Kinosor-
ten geben mit verd. SchwefelsÀure eine blassrothe, flockige
FĂ€llung; mit Fe?Cl? eine schmutziggrĂŒnen Niederschlag
(wie beim gewöhnl. Kino); nur beim Kino von Eue. obli-
qua einen dunkelvioletten. Ammoniak bringt keine
FĂ€llung, sondern nur tiefere FĂ€rbung hervor. Mit Salz-
sÀure, dann mit Ammoniak behandelt, entsteht bei Kino v.
E. gigantea eine gelbröthliche FÀllung, die an der Luft
rostroth wird; beim Kino v._E. obliqua entsteht tief vio-
lette FÀrbung, beim K. v. E. viminalis schwÀrzt sich die
FĂ€llung an der Luft. â
Wiesner besitzt eine in der Abtheilung âNeusĂŒd-
walesâ der Pariser Ausstellung (1867) erworbene Probe von
Gummi, die von Eucalyptus resinifera Sm. stammt;
er erhielt sie vom Director d. hot. Gartens zu Sydney, Dr. Moore
und ist dieselbe jetzt Eigenthum der Waarensammlung des
Wiener Polytechnikum. Diese Drogue ist in der That nichts
anderes, als ein echtes Gummi, spontan aus dem Stamme
hervorgeflossen, ein Product derselben Pflanze, wie das Eu-
ealyptus-Kino. Bentham und MĂŒller fĂŒhren von Eue.
resinifera an en âgrey gumâ (das echte Gummi) und ein
âred gumâ (eine Kinosorte).
Ueber die Bereitung des Eucalyptus-Kino ist Wiesner
nichts bekannt; aber es wird wohl ein Rindenextract
sein, welches kĂŒnstlich eingetrocknet wurde. Es kann zum
Gerben und FĂ€rben benutzt werden; zu den besten Sorten
gehört das Kino von E. corymbosa, rostrata und citriodora,
zu den geringsten das von FE. fabiorum, gigantea und vi-
minalis.
Die Herren Melch. Hook und Robert Schlesinger
unterstĂŒtzen Prof. Wiesner bei den mitgetheilten Unter-
suchungen. (Zeitschrift des allg. österreich. Apoth.- Vereins.
10. Juli 1871. Nr. 20, S. 497 â 502.). AT:
Eine merkwĂŒrdige Sehmarotzerpflanze.
Graf Solms macht Mittheilungen ĂŒber eine auffallende
und merkwĂŒrdige Schmarotzerpfllanze aus der Familie der
Lennoaceen, die den Namen Ammobroma Sonorae
Torr, fĂŒhrt. Derselbe fand die Pflanze im Nachlass des Prof,
s0 Eine merkwĂŒrdige SchmĂ€rotzerpflanze.
v. Schlechtendal, welcher dieselbe 1858 von Dr. med.
Behr in San Franzisco erhielt. _ Letzterer hatte sie aus den
HĂ€nden Schuchardtâs, welcher mittheilte, dass die Pflanze
in den SandhĂŒgeln der ĂOoloradowĂŒste zwischen Pilot- Krob
und Cooks- Wiles gefunden werde. Zuerst wurde die Pflanze
von Colonel Grays Surveying Party am Golf von Californien
beobachtet.
Das GewÀchs gleicht, wenn aus dem Grunde genommen,
dem Spargel, ist lichtgelb, wird aber in wenigen Minuten am
Sonnenlichte dunkelbraun. â Die Indianer am Golf haben
viel dunklere ZÀhne, als die anderen StÀmme und wird dieses
dem hĂ€ufigen Genusse dieser Pflanze zugeschrieben. â Der
frische Stengel hat °/, bis 1!/, Zoll im Durchmesser, ist
oft 3â4 Fuss lang und endigt in kleinen Wurzeln, die
jedenfalls auf den Wurzeln oder dem Holze verschĂŒtteter
MosquitbÀume wuchern. Behr vermuthete, dass diese BÀume
eine Art Algarobie seien.
Nach Schuchardtâs Angaben untersuchte Andrew
J. Gray 1854 die WĂŒste von Californien behufs einer zu
erbauenden Pacifiebahn und fand dabei die erwÀhnte Pflanze.
â Die erste in einem wissenschaftlichen Werke gegebene
Kunde findet sich bei Asa Gray, wo sie von Dr. Torrey
als grosser, fleischiger Wurzelparasit beschrieben wird, der im
nackten Sande der WĂŒste am Nordende des Golfs von Oali-
fornien wĂ€chst und fĂŒr die Popigo-Indianer ein wichtiger
Nahrungsgegenstand ist. Die frische Pflanze wird geröstet
und schmeckt dann wie Bataten, oder sie wird getrocknet und
weniger schmackhaften Speisen beigemischt.
Der Entdecker Gray berichtet darĂŒber: âWestlich von
Turzon und Tobac gegen den Golf von Californien liegt das
Land der Popigo-Indianer. Von Sonvite aus untersuchte ich
die Ufer des Golfs nahe der Adairbucht, welche vollstÀndig
von einer Reihe SandhĂŒgeln eingeschlossen ist, die sich gegen
Nordost bis zum Colorado ziehen und sich sĂŒdlich, so weit,
das Auge reicht, erstrecken. Obgleich die SandhĂŒgel eine
schreckliche WĂŒste bilden, hat doch die Natur da, wo ın
8 Monaten kein Regen fĂ€llt, fĂŒr den menschlichen Unterhalt
eines der nahrhaftesten und wohlschmeckendsten GewÀchse
geschaffen.â â Die Pflanze findet sich sehr reichlich in den
HĂŒgeln und ist mit Ausnahme des obersten Theils in den
Sand vergraben. â Der im Sande verborgene, fusslange Sten-
gel ist seiner ganzen LĂ€nge nach mit zahlreichen, spiralig
geordneten, gestreckt zungenförmigen NebenblÀttern besetzt,
Eine merkwĂŒrdige Schmarotzerpflanze. 81
welche ebenso wie der sie tragende Stamm mit vielen klei-
nen, gegliederten DrĂŒsenhaaren besetzt sind. Weiter nach
oben, in der Höhe, in welcher sich der Stengel trichterförmig
zu erweitern und sein Ende zum BlĂŒthenboden umzubilden
beginnt, vermehrt sich unter bestÀndiger Verkleinerung der-
selben die Anzahl der ihn bedeckenden NebenblÀtter, deren
Behaarung zugleich immer lÀnger und krauser wird.
Eben solche kleine wollhaarige NiederblÀtter bedecken
in dichtester Aneinanderreihung die Unterseite des schnecken-
förmigen, zurĂŒckgerollten Randes des BlĂŒthenbodens und er-
fĂŒllen fast vollstĂ€ndig den engen Raum, der zwischen ihm
und der StengeloberflĂ€che bleibt. Dieser BlĂŒthenboden, der
einzige aus dem Sande hervorragende Theil des Stengels,
bildet einen mÀssigen, flach tellerförmigen Körper, der an
seiner OberflÀche und an seinem dicken, wulstartigen steil
abfallenden Rande ein eigenthĂŒmlich wolliges Aussehen hat.
Macht man einen radialen LĂ€ngsschnitt durch denselben, so
erkennt man, dass er aus zwei wesentlich verschiedenen Thei-
len besteht; der untere ist ein BlĂŒthenboden von mĂ€ssiger
Dicke, der sich aus dem verbreiteten Stengelende bildet, der
obere ist eine die BlĂŒthen bergende Schicht, von weit aus
grösserer MÀchtigkeit und wollartigem Anschein, welcher den
BlĂŒthenboden ĂŒberzieht. Diese Schicht ist aus sehr zahlrei-
chen, dicht aneinander gedrĂ€ngten BlĂŒthen gebildet und ver-
dankt ihren dichten Zusammenhang und ihre eigenthĂŒmliche
Beschaffenheit einer eigenen, ganz charakteristischen Behaa-
rung der langen schmalen Kelchziptel jeder einzelnen BlĂŒthe.
Diese werden nemlich durch die sehr zahlreichen, gekrÀusel-
ten und vielfach mit denen der Nachbarn verschlungenen
Haare vollkommen verflochten, sodass sie zusammen eine
gleichartige, elastische, lockere Masse bilden. In den Höhlun-
gen derselben sitzen die BlĂŒthen. Jede einzelne sitzt auf
einem ziemlich dicken Stiel, dessen LĂ€nge je nach der Stel-
lung der BlĂŒthe am Rande oder in der Mitte des BlĂŒthen-
bodens verschieden ist. Der Kelch ist vieltheilig und schwankt
die Zahl der Zipfel zwischen 6 bis 10. Diese sind lang und
fadenförmig, doch kommen zwischen den BlĂŒthen auch Hoch-
blÀtter vor, welche in Gestalt und Behaarung den Kelchzipfeln
gleichen. Die Krone ist röhrenförmig, am Àussersten Rande
sechsspaltig, violett. Die 6 kronenstÀndigen StaubgefÀsse ste-
hen abwechselnd mit den Kronenzipfeln und tragen eine vier-
fĂ€chrige Anthere. In der Mitte der BlĂŒthe ist der merk-
wĂŒrdig gebildete Fruchtknoten, welcher einen kreisförmigen
Umfang mit ziemlich steiler, in der Richtung nach aussen
Arch, d. Pharm. CXCIX. Bds. 1. Hit. 6
82 Indische Gummi-NĂŒsse. â Entdeckung v. Curcuma als VerfĂ€lschung ete.
ansteigender Seitenwand hat, die an ihrem obern Rande mit
einer sonst völlig flachen Oberdecke eine ziemlich scharfe,
genau ringförmige Kante bildet. Aus dem Mittelpunkte
erhebt sich der dieke Griffel mit knopfförmiger Narbe. Nach
der Befruchtung schwillt der Fruchtknoten bedeutend an,
seine obere scharfe Kante rundet sich ab, so dass die Frucht
der einer Malve sehr Ă€hnlich wird. Die BlĂŒthenbasis wĂ€chst
eine Zeitlang mit, trennt sich dann aber durch einen ringför-
migen Querriss vom BlĂŒthenboden, vertrocknet und wird so
von den ĂŒberragenden, untereinander verfilzten Kelchzipfeln -
festgehalten. Die Frucht ist ein in seiner Art einzig daste-
hender Uebergang von der Kapsel- zur Steinfrucht. (Abhand-
lungen der naturforschenden Gesellschaft zu Halle. Bd. X1.
Heft 2; daraus in Gaea, 7. Jahrg. Heft 10. p. 598â602.).
©. Schulze.
Indische Gummi - NĂŒsse.
Unter diesem Namen werden die Samen einer Strychnos-
Art aus Ostindien nach Neu-York importirt, welche nach
Maisch jedoch weder Bruein noch Strychnin enthalten. Sie
sind fast kuglig, mit 2 ungleich convexen HĂ€lften; um die
grösste Circumferenz zieht sich eine Linie; die Farbe ist
schmutzig graubraun; die ganze OberflĂ€che ist angedrĂŒckt
behaart. Unter dem dĂŒnnen Integument befindet sich ein
horniges Albumen, welches eine kreisrunde Höhle einschliesst,
in welche der Embryo hineinragt. (Americ. Journ. of Phar-
macy. Jun. 1871. p. 241.). W».
Entdeckung von Curcuma als VerfÀlschung der Rha-
barber und des gelben Senfs nach Maisch.
Man schĂŒttelt das verdĂ€chtige Rhabarberpulver einige
Minuten mit starkem: Weingeist und filtrir. Das Filtrat ist
braungelb, bei Gegenwart von Ourcuma heller. Eine concen-
trirte Boraxlösung erzeugt darin in beiden FÀllen eine tief-
braunrothe Farbe, aber die Tinetur von reiner Rhabarber
Campherpulver. â Conservirung v. Oleum Aurantii ete. â Kinotinetur. 88
nimmt auf Zusatz von SalzsÀure im Ueberschuss sofort eine
hellgelbe Farbe an, wÀhrend sie von verfÀlschter bloss etwas
heller wird. Diese Reaction grĂŒndet sich darauf, dass Bo-
raxsÀure Curcumagelb Àhnlich fÀrbt, wie die Alkalien, dass
sie aber auf die löslichen Rhabarberbestandtheile nicht wirkt.
â Mit Senf verfĂ€hrt man ebenso. (Americ. Journ. of Phar-
macy. Jun. 1871. p. 259.). Wr.
Campherpulver.
Nach Rother verhĂŒtet man das Krystallinischwerden
des durch Zerreiben mit Alkohol bereiteten Campherpulvers,
wenn man mit dem Alkohol zugleich etwas Ricinusöl
anwendet 1 Th. auf 30 Th. Rother macht darauf auf-
merksam, dass sich Campher in kaltem Wasser reichlicher
löst, als in lauwarmen. (Americ. Journal of Pharmacy.
Jun. 1871. p. 269.). Wp.
Conservirung von Oleum Aurantii und 01. Citri
nach Fruh.
Man mischt die Oele auf 1 Pfund mit einer Unze Al-
kohol, schĂŒttelt und fĂŒgt eine Unze Wasser hinzu, welches
dem Oele den Alkohol wieder entzieht und sich am Boden
des GefĂ€sses sammelt. Auf der OberflĂ€che dieses verdĂŒnn-
ten Weingeists bemerkt man meist eine dĂŒnne Schicht von
harzartiger Beschaffenheit, durch deren Absonderung eben
die Oele conservirt zu werden scheinen. (Amerie. Journ. of
Iâharmacy. May 1871. p. 201.). W».
Kinotinetur.
Um das Gelatiniren derselben zu verhĂŒten, soll man
1'/, Unzen Kino im Deplacirungsapparat mit einem Gemisch
6*
34 PrĂŒfung d. Bals. peruvian. â Springen von GlasgefĂ€ssen.
von Weingeist (0,835) acht Unzen, Wasser und Glycerin je
vier Unzen, ausziehen. (Americ. Journ. of Fharmacy. Aug.
1871. p. 344.). W».
PrĂŒfung des peruvianischen Balsams auf seine
Reinheit.
Aechter Bals. peruvianum zeigt nach Lichtenberg
und Stoltze ein spec. Gew. von 1,150, nach Brandes
und Reiche von 1,1475, nach Pharm. Germaniae von 1,15
bis 1,16. An einen Àchten peruv. Balsam muss die Anfor-
derung gestellt werden, dass sein spec. Gewicht höher als
1,125 sei; er muss also in einer Kochsalzlösung untersinken,
welche bei einem VerhÀltniss von 1 Th. Chlornatrium in 5 Th.
Wasser dieses spec. Gew. besitzt. Ein Gehalt an fetten oder
Ă€ther. Oelen erniedrigt d. sp. Gewicht. (Apotheker - Zeitung
1871, Nr. 43; Polyt. Notizblatt 1872, Nr. 1.).
III. Technische Notiz.
Das Springen von GlasgefÀssen
durch Temperaturwechsel verhĂŒtet Simpson auf die Weise,
dass er eine etwa einzugiessende heisse FlĂŒssigkeit an einem
in das GefÀss gestellten Metallstabe (Eisen oder Messing)
hinabfliessen lÀsst. (Americ. Journ. of Pharmacy. May 1871.
p. 196.). W».
85
D. Literatur und Kritik.
C. G. Quarizius, die kĂŒnstliche Darstellung aller
gangbaren moussirenden GetrÀnke, sowohl der
Schaum-Weine, wie auch der MineralwÀsser
(Erfrischungs- und medicinischen WĂ€sser),nebst
circa 500 Analysen der berĂŒhmtesten Heilquel-
len Deutschlands und der angrenzenden LĂ€n-
der. 3.-Auflage, durchaus neu nach dem gegenwÀrtigen
Standpunkte der Wissenschaft und technischer Erfahrung
bearbeitet von Dr. N. GrÀger. Mit 43 Abbildungen,
Weimar 1870, Verlag v. Bernhard Friedrich Voigt.
8. 203 Seiten.
Die letzten Jahre haben der Literatur ĂŒber Bereitung der kĂŒnstlichen
MineralwĂ€sser ausser einer neuen Auflage des bekannten Hagerâschen
Werkes das von Lachapelle & Glover in der deutschen Uebersetzung,
Berlin, Wiegand & Hempel 1869, ferner noch das Werkchen von Gebr.
Scehultze in Berlin und die verdienstvolle Arbeit des Apothekers
Hirsch gebracht, nicht zu gedenken der Sammlung von Vorschriften ete.
des Apotheker Gressler in Halle, die fĂŒr 1 Louisdâor nur versiegelt dieje-
nigen erhalten können, welche nicht zugleich jener Firma einen Mineralwas-
serapparat abkaufen. GlĂŒcklicherweise können wir das Buch von Gressler,
welches auf so mysteriöse Weise und zu einem so hohen Preise verkauft
wird, entbehren. Das Dunkel, welches frĂŒher um die Anfertigung der
kĂŒnstlichen MineralwĂ€sser sich wob, ist verschwunden. Jedem mit den
geeigneten Kenntnissen ausgerĂŒsteten Menschen ist es möglich gemacht,
die Fabrikation guter kohlensaurer WĂ€sser ausĂŒben zu können. Wir
danken dies VerhÀltniss zum guten Theil den Verfassern der oben genann-
ten Werke. Beim Studium derselben nimmt man aus jedem etwas Neues
mit hinweg. â Eben erschien auch noch das Werkchen des Apothekers
und Mineralwasserfabrikanten Th. Weiss in Friedrichshafen ĂŒber
die Darstellung kĂŒnstlicher MineralwĂ€sser, was Referent aber nur erst
aus der Anzeige kennt.
Verfasser des hier zu besprechenden Werkes betreibt die Fabrikation
_ der kĂŒnstlichen MineralwĂ€sser schon lange Zeit wie auch die Darstellung
kĂŒnstlicher Schaumweine, und ist als erfahrener Techniker seit lange bekannt,
desshalb ganz geeignet, durch seine eigenen Erfahrungen Andere zu belehren
Gehen wir zu dem Buche selbst ĂŒber. Nach einer kurzen Einleitung,
in weleber darauf hingewiesen wird, wie man das ImprÀgniren mit Koh-
lensÀure mehr und mehr ausser auf Wasser auch auf Liqueure und Biere
anwendet, um den angenehmen Geschmack und die Haltbarkeit derselben
86 Literatur und Kritik.
zu vergrössern, obgleich der Verbrauch von kohlensaurem Wasser als
tĂ€gliches Genussmittel nĂŒtzlicher sei fĂŒr die Menschen, â bespricht Ver-
fasser in der
; ersten Abtheilung die MineralwÀsser selbst in 10 Ka-
piteln.
Das 1.Kapitel behandelt die natĂŒrlichen MineralwĂ€sser und die Ent-
stehung derselben. Verfasser verbreitet sich namentlich auch ĂŒber die
Temperaturen, welche je nach der Tiefe der Quelle den einzelnen Quellen
zukommen und endet mit der AufzÀhlung von 9 Gruppen derjenigen Mine-
ralwÀsser, die zu Heilzwecken dienen. ;
Im 2. Kapitel werden uns die kĂŒnstlichen MineralwĂ€sser und deren
Darstellung angefĂŒhrt. Es wird darauf hingewiesen, dass man annehmen
muss, dass die Constitution der kĂŒnstlichen MineralwĂ€sser die gleiche sei
wie die der natĂŒrlichen, sobald die Analyse eines richtig dargestellten
kĂŒnstlichen Wassers dieselben Bestandtheile ergebe. BezĂŒglich der Ex-
tractivstoffe, die man aber fĂŒr wirkungslos halten muss, so wie bezĂŒglich
_ des KohlensĂ€uregehaltes, weichen allerdings die kĂŒnstlichen WĂ€sser von
den natĂŒrlichen ab. Verfasser warnt, moussirende GetrĂ€nke ĂŒberhaupt
zu stark mit KohlensÀure zu imprÀgniren,; bei LuxuswÀssern sollten 3,
bei Limonaden und Wein 4 AtmosphÀren das Maximum des Druckes be-
tragen, da der Verlust an KohlensÀure nur um so grösser ist, je grösser
die Kraft, mit der die FlĂŒssigkeiten ausströmen.
Leider ist der Laie wenig geneigt, die Wahrheit dieses VerhÀltnisses
anzuerkennen.
Das 3. Kapitel behandelt die Materialien und zunÀchst die
KohlensÀure, Im populÀrer Weise werden die chemische Zusam-
mensetzĂŒng und die Eigenschaften dieses Gases ausfĂŒhrlich behandelt,
dann wird zur Darstellung desselben ĂŒbergegangen, und anerkannt, dass
der Magnesit die reinste KohlensÀure liefert; wo Marmor zu Gebote
steht, ist dieser das beste Material, ĂŒberhaupt aber die Bereitung aus
kohlensaurem Kalk und SalzsÀure die gewöhnlichste. Der quantitativen _
Nachweisung der, der KohlensÀure beigemengten Luft, die höchstens bis
zu 3°/, vorhanden sein darf, ist gedacht.
Der folgende Abschnitt dieses Kapitels ist dem Wasser gewidmet.
Eine Beimischung von Ammoniak, SalpetersÀure und salpe-
trigsauren Salzen und organischen, in der Zersetzung be-
griffenen Stoffen machen das Wasser zu der Bereitung von Mine-
ralwĂ€ssern ganz ungeeignet. Es wird die chemische PrĂŒfung der Brunnen-
wÀsser abgehandelt, namentlich auch die Bestimmung des HÀrtegrades
mittels titrirter Seifenlösung angefĂŒhrt, wobei die Statistik des Wassers
und der GewÀsser von Dr. Hugo Tromm'dorff warm empfohlen
wird. Der Bedenken, welche zunÀchst durch die Professoren Ludwig
und Reiehardt gegen die Anwendung von Seifenlösung ausgesprochen
worden sind, ErwÀhnung zu thun, ist unterlassen worden. Verfasser
beklagt mit Recht, dass sich viele Mineralwasseranstalten in HĂ€nden vou
MĂ€nnern befinden, die nicht fach- und sachkundig sind, und die desshalb
meist ein Product liefern, welches den wissenschaftlichen Anforderungen
so wenig wie den Anforderungen des Gaumens entspricht.
4. Kapitel. \
Apparate A. Continuirliche Apparate,
Dahin gehört der Apparat von Lachapelle, der auf 12 Seiten
â eingehend beschrieben und durch Zeichnungen der einzelnen Theile und
Literatur und Kritik. 87
des ganzen Apparates auf 2 lithographirten Tafeln erlÀutert ist. Dieser
Apparat ist dem Àlteren von Bramah, ohne WaschgefÀsse, vorzuziehen.
Wasser und KohlensÀure werden hier mittels einer Pumpe gleichzei-
tig oder abwechselnd in dem Maasse einem GefĂ€sse zugefĂŒhrt, in wel-
chem kohlensaures Wasser durch Abziehen daraus entleert wird. Refe-
rent verweist im Uebrigen bezĂŒglich der continuirlichen Apparate auf
das Werkchen selbst.
B. Intermittirende Apparate.
Nach dem sogenannten Genfer System. Verbessert wurden dieselben
durch Polsdorf und Wiegmann. Ein solcher Apparat ist ebenfalls
durch eine Zeichnung erlÀutert. Er zerfÀllt 1, in den KohlensÀure- Ent-
wickelungsapparat und 2, hauptsÀchlich wenigstens, in Gasometer und
Luftpumpe. (Verfasser schreibt âder Gasometer, der Manometerâ etc.)
Die 3. Abtheilung des Apparates bildet das MischungsgefÀss.
Den EntwickelungsgefÀssen aus Metall, namentlich den bleiernen,
zieht Verfasser die aus gebranntem Thon vor, die den gewöhnlichen At-
mosphÀrendruck aushalten. Die grössere Zerbrechlichkeit der letztern
entspricht ihrer Billigkeit (2 Thlr. gegen 15 â 20 Thlr.) Dass bleierne
nach 3â4 Jahren schon ausgedient haben, muss im Allgemeinen bestrit-
ten werden, es kömmt dabei allerdings Alles auf die ursprĂŒngliche GĂŒte
der Arbeit und die Behandlung des Apparates beim Gebrauche an.
Glocken von Zink glaubt Verfasser ebenfalls empfehlen zu können. Als
SperrflĂŒssigkeit wird eine 15 bis 20 procentige Chlorcaleciumlösung
empfohlen, welche durch Zusatz von Kalkmilch vollkommen neutral ge-
macht ist, Das Zink conservirt sich nach des Verfassers Erfahrungen
sehr gut, besser als in reinem Brunnenwasser. Die Lauge nimmt niemals
einen dumpfig-modrigen Geruch an, und gefriert selbst bei der strengsten
KĂ€lte nicht. Der von der gegebenen Zeichnung abweichenden Construction
intermittirender Apparate, wie solche z. B. namentlich in Berlin von Dei-
ters, Lenz, Paalzow etc. gefertigt werden, hat Verfasser nicht gedacht.
Dieselben sind aber jetzt sehr verbreitet in Norddeutschland und lassen an
ZweckmĂ€ssigkeit der Construction nichts zu wĂŒnschen ĂŒbrig,
©. Der Selbstentwickeler.
Der von Ozouf construirte wird beschrieben und durch eine Abbil-
dung erlĂ€utert. Diese Apparate, welche Huger als âhalbe Appa-
rateâ bezeichnet, werden nicht empfohlen, da sie zu grosse Aufmerk-
samkeit bei der Arbeit erfordern und bei ihnen Explosionen leicht vor-
kommen können.
Die vor der neuen Beschiekung im Apparate noch vorhandene Koh-
lensÀure muss man bei dieser Construction in die Luft entweichen lassen.
Der Combination des Pumpenapparates mit dem Selbstentwickeler, die
jetzt sehr hÀufig im Gebrauch ist, ist ebenfalls im vorliegenden Werk
nicht gedacht worden.
D. Die WaschgefÀsse und der Kohlencylinder.
Die erste Waschflasche soll zweckmÀssig Eisenvitriollösung
(1:10 â 20), die zweite eine 5 â 6procentige Lösung von zweifach
koblensaurem Natron, die dritte eine Lösung von schwefelsaurem
Eisenoxyd oder vonEisenchlorid enthalten, ZweckmÀssig ist es, noch
88 Literatur und Kritik.
eine 4. Waschflasche , welche nur Wasser enthĂ€lt, einzufĂŒgen. Statt des
zweifach kohlensauren Natrons wendet man wohl hÀufiger einfach koh-
lensaures Natron an. Das Wasser zur FĂŒllung dieser Flasche muss
ausgekocht werden und wieder erkaltet sein. Referent meint, dass der
Kohleneylinder seine Stellung besser zwischen Gasometer und Mischungs-
eylinder erhÀlt, als zwischen der letzten Waschflasche und Gasometer.
Um bei WĂ€ssern, die kohlensaures Eisenoxydul oder- Manganoxydul ent-
halten, den Sauerstoff aus der KohlensÀure völlig zu entfernen, soll zwi-
schen Gasometer und Luftpumpe noch eine Waschflasche angebracht wer-
den, die eine FlĂŒssigkeit aus 20 Theilen Eisenvitriol in 100 Theilen
Wasser gelöst enthÀlt, wozu noch eine gleich starke Lösung von einfach
kohlensaurem Natron gegeben worden ist.
E. Die Pfropfmaschine und die Verkorkung der Flaschen,
Es wird die Zupfropfmaschine beschrieben und durch eine Zeichnung
erlÀutert, die aus dem Handwörterbuche der reinen und angewandten
Chemie entlehnt ist. Die Fehler dieser Construction werden angegeben und
es wird darauf aufmerksam gemacht, dass gerade mit der Maschine verkorkte
Flaschen meist bis 20°/, mehr nÀssende geben, als mit der Hand gekorkte.
Man muss bei ersterer Art der Verkorkung nur etwas konische Korke
verwenden. Bei der Verkorkung mit der Hand wird empfohlen, die
Flaschen schon vor der FĂŒllung mit Drahtschlinge zu versehen.
F. Die Siphons.
Die Construction derselben wird beschrieben und durch 2 Abbildungen
verdeutlicht, ebenso die FĂŒllung derselben und der dazu gehörige Appa-
rat. Eisen schliessen sich:
G. Die transportabeln Cylinder, Trinkhallen und Trink-
stÀtten.
Es werden zunĂ€chst die Ausschank-Cylinder mit RĂŒhrwellen
beschrieben. Referent bemerkt dazu, dass eine dritte Oeffnung an den-
selben ĂŒberflĂŒssig ist, und dass man an diesen Cylindern in der Regel
kein besonderes Manometer anbringt, da man einfacher das des Mi-
schungscylinders mit benutzen kann. Einen besondern Hahn zum Ablas-
sen von 1/,â 1, Wasser aus dem ganz gefĂŒllten Cylinder bringt man
wohl kaum noch an, da derselbe nur bei der Handhabung des Cylinders
im Wege ist und dazu den Cylinder nicht unwesentlich theurer macht.
Bei FĂŒllung dieser Ausschankeylinder erhĂ€lt man ein von atmosphĂ€-
rischer Luft genĂŒgend freies Wasser auch dann schon, wenn man die
Cylinder vor der ImprĂ€gnirung des Wassers nicht ganz anfĂŒllt, sondern
die vorhandene atmosph. Luft nur durch eingepumpte KohlensÀure mit
HĂŒlfe des RĂŒhrapparates entfernt. âDiese Cylinder werden jetzt kaum
mehr aus zwei HĂ€lften angefertigt, die durch Schrauben zusammengehal-
ten und durch eine dazwischen gelegte Kautschuk - Platte dicht gemacht
werden, da diese Construction zu theuer und ĂŒberflĂŒssig ist.
Es folgt dann die Beschreibung der einfacheren Art der Aus-
schankeylinder, ohne RĂŒhrwelle. NiederschraubhĂ€hne ver-
dienen jedenfalls stets den Vorzug vor den gewöhnlichen HÀhnen ohne
Gummizwischenlage.
Literatur und Kritik. 89
Bei der Fig. 41 auf Tafel IV fehlen verschiedene Buchstaben, auf
welche der Text hinweist. Ein eingefĂŒgtes kurzes StĂŒck Glasröhre, um
beobachten zu können, wie weit die BĂŒrette mit Wasser gefĂŒllt ist, ist
unnöthig, aber auch unpraktisch. â Die KĂŒhlung des Inhaltes mittels
Eiswasser ist bei einigermaassen umfĂ€nglichen BĂŒretten stets nur eine un-
vollstĂ€ndige und jederzeit einem besonderen, zur Aufnahme von EisstĂŒcken
eingerichteten KĂŒhlgefĂ€sse mit schlangenförmig gewundenem Zinnrohr,
der Vorzug zu geben.
FĂŒr den Ausschank bestimmte SchwefelwĂ€sser sollen in kleinen
Glasballons bereitet und abgelassen werden.
Es folgt die Beschreibung der Trinkhallen und fahrbaren
TrinkstÀtten, wobei auch der SafthÀhne und Saftpumpen gedacht
wird. Gegen den Gebrauch der letzteren liegen gewichtige Beden-
ken vor,
H. Manometer.
Der Satz: âDer Construction eines Manometers können verschiedene
Prineipien zu Grunde gelegt werden, wie das Mariotteâsche Gesetz,
nach welchem das Volum einer eingeschlossenen Luftmasse dem auf ihr
lastenden Drucke umgekehrt proportional istâ ete., ist unverstĂ€ndlich.
Beschrieben, auch durch Zeichnung erlĂ€utert und fĂŒr Mineralwasser-
apparate am meisten geeignet sind die Manometer, bei denen eine mit
der condensirten KohlensÀure in Verbindung gebrachte Metallfeder einen
kleinen Metallhebel in Bewegung setzt, wodurch ein Zeiger fortge-
rĂŒckt wird.
Auf Seite 75 wird irrig auf Tafel III, Fig. 25, als die Zeichnung
des Manometers darstellend, hingewiesen; dieselbe ist dagegen auf der
Tafel II, Fig. 21 zu suchen.
Die Fig. 25 der Tafel III zeigt die Pfropfmaschine; ebenso ist
auch Seite 54 oben die Fig. 21 der Tafel II als die das Gasometer dar-
stellende Zeichnung irrthĂŒmlich angegeben; es muss dafĂŒr Fig. 22 gesetzt
werden. Bei der Fig. 21 fehlen sÀmmtliche Buchstaben, auf welche im
Text Bezug genommen wird!
Seite 75 Zeile 2 von unten muss es heissen âbei 1 AtmosphĂ€re auf 1,â
statt: âbei 2 AtmosphĂ€ren auf 1â einsteht.â
Die Reinigung der Flaschen ist im
5. Kapitel kurz abgehandelt. Vor Anwendung von Bleischrot wird
gewarnt, dagegen die Anwendung eines StĂŒckchens Leinen- oder Baum-
wollenzeuges empfohlen, welches mit etwas Wasser in der Flasche
herumgeschwenkt wird. Das
6. Kapitel beschÀftigt sich kurz mit der Bereehnung der zu
einer FĂŒllung erforderlichen Materialien. Dieselbe wird bedingt von der
Grösse des Apparates und Mischungseylinders, als auch von dem Druck,
unter welchem man das Wasser mit KohlensÀure imprÀgniren will.
Das 7. Kapitel behandelt ebenfalls kurz die Darstellung der koh-
lensauren WĂ€sser im. Allgemeinen,
Reinheit des KohlensÀure-Gases ist ein Haupterforderniss,
um ein nachhaltig moussirendes Wasser zu erzielen. Die atmosphÀ-
rische Luft hat ein 20 mal so grosses Bestreben zu entweiehen, sobald
der Druck nachlÀsst, als die KohlensÀure, daher geschieht auch das
Ausfliessen nach der Entkorkung um so stĂŒrmischer, je mehr Luft ein
90 Literatur und Kritik.
kohlensaures Wasser enthÀlt. Anderthalb Procente atmosphÀrischer Luft
dĂŒrften bei LuxuswĂ€ssern zulĂ€ssig sein.
Im 8. Kapitel wird die Darstellung der WĂ€sser, welche weder
Eisen- noch Manganoxydulsalze enthalten, beschrieben. Es ist
hierbei zu beachten, dass keine unlöslichen Verbindungen entstehen. â
Die Auflösungen der in Anwendung kommenden Salze sollte am besten 1
oder 10 procentig sein; Kochsalz, Glaubersalz, Bittersalz und kohlensaures
Natron hingegen macht man 20°/, stark.
Die Umrechnung der Analysen wird an dem Friedrichs-
haller Bitterwasser gezeigt und die Berechnung mittels Logarithmen
empfohlen. Es möchte wohl vielen Fabrikanten das Rechnen mit Loga-
rithmen nieht sehr gelĂ€ufig sein. â
Schwerlösliche oder an sich unlösliche Salze der Erden mĂŒssen,
wenn sie direkt zugesetzt werden, sich noch im frisch gefÀllten Zustande
befinden.
9. Kapitel. Darstellung eisenoxydul- und mangan-
oxydulhaltiger WÀsser. Grössere Mengen! von Salzen, namentlich
von ChlorĂŒren, schĂŒtzen bis zu einem gewissen Grade diese WĂ€sser gegen
Zersetzung, wÀhrend das Vorhandensein von kohlensaur. Natron, -Kalk-
und -Bittererde die Neigung des kohlensauren Eisenoxyduls, sich höher
zu oxydiren, verstÀrken.
Das MischungsgefÀss selbst muss mit ausgekochtem und wieder erkal-
teten destillirten Wasser ganz vollgefĂŒllt und sofort verschlossen wer-
den. Man wendet, je nach dem das Wasser ChlorĂŒre oder Sulfate ent-
hĂ€lt, EisenchlorĂŒr oder schwefelsaures Eisenoxydul in etwas angesĂ€uer-
ter Lösung an; metallisches Eisen zu nehmen, ist weniger anzurathen,
da davon stets â bald mehr, bald weniger â ungelöst bleibt. Ein Zu-
satz wenn auch kleiner Mengen von citronensaurem oder weinsauren
Alkali ist tadelnswerth.
Das Gesagte gilt auch fĂŒr die Darstellung manganoxydulhalti-
ger WĂ€sser.
10. Kapitel. Die Stoffe, welehe in der Mineralwasser-
fabrikation gebraucht werden. In einer Tabelle finden sich die-
selben zusammengestellt, dazu deren Aequivalente, H â=1 gesetzt, so wie
der dazu gehörige Logarithmus.
Um statt der WÀgungen Abmessungen vornehmen zu können, hÀlt
man die Auflösungen vorrÀthigs, wo keine Zersetzungen derselben zu
befĂŒrchten sind.
Es folgen nun auf 71 Seiten Tafeln, welche die Zusammensetzung
der bekanntesten Mineralquellen Deutschlands und der angrenzenden LĂ€n-
der enthalten, auf 1000 Theile, resp. 1 Liter bezogen.
In einem Anhange sind noch Magistralformeln fĂŒr die Darstellung
des Meyerâschen Bitterwassers und anderer WĂ€sser zusammengestellt.
Die zweite Abtheilung des Buches beschÀftigt sich auf 32 Seiten
mit der Fabrikation der moussirenden Weine. â Frankreich ist das Ge-
burtsland des Champagners. Die Anfertigung des Champagners kannte
man im Mittelalter noch nieht; der. Name des Mannes, der zuerst ihn dar-
stellte, ist unbekannt; hÀufiger in Gebrauch gelangte der Champagner
erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Die Darstellungsweise war
noch 1747 so unvollkommen, dass einem Fabrikanten von 6000 Flaschen
alle bis auf 120 StĂŒck platzten.
Die Champagnerfabrikation ist namentlich fĂŒr die Champagne eine
Quelle des grössten Reichthums geworden. Rheims und Epernay sind
die Hauptsitze der Fabrikation. Die jÀhrliche Production soll 14 bis
15 Millionen Flaschen im Werthe von 25 Millionen Franken betragen,
Literatur und Kritik. 91
wofĂŒr 40 â 50 Millionen Franken gelöst werden. Da die Fabrikation ein
sehr bedeutendes Anlagecapital erfordert, befindet sich dieselbe in den
HÀnden verhÀltnissmÀssig nur weniger Personen.
Es giebt jetzt deutsche Schaumweine, die vorzĂŒglicher sind, als
einzelne französische Producte.
Nach dieser geschichtlichen Einleitung geht Verfasser zur Darstel-
lung des Weines aus dem Most und zur GĂ€hrung selbst ĂŒber. Nach
Pasteur erleidet der gÀhrende Most wegen des gleichzeitig entstehenden
Glyeerins und der BernsteinsÀure einen Verlust an KohlensÀure und
zwischen 9 und 10,5 Proc. an Alkohol, so dass 180 Theile Traubenzucker
statt 92 Theilen durchschnittlich nur 86,6 Theile wasserfreien Alkohol
geben. Die sĂŒdlichen LĂ€nder produeiren keine bouquetreichen Weine.
Ueber die Weinverbesserung wird mitgetheilt, dass schon in einem,
Ende des vorigen Jahrhunderts erschienenen Werkchen âMarchand de vinâ
die kĂŒnstliche Weinbereitung beschrieben wird. Wie in Frankreich, hat
man damals auch schon in Deutschland, z. B. durch Zusatz von Blei-
zucker eine allerdings sehr rohe und gefĂ€hrliche WeinversĂŒssung be-
trieben.
Das Gallisiren und Petiotisiren wird eingehend besprochen
und getadelt, dass in Baiern das Gallisiren der Weine trotz aller entge-
genstehenden Gutachten noch mit Zuchthausstrafe, neben Confiscation und
Vernichtung des â,gefĂ€lschtenââ Productes bestraft wird. Nur niedriger
Eigennutz und Habsucht können dem Weinbauer untersagen wollen,
sein Produet durch Gallisiren zu verbessern, um dies dann um so gewis-
ser durch den WeingrosshĂ€ndler ausfĂŒhren zu lassen, der dann den
âreinen Naturweinâ zu hohem Preise verkauft!
Die Weine der Champagne sind keine edlen Weine, sondern meist
ziemlich sauer und ohne Bouquet. Mosel- und Naheweine möchten unter
den deutschen sich zur Champagnerbereitung am besten eignen. Schö-
nen des Weines, zur Entfernung der Albuminstoffe durch Hausenblase,
ist meist unerlÀsslich,
Es folgen 2, dem Werkchen âder Weinstock und der Weinâ von
Fr. Mohr entnommene Tabellen ĂŒber den Alkoholgehalt des Weines in
Gewichts- und Volumprocenten, worauf die eigentliche Fabrikation der
moussirenden Weine beschrieben wird. Die Ermittelung des richtigen
Zuckerzusatzes ist sehr wichtig. Sie betrĂ€gt oft 25 â 30°/,. (Ein Zei-
chen eines sehr reinen krystallisirten Rohrzuckers oder Kandiszuckers ist,
dass derselbe beim Zerstossen im Mörser nieht den geringsten Ge-
ruch nach Syrup zeigt. Auch der reinste RunkelrĂŒben-
zucker ist zu der Fabrikation unbrauchbar.)
Die Spannung innerhalb der Flaschen ist durchschnittlich 5â6 At-
mosphÀren. Einen Wein, der weniger als 4 AtmosphÀren enthÀlt, hÀlt
man fĂŒr unverkĂ€uflich. Bei 7â8 AtmosphĂ€ren Spannung zerspringen
die meisten Flaschen Die GÀhrung in den Flaschen befördert man, indem
man sie in einer Temperatur von 20 â24°R. in einen grossen Raum
ĂŒber der Erde bringt; nach Beendigung der GĂ€hrung werden die Flaschen
in den kĂŒhleren Keller geschafft.
Zuweilen befÀllt jetzt das Langwerden des Weines den jungen
Schaumwein; man schreibt diese Krankheit einem Mangel an Gerb-
stoff zu.
Die Manipulationen beim Degorgiren der Flaschen wird dann einge-
hend beschrieben,
Es folgen nun nach der Angabe Lachapelleâs und Gloverâs
einige Recepte zu Champagner-Liqueur; Verfasser glaubt aber dieselben
fĂŒr unĂ€cht erklĂ€ren zu mĂŒssen. Zum EinfĂŒllen des Liqueurs in die
92 Literatur und Kritik.
Flaschen benutzt man einen kleinen Cylinder aus Weissblech mit seitlich
offenem Schnabel.
Verfasser beschreibt hierauf die Verkorkung der Flaschen und die
Champagnerkorkmaschine selbst. Die drei dabei erforderlichen Arbeiter
können 1000 bis 1200 Flaschen in einem Tage fertig machen.
Nach den Untersuchungen des Verfassers beruhen das nachhaltigere
Moussiren des besten französischen Schaumweines und die Erscheinung,
dass die KohlensÀureblÀschen gleichsam eine Insel bilden im Weinglase,
welche Eigenschaft man als ââeremantââ bezeichnet, wahrscheinlich auf
einen Zusatz von arabischem Gummi. Lachapelle bestÀtigt das. Auch
ein Gehalt an Glycerin, es sollen bis 6%, darin vorkommen, begĂŒnstigt
ebenfalls das nachhaltigere Moussiren.
Hierauf wird auch die Fabrikation von Schaumweinen mittels
ImprÀgnirens der KohlensÀure beschrieben.
Den fehlenden Alkohol bei dem zu verwendenden Weine ersetzt man
durch besten Weinalkohol oder Cognac und geht bis auf 11 Gewichts -
â 14 Volumprocente. â Man verwendet auch hier nur den reinsten, ganz
geruchlosen Kandiszucker. Fruchtessenzen dĂŒrfen nicht wohl verwendet
werden, sondern nur geistige AuszĂŒge von Himbeeren, Erdbeeren, Ananas,
Vanille ete.
Das Klarbleiben des fertigen Schaumweines macht meist grosse
Schwierigkeiten, namentlich bei Anwendung verzinuter Mischungsey-
linder ; dieselben mĂŒssen vielmehr einschliesslich der Röhrenleitung und
des AbfĂŒllhahnes im Innern durchweg stĂ€rk versilbert sein. Man sĂ€t-
tigt bis zu 5 AtmosphÀren und zieht bei 71/; AtmosphÀren ab. Es sind
ganz dieselben Manipulationen, wie bei der Fabrikation der kĂŒnstlichen
MineralwÀsser. Die KohlensÀure ist in so dargestelltem Schaumweine
ebenso innis gebunden, als bei der andern Art der Bereitung. f
In einem Anhange ist zum Schluss noch kurz die Darstellung der
FruchtzuckersÀfte und der SÀuregehalt in den Limonaden beschrie-
ben, und es sind auch einige Recepte zur Darstellung sogenannter CrÂŁ&-
mes nach Hager und Gressler gegeben.
Bei der 3 bis 4 Tage andauernden GĂ€hrung der ausgelesenen FrĂŒchte
ist ein Zusatz von 2 bis 4°/, Zucker höchst empfehlenswerth, wie Verfasser
bereits an andern Orten auseinander gesetzt hat. Referent hat im letzten
Herbst diese Methode ebenfalls angewendet und glaubt jetzt schon dieselbe
schr empfehlen zu können.
Bei der Darstellung von Limonaden soll man nur CitronensÀure,
nieht WeinsÀure anwenden, wegen der Einwirkung der letzteren auf den
Kalk in den WĂ€ssern, wodurch leicht eine TrĂŒbung bewirkt wird. Sieben
Receptformeln. fĂŒr Cremes nach Hager und zwölf dergleichen nach
Gressler bilden den Schluss des Buches.
Wenn Referent sein Gesammt-Urtheil ĂŒber das vorliegende Werk
zusammenfasst, so enthÀlt dasselbe eine Menge praktischer Fingerzeige,
worauf doch hier viel ankommt, und kann das Werk desshalb den Mine-
ralwasserfabrikanten, namentlich denjenigen unter ihnen, die nicht dem
Stande der Apotheker angehören, bestens empfohlen werden.
Druckfehler hat Ref. ausser den oben berĂŒhrten nur noch wenige
gefunden; ein komischer und sehr störender findet sich pag. 176 aut
der Mitte der Seite, wo statt âNationalwohlstandesâ â âNa-
tionalwasserstandesâ zu lesen ist. Pag. 182 Zeile 6 von unten
muss 6s heissen: âweinigeâ statt âwenige FlĂŒssigkeit. â- Papier
und Druck lassen Nichts zu wĂŒnschen ĂŒbrig.
Jena, im November 1871. Dr. R. M.
Literatur und Kritik. 95
Erwiderung auf den Artikel von Dr. Vohl im December - Heft
1871 dieses Archivâs ĂŒber das sogenannte âEuchlorinââ von
Dr. Meitzen.
Beim Herannahen der Epidemien im Jahre 1870 fand ich mich ver-
anlasst, eine Zusammenstellung folgenden Inhalts denâ zustĂ€ndigen Behör-
den vorzulegen und darauf auszugeben:
In einer Schachtel befinden sich 2 Flaschen; die eine von blauem
Glase enthÀlt eine Lösung von unterchlorigsaurem Natron, deren Ueber-
schuss an Alkali zum grössten Theile durch EssigsÀure abgestumpft ist;
die andere in weissem Glase enthÀlt eine Eis- EssigsÀure nebst Alkohol,
in welchem Àtherische Oele, eine gewisse QuantitÀt Benzo@harz u. s. w.
aufgelöst sind. Die Mischung beider FlĂŒssigkeiten entbindet die unter-
chlorige SĂ€ure, sie bleibt in der FlĂŒssigkeit gelöst und ent-
weicht nur langsam in einer Zeit von 6 bis 8 Stunden gÀnz-
lich (dĂŒrfte dem vorhandenen und dem sich bildenden essig-
sauren Natron zuzuschreiben sein; Gmelin, 1. Bd., Seite 737,
Zeile 33); ihre Wirkung kann man sonach in beliebigem
Maassezujeder Zeit benutzen. Die desinfieirende Wirkung ist selbst-
verstÀndlich und kann durch die plötzliche EntfÀrbung des Lackmus-Papiers
jederzeit nachgewiesen werden. Es ergiebt sich hieraus, dass die kleine
QuantitÀt Alkohol (1 auf 15 Wasser) und die Àtherischen Oele der Ent-
bindung der unterchlorigen SĂ€ure und somit deren Wirkung keinen Ein-
trag thut; diese bezwecken die Annehmlichkeit in der Anwendung, ohne
welche alle ChlorprÀparate im grossen Publikum unbenutzt bleiben, wie
dies bisher der Fall ist.
Beim Versuch mit Lackmus -Papier ist zu beachten, dass (Gmelin,
I. B., Seite 739, letzte Zeile) der Farbstoff erst gesÀuert, und dann in die
ChlorflĂŒssigkeit getaucht wird; ist das Lackmus zufĂ€llig schon geröthet,
so muss natĂŒrlich umgekehrt verfahren werden. (Ich erwĂ€hne dies aus-
drĂŒcklich, weil der oben erwĂ€hnte Artikel des Archivs hierĂŒber seine
Glossen macht.)
Eine fĂŒnfjĂ€hrige Aufbewahrung unter gewöhnlichem guten Verschluss
hat die ChlorflĂŒssigkeit nicht verĂ€ndert,*) ebenso ist die saure FlĂŒssigkeit
keiner VerÀnderung ufterworfen.
Nach den mikroskopischen Untersuchungen des Dr. Thom und An-
deren sind die Alkalien nicht geeignet, die sog. Miasmen-Pilze zu zerstö-
ren, wohl aber die SĂ€uren, welche ja auch seit lange in der Praxis zu
diesem Zwecke im Gebrauch sind, namentlich die EssigsÀure (VierrÀuber -
Essig). Es ist mithin rationell die SĂ€ure im geringen Ueberschuss anzu-
wenden, und somit eine Verduftung der beiden SĂ€uren zusammen auf der
Haut zu bewirken, die unserer natĂŒrlichen Vorstellung gemĂ€ss die auf der
Haut befindlichen miasmatischen Organismen zerstört, und die sich annÀ-
hernden abhÀlt.
Unter diesen unbestrittenen Gesichtspunkten wurde dieser Zusammen-
stellung von der Regierungs- Commission ein sehr gĂŒnstiges Zeugniss
gegeben; doch habe ich nicht Absicht, Zeugnisse sprechen zu lassen, wo
die Sache fĂŒr sich selbst spricht. Zum Ueberfluss setzte ich in die den
FlĂŒssigkeiten beigegebene ErlĂ€uterung die Worte, dass ich nicht geson-
nen bin, ein Geheimniss daraus zu machen. ı
*) ? Die Redaction.
.
94 i Literatur und Kritik.
Der Name, der diese Zusammenstellung bezeichnen wĂŒrde, könnte
lauten: âUnterchlorigsaure Natron-Lösung zersetzt im Momente der
Benutzung vermittelst einer EssigsÀure -Mischung; oder unpassender: Eau
de Labarraque zersetzt im Momente u.s. w. SelbstverstÀndlich wird man
dem Publikum eine solche Bezeichnung nicht bieten dĂŒrfen; ich nannte
dieselbe âEuchlorin;â der Name ist nicht neu, sondern wurde gewĂ€hlt
zur Bezeichnung eines im AtomverhÀltniss genau mit der unterchlorigen
SĂ€ure ĂŒbereinstimmenden Körpers, der indess seiner Zersetzungen wegen
anders zu betrachten und im Uebrigen im Verkehr ganz unbekannt und
unanwendbar ist. Er besagt in der That (zu deutsch: angenehmes Chlor)
in möglichster KĂŒrze: Inhalt, Eigenschaft, Wirkung und "den Vortheil in
der Verwendung vor anderen Mitteln.
Die FlĂŒssigkeit kam im vorigen Jahre in den Handel, wurde Ener
von mir, der enormen Kosten der Bekanntmachung wegen, welche den
Preis zu hoch stellen mĂŒssten, bald vernachlĂ€ssigt, und werde ich an
dieselbe erst beim Eintritt von Epidemien wieder erinnern, wo sie zu
ihrem Theile Nutzen bringen wird. (Eine Annonce von 30 Zeilen, ein Jahr
lang wöchentlich 2 mal in nur 40 der grösseren deutschen BlÀtter gesetzt,
erfordert zwölftausend Thaler.)
Ich resĂŒmire hiernach, dass die Sache 1) kein Geheimmittel ist; â
oder wie mĂŒsste man anders verfahren, um diesen Vorwurf abzuwenden:
konnte nicht Jeder auf meine ausdrĂŒcklichen Worte in den beigehenden
Zeilen hin sich das Recept von mir ausbitten?
2) Dass die Sache ihre gewĂŒnschte Wirkung nach menschlichem Er-
messen erfĂŒllt; die Probe ist die plötzliche Zerstörung der Pflanzenfarben.
3) Dass sie als nicht unangenehmes Mundwasser benutzt werden
kann, was insofern wichtig, als die SchleimhÀute die ersten Angriffspunkte
mancher Epidemien sind, und als ungesunde ZÀhne tÀglich desinfieirt wer-
den mĂŒssen, um die FĂ€ulniss nicht auf die NachbarzĂ€hne zu ĂŒbertragen.
4) Dass bis jetzt kein desinficirendes Mittel sich in den Haushaltun-
gen einzubĂŒrgern vermochte, selbst das mildeste: Eau de Labarraque
nicht, der unangenehmen Eigenschaften wegen, die bei dieser Zusammen-
stellung vermieden sind.
Es wÀre ja nun möglich, dass Jemand trotzdem an der Wirkung
der Sache zweifelte; dass er bei einer Probe die saure FlĂŒssigkeit z. B.
meiner Angabe entgegen unverdĂŒnnt in die ChlorflĂŒssigkeit gösse, und
so durch den Alkohol und das Harz die Wirkung schwÀchte; dass er An-
sichten hĂ€tte, welche es ihm wĂŒnschenswerth machen, die Sache öffentlich
zu erörtern.
HĂ€tte es dann nicht in dem allgemein unter gesitteten Menschen ange-
nommenen Verfahren gelegen, mich zur Besprechung in dieser oder ande-
ren Schriften aufzufordern? â
Statt dessen finde ich ohne die geringste Anzeige von Seiten der
Redaction den in der Ueberschrift angegebenen SchmÀh - Artikel, der, indem
er sich auf mancherlei Unrichtigkeiten und WidersprĂŒche stĂŒtzt, nur von
Betrug und Geheimmittel spricht. Die darin aufgezeichnete Analyse hÀtte
die Redaction richtiger von mir selbst erhalten. Bei meiner Weigerung
hÀtte sie mich öffentlich des Wortbruchs zeihen, aber auch selbst dann
noch nicht von Geheimmitteln sprechen können, da der Gegenstand allen
Denen bekannt ist, denen ich ihn vorlĂ€ufig zu erklĂ€ren schuldig war, umâ
ihm den Charakter eines Geheimmittels zu benehmen. (1
Der Injurien - Process ist gegen den Schreiber des Artikels eingelei-
tet, und so erwidere ich darauf Nichts Ferneres.
Die Angabe, dass zu dem Essig die RĂŒckstĂ€nde von der Fabrikation
des Kölnischen Wassers verwendet wĂŒrden, kann nur Jemand schreiben,
Literatur und Kritik. 95
der diese RĂŒckstĂ€nde nie gesehen hat; wĂ€ren sie aber dazu verwendbar,
so wĂŒrde das jedenfalls der gesunden Vernunft entsprechen und gebo-
ten sein. }
Die angefĂŒhrten, von mir verfassten 3 Zeitungs - Annoncen sind Wort
fĂŒr Wort correct.
Was den Preis betrifft, so erwÀhnte ich bereits, dass derselbe zu nie-
rig ist, (2) um so mehr als es wĂŒnschenswerth ist, noch ein GlasmĂ€sschen
zur Mischung beizugeben, und Blechschachteln anstatt der Pappschachteln
zu wÀhlen; dass er indess nicht wohl erhöht werden kann.
Es gelĂŒstet mich nicht, auf alle Punkte des SchmĂ€h - Artikels genauer
einzugehen; derselbe ist nicht eine Erörterung, wie sie hier am Platze
sein wĂŒrde, sondern eine bösartige SchmĂ€hschrift.
Darum aber ist es wohl eine nicht leicht zu erklÀrende Thatsache,
dass die Redaction des Archivs demselben ohne Weiteres Aufnahme und
Verbreitung gewÀhrte; dass sie sich dadurch sofort den SchmÀhungen
anschloss, und den Zweck des Archivs, die ruhige Erörterung, aus den
Augen verlor; dass sie meine Vertheidigung durch Geheimhaltung dieses
Angriffs auf vier Wochen hinausschob, eine Zeit, die vollkommen hin-
reicht, um den Eindruck kaum mehr durch eine Entgegnung verwischen
zu lassen; dass sie sich nicht veranlasst fand, einen Zettel den Heften bei-
zufĂŒgen, welcher wenigstens eine Entgegnung in Aussicht stellte; die
Kosten, ob fĂŒr sie oder fĂŒr mich, konnten nieht in Betracht kommen.
Diesen Missgriff wird die Redaction nicht zugestehen wollen, ich habe
desshalb auch in ihr leider einen Feind zu erblicken. Ich hoffe, dass es
mir gelingen wird, eine Klage gegen dieselbe wegen Verbreitung ehrver-
letzender Nachrichten durchzufĂŒhren. (3)
Das Urtheil ĂŒber mein Verfahren stelle ich hiermit den ErwĂ€gungen
der Leser des Archivs anheim, und glaube mich nicht zu tÀuschen,
wenn ich behaupte, dass keiner meiner Fachgenossen hierin einen Betrug,
einen Schwindel, ein Geheimmittel, oder auch nur einen Missbrauch wird
entdecken können. .
Schliesslich bitte ich diejenigen, welche die verborgenen GrĂŒnde des
Angriffs interessiren mögen, sich so grĂŒndlich als möglich ĂŒber die Per-
son des Schreibers des SchmĂ€hartikels, sowie ĂŒber die meinige unterrich-
ten zu wollen. (4)
Dr. Meitzen, Apotheker.
Zusatzbemerkungen der Redaction.
1) Die Redaetion hatte keine Verpflichtung, vor Abdruck des fragli-
chen Artikels dem Dr. Meitzen davon Anzeige zu machen; âsie stellte
es dem letzteren frei, sich gegen den Angriff im Archiv zu vertheidigen.
2) Dass die KĂ€ufer des sogenannten âEuchlorinsâ die jĂ€hrlich
angeblich auf 12,000 Thaler sich belaufenden Unkosten fĂŒr Inserate in
40 deutschen BlĂ€ttern mit bezahlen mĂŒssen, wesshalb der Preis von 20,
30 und 45 Sgr. ein angemessener sein soll, kann durchaus nicht zugege-
ben werden, wenngleich die von Dr. Vohl normirten Verkaufspreise fĂŒr
den Fall, dass man die nothwendigen Unkosten mit daraufschlagen
will, etwas zu niedrig gegriflen sein mögen.
96 Literatur und Kritik.
3) Die Redaction stellt ihr Verfahren ebenfalls ruhig der Beurtheilung ihrer
Leser anheim und weist ihrerseits alle Beschuldigungen als unzutreffend
hiermit zurĂŒck. Der angedrohten Klage ist sie gewĂ€rtig.
4) FĂŒr das Archiv der Pharmacie ist hiermit diese Sache abge-
schlossen.
Jena, den 7. Januar 1872,
Dr. H. Ludwig, a. Prof., Redacteur des Archivs.
Dr. &. Mirus, Hofapotheker, fĂŒr das Direetorium
des Nordd. Apotheker- Vereins.
Sammlungen.
Der Bryologe V. F. Brotherus beabsichtigt im nÀchsten Sommer
eine 'botanische Reise nach den wenig bekannten Gegenden des russi-
sehen Lapplands zu unternehmen. Die nördliche EismeerkĂŒste,
von Kola bis Ponoj, wird das Hauptziel dieser Reise sein, deren Ko-
sten theilweise durch Subscription gedeckt werden sollen. Es kosten die
Actien:
1) Eine vollstÀndige lapplÀndische Moossammlung (200 Arten),
a 3 Thlr. pro Oenturie.
2) 75 Moose und 50 Phanerogamen, die seltensten Arten,
speciell asiatische und arctische Formen, 5 Thlr. =:
3) 50 Phanerogamen, dieselben wie in 2), wobei Subseribent mit
Sicherheit auf z.B. Chrysanthemum aretieum, Pyrethrum bi-
pinnatum, Aster sibirieus, Polemonium pulchellum, Paeo-
nia anomala, Ranunculus Pallasii, rechnen kaun, 3 Thlr.
4) 75 Moose, dieselben wie in 2), 3 Thlr.
Die âPflanzen werden spĂ€testens im FrĂŒhling 1873 vertheilt, die
Sendungen aber unfrankirt nach den Bestimmungsorten verschickt
werden. â
Subseription nehmen. entgegen der. Reisende selbst, Herr Cand.
phil. V. F. Brotherus in Kajana (Finnland) und der Unter-
zeichnete. â
Geisa, Sachsen- Weimar, den 6. Januar 1872.
Adelbert Geheeb.
Halle, Buchdruckerei des Waisenhauses.
ARCHIV DER PHARMACIE,
GXOIX. Bandes zweites Heft.
A. Originalmittheilungen.
I. Chemie und Pharmacie.
Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefelsauren
Eisenoxydulammoniaks.
Von E. Biltz, Apotheker in Erfurt.
In diesem Archiv Band 196 Seite 97 ff. habe ich mitge-
theilt, dass das schwefelsaure Eisenoxydulammoniak (Eisen-
doppelsalz) sich nicht zur Chlorimetrie eignet, weil sein Am-
moniakgehalt einen Theil des gesuchten Chlors in Anspruch
nimmt, und dieser Theil, resp. seine Wirkung durch das ĂŒber-
mangansaure Kali nicht berĂŒhrt, also auch nicht gefunden
wird. Ich habe ferner gezeigt, dass die Methode verbessert
werden kann, indem man die Lösung des Doppelsalzes vor
dem Zusatze des Chlorwassers stark ansÀuert, dass aber
auch diese Verbesserung noch kein befriedigendes Resultat
liefert, und das fragliche Eisendoppelsalz daher fĂŒr den ge-
nannten Zweck zu ver werfen ist.
Kurze Zeit nach der Veröffentlichung meines Aufsatzes,
und wohl in Folge desselben, wurde in der Pharm. Zei-
tung Nr. 43 mitgetheilt, dass die Probe befriedigende Resul-
tate gebe, wenn man die ProbeflĂŒssigkeit der Pharmacopöe
vor dem Zusatz des ChamÀleons erhitze. Ich habe die erfor-
derlichen genauen vergleichenden Versuche erst jetzt vor-
nehmen können, und werde weiter unten zeigen, dass durch
die Erhitzung zwar ebenfalls ein besseres, aber doch noch
weniger gĂŒnstiges Resultat erreicht wird, als durch den von
mir versuchten Zusatz von SĂ€nre.
Arch, d, Pharm, CXCIX, Bds, 2, Hft, |
98 Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefels. Eisenoxydulammoniaks.
Ferner kam mir nachtrÀglich noch eine Àltere, hierher
bezĂŒgliche, werthvolle Mittheilung von Wittstein zu Ge-
sicht (in dessen Vierteljahresschrift IV. Seite 555). Dieselbe
betrifft zweifelhafte Resultate, welche bei der PrĂŒfung des
Chlorkalks mittelst Eisenvitriols erhalten wurden, und W itt-
stein hebt hervor, dass gegen Ende der Versuche sowohl
Eisenoxydul durch die Reaction, als auch freies Chlor (oder
unterchlorige SĂ€ure) durch den Geruch nachgewiesen werde,
beide also nebeneinander vorhanden seien, und er fĂŒgt schliess-
lich sehr richtig hinzu, dass ein Ăhlorverlust am Wenigsten
bei Ueberschuss von Eisenvitriol zu befĂŒrchten sein wĂŒrde â
mit andern Worten, dass en Ueberschuss von Eisen-
vitriol nöthig ist, um das Chlor leicht und vollstÀndig so
zu binden, dass keine Nebenprocesse stattfinden. In der That
scheinen diese Oxydationen, selbst die einfache des Eisen-
oxyduls durch ChamÀleon, nur bei grösserem Ueberschuss
des zu oxydirenden Körpers (des Eisenoxyduls) in normaler
Weise zu verlaufen, an der Grenze der völligen Oxydation
aber nicht mehr ganz regelmÀssig vor sich zu gehen. !)
Die eben erwÀhnte Beobachtung von Wittstein, dass
unter UmstÀnden Eisenoxydul und freies Chlor, resp. unter-
chlorige SÀure neben einander vorkommen können, erinnerte
mich sogleich an eine bei Gelegenheit meiner chlorimetrischen
Analysen niedergeschriebene Notiz, dass nemlich die aus der
Behandlung von Eisendoppelsala mit unzureichendem Chlor-
wasser resultirende FlĂŒssigkeit stets einen schwachen Geruch
nach unterchloriger SÀure zeigte, wÀhrend dies beim Eisen-
vitriol unter denselben UmstÀnden nicht der Fall war. Ich
hatte diese Notiz damals noch nicht weiter verfolgt, weil ich
zunĂ€chst nur beweisen wollte, dass die PrĂŒfungsweise des
Chlorwassers und des Chlorkalks mittelst Eisendoppelsalzes
unbrauchbare Resultate gebe, und weil ich den Grund hier-
von bereits darin gefunden zu haben glaubte, dass das fehlende
Chlor durch das entstehende neutrale Eisenoxydsalz disponirt
worden sei, die zur Gegenwirkung gegen das basische Was-
ser erforderliche SĂ€ure mit HĂŒlfe von Wasserstoff aus dem
Ammoniak zu bilden, eine Annahme, welche sich auch dadurch
Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefels. Eisenoxydulammoniaks. 9%
zu rechtfertigen schien, dass ein vorheriger Zusatz von SĂ€ure
jenen Chlorverlust bedeutend herabdrĂŒckte. Bei der nĂ€heren
PrĂŒfung jener Notiz, so wie der Angabe, dass die Erhitzung
der ProbeflĂŒssigkeit befriedigende Resultate gebe, habe ich
nun gefunden, dass die Wirkung des Uhlors auf das schwe-
felsaure Eisenoxydulammoniak erheblich complicirter
ist, als ich frĂŒher glaubte, und dass dem Eisenoxydul dabei
auch in Folge der Bildung von unterchloriger SĂ€ure
Verlust erwĂ€chst. Der Sachverhalt dĂŒrfte aus Folgendem
klar werden.
Vermischt man eine Auflösung von Eisendoppelsalz mit
so viel Chlorwasser, dass das Eisenoxydul der Rechnung
nach vollstÀndig oxydirt werden, und ein kleiner Ueberschuss
von freiem Chlor bleiben mĂŒsste, so ist das Resultat fol-
gendes:
1) Man beobachtet eine Gasbildung (Freiwerden von
Stickgas);
2) man riecht schwach, aber deutlich unterchlorige
SĂ€ure;
3) man findet, dass ein erheblicher Theil des
Eisenoxyduls unoxydirt geblieben ist. |
Hieraus geht hervor, dass eine dreifache Wirkung des
Chlors stattgefunden hat, und dass dem Eisenoxydul auf
zwei Wegen Chlor, resp. dessen oxydirende Wirkung ver-
loren gegangen ist.
Die erstgenannte Wirkung, die Ausscheidung von Stick-
stoff aus Ammoniaksalzen durch Chlor, unter Bildung von
Chlorwasserstoff, ist bekannt. ?)
Die zweite hingegen, die Bildung von unterchloriger
SĂ€ure, kann eigentlich nur bei der Einwirkung von Chlor
auf freies Ammoniak eintreten, wo sie, wie ich mich durch
den Versuch ĂŒberzeugt habe, auch wirklich stattfindet (siehe
auch Schönbein in Freseniusâ analyt. Zeitschrift 1862,
Seite 360); bei den Ammoniaksalzen (hier dem schwefelsauren
Ammoniak) ist sie a priori nicht zu erwarten, weil die FlĂŒs-
sigkeit durch die Wirkung des Chlors sofort sauer wird, und
freie unterchlorige SÀure neben freier ChlorwasserstoflsÀure
7*
100 Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefels. Eisenoxydulammoniaks.
bekanntlich nicht zu bestehen vermag. Dass sie im vorlie-
senden Falle sich dennoch bilden, und in der sÀuerlich reagi-
renden FlĂŒssigkeit fortbestehen konnte, ist nur im Zusammen-
hang mit der stattgehabten Oxydation des Eisenoxyduls
erklÀrlich, und zwar so, dass man einen Theil der Schwefel-
sÀure des schwefelsauren Ammoniaks durch das neutrale
Eisenoxydsalz unter dem Einfluss des Wassers gebunden,
also in Spannung befindlich, und den entsprechenden Antheil
Ammoniak als frei betrachten muss. Nur so lÀsst sich, wie
ich glaube, das Auftreten von unterchloriger SÀure hier erklÀ-
ren; man hat sich einen Theil des. Ammoniaks in solcher
Weise disponibel zu denken, dass die Wirkung des Chlors
ganz analog der Wirkung derHalogene auf verdĂŒnnte und
kalte Lösungen der Alkalien erfolgen kann.
Mag man nun diese theoretische Vorstellung gelten vor
sen oder nicht, so steht doch die Beobachtung der
Thatsache selbst fest, die noch dadurch interessanter
wird, dass sich neben der unterchlorigen SĂ€ure auch noch
Eisenoxydul vorfindet, dass also, wie schon Wittstein
beobachtet hat, diese beiden Körper unter solchen UmstÀnden
nebeneinander »existiren können.
Hiermit ist also ein doppelter Verlust an Chlor erwie-
sen, welchen das Eisenoxydul in der im Frage stehenden
chlorimetrischen FlĂŒssigkeit erleidet, wenn man nach dem
Wortlaut der Vorschrift der preussischen Pharmacopöe ver-
fÀhrt. Es fragt sich nun, ob die vorgeschlagenen Verbesse-
rungen befriedigen können.
Wer einmal die Chlorprobe mit dem Eisendoppelsalz aus-
gefĂŒhrt, die Gasbildung beobachtet, und ihre Bedeutung erkannt _
hat, der wird dieser Methode von vornherein die wissen-
schaftliche Genauigkeit absprechen mĂŒssen und sie
in dieser Beziehung fĂŒr unverbesserlich halten; denn die Gas-
bildung findet auch bei beiden VerbesserungsvorschlÀgen statt,
und das Chlor in dem entsprechenden Chlorwasserstoff wird
sich auf keine Weise âwieder als oxydirender Körper ver-
werthen lassen. Dagegen wird die. gebildete unterchlo-
ârige SĂ€ure sich nachtrĂ€glich (durch Erhitzen der Probe-
Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefels. Eisenoxydulammoniaks. 101
flĂŒssigkeit) wirksam zeigen können, oder man hat das bereits
von mir versuchte Mittel (Seite 102 meiner oben citirten Ar-
beit) durch starkes AnsÀuren der Eisendoppelsalzlösung die
Bildung der unterchlorigen SĂ€ure ĂŒberhaupt zu. verkindern.
Aber die nachstehenden analytischen Belege thun dar, dass
auf keinem dieser Wege auch nur ein praktisch befriedigen-
des Resultat erzielt wird.
Ich nehme hierbei Veranlassung, die PrĂŒfungsweise selbst,
und namentlich die fĂŒr einen praktischen Umfang der Ver-
suche zu empfehlenden Zahlen anzugeben.
1. Die PrĂŒfungsweise. Dieselbe ist bekanntlich
eine sogenannte Restmethode, bei welcher das Chlor auf eine
voraussichtlich ĂŒberschĂŒssige Menge Eisenvitriol oder Eisen-
doppelsalz wirkt, worauf mittelst ChamÀleons der unoxydirte
Theil des Eisensalzes gefunden, der oxydirte berechnet, und
hieraus das vorhanden gewesene Chlor ebenfalls ermit-
telt wird. 1 Theil Chlor = 7,83 Eisenvitriol = 11,04 Dop-
pelsalz.
Auf 25 C.C. (oder Gramme) Chlorwasser wendet man
1,56. Eisenvitriol an, mit Zusatz von 3 C©.C. verdĂŒnnter Schwe-
felsĂ€ure (1:5) und dem nöthigen Wasser zu 10 C.C. FlĂŒs-
sigkeit gelöst. 1,5 G. Eisenvitriol sind = 0,19157 G. Chlor, diese
in 25 C.C. Chlorwasser gedacht, giebt 0,76628 Procent, was
in der Praxis nicht leicht vorkommen dĂŒrfte, so dass diese
Menge Eisenvitriol fĂŒr alle FĂ€lle passend erscheint. °)
Ebenso werden die mit 1,5 Eisenvitriol Àquivalenten
2,115 G. Doppelsalz zu 10 C.C. FlĂŒssigkeit gelöst, theils mit,
theils ohne Zusatz von SĂ€ure, wie sich dies fĂŒr die verschie-
denen Versuche von selbst versteht.
Die ChamĂ€leonlösung wird aus reinem ĂŒbermangansau-
ren Kali etwa im VerhÀltniss 1 : 200 hergestellt, und ihr
VerhÀltniss zu 10 C.C. der Eisenvitriollösung bestimmt, auch
geprĂŒft, ob 10 6.C. der: Eisendoppelsalzlösung
genau ebensoviel verbrauchen.
Bei der AusfĂŒhrung bringt man 10 0.C. der betreffenden
Eisenlösung in ein weisses Glas À 60 G., giebt 25 0.C.
Uhlorwasser hinzu, verschliesst die Flasche sofort und schĂŒt-
102 Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefels. EisenoxydĂŒlammoniaks.
telt kurze Zeit krĂ€ftig um. Nach dem Oeffnen darf manâ
keine Spur von freiem Chlor riechen. Alsdann bestimmt man
den Eisenoxydulrest durch die ChamÀleonlösung, indem man
davon bis zur constanten leisen Röthung zusetzt, und berech-
net die durchs Chlor stattgehabte Oxydation.
Beispiel. 10 C.C. Eisenvitriollösung (worin also 1,5 G.
Eisenvitriol) seien â 36 0. C. der ChamĂ€leonlösung. Der
ChamÀleonrest nach Wirkung des Chlorwassers betrage 10,5
C.C. Dann sind
36 :1,5 = 10,5 : 0,4375 (unoxydirt gebliebener Eisen-
vitriol)
1,5000
0,4375
1,0625 Eisenvitriol sind oxydirt worden.
} 1,0625
Diese entsprechen â 183 â 0,1357 G. Chlor.m 2
Chlorwasser, also 0,1357 .4 â= 0,5428 Procent Chlor.
Beim Eisendoppelsalz setzt man statt 1,5 G. Eisenvitriol
die Àquivalenten 2,115G. Doppelsalz, und dividirt, um das dem
oxydirten Doppelsalz entsprechende Chlor zu finden, mit 11,04.
Also
36 : 2,115 â 10,5 : 0,6166
2,1150
0,6166
1,4984 oxydirtes Doppelsalz.
: 1,4984
Diese entsprechen ner 0,1357 G. Chlor in 25 & C.
Chlorwasser, oder 0,1357 . 4 = 0,5428 Proc. Chlor, wie oben.
Zur PrĂŒfung des Chlorkalks reibt man denselben mit
destillirtem Wasser zur gleichförmigen Milch an, zweckmÀssig
im VerhÀltniss 1 : 50. Auf 1,0 G. Chlorkalk bringt man 3,0G.
Eisenvitriol in eine gerÀumige weisse Flasche von etwa 2500.0.
Inhalt, löst denselben unter Zusatz von 8 C.C. verdĂŒnnter
SchwefelsÀure (oder 4 ©.C. officineller SalzsÀure, wenn man
gern eine Klare FlĂŒssigkeit haben will) in 20 0.C. Wasser
auf, giebt die gut aufgeschĂŒttelte Chlorkalkmilch vorsichtig so
Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefels. Eisenoxydulammoniaks. 105
hinzu, dass das bei der BerĂŒhrung mit der sauren FlĂŒssigkeit
freiwerdende Chlor sich 'nicht stĂŒrmisch entwickelt, sondern
in der zu diesem Zweck gerÀumig gewÀhlten Flasche bleibt,
verschliesst sogleich, und schĂŒttelt eine halbe bis ganze Mi-
nute krĂ€ftig durch. Sodann spĂŒlt man das GefĂ€ss, welches
die Chlorkalkmilch enthielt, mit etwas destillirtem Wasser
nach, giebt auch dieses der ProbeflĂŒssigkeit zu, schĂŒttelt wie-
derum gut durch, und wenn man nach dem Oeffnen der Flasche
keine Spur Chlor mehr riecht, so titrirt man den Rest des
Eisenvitriols mit ChamÀleon aus, findet durch Abzug von
den verwendeten 3,0G. die Menge des oxycdirten, und berech-
net hieraus das in 1,0 G. Chlorkalk enthaltene wirksame Chlor.
2. Verbessernder Einfluss eines SĂ€urezu-
satzes zur Probe mit Doppelsalz (Ă€ltere Belege zu
meiner frĂŒheren Arbeit)
1,0 G. Eisenvitriol = 25 C.C. ChamÀleon.
0,709 G. Eisenvitriol gaben mit 25 ©.C. Chlorwasser einen
Ueberschuss an Chlor, das Chlorwasser hatte nemlich 0,376 Proc.
Cl. Denselben Ueberschuss hÀtte also 1,0 G. Doppelsalz geben
mĂŒssen; es fehlte aber Chlor. Die Resultate waren -folgende:
a) 1,0 G. Doppelsalz, n 5 C.C. Wasser gelöst, erforderte nach
Zusatz von 25 0.C. des Chlorwassers noch 1,4 C.C. Cham.
b) 1,0 G. Doppelsalz, 5 C.C. Wasser, 20 Tropfen verdĂŒnnte
SchwefelsÀure, hierauf 25 C.C. des Chlorwassers 0,4 C.C. Cham.
c) 1,0 G. Doppelsalz, 20 C.C. Wasser, 25 C.C. Chlor-
wasser â 2,0 0.C. Cham.
d) 1,0 G. Doppelsalz, 20 C.C. Wasser, 20 Tropfen SĂ€ure,
dann 25 C.C. Chlorwasser â= 0,65 C.C. Cham.
a) ergiebt also das Chlorwasser zu 0,3336 Proc.
b) ââ â â B ââ 0,3540 â7
c) â â ââ â» ââ 0,3212 â
d) ââ â» â â â 0,3488 â
gegen den wirklichen Gehalt von 0,3760
Diese Proben beweisen den nĂŒtzlichen Einfluss des SĂ€ure-
zusatzes, der jedoch den mit der Stickstoflentwickelung zu-
sammenhÀngenden Chlorverlust nicht zu verhindern vermag.
104 Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwetels. Eisenoxydulammoniaks,
Sie beweisen zugleich, dass das Doppelsalz schon in wenig
srösserer VerdĂŒnnung "bedeutend schlechtere Resultate giebt,
wie ich dies auch frĂŒher hervorgehoben. *)
D}
3. Neuere Versuche, die Erhitzung der Pro-
beflĂŒssigkeit betreffend.
a) 25,8 0.C. ChamÀleon = 1,0 G. Eisenvitriol.
10 ©. âŹ. Doppelsalzlösung, worin 2,115 G. Doppelsalz, mit
25 C.C. Chlorwasser gemischt und erhitzt, erforderte noch
12,1 ©.C. Cham.
10 ©.C. Eisenvitriollösung, worin 1,5 G. Eisenvitriol und
3 6.C. verdĂŒnnte SchwefelsĂ€ure, erforderte nach Zusatz von
25 C.C©. desselben Chlorwassers noch 10,2 C.C. Cham.
Die Doppelsalzprobe ergiebt hiernach 0,5268 Proc.
Die Eisenvitriolprobe ,, 5 0620ER
| Differenz 0,372 Proc.
b) 25,2 C.C. ChamÀleon = 1,0 G. Eisenvitriol.
10 ©.C. Doppelsalzlösung wie oben, mit 25 C.C. Chlor-
wasser gemischt und erhitzt, erforderte noch 11,2 C.C. Cham.
10 0.C. Doppelsalzlösung mit 3 0.0. verdĂŒnnter Schwe-
felsÀure, dann 25 C.C. des Chlorwassers 10,8 C.C. Cham.
10 C.C. Eisenvitriollösung ete. 9,0 C.C. Cham.
Der erste Versuch ergiebt hiernach 0,5392 Proc.
zweite)... x â 0,5476 ,â
or ORILLeN. % » 0,5836 â
Hier betrÀgt obige Differenz 0,0444 Proc., auch zeigen
die Versuche, dass die Doppelsalzprobe mittelst Erhitzung
derjenigen mit SĂ€urezusatz nachsteht, was sich leicht daraus
erklÀrt, dass bei der Erhitzung nur die unterchlorige SÀure
wirkt, nicht aber auch das bei ihrer Bildung in Chlorwasser-
stoff ĂŒbergegangene Chlor.
Ich muss auf Grund dieser analytischen Belege in Allem
bei meinem frĂŒheren Urtheil beharren, und das schwefel-
saure Eisenoxydulammoniak als durchaus unge-
eignet zur Chlorimetrie erklÀren. Denn sein Am-
Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefels. Eisenoxydulammoniaks. 105
moniakgehalt entzieht dem Eisenoxydul auf zwei Wegen einen
nicht unerheblichen Antheil Chlor, und nur der eine Weg
lÀsst sich durch Zusatz von SÀure verschliessen, oder durch
Erhitzen rĂŒcklĂ€ufig machen. Es kann auch nicht zweifelhaft
sein, dass die Erhitzung der fraglichen ProbeflĂŒssigkeit die
Sache keinesweges auf den Punkt bringt, dass man die Me-
thode auch nur fĂŒr die gewöhnliche Praxis empfehlen könnte.
Nehmen wir im Bereich der vorkommenden Chlorwasserpro-
cente als mittleres Minus, welches jene Probe ergiebt, 0,04 Proc.
an, so heisst das, man muss, um der officiellen Reaction zu
genĂŒgen, ein Chlorwasser von 0,406 Proc. haben, wĂ€hrend
die Reaction doch nur 0,366 bedeuten soll.
So grosse Abweichungen, die sich bei ChlorkalkprĂŒfungen
bis zu sieben Procent steigern können (S: 104 meiner eitir-
ten Arbeit), verbieten die Anwendung des Eisendoppelsalzes
zur Chlorimerie doch gÀnzlich.
Anmerkung 1. Die von Löwenthal und Lenssen in ihrer
interessanten Abhandlung in Freseniusâ analyt. Zeitschrift 1862. $. 329 f.
erwÀhnte, und vorhandenem Chlor zugeschriebene Guajakharzreaetion
tritt auch ohne jede Dazwischenkunft von Chlor ein, wenn man Eisen-
vitriol mit absolut reinem ĂŒbermangans, Kali oxydirt, welches keine Spur
Chlorkalium enthÀlt. Ich setzte zu einer Eisenvitriollösung die Àquivalente
Menge ChamĂ€leon in fĂŒnf Portionen, und beobachtete, dass die FlĂŒssig-
keit schon nach dem Zusatz der vorletzten Portion anfing, die aus eini-
gen Tropfen Schönbeinâscher Guajakharztinetur und Wasser gemischte
milchige FlĂŒssigkeit zu blĂ€uen. Wurde dann ChamĂ€leon bis zur Rö-
thung zugesetzt, und die Röthung durch ein wenig Eisenvitriol wieder
zum Verschwinden gebracht, so war die BlÀuung noch stÀrker. Verfuhr
ich umgekehrt, und setzte Eisenvitriollösung zu ChamÀleon bis eben zur
EntfĂ€rbung, so wurde auch durch diese FlĂŒssigkeit die blaue FĂ€rbung
sofort hervorgerufen.
Es scheint demnach, dass die VebermangansÀure nur bei grösserem
Ueberschuss an Eisenoxydul völlig zu Manganoxydul redueirt wird, in
der NĂ€he der erreichten Oxydation jedoch, so wie bei Wegnahme einer
ĂŒberflĂŒssig zugesetzten Menge durch wenig Eisenoxydul nicht glatt auf
Oxydul zurĂŒckgeht. Es scheint eine nicht alsbald sichtbare Ausscheidung
von fein suspendirtem Manganoxyd stattzufinden, und hierdurch die BlÀuung
des Guajakharzes zu erfolgen.
106 Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefels. Eisenoxydulammoniaks,
Anmerkung 2. Nach Angabe der LehrbĂŒcher soll die Wirkung
des Chlors auf Ammoniaksalze, deren SÀure zu den starken gehört, in
der Bildung von Chlorstickstoff? und Chlorwasserstoff bestehen, und es
mĂŒsste daher diese Wirkung â und keine Entwickelung #von Stickstoff-
gas â auch beim schwefelsauren Eisenoxydulammoniak und beim schwe-
felsauren Ammoniak selbst stattfinden.
Mag nun die VerdĂŒnnung, in welcher sich das Chlor bei den hier
vorliegenden Versuchen befindet, schuld sein, genug, ich habe nur in
einem einzigen Falle bei der Wirkung von Chlorwasser auf eine Lösung
von reinem schwefelsauren Ammoniak eine milchige TrĂŒbung der FlĂŒssig-
keit bemerkt, die vielleicht von Chlorstickstoff herrĂŒhrte. In allen ĂŒbri-
gen, zahlreichen und vielfach modifieirten FĂ€llen blieben die FlĂŒssigkeiten
nach dem Aufsteigen der StickstoffblĂ€schen wasserklar. Wie ich frĂŒher
erwÀhnt habe, verschwindet bei der Wirkung von Chlorwasser auf, selbst
wechselnde Mengen, schwefelsaures Ammoniak immer ziemlich ge-
nau der dritte Theil, was ich mir noch nicht habe erklÀren können.
Diesem fehlenden Chlor entsprechend ist dann Chlorwasserstoff vor-
handen. Nach einer Analyse ergaben 25 C. C. Chlorwasser, worin 0,1546 G.
Chlor enthalten waren, nach der Wirkung auf 3,0 G. schwefelsaures Ammo-
niak nur noch 0,0944 G., es fehlten also 0,0402G. Es wurde dann der vor-
handene Chlorwasserstoff bestimmt, und unter BerĂŒcksichtigung des in
dem Chlorwasser bereits vorhandenen gefunden, dass er 0,0435 Chlor ent-
sprach. Hiernach darf man annehmen, dass kein Chlorstickstofâ, sondern
nur Chlorwasserstoff gebildet worden war.
Anmerkung 3. FĂŒr diese vergleichenden Versuche genĂŒgt es,
die Aequivalenz des verwendeten Eisenvitriols und Doppelsalzes gegen
ChamÀleon zu constatiren. Arbeitet man nur mit Eisenvitriol, und muss
man daher auf seine volle richtige Zusammensetzung rechnen, so ist zu
bemerken, dass nicht alle gut aussehenden Eisenvitriole normal beschaffen
sind. Sie können je nachdem sie aus mehr oder weniger saurer, oder
aus der Mutterlauge krystallisirt sind, bis auf 93 Proc, Normalgehalt
heruntergehen,, also 7 Proc. saures, gewöhnlich auch oxydhaltiges Wasser
anhÀngend und eingeschlossen enthalten, selbst die lufttroeknen Krystalle
der ersten Krystallisationen schwanken zwischen 4, bis 2 oder 3 Proc,
Wassergehalt. Auch der prÀeipitirte ist nicht immer zuverlÀssig. : Man
muss also wissen, wieviel normalem Eisenvitriol der zu den Analysen
verwendete entspricht, und man erfÀhrt dies leicht, wenn man ihn durch
eine ChamĂ€leonlösung prĂŒft, deren Werth durch OxalsĂ€ure festgestellt ist.
FĂŒr diesen Fall sind 63 (1 Aeq.) kryst. OxalsĂ€ure â 278 (2 Aeq.) kryst.
Eisenvitriol. Diesen geprĂŒften Eisenvitriol hebt man sich zu den vor-
kommenden Analysen auf; war er richtig dargestellt, d. h. aus richtig
saurer Lauge gut krystallisirt, ungewaschen und so getrocknet, dass er
nicht verwitterte, klar wasserblau aussehend, so wird er sich jahrelang
halten und bei wiederholter PrĂŒfung unverĂ€nderten Gehalt ergeben, der
ĂŒbrigens in besonderen FĂ€llen leicht bestimmt werden kann.
Ueb. d. Chromogen d. Boletus eyanescens u. ander. auf frisch. Brucheete, 107
Hat man viele Analysen zugleich zu machen, so verfÀhrt man am besten,
indem man nach GrĂ€gerâs praktischem Vorschlag eine grössere Menge
Lösung des gerade vorhandenen Eisenvitriols bereitet, ihren Oxydulwerth
durch auf OxalsÀure: gestelltes ChamÀleon bestimmt, und von dieser Lö-
sung zu allen gleichzeitigen Analysen verwendet. Man muss die Lösung
sofort stark sauer machen, denn eine neutrale oder schwachsaure Eisen-
vitriollösung hÀlt sich an der Luft kaum eine Stunde unverÀndert.
Anmerkung 4. Bei weitem nicht in diesem Grade, aber doch
nachweisbar schwÀcher ist die oxydirende Kraft des Chlors auch beim
Eisenvitriol, wenn derselbe in sehr viel Wasser, z. B. 1: 1000 gelöst ist,
Eine Bemerkung hierĂŒber findet sich schon bei Löwenthal und Lenssen
a. a. O., und ich muss sie bestÀtigen. Allein ich sehe andrerseits gar kei-
nen Grund, die Eisenlösungen so stark zu verdĂŒnnen, zumal erstens die
Beurtheilung des zur FĂ€rbung einer grossen Menge FlĂŒssigkeit erforder-
lichen ChamÀleons neue Fehler einschliesst, und zweitens selbst das Cha-
mĂ€leon bei so grosser VerdĂŒnnung nicht normal auf Eisenoxydul wirkt.
So verbrauchte ich auf 10 C.C. Eisenlösung ohne weiteres Wasser 38,3 (.C.
einer ChamĂ€leonlösung, bei der VerdĂŒnnung mit 1 Liter Wasser aber,
und mit genauester BerĂŒcksichtigung der zur FĂ€rbung nöthigen Menge,
39,4 C.C.
Ich halte nicht fĂŒr nöthig, die von mir angefĂŒhrten Eisenlösungen
noch weiter zu verdĂŒnnen, als dies bei Chlorwasser- und Chlorkalkpro-
ben durch die chlorhaltigen FlĂŒssigkeiten ganz von selbst geschieht.
Ueber das Chromogen des Boletus eyanescens und
anderer auf frischem Bruche blau werdenden Pilze.
Von Dr. Hermann Ludwig, a. Prof. in Jena.
Mit Schreiben vom 24. Septbr. 1870 ĂŒberschickte mir
mein werther Freund, Herr Apotheker Dr. Gonnermann in
Neustadt bei Coburg eine Portion frischer, unversehrter Exem-
plare von Boletus cyanescens, welche er Tags vorher
auf einer Excursion fand, mit der Bitte, Versuche anzustellen,
um die Ursache der so tiefen indigblauen Farbe zu
ermitteln, welche dieser Pilz sowohl bei der BerĂŒhrung als
beim Zerbrechen unter dem Einflusse der atmosphÀrischen
Luft erleidet und welche spÀter wieder verschwindet.
âSeit Jahren (schreibt mir Derselbe spĂ€ter) machte es
ınir VergnĂŒgen, auf meinen Pilzexcursionen die Boleti
108 Ueb. d. Chromogen d. Boletus eyanescens u. ander. auf frisch. Bruche etc.
cyanescens Bulliard, pierodes, Satanas luridus
SchÀffer, calopus Persoon und pachypus Fries, wenn
ich sie antraf, durch einen Seitenhieb mit meinem Stocke
zu zertrĂŒmmern, um an den Fragmenten die sofortige Ver-
Ànderung der weissen Fleischsubstanz in gesÀttigtes Indigblau
zu beobachten. In den BĂŒchern ĂŒber Pilze wurde bisher
diese Erscheinung entweder einem etwaigen Anilingehalte
oder einer Cyanverbindung zugeschrieben.
Auch Boletus rufus und die VarietÀt des Boletus
variegatus Sw. mit den braunen Röhren gehört hierher.
Boletus scaber Bull. (aurantiacus), der Capuziner,
ein schöner, essbarer Pilz, mit sehr zartem, weichen Fleisch,
fÀrbt sich, zerschnitten, beim Bruch im Wasser oder getrock-
net, erst grau, dann ganz schwarz. Mit Alkalien ĂŒbergossen,
fÀrbt er sich anfangs krapproth, dann braun, spÀter schwarz.
Er verdient ebenfalls eine Untersuchung. â
Th. Husemann (medicin. Bedeutung der Pilze, Archiv d.
Pharm. 1865, II. R. Bd. 124, S. 89 und 215) zÀhlt eine ganze
Reihe von Boletusarten auf, welche beim Bruche ihre Farbe an
der Luft nicht Àndern (Boletus edulis, bovinus, sub-
tomentosus, granulatus, luteus, regius, ovinus,
frondosus, umbellatus, pes caprae, artemidorus und
hepaticus). Dem giftigen Boletus luridus Fries
kommt dieser Farbenwechsel zu; sein Fleisch ist weiss oder gelb-
lich und geht beim Bruche ms Dunkelblaue ĂŒber; aber auch
einigen essbaren z. B. dem Boletus variegatus,fre und
cyanescens, die natĂŒrlich besser gemieden werden, als dass
man sich durch Verwechselung einer Vergiftung aussetzte.
In seinem Handbuche der Toxikologie 1862, 8.394 bemerkt
Derselbe zu dem sogenannten Kennzeichen der Giftigkeit eines
Pilzes, der wechselnden Farbe seines Fleisches:
nicht alle Boleten, welche blau anlaufen, sind giftig; Boletus
subtomentosus und die 3 ebengenannten zeigen diese
FarbenÀnderung, ohne giftig genannt werden zu können.
Boletus scaber L. lÀuft schwÀrzlich an und ist doch
unschÀdlich. Dem Boletus Satanas Lenz wird besondere
Giftigkeit zugeschrieben, ferner B. pachypus, cal opus,
Ueb. d.Chromogen d. Boletus eyanescens u. ander. auf frisch. Bruche ete. 109
erythropus, torosus und lupinus, ĂŒber deren toxi-
sche Eigenschaften aber besondere Beobachtungen nicht
bestehen.
Der Geruch des Boletus pachâ'ypus Fries ist wanzen-
artig, sein Geschmack bitter; Boletus lupinus Fr. besitzt
sÀuerlichen Geschmack (Husemann a. a. O. S. 380).
Nach Schönbein (Philosoph. Magaz. IV. Ser. II. Vol.,
Nro 70, S. 137; daraus im Chem, Centralblatt, vom 9, Juli
1856, Nr.32, S.512; auch in Rochledersâ Chem. u. Phy-
siologie d. Pflanzen 1858, S. 98) enthÀlt der alkoholische
Auszug von Boletus luridus und Agaricus sangui-
neus eine farblose Substanz, die sich gegen Ozon wie Gua-
jaktinctur verhÀlt und sich blau fÀrbt. Der ausgepresste Saft
enthÀlt eine Substanz, die den gewöhnlichen Sauerstoff in
Ozon umwandelt. Der alkoholische Auszug wird durch gewöhn-
lichen Sauerstoff nicht blau, aber sogleich, wenn man vom
ausgepressten Safte dazu setzt. Derselbe Saft giebt auch an
Guajaktinetur sein Ozon ab und ozonisirt- sich aufs Neue. Man
kann ihn daher fĂŒr einen OzontrĂ€ger ansehen,
Am 26. Septbr. 1870, noch denselben Tag, an wel-
chem ich die frischen Pilze erhalten hatte, nahm ich sie in
Untersuchung. Sie waren Àusserlich gelb, auf dem frischen
Bruche weiss, Ànderten aber rasch ihre Farbe in tiefblau.
Ihr Gewicht = 371 G. Sie wurde unzerkleinert in
ein weitmĂŒndiges Glas gegeben, hierin mit 500 0.C. Wein-
geist von 92 Vol, °/, Gehalt ĂŒbergossen, unterhalb des
Weingeistâs zerdrĂŒckt und mit einer Glasplatte bedeckt
bis zum 6. October maceriren gelassen. Jetzt wurde der
brÀunlichgelbe weingeistige Auszug abgepresst und filtrirt,
wobei er sich etwas grĂŒnlich fĂ€rbte, wĂ€hrend der Filter-
rand rein blau gefÀrbt erschien.
Als eine Probe des weingeistigen Auszuges mit Salz-
sĂ€ure angesĂ€uert wurde, verschwand die grĂŒnliche FĂ€rbung,
das Gemisch erschien gelb und blieb auch nach dem Kochen
gelb. Unterschied von dem Rhinanthin und dem Chromogen
in Melampyrum arvense, die dabei blau und grĂŒn werden,
110 Ueb. d.Chromogen d. Boletus eyanescens u. ander. auf frisch. Bruche ete,
Auf Zusatz von Ammoniak wurde der weingeistige
Auszug ebenfalls gelb.
Am Rande des weitmĂŒndigen Clases, in welchem die
Maceration statt gefunden, hatte sich ein kystallinischer
Anflug abgesetzt. Eisenchlorid fÀllte den weingeistigen
Auszug graugelb, Bleizuckerlösung schwach grĂŒnlichgelb,
Von dem filtrirten weingeistigen Auszuge wurde der
Weingeist aus einer Glasretorte im Wasserbade abdestillirt,
der wĂ€ssrige RĂŒckstand aus der Retorte in eine Porzellan-
schale gegeben und im Wasserbade bis zum â dĂŒnnen Syrup
eingedunstet.
Aus diesem hatte sich nur wenig ölig harzige Sub-
stanz abgeschieden. Der Syrup wurde mit kaltem Wasser
verdĂŒnnt, filtrirt und abermals im Wasserbade concentrirt.
Eine Probe der brÀunlichgelben, wÀssrigen Lösung gab mit,
einer Lösung des unterchlorigsauren Natrons die
schönste intensiv indigblaue FÀrbung; sie musste also das
Chromogen des Boletus eyanescens noch unverÀndert enthalten
und getrennt von der Substanz, welche die Veranlassung
ist, dass dieses Ohromogen mit ihr und atmosph. Luft in Be-
rĂŒhrung sich blĂ€ut.
Die mit Weingeist extrahirte Pilzmasse gab, mit kal-
tem Wasser ausgezogen, eine schleimige Lösung, die sich
mit unterchlorigsaurem Natron nicht blau, sondern braun
fÀrbte.
Unter einer Glasglocke ĂŒber concentrirter SchwefelsĂ€ure
stehen gelassen, erstarrte der das Chromogen enthaltende Sy-
rup zu schönen, concentrisch strahlig gruppirten Krystallen
(7. Oct. 1870). Diese Krystalle, von der Mutterlauge durch
Pressen zwischen weissem Filterpapier getrennt und umkrystal-
lisirt, wurden farblos, schmeckten sĂŒss und fĂ€rbten sich mit
unterchlorigsaurem Natron nicht mehr. Sie wurden als Man-
nit erkannt. Die gelbbrÀunliche Mutterlauge fÀrbte sich aber
immer noch intensiv blau âdurch unterchlorigsaures Natron.
Sie wurde mit absolutem Alkohol und dann mit Aether
vermischt und hierdurch in einen ungelösten, zÀhen, etwas
fleischbrĂŒhartig, sĂŒsslich kratzend schmeckenden Theil und in
Ueb, d. Chromogen d. Boletus eyanescens u. ander. auf frisch. Bruche ete. 111
eine goldgelbe Lösung zerlegt. . Diese letztere liess beim
Verdunsten einen geringen, gelben, amorphen RĂŒckstand, der
auf Zusatz von unterchlorigs. Natron intensiv grĂŒn braun
gefÀrbt wurde.
Die wÀssrige Lösung des Uhromogens röthet deutlich
das blaue Lackmuspapier und ist brÀunlich gelb gefÀrbt.
Seine concentrirte Lösung wird, mit einigen Tropfen
unterchlorigs. Natrons vermischt, tiefblau gefÀrbt, bei Ver-
dĂŒnnung durchsichtig blau ins Violette, beim Stehen nach eini-
gen Minuten verblassend.
Eine verdĂŒnntere Lösung wird durch Na0,ClO erst
grĂŒnlich, dann grĂŒnlichblau , reinblau, violett und zuletzt dun-
kelbraun.
In einer sehr verdĂŒnnten Lösung entsteht durch NaO,C10
keine blaue, sondern sogleich eine intensiv braune FĂ€rbung.
Mit SalzsÀure angesÀuert, entsteht keine FarbenÀnde-
rung, auch nicht nach Zusatz von Natronlauge bis zur alkali-
schen Reaction. Nun unterchlorigsaures Natron zugefĂŒgt,
giebt ebenfalls keine VerÀnderung der gelben- Farbe der
Mischung.
Die wÀssrige Lösung des Chromogens giebt mit Eisen-
vitriollösung keine Reaction, fÀrbt sich durch Eisen-
chloridlösung nur blÀulich, ebenso durch ein Gemisch
aus EisenchlorĂŒr und Eisenchlorid; durch Eisen-
vitriol nebst ĂŒberschĂŒssiger Natronlauge blĂ€ulich,
ebenso durch Eisenchlorid und Natronlauge, und durch
Eisenvitriol, Eisenchlorid und Natronlauge; alle 3
eisenhaltigen Gemische, mit SalzsÀure angesÀuert, gaben rein
gelbe Lösungen. Es ist also weder BlausÀure, noch
EisenblausÀure zugegen.
Uhromsaures Kali, saures, bewirkt keine VerÀnde-
rung in der wÀssrigen Lösung des Ohromogens; so wie aber
eine kleine Menge freier SchwefelsÀure dazu gemischt wird,
entsteht ein gelbgrĂŒner Niederschlag.
Uebermangansaures Kali verliert durch die Chro-
mogenlösung rasch seine violette Farbe und giebt ein braunes
(Gemisch.
112 Ueb. d.Chromogen d, Boletus eyaneseens u. ander. auf frisch. Bruche ete.
Bleihyperoxyd, mit Wasser und Ohromogen angerie-
ben, giebt blÀuliches Gemisch und beim Ablagern des Blei-
oxyds bleibt eine grĂŒne Lösung darĂŒber stehen.
Essigsaures Kupferoxyd giebt einen gelblich grĂŒ-
nen Niederschlag.
Salpetersaures Silberoxyd einen zartflockigen,
durchaus nicht kÀsigen Niederschlag, mit brÀunlicher Farbe
in Ammoniak löslich, mit NOŸ angesÀuert, klar bleibend; beim
Stehen schieden sich zarte Flocken aus.
Goldehlorid fĂ€rbt sich auf der Stelle grĂŒn unter Re-
duction von Gold. Mit Platinchlorid giebt die wÀssrige
Chromogenlösung keine FÀllung, auch nicht nach Zusatz von
SalzsĂ€ure; sobald aber Weingeist zugefĂŒgt wird, entsteht
eine starke gelbe TrĂŒbung.
Als in die concentrirte Platinchloridlösung die extract-
förmige Chromogenlösung eingerĂŒhrt wurde, entstand eine trĂŒbe,
gelbe Mischung, aus der beim Stehen sich ein gelber Nie-
derschlag, unlöslich in Weingeist, absetzte.
Mit 90 procentigem Weingeist ĂŒbergossen, löste sich von
dem Chromogen ein kleiner Theil; diese Lösung wurde durch
Platinehlorid krÀftigst gelb gefÀllt; aber dieser in star-
kem Weingeist gelöste Theil wurde durch unterchlorig-
saures Natron nicht blau, sondern nur noch roth gefÀrbt.
Der im kalten 90%, tigem Weingeist nicht gelöste Theil blÀute
sich noch krÀftigst durch unterchlorigs. Natron.
GerbsÀure giebt m der wÀssrigen Lösung des Ohromo-
gens erst TrĂŒbung, dann flockige FĂ€llung.
Mit Aetzkalk erhitzt, entwickelt das Chromogen reich-
liche ammoniakalische DĂ€mpfe als Zersetzungsproduct, ist
also stickstoffhaltig.
So weit reichte das zur Untersuchung vorliegende Ma-
terial. Kleine Mengen des Chromogens, von Filtrirpapier auf-
gesaugt und aufgehoben, zeigen heute noch (d. 30. Dee. 1871)
die schöne Reaction mit unterchlorigs. Natron (VerÀnderung
der gelben FĂ€rbung in intensives Blau).
Nach T. L. Phipson (Compt. rend. LI, 107; Repert.
chim. pure II, 346; Dingl. polyt. Journ. 157, 316; Kopp-
Ueb. d. Chromogen d. Boletes eyÀanescens u. ander. auf frisch. Brucheete. 113
Willâs Jahresbericht d. Chemie, 1860 S. 348) enthalten mehre
Arten der Gattung Boletus (Boletus cyanescens und
luridus), deren inneres Gewebe nach dem Zerreiben an
der Luft lebhaft, aber vorĂŒbergehend indigblau wird, Ani-
lin. Er findet, dass die fÀrbende Substanz, welche in dem Pilze
in farbloser Verbindung ist, sich in Alkohol löst, nur wenig
mit Wasser sich mischt, an der Luft verharzt und insofern
die Eigenschaften des Anilins besitzt, als sie mit Oxydations-
mitteln dieselben FĂ€rbungen erzeugt, wie das Anilin oder
dessen Salze. Will fĂŒgt diesen Angaben die Bemerkung
âbei: âdass die fragliche Substanz wirklich Anilin ist, ergiebt
sich aus Phipsonâs Andeutungen nicht mit Bestimmtheit.
Meine eben mitgetheilten Beobachtungen theilte ich am
23. Juli 1871 Herrn Dr. Gonnermann mit und erhielt von
Demselben am 14. August d. J. folgende Bemerkungen, die
er mir freundlichst gestattete zu veröffentlichen. âIch bin
erfreut, schreibt Derselbe, dass meine Versuche im vorigen
Herbst, die ich mit anderen Pilzen angestellt habe, durch
Ihre Mittheilung vom 23. Juli d. J. ihre BestÀtigung gefunden
haben.
Nachdem ich Ihnen den Boletus cyanescens ge-
schickt, fand ich kurz darauf Boletus luridus, der beim
Bruch und Druck auch sogleich dunkelblau anlĂ€uft; ich ĂŒber-
goss ihn mit Alkohol und erhielt eine schön blaue
Tinctur.
Beim Verdampfen schwand jedoch rasch die blaue Farbe
und Ă€nderte sich in eine gelbbraune um. Zur dĂŒnnen
Extractdicke abgedampft und das Extract mit Alkohol ausge-
kocht, lieferte es beim Erkalten schöne Mannitkrystalle
(wovon ich Ihnen ein Pröbchen beifĂŒge), Der mit Alkohol
ausgezogene RĂŒckstand, in Wasser gelöst, verhielt sich gegen
SĂ€uren ohne blaue Farbenreaction. Da ich nun eine Anilin-
Verbindung vermuthete, so reagirte ich mit einer Lösung von
Calcaria hypochlorosa; es verschwand aber nur die
braune Farbe.
Rein zufÀllig liess ich einige Tropfen in eine mit Na-
ironlösung versetzte Probe fallen, wodurch sofort die FlĂŒssig-
Arch, d, Pharm. CXCIX, Bds, 2. Hft, 8
114 Ueb. d. Chromogen d. Boletes eyanescens ĂŒ. ander. auf frisch. Bruche ete.
keit sich blau fÀrbte. Ich bereitete mir desshalb alsbald eine
Lösung von Natr. hypochlorosum (aus kohlens. Natron
und Chlorkalk) und bekam hiermit sofort eine blaue Reaction.
Ich schloss daraus, dass diese blaue Reaction der Pilze einem
Chromogen zugeschrieben werden mĂŒsse, welches darin
durch BerĂŒhrung mit Sauerstoff oder Ozon verĂ€ndert und
geblÀut wird. Ich theilte diese meine Beobachtung ganz
kurz dem Dr. Rabenhorst mit, weil dieser einsOyanver-
bindung in der blauen Farbe vermuthete.
Auf diese Beobachtung hin habe ich im vorigen Herbst
auf dieselbe Weise noch Boletus rufus, B. Satanas,
B. pachypus, B. calopus und die VarietÀt des Boletus
variegatus mit den braunen Röhren untersucht und bei
allen mit dem blossen weingeistigen Auszuge durch Zusatz
von Natr. hypochlorosum eine mehr oder weniger blaue
Reaction erhalten. Nun erhalte ich Ihren Brief und sehe zu
meiner grossen Freude, dass ich auf dem richtigen Wege
gewesen bin. Ihre mir zugeschickte Probe giebt jedoch eine
so intensiv dunkle Reaction, wie ich sie nicht erzielt habe, denn
die wÀssrige Lösung des Extractes ist so dunkel, dass das Blau
nicht so frei hervortritt und verdĂŒnne ich die Lösung, so wird
die Reaction zu schwach im VerhÀltniss zu der Reaction der
frischen Pilze. Es wÀre nun möglich, dass durch das Ver-
dampfen des weingeistigen Auszugs in der WĂ€rme das Chro-
mogen verÀndert und dadurch die Reaction geschwÀcht, resp.
theilweise zerstört wĂŒrde Die Verdampfung an freier Luft
der sich selbst ĂŒberlassenen Tinctur, wĂŒrde die FlĂŒssigkeit
zu Jange der AtmosphÀre aussetzen und diese möglicherweise
auch nachtheilig darauf einwirken. Ich habe das verdĂŒnnte
Extract mit Kohle behandelt, aber kein besseres Resultat,
dagegen den Mannit damit ziemlich weiss erhalten.
Zu bemerken ist noch, dass bei den blau anlaufenden
Pilzen nach lÀngerem Liegen an. der Luft die blauangelaufe-
nen Stellen sich wieder entfĂ€rben.â
Einem spÀteren Briefe des Herrn Dr. Gonnermann
vom 5. October d. h. entnehme ich noch folgende Beobach-
tungen:
Ueb, d. Chromogen d. Boletus eyanescens u. ander. auf frisch. Brucheete. 115
âZuerst stellte ich Versuche mit einem Boletus luri-
dus an, bereitete mir eine Tinctur daraus, indem ich in eine
Porzellanschale 90 procentigen Weingeist brachte und die-
sem der Pilz in höchst feinen, dĂŒnnen Schnitten
zusetzte, so dass derselbe vom Weingeist bedeckt wurde;
andrerseits zerrieb ich in einem Porzellanmörser
einen Pilz zu Brei, ĂŒbergoss ihn nun mit 90 proc. Wein-
geist und stellte beide Proben bedeckt 24 Stunden bei
Seite.
Sowohl beim Einschneiden des Pilzes, als auch beim Zer-
reiben desselben in Weingeist gebracht, fÀrbte sich derselbe
sofort dunkelblau, die Farbe ging jedoch bald in BlaugrĂŒn
ĂŒber und nach 24stĂŒndiger Maceration wurde die Farbe
schmutzig grĂŒngelb.*) Da beide AuszĂŒge gleiche Farbe hat-
ten, so presste ich beide AuszĂŒge durch ein vorher nochmals
ausgewaschenes, reines Colatorium, benetzte den RĂŒckstand
nochmals mit Weingeist, presste abermals und vereinigte die
AuszĂŒge; nach dem Filtriren wurden sie in eine Porzellan-
schale im Wasserbade bis zur Extractdicke abgedampft und
ein schönes hellbraunes Extract erhalten. Da frĂŒhere Ana-
Iytiker Pilzzucker, spÀtere, wie E. Boudierim Agaricus
campestris Mannit und Kohlrausch in Morchella
esculenta, Tuber cibarium ete. auch Mannit gefunden
hatten, so versuchte ich auch hier Mannit nachzuweisen. Ich
kochte daher die Extracte mit 90 procent. Weingeist aus,
welcher dabei eine gelbe Farbe annahm. Vom RĂŒckstande
abgegossen, erkalten gelassen, schied sich eine reichliche
körnig-krystallinische Kruste am Boden, so wie einzelne
Krystallgruppen an der Wand des Glases aus. Diese, da sie
brÀunlich gefÀrbt waren, mit Weingeist und Kohle behandelt,
lieferten beim Erkalten reichliche Mengen weisser Krystalle,
die sich wie reiner Mannit verhielten.
*) Um diese FÀrbung der Pilzmasse durch die Luft möglichst zu
vermeiden, zerdrĂŒckte ich, wie oben mittgetheilt, die unverletzt in
Weingeist eingesenkten Pilze unter dem Weingeiste. H.L.
g*
116 Ueb. d. Chromogen d, Boletus eyanescens u. ander. auf frisch. Bruche ete.
Das mit Weingeist ausgezogene Extract löste sich in
Wasser vollkommen auf und hatte einen faden, schwach
-bitterlichen Geschmack. Um auf Cyan zu prĂŒfen, wurde ein
Theil der Lösung mit Argent. nitric. behandelt, jedoch
kein Cyansilber erhalten; ebensowenig erhielt ich mit Pikrin-
sĂ€ure und Kalihydrat eine rothe FlĂŒssigkeit; Cyan war
sonach nicht nachweisbar.
Ein anderer Theil der Extractlösung mit Chlorkalk-
Lösung versetzt, brachte keine FarbenverÀnderung hervor;
dieser Mischung etwas SalpetersĂ€ure zugefĂŒgt, wurde
die FlĂŒssigkeit durch das frei gewordene Chlor theilweise
entfÀrbt.
Einem dritten Theile der Extractlösung wurde Natr.
earbonic. zugefĂŒgt, wodurch keine VerĂ€nderung bemerklich
wurde; beim Zutröpfeln eine Chlorkalklösung bemerkte ich
jedoch eine blaue FĂ€rbung der FlĂŒssigkeit.
Einer vierten Probe der Extractlösung fĂŒgte ich nun
tropfenweise eine wÀssrige Lösung von unterchlorigsau-
rem Natron hinzu und erhielt sofort eine deutliche blaue
FĂ€rbung. Weitere Versuche wurden dadurch verhindert, dass
der Rest der Extractlösung beim Aufbewahren durch Schim-
melbildung verdorben war.
Ich suchte mir daher frisches Material zu verschaffen,
fand jedoch keinen Boletus luridus, sondern einen Boletus
pierodes, mit welchem ich die Versuche wiederholte Zu
meiner Freude sah ich die blaue Reaction durch
unterchlorigsaures Natron auch hier wieder
erscheinen.
SpÀter fand ich noch Boletus calopus, Satanas
und B. pachypus, welche mir dieselben Resultate lieferten;
sogar die VarietÀt des Boletus variegatus mit den engen
braunen Röhren, welcher beim Zerbrechen ebenfalls blau an-
lÀuft, gab eine ganz gelbe Tinctur, die aber, obgleich sehr
schwache, doch deutlich erkennbare blÀuliche Reaction gab.
Mannit fand ich in allen diesen untersuchten Pilzen.â
(A. Gonnermann).
Untersuchung deutscher und auslÀndischer Weine. Er
Mit einem Reste des beim Aufbewahren krystallinisch
gewordenen brÀunlichgelben Extractes, in welchem das Chro-
mogen des Boletus cyanescens noch krÀftigst durch
unterchlorigsaur. Natron in Blau verwandelt werden konnte,
machte ich noch einen Versuch, um etwa vorhandenes Anilin
zu isoliren. Das Extract wurde mit Natronlauge bis zur
deutlich alkalischen Reaction versetzt und nun mit Aether
mehrmals ausgeschĂŒttelt. Der klar abgehobene Aether wurde
mit SalzsÀure bis zur deutl. sauren Reaction versetzt, dann
verdunstet. Der saure RĂŒckstand gab, mit Natronlauge alka-
lisch gemacht, bei gelindem ErwÀrmen zwar einen ammo-
niakalisch pilzartigen Geruch, blieb aber nach Zusatz von
unterchlorigs. Natron-Lösung durchaus farblos. Auch
ein 2. Versuch mit Resten von ĂUhromogen, die im Filtrir-
papier vom Pressen des Mannits sich befanden, und die durch
unterchlorigs. Natron die schönste BlÀuung annahmen, lie-
ferten, auf gleiche Weise wie das Extract mit Natronlauge
und Aether behandelt, keine Spur von Anilin in der Àtheri-
schen Lösung. *)
Es muss also bis auf Weiteres das Chromogen des
Boletus eyanescens fĂŒr ein besonderes, bisher noch nicht
isolirtes Product der Pilze erklÀrt werden. Herr Dr. Gonner-
mann hat mir seine MithĂŒlfe zur weiteren Verfolgung dieses
Gegenstandes zugesagt.
Jena, den 30. Decbr. 1871. H. Ludwig.
Untersuchung deutscher und auslÀndischer Weine.
Von G. GlÀssner, Apotheker in Kassel.
Im Laufe des vergangenen Jahres ward ich mehrfach
veranlasst, Weine der verschiedensten Art einer eingehenden
*) Bei einer Gegenprobe mit Auilin gab das zum Versuche benutzte,
unterchlorigsaure Natron sehr rasch die schönste violette FÀrbung,
118 Untersuchung deutscher und auslÀndischer Weine.
quantitativen PrĂŒfung zu unterwerfen. Obgleich nun die
Zahl der bereits veröffentlichten Analysen mancher Weine
nicht unbetrĂ€chtlich ist, so glaube ich doch, dass es fĂŒr Viele
Interesse haben wird, ĂŒber eine Anzahl bekannter Weine des
In- und Auslandes specielle Angaben zu besitzen. Werden
doch namentlich die deutschen und französischen Weine jÀhr-
lich in so grossen QuantitÀten versandt, dass sie einen wich-
tigen Factor im internationalen Handel bilden. Weniger
bekannt sind die Schweizer Weine. Ich habe deren sieben,
aus verschiedenen Cantonen stammend, analysirt. Nur diese
Weine, welche ich der GĂŒte des Herrn Apotheker Esche-
rich in Lenzburg, Canton Aargau, verdanke, sind direct vom
Winzer bezogen, alle ĂŒbrigen stammen aus den Kellern hie-
siger Grossweinhandlungen.
Ueber die AusfĂŒhrung der Analysen will ich nur wenige
Worte anfĂŒgen.
Im Allgemeinen folgte ich Mohrâs trefflichem Werke
ĂŒber den Wein, der Spiritusgehalt in Gewichtsprocenten ward
nach dem specifischen Gewichte des Destillates, der Trauben-
zucker mit Kupferlösung bestimmt. Die bei Herstellung des
Weinextractes angewandte Temperatur hat 100° Cels. nicht
ĂŒberschritten. Andere Chemiker nehmen 120° an, ich halte
diese Temperatur fĂŒr zu hoch, als dass sie das Weinextract
ohne Zersetzung ertragen könnte. *)
*) Eine Zusammenstellung der Resultate der bisherigen Weinanalysen
findet sich in Jacob Moleschottâs Physiologie der Nahrungs-
mittel, ein Handbuch der DiĂ€tetik, 2. Aufl. Giessen, Ferberâsche Univ.
Buchh. 1859, S. 227 bis 246,
Die Literatur ĂŒber den Wein in dem Artikel Wein, Liebig - Pog-
gendorff- Wöhlerâs Handwörterbuch der Chemie 1864, Bd. IX, -S. 606.
H.L.
Untersuchung deutscher und auslÀndischer Weine. 119
-â
Gew. %o | %
Name des Weines. Alko- | Trauben- | Freie | Ex- ARE
chole zucker. | SĂ€ure. | tract,
GP Hllhheimer 9,613 | 0,329 | 0,461 | 2463 0,179
68er Laubenheimer | 9,994 0,417 0,563 | 2,736 | 0,198
68er MarkgrÀfler Feaalsz 0,215 0,515 | 1,854 | 0,187
68er Wachenheimer | 8,200 0,491 | 0,558 ; 3,801 | 0,192
68er Bodenheimer 10,542 | 0,333 | 0,441 | 1,874 | 0,186
65er Wachenheimer | 8,984 0,294 | 0,529 | 2,150 | 0,202
65er Erbacher | 9,927 0,510 | 0,515 | 2,628 | 0,190
65er Forster Traminer | 9,569 | 0,474 | 0,561 | 3,444 | 0,182
65er RiĂŒdesheimer | 8,989 0,454 | 0,514 | 2,916 | 0,180
68er DĂŒrkheimer | 7,994 0,263 | 0,480 | 2,166 | 0,171
68er Hambacher 7,183 0,255 | 0,579 | 2,146 | 0,178
68er Niersteiner Rehbacher 8,981 1,252 0,479 | 3,120 | 0,184
68er ZĂŒrcher Seewein 7,094 0,089 | 0,650 | 1,693 | 0,162
Rother Neuenburger 9,630 0,132 | 0,415 | 2,440 | 0,185
65er Casteler v. Schlossberg 8,271 0,125 | 0,550 | 1,795 | 0,178
67er Hallauer (Canton Schaff-
hausen) 8,700 0,104 | 0,381 | 2,505 | 0,274
65er Schloss Lenzburger
Riessling 7,182 0,166 | 0,600 | 2,422 | 0,246
65er Jacobsberger 9,414 0,123 | 0,392 | 2,138 | 0,279
67er Yvorne (Waadt) 9,207 0,167 | 0,533 | 1,824 | 0,195
Tokayer | 16,836 | 11,363 | 0,251
Xeres 20,961 3,571 | 0,427
Malaga 12,461
Petit Medoc Bordeaux 10,543
St. Julien 10,491
Cantenac 9,782
ChÀteau Larose 1,572
Ueber Bereitung von Bleipflaster.
Von F. Kostka, Apotheker in Ronsdorf.
a) Emplastrum Plumbi simplex.
Als ich vor einiger Zeit einfaches Bleipflaster machen
wollte, wog ich mir, um am andern Morgen recht zeitig da-
mit anfangen zu können, am Abende zuvor BleiglÀtte und
Olivenöl in den Pflasterkessel, setzte gleichzeitig schon etwas
Wasser hinzu und rĂŒhrte das Ganze einigemale untereinan-
der. Am andern Morgen war die Pflasterbildung
schon theilweise vor sich gegangen. Das Oel hatte
120 Ueber Bereitung von Bleipflaster.
sich in eine dickliche, grauweisse Masse verwandelt. Nach
kaum anderthalbstĂŒndigem Kochen auf freiem Feuer
war das Pflaster vollstÀndig fertig, wogegen man sonst zur
Beendigung dieser Operation zwei bis drei Stunden gebraucht.
b) Emplastrum Plumbi compositum.
Schon seit vielen Jahren bereite ich das zusammenge-
setzte Bleipflaster nach einer Methode, die auch Hager in
seinem Commentar angiebt, jedoch mit einigen Modificationen
derselben.
Ich bringe die beiden gereinigten Gummi-Harze (Am-
moniacum und Galbanum) mit dem Terpenthin und etwas Was-
ser in einen kupfernen Kessel und erhitze das Ganze unter
stetigem UmrĂŒhren ĂŒber einem gelinden Kohlenfeuer so lange,
bis sich eine Art Emulsion gebildet hat. Alsdann setze ich
Wachs und Bleipflaster hinzu und erhitze unter RĂŒhren wei-
ter, bis dieselben geschmolzen sind.
Auf diese Weise habe ich noch immer rasch und unter
Benutzung nur eines GefÀsses ein sehr schönes Pflaster
erhalten.
Diese Methode wurde mir seiner Zeit vom Ăollegen
Ditgens in Barmen- Rittershausen angegeben und kann ich
dieselbe nur sehr empfehlen.
Den 10. Januar 1872.
Mittheilungen aus der chemischen Fabrik auf Actien
(vormals E. Schering) in Berlin *)
a) Neue PrÀparate.
1) Xylol. Nach einer Notiz in No. 51 der Berliner Klini-
schen Wochenschrift wird das Xylol von dem dirigirenden Arzt
*) Von Herrn Schering als Separatabdruck mitgetheilt, No. 4.
Dee, 1871,
Mittheilungen aus der chemischen Fabrik auf Actien in Berlin. 12]
â in der Königl. Charit@ zu Berlin, Herrn Dr. Zuelzer, mit
Erfolg bei der Behandlung der Pockenkranken angewendet.
Dr. Zuelzer hat bei der Behandlung der Pocken mit
Xylol bisher sehr gĂŒnstige Resultate zu beobachten Gelegen-
heit gehabt, worĂŒber er spĂ€ter selbst eingehendere Mitthei-
lungen zu machen beabsichtigt; er bemerkt aber ausdrĂŒcklich,
dass diese Wirkungen nur bei völliger Reinheit des verwand-
ten Xylols einzutreten scheinen, wÀhrend dem Toluol und
anderen verwandten Stoffen jene Wirkung nicht zukomme.
Die Gabe, in welcher das Xylol gereicht wird, ist bei
Erwachsenen 10â 15 Tropfen, (bei Kindern 3â5 Tropfen),
1â3 stĂŒndlich. Nachtheilige Nebenwirkungen wurden bisher
nicht beobachtet, selbst wenn das Xylol in wesentlich gestei-
gerter Gabe gereicht wurde. Man giebt es am besten so
frĂŒh als möglich bis zur völligen Abtrocknung der (pustulösen)
' Blattern.
Die beste Art der Darreichung des Xylols sind damit
gefĂŒllte Capsules, von denen wir solche zu 3, 5, 8 und 12
Tropfen vorrÀthig halten, auch kann es tropfenweise mit
Wein oder Wasser gegeben werden.
2) Crotonchloralhydrat = C*H?C1?O + H2O bildet
kleine, weisse, leichte, glÀnzende, blÀttrige Krystalle von
eigenthĂŒmlichem, entfernt an Heidelbeeren erinnernden Geruche
und brennendem Geschmacke. Es löst sich sehwierig in kal-
tem, leichter in heissem Wasser, leicht in Alkohol und Aether,
Beim ErwĂ€rmen schmilzt es und verflĂŒchtigt sich vollstĂ€ndig;
die entstehenden DĂ€mpfe reizen die SchleimhĂ€ute, vorzĂŒglich
' die der Augen, heftig. Auch mit WasserdÀmpfen ist es leicht
flĂŒchtig. Concentrirte SchwefelsĂ€ure entzieht ihm das Wasser
und scheidet das reine Ărotonchloral als eine farblose, ölige,
auf der SÀure schwimmende Schicht ab, die beim ErwÀrmen
unter SchwÀrzung und SalzsÀureentwicklung allmÀhlig zer-
stört wird.
Die Reinheit des PrÀparates lÀsst sich leicht feststellen.
Es muss bei 78°C. schmelzen, sich vollstĂ€ndig verflĂŒchtigen
und in Wasser und Alkohol klar lösen. Die wÀssrige Lösung
_ muss neutral reagiren, beim Versetzen mit Silbersalpeter und
122 Mittheilungen aus der chemischen Fabrik auf Actien in Berlin.
SalpetersÀure darf sie kein Chlorsilber ausscheiden und muss
beim Vermischen mit einer Lösung von Àtzenden oder kohlen-
sauren Alkalien eine in Wasser unlösliche, ölige FlĂŒssigkeit
â Allylendichlorid â abscheiden.
Das Crotonchloral wurde zuerst von Kraemer und Pin-
ner durch Chloriren des gewöhnlichen Aldehyds, der dabei
in Crotonaldehyd ĂŒbergeht, dargestellt.
Im Crotonchloral hat Dr. OĂ. Liebreich ein neues
AnÀsthetikum, mit dessen Studium er zur Zeit noch
beschÀftigt ist, entdeckt. Die bisher von Dr. Liebreich an
Thieren und Menschen angestellten Versuche ergaben, dass
man im ĂCrotonchloral ein Mittel hat, das Gehirn in eine
tiefe Narkose zu bringen, ohne die ThĂ€tigkeit des; ĂŒbrigen
Organismus herunterzustimmen, wÀhrend beim Chloral eine
entsprechend tiefe Narkose des Gehirns von einer allgemeinen
AnÀsthesie und Herabsetzung der HerzthÀtigkeit begleitet ist.
3) Apomorphin = C!" H!?T NO? ist von Matthiessen
und Wright eine aus dem Morphin und spÀter auch aus
dem Kodein durch Behandeln mit Salz- oder SchwefelsÀure
erhaltene Base genannt worden. Dieses neue Alkaloid bildet
cine weisse, unkrystallinische Masse, die mit SalzsÀure ein
krystallisirbares, wasserfreies Salz C!? H!7 NO? HCl giebt.
Der Luft ausgesetzt, fÀrbt sich die freie Base durch Sauer-
stoffaufnahme rasch grĂŒn und löst sich dann nur noch theil-
weise in Wasser, welchem sie eine schöne smaragdgrĂŒne
Farbe ertheilt. In Alkohol ist sie mit grĂŒner, in Aether und
Benzol mit schön rosapurpurner und in Chloroform mit vio-
letter Farbe löslich. Das chlorwasserstoffsaure Salz ist in
Wasser leicht löslich.
Vom Morphin unterscheidet sich die Base durch ihre
Löslichkeit in viel Wasser, âvorzĂŒglich kohlensĂ€urehaltigem,
und die Leichtlöslichkeit in Alkohol, Aether und Chloroform.
Aetzende Alkalien erzeugen in den Lösungen des salzsauren
Salzes weisse NiederschlÀge, die im Ueberschuss des FÀllungs-
mittels leicht löslich sind und sich rasch schwÀrzen. Eisen-
chlorid erzeugt eine dunkle AmethystfÀrbung, Silbersalpeter
Mittheilungen aus der chemischen Fabrik auf Actien in Berlin. 123
wird rasch reducirt, SalpetersÀure bewirkt bluthrothe FÀrbung,
die beim ErwÀrmen blasser wird.
Das Apomorphin ist ein nicht irritirendes Emetikum
und krÀftiges Antistimulans. In geringen Dosen innerlich
genommen, oder subcutan eingespritzt, erregt es innerhalb
weniger Minuten Erbrechen und betrÀchtliche Abspannung;
selbst lĂ€ngere BerĂŒhrung der Base mit den HĂ€nden bringt
diese Wirkung hervor.
Das Apomorphin verdient allgemeinere Aufmerksankeit,
da die Möglichkeit vorliegt, dass es in die neue deutsche Phar-
macopöe aufgenommen werde.
4) AusgefĂ€llte Oollodionwolle. Untersuchungen ĂŒber die
Collodionwolle von Camuzet, H. Vogel und van Monck-
hoven haben gezeigt, dass jedes Collodion grössere oder
geringere Antheile von einer noch nicht nÀher bestimmten
(nach Vogel schmierigen, brÀunlichen, bitterschmeckenden,
wahrscheinlich nitrirten) Substanz enthÀlt, welche, da sie in
Wasser löslich ist, in das Silberbad ĂŒbergeht und dieses ver-
unreinigt, Die Gegenwart dieser Substanz scheint auch das
Rothwerden jodirter Collodien, d. h. die Zersetzung der Jod-
metalle, resp. die Ausscheidung von freiem Jod zu veranlassen.
Aus ihrer Auflösung durch Wasser ausgefÀllte Collodionwolle
zeigt, da ihr die in Wasser lösliche Verunreinigung fehlt, diese
UebelstÀnde nicht.
Nach Monckhoven kann ein mit gefÀlltem Pyroxylin
bereitetes Collodion in verschiedener Weise jodirt werden,
ohne dass die Jodmetalle dadurch zersetzt werden; nach H.
Vogel wurde ein solches Collodion zwar zuerst hellgelb,
behielt aber diese Farbe, wÀhrend ein gleichzeitig aus nicht
gefÀlltem Pyroxylin dargestelltes, jodirtes Collodion nach vier
Wochen dunkelgelb wurde. Die gefÀllte Collodionwolle bildet
sehr harte, krĂŒmlige StĂŒcke, welche schwer entzĂŒndlich sind
und sich völlig in Aether - Alkohol auflösen.
194 Mittheilungen aus der chemischen Fabrik auf Actien in Berlin.
b) Mittheilungen aus der Praxis,
1) Schwefelkadmium. In Nr. 3 dieser Mittheilungen war
als bestes Mittel zum GelbfÀrben feiner Seifen des Schwefel-
kadmiums ErwÀhnung gethan. Die FÀrbekraft des Kadmium-
gelb ist in der That so gross, dass seine Verwendung zu
genanntem Zweck selbst bei dem gegenwÀrtig bedeutend
gestiegenen Preise noch lohnend erscheint, vorausgesetzt, dass
das Schwefelkadmium frei ist von Verunreinigungen, welche
seine FĂ€rbekraft beeintrĂ€chtigen. Letzteres dĂŒrfte leider nicht
bei allen in den Handel gelangenden Sorten der Fall sein,
da uns ein Schwefelkadmium im die Hand kam, welches nicht
unbedeutende Mengen Zinkweiss enthielt. Auf eine solche
VerfĂ€lschung aufmerksam zu machen, halten wir fĂŒr unsere
Pflicht, umsomehr als diese Beimischung nicht so leicht der
Ă€usseren Beschaffenheit nach zu erkennen ist. Am leichtesten
ergiebt sich ein solcher Zusatz von Zinkweiss, wenn das frag-
liche Schwefelkadmium mit starkem Essig einige Zeit in der
WÀrme behandelt wird; etwa vorhandenes Zink wird gelöst,
und die Lösung giebt dann, mit Soda ĂŒbersĂ€ttigt, einen weissen
Niederschlag.
2) Schwefelsaures Nickeloxydul- Ammoniak. Schon vor
acht Jahren machte Becquerel auf dieses Doppelsalz (neben
dem entsprechenden Kalisalz) als auf eine zur galvanoplasti-
schen Vernickelung verschiedener Metalle sehr geeignete Ver-
bindung aufmerksam. Von Adams in Boston und Gaiffe
â ist dies neuerdings bestĂ€tigt worden. Die Vernickelung der
verschiedenartigsten metallenen GegenstÀnde hat bei den vor-
trefflichen Eigenschaften des metallischen Nickels in neuester
Zeit eine bestÀndig wachsende Aufmerksamkeit erregt; in
Nord- Amerika bestehen z. B. bereits 10 Fabriken, welche
galvanoplastisch vernickelte GegenstÀnde aller Art in den
Handel bringen, und auch in Deutschland gewinnt der Con-
sum der Nickelsalze fĂŒr diesen Zweck an Ausdehnung. Um
die bei der galvanoplastischen Vernickelung mit obigem Salze
frei werdende SchwefelsÀure zu neutralisiren, giebt man dem
Bade nach Becquerel etwas Ammoniak zu, v. Jacobi in
Mittheilungen ats der chemischen Fabrik auf Actien in Berlin. 125
Petersburg empfiehlt statt dessen eine Anode von reinem
metallischen Nickel zu verwenden. Beim Vernickeln durch
blosses Ansieden wird nach Stolba folgendermaassen verfah-
ren: In einen kupfernen Kessel bringt man zuerst eine con-
centrirte Lösung von Chlorzink, verdĂŒnnt dieselbe mit dem
gleichen Volumen Wasser, erhitzt zum Kochen und. fĂŒgt
tropfenweise soviel SalzsÀure hinzu, bis der durch das Ver-
dĂŒnnen entstandene Niederschlag verschwunden ist. Dann
bringt man eine Messerspitze Zinkpulver hinein, welches
nach Verlauf einiger Minuten ein Verzinken des Metallkes-
sels, soweit er von der FlĂŒssigkeit berĂŒhrt ist, zur Folge hat.
Man setzt nun soviel Nickelsalz hinzu, bis die FlĂŒssigkeit
deutlich gefÀrbt erscheint, legt die zu vernickelnden Gegen-
stÀnde gehörig gereinigt oder polirt hinein und bringt zu
denselben kleine Zinkblechabschnitte oder ZinkdrahtstĂŒcke
derart, dass beim Kochen hinreichend viel BerĂŒhrungspunkte
geboten werden, und erhÀlt das Ganze im Kochen. Das
Nickel schlÀgt sich bald nieder, und nach Verlauf von 15 Mi-
nuten sind die GegenstĂ€nde vollkommen ĂŒberzogen. Man
wÀscht sie nachher mit Wasser und putzt sie mit Schlemm-
kreide.
3) Verwendung des krystallisirten Silbersalpeters fĂŒr pho-
tographische BĂ€der. Schon vor Jahren wurde von competen-
ter Seite fĂŒr photographische SilberbĂ€der der ausschliessli-
chen Verwendung des krystallisirten Silbersalpeters an Stelle
des altherkömmlichen, geschmolzenen und in Stangen gegos-
senen Höllensteins das Wort geredet. Es wurde damals
schon nachgewiesen, dass beim Schmelzen des Silbersalpe-
ters selbst bei grösster Vorsicht es sich nicht vermeiden
lasse, dass kleine Mengen von salpetrigsaurem Silberoxyd
gebildet werden, und dass diese spÀter im photographischen
Bade zur Bildung von Schleiern (d. h. gleichmÀssigen Aus-
scheidungen von SilberniederschlĂ€gen ĂŒber die ganze Nega-
tivplatte) Veranlassung geben, welche selbst durch Zusatz
von SalpetersÀure zum Bade nicht fortgeschafft werden
können. Es kommt noch dazu, dass geschmolzener Silber-
salpeter nicht selten eine stark alkalische Reaction zeigt,
i26 Mittheilungen aus der chemischen Fabrik auf Actien in Berlin.
welche dem praktischen Photographen eine sehr vorsichtige
- und daher nicht leicht zu bewerkstelligende Neutralisation
aufnöthigt.
Im Gegensatz hierzu erweist sich der krystallisirte Sil-
bersalpeter stets absolut frei von salpetrigsaurem Salz, und
die Spuren von SalpetersÀure, welche den Krystallen etwa
anhÀngen, sind bei sonst normaler Reinheit des Silbersalzes
nicht schÀdlich, sondern sogar vortheilhaft, da jedes photo-
graphische Silberbad eine wenn auch ganz geringe Spur freier
SalpetersÀure nöthig hat. :
Da die geschilderten VorzĂŒge des krystallisirten Silber-
salpeters vor dem Höllenstein in Stangen, wie uns die Praxis
lehrt, in letzter Zeit mehr und mehr in Vergessenheit gera-
then sind, erlauben wir uns heute, dieselben wieder in Erin-
nerung zu bringen. Es verdient bemerkt zu werden, dass
sowohl in England und Amerika, als auch zum grössten Theil
in Frankreich fĂŒr die Photographie schon seit vielen Jahren
fast nur das krystallisirte Salz verwendet wird.
4) Englisches Chloroform. In Nr. 3 dieser Mittheilungen
wurde angegeben, dass das sogenannte englische Chloroform,
welches sich durch seine Reinheit auszeichnet, aus Chloralhy-
drat bereitet sei.
Diese Angabe ist von einer englichen Firma in Ăffent-
lichen BlÀttern dementirt worden. Zur ErgÀnzung unserer
damaligen Mittheilung und zum VerstÀndniss der Sachlage
bemerken wir, dass man in England allerdings nicht aus
reinem Chloralhydrat durch Zersetzung mittels Alkalien Chlo-
roform destillirt, sondern mit Umgehung der Darstellung von
reinem Chloralhydrat Methyl-Alkohol mit Chlor sÀttigt und
das rohe Product mit Kalkmilch behandelt.
5) Ohloralhydrat. Die Ueberproduction des Chloralhy-
drates und dessen niedriger Preis werden fĂŒr diesen inter-
essanten Körper gewiss auch noch andere als medicinische
Verwendungen auffinden lassen. Bemerkenswerth dĂŒrfte schon
jetzt die Thatsache erscheinen, dass Chloralhydrat als ein die
FĂ€ulniss verhinderndes Mittel anzusehen ist. Wenn wir
nicht irren, hat man kĂŒrzlich in England beobachtet, dass der
Pyrocatechin im Kino. 127
Körper eines durch den missbrÀuchlichen Genuss von Chloralhy-
drat vergifteten Menschen auffallend lange der FĂ€ulniss wider-
stand. Das Chloralhydrat wirkt jedenfalls in der Weise
antiseptisch, dass es unter Zersetzung in Chloroform und
AmeisensÀure durch die bei Beginn der FÀulniss stickstof-
haltiger Substanzen eintretende Alkalescenz, diese neutralisirt
und dadurch, dass das hierbei freiwerdende dampfförmige
Chloroform den Luftsauerstoff absperrt und die Vibrionen
tödtet. Jedenfalls wĂ€re es sehr wĂŒnschenwerth, Versuche
anzustellen, Fleisch, ebenso Eiweisslösungen (fĂŒr die Kattun-
Druckerei) Leimgallerte etc. im Grossen durch Chloralhydrat
zu conserviren. Nach Dr. E.Jacobsen genĂŒgte !/, °/, Chloral-
hydrat, um eine concentrirte Lösung von getrocknetem
Eieralbumin in Wasser (gleiche Theile) lange Zeit vor dem
Faulen zu bewahren. Es wurde dazu das Chloralhydrat
zuerst in Wasser gelöst und dann das Albumin in dieser
Auflösung durch Einweichen zur Lösung gebracht.
Pyrocatechin im Kino, ein normaler Bestandtheil
der betreffenden Stammpflanzen.
Professor F. A. FlĂŒckiger in Bern bringt Beweise fĂŒr
die Annahme, dass das aus dem malabarischen Kino
(von Pterocarpus Marsupium Roxburgh), aus dem
senegambischen Kino (von Pterocarpus erinaceus
Lamark), und aus dem Kino der Butea frondosa,
durch Aether extrahirbare Pyrocatechin ein normaler
Bestandtheil der genannten Stammpflanzen des Kinoâs sei.
Wiesner fand Pyrocatechn im Eucalyptuskino und
Prof. v. Gorup-Besanez in den herbstlichen BlÀttern der
canadischen Rebe, Ampelopsis hederacea Michaux.
Eissfeldtâs Meinung, dass das von ihm (schon 1854) im
malabarischen Kino gefundene Pyrocatechin ein Product
hoher Temperatur bei Darstellung des Kinoâs sei, ist
sonach nicht stichhaltig. (Berichte der deutschen chem. Ge-
sellschaft zu Berlin, 22. Jan. 1872; Nr. 1, .1â4). H.L,
Il. Toxikologie.
Ueber Vergiftungs- Erscheinungen in Folge des
Genusses von Haferbrod und deren Ursache.
Von O. Becker, Apotheker in Rhaunen.
Von dem hiesigen Arzte wurde mir ein StĂŒck reinen,
sehr festen, sogen. Haferbrodes ĂŒbergeben, um mich, da der
Genuss desselben vergiftungsÀhnliche Erscheinungen hervor-
gerufen hatte, gutachtlich darĂŒber zu Ă€ussern.
Da mir eine genaue Untersuchung des Brodes wegen
mangelnder Zeit fĂŒr jetzt nicht möglich war und da ferner
die mir mitgetheilten Symptome weniger auf eine Vergiftung,
als auf eine Narcotisation schliessen liessen, so liess ich mir
von dem betreffenden, auf einem benachbarten Dorfe wohnen-
den Ackerer eine Portion desselben Hafers, von welchem zum
Brodbacken genommen worden war, zur Untersuchung mit-
bringen.
Der betreffende Hafer war ĂŒberhaupt von minder guter
Beschaffenheit; es fanden sich darin, ausser erdigen Theilen,
die in den BrodfrĂŒchten hĂ€ufiger vorkommenden Verunreini-
gungen mit FrĂŒchten von Agrostemma Githago, Viciaarten
u. A. vor; sodann enthielt der Hafer eine grössere Menge
der SchliessfrĂŒchte von Lolium temulentum, deren Zahl nach
annÀhernder SchÀtzung wohl !/, des Gesammtquantums betrug.
Die den Caryopsen des Lolium noch anhaftenden sehr starken
Grannen liessen mich die FrĂŒchte, als von der VarietĂ€t Lolium
macrochaeton A. Br. herrĂŒhrend, erkennen, die in hiesiger
Gegend nicht selten vorkommt.
Ueb. Vergiftungs-Erscheinungen in Folge des Genusses v. Haferbrod ete, 199
Die grosse Anzahl der vorgefundenen FrĂŒchte von Lo-
lium temulentum â oder dessen VarietĂ€t â, deren giftige
Eigenschaften, wenngleich sie bisweilen bestritten werden, be-
kannt sind, sowie die Thatsache, dass die hier erwÀhnten
Vergiftungserscheinungen nur nach dem Genuss des betreffen-
den Haferbrodes eintraten, gaben meiner anfÀnglichen Ver-
muthung volle BestĂ€tigung, dass in diesem Falle die FrĂŒchte
des Taumellolches die Ursache der bedenklichen Symptome
waren.
Die Erscheinungen, welche auf den Genuss des Brodes,
(welches, nebenbei bemerkt, noch mit Kartoffeln vermengt
war,) eintraten, waren folgende:
Etwa 3 Stunden nach dem Genuss des Brodes_ stellte
sich bei den Personen, welche davon genossen hatten, ein
heftiges Zittern an allen Gliedern ein, starker Schweiss brach
am ganzen Körper, von unten nach oben schreitend, aus, der
Kopf war eingenommen, es bemÀchtigte sich der betr. Leute
ein so starker Schwindel, dass sie zusammenbrachen. Zum
Erbrechen kamen dieselben erst, als sie sich der bekannten
Methode â Kitzeln des ZĂ€pfchens â bedienten.
Der Schwindel wÀhrte volle 3 Stunden, dann verschwand
er, ohne weitere merkliche Störungen in den gewöhnlichen
Functionen des Organismus zu hinterlassen; Leibschmerzen
waren wÀhrend des Verlaufs des Narcotismus nicht eingetre-
ten. Einige Tage nach dem ersten schÀdlich verlaufenen
Genuss des Brodes versuchten die Leute nochmals von dem-
selben zu essen, glaubend, dass sie dasselbe vielleicht in klei-
neren Portionen vertragen wĂŒrden; doch traten auch dann
wieder dieselben Erscheinungen ein wie beim ersten Male, nur
in weniger heftigem Grade.
Arch, d, Pharın, CXCIX, Bds, 2. Hit. )
B. Monatsbericht.
Entdeekung von SalpetersÀure im Wasser.
Man dampft das Wasser nach Blunt zunÀchst unter Zusatz
von kohlensaurem Kali ein, um alles Ammoniak zu vertreiben,
löst den RĂŒckstand in Wasser und bringt die Solution in
einem luftdicht verschlossenen GefÀsse mit Natriumamalgam
in BerĂŒhrung. Das sich durch nascirenden Wasserstoff aus
der SalpetersĂ€ure bildende Ammoniak wird mit Nesslerâs
Reagens nachgewiesen. (The Pharmacist and Chem. Record.
Ohicago. Aug. 1871. p. 182.). W».
Die Zersetzungstemperatur des Schwefelwasserstoff-
gases
liegt nach Jacob Myers (Amsterdam) zwischen 350 und
400°C. und wahrscheinlich am nÀchsten bei der erstgenann-
ten Temperatur. Die bei der Reaction zwischen siedendem
Schwefel und Wasserdampf (wobei sich keine PentathionsÀure,
wohl aber unterschweflige SĂ€ure, wenn auch nur in
verdĂŒnnter Lösung bildet) herrschende Temperatur wird also
jedenfalls niedriger als 400°, vielleicht auch unter 350°C. sein.
Ueber arsenhaltiges Schwefelwasserstoffgas,
Als J. Myers zu den Versuchen ĂŒber die Zersetzung
des HS ein aus Schwefeleisen und Handels - SchwefelsÀure
bereitetes Gas benutzte, fand er jedesmal, selbst bei der Sie-
detemperatur des Quecksilbers einen orangegelben Anflug
in der U-förmigen Röhre, in welcher das HS gas der zerle-
genden Hitze ausgesetzt wurde; dieser Anflug verhielt sich
gegenĂŒber allen Reagentien als Schwefelarsen. Das auf
Ărsenhaltiges Schwefelwasserstofigas. 131
die angegebene Weise bereitete Gas enthÀlt also eine Arsen-
verbindung, am wahrscheinlichsten Arsen wasserstoff-
gas. Diese beiden Gase, die bei der gewöhnl. Temperatur
neben einander existiren können, zersetzen sich nach der
Gleichung 3H?S + 2H?As = As?S? + 12H, wenn die Tem-
peratur erhöht wird, z. B. bis zur Siedetemperatur des Queck-
silbers. :
Das Vorkommen von HÂźAs in solchem HSgase ist be-
dingt durch den Arsengehalt der angewendeten Materialien.
ZunÀchst lag die Vermuthung, dass der Arsengehalt des
FeS zur Bildung des H?As die Veranlassung gewesen sei.
Ein Versuch mit diesem FeS und mit reiner Schwe-
felsÀure gab jedoch auch nach lÀngerem Durchleiten kei-
nen Arsensulfidanflug. Das Arsen stammte vielmehr aus
der SchwefelsÀure. Reines prÀcipitirtes und bei Luftabschluss
erhitztes FeS wurde nach ZufĂŒgung einiger StĂŒckchen arsen-
freien Zinks mit arsenhaltiger SchwefelsĂ€ure ĂŒbergossen und
das so erhaltene Gas durch die U förmige Röhre, die im sie-
denden Schwefel stand, geleitet; nun setzte sich in derselben
der orangegelbe Anflug ab. Dasselbe Resultat wurde erhal-
ten mit reiner verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure, worin reine arsenige
SÀure aufgelöst war.
Wie bekannt, fÀllt HS aus sauren Lösungen sogleich die
arsenige SĂ€ure als Schwefelarsen und das Entstehen von
H°ŸAs kann, wie man bis jetzt glaubte, nur erklÀrt werden
durch die reducirende Wirkung von nascirendem Wasserstoff
auf arsenige SĂ€ure. Ein directer Versuch zeigte, dass nasci-
render Wasserstoff auch frisch gefÀlltes Schwefelarsen reducirt,
so dass das Auftreten von Arsenwasserstoffgas in Schwefel-
wasserstoflgas, erhalten aus Schwefeleisen und arsenhaltiger
SchwefelsÀure, dadurch erklÀrt ist.
Diese Beobachtung hat ihre Bedeutung bei gerichtlichen
Untersuchungen. Niemand, wenn er auch reine SchwefelsÀure
gebrauchte, wĂŒrde sich gefĂŒrchtet haben, arsenhaltige Schwe-
felsÀure anzuwenden zur Entwickelnng von HS behufs eimer
gericht]. Arsenuntersuchung, und oft mag solche auch benutzt
worden sein. Vielleicht stammt auch das im Thierkörper
angeblich aufgefundene Arsen aus derselben Quelle. (Jacob
Myers, Amsterdam, Juni 1871; Annalen der Chemie und
Pharmacie, Juli 1871, 8. 127 â 128.). :
ZUE,
9%
132 Ueber die Fabrikation der Mennige.
Ueber die Fabrikation der Mennige.
Zur UeberfĂŒhrung des Bleioxyds in Mennige wenden die
Fabrikanten im Allgemeinen die nemlichen Oeien an, welche
auch zur Herstellung des Bleioxyds aus Blei benutzt werden,
Das Bleioxyd wird in den oberen Etagen dieser Oefen oder
auch auf der Sohle selbst der Oxydation unterzogen. Die
Ausbeute ist bei dieser Art der Fabrikation ganz allgemein
ausserordentlich gering und die Operation sehr langwierig;
der Erfolg wird ganz wesentl. beeinflusst von den vielen
Temperaturschwankungen, denen ein solcher zu 2erlei Zwecken
dienender Apparat nothwendig ausgesetzt ist. G. Mercier
untersuchte nun, unter welchen Temperaturbedingungen
die Bildung der Mennige vor sich gehe. Er constatirte, dass
sich zwar das Bleioxyd in einer viel kĂŒrzeren Zeit in
Mennige umwandeln lasse, als gewöhnl. auf diese Opration
verwendet wird, dass aber F lammenöfen dazu sehr wenig
geeignet seien.
Die Gegenwart der Flam mengase ist der Mennigbil-
dung hinderlich; schöne Mennige bildet sich nur an den Stel-
len, wo das Material durch die FeuerbrĂŒcke vor der directen
BerĂŒl hrung der Flamme geschĂŒtzt ist. Sodann lĂ€sst sich die
Temperatur eines solchen Ofens nicht constant erhalten; es
findet ein fortwĂ€hrenderâ Wechsel zwischen Bildung und Zer-
setzung der Mennige durch Ueberhitzung statt.
Auf Rivotâs Rath wendete Mercier einen gewöhnl.
Muffelofen an. Die Hauptbedingung â genĂŒgenden Luftzu-
tritt natĂŒrl. vorausgesetzt â ist Constanz der richtigen
Temperatur; denn die Temperaturen, bei welchen das Mas-
sicot Sauerstoff aufnimmt und diejenige, bei welcher die Men-
nige wieder Sauerstoff verliert, liegen sehr nahe bei-
einander.
Die gĂŒnstigste Temperatur zur Mennigebildung ist nahe
der dunkeln Rothgluht, ohne diese jedoch zu
erreichen. _Am raschesten und sichersten ging die Um-
wandlung des Massicots vor sich, wenn die Kanten des Muf-
felofens eben anfingen dunkelroth zu werden; sobald
jedoch die Muffel in erheblicher Ausdehnung zur dunkeln
Rothgluht gelangte, trat Zersetzung der gebildeten Mennige
ein und bei lÀngerem Andauern dieser Temperatur wurde die
Mennige vollstÀndig in eine schön canariengelbe Masse ver-
wandelt.
Aus einer mitgetheilten Tabelle ĂŒber die Ergebnisse eines
Mennigbrennversuches ist Folgendes hervorzuheben. Die in
Ueber die Fabrikation der Mennige, 133
18 Stunden gebildete Mennige war handelsfÀhige Waare, aber
es bedurfte etwas ĂŒber 19 Sunden, um die feurigste NĂŒance
zu erreichen. Bei anderen Versuchen wurde dasselbe Resul-
tat schon in 14 bis 15 Stunden erreicht.
Die Mennige der eilften WÀgung war bedeutend schö-
ner feuriger, als die der zehnten, obwohl das Gewicht sich
nicht verÀndert hatte. Ein Àhnlicher Fall hatte sich bei den
WĂ€gungen 3 und 2 ergeben, woraus zu schliessen, dass bei
der Umwandlung von Massicot in Mennige nicht bloss Sauer-
stoffaufnahme, sondern auch noch eine gewisse Aende-
rung des Molecularzustandes statt hat. Die grösste
Schönheit der Mennige entspricht zwar der. grössten Gewichts-
zunahme des Massicot; aber nachdem das Gewichtsmaximun
erreicht ist, kann durch weiteres Erhitzen die Mennige noch
an Feuer der Farbe gewinnen oder verlieren durch Aende-
rung ihres Molecularzustandes. Die Gesammtmenge des vom
Massicot beim Uebergang in Mennige AUSEnOInmENER Sauer-
stoffs betrÀgt etwa 2 Procent.
Es ist bekannt, dass Mennige beim Durchschlagen durch
Metallsiebe an Feuer verliert und das um so mehr, je öfter
sie das Sieb passirt. Auch diesen Verlust an Feuer muss
man einer moleculÀren VerÀnderung zuschreiben. Die Tem-
peratur bei der Mennigbildung ist immer die gleiche, welche
Art von Bleioxyd man auch anwenden mag; sie geht um so
schneller vor sich und liefert um so feurigere Farbe, je rei-
ner das angewendete Massicot ist; die ordinÀren Sorten
brauchen zur Umwandlung 20 Stunden, wĂ€hrend fĂŒr die rei-
neren 15 bis 18 Stunden genĂŒgend sind. Bleiweiss liefert
eine orangefarbige Mennige, die sich unter denselben Be-
dingungen und eben so schnell wie die gewöhnl. Mennige
herstellen lÀsst. Die in einigen Stunden bereitete Mennige
steht der langsam erzeugten an Feuer der Farbe nicht im
Mindesten nach.
Der passendste Ofen zur Mennigfabrikation ist derjenige,
in welchem die Temperatur am leichtesten constant erhalten
und das Bleioxyd, vor BerĂŒhrung mit der Flamme geschĂŒtzt,
einem continuirlichen Luftstrome ausgesetzt werden kann.
Einen solchen Ofen zum Betrieb im Grossen hat Mercier
construirt: es ist in Wesentl. eine grosse Muffel, umspĂŒlt
von Feuer, welches in einer grossen Zahl von kleinen KanÀ-
len vertheilt ist. Leicht zu handhabende Schieber in den
einzelnen kleinen KanÀlen gestatten, die Hitze in jedem Theile
der Muffel beliebig zu reguliren. Man soll mittelst dieses
Ăfens bei ununterbrochenem Betrieb und gutem Gang etwa
154 Umwandlung von AmeisensÀure in Methylalkohol.
4 Tonnen Memnige in 24 Stunden erzeugen können. (Anna-
len d. Chem. und Pharm. Novbr. 1871; 160. Bd. 8. 252 â
256; im Auszug aus Annales des Mines [6) 19, 1.) .
H.
Umwandlung von AmeisensÀure in Methylalkohol.
In einer vorlÀufigen Mittheilung (Annalen d. Ohemie u.
Pharmacie Januar 1871, 157. Bd. 8. 119) zeigte Eduard
Linnemann (Lemberg, d. 1. Dec. 1870) an, dass es ihm
gelungen sei, aus ameisensaurem Kalk durch trockne Destilla-
tion Methylaldehyd und aus diesem Methylalkohol, Jodmethyl
und benzo&sauren MethylÀther zu erhalten.
Ad. Lieben und Rossi berichten ĂŒber dieselbe Um-
wandlung (im Aprilheft 1871 d. Ann. d. Ch. u. Pharm. 8. 107
bis 111; aber schonâ der Akad. d. Wiss. zu Wien in d. Sitz.
v. 19. Januar 1871 mitgetheilt). Sie unterwarfen fein gepul-
verten ameisens. Kalk, der bei 100° 0. getrocknet worden .
war, in Portionen von 10 Grm. aus Glasretörtehen der trock-
nen Destillation. Die entweichenden Gase und DĂ€mpfe -wur-
den durch ein von KĂ€ltemischung umgebenes U-rohr, das
unten mit einem Abflussrohr versehen war, geleitet. In einer
Ăperationsreihe verarbeiteten sie 100, in einer 2. 150 Grm.
ameisens. Kalk. Das an Menge sehr geringe condensirte
Product besass einen aldehydartigen, zugleich aber auch
empyreumatischen Geruch. Es stellte eine wasserhelle u. z.
Th. wohl auch aus Wasser bestehende FlĂŒssigkeit dar, auf
der eine geringe brÀunliche Schicht schwamm. Mit ammoniak.
Silberlösung gab sie, wie schon E. Mulder (Zeitschr. f. Ohem.
1868, 265) beobachtet hat, eine starke Reduction. Das ge-
sammte Destillat wurde mit der 20fachen Menge Wasser
gemischt und zur Umwandlung in Methylalkohol portionen-
weise Àquivalente Mengen Natriumamalgam und SchwefelsÀure
zugesetzt, wĂ€hrend durch Eiswasser gekĂŒhlt wurde. Als
schliesslich abdestillirt ward, gab das Destillat noch immer
starke Silberreduction und diese konnte selbst durch wieder-
holte Behandlung mit Natriumamalgam und 8503 nicht zum
Verschwinden gebracht werden. Die wÀssrige Lösung wurde
dann von dem unlösl. Oele abfiltrirt und durch eine Reihe
von Destillationen und Zusatz von kohlens. Kali zu den ersten
Fractionen eine flĂŒchtige alkoholische FlĂŒssigkeit abgeschieden,
die alle Eigenschaften des Methylalkohols besass.
Darstellung von absolutem Alkohol. 135
Durch Destillation wurde er noch von etwas höher sie-
dendem, in Wasser unlösl. Oel getrennt und durch Behand-
lung mit geschmolzenem kohlens. Kali, spÀter mit Kalk ent-
wÀssert. Er besass den Geruch von unreinem Methylalkohol,
siedete unter heftigem Stossen bei 66 bis 67°0., war in
Wasser löslich und durch kohlens. Kali daraus abscheidbar.
Die Menge von Methylalkohol, die aus den verarbeiteten
250 Grm. ameisens. Kalk erhalten wurde, betrug nur 3 bis
4 Grm.
Mit rauchender HJ mischte er sich. vollkommen, damit
in einer verschlossenen Glasröhre erhitzt, lieferte er Jodme-
thyl, dessen Analyse © = 8,71, H = 2,16 und J = 88,99
ergab, was gut mit der Formel CH3J stimmt. Es siedete
bei 43 bis 44°, zeigte bedeutendes spec. Gew. (Chlorcaleium
schwamm auf demselben) und den Geruch des Jodmethyls.
Durch ErwÀrmen mit trocknem oxals. Silberoxyd wurde
dieses Jodmethyl in das so charakteristische Methyloxalat
ĂŒbergefĂŒhrt, welches bei stĂ€rkerem Erhitzen abdestillirte und
in der Vorlage sogleich und vollstÀndig zu weissen Krystal-
len erstarrte.
Das Zwischenproducet, den Formaldehyd, haben sie
nicht weiter untersucht, sie schliessen aber aus ihrer Beobach-
tung des Rohproducts, dass er zu den leicht condensirbaren
(Gasen gehören mĂŒsse. Frl:
Darstellung von absolutem Alkohol,
Die bisher gebrÀuchlichen Verfahrungsweisen zur Darstel-
lung grösserer Mengen absoluten Alkohols sind nach E.
Erlenmeyer meist sehr zeitraubend, da die in Anwendung
kommenden EntwÀsserungsmittel, wie kohlens. Kali, ent-
wÀsserter Kupfervitriol, entwÀssertes gelbes
Blutlaugensalz, Aetzkalk, Aetzbaryt u. s. w. dem
Weingeist das Wasser erst bei lÀngerer Einwirkung entzie-
hen. Mit den 3 erstgenannten Substanzen ist es selbst bei
mehrtĂ€giger BerĂŒhrung und hĂ€ufigem SchĂŒtteln nicht möglich,
vollkommen absoluten Alkohol zu erzielen.
Merdelejeff (Zeitschr. f. Chem. 1865, 260) erklÀrt den
Aetzkalk fĂŒr das praktischste EntwĂ€sserungsmittel des
Weingeists. âDie StĂŒcke des Aetzkalks mĂŒssen (nach ihm)
den Weingeist, der mindestens ein spec. Gew. von 0,792 bei
20° haben muss, ĂŒberragen. Nach 2 Tagen ist alles Wasser
136 Synthese des normalen Propylalkohols mittelst Aethylalkohols.
entzogen. Will man aber schon nach 2 bis 3 Stunden destil-
liren, so ist ein vorhergehendes halbstĂŒndiges ErwĂ€rmen auf
50 bis 60° absolut nothwendig.â
Bei diesem Verfahren sind aber nur die mittleren
Portionen des Destillates wasserfrei zu bekommen.
Erlenmeyer hat Mendelejeffs Verfahren dahin abgeÀn-
dert, dass er den Weingeist mit dem Kalk !/, Stunde bis
1 Stunde auf dem Wasserbade am RĂŒckflusskĂŒhler zum
Sieden erhitzt, dann den KĂŒhler umkehrt und den Alkohol
abdestillirt. So erhÀlt man das ganze Destillat was-
serfrei.
EnthÀlt der Weingeist mehr als 5 Proc. Wasser, so ist
es nur nöthig, ihn 2 oder mehremal derselben Behandlung
zu unterwerfen. Ist er sehr wasserhaltig, so darf man nicht
gleich bei der ersten Kochung den Kalk ĂŒber die FlĂŒssigkeit
hervorragen lassen; man fĂŒllt am besten den Raum, welchen
der Alkohol einnimmt, nur zur HĂ€lfte mit KalkstĂŒcken an,
weil sonst das GefÀss durch die rasche Hydratbildung aus-
einander getrieben werden kann. Immerhin lassen sich auf
diese Weise mehre Liter Weingeist in einigen Stunden in
absoluten Alkohol ĂŒberfĂŒhren. (Annalen d. Chem. u. Pharm.
Novbr. 1871, Bd. 160, S. 249 â 250.). A. L.
