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Full text of "Archiv der Pharmazie"

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ARCHIV 


PHARMAUCIE 


Bine Zeitschrift 
des 


allgemeinen deutschen Apotheker -Vereins, 
Abtheilung Norddeutschland. 


Herausgegeben vom Directorium unter Redaction 


von 
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Im Selbstverlage des Vereins. 
In Commission der Buchhandlung des Waisenhauses in Halle a/S. 


1872. 


ARCHV 


DER 


PHARMAUIE. 


Zweite Reihe, OXLIX. Band. 
Der ganzen Folge CXCIX. Band. 


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Unter Mitwirkung der Herren 
0. Becker, E. Biltz, F. A. FlĂŒckiger, Adelb. Geheeb, 6. GlĂ€ssner, 
E. Hallier, E. Heintz, B. Hirsch, A. Hirschberg, Karl Jehn, 
F. Kostka, R. Mirus, H. MĂŒller (Jena), J. MĂŒller (Breslau), R. Palm, 
E. Pfeiffer, E. Reichardt, Chr. Rump, E. Schering, Jul. Schnauss, 
F. Schrage, €. Sommer, W. Stromeyer, Fr. Vieweg u. Sohn 


herausgegeben vom Directorium unter Redaction 


von 


H. Ludwig. 


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NEW YORK 
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Sanper 


1. Jahrgang. 


Im Selbstverlage des Vereins. 
In Commission der Buchhandlung des Waisenhauses in Halle a/S. 


1872. 


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MAY 22 1901 


A. Originalmittheilungen. 
I. Chemie und Pharmacie. 


Untersuchung ven Roggenmehl auf fremde Bei- 
mengungen, besonders auf &erstenmehl. 


Von Dr. ©. Sommer, Apotheker in Schwarzenfels. 


Im April des Jahres 1871 wurde ich. von dem hie- 
sigen Amtsgericht beauftragt, vier SĂ€cke mit circa 8 Ctr. 
Mehl zu untersuchen und anzugeben, ob in den SĂ€cken rei- 
nes Roggenmehl, oder ob Gerstenmehl darunter gemengt sei? 

Ich begab mich alsbald in den Nachbarort, wo auf einem 
luftigen Bodenraume das Mehl seit 3 Jahren lagerte. Die 
SÀcke waren zum Theil noch nicht geöffnet; ich schnitt sie 
daher in der Mitte der LĂ€nge nach auf, entfernte ca. 10 Pfad. 
von dem oben aufliegenden Mehle und dann erst nahm ich 


2 Pfd. Probemehl heraus. Nur die Àussere Schicht des Mehles 


fand ich mehr oder weniger zusammengeballt, nach Innen 
fast gar nicht. Von einem unangenehmen, sogenannten mul- 
sterigen Geruche, konnte ich wenig bemerken. Um ein ver- 
gleichendes Urtheil ĂŒber die Reinheit des Mehles zu erlan- 
gen, musste ich mir vor allen Dingen reines Roggen- und 
reines Gerstenmehl verschaffen. Zu diesem Zwecke begab 
ich mich in eine MĂŒhle, liess den Mahlgang gehörig reinigen 
und schĂŒttete selbst reinen, gesiebten Roggen auf. Die erste 
Handvoll Mehl, welche aus dem Mahlgange hervorkam, wurde 
bei Seite gelegt; der Rest wurde sorgfÀltig aufbewahrt. 


Genau so verfuhr ich mit der reinen, gesiebten Gerste. 
Arch. d. Pharm. OXCIX. Bds. 1. Hit, 1 


d Untersuchung von Roggenmehl auf fremde Beimengungen etc, 


. Hierauf, ‚schritt, ‚ich zum Vergleiche der verschiedenen 
Proben, ‚Das ‚u; "untersuchönde Mehl war gröber gemahlen 
und le von Farl be, als das selbstgemahlene Mehl, ob- 
wohl die Ffucht vorher nicht angefeuchtet (genetzt) worden 
war und somit weit mehr Kleientheilchen enthielt, als wenn 
dieses geschehen wÀre. 

Mit Wasser angeknetet, zeigte sich der Geruch des rei- 
nen Roggenmehles nicht. — Der Geschmack war nicht rein, 
sondern war bei allen 4 Proben sÀuerlichsalzig, spÀter 
fade, aber nicht bitter. 

Unter der -Loupe, bei einer 6fachen Vergrösserung 
erkannte man mehr und grössere Kleientheilchen, vermengt 
mit vielen schwarzen Fragmenten (vielleicht von Kornrade 
oder Wachtelweizen herrĂŒhrend) wie bei reinem Roggen- 
mehle. À 

In der Voraussetzung, dass das MĂŒllertuch auch zer- 
reisst und undicht wird, liess ich sÀmmtliche Mehlproben 
nach einander durch ein feines Zuckersieb gehen. Aus der 
jedes Mal zurĂŒckbleibenden Kleie und sonstigen Fragmenten 
konnte ich schon auf etwaige VerfÀlschungen schliessen. Da- 
bei stellte sich heraus, dass von den 4 zu untersuchenden 
Mehlproben jede 1°, grobe Kleie enthielt, wÀhrend reines 
Roggenmehl und reines Gerstenmehl je nur /, °% gröbere 
Kleie hinterliessen. Das Roggenmehl eines hiesigen BĂ€ckers 
besass davon nur 1), %- 

In der groben Kleie der 4 Proben liessen sich mit unbe- 
waffneten Augen BruchstĂŒcke von Hafer, Gerste, Weizen, 
Roggen, Erbsen erkennen, sowie HĂŒlsen von Erbsen, Gran- 
nen von Gerste, Spelzen von Gerste und Hafer, endlich StĂŒcke 
todter MehlwĂŒrmer. Eine Probe davon enthielt sogar noch 
eine ganze Erbse und ein ganzes Haferkorn. Diese ganze 
Auslese fĂŒgte ich spĂ€ter meinem Berichte an das Amt bei. 
Um zu sehen, wovon eine Anzahl dunkler HĂŒlsenfragmente 
darunter herstammten, bediente ich mich des Mikroskopes. 

Ein StĂŒckchen wurde auf dem Objectivglase mit dem 
kleinen DeckglĂ€schen unter HinzufĂŒgung eines Tropfens de- 
stillirten Wassers schwach gerieben, so dass sich die StÀrke- 


Yu ya 


Untersuehung von Roggenmehl auf fremde Beimengungen ete. b} 


körnchen von der Schale trennten. Bei einer 200 fachen linea- 
ren Vergrössung erkannte ich deutlich die charakteristischen 
walzlichen theilweise der LĂ€ngenaxe nach mit Rinnen ver- 
sehenen, StÀrkekörnchen der Papilionaceen, wahrscheinlich 
der Wicken. Die StÀrkekörnchen von Weizen, Roggen und 
Gerste sind kreisrund und etwas plattgedrĂŒckt, wie Linsen. 

Die fraglichen Mehlproben zeigten ebenfalls unter dem 
Mikroskope deutlich die StÀrkekörnchen der Papilionaceen 
und des Hafers. Die StÀrkekörnchen des letzteren sind poly- 
gonal. Dagegen ist es mir nicht gelungen, hierbei mit der- 
selben Deutlichkeit die StÀrkekörnchen der Gerste von denen 
des Roggens zu unterscheiden, obwohl die RoggenstÀrke ein 
mehr sternförmiges Hilum besitzt. 

Giebt man dagegen zu der GerstenstÀrke auf dem Ob- 
jecetivglase etwas destillirtes Wasser, bedeckt mit einem Deck- 
glĂ€schen, nimmt mittels etwas Filtrirpapier das ĂŒberflĂŒssige 
Wasser wieder hinweg und. bringt mit einem GlasstÀbchen 
einen Tropfen concentrirte SchwefelsÀure von 1,84 spec. Gew. 
hinzu, so wird man bei einer 200 fachen Vergrösserung bemerken, 
dass, nachdem die Àussere Schicht der Körnchen zerstört ist, 
dieselben, ehe sie sich völlig auflösen, in viele Polyeder zer- 
fallen. Das Verhalten besitzt weder die Weizen-, noch die 
RoggenstÀrke; sie werden vielmehr gleichförmig aufgelöst. 

Bei der Behandlung des fraglichen Mehles auf gleiche 
Weise konnte man eine Anzahl StÀrkekörnchen ebenso sich 
auflösen sehen, wie bei der reinen GerstestÀrke. 

Die vier Mehlproben, wÀhrend 6 Stunden dem Woasser- 
bade ausgesetzt, ergaben einen Wassergehalt von 14,5 %/,. 

Ein ferneres Verfahren, festzustellen, ob ein Roggen- 
mehl rein sei, beruht auf dem Gehalt an Kleber. Hierbei 
folgte ich den Angaben von W. Danckwortt, Archiv der 
Pharmac. Januarheft 1871. 

Es wurden aus MĂŒllertuch Nr. 12 eine Anzahl 8 Centm. 
lange und 4 Gentm. breite Beutelchen angefertigt. Sie wurden 
im Wasserbade ausgetrocknet, gewogen und mit einem Ge- 
mische aus 10 Grm. lufttrockenen Mehle und 1 Grm. ausge- 
gohrener, ausgewaschener und 12 Stunden lang im Weasser- 

1* 


Ă€ Untersuchung von Roggenmehl auf fremde Beimengungen ete. 


bade getrockneter Weizenkleie gefĂŒllt. Die Beutelchen wur- 
den gleichmÀssig befeuchtet, !/; Stunde stehen gelassen, 
alsdann zugebunden und solange mit destillirtem Wasser aus- 
geknetet, bis dasselbe klar abliefÂŁ. Nachdem sie 24 Stunden 
lang im Wasserbade getrocknet waren, wurden sie gewogen 
und die Klebermenge nach Abzug des Gewichtes des Beutel- 
chens und der Kleie gefunden. 
Selbstgemahlenes Roggenmehl hinterliess 0,84%). 
a Gerstenmehl 5 Du 2 
Jede der 4 Mehlproben h 2,00 , 
Wenn sich hieraus auch ergiebt, dass das streitige Mehl 
kein reines Roggenmehl war, so konnte ich doch nicht auf 
die Menge der ZusÀtze schliessen; denn: 


” 


1) war das Mehl sauer, (es röthete angefeuchtetes blaues 
Lackmuspapier sofort) wodurch schon eine gewisse Menge 
Kleber in den löslichen Zustand ĂŒbergefĂŒhrt war und daher 
nicht in dem seidenen Beutelchen zurĂŒckgehalten wurde; 


2) war das Resultat ein unsicheres, da das grobgemahlene 
mehr Kleie zurĂŒckliess, als reines, feingemahlenes Mehl. 


Hierdurch halte ich mich berechtigt, der Kleberprobe bei 
Mehluntersuchungen eine allzugrosse Wichtigkeit nicht bei- 
legen zu dĂŒrfen. 


Jedenfalls mĂŒsste erst ein Normalsieb mit genau bestimm- 
ter Weite der Maschen festgestellt werden, durch welches 
jedes Mehl, das der Kleberprobe unterworfen wird, abzusie- 
ben sei. Das Alter, die Aufbewahrungsmethode etc. wird 
auch nicht ohne Einfluss auf den Kleber bleiben. 

Beim vorsichtigen EinÀschern im Platintiegel hinterliessen 
die 4 Mehlproben im Mittel aus 3 Versuchen je 2%, Asche. 

Unter denselben Bedingungen ergab reines Roggenmehl 
einen Aschengehalt von 1°/,; reines Gerstenmehl 2°, und 
das Roggenmehl eines hiesigen BÀckers 1,5°/,. 

Eine weitere Untersuchung der Asche auf einen Kupfer -, 
oder Thonerdegehalt, oder eine Chlorverbindung, ergaben ein 
negatives Resultat. Wenigstens konnte ich in der geringen 
Menge nur Spuren von Thonerde nachweisen. Wie ich 


Untersuchung von Roggenmehl auf fremde Beimengungen ete. 5 


aber oben erwÀhnte, besass das streitige Mehl einen sÀuerlich - 
salzigen Geschmack. _ Es musste offenbar Kochsalz zuge- 
gen sein, und diese Chlorverbindung war beim GlĂŒhen zerstört 
worden. 

Um das Kochsalz zu isoliren und vorlegen zu können, 
musste ich einen anderen Weg einschlagen. Der kĂŒrzeste 
wÀre freilich gewesen, in einem grossen Platintiegel eine 
grössere Menge Mehl vorsichtig zu verkohlen und die Kohle 
auszulaugen etc. Allein emen so grossen Platintiegel besitze 
ich nicht und ein Porzellantiegel wĂŒrde nicht ohne Einfluss 
auf das Kochsalz in der Hitze geblieben sein. 

Ich versuchte daher den Weg der Dialyse. Roggen- 
ınehl, mit destillirtem Wasser eingerĂŒhrt, giebt eine schwer zu 
dialysirende Masse. Zieht man dagegen das Mehl mit 30%, 
Weingeist wiederholt aus, so wird das etwa vorhandene Koch- 
salz gelöst, ohne dass die Masse schleimig wird, und lÀsst 
sich bequem in einem Beutel auspressen. Die spirituösen 
FlĂŒssigkeiten wurden gemischt, filtrirt, der Spiritus abdestillirt 
und der RĂŒckstand im Wasserbade, bis zum völligen Ver- 
dunsten des Spiritus erhitzt. Die trĂŒbe, dickliche Masse 
wurde nun mit einem gleichen Volumen destillirten Wassers 
verdĂŒnnt und in den Dialysator gebracht. Nachdem der Ap- 
parat 12 Stunden lang bei 16°C. ruhig gestanden hatte, 
wurde die FlĂŒssigkeit im Ă€usseren GefĂ€sse herausgegossen 
und durch frisches, destillirtes Wasser ersetzt und nach 
12 Stunden dieselbe Operation wiederholt. Die vereinigten 
FlĂŒssigkeiten wurden im Wasserbade zur Syrupsconsistenz 
verdunstet. Der Syrup schmeckte stark sauer salzig. Er 
wurde vorsichtig in einen Platintiegel zur Trockne verdunstet 
und verkohlt. — Die erhaltene Kohle ward fein zerrieben, 
mit destillirtem Wasser ausgewaschen, die FlĂŒssigkeit filtrirt, 
im Wasserbade eingedickt und ĂŒber SchwefelsĂ€ure krystallisi- 
ren gelassen. Die krystallinische Masse enthielt auch kleine 
Kochsalzkrystalle. Der grösste Theil davon wurde in einem 
(GlÀschen den Acten beigegeben, der Rest auf die bekannte 
Weise auf Chlor und Natrium geprĂŒft und als solches fest- 
gestellt, 


6 Ueber ein Chromo - Glykosid im Wachtelweizen. 


Ein gleiches Resultat ergaben alle 4 Proben des zu 
untersuchenden Mehles. 


Dagegen blieben das reine Roggen- und Gerstenmehl, 
sowie das eines hiesigen BĂ€ckers ohne Resultat. Verglei- 
chende Versuche durch Zumischen von Kochsalz zum reinen 
Roggenmehle ergaben einen Àhnlichen sauren Geschmack bei 
einem Gehalte von 1, %, Kochsalz. Da ich es mit einem 
absichtlich verfÀlschten Mehle zu thun hatte, dehnte ich meine 
Versuche auch noch auf Alaun und Kupfervitriol aus, welche 
hÀufig als Aufbesserungsmittel eines schlechten Mehles ge- 
nannt werden, allein ohne Erfolg. Gyps etc. konnte wegen 
des relativ geringen Aschengehaltes nicht darin sein. 


Aus vorstehender Untersuchung geht hervor, dass das 
untersuchte Mehl kein reines Roggenmehl war. . Es 
war vielmehr ein Mehl aus sogenannter Mengefrucht, war 
schlecht gemahlen und wurde, um es haltbarer und leichter 
backend zu machen, mit Kochsalz gemischt. Jedenfalls hat 
der Kochsalzgehalt viel zu der Haltbarkeit des Mchles bei- 
getragen, sonst wĂŒrde dasselbe schwerlich nach 3 Jahren so 
gut erhalten geblieben sein. 


Ueber ein Chromo -61lykosid im Wachtelweizen, 
(dem Samen von Melampyrum arvense L.). 


Von Hermann Ludwig u. Hermann MĂŒller in Jena, 


Der Wachtelweizen, auch Kuhweizen, Taub- 
weizen, Ackerbrand genannt, ist eine hÀufig auf Aeckern, 
zumal auf Thon- und Kalkboden, unter dem Wintergetreide 
wachsende Pflanze aus der Familie der Rhinanthaceen. 
Der Name weAdurevgov kommt schon bei den Alten vor 
(z. B. bei Theophrast, in dessen Naturgeschichte der Ge- 
wĂ€chse im 8. Buche, 4. Kapitel, nach K. Sprengel’s Ueber- 
setzung wir lesen: „der sicilische Weizen hat ein eigenes 
Unkraut, Melampyron genannt; dies ist aber unschÀdlich 


Ueber ein Chromo- Glykosid im Wachtelweizen. 7 


und nicht so schwer wie der LĂŒlch, nimmt auch nicht so den 
Kopf ein“); er bezeichnet, abgeleitet von u&Aac, schwarz 
und zvoog Weizen, eine Pflanze, welche unter dem 
Getreide wÀchst und deren Samen mit dem Weizen 
Aehnlichkeit haben, aber dunkler sind und werden. 
Vielleicht ist diese Art und das Ă€hnliche sĂŒdlicher wachsende 
Melampyrum barbatum gemeint. 

Keiner der alten Schriftsteller hat von der rothen oder 
violetten Farbe Nachricht gegeben, die deren Samen dem 
Brode mittheilen. Aber schon Hieronymus Bock erwÀhnt 
in seinem Kreutterbuche (Strassburg 1572, 8. 219) des 
„KĂŒhweissen“ der das Brot blauschwarz mache (Man 
vergl. meine Mitth. ĂŒber das Rhinanthin, im Archiv d. 
Pharm. 1870, II. R., 142. Bd. S.: 203. 204, wo auch Gas- 
pard’s Angaben ĂŒber Melampyrum und Rhinanthus ent- 
halten sind. Gaspard leitet die FĂ€rbung des Brodes von 
einem „kĂ€seartigen“ Stoffe dieser Samen ab.) 

Ehedem waren die Samen in Pulverform als Farina 
Melampyri als zertheilendes und erweichendes Mittel im 
Gebrauch. (Geiger’s Handb. d. Pharm. II. Bd. I. Abthl. S.438.). 

Das Melampyrin von HĂŒnefeldt, aus Melampyrum 
nemorosum (Ann. d. Pharm. 1837. Bd. 24, S. 241), fĂŒr 
welches Eichler die Formel C1?H!5013 aufstellte, ist nach 
L. Gilmer identisch mit Duleit, Formel = C!?H1402, 
Erlenmeyer und Wanklyn finden fĂŒr das von Merk 
aus Melampyrum nemorosum und Melampyrum 
vulgatum Pers. (= M. pratense L.) dargestellte Me- 
lampyrin ebenfalls die Formel C1?H1+0!2 Diesem man- 
nitĂ€hnlichen SĂŒssstoffe der Melampyrumarten kann die fĂ€rbende 
Eigenschaft des Wachtelweizens durchaus nicht zugeschrieben 
werden, wohl aber einem Glykoside, das wir in diesen Samen 
in farblosen Krystallen erhalten haben. Das Folgende schliesst 
sich an die Notiz im Archiv der Pharmacie, Augustheft 1871 
an, wo von dem einen von uns darauf aufmerksam gemacht 
wird, dass in dem Wachtelweizen ein Àhnlicher, wo nicht 
identischer Stoff vorkomme, als in dem Samen von Rhinan- 
thus Alectorolophus. 


8 Ueber ein Chromo - Glykosid im Wachtelweizen. 


Stud. pharmac., Herr Heinrich Gutzeit aus Wilhelm- 
haven, hatte die GĂŒte, uns im August 1571 eine QuantitĂ€t 
der in Samen stehenden Pflanze von GetreideÀckern am Haus- 
berge bei Jena fĂŒr die Untersuchung zu sammeln. 

80,0 Grm. Samen von Melampyrum arvense, zum Theil 
in noch nicht ganz reifem Zustande und daher noch ziemlich 
weich, wurden etwas zerquetscht und zweimal mit starkem 
Weingeist ausgezogen. Der rothbraun gefÀrbte Auszug wurde 
zur Syrupsconsistenz abgedampft und zur Abscheidung fetti- 
ger Theile mit Wasser aufgenommen, die wÀssrige Lösung 
zu dĂŒnner Syrupsconsistenz verdunstet und mit etwa der 
15fachen Menge eines Gemisches aus gleichen Theilen Alko- 
hol und Aether behandelt und so eime brÀunliche Lösung 
erhalten, die nach Verdampfung des Aethers und eines Theils 
des Alkohols der Krystallisation ĂŒber SchwefelsĂ€ure ĂŒberlas- 
lassen wurde. Nach einigen Tagen war die ganze Masse zu 
warzig gruppirten Krystallnadeln von rothbrauner Farbe er- 
starrt. Dieselben betrugen an Gewicht etwa 1,0 Grm. 

Es wurden hierauf 220,0 Grm. reifere und daher trock- 
nere Samen (von hornartig zÀher Beschaffenheit) in Arbeit genom- 
men und dieselben unzerquetscht 2 mal mit Weingeist von 90 Vol. 
Proc. ausgezogen, und so eine FlĂŒssigkeit von hellerer Farbe erhal- 
ten, die wie oben behandelt wurde. Sie lieferte etwa 2 Grm. 
ebenso warzenförmig gruppirter Nadeln von nur schwach 
brÀunlich-gelblicher FÀrbung, die auf ihr Verhalten zu ver- 
schiedenen Reagentien geprĂŒft wurden, in welchem sie den 
zuerst erhaltenen glichen. Der noch ĂŒbrige Theil derselben 
wurde mit absolutem Alkohol in der WĂ€rme behandelt, der 
eine geringe Menge brÀunlicher Flocken ungelöst liess. Die 
Lösung lieferte fast rein weisse Krystalle, die auf 
Fliesspapier an der Luft getrocknet wurden. 

In einem Theile derselben wurde das Wasser bestimmt. 
0,276 Grm. verloren bei 24-stĂŒndigem Stehen ĂŒber Schwe- 
felsÀure 0,008 = 2,898 %,, sodann beim Erhitzen auf 100° im 
Luftbade noch 0,015 — 5,434 °/,, also im Ganzen 8,333 % 
HO. Bei weiterem Erhitzen auf 100° entliessen sie kein 
Wasser mehr, 


Ueber ein Chromo-Glykosid im Wachtelweizen. I 


Die so getrockneten Krystalle wurden schliesslich zur 
Isolirung ihres zuckerartigen Spaltungsproductes verwendet: 
in Wasser gelöst, mit einigen Tropfen SalzsÀure gekocht, 
von dem abgeschiedenen, im Wasser unlöslichen braunen 
Spaltungsproducte abfiltrirt, das Filtrat mit frisch gefÀlltem 
PbO,CO? zur Trockne verdampft und die Masse mit Alko- 
hol ausgezogen. Dieser hinterliess nach dem Verdunsten 
einen braungelben, dicken Syrup, der nach einigen Tagen 
krystallinisch wurde und dann noch zu einem GĂ€hrungsver- 
suche diente, wobei er mit guter Bierhefe krÀftige Kohlen- 
sÀureentwickelung zeigte. 

Reactionen des krystallisirten Chromogens aus Melam- 
pyrum arvense L.: 

1) Die concentrisch strahligen NadelwÀrzchen erschienen 
fast weiss, nur noch wenig grau gefÀrbt und lösten sich leicht 
in kaltem, noch leichter in heissem Wasser zu einer fast farb- 
losen FlĂŒssigkeit. 

2) Die Krystalle fÀrbten, benetztes blaues Lackmuspapier 
schwach weinroth, welche Röthung wohl von noch etwas anhÀn- 
genden fĂ€rbenden Stoffen herrĂŒhrt. Die Krystalle besitzen 
keinen Geruch, aber einen bitterlichen, hintennach sĂŒsslichen 
Geschmack. 

3) In Weingeist von 90 Grad beim ErwÀrmen leichtlös- 
lich zu einer kaum noch gelblich gefĂ€rbten FlĂŒssigkeit. 

4) Die wÀssrige Lösung, mit SalzsÀure versetzt und 
gekocht, fÀrbt sich rasch gelb, braun, bis schmutzig violett 
und die mit Wasser verdĂŒnnte Lösung scheidet violettbraune 
Flocken ab. 

5) Die wĂ€ssrige Lösung, mit etwas verdĂŒnnter Schwefel- 
sÀure vermischt und gekocht, fÀrbt sich erst gelb, dann braun 
und scheidet bei VerdĂŒnnung braune Flocken aus, wĂ€hrend 
die FlĂŒssigkeit einen cumarinartigen Geruch verbreitet. Das 
Filtrat giebt, mit CuO, SOŸ und NaO-Lauge erwÀrmt, eine 
krÀftige Abscheidung orangerothen Kupferoxyduls, enthÀlt mit- 
hin durch Spaltung gebildeten Zucker. 

6) Die weingeistige Lösung, mit SalzsÀure ver- 
setzt, fÀrbt sich beim ErwÀrmen rasch dunkelbraun, beim 


10 Ueber ein Chromo-Glykosid im Wachtelweizen. 


VerdĂŒnnen nur hellbraun (weder blau, noch violett, noch 
roth) und bleibt klar. 

7) Die mit verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure versetzte, wein- 
geistige Lösung zeigt, erwĂ€rmt, eine entschieden grĂŒne FĂ€r- 
bung (in einem gewissen Zeitpunkte dunkelgrĂŒn); beim 
VerdĂŒnnen mit Wasser beobachtet man blĂ€ulichgrĂŒne 
FĂ€rbung ohne TrĂŒbung. 

8) Mit reiner kalter Natronlauge ĂŒbergossen, giebt 
das Chromogen gelbliche FĂ€rbung, die beim Kochen nicht 
stĂ€rker wurde, wĂ€hrend die mit verdĂŒnnter SO3 gekochte 
und filtrirte Lösung (wegen ihres Gehaltes an KrĂŒmelzucker), 
mit Natronlauge gekocht, intensiv gelb wurde. 

9) Mit AgO,NO?Ÿ kalt, keine Reaction, erwÀrmt, gelbe 
FÀrbung, mit H?N zusatz erwÀrmt, flockige schwarze FÀllung 
von metall. Silber. 

10) Keine FÀllung- durch Bleiessig, höchstens eine 
TrĂŒbung. 

11) Trocken in einer Proberöhre erhitzt, schmilzt das 
Chromogen zu gelber Masse, brÀunt sich, entwickelt sauer 
reagirende, theerabsetzende DÀmpfe, die anfangs fettig, spÀter 
caramelartig riechen und es hinterbleibt viel Kohle, die auf 
Platinblech verbrennt, wobei nur Spuren alkalisch reagirondor 
Asche hinterbleiben. 


12) Auf Platinblech erhitzt, verbrennt es mit leuchtender 
Flamme. 

13) Eisenchlorid ist ohne auffÀllige Reaction auf die 
wÀssrige Lösung des Chromogens, wie auf dessen Producte 
der trocknen Destillation. 

14) Conc. Lösung des CUhromogens in Wasser, mit conc. 
nicht rauchender SalpetersÀure versetzt, fÀrbt sich nach ein- 
ander gelb, roth, bis intensiv braun; beim ErwĂ€rmen gelb‘ 
unter Entwickelung rother DĂ€mpfe. 

15) Conc. SchwefelsÀure fÀrbt die Krystalle augenblick- 
lich dunkelbraun. 

Aus den mitgetheilten Reactionen ergiebt sich, dass das 
CUhromogen des Melampyrum arvense dem Rhinanthin 


Die krystallinischen Bestandtheile der Alo&. 11 


ungemein Ă€hnlich ist. Zu weiteren Versuchen reichte fĂŒr 
jetzt unser Material nicht, 
Jena, Novbr. 1871. 


Die krystallinischen Bestanidtheile der Aloe. 


Von Dr. F. A, FlĂŒckiger, Prof. d. Pharmacie und Pharmacognosie 
in Bern. *) 


Durch meinen Freund Daniel Hanbury erhielt ich eine 
reichliche Probe von Natal-Alo&, bemerkenswerth wegen 
ihrer OpacitĂ€t und blassen Farbe. DĂŒnne Splitter derselben 
sind so schwach durchscheinend, dass sie nur eine schwache 
braune Farbe zeigen. Der Bruch grösserer StĂŒcke zeigt eine 
dichte, muschlige OberflÀche von dunkelgraubrauner Farbe, 
mit gelblichen Adern und ohne den’ starken Glasglanz der 
frischen BruchflĂ€chen der ÜUapalo&. 

Werden StĂŒcken derselben reichlich mit Weingeist be- 
netzt und mikroskopisch (besonders im polarisirten Lichte) 
untersucht, so sieht man zahlreiche Krystalle eingebettet in 
einer leichtlöslichen, gelben, amorphen Masse. Dan. Han- 
bury beobachtete zuerst, dass die Krystalle dagegen sich nur 
spÀrlich lösten und dass bei Behandlung der rohen Drogue 
ınit Weingeist jene sich als ein weissliches Pulver absetzten; 
desshalb vermuthete er, dass sie vom Aloin verschieden sein 
möchten. Diese Krystalle aus Natal- Alo@ sind nur undeut- 
lich ausgebildet, meistens dĂŒnne, kurze Prismen, bĂŒschelig 
vereinigt, wie das Aloin aus Leberaloe. Zuweilen sind sie 
vereinzelt, tafelförmig, rectangulÀr und bei geringer Vergrösse- 
rung in Theilchen der Alo&, die man unter Glycerin betrach- 
tet, sichtbar. Es ist nicht schwierig, die Krystalle aus der 
Natalalo& abzuscheiden. Wenn man die Drogue mit ihrem 


*) Als Separatabdruck aus „the Pharmaceutical Journal for 
September Znd and 16 th, 1871“ vom Herrn Verfasser erhalten. 
H, 1. 


12 Die krystallinischen Bestandtheile der Aloe. 


gleichen Gewicht oder etwas weniger Weingeist bei einer 
120° Fahrenh. nicht ĂŒbersteigenden Temperatur anreibt, so 
wird der amorphe Bestandtheil aufgelöst; die hinterbleibenden 
Krystalle lassen sich auf einem Filter sammeln und mit kleinen 
Mengen kalten Weingeist waschen. So lassen sich gegen 
16 bis 22 Proc. rohe, blassgelbe Krystalle gewinnen. 

Die Schwierigkeiten. beginnen bei der Reinigung dieser 
Krystalle. Zu diesem Zwecke habe ich die gebrÀuchlichen Lö- 
sungsmittel durchgeprĂŒft, ohne eine FlĂŒssigkeit zu finden, welche 
durchaus geeignet wÀre, mein Nataloin (welchen Namen 
ich fĂŒr diese Substanz vorschlage) zu lösen. Weder Wasser, 
noch Benzol, C?S*, PetroleumÀther, Chloroform, noch Aether 
ist fÀhig, das Nataloin in merklicher Menge zu lösen. Ein 
Gemisch aus 1 Th. Aether und 3 Th. Weingeist wirkt etwas 
besser; ebenso wasserfreies Aceton, reiner Methylalkohol und 
Amylalkohol, Eisessig und EssigĂ€ther. FĂŒr das passendste 
Lösungsmittel halte ich” den gewöhnlichen Weingeist, 
von welchem bei 60° Fahrenheit 70 Theile 1 Th. Nataloin lösen, 
wÀhrend von dem genannten Gemisch aus Aether und Wein- 
geist 60 Theile, vom Methylalkohol 35 Theile, vom EssigÀther 
50 Th., vom reinen Aether 1236 Th. und vom absoluten Al- 
kohol 230 Th. dazu gehören, um 1 Th. der Substanz aufzu- 
lösen. (Herr Edward Histed aus London, der sich mit der 
Untersuchung der Natalalo& beschÀftigte, erklÀrt den Methyl- 
alkohol fĂŒr das beste Lösungsmittel fĂŒr das Nataloin). Zarte 
Krystalle von Nataloin sind etwas intensiver gelb gefÀrbt, als 
Schwefelblumen; dickere Krystalle erscheinen mehr orange. 
Ihr Geschmack ist rein bitter, weder ein sĂŒsslicher, noch 
ein scharfer Nachgeschmack ist zu bemerken. 

In warmem oder heissen Weingeist ist es um ein gerin- 
ges löslicher, als in kaltem. Erhitzt man die FlĂŒssigkeit nur 
mÀssig, so fÀrbt es sich dunkler unter rother FÀrbung, so 
dass eine UmÀnderung offenbar wird; man kann eine solche 
durch Abdampfung im Vacuum vermeiden. Die beste Methode 
des Umkrystallisirens scheint die zu sein, dass man das Nata- 
loin mit 60 bis 70 Theilen Weingeist auf 100 bis 120° Fahrenh. 
erhitzt und die so erhaltene Lösung einige Wochen hindurch 


Die krystallinischen Bestandtheile der Aloe. 13 
der freien Verdunstung aussetzt; so erhÀlt man Krystalle von 
!/, bis !/, Millimeter LĂ€nge. Die Krystallisationen des Na- 
taloins sind sehr charakteristisch. 


Die zarten, zuerst ausge- 
schiedenen Krystalle sowohl, als die spÀter ausgeschiedenen 


bilden meistens ausserordentlich dĂŒnne und zerbrechliche 
SchĂŒppchen, die den in der Drogue ursprĂŒngl. vorhandenen 
Krystallen nicht gleichen. 


Nataloin. 
B 


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| | Por: ai 
A, aus absolutem Alkohol krystallisirt, 


B,C,D, E, F, J aus Weingeist langsam angeschossen, 
G, H, aus Weingeist rasch abgeschieden, 
K, aus Aether krystallisirt, 


j4 Die krystallinischen Bestandtheile der Alo8. 


Die am vollstÀndigsten entwickelten Krystalle des Nata- 
loins sind Quadrate oder wenigstens rectangulaire Tafeln (A), 
bei denen 2 Ecken Àbgestumpft sind (B); die Abstumpfung 
ist auf beiden Seiten der Tafel nicht die gleiche (C) und ist 
zuweilen auf eine einzige Seite beschrÀnkt (D). Krystalle, 
an allen 4 Ecken abgestumpft, finden sich selten (BE) und zu- 
gespitzte Tafeln, wie bei F, bilden nur Ausnahmen. Nataloin, 
welches sich aus alkohol. Lösung rasch abgesetzt, zeigt vor- 
herrschend Formen wie @ und zuweilen wie H, und lÀngs- 
gestreift. Die letzteren Gestalten scheinen krystall. Combina- 
tionen und nicht individuelle Krystalle darzustellen. 

Werden die Formen H im polarisirten Lichte betrachtet, 
so verhalten sich die beide Theile abe und adc meistens 
deutlich verschieden in der Richtung ihrer Lichtbrechungs- 
vermögen, welches beim Nataloin immer wahrhaft brillant ist. 
Auch unregelmÀssig entwickelte Formen, wie J, werden beobach- 
tet. Die Krystalle des reinen Nataloin sind gewöhnlich so 
zart, dass ihre Winkel nur annÀhernd mittelst des Mikro - 
Goniometers bestimmt werden können. Einige nicht ganz 
genugthuende SchĂ€tzungen lieferten mir 82° fĂŒr Winkel a 
und 139° fĂŒr Winkel db. Die Krystalle brechen leicht nach 
ihrer LÀngsrichtung, z. B. nach «a c Fig. H, aber noch leichter 
in einer Richtung parallel ihrer OberflÀche. Wenn eine alko- 
holische Lösung sehr langsam verdunstet, so können daraus 
tafelföormige Krystalle von einer gewissen Dicke erhalten wer- 
den, aber in einem weniger reinen Zustande. 

Bei einer Störung zeigen ihre LÀngsrÀnder eine deut- 
liche blÀttrige Structur, wie in Fig. K, solche Krystalie bilden 
sich aus einer Lösung in EssigÀther; aus einer alkohol. Lö- 
sung erhÀlt man meist regulÀre, vierseitige Tafeln. Das Na- 
taloin giebt kein Wasser ab, wenn es ĂŒber concentrirter 
SchwefelsÀure aufbewahrt oder auf 212° Fahrenh. erhitzt wird; 
hierdurch unterscheidet es sich von dem Aloin der Herren 
Smith in Edinburgh, welches auch Dr. Stenhouse unter- 
suchte. Nach diesen Chemikern verliert krystallisirtes Aloin 
2,69 Proc. Wasser, wenn es ĂŒber conc. HO,S03 getrocknet 
wird und verliert sein kryst. Ansehen gÀnzlich, wenn es 


Die krystallinischen Bestandtheile der Aloe. 15 


einige Tage lang im Wasserbade erhalten wird. Auch bei 
284° Fahrenh. verliert Nataloin noch nichts an Gewicht. Erst 
bei 320° Fahrenh. beginnt die Zersetzung, wobei es grau 
wird; der Verlust nach mehren Stunden betrug nur 3,8 Proc. 

Bei 356 bis 374° Fahrenh. schmilzt das Nataloin, nach- 
dem es vorher dunkel braunroth geworden ist, aber es ist 
noch theilweise krystallisirbar, wie man sich bei Behandlung 
desselben mit. Lösungsmitteln ĂŒberzeugen kann. 

Nataloin ist in conc. SchwefelsÀure löslich; die orange- 
farbene Lösung giebt bei Zusatz einer kleinen Menge Was- 
ser einen Niederschlag, aber die dunkle Farbe desselben zeigt, 
dass hier eine VerÀnderung des Nataloins eingetreten ist. 
Wenn der Dampf von rauchender SalpetersÀure vorsichtig 
ĂŒber eine solche schwefelsaure Nataloinlösung getrieben wird, 
so nimmt letztere eine schön grĂŒne Farbe an, welche schnell 
durch Roth in Blau ĂŒbergeht. Diese sehr intensive und 
unterscheidende Reaction, welche zuerst von Herrn Histed 
ausgefĂŒhrt wurde, kann auch so ausgefĂŒhrt werden, dass man 
einen Salpeterkrystall in der SchwefelsÀurelösung des Nata- 
loins herumrollen lÀsst. Ein Körnchen chlorsaures Kali 
bewirkt eine schön grĂŒne Zone, die alsbald wieder ver- 
schwindet. Wismuthsalpeter giebt beinahe dieselbe Reaction. 
Zweifach chroms. Kali wirkt in gleicher Weise wie auf 
Strychnin, nur ist die Farbe weniger rein. 

Natalalo&, so reich an Nataloin, giebt ebenfalls diese 
Reactionen, wodurch sie schon von der Cap-, Zanzibar- 
und Barbados-Alo& unterschieden werden kann. 

Erhitzt man Nataloin mit SalpetersÀure von 1,30 spec. 
Gew. auf 140 — 160° Fahr., so erhĂ€lt man eine rothe Lösung, 
die nach und nach gelb wird, so wie das Nataloin verschwun- 
den ist. Ich konnte in dieser Lösung weder PikrinsÀure, 
noch ChrysamminsÀure finden, welche letztere nach 
Stenhouse entsteht, wenn Aloin mit NO° behandelt wird. 
Nataloin lieferte mir nur OxalsÀure. 

Ich habe 5 Analysen ausgefĂŒhrt, um die Elementarzu- 
sammensetzung des Nataloins festzustellen, Bei der Ver- 
brennung im Sauerstoffstrome lieferten: 


16 Die krystallinischen Bestandtheile der Aloe. 


I. 0,2025 Grm. 0,4380 Grm. CO? u. 0,1125 Grm. Wasser. 


11: 0,2450.7,,:. 20.9323. E00, 2032 02ue r 
Tl... 0,2288... .0,5135,X „00. Hau» 12158 . 
IV. 02605, ,>...10:59487 7 „0. SR 3; 
2041598: 7 ,...1035257 „en 220.089 8 % 
Diese Resultate entsprechen folgenden Procenten: 
IE IR TE IV. Ye 
v3 59,14 61,18 58,38 60,15 
HE—IEG 6,24 5,92 5,95 6,25 


Das Mittel aus diesen Zahlen ist C = 59,56 und H= 
6,10 Proc. Die analysirten Krystalle waren von verschiede- 
nen Darstellungen und bei 212° F. getrocknet, mit Ausnahme 
von Nr. V. Die letztere enthielt die reinsten und schönsten 
Krystalle, die ich erhalten hatte; ich trocknete sie mehre 
Tage ĂŒber conc. SchwefelsĂ€ure und nur kurze Zeit bei 212° F. 
Die Analyse dieser Krystalle erscheint mir als die am meisten 
Zutrauen verdienende; ihre Resultate fĂŒhren zu der Formel 
C32H33015, woraus sich folgende Procente berechnen: 


C 32 — 408 59,47 
H3— 38 5,54 
O0 15 — 240 34,99 

686 100,00. 


Sowohl die Analyse V als die allgemeine Mittelzahl 
aller Analysen stimmt leidlich mit dieser Formel. 

Jetzt ist dieselbe Formel von Stenhouse seinem kryst. 
hydratischen Aloin beigelegt worden. Von seinem Molekul 
Wasser H?O befreit, enthÀlt das wasserfreie, amorphe Aloin 
‘von Stenhouse 61,07%), C und 5,39%, H, womit nur 
meine Analyse III sich vergleichen lÀsst. Eine Thatsache, 
welche zu Gunsten eines höheren Kohlenstoffgehaltes spricht, 
ist, dass ich die Drogue selbst weniger reich an Kohlen- 
stoff fand als ihren krystall. Bestandtheil. Ich unterwarf 
0,2645 Grm. bei 212° F. getrockneter Natal-Alo& der Ble- 
mentar- Analyse ebenfalls mit HĂŒlfe von Sauerstoffgas und 
erhielt 0,5365 Grm. CO? und 0,1385 Grm. Wasser; diese 
Alo& enthÀlt mithin nur 54,63 %, C und 5,8°/, Wasserstoff, 


Die krystallinischen BestÀndtheile der Aloe. | 17 


Stenhouse, indem er die obige Formel fĂŒr kryst. 
Aloin, oder Ü3+H?°O'4 fĂŒr das wasserfreie Aloin wĂ€hlte, war 
hierzu wohl berechtigt, da er ein bromirtes Aloin in Krystal- 
len daraus erhielt, dessen Formel O3?H3°BrŸO01# ist. Aber 
mein Nataloin lieferte mir kein wohl definirtes Brom- 
derivat. Wird Brom zu demselben gefĂŒgt, so erhitzt sich 
das Gemenge und Brom wird augenscheinlich absorbirt. 
Die orangefarbene Masse ist hierbei viel löslicher in Wein- 
geist und Holzgeist geworden als frĂŒher, aber die Lösun- 
gen geben keine Krystalle, weder bei langsamer Abdam- 
pfung, noch bei Wasserzusatz. Auch erhitzte ich Nataloin 
mit Brom in zugeschmolzener Glasröhre mehre Tage lang 
auf 212° F., aber trotz der theilweisen Absorption des Broms 
gab diese Methode keine zufriedenstellenden Resultate. Ich 
habe diese Bromproducte nicht weiter untersucht. Jod scheint 
unfÀhig zu sein, sich mit Nataloin zu verbinden. Irgend eine 
kryst. Verbindung oder ein wohl- definirtes Zersetzungspro- 
duct des Nataloins wĂŒrde allein die Grundlage fĂŒr Feststel- 
lung seiner Formel abgeben. Nach den unbefriedigenden Ver- 
suchen mit Brom und Jod habe ich geglaubt zu besseren 
tesultaten zu gelangen, wenn ich das Nataloin mit verdĂŒnn- 
ter SchwefelsÀure kochte. Ich that solches in einer vorher 
mit gewöhnl. Leuchtgas gefĂŒllten und zugeschmolzenen Glas- 
röhre, um den Einfluss der Luft abzuhalten. Die FlĂŒssigkeit 
nahm dessen ungeachtet eine dunkle Purpurfarbe an; mit 
kohlens. Baryt gesÀttigt, wurde sie vorsichtig eingedampft. 
Dabei wurde ein neuer Körper in farblosen, dĂŒnnen, federigen 
Krystallen erhalten; derselbe trat aber in so geringer Menge 
auf, als dass ich viele Versuche damit hÀtte anstellen können, 
(Vielleicht ist es derselbe Stoff, den Rochleder 1861 und 
1863 aus Alo& erhielt). Er löst sich in Methylalkohol und 
all den obengenannten FlĂŒssigkeiten, gleich den anderen Pro- 
dueten dieser Zersetzung. 

Ein Àhnliches unbefriedigendes Resultat erhielt ich, als 
ich das Nataloin mit metall. Zink und verdĂŒnnter EssigsĂ€ure 
. gelinde erwĂ€rmte. Das Nataloin wurde grĂŒnlich und löste 
sich dann auf; als das Zink durch HS aus der Lösung 

Arch, d. Pharm. (XCIX. Bds. 1. Hit, 2 


18 Die krystallinischen Bestandtheile der Aloe. 


entfernt worden war, erschien die FlĂŒssigkeit beim Abdampfen 
purpurfarben, schmeckte nicht mehr bitter und gab nur Spu- 
ren des krystallisirten Körpers, der sich bei der Einwirkung 
der verdĂŒnnten SchwefelsĂ€ure gebildet hatte. Bei Einwirkung 
eines Gemisches von conc. SalpetersÀure und SchwefelsÀure 
auf das Nataloin bildete sich keine Verbindung. 

In alkalischen FlĂŒssigkeiten löst sich Nataloin unter 
Verdunkelung seiner Farbe auf. 

Bei der trocknen Destillation desselben erhÀlt man gelbe 
‘ oder braune, saure Oele, die keinen besonders aromatischen 
Geruch besitzen. Alle bisher berichteten Thatsachen erlauben 
uns nicht, ĂŒber die chemische Constitution des Nataloins ein 
definitives Urtheil abzugeben. Sie reichen aber hin, dasselbe 
als einen neuen Körper hinzustellen, verschieden von dem 
bisher bekannten Aloin, obgleich in der procentischen Zu- 
sammensetzung keine betrÀchtliche Verschiedenheit (vielleicht 
gar keine solche) statt findet. 

Ich habe auch von London einige Aloepartien erhalten, 
die von Zanzibar eingefĂŒhrt und 1867 m den Handel 
gebracht waren. Diese Drogue ist von blass röthlichbraunem 
- Ansehen und so stark krystallinisch, dass man sie fast als 
ein rohes Aloin bezeichnen. könnte. Herr Hanbury ist 
der Meinung, dass sie von der sogenannten Soccotrin- 
Alo& nicht verschieden und durch freies . Eintrocknen der 
krystallinischen Portionen erhalten worden sei, die aus der 
flĂŒssigen Soccotrinalo& in der Ruhe sich absetzen. 

Er versichert mir ferner, dass er in HĂ€uten importirte 
feste Zanzibaralo& beobachtet habe (doch nur selten), 
welche theils glasig und durchsichtig, theils stark krystalli- 
nisch war. 

Die Krystalle der Zanzibar-Alo& sind verhÀltnissmÀssig 
breite Prismen, wie ich sie nie im Natalalo& gefunden, noch 
daraus erhalten habe und die Leberfarbe der letzteren ist ausser- 
ordentlich unÀhnlich der röthlichen der Zanzibarsorte. Die 
Krystalle der letzteren lassen sich nicht so leicht isoliren, wie 
diejenigen der Natalalo&e, da sie in ihrer Löslichkeit derjeni- 
gen der amorphen Aloösubstanz nÀher kommen. »ie lÀsst 


Die krystallinischen Bestandtheile der Alo&. 19 


sich aber mittels Wasser oder schwachem Weingeist in der 
Weise erhalten wie Stenhouse, Smith und Groves in ihren 
Abhandlungen ĂŒber das Aloin angeben. Herr Histed, wel- 
cher so freundlich war, mir einige Proben davon zu senden, 
hatte diese Krystalle erhalten, indem er die gepulverte rohe 
Drogue mit Weingeist von 0,960 benetzt und die teigige 
Masse zwischen Oalico scharf gepresst, darauf das gelbliche 
krystall. Residuum in warmem, schwachen Weingeist gelöst 
und die beim AbkĂŒhlen und in der Ruhe sich abgeschiedenen 
Krystalle durch Umkrystallisiren gereinigt hatte. 

Aloin aus Zanzibar-Alo& ist gewöhnlich weniger 
glÀnzend von Farbe, als Nataloin, seine Krystalle sind schmÀ- 
ler und unvollkommen ausgebildet. Der krystallographische 
Charakter des Zanzibaraloins ist verschieden von dem 
des Nataloins; die Formen des ersteren sind federbuschartig 
gruppirte Nadeln und Prismen (tufted needle-shaped 
prismes). Ihr bestes Lösungsmittel ist der Holzgeist, aus 
welchem 2 bis 3 Millimeter lange und 1 M.M. breite Krystalle 
erhalten werden können. Zanzibar- Aloin ist viel leichter 
löslich, als Nataloin. 

Bei gewöhnl. Temp. löst sich 1 Th. Zanzibar-Aloin in 
30 Theilen Weingeist, 9 Th. EssigÀther, 380 Th. reinem 
Aether und in 90 Theilen Wasser; in Methylalkohol ist es 
sehr reichlich löslich. 

Diese Zahlen legen die Verschiedenheit beider unter- 
suchten Aloine klar vor Augen. Aber es finden sich noch 
andere Unterschiede. 

Zanzibar -Aloin löst sich auch in conc. SchwefelsÀure; aber 
auf Zusatz einer oxydirenden Substanz, z. B. von Salpeter- 
sÀure, tritt keine VerÀnderung der gelben Farbe ein, was 
doch so intensiv bei Nataloin geschieht. 

Der Geschmack beider Substanzen ist ein wenig ver- 
schieden, — Zanzibar-Aloin verursacht anfangs einen sĂŒssli- 
chen Geschmack, rasch von einem rein bitteren gefolgt; Na- 
taloin schmeckt nur rein bitter, 

Ferner, das Zanzibar-Aloin enthÀlt Wasser und giebt 
dasselbe, ĂŒber conc, SchwefelsĂ€ure stehend, ab. Die lufttrockne 

2%* 


50 Die krystallinischen Bestandtheile der Aloe. 


Substanz verlor in einigen Tagen 11,7 bis 12,4 Proc. Was- 
ser; darauf der Luft ausgesetzt, absorbirte es dieselbe Menge 
Wasser wieder. Dasselbe lufttrockne Aloin, 10 Tage lang 
bei 212° F. erhalten, verlor 14,5 Proc.; der Gewichtsverlust 
stieg nur auf 13,2 Proc., wenn es einige Stunden lang bei 
320° F. (160° C.) erhitzt wurde. 

Ich habe wiederholt diese Versuche in Betreff des Was- 
sergehalts der lufttrocknen Substanz angestellt, da ihre Resul- 
tate von den Stenhouse’schen ĂŒber das Aloin abweichen. 

Dessen Aloin (C3*H19015 nach alter Schreibweise) ver- 
liert nur 2,69 Proc. Wasser, wenn es einige Stunden bei 
212° F. getrocknet wird, aber nicht 11 bis 12 Proc, wie 
mein Aloin aus Zanzibar - AloÂŁ. | 

In Betreff der Elementarzusammensetzung stimmt mein 
wasserfreies Zanzibar- Aloin mit dem Stenhouse’schen 
krystallisirten Hydrate so nahe als möglich. Er giebt 
die folgenden Zahlen fĂŒr sein im Vacuum getrocknetes 
Aloin. (Phil. Magaz. XXXVII (1851) 481 et seq, Gme- 
lin’s Chemie, VII (1866) 1370). 


berechnet gefunden 
I II 
032 204 59,47 59,39 59,24 
1b 19 5,54 5,97 5,79 
0157720 34,99 


343 100,00. 

Andrerseits lieferten. mir 0,2108 Grm. Aloin, von Herrn 
Histed aus Zanzibar-Alo& bereitet, die ich 3Tage lang ĂŒber 
SchwefelsÀure trocknete, bis ihr Gewicht sich nicht weiter 
verminderte, 0,4576 Grm. CO? und 0,1128 Grm. Wasser, 
d.h. dieses Aloin enthÀlt 59,2%, ©. und 5,94%, H. 

Unter Annahme der neuen Atomgewichte haben wir: 


Stenhouse FlĂŒckiger 
berechnet im Mittel 
B2E08 59,47 59,32 59,20 
IS 38 9,54 5,88 5,94 
O1572210 34,99 34,80 34,86 


686 100,00 100,00 100,00, 


° Die krystallinischen Bestandtheile der Alo&. pi 


Aber Stenhouse nimmt in seinem Aloin ein Mole- 
kĂŒl Wasser an und bezeichnet es dann durch die Formel 
G34H3#014 + H?O, wÀhrend meine Analyse sich auf ein 
Aloin bezieht, das ich nach einer sorgfĂ€ltigen Trocknung ĂŒber 
SchwefelsÀure als wasserfrei betrachte. Bei der Hitze 
des Dampfbades sind noch 3 Proc. hinweggegangen, aber ich 
halte dafĂŒr, dass dieser Verlust von einer Zersetzung her- 
rĂŒhrt, da die Substanz dabei eine etwas dunklere FĂ€rbung 
annimmt. 

Diese Bedenken werden durch- die obigen Feststellungen 
bestĂ€tigt, welche zeigen, dass lufttrocknes Zanzibar-Aloin ĂŒber 
SchwefelsÀure 11 bis 12 Proc. an seinem Gewicht verliert. 
Wenn wir annehmen, wozu wir wohl berechtigt sind, dass 
dieser Verlust aus Wasser besteht, so können wir dem 
lufttrocknen Zanzibar-Aloin die Formel C3?H3Âź015+5H?O 
zutheilen, welche 11,59 Proc. Wasser verlangt, eine Zahl, die 
mit meinen Versuchen gut stimmt. 

Es gelang mir nicht, aus Zanzibar-Aloin das krystallinische 
Bromproduct (Bromaloin) darzustellen, welches nur aus Bar- 
bados-Aloin zu erhalten ist. 

Die Reaction der SalpetersÀure auf beide Aloine ist 
unterscheidend, — mit der letzteren entsteht eine tiefrothe 
Farbe, welche nicht durch erstere und nicht bei Nataloin 
erscheint. 

Alle diese Thatsachen fĂŒhren zu der Ueberzeugung, dass 
das Aloin aus Zanzibar-Alo& nicht allein vom Nataloin ver- 
schieden ist, sondern auch von dem Aloin aus Barbados - 
Alo&, welches die Herrn Smith zuerst erhielten. 

Ich habe dessenungeachtet es noch nicht fĂŒr passend 
gehalten, dem Aloin aus Zanzibar- Aloe einen anderen Namen 
zu geben, da ich weitere Untersuchungen darĂŒber fĂŒr nöthig 
halte. 

Unter allen UmstÀnden ergiebt sich aus den vorliegenden 
Thatsachen mit Sicherheit, dass in den Aloesorten mehr als 
ein krystallinisches, bitteres und farbiges Princip vorkommt, 


92 Erfahrungen bei Apothekenrevisionen. 


Erfahrungen .bei Apothekenrevisionen. 
Von F. Schrage, Apotheker in Pewsum. 


1) Magnesia hydrico-carbonica und M. usta 
finden sich sehr hÀufig mehr oder weniger eisenhaltig, ein 
Umstand, welcher bei Einkauf der ersteren Beachtung ver- 
dient. 

2) Es finden sich sehr hÀufig Zwei-Oentigramm- 
stĂŒcke von grösserem Umfange als dem der FĂŒnf-Genti- 
gsrammstĂŒcke: kein Practiker wird verkennen, dass in 
diesem Verhalten eine bedenkliche Veranlassung zu Verwechs- 
lungen liegt. 

3) Gute SĂ€ulentarirwagen kommen nicht selten 
nach verhÀltnissmÀssig kurzem Gebrauch in nicht hinreichend 
empfindlichem Zustande vor, wÀhrend hÀngende Tarirwagen 
nach vielen Jahren tÀglichen Gebrauchs gewöhnlich gut ge- 
funden werden. Es liegt hinreichendes Material vor zur 
BegrĂŒndung der Annahme, dass die Ursache dieser Erschei- 
nung darin zu suchen ist, dass eine vollstÀndig lothrechte 
Stellung der SĂ€ulenwage entweder von vorn herein ĂŒbersehen 
oder im Drange des GeschĂ€fts nicht immer ĂŒberwacht wird. 


So entsteht grössere Reibung und mit ihr sofort sowohl 
geringere Empfindlichkeit, als auch raschere Abnutzung. 

4) Ein durch sein Verhalten gegen Alkohol sofort zwei- 
felhafter Orlean, bezogen von einem geachteten Handlungs- 
hause, gab bei nĂ€herer PrĂŒfung folgendes Resultat. 

20 Theile der bezogenen Orleana humida gaben 
nach dem Trocknen im Dampfbade 9,3 trockenen RĂŒckstand: 
der letztere, mit Wasser behandelt, hinterliess 3,5 im Was- 
ser nicht lösliches Sediment. 

Anderntheils gaben 3 Theile des vorhingenannten, im 
Dampfbade getrockneten Orleans nach oft wiederholter Ex- 
traction und Auswaschung mit Alkohol einmal 2,24, ein zwei- 
tes Mal 1,97, im Mittel also 2,15 in Alkohol unlöslichen 
RĂŒckstand. 

Dieser wenig geffrbte RĂŒckstand verhielt sich durchaus 
wie Gummi arabicum, gefÀrbt durch ein sehr feines, in Wasser 


Ueber Charta nitrata. a} 


nicht lösliches Sediment von kaum wÀgbarer Menge. Man 
hat hier also einen Orlean vor sich, der, getrocknet, nur zu 
einem Drittel aus dem in Alkohol löslichen Farbestoff, zu 
zwei Dritteln aus Gummi besteht. 


Ueber Charta nitrata. 


Von A. Hirschberg in Sondershausen, 


Dieses gegen eine gewisse Art von Asthma als Heil- 
und Hausmittel vielfach gebrÀuchliche Papier hat Verf. eine 
lange Reihe von Jahren hindurch im Privatgebrauch zu erpro- 
ben Gelegenheit gehabt, bei Bereitung desselben aber statt 
des Kali nitricum das weniger rasch verpuffende Natrum 
nitricum und zwar zu 2,0 Grm. auf einen Bogen Papier ver- 
wendet. Statt weissen Druckpapiers wurde mit grösserem 
Erfolg das röthliche, mit Wolle gemischte, in Sechstel- Bogen 
getheilte Löschpapier gebraucht und das derart getheilte mit 
der Salzlösung getrĂ€nkte Papier ohne Anwendung kĂŒnstlicher 
WÀrme im Schatten getrocknet; im anderen Falle hÀuft das 
Salz sich an den RĂ€ndern des Papiers an und statt des ruhi- 
gen VerglĂŒhens erfolgt ein von Detonation und Fiammen 
begleitetes Verbrennen desselben. 

Das trockne Papier wird, wenn es in Gebrauch gezogen 
werden soll, mehrfach gefaltet und zu einer möglichst festen 
Lunte zusammen gedreht, deren Festigkeit durch UmschnĂŒren 
mit salpetrisirien BaumwollenfÀden vermehrt werden kann, 
Beim Verbrennen stĂŒtzt man diese Lunten durch .ein Gestell 
von dinnem Eisendraht, welches man auf einer feuerfesten Un- 
terlage aufstellt und athmet den sich aus dem VerglĂŒhen der 
Lunte entwickelnden Rauch in einem mindestens die Körper- 
lÀnge des Patienten betragenden Abstand ein. Ein Sechstel- 
Bogen des Papiers reicht, wenn anders das Mittel ĂŒberhaupt 
angezeigt ist, und bei Ansatz des Asthmas sofort angewendet 
wird, in der Regel, unter Erregung einer gelinden Narkose, 
aus, um das Asthma wirksam zu coupiren. Die DrahtstĂŒtze 


24 Chemische Notizen. 


verhindert die bei einer soliden Unterlage der Lunte stets 
erfolgende theilweise Condensation des Rauchs, durch welche 
derselbe ĂŒbelriechender wird. 

Bevor die Herren Vohl und Eulenberg ihre schönen 
Untersuchungen ĂŒber die physiologische Wirkung des Tabaks- 
rauches veröffentlicht hatten, hat man als Ursache der Wir- 
kung des Salpeterpapiers wohl die hierbei aus der Zersetzung 
der SalpetersÀure resultirende niedrigere Oxydationsstufe des 
Stiekstoffs mit als solche angesprochen. 

Nach diesen Untersuchungen aber darf wohl nicht bezwei- 
felt werden, dass die Wirkung dieses Mittels auf die der 
beim VerglĂŒhen des Papiers sich bildenden Picolinbasen 
zurĂŒckzufĂŒhren sei. | 

In der eitirten Arbeit wird auch nachgewiesen, dass in 
dem Rauch der Stengel von Datura Stramonium, einem alt- 
bekannten Mittel gegen Asthma, kein Daturin, sondern Pyri- 
dinbasen enthalten sind. 


Chemische Notizen. 
Von Dr. Emil Pfeiffer aus Jena, 


1) Ueber antimonhaltiges Blei (Plomb antimonie). 


Legirung des SchwefelsÀurereservoirs der auf Luftver- 
dĂŒnnung beruhenden Eisapparate von Carre. (Es giebt auch 
ein System, dessen Wirkung auf der Destillat. von Ammoniak- 
flĂŒssigkeit beruht.) 


Sie besteht nach meiner Analyse aus: 
95,07 pr. Cent. Blei und 
4.93 Antıimon. 


Der Zusatz von Antimon ist hier geschehen, um dem 
Blei mehr HĂ€rte zu geben, da unter Anderm die Einfluss- 
mĂŒndung des SchwefelsĂ€urereservoirs mittels eines aus dem 
gleichen Metallgemisch bestehenden Stöpsels hermetisch  ver- 
schlossen werden muss, und wird der Zweck recht gut 
erreicht, 


Chemische Notizen, 25 


2) Stanniol aus einer französischen WerkstÀtte,,. 
lieferte bei der Analyse: 

99,85 pr. Cent. Zinn und 

DAS, MAnIImOn! 


3) Ueber Antimon als Grund der Durchdringung 
(Durchlöcherung) und des Auslaufens der Schmelz- 
tiegel einer GlashĂŒtte Nordfrankreichs. 

Die Besitzer jener GlashĂŒtte glaubten den Grund des 
Auslaufens ihrer 'Tiegel in einer Verunreinigung der ange- 
wendeten Soda suchen zu mĂŒssen, da mit schwefels. Natron 
an Stelle der Soda dieses Durchbohren nicht eingetreten war 
und bekam ich desshalb StĂŒcke eines solchen Tiegels zur 
nÀheren Untersuchung zugesandt. Die circa 4 Centim. star- 
ken und gut gebrannten TiegelwÀnde, waren an der Aus- 
flussstelle trichterförmig bis zur halben Dieke zum Schmelzen 
gekommen und befand sich dort eine schwarzgrĂŒn gefĂ€rbte 
Glasmasse, von deren tiefliegendem Punkte aus ein rundes 
Loch im Durchmesser von Y/, bis 1 Cent. Durchmesser bis 
nach Aussen fĂŒhrte. An dieser Ă€ussern Seite nun fand sich 
ein Ueberzug eines weissen Emails, dem schon durch Kochen 
mit SalzsÀure bedeutende Mengen Antimon entzogen werden 
konnten. 

Beim Zerschlagen eines andern StĂŒckes wurden nun 
sogar Kugeln metallischen Antimons von bis’ zu !, Cent. 
Durchmesser aufgefunden, die fast bis an die AussenflÀche 
des Tiegels vorgedrungen waren und immer eine kegelförmig 
verbreitete, dunkelgrĂŒn bis schwarz gefĂ€rbte Glasmasse hinter 
sich zurĂŒckgelassen hatten. 

Die von Eisenoxydul schwarz gefÀrbte Glasmasse, die 
ganz auflĂ€llig von der farblosen, den ĂŒbrigen GlasstĂŒcken 
innen anhÀngenden Glasmasse abstach, enthielt nur_sehr ge- 
ringe Mengen Antimon, hingegen war die aussen rings um 
das Loch verbreitete weisse Masse wesentlich ein Anti- 
mon-Email. 

Die Herren hatten also ihrer Glasmasse eine Antimonver- 
bindung zugesetzt, was sie auch spÀter zugegeben haben. 


— 


26 Chemische Notizen, 


.Durch den Einfluss des kohlensaur. Natrons und vielleicht 
organischer ZusÀtze war dieses Metall regulinisch ausgeschie- 
den worden; da es nun vermöge seiner Schwere sich nicht 
an die OberflÀche erheben konnte, um dort den zu seiner 
Oxydation nöthigen Sauerstoff zu finden, hatte es diesen zu- 
vörderst dem in den TiegelwÀnden enthaltenen Eisenoxyd 
entzogen, dasselbe zu Eisenoxydul reducirend. Durch die 
hierbei erzeugte WĂ€rme schmolz die Tiegelmasse selbst mit der 
(lasmasse unter Bildung jenes schwarzen Glases zusammen. 
Das Metall durchbohrte nun da, wo die Kugel noch gross 
genug war, die ĂŒbrigbleibende WandstĂ€rke und verbreitete 
sich, aussen angekommen, als weisses, AntimonsÀure und 
Antimonoxyd haltendes Email. 
4) Sel Boergrave, 

eine belgische SpecialitÀt: eine grobzerriebene Salzmasse von 
verwittert krystallinischem Ansehn, von der circa 60 Grm. m 
einer Schachtel mit Gebrauchsanweisung auf den Deckel auf- 
gedruckt fĂŒr 75 Centimes (circa 6 Sgr.) verkauft werden. 

Dieses kaffeelöffelweise in einem Glase Wasser zu neh- 
mende Salz gab mir bei seiner Analyse: 


50,93 pr. Cent. Wasser — 6,9 Aequiv. 
520122 52 Schwerelsanmne —ıl = 
6222,00. Macnesia —al Br 


99,89 pr. Oent. 

0,099 „ ,„  Eisenoxyd waren unlöslich aus der 
neutralen Lösung abfiltrirt worden und offenbar nur zufÀllige 
‚Verunreinigung von der OberflĂ€che des zum Zerkleinern 
benutzten eisernen Mörsers herrĂŒhrend. 

Das Salz bestand also offenbar nur aus krystallisir- 
ter schwefelsaurer Magnesia. SpÀter habe ich in 
einer andern Apotheke Belgiens ein Product gefunden, dem 
circa 2— 3pro Üent. CitronensĂ€ure zugesetzt waren. Nach ein- 
gezogener Erkundigung erfuhr ich noch, dass es eigentlich 
durch Zusatz von eirca 1 pr. Cent. Chlornatrium, 2 pr. 
Öent. schwefelsaurem Kali und etwas Zucker bereitet 
werden sollte. 


Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers. 27 
Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers. 
Von Julius MĂŒller, Apotheker in Breslau. 


(Vorgetragen in der Schlesischen Gesellschaft fĂŒr vaterlĂ€ndische Cultur, 
Naturwissenschaftliche Section, am 25. October 1871.) 


Im FrĂŒhjahr dieses Jahres, als vereinzelte FĂ€lle von 
Fleckentyphus in Breslau auftraten, wurde ich von dem diri- 
girenden Arzte des Allerheiligen - Hospitals Herrn. Geheimrath 
von Pasteur bewogen, die TrinkwÀsser, von denen die Er- 
krankten getrunken, chemisch und mikroskopisch zu unter- 
suchen, um dadurch möglichenfalls zu constatiren, ob das 
Trinkwasser als Herd der Ansteckung zu betrachten, oder 
aber, ob es in irgend welchen Zusammenhang mit den Er- 
krankungen. zu bringen sei. Ich ergriff um so lieber diese 
Arbeit, als die Trinkwasser-Frage Breslau’s eine stets bren- 
nende ist; freilich gebrach es mir an Zeit, dieselbe im Allge- 
meinen mit der AusfĂŒhrlichkeit zu behandeln, die nöthig ist, 
um sie zu einem einigermaassen befriedigenden Abschluss 
zu bringen — hierzu mĂŒssten die Brunnen aller Strassen in 
kĂŒrzeren ZwischenrĂ€umen und zwar zu gleicher Zeit quanti- 
tativ untersucht werden; — immerhin aber bin ich zu der 
Ansicht gelangt, dass das Trinkwasser den Herd des Flecken- 
typhus nicht abgegeben habe. 


Ich beschrÀnkte mich bei der Untersuchung selbst auf 
quantitative Bestimmung des Gesammt-RĂŒckstandes, 
derSchwefelsĂ€ure, derorganischen Substanzen, vor‘ 
Allem aber der SalpetersÀure und des Ammoniaks, 
d.h. der Stoffe, die ursprĂŒnglich nicht im Wasser, sondern 
erst in Folge thierischer und menschlicher Auswurfsstoffe, von 
denen der die Brunnen umgebende Boden imprÀgnirt ist, in 
das Trinkwasser gedrungen sind. War die Menge der Sal- 
petersĂ€ure und des Ammoniaks, die ich — auch in den am 
meisten davon enthaltenden WĂ€ssern — fand, eine gewiss 
nur geringe, so darf doch nicht vergessen werden, dass diese 
beiden Verbindungen, namentlich die letztere, bei Bildung aller 
Organismen eine grosse Rolle spielen. — 


28 Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers. 


Das Ammoniak bestimmte ich nach Nessler; es wurden 
3 Liter Wasser mit Kalihydrat versetzt, eine genĂŒgende Menge 
Quecksilberjodid-Jodkaliumlösung zugefĂŒgt, der dadurch ent- 
standene Niederschlag mit Natronhydrat und Schwefelnatrium 
destillirt, das entweichende Ammoniak in SalzsÀure geleitet 
und das gebildete Chlorammonium durch Platinchlorid be- 
stimmt; eine Methode, die bei einiger Uebung schnell und 
sicher zum Ziele fĂŒhrt. — Die SalpetersĂ€ure bestimmte ‘ich 
nach Marx vermittelst einer genau gestellten Indigolö- 
sung. Ist diese Methode auch nicht absolut genau, so giebt 
sie doch sicher, wenn man die Indieolösung sich selbst 
gestellt hat, die zu erreichende Farbe also genau kennt, 
gewiss sehr annĂ€hernd richtige Resultate. — Die organische 
Substanz bestimmte ich nach Trommsdorf durch Reduction 
desĂŒbermangans. Kalis in alkalischer FlĂŒssigkeit. 
Zur Untersuchung gelangten 10 WĂ€sser der verschieden- 
sten Gegenden ‘der Stadt; aus allen wollten die Erkrankten 
getrunken haben. Ich bezwecke nicht, hier die genauen Zah- 
len der gefundenen Mengen obengenannter Substanzen anzu- 
geben; ich will nur anfĂŒhren, dass die betreffenden WĂ€sser 
_ nach ihren Bestandtheilen zu den verschiedensten der Stadt 
gehörten. So gab das Wasser des Ritterplatzes — eines der 
besten Trinkwasser, die Breslau hat, im Liter 0,5 Grm. Ab- 
dampfungs- RĂŒckstand; die anderen schwankten zwischen 
0,5 — 1,948 Grm. RĂŒckstand. Die Menge der organischen 
Substanz war ganz variabel; es wurden auf 1 Liter 2 Milligrm., 
3,5 Milligrm., 9,8 Milligrm. und mehr ĂŒbermangansaures Kali 
- verbraucht. Ebenso verschieden war der Gehalt an Schwe- 
felsÀure; er varıirte zwischen 0,04 bis 0,29 im Liter. Auch 
die Ammoniak- und SalpetersÀure- Menge waren ganz ver- 
schieden; eines der WĂ€sser war fast frei an Ammoniak, 
andere enthielten im Liter bis 0,00553; der SalpetersÀure- 
Gehalt schwankte zwischen 0,007 —0,25 Grm. im Liter. — 
Vergleicht man ĂŒbrigens die Mengen der SalpetersĂ€ure 
und des Ammoniaks in den verschiedenen WÀssern, so fÀllt 
sofort die Thatsache in die Augen, dass, je grösser der 
Gehalt an SalpetersÀure, um so geringer der an Ammoniak; 


Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers, 29 


und umgekehrt, je grösser der Gehalt an Ammoniak, um 
so geringer der an SalpetersÀure. Es lÀsst sich dies Fac- 
tum dadurch leicht erklÀren, dass das Ammoniak, in welcher 
Verbindung der Stickstoff vermittelst der Kloaken zuerst in 
den Boden gelangt, nach und nach beim Sickern durch das 
Erdreich sich: zu SalpetersÀure oxydirt. Hierbei sei noch 
erwÀhnt, dass durchschnittlich die WÀsser des rechten Oder- 
ufers der Stadt Breslau alle reicher an Ammoniak, dagegen Àrmer 
an SalpetersÀure, die des linken Oderufers reicher an Salpeter- 
sĂ€ure, dagegen Ă€rmer an Ammoniak sind. Der Grund hierfĂŒr liegt 
wahrscheinlich in der Bodenbeschaffenheit: das linke Oderufer 
besteht namentlich aus derbem kiesigen Sande, ein 
Material, welches der atmosphÀrischen Luft reichlich Gelegen- 
heit zur Oxydation bietet, das rechte Oderufer dagegen aus 
mit thonigem Schlamm begleitendem Schliefsand. — 
Vergleicht man nun die hier bei der Fleckentyphus - Frage 
in Betracht kommenden TrinkwÀsser in ihren chemischen 
Bestandtheilen, so ergiebt sich, dass nicht die geringste Ueber- 
einstimmung zu finden ist, und dass unter ihnen die besten wie die 
schlechtesten WĂ€sser Breslau’s erscheinen. War es auch eine 
Unmöglichkeit, durch die chemische Analyse den etwaigen 
Ansteckungsstoff zu finden, so wÀre es doch denkbar gewe- 
sen, falls dieser wirklich im Wasser sich befinde, irgend eine 
Uebereinstimmung der chemischen Bestandtheile nachzuweisen. 
Ich ging dabei von der Ansicht aus, dass der betreffende 
Ansteckungsstoff, Àhnlich wie gewisse Pflanzen z. B. nur auf 
Kalkboden gedeihen, ebenfalls gewisse anorganische Substan- 
zen zu seiner Entwicklung nöthig habe. Diese Annahme hat 
sich nicht bestÀtigt, da die chemischen Bestandtheile der 
betreffenden WĂ€sser in keinerlei Zusammenhang zu bringen 
sind. — Immerhin wĂ€re es wohl gewagt, in Folge dessen 
behaupten zu wollen, das Trinkwasser könne unmöglich den 
Ansteckungsstoff enthalten; muss doch hierĂŒber in erster 
Reihe das Mikroskop zu Rathe gezogen werden. Ich habe 
dasselbe fleissig benutzt, bin aber in dem Erkennen der klei- 
nen Organismen doch zu unsicher, um darin irgend etwas 
Entscheidendes aufstellen zu können; nur soviel kann ich 


30 Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers. 


sagen, dass ich mit Ausnahme des zur Zeit der Untersuchung 
trĂŒben Wassers einer einzigen Strasse „der Grossen Rosen- 
gasse Nr. 12,“ wo Bacterien und Monaden sicher zu 
erkennen waren, in den anderen WĂ€ssern nichts irgend Auf- 
fallendes, ja nichts Lebendes gesehen habe. — 

Erscheint es nach diesen Untersuchungen als höchst 
unwahrscheinlich, dass das Trinkwasser den Ansteckungs- 
stoff enthalten solle, so wird es fast zur Unmöglichkeit, 
wenn man bedenkt, dass bei den wenigen diesmal in 
Breslau aufgetretenen Fleckentyphus - FĂ€llen angenommen 
werden mĂŒsste, gerade nur die ungefĂ€hr 12 Brunnen, von 
denen die Erkrankten getrunken, hÀtten den betreffenden An- 
steckungsstoff enthalten und gerade nur die wenig Erkrank- 
ten hÀtten den geeigneten Boden zur Entwickelung des Con- 
tagium dargeboten. ErfÀhrt man nun noch, dass Leute, die 
in der erwÀhnten Grossen Rosengasse 12, woselbst auch 
einige Erkrankungen vorgekommen sind, ihre Schlafstelle 
haben, vielleicht nie, sicher aber nicht aus dem da befindlichen 
Brunnen Wasser trinken, so wird oben aufgestellte Behaup- 
tung noch mehr bestĂ€tigt. — 

Nichts destoweniger unterschÀtze ich die Wichtigkeit 
eines guten Trinkwassers; im Gegentheil mĂŒsste die Polizei 
— namentlich bei Anlage neuer Brunnen, die in grossen 
StĂ€dten ja stets unweit der Kloaken angelegt werden mĂŒssen, 
aufs SorgfĂ€ltigste fĂŒr ausreichende Umkleidung von Kies, 
Kohle ete., sowie fĂŒr gute Üementation sorgen. — 

Einmal mit der Wasserfrage beschÀftigt, verfolgte ich 
dieselbe weiter, Ich liess die betreffenden genau analysirten 
WÀsser, Anfang Mai geschöpft, in offenen, nur mit der Glas- 
platte lose verschlossenen GefÀssen dem Lichte ausgesetzt 
stehen. Sie blieben bis auf grösseren oder geringeren Ab- 
satz von Eisenoxydhydrat und kohlensaurem Kalk unverÀndert 
bis Anfang Juli. Der Grund hierfĂŒr liegt in dem so selten 
gehabten Sonnenschein; denn als Anfang Juli die Sonne leb- 
haft auf die WĂ€sser einwirkte, zeigte sich bald Bildung von 
Organismen. Die WĂ€sser wurden meist zuerst trĂŒb, setzten 
nach und nach immer mehr und mehr grĂŒne, resp. braune 


Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers. 31 


Substanzen am Boden ab, bis endlich die Vermehrung der- 
selben aufhörte und das ĂŒber dem Bodensatz befindliche Was- 
ser wieder völlig klar wurde. Hierbei beobachtete ich, dass 
in den an Ammoniak reichen WĂ€ssern die angefĂŒhrte Ver- 
Ă€nderung zuerst sichtbar wurde. 
. Betrachtet man mit blossen Augen die gebildeten, auf 
dem Boden befindlichen Organismen, so fÀllt Jedem sofort die 
Mengen- und Farben- Verschiedenheit auf. Von den drei 
WĂ€ssern, die ich der Gesellschaft vorgezeigt, ist der Boden- 
satz des ersten Wassers der unbedeutendste, braun und dicht; 
der des zweiten Wassers erheblicher, grĂŒnlich braun und 
voluminöser, der des dritten der grösste und dunkelgrĂŒn. 
Untersucht man jeden einzelnen Bodensatz mit dem Mi- 
kroskop, so findet man, abgesehen von Infusorien, die in 
allen vorhanden, dass der braune des ersten Wassers lediglich 
aus Diatomeen mit braunem Inhalt besteht, grĂŒne pflanz- 
liche Gebilde sind nicht vorhanden; der grĂŒnbraune Boden- 
satz des zweiten Wassers zeigt auch viele Diatomeen, 
es sind aber auch sehr erhebliche Mengen grĂŒner pflanzlicher 
Gebilde „Protococcus“ bemerkbar; der dunkelgrĂŒne Bo- 
‘ densatz des dritten Wassers endlich zeigt ĂŒberwiegende Bil- 
dung der grĂŒnen einzelligen Alge im Vergleich zum 
Vorkommen der Diatomeen. Frag ich mich nun nach 
einem Grunde dieser verschiedenen Mengenentwicklung der 
ehlorophyllreichen Alge, so kann ich denselben nur in dem 
verschiedenen Ammoniak-Gehalt der WĂ€sser finden, um so 
mehr als ich beobachtete, dass mit der Beendigung der orga- 
nischen Entwicklung alles Ammoniak aus dem Wasser ver- 
schwunden war. Ich glaube, dass der Stickstoff zur Bildung 
des stickstoffhaltigen Chlorophylis nur vom Ammoniak, nicht 
aber, wie ich gleich nachweisen werde, von der SalpetersÀure 
hergenommen wird; ist das Ammoniak verbraucht, so hört die 
weitere Entwicklung auf. Das erste Wasser, das so gut 
wie frei von Ammoniak ist, zeigt gar keine Bildung chloro- 
phylihaltiger Algen, ja auch die Diatomeen sind nicht grĂŒn; 
bei dem zweiten Wasser, das in 1000 0.0. 0,00087 Grm. 
Ammoniak enthielt, finden wir neben Mengen von Diatomeen 


32 Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers. 


srĂŒne Protococeus-Arten; bei dem dritten WaĂ€sser endlich, 
das in 1000 C.C. 0,0053 Grm. Ammoniak ergab, ist die Bil- 
dung der grĂŒnen Alge eine ganz bedeutende. Mir wird es 
schwer, diese Beobachtungen dem reinen Zufall zuzuschreiben, 
um so mehr, als die WĂ€sser dicht neben einander standen. 
Hoffentlich kann ich im nÀchsten Sommer, in welcher Zeit die 
Sonne diese Versuche so begĂŒnstigt, meine Behauptung, dass 
also die Bildung der chlorophyllhaltigen Organismen im Zu- 
sammenhang mit dem Ammoniakgehalt steht, aufrecht erhal- 
ten. Eine BestĂ€tigung dafĂŒr habe ich in dem der Sonne 
ausgesetzten Oderwasser des Breslauer neuen Wasserhebe- 
werkes gefunden. Dasselbe ist fast absolut frei von Ammo- 
niak und es haben sich in der That keine chlorophyllhaltigen 
Algen entwickelt. 

Endlich will ich hierbei noch erwÀhnen, dass, wenn bei 
der Entwickelung der Organismen, wie ich schon angefĂŒhrt, 
aus allen WĂ€ssern das Ammoniak verschwunden ist, der Ge- 
halt an SalpetersÀure dagegen sich nicht im Geringsten ver- 
Àndert hat. Die WÀsser zeigen sÀmmtlich noch jetzt ganz 
dieselbe Menge SalpetersÀure, als an dem Tage, wo ich sie 
der Sonne ausgesetzt; der Stickstoff der SalpetersÀure also 
ist zur Bildung der niederen Organismen nicht verbraucht 
worden. — | 

Hieran anschliessend, berichtete ich der Gesellschaft ĂŒber 
5 angestellte Versuche, die beweisen sollen, welchen Eintiluss 
die in der Luft befindlichen Sporen bei Bildung der sich im 
Wasser entwickelnden Organismen haben, und dass auch hier 
die sich auf geeignetem Boden entwickelnden kleinen Orga- 
nismen der Luft durch Baumwolle zurĂŒckgehalten werden. 
Bei allen fĂŒnf Versuchen wurde am 25. August aus ein und 
demselben Brunnen geschöpftes Wasser, das ziemlich reich an 
Ammoniak wie SalpetersÀure war, verwendet. 

Zum ersten Versuch wurde das Wasser in einem mit 
einer Glasplatte lose bedeckten Glase, direkt wie es vom 
Brunnen genommen, der Sonne ausgesetzt. Schon am vierten 
Tage zeigten sich die ersten AnfĂ€nge grĂŒner Organismen, 
die sich bis Mitte September vermehrten. Um diese Zeit 


Ueber VerÀnderungen des Trink wassers. 33 


hörte die Weiterentwickelung auf; gleichzeitig war alles 
Ammoniak aus dem Wasser verschwunden, die Menge der 
SalpetersĂ€ure aber nach wie vor dieselbe. — 

Der zweite Versuch wurde so angestellt, dass das Was- 
ser vor dem EinfĂŒllen in das lose bedeckte Glas eine halbe 
Stunde lang lebhaft gekocht wurde; hier also waren sicher 
die im Wasser befindlichen Sporen getödtet. Dabei sei 
erwÀhnt, dass das Wasser bei dem Kochen ungefÀhr ?/, sei- 
nes Ammoniak - Gehaltes verloren hatte, Ebenfalls der Sonne 
ausgesetzt, zeigten sich bei diesem Wasser nach sechs Tagen 
die ersten AnfÀnge der organischen Entwickelung; Mitte 
September war auch hier dieselbe beendet. Die entwickel- 
ten Organismen konnten nur von den in der Luft ent- 
haltenen Sporen herrĂŒhren. Unter dem Mikroskop zeigten 
sich die gebildeten Organismen identisch mit den im nicht 
gekochten Wasser entstandenen und zwar waren es ausser 
Infusorien „Protococcus- Arten und Diatomeen,“ nur war die 
Menge der grĂŒnen Alge eine bei Weitem geringere, als wie 
bei dem nicht gekochten Wasser. Es bestÀtigt dies meine 
oben mitgetheilte Beobachtung, da ja in der That das ge- 
kochte Wasser weit weniger Ammoniak enthÀlt, als das nicht 
gekochte. — 

Zum dritten Versuche wurde in einem ungefÀhr !/, Liter 
fassenden Kolben mit langem Halse wenig destillirtes Wasser 
gebracht und dies so lange gekocht, bis aus dem Kolben alle 
Lnft verdrÀngt war, hierauf der Hals mit einem Kautschuk - 
Pfropfen luftdicht verschlossen. Am Brunnen selbst wurde 
nun der Pfropfen unter Wasser, das jetzt natĂŒrlich. in den 
Iuftleeren Kolben hereinstĂŒrzte,, heruntergenommen, der Hals 
sofort mit vorher durch Kochen in Weingeist gereinigter 
Baumwolle lose gefĂŒllt und nun das Wasser ebenfalls der 
Sonne ausgesetzt. Nach 5—6 Tagen zeigten sich auch hier 
die AnfÀnge der organischen Entwickelung, die sich bis Mitte 
September erheblich vermehrten. Es sind dies, wie ich mich 
durch einen anderen ebenso angestellten Versuch ĂŒberzeugt 
habe, ausschliesslich chlorophylihaltige Protococeus - Arten ohne 
irgend welche Diatomeen. Die hier eingetretene Entwickelung 

Arch, d, Pharm. CXCIX, Bds, 1. JIft, 3 


34 Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers. 


muss, wenn in der That die Baumwolle die m der Luft 
enthaltenen Sporen zurĂŒckhĂ€lt, lediglich von den im Wasser 
schon vorhandenen Sporen herrĂŒhren. — 

Zum vierten Versuch wurde ebenfalls in einen Kolben, 
auf dessen Hals ich eine zweimal rechtwinklig gebogene, an 
beiden Seiten offene Glasröhre luftdicht aufgesetzt, etwas 
destillirtes Wasser gebracht und dasselbe bis zur Austrei- 
bung der Luft im Kochen erhalten; dann wurde die Àussere 
Deffnung der Röhre in schon eine halbe Stunde lang gekoch- 
tes Wasser wÀhrend des Siedens getaucht. Das kochende 
Wasser stieg nun- in dem Maasse, als die WasserdÀmpfe im 
Kolben sich abkĂŒhlten, in den Kolben. Sobald derselbe voll 
war, wurde sofort der Hals mit ebenfalls vorher geremigter 
Baumwolle gefĂŒllt, und das Wasser der Sonne ausgesetzt. 
Das Wasser ist noch jetzt ebenso klar wie vorher, es haben 
sich absolut keine Organismen entwickelt. Die in dem Was- 
ser enthaltenen Sporen sind also durch das vorhergegangene 
Kochen völlig getödtet und die in der Luft vorhandenen in 
der That durch die lose aufgesteckte Baumwolle völlig zurĂŒck- 
gehalten worden. — 

Der fĂŒnfte Versuch endlich wurde wie der vierte ange- 
stellt, nur schmolz ich hier, nachdem das kochende Wasser 
in den Kolben gestiegen, die Àussere Oeffnung der Glas- 
röhre zu. SelbstverstÀndlich konnte hier eine organische 
Entwickelung nicht eintreten und ist auch nicht eingetreten. 

Aus diesen Versuchen geht hervor, dass die Bildung 
der Organismen beim Stehenlassen unserer TrinkwÀsser theils 
von den schon im Wasser befindlichen, theils von den durch 
die Luft in dasselbe gelangten Sporen herrĂŒhrt; dass die 
vermittelst der in der Luft enthaltenen Sporen gebildeten 
Organismen dieselben sind, wie die bei Abschluss der Luft, 
wo nur Diatomeen nicht entstehen, sich bildenden; dass die 
im Wasser befindlichen Keime beim Kochen getödtet und die 
in der Luft enthaltenen durch Baumwolle zurĂŒckgehalten 
werden. — 

Praktisch verwerthen will ich diese Versuche im kĂŒnf- 
tigen Sommer, wenn die Sonne die Versuche begĂŒnstigt, 


Ueber VerÀnderungen des Trinkwassers. 35 


insofern, als ich durch die so sehr gerĂŒhmten Kohlenfiter 
filtrirtes Brunnenwasser sofort in der beschriebenen Weise 
in einen Kolben bringen und, mit gereinigter Baumwolle 
bedeckt, der Sonne aussetzen werde. Sind, wie behauptet 
wird, in der That die Sporen durch das Filtriren zurĂŒckge- 
blieben, so könnte, wie beim gekochten Wasser, keine orga- 
nische Entwickelung in diesem Wasser entstehen. WĂ€re 
dies doch der Fall, so gingen also die Sporen durch die 
Kohle durch, das Filtriren selbst hÀtte nur einen geringen 


Werth. — 


Um endlich synthetisch nachzuweisen, ob die im Trink- 
wasser sich bildenden Organismen mit den chemischen Be- 
standtheilen desselben in irgend welchem Zusammenhang stehen, 
oder ob dieselben rein dem Zufall zuzuschreiben sind, habe 
ich Anfang Septembers verschiedene Flaschen mit chemisch 
reinem, destillirten Wasser, in welches ich, dem Gehalt der 
TrinkwÀsser angemessen, in die eine Flasche salpetersaures 
Ammoniak, in die andere salpetersaures Kali, in die dritte 
kohlensaures Ammoniak, in die vierte phosphorsaures Natron 
und in die fĂŒnfte Chlornatrium gebracht, der Sonne aus- 
gesetzt. 


Es zeigte sich trotz des lebhaften Sonnenschemes bis 
Ende September absolut keinerlei Bildung irgend welcher, 
weder thierischer noch pflanzlicher, Organismen. Die in der 
Luft enthaltenen Sporen hatten also trotz des vorhandenen 
Ammoniaks, der SalpetersÀure etc. im den WÀssern keinen 
keimungsfÀhigen Boden gefunden; es muss in Folge dessen 
in den TrinkwÀssern doch noch etwas Andres vorhanden 
sein, was die Eniwickelung der Sporen begĂŒnstigt. — Um 
die hingestellten destillirten WÀsser nun den TrinkwÀssern 
Ă€hnlicher zu machen, fĂŒgte ich zu jedem etwas kohlensauren 
Kalk, gelöst in KohlensÀure, zu; bis heute ist aber trotz die- 
ses Zusatzes eine Entwickelung von Organismen nicht er- 
folgt. -—- Im nĂ€chsten Sommer werde ich mit diesen Ver- 
suchen fortfahren, werde in jedes der WĂ€sser eine kleine 
Menge irgend welcher organischen Substanz zufĂŒgen 

y% 


36 Der Erstarrungspunkt des Broms. 


und sehen, ob dadurch vielleicht die Sporen der Luft zum 
Keimen veranlasst werden. In jedem Falle erstatte ich ĂŒber 


die gewonnenen Resultate Bericht. 
J. M. 


In Betreff der eben besprochenen VerhÀltnisse verdient 
nachgelesen zu werden: L. Pasteur, Memoire sur les cor- 
puscules organisees, qui existent dans l’atmosphere,; examen 
de la doctrine des generations spontandes. (Annales de chi- 
mie et de physique III. ser., tome 64, pag. 5— 110; 1862.) 
Ein Auszug dieser Abhandlung findet sich im Journ. f. prakt. 
Chem. 1862, Bd. 85, 8. 465— 472 und in Kopp- Will’s 
Jahresb. f. 1861. (Giessen 1863.) 8. 159 — 163. 

i HA. Ludwig. 


Der Erstarrungspunkt des Broms 


(des wasserfreien) 


liegt nach Heinrich Baumhauer bei — 24°%,5 Cels. Das 
feste Brom » erscheint als eine rothbraune (nicht bleigraue) 
krystallinische Masse.*) Danach ist auch die Angabe in 
Nr. 1 (3. Jan. 1872) des chemischen Öentralblatts zu berich- 
tigen, nach welcher dieser Punkt bei 24°,5 liegen soll. 


H.L. 


*) Berichte d. deutsch. chem. Gesellsch. zu Berlin. 4, Jahrg. Nr. 17. 
S. 927 vom 11. Dec. 1871. 


37 


II. Chemische "T’echnologie. 


Ueber Chromotypie. 


Von Dr. J, Schnauss in Jena. 


Seit der Entdeckung der Photographie auf Papier durch 
Fox Talbot im Jahr 1839 glaubte man lange Zeit an die 
Unentbehrlichkeit der Silberverbindungen fĂŒr diese Bil- 
der. Auch in diesen Anschauungen brachten die letzten Jahre 
eine gewaltige UmwÀlzung hervor. Zwar wusste man schon 
seit 1841 durch die veröffentlichten Untersuchungen von Ro- 
bert Hunt, dass man auch mit anderen Verbindungen Licht- 
abdrĂŒcke auf Papier erhalten könne und dem Chemiker waren 
viele Zersetzungen bekannt, welche das Sonnenlicht auf an- 
dere Stoffe ausĂŒbt. So grĂŒndet sich beispielsweise der erste 
Versuch Nicephore Ni&pce’s, des berĂŒhmten Entdeckers 
der Daguerreotypie (gleichzeitig mit Daguerre 1839), 
auf das Unlöslichwerden des Asphaltes durch das Licht 
(1814), und auch wÀhrend der praktischen Verwendung der 
Papierphotographie wurden eine Menge verschiedener Salze 
als Ersatz des kostbaren Silbers vorgeschlagen, besonders 
Eisenoxyd-, Uranoxyd- und chromsaure Salze. 
Aber alle, mit alleiniger Ausnahme der chromsauren 
Salze, bewÀhrten sich nicht in der Praxis. Durch letztere 
jedoch wurden neuerdings eine Reihe neuer Verfahren in die 
technische Photographie eingefĂŒhrt, welche von höchster 
Wichtigkeit sind, und die man, als auf ein und demselben 
Prineipe beruhend, zweckmÀssig unter dem Namen Chro- 
motypie begreift, zur Unterscheidung von der gewöhnlichen 
“Photographie mit Silbersalzen. 


38 | Ueber Chromotypie. 


Die chromsauren Salze werden ebensowenig, wie das sal- 
petersaure Silberoxyd, an und fĂŒr sich durch das Licht ver- 
Ă€ndert; in Verbindung mit organischen Substanzen dagegen 
erleiden sie gleichzeitig mit den letzteren eine VerÀnderung _ 
ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften. 

Man trÀnke ein Blatt gewöhnlichen Schreibpapiers mit 

einer starken Lösung von doppeltchromsaurem Kali oder 
Ammoniak, trockne dasselbe bei Lichtabschluss und setze es 
unter einem durchsichtig gemachten Kupferstich oder einem 
photographischen Glasbilde dem Sonnenlicht eine Zeitlang aus; 
es entsteht eine schwachbraune Zeichnung des Originals 
auf gelbem Grund. Legt man dieselbe in ein GefÀss mit 
Wasser, so löst sich allmĂ€hlich die gelbe Farbe — das un- 
zersetzt gebliebene doppeltchromsaure Kali — auf und es 
bleibt nur die schwachbraune Zeichnung zurĂŒck, natĂŒrlich in 
Licht und Schatten das umgekehrte Abbild des Originals. 
Die mit dem chroms. Salz auf dem Papier vorgegangene Zer- 
setzung ist eine Reduction, doch nicht bis zu Cr?O3, sondern 
wohl mehr zu eimer Art chromsaurem Chromoxyd>» 
doch kann man dies der geringen Menge wegen nicht mit 
Sicherheit nachweisen. Einen ganz Àhnlich gefÀrbten Nieder- 
schlag, das reinechromsaure Ohromoxyd (Cr?03,0r 03 
+ 9HO) erhÀlt man durch Zusatz von einfach chroms. Kali 
-zu einer Lösung von Chromalaun. — 

Mischt man die Lösung des doppeltchroms,. Kali vor 
Ihrem Auftragen auf Papier mit Gummilösung, Eiweis- oder 
Gelatinelösung, so lehrt nach erfolgter Exposition am Licht 
schon der Augenschein, dass das Bild bedeutend krÀftiger, 
daher auch die VerĂ€nderung des Ühromsalzes grösser ist. 
Zugleich hat die beigegebene organische Substanz, soweit sie 
vom Lichte getroffen worden, ihre Löslichkeitin Was- 
ser eingebĂŒsst. Gerade diese letztere Eigenschaft ver- 
leiht dem ganzen Vorgang seine Wichtigkeit fĂŒr die Tech- 
nik. Die Unlöslichkeit in Wasser ist so vollstÀndig gewor- 
den, dass man „durch eine Mischung von ‚Gelatine- ‘oder 
Gummilösung und doppelt chroms. Kali leinene und baum- 
wollne Stoffe, die man damit trÀnkt und dem Sonnenlicht 


Ueber Chromotypie. 39 


eine Zeitlang aussetzt, vollkommen wasserdicht machen kann.“ 
(Musterzeitung, Jahrgang 20. 8. 65). 

AnfÀnglich der Meinung, dass die durch das Licht aus 
der Gummichromatlösung erzeugte, braune, unlösliche Substanz 
in einem Probierglas sich als ein Niederschlag abscheiden 
wĂŒrde, suchte ich mir eine grössere QuantitĂ€t davon zu ver- 
schaffen. Ich fĂŒllte zu diesem Zweck mehre GlĂ€ser mit 
dicker, klarer Gummilösung, die ich 1) mit KO, 20r0 2) mit 
HNO, 3CrO3 und 3) mit reiner ChromsÀure versetzte und 
sie sÀmmtlich mehre Tage hindurch dem direeten Sonnen- 
licht exponirte. In keiner der Lösungen entstand jedoch ein 
Niederschlag, sie wurden nur mehr oder weniger braun und 
zĂ€hflĂŒssig, die Cr?O3 enthaltende am stĂ€rksten; durch zuge- 
setztes Wasser liessen sie sich sÀmmtlich leicht zu einer kla- 
ren, braunen Lösung verdĂŒnnen; Ammoniak bewirkt kemen 
Niederschlag darin; auf Zusatz desselben zu einer salpeter- 
sauren Lösung des Cr203, GrOŸ, entsteht bekanntlich ein 
graugrĂŒner Niederschlag von Cr?0°-+ 6HO.. Setzt man 
jedoch zu der gummösen Lösung des Kalibichromates einige 
Tropfen SchwefelsĂ€ure, so ist im Sonnenlicht binnen !/, — 
1 Stunde — ohne weitere ErwĂ€rmung — eine völlige 
Umwandlung der Cr 0° in Cr?O3 erfolgt und Ammoniak giebt 
einen graugrĂŒnen Niederschlag. Doch kann man diese Wir- 
kung der SOÂź% nicht dem Freiwerden der CrOÂź und. deren 
Zersetzung unter Vermittelung der organ. Substanz durch das 
Licht zuschreiben, denn reine UrO°, mit Gummi dem Licht 
»xponirt, verhÀlt sich fast nicht anders, wie die mehrfach 
chroms. Salze, wÀhrend der Inhalt des Reagenzglases, wel- 
cher aus CrO3 und Gummilösung bestand, ebenfalls durch 
Zusatz von ein paar Tropfen SO? zur raschen Verwandlung 
in Or?03 disponirt wurde. | 

Die prÀdisponirende Verwandtschaft der Schwe- 
felsÀure zum Chromoxyd, unter Mitwirkung der organi- 
schen Substanz, (Gummi, Leim) und des Lichtes zerle- 
gen hier im Verein die ÖhromsĂ€ure. Die an die obere 
Wandung der ReagenzglÀser gespritzten Theilchen der Gum- 
michromatlösungen (ohne 80°) zeigten dagegen eine ganz 


40 Ueber Chromotypie. 


deutliche grĂŒne Farbe und waren in Wasser völlig unlös- 
ich geworden. Es ergiebt sich hieraus, dass die Zersetzung 
durch das Licht bei dĂŒnnen Schichten viel vollstĂ€ndiger 
ist, eine Folge der orangegelben Farbe sÀmmtlicher Lö- 
sungen, welche bekanntlich alle chemischen Strahlen des 
Lichtes absorbirt, daher die Zersetzung eine nur ganz 
oberflÀchliche sein kann. Uebergiesst man das Fensterglas 
des photographischen Dunkelzimmers mit doppeltchroms. Kalı 
und einem geeigneten Bindemittel, so können darin alle Ope- 
rationen, ohne durch chemische Strahlen Schaden zu leiden, 
ausgefĂŒhrt werden. 

Als Absorptionsvermögen des chroms. Kalis — doch 
wohl des einfachen? — giebt der Prof. Sachs in WĂŒrz- 
burg im Verlauf seiner Untersuchungen â€žĂŒber die Assimila- 
tionsthĂ€tigkeit der Pflanzen“ die Zahl 88,6 an, d.h. die Ein- 
wirkung des Sonnenlichtes auf Chlorophyll, durch eine Schicht 
chroms. Kalis dringend, ist — 88,6, nach der erzeugten 00? 
berechnet, wÀhrend dieselbe bei reinem Wasser = 100 ange- 
nommen wird. Wie oben gesagt, muss die AbsorptionsfÀhig- 
keit des KO,2CrO? gegen chemisch wirksame Strahlen fast 
vollstĂ€ndig sein, auch besteht nach Lommel’s Ansicht die 
Einwirkung des Lichtes auf Chlorophyli in der mechani- 
schen IntensitĂ€t des Lichtes — d.h. in der lebendigen 
Kraft der Aetherschwingungen — im Gegensatz zu der 
physiologischen und chemischen IntensitÀt desselben. 

Man möge diese kleine Abschweifung verzeihen! 

In Bezug auf die Lichteinwirkung auf Gummichromatlö- 
sung in ReagenzglÀsern stellte ich noch folgende Versuche 
an. ChromsÀure, mit Zuckerlösung vermischt, fÀrbte sich 
nur etwas dunkler rothbraun im Licht, bei Abschluss dessel- 
ben blieb die Mischung lange Zeit unverÀndert. Ein Zusatz 
einiger Tropfen SchwefelsÀure Àndert nichts. Die rasche 
Verwandlung der CrO3 im Licht, wenn sie mit Gummi und 
SO? vermischt wird, beruht daher nicht auf der Bildung 
einer zuckerartigen Substanz aus dem Gummi. Bei Licht- 
abschluss findetinderMischung vonSO3,KO,2CrO? 
und Gummi erst nach etwa 3 Stunden eineBildung 


UeberChromotypie. 41 


von Er?O3 statt. Am schnellsten erfolgt die Zersetzung des 
Kalibichromates im Licht, wenn es mit Glycerin gemischt 
und in dĂŒnner Schicht, etwa auf ein Uhrglas gegossen, dem- 
selben exponirt wird. Hier zeigt sich schon in wenigen 
Minuten eine tiefgrĂŒne FĂ€rbung. Eine FĂ€llung ist nicht zu 
bemerken, auch nicht auf Zusatz von Ammoniak, da Glyce- 
rin bekanntlich die FĂ€llung der Metalloxyde durch Alkalien 
verhindert. Die Zersetzung und Bildung von Cr?O° geht 
so rasch und sichtbar vor sich, dass sich das Ganze wohl zu 
einem Collegienversuch eignen dĂŒrfte, um die Zersetzung der 
Bichromate durch das Licht zu demonstriren. 


Die WĂ€rmewirkung der Sonnenstrahlen kann man bei 
diesen Versuchen leicht ausschliessen, wenn man das Reagenz- 
glÀschen mit der Mischung in ein Glas mit kaltem Wasser 
stellt. Uebrigens lÀsst sich die Mischung von schwefels. 
Kupferoxyd-Kali und Glycerin nach Dr. Burgemeister 
sogar kochen, ohne reducirt zu werden, wÀhrend diese 
Reduction im Sonnenlicht bald eintritt. 


Werden feinpulverige und gegen die verschiedenen anzu- 
wendenden WaschflĂŒssigkeiten indifferente, d. h. unlösliche 
Körper, wie Kohlepulver u. dergl. mit der Gummi- oder Ge- 
latinechromatlösung in passendem VerhÀltniss innig |gemengt 
und auf Papier oder eine andere Unterlage aufgetragen, hierauf 
unter einem Negativ dem Lichte ausgesetzt, so geben sie ein 
Abbild desselben, weil sie durch das unlöslich gewordene 
Gummi u.s. w. an den vom Lichte getroffenen Stellen mit 
festgehalten werden. Aller Ueberschuss des Pulvers geht 
beim Waschen des Papiers in Wasser und sanftem Ueber- 
streichen mit einem Pinsel weg. Nimmt man Kienruss als 
Farbstoff, so erhÀlt man die sogenannten Kohlebilder, 
welche, ursprĂŒnglich von Pounci entdeckt, mannigfache Mo- 
dificationen und Verbesserungen erfuhren. In die Praxis 
sind diese Bilder, soviel mir bekannt, nur von Braun in 
Dornach eingefĂŒhrt worden, dessen ausgezejehnete Stereo- 
skopbilder in der ganzen Welt bekannt sind. Das Kohle- 
verfahren eignet sich jedoch am besten fĂŒr Photographien 


42 Ueber Chromotypie. 


in grossem Format, wozu es auch Braun vorzugsweise 
anwendet. 

Eine derartige Mischung von Gummichromat und 
Kohlepulver (Lampenruss) liefert auch eine fĂŒr gewisse 
Zwecke, z. B. fĂŒr Etiquetten zu chemischen GefĂ€ssen und 
zum Zeichnen der WĂ€sche brauchbare Tinte, wie meime Ver- 
suche mich lehrten. Trifft man das VerhÀltniss der Mischung 
gut und setzt man das Geschriebene eine hinlÀngliche Zeit 
dem Sonnenlicht aus, so wird es fĂŒr Wasser ganz unlöslich, 
und nur starke Ă€tzende FlĂŒssigkeiten vermögen die Tinte 
unter MithĂŒlfe mechanischer Reibung nach und nach wieder 
zu entfernen. Durch eime Lösung von ĂŒbermangansaurem 
Kali, welche man vorsichtig ĂŒber die beschriebenen Stellen 
streicht, werden dieselben viel intensiver und in der WĂ€sche 
haltbarer, indem sich Manganoxyd darauf ausscheidet. Nur 
wird die WÀsche an den Stellen, wo obige Lösung sie 
berĂŒhrt, gelblick. Nimmt man anstatt Kohlepulver andere 
gepulverte Farben, die chemischen EinflĂŒssen möglichst wider- 
stehen, z. B. Zinnober, so erhĂ€lt man auch gefĂ€rbte Tinten. — 

Um zu dem photographischen Verfahren zurĂŒck zu kehren, 
so erzielt man auf Àhnliche Weise ferner noch eine Anzahl 
wichtiger technischer Verwendungen, indem man dem .Kohle- 
pulver Email- oder Porzellanschmelzfarben substituirt. Die 
Gummichromatlösung wird auf eine Glasplatte aufgetragen, 
nach dem Trocknen unter einem Transparentpositiv belichtet, 
und nun mit obiger, aufs feinste geschlÀmmten. Farbe einge- 
stÀubt. Durch zartes Abpinseln wird jeder Ueberschuss der 
Farbe entfernt, die Schicht mit diekem nicht jodirten Collo- 
dium ĂŒberzogen und mittels des jedem Photographen bekann- 
ten Verfahrens in Form eines HĂ€utchens mit sammt dem 
Emailbild abgezogen. Dasselbe wird sodann auf Email oder 
Porzellan aufgelegt und nach dem Trocknen eingebrannt. 
Man erhÀlt auf diese Art die bekannten, unverÀnderlichen 
Email- und Porzellanphotographien. 

Auch die Photolithographie grĂŒndet sich auf den 
Gummichromatprocess. Das unter einem Negativ belichtete 
Chrömatpapier bietet, wie oben bemerkt, nach dem Auswaschen 


Ueber Chromotypie. 43 


eine braune, positive Copie des letzteren auf weissem Grund 
dar, diese wird mit lithographischer Tinte unter den nöthigen 
Vorsichtsmaassregeln ĂŒberzogen. Die ‘Tinte haftet nur an 
den braunen Stellen und es bleibt nun noch das Uebertragen 
des schwarzen Tintebildes auf lithographischen Stein ĂŒbrig, 
‘das jedem Lithographen bekannt ist, sowie auch die nachlol- 
gende Behandlung des Steins bis zum Druck. Wird die mit 
lithographischer Tinte ĂŒberzogne Zeichnung auf Zinkplatten 
oder andere Metallplatten ĂŒbertragen, so erhĂ€lt man die Pho- 
tozinkographien u.s.w. Anfangs wurde die Photolitho- 
graphie nach dem ersten, ursprĂŒnglichen Verfahren des Nice- 
phore Nicpce mittels einer auf dem Stein aufgetragener, 
Àtherischen Asphaltlösung und Belichtung der Asphaltschicht 
unter einem Negativ ausgefĂŒhrt; das Bild trat wĂ€hrend des 
Waschens der Asphaltschicht mit dem Lösungsmittel hervor, 
indem die belichteten Stellen unlöslich blieben. Man erhÀlt 
jedoch auf die Weise nur unvollkommene Resultate. — 


In der neusten Zeit hat eine Anwendung der Chromotypie 
alle anderen an Wichtigkeit weit ĂŒbertroffen. Eine Mischung 
von Gelatinelösung und ein wenig Chromat (doppeltchroms. 
Kali oder Ammoniak) liefert nemlich die Grundlage zur Er- 
zeugung von Reliefbildern, die sich vortrefflich zum 
Druck eignen und alle Zartheiten des Originals auf das vol- 
lendetste wiedergeben. Die frĂŒheren photographischen Druck- 
methoden dagegen gaben fast alle nur harte Bilder, ohne 
Halbtöne, eigneten sich daher nur zur Wiedergabe von Kunst- 
blÀttern in Linien oder Punkten. Der Reliefdruck dagegen, 
zuerst von Joseph Albert in MĂŒnchen und Wood- 
bury in England praktisch verwendet, eignet sich ganz 
besonders zu Portraits in jeder Grösse, natĂŒrlich ebenso gut 
auch zu BReproductionen. Dem Princip nach sind sich beide 
Verfahren ziemlich gleich, in ‚der praktischen AusfĂŒhrung 
unterscheiden sie sich dadurch, dass nach Albert’s Methode 
der Druck unmittelbar durch die Reliefgelatineschicht erfolgt, 
wÀhrend nach Woodbury von dem Gelatinerelief erst ein 
Abdruck gemacht wird, entweder in Letternmetall — analog 


44 Ueber Chromotypie. 


dem Auer’schen Naturselbstdruck — oder durch Galvano- 
plastik in Kupfer, und von diesem hierauf erst auf Papier. 

Das interessante Verfahren zur Erzeugung photogra- 
phischer Gelatinereliefbilder ist folgendes: 

Eine ziemlich starke Auflösung von Gelatine in Was- 
ser wird mit ein wenig Bichromat versetzt und noch warm 
auf eine genau horizontal liegende Spiegelglasplatte gegos- 
sen. Die so erhaltene, gleichmÀssige Gelatineschicht wird im 
Dunkelzimmer zum Trocknen hingestellt; bei warmer Som- 
mertemperatur sind einige Stunden genĂŒgend, bei sehr dicker 
Gelatineschicht und niedriger Temperatur etwa 24 Stunden, 
um die Platten zum Üopiren reif zu machen. Sie dĂŒrfen we- 
der klebrig, noch ganz erhÀrtet sein. Dilettanten, welche 
diesen interessanten Versuch selbst anstellen wollen, ist zu 
rathen, die Gelatineschicht sofort auf nicht gefirnisste, nur 
gummirte Negative (Bildseite) aufzutragen. Man kann auf 
diese Weise ohne weitere Vorkehrung, als eine passende 
Aufstellung, sodass die Sonnenstrahlen möglichst senkrecht 
auf die Platte fallen, das Entstehen des Reliefs beobachten. 
Wer es zum erstenmal sieht, ist ĂŒberrascht, dass die Licht- 
strahlen ebenso leicht, als sie zeichnen können, auch wie mit 
einem Grabstichel gleich dem geschicktesten Kupferstecher zu 
graviren verstehen! Ist die Schicht noch feucht genug, so 
entsteht ein sehr starkes Relief, wenn sie schon zu sehr ein- 
getrocknet sein sollte, so bemerkt man dasselbe erst deutlich 
beim nachfolgenden Auswaschen der Schicht mit warmem 
Wasser, wodurch zugleich das löslich gebliebene Bichromat 
entfernt wird. Am besten gelingt der Versuch mit einem 
recht scharfen, krÀftigen Negativ nach einer Reproduction in 
Linienmanier oder nach einer Architectur. Die directen Son- 
nenstrahlen mĂŒssen senkrecht auffallen, wesshalb zur Dar- 
stellung solcher Reliefbilder im Grossen am, besten eine 
sogenannte Solarkamera verwendet wird, in welcher mittels 
eines drehbaren Spiegels und einer Condensations- Linse „die 
Lichtstrahlen stets senkrecht auf die in mitten des Apparates, 
doch etwas hinter dem Brennpunkt der Linse befestigte 
Platte fallen. Letzteres muss man desshalb beachten, weil 


Ueber Chromotypie. 45 


die Platte im Brennpunkt der Linse durch die Hitze zersprin- 
gen und die Gelatine erweichen und abfliessen wĂŒrde. Mit 
diesem Apparat lassen sich auch die Reliefplatten nach Al- 
bert am besten darstellen, indem man die Gelatinchromat- 
lösung auf eine sehr dicke Spiegelplatte auftrÀgt und das 
Negativ getrennt davon an der Vorderwand der Solarkamera 
anbringt. Es ist hierbei auch in den Willen des Operateurs 
gegeben, das Bild zu vergrössern. 

Das Relief ist oft sehr stark, so lange noch die Gelatine 
feucht ist, verschwindet jedoch beim Trocknen zum Theil 
wieder, wĂ€hrend dadurch die Feinheit der Zeichnung zunimmt. — 

Ist die Gelatine unmittelbar auf das Negativ aufgetra- 
gen, so lÀsst sich durch nochmaliges Ueberziehen des bereits 
erzeugten, getrockneten Reliefs mit Gelatinchromat und wie- 
derholtes Exponiren an die Sonne u.s.f. das Relief verstÀr- 
ken. Es wÀre zu versuchen, ob sich auf diese Weise nicht 
zuletzt Reliefcopien, namentlich von grösseren Bildern, erzeu- 
gen liessen, die dem Tastsinn genĂŒgend deutlich wĂ€ren, um 
als Unterrichtsmittel bei Blinden angewendet zu werden. 

Ich halte es hier nicht fĂŒr am Platze, auf nĂ€here De- 
tails der Albert’schen und Woodbury’schen Methoden 
einzugehen. Wer sich nĂ€her darĂŒber unterrichten will, dem 
empfehle ich die LectĂŒre des „Photographischen Ar- 
chivs,“ herausgegeben von Dr. Liesegang, namentlich 
der JahrgÀnge 1869 und 1870. Als besonders interessant 
möchte ich nur hier noch die eigenthĂŒmliche Art des Druckes 
nach Woodbury mittheilen. WÀhrend erwÀhntermaassen 
Albert sofort mit seinen Gelatinereliefs, nachdem sie mit 
Druckerfarbe ĂŒberzogen, direct auf Papier druckt, nimmt 
Woodbury erst einen Abdruck des Gelatinebildes durch 
starke Pressung in Letternmetall vor. Die ?/,‘ starke Platte 
des letzteren wird hierauf horizontal gelegt und mit etwas 
Gelatinelösung ĂŒbergossen, die irgend einen beliebigen, am 
besten dem gewöhnlichen Photographierton Àhnlichen Farbstoff 
enthÀlt. Mittels einer Spiegelglastafel presst man nun das 
zur Aufnahme des Bildes bestimmte Papier gegen die Platte, 
wodurch die Gelatinelösung in die feinsten Vertiefungen der- 


46 Ueber die Schnellessigfabrikation und Mycoderma aceti. 


selben eingedrĂŒckt wird. Es ist also ebenfalls ein Relief- 
gelatinebild, welches nach dem Trocknen dem Papier anhaftet, 
und dessen Lichtpartien durch das weisse Papier selbst dar- 
gestellt werden. Hier nehmen also die vertieften Stel- 
len der Druckplatte die Farbe an, wÀhrend dagegen bei den 
anderen photographischen Druckverfahren, so auch bei der 
Alberttypie, die erhabenen Stellen der Matrize die 
Druckfarbe aufnehmen, letztere bedĂŒrfen demnach nicht erst 
eines Umdruckes, wie die nach Woodbury erzeugten Re- 
liefplatten. Des letzteren AbdrĂŒcke sind, als aus Gelatine 
bestehend, in heissem Wasser löslich; um sie unlöslich zu 
machen, kann man die Bilder durch Eintauchen in Tannin- 
lösung fÀrben und gleichsam gerben. 

Auf gleiche Weise ertheilt man auch den Gelatinereliefs, 
bevor sie den weiteren Manipulationen unterworfen werden, 
grössere Festigkeit. | i 


Ueber die  Schnellessigfabrikation und Mycoderma 
aceti. | 


. Von Dr. €, Sommer, Apotheker zu Schwarzenfels. 


Die jĂŒngste Abhandlung unseres grossen Chemikers J. 
v. Liebig: Ueber GĂ€hrung, ĂŒber Quelle der Muskelkraft 
und ErnÀhrung, in den Annalen der Chemie und Pharmacie, 
1870, hat die Mykologen zu verschiedenen Schriften, fĂŒr und 
segen, veranlasst.“”) Die Mykologen haben Pasteur gegen- 
ĂŒber festgestellt: Die Behauptung, einer jeden speciellen 
GĂ€hrungsform liege ein specifischer, besonderer Ferment- 
organismus zu Grunde, sei aufzugeben und gehöre keiner 
der kleinen Organismen, welche hier in Frage kommen, einer 
einzigen GĂ€hrungsform ausschliesslich an. Das Wort Fermente 
oder „Hefen“ sei daher im morphologischen Sinne als ein 
Collectivbegriff erkannt worden. **) 


*) Mykologische Berichte von Herm. Hoffmann, Giesen 1870 u. 1871, 
##) Daselbst 1871 8. 59, 


Ueber die Schnellessigfabrikation und Myceoderma aceti. 47 


Ebenso tritt J. v. Liebig gegen die Behauptung Pas- 
teur’s, die AlkoholgĂ€hrung sei ein physiologischer, die Er- 
nÀhrung der Hefenzelle begleitender Act, in seiner obigen 
Schrift auf; er weisst nach, dass der chemische Vorgang der 
GĂ€hrungserschemungen auf eine chemisch -physikalische Ur- 
sache zurĂŒckzufĂŒhren sei, und lenkt die Aufmerksamkeit auf 
die Wirkung, welche ein Stoff im Zustande einer Molekular- 
bewegung auf eines zweiten, hochzusammengesetzten ausĂŒben 
muss, dessen Theile, durch eine schwache Anziehung zusammen- 
gehalten, in einer gewissen Spannung sich befinden. 

Herm. Hoffmann bemerkt hierzu:*) „Es ist klar, 
dass Liebig ebensowenig, wie Pasteur, die AlkoholgÀhrung 
erklÀrt hat, denn der Vergleich mit der Diastasewirkung ist 
keine ErklÀrung, sondern eine Constatirung einer möglicher 
Weise analogen Thatsache. ErklÀrt sind beide nicht, gewiss 
ist nur, dass die HefegÀhrung an der lebenden Hefe haf- 
tet. Der innere Vorgang, wie ihn Liebig sich denkt, ist 
eine Hypothese, welche vielleicht richtig ist; sie ist durch keine 
bessere ersetzt in ihrer dermaligen Form, aber chemisch erwie- 
sen kann man sie schwerlich nennen. Ausserdem leidet sie 
an dem Fehler allzugrosser Allgemeinheit, denn in letzter 
Instanz beruht alle chemische ThÀtigkeit, namentlich im Orga- 
nismus, auf mitgetheilter Bewegung. “ 

Bei der EssiggÀhrung schreibt Pasteur der Essig- 
mutter (Mycoderma aceti) eine Àhnliche ThÀtigkeit zu, wie - 
der Hefe und sagt: „der Essig ist das Product der Essig- 
mutter.“ Dagegen behauptet Liebig”), dass die Essigbildung 
aus Spiritus nicht bedingt ist durch einen physiologischen 
Prozess, die EssigsÀure ist nicht ein Product von Mycoderma 
aceti, sondern das Product eines Oxydationsprocesses, 

Hierbei stĂŒtzt sich J. v. Liebig besonders auf die Schnell- 
essigfabrik von Herrn Riemerschmied in MĂŒnchen, wel- 
cher einen Buchenholzspan aus der untersten Schicht eines 
Essigbilders, der ununterbrochen seit 25 Jahren nach der- 


#) Mykologischer Bericht. 1871 8, 62. 
##) Ueber GĂ€hrung ete, 8, 56. 


48 Ueber die Schnellessigfabrikation und Mycoderma aceti. 


selben Art und Weise im Betrieb ist, vorlegt und frei von 
Mycoderma aceti fand. Dabei soll nichts anderes, wie ver- 
dĂŒnnter Alkohol und etwas unfertiger Essig von der vorher- 
gehenden Operation zugesetzt werden. 

Wenn die Feststellung der Species mikroscopischer Ge- 
bilde, die Art der ThÀtigkeit derselben in physiologischer Be- 
ziehung etc. Sache der Physiologen und Mykologen ist, so 
dĂŒrfte jene Angabe des Herrn Riemerschmied, sowie die 
Schlussfolgerung des Herrn v. Liebig, dass bei der Schnell- 
essigfabrikation mittels HobelspÀnen die Mitwirkung von 
Mycoderma aceti nicht nöthig sei, doch von einem Sachver- 
stÀndigen bezweifelt werden. 

Nach meiner langjÀhrigen Erfahrung halte ich bei der 
Schnellessigfabrikation die lebende Essigmutter ebenso nöthig, 
wie bei der AlkoholgÀhrung die lebende Hefe. Dass die 
SpÀne in der untern Schicht der Essigbilder ohne Myco- 
derma aceti gefunden werden, kann ich nur bestÀtigen. Das 
beweist aber solange Nichts, bis nachgewiesen und fest- 
gestellt ist, dass sie auch in der obersten Schicht fehlt! 
Zeigt Herr Riemerschmied aus seiner obern und ober- 
sten Lage SpÀhne, die mindestens !/, Jahr in Anwendung 
und im Innern der Bilder sich befinden, ohne Mycoderma 
aceti, so will ich meinen Zweifel fahren lassen. 

Nach meinen Erfahrungen fand ich sie stets in der 
obern Lage; wo die Mycoderma aceti fehlte, bildete sich auch 
kein Essig. Die obere Schicht SpÀne muss bei der grössten 
Aufmerksamkeit und Reinlichkeit- von Zeit zu Zeit erneuert 
werden, indem durch eindringenden Staub etc. die ThÀtigkeit 
der Mycoderma aceti verringert oder ganz aufgehoben wird. 

Wer, wie ich, wiederholt Gelegenheit hatte, neue Schnell- 
essigfabriken einzurichten und schon vorhandene aufzubessern, 
wird wissen, dass bei genauster Beobachtung der Temperatur, 
des SĂ€ure- und Alkoholgehaltes der Mischung u. s. w. 
dennoch nach eirca '/, Jahr die EssigsÀurebildung stockt, um 
schliesslich ganz einzuschlafen. Hat man die Essigfabrik fĂŒr 
Fremde eingerichtet, so kommt man in den Verdacht, mehr 
versprochen zu haben, als man halten kann, wird wohl gar 


Ueber die Schnellessigfabrikation und Myeoderma acetı. 49 


fĂŒr einen Schwindler gehalten. Was ist das? Es werden alle 
auftreibbaren Schriften ĂŒber Schnellessigfabrikation nachge- 
schlagen, alle möglichen Geheimmittel, Zucker, Weinstein, 
Sauerteig u. s. w. zugesetzt. Doch kein Buch giebt Aus- 
kunft darĂŒber. Am besten ist, man wartet nun ab, bis sich 
Mycoderma aceti gebildet hat. Dieses bewirkt man durch 
einen sehr geringen Zusatz von Bier oder Weinmost, das 
heisst, durch Stoffe, welche die Bildung der Mycoderma aceti 
befördern. Hat man Essigmutter auf seinen SpÀnen, dann 
muss die Zumischung so gehalten werden, dass dieselbe nicht 
ĂŒberhand nehmen kann und ‚‚die Quelle stets sich wieder- 
holender Störungen“ 'wird, wie J. v. Liebig 8. 51 seiner 
Sehrift ganz richtig bemerkt. 

Ferner war es mir bis jetzt ganz unmöglich und viele 
andere Fabrikanten, welche ich darĂŒber gesprochen, sind der- 
selben Ansicht, mit reinem verdĂŒnnten Weingeist und unfer- 
tigem Essig der vorhergehenden Operation, Essig zu erzeu- 
gen. Stets fand ich, dass jeder Fabrikant offen oder im 
Geheimen, solche ZusĂ€tze machte, die ihm oft fĂŒr hohe Sum- 
men verrathen wurden und welche er am geeignetsten hielt. 