Man vergleiche H. Wackenroderâs Bemerkungen ĂŒber
die Darstellung des absoluten Alkohols mittelst Aetzkalk.
(Archiv der Pharmacie. Mai 1847. II. R. Bd. 50, S. 162
bis 167.). TERsSE,,
Synthese des normalen Propylalkohols mittelst
Aethylalkohols.
Die Methode, deren sich A. Rossi bediente, um von
dem Aethylalkohol zum Propylalkohol zu gelangen, ist die
nemliche, welche ihm frĂŒher gestattete, den Capronalko-
hol darzustellen (Ann. chim. phys. [3], 40,110) und welche
neuerdings Lieben und Rossi den bis dahin unbekannten
normalen Butylalkohol geliefert hat. Aetliylalkohol
âwurde nacheinander in AethyleyanĂŒr und PropionsĂ€ure
umgewandelt, diese sodann nach der Methode von Piria und
von Limpricht durch Destillation eines innigen Gemisches
von propions. und ameisens. Kalk in Propylaldehyd
Synthese des normalen Propylalkobols mittelst Aethylalkohols. 137
ĂŒbergefĂŒhrt, letzterer endlich lieferte durch Einwirkung nasci-
renden Wasserstoffs den Propylalkohol.
Zur Darstellung von AethyleyanĂŒr wurde gepulvertes
Cyankalium mit AethylehlorĂŒr, das in seinem 3fachen
Gewicht Weingeist von 85° gelöst war, in zugeschmolzeneu
Röhren auf 100 bis 105° erhitzt.
Der Propionaldehyd = ĂâH#O ist eine klare, leicht
bewegliche FlĂŒssigkeit von erstickendem Geruch, in Wasser
löslich, jedoch nicht in jedem VerhĂ€ltniss. Siedet bei 499,5 Ă.
bei 740 M.M. Druck; spec. Gew. 0,804 bei 17°. Er oxydirt
sich leicht an der Luft und redueirt ammoniak. AgO-Lö-
sung unter Erzeugung eines Silberspiegels.
Mit einer cone, Lösung von 2fach schwefligs. Natron
geschĂŒttelt, löst er sich unter WĂ€rmeentwickelung; die Lö-
sung giebt, selbst abgekĂŒhlt, keine Krystalle. Mit Kalı erhitzt,
wird er klebrig, ohne eigentl. zu verharzen. â
Propylalkohol C?HÂź0. Die Umwandlung des Pro-
pionaldehyds in Propylalkohol gelingt am besten genau in der
Weise, wie Lieben und Rossi den Butyraldehyd in Butyl-
alkohol ĂŒberfĂŒhrten, mittelst Natriumamalgam in der durch
SOŸ sauer erhaltenen Propionaldehydlösung.
Um die Bildung öliger Nebenproducte möglichst zu be-
schrÀnken, wurden nur kleine Mengen des Aldehyds auf
einmal in Arbeit genommen. Dann ĂŒbersteigt der Verlust
an Product nicht !/, des aus der Menge des angewandten
Aldehyds berechneten Alkohols. Dieser, durch geschmolzenes
Kali, darauf durch Destillation ĂŒber Natrium entwĂ€ssert, ist
eine farblose FlĂŒssigkeit von stark alkohol. Geruch und bren-
nendem Geschmack, die sich in Wasser in jedem Ver-
hÀltniss löst.
Siedet bei 96 bis 97° unter 743 M.M. Druck. Spec.
Gew. bei 0° â 0,8205. Mit zweifach chroms. Kali und 50°
oxydirt, liefert der Propylalkohol reine PropionsÀure,
deren Silbersalz analysirt wurde.
-PropylbromĂŒrâ= Ă?HâBr. Mit HBr gesĂ€ttigter Pro-
pylalkohol wurde mit einem gleichen Vol. conc. wÀssr, HBr
gemischt und im zugeschmolzenen Rohr bei 100 bis 105°
erhitzt. Das reine PropylbromĂŒr ist eine farblose FlĂŒssigkeit,
im Geruch dem AethylbromĂŒr Ă€hnlich, am Lichte unverĂ€nder-
lich, im Wasser sehr wenig löslich. Siedet bei 71° unter
749 M.M. Druck. Spec. Gew. 1,388 bei 0°C.
PropyljodĂŒr = Ă?Hâ?J wurde erhalten durch gelindes
Erhitzen einer Mischung von Propylalkohol, J und rothem P.
Farblose FlĂŒssigkeit, dem AethyljodĂŒr Ă€hnl. riechend, unlösl.
155 Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge.
in Wasser. Dem Lichte ausgesetzt, fÀrbt es sich allmÀhlig;
siedet bei 102° unter 752 M.M. Druck. Spec. Gew. 1,782
bei 0° Cels.
Propylacetat â (0511092 0>H WON C2TR Od
durch Erhitzung von PropyljodĂŒr mit Silberacetat im zuge-
schmolzenen Rohr bei 100° leicht erhalten. Eine FlĂŒssigkeit
von angenehmem Geruch; sie siedet bei 102° unter 750 M.M.
Dr., zeigt 0,913 spec. Gew. bei 0° und zersetzt sich beim
Krhitzen mit cone, Kalilauge im geschlossenen GefÀsse bei
100° in Propylalkohol und Kaliacetat.
PropyleyanĂŒr wurde erhalten durch Erhitzen von
PropylbromĂŒr oder -jodĂŒr mit Cyankalium und Alkohol im
zugeschmolzenen Rohr, PropyleyanĂŒr, mit Kali erhitzt, liefert
H3N und buttersaures Kali, dessen SĂ€ure mit der GĂ€h-
rungsbuttersÀure identisch zu sein scheint, denn es
stimmte nicht allen die Analyse ihres Silbersalzes mit der
Formel des Silberbutyrats, sondern es gelang auch, nachzu-
weisen, dass ihr Kalksalz zu einer kryst. Masse gesteht, wenn
ılessen kaltgesÀttigte Lösung erhitzt wird, welches Verhalten
lie GÀhrungsbuttersÀure von der IsobuttersÀure unterscheidet.
Die Angaben von Siersch sind nach dem Mitgetheilten zu
berichtigen. (Rossi, Laboratorium d. Univ. Turin; Compt.
»end. 70, 129; daraus in Ann, d. Chem. u. Pharm. Juli 1871;
159, 79.). ID 8:
Ueber den normalen Butylalkchol und seine
Abkömmlinge
haben Ad. Lieben und A. Rossi umfassende Untersuchun-
sen angestellt, die sie in den Annalen d. Chem. u. Pharm.
Mai 1871. Bd. 158, 8. 137â180 veröffentlichten und mit
einer geschichtlichen Betrachtung einleiteten. Als
Wurtz 1852 im Fuselöl den Butylalkohol entdeckte und
1853 noch die Entdeckung des Propylalkohols von Chancel
und die des Caproylalkohols von Faget folgte, da glaubte
man zu einer fast vollstÀndigen Kenntniss der wichtigen Klasse
der Alkohole ©"HŸ+10H und ihrer Abkömmlinge gelangt
zu sein. Indessen musste schonâ damals auflallen, dass der
Siedepunkt des Butylalkohols erheblich tiefer lag (nemlich bei
109°C.) als sich nach seiner Stellung in der Reihe erwarten
liess, Seit jener Zeit hat sich unsere Kenntniss der That-
Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 139
sachen, wie unser theoretischer Gesichtskreis betrÀchtlich
erweitert.
Friedel zeigte (1862), dass Aceton mit nascirendem
Wasserstoff eine Verbindung von der Zusammensetzung des
Propylalkohols liefert, dessen Verschiedenheit vom GĂ€h-
rungspropylalkohol er (1863) nachwies, wÀhrend Kolbe
die Constitution dieser Substanz als emes sceundÀren Al-
kohols interpretirte, als zweifach methylirten Me-
CH3)
thylalkohol CHÂź} COM.
1 |
Wurtz entdeckte (1862) das mit dem Amylalkohol iso-
mere Amylenhydrat CŸH!Ÿ%,H?O und eröffnete die Aus-
sicht auf eine grosse Anzahl solcher neuer isomerer Alkohole,
von denen hier das Butylenhydrat U?H8,H2O von de
Luynes genannt werden mag.
Wurtz betrachtete dieselben als eine besondere Klasse
von Alkoholen, deren wesentliches Merkmal darin liege, dass
sie ebenso wie ihre Aether sich mit Leichtigkeit unter Ab-
gabe von UĂ"H?" zerlegen.
Kolbe trat dieser Ansicht entgegen und an frĂŒhere
theoretische Betrachtungen (Annalen d. Chem. u. Pharm. 132,
102; 1864, ĂŒber die secundĂ€ren Alkohole: der Methyl-
alkohol ist der typische Alkohol, das Garbinoxyd-
hydrat oder kurzweg das Carbinol = C?H!0? â=
H
| 620,HO; durch Substitution eines Wasserstoffatoms
H
durch ein Alkoholradical entstehen die primÀren Alko-
hole z.B. der normale Propylalkohol (Aethylcarbinol)
c+H >)
e==,. H | CG20,HO; durch Substitution von 2 Wasserstofl-
H
atomen durch 2 Alkoholradicale entstehen die secundÀren
C?H?
Alkohole z. B. eh â=Dimethylcarbinol = 2fach
H
methylirter Methylalkohol, folglich die tertiÀren Alkohole
durch Ersetzung aller 3 typischen H-atome durch Alkohol-
radicale), ĂŒber die mögliche Existenz von primĂ€ren, secundĂ€-
ren und tertiĂ€ren Alkoholen anknĂŒpfend, suchte er nachzuwei-
sen, dass das Amylenhydrat ein secundÀrer Alkohol sei.
149 Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömlinge.
Von den Ideen der Vierwerthigkeit des Kohlen-
stoffs (C= 12) und der gegenseitigen Bindung der
Atome ausgehend, welchen namentlich Kekule eine so
breite Bahn in der Wissenschaft gebrochen hat, musste man
nothwendig zur Erkenntniss gefĂŒhrt werden, dass es nur
einen Methylalkoho}, auch nur einen Aethylalko-
hol, aber schon zwei isomere Propylalkohole, 4iso-
mere Butylalkohole u.s. w. geben könne, und gelangte
dazu, ihre Constitution theoretisch zu entwickeln. Trotz
scheinbarer Uebereinstimmung sind jedoch diese Ideen und
das Resultat, zu dem sie fĂŒhren, nicht gleich mit den von
Kolbe gegebenen. Die Zahl der Isomerien, die Kolbe
als möglich annimmt, ist betrÀchtlich grösser, als diejenige,
welche man aus den letzteren Vorstellungen, die von der
Mehrzahl der Chemiker heute angenommen sind, ableitet, und
man darf daher hoffen, dass das Experiment zwischen
diesen widersprechenden Ansichten entscheiden wird. Es wird
dem Fortschritte der Wissenschaft am förderlichsten sein,
vorlĂ€ufig an der einfachsten Hypothese â wobei man
die 4Werthigkeiten des Kohlenstoffs als gleichartig annimmt
und von einem Einflusse der rÀumlichen Stellung der
Atome absieht â festzuhalten und erst dann aufzugeben oder zu
erweitern, wenn neue. genau studirte Thatsachen ihre Unzu-
lÀnglichkeit beweisen.
Als einen wichtigen Beitrag zur Lösung dieser Frage
dĂŒrfen wir die Arbeit von Butlerow ĂŒber den tertiĂ€ren
Butylalkohol anfĂŒhren, den er durch Einwirkung von
Zinkmethyl auf Kohlenoxychlorid oder auf Chlora-
cetyl darstellte Mit HĂŒlfe derselben Methode stellte er,
so wie auch Popoff spÀter noch andere tertiÀre Alko-
hole dar.
Adolph Lieben lehrte auf syuthetischem Wege (durel
EinfĂŒhrung von Aethyl statt Chlor in gechlorten Aether) den
secundÀren Butylalkohol oder Àthylirten Aethyl-
alkohol kennen (1867 und 1869) und wies nach, dass
dieser Körper mit dem Butylenhydrat von de Luynes
identisch sei; es gewann dadurch an Wahrscheinlichkeit, dass
die sogenannten Hydrate von Ă* H?" keine besondere Klasse
von Alkoholen bildeten. Von den 4 isomeren Butylalkoholen,
welche die Theorie vom 4 werthigen Kohlenstoff und von der
Atomenverkettung, in ihrer einfachsten Form angewandt,
vorhersehen liess, waren nunmehr 3 bekannt und ihre Con-
stitution war experimentell mit der Theorie in Uebereinstim-
mung gefunden worden. Um so grösseres Interesse knĂŒpfte
Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 141
sich an die Entdeckung des vierten, welcher der Theorie
nach der normale primÀre Butylalkohol (das Propyl-
carbinol nach Kolbeâs Nomenclatur sein sollte. Dass der
GĂ€hrungsbutylalkohol von Wurtz nicht der normale
sei, also auch nicht derselben homologen Reihe angehöre wie
der Aethylalkohol und der GĂ€hrungspropylalkohol,
war schon durch die Anomalie seines Siedepunktes wahr-
scheinlich; es wurde erwiesen durch die von Erlenmeyer
(Ann. Ch. Pharm. Supplementband. V, 337) gefundene That-
sache, dass der GĂ€hrungsbutylalkohol bei der Oxydation Iso-
buttersÀure liefere. Es ist wahrscheinlich, dass Schöyen
(Ann. Ch. Pharm. 130, 233), als er Chlor auf Diaethyl ein-.
wirken liess und das erste Substitutionsprodukt C*H?Cl in
den entsprechenden Alkohol verwandelte, den normalen
Butylalkohol in HĂ€nden hatte. Er hielt ihn fĂŒr GĂ€hrungs-
butylalkohol, beschrieb jedoch seine Eigenschaften nicht, da
er nur sehr geringe Mengen und im unreinen Zustande erhal-
ten zu haben scheint und begnĂŒgte sich damit, ihn zu oxy-
diren, wobei er ButtersÀure erhielt.
. Nun waren ausser den schon erwÀhnten Methoden, welche
den secundÀren und tertiÀren Butylalkohol, die
Acetonalkohole und die genannten Hydrate der
ĂâH?â kennen gelehrt hatten, in den letzten Jahren noch
andere Methoden angewandt worden, um zur Kenntniss neuer
Alkohole zu gelangen.
Pelouze und Cahours, ferner Schorlemmer stell-
ten aus den gesÀttigten Kohlenwasserstoffen O"H?" + 2
(des amerik. Petroleum und der Kohlenwasserstoffe der trock-
nen Destillation) durch EinfĂŒhrung von Ol, dann von OH,
statt H einige Alkohole dar und Schorlemmer verlieh die-
ser Methode, indem er die Alkoholradicale in Anwen-
dung brachte einen synthetischen Charakter.
Linnemann und Siersch bereiteten MethylÀthyl und
Isopropylalkohol, indem sie die nach Mendius aus
den CyanĂŒren dargestellten Ammine in Alkohole ĂŒberfĂŒhrten,
Buttlerow und Ossokin untersuchten die Einwir-
kung von Glykoljodhydrin auf Zinkmethyl und Zink-
Ă€thyl.
Linnemann reducirte EssigsÀureanhydrid und Pro-
pionsÀureanhydrid mittelst Natrium- Amalgams zu Aethyl-
alkohol und zunormalem Propylalkohol.
Mittelst Einwirkung von HJ auf Glycerin wurde von
Erlenmeyer Isopropylalkohol und in Àhnl. Weise von
142 Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinee.
örlenmeyer und Wanklyn aus Mannit und Melampyrin
Hexylalkohol erhalten.
Ohopman, spÀter Schorlemmer unterwarfen den
durch Destillation aus ricmölsaurem Natron erhaltenen Alko-
hol erneuerten Untersuchungen u. s. w.
Alle diese Arbeiten fĂŒhrten aber nicht zur Kenntniss der
normalen Alkohole, mit einziger Ausnahme des normalen
Prop ylalkohols, der auf die angedeutete Weise von
Schorlemmer (Zeitschr. f. Chem. 1868, 49) und von Lin-
nemann (Ann. Ch. Pharm. 148, 251) erhalten wurde, wÀh-
rend zugleich seine angezweifelte Existenz im Fuselöl
durch neue Versuche von Fittig (Zeitschr. f. Chem. 1868,
44) in Gemeinschaft mit König und Scheffer und von
Pierre und Puchot (Compt. rend. 66, 302) ausser Zwei-
fel gestellt wurde.
Um nun die normalen Alkohole darzustellen, ver-
suchten Ad. Lieben und A. Rossi, von den jenen ent-
sprechenden fetten SĂ€uren auszugehen und sie zu Alkoholen
zu reduciren.
Schon 1851 hat Williamson gelegentl. der Entdeckung
der gemischten Acetone die Vermuthung ausgesprochen,
dass sich die Aldehyde wie die Acetone darstellen lassen
dĂŒrften, indem man ein ameisensaures Salz, gemengt-
mit dem Salze einer fetten SĂ€ure, der Destillation
unterwerfe. Im Jahre 1856 stellten unabhÀngig von ein-
ander Piria aus der aromatischen Reihe und Ritter unter
Limprichts Leitung .aus der Reihe der fetten SĂ€uren auf
diese Weise Aldehyde dar.
Wurtz und Friedel zeigten 1862, dass sich die
Aldehyde durch nascirenden Wasserstoffin Al-
kohole verwandeln lassen.
Diese beiden Reactionen combinirend, musste
man von den SĂ€uren zu den Alkoholen mit glei-
chem Kohlenstoffgehalt gelangen, und damit war
eine alte, lang angestrebte Aufgabe in der Wissenschaft
gelöst,
Wurtz hat diese Methode benutzt, um ValeriansÀure
in Valeral und diesen inAmylalkohol ĂŒberzufĂŒhren und
A. Rossi hat (Ann. Chem. Pharm. 1865; 133, 176) um die
chem. Natur der aus Cyanamyl bereiteten CapronsÀure
festzustellen, dieselbe in Capronaldehyd und Capr on-
alkohol verwandelt, :
Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 145
MerkwĂŒrdigerweise jedoch wurde der offen daliegende
Weg zur Synthese der Alkohole bis 1867 sonst nicht
betreten.
Die Gewinnung des Propionaldehyds aus PropionsÀure
durch Ritterâs Versuche war nicht sicher festgestellt und
Limpricht schliesst seine Abhandlung mit der Bemerkung,
dass diese Methode zur Darstellung der Aldehyde wegen der
gleichzeitig auftretenden brenzlichen Producte wohl selten vor-
theilhaft sein dĂŒrfte.
Ja Sierschâs Versuche (1867) schienen die praktische
Anwendbarkeit der Methode vollends zu widerlegen; Lie-
ben und Rossi waren anderer Meinung und haben durch
Anwendung derselben die nachfolgenden glĂŒcklichen Resul-
tate erhalten.
Darstellung des Butyraldehyds.
Um den normalen Butyraldehyd, der zur Gewinnung des
entsprechenden Alkohols dienen sollte, zu erlangen, musste
ein Gemenge von ameisensaurem und buttersaurem
Kalk der Destillation unterworfen werden; dazu war reiner
buttersaurer Kalk nöthig. Die ButtersÀure, die L. und R.
selbst durch GĂ€hrung bereitet hatten und diejenige, die als
reine ButtersÀure bezogen wird, ergaben sich als unreine
Producte, Durch fractionirte Destillation kann man sie annÀ-
hernd, doch nicht vollstÀndig von den niedriger und höher
siedenden SĂ€uren, die sie stets begleiten, befreien. Man thut
am besten, die Fraction 155 bis 165°, oder bei noch sorg-
fÀltigerer Arbeit die von 159 bis 164°C. in Wasser zu lösen,
von dem unlöslichen Oel (SÀuren mit höherem Cgehalt) zu
trennen, dann durch SĂ€ttigen mit Kalkmilch in das Kalksalz
zu verwandeln. Beim Abdampfen der Lösung scheidet sich
der buttersaure Kalk, der in heissem Wasser minder löslich
ist, als im kalten und ausserdem die Eigenschaft hat, vom
Wasser wenig benetzt zu werden, wie Schaum an der Ober-
flÀche ab und kann abgeschöpft werden. Man fÀhrt mit dem
Concentriren und Abschöpfen, je nach dem Grade der Reinheit
der ButtersÀure mehr oder minder lange fort; die letzten
Mutterlaugen geben in der Regel kein reines Product mehr.
Auch wenn es sich um Darstellung reiner ButtersÀure han-
delt, dĂŒrfte es zweckmĂ€ssig sein, dieselbe aus dem also gerei-
nigten Kalksalze abzuscheiden. Der Siedepunkt einer so
gereinigten GĂ€hrungsbuttersĂ€ure, wurde in ĂŒbereinstimmenden
Beobachtungen, wo einmal die ganze Thermometercolonne im
144 _ĂUeber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge.
Dampfe war, ein andermal die Correction nach Kopp, die fĂŒr
den herausragenden Quecksilberfaden 3° betrug, bei 163,2
Ăels. unter dem auf 0° reducirten Druck von 748,7 M.M.
gefunden. (Diese Angabe ist fĂŒr Verschiebung der Funda-
mentalpunkie und Ăalibration des Thermometers corrigirt.)
Der lufttrockne, sehr annÀhernd reine buttersaure Kalk
wurde mit dem gleichen Gewicht ameisens. Kalk im Mörser
inniggemengt, das Gemenge bei 100° getrocknet, darauf
in kleinen Portionen zu 10 Gram. aus Glasretörtechen, die
von unten und von den Seiten mit glĂŒhenden Kohlen erhitzt
wurden, der trocknen Destillation unterworfen. Dabei ent-
wickelten sich Gase und DĂ€mpfe, die mittelst KĂŒhlers und
eines durch KĂ€ltemischung gekĂŒhlten Recipienten verdichtet
wurden; die Masse schmilzt, doch nicht vollstÀndig und zu-
letzt, d. h. nach etwa 20 Minuten langem Erhitzen bleibt
kohlens. Kalk als zusammengebackenes, weisses Pulver in der
Retorte zurĂŒck. L. u. R. haben fĂŒr jede Darstellung von
Butylalkohol stets mehre 100 Grm., im Ganzen im Laufe
dieser und der folgenden Untersuchung einige Kilogramme
butters. Kalk in dieser Weise verarbeitet.
Das condensirte Product ist eine brĂ€unliche FlĂŒssigkeit
von erstickendem aldehydartigen, doch zugleich etwas empy-
reumatischen Geruch. Der fractionirten Destillation unter-
worfen, stieg der Siedepunkt von 50 bis 200°C0, Was nach
wiederholten Destillationen bei 70 bis 80° ĂŒbergeht, ist annĂ€-
hernd reiner Butyraldehyd. Seine Menge betrÀgt etwa
die HĂ€lfte des Rohproducts; die andere HĂ€lfte besteht aus
Aldehyden, besonders den niedriger siedenden, zum grösse-
ren Theile aber aus ĂŒber 130° siedenden Substanzen, die
keine Aldehyde sind und vorlÀufig nicht nÀher unter-
sucht wurden. Je reiner der angewandte buttersaure Kalk,
um so geringer die Menge der den Butyraldehyd begleiten-
den Producte.. Nur Formaldehyd ist stets, wenn auch
nur in kleiner Menge vorhanden. Die Angabe Michaelsonâs,
dass bei trockner Destillation eines Gemenges von ameisens.
und butters. Kalk neben Butyraldehyd auch Propion-
aldehyd erhalten werde, erklÀren L. und R. daraus, dass
Michaelson eine mit PropionsÀure verunreinigte ButtersÀure
benutzt habe.
Der normale Butyraldehyd besitzt den chanklake
ristischen, durchdringenden, etwas zum Husten reizenden Alde-
hydgeruch, redueirt Silberoxyd und erfordert 27 Theile Wasser
zur Lösung. Er siedet bei circa 75°C. L. und R. haben
auf die Reindarstellung desselben keine besondere Sorgfalt
Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 145
verwendet, da ihre BemĂŒhungen auf Gewinnung des Butyl-
alkohols gerichtet waren. Sie finden es zweckmÀssiger, die
Reimigung und scharfe Trennung erst nach der Umwandlung
des Aldehyds in Alkohol vorzunehmen. Die schÀrfste Tren-
nung von allen Nebenproducten wird erzielt, wenn ıman den
aus Aldehyd bereiteten Alkohol in Jodid oder Bromid ver-
wandelt und, von dem reinen Jodid ausgehend, dann die ver-
schiedenen ButylprÀparate darstell. Die Anwendung des
zweifachschwefligs. Alkalis zur Reinigung des Butyl-
aldehyds haben L. und k. vermieden, weil hierbei eine
Zersetzung desselben zu befĂŒrchten ist.
Butylalkohol. Zur Umwandlung des Butyraldehyds
in Butylalkohol wird ders. in wÀssriger Lösung mit Natrium-
amalgam behandelt, indem man dafĂŒr sorgt, dass die FlĂŒssig-
keit niemals alkalische Reaction annehme. Wenn man die
Trennung des Butyraldehyds durch fraetionirte Destillation
nicht weit getrieben hat, so ist es zweckmÀssig, ausser der
zwischen 70 und 80° destillirenden Fraction des Rohaldehyds,
die fast ganz aus Butyraldehyd besteht, auch die angrenzend
höher und niedriger siedenden Fractionen der gleichen Be-
handlung zu unterwerfen, da man noch erhebliche Mengen
Butylalkohol aus ihnen gewinnen kann. Da das Arbeiten
mit kleinen Mengen vortheilhaft schien, so haben L. und R,
je 10 Grm. Butyraldehyd mit 250 Grm. Wasser versetzt und
successive in Portionen von 100 Grm. 700 Grm. einprocentiges
Natriumamalgam (die Theorie fordert 6,4 Grm. Natrium) ein-
getragen; zugleich mit jeder Portion Natriumamalgam wurde
eine Àquivalente Menge SO# verd. zugesetzt. Die Reaction der
FlĂŒssigkeit war stets sauer. Nach beendigter Einwirkung
wurde abdestillirt, um das Na0,SO? zu. beseitigen und das
Destillat wieder wie oben portionenweise mit 300 bis 400 Grm.
Na-Amalgam und der Àquiv. Menge SO? behandelt. Dann
wurde wieder abdestillirtt und die Producte verschiedener
Operationen vereinigt, um gemeinsam verarbeitet zu werden.
ZunÀchst wird ein in Wasser unlösliches Oel, das in der
beschriebenen Operation immer entsteht, mittelst Filtration
durch ein feuchtes Filter entfernt und dann durch eine Reihe
von Destillationen aus der klaren wÀssrigen Lösung der Bu-
tylalkohol, der vorzugsweise in der ersten Destillationsfraction
enthalten ist, abgeschieden. (Das erwÀhnte unlösl. Oel bildet
sich nur in kleiner Menge und kommt gegen 180° 0, ins
Sieden.)
Der Butylalkohol (dessen vollstÀndige Abscheidung
aus der wÀssrigen Lösung durch Zusatz von kohlens. Kali
Arch, d, Pharm, CXCIX, Bda, 2, Hft, 10
146 Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge.
zu den successive erhaltenen ersten Destillatsfractionen erleich-
tert wird) ist eine wasserhelle und mit Wasser nicht misch-
bare FlĂŒssigkeit. 100 Grm. Butyraldehyd gaben in verschie-
denen Bereitungen 80 bis 90 Grm. rohen feuchten Butyl-
alkohol.
Derselbe wurde durch geschmolzenes KO,CO? so viel
als möglich entwÀssert und der fractionirten Destillation unter-
worfen. Bei weitem das meiste geht zwischen 110 und 120°
ĂŒber und es gelingt leicht, aus der zwischen 113 und 117
destill. Fraction reinen Butylalkohol zu isoliren. Schwierig
ist es nur, ihm die letzten Antheile Wasser zu entziehen.
Durch Digestion mit Kalk oder Baryt, dann durch wie-
derholte Destillation ĂŒber Natrium, wird dies am besten erreicht.
Die Zusammensetzung eines so bereiteten Products wurde
durch mehre gutstimmende Elementaranalysen festgestellt und
fĂŒhrte zu der Formel C*H!1°0. Die Dampfdichte â 2,65
(gefunden), 2,56 (berechnet).
Der normale Butylalkohol ist eine wasserhelle FlĂŒs-
sigkeit, die einen dem des GÀhrungsbutylalkohols Àhnlichen,
doch etwas schwÀcheren und geistigeren Geruch besitzt. Er
ist mit Wasser nicht mischbar und erfordert, Àhnlich wie der
normale Butyraldehyd, einen erheblichen Ueberschuss von
Wasser, um sich darin zu lösen. Dagegen löst er sich in
concentrirter wÀssriger SalzsÀure und BromwasserstoffsÀure.
Den Siedepunkt fanden L. u. R. in wiederholten ĂŒbereinstim-
menden Beobachtungen bei 116°C. unter dem auf 0° redu-
eirten Druck v. 740 M.M.
Dabei betrug die Correction fĂŒr den herausragenden
Quecksilberfaden nach Kopp 1,1 Cels. FĂŒr das spec. Gew.
des normalen Butylalkohols, bezogen auf Wasser von gleicher
Temperatur, wurden gefunden
Temperatur 02 20° : 40° elâ)
Spec. Gewicht 0,8242 0,8108 0,7993 0,7734
Diese Resultate wurden noch durch Bestimmungen contro-
lirt, die mit einem Producete vorgenommen wurden, dessen
Reinheit noch grössere Garantieen bot. Der in obiger Weise
dargestellte rohe Butylalkohol wurde nemlich in JodĂŒr ver-
wandelt, aus dem reinen analysirten JodĂŒr Butylacetat berei-
tet, und aus dem reinen analysirten Acetat durch Verseifung
mit conc. Kalilauge in zugeschmolzenen Röhren wieder Bu-
tylalkohol gewonnen. Dieser war, nachdem er durch
*) Die Bestimmung wurde im Dampf von siedendem Wasser ausge-
fĂŒhrt bei auf 0° reducirtem Barometerstand 736,4 M.M,
Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 147
Behandlung mit geschmolzenem kohlens. Kali, dann durch
successive Destillation ĂŒber Kalk und kleine Mengen von
Natrium von Wasser befreit worden war, vollkommen rein.
0,3253 Grm, desselb. gaben 0,772 CO? und 0,3992 H?O.
In 100 Theilen
gefunden berechnet
C 64,72 ..,64,86
H 13,63 13,51
Do RR E3
100,00.
FĂŒr das spec, Gewicht eben dieses Butylalkohols, bezo-
gen auf Wasser von gleichen Temperaturen, wurde gefunden:
Temperatur 0% 20° 40° Je) aa)
Spec. Gewicht 0,8239 0,8105 0,7994 0,7738 0,7735,
Natrium wirkt auf den normalen Butylalkohol wie auf
alle anderen Alkohole unter Entwickelung von H und Bil-
dung glÀnzender Krystallnaden von Natriumbutylat ein,
das, im Oelbade bei 240° CO, erhitzt, die Formel NaO 0*H?
besitzt. Wird die wÀssrige Lösung des normalen Butylalko-
hols mit Jod und Kali versetzt, so liefert sie Jodoform.
Die Oxydation des normalen Butylalkohols
mittelst Kaliumbichromats und SchwefelsÀure lieferte Butyr-
aldehyd und ButtersÀure, deren Silbersalz 55,76 bis
55,77 Proc. Ag lieferle. Die Rechnung verlangt 55,38%), Ag.
Um zu beweisen, dass diese SĂ€ure GĂ€hrungsbutter-
sÀure und nicht IsobuttersÀure sei, wurde dieselbe in
das Kalksalz ĂŒbergefĂŒhrt. Die bei gewöhnl. Temperatur
gesÀttigte Lösung desselb. erstarrte zu einem Krystallbrei, als
sie auf 80° erhitzt wurde; ein Verhalten, das fĂŒr die GĂ€h-
rungsbuttersÀure charakteristisch ist.
ButylehlorĂŒr C*H°Cl, durch Einwirkung von HCl
anf Butylalkohol, bei 70 bis 100° C. in verschlossener Glas-
röhre erzeugt, ist eine wasserhelle, in Wasser nicht: lösl. FlĂŒs-
sigkeit, die unter dem auf O° reducirten Druck von 741,3 M.M,
bei 77,6 siedet und deren spec. Gew., bezogen auf Wasser
von gleicher Temperatur, 0,9074 bei 0°, und 0,8874 bei 20°
gefunden wurde,
ButylbromĂŒr = C?HâBr, in Ă€hnl, Weise wie das
ChlorĂŒr, nur mit HBr erhalten, spec. Gew. bezogen auf
*) Bei den beiden letzten Bestimmungen befand sich das Densimeter
im Dampfe von siedendem Wasser bei dem auf 0% redueirten Barometer-
stande 725 und 729,6 M.M.
10*
148 Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge,
Wasser von gleicher Temperatur (wie bei allen fol-
genden) 1,305 bei 0°, 1,2792 bei 20°, 1,2571 bei 40°.
Siedet bei 100°4 unter dem auf 0° reducirten Barome-
terstand v. 744 M.M. (Correction fĂŒr d. Quecksilberfaden 0,15
wie bei dem ChlorĂŒr.)
ButyljodĂŒr = 0C?H?J. Aus dem Alkohol entweder
durch HJ, oder durch Behandl. mit J und amorphem P in der
fĂŒr JodĂ€thyl bekannten Weise dargestellt. Spec. Gew. 1,643
bei 0°, 1,6136 bei 20°, 1,5894 bei 40°. (Die Angaben d. spec.
Gew. in dieser Abhandl. sind nicht auf den leeren Raum
reducirt.)
ButylÀthylÀther und Butylen.
Bei Einwirkung von Natriumalkoholat und weingeistiger
Kalilösung auf normales ButylbromĂŒr und ButyljodĂŒr entsteht
stets etwas Butylen, allerdings nur als Nebenproduct.
Ebenso geben Silbersalze bei ihrer Einwirkung auf normales
Jodbutyl Spuren von Butylen. Es findet also bezĂŒg-
lich der Abspaltung von Butylen zwischen den
4 isomeren Butylalkoholen nur ein Gradunter-
schied statt und der normale Alkohol erweist
sich als der stabilste. WĂ€hrend Butlerow aus GĂ€h-
rungsbutyljodĂŒr durch Einwirkung von alkohol. Kalilösung
80 bis 90 Proc, der theoret. Menge Butylen erhielt, haben
L. und R. aus dem normalen ButyljodĂŒr bei Behandlung mit
alkoh. Kalilösung nur !/, des angewandten Jodbutyls als Bu-
tylen und ?, als ButylÀthylÀther erhalten.
Auch das normalste aller normalen JodĂŒre, das JodĂ€thyl
liefert nach L. und R. bei Behandlung mit alkoh. Kali eine
kleine Menge Aethylengas.
Das Butylen Ă?H?, welches durch Einwirkung von
alkoh. Kali oder von NatriumÀthylat auf normales Jodbutyl
erhalten wird, verbindet sich leicht mit HJ; das so erhaltene
Jodhydrat (secundÀres Jodbutyl) ging bei 115 bis 120°
ĂŒber. Es wirkte bei gewöhnl. Temperatur energisch unter
WĂ€rmeentwickelung auf Silberacetat, das mit Eisessig be-
feuchtet war, ein und entwickelte dabei Butylengas, das
mit leuchtender Flamme verbranntee Auch Saytzeff
hat (1870) gefunden, dass das aus normalem Jodbutyl berei-
tete Butylen sich mit HJ zu secundÀrem Jodbutyl ver-
bindet. |
Das Hauptproduct der Einwirkung von Natriumalkoholat
oder alkohol. Kali auf Brom- und Jodbutyl ist ButylÀthyl-
Àther = 0?H?0.0?H?; siedet bei 91°%7 (dabei der Queck-
Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 149
silberfaden ganz im Dampfe) bei dem auf 0° reduc. Barome-
terstand v. 742,7 M.M.
Spec. Gew. bei 0° 0,7694; bei 20° 0,7522; bei 40°
0,7367.
Butylacetat = C*H?.C?H30? wird erhalten durch
Einwirkung von essigs. Silberoxyd auf ButyljodĂŒr oder Bu-
tylbromĂŒr unter MithĂŒlfe von etwas kryst. EssigsĂ€ure und
Erhitzung in verschlossener Röhre (was auch nicht nöthig
ist) auf 108 bis 130% C.
Es besitzt einen sehr angenehmen Fruchtgeruch, siedet
bei 12501 unter dem auf 0° reduc, Druck von 740 M.M.
" Spec. Gew. 0,9000 bei 0°, 0,8817 bei 20° und 0,8659
bei 40°,
Butylbutyrat â C*H°.C*H?O? Jodbutyl wurde
auf butters. Silberoxyd, das mit ButtersÀure angefeuchtet war,
in einem Kölbehen einwirken gelassen... Beim UmschĂŒtteln
stellte sich die Reaction schon hei gewöhnl. Temperatur ein,
unter WĂ€rmeentwickelung.
Das Kölbehen wurde dann noch am KRĂŒckflusskĂŒhler,
der andrerseits mittelst Quecksilber abgesperrt war, mehre
Stunden hindurch erhitzt. Dann wurde abdestillirt, das De-
stillat mit Kali neutralisirt, das angenehm riechende
Butylbutyrat gewaschen, mit CaCl entwÀssert und durch
fractionirte Destillation leicht rein erhalten. Die Ausbeute
war sehr befriedigend.
Es siedet bei dem auf 0° reducirten Barometerstand
735,7 M.M. bei 165°,5 (correct. f. d. Quecksilberfaden 1,2).
Spec. Gew. bei 0° â= 0,8885; bei 20° = 0,8717; bei
40° = 0,8579.
ButyleyanĂŒr = 0*H?.ON. Zu seiner Darstellung eig-
nen sich Chlor-, Brom- und Jodbutyl in gleicher Weise; sie
werden mit mehr als der Àquivalenten Menge reinem Cyan-
kalium. und Weingeist von 85 Proc. in Glasröhren einge-
schmolzen und 2 Tage lang auf 110° erhitzt. Die von den
Krystallen abgegossene FlĂŒssigkeit wird der fractionirten
Destillation unterworfen und aus den zuletzt ĂŒbergehenden
Fraetionen durch CaCllösung das ButyleyanĂŒr abgeschieden,
damit gewaschen und durch CaCl entwÀssert. Das getrock-
nete Butyleyanur besass (wohl von einem RĂŒckhalt eines
isomeren Körpers) einen sehr widrigen Geruch, ging bei der
ersten Destillation zwischen 136 und 141° ĂŒber. Bein siedet
es bei 140%4 bei 739%,3 M.M. B. . Spee. Gew. bei 0° =
0,8614,
150 Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge.
Butylammin.
Zu seiner Darstellung wurde Ohlorkutgil mit einem
Ueberschusse von festem cyansauren Kali und mit W ein-
seist von 85 Proc. in Röhren eingeschmolzen und durch
2 Tage auf 100 bis 110° erhitzt. Die FlĂŒssigkeit wurde
dann mit festem Kali versetzt und durch 2 Tage am RĂŒck-
fusskĂŒhler, der andrerseits durch Hg gesperrt war, gekocht.
Dann wurde bis zur Trockne destillirt, auf den RĂŒckstand
etwas Wasser gegossen, wieder abdestillirt und die beiden
Destillate in HClhaltigem Wasser aufgefangen.
Die schwach saure Lösung wurde zur Trockne verdampft
und der RĂŒckstand mit starkem Weingeist ausgezogen.
Es hinterblieb ungelöstes HNCl, wĂ€hrend das ChlorĂŒr der
org. Base sich löste und durch Abdampfen als sehr hygroskop.
Masse erhalten wurde. Dieselbe wurde warm rasch mit Kalk
zemengt, das Gemenge in ein kurzes Verbrennungsrohr ge-
fĂŒllt, in dessen vordersten Theil StĂŒcke von wasserfreiem
Baryumoxyd gebracht und nun erhitzt; es destillirte die
freie Basis ab und wurde in einem durch nz
gekĂŒhlten Recipienten aufgefangen.
Auch bei Bereitung der normalen ValeriansÀure
wurde Butylamin als Nebenproduct erhalten. Die alkoholische
FlĂŒssigkeit, welche durch Erhitzen von Chlor-, Brom- oder
Jodbutyl mit Cyankalium (worin eine gewisse Menge cyan-
saurem Kali enthalten war) resultirte, wurde mit festem Aetz-
kalı gekocht. Beim Abdestilliren blieb valerians. Kali im
RĂŒckstande und der abdestillirte, ĂŒbelriechende, ammoniakalı-
sche Alkohol wurde immer zu neuen Ăperationen verwen-
det. Dieser Alkohol enthielt Butylamin in Lösung und
letzteres hÀufte sich bei der successiven Darstellung betrÀchtl.
Mengen von ValeriansÀure darin an. Durch AnsÀuern mit
HCl und Destillation jenes Alkohols wurde ein RĂŒckstand
erhalten, der Salmiak neben Butylamminhydrochlorat enthielt,
die mittelst starken Weingeists getrennt wurden. Die freie
Basis wurde dann wie oben aus dem sehr zerfliesslichen
ChlorĂŒr dargestellt.
Die Untersuchung zeigte, dass sowohl dieses, als das
direct mittelst cyans. Kalıs dargestellte Product ein Gemenge
der primÀren, secundÀren und tertiÀren Basis war.
Die FlĂŒssigkeit kam bei 76° ins Sieden und ihr Siedepunkt
erhob sich bis 208%. Durch wiederholte fractionirte Destilla-
tion gelang es, das Butylammin abzuscheiden; die Trennung
des Di- und Tributylammins liess sich auf diesem
Wege nur unvollkommen erreichen.
Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 151
Das Butylammin = C?H°.Hâ?N, die flĂŒchtigste der
3 Basen, ist eine wasserhelle, sehr hygroskopische FlĂŒssigkeit,
welche deswegen an der Luft raucht und deren DĂ€mpfe auf
der Haut das GefĂŒhl von WĂ€rme erregen; sie riecht stark
ammoniakalisch, greift die Korke der GefÀsse an, auch die
Kautschukpfropfen u. mischt sich mit Wasser in allen VerhÀltnis-
sen. Seine Lösung fÀllt Pb-, Al-, Mg-, Cu- und Ag-Salze.
Die mit Cu- und Ag-Salzen erhaltenen NiederschlÀge lösen
sich im Ueberschusse der Base wieder auf. Siedet bei 75°%,5
bei 740 M.M. Druck. Spec. Gew. 0,7553 bei 0°; 0,7333
bei 26°.
Das Butylamminchloroplatinat = [C?H°. HŸN.C1]?,
PtCl* löst sich in kaltem Wasser wenig, ist aber in warmem
Wasser ziemlich löslich und auch im Alkohol. Es schiesst in
goldgelben KrystallblÀttern an und lieferte 35,21 Proc. Platin
(gef.), berechnet 35,35°/, Pt.
Das Dibutylammin siedet bei etwa 158 bis 1609, es
giebt mit HCl und PtĂl* lange gelbe Nadeln =
[(C?HÂź)?H?N.C1]?, PLCl* = Dibutylamminchloroplatinat, die in
warmem Wasser schmelzen, bevor sie sich lösen und in kal-
tem Wasser nur wenig löslich sind. Darin 29,44 Proc. Pt
berechnet; gef. 29,35 Proc.
Das Tributylammin siedet bei etwa 208°C., ist nicht
mehr mit Wasser mischbar, löst sich aber in HCl und wird
daraus durch Kali als Oel gefÀllt. Das Platindoppelsalz ist
â [(C*H°)>HN.C1]?, PtCl, enthĂ€lt 25,19 Proc. Pt (gefun-
den); berechnet 25,23%, Pt. Es bildet zu Gruppen vereinigte
Nadeln, gegen Lösungsmittel wie das vorige sich verhaltend.
Das Aussehen der 3 Chloroplatinate ist ziemlich verschieden. _
Constitution des normalen Butylalkohols und
allgemeine Bemerkungen. Die vorstehenden Unter-
suchungen lassen âkeinen Zweifel darĂŒber, dass der hier be-
schriebene Butylalkohol von den drei bis dahin bekannten
isomeren Alkoholen verschieden ist. Von dem GĂ€hrungs-
butylalkohol, der ihm in allen seinen Eigenschaften noch am
NĂ€chsten steht, unterscheidet er sich in bestimmter Weise
durch seinen höheren Siedepunkt und durch die
höheren Siedepunkte aller seiner Abkömmlinge.
Seine HaloidÀther sind stabiler, spalten sich minder
leicht unter Abgabe von C4HÂź als die von den 3 isomeren
Alkoholen abgeleiteten. Auch mit RĂŒcksicht auf seine Gewin-
nung aus GÀhrungsbuttersÀure wird man geneigt sein, in ihm
den gesuchten normalen Butylalkohol zu erkennen, dem die
Formel
152 Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge.
Be
CH5_CHÂź_CHÂź_CH>.0H =!
\o1
zukommt. BestÀtigt wird dies durch die Oxydation, wobei
Butyraldehyd und GÀhrungsbuttersÀure erhalten
werden.
Rossi hat mit Anwendung derselben Methode den nor-
malen Propylalkohol (aus PropionsÀure, die aus
CyanĂ€thyl bereitet worden war) dragestellt (Ăompt. rend.
70, 129). und zugleich gezeigt, dass aus normalem Propyl-
eyanĂŒr GĂ€hrungsbuttersĂ€ure erhalten wird. â Damit ist
die Constitution der letzteren definitiv festgestellt. Lieben
und Rossi schliessen ihre Abhandlung mit folgenden allge-
meinen Bemerkungen: âWir sind nun in den Stand gesetzt,
mit abwechselnder Anwendung von 2 Methoden, nemlich der-
hier beschriebenen Umwandlung der SĂ€ure in den entspre-
chenden Alkohol, die sich als allgemeine Methode bewÀhrt
hat und andrerseits der bekannten Umwandlung des Alkohols
in OyanĂŒr und in die nĂ€chst höhere SĂ€ure, die ganze
Reihe der normalen Alkohole und SĂ€uren, von
den Elementen ausgehend, aufzubauen. Man kann
die AmeisensÀure, sei es aus Kohlenoxyd, sei es aus
KohlensÀure, also aus den Elementen darstellen. Wir
haben gezeigt, dass mit Anwendung derselben Methode, die
hier beschrieben ist, aus AmeisensÀure, Formaldehyd
und Methylalkohol erhalten werden. Aus Methylalkohol
lÀsst sich (mittelst Oyanmethyl) EssigsÀure, daraus Alde-
âhyd und Aethylalkohol gewinnen. Der Aethylalkohol
hefert PropionsÀure, diese den normalen Propylalko-
hol, aus welchem GÀhrungsbuttersÀure erhalten wird.
Aus dieser haben wir den normalen Butylalkohol
bereitet und dieser hat uns die normale Valerian-
sĂ€ure (Ăompt. rend. 71, 369), weiterhin den normalen
Amylalkohol und endlich die normale UapronsÀure
geliefert. Nichts steht im Wege um noch weiter vorzu-
dringen.
Wenn man die Siedepunkte der nunmehr bekannten
4 isomeren Butylalkohole mit einander vergleicht, so ergiebt
sich, dass der tertiÀre den niedrigsten, der normale den
höchsten Siedepunkt hat. und dass in dieser Richtung auf-
steigend die Differenzen abnehmen.
Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 153
Normaler GÀhrungs- SeeundÀrer TertiÀrer
Butylalkohol. butylalkohol. Butylalkohol. Butylalkoh.
[ CH2.CH ?.CH° ee en) CH?
j H 4 H NECH> CH?
en Ser N ger
lon lou \ou OH
siedet bei 116° 109° 99° 82° Cels.
Differenz 7° 10° ba
Aehnliche Unterschiede in dems. Sinne beobachtet man
bei Vergleichung der Siedepunkte der entsprechenden Abkömm-
linge. Die normale ButtersÀure hat einen höheren Sie-
depunkt, als die IsobuttersÀure, unsere normale Vale-
riansÀure einen höheren, als die bisher bekannte SÀure.
Nur eine einzige Ausnahme verdient ErwÀhnung.
In derselben Weise, wie die primÀren Alkohole bei der
Oxydation Aldehyde liefern, geben die secundÀren Alkohole
Acetone und man könnte danach erwarten, dass die Acetone
bei niedrigerer Temperatur sieden, als die isomeren Aldehyde.
Es findet jedoch das Gegentheil statt. Das gewöhn-
liche Aceton, das durch Oxydation aus dem secundÀren
Propylalkohol erhalten wird, siedet bei 56°, der nor-
male Propionaldehyd jedenfalls unter 50%, Das Me-
thylÀthylketon, das aus dem secundÀren Butylalkohol bei
der Oxydation entsteht, siedet bei circa 80°, wÀhrend der
normale Butyraldehyd bei etwa 75° siedet. Es macht sich
hier geltend, dass die Ketone, trotz dem sie durch ganz
Àhnl. Processe, wie die Aldehyde aus analogen . Körpern
erhalten werden und trotz ihrer weitgehenden Analogie mit
diesen, gleichwohl eine andere Körperklasse bilden
und mit den Aldehyden nicht mehr in der Weise vergleich-
bar sind, wie es die isomeren Alkohole oder deren Aether
unter einander sind.
FĂŒr die Definition der normalen Alkohole geben
die vorstehenden und weitere Untersuchungen (ĂŒber den nor-
malen Amylalkohol). folgende Merkmale an die Hand:
Vom theoretischen Standpunkte und mit RĂŒcksicht auf
die Verbindungsweise der Atome betrachtet, sind die norma-
len Alkohole (und natĂŒrlich entsprechend die Aether, Alde-
hyde, SĂ€uren u. s. w.) durch eine derartige Constitution cha-
rakterisirt, dass in ihnen die fĂŒr alle primĂ€ren Alkohole cha-
rakteristische Gruppe CH?.OH mit einer Kette von Kohlen-
stoffatomen verbunden ist, deren letztes mit HÂź, alle zwischen-
liegenden je mit H? in Verbindung stehen, also
GEROHM; N Ans CH?.CH?.OH.
Tat Ueber ButtersÀure verschiedenen Ursprungs,
Von allen Hypothesen absehend und bloss gestĂŒtzt auf
Eigenschaften und Reactionen, lassen sich die normalen
Alkohole als diejenigen definiren, welche unter allen isome-
ren Alkoholen
1) die höchsten Siedepunkte haben und wohl auch
die stabilsten sind,
2) deren einfache und zusammengesetzte Aether, so wie
Ammine die relativ höchsten Siedepunkte haben und deren
Haloidverbindungen sich am wenigsten leicht unter Abspal-
tung von C*H?â zerlegen;
3) die bei der Oxydation SĂ€uren geben, welche eben so
viele Kohlenstoff - Atome enthalten und sich vor eventuellen
isomeren SÀuren durch höheren Siedepunkt und, wie es
scheint, auch durch grössere WiderstandsfÀhigkeit bei der
Oxydation auszeichnen.â
Schliesslich erwÀhnen L. und R., dass bald nach ihrer
ersten Veröffentlichung ĂŒber den normalen Butylalkohol A.
Saytzeff (Zeitschr. f. Ch. 1870, VI, 107) denselben Körper
durch Behandlung eines Gemenges von Chlorbutyryl und
juttersÀure mit Natriumamalgam erhalten hat. Auch Lin-
nemann (Ann. Ch. Pharm. 152, 127) giebt an, denselben
Alkohol aus ButtersÀureanhydrid mit Natriumamalgam erhal-
ten zu haben. H. Ludwig.
Ueber ButtersÀure verschiedenen Ursprungs
hat ©. GrĂŒnzweig aus Erlenmeyers Laboratorium in MĂŒn-
chen, MÀrz 1871, vorlÀufige Mittheilungen veröffentlicht.
Bis jetzt ist nur mit Sicherheit ermittelt, dass die SĂ€ure,
welche bei der GĂ€hrung der milchsauren Salze entsteht,
NormalbuttersÀure und dass diejenige, welche durch
Oxydation des GĂ€hrungsbutylalkohols erzeugt wird, Iso-
buttersÀure ist. Auch die ButtersÀure aus Kuhbutter ist
nach GrĂŒnzweig NormalsĂ€ure.
Die ButtersĂ€ure in der Frucht von Ăeratonia Siliqua L.
(dem Johannisbrod) von Redtenbacher aufgefunden, ist
nach GrĂŒnzweig IsobuttersĂ€ure (sie wird begleitet von
AmeisensĂ€ure und nach GrĂŒnzweig auch von Essig-
sÀure und wenig CapronsÀure und BenzoÀsÀure.)
Die Synthese des Coniins. 155
In dem Destillate der Tamarinden, in welchem Gorup-
Besanez die Gegenwart von ButtersÀure vermuthete, konnte
GrĂŒnzweig nur EssigsĂ€ure auffinden,
Die von Blyth zuerst aus Coniin durch Oxydation
erhaltene ButtersĂ€ure ist nach GrĂŒnzweig Normalbutter-
sĂ€ure. (Ann. Ch. u. Pharm., AprĂŒ 1871; 158, 117.).
ERDE
Die Synthese des Coniins
ist Hugo Schiff gelungen. Er versuchte zunÀchst die
Darstellung desselben durch Einwirkung von Ammoniak auf
condensirten ButtersÀurealdehyd, da mehre Forscher
bei der Oxydation des natĂŒrl. Coniins das Auftreten von
ButtersÀure beobachtet hatten. Normaler Butyralde-
hyd, durch Erhitzen von buttersaurem Kalk mit ameisen-
saurem Kalk erhalten, geht beim ErwÀrmen mit starker Salz-
sÀure im geschlossenen Rohre bei 70° bis 90° im condensirte
Producte ĂŒber. Die dicke grĂŒnbraune FlĂŒssigkeit zeigte kei-
nen constanten Siedepunkt; em Theil war ĂŒberhaupt nicht
ohne weitere Zersetzung destillirbar. Die unterhalv 250°
ĂŒbergegangenen Antheile wurden im geschlossenen Rohre
mit weingeistigem Ammoniak auf 100° zuletzt kurze Zeit auf
140 bis 150° erhitzt. Es bildeten sich hierbei jedoch meist
Producte von weitergehender Condensation, welche bei der
Destillation Wasser und HÂź?N verloren. Die ĂŒbergehenden
dicken Oele hatten einen an Coniin erinnernden Geruch,
waren aber nur zum Theil in HCl löslich und gaben harzige
Chloroplatinate, welche nicht zum gewĂŒnschten Ziele gelangen
liessen.
In einer anderen Versuchsreihe liess man Butyralde-
hyd wÀhrend der Monate Juli und August bei einer mittle-
ren Temperatur von etwa 30°C. mit weingeistigem Ammo-
niak in BerĂŒhrung und erhitzte zuletzt nur einen Tag lang
auf 100% Die gelbe FlĂŒssigkeit wurde in 2 gleiche Theile
getheilt, deren einer mit einem kleinen Ueberschuss an HU]
versetzt wurde. Es sollte hierdurch der etwaigen conden-
sirenden Einwirkung des H?N wÀhrend des Eindampfens
vorgebeugt und zugleich ein Theil des H?N als H?N,HĂl
abgeschieden werden.
156 Die Synthese des Coniins,
Von diesem Antheile wurde der Weingeist nebst dem
unverÀndert gebliebenen Aldehyde abdestillirt und in die so
gewonnene FlĂŒssigkeit aus dem nicht angesĂ€uerten Antheile
der Butyraldehyd, das HÂźN und der Weingeist eindestillirt.
Der trockene RĂŒckstand des angesĂ€uerten Antheils
war eine braungelbe, wohl durch Anwesenheit von viel Sal-
miak krystallinische Masse. Sie wurde mit ziemlich conc.
Natronlauge auf dem Wasserbade schwach erwÀrmt bis kein
HÂźN mehr entwich. Nach mehrmaligem Waschen mit kal-
tem Wasser löste man in absolutem Weingeist, entfernte
gelöstes Alkali durch Einleiten von 00°, verdunstete auf ein
kleines Volum, löste in HCl und filtrirte von einer kleinen
Menge unlösl. harziger Substanz ab.
Der RĂŒckstand des nicht angesĂ€uerten Antheils
wurde zur Entfernung des H?N auf dem Wasserbade erwÀrmt
und dann in HCl zu einer möglichst neutralen FlĂŒssigkeit gelöst.
Bei der Behandlung mit PtĂl* zeigte es sich, dass die-
ser Antheil sich genau so verhielt, wie der vorher angesÀuerte.
Es hatte also bei dem Eindunsten der ammoniakal. FlĂŒssig-
keit keine weitere Condensation- stattgefunden und die weit-
lÀufigere Behandlung der anderen Portion wÀre durchaus nicht
nöthig gewesen. Es zeigte sich nur der eine- Unterschied,
dass der nicht angesÀuerte Antheil eine kleine Menge butter-
sauren Ammoniaks enthielt. Bei der fractionirten FĂ€llung
mit PtĂl? erhielt man zunĂ€chst graugelbe fiockigkrystall. Nie-
derschlÀge von 21,4 bis 21,5 Proc, Platingehalt, deren C- und
H-Bestimmung zu der Formel 2(01°H°âNO), H? Pt C1 fĂŒhrte.
Die in diesem Salze enthaltene Base entspricht einer Ăon-
densation von 4 Moleculen Butyraldehyd:
40*HŸ0O + HN = C!°HŸNO (Tetrabutyraldin)
+ 3H?0.
Das Tetrabutyraldin bildet unter den angegebenen
VerhÀltnissen den Haupttheil der Producte der Einwirkung
des H?N auf Butyraldehyd. Weder die Base noch ihr Chlor-
hydrat krystallisirten. Die Base verliert bei höherer Tem-
peratur Wasser und verwandelt sich in sauerstofffreie ba-
sische Verbindungen, die bis jetzt nicht nÀher untersucht
worden sind.
Wurde nun die Mutterlauge dieses Chloroplatinats unter
Zusatz weiterer Mengen von Platinchlorid bei 60 bis 70°
allmÀhlig im Wasserbade concentrirt, so erhielt man zunÀchst
Zwischenproducte mit 24,1 und â27 Proc. Pt-Gehalt, dann an-
dere Chloroplatinate mit 27,9, 28,5, 28,6 bis 29,5 Proc, Pt.
Löste man dieselben in Weingeist, so blieb etwas Platinsal-
Die Synthese des Conins. 157
miak ungelöst und Wasser fÀllte nun deutlich krystallin. gelbe
Flocken. Zur weiteren Reinigung wurde das Ăhloroplatinat
in Alkohol gelöst, das Pt durch H?S gefÀllt, das Chlorhydrat
auf dem Wasserbade eingedunstet und die mit etwas HĂl
versetzte fiitrirte Lösung von Neuem mit PtĂl? gefĂ€llt. Aus
Weingeist umkrystallisirt, erhielt man endlich das Chloropla-
tinat als gelbes Krystallpulver, dessen C-, H- und Pt-Be-
stimmung zu der Formel 2(CSH!âNO), H?PtCl1Âź fĂŒhrte. Die
darin enthaltene Base ist entstanden durch Zusammentritt
von 2 Moleculen Butyraldehyd, nach der Gleichung:
20*HÂźO + H?N = CSH!!NO (Dibutyraldin) + H?O.
Unter den angegebenen VerhÀltnissen bildet diese Base
nur den kleineren Antheil des Basengemenges.
Das Chloroplatinat verÀndert sich bei 100° nicht. Wird
es aber langsam auf140bis150 erhitzt, so brÀunt
es sich, verliert Wasser, schmilzt und entwickelt
einen betĂ€ubenden Geruch nach Ăoniin, wĂ€hrend
zugleich Pt redueirt wird. Erhitzte man eine kleine Menge
des Chloroplatinats in einem Glasretörtchen im Oelbade, so
konnte der Vorgang deutlich beobachtet werden und man
bemerkte das Auftreten öliger Tropfen im Halse der Retorte.
Diese Zersetzung ist jedoch nur eine theilweise. Die Ge-
sammtmenge des Chloroplatinats wurde nun durch H?S zer-
setzt, aus dem Chlorhydrat nach dem Eindampfen die Base
dureh concentrirte Kalilauge freigemacht und unter Zusatz
von feinem Quarzsand aus dem ĂOelbade destillirt. Es ging
Wasser, H?N und öliges Product ĂŒber, welches den Geruch
nach Coniin im höchsten Grade zeigte. Das Destiliat wurde
zur möglichsten Entfernung des H?N schwach erwÀrmt und
dann mit HĂl behandelt, welche eine theerartige Substanz
ungelöst liess. Nach der Filtration dieser Lösung konnte
«beobachtet werden, dass sich das Filter beim langsamen Trock-
nen an der Luft violett fÀrbte. Die concentrirte Salzlösung
wurde durch conc. PtCl* in Chloroplatinat verwandelt und
dieses endlich durch Umkrystallisiren aus Alkohol als orange-
farbiges Krystallpulver erhalten. Die C-, H- und Pt- Be-
stimmung fĂŒhrte zur Formel des salzs. Coniin-Platin-
chlorids = 2(CÂź HN), H? Pt Ol.
In der weingeistigen Lösung fand sich noch ein an-
deres Ăhloroplatinat, welches durch Abdampfen in
undeutlich kryst. Form erhalten wurde und nur 20,5 Proc.
Pi enthielt; wahrscheinlich das Chloroplatinat einer Base höhe-
rer Uondensation, welche bei der Zersetzung des Dibutyral-
dins entstanden war,
158 Die Synthese des Coniins.
Die wenigen Gramme Coniinplatinchlorid, welche
schliesslich erhalten wurden, zersetzte man mit Kali und zog
die freie Base mit Aether aus. Eine andere kleine Menge
wurde aus der zu Anfang abdestillirten weingeistigen Lösung
des nicht angegriffenen Butyraldehyds erhalten. In dieser Lösung
hatte sich nach 3 Monaten eine neue Menge von Dibutyraldin
gebildet, welches direct auf Coniin verarbeitet wurde.
Schliesslich hatte Schiff so nur etwa 2 0.C. eines noch
Wasser und eine Spur Weingeist enthaltenden ConĂŒns, wel-
chem ausserdem noch eine kleine Menge einer harzigen Sub-
stanz beigemengt war. Da mit dieser kleinen Menge an eine
veinigung behufs Analyse und Bestimmung der physikalischen
Eigenschaften nicht zu denken war, so benutzte er dieselbe
zu einzelnen Reactionen und zu Vergiftungsversuchen.
Die kĂŒnstlich dargestellte Base ist von bernsteingelber
Farbe, fÀrbt sich indessen an der Luft bald brÀunlich und
wird dabei dickflĂŒssiger. Sie besitzt den Coniingeruch im
höchsten Grade; ein mit HCl befeuchteter Stab bewirkt dicke
Nebel.
Die Base ist sehr wenig in Wasser löslich; die Lösung
hat, einen scharfen brennenden, weniger bitteren Geschmack.
Sie trĂŒbt sich beim schwachen ErwĂ€rmen milchig und wird
beim AbkĂŒhlen wieder klar; auf Lackmus reagirt sie alkalisch.
Mit jodhaltigem Jodkalium entsteht ein brauner, zusam-
menballender und in ĂŒberschĂŒssigem Jodkalium nicht löslicher
Niederschlag. â Die freie SalzsĂ€ure enthaltende Lösung fĂ€rbt
sich beim Verdunsten zwiebelroth, spÀter. violett, bei Gegen-
wart von conc. HĂl blaugrĂŒn. â Beim Verdunsten unter
einer Glocke neben conc. SchwefelsÀure fÀrbt sich letztere
tief roth, â Die Base fĂ€llt Oxydhydrat aus Lösungen von
Kupfervitriol und Oxyd aus der Lösung von Silbersalpeter. â
Mit Sublimat entsteht ein dicker gelber, sich zu einer zÀhen*
Masse vereinigender Niederschlag. â Chlorwasser bewirkt in
der wÀssrigen Lösung der Base einen weissen in HCl lösl.,
Niederschlag. â Eine geringe Menge der Base, in einen
Tropfen Goldchlorid gebracht, bewirkt einen zÀhen, gelben
Niederschlag, der sich im Verlauf einiger Stunden tief violett
fĂ€rbt, wĂ€hrend zugleich Gold redueirt wird. (Diese fĂŒr das
Coniin bisher nicht beobachtete Reaction tritt in entfernt Àhn-
licher Weise auch bei Nicotin ein; Chinolin, Amylammin
und Trimethylammin âergeben nichts Aehnliches, wohl aber
erhÀlt man mit Anilin sogleich eine tief violette FÀrbung.)
Diese Reactionen sind ganz diejenigen des Ăoniins;
Schiff macht jedoch auf folgende Differenzen aufmerksam,
Die Synthese des ConĂŒns. 159
NatĂŒrliches ConĂŒn fĂ€rbt sich mit conec. HCI beim Ver-
dunsten rein indigblau; die kĂŒnstliche Base ergab immer
nur grĂŒnblaue FĂ€rbung. â Die FĂ€llung des Silberoxyds
tritt mit natĂŒrlichem Coniin bei mittler Temperatur sogleich
ein; das kĂŒnstl. Coniin bewirkte die Reaction erst nach eini-
ger Zeit, sogleich jedoch bei schwacher ErwÀrmung (auf etwa
40°). â Die eben erwĂ€hnte violette FĂ€rbung mit Goldchlorid
tritt mit natĂŒrl. Coniin viel schneller ein, als mit kĂŒnstlichem.
â Endlich war das Chloroplatinat in Wasser weniger leicht
löslich.
Was die physiologische Wirkung betrifft, so besitzt
das kĂŒnstliche Coniin denselben betĂ€ubenden, nach kurzer
Zeit die Geruchsnerven abstumpfenden Geruch, wie das na-
tĂŒrliche. j
Im Verlauf seiner Arbeit verspĂŒrte Schiff mehrmals
heftiges Kopfweh und Blutcongestionen. â Ein Fink, wel-
chem man einen kleinen Tropfen unter die Zunge gebracht
hatte, starb nach 5 bis 6 Minuten. â Frösche, mit wel-
chem der Bruder des Herrn Schiff einige Vergleichsver-
suche anstellte, zeigten sogleich . Vergiftungssymptome; der
Tod trat aber hier (bei Winterfröschen) erst nach 12 bis
20 Stunden ein. Bei Versuchen bezĂŒglich der Nervenreiz-
barkeit, bei welchen der eine Schenkel zum Vergleich vor
der Vergiftung unterbunden wurde, ergaben sich Resultate,
welche Schiff (Bruder) als fĂŒr Vergiftung mit Coniin (und
fĂŒr einige andere hier nicht in Betracht kommende narkotische
Gifte) charakteristisch betrachtet. Bei allen diesen Versuchen
wurde ein Tropfen Coniin entweder auf die Zunge oder unter
die Haut des Thieres gebracht. â Es bleibt zu untersuchen
ĂŒbrig, ob hier noch eine der feineren Isomerien vorliegt und
ob das Dibutyraldin mit dem Conydrin von Wertheim
identisch oder nur isomer ist.
Bei der Synthese des Coniins haben wir zunÀchst die
folgenden beiden Verkettungen zweier Butyraldehyd-
Residua:
1. cns_cns_cae_cH (N
CH3_CHÂź?_CH2_CH 2
II. CH_CH2_CH2_CH3
[Q -
CH_CH2_CH2_CH er
166 PrĂŒfung des Opium auf Morphin.
Diese beiden Butyroxyaldine können durch Ent-
wÀsserung drei isomere Coniine bilden:
RN CRESCHE SCHE
CHESCHZSCH- ICH
I CHZ2OTFECH2&CHE
N.
(
GHSCH2ZEOHSCHEHEN.
NT ZZOHSOLZSCHZE CHE
(
CHECHSCHPTCHRHN.
Die Formel III gehört wohl dem natĂŒrlichen Conim an,
in welchem noch ein ersetzbares Wasserstoffatom vorhanden
und fĂŒr welches durch Wertheim nachgewiesen ist, dass
die Gruppe CÂźH!* (Conylen) als zweiwerthig functionirt.
Weitere Untersuchungen werden darthun, ob das kĂŒnstliche
Coniin vielleicht eines von den Isomeren enthÀlt.
Andere Isomere des Butyryleoniins können noch mit
Isobutylaldehyd oder mit einer Mischung von Isoal-
dehyd mit normalem entstehen. Eine grosse Anzahl
anderer isomerer Verbindungen werden ferner noch entstehen
können, wenn die Residua von Acetaldehyd oder Pro-
pionaldehyd mit den Residuen von normalem oder anor-
malen Capronaldehyd, resp. Valeraldehyd vermittelst der
Einwirkung des H?âN in verschiedenartigster Weise zusam-
mentreten. (Yugo Schiff, Florenz, Istiluto superiore. Januar
1871; Annalen d. Chem. u. Pharm. MĂ€rz 1871, S. 352 â 262.).
Jane br
PrĂŒfung des Opium auf Morphin.
Rother fÀllt den wÀssrigen Opiumauszug mit kohlen-
saurem Natron und wÀscht den Niederschlag auf einem Filter
unter Ăfterem AufrĂŒhren mit einem Glasstabe mit einer Mi-
schung von gleichem Volumen Wasser, Alkohol und Aether,
wodurch er nicht allein entfÀrbt, sondern auch von Narkotin
befreit wird.
Der eigenthĂŒmliche narkotische Geruch des Opium lĂ€sst
sich nach Rother durch Behandlung mit Aether entfernen.
Wahrschemlich wird der diesen Geruch bewirkende Stoff
Milchprobe durch den Ammoniakprocess. 161
durch Alkalien, Ammoniak oder kohlensaures Natron zerstört,
denn wenn ein wĂ€ssriger Ăpiumauszug hiermit gemischt
wird, so tritt ein anderer fruchtÀhnlicher Geruch auf, wie er
sich bei einer Tinctur findet, welche aus mit Aether behan-
deltem Opium bereitet ist. Letzterer wird bei dem natĂŒrli-
chen Opium vielleicht nur durch den stÀrkern narkotischen
Geruch verdeckt. (The Pharmacist and Chem. Record Chicago,
July 1871. p. 145 f.). W».
Milchprobe durch den Ammoniakprocess.
Diese Probe grĂŒndet sich auf die Verwandlung der albu-
minösen Substanzen, als Ăasein etc. in Ammoniak durch
ĂŒbermangansaures Kali. Nach Wancklyn giebt rei-
nes Casein 6,5 Proc. Ammoniak. Da eine normale Milch
4 Proc. Casein enthĂ€lt, so mĂŒssen 100 Thle, einer solchen
0,26 Ammoniak liefern. Das Verfahren ist folgendes : 5 0.C.
oder 5 Grm. Milch werden in ein 500 C©.C. Maassglas gethan
und dann bis zur 500 0.0. Marke mit Wasser verdĂŒnnt.
5 C.C. solcher verdĂŒnnter Milch â 50 Milligrm. unverdĂŒnnte,
dienen zur Analyse.
In eine 'Tubulatretorte von 1 Liter Inhalt giebt man
400 0.C. Wasser, fĂŒgt dann 50 C.C. einer alkalischen Lösung
von ĂŒbermangansaurem Kali hinzu, dargestellt durch Auflösen
son 200 g. trocknem Kalihydrat und 8 g. krystallisirten ĂŒber-
mangansauren Kali in 1 Liter Wasser. Dann erhitzt man
die Retorte bis zum Sieden des Inhalts und destillirt unter
guter AbkĂŒhlung mittelst eines Liebigâschen KĂŒhlers. Das
Destillat wird mit Nesslerâs Reagens auf Ammoniak geprĂŒft.
Wenn 200 0,0. ĂŒbergegangen sind, wird sich nichts mehr
zeigen. Jetzt giesst man die 5 O.C. verdĂŒnnte Milch in die -
Retorte, die also 250 C.C. Wasser, 10,0 Aetzkali und 0,4
ĂŒbermangansaures Kali enthĂ€lt und destillirt so lange weiter,
als sich im Destillat mit obigem Reagens noch Ammoniak
ausweist,
Zur quantitativen, Bestimmung des Ammoniaks wird das
Nesslerâsche Reagens nun folgendermaassen gebraucht. Das
Destillat wird in einen Ăylinder von farblosem Glase gegos-
sen, der bei 50.0.0. eine Marke hat. Man fĂŒgt 14, 0.0.
Nessler'sches Reagens hinzu, wodurch eine gelblich braune
Arch, d. Pharm. CXCIX, Bds, 2. Hit, 11
162 Untersuchung der FleischflĂŒssigkeit von Phocaena communıs.
FĂ€rbung entstehen wird. Neben den ersten Cylinder stellt
man nun auf ein StĂŒck weisses Papier einen zweiten ganz
gleichen, giesst destillirtes reines Wasser hinein und fĂŒgt
AmmoniakflĂŒssigkeit von bekanntem Gehalt soviel hinzu,
als man fĂŒr nöthig hĂ€lt. Dann werden 1%), C.C. Nesslerâ-
sches Reagens hinzugethan, wodurch eine FĂ€rbung eintritt,
die mit der im ersten ĂĂylinder zu vergleichen ist. Sind
beide gleich, so notirt man die Menge des gebrauchten Am-
moniaks und hat damit auch die Menge desselben im Milch-
destillat. Ist die FĂ€rbung ungleich, so macht man einen
andern Versuch mit der AmmoniakflĂŒssigkeit, bis das Ziel
erreicht ist.
Um das gefundene Resultat in Procente des ĂOaseins zu
verwandeln, hat man sich zu erinnern, dass 6,5 Thle. Ammo-
niak 100 Theilen Casein entsprechen. Das Ammoniak also
mit 100 multiplieirt und mit 6,5 dividirt giebt das Casein
(Nesslers Reagens: 35 g. Jodkalium u.19,1 g. Quecksilberchlorid
werden in weniger als 1 Liter Wasser unter ErwÀrmen
gelöst). Es muss ein wenig Quecksilberjodid ungelöst blei-
ben. Man filtrirt und fĂŒgt entweder 120 g. Aetznatron, oder
160 g. Aetzkali hinzu und fĂŒllt Wasser bis zum vollen Liter
nach. Damit ist das Reagens fertig. Vor Anwendung des-
selben fĂŒgt man noch einige 0.0. concentrirte wĂ€ssrige Subli-
matlösung hinzu, wodurch ein geringer Niederschlag ent-
steht, den man abfiltrirt. Das Reagens wird dadurch empfind-
licher. (The Pharmac. Journ. and Transact. Third. Ser.
Part. XIV. Nr. LVIITâLXI Aug. 1871. p. 123.).
Wn.
Untersuchung der FleischflĂŒssigkeit von Phocaena
communis, von Dr. Oscar Jacobsen.
Das frische fettfreie Fleisch von einem jungen Delphin,
10 Kilogrm. an Gewicht, wurde zerhackt und nach dem An-
rĂŒhren mit kaltem Wasser 2 mal sehr stark ausgepresst.
Die zur Gerinnung des Albumins einmal aufgekochte FlĂŒs-
sigkeit erschien nach dem Filtriren fast farblos. Sie wurde
mit der zur FÀllung der PhosphorsÀure eben ausreichen-
den Menge BaO-Wasser versetzt und das Filtrat in flachen
Schalen auf dem Wasserbade möglichst schnell verdunstet,
wobei noch einmal von einigen Flocken einer gefÀrbten,
u. "I u
Untersuchung der FleischflĂŒssigkeit von Phocaena ecommunis. 163
eiweissartigen Substanz abfiltrirt werden musste. Aus
der schliesslich bis auf etwa 500 Grm. eingeengten FlĂŒssig-
keit hatte sich nach 3tÀgigem Stehen in der KÀlte eine
reichliche Krystallisation von Kreatin abgesetzt. Dieses,
mit wenig kaltem Wasser gewaschen und auf einer porösen
Thonplatte getrocknet, bedurfte nur eines einmaligen Um-
krystallisirens, um vollkommen farblos zu werden.
Seine Menge betrug 6,1 Grm. (bei 30° C©. getrocknetes
Kreatin. Kreatinin liess sich in der letzten, bei der Rei-
nigung des Kreatins abfallenden Mutterlauge durch Alkohol
und Chlorzink nicht nachweisen.
Die FlĂŒssigkeit, aus der sich das rohe Kreatin abgesetzt
hatte, wurde noch etwas weiter verdunstet, so dass sie nach
dem Erkalten eine dickflĂŒssige, von ausgeschiedenen Kry-
stÀllchen körnige Masse bildete. Diese bestanden aus
Chlorkalium, dem nur noch Spuren v. Kreatin beigemengt
waren. Nach Zusatz von etwas sehr verdĂŒnntem Weingeist
liess sich die FlĂŒssigkeit davon abseihen, worauf sie mit einer
reichlichen Menge starken Weingeist geschĂŒttelt und dadurch
in 2 Schichten getrennt wurde. (Dextrin wurde hierbei
nicht abgeschieden, dagegen war solches â neben Inosit
â reichlich in der Lunge desselben Thieres enthalten. Bei
einer ganz gleichen Verarbeitung von 10 Kilogrm. Pferde-
fleisch von einem gutgenÀhrten, etwa 10jÀhrigen Pferde,
wurde ebenfalls kein Dextrin erhalten. Auch Limprichtâs
Untersuchungen zeigen, dass Dextrin nur zuweilen im Pfer-
defleische vorkommt.)
In der oberen alkoholischen Schicht bewirkte verdĂŒnnte
50? einen krystallinischen Niederschlag; derselbe bestand
wesentlich aus schwefelsaurem Kali, von welchem sich
durch Krystallisation etwas schwefelsaures Natron
trennen liess. Kreatinin war nicht zugegen.
Von dem sauren alkohol. Filtrate wurde der Alkohol
abdestillirt und der RĂŒckstand mit Aether behandelt. Die
farblose Aetherschicht hinterliess bei der Destillation unreine
MilchsÀure, aus welcher 12,0 g. kıystallisirter fleisch-
milchsaurer Kalk gewonnen wurden, entsprechend 7,45 Grm.
MilchsÀure,
Aus der durch Aether von MilchsÀure befreiten und mit
etwas Weingeist verseizten FlĂŒssigkeit schied sich allmĂ€hlig
ein Bodensatz ab, der unter dem Mikroskop sehr kleine
undeutliche Nadeln, mit spÀrlichen grösseren Krystall-
blÀttehen untermengt, erkennen liess. Er bestand aus
1 Mr
164 Untersuehung der FleischflĂŒssigkeit von Phocaena communis,
unreinem Sarkin und etwas Kreatin, die aus der heissen
wÀssrigen Lösung leicht getrennt erhalten wurden.
Die Menge des Sarkins betrug 0,53 Grm., die des
Kreatins war Àusserst gering, doch konnte sowohl durch die
Beobachtung der Krystallform, wie durch die PrĂŒfung
auf Schwefel nachgewiesen werden, dass es kein Taurin
beigemengt enthielt.
Die vom Sarkin-Bodensatz getrennte FlĂŒssigkeit wurde
zunÀchst mit Bleiessig, dann das Filtrat mit essigsau-
rem Quecksilberoxyd gefÀllt. Der Bleiniederschlag lhe-
ferte nach der Zerlegung durch HS us. w. nichts Krystalli-
nisches; dagegen wurde aus dem in heissem Wasser vertheil-
ten HgO-Niederschlage, nach gleicher Behandlung mit HS
und. Verdampfung des vom HgS getrennten Filtrates, eine
weitere betrÀchtl. Menge unremen Sarkins, in stark gefÀrb-
tem Zustande 0,36 Grm. wiegend, erhalten.
Dieselbe successive FĂ€llung mit Bleiessig und essigs.
Quecksilberoxyd wurde endlich auf die wieder in Was-
ser gelöste halbflĂŒssige Masse angewendet, welche bei der
Behandlung der Mutterlauge von rohem Kreatin mit Wein-
geist die untere Schicht gebildet hatte. Der Bleiessig-Nie-
derschlag gab nach der Zersetzung durch HS und Verdun-
stung des Filtrats leicht erkennbare Krystalle von Inosit,
enthielt aber weder HarnsÀure noch Xanthin. Der einmal
aus verdĂŒnntem Weingeist umkrystallisirte Inosit wog nur
0,08 Grm., so dass wohl die bekannten Reactionen des-
selben erhalten wurden, aber auf eine bestÀtigende Analyse ver-
zichtet werden musste.
Aus dem Quecksilberniederschlage wurden noch 0,2 Grm.
unreines Sarkin gewonnen. Das Filtrat von diesem Queck-
silberniederschlage hinterliess nach der Behandlung mit HS
beim Verdunsten eine braune Extractmasse, aus welcher auf
keine Weise Taurin, noch sonst eine kryst. Substanz ge-
wonnen werden konnte, ausser KĂl, das sich in geringer
Menge allmÀhlig in sehr regelmÀssig ausgebildeten mikroskop.
OctaÀdern absetzte. (Bei der entsprechenden Behandlung des
Pferdefleiseches krystallisirte auf Zusatz von Alkohol
Taurin und zwar wurden aus 10 Kilogrm. Fleisch 0,7 g.
farbloses kryst. Taurin erhalten.)
- Das bei diesem Gange der Untersuchung in verschie-
denen Antheilen erhaltene Sarkin war noch gefÀrbt. Zu
seiner Reinigung und Trennung von etwa vorhandenem
Xanthin wurde der von Neubauer angegebene Weg
Untersuchung der FleischflĂŒssigkeit von Phocaena eommunis, 165
eingeschlagen und so 2,37 g. völlig farbloses salpeter-
saures Sarkinsilberoxyd erhalten, entsprechend 1,05 g.
reinem Sarkin. Aus dem Filtrate schieden sich nach
schwacher UebersÀttigung mit H?N nur wenige gelbliche
Flocken von Xanthinsilberoxyd aus, an Gewicht kaum
0,015 Grm. betragend.
Im Nachfolgenden sind die Mengen der verschiedenen
Bestandtheile zusammengestellt, die aus 10000 Theilen Del-
phinfleisch erhalten wurden und es sind zur Vergleichung
die bei ganz gleicher Verarbeitung eines gleichen Gewichtes
Pferdefleisch erhaltenen Mengen derselben Bestandtheile dane-
ben gestellt.
Aus 10000 Theilen Fleisch erhalten:
Delphinfleisch. Pferdefleisch.
Kreatin 6,10 7,60 Thle.
Sarkin 1,05 1,28, 2
Xanthin Spuren LTE,
Inosit 0,08 30,7%
MilchsÀure 7,45 2 9
Taurin eâ 0,202,
Bei einer frĂŒheren Arbeit erhielt O. Jacobsen aus
5 Kilogrm. Delphinfleisch (von einem sehr grossen FExem-
plar von Phocaena communis) 3,2 g. Kreatin, also aus
10000 Theilen 6,4 Theile, eine Menge, die mit der obigen
nahe ĂŒbereinstimmt.
Die Menge Kreatins, die ich aus Pferdefleisch erhielt
(7,6), weicht wenig von derjenigen ab, welche Liebig fand
(7,2). Sehr abweichend aber ist die Angabe von Scherer
(3,88) und noch grössere Differenzen bestehen zwischen den
Angaben von Neubauer und FrĂŒheren ĂŒber den Kreatingehalt
anderer Fleischarten. (Vgl. Zeitschr. f. analyt. Chem. II, 28.)
Neubauer hat nachgewiesen, dass das Kreatin in
warmer wÀssriger Lösung leicht in Kreatinin
ĂŒbergeht und vermuthet in dieser Zersetzung den Grund
jener Verschiedenheit. Dann mĂŒsste sich aber dieses gebil-
dete Kreatinin vorfinden. Jacobsen erhielt aber im Pferde-
fleisch und in dem zuerst verarbeiteten Delphinfleisch nur sehr
geringe Mengen, bei der eben mitgetheilten Untersuchung
sogar keine Spur von Kreatinin. Aus dem Pferdefleische
erhielt er es noch am reichlichsten, nemlich aus 10 Kilogrm.
fast 0,2 g. Kreatininzinkchlorid. (Annalen d. Chem,
u. Pharm., Febr. 1871, Bd. 157. S. 227 â 232). HL.
166
II. Naturgeschichte.
Ueber Baeterien
hat Ferdinand Cohn in Breslau seine Beobachtungen
veröffentlicht. Seine Untersuchungen sind durch das Bestre-
ben angeregt worden, die bekannten Versuche von Schwann,
Schröder und Pasteur in die Form von Vorlesungsexpe-
rimenten zu bringen, da die wichtigen Gesetze, welche durch
dieselben festgestellt werden, den Studirenden nur durch An-
schauung zur Evidenz gebracht werden können. Zu diesem
Behufe benutzte er fĂŒr die ErnĂ€hrung der Bacterien nur
solche Eiweissverbindungen, welche wie gekochtes
HĂŒhnereiweiss, der Kleber vieler Pflanzensa-
men, sowohl im kalten als auch im kochenden Wasser un-
löslich, dieses daher an sich weder fĂ€rben noch trĂŒben;
er schloss dagegen alle diejenigen Stoffe aus, welche schon
im frischen Zustande das Wasser trĂŒben oder beim Kochen
durch SchÀumen oder Extraction die Durchsichtigkeit dessel-
ben aufheben, wie z. B. gelöstes Eiweiss, Blut, Fleisch,
viele Pflanzenstoffe. Auf diese Weise erreichte er, dass
die Entwickelung der Bacterien und der dieselbe begleitende
Eintritt der FĂ€ulriss auch ohne mikroskopische Untersu-
chung sofort an der beginnenden TrĂŒbung des Was-
sers sich beurtheilen lÀsst.
Die Versuche wurden so angestellt, dass in Kölbchen
mit langem Halse wĂŒrfelförmige StĂŒckchen von hartgekoch-
tem HĂŒhnereiweiss oder von gekochten Erbsen, bei denen der
auf den SchnittflÀchen gebildete StÀrkekleister vorher sorg-
fÀllig abgewaschen worden, zugleich mit einer bestimmten
Menge destillirten Wassers eingefĂŒhrt, die Kölbchen
sodann im Wasserbade 1, â !/, Stunde theils bei 100° 0.,
theils bei niederen Temperaturen erhalten, schliesslich die
Oeffnungen der Kölbehen theils zugeschmolzen, theils mit
Baumwolle verstopft wurden, Hierbei konnte nicht bloss die
Ueber Bacterien. 167
Thatsache ausnahmslos festgestellt werden, dass in zu-
geschmolzenen oder durch Baumwolle verstopf-
ten Kölbehen schon nach kurzem Kochen weder
FĂ€ulniss noch Bacterienbildung eintritt, sondern
dass auch ein ErwÀrmen auf 80°C., vielleicht schon auf 75°C,
das Eintreten dieser beiden Processe völlig hindert, wÀhrend
ErwÀrmung auf 70° dieselben nicht ausschliesst.
Dagegen hat sich in einer ganzen Anzahl Kölbchen, die eine
ErwÀrmung von 80°, ja von 100° durchgemacht, nach einiger
Zeit, z. Th. erst nach Monaten, Penicillium-Mycel ent-
wickelt, ohne dass damit auch nur in einem einzigen
Falle Bacterienbildung und FÀulniss verbunden gewesen wÀre.
Es ergiebt sich hieraus mit vollster Evidenz, dass Bacte-
rien und Penieillium von einander unabhÀngig
sind, dass Bacterien sich nicht aus Penicillium
entwickeln, dass dass Penieillium nicht FĂ€ulniss veran-
lasst, dass endlich Bacterienkeime schon nach kurzer Zeit
bei 80° getödtet werden, nicht erst nach stundenlangem Sie-
den, oder gar erst bei 200°, wie noch in neuester Zeit Wy-
man und Ărace Calvert behauptet haben. Ob dagegen
die Penieilliumsporen wirklich ein lÀngeres Kochen bei
100° ohne Verlust ilmer Keimkraft ĂŒberdauern, oder ob in
die Kölbchen nicht einzelne Sporen nachtrÀglich aus dem
Baumwollenpfropfe herabgefallen sind, lÀsst Cohn vorlÀufig
dahingestellt; in den zugeschmolzenen Kölbchen hat
sich kein Penicillium -Mycel eingefunden.
Eine ausfĂŒhrlichere Besprechung seiner Versuchsreihen -
Geschichte ĂŒber Bacterien soll das im Druck befindliche 2. Heft
von Cohnâs BeitrĂ€gen zur Biologie der Pflanzen
bringen; das Folgende ist ein Resume der bis jetzt ermittel-
ten Thatsachen :
1) Die Bacterien sind Zellen; bei den grössten For-
men können wir mit HĂŒlfe der stĂ€rkeren Immersionssysteme
einen protoplasmaartigen und höchst wahrscheinlich stickstoff-
- haltigen Zellinhalt, feste, lebhaft lichtbrechende Körnchen, so
wie eine scharfe Umgrenzung, jedoch keine doppeltcontou-
rirte Zellmembran, wie ja auch nicht bei den meisten SchwÀrm-
zellen, unterscheiden; eine Ăellulosehaut scheint nicht vorhan-
den zu sein. Ihre Bewegung ist anscheinend nicht durch
Cilien hervorgebracht.
2) Das Protoplasma der Bacterienzellen ist farblos
(mit Ausnahme der Bacterien der PigmentgÀhrungen), besitzt
aber ein anderes Lichtbrechungsvermögen als Wasser; wenn
daher Bacterien in grösserer Zahl im Wasser vertheilt sind,
168 Ueber Bacterien.
so machen sie dasselbe trĂŒbe, ganz so wie die ButterkĂŒgel-
chen die Milch, oder die Hefenzellen eine Zuckerlösung trĂŒ-
ben. Das Wasser verliert um so mehr an Durchsichtigkeit,
je reichlicher sich die Bacterien vermehren; es ist daher
die TrĂŒbung ein makroskopisches Kennzeichen
fĂŒr die Entwickelung der Bacterien.
3) Die Bacterienzellen vermehren sich durch
Quertheilung in zwei gleichwerthige Tochterzellen, die
sich bald wieder quertheilen; die Theilungsgener ationen "isoli-
ren sich entweder sofort, oder bleiben eine Zeit lang in ket-
tenartigem Zusammenhang. Die Vermehrung ist einerseits
von der ErnÀhrung, andrerseits von der Temperatur
beeinflusst; sie hört bei niederen Temperaturen gÀnzlich auf
und wird bis zu einem gewissen Maximum durch die steigen-
den Temperaturen beschleunigt.
4) Die Bacterien assimiliren stickstoffhaltige Ver-
bindungen, aus denen sie ihr Protoplasma bilden; nach
Analogie der Pilze und mundlosen Infusorien ist anzunehmen,
dass sie flĂŒssige, in Wasser gelöste Eiweissver-
bindungen fĂŒr ihre ErnĂ€hrung endosmotisch auf-
nehmen; nach Pasteur sollen sie auch aus Ammoniak-
verbindungen ihren stickstoffhaltigen Zelleninhalt bilden
können; in wie weit sie auch andere Stickstoffverbindungen
(Nitrate, Nitrite, Alkaloide ete.) assimiliren, ist nicht
festgestellt.
5) Die Bacterien vermögen auch feste, in Was-
ser nicht lösliche Eiweissverbindungen zu assi-
miliren, nachdem sie dieselben vorher verflĂŒs-
sigt hab en. Wird hartgekochtes HĂŒhnereiweiss oder in
Wasser unlöslicher Kleber mit Wasser ĂŒber gossen, welches
nur wenig Bacterien enthÀlt, so zeigt sich nach einiger Zeit
zunĂ€chst an der OberflĂ€che des Eiweisskörpers eine trĂŒbe
Schicht von Bacterien, welche, rasch wachsend, als eine weiss-
liche Wolke den Körper einhĂŒllt, wĂ€hrend das darĂŒber ste-
hende Wasser noch lange klar und bacterienfrei bleibt. All-
mÀhlig steigt der milchige Bacterienstrom scharf abgegrÀnzt
in der Wassermasse empor, gelangt zur OberflÀche und ver-
theilt sich schliesslich gleichmÀssig im Wasser; es lÀsst sich
leicht erkennen, dass in den SBacterienströmen der feste
Eiweisskörper eine theilweise Lösung erlitten hat, welche
eben die ErnÀhrung der Bacterien vermittelt; allmÀhlig ver-
flĂŒssigt sich das Eiweiss unter Einwirkung der Bacterien zu
einer schmierigen Substanz und wird mit der Zeit völlig auf-
gezehrt, WÀhrend dieser VorgÀnge bilden sich verschie-
Ueber Bacterien. 169
dene Nebenproducte, die sich zum Theil durch den
Geruch bemerkbar machen, jedoch meist nicht nÀher unter-
sucht sind. Das VerflĂŒssigen und Desorganisiren fester
Eiweissverbindungen ist keineswegs ein rein che-
mischer, durch die AffinitÀt des Wassers oder des Sauer-
stofis oder durch spĂ€tere Zersetzung herbeigefĂŒhrter Process,
da derselbe auch bei Anwesenheit von Wasser
und Sauerstoff, aber beiAusschlussvon Bacterien
niemals eintritt; er ist daher eine Arbeitsleistung der
Bacterien. Dieses VerflĂŒssigen fester oder halb-
flĂŒssiger Eiweisskörper in Verbindung mit deren
Assimilation durch die Bacterien und den dabei
auftretenden Nebenproducten wird als FĂ€ulniss
bezeichnet.
6) Die Bacterien sind die einzigen Organis-
men, welche die FĂ€ulniss eiweissartiger Substan-
zen herbeifĂŒhren; wenn andere Organismen (Schimmel-
pilze und Infusorien etc.) dergl. Stoffe ebenfalls assimiliren, so
bewirken sie ohne Zweifel auch eigenthĂŒmliche, jedoch nicht
nÀher bekannte VerÀnderungen derselben, aber keine FÀul-
niss; die Bacterien allein sind Saprogene (von
o«sroog faul, verfault, stinkend, ranzig, schimmelig, durch
Alter unbrauchbar, verdorben, morsch, hÀsslich), wÀhrend die
Schimmelpilze als Saprophyten, Infusorien, Nemato-
den, gewisse Dipterenlarven und andere Thierchen als Sa-
prozoen bezeichnet werden können,
7) Je reichlichere Nahrung die Bacterien finden, desto
stÀrker vermehren sie sich und desto grösser werden die Zel-
len, obwohl sie natĂŒrlich nie ein gewisses Maximum ĂŒber-
schreiten. Wahrscheinlich giebt es verschiedene Gat-
tungen und Arten von Bacterien, die auf bestimmte
stickstoffhaltige Verbindungen angewiesen sind, um
bestimmte Zersetzungen zu veranlassen; doch ist
hierĂŒber nichts Sicheres ermittelt, und nach Ă€usseren Merk-
malen unterscheiden wir bis jetzt mit Hoffmann Mikro-
bacterien, Mesobacterien und Makrobacterien;
vielleicht wÀre eine Eintheilung in Punkt- oder Kugelbacterien
(Termo; hierher Monas prodigiosa), Cylinderbacte-
rien (Bacterium im engeren Sinne) und Schrauben-
bacterien (Vibrio, Spirillum) vorzuziehen.
8) Indem die stickstoffhaltigen NĂ€hrstoffe
aufgezehrt werden, hörendie Bacterien allmÀhlig
auf, sich zuvermehren und gehen aus dem beweg-
lichen in den Ruhezustand ĂŒber, wobei sie in der
170 Ueber Bacterien.
RegelIntercellularsubstanz ausscheiden und sich
in palmellartige Massen (Zoogloea)zusammenhÀu-
fen. In diesem Stadium können sie noch wachsen und sich
theilen, auch unter UmstÀnden wieder ausschwÀrmen. Die
Bacterien verhalten sich hierbei analog den Euglenen,
Ohlamydomonas u. a. mikroskop. Organismen, die unter
gewissen UmstÀnden in Ruhezustand eintreten und durch
Intercellularsubstanz zu schleimigen HĂ€uten . nach Art der
Palmellen sich vereinigen.
Ist alle assimilationsfÀhige Nahrung erschöpft, so setzen
sich die Zoogloeamassen am Boden ab und das Wasser wird
wieder völlig klar, wie eine ausgegohrene Zuckerlösung nach
Absatz der Hefe sich wieder klÀrt. Schleimartige (Pal-
mella-) Massen bilden auch diejenigen Bacterien, welche sich
in feuchter Luftaufstickstoffhaltigem NĂ€hrboden
(gekochten Kartoffeln etc.) entwickeln; diese erzeugen als
Nebenproducte ihrer AssimilationsthÀtigkeit gewöhnlich rothe,
violette, gelbe,grĂŒneu. braune Farbstoffe (Anilinfarben?).
9) Wenn Wasser, in welchem Bacterien leben,
verdunstet, so werden zahllose Bacterieniin die
LuftfortgefĂŒhrtund zwar vorzugsweise die klein-
sten, kugligen Zellen.
Man kann dieselben leicht demonstriren, wenn man ein
mit bacterienhaltigem Wasser von etwa 25° C. halbgefĂŒlltes
Becherglas, mit einer Glasplatte bedeckt, in einen kalten
Raum bringt, worauf sich der Wasserdunst bald auf der
Unterseite der Glasplatte in Tropfen niederschlÀgt; durch Auf-
giessen von Aether auf die Oberseite der Glasplatte kann
man die Tropfenbildung beschleunigen. Der niedergeschla-
gene Wasserdunst ist stets von zahllosen kug-
ligen Mikrobacterien, doch auch von cylindrischen
reichlich erfĂŒllt Es sind dies die Bacterienkeime,
welche demnach bei aller Verdunstung faulender FlĂŒssigkeiten
in die Luft aufsteigen, beim Einathmen der Luft eingeschluckt,
mit meteorischen WasserniederschlÀgen auf alle Körper ab-
gesetzt werden und daher auch in allen der Luft aus-
gesetzten Eiweissverbindungen zu Erregern der
FÀulniss werden, da ihre LebensfÀhigkeit durch den
Aufenthalt in der Luft nicht vernichtet wird, wie dies ja auch
bei den eneystirten Infusorien, den ausgetrock-
neten Raederthierchen und Nematoden, den Sporen
und Conidien der Pilze der Fall ist. j
Dagegen ist das berĂŒhmte Experiment von Pasteur mit
der in Aether aufgelösten Schiessbaumwolle, in. welcher die
Wirkung d. WĂ€rme a.d. Protoplasma-Leben, â Lichenol. Felsenteppich. 171
Luft ihre Keime abgelagert hat, offenbar werthlos, da in
einer Collodiumlösung höchstens grössere Pilzsporen (Spori-
desmium, Phragmidium, vielleicht auch die Sporen von
Mucor, Penicillium und anderen Hyphomyceten,
Uredineen und Sphaeriaceen), unmöglich aber die
Bacterienkeime erkannt werden können, welche doch bei der
FĂ€ulniss allein in Betracht kommen. (Botanische Zei-
tung von Hugo von Mohl u. A. de Bary vom 22. Dee.
1871, Nr. 51, S. 861â 867.). Hk;
Wirkung der WĂ€rme auf dag Protoplasma - Leben
nach Crace Calvert.
Die AnhÀnger der Generatio spontanea nehmen an, dass
die Siedhitze des Wassers hinreichend sei, alles Protoplasma-
leben zu zerstören. Die Versuche des Verfassers mit Zucker -
und Gelatine- Lösung, so wie mit einem Heuaufguss beweisen
jedoch das Gegentheil, insofern in diesen FlĂŒssigkeiten selbst
bei einer iErhitzung auf 300° Fahrenheit noch nicht alles
organische Leben zerstört war. Uebrigens bedarf es einer
ausserordentlich kurzen BerĂŒhrung einer FlĂŒssigkeit mit der
atmosphÀrischen Luft, um die in dieser vorhandenen mikro-
skopischen Keime in dieselbe ĂŒberzufĂŒhren und es sind beson-
ders eingerichtete Apparate nöthig, um ein vollkommen davon
freies destillirtes Wasser zu erhalten. (The Pharmac. Journ.
and Transact. Septbr. 1871. p. 185.). Wp.
Lichenologischer Felsenteppich.
Es ist wahr, das Felsgestein ist öde, unfruchtbar, tedt.
Man verwechsle aber das nackte, nur von Leeideenflech-
ten ĂŒbertĂŒnchte Felsgestein nicht mit demjenigen, dessen
OberflÀche angeweht ist von Staub und Erde und dadurch
eine fruchtbare Erdkruste erhalten hat. Da, wo dieselbe auch
nur linien- bis fingerdick ist, bilden Haidekraut, Heidelbee-
ren und Preisselbeeren ein endloses wenn auch niedriges Ge-
strĂŒpp, zwischen welchem sich krĂŒppelhaft die Kiefer und
Fichte, Birke und anderer kĂŒmmerlicher Baumwuchs erheben.
172 Lichenologischer Felsenteppich.
Wo aber jene HaidekrÀuter auf dem Erdanfluge des Ge-
steins eine Blösse gelassen haben, auf vorstehenden Fels-
blöcken, ĂŒber kantigen Gesteinsplatten, da wuchert und grĂŒnt
dem Lichenologen in den aschgrauen wirren âRennthier-
flechtenâ und sonstigen âCladonienâ ein Reich voll
winziger Pracht und Ueppigkeit. Hier erheben auf grĂŒn-
kleiigem, grĂŒnstĂ€ubigen, grĂŒnschuppigen Lagergrunde sich
Becher bei Becher die grĂŒnen oder angebrĂ€unten Cham-
pagnerglÀschen der Cladonia pyxidata. Dazwischen spros-
âsen wieder die Ă€hnlichen âScharlachflechtenâ (Clado-
nia coccifera), deren Becherrand scharlachroth, wie mit
Siegellack breit betropft ist.
Ist deren Becher anstatt mit grĂŒnem Staube vielmehr
mit BlĂ€tterschĂŒppchen ĂŒĂerkleidet, so haben wir ein echtes
Gebirgskind vor uns: die prĂ€chtige und seltene âTausend-
schönflechteâ (Cladonia bellidiflora). Oder nur
nadelige oder stielige GrĂŒnsĂ€ulchen, schlank und becherlos,
je mit einem feinen rothen Siegellacktröpfchen gekrönt, stehen
die âSchlankflechtenâ (Cladonia macilenta) mas-
senhaft beisammen, die ebenso wie die Clad. coccifera sich
auch in der Ebene, besonders in Kieferwaldungen hÀufig
finden.
Hie und da ist ein Felsvorsprung auch wohl ausschliess-
lich bedeckt von schwefelgrĂŒnen Bechern der âUngestalt-
Flechte (Cladon. deformis), die an ihrem Rande horizontal
handförmig ausstrahlen und auf einem grossblÀttrigem Lager-
srunde sich dicht neben einander erheben.
Die anderen Cladonien haben einen von braunfrĂŒchtigem
Wulste umsÀumten Becherrand. Zumeist ist da die hoch-
schlanke SĂ€ule fein weissstaubig bekleidet und ihr Becher
strahlt von ZĂ€hnen oder rĂŒsselförmigen FortsĂ€tzen aus: so
bei der âSaumflechteâ (Cladon. fimbriata), einer
vielgestaltigen Art, die es oft zu gar keiner Becherbildung
bringt und deren 1â3 Zoll hohen SĂ€ulchen pfriemenförmig
oder gabelig auslaufen.
Aus unzÀhligen. Individuen gebildete dichtgedrÀngte Ra-
sen zeigt die mehre Zoll hohe feinschlanke, braungrĂŒne
âGrazienflechteâ (Cladon. gracilis), die mit meist
breitem, aber ganz flachen Becher endet; dieser Becher ist
meistens Àusserst fein gezÀhnt oder sendet neue Becher aus
seinem Rande.
Bei einer ihr ganz Ă€hnlichen Art, der âHirschgeweih-
flechteâ (Cladon. cervicornis) erheben sich sogar aus
Lichenologischer Feisenteppich. 173
der Bechermitte neue Becher wie ĂŒbereinandergesteilte lang-
gestielte Kreisel, von denen der eine aus dem anderen cen-
tral hervorwÀchst.
Ihr verwandt finden wir auch da die âMissflechteâ
(Cladon. degenerans) mit seitlich viel verÀstelten und
meist zerschlitzt-aufgelösten SÀulchen, deren Becherrand in
Àstiger oder blÀttriger Auflösung begriffen ist. RegelmÀssi-
ger gabelĂ€stig und doldig verzweigt ist die âSchuppen-
flechteâ (Cladonia squamosa), die von korallenstock-
artigem Aussehen mit grauem (ekörnel dick incrustirt ist
und zu den gemeinsten Flechten an den sonnigen Felsblöcken
gehört.
Eine völlig strauchige, wirr verÀstelte, aber zierlichste
Gestalt haben alle ĂŒbrigen Uladonien, die sog. âRennthier-
flechten.â Vor allem die graugrĂŒne âRennthierflechteâ
selbst (Cladon. rangiferina), die so charakteristisch ist durch ihre
einseitswendigen doldenstrahligen Astspitzen und in der Ebene
wie im Gebirge allerorten massenweise sich findet. Von ihr
unterscheidet sich die âGabelflechteâ (Cladon. fur-
cata) oftmals nur durch die nicht einseitswendiggestellten
Astspitzen, aber auch sonst durch die weniger wirre Total-
verzweigung und eine mehr brÀunliche FÀrbung.
Die wieder Ă€hnlich gewirrte âGestirnflechteâ (Olad.
uncinata) hat durchweg einen strohgelben Ton und ihre
Astspitzen strahlen kurzsternig auseinander.
Diese Cladonien, die Lieblinge jedes Lichenologen, fehlen
aber, wo der Fels eben in der That nackt ist. Da treten
andere Flechten auf, die vielleicht nicht minder seltsam sind
und auch in Grösse jenen nichts nachgeben. Wir sehen ab
von den Lecideen und Lecanoren, welche als blosse
farbige Krusten dem Gesteine eingewachsen sind und
ausser der FĂ€rbung und Figuration dieser Krusten dem Be-
schauer zunÀchst kaum ein Interesse bieten. Wir sehen uns
nach grösseren auffÀlligen Gebilden um und haben nicht lange
zu suchen. Wir finden solche, welche durch einen lederarti-
gen oder derb papierartigen Thallus sich auszeichnen.
Als die charakteristisch grösseren und zwar blÀttrig
gegliederten lichenologischen Bewohner blicken uns die soge-
nannten Gyrophoren an. Sie sind sonnengebrÀunt, oft
dĂŒster dunkelbraun und kohligschwarz wie der verwitterte
graue Felsblock selber. Wie eine grosse Schuppe oder auch
dĂŒtenförmig sind sie gestaltet und mit einer centralen Haft-
scheibe der Felsmasse fest eingenietet. Am hÀufigsten findet
174 Lichenologischer Felsenteppich.
man so die âBlasenflechteâ (Umbilicaria pustu-
lata) da, wo die Prellsonne alles andere Leben des nackten
Felsens versengt. Wie schwarzverbrannte StĂŒckchen Krause-
kuchen, die dĂŒten- oder krugförmig aufgethĂŒrmt sind, sitzen
diese Flechten da in unzÀhliger Menge. Die bis mehre Zoll
im Durchmesser haltenden DĂŒten sind auf der blassen Un-
terseite grubig vertieft und diese erbsengrossen Vertiefungen
treten auf der braungrauen Oberseite als derbe Blasen reich-
lich hervor. Wenn wir zufÀllig darauf treten, knistern und
klirren sie, in StĂŒcke zerbrochen, unter unseren FĂŒssen. Wir
können dieselben bei trocknem Wetter zu Staub zerreiben.
Daher gelingt es auch nur bei feuchtem Wetter, wo sie dun-
kelgrĂŒn werden und zictrig weich sich dehnen und blĂ€hen,
die DĂŒtenspitze vom Felsen, in dem sie eingewachsen, loszu-
reissen, ohne die Exemplare selbst zu zerbrechen.
In der That kohlschwarze, dĂŒnne, aufrechte BlĂ€tt-
chen finden wir wieder anderswo: die Gyrophora poly-
phylla, an der uns freilich sonst nichts weiter auflÀllt. Es
sind eben pfenniggrosse, glatte, dĂŒnne, kohlige BlĂ€ttchen oder
Schildchen, hie und da gelappt und an ihrem Rande oder
aus ihrer Mitte neue BlÀttchen treibend.
Eine seltenere Art ist die Gyroph. villea von glatt-
glÀnzender, kupferbrauner Oberseite und fellartig dick und
diehtzottiger Unterseite. Eine wirkliche Schönheit lacht uns
indessen an, beim Anblick der zart aschgrauen mit schwar-
zen Fruchtscheiben besetzten und mit schwarzen Franzen
umsÀumten BlÀtter der Gyroph. proboscidea. Diese
BlĂ€tter sprossen aus und ĂŒbereinander und bilden so eine
prÀchtige graue, schwarzfransige Rosette von einem bis mehre
Zoll im Durchmesser. Das Ganze gleicht dem Trauerkopf-
putze einer Dame, der aschgrau mit den feinsten schwar-
zen Spitzen garnirt ist. Die Unterseite ist hellbrÀunlich,
fast gelblich, nur mit einzelnen schwarzen Fibrillen besetzt
und an dem Mittelpunkte der Felsenunterlage angeheftet.
Massenhafter und schöner ausgebildet habe ich diese
Flechten selten gesehen, als auf dem Wege von Schierke
den Brocken hinauf und auf dem Gipfel dieses altehrwĂŒrdigen
Berges selbst. Sie ist in der That ein pflanzlicher Schmuck
des Brockenhauptes.
-Den Gyrophoren zum Verwechseln Àhnlich und auch
an dem Sonnenbrande ausgesetzten FelswÀnden findet der
Gebirgswanderer eine Flechte: aus sich sprossende und da-
durch oft rosettenförmige, aber doch meist einfach gerundete,
Verbreitungsmittel der CompositenfrĂŒchte. 175
starre, hellaschgraue Schildchen, zartgrĂŒn von Ansehen, wenn
ein Regenschauer ihr in der DĂŒrre sistirtes Leben neue anregt.
Es ist das Endocarpon miniatum.
Das aber haben die Gyrophoren, Umbilicarien und Endo-
carpen gemeinsam, dass keine ihrer Arten weder an BĂ€umen
noch auf der Erde vorkommt. Nur der öde nackteste Fel-
sen ist die StĂ€tte dieser dĂŒsteren Formen des sonst so freund-
lichen Pflanzenreiches. (Paul Kummer; das Ausland,
27. Novbr. 1871, Nr. 48, 1151.).
TE
Ueber die Verbreitungsmittel der CompositenfrĂŒchte
hat F. Hildebrand Mittheilungen gemacht. Die Compo-
siten haben folgende Vorrichtungen, die zur Verbreitung
ihrer FrĂŒchte durch den Wind dienen: Kleinheit und Leich-
tigkeit der AchÀnien; haariger und fedriger Pappus an den-
selben; haarige AnhĂ€nge auf dem ganzen AchĂ€nium; flĂŒgel-
artiger Pappus und zugleich Haarkranz am Grunde der
AchĂ€nien; FlĂŒgelapparat durch die bis zur Fruchtreife frisch
bleibende Blumenkrone, durch die SpreublÀtter, oder durch
die inneren InvolucralblĂ€tter gebildet. Als Beispiele fĂŒr diese
verschiedenen Verbreitungsmittel werden aufgefĂŒhrt: Matri-
caria, Bellis, Anthemis, Achillea, Taraxacum
officinale, Silybum Marianum, Lasiospermum,
Cryptostemma, Ăhardenia Xeranthemoides, Gail-
lardia, Dimorphotheca pluvialis, Aetinomeris,
Anacyclus, Sphenogyne speciosa, Dahlia, Lindhei-
meria texana, Moscharia pinnatifida und Me-
lampodium paludosum.
Unter den Einrichtungen zur Verbreitung durch Thiere
sind besonders das Vorhandensein von Widerhaken (z.B.
bei Bidens tripartita und cernua, Lappa, Oalen-
dula), das Klebrigsein (z. B. bei Adenostemma, Sie-
gesbeckia) und die Fleischigkeit (bei den beerenartigen
FrĂŒchten der Gattung Wulffia) zu beachten. (Botanische
Zeitung ; 5. Januar 1872, S. 1â 14.). H. Ludwig.
176
1II. Pharmacie und Pharmacognosie.
Jodirte Watte
erhĂ€lt man nach M&ehu, indem man in eine weitmĂŒndige
Flasche mit eingeriebenem Stöpsel eine gewogene Menge gut
gezupfter Baumwolle portionsweise eintrÀgt und dazwischen
jedesmal eine QuantitÀt Jod, welches unter Anfeuchtung mit
Weingeist ganz fein zerrieben worden, bis zu einem Zehntel des
Gewichts der Baumwolle Alsdann legt man die Flasche
zunÀchst mit lose eingelassenem Stöpsel, damit die Luft ent-
weichen könne, in ein heisses Sandbad und erhitzt darnach
bei âfest eingedrĂŒcktem Stöpsel bis zur VerflĂŒchtigung und
gehörigen Vertheilung des Jods. â Ein solches PrĂ€parat eig-
net sich besonders âzur Behandlung von scrophulösen An-
schwellungen und VerhÀrtungen, welche mit der Watte zu
ĂŒberdecken sind. (The Pharmac. Journ. and Transact. Septbr.
1871. p. 245.). W».
Haltbare ZinkehloridstÀbe
zum Aetzen erhÀlt man durch Zusammenschmelzen von 2 Thln.
Zinkchlorid mit 1 Thl. Chlorkalium und EinhĂŒllen der geform-
ten Masse in Zinnfolie. (The Pharmacist and Chem. Record,
Chicago, Aug. 1871. p. 181.). Wy.
Liquor Bismuthi
erhÀlt man nach W ood, indem man aus basisch-salpetersaurem
Wismuthoxyd durch Kochen mit Kalilauge das Wismuthoxyd
Gezuckerter Theer. â Das wirksame Prineip der SennesblĂ€tter. 177
abscheidet und letzteres mit einer Mischung von CitronensÀure
und citronensaurem Ammoniak kocht. Wismuthoxyd 9 Thle.,
CitronensÀure 16 Thle., conc. Lösung von citronensaurem
Ammoniak 12 Thle. oder q. s. und Wasser q. s. (The
Pharmac. Journ. and Transact. Septbr. 1871. p. 233.).
Ww».
@ezuckerter Theer.
Um den Geschmack des Theers zu verbessern und den-
selben zugleich in concentrirterer Lösung geben zu können,
als im Theerwasser, empfiehlt Roussin, Theer mit gepul-
vertem Zucker und arabischem Gummi unter Zusatz von
soviel Wasser zusammen zu reiben, dass eine Emulsion ent-
steht. Diese Emulsion lÀsst man ein Weilchen stehen und
giesst dann ab. Sie ist in allen VerhÀltnissen mit Wasser
mischbar. Roussin stellte auch ein TheerzuckerprÀparat in
Pulverform dar. (The Pharmac. Journ. and Transact. Septbr.
1871. p. 249.). W».
Das wirksame Princip der SennesblÀtter.
Die abfĂŒhrende Wirkung der Senna hĂ€ngt nach Bour-
goin und Bouchut nicht von einem einzelnen besondern
Bestandtheile derselben ab, sondern die Senna enthÀlt mindestens
zwei abfĂŒhrende Stoffe, das sogenannte Cathartin von Las-
saigne und Feneulle und die CathartinsÀure von Dra-
gendorf und Kubel, denen sich vielleicht auch noch die
in geringer Menge vorhandene OhrysophansÀure und ein
anderer, von den Verfassern dargestellter Stoff, der Ca-
thartomannit anschliesst. Der in den SennesblÀttern fast
zu 10 Procent enthaltene Schleim scheint ziemlich unwirk-
sam zu sein. â Man giebt die Senna am besten als wĂ€ss-
riges Infusum, mit oder ohne Schleim. Letzterer lÀsst sich
daraus durch Weingeist abscheiden. (The Pharm. Journ. and
Transact. Septbr. 1871. p. 221.).
Arch, d, Pharm, CXCIX, Bd». 2, Hft, 12
178 VerfĂ€lschter Thee. â Sublimatbildung in Calomelpulvern.,
VerfÀlschter Thee.
Nach Angabe des Englischen Oonsuls in Shanghai fangen
die Chinesen jetzt an, den Thee mit WeidenblÀttern zu ver-
tĂ€lschen. (Tâhe Pharmac. Journ. and Transact. Septbr. 1871.
p. 208.). W».
Ueber Sublimatbildung in Calomelpulvern.
Apotheker G. Vulpius in Boxberg hat durch zahl-
reiche Versuche die Sublimatbildung in vorrÀthig gehaltenen
Oalomelpulvern nachgewiesen und dabei gefunden, dass nament-
lich Calomelpulver, welche neben Rohr- oder Milchzucker
noch Natronbicarbonat enthalten, nach lÀngerem Auf-
bewahren (nach 90 Tagen) stets sublimathaltig waren. Haupt-
sÀchlich trÀgt das Feuchtwerden der Pulver sehr viel zur
âSublimatbildung bei. Durch Digestion mit Wasser, lĂ€sst sich
bei Calomelpulvern, die Natr. bicarb. oder Magn. ust. enthal-
ten, stets in sehr kurzer Zeit HgC] nachweisen. Pepsin
wirkt nicht begĂŒnstigend auf die Bildung von Sublimat, son-
dern bringt dasselbe, wo es in geringen Mengen vorhanden
ist, in unlösliche Form. Zur Nachweisung der HgĂOl wurden
die Pulver mit Aether geschĂŒttelt und der Aether dann auf
Schwefelwasserstoffwasser gegossen, wo bei Gegenwart von
HgCl an den BerĂŒhrungsflĂ€chen eine braune Zone auftritt.
(Jahrbuch fĂŒr Pharmac. Bd. XXXVI. Heft I. 1872. p. 19.).
©. Schulze.
179
IV. Chemische "Technologie.
Die englische Alkali-Acte von 1863.
(Gesetz vom 28. Juli 1863.)
Die Königl. Regierung zu Erfurt erhielt vor einigen
Jahren einen officiellen Bericht .ĂŒber dieses interessante Ge-
setz, der mir wiederum zur Berichterstattung an den hiesigen
Gewerbeverein ĂŒbergeben wurde, und aus dem ich mir den
nachfolgenden Auszug machte. Dem Herrn Christel, Ver-
fasser der im Septemberheft 1871 des Archivs der Pharmacie
erschienenen Mittheilung ĂŒber die schĂ€dlichen Wirkungen
des SalzsÀuredampfs auf die Vegetation, scheint dieses
Gesetz unbekannt geblieben zu sein, sonst wĂŒrde er es wohl
erwÀhnt haben. Da es mir sehr interessant schien, so stehe
in nicht an, die Leser des Archivs mit dem Inhalte dessel-
ben und den daran sich knĂŒpfenden Erfahrungen bekannt zu
machen, Der Name des Gesetzes könnte fĂŒglich auch Salz -
sÀureacte lauten.
Inhalt des Gesetzes. Jede Fabrik, welche behufs der
Sodabereitung aus Kochsalz und SchwefelsÀure schwefel-
saures Natron darstellt, soll so arbeiten, dass von dem
entwickelten SalzsÀuregase mindestens 95 Proc.
condensirt werden. â
Strafbestimmungen. â Instruction fĂŒr den
Inspector. â Die Acte sollte nicht lĂ€nger als bis zum 1. Juli
1868 in Kraft bleiben.
Der Bericht des Inspectors ergiebt eine durch-
schnittliche Condensation von 98,72 Proc. Derselbe erwÀhnt
historisch, dass vor EinfĂŒhrung der Alkaliacte, bereits in den
40ger Jahren vollstÀndige Oondensationen ermög-
licht worden seien, dass aber in den meisten Fabriken theils
ohne Ăondensation, theils mit 40 Proc, SalzsĂ€uregas - Verlust,
12â
150 Die englische Alkali-Aete von 1863,
gewöhnlich mit 16 Proc. solchen Verlustes gearbeitet wor-
den sei.
Die Fabrikation des schwefels. Natrons wird
beschrieben.
Die Condensation der SalzsÀure wurde zuerst in
grossen, flachen mit Wasser gefĂŒllten Becken
bewirkt, die in Blairâs Fabrik 120000 Quadratfuss hatten,
resp. noch haben und welche der SĂ€uredampf in âfluesâ pas-
sirt; sodann wurden OondensationsthĂŒrme gebaut, die
mit KohlenstĂŒcken gefĂŒllt waren, auf welche ununter-
brochen kaltes Wasser rieselte ete. Statt Kohle dienten auch
poröse Steine Neben KÀlte und Wasser sind also Be-
rĂŒhrungsflĂ€che und Zeit die eine vollstĂ€ndige Condensation
ermöglichenden UmstÀnde. Man hat die Condensation durch
Combination von ThĂŒrmen so weit gebracht, dass die austre-
tende Luft Silbernitratlösung beim Durchstreichen nicht mehr
trĂŒbt. â
Auf die AusfĂŒhrung in dei FĂŒllung der ThĂŒrme kommt
Alles an: sie dĂŒrfen nicht zu lose und nicht zu fest gepackt
sein, mĂŒssen genau vertical stehen, dĂŒrfen keinen zu starken
Zug haben; der Wasserzufluss muss das rechte Maass halten,
es mĂŒssen viele und kleine Ströme sein; das Gas darf fer-
ner nicht im 2. Thurme von oben mit dem Wasser nieder-
gehen, sondern muss auch dem 2. Thurme von unten her
zugeleitet werden; es ist gut, wenn das Gas vorher gekĂŒhlt
wird.
Die Eigenschaften der SalzsÀure, physikalische
und chemische, werden beschrieben. Ihre Wirkung auf die
Vegetation, auf die Respiration u. s. w. Der aus einem
Schornsteine entweichende SalzsÀurenebel bewegt sich in
schrÀgen Linien der Erde zu. Wirkung dess. auf den Ge-
ruchssinn: schon bei 0,0031 Proc. HClgehalt wird der Geruch
der Luft schon streng. Manche Inspectoren sind so geĂŒbt,
dass sie noch 5 Proc. SalzsÀuregehalt in dem aus einem
Schornsteine entweichenden Rauche schÀtzen können.
Arbeit der Inspectoren. Dieselbe erfordert, die
Zahl 95 Proc. HCl fĂŒr die Condensation und 5 Proc. HC] fĂŒr
den Verlust immer im Auge zu behalten, also Registratur
der fabrieirten Mengen von Salz und SĂ€ure und Analyse der-
selben. Der FĂ€cher- oder selbstwirkende Apparat
ist ein solcher, der die aus dem Schornsteine abziehende Luft
durch Silbernitrat-Lösung treibt und durch den Zug des
Schornsteins selbst in Bewegung gesetzt wird. Er registrirt
Die englische Alkali - Acte von 1863. 181
selbst und auch in Abwesenheit des Inspectors das Quantum
der dur&hgezogenen Luft an 'einem Uhrwerk, wie bei Gas-
uhren.
In der Luft der Fabriken, besonders an einzelnen Stellen,
ist immer SalzsÀuregas vorhanden, doch nie so viel, dass die
Menschen dadurch in der Athmung belĂ€stigt wĂŒrden. Diese
Menge erreicht nicht ganz 1 Procent der producirten Salz-
sÀure.
Der weisse Dampf der Sodafabriken ist eben-
[alls eine Ursache von Beschwerden. Man versteht darunter
denjenigen weissen Rauch, welcher aus den Zersetzungsöfen
entweicht, in denen das schwefels. Natron mit Kalk und
Kohle geglĂŒht wird. Dieser weisse Rauch ist, Ă€hnlich dem
bei Hohöfen entweichenden und an der Gicht sich ansetzen-
den, eine Wolke fester Theilchen und besteht aus KalkstÀub-
chen und Silicatpartikelchen, die von der aufsteigenden glĂŒhen-
den Luft mit hinweggefĂŒhrt werden, im Ansehen dem Salz-
sÀurenebel Àhnlich, aber geruchlos.
Ausgaben fĂŒr die Condensation. Es hat sich
herausgestellt, dass die Erhaltung und Verbesserung der
Condensatoren etwa nur halb so viel kostete, als der durch- |
schnittliche Schadenersatz betrug, der bei zu starkem Ent-
weichen der SalzsÀuredÀmpfe gezahlt werden musste.
Allgemeine Resultate der Alkali-Acte. Durch
die, Anfangs 1864 eingefĂŒhrte Inspection sind viele Fabri-
kanten ĂŒberzeugt worden, dass sie viel mehr SalzsĂ€ure in die
Luft entweichen liessen, als sie glaubten und meistens mehr
als die erlaubte Menge. Sie machten sich nun eifrig an die
Einrichtung guter Condensatoren, deren Kenntniss unter ihnen
nichts weniger als allgemein war. Schon nach kaum ?/, Jah-
ren waren die Anforderungen der Alkali- Acte ĂŒberall erreicht.
Die Vegetation der Umgebungen der Fabriken empfindet
nach dem Ausspruche der Landwirthe die Wohlthat des Ge-
setzes offenbar: Rosen blĂŒhten wieder an Orten, wo vorher
keine mehr gediehen und FruchtbÀume hatten nach langer
Unterbrechung wieder angefangen, ihre BlĂŒthen zu entfalten.
Zweiter Jahresbericht (fĂŒr 1865).
Die Durchschnittsmenge des condensirten SalzsÀuregases
belÀuft sich auf 99,1111 Proc., der Verlust also nur 0,8889 Proc.,
Verbesserung gegen 1864 um 0,3911 Proc. Von 500 Tons
im Königreiche tÀglich entwickelter SalzsÀure gehen 5 Tons
â
182 Die englische Alkali- Aete von 1863.
in die Luft; 5 Tons HClgas = 15 Tons flĂŒssiger SalzsĂ€ure
des Handels (1 Ton = 20 engl. Centner = 2240 engl. Han-
delspfund = 2032,128 deutsche Handelspfunde.)
Die Gesammtentwickelung von 500 Tons HCl tÀglich
(500 Tons = 10100 Centner) setzt voraus die Verarbei-
tung tÀglich von
16272 Ctr. Chlornatrium, mittelst
13744 ,â conc. SchwefelsĂ€ure u. zur endlichen Gewinnung
von 14869 ,â kohlens. Natron, oder von faĂt 3mal soviel
krystallisirter Soda.
Die ausgefĂŒhrten Verbesserungen bestanden der
Hauptsache nach in Vergrösserung der KĂŒhl- und Condensa-
tionsrĂ€ume, so wie in der allgemeineren DurchfĂŒhrung der Ein-
richtungen, welche das Gas aus dem 1. Oondensationsthurme
dem 2. ebenfalls von unten her zufĂŒhren, also dem ein-
strömenden Wasser entgegen. Bestrafungen haben auch
inâdiesem Jahre nicht stattgefunden, weil im den FĂ€llen, wo
zu grosser Verlust (in einem Falle 15 Proc. stattfand, sofor-
tige AbhĂŒlfe geschaffen wurde und die Grösse des Verlustes
dem Fabrikanten nicht bekannt gewesen war. Zuweilen lie-
fen Klagen aus der Umgegend ein, obwohl die Inspection
keinen grösseren Verlust als 31/, Proc. wahrnehmen konnte.
Also hatte auch dieser noch geschadet, wie das Aussehen der
Vegetation bewies. Die betreffenden Fabrikanten hatten dess-
halb ihre Condensatoren noch mehr verbessert und der Ver-
lust betrĂ€gt jetzt nur 0,23 Proc. â Weitere Beispiele von
begrĂŒndeten und unbegrĂŒndeten Klagen. â Specielle statisti-
sche Angaben ĂŒber die absolute Grösse der KĂŒhl- und Con-
densationsrĂ€ume in Cubikfussen. â Angaben ĂŒber den Gas-
verlust beim Herausnehmen der Sulfatladungen aus den
Oefen. â
Erfurt, den 29. Dec. 1871.
E. Biltz.
C. Literatur und Kritik.
Die organische Chemie und die Heilmittellehre.
Rede zur Feier des Stiftungstages des medicinisch - chirur-
gischen Friedrich- Wilhelms-Instituts und der
medie.-chirurg. Akademie fĂŒr das MilitĂ€r, am 2. Au-
gust 1871 gehalten von Aug. Wilh. Hofmann. Berlin
1871. Verlag von Aug. Hirschwald unter den Linden.
26 Seiten in gross. Octav.
Nach einer Charakterisirung der Kohlen wasserstoffe, welche
mit ihren Abkömmlingen das Heer der organischen Verbindungen
bilden, kommt der Herr Redner auf den Einfluss zu sprechen, den die
Untersuchungen auf dem Gebiete der organischen Chemie auf die EntÂź
wickelung der Arzneimittellehre geĂŒbt haben. Als erstes Beispiel dieses
fördernden Einflusses fĂŒhrt er das blausĂ€urehaltige Bitterman-
del- und Kirschlorbeerwasser an. Schon 1782 entdeckte Scheele
die BlausÀure; aber erst im Anfange unseres Jahrhunderts ermittelte
Dohm im Bittermandelwasser die Gegenwart derselben; erst Liebig
und Wöhler machten (1837) den Vorschlag, statt jener unsicheren WÀs-
ser, deren Zusammensetzung so grossen Schwankungen unterworfen ist,
eine BlausÀure von bestimmtem, leicht ermittelbaren Gehalt in den Arz-
neischatz einzufĂŒhren.
Bahnbrechend in der neuen Richtung sind die Arbeiten von Ser-
tĂŒrner, seine Entdeckung des Morphins; diejenigen von Pelletier und
Caventou (Chinin und Cinchonin, Strycehnin), von Robiquet
(Kodein). Statt mechanischer Mischungen von unsicherer Wir-
kung (in den OpiumprÀparaten, Chinarindentineturen und Extracten) ste-
hen jetzt dem Arzte chemische Verbindungen von constanter Wir-
kung zu Gebote. In Àhnlicher Weise darf er jetzt, nachdem ihm der
Chemiker aus Digitalis purpurea und aus den verschiedenen Arte-
misiaarten die wirksamen Bestandtheile abgeschieden, statt der Infu-
sionen und Extracte dieser Pflanzen das von seinen Beimengungen befreite
Digitalin oder das prachtvoll krystallisirende Santonin im Zustande
vollendeter Reinheit zur Anwendung bringen.
Von nicht geringerem Werth fĂŒr die Heilmittellehre erweist sich die
chem. Untersuchung der Wurzel von Valeriana officinalis. Es ist
jetzt dem Arzte unbenommen, sowohl die ValeriansÀure als das Àth.
Baldrianöl fĂŒr seine Zwecke zu verwerthen.
Dem Aufgusse von Kaffee und Thee lÀsst sich jetzt das von
Runge entdeckte Kaffein (Thein) substituiren; statt der GallÀpfel-
tinetur die chemisch reine GerbsÀure.
184 Literatur und Kritik,
Kein Kraut, keine BlĂŒthe, keine Frucht, in welchen nicht nach Ă€hn-
lieh wirkenden Prineipien geforscht wĂŒrde!
Die Chemiker entdeckten das Veratrin, das Atropin; die ner-
venschmerztilgende, antifebrile Wirkung des ersteren, die pupillenerwei-
ternde Kraft des letzteren werden von den Aerzten in der glĂŒckliehsten
Weise ausgenutzt.
Redner wendet sich nun zu den Umbildungs- und Zersetzungspro-
dueten der Pflanzen- und Thierstoffe.
In den dreissiger und vierziger Jahren ist ein grosser Theil der
chem. Arbeiten der Erforschung des Alkohols gewidmet und es sind
zwei Namen zumal, die Namen Liebig und Dumas, welche beim RĂŒck-
blick auf jene Zeit in unserer dankbaren Erinnerung wiederklingen. In
Gemeinschaft mit Peligot hat Dumas bereits dem Alkohole des
Weins, dem Aethylalkohol, einen zweiten Körper von ganz Àhnli-
chen Eigenschaften, den Holzgeist oder Methylalkohol an die
Seite gestellt und schon beginnt den Chemikern die Ahnung aufzudÀm-
mern, dass sie in dem Methyl- und Aethylalkohol die Prototypen einer
umfassenden Körperklasse, und in der That der wichtigsten Klasse
der organischen Verbindungen in HĂ€nden haben. Nun beginnt
die Jagd nach neuen Alkoholen, deren Eifer bis auf den heutigen Tag
nicht erloschen ist; es sind zumal die Zuckerkörper, denen ja auch
der Alkohol des Weines entstammt, bei deren Metamorphosen man neuen
Alkoholen zu begegnen hofft.
Cahours gelingt es, aus dem Fuselöl des Kartoffelbranntweins einen
yeuen, dritten Alkohol zu isoliren und zu charakterisiren, den Amyl-
alkohol. Wie der Methylalkohol unter dem Einflusse von Oxydations-
mitteln in AmeisensĂ€ure, der Aethylalkohol in EssigsĂ€ure ĂŒberge-
fĂŒhrt wird, so liefert der Amylalkohol ValeriansĂ€ure, deren Zink-
und Wismuthsalz als werthvolle Heilmittel anerkannt sind.
Die von Scheele entdeckte MilehsÀure, deren Eisenoxydul-
salz im Arzneischatze eine wichtige Rolle spielt, ist, erst seit der Zeit,
nachdem der Chemiker die Methode gegeben hat, welche die fabrik-
mÀssige Darstellung derselben ertheilt, ein so oft angewendetes Mittel
geworden.
Die BernsteinsÀure, von der AepfelsÀure nur durch einen Minder-
gehalt von einem Atom Sauerstoff unterschieden, wird jetzt nach Des-
saignes aus ÀpfelsÀurehaltigem Vogelbeersaft (von Sorbus Aucupa-
ria) durch GĂ€hrung bereitet.
Andeutungen ĂŒber die Existenz der Benzo&sĂ€ure gehen bis ins
14. Jahrh. zurĂŒck, aber erst seit den letzten Jahrzehnden des verflossenen
Jahrh. ist ihre Natur mit Sicherheit erkannt. UrsprĂŒngl. aus dem Ben-
zo&harze dargestellt, gewinnt man sie heute auch durch Spaltung der 1829
von Liebig entdeckten HippursÀure, die nach Dessaignes Beobachtung
sich in Glykokoll und BenzoÀsÀure zerlegen lÀsst.
AmeisensÀure erhÀlt man jetzt durch Destillation der OxalsÀure
(mit Glycerin).
Die merkwĂŒrdigen Eigenschaften des Glycerins haben demselben
eine von Tag zu Tag vermehrte Anwendung in der Pharmacie verschafft.
Es ist ganz eigentlich eine pharmaceutische Errungenschaft, denn
es wurde 1783 von Scheele bei der Bereitung des Bleipflasters ent-
deckt; allein erst nachdem die Wissenschaft seine Natur festgestellt hat,
erst nachdem die classischen Arbeiten Chevreulâs ĂŒber die Fette, deren
Studium der berĂŒhmte Forscher 13 Jahre seines Lebens widmete, das
Wesen des Verseifungsprocesses in seiner ganzen Einfachheit ent-
Literatur und Kritik. 185
hĂŒllt haben, kaun die industrielle Gewinnung, wie der FettsĂ€uren, so des
Glycerins mit Erfolg in Angriff genommen werden. Es ist unserer Zeit
vorbehalten gewesen, Zeuge der grossen UmwÀlzung zu werden, welche
die Technik der Fettkörper durch die EinfĂŒhrung der Wasserver-
seifung erfahren hat, eines Processes, dessen Conception ohne die
moderne Entfaltung der organ. Chemie gar nicht denkbar gewesen wÀre.
Seit EinfĂŒhrung der Wasserverseifung ist das reine Glycerin einer der
verbreitetsten Körper geworden. Das Studium seiner Metamorphosen hat
dazu gefĂŒhrt, kĂŒnstliches Ă€therisches Senföl darzustellen. Die
Natur des natĂŒrlichen Ă€th. Senföls war durch Willâs schöne Unter-
suchungen. aufgeklÀrt worden: als Schwefeleyanallyl stellte es sich
neben das Schwefelallyl im Àth. Knoblauchöl. Dieselbe Allylgruppe
taucht plötzlich unter den Producten auf, welche aus den Spaltungs-
processeu des Glycerins hervorgehen. Berthelot erhÀlt aus Glycerin
dureh Einwirkung von Jodphosphor Jodallyl und bereitet daraus durch
Reaction eines Schwefeleyanmetalles auf dasselbe Àther. Senföl mit
allen Eigenschaften, welche das in dem Organismus der Pflanze gebildete
auszeichnen. Das Àtherische Oel des Cochlearea offieinalis (im
Löffelkrautspiritus der Pharmaceuten verwerthet) ist als das Sulfo-
eyanid des Butyls erkannt worden.
Der Redner wendet sich dann zu den neuen Heilmitteln, welche
die chemische Untersuchung der Producte der trocknen Destillation
geliefert hat. ZunÀchst zu dem von Reichenbach entdeckten Kreosot
des Buchenholztheers und der von Runge aus dem Steinkohlentheeröle
abgeschiedenen CarbolsÀure. Dem Kreosot in ihrer Wirkungsweise
gleichend, empfiehlt sich die CarbolsÀure durch den Umstand, dass sie
krystallinisch ist und im Allgemeinen sehr bestimmt ausgesprochene
chemische Eigenschaften besitzt, mithin ohne Schwierigkeit rein erhalten
und leicht auf ihre Reinheit geprĂŒft werden kann, zumal wenn, wie dies
in neuerer Zeit zum Oeftern geschieht, die prÀchtigen, von der Carbol-
sÀure abstammenden phenolschwefelsauren Salze zur Anwendung
kommen. Auch schöne Farbderivate liefert die CarbolsÀure (z. B. das
Corallin). Die CarbolsÀure beansprucht als eines der wichtigsten Des-
infeetionsmittel die volle Beachtung des Arztes. Der Steinkohlen-
theer liefert ferner das Benzol (das Rohmaterial fĂŒr die Anilinfarben-
industrie), das Anthracen (die erst eben noch neuerschlossene Quelle
fĂŒr die kĂŒnstliche Bereitung der Krappfarbstoffe).
Das Collodium ist ebenfalls ein Kind der Forschung auf. dem Gebiete
der organ. Chemie. Seine Grundlage gehört zu den nitrirten Ver-
bindungen, schlechtweg Nitroverbindungen genannt. Mit der
Nitrocellulose kommt die Periode des Nitrirens, wo Alles was dem
Chemiker in die HÀnde fÀllt, mit SalpetersÀure behandelt wird. Mit-
scherlich nitrirte das Benzol und erhielt in dem Nitrobenzol (unter
dem Phantasienamen Mirbanöl dem Parfumeur dienstbar) den ersten und
âzugleich wichtigsten Nitrokörper, der spĂ€ter der Ausgangspunkt fĂŒr die
Entfaltung der modernen Farbenindustrie geworden ist, Laurent nitrirt
die CarbolsÀure, die Nitroverbindung ders. ist die als gelber Farbstoff
geschÀtzte PikrinsÀure. 2
Pelouze nitrirt das StÀrkemehl und die NitrostÀrke (auch als
Xyloidin bekannt) stellt ihre explosiven Eigenschaften dem Pyrotech-
niker zur VerfĂŒgung. Schönbein endlich nitrirt die Baumwolle und
entdeckt die Schiessbaumwolle (das Pyroxylin), die eine Zeit lang
selbst gegen das Schiesspulver in die Schranken tritt. In Aether gelöst,
als Collodium, steht sie den Photographen und Wunden heilend
dem Chirurgen zu Diensten.
186 Literatur und Kritik.
Ein höchst wichtiges Umbildungsagens ist das Chlor. Ein Körper
soll zum Sprechen gebracht werden, man behandelt ihn mit Chlor. Wir
haben die Periode desChlorirens, neben der des Nitrirens. Bei der
Einwirkung dieses wasserstoffgierigen Elementes sieht Liebig den Alkohol
sich in eine Reihe merkwĂŒrdiger Producte verwandeln, welche alle durch
ihren Chlorgehalt ausgezeichnet sind. Unter ihnen ist eins, welches kurz
zuvor bereits dem französ. Chemiker Sonbeiran flĂŒchtig durch die HĂ€nde
gegangen ist, das aber von Liebig zuerst der Analyse unterworfen wird.
Es ist das Chloroform. In derselben Reaction begegnet der grosse
Forscher â dem Chloral. Ende 1847, also erst 15 Jahre nach seiner
Entdeckung wird das Chloroform zum ersten Male von James Simpson
in Edinburg zur AnÀsthesirung des Menschen angewendet (nachdem schon
im Anfange des Jahres 1847 Flourens gezeigt hatte, dass die Wirkung
des Chloroformdampfs auf Thiere derjenigen des Aethers in jeder Beziehung
Ă€hnlich sei).
In der Untersuchung des im Jahre 13832 von ihm entdeckten Chlo-
rals begegnet Liebig zuerst dem Chloroform. Seltsam, dass nahezu
40 Jahre verstrichen, ohne dass auch nur eine Ahnung von den merk-
wĂŒrdigen physiologischen Eigenschaften des Chlorals auftauehten. Schon
1832 zeigt Liebig, dass das Chloral in Gegenwart von Alkalien
Wasser aufnimmt, um sich dann in AmeisensÀure und Chloroform
zu spalten. Erst im Jahre 1868 wirft Liebreich die Frage auf, in
welcher Weise wird diese Spaltung der thierischen Oekonomie zu Gute
kommen, wenn sie sich statt in der Retorte des Chemikers im Organismus
des Thieres vollendete? Die Umbildung des Chlorals in Chloroform und
AmeisensĂ€ure erfolgt in verdĂŒnntester Alkalilösung. Das Chloral
ist löslich in Wasser, mithin leicht resorbirbar fĂŒr den Organismus; nach
der Resorption gelangt das Chloral in das alkalisch reagirende Blut.
Hier ist in prÀcisester Form eine Frage an die Natur gerichtet; diese giebt
darauf Antwort. Einen Maassstab fĂŒr die schnelle Verbreitung des neu-
erkannten Heilkörpers giebt es, dass die ganze Menge des zwischen 1832
und 1868 fĂŒr wissenschaftl. Zwecke dargestellten Chlorals schwerlich mehr
als ein Kilogramm betragen haben mag; heute gehen aus den Fabriken
Berlinâs allein alltĂ€glich mehr als 100 Kilogramm desselben hervor.
Kein Arzt bezweifelt mehr, dass er im Chloral ein selten versagendes
Mittel besitzt, mit dem er je nach der angewendeten Dosis Hypnose
von verschiedener IntensitÀt zu erzeugen vermag, dass also die Heilmittel-
lehre aus den HĂ€nden der organ. Chemie eine der werthvollsten Gaben
empfangen hat. Wenn es frĂŒher die Aufgabe des Chemikers war, die
zahlreichen, von dem Arzte als wirksam erkannten Stoffe auf ihre Zu-
sammensetzung zu untersuchen und diese wirksamen Bestandtheile zu
ermitteln, so liegt es jetzt umgekehrt dem Arzte ob, die zahl-
reichen Körper, denen der Chemiker bei seinen Forschun-
gen nach allgemeinen Gesetzen begegnet ist, auf ihre
physiologischen Eigenschaften zu prĂŒfen und je nach Be-
fund fĂŒr die Erreichung seiner Zwecke zu verwerthen.
Schliesslich gedenkt der Redner der Beobachtungen, wie seltsam die
physiologischen Eigenschaften einer Verbindung sich modifieiren können,
wenn sie mit einem oder mehren Elementen zu einer complexen Verbindung
zusammentritt. Als Beispiele werden Arsen, arsenige SĂ€ure, Arsen-
wasserstoff einerseits und KakodylsÀure und die TetrÀthyl-
arsonium-Verbindungen andrerseits aufgefĂŒhrt; ferner Brechwein-
stein und die Stibonium-Verbindungen; die wÀssrige BlausÀure,
das Formamid und Ammoniumformiat, und ihre methylirten
Verbindungen, Je nach der Stelle, an welcher die Methylgruppe eintritt,
Literatur und Kritik. 187
je nach der Art und Weise, wie sie sich in dem Molekul befestigt, ent-
stehen 2 ganz verschiedene, aber gleichzusammengesetzte Körper, von
denen der eine durch seinen erstickenden Geruch, namentlich aber durch
die wohlgeminderten, aber keineswegs erloschenen giftigen Eigenschaften
noch immer an die BlausÀure erinnert, wÀhrend der andere einen höchst
aromatischen Geruch besitzt und nicht die mindeste schÀdliche Wirkung
mehr auf den Organismus ausĂŒbt.
Schon hat sich die Forschung bemĂŒht, die angedeutete Methode im
Interesse der Heilmittellehre zu verwerthen, schon liegen umfassende Unter-
suchungen von Crum-Brown und Fraser vor ĂŒber die VerĂ€nderungen,
welche die physiologischen Eigenschaften des Strychnins, Brueins,
Thebains, Kodeins, Morphins und Nicotins erleiden, wenn diese
Basen methylirt werden und Versuche im Àhnlichen Sinne sind von
Jolyet und A. Cahours ĂŒber das Anilin und sein Methylderivat
veröffentlicht worden. Aus diesen Versuchen erhellt unzweifelhaft, dass,
wÀhrend bei dem mit Morphin vergifteten Frosche ReflexkrÀmpfe erscheinen,
die Wirkung der methylirten Base in motorischer LĂ€hmung besteht; dass
die tetanisirenden Eigenschaften des Stryehnins, Brueins und The-
bains in den Methylderivaten dieser Alkaloide nahezu erloschen
sind, in denen nunmehr die eigenthĂŒmliche, die Endorgane der motorischen
Nerven lÀhmende Kraft des indianischen Pfeilgifts, des Curarins, hervor-
tritt, Der Redner schliesst seinen gediegenen Vortrag: âEs ist uns viel-
leicht vorbehalten, in der Heilmittellehre Zeugen einer Àhnlichen Wandlung
zu werden, wie sie sich in letzter Zeit noch unter unseren Augen in den
tinetorialen Industrien bereits vollzogen hat. Die moderne FĂ€rberei
verschmĂ€ht es mehr und mehr, den erwĂŒnschten Farbenton, wie ehedem,
durch mechanische Mischung verschiedener Farbstoffe zu gewinnen; es
ist derselbe Farbstoff, mit welchem sie je nach dem Ziele, das angestrebt
wird, eine verschiedene aber scharf bestimmte chemische VerÀnderung
vornimmt. Dieselbe Methylgruppe, welche die BlausÀure ihrer giftigen
Eigenschaften beraubt, vermag in den Farbstoffen VerÀnderungen hervor-
zurufen, deren Mannigfaltigkeit nieht grösser gedacht werden kann. Dem
Rosanilin, welchem der FĂ€rber das in unseren Tagen zum ersten Mal
geschaute, tief gesÀttigte Carmoisin verdankt, dem Rosanilin wird eine
Methylgruppe aufgepfropft und schon ist das prÀchtige Roth in das
reichste V iolett ĂŒbergegangen; mit dem Eintritt einer 2. und 3. Methyl-
gruppe ist das Rothviolett Blauviolett und endlich Blau geworden;
noch 2 Methylgruppen und wir sind bei dem saftigen GrĂŒn angelangt.
Ein solcher Umschwung in den Bestrebungen , wie er in der FĂ€rberei
bereits eine vollendete Thatsache geworden ist, lÀsst sich auf dem Gebiete
der Heilmittellehre kaum mehr als in ihren ersten AnfÀngen
erkennen. Doch wird sie es als eine ihrer Zukunftsaufgaben betrachten
mĂŒssen, die physiologische Wirkung, welche sie sucht, nicht mehr aus-
schliesslich durch mechanische Mischung in der Phiole des Apo-
thekers, sondern durch den chemischen Umbau des Heilmolekuls
selber zu erzielen. B.'Z.
188 Literatur und Kritik.
A. v. Lösecke und F. A. Bösemann, Deutschlands
verbreitetste Pilze oder Anleitung zur Be-
stimmung der wichtigsten Pilze Deutschlands
und der angrenzenden LĂ€nder; zugleich als
Commentar der fortgesetzten Prof. BĂŒchnerâ-
schen Pilznachbildungen. 1. BĂ€ndchen. Die Haut-
pilze. Berlin, Th. Grieben. 8. 184 Seiten.
Dieses kleine Buch empfehlen wir allen denjenigen zum Studium,
welche sich fĂŒr die Pilzkunde und ganz besonders fĂŒr die Bestimmung
und Verwerthung der essbaren Pilze interessiren.
H.
A. v. Lösecke und F. A. Bösemann. Kryptogamen-
Herbarium. 1. Lieferung: Filices, Lycopodiaceae,
Equisetaceae.
Phanerogamen-Herbarium.
1. Lieferung: Gramineae. 2. Lieferung: Cyperaceae,
Juncaceae. Hildburghausen. Selbstverlag.
In sauberer Ausstattung geht uns diese Pflanzensammlung zu, die
wir allen AnfĂ€ngern in der Botanik als ein sehr zweckmĂ€ssiges HĂŒlfs-
mittel zum Selbststudium empfehlen.
Das Kryptogamen - Herbarium enthÀlt folgende Pflanzen:
Polypodium vulgare L.
b; Phegopteris L.
Aspidium Filix mas Sw.
spinulosum L.
Polypodium Robertianum Hoffm.*)
Dryopteris L.
Asplenium Filix Femina Bernh.
Ruta muraria L.
Trichomanes L.
x septentrionale H.
Pteris aquilina L.
Cystopteris fragilis Bernh.
Blechnum Spicant Rth.
Botrychium Lunaria Sw.
Lycopodium elavatum L.
inundatum L.
annotinum L.
complanatum L.
Selago L.
Equisetum limosum L.
palustre L.
arvense U.
silvaticum L.
â
â
*) Wir geben die Nomenklatur der Herren Verfasser.
Literatur und Kritik. 189
An den uns vorliegenden Exemplaren ist die Bestimmung correct,
wenn auch nicht immer dem neuesten Standpunkt entsprechend, Die
Pflanzen sind vorzĂŒglich gut getrocknet und sauber aufgeklebt.
H.
H. A. Weddell. Uebersicht der Cinchonen. Deutsch
bearbeitet von Dr. F. A. FlĂŒckiger, Prof. an. der
UniversitÀt Bern. Schaffhausen und Berlin 1871. 8.
43 Seiten.
Eine Bearbeitung dieser Schrift von Weddell ist ein sehr glĂŒckli-
cher Gedanke des Herrn Professor FlĂŒckiger, welcher auf dem Felde
pharmacognostischer Forschung sich bereits selbst einen bedeutenden
Namen erworben hat. Um so verdienstvoller wird aber diese Bearbeitung,
weil sie eine selbststÀndige und kritische ist.
Dem Werkchen sind sehr praktische Register beigefĂŒgt, nemlich eines,
welches die Arten und Formen des Genus Cinchona enthÀlt und eines
ĂŒber die VulgĂ€rnamen der Rinden.
@Auch die LiteraturĂŒbersieht im Anhang unter der Ueberschrift: âLi-
terarische Nachweiseâ ist sehr zweckmĂ€ssig. Bei Citaten wird nemlich
im Text einfach durch eine Ziffer auf diesen Literaturnachweis hinge-
wiesen.
_ Nach einigen historischen Bemerkungen geht der Verf. auf eine Be-
sprechung der Gattung Cinchona ĂŒberhaupt ein.
Bei den echten Cinchonen springen die âFruchtkapselnâ von unten
nach oben auf, bei den unechten umgekehrt. So nach der alten An-
schauung von Klotsch, Endlicher u.A. Karsten sucht nachzuwei-
sen, dass dieser Eintheilungsgrund irrig sei. Da aber die von Karsten,
Howard und Weddell bezĂŒglich abweichender Art des Aufspringens
der CinchonenfrĂŒchte gemachten Beobachtungen an getrockneten Exem-
plaren gemacht wurden, so hĂ€lt der letztgenannte dieselben nicht fĂŒr
maassgebend. Andere Kennzeichen der echten Cinchonen sind die âver-
filzten Keulenhaare â der Corolla, der Duft der BlĂŒthen ete.
Karsten lÀsst die Gattung Cinchona aus den drei Unterabtheilun-
gen: Quinquina, Heterasca und Ladenbergia bestehen, wÀhrend
Weddell die letzten beiden von Cinchona ausschliesst und einer beson-
deren Gattung Buena als Subgenera einverleibt. HierĂŒber sind die
Werke von Howard und FlĂŒckiger (Pharmacognosie) nachzulesen.
Es folgt eine tabellarische Uebersicht sÀmmtlicher Formen (Arten)
der Gattung Cinchona nach Weddellâs Begrenzung, mit Angabe der
Synonyme. g
I. Stirps Cinchonae offieinalis.
Ramus A. Euofficinales,
1) C. offieinalis L.
«) Uritusinga How.
fÂŁ) Condaminea How.
y) Bonplandiana How.
Ramus B. Macrocalycinae.
2) ©. Macrocalyx Pav.
3) C. lucumaefolia Pav.
4) C, lanceolata R. P.
190 Literatur und Kritik.
Ramus C. Laneifoliae.
5) C. lancifolia Mut.
6) C. amygaalifolia Wedd.
Il. Stirps Cinchonae rugosae.
Ramus A. Eurugosae.
7) C. pitagensis Wedd.
.8) C. rugosa Pav.
9) C. Mutisii Lamb.
10) C. hirsuta R. P.
Ramus B. Pahudianae.
11) C. Carabagensis Wedd.
12) C. Pahudiana How.
13) C. asperifolia Wedd.
14) C. umbraculifera Pav.
15) C. glandulifera R. P.
16) âŹ. Humboldtiana Lamb.
III. Stirps Cinchonae micranthae,
Ramus A. Scrobieulatae.
17) C. australis Wedd.
18) C. scrobieulata H. B.
. peruviana How.
20) âŹ. nitida R. P.
Ramus B. Eumicranthae.
21) C. mierantha R. P.
IV. Stirps Cinchonae Calisayae.
22) C. Calisaya Wedd. *)
23) C. elliptica nov. spec.
V. Stirps Cinchonae ovatae.
Ramus A. Suecirubrae.
) ©. purpurea R. P.
5) C, rufinervis Wedd.
) ©. suceirubra Pav.
Ramus B. Euovatae.
27) C. ovata R. P.
C. Palalba Pav.
Ramus C. Cordifoliae.
28) C. cordifolia Mut.
29) C. Tucujensis Karst.
-30) C. pubescens Vahl.
*) Hier werden C. boliviana Wedd. und C. Josephiana als VarietÀ-
ten aufgefĂŒhrt.
Literatur und Kritik. 191
Hierzu:
C. Pelletieriana Wedd.
C. obovata Pav.
C. viridiflora Pav.
31) C. purpurascens Wedd.
32) C. Chomelinua Wedd.
33) C. Barbacoensis Karst.
Auf die tabellarische Uebersicht folgt eine lÀngere Reihe bedeutungs-
voller, kritischer, erlÀuternder Bemerkungen.
Wir empfehlen jedem Pharmaceuten und Botaniker das kleine Werk
auf das angelegentlichste.
VZE
Dr. Wilhelm Ulrich. Internationales Wörterbuch
der Pflanzennamen in lateinischer, deutscher,
englischer und französischer Sprache. Zum Ge-
brauche fĂŒr Botaniker, insbesondere fĂŒr HandelsgĂ€rtner,
Landwirthe, Forstbeflissene und Pharmaceuten. (Mit deut-
schem, französischen und englischen Titel). Leipzig. 1871.
Dieses Unternehmen ist offenbar von nur praktischem Werth. Es
mag fĂŒr den Handelsmann ganz bequem sein, ein Buch zum raschen Nach-
schlagen der Pflanzennamen zu besitzen. Der wissenschaftliche Werth
des Werks ist, nach dem vorliegenden, 3 Druckbogen umfassenden Heft zu
urtheilen, nur unbedeutend,
Ein derartiges streng wissenschaftlich gehaltenes Werk, welches wo
möglich alle wichtigeren Sprachen umfassen mĂŒsste, wĂŒrde ĂŒbrigens einem
wesentlichen BedĂŒrfniss abhelfen und namentlich fĂŒr den Pharmaceuten,
wie fĂŒr den Botaniker von grossem Werthe sein.
Aber auch bei seiner beschrÀnkten Aufgabe hÀtte das obengenannte
Werk einestheils wissenschaftlicher und anderentheils vollstÀndiger behan-
delt werden sollen.
Was den ersten Punkt anlangt, so hÀtten unbedingt den lateinischen
Namen die Autorennamen beigefĂŒgt werden mĂŒssen, denn ohne diese wird
es gerade dem praktischen Fachmann ganz unmöglich gemacht, sich in
dem Wust der Nomeneclatur und Synonymik zurecht zu finden. Ferner
werden oft zahlreiche deutsche Namen fĂŒr eine und dieselbe Pflanze an-
gegeben. Das kann nur- verwirren, wenn man nieht zugleich die Gegend
Deutschlands hinzufĂŒgt, in welcher dieser oder jener Name gebrĂ€uchlich
ist, denn nur selten wird eine Pflanze an einem Ort mit zwei oder meh-
ren Namen belegt.
Was die VollstÀndigkeit anlangt, so sei nur als Beispiel erwÀhnt, dass
von der an Arten und Namen reichen, wegen der vielen essbaren und gif-
tigen Formen so wichtigen Pilzgattung Agaricus nur wenige Vertreter
genannt werden. H,
ErklÀrung.
Im Aprilheft 1871 des Archivs d. Pharmacie, Il, 146, 96 befindet
sich eine Verwahrung des Herrm J. von Liebig, PrÀsident der k, Akade-
mie der Wissenschaften in MĂŒnchen, den Gebrauch seines Namens
bei AnkĂŒndigung der nach Vorschriften von ihm bereiteten PrĂ€parate
betreffend.
192 Literatur und Kritik.
Soweit diese âErklĂ€rungâ sich auf mich bezieht, habe ich nachste-
hende sachgemÀsse Darlegung zu geben.
Das von mir im Vacuum bereitete Malzextraet ist nach einer
Vorschrift dargestellt, welche der Initiative des Herrrn Geheimrath von
Liebig ihre Entstehung verdankt. Aus diesem Grunde erachtete ich mich
bei EinfĂŒhrung desselben in den Handel fĂŒr berechtigt, dem nach Lie-
bigâschen Principe dargestellten PrĂ€parate gleichfalls dessen Namen bei-
zufĂŒgen.
Nach Kenntnissnahme der ErklÀrung des Herrn v. L. in den Anna-
len der Chemie vom 13. April 1870 habe ich sofort den Namen âLie-
bigâ von den Etiquetten meines obigen PrĂ€parates verschwinden
lassen.
Dasselbe gilt von den PrÀparaten, welche Combinationen von
Malz - Extract mit Arzneistoffen sind.
In dieser Hinsicht ist demnach die Liebigâsche ErklĂ€rung ge-
genwÀrtig nicht sachentsprechend.
Liebigâs Nahrungsmittel in löslicher Form (Extract der
Liebigâschen Suppe) allein wurde bisher unter dem Namen Liebe -
Liebigâs N. M. von mir der Oeffentlichkeit ĂŒbergeben. Durch das Schrift-
chen: âSuppe fĂŒr SĂ€uglinge von J. v. Liebigâ (Braunschweig, Fr. Vie-
weg u. Sohn) ist der Name: âLiebigâsche Suppeâ so populĂ€r ge-
worden, dass man ein Extract dieser Suppe thatsÀchlich kaum anders
benennen kann, als âLiebigâs Suppenextract.â
Es erschien mir indess bedenklich und Irrungen des Publikums pro-
voeirend, diesen Namen allein zu gebrauchen und ich fĂŒgte daher mei-
nen eigenen Namen dem PrÀparate, und meinen Vor- und Zuna-
men jeder Annonce hinzu in der wohlmeirenden Absicht, grade das zu
verhindern, was die vorliegende ErklĂ€rung prĂ€sumirt: âDas Publi-
kum tĂ€uschen zu wollen!â
Meinerseits liegt nicht der mindeste Grund vor, den Namen: âLie-
bigâ in der Bezeichnung meines PrĂ€parates und in den öffentlichen An-
zeigen beibehalten zu wollen.
Dass ich dies auch in Hinsicht auf mein PrĂ€parat: Liebe-Liebigâs
Nahrungsmittel in löslicher Form thuen und hinfort dasselbe
Liebeâs Nahrungsmittel in löslicher Form bezeichnen werde,
habe ich Herrn PrÀsident v. Liebig bereits angezeigt und derselbe beehrte'
mich in einer schÀtzbaren Zuschrift vom 21. Januar d. J. mit nachstehen-
dem Schlusswort:
âSie werden wohl im Auge behalten, dass ich in meiner ErklĂ€rung
keineswegs gegen die GĂŒte und Brauchbarkeit Ihrer PrĂ€parate aufgetreten
bin, sondern darin einfach das Anrecht auf meinen Namen vertheidige,
welches verletzt worden war.â Ergebenst der Ihrige
J. v. Liebig.
Von der Ehrenhaftigkeit geehrter Redactionen, welche die ErklÀrung
des H. von Liebig in ihre Spalten aufgenommen haben, darf ich ver-
trauensvoll erhoffen, dass sie auch dieser âDarlegungâ die Aufnahme
nicht versagen werden. :
Dresden, Januar 1872.
J. Paul Liebe.
Halle, Buchdruckerei des Waisenhauses.
ARCHIV DER PHARMACIE
GXOIX. Bandes drittes Heft.
A. Originalmittheilungen.
I. Chemie und Pharmacie.
Ueber den Babingtonit von Herbornseelbach in
Nassau.
Von Dr. Carl Jehn in Geseke.
Bekanntlich wurde der Babingtonit entdeckt und benannt
von Levy, welcher ihn auf einer dunklen Hornblende und
einem damit verwachsenen Feldspath von Arendal auffand.
Qualitativ wurde derselbe zuerst von Children untersucht,
quantitativ von Arppe und Thomson. Die Analysen der
beiden Letzteren weichen jedoch ganz bedeutend von einan-
der ab, so dass beispielsweise Arppe 0,3%, Al?O° fand,
Thomson dagegen 6,48°),. Ich ĂŒbergehe desshalb diese
Analysen; um somehr als in beiden alles Eisen als Oxy-
dul berechnet und das gleichzeitige Vorhandensein des
Eisens als Oxyd ĂŒbersehen worden ist. Auf die gleichzeitige
Bestimmung des FeO und Fe?O° nahm zuerst Rammels-
berg RĂŒcksicht (Dessen Mineralchemie 8.477). Derselbe ermit-
telte die relative Menge der beiden Oxyde des Eisens theils
nach Fuchs, wodurch er 11,34%, Fe?O3 fand, theils durch
die ChamÀleonprobe, welche in 2 Bestimmungen resp. 10,26°),
und 10,29°/, Fe ergab. Die Gesammtmenge des Eisens, auf
Oxyd berechnet, wurde als Mittelwerth von 2 Analysen zu
22,4%), Fe? O3 gefunden. Es mĂŒssen demnach, wenn 10,26,
FeO vorhanden sind, 11°, Fe?OŸ in Rechnung gestellt wer-
den, was mit der direkten Bestimmung ziemlich nahe ĂŒber-
einkommt.
Arch, d, Pharm. OXCIX. Bds, 3. Hit. 13
194 Ueber den Babingtonit von Herbornseelbach in Nassau.
Rammelsberg erhielt als Mittelwerth von 2 Analysen
nachstehende Zahlen:
Sı0? 51,22 9.
Fe20°3 11,00 â
FeO 10,26, >,
MnO 7,91 â Also keine Thonerde vor-
CaO 132 handen!
MgO' OR,
K?O
Na20 | Spuren
GlĂŒhverlust 0,44 â
Summe 100,92).
Hieraus berechnet derselbe fĂŒr das MolekĂŒl des Aren-
daler Babingtonits folgende Zusammensetzung
â (a0
- FeO (SiO? | + Fe?03 (Si023.
â- _MnO
â
So etwa war der Stand der chemischen Literatur ĂŒber
den Babingtonit, als Herr Prof. Dr. G. vom Rath in der
Sammlung des Herrn Ober-Postdirectors Handtmann ein
als âBabingtonit von Herbornseelbachâ bezeichnetes Mineral
bemerkte. Herbornseelbach war bisher unter den Fundorten
des Babingtonits noch nicht genannt worden, und wÀhrend
G. vom Rath daran ging, den neuen Babingtonit in mineralo-
gisch-krystallographischer Hinsicht zu untersuchen, hatte er
die Freundlichkeit, mir im Januar vorigen Jahres einige Gramme
zur qualitativ-quantitativ-chemischen Feststellung zu ĂŒber-
lassen. Der Herbornseelbacher Babingtonit bestand aus grĂŒn-
lich-schwarzen Krystallen, die sich nur sehr schwer zu fei-
nem Pulver zerreiben liessen, und hatte nach G. vom Rath
3,355 spec. Gew. bei 23°C. Die Untersuchung nahm ich im
A. W. Hofmannâschen Laboratorium in Berlin vor, â
Ueber den Babingtonit von Herbornseelbach ın Nassau. 195
Eine qualitative Analyse ergab, dass genau alle dieje-
nigen Stoffe darin enthalten waren, welche Rammels-
berg im Arendaler Babingtonit bestimmt batte. Bei der
quantitativen Bestimmung kam es hauptsÀchlich darauf an,
die Mengen von FeO und Fe?O3 mit Sicherheit festzu-
stellen.
ZunĂ€chst wurde zur Bestimmung des GlĂŒhverlustes die
gebeutelte, lufitrockne Substanz in einem Porzellanschiffchen
in eine Röhre von schwer schmelzbarem Glase geschoben
und eine Stunde lang im KohlensĂ€urestrome geglĂŒht. Zwei
Proben ergaben beziehungsweise 0,44 und 0,42%,, also im
Durchschnitt 0,43°/, GlĂŒhverlust.
Die geglĂŒhte Substanz wurde dann mit Kalium - Natrium-
carbonat aufgeschlossen, mit HClhaltigem Wasser aufgenom-
men, und die SiOŸ? nach der gewöhnlichen Methode abge-
schieden.
Ebenfalls nach den bekannten Methoden wurden gefÀllt:
das Eisen zunÀchst als basisches Ferriacetat, dann als Ferri-
hydrat und als Fe?OÂź bestimmt; das Mangan durch Cl, ge-
glĂŒht zu Mn?0* und als solches gewogen; der Kalk als
Calciumoxalat, dieses ĂŒber dem GeblĂ€se in CaO verwandelt;
die Magnesia endlich als Ammoniummagnesiumphosphat und
in Magnesiumpyrophosphat ĂŒbergefĂŒhrt.
Drei Analysen ergaben folgende Resultate:
I; I.
1,3602 g. Substanz: 0,6230 g. Substanz:
Si02? 0,879 â = 50,50%. 03130 â â 50,24%,.
Fe203 0,3440 â â 25,25 â 0,1585 â â 25,44 â
MnO 0046 ââ 326, 00199: â3,
(Mn30% 0,0480 â 0,0215 â
Ca.0 02651 , â19,53 â 0,1250 â = 20,06 â
Mg&O 0,0200 â â 1,46, 0,0086 â= 1,38,
(Mg?P?0?0,0560 0,0240 ,â)
GlĂŒhverl, 0,0062 â = 0,44 â Nicht bestimmt.
13 *
196 Ueber den Babingtonit von Herbornseelbach in Nassau.
III.
0,8816 g. Substanz: Mittelwerth:
Si? 0,4460 â = 50,58%. S02 g. = 50,449.
Fe203,.,0,2230 , â:25,29,.: ..Be20: 0, nsı,
MnO 0.0282) 41-2032 u MnO: âal oo
(MnÂźO* 0,0304 â) en,
Ja0 VASE a DO MgO A
MsO MOB 019008 GlĂŒhverl. , = 043,
(Mg?P?0? 0,0370 ,â) Summe â100,77%,.
GlĂŒhverl. 0,0087 â = 042,
Hierdurch waren die Gesammtmenge des Eisens als
Oxyd und sĂ€mmtliche andere Stoffe genĂŒgend festgestellt.
Es galt nun, die relativen Mengen FeO und Fe?O3 und
dadurch zugleich festzustellen, ob die, dem Arendaler Bab.
gegenĂŒber fehlenden Procente MnO etwa durch FeO vertre-
ten seien. Als Aufschliessungsmethode wÀhlte ich die
Mitscherlichâsche mit H?SOÂź Die gebeutelte Substanz
wurde in eine Röhre von schwer schmelzbarem Glase gebracht
und mit einem Gemische von 3 Vol. conc. H?SO*Âź und 1 Vol.
Ag. ĂŒbergossen. Die Röhre wurde zugeschmolzen, in ein
eisernes Rohr geschoben und 3 Tage lang im Luftbade auf
200 â 220°C. erhitzt. Jedoch ohne Resultat. Die Röhre
wurde sodann vorsichtig aufgeschmolzen und noch soviel
Wasser hinzugefĂŒgt, dass sich dasselbe zur H?SO* im Ver-
hÀltnisse von 4 : 3 befand. (In dieser Concentration soll
nach Rose-Finkener die SchwefelsÀure am geeignetsten
zum Aufschliessen sein.) Die Erhitzung wurde auf 280 bis
300°C. gesteigert und 3 Wochen lang durchschnittlich tÀg-
lich 10 Stunden auf dieser Höhe erhalten. Nur eine sehr
geringe Menge SiO? war abgeschieden, welche jedoch wahr-
scheinlich von dem sehr bedeutend angegriffenen Glase her-
rĂŒhrte. Der Bab. wird demnach von H?S0* nicht aufge-
schlossen. Ich schloss denselben nunmehr mit HF in einer
KohlensÀure- AtmosphÀre auf, welche Operation glatt und
vollkommen befriedigend verlief. Das FeO titrirte ich mit
ChamÀleonlösung und erhielt in zwei Versuchen beziehungs-
weise 7,47 und 7,51°,, also im Durchschnitt 7,49%, FeO,
Ueber den Babingtonit von Herbornseelbach in Nassau. 197
Berechnet man den fĂŒr FeO gefundenen Werth auf
Fe?OÂź und zieht die so erhaltene Zahl von der Gesammt-
menge des Fe?O?° ab, so resultiren 17,01%, Fe?O°.
Tan ERO == 8,32%, Ke?0?;
25,33%, â 8,32%, = 17,01%, Fe?0°.
Die Zusammensetzung der von hammelsberg (Arendal)
und mir (Herbornseelbach) untersuchten Babingtonite ist dem-
nach folgende:
Arendal. Herbornseelbach.
51022.151,32 In: 50,44 On
Fe?O03 11,00 â KEOR:,
FeO Im: Tage,
MnO %IL.,, Ba
Ua 19,32 5 1.9.3904,
MO 0,77, 1,45 â,
GlĂŒhverlust 0,44 â, 0,43 â
100,92 9. 99,94 0),.
Es treten demnach im Babingtonit von Herbornseelbach
die Monoxyde im VerhÀltnisse zum Sesquioxyde gegen den
Babingtonit von Arendal bedeutend zurĂŒck.
Berechnet man die fĂŒr die Basen gefundenen Werthe auf
Silicate, so erhÀlt man folgendes Resultat:
Fe2(8i03)> â 36,15°],.
,
Fe SiO3 âE N
MnSiO3 =â 5.94;
UaSıO 3 â 41,22,
MgsSi0? â 3,62 â
100,66 9),.
Aus diesen Werthen berechnet sich, ohne dass man in
zu bedeutende Fehler verfĂ€llt, fĂŒr das MolekĂŒl des Herborn-
seelbacher Babingtonits nachstehende Formel:
198 Eine interessante Reaction.
12 BEN,
60 FeSiO
h)
co MnSiO°
29 + Fe?(Si03)3.
60 CaSıOŸ |
)
x |
ja
â_ Me$iO3
| 60 MgSiO
Dieser theoretischen Formel wĂŒrde folgende Zusammen-
setzung des Babingtonits entsprechen:
Theorie. Versuch.
Fe2($i03)? 36,29 %,. 36,15 9.
FeSiO3 14,09 â 13730
Mn$iO3 5,87 â 5,94 â
Cası0? 1023; 41,22 â
Me$iO3 3,52 â 3,62 â
100,00%. 100,669.
Mit Ausnahme des beim Versuche etwas höher gefun-
denen Kalks ist die Uebereinstimmung zwischen den berech-
neten und gefundenen Werthen eine vollkommen genĂŒgende,
um obige Molecularformel höchst wahrscheinlich zu machen.
Eine interessante Reaction.
Von Demselben,
Allgemein bekannt ist die Liebigâsche Nachweisung
des Nickels mit Cyankalium; minder allgemein bekannt
dĂŒrfte jedoch die genaue Theorie des ziemlich verwickelten
Vorganges bei gleichzeitiger Anwesenheit von Kobalt sein.
Ich glaube desshalb, wenigstens einigen Lesern des Archivs
durch Mittheilung derselben einen kleinen Dienst zu erweisen.
Löst man den Niederschlag von Kobaltsulfid und Nickel-
sulfid in Königswasser und setzt dann KCy zu, so bildet sich
zunÀchst NiCy? und CoCy?. Das Nickeleyanid verbindet sich
mit zwei MolekĂŒlen Cyankalium zu 2KCy,NiCy?, ebenso das
Kobalteyanid zunÀchst zu 2KOy,CoCy?. Bei letzterem schrei-
Chemische Zusammensetzung eines Cementsteines. 199
tet jedoch die Umsetzung weiter, indem sich Kobaltideyanka-
lium bildet = K$,Co?Cy!?.
2(2KCy,CoCy?)+4KCy-+2H20 = KC00?Cy!?+2KHO+H?.
(Die hierbei eintretende Wasserstoffentwicklung lÀsst sich
zeigen, wenn man mit grösseren Mengen in einem Kolben
operirt.)
Die vorhandene HCl wirkt nunmehr auf beide obige
Verbindungen nach folgendem Reaktionsschema:
1) 3(2KCy,NiCy?) + 6HC1 = 6KC1 + 6HCy + 3NiCy?.
2) K°Co?Cy!? + 6HCl = 6KCI1 + H°Co?Cy!? letztere â
KobaltideyanwasserstoffsÀure.
Die KobaltideyanwasserstoffsÀure wirkt auf das Nickel-
cyanid, sich mit demselben umsetzend in OyanwasserstoffsÀure
und Kobaltideyannickel.
3NiCy? + H6Co?Cy!?â= 6HCy + Ni?Co?Cy!?
als Niederschlag. Ist Kobalt im Ueberschusse, so bleibt na-
tĂŒrlich ĂŒberschĂŒssige HÂźCo?Cy!? in Lösung; ist dagegen
Nickel im Ueberschusse, so fÀllt ein Theil als NiCy? nach
der einfachen Gleichung:
2KCy,NiCy? + 2HCl = 2KCl + 2HCy + Nicy?,
ein Theil als Ni?Co?Cy!? nach obiger Gleichung. Bei einem
Ueberschusse von Nickel ist demnach in der vom Nieder-
schlage NiCy? und Ni?Co?2Cy!? abfiltrirten FlĂŒssigkeit kein
Kobalt mehr vorhanden, da alles zur Bildung von Kobaltid-
_ eyannickel verwendete wurde.
Chemische Zusammensetzung eines Cementsteines.
Von Dr. E. Reichardt, Prof, in Jena.*)
Ein in hiesiger NĂ€he in grosser Masse zur Cementfabrika-
tion benutzter Kalkstein wurde zur Untersuchung eingesendet
und hat die Veröffentlichung der Resultate vielleicht insofern
Interesse, als verhÀltnissmÀssig noch wenig derartige Analy-
*) Als Separatabdruck aus Dinglerâs polytechn. Journal, 1. Maiheft
1871, Bd. 200, 8. 219, vom Hrn. Verfasser erhalten. Hier nur im Aus-
zuge mitgetheilt. HA. L.
200 Chemische Zusammensetzung eines Cementsteines.
sen bekannt gegeben sind, auch gewöhnlich ganz besondere
Bestandtheile in derartigen Gesteinen von dem technischen
Publikum geahnt werden.
Der Stein war von grauer, dunkler Farbe, thonigem
Geruch und zeigte einige Reste versteinerter FischzÀhne, wie
eingesprengten Schwefelkies.. Den hiesigen Vorkommnissen
entsprechend, gehörte derselbe zu dem Keuper, welcher ge-
wöhnlich dolomitische Kalksteine enthÀlt.
100 Theile dieses Cementsteines enthalten:
Kohlens. Kalk â (030,00? 49,84
u Magnesia â Mg0, 00? 26,96
Schwefels. Kalk â (a0,S0° 0,34
Eisenoxyd â Fe?0? 3,83 ı 89,07 Proc.
Eisenoxydul â FeO 4,17 in HC1 lös-
Manganoxydul â MnO 0,22 lich.
Natron â= NaO 0,40 |
Kalı â= KO 0,35
Kieselerde â Ss) 2,96 |
Kiesels. Kali âARONSIOE 0,26
4 Natron â Na0,SiOÂź 0,47
â Magnesia = Mg20,Si0° 0,46
Ra â (30, $i0Âź 2,01 Hi nr
B5 Eisenoxyd = Fe?O°, SiOŸ 0,95 löslich.
Sn Thonerde = A1?03, SıO3 3,04
Sand 3,26
Wasser 0,66 )
Summe 100, 18.
Kohlens. Kalk und kohlens. Talkerde gewÀhren fast genau
das VerhĂ€ltniss von 2 (Mg0,âŹ60?) + 3 (Ca0, 002).
Die oben erwÀhnte Beimischung von Schwefelkies, wel-
cher in Krystallen und theilweise dendritenartig eingesprengt
war, betrug Àusserst wenig; eine besondere Bestimmung des
Schwefelgehaltes, ausser der SchwefelsÀure ergab 0,1 Proc.
S = 0,175 Proc. FeS?. PhosphorsÀure und Chlor waren
nicht vorhanden.
Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einig. hĂ€ufig vorkomm. fett. Oele ete. 201
Ueber Eigenschaften, PrĂŒfung und Nachweisung eini-
ger hÀufig verkommenden fetten Oele des Pflanzen-
reichs.
Von G. GlÀssner, Apotheker in Cassel.
Zu den schwierigsten Aufgaben eines Apothekers und
Chemikers gehört die Untersuchung der fetten Oele. Im
Aussehen und specifischen Gewicht sehr Àhnlich, zeigen diese
Stoffe auch bei oberflÀchlicher chemischer Untersuchung nur
geringe Unterschiede, und lassen den Untersuchenden, na-
mentlich wenn er Gemische der Oele vor sich hat, ĂŒber die
wahre Natur derselben hÀufig im Zweifel. Und doch ist es
nicht nur fĂŒr den Apotheker, sondern namentlich auch fĂŒr
das Publikum, gar hÀufig von höchster Wichtigkeit, die Rein-
heit irgend eines Oeles unzweifelhaft festzustellen,
Viele Millionen von Thalern werden im Handel mit fet-
ten Oelen jĂ€hrlich umgesetzt, und es ist nicht gleichgĂŒltig, ob
ein zu einem hohen Preise eingekauftes Oel rein ist, oder ob
man ihm in betrĂŒgerischer Absicht werthlose Stoffe zugesetzt
hat, um seine Masse zu vermehren. Ja, hÀufig enthalten die
Oele sogar wirkliche Gifte, und nicht selten kommen Erkran-
kungen 'vor, hervorgerufen durch den Genuss kupferhal-
tigen Oliven- oder RĂŒböls. Von wem aber könnte wohl
das Publikum mit grösserem Rechte eine genaue Kenntniss
der PrĂŒfung dieser Oele erwarten, als gerade vom Apothe-
ker. Er selbst ist ja Handeltreibender, und es lÀsst sich von
ihm wohl nicht. annehmen, dass er, gleich manchem Kauf-
mann, sein Provencer-Oel allein durch SchĂŒtteln und Beobach-
tung der aufsteigenden Luftblasen auf VerfÀlschung mit Mohnöl
prĂŒft. Wenn ich mir nun gestatte, in Folgendem eine kurze
Darlegung der PrĂŒfungsmethoden zu versuchen, welchen ich
fette Oele bei eigenem Bedarfe und auch bei chemischen
Untersuchungen zu unterwerfen pflege, und welche zum
grossen Theile durch eigene Beobachtungen hervorgerufen
oder bestÀtigt sind, so glaube ich einem Theile der Herren
Collegen hiermit einen immerhin nicht unwesentlichen Dienst
zu erweisen.
202 Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einig. hĂ€ufig vorkomm. fett. Oele ete,
Die fetten Oele des Pflanzenreichs sind ungemein ver-
breitet und finden sich, in besonderen Zellen eingeschlossen,
in einer grossen Menge von Samen und FrĂŒchten. Behufs
Gewinnung der Oele werden die einschliessenden Zellgewebe
gehörig zerkleinert und entweder durch Pressen, oder
durch Behandlung mit Schwefelkohlenstoff oder Ca-
nadol ölfrei gemacht. Von letzteren Substanzen werden die
Oele dann durch Destillation befreit. Solche Oele, welche
zum Brennen dienen sollen, werden durch SchwefelsÀure
von dem sie verunreinigenden Schleime befreit, stark gefÀrbte
Oele können durch Einwirkung des Lichtes oder der
schwefligen SÀure, oder der ChromsÀure gebleicht
werden. Auch Lösungen von ĂŒbermangansaurem Kali
werden zu demselben Zwecke gebraucht.
Die fetten Oele sind Gemenge von Glyceriden der fetten
SĂ€uren âund OelsĂ€uren. Sie sind meist flĂŒssig, specifisch leich-
ter als Wasser und in diesem fast unlöslich. Leicht löslich
sind sie in Aether, Chloroform und Àtherischen Oelen, schwer-
löslich in Alkohol, mit -alleiniger Ausnahme des Ricinusöles.
Sie vermögen Schwefel und Phosphor zu lösen. Werden
fette Oele mit Aetzalkali- Lösung geschĂŒttelt, so findet eine
Zerlegung statt, indem sich die fetten SÀuren und OelsÀuren
mit dem Alkali verbinden und Glycerin ausgeschieden wird
(Seifenbildung). Auch andere Metalloxyde wirken auf
fette Oele ein und bilden mit ihnen mehr oder weniger feste
Verbindungen, die Pflaster. Erhitzt bis auf ungefÀhr
300°C. verflĂŒchtigen sie sich unter Zersetzung. Die SĂ€uren
werden frei, wÀhrend das Glycerin an freier Luft bekanntlich
nicht unzersetzt flĂŒchtig, DĂ€mpfe von Acrolein ausstösst,
leicht erkennbar durch den stechenden Geruch. Concentrirte
SchwefelsÀure zerlegt die Oele, tritt mit der Basis zu Glyce-
rinschwefelsÀure zusammen und macht die FettsÀuren frei.
NO3,Cl, Br,J bilden Substitutionsproducte. Auf Papier hin-
terlassen fette Oele einen Fleck, der selbst beim ErwÀrmen
nicht verschwindet.
An der Luft nehmen sie Sauerstoff auf und werden
allmĂ€hlig dickflĂŒssiger, Auf diese ihre Eigenschaft grĂŒndet
»
Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einig, hĂ€ufig vorkomm. fett. Oeleete. 203
sich die Eintheilung der fetten Oele in solche, die allmÀhlig
ganz austrocknen und in solche, die nur schmierig
und zĂ€he, nie aber, selbst nicht in dĂŒnner Schicht, zu einer
festen Masse werden. Erstere finden daher Verwendung zu
Firnissen und Anstrichfarben. Die nicht trocknenden Oele
nehmen mit der Zeit einen unangenehmen ranzigen Geruch
und Geschmack an. Dieses Ranzigwerden ist eine wahre
GÀhrung, welche durch Gegenwart von fÀulnissfÀhigen Stof-
fen, wie Schleim und Eiweiss, befördert wird, und in
Folge deren neben anderen Producten auch fette SĂ€uren
entstehen.
Nicht trocknende Oele.
Solche Oele lassen sich durch die Elaidinprobe
erkennen. Werden vier Theile Oel und zwei Theile NO von,
1,20 spec. Gew. in ein Reagensglas gegossen und wird hierzu
ein halber Theil KupferspÀne gesetzt, so entwickelt sich
schon in der KĂ€lte salpetrige SĂ€ure !und diese bewirkt, ohne
selbst verÀndert zu werden, eine Umwandlung der Oel-
sÀure (C?°HŸ*O#) in die isomere ElaidinsÀure, eine
feste, weisse Masse, welche erst bei + 45° schmilzt, und
unverĂ€ndert flĂŒchtig ist. Ist die angewendete SalpetersĂ€ure
concentrirter, so findet die Entwickelung der salpetrigen
SĂ€ure in so stĂŒrmischer Weise statt, dass hĂ€ufig die FlĂŒssig-
keit aus dem Glase herausgeschleudert wird. Auch beim
Mischen gleicher Volume Oel und rother rauchender Salpeter-
sÀure tritt die Elaidinreaction ein. Die wichtigsten nicht
trocknenden Oele sind:
1) Das Mandelöl, spec. Gewicht = 0,917 bis 0,920;
wird aus den Samen von Amygdalus communis gepresst.
Klar, dĂŒnnflĂŒssig, schwach hellgelb. Geschmack ange-
nehm mild. Fast geruchlos, erstarrt erst bei â 20°, Lös-
lich in 60 Theilen Alkohol, enthÀlt fast nur Olein und etwas
sog. Margarin. Darf nicht ranzig riechen.
204 Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einig. hĂ€ufig vorkomm fett. Oele ete.
Als VerfĂ€lschungen werden aufgefĂŒhrt: Mohnöl, Baum-
wollsamenöl, Erdmandelöl, Schmalzöl, Sesamöl,
Provenceröl.
Die Elaidinprobe giebt bei reinem Oel nach 3â4 Stun-
den eine weisse oder schwachgelbliche Masse. Rothe FĂ€r-
bung derselben deutet auf Sesamöl. Ist die Masse von
Oelstreifen oder Tropfen durchsetzt, so sind trocknende Oele
vorhanden.
FĂŒnf Tropfen Oel, mit einem Tropfen HO,SO3 gemischt,
werden trĂŒb und gelblich, nie aber dunkel gefĂ€rbt. 5 Volume
Oel mit einem Volum Kalilauge von 1,34 geschĂŒttelt, geben
ein weisses Liniment. Gleiche Volume rothe rauchende
SalpetersĂ€ure und Oel zeigen an der BerĂŒhrungsstelle eine
schmale, hellgrĂŒne Zone, welche selbst in der Elaidinmasse
noch bleibt, bei Gegenwart von nur wenig Olivenöl indess
hellblaugrĂŒn wird, und sich weit nach obenzu ausdehnt.
8 Theile Oel und ein Theil Chlorkalk nebst etwas Was-
ser zusammengerieben geben ein Liniment, aus dem sich das
Oel sehr bald wieder abscheidet (Unterschied von Mohnöl.)
2) Olivenöl, spec. Gew. â 0,910;
aus den FrĂŒchten von Olea europaea gewonnen.
Blassgelblich oder farblos. Geruch und Geschmack ange-
nehm. Besteht hauptsÀchlich aus sogen. Margarin und
Ălein. Einige Grade ĂŒber Null scheidet sich ersteres kry-
stallinisch aus und bewirkt dadurch das Erstarren des Oeles.
Das Olivenöl wird bei der Elaidinprobe nach etwa 2 Stun-
den trĂŒbe und nach 6 Stunden fest und weiss.â) Beim Um-
rĂŒhren zerbröckelt die Masse, die bei Gegenwart von
U/go Mohnöl talgartig, mit !/,, von diesem Oele kaum fester
als Schmalz sein wĂŒrde Das Erstarren der Elaidinmasse
*) Nach Knapp wird ein Gemenge von einem Theil Untersalpeter-
sÀure_ mit 33 Theilen Olivenöl fest in 70 Minuten,
â 50 â â â â 78 er]
Er] 100 â er) â er 130 â2
â 400 = â » â gar nicht mehr.
Veb. Eingensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einig. hĂ€ufig vorkomm. fett. Oeleete. 205
beginnt nach Soubeiran mit reinem Oele nach 43 â59 Mi-
nuten, bei Gegenwart von Mohnöl oft erst 30 Minuten
spĂ€ter. â
10 Theile Oel, mit einem Theile Ammoniak geschĂŒt-
telt, geben ein dickes Liniment, wÀhrend Mohnöl unter gleichen
UmstĂ€nden eine bröckliche Masse bilden wĂŒrde. Gleiche
Volume rothe rauchende SalpetersÀure und Oel zeigen an
der BerĂŒhrungsstelle einen prachtvoll blaugrĂŒnen Ring,
der nach obenzu allmÀhlig blasser wird.
5 Theile Olivenöl und ein Theil Kalilauge von 1,34 spec.
Gew. bilden ein Liniment von der Farbe des Oeles.
Als VerfĂ€lschungen werden angegeben: RĂŒböl, Leinöl,
Mohnöl, Madiaöl, Baumwollsamenöl.
Trocknende Oele lassen, sich bei der Elaidinprobe leicht
erkennen. Aetherische Oele, welche dem gewöhnlichen Baumöl
zuweilen zugesetzt werden, um den Eingangszoll niedriger
zu machen, schwimmen auf der Elaidinmasse unverÀndert.
Sesamöl wĂŒrde diese roth fĂ€rben. Schmalzöl erstarrt 4â- 5°
frĂŒher als Olivenöl. Hauchecorne giebt zur Erkennung
des reinen Olivenöles folgende Reaction an:
Werden 3 Theile Olivenöl mit einem Gemisch von
3 Theilen SalpetersÀure von 40° und einem Theil Wasser
im Dampfbade erwÀrmt, so wird reines Oel klarer und hel-
lergelb. War das Oel mit Samenöl verfÀlscht, so fÀrbt sich
das Gemisch roth.
WÀhrend das Puglieser oder Gallipoliöl gelb und
klar ist, hat das Galabreser Oel hĂ€ufig eine grĂŒnliche
Farbe, die durch Zusatz von Farbstoffen, aber auch durch
Kupfergehalt hervorgebracht sein kann. Die Nachwei-
sung des Kupferoxyds im Olivenöl ist in vielen FÀllen nicht
ganz leicht. Ist die Menge des gelösten Kupferoxyds gross,
so möge man einen blanken eisernen Spatel in das Oel legen,
etwas SalzsĂ€ure zufĂŒgen und im Wasserbade 3 bis 4 Stun-
den erwÀrmen.
Auch durch lĂ€ngeres Kochen mit verdĂŒnnter SalzsĂ€ure
lÀsst sich ein Theil des Kupferoxyds dem Oel eentziehen. Die
wĂ€sserige FlĂŒssigkeit wird dann durch ein angefeuchtetes
206 Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einig. hĂ€ufig vorkomm, fett. Oele etc.
Papier filtrirt, zur Trockne verdampft, geglĂŒht, das Kupferoxyd
aus der Asche mit SalzsÀure aufgenommen und durch Am-
moniak, Schwefelwasserstoff oder Ferrocyankalium nachge-
wiesen. Aber alle diese Proben geben, da das Kupferoxyd
an organische SĂ€uren gebunden war, keineswegs stets ein
sicheres Resultat. Zur âquantitativen Bestimmung des Kupfer-
oxyds halte ich folgendes von mir selbst mehrfach angewandtes
Verfahren fĂŒr geeignet. Eine gewogene Menge Oel wird
mit chemisch reiner SalzsĂ€ure ĂŒbergossen, ĂŒber der
Spirituslampe zum Kochen erhitzt und chlorsaures Kali
in kleinen Portionen zugesetzt. Das Oel zersetzt sich all-
mÀhlig und bildet nach einiger Zeit eine schaumige, in der
KĂ€lte fest zusammenbackende Masse. Man filtrirt, stumpft in
der wÀssrigen Lösung die SÀure theilweise ab und leitet
unter stetem gelinden ErwÀrmen Schwefelwasserstoff ein.
Der entstandene Niederschlag wird auf einem Filter ge-
sammelt.
Die bei der ersten Filtration zurĂŒckgebliebene Masse
wird geglĂŒht, aus der Asche das Kupferoxyd mit SĂ€uren auf-
genommen und durch Schwefelwasserstoff gefÀllt. Beide Nie-
derschlÀge von Schwefelkupfer werden alsdann vereinigt und
quantitativ bestimmt.
Etwas einfacher ist es, das verdÀchtige Olivenöl mit
starker Aetzlauge zu verseifen, die Seife durch SalzsÀure zu
zerlegen, die Salzlösung durch Filtration von den OelsÀuren
zu befreien und im Filtrate das Kupfer nachzuweisen. Indess
halte ich diese Methode fĂŒr weniger sicher als die vorher-
gehende.
Bleioxyd lĂ€sst sich (nach Hager) durch SchĂŒtteln
â mit verdĂŒnnter EssigsĂ€ure aus dem Oele ausziehen und durch
SchwefelsÀure nachweisen.
3) RĂŒböl, spec. Gew. = 0,910.
"Aus den Samen von Brassica Napus, Br. cam-
pestris u.a. durch Pressen gewonnen. Das frisch gepresste
Oel ist von gelber bis gelbgrĂŒner Farbe, ziemlich dickflĂŒssig.
Ueb, Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einig. hĂ€ufig vorkomm. fett, Oeleete. 207
Nur das zum Brennen benutzte Oel wird mit SchwefelsÀure
raffınirt, enthÀlt also keine Schleimbestandtheile, wÀhrend
diese bei dem Speiseöle noch vorhanden sind. Das KRĂŒböl
ist fast reines Olein*) und liefert beim Kochen mit Bleioxyd
und Wasser ein schmieriges Pflaster. Reines RĂŒböl liefert
beim SchĂŒtteln mit '/; Volum Kalilauge von 1,34 eine weisse
Masse, bei der Elaidinprobe wird das Oel nach etwa 5 bis
6 Stunden fest.
Als VerfÀlschungen werden angegeben: Leinöl, Hanföl
und Thran. Bei Gegenwart von Leinöl wird das Liniment
mit Kalilauge grĂŒnlich und fĂ€rbt sich, zum Kochen erhitzt,
gelbbraun. Bei Gegenwart ven Thran wĂŒrde in letzte-
rem Falle eine rothe FÀrbung eintreten, Hanföl ein braunes
und starres Liniment liefern. Schon eine geringe Menge
Thran lÀsst sich durch Zusatz eines Tropfens Schwefel-
sÀure nachweisen. Der SÀuretropfen zertheilt sich in
dem Oele sogleich in fadenförmige Streifen, welche in
wellenförmiger Bewegung nach dem Boden zulaufen, und
erst roth, spÀter schwarz gefÀrbt sind. Mit gleichen Vo-
lumen SchwefelsĂ€ure versetzt, fĂ€rben sich RĂŒböl und
Hanföl dunkelgrĂŒn. Noch !ıooo Ihran soll beim Zu-
satz von etwas syrupartiger PhosphorsÀure durch eine aus
Roth in Schwarz ĂŒbergehende FĂ€rbung erkannt werden.
Giebt man 15 Tropfen RĂŒböl in eine Porzellanschale und
lÀsst einen Tropfen SchwefelsÀure hinzufallen, so bildet sich
um die SĂ€ure ein grĂŒnblauer Hof mit braunen Strei-
fen. Mit gleichen Volumen rother rauchender SalpetersÀure
versetzt, bildet sich bei reinem Oele an der BerĂŒhrungsstelle
eine braunrothe, nach unten zu grĂŒnlich auslaufende Zone.
Sollte von der Raffination her noch SchwefelsÀure dem Oele
anhaften, so lÀsst sich diese auf folgende Art nachweisen.
*) Reines Oleum Napi depurat., am 23. Juli 1868 aus der
hiesigen Hofapotheke des Dr. R, Mirus entnommen, finde ich heute bei
einer Lufttemperatur von 0° Cels. vollstÀndig butterartig erstarrt;
kann demnach nicht reines Olein sein.
Jena, den 29, Dec, 1871. H. Ludwig.
208 Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einig. hĂ€ufig vorkomm, fett. Oele etc,
Gleiche Volume Oel und chemisch reine concentrirte Sodalö-
sung werden tĂŒchtig geschĂŒttelt, etwas Kochsaizlösung zuge-
setzt und abermals geschĂŒttelt. Ist das Oel sĂ€urefrei, so
steigt es nach einigen Minuten Ruhe empor und sammelt
sich oben an. Ist es dagegen sÀurehaltig, so bildet sich
sogleich eine weisse, je nach dem SĂ€uregehalte mehr oder
â weniger consistente Emulsion. Die Sodalösung muss indess
ganz frei von Aetzalkali sein, da letzteres auch mit sÀure-
freiem Oele eine Emulsion bildet.
4) Sesamöl, spec. Gewicht = 0,923;
wird aus den Samen von Sesamum orientale gewonnen.
Gelbes, bis hellbraungelbes, nicht unangenehm riechendes
Oel, das bei â 5° erstarrt und fast nur aus Olein besteht.
Mit Bleioxyd und Wasser gekocht, giebt es ein schmieriges
Pflaster.
Werden gleiche Volume des Sesamöles und eines abge-
kĂŒhlten Gemisches von concentrirter SchwefelsĂ€ure und Sal-
petersĂ€ure in BerĂŒhrung gebracht, so entsteht eine blau-
grĂŒne Mittelzone. Durch Zusatz einiger Tropfen Schwefel-
kohlenstoff wird die FĂ€rbung noch schöner grĂŒn und hĂ€lt
sich lÀnger. Bei der Elaidinprobe wird das Oel fest und
gelblich bis roth gefÀrbt. Die Nachweisung des Sesamöls in
Gemischen mit andern Oelen ist an den betreffenden Stellen
angegeben.
5) Palmöl,
wird aus den grĂŒnen Schalen von Elais guyanensis ge-
wonnen. AN
Gelb, schmilzt bei + 27°, besteht vorzugsweise aus
sogen. Margarin und Olein. Wird leicht ranzig und ist dann
schwerer schmelzbar. Durch Erhitzen bei Zutritt von Luft
lÀsst es sich entfÀrben. Mit Aetzalkali bildet es eine gelbe
Seife,
6) Sogenanntes Schmalazöl.
LĂ€sst sich nach Ihlo dadurch bereiten, dass 22 Theile
RĂŒböl mit einem Theile feingepulverter KartoffelstĂ€rke im
Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis, einiger hĂ€ufig. vorkomm, fett. Oele ete. 209
Sandbade erhitzt werden, bis ein sĂŒsslicher Geruch auftritt.
Nach dem Erkalten, Absetzen und Filtriren erhÀlt man ein
klares, gelbliches, angenehm sĂŒsslich riechendes und schmecken-
des Oel, das bei + 6 bis 8°C. erstarrt*) und sich zur Anfer-
tigung von wohlriechenden Oelen eignet.
Trocknende Oele.
Bleiben solche lĂ€ngere Zeit in BerĂŒhrung mit der Luft,
so absorbiren sie Sauerstoff, werden immer dicker und trock-
nen schliesslich ganz ein. Im Gegensatz zu den nicht trock-
nenden Oelen wird diese Oxydation durch Gegenwart von
Schleim oder Eiweiss verzögert und trocknen daher die Oele
um so rascher, je vollstÀndiger man solche Stoffe daraus
entfernt.
Durch Zusatz von Metalloxyden, wie Zinkoxyd, Bleioxyd
wird das Austrocknen noch beschleunigt. Sie finden. Ver-
wendung zu Firnissen und Anstrichfarben. Durch Einwir-
kung von salpetriger SĂ€ure auf trocknende Oele entstehen
unter anderen Kork- und PimelinsÀure. Die Elaidinreaction
tritt indess, da LeinölsÀure durch salpetrige SÀuren nicht fest
wird, nicht auf. Die Zusammensetzung dieser SĂ€ure, die auch
im Mohnöl vorkommt, ist C3?H23 04%,
Alle-trocknenden Oele, mit Bleioxyd und Wasser ge-
kocht, geben schmierige Pflaster, die jedoch mit der Zeit
austrocknen.
1) Leinöl, spec. Gew. = 0,930;
wird aus den Samen von Linum usitatissimum gewonnen.
GrĂŒnlich gelb, von eigenthĂŒmlichem Geruch und Geschmack.
DickflĂŒssig. Wird erst bei â16 bis 20° fest. Mit salpetri-
ger SÀure versetzt, fÀrbt es sich roth. Mischt man gleiche
Volume Oel und rothe, rauchende SalpetersÀure in einem
Reagensglase, so fĂ€rbt sich das Gemisch erst grĂŒn, dann
nach oben zu roth. Oft ist die Reaction so heftig, dass die
FlĂŒssigkeit zum Glase herausgeschleudert wird. Werden
*) Dieses Erstarren stimmt mit einem reichlichen Gehalte an Pal-
mitin, H. L.
Arch, d. Pharm. CXCIX. Bds. 3. Hit, 14
210 Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einiger hĂ€ufig. vorkomm. fett. Oele etc.
5 Volume Oel mit einem Volum Kalilauge von 1,34 krÀftig
geschĂŒttelt, so bildet sich ein grĂŒnlich gelbes Liniment, wel-
ches beim Kochen gelbbraun und flĂŒssig wird. Hanföl wĂŒrde
unter diesen UmstÀnden eine braune und starre Masse bilden.
Beim Mischen gleicher Volume SchwefelsÀure Ein. Leinöl
entsteht eine grĂŒne FĂ€rbung.
2) Mohnöl, spec. Gew. â 0,913 â 0,924;
wird aus den Samen von Papaver somniferum bereitet.
Blassgelb, im Alter weiss, frisch von angenehmem Ge-
schmack. Es ist dĂŒnnflĂŒssig und findet im gebleichten (ran-
zigen, daher leicht austrocknenden) Zustande Verwendung in
der Oelmalerei. Das Mohnöl erstarrt bei â18° In BerĂŒh-
rung gebracht mit einem gleichen Volum rother rauchender
SalpetersĂ€ure bildet sich eine dunkelgrĂŒne, nach oben
hin rosaroth erscheinende Mittelzone. 8 Theile Mohnöl,
mit einem Theil guten Chlorkalk angerieben, geben ein
Liniment, aus dem sich das Oel nur schwierig trennt. (Un-
terschied von Mandelöl) Werden 10 Theile Mohnöl
mit 2â3 Theilen SchwefelsĂ€ure gemischt, so fĂ€rbt sich die
FlĂŒssigkeit anfangs rein gelb, und erst spĂ€ter beim UmrĂŒh-
ren brĂ€unlich olivengrĂŒn. Es tritt hierbei eine Ten:-
peraturerhöhung auf, ĂŒber welche Maumene nĂ€here Mit-
theilungen gemacht hat.
Werden 50 Grm. Oel mit 10 C.C. SchwefelsÀure von
66°B. geschĂŒttelt, so steigt die Temperatur bei einem Ge-
mische von Mohnöl und Olivenöl auf 70â80°, bei reinem
Olivenöl auf nur eirca 42%, Die Elaidinprobe lÀsst das
Mohnöl unverÀndert und lassen sich etwaige VerfÀlschungen
mit nicht trocknenden Oelen hierdurch leicht nachweisen.
3) Ricinusöl, spec. Gew. = 0,950 â 0,970;
wird aus den Samen von Ricinus communis gewonnen.
Das Rieinusöl enthÀlt zwei fette SÀuren, die Ricin-
stearinsÀure und die RicinölsÀure, neben Glyce-
ryloxyd und eimem Harze.. Bei der trockenen Destillation
liefert Rieinusöl Oenanthol, und bei der Oxydation mit
NO OenanthylsÀure. Beim Erhitzen mit Kalihydrat
Ueb.Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einiger hĂ€ufig. vorkomm. fett. Oeleete. 211
liefert es Caprylalkohol und BrenzölsÀure. Wer-
den die Schalen vor dem Auspressen von den Samen
entfernt, so ist das Oel ganz farblos, geröstete Samen geben
ein gelbes Oel. Das amerikanische Oel ist reicher an Ricin-
stearin als das westindische und französische und wird daher
auch schon bei geringer KĂ€lte dick und trĂŒbe.
Das Oel ist dickflĂŒssig, farblos oder schwach gelblich
und klar. Der Geschmack ist milde, hintennach etwas kratzend.
An der Luft wird es leicht ranzig und trocknet aus. Bei
â 18° erstarrt es. In absolutem Alkohol ist es leicht löslich.
Werden 3 Theile Ricinusöl, gelöst in gleichviel Schwe-
felkohlenstoff, ganz allmÀhlig mit 2 Theilen roher Schwefel-
sÀure gemischt, so scheidet sich das Ricinusöl als eine schmie-
rige, weissliche bis röthliche Masse ab, welche sich selbst in
einem grossen Ueberschusse von Schwefelkohlenstoff nicht
löst. -In diesem ist dann das Oel erst nach dem Auswaschen
löslich. Bei der Elaidinprobe nimmt das Oel anfangs eine
weissliche Farbe an und erstarrt erst nach 6â8 Stunden zu
einer wachsÀhnlichen Masse (Ricinelaidin).
Als VerfÀlschungen werden Sesamöl oder gebleichtes
Sonnenblumenöl angegeben. In diesem Falle ist das Oel bei
der Elaidinprobe anfangs gelblich, röthlich oder roth und bil-
det spÀter eine mehr oder weniger weiche, gelbliche oder
brÀunliche Masse.
Reines Oel wird bei + 30â35° von einem gleichen
Volum Alkohol klar gelöst, sobald es indess ĂŒber 5°, frem-
des Oel enthĂ€lt, bleibt die Lösung trĂŒbe.
Ich glaube in Vorliegendem die wichtigsten fetten Oele
des Pflanzenreichs hinreichend charakterisirt zu haben und
gehe nun zu einer kurzen Zusammenstellung der gebrÀuch-
lichsten PrĂŒfungsmethoden derselben ĂŒber. In aller SchĂ€rfe
werden die hier anzufĂŒhrenden Reactionen zwar nur bei un-
verfÀlschten Oelen auftreten, allein in den meisten FÀllen und
namentlich, wenn das Gemisch nicht zu complicirt ist, werden
sie doch hinreichend sein, ĂŒber ein vorliegendes Oel genĂŒgen-
den Aufschluss zu geben. Was die zu den Versuchen ange-
wendete Kalilauge betrifft, so muss dieselbe mit chemisch rei-
nem Kali bereitet werden. Die von mir angewandte rothe,
rauchende SalpetersÀure hatte ein spec. Gew. von 1,40. Zu
den Bestimmungen des spec. Gew. werden sich die vom
UniversitÀtsmechanikus Desaga in Heidelberg verfertigten
Ăleometer mit Vortheil verwenden lassen,
14*
212 Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einiger hĂ€ufig vorkomm. fett. Oele ete.
Schema zur Unte
bei gew.
°
; \ Schneeweiss Gelblich.
5 Vol. Oel werden mit 1 Vol. Kalilauge | (Aandelöl, sehr gutes | Mohnöl, Olivenöl,
von 1,34 tĂŒchtig geschĂŒttelt, RĂŒböl, gebleiehtes RĂŒböl, Sesamöl. |
Die Masse ist: Olivenöl.
schmalu. hellgrĂŒn, dunkelgrĂŒn, na
In einem Reagensglase werden vorsichtig
gleiche Vol. Oel und rothe rauchende | das Oel selbst wird oben zu rosa:
SalpetersÀure zusammen gegossen. An der flockig und u.ndurch- Mohnöl.
BerĂŒhrungsstelle bildet sich eine Mittel- | sichtig: Mandelöl.
zone, diese ist
10 Tropfen Oel und 2 Tropfen
|
In einem Reagensglase wird das Oel mit | Schön grĂŒn mit Gelb, beim SchĂŒtte
concentrirter reiner SchwefelsÀure ver- | braunen Streifen: |brÀunlich olive)
setzt, die BerĂŒhrungsstelle des Oels und RĂŒböl. grĂŒn: Mohnöl,
der SÀure ist gefÀrbt: Madiaöl.
Bei der Elaidinprobe wird die Oelmasse: Fest, krĂŒmlich und | Fest, krĂŒmlich uı
weiss: Olivenöl, gelblich: RĂŒböl,
Mandelöl, gebleichtes
RĂŒböl.
Beim Kochen mit Bleioxyd und Wasser Fest: schmierig:
entsteht Pflaster, dessen Consistenz ist: Olivenöl. RĂŒböl, Mandelöl!
Sesamöl. |
Löslichkeit eines Theils Oel in Alkohol: 1:1 1:25
Rieinusöl. Mohnöl.
RE EIERN. WERNEEREEEERIEREEEERERERENRERGEE 3
Das specifische Gew. der Oele ist: 0,913 0,914 Ă
Mohnöl u. Oel von | Mandelöl u. Oel vi
Brass. Nap. Brass. camp. |
Temperaturen nach Celsius, bei denen â 270 â18°
die Oeie aus dem festen in den flĂŒssigen Hanföl. Rieinusöl.
Zustand ĂŒbergehen. (f
+2,50 +60 bis +8]
Olivenöl, Schmalzöl |
Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einiger hĂ€ufig vorkomm. fett. Oele ete. 213
uchung der fetten Oele
| Tem peratur. nach dem Aufkochen
â ei
GrĂŒnlich. Rosa. Braunu.starr| Gelbbraunu. Roth
âeinöl, Hanföl, Raffinirtes Hanföl. flĂŒssig, Leinöl. Thran.
upferh. u. knstl. | RĂŒböl. |
gefÀrbte Oele.
DL nn
breit u. schön | braunroth: grĂŒn, nach | braunroth, das ganze Oel
ellblaugrĂŒn:| Leberthran. | oben roth: nach unten fĂ€rbt sich nach
Olivenöl, Leinöl. grĂŒnlich: einiger Zeit
RĂŒböl. roth: Leinöl.
SchwefelsÀure Gleiche Vol. Oel und SÀure
â = ee ze
tothe, baldin ohne Schwefelkohlenstoff m. Schwefelkhst.
P} . u Sr orye ET
aewer: ĂŒbrg. | heim SchĂŒtteln grĂŒn: roth: m,d. 20fach.Vol.
Streifen, ziehen |,chön dunkel- âLeinöl, Thran. Schwefelkohlst.
ich in Schlan- grĂŒn: RĂŒböl. Hanföl. prachtvoll
genwindungen violette, rasch
lurch d. FlĂŒssig- in Braun ĂŒber-
keit: Thran. geh. FĂ€rbung:
Thran.
nn TTEEEEEEEEREREEEEERERRRRER
Fest und roth: | Wachsartig u. |In d. Elaidinm. | UnverÀndert: | Aether. Oele, zur
Sesamöl. weiss: zeig, sich Oelstr. Leinöl, Geruchscorrec-
Rieinusöl, u. Tropfen: Oel- Mohnöl, tion d. Olivenöl
gemische, in d.| Nussöl. .. zugesetzt,
sich trockn. Oele schwimmen auf
befinden. dem Elaidin.
hmierig, doch |
mit der Zeit
trocknend:
1:30 | 1:40° 1:60 |
_ Hanf. | Loeinöl. Mandelöl. |
0,918 0,923 0,926 0,950 â 0,970 0,930
Olivenöl | Sesamöl. Sonnen- Rieinusöl. Leinöl.
blumenöl,
â 16° bis a 60 | _4 50
Leinöl. Sonnen-' Oel von Brassie. | Oel von Brass. Sesamöl.
blumöl. Napus. | camp. |
20% bis â 25°
Mandelöl,
214 Ueber Liebigâsche Suppe.
Ueber Liebigâsche Suppe.
Von B. Hirsch, Apotheker in GrĂŒnberg.
Nachdem ich mit diesem trefflichen Nahrungsmittel zwei
gesund und krÀftig geberene Kinder, die jedoch unter dem
Einfluss ihrer Ammen viele Wochen lang an AusschlÀgen
und Wundsein bei mehrfach verheimlichtem Nahrungsmangel
schwer gelitten hatten, mit dem erwĂŒnschtesten Erfolge auf-
gezogen habe, erlaube ich mir darĂŒber Folgendes mitzutheilen:
Nach Liebigâs ursprĂŒnglicher Vorschrift ist Malz-
mehl anzuwenden; spÀter empfiehlt er, das Malz auf der
KaffemĂŒhle zu mahlen, und das Mehl durch ein nicht allzu-
feines Haarsieb von den Spelzen zu trennen.
Ich habe das Malz stets im geschrotenen Zustande, wie
es bei der Brauerei benutzt wird, ohne jede weitere Vorbe-
reitung, also mit den Spelzen verwendet, und nur seine
QuantitÀt um 20 Procent um dieser Spelzen willen vermehrt.
Die Digestion habe ich stets im Wasserbade und mit einge-
senktem Thermometer, das höchstens auf 70°0. steigen und
. nicht unter 60°C. sinken durfte, bei sehr hĂ€ufigem UmrĂŒhren
bewirkt. Das Abseihen fand durch ein feines BrĂŒhsieb von
Weissblech, ohne allen Druck statt, doch wurde der RĂŒck-
stand immer noch einmal mit Wasser angerĂŒhrt, nochmals
abgeseiht und mit etwas Wasser nachgewaschen. Die da-
durch bewirkte VerdĂŒnnung der Suppe wurde von den Kin-
dern sehr gĂŒnstig empfunden, wĂ€hrend die concentrirtere
Nahrung ihnen augenscheinlich weniger zusagte. Ich kam
auf diese Weise zu folgender feststehenden Vorschrift:
2,0 g. doppelt kohlensaures Kali,
64,0 â Weizenmehl zweiter QualitĂ€t,
80,0 â geschrotenes Gerstenmalz mit Spelzen wurden mit
120,0 â Wasser und
600,0 â Milch
gleichmĂ€ssig angerĂŒhrt, im Wasserbade auf eine Temperatur
von 64â 66°C. gebracht, darin 1/; â 3], Stunden lang unter
hĂ€ufigem UmrĂŒhren erhalten, âhiernach bis zum Kochen erhitzt,
abgeseiht, der RĂŒckstand nochmals mit Wasser angerĂŒhrt,
Ueber Liebigâsche Suppe. 215
wieder abgeseiht, und durch Nachwaschen mit Wasser die
Gesammtcolatur auf 1 Liter gebracht. Die gut gemischte
FlĂŒssigkeit lĂ€sst man kurze Zeit absetzen, und fĂŒllt sie dann
in einzelne Flaschen von demjenigen Inhalt, den das Kind
je auf einmal austrinkt. Reste kocht man auf oder giesst sie
weg. Die Flaschen werden bis zum jedesmaligen Gebrauch
im Keller aufbewahrt. Die Haltbarkeit der Suppe ĂŒbersteigt
in der warmen Jahreszeit nicht 1â1'/,, in der kalten nicht
2 Tage. Die scrupulöseste Reinhaltung der GefÀsse und
Stöpsel ist dabei eine Hauptbedingung, deren VernachlÀssigung
sich durch Magenverstimmung und Diarrhöen der Kinder
sogleich empfindlich rÀcht.
Der grosse Zeitaufwand, welchen die tÀgliche Zubereitung
der Suppe veranlasst, bestimmte mich, die Suppe versuchs-
weis in Extractform herzustellen; und bin ich nach halbjÀhri-
ger Erfahrung mit dem Resultat so sehr zufrieden, dass ich
durch dessen Veröffentlichung manchem Collegen einen Dienst
zu erweisen hoffe. Die Extraction erfolgt mit weichem Was-
ser, ohne Milch, im Wasserbade, unter genauer Beachtung
der obigen Temperaturgrenzen; sie wird aber lÀngere Zeit
und zwar 3â4 Stunden lang fortgesetzt und zweimal mit
!, â1stĂŒndiger Dauer wiederholt, was keinesweges ĂŒber-
flĂŒssig ist, da beispielsweis die drei aus 5600 g. Malz und
4480 g. Mehl bereiteten AuszĂŒge folgende VerhĂ€ltnisse zeigten:
1. Auszug 42 Pfund von 1,110 spec. Gew. bei 18°C, â
26°%, oder 10,92 Pfund Extract.
2. Auszug 20,5 Pfund von 1,057 spec. Gew. bei 18°C, â
14°), oder 2,87 Pfund Extract.
3. Auszug 19,5 Pfund von 1,027 spec. Gew. bei 18°C. =
63/,%/, oder 1,32 Pfund Extract.
Aufkochen der gewonnenen AuszĂŒge ist nicht erforder-
lich; es findet auch dabei ausserordentlich leicht ein Anbren-
nen an einzelnen Stellen statt. Die QuantitĂ€t des beizufĂŒgen-
den einfach oder doppelt kohlensauren Kalis' ist wegen der
vollstĂ€ndigeren Extraction der Mehlsubstanz um 10â 15%,
zu vermehren; es resultirt auch dann nur ein Extract von
sehr schwach, aber doch unzweifelhaft alkalischer Reaction.
216 Ueber Liebigâsche Suppe.
Das Abseihen geschieht am besten durch ein mÀssig feines
Haarsieb. Der Versuch, die FlĂŒssigkeit durch Absetzenlas-
sen oder durch Coliren etc. zu klÀren, ist resultatlos; nach
16 stĂŒndigem âruhigen Stehen in hohen Cylindern erscheint
nur 1/,, der FlĂŒssigkeit klar, °/,, trĂŒbe Man thut desshalb,
auch in RĂŒcksicht auf die geringe Haltbarkeit der verdĂŒnnten
FlĂŒssigkeit gut, der Extraction unmittelbar das Abdampfen
unter bestĂ€ndigem RĂŒhren bis zu der richtigen Consistenz
folgen zu lassen. Das Abdampfen geschieht im Wasserbade
in einem Kessel oder einer Schale von genau bekanntem
Gewicht, nachdem das absolute und specifische Gewicht der
abzudampfenden FlĂŒssigkeit genauer ermittelt ist, um daraus
den Extractgehalt derselben berechnen zu können. Letzteres
kann recht wohl nach der Ballingâschen Tabelle zur Er-
mittelung des Malzextractgehaltes aus dem specifischen Gewicht
der BierwĂŒrzen geschehen, wenn sich auch die trĂŒbe Extraet-
flĂŒssigkeit durch ihren Gehalt an unaufgeschlossenen StĂ€rke-
körnern wesentlich von der klaren BierwĂŒrze unterscheidet.
FĂŒr die heisse Jahreszeit empfiehlt es sich, das Abdampfen
so lange fortzusetzen, bis das Gewicht des RĂŒckstandes im
tarirten Kessel das 1!/, fache des nach obiger Tabelle berech-
neten Extractgehaltes betrÀgt; in der kÀlteren Jahreszeit kann
man das Abdampfen eher unterbrechen, und zwar, wenn der
RĂŒckstand das 1!/, fache des berechneten Extractgehaltes
wiegt. Im ersten Fall erhÀlt man ein sehr zÀhes, fadenzie-
hendes Extract, im zweiten eine zwar weiche, aber doch vom
bewegten Spatel nicht abfliessende Pulpa. Die Farbe, die
natĂŒrlich von der des Malzes mit abhĂ€ngt, ist im Allgemei-
nen hellbraun, der Geschmack mild, mĂ€ssig sĂŒss und etwas
mehlig, der Geruch der des Malzes, die wÀssrige Lösung
trĂŒbe, von hellgraubrauner Farbe und sehr geringer, fĂ€rben-
den Kraft. Die Lösung in gleichviel Wasser, die ein spec.
Gew. von 1,18â 1,24 besitzt, ist dickflĂŒssig und bildet kei-
nen merklichen Absatz; die Lösung in 4â 6 Theilen Wasser
ist dĂŒnnflĂŒssig, klĂ€rt sich ziemlich rasch, wenn auch nicht
bis zur völligen Durchsichtigkeit und giebt nach kurzer Zeit
einen erheblichen Absatz, der unter dem Mikroskop noch sehr
Ueber Liebigâsche Suppe. 217
viele unzerstörte StÀrkekörner zeigt. Das bis zum Faden-
ziehen eingedampfie Extract hÀlt sich auch in angebrochenen
GefÀssen und in der heissen Jahreszeit monatelang gut; das
dĂŒnnere neigt zur Schimmelbildung, welcher man mit Erfolg
dadurch begegnet, dass man die OberflÀche mit etwas Zucker
bestreut. Der bequemeren Dosirung und Vertheilung wegen
empfiehlt es sich, die fĂŒr 1â2 Tage erforderliche Extract-
menge in gleichviel Wasser vorrÀthig aufzulösen; bei lÀnge-
rer Aufbewahrung sÀnert die Lösung auch im Keller.
In richtigem VerhĂ€ltniss in verdĂŒnnter Milch gelöst,
erhÀlt man ein, der direkt dargestellten Suppe in Aussehen,
Geruch und Geschmack ganz Àhnliches GetrÀnk, das auch
von den an solche Suppe gewöhnten Kindern ohne Anstand
genommen wird. Nicht dasselbe kann ich von dem sog.
Liebe-Liebigâschen Nahrungsmittel sagen. Dasselbe besitzt
bei einem spec. Gew. von 1,39 â1,40 die Consistenz eines
sehr dicken, fadenziehenden Syrups; es ist weit durchsichtiger,
dabei aber weit brauner von Farbe, von sĂŒsserem aber weni-
ger milden und nicht mehligen Geschmack, und sehr abwei-
chendem Geruch; die wĂ€ssrige Lösung ist dĂŒnnflĂŒssiger, bei
weitem klarer und brauner von Farbe, wirkt auch verhÀlt-
nissmÀssig stark fÀrbend, und bildet einen nur geringen Ab-
satz, in welchem man mittelst des Mikroskops_keine unzer-
störten StÀrkekörner findet. Auf Zusatz von Jodlösung nehmen
aber sehr zahlreiche Partikelchen eine blaue FĂ€rbung an, und
geben sich dadurch als chemisch noch unverÀnderte, wenn
auch zertrĂŒmmerte StĂ€rkekörner zu erkennen.
Die Vorschrift zur Darstellung des Extractes stellt sich
hiernach wie folgt:
110 â 115 (statt 100) g. doppelt kohlensaures Kali,
3200 g. Weizenmehl zweiter QualitÀt und
4000 g. geschrotenes Gerstenmalz
werden mit 15 â16 Liter weichen Wassers, nach vorange-
gangener 1â 2stĂŒndiger Maceration, im Wasserbade unter
fortdauerndem UmrĂŒhren zuletzt auf 64 â 66°C. gebracht und
3â4 Stunden lang in dieser Temperatur erhalten; darauf
wird das Gemisch in nicht zu grossen Portionen auf ein ziem-
218 Ueber Liebigâsche Suppe.
lich feines Haarsieb geschĂŒttet, mit kleinen Mengen Wasser
nachgespĂŒlt, der gesammte RĂŒckstand mit 7â8 Liter weichen
Wassers abermals 1 Stunde lang bei 64â66°C. digerirt,
das FlĂŒssige wie oben mittelst Haarsieb getrennt, und der
RĂŒckstand nochmals mit 5â6 Liter Wasser !/, Stunde lang
erhitzt und wie oben abgeseiht. Aus dem absoluten und
specifischen Gewicht der AuszĂŒge berechnet man ihren Ge-
halt an Extract nach der Ballingâschen Tabelle, und verdampft
im vollen Wasserbade unter unausgesetztem UmrĂŒhren im
tarirten Kessel auf das 1/, oder höchstens 1, fache Gewicht
des durch Rechnung gefundenen Extractgehaltes.
Die Ausbeute an trocknem Extract, nach der Ballingâ-
schen Tabelle berechnet, betrÀgt durchschnittlich 6'/,;, bis
62), Kg., oder in Verbindung mit 25 oder 50 Procent Was-
ser 81, â8!/,, resp. 9%/, â10 Kg. Das dĂŒnnere Extract
giebt durch Lösung in seinem gleichen Gewicht Wasser eine
dicke, chocoladenartige FlĂŒssigkeit von 1,18â1,19 spec. Gew.;
dieselbe FlĂŒssigkeit erhĂ€lt man durch Lösung von 5 Th. des
dickeren Extractes in 7 Th. Wasser.
Von dieser Lösung verdĂŒnnt man fĂŒr den jedesmaligen
Gebrauch 1 Volum mit 2!/), Volum Wasser und 41, Volum
Milch, erwĂ€rmt auf die Temperatur des Blutes, 34 â 36°C,
keinenfalls höher, und reicht dem Kinde zur Nahrung. Die
sorgfÀltigste Reinigung der Saugflaschen, Stöpsel und nament-
lich der Gummisauger kann nicht dringend genug empfohlen
werden.
Im Ganzen liefert also die obige Menge von Ingredien-
zien 100â 110 Liter, oder 1 Kg. des aufgelösten Extractes
6%, â7 Liter Suppe; wĂ€hrend eine Flasche des sogen.
Liebe-Liebigâschen Nahrungsmittels, durchschnittlich 265 g.
Extraet haltend, 31/, Liter Suppe nach Liebeâs Vorschrift
liefert.
Mittheilungen aus der pharmaceutischen Praxis. 219
Mittheilungen aus der pharmaceutischen Praxis.
Von E, Heintz, Apotheker in Duisburg,
1) Ueber Extracte.
College Kostka giebt (Dec.-Heft 1871 d. Arch.
d. Pharm.) die Extract- Ausbeuten verschiedener Droguen
an. Wenn man diese Ausbeute mit den Preisen der Ex-
tracte in den Preis-Couranten der HĂ€ndler vergleicht, so
kann man sich nicht genug wundern, dass es noch Colle-
gen giebt, die Extracte kaufen. Nehmen wir z. B. ein
Extract heraus, was gerade bei mir gemacht worden ist,
Extract. Colocynth. 3 Theile schön geschÀlte Coloquinthen
geben 1 Theil möglichst samenfreies Muls. Es ganz vollstÀndig
samenfrei herzustellen, ist fast unmöglich. 3 Pfd. Coloquinth
kosten Thlr. 1 u. 15 Gr., also ein Pfd. Mufs auch 1 Thlr.
15 Gr. Diese geben 25°, (ich erhielt 24°,) Extract. Im
Preis- Courant kosten 50 g. Ext.=27 Gr. Also gewonnene
125,0 Extr. kosten 1 Thlr. 15 Gr. Beim Materialisten
kosten sie 2 Thlr. 7 Gr. 6 Pf. FĂŒr ĂŒberschiessende 22 Gr.
6 Pf. also hat der gefÀllige Mann fast 2 Tage Coloquinthen
aussuchen lassen, den Spiritus - Verlust getragen, die Pres-
sungen, Destillationen, Abdampfen etc. etc. besorgt, giebt
5°, Sconto und â verdient dabei. Und das bei einem Artikel,
nach dem wahrlich nicht oft gefragt wird. Die Extr., die wir
leider kaufen mĂŒssen, wie Extract Hyoscyami können Ă€hnlich
berechnet werden. Sollte es nicht Collegen geben, die in nicht
zu weiter Entfernung an einem Tage gesammeltes frisches
Kraut per Eilgut auf Bestellung senden?
Nachtrag fĂŒr Ext. Hyoscyami. FrĂŒher bot mir
ein Mann von Neuss mehre Male Folia Hyosc. an. Auf
meine Weigerung, nur BlĂ€tter statt des blĂŒhenden Krautes
zu kaufen (fĂŒr Extract) sagte er: BlĂ€tter schneide ich mehre
Monate von derselben Pflanze, die Pflanze nur einmal. Der
Mann calculirte richtig. Da er, wie er sagte, seine BlÀtter
leicht los werden könne, so ist er fortgeblieben. Trotz alle-
dem ist ein aus frischen BlÀttern selbst bereitetes Ex-
tract entschieden besser, als vieles kÀufliche.
220 Mittheilungen aus der pharmaceutischen Praxis.
2) Ueber ChininprĂŒfung.
Neulich kaufte ich von einem Hause Chinin sulfur. Zimmer.
Der Reisende bot zugleich ein billigeres Chininsalz an, welches
Spuren von Cinchonin, resp. Chinidin-Salzen enthielt. Grös-
sere Verunreinigung wie âSpurenâ giebt es nemlich nicht.
Ich verbat mir selbstverstÀndlich Letzteres, erhielt aber den-
noch ein eirca 8°, Verunreinigungen haltendes.. Auf meine
Reclamation erhielt ich natĂŒrlich ganz reines, der Magazinier
hatte sich vergriffen, was ja in jedem GeschÀft vorkommen
kann. So die Antwort. Man rechne und nehme nur 5°,
Cinchon. sulfur. an. Es kosten jetzt 4 Pfd. Chin. sulfur.
Zimmer 53 Thlr., und 1 Pfund Cinchonin. sulfur. 6 Thlr, so
verdient der VerkÀufer bei einem Verkaufspreis von 50 Thlr.
immer noch 1â2 Thlr. am Pfunde mehr, wie der VerkĂ€ufer,
der reines Zimmerâsches Chin. sulf. verkauft fĂŒr 53 Thlr. das
Pfund. Wer also mischen wollte, thut dies billiger selbst.
Da ich nicht weiss, ob das Archiv die leicht auszu-
fĂŒhrende Untersuchung des Chin, sulf, von Doctor G. Kerner
schon mitgetheilt hat (in der Hagerâschen Oentralhalle
hat sie gestanden), so gebe ich diese hier an.*)
Als Control-Chinin diente mir eine kleine QuantitÀt durch
die GĂŒte des Herrn Zimmer ĂŒberlassenen Chinin sulfur. Die
Aether-Ammoniak-Probe ist bekanntlich nicht zuverlÀssig,
dĂŒrfte jedenfalls auch nur mit genauer Beobachtung der Tem-
peratur gemacht werden.
2,0 bis 4,0 g. Chin, sulfur., welches durchaus keine
freie SĂ€ure enthalten darf, werden in einem kleinen
*) Dr. 6. Kernerâs Aufsatz ĂŒber die PrĂŒfung des kĂ€ufliehen
schwefelsauren Chinins auf fremde Chinaalkaloide steht im
ersten Jahrg. von Fresenius Zeitschrift f. analyt. Chemie (1862),
S. 150â162. Unser Archiv der Pharmacie giebt im 124. Bde. d.
II. Reihe (1865), 8. 142 eine Mittheilung der Kernerâschen Chininprobe
nach Mohrâs Commentar. In meine Bearbeitung des Marquartâschen
Lehrb. d. Pharmacie habe ich nach Dr. Kernerâs Originalabhandlung
dessen treffliche Probe aufgenommen (Bd. III, S. 783). Oswald Hesse
erklĂ€rt Kernerâs Verfahren fĂŒr das beste (siehe Willâs Jahresb. ĂŒber Chemie,
1365, $8. 442). H. Ludwig.
Mittheilungen aus der pharmaceutischen Praxis, 231
Becherglase mit 20 (bei 2 g. Salz), resp. 40 (bei 4 g.
Salz) ©. ©. destillirten Wasser anhaltend gemischt, dass das
Gemenge eine Emulsions-Consistenz hat. Das Wasser darf
nie ĂŒber 15°C. haben, also mit eingesenktem Thermometer
gemischt. Nach halbstĂŒndiger Maceration wird klar filtrirt.
In einem ganz trocknen, nicht zu weiten graduirten Cylinder
giebt man 5 C.C. des Filtrats, lĂ€sst 7 C.C. AmmoniakflĂŒssigkeit
von 0,96 sp. G. oder 50.C. von 0,92 sp. G. vorsichtig zu-
fliessen, so dass sich die FlĂŒssigkeiten kaum mischen, und
mischt dann durch ruhiges Neigen und Aufrichten. Die
FlĂŒssigkeit muss das etwa Ausgeschiedene vollstĂ€ndig
wieder lösen oder klar bleiben. Eine schwache bleibende
Opalescenz, die auf Zusatz eines weiteren !/,, âŹ. C. Ammo-
niakflĂŒssigkeit verschwindet, berechtigt noch zu keiner ungĂŒn-
stigen Beurtheilung des Praeparats. Findet keine klare Lösung
statt, so ist das Chinin. sulf. unrein. Ein starkes SchĂŒtteln
beim Mischen der FlĂŒssigkeiten darf wegen des hierdurch
verursachten Verlustes an freiem Ammoniak nicht statt finden.
Ueber die quantitative Beurtheilung der VerfÀlschung lese man
in der BrochĂŒre von Dr. Kerner nach. Wer !/, Pfund oder
darĂŒber kauft, hat bei Zimmer in der Versiegelung des Um-
schlages mit dem Privat- Siegel des Hrn. Z. eine ziemliche
Sicherheit, dennoch rathe ich, obige kleine MĂŒhe nicht
zu scheuen, um so mehr, als beim vorsichtigen Trock-
nen des RĂŒckstandes auf dem Filter kaum ein Verlust statt-
findet.
Ueber das Einlassen von Glasstöpseln in Paraffın
oder Àhnliche Fettstoffe.
Von G. GlÀssner, Apotheker in Kassel.
Bekanntlich werden Glasstöpsel zu GefÀssen, in denen
Aetzalkalilaugen lÀngere Zeit aufbewahrt werden sollen, hÀufig
in Paraffin eingelassen, und erhÀlt man auch aus chemischen
222 Ueber Tinct. Rhei aquosa.
Fabriken oft GlĂ€ser mit Lauge gefĂŒllt (z. B. Normal- Aetzkali-
Lauge), deren Stöpsel mit Paraffin oder wenigstens mit einem
Àhnlichen Fette eingelassen sind. Dieses quillt indess hÀufig,
wenn es einigemale mit Aetzlauge in BerĂŒhrung gekommen
ist, zu einer schaumigen Masse auf, welche in die Lauge
fliesst und darin eine geringe TrĂŒbung verursacht. Es ist
nun von höchster Wichtigkeit, solche Lauge nicht etwa zu
Fehlingâscher Lösung zu verwenden, da sie dieses Reagens
stark reducirt und so leicht zu IrrthĂŒmern Anlass geben kann.
Auch bei AusfĂŒhrung der Schiffâschen Probe ist es geboten,
das Gemisch von weinsaurem Kupferoxyd und Kalilauge von
zweifelhafter Reinheit stark aufkochen zu lassen, und es erst,
wenn sich hierbei eine TrĂŒbung nicht zeigt, dem Harne zu-
zufĂŒgen.
Ueber Tinet. Rhei aquosa._
Von Dr. R. Mirus, Hofapotheker in Jena.
Im Novemberheft des vorigen Jahrgangs ist eine Vor-
schrift des Hofapotheker Fischer in Dresden veröffentlicht,
die â wie ich hierdurch ebenfalls bestĂ€tige, eine vortrefflich
haltbare Tinct. Rhei aquosa liefert. Ich habe dieselbe im Sep-
tember vorigen Jahres bald nach meiner RĂŒckkehr von Dres-
den dargestellt und finde sie heute noch ebenso unverÀndert.
Ich versuchte es nun, unter Hinweglassung des Borax
und unter möglichst genauem Einhalten der VerhÀltnisse in
der Vorschrift der Preuss. Pharmacopöe diese Tinctur darzu-
stellen, verfuhr aber ĂŒbrigens bezĂŒglich der Bereitung genau
nach den Angaben Fischerâs und erhielt, wie ich erwartet
hatte, eine ebenso haltbare Tinetur, wie die nach Fischerâs
Vorschrift bereitete es ist. *)
*) Ich verweise hier zugleich auf die beiden Artikel ĂŒber Tincet. Rhei
aquosa von Dr. H, Ludwig in dem Januar- und von Dr. Enders im
Septemberheft dieses Archivs, Jahrg. 1871; namentlich die von Enders
Ueber Tinet. Rhei aquosa. 223
Diese so dargestellte Tinct. Rhei aquosa steht in einem
damit kaum zum 4. Theile angefĂŒllten, lose mit Korkstöpsel
verschlossenen Glase, seit 9 Wochen in einem tÀglich gut
geheizten Wohnzimmer. Das Glas wurde jede Woche mehr-
mals einige Minuten geöffnet und die Tinctur umgeschĂŒttelt.
Geruch und Farbe sind noch unverÀndert und die Tincetur so
klar, wie nach dem Filtriren vor 9 Wochen.
Die Vorschrift lautet demnach:
Nimm: Rhabarber, in sehr dĂŒnne Scheiben geschnitten 12 Theile,
Reines kohlensaures Kali MEN
Höchst rectificirten Weingeist 002,
Einfaches Zimmtwasser 11,9%
Kochend heisses, destillirtes Wasser 88,5 â
"Die Rhabarberwurzel und das kohlensaure Kali werden
mit dem kochenden destillirten Wasser ĂŒbergossen und !/,
Stunde ausserhalb des Dampfbades bedeckt stehen gelassen.
Hierauf wird der Weingeist hinzugefĂŒgt, umgerĂŒhrt, nach
einer Stunde colirt und der RĂŒckstand alsbald mit der Hand
ausgepresst. Der Colatur setzt man dann das Zimmtwasser
hinzu, lÀsst absetzen und filtrirt. Das Filtrat betrÀgt etwa
95 Theile, das VerhÀltniss der Rhabarber zur fertigen Tinc-
tur ist sonach 1:8 (in der Fischerâschen Vorschrift 1: 10).
Nach der Vorschrift der preuss. Pharmacopöe wĂŒrden
16 Theile spirituöses Zimmtwasser genommen werden
mĂŒssen, in denen nur 3,55 Theile Spir. Vini rectificatus
enthalten sind, wÀhrend hier 6 Theile Spir. Vini rectificatissi-
mus angewendet wurden. â Die Fischerâsche Vorschrift
hat hingegen eine der angewendeten Rhabarber gleiche Menge
Weingeist, es wĂŒrden demnach hier 12 Theile zu nehmen
gewesen sein. Ich werde baldigst versuchen, ob sich nicht
mit noch weniger und zwar mit 3/, Theilen Weingeist aus-
kommen lÀsst.
vorgeschlagene Bereitungsweise geht bezĂŒglich der Anwendung von Wein-
geist von derselben Ansicht aus, welche auch in der Fischerâschen Vor-
schrift zur Geltung gebracht worden ist,
224 Ueber Tinet. Rhei aquosa.
Da zur Destillation von 16 Theilen Ag. Cinnam. spir.
1,77 Theile Zimmt-Cassia verwendet werden, habe ich, dem
entsprechend 17,5 Theile Aq. Cinnam. simpl. verwendet, zu
denen bei der Bereitung ebenfalls 1,77 Theile Zimmt-
Cassia genommen werden.
Ich gebe zu, dass das spirituöse Zimmtwasser gehalt-
reicher an Zimmtöl sein kann, als das aus der gleichen Menge
Rinde bereitete einfache Zimmtwasser. Die Menge desselben
wĂŒrde also dann noch nach VerhĂ€ltniss zu vermehren sein.
Um das VerhĂ€ltniss der FlĂŒssigkeit wie in der Vor-
schrift der Pharmacop. streng einzuhalten, wurden an den
vorgeschriebenen 96 Theilen destillirten Wassers 71/, Theile
in Abzug gebracht. (Der verwendete Weingeist und das
einfache Zimmtwasser betrugen zusammen 23!/, Theile, wÀh-
rend die Pharmac. nur 16 Theile spirituöses Zimmtwasser
vorschreibt.
Ich werde bald auch noch Versuche anstellen, ob nicht
eine ebenso haltbare Tinctur erzielt werden kann, wenn statt
der Infusion mit kochendem Wasser, wie nach Fischerâs
Vorschrift, nur eine 24 Stunden andauernde Maceration stait-
findet, (Ph. Boruss.), unter Zusatz des Weingeistes etwa im
letzten Drittel der Maceration. Wie schon angegeben, werde
ich auch noch die kleinste erforderliche Menge Weingeist
ermitteln.
Die vorstehende Vorschrift dĂŒrfte, wenn man davon aus-
geht, dass dieselbe sich der Vorschrift der Pharmacop. soviel
wie möglich anpassen muss, die annehmbarste sein, von den
vielen bereits frĂŒher vorgeschlagenen, da sie ohne namhafte
Abweichung eine haltbare Rhabarbertinetur liefert, was fĂŒr
die praktische Pharmacie immerhin ein Gewinn ist. Vielleicht
könnte sie doch noch Aufnahme finden in die neue Pharmacop.
germanica, wesshalb ich die baldige mehrseitige PrĂŒfung
empfehle.
Das Wasser könnte man zweckmÀssig noch um einige
Theile vermehren und die Colatur auf 100 Theile feststellen,
falls nicht vorgezogen werden sollte, in der Vorschrift das
VerhÀltniss der Rhabarber zur Colatur in 1:10 umzuÀndern,
\
Die trocknen narkotischen Extracte. 235
Die trocknen narkotischen Extraecte.
Von W. Stromeyer, Apotheker in Hannover.
Als im November 1870 die Verordnung erschienen war,
die trocknen narkotischen Extracte mit Dextrin zu bereiten,
beeilte ich mich zunÀchst, mir dieses vollkommen rein darzu-
stellen und damit jene Extracte anzufertigen. Da dieselben
hier nun aber vorwiegend mit spirituösen FlĂŒssigkeiten, wie
z.B. mit Tinct. Colchiei, Vin. stibiat. verschrieben werden,
musste ich sehr bald die unangenehme Erfahrung machen,
dass sie sich in den meisten FĂ€llen nicht verwenden liessen
und in diesen das unangenehme, unsichere AbwÀgen sehr
kleiner Mengen rer dicken Extracte nicht vermieden werden
konnte. Dieserhalb machte ich den Versuch, eines der gang-
barsten, Extr. Hyoscyami, mit Saccharum den VerhÀltnissen
der Pharmak. entsprechend zu trocknen. Da dies gelungen
und das völlig trockene Pulver nach Verlauf mehrer Wochen
nicht feucht geworden war, bereitete ich in gleicher Weise
Extracta sicca von Extr. Aconiti, Belladonnae und Lactucae,
welche gleichfalls zu den hier gebrÀuchlichsten gehören und
nebst dem ersteren, jetzt bereits ein volles Jahr hindurch wie-
derholt angefertigt, gebraucht und niemals feucht geworden sind.
Bemerken will ich noch, dass das Austrocknen bei sehr
mÀssiger Temperatur von etwa + 80°C. geschehen muss,
wenn.es gelingen soll. Da es bei erheblich höherer Tempe-
ratur nicht ausfĂŒhrbar ist, die Extracte dann schmierig bleiben,
so hat diese Methode noch den Vorzug, dass jene nicht ver-
brannt und zersetzt werden können, in welcher. Weise wider-
rechtlich beschaffen sie wohl angetroffen werden. In jeglichen
FlĂŒssigkeiten lösen sich diese mit Zucker bereiteten Extracte
sehr leicht ohne Verreibung in einem Mörser auf.
Leider habe ich versĂ€umt, diese Erfahrungen frĂŒher mit-
zutheilen, was vielleicht Veranlassung hÀtte geben können, die
Vorschrift in der deutschen Pharm. aufzunehmen, wenn es nicht
dennoch, auf anderweite Erfahrungen gestĂŒtzt, geschehen ist.
Hannover im MĂ€rz 1872.
Arch, d,. Pharm. OXCIX. Bd», 3, Hft. 15
226
II. Naturgeschichte und Pharma-
cognosie.
Beschreibung einiger pharmacognostischer Gegen-
stÀnde Mittel - Asiens.
(Untersuchungen aus dem chem. Laboratorium der UniversitÀt zu Greifs-
wald, Pommern.)
Von R. Palm.
a) Die Alge SchorĂŒm DorĂŒ.
Zu Anfang des Jahres 1868, wÀhrend meines Aufent-
haltes in Mittel- Asien wurde mir durch einen Muhamedaner,
der als Miltair- Arzt in russischen Diensten stand, eine Alge
zur Beurtheilung vorgelegt. Dieser Arzt stand mit den ange-
sehensten muhamedanischen HeilkĂŒnstlern Asiens in wissen-
schaftlichen Wechselbeziehungen, daher waren ihm die asiati-
schen VerhÀltnisse zum Theil genau bekannt. Nach seiner
Aussage stammt diese Alge aus den Salzseen, die am Hima-
laya-Gebirge gelegen sind; sie besteht aus 6 bis 14 Zoll
langen und 1 bis 3 Zoll breiten BlattstĂŒcken. Das Blatt
verschmÀlert und verdickt sich allmÀhlig nach dem einen
Ende zu, wodurch ein dem Stengel Àhnliches Organ entsteht.
Getrocknet, erscheinen die BlÀtter von graubrauner Farbe,
lederartig dick mit anhaftenden kleinen Salzkrystallen, die
StĂŒckeâ der LĂ€nge und Breite nach verschiedenartig zusammen-
gelegt und dann zu BĂŒndeln veremigt, wie sie im Handel
anzutreffen sind. Im Wasser geweicht, nehmen die StĂŒcke
auffallend an Dimensionen zu und es lassen sich dann dun-
kelgrĂŒne und braune BlĂ€tter unterscheiden. Diese Alge wird
Beschreibung einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel- Asiens. 227
von den besseren muhamedanischen Aerzten Mittel- Asiens
geschÀtzt als sicheres Mittel gegen Kropf, verschiedene Haut-
krankheiten, Scrophulosis und Syphilis und wird aus diesem
Grunde aus China nach den MĂ€rkten Mittel- Asiens gebracht,
wo sie jedoch nur in kleineren Portionen anzutreffen ist.
Dieses Mittel ist wahrscheinlich identisch mit den BlÀt-
tern, welche die EnglÀnder unter dem indischen Namen
âGiler ke paterâ (BlĂ€tter gegen den Kropf) kennen. Erst
in Wien hat man dieselben mit dem wissenschaftlichen Na-
men âLaminaria saccharinaâ bezeichnet. Dieses indische
Mittel ist in Lahore und Kaschmir offieinell und kommt aus
Thibet; die Eingeborenen sagen, es wachse dort in einem
Salzsee. Nach Dr. Honigbergerâs Mittheilungen aber sind
englische Aerzte der Meinung, es möge zwar aus dem Thibet
kommen, jedoch nur im Kaspischen Meere wachsen;
allein Honigberger glaubte sie auch im offenen Ocean unweit
des Vorgebirges der guten Hoffnung auf dem Meere herum-
schwimmend gefunden zu haben. â Die BlĂ€tter sind mehre
Ellen lang, 2 bis 3 Finger breit und sehen aus wie einge-
salzen; sie sind stark jodinhaltig, wesshalb sie vorzĂŒglich
auf die SchilddrĂŒsengeschwulst (den Kropf) wirken. Honig-
berger fand dieselben sehr wirksam bei Augenbutter, Mund-
winkelgeschwĂŒren, Unverdaulichkeit, Appetitmangel, Magen-
drĂŒcken, MagenhĂŒpfen, Stuhlzwanz und Fieber.*)
Von dieser Laminaria saccharina ist ferner Folgendes
bekannt.**) Fucus saccharinus nach Linne, Ulva
longissima nach Gunn. Laminaria saccharina La-
mouroux. ĂlivengrĂŒn, Stiel etwas flach, verlĂ€ngert sich
ganz allmÀhlig nach aufwÀrts in der Breite, lange lanzett-
förmige Phyllome, 1â6â lang und 1â8 breit, ganzrandig,
*) âFrĂŒchte aus dem Morgenlandeâ von J. M. Honigberger,
gewesenem Leibarzte der königl. MajestÀten: Rentschit-Sing, Kanck -
Sing, der Rani Tschendkour Schir - Sing und Dhelib-Sing. Wien 1853.
8. p. 452.
**) Siehe Carl Bryantâs Verzeichniss der zur Nahrung dienenden
Pflanzen, aus dem Englischen. Bd. 1. p. 142,
15*
228 Beschreibung einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel-Asiens.
zuweilen wellig am Rande. Kommt vor in der Nordsee und
im MittellÀndischen Meere, dient als Viehfutter, wird hÀufig
zur Gewinnung der Tangsoda verwendet und besonders in
Island gegessen, wo sie den Namen Dillesk fĂŒhrt und an
felsigen KĂŒsten wĂ€chst. Das frische Laub wird als Salat
gegessen und mit Milch zu Brei gekocht. In Island wer-
den die frischen BlĂ€tter in sĂŒssem Wasser gewaschen, an
der Sonne getrocknet und in Tonnen verpackt. Die BlÀtter
sind anfangs purpurroth, dann aber, wenn der Mannit aus-
schwitzt, weiss und werden dann von den IslÀndern mit
Butter zu trockenen Fischen gegessen, Man hÀlt dieses
Alge fĂŒr eine sehr gesunde und delicate Speise.
Die unter dem Collectiv-Namen Thare*) begriffenen
Platttange dienen den IslÀndern zur Speise, aber selten, da-
gegen sind Rinder und Schafe sehr begierig nach diesen
SeegewÀchsen, welche ihnen adch wohl bekommen. Inson-
derheit sollen die Schafe vom Genusse des gefingerten Platt-
tangs und des essbaren FlĂŒgeltangs (Laminaria digitata
und Alaria esculenta) sehr fett werden, was hingegen
beim Zuckertang Laminaria saccharina, den sie am ehesten
verschmÀhen, nicht der Fall ist.
Böhmer beschreibt diese Alge in folgender Weise: **)
Alga saccharina, Fucus saccharinus L. ist mit
vielen kleinen Fasern oder Haken an Steinen befestigt, welche
alle aus 3 oder 4 Wurzeln entspringen. Auf allen diesen
steht ein Stiel, ohngefÀhr einen Finger hoch und mit einem
einzigen Blatte besetzt. Auf der ganzen Pflanze bemerkt
man ĂŒberall Runzeln und Vertiefungen, welche mit einem
fruchtbaren Schleim angefĂŒllt sind. Das ganze Blatt ist
4 Ellen lang. Die IslÀnder pflegen es mit heissem Wasser
zu befeuchten, an der Sonne zu trocknen und in hölzerne
GefÀsse zu legen, wo es dann nach einiger Zeit eine weisse
Farbe und einen zuckerartigen Geschmack erhÀlt. Was man
*) Siehe Geographische Naturkunde von Dr. Wilhelm Ebel.
p. 278.
**) Siehe Technische Geschichte der Pflanzen von Dr. R. Böhmer,
p. 762,
Beschreibung einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel-Asiens. 229
fĂŒr Zucker ausgiebt, soll nach Gmelin nur Meersalz
sein, welches, wenn es die Zunge nur wenig berĂŒhret, einen
sĂŒsslichen Geschmack! erregt, wenn man es aber hinunter-
schluckt, die GedÀrme reinigt und purgirt.
Agardh sagt von der Alge:
Hab. in mari septentrionali Europam Asiamque alluente,
a Nowegia summa usque ad Galliam inferiorem, ab Islandia
usque ad littora Kamtschatkae.*)
Guibourt giebt von derselben Folgendes an: **)
La laminaire, prealablement lavee pour enlever lâeau
salee, qui la mouille, et söchee, presente une couleur rousse
ou verdÀtre, une odeur peu marquee et une saveur douceÀtre
et nauseabonde.
Elle se recouvre quelque temps apr&s sa dessication dâune
efflorescence blanche, qui offre un goĂŒt sucre. Ăette substance,
quâon a prise pour du sucre cristallisable, puis pour de la
mannite (Phipson), est probablement de la phycite.,
Nach den mit dem SchorĂŒm-DorĂŒ angestellten che-
mischen PrĂŒfungen lĂ€sst sich Folgendes mittheilen:
Beim Weichen in kaltem Wasser quillt die zerkleinerte
Alge in demselben Maasse auf, wie das Ăaragheen-Moos,
wodurch die Alge gÀnzlich geschmacklos wird; in dem Was-
ser lÀsst sich reichlich Jod nachweisen. Beim Kochen der
Alge in Wasser entsteht eine dieke Gallerte und das Jod
ist in der Lösung noch reichlicher enthalten. Die Gallerte -
wird durch Alkohol vollstÀndig ausgefÀllt, durch Jodlösung
nicht geblÀut und reducirt aus alkalischer Kupferoxydlösung
beim Erhitzen Kupferoxyd.
A) 10,19 Grm. getrockneter Alge hinterliessen nach dem
GlĂŒhen:
2,628 Grm. Salze. Aus diesen liessen sich durch Was-
ser auflösen
1,557 Grm. In dieser Lösung wurden gefunden:
*) Siehe: Species, Genera et ordines fncoidearum et algarum auctore
Jacobo Georgio Agardh 1848. p. 132.
**) Siehe: Histoire naturelle des drogues simples par C. Guibourt
professeur de pharmacie de Paris. Tome seconde.
230 Beschreibung einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel-Asiens.
Chlor kann 0,3874 Grm.
SchwefelsĂ€ure 0,1295 â
Natrium 0,4287 â
Kalium
Jod 0,0992
B. 1,071 Grm. in Wasser unlöslicher Salze, wurden mit
verdĂŒnnter SalzsĂ€ure lĂ€ngere Zeit erhitzt; in der erhaltenen
Lösung waren- enthalten:
Thonerde 0,2700 Grm.
Magnesium 0,2400 â
Calcium 0,1012 ,,
Eisenoxyd 0,0400. â
C. Nach dem Behandeln der Salze mit SalzsÀure hinter-
blieb ein RĂŒckstand, der mit Natroncarbonat aufgeschlossen
werden musste; nach dieser Operation enthielt die Salzschmelze
noch 0,147 Grm. unaufschliessbare Substanz, in der salzsau-
ren Lösung der Schmelze waren enthalten 0,1570 Grm. Kie-
selsÀure.
D. Ausser diesen Substanzen liessen sich noch Spuren
von PhosphorsÀure und reichlicher KohlensÀure
in dem Salze, das beim Verbrennen der Alge gewonnen war,
nachweisen. Die KohlensÀure kommt jedoch nicht vorgebildet
in der Alge vor, sondern wird erst beim Verbrennen dersel-
. ben gebildet. Berechnet man die KohlensĂ€ure in âsolcher
QuantitĂ€t als zur Verbindung mit einem âder Alkalien oder
einer der alkalischen Erden erforderlich ist, so wird das
Gewicht der Asche durch das Hinzukommen der berechneten
KohlensÀure zum Gewichte der gefundenen Salzbestandcheile
vollstĂ€ndig ausgefĂŒllt.
Der Gesammtgehalt der in 2,628 Grm. Asche
gefundenen Substanzen wÀre demnach
Natrium 0,4287
Magnesium 0,2400
R Thonerde 0,2700
Calcium 0,1012
Kalium 0,1300
Beschreibung einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel-Asiens. 231
Eisenoxyd 0,0400
Chlor 0,3874
Jod 0,0992
SchwefelsÀure 0,1295
KieselsÀure 0,1570
PhosphorsÀure Spuren
RN j nicht bestimmt
\ worden
Unaufschliessbare Substanzen 0,1470,
Nimmt man statt der gefundenen Menge rund 0,1 Grm. Jod
fĂŒr die Asche an, so wĂ€re in der Alge 1°/, Jod enthalten.
Es ist bis jetzt weiter keine Pflanzensubstanz bekannt, die
einen so auffallend grossen Jodgehalt besÀsse.,
b) Das Sirauwant.
Dem Habitus nach lassen sich unversehrte StĂŒcke mit
Knollen von Corydalis solida Sm., andere kleinere StĂŒcke
mit Krebssteinen, andere mit Boletus cervinus m
Form und Grösse vergleichen. Es ist schwierig zu entschei-
den, ob diese Drogue FrĂŒchte, Knollen oder Wurzeln sind.*)
Abbildung Nr. 1.
Die meisten StĂŒcke sind an
der unteren Seite abgeplattet,
wo sie in der Mitte eine runde
Vertiefung zeigen, an der sich
hÀufig Organe, Àhnlich den
Stengelstumpfen befinden. Der
obere Theil ist kugelförmig ab-
gerundet und mit 2 bis 5 klei-
Do die Bike, h)irön anitetis nen Löchern versehen, in denen
c) von oben, sich Haarzipfel befinden. Die
1 N) m h
i ne (m Sn
lan I,
*) In D. Hanburyâs Beitr. z. Materia mediea Chinus, ĂŒbersetzt
von Th. Martius, finden sich 8. 60 Abbildungen von Knollen einer
chinesischen Aroidee, Pinellia tubifera Tenore, die den hier
abgebildeten sehr Àhnlich sind.
ZH. la
232 Beschreibung einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel-Asiens.
kleineren StĂŒcke erscheinen ganz weiss mit gelben Ringen
durchzogen und bestehen durchweg aus einer homogenen
Substanz; die grösseren StĂŒcke bestehen aus einer inneren,
weissen Marksubstanz, die umgeben ist von einer gelbbraunen,
mehre Linien dicken, leicht zu zerbröckelnden HĂŒlle. In den
kleineren StĂŒcken ist StĂ€rke der Hauptbestandtheil, wĂ€hrend
bei den grösseren StĂŒcken der Ă€ussere Mantel aus Dextrin
zu bestehen scheint.
Abbildune Nr. 2. Be: R
building Nr Ein interessantes Bild
D d oA SONF gewÀhren die StÀrkefor-
ER men, die in der Sub-
stanz nach Abbildung
D IS HD Nr. 2 vorkommen. Die
StÀrkekörnchen sind in
derselben zusammengesetzt zu Gruppen von 2 bis 8 Körn-
chen, die eine excentrische, bei anderen Körnchen dagegen
eine centrale Höhle (Kern) wumschliessen. Die Drogue
stammt aus Indien, die Mutterpflanze derselben war nicht zu
ermitteln. .Die Substanz schmeckt anfangs kaum, hinten-
nach anhaltend Ekel erregend.
Die chemische Untersuchung des Sirauwant
ergab Folgendes:
A. 5 Grm. der getrockneten Substanz hinterliessen nach
dem GlĂŒhen 0,144 Grm. Salze. Diese zum Theil in Wasser,
zum Theil in SalzsÀure gelöst, enthielten:
a) Das im Wasser Gelöste:
PhosphorsÀure, SchwefelsÀure, Chlor,
Magnesia, Kali, Natron.
b) Das in SalzsÀure Gelöste: °
PhosphorsÀure, Magnesia, Thonerde,
KieselsÀure, Kalk, Eisenoxyd.
Von den SÀuren ist in grösster QuantitÀt die Phosphor-
sÀure vorhanden, dann die SchwefelsÀure, dann die
Beschreibung einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel-Asiens. 235
HCl, von den Basen ist am meisten Magnesia vorhanden,
die in der wÀsserigen und salzsauren Lösung vorkommt;
dann folgen der Reihe nach: Thonerde, Kalk, Natron
und Kali, von denen die beiden letzteren nur in Spuren
vorkommen. KieselsÀure und Eisenoxyd sind deut-
lich nachweisbar.
B. Die StÀrke wurde durch Verwandlung in Zucker be-
stimmt. 2 Grm. Material lieferten 0,9514 Grm. Zucker.
Daraus berechnen sich fĂŒr 100 Theile Substanz:
47,57%, StÀrke und
2,880/, Salze.
Ausser diesen Stoffen kommt in. der angefĂŒhrten
Drogue eine ekelerregende Materie vor, die, dem Geschmacke
und der Wirkung nach zu urtheilen, an die Ipecacuanha
erinnert, aus Mangel an vorliegendem Material jedoch nicht
weiter verfolgt werden âkonnte.
c) Bucharische GallÀpfel.
Diese kommen in grossen Massen unter dem Namen
Busgunsch auf den MĂ€rkten Mittel- Asiens in den Handel.
Sie zeigen die verschiedensten Formen: lÀngliche, kugelrunde,
eylinderförmige, kantige, zuweilen mehre Exemplare an einem
Stengel sitzend und mit ganzen BlÀttern behaftet. Von allen
bis jetzt bekannten Gallen (z. B. von Gallae pistacinae) unter-
scheiden sie sich durch ihre Farbe; an der einen Seite sind
sie gelb und an der entgegengesetzten Seite gewöhnlich
schön roth gezeichnet. Die meisten StĂŒcke zeigen wie
gewöhnliche Gallen eine kleine Oeffnung und im Innern
Eier und Larven eines Insectes (Aphis-Spec.). Die mehre
Linien dicke HĂŒlle ist leicht zerbrechlich. Sie kommen
hauptsÀchlich aus den Chanaten Kokand, Chiva und
Buchara und finden Verwendung in der FĂ€rberei der
Asiaten.
234 Beschreibung einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel-Asiens.
Abbildung Nr. 3.
Abbildung Nr. 3
zeigt Formen dieser Gal-
len.
Die chemische Zerle-
gung derselben ist von
Herrn Cand. pharm.
U. Kröll aus Hol-
stein ausgefĂŒhrt wor-
den und gab felgende
Resultate:
a) 6,182 Grm. Material inte liessen nach dem GlĂŒhen
0,731 Grm. Asche.
b) 10 Grm. Material mit einem Gemische von 3 Theilen
Aether und 1 Theile Alkohol mehre Male extrahirt, gaben
4,31 Grm. Tannin. Beim Abdestilliren des Aethers schied
sich nach und nach eine schöne, grĂŒne, wachsartige
Substanz aus, dem Gewichte nach = 0,303 Grm. Diese
letztere ist in Aether leicht löslich, unlöslich in Wasser und
Alkohol, von Aetzalkalien wird sie nicht verÀndert. Im der
Lösung des Tannins in Aether war kein Harz nachzuweisen,
denn nach dem Verdampfen derselben zur Trockene löste
sich das Tannin vollstÀndig auf, ohne dass irgend etwas
ungelöst zurĂŒckblieb. In der ursprĂŒnglichen Ă€therischen Lö-
sung waren Spuren Àtherischen Oeles enthalten, des-
sen Geruch an Juniperus erinnerte Ausserdem kann
ein namhafter Gehalt an StĂ€rke in den Gallen angefĂŒhrt
werden.
Dass diese Gallen mit denen, welche Waltz unter
dem Namen âGallen aus der Bokharaâ in der Tartarei
angiebt, nicht identisch sind, ergiebt sich aus einer Ver-
gleichung der Analyse der von Waltz untersuchten Gallen
mit der des Busgunsch.
Verzeichniss einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel - Asiens. 235
GallÀpfel aus der Bokhara
nach Waltz. *) GallÀpfel: Busgunsch.
32%), GerbsÀure, 43,100°/, GerbsÀure
6,5 â in Aether lösl. Harze, 3,030 â GrĂŒnes Pflanzenwachs,
32 â imAlkohollösl. Stoffe. 16,000 â Zellstoff,
unbestimmte te Oel
Menge von |und StÀrke,
d) Verzeichniss
der interessantesten Arzeneistoffe aus dem Pflan-
zenreiche, die in den verschiedenen Chanaten
Mittel-Asiens im Gebrauche sind, nebst Fund-
orten der Stoffe. Die speciellere botanische und phar-
macognostische Bestimmung derselben ist bis jetzt nicht
möglich gewesen, bei allen Artikeln festzustellen, da man
nicht in allen FĂ€llen nach gesonderten Theilen einer Pflanze
letztere selbst bestimmen kann. Dieses Verzeichniss soll nur
den Zweck haben, Demjenigen, der in den entfernten Welt-
theil kommt und sich fĂŒr denselben Gegenstand interessiren
will, einen Leitfaden zu bieten.
Benennung des - Name des
Arzneistoffes. Fundortes.
Karawitsch Samarkand.
Afsantin br
Basulban Y
Andschabar h
Darduni $
Farandaen muschk Indien,
Chatmi Samarkand.
(rasar &
Abchall F
Tatnjurae ' A
Sagfarr **) , Medsched,
*) Siehe Pharmacognosie von Wiggers 1864. p. 619.
**) Safran, FD 6
236 Verzeichniss einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel - Asiens.
Benennung des Name des
Arzneistoffes. Fundortes.
Arpa badian Samarkand.
Bogransch buja 55
Dschadwarr China.
Tarrbas - kie Samarkand.
Ssosatsch Indien.
TamĂŒrr â
Kanaptscha Samarkand.
DolltschĂŒn Indien.
Macvisatsch >
Ssabri sakutarr 5
Narrkatschull â
Rool Er
Dschauschirr â
Norrmuschk *
AndschĂŒr Medsched.
Dschaball Samarkand.
Dschauss baua (Samen einer Mimose) Indien.
Supora (Areca COatechu L.) >
Samg: arabi 5
Galilaei Saint Gui
Galilaei Sart Indien.
Galilaei Kabuli
Chapull muljuk as
keme Samarkand.
Kaljıu
Niljiufarr *) >
Sufa SchachrisÀbs.
Schachmi cehansall Samarkand.
Saurinjean =
Sehalschusa }
Ama | Indien.
Chabi- belisan ER
Bass - bossa cH
Schilaen Samarkand.
|
*) Nenufar (Nymphaea). H. L.
Benennung des
Arzneistoffes.
Dehuwani .
Gulnohr
Mawisatsch
Piess gansull
Babuna
Ansarutt
Gaussbon
Schiti jaman
Kantiper
Karanfıul
Kumki schirin
Taratisaek
Svrnki sruch
Kusti talich
Rasdoru
Finduk
Kowki darja
Turp
Bassfondsch
Chairu
Kandurr
Gofaess
Fil- fill mujae
Spujull
Safıstan
Namaki indi
Sumok
Stuchu kuduss
Andschirr
Gandno
Sarmani
SchorĂŒm DorĂŒ (Laminaria saccharina)
Nardschill
Sarrnab
Chalbu pachud
Verzeichniss einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel- Asiens.
Name des
Fundortes.
Samarkand.
eb)
Indien.
Samarkand.
â
Indien.
Afghanistan,
â
Buchara.
Indien.
Samarkand.
Indien.
Indien.
Afghanistan.
Indien. °
Schachrisaebs.
Indien.
Samarkand.
Indien.
Indien.
Beludschistan.
Samarkand.
Turkestan.
China.
Indien.
â
Buchara,
237
Benennung des
Arzneistoffes,
Kurssi kamarr
Tagall
Kaboba
Turrbutt
Schach darra
DorĂŒ fill All*)
Tabaschirr **)
Machmuda
SsagĂŒ kufa
Salicha
Boklae
ChapĂŒ salaem
Aftimun
Kaper band
Choljundschill
Uatsch |
Guli surch
Busidan
Kasuss
Parpi gafitt (Aconitum heterophyllum)
Churrfae
Sarnabad
Chapeloss
Salaep altip
Tanakorr
Chappi chisro
Drunatsch akrabi
Chapnill gorr
Barrteng
. Chuni charaubat
Chabenill
338 Verzeichniss einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel - Asiens.
Name des
Fundortes.
Indien.
EZ)
China. -
Indien.
Samarkand.
Indien.
99
Buchara.
Indien.
â
Samarkand.
Indien.
Samarkand.
Indien.
â
Samarkand.
Indien.
Samarkand.
Indien, China.
Samarkand.
Indien.
er)
Buchara.
Indien.
Samarkand.
Indien.
Samarkand.
*) Dar filfil (arabisch) = Piper longum (Martius Pharma-
cognosie).
**) Tabascheer, steinartige Coneretionen aus KieselsÀurehy-
dxrat in den Knoten des Bambusrohrs,
HA. L.
Benennung des
Arzneistoffes.
KutschĂŒrr
Pusti trunsch }
Assaurun |
Sak binatsch
Schach bulub |
Mukli asrak
Chudi balissan
Dschorlaeng
Gudicham
Koriba
Rup- issuss
Allju
Momuron
KĂŒsill juguriuk
Barang
Tudarsch ssurch |
GorĂŒkun *)
Aell schuarr
Jantak schakarr
Verzeichniss einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel - Asiens, 239
Name des
Fundortes,
Indien.
Indien,
2)
Samarkand.
Buchara.
China.
Turkestan,
Indien.
China.
Afghanistan.
Kokand u. Buchara,
Kapnarr » â â
Tokakr Turkestan, â
Bujau Kokand An
Tuchmak Buchara.
TatĂŒm H
Akurr kara *) China.
Machmill pedschon Afghanistan,
Tum reihan **) Samarkand.
Abullass Indien.
Tigoll &
Abulgarr
Ganti- baschfon *
BechĂŒ - kabarr Samarkand.
Schakakull Afghanistan,
*) Aggur, Ghurkee=Aloöholz (D.Hanbury, Materia medica
Chinus, ĂŒbers. v. Th. W. C. Martius 1863, 8, 62.). H.L.
**) Starker Wohlgeruch. an,
240 BeitrÀge zur Kenntniss der sogenannten falschen Chinarinden.
BeitrÀge zur Kenntniss der sogenannten falschen
Chinarinden.
Von F. A. FlĂŒckiger.*)
I. China alba von Payta.
Herr Dr. ©. Hesse hat in dieser unter dem Namen
Quina blanca ĂŒber Payta, den nördlichsten und besten
Hafen Peruâs, ausgefĂŒhrten Rinde das interessante Alkaloid
Paytin, C?1H?*N?O + H?O entdeckt, welches sich bestimmt
von den echten Chinabasen unterscheidet; es betrÀgt nahezu
21/, Procent der Rinde. **)
Aeussere Beschaffenheit. Auch jene Payta-Rinde
selbst, wovon ich eine Probe Herrn Hesse verdanke, gleicht
einer Cinchona-Rinde keineswegs. Sie besteht aus Bastplat-
ten von ungefÀhr 30 Centimeter LÀnge, 6 Centim. Breite, bei
etwa 5 bis 8 Millim. Dicke. Ihre gelblich. weisse FĂ€rbung
ist bedingt, wie schon die Loupe darthut, durch sehr zahl-
reiche gelbe Baströhren, welche in weisslichem Parenchym
eingebettet sind. Die Rinde ist sehr mĂŒrbe und bricht auf-
-fallend fĂ€dig. Zerreibt man die BastbĂŒndel zwischen den
Fingern, so erhÀlt man leicht die reinen Baströhren frei von
Parenchym; sie sind von einfach spindelförmiger Gestalt, nicht
verzweigt, hÀufig 3 bis gegen 5 Millimeter lang.
Mikroskopischer Bau. Der Querschnitt lehrt, dass
diese Baströhren ausserordentlich zahlreich und sehr gleich-
mÀssig durch das ganze Bastgewebe vertheilt sind. Ihre
Masse darf wohl auf die HĂ€lfte, wenn nicht mehr, des ge-
sammten Bastes geschÀtzt werden, betrÀgt also mehr als in
den meisten unbedeckten Chinarinden. Bei stÀrkerer Ver-
grösserung ist eine bestimmte Anordnung dieser Baströhren
in der China blanca weder in radialer, noch in tangentialer
Richtung zu unterscheiden. Sie treten fast immer vereinzelt
*) Als Separatabdruck aus dem neuen Jahrbuche f. Pharmacie vom
Herrn Verfasser erhalten, H. L.
*#) Annal, d. Ch. u. Pharm. 154 (1870) 287 â 293; auch Wiggers-
Husemannâscher Jahresbericht 1870, 140,
+
BeitrÀge zur Kenntniss der sogenannten falschen Chinarinden. 241
auf oder doch nur zu wenigen genÀhert in kleinen Gruppen.
Der Querschnitt der Baströhren entspricht demjenigen der in
den echten Chinarinden vorkommenden in Betreff der Form,
Grösse und der Schichtung sehr nahe.
Auch in der China blanca sind die Baströhren voll-
kommen verholzt, so dass kein Lumen oder doch nur
eine geringe Spalte ĂŒbrig bleibt. Bekanntlich zeigen die bis
jetzt untersuchten sogenannten falschen Chinarinden offene
Baströhren. DĂŒrfen wir die vorliegende weisse Chinarinde
ebenfalls den falschen Chinarinden beizÀhlen, wie es wohl
wahrscheinlich ist, so ist sie also sehr bemerkenswerth durch
die Uebereinstimmung ihrer Baströhren mit denjenigen der
wahren Fieberrinden. Höchstens könnte man hervorheben,
dass die Baströhren der China blanca lÀnger und mehr cylin-
drisch, seltener primatisch sind als die der (echten) Cincho-
nen-Rinden, Doch sind diese so sehr unerheblichen Merk-
male keineswegs durchgreifend.. â Trotz ihrer LĂ€nge und
vollstÀndigen Verdickung besitzen die Baströhren der China
blanca eine gewisse Weichheit und dringen nicht wie z.B.
diejenigen der Calisaya in dieâ Haut ein, selbst nicht beim
Kauen. Durch kochende Kalilauge werden sie stark ange-
- griffen und blass grĂŒnlich gefĂ€rbt.
Dagegen erweist sich der Bast unserer Payta-Rinde
dadurch abweichend, dass jede Baströhre begleitet ist von
krystallfĂŒhrendem Parenchym. Das hier ziemlich reichlich
abgelagerte Calciumoxalat bietet zwar nicht wohl aus-
gebildete Individuen dar, aber keineswegs nur das fĂŒr die
echten Chinarinden, so weit meine Kenntniss reicht, charakte-
ristische Krystallpulver, sondern jede jener Bastparenchym-
zellen schliesst einen einzigen Oxalatkrystall ein; die krystall-
fĂŒhrenden Zellen sind stark an die Baströhren angedrĂŒckt
und haften fest daran. Werden letztere nach dem Kochen
mit Kali vermittelst der Nadel isolirt, so zeigen sie hÀufig
die EindrĂŒcke der Krystallzellen des Bastparenchyms; oft in
Form wunderlicher Höcker. Ausserdem finden sich in den
BastbĂŒndeln Gitterzellen vor, Die wenig in die Augen fal-
Arch. d, Pharm. CXCIX. Bds, 3. Heft, 16
243 BeitrÀge zur Kenniniss der sögenaunten falschen Chinarinden.
lenden Markstrahlen sind sehr schmal und bestehen aus einer
oder zwei Zellenreihen.
Der parenchymatische Antheil des Bastparenchyms ausser
den Krystallzellen ist mit StĂ€rkemehlkörnern gefĂŒllt,
welche sich weder durch Grösse noch durch ihre Form beson-
ders auszeichnen. Sie sind klein, von annÀhernd kugeliger
bis unregelmÀssig tetra@drischer Form, einfach oder zusam-
mengesetzt. DBefeuchtet man dĂŒnne Schnitte dieser Rinde
mit sehr verdĂŒnnter Auflösung von Eisenchlorid, so
nimmt das Parenchym eine blaue bis violette FĂ€rbung an,
welche dureh die gelbe Farbe reichlicher zugesetzten Eisen-
chlorids in GrĂŒn ĂŒbergeht. Doch ist diese Reaction sehr
wenig intensiv, so dass der dadurch angezeigte Gerbstoff in
nur sehr geringer Menge vorhanden sein kann. Durch Al--
kalien wird die China blanca gelbgrĂŒnlich gefĂ€rbt. In
geschlossener Röhre erhitzt, liefert sie nicht, wie die echten
Chinarinden, ein schön rothes Product, sondern einen braunen
Theer.
Geschmack. Die Bitterkeit der Payta-Rinde zeigt
einen bei den guten Chinarinden nicht vorkommenden unan-
genehmen Beigeschmack. N
| Vergleichung mitandern sogenannten weissen
Chinarinden. Schon seit der Zeit von Mutis ist von
weissen Chinarinden die Rede. Eine solche wurde z. B. ab-
gebildet von Delondre und Bouchardat, Quinologie 1854
Tafel 22: Quinquina blanc, Nouvelle Grenade. Die blassere
Figur rechts sieht der von Hesse untersuchten Payta-Rinde
in Betreff der Farbe so sehr gleich, dass man auf den ersten
Blick die Rinden fĂŒr identisch halten muss. Nur stimmt der
Bruch nicht ĂŒberein; es kann nicht wohl auf einer NachlĂ€ssig-
keit des Zeichners beruhen, dass jene Figur keine Spur lang-
faserigen Bruches darbietet, weil Delondre und Bouchardat
dieses Merkmal sonst ĂŒberall sehr genau berĂŒcksichtigen.
Im Texte (p. 40) schreiben sie ihrer weissen China ein dich-
tes, feines Gewebe und so grosse HĂ€rte zu, dass sie Politur
i annehme; der Bruch sei wie bei Eschenholz beschaffen. Das
alles passt ganz und gar nicht auf den Bau der Hesseâschen
BeitrÀge zur Keuntniss der sögenaunten falschen Chinarinden. 243
Rinde. Aber noch mehr: die Rinde Delondreâs ist von
Phoebus*) mikroskopisch untersucht worden. Er fand die
Baströhren . (âBastfasernâ) blassgrĂŒn und durchaus
weitmĂŒndig, wĂ€hrend sie bei der Payta-Rinde gelb und
geschlossen (verholzt) sind. Die Gesammtheit dieser so sehr
abweichenden Angaben erhebt es ĂŒber alle Zweifel, dass die
von Hesse untersuchte Rinde nicht die Delondre- Bouchar-
dat'sche weisse China ist.
Die schon 1807 von Humboldt**) charakterisirte Mu-
tisâsche Quina blanca ist die Rinde der Ladenbergia ma-
crocarpa Klotzsch, welche Art Karsten in der Flora
Columbiae I (1859) Tab. XXI unter dem Namen Ăinchona
macrocarpa Vahl so schön abgebildet hat. Ueber die Rinde
selbst berichtete Karsten in seiner: Schrift: Die medieinischen
Chinarinden Neu-Granadaâs 1858, p. 10, 24 und 44. Dass
er darin keine Basen gefunden, kommt bier nicht in Frage,
hingegen lehrt die Betrachtung der von Karsten entworfe-
nen mikroskopischen Skizze Nr. 18 Taf. II, dass die Rinde
der L. macrocarpa ebenfalls von der Payta-Rinde abweicht.
Wenigstens stellt Karsten die Baströhren der ersteren so
streng radial geordnet und durch so ansehnliche Markstrah-
len getrennt dar, dass das Bild mit meinen Schnitten aus
der Hesseâschen Rinde ganz und gar unvereinbar ist. Der
Unterschied ist so gross, dass er mir durch untergeordnete
VerhÀltnisse, wie etwa Altersverschiedenheiten, nicht erklÀrbar
erscheint.
Nach einer Aeusserung Bergâs***) wĂ€re jedoch die von
Karsten âskizfirte Rinde nicht mit Sicherheit von Ladenbergia
macrocarpa abzuleiten. Die Berliner SĂ€mmlung besitzt aber
die ursprĂŒngliche Quina blanca von Mutis sowohl aus Pavonâs
Sammlung als auch aus der Hand Howardâs. Ich bin nicht
*) Die Delondre - Bouchardatâschen China-Rinden. Giessen, 1864
p- 55.
**) Plantes @quinoxiales 67.
#*%) Die Ohinarinden der pharmacognostischen Sammlung zu Berlin
1865 p. 42.
16 *
944 BeitrÀge zur Kenntniss der sogenannten falschen Chinarinden.
in der Lage, die von Berg ausgesprochenen Zweifel zu erör-
tern; es ist dies auch fĂŒr den vorliegenden Zweck gleichgĂŒl-
tig. Wenn nemlich Karstenâs Bild der Quina blanca nicht
mit der yon Hesse untersuchten Rinde ĂŒbereinstimmt, so ist
dies noch weit weniger der Fall mit Bergâs Beschreibung.
Der Bast seiner weissen China enthÀlt Steinzellengruppen,
breite Markstrahlen, vierseitige BastbĂŒndel und das Bastpar-
enchym wird durch Aetzlauge purpurn gefÀrbt. Ohne diese
Bergâsche-Rinde zu sehen, wird jeder urtheilsfĂ€hige Leser sie
fĂŒr durchaus von der obengeschilderten Payta-China verschie-
den erklĂ€ren mĂŒssen.
Schluss. Die wissenschaftlich nicht mehr genĂŒgenden
Beschreibungen von weisser Chinarinde, welche sich noch da
und dort in pharmacognostischen Schriften finden, z. B. bei
Guibourt*) oder Martiny,**) scheinen mir auch nicht
dafĂŒr zu sprechen, dass die von Hesse untersuchte Rinde
schon frĂŒher bekannt gewesen sei. Ich komme daher zum
Schlusse, diese durch ihren Alkaloidgehalt bemerkenswerthe
Rinde sei eine neu auf dem Markte erschienene. Sollte sich
meine Vermuthung bestÀtigen, dass sie einer Cinchonee, aber
nicht einer Cinchona angehört, so wĂ€re sie doppelt. merkwĂŒr-
dig durch ihr um 1 Aegq. Kohlenstoff von Cinchonin abweichen-
des Alkaloid und ihre spindelförmigen starken Baströhren,
welche denen der echten Ăhinarinden so sehr Ă€hnlich sehen.
II. China cuprea.
Unter verschiedenen interessanten Chinarinden, welche
mir unlÀngst durch Herrn Dr. 0. Hesse vorgelegt wurden,
zeichnet sich eine durch ihre lebhaft rothe Farbe und auf-
fallende Dichte aus. Wer nur einigermaassen mit echten
Chinarinden vertraut ist, wird diese schön rothe Rinde nicht
zu jenen zĂ€hlen. Um so mehr ĂŒberraschte mich daher die
Angabe des genannten Chemikers, dass sie ungefÀhr 1 pC.
*) Drogues simples III (1869) 186.
**) Rohwaarenkunde I (1843) 384, auch Annalen der Pharm. XXV, 79,
BeitrÀge zur Kenntniss der sogenannten falsehen Chinarinden. 245
fe) »
Chinin enthalte, ein Befund, der mich zu nĂ€herer PrĂŒfung der
Rinde aufforderte.
Abstammung. Die nachfolgenden Ermittelungen spre-
chen dafĂŒr, dass dieselbe einem Baume aus der Gruppe der
Cinchoneen angehöre, doch lĂ€sst sich hierĂŒber leider nichts
NĂ€heres angeben. Die Rinde ist seit einigen Monaten wie-
derholt auf dem Londoner Markte erschienen, wie Herr Dr.
Hesse mir berichtet. *)
Aeussere Beschaffenheit. Diese Rinde bildet Röh-
ren oder rinnenförmige, bis 4 Cm. breiteâ, bis 32 Um. lange
und 1 bis 4 Millimeter dicke StĂŒcke von der bereits ange-
deuteten Farbe, welche weit entschiedener roth genannt wer-
den muss, als die der China rubra. Indem ich die fragliche
Rinde als kupferroth bezeichne, darf ich aber die ausdrĂŒck-
liche Bemerkung nicht unterlassen, dass ich die Farbe nur
mit derjenigen vergleiche, welche uns z. B. an etwas matt
angelaufenen kupfernen GerÀthen entgegentritt und keines-
wegs mit der blank gescheuerten OberflÀche des Metalles.
Der Vergleich ist, wie es ja meist der Fall ist, nur bis zu
einem gewissen Grade zutreffend, aber das Colorit der Rinde
ist ein höchst eigenthĂŒmliches, das nicht leicht verwechselt
werden kann. |
Die rothe Farbe gehört dem Gewebe des Bastes und
der Mittelrinde an, die wenigen noch vorhandenen Korkreste
sind grau oder brÀunlich, die InnenflÀche braunroth. Die
dickern StĂŒcke sind sehr hart, schwer zu schneiden und zu
brechen; dĂŒnnere StĂŒcke bieten einen sehr grobkörnigen, we-
der faserigen noch blÀtterigen Querbruch dar; es gilt dieses
auch von den stĂ€rksten rinnenförmigen StĂŒcken. Der LĂ€nge
nach bricht die Rinde splitterig, beinahe sÀgenförmig, was
mit dem unregelmĂ€ssigen Verlaufe der BastbĂŒndel zusammen-
hÀngt. Derselbe lÀsst sich schon mit der Loupe sehr gut
verfolgen, da die Korkbedeckung und Mittelrinde gewöhnlich
*) Herr J. E. Howard, dem ich eine Probe der China cuprea
sandte, theilt mir mit, dass er sie auf dem Londoner Markte schon 1857
bemerkt und ebenfalls chininhaltig gefunden habe.
946 BeitrÀge zur Kenrtniss der sogenannten falschen Chinarinden.
fehlen. Die glĂ€nzenden, gelblichen BastbĂŒndel treten alsdann
in Form eines in die LĂ€nge gezogenen Strickwerkes aus dem
rothen Grundgewebe hervor.
Geschmack. Er entwickelt sich sehr langsam, ist
aber ziemlich stark und rein bitter.
Mikroskopischer Bau. Der Querschnitt zeigt ein
sehr dichtes gleichförmiges GefĂŒge mit geschlĂ€ngelten Mark-
strahlen. Bei stÀrkerer Vergrösserung sieht man, dass die-
selben einreihig oder 3 bis 4 Reihen stark in den Bast ein-
treten, sich allmÀhlig erweitern und zuletzt in der Mittelrinde
verlieren. Der innerste Theil des Bastes besteht aus reinem
Parenchym, welches scharf von den Baststrahlen abgegrenzt
ist. Diese enthalten als auffallendsten Antkeil sehr zahlreiche
dichtgedrĂ€ngte Baströhren von grĂŒnlich gelber Farbe. Im
Querschnitte sind dieselben rundlich, ihre Wandungen mehr
oder weniger verdickt, aber fast immer eine deutliche Höhlung
einschliessend;; sehr oft ist letztere so weit wie die Dicke der
Wandung, nicht selten ĂŒbertrifft der Durchmesser des Lumens
die Wanddieke. Zwischen den Baströhren treten auch radiale
Streifen von Bastparenchym auf, welche nur im LĂ€ngsschnitte
gut von den (secundÀren) Markstrahlen zu unterscheiden sind.
Die dichtgedrÀngten nicht vollstÀndig verholzten Baströhren
weichen demnach wesentlich von denjenigen der echten Cin-
chonen ab, schon wenn der Querschnitt unserer kupferfarbigen
China in Betracht gezogen wird, noch weit mehr aber auf
dem tangentialen LĂ€ngsschnitte. Hier finden wir dĂŒnne, lange,
sehr dicht in einander verflochtene Baströhren als vorherr-
schenden Bestandtheil der Innenrinde. Diese bietet also im
Ganzen ein Bild dar, wie es bisher bei keiner unzweifelhaft
âechtenâ Chinarinde beobachtet worden ist.
Wo noch Kork vorhanden ist, pflegt in unserer Rinde
auch die Mittelrinde noch erhalten zu sein; ich habe nirgends
Borkenbildung wahrgenommen. In der Mittelrinde sind nicht
sehr zahlreiche gelbe Steinzellen eingestreut, entweder ver-
einzeli, oder zu kleinen Gruppen zusammengestellt. Durch
ihre geringe VerlÀngerung in tangentialer Richtung oder
geradezu annÀhernd kugelige Gestalt weichen sie von analo-
BeitrÀge zur Kenntniss der sogenannten falschen Chinarinden. 247
gen Zellen der echten Chinarinden ab. Auf SaftschlÀuche bin
ich in der kupferrothen Rinde nicht gestossen, Als ferneres
auffallendes Merkmal verdienen ihre Korkzellen hervorgehoben
zu werden. Sie bieten die gewöhnliche Anordnung und tafel-
förmige Gestalt dar, sind aber mit sehr starken, gelben WÀn-
den versehen, oder aber geradezu knorpelig verdickt. Wo
noch eine Höhlung ĂŒbrig bleibt, ist sie von braunem, festen
Inhalte erfĂŒllt, welcher auch in den Baströhren enthalten ist.
Stark verdĂŒnntes weingeistiges Eisenchlorid fĂ€rbt diesen Stoff
schmutzig grĂŒn; denselben Ton nimmt ĂŒberhaupt das ge-
sammte Gewebe an, die verdickten WÀnde der Baströhren,
Steinzellen und des Korkes ausgenommen. â Die parenchy-
matischen Zellen enthalten reichlich Amylum; die dem Baste
angehörigen auch Calciumoxalat, doch immer nur in geringer
Menge und in undeutlich krystallinischer Form.
Alkaloidgehalt. WĂ€hrend diese Rinde nicht den
Bau zeigt, welchen wir bei den wahren Chinarinden zu finden
gewohnt sind, auch schon Àusserlich mit denselben nicht
ĂŒbereinstimmt, liefert sie doch, wie schon angegeben, eine
nicht unerhebliche Menge Chinin. Damit steht im Einklange,
dass sie auch die 1858 von Grahe in Kasan aufgefundene
Reaction*) giebt. Wird nemlich ein nur wenige Kubik -
Millimeter grosses StĂŒck der Rinde im geschlossenen Glas-
röhrchen erhitzt, so verdichten sich die flĂŒchtigsten Theile
der Destillationsproducte zu einem schön roth gefÀrbten Theer.
â Hesse hat in den Berichten der Deutschen Chemischen
Gesellschaft (1871. p. 818) die Analysen der kupferfarbigen
Rinde veröffentlicht.
Vergleichung mit Àhnlichen Rinden. Es liegt
nahe, im Hinblicke auf China cuprea, der sogenannten China
nova**) zu gedenken, der Rinde von Buena magnifolia
Weddell (Synon. Cinchona magnifolia Ruiz et Pavon, Laden-
bergia magnifolia Klotzsch, Cinchona oblongifolia Mutis).
*) S. mein Lehrb. der Pharmacognosie p. 410.
**) 5. mein Lehrb, d, Pharmacogn. 400.
248 BeitrÀge zur Kenntniss der sogenannten falschen Chinarinden,
In der That besteht eine gewisse Aehnlichkeit zwischen
beiden, doch ist die FĂ€rbung der China nova nicht roth, son-
dern zimmtbraun.*) Ihr anatomischer Bau bietet freilich den-
selben Plan dar, wie China cuprea, weicht aber durch die
zahlreichen grossen MilchsaftschlÀuche ab, auch sind die
WĂ€nde der Korkzellen dĂŒnn, oft sogar zart, durchaus nicht
knorpelig verdickt.â*) Die China nova ist mir bis jetzt im-
mer nur in sehr starken, bis 1 Oentimeter dicken, mit glat-
tem Korke bedeckten Röhren oder Halbröhren vorgekommen,
wĂ€hrend die China cuprea aus dĂŒnneren, meist ganz von Kork
entblössten StĂŒcken besteht. Selbst wenn man die Alters-
verschiedenheit berĂŒcksichtigt, so dĂŒrfte doch die augenschein-
lich leicht ausfĂŒhrbare Beseitigung des Korkes bei der kupfer-
rothen Rinde einen tiefern Grund haben. Mehr individueller
EigenthĂŒmlichkeit, besonders dem Altersunterschiede, mag
dagegen der Umstand zugeschrieben werden, dass die China
nova weit reicher an Steinzellen ist, worunter viele sehr stark
in tangentialer Richtung gestreckte. Dagegen giebt die
China nova die Graheâsche Reaction durchaus nicht, das
heisst die flĂŒchtigsten Antheile des Theeres sehen gelblich,
nicht roth aus. Niemand hat auch Alkaloide in dieser Rinde
sicher nachgewiesen, obwohl Howard z. B. darin mehrmals
gefunden hat âa minute proportion of some substance which
behaves like an alkaloid. Its taste is more hot than bitter;
it is soluble in ether and gives a light green colour with
chlorine and ammonia.â***) Auch Pelletier und Caventou
wollten in China nova eine unendlich geringe Menge Alkaloid
getroffen haben. â Hesse hingegen hat China nova durch-
aus frei von Alkaloid gefunden. '
*) Howard /N. Quinolog. fol. 77) nennt zwar die China nova pur-
purroth, aber ein von ihm selbst erhaltenes StĂŒek ist höchstens rofh-
braun, jedenfalls von der FĂ€rbung der in Frage stehenden kupferrothen
Rinde völlig verschieden. â Frisch mag vielleicht die China nova auch
lebhafter gefÀrbt sein.
**) Bergâs Abbildung, Taf. X der Chinarinden d. pharmacogn. Samm-
lung zu Berlin, finde ich richtig.
*#%=) N. Quinol. sub voc. ©. magnifolia, fol, 77,
BeitrÀge zur Kenniniss der sogenannten falschen Chinarinden. 249
Auf Weddell*) gestĂŒtzt, betrachte ich die Cinchona
oblongifolia von Mutis als identisch mit Buena magnifolia,
allein Rampon,**) dem in diesen Fragen eine nicht zu
unterschÀtzende an Ort und Stelle gesammelte Erfahrung zur
Seite steht, vermuthet, dass dem nicht so sei. Die China
nova des Handels leitet er von Buena magnifolia ab, zieht
aber die Rinde, welche Delondre und Bouchardat m
ihrer Quinologie Tab. 21 als Quinquina rouge pÀle
Nouvelle Grenade, qualite inferieure, abgebildet haben,
zu der nach ihm selbstĂ€ndigen Ă. oblongifolia. Auch Wig-
gers,***) welcher diese letztere Rinde unter dem Namen
China von Ocanna auffĂŒhrt, hĂ€lt sie nicht fĂŒr identisch mit
der China nova.) Man könnte daher vermuthen, dass eine
der von Delondre und Bouchardat abgebildeten Rinden unse-
rer kupferfarbenen China entspreche. Die in jener Abbildung
gegebene FĂ€rbung ist jedoch braun, nicht entschieden roth,
doch ist hierauf kaum viel Gewicht zu legen, mehr 'aber auf
den grossen Unterschied im Bruche. Die Bilder der Quino-
logie zeigen ganz entschieden langfÀdigen Bruch und die
Verfasser nennen die braunrothen StĂŒcke auch wirklich lang-
faserig brechend, die blassrothe Rinde kurzfaserig. Als be-
zeichnend fĂŒr letztere heben sie aber weiter noch hervor,
dass ihre kurzen Fasern sich leicht herauslösen lassen (fibres
courtes qui se detachent facilement, p. 40). Aus dieser Rinde
hatte Ossian Henry 0,013 pC. Chininsulfat erhalten,
»
*) Linnean soecietyâs Journal VI: 185.
**) In Bouchardatâs Annuaire de therapeutique 1866. 166.
***) Handb. d. Pharmacogn. 1864. 427.
7) Ebenso Phoebus, die Delondre - Bouchardatâschen Chinarinden 57
und Howard N. Quinol. fol, 77 unten. â Ich erinnere mich auch in
der Sammlung der ĂOriginalrinden von Pavon, welche im British Mu-
seum liegt, unter dem Namen Ă. oblongifolia eine Rinde gesehen zu ha-
ben, welche durch hellere FĂ€rbung stark von China nova abweicht. Was
ich von Howard als C. oblongifolia erhalten habe, kann ich dagegen
nicht von Ch, nova unterscheiden, obwohl auch Howard, wenigstens noch
in der N. Quinologia, ©. magnifolia und C. oblongifolia trennt,
250 BeitrÀge zur Kenntniss der sogenannten falschen Chinarinden.
Leider besitze ich die authentischen Rinden von Delon-
dre und Bouchardat nicht und sie sind auch nicht mehr zu
beschaffen; aber was ich eben erwĂ€hnt habe, fĂŒhrt mit Noth-
wendigkeit zum Schlusse, dass die von Hesse und von mir
untersuchte kupferrothe Rinde mit den von D. und B. abge-
bildeten nicht ĂŒbereinkomme, obwohl sie ihnen sicherlich
nahe steht.
Der VollstÀndigkeit wegen möge noch erwÀhnt werden,
dass die. Rinde der Arariba rubra Martius, aus der Fa-
milie der Rubiaceen - Gardenieen, worin das interessante sauer-
stofffreie Alkaloid Aribin vorkommt,*) mit unserer kupfer-
farbenen Chinarinde keine Aehnlichkeit hat. Wer diese
beiden Rinden jemals gesehen hat, wird sie nicht verwechseln;
die der Arariba giebt auch braungelben, nicht rothen Theer.
Allgemeine Betrachtungen. In der vorstehenden
Notiz ist vielfach die Rede von echten oder wahren und von
falschen Chinarinden. Ueber die Fassung dieser Begriffe sind
die Pharmacognosten ziemlich eimig,**) so dass man wohl
die Frage erörtern durfte, ob die Chinabasen auf die .echten
Cinchonen wirklich beschrÀnkt seien. Ziemlich allgemein
wurde bisher den sogenannten falschen Chinarinden ein Alka-
loidgehalt abgesprochen. Schon Phoebus***) hatte jedoch
diesen Satz beanstandet; allein das Vorkommen von ein paar
Zehntausendsteln oder gar nur Hunderttausendsteln von Alka-
loid in einigen der sogenannten falschen Chinarinden konnte
doch in meinen Augen nicht fĂŒglich als vollgĂŒltiger Beweis
gelten.â Man durfte sich wohl ein Versehen denken, wo es
sich um so ungeheuer kleine Mengen handelte. \
In der China cuprea, welcher diese Notiz gewidmet ist,
hat aber jetzt einer derjenigen Chemiker, welche ohne Frage
mit den Chinaalkaloiden am allerbesten vertraut sind, unge-
fÀhr ein Procent Chinin nebst! etwas Cinchonin nachgewiesen ;
*) Gmelins Organ. Chem. IV. 1949,
**) Siehe z. B. Vogl, Commentar z. österr. Pharmacop. I, 248 bis
282. FlĂŒckiger, Pharmacogn. 370. 415,
*%**) Die Delondre- Bouchardatâschen Chinarinden 55, 556,
â
BeitrÀge zur Kenutniss der sogenannten falschen Chinarinden. 251
Dr. Hesseâs oben angefĂŒhrte Resultate lassen nun in die-
ser Hinsicht durchaus keinem Zweifel mehr Raum. Diese
Rinde, wie ich sie aus der Hand des genannten Chemikers
empfangen habe, zeigt aber den Bau, welcher bisher den
falschen Chinarinden zugeschrieben worden ist. Unter diesen
letztern findet sich also wenigstens eine, welche zuverlÀssig
eine ganz erhebliche Menge Chinin enthÀlt, so dass die von
Phoebus ausgesprochenen Zweifel jetzt vollkommen gerecht-
fertigt erscheinen. Diese Bedeutung der fraglichen Rinde,
fĂŒr welche ich bis auf weiteres im EinverstĂ€ndnisse mit Hesse
den Namen China cuprea gebrauche, in das richtige Licht
zu setzen, schien mir der MĂŒhe werth. Dadurch ist die
Schranke zwischen echten und falschen Chinarin-
den durchbrochen und die Hoffnung vereitelt , »chemische
Unterschiede herbeiziehen zu können, wo die botanischen Merk-
male im Stiche lassen. Denn sollte sich auch wider alles
Erwarten die hier besprochene kupferrothe Rinde dereinst
als einer wahren mit von unten an aufspringenden Kapseln
und allen ĂŒbrigen guten Kennzeichen ausgestatteten Cinchona
angehörig erweisen, so ist immerhin der Bau der erstern
durchaus abweichend von der bisher in der sogenannten
echten Ăhirarinden beobachteten Structur. Ohne Zweifel
wird die Zeitâ noch mehr derartiger UebergĂ€nge aufdecken
und auch hier den Beweis liefern, dass SprĂŒnge in der Na-
tur seltener vorkommen, als ungenĂŒgende Erkenntniss oft
anzunehmen geneigt ist.
In der fraglichen Rinde also finden wir die Alkaloide
derâ âechtenâ China vereinigt mit der anatomi-
schen Beschaffenheit, welche bisher ausschliesslich den
âfalschenâ Chinarinden zugeschrieben worden ist. Dem-
gemÀss sind diese beiden Begriffe zu modificiren; in mir we-
nigstens unerwarteter Weise erhalten durch die Analysen von
Hesse die sogenannten falschen Ăhinarinden eine erneute
Bedeutung. Die hier geschilderte kupferrothe China dĂŒrfen
wir vermuthlich als VorlÀufer anderer Uebergangsformen
auffassen,
252 Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., Àcht. tonguin. Moschus.
Ueber die Eigenschaften und Kennzeichen eines
guten, Àchten tonquinensischen Moschus.
Von Chr. Rump.*)
Dem October- Bericht von Rump & Lehners fĂŒgte ich
folgende Bemerkungen wegen des Bezuges von Moschus an:
âUnser direct bezogener Moschus ex vesicis empfiehlt
sich besonders durch seine Kriterien der Aechtheit. Es ge-
hört nach unseren vielseitigen Erfahrungen nachgerade zu
den Vorurtheilen der Praxis, als sollte der Moschus nur dann
als Àcht anzusehen sein, wenn man ihn selbst den Beuteln
entnommen hat, dass also ein Bezug von exvesicirtem Moschus
nicht zu gestatten sei. Gerade das Umgekehrte ist heutigen
Tags das Richtigere. Der Droguist soll noch aufkommen,
der fĂŒr den Inhalt der von ihm als best versandten Moschus-
beutel einstehen könnte. Fast kein Beutel ist irgend einer
der vielseitigen Manipulationen entgangen, die die Woaare
alteriren, immer aber den KĂ€ufer benachtheiligen. Es ist der
MĂŒhe werth, sie hier einmal aufzuzĂ€hlen:
Erstens: der Inhalt ist theilweise dem frischen Beu-
tel entnommen und dadurch das VerhÀltniss in der Ausbeute
an reinem Moschus zum leeren Beutel zum Nachtheil des
KÀufers gestört.
Zweitens: der durch theilweise Entnahme des Inhalts
erleichterte Beutel ist wieder durch heterogene Stoffe beschwert,
als da sind Streifen oder kleine WĂŒrfel von der Haut eines
Thieres, Bleikugeln oder Haut aus der Innenseite anderer
Moschusbeutel, Horn- oder KlauenstĂŒckchen.
Drittens: man hat die Moschusbeutel ganz entleert
und an dessen Statt eine mehr oder weniger gefÀlschte Masse
eingebracht.
Diese VerfÀlschungen bestehen wohl hauptsÀchlich in Zu-
mischung geringerer Sorten Moschus z. B. des cabardinischen,
mag auch theilweise getrocknetes Blut sein, wir haben es
*) Hannover, Schrift und Druck von Fr. Culemann, 1871. Vom Herrn
Verfasser zum Wiederabdruck in unserem Archiv mitgetheilt. H. 1.
Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., Àcht. tonquin. Moschus, 253
nicht der MĂŒhe werth geachtet, dies nĂ€her zu untersuchen,
denn gefÀlscht ist gefÀlscht, und uns mit dieser Thatsache
begnĂŒgt. Eine solche Versetzung des Moschus mag nun
geschickt angefangen sein, immer aber geht dabei das Haupt-
kriterium eines guten Moschus verloren, es fehlen die ver-
schieden grossen Kugeln, die ihn charakterisiren und die, wie
es scheint, nicht nachzukĂŒnsteln sind, wĂ€hrend der cabardi-
nische stets eine salbenartige oder in trocknem Zustande
compacte Masse bildet. Der Inhalt solcher gefÀlschter Beutel
ist dann gleichmĂ€ssig krĂŒmelig trocken oder compact schmie-
rig, oder trocken, dabei hÀufig mit einem weissen salzartigen
Beschlage versehen; manchmal ĂŒbelriechend , urinös oder am-
moniakalisch.
Zu allen diesen Manipulationen bietet nun die Àussere
Beschaffenheit des Moschusbeutels die beste Gelegenheit, d&
er mit einer natĂŒrlichen Oeffnung versehen ist und die noch
frische Haut eine Dehnbarkeit besitzt, die wir an den mumien-
artig aufgetrockneten Beuteln nicht mehr wahrnehmen. Es
ist daher natĂŒrlich, dass diese VerfĂ€lschungen an den Ex-
portplÀtzen geschehen.
Eine vierte Art der VerfÀlschung mag in London mit
den trocknen Beuteln vorgenommen werden, indem manedie
durch vorsichtiges Ausschneiden ihres Inhaltes beraubten
Beutel aufweicht, mit gefĂ€lschter Masse fĂŒllt, und so geschickt
wie möglich wieder zunÀht. Gewiss ist, dass dort die leeren
Beutel sehr gesucht und hoch bezahlt werden. Ein solcher
Moschus ist nie durch unsere HĂ€nde gegangen, davor schĂŒtzte
uns die ReellitÀt und Umsicht unserer CommissionÀre, die
nur beauftragt sind, beste Waare fĂŒr uns anzukanfen, wobei
âaber die oben gerĂŒgten UebelstĂ€nde nicht auszuschliessen sind,
Der Moschus wird von Uhina in 1 Pfund haltenden vier-
eckigen Blechdosen verschickt, die jede einzeln in einem mit
Seide ĂŒberzogenen KĂ€stchen stecken. 'Er geht aber nicht
anders in die HĂ€nde der europĂ€ischen KĂ€ufer ĂŒber, als wenn
jeder Beutel fĂŒr sich angesehn und Ă€usserlich gut befunden
ist, zum Zeichen dessen das Seidenpapier mit der rohen chine-
254 WUeb. d. Eigensch. u. Kennzeichen eis. gut., Àcht. tonguin, Moschus.
sischen Malerei einer Moschusjagd, in welches jeder Beutel
eingewickelt ist, gestempelt ist âfinest selected Tonquin Musk.â
Nach diesem Allen ist es klar, dass mehr Moschusmasse
in den Handel kommt, als die vorhandenen Beutel enthalten
und diese ĂŒberschiessende Masse kommt als Moschus ex vesi-
cis auf den Markt. Dabei hört nun aller Betrug fĂŒr den
Kenner sofort auf, und der Vortheil ist schon so fĂŒr den
HĂ€ndler, dass er den zweiten Betrug entbehren kann, indem
er den doppelten Preis erhÀlt.
Wir mĂŒssen gestehen, wir waren von dem allgemeinen
Vorurtheil selbst so angesteckt, dass wir erst seit kurzer Zeit
den ersten Versuch wagten, exvesicirten Moschus anzukaufen,
der aber so evident gĂŒnstig ausfiel, und wobei uns die lang-
jÀhrige Erfahrung bei dem Untersuchen des Inhaltes der
besten Moschusbeutel, ein so sicheres Urtheil an die Hand
gab, dass wir ĂŒberrascht wurden.
Die VerfÀlschungen und VerÀnderungen 1 und 2, die
man mit Moschus in Beuteln vorgenommen hat, sind die gĂŒn-
stigsten, denn was man an Moschus erhÀlt, ist wenigstens
Ă€cht und unvermischt, man hat nur Einbusse an der Aus-
beute, nichts desto weniger wird darĂŒber am meisten Wesen
gemacht, wÀhrend man die andere Adulteration der Masse
weniger als solche erkennt, wenn man nicht wirklich echten
Moschus unter HĂ€nden gehabt hat.
Heute kann ich obige Bemerkungen dahin vervollstÀndi-
gen, dass ich auch den thatsÀchlichen Nachweis liefere, dass
der den frischen Beuteln entnommene Moschus krÀftiger ist,
als ebenso Àchter, wenn er in der Haut eingeschlossen und
ausgetrocknet ist.
Es ist nemlich bisher nie gelungen, das riechende Princip
fĂŒr sich daraus darzustellen, und doch ist es wohl unbestrit-
ten, dass darin die ganze EigenthĂŒmlichkeit des Moschus
beruht. Ich werde jetzt nachweisen, dass dasselbe besteht:
1) aus freiem kohlensauren Ammoniak;
2)-aus einer Spur ButtersÀure oder einer Àhnlichen
SĂ€ure und 3
3) einem neutralen eigenthĂŒmlichen Ă€ther. Oele.
Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., acht. tonquin. Moschus. 255 -
Die mit verhÀltnissmÀssig grössten und besten Materiale
. ausgefĂŒhrte Analyse des Moschus finde ich vom Jahre 1803
im Berliner Jahrbuche fĂŒr die Pharmacie, durch Herrn J. H.
Thiemann, Apotheker in Berlin. Derselbe operirte mit
Hunderten von Granen, konnte aber keinen Nachweis eines
Ă€therischen Oeles liefern, obschon er darauf besonders Acht
hatte, weil frĂŒhere Analytiker dasselbe gefunden haben wollten.
Geiger und Reimann haben ebenfalls das riechende
Prineip nicht isoliren können (s. Magaz. fĂŒr Pharmacie Bd. 21.
p- 58). .
Thiemann, dem ich um so lieber folge, als seine Un-
tersuchungen, trotz der fortgeschrittenen Wissenschaft ihren
praktischen Werth nicht verloren haben, bewies zuerst, dass
Ă€chter, guter Moschus stets einen bedeutenden Gehalt an
kohlensaurem Ammoniak haben mĂŒsse, was damals von
allen AutoritĂ€ten verneint wurde. âWenn Moschus, mit
Pottasche gerieben, einen flĂŒchtigen Geruch entwickelt, so ist
er verfĂ€lscht,â sagen Hagen, Westrumb, Trommsdorff,
Dörffurth und Scherf. Man kann hieraus, wie an kei-
nem andern Beispiele besser,, ersehen, wie sich Vorurtheile
und falsche Ansichten festsetzen können. Einer hatte dem
Andern nachgesprochen, ohne selbst zu prĂŒfen. Oder, wie
ich spÀter zeigen werde, sie hatten Alle nur sogen. russischen
Moschus unter HĂ€nden gehabt. |
Thiemann will darin 9 pCt. Ammoniak gefunden ha-
ben; ferner fand er, dass Weingeist, ĂŒber Moschus abgezogen,
keine Spur des riechenden Principes mit hinĂŒber nimmt.
Von den Stoffen, die er fand, interessirt uns noch beson-
ders das mit Aether ausziehbare Fett, was er fĂŒr Wachs
anspricht, ich will es Cholesterin nennen. Seine Be-
schreibung eines guten Moschus passt ganz auf den von uns
empfohlenen exvesieirten Moschus. Der Gang seiner Analyse
bestand im Wesentlichen aus:
1) Destillation mit Wasser, wobei kein Àtherisches Oel
sich abschjed, trotzdem 100 Gran in Arbeit genommen waren,
2) Bestimmung der in Wasser löslichen Bestandtheile,
die er zu 90 pOt. angiebt; Andere geben 66 pĂt. an,
. 256 Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., Àcht. tonquin. Moschus,
3) Ausziehen mit Weingeist, der 50 pCt. aufnahm.
4) Extraction mit Aether.
5) Bestimmung des freien Ammoniaks.
Ausserdem bestimmte er die Aschenbestandtheile und
constatirte einen wesentlichen Unterschied zwischen dem ton-
quinensischen und cabardinischen Moschus, da die Asche des
letzteren nur Kalk, die des ersteren auch Kali und Natron
enthielt.
Im Wesentlichen haben wir jetzt noch ebenso zu ver-
fahren und verzichteten erst darauf, dem Gegenstande noch
neue Seiten abgewinnen zu können; jedoch eine Betrachtung
bewog mich, den Versuch zu wagen, nemlich, ob nicht der
spec. Geruch des Moschus in irgend einer fetten SĂ€ure be-
grĂŒndet oder damit vergesellschaftet sein könnte, wovon bei
dem damaligen Stande der Wissenschaft noch keine Rede war.
Zwei Gramme Moschus wurden mit 50 Grammen mit etwas
PhosphorsÀure angesÀuerten Wasser unter abwechselndem
Zusatze von reinem Wasser so lange destillirt, bis 45 Grm.
ĂŒbergegangen waren. Das Destillat war trĂŒbe, mit einer
fettigen Haut ĂŒberzogen, roch stark nach Moschus und rea-
girte sauer. Von SalzsÀure fand sich nur eine Spur darin.
Nach Zusatz von etwas AetzkaliflĂŒssigkeit wurde das Destillat
der Rectification unterworfen bis zur HĂ€lfte. Hiebei schieden
sich deutliche Oeltröpfchen aus, deren Geruch
angenehm moschusartig. Hierauf wurde der RĂŒckstand
in der Retorte mit PhosphorsÀure angesÀuert und abdestillirt,
wobei ein saures Destillat erhalten wurde, das den Geruch
nach ButtersÀure neben schwachem Moschusgeruch deut-
lich erkennen liess.
Beim Eintragen des Moschus in die schon heisse saure
FlĂŒssigkeit entstand ein merkliches Aufbrausen von entwei-
chender KohlensÀure.
Nach diesem vorlÀufigen Versuche, der an sich schon in
Bezug auf das riechende Prinzip ein entscheidendes Resultat
gegeben, obgleich nur 32 Gran nach altem Gewicht, in Arbeit
genommen waren, unternahm ich noch die Destillation einer
grösseren QuantitÀt von 15 Grm., in der Hoffnung, eine
Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., Àcht. tonquin. Moschus. 257
grössere Menge des Àther. Oeles zu erhalten, und den Ge-
halt an Ammoniak und an SĂ€ure, die ich fĂŒr ButtersĂ€ure
ansprach, zu bestimmen.
Zu dem Ende destillirte ich zunÀchst mit reinem Wasser.
Es entwickelten sich aus der FlĂŒssigkeit bei der ErwĂ€rmung
zuerst kleine Gasblasen, von Zersetzung des kohlensauren
Ammoniaks herrĂŒhrend, beim Kochen aber warfen sich erst
eine Zeitlang grosse schillernde Seifenblasen auf, die auf eine
innige natĂŒrliche Mischung der fetten mit den ammoniakali-
schen Bestandtheilen des Moschus schliessen liessen, weil sie
spĂ€ter, als das Ammoniak ĂŒberdestillirt sein musste, weg fielen.
Die Destillation wurde 2 Stunden lang fortgesetzt, und
dann unterbrochen, obschon noch nicht aller Moschusgeruch
verschwunden war.
Das Destillat erforderte 4,3 Gr. PhosphorsÀure von 1,13
spec. Gew. zur SĂ€ttigung, was einem Gehalte an kohlensau-
rem Ammoniak von 1,22 Gr. = 8°), entspricht. Die Gegen-
wart von Propylamin war nicht nachzuweisen.
Nach gehöriger UebersÀttigung mit SÀure, um etwa
gebundene fette SĂ€ure zu zersetzen, wurde nochmals destillirt
und die HÀlfte abgezogen, wobei allerdings mehr Àtherisches
Oel in Tropfen auftrat, aber doch noch. nicht so viel, um
diese abnehmen zu können. Die freigewordene ButtersÀure
erwies sich so unbedeutend, dass mit 3 Tropfen KaliflĂŒssig-
keit die saure Reaction verschwand, wesshalb weiter keine
RĂŒcksicht auf sie genommen wurde. Ein Versuch, durch
Zusatz von Kali aus dem Moschus noch etwas durch Destil-
lation zu entziehen, gab ein negatives Resultat.
Noch ist zu bemerken, dass aus dem Retorteninhalt, nach
Zusatz von SÀure sich ein kÀsiges Gerinnsel abschied.
Somit wÀre also im Wesentlichen Alles durch den klei-
nen Versuch mit zwei Grammen entschieden, theils durch die
angewandte Methode, hauptsĂ€chlich aber in Folge der GĂŒte
des angewandten Materials, quod erat demonstrandum.
Das Àtherische Oel durch wiederholte Destillation
anzusammeln, gelang um so weniger, als es nur schwer und
desshalb langsam ĂŒbergeht. Selbst als zwei Drittel des ersten
Arch, d, Pharm, CXCIX, Bds, 3. Hft, 17
258 Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., Àcht. tonquin. Moschus.
Destillates ĂŒbergegangen waren, roch der RĂŒckstand noch
stark nach Moschus und gab bei fernerer Destillation den
angenehmen Geruch, den ein kleiner Antheil Moschus einem
ParfĂŒm mittheil. Das Ă€therische Oel des Moschus
ist farblos, leichter als Wasser und in demselben in geringem
Grade löslich. Das zuletzt ĂŒbergehende war stearopten-
haltig. Sein Geruch ist der des feinsten Moschus und hai-
tet ebenso an den KleidungsstĂŒcken.
Die grosse ExtensivitÀt des Moschusgeruch erklÀrt sich
daraus ungezwungen. Die Einwirkung auf unsere Geruchs-
organe bildet seine EigenthĂŒmlichkeit, dem durch kein chem. -
Reagens beizukommen ist. FĂŒr viele Personen ist er wider-
wÀrtig, vollends, wenn sich die Erinnerung an ein trauriges
Ereigniss in der Krankenstube damit verbindet. FĂŒr Andere,
speciell auch fĂŒr mich, ist sein Geruch das feinste ParfĂŒm,
wĂ€hrend mir beim Zibeth und Patchouli ĂŒbel zu Muthe wird.
Soll ich von einer Einwirkung auf den Organismus reden, so
war solche nach der Destillation der grösseren Masse keines-
wegs unangenehm, nahm namentlich nicht im Geringsten die.
Kopfnerven ein, vielmehr war derselbe aufweckend, heiter
stimmend, was auch durch die medic. Praxis bestÀtigt wird.
Die IntensitÀt und ExtensivitÀt des Moschusgeruchs steht
aber namentlich in der Thierwelt nicht vereinzelt da. Auf
welche Entfernungen hin wittert das Raubthier seine Beute,
erkennt der Hund die Spur des Wildes, wie die seines Herrn!
Welche unglĂŒckliche Wesen wĂ€ren wir aber, wenn wir diese
selbe Geruchs- Empfindlichkeit besÀssen.
Hinsichtlich der Zerstörbarkeit des Moschusgeruchs habe
ich einige Versuche mit dem Destillate gemacht, namentlich
dasselbe in siedende officinelle SalpetersÀure gegeben, ohne
dass der Geruch alsbald zerstört worden wÀre. Aehnlich
andauernd ist der Geruch des Juchtenleders, Kreosots, Pat-
chouli ete. Chlor zerstört ihn sogleich, SchwefelsÀure brÀunt
sich mit dem Geruchsprincip, Kali wirkt nicht darauf ein.
In der pharmaceutischen Praxis erzÀhlt man sich manche
VorfÀlle, wie der Geruch von Moschuspulvern durch zufÀllige
Combination mit Zucker, Sulfur aurat., Zimmtöl etc. ganz ver-
Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., Àcht. tonquin, Moschus. 259
schwunden sei. Ein solches Verschwinden erklÀrt sich nicht
aus einer leichten Zerstörbarkeit des riechenden Prinzips, da
es gerade seine EigenthĂŒmlichkeit ist, lange zu dauern, eher
aus seiner Eigenschaft, an GegenstÀnden zu haften; Zucker hat
bekanntlich die Eigenschaft Àtherische Oele zu binden, Sulfur
aurat. enthÀlt hÀufig freie schweflige SÀure, auch wenn er so
beschaffen wÀre, wie ihn die Pharmacopöe nur verlangt, dass
er nemlich nicht sauer schmeckt, ist auch ein sehr fein ver-
theilter Körper, und was nun vollends den Zimmtölzucker
anlangt, so ist dieser gewiss im Stande, den Moschus zu
ĂŒberschreien, man verzeihe den bildlichen Ausdruck. Solche
Erfahrungen sind schlecht nachzumachen; man weiss auch,
wie Wenige im Stande sind, eine gute Beobachtung zu
machen; ich bin eher geneigt, die Ursache in der wenig krÀf-
tigen Beschaffenheit des Moschus zu finden, wozu mich spÀ-
tere Betrachtungen fĂŒhrten, a
Somit ist wohl erwiesen, dass es zu den widerlegten
Vorurtheilen gehört, als sei Àchter Moschus nur in Beuteln
zu beziehen, so lange nemlich die bisherige unverfÀlschte
(Juelle anhÀlt.
Dass sie anhalte, ist Sache guter Droguisten, die sich
ein Urtheil haben bilden können, und jede verdÀchtige Waare
von der Hand weisen, um nicht in die Lage zu kommen,
solche ihren Kunden als gut auflegen zu mĂŒssen.
Es ist aber schliesslich auch gar nicht schwer, selbst fĂŒr
den weniger Erfahrenen, die Aechtheit und GĂŒte des Moschus
zu erkennen, wenn auch von dem Aussehen der Beutel voll-
stÀndig abzusehen ist.
Der tonquinens. Moschus bildet nie eine salbenartige
Masse, kann desshalb auch nie von diesem Zustande in einen
zusammenhÀngenden mehr oder weniger trockenen Kuchen
ĂŒbergehen, wie der cabardinische Moschus, er besteht viel-
mehr aus linsen- bis erbsengrossen und noch grösseren
KlĂŒmpchen von dunkler, fast schwarzbrauner Farbe, die sich
weich anfĂŒhlen, mit dem Messer scharf und leicht durch-
schneiden lassen, und mit einer zarten Haut durchsetzt sind,
die beim Auflösen in Wasser zurĂŒckbleibt. Wahrscheinlich
17
260 Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., Àcht. tonquin. Moschus.
sind dies Epithelialzellen, an denen die Moschusmaterie sich
ausgeschieden hat und die allmÀhlig abgestossen werden.
Durch die Bewegung des Thieres beim Laufen ballen sie sich
dann zu lĂ€nglichen oder runden KlĂŒmpchen zusammen. Hat
man hierauf Acht und solchen Moschus unter HĂ€nden gehabt,
so ist man vor aller VerfÀlschung sicher. Spelzen von klei-
nen GrÀsern und Haare laufen stets mit unter. Der Geruch
ist, was man nennt fein, jedoch darĂŒber lĂ€sst sich streiten,
und ist nicht zu beschreiben, je frischer der Moschus, um so
penetranter; aus eingetrockneten Beuteln genommen, ist er
milder. Seine Löslichkeit in Weingeist ist nicht gross, in
Wasser zertheilt er sich und lÀsst, wie oben bemerkt, HÀute
zurĂŒck, und um so weniger RĂŒckstand, je vollstĂ€ndiger das
Ammoniak noch in der Mischung enthalten ist und vermöge
einer seifenartigen Verbindung die Löslichkeit bedingt.
Moschus, der in der Form von grobem Schnupftaback
gemahlen vorkommt, ist sicher Beuteln mit verfÀlschtem In-
halt entnommen, dessen Untersuchung nicht der MĂŒhe lohnt,
und solcher ist es, von dem geschrieben steht: âDu sollst
ihn nicht kaufen.â
Ein Moschus, der von ParfĂŒmeurs noch vorgezogen wird,
ist sogen. Assammoschus. Die Beutel sind flacher und mit
viel Bauchhaut versehen, desshalb weniger ergiebig und wer-
den wenig gekauft.
Der cabardinische riecht urinös, ist anfangs weich, sal-
benartig und trocknet spÀter zu einer festen Masse ein. Er wird
gewiss vielfach zum Versetzen von tonquin. Moschus gebraucht,
an und fĂŒr sich findet er wenig KĂ€ufer.
BezĂŒglich der DauerfĂ€higkeit des Moschusgeruches diene
zum Beweise, dass der RĂŒckstand nach zweistĂŒndiger Destil-
lation noch hartnÀckig nach Moschus riecht. Etwas Aehn-
liches finden wir indess hÀufiger; man denke nur an Valeriana,
deren Extract noch den specif. Geruch erkennen lÀsst. Wie
ist aber auch die Zusammensetzung so zu sagen darauf be-
rechnet, die flĂŒchtigen Bestandtheile durch die nicht flĂŒchtigen
zu fixiren, wie greifen sie in einander, das Oel, das Ammoniak
und das Fett!
Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., Àcht. tonquin, Moschus. 261
Man braucht desshalb auch nicht nach einer besondern
Ursache seiner Entstehung zu suchen, wie z. B., dass der
Geruch sich fortwÀhrend bilde aus den Bestandtheilen des
Moschus, er dunstet eben sehr langsam ab und unsere Ge-
ruchsnerven sind Àusserst empfindlich dagegen. Ambra und
Moschus bilden ein hÀufig zusammengestelltes Paar, wÀhrend
die erstere so gut wie gar keinen Geruch besitzt, aber der
Parfumeur ihn doch aufs Höchste schĂ€tzt, weil er die GerĂŒche
fixirt; ein solches Fixirungsmittel besitzt der Moschus in sei-
nem cholesterinartigen Fette.
Dass ich mit Beschreibung des Àchten tonquin. Moschus
keine ĂŒberflĂŒssige Arbeit gethan habe, 'erweist sich aus den
Beschreibungen der Pharmakologen und Pharmakopöen. Alle
beginnen damit, dass die Masse anfangs, oder frisch salben-
artig sein, spÀter aus kleinen Körnern bestehen soll; nun kann
aber eine salbenartige Masse nur zu einer compacten Masse
eintrocknen, wie es der sogen. cabard. Moschus thut.*) Die
Lösung soll bald neutral, bald alkalisch, ja sogar zuweilen
sauer reagiren. Man ging davon aus, dass anscheinend
unverletzte Beutel die Àchte Waare reprÀsentiren mussten,
und da kam allerdings diese verschiedene Masse zu Tage.
Aechter, guter tonquin. Moschus bildet immer eine aus Kör-
nern von Stecknadelkopf- bis ĂŒber Erbsen - Grösse bestehende
Masse, ist stets ammoniakalisch, zum bei weitem grössten
Theile in Wasser löslich unter ZurĂŒcklassung von zarten
Membranen. Um nun dem Visitator den Beweis zu geben,
dass der Moschus richtig beschaffen sei, soll derselbe unzer-
rieben aufgehoben werden, was auch zur Haltbarkeit nicht
*) Das Richtige hat schon Wildenow in seinem Aufsatze ĂŒber
die Naturgeschichte des Moschusthieres im Berliner Jahrbuch fĂŒr Phar-
macie vom Jahre 1803. âDie VerfĂ€lschung der Moschusbeutel verstehen
besonders die Chinesen und Thibetaner. Erstere wissen allerhand 'Mi-
schungen zu machen, die nicht so leicht zu entdecken sind; letztere sollen
besonders durch BleikĂŒgelehen deren Gewicht zu vermehren suchen. Der
Moschus hat aber in den Beuteln an den frisch getödteten
Thieren sogleich dieFarbe und Consistenz, dieman an dem
in den Handel kommenden bemerkt.â
262 Ueb. d. Eigensch. u. Kemnzeichen ein. gut., Àcht, tonquin. Moschus.
unwesentlich beitrÀgt. Das Verbot, den Moschus nur in Beu-
teln zu beziehen, ist dahin abzuÀndern, dass der Apotheker
sich zuvor von dem Inhalt der Beutel ĂŒberzeugt haben soll,
ehe er zum Ankauf schreitet, oder, was dasselbe sagen will,
dass er ihn erst aus den Beuteln kauft.*) Zerriebener und
durch ein Sieb getriebener Moschus ist zurĂŒckzuweisen, da
er keine Garantie fĂŒr die Aechtheit mehr bietet. Er darf
nicht getrocknet werden, sondern werde beim Dispensiren mit
den ihm adhÀrirenden zarten HÀutchen verrieben oder
sollte Jemand daran Anstoss nehmen, da wir tÀglich in unse-
ren Fleischspeisen davon Massen zu uns nehmen? Sollte es
vorkommen, dass vom Arzte das gewöhnliche Vehikel von
Zucker zu knapp bemessen wÀre, um Pulver damit herzu-
stellen, so muss es freistehen, dasselbe so weit zu vermehren,
dass ein Pulver entsteht. Schon Dyrssen und Göbel
haben, wie ich eben lese, die Behauptung aufgestellt, dass
niemals ein unverletzter Bisambeutel gefunden werde, sondern
jeder derselben in irgend einer unbekannten Weise bearbeitet
und der eingeschlossene Bisam dadurch partiell verÀndert
worden sei. Jahrelange Beobachtungen haben mir dieses
bestĂ€tigt, aber aus diesem Dilemma âwar nicht heraus zu kom-
men, bis sich eine Quelle fĂŒr den auf diese Weise gewonne-
nen Àchten Moschus fand, an welche sich zu wenden bisher
ein strenges Verbot hinderte. f
Der Verbrauch von Moschus hat gegen frĂŒhere Zeiten
bedeutend nachgelassen, nur grössere GeschÀfte haben noch
Verwendung fĂŒr den âganzen Inhalt eines Moschusbeutels.
Also war das Gebot schon lĂ€ngst unhaltbar geworden. FĂŒr
unser Deutschland wird es wohl nie an gutem, Àchten Mo-
schus ex vesicis fehlen, mögen sich Andere mit dem deterio-
rirten Inhalt der Beutel begnĂŒgen. FĂŒr die neue Pharma-
copöe schlage ich nun folgende Formel vor:
*) Durch die Bestimmung, der Moschus darf nicht ausser den Beu-
teln gekauft werden, gab man sich ein Armuthszeugniss bei Bevisionen,
man sagte damit, weun Du mir nicht bezeugst, dass er Àcht ist, ich weiss
es nicht,
Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut, Àcht. tonquin. Moschus. 263
Moschus, 5
Secretum in folliculo proprio Moschi moschiferi, animalis
in Asia viventis. Massa granulosa consistentiae pilularis nigro
fusca e granulis constans, magnitudine usque ad lentis immo
ad pisi, pinguiter nitens, cultro faciliter dissicanda, in sectura
opaca. In aqua maxima ex parte dissolvenda membrana
tenuia relinguens, solutio acidis effervescens. In spiritu et
aethere minus solubilis. Odoris peculiaris penetrantis, sub-
ammoniacalis, Kali hydrico contrita gas ammoniaci exhalans.