Wiederholt habe ich mitten in der besten Essigbildung 
alle ZusĂ€tze weggelassen, nur verdĂŒnnten Weingeist und Essig 
von frĂŒher zugesetzt und wie gewöhnlich weitergearbeitet. 
Es ging einige Zeit gut, so lange die Essigmutter noch Bil- 
dungsstoffe vorfand ; waren diese aber erschöpft und die 
Mycoderma aceti ausgelaugt, so wurde der Essig immer schwÀ- 
cher, bis die Bildung desselben ganz aufhörte. Setzte ich 
hierauf etwas Bier oder dergl. hinzu, dann begann allmÀhlig 
wieder ein Steigen des EssigsÀuregehaltes. 


Anderseits muss es jedem Fabrikanten und dem, wel- 
cher sich mit Interesse dem Studium der Essigbildung zuwen- 
det, aufgefallen sein, dass bei der Schnellessigfabrikation nur 
ein Essig (sogenannter Essigsprit) erzeugt werden kann von 
einem Gehalte nicht ĂŒber 9%, wasserfreier EssigsĂ€ure! 

Hat man 4 Essigbilder (gewöhnlich sind es nur 3), wel- 
che zusammen arbeiten, wobei in regelmÀssigen Zwischen- 

Arch. d, Pharın, CXCIX, Bds, 1, Heft. 4 


50 Ueber die Schnellessigfabrikation und Mycoderma aceti. 


rĂ€umen von einem zum andern aufgeschĂŒttet wird, so wird 
man bemerken, dass der 4te Bilder mit dem höchsten Essig- 
sÀuregehalte, wÀrmer gehalten und zeitweilig mit dem Iten 
oder 2ten Bilder gewechselt werden muss. Er besitzt immer 
im Innern die niedrigste Temperatur von allen 4 Bildern, 
weil eben die Oxydation des Weingeists bei ihm am langsam- 
sten erfolgt. In einem Essig von ĂŒber 9%, EssigsĂ€ure fand 
ich keine bildungsfÀhige Mycoderma mehr vor. Stellt man 
gut abgewaschene Mycoderma aceti in einem Gemische von 
reiner 10 proc. EssigsÀure und 2°/, Alkohol bei einer Tempe- 
ratur von 16° C. einige Tage bei Seite, so findet keine Vermeh- 
rung derselben statt. Sie ist auch nach einigen Tagen nicht 
mehr im Stande, gehörig ausgelaugt, in einem normalen 
Gemische von verdĂŒnntem Weingeist und 3 proc. Essig sich 
zu vermehren oder den EssigsÀuregehalt zu erhöhen. 


WÀre die EssigsÀurebildung aus Weingeist nur ein reiner 
Öxydationsprozess, unabhĂ€ngig von Mycoderma aceti, so mĂŒsste 
nothwendig bei vermehrtem Weingeistzusatze in den Essigbil- 
dern der EssigsÀuregehalt steigen. Ein vermehrter Zusatz von 
Weingeist zu einem Essigsprit von 8 bis 9°), EssigsÀure be- 
dingt aber nur einen grössern Gehalt an Weingeist im ablau- 
fenden, fertigen Essig, was natĂŒrlich zu grossen Verlusten 
Veranlassung giebt. | 


Am ĂŒppigsten wuchert die Essigmutter nach dem Zu- 
satze von etwas Bier zu einem schwachen Essig von 2 bis 
3%, EssigsÀure und ebensoviel Weingeist. In den Essigbildern, 
welche einen stÀrkeren Essig produciren, hat man von einer 
Ueberwucherung des Pilzes wenig zu befĂŒrchten. Bei den 
Bildern mit schwachem EssigsÀuregehalte muss man mit der 
Zugabe von Bier vorsichtig sein, damit durch die vermehrte 
Bildung des Pilzes die Lufteirculation im Innern nicht ge- 
hemmt wird. Am leichtesten gelingt es bei der Schnellessig- 
fabrikation, mit 3 Bildern einen Essig mit 6°, wasserfreier 
EsigsÀure zu erzielen. In der That fand ich selten ein Pro- 
duct von höherem Gehalte. Die Schnellessigfabrikation ist 
die rationelle Cultur der Mycoderma aceti. 


Ueber die Schnellessigfabrikation und Myceoderma acetı. 5i 


„Es ist ganz unbezweifelbar, sagt J. v. Liebig,*) dass 
die Essigmutter die Oxydation des Weingeists zu Essig zu ver- 
mitteln vermag, aber diese Wirkung beruht nicht auf einem 
physiologischen Vorgange. Der Weingeist bedarf zu seinem 
Uebergange in EssigsÀure nur Sauerstoff, den ihm die Myco- 
derma aceti aus ihrer Substanz heraus nicht geben kann und nicht 
giebt. Die Analyse der Luft, welche die Essigbilder verlÀsst, be- 
weist, dass der zur Oxydation des Weingeists dienende Sauerstoff 
von der Luft genommen wird, und der einzige Antheil, den die 
Essigmutter an diesem Processe nimmt, kann nur darin bestehen, 
dassdurch sie diese Aufnahme vermittelt wird; sie ist nur durch 
diese chemische Eigenschaft wirksam und kann als lebende 
Pflanze, durch eine ganze Anzahl todter Stoffe undPflanzentheile 
vertreten werden.“ Hier ist die Vertretung der Mycoderma 
aceti durch Platinmohr, HobelspÀne, Birkenreiser, T'rauben- 
trester, Kohle etc. in's Auge gefasst. Von allen diesen 
Stoffen findet bei uns nur die Anwendung von HobelspÀnen 
Beifall. — Holzkohle fand ich ganz unbrauchbar. 

Wie ich schon oben erwÀhnte, hört zum Verdrusse des 
Besitzers bei neu errichteten Essigbildern nach einiger Zeit 
die Essigerzeugung auf und beginnt erst wieder mit der Ent- 
stehung der Essigmutter. 

Wir haben hier offenbar 2 Arten von Essigbildung. 
Zuerst mag allerdings die Bildung vor sich gehen, wie beim 
Platinmohr durch Verdichten oder Ozonisiren des Sauerstoffes, 
Oxydiren des Weingeists zu Aldehyd und Umpandlang des 
letztern in EssigsÀure. 

Nach einiger Zeit ruht aber die Essigbildung beim Pla- 

'tinmohr ebenso gut, wie bei den HobelspÀnen; die Fabrikation 
steht still, gerade wie oben angegeben. 

Ob sich dabei im Platinmohr Àhnliche Zersetzungs- und 
ÖOxydationsproducte bilden, wie bei der Anwendung des 
Platinschwammes zu der Döbereiner’schen ZĂŒndmaschine, wĂŒrde 
noch festzustellen sein. 


Ueber GĂ€hrung ete. 8. 55. u. 56, 
4# 


52 Ueber die Schnellessigfabrikation und Mycoderma aceti. 


Unzweifelhaft ist die ThÀtigkeit des Platinmohrs eine 
mindere, als die der Mycoderma aceti. Nach J. W.Döberei- 
ner’s Angaben”) soll aus 33°, Weingeist ein so starker Essig 
erhalten werden, dass er mit dem 8 bis 10fachen Gewichte Was- 
ser verdĂŒnnt werden muss, um zum gewöhnlichen Gebrauche 
zu dienen. Nehmen wir nur eine StÀrke von 31/,%), Essig- 
sĂ€ure in dem verdĂŒnnten Essig an, so muss das erhaltene 
Product mindestens 28 bis 30%, EssigsÀure enthalten haben. 
In einer so starken SĂ€ure schrumpfen sowohl die Zellen der 
Mycoderma zusammen, als auch die EssigÀlchen (Vibrio aceti) 
zerstört werden. Lebende Organismen sind darin unmöglich. 
— Wie oben gesagt, erzeugt aber Mycoderma aceti nie einen 
Essig von einem höheren SÀuregehalte, wie 9%,. Nachdem 
der in den Poren der HobelspÀne verdichtete und ozonisirte 
Sauerstoff verbraucht ist, tritt zweitens die Mycoderma 
aceti an die Stelle und leitet die Oxydation des Weingeists ein. 
Das durch die SpÀne laufende Essiggut wird durch die von 
unten kommende Luft weiter oxydir. Man findet in der 
obern Lage der SpÀne die höchste Temperatur des Essig- 
bilders, je weiter nach unten, desto niedriger ist dieselbe. 

Bei best geleiteter Bildung von Essig findet man m dem 
Producte stets noch Aldehyd und Weingeist; je weniger von 
beiden noch darin ist, desto höher der EssigsÀuregehalt, um 
so vortheilhafter fĂŒr den Fabrikanten und um so vollkomme- 
ner ist die Darstellungsweise. f 

In den chemischen Werken wird der schönen Entdeckung 
F. W. Döbereiner’s, die Erzeugung von EssigsĂ€ure mit- 
tels Platinmohr, nur ein theoretisches Interesse zugetheilt. 
Doch wĂ€re es eines Preises wĂŒrdig, festzustellen, welche 
Hindernisse der Ausbeutung dieser Entdeckung im Grossen 
entgegen stehen. 

Ende December 1870, nachdem ich in der Pharmaceu- 
tischen Centralhalle Nr. 50 unter der offenen Correspondenz 


*) Lehrbuch der praktischen u, theoretischen Pharmacie v. Dr. F\ 
Döbereiner, 3, Theil, 8. 454, » 


Ueber die Schnellessigfabrikation und Myeoderma aceti. 53 


Dr. Hager’s Ansichten ĂŒber Pasteur’s Entdeckung, er 
nennt sie Phantasien, gelesen hatte, theilte ich demselben 
kurz meine Erfahrungen mit, bat ihn, das Nöthige zu ver- 
öffentlichen und mir Werke anzugeben oder zu ĂŒbermitteln, in 
welchen AusfĂŒhrlicheres ĂŒber die Darstellung der EssigsĂ€ure 
mittels Platinmohr enthalten sei. 


Ich beabsichtigte weitere Versuche darĂŒber anzustellen. 
Hierauf theilte mir Dr. Hager mit, dass er schon vor 25 
Jahren Versuche mit Platinmohr gemacht habe. Das Verfah- 
ren habe nur ein theoretisches Interesse, der Platinmohr wer- 
de bald unthÀtig u. s. w. Vielleicht findet sich Mancher 
durch vorstehende Mittheilung veranlasst, diese Frage wieder 
aufzunehmen, oder gelehrte Körperschaften u. d. gl. stellen 
eine Summe dazu zur VerfĂŒgung. Die Hauptausgabe verur- 
sacht der Platinmohr; dieser findet nach beendigten Versuchen 
immer wieder Verwerthung. 

Inzwischen haben die Pasteur’schen „Phantasien“ doch 
einen reellen Erfolg erzielt, wenn man den französischen 
Berichten Glauben schenken darf. Nach Angabe der deut- 
schen Industrie-Zeitung Nr. 24, 1871, hat Breton-Lau- 
gier in Orleans, indemer das von Pasteur im Jahre 1562*) 
vorgeschlagene Verfahren, Essig aus Wein ohne weitere HĂŒlfs- 
mittel als Mycoderma aceti zu bereiten, im Grossen ausfĂŒhrte, 
den Preis von 1000 Fr. fĂŒr Verbesserung der Essigfabrikation 
von der Pariser Societe d’ Encouragement erhalten, 

Welche Stelle die Mycoderma aceti bei der Schnellessig- 
fabrikation, besonders wenn man durch blosse theoretische 
Speeculation geleitet die praktischen Erfahrungen unberĂŒck- 
sichtigt lÀsst, spielt, will ich noch an folgenden Erlebnissen 
zeigen. 

“ Vor ungefĂ€hr 10 Jahren hatte ich Gelegenheit, in einer 
chemischen Fabrik, nicht weit vom Rhein gelegen, eine An- 
stellung zu finden. In dieser Fabrik wurden ausser ver- 


*) Dingler’s Polytechnisches Journal Bd. CLXV 8. 303. 


54 Ueber die Schnellessigfabrikation und Myecoderma aceti. 


schiedenen pharmaceutisch-chemischen Produeten, auch in 30 
Essigbildern ‘von 12 Fuss Höhe und 4 Fuss Durchmesser 
eine enorme Menge Essig dargestellt. Leider war die Essig- 
fabrikation schon vor meiner Ankunft den HĂ€nden zweier 
trĂ€ger Arbeiter ĂŒberlassen worden. Diese schĂŒtteten das 
meist trĂŒbe Gemisch von Bier oder Wein noch sehr unregel- 
mÀssig auf u. s. w. Es blieb dann auch nicht aus, dass die 
LuftzĂŒge durch die HobelspĂ€ne theils durch mechanische Ver- 
unreinigungen, theils durch MassenanhÀufung von Mycoderma 
aceti verstopft wurden. Der Essig wurde langsam, aber stetig 
schwÀcher. Die Luft in dem Essiglocale wurde so mit Alde- 
hyd gefĂŒllt, dass der eine Arbeiter wiederholt Augenent- 
zĂŒndung bekam; ein sicheres Zeichen einer unvollstĂ€ndigen - 
Oxydation, einer gehemmten Lufteirculation im Innern der 
Essigbilder. Man schritt zum Entleeren und Erneuern der 
Bilder. Die HobelspÀne waren in der oberen Schicht ausser 
mit Schmutz, meist mit ganzen Klumpen Mycoderma aceti 
verunreinigt. Weiter abwÀrts fanden sich KnÀuel von verrot- 
teten, mit weissem Schimmelpelz ĂŒberzogenen SpĂ€nen. Die 
SpÀne selbst waren mehr oder weniger schwarz, zu Pulver 
zerreibbar. In der NÀhe der unteren Luftlöcher fanden sich 
ganze HĂ€nde voll Maden der Essigfliege. 
Inzwischen hatte sich ein Mann in den Zeitungen angebo- 
ten, ein neues Verfahren zu lehren, Schnellessig darzustellen, 
wobei das stĂŒndliche AufschĂŒtten nicht erfordert wĂŒrde u. s. w. 
Die Chefs der Fabrik kauften sein Geheimniss, der Mann 
selbst richtete die Essigfabrik ein. Nach dessen Prineipe 
sollten des Morgens 24 FĂ€sser, welche sich ĂŒber den Essig- 
bildern befanden, mit Essiggut vollgepumpt werden. Mittels 
eines Krahnes und einer sinnreichen Tröpfelvorrichtung sollte 
der Inhalt dieser FĂ€sser innerhalb 24 Stunden ĂŒber die 
HobelspÀne in den Bildern vertheilt werden. Der starke Es- 
sig wurde entfernt und der schwache alsdann wieder in die 
Höhe gepumpt. Bei dieser genialen Einrichtung war nur das 
das MerkwĂŒrdige, nach der Aussage eines meiner Chefs (ein 
berĂŒhmter Mann von sehr bekanntem Namen), dass man nicht 
schon frĂŒher selbst auf diese Idee gekommen war. Nach circa 


Ueber die Schnellessigfabrikation und Mycoderma aceti. 59 


4 Monaten war die Umwandlung der Essigfabrik vollendet; 
ich konnte vor Ungeduld die Zeit kaum erwarten, wann das 
grosse Pumpwerk in Gang gesetzt werden sollte. 

Die Essigbilder wurden wie gewöhnlich angesÀuert, und 
zum Essiggute nichts verwandt, wie verdĂŒnnter Weingeist und 
Essig von frĂŒherer Operation, und als dieser nicht ausreichte, 
destillirter Essig von einer renommirten Schnellessigfabrik 
in WĂŒrtemberg. „Doch grau ist alle Theorie etc.“ Es ging 
nicht. Zuerst platzte ĂŒberall die’ 2 Zoll weite, mit '/, Zoll 
dicker Wand versehene Zinnröhre; sie konnte dem Drucke 
der 19 Fuss hohen EssiggutsÀule, selbst dann nicht wider- 
stehen, nachdem sie in eine Fichtenholzröhre eingeklemmt 
war. Es wurde nun zu einer Holzpumpe gegriffen, doch auch 
diese erwies sich unbrauchbar; sie wurde fortwÀhrend undicht. 
Man musste das Essiggut wieder durch mehre MĂ€nner in 
die Höhe tragen lassen. Die Vertheilung auf den Hobel- 
spÀnen erfolgte nun ganz herrlich; es gab aber keinen Essig! 

Zu derselben Zeit wurde Pasteur’s Cultur der Myco- 
derma aceti bekannt; ich schlug nach einigen Wochen vor, 
die Salzlösungen der Phosphate etc. zusetzen, um Myco- 
derma auf die SpÀne zu bekommen. Dieses geschah in dem 
von Pasteur angegebenen VerhÀltnisse. Nach 5 bis 6 
Tagen, (es war Anfangs Mai) hatte sich eine solche Menge 
- Mycoderma aceti gebildet, dass sie die ganze Tröpfelvorrich- 
tung verstopfte und an jedem Morgen 3 bis 4 Zoll lange 
FĂ€den derselben an den Oeffnungen der Krahne hingen. 
Man musste den ganzen Tag dazu verwenden, die Oeffnungen 
wieder aufzurÀumen. Obwohl der SÀuregehalt im Grunde des 
Essigbilders um einige Proc. zugenommen hatte, so wurde doch 
nach kurzer Zeit die ganze Vorrichtung’, welche ĂŒber 1000 
Thaler gekostet hatte, bei Seite geworfen und zur alten 
bewĂ€hrten Methode zurĂŒck gegriffen. WĂŒrde man ohne Myco- 
derma arbeiten können, so wĂŒrde "die besprochene Methode 
mancherlei VorzĂŒge vor der frĂŒheren haben. Aber selbst 
nach einem sehr geringen Zusatze der Phosphate etc. 
wurden dennoch alle. Tröpfelvorrichtungen durch Mycoderma 
aceti verstopft, 


56 Gewinnung metallischen Antimons. 


Ein Àhnliches Loos traf ein um eine senkrechte Axe 
bewegliches Kreuz, dessen Arme hohl und mit einer Tröpfel- 
vorrichtung versehen waren, das der Besitzer in Höchst an 
der Weser fĂŒr 10 Thaler aus Braunschweig geholt 
hatte! 


Dasselbe Resultat lĂ€sst sich bei dem W,Steger’s Essig- 
Generator nach Dr. W. Reinemann in BerlinÂź) erwarten. 
Es werden gar bald die vielen kleinen Oeffnungen ihren 
Dienst versagen. 

Meine Versuche ĂŒber Mycoderma aceti werde ich fort- 
setzen, ebenso ĂŒber Vibrio aceti, und werde ich spĂ€ter auf die 
Verwerthung der mit Aldehyd und EssigsÀure beladenen Luft 
zurĂŒckkommen. 


Gewinnung metallischen Antimons. 


Nach R. F. Smith, Glasgow, werden die feingepulver- 
ten Antimonerze in heisse SalzsÀure (in hölzernen Trögen) 
eingetragen, die Chlorantimonlösung wird abgezogen und in 
dieselbe Zink oder Eisen eingefĂŒhrt. Man wĂ€scht und 
trocknet den Niederschlag und schmilzt ihn in Tiegeln unter 
einer Kohlenstaubdecke zusammen. (Specif. v. Patenten 
f. Grossbrittannien u. Irland; d. 26. 2. 71; Ber. d. deutsch. 
chem. Gesellsch. Berlin 13. Nov. 1871, 8. 855.). 

HN 


*) Industrie-BlÀtter Nr. 11, 1869, 


III. Zoologie und Zoopharmacognosie. 


Ueber Castoreum bavaricum. 
Von Adelbert Geheeb, Apotheker in Geisa. 


Bairisches Bibergeil scheint zu den seltensten Dro- 
guen zu gehören und dĂŒrfte wohl nur in einigen sĂŒddeutschen 
HandlungshÀusern noch anzutreffen sein. So finde ich es in 
der Preisliste von G. B. Apel in SchweinfĂŒrt a/Main, 
30 Grm. mit fl. 72 (= 41 Thlr. 4 Sgr. 3 Pf.) berechnet und 
bei Grundherr & Hertel in NĂŒrnberg mit fl. 75 
(= 42 Thlr. 25 Sgr. 8 Pf.) pro 30 Grm., — also fast noch 
einmal so theuer, als die sibirische Waare! — Ich habe nun 
aus beiden Droguenhandlungen ein Pröbchen dieser RaritÀt 
kommen lassen und gleichzeitig, da in der mir zugÀnglichen 
Literatur ĂŒber diesen Gegenstand nicht das Geringste zu 
finden ist, um darauf bezĂŒgliche Notizen gebeten, welchem 
Wunsche auch bereitwilligst entsprochen wurde. — Es schreibt 
mir Herr G. KĂ€stner, Inhaber der Firma „G. B. Apel“ 
in Schweinfurt, Folgendes: 

„Vor eirca 30 Jahren war bairisches Bibergeil keine 
Seltenheit. Die Biber waren zunÀchst an der Isar, Salzach, 
dem Inn, der Donau und Iller zu Hause, so dass unser alter 
Herr Apel in den 30ger Jahren hÀufig mehre Pfunde Casto- 
reum auf einmal erhielt, von gewissen UnterhÀndlern, welche 
solches meistens von JĂ€gern, auch Wilddieben etc. an- und 
zusammengekauft hatten. — 


Seit 15-—-20 Jahren aber ist der Biber so grĂŒndlich aus- 
gerottet, dass sich an der Isar nur höchst selten noch ein 


58 Ueber Castoreum bavarıcum. 


Exemplar vorfindet, so dass auch das Jagd- und Forst- 
personal beauftragt ist, keine Biber zu schiessen, was aber 
leider ziemlich zweck- und erfolglos ist, da es JagdpÀchter 
und Wilderer noch genug giebt, welche dem Biber nach- 
stellen. — 

Aus diesem Grunde wurde auch in der bairischen Phar- 
macopöe das Castoreum bavaricum gestrichen, mit der aus- 
drĂŒcklichen Bemerkung, „,bei der Seltenheit und dem hohen 
Preise des moskowitischen und des bairischen Bibergeils dĂŒrfe 
auch das canadische verwendet werden. — Die Beutel des- 
selben sollen nicht unter 3 Zoll LĂ€nge und 1%/, Zoll Breite 
haben; der Inhalt derselben muss dicht, von harzartigem 
Ansehen, durchdringendem Geruche und unangenehm bitte- 
ren und scharfen Geschmacke sein““ etc. — 

Aeltere Aerzte ordiniren aber nichtsdestoweniger bairi- 
sches und moskowitisches Bibergeil, so dass in grösseren 
Apotheken und besonders in den grossen StÀdten fast bei 
jedem Apotheker mehr oder weniger Castoreum bavaricum 
noch anzutreffen ist. Zu kaufen ist es aber fast gar nicht 
mehr; denn wenn auch mancher Apotheker noch einige Un- 
zen davon besitzt, so giebt er solches der Seltenheit wegen 
um keinen Preis ab. — 

Ich habe z. B. seit 1863 mich vergeblich bemĂŒht, wie-. 
der etwas davon zu erhaschen; der letzte Kauf war 1863 
von einem Ihrer Herren Üollegen in MĂŒnchen, die Waare 
ziemlich frisch und weich, nemlich nur oberflÀchlich getrock- 
net, und kostete fl. 60 die Unze. — 

Das Ihnen kĂŒrzlich zugetheilte erhielt ich hier von Herrn 
Stadtapotheker Schuler aus GefÀlligkeit, da ich zur Zeit ° 
gar Nichts davon besitze.“ — 

Von den Herren Grundherr & Hertel in NĂŒrn- 
berg, wird mir Folgendes mitgetheilt: „Bairisches Castoreum 
ist sehr selten geworden und wir haben schon einige Jahre 
lang nicht mehr gehört, dass in der Isar oder Salzach ein 
Biber erlegt worden wĂ€re, was in frĂŒheren Jahren sehr hĂ€ufig 
vorkam. Da diese Thiere dem Uferbau viel schadeten, so 
wurden sie ziemlich ausgerotte, In Nymphenburg bei 


Ueber Castoreum bavarieum. 59 


MĂŒnchen lebt noch ein Prachtexemplar, das zu sehen der 
MĂŒhe werth ist. — Wir besitzen noch einen Doppelbeutel 
von eirca fĂŒnf Unzen, den wir, wenn Sie wĂŒnschen, Ihnen 
gerne zur Ansicht senden und Ihnen auch solchen kÀuflich 
ĂŒberlassen. Derselbe stammt von einem Biber, der bei Mos- 
burg in der Isar erlegt wurde, und uns dazumal aus erster 
Hand verkauft wurde, daher wir auch fĂŒr dessen Aechtheit 
einstehen können. — 

Vor mehren Jahren haben wir in bairischem Castoreum 
ein hĂŒbsches GeschĂ€ft gemacht, da wir feste Kundschaft am 
Rhein und in Holland dafĂŒr hatten, und durch unsere Ver- 
bindungen in Niederbaiern und dem Salzkammergut uns so 
ziemlich das Meiste zukam, was erworben wurde. — Von 
halben Beuteln haben wir auch noch einiges. — Leider ist 
dieses Castoreum durch sein Alter sehr ausgetrocknet, die 
Merkmale, die es von anderen Sorten unterscheiden, sind 
daher nicht mehr leicht zu erkennen. — Doch der Geruch, 
besonders wenn das Castoreum gerieben wird, giebt dem 
Kenner sofort die Zusicherung der Aechtheit. — Sie erhalten 
38 mit dem Defeete und werden Sie sich vom Gesagten 
ĂŒberzeugen.“ — 

Die beiden mir vorliegenden Proben zeigen jedoch Àusser- 
lich sowohl wie in ihrem chemischen Verhalten einige Ver- 
schiedenheit .von einander; wir wollen, der KĂŒrze halber, die 
NĂŒrnberger Probe mit N, die Schweinfurter mit S bezeichnen. 
Beide Proben sind von eigenthĂŒmlichem, jedoch milden Ge- 
schmack, und einem Geruch, der mehr an ER: als an 
istische Waare erinnert. — 

Probe N gelbbraun, schwach glÀnzend, Probe S dunkler, 
fast röthlichbraun, von etwas stÀrkerem Glanze. Leicht zer- 
reiblich, geben N und $ ein hell zimmtbraunes Pulver, wel- 
ches bei N fast noch ein Minimum heller erscheint. — 

Die beiden Proben stellen eine von hÀutigem Gewebe 
durchzogene Masse dar. — Der weingeistige Auszug von 
N ist hellröthlichgelb, von S ein Wenig dunkler; im. Verhal- 
ten gegen Ammoniak aber sind beide Proben wesentlich von 
einander verschieden. Zur Vergleichung wollen wir hier das 


60 Ueber Castoreum bavaricum. 


Verhalten des sibirischen oder moskowitischen (M) und des 
canadischen (K) Bibergeils bei genanntem Reagens wiederho- 
len, wie des m Marquart-Ludwig’s Pharmacie, 
3. Bd. pag. 859 und 860, beschrieben ist. 

„Der weingeistige Auszug von M. ist hellröthlichgelb bis 
hellbraun und giebt, in Wasser getröpfelt, eine milchige TrĂŒ- 
bung, die auf Ammoniakzusatz sich grösstentheils wieder 
aufhellt; die dunkelrothbraune Tinctur von K giebt dabei 
gelbliche Flocken, die durch Ammoniak unter dunkel- 
brauner FĂ€rbung der FlĂŒssigkeit sich nicht völ- 
lig wieder lösen.“ — 

Es zeigten nun die weingeistigen AuszĂŒge (Castor. 0,3, 
Alkohol 2,5) der beiden Proben des bairischen Castoreum 
(N und S) folgende Erscheinungen: Die Tinetur von S ertheilte 
dem Wasser eine milchige TrĂŒbung, welche durch Ammoniak 
zum grössten Theile verschwand, — die FlĂŒssigkeit blieb 
schwach opalisirend, — ohne dass aber ihre Farbe 
dunkler wurde! Probe N dagegen erzeugte eine milchige 
TrĂŒbung, welche durch Ammoniak sich vollstĂ€ndig wie- 
der aufhellte! — 

Was einen etwaigen Gehalt an kohlensaurem Kalk 
anbetrifft, so scheint derselbe dem bairischen Bibergeil zu 
fehlen; weder die eine noch die andere Probe zeigte, beim 
Uebergiessen mit SalzsĂ€ure, ein Aufbrausen. — 

Es haben diese Untersuchungen also ergeben, dass die 
eine Probe des Castoreum bavaricum dem sibirischen fast 
gleich kommt, wÀhrend die andere sowohl Eigenschaften mit 
dem canadischen als auch mit dem sibirischen heilt; dass es 
aber auch scheint, die im Handel noch vorkommenden Proben 
von bairischem Bibergeil seien nicht constant! — 

Im Allgemeinen dĂŒrfte das bairische Castoreum, ver- 
glichen mit den zwei gewöhnlichen Sorten des Handels, 
zwischen beiden die Mitte halten. — 


Geisa, im November 1871. 


61 


B. Monatsbericht. 


N Physik’und'Chermme: 


Ueber die AbkĂŒrzungen zur Bezeichnung der neuen 
Maasse und Gewichte nach französischem System.*) 


Bei EinfĂŒhrung des neuen Maass- und Gewichtssystemes 
erscheint es sehr wĂŒnschenswerth, dass die gleichen AbkĂŒr- 
zungen zur Bezeichnung der verschiedenen Grössen möglichst 
allgemein angenommen werden. AuffÀlliger Weise ist bei 
dem langen Bestehen dieses Decimalsystemes in Frankreich 
keine AbkĂŒrzungsform der zu bezeichnenden Grössen allge- 
mein gebrÀuchlich geworden. Es ist sehr zu bedauern, dass 
die kaiserlich deutsche Aichungscommission in dieser Hinsicht 
keine allgemein genĂŒgende Form der AbkĂŒrzungen in ihren 
bisherigen Erlassen verlautbart hat. Die Annahme der fol- 
genden VorschlĂ€ge wĂŒrde den Vortheil gewĂ€hren, durch einen 
sehr einfachen Ausdruck sich darstellen zu lassen und zugleich 
die einfachste Form fĂŒr den Buchdruck zu bieten. Weitere 
Motivirung der VorschlÀge folgt unten. 

1. Man bezeichne Meter, Gramm, Liter mit dem kleinen 
Anfangsbuchstaben dieser Worte und setze, um die Multipla 
zu bezeichnen, den grossen Anfangsbuchstaben der aus dem 
Griechischen abgeleiteten Zahlwörter davor. Myriameter = 
Mm, Kilogramm = Kg, Hektoliter = Hl. Die Unterabthei- 
lungen werden nach den aus dem Lateinischen abgeleiteten 
Zahlwörtern benannt. Man setze vor m, 8 oder I den klei- 


nen Anfangsbuchstaben dieser Wörter. Üentimeter = cm, 
Milligramm = mg, Deciliter = dl. Cubik bezeichne man 
durch eb, Quadrat durch g. Cubikcentimeter = cbem, 


(Quadratkilometer = qKm. 


*), Von Hrn. Fr. Vieweg und Sohn als Separatabdruck einge- 
sandt, H,.LZ, 


62 Ueb. d. AbkĂŒrzungen z. Bezeichnung d. neuen Maasse u, Gewichte ete. 


2. Um die Stelle der Einheiten von den DecimalbrĂŒchen 
zu trennen, setze man einen Punkt in halbe Höhe zwischen 
die Zahlen. 


Hiernach wĂŒrde man also schreiben: 


Myxiameter., 2 020.07: % Nm 
Kilometer. 1. Zungen 0, == Km 
Hektometer RUE ah Hm 
Dekameters er mm 
Meier: 2.2 a0 a Wer 3 Em! 

Decımeterze N 02 zer cm 
Bentimeterz m. Sean em 
Millimeter 2 rer Emm 


Quadratkilometer. .. . =qKm 


Quadratmeter." 4. ='am 
Quadratcentimeterr . . . = gem 
Quadratmillimeterr .. . =qmm 
Cubikmyriameter. . . . = cbMm 
Bukilckilomeier, 772.» 2 — ebkm 
Qubikmeter, 22,277 —chm 
Cubikeentimeter . . . . = cbem 
Gubikmillimeter 2.2... =——.chmm 


Kilastamm ur Ren 


Hekiocramm . 22. .00.0- He 
Dekagramm , ,.. . 2. v —Ds 
Gramm, tue? I sale 
Decigramm —= le 
Centisramm . . ..... ...2..==6g 
Milligramm — mE, 
Kılolter, 0. „au sn ae 
Bektoller 0, 000.002, 
Dekahlter; =, 0... =D 
Tier. 2. ER 
Desilter nee eve Se dl! 
Ocnhlten ers 


Milihitemsep ie. nl 


Ueb. d. AbkĂŒrzungen z, Bezeichnung d. neuen Maasse u. Gewichte ete. 63 
Beispiele. 


Drei und BR Erlen ne) 


Myriameter. . . 5 =—=.8:75. Mm 
Siebenunddreissig einhalb- Kilometer — 375 Km 
SiebenunddreissigtausendfĂŒnfhundert 

Meter — 37500 m 
ZweihundertfĂŒnf: andfĂŒnfzigtausendstel 

Meter  . , 02a 
FĂŒnfundzwanzig einhalb Centimeter wann 
ZweihundertfĂŒnfundfĂŒnfzig Millimeter. = 255 mm 
Sechs und dreihundertdreiunddreissig- 

tausendstel Kilogramm . . — 6333 Kg. 
Sechstausenddreihundertdreiunddr eisig 

Beamın. . ‘, — bad 
ZweihundertfĂŒnfundfĂŒnfzigtausendstel 

Gramm . . — En e 
ZweihundertfĂŒnfundfĂŒnfzig "Milligramm — 255 mg 
VierundfĂŒnfzig Hectolter. .. . . =54Hl 
FĂŒnftausendvierhundert Liter . . . =54001 
Sechseinenhalben Meter breit und neun 

Meter lang =65x9. . —= 58°5 qm 


Sechseinenhalben Meter breit, neun Me-. 
ter lang, vier Meter hoch — =65 
ae AN. vr. . — 234 cbm 
Zwei Millionen dreimalhundertfĂŒnfund- 
vierzigtausend, sechshundertacht- 
undsiebenzig- und neunhundert- 
siebenundachtzigtausend, sechs- 
hundertvierundfĂŒnfzigmilliontel . == 2 345 678'987 654 
Achtundneunzighundertstel . . . . = 0'98 


Motive. 


Der Vorschlag, die kleinen Buchstaben m, g, l, zur 
Bezeichnung von Meter, Gramm und Liter zu benutzen, ist 
der Anwendung der grossen Buchstaben desshalb vorzuzie- 
hen, weil soviele grosse Buchstaben im Texte denselben fĂŒr 
das Auge sehr lÀstig und unruhig erscheinen lassen und den 
Leser nutzlos ermĂŒden. Ein grosser Buchstabe in der Mitte 
von kleinen sieht ĂŒberdies nicht gut aus, und muss mög- 
lichst vermieden werden. Man hat auch schon lÀngst Milli- 
meter in der Regel mit mm bezeichnet. 

Bisher bezeichnet man Gramm gewöhnlich mit grm, 
Drei Buchstaben zu verwenden, ist ganz nutzlos, Man war 


64 Ueb. d. AbkĂŒrzungen z. Bezeichnung d. neuen Maasse u. Gewichte etc. 


dazu veranlasst, weil Gran, der kleinste Theil des frĂŒheren 
Medicinalgewichtes, als gr abgekĂŒrzt zu werden pflegte. 
Diese jetzt veraltete Gewichtsgrösse behĂ€lt diese AbkĂŒrzung 
und verursacht keine Verwechselung mit Gramm — g. 

Zur Bezeichnung von Oubik mĂŒssen zwei Buchstaben cb 
benutzt werden, um die Verwechselung mit ce = Üenti zu 
vermeiden. Viele hatten die Gewohnheit, Cubik durch ceub 
zu bezeichnen. Der dritte Buchstabe ist ĂŒberflĂŒssig. 


Es ist wahr, dass Oubikcentimeter eine hÀufig vorkom- 
mende Grösse ist und es lÀsst sich nicht leugnen, dass die Ab- 
kĂŒrzung cc sehr kurz und bequemer als cbem ist. Aber es ist 
eben eine rein conventionelle AbkĂŒrzung, die man bloss im 
GedÀchtniss behalten muss, die in keine systematische Ab- 
kĂŒrzungsweise passt. Endlich schlagen wir vor, den Punkt 
in halber Höhe des Buchstabens als Trennung der Decimal- 
brĂŒche von den ganzen Zahlen wie in England und meist 
auch in Oesterreich gebrÀuchlich anzuwenden und je drei 
Zahlenstellen von den vorhergehenden durch einen etwas 
grösseren Zwischenraum der Uebersichtlichkeit halber zu 
trennen. 

Man mag die Trennung von je drei Zahlenstellen durch 
ein Comma fĂŒr fehlerhaft und unstatthaft halten; diese Schreib- 
art ist im tÀglichen Leben ganz allgemein, sogar in wissen- 
schaftlichen Werken gar nicht selten. Es wird auch nicht 
leicht gelingen, diese Gewöhnung gÀnzlich zu beseitigen. Sie 
iördert die Uebersichtlichkeit grosser Zahlen. Beim Druck 
ist dies ebenso gut und leicht durch Auseinanderschieben der 
Zahlen an den betreffenden Stellen zu erreichen, beim Schrei- 
ben verlangt es grosse Sorgfalt. 

Wenn dann aber die DecimalbrĂŒche ebenfalls durch ein 
Comma von den ganzen Zahlen getrennt werden, so entsteht 
Unsicherheit und Verwirrung. Es liegen viele BĂŒcher vor, 
wo nach dem Schema 2,345 gedruckte Zahlen bald Zweitau- 
senddreihundertfĂŒnfundvierzig bald Zwei und dreihundertfĂŒnf- 
undvierzigtausendstel bezeichnen. Namentlich in Abhandlun- 
gen ĂŒber Wasserleitungen, Kanalisation u. s. w. wird diese 
Confusion hÀufig gefunden. 

Der Punkt in halber Höhe der Ziffer 2:3 ist ein sonst 
nicht gebrauchtes Zeichen. Es braucht keine neue Type 
gegossen zu werden. Das gewöhnliche Punktzeichen darf 
nur umgekehrt in den Satz gestellt werden. 

In Frankreich wendet man sehr viel den Punkt auf der 
Linie zur Trennung der DeeimalbrĂŒche von den ganzen Zahlen an, 


or 


Ein natĂŒrlicher Glaubersalzfelsen. 6 


Es ist dies nicht zu empfehlen, weil, so gestellt, der Punkt 
als Multiplicationszeichen hÀufig benutzt wird. 

Es ist auch nicht zu empfehlen, die Grössenbezeichnung den 
Zahlen oben als Exponenten anzufĂŒgen, z. B. 6 Millimeter — 
6””, ebensowenig wie die ganzen Zahlen aus einer grösseren 
Schrift als die Decimalen, z. B. 6,°#5, 

Die Anwendung einer anderen Schriftgattung vertheuert 
nicht nur den Satz, sondern giebt, wenn sie eingebaut wird, 
bei Correctur und Druck, durch Umfallen, Herausziehen u. s. w. 
zu Fehlern Veranlassung, die sehr schwer vermieden werden, 
weil sie oft sogar wÀhrend des Druckes erst entstehen, wÀh- 
rend der Satz anfangs richtig war. 

Die EinfĂŒhrung der vorgeschlagenen Schreibart in den 
Schulen wĂŒrde die Anwendung bald sehr allgemein ver- 
breiten. 

Wer gewohnt ist, das Comma zur Abtrennung der Deci- 
malbrĂŒche zu schreiben, wer Meter mit einem grossen M stets 
geschrieben hat, braucht sich des Druckers halber keine an- 
dere Schreibart anzugewöhnen. Es reicht aus, dass er dem 
Manuseript eine Anweisung beifĂŒgt, wie er gedruckt zu haben 
wĂŒnscht und dazu kann dieser Vorschlag als Schema benutzt 
werden. \i 

Friedrich Vieweg und Sohn. 


Einen natĂŒrlichen Glaubersalzfelsen 


hat Nöschel im Kaukasıs entdeckt. Diese eigenthĂŒmliche 
Ablagerung befindet sich auf der rechten Seite der Jora, 
etwa 3—4 Werst vom steilen, hohen Flussufer entfernt, nahe 
der Soldaten- Ansiedelung Muchrevan, 20—25 Werst von 
Tiflis und 10 Werst von der deutschen Colonie Marienfeld. 
Der Ort des Lagers selbst bildet eine etwa Y, Quadratwerst 
grosse und an 60 Fuss tiefe vegetationslose, muldenförmige, 
‚von wellenförmigen HĂŒgeln umschlossene Vertiefung, an deren 
Westseite nur das sich andrÀngende meteorische Wasser 
einen Abfluss nehmen kann. Ein Bohrversuch ergab: Mer- 
gel 1 Fuss, grauen, feuchten Thon 2,5 Fuss, dunkelgraue, bitu- 
minöse, salzige Thonmasse 0,7 Fuss, reines Glaubersalz ange- 
bohrt bis auf 5 Fuss, Wahrscheinlich aber ist die MĂ€chtig- 
keit dieses merkwĂŒrdigen Salzstockes noch viel grösser; 
Bohrversuche an 3 anderen Stellen in 60—80 Faden Ent- 
Arch. d, Pharm, CXCIX. Bds, 1, Hft, 5 


66 Chlorsaures Baryt. 


fernung gaben dasselbe Resultat und berechnet Nöschel die 
Grösse des ganzen Felsens auf mindestens 15,5 Mill. 
Kubikfuss. 

In der Umgegend von Tiflis giebt es mehre noch 
grössere, jedoch mit Wasser angefĂŒllte Glaubersalzseen, von 
denen bis jetzt die Apotheker sich dasjenige Glaubersalz holen 
liessen, dass am Rande des Wassers auskrystallisirt war. 
Seit einigen Jahren wurde die Ausbeute aber immer geringer. 
Um ĂŒber die pharmaceutische und technische Verwendung des 
von ihm entdeckten Glaubersalzfelsens genauere Untersuchun- 
sen anzustellen, entblösste Nöschel mit vier Fuss Boden- 
abhebung den Salzstock, der sich hart und fest wie Steinsalz 
erwies. Mit entsprechenden Mitteln wurden dann nach 
und nach mĂŒhsam zwei Wagenladungen voll Glaubersalz 
losgebrochen. Die Stöcke aus der NÀhe des Ufers sind selbst 
in der Dicke von 3 Zoll rein und durchsichtig wie Glas, mehr 
nach der Mitte des Sees zu aber etwas trĂŒbe und von grauer 
- Farbe durch kleme Erde- und Thontheilchen. Nach chemi- 
scher Untersuchung m Tiflis ist es frei von jeder anderen 
Salzbeimischung und enthĂ€lt nur 8—10 Proz. mechanisch 
beigemengter Verunreinigungen. (Gaea.) Abg. 


Chlorsaurer Baryt 


wird nach Widemann folgendermaassen bereitet: Man erhitzt 
im Wasserbade eine halbe Stunde lang eine Mischung von 
1 Aeg. krystallisirter schwefelsaurer Thonerde, 1 Aeq. Schwe- 
felsÀure und 2 Aeg. chlorsauren Kalis nebst Wasser soviel, 
dass die Masse einen dĂŒnnen Teig darstell. Beim Erkalten 
krystallisirt Kalialaun aus, ChlorsÀure bleibt gelöst. Man 
fĂŒgt das drei- bis vierfache Volum Alkohol hinzu, filtrirt und 
neutralisirt das Filtrat mit Barytwasser. Es scheidet sich 
schwefelsaurer Baryt und auch noch etwas Alaun ab. Abermals 
wird filtrirt, der Alkohol grösstentheils entfernt und der 
RĂŒckstand nach nochmaligem Filtriren zur Krystallisation 
gebracht. (Americ. Jowrn. of Pharmacy. Aug. 1871. p. 344.). 
W». 


Ueber Bromwasser als Reagens auf Phenol u. verwandte Körper. 67 


Ueber Bromwasser als Reagens auf Phenol und ver- 
y - wandte Körper. 


Bei der Untersuchung emes Brunnenwassers, welches 
durch Ammoniakwasser einer nahgelegenen Gasfabrik verun- 
reinigt sein konnte, kam H. Landolt in den Fall, auf sehr 
kleine Mengen von Phenol prĂŒfen zu mĂŒssen. Die blauvio- 
lette FĂ€rbung mit Kisenchlorid ist wenig empfindlich und 
auch nicht zuverlÀssig, da sie durch die Gegenwart geringer 
QuantitÀten freier SÀure, sowie mehrer Salze, wie schwefel- 
saures Kali, — Natron u. s. w. verhindert wird. Noch weni- 
ger bietet die lichtenspanreaktion ein sicheres Kennzeichen, 
und endlich hat auch der Geruch des Phenols von einer ge- 
wissen VerdĂŒnnung an seine Grenze. 


Ein den Anforderungen vollstÀndig entsprechendes Rea- 
gens fand Landolt in dem Bromwasser, welches, im Ueber- 
schuss zu einer verdĂŒnnten wĂ€ssrigen Phenollösung zugefĂŒgt, 
sogleich einen gelblich- weissen, flockigen Niederschlag von 
Tribromphenol erzeugt. Bei ungenĂŒgendem Zusatz von Brom- 
wasser verschwindet anfangs die FĂ€llung. Wegen der Schwer- 
löslichkeit des Tribromphenols ist die Keaction sehr empfind- 
lich. Versuche mit titrirten Lösungen von reinem, krystalli- 
sirten Phenol haben ergeben, dass, wenn im Liter 0,0229 Grm. 
oder 1 Thl. Phenol auf 43700 Thle. Wasser enthalten ist, 
mit Bromwasser noch immer eine sehr deutliche TrĂŒbung 
entsteht. Die Ă€usserste Grenze fĂŒr die Kisenchloridreaktion 
liegt bei einem Gehalt von 0,476 Grm. Phenol im Liter oder 
1 Thl. auf 2100 Thl. Wasser. Man sieht aber bei dieser 
VerdĂŒnnung die blauviolette Iarbe nur bei Betrachtung dicker 
Schichten. 


Empfindlicher ist der Geruch des Phenols. Derselbe 
konnte eben noch wahrgenommen werden, wenn im Liter 
FlĂŒssigkeit 0,357 Grm. oder 1 Thl. auf 2800 Thl. Wasser 
vorkommen. Bei der doppelten VerdĂŒnnung war aller Ge- 
ruch verschwunden, dagegen gab Bromwasser noch eine sehr 
starke FĂ€llung. 


Das sicherste Mittel, um zu erkennen, ob ein durch 
Bromwasser erhaltener Niederschlag von Phenol herrĂŒhrt, 
besteht darin, dass man denselben nach dem Abfiltriren und 
Auswaschen in einem Beagenzrohr mit etwas Natriumamal- 
gam und Wasser schwach erwĂ€rmt und schĂŒttelt. Wird dann 
die FlĂŒssigkeit in ein SchĂ€lchen abgegossen und mit verdĂŒnn- 
ter SchwefelsÀure versetzt, so tritt der charakteristische Ge- 


5* 


68 Ueber Bromwasser als Reagens auf Phenol u. verwandte Körper. 


ruch des freien Phenols auf, und zugleich scheidet sich das- 
selbe in öligen Tröpfchen ab. N 

Sind höchst geringe Spuren von Phenol nachzuweisen, 
z. B. in einem Brunnenwasser, welches auf eine schwache 
Beimengung von Gaswasser zu prĂŒfen ist, so wird eine 
grössere Menge FlĂŒssigkeit nach dem AnsĂ€uren mit verdĂŒnn- 
ter SchwefelsÀure der Destillation unterworfen und die zuerst 
ĂŒbergehende Portion mit Bromwasser versetzt. Zur Probe 
wurden zu 20 Liter 50 C.0. Gaswasser gefĂŒgst, die FlĂŒssig- 
keit in einer Zinnretorte auf 100° erwÀrmt und dann ein 
langsamer Strom von Dampf eingeleitet. In den ersten Por- 
tionen des Detillats gab Bromwasser einen starken Niederschlag. 


Die Reaction lÀsst sich weiter benutzen, um im Harne 
Phenol nachzuweisen. Versetzt man Menschenharn mit ĂŒber- 
schĂŒssigem Bromwasser, so entsteht gewöhnlich sofort eine 
TrĂŒbung, und nach mehrstĂŒndigem Stehen sammelt sich am 
Boden des GefÀsses ein brÀunlicher, flockiger Niederschlag. 
Wird derselbe auf einem kleinen Filter gesammelt, ausge- 
waschen und der Behandlung mit Natriumamalgam unterwor- 
fen, so tritt der Geruch nach Phenol auf das Unzweifelhafteste 
auf. 500 C.C. Harn genĂŒgen, um eine hinreichende Menge 
Niederschlag zu erhalten. 


Das Bromwasser giebt endlich noch mit einer Anzahl 
anderer Körper FÀllungen, die aber durch Behandlung mit 
Natriumamalgam sich sÀmmtlich sehr leicht von Phenol unter- 
scheiden lassen. So wird namentlich Anilin auch aus ganz 
verdĂŒnnten FlĂŒssigkeiten in Form eines fleischrothen Nieder- 
schlags von Tribromanilin gefĂ€llt. Die Grenze der VerdĂŒn- 
nung, bei welcher noch eine TrĂŒbung durch Bromwasser 
bemerkbar ist, liegt bei einem Gehalt von 0,0145 Grm. Ani- 
lin im Liter oder 1 Thl. Anilin auf 69,000 Thl. Wasser. Die 
bekannte Reaction ‚mit Chlorkalklösung ist viel weniger 
empfindlich, die FÀrbung lÀsst sich kaum mehr beobachten, 
-wenn im Liter 0,0386 Grm. oder 1 Thl. Anilin auf 25900 Thl. 
Wasser vorhanden sind. Der Niederschlag ist in SalzsÀure 
löslich, in verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure sowie in Natronlauge 
dagegen nicht. Beim Stehen, rascher beim ErwÀrmen, fÀrbt 
es sich nach und nach dunkelroth. 


In einer wÀssrigen Toluidinlösung entsteht durch Brom- 
wasser ein anfangs gelblicher, spÀter röthlichwerdender Nie- 
derschlag, der in SalzsĂ€ure sich löst, in verdĂŒnnter Schwefel- 
sÀure und Natronlauge dagegen unlöslich ist. Diese Reaction 
ist jedoch ‘viel weniger empfindlich, als diejenige auf Anilin, — 


* 
Die Molecular - Rotation als Mittel zur Bestimmung d. Alkaloide ete. 69 


Man erhÀlt ferner bei einer Anzahl von Alkaloiden mit 
Bromwasser FÀllungen, Àhnlich wie solche auch durch Jod- 
tinetur enstehen. So treten in nicht zu verdĂŒnnten Lösungen 
der Salze von ‚Chinin, Chinidin, Cinchonin, Strychnin und 
Narkotin gelbe oder orangefarbene NiederschlÀge auf, welche 
in SalzsÀure löslich, in Kali und Ammoniak unlöslich sind. 
Eine jwĂ€ssrige Nicotinlösung giebt auch bei starker VerdĂŒn- 
nung einen orangerothen Niederschlag. Beim Stehen son- 
dern sich gelbe ölige Tropfen ab, welche beim Kochen in 
Wasser verschwinden. Die rĂŒckstĂ€ndige FlĂŒssigkeit wird 
durch Bromwasser von Neuem gefÀllt. Morphin giebt anfangs 
einen weissen Niederschlag, der aber bald wieder verschwin- 
det. (Berichte der deutschen chem. Gesellschaft. 4. Jahrgang.) 

R. B. 


Die Moleeular-Rotation als Mittel zur Bestimmung 
der Alkaloide in den Chinarinden. 


Die Molecular - Rotationen derjenigen Chinaalkaloide, welche 
allgemein anerkannt, sind nach de Vry folgende: 


Chinin. 

in alkoholischer Lösung [ = 184,35 oe 

in saurer Lösung laSj = 287,16 
Chinidin 

in alkoholischer Lösung gay) j = 2509,75 
in saurer ” \afj = nicht bestimmt. 
Cinchopin 

in alkoholischer Lösung (a) j = nicht bestimmt, 
in saurer = Ir = 19046 7 
Cinchonidin 

in alkoholischer Lösung yalj = 144,61 
in saurer “ \afj = nicht bestimmt. 


Ausser diesen 4 allgemein anerkannten Alkaloiden existirt 
noch ein tes, das amorph, in Aether löslich ist und dessen 
Verbindungen mit SĂ€uren gleichfalls amorph sind. Es ist 
schwach rechts ablenkend. 

Aus obigen Angaben geht hervor, dass die Chinaalka- 
loide nicht nur in verschiedenem Grade, sondern auch in. ver- 
schiedener Richtung ablenken. Bei der optischen Unter- 
suchung der Gesammtalkaloide einer gegebenen Chinarinde kön- 
nen daher drei FĂ€lle eintreten: 


70 Die Molecular-Rotation als Mittel zur Bestimmung d. Alkaloide ete., 


1) Die Alkaloide zeigen gar keine Ablenkung; diese wĂŒrde 
eintreten, wenn die relativen Mengen derselben von der Art 
wÀren, dass sie sich gegenseitig aufhöben. 

2) Ablenkung zur Rechten, wenn die Menge des Chmi- 
dins, Cinchonins oder des amorphen Alkaloids die des Chi- 
nins oder Cinchonidins ĂŒberwiegt. 

3)-Ablenkung zur Linken, in welchem Falle Ohinm und 
Cinchonidin die andern Alkaloide ĂŒberwiegen. 

Wie beim Chinin die Ablenkung verschieden ist, je nach- 
dem es in Alkohol oder in verdĂŒnnter SĂ€ure gelöst wurde, 
so wird wahrscheinlich bei den andern Alkaloiden ein Gleiches 
statt finden. 

Da von den fĂŒnf genannten Alkaloiden zwei, nemlich 
Chinin und das amorphe Alkaloid in Aether leicht löslich, 
die andern hingegen sehr schwer löslich sind, so ergiebt 
sich, dass wenn die Gesammtalkaloide mit Aether behan- 
delt werden, die von dem darin unlöslichen Antheil bewirkte 
Ablenkung von der zuvor beobachteten abweichen wird. 
Die Differenz kann folgende sein: 

1) Keine Ablenkung, wenn der in Aether unlösliche An- 
theil genug Cimchonidin enthÀlt, um die entgegengesetzte des 
Uinchonins zu neutralisiren.. 

(Auch Chinidin, als dextrogyre Substanz, kann das lÀvo- 
gyre Cinchonidin neutralisiren, beide scheinen jedoch kaum 
je mit einander in einer Rinde vorzukommen.) 

2) Ablenkung zur Rechten, wenn das in Aether Unlös- 
liche aus Cinchonin oder Chinidin oder. aus beiden zusammen 
besteht, oder das etwa vorhandene Cinchonidin ĂŒberwiegt. 

3) Ablenkung zur Linken, wenn das in Aether Unlös- 
liche ganz oder hauptsÀchlich aus Cinchonidin besteht. 

Die Hauptschwierigkeit bei derartigen Beobachtungen 
liegt darin, dass man die Lösungen der Alkaloide nicht hin- 
reichend ungefÀrbt erhalten kann. Am zweckdienlichsten ist 
es, nachdem man den Gesammtgehalt einer Rinde an Alka- 
loiden bestimmt hat, dieselben in verdĂŒnnter EssigsĂ€ure auf- 
zulösen, mit etwas Bleiessig zu versetzen und das Blei durch 
Schwefelwasserstof? zu prÀcipitiren. Das Schwefelblei ent- 
fĂŒrbt stark. Man filtrirt und prĂ€eipitirt mit Aetzmatron, wĂ€scht 
und trocknet den Niederschlag, der jetzt zur optischen PrĂŒ- 
fung geeignet ist. ZunĂ€chst Bestimmung des Gewichts — p, 
dann Lösung in verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure und Messung des 
Volums der Solution = V. Die Lösung wird in emer 100 Mil- 
limeter langen Röhre der Untersuchung unterworfen. Sind 
die verschiedenen Alkaloide in solchen relativen Mengen vor- 


Cyanwasserstoffsaur. Morphin. — Einwirk. v. Bromwasserstoff a. Kodein. 71 


handen, dass sie sich neutralisiren, so erhÀlt man O° und hat 
dies einfach zu notiren; findet aber Ablenkung statt, so notirt 
man sie als a° — dem betrage derselben nach rechts oder 
links. Man hat damit die nöthigen Data zur Berechnung 
der Molecular- Rotation = (a)j der gemischten Alkaloide, 
indem man die Formel gebraucht 

a0 V 


[a]j] = a N oder er 


(Pharmac. Journ. and Transactions. Nr. LHI—LVIH. Third. 
Ser. July 1871. p.1.f.). Ww». 
Man vergleiche ©. Hesse, ĂŒber die Anwendung der 
Polarisation zur Bestimmung des Werthes der Chinarinden. 
(Archiv d. Pharm. Oct. 1871, II. Rh. Bd. 148, S$. 27.) 
HA. L. 


Cyanwasserstoffsaures Morphin 


erhÀlt man nach Maisch durch FÀllung einer neutralen Mor- 
phinsalzlösung mit Oyankalium. Es ist fast unlöslich in 
Wasser, sowie in einem Ueberschuss des FĂ€llungsmittels, 
dagegen wird es von SÀuren leicht gelöst, wesshalb Mor- 
phinsalzlösungen durch BlausÀure nicht gefÀllt werden. (Amerie. 
Journ. of Pharmacy. Jan. 1871. p. 258.). Wp. 


Einwirkung von Bromwasserstoff auf Kodein. 


Wright hat nachgewiesen, dass sich durch Einwirkung 
von Bromwasserstoff auf Kodein drei Basen bilden, die er 
Bromkodein, Deoxykodein und Bromtetrakodein nennt, Ueber 
die Darstellung und das Verhalten des letztern giebt er nun 
weitere Auskunft. 

“ Man erhitzt Kodein mit dem dreifachen Gewicht 48 pro- 
centiger BromwasserstoflsÀure zwei Stunden lang im Wasser- 
bade, verdĂŒnnt mit Wasser und fĂ€llt mit kohlensaurem Na- 
tron. Der abfiltrirte Niederschlag wird mit Aether behandelt, 
welcher die beiden erstgenannten Basen auflöst. Den unlös- 
lichen RĂŒckstand löst man in schwacher BromwasserstoffsĂ€ure 
auf und fĂŒgt allmĂ€hlig concentrirte SĂ€ure hinzu, wodurch das 
Hydrobromat des Bromtetracodeins gefÀllt wird. 


12 | Einwirkung von Bromwasserstoff auf Kodein. 


Das zweite PrÀcipitat hiervon wird in Wasser gelöst, 
mit einigen Tropfen Sodalösung gemischt und diese Lösung 
abermals mit BromwasserstoffsÀure gefÀllt. Man erhÀlt weisse, 
amorphe Flocken, welche, ĂŒber SchwefelsĂ€ure getrocknet, 
beim Erhitzen bis 100° fest bleiben, aber, im feuchten Zustande 
erwÀrmt, sich in eine dunkel gefÀrbte, theerige Masse ver- 
wandeln. Sie sind das BromwasserstoffsÀure- Bromtetrakodein 
— 072H8ÂźBrN?012,4HBr. Kohlensaures Natron fĂ€llt hieraus 
einen weissen, sich schnell dunkelgrĂŒn fĂ€rbenden Körper, des- 
sen Zusammensetzung zeigt, dass die abgeschiedene Base 
Sauerstoff aufgenommen hat. Die frisch gefÀllte Base ist in 
Wasser schwach löslich und wird aus dieser Lösung durch 
Salzwasser wieder gefÀllt. In Aether und Benzol ist das 
Bromtetrakodein fast ganz unlöslich, in Alkohol nur wenig 
löslich. Wird dasselbe in schwacher SalzsÀure gelöst, durch 
starke SÀure wieder gefÀllt und diese Operation mehrmals 
wiederholt, so scheint das Brom darin durch Chlor ersetzt 
zu werden, man bekommt schliesslich ein Chlortetrakodein. 


Mit der Bildung der drei oben genannten. Basen durch 
die BromwasserstoffsÀure ist, deren Wirkung auf das Kodein 
noch nicht geschlossen; vielmehr entstehen neue Producte bei 
lÀngerem Erhitzen mit grössern Mengen der SÀure. Geschieht 
dies nemlich in einem zugeschmolzenen Glasrohre, so findet 
sich eine Schicht Methylbromid auf dem theerartigen Inhalt 
des Rohrs. Wenn letzterer, in Wasser gelöst und fractionirt, 
verschiedene Male durch BromwasserstoffsÀure wieder gefÀllt 
wird, so resultiren weisse Flocken eines Körpers, welchen 
man seiner Zusammensetzung nach Bromtetramorphin nen- 
nen kann. ‘ 

CH3BrN2012 FAHBr —=ACH3Br O0 H>BrN 02 
Bromtetrakodein. Bromtetramorphin. 

Diese neue Bromverbindung geht eben so wie das Brom- 
tetrakodein durch Behandlung mit Chlorwasserstoff in Chlor- 
tetramorphin ĂŒber. Wie es scheint, -existiren mehre Zwi- 
schenstufen zwischen dem Brom- und Chlor - Tetramorphin. 
Vier oder fĂŒnf sind von Wright dargestellt, doch ist bei 
der grossen Aehnlichkeit derselben fĂŒr die Reinheit dieser 
Körper keine Garantie vorhanden. 

Bei sechsstĂŒndigem Erhitzen von bromwasserstoffsaurem 
Bromkodein mit dem dreifachen Gewicht 48 procentiger Brom- 
wasserstoffsÀure auf 100° in einem zugeschmolzenen Glasrohr 
oder in offener Glasflasche, entwickelt sich reichlich Methyl- 
bromid, Das theerartige Product, in warmem Wasser gelöst 


Arbutin, — Das Melolonthin. 13 


und mit kohlensaurem Natron gefÀllt, ist grösstentheils unlöslich 
in Aether und besteht aus Bromtetramorphin. Die Àtherische 
Lösung mit Chlor- oder Brom - WasserstoflsĂ€ure geschĂŒttelt, 
giebt ein klebriges Liquidum, in dem sich beim Stehen Kry- 
stalle von chlor- oder bromwasserstoflsaurem Deoxykodein und 
einem niedrigeren Homologon bilden. Letzteres herrscht vor, 
wenn die Darstellung in offener Flasche vorgenommen wurde. 
Wright nennt dasselbe Deoxymorphin. (Pharmac. Journ. 
and Transactions. Third. Ser. Part. XL. Nr. X\LV—XLVM. 
May 1871: p. 866. Das. Nr. LIIT— LVII. July 1871. p. 84.). 
W». 


Arbutin 


Folia uvae ursi sind von Jungmann mit wesentlich gleichen 
Resultaten untersucht worden, wie sie Kawalier bereits er- 
halten hat. Das Arbutin erhÀlt man nach dem Verfasser, 
wenn das Decoct der BlÀtter erst mit Bleizucker, dann mit 
Bleiessig ausgefĂ€llt, die filtrirte FlĂŒssigkeit durch Schwefel- 
wasserstoff' vom Blei befreit, der Schwefelwasserstoff durch 
Erhitzen entfernt und das Filtrat zum weichen Extract abge- 
dampft wird. Die in dem Extract nach einiger Zeit sich 
bildenden Krystalle werden zwischen Filtrirpapier gepresst 
und durch Umkrystallisiren aus heissem Wasser gereinigt. 


MolybdÀnphosphorsÀure ist ein empfindliches Reagens auf 
Arbutin, sofern sich eine mit Ammoniak versetzte Lösung 
desselben noch bei 140000 facher VerdĂŒnnung damit deutlich 
blau fÀrbt. 

Das von Hughes dargestellte sogenannte Ursin ist ein 
mit |GallussÀure verunreinigtes Arbutin. (Americ. Journ. of 


Pharmacy. May 1871. p. 202.). Wp. 


Das Melolonthin. 


Es wurde von Ph. Schreiner neben Leuein, Sar- 
kin, Xanthin, HarnsÀure, oxalsaurem Kalk u. a. 
Salzen in den MaikÀfern (Melolontha vulgaris) 
aufgefunden. Zur Darstellung dieser Körper wurde der wÀss- 


7A Das Melolonthin. 


rige Auszug der zerguetschten Thiere durch Aufkochen von 
Albuminaten befreit, colirt, hierauf filtrirt und das eingeengie 
Filtrat mit Bleiessig gefÀllt. Aus dem Filtrate vom Bleinie- 
. derschlage wurde das ĂŒberschĂŒssige Blei durch Einleiten von 
Schwefelwasserstoff entfernt, hierauf vom Schwefelblei abfiltrirt 
und auf ein kleines Volum eingeengt, wobei sich harnsaure 
Salze abschieden. Nach Entfernung dieser letztern durch ein 
Filter schied die FlĂŒssigkeit, bis zur Syrupsconsistenz con- 
centrirt, nach lÀngerm Stehen Krystalle ab, welche unter dem 
Mikroskop neben den kugeligen Formen des Leueins wohl 
ausgebildete, nadelförmige ‘Krystalle erkennen liessen. Aus 
der Mutterlauge dieser Krystallisation schied sich nach meh- 
ren Tagen noch eine zweite Àhnliche ab. Beide Kıystalli- 
sationen vereinigt wurden zuerst mit viel Weingeist von 80%,,. 
dann 70°, lÀngere Zeit gekocht, wobei sich Leucin löste und ein 
weisser, flockiger Körper ungelöst zurĂŒckblieb, der unter dem 
Mikroskop gesehen, aus sehr feinen, kleinen Nadeln be- 
stand. Aus dem 70°, Weingeist schieden sich schon wÀh- 
rend des Filtrirens weisse sehr feine, mikroskopische Nadeln. 
aus. Die Lösung dieser letztern Krystalle m heissem 
Wasser zeigte nach dem Erkalten und theilweisen Verdun- 
sten des Lösungsmiitels unter dem Mikroskop dieselben For- 
men — abgestumpfte rhombische SĂ€ulen mit 2 EndflĂ€chen — 
wie der aus Wasser umkrystallisirte, in Weingeist ungelöst 
gebliebene Körper, war also mit diesem identisch. In dem 
70 procentigen Weingeist hatte sich ĂŒbrigens von diesem Kör- 
per nur eine sehr geringe QuantitÀt gelöst. Eine- nÀhere 
Untersuchung dieser Substanz erwies neben Stickstoff auch 
einen betrÀchtlichen Schwefelgehalt. Die Krystalle des Kör- 
pers, durch Umkrystallisiren aus Wasser unter Zusatz von 
einigen Tropfen Ammoniak rein dargestellt, sind vollkommen 
farblos, prachtvoll seideglÀnzend, geruch- und geschmacklos, 
hart, knirschen zwischen den»-ZÀhnen, lassen sich zu einem 
schweren Pulver zerreiben, verlieren bei 100° C. nichts am 
Gewicht und lösen sich in kaltem Wasser schwer, leichter: 
in heissem, sehr wenig in Weingeist, dagegen leicht in 
Kali, Natron, kohlensaurem Natron, kohlens. Ammoniak, Salz- 
sÀure, SalpetersÀure, SchwefelsÀure und in Wasser, dem man 
nur einige Tropfen Ammoniak zugesetzt hat, aus welcher 
letzteren Lösung der Körper bei allmÀhligem Verdunsten des 
Ammoniaks in grössern, tafelförmigen, rhombischen Formen 
auskrystallisirt. In EssigsÀure sind die Krystalle schwerer 
löslich, als in den genannten SÀuren. Die wÀssrige Lösung 
ist ohne Einwirkung auf Pflanzenfarben, Mit Natronlauge 


Wirkung des Sonnenlichtes auf Petroleum, 75 


auf einem Silberblech erhitzt, geben die Krystalle einen 
schwarzen Fleck von Schwefelsilber. 

Beim Erhitzen auf Platinblech decrepitiren die Krystalle 
und verbrennen, ohne zu schmelzen, unter Entwickelung des 
Geruches nach verbrennenden Haaren. Die Elementaranalyse 
der Substanz fĂŒhrte zu der Formel C!>H!?2N?S03. Leider 
war die Menge derselben (aus 30 Pfund MaikÀfern des 
Jahres 1870 wurden davon nur 1,56 Grm. gewonnen) zu 
gering, um eine ausfĂŒhrliche Untersuchung damit vornehmen 
zu können, und im Jahre 1871 war das Material nicht in 
der nöthigen Menge zu beschaffen. Ph. Schreiner nennt 
diesen Körper Melolonthin. (Berichte der deutsch-chem. 
Gesellsch. in Berlin, 4. Jahrg.). 

R. Bender. 


Wirkung des Sonnenlichtes auf Petroleum. 


Unter gewissen Bedingungen absorbirt, wie Grotowsky 
beobachtete, das Petroleum im Sonnenlichte Sauerstoff, der 
dadurch in Ozon umgewandelt wird. Dabei fÀrbt sich das 
Petroleum gelb, nimmt einen anderen Geruch an und brennt 
schwieriger als vorher. (The Pharmae. Journ. and Transaction. 
Septbr. 1871, P. 226.). 

Wp. 


76 


Il. Botanik und Pharmakognosie. 


Ueber Eucalyptus - Kino 


hat Prof. Dr. Julius Wiesner in Wien pharmacognosti- 
sche Versuche veröffentlicht, welche er mit sog. Eucalyptus- 
Gummisorten der Sammlung des österreich. Apothek.- Vereins 
anstellte. Die letzteren stammen von dem um die australi- 
sche Flora hochverdienten Director des botan. Gartens zu 
Melbourne, Dr. Ferd. MĂŒller und waren von dem Herrn 
Apotheker Sonder in Hamburg dem genannten Vereime 
zugesendet worden. 


Wiesner fand, dass der Hauptbestandtheil dieser Dro- 
gue Kino-GerbsÀure ist und konnte diese SÀure in allen 
ihm zu Gebote stehenden Proben derselben nachweisen. Das 
Eucalyptus-Gummi gab, in Wasser gelöst, durch SchwefelsÀure 
einen flockigen, blassrothen Niederschlag, welcher so lange 
gewaschen wurde, bis das ablaufende Wasser nicht mehr 
sauer reagirte.e Der Niederschlag wurde nun in heissem 
Wasser gelöst und die Lösung nach dem Erkalten von dem 
ausgeschiedenen Niederschlage abfiltrirt. Die rothe Lösung 
wurde im Vacuum zur Trockne verdunstet und lieferte als 
RĂŒckstand zarte durchsichtige rothe BlĂ€tter, welche, mikrosko- 
pisch betrachtet völlig amorph und stark rissig erschienen. 
Diese, nach Berzelius’ Darstellungsmethode gewonnene Kino- 
GerbsÀure löste sich in kaltem Wasser schwer, in heissem 
Wasser leicht auf, die Lösung schmeckte zusammenziehend. 
Auch in Weingeist löst sich die SÀure zu einer rubinrothen 
FlĂŒssigkeit auf. Bisenchlorid bringt in der Auflösung der 
Kino - GerbsÀure aus Eucalyptus -Gummiarten eine schmutzig- 
grĂŒne FĂ€llung hervor; nur die GerbsĂ€ure aus dem Gummi 
von Eucalyptus obliqua gab mit Eisenchlorid einen 
schwarzvioletten Niederschlag. 5 


Veber Eucalyptus- Kino. 7 


Wiesner fand im Eucalyptuskino 15—17°/, Was- 
ser. Es gab nur Spuren von Asche und liess keinen Zucker 
erkennen, ebensowenig Pectinstoffe. Hingegen kommt in eini- 
gen Sorten ein in Wasser auflösliches, dem Gummi arabicum 
nahe stehendes Gummi vor: in der Drogue von Eucalyp- 
tus gigantea Hook. im so grosser Menge, dass StĂŒcken 
derselben in Weingeist sich gar nicht lösten. In einzelnen 
Sorten wurde etwas Catechin gefunden; Brenzeatechin 
scheint ein nie fehlender Bestandtheil des Eucalyptus - Kino 
zu sein. 

Die physik. Eigenschaften des Eucalyptus-Kino 
stimmen im Allgemeinen mit denen des gewöhnlichen Kino 
ĂŒberein. Das Eucalyptus-Kino bildet dunkelrothe Körner, 
deren dĂŒnne Splitter im Mikroskope völlig durchsichtig und 
amorph erscheinen. In kaltem Wasser sinken sie unter: 
spec. Gew. 1,11 und nach Entfernung der Luft 1,14. In 
Wasser lösen sie sich zu einer gelblichen, rothen oder brÀun- 
lichen FlĂŒssigkeit von zusammenziehenden Geschmacke. Alle 
Sorten von Eucalyptus- Kino geben, mit Wasser geschĂŒttelt, 
schÀumende Lösungen. 

Charakteristik der einzelnen Sorten von Eucalyptus- 
Kino: 

1) Kino von Eucalyptus corymbosa Sm. Blood- 
woodgum. Aus Victoria und NeusĂŒdwales. StĂŒcke auf 
frischer BruchflÀche stark glÀnzend, Farbe tiefroth, alte Bruch- 
flĂ€chen röthlich bestĂ€ubt. — Unter allen Sorten am leichtesten 
löslich in Wasser, Lösung tief blutroth, von deutlichem Ge- 
ruch nach Bordeauxwein, schwach sauer, beim Erkalten sich 
trĂŒbend, völlig frei von Gummi. 

2) K. v. E. globulus Labill. Bröckelige lichtbraun- 
roth gefÀrbte Masse, leicht lösl. in Wasser, Lösung blass 
gelbröthlich, schwach sauer, beim Erkalten sich stark trĂŒbend, 
beim ErwÀrmen sich wieder klÀrend. Frei von Gummi. 


3) K. v. E. rostratus Schlecht. (E. robusta Sm.), 
Redgum. Bröckelig, zirkonroth, stellenweise lichtbrÀunlich, 
in Wasser und Weingeist sehr leicht löslich, neutral, frei 
von Gummi. Mit RindenstĂŒcken verunreinigt. 

4) K. v.E. leukoxylon, F. MĂŒller. Grosse schwarz- 
rothe, mit fasrigen Theilen durchsetzte StĂŒcke. VerhĂ€lt sich 
wie Nr. 2. 

5) K. v. E. corynocalix F, MĂŒll. Bröckelige Masse, 
röthlichbraun, fettglÀnzend, mit Rindentheilen gemengt. In 
Wasser erst nach einiger Zeit, aber vollstÀndig löslich; 


18 Ueber Eucalyptus - Kino. 


Lösung schwach sauer, gelbröthlich, giebt beim Erkalten eine 
schwache TrĂŒbung. Frei von Gummi. 

6) K. v. E. eitriodora Hook, aus Queensland. Po- 
röse, etwas grĂŒnlich schimmernde StĂŒcke vom Aussehen der 
Alo& socotrina. Mit Rinde gemengt. Leicht löslich in Was- 
ser, die Lösung riecht bordeaux- weinÀhnlich, reagirt schwach 
sauer, hat gelbliche Farbe und trĂŒbt sich beim Erkalten. 

7) K.v. E. maculata Hook., spotted gum. (dieser 
E. liefert Ironbark) NeusĂŒdwales. Stimmt mit Nr. 6 völ- 
lig ĂŒberein. 

8) K. v. E. calophylla R. Br. Bröckelig, Körnchen 
theils lichtbrÀunlich, theils zirkonroth. Leichtlöslich in Was- 
ser, Lösung gelblich, schwach sauer, trĂŒbt sich beim Erkal- 
ten, ist gummifrei. 

-9)K.v. E. amygdalina Labill. StĂŒcke schwarz und 
nur in ganz dĂŒnnen Splittern zirkonroth im durchfallenden 
Lichte; fettglÀnzend, sehr zÀhe. Reich an fibrösen Rinden- 
stĂŒcken. In Wasser leicht löslich, Lösung neutral, zwiebel- 
roth, trĂŒbt sich beim Erkalten. 

10) K. v. E. piperita Sm. StĂŒcke dicht, zirkonroth, 
durchscheinend. Leichtlöslich in Wasser; Lösung gelblich- 
roth, neutral, gummifrei. TrĂŒbt sich nicht beim Erkalten. 

11) K. v. E. pilularis Sm. Black butlgum. StĂŒcke 
theils matt, erdig, theils schwach fettglÀnzend, tief rothbraun. 
Leichtlöslich in Wasser, Lösung roth, schwach saner, TrĂŒbung 
beim Erkalten. Spuren von Gummi. 

12) K. v. E. fabiorum Schlecht. StĂŒcke tiefschwarz- 
roth, etwas durchscheinend, auf frischem Bruche starkglÀn- 
zend. In Wasser nicht leicht löslich, Lösung gelblich, schwach 
sauer, trĂŒbt sich beim Erkalten, enthĂ€lt Gummi. 

13) K.v. E. fissilis MĂŒll. Tropfenartige, zĂ€he, schwarz- 
rothe StĂŒcke, zirkonroth durchscheinend, auf frischem Bruch 
fettglĂ€nzend. Lösung röthlich, neutral, trĂŒbt sich nicht beim 
Erkalten. 

14) K. v. E. gigantea Hook. ZĂ€he, tropfenartige, zir- 
konrothe StĂŒcke, schwerlöslich in Wasser; Lösung brĂ€unlich, 
neutral, trĂŒbt sich nicht, ist reich an Gummi. 

15) K. v. E. viminalis Labill, Spröde, kinoartige 
StĂŒcke. Löst sich nur unvollkommen in Wasser mit licht- 
brÀunlicher Farbe. EnthÀlt etwas Gummi. 

16) K.v. E. obliqua Lher. Kinoartige StĂŒcke, leicht 
und völlig löslich in Wasser, Lösung tiefroth, neutral, trĂŒbt 
sich nicht und ist gummifrei, 


Eine merkwĂŒrdige Schmarotzerpflanze. «9 


Die wÀssrigen Lösungen aller dieser Eucalyptus-Kinosor- 
ten geben mit verd. SchwefelsÀure eine blassrothe, flockige 
FĂ€llung; mit Fe?Cl? eine schmutziggrĂŒnen Niederschlag 
(wie beim gewöhnl. Kino); nur beim Kino von Eue. obli- 
qua einen dunkelvioletten. Ammoniak bringt keine 
FĂ€llung, sondern nur tiefere FĂ€rbung hervor. Mit Salz- 
sÀure, dann mit Ammoniak behandelt, entsteht bei Kino v. 
E. gigantea eine gelbröthliche FÀllung, die an der Luft 
rostroth wird; beim Kino v._E. obliqua entsteht tief vio- 
lette FÀrbung, beim K. v. E. viminalis schwÀrzt sich die 
FĂ€llung an der Luft. — 

Wiesner besitzt eine in der Abtheilung „NeusĂŒd- 
wales“ der Pariser Ausstellung (1867) erworbene Probe von 
Gummi, die von Eucalyptus resinifera Sm. stammt; 
er erhielt sie vom Director d. hot. Gartens zu Sydney, Dr. Moore 
und ist dieselbe jetzt Eigenthum der Waarensammlung des 
Wiener Polytechnikum. Diese Drogue ist in der That nichts 
anderes, als ein echtes Gummi, spontan aus dem Stamme 
hervorgeflossen, ein Product derselben Pflanze, wie das Eu- 
ealyptus-Kino. Bentham und MĂŒller fĂŒhren von Eue. 
resinifera an en „grey gum“ (das echte Gummi) und ein 
„red gum“ (eine Kinosorte). 

Ueber die Bereitung des Eucalyptus-Kino ist Wiesner 
nichts bekannt; aber es wird wohl ein Rindenextract 
sein, welches kĂŒnstlich eingetrocknet wurde. Es kann zum 
Gerben und FĂ€rben benutzt werden; zu den besten Sorten 
gehört das Kino von E. corymbosa, rostrata und citriodora, 
zu den geringsten das von FE. fabiorum, gigantea und vi- 
minalis. 

Die Herren Melch. Hook und Robert Schlesinger 
unterstĂŒtzen Prof. Wiesner bei den mitgetheilten Unter- 
suchungen. (Zeitschrift des allg. österreich. Apoth.- Vereins. 
10. Juli 1871. Nr. 20, S. 497 — 502.). AT: 


Eine merkwĂŒrdige Sehmarotzerpflanze. 


Graf Solms macht Mittheilungen ĂŒber eine auffallende 
und merkwĂŒrdige Schmarotzerpfllanze aus der Familie der 
Lennoaceen, die den Namen Ammobroma Sonorae 
Torr, fĂŒhrt. Derselbe fand die Pflanze im Nachlass des Prof, 


s0 Eine merkwĂŒrdige SchmĂ€rotzerpflanze. 


v. Schlechtendal, welcher dieselbe 1858 von Dr. med. 
Behr in San Franzisco erhielt. _ Letzterer hatte sie aus den 
HĂ€nden Schuchardt’s, welcher mittheilte, dass die Pflanze 
in den SandhĂŒgeln der ÜOoloradowĂŒste zwischen Pilot- Krob 
und Cooks- Wiles gefunden werde. Zuerst wurde die Pflanze 
von Colonel Grays Surveying Party am Golf von Californien 
beobachtet. 

Das GewÀchs gleicht, wenn aus dem Grunde genommen, 
dem Spargel, ist lichtgelb, wird aber in wenigen Minuten am 
Sonnenlichte dunkelbraun. — Die Indianer am Golf haben 
viel dunklere ZÀhne, als die anderen StÀmme und wird dieses 
dem hĂ€ufigen Genusse dieser Pflanze zugeschrieben. — Der 
frische Stengel hat °/, bis 1!/, Zoll im Durchmesser, ist 
oft 3—4 Fuss lang und endigt in kleinen Wurzeln, die 
jedenfalls auf den Wurzeln oder dem Holze verschĂŒtteter 
MosquitbÀume wuchern. Behr vermuthete, dass diese BÀume 
eine Art Algarobie seien. 


Nach Schuchardt’s Angaben untersuchte Andrew 
J. Gray 1854 die WĂŒste von Californien behufs einer zu 
erbauenden Pacifiebahn und fand dabei die erwÀhnte Pflanze. 
— Die erste in einem wissenschaftlichen Werke gegebene 
Kunde findet sich bei Asa Gray, wo sie von Dr. Torrey 
als grosser, fleischiger Wurzelparasit beschrieben wird, der im 
nackten Sande der WĂŒste am Nordende des Golfs von Oali- 
fornien wĂ€chst und fĂŒr die Popigo-Indianer ein wichtiger 
Nahrungsgegenstand ist. Die frische Pflanze wird geröstet 
und schmeckt dann wie Bataten, oder sie wird getrocknet und 
weniger schmackhaften Speisen beigemischt. 


Der Entdecker Gray berichtet darĂŒber: „Westlich von 
Turzon und Tobac gegen den Golf von Californien liegt das 
Land der Popigo-Indianer. Von Sonvite aus untersuchte ich 
die Ufer des Golfs nahe der Adairbucht, welche vollstÀndig 
von einer Reihe SandhĂŒgeln eingeschlossen ist, die sich gegen 
Nordost bis zum Colorado ziehen und sich sĂŒdlich, so weit, 
das Auge reicht, erstrecken. Obgleich die SandhĂŒgel eine 
schreckliche WĂŒste bilden, hat doch die Natur da, wo ın 
8 Monaten kein Regen fĂ€llt, fĂŒr den menschlichen Unterhalt 
eines der nahrhaftesten und wohlschmeckendsten GewÀchse 
geschaffen.“ — Die Pflanze findet sich sehr reichlich in den 
HĂŒgeln und ist mit Ausnahme des obersten Theils in den 
Sand vergraben. ‘ Der im Sande verborgene, fusslange Sten- 
gel ist seiner ganzen LĂ€nge nach mit zahlreichen, spiralig 
geordneten, gestreckt zungenförmigen NebenblÀttern besetzt, 


Eine merkwĂŒrdige Schmarotzerpflanze. 81 


welche ebenso wie der sie tragende Stamm mit vielen klei- 
nen, gegliederten DrĂŒsenhaaren besetzt sind. Weiter nach 
oben, in der Höhe, in welcher sich der Stengel trichterförmig 
zu erweitern und sein Ende zum BlĂŒthenboden umzubilden 
beginnt, vermehrt sich unter bestÀndiger Verkleinerung der- 
selben die Anzahl der ihn bedeckenden NebenblÀtter, deren 
Behaarung zugleich immer lÀnger und krauser wird. 

Eben solche kleine wollhaarige NiederblÀtter bedecken 
in dichtester Aneinanderreihung die Unterseite des schnecken- 
förmigen, zurĂŒckgerollten Randes des BlĂŒthenbodens und er- 
fĂŒllen fast vollstĂ€ndig den engen Raum, der zwischen ihm 
und der StengeloberflĂ€che bleibt. Dieser BlĂŒthenboden, der 
einzige aus dem Sande hervorragende Theil des Stengels, 
bildet einen mÀssigen, flach tellerförmigen Körper, der an 
seiner OberflÀche und an seinem dicken, wulstartigen steil 
abfallenden Rande ein eigenthĂŒmlich wolliges Aussehen hat. 
Macht man einen radialen LĂ€ngsschnitt durch denselben, so 
erkennt man, dass er aus zwei wesentlich verschiedenen Thei- 
len besteht; der untere ist ein BlĂŒthenboden von mĂ€ssiger 
Dicke, der sich aus dem verbreiteten Stengelende bildet, der 
obere ist eine die BlĂŒthen bergende Schicht, von weit aus 
grösserer MÀchtigkeit und wollartigem Anschein, welcher den 
BlĂŒthenboden ĂŒberzieht. Diese Schicht ist aus sehr zahlrei- 
chen, dicht aneinander gedrĂ€ngten BlĂŒthen gebildet und ver- 
dankt ihren dichten Zusammenhang und ihre eigenthĂŒmliche 
Beschaffenheit einer eigenen, ganz charakteristischen Behaa- 
rung der langen schmalen Kelchziptel jeder einzelnen BlĂŒthe. 
Diese werden nemlich durch die sehr zahlreichen, gekrÀusel- 
ten und vielfach mit denen der Nachbarn verschlungenen 
Haare vollkommen verflochten, sodass sie zusammen eine 
gleichartige, elastische, lockere Masse bilden. In den Höhlun- 
gen derselben sitzen die BlĂŒthen. Jede einzelne sitzt auf 
einem ziemlich dicken Stiel, dessen LĂ€nge je nach der Stel- 
lung der BlĂŒthe am Rande oder in der Mitte des BlĂŒthen- 
bodens verschieden ist. Der Kelch ist vieltheilig und schwankt 
die Zahl der Zipfel zwischen 6 bis 10. Diese sind lang und 
fadenförmig, doch kommen zwischen den BlĂŒthen auch Hoch- 
blÀtter vor, welche in Gestalt und Behaarung den Kelchzipfeln 
gleichen. Die Krone ist röhrenförmig, am Àussersten Rande 
sechsspaltig, violett. Die 6 kronenstÀndigen StaubgefÀsse ste- 
hen abwechselnd mit den Kronenzipfeln und tragen eine vier- 
fĂ€chrige Anthere. In der Mitte der BlĂŒthe ist der merk- 
wĂŒrdig gebildete Fruchtknoten, welcher einen kreisförmigen 
Umfang mit ziemlich steiler, in der Richtung nach aussen 

Arch, d. Pharm. CXCIX. Bds. 1. Hit. 6 


82 Indische Gummi-NĂŒsse. — Entdeckung v. Curcuma als VerfĂ€lschung ete. 


ansteigender Seitenwand hat, die an ihrem obern Rande mit 
einer sonst völlig flachen Oberdecke eine ziemlich scharfe, 
genau ringförmige Kante bildet. Aus dem Mittelpunkte 
erhebt sich der dieke Griffel mit knopfförmiger Narbe. Nach 
der Befruchtung schwillt der Fruchtknoten bedeutend an, 
seine obere scharfe Kante rundet sich ab, so dass die Frucht 
der einer Malve sehr Ă€hnlich wird. Die BlĂŒthenbasis wĂ€chst 
eine Zeitlang mit, trennt sich dann aber durch einen ringför- 
migen Querriss vom BlĂŒthenboden, vertrocknet und wird so 
von den ĂŒberragenden, untereinander verfilzten Kelchzipfeln - 
festgehalten. Die Frucht ist ein in seiner Art einzig daste- 
hender Uebergang von der Kapsel- zur Steinfrucht. (Abhand- 
lungen der naturforschenden Gesellschaft zu Halle. Bd. X1. 
Heft 2; daraus in Gaea, 7. Jahrg. Heft 10. p. 598—602.). 

©. Schulze. 


Indische Gummi - NĂŒsse. 


Unter diesem Namen werden die Samen einer Strychnos- 
Art aus Ostindien nach Neu-York importirt, welche nach 
Maisch jedoch weder Bruein noch Strychnin enthalten. Sie 
sind fast kuglig, mit 2 ungleich convexen HĂ€lften; um die 
grösste Circumferenz zieht sich eine Linie; die Farbe ist 
schmutzig graubraun; die ganze OberflĂ€che ist angedrĂŒckt 
behaart. Unter dem dĂŒnnen Integument befindet sich ein 
horniges Albumen, welches eine kreisrunde Höhle einschliesst, 
in welche der Embryo hineinragt. (Americ. Journ. of Phar- 
macy. Jun. 1871. p. 241.). W». 


Entdeckung von Curcuma als VerfÀlschung der Rha- 
barber und des gelben Senfs nach Maisch. 


Man schĂŒttelt das verdĂ€chtige Rhabarberpulver einige 
Minuten mit starkem: Weingeist und filtrir. Das Filtrat ist 
braungelb, bei Gegenwart von Ourcuma heller. Eine concen- 
trirte Boraxlösung erzeugt darin in beiden FÀllen eine tief- 
braunrothe Farbe, aber die Tinetur von reiner Rhabarber 


Campherpulver. — Conservirung v. Oleum Aurantii ete. — Kinotinetur. 88 


nimmt auf Zusatz von SalzsÀure im Ueberschuss sofort eine 
hellgelbe Farbe an, wÀhrend sie von verfÀlschter bloss etwas 
heller wird. Diese Reaction grĂŒndet sich darauf, dass Bo- 
raxsÀure Curcumagelb Àhnlich fÀrbt, wie die Alkalien, dass 
sie aber auf die löslichen Rhabarberbestandtheile nicht wirkt. 
— Mit Senf verfĂ€hrt man ebenso. (Americ. Journ. of Phar- 
macy. Jun. 1871. p. 259.). Wr. 


Campherpulver. 


Nach Rother verhĂŒtet man das Krystallinischwerden 
des durch Zerreiben mit Alkohol bereiteten Campherpulvers, 
wenn man mit dem Alkohol zugleich etwas Ricinusöl 
anwendet 1 Th. auf 30 Th. Rother macht darauf auf- 
merksam, dass sich Campher in kaltem Wasser reichlicher 
löst, als in lauwarmen. (Americ. Journal of Pharmacy. 
Jun. 1871. p. 269.). Wp. 


Conservirung von Oleum Aurantii und 01. Citri 
nach Fruh. 


Man mischt die Oele auf 1 Pfund mit einer Unze Al- 
kohol, schĂŒttelt und fĂŒgt eine Unze Wasser hinzu, welches 
dem Oele den Alkohol wieder entzieht und sich am Boden 
des GefĂ€sses sammelt. Auf der OberflĂ€che dieses verdĂŒnn- 
ten Weingeists bemerkt man meist eine dĂŒnne Schicht von 
harzartiger Beschaffenheit, durch deren Absonderung eben 
die Oele conservirt zu werden scheinen. (Amerie. Journ. of 
I’harmacy. May 1871. p. 201.). W». 


Kinotinetur. 


Um das Gelatiniren derselben zu verhĂŒten, soll man 
1'/, Unzen Kino im Deplacirungsapparat mit einem Gemisch 


6* 


34 PrĂŒfung d. Bals. peruvian. — Springen von GlasgefĂ€ssen. 


von Weingeist (0,835) acht Unzen, Wasser und Glycerin je 
vier Unzen, ausziehen. (Americ. Journ. of Fharmacy. Aug. 
1871. p. 344.). W». 


PrĂŒfung des peruvianischen Balsams auf seine 
Reinheit. 


Aechter Bals. peruvianum zeigt nach Lichtenberg 
und Stoltze ein spec. Gew. von 1,150, nach Brandes 
und Reiche von 1,1475, nach Pharm. Germaniae von 1,15 
bis 1,16. An einen Àchten peruv. Balsam muss die Anfor- 
derung gestellt werden, dass sein spec. Gewicht höher als 
1,125 sei; er muss also in einer Kochsalzlösung untersinken, 
welche bei einem VerhÀltniss von 1 Th. Chlornatrium in 5 Th. 
Wasser dieses spec. Gew. besitzt. Ein Gehalt an fetten oder 
Ă€ther. Oelen erniedrigt d. sp. Gewicht. (Apotheker - Zeitung 
1871, Nr. 43; Polyt. Notizblatt 1872, Nr. 1.). 


III. Technische Notiz. 


Das Springen von GlasgefÀssen 


durch Temperaturwechsel verhĂŒtet Simpson auf die Weise, 
dass er eine etwa einzugiessende heisse FlĂŒssigkeit an einem 
in das GefÀss gestellten Metallstabe (Eisen oder Messing) 
hinabfliessen lÀsst. (Americ. Journ. of Pharmacy. May 1871. 
p. 196.). W». 


85 


D. Literatur und Kritik. 


C. G. Quarizius, die kĂŒnstliche Darstellung aller 
gangbaren moussirenden GetrÀnke, sowohl der 
Schaum-Weine, wie auch der MineralwÀsser 
(Erfrischungs- und medicinischen WĂ€sser),nebst 
circa 500 Analysen der berĂŒhmtesten Heilquel- 
len Deutschlands und der angrenzenden LĂ€n- 
der. 3.-Auflage, durchaus neu nach dem gegenwÀrtigen 
Standpunkte der Wissenschaft und technischer Erfahrung 
bearbeitet von Dr. N. GrÀger. Mit 43 Abbildungen, 
Weimar 1870, Verlag v. Bernhard Friedrich Voigt. 
8. 203 Seiten. 


Die letzten Jahre haben der Literatur ĂŒber Bereitung der kĂŒnstlichen 
MineralwĂ€sser ausser einer neuen Auflage des bekannten Hager’schen 
Werkes das von Lachapelle & Glover in der deutschen Uebersetzung, 
Berlin, Wiegand & Hempel 1869, ferner noch das Werkchen von Gebr. 
Scehultze in Berlin und die verdienstvolle Arbeit des Apothekers 
Hirsch gebracht, nicht zu gedenken der Sammlung von Vorschriften ete. 
des Apotheker Gressler in Halle, die fĂŒr 1 Louisd’or nur versiegelt dieje- 
nigen erhalten können, welche nicht zugleich jener Firma einen Mineralwas- 
serapparat abkaufen. GlĂŒcklicherweise können wir das Buch von Gressler, 
welches auf so mysteriöse Weise und zu einem so hohen Preise verkauft 
wird, entbehren. Das Dunkel, welches frĂŒher um die Anfertigung der 
kĂŒnstlichen MineralwĂ€sser sich wob, ist verschwunden. Jedem mit den 
geeigneten Kenntnissen ausgerĂŒsteten Menschen ist es möglich gemacht, 
die Fabrikation guter kohlensaurer WĂ€sser ausĂŒben zu können. Wir 
danken dies VerhÀltniss zum guten Theil den Verfassern der oben genann- 
ten Werke. Beim Studium derselben nimmt man aus jedem etwas Neues 
mit hinweg. — Eben erschien auch noch das Werkchen des Apothekers 
und Mineralwasserfabrikanten Th. Weiss in Friedrichshafen ĂŒber 
die Darstellung kĂŒnstlicher MineralwĂ€sser, was Referent aber nur erst 
aus der Anzeige kennt. 

Verfasser des hier zu besprechenden Werkes betreibt die Fabrikation 


_ der kĂŒnstlichen MineralwĂ€sser schon lange Zeit wie auch die Darstellung 


kĂŒnstlicher Schaumweine, und ist als erfahrener Techniker seit lange bekannt, 
desshalb ganz geeignet, durch seine eigenen Erfahrungen Andere zu belehren 

Gehen wir zu dem Buche selbst ĂŒber. Nach einer kurzen Einleitung, 
in weleber darauf hingewiesen wird, wie man das ImprÀgniren mit Koh- 
lensÀure mehr und mehr ausser auf Wasser auch auf Liqueure und Biere 
anwendet, um den angenehmen Geschmack und die Haltbarkeit derselben 


86 Literatur und Kritik. 


zu vergrössern, obgleich der Verbrauch von kohlensaurem Wasser als 
tĂ€gliches Genussmittel nĂŒtzlicher sei fĂŒr die Menschen, — bespricht Ver- 
fasser in der 


; ersten Abtheilung die MineralwÀsser selbst in 10 Ka- 
piteln. 


Das 1.Kapitel behandelt die natĂŒrlichen MineralwĂ€sser und die Ent- 
stehung derselben. Verfasser verbreitet sich namentlich auch ĂŒber die 
Temperaturen, welche je nach der Tiefe der Quelle den einzelnen Quellen 
zukommen und endet mit der AufzÀhlung von 9 Gruppen derjenigen Mine- 
ralwÀsser, die zu Heilzwecken dienen. ; 


Im 2. Kapitel werden uns die kĂŒnstlichen MineralwĂ€sser und deren 
Darstellung angefĂŒhrt. Es wird darauf hingewiesen, dass man annehmen 
muss, dass die Constitution der kĂŒnstlichen MineralwĂ€sser die gleiche sei 
wie die der natĂŒrlichen, sobald die Analyse eines richtig dargestellten 
kĂŒnstlichen Wassers dieselben Bestandtheile ergebe. BezĂŒglich der Ex- 
tractivstoffe, die man aber fĂŒr wirkungslos halten muss, so wie bezĂŒglich 
_ des KohlensĂ€uregehaltes, weichen allerdings die kĂŒnstlichen WĂ€sser von 
den natĂŒrlichen ab. Verfasser warnt, moussirende GetrĂ€nke ĂŒberhaupt 
zu stark mit KohlensÀure zu imprÀgniren,; bei LuxuswÀssern sollten 3, 
bei Limonaden und Wein 4 AtmosphÀren das Maximum des Druckes be- 
tragen, da der Verlust an KohlensÀure nur um so grösser ist, je grösser 
die Kraft, mit der die FlĂŒssigkeiten ausströmen. 


Leider ist der Laie wenig geneigt, die Wahrheit dieses VerhÀltnisses 
anzuerkennen. 


Das 3. Kapitel behandelt die Materialien und zunÀchst die 
KohlensÀure, Im populÀrer Weise werden die chemische Zusam- 
mensetzĂŒng und die Eigenschaften dieses Gases ausfĂŒhrlich behandelt, 
dann wird zur Darstellung desselben ĂŒbergegangen, und anerkannt, dass 
der Magnesit die reinste KohlensÀure liefert; wo Marmor zu Gebote 
steht, ist dieser das beste Material, ĂŒberhaupt aber die Bereitung aus 
kohlensaurem Kalk und SalzsÀure die gewöhnlichste. Der quantitativen _ 
Nachweisung der, der KohlensÀure beigemengten Luft, die höchstens bis 
zu 3°/, vorhanden sein darf, ist gedacht. 


Der folgende Abschnitt dieses Kapitels ist dem Wasser gewidmet. 
Eine Beimischung von Ammoniak, SalpetersÀure und salpe- 
trigsauren Salzen und organischen, in der Zersetzung be- 
griffenen Stoffen machen das Wasser zu der Bereitung von Mine- 
ralwĂ€ssern ganz ungeeignet. Es wird die chemische PrĂŒfung der Brunnen- 
wÀsser abgehandelt, namentlich auch die Bestimmung des HÀrtegrades 
mittels titrirter Seifenlösung angefĂŒhrt, wobei die Statistik des Wassers 
und der GewÀsser von Dr. Hugo Tromm'dorff warm empfohlen 
wird. Der Bedenken, welche zunÀchst durch die Professoren Ludwig 
und Reiehardt gegen die Anwendung von Seifenlösung ausgesprochen 
worden sind, ErwÀhnung zu thun, ist unterlassen worden. Verfasser 
beklagt mit Recht, dass sich viele Mineralwasseranstalten in HĂ€nden vou 
MĂ€nnern befinden, die nicht fach- und sachkundig sind, und die desshalb 
meist ein Product liefern, welches den wissenschaftlichen Anforderungen 
so wenig wie den Anforderungen des Gaumens entspricht. 


4. Kapitel. \ 
Apparate A. Continuirliche Apparate, 


Dahin gehört der Apparat von Lachapelle, der auf 12 Seiten 
“ eingehend beschrieben und durch Zeichnungen der einzelnen Theile und 


Literatur und Kritik. 87 


des ganzen Apparates auf 2 lithographirten Tafeln erlÀutert ist. Dieser 
Apparat ist dem Àlteren von Bramah, ohne WaschgefÀsse, vorzuziehen. 
Wasser und KohlensÀure werden hier mittels einer Pumpe gleichzei- 
tig oder abwechselnd in dem Maasse einem GefĂ€sse zugefĂŒhrt, in wel- 
chem kohlensaures Wasser durch Abziehen daraus entleert wird. Refe- 
rent verweist im Uebrigen bezĂŒglich der continuirlichen Apparate auf 
das Werkchen selbst. 


B. Intermittirende Apparate. 


Nach dem sogenannten Genfer System. Verbessert wurden dieselben 
durch Polsdorf und Wiegmann. Ein solcher Apparat ist ebenfalls 
durch eine Zeichnung erlÀutert. Er zerfÀllt 1, in den KohlensÀure- Ent- 
wickelungsapparat und 2, hauptsÀchlich wenigstens, in Gasometer und 
Luftpumpe. (Verfasser schreibt „der Gasometer, der Manometer‘ etc.) 
Die 3. Abtheilung des Apparates bildet das MischungsgefÀss. 


Den EntwickelungsgefÀssen aus Metall, namentlich den bleiernen, 
zieht Verfasser die aus gebranntem Thon vor, die den gewöhnlichen At- 
mosphÀrendruck aushalten. Die grössere Zerbrechlichkeit der letztern 
entspricht ihrer Billigkeit (2 Thlr. gegen 15 — 20 Thlr.) Dass bleierne 
nach 3—4 Jahren schon ausgedient haben, muss im Allgemeinen bestrit- 
ten werden, es kömmt dabei allerdings Alles auf die ursprĂŒngliche GĂŒte 
der Arbeit und die Behandlung des Apparates beim Gebrauche an. 
Glocken von Zink glaubt Verfasser ebenfalls empfehlen zu können. Als 
SperrflĂŒssigkeit wird eine 15 bis 20 procentige Chlorcaleciumlösung 
empfohlen, welche durch Zusatz von Kalkmilch vollkommen neutral ge- 
macht ist, Das Zink conservirt sich nach des Verfassers Erfahrungen 
sehr gut, besser als in reinem Brunnenwasser. Die Lauge nimmt niemals 
einen dumpfig-modrigen Geruch an, und gefriert selbst bei der strengsten 
KĂ€lte nicht. Der von der gegebenen Zeichnung abweichenden Construction 
intermittirender Apparate, wie solche z. B. namentlich in Berlin von Dei- 
ters, Lenz, Paalzow etc. gefertigt werden, hat Verfasser nicht gedacht. 
Dieselben sind aber jetzt sehr verbreitet in Norddeutschland und lassen an 
ZweckmĂ€ssigkeit der Construction nichts zu wĂŒnschen ĂŒbrig, 


©. Der Selbstentwickeler. 


Der von Ozouf construirte wird beschrieben und durch eine Abbil- 
dung erlĂ€utert. Diese Apparate, welche Huger als „halbe Appa- 
rate“ bezeichnet, werden nicht empfohlen, da sie zu grosse Aufmerk- 
samkeit bei der Arbeit erfordern und bei ihnen Explosionen leicht vor- 
kommen können. 


Die vor der neuen Beschiekung im Apparate noch vorhandene Koh- 
lensÀure muss man bei dieser Construction in die Luft entweichen lassen. 
Der Combination des Pumpenapparates mit dem Selbstentwickeler, die 
jetzt sehr hÀufig im Gebrauch ist, ist ebenfalls im vorliegenden Werk 
nicht gedacht worden. 


D. Die WaschgefÀsse und der Kohlencylinder. 


Die erste Waschflasche soll zweckmÀssig Eisenvitriollösung 
(1:10 — 20), die zweite eine 5 — 6procentige Lösung von zweifach 
koblensaurem Natron, die dritte eine Lösung von schwefelsaurem 
Eisenoxyd oder vonEisenchlorid enthalten, ZweckmÀssig ist es, noch 


88 Literatur und Kritik. 


eine 4. Waschflasche , welche nur Wasser enthĂ€lt, einzufĂŒgen. Statt des 
zweifach kohlensauren Natrons wendet man wohl hÀufiger einfach koh- 
lensaures Natron an. Das Wasser zur FĂŒllung dieser Flasche muss 
ausgekocht werden und wieder erkaltet sein. Referent meint, dass der 
Kohleneylinder seine Stellung besser zwischen Gasometer und Mischungs- 
eylinder erhÀlt, als zwischen der letzten Waschflasche und Gasometer. 
Um bei WĂ€ssern, die kohlensaures Eisenoxydul oder- Manganoxydul ent- 
halten, den Sauerstoff aus der KohlensÀure völlig zu entfernen, soll zwi- 
schen Gasometer und Luftpumpe noch eine Waschflasche angebracht wer- 
den, die eine FlĂŒssigkeit aus 20 Theilen Eisenvitriol in 100 Theilen 
Wasser gelöst enthÀlt, wozu noch eine gleich starke Lösung von einfach 
kohlensaurem Natron gegeben worden ist. 


E. Die Pfropfmaschine und die Verkorkung der Flaschen, 


Es wird die Zupfropfmaschine beschrieben und durch eine Zeichnung 
erlÀutert, die aus dem Handwörterbuche der reinen und angewandten 
Chemie entlehnt ist. Die Fehler dieser Construction werden angegeben und 
es wird darauf aufmerksam gemacht, dass gerade mit der Maschine verkorkte 
Flaschen meist bis 20°/, mehr nÀssende geben, als mit der Hand gekorkte. 
Man muss bei ersterer Art der Verkorkung nur etwas konische Korke 
verwenden. Bei der Verkorkung mit der Hand wird empfohlen, die 
Flaschen schon vor der FĂŒllung mit Drahtschlinge zu versehen. 


F. Die Siphons. 


Die Construction derselben wird beschrieben und durch 2 Abbildungen 
verdeutlicht, ebenso die FĂŒllung derselben und der dazu gehörige Appa- 
rat. Eisen schliessen sich: 


G. Die transportabeln Cylinder, Trinkhallen und Trink- 
stÀtten. 


Es werden zunĂ€chst die Ausschank-Cylinder mit RĂŒhrwellen 
beschrieben. Referent bemerkt dazu, dass eine dritte Oeffnung an den- 
selben ĂŒberflĂŒssig ist, und dass man an diesen Cylindern in der Regel 
kein besonderes Manometer anbringt, da man einfacher das des Mi- 
schungscylinders mit benutzen kann. Einen besondern Hahn zum Ablas- 
sen von 1/,— 1, Wasser aus dem ganz gefĂŒllten Cylinder bringt man 
wohl kaum noch an, da derselbe nur bei der Handhabung des Cylinders 
im Wege ist und dazu den Cylinder nicht unwesentlich theurer macht. 
Bei FĂŒllung dieser Ausschankeylinder erhĂ€lt man ein von atmosphĂ€- 
rischer Luft genĂŒgend freies Wasser auch dann schon, wenn man die 
Cylinder vor der ImprĂ€gnirung des Wassers nicht ganz anfĂŒllt, sondern 
die vorhandene atmosph. Luft nur durch eingepumpte KohlensÀure mit 
HĂŒlfe des RĂŒhrapparates entfernt. ‘Diese Cylinder werden jetzt kaum 
mehr aus zwei HĂ€lften angefertigt, die durch Schrauben zusammengehal- 
ten und durch eine dazwischen gelegte Kautschuk - Platte dicht gemacht 
werden, da diese Construction zu theuer und ĂŒberflĂŒssig ist. 


Es folgt dann die Beschreibung der einfacheren Art der Aus- 
schankeylinder, ohne RĂŒhrwelle. NiederschraubhĂ€hne ver- 
dienen jedenfalls stets den Vorzug vor den gewöhnlichen HÀhnen ohne 
Gummizwischenlage. 


Literatur und Kritik. 89 


Bei der Fig. 41 auf Tafel IV fehlen verschiedene Buchstaben, auf 
welche der Text hinweist. Ein eingefĂŒgtes kurzes StĂŒck Glasröhre, um 
beobachten zu können, wie weit die BĂŒrette mit Wasser gefĂŒllt ist, ist 
unnöthig, aber auch unpraktisch. — Die KĂŒhlung des Inhaltes mittels 
Eiswasser ist bei einigermaassen umfĂ€nglichen BĂŒretten stets nur eine un- 
vollstĂ€ndige und jederzeit einem besonderen, zur Aufnahme von EisstĂŒcken 
eingerichteten KĂŒhlgefĂ€sse mit schlangenförmig gewundenem Zinnrohr, 
der Vorzug zu geben. 


FĂŒr den Ausschank bestimmte SchwefelwĂ€sser sollen in kleinen 
Glasballons bereitet und abgelassen werden. 


Es folgt die Beschreibung der Trinkhallen und fahrbaren 
TrinkstÀtten, wobei auch der SafthÀhne und Saftpumpen gedacht 
wird. Gegen den Gebrauch der letzteren liegen gewichtige Beden- 
ken vor, 


H. Manometer. 


Der Satz: „Der Construction eines Manometers können verschiedene 
Prineipien zu Grunde gelegt werden, wie das Mariotte’sche Gesetz, 
nach welchem das Volum einer eingeschlossenen Luftmasse dem auf ihr 
lastenden Drucke umgekehrt proportional ist“ ete., ist unverstĂ€ndlich. 


Beschrieben, auch durch Zeichnung erlĂ€utert und fĂŒr Mineralwasser- 
apparate am meisten geeignet sind die Manometer, bei denen eine mit 
der condensirten KohlensÀure in Verbindung gebrachte Metallfeder einen 
kleinen Metallhebel in Bewegung setzt, wodurch ein Zeiger fortge- 
rĂŒckt wird. 


Auf Seite 75 wird irrig auf Tafel III, Fig. 25, als die Zeichnung 
des Manometers darstellend, hingewiesen; dieselbe ist dagegen auf der 
Tafel II, Fig. 21 zu suchen. 


Die Fig. 25 der Tafel III zeigt die Pfropfmaschine; ebenso ist 
auch Seite 54 oben die Fig. 21 der Tafel II als die das Gasometer dar- 
stellende Zeichnung irrthĂŒmlich angegeben; es muss dafĂŒr Fig. 22 gesetzt 
werden. Bei der Fig. 21 fehlen sÀmmtliche Buchstaben, auf welche im 
Text Bezug genommen wird! 


Seite 75 Zeile 2 von unten muss es heissen „bei 1 AtmosphĂ€re auf 1,“ 
statt: „bei 2 AtmosphĂ€ren auf 1— einsteht.“ 


Die Reinigung der Flaschen ist im 


5. Kapitel kurz abgehandelt. Vor Anwendung von Bleischrot wird 
gewarnt, dagegen die Anwendung eines StĂŒckchens Leinen- oder Baum- 
wollenzeuges empfohlen, welches mit etwas Wasser in der Flasche 
herumgeschwenkt wird. Das 


6. Kapitel beschÀftigt sich kurz mit der Bereehnung der zu 
einer FĂŒllung erforderlichen Materialien. Dieselbe wird bedingt von der 
Grösse des Apparates und Mischungseylinders, als auch von dem Druck, 
unter welchem man das Wasser mit KohlensÀure imprÀgniren will. 

Das 7. Kapitel behandelt ebenfalls kurz die Darstellung der koh- 
lensauren WĂ€sser im. Allgemeinen, 


Reinheit des KohlensÀure-Gases ist ein Haupterforderniss, 
um ein nachhaltig moussirendes Wasser zu erzielen. Die atmosphÀ- 
rische Luft hat ein 20 mal so grosses Bestreben zu entweiehen, sobald 
der Druck nachlÀsst, als die KohlensÀure, daher geschieht auch das 
Ausfliessen nach der Entkorkung um so stĂŒrmischer, je mehr Luft ein 


90 Literatur und Kritik. 


kohlensaures Wasser enthÀlt. Anderthalb Procente atmosphÀrischer Luft 
dĂŒrften bei LuxuswĂ€ssern zulĂ€ssig sein. 

Im 8. Kapitel wird die Darstellung der WĂ€sser, welche weder 
Eisen- noch Manganoxydulsalze enthalten, beschrieben. Es ist 
hierbei zu beachten, dass keine unlöslichen Verbindungen entstehen. — 
Die Auflösungen der in Anwendung kommenden Salze sollte am besten 1 
oder 10 procentig sein; Kochsalz, Glaubersalz, Bittersalz und kohlensaures 
Natron hingegen macht man 20°/, stark. 

Die Umrechnung der Analysen wird an dem Friedrichs- 
haller Bitterwasser gezeigt und die Berechnung mittels Logarithmen 
empfohlen. Es möchte wohl vielen Fabrikanten das Rechnen mit Loga- 
rithmen nieht sehr gelĂ€ufig sein. — 

Schwerlösliche oder an sich unlösliche Salze der Erden mĂŒssen, 
wenn sie direkt zugesetzt werden, sich noch im frisch gefÀllten Zustande 
befinden. 

9. Kapitel. Darstellung eisenoxydul- und mangan- 
oxydulhaltiger WÀsser. Grössere Mengen! von Salzen, namentlich 
von ChlorĂŒren, schĂŒtzen bis zu einem gewissen Grade diese WĂ€sser gegen 
Zersetzung, wÀhrend das Vorhandensein von kohlensaur. Natron, -Kalk- 
und -Bittererde die Neigung des kohlensauren Eisenoxyduls, sich höher 
zu oxydiren, verstÀrken. 

Das MischungsgefÀss selbst muss mit ausgekochtem und wieder erkal- 
teten destillirten Wasser ganz vollgefĂŒllt und sofort verschlossen wer- 
den. Man wendet, je nach dem das Wasser ChlorĂŒre oder Sulfate ent- 
hĂ€lt, EisenchlorĂŒr oder schwefelsaures Eisenoxydul in etwas angesĂ€uer- 
ter Lösung an; metallisches Eisen zu nehmen, ist weniger anzurathen, 
da davon stets — bald mehr, bald weniger — ungelöst bleibt. Ein Zu- 
satz wenn auch kleiner Mengen von citronensaurem oder weinsauren 
Alkali ist tadelnswerth. 

Das Gesagte gilt auch fĂŒr die Darstellung manganoxydulhalti- 
ger WĂ€sser. 

10. Kapitel. Die Stoffe, welehe in der Mineralwasser- 
fabrikation gebraucht werden. In einer Tabelle finden sich die- 
selben zusammengestellt, dazu deren Aequivalente, H —=1 gesetzt, so wie 
der dazu gehörige Logarithmus. 

Um statt der WÀgungen Abmessungen vornehmen zu können, hÀlt 
man die Auflösungen vorrÀthigs, wo keine Zersetzungen derselben zu 
befĂŒrchten sind. 

Es folgen nun auf 71 Seiten Tafeln, welche die Zusammensetzung 
der bekanntesten Mineralquellen Deutschlands und der angrenzenden LĂ€n- 
der enthalten, auf 1000 Theile, resp. 1 Liter bezogen. 

In einem Anhange sind noch Magistralformeln fĂŒr die Darstellung 
des Meyer’schen Bitterwassers und anderer WĂ€sser zusammengestellt. 

Die zweite Abtheilung des Buches beschÀftigt sich auf 32 Seiten 
mit der Fabrikation der moussirenden Weine. — Frankreich ist das Ge- 
burtsland des Champagners. Die Anfertigung des Champagners kannte 
man im Mittelalter noch nieht; der. Name des Mannes, der zuerst ihn dar- 
stellte, ist unbekannt; hÀufiger in Gebrauch gelangte der Champagner 
erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Die Darstellungsweise war 
noch 1747 so unvollkommen, dass einem Fabrikanten von 6000 Flaschen 
alle bis auf 120 StĂŒck platzten. 

Die Champagnerfabrikation ist namentlich fĂŒr die Champagne eine 
Quelle des grössten Reichthums geworden. Rheims und Epernay sind 
die Hauptsitze der Fabrikation. Die jÀhrliche Production soll 14 bis 
15 Millionen Flaschen im Werthe von 25 Millionen Franken betragen, 


Literatur und Kritik. 91 


wofĂŒr 40 — 50 Millionen Franken gelöst werden. Da die Fabrikation ein 
sehr bedeutendes Anlagecapital erfordert, befindet sich dieselbe in den 
HÀnden verhÀltnissmÀssig nur weniger Personen. 

Es giebt jetzt deutsche Schaumweine, die vorzĂŒglicher sind, als 
einzelne französische Producte. 

Nach dieser geschichtlichen Einleitung geht Verfasser zur Darstel- 
lung des Weines aus dem Most und zur GĂ€hrung selbst ĂŒber. Nach 
Pasteur erleidet der gÀhrende Most wegen des gleichzeitig entstehenden 
Glyeerins und der BernsteinsÀure einen Verlust an KohlensÀure und 
zwischen 9 und 10,5 Proc. an Alkohol, so dass 180 Theile Traubenzucker 
statt 92 Theilen durchschnittlich nur 86,6 Theile wasserfreien Alkohol 
geben. Die sĂŒdlichen LĂ€nder produeiren keine bouquetreichen Weine. 

Ueber die Weinverbesserung wird mitgetheilt, dass schon in einem, 
Ende des vorigen Jahrhunderts erschienenen Werkchen „Marchand de vin“ 
die kĂŒnstliche Weinbereitung beschrieben wird. Wie in Frankreich, hat 
man damals auch schon in Deutschland, z. B. durch Zusatz von Blei- 
zucker eine allerdings sehr rohe und gefĂ€hrliche WeinversĂŒssung be- 
trieben. 

Das Gallisiren und Petiotisiren wird eingehend besprochen 
und getadelt, dass in Baiern das Gallisiren der Weine trotz aller entge- 
genstehenden Gutachten noch mit Zuchthausstrafe, neben Confiscation und 
Vernichtung des ‚,gefĂ€lschten‘“ Productes bestraft wird. Nur niedriger 
Eigennutz und Habsucht können dem Weinbauer untersagen wollen, 
sein Produet durch Gallisiren zu verbessern, um dies dann um so gewis- 
ser durch den WeingrosshĂ€ndler ausfĂŒhren zu lassen, der dann den 
„reinen Naturwein‘ zu hohem Preise verkauft! 

Die Weine der Champagne sind keine edlen Weine, sondern meist 
ziemlich sauer und ohne Bouquet. Mosel- und Naheweine möchten unter 
den deutschen sich zur Champagnerbereitung am besten eignen. Schö- 
nen des Weines, zur Entfernung der Albuminstoffe durch Hausenblase, 
ist meist unerlÀsslich, 

Es folgen 2, dem Werkchen ‚der Weinstock und der Wein“ von 
Fr. Mohr entnommene Tabellen ĂŒber den Alkoholgehalt des Weines in 
Gewichts- und Volumprocenten, worauf die eigentliche Fabrikation der 
moussirenden Weine beschrieben wird. Die Ermittelung des richtigen 
Zuckerzusatzes ist sehr wichtig. Sie betrĂ€gt oft 25 — 30°/,. (Ein Zei- 
chen eines sehr reinen krystallisirten Rohrzuckers oder Kandiszuckers ist, 
dass derselbe beim Zerstossen im Mörser nieht den geringsten Ge- 
ruch nach Syrup zeigt. Auch der reinste RunkelrĂŒben- 
zucker ist zu der Fabrikation unbrauchbar.) 

Die Spannung innerhalb der Flaschen ist durchschnittlich 5—6 At- 
mosphÀren. Einen Wein, der weniger als 4 AtmosphÀren enthÀlt, hÀlt 
man fĂŒr unverkĂ€uflich. Bei 7—8 AtmosphĂ€ren Spannung zerspringen 
die meisten Flaschen Die GÀhrung in den Flaschen befördert man, indem 
man sie in einer Temperatur von 20 —24°R. in einen grossen Raum 
ĂŒber der Erde bringt; nach Beendigung der GĂ€hrung werden die Flaschen 
in den kĂŒhleren Keller geschafft. 

Zuweilen befÀllt jetzt das Langwerden des Weines den jungen 
Schaumwein; man schreibt diese Krankheit einem Mangel an Gerb- 
stoff zu. 

Die Manipulationen beim Degorgiren der Flaschen wird dann einge- 
hend beschrieben, 

Es folgen nun nach der Angabe Lachapelle’s und Glover’s 
einige Recepte zu Champagner-Liqueur; Verfasser glaubt aber dieselben 
fĂŒr unĂ€cht erklĂ€ren zu mĂŒssen. Zum EinfĂŒllen des Liqueurs in die 


92 Literatur und Kritik. 


Flaschen benutzt man einen kleinen Cylinder aus Weissblech mit seitlich 
offenem Schnabel. 

Verfasser beschreibt hierauf die Verkorkung der Flaschen und die 
Champagnerkorkmaschine selbst. Die drei dabei erforderlichen Arbeiter 
können 1000 bis 1200 Flaschen in einem Tage fertig machen. 

Nach den Untersuchungen des Verfassers beruhen das nachhaltigere 
Moussiren des besten französischen Schaumweines und die Erscheinung, 
dass die KohlensÀureblÀschen gleichsam eine Insel bilden im Weinglase, 
welche Eigenschaft man als „‚eremant‘‘ bezeichnet, wahrscheinlich auf 
einen Zusatz von arabischem Gummi. Lachapelle bestÀtigt das. Auch 
ein Gehalt an Glycerin, es sollen bis 6%, darin vorkommen, begĂŒnstigt 
ebenfalls das nachhaltigere Moussiren. 

Hierauf wird auch die Fabrikation von Schaumweinen mittels 
ImprÀgnirens der KohlensÀure beschrieben. 

Den fehlenden Alkohol bei dem zu verwendenden Weine ersetzt man 
durch besten Weinalkohol oder Cognac und geht bis auf 11 Gewichts - 
— 14 Volumprocente. — Man verwendet auch hier nur den reinsten, ganz 
geruchlosen Kandiszucker. Fruchtessenzen dĂŒrfen nicht wohl verwendet 
werden, sondern nur geistige AuszĂŒge von Himbeeren, Erdbeeren, Ananas, 
Vanille ete. 

Das Klarbleiben des fertigen Schaumweines macht meist grosse 
Schwierigkeiten, namentlich bei Anwendung verzinuter Mischungsey- 
linder ; dieselben mĂŒssen vielmehr einschliesslich der Röhrenleitung und 
des AbfĂŒllhahnes im Innern durchweg stĂ€rk versilbert sein. Man sĂ€t- 
tigt bis zu 5 AtmosphÀren und zieht bei 71/; AtmosphÀren ab. Es sind 
ganz dieselben Manipulationen, wie bei der Fabrikation der kĂŒnstlichen 
MineralwÀsser. Die KohlensÀure ist in so dargestelltem Schaumweine 
ebenso innis gebunden, als bei der andern Art der Bereitung. f 

In einem Anhange ist zum Schluss noch kurz die Darstellung der 
FruchtzuckersÀfte und der SÀuregehalt in den Limonaden beschrie- 
ben, und es sind auch einige Recepte zur Darstellung sogenannter CrÂŁ&- 
mes nach Hager und Gressler gegeben. 

Bei der 3 bis 4 Tage andauernden GĂ€hrung der ausgelesenen FrĂŒchte 
ist ein Zusatz von 2 bis 4°/, Zucker höchst empfehlenswerth, wie Verfasser 
bereits an andern Orten auseinander gesetzt hat. Referent hat im letzten 
Herbst diese Methode ebenfalls angewendet und glaubt jetzt schon dieselbe 
schr empfehlen zu können. 

Bei der Darstellung von Limonaden soll man nur CitronensÀure, 
nieht WeinsÀure anwenden, wegen der Einwirkung der letzteren auf den 
Kalk in den WĂ€ssern, wodurch leicht eine TrĂŒbung bewirkt wird. Sieben 
Receptformeln. fĂŒr Cremes nach Hager und zwölf dergleichen nach 
Gressler bilden den Schluss des Buches. 

Wenn Referent sein Gesammt-Urtheil ĂŒber das vorliegende Werk 
zusammenfasst, so enthÀlt dasselbe eine Menge praktischer Fingerzeige, 
worauf doch hier viel ankommt, und kann das Werk desshalb den Mine- 
ralwasserfabrikanten, namentlich denjenigen unter ihnen, die nicht dem 
Stande der Apotheker angehören, bestens empfohlen werden. 

Druckfehler hat Ref. ausser den oben berĂŒhrten nur noch wenige 
gefunden; ein komischer und sehr störender findet sich pag. 176 aut 


der Mitte der Seite, wo statt „Nationalwohlstandes“ — „Na- 
tionalwasserstandes“ zu lesen ist. Pag. 182 Zeile 6 von unten 
muss 6s heissen: „weinige“ statt „wenige FlĂŒssigkeit. —- Papier 


und Druck lassen Nichts zu wĂŒnschen ĂŒbrig. 
Jena, im November 1871. Dr. R. M. 


Literatur und Kritik. 95 


Erwiderung auf den Artikel von Dr. Vohl im December - Heft 
1871 dieses Archiv’s ĂŒber das sogenannte „Euchlorin‘“ von 
Dr. Meitzen. 