A quisquiliis, pilis et frustulis singulis membrani separanda
et in vasis bene clausis, sed non in forma pulveris asser-
vanda. Sub nomine Moschi tonquinensis ex China affertur.
Sollte Jemand nach allem Diesen kommen und sagen,
du hast nur pro domo gesprochen, ich habe nur gute und
durchaus unverfÀlschte Moschus - Beutel unter HÀnden gehabt,
so erwidere ich dagegen, ein einzelner Apotheker mag dies
wohl fĂŒr sich behaupten können, aber kein Droguist. Ferner
könnte man versucht werden, zu glauben, es sei das frĂŒher
besser gewesen, aber die Schlauheit und Geriebenheit der
Chinesen datirt nicht von gestern, vielleicht schon von der
SĂŒndfluth her, es ist im Gegentheile leicht, den Beweis zu
fĂŒhren, dass es frĂŒher weit schlechter mit dem Bezug von
gutem Moschus bestellt gewesen ist, als heute,
Die von Herrn Apotheker Thiemarn aufgefĂŒhrten
Schriftsteller, die als AutoritÀten. im Apothekerfache gelten
dĂŒrfen, haben, weil sie die Anwesenheit von Ammoniak im
Àchten Moschus bestreiten, nie Àchten Moschus unter HÀnden
gehabt. Entweder war es nur sogen. russischer, der wirklich
kein Ammoniak enthÀlt, oder verfÀlschte und vertrocknete
Masse, ein corpus sine anima. âZum Teufel war der Spiri-
tus, das Phlegma war geblieben.â
Ferner: Im Jahre 1825, im 22. Bande des Repertorium
fĂŒr die Pharmacie von Buchner, schreibt Friedr. Jobst an
den Herausgeber: âDieser Tage war ich endlich so glĂŒcklich,
meine vieljÀhrigen und unaufhaltsam verfolgten Nachforschun-
gen, Àchten Moschus zu erhalten, mit einem theilweisen
264 Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut, Àcht, tonquin. Moschus.
Erfolg gekrönt zu sehen.â Nun beschreibt er denselben:
âDie Beutel sind ungenĂ€ht (sic!) und mit dem feingeaderten
UnterhĂ€utchen ganz geschlossen; sie enthalten eine âganz
trockne, aus harten KlĂŒmpchen, dem getrockneten Blute Ă€hn-
liche Masse, woran auch noch das innere Zellgewebe sichtbar
ist.â Nach meiner bescheidenen Ansicht ist ihm damit noch
nicht einmal das beste Zeugniss ertheilt. Zum Beweise aber,
wie hoch er ihn hĂ€lt, bricht er in die Hyperbel aus: âDer
Geruch ist so ausgezeichnet, so fein, angenehm durchdringend,
dass ich fast sagen möchte, ein leerer Beutel von diesem ist
mir lieber, als ein voller von denen, wie solche jetzt so hÀufig
im Handel vorkommen.â Sie taugen nemlich beide nichts.
Schliesslich bedauert er, dass er nur eine Kleinigkeit habe
auftreiben können; ferner geht aus dem Schreiben seine An-
sicht noch hervor, dass der Moschus kĂŒnstlich mit Ammo-
niak geschwÀngert werde, was ich bestreiten muss.
Nein, der Droguenhandel wird rationeller be-
triebenals vordem, und schlechte, wie verfÀlschte
Waare findet immer weniger KĂ€ufer.
Wenn ich oben den Werth des Moschus in seinen Gehalt
an Àtherischem Oele gesetzt habe, so muss ich nach-
trÀglich noch Gewicht auf den Gehalt an kohlensaurem
Ammoniak legen. Mit dem letztern geht auch das erstere
theilweise hinweg und nur dem durchdringenden Geruche des
Àther. Oeles ist es zuzuschreiben, dass die QualitÀtsbezeich-
nungen bisher so unbestimmt ausfallen konnten. Ist an der
medic. Wirksamkeit des Moschus nicht zu zweifeln, so wird
sich bei richtigerer Beurtheilung der Drogue spÀter eine
grössere Uebereinstimmung darin herausstellen.
Sollte einer der Herren Chemiker vor der Kostbarkeit
des Materiales nicht zurĂŒckschrecken und Lust haben, sich
von den Eigenschaften des Àtherischen Oeles ete. zu unter-
richten, so sind wir gern bereit, das nöthige Material zum
Kostenpreise dazu zu liefern; sechzig Gramme möchten genĂŒgen.
Hannover, den 1. December 1871.
265
B. Monatsbericht.
Y. Chemie.
Schwefelwasserstoffgas
wird nach Galletly vortheilhaft bereitet, indem man gleiche
Theile Paraffin und Schwefel in einem Glaskolben etwas ĂŒber
den Schmelzpunkt des Schwefels erhitzt. Beim Erkalten hört
die Gasentwicklung auf, beginnt aber beim Erhitzen von
Neuem. Statt des Paraffins kann man auch kÀufliche Stearin-
sÀure gebrauchen, in diesem Falle condensirt sich jedoch im
Gasleitungsrohr leicht eine milchige FlĂŒssigkeit, wahrschein-
lich Wasser mit feinzertheiltem Schwefel. (Americ. Journ.
of FPharmacy Fourth Ser. Novbr. 1871. Vol. IL. Nr. X1.
p- 913.). W».
Umwandlung des Chlorals in Aldehyd durch umge-
kehrte Substitution.
Sie geht nach J. Personne mit grosser Leichtigkeit
bei Anwendung von Zink in einer sauren FlĂŒssigkeit vor
sich. Man braucht nur etwas ZinkspÀhne in eine mittelst
SO? oder HCl angesÀuerte Lösung von Chloralhydrat zu
bringen, um bald den Geruch des Aldehyds wahrzunehmen.
Nimmt man diese Arbeit in einer Retorte vor, die mit
einer durch Eis gut abgekĂŒhlten Vorlage versehen ist, und
beachtet man, die SĂ€ure nur in sehr kleinen Mengen nach
und nach zuzusetzen, wÀhrend der Bauch der 'Retorte gegen
50° erwÀrmt ist, so lÀsst sich eine hinlÀngl. grosse Menge
Aldehyd hervorbringen, so dass man ihn rectifieiren und so
viel Aldehyd-Ammoniak darstellen kann, um alle chrakte-
266 Die VeberfĂŒhrung des Allylalkohols in Propylalkohol.
vistischen Reactionen desselben damit vornehmen zu können.
Ausser dem Aldehyd entsteht auch eine betrÀchtl. Menge der
mit dem Aldehyd polymeren Verbindungen, namentl. Paral-
dehyd, welcher auf der destill. FlĂŒssigkeit als ölige Schicht
schwimmt.
Personne stellte ausserdem die Verbindung des Am-
moniaks mit dem wasserfreien Chloral H3N,Câ*HC1°0? dar,
welche dem Aldehyd- Ammoniak ganz vergleichbar ist. Man
lĂ€sst ganz langsam trocknes H°âN gas in ein GefĂ€ss treten,
welches eine sehr kleine Menge gut abgekĂŒhltes wasserfreies
Chloral enthÀlt. Das Chloral-Ammoniak ist eine weisse,
schmelzbare, HĂŒchtige Substanz, deren Geruch dem des Alde-
hyd-Ammoniaks vergleichbar ist. Bei Behandlung mit conc.
SchwefelsÀure giebt es wieder wasserfreies Chloral unter Bil-
dung von schwefels. Ammoniak. Durch Wasser wird es in
Chloroform und ameisens. Ammoniak zerlegt.
Wenn man hierbei mit mehr als 2 bis 3 Grm. Chloral
arbeitet, und das H°?N nicht sehr langsam zuleitet, so erhitzt
sich die_Masse und ausser dem Ohloral- Ammoniak erhÀlt
man viel syrupartige FlĂŒssigkeit, welche aus Chloroform
C2HOC]Ÿ und Formamid C°HO°H°N besteht. Aus letzterem
erhielt Personne durch Behandlung mit wasserfreier PO°
BlausÀure. Zusammen mit der bereits bekannten Verbin-
dung des Chlorals mit dem zweifach schwefligs. Natron las-
sen die mitgetheilten Thatsachen keinen Zweifel mehr, dass
das COhloral als dreifach gechlorter Aldehyd zu
betrachten sei. (Compt. rend. 71, 227; daraus in Annalen d.
Ohem. u. Pharm. Januar 1871; Bd. 157, 8. 113 â 115.).
H.L.
Die UeberfĂŒhrung des Allylalkohels in Propylalkohol
ist B. Tollens gelungen, indem er entwÀsserten Allylalko-
hol mit seinem gleichen Gewichte Actzkali am umgekehrten
Liebigâschen KĂŒhler im Oelbade bei 155° C., erhitzte.
Es entweicht Wasserstoffgas. Nach beendigter Zersetzung
setzt man Wasser zu und destillirt ab. Auf dem Destillat schwim-
men Oeltropfen. Das wÀssrige Destillat giebt durch system.
Destilliren und Abscheiden mit kohlens. Kali eine nicht
unbetrĂ€chtl. Menge einer alkohol. brennbaren FlĂŒssigkeit,
Ueber normale ValeriansÀure, 267
welche zum grössten Theil zwischen 80 und 100° ĂŒbergeht.
Durch UeberfĂŒhrung des Productes in BromĂŒre und Acetate,
Trennung dieser durch Fractioniren, wurden dieselben gerei-
nigt, endlich der regenerirte Propylalkohol durch chroms. Kali
und SchwefelsĂ€ure in PropionsĂ€ure ĂŒbergefĂŒhrt.
Neben Propylalkohol und PropionsÀure entstehen
bei dieser Reaction: Aethylalkohol, AmeisensÀure,
alkoholartige Producte 'von C%- und U?-Gehalt (Mesityl-
oxyd und Phoron?) und saure Producte- C°SH!?O° oder
C°H!#0?2, die sich vielleicht vom !Phoron ableiten. â Die
Constitution des normalen Propylalkohols wird jetzt
allgemein als CH?_CH?_CH?OH angenommen; die des Iso-
propylalkohols dagegen als CH?_CHOH_CH?. Da sich
der Allylalkohol in Propylalkohol ĂŒberfĂŒhren lĂ€sst, so
kann man mit Tollens deinselben die Formel CH?ZCH_CH?OH
zutheilen. FĂŒr das Propylen gilt wohl allgemein die For-
mel CH?/CH_CH?, fĂŒr das daraus leicht entstehende Allyl-
jodĂŒr die Formel CH?/CH_CH?J.
Tollens bemerkt, dass ihm schon vor mehren Jahren
A. Baubigny empfohlen habe, die Reaction zwischen Allyl-
alkohol und Kali zu versuchen; letzterer erwartete nemlich,
dass der Allylalkohol aldehydartig Propylalkohol und Propion-
sĂ€ure bilden wĂŒrde. (Ann. Oh. Pharm. Juli 1871; 159,
92 â 105.). FL,
Ueber normale ValeriansÀure
haben Ad. Lieben u. A. Rossi Untersuchungen veröffent-
licht. Sie erhielten dieselbe aus normalem CyÀnbutyl
durch Kochen mit weingeistigem Kali.
Das normale ButylchlorĂŒr,-bromĂŒr oder- jodĂŒr
wird mit mehr als der Àquivalenten Menge Oyankalium
und mit Weingeist von 85 Proc. in Glasröhren einge-
schmolzen und 2 Tage hindurch auf 100 bis 110° erhitzt.
Nach dem Oefinen der Röhren wird die alkohol. FlĂŒssigkeit,
welche das Cyanbutyl in Lösung hÀlt zur Trockne destillirt,
in das Destillat festes Kali eingetragen und am RĂŒckfluss-
kĂŒhler 1 bis 2 Tage gekocht, bis sich kein HÂź?N mehr ent-
wickelt. Der eigenthĂŒml. widrige Geruch des ĂCyanbutyls
verschwindet dabei nicht ganz. Man destillirt nun den Wein-
geist vollstÀndig ab und giesst auch wohl noch etwas Wasser
268 Ueber normale ValeriansÀure.
auf den RĂŒckstand, um wieder abzudestilliren. (Das alko-
holische Destillat haben L. und R. statt gewöhnl. Weingeist
als Zusatz zum Chlorbutyl und KCy bei neuen Bereitungen
von ValeriansÀure verwendet; es enthÀlt neben H°ŸN stets
Mono-, Di- und Tributylammin, die sich bei Darstellung
grösserer Mengen von ValeriansÀure leicht als Nebenproduet
gewinnen lassen (siehe bei Butylammin $. 150.) Der Destilla-
tionsrĂŒckstand besteht aus valerians. Kali nebst ĂŒber-
schĂŒssigem Aetzkali; er wurde in Wasser gelöst mit Schwe-
felsÀure annÀhernd neutralisirt, das niederfallende
K0,S0° auf Leinwand abfiltrirt, ausgepresst und etwas ge-
waschen, Die Lösung wurde zur Trockne verdampft und
warm mit SchwefelsÀure zersetzt, wodurch sich die freie
ValeriansÀure als ölige Schicht abschied, die abgehoben
wurde; aus der unteren wÀssrigen Schicht konnte durch
Destillation noch etwas ValeriansÀure gewonnen werden. Die
"SĂ€ure wurde noch mit etwas Wasser gewaschen u. der
Destillation unterworfen, wobei nach Beseitigung der ersten
wasserhaltigen Tropfen sogleich ein reines Product erhalten
wurde, das in dem Temperaturintervall von »1°,5 vollstÀndig
ĂŒberging.
Die Analyse des wiederholt destill. Products von con-
stantem Siedepunkt gab folgende, der Formel der Valerian-
sÀure C°H!°0? entsprechenden Resultate: 0,4148 Grm. gaben
0,8917 CO? und 0,3593 H20. In 100 Theilen also:
berechnet. gefunden.
C = 58,82 58,63
m 950 9,62
0 3755 ee
100,00.
Die normale ValeriansĂ€ure Ă5H!PO? besitzt einen
Geruch, der sich mehr dem der reinen ButtersÀure als dem
der gewöhnlichen ValeriansÀure nÀhert. In einem ver-
korkten GefĂ€sse auf â 16° abgekĂŒhlt, wurde sie nicht fest,
sondern nur etwas dicklich.
1 âŹ.C. SĂ€ure vermag bei 16° etwa 0,1 C.C. Wasser
vollstÀndig aufzulösen; setzt man mehr Wasser zu, so bildet
dieses eine untere Schicht, auf der die SĂ€ure schwimmt, bis
nach Anwendung von 27 C.C. Wasser auf 1 C.C. SĂ€ure voll-
stÀndige Lösung eintritt. Spec. Gew. (bezogen auf Wasser
von den gleichen Temperaturen): 0,9577 bei 0°; 0,9415 bei
20°; 0,9284 bei 40°; 0,9034 bei 99°,3 (hierbei befand_sich
das Densimeter im Dampf von siedendem Wasser bei auf
Ueber normale ValeriansÀure, 269
0° reducirtem Barometerstand von 740,7 M.M. entsprechend
999,3).
er Siedepunkt bei dem auf 0° reducirten Barometer-
stand 736 M.M.â 185° 0. (die berĂŒcksichtigte Correction f.
d. herausragenden Quecksilberfaden = 3,8).
Bei einer anderen ĂŒber 200 Grm. betragenden Partie nor-
maler ValeriansÀure einer anderen Bereitung, die L. u. R.
auch fĂŒr rein hielten, die aber nicht analysirt worden war,
wurde bei auf 0° reducirtem Bar. 736,8 M.M. der corrigirte
Siedepunkt 184° gefunden. Man muss also einstweilen 184
bis 185° Cels. bei 736 M.M. Druck als Siedepunkt der nor-
malen ValeriansÀure annehmen.
Der Siedepunkt der gewöhnlichen ValeriansÀure, die
durch Oxydation von optisch-inactivem Amylalkohol
erhalten wurde, liegt bei 175° Cels.
Die aus Baldrianwurzeln bereitete SĂ€ure ist mit der
inactiven SĂ€ure identisch (Erlenmeyer, Berichte d. deutsch.
chem. Gesellsch. 1870, 900).
Die Constitution dieser SĂ€ure ergiebt sich einerseits aus
dem von Erlenmeyer gelieferten Nachweis, dass sie durch
Zersetzung des aus GĂ€hrungsbutylalkohol bereiteten
Cyanbutyls ensteht; andererseits aus der von Frank-
land und Duppa ausgefĂŒhrten Synthese der Isopropa-
cetsÀure, deren Eigenschaften völlig mit denen der aus
inactivem âAmylalkohol bereiteten ValeriansĂ€ure ĂŒbereinstim-
men, Sie wird durch die Formel
CH? an : N
CH3 } CH_CH?_CO°ŸH ausgedrĂŒckt.
Die Constitution der aus optisch-activem Amylal-
kohol bereiteten rechtsdrehenden ValeriansÀure,
deren Siedepunkt nach Pedler bei 170° liegt (Ann. Ch.
Pharm. 147, 246) ist noch nicht fest gestellt.
Die hier beschriebene normale ValeriansÀure ist
ein neuer Körper, der schon durch den höheren Sie-
depunkt von der aus GĂ€hrungsamylalkohol bereiteten SĂ€ure
verschieden ist. Die Art ihrer Gewinnung leitet zu der
Formel
CH3_CH?_CH?2_CH2_CO°ŸH.)
Schneider (Zeitschr, f. Chem. 1869, 342) giebt an,
normale ValeriansÀure durch Behandlung eines Gemenges von
JodĂ€thyl und der Beilsteinâschen %-JodpropionsĂ€ure mit fein
zertheiltem Silber erhalten zu haben, beschreibt aber ihre
Eigenschaften nicht. â
970 Ueber normale ValerıansÀure.
Natriumvalerat, durch SĂ€ttigen der freien SĂ€ure mit
Natriumcarbonat bereitet, ist ein weisses, ausserordentlich
leichtlösl. Salz, das nicht in Krystallen erhalten werden konnte.
Die. in der WÀrme gesÀttigte Lösung wird beim Erkalten so
dick und gallertartig, dass man das GefÀss umkehren kann,
ohne dass sein Inhalt ausfiesst.
Baryumvaleratâ= Ba (C°H°0?)? wurde durch SĂ€tti-
gen der freien SĂ€ure mit Baryumcarbonat, zuletzt mit Aetz-
baryt und Entfernung des ĂŒberschĂŒssigen Baryts durch CO?
dargestellt.
Es ist in der Hitze löslicher als in der KÀlte, so dass
die heiss gesĂ€ttigte Lösung beim AbkĂŒhlen einen in kleinen
BlÀttehen anschiessenden dicken Krystallbrei bildet. Das luft-
trockne Salz ist neutral und wasserfrei. Es enthÀlt das bei
110° C. getrocknete Salz, 40,41 Proc. Baryum ; 100 Th. einer
bei 10° gesÀttigten Lösung enthalten 16,906 Theile Baryum-
valerat.
Caleiumvalerat = 0a(C°H°O2)? + H?O wurde durch
SĂ€ttigen der freien SĂ€ure mit Kalkmilch dargestellt. Das
durch Verdunsten der Lösung bei gewöhnl. Temp. in kleinen,
fettglÀnzenden BlÀttchen auskrystallisirende Salz enthÀlt
1 Mol. Krystallwasser, welches es schon bei 100°C,, rascher
bei etwas höherer Temp. verliert. Das wasserfreie Salz zieht
an der Luft Wasser an. Im wasserhaltigen Salze wurden
15,42 Proc. Caleium und 6,81 Proc. Wasser gefunden. (Be-
rechnet 15,39 Proc. Ca und 6,92%, Wasser.)
Die- Lösung des Calciumvalerats zeigt ein dem Calcium-
butyrat sehr Àhnliches Verhalten. Die kaltgesÀttigte Lösung
scheidet nemlich beim Erhitzen reichlich glÀnzende Krystall-
blÀttchen ab, die sich beim Erkalten zum grossen Theil, wenn
auch nicht vollstÀndig wieder lösen. Andrerseits giebt eine
heiss gesĂ€ttigte Lösung beim AbkĂŒhlen einen reichlichen
kryst. Niederschlag, der sich jedoch, wenn die Temp. auf die
gewöhnl. herabsinkt, zum grossen Theil wieder löst. Dem-
nach scheint das Caleiumvalerat ein Löslichkeitsmini-
mum bei etwa 70° Cels. zu haben. Auch in zugeschmolzenen
Glasröhren verhÀlt sich die Lösung wie angegeben: eine voll-
stÀndige Lösung tritt nicht wieder en. Es wird also wohl
eine Abscheidung eines Theiles der ValeriansÀure und Bil-
dung eines basischen Salzes die Ursache dieser Erscheinung
sein; das schwerlösl. basische Salz widersteht dann der lösen-
den Einwirkung der verdĂŒnnten kalten, freien SĂ€ure. Das
Salz wird vom Wasser schwierig benetzt.
Ueber normale ValeriansÀure. 271
100 Theile einer bei circa 20° gesÀttigten wÀssrigen
Lösung enthalten 8,0809 Theile wasserfreies Calciumvalerat.
Manganvalerat = Mn (C°H°0?)? + H?O, wird bei
100°C0 wasserfrei. Durch SÀttigen der SÀure mit Mangan-
oxydulhydrat bereitet. Die nur schwach rosenroth gefÀrbte
Lösung wurde bei gewöhnl. Temp. im Vacuum ĂŒber HO,SO?
verdunstet. Das in kleinen Krystallen ausgeschiedene Salz ist
in der KÀlte viel lösl., als in der WÀrme, daher eine nicht
einmal gesÀttigte Lösung beim Erhitzen einen Mangansalz -
Niederschlag abscheidet, der sich, wenn das Erhitzen nur
kurze Zeit gedauert, beim AbkĂŒhlen wieder löst, bei lĂ€ngerer
Dauer der Erhitzung aber nur theilweise wieder in Lösung
geht.
Kupfervalerat = Cu (C°H°O?)? wird durch FÀllung
einer Kupfervitriollösung durch eine solche von valerians. Na-
tron bereitet; es ist ein schwer lösliches, blaugrĂŒnes,
krystallinisches Salz, das vom Wasser noch weniger benetzt
wird, als die vorhergehenden Salze. Aus einer kaltbereiteten
Lösung scheiden sich beim Verdunsten ĂŒber SchwefelsĂ€ure
mikroskopische, dunkelgrĂŒne KrystĂ€llchen ab, zusammengewach-
sene, prismatische Nadeln, die, zu Pulver zerrieben, eine hellere,
mehr blÀuliche Farbe annehmen. Das Salz ist wasserfrei und
enthÀlt 24 Proc. Cu (gefunden); berechnet 23,89%, Cu. Auch
dieses Salz ist in der Hitze schwerer löslich als in
der KĂ€lte, und seine Lösungen trĂŒben sich beim ErwĂ€rmen,
wobei zugleich immer etwas basisches Salz entsteht, das sich
beim AbkĂŒhlen nicht mehr auflöst.
Zinkvalerat = Zn (0°H°0?)? wurde durch SÀttigen
der freien SĂ€ure mit Zinkoxydhydrat bereitet und durch Ab-
dunsten der Lösung im Vacuum bei gewöhnl. Temp. in Form
dĂŒnner, glĂ€nzender, durchsichtiger KıystallblĂ€ttchen, die sich
fettig anfĂŒhlen, erhalten.
Die zwischen Papier ausgepressten, dann ĂŒber HO, SO?
gestandenen Krystalle erwiesen sich als wasserfreies, neu-
trales Salz. Dieses lieferte bei der Analyse 24,64 Proc. Zink;
die obige Formel verlangt 24,4 Proc. Zink. Die Lösung auch
dieses Salzes trĂŒbt sich beim ErwĂ€rmen, und der Nieder-
schlag verschwindet grossentheils wieder beim ErkÀlten.
Die Bestimmung der Löslichkeit wurde diesmal in der
Weise ausgefĂŒhrt, dass man bei gewöhnl. Temp. eine Lösung
von Zinkvalerat im Vacuum ĂŒber HO,SO? bis zur reichlichen
Abscheidung von Krystallen verdunsten liess und dann- in
einem Theile der ĂŒberstehenden gesĂ€ttigten Lösung den Salz-
x
212 Ueber normale ValeriansÀure.
gehalt bestimmte. 100 Theile der bei 24 bis 2500. gesÀt-
tigten Lösung enthielten 2,54 Theile Zinkvalerat.
Wenn man das mitgetheilte Verhalten der Salze der
normalen ValeriansĂ€ure mit den Angaben ĂŒber das
Verhalten der Salze der gewöhnl. ValeriansÀure vergleicht,
so ergeben sich ziemlich erhebliche Unterschiede. So wird
das Baryumsalz der gewöhnl. ValeriansÀure von
Einigen als unkrystallisirbar beschrieben, nach Anderen kryst.
es mit 2 Molekulen Krystailwasser, wÀhrend das normale
Baryumvalerat in wasserfreienKrystallen erhalten
wurde; auch wÀre das gewöhnliche Salz viel löslicher
als das normale.
Das gewöhnl. Kupfervalerat wird von Tromms-
dorff als leicht lösl. bezeichnet, wÀhrend das normale
Salz schwer löslich ist.
Das Zinksalz der gewöhnl. ValeriansÀure (aus
Amylalkohol oder auch aus Baldrianwurzel) zersetzt sich nach
Stalmann (Ann. Chem. Pharm. 147, 132) schon bei 80°,
was mit dem normalen Salze nicht der Fall ist.
Bloss fĂŒr das Zinksalz findet sich. eine Angabe, dass
seine Lösung sich beim ErwĂ€rmen trĂŒbt, wĂ€hrend es nicht
unwahrscheinlich ist, dass diese so augenfĂ€llige EigenthĂŒm-
lichkeit, der man bei den normalen Valeraten begegnet,
ebenso wie die Neigung zur Bildung schwer lösl. basischer
Salze auch bei den Salzen der gewöhnl. SÀure angetrof-
fen werden dĂŒrfte. L. und R. haben wenigstens beim Cal-
ciumsalz der gewöhnl. ValeriansÀure gefunden, dass
seine kalte, gesÀttigte Lösung beim Erhitzen einen Nieder-
schlag giebt.
Uebereinstimmend mit den alten Angaben von Dumas
und Stas (Ann. chim. phys. [2] 73, 134) und mit den neue-
ren von Stalmann (am o.c.O.) erhielten L. und R. durch
Oxydation aus GÀhrungsamylalkoholeine ValeriansÀure,
die en syrupartiges Baryumsalz lieferte, das auch
bei sehr langem Stehen nicht zum Krystallisiren zu bringen
war. Dieselbe SÀure gab ein Caleciumsalz, dessen Lösung
beim Verdunsten im Vacuum, statt zu krystallisiren, sich mit
einer durchsichtigen colloidalen Haut bedeckte, aber, an die
Luft gebracht, alsbald zu einer Krystallmasse erstarrte.
Der Amylalkohol, der zur Bereitung der SĂ€ure gedient
hatte, zeigte nur eine sehr schwach drehende Wirkung auf
das polarisirte Lich. Wenn demnach, wie Erlenmeyer
(Berichte d. deutsch. chem. Gesellsch. 1870, 900) angegeben
hat, die SĂ€ure aus inactivem Amylalkohol ein leicht
Ueber normalen Amylalkohol und normale CapronsÀure. 273
krystallisirendes, die aus activem Amylalkohol ein gummi-
artiges Baryumsalz liefert, so scheint es, dass schon die
Gegenwart einer geringen Menge activer SĂ€ure genĂŒgt,
um die Krystallisation des Baryumsalzes der inactiven
SĂ€ure zu verhindern. (Ann. Ch. Pharm. Juli 1871, 159, 58
bis 69.). HT
Ueber normalen Amylalkohol und normale Capron-
sÀure.
Ad. Lieben und A. Rossi haben, wie angegeben,
aus GÀhrungsbuttersÀure normalen Butylalkohol
und aus diesem normale ValeriansÀure bereitet. Letz-
tere SĂ€ure diente ihnen nun als Ausgangspunkt zur Gewinnung
des normalen Amylalkohols. Hierzu wurde normaler
valeriansaurer Kalk mit ameisens. Kalk imig ge-
mengt, in kleinen Portionen, zu 10 Grammen des Gemenges,
der trocknen Destillation unterworfen, genau in der Weise,
wie frĂŒher beim normalen Butylalkohol angegeben. Das Destil-
lat bestand reichlich zur HĂ€lfte aus Valeraldehyd, der
bei circa 102° siedet und durch fractionirte Destillation von
den höher siedenden empyreumatischen Substanzen getrennt
wurde. Er erfordert einen betrÀchtl. Ueberschuss von Wasser
zur Lösung, besitzt einen dem gewöhnl. Valeral Àhnl.
Geruch und giebt mit Natriumbisulfit unter starker Er-
wÀrmung eine krystall. Verbindung.
Zur Umwandlung in normalen Amylalkohol wurde dieser
Valeraldehyd in 30 Th. Wasser eingetragen, die zur Lösung
nicht ausreichten und mit Natriumamalgam und Schwe-
felsÀure in der Weise behandelt, wie beim Butylalkohol be-
schrieben. Der rohe Amylalkohol wurde mit Kalk entwÀssert
und durch fractionirte Destillation gereinigt. Die Ausbeute
war sehr befriedigend. Durch Digestion mit Kalk, dann
Baryt, schliesslich Natrium wurde der zur Analyse bestimmte
Amylalkohol völlig entwÀssert.
0,2226 Gramm gaben 0,5585 C02 und.0,278 H2O,
In 100 Theilen nach der Formel C°>H!?O
berechnet. gefunden.
Kohlenstoff 68,18 68,42
Wasserstoff 13,64 13,88
Sauerstoff 18,18
100,00.
Arch, d, Pharm. CXCIX. Bda. 3. Hft, 18
274 Ueber normalen Amylalkohol und normale CapronsÀure.
Dieser normale Amylalkohol C°H!?O ist eine
wasserhelle FlĂŒssigkeit, deren Geruch mit dem des GĂ€hrungs-
amylalkohols Aehnlichkeit hat. Sein Siedepunkt wurde in
âwei Bestimmungen bei 137° unter dem auf 0° reducirten
Barometerstande von 740 M.M. gefunden (bei der einen Be-
stimmung war die ganze Thermometercolonne im Dampfe, bei
der anderen betrug die Ăorrection fĂŒr den herausragenden
Quecksilberfaden 19,7). Er liegt also erheblich höher, als der
des isomeren GĂ€hrungsamylalkohols.
Spec. Gew. (bezogen auf Wasser von den gleichen Tem-
peraturen) 0,8296 bei 0°; 0,8168 bei 20°; 0,8065 bei 40°;
0,7835 bei 99°,15.*)
(*Das Densimeter befand sich im Dampfe von siedendem
Wasser bei auf 0° reducirtem Barometerstande 737,3 M.M.
d.risbei 99%15,)
Bei der Oxydation giebt der normale Amylalkohol
ValeriansÀure. Eine gesÀttigte Lösung von Kalium-
bichromat und SchwefelsÀure, die mit etwas Amylalkohol in
eine Röhre eingeschmolzen wurde, wirkte schon bei gewöhnl.
Temp. unter starker WĂ€rmerzeugung ein. Die Reaction wurde
durch Erhitzen auf 85° vervollstÀndigt. Als dann die Röhre
seöffnet, ihr Inhalt abdestillirt und das saure Destillat mit
kohlens. Silberoxyd gesÀttigt wurde, erhielt man ein weisses
krystallinisches Salz, das durch die Analyse als Silber-
valerat erkannt wurde. Es wurden daraus 51,69 Proc. Ag
abgeschieden; die Formel AgC°H?O? verlangt 51,67 Proc. Silber.
AmylehlorĂŒr = Ă°H!!COl. Der normale Amylalkohol
wurde mit HCl-Gas gesÀttigt und unter Zusatz von rauchen-
der wĂ€ssriger HĂl in zugeschmolzenen Glasröhren durch 2 Tage
erst auf 80°, dann allmÀlig ansteigend bis 110° erhitzt.
Die in den Glasröhren entstandenen 2 Schichten, die dann
ihr gegenseitiges VolumverhÀltniss nicht mehr Ànderten,
wurden hierauf getrennt, das Product erst mit rauchender
SalzsÀure zur Entfernung von etwa noch vorhandenem Amyl-
alkohol, dann mit alkalischem und reinen Wasser gewaschen,
mit CaCl entwÀssert und durch fractionirte Destillation rein
erhalten und analysırt.
Es siedet bei 106°,6 unter dem auf 0° reduce. Druck von
739,8 M.M. (das Thermometer ganz im Dampf).
Spec. Gew. (bezogen auf Wasser von gleichen Tempe-
raturen, und so auch spÀter) 0,9013 bei 0°; 0,8834 bei 20°;
0,868 bei 40°.
AmylbromĂŒr=C°H!'Br. Gleich dem Vorigen, nur
mit Anwendung von HBr-gas ' und rauchender, wÀssriger
Ueber normalen Amylalkohol und normale CapronsÀure. 275
HBr-SÀure gewonnen. Siedet bei 128°,7 bei 739,4 M.M. auf
0° redueirt (wobei f. d. herausragenden Hg-faden die be-
rĂŒcksichtigte Correctur 1,015 betrug).
Spec. Gew. = 1,246 bei 0°; 1,2234 bei 20°; 1,2044
bei 40°,
AmyljodĂŒr = C5H!!J wurde aus AmylchlorĂŒr mit An-
wendung der von Ad. Lieben angegebenen Methode zur Ver-
wandlung der ChlorĂŒre in JodĂŒre (Sitzungsberichte d. Wiener
Akad. 1868, 58) dargestellt. Siedet bei 155,04 unter dem
auf 0° reducirten Barometerstand 739,3 M.M. (wobei die be-
rĂŒcksichtigte Correction f. d. heransrag, Hg-Faden 2,03 aus-
machte).
Spec. Gew.â 1,5435 bei 0% 1,5174 bei 20% 1,4961 bei 40°
Amylacetat= C°H!!.C?H°0? Normales Jodamyl wurde
mit Silberacetat, das mit Eisessig angefeuchtet war, in einen
durch Eis gekĂŒhlten Kolben eingetragen, der mit einem
RĂŒckflusskĂŒhler verbunden war. Nach einiger Zeit trat
schon bei gewöhnl. Temp. beim UmschĂŒtteln heftige Reaction
unter ErwÀrmung ein. Zur VervollstÀndigung der Reaction
erhitzte man den Kolben und unterhielt seinen Inhalt durch
mehre Stunden in mÀssigem Sieden; dann wurde abdestillirt,
das Destillat mit Kali neutralisirt, die dadurch abgeschiedene
Schicht gewaschen und mit CaCl? entwÀssert. Aus 29 Gramm
AmyljodĂŒr wurden so 18 Gramme AmyalcetĂ€t erhalten
(statt der berechneten 19 Gramme). Das durch fractionirte
Destillation alsbald rein erhaltene Product gab bei der Ana-
Iyse Zahlen, die mit obiger Formel ĂŒbereinstimmen.
Das normale Amylacetat siedet bei 148%,4 unter
dem auf 0° reducirten Druck 737 M.M. (wobei die Oorrection
f. d. herausragende Hg-Faden 0°, 75 betrug).
Spec. Gew. 0,8963 bei 0°; 0,8792 bei 20°; 0,8645 bei 40°.
Normale CapronsÀure.
Lieben und Rossi bedienten sich theils des normalen
AmylbromĂŒrs, theils auch des JodĂŒrs, um das CyanĂŒr und
daraus weiter die normale CapronsÀure darzustellen.
Das BromĂŒr oder JodĂŒr wurde mit ĂŒberschĂŒssigem
Uyankalium und Weingeist von 85 Proc. in zugeschmolzenen
Röhren auf 105° durch 2 Tag erhitzt. Die alkoholische
Lösung wurde dann von dem festen RĂŒckstande (der noch
ausgepresst und mit Alkohol etwas gewaschen wurde) abge-
gossen und zur Trockne destillirt. In das Destillat trug man
festes Kali ein und liess am RĂŒckflusskĂŒhler so lange kochen,
18%
276 Ueber normalen Amylalkohol und normale CapronsÀure,
bis sich kein Ammoniak mehr entwickelte; hierauf wurde der
Alkohol abdestillirt und der RĂŒckstand mit Wasser und SOÂź
bis nahezu zur Neutralisation versetzt. Das ausgeschiedene
schwefels. Kali wurde abfiltrirt, ausgepresst und etwas ge-
waschen, das schwach alkalische Filtrat zur Trockne verdampft
und mittelst SO3 zersetzt. Dadurch schied sich die nor-
male GapronsÀure als ölige Schicht ab, die mit etwas
Wasser gewaschen und der Destillation unterworfen wurde,
wobei sie sich als reines Product von sehr annÀhernd con-
stantem Siedepunkte erwies. Die Analyse fĂŒhrte zur Formel
0:41202%
Die normale CapronsĂ€ure ĂO°H!?O? ist eine was-
serhelle, mit Wasser nicht mischbare, scharf sauer schmeckende
FlĂŒssigkeit, deren Geruch schwĂ€cher und minder unangenehm
ist, als der der gewöhnl. CapronsÀure. Ihr Siedepunkt
wurde unter dem auf 0° reducirten Druck 738,5 M.M. bei
204,5 bis 205° C. gefunden, wobei die berĂŒcksichtigte Ăor-
rection fĂŒr den herausragenden Hg-Faden 5°,8 ausmachte.
(Eine mit demselben Thermometer vorgenommene Siedepunkts-
bestimmung von CapronsÀure, die aus gewöhnl. Amyl-
alkohol resp. Ăyanamyl dargestellt worden war und die auf
ihr optisches Verhalten geprĂŒft ein sehr schwaches Drehungs-
vermögen zeigte, ergab 199°,7 unter dem auf 0° reducirten
Druck 732 M.M., wobei die Correction fĂŒr den herausragen-
den Quecksilberfaden 4°,5 ausmachte.)
Spec. Gewicht der normalen CapronsÀure (bezogen auf
Wasser von gleichen Temperaturen): 0,9449 bei 0%; 0,9294
bei 20°C.; 0,9172 bei 40°; 0,8947 bei 99%1. (Das Densi-
meter befand sich im Dampf von siedendem Wasser bei dem
auf 0° reducirten Barometerstand 736,6 M.M., entsprechend
einer Temp. v. 99°,1).
Die Constitution des hier beschriebenen normalen
Amylalkohols giebt sich aus seiner Bereitungsweise zu
erkennen und kann durch die Formel
CH3_CH?_CH?_CH?_CH?2_OH ausgedrĂŒckt werden.
Die Siedepunkte dieses Amylalkohols, seines Aldehyds
und seiner sonstigen Abkömmlinge sind höher, als die an
sÀmmtlichen bisher bekannten isomeren Verbindungen beobach-
teten, insbesondere höher als die Siedepunkte der ent-
sprechenden aus GĂ€hrung'sbutylalkohol bereiteten Ver-
bindungen, mit denen die hier beschriebenen sonst grosse
Aehnlichkeit haben.
Der durch GĂ€hrung entstandene Amylalkohol ist ein
Gemenge von 2 isomeren Modificationen, einer
Ueber normalen Amylalkohol und normale CapronsÀure. 277
optisch activen und einer inactiven, von denen vorlÀufig
nicht mit Sicherheit festgestellt ist, ob sie sich bloss durch
ihr verschiedenes Verhalten gegen polarisirtes
Licht oder auch durch verschiedene chemische Ăon-
stitution unterscheiden; das Letztere ist wahrscheinlich.
Die Constitution des inactiven GĂ€hrungsamyl|-
alkohols lÀsst sich aus der durch Erlenmeyer und durch
Frankland und Duppa festgestellten Constitution der ihm
entsprechenden ValeriansÀure erschliessen.
FĂŒr den optisch activen GĂ€hrungsamylalkohol
mangelt es bis jetzt an sicheren Anhaltspunkten.
Der von Schorlemmer aus dem Kohlenwasserstoft
C°H!? aus Petroleum dargestellte Amylalkohol ist iden-
tisch mit dem aus Fuselöl. (Diese Beobachtung, aus der
fĂŒr den Amylwasserstoff des Steinöls die rationelle
Formel CH(CH3)?2_CH?_CH3 folgt, macht es einigermassen
wahrscheinlich, dass auch die höheren Kohlenwasserstofl
CH?" +? des Steinöls die Gruppe CH(CH?)? enthalten und
dass sie demnach gar keine normalen Alkohole liefern
können.)
Ausserdem kennt man an isomeren Alkoholen noch das
Amylenhydrat und das Aethylallylhydrat von
Wurtz, das aus Methylbutyryl von Friedel dargestellte
Methylpropylearbinol (das wohl mit Aethylallylhydrat
identisch ist) und das Aethyldimethylcarbinol von
Popoff. r
Die Constitution der angefĂŒhrten, bisher bekannten iso-
meren Amylalkohole lÀsst sich durch folgende rationelle For-
meln ausdrĂŒcken:
TertiÀrer
PrimÀre Amylalkohole., SeeundÀre Amylalkohole. Amylalkohol.
CH3 UN CBŸ CH3 CH CH?° CH?
CH? \V/ CH? \/ CH:CHâ
CH? CH CH? CH |
CH? CH? CH.OH CH.OH 6.0H
OH?.OH CH?.OH CH CH? CHâ
Normaler Optisch inacti-_ Propylme- Pseudopro- Aethyldi-
Amylal- ver GĂ€hrungs- thylearbi- pylmethyl- methyl-
kohol. amylalkohol. nol; Aethyl-. carbinol ; carbinol.
allylhydrat. Amylenhy-
drat,
Siedet bei 137° 129â132° 120â123° 104â108° 98%,5â102°C.
Man sieht, dass Àhnlich wie bei den isomeren Butylalko-
holen die Siedepunkte vom tertiÀren zu dem normalen primÀren
278 Reinigung von Fetten.
Alkohol, der den höchsten Siedepunkt hat, steigen. Zur voll-
stÀndigen Kenntniss der isomeren Amylalkohole, die uns heute
die Theorie voraussehen lÀsst, fehlen noch 2 primÀre und
ein secundÀrer Alkohol.
Die Constitution der oben beschriebenen GapronsÀure
ergiebt sich aus der des Amylalkohols, der zu ihrer Bereitung
diente, und wenn dieser der normale Alkohol ist, so folgt,
dass die daraus dargestellte SĂ€ure normale Capron-
sÀure ist, der die Formel CH3_CH2_CH2_CH?_CH2_CO2H
zukommt. (Annal, Chem. Pharm. Juli 1871; 159, 70â.79.).
HN:
Reinigung von Fetten.
Nach Baillot wird ein Kilogramm Fett mit zwei Litern
Kalkwasser 2â 3 Stungen lang erhitzt. Die nach dem Er-
kalten diekflĂŒssig gewordene Masse wird abgegossen und
zwischen Leinen oder Flanell gepresst. Der Presskuchen
âerlangt nach einigen Tagen eine vollkommene Weisse Man
kann ihn nöthigenfalls durch Behandlung mit angesÀuertem
Wasser ganz von etwa anhÀngendem Kalk befreien.
Nach Dubrunfaut verliert Fischthran seinen widerlichen
Geruch völlig durch Erhitzen auf 330°. Ferner verflĂŒchtigen
sich nach ihm fette SĂ€uren in einem Dampfstrome ĂŒber 100°,
wÀhrend die neutralen Fette in dieser Temperatur nicht
flĂŒchtig sind. Endlich verhalten sich die letztern wie die
fetten SĂ€uren gegen Dampf, wenn sie zuvor auf 300 bis
330° C. erhitzt worden. Darnach verfÀhrt man zur Reini-
gung von Fett, wie folgt: In einer passenden Pfanne wird
dasselbe auf 140â150° erhitzt und mit kleinen Mengen
Wasser besprengt. Der so erzeugte Wasserdampf durchdringt
das Fett, zersetzt die neutralen Antheile, und die dadurch
erzeugten fetten SĂ€uren werden verflĂŒchtigt. Das Product
ist vollkommen rein.
Nach Wurtz und Wilm verflĂŒchtigt sich beim Er-
hitzen von RĂŒböl in einem Dampfstrome von 116 â 120° ein
scharfriechender Stoff, ohne dass bei dieser Temperatur das
Oel saponifieirt wird, wie das bei höherer Temperatur statt-
findet. Durch Waschen mit einer schwachen, warmen Soda-
Chinesisches PfeffermĂŒnzöl. â Das Ă€ther. Oel von Andromeda ete. 27V
lösung entfernt man alle etwa vorhandenen FettsÀuren. (The
Pharmae. Journ. and Transact. Nr. LKVIIâLXX. Third. Ser.
Octbr. 1871. p. 322.). W».
Chinesisches PfeffermĂŒnzöl,
von den Chinesen zu Einreibungen bei Gesichtsschmerz ange-
wendet, zeigt nach FlĂŒckiger nicht die dem echten Pfef-
fermĂŒnzöl eigenthĂŒmliche Fluorescenz mit SalpetersĂ€ure, son-
dern bildet, damit gemischt, alsbald Krystalle eines Camphers,
Ă€hnlich wie das vor einigen Jahren im Handel vorkommende,
feste japanische PfeffermĂŒnzöl. Vielleicht wird letzteres durch
KĂ€lte aus dem flĂŒssigen chinesichen Oel abgeschieden. Das
japanische Oel hat nach Oppenheim und Gorup-Besanez die
Formel G10H!8 + H2O und verhÀlt sich wie ein Alkohol.
Dies sogenannte Menthol scheint mit dem sich zuweilen aus
PfeffermĂŒnzöl abscheidenden Stearopten identisch zu sein.
(The Pharm. Journ. and Transact. Nr. LX VHIâ LXX. Third.
Ser. Octbr. 1871. p. 321.). Wr.
Das Àtherische Oel von Andromeda Leschenaultii
besteht nach der Untersuchung von Braughton aus Methyl-
salicylsÀure und ist fast identisch mit dem canadischen soge-
nannten Wintergreen-Oel. Der Strauch von A. ist in Indien
sehr hÀufig. Aus dem Oele lÀsst sich eine sehr reine Car-
bolsÀure darstellen. Zu dem Zwecke behandelt man es mit
verdĂŒnnter Aetzkalilauge, wobei reiner Methylalkohol frei
wird. Auf Zusatz einer SÀure zu der alkalischen Lösung
scheidet sich SalicylsÀure in schönen Krystallen ab, welche
beim Erhitzen mit Kalk oder Sand in einer eisernen Retorte
vollkommen reine ĂarbolsĂ€ure liefern. (The Pharm. Journ.
and Transact. Nr. LXVIIâLXX. Third. Ser. Octbr. 1871.
p. 281.). Wp.
280 Das wirksame Prineip von Polygonum Hydropiper.
Das wirksame Prineip von Polygonum Hydropiper
ist nach Rademaker eine krystallisirbare SĂ€ure, welche
er folgendermassen darstellte: Das Kraut wurde mit schwa-
chem Weingeist erschöpft, der Weingeist im Weasserbade
abdestillirt und die zurĂŒckgebliebene FlĂŒssigkeit auf ein Drit-
tel eingeengt, wobei sich eine harzige Masse ausschied. Die
davon durch Filtriren gesonderte FlĂŒssigkeit wurde mit Blei-
essig gefÀllt, der Niederschlag mit Wasser gewaschen und
dann unter Wasser mit Schwefelwasserstoff zersetzt. Das
Gemisch von Schwefelblei und organischer Substanz wurde
mit Aether behandelt, welcher beim freiwilligen Verdunsten
die SÀure in, dem Harnstoff Àhnlichen Krystallen hinterliess.
Aus dem Fluidextract des Krauts erhielt er die SĂ€ure,
indem er dasselbe auf jede Unze mit 5 Tropfen SalzsÀure
versetzte und dann mit Aether schĂŒttelte. Die Ă€therische
FlĂŒssigkeit wurde mit Bleiessig gefĂ€llt, der Niederschlag mit
Wasser gewaschen und mit Schwefelwasserstoff zersetzt, das
Schwefelblei wieder mit Aether behandelt und dieser der frei-
willigen Verdunstung ĂŒberlassen.
Die sogenannte PolygonumsĂ€ure ist grĂŒn gefĂ€rbt,
schmeckt scharf und bitter, reagirt starksauer und giebt mit
Basen neutrale, gut krystallisirende Salze. Mit Ammoniak,
Kalilauge und kohlensaurem Natron giebt sie gelbe Lösungen.
Von SalpetersÀure und ChlorwasserstoffsÀure wird sie gelb,
von SchwefelsÀure dunkelroth, spÀter schwarz gefÀrbt. Der
Niederschlag mit Bleiessig ist gelb, mit salpetersaurem Queck-
silberoxydul gelblichweiss, mit Quecksilberchlorid grĂŒn. Chlor-
baryum, Gold- und Platin-Chlorid, salpetersaures Silberoxyd
bringen keine VerÀnderung hervor, schwefelsaures Kupferoxyd
fĂ€rbt schwach grĂŒn, Eisenchlorid macht die Lösung dunkler.
(Americ. Journ. and Transact: Fourth. Ser. Novbr. 1871.
Vol. 1. Nr. Xl. p. 490.).
W».
281
C. Literatur und Kritik.
L. Pfeiffer, Synonyma botanica locupletissima
Generum, Sectionum vel Subgenerum ad finem
anni 1858 promulgatorum. VollstÀndige Syno-
nymik der bis zum Ende des Jahres 1858 pu-
blieirten botanischen Gattungen, Untergattun-
gen und Abtheilungen. Zugleich systematische
Uebersicht des ganzen GewÀchsreiches mit den
neueren Bereicherungen und Berichtigungen
nach Endlicher'sSchema zusammengestellt. Kas-
sel 1870. Theodor Fischer. 8. 672 Seiten.
Unter diesem gar langathmigen Titel kĂŒndigt sich uns ein sehr ver-
dienstliches, fĂŒr jeden mit Botanik sich BeschĂ€ftigenden unentbehrliches
Werk an. NatĂŒrlich ist der vorliegende Band nur der VorlĂ€ufer eines
vollstĂ€ndigen ââ,Nomenclator botanieus,â welchen der Herr Verfasser be-
reits vollendet hat, wie wir durch einen Prospect der Verlagshandlung
erfahren. Diese beiden Werke gehören unzertrennlich zusammen und wer
das vorliegende anschafft, wird zu dessen wahrer Nutzbarmachung auch
den Nomenclator besitzen mĂŒssen.
Zu bedauern ist, dass die beiden Werke die Synonymik und Nomen-
klatur nur bis zum Jahr 1858 behandeln. Wir erkennen vollstÀndig die
Schwierigkeit, ein derartiges Werk, welches so umfangreiche Vorarbeiten
nöthig macht, bis zur Gegenwart forszufĂŒhren, auch erfordert Druck
und Correctur eine lÀngere Zeit als gewöhnlich; indessen hÀtte es doch
wohl ermöglicht werden können, das Werk bis zum Ausschluss einer
allerhöchstens die letzten 5 Jahre umfassenden Frist fortzufĂŒhren, denn
wenn auch das Werk im Jahr 1858 schon theilweise ausgearbeitet wor-
den ist, so hÀtten doch leicht durch NachtrÀge und Einschiebungen die
spÀter hinzugekommenen Materialien in das Manuseript eingeschaltet wer-
den können.
Dass der Verfasser im Wesentlichen Endlicherâs System zu Grunde
gelegt hat, halten wir im Ganzen fĂŒr völlig richtig. Es hat zwar auch
dieses System seine grossen MĂ€ngel, aber die Zeit zur Aufstellung eines
Systems, welches allen Anforderungen der Morphologie genĂŒgte, dĂŒrfte
schwerlich schon jetzt gekommen sein. Die Ausstattung des Werks ist
gut. Ueber den Inhalt lÀsst sich wenig mittheilen, da er der Natur der
Sache nach in einer trocknen AufzÀhlung besteht. Soweit wir das Werk
durchgesehen haben, ist der Inhalt correet und vollstÀndig. Bisweilen
ist die Schreibweise etwas inconsequent. So werden die Balgpilze ganz
richtig âGasteromycetesâ genannt; die Schleimpilze dagegen âMyxo-
gastres,â wĂ€hrend es âMyxogasteres â heissen muss. H.
282 Literatur und Kritik.
G. A. Pritzel, Thesaurus literaturae botanicae
omnium gentium inde a rerum botanicarum
initiis ad nostra usque tempora, quindecim
millia opera recensens. Editio nova reformaia. Fasei-
eulus 1, Plag. 1â10 continens,. Lipsiae: F. A. Brock-
haus 1872. 4. 80 Seiten.
Von einer Kritik vorliegenden Werkes kann selbstverstÀndlich keine
Rede sein, denn dasselbe hat sich lĂ€ngst einen ĂŒber die Kritik erhabenen
Ruhm erworben; vielmehr benutzen wir nur die Gelegenheit der neuen
Bearbeitung, um namentlich die JĂŒnger der Pharmacie auf den hohen
Werth und die gÀnzliche Unentbehrlichkeit dieses Werks aufmerksam zu
machen fĂŒr jeden, der sich mit Botanik beschĂ€ftigt. Die Zusammenstel-
lung der gesammten botanischen Literatur aller Völker ist eine wahre
Riesenarbeit, die uns zum Dank und zur Bewunderung des Fleisses des
Herren Verfassers bewegen muss. H.
Preis- VerÀnderungen pro 1872. Gratis-Beigabe
zur Hartmannâschen Handverkaufs-Taxe fĂŒr
Apotheker. (2. Aufl. 1869.)
Im Octoberheft dieses Archivs, Jahrgang 1869, wurde die Hartmannâ-
sche Handverkaufstaxe kritisch beleuchtet. Das Erscheinen der Preis -
VerĂ€nderungen pro 1872, welche zugleich die der frĂŒheren Jahre mit in
sich fassen, giebt mir eine willkommene Veranlassung, auf das Werk selbst hier
nochmals zurĂŒck zukommen. Ich bestĂ€tige heute, nach dem fast A Jahre
verflossen sind â Alles, was ich in jener Kritik zum Lobe dieser Taxe
ausgesprochen habe und verweise, um mich keiner Wiederholungen schul-
dig zu machen, diejenigen Collegen, die das Werkânoch nicht in Gebrauch
gezogen haben, ausdrĂŒcklich auf dieselbe, indem an jenem Orte die ratio-
nellen Prineipien, welche in der Taxe zur Geltung gebracht worden sind,
ausfĂŒhrlich beleuchtet wurden. E
Auch die in andern Fachschriften und pharmaceutischen Zeitungen
(Centralhalle, Bunzl. Z. ete.) seiner Zeit aufgenommenen Referate haben
einstimmig die Arbeit des Collegen Hartmann aufs GĂŒnstigste beurtheilt
und die Anschaffung und EinfĂŒhrung in den Apotheken ebenso warm
befĂŒrwortet.
Ich kann nur annehmen, dass da, wo die EinfĂŒhrung des Werkchens
bisher nicht erfolgt ist, dies die GeschÀfte betrifft, deren Vorsteher sieh
ĂŒberhaupt etwas schwer entschliessen, eine Neuerung einzufĂŒhren oder
auch, dass eine Anzahl Collegen, die Wichtigkeit einer rationellen Taxe
fĂŒr den Handverkauf noch immer unterschĂ€tzen; nicht suche ich den
Grund davon, dass in vielen GeschÀften die Taxe noch fehlt darin, dass
jene Collegen Gegner der Sache selbst seien.
Wenn ich nun hier nochmals die alsbaldige EinfĂŒhrung anempfehle,
so habe ich nicht minder die Verpflichtung, an den Gemeinsinn aller der-
jenigen Apotheker mich zu wenden, in deren GeschÀften das Werk lÀngst
beliebt und heimisch geworden ist, die aber immer noch an dem ersten
Exemplare sich genĂŒgen lassen, obgleich die schlechte Beschaffenheit des-
Anzeigen. 283
selben meist darthut, dass es seine Dienste hinreichend gethan hat und die
Anschaffung eines neuen Exemplares, was bekanntlich 24 Sgr. kostet,
dringend geboten ist. Unser GeschÀftspersonal vwimmt noch einmal so
gern ein reinliches, neues Buch in die HĂ€nde, als ein verbrauchtes und
zum Theil zerrissenes. A
Mir ist aus sicherer Quelle bekannt, dass von der 2, Aufl. bis jetzt
etwa nur ?/, abgesetzt sind â wĂ€hrend der Herausgeber, der die 2. Aufl.
in Selbstverlag ĂŒbernehmen musste, fast darauf gerechnet hatte â (wie
auch die Zahl der leeren Preiscolonnen beweisen) dass nach Verlauf von
3â 4 Jahren ein Exempl. als verbraucht angesehen werden mĂŒsse, so
dass im Jahre 1872 die Herausgabe einer 3. Auflage nöthig werden
wĂŒrde.
Gewiss wollen aber die Herren Collegen, die ihr Interesse bereits
dem Werkchen zugewendet haben, und diejenigen, die dasselbe ihm nach
dieser Darlegung hoffentlich noch zuwenden werden, nicht, dass den Heraus-
geber fĂŒr seine MĂŒhe noch dazu ein peceuniĂ€rer Nachtheil trifft.
Auf einen Gewinn hatte College Hartmann von vorn herein bei dem
Unternehmen es nicht abgesehen, helfen wir wenigstens jetzt, so viel an
uns ist, dass das Unternehmen fortbestehen kann. Wie angenehm ist es
fĂŒr uns, dass der Herausgeber jĂ€hrlich das zeitraubende GeschĂ€ft der
Preis-Revision fĂŒr uns auch noch gratis besorgt!
Es genĂŒgt hier nicht, Lob und Dank zu spenden, wir sind dem Col-
legen Hartmann schuldig, auch durch die That sein Unternehmen zu unter-
stĂŒtzen !
Jena, Febr. 1372. Dr. R. Mirus.
Druckfehler.
Im Heft 2, (Toxikologie) Seite 128 ist in der Anfangszeile des Auf-
satzes zu lesen: âein StĂŒck eines sehr festen ete.â nieht reinen ete.
D. Anzeigen.
Im chemisch-pharmaceutischen Institute zu Jena beginnt
am 15. April der Sommereursus. â
Jena, d. 25. MĂ€rz 1872. â Dr. H, Ludwig, a. Prof. u. Direetor desselben.
Im Verlage von Friedrich Wreden in Braunschweig ist soeben
erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben;
Grundriss der Arzneimittellehre
Dr. ©. Kolb.
. Zweite vermehrte und verbesserte Auflage.
Taschenformat. Preis: gebunden 1 Thlr. 18 Sgr.
In dieser neuen Auflage hat der Herr Verf. viele Partieen ganz um-
gearbeitet, alle Erfolg versprechenden neuen Mittel aufgenommen, die
Inhalationen und die subeutanen Injectionen medieamentöser Substanzen
berĂŒcksichtigt und dem metrischen Dosirungs - System Rechnung getragen,
234 Anzeigen,
Abweisung einer gehÀssigen Insinuation.
Eine Kritik der von uns vertheilten Schrift des Herren Dr. Meyn,
âdie richtige WĂŒrdigung des Peru-Guanos,â welche in den âAnnalen
der Landwirthschaftâ erschien, und in welcher diese Schrift als eine
gewöhnliche Reklame fĂŒr einen, solcher HĂŒlfsmittel bedĂŒrftigen Artikel
geschildert wurde, machte auf uns, namentlich bei der hervorragenden
Bedeutung des Organs, in welchem sie erschien, den allerpeinlichsten
Eindruck. Wir hatten uns zu der Vertheilung dieser Schrift nur ent-
schlossen, nachdem wir selbst, gestĂŒtzt auf das Urtheil bedeutender Agri-
eulturchemiker, uns glaubten ĂŒberzeugt zu haben, dass dieselbe unseren
wichtigen Handels -Artikel, welcher keiner Reklame bedarf, mit wissen-
schaftlichen GrĂŒnden in seiner volkswirthschaftlichen Bedeutung klar lege.
Die Abwehr des Herın Dr. Meyn kam uns daher erwĂŒnscht, allein die
unmittelbar darauf folgende Replik des ersten Recensenten, welchem das
Manuseript merkwĂŒrdiger Weise vorher eingehĂ€ndigt war, beschuldigte
nun uns, dass wir eine geschiekte Reklame gemacht und die
Freundschaft des Herrn Dr. Meyn, der in die Falle gegangen,
dazu benutzt hÀtten!
Wir waren fest entschlossen, diese niedrige Insinuation zu beantwor-
ten, jedoch haben wir jetzt darauf verzichtet, nachdem sich herausgestellt
hat, dass der Verfasser der Kritik der GeschĂ€ftsfĂŒhrer einer Fabrik in
der NĂ€he Berlins ist, in welcher aus schwefelsaurem Ammoniak und Su-
perphosphat sogenannte ammoniakalische Superphosphate gemischt wer-
den. Der Verfasser dĂŒrfte daher weniger im Interesse der Wissenschaft,
als im Interesse der von ihm vertretenen Fabrik seine Feder in Bewegung
gesetzt haben und wird das Publikum sich demnach selbst ein Urtheil
bilden können, in wieweit seine Kritik auf Unparteilichkeit basirt ist.
Hamburg, 16. MĂ€rz 1372.
Ohlendorff & Co.
alleinige Importeure des Peru-Guano fĂŒr Deutschland,
die Schweiz, DĂ€nemark, Norwegen, Schweden und
Russland.
Wichtige illustr. Werke fĂŒr Apotheker u. s.w. JĂ€ger, Apo-
thekergarten (100 Illustrationen) Rthlr. â 25. Löbe, Anbau der Arznei-
pflanzen (20 Illustr.) Rthl. â 10. âVorstehende Werke sind v. d. Kritik
als vortreffliehe Rathgeber anerkannt.â
Verlag von Cohen & Risch. Hannover. (Zu beziehen durch jede
Buchhandlung.)
Prima Schweinefett
ganz weiss, fester Consistenz & Pfund, 6%/, Sgr.
A. Gonschior in Breslau.
Halle, Buchdruckerei des Waisenhauses.
r
Fl Is io: erreeT
a DE HRRETRT
«
Yan Hoyh hertogfuab li ©
e:- Or N
ierase. we Bias Ze
ARCH!
DER -
PHARMACIE
Bine Zeitschrift
des
allgemeinen deutschen Apoiheker-Vereins,
Abtheilung Norddeutschland.
Herausgegeben vom Directorium unter Redaction
von
H. Ludwig.
22, Jahrgang.
Im Selbstverlage des Vereins.
In Commission der Buchhandlung des Waisenhauses in Halle a/S.
1872.
ARCHIV
DER
PHARMAUCIE
Zweite Reihe, CL. Band.
Der ganzen Folge CC. Band.
Unter Mitwirkung der Herren
Ad. Bayer, ©. Facilides, âŹ. Ph. Falck, F. A. FlĂŒckiger, E. Heintz,
0. Hesse, A. Hirschberg, P. Horn, Karl Jehn, R. Kemper,
W. Kirchmann, H. Miller (Jena), H. Paehler, E. Pfeiffer, R. Sie-
mens, W. Stromeyer und Fr. Wilh. Theile
herausgegeben vom Directorium unter Redaction
H. Ludwig.
51. Jahrgang.
Im Selbstverlage des Vereins.
In Commission der Buchhandlung des Waisenhauses in Halle a/S.
1872.
x
NEED RAN
r " i Wi k rn Er I
OR AN WIE N
ARCHIV DER PHARMAGIE
GC. Bandes erstes Heft.
A. Originalmittheilungen.
Il. Chemie und Pharmacie.
Ueber den Euxenit von Hitteröe.
Von Dr. Carl Jehn in Geseke,
Zu den Mineralien, welche Yttrium, Cer und die
damit verwandten Metalle als Oxyde und Niob mit seinen
Begleitern als SÀuren enthalten, gehört auch der Euxenit.
Anfangs 1871 erhielt ich einige Gramme Euxenit von
eimem neuen Fundorte, von der Insel Hitteröe bei Nor-
wegen, durch Herrn Prof. Dr. @. vom Rath in Benn,
welcher mir denselben zur qualitativ-quantitativen Unter-
suchung freundlichst ĂŒberliess. Von den frĂŒheren Analysen
des Euxenits sind zu nennen die von Strecker, Chyde-
nius und von D. Forbes und Dahle, welche jedoch
sĂ€mmtlich bedeutend differiren. Ich ĂŒbergehe dieselben und
beschrÀnke mich darauf, eine Analyse aus der letzten Zeit .
anzufĂŒhren.
Dieselbe rĂŒhrt von Behrend her (Ber. d. deutsch.
chem. Gesellschaft 1869), welcher den Euxenit von Eyd-
land bei LindernÀs im Norwegen untersuchte und fol-
gende Zahlen fand:
Nb20° 31,98 %,.
TiO? 19,17 â
UO 19,59,
Yo 1823 ;,
led 2,54 â
FeO 4,77 â
UaO 1 We ae
Alkalien 0,82 â
H?O 2,40 â
100,92 °/,.
Arch, d, Pharm. CC, Bda, 1, Hit, 1
2 Ueber den Euxenit von Hitteroe.
Herr Professor Rammelsberg leitet aus obiger Ana-
lyse fĂŒr den Buxenit folgende Formel ab:
R+Nb2Ti2013 + H2O oder
R2Nb207
Re + H20.
2RTIOÂź
Der mir zur Untersuchung ĂŒbergebene Euxenit von Hit-
terde war schwarz, in dĂŒnnen Schichten rothbraun durch-
scheinend, zeigte einen muschligen Bruch und liess sich ziem-
lich leicht pulvern. Eine qualitative Analyse stellte die
Anwesenheit nachstehender Stoffe fest: :
Nb?03, TiO2, U0, CeO, YO, CaO, Al?0Âź, FeO, MgO
und Spuren von K?O und Na?0.
Zur Bestimmung des Wassergehaltes wurde die fein
zerriebene und gebeutelte Substanz im Exsiccator ĂŒber CaCl?
getrocknet und dann 4 Stunden lang im Trockenapparate bei
100°C. gehalten; es trat keine Gewichtsverminderung ein.
Hierauf wurde sie. in ein Porzellanschiffehen gegeben und in
einer Glasröhre 2 Stunden lang im CO?Strome geglĂŒht. Als
Mittelwerth von zwei auf diese Weise ausgefĂŒhrten Bestim-
mungen ergab sich der Wassergehalt des Euxenits zu 2,87 %,.
Hierauf ging ich zur vollstĂ€ndigen quantitativen Analyse ĂŒber.
Das fein gepulverte Mineral wurde in einer zugeschmol-
zenen Glasröhre mit einem Gemisch von 4 Vol, conc. H2SO4
und 3 Vol. H?O 12 Stunden lang im Luftbade auf circa
250°0. erhitzt. Nach Verlauf dieser Zeit war die Nb2O°
als ein rein weisses Pulver am Boden der Röhre abgeschie-
den. Letztere wurde geöffnet, der Inhalt derselben in eine
gerĂ€umige Schale mit Wasser gespĂŒlt, die SchwefelsĂ€ure
mit Ammoniak fast neutralisirt und nunmehr durch anhalten-
des Kochen die TiO? gefÀllt. Die Trennung der Niob- und
TitansĂ€ure wurde mit einer verdĂŒnnten KHO-Lösung
bewirkt, wobei sich erstere löste. Aus der stark verdĂŒnnten
alkalischen Lösung wurde kochend die Nb?OŸ mit H?S0#
gefÀllt. Der Niederschlag ist eine Verbindung von NiobsÀure
und SchwefelsÀure. Zur Beseitigung der letzteren wurde er
unter Zusatz von Ammoniumcarbonat stark geglĂŒht, â
Ueber den Euxenit von Hitteröe. 3
Die von Nb?O5 und TiO? befreite, schwachsaure FlĂŒs-
sigkeit wurde mit O?H?NaO? versetzt, so dass sie nur noch
freie EssigsÀure enthielt, und dann mit Ammoniumoxalat. Die
gefÀllten Oxalate von Kalk, Yttriumoxyd und Ceroxydul wur-
den abfiltrirt, mit verdĂŒnnter Ammoniumoxalatlösung ausge-
waschen, getrocknet und zur Zerstörung der C?H?0O% geglĂŒht.
Der aus Kalk, Yttriumoxyd und Ceroxyd bestehende RĂŒck-
stand wurde in HĂl gelöst, und aus der verdĂŒnnten Lösung
durch kohlensÀurefreies Ammoniak Ceroxyd und Ytter-
erde gefÀllt. Der Niederschlag wurde mit etwas H?SO4
aufgenommen, die Lösung mit KHO fast neutralisirt und dann
mit einer gesÀttigten Lösung von neutralem Kaliumsulfat ver-
setzt. Nach 24 Stunden wurde das ausgeschiedene Cerdop-
pelsalz abfiltrirt, mit Kaliumsulfatlösung ausgewaschen, in
kochend heissem, schwach HĂCl-haltigen Wasser gelöst und
wieder mit C?H?0? als Ceroxalat gefÀllt. Wegen der Anwe-
senheit der ziemlich bedeutenden Menge von Kali wurde der
Niederschlag abermals in HCl gelöst und mit Ammonium-
oxalat gefÀllt. (Vorgeschlagen von Rose-Finkener, $. 69.)
Das abfiltrirte und gut ausgewaschene Ceroxalat wurde
im bedeckten Tiegel ĂŒber dem GasgeblĂ€se geglĂŒht. Der
GlĂŒhrĂŒckstand besteht, wie zuerst Bunsen nachgewiesen
hat, aus Ce? 0%
Das Filtrat, welches das Yttriumkaliumdoppelsulfat ent-
hielt, wurde mit Ammoniumoxalat versetzt und 24 Stunden
lang sich selbst ĂŒberlassen. Der Niederschlag, ein Doppel-
salz von Kaliumoxalat und Yttriumoxalat, wurde abfiltrirt und
durch GlĂŒhen in Kaliumcarbonat und Yttriumoxyd verwan-
delt. Eine Trennung beider durch Auswaschen mit Wasser
ist nicht leicht zu bewerkstelligen, da das geglĂŒhte Yttrium-
oxyd sich in einem so fein zertheilten Zustande befindet, dass
es sich nur sehr schwierig abfiltriren lÀsst. Ich löste dess-
halb nach dem Vorschlage von Th. Scheerer (Rose-
Finkener, 5.64.) das Gemenge in SalpetersÀure und fÀllte
die Yttererde mit Ammoniak. Der gut ausgewaschene und
getrocknete Niederschlag wurde stark geglĂŒht und als YO
1 *
4 Ueber den Euxenit von Hitteröe. |
bestimmt. Die obenerwÀhnte Lösung der drei Erden enthielt
jetzt nur noch Kalk, welcher auf die gewöhnliche Weise
als Caleciumoxalat gefĂ€llt, durch GlĂŒhen ĂŒber dem GasgeblĂ€se
in CaO verwandelt und als solcher gewogen wurde. Die auf
angegebene Weise von SĂ€uren und den genannten Erden
befreite ursprĂŒngl. FlĂŒssigkeit wurde, um das Uranoxydul in
Lösung zu halten, mit ĂŒberschĂŒssigem Ammoniumcarbonat und
dann mit Schwefelammonium versetzt, Die FĂ€llung von
Thonerdehydrat und EisensulfĂŒr wurde abfiltrirt, in HCl gelöst
und zur Oxydation des Eisens mit. einigen Tropfen HNOÂź
behandelt.
Aus der Lösung wurde mit Kalilauge das Eisen gefÀllt
und als Fe?O3 bestimmt. Das Filtrat wurde mit HĂl schwach
angesÀuert und mit Ammoniak die Thonerde abgeschieden.
Die FlĂŒssigkeit, welche. jetzt nur noch Uran und Magnesia
enthielt, wurde mit HĂl ĂŒbersĂ€ttigt, durch Eindampfen con-
centrirt, vom ausgeschiedenen Schwefel durch Filtration befreit,
mit Ammoniak ĂŒbersĂ€ttigt, dann mit Ammoniumsulfid versetz!
und eine halbe Stunde lang gekocht. Der hierdurch erzeugte
Niederschlag von Uranoxydul kann kleine Mengen von
Schwefelammonium enthalten. Derselbe wurde abfiltrirt und
mit H2O. ausgewaschen, dem etwas Schwefelammonium und
Chlorammonium hinzugefĂŒgt war.
Nach dem Trocknen wurde das Uranoxydul in einem
Roseâschen Tiegel im Wasserstoffstrome stark geglĂŒht und
als UO bestimmt. Die FlĂŒssigkeit enthielt jetzt nur noch Mag-
nesia, welche auf die gewöhnliche Weise als Ammonium-
magnesiumphosphat gefÀllt und als Masnesiumpyrophosphat
bestimmt wurde.
Als Mittelwerth von drei, auf angegebene Weise aus-
gefĂŒhrten Analysen erhielt ich fĂŒr die Zusammensetzung des
Euxenits von Hitteröe folgende Zahlen:
Ueber den Euxenit von Hitteröe.
Nb2 05 18.37...
TiO? 34,96
A203 Alâ;
FeO 2,54 â
CaO 463,5
Geo 8,43 â
Yo 13:20 ,
UO Er PO
MgO Re
H20 2,87 â
IN08T-
Es berechnet sich demnach das VerhÀltniss der ver-
schiedenen Bestandtheile folgendermassen:
Es
Nb?20° =
TiO?
A1?O3
FeO
CaO
CeO
Yo
uO
MgO
ist ferner zu
2 â GAB
â nn â 42,63
EN = 2.
= BT
- = 2,91
=. â 7,81
â = 16,44
- = 50
_ = 9,80
berĂŒcksichtigen, dass das H?O im
als Krystallwasser,
Euxenit höchst wahrscheinlich nicht
sondern als sogenanntes basisches Wasser vorhanden ist,
Es ist somit zu den Basen hinzu zu addiren;
6 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
287
18
H?O â â 1,94%
Wenn wir nun bei der Ueberzahl der zweiwerthigen
Elemente alle gefundenen Zahlen auf Zweiwerthigkeiten zu-
rĂŒckfĂŒhren, so mĂŒssen wir die vierwerthige Nb?O° mit 2 mul-
tiplieiren. Wir erhalten alsdann Nb?0° â 12,96. Die Summe
der fĂŒr die SĂ€uren gefundenen Zahlen ist, wenn wir die
Thonerde mit zu den SĂ€uren rechnen und als zweiwerthig
ansehen â= 60,84, der fĂŒr die Basen gefundenen Zahlen
â 62,13. |
Es herrscht somit, wenn man die Schwierigkeit, die ein-
zelnen Basen scharf zu trennen, in ErwÀgung zieht, eine
genĂŒgende Uebereinstimmung. Man sieht, dass wir im Hit-
teröer Euxenit ein Salz-Gemenge haben, fĂŒr welches, da
das VerhÀltniss der Aluminate, Niobate und Titanate zu
einander ungefÀhr wie 2:5:15 ist, folgende Formel aufge-
stellt werden kann:
2 (RO, Al202) + 5(2RO,Nb205) + 15. (RO, TiO?)
âworin R = Fe,Ca,Ce, Y,U,Mg und H2
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
Von O. Hesse.*)
Von den vielen Verfahren, die zur Darstellung des Mor-
phins empfohlen wurden, wird das von Robertson ange-
gebene und von Gregory verbesserte Verfahren als das-
jenige bezeichnet, nach welchem sich alle ĂŒbrigen Opium-
basen gewinnen lassen sollen. Dieses Verfahren besteht
bekanntlich darin, dass dieâ Alkaloidsalze des Opium durch
*) Als Separatabdruck aus den Annal. d. Chem, u. Pharm. VIII. Sup-
plementband, 3. Heft, (Januar 1872) vom Herrn Verfasser erhalten. Mit
Hinweglassung der Zahlenbelege f. d. Analysen hier wieder gegeben.
A. 1.
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 7
Wechselzersetzung mit Chlorcaleium in Chlorhydrate umge-
wandelt werden, von welchen sich bei einer gewissen Ăon-
centration, niederen Temperatur und lÀngeren Zeitdauer das
Morphin-, Pseudomorphin- und Kodeinsalz vollstÀndig ab-
scheidet, wĂ€hrend die ĂŒbrigen Basen, das Narkotin, 'Thebain,
Papaverin und Narcein, nach Anderson in der Mutterlauge
gelöst bleiben. Indem nun seit der Zeit, dass Anderson seine
interessante Untersuchung ĂŒber diese Basen veröffentlichte,
eine ziemliche Anzahl von neuen Opiumbasen aufgefunden
worden ist, so war es von grossem Interesse, zu untersuchen,
ob die bei anderen Verfahren erhaltenen neuen Alkaloide
auch in der Mutterlauge enthalten seien, wie solche bei dem
bezeichneten Verfahren erhalten wird. Da sich diese neuen
Basen mehr oder weniger in Ammoniak lösen, so war anzu-
nehmen, dass wenn man fragliche Mutterlauge mit dem
gleichen Volumen heissen Wassers vermischte und mit einem
Ueberschuss von Ammoniak ausfÀllte, diese Substanzen voll-
stĂ€ndig in Lösung bleiben wĂŒrden.
Der Erfolg hat meiner Voraussetzung nicht ganz ent-
sprochen, insofern nemlich, als ein (allerdings unerheblicher
Theil Lanthopin mit in den harzigen Niederschlag ĂŒber-
geht, welcher hierbei erhalten wird. Die von diesem Nieder-
schlage getrennte vollkommen klare Lösung wurde mit der
zur Lösung der Basen erforderlichen Menge Aether aus-
geschĂŒttelt und demselben die Basen durch verdĂŒnnte Essig-
sÀure wieder entzogen. Nachdem die in der essigsauren
Lösung enthaltenen Alkaloide in der frĂŒheren Weise *) mit-
telst Natronlauge in einen darin unlöslichen Theil (N) und
eine in der Aetzlauge lösliche Partie zerlegt worden waren,
wurde vor allen Dingen an die Trennung der in der Natron-
lauge gelösten Basen gegangen. Zu dem Zwecke wurde die
basische Lösung bis zur beginnenden TrĂŒbung mit SalzsĂ€ure
versetzt, mit Salmiak schliesslich ausgefÀllt und die ausge-
schiedenen, resp. die im Ammoniak gelösten Basen an Aether
ĂŒbergefĂŒhrt, aus welchem sie wieder an verdĂŒnnte EssigsĂ€ure
*) Ann, Chem, Pharm, CLIJI, 47.
8 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
gebracht wurden. Nach Entfernung des Aethers wurde die
saure Lösurg genau mit Ammoniak neutralisirt, nach Verlauf
von 24 Stunden die kleine Menge Lanthopin, welche sich
abgeschieden hatte, abfiltrirt, und das Filtrat, das kein Kodein
enthielt, weil sich dasselbe, wie Eingangs dieses erwÀhnt
wurde, schon in Verbindung mit SalzsÀure abgeschieden hatte,
mit Ammoniak niedergeschlagen, wodurch ein harziger Nie-
derschlag entstand.
Dieser Niederschlag löste sich in siedendem verdĂŒnnten
Alkohol leicht auf, worauf sich beim Erkalten der Lösung
weisse Krystalle in grosser Menge ausschieden, die ein Ge-
menge von Laudanin und Kryptopin waren, welches
mittelst Jodkalium in seine beiden Bestandtheile zerlegt wer-
den konnte (vergl. Laudanin).
Die alkoholische Mutterlauge, welche das Mekonidin
und Kodamin enthalten sollte, wurde von dem Alkohol
befreit und das sich ausscheidende braune Harz mit geringen
Mengen siedenden Aethers behandelt, um ihm genannte Basen
zu entziehen. Aber weder der im Aether unlösliche, noch
der in Lösung ĂŒbergegangene Theil der Basen gab mit ver-
dĂŒnnter SchwefelsĂ€ure erwĂ€rmt die rothe FĂ€rbung des Meko-
nidins, das mithin bei dem in Rede stehenden Verfahren der
Morphindarstellung zersetzt wird. Allein es wollte auch
zuerst nicht gelingen, aus der Àtherischen Lösung krystallisir-
tes Kodamin zu erhalten. Da diese Base mit HJ ein gut
krystallisirendes, schwer lösliches Salz bildet, so wurde ver-
sucht, dasselbe aus dem Gemenge darzustellen und desshalb
die essigsaure Lösung mit etwas Jodkalium vermischt. Dabei
schied sich anfangs nur eine amorphe harzige Masse . ab;
spÀter fand man dieselbe von Krystallen durchsetzt und auch
darĂŒber hatten sich an den GefĂ€sswĂ€nden eimige Krystall-
gruppen angesetzt. Es wurde jetzt, weil die Krystallbildung
weiter, wenn auch Àusserst langsam fortschritt, die klare
Lösung abgegossen und die erwÀhnte Abscheidung durch das
Entstehen eines flockigen Körpers innerhalb der Lösung zu
beschleunigen versucht, was auch gelang; denn etwas Silber-
salpeter, zu der ĂŒberschĂŒssiges Jodkalium enthaltenden Lösung
Beitrag zur Kenntnissg der Opiumbasen, 9
gebracht, erzeugte nicht nur die FĂ€llung von Jodsilber, son-
dern veranlasste auch die Abscheidung von Kodaminjodhydrat.
Aus dem Niederschlage wurde dann das Kodamin in der
bei dieser Base angefĂŒhrten Weise abgeschieden.
Auch wurde spÀter das Kodamin in der Art erhalten,
dass man die brÀunliche Àtherische Lösung mit geschmolze-
nem Chlorcaleium schĂŒttelte, welches Wasser, Alkohol *)
und einen grossen Theil der fÀrbenden amorphen Substanzen
niederschlug und so die Base fÀhig machte, Krystalle zu bil-
den. Ingleichen wurde die essigsaure Lösung der Basen mit
Kochsalz ausgefÀllt, das ausgeschiedene Harz entfernt und
aus der Lösung die Basen wieder nach Zusatz von Ammo-
niak an Aether ĂŒbergefĂŒhrt, welcher bei seinem Verdunsten
ebenfalls etwas Kodamin lieferte.
Die Versuche, etwa weitere alkalische Substanzen aus
der letzten Àtherischen Lösung abzuscheiden, blieben erfolglos,
wenigstens konnte in keiner Weise. neue Krystallbildung
beobachtet werden.
FĂŒr mich besonders interessant musste die Untersuchung
des in Natronlauge unlöslichen Niederschlages N (8. 7)
sein, in welchem nach FrĂŒherem das Thebain und Papa-
verin zu suchen war. Von diesen Basen neutralisirt das
Thebain die EssigsÀure vollstÀndig, wÀhrend die andere Base,
das Papaverin, diese Eigenschaft nicht besitzt. Es lag nahe,
dass auf dieses ungleiche Verhalten ein einfaches Verfahren
der Trennung beider Alkaloide basirt werden könne.
Zu diesem Zwecke wurde die fein zertheilte Masse bei
mĂ€ssiger WĂ€rme mit verdĂŒnntem Weingeist digerirt und
gleichzeitig so lange verdĂŒnnte EssigsĂ€ure zugebracht, bis
von der Lösung blaues Lackmuspapier schwach geröthet
wurde. Alsdann wurde hierzu etwa das dreifache Volumen
kochendes Wasser gebracht, wodurch eine krystallinische
FÀllung entstand, das Gemisch zu möglichster Entfernung
des Alkohols einer Temperatur von 50° ausgesetzt und
*) Der angewandte Aether enthielt etwas Alkohol.
10 Beitrag zur Kenntaiss der Opiumbasen,
danach der aus Papaverin und Narkotin bestehende
Niederschlag abfiltrirt, dessen weitere Behandlung unten (vgl.
Narkotin) angefĂŒhrt wird.
Das Filtrat hiervon gab auf Zusatz von pulverisirter
WeinsÀure eine reichliche Krystallisation von Thebainbi-
tartrat. Dasselbe löst sich leicht in concentrirter SalzsÀure
auf; wenn man also concentrirte SalzsÀure anstatt WeinsÀure
zu dieser Lösung bringt, so ist keine Ausscheidung von The-
bainsalz zu gewÀrtigen. Gleichwohl entstanden in der Lö-
sung auf Zusatz von SalzsÀure Krystalle, welche mit denen
des Thebainbitartrates die grösste Aehnlichkeit hatten, indess,
wie es sich bald herausstellte, aus Kryptopinchlorhy-
drat bestanden. Leider eignet sich die MutterlÀuge des
Kryptopinsalzes wegen der grossen Menge .SalzsÀure, die
Behufs der Abscheidung des Chlorhydrats zugesetzt werden
musste und die sie noch enthÀlt,*) nicht besonders gut zur
Darstellung der ĂŒbrigen Basen, so dass ich auf die FlĂŒssig-
keit wieder zurĂŒckkomme, aus welcher das meiste Thebain
mittelst WeinsĂ€ure abgeschieden worden ist. Diese FlĂŒssig-
keit wird in der WĂ€rme genau mit Ammoniak neutralisirt,
dann nach dem Erkalten mit 3 pC. von ihrem Gewicht an
doppelt-kohlensaurem Natron, das mit Wasser abgerieben
worden ist, vermischt und auf etwa 8 Tage bei Seite gestellt,
wÀhrend dem sich eine schwarze pechartige Masse abscheidet:
Die klare, wenig gefÀrbte Lösung wird hierauf abgegossen
und mit einem Ueberschuss von Ammoniak ausgefÀllt, wo-
durch ein harziger Niederschlag in reichlicher Menge ent-
steht. Die ĂŒber dem Niederschlag stehende basische Lösung
wird mit Benzin ausgeschĂŒttelt, dasselbe dann abgehoben und
mit diesem bei seiner Siedetemperatur der harzige Nieder-
schlag extrahirt.:. Das Gemisch lÀsst man hierauf auf etwa
40° erkalten, giesst dann die Lösung von dem Ungelösten
*) Die SalzsÀure liesse sich allenfalls durch kohlensaures Bleioxyd
wegnehmen, aber in der Lösung befindet sich dann eine gewisse Menge
Thebaicin, welches die weitere Untersuchung nicht unerheblich er-
schwert. Ă
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 11
(vergl. Kryptopin und Protopin) ab und schĂŒttelt sie
mit einer gesÀttigten 'wÀsserigen Lösung von Natronbicarbo-
nat, worauf die klare Lösung, einer niederen Temperatur
ausgesetzt, nach kurzer Zeit eine hĂŒbsche Menge von Lau-
danosin (vergl. diese Base) abscheidet. Sobald eine Zu-
nahme der Krystalle nicht mehr. beobachtet werden kann,
wird die Benzinlösung abgegossen, resp. abfiltrirt und aus
der letzteren durch vorsichtiges Zuleiten von SalzsÀuregas
das Hydrokotarnin niedergeschlagen (vergl. Hydrokotar-
nin). Das von den Krystallen des salzsauren Hydrokotarnins
getrennte Benzin enthÀlt wohl noch basische Substanzen, aber
dieselben liessen sich nicht in eine empfehlenswerthe Form
bringen, desshalb von einer Untersuchung derselben vorerst
abgesehen wurde. Es sei nur noch erwÀhnt, dass sich aus
der das Laudanosin liefernden Benzinlösung anfÀnglich eine
Base in gelblichweissen KlĂŒmpchen abschied, welche sich
leicht in siedendem PetroleumÀther löste, sich beim Erkalten
desselben als ein fast weisses, anscheinend amorphes Pulver
ausschied und sich in eisenoxydhaltiger concentrirter Schwe-
felsÀure mit blauer Farbe löste. Ueberhaupt kam mir bei
dieser Untersuchung das verschiedene Verhalten vieler Opium-
basen zu reiner und zu eisenoxydhaltiger concentrirter Schwe-
felsĂ€ure sehr zu statten, wobei gleichzeitig der Beweis gefĂŒhrt
wird, dass schwefelsaures Eisenoxyd, welches bislang fĂŒr
gÀnzlich unlöslich in concentrirter SchwefelsÀure galt, sich in
dieser SÀure etwas löst, Man erhÀlt die eisenoxydhaltige
SĂ€ure durch Behandeln von reinem Eisenoxyd mit concen-
trirter reiner SĂ€ure, oder wenn man zu letzterer etwas Eisen-
chlorid bringt. Die Lösung wird, nachdem sich etwas Eisen-
oxydsulfat abgesetzt hat, abgegossen und so verwendet. Auch
lÀsst sich eine solche SÀure verwenden, in der geringe Men-
gen des weissen Sulfats suspendirt sind, doch erschweren die
letzteren die Beobachtung des Verlaufes der Reaction. Bis-
weilen bildet sich eine solche SĂ€ure ganz von selbst, wenn
nemlich reine concentrirte SÀure lÀngere Zeit in GlasgefÀssen
aufbewahrt bleibt, offenbar in Folge der Corrosion des Glases
durch die SĂ€ure.
11% Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
Ein Beispiel der verschiedenen Reaction, je nachdem die
reine oder eisenoxydhaltige concentrirte SchwefelsÀure ange-
wendet wird, mag jetzt schon angefĂŒhrt werden.» Kodein,
das sich bekanntlich auf Zusatz von Eisenchlorid nicht fÀrbt
und sich nach Riegel, Guy und T. und H. Smith farblos
in reiner concentrirter SchwefelsÀure löst, was ich bestÀtigen
kann, löst sich dagegen in eisenoxydhaltiger SchwefelsÀure
allmÀhlig mit schön blauer Farbe. Diese letztere Reaction ist
ĂŒbrigens nicht neu, sondern bereits von Dragendorff ange-
geben worden; freilich meint dieser Chemiker, dass die von
ihm angewandte SĂ€ure rein gewesen sei. Findet jedoch bei
dieser Reaction eine Temperatur von etwa 150°. statt, so
ist, wenn Kodein angewendet wurde, kein Unterschied in dem
Verhalten zu bemerken, insofern sich die Lösungen in beiden
FĂ€llen schmutzig grĂŒn fĂ€rben,
Nach diesen Erörterungen werden also bei der Robert-
son-Gregoryâschen Methode der Morphindarstellung ausser
Morphin folgende Alkaloide erhalten: Kodein, âThebain,
Papaverin, Narcein, Narkotin, Pseudomorphin,
Laudanin, Kodamin, Lanthopin, Kryptopin, Pro-
topin, Laudanosin und Hydrokotarnin, dagegen wird
dabei das Mekonidin vollstÀndig zersetzt. Ich habe mich
indess nicht darauf beschrÀnkt, diese verschiedenen Stoffe
ânachzuweisen, resp. abzuscheiden, sondern dieselben, inso-
fern als es nicht schon frĂŒher geschehen ist, einer genauen
Untersuchung unterworfen, der nun die folgenden Zeilen
gewidmet sind.
Pseudomorphin.
_ Die Darstellung dieser Base habe ich frĂŒher*) schon
angegeben. Allein wie ich inzwischen gefunden habe, gelingt
es nicht immer,: dieses Alkaloid aus dem Opium abzuschei-
den, wahrscheinlich desshalb, weil das Opium bisweilen ent-
weder frei von Pseudomorphin ist oder doch so geringe
Mengen davon enthÀlt, dass sich dieselben der Beobachtung
*) Ann. Chem. Pharm, CXLI, 87.
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 13
entziehen. Nur einmal war es mir im Laufe von 4 Jahren ver-
gönnt, bei einem besseren Smyrnaer Opium einen namhaften
Gehalt von Pseudomorphin constatiren zu können.
Das Pseudomorphin scheidet sich, wenn es aus seinen
Salzlösungen mittelst Ammoniak gefÀllt wird, immer mit
Krystallwasser ab; doch existiren mindestens zwei Verbin-
dungen mit verschiedenem Wassergehalt. Schon frĂŒher wurde
angefĂŒhrt, dass bei 120°C. getrocknetes Pseudomorphin an
feuchter Luft alsbald 6 bis 7 pC. Wasser aufnehme und daher
eine Verbindung von der Formel C!âH!âNO? + H?O zu
existiren scheine. Um nun diese Frage zu erledigen, wurde
salzsaures Pseudomorphin in verdĂŒnnter, wĂ€sseriger, heisser
Lösung mit Ammoniak zersetzt und das sich in SchĂŒppchen
ausscheidende Alkaloid an der Luft getrocknet.
â Es wurde der Wassergehalt zu 8,42 â 9,50 pĂ. gefun-
den. Diese Zahlen nĂ€hern sich der fĂŒr C17H1?âNOÂź + 1'/, H?O
berechneten Zahl, welche sich zu 8,2 ergiebt. Ich glaube
jedoch, dass dieses Hydrat ein Gemenge von C1âH!?NO#
+ H2O und der folgenden Verbindung C!âH!?âNO* + 4H?O
ist. Dieses letztere Hydrat entsteht, wenn die heisse, wÀsse-
rige, verdĂŒnnte Lösung des Chlorhydrats mit weinsaurem Ka-
linatron vermischt wird. Es bildet kleine, weisse, glÀnzende
SchĂŒppchen, welche sich eben so zu Wasser und Alkohol ver-
halten, wie das andere Hydrat.. Dieses Hydrat gab:
18,02, 18,19 bis 18,24%, -H?O.
Die Formel C1?H!?NO* + 4H?O verlangt 19,30%, H?O.
Der etwas zu niedrig "gefundene Wassergehalt deutei
darauf hin, dass diesem Hydrat wahrscheinlich geringe Mengen
von C17H19 NO* + H?O beigemischt gewesen sind.
In reiner concentrirter SchwefelsÀure löst sich das Pseu-
domorphin farblos auf, doch fÀrbt sich die Lösung bald oli-
vengrĂŒn. Wenn die frisch bereitete Lösung schwach erwĂ€rmt
wird, so tritt rasch die schmutzig -grĂŒne FĂ€rbung ein, wie
solche unter den gleichen UmstÀnden mit Morphin erzielt
werden kann. Wasser, zu der in der KĂ€lte frisch bereiteten
Lösung gebracht, erzeugt einen weissen krystallinischen
Niederschlag von Pseudomorphinsulfat,
14 | Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
Das Pseudomorphin bildet mit SalpetersÀure von 1,06 sp.
Gew. zunÀchst das Nitrat, welches aber bald in das salpeter-
saure Nitropseudomorphin ĂŒbergeht, falls ein kleiner Ueber-
schuss von SĂ€ure angewendet wird. Aber das nene Derivat,
welches in kleinen gelben Krystallen anschiesst, verschwindet
fast eben so schnell, als es entsteht, so dass zu einer genauen
Untersuchung desselben nicht das nöthige Material beschafft
werden konnte.
Wird das Pseudomorphin dem Einflusse reducirender
Mittel ausgesetzt, wie schweflige SĂ€ure, Schwefelwasserstoff
oder Wasserstoff (aus Zink und Wasser in saurer und alka-
lischer Lösung entwickelt), so erleidet es nicht die geringste
VerÀnderung.
Was ferner die Salze dieser Base betrifft, so habe ich
darĂŒber noch Folgendes ermittelt.
Saures weinsaures Pseudomorphin =
617H19N04, C4H606 + 6H2O
wird in kleinen farblosen Prismen erhalten, wenn man die
Base in verdĂŒnnter WeinsĂ€ure bei gelinder WĂ€rme auflöst,
oder zur essigsauren Lösung des Alkaloids WeinsÀure setzt.
Durch Umkrystallisiren aus kochendem -Wasser lÀsst es sich
leicht rein darstellen. Es löst sich ziemlich leicht in kochen-
dem Wasser auf, dagegen erfordert 1 Theil Salz bei 18°C.
429 Theile Wasser zur Lösung.
Neutrales weinsaures Pseudomorphin scheint
nicht darstellbar zu sein.
Bromwasserstoffsaures Pseudomorphin. wird
aus der essigsauren Lösung der Base mittelst Bromkalium
erhalten und krystallisirt in kleinen weissen, in Wasser sich
schwer lösenden Prismen.
Jodwasserstoffsaures Pseudomorphin =
CY7H!?âNO#HJ + H?0O
wird durch Wechselzersetzung von Pseudomorphinchlorhydrat
mit durch EssigsÀure schwach angesÀuerter Lösung von Jod-
kalium erhalten. Es scheidet sich aus verdĂŒnnter Lösung in
kleinen farblosen Prismen ab, die sich bei 18°C. m 793 Thei-
len Wasser lösen,
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 15
Chromsaures Pseudomorphin =
2C017HPNO#, CrÂźH?207 + 4 H%0.
Die wÀsserige Lösung des Chlorhydrats giebt auf Zusatz
von Kalibichromatlösung einen gelben, aus kleinen Prismen
bestehenden Niederschlag, welcher, in Masse gesehen, gelb-
braun und nach dem Trocknen bei 80° kaffeebraun gefÀrbt
erscheint. Bei der Darstellung dieses Salzes ist namentlich
starke ErwÀrmung der Lösung zu vermeiden, indem andern-
falls Zersetzung eintritt und sich ein ziemlich dunkel gefÀrb-
tes Salz abscheidet. Das Chromat enthÀlt Krystallwasser,
von dem es etwa ?/, beim Trocknen ĂŒber Vitriolöl, den Rest
bei 80°C. verliert. Etwas ĂŒber 100° erhitzt, verbrennt es
und lĂ€sst schliesslich Chromoxyd zurĂŒck.
In heissem und kaltem Alkohol ist dieses Salz unlös-
lich und bedarf bei 18°C. 1090 Theile Wasser zu seiner
Lösung.
Lanthopin.
Diese Base gleicht dem Pseudomorphin darin, dass sie
EssigsÀure nicht neutralisirt; aber sie wird von Eisenchlorid
nicht gefÀrbt und bildet auch mit SÀuren Salze, welche sich
in Wasser erheblich leichter auflösen, als die Salze des Pseu-
domorphins. Ich habe mich darauf beschrÀnkt, von dieser
Base nur noch folgende Salze darzustellen.
Saures weinsaures Lanthopin wird in zarten
farblosen Prismen erhalten, welche sich sehr leicht in Wasser
und Alkohol lösen.
Saures oxalsaures Lanthopin scheidet sich in
gallertartigen, bald krystallinisch werdenden Massen ab,
welche sich ebenfalls leicht in kaltem Wasser und Alkohol
lösen.
Ferner ist anzufĂŒhren, dass sich das absolut reine Lan-
thopin in reiner concentrirter SchwefelsÀure sowohl, als auch
in eisenoxydhaltiger SÀure farblos löst und dass sich diese
Lösung in beiden FÀllen bei etwa 150° erst brÀunlich - gelb,
schliesslich dunkelbraun fÀrbt.
16 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
Laudanin.
Das Laudanin wird, wie oben erwÀhnt wurde, mit etwas
Kryptopin gemengt erhalten. Um nun das letztere Alkaloid
zu beseitigen, trÀgt man die essigsaure Lösung des Gemenges
in verdĂŒnnte ĂŒberschĂŒssige Natronlauge ein, wodurch das
Kryptopin bis auf Spuren, die in Lösung bleiben, gefÀllt
wird. Nachdem der Niederschlag krystallinisch geworden ist,
wird derselbe beseitigt, die klare Lösung mit Salmiak ver-
setzt und der Anfangs amorphe, spÀter krystallinisch wer-
dende Niederschlag gesammelt. Der Niederschlag wird hierauf
in verdĂŒnnter EssigsĂ€ure gelöst und die Lösung mit Jodka-
lium vermischt, von dem man etwas mehr nehmen muss, als
das halbe Gewicht des Niederschlages betrÀgt. Alsbald
scheidet sich das Laudaninjodhydrat als ein anfÀnglich weisses,
schliesslich gelb werdendes Krystallpulver aus, wÀhrend etwa
noch vorhandenes Kryptopin in der Mutterlauge bleibt. Das
mit kaltem Wasser gut ausgewaschene Jodhydrat wird mit
Ammoniak digerirt,â die ausgeschiedene Base in EssigsĂ€ure
gelöst, die mit Thierkohle behandelte Lösung mit Ammoniak
gefÀllt und das Alkaloid durch Umkrystallisiren aus kochen-
dem Weingeist endlich gereinigt.
Die Angaben ĂŒber die Eigenschaften dieser Base, welche
ich frĂŒherâ) machte, fanden auch jetzt ihre BestĂ€tigung mit
Ausnahme der, dass der Schmelzpunkt anstatt wie frĂŒher bei
165° jetzt bei 166° 0. gefunden wurde. Ferner ergab sich,
dass bei 18°C. 1 Theil Laudanin 647 Theile Aether zur Lö-
sung nöthig hat. FrĂŒher habe ich angefĂŒhrt, dass sich
1 Theil Alkaloid bei gewöhnlicher Temperatur in 540 Theilen
Aether löst; allein da diese Lösung in der Art erhalten wurde,
dass man ein Salz der Base in Wasser löste und die frisch
gefĂ€llte Base mit Aether behandelte, so dĂŒrfte eben der schon
frĂŒher angefĂŒhrte Fall eingetreten sein, dass eine ĂŒbersĂ€ttigte
Lösung erhalten wurde.
*) Ann. Chem. Pharm. CLIII, 53.
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 17
Bemerkenswerth fĂŒr das Laudanin dĂŒrfte sein Verhalten
zu SchwefelsÀure sein; denn reine concentrirte SÀure wird
durch das Alkaloid bei etwa 20° Àusserst schwach rosa, bei
etwa 150° schmutzig rothviolett gefÀrbt, wÀhrend eisenoxyd-
haltige SĂ€ure durch dasselbe intensiv rosa und bei 1500
schön dunkelviolett gefÀrbt wird,
Die Analyse der absolut reinen Substanz gab gegen
frĂŒher eine namhafteâ Differenz im Kohlenstoffgehalt, indem
damals fĂŒr das Alkaloid © = 73,21 pC., H = 7,68 pC. und
N=4,35 pC. gefunden wurde, wĂ€hrend sich jetzt fĂŒr das
reine und bei 100° getrocknete Alkaloid ae Zahlen
ergaben:
gefunden
C = 69,75 69,939,
27750 7,40
N 74:21 â
Daraus ergiebt sich die auch im Halgenden bestÀtigte
Formel C?°H?° NO%, welche
verlangt
u nn
C2° 240 69,97
H5 35 7,29
N 14 4,08
04 64 18,66
343 100,00.
Das Laudanin ist zwar eine starke Pflanzenbase und bil-
det mit SĂ€uren wohlcharakterisirte Salze, aber es ist eben so
fÀhig mit anderen Basen Verbindungen einzugehen. Wird die
schwach erwĂ€rmte Lösung der Base in verdĂŒnnter Kalilauge
mit concentrirter Kalilauge versetzt, so scheiden sich aus der
erkaltenden Lösung weisse seideglÀnzende, sternförmig grup-
pirte Nadeln ab. Es lÀsst sich die Ausscheidung dieser Ver-
bindung durch Zusatz von weiteren Mengen von Kalilauge in
solcher Weise vermehren, dass die Lösung zu einem weissen
Brei von Krystallen gesteht. Diese von der ĂŒberschĂŒssigen
Kalilauge möglichst befreite Verbindung löst sich leicht in
Wasser und Alkohol, ist dagegen wnlöslich in Kalilauge und
Arch, d. Pharm. CO. Bds, 1. TIft, 2
18 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
in Natronlauge. Die Krystalle verlieren beim lÀngeren Ver-
weilen an der Luft ihren Glanz, wobei sich ein weisses Pul-
ver. von Laudanin abscheidet, in Folge dessen sie sich nicht
mehr vollstÀndig in Wasser lösen.
Mit Natron lÀsst sich in analoger Weise eine Verbin-
dung erzielen, welche in ihren Eigenschaften der Kaliverbin-
dung gleich kommt. _ N
Von einer weiteren Untersuchung dieser interessanten
Verbindungen habe ich absehen mĂŒssen, da ich dieselben von
dem anhaftenden FĂ€llungsmittel nicht ganz befreien konnte.
Uebrigens folgt aus diesem Verhalten des Laudanins,
dass, will man diese Base von dem Kryptopin mittelst Aetz-
lauge trennen, ein grosser Ueberschuss von letzterer zu ver-
meiden ist.
Salzsaures Laudanin = 02°H°ŸâNO%#HCl + 6H?0.
Wenn die salzsaure Lösung der Base mit einem Ueberschuss
von SalzsÀure vermischt wird, so scheidet sich das Salz als-
bald in weissen, aus concentrisch gruppirten Prismen beste-
henden Warzen aus, welche durch Umkrystallisiren aus heissem
Wasser leicht rein erhalten werden.
Das Salz reagirt neutral, löst sich sehr leicht in Wasser
und Alkohol auf, ist unlöslich in Aether, sehr schwer löslich
in Kochsalzlösung und fast unlöslich in concentrirter Salz-
sÀure. Von dem Krystallwasser, das es enthÀlt, entweicht
ein grosser Theil bei gewöhnlicher Temperatur im Exsiccator,
der Rest bei 90%. Etwas ĂŒber 100° hinaus erhitzt, fĂ€rbt sich
das Salz gelb und schmilzt bald zu einer gelben Masse, ohne
an Gewicht zu verlieren.
Bromwasserstoffsaures Laudanin =
02°H2>NO%HBr + 2H?0O
wird in weissen Krystallwarzen erhalten, wenn man die neu-
trale essigsaure Lösung des Laudanins mit Bromkalium ver-
mischt. Es reagirt neutral und löst sich leicht in Alkohol.
Von Wasser bedarf 1 Theil Salz bei 20°C. 29 Theile zur
Lösung. Bei 100° giebt das Bromhydrat sein Krystallwasser
ab, bei einer etwas höheren Temperatur fÀrbt es sich gelb-
lich und schmilzt.
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 19
Jodwasserstoffsaures Laudanin, lufttrocken â
C?°HŸ?>NO%HJ + H?O wird in entsprechender Weise wie
vorstehendes Salz erhalten. Es bildet meist ein weisses kry-
stallinisches Pulver, das aus kleinen Kugeln besteht, welche
sich, lÀngere Zeit in der Mutterlauge gelassen, allmÀhlig gelb
fÀrben. Das Jodhydrat löst sich ziemlich leicht in heissem
Wasser und in Alkohol, sehr wenig in kaltem Wasser und
fast gar nicht in Jodkalium- und Kochsalzlösung. Bei 15°C.
bedarf z. B. 1 Theil Salz 500 Theile Wasser zur Lösung.
Bei 100° verliert das Salz leicht sein Krystallwasser und
schmilzt gegen 130° zu einer gelben, beim Erkalten amorph
erstarrenden FlĂŒssigkeit.
Essigsaures Laudanin, â Wenn das Alkaloid in,
der Weise in EssigsÀure aufgelöst wird, dass die Lösung nach-
her blaues Lackmuspapier schwach röthet, so scheidet die
Lösung, bei etwa 40° auf ein geringes Volumen gebracht,
das Laudaninaestat allmÀhlig in kleinen weissen, in Wasser
sich sehr leicht lösenden Nadeln ab.
Neutrales schwefelsaures Laudanin wird durch
genaue SĂ€ttigung von verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure mit der Base
erhalten. Die neutrale Lösung hinterlÀsst beim Verdunsten
in gelinder WĂ€rme einen amorphen farblosen RĂŒckstand, wel-
cher sich sehr leicht in Wasser löst und wie es scheint in
keiner Weise zum Krystallisiren gebracht werden kann.
Saures schwefelsaures Laudanin =
C2°H 2° NO#SH?O* + 4H?O.
Bringt man zur wÀsserigen concentrirten Lösung des neu-
tralen Sulfats etwas verdĂŒnnte SchwefelsĂ€ure, so erstarrt sehr
bald die Lösung zu einer krystallinischen Masse von Laudanin-
bisulfat. Dasselbe bildet kleine weisse Prismen, welche sich sehr
leicht in Wasser und Alkohol lösen, wĂ€hrend es verdĂŒnnte Schwe-
felsÀure bei gewöhnlicher Temperatur Àusserst schwer löst. Das
Salz verliert sein Krystallwasser vollstÀndig beim Trocknen im
Exsiceator und schmilzt, wenige Grade ĂŒber 100° hinaus erhitzt,
zu einer gelben, beim Erkalten leicht erstarrenden FlĂŒssigkeit.
Neutrales oxalsaures Laudanin. â SĂ€ttigt man
die mit Wasser ĂŒbergossene Base genau mit OxalsĂ€ure und
2%
20 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
verdampft man nun diese Lösung bei mÀssiger WÀrme, so
resultirt eine farblose syrupöse Masse, in welcher sich nach
lÀngerer Zeit kleine KrystallblÀttchen bilden. Das Salz löst
sich ausserordentlich leicht in Wasser und in Alkohol auf,
ist jedoch unlöslich in Aether.
Saures oxalsaures Laudanin
â= (2°H?>NO# C?H?0* + 6H?0.
Wird zur wÀsserigen Lösung des neutralen Oxalats das
gleiche Aequivalent OxalsÀure gesetzt, so schiesst alsbald das
saure Salz in Krystallen an. Eben so lÀsst es sich direct
erhalten, wenn gleiche Aequivalente von SĂ€ure und Base
zusammen in wenig kochendem Wasser gelöst werden.
Das Salz krystallisirt aus der heissen wÀsserigen Lösung
beim Erkalten derselben in kleinen, concentrisch gruppirten,
farblosen Prismen, welche bei gewöhnlicher Temperatur im
Exsiecator den grössten Theil ihres Krystallwassers verlieren,
wÀhrend der Rest desselben erst bei 90° entweicht. Es
schmilzt bei etwa 110° zu einer gelblichen FlĂŒssigkeit, löst
sich in Alkohol und heissem Wasser leicht, schwieriger in
kaltem Wasser, z. B. bei 10° C. in 45,7 Theilen.
Neutrales weinsaures Laudanin. â VerdĂŒnnte
wÀsserige WeinsÀurelösung giebt mit Laudanin neutralisirt
beim Verdunsten in gelinder WÀrme eine amorphe, syrupöse,
in Wasser sich sehr leicht lösende Masse, welche anscheinend
nicht fÀhig ist, Krystalle zu bilden. |
Saures weinsaures Laudanin
1 02012>N 0%, CHE 087 3120:
Das Alkaloid wird mit etwas mehr als dem gleichen
Aequivalent WeinsÀure behandelt, worauf beim Erkalten der
heissen, wÀsserigen Lösung das Salz in weissen, zu Warzen
vereinigten Prismen anschiesst. Von dem Krystallwasser,
welches dieses Salz enthÀlt, entweicht ein Theil bei gewöhn-
licher Temperatur im Exsiccator, der Rest aber bei 100°,
âwobei das Salz schmilzt. Bei 15°C. löst sich das neue
Tartrat in 20,6 Theilen Wasser. |
Dieses Salz verliert beim Trocknen im Exsiceator nahezu
2H?O und wird bei 100° wasserfrei,
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen, 21
Chromsaures Laudanin ist ein dunkelbraunes Harz,
das entsteht, wenn die wÀsserige Lösung von Laudaninsulfat
bei gewöhnlicher Temperatur mit Kalibichromatlösung ver-
mischt wird.
Salzsaures Laudanin-Platinchlorid
=â (C?°H2>NO4, HC])2, PtCl* + 2H2O,
wurde in der frĂŒher angegebenen Weise erhalten. Das Dop-
pelsalz beginnt, wenige Grade ĂŒber 100° hinaus erhitzt, sich
zu zersetzen, schmilzt anfÀnglich und stösst dann gelbe DÀmpfe
aus, welche sich zu einer dunkelgelben FlĂŒssigkeit condensi-
ren lassen. Bei 35° wird es frei von hygroscopischem Was-
ser und giebt dann bei 90 bis 100° chemisch gebundenes
Wasser ab.
Salzsaures Laudanin-Goldchlorid ist ein gelber,
amorpher Niederschlag, welcher in kochendem Wasser
schmilzt, sich zugleich etwas löst und bald metallisches Gold
abscheidet.
Kodamin,
Das Kodamin wird bei dem oben angefĂŒhrten Verfahren
theils als Jodhydrat gewonnen, welches mit etwas Jodsilber
gemengt ist, theils in freiem Zustand erhalten. Nachdem man
im letzteren Falle die Base ebenfalls an HJ gebunden und
das schwerlösliche Jodhydrat dargestellt hat, zersetzt man
dasselbe mit Ammoniak und fĂŒhrt die Base âan Aether ĂŒber,
welcher sie nach dem Waschen mit Natronbicarbonat und
Filtration durch etwas Thierkohle bei seinem Verdunsten in
hĂŒbschen, farblosen Krystallen abscheidet. Werden diese
Krystalle in EssigsÀure gelöst, die warme Lösung mit Am-
moniak ausgefÀllt und sogleich mit der erforderlichen Menge
heissen Benzins ausgeschĂŒttelt, so nimmt dasselbe die Base
auf und scheidet sie beim Erkalten in kleinen, farblosen Pris-
men ab. Diese schmelzen bei 126° C., wÀhrend das aus
Aether oder Alkohol krystallisirte Kodamin immer einen etwas
niedrigeren Schmelzpunkt (etwa 120°) aufweist. Wenn das
Alkaloid ĂŒber seinen Schmelzpunkt hinaus erhitzt wird, so
brÀunt es sich zunÀchst und zieht sich dann in öligen Streifen
22 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
an den Wandungen des GefÀsses empor, wÀhrend die Zer-
setzung mehr und mehr fortschreitet. Das frĂŒher hierbei
beobachtete Sublimat scheint aus kohlensaurem Ammoniak
bestanden zu haben, da es unter UmstÀnden erhalten wurde,
welche eine Entstehung desselben nicht ausschliessen. *)
Natron- und Kalilauge lösen, wie bekannt, die Base sehr
leicht auf, doch wird in der Lösung auf Zusatz von concen-
trirter Aetzlauge ein weisser amorpher Niederschlag erzeugt,
welcher vermuthlich eine Verbindung der organischen Base
mit dem Alkali ist.
Das Kodamin fÀrbt sich mit Eisenchlorid schön dunkel-
grĂŒn und scheidet allmĂ€hlig Eisenoxyd ab; es gleicht darin
dem Laudanin. Allein wÀhrend sich die letztere Base mit
concentrirter SalpetersÀure orangeroth fÀrbt, löst sich das Ko-
damin mit schön dunkelgrĂŒner Farbe und unterscheidet sich
hierdurch nicht allein vom Laudanin, sondern ĂŒberhaupt von
allen anderen Opiumbasen.
Reine concentrirte SchwefelsÀure löst das Kodamin bei
circa 20° farblos, bei 150° schmutzig rothviolett, eisenoxyd-
haltige SĂ€ure giebt aber damit bei 20° eine intensiv grĂŒn-
lichblaue Lösung, welche bei etwa 150° dunkelviolett wird.
Ganz der letzteren SÀure Àhnlich verhÀlt sich chlorhaltige
SÀure. EnthÀlt indess die SchwefelsÀure Spuren von Nal-
petersÀure, so fÀrbt sich das Kodamin schwarz und es ziehen
intensiv dunkelgrĂŒn gefĂ€rbte Streifen von der Substanz
hinweg, welche bald die ganze FlĂŒssigkeit braungelb fĂ€rben.
Wird dann die Lösung erwÀrmt, so entfÀrbt sie sich unter
Gasentwickelung, indem gleichzeitig die Substanz verbrennt.
Chlorkalk erzeugt in der essigsauren Lösung der Base
einen weissen flockigen Niederschlag, welcher sich nicht in
EssigsÀure löst. Ein Ueberschuss von Chlorkalk verursacht
BrÀunung des Niederschlags.
*). Es wurde gelegentlich bei der Verbrennung der Substanz im
Sauerstoffstrome beobachtet und hatte sich zwischen dem Platinschiffehen
und dem Kupferoxyd gebildet,
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 23
Was ferner die elementare Zusammensetzung des Kod-
amins betrifft, so ist zuförderst anzufĂŒhren, dass die Base
nach dem neuerdings eingeschlagenen Verfahren der Reini-
gung von einer Substanz befreit wird, welche mehr Kohlen-
stoff (70,5 pC.) enthÀlt, als das Kodamin. Indess scheint das
Material, welches frĂŒher zu meinen Versuchen verwendet
wurde, rein gewesen zu sein, wenigstens ist die einzige we-
sentliche Differenz gegen jetzt, d.i. die den Kohlenstoffgehalt
betreffende, wie ich leider erst vor Kurzem bemerkte, durch
einen Rechnungsfehler verursacht worden. Die erste Ana-
lyse,*) welche ich mit der aus Benzin umkrystallisirten Sub-
stanz ausfĂŒhrte, gab Zahlen, welche sich den fĂŒr die Formel
02°H?ŸNO* berechneten nÀhern; aus den weiteren Analysen
aber, sowie aus dem Mittel sÀmmtlicher Analysen, lÀsst sich
indess nur die Formel C?2°H?°NO% ableiten, die wir als die
richtige Formel fĂŒr diese Base anzunehmen haben. !Das
Kodamin ist, wie bekannt, wasserfrei und zeigt daher bei
100° keinen Verlust. Das bei 100° ©. getrocknete Alkaloid:
Berechnet fĂŒr die Formel Versuche
2 23N 2 25N m nn U
N tisch NO LEN EL EN
C2> 240 70,38 C2? 240 69,97 70,21 69,38 69,97 70,11 69,92
BER 9,6, 25 7728 7,1026 ne
1 NAAR rn Aa
EN A ae u je
341 100,00. 343 100,00.
Was schliesslich die Salze des Kodamins angeht, so be-
sitzen dieselben mit wenig Ausnahmen solche Eigenschaften,
die nicht zu einer ausfĂŒhrlichen Untersuchung derselben ein-
laden. Dazu kommt noch, dass man selbst bei Anwendung
grosser Mengen von Morphinmutterlauge nur ein paar Gramme
dieser seltenen Substanz erhÀlt, so dass schon aus diesem
Grunde nur wenige Bestimmungen damit ausgefĂŒhrt werden
konnten.
Salzsaures Kodamin reagirt neutral, ist amorph und
in Wasser leicht löslich. Kochsalz scheidet das Salz aus der
mmââââ
*) Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft IV, 694.
24 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
concentrirten wÀsserigen Lösung in öligen Tropfen ab, wÀh-
rend es in verdĂŒnnter Lösung keine FĂ€llung verursacht.
Salzsaures Kodamin-Platinchlorid ist ein gel-
ber amorpher Niederschlag, welcher sich in Wasser sehr
schwer löst und bei 35° getrocknet aus (C?°H2>NO#HC])?
+ PtCl* + 2H?O besteht. Das Wasser verliert die Verbin-
dung bei 100%. Bei 110° schon beginnt das Salz sich zu
zersetzen; es fÀrbt sich dunkel und blÀht sich schliesslich auf.
Salzsaures Kodamin-Goldchlorid besteht aus
gelben amorphen Flocken, welche leicht Gold metallisch ab-
scheiden.
Salzsaures Kodamin-Quecksilberchlorid scheint
sehr löslich zu sein, da bei Anwendung von mÀssig concen-
trirter Lösung des Chlorhydrats auf Zusatz von Sublimatlö-
sung kein Niederschlag erhalten wurde.
Jodwasserstoffsaures Kodamin = (?2°H?>NO%HJ
+ 1", H?O wird als ein weisses krystallinisches Pulver erhal-
ten, wenn das Chlorhydrat mit Jodkaliumsolution vermischt
wird. Es löst sich leicht in Alkohol und in heissem Wasser,
aber Àusserst schwer in kaltem Wasser. Das Jodhydrat rea-
sirt neutral und verliert bei seinem Erhitzen auf 100° das
Krystallwasser.
Saures weinsaures Kodamin, in der Art darge-
stellt, dass gleiche Aequivalente von SĂ€ure und Base zusam-
men in wenig Wasser gelöst wurden, bleibt beim Verdunsten
der Lösung als ein farbloser, sehr leicht in Wasser und Al-
kohol löslicher syrupöser RĂŒckstand, welcher nach: lĂ€ngerer
Zeit farblose Nadeln abscheidet.
Saures oxalsaures Kodamin wurde in entsprechen-
der Weise wie vorstehendes Salz erhalten und gleicht ihm
vollkommen.
Neutrales oxalsaures Kodamin ist amorph und
löst sich sehr leicht in Wasser, eben so das essigsaure
Kodamin.
Pikrinsaures Kodamin ist ein âgelbes amorphes
Pulver, das sich schwer in kaltem Wasser, leicht in kochen-
dem Wasser löst.
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 25
Narkotin.
Das Narkotin bleibt bei der angefĂŒhrten Behandlung der
schwarzen Mutterlauge zum geringsten Theile in Lösung und
wird aus derselben, gemengt mit viel Papaverin, in Krystal-
len erhalten. Das Gemenge wird behufs möglichster Ent-
fernung von braun gefÀrbten amorphen Substanzen in sieden-
dem Alkohol gelöst und die beim Erkalten desselben erhaltene
Krystallmasse mit etwa !/, OxÀlsÀure zusammen in kochen-
dem Wasser gelöst, worauf sich beim Erkalten und öfterem
UmrĂŒhren der wĂ€sserigen Lösung der grösste Theil des sau-
ren oxalsauren Papaverins in Krystallen abscheidet, wÀhrend
das Narkotin vollstÀndig in der Mutterlauge bleibt. Um die
letzten Reste des Papaverinsalzes möglichst zu gewinnen,
welche noch in der Mutterlauge enthalten sind, erweist es
sich als vortheilhaft, diese Lösung mit Ammoniak zu fÀllen
und den mehr oder weniger harzigen Niederschlag nochmals
mit !/, OxalsÀure in der geringsten Menge kochenden Was-
sers zu lösen. Wird dann die Lösung mit einem Glasstab
öfters umgerĂŒhrt, so scheidet sich im Laufe einiger Tage
das etwa noch vorhandene Papaverinsalz bis auf Àusserst
geringe Mengen ab. Die von den Krystallen des Papaverin-
salzes befreite Lösung wird mit viel kaltem Wasser verdĂŒnnt,
mit Ammoniak ausgefÀllt und das in Form eines weissen
flockigen Niederschlages erhaltene Narkotin durch Umkrystal-
lisiren aus kochendem Alkohol unter Zusatz von etwas Thier-
kohle gereinigt, wobei die dem Niederschlage noch anhaf-
tenden Spuren von Papaverin in der alkoholischen Mutter-
lauge bleiben. Es wird so die Base frei von anderen Opium-
basen erhalten.
BezĂŒglich der elementaren Zusammensetzung des Narko-
tins haben Matthiessen und Foster*) dargethan, dass
alles Narkotin, welches dieselben untersuchten, nach der For-
mel 022 H?3NO? zusammengesetzt war, wÀhrend bekanntlich
vordem 0?>H2> NO? als die richtige Formel fĂŒr diese Base
*) Ann, Chem, Pharm. Suppl.-Bd. I, 330.
26 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
galt. Unter solchen UmstÀnden glaubte ich einige Bestim-
mungen mit absolut reinem Material ausfĂŒhren zu sollen.
Es gaben nun von der bei 100° getrockneten Substanz:
0,2575 Grm. 0,603 CO? und 0,130 H2O.
Diese Zahlen sprechen somit fĂŒr die Formel C??H2> NO7,
welche |
verlangt gefunden
022772643 63,92 63,86
237725 5,97 5,61
N 14 3,39 .â
on 119,2 .17.412 e
415 100,00.
Da im ĂŒbrigen die Proben von Narkotin von verschiede-
ner Darstellung, sobald sie rein waren, keine Verschieden-
heiten in ihrem Verhalten zu Reagentien zu erkennen gaben,
so berechtigt mich dieses Resultat zu der Annahme, dass
bisweilen Gemenge von Narkotin mit anderen Opiumbasen,
insbesondere Papaverin, untersucht worden seien. So fĂŒhrt
z.B. Husemann*) an, dass sich von mehren Narkotin-
sorten das anscheinend reinste PrÀparat, mit reiner concen-
trirter SchwefelsĂ€ure ĂŒbergossen, blauviolett fĂ€rbte. Dieses
Verhalten wĂŒrde einen Gehalt von Papaverin andeuten.
Nach meinen Beobachtungen löst sich reines Narkotin in
concentrirter SchwefelsÀure, mag nun dieselbe rein oder
eisenoxydhaltig sein, mit grĂŒnlich-gelber Farbe auf. Die
Lösung wird beim schwachen ErwÀrmen anfangs orangeroth,
dann carmoisinroth, bis sich bei der Temperatur, wo die
SchwefelsÀure zu verdampfen beginnt, von der OberflÀche
der Lösung aus blauviolette Streifen bilden und schliesslich
die ganze Lösung schmutzig rothviolett gefÀrbt wird.
Das Narkotin ist unlöslich in kaltem Wasser, dagegen
löst es sich nicht unerheblich in kochendem Was-
ser auf und scheidet sich daraus beim Erkalten
in glimmernden Krystallen ab. Auch löst sich dieses
*) Ann. Chem, Pharm. CXXVIII, 308,
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 27
Alkaloid sehr leicht in kochendem Alkohol und scheidet sich
daraus beim Erkalten bis auf geringe Mengen ab und zwar
in hĂŒbschen farblosen Prismen. Von Aether bedarf 1 Theil
Alkaloid bei 16°C. 166 Theile zur Lösung, nach Duflos
von kaltem Aether von 0,735 spec. Gewicht 126 Theile.
Ammoniak löst das Alkaloid in Àusserst geringer Menge,
wÀhrend Kali- und Natronlauge, Kalkmilch und Barytwasser
es bei gewöhnlicher Temperatur nicht lösen. Wird jedoch
das basische Lösungsmittel erwÀrmt, so löst sich von dem
Alkaloid mehr und mehr auf. So scheidet beispielsweise die
heisse Lösung, welche beim Kochen von Narkotin mit Kalk-
milch resultirt, beim Erkalten kein Narkotin ab, auch lÀsst
sich der basischen Lösung durch Aether kein Narkotin entzie-
hen; bringt man aber zur Lösung etwas Salmiak, so bilden
sich bald Krystalle von Narkotin, weil durch den Salmiak der
Narkotinkalk zersetzt wird und die sich bildende Menge
freien Ammoniaks nicht genĂŒgt, um alles Narkotin in Lösung
zu halten. Dieses Verhalten des Narkotins sollte nicht unbe-
rĂŒcksichtigt bleiben, wenn man das Morphin nach dem Ver-
fahren von Mohr darstellen will. Baryt wirkt noch gĂŒnsti-
ger lösend auf das Narkotin ein, als der Kalk. Wird Nar-
kotin mit Barytwasser erwÀrmt, so tritt, noch ehe der Siede-
punkt der Barytlösung erreicht ist, der Moment ein, dass
die Krystalle des Narkotins schmelzen und schliesslich ganz
verschwinden. In der Lösung befindet sich dann Baryt-
Narkotin, oder wenn man so sagen will ânarkotinsaurer
Baryt.â Der Lösung wird das Narkotin durch Aether nicht
entzogen; aber nach Zusatz von Salmiak entsteht ein gelati-
nöser bis flockiger Niederschlag, und dann nimmt Aether, in
dem sich eben dieser Niederschlag löst, Narkotin auf. #
Findet indess das Kochen des Narkotins mit Barytwas-
ser lÀngere Zeit hindurch statt, so zersetzt sich ein geringer
Theil des Alkaloids, in Folge dessen man eine Substanz
beobachtet, welche sich sehr leicht in Aether löst, aus dem-
selben in dĂŒnnen, concentrisch gruppirten Prismen krystallisirt
und mit SalzsÀure ein Àusserst lejcht lösliches, ebenfalls in
dĂŒnnen Prismen krystallisirendes Salz bildet. Diese Base hat
28 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
viel Aehnlichkeit mit dem Hydrokotarnin und entsteht wohl
aus dem Narkotin nach der Gleichung:
C22H23NO? + H20O â C12H!5NO3 + C!0H1005
Hydrokotarnin. OpiansÀure.
Das Narkotin schmilzt bei 176° zu einer farblosen FlĂŒs-
sigkeit, welche sich, wenige Grade darĂŒber hinaus erhitzt,
zersetzt.
BezĂŒglich der Salze des Narkotins habe ich nur Folgen-
des anzufĂŒhren:
Salzsaures Narkotin-Platinchlorid. â Beim
Vermischen der wÀsserigen salzsauren Lösung mit Platinso-
lution in der KĂ€lte entsteht ein blassgelber, anscheinend amor-
pher Niederschlag, welcher bei gewöhnlicher Temperatur an
der Luft oder auch im Exsiccator getrocknet aus |
(C22H?3N0, HC])? + BCl? + 2H2O
besteht.
Saures oxalsaures Narkotin. â Wenn gleiche
Aequivalente von Base und OxalsÀure zusammen in kochen-
dem Wasser gelöst werden, so scheidet die Lösung nach
ihrem Verdunsten bei mÀssiger Temperatur das Salz als eine
ölige schwere FlĂŒssigkeit ab, welche sich auf Zusatz von
Wasser sehr leicht wieder löst.
Saures weinsaures Narkotin, in entsprechender
Weise wie vorstehendes Salz erhalten, kann ebenfalls als
ein völlig amorphes, in Wasser sich sehr leicht lösendes
Salz gelten.
Beide letzteren Salze sind insofern von Interesse, als
gerade mehre Opiumbasen mit OxalsÀure und WeinsÀure
ziemlich schwer lösliche Verbindungen bilden, so dass eine
Trennung des Narkotins von diesen Basen mittelst einer der
genannten SÀuren leicht ermöglicht werden kann.
Chromsaures Narkotin â (0??H??N0%2, Cr2H?0".
â Wird die Auflösung des Narkotins in verdĂŒnnter Schwe-
felsÀure mit Kalibichromatlösung vermischt, so entsteht ein
schön gelber, amorpher Niederschlag, welcher aber bald dicht
und, wie es scheint, krystallinisch wird. Beim Trocknen im
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 29
Exsiceator fÀrbt sich das Salz braungelb und zersetzt sich
bei 70 bis 80° unter reichlicher Entwickelung von DÀmpfen.
Pikrinsaures Narkotin ist ein gelber, flockiger,
amorpher Niederschlag, den Kaliumpikrat in der Lösung des
schwefelsauren Narkotins erzeugt. Das. Salz löst sich sehr
schwer in kaltem Wasser, wÀhrend kochendes Wasser davon
sehr viel löst und beim Erkalten in amorphen Massen ab-
scheidet. In der zur Lösung ungenĂŒgenden Menge heissen
Wassers schmilzt der ungelöste Theil zu gelben Oeltröpfchen,
die beim Erkalten amorph erstarren.
Papaverin.
Das Papaverin wird im vorliegenden Falle mit Narkotin
gemengt erhalten, von welchem es mittelst OxalsÀure getrennt
wird. Nachdem das Oxalat durch Umkrystallisiren aus
kochendem Wasser gereinigt worden ist, wird daraus die
Base in der frĂŒher angegebenen Weise dargestellt und, mit
den bekannten Eigenschaften begabt, in Krystallen erhalten.
BezĂŒglich des Verhaltens der Base zu concentrirter
SchwefelsĂ€ure habe ich schon frĂŒherâ) angefĂŒhrt, dass sich
diese Base in genannter SÀure farblos löse, allein wenn Er-
wÀrmung stattfinde, so nehme die Lösung eine schwach vio-
lette FĂ€rbung an. Wenn ein Krystall mit der SĂ€ure in Be-
rĂŒhrung kommt, so bildet sich in Folge dieser ErwĂ€rmung
eine schwach violette Zone um denselben, und dann. erst,
nachdem die erste Einwirkung vorĂŒber ist, löst sich der Rest
des Krystalls farblos. Daher kommt es auch, dass, wenn
man grössere Mengen von Papaverin mit concentrirter Schwe-
felsĂ€ure ĂŒbergiesst, sich diese ausnahmslos blauviolett fĂ€rben
und sich mit violetter Farbe lösen; allein die IntensitÀt der
Farbe, welche die Lösung nachher besitzt, entspricht nicht
der angewendeten Menge Substanz, offenbar, weil sich ein
nicht unerheblicher Theil des Alkaloids farblos löste. Ent-
hÀlt die SÀure Eisenoxyd, so ist diese FÀrbung bei weitem '
*) A. a. 0, 8. 76, auch Ber, der deutsch. chem, Gesellsch. IV, 694,
30 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
nicht so intensiv als bei Anwendung reiner SĂ€ure. Je reiner
die Substanz ferner ist und je vorsichtiger man die SĂ€ure
anwendet, desto weniger wird die blauviolette Farbe des Pa-
paverins beim Uebergiessen mit concentrirter SchwefelsÀure
zum Vorschein kommen.
Die frisch bereitete schwefelsaure Lösung giebt auf Zu-
satz von kaltem Wasser eine milchige TrĂŒbung, resp. harzi-
gen Niederschlag, welcher sich bald in farblose Krystalle von
Papaverinsulfat umsetzt. Kein anderes Opiumalkaloid zeigt
diese Eigenschaft; denn wenn auch eine Lösung von Pseudo-
morphin in concentrirter SchwefelsÀure auf Zusatz von kaltem
Wasser einen weissen Niederschlag giebt, so ist eben die-
ser Niederschlag nicht harzig, sondern pulverig, krystal-
linisch.
Wenn die Auflösung von Papaverin in concentrirter
SchwefelsÀure erhitzt wird, so tritt bekanntlich bald eine
dunkelviolette FĂ€rbung derselben ein. Kaltes Wasser erzeugt
dann in dieser Lösung die FÀllung von dunkelbraunen, amor-
phen Flocken, welche in verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure, verdĂŒnn-
ter SalzsÀure, in EssigsÀure, Alkohol, Aether und Wasser so
gut wie unlöslich sind. Concentrirte SchwefelsÀure dagegen
löst die Substanz sehr leicht mit prÀchtig purpurrother Farbe,
eben so Ammoniak und Kalilauge. In der ammoniakalischen
Lösung erzeugt EssigsĂ€ure wieder die FĂ€llung der ursprĂŒng-
lichen amorphen Substanz. Die prachtvolle, purpurrothe,
basische Lösung besitzt ein eminentes FÀrbungsvermögen;
denn einige Tropfen der Lösung, in grosse Mengen kaltes
Wasser gebracht, fÀrben dieselben noch deutlich roth. Dieser
Farbstoff ist die Substanz, welche die blaue FĂ€rbung des
Papaverins beim Uebergiessen mit concentrirter SchwefelsÀure
verursacht; es wird davon um so mehr gebildet werden, je
höher die Temperatur ist, welche beim Zusammentreffen der
concentrirten Massen, der SĂ€ure und der Alkaloidkrystalle,
nothwendig statt hat.
Mit SalzsÀure bildet das Alkaloid ein gut krystallisiren-
des Salz, das sich bei 18°C. im 37,3 Theilen Wasser löst.
Diese Bestimmung wurde in der Weise ausgefĂŒhrt, dass
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 31
Wasser bei der angegebenen Temperatur mit dem fein zer-
theilten Salz gut geschĂŒttelt wurde. Man setzt sich dann
nicht der Gefahr aus, dass man eine ĂŒbersĂ€ttigte Lösung
erhĂ€lt. Dagegen werden leicht ĂŒbersĂ€ttigte Lösungen erhal-
ten, wenn das Chlorhydrat unter Anwendung von WĂ€rme in
Wasser gelöst wird. E. L. Mayer*) machte nun, als er
Chlorzink auf Papaverinchlorhydrat kurze Zeit bei 125° ein-
wirken liess, bei dem resultirenden Alkaloidsalz eine Àhnliche
Beobachtung, nur meint Mayer, dass er ein neues Derivat
erhalten habe, welches nach folgender Gleichung vom Papa-
verin derivire:
202°0H22NO* â H2O â C4°H+#2N20?
Papaverin nach angeblich neues
Mayer. Derivat.
Ganz abgesehen davon, dass mir die von Mayer fĂŒr
das Papaverin in Vorschlag gebrachte Formel C2°H??NO4
nicht annehmbar zu sein scheint, so sprechen schon die Eigen-
schaften und die Zusammensetzung dieses angeblich neuen
Derivats dafĂŒr, dass es nichts weiter als gewöhnliches Papa-
verinchlorhydrat sei. Dasselbe, nach der Formel
C?1H?!NO#, HC] zusammengesetzt,
verlangt Mayer fand
Ă 65,03 65,01
H 5,68 6,30
Cl 9,16 9,49.
Wenn jedoch Papaverinchlorhydrat lÀngere Zeit mit
Chlorzink erhitzt wird, namentlich bei gesteigerter Tempera-
tur, so tritt allerdings Zersetzung desselben ein. Da indess
Mayer diese Zersetzung weiter studiren will, so verlasse ich
diesen Gegenstand, um mich zu einem anderen Derivat des
Papaverins zu wenden, nemlich zu dem
Nitropapaverin.
Die farblose Lösung des Papaverins in verdĂŒnnter Sal-
petersÀure fÀrbt sich auf Zusatz von concentrirter Salpeter-
*) Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft IV, 128,
32 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
sĂ€ure gelb und trĂŒbt sich milchig; allein weiterer Zusatz von
dieser SĂ€ure bringt die TrĂŒbung zum Verschwinden und: dann
scheiden sich nach einiger Zeit aus der Lösung hĂŒbsche
gelbe Prismen des Nitrosalzes ab. Dasselbe Salz wird auch
erhalten, wenn das Papaverin mit concentrirter SĂ€ure schwach
erwĂ€rmt wird; indess verlĂ€uft die Reaction etwas stĂŒrmisch
und veranlasst die Zersetzung eines Theils des entstandenen
Nitroderivats. Bei weitem vortheilhafter ist es, 1 Theil Al-
kaloid mit circa 10 Theilen SalpetersÀure von 1,06 sp. Gew.
zu ĂŒbergiessen, die Lösung bis zum Kochen zu erhitzen und
dann erkalten zu lassen, worauf sich alsbald das salpeter-
saure Nitropapaverin abzuscheiden beginnt. Das Salz wird
behufs der Reindarstellung der Base mit Ammoniak zersetzt,
die ausgeschiedenen Flocken werden in verdĂŒnnter SalzsĂ€ure
gelöst und mittelst Glaubersalz aus dieser Lösung das Nitro-
papaverin als Sulfat gefÀllt. Nachdem man aus dem letzteren
Salze die Base vermittelst Ammoniak wieder isolirt hat, wird
sie schliesslich durch Umkrystallisiren aus verdĂŒnntem kochen-
den Weingeist rein erhalten. Bei dieser letzteren Operation,
sowie beim Trocknen der Substanz muss man das Licht mög-
lichst abhalten, da die Substanz gegen dasselbe sehr empfind-
lich ist und sich gelb fÀrbt. Gleichwohl ist es Àusserst
schwer, grössere Massen des Alkaloides vollkommen farblos
zu erhalten. In der Regel bildet das Nitropapaverin blass-
gelbe, zarte Prismen, welche wollig in einander verfilzt sind.
Nur dann werden etwas besser Àusgebildete Prismen erhalten,
wenn die Krystallisation aus starkem Weingeist erfolgt.
Wenn die schwach erwÀrmte, wÀsserige Lösung des Chlor-
hydrats nach vorherigem Vermischen mit HÂźN mit Aether
ausgeschĂŒttelt wird, so scheidet der letztere das Alkaloid in
Ă€usserst zarten, concentrisch gruppirten Nadeln ab, welche
farblos sind, aber sich am Lichte sehr rasch gelb fÀrben.
Anderson,*) dem wir die ersten Angaben ĂŒber Nitropa-
paverin verdanken, erhielt diese Base in blassrothgelben
Nadeln; welche augenscheinlich noch nicht rein waren. Eine
*) Ann, Chem. Pharm. XCIV, 237.
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. BB}
Probe, von Nitropapaverin nach dem Verfahren von Ander-
son dargestellt, liess daher, in der eben bezeichneten Weise
gereinigt, keinen Unterschied von meinem Nitropapaverin
wahrnehmen.
Das Nitropapaverin âenthĂ€lt, wenn es aus verdĂŒnntem
Weingeist krystallisirt, oder aus seinen Salzen mittelst Am-
moniak gefÀllt wird, 1 Mol. H?O, welches es bei 100° nicht
verliert. Erst bei 163° C., dem Schmelzpunkte der Substanz,
beginnt die Entwickelung des Krystallwassers; doch fÀrbt
sich gleichzeitig die Substanz gelb und schliesslich braun.
Bei höherer Temperatur tritt endlich lebhafte Gasentwicke-
lung ein und die Substanz verpufft, besonders wenn das Er-
hitzen im Sauerstoffigase statthat.
Dem bei 100° getrockneten Nitropapaverin
kommt die Formel C*'H2?(NO2)NO° zu, welche
Versuch
verlangt DE RE,
er 252 60,87 60,56 61,01
H2 22 5,31 5,49 5,51
NÂź 938 6,76 de ie
0° 112 27,06 â â
414 100,00.
Die Entstehung dieser Substanz wĂŒrde nach der Gleichung
021421 NO4 + NHOÂź = 0?1H22(NO2) NO
erfolgen. Wie aber erwÀhnt wurde, so ist in dieser Verbin-
dung 1 Mol. H?O als Krystallwasser enthalten und mithin die
Formel des nitrirten Papaverins C#!H?°(NO2)NO* + H?O.
Das Nitropapaverin löst sich ziemlich leicht in kochen-
dem Alkohol, dagegen schwer in kaltem Weingeist, sehr
leicht in Chloroform, welch letzteres es beim Verdunsten in
hĂŒbschen zarten Prismen zurĂŒcklĂ€sst. Von Aether lösen bei
12°C. 3100 Theile einen Theil Nitropapaverin auf, Eben so
löst siedendes Benzin das Alkaloid in geringer Menge auf
und scheidet es beim Erkalten in Ă€usserst dĂŒnnen Nadeln
ab. Wasser, Kalilauge und Ammoniak lösen das Alkaloid
nicht.
Arch. d, Pharm. CC, Bds, 1. Hit, 3
34 Beitrag zur. Kenntniss der Opiumbasen.
Das Nitropapaverin, fĂŒr sich geschmacklos, schmeckt in
Verbindung mit SĂ€uren schwach bitter. Da es rothes Lack-
muspapier nicht blÀut, so ist es, auch nicht fÀhig, die SÀuren
zu neutralisiren, daher die Salze, welche mit wenigen Aus-
nahmen sehr hĂŒbsch krystallisiren, durchgehends Lackmus-
tinetur röthen. In EssigsÀure löst sich das Alkaloid Àusserst
schwierig auf, so dass man, um einen kleinen Theil des Alka-
loids in Lösung zu bringen, erhebliche Mengen EssigsÀure
anwenden muss.
In concentrirter SchwefelsÀure löst sich das Nitroderivat
leicht auf und zwar bei gewöhnlicher Temperatur mit gelber
Farbe, bei 150° und darĂŒber mit schmutzig dunkelbrauner
Farbe. Es differirt daher dieses Verhalten des Nitropapave-
rins wesentlich von dem des Papaverins.
Von den Salzen dieser Nitrobase sind folgende dargestellt worden:
Salzsaures Nitropapaverin
â 702 H2INO2NO2, HChE 12, H20:
Dasselbe wird in blassgelben, seideglÀnzenden, zarten
Prismen erhalten, welche sich in kochendem Wasser und in
Alkohol erheblich lösen. Die heisse, wÀsserige Lösung bleibt
beim Erkalten lange Zeit ĂŒbersĂ€ttigt, sie zeigt mithin ein
Verhalten, das um so mehr ĂŒberraschen muss, als das Salz
bei 16°C. in 288 Theilen Wasser sich löst.
Salzsaures Nitropapaverin-Quecksilberchlo-
rid ist ein gelbliches, amorphes Pulver, welches sich in
heissem Alkohol und Wasser ziemlich leicht löst, aber unlös-
lich in kaltem Wasser ist.
Salzsaures Nitropapaverin-Platinchlorid
â (021.298 02) N 03 40) BO
wird als ein gelber krystallinischer Niederschlag erhalten, der
sich in Wasser und verdĂŒnnten SĂ€uren nicht löst und kein
Krystallwasser enthÀlt.
Salzsaures Nitropapaverin-Goldchlorid ist
ein gelber, amorpher, flockiger Niederschlag, der sich sehr
wenig-in kochendem Wasser löst.
Bromwasserstoffsaures Nitropapaverin kryst.
in zarten blassgelben, in Wasser schwerlöslichen Prismen,
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 35
Jodwasserstoffsaures Nitropapaverin
==: 63322 (NOR)N O4, HI:
Wenn die verdĂŒnnte, heisse, wĂ€sserige Lösung des Chlor-
hydrats mit Jodkaliumsolution vermischt wird, so scheidet
sich das Jodhydrat in kleinen rectangulÀren, dem Jodblei an
Farbe Àhnlichen BlÀttchen und kurzen Prismen ab, welche
sich in heissem Wasser sehr schwer und kaum in kaltem
Wasser lösen. Ist die Chlorhydratlösung einigermassen con-
centrirt, so wird ein gelber, dichter Niederschlag des Jodhy-
drats erhalten. Die neue Verbindung enthÀlt kein Krystall-
wasser.
Salpetersaures Nitropapaverin wird zwar un-
mittelbar bei der Darstellung des Nitropapaverins erhalten,
aber es ist in diesem Zustand von rothbrauner Farbe und
lÀsst sich nicht durch Umkrystallisiren aus heissem Wasser
völlig rein erhalten. Zum Zwecke der Untersuchung habe
ich das Salz in der Weise dargestellt, dass ich die verdĂŒnnte,
heisse, wÀsserige Lösung des Chlorhydrats mit etwas Natron-
salpeter vermischte und dann das Salz, welches sich hierbei
ausscheidet, aus kochendem Wasser umkrystallisirtee Auch
habe ich die essigsaure Lösung der Nitrobase mit concentrir-
ter SalpetersÀure vermischt, wodurch augenblicklich eine gela-
tinöse Ausscheidung des Nitrats erfolgte, welches sich nach
kurzer Zeit in kleine Prismen umsetzte. Das Salz löst sich
in kochendem Wasser etwas auf, ist aber so schwer löslich
in kaltem Wasser, dass eine solche Lösung mit Ammoniak
keinen Niederschlag giebt.
Die Formel des Salzes wurde zu C2!H2XNO2)NO 4 NHO3
+ H?0, ermittelt. |
Neutrales schwefelsaures Nitropapaverin,
durch Wechselzersetzung von Cblorhydrat und Glaubersalz
erhalten, sowie durch Kochen von verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure
mit einem Ueberschuss der Base entstanden, besitzt in hohem
Grade die Eigenschaft, sich aus seiner wÀsserigen Lösung in
gelatinösen Massen abzuscheiden. Das aus zarten blassgel-
ben Prismen bestehende Salz schrumpft zu einer gelben, dich-
ten Masse zusammen, wenn es an der Luft getrocknet wird,
3*
Sb. Ueber Opiumextraet und Opiumuntersuchung.
Nach dem Zerreiben bildet es dann ein gelbes Pulver, das
bei 35° einen grossen Theil des Krystallwassers (nahezu
3 Mol.) verliert, welches aber den Verlust an feuchter Luft
bald wieder ergÀnzt. Das Salz löst sich ziemlich leicht in
heissem Wasser, kaum im kaltem Wasser und eignet sich
daher vortreffllich zur Reindarstellung der Basse.
FĂŒr das lufttrockne Salz wurde die Formel
2 C21H?°(NO2)NO#SH?0* + 8H?O, ermittelt.
Saures oxalsaures Nitropapaverin. â Die
Base wird in einem Ueberschuss von OxalsÀure gelöst und
das sich ausscheidende Salz durch Umkrystallisiren aus wenig
heissem Wasser gereinigt. Es krystallisirt in gelben Pris-
men, die so zart und in einander verwachsen sind, dass das
Ganze gelatinös erscheint. Das Salz löst sich sehr schwer
in Wasser und Alkohol. Die Analyse der Verbindung fĂŒhrte
zur Formel C?!H?°(NOŸ)\NO# 0?2H?0* + 2H?O.
Saures weinsaures Nitropapaverin krystallisirt
in blassgelben, dĂŒnnen Prismen, die sich sehr leicht in Was-
ser lösen.
Pikrinsaures Nitropapaverin ist ein gelber Nie-
derschlag, amorph flockig, im Wasser schwer löslich.
(Schluss im nÀchsten Hefte.)
Ueber Opiumextraet und Opiumuntersuchung.
Von E. Heintz, Apoth. in Duisburg.
Opium verkaufen die Droguisten als eine trockne Waare,
obgleich es eine wasserhaltige Waareist. Ich fand (mit Aus-
nahme eines Quantum, von England bezogen mit 13°, Wasser)
nie unter 15°), zuweilen sogar ĂŒber 16°), Wasser. KĂŒrzlich
kaufte ich 2 Pfund Opium, wovon das 1 Pfund in kleinen
Kuchen 15°, Wasser enthielt, das andere Pfund aber, aus
einem Kuchen bestehend, enthielt 21°, Wasser. Nimmt
man das Pfund zu 8 Thlr. an, so kostet also eigentlich das
Ueber Opiumextraet und Opiumuntersuchung. 37
1 Pfund 9 Thlr. 10 Sgr. und das andere Pfund eirca 10 Thlr.
4 Sgr. Es wÀre also durchaus nöthig, dass die Collegen ent-
weder ganz trockne Waare (in StĂŒcken!). kauften oder
ein Maximum des Wassergehaltes festsetzten. Man hĂŒte sich
vor dem Einkauf von Opiumpulver. Pulver nimmt in kurzer
Zeit ziemliche Mengen Wasser auf, je feiner, desto mehr.
Ich lese nun in einem Preis-Courant das Pfund Opiumpulver
zu 13 Thlr. 15 Sgr. Bei 50°, Extract- Ausbeute (ich erhielt von
obigem Opium so viel) hÀtte man also 2 Pfund Opiumpulver
nöthig, macht 27 Thlr.; in diesem Preis- Courant steht aber
das Pfund Extr. Opii zu 25 Thlr., also 2 Thlr. billiger, ohne
alle und jede Arbeits- etc. EntschÀdigung! Da der Droguist
die Vorschrift der Ph. Bor. nicht zu befolgen hat, so wÀre
eine Verarbeitung des nassen Opium zu Extract denkbar
und wĂŒrde es dann bei 40°, Ausbeute eine allenfalls loh-
nende Arbeit sein.
Ich fand in obigem Opium 10,6%, Morphium nach der
von Hager-Jacobsen, Pharm. Centralhalle Nr. 31, 1869
angegebenen Methode, die in 10 â 12 Stunden vorzĂŒgliche
Resultate giebt.
Die Opiumuntersuchung nach Stein, (Archiv, Band 148,
Seite 150, 1871) ist allerdings viel einfacher, ich möchte jedoch
einen Unterschied von 0,5 bis 1,0%, nicht wagen zu
beurtheilen. Um diese Untersuchung nutzbar zu machen, ist
die Durchschnittsöffnung des Cylinders und die Zeit,
nach welcher man beobachtet, durchaus festzusetzen. Das
Jod-Chloroform fÀrbt sich nemlich, je lÀnger es steht, um so
dunkler, besonders aber die etwa oben hÀngen bleibenden
Tropfen. Dies scheint der Zutritt der Luft zu veranlassen.
Das Jod-Chloroform fÀrbt StÀrkekleister nicht, wird auch
durch Ammoniak, SalzsĂ€ure und ĂUhlorwasser entfĂ€rbt. Das
Jod wird also eine Verbindung mit Chloroform eingegangen
sein. Sollte sich aber so vielleicht eine maassanalytische
Bestimmung des Morphium, durch die Bestimmung des gewon-
nenen Jodâs machen lassen?
Duisburg, den 21. Februar 1872.
38 Eine der AufklĂ€rung bedĂŒrftige Stelle in den AnfangsgrĂŒnden etc.
Eine der AufklĂ€rung bedĂŒrftige Stelle in den Anfangs-
srĂŒnden der Chemie (Elementa Chemiae) von Her-
mann Boerhave, ĂŒber das natĂŒrliche Salz des
Harnes.
Von Dr. C. Ph. Falck, Prof. in Marburg.
Die AnfangsgrĂŒnde der Chemie des im Jahre 1738 zu
Leyden verstorbenen Professors Hermann Boerhave ent-
halten unter der Aufschrift: âder XCVIII. Process, das natĂŒr-
liche Salz aus dem Urinâ einen Abschnitt, den Jeder, dem
die Cultur der Geschichte der Chemie nicht ganz gleichgĂŒltig
ist, aufgeklĂ€rt wĂŒnschen muss. Die mir vorliegende gedruckte
deutsche Uebersetzung der Elementa Chemiae giebt diesen
Abschnitt also:
âZubereitung. Lass sehr frischen Urin von gesunden
Menschen, der lange im Leibe gewesen, bei einer gleichen
Hitze von 200 Grad in einem sehr reinen GefÀss so lange
ausdÀmpfen, bis der Urin die Dicke eines frischen Milchrahms
erhalten, alsdann giess ihn so heiss durch einen Hippocras -
Sack, damit das zÀhe Oel in dem Sacke einigermaassen
zurĂŒckbleibe und von dem Urin geschieden werde. Je sorg-
fÀltiger dies geschieht, desto besser ist es. Alsdann setze eine
grosse Menge von dieser verdickten FlĂŒssigkeit in einem
hohen, glÀsernen, cylindrischen und mit einfachem Papier ver-
bundenen Glase ein ganzes Jahr an einen kalten Ort bei
Seite, und lass es stille stehen, so wird auf dem Boden ein
salziges, festes, hartes, etwas durchsichtiges, braunes Wesen
ĂŒberall anschiessen, oben aber wird eine dicke, schwarze,
fette FlĂŒssigkeit stehen, die von dem angeschossenen Salze
zurĂŒckgetrieben, und gleichsam davon ausgeworfen worden,
solche giess behutsam ab, die salzige Materie nimm heraus
und spĂŒle selbige mit sehr kaltem Wasser in einem anderen
Geschirre fein ab, damit sie von den öligen Unreinigkeiten
möge gereiniget werden, welches gar leicht geschiehet,. indem
sie das kalte Wasser nicht leicht auflöset. Diese salzige
Materieâ hebe unter vorgedachtem Namen auf. Wenn sie
darauf im warmen Wasser aufgelöset, und einigemal durch-
Eine der AufklĂ€rung bedĂŒrftige Stelle in den AnfangsgrĂŒnden ete. 39
geseihet wird, bis die Lauge klar und helle ist, alsdann aber
in einem reinen, glÀsernen GefÀss so lange abgedunstet wird,
bis oben darauf ein HĂ€utlein zum Vorschein kommt und als-
dann an einen kalten Ort still hingesetzet wird, so werden
SalzklĂŒmpcehen nach ihrer Art anschiessen, die von allen ande-
ren Salzen sehr unterschieden sind. Sie kommen an Gestalt
und Festigkeit den Kıystallen des Zuckers ziemlich gleich.
Sie stinken nicht; sind nicht alkalisch, und auch nicht sehr
flĂŒchtig. Und dieses ist das natĂŒrliche Salz des Urins.â
Bei der LectĂŒre dieser Unterweisung in der Darstellung
des s. g. natĂŒrlichen Harnsalzes sagte ich mir zunĂ€chst, dass
der von Boerhave gebrauchte Ausdruck âSalzâ nicht im
jetzigen Sinne aufgefasst werden darf. Zur Zeit, als Boer-
have seine Elemente der Chemie schrieb, verband man mit
dem Worte Salz einen anderen Begriff, als den heutigen.
Jedes aus Mineralien, Pflanzen oder Thieren in Krystallen
darstellbare PrÀparat wurde damals ein Salz genannt.
Weiter sagte ich mir bei dem Studium der Boerhaveâ-
schen Vorschrift, dass die darin vorkommenden Temperatur-
bestimmungen nicht ohne Weiteres auf unsere jetzigen Ther-
mometer bezogen werden dĂŒrfen. Das Boerhaveâsche Buch
enthĂ€lt einen Abschnitt, der also ĂŒberschrieben ist: âBe-
schreibung des Fahrenheitâschen Thermometers, nebst dessen
Gebrauch bei chemischen Arbeiten.â Man kann daraus
ersehen, dass Boerhave den Urin etwa bei 70°R, ver-
dampfte.
Ferner brachte ich bei der LectĂŒre des Boerhaveâschen
Buches heraus, wie die Anfangsworte der gegebenen Vor-
schrift, nemlich die Stelle: âlass sehr frischen Urin von
gesunden Menschen, der lange im Leibe gewesen,â eigent-
lich zu verstehen sind. Boerhave bezeichnet mit diesen Wor-
ten die Art von Urin, welchen neuere Urologen âUrina
sangĂŒinisâ nennen, d.i. die Art von Urin, welche etwa 12
bis 15 Stunden nach der letzten Mahlzeit, nach der letzten
Aufnahme von Speise und Trank gebildet und ausgeleert
wird. Jeder Urin, der nach einer mit Schlafen verbrachten
40 Eine der AufklĂ€rung bedĂŒrftige Stelle in den AnfangsgrĂŒnden etc.
Nacht frĂŒh Morgens vor dem FrĂŒhstĂŒcke gelassen wird, ist
ein solcher, wie Boerhave ihn zur Darstellung seines PrÀpa-
rates wĂŒnschte.
Der geneigte Leser wird bei dieser VerstĂ€ndigung ĂŒber
den Text der Boerhaveâschen Vorschrift schon gemerkt ha-
ben, wohinaus ich will. Ich habe die Ueberzeugung gewon-
nen, dass schon Boerhave krystallisirten Harnstoff
darstellte, dass das natĂŒrliche Harnsalz des Boer-
have identisch ist mit unserem Harnstoff.
Meine Ueberzeugung, dass Boerhave krystallisirten Harn-
stoff gewann, grĂŒndet sich zunĂ€chst auf die Methode der
Darstellung. Er nahm Morgenurin, dampfte diesen siedend
bis zur Syrupsdicke ein, goss die concentrirte Masse durch
ein Tuch, sammelte das Durchgelaufene in einem Glaseylin-
der, bedeckte diesen mit einem Papier, brachte den Cylinder
an einen kalten Ort und liess ihn da ruhig und sehr lange
Zeit (etwa ein Jahr lang) stehen. Er erhielt so ein salziges,
festes, hartes, etwas durchsichtiges, braunes Wesen, d.h. in
der Mutterlauge vertheilte Krystalle. Es gelang ihm auch,
diese Krystalle von der braunen Mutterlauge zu trennen
und umzukrystallisiren und weisse, grössere Krystalle dar-
zustellen.
Dass die Boerhaveâsche Charakteristik des natĂŒrlichen
Harnstoffsalzes viel zu wĂŒnschen ĂŒbrig lĂ€sst, wer wollte das
bestreiten?
Meine Ueberzeugung, dass Boerhave der Entdecker des
Harnstofles ist, stellt zunÀchst nur eine Vermuthung dar und
ich muss wĂŒnschen, dass diese entweder zur Gewissheit
erhoben, oder widerlegt werde. Wie wird das geschehen
können?
Dass ein Streit mit blossen Worten bei dieser Angele-
genheit zu keinem befriedigenden Ziele fĂŒhren kann, bedarf
keiner BeweisfĂŒhrung. Es bedarf dazu einer chemischen
Arbeit und der Zweck dieser meiner Besprechung ist grade
der, eine solche anzuregen. Vielleicht findet sich im geehrten
Leserkreise dieser Zeitschrift Jemand, der sich dazu âbestim-
Druckfehler - Verbesserung. 41
men möchte, die von Boerhave gegebene Vorschrift zur Dar-
stellung des natĂŒrlichen Harnsalzes neu auszufĂŒhren und die
Krystalle, die dabei gewonnen werden, genauer zu unter-
suchen. Was Alles dabei zu berĂŒcksichtigen ist, bedarf kei-
ner AusfĂŒhrung. Jedenfalls mĂŒssen die Krystalle auch darauf
geprĂŒft werden, ob sie mit SalpetersĂ€ure salpetersauren, mit
OxalsÀure oxalsauren Harnstoff bilden. Kann die Elementar-
analyse der Krystalle ausgefĂŒhrt werden, um so besser! Es
wĂŒrde mich freuen, wenn diese Zeilen dazu beitrĂŒgen,. darĂŒber
Klarheit zu schaffen, ob Boerhave als Entdecker des Harn-
stoffs anzusehen ist, oder nicht.
Marburg, 6. MĂ€rz 1872.
Druckfehler-Verbesserung.
In der Notiz von W. Stromeyer, die trocknen narkotischen
Extraete, im MĂ€rzheft 1872 dieses Archivs, 8. 225, steht Zeile 14
von unten unriehtig + 80°C.; es muss heissen + 50° C.
BEE 7
II. Chemische Technologie.
Ueber Ransomeâs kĂŒnstliche Steine und Marmorkitt.
Von A. Hirschberg.*)
Der EnglÀnder Ransome hat bekanntlich die von ihm
erfundenen kĂŒnstlichen Steine neuerlichst durch eine Zusam-
mensetzung von Portland-Cement, Kreide, Sand', etwas Kie-
selerde (Infusorienerde, Kieselguhr) und kieselsaurem Natron
(Wasserglas) ersetzt und entspricht diese in der That den
Forderungen, welche man an derartige Mischungen stellen
kann. Bansome hat aber ĂŒber das relative Mengen - VerhĂ€lt-
niss dieser Bestandtheile NĂ€heres nicht angegeben und er-
schien es von Interesse, dasselbe kennen zu lernen und die
WiderstandsfĂ€higkeit dieser kĂŒnstlichen Steine gegen die Ein-
fiĂŒsse der Witterung durch Versuche zu ermitteln. Zu die-
sen Zwecken wurden die obengenannten festen Bestandtheile
in nachstehenden drei VerhÀltnissen gemischt und mit Natron-
wasserglas zu einem dickflĂŒssigen Brei angewirkt:
Ne.l% ) Nr..2. NT
Cement 12 Th.. so Eh. En
SchlĂ€mmkreide ON END; 6 ,â
feiner Sand 6 Br, 6,
Kieselguhr (von Altenschlirf
am Vogelsberge) En, In, 1 8
Die ErhÀrtung aller drei Mischungen erfolgte in verhÀlt-
nissmÀssig kurzer Zeit, Nr. 2 zeigte die grösste HÀrte, Nr. 3
*) Als Separatabdruck aus der deutschen Bauzeitung vom 30. Nov.
1871 vom,Hın. Verfasser mitgetheilt. H. 1.