Beim Herannahen der Epidemien im Jahre 1870 fand ich mich ver- 
anlasst, eine Zusammenstellung folgenden Inhalts den’ zustĂ€ndigen Behör- 
den vorzulegen und darauf auszugeben: 


In einer Schachtel befinden sich 2 Flaschen; die eine von blauem 
Glase enthÀlt eine Lösung von unterchlorigsaurem Natron, deren Ueber- 
schuss an Alkali zum grössten Theile durch EssigsÀure abgestumpft ist; 
die andere in weissem Glase enthÀlt eine Eis- EssigsÀure nebst Alkohol, 
in welchem Àtherische Oele, eine gewisse QuantitÀt Benzo@harz u. s. w. 
aufgelöst sind. Die Mischung beider FlĂŒssigkeiten entbindet die unter- 
chlorige SĂ€ure, sie bleibt in der FlĂŒssigkeit gelöst und ent- 
weicht nur langsam in einer Zeit von 6 bis 8 Stunden gÀnz- 
lich (dĂŒrfte dem vorhandenen und dem sich bildenden essig- 
sauren Natron zuzuschreiben sein; Gmelin, 1. Bd., Seite 737, 
Zeile 33); ihre Wirkung kann man sonach in beliebigem 
Maassezujeder Zeit benutzen. Die desinfieirende Wirkung ist selbst- 
verstÀndlich und kann durch die plötzliche EntfÀrbung des Lackmus-Papiers 
jederzeit nachgewiesen werden. Es ergiebt sich hieraus, dass die kleine 
QuantitÀt Alkohol (1 auf 15 Wasser) und die Àtherischen Oele der Ent- 
bindung der unterchlorigen SĂ€ure und somit deren Wirkung keinen Ein- 
trag thut; diese bezwecken die Annehmlichkeit in der Anwendung, ohne 
welche alle ChlorprÀparate im grossen Publikum unbenutzt bleiben, wie 
dies bisher der Fall ist. 


Beim Versuch mit Lackmus -Papier ist zu beachten, dass (Gmelin, 
I. B., Seite 739, letzte Zeile) der Farbstoff erst gesÀuert, und dann in die 
ChlorflĂŒssigkeit getaucht wird; ist das Lackmus zufĂ€llig schon geröthet, 
so muss natĂŒrlich umgekehrt verfahren werden. (Ich erwĂ€hne dies aus- 
drĂŒcklich, weil der oben erwĂ€hnte Artikel des Archivs hierĂŒber seine 
Glossen macht.) 


Eine fĂŒnfjĂ€hrige Aufbewahrung unter gewöhnlichem guten Verschluss 
hat die ChlorflĂŒssigkeit nicht verĂ€ndert,*) ebenso ist die saure FlĂŒssigkeit 
keiner VerÀnderung ufterworfen. 


Nach den mikroskopischen Untersuchungen des Dr. Thom und An- 
deren sind die Alkalien nicht geeignet, die sog. Miasmen-Pilze zu zerstö- 
ren, wohl aber die SĂ€uren, welche ja auch seit lange in der Praxis zu 
diesem Zwecke im Gebrauch sind, namentlich die EssigsÀure (VierrÀuber - 
Essig). Es ist mithin rationell die SĂ€ure im geringen Ueberschuss anzu- 
wenden, und somit eine Verduftung der beiden SĂ€uren zusammen auf der 
Haut zu bewirken, die unserer natĂŒrlichen Vorstellung gemĂ€ss die auf der 
Haut befindlichen miasmatischen Organismen zerstört, und die sich annÀ- 
hernden abhÀlt. 


Unter diesen unbestrittenen Gesichtspunkten wurde dieser Zusammen- 
stellung von der Regierungs- Commission ein sehr gĂŒnstiges Zeugniss 
gegeben; doch habe ich nicht Absicht, Zeugnisse sprechen zu lassen, wo 
die Sache fĂŒr sich selbst spricht. Zum Ueberfluss setzte ich in die den 
FlĂŒssigkeiten beigegebene ErlĂ€uterung die Worte, dass ich nicht geson- 
nen bin, ein Geheimniss daraus zu machen. ı 


*) ? Die Redaction. 


. 


94 i Literatur und Kritik. 


Der Name, der diese Zusammenstellung bezeichnen wĂŒrde, könnte 
lauten: „Unterchlorigsaure Natron-Lösung zersetzt im Momente der 
Benutzung vermittelst einer EssigsÀure -Mischung; oder unpassender: Eau 
de Labarraque zersetzt im Momente u.s. w. SelbstverstÀndlich wird man 
dem Publikum eine solche Bezeichnung nicht bieten dĂŒrfen; ich nannte 
dieselbe „Euchlorin;“ der Name ist nicht neu, sondern wurde gewĂ€hlt 
zur Bezeichnung eines im AtomverhÀltniss genau mit der unterchlorigen 
SĂ€ure ĂŒbereinstimmenden Körpers, der indess seiner Zersetzungen wegen 
anders zu betrachten und im Uebrigen im Verkehr ganz unbekannt und 
unanwendbar ist. Er besagt in der That (zu deutsch: angenehmes Chlor) 
in möglichster KĂŒrze: Inhalt, Eigenschaft, Wirkung und "den Vortheil in 
der Verwendung vor anderen Mitteln. 

Die FlĂŒssigkeit kam im vorigen Jahre in den Handel, wurde Ener 
von mir, der enormen Kosten der Bekanntmachung wegen, welche den 
Preis zu hoch stellen mĂŒssten, bald vernachlĂ€ssigt, und werde ich an 
dieselbe erst beim Eintritt von Epidemien wieder erinnern, wo sie zu 
ihrem Theile Nutzen bringen wird. (Eine Annonce von 30 Zeilen, ein Jahr 
lang wöchentlich 2 mal in nur 40 der grösseren deutschen BlÀtter gesetzt, 
erfordert zwölftausend Thaler.) 

Ich resĂŒmire hiernach, dass die Sache 1) kein Geheimmittel ist; — 
oder wie mĂŒsste man anders verfahren, um diesen Vorwurf abzuwenden: 
konnte nicht Jeder auf meine ausdrĂŒcklichen Worte in den beigehenden 
Zeilen hin sich das Recept von mir ausbitten? 

2) Dass die Sache ihre gewĂŒnschte Wirkung nach menschlichem Er- 
messen erfĂŒllt; die Probe ist die plötzliche Zerstörung der Pflanzenfarben. 

3) Dass sie als nicht unangenehmes Mundwasser benutzt werden 
kann, was insofern wichtig, als die SchleimhÀute die ersten Angriffspunkte 
mancher Epidemien sind, und als ungesunde ZÀhne tÀglich desinfieirt wer- 
den mĂŒssen, um die FĂ€ulniss nicht auf die NachbarzĂ€hne zu ĂŒbertragen. 

4) Dass bis jetzt kein desinficirendes Mittel sich in den Haushaltun- 
gen einzubĂŒrgern vermochte, selbst das mildeste: Eau de Labarraque 
nicht, der unangenehmen Eigenschaften wegen, die bei dieser Zusammen- 
stellung vermieden sind. 

Es wÀre ja nun möglich, dass Jemand trotzdem an der Wirkung 
der Sache zweifelte; dass er bei einer Probe die saure FlĂŒssigkeit z. B. 
meiner Angabe entgegen unverdĂŒnnt in die ChlorflĂŒssigkeit gösse, und 
so durch den Alkohol und das Harz die Wirkung schwÀchte; dass er An- 
sichten hĂ€tte, welche es ihm wĂŒnschenswerth machen, die Sache öffentlich 
zu erörtern. 

HĂ€tte es dann nicht in dem allgemein unter gesitteten Menschen ange- 
nommenen Verfahren gelegen, mich zur Besprechung in dieser oder ande- 
ren Schriften aufzufordern? — 

Statt dessen finde ich ohne die geringste Anzeige von Seiten der 
Redaction den in der Ueberschrift angegebenen SchmÀh - Artikel, der, indem 
er sich auf mancherlei Unrichtigkeiten und WidersprĂŒche stĂŒtzt, nur von 
Betrug und Geheimmittel spricht. Die darin aufgezeichnete Analyse hÀtte 
die Redaction richtiger von mir selbst erhalten. Bei meiner Weigerung 
hÀtte sie mich öffentlich des Wortbruchs zeihen, aber auch selbst dann 
noch nicht von Geheimmitteln sprechen können, da der Gegenstand allen 
Denen bekannt ist, denen ich ihn vorlĂ€ufig zu erklĂ€ren schuldig war, um‘ 
ihm den Charakter eines Geheimmittels zu benehmen. (1 

Der Injurien - Process ist gegen den Schreiber des Artikels eingelei- 
tet, und so erwidere ich darauf Nichts Ferneres. 

Die Angabe, dass zu dem Essig die RĂŒckstĂ€nde von der Fabrikation 
des Kölnischen Wassers verwendet wĂŒrden, kann nur Jemand schreiben, 


Literatur und Kritik. 95 


der diese RĂŒckstĂ€nde nie gesehen hat; wĂ€ren sie aber dazu verwendbar, 
so wĂŒrde das jedenfalls der gesunden Vernunft entsprechen und gebo- 
ten sein. } 


Die angefĂŒhrten, von mir verfassten 3 Zeitungs - Annoncen sind Wort 
fĂŒr Wort correct. 


Was den Preis betrifft, so erwÀhnte ich bereits, dass derselbe zu nie- 
rig ist, (2) um so mehr als es wĂŒnschenswerth ist, noch ein GlasmĂ€sschen 
zur Mischung beizugeben, und Blechschachteln anstatt der Pappschachteln 
zu wÀhlen; dass er indess nicht wohl erhöht werden kann. 


Es gelĂŒstet mich nicht, auf alle Punkte des SchmĂ€h - Artikels genauer 
einzugehen; derselbe ist nicht eine Erörterung, wie sie hier am Platze 
sein wĂŒrde, sondern eine bösartige SchmĂ€hschrift. 


Darum aber ist es wohl eine nicht leicht zu erklÀrende Thatsache, 
dass die Redaction des Archivs demselben ohne Weiteres Aufnahme und 
Verbreitung gewÀhrte; dass sie sich dadurch sofort den SchmÀhungen 
anschloss, und den Zweck des Archivs, die ruhige Erörterung, aus den 
Augen verlor; dass sie meine Vertheidigung durch Geheimhaltung dieses 
Angriffs auf vier Wochen hinausschob, eine Zeit, die vollkommen hin- 
reicht, um den Eindruck kaum mehr durch eine Entgegnung verwischen 
zu lassen; dass sie sich nicht veranlasst fand, einen Zettel den Heften bei- 
zufĂŒgen, welcher wenigstens eine Entgegnung in Aussicht stellte; die 
Kosten, ob fĂŒr sie oder fĂŒr mich, konnten nieht in Betracht kommen. 
Diesen Missgriff wird die Redaction nicht zugestehen wollen, ich habe 
desshalb auch in ihr leider einen Feind zu erblicken. Ich hoffe, dass es 
mir gelingen wird, eine Klage gegen dieselbe wegen Verbreitung ehrver- 
letzender Nachrichten durchzufĂŒhren. (3) 


Das Urtheil ĂŒber mein Verfahren stelle ich hiermit den ErwĂ€gungen 
der Leser des Archivs anheim, und glaube mich nicht zu tÀuschen, 
wenn ich behaupte, dass keiner meiner Fachgenossen hierin einen Betrug, 
einen Schwindel, ein Geheimmittel, oder auch nur einen Missbrauch wird 
entdecken können. . 


Schliesslich bitte ich diejenigen, welche die verborgenen GrĂŒnde des 
Angriffs interessiren mögen, sich so grĂŒndlich als möglich ĂŒber die Per- 
son des Schreibers des SchmĂ€hartikels, sowie ĂŒber die meinige unterrich- 
ten zu wollen. (4) 


Dr. Meitzen, Apotheker. 


Zusatzbemerkungen der Redaction. 


1) Die Redaetion hatte keine Verpflichtung, vor Abdruck des fragli- 
chen Artikels dem Dr. Meitzen davon Anzeige zu machen; ‚sie stellte 
es dem letzteren frei, sich gegen den Angriff im Archiv zu vertheidigen. 


2) Dass die KĂ€ufer des sogenannten „Euchlorins“ die jĂ€hrlich 
angeblich auf 12,000 Thaler sich belaufenden Unkosten fĂŒr Inserate in 
40 deutschen BlĂ€ttern mit bezahlen mĂŒssen, wesshalb der Preis von 20, 
30 und 45 Sgr. ein angemessener sein soll, kann durchaus nicht zugege- 
ben werden, wenngleich die von Dr. Vohl normirten Verkaufspreise fĂŒr 
den Fall, dass man die nothwendigen Unkosten mit daraufschlagen 
will, etwas zu niedrig gegriflen sein mögen. 


96 Literatur und Kritik. 


3) Die Redaction stellt ihr Verfahren ebenfalls ruhig der Beurtheilung ihrer 
Leser anheim und weist ihrerseits alle Beschuldigungen als unzutreffend 
hiermit zurĂŒck. Der angedrohten Klage ist sie gewĂ€rtig. 


4) FĂŒr das Archiv der Pharmacie ist hiermit diese Sache abge- 
schlossen. 


Jena, den 7. Januar 1872, 


Dr. H. Ludwig, a. Prof., Redacteur des Archivs. 


Dr. &. Mirus, Hofapotheker, fĂŒr das Direetorium 
des Nordd. Apotheker- Vereins. 


Sammlungen. 


Der Bryologe V. F. Brotherus beabsichtigt im nÀchsten Sommer 
eine 'botanische Reise nach den wenig bekannten Gegenden des russi- 
sehen Lapplands zu unternehmen. Die nördliche EismeerkĂŒste, 
von Kola bis Ponoj, wird das Hauptziel dieser Reise sein, deren Ko- 
sten theilweise durch Subscription gedeckt werden sollen. Es kosten die 
Actien: 

1) Eine vollstÀndige lapplÀndische Moossammlung (200 Arten), 
a 3 Thlr. pro Oenturie. 

2) 75 Moose und 50 Phanerogamen, die seltensten Arten, 
speciell asiatische und arctische Formen, 5 Thlr. =: 

3) 50 Phanerogamen, dieselben wie in 2), wobei Subseribent mit 
Sicherheit auf z.B. Chrysanthemum aretieum, Pyrethrum bi- 
pinnatum, Aster sibirieus, Polemonium pulchellum, Paeo- 
nia anomala, Ranunculus Pallasii, rechnen kaun, 3 Thlr. 

4) 75 Moose, dieselben wie in 2), 3 Thlr. 

Die ‚Pflanzen werden spĂ€testens im FrĂŒhling 1873 vertheilt, die 
Sendungen aber unfrankirt nach den Bestimmungsorten verschickt 
werden. — 

Subseription nehmen. entgegen der. Reisende selbst, Herr Cand. 
phil. V. F. Brotherus in Kajana (Finnland) und der Unter- 
zeichnete. — 

Geisa, Sachsen- Weimar, den 6. Januar 1872. 


Adelbert Geheeb. 


Halle, Buchdruckerei des Waisenhauses. 


ARCHIV DER PHARMACIE, 


GXOIX. Bandes zweites Heft. 


A. Originalmittheilungen. 


I. Chemie und Pharmacie. 


Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefelsauren 
Eisenoxydulammoniaks. 
Von E. Biltz, Apotheker in Erfurt. 


In diesem Archiv Band 196 Seite 97 ff. habe ich mitge- 
theilt, dass das schwefelsaure Eisenoxydulammoniak (Eisen- 
doppelsalz) sich nicht zur Chlorimetrie eignet, weil sein Am- 
moniakgehalt einen Theil des gesuchten Chlors in Anspruch 
nimmt, und dieser Theil, resp. seine Wirkung durch das ĂŒber- 
mangansaure Kali nicht berĂŒhrt, also auch nicht gefunden 
wird. Ich habe ferner gezeigt, dass die Methode verbessert 
werden kann, indem man die Lösung des Doppelsalzes vor 
dem Zusatze des Chlorwassers stark ansÀuert, dass aber 
auch diese Verbesserung noch kein befriedigendes Resultat 
liefert, und das fragliche Eisendoppelsalz daher fĂŒr den ge- 
nannten Zweck zu ver werfen ist. 

Kurze Zeit nach der Veröffentlichung meines Aufsatzes, 
und wohl in Folge desselben, wurde in der Pharm. Zei- 
tung Nr. 43 mitgetheilt, dass die Probe befriedigende Resul- 
tate gebe, wenn man die ProbeflĂŒssigkeit der Pharmacopöe 
vor dem Zusatz des ChamÀleons erhitze. Ich habe die erfor- 
derlichen genauen vergleichenden Versuche erst jetzt vor- 
nehmen können, und werde weiter unten zeigen, dass durch 
die Erhitzung zwar ebenfalls ein besseres, aber doch noch 
weniger gĂŒnstiges Resultat erreicht wird, als durch den von 
mir versuchten Zusatz von SĂ€nre. 

Arch, d, Pharm, CXCIX, Bds, 2, Hft, | 


98 Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefels. Eisenoxydulammoniaks. 


Ferner kam mir nachtrÀglich noch eine Àltere, hierher 
bezĂŒgliche, werthvolle Mittheilung von Wittstein zu Ge- 
sicht (in dessen Vierteljahresschrift IV. Seite 555). Dieselbe 
betrifft zweifelhafte Resultate, welche bei der PrĂŒfung des 
Chlorkalks mittelst Eisenvitriols erhalten wurden, und W itt- 
stein hebt hervor, dass gegen Ende der Versuche sowohl 
Eisenoxydul durch die Reaction, als auch freies Chlor (oder 
unterchlorige SĂ€ure) durch den Geruch nachgewiesen werde, 
beide also nebeneinander vorhanden seien, und er fĂŒgt schliess- 
lich sehr richtig hinzu, dass ein Öhlorverlust am Wenigsten 
bei Ueberschuss von Eisenvitriol zu befĂŒrchten sein wĂŒrde — 
mit andern Worten, dass en Ueberschuss von Eisen- 
vitriol nöthig ist, um das Chlor leicht und vollstÀndig so 
zu binden, dass keine Nebenprocesse stattfinden. In der That 
scheinen diese Oxydationen, selbst die einfache des Eisen- 
oxyduls durch ChamÀleon, nur bei grösserem Ueberschuss 
des zu oxydirenden Körpers (des Eisenoxyduls) in normaler 
Weise zu verlaufen, an der Grenze der völligen Oxydation 
aber nicht mehr ganz regelmÀssig vor sich zu gehen. !) 

Die eben erwÀhnte Beobachtung von Wittstein, dass 
unter UmstÀnden Eisenoxydul und freies Chlor, resp. unter- 
chlorige SÀure neben einander vorkommen können, erinnerte 
mich sogleich an eine bei Gelegenheit meiner chlorimetrischen 
Analysen niedergeschriebene Notiz, dass nemlich die aus der 
Behandlung von Eisendoppelsala mit unzureichendem Chlor- 
wasser resultirende FlĂŒssigkeit stets einen schwachen Geruch 
nach unterchloriger SÀure zeigte, wÀhrend dies beim Eisen- 
vitriol unter denselben UmstÀnden nicht der Fall war. Ich 
hatte diese Notiz damals noch nicht weiter verfolgt, weil ich 
zunĂ€chst nur beweisen wollte, dass die PrĂŒfungsweise des 
Chlorwassers und des Chlorkalks mittelst Eisendoppelsalzes 
unbrauchbare Resultate gebe, und weil ich den Grund hier- 
von bereits darin gefunden zu haben glaubte, dass das fehlende 
Chlor durch das entstehende neutrale Eisenoxydsalz disponirt 
worden sei, die zur Gegenwirkung gegen das basische Was- 
ser erforderliche SĂ€ure mit HĂŒlfe von Wasserstoff aus dem 
Ammoniak zu bilden, eine Annahme, welche sich auch dadurch 


Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefels. Eisenoxydulammoniaks. 9% 


zu rechtfertigen schien, dass ein vorheriger Zusatz von SĂ€ure 
jenen Chlorverlust bedeutend herabdrĂŒckte. Bei der nĂ€heren 
PrĂŒfung jener Notiz, so wie der Angabe, dass die Erhitzung 
der ProbeflĂŒssigkeit befriedigende Resultate gebe, habe ich 
nun gefunden, dass die Wirkung des Uhlors auf das schwe- 
felsaure Eisenoxydulammoniak erheblich complicirter 
ist, als ich frĂŒher glaubte, und dass dem Eisenoxydul dabei 
auch in Folge der Bildung von unterchloriger SĂ€ure 
Verlust erwĂ€chst. Der Sachverhalt dĂŒrfte aus Folgendem 
klar werden. 

Vermischt man eine Auflösung von Eisendoppelsalz mit 
so viel Chlorwasser, dass das Eisenoxydul der Rechnung 
nach vollstÀndig oxydirt werden, und ein kleiner Ueberschuss 
von freiem Chlor bleiben mĂŒsste, so ist das Resultat fol- 
gendes: 

1) Man beobachtet eine Gasbildung (Freiwerden von 
Stickgas); 

2) man riecht schwach, aber deutlich unterchlorige 
SĂ€ure; 

3) man findet, dass ein erheblicher Theil des 
Eisenoxyduls unoxydirt geblieben ist. | 

Hieraus geht hervor, dass eine dreifache Wirkung des 
Chlors stattgefunden hat, und dass dem Eisenoxydul auf 
zwei Wegen Chlor, resp. dessen oxydirende Wirkung ver- 
loren gegangen ist. 

Die erstgenannte Wirkung, die Ausscheidung von Stick- 
stoff aus Ammoniaksalzen durch Chlor, unter Bildung von 
Chlorwasserstoff, ist bekannt. ?) 

Die zweite hingegen, die Bildung von unterchloriger 
SĂ€ure, kann eigentlich nur bei der Einwirkung von Chlor 
auf freies Ammoniak eintreten, wo sie, wie ich mich durch 
den Versuch ĂŒberzeugt habe, auch wirklich stattfindet (siehe 
auch Schönbein in Fresenius’ analyt. Zeitschrift 1862, 
Seite 360); bei den Ammoniaksalzen (hier dem schwefelsauren 
Ammoniak) ist sie a priori nicht zu erwarten, weil die FlĂŒs- 
sigkeit durch die Wirkung des Chlors sofort sauer wird, und 
freie unterchlorige SÀure neben freier ChlorwasserstoflsÀure 

7* 


100 Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefels. Eisenoxydulammoniaks. 


bekanntlich nicht zu bestehen vermag. Dass sie im vorlie- 
senden Falle sich dennoch bilden, und in der sÀuerlich reagi- 
renden FlĂŒssigkeit fortbestehen konnte, ist nur im Zusammen- 
hang mit der stattgehabten Oxydation des Eisenoxyduls 
erklÀrlich, und zwar so, dass man einen Theil der Schwefel- 
sÀure des schwefelsauren Ammoniaks durch das neutrale 
Eisenoxydsalz unter dem Einfluss des Wassers gebunden, 
also in Spannung befindlich, und den entsprechenden Antheil 
Ammoniak als frei betrachten muss. Nur so lÀsst sich, wie 
ich glaube, das Auftreten von unterchloriger SÀure hier erklÀ- 
ren; man hat sich einen Theil des. Ammoniaks in solcher 
Weise disponibel zu denken, dass die Wirkung des Chlors 
ganz analog der Wirkung derHalogene auf verdĂŒnnte und 
kalte Lösungen der Alkalien erfolgen kann. 

Mag man nun diese theoretische Vorstellung gelten vor 
sen oder nicht, so steht doch die Beobachtung der 
Thatsache selbst fest, die noch dadurch interessanter 
wird, dass sich neben der unterchlorigen SĂ€ure auch noch 
Eisenoxydul vorfindet, dass also, wie schon Wittstein 
beobachtet hat, diese beiden Körper unter solchen UmstÀnden 
nebeneinander »existiren können. 

Hiermit ist also ein doppelter Verlust an Chlor erwie- 
sen, welchen das Eisenoxydul in der im Frage stehenden 
chlorimetrischen FlĂŒssigkeit erleidet, wenn man nach dem 
Wortlaut der Vorschrift der preussischen Pharmacopöe ver- 
fÀhrt. Es fragt sich nun, ob die vorgeschlagenen Verbesse- 
rungen befriedigen können. 

Wer einmal die Chlorprobe mit dem Eisendoppelsalz aus- 
gefĂŒhrt, die Gasbildung beobachtet, und ihre Bedeutung erkannt _ 
hat, der wird dieser Methode von vornherein die wissen- 
schaftliche Genauigkeit absprechen mĂŒssen und sie 
in dieser Beziehung fĂŒr unverbesserlich halten; denn die Gas- 
bildung findet auch bei beiden VerbesserungsvorschlÀgen statt, 
und das Chlor in dem entsprechenden Chlorwasserstoff wird 
sich auf keine Weise ‚wieder als oxydirender Körper ver- 
werthen lassen. Dagegen wird die. gebildete unterchlo- 
‚rige SĂ€ure sich nachtrĂ€glich (durch Erhitzen der Probe- 


Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefels. Eisenoxydulammoniaks. 101 


flĂŒssigkeit) wirksam zeigen können, oder man hat das bereits 
von mir versuchte Mittel (Seite 102 meiner oben citirten Ar- 
beit) durch starkes AnsÀuren der Eisendoppelsalzlösung die 
Bildung der unterchlorigen SĂ€ure ĂŒberhaupt zu. verkindern. 
Aber die nachstehenden analytischen Belege thun dar, dass 
auf keinem dieser Wege auch nur ein praktisch befriedigen- 
des Resultat erzielt wird. 

Ich nehme hierbei Veranlassung, die PrĂŒfungsweise selbst, 
und namentlich die fĂŒr einen praktischen Umfang der Ver- 
suche zu empfehlenden Zahlen anzugeben. 

1. Die PrĂŒfungsweise. Dieselbe ist bekanntlich 
eine sogenannte Restmethode, bei welcher das Chlor auf eine 
voraussichtlich ĂŒberschĂŒssige Menge Eisenvitriol oder Eisen- 
doppelsalz wirkt, worauf mittelst ChamÀleons der unoxydirte 
Theil des Eisensalzes gefunden, der oxydirte berechnet, und 
hieraus das vorhanden gewesene Chlor ebenfalls ermit- 
telt wird. 1 Theil Chlor = 7,83 Eisenvitriol = 11,04 Dop- 
pelsalz. 

Auf 25 C.C. (oder Gramme) Chlorwasser wendet man 
1,56. Eisenvitriol an, mit Zusatz von 3 C©.C. verdĂŒnnter Schwe- 
felsĂ€ure (1:5) und dem nöthigen Wasser zu 10 C.C. FlĂŒs- 
sigkeit gelöst. 1,5 G. Eisenvitriol sind = 0,19157 G. Chlor, diese 
in 25 C.C. Chlorwasser gedacht, giebt 0,76628 Procent, was 
in der Praxis nicht leicht vorkommen dĂŒrfte, so dass diese 
Menge Eisenvitriol fĂŒr alle FĂ€lle passend erscheint. °) 

Ebenso werden die mit 1,5 Eisenvitriol Àquivalenten 
2,115 G. Doppelsalz zu 10 C.C. FlĂŒssigkeit gelöst, theils mit, 
theils ohne Zusatz von SĂ€ure, wie sich dies fĂŒr die verschie- 
denen Versuche von selbst versteht. 

Die ChamĂ€leonlösung wird aus reinem ĂŒbermangansau- 
ren Kali etwa im VerhÀltniss 1 : 200 hergestellt, und ihr 
VerhÀltniss zu 10 C.C. der Eisenvitriollösung bestimmt, auch 
geprĂŒft, ob 10 6.C. der: Eisendoppelsalzlösung 
genau ebensoviel verbrauchen. 

Bei der AusfĂŒhrung bringt man 10 0.C. der betreffenden 
Eisenlösung in ein weisses Glas À 60 G., giebt 25 0.C. 
Uhlorwasser hinzu, verschliesst die Flasche sofort und schĂŒt- 


102 Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefels. EisenoxydĂŒlammoniaks. 


telt kurze Zeit krĂ€ftig um. Nach dem Oeffnen darf man’ 
keine Spur von freiem Chlor riechen. Alsdann bestimmt man 
den Eisenoxydulrest durch die ChamÀleonlösung, indem man 
davon bis zur constanten leisen Röthung zusetzt, und berech- 
net die durchs Chlor stattgehabte Oxydation. 

Beispiel. 10 C.C. Eisenvitriollösung (worin also 1,5 G. 
Eisenvitriol) seien — 36 0. C. der ChamĂ€leonlösung. Der 
ChamÀleonrest nach Wirkung des Chlorwassers betrage 10,5 
C.C. Dann sind 

36 :1,5 = 10,5 : 0,4375 (unoxydirt gebliebener Eisen- 
vitriol) 


1,5000 
0,4375 
1,0625 Eisenvitriol sind oxydirt worden. 
} 1,0625 
Diese entsprechen — 183 — 0,1357 G. Chlor.m 2 


Chlorwasser, also 0,1357 .4 —= 0,5428 Procent Chlor. 

Beim Eisendoppelsalz setzt man statt 1,5 G. Eisenvitriol 
die Àquivalenten 2,115G. Doppelsalz, und dividirt, um das dem 
oxydirten Doppelsalz entsprechende Chlor zu finden, mit 11,04. 
Also 

36 : 2,115 — 10,5 : 0,6166 


2,1150 
0,6166 
1,4984 oxydirtes Doppelsalz. 
: 1,4984 
Diese entsprechen ner 0,1357 G. Chlor in 25 & C. 


Chlorwasser, oder 0,1357 . 4 = 0,5428 Proc. Chlor, wie oben. 


Zur PrĂŒfung des Chlorkalks reibt man denselben mit 
destillirtem Wasser zur gleichförmigen Milch an, zweckmÀssig 
im VerhÀltniss 1 : 50. Auf 1,0 G. Chlorkalk bringt man 3,0G. 
Eisenvitriol in eine gerÀumige weisse Flasche von etwa 2500.0. 
Inhalt, löst denselben unter Zusatz von 8 C.C. verdĂŒnnter 
SchwefelsÀure (oder 4 ©.C. officineller SalzsÀure, wenn man 
gern eine Klare FlĂŒssigkeit haben will) in 20 0.C. Wasser 
auf, giebt die gut aufgeschĂŒttelte Chlorkalkmilch vorsichtig so 


Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefels. Eisenoxydulammoniaks. 105 


hinzu, dass das bei der BerĂŒhrung mit der sauren FlĂŒssigkeit 
freiwerdende Chlor sich 'nicht stĂŒrmisch entwickelt, sondern 
in der zu diesem Zweck gerÀumig gewÀhlten Flasche bleibt, 
verschliesst sogleich, und schĂŒttelt eine halbe bis ganze Mi- 
nute krĂ€ftig durch. Sodann spĂŒlt man das GefĂ€ss, welches 
die Chlorkalkmilch enthielt, mit etwas destillirtem Wasser 
nach, giebt auch dieses der ProbeflĂŒssigkeit zu, schĂŒttelt wie- 
derum gut durch, und wenn man nach dem Oeffnen der Flasche 
keine Spur Chlor mehr riecht, so titrirt man den Rest des 
Eisenvitriols mit ChamÀleon aus, findet durch Abzug von 
den verwendeten 3,0G. die Menge des oxycdirten, und berech- 
net hieraus das in 1,0 G. Chlorkalk enthaltene wirksame Chlor. 


2. Verbessernder Einfluss eines SĂ€urezu- 
satzes zur Probe mit Doppelsalz (Ă€ltere Belege zu 
meiner frĂŒheren Arbeit) 


1,0 G. Eisenvitriol = 25 C.C. ChamÀleon. 

0,709 G. Eisenvitriol gaben mit 25 ©.C. Chlorwasser einen 
Ueberschuss an Chlor, das Chlorwasser hatte nemlich 0,376 Proc. 
Cl. Denselben Ueberschuss hÀtte also 1,0 G. Doppelsalz geben 
mĂŒssen; es fehlte aber Chlor. Die Resultate waren -folgende: 


a) 1,0 G. Doppelsalz, n 5 C.C. Wasser gelöst, erforderte nach 
Zusatz von 25 0.C. des Chlorwassers noch 1,4 C.C. Cham. 
b) 1,0 G. Doppelsalz, 5 C.C. Wasser, 20 Tropfen verdĂŒnnte 
SchwefelsÀure, hierauf 25 C.C. des Chlorwassers 0,4 C.C. Cham. 
c) 1,0 G. Doppelsalz, 20 C.C. Wasser, 25 C.C. Chlor- 
wasser — 2,0 0.C. Cham. 
d) 1,0 G. Doppelsalz, 20 C.C. Wasser, 20 Tropfen SĂ€ure, 
dann 25 C.C. Chlorwasser —= 0,65 C.C. Cham. 
a) ergiebt also das Chlorwasser zu 0,3336 Proc. 


b) ”„ ” „ B ”„ 0,3540 ”7 
c) ” „ ”„ ”» ”„ 0,3212 ” 
d) ”„ „» „ ” ” 0,3488 ” 


gegen den wirklichen Gehalt von 0,3760 
Diese Proben beweisen den nĂŒtzlichen Einfluss des SĂ€ure- 
zusatzes, der jedoch den mit der Stickstoflentwickelung zu- 
sammenhÀngenden Chlorverlust nicht zu verhindern vermag. 


104 Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwetels. Eisenoxydulammoniaks, 


Sie beweisen zugleich, dass das Doppelsalz schon in wenig 
srösserer VerdĂŒnnung "bedeutend schlechtere Resultate giebt, 
wie ich dies auch frĂŒher hervorgehoben. *) 


D} 


3. Neuere Versuche, die Erhitzung der Pro- 
beflĂŒssigkeit betreffend. 
a) 25,8 0.C. ChamÀleon = 1,0 G. Eisenvitriol. 
10 ©. €. Doppelsalzlösung, worin 2,115 G. Doppelsalz, mit 
25 C.C. Chlorwasser gemischt und erhitzt, erforderte noch 
12,1 ©.C. Cham. 
10 ©.C. Eisenvitriollösung, worin 1,5 G. Eisenvitriol und 
3 6.C. verdĂŒnnte SchwefelsĂ€ure, erforderte nach Zusatz von 
25 C.C©. desselben Chlorwassers noch 10,2 C.C. Cham. 
Die Doppelsalzprobe ergiebt hiernach 0,5268 Proc. 
Die Eisenvitriolprobe ,, 5 0620ER 
| Differenz 0,372 Proc. 
b) 25,2 C.C. ChamÀleon = 1,0 G. Eisenvitriol. 
10 ©.C. Doppelsalzlösung wie oben, mit 25 C.C. Chlor- 
wasser gemischt und erhitzt, erforderte noch 11,2 C.C. Cham. 
10 0.C. Doppelsalzlösung mit 3 0.0. verdĂŒnnter Schwe- 
felsÀure, dann 25 C.C. des Chlorwassers 10,8 C.C. Cham. 
10 C.C. Eisenvitriollösung ete. 9,0 C.C. Cham. 


Der erste Versuch ergiebt hiernach 0,5392 Proc. 
zweite)... x ” 0,5476 ,„ 
or ORILLeN. % » 0,5836 „ 

Hier betrÀgt obige Differenz 0,0444 Proc., auch zeigen 
die Versuche, dass die Doppelsalzprobe mittelst Erhitzung 
derjenigen mit SĂ€urezusatz nachsteht, was sich leicht daraus 
erklÀrt, dass bei der Erhitzung nur die unterchlorige SÀure 
wirkt, nicht aber auch das bei ihrer Bildung in Chlorwasser- 
stoff ĂŒbergegangene Chlor. 


Ich muss auf Grund dieser analytischen Belege in Allem 
bei meinem frĂŒheren Urtheil beharren, und das schwefel- 
saure Eisenoxydulammoniak als durchaus unge- 
eignet zur Chlorimetrie erklÀren. Denn sein Am- 


Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefels. Eisenoxydulammoniaks. 105 


moniakgehalt entzieht dem Eisenoxydul auf zwei Wegen einen 
nicht unerheblichen Antheil Chlor, und nur der eine Weg 
lÀsst sich durch Zusatz von SÀure verschliessen, oder durch 
Erhitzen rĂŒcklĂ€ufig machen. Es kann auch nicht zweifelhaft 
sein, dass die Erhitzung der fraglichen ProbeflĂŒssigkeit die 
Sache keinesweges auf den Punkt bringt, dass man die Me- 
thode auch nur fĂŒr die gewöhnliche Praxis empfehlen könnte. 
Nehmen wir im Bereich der vorkommenden Chlorwasserpro- 
cente als mittleres Minus, welches jene Probe ergiebt, 0,04 Proc. 
an, so heisst das, man muss, um der officiellen Reaction zu 
genĂŒgen, ein Chlorwasser von 0,406 Proc. haben, wĂ€hrend 
die Reaction doch nur 0,366 bedeuten soll. 

So grosse Abweichungen, die sich bei ChlorkalkprĂŒfungen 
bis zu sieben Procent steigern können (S: 104 meiner eitir- 
ten Arbeit), verbieten die Anwendung des Eisendoppelsalzes 
zur Chlorimerie doch gÀnzlich. 


Anmerkung 1. Die von Löwenthal und Lenssen in ihrer 
interessanten Abhandlung in Fresenius’ analyt. Zeitschrift 1862. $. 329 f. 
erwÀhnte, und vorhandenem Chlor zugeschriebene Guajakharzreaetion 
tritt auch ohne jede Dazwischenkunft von Chlor ein, wenn man Eisen- 
vitriol mit absolut reinem ĂŒbermangans, Kali oxydirt, welches keine Spur 
Chlorkalium enthÀlt. Ich setzte zu einer Eisenvitriollösung die Àquivalente 
Menge ChamĂ€leon in fĂŒnf Portionen, und beobachtete, dass die FlĂŒssig- 
keit schon nach dem Zusatz der vorletzten Portion anfing, die aus eini- 
gen Tropfen Schönbein’scher Guajakharztinetur und Wasser gemischte 
milchige FlĂŒssigkeit zu blĂ€uen. Wurde dann ChamĂ€leon bis zur Rö- 
thung zugesetzt, und die Röthung durch ein wenig Eisenvitriol wieder 
zum Verschwinden gebracht, so war die BlÀuung noch stÀrker. Verfuhr 
ich umgekehrt, und setzte Eisenvitriollösung zu ChamÀleon bis eben zur 
EntfĂ€rbung, so wurde auch durch diese FlĂŒssigkeit die blaue FĂ€rbung 
sofort hervorgerufen. 


Es scheint demnach, dass die VebermangansÀure nur bei grösserem 
Ueberschuss an Eisenoxydul völlig zu Manganoxydul redueirt wird, in 
der NĂ€he der erreichten Oxydation jedoch, so wie bei Wegnahme einer 
ĂŒberflĂŒssig zugesetzten Menge durch wenig Eisenoxydul nicht glatt auf 
Oxydul zurĂŒckgeht. Es scheint eine nicht alsbald sichtbare Ausscheidung 
von fein suspendirtem Manganoxyd stattzufinden, und hierdurch die BlÀuung 
des Guajakharzes zu erfolgen. 


106 Weiteres zur Chlorimetrie mittelst schwefels. Eisenoxydulammoniaks, 


Anmerkung 2. Nach Angabe der LehrbĂŒcher soll die Wirkung 

des Chlors auf Ammoniaksalze, deren SÀure zu den starken gehört, in 
der Bildung von Chlorstickstoff? und Chlorwasserstoff bestehen, und es 
mĂŒsste daher diese Wirkung — und keine Entwickelung #von Stickstoff- 
gas — auch beim schwefelsauren Eisenoxydulammoniak und beim schwe- 
felsauren Ammoniak selbst stattfinden. 
Mag nun die VerdĂŒnnung, in welcher sich das Chlor bei den hier 
vorliegenden Versuchen befindet, schuld sein, genug, ich habe nur in 
einem einzigen Falle bei der Wirkung von Chlorwasser auf eine Lösung 
von reinem schwefelsauren Ammoniak eine milchige TrĂŒbung der FlĂŒssig- 
keit bemerkt, die vielleicht von Chlorstickstoff herrĂŒhrte. In allen ĂŒbri- 
gen, zahlreichen und vielfach modifieirten FĂ€llen blieben die FlĂŒssigkeiten 
nach dem Aufsteigen der StickstoffblĂ€schen wasserklar. Wie ich frĂŒher 
erwÀhnt habe, verschwindet bei der Wirkung von Chlorwasser auf, selbst 
wechselnde Mengen, schwefelsaures Ammoniak immer ziemlich ge- 
nau der dritte Theil, was ich mir noch nicht habe erklÀren können. 
Diesem fehlenden Chlor entsprechend ist dann Chlorwasserstoff vor- 
handen. Nach einer Analyse ergaben 25 C. C. Chlorwasser, worin 0,1546 G. 
Chlor enthalten waren, nach der Wirkung auf 3,0 G. schwefelsaures Ammo- 
niak nur noch 0,0944 G., es fehlten also 0,0402G. Es wurde dann der vor- 
handene Chlorwasserstoff bestimmt, und unter BerĂŒcksichtigung des in 
dem Chlorwasser bereits vorhandenen gefunden, dass er 0,0435 Chlor ent- 
sprach. Hiernach darf man annehmen, dass kein Chlorstickstof’, sondern 
nur Chlorwasserstoff gebildet worden war. 

Anmerkung 3. FĂŒr diese vergleichenden Versuche genĂŒgt es, 
die Aequivalenz des verwendeten Eisenvitriols und Doppelsalzes gegen 
ChamÀleon zu constatiren. Arbeitet man nur mit Eisenvitriol, und muss 
man daher auf seine volle richtige Zusammensetzung rechnen, so ist zu 
bemerken, dass nicht alle gut aussehenden Eisenvitriole normal beschaffen 
sind. Sie können je nachdem sie aus mehr oder weniger saurer, oder 
aus der Mutterlauge krystallisirt sind, bis auf 93 Proc, Normalgehalt 
heruntergehen,, also 7 Proc. saures, gewöhnlich auch oxydhaltiges Wasser 
anhÀngend und eingeschlossen enthalten, selbst die lufttroeknen Krystalle 
der ersten Krystallisationen schwanken zwischen 4, bis 2 oder 3 Proc, 
Wassergehalt. Auch der prÀeipitirte ist nicht immer zuverlÀssig. : Man 
muss also wissen, wieviel normalem Eisenvitriol der zu den Analysen 
verwendete entspricht, und man erfÀhrt dies leicht, wenn man ihn durch 
eine ChamĂ€leonlösung prĂŒft, deren Werth durch OxalsĂ€ure festgestellt ist. 
FĂŒr diesen Fall sind 63 (1 Aeq.) kryst. OxalsĂ€ure — 278 (2 Aeq.) kryst. 
Eisenvitriol. Diesen geprĂŒften Eisenvitriol hebt man sich zu den vor- 
kommenden Analysen auf; war er richtig dargestellt, d. h. aus richtig 
saurer Lauge gut krystallisirt, ungewaschen und so getrocknet, dass er 
nicht verwitterte, klar wasserblau aussehend, so wird er sich jahrelang 
halten und bei wiederholter PrĂŒfung unverĂ€nderten Gehalt ergeben, der 
ĂŒbrigens in besonderen FĂ€llen leicht bestimmt werden kann. 


Ueb. d. Chromogen d. Boletus eyanescens u. ander. auf frisch. Brucheete, 107 


Hat man viele Analysen zugleich zu machen, so verfÀhrt man am besten, 
indem man nach GrĂ€ger’s praktischem Vorschlag eine grössere Menge 
Lösung des gerade vorhandenen Eisenvitriols bereitet, ihren Oxydulwerth 
durch auf OxalsÀure: gestelltes ChamÀleon bestimmt, und von dieser Lö- 
sung zu allen gleichzeitigen Analysen verwendet. Man muss die Lösung 
sofort stark sauer machen, denn eine neutrale oder schwachsaure Eisen- 
vitriollösung hÀlt sich an der Luft kaum eine Stunde unverÀndert. 

Anmerkung 4. Bei weitem nicht in diesem Grade, aber doch 
nachweisbar schwÀcher ist die oxydirende Kraft des Chlors auch beim 
Eisenvitriol, wenn derselbe in sehr viel Wasser, z. B. 1: 1000 gelöst ist, 
Eine Bemerkung hierĂŒber findet sich schon bei Löwenthal und Lenssen 
a. a. O., und ich muss sie bestÀtigen. Allein ich sehe andrerseits gar kei- 
nen Grund, die Eisenlösungen so stark zu verdĂŒnnen, zumal erstens die 
Beurtheilung des zur FĂ€rbung einer grossen Menge FlĂŒssigkeit erforder- 
lichen ChamÀleons neue Fehler einschliesst, und zweitens selbst das Cha- 
mĂ€leon bei so grosser VerdĂŒnnung nicht normal auf Eisenoxydul wirkt. 
So verbrauchte ich auf 10 C.C. Eisenlösung ohne weiteres Wasser 38,3 (.C. 
einer ChamĂ€leonlösung, bei der VerdĂŒnnung mit 1 Liter Wasser aber, 
und mit genauester BerĂŒcksichtigung der zur FĂ€rbung nöthigen Menge, 
39,4 C.C. 

Ich halte nicht fĂŒr nöthig, die von mir angefĂŒhrten Eisenlösungen 
noch weiter zu verdĂŒnnen, als dies bei Chlorwasser- und Chlorkalkpro- 
ben durch die chlorhaltigen FlĂŒssigkeiten ganz von selbst geschieht. 


Ueber das Chromogen des Boletus eyanescens und 
anderer auf frischem Bruche blau werdenden Pilze. 


Von Dr. Hermann Ludwig, a. Prof. in Jena. 


Mit Schreiben vom 24. Septbr. 1870 ĂŒberschickte mir 
mein werther Freund, Herr Apotheker Dr. Gonnermann in 
Neustadt bei Coburg eine Portion frischer, unversehrter Exem- 
plare von Boletus cyanescens, welche er Tags vorher 
auf einer Excursion fand, mit der Bitte, Versuche anzustellen, 
um die Ursache der so tiefen indigblauen Farbe zu 
ermitteln, welche dieser Pilz sowohl bei der BerĂŒhrung als 
beim Zerbrechen unter dem Einflusse der atmosphÀrischen 
Luft erleidet und welche spÀter wieder verschwindet. 

„Seit Jahren (schreibt mir Derselbe spĂ€ter) machte es 
ınir VergnĂŒgen, auf meinen Pilzexcursionen die Boleti 


108 Ueb. d. Chromogen d. Boletus eyanescens u. ander. auf frisch. Bruche etc. 


cyanescens Bulliard, pierodes, Satanas luridus 
SchÀffer, calopus Persoon und pachypus Fries, wenn 
ich sie antraf, durch einen Seitenhieb mit meinem Stocke 
zu zertrĂŒmmern, um an den Fragmenten die sofortige Ver- 
Ànderung der weissen Fleischsubstanz in gesÀttigtes Indigblau 
zu beobachten. In den BĂŒchern ĂŒber Pilze wurde bisher 
diese Erscheinung entweder einem etwaigen Anilingehalte 
oder einer Cyanverbindung zugeschrieben. 

Auch Boletus rufus und die VarietÀt des Boletus 
variegatus Sw. mit den braunen Röhren gehört hierher. 

Boletus scaber Bull. (aurantiacus), der Capuziner, 
ein schöner, essbarer Pilz, mit sehr zartem, weichen Fleisch, 
fÀrbt sich, zerschnitten, beim Bruch im Wasser oder getrock- 
net, erst grau, dann ganz schwarz. Mit Alkalien ĂŒbergossen, 
fÀrbt er sich anfangs krapproth, dann braun, spÀter schwarz. 
Er verdient ebenfalls eine Untersuchung. “ 

Th. Husemann (medicin. Bedeutung der Pilze, Archiv d. 
Pharm. 1865, II. R. Bd. 124, S. 89 und 215) zÀhlt eine ganze 
Reihe von Boletusarten auf, welche beim Bruche ihre Farbe an 
der Luft nicht Àndern (Boletus edulis, bovinus, sub- 
tomentosus, granulatus, luteus, regius, ovinus, 
frondosus, umbellatus, pes caprae, artemidorus und 
hepaticus). Dem giftigen Boletus luridus Fries 
kommt dieser Farbenwechsel zu; sein Fleisch ist weiss oder gelb- 
lich und geht beim Bruche ms Dunkelblaue ĂŒber; aber auch 
einigen essbaren z. B. dem Boletus variegatus,fre und 
cyanescens, die natĂŒrlich besser gemieden werden, als dass 
man sich durch Verwechselung einer Vergiftung aussetzte. 

In seinem Handbuche der Toxikologie 1862, 8.394 bemerkt 
Derselbe zu dem sogenannten Kennzeichen der Giftigkeit eines 
Pilzes, der wechselnden Farbe seines Fleisches: 
nicht alle Boleten, welche blau anlaufen, sind giftig; Boletus 
subtomentosus und die 3 ebengenannten zeigen diese 
FarbenÀnderung, ohne giftig genannt werden zu können. 

Boletus scaber L. lÀuft schwÀrzlich an und ist doch 
unschÀdlich. Dem Boletus Satanas Lenz wird besondere 
Giftigkeit zugeschrieben, ferner B. pachypus, cal opus, 


Ueb. d.Chromogen d. Boletus eyanescens u. ander. auf frisch. Bruche ete. 109 


erythropus, torosus und lupinus, ĂŒber deren toxi- 
sche Eigenschaften aber besondere Beobachtungen nicht 
bestehen. 

Der Geruch des Boletus pach’'ypus Fries ist wanzen- 
artig, sein Geschmack bitter; Boletus lupinus Fr. besitzt 
sÀuerlichen Geschmack (Husemann a. a. O. S. 380). 


Nach Schönbein (Philosoph. Magaz. IV. Ser. II. Vol., 
Nro 70, S. 137; daraus im Chem, Centralblatt, vom 9, Juli 
1856, Nr.32, S.512; auch in Rochleders’ Chem. u. Phy- 
siologie d. Pflanzen 1858, S. 98) enthÀlt der alkoholische 
Auszug von Boletus luridus und Agaricus sangui- 
neus eine farblose Substanz, die sich gegen Ozon wie Gua- 
jaktinctur verhÀlt und sich blau fÀrbt. Der ausgepresste Saft 
enthÀlt eine Substanz, die den gewöhnlichen Sauerstoff in 
Ozon umwandelt. Der alkoholische Auszug wird durch gewöhn- 
lichen Sauerstoff nicht blau, aber sogleich, wenn man vom 
ausgepressten Safte dazu setzt. Derselbe Saft giebt auch an 
Guajaktinetur sein Ozon ab und ozonisirt- sich aufs Neue. Man 
kann ihn daher fĂŒr einen OzontrĂ€ger ansehen, 


Am 26. Septbr. 1870, noch denselben Tag, an wel- 
chem ich die frischen Pilze erhalten hatte, nahm ich sie in 
Untersuchung. Sie waren Àusserlich gelb, auf dem frischen 
Bruche weiss, Ànderten aber rasch ihre Farbe in tiefblau. 
Ihr Gewicht = 371 G. Sie wurde unzerkleinert in 
ein weitmĂŒndiges Glas gegeben, hierin mit 500 0.C. Wein- 
geist von 92 Vol, °/, Gehalt ĂŒbergossen, unterhalb des 
Weingeist’s zerdrĂŒckt und mit einer Glasplatte bedeckt 
bis zum 6. October maceriren gelassen. Jetzt wurde der 
brÀunlichgelbe weingeistige Auszug abgepresst und filtrirt, 
wobei er sich etwas grĂŒnlich fĂ€rbte, wĂ€hrend der Filter- 
rand rein blau gefÀrbt erschien. 


Als eine Probe des weingeistigen Auszuges mit Salz- 
sĂ€ure angesĂ€uert wurde, verschwand die grĂŒnliche FĂ€rbung, 
das Gemisch erschien gelb und blieb auch nach dem Kochen 
gelb. Unterschied von dem Rhinanthin und dem Chromogen 
in Melampyrum arvense, die dabei blau und grĂŒn werden, 


110 Ueb. d.Chromogen d. Boletus eyanescens u. ander. auf frisch. Bruche ete, 


Auf Zusatz von Ammoniak wurde der weingeistige 
Auszug ebenfalls gelb. 

Am Rande des weitmĂŒndigen Clases, in welchem die 
Maceration statt gefunden, hatte sich ein kystallinischer 
Anflug abgesetzt. Eisenchlorid fÀllte den weingeistigen 
Auszug graugelb, Bleizuckerlösung schwach grĂŒnlichgelb, 

Von dem filtrirten weingeistigen Auszuge wurde der 
Weingeist aus einer Glasretorte im Wasserbade abdestillirt, 
der wĂ€ssrige RĂŒckstand aus der Retorte in eine Porzellan- 
schale gegeben und im Wasserbade bis zum ‚ dĂŒnnen Syrup 
eingedunstet. 

Aus diesem hatte sich nur wenig ölig harzige Sub- 
stanz abgeschieden. Der Syrup wurde mit kaltem Wasser 
verdĂŒnnt, filtrirt und abermals im Wasserbade concentrirt. 
Eine Probe der brÀunlichgelben, wÀssrigen Lösung gab mit, 
einer Lösung des unterchlorigsauren Natrons die 
schönste intensiv indigblaue FÀrbung; sie musste also das 
Chromogen des Boletus eyanescens noch unverÀndert enthalten 
und getrennt von der Substanz, welche die Veranlassung 
ist, dass dieses Ohromogen mit ihr und atmosph. Luft in Be- 
rĂŒhrung sich blĂ€ut. 

Die mit Weingeist extrahirte Pilzmasse gab, mit kal- 
tem Wasser ausgezogen, eine schleimige Lösung, die sich 
mit unterchlorigsaurem Natron nicht blau, sondern braun 
fÀrbte. 

Unter einer Glasglocke ĂŒber concentrirter SchwefelsĂ€ure 
stehen gelassen, erstarrte der das Chromogen enthaltende Sy- 
rup zu schönen, concentrisch strahlig gruppirten Krystallen 
(7. Oct. 1870). Diese Krystalle, von der Mutterlauge durch 
Pressen zwischen weissem Filterpapier getrennt und umkrystal- 
lisirt, wurden farblos, schmeckten sĂŒss und fĂ€rbten sich mit 
unterchlorigsaurem Natron nicht mehr. Sie wurden als Man- 
nit erkannt. Die gelbbrÀunliche Mutterlauge fÀrbte sich aber 
immer noch intensiv blau ‚durch unterchlorigsaures Natron. 
Sie wurde mit absolutem Alkohol und dann mit Aether 
vermischt und hierdurch in einen ungelösten, zÀhen, etwas 
fleischbrĂŒhartig, sĂŒsslich kratzend schmeckenden Theil und in 


Ueb, d. Chromogen d. Boletus eyanescens u. ander. auf frisch. Bruche ete. 111 


eine goldgelbe Lösung zerlegt. . Diese letztere liess beim 
Verdunsten einen geringen, gelben, amorphen RĂŒckstand, der 
auf Zusatz von unterchlorigs. Natron intensiv grĂŒn braun 
gefÀrbt wurde. 

Die wÀssrige Lösung des Uhromogens röthet deutlich 
das blaue Lackmuspapier und ist brÀunlich gelb gefÀrbt. 

Seine concentrirte Lösung wird, mit einigen Tropfen 
unterchlorigs. Natrons vermischt, tiefblau gefÀrbt, bei Ver- 
dĂŒnnung durchsichtig blau ins Violette, beim Stehen nach eini- 
gen Minuten verblassend. 

Eine verdĂŒnntere Lösung wird durch Na0,ClO erst 
grĂŒnlich, dann grĂŒnlichblau , reinblau, violett und zuletzt dun- 
kelbraun. 

In einer sehr verdĂŒnnten Lösung entsteht durch NaO,C10 
keine blaue, sondern sogleich eine intensiv braune FĂ€rbung. 

Mit SalzsÀure angesÀuert, entsteht keine FarbenÀnde- 
rung, auch nicht nach Zusatz von Natronlauge bis zur alkali- 
schen Reaction. Nun unterchlorigsaures Natron zugefĂŒgt, 
giebt ebenfalls keine VerÀnderung der gelben- Farbe der 
Mischung. 

Die wÀssrige Lösung des Chromogens giebt mit Eisen- 
vitriollösung keine Reaction, fÀrbt sich durch Eisen- 
chloridlösung nur blÀulich, ebenso durch ein Gemisch 
aus EisenchlorĂŒr und Eisenchlorid; durch Eisen- 
vitriol nebst ĂŒberschĂŒssiger Natronlauge blĂ€ulich, 
ebenso durch Eisenchlorid und Natronlauge, und durch 
Eisenvitriol, Eisenchlorid und Natronlauge; alle 3 
eisenhaltigen Gemische, mit SalzsÀure angesÀuert, gaben rein 
gelbe Lösungen. Es ist also weder BlausÀure, noch 
EisenblausÀure zugegen. 

Uhromsaures Kali, saures, bewirkt keine VerÀnde- 
rung in der wÀssrigen Lösung des Ohromogens; so wie aber 
eine kleine Menge freier SchwefelsÀure dazu gemischt wird, 
entsteht ein gelbgrĂŒner Niederschlag. 

Uebermangansaures Kali verliert durch die Chro- 
mogenlösung rasch seine violette Farbe und giebt ein braunes 
(Gemisch. 


112 Ueb. d.Chromogen d, Boletus eyaneseens u. ander. auf frisch. Bruche ete. 


Bleihyperoxyd, mit Wasser und Ohromogen angerie- 
ben, giebt blÀuliches Gemisch und beim Ablagern des Blei- 
oxyds bleibt eine grĂŒne Lösung darĂŒber stehen. 

Essigsaures Kupferoxyd giebt einen gelblich grĂŒ- 
nen Niederschlag. 

Salpetersaures Silberoxyd einen zartflockigen, 
durchaus nicht kÀsigen Niederschlag, mit brÀunlicher Farbe 
in Ammoniak löslich, mit NOŸ angesÀuert, klar bleibend; beim 
Stehen schieden sich zarte Flocken aus. 

Goldehlorid fĂ€rbt sich auf der Stelle grĂŒn unter Re- 
duction von Gold. Mit Platinchlorid giebt die wÀssrige 
Chromogenlösung keine FÀllung, auch nicht nach Zusatz von 
SalzsĂ€ure; sobald aber Weingeist zugefĂŒgt wird, entsteht 
eine starke gelbe TrĂŒbung. 

Als in die concentrirte Platinchloridlösung die extract- 
förmige Chromogenlösung eingerĂŒhrt wurde, entstand eine trĂŒbe, 
gelbe Mischung, aus der beim Stehen sich ein gelber Nie- 
derschlag, unlöslich in Weingeist, absetzte. 

Mit 90 procentigem Weingeist ĂŒbergossen, löste sich von 
dem Chromogen ein kleiner Theil; diese Lösung wurde durch 
Platinehlorid krÀftigst gelb gefÀllt; aber dieser in star- 
kem Weingeist gelöste Theil wurde durch unterchlorig- 
saures Natron nicht blau, sondern nur noch roth gefÀrbt. 
Der im kalten 90%, tigem Weingeist nicht gelöste Theil blÀute 
sich noch krÀftigst durch unterchlorigs. Natron. 

GerbsÀure giebt m der wÀssrigen Lösung des Ohromo- 
gens erst TrĂŒbung, dann flockige FĂ€llung. 

Mit Aetzkalk erhitzt, entwickelt das Chromogen reich- 
liche ammoniakalische DĂ€mpfe als Zersetzungsproduct, ist 
also stickstoffhaltig. 

So weit reichte das zur Untersuchung vorliegende Ma- 
terial. Kleine Mengen des Chromogens, von Filtrirpapier auf- 
gesaugt und aufgehoben, zeigen heute noch (d. 30. Dee. 1871) 
die schöne Reaction mit unterchlorigs. Natron (VerÀnderung 
der gelben FĂ€rbung in intensives Blau). 

Nach T. L. Phipson (Compt. rend. LI, 107; Repert. 
chim. pure II, 346; Dingl. polyt. Journ. 157, 316; Kopp- 


Ueb. d. Chromogen d. Boletes eyÀanescens u. ander. auf frisch. Brucheete. 113 


Will’s Jahresbericht d. Chemie, 1860 S. 348) enthalten mehre 
Arten der Gattung Boletus (Boletus cyanescens und 
luridus), deren inneres Gewebe nach dem Zerreiben an 
der Luft lebhaft, aber vorĂŒbergehend indigblau wird, Ani- 
lin. Er findet, dass die fÀrbende Substanz, welche in dem Pilze 
in farbloser Verbindung ist, sich in Alkohol löst, nur wenig 
mit Wasser sich mischt, an der Luft verharzt und insofern 
die Eigenschaften des Anilins besitzt, als sie mit Oxydations- 
mitteln dieselben FĂ€rbungen erzeugt, wie das Anilin oder 
dessen Salze. Will fĂŒgt diesen Angaben die Bemerkung 
‚bei: „dass die fragliche Substanz wirklich Anilin ist, ergiebt 
sich aus Phipson’s Andeutungen nicht mit Bestimmtheit. 

Meine eben mitgetheilten Beobachtungen theilte ich am 
23. Juli 1871 Herrn Dr. Gonnermann mit und erhielt von 
Demselben am 14. August d. J. folgende Bemerkungen, die 
er mir freundlichst gestattete zu veröffentlichen. „Ich bin 
erfreut, schreibt Derselbe, dass meine Versuche im vorigen 
Herbst, die ich mit anderen Pilzen angestellt habe, durch 
Ihre Mittheilung vom 23. Juli d. J. ihre BestÀtigung gefunden 
haben. 

Nachdem ich Ihnen den Boletus cyanescens ge- 
schickt, fand ich kurz darauf Boletus luridus, der beim 
Bruch und Druck auch sogleich dunkelblau anlĂ€uft; ich ĂŒber- 
goss ihn mit Alkohol und erhielt eine schön blaue 
Tinctur. 

Beim Verdampfen schwand jedoch rasch die blaue Farbe 
und Ă€nderte sich in eine gelbbraune um. Zur dĂŒnnen 
Extractdicke abgedampft und das Extract mit Alkohol ausge- 
kocht, lieferte es beim Erkalten schöne Mannitkrystalle 
(wovon ich Ihnen ein Pröbchen beifĂŒge), Der mit Alkohol 
ausgezogene RĂŒckstand, in Wasser gelöst, verhielt sich gegen 
SĂ€uren ohne blaue Farbenreaction. Da ich nun eine Anilin- 
Verbindung vermuthete, so reagirte ich mit einer Lösung von 
Calcaria hypochlorosa; es verschwand aber nur die 
braune Farbe. 

Rein zufÀllig liess ich einige Tropfen in eine mit Na- 
ironlösung versetzte Probe fallen, wodurch sofort die FlĂŒssig- 

Arch, d, Pharm. CXCIX, Bds, 2. Hft, 8 


114 Ueb. d. Chromogen d. Boletes eyanescens ĂŒ. ander. auf frisch. Bruche ete. 


keit sich blau fÀrbte. Ich bereitete mir desshalb alsbald eine 
Lösung von Natr. hypochlorosum (aus kohlens. Natron 
und Chlorkalk) und bekam hiermit sofort eine blaue Reaction. 
Ich schloss daraus, dass diese blaue Reaction der Pilze einem 
Chromogen zugeschrieben werden mĂŒsse, welches darin 
durch BerĂŒhrung mit Sauerstoff oder Ozon verĂ€ndert und 
geblÀut wird. Ich theilte diese meine Beobachtung ganz 
kurz dem Dr. Rabenhorst mit, weil dieser einsOyanver- 
bindung in der blauen Farbe vermuthete. 