Ueber Ransomeâs kĂŒnstliche Steine und Marmorkitt. 43
das gröbste Korn. Diese drei Proben wurden vom Mai die-
ses Jahres ab mehre Monate hindurch den Einwirkungen der
Witterung ausgesetzt und haben dieselben hierdurch an HĂ€rte
zugenommen, wÀhrend ihre OberflÀche durch ausgeschiedene
KieselsÀure eine weissliche Farbe angenommen hatte. Diese
Mischungen dĂŒrften sich hiernach besonders zu Ornamenten,
welche im Freien zu dauern haben, empfehlen und bei der
Billiskeit des Materials und der leichten Formbarkeit der
Masse einer vielfachen Anwendung werth sein. Zu ermitteln
bleibt, mit welcher Substanz die Formen zu isoliren sein
werden, um die erhĂ€rtete Masse leicht loszulassen. â
In der Versammlung der polytechnischen Gesellschaft zu
Berlin am 16. Februar 1871 wurde u. A. die Frage wegen
eines haltbaren Kittes fĂŒr Marmor behandelt, ohne dass die
aus der Mitte der Versammlung gemachten VorschlÀge eine
allseitige Billigung gefunden hÀtten. Zu derselben Zeit unge-
fÀhr war dem Verfasser dieses die Aufgabe geworden, eine
Platte von Gypsmarmor (Alabaster), 25° lang, 16°â breit und
2°Ÿ hoch, welche mit einer 1,5â hohen Schicht von buntem
Stuck bedeckt ist und deren unterer Theil in zwei schrÀge
StĂŒcke, die Bedeckung aber in vier unregelmĂ€ssige StĂŒcke
gesprungen war, welche sich von der Unterlage getrennt hat-
ten, zu kitten. Weder Wasserglas noch Wasserglas mit
Kreide oder gebrannter Magnesia, noch Glycerinbleioxyd oder
Gyps gaben eine haltbare Verbindung, dagegen ward dieselbe
durch Anwendung der oben verzeichneten Mischung Nr. 1
vollstÀndig und dauernd bewirkt. Anfangs witterte aus den
Sprungstellen Glaubersalz aus und konnte aus dem Aufhören
dieser Auswitterung auf die ErhÀrtung des Kittes geschlossen
werden. Weiter wurde von einem grobkörnigen Marmor-
stĂŒck mittels Meissels ein unregelmĂ€ssiges StĂŒck abgesprengt
und die BruchflÀchen mit derselben Mischung sorgfÀltig be-
strichen, die StĂŒcke genau aufeinander gepasst und der Ruhe
ĂŒberlassen, auch die Ă€ussere Nath mit dem Kitte ausge-
strichen. Nach 24 Stunden hatte eine vollstÀndige ErhÀrtung
des Kittes und eine feste Vereinigung der getrennten StĂŒcke
stattgefunden, wÀhrend Wasserglas allein wirkungslos geblie-
44 Gegen Schimmelbildung auf Gummilösungen.
ben war. Zu bemerken ist noch, dass zur ErhÀrtung des
Kittes kĂŒnstliche WĂ€rme nicht erforderlich, dass derselbe
nach BedĂŒrfniss gefĂ€rbt werden, sowie dass jede der gegen-
wÀrtig an vielen Orten vorkommenden Infusorien -Erden, die
zu den vorliegenden Versuchen verwendete ersetzen kann.
Sondershausen, November 1871.
Gegen Schimmelbildung auf Gummilösungen.
Von Demselben,
Das Bestreben, die Gummilösungen vor Schimmelbildung
zu bewahren, hat zu einer Reihe von Mitteln Veranlassung
gegeben, von denen, so viel dem Verf. dieses bekannt gewor-
den, noch keins dem Zwecke entsprochen hat. Namentlich
hat sich das neueste, Chinin, wie Dr. Romer in Altdamm
den âIndustrieblĂ€tternâ mittheilt, nicht bewĂ€hrt. Ein zufĂ€lli-
ger Versuch aber hat Verf. dieses schon vor einigen Jahren
ein solches PrÀservativ an die Hand gegeben und besteht
solches einfach darin, dass man das mit Alkohol befeuchtete
Gummipulver in der entsprechenden Menge Wasser auflöst,
und die Lösung mit einigen Tropfen englischer SchwefelsÀure
versetzt. Nachdem der Gypsniederschlag sedimentirt, resul-
tirt eine bei Anwendung auch von nicht ganz weissem Gummi
fast ungefÀrbte Lösung und hatte dieselbe, in einem Glase,
welches nur lose mit einem durchbohrten Kork, in welchem
ein Pinsel befestigt, bedeckt war, nach achtzehnmonat-
licher Aufbewahrung an einem jedem, Tempera-
turwechsel ausgesetzten Orte weder an Kleb-
kraft verloren, noch zeigte sich die geringste
Spur von Schimmel.
SelbstverstÀndlich wird eine solche Lösung nicht in allen
FĂ€llen, jedenfalls aber da anwendbar sein, wo die saure
Reaction derselben nicht nachtheilig ist.
Die BorsĂ€ure als Conservirungsmittel fĂŒr Milch und Bier. 45
Zur VerhĂŒtung des Schimmelns der Dinte und um die
SÀuerung des StÀrkekleisters auf lange Zeit hintanzuhalten,
bedarf es nur des Zusatzes von einigen Tropfen Àtherischen
Senföls. â
Die BorsĂ€ure als Conservirungsmittel fĂŒr Milch und
Bier.
Von Demselben.
Bekanntlich ist der Borax als ein Mittel empfohlen
worden, durch welches die SĂ€uerung der Milch verlangsamt
werden kann. Im vorigen Jahre, 1870, ward die BorsÀure
in Schweden unter dem Namen Aseptin in: grossen Quan;
titĂ€ten als Conservirungsmittel fĂŒr Milch mit Erfolg verwen-
det und hat man dieselbe dort mit gleichem Erfolge zur Uon-
servirung von Fleisch und, um die das Àussere Ansehen des
Fleisches schÀdigende Einwirkung des Eichenholzes der FÀsser
zu neutralisiren, ein Gemisch von gleichen Theilen BorsÀure
und Alaun angewendet und dieses unter dem Namen dop-
peltes Aseptin in den Handel gebracht.
Als Zusatz zur Milch wurde von dem Verf. dieses durch
die BorsÀure folgendes Resultat erlangt.
In zwei Pfund frisch gemolkener Milch wurde am
26. Juni 1871 1 Grm. gepulverter BorsÀure aufgelöst und
die Satte bei 10°R. Temperatur der Ruhe ĂŒberlassen, gleich-
zeitig auch die in derselben Milchstube aufgestellte nicht mit
BorsÀure versetzte Milch beobachtet,
Nach den in dem Zeitraume von 6 zu 6 Stunden vorge-
nommenen Untersuchungen zeigte sich erst nach 96 Stunden
eine sehr schwache Reaction auf SĂ€ure, nur erst ganz augen-
scheinlich nach 120 Stunden. Bei der nicht mit BorsÀure
versetzten Milch zeigte sich nach 36 Stunden die erste, nach
48 Stunden bereits starke SĂ€urereaction. Die Bahmausschei-
dung ging bei letzterer viel rascher und vollstÀndiger vor
sich, als bei ersterer, und war mit 84 Stunden. vollstÀndig,
46 Die BorsĂ€ure als Conservirungsmittel fĂŒr Milch und Bier.
Die mit BorsÀure versetzte Milch schied den Rahm mit Àusser-
ster Langsamkeit aus und bedeckte selbst nach Verlauf von
120 Stunden die OberflĂ€che der Milch nur eine dĂŒnne Schicht
Rahm. Die Ausscheidung an Rahm war keine vollstÀndige,
doch wurde eine weitere Beobachtung aufgegeben, weil die
Milch mit Rahmschicht einen sehr merklichen Geruch nach
Zersetzung von sich gab, sich also der vollstÀndigen Un-
brauchbarkeit nÀherte. Im Uebrigen ist zu bemerken, dass
dieser Versuch bei einer Temperatur von durchschnittlich
10 Grad Reaumur vorgenommen wurde. â
Hiernach dĂŒrfte die BorsĂ€ure als ein wirksames Conser-
virungsmittel fĂŒr Milch anzusprechen, aber nicht geeignet
sein, die Rahmabscheidung ohne SĂ€uerung der Milch zu
ermöglichen. *)
Auf Grund dieses Experiments wurde ein gleicher Ver-
such mit Bier angestellt und zu dem Ende am 7. Octb. 1871
in einer Weinflasche voll am 30. Aug. gebrauten, vollstÀndig
blanken Lagerbiers 1 Grm. gepulverter BorsÀure, dieselbe
Menge dieser SÀure in einer gleich grossen QuantitÀt ein-
fachen (obergÀhrigen) am 2. Octbr. gebrauten gut ausgegohrnen
ebenfalls vollstÀndig blanken Bieres aufgelöst und beide lose
verkorkte Flaschen bei + 10,5° R. hingestellt. Beide Biere,
von blonder Farbe, zeigten vor dem Zusatz. der BorsÀure
eine schwache, meist von KohlensĂ€ure herrĂŒhrende, saure
Reaction, welche nach diesem Zusatz dieselbe blieb und auch
nach sieben Tagen nicht zugenommen hatte. Vom 14. Octbr.
bis zum 14. November wurden beide Flaschen, unter öfterem
Probeziehen, in einer zwischen + 14 und + 1° R. schwan-
kenden Temperatur aufbewahrt und waren beide Biere nach
Verlauf dieser Zeit opalescirend geworden; aber ungeachtet
wÀhrend dieser Zeit die Flaschen um ein Sechstheil ihres In-
halts geleert worden und der lose Verschluss derselbe geblie-
ben, hatte die SĂ€uerung der Biere nicht wesentlich zugenom-
*) Dieser Versuch wurde von Herrn Oberamtmann Weber-son-
dershausen angestellt,
Ueber die Einrichtung und den Betrieb der Fabrik ete. 4X
men, der Geschmack beider Proben war nicht mehr frisch,
aber ein sogenannter âStichâ nicht bemerkbar.
Am 14. Novbr. wurden beide Flaschen in einen fast stetig
14°R. warmen Raum ĂŒbertragen, wo die Ăpalescenz des
Inhalts bald wieder verschwand und erst Ende des Monats
waren beide Biere, und zwar das einfache Bier entschieden,
in einen untrinkbaren Zustand ĂŒbergegangen.
Ob die BorsÀure auch bei der Sommertemperatur, oder
der WĂŒrze des einfachen Bieres zugesetzt, gleich erhaltend
wirke, bleibt zu versuchen.
Ueber die Einrichtung und den Betrieb der Fabrik
fĂŒr aufgeschlossenen Guano der Herren Ohlendorff
und Co. in Hamburg.
Von Demselben.*)
Die Fabrik liegt auf der von einem Canal durchschnit-
tenen Elbinsel SteinwÀrder, deren Verbindung mit der Stadt
durch ein den Tag ĂŒber unausgesetzt hin und her gehendes
kleines Dampfschiff vermittelt wird. Dieselbe ist meist von
Arbeitern, Handwerkern und VictualienhÀndlern bewohnt,
sonst mit Schiffswerften, unter denen das Trocken - Dock der
Herren Goddefroy und deren Werft fĂŒr den Bau eiserner
Schiffe besonders bemerkenswerth, Spiritus- und Petroleum -
Lagern und Fabriken bedeckt, von denen die der Herren
Ăhlendorff & Co., das erste und grösste derartige Eta-
blissement auf dem Continent, die erste Stelle einnimmt,
WeitlÀufige, massive GebÀude beherbergen die grosse Fabrik,
in der die zur Aufschliessung des Guano erforderliche Schwe-
felsÀure erzeugt wird, und zwar wird dieselbe nach drei
*) Als Separatabdruck aus den Verhandlungen des Vereins zur Be-
förderung der Landwirthschaft zu Sondershausen, vom Herrn Verf. erhal-
ten. H,L,
48 Ueber die Einrichtung und den Betrieb der Fabrik etc.
Systemen: aus sicilianischem Schwefel und aus StĂŒckkies von
der Ruhr und aus Norwegen gewonnen, wÀhrend gegenwÀr-
tig das dritte in Anlage begriffen ist, nach welchem der beim
Brechen des Kieses auf der Maschine abfallende Grus oder
Schlich verarbeitet werden wird. Die Fabrik erzeugt tÀglich
500 Ctr. SĂ€ure, auf 66° B. berechnet, nur fĂŒr eignen Ge-
brauch, und ist auch diese Anlage wohl die grösste der
Art auf dem ĂOontinent. Die SalpetersĂ€ure wird in einer
Nebenabtheilung des GebÀudes aus Chili-Salpeter dargestellt.
Durch ein System von durch Dampfkraft bewegten Reini-
gungsmaschinen, Mahlwerken, DurchschlÀgen und Sieben
wird der rohe Guano von Steinen befreit und in den zur
Aufschliessung erforderlichen pulverigen Zustand gebracht
und erfolgt die Aufschliessung desselben in Bleikesseln.
Das durch diese Operation wieder consistent gewordene
Fabrikat wird durch Paternosterwerke in einen Raum geför-
dert, wo dasselbe, durch Maschinen zerkleinert, ein System
von Sieben zu passiren hat, aus denen dasselbe in der kÀuf-
lichen Form hervorgeht und durch mit Dampf betriebene
Schöpfwerke in die fĂŒr diesen Zweck eigens gefertigten
SĂ€cke gelangt. Zwischen 2- und 300 gut gelohnte Arbei-
ter sind in der Fabrik in rĂŒhriger und ebenmĂ€ssiger Haltung
beschÀftigt und leidet deren Gesundheit weder durch den
unvermeidlichen Staub noch durch die ammoniakalischen
DĂŒnste, welche in der Fabrik und den LagerrĂ€umen vor-
herrschen. Das ganze Etablissement steht unter der tech-
nisch - wissenschaftlichen Leitung des Herrn Dr. Rube, eines
SchĂŒlers des Hofrath Bunsen in Heidelberg, und frĂŒheren
Lehrers an der Bergakademie in Freiberg, und hat derselbe
âauch ein mit allen Erfordernissen ausgestattetes chemisches
Laboratorium zur VerfĂŒgung.
Das Grossartigste der Anlage sind aber die colossalen
VorrÀthe an rohem und aufgeschlossenen Guano, welche in
hallenartigen, mit englischem Theerfilz bedeckten, in Holzcon-
struction hergestellten RĂ€umen lagern. Hunderttausende von
Centnern sind hier in SĂ€cken symmetrisch aufgestapelt, eine
jede: Schiffsladung fĂŒr sich. Das grösste, im Bau noch nicht
Ueber die Einriehtung und den Betrieb der Fabrik etc. 49
vollendete, bei dem Besuche des Referenten aber schon fast
bis zu einem Drittheil des Raumes belegte Lagerhaus,
470 Fuss lang und 350 Fuss tief, hat Raum fĂŒr eine
Million zweimalhundert fĂŒnfundzwanzig Tau-
send Sack, und waren dort in einer Höhe von 40 Fuss
56 SĂ€cke ĂŒbereinander geschichtet. Bei diesen enormen
VorrÀthen erscheint die Besorgniss, dass der Vorrath an
brauchbarem Guano demnÀchst zu Ende gehen werde, vor-
lÀufig nicht gerechtfertigt, dagegen die Angabe, dass die
Firma in einer Woche schon 75000 Pfd. Sterl. Fracht fĂŒr
(Guano gezahlt habe, wohl glaublich. Zu der Zeit, als Refe-
rent die Fabrik besuchte, löschten drei fĂŒr dieselbe mit Guano
beladene Dreimaster ihre Fracht.
Die Fabrik schliesst jetzt Ballestos-Guano auf und
ist bei der GĂŒte desselben in den Stand gesetzt, die Ga-
rantie fĂŒr Stickstoff auf 9 bis 10 Procent zu erhöhen. Nach-
dem im vergangenen Herbst die Guano- VorrÀthe der Chin-
chas-Inseln zur Neige gingen, begann man die Guanape-
und Ballestos-Inseln anzubrechen und den Ertrag nach
Europa zu bringen; die letzten Reste des Chincha -Guano,
so wie die Decke des Guano von Guanape und Ballestos
hielten aber weniger Stickstoff, ausserdem waren sie mit
variabeln Mengen von Steinen und Sand gemengt, so dass die
Fabrik in ihrem Circular vom 22. Januar die Garantie des
Stickstoffs auf 8 Procent zu reduciren gezwungen war, Als
man aber weiter in die Guanolager eindrang, wurde der
Guano immer besser und im September konnte die Garantie
wieder auf 9â10 Procent erhöht werden, eine (Garantie,
welche die Fabrik nicht nur eingehalten hat, sondern es
wird von derselben meistens Waare mit ĂŒber 10 Procent
Stickstoff abgesetzt.
Schliesslich sei noch auf ein eigenthĂŒmliches Zusammen-
treffen hingewiesen, dass in derselben Stadt Hamburg, aus
welcher Jahr aus, Jahr ein Millionen Ăentner Auswurfsstoffe
durch Canalisation in die Elbe gelangen, deren das Fahr-
wasser derselben verflachende Sinkstoffe fortwÀhrend durch
kostspielige Dampfbaggerei aus demselben entfernt werden
Arch. d, Pharm, CC, Bds, 1. Heft, 4
50 Raupenvertilgende Mittel.
mĂŒssen, dass in derselben Stadt der Stickstoff, welcher der-
selben aus weiten Fernen ĂŒberseeisch zugefĂŒhrt worden, fĂŒr
die Landwirthschaft des europÀischen Continents nutzbar
gemacht wird. Der Baggerschlamm aus der Elbe wird
auf den verschiedenen Elbinseln niedergelegt und dort zwar
einen fruchtbaren Vegetationsboden, aber daneben einen
Heerd von verderblichen Einwirkungen auf menschliche Woh-
nungen bilden.
Raupenvertilgende Mittel.
Eine Mischung von Kohlenstaub, Kochsalz und
Abfall-Schwefel; sie wird am besten vor Regen auf das
frischgepflĂŒgte Land gestreut.
(W. E. Gedge, London; patentirt fĂŒr Grossbritannien
und Irland fĂŒr A. Laine, Beaunay, Frankreich... Siehe Be-
richt d. deutsch. chem. Gesellsch. zu Berlin vom 11. MĂ€rz
1872, Nr. 4. 8. 163.).
HAT,
Nach Apotheker Dr. Schmidt in Edenkoben werden
die BĂ€ume von Raupen befreit durch Bespritzen derselben
mit einer Auflösung von Schwefelleber (Schwefelkalium)
in 500 Theilen Wasser; den BÀumen schadet diese Lösung
nichts, aber die Raupen gehen dadurch zugrunde. (Apoth.
Dr. Schmidt, wie vertreibt man den Heu- und Sauer-
wurm? Neustadt an d. Hardt, 1871.).
Vai
Tab 1.
FIT # Botanik.
Ueber die sogenannte .,Wasserpest
(Elodea eanadensis Casp.)
(Mit 2 Tafeln.)
Von Paul Horn, Apotheker in Waren.
Wohl keine Pflanze hat in den letzten Jahren die allge-
meine Aufmerksamkeit in einem solchen Grade in Anspruch
genommen, als Elodea canadensis ĂOasp., da sie, mit
ungeheurer Schnelligkeit sich in KanĂ€len, FlĂŒssen und Seen
verbreitend, oft der Schifffahrt und der Fischerei wesentliche
Hindernisse bereitete und grosse Summen fĂŒr ihre Vertrei-
bung in Anspruch nahm. Aus diesem Grunde ist sie bereits
unter dem deutschen Namen âWasserpestâ der Gegen-
stand vieler Abhandlungen gewesen und wenngleich in bota-
nischer Beziehung die mustergĂŒltige und erschöpfende Arbeit
des Prof. Caspary in den Pringsheimâschen JahrbĂŒchern
von 1858 alles Wesentliche ĂŒber diesen neuen BĂŒrger der
norddeutschen GewÀsser, denn das ist die Elodea bereits
geworden, brachte, so dĂŒrfte grade das Archiv ĂŒber die so
oftgenannte Pflanze seinen Lesern noch ein genaueres Referat
schulden, zumal diese Pflanze ihren Verbreitungsbezirk all-
jÀhrlich zu erweitern scheint. Auch in den Mecklenburgischen
Seen ist sie bereits eingebĂŒrgert und habe ich seit 1868
dieselbe genauer zu beobachten Gelegenheit gehabt. In Nach-
folgendem ĂŒbergebe ich das Resultat meiner Studien und
Beobachtungen, mit der Bitte um wohlwollende Aufnahme
den Lesern des Archivs.
UrsprĂŒnglich inNord-Amerika einheimisch, wurde die
Elodea canadensis zuerst in der Flora boreali-americana
des jĂŒngeren Michaux 1803 aufgefĂŒhrt, jedoch war sie
4*
52 Ueber die sogenannte Wasserpest.
bereits von Richard mit dem Namen Elodea canaden-
sis versehen, und zwar rechnen sie Michanx und Richard
zur Triandria Monogynia L. Dieser Charakter der DreimÀn-
nigkeit und des Hermaphroditismus wird von Humboldt
und Bonpland bei Beschreibung der Elodea granaten-
sis bestÀtigt.
Pursh stellte 1814 eine Hypericineen - Gattung unter
dem Namen Elodea auf und nannte unsere Gattung Elodea
Richard âSerpicula.â Dieser Name war aber bereits einer
anderen Gattung zugetheilt und aus diesem Grunde taufte
Nuttal die Pflanze in âUdoraâ um, gab aber nicht den
Gattungscharakter von Elodea Richard an, sondern den von
Anacharis Richard, der in NeunmÀnnigkeit und Diöcis-
mus besteht und behauptet die IdentitÀt beider Gattungen,
ohne dafĂŒr den geringsten Beweis beizubringen. Der Gat-
tungsname Udora Nuttal wurde von Babington und
Planchon eingezogen, da Richard lange vor Nuttal das-
selbe Genus Anacharis benannte Nuttal schlossen sich
aber in der Behauptung der IdentitÀt der dreimÀnnigen Herm-
aphroditen Elodea Richard und der neunmÀnnigen diöcischen
Anacharis 0. Sprengel, Beck und Hooker an wnd ver-
mehrte Sprengel die Verwirrung noch dadurch, dass er die
indische Serpicula verticillata (L). Roxb. Willd. mit
Udora canadensis Nuttal und Elodea canadensis Mich., Elodea
granatensis H. et B. und Elodea orinoccensis Richard zusam-
men warf und diese Art Udora verticillata Sprengel nannte.
Endlicher, Meissner und Martius, wie auch Chatin
ĂŒbertrugen den Richardâschen Charakter der Gattung Elodea,
DreimÀnnigkeit und Hermaphroditismus auf die Gattung Udora
Nuttal und finden wir nun bei diesen Anacharis Richard
und Udora Nuttal als verschiedene Genera. Planchon suchte
die Verwirrung dadurch zu heben, dass er der Gattung Udora
Endl. et Meissner den neuen Namen Apalanche gab, Der
erste, der Beweise fĂŒr die Zusammengehörigkeit der Gat-
tungen Elodea und Anacharis Richard beizubringen suchte,
war Torrey. Nach ihm haben die mÀnnlichen, stiellosen
BlĂŒthen neun StaubgefĂ€sse und lösen sich zur Zeit der Reife
Ueber die sogenannte, Wasserpest. 55
ab, um das GeschÀft. der Befruchtung zu vollziehen. Die
Hermaphroditen - BlĂŒthen haben meist drei, aber auch fĂŒnf,
sechs und mehr gelbe, sitzende Stamina mit oblongen Anthe-
ren. Weibliche BlĂŒthen ohne Antheren scheint er nicht ge-
sehen zu haben. Die Stigmata beschreibt er als mehr oder
weniger tief zweilappig und roth gefÀrbt.
Durch die obengenannten Verwechslungen ist in die
Nomenclatur dieser Pflanze eine heillose Verwirrung gebracht
worden, so dass wir auch inKochâs Synopsis unter
dem Namen Udora Nuttal die verschiedensten
Pflanzen vereinigt finden. Erst durch die Abhandlung
des Prof. Caspary ĂŒber die Hydrilleen kam Licht in
diese gelehrte Finsterniss und that derselbe durch umfÀng-
liche Untersuchungen der verschiedensten Originalexemplare
auf das Ueberzeugendste die Zusammengehörigkeit
der Elodea und Anacharis Richard dar, wie er auch
die IdentitÀt der zuerst in England gefundenen Anacharis
Alsinastrum Babingt. mit den ersteren erwies, welche
Pflanzen nun die Elodea canadensis Casp. darstellen.
Die erste Auffindung dieser Pflanze in Europa fÀllt in
das Jahr 1836, wo ein GĂ€rtner John New dieselbe in einem
Teiche bei Warringtown in Irland entdeckte und zwar nach
Auspflanzung einiger exotischer WassergewÀchse. Sie ver-
nothwendigte durch ihr schnelles Wachsthum mehrfache Aus-
krautungen schon wÀhrend des Sommers. Darauf fand sie
Dr. Johnston am 3. August 1842 im See von Dunse-
Castle in Berwickshire in Schottland und schickte sie blĂŒ-
thenlos an Babington. Um dieselbe Zeit wurde sie auch in
Irland von David Moore in einem Teich in Booterstown
bei Dublin gefunden und in den botanischen Garten verpflanzt.
1847 wurde die Pflanze weit entfernt von den ersten Fund-
orten im mittleren England in Leicestershire und zwar mit
weiblichen BlĂŒthen durch Miss Mary Kirby entdeckt.
1848 lieferte Babington die Beschreibung der Pflanze und
nannte sie Anacharis Alsinastrum. PBabington
glaubte, dass die Pflanze in England heimisch sei, zumal sich
die Fundorte hÀuften, obgleich schon der Umstand ihn hÀtte
54 Ueber die sogenannte Wasserpest.
bedenklich machen können, dass es bis dahin nur gelungen
war, seine Anacharis in weiblichen Exemplaren zu finden.
SpĂ€ter entschied auch er sich fĂŒr die Ansicht, dass dieselbe
von Nord-Amerika und zwar mit Rhizomen von Nymphaea
odorata eingeschleppt sei, wenigstens wurde sie zuerst nach
Auspflanzung solcher direct von Canada bezogener Rhizome
in dem Teiche von Leigh-Park in Hampshire beobachtet.
Nach dieser Zeit breitete sich die Pflanze, dem Wasserlauf
folgend, in ungeheurer Menge in England aus, so dass sie
sehr wesentliche Verkehrsstörungen in FlĂŒssen und KanĂ€len
hervorrief.
Die starke Vermehrung der Elodea unter gĂŒnstigen
Wachsthumsbedingungen ist Anlass geworden, ihr erstes
Auftreten in England mit einer mythenartigen ErzÀhlung aus-
zustatten, die ich hier mittheilen will. Dieser ErzÀhlung nach
soll ein Geistlicher Mr. Rivers Topper, Vicar zu Stieton,
der sich mit Kultur exotischer WassergewÀchse befasste, die
Pflanze von einem ĂŒberseeischen Tauschfreund unter dem
Namen Growforevva aquatilis in einem Wurzelexem-
plar zugeschickt erhalten haben. Schon wÀhrend der Reise
hatte die Pflanze das ganze GefÀss, in welchem sie untergebracht
war, vollstĂ€ndig ausgefĂŒllt. In das fĂŒr sie bestimmte Bassin
gebracht, fĂŒllte sie aber auch dieses bald aus, alle anderen
Pflanzen vernichtend, und trotz der grössten Sorgfalt und
MĂŒhe gelang es dem entsetzten GĂ€rtner nicht, die Pflanze zu
vertilgen; denn am Morgen waren die gesÀuberten Stellen
des vorigen Tages wieder gefĂŒllt. Aber nicht genug, dass
sie in den Teichen des Blumenfreundes- nicht zu bewÀltigen
war, sie ging durch einen Abzugscanal des Bassins auch in
den Fluss und fĂŒllte diesen aus, WĂ€nde von solcher MĂ€ch-
tigkeit und Dichtigkeit bildend, dass das Wasser aufgestaut
wurde. In Folge der hierdurch entstehenden Verkehrs-
störungen wurden die Stieton Schifffahrtscompagnie und die
MĂŒllerassociation klagbar gegen den Vicar und nur durch den
Umstand, dass fĂŒr solche SchĂ€digung durch Pflanzen kein
Gesetz existirte, entging er der Verurtheilung. Aber die
Royal Botanical Society knĂŒpfte sein GedĂ€chtniss dadurch an
[2
Ueber die sogenannte Wasserpest. 55
diese Pflanze, dass dieselbe den Namen Topperaria pesti-
fera erhielt, bis sich die IdentitÀt mit der Elodea heraus-
stellte. In Holland und Belgien und der Mark Brandenburg
trat die Elodea fast zu gleicher Zeit auf.
Prof. Scheidweiler hatte 1858 lebende Pflanzen 'aus
England kommen lassen und dieselben in einen Wasserpfuhl
bei Ledeberg ausgepflanzt. 1860 beobachtete sie Prof. Oude-
manns in der NĂ€he von Utrecht und in demselben Jahre
fand sie ein UntergÀrtner des UniversitÀtsgartens Louis
BossÀrts in einer Lehmgrube bei Pauwken unweit Gent.
1862 entdeckte sie Prof. Crepin bei Gent und Dr. We-
stendorp und Capt. Lenaers bei Termonde in Ostfries-
land, Jetzt ist die Pflanze in Holland und Belgien weit
verbreitet.
In den botanischen Garten zu Berlin gelangte Elodea
1852 direct von England durch Herrn E. T. Bennet Esa.
Zuerst in KĂŒbeln gezogen, gelangte sie nicht zur BlĂŒthe und
wurde in Folge dessen 1857 ins Freie in einen Teich ge-
bracht, ĂŒberdauerte auch den Winter 1857 â58 sehr gut
und blĂŒhte von August bis September 1858 reichlich, ver-
mehrte sich aber in den KanÀlen des Gartens so sehr, dass
sie schon 1860 als sehr unbequemes UnkrÀut betrachtet
wurde. Der ObergĂ€rtner der Augustinâschen GĂ€rtnerei an
der Wildpark - Station bei Potsdam fĂŒhrte sie Ende der fĂŒnf-
ziger Jahre in das dortige Aquarium ĂŒber. Bald darauf
tauchte sie in den GewÀssern von Charlottenhof in grosser
Menge auf. Auf welche Weise sie aber dorthin gelangte,
hat mit Sicherheit nicht festgestellt werden können. 1859
fand Herr Lehrer Boss sie in der Havel bei Sanssouci.
1860 wurde sie vom Kantor Buchholz in Neustadt
beim alten Wasserfall, 1863 von Dr. Hegelmaier bei
Werder und im Glindower See gefunden. 1866 waren der
Tegeler See, der Schwilow- und der Plauenâsche See bereits
damit angefĂŒllt und reichte sie in der Havel vom Tegeler
See bis nach Havelberg. 1869 tauchte sie auch in den
Templiner und Lychener GewÀssern, wie auch im Ueckersee
bei Prenzlow auf. 1866 und 1867 wurde sie zuerst im
56 Ueber die sogenannte Wasserpest.
Dammâschen See bei Stettin und 1869 vereinzelt in der Oder
und Diwenow gefunden.
Von dem Hamburger botanischen Garten, wo sie 1860
angepflanzt war, gelangte sie in den Stadtgraben und von
dort ins Alsterbassin, wo sie in ungeheurer Menge auftrat
und immense Summen fĂŒr ihre Vertreibung aufgewendet wur-
den. Am 16. Mai 1866 wurde sie im Harburger Hafen ent-
deckt und diese Thatsache, sowie auch die Beschreibung der
Pflanze und der weiblichen BlĂŒthe von einem Herrn T. im
Hannöverâschen Courier veröffentlicht. Die Bunzlauer Phar-
maceutische Zeitung vom 8. August 1866 theilte diesen Arti-
kel mit; die einzige Beschreibung der Pflanze, soviel mir
bekannt, welche in- pharmaceutischen Journalen erschienen
ist. Bei Dömitz wurde sie von Dr. Fiedler 1864 oder
1865 in der Elbe entdeckt. In der MĂŒritz fand Gymna-
siallehrer Struck sie 1868 und scheint es fast, als ob
sie in die MĂŒritz von der Havel aus gelangt sei, wĂ€hrend sie
sich in der Unterelbe stromaufwÀrts von Hamburg aus ver-
breitet habe. Im Schweriner See wurde sie durch Brock-
mĂŒller 1871 entdeckt.
Ausserdem wurde noch das vereinzelte Vorkommen bei
Leipzig durch Auerswald 1861 beobachtet und ist sie hier
wohl mit Sicherheit aus dem botanischen Garten ausgewan-
dert. Auerswald widmete der Elodea in der 2. Auflage sei-
ner botanischen Unterhaltungen von 1863 pag. 287 eine Un-
terhaltung und bildete sie auf der 37. Tafel ab.
Ueber die Verbreitung in den schlesischen GewÀssern
habe ich nichts NĂ€heres erfahren.
Die Elodea canadensis Casp. gehört der kleinen monoco-
tylen Familie der Hydrocharideae Rich. an, die durch
ihren BlĂŒthenbau den Alismaceen und Juncagineen, durch
ihre anatomische Structur den Najadeen verwandt ist. Diese
Familie gliedert sich in drei Tribus Hydrilleae Casp.
(Anacharideae Endl), Vallisnerieen und Stratioideen.
Unsere Elodea reiht sich der ersten Tribus ein. Im Linneâ-
schen System wĂŒrde sie, nachdem durch Caspary ihr Herm-
Ueber die sogenannte Wasserpest. 57
aphroditismus und Diöcismus festgestellt ist, in der Poly-
gamia Trioecia unterzubringen sein.
In den europÀischen GewÀssern sind bis jetzt nur diöcische
und zwar nur weibliche Exemplare beobachtet worden. Diese
wachsen in sehr dichten Rasen an nicht zu tiefen, ruhigen
Uferstellen von 1 bis 11/, Meter Tiefe und senden ihre lan-
gen, fadenförmigen, brÀunlich gefÀrbten Adventivwurzeln in die
oberen, modrigen Schichten des kalkhaltigen Bodens. Die
Vermehrung der Individuen geschieht nur auf vegetativem
Wege durch Sprossbildung und zwar in erstaunlicher Menge,
da jedes mit einer lebensfĂ€higen Knospe versehene StĂŒck
sich leicht bewurzelt, um bald selbst wieder neue Individuen
zu erzeugen. Es entstehen so oft WĂ€nde von ungeheurer
MÀchtigkeit, die in engen KanÀlen das Wasser förmlich auf-
zustauen vermögen. Der fadenförmige, drehrunde, Àstige
Stengel erreicht nach meinen Messungen die LĂ€nge von 40
bis 50 Centimeter, vermag jedoch durch die in den Blatt-
achseln erzeugten Sprosse sich fast zu jeder beliebigen LĂ€nge
auszudehnen, meistens aber stirbt er, wÀhrend er an der
Spitze fortwÀchst, am hinteren Ende ab. Das zierliche, fluthende
Kraut erreicht die OberflÀche des Wassers und. bildet form-
liche Wiesen. Gegen Ende des Herbstes hört natĂŒrlich die
Vermehrung nach und nach auf und sinken die Stengel zu
Boden, die BlÀtter abwerfend, und nur einige Achselknospen,
die sich jedoch nicht von den gewöhnlichen unterscheiden,
ĂŒberdauern den Winter unter dem Eise, um im FrĂŒhling von
Neuem auszutreiben. In einzelnen Jahren sah ich ĂŒbrigens
unter dem Eise kleine Pflanzen in grosser Menge, von denen
ich bis jetzt keine genauer untersuchte.
Dicht unter der kegelförmigen Stammspitze entstehen die
lÀnglich ovalen, zungenförmigen, mit sehr kleinen einzelligen
SĂ€gezĂ€hnen versehenen, tiefgrĂŒnen BlĂ€tter, als kleine ovale
WĂŒlstchen, je drei auf gleicher Höhe und zwar in alterniren-
den Wirteln. Man erkennt demgemÀss sechs senkrechte
Blattzeilen am Stamm. Zwischen Stengel und Blatt finden
wir in der oberen Region des Sprosses die so interessanten,
durch Prof, Caspary entdeckten stipulaeintrafoliaceae,
58 Ueber die sogenannte Wasserpest.
die wegen ihrer grossen HinfÀlligkeit aber an den entwickel-
ten BlÀttern nicht mehr aufgefunden werden können und dess-
halb leicht zu ĂŒbersehen sind. Durch die Form dieser Organe
sind Elodea und Hydrilla, wenn man alle anderen Merkmale
nicht benutzen will, auf das Bestimmteste zu unterscheiden.
Bei Elodea sind sie nemlich oval bis kreisrund und ganzran-
dig, höchstens wenig buchtig, wÀhrend sie bei Hydrilla lÀng-
lich lanzettlich am Rande durch sehr lange Papillen gefranzt
sind. In der Achsel der BlÀtter entstehen die jungen Laub- _
sprosse von zwei deltoidischen VorblÀttchen umschlossen, von
denen das untere die ganz junge Knospe am Grunde fast
umfasst und nur die RĂŒckseite des zweiten Vorblattes etwas
frei lÀsst. Die beiden VorblÀtter stehen fast niemals voll-
stÀndig rechts und links zum Tragblatt, sondern meistens
etwas gedreht. Oberhalb des Tragblattes, aber etwas seitwÀrts
von ihm entspringt aus dem Stamm hÀufig eine Adventiv-
wurzel. Von den drei BlÀttern eines Wirtels finden wir nur
in der Achsel eines eine Knospe. Eines der VorblÀtter die-
ser Knospe zeigt meist ebenfalls die Anlage eines jungen
Sprosses zweiter Ordnung und findet man bei weiter ent-
wickelten Exemplaren auch Knospen dritter und vierter Ord-
nung in den Achseln der entsprechenden KnospendeckblÀtter,
so dass in einer Blattachsel förmliche Knospenhaufen vereinigt
stehen können. Durch das Auftreten der BlĂŒthe kommt in
die regelmÀssigen dreigliedrigen Blattwirtel aber in so ferne
eine Unterbrechung, als die BlĂŒthenknospen ausnahmelos,
soviel ich beobachten konnte, ihr Tragblatt an den nÀchst
unteren Wirtel hinandrĂ€ngen, so dass also der blĂŒthentra-
gende Wirtel scheinbar zweigliederig ist, wÀhrend das fertile
Wirtelblatt den nÀchstfolgenden Wirtel scheinbar viergliede-
rig macht. Dies VerhÀltniss ist z. B. in der oben eitirten
Zeichnung der Botanischen Unterhaltungen von Auerswald
durchaus unrichtig dargestellt und bei den Beschreibungen,
die mir bekannt geworden, vielfach nicht beachtet. Vielleicht
wird durch Àhnliche Ursachen, wie sie das Auftreten der
BlĂŒthenknospe in den Blattachseln erzeugt, das Entstehen der
mitunter vorkommenden viergliedrigen Wirtel erklÀrlich, wie
Ueber die sogenannte Wasserpest. 59
auch ich solche, wenn auch selten zu beobachten Gelegen-
heit hatte. Die ersten viergliederigen Wirtel sah ich im
October 1870 und fand an einem. genauer untersuchten
Exemplar zwölf viergliedrige Wirtel, wÀhrend der Stamm
unterhalb derselben, wie auch oberhalb an der Stammspitze
regelmÀssig dreigliederige Wirtel zeigte. Uebrigens gingen
die dreigliedrigen in die viergliedrigen und diese wieder in
die dreigliedrigen Wirtel ohne alle Vermittelung ĂŒber. Un-
ter den zwölf Wirteln hatte einer eine BlĂŒthe entwickelt
und war scheinbar dreigliedrig, wĂ€hrend sein viertes die BlĂŒthe
tragendes Blatt an den nĂ€chst unteren Wirtel hinangerĂŒckt
war, so dass dieser scheinbar fĂŒnfgliederig war. Es sind mir
mehrfach UnregelmÀssigkeiten in der geschilderten Anordnung
der Wirtel begegnet, ohne dass ich eine gewisse Gesetz-
mÀssigkeit dabei entdecken konnte. So sieht man die Anord-
nung der BlÀtter eines Wirtels mitunter schraubig werden
und findet zwischen regelrecht stehenden Wirteln öfter ein
einzeln stehendes Blatt,
Unter anderen fand ich in fĂŒnf aufeinander folgenden
Wirteln folgende Anordnung.*) In dem ersten Wirtel deckte
das erste Blatt das zweite mit dem linken Rande, das dritte
Blatt stand wie bei einem regelrechten Wirtel zwischen dem
ersten und zweiten. Der zweite Wirtel war nur durch das
vierte Blatt angedeutet, welches an der regelmÀssigen Stelle
zwischen dem zweiten und dritten Blatt des ersten Wirtels
stand. Darauf folgte der dritte Wirtel mit drei BlÀttern, von
denen das erste Blatt (fĂŒnfte der ganzen Folge) dem vierten
grade gegenĂŒberstand und mit beiden RĂ€ndern das sechste
und siebente Blatt deckte, so dass ihm gegenĂŒber der Raum
fĂŒr ein viertes Blatt dieses Wirtels freigelassen war. Der
vierte Wirtel wurde vom achten und neunten Blatt gebildet,
die an der regelrechten Stelle standen und fehlte diesem Wir-
tel nur das zehnte Blatt. Der darauf folgende Wirtel war
dreigliederig, durchaus regelmÀssig. Die bei den Zweigen
vorhandenen VorblĂ€tter finden sich auch an den BlĂŒthen als
*) Siehe Fig. 9. Tab. 2.
60 Ueber die sogenannte Wasserpest.
zweizĂ€hnige BlĂŒthenscheide, wenigstens stehen die beiden
ZĂ€hne derselben zu dem sie tragenden Blatt ganz ebenso,
als die VorblÀtter der Laubsprosse zu ihrem Tragblatt.
Die BlĂŒtbe ist sitzend, durchaus trimer gebaut. Sechs
PerigonblÀtter umgeben sie, von denen die drei Àusseren,
brÀunlich roth gefÀrbten, kaputzenförmig an der Spitze ein-
gezogen sind und derber kelchartig erscheinen. Hierauf folgt
der zweite Wirtel, gebildet aus drei röthlichweissen, ovalen,
blumenblattartigen PerigonblÀttern, die mit dem vorauf-
gehenden und folgenden Wirtel alterniren. Dieser letztere
besteht aus drei kleinen, weisslichen, linealen Körperchen,
jedenfalls Staminodien. Mit diesen wechselnd, also vor
den blumenblattartigen PerigonblÀttern stehend, sehen wir
die drei-, sehr hÀufig zweilappigen, rothgefÀrbten, mit reich-
lichen Papillen bedeckten Narben, welche, sich abwÀrts biegend,
den PerigonblÀttern des zweiten Kreises sich fest anlegen, wÀh-
rend die kelchartigen des Àusseren Kreises aufgerichtet stehen.
Die bereits von Torrey angefĂŒhrte 'Thatsache, dass die
Narben tief zweispaltig seien, wurde von Caspary nach
dem von ihm untersuchten Material in der Arbeit ĂŒber die
Hydrilleen bezweifelt, jedoch hat auch Caspary bereits in dem
Abdruck aus den Verhandlungen der 35. Versammlung deut-
scher Naturforscher und Aerzte âĂŒber das Vorkommen der
Hydrilla verticillata Casp. in Preussen und Pommernâ
in der Anmerkung pag. 297 diese Beobachtung bestÀtigen
können. Die ziemlich lange, fadenförmige, rothbrÀunliche
BlĂŒthenröhre wird bis fast auf ein Drittel ihrer LĂ€nge von
den vorhin erwÀhnten, scheidenartig verwachsenen VorblÀttern
umschlossen. Am Grunde umschliessen dieselben den Frucht-
knoten ziemlich eng, nach oben bilden sie eine urnenförmige
Erweiterung, um sich mit den Spitzen beider ZĂ€hne wieder
eng an die Röhre anzuschliessen. Im Grunde dieser Scheide,
in der Blattachsel des Tragblattes, finden wir das dreigliedrige
Ovarium mit 3 Placenten, von denen jede, nach meinen Be-
obachtungen ein orthotropes, zweihÀutiges Eichen trÀgt.
HĂ€ufig sind aber nur zwei Narben vorhanden und fand ich
in diesen FĂ€llen meistens zwei, mehrmals aber auch vier
Ugber die sogenannte Wasserpest. ol
orthotrope Eier an den entsprechenden Placenten. Bei den
dreinarbigen sah ich bis jetzt niemals zwei ovale an einer
Placenta. Die auf âder OberflĂ€che des Wassers schwimmende,
flach ausgebreitete Blumenkrone zeigt einen Durchmesser von
circa 5 MM., die BlĂŒthenröhre von 0,5 MM. und am Grunde
des Ovarium von 2MM. Bei diesem geringen Durchmesser der
BlĂŒthenröhre ĂŒberrascht die LĂ€nge derselben, welche zwischen
50 bis 7TOMM. schwankt, so dass man bei flĂŒchtiger Beobachtung
leicht geneigt ist, dieselbe fĂŒr den Petiolus anzusehen.
Dieser Irrthum findet sich auch wirklich in der Beschreibung
jenes Herrn T. in Harburg, vergleiche Pharmaceutische Zei-
tung Nr. 63 vom 8. August 1866 pag. 295. Die LĂ€nge der
BlĂŒthenscheide bewegt sich zwischen 15â 17MM. Die Stel-
lung der BlĂŒthe zum Tragblatt anlangend, fand ich, dass die
beiden hinteren Ecken des auf dem Querschnitt dreieckig
erscheinenden Fruchtiknotens dem Stamme zugekehrt sind,
wÀhrend die dritte dem Tragblatt zugewendet ist. Die Nar-
ben liegen umgekehrt, zwei Narben nach vorne dem Tragblatt
zu, die dritte nach hinten dem Stamme zugekehrt. _
AuffÀllig bei diesem sonst regelrechten, monocotylen
BlĂŒthenbau erscheint mir die Stellung der Narben oder viel-
mehr der ihnen entsprechenden CarpellarblÀtter, da diese wie
bei den Irideen nicht vor den blumenblattartigen Perigon-
blÀttern, sondern vor denen des ersten Kreises stehen sollten,
um den verloren gegangenen zweiten Staubblattwinkel zu
markiren.
Der Àstige, fadenförmige, drehrunde Stengel hat ein bis
zwei Millimeter im Durchmesser und schwankt die LĂ€nge der
Internodien von den kaum messbaren der Spitze bis zu 20 MM.
Auf dem Querschnitt erkennt man den in der Mitte liegenden
Fibrovasalstrang. Eine bemerkbar von dem Grundgewebe
sich abhebende Rindenschicht findet sich nicht, wohl aber
sowohl am Stamm als auch den BlĂ€ttern eine ziemlich dĂŒnne
Cnticula. In der Mitte des Fibrovasalstranges bemerkt man
einen Kanal!, im spĂ€teren Alter mit brĂ€unlicher FlĂŒssigkeit
erfĂŒllt. Das Grundgewebe zeigt mehre in einen Ring ge-
62 Ueber die sogenannte Wasserpest,
ordnete, lufttĂŒhrende KanĂ€le, meistens 5, mitunter auch mehr.
An den Knoten des Stammes wird das Gewebe dichter.
Die Bemerkung, dass der anatomische Bau des Stammes
sich nicht weit von dem der Laubmoose entfernt, ist in so
ferne allerdings gerechtfertigt, als man im fertigen Stamme
keine weitergehende Differenzirung des Gewebes wahrnimmt.
Derselbe baut sich nemlich aus lÀnglichen, parenchymatisch
aneinanderschliessenden Zellen auf, die nur in der NĂ€he der
Knoten kĂŒrzer werden. Die Knoten selbst bestehen aus zwei
bis drei Reihen fast runder, stÀrker verdickter Zellen. Die
Zellen des Umfangs enthalten ziemlich viel Chlorophyll. Der
fertige Fibrovasalstrang besteht ebenfalls aus langgestreckten,
parenchymatisch aneinander schliessenden Zellen, die nur
noch bedeutend geringeren Durchmesser zeigen, als die des
Grundgewebes und deren QuerwÀnde etwas schrÀg gestellt
sind. GefÀsse finden sich in dem fertigen Fibrovasalstrang
nicht, wohl aber, wie dies Caspary zuerst beobachtete, in der
jungen Stammspitze ein in der Mitte liegendes, ringförmig
verdicktes GefÀss, welches in den Knoten nach der Ansatz-
stelle der BlÀtter je ein GefÀss entsendet. Diese GefÀsse,
hÀufiger spiralförmig verdickt, sieht man weit leichter, als das
centrale GefÀss; selbst noch in sehr weit von der Spitze ge-
legenen Knoten erkannte ich dieselben. In den Fibrovasal-
strang des entsprechenden Blattes sah ich dasselbe ĂŒbrigens
nie eintreten. Das GefÀss des Stammes wird spÀter resorbirt
und stellt den vorhin erwÀhnten mittleren Kanal dar. Der
Fibrovasalstrang ist von einer Reihe eigenthĂŒmlich gebildeter
Zellen umgeben, die auf ihren seitlich aneinanderschliessenden
QuerwÀnden scheinbar einen Spalt erkennen lassen. Bei
schrĂ€ggefĂŒhrten Querschnitten erkennt man aber eine Reihe
parallellaufender Poren auf diesen Wandungen. Diese frĂŒher
von Schleiden Kernscheide (Schld. Botanik Bd. II. S. 144)
benannte Zellschicht benennt Caspary passender Schutz-
scheide. (Pringsheimâs JahrbĂŒcher Bd. 1 p. 442.).
Gegen den Herbst hin findet man das ganze Gewebe
mit Ausnahme des Fibrovasalstranges mit StĂ€rke erfĂŒllt.
Die Körnchen sind meistens, von der FlÀche gesehen, kreis-
Ueber die sogenannte Wasserpest. 63
rund, von der Seite gesehen, fast halbkreisförmig, also pauken-
förmig. Mitunter findet man auch wohl zwei mit den flachen
Seiten zusammengelagert, so dass sie dadurch kugelig erschei-
nen. Eine Differenzirung in Schichten verschiedener Dichtig-
keit vermochte ich nicht nachzuweisen.
Die BlÀtter, nach ihrer Àusseren Form oben beschrieben,
bestehen aus zwei Zelllagen. Die Oberseite wird aus fast
kubischen, reichlich mit Chlorophyll erfĂŒllten Zellen gebildet,
wÀhrend die Unterseite mehr lÀngliche, quadratische, eben-
falls chlorophyllreiche Zellen zeigt.
Der Querschnitt des Blattes zeigt nun diese obere Zell-
lage in drei bis vier engere Zellreihen nach dem Rande zu
ĂŒbergehend, deren Ă€usserste die kleinen, an der Spitze des
Blattes zuerst auftretenden einzelligen SÀgezÀhne aussendet.
An Àlteren BlÀttern sind sie gewöhnlich brÀunlich gefÀrbt,
Unter diesen Zellreihen finden wir an der Unterseite drei
nebeneinanderliegende Reihen prosenchymatisch aneinander-
schliessender bastfaserartiger Zellen. Diese Zellen wurden
von mir 1869 aufgefunden und gezeichnet, jedoch zuerst
erwĂ€hnt durch Dr. Magnus in seiner Arbeit ĂŒber Na-
jas. Dieselben zeigen stÀrker verdickte Wandungen, als
die ĂŒbrigen Zellen des Blattes, sind lang, spindelförmig und
ĂŒbertrifft ihre LĂ€nge den Durchmesser um das Zwölf- bis
Sechszigfache. Auch an dem stets gefÀsslosen Fibrovasalstrang
der Àlteren BlÀtter fand ich an der Unterseite eine Lage sol-
cher Zellen. .
In der Achsel der jungen BlÀtter finden wir die schon
oben erwÀhnten Stipulae, welche aus zwei Zelllagen beste-
hen und gar kein Chlorophyll enthalten. Sie sind fast
kreisrund, bis 0,3 MM. lang und breit.
Die VorblÀtter, der jungen Zweige zeigen weder eine
Mittelrippe, noch die Bastzellen des Randes, ebenfalls auch
keine SÀgezÀhne,
Die zu einer zweispaltigen Röhre verwachsenen VorblÀt-
ter der Blume bestehen ebenfalls aus zwei Zelllagen und
haben je einen Fibrovasalstrang und an der Spitze vier bis
64 Ueber die sogenannte Wasserpest.
sechs einzellige SÀgezÀhne, entbehren ebenso, wie die Stipulae
des Chlorophylis gÀnzlich.
Aus dem Stengelknoten etwas oberhalb des Blattes, aber
nicht in der Blattachsel, sondern seitlich davon entspringen
die Adventivwurzeln, deren anatomischer Bau sich nicht
viel von dem des fertigen Stammes unterscheidet. Sie wird
in dem Gewebe des Knotens zuerst als kleinzelliger, flach-
kegelförmiger Körper erkannt, an dem die Zellen der Wur-
zelhaube zuerst unterschieden werden können. Das Gewebe
des Knotens wird beim weiteren Wachsen nach auswÀrts
etwas aufgetrieben und endlich von der Wurzel durchbrochen
und umgiebt diese wallartig. _Die junge, zuerst weissgefÀrbte
Wurzel nimmt in ihrer weiteren Entwickelung eine brÀun-
liche Farbe an und erreicht bei einem Durchmesser von 1 MM.
eine LĂ€nge von 1 bis 1!/, Meter. Auf dem Querschnitt
erkennen wir den nicht von einer Schutzscheide umgebenen
Fibrovasalstrang, der in der Mitte, wie der Fibrovasalstrang
des Stammes, den mit brauner FlĂŒssigkeit erfĂŒllten Kanal
hat. < Ein GefÀss, dem auch dieser seinen Ursprung verdanken
mag, vermochte ich selbst in den jĂŒngsten ZustĂ€nden nicht
nachzuweisen. Auch die luftfĂŒhrenden KanĂ€le des Grundge-
webes fand ich in der Wurzel nicht. Die Wurzelhaube,
welche ich auch an ganz alten Exemplaren sah, besteht
aus grossen, quadratischen Zellen und zwar von der Spitze
der Wurzelhaube bis zur Spitze der eigentlichen Wurzel aus
sieben bis neun Zelllagen. Die Àusserste Schicht reicht am
weitesten an der Wurzel hinauf, doch werden die Zellen an
der Seite lÀnglich viereckig. Oberhalb der Wurzelhaube sieht
man namentlich bei solchen Wurzeln, die im Schlamm einge-
bettet waren, reichlich einzellige bis zu 20 MM. LĂ€nge heran-
wachsender Wurzelhaare, die das untere Ende der Wurzel
von anhÀngendem Schlamm schwarz erscheinen lassen und
einen förmlichen Schopf darstellen. Ihren Ursprung nehmen
diese Wurzelhaare aus der obersten Schicht des Wurzelge-
webes und zwar entstehen sie durch das Auswachsen einer
Epidermialzelle,
Ueber die sogenannte Wasserpest. 65
StÀrkemehl fand ich in den Wurzeln nur in sehr
geringer Menge; namentlich gelang es mir, solches in den
Zellen der Wurzelspitze, wo dieselbe mit der Wurzelhaube
zusammenhÀngt, in kleinen Körnchen nachzuweisen. Ich hatte
im Novbr. aufgenommene Wurzeln bis Mitte Debr. in stark
mit Wasser verdĂŒnnter Jodtinetur liegen lassen und von die:
sen Wurzeln LĂ€ngsschnitte genommen. â
â Was nun endlich den Nutzen und Schaden der vielfach
verrufenen âWasserpestâ anlangt, so lĂ€sst sichâ ja aller-
dings nicht lÀugnen, dass dieselbe in nicht zu tiefen und nicht
zu schnell fliessenden FlĂŒssen und KanĂ€len dem Verkehr
sehr störend werden kann, wie sich das ja beim Spandauer
Kanal und im Alsterbassin zeigte. Der Fischerei kann die
Pflanze bei sehr massenhaftem Vorkommen ebenfalls momentan
hinderlich werden, indess nĂŒtzt sie dadurch wieder, dass sie
der jungen Fischbrut eine gute ZufluchtsstÀtte bietet und das
Wasser klar und rein erhÀlt. Auf diese desinficirende
Eigenschaft der Elodea machte zuerst Herr Dr. SchĂŒr in
einem Artikel der IndustrieblÀtter (Nr. 9 vom 4. MÀrz
1869) aufmerksam und kann ich die dort mitgetheilte
desinficirende Wirkung bestÀtigen. Der Tiefwa-
ren, ein ziemlich grosser Landsee, dessen einer Arm theil-
weise von der Stadt Waren umschlossen wird, nimmt einen
Theil der Gossen dieser Stadt in sich auf und verbreitete im
Juni bis zum Septbr. hin oft einen sehr unangenehmen Ge-
ruch in seiner unmittelbaren Umgebung, am Àrgsten war der-
selbe, wĂ€hrend das Wasser blĂŒhte d. h. mit Unmassen von
Cylindrospermum eircinnale Ktz, bedeckt war. Seit
die Elodea sich aber an den Ufern angesiedelt hat, wo die
meisten Gossen einmĂŒnden, ist der ĂŒble Geruch noch nicht
wieder bemerkt worden. Hiernach dĂŒrfte es sich empfehlen,
die Pflanze zur Desinfection kleiner GewÀsser
auszupflanzen, da sie nicht nur den ĂŒblen Geruch besei-
tigt, sondern auch die sonst verloren gehenden DĂŒngstoffe
aufspeichert. Auch als ĂConservirungsmittel der Blut-
egel ist die Pflanze zu empfehlen, wie das in der Anmerkung
Arch. d, Pharm. CO. Bas, !, Htt, 5
66 . Ăeber die sogenannte Wasserpest.
unter dem oben citirten Aufsatz des Herrn Dr. SchĂŒr durch
Herrn Dr. Jacobson bestÀtigt wird.
Wo die Pflanze in Folge gĂŒnstiger Wachsthumsbedingun-
zen ĂŒberhand zu nehmen scheint, möchte ein Auskrauten
mit eisernen Harken, die lange, enggestellte ZĂ€hne haben, zu
empfehlen sein. Diese Harken haben sich wenigstens bedeu-
tend besser bewÀhrt, als die Sensenketten, da sich vor diesen
die sehr zierlichen Pflanzen nur umlegen, um nachher âsich
wieder aufzurichten und weiter zu wachsen. Die Harken
ermöglichen ein fast vollstÀndiges Ausheben aus dem Boden.
Das getrocknete Kraut gewÀhrt namentlich auf kalkarmem
Boden ein sehr gutes DĂŒngmaterial. In der-NĂ€he
des Mecklenburgischen StĂ€dtehens FĂŒrstenberg ist die dort
in der Havel in grossen Massen vorkommende Pflanze bereits
zu diesem Zwecke gewonnen worden. Auch anhaltende starke
Bewegung des Wassers lÀsst die Pflanze nicht zur Entwick-
lung kommen und wandte man fortwÀhrend hin und herfah-
rende kleine Dampfer in Hamburg auf dem Alsterbassin zum
Offenhalten des Fahrwassers an. Jedoch verschwindet die
Pflanze auch theilweise von selbst nach einer Reihe von
Jahren, wenn das Wasser fĂŒr une ErnĂ€hrung zu kalk-
arm wird.
Nach der auf der agriculturchemischen Ver-
suchsstation zu Dahme ausgefĂŒhrten Analyse enthĂ€lt
die frisch gewonnene PflÀnze in 100 Theilen:
Feuchtigkeit 77,300.
Organische Substanz 17,674.
Kali 0,431.
â Natron 0,244,
Kalk 2,600.
Magnesia 0,437.
Eisenoxyd 0,082.
PhosphorsÀure 0,142.
KieselsÀure 0,805.
A Chlor 0,124.
Sand 0,161.
100,000,
Ueber die sogenannte Wasserpest. 67
Hieran ist eine Vergleichung des DĂŒngwerthes der fri-
schen Pflanze und frischen Stallmistes geknĂŒpft, die nach-
stehend folgt:
enthalten in Pfunden
20 Centner.
Stallmist. _Hlodea,
Feuchtigkeit 1500 . 1546.
Organische Substanz 430 354.
Stickstoff 8 bis 10 8.
Kali 10 bis 20 D:
Kalk 8 bis 12 52.
Magnesia 2 bis 5 9.
PhosphorsÀure 3 bis 5 2,8.
Auf Ansuchen des Herın Dr. SchĂŒr fĂŒhrte der, Chemiker
Herr Dr. Siermann in Stettin eine Analyse der Asche
junger frischer Zweige aus, und ergab sich folgende Zusam-
mensetzung derselben in 100 Gewichtstheilen:
KohlensÀure al.aR,
KieselsÀure 10,34.
SchwefelsÀure 0,83.
Chlor 1,50.
Kali 6,21.
Natron 4,12.
Kalk 35,39.
Magnesia 7,10.
Eisenoxyd 1,01.
Verlust 1,542
100,00.
Jedenfalls steht jetzt soviel fest, dass der dieser Pflanze
gewordene deutsche Name âWasserpestâ ĂŒbertriebene
Vorstellungen von ihrer SchÀdlichkeit erweckt und kann ich
nnır dem schon mehrseitig lautgewordenen Wunsche, diese
liebliche Pflanze, nach dem Vorgange der EnglĂ€nder âWas-
serthymianâ zu nennen, zustimmen.
ErklÀrung der Abbildungen.
Taf.1. Eine Pflanze aus dem Tief-Waren mit ver-
grösserter BlĂŒthe. Y
5%
68 Die Mutterpflanze von Radıx Galangae minoris.
Taf. 2. Fig. 1. Randzellen der Oberseite des Blattes.
Fig. 2. Die prosenchymatischen. faserartigen Randzellen
der Blattunterseite.
Fig. 3. Querschnitt aus der Mitte des Blattes mit dem
Fibrovasalstrang.
Fig. 4. Querschnitt durch den Rand des Blattes.
Fig. 5 u. 6. Bastartige Fasern aus dem Fibrovasal-
strang des Blattes.
Fig. 7. LĂ€ngsschnitt durch eine Stipula.
Fig. 8. Dieselbe von oben gesehen.
Fig. 9. Grundriss zu der Seite 62 geschilderten Blatt-
folge.
Fig. 10. Grundriss der BlĂŒthee Ax. Stamm. B. Trag-
blatt der BlĂŒthe. V. V. Die beiden zur Scheide verwachse-
nen VorblĂ€tter der BlĂŒthe. t! kelchartige Sepala. t? blumen-
blattartige Sepala. st. Staminodien. C. Die CarpellarblÀtter
mit den entsprechenden Narben.
Fig. 1 u. 2 gezeichnet durch das Zeichenprisma bei
250 M.M. Entfernung, Carl Zeiss Syst. C. Ocular 3.
Fig. 3, 5 u. 6 ebenso mit Syst. D. Ocular 2.
Fig. 7 u. 8 ebenso mit Syst. ©. Ocular 2.
Die Mutterpflanze von Radix Galangae minoris
ist nach den Untersuchungen von H. Fletcher Hance die
der Alpinia calcarata Roscoe Àhnliche Alpinia offieina-
rum Hance; sie ist verschieden von Alpinia chinensis Rose.
Hance fand sie bei einer Excursion nach der Insel Haenan.
Nach Daniel Hanbury geschah die EinfĂŒhrung des klei-
nen Galgants in Europa durch die Araber; der arabische
Geograph Khurdadbah (869 â885 n. Chr.) nennt densel-
ben ein Product Chinas. (Zeitschr. d. allg. österr. Apoth.-
Vereins, vom 1. MĂ€rz 1872, Nr. 7. S. 168 â170.).
VERBTE:
69
B. Monatsbericht.
I. Chemie, Mineralogie und Geologie.
Geologie des Mont-Cenis.
Die Durchbohrung des Mont-Cenis zÀhlt zu den gross-
artigsten Werken, die unsere Zeit durch das glĂŒckliche Inein-
andergreifen von Wissenschaft und Technik geschaffen hat.
Durch die Ueberwindung der der AusfĂŒhrung dieser Unterneh-
mung entgegenstehenden, colossalen Schwierigkeiten sind aber
auch die Wege fĂŒr alle spĂ€teren der Art geebnet worden
und ward hier auch der Wissenschaft zum erstenmale ein
Einblick in den tieferen Schichtenbau der Erdmasse eröffnet,
ihr also ein Gebiet erschlossen, das sie nur im Geiste, aber
kein Naturforscher,mit leiblichem Auge gesehen hatte.
Die grosse Bedeutung, welche der Mont- Cenis- Tunnel
auch fĂŒr die Geologie hat, beruht in der That vor Allem
darin, dass dadurch die Gelegenheit geboten wurde, die nach
den geognostischen Regeln sich ergebenden Folgerungen an
der Wirklichkeit zu erproben. Der Tunnel ist eine horizon-
tale Sondirung, welche, bei einer LĂ€nge von 12220M. ein
Schichtensystem von 7000M. MĂ€chtigkeit erschlossen hat,
wÀhrend die tiefsten vertikalen Bohrungen in Europa kaum
1000M. betragen. Dadurch gelang es, die Beobachtungen im
Inneren mit den an den Àusseren Theilen des Berges ge-
machten zu verbinden, indem man einen geologischen Durch-
schnitt durch die Axe des Tunnels legen kann. Und hier
hat sich die Geologie in der That glÀnzend bewÀhrt, Mit
gerechter Genugthuung durften die Geologen den Arbeitern,
welche darĂŒber erstaunt waren, dass die Natur der zu durch-
bohrenden Gesteine ihnen zum voraus angegeben wurden,
sagen: FĂŒr das Auge der Wissenschaft sind die
Berge durchsichtig. Die geologische Arbeit, welche jetzt
1) Geologie des Mont - Cenis.
E2
die schönste BestÀtigung gefunden hat, wurde von Sismonda
im Jahre 1866 publieirt.
GestĂŒtzt auf eine sorgfĂ€ltig ausgewĂ€hlte Sammlung von
GesteinsstĂŒcken der einzelnen durchbohrten Schichten, aus
der ganzen LÀnge des Tunnels, hat jetÀt Elie de Beau-
mont neuerdings ein Bild der geognostischen Beschaffenheit
des Mont-Cenis entworfen.
Der geognostische Bau des Mont-Cenis bietet keine
grosse Mannigfaltigkeit dar, doch kann man trotz der grossen
Einförmigkeit der Zusammensetzung der die verschiedenen
Schichten bildenden Gesteine sechs Zonen in dem Schich-
tencomplex deutlich unterscheiden, nemlich:
1) Die Anthrazit fĂŒhrende Zone, welche in der
Richtung des Tunnels 1963,3 M. mÀchtig ist.
2) Die Zone der Quarzite, die im Tunnel 381,4 M.
mÀchtig ist.
3) Die Kalk-Gyps-Zone, im Tunnel 858 M. mÀchtig.
Das Gestein ist ein krystallinisch -massiger Kalkstein, bald
rein, bald schieferig gemengt.
4) Obere Zone der Schiefer-Kalksteine, im Tun-
nel 2275,2 M. mÀchtig. Es ist die grösste, aber auch die
einförmigste Zone.
5) Mittlere Zone der Schiefer-Kalksteine, im
Tunnel 2610 M. mÀchtig. Hier ist bald der Schiefer, "bald
der Kalkstein vorherrschend; das ĂCharakteristische EN
Zone ist die Quarzbeimengung, welche beim Lösen
des Kalksteins in SalzsĂ€ure als Sand zurĂŒckbleibt.
6) Untere Zone der Schiefer-Kalksteine. Mit
vorherrschendem Kalkstein; im Tunnel 3500 M.
mÀchtig.
Die meisten Zonen gehen allmĂ€hlig in einander ĂŒber, so
dass keine feste Grenze bestimmt werden kann, doch geht
aus den von Elie de Beaumont beigebrachten Einzelnhei-
ten hervor, dass die vom Tunnel durchschnittenen Gesteine,
abgesehen von besonderen EigenthĂŒmlichkeiten, doch ein Gan-
zes bilden und zu einer Formation gehören.
Die Schichten sind im Tunnel bis zu 50° aufge-
richtet. Dadurch enstanden Reibungen, deren Spuren man
noch oft entdeckt. Die Schichten sind auch öfters wellig
gestaut), aber grosse Faltungen des Systems sind nicht vor-
handen. Denn obgleich die 6 Zonen einander Àhnlich sind,
ist die EigenthĂŒmlichkeit jeder einzelnen doch hinreichend
ausgeprÀgt, um sie nicht mit einander zu identificiren.
Bemerkungen ĂŒber Chloralhydrat. 1
Um die MĂ€chtigkeit der ganzen Masseâ kennen zu ler-
nen, braucht man also nur, da eine Faltung des ganzen
Systems nicht vorhanden ist, die MĂ€chtigkeit der einzelnen
Schichten zusammenzuzÀhlen und findet man auf diese Weise,
dass das Schichtensystem, der LĂ€nge von 12200 M. des
schrÀg hindurchsetzenden Tunnels entsprechend, eine directe
MĂ€chtigkeit von mindestens 6990,8 M. hat, dieselbe muss
aber, da auf beiden Ausgangsseiten des Tunnels die Forma-
tion noch vorhanden ist, ohne denselben erreicht zu haben,
auf mehr als 7000 M, geschÀtzt werden, so dass also die Höhe
des Mont-Cenis, wie ĂŒberhaupt bei all den Bergen dieses
Theils der Alpen, weit zurĂŒckbleibt gegen die MĂ€chtigkeit
des Schichtensystems, von dem einzelne Schichten zu seinem
Aufbau gedient haben. (Der Naturforscher V, 1.).
Hbg.
Bemerkungen ĂŒber Chloralhydrat.
Nach Mittheilungen von Robert Fairthorne kommt
in Philadelphia das Chloralhydrat in drei verschiedenen For-
men vor. Das aus deutschen Fabriken bildet grosse, glatte
Massen, mit schimmernder BruchflÀche. Eine zweite Form hat
rhomboidale, tafelföormige Krystalle. Das amerikanische Hydrat
kommt meist in kleinen nadelförmigen Krystallen vor, welche
frisch durchsichtig sind, spÀter undurchsichtig werden, den Geruch
Àndern, sich schwerer in HO lösen und die Nasenschleimhaut
irritiren. â Wird wenig Chloralhydrat auf einem ĂbjecttrĂ€-
ger geschmolzen, so erstarrt es krystallinisch und zeigt dann
unter dem Mikroskop rhombische Tafeln, zum grössten Theile.
aber nadelförmige Krystalle, die zu BĂŒscheln glĂ€nzender
Prismen vereinigt sind. Reines Chloralhydrat brennt beim
Erhitzen ĂŒber der Spiritusflamme in einem Löffel nicht an
(Rickher), wohl aber real das Hydrat verdunstet
ohne RĂŒckstand.
Die wÀssrige Lösung wird durch Bleiessig gefÀllt. Es
löst sich leicht in Alkohol, Aether, Terpenthinöl, Benzol,
Schwefelkohlenstoff und fetten Oelen; die Lösungen in den
letzten Mitteln dĂŒrften zu topischen Anwendungen bei schmerz-
haften Leiden dienen können. SchĂŒttelt man gleiche
Theile Campher und Chlorhydrat in einem GefÀsse und stellt
es dann ruhig bei Seite, so bildet sich eine klare Lösung.
Wird Chloralhydrat mit SchwefelsÀure gemischt, so bedingt
72 BenzoösÀuregehalt des Gaswassers.
dies eine erhebliche Temperaturherabsetzung. Das Chloral
in reinem Zustande, wie auch seine wÀssrige Lösung lösen
reichlich Morphin; concentrirte Chloralhydratlösung löst Chi-
nin in betrÀchtlicher Menge (1:15), ebenso Oinchonin, Strych-
nin, Veratrin, Aconitin und Atropin. Die Chininlösung fluo-
rescirt, jedoch weniger stark, als eine wÀssrige schwefelsaure
Chininlösung. Eine Mischung von Chloralhydrat und Glyce-
rin giebt nach einigen Stunden eine krystallinische Masse.
Chloralhydrat ist ein gutes Lösungsmittel fĂŒr Campher
und ĂarbolsĂ€ure, der Geruch der letzteren wird dadurch ge-
schwÀcht, ihre Löslichkeit in Wasser hingegen erhöht. Durch
SchwefelsÀurezusatz bildet sich in der auf diese Weise erhal-
tenen CarbolsÀurelösung eine rosenrothe, feste Masse, Bei
gelindem ErwÀrmen löst sich auch BenzoesÀure in Chloral
und giebt beim Erkalten schöne, glÀnzende Krystalle. Bringt
man eine concentrirte Lösung von saurem chromsauren Kali
mit Chloral zusammen und erhitzt, so entsteht auf NO°- Zu-
satz allmÀhlig eine blaue Farbe; durch Zusatz von HŸN im
Ueberschuss geht die Farbe ins Johannisbeerroth ĂŒber. Wird
Chloroform in dieser Weise behandelt, so entsteht eine dun-
kele, orange Farbe, die sich auf Ammoniakzusatz nicht Àndert.
Aetznatron, zu einer Mischung von Chloral und ChromsÀure
gebracht, fĂ€rbt dieselbe hellgrĂŒn; Aetzkali hingegen (in grossen
Mengen) blau. Erhitzt man Alkohol mit Kalibichromat und
SalpetersÀure, so bildet sich nach Zusatz von Aetznatron im
Ueberschuss eine grĂŒne Farbe, die rasch ins Braun ĂŒbergeht.
(Amer. Journ. of Pharm. 1871. Oct. 1, p. 446; daraus im
Jahrb. fĂŒr Pharmac. Bd. XXXVII, Heft 2, ». 100.).
Chloralhydrat wird, mit Fett gemischt, als Salbe, sowie
als Lösung in Olivenöl in Jena schon lange Àusserlich gegen
Rheuma angewandt. 0. Schulze.
.. .. En
Benzo&sÀuregehalt des Gaswassers.
Nach H. Reinsch wird bei der Behandlung des Gas-
wassers mit Gyps bei einer Temperatur von 50° das kohlen-
saure Ammoniak des Gaswassers vollkommen unter OO02-Ent-
wickelung zersetzt und man erhÀlt eine gelblich gefÀrbte, stark
nach Theer riechende Lösung von schwefelsaurem Ammoniak,
die theerigen Bestandtheile lassen sich kaum von dem Ammo-
niaksalze trennen; wird die Lösung aber bei mÀssiger Tem-
Wirk.d.Lichtes aufRohrzucker. â Wirk. d. Sonnenlichts aufd. Olivenöl. 73
peratur eingetrocknet, bis keine WasserdÀmpfe mehr entweichen,
und die Masse in einer Porzellanschale mit aufgelegter Glim-
merplatte erhitzt, so fÀrbt sie sich erst rosenroth, dann
purpurroth und die Glimmerplatte bedeckt sich mit einer fei-
nen Schicht glĂ€nzender Nadeln von BenzoĂ€@sĂ€ure; ĂŒber
der Salzkruste findet sich ein wolliges Sublimat, welches aus
Salmiak und schwefelsaurem Ammoniak besteht. (Jahrb. fĂŒr
Pharmacie. Bd. XXXVII, Heft 2, p. 85.). ©. Schulze.
Wirkung des Lichtes auf Rohrzucker.
Man nimmt allgemein an, dass eine Lösung von hohr-
zucker, wenn sie gegen die Einwirkung von Fermenten
geschĂŒtzt ist, unbeschrĂ€nkt ihren Geschmack und ihre chemi-
schen Eigenschaften behÀlt; dies ist jedoch nach Raoult ein
Irrthum. Er hat mehre Male beobachtet, dass eine Rohr-
zuckerlösung ohne die geringste GÀhrung sich mit der Zeit
verÀndert und mehr oder weniger vollstÀndig in Glykose
umwandelt. Ein Versuch, den er hierĂŒber anstellte, belehrte
ihn ferner, dass diese Umwandelung nur unter Einwir-
kung des Lichts stattfindet. Von 2 Portionen derselben
Zuckerlösung wurde die eine im Dunkeln, die andere dicht
daneben. im Lichte hingestellt und nach fĂŒnf Monaten unter-
sucht. Es zeigte sich dann, dass nur die dem Lichte ausgesetzte
Lösung sich langsam in Glykose verwandelt hatte, wÀhrend
die im Dunkeln aufbewahrte ganz unverÀndert geblieben
war. (Der Naturforscher V, 3.). Hobg.
Wirkung des Sonnenlichts auf das Olivenöl.
Auf Veranlassung und unter Leitung des Prof. Sestini
hat Luigi Moschini Versuche ĂŒber den chemischen
Einfluss des Sonnenlichts auf das Olivenöl angestellt, und
ist dabei zu den folgenden Ergebnissen gelangt.
1) Ein Monat genĂŒgte, um das Oel unter dem Einfluss
des Sonnenlichts ganz zu entfÀrben, VerÀnderungen des spe-
eifischen Gewichts wurden dabei nicht wahrgenommen, Wird,
74 Ueber das indische Geraniumöl.
das so entfÀrbte Oel mit SchwefelsÀure (Dichte 1,63) behan-
delt, so fĂ€rbt es sich nicht grĂŒnlich, sondern rothgelb; mit
SalpetersÀure oder Natronlösung behandelt, nimmt es statt
der gewöhnlichen. grĂŒnen, resp. hellgelben FĂ€rbung eine
weissliche an. Hs â
2) Wird das Oel in offnem GefÀsse dem Sonnenlicht aus-
gesetzt, so behÀlt es auch nach Verlauf eines Monats die
FÀhigkeit, sich unter dem Einfluss von SalpeterdÀmpfen zu
verdichten; dauert die Einwirkung zwei oder drei Monate,
so bleibt das entfĂ€rbte Oel flĂŒssig, auch unter Einwirkung
einer mit salpetrigen DÀmpfen geschwÀngerten Lösung von
salpetersaurem Quecksilberoxydul.
3) Das vom Sonnenlicht entfÀrbte Oel reagirt stark
sauer, hat leicht ranzigen Geruch und Geschmack, und
löst das Anilinroth leicht auf, wobei es sich intensiv fÀrbt.
Daraus geht hervor, dass das Olivenöl vermittelst Sal-
petersÀure, SchwefelsÀure und Aetznatron, nur wenn es sich
im Normalzustande befindet, von anderen ĂOelsorten unter-
schieden werden kann; dass die von Jacobson zur Ermitte-
lung des Vorhandenseins freier FettsÀuren in gefÀlschtem
Oele anempfohlne Anwendung des Anilinroths dazu fĂŒhren
könnte, ein Oel fĂŒr verfĂ€lscht zu halten, das einige Zeit dem
Sonnenlicht ausgesetzt war und etwas ranzig geworden ist.
Das Olivenöl in seinem Normalzustande enthÀlt einen
gelblichen Stoff in Lösung, den die SĂ€uren grĂŒn
fÀrben, und den das Sonnenlicht so zersetzt, dass er weder
gegen die SĂ€uren noch gegen das Aetznatron mehr seine
charakteristische Reaction Àussert. Ausserdem bilden sich
unter dem vereinigten Einfluss des Sonnenlichts und Sauer-
stofis freie SĂ€uren. (Die landwirthschaftlichen Versuchssta-
tionen XV, 1. 8.1.)
Albg.
Ueber das indische Geraniumöl
sind von Dr. Oscar Jacobson Untersuchungen angestellt
worden. Das verwendete Oel war kĂ€ufliches, ziemlich dĂŒnn-
flĂŒssig, von grĂŒnlichgelber Farbe und angenehm rosenartigem
Geruch; es reagirte sehr schwach sauer und zeigte 0,837 spec.
Gew. bei 20% Es gelang nicht, durch lĂ€ngeres AbkĂŒhlen
Ueber das indische Geraniumöl. 15
eine feste Substanz daraus abzuscheiden. Das Oel zeigte
durchaus keine Wirkung auf das polarisirte Licht.
Bei der fractionirten Destillation ging zwischen 90° und
120° nur etwas Weingeist ĂŒber (etwa 8 Proc. von der
ganzen Menge des rohen Oeles), dann stieg das Thermometer
rasch bis ĂŒber 200°. Die bei Weitem grösste Menge destil-
lirte zwischen 210 und 240° Bei 250° blieb nur noch ein
geringer, brauner, dickflĂŒssiger RĂŒckstand, der bei stĂ€rkerem
Erhitzen stechendriechende, sauer reagirende DĂ€mpfe gab.
Ein anderswoher bezogenes Geraniumöl war etwas dicker-
flĂŒssig als das erste, reagirte deutlicher sauer und zeigte bei
20° das spec. Gew. 0,910. Es enthielt keinen Weingeist,
so dass unterhalb 200° fast gar kein Destillat erhalten wurde;
dagegen blieb selbst nach dem Erhitzen auf 270° eine be-
trĂ€chtliche Menge Oels in der Retorte zurĂŒck, welches sich .
als fettes Oel, verunreinigt mit etwas Harz, ergab. Nach
R. Baur kommt das Geraniumöl sehr hÀufig mit Nussöl
verfÀlscht in den Handel.-. In dem vorliegenden Falle betrug
die VerfÀlschung reichlich 20 Procent,
In beiden Oelen liessen sich Spuren von Kupfer
nachweisen, die an der grĂŒnlichen FĂ€rbung des Oeles bethei-
ligt sein mögen.
Die in dem 2. Oele enthaltene, freie SĂ€ure wurde durch
SchĂŒtteln des unterhalb 210° erhaltenen Destillats mit Kali-
lauge und Destillation der verdunsteten FlĂŒssigkeit mit Schwe-
felsÀure abgeschieden und als ValeriansÀure erkannt.
Im Widerspruch mit den Angaben Gladstoneâs, dass
âdas Geraniumöl mehre durch Destillation kaum zu trennende
Oele enthalte,â wurde aus dem bei 210 bis 240° destillirten
Hauptantheile des rohen Oels durch wiederholte fractionirte
Destillation mit Leichtigkeit als einziger wesentlicher Bestand-
theil eine ganz constant bei 232 bis 2330 siedende FlĂŒssig-
keit erhalten, deren Analyse zu der Formel C1°H!ÂźO fĂŒhrte.
Danach ist dieses Oel, das Geraniol, isomer mit dem Bor-
neol und mit den wesentlichen Bestandtheilen des GCajeput-
öls (Blanchet, Ann. Ch. Pharm. 19,224), des Hopfenöls
(Wagner, Journ. f. pract. Chem. 58, 351), des Korian-
deröls (Kawalier, Ann. Ch. u. Pharm. 84, 351) und des
Oeles von Osmitopsis asteriscaides (Gorup-Besa-
nez, Anf. Ch. Pharm. 89, 214.).
Das Geraniol, U!°H!5O, ist eine farblose, stark licht-
brechende FlĂŒssigkeit von sehr angenehmem Rosengeruch,
unlöslich in Wasser, mischbar in allen VerhÀltnissen mit Al-
kohol und Aether.
76 Ueber das indische Geraniumöl.
Es wird beiâ 15°C. noch nicht fest. Sein Siedepunkt
(232 bis 233°C.) liegt höher als der irgend eines jener isomeren
Oele. Es ist optisch unwirksam. An der Luft verÀndert es
sich nur sehr allmÀhlig unter Aufnahme von Sauerstoff und
hinterlĂ€sst dann bei der Destillation eine braune dickflĂŒssige
Masse, wie sie auch aus dem rohen Geraniumöl in wechseln-
den Mengen zurĂŒckbleibt.
Spec. Gew. = 0,8851 bei 15° C. und = 0,8813 bei
21048.
Mit Chlorcalcium bildet das Geraniol eine krystalli-
sirbare Verbindung CaCl,C10H130, in der es gewissermassen
das Krystallwasser vertritt. Man erhÀlt sie, wenn man frisch
geschmolzenes und gepulvertes CaCl mit Geraniol auf höch-
stens 50° erwÀrmt und die in trockner Luft filtrirte Lösung
lĂ€ngere Zeit auf â 10° abkĂŒhlt. Diese Verbindung wird
durch stÀrkeres Erhitzen und durch Wasser sofort zerlegt.
LĂ€sst man Geraniol auf schmelzendes Kalihydrat tropfen,
so entsteht valeriansaures Kali. Auch bei lÀngerem
Kochen des Geraniols mit Kalilauge oder Barytwasser wird
ValeriansĂ€ure in geringer Menge gebildet. Beim SchĂŒt-
teln mit kalter, neutraler Lösung von ĂŒbermangans. Kali löst
sich das Geraniol vollstÀndig auf; die filtrirte Lösung enthÀlt
valeriansaures Kali und, falls die ErwÀrmung nicht ver-
mieden wurde, auch EssigsÀure und andere Glieder der
Reihe der fetten SĂ€uren.
TrÀgt man Geraniol allmÀhlig in ein heisses Gemenge
von chromsaurem Kalı und verd. SchwefelsÀure ein, so destil-
lirt eine stark saure FlĂŒssigkeit, welche neben wenig Va-
leriansĂ€ure fast nur EssigsĂ€ure enthĂ€lt; im RĂŒckstande
ist BernsteinsÀure enthalten, die sich durch grosse Men-
gen Aether demselben entziehen isst,
Mit SalpetersĂ€ure von 1,20 erhitzt, tritt Ă€usserst hekiĂe
Einwirkung ein; es bilden sich Nitrobenzol, BlausÀure,
eine gelbe, harzige SÀure und OxalsÀure, aber keine
der CamphersÀure entsprechende Verbindung.
Mit PO5 oder ZnCl destillirt, liefert das Geraniol einen
Kohlenwasserstoff = C10H1#, das Geranien; dieses siedet bei
162 bis 164°, bildet eine farblose, leichtbewegliche FlĂŒssig-
keit, von einem an frische Möhren erinnernden Geruch, 0,842
bis 0,843 spec. Gew. bei 20°C. und ist optisch uhwirksam;
Dampfdichte bei 237° bestimmt â 4,93. Es oxydirt sich an
der Luft unter reichlicher Ozonbildung rasch.
Das Geraniol zeigt in seinem chem. Verhalten grosse
Uebereinstimmung mit dem Borneol, gleich welchem es nach
Ueber das indische Geraniumöl. 77
seinen meisten Reactionen, als ein einatomiger Alkohol
C1°H!?OH betrachtet werden kann. Der physikalische Un-
terschied, dass das Geraniol flĂŒssig und optisch unwirksam
ist, wiederholt sich in fast allen seinen Abkömmlingen.
Das Geraniolchlorid C!°H1?âĂC] entsteht bei Einwir-
kung von SalzsÀuregas oder starker wÀssriger SalzsÀure auf
Geraniol. Es ist eine ölartige FlĂŒssigkeit von gelblicher Farbe
und camphorartig aromatischem Geruch, spec. Gew. 1,020 bei
20°. Noch bei â 15 nicht fest. Salpeters. Silberoxyd im
alkohol. Lösung fÀllt schon in der KÀlte augenblicklich und
vollstÀndig das Chlor als Chlorsilber.
Durch die Leichtigkeit, mit der es Doppelzersetzungen
erleidet, bietet es einen einfachen Weg zur Darstellung ande-
rer analoger Verbindungen. Geraniolbromid C!âH!âBr
und Geranioljodid O10H!âJ entstehen, wenn das Chlorid
in alkohol. Lösung bei gewöhnl. Temp. mit KBr oder KJ zer-
setzt wird. Aus der vom gebildeten KCl abfiltrirten FlĂŒssig-
keit scheidet Wasser diese Verbindungen als schwere ölige
FlĂŒssigkeiten ab. Sie zeigen noch leichter Doppelzersetzung
als das Chlorid; das Jodid brÀunt sich an der Luft und am
Lichte.
Aehnliche, leichtzersetzbare FlĂŒssigkeiten sind das Ge-
ranioleyanid und Geraniolrhodanid. Auch das
valerians., zimmts. und benzoÀs, Geraniol wurde dar-
gestellt. Es sind angenehm riechende, ölartige FlĂŒssigkeiten.
Zimmts. und benzo&s. Geraniol sind dickflĂŒssig, auch
noch bei â 10°C. -Keiner dieser Aether ist unverĂ€ndert
destillirbar. Sie lassen sich auch darstellen durch mehrstĂŒn-
diges Erhitzen des Geraniols mit ĂŒberschĂŒssiger BenzoösĂ€ure
oder ZimmtsÀure auf 200° und Waschen des Productes mit
verd. Sodalösung.
GeraniolÀther C?°H3+0. Erhitzt man Geraniolchlo-
rid mit Geraniol, oder auch mit seiner 3 bis 4fachen Menge
Wasser in zugeschmolzenen Röhren einige Zeit auf 180 bis
200° so wird dieser Aether gebildet. Er entsteht auch bei
der Zersetzung des Geraniolchlorids mittelst alkoh. Ka-
lilauge. Man muss durch lÀngeres ErwÀrmen diese Zersetzung
unterstĂŒtzen; das durch Wasser abgeschiedene und getrock-
nete Product ist ĂŒber AetzkalkstĂŒckchen zu rectifieiren. Es
ist eine farblose, auf Wasser schwimmende FlĂŒssigkeit von
pfefferminzartigem Geruch, bei 187 bis 190° C. siedend.
Geraniolsulfid 02°HŸ#S entsteht bei der Zersetzung
des Chlorids mittelst einer alkoh. Lösung von Einfachschwefel-
73 Daszuckerums,, glykosebild. Ferment d. Bierhefe. â Ueb. kĂŒnstl. Alizarin.
kalium als eine gelbliche, im Wasser untersinkende FlĂŒssig-
keit von ausnehmend unangenehmem Geruch. Sie giebt mit
Quecksilberchlorid eine in Alkohol unlösl. Verbindung. (An-
nalen d. Chem. u. Pharm. Febr. 1871, Bd. 157, 8. 232 bis
239.). i H.L.
Das zuckerumsetzende, glykosebildende Ferment der
Bierhefe.
In der chemischen Section der letzten deutschen Na-
turforscher - Versammlung zeigte Hoppe-Seyler das von
ihm aus Bierhefe abgeschiedene Ferment, welches die Ueber-
fĂŒhrung des Rohrzuckers in Trauben- und Fruchtzucker
bewirkt. Dasselbe stellt ein weisses, in Wasser lösliches
Pulver dar, welches im trocknen Zustande und unter Alkohol
unverÀndert aufbewahrt werden kann. Die lebende Bierhefe
hĂ€lt dasselbe zurĂŒck und giebt es an Wasser nicht ab; tödtet
man dieselbe indessen durch Zusatz von etwas Aether, so
lÀsst sich das Ferment leicht durch Wasser ausziehen und
kann aus der Lösung gewonnen werden. Die wÀssrige Lö-
sung bewirkt rasch die Umwandlung des Rohrzuckers, und
der Redner wies an einer im Soleilâschen Polarisations - Appa-
rate befindlichen Rohrzuckerlösung, die er mit etwas klar
fltrirter Fermentlösung versetzte, in Verlauf von etwa einer
Stunde eine starke Verminderung der Rechtsdrehung nach.
(Der Naturforscher). | Hbg.
Ueber kĂŒnstliches Alizarin.
Den Farbstoff, welchen man entweder nach GrĂ€beâs
und Liebermannâs ursprĂŒngl. Verfahren oder aus der Sul-
fosÀure des Anthrachinons erhÀlt, hat Perkin stets als Ali-
zarın angesprochen. Man hat jedoch die IdentitÀt dieses
Stoffes mit Krappalizarin in Frage ziehen wollen. Per-
kin hat desshalb einige Versuche darĂŒber angestellt und die
2 Producte aufs SorgfĂ€ltigste neben einander geprĂŒft. Zu
diesem Zwecke verwendete er sowohl gereinigtes sublimirtes,
Ueber kĂŒnstliches Alizarin. 79
als unsublimirtes kĂŒnstliches Alizarin und zum Vergleich ge-
reinigtes sublimirtes Alizarin aus Krappextract.
Beide, natĂŒrl. wie kĂŒnstl. Alizarin krystallisiren in Na-
deln, die gewöhnl. gekrĂŒmmt erscheinen, namentl. wenn sie
klein sind.
Beide bilden mit Àtzendem Alkali violette Lösungen
von gleichem Farbenton.
Auf gebeizten Zeugen bringen beide die gleichen Farben
hervor, die gleichmÀssig die Behandlung mit Seife ertragen;
beide besitzen gleichen FĂ€rbewerth.
In Alkohol gelöst, erzeugen sie mit essigs. Kupferoxyd
purpurfarbige Lösungen von genau gleicher FarbennĂŒance.
Mit _ dem Spectroskop erzeugen ihre kalischen Lösungen die
gleichen AbsorptionsbÀnder.
Endlich giebt das prÀcipitirte Alizarin aus Anthracen
bei Zersetzung mit SalpetersÀure ebenfalls PhtalsÀure.
Nach den erwĂ€hnten Reactionen mĂŒssen wir kĂŒnstl. und
natĂŒrl. Alizarin als einander völlig gleich ansehen.
Neben Alizarin ist die einzige fÀrbende Substanz des
Krapps, welche die Schönheit der Farben nicht beeintrÀchtigt,
das Purpurin. Dasselbe ist in vielen Eigenschaften vom
Alizarin verschieden. Es löst sich z. B. in Alkalien mit hell-
rother Farbe (wÀhrend Alizarin eine schön violette Lö-
sung giebt). Seine Lösung in Alaun ist blassroth mit gelber
Fluorescenz (Alizarin ist in Alaun nahezu unlöslich). Seine
optischen Eigenschaften sind auch sehr charakteristisch und
von denen des Alizarins verschieden; ganz besonders ist diess
der Fall mit seiner Lösung in Alaun, deren Spectrum im
grĂŒnen Theil .2 AbsorptionsbĂ€nder zeigt; Alizarin giebt solche
nicht. Prof. Stokes hat gezeigt, dass diese Unterschiede so
ausgesprochen sind, dass man Alizarin und Purpurin
nachweisen kann in einer Krappmenge nicht so gross wie
ein Stecknadelkopf. Es ist daher die Entdeckung eines je-
den dieser Farbstoffe auf einem mit Krapp gedruckten StĂŒck
nicht schwer. Dr. Schunk bemerkt, er sei durch eine lange
Reihe von Versuchen zu dem Schlusse gekommen, dass das
Endresultat der KrappfÀrberei lediglich in der Verbin-
dung von Alizarin mit den verschiedenen angewendeten
Beizen bestehe; er empfiehlt als den leichtesten Weg, Aliza-
rin im Kleinen rein zu gewinnen, das Ausziehen desselb.
aus Krappdrucken.
Perkin hat in dieser Beziehung einige Versuche gemacht
und auf fertigem Krappdruck nur Alizarin gefunden; selbst
80 Ueber kĂŒnstliches Alizarın.
mit dem Spectroskop konnte er Purpurin nicht darın ent-
decken. Man kann sich davon leicht ĂŒberzeugen, wenn man
aus einem mit Krapp gefÀrbten Stoff die Beize mit HCl ent-
fernt und nun den Farbstoff aus dem Zeug mit Kalilauge
auszieht; man wird dann eine blauviolette Lösung erhal-
ten, wie mit reinem Alizarin. WĂ€re Purpurin in irgend
nachweisbarer Menge vorhanden, so wĂŒrde die Farbe der
Lösung sich mehr und mehr dem Purpurroth nÀhern,
entsprechend dem Procentgehalt an Purpurin. Es soll damit
nicht behauptet werden, dass Purpurin niemals auf mit Krapp
oder Garanein gefĂ€rbtem Zeuge vorkomme, aber darĂŒber kann
kein Zweifel sein: je Àchter und brillanter die Farbe, desto
reiner ist das Alizarin, das sich mit den Beizen verbun-
den hat.
Die SulfoxanthrachinonsÀure C!?H°O?OH.SOŸH
giebt unter gewissen UmstÀnden ein Absorptionsspectrum,
dem des Alizarins so Ă€hnlich, dass man sie bei der PrĂŒ-
fung mit dem Prisma leicht mit ihm verwechseln könnte.
Auf dem nebenstehenden Holzschnitt ist zu sehen, dass
diese SÀure, in alkohol. Kali gelöst, 2 AbsorptionsbÀnder von
nahezu gleicher Lage giebt, wie bei Alizarin unter gleichen
UmstÀnden.
Sie lÀsst sich jedoch von letzterem unterscheiden, wenn
zur Untersuchung Lösungen in wÀssrigem Kali ange-
wendet werden; dann giebt sie ein 3. Absorptionsband nahe
bei E, das, wenn auch nicht sehr dunkel, doch vollkommen
deutlich ist. Alizarin in wÀssrigem Kali bewirkt eine
mehr gleichmÀssige Lichtabsorption und die BÀnder sind nicht
so scharf wie bei der alkohol. Lösung.
Nach Prof. Stokes ist auch in diesem Falle ein drit-
tes Absorptionsband zu bemerken, das aber so schwach ist,
dass es sich in der allgemeinen Dunkelheit fast verliert.
In ihren chemischen Eigenschaften unterscheidet sich
die SulfoxanthrachinonsÀure wesentlich vom Alizarin,
denn sie ist m Wasser löslich und unlöslich in Aether, wÀh-
rend Alizarin sich gegen diese Lösungsmittel umgekehrt ver-
hĂ€lt. (Ann. Chem. Pharm. Juni 1871, 158, 315 â 319.).
H. I
81
mil
I. Alizarin in alkoholischem Kalı.
II. SulfoxanthrachinonsÀure in alkoholischem Kali.
II. Pr in wÀssrigem Kali.
IV. Purpuri in in schwefelsaurer Thonerde.
HL
Arch, d. Pharm. CO, Bds. 1. Hft. 6
32
II. Botanik und Pharmacognosie.
Ueber: den Greisenschmuck der BĂ€ume.
Im Landschaftsbilde spielen auch die Flechten eine nicht
zu unterschÀtzende Rolle. Mitten unter ihnen befinden wir
uns, wenn wir in einen Gebirgswald eintreten. Hier schwe-
ben sie in langen grĂŒngrauen oder gelblichen BĂ€rten von
den Aesten der BĂ€ume hernieder und sie sind es, die oben
im Gebirge nicht selten dem Nadelwald sein schönes, mÀnn-
lich krĂ€ftiges Ansehen entreissen und ihm dafĂŒr ein greisen-
haftes verleihen.
Sie sind in Folge dessen auch von den poetisch - mysti-
schen Anschauungen unserer Vorfahren in ihren WaldmÀhr-
chen verwendet worden, denn RĂŒbezahl mit dem grauen
Barte im Riesengebirge ist sicher nichts Anderes, als eine
Personification des Tannenwaldes, den die Bartflechten grei-
senhaft verzieren; etwas Aehnliches haben die Finnen in
ihrem Waldgott Tapicc. Auch an den ObstbÀumen unserer
GĂ€rten treten uns die Flechten entgegen, ebenso an den
BĂ€umen der Strassen. Die Flechten sah man frĂŒher als eine
Art krankhafter AusschlÀge am Baume an; jetzt erkennen
wir sie als pflanzliche Gebilde, die auf der aussen abgestor-
benen Baumrinde haften. An diese fliegen Flechtensporen an
und entwickeln sich in rastlosem Wachsthum. An den Obst-
bĂ€umen finden wir die Rinde zunĂ€chst ĂŒberzogen mit gelb-
lichen, grauen und grĂŒnlichen Parmelien, besonders mit
der gelben Wandflechte oder Steinschildflechte
(Parmelia parietina und P. saxatilis); an alten Wei-
den fehlt selten P. pulverulenta und P. stellaris, an
Ă€lteren Linden finden wir fast immer P. tiliacea; die Pap-
peln an den ĂChausseen lassen an sich wohl immer Ana-
ptyehia eiliaris und Parmelia olivocea auffinden,
Ueber den Greisenschmuck der BĂ€ume, 8
erstere leicht kenntlich an ihren grossen scheibenförmigen,
reich bewimperten FrĂŒchten. An alten EichenstĂ€mmen sieht
man die dichten RĂ€schen der vielfach zerschlitzten Ever-
nia prunastri und den glatten Buchenstamm ziert in
grösseren Waldungen die breitrÀndrige verzweigte Lungen-
tlechte mit ihren schön rothen FrĂŒchten, wĂ€hrend die gru-
big runzligen Ramalinen mit den langen zerschlitzten
BĂ€ndern und den blassen Fruchtscheiben allerorten herab-
hÀngen.
Aber nun erst der Nadelwald, wie ihn das rauhe Ge-
birge trÀgt, da ist die eigentlich greise Bebartung so recht
heimisch, Hier die dĂŒster graue, staubigrauhe Evernia
prunastri fusslang herabhÀngend, die bepuderte Usnea
barbata mit ihren pfenniggrossen Fruchtscheiben, von wel-
cher man eine bis 14 Fuss lange VarietĂ€t âlongissimaâ
nennt. Letztere ist es ganz besonders, die dem Fichtenwalde
seinen eigenthĂŒmlichen Charakter giebt und an der die Er-
innerung des Dichters hÀngt, wenn er in Elegien den wilden
Nadelwald besingt. Noch feiner als der Moosbart ist der
MĂ€hnenbart, der mit jenem vermischt vorkommt,
Hinter dem bergenden Schutze dieser Flechten bauen die
Vögel und verwenden die Fasern derselben zu ihrem Nest-
baue; in ihrem Gewirre verkriechen sich Raupen; selbst der
Edelmarder verbirgt sich hinter und zwischen ihnen vor dem
Rohre des SchĂŒtzen. â Durch kleine Haftfasern oder Haft-
scheiben, die sich ĂŒber ihre Unterseite verbreiten, sind die
Flechten aufs Innigste mit der Rinde der BĂ€ume verwachsen.
Sie sind aber keineswegs Schmarotzer, sondern fĂŒhren haupt-
sÀchlich ein Luftleben, denn von der Unterlage abge-
rissen und an FÀden aufgehÀngt, wachsen sie weiter; sie
entnehmen der Luft KohlensÀure, Ammoniak und Wasser-
dampf.
Ein Einfluss der Unterlage auf sie besteht vielleicht im
ersten Entwickelungsstadium, spÀter schwerlich. Feuchtigkeit
lieben sie ĂŒber Alles; desshalb vegetiren sie hauptsĂ€chlich im
FrĂŒhling, Herbst und Winter; im Sommer verfallen sie in
einen Scheintod. .
Der SĂŒden beherbergt nur wenige von ihnen; hier sie-
deln sie sich auch an BlÀttern an. Ihre eigentliche Hei-
math ist der Norden. Da, wo endlich aller Baumwuchs auf-
hört, sind sie noch die einzigen Pflanzen, die die Felsen
bekleiden (vergl. Arch. Pharm. Febr. 1872, 8. 171 -â 175).
Man unterscheidet drei Hauptformen der Flechten. Die
erste ist die der Strauchflechten: hierher die Bart-
6*
84 Ueb.d. Bereit. u. d. Eigenschaften d. verschied. Arten d. chines. Theeâs,
flechte; mit dieser. vereint, findet sich gewöhnlich die etwas
feinere MĂ€hnenflechte, ferner die Bandflechte Evernia,
die Astflechte Ramalina.
Die 2. Hauptform ist die der Laubflechten; hierher
die islÀndische Flechte, welche indess auf der Erde
wÀchst; ferner die gemeine gelbe Schildflechte, die Lungen-
flechte (Stieta pulmonaria) und Nephroma tomentosa.
Die 3. Hauptform ist die der Krustenflechten; zu
ihnen gehören die Schriftflechten, welche arabischen oder
hebrĂ€ischen SchriftzĂŒgen nicht unĂ€hnlich sehen. (Dr. Zim-
mermann; 11. Jahresb. d. Erzgeb. G. V., Chemnitz. Deutsche
Gartenzeitung, Erfurt, 1871, Nr. 49, S. 389.). HB:
Ueber die Bereitung und die Eigenschaften der ver-
schiedenen Arten des chinesischen Theeâs.
Nach E. Porter Smith ist der chinesische Theestrauch,
Thea cantoniensis s. Thea viridis durchaus nicht seit
undenklichen Zeiten im Gebrauch und Cultur, vielmehr be-
diente man sich zuerst der CichorienblÀtter, der Stech-
palme, der Sageretia theezans Brogn.. (Rhamnus
theezans L.), â letztere dienen in China noch heute als
Theesurrogat â u. a. Pflanzen zu AufgĂŒssen, die dann als
Genussmittel Verwendung fanden. Im 17. Jahrhunderte dehnte
sich der Anbau des Theestrauchs so aus, dass er mit einer
Steuer belegt wurde, die jedoch diejenige der Kornfelder in
der Höhe nicht erreichte. Der Theestrauch findet sich in der
Provinz Hupeh als immergrĂŒner, kleiner, verkĂŒmmerter, 1
bis 3 Fuss hoher Strauch, mit unbestimmten Mengen junger
Schusstriebe, welche glÀnzende, eiförmig zugespitzte und
unregelmÀssig gesÀgte BlÀtter tragen. Er wÀchst nament-
lich in solchen Distrieten, die ein hĂŒgeliges oder terras-
senförmiges Terrain und rotben Sandboden haben, wo
wegen Schwierigkeiten der BewÀsserung kein Reis gebaut
werden kann. FrĂŒher erneuerte man die Anpflanzungen
alle fĂŒnf Jahre, jetzt geschieht dies erst alle zehn Jahre
durch junge, aus Samen gezogene Pflanzen; der immer mehr
wachsende Begehr nach Thee hat dazu gefĂŒhrt, die StrĂ€ucher
so weit als irgend möglich auszunutzen. Wird das Abstrei-
fen der BlÀtter zu weit getrieben, so schlagen die Samen
oft fehl. Die Samen bedĂŒrfen einer besondern Behandlung,
Ueb, d. Bereit. u. d- Eigenschaften d. verschied. Arten d. chines. Theeâs. 85
entweder erweicht man dieselben in einer eigens dazu prÀ-
parirten FlĂŒssigkeit, oder bringt sie in erschöpften Oelkuchen
zum Keimen und legt man, um junge Pflanzen zu ziehen,
mehre ein. Die Samen geben ein fettes Oel, was nie ran-
zig werden soll. Das kÀufliche Theeöl ist jedoch nicht das
Product aus denselben, sondern stammt aus den Samen
von Camellia oleifera, welche die Chinesen ebenfalls,
wie den Theestrauch, Châe nennen.
Alle Theesorten, grĂŒner, schwarzer, rother und Ziegel-
thee, stammen von einem und denselben Theestrauch ab, der
allerdings in mancher Hinsicht, wie z. B. in der Blattbildung
gern varĂŒrt. Man sammelt die BlĂ€tter in drei bis vier Pe-
rioden und beginnt damit gegen Ende April; zuletzt werden
die StrÀucher beschnitten, um Ziegelthee zu gewinnen und
das Wachsthum der jungen Triebe im nĂ€chsten FrĂŒhling zu
fördern. Die BlÀtter werden auf Matten ausgebreitet, an der
Sonne abgetrocknet, das eingeschrumpfte Product kneten
dann MĂ€nner mit ihren nackten FĂŒssen in KĂŒbeln zu einer
Kugel, wodurch die BlÀtter unter einander vereinigt werden
und der ĂŒberschĂŒssige Saft entfernt wird. â Trockenen des
Thees am Feuer findet sehr selten statt, höchstens bei klei-
neren TheezĂŒchtern oder bei feuchter Witterung, wo ein
Verderben zu befĂŒrchten ist. â Er wird dann in ziemlich lange
Beutel gebracht und nun wird âgefeuert,â indem man ihn in
dĂŒnnen Lagen auf geflochtene Horden giebt und dann ĂŒber
ein Kohlenfeuer bringt. Dieser Hitze, welche durch eine
Lage Asche auf dem Feuer gemildert wird und 100° C. nie
ĂŒbersteigt, setzt man den Thee unter UmrĂŒhren aus, um ihn
gleichmÀssig zu erhitzen. Dann folgt Sieben, Sichten, Mischen
und Auslesen und schliesslich macht ein letztes âFeuern, â
um die wÀhrend der Bearbeitung wieder aufgenommene Feuch-
tigkeit zu entfernen, die Waare zum Verpacken in Kisten
fertig. Die Stiele, welche fremde KĂ€ufer nicht lieben, wer-
den aussortirt und da sie dieselben Eigenschaften wie die
BlÀtter besitzen, von den Chinesen in grossen Mengen ver-
braucht. Damit sich der Thee in den Kisten nicht weiter
verĂ€ndert, werden dieselben fest verlöthet. Zum ParfĂŒmiren
dienen die BlĂŒthen von Agluja odorata, Jasminum
Sambac, Chloranthus, Gardenia etc,; zur VerfÀlschung,
was im Innern des Landes sehr selten vorkommen soll, wer-
den die BlÀtter von Salix alba benutzt.
Die Hauptmenge des Productes ist der schwarze
Thee, welchen die Chinesen als GetrÀnk vorziehen. Der
rothe Thee, welcher von demselben Strauche stammt, hat
86 Ueb. d. Bereit. u. d. Eigenschaften d. verschied. Arten d. chines. Theeâs,
eher eine dunkelbraune als rothe Farbe, nur der Aufguss
sieht tiefroth aus, woher die Bezeichnung Hung -Châe (rother
Thee) herstammen mag. In Hupeh gewinnt man viel grĂŒ-
nen Thee auf die Weise, dass man im Anfange der Saison
die feinhaarigen Kuppen der jĂŒngsten Zweige trocknet. Die
beim Scheeren der BĂ€ume gewonnenen Fragmente, der Staub
vom schwarzen T'hee und andere AbfÀlle geben den Ziegel-
thee. Die alten ErzÀhlungen, vom Mischen der TheeblÀtter
mit Blut ete. beruhen auf einem Irrthum. Es werden âgrosse
grĂŒne Ziegelâ von der schlechten Sorte, âkleine grĂŒne Zie-
gelâ von besserer Sorte und âkleine schwarze Ziegelâ von
gutem Theestaub, unterschieden. Die TheestĂŒcke, welche
von den Mongolen als Tauschmittel benutzt werden, sehen
eher wie Dachpfannen, als wie Backsteine aus und trifft dess-
halb die englische Benennung briek tea nicht ganz zu.
Bei der Bereitung des Ziegelthees werden die BlÀtter und
der Staub DĂ€mpfen ausgesetzt, in gleichartige Formen ge-
presst und an der Luft ohne Sonnenzutritt und ohne kĂŒnst-
liche WÀrme sorgfÀltig getrocknet. Der Ziegelthee wird von
den Tungusen, Kirgisen, mongolischen u. a. StÀmmen Sibiriens
verbraucht. In Tibet setzt man bei der Theebereitung aus
Ziegelthee etwas Soda zu.
Werden einige frische TheeblÀtter gekaut, so afficirt
dies den Geschmacksinn wenig, es macht sich bloss ein krau-
tiges, schwach bitteres, aber kaum adstringirendes Aroma gel-
tend und benutzen die Bauern beim Theesammeln, oder wenn
sie durch die Pflanzungen gehen, dieselben selten, als Kau-
ınittel. PrÀparirte TheeblÀtter sind von den frischen total
verschieden. Auch der chinesische 'Thee, welcher im Lande
verbraucht wird und der mittelst einer einmaligen Feuerung
nach dem Trocknen an der Sonne erhalten wird, ist anders
wie der Congo-Thee des englischen Marktes. Russischer
Thee, welcher der kurzen Landreise wegen nicht besonders
behandelt wird, ist dem chinesischen Thee an Aroma sehr
nahestehend. Der Thee geht gewöhnlich in Kisten von eini-
gen 90 Pfund durch die tropischen Meere, wodurch er viel
an seinem Aroma verliert. Die chinesische Pharmacologie
nennt den Thee kĂŒhlend, verdauungsbefördernd, erheiternd,
stimulirend, sowohl erschlaffend als zusammenziehend, diure-
tisch, die Menstruation erregend und in grossen concentrir-
ten Gaben brechenerregend. Man benutzt ihn zum Waschen
kranker Augen, der GeschwĂŒre und aller Art Wunden. Chine-
sische Aerzte wissen, dass ĂŒbermĂ€ssiger Theegebrauch
schwachsichtig und anÀmisch macht, In China benutzen ihn
Bereitungsweise des Catechu aus Acacia Catechu. 37
Arbeiter und Scholaren, um den Hunger zu unterdrĂŒcken, bis
sie Zeit zum Essen finden. Was die gewöhnliche Volksclasse
in China als Thee consumirt, ist gewöhnlich nur heisses
Wasser, welches sie in grossen Mengen gegen Fieber, ErkÀltung
und andere chronische und acut. Krankheiten anwenden. Zur
Bereitung des Aufgusses ziehen sie weiches Flusswasser vor.
Das Theeblatt unterliegt durch die wiederholte â Feue-
rungâ und die Einwirkung der AtmosphĂ€re einer VerĂ€nde-
rung. Es tritt zunÀchst eine Concentration seiner Principien,
dann aber auch eine Oxydation, niemals aber eine GĂ€hrung
ein, vielmehr wird diese auf das SorgfÀltigste vermieden. Es
tritt vielmehr eine Art Reifung ein, welche in der Bildung
von mehr Extractivsubstanz besteht, wodurch die LösungsfÀhig-
keit erhöht wird. Durch die sogenannte âSchlussfeuerung â
wird jeder weiteren VerÀnderung ein Ziel gesetzt. Da das
ErwÀrmen nur ein gelindes ist, können empyreumatische Pro-
ducte bei der Theebereitung nicht entstehen, trotzdem hat
der schwarze Thee etwas Herbes und ist ein starker Auf-
guss von dem zum Export bereitliegenden frischen Thee im
Stande, Uebelkeit und Durchfall zu bewirken. Es ist dies
besonders der Fall mit schlecht geschĂŒtztem Thee, der offen-
bar einer höhern Temperatur ausgesetzt ist, um ihn fĂŒr die
auswÀrtigen MÀrkte brauchbar zu machen. Der Temperatur-
einfluss hebt diese Effecte fast auf; frischer Thee wirkt in
China auf AuslĂ€nder abfĂŒhrend.
30 Pfd. grĂŒne BlĂ€tter liefern, an der Sonne getrocknet,
8â10 Pfd.; 100 Pfd. des letzteren verlieren durch die
âFeuerungâ 3 Pfd., geben 10 Pfd. Stiele, 15 Pfd. Staub und
67 Pfd. guten Congo-Thee. (Med. Times and Gaz. July 22.
p- 96. Aug. 5. p. 157 â 187; daraus im Jahrbuche fĂŒr Phar-
macie. Bd. XXXVlU. Heft 2. p. 103.).
©. Schulze.
Bereitungsweise des Catechu aus Acacia Catechu.
J. Leon Soubeiran berichtet: Nach M. Claude Du-
maine (Journ. of the agrie. and hortic. Soc. of India t. X,,
p- 399, 1869) schneidet man gegen Januar die untersten
Theile der rothen VarietÀt der Acacia Catechu ab und lÀsst
einen Stumpf von 6 Zoll bis zu einem Fuss Höhe fĂŒr
88 Bereitungsweise des Catechu aus Acacia Catechu.
die fernere Vegetation zurĂŒck. Man schĂ€lt ab, schneidet
das Holz des Stammes (die Zweige dienen gewöhnlich als
Brennmaterial) in kleine StĂŒcke und bringt dieselben an einen
Platz, wo eine gewisse Zahl irdener GefÀsse (gharrech) in
Reihen sich befinden; diese sind etwas auf die Seite geneigt
und an ihrer Oeffnung mit einem grossen Pflanzen-
Blatte versehen, ĂŒber welches die FlĂŒssigkeit in ein kleine-
res GefÀss lÀuft. Man giebt in jedes GefÀss Holz und
3), Wasser und setzt es einem lebhhaften Feuer aus; beim
Kochen geht das Wasser fort und lĂ€uft quer ĂŒber das Blatt
in das kleine GefĂ€ss, doch bringt man es wieder in BerĂŒh-
rung mit dem Holze, bis das Wasser hinlÀnglich mit dessen
Prineipien beladen ist, was die Syrupsconsistenz, welche es
annimmt, anzeigt. Man lĂ€sst alslann die FlĂŒssigkeit 2 oder
3 Stunden auf starkem Feuer kochen. Um die Arbeit abzu-
kĂŒrzen und die gewĂŒnschte Consistenz zu erlangen, giessen
die Eingebornen das Extract auf mit Kuhflatenasche be-
deckte Matten und mischen sie damit. Diese Bereitungs-
weise, welche immer in den WĂ€ldern vorgenommen wird,
wendet man nur selten auf die weisse VarietÀt von Acacia
Catechu an. (Journ. de Pharmacie et de Chemie, Jwin 1870.
S.4. 7. 10 p. 195; aus demselben im Jahrb. fĂŒr Pharmacie.
Bad. XXXV. Heft I 1871.)
©. Schulze.
89
C. Literatur und Kritik.
Das Geheimmittelunwesen. Nebst VorschlÀgen zu
dessen UnterdrĂŒckung. Von Dr. Hermann Eberhard
Riehter, Prof. d. Mediein a. D., Abgeordnetem d. Dresd-
ner Àrztl. Kreisvereins zu dem K. SÀchs. Landesmedici-
nalcollegium. Leipzig, Verlag von Otto Wigand. 1872.
7 Bogen in Octav.
Seit etwa 20 Jahren hat sich der Herr Verfasser, wie er in der Vor-
rede zu dieser sehr zeitgemÀssen Schrift erwÀhnt, eine Sammlung der in
deutschen LĂ€ndern vorkommenden Geheimmittel, welche als Heilmit-
tel verkauft werden, angelegt, besonders sofern deren Zusammensetzung
bekannt wurde. In neuerer Zeit sind mehre Verzeichnisse dieser Art
erschienen, unter denen Wittsteinâs Taschenbuch der Arzneimittellehre,
3. Aufl. 1871 wohl das vollstÀndigste ist.
Ausserdem mĂŒssen die Verdienste von Hager und Jacobsen auf
dem Gebiete der EnthĂŒllung des Geheimmittel - Schwindels anerkannt
werden. Der Zweck der vorliegenden Arbeit ist, diese Geheimmittel
möglichst vollstÀndig und in einer systematischen An-
ordnung zusammenzustellen, um den gewaltigen Umfang und die
Bedeutung dieses Unwesens darzulegen und die dagegen zu ergreifenden
Massregeln zu besprechen.
âDie Motten aus dem Pelze klopfen,
Herr Verfasser. 3
Die Gesammtzahl der hier betrachteten bis jetzt bekannten und ent-
larvten Geheimmittel betrÀgt 550.
â nennt es der wĂŒrdige
A, Zum innerlichen Gebrauche;
I. AbfĂŒhrmittel, 67; davon 37 stĂ€rkere (Drastica), 15 leichtere
und 15 salzige (eröffnende und lösende Salze). Beispiele: Morisonâsche
Pillen, KrĂ€utermittel von Lampe in Goslar, Bullrichâs Universal - Reini-
gungssalz.
II. StÀrkungsmittel 45; darunter 22 arzneikrÀftige (z. B. das in
Sachsen concessionirte Bleichsuchtpulver von Gerzabek) und 23 stÀrkende
SchnĂ€pse und andre Genussmittel (darunter das Hoffâsche Malzextraet-
Gesundheitsbier, der Henselâsche Fleischextract - Likör und der Boone-
kamp of Magbitter).
UL Angebliche Speecifica, 94; darunter 56 stark, selbst
giftig wirkende Mittel, mit einem Gehalte an Arsenik, Blei, Anti-
mon, Zinn, Quecksilber , Silber, Kupfer, Zink, Jod, Brom, Nux vomica,
Schierling, Seilla, BlausÀure, Opium, Morphium, Colchieum, Digitalis, Aco-
nit, Senna, Sadebaumöl, Kampfer, Mutterkorn, Lobelia, Coloquinten, Can-
thariden, Chloroform, Hanftinctur, Capsicum, PhenylsÀure etc,
90 Literatur uud Kritik.
Ferner 38 minderbedenkliche, darunter allein 10 Epilepsie -
Mittel, 5 Mittel gegen Lungenschwindsucht und 1 Universalbalsam.
IV. UnschÀdliche Genussmittel, 41; darunter 12 Mehlar-
ten (Ervalenta, Revalenta arabica, Kraftbrustmalz, Peetorin, Stomachin,
Maizena, Palmyrena, Racahout des Arabes etc.), 10 Bonbons (Stollwerkâs
Brustbonbons, Georgeâs Pate pectorale, Dr. Kochâs KrĂ€uterbonbons etc.)
und 19 SĂ€ftchen (Mayers weisser Brustsyrup, Eggers Fenchelhonig-
extract, Jacobis Königs- und Kaisertrank!).
B. Zur Àusserlichen Anwendung:
V. Giftige Àusserliche Mittel, 43; darin arsenige SÀure, Queck-
silbersublimat, salpeters. Quecksilberoxydul, QuecksilberehlorĂŒr, weisser
QuecksilberprÀcipitat, Zinkoxyd, PhenylsÀure, Jodtinetur, Pikrotoxin, Mor-
phin; 35 der genannten Mittel sind bleihaltig (Schmink - Haar - und
SchönheitswÀsser; auch ein Mittel gegen wunde Brustwarzen).
VI. Angeblich speeifische Àussere Mittel, 32; (Flechten -
Frostsalben, Injectionen, Aqua mirabilis, Antiepidemieum universale von
H. MĂŒller in Kopenhagen, Remedium miraculosum von Stein-
grÀber).
VII. Hautreize- und Zertheilungsmittel, 41; (Albespey-
reâs blasenziehender Taffet, Baunscheidtâs Lebenswecker, Leper-
drielâs FontanellkĂŒgelehen, Gichtbalsame, Gichtsalben, Gichteinreibung,
Gichtleder, Gichtspiritus; Scharfrichterpflaster, Anderssenâs Lebens-
schmiere, Sturzeneggerâs Bruchsalbe, KrĂŒsi-Altherâs Bruch-
pflaster etc.)
VII. Angebliche Hautverschönerungmittel, 44; Seifen,
Pommaden, Schönheitsmilch, Maithau, BlĂŒthenthau, Mittel gegen Som-
mersprossen, Anosmin -Fusspulver, âLilionese, Hoffâs aromat. BĂ€der-
malz etc.
IX. Haarmittel, 44 (Abtâs destillirtes Kammfett, Barterzeugungs-
tineturen); HaarfÀrbemittel mit Blei-, Silber-, Kupfer-, Nickel-,
Eisen- und Chromgehalt. :
X. Ohrmittel, 12; (Gehöröle, meistens kampferhaltig, Ohren-
pillen, Behrâs lebensmagnetische Essenz).
XI. Augenmittel, 11; (die AugenwÀsser von Stroinsky, White,
Romershausen u. Andern).
XIL. Mund- und Zahnmittel, 55; Mundwasser, Zahnpulver,
Zahntineturen, Zahnpillen, Liton, Idiaton, Algontine, Myrrhine, Odontine,
Algophon, Feytonia, Kalulia, Anadoli, Puritas, Poppâs Anatherin -Mund-
wasser, Eau dentifriee des Cordilleres, Gesundheitsblumengeist von Wald,
Extract- Radix von Schott, Svenska Tandroppar ete.
XII. Rauch- und Schnupfmittel, 5; (Tormins Jodeigar-
ren, angeblich zur VerhĂŒtung und Heilung der Schwindsucht. Enthal-
ten nach Wittstein gar kein Jod).
XIV. Nur mechanisch wirkende Mittel, 16; (Zahnkissen,
Zahnperlen, eleetromotorische ZahnhalsbÀnder, Rheumatismusketten, Gieht-
watten, HĂŒhneraugenpflaster, Blatzâsches Mittel gegen BettnĂ€ssen, Lai-
ritzâsche Waldwolle, StrumpfbĂ€nder gegen Wadenkrampf, Eleetranodyn
von Lipowitz ete.).
Es kommen auf 247 innerlich anzuwendende 303 Àusserlieh anzu-
wendende Mittel. Hinsichtlich der GefĂ€hrlichkeit fĂŒr Leben und
Literatur und Kritik. 91
Gesundheit der diese Geheimmittel gebrauchenden Personen stellen sich
heraus:
136 starkwirkende, bez. giftige Stoffe enthaltende Mittel,
107 minder bedenkliche, doch arzneistoffige, nieht unkrÀftige Mittel,
307 unbedenkliche, grossentheils ganz unschÀdliche Mittel,
Dieser Geheimmittelhandel wird betrieben:
1) im eigenen Hause,
2) mittelst Hausirens,
3) mittelst Commissionshandels bei Droguisten, Kaufleuten, Ge-
wĂŒrzkrĂ€mern, BuchhĂ€ndlelrn, Antiquaren etc.
4) Durch die Apotheker. (Wie weit sind wir wohl noch von der
Zeit entfernt, seufzt der Herr Verf., wo die Pharmaceuten erklÀren wer-
den, dass die Ehre ihres Standes ihnen nicht erlaube, sich
mit einem so unehrlichen Gewerbe wie der Arkanenhandel
sei, einzulassen?)
5) Die Buchdruckerpresse trÀgt heutzutage die Hauptschuld an
dem massenhaften Emporwuchern des Geheimmittel- Unwesens. Das Aus-
bieten dieser Mittel in allen Zeitungen ist allbekannt. Dasselbe fĂŒllt einen
grossen Theil der Inseraten -Spalten. Eine Haupteinnahme fĂŒr alle BlĂ€t-
ter bilden die Reclamen der GeheimmittelhÀndler durch ihre Anzahl nicht
weniger, als durch ihren Umfang und man findet sie sogar in Amts - und
RegierungsblÀttern. Wenige Redactionen oder Verleger sind stand-
haft genug, das SĂŒndengeld der GeheimmittelhĂ€ndler zurĂŒckzuweisen.
Wenige derselben sind sich des hohen Berufs der Presse zur Volks-
bildung und Volksveredelung so hinreichend bewusst, dass sie die Auf-
nahmen dieser Reelamen verweigerten. Die grosse Mehrzahl der Verle-
ger und Redaeteure â darunter sogar die der amtlichen und halb-
amtlichen BlĂ€tter! â steckt dieses Schandgeld ruhig ein und pocht
auf juristische Straflosigkeit. Ja, manche liefern sich geradezu durch
schmachvolle Contracte in die HĂ€nde der GeheimmittelverkĂ€ufer.ââ
Zur Umgehung der AnkĂŒndigungsverbote hat sich eine weit
ausgebreitete BrochĂŒren-Literatur entwickelt, deren Urheber etwa
10 bis 15 Buchhandlungen niederen Ranges sind. In diesen BroschĂŒren
(die gewöhnl. nur ein paar Groschen kosten) findet man die Symptome,
Ursachen und Folgen der in Rede stehenden Krankheit. Aber der Kern
der Sache ist, dass in der Vorrede oder auf einem Schlussblatt, oder
noch vorsichtiger in einem besonders beigelegten Blatte angegeben ist:
âWer an den in der BrochĂŒre beschriebenen ZufĂ€l-
len leide, habe sich unter Beilage von so und so viel baa-
rem Gelde da und da hin zu wenden. Diese BrochĂŒren werden
tagtĂ€glich in allen Zeitungen offen angekĂŒndigt und der Herr Verf. giebt
ein Verzeichniss derselben und der darin empfohlenen Geheimmittel.
Wir finden Laurentius, der persönliche Schutz, La Mert Selbst-
bewahrung, Dr. Lobethal die Schwindsucht heilbar; Wundram,
Strahl, Petsch u. Consorten,
Dass die genannten Geheimmittel dem Publicum als solche irgend
einen Nutzen brÀchten, wird Niemand behaupten, der die 550 aufgezÀhl-
ten Mittel sich genau angesehen hat.
Die ĂŒberwiegende Mehrzahl sind alle lĂ€ngstbekannte Stoffe und die
wenigen einigermassen originellen (Podophyllin - Pillen, PepsinplÀtzchen,
Matico -Syrup, Cocapillen, Spilanthestinetur, Lithion als Zahnmittel) sind
der Àrztlichen und pharmaceut. Wissenschaft ebenfalls bekaunt, Andre
99 Literatur und Kritik.
moderne Geheimmittel wie Bromkalium, unterphosphorigs. Kalk,
die PhenylsÀure gegen Croup, die WeinsÀure gegen Fussschweisse sind
nicht von den sie ausbietenden GeheimnisskrÀmern erfunden worden.
Diese beuten nur fremde Erfindungen aus.
Nicht einmal in Bezug auf Reinheit der PrÀparate gewÀhrt diese
schmÀhliche Industrie einen Vortheil. Die Finsterniss, in welcher sie
lebt und der Schmutz, aus welchem sie entsprosst, spiegeln sich darin
ab, dass sie die schlechtesten Rohstoffe und die miserabelsten Bereitungs-
weisen benutzt.
Nach diesen Thatsachen ist der Einwand, dass durch UnterdrĂŒckung
des Geheimmittelwesens irgend welche heilsamen Stoffe oder kostbare
Entdeckungen fĂŒr die leidende Menschheit verloren gehen könnten, völlig
unbegrĂŒndet,
Der Herr Verfasser erörtert nun das BedĂŒrfniss des Publikum nach
gewissen Mitteln und hebt die Thatsache hervor, dass starkwirkende
Arzneien, wenn sie unpassenderweise in Krankheiten angewendet
werden, den Giften gleich zu achten sind.
Es ist begreiflich, dass Arzneien oft eine ganz verkehrte und
meist schĂ€dliche Wirkung ausĂŒben mĂŒssen, wenn man den Kran-
ken vorher nicht untersucht hat und nicht weiss, was ihm
fehlt. Bei den Geheimmittel-KrÀmern aber ist dies die Regel: ihr
Leichtsinn, ihre Gewissenlosigkeit grenzt oft an eulpösen Mord! Sie
versenden ihre Arzneimittel, wenn nur der Patient zahlt.
Aber auch in den FĂ€llen, wo die Geheimmittel nicht direct schaden,
wirkt ihr Gebrauch in der Regel dadurch nachtheilig, dass der Patient
eine rechtzeitige HĂŒlfe durch den Arzt versĂ€umt.
Die ganze Geheimmittel- KrÀmerei ist verwerflich, nicht bloss aus
medieinischen GrĂŒnden, sondern vornemlich wegen des damit verbundenen
systematischen Betrugs und des gewissenlosen Spiels,
welches dabei mit der LeichtglÀubigkeit und Aengstlichkeit der bemit-
leidenswerthen Kranken und sich krankdĂŒnkenden Menschheit getrieben
wird, und wegen des damit verbundenen Strebens, die Menschen zn ver-
dummen.
Die BetrĂŒgerei erreicht im Geheimmittelhandel eine Höhe, wie
sie kaum in irgend einem Zweige der Industrie vorkommen dĂŒrfte.
Noch verwerflicher ist die Reclame der GeheimmittelkrÀmer. Da
ist keine LĂŒge zu grob, keine TĂ€uschung zu unehrenhaft. Es werden
Namen von Personen, nebst Titel und WĂŒrden erfunden; es werden falsche
gÀnzlich erfundene Urkunden, Zeugnisse, Krankengeschichten,
Danksagungen etc. mitgetheilt Mit dem Arzneiglauben wird der Aber-
glaube im Volke unterhalten, um die LeichtelÀubigkeit desselben aus-
zubeuten. Jeder, der die "Menschheit geistig vorwÀrts zu bringen
wĂŒnscht, muss die GeheimmittelkrĂ€merei wie andere BetrĂŒgereien be-
kÀmpfen helfen!
Wer soll nun den Kampf fĂŒhren? a) die Gesundheits- und
Medieinalpolizei, die Physiei; b)alleĂŒbrige Polizeibehörden,
auch die presspolizeilichen: das AnkĂŒndigen der Geheim-
mittelin öffentlichen BlÀttern muss aufhören; c) die Justizbehör-
den haben das Recht und die Pflicht, bei fahrlÀssiger oder böswilliger
Körperverletzung, gegen gewerbmÀssigen Betrug (Beutelschneiderei, escro-
querie) einzuschreiten.
Die betreffenden Bestimmungen des Strafgesetzbuches des deutschen
Reiches und der Gewerbeordnung des norddeutschen Bundes reichen nach
Literatur und Kritik. 95
des Herrn Verf. Meinung vollkommen aus, um einem grossen Theile der
Geheimmittel und insbesondere demjenigen, ĂŒber dessen GefĂ€hrlichkeit
und GemeinschĂ€dlichkeit die Aerzte fortwĂ€hrend Klage fĂŒhren, völlig den
Garaus zu machen.
Bis diesen Augenblick sehen wir aber fast in allen LĂ€ndern die
richterlichen Behörden in der BekÀmpfung des Geheimmittelhandels Àusserst
lau und schlaff, ja manchmal geradezu parteiisch und wider-
willig auftreten. Der Herr Verfasser erörtert die Ursachen dieses Man-
gels an Amtseifer bei den Behörden; er findet sie in der Idee des Frei-
handelssystems und der Gewerbefreiheit, der VerhĂŒtung einer Bevor-
mundung des Volks, und in vorgefasster Meinung, dass es bei Verfolgung
der GeheimmittelkrÀmer nur auf einen Schutz der innungsmÀssigen Àrzt-
liehen und Apotheker-Privilegien abgesehen sei.
Durch die Bestimmungen der norddeutschen Gewerbeordnung ĂŒber
Freigebung des Curirens, durch die Aufgebung der Àrztlichen Privilegien
und ScehutzansprĂŒche ist es auch den Aerzten möglich gemacht, offen
gegen die Geheimmittel und deren Urheber zu reden und zu handeln,
ohne Furcht, in den Verdacht zu gerathen, dass sie dieses nur im In-
teresse des Àrztlichen Standes thun. Sie können nun dem grossen Publi-
kum und den administrativen und juristischen Beamten bis zu den Re-
gierungsspitzen hierauf begreiflich machen, dass der ganze Geheim-
mittelkram ein gemeinschÀdliches, in sittlicher, recht-
licher, volkswirthschaftlicher und sanitÀtspolizeilicher
Beziehung verwerfliches Treiben ist, â ein öffentlich aus-
geĂŒbter systematischer Betrug, auf Kosten unerfahrener
und unwissender (kranker) MitbĂŒrger und zum Schaden
des von allen VernĂŒnftigen und wohlmeinenden angestrebten
Fortschrittes der VolksaufklÀrung.
Die Behörden wĂŒrden folgende Maasregeln hiergegen in An-
wendung bringen können:
I. In gesundheits-polizeilicher Hinsicht ist der Gebrauch der
starkwirkenden, arzneikrÀftigen oder gifthaltigen Geheimmittel dem Ge-
brauche von Giften gleichzuachten und deren Verkauf ohne ein Àrzt-
liches Recept einem Jeden, auch den Apothekern, gÀnzlich zu verbieten.
II. Die öffentliche AnkĂŒndigung und Anpreisung von
Geheimmitteln wird verboten.
III. Eine Concessionirung von Geheimmitteln findet ferner nicht
statt.
Die Staatsbehörde macht dadurch, dass sie sich mit den Geheim-
mittelkrĂ€mern ĂŒberhaupt in Unterhandlungen einlĂ€sst, sich einer
Mitschuld an einem unmoralischen und verwerflichen Trei-
ben schuldig; indem die Behörde den Verkauf und die AnkĂŒndigung
von Geheimmitteln erlaubt, ertheilt sie denselben eine Weihe
in den Augen leichtglÀubiger, urtheilsloser Menschen und trÀgt somit dazu
bei, dieselben zu betrĂŒgen und zu verdummen und den Glauben an ge-
heimnissvolle KrÀfte zu verbreiten und fortzupflanzen auf spÀtere Ge-
schlechter.
Aber durch blosse BeamtenthÀtigkeit lÀsst sich das
Geheimmittelunwesen nicht unterdrĂŒcken; es muss auch vom
Publikum mitbekÀmpft werden, wenn es verschwinden soll. In erster
Instanz mĂŒssen die Aerzte und Ă€rztlichen Vereine dagegen wirken,
mit der ausdrĂŒcklichen Betonung, dass der Geheimmittelhandel ein ver-
unehrendes betrĂŒgerisches Gewerbe sei.
Die gleichen Anforderungen stellt der Verf. an die Apotheker.
Von ihnen verlangt er ausserdem, dass sie als ein vom Staate geehrter
94 Literatur und Kritik.
und privilegirter Stand, als geprĂŒfte MĂ€nner der Wissenschaft und zur
ReellitÀt verpflichtete Staatschemiker, allen und jeden Geheimmittel-
handel vermeiden und von sich abweisen sollen. Sie sollen offen er-
klÀren, dass sie mit einem so schÀbigen, beutelschneiderischen GeschÀft
in keiner Weise zu thun haben und ihre ehrlichen Namen nicht zur
Deckung oder nur scheinbaren Hebung der Geheimmittel hergeben wollen,
Dies wird erzielt werden, sobald Aerzte und Publikum consequent darauf
bestehen, dass aller und jeder Geheimmittelkram ein unsittliches und
unehrenhaftes Gewerbe ist. Gerade der Apotheker ist im Punkte
seiner persönlichen Ehrenhaftigkeit empfindlicher als jeder andere Ge-
werbetreibenae!
Ferner muss von Seiten der Aerzte und Apotheker dafĂŒr Sorge ge-
tragen werden, dass gewisse ArzneibedĂŒrfnisse des Publikum, denen
der Geheimmittelhandel gefÀllig entgegenkommt, auf eine reelle Weise
ihre Befriedigung finden.
Endlich muss aber auch das ĂŒbrige Publikum seine Schuldigkeit
ihun, um den Geheimmittelkram, als eine unmoralische, beutelschneiderische
und volkverdummende Profession gÀnzlich aus der Reihe unserer Institu-
tionen auszutilgen, Alle Organe der Presse, alle Redner und VorstÀnde von
Volksvereinen, die Schullehrer und sogar die Geistlichen sollen hierbei
mitwirken,
Alle verstÀndigen Redactionen und Verlagshandlungen sollten die
InsertionsgebĂŒhren fĂŒr Geheimmittel und ihre BrochĂŒren als SĂŒnden-
geld von sich weisen.
In allen Privatgesellschaften, sowie bei allen Wahlen zu
EhrenÀmtern (z. B. zu Stadtverordneten, Landtagsdeputirten, Armen-
vorstehern ete.) sollten die GeheimmitelkrÀmer durch statutarische Be-
stimmungen oder durch stille Uebereinkunft ausgeschlossen werden. End-
lich sollten sich freie Vereine gegen Charlatanerie bilden,
Zum Schluss stellt der Herr Verf.:noch folgende practische An-
trÀge als Maassregeln zur erfolgreichen BekÀmpfung des Geheimmittel-
unwesens:
1) An den deutschen Reichstag ist das Gesuch zu stellen, dass in dem
zu erwartenden Gesetz ĂŒber den Gifthandel sĂ€mmtliche stark wirkende
Geheimmittel den Giften gleichgestellt werden.
2) An den Reichsrath, wie an alle Einzelregierungen ist das Gesuch
zu stellen, dass alle polizeilichen und richterlichen Behörden, insbesondere
aber die Staatsanwaltschaften und die Pressbureauâs, Anweisung erhalten,
auf das Treiben der GeheimmittelkrĂ€mer und (BrochĂŒrenschreiber) scharf
aufzupassen,
3) Die Regierungen sind darauf aufmerksam zu machen, dass diese
Verfolgung gegen die Geheimmittel nicht desshalb nöthig sei, um Aerzte
und Apotheker gegen einen etwa entstehenden Geldverlust zu schĂŒtzen; â
sondern deshalb, weil der Geheimmittelhandel ein betrĂŒgerisches, mora-
lisch verwerfliches Gewerbe ist, welches ein freches Spiel mit Leben und
Gesundheit der Mitmenschen treibt, das Volk durch NĂ€hrung von Aber-
glauben verdummt und dasselbe fĂŒr eine vernunftgemĂ€sse Gesundheitspflege
zur VerhĂŒtung von Krankheiten unzugĂ€nglich macht.
4) Die Regierungen sind aufzufordern, die BemĂŒhungen von Privat-
leuten zur Entlarvung der Geheimmittel auch ihrerseits zu fördern (durch
Untersuchung in chem. Laboratorien), die Ergebnisse aber öffentlich und
amtlich bekannt zu machen.
Anzeigen. 95
5) Die Regierungen sind darauf aufmerksam zu machen, dass das
Annoncirverbot von den GeheimmittelkrÀmern auf verschiedene Weise,
namentlich durch ausgebotene, dem Titel nach volksbelehrende Bro-
ehĂŒren, umgangen wird.
6) Die deutsche Reichsregierung und alle anderen Regierungen sind
aufzufordern, dass sie sich mit den GeheimmittelkrÀmern in keiner
Weise in Verkehr, Unterhandlungen, Bedingungsstellungen und Con-
cession einlassen, sondern jede Gemeinschaft mit diesem Gewerbe
als einem unehrenhaften und sittlich verwerflichen von sich und allen obrig -
keitliehen Organen fernhalten.
7) Im Publikum mĂŒssen durch Wort und Schrift richtige
Ansichten ĂŒber das Wesen der Geheimmittel verbreitet werden.
8) Durch alle Kreise der bĂŒrgerlichen Gesellschaft muss die Ueber-
zeugung verbreitet werden, dass der Geheimmittelhandel ein schimpf-
liches Gewerbe ist und dass die ihn Betreibenden zu keinem öffentlichen
Vertrauensposten gewÀhlt und in keine anstÀndige Privatgesellschaft auf-
genommen werden sollten.
9) Man mus die Corporationen der Apotheker, der BuchhÀndler,
der Sehriftsteller u, s. w. dahin vermögen, dass sie ebenfalls die
Unehrenhaftigkeit des Geheimmittelkrams grundsÀtzlich aner-
kennen und zu dessen UnterstĂŒtzung in keiner Weise ihren Namen
oder ihre BeihĂŒlfe hergeben, insbesondere also nicht Geheimmittel ver-
kaufen oder ankĂŒndigen, sie mittel- oder unmittelbar empfehlen oder sie
in ihren Verlagswerken, Zeitungen u. s. w. anempfehlen lassen,
Als Beilage ist der Process eines GeheimmittelkrÀmers (Laurentius)
gegen Prof. Dr. Bock in Leipzig angefĂŒgt.
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Benutzung dieses Schriftehens, das wir unseren Lesern aufs wÀrmste em-
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ARCHIV DER PHARMACIE
GC. Bandes zweites Heft.
una
A. Originalmittheilungen.
Il. Chemie und Pharmacie.
Ueber das Vorkommen von Rubidium in den Run-
kelrĂŒben.
Von Dr. Emil Pfeiffer aus Jena.
In den Jahren 1864 u. 1865 war ich in einer grossen
Syrupsbrennerei Nordfrankreichs beschÀftigt, die zugleich
auch die Raffinerie der RĂŒbenaschen, sowie die Fabri-
kation von Conversionssalpeter aus Producten der
RĂŒbenaschen in sehr bedeutendem Maasstabe betrieb.
Die RĂŒbenaschen werden durch Verdampfen der,
nach dem Abdestilliren des aus dem Zucker entstandenen
Alkohols resultirenden FlĂŒssigkeiten und Calcination des
vickstandes gewonnen.
Die Zusammensetzung dieser RĂŒbenaschen variirt je nach
dem Boden zugleich aber noch mit den Jahren, indem diesel-
ben bei beginnender Erschöpfung oder doch Ermattung eines
Bodens fĂŒr RĂŒbeneultur immer Ă€rmer an Pottasche und reicher
an Soda werden.
Eine Verringerung der Ausbeute an Zucker geht mit
dieser VerÀnderung Hand in Hand, wenn dem Boden nicht
eben ein Ersatz fĂŒr die ihm entzogenen Salze geboten wird.
Endlich hĂ€ngt die Zusammensetzung der RĂŒbenaschen auch
noch von der Verfahrungsweise und den Zuthaten ab, die
eine solche Fabrik in Anwendung bringt.
Im Mittel war dieselbe in jenen Jahren fĂŒr die RĂŒben-
aschen Nordfrankreichs
Arch, d, Pharm, CC, Bda, 2, Heft, 7
98 Ueber das Vorkommen von Rubidıum ın den RunkelrĂŒben.
[
Kohlens. Kali 30 pr> Cent.
â Natron 20, r, a
Chlorkalium US 3
Schwefels. Kali IBEN 7
Unlösliche Bestandth. u. Feuchtigkeit 23 â, â
190,00.
Durch ein erstes Eindampfen der Rohlaugen dieser
RĂŒbenaschen (salins) wurde die grösste Menge des schwe-
felsauren Kalis ausgeschieden, wÀhrend beim darauffolgenden
Erkalten ein grosser Theil des Chlorkalium herauskry-
stallisirt.
Durch weiteres Eindampfen scheidet sich nun die Soda
mit 1 Aequivalent Krystallwasser aus und beim Erkal-
ten nochmals eine gewisse Menge Ohlorkalium, so dass die
Lauge, auf 50 Grad ArÀom. Baume (1,525 spec. Gew.) an-
gekommen, nur noch geringe Mengen beider Stoffe, haupt-
sÀchlich aber kohlens. Kali enthÀlt.
Durch Caleination werden diese Laugen auf weisse
Raffinatpottasche verarbeitet.
Von historischem Interesse fĂŒr die ee der
Kaliindustrie in Frankreich ist es, zu erwÀhnen, dass vor
der Auffindung der Stassfurter Kalilager die PreisverhÀltnisse
der Pottaschensalze ganz andre waren als heutzutage, Damals
war das schwefels. Kali am geringsten geschÀtzt, wÀhrend das
Chlorkalium, als ausschliesslich verwendetes Material fĂŒr die
Fabrikation von Conversionssalpeter so hoch im Preise stand,
dass vor meinem Hinkommen noch im Jahre 1862 in jener
Fabrik die obenerwÀhnten Pottaschenlaugen _ durch Zusatz
einer concentr. Lösung von spanischem Steinsalz auf
Chlorkalium verarbeitet wurden.
Die entstandene Soda wurde wĂ€hrend âdes Eindampfens
herausgefischt und das Chlorkalium krystallisirte dann beim
Erkalten der concentr. Lauge.
Als ich hinkam, wurde hingegen der Salpeter dort mit-
telst des in den RĂŒbenaschen natĂŒrlich enthaltenen Chlor-
kalium gebildet, welche Fabrikation mir speciell oblag.
Ueber das Vorkommen von Rubidium in den RunkelrĂŒben. 96
Dieses Product enthielt noch etwa 10â 12%, schwe-
felsaures Kali, sowie eine geringe Menge kohlensaurer
Alkalien, die durch Zusatz von Chlorcaleium und SalzsÀure
in entsprechendem VerhĂ€ltniss in ChlorĂŒre ĂŒbergefĂŒhrt wur-
den, damit man nur Kochsalz als Nebenproduct erhielt.
Zu gleicher Zeit wurden nun auch die Pottaschenlaugen
von 50° ArÀom. Baume durch Eindampfen mit einem nahezu
gleichen Volumen einer gesÀttigten Lösung von Chilisal-
peter direkt auf Kalisalpeter, verarbeitet. Kohlens.
Natron wurde wÀhrend der Eindampfung gezogen und der
Salpeter krystallisirte wÀhrend des Erkaltens der abgehe-
berten Laugen.
âIn den Mutterlaugen sammelte sich allmĂ€hlig das Chlor-
natrium, sowie etwas schwefels. Kali, so dass wÀhrend des
spÀtern Eindampfens ein Gemisch von etwa
52 â 54°, Chlornatrium,
30 â 32°, Soda,
und 10°, schwefels, Kali
herausfiel, das unter dem Namen Soude bas degr& in den
Seifenfabriken eine Verwendung fand.
Diese Mutterlaugen kamen endlich an eine Grenze, wo
ihre weitere Eindampfung ĂŒber freiem Feuer höchst gefĂ€hr-
lich wurde, da durch die gleichzeitige Anwesenheit von
salpeters. Salzen und Schwefeleyanverbindungen
das geringste Anbrennen die augenblickliche Explosion der gan-
zen Masse zur Folge hatte. Vor meinem Hinkommen war auch
ein Paar Arbeiter auf diese Weise schrecklich verbrannt
und zugleich das circa 20 Fuss hoch ĂŒber dem Kessel befind-
liche Dach in Flammen gerathen,
Das Schwefeleyankalium, das ja einen Bestandtheil
verschiedner frischer Theile von Oruciferenpflanzen ausmacht,
findet sich zum grossen Theil schon als solchesin
den rohen RĂŒbenaschen.
In jener Mutterlauge fand ich durch Bestimmung des
Schwefels und des Kalis einen Gehalt von 33,34%, Schwe-
feleyanalkalien. Daneben fanden sich noch salpeters.
Salz, ChlorĂŒre, ferner Jod- und Bromverbindungen
7#*
100 Ueber das Vorkommen von Rubidium ın den Runkelruben.
und eine QuantitÀt Rubidium, die einem Gehalte von
0,75%, Chlorrubidium entsprach.
Durch die Mutterlaugen der gouvernementalen Salpeter-
raffinerie zu Paris, an die jene Fabrik bedeutende Mengen
Salpeter lieferte, wurde Herr Louis Grandeau, Prof. an
der Ecole normale zu Paris, zuerst auf das Vorkommen des
Rubidium in den RĂŒbenaschen aufmerksam und be-
nutzte unsere explosible Mutterlauge zur Darstellung einer
gewissen Menge dieses Metalls.
Zu dem Zwecke wurde die Mutterlauge in einem eiser-
nen Kessel mit SÀgespÀnen und HolzabfÀllen gemischt erhitzt
und so verglimmen gelassen.
Der kohlige RĂŒckstand wurde mit Wasser erschöpft und
die AuszĂŒge auf circa 35 Grad ArĂ€om. Baume (1,317 spec.
Gew.) eingedampft.
Hierbei schied sich ein Salzgemisch von schwefels. Kali
und ĂhlorĂŒren, sowie etwas Soda aus, das in 1000 Grm.
schon 2,831 Grm. Rubidiumchlorid enthielt. Die Mutter-
lauge enthielt kohlens. und schwefels. Salze, Chloride,
Schwefelalkalien, unterschwefligs. Alkali nebst kleinen Men-
gen von Jod- und Bromverbindungen.
Sie wurde daher mit SalzsÀure im Ueberschuss versetzt
und erhitzt, wobei sich ein reichlicher Absatz von Schwefel
bildete.
In die hiervon abfiltrirte und wiederum erhitzte FlĂŒssig-
keit wurde nun tropfenweise SalpetersÀure gegossen, bis zur
vollkommenen Austreibung des Jods und des Broms.
Die so erhaltene Lauge enthielt in 1000 Grm. 7,5 Grm.
Rubidiumchlorid.
Zu seiner Gewinnung wurde: die stark verdĂŒnnte Lauge
zum Kochen gebracht und mit einer verdĂŒnnten Lösung von
Platinchlorid oder noch besser mit einer kochend
gesÀttigten Lösung von Chlorkaliumplatinchlorid
versetzt. Der erhaltene Niederschlag werden durch mehrfaches
Waschen mit kochendem Wasser von einem Gehalte an
Chlorkaliumplatinchlorid befreit und .das zurĂŒckbleibende Rubi-
diumplatinchlorid im Wasserstoffstrome reducirt.
Ueber das Vorkommen von Rubidium in den RunkelrĂŒben: 101
Meinerseits bin ich ebensogut gefahren, indem ich die
ursprĂŒngliche Mutterlauge mit einer Lösung von salpeters.
Bleioxyd fÀllte, die salpeters. Salze, mit Kohle gemischt, ver
puffte und, mit SalzsĂ€ure ĂŒbersĂ€ttigt, die FĂ€llung mit Chlor-
kaliumplatinchlorid vornahm.
Wenn es dem Ăhemiker, besonders vor der Entdeckung
der Speetralanalyse, oft sehr schwer wurde, geringe Mengen
im Boden vorhandener Substanzen selbst qualitativ nachzu-
weisen, so ist es um so interessanter, zu schen, wie der pflanz-
liche Organismus mit Leichtigkeit und RegelmÀssigkeit den
ihm gerade entsprechenden Bedarf an denselben zu assimiliren
versteht.
Nach direkt ausgefĂŒhrten Bestimmungen enthĂ€lt 1 Kilogrm.
der RĂŒbenaschen Nordfrankreichs im Mittel 1,75 Grm.
Rubidiumehlorid.
Nun aber werden auf 1 Heetare Land in Nordfrankreich
etwa 45000 Kilogrm. RĂŒben gebaut.
Diese liefern:
2650 Kil. Zucker und
1325., â. Dy2ÂŁĂŒp.
Letzterer aber in der Operation der Brennerei
318 Liter Alkohol a 36 °
und 145,75 Kilogrm. RĂŒbenasche
mit 255 Grm. Rubidiumchlorid.
Der Kaligehalt in dieser QuantitĂ€t KĂŒbenasche wĂŒrde
aber betragen:
84,4 Kilogrm., Chlorkalium und der Natrongehalt
32,153 Kilogrm. Chlornatrium.
Die RĂŒbe nimmt also diese drei Substanzen in dem Ver-
hÀltniss von 255 Grm. Chlorrubidium zu 32,153 Kilogrm. Chlor-
natrium und 84,4 Kilogrm. Chlorkalium auf (QuantitÀten, die
in einem Jahre einem Hectare Boden durch die kKĂŒbe entzogen
werden). Stellt man die 255 Grm.Chlorrubidium gleich 1, so
kommt das Chlornatrium auf 126 und das Chlorkalium auf 331.
Ausser dem Rubidium will Prof. Grandeau auch Spu-
ren von Ăaesium gefunden haben.
ie Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
WĂ€hrend also die RĂŒbe kein Lithion aufzunehmen
scheint, hatte Taback in derselben Gegend gebaut, Kali,
Rubidium und Lithium, hingegen nur Spuren von
Natrium aufgenommen. RĂŒbsen, ebenfalls in dieser Gegend
gebaut, hatte nur Kali und Natron, hingegen weder
Rubidium noch Lithium aufgenommen.
Jena, den 17. MĂ€rz 1872.
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
Von ©. Hesse.
(Schluss.)
âKryptopin.
J. Smiles, in der Fabrik von T. und H. Smith be-
schÀftigt, beobachtete, dass sich in der Mutterlauge des salz-
sauren Thebains bald seideglÀnzende, leichte Nadeln abschieden,
und veranlasste somit T. und H. Smith*) zur Entdeckung
eines Opiumalkaloids, das letztere Kryptopia nannten, wel-
ches wir aber nach dem hiesigen Sprachgebrauch Kryptopin
nennen wollen. SpÀter ermittelte Cook**) die Zusammen-
setzung dieser neuen Base, fĂŒr welche derselbe die Formel
023 H25 NO? aufstellte.
Wenn man auch nicht genau bekannt ist mit den Eigen-
schaften der Alkaloide, welche hier in Betracht kommen, so
wird man doch erkennen, dass der Weg, den T. und H.
Smith zur Reindarstellung der Base einschlugen, nicht zum
Ziele fĂŒhren kann. Uebrigens gestehen die Herren Smith
in ihrer zweiten Abhandlung ĂŒber diesen Gegenstand selbst
ein, dass ihr frĂŒheres Kryptopinchlorhydrat, von dem sie an
Herrn Brady in Newcastle abgaben, Thebainchlorhydrat
enthalten habe, |
*) Pharm. Journ. Trans. [2] VII, 595.
**) Daselbst, 716.
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen, h 103
Ich habe gezeigt, dass Thebain, wenn man es in saurer
(salzsaurer oder schwefelsaurer) Lösung erwÀrmt, bald in
das intermediÀre Product Thebenin, schliesslich in Thebai-
cin ĂŒbergeht. Kryptopin zeigt ein Ă€hnliches Verhalten nicht
und kann daher leicht mittelst SalzsÀure vom Thebain getrennt
werden, besonders da das Kryptopinchlorhydrat nahezu unlös-
lich in concentrirter SalzsÀure ist.
Man kann aber auch den grössten Theil des Thebains
mittelst WeinsÀure beseitigen, wobei das Kryptopinbitartrat,
obgleich es schwerer löslich in Wasser ist als das entspre-
chende Thebainsalz, vollstÀndig in der Mutterlauge bleibt.
Wird letztere in der oben angefĂŒhrten Weise weiter behan-
delt, so resultirt ein Gemenge, welches aus Kryptopin, Protopin
und etwas Thebain besteht. Dasselbe wird nun in verdĂŒnnter
SalzsÀure gelöst und zur Lösung so viel concentrirte Salz-
sÀure gebracht, bis dadurch nichts mehr gefÀllt wird. Dabei
scheidet sich das Kryptopin- und Protopinchlorhydrat ab,
wÀhrend das Thebain gelöst bleibt. Aus dem Gemisch der
Chlorhydrate werden hierauf die Basen durch Ammoniak
abgeschieden und dieselben mit einem Ueberschuss von Oxal-
sÀure behandelt, welcher die Entstehung des sauren oxalsauren
Kryptopins veranlasst, eines Salzes, das sich mit kaltem Was-
ser leicht auswaschen und von dem in der Mutterlauge blei-
benden Protopin trennen lÀsst. Das Alkaloid wird dann
mittelst Ammoniak wieder isolirt, in EssigsÀure gelöst, diese
Lösung mit Thierkohle entfÀrbt und nach dem ErwÀrmen mit
Ammoniak gefÀllt, vorausgesetzt, dass man von der Erzielung
gut ausgebildeter Krystalle absieht. Will man aber letztere
haben, so ist es gut, }der Lösung vor dem FÀllen mit Am-
moniak eine erhebliche Menge heissen Alkohols zuzusetzen,
oder aber das pulverförmige Alkaloid aus kochendem Alkohol
umzukrystallisiren.
Die Analysen nun, welche ich mit Kryptopin von ver-
schiedener Bereitung ausgefĂŒhrt habe, ergaben fast durchge-
hends etwas weniger Kohlenstofl, als die von mir dafĂŒr auf-
gestellte Formel verlangt, vielleicht weil dem Alkaloid noch
ein anderes Alkaloid von gleichen Eigenschaften anhaftet.
104 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
Gelang es mir doch schon, aus dem Rohkryptopin ein Alka-
loid, das Protopin, abzuscheiden, welches dem Kryptopin
in manchen StĂŒcken Ă€usserst Ă€hnlich ist.
Sollte sich meine Vermuthung bezĂŒglich der Beimengung
einer andern Base zum Kryptopin in Zukunft bestÀtigen, so
wĂŒrde ich fĂŒr diese Base, welche sicherlich komolog zum
Kryptopin ist, die Bezeichnung Deuteropin empfehlen.
Vorerst sind wir genöthigt, das von mir nach dem angege-
benen Verfahren erhaltene Kryptopin Àls homogen und rein
zu betrachten.
Bei der Analyse wurden fĂŒr die bei 100° getrocknete
Substanz folgende Resultate erhalten:
Berechnet Versuch
2 DE 5 nn nenne nennen ne onarın rm mn
an 1 1I. III. IV. Vi: v1.
C21 252 68,29 67,98 67,64 67,51 67,44 67,69 68,23
2237237, 6.25 6.07 76.21. 6,23 7 6,25 16,91052024
IN ag Tr Bao a.
05 80 21,69 N AB. â
369 100,00.
Kryptopin, das ich nach dem Verfahren von T. und H.
Smith darstellte, schliesslich aber, weil es mir nicht rein
genug war, um es einer Analyse fĂŒr werth zu halten, an
OxalsÀure band, es aus dem erhaltenen Salz mit Ammoniak
wieder abschied und dann analysirte, ergab 68,86 pC. © und
6,40 pC. H, mithin Zahlen, welche sich den von Cook gefun-
denen Zahlen bedeutend nÀhern; denn dieser Chemiker fand
fĂŒr Smithâs Kryptopin
C 69,50 bis 70,20 pO.
H 6,76, bis 6,80 â,
N 973 bie, Bin,
Das Kryptopin ist unlöslich in Aether. Diese Angabe
scheint einen Widerspruch zu enthalten, denn oben ist ja
angefĂŒhrt worden, dass ich diese Base mittelst Aether erhal-
ten habe. Dagegen muss vorgebracht werden, dass gleich-
zeitig mit dem Kryptopin noch viele andere, zum Theil amorphe
Basen extrahirt wurden, welche sicher die Wanderung des
Kryptopins in den Aether veranlassten. Uebrigens löst Aether
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 105
frisch gefÀlltes Kryptopin erheblich auf, doch scheidet es sich
nach einiger Zeit in kleinen Rhomboedern wieder ab.
Siedender Alkohol löst das Alkaloid in geringen Mengen
auf und scheidet den grössten Tkeil desselben, jedoch erst im
Laufe lÀngerer Zeit, in kurzen sechsseitigen Prismen und
körnigen Krystallen ab. Terpenthinöl, Benzin und Petroleum-
Àther lösen selbst bei ihren Siedetemperaturen sehr wenig
von dem Alkaloid auf. Als das beste indifferente Lösungs-
mittel fĂŒr das Kryptopin ist, wie auch schon von T. und H.
Smith hervorgehoben worden ist, das Chloroform zu
bezeichnen.
Ammoniak, Kali- und Natronlauge geben zwar in der
Lösung eines Kryptopinsalzes einen weissen amorphen, bald
krystallinisch werdenden Niederschlag, aber es bleibt immer-
hin eine gewisse, wenn auch sehr geringe Menge der orga-
nischen Base in Lösung. Von dieser Thatsache kann man
sich sehr leicht ĂŒberzeugen, wenn man ein paar Tropfen
der Lösung in concentrirte eisenoxydhaltige SchwefelsÀure
fallen lÀsst, wodurch letztere blau gefÀrbt wird. Uebrigens
habe ich schon frĂŒher angefĂŒhrt, dass das Laudanin gleich-
zeitig mit etwas Kryptopin erhalten werde, somit letzteres
aus alkalischer Lösung, und eine Analyse davon hat mir ge-
zeigt, dass die elementare Zusammensetzung des so erhalte-
nen Kryptopins vortrefflich zur Formel C?!H2?NO° passt.
Kryptopin wird, mit concentrirter SalpetersĂ€ure -ĂŒber-
gossen, fĂŒr den ersten Augenblick nicht gefĂ€rbt, doch bald
wird die Lösung orangefarben und die Base in Nitrokrypto-
pin verwandelt.
Reine concentrirte SchwefelsÀure fÀrbt das Alkaloid bei
circa 20° gelb; es ziehen sich aber bald gelbe Streifen von
den Krystallen der Base hinweg, welche sich sehr rasch
violett und eben so die SÀure fÀrben, bis sich endlich die
ganze Lösung dunkelviolett fÀrbt. Mit eisenoxydhaltiger
SchwefelsÀure wird sogleich eine dunkelviolette Lösung erzielt.
In beiden FÀllen werden die Lösungen, wenn man sie auf
eirca 150° C, erhitzt, schmutzig grĂŒn. Wenn die Schwefel-
106 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
sÀure eine Spur Chlor oder unterchlorige SÀure enthÀlt, so
fÀrbt sie sich mit Kryptopin ebenfalls dunkelviolett.
Das Kryptopin schmilzt bei 217° C.; doch tritt bei dieser
Temperatur schon Zersetzung der Substanz ein, welche sich
durch eine gewisse braune FĂ€rbung der Schmelze bemerklich
macht und in dem Maasse fortschreitet, als das Erhitzen
anhÀlt. Es enthÀlt kein Krystallwasser, zeigt daher beim
Erhitzen keinen Verlust.
Das Kryptopin ist ein starkes Alkaloid und blÀut dem
entsprechend in alkoholischer Lösung eben so leicht rothes
Lackmuspapier, wie es die stÀrksten SÀuren neutralisirt. Die
Salze des Kryptopins schmecken anfangs bitter und hinten-
nach brennend scharf, an PfeffermĂŒnzöl erinnernd. Mit weni-
gen Ausnahmen zeigen diese Verbindungen die bemerkens-
' werthe Eigenschaft, sich aus ihren Lösungen anfÀnglich als
gallertartige Massen abzuscheiden.
Salzsaures Kryptopin. â Nach T. und H. Smith
bildet Kryptopin mit SalzsÀure ein neutrales und ein saures
Salz, welche Verbindungen Cook der Analyse unterwarf und
dafĂŒr die Formeln
022H2>NO5,HCl +. 5H?0O, resp. C2>H?>NO5,2 HO]l 4 6H20
aufstellte. Unstreitig wurden die Herren Smith bei der
Darstellung des angeblich sauren Salzes durch das Verhalten
des salzsauren Kryptopins, durch SalzsÀure aus seiner Lösung
gefÀllt zu werden, getÀuscht und haben dann von Cook ein
freie SalzsÀure enthaltendes PrÀparat untersuchen lassen. Das
Kryptopin bildet mit dieser SĂ€ure, wie auch alle ande-
ren Opiumalkaloide, nur eine Verbindung, in welcher gleiche
Aequivalente von Base und SĂ€ure enthalten sind, nur kann
diese Verbindung im vorliegenden Falle mit verschiedenem
Wassergehalt erhalten werden.