Auf diese Beobachtung hin habe ich im vorigen Herbst 
auf dieselbe Weise noch Boletus rufus, B. Satanas, 
B. pachypus, B. calopus und die VarietÀt des Boletus 
variegatus mit den braunen Röhren untersucht und bei 
allen mit dem blossen weingeistigen Auszuge durch Zusatz 
von Natr. hypochlorosum eine mehr oder weniger blaue 
Reaction erhalten. Nun erhalte ich Ihren Brief und sehe zu 
meiner grossen Freude, dass ich auf dem richtigen Wege 
gewesen bin. Ihre mir zugeschickte Probe giebt jedoch eine 
so intensiv dunkle Reaction, wie ich sie nicht erzielt habe, denn 
die wÀssrige Lösung des Extractes ist so dunkel, dass das Blau 
nicht so frei hervortritt und verdĂŒnne ich die Lösung, so wird 
die Reaction zu schwach im VerhÀltniss zu der Reaction der 
frischen Pilze. Es wÀre nun möglich, dass durch das Ver- 
dampfen des weingeistigen Auszugs in der WĂ€rme das Chro- 
mogen verÀndert und dadurch die Reaction geschwÀcht, resp. 
theilweise zerstört wĂŒrde Die Verdampfung an freier Luft 
der sich selbst ĂŒberlassenen Tinctur, wĂŒrde die FlĂŒssigkeit 
zu Jange der AtmosphÀre aussetzen und diese möglicherweise 
auch nachtheilig darauf einwirken. Ich habe das verdĂŒnnte 
Extract mit Kohle behandelt, aber kein besseres Resultat, 
dagegen den Mannit damit ziemlich weiss erhalten. 

Zu bemerken ist noch, dass bei den blau anlaufenden 
Pilzen nach lÀngerem Liegen an. der Luft die blauangelaufe- 
nen Stellen sich wieder entfĂ€rben.“ 

Einem spÀteren Briefe des Herrn Dr. Gonnermann 
vom 5. October d. h. entnehme ich noch folgende Beobach- 
tungen: 


Ueb, d. Chromogen d. Boletus eyanescens u. ander. auf frisch. Brucheete. 115 


„Zuerst stellte ich Versuche mit einem Boletus luri- 
dus an, bereitete mir eine Tinctur daraus, indem ich in eine 
Porzellanschale 90 procentigen Weingeist brachte und die- 
sem der Pilz in höchst feinen, dĂŒnnen Schnitten 
zusetzte, so dass derselbe vom Weingeist bedeckt wurde; 
andrerseits zerrieb ich in einem Porzellanmörser 
einen Pilz zu Brei, ĂŒbergoss ihn nun mit 90 proc. Wein- 
geist und stellte beide Proben bedeckt 24 Stunden bei 
Seite. 


Sowohl beim Einschneiden des Pilzes, als auch beim Zer- 
reiben desselben in Weingeist gebracht, fÀrbte sich derselbe 
sofort dunkelblau, die Farbe ging jedoch bald in BlaugrĂŒn 
ĂŒber und nach 24stĂŒndiger Maceration wurde die Farbe 
schmutzig grĂŒngelb.*) Da beide AuszĂŒge gleiche Farbe hat- 
ten, so presste ich beide AuszĂŒge durch ein vorher nochmals 
ausgewaschenes, reines Colatorium, benetzte den RĂŒckstand 
nochmals mit Weingeist, presste abermals und vereinigte die 
AuszĂŒge; nach dem Filtriren wurden sie in eine Porzellan- 
schale im Wasserbade bis zur Extractdicke abgedampft und 
ein schönes hellbraunes Extract erhalten. Da frĂŒhere Ana- 
Iytiker Pilzzucker, spÀtere, wie E. Boudierim Agaricus 
campestris Mannit und Kohlrausch in Morchella 
esculenta, Tuber cibarium ete. auch Mannit gefunden 
hatten, so versuchte ich auch hier Mannit nachzuweisen. Ich 
kochte daher die Extracte mit 90 procent. Weingeist aus, 
welcher dabei eine gelbe Farbe annahm. Vom RĂŒckstande 
abgegossen, erkalten gelassen, schied sich eine reichliche 
körnig-krystallinische Kruste am Boden, so wie einzelne 
Krystallgruppen an der Wand des Glases aus. Diese, da sie 
brÀunlich gefÀrbt waren, mit Weingeist und Kohle behandelt, 
lieferten beim Erkalten reichliche Mengen weisser Krystalle, 
die sich wie reiner Mannit verhielten. 


*) Um diese FÀrbung der Pilzmasse durch die Luft möglichst zu 
vermeiden, zerdrĂŒckte ich, wie oben mittgetheilt, die unverletzt in 
Weingeist eingesenkten Pilze unter dem Weingeiste. H.L. 


g* 


116 Ueb. d. Chromogen d, Boletus eyanescens u. ander. auf frisch. Bruche ete. 


Das mit Weingeist ausgezogene Extract löste sich in 
Wasser vollkommen auf und hatte einen faden, schwach 
-bitterlichen Geschmack. Um auf Cyan zu prĂŒfen, wurde ein 
Theil der Lösung mit Argent. nitric. behandelt, jedoch 
kein Cyansilber erhalten; ebensowenig erhielt ich mit Pikrin- 
sĂ€ure und Kalihydrat eine rothe FlĂŒssigkeit; Cyan war 
sonach nicht nachweisbar. 

Ein anderer Theil der Extractlösung mit Chlorkalk- 
Lösung versetzt, brachte keine FarbenverÀnderung hervor; 
dieser Mischung etwas SalpetersĂ€ure zugefĂŒgt, wurde 
die FlĂŒssigkeit durch das frei gewordene Chlor theilweise 
entfÀrbt. 

Einem dritten Theile der Extractlösung wurde Natr. 
earbonic. zugefĂŒgt, wodurch keine VerĂ€nderung bemerklich 
wurde; beim Zutröpfeln eine Chlorkalklösung bemerkte ich 
jedoch eine blaue FĂ€rbung der FlĂŒssigkeit. 

Einer vierten Probe der Extractlösung fĂŒgte ich nun 
tropfenweise eine wÀssrige Lösung von unterchlorigsau- 
rem Natron hinzu und erhielt sofort eine deutliche blaue 
FĂ€rbung. Weitere Versuche wurden dadurch verhindert, dass 
der Rest der Extractlösung beim Aufbewahren durch Schim- 
melbildung verdorben war. 

Ich suchte mir daher frisches Material zu verschaffen, 
fand jedoch keinen Boletus luridus, sondern einen Boletus 
pierodes, mit welchem ich die Versuche wiederholte Zu 
meiner Freude sah ich die blaue Reaction durch 
unterchlorigsaures Natron auch hier wieder 
erscheinen. 

SpÀter fand ich noch Boletus calopus, Satanas 
und B. pachypus, welche mir dieselben Resultate lieferten; 
sogar die VarietÀt des Boletus variegatus mit den engen 
braunen Röhren, welcher beim Zerbrechen ebenfalls blau an- 
lÀuft, gab eine ganz gelbe Tinctur, die aber, obgleich sehr 
schwache, doch deutlich erkennbare blÀuliche Reaction gab. 
Mannit fand ich in allen diesen untersuchten Pilzen.“ 


(A. Gonnermann). 


Untersuchung deutscher und auslÀndischer Weine. Er 


Mit einem Reste des beim Aufbewahren krystallinisch 
gewordenen brÀunlichgelben Extractes, in welchem das Chro- 
mogen des Boletus cyanescens noch krÀftigst durch 
unterchlorigsaur. Natron in Blau verwandelt werden konnte, 
machte ich noch einen Versuch, um etwa vorhandenes Anilin 
zu isoliren. Das Extract wurde mit Natronlauge bis zur 
deutlich alkalischen Reaction versetzt und nun mit Aether 
mehrmals ausgeschĂŒttelt. Der klar abgehobene Aether wurde 
mit SalzsÀure bis zur deutl. sauren Reaction versetzt, dann 
verdunstet. Der saure RĂŒckstand gab, mit Natronlauge alka- 
lisch gemacht, bei gelindem ErwÀrmen zwar einen ammo- 
niakalisch pilzartigen Geruch, blieb aber nach Zusatz von 
unterchlorigs. Natron-Lösung durchaus farblos. Auch 
ein 2. Versuch mit Resten von ÜUhromogen, die im Filtrir- 
papier vom Pressen des Mannits sich befanden, und die durch 
unterchlorigs. Natron die schönste BlÀuung annahmen, lie- 
ferten, auf gleiche Weise wie das Extract mit Natronlauge 
und Aether behandelt, keine Spur von Anilin in der Àtheri- 
schen Lösung. *) 

Es muss also bis auf Weiteres das Chromogen des 
Boletus eyanescens fĂŒr ein besonderes, bisher noch nicht 
isolirtes Product der Pilze erklÀrt werden. Herr Dr. Gonner- 
mann hat mir seine MithĂŒlfe zur weiteren Verfolgung dieses 
Gegenstandes zugesagt. 


Jena, den 30. Decbr. 1871. H. Ludwig. 


Untersuchung deutscher und auslÀndischer Weine. 
Von G. GlÀssner, Apotheker in Kassel. 


Im Laufe des vergangenen Jahres ward ich mehrfach 
veranlasst, Weine der verschiedensten Art einer eingehenden 


*) Bei einer Gegenprobe mit Auilin gab das zum Versuche benutzte, 
unterchlorigsaure Natron sehr rasch die schönste violette FÀrbung, 


118 Untersuchung deutscher und auslÀndischer Weine. 


quantitativen PrĂŒfung zu unterwerfen. Obgleich nun die 
Zahl der bereits veröffentlichten Analysen mancher Weine 
nicht unbetrĂ€chtlich ist, so glaube ich doch, dass es fĂŒr Viele 
Interesse haben wird, ĂŒber eine Anzahl bekannter Weine des 
In- und Auslandes specielle Angaben zu besitzen. Werden 
doch namentlich die deutschen und französischen Weine jÀhr- 
lich in so grossen QuantitÀten versandt, dass sie einen wich- 
tigen Factor im internationalen Handel bilden. Weniger 
bekannt sind die Schweizer Weine. Ich habe deren sieben, 
aus verschiedenen Cantonen stammend, analysirt. Nur diese 
Weine, welche ich der GĂŒte des Herrn Apotheker Esche- 
rich in Lenzburg, Canton Aargau, verdanke, sind direct vom 
Winzer bezogen, alle ĂŒbrigen stammen aus den Kellern hie- 
siger Grossweinhandlungen. 

Ueber die AusfĂŒhrung der Analysen will ich nur wenige 
Worte anfĂŒgen. 


Im Allgemeinen folgte ich Mohr’s trefflichem Werke 
ĂŒber den Wein, der Spiritusgehalt in Gewichtsprocenten ward 
nach dem specifischen Gewichte des Destillates, der Trauben- 
zucker mit Kupferlösung bestimmt. Die bei Herstellung des 
Weinextractes angewandte Temperatur hat 100° Cels. nicht 
ĂŒberschritten. Andere Chemiker nehmen 120° an, ich halte 
diese Temperatur fĂŒr zu hoch, als dass sie das Weinextract 
ohne Zersetzung ertragen könnte. *) 


*) Eine Zusammenstellung der Resultate der bisherigen Weinanalysen 
findet sich in Jacob Moleschott’s Physiologie der Nahrungs- 
mittel, ein Handbuch der DiĂ€tetik, 2. Aufl. Giessen, Ferber’sche Univ. 
Buchh. 1859, S. 227 bis 246, 


Die Literatur ĂŒber den Wein in dem Artikel Wein, Liebig - Pog- 
gendorff- Wöhler’s Handwörterbuch der Chemie 1864, Bd. IX, -S. 606. 


H.L. 


Untersuchung deutscher und auslÀndischer Weine. 119 


-— 
Gew. %o | % 


Name des Weines. Alko- | Trauben- | Freie | Ex- ARE 


chole zucker. | SĂ€ure. | tract, 


GP Hllhheimer 9,613 | 0,329 | 0,461 | 2463 0,179 


68er Laubenheimer | 9,994 0,417 0,563 | 2,736 | 0,198 
68er MarkgrÀfler Feaalsz 0,215 0,515 | 1,854 | 0,187 
68er Wachenheimer | 8,200 0,491 | 0,558 ; 3,801 | 0,192 
68er Bodenheimer 10,542 | 0,333 | 0,441 | 1,874 | 0,186 
65er Wachenheimer | 8,984 0,294 | 0,529 | 2,150 | 0,202 
65er Erbacher | 9,927 0,510 | 0,515 | 2,628 | 0,190 
65er Forster Traminer | 9,569 | 0,474 | 0,561 | 3,444 | 0,182 
65er RiĂŒdesheimer | 8,989 0,454 | 0,514 | 2,916 | 0,180 
68er DĂŒrkheimer | 7,994 0,263 | 0,480 | 2,166 | 0,171 
68er Hambacher 7,183 0,255 | 0,579 | 2,146 | 0,178 
68er Niersteiner Rehbacher 8,981 1,252 0,479 | 3,120 | 0,184 
68er ZĂŒrcher Seewein 7,094 0,089 | 0,650 | 1,693 | 0,162 
Rother Neuenburger 9,630 0,132 | 0,415 | 2,440 | 0,185 


65er Casteler v. Schlossberg 8,271 0,125 | 0,550 | 1,795 | 0,178 
67er Hallauer (Canton Schaff- 


hausen) 8,700 0,104 | 0,381 | 2,505 | 0,274 
65er Schloss Lenzburger 

Riessling 7,182 0,166 | 0,600 | 2,422 | 0,246 
65er Jacobsberger 9,414 0,123 | 0,392 | 2,138 | 0,279 
67er Yvorne (Waadt) 9,207 0,167 | 0,533 | 1,824 | 0,195 
Tokayer | 16,836 | 11,363 | 0,251 
Xeres 20,961 3,571 | 0,427 
Malaga 12,461 
Petit Medoc Bordeaux 10,543 
St. Julien 10,491 
Cantenac 9,782 
ChÀteau Larose 1,572 


Ueber Bereitung von Bleipflaster. 
Von F. Kostka, Apotheker in Ronsdorf. 


a) Emplastrum Plumbi simplex. 


Als ich vor einiger Zeit einfaches Bleipflaster machen 
wollte, wog ich mir, um am andern Morgen recht zeitig da- 
mit anfangen zu können, am Abende zuvor BleiglÀtte und 
Olivenöl in den Pflasterkessel, setzte gleichzeitig schon etwas 
Wasser hinzu und rĂŒhrte das Ganze einigemale untereinan- 
der. Am andern Morgen war die Pflasterbildung 
schon theilweise vor sich gegangen. Das Oel hatte 


120 Ueber Bereitung von Bleipflaster. 


sich in eine dickliche, grauweisse Masse verwandelt. Nach 
kaum anderthalbstĂŒndigem Kochen auf freiem Feuer 
war das Pflaster vollstÀndig fertig, wogegen man sonst zur 
Beendigung dieser Operation zwei bis drei Stunden gebraucht. 


b) Emplastrum Plumbi compositum. 


Schon seit vielen Jahren bereite ich das zusammenge- 

setzte Bleipflaster nach einer Methode, die auch Hager in 

seinem Commentar angiebt, jedoch mit einigen Modificationen 
derselben. 

Ich bringe die beiden gereinigten Gummi-Harze (Am- 
moniacum und Galbanum) mit dem Terpenthin und etwas Was- 
ser in einen kupfernen Kessel und erhitze das Ganze unter 
stetigem UmrĂŒhren ĂŒber einem gelinden Kohlenfeuer so lange, 
bis sich eine Art Emulsion gebildet hat. Alsdann setze ich 
Wachs und Bleipflaster hinzu und erhitze unter RĂŒhren wei- 
ter, bis dieselben geschmolzen sind. 

Auf diese Weise habe ich noch immer rasch und unter 
Benutzung nur eines GefÀsses ein sehr schönes Pflaster 
erhalten. 

Diese Methode wurde mir seiner Zeit vom Üollegen 
Ditgens in Barmen- Rittershausen angegeben und kann ich 
dieselbe nur sehr empfehlen. 


Den 10. Januar 1872. 


Mittheilungen aus der chemischen Fabrik auf Actien 
(vormals E. Schering) in Berlin *) 


a) Neue PrÀparate. 


1) Xylol. Nach einer Notiz in No. 51 der Berliner Klini- 
schen Wochenschrift wird das Xylol von dem dirigirenden Arzt 


*) Von Herrn Schering als Separatabdruck mitgetheilt, No. 4. 
Dee, 1871, 


Mittheilungen aus der chemischen Fabrik auf Actien in Berlin. 12] 


‘ in der Königl. Charit@ zu Berlin, Herrn Dr. Zuelzer, mit 
Erfolg bei der Behandlung der Pockenkranken angewendet. 

Dr. Zuelzer hat bei der Behandlung der Pocken mit 
Xylol bisher sehr gĂŒnstige Resultate zu beobachten Gelegen- 
heit gehabt, worĂŒber er spĂ€ter selbst eingehendere Mitthei- 
lungen zu machen beabsichtigt; er bemerkt aber ausdrĂŒcklich, 
dass diese Wirkungen nur bei völliger Reinheit des verwand- 
ten Xylols einzutreten scheinen, wÀhrend dem Toluol und 
anderen verwandten Stoffen jene Wirkung nicht zukomme. 

Die Gabe, in welcher das Xylol gereicht wird, ist bei 
Erwachsenen 10— 15 Tropfen, (bei Kindern 3—5 Tropfen), 
1—3 stĂŒndlich. Nachtheilige Nebenwirkungen wurden bisher 
nicht beobachtet, selbst wenn das Xylol in wesentlich gestei- 
gerter Gabe gereicht wurde. Man giebt es am besten so 
frĂŒh als möglich bis zur völligen Abtrocknung der (pustulösen) 
' Blattern. 

Die beste Art der Darreichung des Xylols sind damit 
gefĂŒllte Capsules, von denen wir solche zu 3, 5, 8 und 12 
Tropfen vorrÀthig halten, auch kann es tropfenweise mit 
Wein oder Wasser gegeben werden. 

2) Crotonchloralhydrat = C*H?C1?O + H2O bildet 
kleine, weisse, leichte, glÀnzende, blÀttrige Krystalle von 
eigenthĂŒmlichem, entfernt an Heidelbeeren erinnernden Geruche 
und brennendem Geschmacke. Es löst sich sehwierig in kal- 
tem, leichter in heissem Wasser, leicht in Alkohol und Aether, 
Beim ErwĂ€rmen schmilzt es und verflĂŒchtigt sich vollstĂ€ndig; 
die entstehenden DĂ€mpfe reizen die SchleimhĂ€ute, vorzĂŒglich 
' die der Augen, heftig. Auch mit WasserdÀmpfen ist es leicht 
flĂŒchtig. Concentrirte SchwefelsĂ€ure entzieht ihm das Wasser 
und scheidet das reine Ürotonchloral als eine farblose, ölige, 
auf der SÀure schwimmende Schicht ab, die beim ErwÀrmen 
unter SchwÀrzung und SalzsÀureentwicklung allmÀhlig zer- 
stört wird. 

Die Reinheit des PrÀparates lÀsst sich leicht feststellen. 
Es muss bei 78°C. schmelzen, sich vollstĂ€ndig verflĂŒchtigen 
und in Wasser und Alkohol klar lösen. Die wÀssrige Lösung 
_ muss neutral reagiren, beim Versetzen mit Silbersalpeter und 


122 Mittheilungen aus der chemischen Fabrik auf Actien in Berlin. 


SalpetersÀure darf sie kein Chlorsilber ausscheiden und muss 
beim Vermischen mit einer Lösung von Àtzenden oder kohlen- 
sauren Alkalien eine in Wasser unlösliche, ölige FlĂŒssigkeit 
— Allylendichlorid — abscheiden. 


Das Crotonchloral wurde zuerst von Kraemer und Pin- 
ner durch Chloriren des gewöhnlichen Aldehyds, der dabei 
in Crotonaldehyd ĂŒbergeht, dargestellt. 


Im Crotonchloral hat Dr. OÖ. Liebreich ein neues 
AnÀsthetikum, mit dessen Studium er zur Zeit noch 
beschÀftigt ist, entdeckt. Die bisher von Dr. Liebreich an 
Thieren und Menschen angestellten Versuche ergaben, dass 
man im ÜCrotonchloral ein Mittel hat, das Gehirn in eine 
tiefe Narkose zu bringen, ohne die ThĂ€tigkeit des; ĂŒbrigen 
Organismus herunterzustimmen, wÀhrend beim Chloral eine 
entsprechend tiefe Narkose des Gehirns von einer allgemeinen 
AnÀsthesie und Herabsetzung der HerzthÀtigkeit begleitet ist. 


3) Apomorphin = C!" H!?T NO? ist von Matthiessen 
und Wright eine aus dem Morphin und spÀter auch aus 
dem Kodein durch Behandeln mit Salz- oder SchwefelsÀure 
erhaltene Base genannt worden. Dieses neue Alkaloid bildet 
cine weisse, unkrystallinische Masse, die mit SalzsÀure ein 
krystallisirbares, wasserfreies Salz C!? H!7 NO? HCl giebt. 
Der Luft ausgesetzt, fÀrbt sich die freie Base durch Sauer- 
stoffaufnahme rasch grĂŒn und löst sich dann nur noch theil- 
weise in Wasser, welchem sie eine schöne smaragdgrĂŒne 
Farbe ertheilt. In Alkohol ist sie mit grĂŒner, in Aether und 
Benzol mit schön rosapurpurner und in Chloroform mit vio- 
letter Farbe löslich. Das chlorwasserstoffsaure Salz ist in 
Wasser leicht löslich. 

Vom Morphin unterscheidet sich die Base durch ihre 
Löslichkeit in viel Wasser, ‚vorzĂŒglich kohlensĂ€urehaltigem, 
und die Leichtlöslichkeit in Alkohol, Aether und Chloroform. 
Aetzende Alkalien erzeugen in den Lösungen des salzsauren 
Salzes weisse NiederschlÀge, die im Ueberschuss des FÀllungs- 
mittels leicht löslich sind und sich rasch schwÀrzen. Eisen- 
chlorid erzeugt eine dunkle AmethystfÀrbung, Silbersalpeter 


Mittheilungen aus der chemischen Fabrik auf Actien in Berlin. 123 


wird rasch reducirt, SalpetersÀure bewirkt bluthrothe FÀrbung, 
die beim ErwÀrmen blasser wird. 


Das Apomorphin ist ein nicht irritirendes Emetikum 
und krÀftiges Antistimulans. In geringen Dosen innerlich 
genommen, oder subcutan eingespritzt, erregt es innerhalb 
weniger Minuten Erbrechen und betrÀchtliche Abspannung; 
selbst lĂ€ngere BerĂŒhrung der Base mit den HĂ€nden bringt 
diese Wirkung hervor. 


Das Apomorphin verdient allgemeinere Aufmerksankeit, 
da die Möglichkeit vorliegt, dass es in die neue deutsche Phar- 
macopöe aufgenommen werde. 


4) AusgefĂ€llte Oollodionwolle. Untersuchungen ĂŒber die 
Collodionwolle von Camuzet, H. Vogel und van Monck- 
hoven haben gezeigt, dass jedes Collodion grössere oder 
geringere Antheile von einer noch nicht nÀher bestimmten 
(nach Vogel schmierigen, brÀunlichen, bitterschmeckenden, 
wahrscheinlich nitrirten) Substanz enthÀlt, welche, da sie in 
Wasser löslich ist, in das Silberbad ĂŒbergeht und dieses ver- 
unreinigt, Die Gegenwart dieser Substanz scheint auch das 
Rothwerden jodirter Collodien, d. h. die Zersetzung der Jod- 
metalle, resp. die Ausscheidung von freiem Jod zu veranlassen. 
Aus ihrer Auflösung durch Wasser ausgefÀllte Collodionwolle 
zeigt, da ihr die in Wasser lösliche Verunreinigung fehlt, diese 
UebelstÀnde nicht. 


Nach Monckhoven kann ein mit gefÀlltem Pyroxylin 
bereitetes Collodion in verschiedener Weise jodirt werden, 
ohne dass die Jodmetalle dadurch zersetzt werden; nach H. 
Vogel wurde ein solches Collodion zwar zuerst hellgelb, 
behielt aber diese Farbe, wÀhrend ein gleichzeitig aus nicht 
gefÀlltem Pyroxylin dargestelltes, jodirtes Collodion nach vier 
Wochen dunkelgelb wurde. Die gefÀllte Collodionwolle bildet 
sehr harte, krĂŒmlige StĂŒcke, welche schwer entzĂŒndlich sind 
und sich völlig in Aether - Alkohol auflösen. 


194 Mittheilungen aus der chemischen Fabrik auf Actien in Berlin. 
b) Mittheilungen aus der Praxis, 


1) Schwefelkadmium. In Nr. 3 dieser Mittheilungen war 
als bestes Mittel zum GelbfÀrben feiner Seifen des Schwefel- 
kadmiums ErwÀhnung gethan. Die FÀrbekraft des Kadmium- 
gelb ist in der That so gross, dass seine Verwendung zu 
genanntem Zweck selbst bei dem gegenwÀrtig bedeutend 
gestiegenen Preise noch lohnend erscheint, vorausgesetzt, dass 
das Schwefelkadmium frei ist von Verunreinigungen, welche 
seine FĂ€rbekraft beeintrĂ€chtigen. Letzteres dĂŒrfte leider nicht 
bei allen in den Handel gelangenden Sorten der Fall sein, 
da uns ein Schwefelkadmium im die Hand kam, welches nicht 
unbedeutende Mengen Zinkweiss enthielt. Auf eine solche 
VerfĂ€lschung aufmerksam zu machen, halten wir fĂŒr unsere 
Pflicht, umsomehr als diese Beimischung nicht so leicht der 
Ă€usseren Beschaffenheit nach zu erkennen ist. Am leichtesten 
ergiebt sich ein solcher Zusatz von Zinkweiss, wenn das frag- 
liche Schwefelkadmium mit starkem Essig einige Zeit in der 
WÀrme behandelt wird; etwa vorhandenes Zink wird gelöst, 
und die Lösung giebt dann, mit Soda ĂŒbersĂ€ttigt, einen weissen 
Niederschlag. 


2) Schwefelsaures Nickeloxydul- Ammoniak. Schon vor 
acht Jahren machte Becquerel auf dieses Doppelsalz (neben 
dem entsprechenden Kalisalz) als auf eine zur galvanoplasti- 
schen Vernickelung verschiedener Metalle sehr geeignete Ver- 
bindung aufmerksam. Von Adams in Boston und Gaiffe 
“ ist dies neuerdings bestĂ€tigt worden. Die Vernickelung der 
verschiedenartigsten metallenen GegenstÀnde hat bei den vor- 
trefflichen Eigenschaften des metallischen Nickels in neuester 
Zeit eine bestÀndig wachsende Aufmerksamkeit erregt; in 
Nord- Amerika bestehen z. B. bereits 10 Fabriken, welche 
galvanoplastisch vernickelte GegenstÀnde aller Art in den 
Handel bringen, und auch in Deutschland gewinnt der Con- 
sum der Nickelsalze fĂŒr diesen Zweck an Ausdehnung. Um 
die bei der galvanoplastischen Vernickelung mit obigem Salze 
frei werdende SchwefelsÀure zu neutralisiren, giebt man dem 
Bade nach Becquerel etwas Ammoniak zu, v. Jacobi in 


Mittheilungen ats der chemischen Fabrik auf Actien in Berlin. 125 


Petersburg empfiehlt statt dessen eine Anode von reinem 
metallischen Nickel zu verwenden. Beim Vernickeln durch 
blosses Ansieden wird nach Stolba folgendermaassen verfah- 
ren: In einen kupfernen Kessel bringt man zuerst eine con- 
centrirte Lösung von Chlorzink, verdĂŒnnt dieselbe mit dem 
gleichen Volumen Wasser, erhitzt zum Kochen und. fĂŒgt 
tropfenweise soviel SalzsÀure hinzu, bis der durch das Ver- 
dĂŒnnen entstandene Niederschlag verschwunden ist. Dann 
bringt man eine Messerspitze Zinkpulver hinein, welches 
nach Verlauf einiger Minuten ein Verzinken des Metallkes- 
sels, soweit er von der FlĂŒssigkeit berĂŒhrt ist, zur Folge hat. 
Man setzt nun soviel Nickelsalz hinzu, bis die FlĂŒssigkeit 
deutlich gefÀrbt erscheint, legt die zu vernickelnden Gegen- 
stÀnde gehörig gereinigt oder polirt hinein und bringt zu 
denselben kleine Zinkblechabschnitte oder ZinkdrahtstĂŒcke 
derart, dass beim Kochen hinreichend viel BerĂŒhrungspunkte 
geboten werden, und erhÀlt das Ganze im Kochen. Das 
Nickel schlÀgt sich bald nieder, und nach Verlauf von 15 Mi- 
nuten sind die GegenstĂ€nde vollkommen ĂŒberzogen. Man 
wÀscht sie nachher mit Wasser und putzt sie mit Schlemm- 
kreide. 

3) Verwendung des krystallisirten Silbersalpeters fĂŒr pho- 
tographische BĂ€der. Schon vor Jahren wurde von competen- 
ter Seite fĂŒr photographische SilberbĂ€der der ausschliessli- 
chen Verwendung des krystallisirten Silbersalpeters an Stelle 
des altherkömmlichen, geschmolzenen und in Stangen gegos- 
senen Höllensteins das Wort geredet. Es wurde damals 
schon nachgewiesen, dass beim Schmelzen des Silbersalpe- 
ters selbst bei grösster Vorsicht es sich nicht vermeiden 
lasse, dass kleine Mengen von salpetrigsaurem Silberoxyd 
gebildet werden, und dass diese spÀter im photographischen 
Bade zur Bildung von Schleiern (d. h. gleichmÀssigen Aus- 
scheidungen von SilberniederschlĂ€gen ĂŒber die ganze Nega- 
tivplatte) Veranlassung geben, welche selbst durch Zusatz 
von SalpetersÀure zum Bade nicht fortgeschafft werden 
können. Es kommt noch dazu, dass geschmolzener Silber- 
salpeter nicht selten eine stark alkalische Reaction zeigt, 


i26 Mittheilungen aus der chemischen Fabrik auf Actien in Berlin. 


welche dem praktischen Photographen eine sehr vorsichtige 


- und daher nicht leicht zu bewerkstelligende Neutralisation 


aufnöthigt. 

Im Gegensatz hierzu erweist sich der krystallisirte Sil- 
bersalpeter stets absolut frei von salpetrigsaurem Salz, und 
die Spuren von SalpetersÀure, welche den Krystallen etwa 
anhÀngen, sind bei sonst normaler Reinheit des Silbersalzes 
nicht schÀdlich, sondern sogar vortheilhaft, da jedes photo- 
graphische Silberbad eine wenn auch ganz geringe Spur freier 
SalpetersÀure nöthig hat. : 

Da die geschilderten VorzĂŒge des krystallisirten Silber- 
salpeters vor dem Höllenstein in Stangen, wie uns die Praxis 
lehrt, in letzter Zeit mehr und mehr in Vergessenheit gera- 
then sind, erlauben wir uns heute, dieselben wieder in Erin- 
nerung zu bringen. Es verdient bemerkt zu werden, dass 
sowohl in England und Amerika, als auch zum grössten Theil 
in Frankreich fĂŒr die Photographie schon seit vielen Jahren 
fast nur das krystallisirte Salz verwendet wird. 

4) Englisches Chloroform. In Nr. 3 dieser Mittheilungen 
wurde angegeben, dass das sogenannte englische Chloroform, 
welches sich durch seine Reinheit auszeichnet, aus Chloralhy- 
drat bereitet sei. 

Diese Angabe ist von einer englichen Firma in Öffent- 
lichen BlÀttern dementirt worden. Zur ErgÀnzung unserer 
damaligen Mittheilung und zum VerstÀndniss der Sachlage 
bemerken wir, dass man in England allerdings nicht aus 
reinem Chloralhydrat durch Zersetzung mittels Alkalien Chlo- 
roform destillirt, sondern mit Umgehung der Darstellung von 
reinem Chloralhydrat Methyl-Alkohol mit Chlor sÀttigt und 
das rohe Product mit Kalkmilch behandelt. 

5) Ohloralhydrat. Die Ueberproduction des Chloralhy- 
drates und dessen niedriger Preis werden fĂŒr diesen inter- 
essanten Körper gewiss auch noch andere als medicinische 
Verwendungen auffinden lassen. Bemerkenswerth dĂŒrfte schon 
jetzt die Thatsache erscheinen, dass Chloralhydrat als ein die 
FĂ€ulniss verhinderndes Mittel anzusehen ist. Wenn wir 
nicht irren, hat man kĂŒrzlich in England beobachtet, dass der 


Pyrocatechin im Kino. 127 


Körper eines durch den missbrÀuchlichen Genuss von Chloralhy- 
drat vergifteten Menschen auffallend lange der FĂ€ulniss wider- 
stand. Das Chloralhydrat wirkt jedenfalls in der Weise 
antiseptisch, dass es unter Zersetzung in Chloroform und 
AmeisensÀure durch die bei Beginn der FÀulniss stickstof- 
haltiger Substanzen eintretende Alkalescenz, diese neutralisirt 
und dadurch, dass das hierbei freiwerdende dampfförmige 
Chloroform den Luftsauerstoff absperrt und die Vibrionen 
tödtet. Jedenfalls wĂ€re es sehr wĂŒnschenwerth, Versuche 
anzustellen, Fleisch, ebenso Eiweisslösungen (fĂŒr die Kattun- 
Druckerei) Leimgallerte etc. im Grossen durch Chloralhydrat 
zu conserviren. Nach Dr. E.Jacobsen genĂŒgte !/, °/, Chloral- 
hydrat, um eine concentrirte Lösung von getrocknetem 
Eieralbumin in Wasser (gleiche Theile) lange Zeit vor dem 
Faulen zu bewahren. Es wurde dazu das Chloralhydrat 
zuerst in Wasser gelöst und dann das Albumin in dieser 
Auflösung durch Einweichen zur Lösung gebracht. 


Pyrocatechin im Kino, ein normaler Bestandtheil 
der betreffenden Stammpflanzen. 

Professor F. A. FlĂŒckiger in Bern bringt Beweise fĂŒr 
die Annahme, dass das aus dem malabarischen Kino 
(von Pterocarpus Marsupium Roxburgh), aus dem 
senegambischen Kino (von Pterocarpus erinaceus 
Lamark), und aus dem Kino der Butea frondosa, 
durch Aether extrahirbare Pyrocatechin ein normaler 
Bestandtheil der genannten Stammpflanzen des Kino’s sei. 
Wiesner fand Pyrocatechn im Eucalyptuskino und 
Prof. v. Gorup-Besanez in den herbstlichen BlÀttern der 
canadischen Rebe, Ampelopsis hederacea Michaux. 
Eissfeldt’s Meinung, dass das von ihm (schon 1854) im 
malabarischen Kino gefundene Pyrocatechin ein Product 
hoher Temperatur bei Darstellung des Kino’s sei, ist 
sonach nicht stichhaltig. (Berichte der deutschen chem. Ge- 
sellschaft zu Berlin, 22. Jan. 1872; Nr. 1, .1—4). H.L, 


Il. Toxikologie. 


Ueber Vergiftungs- Erscheinungen in Folge des 
Genusses von Haferbrod und deren Ursache. 
Von O. Becker, Apotheker in Rhaunen. 


Von dem hiesigen Arzte wurde mir ein StĂŒck reinen, 
sehr festen, sogen. Haferbrodes ĂŒbergeben, um mich, da der 
Genuss desselben vergiftungsÀhnliche Erscheinungen hervor- 
gerufen hatte, gutachtlich darĂŒber zu Ă€ussern. 


Da mir eine genaue Untersuchung des Brodes wegen 
mangelnder Zeit fĂŒr jetzt nicht möglich war und da ferner 
die mir mitgetheilten Symptome weniger auf eine Vergiftung, 
als auf eine Narcotisation schliessen liessen, so liess ich mir 
von dem betreffenden, auf einem benachbarten Dorfe wohnen- 
den Ackerer eine Portion desselben Hafers, von welchem zum 
Brodbacken genommen worden war, zur Untersuchung mit- 
bringen. 

Der betreffende Hafer war ĂŒberhaupt von minder guter 
Beschaffenheit; es fanden sich darin, ausser erdigen Theilen, 
die in den BrodfrĂŒchten hĂ€ufiger vorkommenden Verunreini- 
gungen mit FrĂŒchten von Agrostemma Githago, Viciaarten 
u. A. vor; sodann enthielt der Hafer eine grössere Menge 
der SchliessfrĂŒchte von Lolium temulentum, deren Zahl nach 
annÀhernder SchÀtzung wohl !/, des Gesammtquantums betrug. 
Die den Caryopsen des Lolium noch anhaftenden sehr starken 
Grannen liessen mich die FrĂŒchte, als von der VarietĂ€t Lolium 
macrochaeton A. Br. herrĂŒhrend, erkennen, die in hiesiger 
Gegend nicht selten vorkommt. 


Ueb. Vergiftungs-Erscheinungen in Folge des Genusses v. Haferbrod ete, 199 


Die grosse Anzahl der vorgefundenen FrĂŒchte von Lo- 
lium temulentum — oder dessen VarietĂ€t —, deren giftige 
Eigenschaften, wenngleich sie bisweilen bestritten werden, be- 
kannt sind, sowie die Thatsache, dass die hier erwÀhnten 
Vergiftungserscheinungen nur nach dem Genuss des betreffen- 
den Haferbrodes eintraten, gaben meiner anfÀnglichen Ver- 
muthung volle BestĂ€tigung, dass in diesem Falle die FrĂŒchte 
des Taumellolches die Ursache der bedenklichen Symptome 
waren. 

Die Erscheinungen, welche auf den Genuss des Brodes, 
(welches, nebenbei bemerkt, noch mit Kartoffeln vermengt 
war,) eintraten, waren folgende: 

Etwa 3 Stunden nach dem Genuss des Brodes_ stellte 
sich bei den Personen, welche davon genossen hatten, ein 
heftiges Zittern an allen Gliedern ein, starker Schweiss brach 
am ganzen Körper, von unten nach oben schreitend, aus, der 
Kopf war eingenommen, es bemÀchtigte sich der betr. Leute 
ein so starker Schwindel, dass sie zusammenbrachen. Zum 
Erbrechen kamen dieselben erst, als sie sich der bekannten 
Methode — Kitzeln des ZĂ€pfchens — bedienten. 


Der Schwindel wÀhrte volle 3 Stunden, dann verschwand 
er, ohne weitere merkliche Störungen in den gewöhnlichen 
Functionen des Organismus zu hinterlassen; Leibschmerzen 
waren wÀhrend des Verlaufs des Narcotismus nicht eingetre- 
ten. Einige Tage nach dem ersten schÀdlich verlaufenen 
Genuss des Brodes versuchten die Leute nochmals von dem- 
selben zu essen, glaubend, dass sie dasselbe vielleicht in klei- 
neren Portionen vertragen wĂŒrden; doch traten auch dann 
wieder dieselben Erscheinungen ein wie beim ersten Male, nur 
in weniger heftigem Grade. 


Arch, d, Pharın, CXCIX, Bds, 2. Hit. ) 


B. Monatsbericht. 


Entdeekung von SalpetersÀure im Wasser. 


Man dampft das Wasser nach Blunt zunÀchst unter Zusatz 
von kohlensaurem Kali ein, um alles Ammoniak zu vertreiben, 
löst den RĂŒckstand in Wasser und bringt die Solution in 
einem luftdicht verschlossenen GefÀsse mit Natriumamalgam 
in BerĂŒhrung. Das sich durch nascirenden Wasserstoff aus 
der SalpetersĂ€ure bildende Ammoniak wird mit Nessler’s 
Reagens nachgewiesen. (The Pharmacist and Chem. Record. 
Ohicago. Aug. 1871. p. 182.). W». 


Die Zersetzungstemperatur des Schwefelwasserstoff- 
gases 


liegt nach Jacob Myers (Amsterdam) zwischen 350 und 
400°C. und wahrscheinlich am nÀchsten bei der erstgenann- 
ten Temperatur. Die bei der Reaction zwischen siedendem 
Schwefel und Wasserdampf (wobei sich keine PentathionsÀure, 
wohl aber unterschweflige SĂ€ure, wenn auch nur in 
verdĂŒnnter Lösung bildet) herrschende Temperatur wird also 
jedenfalls niedriger als 400°, vielleicht auch unter 350°C. sein. 


Ueber arsenhaltiges Schwefelwasserstoffgas, 


Als J. Myers zu den Versuchen ĂŒber die Zersetzung 
des HS ein aus Schwefeleisen und Handels - SchwefelsÀure 
bereitetes Gas benutzte, fand er jedesmal, selbst bei der Sie- 
detemperatur des Quecksilbers einen orangegelben Anflug 
in der U-förmigen Röhre, in welcher das HS gas der zerle- 
genden Hitze ausgesetzt wurde; dieser Anflug verhielt sich 
gegenĂŒber allen Reagentien als Schwefelarsen. Das auf 


Ärsenhaltiges Schwefelwasserstofigas. 131 


die angegebene Weise bereitete Gas enthÀlt also eine Arsen- 
verbindung, am wahrscheinlichsten Arsen wasserstoff- 
gas. Diese beiden Gase, die bei der gewöhnl. Temperatur 
neben einander existiren können, zersetzen sich nach der 
Gleichung 3H?S + 2H?As = As?S? + 12H, wenn die Tem- 
peratur erhöht wird, z. B. bis zur Siedetemperatur des Queck- 
silbers. : 

Das Vorkommen von HÂźAs in solchem HSgase ist be- 
dingt durch den Arsengehalt der angewendeten Materialien. 


ZunÀchst lag die Vermuthung, dass der Arsengehalt des 
FeS zur Bildung des H?As die Veranlassung gewesen sei. 

Ein Versuch mit diesem FeS und mit reiner Schwe- 
felsÀure gab jedoch auch nach lÀngerem Durchleiten kei- 
nen Arsensulfidanflug. Das Arsen stammte vielmehr aus 
der SchwefelsÀure. Reines prÀcipitirtes und bei Luftabschluss 
erhitztes FeS wurde nach ZufĂŒgung einiger StĂŒckchen arsen- 
freien Zinks mit arsenhaltiger SchwefelsĂ€ure ĂŒbergossen und 
das so erhaltene Gas durch die U förmige Röhre, die im sie- 
denden Schwefel stand, geleitet; nun setzte sich in derselben 
der orangegelbe Anflug ab. Dasselbe Resultat wurde erhal- 
ten mit reiner verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure, worin reine arsenige 
SÀure aufgelöst war. 

Wie bekannt, fÀllt HS aus sauren Lösungen sogleich die 
arsenige SĂ€ure als Schwefelarsen und das Entstehen von 
H°ŸAs kann, wie man bis jetzt glaubte, nur erklÀrt werden 
durch die reducirende Wirkung von nascirendem Wasserstoff 
auf arsenige SĂ€ure. Ein directer Versuch zeigte, dass nasci- 
render Wasserstoff auch frisch gefÀlltes Schwefelarsen reducirt, 
so dass das Auftreten von Arsenwasserstoffgas in Schwefel- 
wasserstoflgas, erhalten aus Schwefeleisen und arsenhaltiger 
SchwefelsÀure, dadurch erklÀrt ist. 


Diese Beobachtung hat ihre Bedeutung bei gerichtlichen 
Untersuchungen. Niemand, wenn er auch reine SchwefelsÀure 
gebrauchte, wĂŒrde sich gefĂŒrchtet haben, arsenhaltige Schwe- 
felsÀure anzuwenden zur Entwickelnng von HS behufs eimer 
gericht]. Arsenuntersuchung, und oft mag solche auch benutzt 
worden sein. Vielleicht stammt auch das im Thierkörper 
angeblich aufgefundene Arsen aus derselben Quelle. (Jacob 
Myers, Amsterdam, Juni 1871; Annalen der Chemie und 
Pharmacie, Juli 1871, 8. 127 — 128.). : 

ZUE, 


9% 


132 Ueber die Fabrikation der Mennige. 


Ueber die Fabrikation der Mennige. 


Zur UeberfĂŒhrung des Bleioxyds in Mennige wenden die 
Fabrikanten im Allgemeinen die nemlichen Oeien an, welche 
auch zur Herstellung des Bleioxyds aus Blei benutzt werden, 
Das Bleioxyd wird in den oberen Etagen dieser Oefen oder 
auch auf der Sohle selbst der Oxydation unterzogen. Die 
Ausbeute ist bei dieser Art der Fabrikation ganz allgemein 
ausserordentlich gering und die Operation sehr langwierig; 
der Erfolg wird ganz wesentl. beeinflusst von den vielen 
Temperaturschwankungen, denen ein solcher zu 2erlei Zwecken 
dienender Apparat nothwendig ausgesetzt ist. G. Mercier 
untersuchte nun, unter welchen Temperaturbedingungen 
die Bildung der Mennige vor sich gehe. Er constatirte, dass 
sich zwar das Bleioxyd in einer viel kĂŒrzeren Zeit in 
Mennige umwandeln lasse, als gewöhnl. auf diese Opration 
verwendet wird, dass aber F lammenöfen dazu sehr wenig 
geeignet seien. 

Die Gegenwart der Flam mengase ist der Mennigbil- 
dung hinderlich; schöne Mennige bildet sich nur an den Stel- 
len, wo das Material durch die FeuerbrĂŒcke vor der directen 
BerĂŒl hrung der Flamme geschĂŒtzt ist. Sodann lĂ€sst sich die 
Temperatur eines solchen Ofens nicht constant erhalten; es 
findet ein fortwĂ€hrender‘ Wechsel zwischen Bildung und Zer- 
setzung der Mennige durch Ueberhitzung statt. 


Auf Rivot’s Rath wendete Mercier einen gewöhnl. 
Muffelofen an. Die Hauptbedingung — genĂŒgenden Luftzu- 
tritt natĂŒrl. vorausgesetzt — ist Constanz der richtigen 
Temperatur; denn die Temperaturen, bei welchen das Mas- 
sicot Sauerstoff aufnimmt und diejenige, bei welcher die Men- 
nige wieder Sauerstoff verliert, liegen sehr nahe bei- 
einander. 

Die gĂŒnstigste Temperatur zur Mennigebildung ist nahe 
der dunkeln Rothgluht, ohne diese jedoch zu 
erreichen. _Am raschesten und sichersten ging die Um- 
wandlung des Massicots vor sich, wenn die Kanten des Muf- 
felofens eben anfingen dunkelroth zu werden; sobald 
jedoch die Muffel in erheblicher Ausdehnung zur dunkeln 
Rothgluht gelangte, trat Zersetzung der gebildeten Mennige 
ein und bei lÀngerem Andauern dieser Temperatur wurde die 
Mennige vollstÀndig in eine schön canariengelbe Masse ver- 
wandelt. 

Aus einer mitgetheilten Tabelle ĂŒber die Ergebnisse eines 
Mennigbrennversuches ist Folgendes hervorzuheben. Die in 


Ueber die Fabrikation der Mennige, 133 


18 Stunden gebildete Mennige war handelsfÀhige Waare, aber 
es bedurfte etwas ĂŒber 19 Sunden, um die feurigste NĂŒance 
zu erreichen. Bei anderen Versuchen wurde dasselbe Resul- 
tat schon in 14 bis 15 Stunden erreicht. 

Die Mennige der eilften WÀgung war bedeutend schö- 
ner feuriger, als die der zehnten, obwohl das Gewicht sich 
nicht verÀndert hatte. Ein Àhnlicher Fall hatte sich bei den 
WĂ€gungen 3 und 2 ergeben, woraus zu schliessen, dass bei 
der Umwandlung von Massicot in Mennige nicht bloss Sauer- 
stoffaufnahme, sondern auch noch eine gewisse Aende- 
rung des Molecularzustandes statt hat. Die grösste 
Schönheit der Mennige entspricht zwar der. grössten Gewichts- 
zunahme des Massicot; aber nachdem das Gewichtsmaximun 
erreicht ist, kann durch weiteres Erhitzen die Mennige noch 
an Feuer der Farbe gewinnen oder verlieren durch Aende- 
rung ihres Molecularzustandes. Die Gesammtmenge des vom 
Massicot beim Uebergang in Mennige AUSEnOInmENER Sauer- 
stoffs betrÀgt etwa 2 Procent. 

Es ist bekannt, dass Mennige beim Durchschlagen durch 
Metallsiebe an Feuer verliert und das um so mehr, je öfter 
sie das Sieb passirt. Auch diesen Verlust an Feuer muss 
man einer moleculÀren VerÀnderung zuschreiben. Die Tem- 
peratur bei der Mennigbildung ist immer die gleiche, welche 
Art von Bleioxyd man auch anwenden mag; sie geht um so 
schneller vor sich und liefert um so feurigere Farbe, je rei- 
ner das angewendete Massicot ist; die ordinÀren Sorten 
brauchen zur Umwandlung 20 Stunden, wĂ€hrend fĂŒr die rei- 
neren 15 bis 18 Stunden genĂŒgend sind. Bleiweiss liefert 
eine orangefarbige Mennige, die sich unter denselben Be- 
dingungen und eben so schnell wie die gewöhnl. Mennige 
herstellen lÀsst. Die in einigen Stunden bereitete Mennige 
steht der langsam erzeugten an Feuer der Farbe nicht im 
Mindesten nach. 

Der passendste Ofen zur Mennigfabrikation ist derjenige, 
in welchem die Temperatur am leichtesten constant erhalten 
und das Bleioxyd, vor BerĂŒhrung mit der Flamme geschĂŒtzt, 
einem continuirlichen Luftstrome ausgesetzt werden kann. 
Einen solchen Ofen zum Betrieb im Grossen hat Mercier 
construirt: es ist in Wesentl. eine grosse Muffel, umspĂŒlt 
von Feuer, welches in einer grossen Zahl von kleinen KanÀ- 
len vertheilt ist. Leicht zu handhabende Schieber in den 
einzelnen kleinen KanÀlen gestatten, die Hitze in jedem Theile 
der Muffel beliebig zu reguliren. Man soll mittelst dieses 
Öfens bei ununterbrochenem Betrieb und gutem Gang etwa 


154 Umwandlung von AmeisensÀure in Methylalkohol. 


4 Tonnen Memnige in 24 Stunden erzeugen können. (Anna- 
len d. Chem. und Pharm. Novbr. 1871; 160. Bd. 8. 252 — 
256; im Auszug aus Annales des Mines [6) 19, 1.) . 

H. 


Umwandlung von AmeisensÀure in Methylalkohol. 


In einer vorlÀufigen Mittheilung (Annalen d. Ohemie u. 
Pharmacie Januar 1871, 157. Bd. 8. 119) zeigte Eduard 
Linnemann (Lemberg, d. 1. Dec. 1870) an, dass es ihm 
gelungen sei, aus ameisensaurem Kalk durch trockne Destilla- 
tion Methylaldehyd und aus diesem Methylalkohol, Jodmethyl 
und benzo&sauren MethylÀther zu erhalten. 

Ad. Lieben und Rossi berichten ĂŒber dieselbe Um- 
wandlung (im Aprilheft 1871 d. Ann. d. Ch. u. Pharm. 8. 107 
bis 111; aber schon’ der Akad. d. Wiss. zu Wien in d. Sitz. 
v. 19. Januar 1871 mitgetheilt). Sie unterwarfen fein gepul- 
verten ameisens. Kalk, der bei 100° 0. getrocknet worden . 
war, in Portionen von 10 Grm. aus Glasretörtehen der trock- 
nen Destillation. Die entweichenden Gase und DĂ€mpfe -wur- 
den durch ein von KĂ€ltemischung umgebenes U-rohr, das 
unten mit einem Abflussrohr versehen war, geleitet. In einer 
Öperationsreihe verarbeiteten sie 100, in einer 2. 150 Grm. 
ameisens. Kalk. Das an Menge sehr geringe condensirte 
Product besass einen aldehydartigen, zugleich aber auch 
empyreumatischen Geruch. Es stellte eine wasserhelle u. z. 
Th. wohl auch aus Wasser bestehende FlĂŒssigkeit dar, auf 
der eine geringe brÀunliche Schicht schwamm. Mit ammoniak. 
Silberlösung gab sie, wie schon E. Mulder (Zeitschr. f. Ohem. 
1868, 265) beobachtet hat, eine starke Reduction. Das ge- 
sammte Destillat wurde mit der 20fachen Menge Wasser 
gemischt und zur Umwandlung in Methylalkohol portionen- 
weise Àquivalente Mengen Natriumamalgam und SchwefelsÀure 
zugesetzt, wĂ€hrend durch Eiswasser gekĂŒhlt wurde. Als 
schliesslich abdestillirt ward, gab das Destillat noch immer 
starke Silberreduction und diese konnte selbst durch wieder- 
holte Behandlung mit Natriumamalgam und 8503 nicht zum 
Verschwinden gebracht werden. Die wÀssrige Lösung wurde 
dann von dem unlösl. Oele abfiltrirt und durch eine Reihe 
von Destillationen und Zusatz von kohlens. Kali zu den ersten 
Fractionen eine flĂŒchtige alkoholische FlĂŒssigkeit abgeschieden, 
die alle Eigenschaften des Methylalkohols besass. 


Darstellung von absolutem Alkohol. 135 


Durch Destillation wurde er noch von etwas höher sie- 
dendem, in Wasser unlösl. Oel getrennt und durch Behand- 
lung mit geschmolzenem kohlens. Kali, spÀter mit Kalk ent- 
wÀssert. Er besass den Geruch von unreinem Methylalkohol, 
siedete unter heftigem Stossen bei 66 bis 67°0., war in 
Wasser löslich und durch kohlens. Kali daraus abscheidbar. 
Die Menge von Methylalkohol, die aus den verarbeiteten 
250 Grm. ameisens. Kalk erhalten wurde, betrug nur 3 bis 
4 Grm. 

Mit rauchender HJ mischte er sich. vollkommen, damit 
in einer verschlossenen Glasröhre erhitzt, lieferte er Jodme- 
thyl, dessen Analyse © = 8,71, H = 2,16 und J = 88,99 
ergab, was gut mit der Formel CH3J stimmt. Es siedete 
bei 43 bis 44°, zeigte bedeutendes spec. Gew. (Chlorcaleium 
schwamm auf demselben) und den Geruch des Jodmethyls. 

Durch ErwÀrmen mit trocknem oxals. Silberoxyd wurde 
dieses Jodmethyl in das so charakteristische Methyloxalat 
ĂŒbergefĂŒhrt, welches bei stĂ€rkerem Erhitzen abdestillirte und 
in der Vorlage sogleich und vollstÀndig zu weissen Krystal- 
len erstarrte. 

Das Zwischenproducet, den Formaldehyd, haben sie 
nicht weiter untersucht, sie schliessen aber aus ihrer Beobach- 
tung des Rohproducts, dass er zu den leicht condensirbaren 
(Gasen gehören mĂŒsse. Frl: 


Darstellung von absolutem Alkohol, 


Die bisher gebrÀuchlichen Verfahrungsweisen zur Darstel- 
lung grösserer Mengen absoluten Alkohols sind nach E. 
Erlenmeyer meist sehr zeitraubend, da die in Anwendung 
kommenden EntwÀsserungsmittel, wie kohlens. Kali, ent- 
wÀsserter Kupfervitriol, entwÀssertes gelbes 
Blutlaugensalz, Aetzkalk, Aetzbaryt u. s. w. dem 
Weingeist das Wasser erst bei lÀngerer Einwirkung entzie- 
hen. Mit den 3 erstgenannten Substanzen ist es selbst bei 
mehrtĂ€giger BerĂŒhrung und hĂ€ufigem SchĂŒtteln nicht möglich, 
vollkommen absoluten Alkohol zu erzielen. 

Merdelejeff (Zeitschr. f. Chem. 1865, 260) erklÀrt den 
Aetzkalk fĂŒr das praktischste EntwĂ€sserungsmittel des 
Weingeists. „Die StĂŒcke des Aetzkalks mĂŒssen (nach ihm) 
den Weingeist, der mindestens ein spec. Gew. von 0,792 bei 
20° haben muss, ĂŒberragen. Nach 2 Tagen ist alles Wasser 


136 Synthese des normalen Propylalkohols mittelst Aethylalkohols. 


entzogen. Will man aber schon nach 2 bis 3 Stunden destil- 
liren, so ist ein vorhergehendes halbstĂŒndiges ErwĂ€rmen auf 
50 bis 60° absolut nothwendig.“ 

Bei diesem Verfahren sind aber nur die mittleren 
Portionen des Destillates wasserfrei zu bekommen. 


Erlenmeyer hat Mendelejeffs Verfahren dahin abgeÀn- 
dert, dass er den Weingeist mit dem Kalk !/, Stunde bis 
1 Stunde auf dem Wasserbade am RĂŒckflusskĂŒhler zum 
Sieden erhitzt, dann den KĂŒhler umkehrt und den Alkohol 
abdestillirt. So erhÀlt man das ganze Destillat was- 
serfrei. 


EnthÀlt der Weingeist mehr als 5 Proc. Wasser, so ist 
es nur nöthig, ihn 2 oder mehremal derselben Behandlung 
zu unterwerfen. Ist er sehr wasserhaltig, so darf man nicht 
gleich bei der ersten Kochung den Kalk ĂŒber die FlĂŒssigkeit 
hervorragen lassen; man fĂŒllt am besten den Raum, welchen 
der Alkohol einnimmt, nur zur HĂ€lfte mit KalkstĂŒcken an, 
weil sonst das GefÀss durch die rasche Hydratbildung aus- 
einander getrieben werden kann. Immerhin lassen sich auf 
diese Weise mehre Liter Weingeist in einigen Stunden in 
absoluten Alkohol ĂŒberfĂŒhren. (Annalen d. Chem. u. Pharm. 
Novbr. 1871, Bd. 160, S. 249 — 250.). A. L. 

Man vergleiche H. Wackenroder’s Bemerkungen ĂŒber 
die Darstellung des absoluten Alkohols mittelst Aetzkalk. 
(Archiv der Pharmacie. Mai 1847. II. R. Bd. 50, S. 162 
bis 167.). TERsSE,, 


Synthese des normalen Propylalkohols mittelst 
Aethylalkohols. 


Die Methode, deren sich A. Rossi bediente, um von 
dem Aethylalkohol zum Propylalkohol zu gelangen, ist die 
nemliche, welche ihm frĂŒher gestattete, den Capronalko- 
hol darzustellen (Ann. chim. phys. [3], 40,110) und welche 
neuerdings Lieben und Rossi den bis dahin unbekannten 
normalen Butylalkohol geliefert hat. Aetliylalkohol 

‘wurde nacheinander in AethyleyanĂŒr und PropionsĂ€ure 
umgewandelt, diese sodann nach der Methode von Piria und 
von Limpricht durch Destillation eines innigen Gemisches 
von propions. und ameisens. Kalk in Propylaldehyd 


Synthese des normalen Propylalkobols mittelst Aethylalkohols. 137 


ĂŒbergefĂŒhrt, letzterer endlich lieferte durch Einwirkung nasci- 
renden Wasserstoffs den Propylalkohol. 

Zur Darstellung von AethyleyanĂŒr wurde gepulvertes 
Cyankalium mit AethylehlorĂŒr, das in seinem 3fachen 
Gewicht Weingeist von 85° gelöst war, in zugeschmolzeneu 
Röhren auf 100 bis 105° erhitzt. 

Der Propionaldehyd = Ü’H#O ist eine klare, leicht 
bewegliche FlĂŒssigkeit von erstickendem Geruch, in Wasser 
löslich, jedoch nicht in jedem VerhĂ€ltniss. Siedet bei 499,5 Ü. 
bei 740 M.M. Druck; spec. Gew. 0,804 bei 17°. Er oxydirt 
sich leicht an der Luft und redueirt ammoniak. AgO-Lö- 
sung unter Erzeugung eines Silberspiegels. 

Mit einer cone, Lösung von 2fach schwefligs. Natron 
geschĂŒttelt, löst er sich unter WĂ€rmeentwickelung; die Lö- 
sung giebt, selbst abgekĂŒhlt, keine Krystalle. Mit Kalı erhitzt, 
wird er klebrig, ohne eigentl. zu verharzen. — 

Propylalkohol C?HÂź0. Die Umwandlung des Pro- 
pionaldehyds in Propylalkohol gelingt am besten genau in der 
Weise, wie Lieben und Rossi den Butyraldehyd in Butyl- 
alkohol ĂŒberfĂŒhrten, mittelst Natriumamalgam in der durch 
SOŸ sauer erhaltenen Propionaldehydlösung. 

Um die Bildung öliger Nebenproducte möglichst zu be- 
schrÀnken, wurden nur kleine Mengen des Aldehyds auf 
einmal in Arbeit genommen. Dann ĂŒbersteigt der Verlust 
an Product nicht !/, des aus der Menge des angewandten 
Aldehyds berechneten Alkohols. Dieser, durch geschmolzenes 
Kali, darauf durch Destillation ĂŒber Natrium entwĂ€ssert, ist 
eine farblose FlĂŒssigkeit von stark alkohol. Geruch und bren- 
nendem Geschmack, die sich in Wasser in jedem Ver- 
hÀltniss löst. 

Siedet bei 96 bis 97° unter 743 M.M. Druck. Spec. 
Gew. bei 0° — 0,8205. Mit zweifach chroms. Kali und 50° 
oxydirt, liefert der Propylalkohol reine PropionsÀure, 
deren Silbersalz analysirt wurde. 

-PropylbromĂŒr—= Ü?H’Br. Mit HBr gesĂ€ttigter Pro- 
pylalkohol wurde mit einem gleichen Vol. conc. wÀssr, HBr 
gemischt und im zugeschmolzenen Rohr bei 100 bis 105° 
erhitzt. Das reine PropylbromĂŒr ist eine farblose FlĂŒssigkeit, 
im Geruch dem AethylbromĂŒr Ă€hnlich, am Lichte unverĂ€nder- 
lich, im Wasser sehr wenig löslich. Siedet bei 71° unter 
749 M.M. Druck. Spec. Gew. 1,388 bei 0°C. 

PropyljodĂŒr = Ü?H’?J wurde erhalten durch gelindes 
Erhitzen einer Mischung von Propylalkohol, J und rothem P. 
Farblose FlĂŒssigkeit, dem AethyljodĂŒr Ă€hnl. riechend, unlösl. 


155 Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 


in Wasser. Dem Lichte ausgesetzt, fÀrbt es sich allmÀhlig; 
siedet bei 102° unter 752 M.M. Druck. Spec. Gew. 1,782 
bei 0° Cels. 

Propylacetat — (0511092 0>H WON C2TR Od 
durch Erhitzung von PropyljodĂŒr mit Silberacetat im zuge- 
schmolzenen Rohr bei 100° leicht erhalten. Eine FlĂŒssigkeit 
von angenehmem Geruch; sie siedet bei 102° unter 750 M.M. 
Dr., zeigt 0,913 spec. Gew. bei 0° und zersetzt sich beim 
Krhitzen mit cone, Kalilauge im geschlossenen GefÀsse bei 
100° in Propylalkohol und Kaliacetat. 

PropyleyanĂŒr wurde erhalten durch Erhitzen von 
PropylbromĂŒr oder -jodĂŒr mit Cyankalium und Alkohol im 
zugeschmolzenen Rohr, PropyleyanĂŒr, mit Kali erhitzt, liefert 
H3N und buttersaures Kali, dessen SĂ€ure mit der GĂ€h- 
rungsbuttersÀure identisch zu sein scheint, denn es 
stimmte nicht allen die Analyse ihres Silbersalzes mit der 
Formel des Silberbutyrats, sondern es gelang auch, nachzu- 
weisen, dass ihr Kalksalz zu einer kryst. Masse gesteht, wenn 
ılessen kaltgesÀttigte Lösung erhitzt wird, welches Verhalten 
lie GÀhrungsbuttersÀure von der IsobuttersÀure unterscheidet. 
Die Angaben von Siersch sind nach dem Mitgetheilten zu 
berichtigen. (Rossi, Laboratorium d. Univ. Turin; Compt. 
»end. 70, 129; daraus in Ann, d. Chem. u. Pharm. Juli 1871; 
159, 79.). ID 8: 


Ueber den normalen Butylalkchol und seine 
Abkömmlinge 


haben Ad. Lieben und A. Rossi umfassende Untersuchun- 
sen angestellt, die sie in den Annalen d. Chem. u. Pharm. 
Mai 1871. Bd. 158, 8. 137—180 veröffentlichten und mit 
einer geschichtlichen Betrachtung einleiteten. Als 
Wurtz 1852 im Fuselöl den Butylalkohol entdeckte und 
1853 noch die Entdeckung des Propylalkohols von Chancel 
und die des Caproylalkohols von Faget folgte, da glaubte 
man zu einer fast vollstÀndigen Kenntniss der wichtigen Klasse 
der Alkohole ©"HŸ+10H und ihrer Abkömmlinge gelangt 
zu sein. Indessen musste schon’ damals auflallen, dass der 
Siedepunkt des Butylalkohols erheblich tiefer lag (nemlich bei 
109°C.) als sich nach seiner Stellung in der Reihe erwarten 
liess, Seit jener Zeit hat sich unsere Kenntniss der That- 


Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 139 


sachen, wie unser theoretischer Gesichtskreis betrÀchtlich 
erweitert. 

Friedel zeigte (1862), dass Aceton mit nascirendem 
Wasserstoff eine Verbindung von der Zusammensetzung des 
Propylalkohols liefert, dessen Verschiedenheit vom GĂ€h- 
rungspropylalkohol er (1863) nachwies, wÀhrend Kolbe 
die Constitution dieser Substanz als emes sceundÀren Al- 
kohols interpretirte, als zweifach methylirten Me- 

CH3) 
thylalkohol CHÂź} COM. 
1 | 

Wurtz entdeckte (1862) das mit dem Amylalkohol iso- 
mere Amylenhydrat CŸH!Ÿ%,H?O und eröffnete die Aus- 
sicht auf eine grosse Anzahl solcher neuer isomerer Alkohole, 
von denen hier das Butylenhydrat U?H8,H2O von de 
Luynes genannt werden mag. 

Wurtz betrachtete dieselben als eine besondere Klasse 
von Alkoholen, deren wesentliches Merkmal darin liege, dass 
sie ebenso wie ihre Aether sich mit Leichtigkeit unter Ab- 
gabe von UÜ"H?" zerlegen. 

Kolbe trat dieser Ansicht entgegen und an frĂŒhere 
theoretische Betrachtungen (Annalen d. Chem. u. Pharm. 132, 
102; 1864, ĂŒber die secundĂ€ren Alkohole: der Methyl- 
alkohol ist der typische Alkohol, das Garbinoxyd- 
hydrat oder kurzweg das Carbinol = C?H!0? —= 
H 
| 620,HO; durch Substitution eines Wasserstoffatoms 
H 
durch ein Alkoholradical entstehen die primÀren Alko- 
hole z.B. der normale Propylalkohol (Aethylcarbinol) 

c+H >) 
e==,. H | CG20,HO; durch Substitution von 2 Wasserstofl- 


H 
atomen durch 2 Alkoholradicale entstehen die secundÀren 
C?H? 
Alkohole z. B. eh —=Dimethylcarbinol = 2fach 
H 


methylirter Methylalkohol, folglich die tertiÀren Alkohole 
durch Ersetzung aller 3 typischen H-atome durch Alkohol- 
radicale), ĂŒber die mögliche Existenz von primĂ€ren, secundĂ€- 
ren und tertiĂ€ren Alkoholen anknĂŒpfend, suchte er nachzuwei- 
sen, dass das Amylenhydrat ein secundÀrer Alkohol sei. 


149 Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömlinge. 


Von den Ideen der Vierwerthigkeit des Kohlen- 
stoffs (C= 12) und der gegenseitigen Bindung der 
Atome ausgehend, welchen namentlich Kekule eine so 
breite Bahn in der Wissenschaft gebrochen hat, musste man 
nothwendig zur Erkenntniss gefĂŒhrt werden, dass es nur 
einen Methylalkoho}, auch nur einen Aethylalko- 
hol, aber schon zwei isomere Propylalkohole, 4iso- 
mere Butylalkohole u.s. w. geben könne, und gelangte 
dazu, ihre Constitution theoretisch zu entwickeln. Trotz 
scheinbarer Uebereinstimmung sind jedoch diese Ideen und 
das Resultat, zu dem sie fĂŒhren, nicht gleich mit den von 
Kolbe gegebenen. Die Zahl der Isomerien, die Kolbe 
als möglich annimmt, ist betrÀchtlich grösser, als diejenige, 
welche man aus den letzteren Vorstellungen, die von der 
Mehrzahl der Chemiker heute angenommen sind, ableitet, und 
man darf daher hoffen, dass das Experiment zwischen 
diesen widersprechenden Ansichten entscheiden wird. Es wird 
dem Fortschritte der Wissenschaft am förderlichsten sein, 
vorlĂ€ufig an der einfachsten Hypothese — wobei man 
die 4Werthigkeiten des Kohlenstoffs als gleichartig annimmt 
und von einem Einflusse der rÀumlichen Stellung der 
Atome absieht — festzuhalten und erst dann aufzugeben oder zu 
erweitern, wenn neue. genau studirte Thatsachen ihre Unzu- 
lÀnglichkeit beweisen. 

Als einen wichtigen Beitrag zur Lösung dieser Frage 
dĂŒrfen wir die Arbeit von Butlerow ĂŒber den tertiĂ€ren 
Butylalkohol anfĂŒhren, den er durch Einwirkung von 
Zinkmethyl auf Kohlenoxychlorid oder auf Chlora- 
cetyl darstellte Mit HĂŒlfe derselben Methode stellte er, 
so wie auch Popoff spÀter noch andere tertiÀre Alko- 
hole dar. 

Adolph Lieben lehrte auf syuthetischem Wege (durel 
EinfĂŒhrung von Aethyl statt Chlor in gechlorten Aether) den 
secundÀren Butylalkohol oder Àthylirten Aethyl- 
alkohol kennen (1867 und 1869) und wies nach, dass 
dieser Körper mit dem Butylenhydrat von de Luynes 
identisch sei; es gewann dadurch an Wahrscheinlichkeit, dass 
die sogenannten Hydrate von Ü* H?" keine besondere Klasse 
von Alkoholen bildeten. Von den 4 isomeren Butylalkoholen, 
welche die Theorie vom 4 werthigen Kohlenstoff und von der 
Atomenverkettung, in ihrer einfachsten Form angewandt, 
vorhersehen liess, waren nunmehr 3 bekannt und ihre Con- 
stitution war experimentell mit der Theorie in Uebereinstim- 
mung gefunden worden. Um so grösseres Interesse knĂŒpfte 


Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 141 


sich an die Entdeckung des vierten, welcher der Theorie 
nach der normale primÀre Butylalkohol (das Propyl- 
carbinol nach Kolbe’s Nomenclatur sein sollte. Dass der 
GĂ€hrungsbutylalkohol von Wurtz nicht der normale 
sei, also auch nicht derselben homologen Reihe angehöre wie 
der Aethylalkohol und der GĂ€hrungspropylalkohol, 
war schon durch die Anomalie seines Siedepunktes wahr- 
scheinlich; es wurde erwiesen durch die von Erlenmeyer 
(Ann. Ch. Pharm. Supplementband. V, 337) gefundene That- 
sache, dass der GĂ€hrungsbutylalkohol bei der Oxydation Iso- 
buttersÀure liefere. Es ist wahrscheinlich, dass Schöyen 
(Ann. Ch. Pharm. 130, 233), als er Chlor auf Diaethyl ein-. 
wirken liess und das erste Substitutionsprodukt C*H?Cl in 
den entsprechenden Alkohol verwandelte, den normalen 
Butylalkohol in HĂ€nden hatte. Er hielt ihn fĂŒr GĂ€hrungs- 
butylalkohol, beschrieb jedoch seine Eigenschaften nicht, da 
er nur sehr geringe Mengen und im unreinen Zustande erhal- 
ten zu haben scheint und begnĂŒgte sich damit, ihn zu oxy- 
diren, wobei er ButtersÀure erhielt. 

. Nun waren ausser den schon erwÀhnten Methoden, welche 
den secundÀren und tertiÀren Butylalkohol, die 
Acetonalkohole und die genannten Hydrate der 
Ü”H?” kennen gelehrt hatten, in den letzten Jahren noch 
andere Methoden angewandt worden, um zur Kenntniss neuer 
Alkohole zu gelangen. 

Pelouze und Cahours, ferner Schorlemmer stell- 
ten aus den gesÀttigten Kohlenwasserstoffen O"H?" + 2 
(des amerik. Petroleum und der Kohlenwasserstoffe der trock- 
nen Destillation) durch EinfĂŒhrung von Ol, dann von OH, 
statt H einige Alkohole dar und Schorlemmer verlieh die- 
ser Methode, indem er die Alkoholradicale in Anwen- 
dung brachte einen synthetischen Charakter. 

Linnemann und Siersch bereiteten MethylÀthyl und 
Isopropylalkohol, indem sie die nach Mendius aus 
den CyanĂŒren dargestellten Ammine in Alkohole ĂŒberfĂŒhrten, 

Buttlerow und Ossokin untersuchten die Einwir- 
kung von Glykoljodhydrin auf Zinkmethyl und Zink- 
Ă€thyl. 

Linnemann reducirte EssigsÀureanhydrid und Pro- 
pionsÀureanhydrid mittelst Natrium- Amalgams zu Aethyl- 
alkohol und zunormalem Propylalkohol. 

Mittelst Einwirkung von HJ auf Glycerin wurde von 
Erlenmeyer Isopropylalkohol und in Àhnl. Weise von 


142 Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinee. 


örlenmeyer und Wanklyn aus Mannit und Melampyrin 
Hexylalkohol erhalten. 

Ohopman, spÀter Schorlemmer unterwarfen den 
durch Destillation aus ricmölsaurem Natron erhaltenen Alko- 
hol erneuerten Untersuchungen u. s. w. 


Alle diese Arbeiten fĂŒhrten aber nicht zur Kenntniss der 
normalen Alkohole, mit einziger Ausnahme des normalen 
Prop ylalkohols, der auf die angedeutete Weise von 
Schorlemmer (Zeitschr. f. Chem. 1868, 49) und von Lin- 
nemann (Ann. Ch. Pharm. 148, 251) erhalten wurde, wÀh- 
rend zugleich seine angezweifelte Existenz im Fuselöl 
durch neue Versuche von Fittig (Zeitschr. f. Chem. 1868, 
44) in Gemeinschaft mit König und Scheffer und von 
Pierre und Puchot (Compt. rend. 66, 302) ausser Zwei- 
fel gestellt wurde. 


Um nun die normalen Alkohole darzustellen, ver- 
suchten Ad. Lieben und A. Rossi, von den jenen ent- 
sprechenden fetten SĂ€uren auszugehen und sie zu Alkoholen 
zu reduciren. 


Schon 1851 hat Williamson gelegentl. der Entdeckung 
der gemischten Acetone die Vermuthung ausgesprochen, 
dass sich die Aldehyde wie die Acetone darstellen lassen 
dĂŒrften, indem man ein ameisensaures Salz, gemengt- 
mit dem Salze einer fetten SĂ€ure, der Destillation 
unterwerfe. Im Jahre 1856 stellten unabhÀngig von ein- 
ander Piria aus der aromatischen Reihe und Ritter unter 
Limprichts Leitung .aus der Reihe der fetten SĂ€uren auf 
diese Weise Aldehyde dar. 


Wurtz und Friedel zeigten 1862, dass sich die 
Aldehyde durch nascirenden Wasserstoffin Al- 
kohole verwandeln lassen. 


Diese beiden Reactionen combinirend, musste 
man von den SĂ€uren zu den Alkoholen mit glei- 
chem Kohlenstoffgehalt gelangen, und damit war 
eine alte, lang angestrebte Aufgabe in der Wissenschaft 
gelöst, 

Wurtz hat diese Methode benutzt, um ValeriansÀure 
in Valeral und diesen inAmylalkohol ĂŒberzufĂŒhren und 
A. Rossi hat (Ann. Chem. Pharm. 1865; 133, 176) um die 
chem. Natur der aus Cyanamyl bereiteten CapronsÀure 
festzustellen, dieselbe in Capronaldehyd und Capr on- 
alkohol verwandelt, : 


Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 145 


MerkwĂŒrdigerweise jedoch wurde der offen daliegende 
Weg zur Synthese der Alkohole bis 1867 sonst nicht 
betreten. 

Die Gewinnung des Propionaldehyds aus PropionsÀure 
durch Ritter’s Versuche war nicht sicher festgestellt und 
Limpricht schliesst seine Abhandlung mit der Bemerkung, 
dass diese Methode zur Darstellung der Aldehyde wegen der 
gleichzeitig auftretenden brenzlichen Producte wohl selten vor- 
theilhaft sein dĂŒrfte. 

Ja Siersch’s Versuche (1867) schienen die praktische 
Anwendbarkeit der Methode vollends zu widerlegen; Lie- 
ben und Rossi waren anderer Meinung und haben durch 
Anwendung derselben die nachfolgenden glĂŒcklichen Resul- 
tate erhalten. 


Darstellung des Butyraldehyds. 


Um den normalen Butyraldehyd, der zur Gewinnung des 
entsprechenden Alkohols dienen sollte, zu erlangen, musste 
ein Gemenge von ameisensaurem und buttersaurem 
Kalk der Destillation unterworfen werden; dazu war reiner 
buttersaurer Kalk nöthig. Die ButtersÀure, die L. und R. 
selbst durch GĂ€hrung bereitet hatten und diejenige, die als 
reine ButtersÀure bezogen wird, ergaben sich als unreine 
Producte, Durch fractionirte Destillation kann man sie annÀ- 
hernd, doch nicht vollstÀndig von den niedriger und höher 
siedenden SĂ€uren, die sie stets begleiten, befreien. Man thut 
am besten, die Fraction 155 bis 165°, oder bei noch sorg- 
fÀltigerer Arbeit die von 159 bis 164°C. in Wasser zu lösen, 
von dem unlöslichen Oel (SÀuren mit höherem Cgehalt) zu 
trennen, dann durch SĂ€ttigen mit Kalkmilch in das Kalksalz 
zu verwandeln. Beim Abdampfen der Lösung scheidet sich 
der buttersaure Kalk, der in heissem Wasser minder löslich 
ist, als im kalten und ausserdem die Eigenschaft hat, vom 
Wasser wenig benetzt zu werden, wie Schaum an der Ober- 
flÀche ab und kann abgeschöpft werden. Man fÀhrt mit dem 
Concentriren und Abschöpfen, je nach dem Grade der Reinheit 
der ButtersÀure mehr oder minder lange fort; die letzten 
Mutterlaugen geben in der Regel kein reines Product mehr. 
Auch wenn es sich um Darstellung reiner ButtersÀure han- 
delt, dĂŒrfte es zweckmĂ€ssig sein, dieselbe aus dem also gerei- 
nigten Kalksalze abzuscheiden. Der Siedepunkt einer so 
gereinigten GĂ€hrungsbuttersĂ€ure, wurde in ĂŒbereinstimmenden 
Beobachtungen, wo einmal die ganze Thermometercolonne im 


144 _ÜUeber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 


Dampfe war, ein andermal die Correction nach Kopp, die fĂŒr 
den herausragenden Quecksilberfaden 3° betrug, bei 163,2 
Üels. unter dem auf 0° reducirten Druck von 748,7 M.M. 
gefunden. (Diese Angabe ist fĂŒr Verschiebung der Funda- 
mentalpunkie und Üalibration des Thermometers corrigirt.) 

Der lufttrockne, sehr annÀhernd reine buttersaure Kalk 
wurde mit dem gleichen Gewicht ameisens. Kalk im Mörser 
inniggemengt, das Gemenge bei 100° getrocknet, darauf 
in kleinen Portionen zu 10 Gram. aus Glasretörtechen, die 
von unten und von den Seiten mit glĂŒhenden Kohlen erhitzt 
wurden, der trocknen Destillation unterworfen. Dabei ent- 
wickelten sich Gase und DĂ€mpfe, die mittelst KĂŒhlers und 
eines durch KĂ€ltemischung gekĂŒhlten Recipienten verdichtet 
wurden; die Masse schmilzt, doch nicht vollstÀndig und zu- 
letzt, d. h. nach etwa 20 Minuten langem Erhitzen bleibt 
kohlens. Kalk als zusammengebackenes, weisses Pulver in der 
Retorte zurĂŒck. L. u. R. haben fĂŒr jede Darstellung von 
Butylalkohol stets mehre 100 Grm., im Ganzen im Laufe 
dieser und der folgenden Untersuchung einige Kilogramme 
butters. Kalk in dieser Weise verarbeitet. 

Das condensirte Product ist eine brĂ€unliche FlĂŒssigkeit 
von erstickendem aldehydartigen, doch zugleich etwas empy- 
reumatischen Geruch. Der fractionirten Destillation unter- 
worfen, stieg der Siedepunkt von 50 bis 200°C0, Was nach 
wiederholten Destillationen bei 70 bis 80° ĂŒbergeht, ist annĂ€- 
hernd reiner Butyraldehyd. Seine Menge betrÀgt etwa 
die HĂ€lfte des Rohproducts; die andere HĂ€lfte besteht aus 
Aldehyden, besonders den niedriger siedenden, zum grösse- 
ren Theile aber aus ĂŒber 130° siedenden Substanzen, die 
keine Aldehyde sind und vorlÀufig nicht nÀher unter- 
sucht wurden. Je reiner der angewandte buttersaure Kalk, 
um so geringer die Menge der den Butyraldehyd begleiten- 
den Producte.. Nur Formaldehyd ist stets, wenn auch 
nur in kleiner Menge vorhanden. Die Angabe Michaelson’s, 
dass bei trockner Destillation eines Gemenges von ameisens. 
und butters. Kalk neben Butyraldehyd auch Propion- 
aldehyd erhalten werde, erklÀren L. und R. daraus, dass 
Michaelson eine mit PropionsÀure verunreinigte ButtersÀure 
benutzt habe. 

Der normale Butyraldehyd besitzt den chanklake 
ristischen, durchdringenden, etwas zum Husten reizenden Alde- 
hydgeruch, redueirt Silberoxyd und erfordert 27 Theile Wasser 
zur Lösung. Er siedet bei circa 75°C. L. und R. haben 
auf die Reindarstellung desselben keine besondere Sorgfalt 


Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 145 


verwendet, da ihre BemĂŒhungen auf Gewinnung des Butyl- 
alkohols gerichtet waren. Sie finden es zweckmÀssiger, die 
Reimigung und scharfe Trennung erst nach der Umwandlung 
des Aldehyds in Alkohol vorzunehmen. Die schÀrfste Tren- 
nung von allen Nebenproducten wird erzielt, wenn ıman den 
aus Aldehyd bereiteten Alkohol in Jodid oder Bromid ver- 
wandelt und, von dem reinen Jodid ausgehend, dann die ver- 
schiedenen ButylprÀparate darstell. Die Anwendung des 
zweifachschwefligs. Alkalis zur Reinigung des Butyl- 
aldehyds haben L. und k. vermieden, weil hierbei eine 
Zersetzung desselben zu befĂŒrchten ist. 

Butylalkohol. Zur Umwandlung des Butyraldehyds 
in Butylalkohol wird ders. in wÀssriger Lösung mit Natrium- 
amalgam behandelt, indem man dafĂŒr sorgt, dass die FlĂŒssig- 
keit niemals alkalische Reaction annehme. Wenn man die 
Trennung des Butyraldehyds durch fraetionirte Destillation 
nicht weit getrieben hat, so ist es zweckmÀssig, ausser der 
zwischen 70 und 80° destillirenden Fraction des Rohaldehyds, 
die fast ganz aus Butyraldehyd besteht, auch die angrenzend 
höher und niedriger siedenden Fractionen der gleichen Be- 
handlung zu unterwerfen, da man noch erhebliche Mengen 
Butylalkohol aus ihnen gewinnen kann. Da das Arbeiten 
mit kleinen Mengen vortheilhaft schien, so haben L. und R, 
je 10 Grm. Butyraldehyd mit 250 Grm. Wasser versetzt und 
successive in Portionen von 100 Grm. 700 Grm. einprocentiges 
Natriumamalgam (die Theorie fordert 6,4 Grm. Natrium) ein- 
getragen; zugleich mit jeder Portion Natriumamalgam wurde 
eine Àquivalente Menge SO# verd. zugesetzt. Die Reaction der 
FlĂŒssigkeit war stets sauer. Nach beendigter Einwirkung 
wurde abdestillirt, um das Na0,SO? zu. beseitigen und das 
Destillat wieder wie oben portionenweise mit 300 bis 400 Grm. 
Na-Amalgam und der Àquiv. Menge SO? behandelt. Dann 
wurde wieder abdestillirtt und die Producte verschiedener 
Operationen vereinigt, um gemeinsam verarbeitet zu werden. 
ZunÀchst wird ein in Wasser unlösliches Oel, das in der 
beschriebenen Operation immer entsteht, mittelst Filtration 
durch ein feuchtes Filter entfernt und dann durch eine Reihe 
von Destillationen aus der klaren wÀssrigen Lösung der Bu- 
tylalkohol, der vorzugsweise in der ersten Destillationsfraction 
enthalten ist, abgeschieden. (Das erwÀhnte unlösl. Oel bildet 
sich nur in kleiner Menge und kommt gegen 180° 0, ins 
Sieden.) 

Der Butylalkohol (dessen vollstÀndige Abscheidung 
aus der wÀssrigen Lösung durch Zusatz von kohlens. Kali 

Arch, d, Pharm, CXCIX, Bda, 2, Hft, 10 


146 Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 


zu den successive erhaltenen ersten Destillatsfractionen erleich- 
tert wird) ist eine wasserhelle und mit Wasser nicht misch- 
bare FlĂŒssigkeit. 100 Grm. Butyraldehyd gaben in verschie- 
denen Bereitungen 80 bis 90 Grm. rohen feuchten Butyl- 
alkohol. 

Derselbe wurde durch geschmolzenes KO,CO? so viel 
als möglich entwÀssert und der fractionirten Destillation unter- 
worfen. Bei weitem das meiste geht zwischen 110 und 120° 
ĂŒber und es gelingt leicht, aus der zwischen 113 und 117 
destill. Fraction reinen Butylalkohol zu isoliren. Schwierig 
ist es nur, ihm die letzten Antheile Wasser zu entziehen. 

Durch Digestion mit Kalk oder Baryt, dann durch wie- 
derholte Destillation ĂŒber Natrium, wird dies am besten erreicht. 
Die Zusammensetzung eines so bereiteten Products wurde 
durch mehre gutstimmende Elementaranalysen festgestellt und 
fĂŒhrte zu der Formel C*H!1°0. Die Dampfdichte — 2,65 
(gefunden), 2,56 (berechnet). 

Der normale Butylalkohol ist eine wasserhelle FlĂŒs- 
sigkeit, die einen dem des GÀhrungsbutylalkohols Àhnlichen, 
doch etwas schwÀcheren und geistigeren Geruch besitzt. Er 
ist mit Wasser nicht mischbar und erfordert, Àhnlich wie der 
normale Butyraldehyd, einen erheblichen Ueberschuss von 
Wasser, um sich darin zu lösen. Dagegen löst er sich in 
concentrirter wÀssriger SalzsÀure und BromwasserstoffsÀure. 
Den Siedepunkt fanden L. u. R. in wiederholten ĂŒbereinstim- 
menden Beobachtungen bei 116°C. unter dem auf 0° redu- 
eirten Druck v. 740 M.M. 

Dabei betrug die Correction fĂŒr den herausragenden 
Quecksilberfaden nach Kopp 1,1 Cels. FĂŒr das spec. Gew. 
des normalen Butylalkohols, bezogen auf Wasser von gleicher 
Temperatur, wurden gefunden 

Temperatur 02 20° : 40° el”) 

Spec. Gewicht 0,8242 0,8108 0,7993 0,7734 

Diese Resultate wurden noch durch Bestimmungen contro- 
lirt, die mit einem Producete vorgenommen wurden, dessen 
Reinheit noch grössere Garantieen bot. Der in obiger Weise 
dargestellte rohe Butylalkohol wurde nemlich in JodĂŒr ver- 
wandelt, aus dem reinen analysirten JodĂŒr Butylacetat berei- 
tet, und aus dem reinen analysirten Acetat durch Verseifung 
mit conc. Kalilauge in zugeschmolzenen Röhren wieder Bu- 
tylalkohol gewonnen. Dieser war, nachdem er durch 


*) Die Bestimmung wurde im Dampf von siedendem Wasser ausge- 
fĂŒhrt bei auf 0° reducirtem Barometerstand 736,4 M.M, 


Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 147 


Behandlung mit geschmolzenem kohlens. Kali, dann durch 
successive Destillation ĂŒber Kalk und kleine Mengen von 
Natrium von Wasser befreit worden war, vollkommen rein. 
0,3253 Grm, desselb. gaben 0,772 CO? und 0,3992 H?O. 

In 100 Theilen 

gefunden berechnet 

C 64,72 ..,64,86 
H 13,63 13,51 
Do RR E3 
100,00. 

FĂŒr das spec, Gewicht eben dieses Butylalkohols, bezo- 
gen auf Wasser von gleichen Temperaturen, wurde gefunden: 
Temperatur 0% 20° 40° Je) aa) 
Spec. Gewicht 0,8239 0,8105 0,7994 0,7738 0,7735, 

Natrium wirkt auf den normalen Butylalkohol wie auf 
alle anderen Alkohole unter Entwickelung von H und Bil- 
dung glÀnzender Krystallnaden von Natriumbutylat ein, 
das, im Oelbade bei 240° CO, erhitzt, die Formel NaO 0*H? 
besitzt. Wird die wÀssrige Lösung des normalen Butylalko- 
hols mit Jod und Kali versetzt, so liefert sie Jodoform. 

Die Oxydation des normalen Butylalkohols 
mittelst Kaliumbichromats und SchwefelsÀure lieferte Butyr- 
aldehyd und ButtersÀure, deren Silbersalz 55,76 bis 
55,77 Proc. Ag lieferle. Die Rechnung verlangt 55,38%), Ag. 
Um zu beweisen, dass diese SĂ€ure GĂ€hrungsbutter- 
sÀure und nicht IsobuttersÀure sei, wurde dieselbe in 
das Kalksalz ĂŒbergefĂŒhrt. Die bei gewöhnl. Temperatur 
gesÀttigte Lösung desselb. erstarrte zu einem Krystallbrei, als 
sie auf 80° erhitzt wurde; ein Verhalten, das fĂŒr die GĂ€h- 
rungsbuttersÀure charakteristisch ist. 

ButylehlorĂŒr C*H°Cl, durch Einwirkung von HCl 
anf Butylalkohol, bei 70 bis 100° C. in verschlossener Glas- 
röhre erzeugt, ist eine wasserhelle, in Wasser nicht: lösl. FlĂŒs- 
sigkeit, die unter dem auf O° reducirten Druck von 741,3 M.M, 
bei 77,6 siedet und deren spec. Gew., bezogen auf Wasser 
von gleicher Temperatur, 0,9074 bei 0°, und 0,8874 bei 20° 
gefunden wurde, 

ButylbromĂŒr = C?H’Br, in Ă€hnl, Weise wie das 
ChlorĂŒr, nur mit HBr erhalten, spec. Gew. bezogen auf 


*) Bei den beiden letzten Bestimmungen befand sich das Densimeter 
im Dampfe von siedendem Wasser bei dem auf 0% redueirten Barometer- 
stande 725 und 729,6 M.M. 


10* 


148 Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge, 


Wasser von gleicher Temperatur (wie bei allen fol- 
genden) 1,305 bei 0°, 1,2792 bei 20°, 1,2571 bei 40°. 

Siedet bei 100°4 unter dem auf 0° reducirten Barome- 
terstand v. 744 M.M. (Correction fĂŒr d. Quecksilberfaden 0,15 
wie bei dem ChlorĂŒr.) 


ButyljodĂŒr = 0C?H?J. Aus dem Alkohol entweder 
durch HJ, oder durch Behandl. mit J und amorphem P in der 
fĂŒr JodĂ€thyl bekannten Weise dargestellt. Spec. Gew. 1,643 
bei 0°, 1,6136 bei 20°, 1,5894 bei 40°. (Die Angaben d. spec. 
Gew. in dieser Abhandl. sind nicht auf den leeren Raum 
reducirt.) 

ButylÀthylÀther und Butylen. 

Bei Einwirkung von Natriumalkoholat und weingeistiger 
Kalilösung auf normales ButylbromĂŒr und ButyljodĂŒr entsteht 
stets etwas Butylen, allerdings nur als Nebenproduct. 
Ebenso geben Silbersalze bei ihrer Einwirkung auf normales 
Jodbutyl Spuren von Butylen. Es findet also bezĂŒg- 
lich der Abspaltung von Butylen zwischen den 
4 isomeren Butylalkoholen nur ein Gradunter- 
schied statt und der normale Alkohol erweist 
sich als der stabilste. WĂ€hrend Butlerow aus GĂ€h- 
rungsbutyljodĂŒr durch Einwirkung von alkohol. Kalilösung 
80 bis 90 Proc, der theoret. Menge Butylen erhielt, haben 
L. und R. aus dem normalen ButyljodĂŒr bei Behandlung mit 
alkoh. Kalilösung nur !/, des angewandten Jodbutyls als Bu- 
tylen und ?, als ButylÀthylÀther erhalten. 


Auch das normalste aller normalen JodĂŒre, das JodĂ€thyl 
liefert nach L. und R. bei Behandlung mit alkoh. Kali eine 
kleine Menge Aethylengas. 

Das Butylen Ü?H?, welches durch Einwirkung von 
alkoh. Kali oder von NatriumÀthylat auf normales Jodbutyl 
erhalten wird, verbindet sich leicht mit HJ; das so erhaltene 
Jodhydrat (secundÀres Jodbutyl) ging bei 115 bis 120° 
ĂŒber. Es wirkte bei gewöhnl. Temperatur energisch unter 
WĂ€rmeentwickelung auf Silberacetat, das mit Eisessig be- 
feuchtet war, ein und entwickelte dabei Butylengas, das 
mit leuchtender Flamme verbranntee Auch Saytzeff 
hat (1870) gefunden, dass das aus normalem Jodbutyl berei- 
tete Butylen sich mit HJ zu secundÀrem Jodbutyl ver- 
bindet. | 

Das Hauptproduct der Einwirkung von Natriumalkoholat 
oder alkohol. Kali auf Brom- und Jodbutyl ist ButylÀthyl- 
Àther = 0?H?0.0?H?; siedet bei 91°%7 (dabei der Queck- 


Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 149 


silberfaden ganz im Dampfe) bei dem auf 0° reduc. Barome- 
terstand v. 742,7 M.M. 

Spec. Gew. bei 0° 0,7694; bei 20° 0,7522; bei 40° 
0,7367. 

Butylacetat = C*H?.C?H30? wird erhalten durch 
Einwirkung von essigs. Silberoxyd auf ButyljodĂŒr oder Bu- 
tylbromĂŒr unter MithĂŒlfe von etwas kryst. EssigsĂ€ure und 
Erhitzung in verschlossener Röhre (was auch nicht nöthig 
ist) auf 108 bis 130% C. 

Es besitzt einen sehr angenehmen Fruchtgeruch, siedet 
bei 12501 unter dem auf 0° reduc, Druck von 740 M.M. 
" Spec. Gew. 0,9000 bei 0°, 0,8817 bei 20° und 0,8659 
bei 40°, 

Butylbutyrat — C*H°.C*H?O? Jodbutyl wurde 
auf butters. Silberoxyd, das mit ButtersÀure angefeuchtet war, 
in einem Kölbehen einwirken gelassen... Beim UmschĂŒtteln 
stellte sich die Reaction schon hei gewöhnl. Temperatur ein, 
unter WĂ€rmeentwickelung. 

Das Kölbehen wurde dann noch am KRĂŒckflusskĂŒhler, 
der andrerseits mittelst Quecksilber abgesperrt war, mehre 
Stunden hindurch erhitzt. Dann wurde abdestillirt, das De- 
stillat mit Kali neutralisirt, das angenehm riechende 
Butylbutyrat gewaschen, mit CaCl entwÀssert und durch 
fractionirte Destillation leicht rein erhalten. Die Ausbeute 
war sehr befriedigend. 


Es siedet bei dem auf 0° reducirten Barometerstand 
735,7 M.M. bei 165°,5 (correct. f. d. Quecksilberfaden 1,2). 

Spec. Gew. bei 0° —= 0,8885; bei 20° = 0,8717; bei 
40° = 0,8579. 

ButyleyanĂŒr = 0*H?.ON. Zu seiner Darstellung eig- 
nen sich Chlor-, Brom- und Jodbutyl in gleicher Weise; sie 
werden mit mehr als der Àquivalenten Menge reinem Cyan- 
kalium. und Weingeist von 85 Proc. in Glasröhren einge- 
schmolzen und 2 Tage lang auf 110° erhitzt. Die von den 
Krystallen abgegossene FlĂŒssigkeit wird der fractionirten 
Destillation unterworfen und aus den zuletzt ĂŒbergehenden 
Fraetionen durch CaCllösung das ButyleyanĂŒr abgeschieden, 
damit gewaschen und durch CaCl entwÀssert. Das getrock- 
nete Butyleyanur besass (wohl von einem RĂŒckhalt eines 
isomeren Körpers) einen sehr widrigen Geruch, ging bei der 
ersten Destillation zwischen 136 und 141° ĂŒber. Bein siedet 
es bei 140%4 bei 739%,3 M.M. B. . Spee. Gew. bei 0° = 
0,8614, 


150 Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 


Butylammin. 

Zu seiner Darstellung wurde Ohlorkutgil mit einem 
Ueberschusse von festem cyansauren Kali und mit W ein- 
seist von 85 Proc. in Röhren eingeschmolzen und durch 
2 Tage auf 100 bis 110° erhitzt. Die FlĂŒssigkeit wurde 
dann mit festem Kali versetzt und durch 2 Tage am RĂŒck- 
fusskĂŒhler, der andrerseits durch Hg gesperrt war, gekocht. 
Dann wurde bis zur Trockne destillirt, auf den RĂŒckstand 
etwas Wasser gegossen, wieder abdestillirt und die beiden 
Destillate in HClhaltigem Wasser aufgefangen. 

Die schwach saure Lösung wurde zur Trockne verdampft 
und der RĂŒckstand mit starkem Weingeist ausgezogen. 
Es hinterblieb ungelöstes HNCl, wĂ€hrend das ChlorĂŒr der 
org. Base sich löste und durch Abdampfen als sehr hygroskop. 
Masse erhalten wurde. Dieselbe wurde warm rasch mit Kalk 
zemengt, das Gemenge in ein kurzes Verbrennungsrohr ge- 
fĂŒllt, in dessen vordersten Theil StĂŒcke von wasserfreiem 
Baryumoxyd gebracht und nun erhitzt; es destillirte die 
freie Basis ab und wurde in einem durch nz 
gekĂŒhlten Recipienten aufgefangen. 

Auch bei Bereitung der normalen ValeriansÀure 
wurde Butylamin als Nebenproduct erhalten. Die alkoholische 
FlĂŒssigkeit, welche durch Erhitzen von Chlor-, Brom- oder 
Jodbutyl mit Cyankalium (worin eine gewisse Menge cyan- 
saurem Kali enthalten war) resultirte, wurde mit festem Aetz- 
kalı gekocht. Beim Abdestilliren blieb valerians. Kali im 
RĂŒckstande und der abdestillirte, ĂŒbelriechende, ammoniakalı- 
sche Alkohol wurde immer zu neuen Öperationen verwen- 
det. Dieser Alkohol enthielt Butylamin in Lösung und 
letzteres hÀufte sich bei der successiven Darstellung betrÀchtl. 
Mengen von ValeriansÀure darin an. Durch AnsÀuern mit 
HCl und Destillation jenes Alkohols wurde ein RĂŒckstand 
erhalten, der Salmiak neben Butylamminhydrochlorat enthielt, 
die mittelst starken Weingeists getrennt wurden. Die freie 
Basis wurde dann wie oben aus dem sehr zerfliesslichen 
ChlorĂŒr dargestellt. 

Die Untersuchung zeigte, dass sowohl dieses, als das 
direct mittelst cyans. Kalıs dargestellte Product ein Gemenge 
der primÀren, secundÀren und tertiÀren Basis war. 
Die FlĂŒssigkeit kam bei 76° ins Sieden und ihr Siedepunkt 
erhob sich bis 208%. Durch wiederholte fractionirte Destilla- 
tion gelang es, das Butylammin abzuscheiden; die Trennung 
des Di- und Tributylammins liess sich auf diesem 
Wege nur unvollkommen erreichen. 


Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 151 


Das Butylammin = C?H°.H’?N, die flĂŒchtigste der 
3 Basen, ist eine wasserhelle, sehr hygroskopische FlĂŒssigkeit, 
welche deswegen an der Luft raucht und deren DĂ€mpfe auf 
der Haut das GefĂŒhl von WĂ€rme erregen; sie riecht stark 
ammoniakalisch, greift die Korke der GefÀsse an, auch die 
Kautschukpfropfen u. mischt sich mit Wasser in allen VerhÀltnis- 
sen. Seine Lösung fÀllt Pb-, Al-, Mg-, Cu- und Ag-Salze. 
Die mit Cu- und Ag-Salzen erhaltenen NiederschlÀge lösen 
sich im Ueberschusse der Base wieder auf. Siedet bei 75°%,5 
bei 740 M.M. Druck. Spec. Gew. 0,7553 bei 0°; 0,7333 
bei 26°. 

Das Butylamminchloroplatinat = [C?H°. HŸN.C1]?, 
PtCl* löst sich in kaltem Wasser wenig, ist aber in warmem 
Wasser ziemlich löslich und auch im Alkohol. Es schiesst in 
goldgelben KrystallblÀttern an und lieferte 35,21 Proc. Platin 
(gef.), berechnet 35,35°/, Pt. 

Das Dibutylammin siedet bei etwa 158 bis 1609, es 
giebt mit HCl und PtÜl* lange gelbe Nadeln = 
[(C?HÂź)?H?N.C1]?, PLCl* = Dibutylamminchloroplatinat, die in 
warmem Wasser schmelzen, bevor sie sich lösen und in kal- 
tem Wasser nur wenig löslich sind. Darin 29,44 Proc. Pt 
berechnet; gef. 29,35 Proc. 

Das Tributylammin siedet bei etwa 208°C., ist nicht 
mehr mit Wasser mischbar, löst sich aber in HCl und wird 
daraus durch Kali als Oel gefÀllt. Das Platindoppelsalz ist 
— [(C*H°)>HN.C1]?, PtCl, enthĂ€lt 25,19 Proc. Pt (gefun- 
den); berechnet 25,23%, Pt. Es bildet zu Gruppen vereinigte 
Nadeln, gegen Lösungsmittel wie das vorige sich verhaltend. 
Das Aussehen der 3 Chloroplatinate ist ziemlich verschieden. _ 

Constitution des normalen Butylalkohols und 
allgemeine Bemerkungen. Die vorstehenden Unter- 
suchungen lassen ‘keinen Zweifel darĂŒber, dass der hier be- 
schriebene Butylalkohol von den drei bis dahin bekannten 
isomeren Alkoholen verschieden ist. Von dem GĂ€hrungs- 
butylalkohol, der ihm in allen seinen Eigenschaften noch am 
NĂ€chsten steht, unterscheidet er sich in bestimmter Weise 
durch seinen höheren Siedepunkt und durch die 
höheren Siedepunkte aller seiner Abkömmlinge. 
Seine HaloidÀther sind stabiler, spalten sich minder 
leicht unter Abgabe von C4HÂź als die von den 3 isomeren 
Alkoholen abgeleiteten. Auch mit RĂŒcksicht auf seine Gewin- 
nung aus GÀhrungsbuttersÀure wird man geneigt sein, in ihm 
den gesuchten normalen Butylalkohol zu erkennen, dem die 
Formel 


152 Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 


Be 
CH5_CHÂź_CHÂź_CH>.0H =! 
\o1 


zukommt. BestÀtigt wird dies durch die Oxydation, wobei 
Butyraldehyd und GÀhrungsbuttersÀure erhalten 
werden. 


Rossi hat mit Anwendung derselben Methode den nor- 
malen Propylalkohol (aus PropionsÀure, die aus 
CyanĂ€thyl bereitet worden war) dragestellt (Öompt. rend. 
70, 129). und zugleich gezeigt, dass aus normalem Propyl- 
eyanĂŒr GĂ€hrungsbuttersĂ€ure erhalten wird. ‘ Damit ist 
die Constitution der letzteren definitiv festgestellt. Lieben 
und Rossi schliessen ihre Abhandlung mit folgenden allge- 
meinen Bemerkungen: „Wir sind nun in den Stand gesetzt, 
mit abwechselnder Anwendung von 2 Methoden, nemlich der- 
hier beschriebenen Umwandlung der SĂ€ure in den entspre- 
chenden Alkohol, die sich als allgemeine Methode bewÀhrt 
hat und andrerseits der bekannten Umwandlung des Alkohols 
in OyanĂŒr und in die nĂ€chst höhere SĂ€ure, die ganze 
Reihe der normalen Alkohole und SĂ€uren, von 
den Elementen ausgehend, aufzubauen. Man kann 
die AmeisensÀure, sei es aus Kohlenoxyd, sei es aus 
KohlensÀure, also aus den Elementen darstellen. Wir 
haben gezeigt, dass mit Anwendung derselben Methode, die 
hier beschrieben ist, aus AmeisensÀure, Formaldehyd 
und Methylalkohol erhalten werden. Aus Methylalkohol 
lÀsst sich (mittelst Oyanmethyl) EssigsÀure, daraus Alde- 
‘hyd und Aethylalkohol gewinnen. Der Aethylalkohol 
hefert PropionsÀure, diese den normalen Propylalko- 
hol, aus welchem GÀhrungsbuttersÀure erhalten wird. 
Aus dieser haben wir den normalen Butylalkohol 
bereitet und dieser hat uns die normale Valerian- 
sĂ€ure (Öompt. rend. 71, 369), weiterhin den normalen 
Amylalkohol und endlich die normale UapronsÀure 
geliefert. Nichts steht im Wege um noch weiter vorzu- 
dringen. 

Wenn man die Siedepunkte der nunmehr bekannten 
4 isomeren Butylalkohole mit einander vergleicht, so ergiebt 
sich, dass der tertiÀre den niedrigsten, der normale den 
höchsten Siedepunkt hat. und dass in dieser Richtung auf- 
steigend die Differenzen abnehmen. 


Ueber den normalen Butylalkohol und seine Abkömmlinge. 153 


Normaler GÀhrungs- SeeundÀrer TertiÀrer 
Butylalkohol. butylalkohol. Butylalkohol. Butylalkoh. 
[ CH2.CH ?.CH° ee en) CH? 
j H 4 H NECH> CH? 
en Ser N ger 
lon lou \ou OH 
siedet bei 116° 109° 99° 82° Cels. 
Differenz 7° 10° ba 


Aehnliche Unterschiede in dems. Sinne beobachtet man 
bei Vergleichung der Siedepunkte der entsprechenden Abkömm- 
linge. Die normale ButtersÀure hat einen höheren Sie- 
depunkt, als die IsobuttersÀure, unsere normale Vale- 
riansÀure einen höheren, als die bisher bekannte SÀure. 

Nur eine einzige Ausnahme verdient ErwÀhnung. 

In derselben Weise, wie die primÀren Alkohole bei der 
Oxydation Aldehyde liefern, geben die secundÀren Alkohole 
Acetone und man könnte danach erwarten, dass die Acetone 
bei niedrigerer Temperatur sieden, als die isomeren Aldehyde. 
Es findet jedoch das Gegentheil statt. Das gewöhn- 
liche Aceton, das durch Oxydation aus dem secundÀren 
Propylalkohol erhalten wird, siedet bei 56°, der nor- 
male Propionaldehyd jedenfalls unter 50%, Das Me- 
thylÀthylketon, das aus dem secundÀren Butylalkohol bei 
der Oxydation entsteht, siedet bei circa 80°, wÀhrend der 
normale Butyraldehyd bei etwa 75° siedet. Es macht sich 
hier geltend, dass die Ketone, trotz dem sie durch ganz 
Àhnl. Processe, wie die Aldehyde aus analogen . Körpern 
erhalten werden und trotz ihrer weitgehenden Analogie mit 
diesen, gleichwohl eine andere Körperklasse bilden 
und mit den Aldehyden nicht mehr in der Weise vergleich- 
bar sind, wie es die isomeren Alkohole oder deren Aether 
unter einander sind. 

FĂŒr die Definition der normalen Alkohole geben 
die vorstehenden und weitere Untersuchungen (ĂŒber den nor- 
malen Amylalkohol). folgende Merkmale an die Hand: 

Vom theoretischen Standpunkte und mit RĂŒcksicht auf 
die Verbindungsweise der Atome betrachtet, sind die norma- 
len Alkohole (und natĂŒrlich entsprechend die Aether, Alde- 
hyde, SĂ€uren u. s. w.) durch eine derartige Constitution cha- 
rakterisirt, dass in ihnen die fĂŒr alle primĂ€ren Alkohole cha- 
rakteristische Gruppe CH?.OH mit einer Kette von Kohlen- 
stoffatomen verbunden ist, deren letztes mit HÂź, alle zwischen- 
liegenden je mit H? in Verbindung stehen, also 

GEROHM; N Ans CH?.CH?.OH. 


Tat Ueber ButtersÀure verschiedenen Ursprungs, 


Von allen Hypothesen absehend und bloss gestĂŒtzt auf 
Eigenschaften und Reactionen, lassen sich die normalen 
Alkohole als diejenigen definiren, welche unter allen isome- 
ren Alkoholen 

1) die höchsten Siedepunkte haben und wohl auch 
die stabilsten sind, 

2) deren einfache und zusammengesetzte Aether, so wie 
Ammine die relativ höchsten Siedepunkte haben und deren 
Haloidverbindungen sich am wenigsten leicht unter Abspal- 
tung von C*H?” zerlegen; 

3) die bei der Oxydation SĂ€uren geben, welche eben so 
viele Kohlenstoff - Atome enthalten und sich vor eventuellen 
isomeren SÀuren durch höheren Siedepunkt und, wie es 
scheint, auch durch grössere WiderstandsfÀhigkeit bei der 
Oxydation auszeichnen.“ 


Schliesslich erwÀhnen L. und R., dass bald nach ihrer 
ersten Veröffentlichung ĂŒber den normalen Butylalkohol A. 
Saytzeff (Zeitschr. f. Ch. 1870, VI, 107) denselben Körper 
durch Behandlung eines Gemenges von Chlorbutyryl und 
juttersÀure mit Natriumamalgam erhalten hat. Auch Lin- 
nemann (Ann. Ch. Pharm. 152, 127) giebt an, denselben 
Alkohol aus ButtersÀureanhydrid mit Natriumamalgam erhal- 
ten zu haben. H. Ludwig. 


Ueber ButtersÀure verschiedenen Ursprungs 


hat ©. GrĂŒnzweig aus Erlenmeyers Laboratorium in MĂŒn- 
chen, MÀrz 1871, vorlÀufige Mittheilungen veröffentlicht. 


Bis jetzt ist nur mit Sicherheit ermittelt, dass die SĂ€ure, 
welche bei der GĂ€hrung der milchsauren Salze entsteht, 
NormalbuttersÀure und dass diejenige, welche durch 
Oxydation des GĂ€hrungsbutylalkohols erzeugt wird, Iso- 
buttersÀure ist. Auch die ButtersÀure aus Kuhbutter ist 
nach GrĂŒnzweig NormalsĂ€ure. 


Die ButtersĂ€ure in der Frucht von Üeratonia Siliqua L. 
(dem Johannisbrod) von Redtenbacher aufgefunden, ist 
nach GrĂŒnzweig IsobuttersĂ€ure (sie wird begleitet von 
AmeisensĂ€ure und nach GrĂŒnzweig auch von Essig- 
sÀure und wenig CapronsÀure und BenzoÀsÀure.) 


Die Synthese des Coniins. 155 


In dem Destillate der Tamarinden, in welchem Gorup- 
Besanez die Gegenwart von ButtersÀure vermuthete, konnte 
GrĂŒnzweig nur EssigsĂ€ure auffinden, 

Die von Blyth zuerst aus Coniin durch Oxydation 
erhaltene ButtersĂ€ure ist nach GrĂŒnzweig Normalbutter- 
sĂ€ure. (Ann. Ch. u. Pharm., AprĂŒ 1871; 158, 117.). 

ERDE 


Die Synthese des Coniins 


ist Hugo Schiff gelungen. Er versuchte zunÀchst die 
Darstellung desselben durch Einwirkung von Ammoniak auf 
condensirten ButtersÀurealdehyd, da mehre Forscher 
bei der Oxydation des natĂŒrl. Coniins das Auftreten von 
ButtersÀure beobachtet hatten. Normaler Butyralde- 
hyd, durch Erhitzen von buttersaurem Kalk mit ameisen- 
saurem Kalk erhalten, geht beim ErwÀrmen mit starker Salz- 
sÀure im geschlossenen Rohre bei 70° bis 90° im condensirte 
Producte ĂŒber. Die dicke grĂŒnbraune FlĂŒssigkeit zeigte kei- 
nen constanten Siedepunkt; em Theil war ĂŒberhaupt nicht 
ohne weitere Zersetzung destillirbar. Die unterhalv 250° 
ĂŒbergegangenen Antheile wurden im geschlossenen Rohre 
mit weingeistigem Ammoniak auf 100° zuletzt kurze Zeit auf 
140 bis 150° erhitzt. Es bildeten sich hierbei jedoch meist 
Producte von weitergehender Condensation, welche bei der 
Destillation Wasser und HÂź?N verloren. Die ĂŒbergehenden 
dicken Oele hatten einen an Coniin erinnernden Geruch, 
waren aber nur zum Theil in HCl löslich und gaben harzige 
Chloroplatinate, welche nicht zum gewĂŒnschten Ziele gelangen 
liessen. 


In einer anderen Versuchsreihe liess man Butyralde- 
hyd wÀhrend der Monate Juli und August bei einer mittle- 
ren Temperatur von etwa 30°C. mit weingeistigem Ammo- 
niak in BerĂŒhrung und erhitzte zuletzt nur einen Tag lang 
auf 100% Die gelbe FlĂŒssigkeit wurde in 2 gleiche Theile 
getheilt, deren einer mit einem kleinen Ueberschuss an HU] 
versetzt wurde. Es sollte hierdurch der etwaigen conden- 
sirenden Einwirkung des H?N wÀhrend des Eindampfens 
vorgebeugt und zugleich ein Theil des H?N als H?N,HÜl 
abgeschieden werden. 


156 Die Synthese des Coniins, 


Von diesem Antheile wurde der Weingeist nebst dem 
unverÀndert gebliebenen Aldehyde abdestillirt und in die so 
gewonnene FlĂŒssigkeit aus dem nicht angesĂ€uerten Antheile 
der Butyraldehyd, das HÂźN und der Weingeist eindestillirt. 

Der trockene RĂŒckstand des angesĂ€uerten Antheils 
war eine braungelbe, wohl durch Anwesenheit von viel Sal- 
miak krystallinische Masse. Sie wurde mit ziemlich conc. 
Natronlauge auf dem Wasserbade schwach erwÀrmt bis kein 
HÂźN mehr entwich. Nach mehrmaligem Waschen mit kal- 
tem Wasser löste man in absolutem Weingeist, entfernte 
gelöstes Alkali durch Einleiten von 00°, verdunstete auf ein 
kleines Volum, löste in HCl und filtrirte von einer kleinen 
Menge unlösl. harziger Substanz ab. 

Der RĂŒckstand des nicht angesĂ€uerten Antheils 
wurde zur Entfernung des H?N auf dem Wasserbade erwÀrmt 
und dann in HCl zu einer möglichst neutralen FlĂŒssigkeit gelöst. 

Bei der Behandlung mit PtÜl* zeigte es sich, dass die- 
ser Antheil sich genau so verhielt, wie der vorher angesÀuerte. 
Es hatte also bei dem Eindunsten der ammoniakal. FlĂŒssig- 
keit keine weitere Condensation- stattgefunden und die weit- 
lÀufigere Behandlung der anderen Portion wÀre durchaus nicht 
nöthig gewesen. Es zeigte sich nur der eine- Unterschied, 
dass der nicht angesÀuerte Antheil eine kleine Menge butter- 
sauren Ammoniaks enthielt. Bei der fractionirten FĂ€llung 
mit PtÜl? erhielt man zunĂ€chst graugelbe fiockigkrystall. Nie- 
derschlÀge von 21,4 bis 21,5 Proc, Platingehalt, deren C- und 
H-Bestimmung zu der Formel 2(01°H°’NO), H? Pt C1 fĂŒhrte. 
Die in diesem Salze enthaltene Base entspricht einer Üon- 
densation von 4 Moleculen Butyraldehyd: 
40*HŸ0O + HN = C!°HŸNO (Tetrabutyraldin) 
+ 3H?0. 

Das Tetrabutyraldin bildet unter den angegebenen 
VerhÀltnissen den Haupttheil der Producte der Einwirkung 
des H?N auf Butyraldehyd. Weder die Base noch ihr Chlor- 
hydrat krystallisirten. Die Base verliert bei höherer Tem- 
peratur Wasser und verwandelt sich in sauerstofffreie ba- 
sische Verbindungen, die bis jetzt nicht nÀher untersucht 
worden sind. 

Wurde nun die Mutterlauge dieses Chloroplatinats unter 
Zusatz weiterer Mengen von Platinchlorid bei 60 bis 70° 
allmÀhlig im Wasserbade concentrirt, so erhielt man zunÀchst 
Zwischenproducte mit 24,1 und ‘27 Proc. Pt-Gehalt, dann an- 
dere Chloroplatinate mit 27,9, 28,5, 28,6 bis 29,5 Proc, Pt. 
Löste man dieselben in Weingeist, so blieb etwas Platinsal- 


Die Synthese des Conins. 157 


miak ungelöst und Wasser fÀllte nun deutlich krystallin. gelbe 
Flocken. Zur weiteren Reinigung wurde das Ühloroplatinat 
in Alkohol gelöst, das Pt durch H?S gefÀllt, das Chlorhydrat 
auf dem Wasserbade eingedunstet und die mit etwas HÜl 
versetzte fiitrirte Lösung von Neuem mit PtÜl? gefĂ€llt. Aus 
Weingeist umkrystallisirt, erhielt man endlich das Chloropla- 
tinat als gelbes Krystallpulver, dessen C-, H- und Pt-Be- 
stimmung zu der Formel 2(CSH!’NO), H?PtCl1Âź fĂŒhrte. Die 
darin enthaltene Base ist entstanden durch Zusammentritt 
von 2 Moleculen Butyraldehyd, nach der Gleichung: 
20*HÂźO + H?N = CSH!!NO (Dibutyraldin) + H?O. 

Unter den angegebenen VerhÀltnissen bildet diese Base 
nur den kleineren Antheil des Basengemenges. 

Das Chloroplatinat verÀndert sich bei 100° nicht. Wird 
es aber langsam auf140bis150 erhitzt, so brÀunt 
es sich, verliert Wasser, schmilzt und entwickelt 
einen betĂ€ubenden Geruch nach Üoniin, wĂ€hrend 
zugleich Pt redueirt wird. Erhitzte man eine kleine Menge 
des Chloroplatinats in einem Glasretörtchen im Oelbade, so 
konnte der Vorgang deutlich beobachtet werden und man 
bemerkte das Auftreten öliger Tropfen im Halse der Retorte. 
Diese Zersetzung ist jedoch nur eine theilweise. Die Ge- 
sammtmenge des Chloroplatinats wurde nun durch H?S zer- 
setzt, aus dem Chlorhydrat nach dem Eindampfen die Base 
dureh concentrirte Kalilauge freigemacht und unter Zusatz 
von feinem Quarzsand aus dem ÖOelbade destillirt. Es ging 
Wasser, H?N und öliges Product ĂŒber, welches den Geruch 
nach Coniin im höchsten Grade zeigte. Das Destiliat wurde 
zur möglichsten Entfernung des H?N schwach erwÀrmt und 
dann mit HÜl behandelt, welche eine theerartige Substanz 
ungelöst liess. Nach der Filtration dieser Lösung konnte 
«beobachtet werden, dass sich das Filter beim langsamen Trock- 
nen an der Luft violett fÀrbte. Die concentrirte Salzlösung 
wurde durch conc. PtCl* in Chloroplatinat verwandelt und 
dieses endlich durch Umkrystallisiren aus Alkohol als orange- 
farbiges Krystallpulver erhalten. Die C-, H- und Pt- Be- 
stimmung fĂŒhrte zur Formel des salzs. Coniin-Platin- 
chlorids = 2(CÂź HN), H? Pt Ol. 

In der weingeistigen Lösung fand sich noch ein an- 
deres Ühloroplatinat, welches durch Abdampfen in 
undeutlich kryst. Form erhalten wurde und nur 20,5 Proc. 
Pi enthielt; wahrscheinlich das Chloroplatinat einer Base höhe- 
rer Uondensation, welche bei der Zersetzung des Dibutyral- 
dins entstanden war, 


158 Die Synthese des Coniins. 


Die wenigen Gramme Coniinplatinchlorid, welche 
schliesslich erhalten wurden, zersetzte man mit Kali und zog 
die freie Base mit Aether aus. Eine andere kleine Menge 
wurde aus der zu Anfang abdestillirten weingeistigen Lösung 
des nicht angegriffenen Butyraldehyds erhalten. In dieser Lösung 
hatte sich nach 3 Monaten eine neue Menge von Dibutyraldin 
gebildet, welches direct auf Coniin verarbeitet wurde. 
Schliesslich hatte Schiff so nur etwa 2 0.C. eines noch 
Wasser und eine Spur Weingeist enthaltenden ConĂŒns, wel- 
chem ausserdem noch eine kleine Menge einer harzigen Sub- 
stanz beigemengt war. Da mit dieser kleinen Menge an eine 
veinigung behufs Analyse und Bestimmung der physikalischen 
Eigenschaften nicht zu denken war, so benutzte er dieselbe 
zu einzelnen Reactionen und zu Vergiftungsversuchen. 

Die kĂŒnstlich dargestellte Base ist von bernsteingelber 
Farbe, fÀrbt sich indessen an der Luft bald brÀunlich und 
wird dabei dickflĂŒssiger. Sie besitzt den Coniingeruch im 
höchsten Grade; ein mit HCl befeuchteter Stab bewirkt dicke 
Nebel. 

Die Base ist sehr wenig in Wasser löslich; die Lösung 
hat, einen scharfen brennenden, weniger bitteren Geschmack. 
Sie trĂŒbt sich beim schwachen ErwĂ€rmen milchig und wird 
beim AbkĂŒhlen wieder klar; auf Lackmus reagirt sie alkalisch. 

Mit jodhaltigem Jodkalium entsteht ein brauner, zusam- 
menballender und in ĂŒberschĂŒssigem Jodkalium nicht löslicher 
Niederschlag. — Die freie SalzsĂ€ure enthaltende Lösung fĂ€rbt 
sich beim Verdunsten zwiebelroth, spÀter. violett, bei Gegen- 
wart von conc. HÜl blaugrĂŒn. — Beim Verdunsten unter 
einer Glocke neben conc. SchwefelsÀure fÀrbt sich letztere 
tief roth, — Die Base fĂ€llt Oxydhydrat aus Lösungen von 
Kupfervitriol und Oxyd aus der Lösung von Silbersalpeter. — 
Mit Sublimat entsteht ein dicker gelber, sich zu einer zÀhen* 
Masse vereinigender Niederschlag. — Chlorwasser bewirkt in 
der wÀssrigen Lösung der Base einen weissen in HCl lösl., 
Niederschlag. — Eine geringe Menge der Base, in einen 
Tropfen Goldchlorid gebracht, bewirkt einen zÀhen, gelben 
Niederschlag, der sich im Verlauf einiger Stunden tief violett 
fĂ€rbt, wĂ€hrend zugleich Gold redueirt wird. (Diese fĂŒr das 
Coniin bisher nicht beobachtete Reaction tritt in entfernt Àhn- 
licher Weise auch bei Nicotin ein; Chinolin, Amylammin 
und Trimethylammin ‘ergeben nichts Aehnliches, wohl aber 
erhÀlt man mit Anilin sogleich eine tief violette FÀrbung.) 

Diese Reactionen sind ganz diejenigen des Üoniins; 
Schiff macht jedoch auf folgende Differenzen aufmerksam, 


Die Synthese des ConĂŒns. 159 


NatĂŒrliches ConĂŒn fĂ€rbt sich mit conec. HCI beim Ver- 
dunsten rein indigblau; die kĂŒnstliche Base ergab immer 
nur grĂŒnblaue FĂ€rbung. — Die FĂ€llung des Silberoxyds 
tritt mit natĂŒrlichem Coniin bei mittler Temperatur sogleich 
ein; das kĂŒnstl. Coniin bewirkte die Reaction erst nach eini- 
ger Zeit, sogleich jedoch bei schwacher ErwÀrmung (auf etwa 
40°). — Die eben erwĂ€hnte violette FĂ€rbung mit Goldchlorid 
tritt mit natĂŒrl. Coniin viel schneller ein, als mit kĂŒnstlichem. 
— Endlich war das Chloroplatinat in Wasser weniger leicht 
löslich. 