Die Verbindung mit 6H?O wird erhalten, wenn man die
Base in der WĂ€rme genau mit verdĂŒnnter SalzsĂ€ure sĂ€ttigt,
oder wenn man die Auflösung der Base in irgend einer SÀure
mit SalzsÀure in der WÀrme vermischt. In letzterem Falle
wird das Salz in zarten, weissen Prismen erhalten, die beim
Trocknen an der Luft sehr zusammenschrumpfen und schliess-
ic Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen, 107
lich wohl auch eine hornartige Masse bilden. Wenn solche
zu einem feinen Pulver zerrieben wird, so dunstet daraus die
anhaftende SÀure ab. Wasser und Alkohol lösen das Salz
sehr leicht, SalzsÀure, sowie Kochsalzlösung Àusserst wenig,
Aether und Chloroform gar nicht.'
Das aus neutraler Lösung erhaltene Salz ist anfangs
âmeist gallertartig, spĂ€ter bilden sich in der Masse weisse
Krystallpunkte und schliesslich bildet die Masse Âźben solche
Krystalle, wie das aus saurer Lösung erhaltene Salz. Von
dem Krystallwasser , welches in dieser Verbindung enthalten
ist, entweicht ein erheblicher Theil im Exsiccator, der Rest
bei 100°, doch scheint es, dass im letzteren Falle immer
etwas SalzsÀure frei wird. Bei 125° fÀrbt sich das Salz
gelb und wird es im Contact mit Chlorzink erhitzt, so bildet
sich eine Substanz, die aus Aether in concentrisch gruppirten,
weissen NĂ€delchen krystallisirt. Die Menge der so entstan-
denen neuen Substanz ist verhÀltnissmÀssig sehr gering.
Analysen
von Salz aus neutraler Lösung und
von Salz aus saurer Lösung ergaben die Formel
C21H2>NO5, HCl + 6H2?O.
Ein Salz mit weniger Krystallwasser, als vorstehende
Verbindung enthÀlt, entsteht, wenn man z. B. oxalsaures
Kryptopin mittelst Chlorcaleium von OxalsÀure befreit und
dabei einen kleinen Ueberschuss von letzterem anwendet;
sie bildet sich aber auch beim Vermischen der salzsauren
Lösung des Chlorhydrats mit Kochsalzlösung bei niederer
Temperatur. -
Die Formel dieses Salzes ist
C?1 H23NO5, HCl -- 5H?O.
Cook fand fĂŒr das neutrale, wie es scheint, elwas ver-
witterte Salz Zahlen, welche ebenfalls zu der Formel
C21}423NO5, HCl + 5 H2O
fĂŒhren.
Salzsaures Kryptopin-Platinchlorid. â Die
wÀsserige Lösung des Chlorhydrats giebt, mit Platinchlorid in
der KÀlte vermischt, eine copiöse, aus zarten, fast weissen
108 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
NÀdelchen bestehende Masse. War die Lösung erwÀrmt und
nicht zu sehr concentrirt, so scheidet sich aus derselben das
Platinsalz erst beim Erkalten ab, und zwar in blassgelben,
Àusserst zarten, in ihrer Form den Narceinkrystallen Àhnli-
chen Prismen. Wird die Lösung lÀngere Zeit im Kochen
erhalten, so scheidet sich aus der erkaltenden Lösung ein
schön gelbes Krystallpulver ab.
Die Krystalle der ersteren Art schrumpfen beim langsa-
men Trocknen an der Luft zu einer harten Masse zusammen,
wÀhrend das Krystallpulver (die Krystalle der zweiten Art)
beim Trocknen keine sichtliche Aenderung erleidet. Biswei-
len verwandeln sich die zarten Prismen plötzlich in schwere,
dunkelgelbe Krystalle. Diese Umsetzung beruht lediglich auf
einer Umlagerung der Molecule, wobei gleichzeitig Wasser
austritt, ohne dass das Kryptopin selbst alterirt wĂŒrde; denn
wenn das schwere Krystallpulver mit Kaliumbitartrat gekocht
wird, so geht das unverĂ€nderte Alkaloid in die Lösung ĂŒber
und lÀsst sich daraus die gelatinöse Form des Platinsalzes
leicht wieder erhalten.
Das Doppelsalz löst sich in kochendem Wasser ziemlich
leicht auf, besonders wenn etwas HĂl zugegen ist, und kry-
stallisirt beim Erkalten desselben, da es sich in kaltem Was-
ser kaum löst.
Die lufttrockene Verbindung der ersten Art besitzt die
Formel
(C2:H2> NO, HCI)? + PtCl? + 6H?O.
Die Krystalle der zweiten Art sind =
(C22H2Âź NO3, HCl)? + PtCl* + H?O.
Salzsaures Kryptopin-Goldchlorid. â Auf Zu-
satz von Goldsolution zu einer schwach erwĂ€rmten, verdĂŒnn-
ten, wÀsserigen Lösung des Chlorhydrats entsteht eine milchige
- TrĂŒbung und bald erfolgt die Abscheidung eines dunkelgel-
ben, amorphen Pulvers des Doppelsalzes, welches sich in
heisser, verdĂŒnnter SalzsĂ€ure etwas auflöst und sich dann
aus der erkaltenden Lösung in orangerothen Warzen ab-
scheidet.
=
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. â409
Salzsaures Kryptopin-Quecksilberchlorid. â
Die verdĂŒnnte, wĂ€sserige Lösung des Chlorhydrats giebt, wenn
sie gelinde erwÀrmt und dann mit Sublimatlösung vermischt
wird, weisse, aus kleinen Prismen bestehende Warzen, die
sich ziemlich leicht in kochendem Wasser, schwer in kaltem
Wasser lösen. Ist indess die Lösung des Chlorhydrats con-
centrirt, so bildet sich eine gallertartige FĂ€llung, welche sich
beim Auswaschen mit kaltem Wasser in ein weisses Krystall-
mehl umsetzt, wahrscheinlich in Folge eintretender Zersetzung.
FĂŒr das lufttrockene Krystallpulver wurde die Formel
C21:H?3N05, HCl + HgCl? + H?O
ermittelt.
Jodwasserstoffsaures Kryptopin. â Die wĂ€s-
serige Lösung des essigsauren Kryptopins giebt auf Zusatz
von Jodkaliumlösung eine gallertartige Ausscheidung, die sich
allmÀhlig in zarte, weisse Prismen umsetzt, welche sich sehr
leicht in Wasser lösen, aber in Jodkaliumlösung unlöslich sind.
Essigsaures Kryptopin. â VerdĂŒnnte EssigsĂ€ure
wird beim ErwÀrmen leicht vom Kryptopin neutralisirt, worauf
beim Erkalten die Lösung zu einer durchsichtigen Gallerte
erstarrt, in welcher sich nach Verlauf von einigen Tagen
weisse PĂŒnktchen bilden, von denen aus die Krystallisation
erfolgt. Doch findet man selbst nach sehr langer Zeit Gal-
lertpartieen zwischen den zarten, weissen Prismen des kry-
stallisirten Salzes eingestreut. Wasser löst das Salz Àusserst
leicht.
Neutrales schwefelsaures Kryptopin, das man
erhĂ€lt, wenn man verdĂŒnnte SchwefelsĂ€ure mit einem Ueber-
schuss des Alkaloids kocht, lÀsst sich schwer in Krystallen
darstellen. In der Regel erstarrt seine Lösung zu einer
kleisterartigen Masse, die keine Spur von Krystallisation
zeigt. Das neutral reagirende Salz löst sich sehr leicht in
Wasser, namentlich beim ErwĂ€rmen desselben. VerdĂŒnnte
SchwefelsÀure bringt die wÀsserige Lösung sofort zum Er-
starren.
Saures chromsaures Kryptopin entsteht auf Zu-
mischen von Kalibichromatlösung zu einer verdĂŒnnten Auflösung
>
0. Beitrag zur Kenntniss der ĂOpiumbasen.
des neutralen schwefelsauren Kryptopins, wobei eine gallert-
artige, aus zarten gelben Prismen bestehende FĂ€llung erzielt
wird. Das neue Chromat löst sich ziemlich leicht in sieden-
dem Wasser auf. Beim Trocknen in gelinder WĂ€rme ver-
wandelt sich die compacte gelbe Masse in ein loses Krystall-
pulver und verliert dann bei 100° etwas Wasser, das als
Krystallwasser zu betrachten ist. Der so getrockneten Ver-
bindung kommt die Formel zu:
(022 922 N05)26r2H207
Salpetersaures Kryptopin wird in kleinen, weissen
Prismen erhalten, welche sich in heissem Wasser leicht,
schwieriger in kaltem Wasser lösen und sich bei ĂŒberschĂŒssi-
ger SalpetersÀure leicht in salpetersaures Nitrokryptopin ver-
wandeln.
Neutrales oxalsaures Kryptopin. â Wenn eine
Auflösung von OxalsÀure in: Wasser mit einem Ueberschuss
von Kryptopin gekocht wird, so nimmt die Lösung bald eine
neutrale Reaction an. Wird diese heisse Lösung von dem
Ungelösten getrennt und erkÀltet, so scheiden sich einige
kleime Krystalle ab, welche grosse Aehnlichkeit mit der freien
Base haben. Nachdem diese Krystalle beseitigt sind und die
Lösung auf ein geringes Volumen gebracht worden ist, kry-
stallisirt das neutrale Salz in langen, weissen, asbestartigen
Nadeln, aber fast gleichzeitig hat eine gewisse Zersetzung
statt, der Art nemlich, dass sich freie Base und dem ent-
sprechend das saure Salz abscheidet. Heisses Wasser ent-
zieht dann dem RĂŒckstand nicht nur neutrales oxalsaures
Kryptopin, sondern auch das entstandene Bioxalat, wÀhrend
die freie Base ungelöst zurĂŒckbleibt. Die heisse, wĂ€sserige
Lösung des Neutralsalzes gelatinirt beim Erkalten und liefert
nach einiger Zeit grössere schiefwinkelige Tafeln, denen aber
immer Krystalle des sauren Salzes beigemischt sind.
Saures oxalsaures Kryptopin ist leicht darzu-
stellen. Kocht man nemlich das Alkaloid mit einem Ueber-
schuss von OxalsÀure, so löst sich ersteres auf, worauf sich
bald das saure Salz als ein weisses, krystallinisches Pulver
ausscheidet. In dem Falle, dass die Lösung sehr verdĂŒnnt
â Aa ai a
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. ili
ist oder dass sich das Salz sehr, langsam abscheiden kann,
wird es in ziemlich grossen Rhomboedern erhalten. Das
Kryptopinbioxalat ist wasserfrei, fast unlöslich in Alkohol,
sehr schwer löslich in kochendem Wasser und bedarf von
Wasser bei 12°C. das 330-fache zur Lösung.
Die Analyse des bei 100° getrockneten Salzes fĂŒhrte zu
der Formel
621H23N05,02H 204.
Neutrales weinsaures Kryptopin. â Wem
WeinsÀurelösung in der WÀrme mit einem Ueberschuss der
Base behandelt wird, so resultirt eine neutrale Lösung, welche
beim Erkalten zu einer gallertartigen Masse erstarrt, in der
keine Spur von Krystallisation zu entdecken ist. Das Salz
löst sich sehr leicht in Alkohol, ebenso in Wasser. Letztere
Lösung giebt auf Zusatz von WeinsÀure keine FÀllung, dage-
gen erzeugt in der mĂ€ssig concentrirten Lösung verdĂŒnnte
SchwefelsÀure einen weissen, gallertartigen Niederschlag, des-
gleichen PhosphorsÀure und SalzsÀure, weniger leicht concen-
trirte SalpetersÀure.
Saures weinsaures Kryptopin,
G7âH3NO5.04H60° 1.4320;
wird beim Auflösen von Kryptopin in einem Ueberschuss von
WeinsÀure erhalten. In der Regel scheidet sich aus der
erkaltenden Lösung eine Gallerte ab, die sich bald in kleine,
weisse Prismen umsetzt. Das Bitartrat löst sich sehr leicht
in heissem Wasser und Alkohol, indess schwer in kaltem
Wasser. So wurde z. B. gefunden, dass sich 1 Theil Salz
bei 10°C. in 167 Theilen Wasser löse.
Bei 100° getrocknetem Salz â
02:5# NOAU+HÂŁOÂź,
Pikrinsaures Kryptopin. â Die heisse, wĂ€sserige
Lösung des Chlorhydrats giebt auf Zusatz von Kaliumpikrat
einen gelben, krystallinischen Niederschlag, welcher aus klei-
nen, kugelförmig aggregirten Prismen besteht, die sich sehr
schwer in heissem Wasser lösen, Kochender Alkohol löst
i12 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.,
namhafte Mengen des Salzes und scheidet beim Erkalten
hĂŒbsche gelbe, sternförmig gruppirte Prismen ab.
Die Formel des lufttrockenen Salzes
â 021 922N0>,.C5H2(N02)20 7.420:
Nitrokryptopin.
Diese Substanz bildet sich leicht aus dem Kryptopin beim
Behandeln desselben mit verdĂŒnnter SalpetersĂ€ure. Am
Besten nimmt man auf 1 Theil Base 20 Theile SalpetersÀure
von 1,06 spec. Gewicht und setzt das Gemisch etwa 8 Stun-
den lang einer Temperatur von 50 bis 60°C. aus. Nimmt
man stÀrkere SalpetersÀure, so ist die Reindarstellung der
nitrirten Substanz mit grossen Schwierigkeiten verbunden,
auch ist dann die Ausbeute eine bedeutend geringere, als
wenn man verdĂŒnnte SĂ€ure anwendet. Das Ende der Reac-
tion erkennt man daran, dass sich lauter schwere, körnige
Krystalle gebildet haben; auch gelatinirt die Lösung beim
Erkalten nicht. Die Krystalle werden von der darĂŒber ste-
henden Lösung getrennt, mit Ammoniak zersetzt und das
sich ausscheidende Alkaloid an EssigsÀure gebunden. Nach-
dem die essigsaure Lösung mit Thierkohle behandelt worden
ist, wird sie m der WÀrme mit Ammoniak gefÀllt, wobei ein
gelber, amorpher Niederschlag entsteht, der sich bald in kleine
Prismen umsetzt.
Das Nitrokryptopin, in vorstehender Weise erhalten, bil-
det ein dunkelgelbes, aus kleinen Prismen bestehendes Pul-
ver. Wird es in siedendem Alkohol gelöst, so scheidet es
sich aus demselben beim Erkalten in hĂŒbschen blassgelben
Tafeln und Prismen ab. Kochender Alkohol, sowie Aether
lösen das Nitrokryptopin bedeutend leichter, als das Krypto-
pin. Besonders leicht löst es sich im Chloroform, welches
das Alkaloid beim Verdunsten in Form einer braungelben,
halbkrystallinischen Masse zurĂŒcklĂ€sst.
Reine concentrirte SchwefelsÀure fÀrbt das Alkaloid blut:
roth, löst âes dann mit braungelber Farbe, welche beim Erhitzen
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen, 113
anfangs dunkelviolett, spÀter schwarzbraun wird. Ein Eisen-
oxydgehalt der SĂ€ure modifieirt die Reaction nicht.
Kalilauge löst die Nitrobase nicht, ebenso wenig kaltes
Wasser, dagegen löst Ammoniak erhebliche Mengen Nitrokryp-
topin auf und giebt dasselbe beim SchĂŒtteln mit Aether an
letzteren ab.
Das Nitrokryptopin schmilzt bei 185° 0. zw einer braun-
gelben FlĂŒssigkeit, die beim Erkalten .amorph erstarrt. Auf
dem Platinblech erhitzt, schmilzt das Alkaloid erst und ver-
pufft schliesslich. Geschieht das Erhitzen der Substanz im
Sauerstofigase, so erfolgt die Zersetzung ziemlich lebhaft. Das
Nitrokryptopin erleidet bei 100° keinen. Verlust, enthÀlt auch
kein, etwa bei höherer Temperatur austreibbares Krystall-
wasser.
Die Analyse fĂŒhrte zu der Formel 0?!H??(NO2)NO°.
Das Nitrokryptopin hat also dieselbe procentische Zusam-
mensetzung wie das krystallisirte Nitropapaverin; allein wenn
das Nitrokryptopin mit SĂ€uren sich verbindet, so scheidet es
kein Wasser aus. Es fÀrbt sich mit Eisenchlorid nicht,
schmeckt schwach bitter und blÀut in alkoholischer Lösung
rothes Lackmuspapier. Es sÀttigt die SÀuren vollkommen
und bildet damit Salze, die mehr oder weniger die Eigen-
schaft besitzen, sich aus ihren Lösungen gelatinös abzuschei-
den. Mehre Salze zersetzen sich schon bei ziemlich niederer
Temperatur.
Salzsaures Nitrokryptopin kann in blassgelben
zarten Prismen erhalten werden, meist aber ist es gelatinös
und nach dem Trocknen an der Luft stellt es in allen FĂ€l-
len eine gelbe, hornartige Masse dar. Es löst sich sehr leicht
in heissem Wasser und scheidet sich daraus beim Erkalten
als Gallerte ab. Eben so bewirken Chlorcaleium, Chlorba-
ryum, Kochsalz, concentrirte SalzsÀure stets eine gelatinöse
Ausscheidung des Salzes. Das Salz schmeckt sehr bitter
und reagirt nicht auf blaues Lackmuspapier.
Im Exsiccator wird das neue Uhlorhydrat wasserfrei und
zeigt dem entsprechend auf 70°C. erhitzt keinen weiteren
Verlust. Allein die Farbe des Salzes geht in StahlgrĂŒn
Arch, d, Pharm, CC, Bds, .2. Tft, 8
114 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
ĂŒber und schliesslich schwĂ€rzt sich dasselbe, wenn die Tem-
peratur etwas erhöht wird, so dass der bei 100° stattfindende
Verlust nur durch beginnende Zersetzung veranlasst ist.
Das in dieser Weise verÀnderte Salz löst sich in Wasser
mit braunrother Farbe unter ZurĂŒcklassung schwarzbrauner
Flocken und giebt auf Zusatz von Ammoniak einen schön
rothen, bald 'krystallisirenden Niederschlag eines Gemenges
von Nitrokryptopin und Zersetzungsproducten.
Die Analyse: fĂŒhrte zu der Formel
C?:H22(NO2) NO3, HCl + 3H?0.
Salzsaures Nitrokryptopin-Platinchlorid fÀllt
aus der heissen, wÀsserigen Lösung des Nitrokryptopinchlor-
hydrates auf Zusatz von Platinchlorid als ein dunkelgelbes
Krystallpulver aus; ist jedoch die Lösung nicht erwÀrmt, so
gesteht dieselbe zu einer gelblich- weissen Gallerte, welche
sich beim Auswaschen mit kaltem Wasser, sowie beim Trock-
nen an der Luft in das dunkelgelbe körnige Salz umsetzt.
Die Formel â=
(C21H22(NO2)NO5,HC1)? + PtCl? + 10H?0.
Das Platinsalz löst sich schwer in heissem, nicht in kal-
tem Wasser und vertrÀgt beim Trocknen die Temperatur
von 120° ohne Zersetzung zu erleiden.
Salzsaures Nitrokryptopin-Quecksilberchlo-
vid bildet ein blassgelbes, amorphes Pulver, das sich schwer
in kaltem, etwas leichter in heissem Wasser löst. Die letz-
tere Lösung trĂŒbt sich beim Erkalten milchig.
JodwasserstoffsauresNitrokryptopin wird durch
Wechselzersetzung von Ăhlorhydrat und Jodkalium erhalten,
und stellt anfangs blassgelbe, Àusserst zarte Prismen dar,
welche sich aber bald in dunkelgelbe körnige Krystalle um-
setzen. Es löst sich leicht in Wasser und ist unlöslich in
Jodkaliumsolution.
'Salpetersaures Nitrokryptopin. â!Beim Ver-
mischen der essigsauren Lösung des Nitrokryptopins mit Sal-
petersÀure entsteht sogleich eine gelatinöse, aus zarten Pris-
men bestehende Abscheidung des Nitrats, welches sich aber
=
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 115
bald in körnige, dunkelgelbe Krystalle umsetzt. Das Nitrat
ist unlöslich in salpetersÀurehaltigem Wasser, löst sich aber
in reinem, kalten Wasser etwas auf. Kochendes Wasser löst
das Salz ziemlich schwer und scheidet einen Theil desselben
beim Erkalten in kleinen Prismen ab.
Es enthÀlt kein Krystallwasser und ertrÀgt die Tempe-
ratur von 100°, ohne zersetzt zu werden, aber bei höherer
Temperatur verpuflt es.
Die Analyse fĂŒhrte fĂŒr dieses Salz zu der Formel
02112? (NO?) NOÂź, NHOÂź.
Das salpetersaure Nitrokryptopin hat somit dieselbe Zu-
sammensetzung wie das salpetersaure Nitropapaverin.
Chromsaures Nitrokryptopin besteht aus kleinen,
gelben Prismen, die sich schwer in kaltem Wasser lösen und
sich am Lichte braun fÀrben.
Pikrinsaures Nitrokryptopin. â Salzsaures Ni-
trokryptopin giebt mit pikrinsaurem Kali in der WĂ€rme eine
gelbe, gelatinöse FÀllung des Pikrates, welches sich spÀterhin
in mikroskopisch kleine Krystalle umsetzt.
Essigsaures Nitrokryptopin krystallisirt in blass-
gelben, zarten Prismen, die sich sehr leicht in Wasser und
Alkohol lösen.
Neutrales oxalsaures Nitrokryptopin entsteht,
wenn die heisse Lösung des folgenden Salzes genau mit Am-
monjiak neutralisirt wird, worauf dieselbe beim Erkalten eine
fadige, gelbe Masse des neutralen Salzes abscheidet. Das neu-
trale oxalsaure Nitrokryptopin löst sich sehr schwer in kochen-
dem Alkohol und krystallisirt daraus in kleinen, dunkelgelben
Prismen; auch löst es sieh ziemlich schwer in kaltem Was-
ser. Von Wasser bedarf z.B. 1 Theil krystallisirtes Salz
bei 16°C. 148 Theile zur Lösung.
Das Salz enthÀlt eine betrÀchtliche Menge Krystallwasser,
von welchem 11 Mol. H?O beim Trocknen im Exsiccator ent-
weichen, wÀhrend der Rest = 1 Mol. H?O erst bei 100
bis 110° entfernt werden kann.
Die Analysen fĂŒhrten zu der Formel:
2 C2: H??(NO2)NOÂź,C?H?0* + 12H?0.
8*#+
116 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
Sauresoxalsaures Nitrokryptopin wird beim Auf-
lösen der Base in einem Ueberschuss von OxalsÀure erhalten.
Es bildet kleine, dĂŒnne, blassgelbe Prismen, welche sich bis-
weilen beim Trocknen an der Luft, manchmal sogar in der
Mutterlauge selbst in schwefelgelbe, kurze, schwere Prismen
umsetzen, wobei ein Theil des Krystallwassers austritt. Wer-
den die dĂŒnnen Prismen im Exsiccator getrocknet, so verlie-
ren sie dann bei 100° nichts mehr an ihrem Gewicht, bei
110 bis 115° tritt aber ein neuer Verlust ein und dann
wird das Salz wasserfrei. Steigert man die Temperatur,
nachdem das Gewicht constant geworden ist, auf etwa 120
bis 125°, so zeigt sich abermals ein Verlust, der indess durch
die Zersetzung des Salzes veranlasst ist.
Das im Exsiccator getrocknete Salz besitzt die Formel
C?1H22(NO2) NO, C?H?0* + H2O.
Das lufttrockene Salz
â BEZ NOS NO>, 02120773 HE}
Besonders bemerkenswerth dĂŒrfte sein, dass das im Ex-
siceator getrocknete Salz genau dieselbe Zusammensetzung
besitzt, wie das saure oxalsaure Nitropapaverin. Auch scheint
dem oben erwÀhnten schwefelgelben Salze zufolge der Oxal-
sÀurebestimmung die gleiche Formel zuzukommen.
Saures weinsaures Nitrokryptopin. â Wird die
Base in einem Ueberschuss von WeinsÀure gelöst, so scheidet
sich beim Erkalten der Lösung eine gelbe, gelatinöse Masse
aus, die nur Spuren von Krystallisation zeigt. Nur dann,
wenn eine geeignete Concentration der Lösung und gĂŒnstige
Temperatur statthat, lÀsst sich das Salz in zarten, gelben Pris-
men erhalten, welche gleichwohl beim Trocknen eine horn-
artige Masse bilden. Das Salz löst sich leicht in Wasser.
Neutrales schwefelsaures Nitrokryptopin. â
Wenn verdĂŒnnte SchwefelsĂ€ure in der WĂ€rme mit dem Alka-
loid gesÀttigt wird, so scheidet sich beim Erkalten der Lösung
anfangs eine gelatinöse Masse ab, die sich in fÀdige Krystalle
umsetzt, welche sich sehr leicht in Wasser und Weingeist
lösen und neutral reagiren.
Beitrag zur Kenntniss der Upiumbasen. 117
Protopin.
Das Protopin wird gleichzeitig mit dem Kryptopin durch
SalzsÀure gefÀllt, und bleibt dann, wenn das Gemenge in einem
Ueberschuss von OxalsÀure gelöst wird, in der Mutterlauge
des Kryptopinbioxalats. Diese Lösung wird mit Ammoniak
ĂŒbersĂ€ttigt und mit Aether ausgeschĂŒttelt, von welchem die
Basen, Protopin und etwas Kryptopin, an verdĂŒnnte SalzsĂ€ure
ĂŒbergefĂŒhrt werden. Vermischt man dann die lauwarme Lö-
sung mit concentrirter SalzsÀure, so scheidet sich bald das
Protopinchlorhydrat, gemengt mit etwas Kryptopinchlorhydrat,
ab. Das erstere Salz ist schwer, körnig und haftet fest an
den Glaswandungen an, das letztere Salz dagegen leicht und
lĂ€sst sich durch AbspĂŒlen mit kaltem Wasser oder, wenn
man einen kleinen Verlust von Protopinchlorhydrat nicht scheut,
durch AbspĂŒlen mit lauwarmem Wasser entfernen. Das un-
gelöste Protopinsalz wird zunÀchst durch Digestion mit ver-
dĂŒnntem Ammoniakliquor zersetzt, die Base an EssigsĂ€ure .
gebunden, diese Lösung mit Kohle behandelt und auf Zusatz
von etwas Weingeist mit Ammoniak gefÀllt.
Das Protopin wird auf diese Weise als ein weisses, kry-
stallinisches Pulver erhalten. Will man es in besser ausge-
bildeten Krystallen haben, so ist nur nöthig, das Alkaloid aus
kochendem Weingeist umzukrystallisiren, doch nehmen auch
hier die Krystallaggregate keine besonders bemerkenswerthen
Dimensionen an. Wasser löst das Protopin nicht, schwierig
siedender Alkohol, kochendes Benzin und Aceton, wÀhrend
letztere Lösungsmittel in der KÀlte fast nichts von der Base
lösen. Chloroform löst das Protopin mÀssig, indess besser als
alle anderen Lösungsmittel. Aether löst das gefÀllte Protopin
sehr wenig, wird aber die wÀsserige Lösung eines Protopin-
salzes mit Ammoniak gefÀllt und sogleich mit Aether ausge-
schĂŒttelt, so nimmt der letztere betrĂ€chtliche Mengen der Base
auf und scheidet einen Theil davon nach kurzer Zeit ab. Diese
Ausscheidungen sind ganz charakteristisch fĂŒr das Protopin,
denn sie bestehen aus Àusserst kleinen Prismen, die zu War-
zen, bisweilen auch zu KĂŒgelchen vereinigt sind, genug in
Formen, wie sie kein anderes Opiumalkaloid in so ausgezeich-
118 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
neter Weise bildet. Das Kryptopin, mit welchem das Protopin
allenfalls verwechselt werden könnte, lÀsst sich leicht in dieser
Weise unterscheiden, da es sich, wie oben angefĂŒhrt wurde,
aus Aether in kleinen Rhomboedern abscheidet.
Das Protopin ist vollkommen unlöslich in Kali- und
Natronlauge, löst sich aber in Ammoniak etwas auf. Mit
Eisenchlorid giebt es keine FĂ€rbung.
Concentrirte SalpetersÀure löst das Protopin iu der KÀlte
farblos, aber die geringste. ErwÀrmung veranlasst eine gelbe
FÀrbung der Lösung. Concentrirte, reine SchwefelsÀure löst
das Alkaloid bei circa 20° anfangs mit gelber Farbe, dann
wird aber die Lösung roth, endlich blÀulich-roth. EnthÀlt
indess die SchwefelsÀure etwas Eisenoxyd, so löst sich das
Alkaloid sogleich mit dunkelvioletter Farbe. Bei circa 150°
verhalten sich letztere beiden Lösungen vollkommen gleich,
insofern sie sich schmutzig braungrĂŒn fĂ€rben.
Bei 202° C. schmilzt das Alkaloid, brÀunt sich jedoch
etwas und zersetzt sich, lÀngere Zeit bei dieser Temperatur
erhitzt, mehr und mehr. Bei 100° zeigt es keinen Verlust
und enthÀlt kein Krystallwasser.
Die Analyse dieser interessanten Substanz fĂŒhrte zu der
Formel
02°H19NO>.
Berechnet nach | Versuch
C20H1°NO>5 AT, IRA
02° 240 67,98 67,70 67,71
Hi 19 5,38 5,55 5,52
N 14 3,97 > u
05 80 22,67 u. 2
353 100,00.
Da ich von diesem Alkaloid nur circa 1,5 Grm. erhielt,
obgleich ich solche Mengen Material in Arbeit nahm, die
gegen 80 Grm. Kryptopin darzustellen gestatteten, so habe
ich von einer Stickstoffbestimmung abgesehen und mich damit '
begnĂŒgt, das Atomgewicht dieser Base aus dem Platinsalz
[3
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 119
abzuleiten, wĂ€hrend noch etwas Substanz ĂŒbrig blieb, um
damit noch einige weitere Studien machen zu können.
Das Protopin reagirt in alkoholischer Lösung stark ba-
sisch und neutralisirt die SĂ€uren, damit Salze bildend, die
nicht gelatiniren, sich also wesentlich von den entsprechenden
Kryptopinsalzen unterscheiden. Die Lösungen dieser Verbin-
dungen schmecken bitter. Mit folgenden Salzen habe ich
mich etwas eingehender beschÀftigt.
Salzsaures Protopin wird in grösseren, anscheinend
rhombischen Prismen erhalten, welche sich sehr schwer in
kaltem und heissen Wasser lösen. Ăoncentrirte SalzsĂ€ure
bewirkt eine pulverig krystallinische FÀllung in der wÀsseri-
gen Lösung des Salzes.
Die Krystalle haben einige Achnlichkeit mit dem Papa-
verinchlorhydrat, aber letzteres giebt eine schwach saure
Lösung, wÀhrend jene Krystalle eine neutrale Lösung liefern.
Salzsaures Protopin-Platinchlorid ist ein gel-
ber, krystallinischer Niederschlag, der sich mit kaltem Was-
ser leicht auswaschen lÀsst und nach dem Trocknen an der
Luft ein dunkelgelbes Pulver darstellt. Dieses Doppelsalz
löst sich wenig in kaltem Wasser.
Lufttrocken =
(C2°H!?NO5,HC1)? + PtCl? + 2H?O.
Saures weinsaures Protopin schiesst in kleinen,
weissen Prismen an, wenn das Alkaloid in einem Ueberschuss
von WeinsÀure unter jAnwendung von WÀrme gelöst wird.
Das Salz löst sich ziemlich schwer in kaltem Wasser.
Saures oxalsaures Protopin bildet kleine, weisse,
aus concentrisch gruppirten Prismen bestehende Warzen.
Kochendes Wasser löst das Salz sehr leicht auf, dagegen
löst kaltes Wasser schr wenig von dem Salze auf, jedoch
relativ mehr als von dem entsprechenden Kryptopinsalz.
Schwefelsaures Protopin krystallisirt leicht in
weissen, kleinen Nadeln,
s
120 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
Laudanosin.
Das Laudanosin wird bei der oben angefĂŒhrten Art der
Darstellung mit etwas Thebain, Kryptopin und Spuren Proto-
pin gemengt erhalten, von welchen Alkaloiden es sich bis auf
Àusserst kleine Reste mittelst Aether trennen lÀsst, indem es
sich in Aether sehr leicht löst, wÀhrend sich genannte Basen
darin in bei weitem geringerem Maasse lösen. Der Aether
wird dann verjagt, der RĂŒckstand in EssigsĂ€ure gelöst und
die schwach saure Lösung mit einem kleinen Ueberschuss von
Jodkalium gefÀllt, wodurch das Laudanosinjodhydrat als ein
anfangs weisses, spÀter gelblich werdendes Krystallpulver
erhalten wird, wÀhrend die etwa noch vorhandenen Spuren
der obengenannten Beimengungen in der Lösung bleiben. Aus
dem Jodhydrat wird endlich die Base mittelst Ammoniak
abgeschieden, dieselbe in EssigsÀure gelöst, diese Lösung
mit Thierkohle behandelt und das Alkaloid wieder mit Am-
moniak gefÀllt.
Das Laudanosin wird so in weissen Flocken erhalten,
die bald krystallinisch werden und dann leichte, weisse Massen
bilden. Wird das Alkaloid in kochendem Benzin gelöst, so
scheiden sich aus der erkaltenden Lösung prÀchtig weisse
Nadeln aus. In gleicher Weise lÀsst es sich aus Alkohol in
hĂŒbschen Prismen erhalten, jedoch nur dann, wenn das Alka-
loid ganz rein ist. Aus Aether endlich lÀsst es sich in
weissen, blumenkohlartigen Massen gewinnen.
Das Laudanosin löst sich nicht in Wasser, dagegen leicht
in siedendem Benzin und PetroleumÀther und scheidet sich
beim Erkalten dieser Lösungen zum grössten Theil wieder
ab. Alkohol, Aceton und: Chloroform lösen das Alkaloid
Àusserst leicht, wÀhrend 1 Theil Substanz bei 16°C. 19,3
Theile Aether zur Lösung erfordert.
Kali- und Natronlauge lösen das Alkaloid nicht im Ge-
ringsten auf und auch verdĂŒnnte Kalkmilch wirkt auf das-
selbe nur spÀrlich lösend ein. Wenn seine Salzlösung mit
einem betrÀchtlichen Ueberschuss von Ammoniak. zersetzt
wird, so trĂŒbt sich anfangs die Lösung, bald aber wird die-
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 121
selbe klar und dann scheiden sich kleine, weisse Prismen der
Base aus, wÀhrend ein Àusserst geringer Theil davon gelöst
bleibt und mittelst Aether der ammoniakalischen Lösung ent-
zogen werden kann,
Das Laudanosin schmilzt bei 89°C. zu einer farblosen
Masse , welche beim Erkalten anfangs zÀhe wird, spÀter aber
doch krystallinisch erstarrt. Bei etwa 110° zeigen sich in
der Schmelze in Folge beginnender Zersetzung rothe Strei-
fen; indess lÀsst sich der noch unzersetzte Theil sehr leicht
wieder farblos daraus erhalten. Es ist nicht fÀhig, wenn es
höher erhitzt wird, zu sublimiren.
Das Laudanosin schmeckt sehr schwach bitter, wÀhrend
seine Verbindungen mit SÀuren Àusserst bitter schmecken.
Die alkoholische Lösung der Base reagirt stark basisch und
neutralisirt die SÀuren, selbst die stÀrksten, vollstÀndig.
Mit Eisenchlorid fÀrbt es sich nicht. Concentrirte Sal-
petersĂ€ure löst das Laudanosin fĂŒr den ersten Moment farblos,
aber bald wird die Lösung gelb, besonders wenn dieselbe
erhitzt wird. In SalpetersÀure von 1,06 spec, Gewicht löst
sich das Laudanosin bei gewöhnlicher Temperatur farblos auf;
die Lösung wird beim ErwÀrmen gelb, entwickelt farblose
Gase und trĂŒbt sich dann beim Erkalten milchig, indem sich
eine neue Substanz in kleinen Oeltröpfchen abscheidet. Aether
entzieht der sauren Lösung diese Substanz und hinterlÀsst sie
bei seinem Verdunsten in kleinen, concentrisch gruppirten
Prismen, welche sich in verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure nicht lösen,
in kochendem Wasser schmelzen und von Ammoniak nicht
unerheblich gelöst werden. â Der salpetersauren Lösung wird
ferner noch eine Substanz mit Aether entzogen, sobald die
Lösung mit Ammoniak ĂŒbersĂ€ttigt worden ist. Diese zweite
Substanz, welche offenbar eine Base ist, krystallisirt in gelben
Prismen, löst sich in SÀuren und wird daraus mittelst Ammo-
niak niedergeschlagen.
Concentrirte reine SchwefelsÀure fÀrbt sich mit Lauda-
nosin schwach rosa, jedoch etwas intensiver als wie mit Lau-
danin, Bei eirca 150° wird dann die Lösung schmutzig-roth-
violett. Wesentlich anders verhÀlt sich eisenoxydhaltige SÀure
192 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
zu Laudanosin, denn diese fÀrbt sich damit bei etwa 20°
braunroth, bei etwa 150° anfangs grĂŒn, dann bleibend dun-
kelviolett.
Dieses Verhalten erinnert sehr an das des Laudanins; es
lag daher die Vermuthung nahe, dass beide Basen in naher
Beziehung zu einander stehen möchten. In der That ergab
die fernere Untersuchung eine Differenz von CH? in der Zusam-
mensetzung beider Basen, nemlich fĂŒr das Laudanosin die For-
mel C?1H?7NOŸ, wÀhrend, wie oben erörtert wurde, das
Laudanin nach der Formel 0?°H?5NO* zusammengesetzt ist.
Beide Basen sind also zu einander homolog und verhÀlten
sich zu einander etwa wie das Kodein zum Morphin.
Das Laudanosin enthÀlt kein Krystallwasser. Die im
Exsiccator getrocknete Substanz ist wasserfrei.
Berechnet nach Versuch
C21H?7 NO# CAT SEiRs RRETE
â . -
021 252 10,58 70,22 70,97
H2? 27 7,56 7,16 7,50
N 14 3,92 3,89 â
04 64 17,94 wei KM.
357 100,00.
Die Salze des Laudanosins sind im Allgemeinen etwas
leichter löslich als die Salze des Laudanins.. Es wurden fol-
gende Salze nÀher untersucht.
Salzsaures Laudanosin erhÀlt man,.wenn man die
alkoholische Lösung der Base genau mit SalzsÀure neutrali-
sirt. Beim Verdunsten der Lösung bleibt ein farbloser, zÀher
RĂŒckstand, welcher vollkommen neutral reagirt, sich leicht in
Wasser löst und selbst nach Zusatz von etwas SalzsÀure
nicht krystallisirt.
Salzsaures Laudanosin-Platinchlorid. â Die
Base wurde in verdĂŒnnter SalzsĂ€ure gelöst und diese Lösung
mit, Platinsolution vermischt, wodurch ein gelber, amorpher
Niederschlag entstand. Dieses Doppelsalz schmilzt in kochen-
dem Wasser, löst sich auch etwas darin, ist aber in kaltem
Wasser unlöslich. Es ist bestÀndiger als das entsprechende
Laudaninsalz.
Beitrag zur Kenntuiss der Opiumbasen. 123
Formel =
(C21H2?NO%# HC1)? + PtClÂź + 3H20.
Jodwasserstoffsaures Laudanosin. â Die essig-
saure Lösung des Laudanosins, sowie dessen Chlorhydratlö-
sung giebt nach dem ErwĂ€rmen und Zusatz âvon schwach
angesĂ€uerter Jodkaliumsolution anfangs milchige TrĂŒbung,
welche in dem Maasse verschwindet, als sich das Salz in
Krystallen ausscheidet. Das Jodhydrat bildet anfangs farb-
lose, kleine Prismen, welche sich aber, lÀngere Zeit in der
Mutterlauge gelassen, allmÀhlig gelb fÀrben. Es löst sich
sehr schwer in kaltem Wasser, leicht dagegen in Alkohol
und in kochendem Wasser, Das lufttrockene Salz enthÀlt
Krystallwasser, welches bei 100° entweicht.
Die Analyse fĂŒhrte zu der Formel:
C21H?7NO%HJ + 1, H?O.
Neutrales oxalsaures Laudanosin. â Die alko-
holische Lösung der Base wurde genau mit OxalsÀure neu-
tralisirtt und der Alkohol bei mÀssiger Temperatur entfernt,
worauf das Salz als ein farbloser, amorpher RĂŒckstand erhal-
ten wurde, der sich leicht in Wasser und Alkohol löste.
Sauresoxalsaures Laudanosin. â Gleiche Aequi-
valente von Base und ĂOxalsĂ€ure wurden zusammen mit
Wasser behandelt und die so erzielte Lösung auf ein gerin-
ges Volumen gebracht, worauf sich bald das gesuchte Salz
in zarten, weissen, in Wasser sich sehr leicht lösenden Pris-
men abschied.
Formel â=
G?1H?7N04C02H?0* + 3H20,
Hydrokotarnin.
Das Chlorhydrat des Hydrokotarnins, wie es in der oben
bezeichneten Weise erhalten wird, krystallisirt man zunÀchst
aus wenig Wasser um, befreit die erhaltenen Krystalle von
der Mutterlauge und scheidet mittelst Kalilauge die Base
ab, welche man mit Aether ausschĂŒttelt. Beim Verdunsten
124 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
der Àtherischen Lösung, die man zweckmÀssig erst mit Na-
tronbicarbonatlösung wÀscht, scheidet sich das Alkaloid in
monoklinen Krystallen ab, weiche oft betrÀchtliche Dimensio-
nen annehmen,
Das Hydrokotarnin löst sich sehr leicht und farblos in
ikohol, Aceton, Chloroform, Benzin âund Aether und wird
aus dem letzteren Lösungsmittel beim Verdunsten desselben
in Krystallen erhalten.
Es schmilzt bei 50°C. zu einer farblosen FlĂŒssigkeit,
welche beim Erkalten strahlig krystallinisch erstarrt. Wenn
es auf 57° erhitzt wird, so verliert es das Krystallwasser,
das es enthÀlt, vollstÀndig, bleikt aber dann beim Erkalten
lĂ€ngere Zeit flĂŒssig, erstarrt jedoch ebenfalls krystallinisch,
sobald die FlĂŒssigkeit mit einer Nadel berĂŒhrt wird. Bei
der Temperatur von 70° bleibt es noch farblos, wird aber
bei etwa 80° gelb, bei etwa 100° roth, bei 110 kis 120°
dunkelroth und zersetzt sich mehr und mehr; bei 100° be-
ginnt die Entwickelung weisser, nach roher ĂCarbolsĂ€ure
riechender DĂ€mpfe. Eine Probe der Substanz, welche kurze
Zeit auf 100° erhitzt worden war, verlor wÀhrend dem nicht
weniger als 11 Procent an Gewicht (Analyse 1.).g |
Ungeachtet der grossen FlĂŒchtigkeit der Substanz gelingt
es doch nicht, das Alkaloid bei gewöhnlichem Luftdruck un-
zersetzt zu destilliren.
Das Hydrokotarnin löst sich bei etwa 20° mit gelber
Farbe in reiner concentrirter SchwefelsÀure auf. Beim Er-
wÀrmen wird die Lösung erst intensiv carmoisinroth, dann
bilden sich blauviolette Streifen in derselben, bis sie schliess-
lich schmutzig rothviolett gefÀrbt ist. Ein Eisenoxydgehalt
der SÀure Àndert diese Farbenreaction nicht. Es verhÀlt sich
somit diese Base zu SchwefelsÀure gerade so, wie das Nar-
kotin; doch will es mir scheinen, dass man dieselbe IntensitÀt
der Farbe mit bedeutend geringeren Mengen von Hydroko-
tarnin erhalte, als von Narkotin.
Concentrirte SalpetersÀure fÀrbt sich mit dem Hydroko-
tarnin gelb.
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 125
Von Kali- und Natronlauge wird das Hydrokotarnin nicht
gelöst. Wenn zur wÀsserigen Lösung des salzsauren Hydro-
kotarnins Kalilauge gebracht wird, so entsteht eine milchige
TrĂŒbung der Lösung, indem sich die organische Base in
kleinen, farblosen Oeltröpfehen abscheidet. Diese TrĂŒbung
verschwindet in dem Maasse, als sich die amorphe Ausschei-
dung in farblose Prismen umsetzt. Ammoniak erzeugt in der
wĂ€sserigen Lösung des Chlorhydrats ebenfalls milchige TrĂŒ-
bung, doch verschwindet dieselbe auf Zusatz von Ammoniak
und dann beginnt in der ammoniakalischen Lösung die Ab-
scheidung des Alkaloids in grossen, farblosen, sechsseitigen
monoklinen Tafeln.
Das Hydrokotarnin schmeckt anfangs schwach bitter,
spÀter macht sich auf der Zunge eine lÀngere Zeit andauern-
des scharfes Brennen bemerklich. Es wird nicht von Eisen-
chlorid gefÀrbt. Seine Lösung in Alkohol blÀut rothes Lack-
muspapier und sÀttigt die SÀuren vollstÀndig.
Die lufttrockenen Krystalle des Hydrokotarnins zeigten
beim lÀngeren Verweilen im Exiccator keinen Verlust, allein
da anzunehmen war, dass dieselben Mutterlauge einschliessen
wĂŒrden, so wurden sie zerrieben und die gepulverte Sub-
stanz, nachdem sie lÀngere Zeit wieder an der Luft gelegen
hatte, wieder in den Exsiccator gebracht, wobei 1,6 pC. Ver-
lust eintrat.- Es ist nicht unwahrscheinlich, dass bei diesem
zweiten Trocknen im Exsiecator ein geringer Theil Krystall-
wasser mit entwichen ist; denn der Krystallwassergehalt
wurde dann etwas zu niedrig gefunden, wÀhrend andererseits
die Kohlenstoffbestimmung etwas mehr ergab, als die Be-
rechnung verlangt. Die Analyse des feingepulverten, im
Exsicecator getrockneten Materials fĂŒhrte zu der Formel:
C12H!5NO3 + 4,H2O.
berechnet : gefnnden
012 144 62,61 65,15
H16 16 6,95 6,99
. N 14 6,09 6,12
03, 56 24,34 ii
230 100,00
aq. M) 3,91 3,59.
126 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
Von der wasserfreien Substanz wurden zweı Analysen
ausgefĂŒhrt und zwar eine (1.) von Substanz, die einige Stun-
den lang auf 100° erhitzt worden war, dabei einen Verlust
von circa 11 pC. gezeigt und sich roth gefÀrbt; hatte. Die
Substanz, welche zur zweiten Analyse verwendet wurde, war
dagegen nur bis auf 70° erhitzt worden und völlig unver-
Ă€ndert. \
Berechnet nach Versuch
C12H15N03 : =
C12 144 65,15 . 64,65 65,04
H1!5 15 6,78 6,83 6,82
N 14 6,34 â â
0? 48 21,73 â â
221 100,00.
âEs ergiebt sich somit aus diesen Versuchen, dass die
Substanz bei 100° trotz des erheblichen Gewichtsverlustes
und der angenommenen rothen Farbe noch nahezu dieselbe
Zusammensetzung besitzt, wie die völlig unverÀnderte Sub-
stanz.
Von dem Kotarnin, mit welchem sonst dieses Alkaloid
grosse Aehnlichkeit hat, unterscheidet es sich vor allen Din-
gen durch einen grösseren Gehalt von Wasserstofl. Uebri-
gens muss hervorgehoben werden, dass die bis jetzt vom
Kotarnin bekannt gewordenen Analysen nicht gut zu der
Formel stimmen, die Matthiessen und Foster dafĂŒr in
Vorschlag gebracht haben.*) Nach diesen Chemikern soll
sich das Kotarnin aus dem Narkotin beim Erhitzen mit
Wasser nach der Gleichung:
C22H23N0O? â C12H13NO3 + (010H1004
Narkotin Kotarnin Mekonin
bilden. Was hierbei das Wasser zu thun habe, ist nicht recht
einzusehen, vielleicht erfolgt die Zersetzung in ganz anderer
Weise, etwa nach der Gleichung:
022H2>NO? + H2O â C12H15NO3 + 010 91005
Narkotin Hydrokotarnin OpiansÀure.
*) Gmelin, Handbuch der Chemie VII, 1067.
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 197
Ich bin augenblicklich verhindert, diese mir vorgelegte
Frage zu erledigen, hoffe jedoch spÀter Gelegenheit zu finden,
das Narkotin in dieser Weise untersuchen zu können.
Was die Salze des Hydrokotarnins betrifft, so ist anzu-
fĂŒhren, dass dieselben grosse Aebnlichkeit mit den Salzen
des Kotarnins haben. Sie fÀrben sich nicht mit Eisenchlo-
rid, wenn nicht etwa die in ihnen enthaltene SĂ€ure selbst
eine FĂ€rbung mit diesem Agens zeigt. Die Salze schmecken
bitter und mit wenigen Ausnahmen krystallisiren sie Àusserst
schwierig.
Salzsaures Hydrokotarnin, â Die Base wurde
mit verdĂŒnnter SalzsĂ€ure neutralisirt und die Lösung auf ein
geringes Volumen gebracht, worauf sich im Laufe lÀngerer
Zeit das Chlorhydrat in langen, weissen Prismen abschied.
Das Salz löst sich Àusserst leicht in Wasser und Alkohol.
Formel =
C12H!>NO3Âź HCl + 14, H2O.
Salzsaures Hydrokotarnin-Platinchlorid. â
Die wÀsserige Lösung des Chlorhydrats scheidet auf Zusatz
von Platinsolution einen gelben amorphen Niederschlag ab,
welcher sich bald in orangerothe Prismen umsetzt, die kein
Krystallwasser enthalten.
Formel â=
(C12H15>NO3,HO])? + PtCl%.
Salzsaures Hydrokotarnin-Goldchlorid. â Das
salzsaure Hydrokotarnin giebt mit Goldchlorid einen braun-
rothen, harzigen, in Wasser wenig löslichen Niederschlag, und
nır dann, wenn die Lösung ziemlich verdĂŒnnt ist, gelingt es,
das Doppelsalz in Form von gelbbraunen Prismen und rhom-
bischen BlÀttchen zu erhalten.
Salzsaures Hydrokotarnin-Quecksilberchlo-
rid ist weiss, amorph.
Jodwasserstoffsaures Hydrokotarnin, durch
Wechselzersetzung vom Ăhlorhydrat und Jodkalium erhalten,
schiesst in soliden, kurzen, gelblichen Prismen an, welche sich
bei 18°C, in 50,6 Theilen Wasser, besonders leicht in kochen-
dem Wasser lösen. Es enthÀlt kein Krystallwasser,
128 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
Formel =
OA2HL3NO> HJ.
Pikrinsaures Hydrokotarnin scheidet sich auf
Zusatz von pikrinsaurem Kali zur wÀsserigen Chlorhy-
dratlösung anfangs ölig ab, aber bald entstehen hĂŒbsche Pris-
men des Salzes, die sich in kaltem Wasser sehr schwer lösen.
Nach diesen Erörterungen enthÀlt also das Opium eine
Collection von mindestens funfzehn Alkaloiden. Unter diesen
basischen Substanzen nimmt unbedingt das Morphin bezĂŒglich
seiner Anwendung in der Heilkunde und der QuantitÀt, in
welcher es in dem Opium vorkommt, die erste Stelle ein, die
demselben nicht streitig gemacht werden kann, selbst wenn,
wie zu hoffen ist, dessen Begleiter Wirkungen besitzen,
welche denen des Morphins gleichzustellen sind oder sie wohl
gar ĂŒbertreffen, und zwar desshalb nicht, weil alle diese Stoffe
nur in verhÀltnissmÀssig geringen Mengen aus dem Opium
zu erhalten sind,
Ich betrachte es als nicht unwahrscheinlich, dass die
therapeutische Wirkung des Morphins lediglich
in seiner VerÀnderlichkeit ihren Grund hat, dass
somit den stabileren Opiumsioffen auch entsprechend geringere
Wirkungen zuzusprechen wÀren, als dem Morphin selbst. .
Das Morphin findet sich bekanntlich in grösserer Menge
im Milchsafte der Mohnpflanze vor, der beim Anritzen der
Mohnköpfe kurz vor der Reife derselben ausfliesst. In dem
Maasse jedoch, als der Reifungsprocess der Pflanze vorschreitet,
wird auch der Milchsaft mehr und mehr resorbirt, bis endlich
der Moment eintritt, in welchem die Mohnköpfe keinen Milch-
saft und dem entsprechend auch kein Morphin mehr enthalten.
Diese VerÀnderungen, welche unter normalen VerhÀltnissen
in der Natur erst nach lÀngerer Zeitdauer zum Abschluss
gelangen, können in ihrem Verlaufe beschleunigt werden, wenn
man z. B. die Pfanze vor der Reife abschneidet und trocknet,
denn in diesem Falle verschwindet. der Milchsaft in kĂŒrzester
Zeit und mit ihm das Morphin. Dann liefert die Mohnpflanze
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen, 129
mit Wasser oder Alkohol wohl ein Extract, aber dieses Ex-
tract ist weder Opium, noch enthÀlt es das werthvolle
Morphin.
Allerdings wollen mehre Chemiker in den reifen Mohn-
kapseln Morphin gefunden haben, aber ich glaube, dass bei
diesem Nachweis kohlensaurer Kalk eine wichtige Rolle
gespielt haben mag, wenigstens habe ich bei solchen Unter-
suchungen einen Niederschlag erhalten, der zwar bezĂŒglich
seiner Form einige Aehnlichkeit mit Morphin hatte, sich aber
bei der weiteren Untersuchung als das genannte Carbonat
erwies. Selbst aber in dem Falle, dass es gelingen sollte,
aus den reifen Mohnkapseln wirklich eine Spur Morphin abzu-
scheiden, so wird doch die Frage gerechtfertigt erscheinen:
Wo bleibt die Hauptmenge des Morphins?
Diese Frage lÀsst sich zur Zeit noch nicht beantworten.
Indess dĂŒrfte nicht zu viel behauptet werden, wenn gesagt
wird, dass die im Opium enthaltenen Stoffe nicht alle ursprĂŒng-
lich im Milchsafte der Mohnpflanze vorhanden seien, sondern
sich erst wÀhrend des Einsammelns des Safıes und der Auf
bewahrung des Opium bilden. Eatwell,*) der in dieser
Richtung Versuche mit frischem Milchsaft anstellte, vermu-
thet daher wohl mit Recht, dass bei einer sorgfÀltigen Be-
handlung des Milchsaftes sein Morphingehalt durch Nachbil-
dung gesteigert werden könne. Andererseits wird man nicht
verkennen, dass bei einer mangelhaften Behandlung des
Mohnsaftes ein Ausfall von Morphin nicht ausbleiben wird.
Indess lassen sich nicht alle Opiumbasen auf
das Morphin zurĂŒckfĂŒhren. Nehmen wir an, dass
die Zusammensetzungsdifferenz von nCH? zwischen je zwei
Opiumbasen zugleich den nahen Beziehungen entspricht, welche
diese Basen zu einander haben, so wĂŒrden sich unter diesen
Körpern folgende Reihen aufstellen lassen:
*) Gmelin, Handbuch der Chemie VII, 1326,
Arch, d, Pharm, CO, Bda, 2. Hit, r)
130 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen.
I. Morphin C!17H!9NO3 und Kodein C1°H?!NO°.
Il. Pseudomorphn C!?H!1?NO*, Laudanin und Kodamin
G?°H25NO* und Laudanosin O?1H27NO%#,
lil. Papaverin C?!H2!NO? und Lanthopin C2?H?>NO%.
Von diesen Reihen zeichnet sich die Pseudomorphin-
reihe besonders dadurch aus, dass alle Glieder derselben mit
HJ Àusserst schwerlösliche Verbindungen bilden. Diese Reihe
verhÀlt sich zur Morphinreihe wie etwa die MilchsÀurereihe
zur Reihe der fetten SĂ€uren. Mit dem Kohlenwasserstoff-
&ehalt dieser Basen erhöht sich auch ihr basischer Charakter.
So ist das Kodein eine stÀrkere Base als das Morphin, das
Laudanosin eine stÀrkere Base als das Pseudomorphin.
Auch die zur Papaverinreihe gehörigen Glieder haben
gewisse allgemeine EigenthĂŒmlichkeiten aufzuweisen, nem-
lich die, dass sie weder fĂŒr sich basische Reaction zeigen,
noch fÀhig sind, mit SÀuren Salze zu bilden, die neutral
reagiren.
Aber wir können die zahlreichen Opiumalkaloide auch
noch in anderer Weise ordnen, wenn wir uns nemlich die
VerÀnderungen als Anhaltspunkte dienen lassen wollen,
welche diese Stoffe beim Erhitzen mit reiner concentrirter
SchwefelsÀure erleiden. Die in diesem Falle auftretenden
Farben legen Zeugniss davon ab, dass entweder gleiche oder
im schlimmsten Falle Àusserst nahe verwandte Zersetzungs-
producte enistehen. Wir können hiernach die Opiumbasen
in vier Gruppen bringen, so zwar, dass zwei Gruppen in je
zwei Unterabtheilungen zerfallen wĂŒrden. Wenn wir die
Gruppen nach dem je Àltest bekannten Alkaloid bezeichnen,
so gestalten sich dieselben wie folgt:
I. Morphingruppe: «) Morphingruppe (im engeren
Sinne): Morphin, Kodein, Pseudomorphin; ÂŁ) Laudaningruppe:
Laudanin, Kodamin, Laudanosin.
U. Thebaingruppe: Thebain, Kryptopin, Protopin.
Il. Papaveringruppe: «) Papaverimgruppe im enge-
ren Sinne : umfasst augenblicklich nur das Papaverin selbst;
$) Narceingruppe : Narcein, Lanthopin.
I
Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 131
IV. Narkotingruppe: Narkotin, Hydrokotarnin.
Das Mekonidin ist âhierbei ganz unberĂŒcksichtigt geblie-
ben, weil mir sein Verhalten zu concentrirter SchwefelsÀure
beim ErwÀrmen nicht bekannt ist. Uebrigens wird diese
Base bei dem Verfahren von Robertson-Gregory auch
nicht erhalten und mĂŒsste behufs der Darstellung der Base
ein anderer Wegâ) eingeschlagen werden, wozu es mir augen-
blicklich an Zeit fehlt, doch hoffe ich das VersÀumte in nicht
zu ferner Zeit nachholen zu können.
Was nun die angedeutete Farbenreaction der einzelnen
Gruppen. betrifft, welche ein beliebiges Glied einer Gruppe,
in reiner concentrirter SchwefelsÀure gelöst, beim ErwÀrmen
der Lösung zeigt, so ist anzufĂŒhren, dass sich die Lösung
fÀrbt von
Gruppe I. «) schmutzig dunkelgrĂŒn; ÂŁ) schmutzig roth-
violett.
Gruppe II. SchmutziggrĂŒn bis braungrĂŒn.
Gruppe III. «) dunkelviolett; £) schwarzbraun bis dun-
kelbraun.
Gruppe IV. Schmutzig rothviolett.
Das Verhalten von Gruppe I, £ fÀllt anscheinend mit
dem von Gruppe IV. zusammen, doch ist die NĂŒance nicht
ganz gleich; wendet man aber eisenoxydhaltige SĂ€ure an, so
fÀrbt sich I, £ dunkelviolett, wÀhrend IV. wieder schmutzig
rothviolett wird, demnach ein erheblicher Unterschied statt-
findet.
Es wĂŒrden sich somit sĂ€mmtliche gut bekannte Opium-
alkaloide auf vier Grundstoffe zurĂŒckfĂŒhren lassen, von denen
aus entweder die verschiedenen Abzweigungen stattfinden
oder in welche fragliche Alkaloide zerlegt werden können.
Von welcher Art nun diese Stoffe sind, das allerdings bleibt
eine Frage, deren Lösung ich der Zukunft ĂŒberlassen muss,
*) Ann. Chem. Pharm, CLIII, 47.
9%
132 Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzein,
Ueber die Bestandtheile der Queekenwurzeln
(Graswurzeln, Rad. Graminis, den Rhizomen von Triticum
repens L.).
Von H. Ludwig und H. MĂŒller in Jena.
Andreas Siegmund Marggraf, in seiner Abhand-
lung: chymische Versuche, einen wahren Zucker aus ver-
schiedenen Pflanzen, die in unseren LĂ€ndern wachsen, zu
ziehen (dess. Chym. Schriften, 2. Theil, S. 70â 86; Berlin
1767), in welcher er zuerst die Gewinnung âeines wahren
vollkommenen und dem gebrÀuchlichen bekannten, aus dem
Zuckerrohr bereiteten, vollkommen gleichen Zuckers aus dem
weissen Mangold, Beta alba vel pallescens, quae
Cyela offieinarum (. B., lehrt, erwÀhnt auch S. 85: dass
zwei Arten der in den Apotheken gebrÀuchlichen Graswurzel
gleichfalls einen sĂŒssen Saft lieferten, aber keinen festen
Zucker.
Einer Mittheilung des Herrn Apotheker Graff in Bay-
reuth (in Trommsdorffâs Journ. d. Pharm. 1800, 7. Bd. 8. 271)
entnehme ich folgende Angabe ĂŒber die Queckenwurzel:
Da jetzt das Zuckerfabriciren gleichsam das allgemeine Losungs-
wort ist, so habe ich nicht ermangeln wollen, Ihnen von
meinen schon seit einigen Jahren gemachten Versuchen Nach-
richt zu ertheilen. Alle frischen Stengel der Korn-
arten, noch ehe solche zur BlĂŒthe kommen, liefern Zucker,
nur immer eine Art mehr als die andere. Aus dem Schilf-
rohre oder Weyrohr habe ich von 16 Pfunden 6!/, Loth
Zucker erhalten und das zurĂŒckgebliebene Schleimige war
noch ganz sĂŒss von Geschmack.
Zwanzig Pfund Queckenwurzeln lieferten mir
â7 Loth Zucker, das zurĂŒckgebliebene Ertract schmeckte
aber nicht mehr sĂŒss.
C. H. Pfaff (System der Materia medica, 1808, Bd. I.
S. 198) bemerkt ĂŒner die Queckenwurzel: Am meisten sĂŒssen
Saft enthalten die im FrĂŒhjahre gesammelten Wurzeln,
besonders die unter der Erde sich fortschlÀngelnden Stolones.
Frisch zerstampft, geben sie durchs Auspressen vom Pfunde
Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzeln. 133
5 Unzen Saft, der, bis zur Honigdicke abgeraucht, den
Queckenhonig (Mellago Graminis, Extract. Gram. liquid.)
von angenehmer, eigenthĂŒmlicher SĂŒssigkeit giebt. Dieses so
erhaltene flĂŒssige Extract schimmelt aber sehr leicht
uud in dieser Hinsicht hat der aus den getrockneten
Wurzeln (die beim Trocknen *, Feuchtigkeit verlieren)
VorzĂŒge.
Aus 40 Pfund getrockneten Wurzeln erhÀlt man 7 Pfund
Mellago. Dieses Extract besteht grösstentheils aus sĂŒssem
Extractivstoff; eigentlichen Zucker in krystallinischer
Gestalt habe ich (Pfaff) bis jetzt nicht daraus darstellen
können; ferner aus Schleim und wohl auch aus etwas
glutinösem Stoff. Es geht leicht in die weinige GÀhrung
ĂŒber und liefert nach Vollendung derselben eine FlĂŒssigkeit,
die an Farbe, Geist und klebriger SĂŒssigkeit Aehnlichkeit mit
spanischem Wein hat, nur dass das SĂŒsse nicht so an-
genehm ist.
Eine fortgesetzte, gelinde GĂ€hrung mit dem Zusatz von
Essigferment giebt einen guten Essig. Pfaff eitirt noch eine
Arbeit ĂŒber einige Bestandtheile der Quecken von Herrn
Hoffmann aus Leer (dem Entdecker der ChinasÀure) in
Crellâs BeitrĂ€gen, Ill. 123, die mir nicht zu Gebote
stehen.
Berzelius (Lehrbuch d. Chemie 1837. 3. Aufl. 6. Bd.
S. 439) bemerkt: Pfaff fĂŒhrt als eine eigene Species, einen
Zucker an, den man erhÀlt, wenn das Extract der Graswurzel
(Tritieum repens) mit Alkohol gekocht und die Auflösung
erkalten gelassen wird, wobei der Zucker in feinen, weissen,
biegsamen Nadeln anschiesst, die sich so verweben, dass
der Alkohol von einem einzigen Procent Zucker
zu gestehen scheint.
Diese Eigenschaften stimmen so gut mit denen des
Mannazuckers ĂŒberein (des Mannits), dass man sie wohl
schwerlich, ohne entscheidende Beweise ihrer Verschiedenheit,
fĂŒr verschiedene Arten halten kann.
Geiger (Handbuch der Pharmacie 2. Bd. 2. Aufl.
1839, 5. 142) sagt ĂŒber denselben Gegenstand: Rad. Graminis
134 Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzeln.
enthÀlt als Hauptbestandtheil nach Pfaff einen besonderen
Zucker, Graswurzelzucker: ein Theil desselb., in 120 Th.
Weingeist gelöst, bildet eine steife Gallert.
Pfaff, ĂŒber den Graswurzelzucker (System der
Materia medica 1821, 6. Bd. oder Supplementband, S. 110 â
112): Bei Untersuchung der sogenannten Mellago Graminis
der Apotheken fand ich mehrmals eine körnige Krystalli-
sation in derselben, wo auch nicht der entfernteste Verdacht
eines Zusatzes von Zucker war, der auch auf eine andere
Art, in etwas grösseren Krystallen: sich ausgeschieden hÀtte,
und eben so wenig einen Zusatz von Honig, den ohnedem
Geruch und Geschmack hÀtte leicht erkennen lassen. Ich
unterwarf demnach den Graswurzelhonig einer sorgfÀltigen
Untersuchung und schied aus demselben eine ganz eigene
Art von Zucker, die sich von allen ĂŒbrigen Arten sehr
bestimmt unterscheidet. Man kann ihn am besten durch
Ausziehen des Graswurzelextractes durch Weingeist in der
WĂ€rme und Herauskrystallisiren durch Erkalten darstellen.
Es bleibt viel Schleim unaufgelöst und der leichter auf-
lösliche Schleimzucker bleibt im Weingeiste zurĂŒck,
aus welchem der Graswurzelzucker herauskrystallisirt.
Er erscheint in zarten, bĂŒschelförmig und zu
ganzen Kugeln zusammengehÀuften Nadeln und Prismen
krystallisirt, von vollkommener weisser Farbe, weich und
biegsam, von rein sĂŒssem Geschmack, ist viel auf-
löslicher in Alkohol als der gemeine Zucker und der Manna-
zucker, indem in der WÀrme 1 Theil ohngefÀhr 40 Theile
Alkohol zur Auflösung bedarf, unterscheidet sich aber vor-
zĂŒglich von beiden und von allen ĂŒbrigen Arten des Zuckers
durch die merkwĂŒrdige Eigenschaft, dass er beim Er-
kalten den Alkohol eben so figirt (gerinnen macht),
wie die Gallerte das Wasser, und dass eine sehr
kleine Menge desselben, nemlich 1 Theil, noch 120 Theile
Alkohol beim Erkalten in einen starren, der Morsellen-
consistenz Àhnlichen Zustand verwandeln kann. Die Auf-
lösung dieses Graswurzelzuckers wird von den heagentien
ebenso wenig, wie die des gemeinen Zuckers affieirt, doch
Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzeln. 135
bringen salpeters. Quecksilberauflösung, salpeters. und essigs.
Bleiauflösung eine leichte TrĂŒbung darin hervor. (Genauere
analytische Versuche habe ich bis jetzt nicht damit ange-
stellt. (Pfaff.)
H. Ludwigâs Beobachtungen ĂŒber die Bildung von
krystallisirtem milchsauren Kalk in Mellago Taraxacı und
ĂŒber das Vorhandensein von MilchsĂ€ure in aufbewahrter Mel-
lago Graminis (siehe Archiv d. Pharmacie 1857, Il. R., 90. Bd.,
S. 292) fĂŒhren ihn darauf, den sogenannten Grasswurzelzucker
von Pfaff fĂŒr ein Gemenge von milchsaurem Kalk mit
Mannit zu erklÀren.
Dr. John Stenhouse (Annal. d. Chemie u. Pharm. 1844,
51, 354) erhielt durch Auskochung von Queckenwurzeln mit
Alkohol bei zwei Versuchen keinen Mannit. Die alkohol.
Lösung setzte allerdings nach lÀngerem Stehen eine QuantitÀt
langer, schlanker Nadeln ab, allein dieselben besassen keinen
sĂŒssen Geschmack und lösten sich in heisser SchwefelsĂ€ure
unter Aufbrausen und ohne die FlĂŒssigkeit zu schwĂ€rzen. Auf
dem Platinbleche erhitzt, liessen sie einen weissen, schmelz-
baren alkalischen RĂŒckstand, der, wenn er mit HĂl neu-
tralisirt worden, in einer alkoholischen Lösung von PtĂl? einen
gelben , krystallinischen Niederschlag erzeugte. Stenhouse
erklĂ€rt desshalb diese Krystalle fĂŒr saures oxalsaures
Kali. Die Queckenwurzeln enthielten sicherlich eine grosse
Menge eines unkrystallisirbaren Zuckers, welcher leicht
in GĂ€hrung ĂŒberging.
A. Völcker fand Mannit in der grössten Menge in einem
Queckenwurzelextract, bereitet aus Wurzeln, die in dem
trocknen und heissen Sommer des Jahres 1842 gewachsen
waren. Er unterwarf diesen Mannit einer sorgfÀltigen qualita-
tiven und auch der Elementar- Analyse und fand darin:
C=39,48 â 39,59; H= 7,71 â 7,59; O=52,81â 52,82 Proc,
(Annalen der Chemie u. Pharm. 1846, 59, 330).
Dr. Riegel, Apotheker in Carlsruhe (Archiv d. Pharm.
1848, II. R., Bd. 55, 8. 58) bestĂ€tigte Pfaflâs Beobachtung
an einem körnig grieslich gewordenen Extract. Graminis
136 Weber die Bestandtheile der Queckenwurzeln.
welches, in Wasser gelöst, dick wurde; Derselbe weiss keine
ErklĂ€rung fĂŒr diese Erscheinung.
Die Wurzel von Triticum repens (und von Leonto-
don Taraxacum) enthÀlt nach HermbstÀdt auch Weinstein
(L. Gmelinâs Handb. d. Chemie 3. Aufl. 1829. 2. Bd. 8. 57)-
Die Queckenwurzeln enthalten nach meinen eigenen
Beobachtungen in kaltem Wasser lösliches, beim Sieden der
Lösung gerinnendes Eiweiss.
Ueber Mellago Graminis schrieb Dr. Geiseler,
Apotheker in Königsberg in der Neumark (Archiv d. Pharm.
1847, II. R., 50. Bd., S. 257â 271): âWĂ€hrend des Ver-
dampfens der AuszĂŒge bildete sich auf der OberflĂ€che der
FlĂŒssigkeit viel Schaum, ein Zeichen, dass durch das kalte
Wasser wahrscheinlich Eiweissstoff aufgelöst war; es
verwandelte sich ferner die schwach gelbliche FĂ€rbung
des Auszugs in eine hellbraune, die indessen nicht allein
in der grösseren Concentration ihren Grund haben konnte,
da sie fast zugleich mit dem Ausscheiden des Schaums
zu Anfang der Verdunstung schonsich bemerkbar
machte und deren Ursache daher nach Geiseler vielmehr in
einer schwer zu vermeidenden VerÀnderung oder Ver-
bindung des in den Graswurzeln enthaltenen Zuckers
gesucht werden muss.
Apotheker Horn in Gronau empfiehlt zur Bereitung
der Mellago Graminis (im Archiv d. Pharm. 1849, II. R,
Bd. 57, 8. 26) eine Extraction der getrockneten, auf der
MĂŒhle geschrotenen Wurzeln mit kaltem Wasser im Ver-
drÀngungsapparat und alsbaldiges Eindampfen im Wasserbade.
Er erhielt so eine hellbraune, angenehm sĂŒss schmeckende
Mellago; Ausbeute 40 bis 50%). In Weinflaschen aufbewahrt,
hielt sich das PrÀparat Jahre lang ohne die mindeste Ver-
Ă€nderung.
(Ich kann aus eigener Erfahrung, gesammelt in dem
GeschĂ€fte des verstorbenen Apothekers Johann BĂŒrck in
Durlach im Anfang der 40ger Jahre, diese Methode eben-
falls empfehlen.)
Ueber die Bestandtheile der Queekenwurzeln. 137
Ueber Queckenalkohol (Arch. d. Pharm. 1855, II. R.
81. Bd., S. 322; und Bd. 83, 8. 205).
Nach Eduard Rebling, Apotheker in Langensalza,
(Arch. Pharm. 1855, Bd. 84, S. 15) betrÀgt der Zuckergehalt
der Queckenwurzel nicht weniger als 22 Procent. â Pectin
ist noch nicht darin nachgewiesen (F. A. FlĂŒckiger, Lehrb.
d. Pharmakognosie d. Pflanzenreichs 1867, 8. 156). Die
Queckenwurzel enthÀlt weder Amylum noch Harz (a. 2. 0.
S. 156 und 8. 714).
J. W. Albert Wigand fĂŒhrt in seinem Lehrb. d.
Pharmakognosie 1863 8. 42 als Bestandtheile der Quecken-
wutzel (Rhizoma Graminis) Gummi und Graswurzel-
zucker auf.
Das Ziel der nachfolgenden Untersuchungen war nun
die nĂ€here PrĂŒfung der Zuckerarten in Rhizoma
Graminis und der Substanz, aus welcher dieselben hervor-
gehen. BezĂŒglich dieser letzteren lagen zwei Vermuthungen
nahe: dieselbe konnte entweder ein durch Spaltung Zucker
lieferndes Glykosid oder auch Dextrin sein.
In der ersteren Richtung wurden folgende Versuche
angestellt:
50,0 Grm. Extr. Gram., aus der hiesigen Hofapotheke,
wurden mehrmals mit Weingeist behandelt, die gemischten Aus-
zĂŒge zur Syrupsconsistenz verdampft und mit Aetherweingeist
(gleiche Theile Aether und Weingeist) mehrmals ausgeschĂŒttelt.
Nach der Verdunstung dieses Àtherweingeistigen Auszugs
blieb ein geringer RĂŒckstand, der indess nicht zum Krystal-
lisiren gebracht werden konnte, sondern aus unkrystallisirba-
rem Zucker bestand. Er schmeckte sehr sĂŒss, reducirte die
Trommerâsche Probe leicht in der KĂ€lte und zeigte beim
Kochen mit verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure keine VerĂ€nderung.
Ferner wurden 250,0 Grm. Rhiz. Gram. zweimal mit
Weingeist von 90 Vol.°/, in der WÀrme ausgezogen. Dieser
Auszug war gelblich gefÀrbt, reagirte schmach sauer und
schied nach Zusatz von wenig Wasser einige fettartige, gelb-
liche Flocken ab, die abfiltrirt wurden; hierauf wurde die
FlĂŒssigkeit mit CaO,HO bis zur neutralen Reaction vermischt,
I
138 Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzeln.
(mit etwa 3,0 Grm.), filtrirt, in das Filtrat KohlensÀure eingelei-
tet, die nun neutrale FlĂŒssigkeit nach einigem ErwĂ€rmen abfil-
trirt und davon der grösste Theil des Weingeists abdestillirt.
Der RĂŒckstand wurde zuletzt im Weasserbade weiter einge-
dampft, wobei sich ein bei gewöhnlicher Temperatur flĂŒssiges,
grĂŒnes Fett ausschied. Der AbdampfrĂŒckstand wurde daher
mit etwas Wasser vermischt, filtrirt, zur Syrupsdicke einge-
dampft und zum Krystallisiren bei Seite gestellt. Es konn-
ten nach mehrtÀgigem Stehen keine Krystalle erhalten wer-
den. Es wurde nun dieser Syrup mehrmals mit Aetherwein-
geist ausgeschĂŒttelt; die dadurch erhaltenen AuszĂŒge hinter-
liessen nach dem Verdunsten wenig eines ebenfalls unkrystal-
lisirbaren RĂŒckstandes, aus Fruchtzucker bestehend, noch
vermischt mit einer Spur einer kratzenden, harzartigen Sub-
stanz. | n
Es ist also ein in Weingeist lösliches Glykosid in Rhiz.
Gram. nicht enthalten.
Die oben erwÀhnten, aus dem weingeistigen Auszuge
durch Wasser abgeschiedenen Flocken bestanden aus einem
gelblichen Fette mit bei gew. Temp. fester FettsÀure.
Die sowohl aus dem Fxtr., als aus dem Rhiz. Gram.
erhaltenen Zuckersyrupe wurden nun nach dem EntfÀrben
mittelst Thierkohle auf ihr Rotationsvermögen gegen das
polarisirte Licht untersucht, wobei sich ergab, dass sie die
Polarisationsebene stark nach links drehten,
Zur Berechnung des Molecularrotationsvermögens diente
die Formel:
V
AUT
worin a die direct beobachtete Drehung,
v das Volumen der FlĂŒssigkeit in CC. ausgedrĂŒckt,
l die LĂ€nge des Rohres in Decimetern und
p das Gewicht des gelösten Zuckers in Grammen be-
deutet.
1) Die Lösung des aus dem Extr. Gram. erhaltenen, mit
Aetherweingeist ausgeschĂŒttelten Zuckers zeigte ein Drehungs-
lei â a
Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzeln. 139
vermögen nach links von 8°. Sie enthielt 2,200 Grm. Zucker
(bei 110° getrocknet, wie auch alle folgenden Zucker-, resp.
Gummi-Arten). Das Molecularrotationsvermögen desselben
ist also = â 49,0. Denn
= KR,
2,200 Grm,,
2 Decim. (200 MM.),
ua
Il
a
pP
l
V
also [«]j] = apgr =,8 Zar = 49,0 links.
2) Die Lösung einer andern, ebenfalls aus dem Extract
durch Ausziehen mit Weingeist erhaltenen, aber nicht mit Aether-
weingeist behandelten QuantitÀt Zuckers besass ein Drehungs-
vermögen nach links von 4°; sie enthielt 1,000 Grm. Zucker,
woraus sich das Molecularrotationsvermögen desselben zu
â 54,0 ergiebt. Denn
a = 4° links,
p= 1,000 Grm.,
KM 12 1Dm,
vâ=2T70E.
27 h
also [«]j = 4 IWâ 54°,0 links.
Der Unterschied beider Zuckerarten erklÀrt sich dadurch,
dass dem zuerst angefĂŒhrten ein Theil Fruchtzucker durch
Aetheralkohol entzogen worden war.
3) Die Lösung des aus dem Rhiz. Gram. erhaltenen
Zuckers drehte die Polarisationsebene um 8°,5 nach links und
enthielt 1,805 Grm, Zucker. Das Molecularrotationsvermögen
desselben berechnet sich daraus auf â 63,5. Denn
aâ= 805 links,
p= 1,805 Grm.,
l= 2Dm,
v=2760;
27
3.1,805 â 63,5 links,
also [« ]j = 8,5
140 Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzeln.
Da reiner Fruchtzucker ein Molecularrotationsvermögen
von â106° besitzt, so schienen also die vorliegenden Zucker-
proben Gemenge von linksdrehendem Fruchtzucker mit rechts-
drehendem Traubenzucker zu sein, â (die Anwesenheit von
Rohrzucker kann wegen ihrer Unkrystallisirbarkeit nicht wohl
angenommen werden)*), â und es wurde versucht, diese ver-
mutheten Zuckerarten zu trennen. Demzufolge wurde die
_ oben unter 1) angefĂŒhrte Zuckerlösung (mit einem Moleeu-
larrotationsvermögen von â 49,0) mit Wasser auf 40 CC.
gebracht und mit 1,5 Grm. Kalkhydrat vermischt, die nach
einigem SchĂŒtteln zu einem dicken Brei erstarrte Masse aus-
gepresst, der PressrĂŒckstand erst nahezu durch OxalsĂ€ure,
schliesslich vollstÀndig durch KohlensÀure zerlegt und dadurch
nach dem Filtriren eine fast farblose Lösung von Zucker
erhalten, die ein Drehungsvermögen von 3° nach links zeigte.
Sie enthielt 0,437 Grm. Zucker, woraus sich das Molecular-
rotationsvermögen desselben auf â 92°%6 berechnet. Denn
a3 lmke;
p= 0,437 Grm,,
= 2 Dim.
va ER:
27
also [@]j = 3 â 929,6 links.
2.0,437
Die von dem krystallisirten Fruchtzuckerkalk abgepresste
FlĂŒssigkeit wurde durch Einleiten von KohlensĂ€ure vom Kalk
befreit und mit Thierkohle entfÀrbt. Sie besass ein Drehungs-
vermögen von 1° nach rechts und enthielt 0,771 Grm.
Zucker; das Molecularrotationsvermögen derselben ist hier-
nach = + 17°,5; denn
a ul rechts,
pP 0,00 1aGcemı
u 02Dım%
0%
5 27
also [@]j = 1 â 179,5 rechts.
2.0,771
#) Weitere Versuche des Herrn H. MĂŒller haben die Abwesenheit
von Rohrzucker in den Queckenwurzeln ausser Zweifel gestellt. JEh, Ibr
Ueber die BestÀndtheile der Queckenwurzeln. 14i
Das Molecularrotationsvermögen des wasserfreien Trauben-
zuckers (01?H!1?01?) ist = + 539,2 bis 570%,4; obgleich also
der vorliegende Zucker noch nicht reiner Traubenzucker ist,
er auch nach mehrtÀgigem Stehen nicht krystallisiren wollte,
so ist doch vorlÀufig die Anwesenheit eines rechtsdrehenden
Zuckers in den Queckenwurzeln ĂŒberhaupt erwiesen.
Eine besondere Art von Zucker scheint also im Rhiz.
Gram. nicht enthalten zu sein. Es findet sich nun in manchem
Extr. oder mancher Mellago Gram., besonders in Àlteren, zuweilen
ein körnigkrystallinischer Absatz, den Pfaff fĂŒr einen eigenthĂŒm-
lichen Zucker gehalten und mit dem Namen Graswurzel- oder
Quecken - Zucker belegt hat; es war indess zu vermuthen,
dass diese Krystalle der Hauptsache nach aus einem Salze und
zwar vielleicht, wie beim Extr. Taraxaci, aus milchsaurem
Kalk bestehen möchten. Durch Vermittelung meines Bru-
ders Ed. MĂŒller kam ich in Besitz einer QuantitĂ€t ziemlich
alten Extr. Gram. aus der Apotheke des Herrn GrÀf in Weis-
senfels, das mit weissen, krystallinischen, runden Körnchen
von halber Mohnsamengrösse ganz durchsÀet war. Im Uebri-
gen war dieses Extract von gutem Geruch und Geschmack.
Es wurde mit dem halben Volumen Wasser angerĂŒhrt, die
Lösung nach einigem Stehen von den abgesetzten Körnchen
abgegossen, die letzteren gelinde ausgepresst und mit kochen-
dem Weingeist von 80°/, behandelt. (Durch einige Vorproben
war die Gegenwart von ĂaO und die Löslichkeit in Weingeist
constatirt worden.) Die weingeistige Lösung lieferte nach
dem Eindampfen warzenfömige Krystallgruppen ganz nach
Art des milchsauren Kalks; dieselben wurden von der Mutter-
lauge getrennt, enthielten aber noch Zucker, von
dem sie durch Umkrystallisiren nicht befreit wer-
denkonnten. Um nun daraus reinen milchsauren Kalk zu
erhalten, wurde das ganze vorhandene Material in etwas
Wasser gelöst, mit SchwefelsÀure sauer gemacht und die
FlĂŒssigkeit wiederholt mit Aether ausgeschĂŒttelt. Die acthe-
rischen Lösungen wurden nach Zusatz von etwas Wasser ver-
dunstet und der wĂ€ssrige, sehr saure RĂŒckstand mit reinem
Ca0, CO? erwÀrmt, etwas eingedampft und nun das Ganze
143 Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzeln.
mit Weingeist ausgezogen, um (a0,SOÂź zurĂŒckzuhalten; nach
dem Verdunsten des Weingeists und ZufĂŒgen von einigen Tro-
pfen Wasser wurde die Lösung der Krystallisation ĂŒber
SchwefelsĂ€ure ĂŒberlassen und die erhaltenen, zum Theil wieder
warzenförmig gruppirten Krystalle, da ihre Menge nur gering
war, nebst der Mutterlauge ĂŒber SchwefelsĂ€ure ausgetrocknet.
Dieselben dienten zur Bestimmung des Kalk- und Wasser -
Gehaltes.. Von Zucker waren sie frei, sie reducirten die
Trommer'sche Probe nicht mehr.
0,119 Grm. verloren bei 110° unter Schmelzen
0,028 Grm. Wasser, â 23,53%), HO, u. gaben 0,023 Grm.
GlĂŒhrĂŒckstand â 19,32), CaO.
CaO, C6H°05 + AHO enthÀlt 24,82%, HO
und 19,31%, CaO.)
0,091 Grm. wasserfreier Ca0,C°H505 gaben also
0,023 Grm. CaO â= 25,274°),.
Die Formel verlangt 25,69, CaO.
Zur Untersuchung auf Dextrin wurden die mit Weingeist
ausgezogenen 250,0 Grm. Rhiz. Gram. mit warmem Wasser
behandelt, die gemischten wĂ€ssrigen AuszĂŒge zur dĂŒnnen
Syrupsconsistenz eingedampft, mit dem dreifachen Volumen
Weingeist ausgeschĂŒttelt, wieder in Wasser gelöst und durch
Weingeist gefÀllt, dies nochmals wiederholt und schliesslich
das Gummi noch mehrmals mit warmem Weingeist ausgewaschen,
zur Entfernung der letzten Reste anhÀngenden Zuckers. Die-
ses Gummi, in Wasser gelöst und mit Thierkohle entfÀrbt,
drehte aber die Polarisationsebene nicht nach rechts, sondern
vielmehr nach links, und zwar besass es ein Molecular-
rotationsvermögen von â 41°,4. Die Lösung gab eine directe
Drehung von 2° links und enthielt 0,652 Grm. Gummi; also
a2 links:
p= 0,652 Grm,,
25m!
vâ= 2706,
27
daher [@]j = 2 â
2.0,652 ae
Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzeln. 143
Es ist dieses Gummi also kein Dextrin, verhÀlt sich
aber insofern dem Dextrin Àhnlich, als es Kupferoxyd in alka-
lischer Lösung leicht und krÀftig reducirt und durch ErwÀr-
men mit verdĂŒnnter SO? in Zucker ĂŒbergeht, der indess
nicht Traubenzucker, sondern ein stark links-
drehendes Gemisch von diesem und Fruchtzucker
ist. Einige Gramme des Gummis mit etwa 30 Grm. Was-
ser und 5,0 Grm. verdĂŒnnter SO? einige Stunden auf 95°
erwĂ€rmt, dann die FlĂŒssigkeit mit BaO,CO? neutralisirt
und abfiltrirt, gaben eine sehr sĂŒssschmeckende Zuckerlösung,
die nach dem EntfÀrben mittelst Thierkohle ein Drehungs-
vermögen von 4°,25 nach links zeigte. Der Zuckergehalt der-
selben betrug 0,769 Grm., woraus sich das Moleeularrotations-
vermögen des Zuckers auf â 74°,6 berechnete. Denn
a â ,4095- Imks,
pP 0169 Grm:
1-â.2/Drms |
v=27(t.
daher [«]j = 4,25 â 74°;6 links.
2
2.0,769
Das Gummi war sogleich nicht fÀllbar durch Blei-
essig, gab damit aber eine starke TrĂŒbung und
nach einigem Stehen flockige FĂ€llung, von noch
anhÀngendenEiweissstoffenund organischen SÀu-
ren herrĂŒhrend, wie es auch, mit Natronkalk erhitzt,
reichlich Ammoniak entwickelte.
Um es rein zu erhalten, wurden 250,0 Grm. Rhiz. Grami-
nis zweimal mit schwachem Weingeist (35°%,) ausgezogen,
die gemischten AuszĂŒge vom Weingeist befreit, mit ĂŒberschĂŒs-
sigem Bleiessig versetzt, der Niederschlag abfiltrirt, das Fil-
trat durch HS vom Blei befreit und zur Syrupsconsistenz
eingedampft; hierauf wurde das Gummi durch Weingeist aus-
gefÀllt und mit Weingeist gewaschen. Es gab nach dem
Wiederlösen in Wasser mit Bleiessig abermals eine geringe
flockige FĂ€llung, wesshalb dieselbe Behandlung mit Bleiessig,
HS und Weingeist wiederholt wurde. Auch jetzt gab es mit
144 Veber -die Bestandtheile der Queckenwurzeln,
Bleiessig wieder eine TrĂŒbung und enthielt noch Stickstoff.
Es wurde daher jetzt mit ĂŒberschĂŒssigem Bleiessig einige
Stunden digerirt, vom Niederschlag abfiltrirt und mit HS und
Weingeist behandelt wie oben. Nach dem Eindampfen zeigte
es immer noch Stickstoffgehalt und gab auch wieder eine
TrĂŒbung mit Bleiessig, wenn auch erst nach einigem Stehen
der Mischung. Es wurde jetzt zum 4. Male mit Bleiessig
versetzt, diesmal aber !/, Stunde lang damit gekocht, nach-
dem vorher noch etwas frisch gefÀlltes kohlensaures Bleioxyd
zugefĂŒgt worden war; nach dem völligen Erkalten wurde
abfiltrirt, das Filtrat mit HS behandelt, eingedampft und
mit Weingeist gefÀllt, wieder in Wasser gelöst, abermals mit
Weingeist gefÀllt und dies nochmals wiederholt, worauf das
Gummi schliesslich einigemale mit heissem Weingeist gewa-
schen wurde.
Nach dem Eindampfen und Wiederauflösen in Wasser blieb
es jetzt auf Zusatz von Bleiessig klar. Es stellte eine amor-
phe, rothbraun gefĂ€rbte, in dĂŒnnen BlĂ€ttern durchsichtige,
zu einem brÀunlich gefÀrbten Pulver zerreibliche, geruch-
und geschmacklose Masse dar, in Wasser leicht und in
jedem VerhÀltniss löslich, auch noch löslich in schwachem
Weingeist, etwas hygroscopisch, von neutraler Reaction.
Mit Natronkalk erhitzt, gab esnoch einwenig Ammoniak;
beim Verbrennen auf dem Platinblech hinterliess es sehr
wenig einer alkalisch reagirenden, in Wasser löslichen Asche.
Die ziemlich concentrirte Lösung des Gummis gab keine
TrĂŒbung mit GerbsĂ€ure, Bleiessig, Quecksilber-
chlorid, gelbem Blutlaugensalz, Ohlorwasser.
Durch Bleiessig und Ammoniak wurde es gelati-
nös gefÀllt. Mit Chlorbaryum gab es eine geringe, nach
Zusatz von SalzsĂ€ure nicht verschwindende TrĂŒbung. Es
gab mit Kupfervitriol und ĂŒberschĂŒssiger Natronlauge eine
klare, grĂŒnblaue Mischung, in welcher es das Kupfer-
oxyd in geringem Maasse und langsam schon in
der KĂ€lte, leicht beim Erhitzen reducirte. Eine mit
Thierkohle entfÀrbte Lösung dieses Gummis zeigte ein Ro-
tationsvermögen von 3°%5 nach links. Dieselbe enthielt
Ueber die Bestandtheile der Queekenwurzel, 145
0,980 Grm. des Gummis, woraus sich das Molecularrotations-
vermögen desselben zu â48°,2 ergiebt. Denn
â 159% links.
0,980 Grm.
= 2
also [@ ]j] = 3,5 â â-â â= 48°,2 links.
Arabisches Gummi besitzt nach Bechamp ein Drehungs-
vermögen von â 36°. Das aus Rhiz. Gram. erhaltene Gummi
(Quecken-Gummi) unterscheidet sich von jenem also
durch stÀrkeres Drehungsvermögen, ausserdem aber
auch dadurch, dass es durch Bleiessig nicht ge-
fÀllt wird, dass es CuO in alkalischer Lösung
reducirt und dass es, mit verdĂŒnnter SO? behan-
delt, einen linksdrehenden Zucker liefert, wÀh-
rend arabisches Gummiâdabei einen rechtsdre-
.henden Zucker giebt.
1,310 Grm, des mit Thierkohle behandelten, noch etwas
gelblich aussehenden Gummis wurden in 25,0 Grm. Wasser
gelöst, 2,0 Grm. verdĂŒnnte SO? zugefĂŒgt und damit 8 Stun-
den lang bei 95° digerirt, hierauf die FlĂŒssigkeit mit, BaO, 00?
neutralisirt, abfiltrirt, das Filtrat eingedunstet, der RĂŒckstand
bei 100° getrocknet und gewogen; er betrug 1,350 Grm.
Um den gebildeten Zucker rein zu erhalten, wurde die-
ser RĂŒckstand mit starkem Weingeist ausgezogen, welcher
nach dem Verdunsten 1,255 Grm. Zucker hinterliess. Der in
Weingeist unlösliche Theil betrug also 0,095 Grm.; er war
dunkelbraun gefÀrbt, bestand aus stickstoffhaltiger
Substanz mit unorganischen Salzen, reagirte neutral, gab
mit Bleiessig einen flockigen, in EssigsÀure
leicht löslichen, mit GerbsÀure einen in Essig-
sÀure schwer löslichen Niederschlag, mit Ferro-
eyankalium keine TrĂŒbung, beim Kochen fĂŒr sich keine FĂ€l-
lung, auch nicht nach Zusatz von NO°; mit Natronkalk
erhitzt, reichlich Ammoniak. Die wÀssrige Lösung des
Arch, d. Pharm, CC, Bda, 2. Heft. 10
146 Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzel.
erhaltenen Zuckers zeigte nach dem EntfÀrben mit Thierkohle
ein Rotationsvermögen von 2°25 nach links und enthielt
0,732 Grm. Zucker, woraus sich das Molecularrotationsvermö-
gen desselben zu â41°,4 berechnet; denn
a 2,25 links.
p= 0,732 Grm.
19 2 20m!
23006:
e 2
TE, Ba an: 0
also [@ ]j = 2,25 3.0732 41,4,
Dieser Zucker redueirte CuO in alkalischer Lösung leicht
in der KĂ€lte zu Cu?O.
Von den beim AusfÀllen und Auswaschen des Gummis
erhaltenen, gesammelten und gemischten, Zucker und freie
EssigsĂ€ure enthaltenden weingeistigen FlĂŒssigkeiten wurde
der Weingeist abdestillirt, der hinterbleibende rothbraune Sy-
rup mit Wasser vermischt, Bleiessig und PbO,00? zugesetzt,
digerirt, der Niederschlag abfiltrirt, das Filtrat durch HS vom
Blei befreit, eingedampft und mit Weingeist von 95°,0 behan-
delt. Dabei löste sich nur ein Theil der diekflĂŒssigen Masse,
der nach öfterem Auskochen mit Weingeist hinterbleibende
RĂŒckstand war sehr schwer löslich in Weingeist, stickstoffhal-
tig, schmeckte sĂŒss und gab mit Bleiessig eine geringe FĂ€l-
lung, war also wohl ein mit stickstoffhaltiger organischer
Substanz gemengter oder verbundener Zucker, ein Ueber-
gsangsproduct zwischen dem in dem Rhiz. Gram. ent-
haltenen Gummi und Fruchtzucker. Seine mit Thierkohle
behandelte, doch nicht gang farblos zu erhaltende Lösung
zeigte ein Drehungsvermögen von 4°,25 nach links. Sie
enthielt 1,262 Grm. des Zuckers, woraus sich das Molecular-
rotationsvermögen desselben zu â45°,4 ergiebt. Denn
a2 40H Nnke
p= 1,262 Grm.
m 32 Dar
vâ 2700.
27
also [e]j = 4,25 â 450,4 links,
2.1,262
Pr
Beobacht. ein. krystallis. Verbindung v. Aethylmereaptan m. Wasser. 147
Das Resultat dieser vorlÀufigen Untersuchungen ist fol-
gendes:
Die Queckenwurzeln enthalten:
1) einen stark linksdrehenden (Frucht-)Zucker,
2) einen rechtsdrehenden Zucker (keinen Rohr-
zucker),
3) ein eigenthĂŒmliches, durch Spaltung linksdrehenden
Zucker lieferndes und mit stickstoffhaltigen, organischen Sub-
stanzen auf eigenthĂŒmliche Weise gepaartes linksdrehen-
des Gummi,
endlich
4) mit stickstoffhaltigen, organischen Substanzen gepaarte,
sĂŒssschmeckende Uebergangsproducte zwischen diesem Gummi
und Fruchtzucker.
Beobachtung einer krystallisirten Verbindung von
Aethylmereaptan mit Wasser. '
Von Hermann MĂŒller, Assistenten am chemisch - pharmaceut, Institute
zu Jena.
Bei der Darstellung von Mercaptan durch Destillation
sehr concentrirter Lösungen von Natriumsulfhydrat und Àther-
schwefelsaurem Kali, wobei die sich entwickelnden DĂ€mpfe
auf + 2°C. abgekĂŒhlt wurden, erstarrte der grösste Theil
des Destillates zu einer krystallinischen Masse, die das KĂŒhl-
rohr (glÀsernes Schlangenrohr) zu verstopfen drohte. Ueber
diesen Krystallen fand sich in der Vorlage noch etwas flĂŒssi-
ges Mercaptan, welches abgegossen wurde.
Die Krystalle schmolzen bei 12°C. unter Zersetzung,
indem sich zwei FlĂŒssigkeitsschichten bildeten, die untere aus
Wasser, die obere aus Mercaptan bestehend; das Volumen
des freigewordenen Wassers betrug ungefÀhr das 6fache von
dem des Mercaptans. Nach dem spec. Gew. des letzteren,
welches = 0,842 ist, wĂŒrde dies einem GewichtsverhĂ€ltniss
von ungefÀhr 12,4%), Mercaptan und 87,6°), Wasser, oder
einem Aequivalent- VerhÀltniss von 1 Aeq. Mercaptan und
48 Aeq, Wasser entsprechen,
10*
148 ZwischenvorgÀnge bei d. Entwickel. v. Kohlenoxyd ete.
Die Verbindung war in der KÀlte ganz bestÀndig, aber
nachdem sie einmal durch WĂ€rme zerlegt war, gelang es
nicht, die beiden entstandenen FlĂŒssigkeitsschichten durch
Erhitzen im zugeschmolzenen Glasrohre wieder zu ver-
einigen.
Jena, Februar 1872.
ZwischenvorgÀnge bei der Entwickelung von Koh-
lenoxydgas aus Ferroeyankalium durch concentrirte
SchwefelsÀure.
Von Dr. Carl Jehn in Geseke.
WĂ€hrend man frĂŒher sich damit begnĂŒgte, bei den che-
mischen Reactionen das unantastbare Endresultat genau zu
kennen, bemĂŒht man sich jetzt besonders, auch die Zwi-
schenvorgÀnge klar zu stellen. Besonders reich an solchen
ZwischenvorgÀngen ist die Darstellung des Kohlenoxyds aus
Ferrocyankalium mittelst SchwefelsÀure. Die Zersetzungs-
gleichung ist bekanntlich folgende:
K*FeCyÂź + 6(H?SO% + 6H?O = 2(K?S0%) + FeSO2
+ 3[(H?N)?S02] + 6CO
d.h. es entweichen 6 MolecĂŒle CO, wĂ€hrend beziehungsweise
1, 2 und 3 Mol. Ferro-Kalium- und Ammonium - Sulfat zu-
rĂŒckbleiben.
Die wirkliche Umsetzung dĂŒrfte jedoch folgendermaassen
vor sich gehen. Durch die Einwirkung der SchwefelsÀure
auf das Ferrocyankalium bildet sich zunÀchst Kaliumsulfat
und FerrocyanwasserstoffsÀure. Diese zerfÀllt in BlausÀure
und FerrocyanĂŒr, welches letztere sich mit der SchwefelsĂ€ure
in Ferrosulfat und BlausĂ€ure umsetzt. Jedes MolecĂŒl Blau-
sÀure nimmt bei Gegenwart der starken SchwefelsÀure 2 Mol,
Wasser auf und bildet damit ameisensaures Ammoniak. Das
ameisensaure Ammoniak wiederum zersetzt sich unter dem
Einfiusse der SchwefelsÀure in Ammoniumsulfat und Kohlen-
Pharmaceutische Notizen. 149
_ oxyd. Dieses wechselseitige Bilden und Zersetzen in statu
nascendi findet seinen Ausdruck in nachstehenden Gleichungen:
I. KtFeCyÂź + 2H?S0? = H?FeCyÂź + 2K?S04.
I. HâFeCyÂź = 4HCy + FeCy?.
III. FeCy? + H?SO? = FeS0? + 2HCy.
IV. 6HCy + 12H?0 = 6[CH (H?N)O?].
V. 6(CHâNO?) + 3(H?SOÂź) =
v1. 3[(H*N)?SO%] + 6C0 + 6H?O.
Genau genommen, zerfÀllt auch das ameisensaure Ammo-
niak zunÀchst in Ammoniak und AmeisensÀure, und diese in
Wasser und Kohlenoxyd, wÀhrend Ammoniak und Schwefel-
sÀure Ammoniumsulfat bilden.
Pharmaceutische Notizen.
Von Otto Faecilides, Apotheker in Zwickau.
a) CarbolsÀure
im krystallisirten Zustande, wie sie zu medicinischen Zwecken
in den Handel kommt, ist beim Dispensiren höchst unangenehm
zu handhaben, da man beim Abwiegen Schwierigkeiten hat,
ganz abgesehen von der mehr oder mindern Beschmutzung
der damit in BerĂŒhrung kommenden GegenstĂ€nde. Wasser
ist ein schlechtes, Weingeist und Aether sind allerdings bessere,
jedoch nicht in allen FĂ€llen und Zusammensetzungen zu ver-
wendende Lösungsmittel. Diesen Unannehmlichkeiten glaube
ich begegnen zu können, indem ich der festen CarbolsÀure
10°/, reinen kochsalzfreien Glycerins von 1,25 sp. G. zusetze,
Die mit Glasverschluss versehene, die CarbolsÀure ent-
haltende Flasche sammt dem, Glycerin erwÀrme ich im
Wasserbade vorsichtig auf eirca 30°, mische nun beide FlĂŒssig-
keiten und erhalte ein bei gewöhnlicher Temperatur nicht
wieder erstarrendes Gemenge, das nach BedĂŒrfniss getropft
oder gewogen werden kann.
150 Pharmaceutische Notizen.
b) Storax
bei ist Scabies bekanntlich eins der besten Mittel. Jedoch
leider ist der liquide Storax durch mechanische Beimischungen
immer mehr oder weniger verunreinigt, so dass durch Verrei-
bung in gelinder WĂ€rme mit Oel zu gleichen Theilen âdiesem
Uebelstande, da nunmehr die fremden Körper durch Absetzen
oder Coliren zu entfernen sind, abgeholfen werden muss, um
fĂŒr Erwachsene dieses PrĂ€parat vollkommen dem Wunsche
entsprechend zu machen. Bei SĂ€uglingen hingegen mit ziem-
lich sensibler Haut schien es geboten, das Liniment gelinder
zu machen, ohne die Gegenwart des wesentlichen und wirk-
samen Princips zu sehr abzuschwÀchen.
Vortheilhaft und dabei vollkommen dem Zwecke ent-
sprechend, indem es noch völlig die Poren der Haut schliesst
und somit die Brut tödtet, erschien ein auf folgende Weise
bereitetes Mittel.
Ein hartgekochtes Eigelb mit dem gleichen Gewichte
Ung. Glycerini verrieben, mischt man sorgfÀltig mit einer
der ganzen Portion gleichen Menge des obengereinigten Storax
so lange, bis ein Ung. molle entstanden ist, dessen Anwen-
dung keinerlei Schmerz verursacht.
c) Emplastrum adhaesivum extensum
wurde frĂŒher in jeder Apotheke bereitet, jedoch jetzt thut
man es wohl nur noch selten, umso weniger, da die Herren
Aerzte nur in wenigen Ausnahmen ein mit der Hand ge-
strichenes oder gar nach ihrer eigenen Vorschrift bereitetes
Heftpflaster beanspruchen. Mit vollem Rechte fĂŒhrt sich das
in doppelter Breite liegende in Yards abgetheilte englische,
oder gut deutsche Pflaster, ĂŒberall ein. Nur wollte es mir,
besonders in den Wintermonaten, wenn das Pflaster im Vor-
rathsraume oder in der etwas kĂŒhlen Offiein aufbewahrt war,
hauptsÀchlich jedoch, wenn solches lÀnger auf Lager, öfter schei-
nen, dass beim Aufrollen sich Lamellen lösten und die ursprĂŒng-
liche Heilkraft beeintrÀchtigt sei. In den meisten FÀllen
Pharmaceutische Notizen. 151
wollte selbst bei sorgfĂ€ltigem ErwĂ€rmen die alte VorzĂŒglichkeit
nicht wieder eintreten, oder wenigstens nicht in dem ursprĂŒng-
lichen Grade wieder sich gewinnen lassen. Diesem Uebel-
stande zu begegnen, brachte ich eine fragliche Pflasterrolle in
ein mÀssig erwÀrmtes Zimmer, rollte sie nach einiger Zeit
auf einem gerÀumigen Tische auf, befestigte sie horizontal
und gab nun mittelst eines kleinen Schwammes oder Pinsels
einen dĂŒnnen Ueberzug von Terpenthinöl. Hatte das Pflaster
hierauf einen Tag ausgespannt gelegen, so war das Terpenthinöl
theils verflogen, theils hatte es sich Eintritt in die Decke
des Pflasters geschaflen und somit diesem eine wenn auch
nicht plastische, doch cohÀrirende Beschaffenheit ertheilt.
Nunmehr rollte ich es auf und brachte es an den ursprĂŒnglichen
Ort der Aufbewahrung zurĂŒck.
d) Aqua chlorata
ist eins von den PrÀparaten, deren Bereitung man mit Fug
und Recht in die chemischen Fabriken verlegen kann, sofern
man nicht eines Eleven halber sich mit Herstellung des so
billigen Dinges befassen; will. Des Lutiren der Kette von
Entwickelungs-, Wasch- und AbsorptionsgefÀssen ist der
unangenehmster Theil und muss mit grosser Gewissenhaftigkeit
ausgefĂŒhrt werden, um nicht Schaden an Gesundheit oder
allen in der NÀhe befindlichen metallenen GegenstÀnden zu
erfahren. : Ich benutzte dazu einen Kitt folgender Art, den
ich empfehlen kann. Eine in der WĂ€rme bereitete syrups-
dicke Lösung von Schellack und eine eben solche von Kaut-
schuk in Benzin wurde einzeln dargestellt, hierauf gemischt
und mit einem Pinsel zu wiederholten Malen aufgetragen
jedoch mit der Vorsicht, den vorhergegangenen Anstrich zuvor
trocknen zu lassen.
Der Erfolg war ein vorzĂŒglicher, da ich die Korke selbst
möglichst consistent gewÀhlt hatte, auch im Bohren und Feilen
der Oeffnungen der Korke mit Fleiss vorgegangen war.
e) Tinte
wird gewiss selten ein Defectar mit besonderem VergnĂŒgen auf
seiner Tafel verzeichnet finden, und doch lÀsst sich deren Dar-
152 Pharmaceutische Notizen.
stellung zu einer weit reinlicheren Arbeit umwandeln, und das
PrĂ€parat allen AnsprĂŒchen gerecht machen. âDie Tinte muss
auch gemacht werden,â so pflegt meist der mit dem Einfassen
dieses wichtigen Artikels betraute Stösser oder Lehrling
schmunzelnd mitzutheilen, sobald aus dem Fasse trotz
Anstrengung nichts DĂŒnnflĂŒssiges mehr zu erlangen ist.
Mit einem Galgenhumor beginnt nun der Defectar die meist
grosse Menge der angehÀuften Sedimente auszulaugen, wenn
nicht schon der Lehrling, seines Ausgehetags halber, auf
eigene Rechnung und Gefahr eine VerdĂŒnnung vorgenommen
hatte.
Ist nun die Manipulation beendet, so wird meist dieser
Auszug an der Stelle des Wassers verwendet. â Ich verfahre
auf andere Weise. â Die grobgestossenen GallĂ€pfel (denn
die Gallustinte, so sehr man sie auch angeschwÀrzt oder
verdĂ€chtigt hat, wird ihre VorzĂŒge stets bewahren) ma-
cerire ich mit der vorgeschriebenen Menge Wasser acht
Tage lang, sammele dann auf einem Tuche, lasse abtropfen
und bringe das Durchgelaufene nach und nach wieder auf die
das Colatorium bedeckenden Gallen.
Das Ablaufen verlangsamt sich, man stellt die GefÀsse
bei Seite und fÀhrt acht bis vierzehn Tage fort mit dem
immer neuen Aufgiessen. Nunmehr bringe ich den meist
GallussÀure enthaltenden Auszug aufs Feuer, lasse aufkochen,
um die Schimmelsporen zu zersetzen und dann in das Stand-
gefÀss, wo mittelst «Eisenoxydliquor, (nicht Oxydul-) etwas
CarbolsÀure und Gummi die Mischung fertig gemacht wird.
Auf diese Weise erhalte ich das Dreifache der sonst mit
gleichen Ingredienzien erzielten Ausbeute an einer recht guten
Tinte, ohne den geringsten Schmutz dabei verursacht zu
haben. Als VerhÀltniss muss man sich an Versuche halten,
da der Gehalt der GallÀpfel stets verschieden ist und somit
auch der Eisenzusatz sich diesem accomodiren muss.
Emplastrum fuscum. 153
Emplastrum fusceum.
Von H. PĂ€hler, Apotheker in Gollub.
Wenn man 200 Grm, Mennige, 400 Grm. Baumöl, 100 Grm.
Wachs und 6 Grm. Campher nach der bekannten Methode
zusammenkocht, so gelangt man zu ungefÀhr 700 Grm. Em-
plastrum 'fuscum, welches sofort in eine aus einem Bogen
Wachspapier von gewöhnlichem Format angefertigte Papier-
kapsel ausgegossen werden kann und dadurch eins Dicke von
ungefĂ€hr einem Viertelzoll (etwas ĂŒber Y, Centim.) erhĂ€lt,
was wohl durchschnittlich die gewĂŒnschte Dimension sein
wird. Zur leichteren Eintheilung des PrÀparates kniffe man
den anzuwendenden Bogen Weachspapier zuvor in seiner
grösseren Ausdehnung in 16, in der kleineren in 12 gleiche
Theile. Der in dieser Weise eingeknifite Bogen enthÀlt
16 x12= 192 gleich grosse Vierecke. An den RĂ€ndern
des Bogens gehen jedoch davon fĂŒr die Pflastermasse 2 x 16
und 2 x 10, also 52 Vierecke verloren, welche zur Herstel-
lung der Capsel verbraucht werden. Es bleiben 140 Vierecke
ĂŒbrig, welche sich spĂ€ter ganz deutlich in der erkalteten
Pflastermasse abzeichnen. Das Wachspapier lÀsst sich besser
von derselben ablösen als gewöhnliche. Es bleibt dann nur
ĂŒbrig, mit Lineal und Messer den auf der Pflastermasse ab-
gezeichneten Theilen nachzugehen. Kocht man mehr als
obige QuantitÀt auf einmal, so muss man entweder aus ein-
anderwÀgen, oder grösseres Format des Papiers anwenden.
700 Grm. Pflaster, in 140 Theile getheilt, ergeben fĂŒr jeden
Theil ein Gewicht von 5 Grm. Man kann also jeden Theil
a '/, Sgr. verkaufen und erreicht den Zweck der Anferti-
gung und der Eintheilung dieses hÀufig im Handverkauf
verlangten Pflasters in dieser Art am schnellsten und ein-
fachsten.
Vor dem Anusgiessen eingekniffte Papierkapseln sind
ĂŒberall zu Gerat. labiale, zu Gera alba, Ă. nigra und
Ă. flava, ĂŒberhaupt dort zu empfehlen, wo irgend eine
spÀter zum Verkauf einzutheilende Masse ausgegossen wer-
den soll.
154
11. Naturgeschichte und Pharma-
cognosie.
Die Eisenquelle zu Pausa.
Von Otto Facilides, Apotheker in Zwickau.
Interimistisch mit der Administration der Apotheke zu
Pausa betraut, hatte ich Gelegenheit, das am Orte befind-
liche Bad kennen zu lernen und dĂŒrfte, obgleich dieses einer
Sage zufolge im Mittelpunkte âder Welt gelegen, weniger
bekannt sein; wesshalb ich mir erlaube, weit entfernt eine
Monographie liefern zu wollen, nur einige meiner Beobachtun-
gen hier niederzulegen.
Des Pausaer Gesundbrunnens geschieht in einem ActenstĂŒcke
vom Jahre 1739 zuerst ErwÀhnung und durch Fama, dieses böse
Weib, die sonst wie jetzt ihr Spiel getrieben, sind im
Volksmunde verschiedene traditionelle und höchst abweichende
Aussagen ĂŒber die Entdeckung genannter Quelle verbreitet.
Das lauschige PlÀtzchen unserer Nymphe erhielt von guten,
rechtglĂ€ubigen Vorfahren den Namen âGottesgeschenk,â
einer Benennung, der ich mich, abgesehen von Bergwer-
ken, aus einer Urkunde meiner Vaterstadt Plauen in Àhnli-
cher Weise erinnere, in welcher, des an der Quelle der Elster
gelegenen Gesundbrunnens (des jetzigen Bades Elster) geden-
kend, von der heiligen Elster gesprochen. wird.
Das eigentliche Bad Pausa ist circa 800 Meter vom
StÀdtchen gleichen Namens entfernt, am unteren Ausgangs-
punkte eines seichten Defilees, welches, nach dem unmittel-
bar hinter dem Brunnenhause gegen SĂŒden langsam anstei-
Die Eisenquelle zu Pausa. 155
genden Bergkamme sich in leichten Intervallen gradatim hinauf-
ziehend, endlich darin verschwimmt, dabei nach oben jedoch
eigenthĂŒmlicher Weise sich ausbreitend, gleichsam als dreiâ
eckige mit der Spitze nach unten liegende FlÀche, einem Fal-
tenfilter Àhnlich, hin, die Educte liefert. Das den Bergabhang
bildende Grundgebirge, aus Grauwackenschiefer bestehend,
ist eines Theils mit einer durch die Zersetzung bedingten Let-
ten--und Lehmschicht, hauptsÀchlich. hier jedoch mit einem
mÀchtigen Lager von Torfmoor bedeckt, welcher an ver-
schiedenen Stellen sumpfige, durch Quellen bedingte, auf was-
serhaltenden Untergrund basirte PlÀtze zeigt.
Dem einfachen Gesetze der Schwere folgend, bahnt sich
von dem Höhenkamme dieses Wasser unsichtbar in der Àusserst
seicht abfallenden Thalsohle durch den Moorgrund, dabei even-
tuell âgrössere oder kleinere zu Tage tretende Weasser-
anhÀufungen bildend, bis zum Bade herab, uns hier als das
(Gottesgeschenk entgegentretend, seinen unterirdischen Weg.
Das aus den obersten Quellen des Berges auftretende Was-
ser kann mit Recht den Namen eines âsogenannten wilden
Wassers erhalten, da ein Theil desselben, aufgefangen und durch
Röhrenleitungen in die Stadt gefĂŒhrt, hier âals Trinkwasser
verwendet, keinen specifischen Geschmack und Geruch, ebenso
wenig als Eisenockerablagerung zeigt. âWohl aber'findet man
in.dem Maasse, als dasselbe tiefer nach dem. Bade herab-
kömmt, deutlichen Geschmack und Sedimente von Eisen, wozu
vom wesentlichen Einfluss sein mag, dass zwischen genannten
teichartigen WasseranhÀufungen keine sichtbaren und zu Tage
liegenden AbzugskanÀle befindlich sind, das Wasser vielmehr
die Torf- und Moormassen mittelst Durchsickerns ĂŒberwinden
muss, so dass die neben und zwischen den Teichen liegenden
saueren Wiesen, wenn auch keine pontinischen, doch von den
BadegĂ€sten gefĂŒrchtete, mit schmutzig gelbem Wasser ge-
fĂŒllte SĂŒmpfe bilden.
Bekanntlich liefern die im Torf- und Moorgrund fort-
dauernd in Zersetzung begriffenen Pfilanzenstoffe viel âKoh-
lensĂ€ure, die in Folge der 'zĂŒhen Consistenz desâ Bodens
zum grössten Theile zurĂŒckgehalten wird ; das langsam sickernde
156 Die Eisenquelle zu Pausa.
Wasser, durch Druck und Temperatur bedingt, schwÀngert
sich damit, wÀhrend die gleichzeitig vorhandenen minerali-
schen Bestandtheile des Moorgrunds, als Schwefelkies, Kalk
und Talk sich lösen und daraus ein alkalisch - salinisch -
hepatischer SĂ€uerling, eine Heilquelle âhervorgehen muss.
Um so mehr ist dieses anzunehmen, als von der ersten
Quelle bis zu ihrer Fassung im Brunnenhause ein Raum von
circa 500 Meter zurĂŒckgelegt werden muss.
Das hier in steinerner Fassung vereinigte Wasser ist,
wie schon mitgetheilt, ein Geschenk Gottes genannt worden,
wĂ€hrend der mehr sĂŒdlich und etwas höher gelegene neuere
Brunnen, die Sophienquelle, analogen Ursachen, jedoch
theilweise unter Zutritt der aus der Luft condensirten Nieder-
schlÀge, ihre Existenz verdankt, aus eisenhaltigem Thon quillt,
nur kĂŒrzere Zeit mit dem Moorgrunde in BerĂŒhrung, und in
Folge dessen auch schwÀcher an den erstgenannter Quelle in
hohem Grade eigenen Beimischungen und Bestandtheilen
gefunden wird.
Wie bei allen erdig alkalischen Stahlquellen, ist die Farbe
des Wassers im statu nascendi vollkommen klar, nach Schwefel-
wasserstoff riechend, von dem specifischen Eisen -, jedoch gleich-
zeitig erfrischend prickelndem Geschmack. Im Glase starke Per-
len aufwerfend, zeigt es, mit leichter TrĂŒbung beginnend, nach
einiger Zeit einen .ocherfarbigen, schlammigen Niederschlag.
ĂberflĂ€chlich bildet sich gleichzeitig ein schillerndes, gelbes
HĂ€utchen, da unser wachsamstes Polizeiorgan, der Sauerstoff,
einen Theil der der Tiefe geraubten SchÀtze requirirt, wÀh-
rend die untreue KohlensĂ€ure ihren VerbĂŒndeten schwimmen
lÀsst. Die Temperatur der Quelle ist recht erquickend zum
Trinken, zum Baden hingegen ohne Zusatz warmen Wassers,
da die sonst ĂŒbliche Dampfheizung noch nicht angebracht,
ist, zu kĂŒhl.
Zu beiden Zwecken von mir gebraucht, beobachtete ich
recht erfreuliche Resultate ĂŒnd konnte wohl von der anre-
genden Wirkung etwas beobachten, keineswegs aber von
einem, von begeisterten Consumenten dem zu reichlichen Ge-
nusse genannten Wassers zugeschriebenen Brunnenrausche,
Noch einmal Pausa. 157
Baderausche und Badeausschlage irgend etwas be-
merken.
Wenn ich diesem kleinen Bade das PrÀdikat eines ange-
nehmen gebe, so gehe ich dabei von der Ansicht aus, dass,
wer zwischen den Reizen des Ballsaales und der Tafel, des
Theaters und der Concerte erkrankt ist und zu seiner Hei-
lung ein naturgemÀsses, dem Treiben grösserer StÀdte gera-
dezu entgegengesetztes Leben bedarf, dem entspricht der
lĂ€ndliche, stille, dem GemĂŒthe so wohlthuende Charakter die-
ses Ortes in der vollkommensten Weise.
Noch einmal Pausa.
Von Dr. H. Ludwig, a. Prof. in Jena.
Einige Reactionen der Pausaâer Eisen- und
Schwefelquelle beobachtete ich Sonntag den 4. Septbr.
1864 Nachmittags an Ort und Stelle.
A. Das aus der Eisenquelle beim SchĂŒtzenhause
frisch geschöpfte Wasser erschien farblos und schmeckte etwas
schweflig, hinterher eisenhaft,
Schwache violette FĂ€rbung des blauen Lackmuspapiers;
GallÀpfelaufguss deutliche violette FÀrbung;
Gelbes Schwefelammonium sogleich schwarzgrĂŒne FĂ€rbung;
Kaliumeisencyanid augenblicklich intensiv blaue FĂ€rbung;
Bleiessig weissen Niederschlag ;
Chlorbaryum keine TrĂŒbung.
B. Das aus der sog. Schwefelquelle geschöpfte Wasser
war schwach getrĂŒbt. Es gab mit Bleiessig einen weissen
Niederschlag; mit Chlorbaryum eine kaum merkliche TrĂŒ-
bung; mit Schwefelammonium eine grĂŒne FĂ€rbung und TrĂŒ-
bung. â
Der frĂŒhere Besitzer des Bades, jetzige Oekonom Franz
Tittel diente uns (meinem damaligen Assistenten Ă, Wein-
158 Noch einmal Pausa.
hold und mir) als FĂŒhrer zu den Moorlagern oberhalb des
Bades. Pausa ist gegen Nordostwinde geschĂŒtzt. Gleich
hinter Pausa, auf dem Wege nach Mehltheuer, tritt der
Thonschiefer zu Tage, seine Schichten sind in der Rich-
tung nach Pausa geneigt.
Auf unserem Wege von Schleiz. nach Pausa a wir
Gelegenheit, die verschiedenartigsten Pilze zu beobachten.
Herr Weinhold machte mich auf die folgenden auf-
merksam: Agaricus nudus, Agaricus luteus (schlei-
mig, ekelhaft), Agaricus deliciosus, Reizker, mit orange- _
rother Milch, essbar); Ag. virginalis, .essbar, mit breit-
sperrigen Lamellen; Agaricus procerus, (Parasol-
schwamm, 1 Fuss im Durchmesser); Agaricus cam-
pester (Ă€chter. Champignon, von angenehmem Geruch, mit
röthlichen Lamellen); , Bovista ,granulata; Clavaria
coralloides (weich), Clavaria aurantiaca (zÀhe), Po-
lyporus variegatus (braun mit weissem Rande), auch
Polyporus' versicolor. Kleinere und grössere Hyd-
numarten (mit: Blutströpfchen); Cantharellus ciba-
rius (den Pfifferling, gelb, Lamellen am Stiele herablaufend,
querrunzlig; essbar); Agaricus violaceus (giflig); Sem-
melpilze (essbar); Boletus bovinus (gelb); Agaricus
eburneus (ElfenbeinblĂ€tterpilz); Clavaria âbotryoides
(rothbraun); Hydnum imbricatum (mit Schuppen. und
Stacheln); Habichtsschwamm (essbar); Amanites asper
(grau und röthlich, giftig).
Ein. Agaricus mit schwarzem Stiel und gelben Lamel-
len; Baeomyces roseus; Amanita muscaria (Fliegen-
schwamm, im Jugendzustande weiss mit. Schuppen, aufge-
schnitten gelb werdend und den Ring zeigend).
Bovista gemmata oder.Lycoperdon gemmatum,
(auf der Anhöhe hinter Pausa).
Tags vorher auf dem Wege von Schleiz nach Mösch-
litz und Schloss Burgk fanden wir schon im Walde
Agaricus squamosus (gelb, giftig), Agaricus ovinus,
Agarieus scorodonius, Boletus sapidus, 'Agari-
cus emeticus (Russula emetica, den Speiteufel), Boletus
Notiz ĂŒber die Eichenmanna von Kurdistan. 159
edulis (Steinpilz), Amanita phalloides (den falschen
Champignon, giftig) und Hydnum repandum (essbar).
In dem GĂ€rtchen des Gasthauses zu Burgk, von dem
man eine prÀchtige Aussicht in das kesselförmige Thal der
tiefunten in schönen Bogen dahin fliessenden Saale geniesst,
fanden wir Nicandra physaloides verwildert. Im Walde
an den Thonschieferfelsen blĂŒhten Arabis arenosa, Cyti-
sus nigricans und Dianthus caesius.
âNotiz ĂŒber die Eichenmanna von Kurdistan.
Von Dr. F. A. FlĂŒckiger, Prof. in Bern,
Die schöne Arbeit des Herrn Prof. Ludwig ĂŒber die
Bestandtheile einiger Mannasorten des Orients*) lÀsst im
Betreff der Eichenmanna einen Zweifel ĂŒbrig. Derselbe fand
nemlich darin gegen 48 pC. Traubenzucker, viel Schleim,
wenig Amylum und kein Dextrin. Berthelot**) dagegen
hatte eine nordöstlich von Mossul durch Dr. Gaillardot gesam-
melte Manna von Kurdistan in Procenten zusammengesetzt
gefunden aus:
Rohrzucker 61,0
Invertzucker 16,5
Dextrin 22,5.
Er giebt ĂŒber die hierbei in Abzug gebrachten Pflanzen-
theile und das Wasser nichts an und schildert die Manna als
eine ziemlich feste, teigartige, mit BlattstĂŒckchen gemengte
Masse. Der grosse Widerspruch zwischen den Resultaten
zweier so ansgezeichneter Forscher machte mir weitere Beleh-
rung ĂŒber diese Manna wĂŒnschenswerth, ganz besonders mit
RĂŒcksicht auf das Dextrin, dessen Verbreitung in der Pflan-
zenwelt noch keineswegs genĂŒgend untersucht ist.
*) Archiv der Pharm. 193 (1870) 32.
*#) Annales de Chimie et de Physique 67 (1861) 85.
160 Notiz ĂŒber dıe Eichenmanna von Kurdistan.
Ich verdanke meinem Freunde Herrn Dr. Christ in
Basel eine gute 1870 von Dr. Socin aus- Diarbekir mit-
gebrachte Probe dieser kurdischen Manna. Sie bildet eine
durch viele BlattstĂŒckchen grĂŒnliche, etwas weiche Masse,
welche beim Schaben weiss wird, auch da und dort brÀun-
liche BlattschĂŒppchen erkennen lĂ€sst. Ein adstringirender
Beigeschmack ist kaum wahrnehmbar, auch knirscht die Manna
beim Kauen nicht. Zerreibt man etwas derselben mit Man-
delöl, so findet man sie, im polarisirten Lichte betrachtet,
durch und durch krystallinisch, aber nirgends zeigen sich
deutlich ausgebildete Krystalle und eben so wenig Amylum-
körner. Bei 100° verlor die Manna, verschiedenen Stellen
meiner Probe entnommen, 9,24 pC. Wasser; die getrocknete
Substanz hinterliess dann beim Verbrennen 3,47 pC. Asche,
was Alles, wie ich denke, auf grosse Reinheit derselben deutet.
An Aether giebt die getrocknete, fein zerriebene Manna nur
Spuren von Chlorophyll ab; der sehr geringe RĂŒckstand fĂ€rbt
sich mit Eisenchlorid nicht betrÀchtlieh brÀunlich.
13 Grm. lufttrockener Manna zog ich ungefÀhr 10 mal
mit kleinen Mengen heissen Weingeistes von 85 Gew.-Proc.
aus, Der getrocknete RĂŒckstand wog nur noch 1,222 Grm.;
durch Weingeist waren also nicht weniger als 90,6 pC. der
ganzen Masse aufgelöst worden. Nach dem Verdunsten des
Weingeistes schieden sich Flocken in unbedeutender
Menge aus; der mit Wasser verdĂŒnnte RĂŒckstand lieferte
nach dem Filtriren und âEindampfen eine gelbliche, angenehm
sĂŒss schmeckende FlĂŒssigkeit, welche Lackmuspapier nicht
verĂ€nderte und auf Zusatz von Eisenchlorid schwach grĂŒn-
lich braun, nicht blau gefÀrbt wurde. Im Glycerin und Na-
tron gelöstes Kupferoxyd wurde schon in der KÀlte sofort
energisch redueirt, in der Siedhitze auch alkalisches Wis-
muthtartrat.
Nach dem Eindampfen dieser Zuckerlösung hinterblieb
ein Syrup, der auch nach monatelangem Stehen nicht krystal-
lisirte, obwohl der Zucker, wie die mikroskopische Unter-
suchung zeigt, in der Manna selbst wenigstens krystallinische
Notiz ĂŒber die Eichenmanna von Kurdistan. 161
Struetur besitzt. Da seine Auflösung rechts rotirt, so halte
ich diesen Zucker mit Ludwig fĂŒr Traubenzucker.
Den vom Weingeiste nicht gelösten
RĂŒckstand, betragend 1,222 Grm., kochte
ich nun mit viel Wasser aus, trocknete
wieder und fand, dass jetzt noch 1,123, WĂŒbrigâ
geblieben waren. Das Wasser hatte
also nur aufgenommen 0,099 Gr.â0,76 pC.
Dieses Minimum also wÀre höchstens als Dextrin anzu-
sprechen, aber ich fand die wÀsserige Auflösung zwar wohl
rechtsdrehend, aber, selbst verdĂŒnnt, durch neutrales essigsaures
Blei stark fÀllbar. Der durch Schwefelwasserstoff zersetzte
Niederschlag gab einen Schleim, aus welchem ich vermittelst
SalpetersÀure Krystalle von SchleimsÀure gewann. Ich hatte
also hier keineswegs Dextrin vor mir, sondern einen Schleim.
In quantitativer Hinsicht (auch in Betreff des Amylum
und der GerbsÀure, worauf aber kaum Gewicht zu legen ist)
stimmt zwar meine Untersuchung nicht mit derjenigen von
Prof. Ludwig ĂŒberein, wohl aber in dem Hauptpunkte, nem-
lich in Betreff der Abwesenheit des Dextrins und des
Rohrzuckers. Die gegentheiligen Angaben Berthelotâs
werden wohl darin ihren Grund haben, dass eben die von
ihm unter dem gleichen Namen untersuchte Manna anderen
Ursprunges war.
Auch fĂŒr die gewöhnliche Eschenmanna, sowohl die
Manna cannellata als fĂŒr die gemeine schmierige Manna, hat
Buignet*) durch scharfsinnige Schlussfolgerungen aus dem
optischen Verhalten einen zwischen 11 bis 24 pC. schwan-
kenden Gehalt an Dextrin nachgewiesen, welches vorher gÀnz-
lich ĂŒbersehen worden war. Buignet seinerseits ĂŒbergeht
dagegen den Schleim, welcher unlÀugbar auch einen Bestand-
theil der offieinellen Manna bildet, wie ich schon frĂŒher **)
angegeben habe. Nicht nur schweigt Buignet ĂŒber diesen
*) Journal de Pharm. et de Chim, VIII (1868) 14.
**) Jehrb. der Pharmacognosie. Berlin 1867. 16.
Arch. d. Pharm. CC. Bds. 2. Ift, 11
162 Notız ĂŒber die Eichenmanna von Kurdistan.
Schleim, sondern er hebt auchâ) ausdrĂŒcklich hervor, dass das
von ihm aus Manna dargestellte Dextrin durch Bleiessig
nicht gefÀllt werde und durch geeignete Behandlung mit Sal-
petersÀure keine Spur SchleimsÀure liefere.. Das Drehungs-
vermögen der Mannaauflösung wÀre nach dem genannten
Chemiker allein von der Gegenwart des Dextrins abhÀngig.
Um mich 'auch ĂŒber diese Angaben einigermaassen zu beleh-
ren, löste ich 1500 Grm. stengeliger Manna (M. cannellata in
fragmentis) in. viel Wasser auf und liess durch successive
AbkĂŒhlung und weitere Concentration den Mannit möglichst
auskrystallisiren. So wurde schliesslich ein auch bei 0° noch
â flĂŒssig bleibender Syrup erhalten, welcher schon mit Blei-
zuckerauflösung einen Niederschlag gab. Letzterer wurde
gewaschen und mit Schwefelwasserstoff zersetzt. Die nach
dem Verjagen des Schwefelwasserstoffes bleibende FlĂŒssigkeit
drehte m einem 50MM. langen Rohre 3,1° rechts; sie ent-
hielt 12 pC. Schleim in Auflösung. Es giebt also, wie dieser
Versuch zeigt, jedenfalls in der Manna noch einen rechts-
drehenden Schleim, der jedoch nicht in grosser Menge,
vorhanden ist. Die Darstellungsweise dieses Körpers spricht
schon dafĂŒr, dass er wirklich Schleim sei; er lieferte mir
durch SalpetersÀure eine reichliche Menge schön krystallisir-
ter SchleimsÀure.
Eine rechtsdrehende Gummiart habe ich schon vor eini-
ger Zeit (Wiggers-Husemannâscher Jahresbericht 1869. 154)
in Gummi der Feronia elephantum nachgewiesen. â In
Betreff jenes rechtsdrehenden Mannaschleimes fiel mir seine
stark saure Reaction auf. Als ich ihn mit Weingeist aus-
zog, erhielt ich Krystalle, welche ich nach ihren Reactionen
fĂŒr CitronsĂ€ure halten muss; meines Wissens ist dieselbe
bis jetzt m Manna noch nicht gefunden worden.
Den concentrirten und auf angegebene Weise von diesem
Schleime und hierauf vom Schwefelwasserstoff befreiten Man-
naauszug concentrirte ich in gelinderter WĂ€rme weiter und
a
Notiz ĂŒber die Eichenmanna von Kurdistan. 163
suchte nach Buignetâs Verfahren das Dextrin daraus in
reiner Form zu gewinnen. Die FlĂŒssigkeit enthĂ€lt aber immer
noch eine kleine Menge eines vermuthlich gummiartigen Stof-
fes, welcher durch Bleiessig gefÀllt werden konnte. Nach-
dem dieses geschehen und das ĂŒberschĂŒssige Blei durch
Schwefelwasserstoff beseitigt war, liess ich die FlĂŒssigkeit in
sehr gelinder WĂ€rme eindampfen und setzte ihr das doppelte
Volum Weingeist (von ungefÀhr 85 Gew. Procenten) zu, wo-
durch das gesuchte Dextrin gefÀllt werden musste. Es schied
sich in der That eine untere dickliche Schicht aus, welche
ich von dem Weingeist befreite und wiederholt mit heissem
Weingeist auskochte. Die Schicht verminderte sich dadurch
zusehends und zuletzt blieb mir nur wenig einer hellgelbli-
chen zĂ€hen Masse zurĂŒck, welche aber selbst nach anhalten-
dem Austrocknen weich blieb. Ihre Auflösung in wenig
Wasser reducirte jedoch schon in der KĂ€lte nach sehr
kurzer Zeit die schon erwÀhnte Glycerin-Kupfer-
oxydlösung, was bei einem ĂControlversuche mit Dextrin
aus StÀrkemehl nicht der Fall war. Das vermeintliche Dextrin
enthielt daher sehr reichlich Zucker; aller Wahrscheinlichkeit
nach bestand meine Masse eben nur aus solchem.
Die Manna enthÀlt, wie ich oben dargethan habe, einen
durch neutrales essigsaures Bleioxyd fÀllbaren Schleim und eine
Gummiart, welche sich erst durch basisches Bleiacetat nieder-
schlagen lÀsst. Da letztere nur in höchst geringer Menge
vorhanden ist, so nahm ich einen Theil des nur von jenem
Schleime befreiten Mannaauszuges, verdĂŒnnte ihn und ver-
setzte ihn in GÀhrung, welche nur Àusserst langsam verlief.
Nachher concentrirte ich die FlĂŒssigkeit und ĂŒberzeugte mich,
dass sie in der KÀlte nicht auf Kupferlösung wirkte; sie ent-
hielt also in der That keinen Trauben- oder Fruchtzucker
mehr. War Dextrin in derselben zugegen, so musste aber
doch nach dem Kochen eine Reduction des Kupferoxydes
erfolgen. Aber auch dieses fand nicht in recht entschiedener
Weise statt, so dass selbst dieser Versuch mich nicht von
der Anwesenheit des Dextrins ĂŒberzeugen konnte. War
wirklich Dextrin vorhanden, so musste es durch kurze Ein-
irr
164 Notiz ĂŒber die Kichenmanna von Kurdistan.
wirkung von verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure in einen Zucker ĂŒber-
gefĂŒhrt werden, welcher sogleich Kupferoxydul abzuscheiden
vermochte. Dieses aber trat auch nicht ein.
Aus diesen Versuchen ergiebt sich daher hauptsÀchlich
folgendes:
1) Hauptbestandtheil der Manna von Kurdistan ist eine
Zuckerart, welche darin krystallisirt enthalten ist. Durch
heissen Weingeist ausgezogen, eingedampft und mit Wasser
wieder aufgenommen, lÀsst sich dieser Zucker aber nicht
krystallisirt erhalten. Er dreht rechts und redueirt in der
KĂ€lte Glycerin - Kupferoxyd - Natron.
2) Dextrin fehlt dieser Manna.
3) Dagegen enthÀlt sie Schleim.
4) Das VerhÀltniss zwischen letzterem und dem Zucker
scheint betrÀchtlich zu schwanken; sehr reine Manna, wie die
mir vorliegende, enthĂ€lt ĂŒber 90 Procent Zucker.
5) Dieâ gewöhnliche offieinelle Manna cannellata enthĂ€lt
einen durch neutrales essigsaures Bleioxyd fÀllbaren Schleim,
welcher rechts rotirt.
6) Dieselbe liefert in sehr geringer Menge eine zweite,
erst durch Bleiessig fÀllbare Schleimart.
7) Rohrzucker lÀsst sich aus dieser Manna nicht dar-
stellen.
8) Die befriedigende Reindarstellung von Dextrin gelang
mir nicht; immerhin wÀren gemeine schmierige Mannasorten
in dieser Richtung noch zu prĂŒfen.
165
111. Geheimmittel.
Zusammensetzung zweier pharmaceutischer Gcheim-
mittel.
Von Dr. Emil Pfeiffer aus Jena.
Beide enthielten StÀrkekleister als Grundmasse und wur-
den mir in den Jahren 1863 und 1864 zur Untersuchung
ĂŒbergeben.
a) Das erste, amerikanischen Ursprungs, war ein
messerrĂŒckendick auf weisses Leder gestrichenes PflĂ€ster-
chen von etwa 4 Centim. Durchmesser, welches bei Oroup
der Kinder auf den Hals gelegt wurde.
Der Arzt hielt es fĂŒr ein Diachylonpflaster mit Arsenik,
jedoch ergab es sich einfach als unvollstÀndig coagulirte
StĂ€rke, mit etwa 6â8 Tropfen Crotonöl gemischt.
b) Das zweite war die gegen HĂŒhneraugen sehr
. gerĂŒhmte Pommade Galopeau, eine französische Spe-
cialitÀt, von der etwa 10 Grm. in einem gut verschlossenen
OpodeldocglĂ€schen zum Preise von 1â2 Franken verkauft
wurden.
Die chemische und mikroskopische Analyse ergab, dass
dieses etwas gallertige, salbenartige Product aus StÀrkeklei-
ster bestand, mit etwa 8°), Schweineschmalz versetzt
und mit concentrirter EssigsÀure belalen,
Das Mittel wurde Abends vor Bettgehen erbsengross
auf das HĂŒhnerauge, sowie rings herum gestrichen und dann
mit GoldschlÀgerhÀutchen bedeckt.
166 Das Enthaarungsmittel Busma.
Nach 3 â 5 maliger Anwendung des Mittels fiel das HĂŒh-
nerauge meist von selbst ab, da die umliegende Haut durch
die EssigsÀure in ihrer Textur gelöst und erweicht war.
Personen mit empfindlicher Haut konnten es jedoch nicht
lange damit aushalten.
° Ich machte dasselbe nach und suchte es noch zu ver-
bessern, indem ich concentr. EssigsÀure zuerst mit Gummi
Ammoniacum und Gummi Galbanum emulgirte, dann StÀr-
kemehl zusetzte und gelind erhitzte, darauf sogleich ein we-
nig Fett darĂŒber strich und es dann spĂ€ter gut durcheman-
der mischte. â /
Das Enthaarungsmittel Busma des E. BĂŒhligen in
Leipzig
ist das allgemein bekannte orientalische Rhusma
(Rhusma turcarum, ein im Orient zur Wegnahme der
Baarthaare gebrÀuchliches Gemenge aus Aetzkalk, Auripig-
ment und Wasser, welches in Breiform aufgetragen wird.
Handwörterb. d. reinen und angew. Chemie Bd. VI, 8. 863).
Ein Gemisch von 2â3 Th. Schwefelarsen mit 15 Th. gepul-
vertem Aetzkalk muss hier mit 1 Thaler fĂŒr das Loth bezahlt
werden, wÀhrend es mit 1 Groschen schon gut bezahlt wÀre.
(IndustrieblÀtter, Nr. 8, 1872.).
| HE,
167
B. Monatsbericht.
12, Chereme.
Chemische Untersuchung der Beeren von berberis
vulgaris.
Die vollstĂ€ndig reifen, hochrothen FrĂŒchte der Berberis
vulgaris wurden von E. Lenssen nach der Methode von
Fresenius untersucht. â 50 Grm., abgewogen, zerdrĂŒckt,
gepresst und auf das Colatorium gebracht, gewaschen, wieder
zerdrĂŒckt und mit Wasser behandelt, bis Lackmuspapier nur
noch kaum bemerklich reagirte, gaben 1 Liter Filtrat, die
löslichen Bestandtheile enthaltend. Die Untersuchung des
Filtrats ergab:
1) SĂ€urebestimmung mittelst titrirter Natronlauge (100 CU.
derselben 7,217 Grm. AepfelsÀurehydrat entsprechend): 10. CC.
Natronlauge neutralisirten 218,0 Filtrat, entsprechend 6,62%),
AepfelsÀurehydrat.
2) Zuckerbestimmung: 20 CC. titrirter Cyanquecksilberlö-
sung (entsprechend 0,05 Grm. Traubenzucker) erforderten
28,0 CC. Filtrat. Hiernach berechnen sich 3,57%), Trauben-
zucker.
3) Bestimmung des GesammtrĂŒckstandes des Löslichen
200 CC. Filtrat wurden in der Platinschale abgedampft, der
RĂŒckstand bei 100° C. getrocknet, bis sich constantes Ge-
wicht zeigte â 1,3035 Grm. d.i. 13,03%, fester RĂŒckstand.
4) Aschebestimmung: Obiger RĂŒckstand von 200 CC. ein-
geÀschert, gab 0,0960 Grm. = 0,96°/, Asche.
5) Bestimmung der stickstoffhaltigen Substanzen: 200 CC.
Filtrat wurden im Wasserbade zur Trockne abgedampft, zur
Bestimmung des Stickstoffs mittelst Natronkalk aufgenommen
und das Ganze nach der Mischung in ein Verbrennungsrohr
gebracht, wo 10 CC. titrirter Schwefelsiure vorgeschlagen
waren. (10 CC. SchwefelsÀure enthielten 0,4810 Grm. 803
und neutralisirten genau 11,16 CC. Natronlauge.) ZurĂŒck-
titrirt wurden 10,1 CC. Natronlauge, so berechnet sich der
Stickstöffgehalt zu 0,0798%, und nach dem VerhÀltniss
15,5 : 100, berechnen sich somit die stickstoffhaltigen Sub-
168 Chemische Untersuchung der Beeren der Berberis vulgaris.
stanzen zu 0,51%. Der Gesammtgehalt des Löslichen in
Procenten betrÀgt wie angegeben:
13,03 9;
darin anâ Traubenzucker Sa
freier SĂ€ure 6,62 â
stickstoffhaltigen Substanzen 0,51 â,
Asche VER 55
6) Aus der Differenz ergeben sich die
löslichen Pectinkörper zu Dal
Der unlösliche Theil der 50 Grm. Beeren wurde bei
100°C,. andauernd getrocknet, bis derselbe constantes Gewicht
zeigte, und wog derselbe sodann 6,1450 Grm. â Die Kerne
wurden von den Schalen mechanisch getrennt und gewogen.
7) Dieselben ergaben 4,0200 Grm. â 8,04%, Kerne,
FĂŒr Cellulose und Pectose blieben somit noch 2,125 Grm.
8) Die Gesammtasche des Unlöslichen von 50 Grm. Bee-
ren wog 0,1785 Grm. â 0,357 %, Asche.
9) FĂŒr die Bestimmung der Pectose wurden 50 Grm.
Beeren mit wenig Wasser zerquetscht, mit verdĂŒnnter Schwe-
felsÀure (1 Thl. SOŸ und 20 Thle. HO) versetzt und mehre
Tage bei mÀssiger Temperatur digerirt, solange, bis alle
Pectose gelöst war und die reine Oellulose sammt Kernen zurĂŒck-
blieb. Die letztern wurden sodann mechanisch entfernt. Die
Cellulose, bei 100° C. getrocknet, wog 1,2765 Grm., sonach
2,55, Cellulose. Pectose und Ăellulose von 50 Grm. Beeren
wogen nach
7 â 2,1250 Grm.
Cellulose nach 9 â= 1,2765 â
10) Sonach Pectose â 0,8485 Grm. = 1,69°/, Pectose.
Die Analyse ergiebt fĂŒr die FrĂŒchte der Berberitze fol-
sende Zusammensetzung:
Fruchtzucker 3,97
freie SĂ€ure 6,62
Pflanzeneiweiss 0,51
lösliche Pectinkörper 1,37
Asche 0,96
Summe des Löslichen 13,035
Kerne 8,04
âSchale und Cellulose 2,56
Pectose 1,69
Asche des Gesammt-Unlöslichen (0,357)
Summe des Unlöslichen 12,290
Wasser 9775)
100,000.
Chlorbenzoyl, ein neues Reagenz auf Weingeist. 169
Bei der Untersuchung des Saftes der Beeren konnten
WeinsÀure und CitronensÀure nicht nachgewiesen werden
und wurde desshalb in der Analyse die SĂ€ure als Aepfel-
sĂ€urehydrat ausgedrĂŒckt. Eine Angabe HermbstĂ€dts, wonach
der Saft der Beeren der Berberitze freie EssigsÀure enthalten
soll, fand Lenssen in keinem einzigen Versuche bestÀtigt.
Eine andere, flĂŒchtige, aromatische SĂ€ure liess sich dagegen
erkennen und erinnerte die deutlich saure Reaction des 'zuerst
ĂŒbergehenden Destillationsproductes und die mit ammoniakali-
scher Silberlösung eintretende flockige FÀllung und rasche
BrÀunung dieses Niederschlags am Lichte an das bei der
Destillation der Vogelbeeren sich bildende flĂŒchtige Vogel-
beeröl. Lenssen lÀsst es dahin gestellt, ob diese neue SÀure
identisch mit der VogelbeersÀure ist,
Die Analyse der Beeren der Berberitze zeigt einen hohen
Gehalt an treier SÀure und einen verhÀltnissmÀssig niedern
Gehalt an Pectinkörpern. Da die Beeren nur AepfelsÀure
enthalten, so bieten sie ein geeignetes Material fĂŒr die Dar-
stellung dieser SĂ€ure dar, sind geeigneter als die FrĂŒchte
von Sorbus aucuparia, welche meist zur Darstellung der
AepfelsÀure empfohlen werden. Die Beeren dieser letztern
enthielten nach einer vorgenommenen Bestimmung 1,58 %,
AepfelsĂ€urehydrat. Es stimmt hiermit die Angabe Winklerâs
(Jahrbuch fĂŒr praktische Pharmacie 1, 13) ĂŒberein, wonach
22,7 Thle. Vogelbeeren, 1 Thl. Àpfelsaures Bleioxyd liefern,
also 1,50°/, AepfelsÀurehydrat enthielten., (Berichte der deut-
schen chem. Gesellschaft. 3. Jahrgang.).
R. Bender.
Chlorbenzoyl = CâH?0Cl, ein neues Reagenz auf
Weingeist, nach Berthelot.
Chlorbenzoyl wird in BerĂŒhrung mit kaltem, oder selbst
lauwarmen Wasser nur sehr langsam zersetzt; enthÀlt jedoch
das Wasser Weingeist, wenn auch nur 1 Procent, so ent-
steht sofort Benzo@öÀther; dieser wird vom ĂŒberschĂŒssi-
gen Chlorbenzoyl aufgenommen, beim ErwÀrmen mit wÀssri-
ger Kalilauge frei gemacht und am Geruch erkannt. (Ann.
Ch. Pharm. April 1872 162, 192.).
170
II. "Toxikologie.
Versuche ĂŒber Einwirkung einer Luft, welche schwef-
lige SÀure, ArsendÀmpfe, feinzertheiltes
Bleioxyd und feinzertheilten Russ enthielt,
auf junge Fichten.
Von Adolph Stöckhardt, Prof. in Tharand.*)
Die Veranlassung zu diesen Untersuchungen ward dem
Verf. bereits im Jahre 1849 durch den amtlichen Auftrag
gegeben, nĂ€here, Untersuchungen ĂŒber die Art und Grösse
der schÀdlichen Einwirkung, welche der Rauch der Freiber-
ger HĂŒttenwerke auf die den letztern nahe liegenden Feld-,
Wiesen- und WaldstĂŒcke ausĂŒbe, anzustellen. Nach den
betr. Untersuchungen konnte kaum zweifelhaft sein, dass der
Grund der acuten Vergiftung der Pflanzen durch den
HĂŒttenrauch der Wirkung der schwefligen SĂ€ure, deren An-
wesenheit in diesem Rauch auch schon in der NĂ€he der
KRöststÀtten durch den Geruch sich ergab und deren Wir-
kung durch anderweite Beobachtungen analoger Art bestÀtigt
wird, zuzuschreiben sei. Neben diesem Factum macht Verf.
noch darauf aufmerksam, wie die anderweite Benachtheiligung
der nahen Umgebung der HĂŒtten durch chronische Ver-
giftung des Erdbodens in Folge abgelagerter metallischer
Bestandtheile aus dem HĂŒttenrauche oder den aufgeschwemm-
ten PochrĂŒckstĂ€nden stattfinden und die ErtragsfĂ€higkeit des-
*) Vergl. Christel, ĂŒber die Einwirkung von SĂ€uredĂ€mpfen, ins-
besondere der SalzsÀure, auf die Vegetation. Archiv der Pharmaeie. 1871.
September. 8. 252 ff.
4
Versuche ĂŒber Einwirkung einer Luft, welche schweflige SĂ€ure ete.: 171
selben verringert, endlich völlig aufgehoben werden
könne.
BestÀtigt wurde die Annahme von der Àtzenden Wir-
kung der schwefligen SĂ€ure bei einer Besichtigung der Na-
delholzwaldungen der Umgegend im Jahre 1854, wo nicht
allein BÀume von perennirender Lebensdauer in nÀchster
NĂ€he der HĂŒtten, sondern auch entfernter gelegene Obst-
und WaldbÀume mehr oder weniger afficirt befunden wurden.
Diese schÀdliche Einwirkung erstreckte sich bis auf etwa
3500 bis 4000 Fuss Entfernung und liess sich auf Grund
derselben auch bei den FeldfrĂŒchten und beim Gesundheits-
zustande des Rindviehs wahrnehmen, ja dieselbe dehnte sich
in der Richtung der herrschenden Winde bis zu einer !/, Meile
Entfernang und darĂŒber aus.
Specielle Untersuchungen des Medicinalrath Haubner
ĂŒber die SchĂ€dlichkeit des berĂ€ucherten Futters
haben dargethan, dass bei gewissen WitterungsverhÀltnissen
die sauren DĂ€mpfe sich auf die Pflanzen niederschlagen und
erst diese und dann durch dieselben die Thiere vergiften.
Durch chemische Untersuchung von 6 verschiedenen Stel-
len entnommener, beschÀdigter Fichten-Zweige und Nadeln,
einiger Streu- und Bodenproben, so wie von Schnee in der
NĂ€he der HĂŒtten wurde festgestellt, dass â namentlich auch
im Schnee, â Blei, Arsen und SchwefelsĂ€ure, und zwar in
der Trockensubstanz der festen Objecte 4,0000 bis Yaooo am
Blei Y/,g000 bis Yzo00 an Arsen, Y,goo biS "go. am Schwefel-
sÀure enthalten, so wie dass diese Stoffe auf den Fichten-
stÀmmen und Aesten niedergeschlagen waren.
Verf. hat nun im Verein mit dem Ăberforst-Rath von
Berg directe Versuche zur Ermittelung der Einwirkung der
in der Ueberschrift genannten im HĂŒttenrauche enthaltenen
Substanzen auf lebende Fichtenpflanzen derart angestellt, dass
er die DĂ€mpfe von schwefliger SĂ€ure, von arseniger SĂ€ure,
so wie den durch Verbrennen von Benzin erzeugten Rauch
getrennt auf die in GlasgehÀusen eingeschlossenen Pflanzen
einwirken liess, dieselben auch mit Bleiweiss bestÀubte und
ist zu folgenden Ergebnissen gelangt.
Die schweflige SĂ€ure vermag selbst in sehr grossen
VerdĂŒnnungen, welche bei kĂŒrzerer Einwirkungszeit nicht
mehr sichtlich schaden, doch dann beizend und schÀdigend
einzuwirken, wenn die Einwirkungszeit bedeutend verlÀngert
wird. Es war dem Verf. zu keiner Zeit möglich,â durch den
Geruch die Anwesenheit der SĂ€ure in der Localluft wahrzu-
172 Versuche ĂŒber Einwirkung einer Luft, welche schweflige SĂ€ure et«.
nehmen und dennoch war die schÀdliche Wirkung derselben
nicht ausgeblieben; in der That dĂŒrfte die Kastenluft zu
keiner Zeit mehr als Ysoo,000 bis höchstens Yzyo,000 (das
wĂ€re 1000 bis 1500fach verdĂŒnnter Rauch der Röstöfen)
an schwefliger SĂ€ure enthalten haben.
Rothbuche und Spitzahorn, in gleicher Weise mit gas-
förmiger schwefliger SÀure behandelt, wurden erst dann affı-
eirt, als die Luft mit 1/,0,000 Schwefliger SÀure imprÀgnirt
war; das Gelbwerden und Absterben der BlÀtter fand bei der
Rothbuche nach zweimaligem, beim Spitzahorn nach sechs-
maligem RĂ€uchern statt, was fĂŒr eine geringere Empfindlich-
keit der Laubhölzer im Vergleich mit den Nadelhölzern gegen
die gasförmige schweflige SĂ€ure und sonst auch gegen HĂŒt-
tenrauch sprechen dĂŒrfte.
Nach Freytagâs Versuchen zerstört eine Luft, welche
mehr als %/;,,o0o0 dem Volumen nach (0,0018 Vol. Proc.) an
schwefliger SÀure enthÀlt, die Chlorophylimassen der feuchten
srĂŒnen BlĂ€tter von Weizen, Hafer und Erbsen derart, dass
man schon nach wenigen Stunden die Zerstörung deutlich
wahrnehmen kann. Hiernach halten die landwirthschaftlichen
Pflanzen hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit gegen schweflige
SÀure.die Mitte zwischen Nadel- und Laubhölzern.
Zu den ArsenrÀucherungen wurden Arsenmetalle
verwendet und in 86 solcher RĂ€ucherungen zusammen reich-
lich 1%), Loth arsenige SĂ€ure erzeugt. Obgleich auf den
Zweigen der Versuchsfichte ein grosser Theil derselben ver-
diehtet war, erlitt die Pflanze weder im !Ansehen noch
in der Vegetation irgend eine nachtheilige VerÀnderung.
Es wird hierdurch das schon frĂŒher von dem Verf. abgege-
bene Gutachten, dass die auf den Pflanzen niedergeschlagene
arsenige SĂ€ure ungleich milder auf deren Organismus wirkt,
als wenn der Arsenik durch die Wurzeln oder die verwun-
dete Rinde in die Pflanzen gelangt, bestÀtigt.
Die Versuche mit Russ und die mit Bleioxyd gaben
nur negative Resultate und harmonirten die Ergebnisse der
Versuche mit Russ gut mit der alten Erfahrung, dass der
Holzruss, wie z. B. derjenge der Köhlereien, den selbst nahen
BĂ€umen keinen Schaden bringe, wie dieselben zugleich gegen
die von Physiologen ausgesprochene Annahme sprechen, dass
der Steinkohlenruss um deswillen schĂ€dlich fĂŒr die Pflanzen
sei, weil er die Spaltöffnungen der Nadeln und BlÀtter ver-
stopfe und verklebe. Die vorstehenden Versuche weisen viel-
mehr bezĂŒglich des HĂŒttenrauchs mit Entschiedenheit darauf
Vergiftung mit Argentine. . 173
hin, dass dessen beizende, bleichende und schliesslich tödtende
Einwirkung auf die Nadeln und BlÀtter der Pflanzen sei-
nem Gehalte an schwefliger SĂ€ure zuzuschrei-
ben sei, und die weitere Schlussfolgerung liegt nun nahe
genug, die durch den Steinkohlenrauch veranlassten
SchÀdigungen der gleichen Ursache zuzuschreiben. (Der che-
mische Ackersmann. Nr. 1. 1872. S. 24 f.).
Abg.
Vergiftung mit Argentine.
Unter dem Namen Argentine wird von Galanteriewaa-
renhandlungen ein Versilberungsmittel angeboten, das aus
der Apotheke in Beetzendorf, Reg.-Bez. Magdeburg,
stammt und in kleinen, etwa 1%/, Unzen fassenden, rothver-
siegelten GlÀschen zu 1 fl. 30 Xr. verkauft wird. G. Mar-
tius beobachtete bei einer Dame, die etwa einen Kaffelöffel
voll dieses Mittels zum Versilbern mehrer MetallgegenstÀnde
verwendet hatte, die heftigsten, 3 Tage andauernden Vergif-
tungssymptome. Nach der von A. Buchner vorgenomme-
nen Untersuchung ist diese Argentine eine Auflösung von
Cyansilber in concentrirter Cyankaliumlösung,
vermischt mit etwas Schlemmkreide, und gehört somit zu den
heftigsten Giften. Im vorliegenden Falle hatte das blosse .
Einathmen der sich entwickelnden BlausÀuredÀmpfe sowohl
intensiv örtliche als allgemeine Intoxicationserscheinungen
hervorgerufen. (Aerztl. Intellgbl. 1872, Nr. 11; daraus im
N. Jahrb. f. Pharm. MĂŒĂ€rz 1872, Seite 172.).
H.L.
174
III. Naturgeschichte und Pharma-
cOgNnosie.
Die miocene Flora Spitzbergens.
OĂ. Heer, der Monograph der Pflanzen der TertiĂ€rzeit
giebt in seinem Werke: die miocene Flora und Fauna Spitz-
bergens, Stockholm 1870, eine AufzÀhlung aller derjenigen
Pflanzen, welche bis jetzt aus der Flora der TertiÀrzeit aus
Spitzbergen bekannt geworden sind. Die Materialien zu
diesem Werke haben die in den Jahren 1858, 1861, 1864 und
1868 von Schweden ausgerĂŒsteten Expeditionen geliefert.
Besonders war es die letzte Expedition, die das reichste
Material lieferte, indem die Prof. Nordenskiöld und Malm-
sren nebst dem Stud. Nauckhoff von derselben 1700 StĂŒck
. PflanzenabdrĂŒcke mitbrachten, von denen 1200 am Cap Starat-
schin und 500 in Kingsbai gesammelt waren. Die
frĂŒheren Expeditionen hatten die PflanzenabdrĂŒcke von 17
miocenen Pflanzenarten von Bellsund und Kingsbai und
eine aus dem GrĂŒnhafen des Eisfiordes bekannt gemacht.
Der im Hintergrunde des Eisfiordes liegende Berg, der den
Namen âHeersbergâ erhalten hat, besitzt ebenfalls eine
PflanzenabdrĂŒcke enthaltende Schicht. Die reichste FundstĂ€tte
fossiler Pflanzen in Spitzbergen ist jedoch das oben genannte
Cap Staratschin, das auf der SĂŒdseite des Einganges in
das Eisfiord bei 78%5 n. Br. und 14° östl. L. liegt. Dort
lebte eine lange Reihe von Jahren ein russischer Rennthier-
jÀger, von dem das Cap den Namen trÀgt.
Im Ganzen weist Heer gegenwÀrtig 111 Pflanzenarten
nach, welche nach dem bis jetzt bekannten Material zur
TertiÀrzeit das jetzt mit Gletschern bedeckte Grönland
bewohnten. Darunter ist die Gruppe der Ooniferen mit
Die miocene Flora Spitzbergeiis. 175
26 Arten vertreten, â dabei die Sumpfeypressc (Taxo-
dium distichum), sowie eine nah verwandte Art von
Sequoia sempervirens (S. Nordenskioldi) und eine Libo-
cedrus (L. Sabiniana) als sehr verbreitete BĂ€ume der
Niederungen. Die mehr auf höher gelegenem Terrain wach-
sende Gattung Pinus war in den Waldungen Spitzbergens
mit 12 Arten vertreten und zwar gehörten davon 2 Arten
zu den 2-nadeligen Föhren, eine zu den 3-nadeligen
TĂ€den, 2 zu den 5-nadeligen Weymuthskiefern,
2 zu den Fichten, 2 zu Tsuga und 2 zu den Weiss-
tannen; es fanden sich mithin dort damals Typen gesell-
schaftlich, die jetzt theils in der alten Welt, theils in der
neuen Welt auf der nördlichen Halbkugel vorkommen.
Die Monocotyledonen sind durch 8 Familien und
33 Arten vertreten, darunter eine unserem Sumpfrohr nahe
verwandte Pflanze (Phragmites oeningensis), die eine
weite Verbreitung hatte; eine mit Potamogeton natans
nahe verwandte Pflanze (P. Nordenskioldi).
Von den Dieotyledonen gehört weit aus die grösste
Zahl der bis jetzt entdeckten Arten zu den HolzgewÀchsen.
Am hÀufigsten sind die Pappeln, eine Corylus, 3 Quer-
cus, eine grossblÀttrige Linde, ein Wallnussbaum. Ein
Epheu (Hedera MâClurii) mag an den WaldbĂ€umen, Ă€hn-
lich wie unser Epheu emporgeklettert sein.
Unter den Pflanzen Spitzbergens fĂŒhrt Heer 3 Arten
auf noch jetzt lebende Arten zurĂŒck, nemlich die Rothtanne
(Pinus Abies L.), die Bergföhre (P. montana Mill) und
die Sumpfeypresse (Taxodium distichum).
Ausserdem fĂŒhrt Heer zahlreiche Arten auf, welche mit
jetzt lebenden Arten sehr nahe verwandt sind, wenn sie auch
nicht völlig identisch sind, nemlich 22 Arten, die mit Pflanzen
Amerikas, 5 Arten die mit Pflanzen Asiens und 19 Arten, die
mit Pflanzen Europas ihre Charactere theilen.
Es spiegeln sich mithin nach Heer in der miocenen
Spitzbergener Flora unter den noch lebenden Pflanzenar-
ten solche Nordamerikas, Europas und Nord- und Mittel-
asiens. Tropische Formen fehlen aber ebensowohl, wie die
Formen der jetzigen arktischen Flora.
Spitzbergens jetzige Flora ist arm, im Ganzen sind von
dort nur 110 Arten BlĂŒthenpflanzen bekannt und darunter
nur 3 kleine HolzgewÀchse (Salix polaris, 8. reticulata
und Empetrum nigrum). In der TertiÀrzeit war jenes
Land von mÀchtigen Waldungen bedeckt und es
176 Die Sumbulpflanze.
lebten dort, Pflanzen, die den Formen der jetzigen gemÀssig-
ten Zone entsprechen, â doch war der Charakter jenes
Florengebietes mehr boreal, als das der 8° mehr nach SĂŒ-
den gelegenen TertiÀrflora Grönlands, denn der damaligen
Flora Spitzbergens fehlten die immergrĂŒnen Laub-
bÀume, die sich in jenem Gebiete Grönlands finden. (Ed.
Regel, Gartenflora, Novbr. 1871, S. 348.). (Man vergleiche
Arch. d. Pharm. 1868, II. R. Bd. 136, S. 302.).
HA.L.
Die Sumbulpflanze.
Die letzte Arbeit des in Moskau verstorbenen Prof.
Kaufmann war die ĂŒber die bucharische Sumbul-
wurzel, welche derselbe in den neuen Memoiren der Kais.
Gesellsch. d. Naturforscher zu Moskau (Tom. XIII, 1871)
veröffentlichte und mit einer Abbildung der Pflanze begleitete.
Die Perser haben unter dem Namen âSumbulâ mehre stark-
riechende Pflanzen in den Handel gebracht, so eine Vale-
rianee, (Nardostachys Jatamansi) und ein Zwiebel-
gewÀchs, die gewöhnliche Tuberose (Polyanthus Tu-
berosa).
Der bucharische Sumbul, der geschÀtzteste von
allen, kam erst 1835 ĂŒber Nischni-Nowgorod in den Han-
del und zwar in einzelnen StĂŒcken und Scheiben.
Eine von Sewerzow als Sumbul nach Petersburg aus
Turkestan eingesandete Pflanze ward in der Gartenflora als
âHyalolaena Sewerzowiâ beschrieben, erwies sich aber
nicht als die Àchte Sumbulpflanze.
Im Sommer 1869 gelang es endlich einem Botaniker
Moskauâs, Herrn Fedschenko, die Ă€chte Sumbulpflanze im
Magian-Gebirge in der NĂ€he von Pentschokend aufzufinden.
Von einer Anzahl Wurzeln erhielt der botan. Garten in Mos-
kau 7 noch Leben zeigende Von diesen entwickelte sich
aber nur eine krÀftig, alle anderen starben ab.
Die eine Pflanze kam aber im Sommer 1870 im botani-
schen Garten zu Moskau in BlĂŒthe und erwies sich als eine
mit der Gattung âFerulaâ nahe verwandte Umbellifere,
welche Kaufmann als neue Gattung nach der bedeutenden
Breite der CanÀle der Frucht von Ferula abtrennte und
Ueber die Nutzhölzer PalĂ€stinaâs. 177
âEuryangium Sumbulâ genannt hat. (Gartenflora
Deutschlands, Russlands u. d. Schweiz, Novbr. 1871, 8. 324.).
Die falsche Sumbul, die von Sewerzow aus Turkestan mit-
gebrachte, und als Hyalolaena Sewerzowii beschriebene
Pflanze ist einerlei mit Prangos uloptera DeĂ., welche
in Mittelasien sehr verbreitet ist und von Szovitz in den
Provinzen Aderbeidschan und Nakitschiwan, von Kotschy in
der Gegend von Schiras und am Elbrus, von Aucher-
Eloy in Persien und von Griffith in Afghanistan gefunden
worden ist; es ist sehr wahrscheinlich, dass auch Prangos
pabularia Lindley damit identisch. (a. a. O, 8. 347.).
HT:
Ueber die Nutzhölzer PalĂ€stinaâs
theilt Dr. Oscar Schneider Folgendes mit. Die Verar-
beitung und der Vertrieb verarbeiteter einheimischer Materia-
lien bildet seit langer Zeit einen Erwerbszweig vieler Be-
wohner PalĂ€stinaâs, besonders der Bethlehemiten, die in
Bethlehem selbst und auf dem Platze vor der Grabeskirche
in Jerusalem den Fremden die Erzeugnisse ihrer Kunst mit
unermĂŒdlichen Empfehlungen anbieten. Rohere Arbeiten,
besonders in Holz, erhÀlt man in vielen einsamen griechischen
Klöstern vorgelegt, so im Felsenkloster MarsÀba im Kidron-
"thale,
Zu dieser nationalen Industrie ist in neuester Zeit eine
neue fremde getreten, die von einem deutschen Tisch-
ler angeregt worden ist und in der Hauptsache noch in der
Hand gehalten wir. 0. Schneider sah in dem engen
Laden dieses Tischlers in der Strasse, die vom Johanniter-
hospize nach dem Jaffathore hinfĂŒhrt, sauber gearbeitete und
schön polirte HolzgegenstÀnde kleinen und grossen Formates:
Stöcke, Briefbeschwerer, BucheinbÀnde, Schalen und Karten-
körbehen, Streichhölzchen- und -NadelbĂŒchsen, Lineale und
Papiermesser und dazu grössere Arbeiten, besonders prÀch-
tige, aus verschiedenen Hölzern zusammengesetzte Tischplat-
ten, Schachbretter u. dergl. Jedem dieser StĂŒcke ist in
hebrÀischer oder lateinischer Schrift der Name eines wichti-
gen Ortes aufgeschrieben, von dem das Holz stammt oder
vielleicht â stammen soll.
Arch. d. Pharm. CC. Bda, 2. Heft. 12
178 Ueber die Nutzhölzer PalĂ€stinaâs.
Das verarbeitete Holz ist theils Oliven-, theils Eichen-,
theils âBalsamholz,â ausserdem bisweilen ein schwarzes,
dem Ebenholze gleichendes Material, das aber wohl durch
Beizung gefÀrbt ist.
Der Oelbaum (Olea europaea L.) findet sich an vielen
Orten PalĂ€stinaâs hĂ€ufig, in Pflanzungen die steilen AbhĂ€nge
bedeckend, die nach den schluchtenartigen ThÀlern des Gebir-
ges Juda abfallen. Die Ă€ltesten, welche OĂ. Schneider sah,
stehen in dem klemen Gethsemanegarten; sie sehen
mÀchtigen uralten Weiden völlig gleich und sollen nach dem
Urtheile von Botanikern ĂŒber 1000 Jahre alt sein.
Eichen sind besonders im Norden PalĂ€stinaâs in grosser
Menge und in mehren Arten nachgewiesen.
Der Balsamstrauch, Balsamodendron (Amy-
ris) Opobalsamum Kunth = Opobalsamum decla-
ratum L., eine Terebinthacee, ist in alter Zeit am See
Genezareth und besonders in der Oase von Jericho ange-
pflanzt gewesen, wie die Àltesten Schriften des alten Testa-
mentes, spÀter Josephus und die Schriftsteller der Griechen
und Römer berichten. Nach Plinius hat schon Alexan-
der der Grosse sich tÀglich eine Muschel voll des köstli-
chen Balsams von Jericho bringen lassen; Pompejus hat den
Baum zuerst, wie spÀter auch Vespasian und Titus, im
Triumphzuge in Rom aufgefĂŒhrt. Josephus bezeichnet noch
den Balsam als Jerichoâs köstlichstes Product und Ă€hnlich
preist denselben Dioscorides.
Seitdem nun aber die grossen AquĂ€ducte, die frĂŒher die
Ebene durchzogen, verfallen sind, ist das Gebiet âder Pal-
menstadt,â das dereinst die GĂ€rten der Herodianer
enthielt und noch zu Zeiten des Kreuzfahrers Wilhelm
von Tyrus ein blĂŒhendes Gartenland war, zum grössten
Theil der WĂŒste anheimgefallen und von dem edlen
Balsamstrauche ist dort jede Spur verschwunden. Der heutige
âBalsam von Jerichoâ und damit auch das Balsamholz
der palÀstinensischen Arbeiten entstammt dem Zukkum oder
Zakkum Murha, Elaeagnus angustifolia L.
Auch âan anderen Orten haben sich die im Alterthume
berĂŒhmten Anpflanzungen des Abuschon Jemenâs nicht
halten können. Die bei Josephus erwÀhnte Pflanzung bei
Engaddi am Westufer des todten Meeres soll Cleopatra
nach Aegypten verlegt haben, wo 2 berĂŒhmte BalsamgĂ€rten,
zu Heliopolis und Cairo, bis in die neue Zeit hinein gepflegt
und erhalten wurden, bis endlich auch in Aegypten die letzte
Notiz ĂŒber eine neue Cinchonaspeeies ete. 179
Spur des köstlichen Strauches im Jahre 1615 durch die Nil-
ĂŒberschwemmung verloren ging.
Die kolossalen Massen verkieselter StÀmme, die
östlich von Cairo in dem âversteinerten Waldeâ mei-
lenweit die WĂŒste bedecken, gehörten sĂ€mmtlich einer von
Unger âNicoliaâ genannten Baumgattung an, die sich
unmittelbar an den Balsambaum anschliesst. (Sitzungsberichte
der naturwiss. Gesellsch. Isis in Dresden 1871, Heft Januar,
Februar, MĂ€rz. S. 11â 12.). 98:
Notiz ĂŒber eine neue Cinchonaspecies aus der Pro-
vinz Ocana in Neu-6Granada.
Von J. Eliot Howard.
Vön der Verwaltung des königl. Gartens zu Kew wurde
W. Purdie im Jahre 1844 nach Westindien gesandt, um
dort Pflanzen zu sammeln. Seine Berichte wurden in den
Jahren 1845 und 46 in dem âLondon Journal of Botanyâ
veröffentlicht, die Fortsetzung, welche Berichte ĂŒber Neugra-
nada bringen sollte, blieb leider aus, weil Purdie Director
eines botanischen Gartens auf den Antillen wurde, was seine
volle ThĂ€tigkeit in Anspruch nahm. â Die von ihm gesam-
melten Pflanzen sind gut erhalten und befindet sich darunter
ein Exemplar, welches, gleich einigen andern, im Herbarium
zu Kew, die China de la tierra fria von Velez in der
Provinz Ocana reprÀsentirt. J. M. Eliot Howard giebt an,
dass sie zur BlĂŒthezeit im October 1844 von Purdie selbst
gesammelt und von allen Cinchonaformen verschieden sei.
Das Blatt nÀhert sich in der Gestalt dem der Cinchona ovata
Pavon; die zahlreichen Seitennerven zeigen eine grössere
AusgeprĂ€gtheit und SchĂ€rfe. Die EigenthĂŒmlichkeiten, mit der
lederartigen Beschaffenheit des Blattrandes verbunden, geben dem
lebenden Blatte ein ganz charakteristisches Aussehen. Auch
der BlĂŒthenstand ist auffallend anders, wie bei den benach-
barten Formen. '
Dr. Berthold Scemann beschreibt diese Cinchona
rosulenta Howard (spec. nov.) wie folgt:
Ă. ramulis obtuse angulatis rachidibusque rufo - villoso -
tomentosis demum glabratis; foliis late ovatis v. subrotundo -
ovatis aentis, basi in petiolum Àttenuatis, supra sparse pilosis
12%
180 Notiz ĂŒber eine neue Cinchonaspecies ete.
demum glabratis nitidis, subtus pilosis escrobiculatis, costa
venisque utrinque plus minus villoso -hirtellis, venis utrinque
lateri costae 11 â 14 subparallelis cum costa angulum obtu-
sum formantibus et in nervum marginalem abeuntibus; flori-
bus (pro genere) medioribus axillaribus terminalibusque in pani-
culas laxas multifloras dispositis; pedunculis, pedicellisgue et
ovariis rufo-villoso-tomentosis, calyce cupuliformi pallescenti,
laciniis ovatis acuminatis; corolla lacinias sextuplo superante,
extus sericeo-tomentosa, intus lanatu; capsula....
Nomen vernaculum: Quina de la tierra fria. Habı-
tat in locis altis et frigidis, circa Velez, prov. Ocanıa neogra-
natensis. (W. Purdie).
Aller Wahrscheinlichkeit nach stammt die Rinde, welche
zum erstenmale in der Quinologie von Delondre unter der
Bezeichnung Quinquina rose dâOcana beschrieben
wurde und vor Kurzem sehr hÀufig im Handel war, von die-
ser Cinchona.
Die charakteristischen und bestimmtesten Merkmale die-
â ser Rinde sind einmal: die Festigkeit und Biegsamkeit der
Bastfasern der Innenrinde und die aussergewöhnliche MÀchtigkeit
und Festigkeit der Aussen - Rinde; die OberflÀche zeigt manch-
mal kleine GrĂŒbchen, Ă€hnlich wie dieselben bei der âQuin-
quina rouge dure, die von Uinchona succirubra stammt,
vorkommen und welcher sich die China rosulenta auch
in Form und Farbe nÀhert.
Auch Rampon beschreibt in G. Planchonâs Werke:
âDes Quinquinas,â eine Rinde als âquinguina & quinidine,â
die im Norden von Bogota, zu Velez am Sarcorro in den
Provinzen Ocafa und Pamplona gesammelt wird. Die Rinde
hat dieselbe Structur wie die von ĂCinchona lancifolia, aber
ihre OberflÀche ist vor der Entfernung der schuppigen Epi-
dermis rosa bis dunkelroth gefĂ€rbt. In ihren StĂŒcken ahmt
sie das Aussehen der Quinquina rouge nach, unterschei-
det sich jedoch durch verschiedenen Gehalt an Alkaloiden
(ZeĂŒschrift des allgem. öster. Apoth.- Vereins 10. MĂŒrz 1872,
Nr. 8. 8. 181â 185, wo auch die neue COinchonaspecies abge-
bildet ist). ©. Schultze.
Druckfehler-Verbesserung.
Im Aprilhefte dieses Archivs Seite 5, Zeile 7 von unten muss es
heissen 80,3 anstatt 803. H. Ludwig.
181
C. Literatur und Kritik.
Erdmann-König, Grundriss derallgemeinen Waa-
renkunde. Zum Gebrauche fĂŒr Handels- und Gewerb-
schulen, sowie zum Selbstunterricht, entworfen von Dr.
Otto Linne Erdmann, weil. ord. Prof. d. Chemie a.
d. Univ. Leipzig. Siebente, völlig umgearbeitete und
stark vermehrte Auflage von Dr. Christian Rudolph
König, Oberlehrer fĂŒr Physik und Chemie an der Real-
â schule I. Ordnung zu Leipzig. Mit 43 Holzschnitten und
einer Tafel mit mikroskopischen Abbildungen. Leipzig,
1871, Verlag von Johann Ambrosius Barth. â 472
und XII Seiten in Grossoctav.
Der Erdmansâche Grundriss der Waarenkunde erschien 1833;
eine 2. Auflage (Gr. d. allgemeinen W.) 1852; eine 3. 1857 u. s. w.
Der Herr Bearbeiter der vorliegenden 7. Auflage fand keine Veranlassung,
von dem ursprĂŒnglichen Plane abzuweichen, wohl aber hielt er es fĂŒr
angemessen, eine Anzahl neuer Artikel aufzunehmen (Bronzefarben, Alka-
limetrie, Ammoniak, Blattgold, Dextrin und StÀrkezucker, spinnbare
Pflanzenfasern verschiedener Art, Theerfarben, Fleischwaaren, Darmsaiten,
GoldschlÀgerhÀutehen, Phosphorit) und sÀmmtliche Àltere Paragraphen
einer den neuesten Erfahrungen auf dem Gebiete des Handels und der
Industrie entsprechenden Umarbeitung zu unterwerfen, sowie die in der
6. Auflage vorhandenen statistischen Angaben zu vermehren und bis auf
die neueste Zeit fortzufĂŒhren, Ausser einigen neuen Holzschnitten ist auch
eine Tafel mit trefflichen mikroskopischen Abbildungen der Baumwolle,
Leinenfaser, Seide, Schafwolle, der StÀrkekörner des Weizens, der Kar-
toffeln, der Arrow -root und des Reises beigefĂŒgt.
Die Anordnung des reichen Material geschieht nach den 3 Natur-
reichen in Waaren I., aus dem Mineralreiche, II}, aus dem Pflan-
zenreiche und III., aus dem Thierreiche. In der Einleitung wird
gehandelt von dem Begriff und der Eintheilung der Waarenkunde und von
den Kennzeichen der Waaren im Allgemeinen und von der Literatur
der Waarenkunde,
Die Waaren aus dem Mineralreiche reihen sich kapitelweise
wie folgt aneinander.
1) Schmucksteine (Edelsteine): harte (Diamant, Rubin etec.), halb-
harte (Bergkrystall, Opal ete.), weiche (Malachit, Bernstein).
Abbild. der gebrÀuchlichen Schleifformen.
2) Verzierungs- und Baumaterialien; Steingeschirre
(Meerschaum, Bildstein, Speckstein, Topfstein, Serpentin, Gyps, Kalk
und Marmor, Cemente),
182 Literatur und Kritik.
3) Schleif- und Polirmittel, MĂŒhlsteine (Diamantbord,
Smirgel, Bimsstein, Polirschiefer, Tripel, Polirroth, Probirstein,, Schleif-
und Wetzsteine, Feuersteine, MĂŒhlsteinquarz, MĂŒhlsteinlava).
4) ZĂŒnd- und Brennstoffe (Schwefel, Phosphor, Erdöl, Petro-
leum, Asphalt, Steinkohle und Kok, Braunkohle und Torf. Bestimmung
der Heizkraft und des.Brennwerthes der Brennmaterialien).
5) Schreib-âZeichen- und Farbematerialien. a) Graphit, Blei-
stifte, Röthel, Rothstifte Kreide, Zeichenschiefer, Schiefertafeln, Schieferstifte,
lithographischer Stein. b) Farben, weisse: Bleiweiss, Zinkweiss,
Talk, Barytweiss; gelbe: Ocker, Gelberde, Chromgelb, Mineral-, Neapel-
gelb, Operment, Uran-, Zink-, Ultramaringelb i. e. ZnO0,CrO3; Cad-
miumgelb; rothe: Mennige, Zinnober, Realgar; blaue: Smalte, Ultramarin,
Bergblau; grĂŒne: GrĂŒnerde, BerggrĂŒn, ChromgrĂŒn, Schweinfurter GrĂŒn,
Scheeleâs-, Genteleâs, Casselmanns, Rinmanns GrĂŒn, NĂŒrnberger GrĂŒn,
grĂŒner Zinnober, grĂŒnes Ultramarin; braune: Bolus, Umbra, Mangan-
braun; schwarze: Mineralschwarz, Eisenschwarz,. Pastellfarben.
Gold- und Silberfarben. Bronzefarben. ;
6) MineralsÀuren (SchwefelsÀure, SalpetersÀure, SalzsÀure, Aci-
dimetrie).
7) Salze des Mineralreichs. a) Schwefelsaure: Glauber-
salz, Bittersalz, Alaun, Eisen-, Kupfer-, Adler-, und Zinkvitriol;
b) Salpetersaure: Salpeter, Natronsalpeter, Schiesspulver; e) Salzs.
Salze (Chlormetalle): Kochsalz, Zinnsalz, Salmiak ; d) unterchlorigs.
und chlorsaure: Chlorkalk, Chlorimetrie, chlorsaures Kali; e) bor-
saure: Borax; f) chromsaures Kali; g) kohlensaure: Potasche,
kohlens. Kali, Soda, Alkalimetrie, kohlens. Ammoniak; Anhang: Magnesia,
Amianth, Walkerde, Glimmer.
8) Irdene und Glaswaaren (Thonpfeifen, Pfeifenköpfe, Schmelz-
tiegel, Fayence, Steingut, Porzellan, Glas).
9) Metallische Berg- und HĂŒttenproducte (Platin, Gold,
Silber, Quecksilber, Kupfer; Messing, Tombak, Bronze, Argentan; Blei,
Bleiglanz, GlÀtte, Zinn, Wismuth, Zink, Galmei, Antimon, Schwefelanti-
âmon, Eisen, Stahl, Kobalt, Zaffer, Nickel, Arsenik, Braunstein).
Die Waaren aus dem Pflanzenreiche sind unter folgende apa
vertheilt.
1) Nahrungsmittel und GewĂŒrze (Reis, Sago, StĂ€rke, Cacao,
Zucker, Kaffee, Thee, Citronen und Orangen, Rosinen und Korinthen, Fei-
gen, Mandeln, Capern, Kastanien, TrĂŒffeln, Johannisbrod, Pistazien; Pfef-
fer, GewĂŒrznelken, Piment, Cardamom, Vanille, Muskatnuss und Muskat-
blĂŒthe, Ingwer, Zimmt, ZimmtblĂŒthe, Saffran, Hopfen, Senf, KĂŒmmel,
Coriander, Anis, Fenchel, Dill, Calmus, Cichorien).
2) GĂ€hrungs- und Destillationsproducte (Wein, Bier, Brannt-
wein, Alkohol, Alkoholometrie, Essig).
3) Materialien zum Verspinnen, Weben, Flechten; Zeuge,
Garn, Papier u.s. w. (Baumwolle, Baumwollengarn 3 Baumwollen-
zeuge; Flachs, Hanf und ihre Gespinnste und Gewebe, Jute, Sunfaser,
Manillahanf, Chinagras, neuseelÀnd. Flachs; Papier, Pappe, Pressspahn,
StrohhĂŒte ote. ):
4) Gerbmaterialien, z. Th.als Farbestoffe dienend (Eichen-
rinde, GallÀpfel, Knoppern, Sumach, Dividivi, Bablah, Myrobalana).
Literatur und Kritik. 135
5) Farbstoffe: a) schwarze und braune Farben: Russ, Ca-
techu; b) blaue: Indigo, Waid, Lackmus; e) grĂŒne: SaftgrĂŒn, Lakao;
d) rothe: Krapp, Orseille und Persio, Fernambuk -, Santel-, Campeche-
holz, Safflor; e) gelbe: Orlean, Quereitron, Gelbholz, Wau, Curcuma,
Gummigutt. Lackfarben. Theerfarben (Anilin-, CarbolsÀure- und
Naphtalinfarben).
6) Hölzer, Wurzeln und andere ganze Pflanzentheile zu
versechiedenem Gebrauch (Guajaec -, Buchsbaum-, Mahagoni-, Eben-,
Rosen-, Cedern-, Weichsel - Schlangenholz; TaguanĂŒsse (vegetabil. Elfen-
bein); Stuhlrohr, Bambusrohr, Seegras, Kork, Feuerschwamm, Karden,
Tabak, Rhabarber, SĂŒssholz, Chinarinde, Cascarillrinde, Augusturarinde,
Quassiaholz, Sassafrasholz, IslÀndisches Moos, SennesblÀtter, Sternanis,
Coloquinten, Cubeben, Tamarinden, KrÀhenaugen, BÀrlappsamen, Seidel-
bast, AlthÀwurzel, Enzian-, Jalappen -, Brechwurzel, Salep, Sassaparill- und
Baldrianwurzel. Diese Arzneiwaaren ausfĂŒhrlich zu behandeln, verbot der
beschrÀnkte Raum dieses Grundrisses).
7) PflanzensÀfte verschiedener Art:
a) Gummi und znekerartige SĂ€fte (Gummi, Traganth, Manna,
_ Lakritzensaft) ;
b) Harze, Bal same â Gummiharze und Federharz (Gummi-
lack, Copal, Mastix, Fichtenharz,, Benzo&, Drachenblut, Elemi, Dammar,
Guajacharz, Sandarak, Weihrauch, fester Storax, Terpenthin, Copaiva -,
Mecea-, Peru- u. Tolubalsam; flĂŒssiger Storax, Theer und Pech, Asa
foetida, Euphorbium, Myrrhe u. a.; Opium; Aloö; Cautschuk, Gut-
tapercha.
ec) Fette (Olivenöl, Samenöle, trocknende und nicht trocknende, feste
vegetabilische Fette); Pflanzenwachs.
d) Aetherische Oele und Campher.
8) SĂ€uren und Salze aus dem Pflanzenreiche (Sauerklee-
salz, Weinstein, Bleizueker und GrĂŒnspan). â
Die Waaren aus dem Thierreiche sind in folgenden Kapiteln
abgehandelt:
1) Nahrungsmittel (Austern, Caviar, HĂ€ring, Stockfisch, Fleisch-
waaren, Fleischextract, KĂ€se, Honig).
2) Arznei- und Parfumeriewaaren (Moschus, Bibergeil, Ambra ;
Canthariden, Blutegel).
3) Kleidungsstoffe, Federn u. s. w. (Seide und sSeidenstoffe,
Wolle, Wollengarn und Wollenzeuge, Ziegen-, KĂ€mel-, Kamcel-, Ross -,
Hasen -, Kaninchen-, Biberhaar,, Schweinsborsten; ThierhÀute und Felle,
Leder, Federn, BadeschwÀmme).
4) Materialien zu Kunstartikeln u.s. w. (Elfenbein, Knochen,
Horn, Fischbein, Schildkrot, Perlen und Perlmutter, Korallen, Hausen-
blase, Leim, Darm saiten, GoldschlÀgerhÀutchen, Albumin).
5) Fa rb ewaaren (Cochenille, Lacklack und Lackdye, Sepie, Berli-
nerblau, blausaures Kali, Beinschwarz).
6) Fettsubstanzen (Talg, Kerzen, Seife, Glycerin, Thran, Wal-
rath, Wachs).
7) DĂŒngemittel (Guano, Phosphorit, Sombrerit).
Wir finden in diesem trefflichen Werke auf engem Raum einen rei-
chen Schatz des Wissens zusammengedrÀngt und kann ich mir nicht
versagen, einige Einzelnheiten herauszunehmen, als Belege fĂŒr meine
Behauptung.
184 Literatur und Kritik.
Bernstein. Der Hauptfundort ist die samlĂ€ndische KĂŒste von Pil-
lau bis Gross- Hubniken. Die Bernsteingewinnung an dieser 3 Meilen
langen Strecke ist von der Regierung verpachtet. Man gewinnt ihn im
Samlande durch Schöpfen am Strande, Stechen auf Boten in. der See,
Baggern und durch GrÀberei in der blauen Erde der Strandberge. Die
jÀhrl. Ausbeute betrÀgt ungefÀhr 200,000 Pfund, wovon die HÀlfte auf das
Schöpfen und Stechen (bei gĂŒnstiger Windrichtung ist der Ertrag einzel-
ner SchöpfstrÀnde oft sehr bedeutend), 30,000 Pfund auf den GrÀberei-
betrieb in den Strandbergen und 70,000 Pfund auf die Baggerei fallen.
Das Baggern wird in neuester Zeit namentl,. im Curischen Haff in sehr
grossartigem Maasstabe betrieben. Man sortirt die BernsteinstÀrke und
bringt sie in 6 Qlassen:
1) Sortiment oder HauptstĂŒcke, 2) Tonnensteine, 3)Kno-
tel, 4) Firnisssteine oder Graus, 5) Sandsteine und 6) Schleick.
Das grösste bekannte StĂŒck von 13Âź/, Zoll LĂ€nge, 81/, Zoll Breite
und 3â6 Zoll Dicke befindet sich im Berliner Museum; es wiegt ĂŒber
131/, Pfund.
Erdöl. Der Export von Petroleum aus den vereinigten Staaten
betrug 1861 1,194682 Gallons; 1869 102,394421 Gallons (1 Gallon â
4,54 Liter; 1 Gallon Petroleum enthÀlt durchschnittl. 6'/;, Pfund). WÀhrend
des Monats Januar 1870 wurden tÀglich 10000 Barrels rohes Petro-
leum â= 26000 Zollcentner desselb. zu Tage gefördert, was auf eine jĂ€hr-
liche Produetion von 3,650,000 Barrels oder beinahe 10,000,000 Zolleent-
ner schliessen lÀsst. (1 Barrel = 145,39 Liter; 1 Barrel Petroleum ent-
hÀlt ungefÀhr 260 Pfund).
Steinkole. Die ausgedehntesten Steinkohlenlager befinden sich in
Nordamerika, so nimmt z. B. das sogenannte Apalachische Kohlen-
feld, welches sich vom Erie- See durch Pennsylvanien, Virginien, Ken-
tucky, bis an den Fluss Tennesee hinzieht, eine OberflÀche von 2800 geo-
graphischen Quadratmeilen ein.
Schieferstifte. Fast sÀmmtliche im Handel vorkommenden Schie-
ferstifte kommen aus einem Bruche in der NĂ€he von Sonneberg, der die
ganze Welt mit dergleichen Stiften versieht,
Barytweiss, Permanentweiss (schwefels. Baryt), wird auch als
mineralisches Lumpensurrogat in der Papierfabrikation angewendet.
(So findet man es auch in dem weissen Filtrirpapier. H. Ludwig).
Operment. Die Juden benutzen das Rauschgelb zum Rasiren,
wobei sie keine Messer benutzen dĂŒrfen, daher auch die Hauptconsum-
tionsgegenden in Europa das sĂŒdliche Russland, die Wallachei u. s. w. sind.
Surrogate fĂŒr Metallbroncen: Glimmerbroncen. Wolf-
ramverbindungen: das Wolframoxyd-Natron, prachtvoll- gold-
gelbe glÀnzende Krystalle, das entsprechende Kalisalz violette Krystalle
mit Kupferglanz, das Lithionsalz stahlblaue Krystalle, das Wolf-
ramoxyd dunkelstahlblaues Pulver; das Chromchlorid prachtvoll
violette glÀnzende BlÀttehen; das goldgelbe schuppigkryst. Jodblei etc.
Salonfeuerwerkskörper enthalten keinen Schwefel, sondern
Schellackpulver als Bestandtheil, um beim Abbrennen die Entwickelung
der lÀstigen SO? zu vermeiden.
BorsĂ€ure. Die jĂ€hrliche Production ders. in Toskana betrĂ€gt ĂŒber
3 Millionen Kilogramme trockner SĂ€ure. Californien liefert auch
BorsÀure. Der Borax ist ein zweckmÀssiges Mittel zur Vertilgung der
Schaben (Blatta orientalis).
Stassfurter Abraumsalze, Kalihaltige: Sylvin oder Leo-
poldit = KCl; Carnallit = KCl, 2MgCl + 12H0O; Kainit
Literatur und Kritik. 185
KCl + 2(Mg0,S03 + 6H0). Schönit = K0,S0° + Mg0,S03 + 6HO;
Polyhalit = K0,S03 + Mg0,503 + 2(Ca0,S03 + 2HO).
Glas. Ausgezeichnete Spiegel liefert auch die Fabrik in Pe-
tersburg, welche hinsichtlich der Grösse ihrer Erzeugnisse unĂŒber-
troffen ist.
Platin. Die vorzĂŒglichsten Bezugsorte des verarbeiteten Platins
sind die Fabriken in Paris (Desmoutis und Quennessen, Gebr.
Chapuis, Godart und Labordenave), in London (Johnson,
Matthe'y et Co., sie haben einen massiven Block von Platin, 21/, Cent-
ner schwer ausgestellt) und Hanau (C. W. HerÀus).
Gold. Die gesammte jÀhrl. Goldproduetion betrÀgt 800000 bis
900000 Pfund, im Werthe von 372 bis 418 Millionen Thaler. Hiervon
kommen auf Australien ungefÀhr 112 Mill. Thl., auf Californien
90 Mill, auf Mexiko 35 Mill., auf Russland 32 Mill., auf SĂŒdamerika
20 Mill. und auf Oesterreich 13 bis 14 Mill. Thaler.
In Australien wurde 1858 ein Goldklumpen von 184 Pfund 9 Unz.
Gewicht gefunden, 55840 Thaler an Werth.
In den Buchbindereien Leipzigs wird jĂ€hrlich fĂŒr 45 bis 50000 Tha-
ler Blattgold verarbeitet.
Zinn. In reinem Bancazinn fand man 99,96 Proc. Zinn; die
0,04°/, fremder Beimengungen waren Eisen, Blei und Kupfer.
Wismuth. Neuerdings kommen solche Wismutherze als nament-
lieh Wismuthmetall von Peru und Australien in den europÀischen
Handel.
Zink. Oberschlesien produeirt jĂ€hrlich ĂŒber 750000 Centner Zink;
Belgien, namentlich die Umgegend von LĂŒttich, mimdestens 800000 Ctr.,
die rheinischen Gesellschaften "(Umgegend von Aachen), 230000 Ctr.,
Spanien 50000 Ctr,, England 160000 Ctr.
Kadmium. Belgien producirt jÀhrlich gegen 5 Centner, Schlesien
ohngefÀhr 2 Centner dieses Metalls.
Antimon. Das meiste kommt aus Ungarn (4000 bis 5000 Centner
jĂ€hrlich) und den östreichischen Staaten ĂŒberhaupt, so wie aus England;
auch Frankreich und Algier, die deutschen Rheinprovinzen, der Harz, die
reussischen Lande (Schleiz) liefern Antimon.
Schwefelantimon findet man zu Kremnitz, Schemnitz, Felsöbanya
in Ungarn, in Böhmen, Frankreich, am Harz, bei Coblenz cte.;
ferner in grosser Menge in Algier, Ostindien, Borneo, Peru, Persien,
Kabul.
â Eisen. Production, jĂ€hrliche:
Millionen Centn. Millionen Oentn,
Grossbrittanien 90,0 â Schweden 4,50 .-
Frankreich, 24,5 r Norwegen 0,50 a
Vereinigte Staaten 20,2 A Australien 2,00 1%
Preussen 10,3 e Spanien 1,20 %
Das ĂŒbrige Deutschland 4,25 â, DĂ€nemark 0,30 â
Belgien 725 â Schweiz 0,30 a
Oesterreich 0,10 2. Italien 0,75 2
Russland N 9,55 Mi
169,25 â 169,25
Also in Summa beinahe 179 Millionen Centner. 178,80 RR
Zucker. Frankreich produeirt 4'/, Mill. Zolleentner RĂŒbenzucker,
der Zollverein A Mill., Oesterreich 2 Mill,, Russland 1°/, Mill., die ĂŒbri-
186 Literatur und Kritik.
gen europĂ€ischen Staaten 1,06 Mill. Die Gesammtproduction an RĂŒben-
zucker betrĂ€gt gegen 14 Mill. Centner, wĂ€hrend aus Zuckerrohr ĂŒber
40 Mill. Centner Zucker gewonnen werden, wovon Cuba allein 14 Mill,
liefert. Rechnet man hierzu noch eine ohngefÀhre Production von 4
bis 5 Mill. Centner Ahorn- und Palmzucker, so ergiebt sich als
jÀhrl. Gesammt-Production von kryst. Zucker eine Menge von nahe
60 Millionen Centner,
StÀrkezucker. Im Jahre 1869 betrug im Preussen die Produc-
tion in 49 Fabriken 86836 Centner StÀrkezucker und 194625 Centner
StÀrkesyrup.
Kaffee. An den 4 europÀischen HauptmÀrkten betrug die Einfuhr
von Kaffee im Jahre 1869 in runden Zahlen: London 71 Tausend Ton-
nen, Hamburg 66 Tausend, Holland 56 Tausend, HĂ€vre 44 Tausend
Tonnen (1 Tonne â 20 Centner).
Davon kamen in Hamburg 34 Mill. Pfund auf Santos (Brasilien),
45 auf Rio, 15 auf Laguayre und Porto Cabello u. je 5%/, Millionen
Pfund auf Domingo und auf ostindischen Kaffee.
Thee. Der jÀhrl. Verbrauch des Thees in Europa betrÀgt circa
72 Millionen Pfund. Die Consumtion ist in England am grössten.
Mandeln. In Hamburg betrug die Einfuhr im Jahre 1867 2,8 Mill.
Pfund, 1868 1,78 Mill. und 1869 1,79 Mill. Pfund; davon kommen auf
Sicilien, Provence und Bari 1"/, Mill. Pfund, auf Barbarice 340000,
Oporto 110000, Lissabon 50000 und auf Malaga und Valence 40000 Pf.
Saffran. Zu 1 Pfund frischem Saffvan sind die Narben von unge-
fĂ€hr 7 bis 8000 BlĂŒthen nothwendig und da diese âbeim Trocknen etwa
*/; am Gewicht verlieren, so geben erst 35 bis 40 Tausend BlĂŒthen 1 Pfund
trocknen Saffran.
Baumwolle. Die Baumwollerndte von Nordamerika lieferte in
Tausenden von Ballen & 450 Pfund;
1862 A800; 1865 3656; 1869 2439.
Ostindien, welches 1858 462000 Ballen exportirte, brachte 1869
schon 1850000 Ballen nach Europa.
Der nordamerikanische BĂŒrgerkrieg hat die Baumwollenproduetion
sehr beeintrÀchtigt. Die GrundflÀche, die zur Erzielung einer Erndte in
d. Ver. St, v. N.- Amerika mit Baumwollenpflanzen angebaut wird, soll
nach amerik. Angaben ungefÀhr der GrundflÀche des ganzen europÀischen
Festlandes gleichkommen.
Gelbe Farbmaterialien. Chinesische Gelbschoten
(Wongshy) sind die FrĂŒchte von Gardenia florida.
Waifa sind die BlĂŒthen von Sophora japonica:
Das Purree (Kameelharn), gereinigt Jeaune indien, englisch
Indian yellow genannt, ist noch ungewissen Ursprungs und besteht
aus euxanthinsaurer Magnesia. Beim Copal sind die Worl6deâ--
schen Angaben berĂŒcksichtigt. Bei Charakteristik der fetten Oele sind die
spec. Gewichte (nach SchĂŒbler) hervorgehoben.
Seide. Ausser dem Maulbeerspinner (Bombyx mori) giebt es
noch folgende erwÀhnenswerthe Seidenraupenarten:
Die Fayararaupe (Bombyx Cynthia), in Bengalen Arrindy, in
Japan Yamamay genannt. Sie lebt auf der Ricinusstaude und spinnt
eine sehr dauerhafte Seide, welche aber nicht so schön wie diejenige des
Morus - Spinners ist.
Die in der Mongolei und China einheimischa Bombyx Pernyi,
welche sich von EichenblÀttern nÀhrt.
Literatur und Kritik. 187
Die Tussahraupe (Bombyx Mylitta) in Bengalen, auch in den
rauheren Tbeilen desselben, vorzĂŒglich von den BlĂ€ttern der Eichen
lebend, liefert einen 6 â 7 mal stĂ€rkeren Faden als der Morusspinner;
sie ist bis jetzt noch nicht in der Gefangenschaft aufgezogen worden.
Bombyx polyphemus auf Eichen und Pa ppeln;.B. cecropia
auf dem wilden Maulbeerbaume und auf Ulmen; sowie B. Bela are
auf Mimosa platensis sind in Nord- Amerika heimisch.
Wie colossal der Consum an Seidenstoffen in AR sein muss,
erhellt daraus, dass die grosse Mehrzahl der mÀnnlichen, wie der weib-
lichen Bevölkerung nicht nur Kleider und Hosen, sondern auch Schuhe,
Stiefeln und MĂŒtzen von Seide trĂ€gt.
Wolle. Die gesammte jÀhrl. Wollenproduction schÀtzt man auf
nahe 1800 Millionen Zollpfund. Davon kommen eirca 600 Millionen auf
die sĂŒdliche HemispbĂ€re, nemlich 150 Mill. auf Australien, 50 Mill. auf
SĂŒdafrika, 400 Mill. auf SĂŒdamerika. Die Vereinigten Staaten von Nord-
amerika produciren ungefÀhr 160 Mill. Pfund. In Europa liefern Gross-
britannien 200 Mill., Frankreich 160, Deutschland mit Holland und Belgien
200 Mill., Oesterreich 50, Italien 20, Spanien und Portugal 80, die euro-
pĂ€ische TĂŒrkei 50, das europĂ€ische Russland 140 Millionen Zollpfund
Wolle.
ThierhÀute, Felle und BÀlge. In Deutschland werden jÀhrlich
eirea 100000 FĂŒchse, 70000 Steinmarder, 30000 Edelmarder, 5000 Dachse
und 5000 Fischottern erlegt, welehe ohngefÀhr den Werth von einer
Million Thalern reprÀsentiren. Die weniger kostbaren, gleichfalls zu
Pelzwerk gebrauchten âdeutschen Felle,â als Hamster-, Katzen-,
Kaninchen- und Lammfelle, haben mindestens den gleichen Werth. Zu
den kostbarsten amerikan. Pelzwaaren gehört das Fell-des schwarzen
Fuchses (canis argentatus), der nur einzeln in den PolarlÀndern
angetroffen wird; ein Fell kostet 200 bis 300 Thaler.
Hat der schwarze Pelz weisse Haarspitzen, so heisst er Silberfuchs
(50 bis 200 Thlr. p. StĂŒck).
Unter den russischen Rauchwaaren steht obenan der Zobel (Mus-
tellina Zibellina (bis 150 Thlr. p. St... Von geringerem Werth, je-
doch von grosser Bedeutung fĂŒr den Handel sind die amerikanischen
Zobel (bis 25 Thlr. p. St... Als vorzĂŒglich bekannte oder allgemein
verbreitete Rauchwaaren sind noch zu erwÀhnen von feineren Waaren:
Nerz oder Nörtz (vom russischen Norka; von Vison americanus
oder V. lutreola); Hermelin (Mustela erminea); Cinchilla aus Chile
und Peru; Grauwerk oder Veh, die aus Sibirien kommenden Winter-
pelze des grauen Eichhörnchen; Kreuzfuchs, Blaufuchs und weisser
Fuchs, von dem im Winter weisshaarigen Polarfuchs; Biberseehunde
(Pelzseehunde) von den SĂŒdseeinseln; Otterfelle, wovon man die ge-
wöhnliche Fischotter (Lutra vulgaris) und die Seeotter (Kamtschat-
kischer Biber) unterscheidet,
Skunks, das im rohen Zustande stark riechende Fell des Stink-
thieres. Von Hauptartikeln seien erwÀhnt: Biber aus Nordamerika und
Russland, Bisamratte, die besten aus Canada; Schuppenfelle (von
WaschbĂ€ren) aus Nordamerika; Virginische FĂŒchse, rothe und
blassgelbe.
Minder wichtige Artikel sind: die Felle der schwarzen und braunen
BÀren, von Affen, Wölfen, Vielfrassen, Tigern, Leoparden, und Löwen;
die Seehundsfelle (Kofferseehund). Auch BÀlge von Vögeln kommen
imRauchwaarenhandel vor z. B. Schwanenpelz, der Pelz des Tauchers
(Grebes), der Wildente, des Pinguin, die prÀparirten DÀlge des Paradies-
vogels, Kolibris u. s, w.
188 Literatur und Kritik.
FĂŒr die amerikan. Pelzwaaren ist London der Hauptmarkt. Die
deutschen Pelzwaaren werden zum grössten Theil auf den Leipziger Messen
verkauft; die nordischen und russischen Waaren finden hier nach allen
Theilen der Welt ihren Absatz und der Handel von amerik. Waaren nach
Russland wird besonders in Leipzig vermittelt. Die jÀhrliche Zufuhr in
Leipzig hat, einen Werth von 6,131,500 Thaler, hiervon kommen auf
amerikan. Rauchwaaren 2,6, auf mitteleuropÀische 2,1 und auf russische
und asiatische fast 1,4 Millionen Thaler. â Ein sorgfĂ€ltig gearbeitetes
Register schliesst das Werk.
Druckfehler sind mir nur sehr wenige aufgefallen;*) das Werk ist
mit grosser Correctheit gesetzt und ĂŒberhaupt vom Herrn Verleger sehr
gut ausgestattet.
Einzelne Unklarheiten kommen vor; so steht 8. 10: ein ganz-
randiges Blatt kann einen glatten oder einen gezÀhnten, gekerbten
Rand haben. â Bei dem Processe der SchwefelsĂ€urebildung ist des Was-
serdampfes nicht ErwÀhnung gethan. (S. 122)
Die Fabrication der StÀrke (S. 236) ist zu kurz abgethan; mangelhaft
ist die Bittermandelöl- Bildung behandelt.
Der Satz S. 257 Z.8S von oben in Betreff des Johannisbrodbaums
ist unklar, es sind wohl die BlĂŒthen gemeint.
Bei Catechu (Seite 321) ist das Catechin oder die CatechusÀure
nicht erwÀhnt und nur von der CatechugerbsÀure die Rede.
Die Angabe auf $. 341, Anmerkung, dass 1 Kilogrm. Fuchsin zu
seiner Erzeugung 3000 Kilogrm. Steinkohlen erforderte, reimt sich nicht
mit den ĂŒbrigen Angaben in jener Anmerkung. â
Da Schleiden schon vor langen Jahren darauf aufmerksam gemacht,
dass es Cascarilla und nicht Cortex Cascarillae heissen mĂŒsse,
weil âCaseaâ eine Rinde und âCascarillaââ eine feine Rinde heisse,
so ist die 8. 360 gebrauchte Ueberschrift Cascarillrinde ein Pleonas-
mus und dafĂŒr immer Cascarille zu setzen, wie auch der Herr Verfasser
in der weiteren Besprechung es thut. â
S. 370. âBeim Kauen fĂ€rbt der Stocklack den Speichel rothâ (die
LackschildlÀuse stecken noch eingetrocknet in den Zellen!)
Bei Mastix ($S. 372) ist die Kauprobe ebenfalls mitgetheilt; es
hĂ€tte hier gesagt werden können, dass Mastix âKauharzââ par excel-
lence sei.
Bei Elemi hÀtte erwÀhnt werden können, dass es einen Dillgeruch
zeige. Opium und Alo& stehen sehr unpassend unter b) den Harzen,
Balsamen, Gummiharzen und Federharzen.
*) S. 32, Zeile 14 von unten sollte stehen eaZzz statt
GasflĂŒsse.
S. 171, Z. 12 von oben sollte stehen 0? 03 anstatt CHR,
S. 330, Z. 6 von unten sollte stehen Rhamnus cathartica anst.
R. ceathartieus.
S. 336, Z. 4 von oben sollte stehen Carthamus tinetorius anst.
C. tinetoria,
S. 345, Z. 8 von oben sollte stehen Sauerkirschbaum anstatt
saurer Kirschbaum.
S. 359, Z. 20 von unten lies Piton-China anstatt Biton -China.
. 362, Z. 13 von oben lies Solenostemma, anst. Solenostemura.
. 589, Z. 5 von unten lies Rapa anstatt raba.
. 390, Z. 2 von unten lies Behen anst. Beten.
RAM
Literatur und Kritik. 189
Bleizuceker und GrĂŒnspan haben eine verfĂ€ngliche Stelle unter
den SĂ€uren und Salzen aus dem Pfianzenreiche erhalten. Hier
macht es sich so recht bemerklich, wie stiefmĂŒtterlich gewöhnlich die
Chemie bei der sogenannten praetischen Eintheilung behandelt wird.
In einem Werke wie dem Erdmannâschen sollten solche Schnitzer
nicht stehen bleiben. Auch in eine Waarenkunde gehört eine Abtheilung
ehemischer PrĂ€parate und in dieser kann man GrĂŒnspan und Blei-
zucker trefllich unterbringen. Auch die Arzneimittel sind so zerfetzt unter-
gesteckt, dass man seinen Augen nicht traut: nach Karden und Tabak
kommt Rhabarber, SĂŒssholz und Chinarinde ete. ete., dann kommt der
$. 236: Einige FrĂŒchteund Samen zuarzneilichem Gebrauch,
Doch nun zum Schluss. Unsere Leser, wenn sie sich auf den Standpunkt
des Kaufmannes und Droguisten stellen, werden dem Buche den rechten
Geschmack abgewinnen und es sei ihnen hiermit aufs Beste empfohlen.
Jena, den 28. MĂ€rz. 1872. H. Ludwig.
Anleitung zur Ausmittelung der Gifte und zur
Erkennung der Blutflecken bei gerichtlich
chemischen Untersuchungen von Dr Fr. Jul.
Otto, weil. Medicinalrath und Professor der Chemie in
Braunschweig. Vierte Auflage. Nach dem Tode des
Verfassers herausgegeben und durch einen Nachtrag vermehrt
von Dr. Robert Otto, Medicinalassessor, Professor der
Chemie und Pharmacie am Collegio Oarolino in Braun-
schweig. FĂŒr Chemiker, Apotheker, Medicinalbeamte und
Juristen; Leitfaden in Laboratorien und bei VortrÀgen.
Mit in den Text eingedruckten Holzstichen. Braunschweig,
Druck und Verlag von Friedr. Vieweg und Sohn. 1870.
XH und 132 S. in Gross - Octav.
Diese vortreffliiche Anleitung erschien im Jahre 1856 in 1., im Jahre
1857 in unverÀnderter, aber mit einem Nachtrage versehener 2., und 1867
in 3. Auflage. Die vorliegende 4. Auflage ist von dem Sohne des anfangs
Januar 1870 verstorbenen Verfassers herausgegeben und mit den erforder-
lichen NachtrÀgen versehen worden, Eine völlige Umarbeitung des Wer-
kes schien ihm unnöthig zu sein, weil die Brauchbarkeit der in der letzten
Auflage empfohlenen Methoden durch wiederholtes Arbeiten mit demselben
von Neuem erprobt sei. Wir finden desshalb noch die Anordnung des
Stoffes: Einleitung, Untersuchung (im Allgemeinen), Untersuchung auf
Phosphor und BlausÀure; U. auf Alkaloide; U. auf metallische Gifte; die
Dialyse in der gerichtl. Chemie; U. auf Alkohol und Chloroform und
Erkennung der Blutflecken. Zu allen speeciellen Capiteln sind NachtrÀge
gegeben und ein neues Capitel: Nachweis der phosphorigen SĂ€ure hinzu-
gefĂŒgt worden. Bei der Besprechung der Alkaloide sind namentlich âdie
schönen Arbeiten von Dragendorffâ vielfach benutzt worden (So
besonders dessen Werk ĂŒber gerichtl. chem. Ermittelung von Giften,
Petersburg 1868). Die SchĂ€rfe und ExaetitĂ€t der Ottoâschen Unter-
suchungsmethoden, dessen minutioese Detaillirung der zum Gelingen der
Versuche nöthigen Handgriffe, Untersuchungsmengen, Apparate und
GefÀsse ist jedem mit solehen Arbeiten Vertrauten bekannt; aber Eins stört
den unbefangenen Leser bei der öfteren Bemutzung des Schriftehens, nem-
190 Literatur und Kritik.
lich die allzu zahlreichen und oft den Text ĂŒberwuchernden Noten und
deren zuweilen allzu scharfer Ton in Beziehung auf den weniger gewandten
Mitarbeiter oder den lernbegierig herantretenden SchĂŒler.
Meine Herren Collegen werden mit mir darin ĂŒbereinstimmen, dass
manches in diesem BĂŒchlein nun zum 4. Male AufgewĂ€rmte ĂŒber den
oder jenen Apotheker in der nÀchsten Auflage wegfallen könnte. (z. B.
der Apotheker, welcher mit solchen schmierigen Untersuchungen nichts
zu thun haben wollte,â Seite 5, Zeile 8 von unten; âder Apotheker,â
der den Ofenrost mit SalzsÀure und chlorsaurem Kali behandeln wolite
S. 52, Z. 2 von unten; âIch will nicht verrathen, welche Classe von
Praeticanten am wenigsten von dem einen Begriff hat, was der Chemiker
viel oder wenig nennt und die Angewohnheit sehr rohen, gedan-
kenlosen Arbeitens ins Laboratorium bringtâ S. 35, Z. 12 von unten;
âMan ritzt das Glas mit einer der zarten Feilen, welche die Gestalt einer
Klinge haben, flach und sehr dĂŒnn sind, oder ritzt mit einem Diamanten:
Dreikantige Feilen sind viel zu roh und grob fĂŒr den Zweck, 8. 53
2. 5 von unten; âich habe gesehen, dass pfundschwere Porzellanreib-
schalen zur Aufnahme der Arsenflecken, genommen waren,â 8. 72, 2.1
von unten; âvier Pfund fassende Woulfâsche Flaschen fĂŒr Marshâschen
Apparat zur Unters. einer halben Messerspitze voll arsenhaltiger Substanz,â
S. 73, Z. 3 von unten).
Bei der scharfen, feinen Ottoâschen Feile wird man unwillkĂŒrlich
an den Ausspruch Franklinâs erinnert, dass ein ordentlicher Arbeiter
auch einmal mit einer Feile bohren könne ete. In Göttingen erzÀhlt sich
die chemische Welt von einem Chymicus, der auf die Frage, wie er einen
Bienenstock auf Arsenik untersuchen wolle, die geflĂŒgelte Antwort hatte:
âman glĂŒht ihn vor dem Löthrohr auf der Kohle.â â Wir wollen vom
Lehrer unterrichtet sein, aber er soll uns dabei freundlich entgegen
kommen.
Damit soll diese Expeetoration beschlossen sein. Einige wenige Be-
merkungen ĂŒber aufgefallene Ungenauigkeiten möge man mir noch ge-
statten.
Bei Besprechung der Phosphoruntersuchung (S. 6,) hÀtte erwÀhnt
werden können, dass FlĂŒssigkeiten, in denen substantieller Phosphor ver-
theilt ist, oder phosphorhaltige Masse, in BerĂŒhrung mit der Luft Nebel
entwiekeln, rauchen.
Wenn Cyanquecksilber in FlĂŒssigkeiten vorhanden ist, so kann Wein-
sĂ€ure allein die BlausĂ€ure nicht austreiben, es muss dann mit verdĂŒnn-
ter SalzsÀure destillirt werden.
Zum Nachweis der BlausĂ€ure im Destillate fĂŒge ich zuerst die
Eisenvitriollösung, dann die Natronlauge hinzu und nach UmrĂŒhren und *
Stehenlassen SalzsÀure; es wird auf diese Weise das Eisenoxydulhydrat
alsbald innigst mit der BlausĂ€ure in BerĂŒhrung gebracht; inniger, als
wenn KEisenvitriollösung in die alkalische BlausÀuremischung gegossen
wird. Ich vermisse die schöne Probe von Henry und Humbert (Bil-
dung von Jodeyan).
Die schöne Probe auf Phosphor und phosphorige SÀure mittelst
Bildung von Phosphorwasserstoff und Beobachtung eines grĂŒnen Flammen-
kegels beim Brennen desselben ist von L. Dusart, nicht Dussard, wie
Otto und leider auch Neubauer (in Fresenius Zeitschr. f. analyt. Chemie
1862, $. 129) schreiben. Ich benutze zu dieser Probe den Marshâschen
Apparat (âden Ottoâschen, wie ihn die Amerikaner nennen,â 8. 66,
Z. 2 von unten), drehe die an der Spitze etwas gebogene Brennröhre nach
unten, setze das PlatinhĂŒtchen auf und tauche so weit in das in einer
kleinen diekwandigen Porzellanschale befindliche Quecksilber, dass die
Literatur und Kritik. 191
Oeffnung des Röhrchens und HĂŒtchens aus demselben heraussieht. Beim
AnzĂŒnden des phosphorwasserstoffhaltigen Wasserstoffgases beobachtet man
den schönen grĂŒnen Flammenkegel.
Im Betreff der Affaire Bocarm& ist zu bemerken, das Stas anfangs
keine Ahnung von der Anwesenheit des Nieotins in den ihm zur Analyse
ĂŒbergebenen Contentis hatte und zuerst nach EssigsĂ€ure suchte.
Hinsichtlich des Nachweises von Pikrotoxin durch AusschĂŒtteln einer
angesÀuerten Lösung mit Aether muss ich meinem verstorbenen Assi-
stenten GĂŒnkel die PrioritĂ€t wahren (Archiv d. Pharmacie April 1858,
IH. R. Bd. 94. S. 14). Auch habe ich zuerst die Beobachtung gemacht,
dass Pikrotoxin bei der Trommerâschen Probe das Cu20O2 zu Cu?O redu-
eirt. (âWer GlĂŒck hat, kommt bei den âJnenâ endlich wohl auf eine
werthvolle Reaction; Otto S. 33, Z. 2 von unten).
Das Digitalin schmeckt nicht kratzend, ekelhaft, sondern
höchst bitter (est dâune amertume horrible. Kosmann).
Bei Besprechung des Schneiderâschen Verfahrens, das Arsen
durch Destillation mittelst Kochsalz und SchwefelsÀure zu isoliren, ist
ganz mit Stillschweigen ĂŒbergangen worden, dass auch durch Destillation
mit SalzsÀure allein aus organischen Gemengen das Arsen der AsOŸ als Arsen-
ehlorid im Destillate erhalten werden kann. (J, v Liebig, chem. Central-
blatt 1857, Nro. 20 8. 305. H. Ludwig, Archiv d. Pharm: 1859, Bd.
.97, 8. 23â 37).
Das Chloroform zerfÀllt beim Hindurchleiten nicht in Kohle, Salz-
sÀure und Chlor, sondern in krystallisirbare und sublimir-
bare Chlorkohlenstoffe, HCl und freies Chlor.
Jena, den 6. April 1872. H. Ludwig.
Jahrbuch fĂŒr Balneologie,â Hydrologie und Kli-
matologie.e Herausgegeben von Dr. E. Heinr.
Kisch, Docent an der Prager UniversitÀt und Brunnen-
arzt in Marienbad. Jahrgang 1871. I. Band. Wien 1871.
Wilh. BraumĂŒller, K. K. Hof- und UniversitĂ€ts - BuchhĂ€nd-
ler. VI und 218 Seiten. Gross- Octav.
Aus verschiedenen GrĂŒnden hat der Verfasser es fĂŒr wĂŒnschenswerth
gehalten, die bislang von ihm herausgegebene âAllgemeine balneologische
Zeitungâ in ein Jahrbuch fĂŒr Balneologie, Hydrologie und Klimatologie
umzugestalten, von dem uns der erste Band vorliegt. Der Inhalt wird
uns in 8 Abschnitten vorgefĂŒhrt: 1) Balneologie, 2) Berichte aus Kuror-
ten, 3) Hydrologie, 4) Klimatologie, 5) Kritik und literarische Anzeigen,
6) Feuilleton, 7) Notizen, 8) Bibliographie.
Im ersten Abschnitte begegnen wir einer Abhandlung des Verf. âzur
therapeutischen WĂŒrdigung der MoorbĂ€der, mit besonderer RĂŒcksicht auf
jene von Marienbad.â Nach einer geschichtlichen Einleitung und nach
AufzÀhlung der bekannteren MoorbÀder wird die Entstehung der Mineral-
moore und besonders die desjenigen von Marienbad besprochen und her-
vorgehoben, dass der Moor nur in verwittertem Zustande zu BĂ€dern Ver-
wendung finden dĂŒrfe, weil dann die ursprĂŒnglich unlöslichen mineralischen
Bestandtheile in lösliche und wirksame verwandelt seien,
Bei Erörterung der bei der Verwitterung vor sich gehenden VerÀn-
derungen wird ein an der OberflÀche des Moores sieh zeigender zarter,
weisser Salzanflug als grösstentheils aus wasserfreiem schwefelsauren Eisen-
192 Literatur und Kritik.
oxydul bestehend bezeichnet; dass dieser Anflug vollstÀndig wasserfrei
sei, erscheint mir zweifelhaft. â Der Eisenvitriol bildet sich aus dem im
rohen Moore enthaltenen doppelt Schwefeleisen, und es wird wohl das
bei vollstÀndiger Verwitterung entstehende zweite Aequivalent Schwefel-
sÀure durch vorhandene andere Basen gebunden werden, so dass nur orga-
nische SÀuren im freien Zustande vorhanden sind. Nach oberflÀchlicher
Berechnung scheint diese Annahme "fĂŒr die aufgefĂŒhrte Analyse Lehmanns
zutreffend zu sein. Der genannte Chemiker hat berechnet, dass in einem
Marienbader Moorbade von 10 Kubikfuss neuem Mineralmoor (möglichst
verwittert) 10â 12 Pfund Eisenvitriol, 14 Loth AmeisensĂ€ure und 17 Loth
anderer flĂŒchtiger organischer SĂ€uren enthalten sind. Dr. Kisch ist ge-
neigt, diesen flĂŒchtigen SĂ€uren eine der Hauptwirkungen der MoorbĂ€der
zuzuschreiben.
Es werden dann die physiologischen Wirkungen dieser BĂ€der, die
Krankheiten, bei welchen sie indieirt sind und Heilungsresulate besprochen,
Am Schlusse giebt eine Tabelle die Analysen verschiedener Mineralmoore.
In demselben Abschnitte bringt ein Aufsatz der Drn. Heymann
und Krebs interessante Versuche ĂŒber die ElectricitĂ€t als wirksames Mit-
tel der MineralwÀsser. Die Verfasser sagen, dass Scoutetten auf diesen
Gegenstand aufmerksam gemacht habe und dass derselbe diejenigen Wir-
kungen, welche man frĂŒher dem Brunnengeiste zugeschrieben, auf elec-
trische Ströme zurĂŒckfĂŒhre, welche durch BerĂŒhrung des Badewassers
mit dem menschlichen Körper entstehen. Die Verf. beschreiben ihre Be-
obachtungen bei der BerĂŒhrung verschiedener Wasserarten (destillirtes*
Wasser, Flusswasser, Brunnenwasser, Thermalwasser); sie bedienten sich
eines Multiplikators von mehren Tausend Umdrehungen und machen auf
die erforderlichen Vorsichtsmassregeln aufmerksam. Die Redaction kann
Scoutetten nicht die PrioritĂ€t zugestehen, diese gebĂŒhre dem Prof. Baum-
gartner; in neuester Zeit seien specielle Versuche von Dr. Pröll in Ver-
bindung mit Ruff, Schwarz und Reissacher angestellt worden.
Es wĂŒrde zu weit fĂŒhren, alle einzelnen Abhandlungen, wenngleich
sie manches Interessante bieten, in dieser Weise zu verfolgen, und wÀre
nun wohl auf die statistischen Mittheilungen ĂŒber die Mineralquellen und
Badeorte des Nassauischen Taunus wÀhrend des Jahres 1870 besonders.
hinzuweisen. Diese bilden mit Berichten aus den böhmischen Kurorten,
aus Jschl und aus Wiesbaden den zweiten Abschnitt.
Im dritten Abschnitte sind u. A. von verschiedenen Autoren ihre
Beobachtungen ĂŒber die Kaltwasserbehandlung des Typhus niedergelegt
und das Verfahren in KrankenhÀusern und in der Privatpraxis beschrieben.
Im vierten Abschnitte hat Dr. Schreiber ausfĂŒhrlich ĂŒber das von ihm
geleitete in Steiermark belegene Sanatorium und die dort erzielten Er-
folge berichtet; spÀter schildert derselbe in Reisebriefen die VerhÀltnisse
von Meran und Arco. Ueber die EinflĂŒsse der Temperatur und Feuchtig-
keit auf die Gesundheit handelt eine Mittheilung des Dr. v. Liebig zu
Reichenhall; der Herausgeber referirt ĂŒber neuere englische Publikationen,
ĂŒber klimatische Therapie bei Lungenphtisis.. Ausserdem finden wir
speciellere Angaben ĂŒber. den Luftkurort Engelberg im Canton Unter-
â walden und Bemerkungen ĂŒber Alpensommeraufenthalte fĂŒr Leidende im
Jahre 1869.
Die nun folgenden Abschnitte, welche nur kĂŒrzere Notizen bringen,
können in dieser Anzeige ĂŒbergangen werden. Als Druckfehler wurde
bemerkt 8. 150 ââChlorhydratsâ anstatt ââChloralhydrats.â R. Kemper.
Halle, Buchdruckerei des Waisenhauses,
ARCHIV DER PHARMACIE,
GC. Bandes drittes Heft.
MINI An annnan
A. Originalmittheilungen.
I. Chemie und Pharmacie.
Ueber die Zersetzung des Feldspathes unter dem Ein-
fluss von Salzlösungen und einiger anderen Agentien.
Von Dr. Alb. Beyer.
Die nachstehenden von Birner und Ulbricht gemein-
schaftlich entworfenen, auf eine lÀngere Reihe von Jahren be-
rechneten Versuche sind in der Absicht angestellt, nach dem
Vorgange von Dietrich einen weiteren möglichst eingehenden
Beitrag liefern zu wollen zur Kenntniss des Verhaltens der
bodenbildenden Mineralien gegen diejenigen Agentien, welche
im Boden entweder schon im natĂŒrlichen Zustande vorhanden,
oder durch DĂŒngung demselben zugefĂŒhrt, nach unserem
Ermessen bei der Verwitterung wirksam sein können. Es
wurde dazu der Feldspath gewÀhlt, weil derselbe ohne
Zweifel einer der wichtigsten Bestandtheile der bodenbilden-
den Gesteinsarten ist, und weil derselbe am leichtesten in
möglichst reinem Zustande in grösserer Menge zu erlangen
ist. Es sollten dabei aber nicht allein die mit HĂŒlfe von Salz-
lösungen u. s. w. aus der Verbindung ausgeschiedenen Be-
standtheile nÀher ins Auge gefasst werden, sondern auch die
qualitative VerÀnderung des Minerals selbst, durch Eintritt
von Bestandtheilen der angewendeten Lösungen, event, Bil-
dung von wasserhaltigen Silicaten, studirt werden. Wird es
nun auch kaum möglich sein, aus derartigen Versuchen un-
mittelbare Folgerungen auf die in dem Boden selbst stattfin-
Arch, d, Pharm. CC. Bds. 3. Hft, 13
194 TUeb. d. Zersetzung d. Feldspathes unt. d. Einfluss v. Salzlösungen ete,
denden Processe abzuleiten, da hier noch viele andere Factoren
in Betracht kommen, so werden dieselben doch immerhin Bau-
steine fĂŒr weitere Forschungen bilden. Der Weg vom Ein-
facheren zum Ăomplieirten dĂŒrfte auch hier der am ersten
zum Ziele fĂŒhrende sem. Die Versuche beziehen sich auf die
Einwirkung folgender Körper:
Wasser fĂŒr sich, Wasser mit atmosphĂ€rischer Luft,
Wasser mit KohlensÀure, Kalk, kohlensaurem Kalk, Gyps,
salpetersaurem Kalk, schwefelsaurem Kalk, schwefelsaurem
Ammoniak, Magnesia, kohlensaurem Kali, salpetersaurem
Natron, Kochsalz und Eisenoxydulhydrat.
Ausserdem wurde noch bei den oben genannten Salzen
und alkalischen Erden die Mitwirkung der KohlensĂ€ure geprĂŒft.
AusfĂŒhrung der Versuche.
Ein Kilogramm geschlemmter Feldspath aus der Porzellan-
fabrik von Moabit wurde mit je 24, Liter destillirten WaÀs-
ser in gerÀumige Glasflaschen gebracht, und diese letzteren
21 GefÀsse folgendermassen beschickt:
No. 1,2 und 3 nur mit Wasser,
4 mit 4, Aequivalent Aetzkalk,
5 und 6 mit 1 Aeg. kohlensauren Kalk,
â8 rl, schwefelsauren Kalk,
mon 1000 sn, salpebersaurenâ Kalk,
11 â12 â 1 â schwefelsauren Ammoniak,
Dane td Lo Macmesia,
16.2 ,als m | Kkohlensauren, Kalı,
17T 18,5: U, â0. salpetersauren Natron,
19.8203. 415°, Chlornatrium;
21 mit /, Aeg. Eisenoxydul,
welches dargestellt war, indem eine Lösung von !/, Aeg.
schwefelsauren Eisenoxydulammoniak in Wasser kalt mit
kohlensaurem Natron gefÀllt und der Niederschlag durch Decan-
tiren mit Wasser ausgewaschen wurde. Durch die 2%/, Liter
Wasser wurde der Niederschlag mit dem Feldspath fein ver-
theilt. Der Versuch sollte den Einfluss des sich langsam
a
Ueb. d. Zersetzung d. Feldspathes unt, d. Einfluss v. Salzlösungenete. 195
oxydirenden Eisenoxyduls auf die Zersetzung des Feldspathes
darthun.
Die GefÀsse 1, 4, 5, 7, 9, 11, 13, 15 und 17 wurden
mit Korken luftdicht verschlossen, welche sowohl auf ihrer
inneren, beim SchĂŒtteln mit der FlĂŒssigkeit in BerĂŒhrung
kommenden Seite, als auch nach Aussen mit einer Wachs-
schicht ĂŒberzogen waren, um dadurch einen luftdichten Ver-
schluss herzustellen. Bei den ĂŒbrigen Versuchen waren die
Korke mit 2 rechtwinklig gebogenen Glasröhren versehen,
von denen die eine bis auf den Boden des GefÀsses reichende
zur Zuleitung der KohlensÀure, resp. der atmosphÀrischen Luft
diente, die andere unterhalb der inneren Seite des Korkes
ausmĂŒndende den Wiederaustritt der nicht absorbirten Kohlen-
sÀure vermittelte. Bei jedesmaliger Erneuerung der Kohien-
sÀure und der atmosphÀrischen Luft wurden die GefÀsse auf
das SorgfĂ€ltigste umgeschĂŒttelt, so dass die FlĂŒssigkeiten mit
dem Feldspath eine gleichmÀssige Masse bildeten. Dasselbe
geschah selbstverstÀndlich zu gleicher Zeit mit den anderen
verschlossenen GefĂŒssen. Ausser der Zeit des Einleitens
waren auch die Glasröhren mit kleinen Korkstopfen ver-
schlossen.
Die Versuche selbst sind eingeleitet und bis zum October
1866 fortgesetzt worden von Dr. Ulbricht, zu welcher Zeit.
dieselben von mir weiter gefĂŒhrt wurden.
Die Zuleitung der KohlensÀure und der atmosphÀrischen
Luft geschah in ZwischenrÀumen von 14 Tagen bis 4 Wochen,
und zwar bei der KohlensĂ€ure in der Weise, dass fĂŒr jedes
GefÀss ein bestimmtes Volumen SalzsÀure von bekannter Con-
centration in das ĂŒberschĂŒssigen kohlensauren Kalk enthal-
tende EntwickelungsgefÀss gebracht wurde. Vor dem Eintritt
in das VersuchsgefÀss wurde die KohlensÀure erst durch eine
Lösung von kohlensaurem Natron gewaschen. Die Erneue-
rung der atmosphÀrischen Luft wurde durch einen Aspirator
vermittelt. WĂ€hrend der ganzen Versuchsdauer sind durch
die GefÀsee 3, 6, 8, 10, 12, 18 und 20 74 Grm. KohlensÀure
geleitet worden. In das GefÀss 14 leitete man schon bei
13*
196 Ueb. d. Zersetzung d. Feldspates unt. d. Einfluss v. Salzlösungenete.
Beginn des Versuchs 24 Grm. und in das GefÀss 16 13 Grm.
KohlensÀure mehr. Durch GefÀss 2 und 21 gingen im Ganzen
148 Liter Luft.
Die Versuche begannen am 11. Juni 1866. Nach eini-
sen Tagen zeigten sich folgende Unterschiede: Bei 1, 2 und
3 hatte sich der Feldspath fest zu Boden gesetzt und war
schwer aufzuschĂŒtteln, die FlĂŒssigkeiten waren opalisirend.
Ein Gleiches gilt fĂŒr 15, 17 und 19. Die FlĂŒssigkeiten aller
ĂŒbrigen GefĂ€sse waren klar. Bei 13 und 14 hatte eine be-
deutende Volumenvermehrung des Bodensatzes, circa um 125
Proe., stattgefunden. Bei Nr. 4 betrug sie ungefÀhr 100 Proc.
Die eben erwÀhnten Unterschiede blieben wÀhrend der ganzen
Versuchsdauer dieselben.
Anfang November 1868 wurde mit der Analyse der
FlĂŒssigkeiten begonnen. Die GefĂ€sse wurden behufs spĂ€teren
Wiederersatzes des Wassers, resp. der entnommenen Salz-
lösungen genau gewogen, hierauf so viel wie möglich klar
abgegossen, und da wo es nöthig war, die abgegossene
FlĂŒssigkeit durch doppelte Filter so lange filtrirt, bis die zur
Analyse zu verwendende Lösung vollkommen klar war. In
der nachstehenden Tabelle sind die Resultate auf die ganze
FlĂŒssigkeit berechnet *).
*) Die Analysen der FlĂŒssigkeiten aus den Versuchen 17, 18, 19, 20
und 21 sind von dem damaligen Assistenten Herrn Dr. Heinrich aus-
gefĂŒhrt worden, alle ĂŒbrigen von dem Berichterstatter.
Ueb. d. Zersetzung d. Feldspathes unt. d. Einfluss v. Salzlösungenete. 197
Es- waren in 2'/, Liter enthalten in Grammen:
- a Ii_ = 49 5
Bei Versuch: Iısı=|@| 8 leuales| ss}
a N A ne Weiss
| âA )ıg 512
1. Destillirtes Wasser .-. .10,051|0,0780,058|0,006| â |0,044/0,049
2. Destillirtes Wasser mit Luft \0,037/0,064.0,044/0,005| â |0,044| ?
3. KohlensÀure . . . . . .|0,071/0,1140,076 0,004 0,009 0,046|0,069
4, Aetzkalk . . . . . .. .»[0,209|0,1740,06710,003|0,0080,041[/0,061
5. Kohlensaurer Kalk . . .)0,042|0,0730,112|0,009| â [0,040|0,019
6. Kohlens. Kalk u. KohlensĂ€ure |0,067|0,094.0,273/0,018| â [0,04110,034
7.GyPps - » 2 2 2.2..../0,053|0,07411,906/0,016| â |2,840]0,033
8. Gyps und KohlensĂ€ure . . â0,068 0,09711,958/0,016| â 12,684[|0,062
9. Salpetersaurer Kalk . . .|0,0410,062) â |0,016| â |0,048|0,036
10, Salpeters.Kalk u. KohlensĂ€ure | ? Âź? | â 10,017| â 1|0,048!0,045
11. Schwefelsaures Ammoniak .:0,161/0,09410,1220,035| â | â |0,066
12. Schwefels, Ammon. u. Kohlens. |0,162]0,1070,147 0,015) â | â [0,056
13. Magnesia . . She . 10,359/0,31510,013|0,004)| â |0,065/0,159
14. Magnesia und KohlensĂ€ure . 0,312 0,255] Spur |7,569! â 10,111|0,048
15. Kohlensaures Kali. . . .| â | â |/Spur|Spur| â 0,048 0,026
16. Kohlens. Kali u. KohlensĂ€ure â | â [0,029]0,007| â [0,040/0,029
17. Salpetersaures Natron . ..0,089) â [0,049/0,003|0,005|0,043|0,060
18. Salpeters. Natron u. Kohlens. |0,096| â |0,120/0,008)0,0090,037)0,032
19, Chlornatrium . ..0,163] â |0,091/0,008|0,0040,040[0,032
20, Chlornatrium u. KohlensĂ€ure 0,183) â 10,123/0,006,0,006 0,034/0,057
21, Eisenoxydulhydrat . . . .|0,086,0,069/0,040|0,004[0,003/0,052|0,036
}
Die Analyse des zu den Versuchen verwendeten Feld-
spaths ergab folgenden Gehalt an Hauptbestandtheilen:
Kalle ", 27400 81 Erde
Natron. N âae ad 0%
Thoherde: tn... 16.0330,
KieselsÀure ; '.. 65,52
Barylaer.ı IE, 00 a...
94,73 Proc.
Die Nebenbestandtheile Kalk, Magnesia und Schwefel-
sĂ€ure wurden nur bei der Analyse der FlĂŒssigkeiten berĂŒck-
sichtigt.
Ergebnisse der Versuche.
Beim Vergleich der zwei ersten Versuchsnummern ergaben
âsich keine wesentlichen Unterschiede. Die Wirkung reinen
Wassers mit oder ohne Luftzutritt war eine nahezu gleiche.
198 Ueb. d, Zersetzung d. Feldspathes unt. d. Einfluss v. Salzlösungen etc,
In die Augen fallender ist in Versuch 3 schon die Mitwir-
kung der KohlensÀure in Bezug auf die Löslichmachung des
Kalis, Natrons und der KieselsÀure.
In Versuch 4 sind durch Aetzkalk bedeutend mehr Alka-
lien gelöst. Derselbe hat aber vorzugsweise Kali aus der
Siliecatverbindung frei gemacht. WĂ€hrend in allen anderen
Versuchen, mit Ausnahme des schwefelsauren Ammoniaks,
die Menge des gelösten Kalis zum gelösten Natron, in dem
VerhÀltniss von ungefÀhr 10: 15 steht, ist das Kali in diesem
Versuche vorwaltend und das VerhÀltniss zum Natron wie
10: 8. Der beim Begimn der Versuche in aufgelöster Form
(als Kalkwasser) hinzugefĂŒgte Kalk ist vollstĂ€ndig unlöslich
geworden, denn es findet sich in der analysirten FlĂŒssigkeit
nicht mehr vor, als schon in blossem Wasser löslich, vom
Gypsgehalt des Feldspaths herrĂŒhrend, vorhanden war. Jeden-
falls hat die Bildung eines Kalkerdesilicats stattgefunden, ohne
dass aber eine dem eingetretenen Kalk aequivalente Menge
Alkalien aus der Verbindung ausgetreten ist. Magnesia ist
weniger, KieselsÀure nur unbetrÀchtlich mehr gelöst, als bei
den vorhergehenden Versuchen.
Sehr wenig hervortretend ist die Wirkung des kohlen-
sauren Kalkes in Versuch 5.
Es findet sich ausser ein wenig Kalk nur noch etwas
mehr Magnesia, als in der Lösung mit destillirtem Wasser.
KieselsÀure tritt in Folge der Bildung von kieselsaurem Kalk
sehr zurĂŒck.
Der doppeltkohlensaure Kalk in Versuch 6 hat nicht
wesentlich stĂ€rker lösend gewirkt, als die KohlensĂ€ure fĂŒr sich.
Es ist wahrscheinlich, dass im Laufe der drei Jahre
grössere Mengen Kalk in Lösung ĂŒbergegangen waren, die dann
in Verbindung mit dem Feldspath getreten sind. Die Ana-
iyse des RĂŒckstandes nach Beendigung der Versuche wird
darĂŒber entscheiden.
Bei der bekannten lösenden Wirkung des Gypses auf die
Alkalien der Ackererde hÀtte man in den Versuchen 7 und 8
mehr Kali und Natron in Lösung erwarten sollen. Die vor-
liegenden Zahlen aber ergeben dem destillirten und kohlen-
Ueb. d. Zersetzung d. Feldspathes unt. d, Einfluss v. Salzlösungen ete. 199
sĂ€urehaltigen Wasser gegenĂŒber durchaus keine Vermehrung
der letzteren. Dieses Resultat dĂŒrfte wohl zu dem Schlusse
berechtigen, dass wahrscheinlich nur derjenige Theil des
Kalis und Natrons der Ackererde durch den Einfluss des
Gypses in Lösung ĂŒbergeht, der, bereits durch Verwitterung
blossgelegt und durch die Ackererde absorbirt, in einem schon
leichter löslichen Zustande vorhanden ist. Auf die Lösung
des angewendeten Gypses selbst ist die KohlensÀure ohne
befördernden Einfluss gewesen. Es ist in der Lösung zwar
etwas mehr Kalk vorhanden, aber weniger SchwefelsÀure,
als bei Anwendung von ypswasser ohne KohlensÀure. Berech-
net man nach Abzug der schon in destillirtem Wasser vor-
gefundenen SchwefelsĂ€ure die zurĂŒckbleibende auf Gyps, so
resultirt in Versuch 7 4,76 Grm. schwefelsaurer Kalk und in
Versuch 8 4,435 Grm.
Nach Anthon*) lösen sich aber in 10,000 Theilen Was-
ser bei gewöhnlicher Temperatur 18,70 Theile wasserfreier
schwefelsaurer Kalk, fĂŒr unseren Fall berechnet mĂŒssen sich
also 4,575 Grm. in Versuch 7 gelöst haben. Die wirklichen
Zahlen stimmen mit den aus obiger Angabe berechneten, wie
ınan sieht, ziemlich gut ĂŒberein.
Die Versuche 9 und 10 haben im Vergleich zur Wirkung
des Wassers kein bemerkenswerthes Resultat ergeben.
In den Versuchen 11 und 12 existiren unter sich keine
allzu bedeutenden Abweichungen, von allen bisher besproche-
nen Salzen hat aber das schwefelsaure Ammoniak die ener-
gischste Zersetzung hervorgebracht. Die Versuche von Diet-
rich**) haben schon frĂŒher fĂŒr Basalt und auch fĂŒr Feld-
spath dasselbe Resultat ergeben. Wie bereits erwÀhnt,
erstreckt sich die Wirkung aber vorzugsweise auf das Kali.
Es stand zu vermuthen, dass auch hier wie beim Versuch
mit Kalkhydrat Ammoniak in die Verbindung ĂŒbergegangen
se. Um dies zu constatiren, wurde eine Probe des Feldspaths
aus GefÀss 11 auf das SorgfÀltigste mit destilliriem Wasser
*) Lersch, Hydrochemie, $. 363.
**) Journal fĂŒr prakt, Chemie, Bd, 14, 8, 12.
}
200 Ueb. d. Zersetzung d. Feldspathes unt. d. Einfluss v. Nalzlösungen ete,
gewaschen, bis das Waschwasser keine Spur von Schwefel-
sÀure mehr zeigte. Die breiige Masse gab dann eine sehr
starke Reaction auf Ammoniak, welche nach dem Trocknen
bei 100° noch ebenso stark auftrat. Die nachtrÀglich noch
mit SalzsÀure ausgezogene Masse ergab wiederum keine Spur
von SchwefelsÀure. Die beiden Thatsachen nun, dass kein
anhÀngendes schwefelsaures Ammoniak mehr vorhanden war,
und dass das Untersuchungsmaterial bei 100° das Ammoniak
nicht verlor, dass letzteres also nicht durch physikalische Ab-
sorption festgehalten wurde, berechtigen wohl zu dem Schlusse,
dass das Ammoniak in die Verbindung ĂŒbergegangen sei.
Das zu den Versuchen verwendete Feldspathpulver selbst gab
bei der PrĂŒfung keine Spur Ammoniak. Nach Beendigung
der Versuche dĂŒrfte die Analyse des RĂŒckstandes Aufschluss
ĂŒber die QualitĂ€t und QuantitĂ€t des gebildeten Ammonsilicates
geben. Dass Silicate, die durch SalzsÀure zersetzbar sind,
z. B. Chabasit, aus Ammoniaksalzen Ammoniak absorbiren,
haben die Versuche von Eichhornâ) gelehrt, nach den von
mir erhaltenen Resultaten scheint diese Eigenschaft aber auch
anderen Silicaten zuzukommen.
Energischer als alle ĂŒbrigen Agentien haben in Versuch
13 und 14 die Magnesia und die doppeltkohlensaure Magnesia
gewirkt. Die gelösten Alkalimengen ĂŒbertreffen das destillirte
Wasser um das Siebenfache und die gelöste KieselsÀure in
Versuch 13 um das Dreifache. Dass in Versuch 14 weniger
KieselsÀure gelöst ist, erklÀrt sich aus der in Lösung vor-
handenen doppeltkohlensauren Magnesia. Diese letztere Ver-
bindung hatte sich in Krystallkrusten an den WĂ€nden des
GefÀsses in reichlicher Menge abgesetzt. Der lockeren Be-
schaffenheit und dem dadurch erzielten innigen Contact
zwischen Magnesia und Feldspath darf wohl ein Theil der
zersetzenden Wirkung der Magnesia in Versuch 13 mit zu-
geschrieben werden, da die Löslichkeit derselben in Wasser
an und fĂŒr sich eine so geringe ist. Bemerkenswerth ist,
dass in beiden Versuchen das gelöste Kali nicht in der Weise
*) Jahresbericht von Hoffmann 1859â60, 8. 60.
Ueb. d. Zersetzung d. Feldspathes unt. d. Einfluss v. Salzlösungenete. 201
vorwiegt, wie in den anderen Versuchen, wo eine stÀrkere
Zersetzung stattgefunden hatte, z. B. beim Aetzkalk und
schwefelsauren Ammoniak. Die Lösung des Natrons ist fast
in gleicher Weise beeinflusst worden, wie die des Kalis.
Die Wirkung der doppeltkohlensauren Magnesia ist nur
unbedeutend hinter der der Aetzmagnesia zurĂŒckgeblieben.
Aus den Versuchen 15 und 16 lÀsst sich in dieser ersten
Versuchsreihe noch nichts Wesentliches ableiten.
Die in Versuch 17 und 18 angewendeten Lösungen von
salpetersaurem Natron haben zwar die doppelte Menge Kali
mehr gelöst, als blosses Wasser, werden aber von den Koch-
salzlösungen in den Versuchen 19 und 20 ĂŒbertroffen. Es
stimmt dies mit den von Dietrichâ) gemachten Beobach-
tungen ĂŒberein, denn derselbe fand beim Basalt durch Koch-
salz auch mehr Kali gelöst, als durch aequivalente Mengen
Chilisalpeter. Die Wirkung des ersteren scheint sich aber
nicht, wie beim Gyps, nur auf das bereits durch Verwitterung
blossgelegte Kali zu erstrecken, sondern auch auf das noch
in festerer Verbindung vorhandene.
In seinen zwar in anderer Weise ausgefĂŒhrten Versuchen
ĂŒber die Zersetzung des Feldspaths durch mechanische Ein-
wirkung fand Daubree**), dass ein Zusatz von Kochsalz
das Alkalischwerden der FlĂŒssigkeiten verhindert, welches
bei reinem Wasser reichlich eintrat, und schliesst daraus,
dass das Kochsalz die Zersetzung beeintrÀchtige. Die von
mir erhaltenen Zahlen bestÀtigen diesen Schluss allerdings
nicht, und es steht zu vermuthen, dass die Analysen der
FlĂŒssigkeiten, welche unterlassen worden zu sein scheinen,
doch einen nicht unbetrÀchtlichen Gehalt an Kali ergeben
haben wĂŒrden, wenn die Art der Zersetzung auch wohl eine
andere gewesen sein wird, als mit reinem Wasser.
Der Versuch 21 ĂŒber die Wirkung des Eisenoxydulhy-
drats bei Gegenwart von atmosphÀrischer Luft hat bis jetzt,
wie sich aus obigen Zahlen ersehen lÀsst, noch kein bemerkens-
werthes Resultat ergeben.
*) Jahresbericht von Hoffmann 1862â63, $, 14,
**) Ebenda 1867, 8. 8.
202
Ueb. d. Zersetzung d. Feldspathes unt. d. Einfluss v. Salzlösungen ete,
Fassen wir die Resultate dieser ersten 3 Versuchsjahre
nochmals kurz zusammen, so ergiebt sich Folgendes:
1)
2)
3)
4)
5)
6)
Kalkwasser vermag aus Feldspath bedeutend grössere
Mengen von Kali und Natron frei zu machen, als Wasser
fĂŒr sich allein. Der vorher gelöste Kalk tritt im Laufe
der Zeit mit in die Verbindung des Feldspathes ein.
Gypslösung, sowohl mit KohlensÀure als auch ohne diese,
ĂŒbt auf unverwitterten Feldspath nicht die bei der
Ackererde mehrfach beobachtete lösende Wirkung auf
das Kali aus. Es ist desshalb wohl anzunehmen, dass
nur das bereits in lockerer Verbindung oder in absor-
birtem Zustande in der Ackererde vorhandene Kali durch
Gyps in Lösung gebracht wird.
Schwefelsaures Ammoniak wirkt fĂŒr sich ebenso energisch,
als unter gleichzeitiger Anwendung von KohlensÀure.
Die Wirkung erstreckt sich vorzugsweise auf das Kali,
weniger. auf das Natron. Der mit schwefelsaurem Ammo-
niak lĂ€ngere Zeit in BerĂŒhrung gewesene Feldspath
hatte Ammoniak absorbirt. Die Absorption dĂŒrfte als
auf chemischem Wege vorgegangen zu betrachten sein.
In Wasser vertheilte Aetzmagnesia vermag sehr stark
zersetzend auf Feldspath zu wirken. Doppeltkohlensaure
Magnesia steht ihr darin nur wenig nach. In beiden
Versuchen ist die siebenfache Menge Alkalien mehr
zelöst, als durch destillirtes Wasser.
Von den beiden in Anwendung gebrachten Natronsalzen
wirkt Chlornatrium .bei gleicher Aequivalenz stÀrker als
salpetersaures Natron. KohlensĂ€ure unterstĂŒtzte in beiden
FĂ€llen die Wirkung nicht wesentlich.
KohlensÀure, kohlensaurer Kalk, kohlensaurer Kalk mit
KohlensÀure, salpetersaurer Kalk mit und ohne Kohlen-
sÀure, sowie auch in Wasser vertheiltes Eisenoxydul-
hydrat, haben, verglichen mit destillirtem Wasser, in
der ersten Versuchsperiode keine wesentliche Wirkung
ausgeĂŒbt. |
Eine Beobachtung ĂŒber die Oxydationete, Ueber Chinamin ete, 203
Eine Beobachtung ĂŒber die Oxydation des Queck-
silbers.
Von W. Kirchmann in Garding,
Quecksilber wird von ĂŒbermangansaurer Kalilösung, kalt
damit geschĂŒttelt, in Quecksilberoxydul, heiss damit ebenso
behandelt, in Quecksilberoxyd verwandelt, â
Das sich bildende Manganoxyd muss natĂŒrlich erst mit
SalzsÀure aus dem sich bildenden Brei ausgezogen werden
und man erkennt dann an dem sich bildenden Calomel, resp.
der Sublimatlösung die vorgegangene Einwirkung. Nirgends
fand ich diese Thatsache aufgezeichnet und glaube die Be-
obachtung fĂŒr neu halten zu dĂŒrfen.
Ueber Chinamin, ein neues Chinaalkaloid.
Von O0. Hesse, *)
Die in Britisch-Indien cultivirte Cinchona suceciru-
bra ist jetzt so weit entwickelt, dass davon erhebliche
Mengen Rinde gewonnen und exportirt werden können, so
dass man gegenwÀrtig nicht selten die Gelegenheit. haben
kann, sich von dem wirklichen Werth dieser Rinde, welcher
nach Howard nicht gering sein soll, ĂŒberzeugen zu können.
Diese Rinde enthÀlt nun nach meinen Untersuchungen relativ
viel Chinidin, etwas Chinin und in wechselnder Menge noch
andere Alkaloide, worunter auch eine neue Substanz, welche
ich Chinamin nenne.
Das Chinamin krystallisirt in Àusserst zarten, langen
asbestartigen, weissen Prismen, welche kein Krystallwasser
enthalten. Es löst sich bei gewöhnlicher Temperatur ziemlich
leicht in Aether, noch leichter darin bei dessen Siede-
temperatur und krystallisirt daraus beim Erkalten, resp. Ver-
dampfen der Lösung. Alkohol und PetroleumÀther lösen es
leicht, besonders in der WĂ€rme und scheiden es ebenfalls in
der bezeichneten Form wieder ab. In verdĂŒnntem Weingeist
*) Als Separatabdruck aus den Berichten d. deutsch, Chem, Gesellsch.
zu Berlin, v. 8.4. 72 vom Herrn Verf, erhalten. IK,
204 Ueber Chinamin, ein neues Chinaalkaloid.
löst sich das Chinamin sehr wenig und ist unlöslich in Wasser.
Ebenso besitzen Kalilauge und Ammoniak nicht die FĂ€higkeit,
das Alkaloıd zu lösen; sie scheiden es daher aus seinen Salz-
lösungen ab und zwar in der Form zarter Prismen, nachdem
vorher milchige TrĂŒbung der Lösung eintrat.
Seine alkoholische Lösung reagirt alkalisch, neutralisirt
dem entsprechend verdĂŒnnte SchwefelsĂ€ure und SalzsĂ€ure und
bildet damit Salze, welche sich sehr leicht in Wasser lösen.
Von beiden Salzen ist das Chlorhydrat amorph, das andre
Salz, das neutrale Sulfat nÀmlich, schwierig in Krystallen
zu erhalten. Die beobachteten Formen sind sechsseitige BlÀtt-
chen und kurze Prismen.
Das Platinsalz ist ein gelber, amorpher Niederschlag, der
sich nur in der concentrirten wÀssrigen Lösung des Chlor-
hydrats bilden kann, indem sich dieses Doppelsalz schon bei
sewöhnlicher Temperatur Àusserst leicht in Wasser löst.
Nicht minder charakteristisch fĂŒr das Chinamin ist sein Ver-
halten zu Goldchlorid, denn letzteres erzeugt in der Lösung
des Chlorhydrats einen gelblich weissen, amorphen Nieder-
schlag, der sich alsbald purpurroth fÀrbt und Gold abschei-
det, wĂ€hrend die darĂŒber stehende Lösung eine purpur-
rothe, spÀter braunrothe Farbe annimmt. Mit Eisenchlorid
konnte keine bemerkenswerthe Reaction erzielt werden.
Das Chinamin zeigt in verdĂŒnnter saurer Lösung nicht
die geringste Fluorescenz. Obwohl es bezĂŒglich seiner Lös-
lichkeit in Aether zwischen COhinin und Conchinin zu stellen
wĂ€re, so giebt es doch nicht die grĂŒne FĂ€rbung mit Chlor
und Ammoniak, wie die genannten Alkaloide. Zwar tritt auf
Zusatz von Chlor eine gelbliche FÀrbung der Lösung ein,
aber beim UebersÀttigen mit Ammoniak entsteht ein gelblicher
amorpher Niederschlag von verÀndertem Alkaloid.
Das neue Alkaloid löst sich in concentrirter Schwefel-
sÀure farblos, beim ErwÀrmen dieselbe gelb bis braun fÀrbend.
Dagegen löst es sich in concentrirter SalpetersÀure mit gelber
Farbe, welche spÀter von selbst orangeroth wird, endlich
verblasst.
Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 205
Das Chinamin schmilzt bei 172° C. und erstarrt beim
Erkalten strahlig krystallinisch, jedoch nur dann, wenn das
Erhitzen wenige Minuten lang angehalten hat. Dauert es
aber etwas lÀnger, so verÀndert sich das Alkaloid und wird
braun und amorph.
Das Chinamin fĂŒr sich schmeckt kaum bitter, aber in
Verbindung mit SĂ€uren ist es ziemlich bitter.
Die bis jetzt dargestellte Menge von Chinamin wĂŒrde
allenfalls hinreichen, um dessen elementare Zusammensetzung
ermitteln zu können, ich habe aber geglaubt, damit warten
zu sollen, bis ich grössere Mengen von diesem Alkaloid dar-
gestellt haben werde. Da mir die Firma Fr. Jobst in
Stuttgart in der Beschaffung des erforderlichen Rohmaterials
hilfreich die Hand geboten hat, so hoffe ich, dass diese Unter-
suchung bald zu Ende gefĂŒhrt werden kann.
Vergleichen wir nun noch das Chinamin mit den andern
Alkaloiden, welche bis jetzt in den Chinarinden aufgefunden
worden sind, so kommt nur das Paytin in Betracht, indem
sich beide Alkaloide zu Goldchlorid sehr Àhnlich verhalten,
aber die ĂŒbrigen Eigenschaften des Paytins sind der Art, dass
eine Verwechslung beider nicht wohl möglich ist.
Berieht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr
die Lehrlinge, fĂŒr 1870 â 1871:
âBeschreibung und PrĂŒfung der im Handel
vorkommenden Sorten BenzoÀharz, nebstgenauer
quantitativer Bestimmung der darin vorkommen-
den Benzo@sĂ€ure und ZimmtsĂ€ure.â
Von den eingelieferten sechs Preisbewerbungen wurden
. 5 Arbeitenâ mit Preisen belohnt; eine einzige ging leer aus,
Das Folgende enthÀlt im Auszuge das Wissenswerthe aus den
5 prĂ€miirten Arbeiten; die des ersten Preises wĂŒrdig befun-
dene Arbeit ist zuerst und am ausfĂŒhrlichsten wiedergegeben,
obgleich sie in der Reihenfolge der eingegangenen Bewerbungen
die Ordnungsnummer 6 trÀgt; ihr folgen der Reihe nach die
206 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete.
mit den Preisen Ila, Ilb, Illa und IIIb bedachten Preis-
schriften.
I. âWenn auch der Hindernisse viel, wenn
Fehlgriffe uns zwingen, die Aufmerksamkeit zu
verdoppeln, den Versuchzuerneuern, kĂŒhn greifâ
ich und muthvoll das Werk an. Immerhin wartet
des JĂŒnglings Entwurfdie Feile der Meisterhand.â
(Verfasser: Julius Hagemeister aus Greifswald, der-
zeit Lehrling bei dem Apotheker Livonius in Stralsund.)
Erhielt den 1. Preis. (Nro. 6. der eingegangenen Arbeiten;
50 halbbeschriebene Folioseiten mit 7 Proben und 11 PrÀparaten).
Das Benzo&harz ist nach der allgemeinen Annahme
ein Product des zuerst von Dryander als Stammpflanze
bezeichneten Benzo&Ă€baumes, Styrax Benzoin.
Derselbe ist nach Pereira nur in Laos einheimisch,
wÀhrend andere Autoren auch Martaban, Sumatra,
Rahong, Chiang-mai und La-kon nennen.
Das aus diesen LĂ€ndern stammende Harz soll zwar nach
Pereira mit der Benzo& von Laos ziemlich gleiches Ansehen
haben, jedoch das Product einer anderen Pflanze sein, da
Styrax Benzoin nördlich vom 20. Grade nördl. Breite nicht
mehr vorkomme; Royle bezeichnet als solche Styrax
Finlaysonianus, einen in ĂOstindien vorkommenden Baum.
Diese Angabe Pereiras ist jedoch nach dem Verf. durchaus
nicht genĂŒ gend â ohne âweiters noch andere Stammpflanzen des
Benzo&harzes feststellen zu können, doch bringt er in seinen
Arbeiten Thatsachen, die hinreichend massgebend sind, ausser
obiger Species wenigstens noch eine andere als benzo&harz -
liefernd anzunehmen.
Die Benzo@ kam erst nach der Entdeckung des Seeweges
nach Ostindien nach Europa. Die erste ausfĂŒhrliche Beschrei-
bung lieferte schon im 16. Jahrhunderte Garcias ab Horto:
er zÀhlt verschiedene Handelssorten der Benzo& auf und zwar
als die beste die weisse Benzoö&, die das Product jĂŒnge-
rer BÀume sei, wÀhrend das der Àlteren mehr dunkel, zuletzt
ganz braun gefÀrbt erscheine. Nach ihm werden die weissen
und die braunen Sorten noch im flĂŒssigen Zustande gemengt
Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 207
und als mittlere Sorte unter dem Namen âMandel-
benzo& von HÀndlern aufgekauft. Ausserdem erwÀhnt er
einer Benzo& von Boninas, die durch Vermischen des
Harzes mit einem flĂŒssigen Storax (Rasamala-Harz)
erhalten werde.
Im 18. Jahrhundert beschrieb Marsden die Benzo&
nĂ€her und fĂŒgte genaueres ĂŒber ihre Gewinnung hinzu. Nach
ihm werden die BĂ€ume erst vom 3. Jahre an angeschnitten,
um das ausfliessende Harz zu_gewinnen, das im ersten Jahre,
weiss sei und die weisse Benzo& liefere, wÀhrend dasselbe
spÀter mehr gefÀrbt erscheine und eine gelbröthliche,
zuletzt dunkelgefÀrbte unreine schlechtere Benzo& liefere.
Von den jetzt im Handel vorkommenden Sorten sind es
die der Siambenzo@, welche mit jenen Harzen ĂŒbereinstimmen.
Ausserdem wird jetzt eine Sumatra- und Penang-Benzo&
in den Handel gebracht, an welchen die Unterschiede der
besseren Sorte nicht so deutlich hervortreten. Dass der zuerst
ausfliessende Harzsaft ebenfalls weiss ist, beweisen die in einer
dunkelen Masse eingeschlossenen weissen "StĂŒcke. Man kann
daher den Unterschied der einzelnen Sorten der Siam- und
Sumatra-Benzo& nur durch eine verschiedene Art der
Gewinnung des Harzes erklÀren.
Die in neuerer Zeit von Schomburgk gemachten An-
gaben ĂŒber die Gewinnung der Benzo& scheinen sich auf die
Sorten von Sumatra zu beziehen. Nach ihm wird ĂŒberall
in die Rinde des Baumes hineingehauen und das Harz, nach-
dem es ausgeschwitzt und erhÀrtet ist, gesammelt; dabei gehen
die BĂ€ume zu Grunde.
A. Siam-Benzo&.
1) Siam-Benzo& I. Bezogen von H, L. Muhle u.
Comp. in Hamburg. Kleine, theilweise abgerundete, ober-
flĂ€chlich braunrötbliche, innen weisse, glĂ€nzende, spröde StĂŒcke
von der Grösse zwischen !/, und 1 Zoll. Sie ist von allen
Sorten die beste und wird als ThrÀnenbenzo6, Benzo&@
in laerymis bezeichnet. Obgleich sie fĂŒr pharmac. Zwecke
keine bessere Diensten leistet als geringere Sorten, so steht
208 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete,
sie aoch um das Doppelte im Preise höher , als die ĂŒbrigen
Sorten.
Unreinigkeiten enthÀlt sie nur gegen 3 Procent.
2) Siam-Benzo& Il. Von Lampe, Kauffmann u.
Comp. in Berlin bezogen und als Benzo& Siam superf.-
secunda bezeichnet. Aus einer glÀnzenden, brÀunlichen,
weder porösen noch sehr verunreinigten Grundmasse, in welcher
zahlreiche grössere und kleinere, glĂ€nzende, weisse StĂŒcke
eingebettet sind. j
Benzo& amygdaloides ist es nicht.
(Caleutta-Benzo&, von welcher Berg schreibt, findet
sich in keinem Preisc#urant der verschiedenen Droguenhand-
lungen und ist nach L. Meyer u. Comp. in Berlin, an
welchen sich der Verf. desshalb wandte, nicht zu beschaffen.
Der Preis dieser Probe (32 Sgr.) ĂŒbersteigt den der besten
Sumatra-Benzo& (25 Sgr.) noch bedeutend. Unreinigkeiten
9,6 Procent.
PB. Sumatra-Benzo&.
3) Sumatra-Benzo& I. Diese wie die nÀchstfolgen-
den 3 Sorten stammten, wie Siam-Benzo& I. von Muhle u.
ĂOomp. in Hamburg. Sie enthĂ€lt weit mehr und grössere
weisse StĂŒcke wie die vorige; diese sind aber nicht wie bei
jener glÀnzend weiss, sondern matt und grau gefÀrbt.
Die Grundmasse ist nicht wie bei Siambenzo& glÀnzend
braun, sondern mehr graubrÀunlich, spröde und porös, der
Geruch aber weit angenehmer als bei jener.
Unreinigkeiten 7,2 Procent.
4) Sumatra-Benzo& Il. Der vorigen Àhnlich, nur
finden sich nicht so zahlreiche und so grosse weisse ThrÀnen
eingesprengt. Im Preise stehen sich beide sehr nahe. Un-
reinigkeit 14,2 Procent.
5) Sumatra-Benzo& Ill. Bei ihr treten die weissen
StĂŒcke sehr vereinzelt auf; dagegen zeigt die schmutzig grau-
braune Hauptmasse zahlreiche kleine, dunkelbraune Körnchen,
wĂ€hrend an der OberflĂ€che ĂŒberall kleine Oeffnungen in
Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 209
Menge sichtbar sind. Verunreinigungen 13,4 Procent. Sie
ist weit billiger als die ersteren Sorten.
6) Sumatra-Benzo& IV. Preis nur 9 Sgr. das Pfund;
besteht zum 3. Theil aus Holzsplittern und anderen Un-
reinigkeiten. Sie enthĂ€lt weisse StĂŒcken-fast gar nicht, besitzt
dunklere Farbe als die ĂŒbrigen Sorten und zerfĂ€llt schon
bei mÀssigem Druck zu staubigem Pulver.
7) Penang-BenzoÀ. Bezogen von Lampe, Kauff-
mann u. Ăomp. in Berlin und war signirt: Benzo& - Penang
superf. mandolirt. Grosse, grauweisse, matte Mandeln, einge-
bettet in eine hellchocoladefarbene Masse. WĂ€hrend aber
bei der Siambenzo& (weniger bei der von Sumatra) die weissen
Mandeln als scharf-gerandet und deutlich getrennt
von der braunen Hauptmasse erschienen, sind bei der
Penang-Benzo@, besonders auf der OberflÀche, die RÀnder
der Mandeln vollstÀndig verwischt und die innen weissen Man-
deln gehen allmĂ€hlig in die brĂ€unliche Grundmasse ĂŒber.
Die grosse PorositÀt und die Leichtigkeit dieser Benzo& lassen
auf einen damit vorgenommenen Schmelzprocess schliessen.
Sie riecht, namentlich erwÀrmt, unverkennbar nach
Storax. Wenn Henkel nur die ganz geringen Sorten von
Sumatra mit Benzo@-Penang bezeichnet, so stimmt ihm darin
der Verf. nicht bei, da die vorliegende Probe die beste
dieser Sorten vorstellt.
Die Benzo@ besteht aus 4 Harzen, die man durch ver-
schiedene Lösungsmittel von einander trennen kann; man
bezeichnet sie als Alpha-, Beta-, Gamma- und Delta-
harz der Benzoe.
Das Alphaharz bildet die weissen StĂŒcken und Mandeln,
wĂ€hrend das braune Harz ein Gemenge der 3 ĂŒbrigen ist.
Ferner findet sich eine Spur eines Àtherischen Oeles,
welches der Benzo& ihren angenehmen Geruch verleiht, endlich
fertig gebildete Benzo@sÀure. Ausserdem findet sich
in einigen Sorten, namentlich in denen von Sumatra und
Penang, neben BenzoösÀure auch die im Storax etc. vor-
kommende ZimmtsÀure. Vor noch nicht langer Zeit wurde
sie von Kolbe u. Lautemann in der Benzo@ aufgefunden,
Arch, d. Pharm. CO, BĂ€s. 2. Hft, 14
210 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete,
indem ihnen an der aus einer Sumatra- und einer Siam- Ben-
zo& dargestellten SĂ€ure der niedrige Schmelzpunkt und
die von der reinen BenzoesÀure ganz verschiedene Krystal-
lisation aufliel.
Sie hielten die SĂ€ure anfangs fĂŒr ToluylsĂ€ure, er-
kannten dieselbe jedoch spÀter als ein Gemenge von Zimmt-
sÀure und BenzoösÀure.
Man erkennt die ZimmtsÀure leicht durch Behandlung mit
Oxydationsmitteln, durch welche sie in Bittermandelöl
und andere Produkte zerlegt wird, ersteres an seinen Geruche
leicht erkennbar. Die gewöhnlichen Reagentien hierzu sind
ĂŒbermangansaures Kali und saures chromsaures
Kali mit SchwefelsÀure.
Bei Benutzung des letzteren darf man sich nicht durch
das Auftreten der grĂŒnen Farbe des Chromoxyds in dem
Gemische verleiten lassen, auf ZimmtsÀure zu schliessen, da,
auch BenzodsÀure und andere organ-Stoffe eine solche Reduc-
tion zu Chromoxyd bewirken; nur das Auftreten des Bitter-
mandelölgeruchs ist entscheidend.
Dr. Rieckher gab (im Journ. f. pract. Pharm.) als ein
Kennzeichen des Gehaltes einer BenzodsÀure an ZimmtsÀure
den niedrigen Schmelzpunkt dieses SĂ€uregemisches im
Wasser an, wÀhrend reine BenzoesÀure bei 121° C. und
ZimmtsÀure bei 129° C. schmilzt.
Erhitzt man ein solches SĂ€uregemisch mit weniger Wasser,
als es zu seiner Auflösung bedarf, so beginnt dasselbe, ehe
noch das Wasser siedet, zu schmelzen; es bilden sich 2 klare
Schichten, von denen die untere brÀunlich gefÀrbt ist und
ölartig erscheint. Da reine Benzo&sÀure, in gleicher
Weise mit Wasser behandelt, ebenfalls diese beiden Schichten
bildet, so ist Rickherâs Verfahren unzuverlĂ€ssig. Aschofl
hĂ€ltâdiese letztere Schicht fĂŒr eine Auflösung von Was-
ser in Benzo&Ă€sĂ€ure, wĂ€hrend die darĂŒber stehende, wĂ€ss-
rige Schicht eine gesÀttigte Auflösung von Benzo£e-
sÀure in Wasser ist. Die reine ZimmtsÀure bildet, ab-
weichend von der Benzo6sÀure, eine solche Schicht nicht.
Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete 211
SÀmmtliche Benzoöproben wurden nun auf ZimmtsÀure
geprĂŒft und alle aus Sumatra- und Penang - Harz abgeschiede-
nen SĂ€uren zimmtsĂ€urehaltig gefunden, was mit Garckeâs
Angaben (Bergâs Pharmacognosie, 4. Aufl.) ĂŒbereinstimmt.
Aber auch in einigen Siambenzo&Ă€sorten hat man Zimmt-
sĂ€ure gefunden (FlĂŒckigerâs Pharmacognosie; Archiv d. Pharm.
Bd. 160 S. 86), so dass eine Eintheilung der BenzoÀharze
nach ihrem BenzoösÀure- und ZimmtsÀuregehalt nicht gerecht-
fertigt ist.
Verfasser fand in der Penangbenzo& eine gewisse Menge
von Styracin und Àtherischem Storaxöl und hÀlt dess-
halb die Angabe des alten Garcias ab Horto fĂŒr gerechtfertigt,
dass manche Benzoö@ Rasamalaharz (Storax von Altin-
gia excelsa) beigemengt enthalte. Das Styracin setzte sich
aus den heissbereiteten, schwach weingeistigen Auflösungen der
Penangbenzo& als schleimartige Masse ab und begab sich
beim Kochen der gepulverten Benzo& mit kohlensaurem Natron
als ölige Schicht an die OberflÀche, Beim Destilliren dieser
Benzo&@ mit Wasser und kohlens. Natron wurde ein stark-
riechendes, milchiges Destillat erhalten, welches dem Styrol
Ă€hnlich roch.
Verf. schied durch kohlens. Natron, Aether, Alkohol
u. s. w. die verschiedenen Harze der Benzoe. Das Alpha-
harz ist unlöslich in Ammoniak, wÀssrigem Na0,CO ?, in Petro-
leum, löslich in Aether, in Alkohol und in Kalilauge. Die
alkohol. Lösung wird von essigs. Bleioxyd gefÀllt, nicht von
essigs. Kupferoxyd. Die kalische Lösung wird durch Salmiak
weiss getrĂŒbt, durch Kupfervitriol grĂŒn pulvrig gefĂ€llt, unlösl.
in Aether. Eisenchlorid giebt einen dunkelbraunen, pulvrigen
Niederschlag.
Das Betaharz ist unlöslich in Aether und Àth. Oelen,
Ammoniak und Na0,00 2, lösl. in Kalilauge und in Weingeist,
Letztere Lösung wird durch Bleizucker gefÀllt. Die kalische
Lösung wird durch Ueberschuss von KO,HO gefÀllt, ebenso
giebt HâNĂl darin einen weissen Niederschlag. Das Harz
hat brÀunliche Farbe.
14*
212 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete.
Das Gammaharz ist unlösl. in Petroleum, schwerlösl.
in Aether, leichtlösl. in Alkohol, Ammoniak und Na0,C0.
Die weingeistige Lösung wird durch Bleizucker gefÀllt, dieser
Niederschlag ist unlösl. in Alkohol und Aether.
Die kalische Lösung wird durch ĂŒberschĂŒss. KO,HO ge-
fĂ€llt, ebenso durch H*NĂl; durch essigs. Kupferoxyd entsteht
ein grĂŒner, in der Hitze nicht zusammenballender Niederschlag.
Das Harz hat braune Farbe.
Erhitzt man eine Siambenzo& in einem PorzellanschÀl-
chen, so schmilzt sie sehr leicht zu einer schwarzbraunen, dĂŒnn-
flĂŒssigen, nicht schĂ€umenden Masse, aus welcher
rasch weissgraue DĂ€mpfe in reichlicher Menge aufsteigen. Eine
Sumatra- oder Penang-Benzo& hingegen giebt dabei
eine zĂ€he, starkschĂ€umende FlĂŒssigkeit, die in weit
geringerm Grade weissgraue DĂ€mpfe entwickelt, als die vorige.
Ein wesentlicher Unterschied und eine verschiedene Ab-
stammung der beiden Hauptsorten lÀsst sich sonach nicht
bezweifeln.
Verfasser giebt nun historische Notizen ĂŒber die Benzoe-
sÀure und ihre Darstellung, ferner die Abbildung eines von ihm
benutzten Sublimirapparates (eisener Grapen mit aufgesetztem
kegelförmigen Pappehut und eingehÀngter Pappscheibe), ist
aber im Ganzen mit den Resultaten seiner Sublimationen nicht
zufrieden und gedenkt mit einem verbesserten Apparate die
Versuche fortzusetzen,
Aus Siam-Benzo&I erhielt er 12,4 Proc. sublimirte
Benzo&saure.
Aus Sumatra-Benzo& nur 5,2 Proc. (aber völlig
weisse) SĂ€ure, aus Sumatra III hingegen 8,8 Proc.
Zur Sublimation eignet sich Siam-Benzo& entschieden
am besten, weil sie mehr gleichföormig schmilzt, auch die
SÀure leichter abgiebt, als Sumatra-Benzoe. Eine grössere
und sicherere Ausbeute erzielt man bei der Darstellung auf
nassem Wege.
Bei der quantitativen Bestimmung der in der
Benzo& enthaltenen SĂ€uren wurde die Stolzeâsche Methode
benutzt.
Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 213
I. 50 Gramme zerkleinerte Benzo& wurden mit 150 Grammen
Weingeist von 0,894 spec. Gew. 2 Tage bei gelinder WĂ€rme
digerirt, in welcher Zeit sich das Harz und die SÀure gelöst
hatten. Man filtrirte und versetzte das Filtrat in einem Becher-
glase mit einer Lösung von kohlens. Natron bis zur Neutra-
lisatiin. Nach dem Verbrauche dieser Lösung des kohlens.
Alkalis, welche aus 1 Th. Na0,CO?, 8 Th. Wasser und 3 Th.
Weingeist bestand, die also ein LösungsverhÀltniss von 1: 12
hatte, wurde der Gehalt der Harzlösung an SÀure bestimmt.
Dies konnte jedoch nur zunÀchst bei den Siam-Sorten ge-
schehen, wĂ€hrend man bei den ĂŒbrigen erst das VerhĂ€ltniss
der BenzoesÀure zur ZimmtsÀure bestimmen musste.
Es wurde desshalb zur Darstellung der SĂ€uren geschritten-
Bei der AbsÀttigung mit Na0,CO? hatte sich durch den
Zusatz des Wassers bereits ein Theil des Harzes ausgeschie-
den. Die ĂŒberstehende FlĂŒssigkeit wurde in einem Kolben
im Dampfbade so lange erhitzt, bis der Weingeist sich völlig
verflĂŒchtigt hatte, wobei auch das ĂŒbrige Harz sich ausschied.
Nach dem Erkalten wurde die Lösung des benzoös. (resp.
zimmts.) Natrons abfiltrirt und in einer Porzellanschale so
lange mit verdĂŒnnter HCl versetzt, als noch ein weisser
Niederschlag entstand. Die Schale wurde 2 Tage an einen
kalten Ort gestellt, darauf die auskrystallisirte SĂ€ure auf Lein-
wand gesammelt und ausgepresst. Die SĂ€ure, welche bei fast
allen Sorten schon ziemlich weiss erschien, wurde in einem
Kolben in einer hinreichenden Menge siedenden Wassers gelöst,
dieser Lösung Thierkohle hinzugesetzt, welche zuvor mit HOl
behandelt und mit Wasser gut ausgewaschen worden war, die
Lösung in ein Becherglas filtrirt, das man dann in die KÀlte
stellte. Nach lÀngerem Stehen wurde die ausgeschiedene
SĂ€ure auf einem Filter gesammelt und zwischen Filtrir-Papier
getrocknet.
SÀttigt man nun eine Lösung von 56,5 Grammen reinen
hohlensauren Kalis (KO,CO2, dessen Aequivalent = 69), mit
reiner BenzoösÀure (HO,C!4H50°, deren Aeg. = 122),
so sind, nach den Aequivalenten berechnet, hierzu 100 Gramme
Benzo&sÀure erforderlich.
914 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete.
SÀttigt man dagegen dieselbe Menge kohlens. Kalıs
mit reiner ZimmtsĂ€ure (HO,C1°H?O?°, deren Aeg. â 148)
so verbraucht man von letzterer 121,31 Gramme. Verbraucht
man also zur SĂ€ttigung mehr als 100 Gramme einer
fraglichen SĂ€ure, so zeugtdiesvon einem Gehalte
an ZimmtsÀure. BetrÀgt der Ueberschuss 21,31, so hat
man reine ZimmtsĂ€ure vor sich. Jeder ĂŒber Hundert
liegende Gewichtstheil entspricht aber einem Gehalte an Zimmt-
sÀure von 4,6926 nach der Gleichung:
21,381:0100.âl: &â 100]/21,31'â4,6926:
Man bereitete sich zunÀchst eine Lösung kohlens. Kalis
von dem spec. Gew. 1,32 bei 14°R., welche einem Gehalte
von 33,33 Proc. reinen kohlens. Alkalis entspricht. Diese
Lösung wurde mit 9 Th. Wasser verdĂŒnnt, so dass 100
Gramme der Mischung 3,333 Gramme KO,C0? enthielten. Von
dieser Lösung trug man 16,95 Gramme, welche 1 Gramm
BenzoösÀure sÀttigen mussten, in ein Becherglas ein, setzte
etwa eine gleiche Menge Weingeist hinzu und trug die frag-
liche SÀure in anfangs grösseren, spÀter sehr geringen Mengen
bis zur Neutralisation ein. Als diese Lösung mit reiner Ben-
zoesĂ€ure geprĂŒft worden war, wurde zur PrĂŒfung der ĂŒbrigen
zimmtsÀurehaltigen SÀuren geschritten. Es wurden zur SÀtti-
gung verbraucht:
1,190 Gramme SĂ€ure aus Sumatrabenzo& TI;
1,195 â â N » IT;
1,110 â â » â LI;
1,045 â â â » IV; und
121077, x i, Penang - Benzo&.
Multiplieirt man nun die Decimalen 0,190 â 0,195
â 0,110 â 0,045 und 0,210 mit 4,6926, so erhĂ€lt man die
Grammentheile von ZimmtsÀure, welche in einem Gramm des
SĂ€uregemisches enthalten sind und findet fĂŒr Sumatrabenzo& I
0,891, fĂŒr II 0,915, fĂŒr III 0,516, fĂŒr IV 0,211 und fĂŒr Penang -
Benzo& 1,0 ZimmtsÀure. Letztere war also reine Zimmt-
sĂ€ure, wie auch die PrĂŒfung mit kleinen Mengen kochenden
Wassers bestÀtigte, wobei sie keine Oelschicht bildete.
Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 215
Bei AbsÀttigung von kohlens. Natron entsprechen nun:
0,891 Grm. ZimmtsÀure 0,734 Grm. Benzo6sÀure,
0,9 15 â â 0,754 ââ â
0,516: ,, e 0,425 â Y und
0,211 ââ ââ 0,173 â â
Es muss sonach die fĂŒr jedes Harz gefundene SĂ€uremenge,
die man zunÀchst als reine BenzoesÀure angenommen, in fol-
gendem VerhÀltnisse getheilt werden:
Sumatra-Benzo& I. 0,109: 0,734;
II. 0,085 : 0,754;
5 â IL 0,484: 0,425;
> a A A ei
Zur AbsÀttigung von 50 Grm. Sumatra -Benzo& I ver-
brauchte man 124 Grm. der Lösung kohlens. Natrons,
die im VerhÀltniss von 1:12 10,33 Grm. krystallisir-
tes Salz enthielt. Dieses entsprach einem Gehalte an rei-
nem Na0,00? von 33,33 Procent; also 10,33 Grm. enthielten
3,43 Grm. Na0, CO.
100 Grm. Benzo@sÀure erfordern 43,4 Grm. kohlens. Na-
tron, mithin entsprechen 3,43 Grm. Na0,CO? 7,9 Grm. Ben-
zoesÀure, denn 43,4:100 =343:x;x= 7,9.
Diese 7,90 Benzo@sÀure, getheilt in dem VerhÀltnisse
von 0,109 : 0,734, ergiebt 1,0213 : 6,8775; also 6,8775 Ben-
zoesÀure entsprechend 8,3431 ZimmtsÀure,
Sumatra-Benzo& I enthÀlt demnach 16,6862 Proc.
ZimmtsÀure und 2,0426 Proc. Benzo6sÀure.
IH. 50 Grm. Sumatra-BenzoöIl erforderten 98 Grm,
der kohlens. Alkalilösung, welche 2,722 Grm. reines Na0,002
enthielt. 43,4 : 100 = 2,722 :x; x 6,271. Letztere Zahl,
getheilt in dem VerhÀltniss 0,085 : 0,754, ergiebt 0,6349 :
5,6323 (BenzoesÀure) = 6,8327 ZimmtsÀure. Diese Benzoö
enthÀlt sonach 13,6654 Proc. ZimmtsÀure und 1,2698 Proc.
BenzoösÀure,
III. 50 Grm. Sumatra-BenzoösÀure III erforderten
118 Grm. der kohlens. Alkalilösung, worin 3,277 reines
Na0,C0?; 43,4 :100 â= 3,277 : x; x = 7,550 BenzoösĂ€ure.
216 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete.
7,550, getheilt in dem VerhÀltniss 0,484 : 0,425, ergiebt
4,0196 : 3,5296 (BenzoesÀure) = 4,2818 ZimmtsÀure. Diese
Benzo& enthÀlt also 8,5636 Proc. ZimmtsÀure und 8,0392 Proc.
Benzo6sÀure.
IV. 50 Grm. Sumatra-Benzo& IV erforderten 83 Grm.
der kohlens. Alkalilösung, worin 2,3055 Grm. reines Na0,CO?;
43,4 : 100 â= 2,3055 : x; x â 5,3122 Grm. BenzoesĂ€ure. Ge-
theilt im VerhÀltniss 0,789 : 0,173 ergiebt 4,3568 : 0,9553.
0,9553 Benzo&sÀure = 1,1583 ZimmtsÀure. Diese Benzo&
enthÀlt sonach 2,3176 Proc. ZimmtsÀure und 8,7136 Proc.
BenzoesÀure.
V. Penang-Benzo& erforderte 86 Grm. der kohlens.
Alkalilösung, worin 2,388 Grm. reines NaO, 002.
| 100 Grm. ZimmtsÀure erfordern nach der Gleichung
148:53â=100:x; x = 35,8 Grm. Na0,00? zur SĂ€ttigung;
2,388 Grm. Na0,CO? entsprechen sonach 6,6703 Grm. Zimmt-
sÀure.
35,8: 100 â 2,388 :x; x = 6,6703,
Diese Benzo& âenthĂ€lt also 13,3406 Proc. ZimmtsĂ€ure.
VL Sıambenzo& I erforderte 121 Grm. der kohlens.
Alkalilösung, worin 3,3611 Grm. NaO, 002.
43,4 :100 = 3,3611 : x; x â 7,7444; mithin 15,4888
Proc. BenzoösÀure in dieser Benzo&.
VI. Siambenzo& II erforderte 96 Grm. der kohlens.
Alkalilösung, worin 2,666 Grm. Na0, 002.
43,4 : 100 = 2,666 :x; x = 6,1428; also 12,2856 Proc.
BenzoösÀure in dieser Benzoö.
Es wurde noch versucht, die beiden SĂ€uren als Kalk-
salze zu scheiden. Aus 25 Grm. gebrannten Kalk wurde eine
Kalkmilch bereitet, zu welcher 100 Grm. feingepulverte Ben-
zoŸ gemischt wurden. Das Ganze erwÀrmte man zwei Tage
lang in einem kupfernen Kessel ĂŒber Dampf unter öfterem
Ersatz des verdampften Wassers. Sodann wurden 1000 Grm.
âWasser hinzugesetzt, und unter bestĂ€ndigem UmrĂŒhren ĂŒber
freiem Feuer gekocht, bis etwa 300 Grm. Wasser verdampft
waren,
Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 217
Jetzt wurde durch ĂŒber ein Tenakel gespannte Lein-
wand colirt. Der RĂŒckstand wurde noch 2mal mit je 750
Grm. Wasser gekocht und colirt. Die Menge Wassers
wurde wegen der Schwerlöslichkeit des zimmtsau-
ren Kalks absichtlich grösser genommen, als die Vorschrift
verlangt. Die vereinigten Laugen wurden auf 500 Grm. ein-
gedampft und in den Keller gestellt zur Abscheidung des
zimmtsauren Kalks, wÀhrend der benzoes. Kalk noch gelöst
bleiben musste. Eine Probe der klaren Lauge wurde mit HCl
versetzt und die abgeschiedene SĂ€ure mit KO,Mn?0? geprĂŒft,
wobei noch deutlich Bittermandelölgeruch auftrat. Selbst auf
200 Grm. eingedampft, schienen sÀmmtliche Laugen noch
zimmtsauren Kalk zu enthalten. Der Inhaltâ der Schale wurde
nun auf ein Filter gebracht, und das Filtrat mit HCl in der-
selben Weise behandelt, wie bei der oben beschriebenen Me-
thode von Stolze.
Der RĂŒckstand auf dem Filter wurde mit 200 Grm.
Wasser gekocht, filtrirt und noch heiss HCl bis zum schwach
sauren Geschmack zugefĂŒgt. Die hierbei abgeschiedene
SÀure stellte ZimmtsÀure vor, die vorhergewonnene hinge-
gen Benzo@sÀure. Reine ZimmtsÀure schien man nur aus
Sumatrabenzo& I und II erhalten zu haben, wÀhrend die ande-
ren SĂ€uren nicht als rein gelten konnten.
Man erhielt aus:
BenzoösÀure. ZimmtsÀure.
Sumatra-Benzoö 1. 2,1 5,7 Proc,
2 re nk 2,8 Ra
» » III. 4,1 ? 2)
â â» IE 2,8 3,9 â»
Diese Resultate waren auch nicht einmal annÀhernde. _
Von den beiden beschriebenen Methoden scheint dem Ver-
fasser die von Stolze entschieden die einfachste und
bequemste zu sein. Der Weingeist, den man bei grösse-
ren Mengen abdestillirt, wird zum grössten Theile wieder-
gewonnen, diese Destillation ist in kĂŒrzerer Zeit beendigt, als
die wiederholten Auskochungen des Kalkgemenges, welche
218 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete,
noch des fortwĂ€hrenden UmrĂŒhrens bedĂŒrfen, so wie des Ein-
dampfens der Laugen. Vermeidet man bei Stolzeâs Me-
thode sorgfÀltig einen Ueberschuss von Alkali, so erhÀlt man
bei der FĂ€llung schon eine fast weisse SĂ€ure, die nur des
einmaligen Auflösens in heissem Wasser bedarf â um vollstĂ€n-
dig weiss erhalten zu werden, wÀhrend bei der anderen
(Scheeleâschen) Methode die erste SĂ€ure stets noch etwas
gefÀrbt erscheint.
Nachstehende Tabelle stellt den SĂ€uregehalt der ver-
schiedenen Benzoösorten ĂŒbersichtlich dar. Es enthĂ€lt in
Procenten:
BenzoesÀure. ZimmtsÀure.
Benzo& Sam 1. 15,489 â
â » 1. #7 200122856 ieh
Pnumatra ie. 2,043 16,686
» IE 1,270 13,665
s 5% (RER! 8,039 8,564
» ». SUN. 8,714 2,318
â Penang â 13,341
Vom Verf. benutzte Quellen: Archiv der Pharmacie. â
Jahrbuch f. Pharmacie (Prof. Dr. Henkel: ĂŒber Benzo& des
jetzigen Handels.)
Annalen der Chemie und Pharmacie. Bd. 1â108. Phar-
macognosie von Berg und von FlĂŒckiger. Strecker,
organ. Ohemie 1856.
Stralsund, den 27. Juli 1871.
I. âPost tenebras lux!â
(Verfasser: Julius Marius Gaberil aus Savagnier,
Canton Neuchatel, Lehrling bei Apotheker Brill in Rödel-
heim.)
Erhielt den 2. Preisa. (Nr. 1 der eingegangenen Ar-
beiten; 15 vollbeschriebene Quartseiten; mit 4 Proben und
20 PrÀparaten.)
Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 219
100 Gew.- Th. Benzoöharz enthalten nach Gaberil:
Siam Siam
in lacrymis. amygd. Penang. _ Sumatra.
Benzo&sÀure 12,14 15,57 4,60 1,64 90.
ZimmtsĂ€ure â â 11,34 14,18 â,
Alphaharz. 87,36 57,50 48,00 9.50..
Betaharz â 23,60 27,00 45,00 â,
Gammaharz â 1,50 3,30 12,50 â
Beimengungen 0,50 1,80 5,50 17,00,,,
100,00 100,07 99,74 99,82.
Verf. gruppirt die im Handel vorkommenden Benzo6-
sorten:
A. BenzoÀsÀure enthaltende Benzoe.
1) Benzo&ö Siam, a) in lacrymis (âin granisâ der
Droguisten) b) amygdaloides.
B) ZimmtsÀure enthaltende Benzoe.
2) Benzo@ö de Penang. Berg, in seiner pharmaceut.
Waarenkunde und die Preuss. Pharmacopo& ed. VI
geben die Penangbenzo& als synonym mit der Sumatrabenzo&
an. Dies ist nach dem Verfasser gar nicht der Fall,
beide Namen eignen sich vielmehr zu zwei verschiedenen
Sorten.
3) Benzoö de Sumatra (Benzo& communis s. in mas-
sis s, in sortis. â Benzo& mandulat. extrafein und fein der
Droguisten.)
Berg scheint die Sumatrabenzo&, wenn auch unter ande-
rer Benennung beschrieben zu haben, nemlich da, wo er von
einer âUaleutta-Benzo&öâ spricht, die er zu den benzoe-
sÀurehaltigen rechnet.
Eine Calcuttabenzo@ hat es aber im Handel nie gegeben.
Verf. erkundigte sich ĂŒber diese Sache bei den. Herren Lampe,
Kaufmann u. Comp. in Berlin und erhielt von diesen brief-
lich die BestĂ€tigung seiner Ansicht: âBerg hat die Herkunft
der Benzoö nicht richtig bestimmt. Aus Calcutta ist
wohl kaum je Benzo@ exportirt worden, da Singapore
220 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge etc.
der Haupthafen ist, aus welchem hinterindische Droguen vor-
zugsweise ausgefĂŒhrt werden ... Berg war ein tĂŒchtiger
Botaniker, aber in Betreff der Bezugsorte der Droguen konnte
er unmöglich so orientirt sein, wie Droguisten, welche mit
den HaupthandelsplÀtzen der Erde in dauernder Verbindung
stehen. â
4) Benzo& de Java. Eine sehr geringe Sorte, die
mehr Holz als Harz enthÀlt und dem Storax nÀher steht als
der Benzoe. War frĂŒher im Handel, ist jetzt aber aus dem-
selben verschwunden.
Qualitative PrĂŒfung der Benzo& auf Zimmt-
sĂ€ure. Die einfachste PrĂŒfung ist, einige Decigramme des
zu prĂŒfenden Harzes zu zerreiben, in einem ReagenzglĂ€schen
mit einigen Krystallen des ĂŒbermangansauren Kalis
zu versetzen, darauf einen Zoll hoch Wasser zu giessen und
das Gemenge zu erwÀrmen. Ein Geruch nach Bittermandelöl
verrÀth die Gegenwart von ZimmtsÀure. Statt. des KO,Mn?07
kann man auch doppeltchromsaures Kali und Schwefel-
sĂ€ure anwenden. VerdĂŒnnte SalpetersĂ€ure giebt eben-
falls mit zimmtsÀurehaltiger Benzo& beim Erhitzen den Bitter-
mandelölgeruch, derselbe ist aber wegen der stechendsauren
DĂ€mpfe der NOS schwieriger wahrzunehmen. Bei dieser Probe
wird die ZimmtsÀure zersetzt und aus ihr Bittermandelöl
gebildet. |
Verfasser fand, dass mittelst dieser Proben Siam-
benzo& (in granis et amygdaloides) kein Bittermandel-
öl lieferte, wÀhrend Penang- und Sumatra -Benzo& solches
gaben; diese Siambenzo& war mithin frei von ZimmtsÀure.
Trennung von BenzoÀsÀure und ZimmtsÀure.
Beide SĂ€uren zeigen sich in ihren Eigenschaften und den
allgemeinen Reagentien gegenĂŒber ausserordentl. Ă€hnlich; sie
verhalten sich aber verschieden gegen rauchende Sal-
petersÀure. Durch diese wird BenzoesÀure gelöst und in
NitrobenzoÀsÀure verwandelt, welche in Lösung bleibt;
ZimmtsÀure wird zwar auch gelöst und in Nitrozimmt-
sÀure verwandelt, diese aber scheidet sich unter ErwÀrmung
der FlĂŒssigkeit wieder aus.. In gewöhnlicher rauchender Sal-
Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 221
petersÀure findet dieser Vorgang langsam statt und die
ErwÀrmung ist dann unbedeutend; in starker rauchender
SalpetersÀure tritt die Reaction augenblicklich ein und die
ErwÀrmung ist eine plötzliche und starke.
Nitrobenzo&@sÀure ist in Alkohol leicht löslich, Nitro-
zimmtsÀure ist darin sehr schwer löslich. Diese Verschieden-
heiten hat Verf. seiner Trennung zu Grunde gelegt.
In ein BecherglÀschen gab er 15 Grm. starke rauchende
SalpetersĂ€ure, stellte das GlĂ€schen in kaltes Wasser und fĂŒgte
nach und nach unter fortwĂ€hrendem UmrĂŒhren 2 Grm, kĂ€uf-
liche reine ZimmtsÀure, dann nach 1 bis 2 Minuten 30 Grm.
Wasser. Es wurde wieder umgerĂŒhrt, die Mischung durch
Federalaun filtrirt, der Niederschlag mit einer bestimmten
Menge (60 Grm.) Wasser gewaschen, bis das abfliessende
Wasser nicht mehr sauer reagirte. (Um den Niederschlag
sÀurefrei zu bekommen und möglichst wenig Waschwasser
dazu zu gebrauchen, muss man das Wasser in kleinen
Portionen auf den Niederschlag giessen und vor Zusatz einer
neuen Portion immer warten, bis die erste abgelaufen ist.)
Die NitrozimmtsÀure sammt Federalaun wurden zwischen
Fliesspapier getrocknet; sie wog allein 2,3 Grm. FĂŒgt man
noch 0,308 Grm., die in SalpetersÀure und Wasser gelöst
geblieben waren, hinzu, so ergeben sich 2,608 Grm. Nitrozimmt-
sÀure, was der Formel der letzteren entspricht.
Nun wurde zur PrĂŒfung der SĂ€uren aus Penang- und
Sumatra-Benzo& geschritten, welche der Verfasser sich ent-
weder durch Sublimation oder auf nassem Wege bereitet hatte.
2 Grm. SĂ€ure von jeder Sorte wurden fĂŒr sich allein,
wie zuvor die ZimmtsÀure, mit starker rauchender ar
sÀure behandelt. Die getrockneten NiederschlÀge durften als
Gemenge von Nitrobenzoö-SÀure und NitrozimmtsÀure an-
gesehen werden. Sie wurden mit 20 Grm. Weingeist !/, Stunde
lang digerirt, die ungelöste SÀure auf Fliesspapier gebracht
und durch Pressen getrocknet. Alsdann wog die Nitrozimmt-
sĂ€ure von Penangbenzo@ 1,53 Grm.; fĂŒgt man 0,308 Grm,,
die sich in SalpetersÀure und Wasser, und 0,04 Grm., die
222 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete.
sich in Weingeist gelöst hatten, hinzu, so erhÀlt man 1,878
Grm. NitrozimmtsÀure im Ganzen.
NitrozimmtsĂ€ure von Sumatrabenzo& wog 2,0; fĂŒgt man
hier auch 0,308 Grm. und 0,04 Grm. hinzu, so erhÀlt man.
2,348 Grm. NitrozimmtsÀure.
Da aber 1 Grm. ZimmisÀure 1,304 Grm. NitrozimmtsÀure
entspricht, so hat man fĂŒr Penang 1,304: 1â1,878:x;xâ 1,44
und fĂŒr Sumatra 1,304 : 1=2,348:x;xâ1,8 Grm. Zimmt-
sÀure. Von 2,0 Grm. ZimmtsÀure -- BenzoösÀure abgezogen,
bleiben fĂŒr Penang 0,56 und fĂŒr Sumatra 0,2 Grm. Benzo6-
sÀure oder in 1,0 Penang 0,72 ZimmtsÀure und 0,28 Benzoc-
sÀure, in 1,0 Sumatra 0,90 ZimmtsÀure und 0,10 BenzoösÀure.
BestimmungderBenzo&-undZimmtsÀureinsge-
sammt. Hierzu benutzte Verf. den Weg der Neutralisation,
Er löste 0,1 Grm. BenzoesÀure in 10 Grm. Alkohol.
Andrerseits bereitete er sich eine alkohol. Lösung von Kali
caustic. fusum (1:100). Diese brachte er in eine graduirte
Proberöhre und tröpfelte davon so lange zu der ersteren, bis
ein Streifchen eingetauchtes geröthetes Lackmuspapier eine
neutrale FĂ€rbung annahm.
Um dahin zu gelangen, mussten 3,5 CC. der KaliflĂŒssig-
keit verbraucht werden. Dasselbe wurde fĂŒr eine alkohol.
Lösung von 0,1 Grm. ZimmtsĂ€ure ausgefĂŒhrt, fĂŒr welche 3,65
Cubiecentimeter KaliflĂŒssigkeit nöthig waren.)
Alsdann bereitete er sich aus allen seinen Benzodsorten
Tineturen im VerhÀltniss von 1 Th. Harz zu 10 Th. Weingeist.
Von jeder Tinctur behandelte er 10 Grm. fĂŒr sich allein, wie
zuvor die BenzodsÀure- und ZimmtsÀure-Lösungen mit der
KaliflĂŒgsigkeit. Von dieser verbrauchte er nun, um zu neu-
tralisiren: 4,25 CC. bei Siambenzo& in granis, 5,45 CC. bej
Siam amygd.; 5,75 CC. bei Benzoö Penang und 5,75 bei
SumatrabenzoÂŁ.
Bei den beiden Sorten von Siambenzo& . verhalten sich.
die ©.0©. Zahlen ausschliesslich gleich der BenzodsÀure, da sie
*) Dieses VerhÀltniss von 3,5: 3,65 stimmt nicht zu den Aequivalen-
tenâ der Benzo&sĂ€ure und ZimmtsĂ€ure. Hi.
Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 223
bloss solche enthalten. Bei Penang und Sumatra hingegen
verhalten sich jene Zahlen zu denen der BenzoesÀure und
ZimmtsÀure zugleich, da beide SÀuren vorhanden sind.
Um die BenzoösÀure der beiden Siamharze zu bestimmen,
hatte man bloss die Proportion anzusetzen:
FĂŒr Siam in lacrymis: 3,5: 0,1 =4,25:x; xâ0,1214 Grm.
FĂŒr Siam amygdaloides 3,5: 0,1 = 5,45: x; x â= 0,1557
Grm. BenzoösÀure in 1,0 Harz oder 12,12 Proc. Benzo&sÀure
in Siam in granis und 15,57 Proc. BenzoesÀure in Siam
amgydaloides.
Bleiben noch Penang- und Sumatra-Benzoe Nehmen
wir Penang. Aus einem frĂŒheren Experiment war bekannt,
dass 1 Grm. HarzsÀure aus 0,72 ZimmtsÀure und 0,28 Benzoe-
sÀure bestand.
Es wurden 5,75 CC. alkoh. Kali zur Neutralisation von
1 Grm. Harz gebraucht. Davon sind offenbar 0,72 auf Zimmt-
sÀure und 0,28 auf Benzo@sÀure verwandelt worden; also
0,72. 5,75 â=4,14 CC. auf ZimmtsĂ€ure und 0,28. 575 â=1,61 CC,
auf Benzo@sĂ€ure. Daraus folgt fĂŒr beide SĂ€uren:
3,65: 0,1 = 4,14: x; x = 0,1134 Grm. ZimmtsÀure und
3,5: 0,1 = 1,61: x; x = 0,046 Grm, Benzo&sÀure in1 Grm. Harz
oder 11,34°/, ZimmtsÀure und 4,6°, BenzoesÀure.
In Àhnlicher Weise wurde bei Sumatrabenzo& verfahren.
Zur Trennung der Harze wurden 10 Grm, kohlens. Natron
in 150 Grm. Wasser gelöst und in einer Porzellanschale
erwÀrmt; hierzu wurden nach und nach 60 Grm. einer
Benzoötinetur (aus 20 Grm. Harz und 40 Grm. Weingeist
bereitet) gegossen und bis zur Entfernung des Weingeistes
gekocht. Die heisse FlĂŒssigkeit wurde abgegossen und filtrirt.
Der kaltgewordene RĂŒckstand in der Schale wurde zerrieben
und mit 5 Grm. Soda und 100 Grm. Wasser aufs neue
gekocht. Die heisse FlĂŒssigkeit wurde zum ersten Auszug
gegeben und dies Ganze mit HCl angesÀuert. Der Nieder-
schlag wurde gesammelt und mit heissem Wasser gewaschen,
um die Benzo@sÀure auszuziehen. Das Hinterbleibende (das
Gammaharz) wurde von noch anhÀngender BenzoösÀure durch
Kochen mit Wasser gereinigt.
224 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete.
Die in Sodalösung unlöslichen Harze wurden getrocknet
und gewogen, dann in einem tarirten Kolben mit der gleichen
bis 1!/, fachen Menge Aether ĂŒbergossen u. 1'/, bis 2 Stun-
den damit digerirt. Der abgegossene Aetherauszug gab
beim Verdunsten das Alphaharz, das in Aether unlösl. Harz
bestand aus dem Betaharz.
Aetherisches Oel bemerkte Verf., als er Benzo&,
Aetzkalk, Soda und Wasser zusammenmischte; es entwickelte
sich dabei ein petroleum- oder benzinartiger Geruch. Abge-
schieden hat er solches nicht.
Die Verunreinigungen der BenzoÀharze beste-
hen aus RindenstĂŒckchen, holzigen Theilen, Blattresten etc.
III. Rebus angustis animosus atque
Fortis appare;, sapienter idem
Contrahes vento nimium secundo
Turgida vela (Horat. Carm. Lib. II. C.X1.)
(Verfasser: Fritz Pfuhl, Lehrling bei seinem Vater,
Apotheker A. A. Pfuhl in Posen.) Erhielt den 2. Preis b.
(Nr. 5 der eingegangenen Arbeiten; 14 halbbeschriebene Fo-
lioseiten; mit 6 Proben und 3 PrÀparaten.)
Verfasser stellte sich die zu vergleichenden Versuchen
dienende ZimmtsÀure aus Styrax liquida, Balsam. peruvianum
und Bals. tolutanum dar; aus flĂŒssigem Storax erhielt er
16 Proc., aus Perubalsam 5,8 Proc. und aus Tolubalsam
5,3 Proc. rohe ZimmtsÀure.
Die BenzodsÀure, welche bei den Ve benutzt
wurde, war nach der preuss. Pharmacopo& dargestellt; sie
entwickelte mit einer Lösung von ĂŒbermangansaurem Kali
keine Spur von Bittermandelölgeruch und entfÀrbte das
Salz nicht.
Die leichte Zersetzbarkeit des zimmtsauren Natrons durch
ĂŒbermangansaures Kali bot ein Mittel dar, die beiden SĂ€uren
BenzoösÀure und ZimmtsÀure neben einander zu bestimmen.
Benzo&saures Natron entfĂ€rbt selbst beim Erhitzen das ĂŒber-
mangansaure Kali nicht.
Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 225
0,5 Grm. reiner ZimmtsÀure (aus Styrax dargestellt),
welche 48 Stunden ĂŒber SchwefelsĂ€ure getrocknet worden
war, wurden in 50 Grm. Wasser, dem etwas kohlens. Na-
tron zugesetzt war, gelöst und die FlĂŒssigkeit in eine
BĂŒrette, welche bis aus 0,2 CC. getheilt war, gegossen. In
eine andere BĂŒrette kam eine Lösung von 0,5 Grm. KO,Mn?0'
in 100 CC. Wasser. Es wurden nun von der letzteren Lösung
zu 1 CC. der ersteren so viel zugetropft, bis die Farbe selbst
beim Erhitzen nicht mehr verschwand.
Bei 8 Versuchen wurde je 1 Gew.-Th. ZimmtsÀure zer-
setzt durch 3,4â 3,1 â 3,3 â 3,1 â 3,4 â 3,3 â 3,2 und 3,4
Gew.- Th. KO, Mn? 0%
Die Durchschnittszahl hiervon wÀre 3,275 Gew.-Th.
KO, Mn?0? auf 1 Gew.- Th. ZimmtsÀure, welches 3 Molekule
KO,Mn?O? auf 1 Molekul ZimmtsÀure betrÀgt.
Zur Analyse standen 6 verschiedene Benzoösorten zu
Gebote.
1) Siam, 2â4) Sumatra I, II. u. III (alle 4 von Grund
in Breslau) und 2 Benzo@öproben aus Posener GeschÀften.
a) Siambenzo&.
Grosse StĂŒcken, aus vielen aneinander geklebten kleinen
Harztheilchen bestehend. Letztere sind theils weiss, theils
hellgelb, bis brÀunlich, von Wachsglanz, durchscheinend bis
durchsichtige. Im Innern meistens weiss, mit gelbbraunen
Adern durchzogen. Vom Fingernagel wird das Harz nur
schwierig geritzt. Geruch und Geschmack aromatisch, letzte-
rer auch etwas brennend. Auf einer Unterlage konnte es
nicht entzĂŒndet werden, da es zu schnell schmolz; auf einem
Holzspahne jedoch brannte es mit leuchtender, sehr russenden
Flamme. Spec. Gew., bei 20°C. aus dem Gewichtsverlust,
den es an einem Haupthaare hÀngend beim Wiegen im Was-
ser erlitt, bestimmt, wobei sorgfÀltig die anhÀngenden Luft-
blasen entfernt wurden) = 1,21. (Hierzu, wie zu allen fol-
genden Ă€hnl. Yersuchen, wurde das erste beste StĂŒck Harz
ohne Auswahl genommen.) Sie erweichte schon im Munde
Arch, d, Pharm, CC, Bda, 3. Heft, 15
996 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete.
(bei 35 bis 40°C.) und schmolz (unter Wasser) bei 64°C.
vollstÀndig.
5 Grm. der Benzo& wurden in der hinreichenden Menge
Weingeist gelöst, die Lösung filtrirt, wobei 0,23 Grm. Unrei-
nigkeiten hinterblieben. Das Filtrat wurde unter Zusatz von
kohlens. Natron-Lösung gekocht (bis zur Entfernung des
Weingeists), dann mit reinem Wasser. Hierdurch gingen die
SÀuren und das Gammaharz in Lösung. Das ungelöst geblie-
bene Gemenge von Alpha- und Betaharz wog 3,48 Grm.
Aus der filtrirten alkalischen FlĂŒssigkeit wurden durch HCl
die SĂ€uren abgeschieden, denen sich auch das Gammaharz
beimengte. Die FlĂŒssigkeit wurde dann mit dem Nieder-
schlage erhitzt, wobei sich das Gammaharz zu dunkelbraunen
Flocken vereinigte, die auf der FlĂŒssigkeit schwammen. Die
FlĂŒssigkeit wurde kochend filtrirt und die sich aus dem Fil-
trate in Flocken abscheidenden SĂ€uren durch Zusatz von
kohlens. Natron gelöst. Das Gewicht des Gammaharzes war
0,09 Grm.
Die Lösung wurde mit Wasser verdĂŒnnt bis ihr Volu-
men â 100 CC. war. Zu 1CC. ders. wurde dann soviel
ChamÀleonlösung gethan (0,5 Grm. KO,Mn?O? in 100 CC.
Wasser), bis die rothe Farbe nicht mehr verschwand. Es war nur
sehr wenig ZimmtsÀure vorhanden. Das an 5 Grm. noch
fehlende zeigt die Benzo&sÀure an. Doch ist die-
selbe bei allen Analysen zu hoch berechnet, indem nemlich
verabsÀumt worden war, vorher die Harze zu trock-
nen; desshalb addirt sich noch der Feuchtigkeitsgehalt des
Harzes dem Gehalt an BenzoösÀure hinzu. (Leider reichte
die Zeit zu neuen Versuchen nicht aus.)
100 Theile dieser Siambenzo& lieferten auf diese Weise:
23,0 Proc. Benzo@sÀure (einschliesslich der Feuchtigkeit des
Harzes),
1,0 ,â ZimmtsĂ€ure (annĂ€hernd),
69,6 , Alpha- und Betaharz,
18 â Gammaharz und
4,6 ,â Unreinigkeiten. »
100,0.
Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 227
b) Samatrabenzo&].
Grosse, spröde, leicht zu zerbröckelnde StĂŒcke, Grund-
masse gelblich braun, mit eingelagerten weissen, gelblich-
weissen, hier und da röthlichen HarzstĂŒckchen von Wachs-
glanz. Auch einzelne gelblichbraune, fast durchsichtige Theil-
chen sind darin zu bemerken. Die weissen HarzstĂŒckchen
erweichen im Munde, wÀhrend die braunen Massen beim
Kauen zerbröckeln. Riecht und schmeckt aromatisch, brennt
mit leuchtender russender Flamme. Spec. Gew. bei 23°C.
= 1,12. Bei der Analyse wurde das Betaharz vom Alpha-
harz durch Digeriren mit Aether getrennt, worin sich das
Alphaharz löste. Die Benzo& erweichte bei 63°C. und schmolz
etwa bei 90°C.
Zusammensetzung:
1,0 Proc. BenzoösÀure (und Feuchtigkeit des Harzes),
9,2 ,â ZimmtsĂ€ure,
39,8 â Alphaharz,
29,0 â _ Betaharz,
14,6 â _Gammaharz,
6,4 â Unreinigkeiten.
100,0.
c) Sumatrabenzo& II.
Grosse, braune, leichtzerbröckelnde HarzstĂŒcke, mit vie-
len Verunreinigungen. Man bemerkt darin weisse durch-
scheinende und einige klar durchsichtige Theilchen. Wird
vom Fingernagel geritzt, zerbröckelt beim Kauen. Brennt
mit leuchtender, russender Flamme. Spec. Gew. bei 21%,5 C.
â= 1,12. Erweicht bei 75° und schmilzt etwa bei 95°C,
Zusammensetzung:
25,8 Proc. BenzoösÀure (u. Feuchtigkeit d. Harzes),
4,2 ,â ZimmtsĂ€ure,
43,8 â Alpha- und Betaharz,
11,2 â Gammaharz,
15,0 â _Unreinigkeiten.
100,0,
15*
998 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete.
d) Sumatrabenzo& III.
Braune, sehr verunreinigte HarzstĂŒcke; darin einzelne
weisse, oder gelbe, wachsglÀnzende, durchscheinende bis durch-
sichtige Harztheilchen, die vom Nagel schwer geritzt werden.
Zerbröckelt beim Kauen. Brennt mit leuchtender, russender
Flamme. Spec. Gew. b. 230,5 0. â 1,09. Erweicht bei 65°,
schmilzt etwa bei 85°Cels. (Hierzu dienten die weisslichen
HarzstĂŒckchen, da die braune Masse zu unrein war.)
Zusammensetzung:
12,4 Proc. BenzoesÀure (u. Feuchtigkeit d. Harzes),
3,8 â ZimmtsĂ€ure,
544 â Alpha- und Beta - Harz,
42 ,â Gammaharz,
25,2 ,â ĂUnreinigkeiten.
100,0.
e) Benzo& aus einem Posener GeschÀft.
Sie enthÀlt sehr viele weisse und gelblichweisse Harz-
stĂŒckchen; auch kleine, fast wasserhelle Theilchen. Die ĂŒbrige
Masse des Harzes besteht aus braunen, glÀnzenden, etwas
durchscheinenden Adern und StĂŒckchen. Brennt an der Luft.
Spec. Gew. bei 22°,5 Cels. = 1,14. Erweicht bei 65°C. und
schmilzt bei 81° C.
Zusammensetzung:
7,2 Proc. Benzo&sÀure (u. Feuchtigkeit d. Harzes),
4,2 ZimmtsÀure,
60,2 Alpha- und Betaharz,
204 â _Gammaharz,
80 â ĂUnreiigkeiten.
100,0.
f) Benzo& aus einem anderen Posener GeschÀft.
Leichtzerbrechliche StĂŒcke mit gelblich rother bei dun-
kelgrauer Grundmasse, worin weisse, porzellanartige, durch-
scheinende bis klare, wasserhelle, auch gelbliche Harztheile
eingesprengt sind. Geruch und Geschmack erinnern etwas
Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete, 229
an Storax. Brennt mit leuchtender, russender Flamme. Spec.
° Gew. bei 220,5 Cels. =1,16. Erweicht bei 67° C., schmilzt
aber erst bei 96°C. vollstĂ€ndig zu einer dunkelbraunen FlĂŒs-
sigkeit.
Zusammensetzung:
5,8 Proc. Benzo&@sÀure (u. Feuchtigkeit d. Harzes),}
3,6 ,, ZimmtsÀure,
54,4 Alpha- und Betaharz,
17,2. â Gammaharz,
19,0 ,â Unreinigkeiten.
100,0.
Der Verfasser benutzte bei seiner Arbeit die organische
âChemie (1867) von A. Strecker und das Lehrbuch der
Pharmacognosie von FlĂŒckiger, wie man bemerken wird,
mit Aufmerksamkeit.
IV. âPer aspera ad astra!â
(Verfasser: Oscar Ernst Eckert aus Ansbach, Lehr-
ling bei Apoth. ©. Barnickel daselbst) erhielt den 3. Preis a.
(Nro. 3 der eingegangenen Arbeiten; 23 vollgeschriebene
Folioseiten; mit 8 Proben und 22 PrÀparaten).'
Zur Untersuchung dienten folgende Benzoesorten:
1) Siam I.
2) Siam II. Von der Droguenhandlung von Grund-
3) Sumatra I. [ herr und Hertel in NĂŒrnberg bezogen.
4) Sumatra 1.
5) Siam
6) Sumatra 1.
7) Sumatra II.
8) Sumatra IIL
Zur Abscheidung der BenzoösÀure (und, ZimmtsÀure)
durch Sublimation wÀhlte Verfasser den von Gorup-Be-
sanez vorgeschriebenen Sublimirapparat: 2 gerÀumige Uhr-
schalen, deren RĂ€nder genau aufeinander passen. Die obere
Schale war mehr gewölbt, die untere etwas flacher,
Von Th. Gessner aus NĂŒrnberg be-
zogen. Sumatrabenzo@ III war ein Oa-
binetsstĂŒck.
930 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete.
Nachdem die Benzo& in dieselbe gegeben, wurde eine aus
Filtrirpapier geschnittene Scheibe darĂŒber gespannt, die
obere Schale aufgesetzt und die RĂ€nder beider Schalen mit
Papier verklebt. Der so hergerichtete Apparat wurde ins
Sandbad gesetzt und langsam angewÀrmt, bis sich Was-
ser in der oberen Schale ansetztee Dieses wurde nach
dem Auseinandernehmen der Uhrschalen entfernt, diese wieder
aufeinander geklebt und durch neues, stÀrkeres Erhitzen die
Sublimation der BenzoesÀure (und ZimmtsÀure) eingeleitet.
Nach einstĂŒndiger Erhitzung wurde der Apparat erkalten ge-
lassen, geöffnet, die sublimirte SÀure aus der obern Schale
herausgenommen, die Schalen wieder zusammengefĂŒgt und
dieses Verfahren 3 bis 4 mal wiederholt, ĂŒberhaupt so oft,
bis sich keine SĂ€ure mehr sublimirte. Dabei wurde das Harz
zuerst zĂ€he, allmĂ€hlig dĂŒnnflĂŒssig wie Syrup, dann wieder
unter AufblĂ€hen zĂ€he. Der erkaltete RĂŒckstand erschien
blasig, spröde, schwarzbraun.
Es lieferten:
Siambenzo&. Sumatrabenzo&.
I(ı) DO2@) 6) I(3) II(4) I(6) III(7) (III)
Sublimirte SÀure 21 135 14 14° 9° 14 Sog
RĂŒckstand 71 850 80 7 ga Neal Neon
Wasser u. Verlust. 5 1,5 6 8 4 4 4 40%),
100 1000 100 ° 100. 400 100. "100920007
Durch Auskochen des gepulverten Benzocharzes mit Kalk-
milch (auf 4 Gew. "Th. Benzo& 1 Gew. Th. Kalk), FĂ€llen der
filtrirten FlĂŒssigkeit mit SalzsĂ€ure, Auflösen der abgeschiede-
nen SĂ€urekrystalle in kochendem Wasser und Krystallisiren
wurden folgende Mengen von SĂ€ure erhalten.
Aus Siambenzo& Aus Sumatrabenzz&
I(1) IL) (5) I(3) II(4) I(6) _II(7) III(8)
20 12 12 % 12 11 12 4e*11 24 On
Durch ĂŒbermangansaures Kali wurde ZimmtsĂ€ure
qualitativ nachgewiesen in Siambenzo& I(1) und (5), in
Sumatrabenzoöl (3), I(6) und III(8), letztere enthielt
davon nur Spuren, keine ZimmtsÀure in Siam II(2) und
Sumatra II(4 und 7).
Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr, die Lehrlinge ete, 231
Eine quÀftitative Bestimmung der ZimmtsÀure wurde
nicht versucht. Der Abhandlung sind beigelegt zwei nette
Bleistiftzeichnungen von Benzoin oflicinale Hayne und Cinna-
momum zeylanicum Blume. Verfasser nennt folgende Werke,
die er bei seiner Arbeit zu Rathe zog:
v.Gorup-Besanez, Lehrb. d. org. Chemie; J. W. Doe-
bereinerâs pharmac. Waarenkunde und Chemie; Liebigâs
Handb. d. org. Chemie; G. Dulkâs und Fr. Mohrâs Commen-
tare z. preuss. Pharmacopo& und Wittsteinâs Vierteljahrs-
schriften f. pract. Chemie.
V. Si desint vires, tamen est laudanda voluntas,
(Verfasser: Friedrich Pögler aus NĂŒrnberg, Lehrling
bei Apoth. ©. Barnickelin Ansbach.) Erhielt den 3. Preisb.
(Nr. 4 der eingegangenen Arbeiten; 23 vollgeschriebene Folio-
seiten; mit 8 Proben und 22 PrÀparaten.)
Es wurden beschrieben und analysirt:
1) Siambenzo& I., seu Benzo@ in granis
2) Siambenzo& Il. von Grundherr
3) Sumatrabenzo@ Nr. 1. und Hertel im
4) b; ia NĂŒrnberg.
5) ; â I. (CabinetsstĂŒck)
6) Siambenzo& 1.
7) Sumatra Nr. 1. von Gessner in NĂŒrnberg.
Binz Fe 1° ;
Diese 8 Benzoösorten wurden auf nassem und auf trock-
nen Wege auf ihren Gehalt an BenzoösÀure (inclus. Zimmt-
sÀure, da, wo solche vorkommt) untersucht.
Es lieferten 100 Theile Benzo&:
1) Siam I 17 Th. SĂ€ure auf trocknem und 10 Th. auf nas-
sem Wege (3 Th. waren im Filtrum stecken geblieben).
2) Siam II 12 Th. SĂ€ure auf trocknem ee und 8 Th.
auf nassem (3 Th. im Filtrum geblieben).
3) Sumatra I 8 Th. auf trocknem Wege und 9 Th. auf
nassem (3 Th. im Filtr. geblieben).
932 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete,
4) Sumatra Nr. II 9 Th. auf trockn. Wegdfund 9 Th. auf
nassem (2 Th. im Filtr.).
5) Sumatra I 8 Th. auf trocknem Wege und 10 Th. auf
nassem (wobei 2 Th. mit dem Filtrum verlustig gingen).
6) Siam Nr. I 94, Th. auf trocknem Wege und 101/, Th.
auf nassem (wobei 24, Th. im Filter blieben).
7) Sumatra Nr. I, 10 Th. auf trocknem Wege und 11 Th.
auf nassem (mit 1 Th. im Filtrum).
8) Sumatra Nr. II, 9 Th. SĂ€ure auf trocknem Wege und
12 Th. auf nassem, mit 2 Th. Verlust.
Bei Behandlung mit ĂŒbermangansaurem Kali entwickelten
folgende SÀuren Bittermandelölgeruch, enthielten mithin Zimmt-
sÀure (Verfasser schreibt CimmtsÀure, indem er der sonst
â nicht weiter gebrĂ€uchlichen Schreibweise Wittsteinâs folgt):
Benzo&@ Siam I(1), Sumatra I(3), Sumatra I(5), Siam I(6),
Sumatra Il(8), letztere nur Spuren. Keine ZimmtsÀurereac-
tion gaben: Siam IIL(2), Sumatra IL(4) und Sumatra 1(7).
Von Werken konnte Verf. benutzen: dieselben, wie der
Vorhergehende, ausserdem noch Meyerâs Conversationslexicon
und Wittsteinâs organische Chemie.
Jena, den 11. Mai 1872.
HA. Ludwig.
233
II. Chemische "Technologie.
Ueber die Versilberung von 6las.
Von R. Siemens, Apotheker in Niedermarsberg.
In neuerer Zeit sind versilberte Glassachen, z. B. GĂ€rten-
Kugeln jeder Form und Grösse, TrinkglÀser, Leuchter ete.
so sehr beliebt geworden und in Aufnahme gekommen, dass
ich mich veranlasst sah, eine Reihe von Versuchen anzustel-
len, um eine Methode zur praktischen, raschen und sicheren
Herstellung solcher GegenstÀnde ausfindig zu machen. Die
Methode, zu welcher ich gelangt bin, möchte ich nicht ver-
fehlen, an dieser Stelle mitzutheilen; man kann sich vermit-
telst derselben auf eine leichte und bequeme Art sehr hĂŒbsche
GegenstĂ€nde, so Kugeln fĂŒr den Garten etc. selbst herstellen.
Ob die Fabrikanten (es bestehen, wie ich höre, in Cöln und
Wesel solche Fabriken) diese oder eine derselben Àhnliche
Methode befolgen, weiss ich nicht. Das Reductionsmittel zur
Herstellung des Silberspiegels, welches ich anwende, ist der
durch diese Eigenschaft bekannte Aldehyd und zwar Aethyl-
aldehyd (Acetaldehyd) in Form von Aldehydammoniak, darge-
stellt durch Einleiten von trockenem Ammoniakgas in Alde-
hyd. Im Handel kann man es beziehen von Herrn Tromms-
dorf in Erfurt. |
Silbernitrat und Aldehydammoniak werden jedes fĂŒr sich
in destillirtem Wasser aufgelöst, die Lösungen gemischt und
filtrirt; und zwar bewÀhrt sich folgendes VerhÀltniss am
besten:
4 Grm. Silbernitrat und 2,5 Grm. Aldehydammoniak auf
1 Litre Wasser, Der zu versilbernde Gegenstand wird, nach-
dem er vorher durch AusspĂŒlen mit einer Lösung von koh-
234 Ueber die Versilberung von Glas.
lensaurem Kali und nachheriges NachspĂŒlen zuerst mit Wein-
geist und dann mit destillirtem Wasser von allen Spuren von
Fettigkeit befreit wurde, mit dieser Lösung angefĂŒllt, resp.
so weit als man ihn versilbern will und in ein Wasserbad
gehÀngt. Letzteres wird nun allmÀhlig erhitzt und sobald
die Temperatur auf 50°C. gestiegen ist, beginnt die Aus-
scheidung des Silberspiegels, der sich zusehends ĂŒber die
ganze innere GlasflÀche verbreitet. Seine Bildung ist in kur-
zer Zeit beendet (ungefÀhr bei 55 bis 60°); zuerst, wenn er
noch dĂŒnn ist, sieht er schwĂ€rzlich aus, er bekommt jedoch,
in dem Maasse die Ausscheidung weiter schreitet, immer
mehr Glanz, bis er zuletzt die schönste SilberflÀche zeigt.
Jetzt ist es Zeit, den Gegenstand aus dem Bade heraus zu
nehmen und âden Inhalt zu entleeren, da ein lĂ€ngeres Ver-
bleiben desselben im GefÀsse der Reinheit des Spiegels schÀd-
lich ist. Die letzten Antheile entfernt man 'durch AusspĂŒlen
mit destillirtem Wasser.
Der Aldehyd wird bei diesem Vorgange nach der
Gleichung:
H2NOCÂźHÂź- H20 + 2AgNO3=ĂC?âH3(HN)O?-++2NHO3-+-2Ag
zu EssigsÀure oxydirt. Dass jedoch dieser Process nicht so
einfach vor sich geht, dafĂŒr spricht schon der Umstand, dass
die anzuwendende Menge Aldehydammoniak die durch die
Theorie gegebene bei Weitem ĂŒbersteigt. Ebenso lĂ€sst ihn
die Gegenwart der freigewordenen SalpetersÀure nicht so
einfach verlaufen; es bildet sich noch salpetrige SĂ€ure, welche
man vermittelst Jodkaliumlösung, die .mit StÀrkekleister
und verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure versetzt ist, leicht in der abfil-
trirten FlĂŒssigkeit durch die entstehende BlĂ€uung nachwei-
sen kann. Hat man den Inhalt in ein GefÀss entleert, so
lĂ€sst man absetzen, decantirt die ĂŒberstehende FlĂŒssigkeit,
in welcher sich kein Silber mehr befindet (sondern nur
NHO?Âź;. H2NO?N; C3H2(H*N)O?
und ĂŒberschĂŒssiger C?HO) ab und kann das pulverig aus-
geschiedene metallische âSilber, nachdem man es ausgewa-
schen, leicht durch Auflösen in NHO3 in Silbernitrat zurĂŒck-
verwandeln. Der grösste Theil des angewandten Silbers fÀllt
HĂ€rtebestimmung des Wassers. 235
pulverig nieder; so wandte ich z. B. zur Versilberung einer
Gartenkugel von 10 Litre Inhalt 40 Grm. Silbernitrat an,
von welchem ich durch Auflösen des pulverig niedergefallenen
Silbers 35 Grm. wiedergewann.
Ob Traubenzucker in alkalischer Lösung zum Zwecke
solcher Versilberung sich eben soâ gut eignet, als Aldehyd-
ammoniak, bleibt ferneren Versuchen vorbehalten.
HĂ€rtebestimmung des Wassers.
Die Untersuchungen des Wassers, bezĂŒglich der Verwend-
barkeit dess. fĂŒr technische Zwecke, hat man bisher gewöhn-
lich in der Weise ausgefĂŒhrt, dass man den HĂ€rtegrad des-
selben mittelst Seifenlösung bestimmte. Nun haben aber
Schneider (1864), E. Reichardt (1870) und in neuester
Zeit N. GrÀger die Unbrauchbarkeit dieser Methode
nachgewiesen. A. Wagner bestÀtigt dies abermals, indem
seine Resultate ihm gezeigt haben, dass diese Methode selbst
in den HĂ€nden geĂŒbter Fachtechniker nur unbrauchbare Re-
sultate liefert. Das einzige zuverlĂ€ssige Instrument fĂŒr die
Untersuchung des Wassers ist die Wage, und diese Unter-
suchung muss nur von Chemikern und nicht von soge-
nannten Praktikern ausgefĂŒhrt werden. Dampft man
selbst nur kleine gemessene QuantitÀten Wasser ab, so kann
man die AbdampfrĂŒckstĂ€nde wĂ€gen und mit aller Sicherheit
fĂŒr die Resultate gut sagen. Zur Untersuchung des Wassers
mit HĂŒlfe der Wage genĂŒgen 2 Gewichtsbestimmungen,, sowohl
fĂŒr technische, wie fĂŒr wissenschaftl. Untersuchungen: 1) Be-
stimmung der Gesammtmenge der im Wasser gelösten Salze
durch Abdampfen; 2) Bestimmung der an und fĂŒr sich im
Wasser löslichen Salze. Subtrahirt man 2. von 1., so erhÀlt
man das Gewicht der mittelst der freien KohlensÀure
gelöste Erdalkalien, entsprechend der temporÀren HÀrte. (Aus
d. Bayer. Ind.- u. Gew.-Bl. 1872, 5 im Chem. Centralblatt
16. April 1872, Nro. 15, S. 234.). # I.
256
B. Monatsbericht.
I. Chemie.
Ueber Flammenschutzmittel
ist vom Bergrath Patera in Wien eine Schrift erschienen,
welche die grösste Aufmerksamkeit verdient. Denn so gross-
artig die Anstalten und Mittel sind, die angewandt werden,
um dem bereits ausgebrochenen Feuer Einhalt zu thun, so
wenig allgemeine BerĂŒcksichtigung haben bis jetzt die Be-
strebungen gefunden, solche UnglĂŒcksfĂ€lle, durch die so enorme
Verluste an Hab und Gut und Menschenleben herbeigefĂŒhrt
werden, zu verhĂŒten. Das BedĂŒrfniss, sie zu verhĂŒten, liegt
zunĂ€chst nahe bei der leichten EntzĂŒndlichkeit der Theater-
decorationen und der meisten Frauenkleiderstoffe.
Patera giebt an, dass man die Anzahl der jÀhrlich in Eng-
land durch brennende Kleider VerunglĂŒckten auf mehr als
400 schÀtzt, und dass in Wien nach einem 5jÀhrigen Durch-
schnitt jÀhrlich 21 Personen auf diese Weise durch Verbren-
nung verunglĂŒckten. Er erinnert ferner an den Brand der
Kirche zu .St. Jago im Jahre 1863, bei welchem in einer
Viertelstunde mehr als 2000 Frauen ihren Tod fanden, indem
eine Gasflamme einen Vorhang in Brand setzte und das Feuer
sich durch die Kleider der Frauen weiter verbreitete. Obenan
in Bezug auf FeuergefÀhrlichkeit stehen die Theater.
Beim Brande des Theaters von Saragossa im Jahre 1787 ver-
loren 600 Personen das Leben; bei dem Brande des Theaters
in Quebeck im Jahre 1846 kamen ĂŒber 500 Personen um.
Im Jahre 1868 fingen in Turin die Kleider einer TĂ€nzerin
Feuer, das sich auf die anderen TĂ€nzerinnen fortpflanzte und
wodurch zuletzt das ganze Theater in Asche gelegt wurde.
Mit BerĂŒcksichtigung der in neuester Zeit erfolgten BrĂ€nde
sind in den letzten 109 Jahren 136 Theater vollstÀndig abge-
brannt, von welchem 51 auf die letzten 10 Jahre fallen.
Ueber Flammenschutzmittel. 937
Es ist also klar, dass es eine Sache von grosser Wich-
tigkeit ist, Mittel aufzufinden, durch welche die EntzĂŒndlich-
keit leicht feuerfangender Stoffe verzögert und vermindert
werden kann.
Zu den schon lÀngst vorgeschlagenen und fast wieder
vergessenen, die Verbrennung mit Flamme verhindernden Mit-
teln gehört das von Fuchs empfohlene Wasserglas (kie-
selsaures Kali oder kiesels. Natron oder ein Gemisch beider)
mit dessen mit Kreide vermischter Lösung bei dem Neubau
des 1823 abgebrannten Hoftheaters in MĂŒnchen alles Holz-
werk angestrichen wurde und das Patera selbst noch jetzt
zu den besten Schutzmitteln fĂŒr Holz rechnet.
Dann erwÀhnt er das von Versmann und Oppen-
heim vorgeschlagene wolframsaure Natron, als eines
sehr dem Zwecke entsprechenden Mittels, dem aber bei einer
massenhaften Anwendung die zu grosse Kostbarkeit entgegen-
stehe. Auch das von Denselben vorgeschlagene schwefel-
saure Ammoniak leiste gute Dienste, erfordere aber
manche Vorsicht und sei desshalb in vielen FĂ€llen unan-
wendbar.
Nachdem Patera noch verschiedene andere, neuerlich
empfohlene Mittel genannt, und ihre UebelstÀnde bei der An-
wendung hervorgehoben hat (die Alaune, Vitriole, Borax,
Salmiak, Bittersalz u. s. w.), kommt er zu den von ihm selbst
aufgefundenen und erprobten Flammenschutzmitteln, die auch
den ĂŒbrigen Anforderungen: wohlfeil und leicht zugĂ€nglich zu
sein, in möglichst verdĂŒnnter Lösung zu wirken, die Stoffe
nicht steif und schwer zu machen, die Farben nicht zu ver-
derben, nicht riechend, nicht Àtzend, nicht giftig zu sein, voll-
kommen entsprechen.
Nach seinen vielfachen belehrenden Versuchen hÀlt Pa-
tera ein Gemenge von Borax und Bittersalz fĂŒr
ein Flammenschutzmittel, welches dem wolframsauren Natron
mindestens gleich zu stellen und dabei ĂŒberall wohlfeil zu
haben sei. Seine Wirkung beruht auf der Bildung der in
kaltem und heissen Wasser unlöslichen borsauren Magne-
sia, welche die FĂ€den des Gewebes dicht umhĂŒllt, und,
indem sie so die Entwickelung der brennbaren Gase sehr
erschwert, das Umsichgreifen der Flamme verhindert. Das
MischungsverhÀltniss der Salze ist:
4 Theile Borax und 3 Theile Bittersalz. Die
Salze werden erst kurz vor dem Gebrauche gemengt, weil
sich sonst zu frĂŒh borsaure Magnesia bildet und ungelöst
bleibt. 7 Loth des Salzgemenges werden in 20 bis 30 Loth
238 Ein. Apparat z. Darstell. v. Ozon. â Darstell. v. Chlor im Grossen.
warmen Wassers gelöst und in diese Lösung wird der zu im-
prÀgnirende Stoff eingetaucht; er wird dann ausgerungen,
getrocknet und nöthigenfalls gebĂŒgelt. â
Ein zweites, nach seiner Versicherung vortreffliches
Schutzmittel fand er in einem Gemenge von schwefel-
saurem Ammoniak und Gyps, in verschiedenen Ver-
hĂ€ltnissen, je nachdem es fĂŒr feinere oder gröbere Stoffe die-
nen soll. â
Beide Salzgemenge eignen sich fĂŒr alle feineren und
gröberen Stoffe, fĂŒr Crepe, TĂŒll, Musselin, Packleinwand,
Strieke und Holz. Im Betreff der Einzelnheiten bei der
ImprÀgnation verschiedener Stoffe mit den beiden Salzgemengen
oder mit Wasserglas ist auf die Pateraâsche Schrift zu ver-
weisen. . (Annalen d. Chem. u. Pharm. Februar u. MĂ€rz 1872,
Bd. 161, S. 282 â 284.). HD:
Einen Apparat zur Darstellung von Ozon
beschreibt A. Houzeau. Derselbe besteht aus einer dĂŒnn-
wandigen und engen Glasröhre, von der Form der Röhren,
welche zum Auffangen der Gase-dienen, in deren Innern
sich ein 40â60 Ctm. langer Platindraht befindet, welcher
am oberen Ende das Glas durchdringt und dort eingekittet
oder eingeschmolzen ist. Das Rohr ist Àusserlich mit einer
Spirale von Kupferdraht umwunden. Leitet man durch die-
ses Glasrohr einen langsamen Strom Sauerstoff und setzt die
beiden DrÀhte mit den beiden Polen eines Inductionsappara-
tes (von 2 bis 3 Ctm. FunkenlÀnge) in Verbindung, so wird
der Sauerstoff stark ozonisirt. Je nach UmstÀnden enthÀlt
derselbe 60 bis 120 Milligramme Ozon im Liter. (Berichte
der deutsch. chem. Gesellsch. z. Berlin, 25. MĂ€rz 1872, Nr. 5,
S. 217.). al
Darstellung von Chlor im Grossen nach Deacon.
Man leitet ein Gemenge von atmosphÀrischer Luft und
SalzsĂ€uregas bei hoher Temperatur ĂŒber Ziegelsteine, welche
mit Kupfervitriol getrÀnkt sind. Die Reaction zwischen dem
Sauerstoff der Luft und dem Wasserstoff der SĂ€ure soll von
Ueber eine neue SĂ€ure des Stickstofls, die untersalpetrige SĂ€ure, 239
dem Kupfersalze katalytisch unterstĂŒtzt werden. (The Phar-
macist and Chem. Record. Vol. IV. Nr. 11â12. Deobr.
1871. P. 253.). W».
Ueber eine neue SĂ€ure des Stickstoffs, die unter-
salpetrige SĂ€ure, von Edward Divers.
Nach den Versuchen von Schönbein werden die sal-
petersauren Alkalien in ihren wÀssrigen Lösungen durch
Natrium in salpetrigsaure Salze verwandelt. Diese Um-
wandlung kann sehr leicht mit HĂŒlfe von Natrium - Amalgam
bewirkt werden. Aber das eben gebildete salpetrigsaure Salz
erleidet durch einen Ueberschuss von Natrium eine neue Re-
duction. Man bemerkt ein Aufbrausen, bewirkt durch eine
Entwickelung von reinem Stickoxydgas.. FĂŒgt man den
Ueberschuss des Natriumamalgams der Lösung nur nach und
nach hinzu unter sorgfĂ€ltiger AbkĂŒhlung des GefĂ€sses, so tritt
das Aufbrausen nur dann stark auf, sobald man 1 Molecul
des salpetersauren Alkalis 2 Atome Natrium zugesetzt hat.
Bei weiterem Zusatz von Natriumamalgam beobachtet man
keine Wirkung mehr. Die stark alkalisch reagirende FlĂŒs-
sigkeit enthÀlt das Alkalisalz der neuen SÀure in verhÀltniss-
mÀssig geringer Menge. Mit EssigsÀure neutralisirt, giebt sie
mit salpetersaurem Silberoxyd einen gelben Niederschlag, der
leicht ausgewaschen werden kann, da er im Wasser fast eben
so unlöslich ist, wie das Chlorsilber. Unterhalb 100°C. bleibt
dieser Niederschlag unverÀndert und kann ohne Zersetzung
mit heissem Wasser gewaschen werden. Auch am Lichte
bleibt er unverÀndert, in einer reinen AtmosphÀre, selbst in
BerĂŒhrung mit Papier. In EssigsĂ€ure ist âer nur sehr wenig
löslich und man kann ohne Nachtheil die ursprĂŒngl. alkalische
Lösung mit EssigsĂ€ure ĂŒbersĂ€ttigen, bevor man sie mit Sil-
bersalpeter fÀllt. Er löst sich in Ammoniak- und kohlens.
Ammoniak-FlĂŒssigkeit u. kann aus dieser Lösung durch EssigsĂ€ure
oder genaue Neutralisation mit verdĂŒnnter NO? oder SO gefĂ€llt
werden. Er löst sich auch unzersetzt in den beiden genannten
verdĂŒnnten SĂ€uren und wird aus diesen Lösungen durch Neu-
tralisation derselben mit H?N oder kohlens. Ammoniak, oder durch
UebersĂ€ttigen der sauren FlĂŒssigkeit mit Aetznatron oder kohlens.
Natron, in denen er unlöslich ist, wieder niedergeschlagen.
Oone. SalpetersÀure oxydirt ihn unter Entwickelung reichlicher
rother DĂ€mpfe. MĂ€ssigverdĂŒnnte NO°,S03 oder HCl zer-
240 Ueber eine neue SĂ€ure des Stickstoffs, die untersalpetrige SĂ€ure.
setzen ihn unter Entwickelung von Stickgas und Bildung
von salpetriger und Salpeter-SĂ€ure. Die löslichen ChlorĂŒre
und Schwefelwasserstoff zersetzen ihn ebenfalls. Bei seiner
Ausscheidung aus der ursprĂŒnglichen Lösung erscheint er
zuweilen schwarz, aber diese FĂ€rbung ist Folge einer Ver-
unreinigung. Man reinigt ein solches Salz durch Auflösen in
sehr verdĂŒnnter SalpetersĂ€ure und Neutralisiren der Lösung
mit Ammoniak, oder durch UebersÀttigen derselben mit Am-
moniak und schwaches AnsÀuern mit EssigsÀure.
In der Hitze zerlegt sich .das Silbersalz in Stickoxyd
und metallisches Silber; gleichzeitig entsteht eine gewisse Menge
von salpetersaur. Silberoxyd. Zum RothglĂŒhen erhitzt, hinter-
lÀsst es nur metallisches Silber. Seine Zusammensetzung
wird durch die Formel AgON ausgedrĂŒckt. Sie scheint dem
Verfasser (Divers) unbestreitbar, obgleich die Analysen ein
Deficit von 1 Proc. Silber zeigen. Wenn sie genau ist, so
wĂŒrde das fragliche Salz das Silbersalz einer neuen SĂ€ure
HON sein, welche den Namen untersalpetrige SĂ€ure
(acide hyponitreux) bekommen mĂŒsste.
Divers veröffentlichte seine wichtigen Untersuchungen
unter dem Titel: ĂŒber die Existenz und Bildung von Salzen
des Stickoxyds. Ad. Wurtz ist hingegen der Ansicht, dass
sich diese Verbindungen vielmehr dem Stickoxydul N?O an-
schliessen, welches als das Anhydrid der neuen SĂ€ure HON
zu betrachten wÀre. Die untersalpetrige SÀure wÀre dann
das Analogon der unterchlorigen SĂ€ure.
I. UnterchlorigsĂ€ureanhydrid â 01?0 ; unterchlorige SĂ€ure
â HOCI; wobei C1?0 + H?O = 2H00]).
II. StickoxydĂŒl =N?O; untersalpetrige SĂ€ure = HON;
wobei N?O + H?O = 2(HON).
Das Product der Einwirkung des Natriumamalgams auf
das salpetersaure Kali, genau mit EssigsÀure neutralisirt,
wird durch kein anderes Metallsalz gefÀllt, ausser durch Sil-
bersalpeter. Nach der FĂ€llung des untersalpetrigsauren Silber-
oxyds erscheint die ĂŒberstehende FlĂŒssigkeit sauer; dies
kommt daher, dass das untersalpetrigsaure Natron eine alka-
lische Reaction besitzt. Man kann dies zeigen, indem man
das gut gewaschene Silbersalz mit Chlornatrium zersetzt: die
FlĂŒssigkeit zeigt alsdann alkalische Reaction. Um eine Salz-.
lösung zu erhalten, die weder freie SÀure noch freies Alkali
enthĂ€lt, genĂŒgt es, der alkalischen Lösung mit Vorsicht ent-
weder EssigsĂ€ure oder verdĂŒnnte SalpetersĂ€ure zuzufĂŒgen, bis
diese aufhört mit AgO,NOŸ einen braunen Niederschlag zu
geben. Eine solche Lösung giebt nun auch mit anderen
â Veber eine neue SĂ€ure des Stickstoffes, die untersalpetrige SĂ€ure, 41
Metallsalzen NiederschlÀge, nur Chlorbaryum wird nicht
gefÀllt. Essigsaures Bleioxyd bildet einen gelblich
weissen, flockigen Niederschlag, der bei ruhigem Stehen dicht
und gelb wird. Dieser Niederschlag Ă€ndert sich, in der ĂŒber-
stehenden FlĂŒssigkeit oder mit Wasser gekocht, nicht; er löst
sich in EssigsÀure und in anderen SÀuren, wird kaum von
HÂźN und Na0,CO? angegriffen, aber von Aetzkalilauge zersetzt.
Quecksilberchlorid bildet darin einen gelblich-
weissen Niederschlag; salpeters. Hg?O einen schwÀrzlich-
grauen; Kupfervitriol einen olivengelben, in SĂ€uren und
HŸN lösl., in Natronlauge unlösl. Niederschlag unverÀnderlich
in siedendem Wasser.
Chlorzink, ManganchlorĂŒr und Alaun geben weisse
NiederschlÀge.
NickelchlorĂŒr giebt einen grĂŒnlichen, beinahe weissen
Niederschlag.
Eisenchlorid einen schwach rothbraunen, Eisen-
vitriol einen weissen, bald dunkelgrĂŒn, zuweilen rothbraun
werdenden Niederschlag.
Der Zusatz des Fe?C]Âź und FeO,S03 bewirkte in der
FlĂŒssigkeit eine langsame Gasentwickelung; es ist desshalb
wahrscheinlich, dass die NiederschlÀge nur Hydrate sind.
Salmiak zersetzt das untersalpetrigsaure Silberoxyd
(das Silberhyponitrit) unter Bildung von AgĂl und unter
Ammoniakentwickelung:
Ein Ammoniaksalz scheint nicht zu existiren.
Uebermangansaures Kali wird durch die Lösung
des untersalpetrigsauren Natrons reducirt, besonders bei An-
wesenheit von freiem Alkalı.
Jodkalium giebt keine Reaction.
Jodlösung wird entfÀrbt.
Die Lösung des Hyponitrites, mit -EssigsÀure, oder HCl
versetzt, giebt ebenfalls keine Reaction mit KJ, entfÀrbt aber
die Jodlösung und verhindert die Reaction der NO3 auf die
Jodmetalle.
Die angesÀuerte Lösung giebt mit schwefels. Eisenoxydul
keine FĂ€rbung. Eine solche tritt aber ein bei Gegenwart
von concentrirter SchwefelsÀure. |
Die angesĂ€uerte Lösung entfĂ€rbt wohl das ĂŒbermangan-
saure Kali, reducirt aber nicht das 2fach chromsaure Kali,
Die Lösung, mit EssigsÀure angesÀuert und erhitzt, ent-
wickelt Stickoxydul, welches nach der Gleichung gebil-
det wird
2 (HON) = N?0 + H?O.
Arch, d, Pharm, CC. Bda, 2, Hft, 16
242 Caesiumgeh. gew. MineralwĂ€ss. â Gasei, Meteoreisen. â MetazinnsĂ€ure.
(Annales de chimie et de physique. Janvier 1872. IV. 25, 141
bis 144) von Ad. Wurtz aus d. Chemical News. t. XXIII,
p. 206 extrahirt. Siehe auch Zeitschr. fâ Ohem. 14. Jahrg. neue
R. Bd.VII, S. 225.). H.L.
Caesiumgehalt gewisser MineralwÀsser.
Oberst Yorke bestimmte die Menge des im Wasser
der heissen Quellen von Wheal Clifford vorhandenen
Uaesium zu 1,7 Theilen Cs in 1,000,000 Theilen jenes
Wassers. Das DĂŒrkheimer Wasser enthĂ€lt nach Bun-
sen nur 0,17 Theile Cs in 1 Million Theilen Wasser. (Ber.
d. deutsch. chem. Ges. z. Berlin.). H.L.
Gase im Meteoreisen.
Die im Meteoreisen von Lenarto eingeschlossenen Gase
bestehen nach Salet aus Wasserstoffgas und Kohlen-
oxydgas; Stickgas fand sich nicht darunter. (Berichte der
deutsch. chem. Gesellsch. zu Berlin v. 25. 3.72; Nr. 5, 8. 222.).
ENT.
Ueber MetazinnsÀure.
Cl. H. Allen fand, dass die durch Einwirkung von Sal-
petersÀure auf metallisches Zinn entstehende SÀure ziemlich
leicht löslich ist in conc. SalzsÀure und vollkommen löslich
in cone, HO,SO?. Aus der letzteren Lösung schlÀgt Wasser
Zinnoxydhydrat nieder, und nicht, wie in den Lehr-
bĂŒchern angegeben wird, MetazinnsĂ€ure. Nur wenn man
die FlĂŒssigkeit gekocht hat, bildet sich MetazinnsĂ€ure. Diese
geht beim Behandeln mit SchwefelsÀure wahrschemlich in
schwefels. Zinnoxyd ĂŒber, welche Reaction fĂŒr analy-
tische Zwecke gut verwendbar ist. Die schwefelsaure Lösung
kann durch Zusatz von SalzsĂ€ure verdĂŒnnt und in solcher
Lösung können durch WeinsÀure, H?N und ein MgO- Salz
PhosphorsÀure und ArsensÀure leicht entdeckt werden,
Der Cassiusâsche Goldpurpur. â Flechten - Spiritus. 245
ohne dass das Zinn in irgend welcher Form niederfiele. (Be-
richte d. deutsch.-chem. Gesellsch. z. Berlin, 25. 3.72; Nr. 5,
S. 223 â 224.). - YaBB}
Der Cassiusâsche &oldpurpur
ist nach der Ansicht und den Untersuchungen von Cl.-H.
Allen ein Doppelsalz aus zinnsaurem Zinnoxydul mit
zinnsaurem Goldoxydul, entsprechend der Formel
Au?SnO03 + SnSn0? +4H2O. (a. a. 0. 8.224). A4.L.
Flechten - Spiritus (Moos-Spiritus).
In Petersburg und namentlich in den nördlichen Gou-
vernements Russlands gewinnt ein neuer Gewerbszweig eine
grosse Ausdehnung. Man fabrieirt in Finnland, im Gouver-
nement Archangel, Pskow, Nowgorod aus Flechten und Moo-
sen, die dort in massenhafter FĂŒlle wachsen, Branntwein und
Spiritus. Diese neue Art Spiritus zu gewinnen, tauchte zuerst
in Schweden auf und wurde von da nach Finnland ĂŒbertra-
gen. Auf der letzten russischen Industrie- Ausstellung befand
sich solcher Spiritus aus der Brennerei in Wincilas und der
Lewinâschen Fabrik in der Stadt Borgo, sowie aus der Fabrik
von Zadler und FĂŒrst Trabirki in Petersburg. Deutsche,
englische und französische Fabrikanten waren mit der Qua-
litÀt sehr zufrieden. Im Norden Russlands bringt dieser
Industriezweig einen Reingewinn von beinahe 100%, und in
den innern Gubernien von 40â100°,. Je mehr Flechten-
spiritus erzeugt wird, desto mehr werden Cerealien den Be-
wohnern zu Gute kommen. (Neue Börsenzeitung Nr. 48 v.
26. Febr. 1872.). ©. Schulze.
Man vergleiche den Artikel Alkohol aus Flechten
(namentl. aus Cladonia rangiferina) im Archiv d. Pharm.
1869, 139, 126.). HL.
I6#
944 Campherpulv. â PrĂŒf. d, Petrol. â Erkennt. v. Nitrobenz. -â PikrinsĂ€ure,
Campherpulver
erhÀlt man am besten nach Loud, indem man die DÀmpfe
des Camphers sich in einem weiten Raume verdichten lÀsst,
nach Art der Schwefelblumen. (Americ. Journ. of Pharmacy.
Fourth Ser. Vol. II. Nr. III. March 1872. P. 112... Wv.
PrĂŒfung des Petroleum
auf sehr flĂŒchtige und entzĂŒndliche Antheile geschieht, indem
man ein damit gefĂŒlltes Glasrohr mit dem offenen Ende unter
Wasser bringt, das auf 110° Fahrenh. erhitzt ist und durch Zu-
giessen von heissem Wasser auf dieser Temperatur erhalten
wird. Die sich bei dieser Temperatur in Gas verwandeln-
den Antheile sammeln sich im dem oberen Theile der Röhre
und drĂŒcken das schwere flĂŒchtige Petroleum herab. Aus
der Menge derselben lÀsst sich die QualitÀt des Petroleum
beurtheilen. (The Pharmacist and Chem. Record. . Vol. V.
Nr. I. January 1872.). W».
Zur Erkennung von Nitrobenzol im Bittermandelöl
wendet Bourgoin Kalilauge an. Mischt man 2 Theile
des fraglichen Oeles mit 1 Theile Kalilauge, so fÀrbt sich bei
Gegenwart von Nitrobenzol das Gemisch grĂŒn. Auf Zusatz
von Wasser theilt sich die FlĂŒssigkeit in 2 Schichten, die
untere erscheint gelb, die obere grĂŒn gefĂ€rbt. Ueber
Nacht verwandelt sich die grĂŒne FĂ€rbung in eine rothe.
In der WĂ€rme, so wie bei Gegenwart von Weingeist finden
im Allgemeinen dieselben Erscheinungen statt. (Berichte der
deutsch. chem. Gesellsch. zu Berlin, vom 8. 4. 72, Nr. 6.
S. 293.). A,
PikrinsÀure als Oxydationsproduet des Nataloins.
FlĂŒckiger giebt in seiner Abhandlung ĂŒber den kry-
stallinischen Bestandtheil der Natal- Aloe, das. sogenannte
Ueber Aloinabkömmlinge. â Pentachlororein u. Pentachlorresorcin. 245
Nataloin an, dass dasselbe durch Behandlung mit Salpeter-
sĂ€ure ausser ĂOxalsĂ€ure weder Pikrin- noch Chrysamin-
SĂ€ure gebe. Nach Tildenâs Versuchen wird jedoch Pikrin-
sÀure jedenfalls gebildet. (The Pharmac. Journ. and Transact.
Third. Ser. Part. X VIII Nr. LXXVâ LXXIX. Decbr. 1871.
p. 441.). W».
Ueber Aloinabkömmlinge.
Durch Behandeln von Aloin mit chlorsaurem Kali und
SalzsÀure, (einer Methode, welche Stenhouse zum Chlori-
ren des Orcins mit Erfolg angewendet hatte) erhielt W. A.
Tilden ein krystallisirbares Trichloraloin
GIBSCROT EL SHEN:
Es ist leichter löslich, als das entsprechende Tribrom-
aloin; krystallisirt in langen, seideglÀnzenden, gelben Na-
deln und giebt bei Behandlung mit SalpetersÀure und Silber-
nitrat OxalsÀure und PikrinsÀure, aber keine Chrys-
aminsÀure, wÀhrend Aloin in solchem Falle neben den erst-
genannten SÀuren eine reiche Ausbeute an ChrysaminsÀure
liefert.
Die Reactionen des Aloins sowohl, als auch seiner
Brom- und Chlorabkömmlinge besitzen grosse Analogie mit
denen des Orgins. (Berichte d. deutsch-chem. Gesellsch. zu
Berlin, vom 26. 2.72; Nr. 3, S. 118.). . DH. LE»
Pentachlororein und Pentachlorresorein.
Nach Stenhouse werden 2 Theile Orcin mit 4 Theilen
chlorsauren Kali gemengt, nachdem vorher das Orgin in 7 Thle.
SalzsÀure gelöst worden, und das Gemenge in 35 Th. SalzsÀure
von 1,17 spec. Gewicht eingetragen. Das Pentachlororgin
â (°TH°C1°â0? krystallisirt aus OS? in grossen, farblosen
Prismen, die bei 125°C. schmelzen. Beim Behandeln von
Resorgin mit KC1OÂź, und HĂl bildet sich Pentachlor-
resorcin = Ă6HUI?O2% Es bildet farblose Prismen oder
TÀfelchen, die bei 92°,5 schmelzen.
246 AloreinsÀure.
Auch ein Pentabromorcin â ĂâH?Br?O2 lĂ€sst sich
darstellen (durch Einwirkung von ĂŒberschĂŒssigem Brom auf
Orgin). (Berichte d. deutsch. chem. Gesellsch. zu Berlin vom
BI NIEREN 9.1.08:7229,): Dub.
AlorcinsÀure.
Bei Darstellung von Orcin aus einer grösseren Menge
Aloe nach dem Verfahren von Hlasiwetz fand P. We-
selsky, dass neben dem Orcin und der Paraoxybenzo6sÀure,
den Hauptproducten der Einwirkung des schmelzenden Kalı-
hydrats auf Aloe, noch ein drittes Product, wenn auch in
viel geringerer Menge als die beiden ersteren entsteht.
Es befindet sich in der Mutterlauge der Paraoxybenzo&sÀure
und stellt eine bisher unbekannte SĂ€ure dar, die in naher
Behiehung zum Orcin steht und wegen ihrer Isomerie mit
einer Anzahl bekannter SĂ€uren ein gewisses Interesse bietet.
Weselsky nennt diese gut krystallinische SĂ€ure, die sich
auch durch charakteristische Reactionen auszeichnete
AlorginsÀure. sie bildet feine, spröde, der Gallus-
sÀure Àhnliche Nadeln, ist in kaltem Wasser schwerlöslich,
leicht in siedendem Wasser, in Alkohol und Aether.
Bei trockner Destillation entsteht das gleichfalls krystal-
linische Anhydrid dieser SĂ€ure. Ihre durch die krystalisirten
Salze des Kalks, Baryts und Kupfers controlirte Formel ist
C°H1P03. Erhitzt, verbreitet sie einen cumarinÀhnlichen Ge-
ruch. Ihre wÀssrige Lösung wird von Fe?Cl? nicht gefÀrbt.
Macht man sie durch irgend eine Basis alkalisch, so fÀrbt
sie sich nach und nach kirschroth. Unterchlorigsaure Alka-
lien bewirken eine prÀchtige, purpurrothe, durch einen Ueber-
schuss des Reagenzes verschwindende FĂ€rbung.
Sie wird nicht gefÀllt von Bleizuckerlösung; Bleiosse
giebt einen weissen Niederschlag, der an der Luft roth wird.
Sie reducirt beim ErwĂ€rmen eine Trommerâsche
Kupferlösung. Am meisten Aufschluss ĂŒber die Natur dieser
SĂ€ure giebt ihr Verhalten gegen schmelzendes Aetzkali; sie
zersetzt sich dabei in Orgin und EssigsÀure nach der
Gleichung:
C°H1003 ÂŁ H20O = CâH802 + 02H+02,
Die AlorginsÀure ist isomer mit dem Monoacetylorcin.
Die. AlorginsÀure steht in nÀchster Beziehung zur Evernin-
sÀure,
.
Ueber die Einwirkung schmelzender Aetzalkalien auf Braunkohlen, 247
Diese letztere ist (nach Schorlemmerâs Lehrb., 460) â
OH i : OH
Ei lo cps WÀhrend die AoreinsÀure | ps
SR geschrieben werden kann?! .
er a
COOH COOH.
(Wien, Laboratorium d. Prof. Hlasiwetz. â Berichte der
deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin vom 25. MĂ€rz
1872, Nr. 5. S. 168â169.). _ Ha:
Ueber die Einwirkung schmelzender Aetzalkalien auf
Braunkohlen
haben L. Scehinnerer und T. Morawski im Laboratorium
des Prof. Dr. A. Bauer in Wien Versuche angestellt.
Es ist bekannt, dass durch Einwirkung schmelzenden
Alkalis auf Cellulose OxalsÀure entstehtte Millon hat
gezeigt, dass durch schmelzendes Aetzkali oder Aetznatron
aus Holzkohle Huminsubstanzen gebildet werden.
Schinnerer und Morawski liessen grössere Quanti-
tÀten von Traunthaler Kohle (200 ;Grm.) mit Aetznatron
(600 Grm.) so lange schmelzen, bis die Wasserstolfentwicke-
lung aufhörte, sÀttigten dann die braune Schmelze mit ver-
dĂŒnnter SchwefelsĂ€ure, schĂŒttelten die filtrirte FlĂŒssigkeit nach
dem Erkalten mit Aether aus und destillirten von dem Aether-
auszug den Aether ab.
Im Kolben blieb eine braune Masse zurĂŒck, aus welcher
nur auf grossen Umwegen Krystalle erhalten werden konnten.
Sie suchten desshalb einen nÀheren Weg und fanden ihn in
der Destillation der braunen Masse. Dabei erhielten sie ein
weisses, krystallinisches Sublimat und ein gelbes
Oel. Das Sublimat ergab sich nun durch sein Verhalten
gegen Fe?Ăl? und Sodalösung als Brenzcatechin.
Die Elementaranalyse dieses Productes lieferte folgende
Zahlen, die mit dem fĂŒr Brenzcatechin berechneten sehr nahe
ĂŒbereinstimmen.
Theorie. Versuch.
I. II;
C = 65,45 Proc, 65,50 65,38 Proc.
H= 545 â 5,85 Duhdırım
248 : Qlassifieation der Àtherischen Oele.
Die ursprĂŒngl. braune Masse zeigte ebenfalls deutlich die
Reactionen des Brenzcatechm als einen sicheren Beweis, dass
es als solches schon in der geschmolzenen Masse vorhanden
war und sich nicht erst bei der Destillation bildete.
Um zu erfahren, aus welchem Theile der Kohle die Bil-
dung des Brenzcatechins vor sich gehe, wurde Braunkohle
mit Aether vollstÀndig extrahirt und der unlösliche Theil
auf die oben beschriebene Art mit Aetznatron behandelt; in
der Schmelze konnte jetzt der Nachweis des Brenzeatechins
nicht geliefert werden. Die Bildung desselben kommt daher
dem bituminösen und im Aether löslichen Theile
zu, was ĂŒbrigens auch durch einen directen Versuch bewie-
sen wurde.
Es wurden nun eine Reihe von Kohlen auf dieselbe Art
behandelt und nur bei Einwirkung der schmelzenden Alkalien
auf junge Kohlen, welche noch deutliche Holz-
structur zeigten, wie die Karbitzer Kohle und die
Traunthaler Kohle, die Bildung von Brenzcatechin
beobachtet.
Auf Steinkohlen reagirten die schmelzenden Alkalien
gar nicht ein und bei Anwendung von Steierdorfer, FĂŒnf-
kirchner, GrĂŒnbacher, Kirchberger Kohle und Kohle von An-
nathal wurde zwar eine Einwirkung, aber keine Bildung von
Brenzkatechin beobachtet. (Berichte d. deutsch. chem. Gesell-
schaft zu Berlin, v. 25. MĂ€rz 1872, Nr. 5, S. 185 â 186.).
Hz
Classifieation der Àtherischen Oele nach Gladstone.
Die Gesammtresultate seiner Arbeiten ĂŒber die flĂŒchti-
gen Oele veranlassen Gladstone, dieselben in drei polymere
Gruppen zu theilen, welche die allgemeinen Formeln:
1 BLOCH 5705 Hund IH, 027 1 °2r besten
Die erste Gruppe C!°H!Ÿ umfasst die Mehrzahl der Oele,
darunter das Terpenthinöl, Pomeranzenöl u. s. w.
Die zweite Gruppe O:1°H?* enthÀlt Nelkenöl, Kalmus -,
Cascarill-, Patschuli- und Cubebenöl; die 3. Gruppe 0?°H3?
wird durch das Colophen vertreten.
Die 3 Gruppen sind durch ihre physikal. Eigenschaften
wesentlich von einander unterschieden, wie dies aus der fol-
senden Zusammenstellung ersichtlich wird.
VanillsÀure. | 249
Formel G10 16 G15H 24 C20H>2 .
Dampfdichte 4,7 TR En
Speeifisches Gewicht 0,846 â 0,880 0,904â- 0,927 0,939
Brechungsindex fĂŒr A. 1,457 â 1,467 1,488â 1,497 1,508
Dispersion etwa 0,027 etwa 0,029 0,031
Siedepunkt 160â176°C. 249 â 260° 315°C.
Viele der flĂŒchtigen Oele sind Mischungen eines Koh-
lenwasserstoffes mit einer sauerstoffhaltigen Ver-
bindung; diese letztere Klasse von Körpern ist noch wenig
untersucht.
Gladstone nennt die von ihm aus dem Oele der Ăi-
tronenblÀtter und des Wermuths ausgeschiedenen Substanzen
obiger Art Citronenöl und Absinthöl. Beide haben die
- Zusammensetzung 010H!#O, doch differiren sie sehr bedeu-
tend in ihren Refractions- Aequivalenten â das fĂŒr Absinthöl
ist 74,5, genau entsprechend der Formel C!°H1!#0, wÀhrend
âdie Zahl fĂŒr Citronenöl 79,5 ist; der bedeutende Unterschied
zwischen den experimentellen und theoretischen Zahlen erin-
nert an die analoge UnregelmÀssigkeit in der grossen Phe-
nylgruppe. (Berichte d. deutsch. chem. Gesellsch. zu Berlin
vom 12. Febr. 1872. Nr. 2. 8.60.). 2.IL
VanillsÀure.
Die weisse Substanz, welche die Vanille ĂŒberzieht, be-
steht nach Carles aus einer neuen SÀure, der VanillsÀure
CÂźHÂź0Âź, welche aus kochendem Wasser in langen, prisma-
tischen Krystallen anschiesst. Sie schmilzt bei 80 bis 81 °0,,
ist sublimirbar und destillirt unter Zersetzung bei 290°.
Aether, Chloroform und kochendes Wasser lösen sie leicht
auf; Wasser von 15° löst nur 1,2, derselben. Sie redu-
cirt die Silber- und Eisenoxydsalze, neutralisirt die Basen
und zersetzt die kohlens. Salze.
Alkalisalze lassen sich nicht darstellen, weil bei dem
Versuche, sie zu gewinnen, die SĂ€ure sich verharzt. Das
Magnesiasalz = Mg (CŸH 70°),
Die VanillsÀure bildet mit Jod ein Substitutionsproduct =
CŸH?JOŸ, welches bei 174°C. schmilzt; mit Brom eine bei
161°C,. schmelzende gebromte SÀure CŸH? Br OŸ,
250 RainfarnsĂ€ure. â Eine sĂŒsse Ausschwitzung a. d. ob. FlĂ€che d. BlĂ€tt.ete,
Schmelzendes Kali verwandelt die VanillsÀure in die
OxyvanillsÀure CSH°0*, kleine prismatische bei 169°
schmelzende Krystalle.
Mit HJ giebt die VanillsÀure bei 100°0C. Jodmethyl
und ein braunes Harz. (Berichte d. deutsch. chem. Gesellsch.
zu Berlin, v. 25. MĂ€rz1872, Nro.5. S. 215â216.). B.L.
RainfarnsÀure (TanacetsÀure) v. Frosini Merletta.
Man erhĂ€lt diese SĂ€ure, indem man den RĂŒckstand von
der Destillation des flĂŒchtigen Oels der Rainfarnblumen filtrirt,
und zur Honigdicke abdampft, mit Kalk und Thierkohle ein- °
trocknet und die Masse in Wasser aufnimmt. Nachdem die
Lösung erst mit SalzsĂ€ure, dann mit EssigsĂ€ure ĂŒbersĂ€ttigt
worden, krystallisirt die SĂ€ure aus, welche durch wieder-
holtes Waschen mit kaltem Wasser gereinigt wird. Sie
schmeckt scharf und bitter, löst sich in Alkohol und Aether,
nicht aber in Wasser, giebt krystallisirbare Salze und wirkt
in denselben Dosen wurmtreibend, wie Santonin. (The Pharm.
Journ. and Transact. Third. Ser. Part. XIX. Nr. LXXX bis
LXXXID. January 1872. p. 584.) W».
Eine sĂŒsse Aussehwitzung (Miellee, Honigthau) auf der
oberen FlÀche der BlÀtter einer grossblÀttrigen
Linde
wurde von Boussingault in den Tagen des 21. bis 30. Juli
und 1. August 1869 gesammelt und einer optischen und che-
mischen Analyse unterworfen.
I. Die sĂŒsse Ausschwitzung, am 22. Juli gesammelt, be-
stand aus:
45,04 Proc. Rohrzucker 48,86 %,.\nach Abzug
26.30 .,, Invertzucker 28,59 â | der miner. u.
20.19, Dextrin 22,55 â [ unbestimmt.
5,43: mineralischen Stoffen 100,00. Stoffe.
DIS 15 unbestimmten Stoffen,
100,00,
Milchzucker als Bestandtheil eines Pflanzensaftes. 251
I. Die sĂŒsse Substanz, am 1. Aug. 1869 gesammelt,
enthielt:
55,44 %, Rohrzucker
24,75 â Invertzucker,
19,81, - Dextrin.
100,00.
Berthelot fand in der Manna vom Berge Sinai
(Tamariskenmanna) 55°, Rohrzucker, 25%, Invert-
zucker und 20%, Dextrin.
Die BlĂ€tter des die sĂŒsse Ausschwitzung liefernden Lin-
denbaums gaben bei der Untersuchung 3,514 Proc. Rohr-
zucker und 0,852 Proc. Invertzucker. (Die BlÀtter gaben
0,34 Trockensubstanz.) Die gesunden BlÀtter einer nicht von
der Ausschwitzung befallenen Linde (am 5. Aug. 1869 ge-
sammelt) lieferten 1,915 Proc. Rohrzucker und 1,080°/, Invert-
zucker.
Frische BlÀtter eines gesunden Lindenbaums, am 30. Sept.
1871 gesammelt, lieferten 3,514°, Rohrzucker und 0,852,
Invertzucker.
Auf 1 Qnadratmeter LindenblÀttern im Jahre 1869 wur-
den gefunden 26,71 Grm. sĂŒsse Ausschwitzung, darin 13,89
Grm. Rohrzucker, 7,21 Grm. Invertzucker und 5,61 Grm.
Dextrin; hingegen in 1 Quadratmeter (= 101,5 Grm, gesun-
den BlÀttern eines Lindenbaums (im Jahre 1871) nur
4,43 Grm. sĂŒsse Substanzen, nemlich 3,57 Grm. Rohr-
zucker u. 0,86 Grm. Invertzucker, aber kein Dextrin. (Anna-
les d. chim. et d. phys. Janv. 1872; [IV] 25; 5 â21.).
Man vergleiche meine Angaben ĂŒber den sĂŒssen, klebri-
gen Ueberzug der LindenblÀtter (im Archiv d. Pharm. Juli
1861, [II], 117, 10.).
H. Ludwig.
Milehzucker als Bestandtheil eines Pflanzensaftes.
Wenn man nach Bouchardat den aus dem Safte der Zapo-
dilla (Achras Sapota) erhaltenen Zucker mit siedendem Alkohol
auszieht, so erhÀlt man beim Erkalten eine krystallinische Sub-
'stanz, welche nach zweimaligem Umkrystallisiren aus Wasser sich
252 Ueber den Gehalt der China cuprea an Alkaloiden.
ganz wie Michzucker verhÀlt. Im der Mutterlauge findet sich
Rohrzucker. (The Pharmac. Journ. and Transact. Third. Ser.
Part. XVIO. Nr. LXXVâLXXIX. Dechr. 1871. p. 446.).
W».
Ueber den Gehalt der China cuprea
an Chinaalkaloiden
hat OĂ. Hesse Mittheilungen gemacht. Die erste Probe von
Rinde lieferte 1,33 und 1,28 Proc. Ohininsulfat (auf die ĂŒbri-
gen Alkaloide wurde dabei nicht weiter RĂŒcksicht genommen.
Zwei spÀtere Proben aus verschiedenen Bezugsquellen erga-
ben den Gehalt an wasserfreien Alkaloiden, in Procentenâ aus-
gedrĂŒckt, wie folgt: |
I. IT
Chinin LU) 1,26
Conchinin 0,46 0,28
Cinchonin 0,22 0,24
Amorphe Basen 0,37 0,34
Summed. Alkaloide 2,25°/,. 2,12%.
Chinidin und Paricin haben sich bis jetzt in der China
cuprea nicht vorgefunden. Hesse versteht unter Chinin
reines .Chinin, nicht etwa ein gewisses Aether-
extract, wie es hĂ€ufig in den ĂOhinaanalysen anzutreffen
ist. WĂŒrde diese Methode fĂŒr China cuprea angewendet
worden sein, so wĂŒrde der (scheinbare) Chiningehalt dersel-
ben zu etwa 1,9%, sich ergeben haben, wÀhrend er in Wirk-
lichkeit nicht ĂŒber 1,26°/, betrĂ€gt. Die amorphen Basen
sind in der China cuprea wirklich enthalten und nicht etwa
im Laufe der Bestimmung in Folge eines mangelhaften Ver-
fahrens erst entstanden. Diese amorphe Portion giebt auf Zu-
satz von Chlor und Ammoniak dieselbe grĂŒne FĂ€rbung, wie
Chinin und Conchinin und scheint mit âChinoidinâ iden-
tisch zu sein.
Die China cuprea giebt wegen ihres Gehaltes an China-
alkaloiden die Graheâsche (nicht Grahlâsche) Reaction
(einen carminrothen Theer beim Erhitzen eines StĂŒckchens
der Rinde in einer horizontalgehaltenen, unten verschlossenen
Glasröhre).
Die Trennung und Bestimmung der verschiedenen Chinaalkaloide. 253
Das blÀulichrothe Pulver der China cuprea giebt beim
Uebergiessen mit Ammoniak einen purpurrothen Auszug, der
weisses Filtrirpapier, wenn es mit demselben befeuchtet wird,
unter dem Einflusse der Luft schön rosa fÀrbt. SalpetersÀure
und SchwefelsÀure erzeugen in der Lösung einen braunrothen,
amorphen Niederschlag. Wird dieser beseitigt und das klare,
gelbe Filtrat mit H?N ĂŒbersĂ€ttigt, so entsteht anfangs nur
eine violette FĂ€rbung, aber bald tritt Abscheidung von pur-
purnen, amorphen Flocken ein, welche ein Zersetzungsproduct
der noch in Lösung befindlichen GerbsÀure sein mögen. Diese
GerbsÀure, die sich schon im wÀssrigen Auszuge der Rinde
vorfindet und sich mit Fe?Cl? intensiv grĂŒn fĂ€rbt, scheint
somit von der GerbsÀure verschieden zu sein, die in den
echten Chinarinden und in der China nova, der Rinde von
Buena magnifolia vorkommt.
Kalkmilch giebt mit der Rinde eine intensiv dunkelgelb-
roth gefÀrbte Lösung, welche an der Luft allmÀhlig eine
rothe Kalkverbindung (Chinaroth-Kalk?) absetzt. Die davon
getrennte klare Lösung liefert mit ĂŒberschĂŒssiger EssigsĂ€ure
einen amorphen Niederschlag, welcher sich in Nichts von den
GallertsÀuren zu unterscheiden scheint, wie man diesel-
ben unter den gleichen VerhÀltnissen aus den Àchten China-
rinden erhÀlt.
In der von der GallertsÀure getrennten und mit Ammo-
niak neutralisirten Lösung giebt Bleiessig eine reichliche
FĂ€llung von basisch chinasaurem Bleioxyd, aus welcher die
SĂ€ure mittelst HS abgeschieden und an der Entwickelung
von Chinon beim Erhitzen mit MnO? und HO,SO3 erkannt
wurde. (Berichte d. deutsch. chem. Gesellsch. zu Berlin, vom
13. Nov. 1871; Nr. 15, S. 818 â820.).
Man vergleiche ĂŒber China cuprea Prof. FlĂŒckigerâs Mit-
theilung im letzten MĂ€rzheft d. Archivs. HE,
Die Trennung und Bestimmung der verschiedenen
Chinaalkaloide nach de Vry.
Es handelt sich hierbei um Chinin, Cinchonidin,
Cinchonin, Chinidin und das in Aether lösliche
amorphe Alkaloid. Die Trennung grĂŒndet sich auf fol-
gende Thatsachen:
254 Die Trennung und Bestimmung der verschiedenen Chinaalkaloide.
1) die grosse Löslichkeit des Chinins und amorphen Alka-
loids in Aether und die relative Unlöslichkeit der drei an-
dern Alkaloide in diesem Menstruum;
2) die grosse Löslichkeit des, Jodsulfats des amor-
phen Alkaloids und die schwache Löslichkeit des Chinin-
jodsulfats (Herapathits) in Alkohol;
3) den grossen Unterschied in der Löslichkeit des wein-
sauren Cinchonidins, des weinsauren Chinidins,
und weins. Cinchonins, von denen das erste in 1265 Thle.
Wasser von 10°, das zweite in 35,6 Thle. von 16° und das
dritte in 38,8 Thle. von 15° löslich ist und
4) den grossen Unterschied in der Löslichkeit des jod-
wasserstoffsauren Chinidins einerseits und des jod-
wasserstoffsauren Cinchonidins und Cinchonins in Wasser und
Alkohol anderseits.
â1 Thl. Jodwasserstoff- Chinidin erfordert 1250 Thle. Was-
ser von 15° oder 110 Thle. Alkohol.
1 Thl. Jodwasserstoff-Cinchonidin erfordert 110 Thle.
Wasser von 15° oder 3 Thle. Alkohol.
1 Thl. Jodwasserstoff-Cinchonin erfordert 123 Thle.
Wasser von 15° oder 3 Thle. Alkohol.
Das Verfahren ist folgendes: 5 Grm. der gemischten
Alkaloide werden mit 50 Grm. Aether unter öfterem Um-
schĂŒtteln bis zum folgenden Tage in BerĂŒhrung gelassen.
Man erhÀlt dadurch eine Lösung von Chinin und amorpher
Base in Aether und einen unlöslichen RĂŒckstand von Uin-
chonidin, Cinchonin und Chinidin, den man abfiltrirt.
Von der Àtherischen Lösung wird der Aether abdestillirt
und der RĂŒckstand in Alkohol gelöst mit !/,, SchwefelsĂ€ure.
Dazu fĂŒgt man Jodtinetur, so lange ein Niederschlag ent-
steht. Bei wenig Chinin entsteht dieser Niederschlag erst
nach 24 Stunden. Er wird abfiltrirt, mit Alkohol gewaschen
und zwischen Fliesspapier im Wasserbade getrocknet. Ein
Theil entspricht 0,565 Chinin.
Die von dem Niederschlage abfiltrirte FlĂŒssigkeit wird
mit einer alkoholischen Lösung von schwefliger SÀure
&emischt, wodurch sich das jodwasserstoffsaure Salz des
amorphen Alkaloids wieder in das schwefelsaure Salz ver-
wandelt. Man neutralisirt mit Natronlauge, entfernt durch
Erhitzen im Wasserbade den Alkohol und schlÀgt mit Na-
tronlauge das amorphe Alkaloid nieder.
Der in Aether unlösliche Theil der Alkaloide wird so
weit neutralisirt, dass die Lösung schwach alkalisch bleibt,
dann fĂŒgt man hinreichend weinsaures Natronkali zu,
Bestimmung des Morphins im Opium. 255
um die schwefelsauren Salze in weinsaure zu verwandeln und
setzt bei Seite. Das Cinchonidinsalz scheidet sich kry-
stallinisch ab in Streifen auf der Glaswand beim RĂŒhren mit
einem Glasstabe, die andern Salze bleiben gelöst. Ein Theil
des Niederschlags entspricht 0,804 Cinchonidin.
Die abfiltrirte FlĂŒssigkeit wird mit Jodkalium ver-
setzt und heftig gerĂŒhrt. Jodwasserstoffsaures Chi-
nidin scheidet sich darauf als sandiges Pulver ab, ein Theil
entsprechend 0,718 Chinidin. Die davon abfiltrirte FlĂŒssigkeit
wird mit Natronlauge gefÀllt und giebt das Oinchonin.
(The Pharmac. Journ. and Transact. : Third. Ser. Part. XX.
Nr. LXXXIVâLXXXVLD. Febr. 1872. ». 642 f.).
Bestimmung des Morphins im Opium nach Miller.
Diese Methode beruht auf der Zersetzung der JodsÀure
durch das Morphin, Lösung des abgeschiedenen Jods in
Schwefelkohlenstoff und Vergleichung der Farbe dieser Lö-
sung mit der einer andern, die durch Zersetzung von Jod-
sÀure mit einer Morphinlösung von bestimmtem Gehalt erhal-
ten worden. Zur AusfĂŒhrung dieser Methode das Folgende:
1) Man löst 1 Grn. Morphin in 50 Granmaass verdĂŒnn-
ter SchwefelsĂ€ure und verdĂŒnnt mit Wasser bis zu 1000
Maass.
2) Man erhitzt 100 Gran Jod und 100 Gran chlorsaures
Kali mit einer Fluiddrachme starker SalpetersÀure in zwei
Unzen Wasser, bis alles Jod oxydirt ist, neutralisirt nahezu
mit kohlensaurem Natron und zersetzt mit einem Uebermaass
an Chlorbaryum. Der Niederschlag wird mit 1 Fluiddrachme
starker SchwefelsÀure und drei Unzen Wasser eine halbe
Stunde gekocht, filtrirt und nach dem Erkalten auf sechs Un-
zen verdĂŒnnt.
3) Zwanzig Gran des ER RRN trocknen Opium,
werden mit 1 Gran OxalsÀure und !/, Fluiddrachme Alkohol
(spec. Gew. 0,838) in einem FlÀschchen eine halbe Stunde
lang im Wasserbade ausgekocht, dann abfiltrirt und mit
/, Fluidunze heissem Alkohol gewaschen. Das Filtrat wird
mit */, Unze Wasser gemischt, im Wasserbade auf 4, Unze
abgedampft und mit einer Unze kaltem Wasser gemischt.
Nach 10 Minuten filtrirt man von dem ausgeschiedenen Harze
356 â Darstellung von Eebolin und Ergotin.
ab und wÀscht mit etwas kaltem Wasser nach. Das Filtrat
wird mit 10 Gran Kalkhydrat 2â3 Minuten gekocht, dann
filtrirt man den Kalk ab und wÀscht ihn mit heissem Wasser.
Das Filtrat macht man mit OxalsÀure etwas sauer und dampft
auf eine halbe Unze ab. Nach dem AbkĂŒhlen fĂŒgt man 12 Gran
Aetzkali hinzu, lÀsst eine Viertelstunde stehen und filtrirt,
den Niederschlag mit einer Drachme verdĂŒnnter Kalilauge
auswaschend.. Das Filtrat wird in zwei gleiche Theile ge-
theilt, deren man einen in ein 1000 Gran Maass schĂŒttet und
mit 100 Gran Maass verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure und Wasser
bis zur Marke versetzt. Schliesslich schĂŒttelt man eine halbe
Unze der Solution mit dem vierten Theil ihres Volums
Schwefelkohlenstoff und filtrirt.
Von*der Probesolution misst man 100 Gran-Maass ab
und mischt sie in einer Proberöhre mit 100 Gran-Maass -
Schwefelkohlenstoff und 50 Gran-Maass JodsÀuresolution und
schĂŒttelt eine halbe Minute lang. Die rothe Jodsolution son-
dert sich sofort ab. - Mit 100 Gran Maass der obigen Mor-
phinlösung von bestimmtem Gehalt wird die gleiche Operation
vorgenommen und darnach die Farbe der beiden Lösungen
verglichen, indem man die Röhren gegen eine weisse Wolke
oder gegen ein auf das Fenster gelegtes StĂŒck weisses Pa-
pier hÀlt. Sind die Farben gleich, so enthÀlt das Opium
10 Procent Morphin, sind sie ungleich, so fĂŒgt man zu der
dunkleren Solution so viel Schwefelkohlenstoff, dass sie gleich
erscheinen. Die Berechnung macht sich dann folgender-
maassen.
Wenn v= dem Vol. der Standard-Solution in Gran -
Maass; vâ â= dem Vol. der Probesolution,
so ist â en dem Procentgehalt des Opium an Morphin.
v
(The Pharmac. Journ. and Transact. Third. Ser. Part X VII.
Nr. LXXVâ-LXXIX. Decbr. 1871. ». 465.). WW».
Darstellung von Eebolin und Ergotin nach Wenzel.
Ein Pfund gepulvertes Mutterkorn wird vier Tage lang
in einer gleichen Menge schwachen Weingeists macerirt, dann
ausgepresst. Die Maceration wiederholt man mit 6 Unzen
Weingeist und presst wieder aus. Die vereinten FlĂŒssigkei-
ten werden durch ein angefeuchtetes Filter filtrirt, um fettes
Zur Analyse der Frauenmilch. 257
Oel abzuscheiden, dann auf 16 Unzen mit einer Unze Wein-
sÀure versetzt und 24 Stunden zur Abscheidung von Wein-
stein bei Seite gestellt. Nachdem filtrirt worden, setzt man
1%/, Unze gelöschten Kalk und 3 Unzen Thierkohle zu und trock-
net im Wasserbade ein. Der RĂŒckstand wird mit kochendem
absoluten Alkohol ausgezogen, bis man 24 Unzen FlĂŒssigkeit
erhalten hat, die durch Destillation auf 6 Unzen reducirt
werden, worauf sich beim AbkĂŒhlen ein Antheil Mykose
abscheidet. Die davon abfiltrirte FlĂŒssigkeit giebt, mit einem
gleichen Volum Aether gemischt, einen weissen, flockigen
Niederschlag von Eebolin, welches, auf einem Filter gesam-
melt, nach dem Verdunsten des Aethers alsbald zerfliesst und
braun wird. Es reagirt stark alkalisch nnd fÀllt MolybdÀnphos-
phorsÀure und Quecksilberchlorid.
Von der Ă€therischen FlĂŒssigkeit, aus welcher das Ecbo-
lin niedergeschlagen worden ist, wird der Aether abde-
stillirt, dann concentrirt man auf 1%, Unzen und mischt mit
dem doppelten Volum wasserfreien Aether, wodurch sich
das Ergotin in halbflĂŒssigem Zustande abscheidet. In
Wasser gelöst, lÀsst es sich durch MolybdÀnphosphorsÀure
und Tannin, nicht aber durch Quecksilberchlorid fÀllen.
Dieser Process grĂŒndet sich auf die Löslichkeit der Mut-
terkornalkaloide in Alkohol und deren Unlöslichkeit
in Aether. Absoluter Alkohol ist anzuwenden wegen der
grossen HygroskopieitÀt der Alkaloide und der geringen Lös-
lichkeit des Zuckers in diesem Lösungsmittel. Die WeinsÀure
dient zur Abscheidung der im Mutterkorn enthaltenen Kali-
salze, das Kalkhydrat zur Entfernung von Trimethyl-
amin und Bindung von PhosphorsÀure, Ergotin-
sĂ€ure, Farbstoff und ĂŒberschĂŒssiger WeinsĂ€ure,
so dass die Alkoholsolution schliesslich fast nur die reinen
Alkaloide enthÀlt. (The Pharmacist and Chem, Record. Vol. V.
Nr. I. January 1872. p. 8.). | W».
Zur Analyse der Frauenmilch
lieferte A. Schukoffsky einen werthvollen Beitrag. Viele
Methoden sind möglich und auch empfohlen worden, um Milch
zu analysiren. Allein bei Untersuchung der Frauenmilch
sind sie meistens ungenĂŒgend. Letztere macht mehr MĂŒhe
bei ihrer Analyse, als andere Milch. Lange Zeit hielt man
die Frauenmilch fĂŒr eine im chemischen Sinne der Milch der
Arch. d, Pharm, CC, Bds, 3, Heft, 27
258 Zur Analyse der F'rauenmilch.
Thiere Ă€hnliche FlĂŒssigkeit, welche sich von diesen nur durch
die relative Menge ihrer Bestandtheile unterscheide. Aber
die nÀhere Bekanntschaft mit der Frauenmilch bewies,
dass das Ăasein derselben sich chemisch von dem.
Casein sÀmmtlicher Thiermilcharten unterschei-
det, wie aus den Untersuchungen Biddertâs zu ersehen
ist (Untersuch. ĂŒber d. chem, Unterschiede der Menschen- und
Kuhmilch. Inaugural-Dissertation von Ph. Biddert, Giessen
1869). Aus denselben ergab sich, dass die Frauenmilch
nicht, wie die Milch sÀmmtlicher Thiere, durch jedes Reagenz
gerinnt. Diese Nichtgerinnbarkeit der Frauenmilch vereitelt
sÀmmtl. Methoden, die 'zur Analyse anderer Milch angewandt
werden. So z. B. ist es sehr leicht, vermöge der Methode
von Hoppe-Seyler das Casein der Kuhmilch durch Kohlen-
sÀure zu bestimmen, sehr schwer hingegen bei der Frauen-
milch. .Kuhmilch gerinnt sogleich und gestaltet sich, sobald
man auf bekannte Weise EssigsĂ€ure hinzufĂŒgt und Kohlen-
sĂ€ure hindurchleitet, zu einer sehr gut filtrirbaren FlĂŒssig-
keit. Die Frauenmilch hingegen lÀsst keine Gerinnung zu,
weder durch HinzufĂŒgung von EssigsĂ€ure, noch durch Hindurch-
leiten von CO?, und obgleich die damit behandelte FlĂŒssig-
keit sich anfangs filtriren lÀsst, so ist dennoch das. Filtrat
trĂŒbe, und wenn es auch binnen kurzer Zeit klarer wird, so
erfolgt dies so zögernd, dass zur völligen Filtration. 1 oder 2
Tage erforderlich sind.
In den âmediec. chem. Untersuch.â von Hoppe-
Seyler (1867, 2. Heft. $. 272) ist eine andere Methode von
Tolmatscheff fĂŒr die Casein- Abscheidung aus der Frauen-
milch vorgeschlagen worden, nemlich die der UebersÀttigung
der Milch mit Bittersalz. Allein auch durch diese Methode
gelang es Schukoffsky nicht, einen guten Erfolg zu er-
zielen; ebenso schlug sie bei Biddert (a. a. O. 8. 29), der
von ihr Gebrauch machen wollte, fehl.
Auch fĂŒr die Bestimmung der Milchfette giebt es
viele, aber gleichfalls nicht zulÀngliche Methoden. Als die beste
derselben wird die von Haidien angenommen, welche darin
besteht, dass man in ein bestimmtes Quantum Milch eine
gewisse Menge von Gyps schĂŒttet, die Mischung trocknen
lÀsst, zerreibt und dann mit Aether behandelt. Jedoch auch
diese Mischung giebt ihr Fett nicht vollstÀndig an Aether ab, wie
schon Biddert nachwies (a. a. 0.8.45). Uebrigens machte be-
reits Trommer auf die Unbequemlichkeit des Gypses zur
Analyse der Milch aufmerksam (Trommer, die PrĂŒfung der
Kuhmilch, Berlin 1859, $S. 4) und empfahl statt dessen den
Zur Analyse der Frauenmilch. 259
Gebrauch von Marmor. Allein weder Gyps noch Marmor
gaben Schukoffsky die Möglichkeit, die mikroskopischen
FettkĂŒgelchen von ihrer CaseinhĂŒlle zu befreien, um dem Aether,
der zur Lösung des Fettes dient, Zugang zu verschaffen.
Desshalb ist zur Bestimmung des Fettes die Methode von
Hoppe-Seyler vorzuziehen; sie besteht darin, dass man
zu dem gegebenen Quantum Milch eine Aetzkalilösung
hinzufĂŒgt, wodurch die Auflösung der CaseinhĂŒllen bezweckt
wird und alsdann das dadurch blossgelegte Fett in dem
hinzugefĂŒgten Aether aufgelöst, emporsteigend, die oberste
Schicht der FlĂŒssigkeit bildet, sodass es sehr leicht entfernt
werden kann.
Ein Fehler dieser Methode besteht darin, dass das Aetz-
kali durch den Milchzucker eine brÀunliche FÀrbung der
Aether-Fettschicht bewirkt, in welcher nicht allein das Fett,
sondern auch die durch Aetzkali gebildeten, farbigen Milch-
zuckerproducte suspendirt sind, was auf das Resultat der
Analyse von ĂŒblem Einfluss ist; ĂŒberdies bewirkt eine solche
Aetzkalilösung eine VerÀnderung des Fettes selbst.
Wenn man die Einwirkung des Aethers auf Frauenmilch
verfolgt, so bemerkt man, dass beim DurchrĂŒhren beider die
Milch, falls sie frisch ist, sich nicht mit dem Aether vereinigt.
Nur bei anhaltendem DurchrĂŒhren und bei Anwendung einer
nicht frischen (bereits einige Tage alten) Milch erhÀlt man
eine homogene FlĂŒssigkeit, die halbdurchsichtig, dick und frisch-
gekochtem StÀrkekleister Àhnlich erscheint. LÀsst man sie
einige Tage stehen, so bilden sich darin 2 Schichten: eine
obere, dicke, dem abgekĂŒhlten StĂ€rkekleister Ă€hnliche und
eine untere, wÀssrige, opalisirend -durchsichtige. Bei lÀngerem
Stehen wird die obere Schicht immer geringer und dicker
und die untere immer bedeuterider und durchsichtiger. Giesst
man zu der Mischung eine hinreichende Menge starken Wein-
geists (solchen von 90 bis 97 Vol. °/,), so gerinnt sie schnell
und es entstehen in ihr weisse Flocken von geronnenem
Casein, die sich am Boden des GefÀsses absetzen, und das
Fett schwimmt tropfenförmig, fettaugenartig, oben auf, oder
ist bei fettarmer Milch ganz verschwunden. .
In Folge dieses Verhaltens des Aether-Alkohols
zur Frauenmilch machte Schukoffisky von letzteren zur Bestim-
mung des Fettgehaltes in dieser Milch Gebrauch. Er setzte
zu 20 bis 25 CC. Milch 20 bis 25 CC. = 18 bis 20 Grm.
Aether, durchrĂŒhrte beide und vermengte mit 30 bis 35 CC.
starkem Weingeist. Oder er bediente sich einer schon fertigen
Mischung aus Aether und Alkohol und goss darein eine be-
17*
260 Zur Analyse der Frauenmilch.
stimmte Milchmenge. Als nun das Casein zur Gerinnung
gelangte, liess er dieses Gemisch 10 bis 24 Stunden lang
stehen. Alsdann hatte sich auf dem Boden und an den
WÀnden des GefÀsses Milehzucker in Form durchsichtiger,
glÀnzender, gut geformter, kleiner Krystalle abgeschieden.
Beim Filtriren blieben die Oaseinflocken und die Zucker-
krystalle auf dem Filter. Dieses wurde sorgfÀltig mit Aether-
alkohol gewaschen, worauf das Oasein im getrockneten Zu-
stande pulverförmig, mehlÀhnlich erschien. Nun wurde
vom Filtrate auf dem Wasserbade der Aether abdestillirt,
der RĂŒckstand in eine Glasschale gegeben, auf ein Wasser-
bad gestellt, um den Weingeist zu verdampfen, wobei Sieden
und Aufbrausen vorsichtig vermieden werden mĂŒssen, um
Verluste zu vermeiden.
Die vom Weingeist befreite FlĂŒssigkeit zeigt einen speci-
fischen, nicht widrigen Geruch.
Gleich darauf wurde die abgekĂŒhlte FlĂŒssigkeit, wieder-
um mit Aether vermengt, in einen mit Hahn versehenen Glas-
trichter gebracht, wo sich das Fett, mit dem Aether verbun-
den, von der FlĂŒssigkeit trennte und in ein vorher dazu
tarirtes BecherglÀschen gebracht werden konnte. Hier erfolgte
nun die völlige Verdunstung des Aethers, worauf das im
BecherglÀschen hinterbliebene reine Fett in einem Luftbade
bei 100° C. getrocknet wurde. So konnte schliesslich die in
der behandelten Milch eingeschlossene Fettmenge genau be-
stimmt werden (Berichte d. deutsch. chem. Gesellsch. zu Berlin
vom 26. Febr. 1872, Nro.3, 8.75 â77.).
261
If. Botanik und Pharmacognosie.
Ueber die Stammpflanze der Flores Cinae levantiei
sind von Prof. Dr. Willkomm in Dorpat in der Botanischen
Zeitung genaue Untersuchungen veröffentlich worden, aus
denen ich das Folgende hervorhebe.
Berg und FlĂŒckiger (Letzterer in seinem Lehrb. der
Pharmakognosie d. Pflanzenreichs 1867, 8. 545) gestehen, dass
die Pflanze, welche den levantinischen Wurmsamen liefert,
noch unbekannt sei. Berg brachte fĂŒr diese noch zu ent-
deckende Pflanze den Namen Artemisia Cina in Vorschlag,
einen Namen, den Pallas schon einer Steppenpflanze gab, ohne
eine Beschreibung hinzuzufĂŒgen.
Es erregte nicht geringes Aufsehen unter den Botani-
kern, Aerzten und Pharmaceuten Dorpatâs, als Prof. Alexan-
der Petzholdt (Prof. an d. Dorpater UniversitÀt), welcher
den vergangenen FrĂŒhling und Sommer auf Reisen in Tur-
kestan zugebracht hatte, im Novbr. unter einer grossen An-
zahl dort gesammelter Pflanzen, welche von ihm dem Dorpater
botan. Garten geschenkt und Prof. Willkomm zur wissen-
schaftlichen Bearbeitung ĂŒbergeben wurden, auch die wirkliche
Stammpflanze der Flores Cinae levantici in einer betrÀchtl.
Menge gut gesammelter Exemplare nach Dorpat mitbrachte.
Die Vergleichung der Calathien dieser Artemisia mit den
jetzt ĂŒber Nishnei-Nowgorod nach Europa gelangenden levan-
tinischen Wurmsamen liess nicht den geringsten Zweifel ĂŒber
die IdentitÀt beider, wovon sich auch der Prof. d. Pharmacie
u. Pharmakognosie, Dr. Dragendorff, der die Pflanze zuerst
zu sehen bekam, sofort ĂŒberzeugt hatte, wozu noch kommt, dass
dieselbe nicht von Petzholdt selbst gefunden, sondern von
Sammlern des âWurmsamens,â auf seinen Wunsch mit
der Wurzel ausgerissen, ihm ĂŒberbracht worden ist. Diese
Exemplare sind in der Gegend der Stadt Turkestan gesam-
melt, wohin grosse Massen von Wurmsamen gebracht und
von dort, in SĂ€cke verpackt, nach Nishnei- Nowgorod zur
grodsen Messe verschickt werden.
Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass dieselbe Pflanze
auch anderwÀrts in Turkestan, namentlich in dessen östlichem,
ehemals zum chinesischen Reiche gehörenden Theile wÀchst.
Deutet doch schon der uralte Name Semen Cinae, der
auch Semen Sinae geschrieben wird, auf chines. Ursprung.
262 Ueber die Stammpflanze der Flores Cinae levantici.
Die Stammpflanze der Flores Cinae levantici ist
eine halbstrauchige Artemisia aus der Section Seriphi-
dium und unstreitig verschiedenen Arten ders. nahe verwandt,
jedoch von allen Arten verschieden und desshalb als eine beson-
dere Art zu betrachten. Die Arten der Section Seriphi-
dium sind dadurch ausgezeichnet, dass ihre BlĂŒthenkörbehen
ein nacktes Receptaculum und nur eingestaltige und zwar
ZwitterblĂŒthen besitzen. Ihr Receptaculum bildet keine con-
vexe Scheibe, sondern eine stielartige Axe, an welcher in
spiraliger Stellung die HĂŒllschuppen befestigt sind; die meist
nur wenigen BlĂŒthen sitzen in den Achseln der obersten
HĂŒllschuppen, zwischen denen das Receptaculum mit nacktem
Scheitel endet.
So ist es bei allen von Willkomm untersuchten Arten:
Artemisia Cina Berg, A. pauciflora Stechm., A. Ler-
cheana Stechm., A. monogyna Kit., A. Sieberi Bess,,
A. maritima L., A. gallica Lam., A. Herba alba Ass.
u. A: Barrelieri Bess. Alle diese Arten stimmen ferner
darin ĂŒberein, dass sie HalbstrĂ€ucher sind, welche eine Menge
BlĂ€tterbĂŒschel und BlĂŒthenstengel entwickeln; dass sowohl die
BlĂ€tter der BĂŒschel als die unteren StengelblĂ€tter doppelt
und dreifach fiederschnittig sind; dass die kleinen, lÀnglichen
oder verkehrt eiförmig-kugeligen BlĂŒthenkörbcehen in rispig
angeordnete Aehren gestellt sind, an deren Spindel sieâ sitzen
und zwar gewöhnlich (bald einzeln, bald zu mehren) in der
Achsel eines linearen, selten dreitheiligen DeckblÀttchens; dass
die Schuppen des HĂŒllkelchs und die Corollen mit leicht ablös-
baren blasigen Papillen mehr oder weniger besetzt sind, die
einen harzigen, stark aromatischen Stoff, den TrÀger des
wurmwidrigen Santonins, enthalten, und dass die Narben
des Griffels sich erst sehr spĂ€t (um die Zeit des AufblĂŒhens)
differenziren, indem sie bis dahin einen keulen- oder kronen-
förmigen Körper auf der Spitze des dicken, kurzen Griffels
bilden, welcher am Scheitel mit langen, fÀdigen Papillen be-
setzt ist, Wie bei allen Artemisien lÀuft das Connectiv der
Antheren in einen 3eckigen Fortsatz aus und sind die FĂ€cher
des Staubbeutels sowohl nach aussen als nach innen, wo sie
entspringen, mit einer so zarten Wandung versehen, dass
(wenigstens bei der getrockneten Pflanze) die Pollenkörner
durch die zarte Haut deutlich durchschimmern. Bei allen
den genannten Arten sind die Harzpapillen in um so grösse-
rer Menge vorhanden, je jĂŒnger das Oalathium ist.. Dies
erklÀrt, dass junge Calathien der Cina wirksamer sind, als
Ă€ltere, und wesshalb die Flores Cinae in so jugendlichem
â
Ueber die Stammpflanze der Flores Cinae levantici. 263
Zustande gesammelt werden. Da nun bei keiner der genann-
ten Arten jene Harzpapillen in so grosser Menge an und in
den jugendlichen Calathien vorhanden sind, als bei der Stamm-
pflanze der Flores Cinae levantici, so ist es erklÀrlich, warum
geradesdiese allen ĂŒbrigen Sorten von Flores Cinae als wurm-
widriges Mittel den Rang abgelaufen haben, wesshalb nur sie
neuerdings und schon seit einer Reihe von Jahren von den Aerzten
verwendet und zur Herstellung des Santonius benutzt werden.
Die turkestanische Pflanze unterscheidet sich nun
von allen oben genannten Arten, unter denen ihr die durch
einen grossen Theil des westlichen und inneren Mittelasiens
verbreiteten Artem. Lercheana, A. pauciflora und mo-
nogyna am nÀchsten stehen, durch die gÀnzliche Kahl-
heit sowohl der mittleren und oberen StengelblÀtter, wie
ĂŒberhaupt aller alten BlĂ€tter, als auch der Rispen- Aehrchen
und HĂŒllkelche, deren Schuppen bei allen ĂŒbrigen Arten am
RĂŒcken mehr oder weniger mit wolligen Haaren besetzt, bei
manchen, z.B. bei A. Sieberi und ramosa, dickfilzig sind.
Die von Petzholdt mitgebrachten Exemplare haben
Ă€usserst junge BlĂŒthenkörbchen. Nur durch mikroskop. Un-
tersuchung war es möglich, die noch ganz unentwickelten
BlĂŒthen aufzufinden, welche in diesem jugendlichen Zustande
ĂŒber und ĂŒber mit jenen Harzpapillen bedeckt,
damit förmlich incrustirt sind, wÀhrend gegen die
Zeit des AufblĂŒhens diese mittlerweile viel grösser geworde-
nen Papillen zwar immer noch viel reichlicher, als bei allen
ĂŒbrigen genannten Arten auf gleichem Entwickelungsstadium
vorhanden, aber dennoch bereits zum grössten Theile ver-
schwunden sind. Verschiedene Proben der Flores Cinae levan-
tiei, welche Willkomm zu Gebote standen, zeigten theils eben
so junge, theils Àltere Calathien in verschiedenen Entwicke-
lungsstadien, wodurch es eben möglich wurde, die IdentitÀt
der in den Handel kommenden Drogue mit den Calathien der
turkestanischen Pflanze festzustellen. Selbst die Àltesten Cala-
thien der Drogue sind aber immer noch im geschlossenen Zu-
stande und daher die Narben ihrer BlĂŒthen noch nicht getrennt.
Die FrĂŒchte sind selbstverstĂ€ndlich noch ganz unbekannt.
Die Stammpflanze der Flores Cinae levantieci
ist ein aufrechter Halbstrauch mit dicken, gewundenen, fase-
rig rindigen Stock, aus welchem sich zahlreiche 3 bis 5 Decim.
hohe Stengel oder Aeste erheben, die ungefÀhr bis zur HÀlfte
ihrer LĂ€nge vollkommen holzig, nach unten von der Dicke
eines Rabenfederkiels und glÀnzend scherbengelb berindet,
zugleich völlig kahl und glatt sind.
264 Ueber die Stammpflanze der Flores Cinae levantici.
Etwa von der Mitte an entsenden diese Stengel zahl-
âreiche, dĂŒnne, fadenförmige Zweige, welche einen sehr spitzen
Winkel mit der Hauptaxe bilden und entweder von ihrer
Mitte oder schon von ihrer Basis an zahlreiche Calathien in
einfacher oder zusammengesetzter, immer aber sehr lockerer
Aehre tragen. Diese je weiter nach oben, desto dichterstehenden
Zweige bilden zusammen eine besenförmige Rispe, so dass jeder
einzelne Stengel gleichsam einen kleinen Besen darstellt.
Die untersten BlÀtter sind nach Entwickelung der Cala-
thien bereits verschwunden. Die unteren StengelblÀt-
ter, welche mit Einschluss des langen, dĂŒnnen Stiels 4 bis
6 Cm. LÀnge besitzen, zeigen im Umriss lÀngliche Lamina,
welche doppelt fiederschnittig und in lineale, ziemlich lange
stumpfspitzige Zipfel von 1/;, â !/); Mm. Breite zerschnitten sind.
Diese BlĂ€tter sind von graugrĂŒner Farbe, unter der Lupe
betrachtet, mit einzelnen SpinnewebhÀrchen besetzt, sonst völ-
lig kahl; sie scheinen im frischen Zustande gleich allen ĂŒbri-
gen BlÀttern von dicklicher Beschaffenheit zu sein. Die Zipfel
aller BlÀtter haben nemlich verdickte, umgerollte RÀnder und
auf der unteren Seite einen dicken Mittelnerv, auf der oberen
Seite eine LĂ€ngsfurchung.
Der Blattstiel erweitert sich am Grunde plötzlich in eine
ziemlich breite, scherbengelbe Scheide, welche einen Theil des
Stengels umgiebt. Alle StengelblÀtter stehen einander ziem-
lich nahe, wesshalb bei der jungen Pflanze die Stengel dicht
mit BlĂ€ttern bedeckt sein mĂŒssen.
Aus den Achseln der StengelblÀtter entspringen dicht-
beblÀtterte Kurztriebe, deren ganz Àhnlich geformte BlÀtter, je
jĂŒnger sie sind, desto mehr mit einem grauweissen, dichten
Filz bedeckt sind. Die mittleren, entsprechend kĂŒrzer ge-
stielten und allmÀhlig in einfach fiederschnittige Formen
ĂŒbergehenden StengelblĂ€tter entwickeln in ihren Achseln
ebenfalls BlĂ€tterbĂŒschel, welche aber, wie auch diese Stengel-
blÀtter vollkommen kahl sind.
Die blĂŒthentragenden Zweige sind am Grunde mit drei-
theiligen, kurzgestielten BlÀttern, sonst nur mit ganz einfa-
chen, linealen, sitzenden FloralblÀttern besetzt, welche
sehr stumpf und kĂŒrzer sind, als die in ihren Achseln sitzen-
den, aufrechten BlĂŒthenkörbchen. Letztere besitzen gegen
die BlĂŒthezeit hn 3 MM. LĂ€nge, eine lĂ€ngliche Form und
bestehen aus etwa 12 locker zusammenschliessenden, sehr
stumpfen, concaven HĂŒllschuppen mit breitem, durchsichtig
scariösen Rande und grĂŒnem Mittelstreif, welcher auf beiden
FlÀchen mit zahlreichen, dichtstehenden Harzpapillen besetzt
Ueber die Stammpflanze der Flores Cinae levantici. 265
ist, besonders bei den oberen Schuppen, in deren Achseln die
3 bis 6 BlĂŒthen meist paarweise stehen. Die untersten Schup-
pen sind eiförmig-elliptisch, die obersten, dreimal lÀngeren
linear-lÀnglich und am oberen Rande mit einigen Cilien be-
setzt, sonst, wie alle Schuppen, gÀnzlich kahl und glÀn-
zend glatt. Ihr scariöser Rand zeigt unter dem Mikroskop
eine Àusserst zierliche Bildung.
Die BlĂŒthen haben gegen die Zeit des AufblĂŒhens eine
LÀnge von 1 bis 1,4 MM. Ihr verkehrt eiförmiger, etwas
zusammengedrĂŒckter Fruchtknoten ist kaum !/, so lang, wie
die verkehrtkegelförmige Blumenkrone, deren stumpf drei-
eckige Zipfel, wie auch die Basis der Röhre, mit zahlreichen
Harzpapillen bestreut sind, die jedoch eine geringere Grösse
besitzen als diejenigen der HĂŒllschuppen. Von einem Kelch-
rande ist, wie auch bei den ĂŒbrigen Seriphidien, keine Spur
zu bemerken. Die Zipfel der Blumenkrone entsprechen in
ihrer LĂ€nge bloss 4, der ĂorollenlĂ€nge. Die Staubge-
fĂ€sse sind kurz gestielt und ĂŒberragen um ein BetrĂ€chtliches
den keulenförmigen Narbenkörper; der kurze, walzige Griffel
aber ist mit einer HĂŒlle von Ă€usserst zartwandigen, blasigen,
durchsichtigen Zellen umgeben, welche spÀter jedenfalls ver-
schwindet.
Die der turkestanischen Pflanze am nÀchsten stehenden
Artemisien, von denen A. Lercheana ihr habituell am
Ă€hnlichsten sieht, unterscheiden sich von ihr durch folgende
Merkmale: Art. Lercheana Stechm. hat lÀngere und
schmĂ€lere Calathien mit dicht angedrĂŒckten, weniger concaven
Schuppen, ein lÀngliches Ovarium von !/, der CorollenlÀnge
und breitere und lÀngere Blumenkronenzipfel, deren LÀnge
den 3. Theil der GesammtlÀnge der hier mehr trichterförmigen
Corolle entspricht. Die ganze Pflanze ist mit einem weiss-
lichen Filz bekleidet, mit Ausnahme der zuletzt kahlen Cala-
thien. Lerche fand sie zuerst bei Astrachan am Wolgaufer
und Gmelin beschrieb sie ziemlich gut.
Art. pauciflora Stechm. unterscheidet sich durch den
alle Theile bedeckenden, weissgrauen Filz, durch die lÀnglich -
linealen, sehr stumpfen und kurzen Zipfel der unteren BlÀtter,
durch die abstehenden, einen pyramidalen Corymbus bildenden
Zweige, durch die dichtweichhaarigen HĂŒllschuppen der Cala-
thien und durch die trichterföormige Corolle, die lÀngeren
Filamente und den keulenförmig verdickten Griffel.
Art. monog'yna Kit. hat ebenfalls weissgraufilzige BlÀt-
ter, Stengel, Aeste und FloralblĂ€tter und weichhaarige HĂŒll-
schuppen und ist ausserdem durch lÀngere lineal -lancettför-
266 Ueber die Stammpflanze der Flores Cinae levantici.
mige, stachel-spitzige Blattzipfel, betrÀchtl. lÀngere Filamente
und ConnectivanhÀnge und einen ebenfalls keulenförmigen
Griffel von der Stammpflanze der Cina unterschieden.
Art. Vahliana Kost. (A. Contra Vahl), welche so lange
fĂŒr die Stammpflanze des Ă€chten Wurmsamens gehalten
wurde, unterscheidet sich von dieser durch lÀngere, eiförmige,
gebĂŒschelte Calathien mit spinnewebhaarigen, nur zuletzt
kahlen HĂŒllschuppen, durch die filzigen Stengel und kleine
handförmig - fiederschnittige BlÀtter.
Art. Lessingiana Bess. hat einfach fiederschnittige
BlÀtter, fiedertheilige FloralblÀtter (mit Ausnahme der ober-
sten), eine âpanicula supradecomposita patulaâ und zottige
HĂŒllschuppen. Auch sind die meisten FloralblĂ€tter lĂ€nger,
als das Köpfchen.
Art. Barrelieri (in SĂŒdspanien) steht bezĂŒglich des
Baues der Calathien und der BlÀtter der Stammpflanze der
Cina am nÀchsten, so dass es sehr schwer, wenn nicht un-
möglich sein dĂŒrfte, von beiden Arten gesammelte Köpfchen
von gleichem Entwickelungsstadium zu unterscheiden. Allein
die spanische Pflanze ist durch die Form der BlÀtter, die
ausgebreitet Àstige, breitpyramidale Inflorescenz und dadurch,
dass jedes einzelne BlĂŒthenkörbchen am Grunde von einer
Anzahl kleiner, linealer Bracteolen umgeben ist, wie durch
den ganzen Habitus von unserer Pflanze himmelweit verschieden.
Willkomm schlÀgt vor, die Stammpflanze der Cina unter
dem Namen Artemisia-Cina Berg als eigene Art zu be-
trachten und fĂŒgt zum Schluss noch folgende lateinische Dia-
gnose ders. bei: Artemisia Cina Berg (et Willkomm)).
Suffruticosa, caudice crasso tortuoso, caulibus multis basi li-
gnosis 3â5 Dm. longis basi foliosis, inde a medio ramulos
permultos floriferos erecto-patulos paniculam scopaeformem
formantes edentibus; foliis basilaribus inferioribusque longe
petiolatis bipinnatisectis arachnoideo-villosulis, mediis pin-
natisectis floralibusque integris glaberrimis, segmentis omnium
linearibus obtusis cartilagineo- mucronulatis, crassiusculis, mar-
gine revolutis et nervo medio erasso instructis; foliis basi-
laribus inferioribusque turiones -foliosos incano-tomentosos,
superioribus foliorum fasciculos glabros ex axilla edentibus;
calathiis numerosis secus ramulos laxe spicato-glomeratis
v. simplieiter spieatis, sessilibus erectis, versus anthesin 3 MM.
l., oblongis, squamis glaberrimis, eirc. 12 oblongo-line-
aribus obtusissimis valde concavis laxe imbricatis, late sca-
rioso-marginatis, dorso vitta viridi in utraque pagina densis-
sime glanduloso papillosa notatis; floribus 3â6 ın squama-
Droguenbericht. 267
-rum summarım axilla sessilibıs, per paria dispositis, ovario
obovato vix quartam corollae obconicae partem longitudine
aequante, dentibus corollae obtusis triangularibus tubo qua-
druplo brevioribus extus papillis resinosis crebris obsitis.
(Botanische Zeitung, 1. MĂŒrz 1872, Nro. 9, S. 129 â 138.).
HD:
III. Droguenbericht.
Notizen ĂŒber Chinacultur, China- Alkaloide, Atropin, Belladonnin,
Hyoseyamin, fossiles Kautschuk, Gutta Balata, Secammonium und
Zineum sulfocarbolicum.
(Aus Geheâs Droguenbericht vom Monat April 1872.)
BD:
Ueber das Gedeihen und die Fortschritte der neuen Culturen
der ChinabĂ€ume in Britisch- und HollĂ€ndisch - Indien liegen gĂŒn-
stige Berichte vor. Auch die Britisch - Indische Regierung hat neuerlich
durch einen dazu angestellten Chemiker, Mr. Broughton, vergleichende
Untersuchungen ĂŒber Alealoidgehalt der in den Arten verschiedenen dortigen
China-Cultur anstellen lassen, und dabei hat sich herausgestellt, dass die
unter dem SĂŒdamerikanischen Himmel das meiste Chinin produeirende
Cinchona suceirubra, deren Rinden desshalb die höchsten Preise, bis
zu 3 Thlr. pro Pfd. erzielten, sich in Indien zwar auch noch quantitativ
reich an Alcaloiden zeigte, dass aber unter ihrem Gehalte an China-
salzen nicht mehr das werthvollste, das Chinin, vorherrschend
blieb, so dass sie minder reich an Chinin und dafĂŒr stĂ€rker
einehonidinhaltig, also qualitativ geringer wurden, ja dass sich
suecessive sogar ihr Cinehonidingehalt im Verlaufe der Zeit im Pro-
ducte der spÀteren Jahre auf Unkosten des Chinins vermehrte, so dass
z. B. bei dem Producte der Indischen Culturen schon 1868 2,21°,, 1871
nur 1,15°/, durchschnittlicher Chiningehalt constatirt wurde, wÀhrend
deren Cinchonidingehalt noch ĂŒber VerhĂ€ltniss zugenommen hatte.
Man wird sich desshalb nunmehr der Cultur der VarietÀten der Cinchona
offieinalis zuwenden, wie dies auch die HollÀndische Regierung auf
Java gethan hat, um dem zunehmenden Mangel an schöner Loxa und
Calisaya AbhĂŒlfe zu schaffen. Ebenso hat man in dem herrlichen Thale
von Ootacamund, der grossen Versuchsstation des Indischen Gouverne-
ments, die Pitayo-BĂ€ume in grossem Massstabe eultivirt; diese geben
bekanntlich das hauptsÀchliche Material an Fabrik-Rinden ab und
enthalten neben Chinin das nicht viel minder werthe Chinidin.
Ausserdem empfiehlt Mr. J. Eliot Howard in dem von ihm er-
statteten Berichte an die Regierung vom 16. Januar a. c. auch die Oultur
der besonders Cinchonin liefernden Species von Cinchona nitida,
C. mierantha und ©. Peruviana, weil der Verbrauch dieses Alcaloids,
nemlich des Cinchoninâs, im Zunehmen begriffen ist. Was die Be-
fĂŒrchtung der Ueberproduetion und UeberfĂŒhrung der MĂ€rkte anlangt, so
sagt schon der Bericht der Regierung, dass die Culturdistriete celimatisch
sehr begrenzt sind, und Mr. Howard fĂŒgt dem hinzu, dass besonders
wirklich gute Rinden bei dem hohen therapeutischen Werthe des Mittels
stets nur auf den Preis der darauf verwendeten Arbeit kommen wĂŒrden.
Ueberdies sei Indien gegen SĂŒdamerika im Vortheile durch bessere
268 Droguenbericht.
und billigere Transportwege von den Productionsstellen zu den resp.
HafenplÀtzen. Ueber die Erfolge der oben auch erwÀhnten China-Cul-
tur auf Java gestattet der Umstand gĂŒnstige SchlĂŒsse, dass aus dieser
Cultur ein grösserer Anfang von Ablieferungen bereits gemacht ist, inso-
fern in Amsterdam zum 14. MÀrz d. J. von der NiederlÀndischen Handels-
Maatchappy eine Auction von 104 Oolli Java-Chinarinde anberaumt
war, welche aus 38 Kisten und 17 Packen Cinchona Pahudiana,
10 Kisten C. Hasskarliana, 27 Kisten und 6 Packen C. Calisaya,
2 Kisten und 2 Packen C. offieinalis und 2 Packen C. succirubra be-
standen und von fĂŒnf verschiedenen Schiffen zugefĂŒhrt waren. Ueber den
Ablauf dieser Auetion ist zu berichten, dass Pahudiana und Calisaya
afl. 1.60. pr. /, Ko. und die Hasskarliana Afl. 1. 93. pr. 1), Ko. erste
Kosten abgegangen sind. Der Einladung, selbst nach Amsterdam zu kommen
und persönlich die Waare vor der Auction zu inspieiren, vermochten wir nicht
nachzukommen, haben uns aber doch bei den AnkÀufen betheiligt, so dass
wir auch diese Rinden anzubieten vermögen. Hierbei ist die EinfĂŒhrung
der botanischen Bezeichnungen bei den Handelssorten als im Allgemeinen
nachahmungswerth zu begrĂŒssen.
Chinidinum sulfurieum. Die Sorte A unserer Liste ist das schwefel-
saure Salz des Chinidin (Pasteur), d.i. mit Chlorwasser und Ammo-
niak Thalleiochin gebend, und von einem specifischen Drehungsvermögen
von circa -ââ- 250° rechts, wĂ€hrend die Sorte B wiederum das Sulfat
vom Cinchonidin (Pasteur) ist, das sich bekanntlich mit Chlor-
wasser und Ammoniak nicht grĂŒn fĂ€rbt und die Ebene des polarisirten
Lichtstrahles â 152° nach links ablenkt. Die bereits frĂŒher von uns
hervorgehobene Thatsache, dass aus vom Britisch - Indischen Gouvernement
angestellten therapeutischen Versuchen mit den China-Alkaloiden in
Fieberdistrieten Indiens sich das Resultat herausgestellt habe, dass diese
sÀmmtlichen China-Alkaloide fiebervertreibend, nur verschieden krÀftig
wirken, wird jetzt in dem, bereits oben bei Cortices chinae erwÀhnten
Berichte des Chemikers Mr. Broughton dahin, prÀcisirt, dass, wÀhrend
von Chinin 3 Theile, von Chinidin 5 Theile, von Cinchonidin und von
Cinchonin 7 Theile zu gleicher Wirkung nöthig sind.
Atropinum. Grosse Kostspieligkeit und ungewöhnliche Unausgiebig-
keit der als Material dienenden Belladonnapflanze, sowie stark ver-
mehrte Anwendung in der Mediein, haben dieses wichtige Heilmittel
wesentlich im Preise gesteigert. In England etablirte sich schon seit
lÀngerer Zeit ein Preis von 100 sh. pro oz. = 600 Thlr. pro '!/, Ko.,
wogegen unsere Engros-Notirung noch nicht drei Viertheile hiervon
austrug. Zu den gestiegenen Preisen rÀumte sich unsere Winterproduction
stets in dem Maasse auf, wie sie fertig wurde. Beide von uns dargestellten
eouranten QualitÀten, Atropinum purum und Atropinum sulfuri-
eum, zeichnen sich durch Reinheit, weisse Farbe und grosse Volumino-
sitÀt aus. Auch von Belladonninum, dem uncrystallinischen Alkaloid
der Tollkirschwurzel, haben wir das schwefelsaure Salz in Form eines
schwerflĂŒssigen, braunen Körpers dargesellt, und können auf Grund der
Beobachtungen unseres betreffenden Chemikers hinzufĂŒgen, dass die Wir-
kung desselben im Auge genau von derselben Empfindung begleitet ist,
welche unter gleichen UmstÀnden Atropinum sulfuricum erzeugt,
wogegen von einem Schmerz, wie gewisse AtropinprÀparate solche nach
frĂŒheren Angaben veranlasst haben sollen, hierbei nicht die Rede sein
könne. Bei dem Mangel an Atropin dĂŒrfte daher das Belladonnin,
wovon eirca der zehnte Theil vom Atropin erhalten wird, Beachtung
verdienen, um so mehr, als die Wurzelgrabung alljÀhrlich schwieriger,
die von uns veranlasste Sammlung der Beeren und Samen aber nicht wohl
Droguenbericht. 269
fortzusetzen sein wird, weil der die HĂ€nde der Sammler berĂŒhrende Saft
ĂŒberreifer Beeren Vergiftungserseheinungen hervorrief. Vielleicht gelingt
es auch, dafĂŒr Atropinmaterial durch in Indien gewachsene Wurzeln zu
erlangen, wozu wir den Samen einem Ăstindischen Freunde, der dort
dieser Cultur sich unterziehen will, ĂŒbersandten. Wir erinnern ferner,
dass auch das Hyoseyamin und das Daturin Ersatz fĂŒr das Atropin
bieten. Eine medieinische AutoritÀt, Dr. med. Th. Chalybaeus in Dresden,
hat Versuche mit Belladonnin und Hyoscyamin angestellt und ĂŒber
die mit diesen Heilmitteln erzielten Erfolge soeben, wie folgt, sich geÀussert:
âIch habe die PrĂ€parate, welche Sie mir aus der Fabrik von Gehe & Co.
ĂŒbergaben, Belladonninum, Belladonninum sulfurieum und Hyoseyaminum
sÀmmtlich in Lösung von 1:100 in der hiesigen NeustÀdter Poli-
klinik in Anwendung gebracht und zwar als EintrÀuflung ins Auge.
Alle drei PrÀparate bewirken, ganz analog dem Atropin, eine Er-
weiterung der Pupille; die Wirkung tritt nach eirca fĂŒnf Minuten
ein und ist bei gesunden Augen noch nach zwei Tagen bemerkbar. Un-
angenehme und schmerzhafte Nebenwirkungen waren nicht vorhanden.
Die Mittel sind demnach sehr wohl als Mydriatica verwendbar. Dresden,
MĂ€rz 1872. Dr. med. Th. Chalybaeus.â
Hyoseyaminum theilt, wie bereits unter âAtropinâ berichtet, nach
medieinischen AutoritÀten mit dem Atropin, Belladonnin, Daturin
vollstÀndig die pupillenerweiternde Kraft. Nur muss dasselbe in eben
solcher Reinheit, wie das Atropin, gearbeitet und von jenem in den
unteren Stufen ihm anhÀngenden, unerystallinischen Alkaloid völlig befreit
sein, welches in seinem Ansehen dem Belladonnin Àhnelt. Hyosceya-
mus niger giebt freilich eine geringe Ausbeute an Hyoscyamin, die
noch weit hinter der von Atropin und Daturin erlangten zurĂŒck-
bleibt; doch bietet er damit immer noch ein nĂŒtzliches Substitut- fĂŒr das
immer seltener und theurer werdende Atropin.
Gutta Balata. Dasselbe besitzt im Wesentlichen dieselben Eigen-
schaften wie Gutta percha, mit grosser ZĂ€higkeit bei etwas minderer
ElastieitÀt, dabei ist es nicht in Klumpen, sondern in Tafeln, Àhnlich den
Korkholzplatten. Auch davon haben wir ein kleines Quantum depurirt
und albifieirt, welches sich zur versuchsweisen Anwendung empfiehlt und
noch weisser von Farbe ist wie das Gutta percha alba.
Fossiles Kautschuk. Von Interesse dĂŒrfte die Mittheilung sein,
welche Mr, John R. Jackson, ĂCurator der Museen in Kew soeben
gemacht hat. Dieselbe stellt in Aussicht, dass mit dem, den lebenden
BĂ€umen entflossenen Kautschuk noch ein, nach den ersten Angaben
mineralischr fossiler Kautschuk, muthmaasslich aber natĂŒrlich ge-
wachsener, unter dem Namen Coorongit-Kautschuk in Mitbewerbung
treten könne. Seit 1866 wurde in SĂŒdaustralien in dem Coorong ge-
nannten Distriete ein eigenthĂŒmlicher Stoff in einige (Englische) Meilen
langen, zum Theil ĂŒber einander, an AbhĂ€ngen an der OberflĂ€che des
Bodens gelegenen, einen Fuss mÀchtigen Schichten entdeckt, von dem
es schon an Ort und Stelle bald zweifelhaft wurde, ob er mineralischen
oder vegetabilischen Ursprungs sei. In Farbe und Ansehen gewissen Kaut-
schuk-Sorten gleichend, theilt er bis zu einem gewissen Grade dessen
ElastieitÀt, und verbrennt wie dieser, doch ohne Geruchentwickelung.
Nach Dr. Bernayâs Analyse ist derselbe reich an Wasserstoff und be-
steht aus: 97,190 flĂŒchtiger Substanz,
1,005 festem Kohlenstoff,
1,790 Asche,
0,015 Verlust,
100,000,
270 Droguenbericht.
oder auch aus: 64,29 C und 11,23 H. Nach Mr. George Franeis
Beschreibung gleicht Erscheinung und Farbe dieser Substanz dem
Kautschuk oder kaltem, festgelatinösen Leim mit grobem, kÀseartigen
Bruche. Die Masse zeigt ElastieitÀt beim. Drucke, ist weich dehnbar,
lÀsst sich leicht schneiden und klebt, ohne die Haut zu beschmutzen. Der
Geruch ist schwach, zwischen vegetabilischem und animalischen Oele
innestehend, Àhnlich dem des Kautschuks. Sie brennt gleich einer
Kerze mit Rauch, schmilzt in der Flamme, hat ein specifisches Gewicht
von 0,982 bis 0,990 und nimmt Wasser an, ohne sich in demselben zu
lösen; durchscheinend in dĂŒnnen Schnitten, zeigt sie unter dem Mikroskop
Körnehen- und Zellenstructur, durchzogen mit Fasern gleich denen abge-
storbener SchwÀmme. Der Coorongit stellt sich somit als ein organi-
sches Zellgewebe in der Form gewisser SchwÀmme, z. B. der Essigpflanze,
dar, und kann als nicht amorph weder Asphalt, noch Elaterit (ela-
stisches Bitumen oder mineralischer Kautschuk) sein. Er gab auch noch
zu der Vermuthung Anlass, dass er der Vegetation einer alten Formation
angehöre, und dass er vielleicht durch Mineralisation, Hitze und Druck
zu einem harzreicheren Bitumen in dĂŒnnen Schichtenlagen gestaltet worden
sein könne. Andererseits war wieder dabei als auffÀllig bemerkt worden
die Abwesenheit aller sich fortsetzenden Zellen und Pflanzenstructuren in
den anscheinend organischen Geweberesten, sowie dass gewisse Infusorien,
Diatomeen (Naviculae ete.) darin eingesprengt sich zeigten. Es bedienten
die Bergleute sich dieses Stoffes auch schon unmittelbar zu Fackeln. Mit
dieser hier nicht weiter zu erstreckenden Notiz wĂŒnschen wir nur die
Aufmerksamkeit auf dieses vielversprechende zweite Kautschuk und
dessen gewerbliche Erprobung zu richten und mĂŒssen dessen BewĂ€hr da-
hin gestellt sein lassen, uns Anzeige vorbehaltend, sobald wir mit Proben
werden dienen können.
Scammonium halten wir dem alten Gebrauche gemÀss in zwei Quali-
tÀten, wovon die Prima-QualitÀt, die sogenannte Aleppo-Sorte, von
einem durchschnittlichen Gehalte von 50%, Seammonin, somit besser
als die ĂŒbliche Handelswaare. Vortheilhafter bleibt indess immer, die
Resina seammonii e radice pura, sowie das weisse, pulver-
förmige Scammonin anzuwenden. Diese aus bezogenen Syrischen
Scammonium- Wurzeln hier kunstgerecht gearbeiteten PrÀparate stehen in
GĂŒte und ZuverlĂ€ssigkeit weit ĂŒber der primitiven Syrischen Bauern-
waare, können aber im Aeusseren der letzteren schon desswegen nicht
völlig gleichen, weil sie deren bis zu 60 und 90°/, ansteigende Unreinig-
keiten nicht fĂŒhren. Wir erwĂ€hnen dies fĂŒr solche Consumenten, die
noch immer glauben, an den altherkömmlichen Syrischen und TĂŒrkischen
Facons unbedingt festhalten zu mĂŒssen,
Zineum sulfo - earbolieum scheint seine Rolle ausgespielt zu haben,
nachdem sich herausgestellt, dass auf seinen Lösungen Schimmelbildung
statthaben kann, dass mithin die antivitale Kraft der CarbolsÀure in
dieser Verbindung aufgehoben ist.
271
C. Literatur und Kritik.
Grundriss der Arzneimittellehre von Dr. C. Kolb.
Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. Braunschweig,
1872. Schmal Octav. Verlag von Friedrich Wreden,
380 S,
Verf. hat seit einer lÀngeren Reihe von Jahren unter dem Collectiv-
titel âMedieinische Repetitorien und Examinatorienâ Grund-
risse der verschiedenen medieinischen Disciplinen herausgegeben (der Um-
schlag fĂŒhrt 7 bereits erschienene auf); darunter befindet sich auch die
Arzneimittellehre, die nach dem Vorworte zuerst 1857 erschien, und nun
in zweiter Auflage, zum Theil umgearbeitet und vervollstÀndigt, vorliegt.
SelbstverstĂ€ndlich sind diese Repetitorien wesentlich fĂŒr Studirende der
Mediein bestimmt, die daher auch im Texte dieses Grundrisses der Arznei-
mittellehre wiederholt als junge Freunde angeredet werden. In solcher
Stellung des Autors zum Publikum darf dann wohl eine Entschuldigung
fĂŒr gelegentlich vorkommende burschikose Aeusserungen gefunden werden,
wie z. B. S. 99: Salpeter ist fast das tÀgliche Brod aus der lateinischen
KĂŒche und figurirt auf den meisten Speisezetteln, resp. Recepten, obschon
sein Ruf als sogen. Antiphlogisticum in der LungenentzĂŒndung durch die
Vergleichung mit anderartigen Behandlungsweisen eine gewaltige Schlappe
_ erlitten hat.
Dagegen wird -den Autor ein wohlverdienter Tadel darĂŒber treffen,
dass er durch gesuchte oder gezierte auslÀndische Termini bequem deutsche
AusdrĂŒcke verdrĂ€ngt, wie etwa in folgenden Beispielen: die Heilmittellehre,
die ĂŒbrigens ein so umfangreiches Terrain beherrscht (S. 1); â Stimmen,
welche die veröffentlichten Erfahrungen (ĂŒber ein Heilmittel) dementiren
(S. 3); â das Faet der Heilung genĂŒgt (S. 5), oder: das Fact muss in
seinen Folgen beurtheilt werden (S. 53); â grosse Dosen Brechweinstein
wurden bei Irren wie gewöhnliche Nahrung digestirt (weder lateinisch,
noch französisch!) und sind desshalb auch wohl als Test des Wahnsinns
vorgeschlagen (S. 52). Hinsichtlich des letzgenannten Terminus möchte
Verf. sich vielleicht auf Oesterlen berufen, dessen Handbuch der Heil-
mittellehre er ja wesentlich seiner Zusammenstellung zu Grunde gelegt
âhat, indem dort ein Anhang beigefĂŒgt ist mit der Ueberschrift: Zusammen-
stellung chemischer Testmittel und Reagentien. Oesterlen hÀlt aber aufs
bestimmteste daran fest, dass das in neuer Zeit aus dem Englischen ĂŒber-
kommene Wort der chemischen Terminologie, und nur dieser, angehört.
Dieses Haschen nach Fremdwörtern fÀllt um so mehr auf, wenn
man auf Stellen stösst, wo Verf. des Wortes fortmachen in ganz un-
schriftmÀssiger Weise sich bedient: Die Frau erlitt nach dem dritten
Löffel von einer Jodkaliumsolution eine Uterusblutung, und daâ man sie
fortmachen liess, trat nach dem fĂŒnften Löffel voll Abortus einâ(S. 25).
Ganz im gleichen Sinne wird das Wort 8. 54 gebraucht, und $. 62 lesen
wir gar; der Bauchschmerz macht fort. Dabei mag auch gleich erwÀhnt
272 Literatur und Kritik,
werden, dass mehrfach orthographische Unrichtigkeiten vorkommen,
« die nicht immer als Druckfehler gelten können, z. B. Plenkische Solution
(S. 43) statt Plenksche Solution, Eeclampsia (8. 226, wiederholl: Chele-
donium (8. 269 und gleichmÀssig im Register S. 372).
In der kurzen und im Ganzen zweckentsprechenden Einleitung spricht
sich Verf, ĂŒber die praktische und wissenschaftliche Gewinnung "des Ma-
terials der Arzneimittellehre aus, namentlich auch ĂŒber Rademacherâs
Erfahrungsheilmittellehre, der weiterhin bei den einzelnen Mitteln Reehnung
getragen wird; den Bestrebungen. der Homöopathie wird ebenfalls die
Berechtigung zuerkannt, der homöopathischen Therapie jedoch bei. den
einzelnen Mitteln nicht gedacht.
Im speciellen Theile werden die Arzneimittel mit lateinischer Be-
nennung aufgefĂŒhrt, in der Regel unter BeifĂŒgung des deutschen Namens,
Aus dem nachfolgenden Verzeichniss ist jedoch ersichtlich, dass von dieser
Norm hin und wieder abgewichen wurde, ohne dass ein Grund dafĂŒr
sichtbar ist. Die gesammten Arzneimittel sind aber in. folgenden zehn
Reihen untergebracht:
I. Metalloide. Oxygenium, Carbo, Sulphur, Phosphorus, Chlorum,
Jodium, Bromium.
II. Metalle. Mercur (sic!), Argentum, Aurum, Platina, Antimon
(sie!), Arsenicum, Plumbum, Bismuthum, Zineun, Cuprum, Manga-
nesium, Ferrum.
III. Fixe Alkalien und Erden. A, Gruppe der fixen Alkalien: Kali,
Natrium, Seifen. B, Gruppe der Erden: Kalkerde, Talkerde, Baryta,
Alumina.
IV. SĂ€uren. Acidum sulphuricum, Ac. nitricum, Ac, chloronitrosum,
Ac. hydrochloratum, Ac. phosphoricum, Ac. carbonicum, Ac. oxalicum,
Ac. aceticum, Ac. tartarieum, Ac. eitricum, Ac. lacticum, Fructus aeidi.
V. Adstringirende Mittel. A, Gruppe der vorzugsweise gerbsauern
Mittel: Acidum tannicum (der gebrÀuchlichere Name Tanninum fehlt, und
wird nur ganz am Ende des Artikels einmal in einer Formel genannt), _
Gallae tureicae, Cort. Quereus, Glandes Quercus, Rad. Ratanhiae, Gummi
Kino, Catechu, Sanguis Draconis. Anhang: Indigo. B, Gruppe der
bitteren Adstringentien: Cortex Saliecis, Cort. Ulmi, Folia Juglandis et
Putamen nucum Juglandis, Hb. Uvae ursi, Hb. Ballotae lanatae, Extr.
Monesiae. C, Gruppe der Àtherisch -öligen Adstringentien: Flores Rosa-
rum, Fl. Sambuei, Summitates Millefolii, Hb. Hyssopi, Fol. Salviae, Rad.
Caryophyllatae.e D, Gruppe der alkaloidhaltigen Adstringentien: Cort.
Chinae fuscus â regius â ruber.
VI. Bittere Mittel. A, Amara pura: Cort. et Lign. Quassiae, Cort.
Simarubae, Rad. Gentianae, Hb. Centaurei minoris," Hb, Trifolii fibrini,
Hb. Cardui benedieti, Semina Cardui mariani, Hb. Polygalae amarae, Hb.
Galeopsidis grandiflorae. B, Schleimigbittere Mittel: Rad. Columbo, Rad.
Pareirae bravae, Lichen islandieus, Lichen Carageanum, Fol. Farfarae.
C, Salinischbittere Mittel: Hb. et Rad. Taraxaci, Rad. CichorĂŒ, Hb.
Fumariae, Hb. Marrubi, Fel Tauri. D, Aromatischbittere Mittel:
a, Aromatischbittere Magenmittel: Cort. Cascarillae, Cort. Angusturae verae,
Fol., Flor., Cort. et Fructus immaturi Aurantii, Cort, Fruetus Citri,
- Glandulae Lupuli, Rhizoma Calami aromatiei, Folia Guaco, Hb.
Absynthii. b, Aromatischbittere Anthelminthieca: Hb. et Flor. Tanaceti,
Semen Cinae, Rhizoma Filieis maris, Cort. radieis Punicae granati,
Flor. Brayerae anthelminthicae,
VI. Erregende Mittel. A, Harze und Balsame. a, Einfache Harze:
Resina Mastichis, Suceinum, Resina elastica, Gutta percha. b, Oelreiche
Harze und Balsame: Terebinthina, Turiones Pini, Baecae â Lignum' â
Literatur und Kritik. 2
Rad, Juniperi, Frondes Thujae oeceidentalis, Frondes Sabinae, Bals.
Copaivae, Bals. peruvianum, Resina Benzoes. c, Die Schleimharze:
Gummi Myrrhae, Gummi Ammoniacum, Gummi Galbanum, Asa foetida.
B, Aetherischölige Mittel: Camphora, Ol. Cajeputi, Rad. Serpentariae,
Rad. Angelicae; Rad. Valerianae, Rad. Artemisiae, Flor. et Rad. Arnicae,
Fl. Chamomillae vulgaris, GewĂŒrze (Fructus Anisi stellati, Baccae et
Folia Lauri, Caryophylli aromatiei, Semen Amomi, Semen Cardamomi,
Rad. Zingiberis, Rad. Galangae, Rad. Zedoariae, Cort. Cinnamomi, Cort.
Cassiae einnamomeae, Cort. Winteranus, Nux moschata, Maeis, Siliqua
Vanillae), Semen Coffeae arabicae, Folia Theae viridis. C, Die empyreu-
matischen Stoffe: Pix liquida, Creosotum, Acidum carbolicum, Benzinum,
Oleum animale foetidum, Oleum Petrae. D, Die animalischen Exeitantia:
Moschus, Castoreum, Zibethum, Ambra grisea, Hyraceum. E, Die Am-
moniakmittel: Lig. Ammonii caustici, Ammoniacum carbonicum, Ammo-
niacum carbonicum pyrooleosum, Liquor Ammoniaci suceiniei, Liquor
Ammoniaei acetici, Ammonium chloratum, Ammoniacum phosphoricum,
Ammoniacum nitrieum, Liquor Ammonii hydrosulfurati. F, Die Spiri-
tuosa: Cerevisia, Vinum, Spiritus vini, Aetheres (Aether sulfurieus â
nitrieus â aceticus, Spiritus pyroaceticus, Spiritus Aetheris chlorati,
Aether. chlorieus, Carboneum trichloratum, Chloroformium, Hydrat. Chlorali
(sie!). Anhang: Collodium. .
VIII. Scharfstoffige Mittel. A, Scharfe Stoffe mit Àtherischen Oelen:
Piper nigrum et album, Fructus Cubebae, Fructus Capsiei, Semen Sinapis
nigrae et albae, Radix Armoraciae, Hb, Cochleariae. B, Nauseose und
diaphoretische Acria: Rad. Ipecacuanhae, Rad, Caincae, Rad. Squillae,
Rad. Senegae, Rad. Saponariae, Cort., Lign. et Resina Guajaci, Rad.
Sassaparillae, Rad. Chinae, Lign. Sassafras, Folia Rhododendri, Stipitse
Duleamarae, Hb. Violae trieoloris, Hb. et Flores Calendulae, Hb. Chelidonii
majoris, Hb. Sedi minoris, Rad. Ononidis spinosae, Rad. Paeoniae, Viscum
album, Rad. Iridis florentinae, Rad. Pyrethri, Rad. Pimpinellae, Rad.
Helenii. C, Purgantia und Drastica: Rhad. Rhei, Alo&, Cort. Rhamni
frangulae, Baccae spinae cervinae, Folia Sennae, Rad. Jalappae, Scammo-
nium, Gummi guttae, Elaterium, Colocynthis, Rad. Bryoniae, Hb. Gra-
tiolae, Oleum Ricini, Oleum Crotonis. D, Einfache nicht purgirende
Scharfstoffe des Pflanzenreichs: Euphorbium, Folia Rhois toxicodendri,
Cort. Mezerei, Hb. Pulsatillae. E, Scharfe thierische Stoffe: Cantharides,
Melo&@ majalis, Formicae rufae, Millepedes, Coccionella.
IX. Narkotische Stoffe. A, Scharfe Narcotica: Rad. et Semina
Colehiei, Rhizoma Veratri, Semen Sabadillae, Rad. Hellebori nigri, Semina
Staphisagriae, Rad. Aconiti, Hb. Lobeliae, Folia Digitalis purpureae,
Hb. Nieotianae, Hb. Conii maculati, Hb. Belladonnae, Hb. et Semina
Stramonii, Secale cornutum. Anhang, BlausÀuremittel: Acidum hydro-
eyanieum, Folia Laurocerasi, Amygdalae amarae, Kalium cyanatum.
B, Einfache Narcotica: Hb. et Semina Hyoscyami, Hb. Cannabis, Hb.
Lactucae virosae, Opium. C, Bittere Narcotica (Spinantia): Strychnium,
Brucinum, Pierotoxinum, Nuces vomicae, Fabae Sancti Ignatii, Coceuli
indiei, Curara, Semina Physiostigmatis venenosi,
X. Indifferente NĂ€hrstoffe. A, Schleimige Stoffe: Gummi arabicum,
Gummi Tragacanthae, Rad. Salep, Semina Cydoniorum, Hb. et Rad.
Althaeae, Hb. et Flor. Malvae, Hb. et Flor, Verbasci, Helmintochorton,
Turiones et Rad. Asparagi, Rad. Bardanae, Rad, Carieis arenariae, Rad.
Graminis. B, StÀrkmehlstoffe: Amylum, Amylum Marantae, Tapioca,
Grana Sago, Semen Oryzae, Semen Avenae, Semen Hordei, Semen Tri-
tiei, Semen Secalis, Tubera Solani. C, Zuckerstoffe: Saccharum album
Saccharum laetis, Mel, Rad. Dauei, Rad. Glyeyrrhizae, Manna, Glyceri-
Arch, d. Pharm. CC, Bda. 2. Hit, 18
974 Literatur und Kritik.
num. D, Fettstoffe: a, Vegetabilische Fette und Oele: Amygdalae dulces,
Semina et Oleum Papaveris, Oleum Olivarum, Semina et Oleum
Lini, Semina Cannabis, Semina et Butyrum Cacao, Semen Lyeopodii.
b, Animalische Fette und Oele: Oleum Morrhuae (die jedenfalls ver-
breitetere Benennung Oleum jecoris Aselli wird gar nicht erwÀhnt), Cetaceum,
Cera flava et alba, Adeps suillus, Butyrum. E, Eiweissmittel und leim-
gebende Substanzen: Lac, Ova, Gelatinosa, Caro.
Die pharmakognostische Characteristik der einzelnen Mittel ist meistens
sanz ĂŒbergangen, im Falle der BerĂŒcksichtigung aber eine höchst mangel-
hafte; die Herstellung der chemischen Mittel ist meistens viel zu kurz
uud unklar verzeichnet. Das ist bei einer zur Repetition fĂŒr Studirende
bestimmten Schrift gewiss nicht zu billigen. Der gleiche Grund lÀsst es
aber auch tadelnswerth erscheinen, dass die chemischen Formeln ganz
mit Stillschweigen ĂŒbergangen sind; nur ganz ausnahmsweise geschieht bei
Elayl, Aether anaestheticus Wiggers, Carboneum trichloratum der chemi-
schen Constitution ErwÀhnung. Wenn bei den vegetabilischen Droguen
ĂŒberall der Abstammung gedacht wird durch BeifĂŒgung des Linn@schen
Namens der Mutterpflanze und Nennung der natĂŒrlichen Familie, der diese
angehört, so war es sicherlich in gleicher Weise BedĂŒrfniss, dem Studi-
renden, der die Arzneimittellehre repetiren will, die chemische Constitu-
tion der anorganischen Mittel ins GedĂ€chtniss zurĂŒckzurufen.
Die Angaben ĂŒber die pharmaceutische Herstellung der PrĂ€parate
sind zum Oeftern ungenau und schwer verstÀndlich, und braucht in dieser
Beziehung nur auf Ungt. einereum (S. 40), auf die Schmuckerâschen Fomen-
tationen (S. 100), auf Liquor Ammoniaci acetiei (8. 226) verwiesen zu
werden.
Im Vorworte wird erwÀhnt, dass in dieser zweiten Auflage, dem in
Preussen eingefĂŒhrten metrischen Dosirungsreglement Rechnung getragen
worden sei, und in der That ist vom Anfang bis zum Ende die Dosis
immer zugleich nach dem metrischen und dem alten Unzensystem ange-
geben, etwa in der Form: 0,25 â0,35 (gr. IVâ VI). Damit ist unnö-
thiger Weise Raum verschwendet worden. Unsere Studirenden, denen das
Buch bestimmt ist, sind jetzt in die metrische Dosirung bereits eingeweiht
oder mĂŒssen sich doch dieselbe unumgĂ€nglicher Weise aneignen, es hĂ€tte
daher die Dosenbestimmung nach dem metrischen System, unter Ver-
weisung auf die S. 12 befindliche Reduetionstabelle, vollstĂ€ndig genĂŒgt.
Die Darstellung der therapeutischen Verwendung der Arzneimittel ist
im Ganzen nur zu loben: Oesterlen hat hier als schÀtzbares Muster gedient.
Bei den Classificationsreihen und bei den Unterabtheilungen wird die phy-
siologische Wirkung voraus gestellt und aus dieser werden dann die In-
dieationen fĂŒr die therapeutische Benutzung entnommen.
ErwÀhnt sei noch, dass bei einer Anzahl vegetabilischer Gifte in
Form einer Anmerkung auf deren Vergiftungsbehandlung hingewiesen
wird. Prof. Th.
A. Payenâs Handbuch der technischen Chemie.
Nach der fĂŒnften Auflage der Chimie industrielle frei bear-
beitet von F. Stohmann, Prof. in Halle (jetzt Prof. im
Leipzig) und CarlEngler, Privatdocent (jetzt Prof.) in Halle.
I. Bandes zweite Lieferung, von Oarl Engler. Mit
81 Holzschnitten und 3 Kupfertafeln. Stuttgart, E. Schwei-
â
Literatur und Kritik. 275
zerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch). 1780. Bogen 17
bis 30. (S. 257 â480.) Gross Octav.
Im Julihefte 1870 dieses Archivs, 8. 81 â86 ist die erste Lieferung
des I. Bandes dieses Werkes eingehend besprochen und unseren Lesern
auf das WĂ€rmste empfohlen worden. Von der Verlagshandlung wird das
Erscheinen der dritten (Schluss-) Lieferung dieses I. Bandes Anfang
1872 in Aussicht gestellt. Die vorliegende zweite Lieferung bringt den
Schluss des Artikels SchwefelsÀure. An diesen schliesst sich die Be-
sprechung der Scheidung des Goldes und Silbers durch Affiniren und
Quartation; des Schwefelwasserstoffs und der Desinfection; des Chlors und
der unterehlorigsauren Salze (Bleichsalze), der Chlorometrie und Braun-
steinproben ; des chlorsauren Kalis, der SalzsÀure; des Jods und Broms;
der SalpetersĂ€ure; der kĂŒnstlichen kohlensauren WĂ€sser; der BorsĂ€ure;
des Boraxes; des Phosphors, der ZĂŒndrequisiten; des Kochsalzes, Glau-
bersalzes,. des unterschwefligsauren Natrons und kohlensauren Natrons,
der Soda.
Von den beigegebenen Kupfertafeln enthÀlt Taf. IX. Darstellung des
schwefels. Natrons und der SalzsÀure in Cylindern; Taf. X. Darst, d.
Glaubersalzes in Oefen, Sodaofen, Auslaugeapparat fĂŒr die Soda; Taf. XI.
einen Apparat zur Bereitung kĂŒnstl. kohlens. WĂ€sser. Die zahlreichen
in den Text eingesetzten Holzschnitte erlÀutern das im Texte Gesagte zur
GenĂŒge. Wir finden darunter Schachtöfen fĂŒr die Kiese bei ihrer Be-
nutzung zur SchwefelsÀurefabrikation, den Gerstenhöferschen Röstofen,
den Apparat zur Bereitung von Chlorkalk, Sublimation des Jods, Frankâs
Apparat zur Bromgewinnung,, SalpetersÀuredestillation mit verbesserten
Condensationsvorrichtungen von Devers und Plisson; Siphonâs und
FĂŒllapparat f. kohlens,. WĂ€sser; Phosphordestillation; Coignets Apparat
zur Darstellung von amorphem Phosphor ; Vorrichtung zur Mengung des
Phosphors mit dem Leimwasser etc. fĂŒr die ZĂŒndhölzchenmasse und viele
andere Abbildungen.
Die Behandlung der einzelnen Kapitel ist eingehend, klar und fern
von Weitschweifigkeit. Die ErklÀrung der Prozesse durch chemische
Formel -Gleichungen unter Anwendung sowohl der dualistischen als
der unitarischen Schreibweise ist auch hier zum Nutzen des Lesers
eonsequent durchgefĂŒhrt. Sehr belehrend sind die Kapitel ĂŒber die An-
wendung der einzelnen PrÀparate. So z. B. SalpetersÀure. Sie ver-
dankt ihre ausgedehnte Anwendung theils ihres starkoxydirenden,
theils ihrer nitrirenden Wirkung, Sie wird in grosser Menge ver-
braucht bei der Gewinnung von SchwefelsÀure, der chem, reinen PO aus
Phosphor, der JodsÀure und ArsensÀure; zum Beizen des Kupfers, der
Bronze nnd des Messings, zur Trennung von Gold und Silber; in der
Kupferstecherei zum TiefÀtzen der Kuperplatten; zur Bereitung des
Königswassers, welches als Lösungsmittel fĂŒr Gold, Platin ete. An-
wendung findet; zur Darstellung der salpeters. Salze des Silbers (Höllen-
stein), Quecksilbers, Kupfers, Bleis; des Zinnchlorids; des neutralen und
basisch salpeters. Wismuthoxyds; zur Fabrikation reiner OxalsÀure,
der Schiessbaumwolle, des Nitroglycerins, des Nitrobenzols, welches
wiederum der Ausgangspunkt zur Darstellung des Anilins ist; zur
Bereitung des Oxanthracens, aus welchem das kĂŒnstliche Ali-
zarin gewonnen wird, der PhtalsÀure, des Nitromannits, des Nitro-
naphtalins, des Martiusgelbs, der PikrinsÀure. Sie wird ferner verwendet
zum direeten GelbfÀrben der Seide, Wolle und anderer thierischer Stoffe,
zur UeberfĂŒhrung des StĂ€rkemehls in Dextrin; zur Zerstörung des Indigos
in der Kattundruckerei zum Zweck der Herstellung von Mustern, zur Dar-
18*
276 Literatur und Kritik.
stellung einer Eisenbeize ld die zum SchwarzfÀrben der Seide ver-
wendet wird etc.
Von Druckfehlern Sad mir nur wenige aufgestossen, so die fol-
genden:
. 272, Z. 4 von unten muss stehen VI. anstatt V.
. 273, Z. 10 von unten titrirt anstatt filtrirt.
. 295, Z. 14 von unten 1,3 Meter tief anstatt 13 Meter.
301, Z. A von unten Javelle anstatt Javalle.
304, Z. 11 von unten Soolquelle anstatt Sohlquelle.
308, Z. 6 von unten gefĂ€llt anstatt gefĂŒllt.
308, Z. 5 von unten Tennant statt Thennant.
2.6 von unten Blutlaugensalzes anstatt Blutlauge-
malz
D
St}
DD
IV}
>
Z. 13 von unten Lycopodium st. Licopodium.
7. 4 von oben BromĂŒre st BrumĂŒre.
379, Z, 5 von oben amethystroth st. amethistroth.
Z. 7 von oben Streichholz st. Steichholz.
411, Z.1 von unten arabisches Gummi st. arabischer Gummi,
: 422, Z. 15 von oben Brodemfang st. Bodenfang.
. 446, Z. 1 von unten lies oben st. unten.
Dem Herrn Vebersetzer und nicht dem Setzer sind nachstehende
Ungenauigkeiten zuzurechnen:
8. 299 wird gesagt: âSchwefelwasserstof? finde sich in der Luft ĂŒberall
da, wo stickstoffhaltige organische Stoffe faulen; es mĂŒsste wohl
noch hinzugefĂŒgt werden âund schwefelhaltige, oder bei Gegenwart
schwefelsaurer Salze.â
8. 321, 2. 10 Y- unten steht: âdas weit werthlosere Chlorkalium.â
Aber âwerthlosâ ist ein Wort, welches im guten Deutsch weder Com-
parativ noch Superlativ besitzt.
S. 350, Z. 8 von unten steht: Mit dem Wassergehalt einer Salpeter-
sĂ€ure nimmt das spec. Gew. derselben ab.â Im Gegentheil mit abneh-
mendem Wassergehalte nimmt das spec. Gew. der SalpetersÀure zu.
S. 384 wird behauptet, dass Kunkel das Brandâsche Geheimniss der
Phosphordarstellung theilweise oder ganz gekannt habe. Darauf hin ist
zu bemerken, dass Brand eben Geheimniss daraus machte, wÀhrend Kun-
kel seine eigenen Beobachtungen und Erfahrungen bekannt machte,
Hören wir Lavoisier darĂŒber. In seinem Trait⏠elementaire, 1793, tome I.
pag. 223 sagt er vom Phosphor: âĂâest en 1667 que la decouverte en
fut faite par Brandt, qui fit mystere de son procede: bientöt apres
Kunckel decouvrit le secret de Brandt; il le publia, et le nom de
phosphore de Kunckel qui lui a etE conserv& jusquâ& nous jours,
prouve que la reconnaissance public se porte sur celui qui publie. plutöt
que sur celui qui decouyre, quand il fait mystere de sa decouverte,â
Seite 402, Zeile 14 von oben wird gesagt âdass zu dem chemischen
Feuerzug mit Asbest und concentr. SchwefelsÀure Hölzchen gebraucht
worden seien, deren Köpfchen aus Schwefel und Zucker bestanden
hĂ€tten;â es war aber chlorsaures Kali ein Gemengtheil der ZĂŒnd-
masse.
S. 423, 2.15 von oben heisst es: âDie Menge des sich abscheidenden
Nalzes (Kochsalzes) nimmt mit der Grobkörnigkeit zu, sie betrĂ€gt fĂŒr ganz
feinkörniges Salz 100 â 220, fĂŒr grobkörniges nur 24â26 Kilogramme
in 24 Stunden pro Quadratmeter. â Hier muss es heissen: âdie Menge
nimmt mit der Grobkömigkeit ab. .
nnnnunnme nmnunnmun
[SV
jur
le)
Literatur und Kritik. 277
S. 432, Z. 16, 17 v. oben steht: âDie Menge des raffinirten Koch-
salzes betrÀgt in Holland jÀhrlich etwa 600000 Cir., wovon jedoch 180
GR wieder ins Ausland gehen.â Soll wohl heissen 180 Tausend Centner.
H. Ludwig.
A. Payenâs Handbuch der technischen Chemie.
II. Band. Erste Lieferung, vonF. Stohmann. Mit
44 Holzschnitten und 12 Kupfertafeln. Stuttgart, E.
Schweizerbartâsche Verlagshandlung (E. Koch). 1870.
200 8. Gross- Octar.
IL. Band, Zweite Lieferung, von F. Stohmann.
Mit 53 Holzschnitten und 7 Kupfertafeln. Ebendaselbst
1871. Seite 209â 464. Gross- Octav.
Dieser zweite Band enthÀlt im Wesentlichen die chemische Tech-
nologie der dem lebenden Naturreiche entstammenden Stoffe. Wir finden
zuerst ein Kapitel Organische Chemie (S. 1â16), in welchem von
der Zusammensetzung der Pflanzen gehandelt wird: ĂŒber elementare Zu-
sammensetzung der Gewebe, Zellmembran, Epidermis, Lignin, Mineral-
stoffe in den Pflanzen; nÀhere Zusammensetzung der Keimungsorgane der
Phanerogamen und der Gesammtpflanzen niederer Organisation. Bedeu-
tung dieser Organismen im Haushalte der Natur und Verwendung der-
selben. Allgemeine Gesetze der ErnÀhrung der Pflanzen. NÀhere organi-
sche Bestandtheile derselben.
e Ins Einzelne eingehend wird zunÀchst die Cellulose abgehandelt.
(S. 17â 29.)
Hier finden wir auch die PrĂŒfungsmethoden der Gespinnste und Ge-
webe vegetabil. und animal. Ursprungs besprochen, sowie die Zubereitung
der Gespinnstfasern des Leins und Hanfs.
S.30â 40 ĂŒber Peetinsubstanzen, Gelose, Dialose, Cubi-
lose und Apiin. Hier finden wir die interessanten Untersuchungen
Scheiblerâs ĂŒber MetapectinsĂ€ure und Pektinose (Pectinzucker) be-
rĂŒcksichtigt.
Es folgt ein interessantes Kapitel ĂŒberâ das Holz (8. 41â 78), dessen
Conservirung, ImprÀgnirungsmethoden unter Beigabe der Abbild. verschie-
dener hierzu dienender Apparate. Verwendung von Kupfervitriol zur Im-
prÀgnirung, Vermeidung von Eisensalzen mit MineralsÀuren; Benutzung
von CarbolsÀure, Theer, Oelen, Fetten, Harzen, Chlornatrium, Chlor-
caleium, Quecksilberchlorid, Zinksalzen. Conservirung des Holzes durch
Trocknen, Dörren, DÀmpfe, oberflÀchliche Verkohlung, RÀuchern, In
einem Anhang wird die Lockerung von Gesteinmassen durch starke
Erhitzung beschrieben und durch Abbildung verdeutlicht. Die Besprechung
von Latryâs gehĂ€rtetem Holz macht den Schluss dieses Kapitels.
Dem StĂ€rkmehl sind die Seiten 79â 124, dem Dextrin 9. 125â
131, dem Traubenzucker $. 132â141 gewidmet. Die Kupfertafeln
XVII, XIX, XXI und XXII erlÀutern durch gute Abbildungen die For-
men einer grossen Zahl verschiedener Amylumarten, Coneretionen in
Pflanzenzellen, Pflanzenfasern, Zellverdiekungen ete. Die Verarbeitung
von Kartoffeln zu Kartoffelmehl und Amylum wird eingehend abge-
handelt, die Ermittelung des StÀrkemehlgehaltes der Kartoffeln nach deren
spec. Gewicht durch eine Tabelle ermöglicht. Eine Betrachtung ĂŒber
2718 Literatur und Kritik.
Kartoffelkrankheit beschliesst dieses Kapitel.*) Beim Dextrin finden
wir die Angabe, dass dasselbe eine alkalische Kupferoxydlösung beim Er-
hitzen nicht reducire; dagegen möchte ich behaupten, dass auch das
reinste Dextrin eine solche Reduction des Cu?O2 zu Cu?O in der WĂ€rme
bewirken könne und berufe mich dabei theils auf eigene Erfahrungen,
theils auf Dr. Kemperâs Untersuchungen (Archiv: d. Pharmacie, Septbr.
1863, II. R., Bd. 115, $. 250).
Anstatt des Namens âTraubenzuckerâ fĂŒr den aus StĂ€rke-
mehl erhaltenen StĂ€rkezucker wĂŒrde der Name KrĂŒmelzucker sich
besser passen, da ja sonst einfach gelogen wird, wenn man StÀrkezucker
fĂŒr Traubenzucker ausgiebt. Herr F. Stohmann schliesst seine Be-
trachtung mit den Worten: âDer gekörnte Zucker (i. e. StĂ€rkezucker)
dient zur VerfĂ€lschung des Rohrzuckers.â Also der Fabrikant verkauft
dem Materialisten StĂ€rkezucker fĂŒr Traubenzucker und dieser dringt ge-
legentlich als Rohrzucker ins Publikum.
S. 142â153 wird Schiessbaumwolle abgehandelt und als An-
hang das Nitroglycerin und Collodium. Das letztere hat zwei
grosse Verwendungen: in der Chirurgie und in der Photographie. Be-
rard Tousselin verwendet es zur Anfertigung kĂŒnstl. BlĂ€tter und
Blumen. Auch können Bleistiftzeichnungen durch Ueberziehen
mit Collodium völlig unvermischbar und unverÀndert gemacht werden.
Der Conservirung des Getreides sind die Seiten 154â 161
gewidmet und es werden die Apparate von V allery, Conink, Huart
und Devaux beschrieben, der des Ersteren (Grenier mobi le, beweg-
licher Speicher genannt) auch abgebildet.
Zwei verschiedene Arten von Inseeten sind die grössten Vertilger des
Kornes: Cureulio granarius, der schwarze Kornwurm (Calan-
dra granaria Fdb., Sitophilus granarius Schönh,) und der weisse Korn-
wurm oder die Kornmotte (Tinea granella L. Alueita granella Fabr.),
Eine starke Ventilation des Speichers, durch Bewegung
unterstĂŒtzt, ist ein ziemlich sicheres Schutzmittel gegen diese Körner-
feinde.
Die sicherste Vertilgung des Kornwurms in den Silos oder Erdgruben
wird nach Doyere und Garreau durch eine ganz geringe Menge von
Schwefelkohlenstoff herbeigefĂŒhrt. Man braucht pro Hectoliter
Korn nur 2 Gramme davon in die Grube zu bringen, um alle Insecten,
selbst deren Eier, nach 5â6 Tagen zu tödten; bei etwas grösseren
Gaben, bei 5 Grammen tritt die Wirkung schon nach 24 Stunden ein.â
Mehl und Brot (S. 162â183). PrĂŒfung auf Beimengungen; Back-
ofen von Lespinasse, von Grouvelle und Mouchot, von Rolland;
Knetmaschinen von Moret, Rolland.
StĂ€rkmehl und Kleber des Getreides (S. 184â202), Fabrika-
tion des WeizenstĂ€rkmehls; Martinâs Verfahren. Mais- und ReisstĂ€rke,
Nudeln, Macaroni, Vermicelli; Veronâs gekörnter Kleber.
Zucker (S. 203â380). Vorkommen und Eigenschaften. Statistik
der Zuckerproduction. (Die jetzige Gesammtproduction an Zucker auf der
Erde kann man wohl zu 2650 Millionen Kilogramm taxiren, davon kommen
1,950 Millionen Kilogr. auf Zucker aus Zuckerrohr
580 $}) â PR) 2) PR) ZuckerrĂŒben
100 â â Fr) â â Palmsaft und
20 â â â â â Ahornsaft.)
*) 8. 86. Bestimmung des Wassergehaltes des StÀrkmehls nach
Scheibler vermittelst eines Weingeistes von 0,834 spec. Gew.
Literatur und Kritik. 279
Zuckerfabrikation (RĂŒbenzucker 8. 215 â324; aus Zuckerrohr
S. 325 â 341).
Raffination des Zuckers ($. 342â 362); Fabrikation des Candis
(362 â 365).
Sacharimetrie, chem,, arÀometrische und optische Zuckerproben
(366 â 380). Feinde der RĂŒben (MaikĂ€fer, Engerlinge, Maulwurfsgrille,
Gryllotalpa vulgaris Latr.; von pflanzl. Parasiten, der die Wurzeln be-
fallende Pilz, Rizoctonia violacea Tulasne, der RĂŒbentödter,
ferner der RĂŒbenrost, Uromyces Betae Tul., der die BlĂ€tter
befĂ€llt. Anatomischer Bau der RĂŒbe, durch Abbild. auf Kupfertafel XXX
trefflich erlĂ€utert. Bestandtheile der RĂŒben: Gemeiner Zucker
(sogen. Rohrzucker), es giebt ZuckerrĂŒben, deren Zuckergehalt nicht ĂŒber
89 Proc. sich erhebt, wĂ€hrend andere aus vorzĂŒglichen Samen RĂŒben
mit 17 Proc. und mehr Zucker produciren, Durchschnittszahl 14%
Zucker.
Traubenzucker und Fruchtzucker kommen in guten RĂŒben
nur spurenweise oder gar nicht vor; sie entstehen aber darin durch Um-
wandlung des Rohrzuckers,
Organische SÀuren: OxalsÀure, WeinsÀure, Citronen-
sÀure, ApfelsÀure theils frei, theils als Salze.
Gummi, Schleim; Fette, fÀrbende Bestandtheile, Ei-
weissstoffe, Asparagin, Betain (â=(03°H3?N°0%, vor Kurzem von
Scheibler im RĂŒbensafte entdeckte organische Basis).
Ammoniak, SalpetersÀure,
K0,Na0, Ca0, Mgo, Fe203, POS, SOÂź, HCl.
Die sĂ€mmtlichen Bestandtheile des RĂŒbensaftes mit Ausnahme des
Zuckers und des Wassers fasst man technisch unter dem Namen Nicht-
zucker zusammen, â
Saftgewinnung durch Pressung, Maceration und Diffusion; aus
frischen und aus getrockneten RĂŒben,
Scheidungsmethoden nach Rousseau, nach Perrier, Possoz-
Jelinek. Filterpressen, Schlammpressen von Needham, ete,
Dubrunfauts Verarbeitung der Melassen auf Zucker mitttelst Baryt.
Scheiblers Verfahren, mittelst Kalk und Weingeist kryst. Zucker aus
Melassen zu gewinnen.
Abbildungen des Zuckerrohrs und mikrosk. Bilder (Taf. XXXIV),
seiner Zellen und Gewebe. Zusammensetzung des Zuckerrohrs (71°/, Wasser,
18°, Zucker und 11°/, andere Stoffe). Auf Tafel XXXV Abbildung einer
Colonial- Zuckerfabrik, des Innern; einer Raffinerie Fig. 84, einer Candis-
fabrik Fig. 87, 88, 89. â
Kaffe (8. 381â 392) Structur, Bestandth. d. Kaffebohne, das Kaffein,
das chlorogensaure Kaflein-Kali, die KaffegerbsÀure, das Àtherische (aro-
matische) Oel des gebrannten Kaffes, Eigenschaften verschiedener Kaffe-
sorten, der Kaffe als menschliche Nahrung.
Bier (S. 393â440). Geschichtl., Gerste, Hopfen, Hefe, Malz,
Malzdarren (darunter Overbeckâsche Darre), Maischprocess , Kochen,
Hopfen, KĂŒhlen der WĂŒrze (Herr Stohmann spricht hier von KĂŒhl-
geschlĂ€ger; bei uns nennt man es KĂŒhlgelĂ€ger), GĂ€hrung; Analyse
des Biers.
Wein (8. 441â464). Geschichte, Bestandth. d. Traube, Mostberei-
tung, GĂ€hrung, Chaptalisiren, Gallisiren, Scheelisiren (ei, ei; wir haben
ein Element, nach unserem Scheele gehabt, das heute Wolframium
heisst; jetzt stört man die Grabesruhe des grossen Mannes und macht
ihn zum Weinverschneider. Wer denkt da nicht an Englisiren ?)
280 | Fler elland Reine
Herr Stohmann schreibt âder Gummi, Oenanthin genannt, der
sich in manchem Wein findet und der sich wahrscheinlich aus dem
Zucker bildet, ertheilt dem Wein eine dickliche Consistenz; in zu grosser
Menge bedingt er eine Krankheit desselben.â Aber Gummi ist schon bei
Dioscorides und Plinius ein Neutrum und bei unseren sÀmmt-
lichen Pharmacognosten ebenfalls ein solches, z. B. Gummi arabicum,
âdasâ arabische Gummi. Derselben incorreeten Schreib- und Sprech-
weise begegnen wir bei Extractum, welches nicht bloss von Hoff und
Genossen als âder Extractâ verdeutschelt wird. Im guten Deutsch
muss es heissen âdasâ Extraet.
Mit den Krankheiten des Weines und dem Conserviren dess. bricht
die 2. Lieferung ab. Auch bei dieser Lieferung ist der Druck correet und
die in den Text gedruckten Holzschnitte, so wie die beigegebenen Stahl-
stiche sind von grosser Sauberkeit.
Von Druckfehlern sind mir nur die folgenden aufgefallen:
Seite 24, Zeile 1 von oben steht Bohemeria, anstatt Boehmeria,
Seite 40, Zeile 7 von unten steht Bracounot, anstatt Braconnot.
Seite 87, Zeile 3 und 4 von unten steht Gefrieren und Aufthauen,
anstatt gefrieren und aufthauen.
Seite 143, Zeile 17 von oben steht Monitrocellulose anstatt Mono-
nitrocellulose.
Seite 162. Z. 13 von unten steht Gluein anstatt Glutin oder
Gliadin.
Seite 165, Zeile 11 von oben steht XXVIII anstatt XVIII.
Seite 205, Zeile 16 von unten steht der Extraet anstatt das Extract.
Seite 248, Zeile 15 von unten steht Gewinnung anstatt Gerinnung.
Seite 381, Zeile 2 von unten steht kaffegerbsaures Kali anstatt
kaffegerbs. Kali-Kaffein.
Seite 403, Zeile 21 von unten steht collirt anstatt eolirt,
Seite 404, Zeile 8 von unten steht der Röstgummi anstatt das
Röstgummi.
Seite 418, Zeile A von unten steht Malzextraet anstatt Malzschrot.
Seite 456, Z. 7 von unten steht Naturalisiren anstatt Neutrali-
siren.
Mehremale treffen wir auf den Ausdruck âes erĂŒbrigt nun noch,
das und das zu thun (8. 249, Z. 8 von oben, 8. 295, Z. 6 von unten,
8. 379, Z. 14 von unten), eine bei Zeitungsschreibern ĂŒbliche Wiedergabe
des superest, .religuum est; mir will es scheinen, dass wir besser sagen
âes bleibt noch ĂŒbrigâ. Doch ich will nicht ins Kleinliche fallen und
schliesse desshalb meinen Bericht mit der Bemerkung, dass die Verlags-
buehhandlung dem Publikum baldigst den Schluss dieses werthvollen Wer-
kes bringen möge, damit es in seiner VollstÀndigkeit den Nutzen stiften
könne, den es wegen seines reichen Inhaltes zu verbreiten fÀhig ist.
Jena, den A. April 1872. Dr. 7. Ludwig.
281
D. Anzeigen.
I. Wiederabdruck eines Cireulars von E. Merck in Darmstadt.
Durch die Zeitungen ist wohl zu Ihrer Kenntniss gelangt, wie im
Februar 1. J. im BĂŒrgerspitale zu Bern zwei dort verpflegte Wöchnerinnen
statt der ihnen verordneten Pulver mit salzsaurem Chinin solche erhielten,
welche aus einem Gemische von salzsaurem Chinin und Morphium bestan-
den, und an den Folgen dieser Verwechslung starben.
Das Medicament war in der Berner Staatsapotheke gefertigt worden,
welch letztere das PrÀparat aus einer Berner Droguenhandlung bezogen
hatte.
Die Berner Gerichtsbehörde leitete sofort bezĂŒglich dieser Vergiftungs-
fÀlle eine Untersuchung ein. Sowohl in der Staatsapotheke zu Bern als
in der erwÀhnten Droguenhandlung daselbst wurde die Masse, von welcher
das Medieament genommen worden war, mit Beschlag belegt, und ergab
sich, dass dieselbe aus Chin. muriatie. mit Morph. muriatie. in der Weise
vermischt bestand, dass die zwei Substanzen in Schichten ĂŒbereinander
lagen. Welche Schichte die oberste war, und wie dieselben mit einander
abwechselten, ist meines Wissens nicht constatirt worden. Dass bei der
Berner Droguenhandlung mit Beschlag belegte GefÀss, in welchem sich
die Masse befand, war ein glÀsernes StandgefÀss , welches in dem offenen
Laden Aufstellung gefunden hatte, Aus dem StandgefÀss wurde das PrÀ-
parat bei seiner Sequestrirung zu Untersuchungszwecken in einen Papier-
sack ausgeleert.
Mit diesen VorgÀngen steht nun meine Firma nur in so fern in Ver-
bindung, als nahezu ein Jahr, bevor der tragische Vorfall im Berner
BĂŒrgerspitale sich ereignete â im April 1871 â erwĂ€hnte Berner Dro-
guenhandlung 1/, Pfund Chin. muriatie. von mir bezogen hatte.
Im Verfolg der Untersuchung begab sich allerdings ein Mitglied der
Berner Gerichtsbehörde in Begleitung eines SachverstÀndigen nach Darm-
stadt, um persönlich von den in meinem Etablissement verwahrten Stoffen
und der Art ihrer Verwahrung und Expedirung Einsicht zu nehmen,
Ich öffnete diesen Herrn bereitwilligst meine Arbeite- und Magazin-
rÀumlichkeiten, und haben sie von der darin herrschenden Einrichtung
und Ordnung, sowie von der Art und Weise der AusfĂŒhrung der Com-
missionen mit Befriedigung Kenntniss genommen und dies mir auch aus-
drĂŒcklich versichert. .
Die in Bern anhÀngige Untersuchung ist indessen lediglich gegen die
Staatsapotheke und den Droguisten dorten gerichtet, durch deren HĂ€nde
das PrÀparat ging,
Eine Veranlassung, meine Firma in diese Untersuchung zu impliciren,
lag weder fĂŒr die Berner - noch die hiesige Gerichtsbehörde in irgend einer
Weise vor, und ist mir von dem Grossherzoglichen Kreisamt Darmstadt
eine hierauf bezĂŒgliche ausdrĂŒckliche ErklĂ€rung in bereitwilligster Weise
amtlich zugefertigt worden.
Wusste ich mich nun auch â abgesehen von den einschlĂ€gigen Be-
stimmungen des Handelsgesetzbuchs â nicht nur jeder commerziellen
282 An
Haftbarkeit ledig, sondern im Bewusstsein meiner völligen Schuldlosigkeit
auch jeder moralischen Verantwortlichkeit frei, so musste doch die
Art und Weise, wie die Presse sich des Vorfalls bemÀchtigte, mich ver-
anlassen, aus eignem Antriebe der Untersuchung nÀher zu treten,
Schon wÀhrend die Berner Gerichtscommission sich hierher begeben,
ist im âBerner Bundâ ein Artikel erschienen, in welchem die Schuld
an dem tragischen Ende der beiden Wöchnerinnen in dem dortigen
BĂŒrgerspitale geradezu auf meine Firma geschoben wird. Bei dem Ge-
schmacke des grossen Publicum an Sensationsnachrichten, wurde der
Berner Vorfall sofort vonâ den grossen und kleinen BlĂ€ttern aller LĂ€nder
verwerthet, und wÀhrend der von mir oben erörterte einfache Thatbestand
der Beachtung der Presse völlig entgangen ist, wurde, anstatt den Worten
âaudiatur et altera parsââ Rechnung zu tragen, sich auf die einfache
Wiedergabe des eigentlichen Begebnisses zu beschrÀnken und bis zur Auf-
klÀrung sich jeden Urtheils zu enthalten, die Kunde von dem traurigen
Ereignisse mit allen möglichen und unmöglichen Zuthaten, stets aber den
Schuldigen in meiner Firma suchend, in alle Welt getragen.
Auf meine Veranlassung gab zwar die Berner Gerichtsbehörde dem
âBerner Bundâ auf, eine Rectification jenes Artikels erscheinen zu lassen,
da keinerlei Indieien gegen meine Firma vorlÀgen. Dieser Rectification,
welche heute noch die Sachlage im Wesentlichen resumirt und wie nach-
stehend abgefasst ist:
âBern. Die Herren Professor Schwarzenbach und Untersuchungs-
richter Bircher sind von Darmstadt zurĂŒckgekehrt. Die Untersuchung
betreffend die Vermischung von chemischen Fabrikaten, welche so
traurige Folgen gehabt hat, dauert fort. SelbstverstÀndlich kann vor
Beendigung derselben ĂŒber ihr Resultat keine positive Mittheilung ge-
macht werden, wohl aber ersucht man uns einstweilen zu bemerken,
dass fĂŒr die Behauptung, es habe jene Vermischung in der Fabrik
zu Darmstadt stattgefunden, bis dahin keine Anhaltspunkte vorliegen.,,
hat nun auch, wie ich dankbar anerkenne, der âBerner Bundâ bereit-
willig seine Spalten geöffnet und damit den Standpunkt einer ehren-
werthen Zeitung eingenommen; indessen konnte sich dieselbe einer wohl-
wollenden Aufnahme bei den meisten anderen BlÀttern nicht erfreuen, ja
gerade diejenigen, welche die grössten Entstellungen gebracht, verweiger-
ten auf desfallsige Aufforderung die Aufnahme einer Berichtigung, es sei
denn, es wĂŒrde dieselbe bezahlt.
Jedenfalls wĂŒrde ich gegen dieses Vorgehen der Presse schon frĂŒher
protestirt haben, wenn ich nicht befĂŒrchtet hĂ€tte, dass eine einfache
Protestation ohne UnterstĂŒtzung gewichtiger GrĂŒnde wirkungslos verhallen
wĂŒrde. Diese BefĂŒrchtung hat mich jedoch veranlasst, dem Untersuchungs-
gericht in Bern alles Material, ĂŒber welches ich verfĂŒgen konnte, und
welches die Behauptung der Presse, die fragliche Verwechslung habe bei
mir stattgefunden, als völlig grundlos erscheinen lÀsst, auch ohne eine
Aufforderung abzuwarten, zur VerfĂŒgung zu stellen.
Aus einer noch schwebenden Untersuchungssache Mittheilungen zu
machen, namentlich da dieselbe gegen dritte Personen gerichtet ist, verbieten
mir GrĂŒnde, deren WĂŒrdigung ich meinen geehrten GeschĂ€ftsfreunden ĂŒber-
lassen kann. Doch darf ich wenigstens so viel schon jetzt mit positiver
Bestimmtheit mittheilen, dass wĂ€hrend ein Anhaltspunkt dafĂŒr, dass die
Vermischung in meinem GeschÀfte stattgefunden, in keiner Weise sich
ergeben hat, eine Reihe von Thatsachen bereits constatirt sind, welche
âselbst die Möglichkeit eines solchen Vorganges ausschliessen. Ich
glaube, mir spÀtere Mittheilung vorbehaltend, schon jetzt darauf aufmerk-
sam machen zu können, dass wÀhrend das oben erwÀhnte Berner GeschÀft
Anzeigen. 283
im April 1871 125 Grm. Chin. muriatie. von mir bezogen hat, die bei
demselben und bei seinen Abnehmern im Februar 1872 mit Beschlag
belegte Masse 160â 170 Grm. betrĂ€gt, dieselbe daher unter keinen Um-
stĂ€nden in ihrer jetzigen Zusammensetzung von mir herrĂŒhren kann, ein
Punkt, der allein schon hinreicht, um mich von jeder Verantwortlichkeit
fĂŒr dieses PrĂ€parat zu entlasten. .
Auch durch die Eingangs erwÀhnte schichtenförmige Lagerung beider
Stoffe wird der Annahme, ein solches Gemisch sei von hier expedirt wor-
den, jeder Boden entzogen, denn bei dem auf einem Posttransporte nicht
zu vermeidenden SchĂŒtteln und Herumwerfen hĂ€tten sich jedenfalls beide
Stoffe inniger mischen mĂŒssen.
Ich bemerke weiter, dass sÀmmtliche Personen, welche gleichzeitig
mit dem ofterwÀhnten Berner Hause Droguen von mir bezogen, deren
vollstÀndigste OrdnungsmÀssigkeit bezeugten.
Insbesondere hat ein Wiener Haus, welches unter demselben Datum
wie das Berner GeschÀft Chinin muriatie. von mir erhalten, auf ein dess-
fallsiges von hiesigem Kreisamt auf Grund meiner eigenen Angaben an
die K,u.K. Polizei-Direetion in Wien unterm 25. Febr. 1. J. gerichtetes
Requisitionsschreiben amtlich erklĂ€rt: dass bezĂŒglich des fraglichen PrĂ€-
parats keinerlei Reclamationen eingelaufen seien. Wenn aus Veranlassung
dieses Requisitionsschreibens Grossherzoglichen Kreisamts Darmstadt, in
welchem des Berner Vorfalls selbstverstÀndlich ErwÀhnung geschah, die
K.u.K. Oesterreichische obere SanitÀtsbehörde neuerdings sich bewogen
gefunden hat, ein Circular an die Apotheker in Oesterreich zu erlassen,
in welchem vor meinen PrÀparaten geradezu gewarnt wird, so kann ich nicht
anders unterstellen, als dass diese Massnahme der K. u. K. Oesterrei-
chischen Regierung auf einem MissverstÀndnisse beruhe, und hat nicht nur
Grossherzogliches Kreisamt Darmstadt, welches diese Auffassung theilt,
bereits ein weiteres Schreiben an die K. u.K. Polizei-Direction in Wien
gerichtet, in welchem dasselbe darzulegen sucht, dass ein Requisitions-
schreiben d. d. 25. Februar 1. J. nicht etwa durch eine gegen meine Firma
selbst anhÀngende Untersuchung veranlasst worden sei und keineswegs
eine meine Firma und deren Ansehen in so empfindlicher Weise schÀ-
digende Massregel, wie jenes Circular an die Apotheker der Oesterrei-
chischen Monarchie, habe provociren wollen und um ZurĂŒcknahme dieser
Massregel bittet, sondern ich habe auch an competenter Stelle gegen die
mehrerwĂ€hnte VerfĂŒgung der K. u. K. Oesterr. Regierung Protest erheben
lassen und gleichzeitig wegen diplomatischer UnterstĂŒtzung dieses Pro-
testes die geeigneten Schritte eingeleitet.
Die Einrichtungen, welche in meinem GeschÀfte bei Aufbewahrung
und Versendung von Chemikalien getroffen sind, dĂŒrfen im Uebrigen
meinen geehrten GeschÀftsfreunden die vollstÀndige Ueberzeugung geben,
dass Vermischungen und Verwechselungen namentlich solcher stark wir-
kender Stoffe bei mir nicht vorkommen können. Und gegenĂŒber den
zahlreichen Versendungen, welche Jahr aus Jahr ein von mir effeetuirt
werden, kann ich mit Befriedigung constatiren, dass noch Niemand durch
eine vorgekommene UnregelmÀssigkeit oder NachlÀssigkeit geschÀdigt
worden ist, Denn bei zwei FĂ€llen â beide ereigneten sich in Russland â
wobei ich in Mitleidenschaft gezogen wurde und deren sich wie diesmal
gleichfalls die Oeffentlichkeit bemÀchtigt hatte, ist positiv nachgewiesen
worden, dass die Reclamationen, soweit sie gegen mich gerichtet, voll-
stĂ€ndig und in jeder Beziehung ungegrĂŒndet waren.
Ich darf mich der Hoffnung hingeben, dass meine geehrten GeschÀfts-
freunde an der Hand des vorstehend Gesagten auch die ĂŒber die Berner
VorfĂ€lle verbreiteten Mittheilungen zu wĂŒrdigen wissen und mir ihr schĂ€tz-
284 Anzeigen.
bares Vertrauen erhalten werden. Es wird auch ferner mein Bestreben
sein, demselben durch die minutiöseste Sorgfalt zu entsprechen. Ich wollte
jedoch nicht unterlassen, Ihnen von diesen VerhÀltnissen Kenntniss zu
geben und darf Sie bitten, eintretenden irrigen Vorstellungen entgegen
treten zu wollen.
Darmstadt, Ende April 1872.
.- E. Merck.*)
II. Verkauf eines Herbarium der mitteleuropÀischen Flora.
Ueber 5000 Arten in 76 Mappen in einem Glasschranke; wissen-
schaftlich bestimmt, bezeichnet und geordnet nach De Cand. Ausser den selbst
gesammelten Pflanzen mit meist mehren Doubletten, enthÀlt dasselbe
mehre Centurien von F. W.Schulz, Reichenbach, Baronv. Leit-
ner, Petter (Dalmatien), Belege von BĂŒk, Sadler, Wolf, von
Janke, Tommasini, Hugovini, Schleicher, Bonvie ete.
Das Ganze ist zu ĂŒbernehmen fĂŒr 160 Thaler.
Dr, M. J. Löhr in Köln a/Rhein.
Jahresberichte d. Chemie
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In Carl Winterâs UniversitĂ€tsbuchhandlung in Heidelberg
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Naumann, Dr. Alexander, Professor an der UniversitÀt Giessen.
Ueber MolekĂŒlverbindungen nach festen VerhĂ€ltnissen. gr. 8.
brosch. 20 Sgr.
Mayer & MĂŒller. Antiquariats-Buchhandlung in Berlin,
Markgrafenstrasse 50, kaufen ganze Bibliotheken und ein-
zelne Werke zu hohen Preisen.
*) Nr. A6 der Pharmaceutischen Zeitung, Bunzlau, den 8. Juni
1872, berichtet aus Carlsruhe in Baden, dass aus einer der dortigen
Apotheken anstatt Chinin. muriatie. Morph. muriatic. abgegeben wurde,
in Folge dessen der EmpfÀnger dieses Pulvers, ein junger Mann von
18 Jahren, gestorben sei. i
Jena, den 9. Juni 1872. DB. L.
Halle, Buchdruckerei des Waisenhauser
New York Botanical Garden Libra
5 00304 8244
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