Was die physiologische Wirkung betrifft, so besitzt 
das kĂŒnstliche Coniin denselben betĂ€ubenden, nach kurzer 
Zeit die Geruchsnerven abstumpfenden Geruch, wie das na- 
tĂŒrliche. j 

Im Verlauf seiner Arbeit verspĂŒrte Schiff mehrmals 


heftiges Kopfweh und Blutcongestionen. — Ein Fink, wel- 
chem man einen kleinen Tropfen unter die Zunge gebracht 
hatte, starb nach 5 bis 6 Minuten. — Frösche, mit wel- 


chem der Bruder des Herrn Schiff einige Vergleichsver- 
suche anstellte, zeigten sogleich . Vergiftungssymptome; der 
Tod trat aber hier (bei Winterfröschen) erst nach 12 bis 
20 Stunden ein. Bei Versuchen bezĂŒglich der Nervenreiz- 
barkeit, bei welchen der eine Schenkel zum Vergleich vor 
der Vergiftung unterbunden wurde, ergaben sich Resultate, 
welche Schiff (Bruder) als fĂŒr Vergiftung mit Coniin (und 
fĂŒr einige andere hier nicht in Betracht kommende narkotische 
Gifte) charakteristisch betrachtet. Bei allen diesen Versuchen 
wurde ein Tropfen Coniin entweder auf die Zunge oder unter 
die Haut des Thieres gebracht. — Es bleibt zu untersuchen 
ĂŒbrig, ob hier noch eine der feineren Isomerien vorliegt und 
ob das Dibutyraldin mit dem Conydrin von Wertheim 
identisch oder nur isomer ist. 


Bei der Synthese des Coniins haben wir zunÀchst die 
folgenden beiden Verkettungen zweier Butyraldehyd- 
Residua: 


1. cns_cns_cae_cH (N 


CH3_CHÂź?_CH2_CH 2 
II. CH_CH2_CH2_CH3 


[Q - 
CH_CH2_CH2_CH er 


166 PrĂŒfung des Opium auf Morphin. 


Diese beiden Butyroxyaldine können durch Ent- 
wÀsserung drei isomere Coniine bilden: 
RN CRESCHE SCHE 
CHESCHZSCH- ICH 
I CHZ2OTFECH2&CHE 


N. 


( 
GHSCH2ZEOHSCHEHEN. 
NT ZZOHSOLZSCHZE CHE 


( 
CHECHSCHPTCHRHN. 


Die Formel III gehört wohl dem natĂŒrlichen Conim an, 
in welchem noch ein ersetzbares Wasserstoffatom vorhanden 
und fĂŒr welches durch Wertheim nachgewiesen ist, dass 
die Gruppe CÂźH!* (Conylen) als zweiwerthig functionirt. 
Weitere Untersuchungen werden darthun, ob das kĂŒnstliche 
Coniin vielleicht eines von den Isomeren enthÀlt. 


Andere Isomere des Butyryleoniins können noch mit 
Isobutylaldehyd oder mit einer Mischung von Isoal- 
dehyd mit normalem entstehen. Eine grosse Anzahl 
anderer isomerer Verbindungen werden ferner noch entstehen 
können, wenn die Residua von Acetaldehyd oder Pro- 
pionaldehyd mit den Residuen von normalem oder anor- 
malen Capronaldehyd, resp. Valeraldehyd vermittelst der 
Einwirkung des H?’N in verschiedenartigster Weise zusam- 
mentreten. (Yugo Schiff, Florenz, Istiluto superiore. Januar 
1871; Annalen d. Chem. u. Pharm. MĂ€rz 1871, S. 352 — 262.). 

Jane br 


PrĂŒfung des Opium auf Morphin. 


Rother fÀllt den wÀssrigen Opiumauszug mit kohlen- 
saurem Natron und wÀscht den Niederschlag auf einem Filter 
unter Öfterem AufrĂŒhren mit einem Glasstabe mit einer Mi- 
schung von gleichem Volumen Wasser, Alkohol und Aether, 
wodurch er nicht allein entfÀrbt, sondern auch von Narkotin 
befreit wird. 

Der eigenthĂŒmliche narkotische Geruch des Opium lĂ€sst 
sich nach Rother durch Behandlung mit Aether entfernen. 
Wahrschemlich wird der diesen Geruch bewirkende Stoff 


Milchprobe durch den Ammoniakprocess. 161 


durch Alkalien, Ammoniak oder kohlensaures Natron zerstört, 
denn wenn ein wĂ€ssriger Öpiumauszug hiermit gemischt 
wird, so tritt ein anderer fruchtÀhnlicher Geruch auf, wie er 
sich bei einer Tinctur findet, welche aus mit Aether behan- 
deltem Opium bereitet ist. Letzterer wird bei dem natĂŒrli- 
chen Opium vielleicht nur durch den stÀrkern narkotischen 
Geruch verdeckt. (The Pharmacist and Chem. Record Chicago, 
July 1871. p. 145 f.). W». 


Milchprobe durch den Ammoniakprocess. 


Diese Probe grĂŒndet sich auf die Verwandlung der albu- 
minösen Substanzen, als Üasein etc. in Ammoniak durch 
ĂŒbermangansaures Kali. Nach Wancklyn giebt rei- 
nes Casein 6,5 Proc. Ammoniak. Da eine normale Milch 
4 Proc. Casein enthĂ€lt, so mĂŒssen 100 Thle, einer solchen 
0,26 Ammoniak liefern. Das Verfahren ist folgendes : 5 0.C. 
oder 5 Grm. Milch werden in ein 500 C©.C. Maassglas gethan 
und dann bis zur 500 0.0. Marke mit Wasser verdĂŒnnt. 
5 C.C. solcher verdĂŒnnter Milch — 50 Milligrm. unverdĂŒnnte, 
dienen zur Analyse. 


In eine 'Tubulatretorte von 1 Liter Inhalt giebt man 
400 0.C. Wasser, fĂŒgt dann 50 C.C. einer alkalischen Lösung 
von ĂŒbermangansaurem Kali hinzu, dargestellt durch Auflösen 
son 200 g. trocknem Kalihydrat und 8 g. krystallisirten ĂŒber- 
mangansauren Kali in 1 Liter Wasser. Dann erhitzt man 
die Retorte bis zum Sieden des Inhalts und destillirt unter 
guter AbkĂŒhlung mittelst eines Liebig’schen KĂŒhlers. Das 
Destillat wird mit Nessler’s Reagens auf Ammoniak geprĂŒft. 
Wenn 200 0,0. ĂŒbergegangen sind, wird sich nichts mehr 
zeigen. Jetzt giesst man die 5 O.C. verdĂŒnnte Milch in die - 
Retorte, die also 250 C.C. Wasser, 10,0 Aetzkali und 0,4 
ĂŒbermangansaures Kali enthĂ€lt und destillirt so lange weiter, 
als sich im Destillat mit obigem Reagens noch Ammoniak 
ausweist, 


Zur quantitativen, Bestimmung des Ammoniaks wird das 
Nessler’sche Reagens nun folgendermaassen gebraucht. Das 
Destillat wird in einen Öylinder von farblosem Glase gegos- 
sen, der bei 50.0.0. eine Marke hat. Man fĂŒgt 14, 0.0. 
Nessler'sches Reagens hinzu, wodurch eine gelblich braune 

Arch, d. Pharm. CXCIX, Bds, 2. Hit, 11 


162 Untersuchung der FleischflĂŒssigkeit von Phocaena communıs. 


FĂ€rbung entstehen wird. Neben den ersten Cylinder stellt 
man nun auf ein StĂŒck weisses Papier einen zweiten ganz 
gleichen, giesst destillirtes reines Wasser hinein und fĂŒgt 
AmmoniakflĂŒssigkeit von bekanntem Gehalt soviel hinzu, 
als man fĂŒr nöthig hĂ€lt. Dann werden 1%), C.C. Nessler’- 
sches Reagens hinzugethan, wodurch eine FĂ€rbung eintritt, 
die mit der im ersten ÜÖylinder zu vergleichen ist. Sind 
beide gleich, so notirt man die Menge des gebrauchten Am- 
moniaks und hat damit auch die Menge desselben im Milch- 
destillat. Ist die FĂ€rbung ungleich, so macht man einen 
andern Versuch mit der AmmoniakflĂŒssigkeit, bis das Ziel 
erreicht ist. 


Um das gefundene Resultat in Procente des ÜOaseins zu 
verwandeln, hat man sich zu erinnern, dass 6,5 Thle. Ammo- 
niak 100 Theilen Casein entsprechen. Das Ammoniak also 
mit 100 multiplieirt und mit 6,5 dividirt giebt das Casein 
(Nesslers Reagens: 35 g. Jodkalium u.19,1 g. Quecksilberchlorid 
werden in weniger als 1 Liter Wasser unter ErwÀrmen 
gelöst). Es muss ein wenig Quecksilberjodid ungelöst blei- 
ben. Man filtrirt und fĂŒgt entweder 120 g. Aetznatron, oder 
160 g. Aetzkali hinzu und fĂŒllt Wasser bis zum vollen Liter 
nach. Damit ist das Reagens fertig. Vor Anwendung des- 
selben fĂŒgt man noch einige 0.0. concentrirte wĂ€ssrige Subli- 
matlösung hinzu, wodurch ein geringer Niederschlag ent- 
steht, den man abfiltrirt. Das Reagens wird dadurch empfind- 
licher. (The Pharmac. Journ. and Transact. Third. Ser. 
Part. XIV. Nr. LVIIT—LXI Aug. 1871. p. 123.). 


Wn. 


Untersuchung der FleischflĂŒssigkeit von Phocaena 
communis, von Dr. Oscar Jacobsen. 


Das frische fettfreie Fleisch von einem jungen Delphin, 
10 Kilogrm. an Gewicht, wurde zerhackt und nach dem An- 
rĂŒhren mit kaltem Wasser 2 mal sehr stark ausgepresst. 
Die zur Gerinnung des Albumins einmal aufgekochte FlĂŒs- 
sigkeit erschien nach dem Filtriren fast farblos. Sie wurde 
mit der zur FÀllung der PhosphorsÀure eben ausreichen- 
den Menge BaO-Wasser versetzt und das Filtrat in flachen 
Schalen auf dem Wasserbade möglichst schnell verdunstet, 
wobei noch einmal von einigen Flocken einer gefÀrbten, 


u. "I u 


Untersuchung der FleischflĂŒssigkeit von Phocaena ecommunis. 163 


eiweissartigen Substanz abfiltrirt werden musste. Aus 
der schliesslich bis auf etwa 500 Grm. eingeengten FlĂŒssig- 
keit hatte sich nach 3tÀgigem Stehen in der KÀlte eine 
reichliche Krystallisation von Kreatin abgesetzt. Dieses, 
mit wenig kaltem Wasser gewaschen und auf einer porösen 
Thonplatte getrocknet, bedurfte nur eines einmaligen Um- 
krystallisirens, um vollkommen farblos zu werden. 

Seine Menge betrug 6,1 Grm. (bei 30° C©. getrocknetes 
Kreatin. Kreatinin liess sich in der letzten, bei der Rei- 
nigung des Kreatins abfallenden Mutterlauge durch Alkohol 
und Chlorzink nicht nachweisen. 

Die FlĂŒssigkeit, aus der sich das rohe Kreatin abgesetzt 
hatte, wurde noch etwas weiter verdunstet, so dass sie nach 
dem Erkalten eine dickflĂŒssige, von ausgeschiedenen Kry- 
stÀllchen körnige Masse bildete. Diese bestanden aus 
Chlorkalium, dem nur noch Spuren v. Kreatin beigemengt 
waren. Nach Zusatz von etwas sehr verdĂŒnntem Weingeist 
liess sich die FlĂŒssigkeit davon abseihen, worauf sie mit einer 
reichlichen Menge starken Weingeist geschĂŒttelt und dadurch 
in 2 Schichten getrennt wurde. (Dextrin wurde hierbei 
nicht abgeschieden, dagegen war solches — neben Inosit 
— reichlich in der Lunge desselben Thieres enthalten. Bei 
einer ganz gleichen Verarbeitung von 10 Kilogrm. Pferde- 
fleisch von einem gutgenÀhrten, etwa 10jÀhrigen Pferde, 
wurde ebenfalls kein Dextrin erhalten. Auch Limpricht’s 
Untersuchungen zeigen, dass Dextrin nur zuweilen im Pfer- 
defleische vorkommt.) 


In der oberen alkoholischen Schicht bewirkte verdĂŒnnte 
50? einen krystallinischen Niederschlag; derselbe bestand 
wesentlich aus schwefelsaurem Kali, von welchem sich 
durch Krystallisation etwas schwefelsaures Natron 
trennen liess. Kreatinin war nicht zugegen. 


Von dem sauren alkohol. Filtrate wurde der Alkohol 
abdestillirt und der RĂŒckstand mit Aether behandelt. Die 
farblose Aetherschicht hinterliess bei der Destillation unreine 
MilchsÀure, aus welcher 12,0 g. kıystallisirter fleisch- 
milchsaurer Kalk gewonnen wurden, entsprechend 7,45 Grm. 
MilchsÀure, 

Aus der durch Aether von MilchsÀure befreiten und mit 
etwas Weingeist verseizten FlĂŒssigkeit schied sich allmĂ€hlig 
ein Bodensatz ab, der unter dem Mikroskop sehr kleine 
undeutliche Nadeln, mit spÀrlichen grösseren Krystall- 
blÀttehen untermengt, erkennen liess. Er bestand aus 


1 Mr 


164 Untersuehung der FleischflĂŒssigkeit von Phocaena communis, 


unreinem Sarkin und etwas Kreatin, die aus der heissen 
wÀssrigen Lösung leicht getrennt erhalten wurden. 

Die Menge des Sarkins betrug 0,53 Grm., die des 
Kreatins war Àusserst gering, doch konnte sowohl durch die 
Beobachtung der Krystallform, wie durch die PrĂŒfung 
auf Schwefel nachgewiesen werden, dass es kein Taurin 
beigemengt enthielt. 

Die vom Sarkin-Bodensatz getrennte FlĂŒssigkeit wurde 
zunÀchst mit Bleiessig, dann das Filtrat mit essigsau- 
rem Quecksilberoxyd gefÀllt. Der Bleiniederschlag lhe- 
ferte nach der Zerlegung durch HS us. w. nichts Krystalli- 
nisches; dagegen wurde aus dem in heissem Wasser vertheil- 
ten HgO-Niederschlage, nach gleicher Behandlung mit HS 
und. Verdampfung des vom HgS getrennten Filtrates, eine 
weitere betrÀchtl. Menge unremen Sarkins, in stark gefÀrb- 
tem Zustande 0,36 Grm. wiegend, erhalten. 

Dieselbe successive FĂ€llung mit Bleiessig und essigs. 
Quecksilberoxyd wurde endlich auf die wieder in Was- 
ser gelöste halbflĂŒssige Masse angewendet, welche bei der 
Behandlung der Mutterlauge von rohem Kreatin mit Wein- 
geist die untere Schicht gebildet hatte. Der Bleiessig-Nie- 
derschlag gab nach der Zersetzung durch HS und Verdun- 
stung des Filtrats leicht erkennbare Krystalle von Inosit, 
enthielt aber weder HarnsÀure noch Xanthin. Der einmal 
aus verdĂŒnntem Weingeist umkrystallisirte Inosit wog nur 
0,08 Grm., so dass wohl die bekannten Reactionen des- 
selben erhalten wurden, aber auf eine bestÀtigende Analyse ver- 
zichtet werden musste. 


Aus dem Quecksilberniederschlage wurden noch 0,2 Grm. 
unreines Sarkin gewonnen. Das Filtrat von diesem Queck- 
silberniederschlage hinterliess nach der Behandlung mit HS 
beim Verdunsten eine braune Extractmasse, aus welcher auf 
keine Weise Taurin, noch sonst eine kryst. Substanz ge- 
wonnen werden konnte, ausser KÜl, das sich in geringer 
Menge allmÀhlig in sehr regelmÀssig ausgebildeten mikroskop. 
OctaÀdern absetzte. (Bei der entsprechenden Behandlung des 
Pferdefleiseches krystallisirte auf Zusatz von Alkohol 
Taurin und zwar wurden aus 10 Kilogrm. Fleisch 0,7 g. 
farbloses kryst. Taurin erhalten.) 

- Das bei diesem Gange der Untersuchung in verschie- 
denen Antheilen erhaltene Sarkin war noch gefÀrbt. Zu 
seiner Reinigung und Trennung von etwa vorhandenem 
Xanthin wurde der von Neubauer angegebene Weg 


Untersuchung der FleischflĂŒssigkeit von Phocaena eommunis, 165 


eingeschlagen und so 2,37 g. völlig farbloses salpeter- 
saures Sarkinsilberoxyd erhalten, entsprechend 1,05 g. 
reinem Sarkin. Aus dem Filtrate schieden sich nach 
schwacher UebersÀttigung mit H?N nur wenige gelbliche 
Flocken von Xanthinsilberoxyd aus, an Gewicht kaum 
0,015 Grm. betragend. 

Im Nachfolgenden sind die Mengen der verschiedenen 
Bestandtheile zusammengestellt, die aus 10000 Theilen Del- 
phinfleisch erhalten wurden und es sind zur Vergleichung 
die bei ganz gleicher Verarbeitung eines gleichen Gewichtes 
Pferdefleisch erhaltenen Mengen derselben Bestandtheile dane- 
ben gestellt. 


Aus 10000 Theilen Fleisch erhalten: 


Delphinfleisch. Pferdefleisch. 
Kreatin 6,10 7,60 Thle. 
Sarkin 1,05 1,28, 2 
Xanthin Spuren LTE, 
Inosit 0,08 30,7% 
MilchsÀure 7,45 2 9 
Taurin e— 0,202, 


Bei einer frĂŒheren Arbeit erhielt O. Jacobsen aus 
5 Kilogrm. Delphinfleisch (von einem sehr grossen FExem- 
plar von Phocaena communis) 3,2 g. Kreatin, also aus 
10000 Theilen 6,4 Theile, eine Menge, die mit der obigen 
nahe ĂŒbereinstimmt. 

Die Menge Kreatins, die ich aus Pferdefleisch erhielt 
(7,6), weicht wenig von derjenigen ab, welche Liebig fand 
(7,2). Sehr abweichend aber ist die Angabe von Scherer 
(3,88) und noch grössere Differenzen bestehen zwischen den 
Angaben von Neubauer und FrĂŒheren ĂŒber den Kreatingehalt 
anderer Fleischarten. (Vgl. Zeitschr. f. analyt. Chem. II, 28.) 

Neubauer hat nachgewiesen, dass das Kreatin in 
warmer wÀssriger Lösung leicht in Kreatinin 
ĂŒbergeht und vermuthet in dieser Zersetzung den Grund 
jener Verschiedenheit. Dann mĂŒsste sich aber dieses gebil- 
dete Kreatinin vorfinden. Jacobsen erhielt aber im Pferde- 
fleisch und in dem zuerst verarbeiteten Delphinfleisch nur sehr 
geringe Mengen, bei der eben mitgetheilten Untersuchung 
sogar keine Spur von Kreatinin. Aus dem Pferdefleische 
erhielt er es noch am reichlichsten, nemlich aus 10 Kilogrm. 
fast 0,2 g. Kreatininzinkchlorid. (Annalen d. Chem, 
u. Pharm., Febr. 1871, Bd. 157. S. 227 — 232). HL. 


166 


II. Naturgeschichte. 


Ueber Baeterien 


hat Ferdinand Cohn in Breslau seine Beobachtungen 
veröffentlicht. Seine Untersuchungen sind durch das Bestre- 
ben angeregt worden, die bekannten Versuche von Schwann, 
Schröder und Pasteur in die Form von Vorlesungsexpe- 
rimenten zu bringen, da die wichtigen Gesetze, welche durch 
dieselben festgestellt werden, den Studirenden nur durch An- 
schauung zur Evidenz gebracht werden können. Zu diesem 
Behufe benutzte er fĂŒr die ErnĂ€hrung der Bacterien nur 
solche Eiweissverbindungen, welche wie gekochtes 
HĂŒhnereiweiss, der Kleber vieler Pflanzensa- 
men, sowohl im kalten als auch im kochenden Wasser un- 
löslich, dieses daher an sich weder fĂ€rben noch trĂŒben; 
er schloss dagegen alle diejenigen Stoffe aus, welche schon 
im frischen Zustande das Wasser trĂŒben oder beim Kochen 
durch SchÀumen oder Extraction die Durchsichtigkeit dessel- 
ben aufheben, wie z. B. gelöstes Eiweiss, Blut, Fleisch, 
viele Pflanzenstoffe. Auf diese Weise erreichte er, dass 
die Entwickelung der Bacterien und der dieselbe begleitende 
Eintritt der FĂ€ulriss auch ohne mikroskopische Untersu- 
chung sofort an der beginnenden TrĂŒbung des Was- 
sers sich beurtheilen lÀsst. 

Die Versuche wurden so angestellt, dass in Kölbchen 
mit langem Halse wĂŒrfelförmige StĂŒckchen von hartgekoch- 
tem HĂŒhnereiweiss oder von gekochten Erbsen, bei denen der 
auf den SchnittflÀchen gebildete StÀrkekleister vorher sorg- 
fÀllig abgewaschen worden, zugleich mit einer bestimmten 
Menge destillirten Wassers eingefĂŒhrt, die Kölbchen 
sodann im Wasserbade 1, — !/, Stunde theils bei 100° 0., 
theils bei niederen Temperaturen erhalten, schliesslich die 
Oeffnungen der Kölbehen theils zugeschmolzen, theils mit 
Baumwolle verstopft wurden, Hierbei konnte nicht bloss die 


Ueber Bacterien. 167 


Thatsache ausnahmslos festgestellt werden, dass in zu- 
geschmolzenen oder durch Baumwolle verstopf- 
ten Kölbehen schon nach kurzem Kochen weder 
FĂ€ulniss noch Bacterienbildung eintritt, sondern 
dass auch ein ErwÀrmen auf 80°C., vielleicht schon auf 75°C, 
das Eintreten dieser beiden Processe völlig hindert, wÀhrend 
ErwÀrmung auf 70° dieselben nicht ausschliesst. 
Dagegen hat sich in einer ganzen Anzahl Kölbchen, die eine 
ErwÀrmung von 80°, ja von 100° durchgemacht, nach einiger 
Zeit, z. Th. erst nach Monaten, Penicillium-Mycel ent- 
wickelt, ohne dass damit auch nur in einem einzigen 
Falle Bacterienbildung und FÀulniss verbunden gewesen wÀre. 
Es ergiebt sich hieraus mit vollster Evidenz, dass Bacte- 
rien und Penieillium von einander unabhÀngig 
sind, dass Bacterien sich nicht aus Penicillium 
entwickeln, dass dass Penieillium nicht FĂ€ulniss veran- 
lasst, dass endlich Bacterienkeime schon nach kurzer Zeit 
bei 80° getödtet werden, nicht erst nach stundenlangem Sie- 
den, oder gar erst bei 200°, wie noch in neuester Zeit Wy- 
man und Örace Calvert behauptet haben. Ob dagegen 
die Penieilliumsporen wirklich ein lÀngeres Kochen bei 
100° ohne Verlust ilmer Keimkraft ĂŒberdauern, oder ob in 
die Kölbchen nicht einzelne Sporen nachtrÀglich aus dem 
Baumwollenpfropfe herabgefallen sind, lÀsst Cohn vorlÀufig 
dahingestellt; in den zugeschmolzenen Kölbchen hat 
sich kein Penicillium -Mycel eingefunden. 

Eine ausfĂŒhrlichere Besprechung seiner Versuchsreihen - 
Geschichte ĂŒber Bacterien soll das im Druck befindliche 2. Heft 
von Cohn’s BeitrĂ€gen zur Biologie der Pflanzen 
bringen; das Folgende ist ein Resume der bis jetzt ermittel- 
ten Thatsachen : 

1) Die Bacterien sind Zellen; bei den grössten For- 
men können wir mit HĂŒlfe der stĂ€rkeren Immersionssysteme 
einen protoplasmaartigen und höchst wahrscheinlich stickstoff- 
- haltigen Zellinhalt, feste, lebhaft lichtbrechende Körnchen, so 
wie eine scharfe Umgrenzung, jedoch keine doppeltcontou- 
rirte Zellmembran, wie ja auch nicht bei den meisten SchwÀrm- 
zellen, unterscheiden; eine Üellulosehaut scheint nicht vorhan- 
den zu sein. Ihre Bewegung ist anscheinend nicht durch 
Cilien hervorgebracht. 

2) Das Protoplasma der Bacterienzellen ist farblos 
(mit Ausnahme der Bacterien der PigmentgÀhrungen), besitzt 
aber ein anderes Lichtbrechungsvermögen als Wasser; wenn 
daher Bacterien in grösserer Zahl im Wasser vertheilt sind, 


168 Ueber Bacterien. 


so machen sie dasselbe trĂŒbe, ganz so wie die ButterkĂŒgel- 
chen die Milch, oder die Hefenzellen eine Zuckerlösung trĂŒ- 
ben. Das Wasser verliert um so mehr an Durchsichtigkeit, 
je reichlicher sich die Bacterien vermehren; es ist daher 
die TrĂŒbung ein makroskopisches Kennzeichen 
fĂŒr die Entwickelung der Bacterien. 

3) Die Bacterienzellen vermehren sich durch 
Quertheilung in zwei gleichwerthige Tochterzellen, die 
sich bald wieder quertheilen; die Theilungsgener ationen "isoli- 
ren sich entweder sofort, oder bleiben eine Zeit lang in ket- 
tenartigem Zusammenhang. Die Vermehrung ist einerseits 
von der ErnÀhrung, andrerseits von der Temperatur 
beeinflusst; sie hört bei niederen Temperaturen gÀnzlich auf 
und wird bis zu einem gewissen Maximum durch die steigen- 
den Temperaturen beschleunigt. 

4) Die Bacterien assimiliren stickstoffhaltige Ver- 
bindungen, aus denen sie ihr Protoplasma bilden; nach 
Analogie der Pilze und mundlosen Infusorien ist anzunehmen, 
dass sie flĂŒssige, in Wasser gelöste Eiweissver- 
bindungen fĂŒr ihre ErnĂ€hrung endosmotisch auf- 
nehmen; nach Pasteur sollen sie auch aus Ammoniak- 
verbindungen ihren stickstoffhaltigen Zelleninhalt bilden 
können; in wie weit sie auch andere Stickstoffverbindungen 
(Nitrate, Nitrite, Alkaloide ete.) assimiliren, ist nicht 
festgestellt. 

5) Die Bacterien vermögen auch feste, in Was- 
ser nicht lösliche Eiweissverbindungen zu assi- 
miliren, nachdem sie dieselben vorher verflĂŒs- 
sigt hab en. Wird hartgekochtes HĂŒhnereiweiss oder in 
Wasser unlöslicher Kleber mit Wasser ĂŒber gossen, welches 
nur wenig Bacterien enthÀlt, so zeigt sich nach einiger Zeit 
zunĂ€chst an der OberflĂ€che des Eiweisskörpers eine trĂŒbe 
Schicht von Bacterien, welche, rasch wachsend, als eine weiss- 
liche Wolke den Körper einhĂŒllt, wĂ€hrend das darĂŒber ste- 
hende Wasser noch lange klar und bacterienfrei bleibt. All- 
mÀhlig steigt der milchige Bacterienstrom scharf abgegrÀnzt 
in der Wassermasse empor, gelangt zur OberflÀche und ver- 
theilt sich schliesslich gleichmÀssig im Wasser; es lÀsst sich 
leicht erkennen, dass in den SBacterienströmen der feste 
Eiweisskörper eine theilweise Lösung erlitten hat, welche 
eben die ErnÀhrung der Bacterien vermittelt; allmÀhlig ver- 
flĂŒssigt sich das Eiweiss unter Einwirkung der Bacterien zu 
einer schmierigen Substanz und wird mit der Zeit völlig auf- 
gezehrt, WÀhrend dieser VorgÀnge bilden sich verschie- 


Ueber Bacterien. 169 


dene Nebenproducte, die sich zum Theil durch den 
Geruch bemerkbar machen, jedoch meist nicht nÀher unter- 
sucht sind. Das VerflĂŒssigen und Desorganisiren fester 
Eiweissverbindungen ist keineswegs ein rein che- 
mischer, durch die AffinitÀt des Wassers oder des Sauer- 
stofis oder durch spĂ€tere Zersetzung herbeigefĂŒhrter Process, 
da derselbe auch bei Anwesenheit von Wasser 
und Sauerstoff, aber beiAusschlussvon Bacterien 
niemals eintritt; er ist daher eine Arbeitsleistung der 
Bacterien. Dieses VerflĂŒssigen fester oder halb- 
flĂŒssiger Eiweisskörper in Verbindung mit deren 
Assimilation durch die Bacterien und den dabei 
auftretenden Nebenproducten wird als FĂ€ulniss 
bezeichnet. 

6) Die Bacterien sind die einzigen Organis- 
men, welche die FĂ€ulniss eiweissartiger Substan- 
zen herbeifĂŒhren; wenn andere Organismen (Schimmel- 
pilze und Infusorien etc.) dergl. Stoffe ebenfalls assimiliren, so 
bewirken sie ohne Zweifel auch eigenthĂŒmliche, jedoch nicht 
nÀher bekannte VerÀnderungen derselben, aber keine FÀul- 
niss; die Bacterien allein sind Saprogene (von 
o«sroog faul, verfault, stinkend, ranzig, schimmelig, durch 
Alter unbrauchbar, verdorben, morsch, hÀsslich), wÀhrend die 
Schimmelpilze als Saprophyten, Infusorien, Nemato- 
den, gewisse Dipterenlarven und andere Thierchen als Sa- 
prozoen bezeichnet werden können, 

7) Je reichlichere Nahrung die Bacterien finden, desto 
stÀrker vermehren sie sich und desto grösser werden die Zel- 
len, obwohl sie natĂŒrlich nie ein gewisses Maximum ĂŒber- 
schreiten. Wahrscheinlich giebt es verschiedene Gat- 
tungen und Arten von Bacterien, die auf bestimmte 
stickstoffhaltige Verbindungen angewiesen sind, um 
bestimmte Zersetzungen zu veranlassen; doch ist 
hierĂŒber nichts Sicheres ermittelt, und nach Ă€usseren Merk- 
malen unterscheiden wir bis jetzt mit Hoffmann Mikro- 
bacterien, Mesobacterien und Makrobacterien; 
vielleicht wÀre eine Eintheilung in Punkt- oder Kugelbacterien 
(Termo; hierher Monas prodigiosa), Cylinderbacte- 
rien (Bacterium im engeren Sinne) und Schrauben- 
bacterien (Vibrio, Spirillum) vorzuziehen. 

8) Indem die stickstoffhaltigen NĂ€hrstoffe 
aufgezehrt werden, hörendie Bacterien allmÀhlig 
auf, sich zuvermehren und gehen aus dem beweg- 
lichen in den Ruhezustand ĂŒber, wobei sie in der 


170 Ueber Bacterien. 


RegelIntercellularsubstanz ausscheiden und sich 
in palmellartige Massen (Zoogloea)zusammenhÀu- 
fen. In diesem Stadium können sie noch wachsen und sich 
theilen, auch unter UmstÀnden wieder ausschwÀrmen. Die 
Bacterien verhalten sich hierbei analog den Euglenen, 
Ohlamydomonas u. a. mikroskop. Organismen, die unter 
gewissen UmstÀnden in Ruhezustand eintreten und durch 
Intercellularsubstanz zu schleimigen HĂ€uten . nach Art der 
Palmellen sich vereinigen. 

Ist alle assimilationsfÀhige Nahrung erschöpft, so setzen 
sich die Zoogloeamassen am Boden ab und das Wasser wird 
wieder völlig klar, wie eine ausgegohrene Zuckerlösung nach 
Absatz der Hefe sich wieder klÀrt. Schleimartige (Pal- 
mella-) Massen bilden auch diejenigen Bacterien, welche sich 
in feuchter Luftaufstickstoffhaltigem NĂ€hrboden 
(gekochten Kartoffeln etc.) entwickeln; diese erzeugen als 
Nebenproducte ihrer AssimilationsthÀtigkeit gewöhnlich rothe, 
violette, gelbe,grĂŒneu. braune Farbstoffe (Anilinfarben?). 

9) Wenn Wasser, in welchem Bacterien leben, 
verdunstet, so werden zahllose Bacterieniin die 
LuftfortgefĂŒhrtund zwar vorzugsweise die klein- 
sten, kugligen Zellen. 

Man kann dieselben leicht demonstriren, wenn man ein 
mit bacterienhaltigem Wasser von etwa 25° C. halbgefĂŒlltes 
Becherglas, mit einer Glasplatte bedeckt, in einen kalten 
Raum bringt, worauf sich der Wasserdunst bald auf der 
Unterseite der Glasplatte in Tropfen niederschlÀgt; durch Auf- 
giessen von Aether auf die Oberseite der Glasplatte kann 
man die Tropfenbildung beschleunigen. Der niedergeschla- 
gene Wasserdunst ist stets von zahllosen kug- 
ligen Mikrobacterien, doch auch von cylindrischen 
reichlich erfĂŒllt Es sind dies die Bacterienkeime, 
welche demnach bei aller Verdunstung faulender FlĂŒssigkeiten 
in die Luft aufsteigen, beim Einathmen der Luft eingeschluckt, 
mit meteorischen WasserniederschlÀgen auf alle Körper ab- 
gesetzt werden und daher auch in allen der Luft aus- 
gesetzten Eiweissverbindungen zu Erregern der 
FÀulniss werden, da ihre LebensfÀhigkeit durch den 
Aufenthalt in der Luft nicht vernichtet wird, wie dies ja auch 
bei den eneystirten Infusorien, den ausgetrock- 
neten Raederthierchen und Nematoden, den Sporen 
und Conidien der Pilze der Fall ist. j 

Dagegen ist das berĂŒhmte Experiment von Pasteur mit 
der in Aether aufgelösten Schiessbaumwolle, in. welcher die 


Wirkung d. WĂ€rme a.d. Protoplasma-Leben, — Lichenol. Felsenteppich. 171 


Luft ihre Keime abgelagert hat, offenbar werthlos, da in 
einer Collodiumlösung höchstens grössere Pilzsporen (Spori- 
desmium, Phragmidium, vielleicht auch die Sporen von 
Mucor, Penicillium und anderen Hyphomyceten, 
Uredineen und Sphaeriaceen), unmöglich aber die 
Bacterienkeime erkannt werden können, welche doch bei der 
FĂ€ulniss allein in Betracht kommen. (Botanische Zei- 
tung von Hugo von Mohl u. A. de Bary vom 22. Dee. 
1871, Nr. 51, S. 861— 867.). Hk; 


Wirkung der WĂ€rme auf dag Protoplasma - Leben 
nach Crace Calvert. 


Die AnhÀnger der Generatio spontanea nehmen an, dass 
die Siedhitze des Wassers hinreichend sei, alles Protoplasma- 
leben zu zerstören. Die Versuche des Verfassers mit Zucker - 
und Gelatine- Lösung, so wie mit einem Heuaufguss beweisen 
jedoch das Gegentheil, insofern in diesen FlĂŒssigkeiten selbst 
bei einer iErhitzung auf 300° Fahrenheit noch nicht alles 
organische Leben zerstört war. Uebrigens bedarf es einer 
ausserordentlich kurzen BerĂŒhrung einer FlĂŒssigkeit mit der 
atmosphÀrischen Luft, um die in dieser vorhandenen mikro- 
skopischen Keime in dieselbe ĂŒberzufĂŒhren und es sind beson- 
ders eingerichtete Apparate nöthig, um ein vollkommen davon 
freies destillirtes Wasser zu erhalten. (The Pharmac. Journ. 
and Transact. Septbr. 1871. p. 185.). Wp. 


Lichenologischer Felsenteppich. 


Es ist wahr, das Felsgestein ist öde, unfruchtbar, tedt. 
Man verwechsle aber das nackte, nur von Leeideenflech- 
ten ĂŒbertĂŒnchte Felsgestein nicht mit demjenigen, dessen 
OberflÀche angeweht ist von Staub und Erde und dadurch 
eine fruchtbare Erdkruste erhalten hat. Da, wo dieselbe auch 
nur linien- bis fingerdick ist, bilden Haidekraut, Heidelbee- 
ren und Preisselbeeren ein endloses wenn auch niedriges Ge- 
strĂŒpp, zwischen welchem sich krĂŒppelhaft die Kiefer und 
Fichte, Birke und anderer kĂŒmmerlicher Baumwuchs erheben. 


172 Lichenologischer Felsenteppich. 


Wo aber jene HaidekrÀuter auf dem Erdanfluge des Ge- 
steins eine Blösse gelassen haben, auf vorstehenden Fels- 
blöcken, ĂŒber kantigen Gesteinsplatten, da wuchert und grĂŒnt 
dem Lichenologen in den aschgrauen wirren „Rennthier- 
flechten“ und sonstigen „Cladonien“ ein Reich voll 
winziger Pracht und Ueppigkeit. Hier erheben auf grĂŒn- 
kleiigem, grĂŒnstĂ€ubigen, grĂŒnschuppigen Lagergrunde sich 
Becher bei Becher die grĂŒnen oder angebrĂ€unten Cham- 
pagnerglÀschen der Cladonia pyxidata. Dazwischen spros- 
‘sen wieder die Ă€hnlichen „Scharlachflechten“ (Clado- 
nia coccifera), deren Becherrand scharlachroth, wie mit 
Siegellack breit betropft ist. 

Ist deren Becher anstatt mit grĂŒnem Staube vielmehr 
mit BlĂ€tterschĂŒppchen ĂŒĂŸerkleidet, so haben wir ein echtes 
Gebirgskind vor uns: die prĂ€chtige und seltene „Tausend- 
schönflechte“ (Cladonia bellidiflora). Oder nur 
nadelige oder stielige GrĂŒnsĂ€ulchen, schlank und becherlos, 
je mit einem feinen rothen Siegellacktröpfchen gekrönt, stehen 
die „Schlankflechten“ (Cladonia macilenta) mas- 
senhaft beisammen, die ebenso wie die Clad. coccifera sich 
auch in der Ebene, besonders in Kieferwaldungen hÀufig 
finden. 


Hie und da ist ein Felsvorsprung auch wohl ausschliess- 
lich bedeckt von schwefelgrĂŒnen Bechern der „Ungestalt- 
Flechte (Cladon. deformis), die an ihrem Rande horizontal 
handförmig ausstrahlen und auf einem grossblÀttrigem Lager- 
srunde sich dicht neben einander erheben. 

Die anderen Cladonien haben einen von braunfrĂŒchtigem 
Wulste umsÀumten Becherrand. Zumeist ist da die hoch- 
schlanke SĂ€ule fein weissstaubig bekleidet und ihr Becher 
strahlt von ZĂ€hnen oder rĂŒsselförmigen FortsĂ€tzen aus: so 
bei der „Saumflechte“ (Cladon. fimbriata), einer 
vielgestaltigen Art, die es oft zu gar keiner Becherbildung 
bringt und deren 1—3 Zoll hohen SĂ€ulchen pfriemenförmig 
oder gabelig auslaufen. 

Aus unzÀhligen. Individuen gebildete dichtgedrÀngte Ra- 
sen zeigt die mehre Zoll hohe feinschlanke, braungrĂŒne 
„Grazienflechte“ (Cladon. gracilis), die mit meist 
breitem, aber ganz flachen Becher endet; dieser Becher ist 
meistens Àusserst fein gezÀhnt oder sendet neue Becher aus 
seinem Rande. 

Bei einer ihr ganz Ă€hnlichen Art, der „Hirschgeweih- 
flechte“ (Cladon. cervicornis) erheben sich sogar aus 


Lichenologischer Feisenteppich. 173 


der Bechermitte neue Becher wie ĂŒbereinandergesteilte lang- 
gestielte Kreisel, von denen der eine aus dem anderen cen- 
tral hervorwÀchst. 

Ihr verwandt finden wir auch da die „Missflechte“ 
(Cladon. degenerans) mit seitlich viel verÀstelten und 
meist zerschlitzt-aufgelösten SÀulchen, deren Becherrand in 
Àstiger oder blÀttriger Auflösung begriffen ist. RegelmÀssi- 
ger gabelĂ€stig und doldig verzweigt ist die „Schuppen- 
flechte“ (Cladonia squamosa), die von korallenstock- 
artigem Aussehen mit grauem (ekörnel dick incrustirt ist 
und zu den gemeinsten Flechten an den sonnigen Felsblöcken 
gehört. 

Eine völlig strauchige, wirr verÀstelte, aber zierlichste 
Gestalt haben alle ĂŒbrigen Uladonien, die sog. „Rennthier- 
flechten.“ Vor allem die graugrĂŒne „Rennthierflechte“ 
selbst (Cladon. rangiferina), die so charakteristisch ist durch ihre 
einseitswendigen doldenstrahligen Astspitzen und in der Ebene 
wie im Gebirge allerorten massenweise sich findet. Von ihr 
unterscheidet sich die „Gabelflechte“ (Cladon. fur- 
cata) oftmals nur durch die nicht einseitswendiggestellten 
Astspitzen, aber auch sonst durch die weniger wirre Total- 
verzweigung und eine mehr brÀunliche FÀrbung. 


Die wieder Ă€hnlich gewirrte „Gestirnflechte“ (Olad. 
uncinata) hat durchweg einen strohgelben Ton und ihre 
Astspitzen strahlen kurzsternig auseinander. 


Diese Cladonien, die Lieblinge jedes Lichenologen, fehlen 
aber, wo der Fels eben in der That nackt ist. Da treten 
andere Flechten auf, die vielleicht nicht minder seltsam sind 
und auch in Grösse jenen nichts nachgeben. Wir sehen ab 
von den Lecideen und Lecanoren, welche als blosse 
farbige Krusten dem Gesteine eingewachsen sind und 
ausser der FĂ€rbung und Figuration dieser Krusten dem Be- 
schauer zunÀchst kaum ein Interesse bieten. Wir sehen uns 
nach grösseren auffÀlligen Gebilden um und haben nicht lange 
zu suchen. Wir finden solche, welche durch einen lederarti- 
gen oder derb papierartigen Thallus sich auszeichnen. 


Als die charakteristisch grösseren und zwar blÀttrig 
gegliederten lichenologischen Bewohner blicken uns die soge- 
nannten Gyrophoren an. Sie sind sonnengebrÀunt, oft 
dĂŒster dunkelbraun und kohligschwarz wie der verwitterte 
graue Felsblock selber. Wie eine grosse Schuppe oder auch 
dĂŒtenförmig sind sie gestaltet und mit einer centralen Haft- 
scheibe der Felsmasse fest eingenietet. Am hÀufigsten findet 


174 Lichenologischer Felsenteppich. 


man so die „Blasenflechte“ (Umbilicaria pustu- 
lata) da, wo die Prellsonne alles andere Leben des nackten 
Felsens versengt. Wie schwarzverbrannte StĂŒckchen Krause- 
kuchen, die dĂŒten- oder krugförmig aufgethĂŒrmt sind, sitzen 
diese Flechten da in unzÀhliger Menge. Die bis mehre Zoll 
im Durchmesser haltenden DĂŒten sind auf der blassen Un- 
terseite grubig vertieft und diese erbsengrossen Vertiefungen 
treten auf der braungrauen Oberseite als derbe Blasen reich- 
lich hervor. Wenn wir zufÀllig darauf treten, knistern und 
klirren sie, in StĂŒcke zerbrochen, unter unseren FĂŒssen. Wir 
können dieselben bei trocknem Wetter zu Staub zerreiben. 
Daher gelingt es auch nur bei feuchtem Wetter, wo sie dun- 
kelgrĂŒn werden und zictrig weich sich dehnen und blĂ€hen, 
die DĂŒtenspitze vom Felsen, in dem sie eingewachsen, loszu- 
reissen, ohne die Exemplare selbst zu zerbrechen. 


In der That kohlschwarze, dĂŒnne, aufrechte BlĂ€tt- 
chen finden wir wieder anderswo: die Gyrophora poly- 
phylla, an der uns freilich sonst nichts weiter auflÀllt. Es 
sind eben pfenniggrosse, glatte, dĂŒnne, kohlige BlĂ€ttchen oder 
Schildchen, hie und da gelappt und an ihrem Rande oder 
aus ihrer Mitte neue BlÀttchen treibend. 

Eine seltenere Art ist die Gyroph. villea von glatt- 
glÀnzender, kupferbrauner Oberseite und fellartig dick und 
diehtzottiger Unterseite. Eine wirkliche Schönheit lacht uns 
indessen an, beim Anblick der zart aschgrauen mit schwar- 
zen Fruchtscheiben besetzten und mit schwarzen Franzen 
umsÀumten BlÀtter der Gyroph. proboscidea. Diese 
BlĂ€tter sprossen aus und ĂŒbereinander und bilden so eine 
prÀchtige graue, schwarzfransige Rosette von einem bis mehre 
Zoll im Durchmesser. Das Ganze gleicht dem Trauerkopf- 
putze einer Dame, der aschgrau mit den feinsten schwar- 
zen Spitzen garnirt ist. Die Unterseite ist hellbrÀunlich, 
fast gelblich, nur mit einzelnen schwarzen Fibrillen besetzt 
und an dem Mittelpunkte der Felsenunterlage angeheftet. 


Massenhafter und schöner ausgebildet habe ich diese 
Flechten selten gesehen, als auf dem Wege von Schierke 
den Brocken hinauf und auf dem Gipfel dieses altehrwĂŒrdigen 
Berges selbst. Sie ist in der That ein pflanzlicher Schmuck 
des Brockenhauptes. 

-Den Gyrophoren zum Verwechseln Àhnlich und auch 
an dem Sonnenbrande ausgesetzten FelswÀnden findet der 
Gebirgswanderer eine Flechte: aus sich sprossende und da- 
durch oft rosettenförmige, aber doch meist einfach gerundete, 


Verbreitungsmittel der CompositenfrĂŒchte. 175 


starre, hellaschgraue Schildchen, zartgrĂŒn von Ansehen, wenn 
ein Regenschauer ihr in der DĂŒrre sistirtes Leben neue anregt. 
Es ist das Endocarpon miniatum. 

Das aber haben die Gyrophoren, Umbilicarien und Endo- 
carpen gemeinsam, dass keine ihrer Arten weder an BĂ€umen 
noch auf der Erde vorkommt. Nur der öde nackteste Fel- 
sen ist die StĂ€tte dieser dĂŒsteren Formen des sonst so freund- 
lichen Pflanzenreiches. (Paul Kummer; das Ausland, 
27. Novbr. 1871, Nr. 48, 1151.). 

TE 


Ueber die Verbreitungsmittel der CompositenfrĂŒchte 


hat F. Hildebrand Mittheilungen gemacht. Die Compo- 
siten haben folgende Vorrichtungen, die zur Verbreitung 
ihrer FrĂŒchte durch den Wind dienen: Kleinheit und Leich- 
tigkeit der AchÀnien; haariger und fedriger Pappus an den- 
selben; haarige AnhĂ€nge auf dem ganzen AchĂ€nium; flĂŒgel- 
artiger Pappus und zugleich Haarkranz am Grunde der 
AchĂ€nien; FlĂŒgelapparat durch die bis zur Fruchtreife frisch 
bleibende Blumenkrone, durch die SpreublÀtter, oder durch 
die inneren InvolucralblĂ€tter gebildet. Als Beispiele fĂŒr diese 
verschiedenen Verbreitungsmittel werden aufgefĂŒhrt: Matri- 
caria, Bellis, Anthemis, Achillea, Taraxacum 
officinale, Silybum Marianum, Lasiospermum, 
Cryptostemma, Öhardenia Xeranthemoides, Gail- 
lardia, Dimorphotheca pluvialis, Aetinomeris, 
Anacyclus, Sphenogyne speciosa, Dahlia, Lindhei- 
meria texana, Moscharia pinnatifida und Me- 
lampodium paludosum. 

Unter den Einrichtungen zur Verbreitung durch Thiere 
sind besonders das Vorhandensein von Widerhaken (z.B. 
bei Bidens tripartita und cernua, Lappa, Oalen- 
dula), das Klebrigsein (z. B. bei Adenostemma, Sie- 
gesbeckia) und die Fleischigkeit (bei den beerenartigen 
FrĂŒchten der Gattung Wulffia) zu beachten. (Botanische 
Zeitung ; 5. Januar 1872, S. 1— 14.). H. Ludwig. 


176 


1II. Pharmacie und Pharmacognosie. 


Jodirte Watte 


erhĂ€lt man nach M&ehu, indem man in eine weitmĂŒndige 
Flasche mit eingeriebenem Stöpsel eine gewogene Menge gut 
gezupfter Baumwolle portionsweise eintrÀgt und dazwischen 
jedesmal eine QuantitÀt Jod, welches unter Anfeuchtung mit 
Weingeist ganz fein zerrieben worden, bis zu einem Zehntel des 
Gewichts der Baumwolle Alsdann legt man die Flasche 
zunÀchst mit lose eingelassenem Stöpsel, damit die Luft ent- 
weichen könne, in ein heisses Sandbad und erhitzt darnach 
bei ‚fest eingedrĂŒcktem Stöpsel bis zur VerflĂŒchtigung und 
gehörigen Vertheilung des Jods. — Ein solches PrĂ€parat eig- 
net sich besonders „zur Behandlung von scrophulösen An- 
schwellungen und VerhÀrtungen, welche mit der Watte zu 
ĂŒberdecken sind. (The Pharmac. Journ. and Transact. Septbr. 
1871. p. 245.). W». 


Haltbare ZinkehloridstÀbe 


zum Aetzen erhÀlt man durch Zusammenschmelzen von 2 Thln. 
Zinkchlorid mit 1 Thl. Chlorkalium und EinhĂŒllen der geform- 
ten Masse in Zinnfolie. (The Pharmacist and Chem. Record, 
Chicago, Aug. 1871. p. 181.). Wy. 


Liquor Bismuthi 


erhÀlt man nach W ood, indem man aus basisch-salpetersaurem 
Wismuthoxyd durch Kochen mit Kalilauge das Wismuthoxyd 


Gezuckerter Theer. — Das wirksame Prineip der SennesblĂ€tter. 177 


abscheidet und letzteres mit einer Mischung von CitronensÀure 
und citronensaurem Ammoniak kocht. Wismuthoxyd 9 Thle., 
CitronensÀure 16 Thle., conc. Lösung von citronensaurem 
Ammoniak 12 Thle. oder q. s. und Wasser q. s. (The 
Pharmac. Journ. and Transact. Septbr. 1871. p. 233.). 

Ww». 


@ezuckerter Theer. 


Um den Geschmack des Theers zu verbessern und den- 
selben zugleich in concentrirterer Lösung geben zu können, 
als im Theerwasser, empfiehlt Roussin, Theer mit gepul- 
vertem Zucker und arabischem Gummi unter Zusatz von 
soviel Wasser zusammen zu reiben, dass eine Emulsion ent- 
steht. Diese Emulsion lÀsst man ein Weilchen stehen und 
giesst dann ab. Sie ist in allen VerhÀltnissen mit Wasser 
mischbar. Roussin stellte auch ein TheerzuckerprÀparat in 
Pulverform dar. (The Pharmac. Journ. and Transact. Septbr. 
1871. p. 249.). W». 


Das wirksame Princip der SennesblÀtter. 


Die abfĂŒhrende Wirkung der Senna hĂ€ngt nach Bour- 
goin und Bouchut nicht von einem einzelnen besondern 
Bestandtheile derselben ab, sondern die Senna enthÀlt mindestens 
zwei abfĂŒhrende Stoffe, das sogenannte Cathartin von Las- 
saigne und Feneulle und die CathartinsÀure von Dra- 
gendorf und Kubel, denen sich vielleicht auch noch die 
in geringer Menge vorhandene OhrysophansÀure und ein 
anderer, von den Verfassern dargestellter Stoff, der Ca- 
thartomannit anschliesst. Der in den SennesblÀttern fast 
zu 10 Procent enthaltene Schleim scheint ziemlich unwirk- 
sam zu sein. — Man giebt die Senna am besten als wĂ€ss- 
riges Infusum, mit oder ohne Schleim. Letzterer lÀsst sich 
daraus durch Weingeist abscheiden. (The Pharm. Journ. and 
Transact. Septbr. 1871. p. 221.). 


Arch, d, Pharm, CXCIX, Bd». 2, Hft, 12 


178 VerfĂ€lschter Thee. — Sublimatbildung in Calomelpulvern., 
VerfÀlschter Thee. 


Nach Angabe des Englischen Oonsuls in Shanghai fangen 
die Chinesen jetzt an, den Thee mit WeidenblÀttern zu ver- 
tĂ€lschen. (T’he Pharmac. Journ. and Transact. Septbr. 1871. 
p. 208.). W». 


Ueber Sublimatbildung in Calomelpulvern. 


Apotheker G. Vulpius in Boxberg hat durch zahl- 
reiche Versuche die Sublimatbildung in vorrÀthig gehaltenen 
Oalomelpulvern nachgewiesen und dabei gefunden, dass nament- 
lich Calomelpulver, welche neben Rohr- oder Milchzucker 
noch Natronbicarbonat enthalten, nach lÀngerem Auf- 
bewahren (nach 90 Tagen) stets sublimathaltig waren. Haupt- 
sÀchlich trÀgt das Feuchtwerden der Pulver sehr viel zur 
‚Sublimatbildung bei. Durch Digestion mit Wasser, lĂ€sst sich 
bei Calomelpulvern, die Natr. bicarb. oder Magn. ust. enthal- 
ten, stets in sehr kurzer Zeit HgC] nachweisen. Pepsin 
wirkt nicht begĂŒnstigend auf die Bildung von Sublimat, son- 
dern bringt dasselbe, wo es in geringen Mengen vorhanden 
ist, in unlösliche Form. Zur Nachweisung der HgÜOl wurden 
die Pulver mit Aether geschĂŒttelt und der Aether dann auf 
Schwefelwasserstoffwasser gegossen, wo bei Gegenwart von 
HgCl an den BerĂŒhrungsflĂ€chen eine braune Zone auftritt. 
(Jahrbuch fĂŒr Pharmac. Bd. XXXVI. Heft I. 1872. p. 19.). 


©. Schulze. 


179 


IV. Chemische "Technologie. 


Die englische Alkali-Acte von 1863. 
(Gesetz vom 28. Juli 1863.) 


Die Königl. Regierung zu Erfurt erhielt vor einigen 
Jahren einen officiellen Bericht .ĂŒber dieses interessante Ge- 
setz, der mir wiederum zur Berichterstattung an den hiesigen 
Gewerbeverein ĂŒbergeben wurde, und aus dem ich mir den 
nachfolgenden Auszug machte. Dem Herrn Christel, Ver- 
fasser der im Septemberheft 1871 des Archivs der Pharmacie 
erschienenen Mittheilung ĂŒber die schĂ€dlichen Wirkungen 
des SalzsÀuredampfs auf die Vegetation, scheint dieses 
Gesetz unbekannt geblieben zu sein, sonst wĂŒrde er es wohl 
erwÀhnt haben. Da es mir sehr interessant schien, so stehe 
in nicht an, die Leser des Archivs mit dem Inhalte dessel- 
ben und den daran sich knĂŒpfenden Erfahrungen bekannt zu 
machen, Der Name des Gesetzes könnte fĂŒglich auch Salz - 
sÀureacte lauten. 


Inhalt des Gesetzes. Jede Fabrik, welche behufs der 
Sodabereitung aus Kochsalz und SchwefelsÀure schwefel- 
saures Natron darstellt, soll so arbeiten, dass von dem 
entwickelten SalzsÀuregase mindestens 95 Proc. 
condensirt werden. — 

Strafbestimmungen. — Instruction fĂŒr den 
Inspector. — Die Acte sollte nicht lĂ€nger als bis zum 1. Juli 
1868 in Kraft bleiben. 

Der Bericht des Inspectors ergiebt eine durch- 
schnittliche Condensation von 98,72 Proc. Derselbe erwÀhnt 
historisch, dass vor EinfĂŒhrung der Alkaliacte, bereits in den 
40ger Jahren vollstÀndige Oondensationen ermög- 
licht worden seien, dass aber in den meisten Fabriken theils 
ohne Üondensation, theils mit 40 Proc, SalzsĂ€uregas - Verlust, 

12” 


150 Die englische Alkali-Aete von 1863, 


gewöhnlich mit 16 Proc. solchen Verlustes gearbeitet wor- 
den sei. 

Die Fabrikation des schwefels. Natrons wird 
beschrieben. 

Die Condensation der SalzsÀure wurde zuerst in 
grossen, flachen mit Wasser gefĂŒllten Becken 
bewirkt, die in Blair’s Fabrik 120000 Quadratfuss hatten, 
resp. noch haben und welche der SĂ€uredampf in „flues“ pas- 
sirt; sodann wurden OondensationsthĂŒrme gebaut, die 
mit KohlenstĂŒcken gefĂŒllt waren, auf welche ununter- 
brochen kaltes Wasser rieselte ete. Statt Kohle dienten auch 
poröse Steine Neben KÀlte und Wasser sind also Be- 
rĂŒhrungsflĂ€che und Zeit die eine vollstĂ€ndige Condensation 
ermöglichenden UmstÀnde. Man hat die Condensation durch 
Combination von ThĂŒrmen so weit gebracht, dass die austre- 
tende Luft Silbernitratlösung beim Durchstreichen nicht mehr 
trĂŒbt. — 


Auf die AusfĂŒhrung in dei FĂŒllung der ThĂŒrme kommt 
Alles an: sie dĂŒrfen nicht zu lose und nicht zu fest gepackt 
sein, mĂŒssen genau vertical stehen, dĂŒrfen keinen zu starken 
Zug haben; der Wasserzufluss muss das rechte Maass halten, 
es mĂŒssen viele und kleine Ströme sein; das Gas darf fer- 
ner nicht im 2. Thurme von oben mit dem Wasser nieder- 
gehen, sondern muss auch dem 2. Thurme von unten her 
zugeleitet werden; es ist gut, wenn das Gas vorher gekĂŒhlt 
wird. 

Die Eigenschaften der SalzsÀure, physikalische 
und chemische, werden beschrieben. Ihre Wirkung auf die 
Vegetation, auf die Respiration u. s. w. Der aus einem 
Schornsteine entweichende SalzsÀurenebel bewegt sich in 
schrÀgen Linien der Erde zu. Wirkung dess. auf den Ge- 
ruchssinn: schon bei 0,0031 Proc. HClgehalt wird der Geruch 
der Luft schon streng. Manche Inspectoren sind so geĂŒbt, 
dass sie noch 5 Proc. SalzsÀuregehalt in dem aus einem 
Schornsteine entweichenden Rauche schÀtzen können. 


Arbeit der Inspectoren. Dieselbe erfordert, die 
Zahl 95 Proc. HCl fĂŒr die Condensation und 5 Proc. HC] fĂŒr 
den Verlust immer im Auge zu behalten, also Registratur 
der fabrieirten Mengen von Salz und SĂ€ure und Analyse der- 
selben. Der FĂ€cher- oder selbstwirkende Apparat 
ist ein solcher, der die aus dem Schornsteine abziehende Luft 
durch Silbernitrat-Lösung treibt und durch den Zug des 
Schornsteins selbst in Bewegung gesetzt wird. Er registrirt 


Die englische Alkali - Acte von 1863. 181 


selbst und auch in Abwesenheit des Inspectors das Quantum 
der dur&hgezogenen Luft an 'einem Uhrwerk, wie bei Gas- 
uhren. 

In der Luft der Fabriken, besonders an einzelnen Stellen, 
ist immer SalzsÀuregas vorhanden, doch nie so viel, dass die 
Menschen dadurch in der Athmung belĂ€stigt wĂŒrden. Diese 
Menge erreicht nicht ganz 1 Procent der producirten Salz- 
sÀure. 

Der weisse Dampf der Sodafabriken ist eben- 
[alls eine Ursache von Beschwerden. Man versteht darunter 
denjenigen weissen Rauch, welcher aus den Zersetzungsöfen 
entweicht, in denen das schwefels. Natron mit Kalk und 
Kohle geglĂŒht wird. Dieser weisse Rauch ist, Ă€hnlich dem 
bei Hohöfen entweichenden und an der Gicht sich ansetzen- 
den, eine Wolke fester Theilchen und besteht aus KalkstÀub- 
chen und Silicatpartikelchen, die von der aufsteigenden glĂŒhen- 
den Luft mit hinweggefĂŒhrt werden, im Ansehen dem Salz- 
sÀurenebel Àhnlich, aber geruchlos. 


Ausgaben fĂŒr die Condensation. Es hat sich 
herausgestellt, dass die Erhaltung und Verbesserung der 
Condensatoren etwa nur halb so viel kostete, als der durch- | 
schnittliche Schadenersatz betrug, der bei zu starkem Ent- 
weichen der SalzsÀuredÀmpfe gezahlt werden musste. 


Allgemeine Resultate der Alkali-Acte. Durch 
die, Anfangs 1864 eingefĂŒhrte Inspection sind viele Fabri- 
kanten ĂŒberzeugt worden, dass sie viel mehr SalzsĂ€ure in die 
Luft entweichen liessen, als sie glaubten und meistens mehr 
als die erlaubte Menge. Sie machten sich nun eifrig an die 
Einrichtung guter Condensatoren, deren Kenntniss unter ihnen 
nichts weniger als allgemein war. Schon nach kaum ?/, Jah- 
ren waren die Anforderungen der Alkali- Acte ĂŒberall erreicht. 
Die Vegetation der Umgebungen der Fabriken empfindet 
nach dem Ausspruche der Landwirthe die Wohlthat des Ge- 
setzes offenbar: Rosen blĂŒhten wieder an Orten, wo vorher 
keine mehr gediehen und FruchtbÀume hatten nach langer 
Unterbrechung wieder angefangen, ihre BlĂŒthen zu entfalten. 


Zweiter Jahresbericht (fĂŒr 1865). 


Die Durchschnittsmenge des condensirten SalzsÀuregases 
belÀuft sich auf 99,1111 Proc., der Verlust also nur 0,8889 Proc., 
Verbesserung gegen 1864 um 0,3911 Proc. Von 500 Tons 


im Königreiche tÀglich entwickelter SalzsÀure gehen 5 Tons 
“ 


182 Die englische Alkali- Aete von 1863. 


in die Luft; 5 Tons HClgas = 15 Tons flĂŒssiger SalzsĂ€ure 
des Handels (1 Ton = 20 engl. Centner = 2240 engl. Han- 
delspfund = 2032,128 deutsche Handelspfunde.) 

Die Gesammtentwickelung von 500 Tons HCl tÀglich 
(500 Tons = 10100 Centner) setzt voraus die Verarbei- 
tung tÀglich von 

16272 Ctr. Chlornatrium, mittelst 

13744 ,„ conc. SchwefelsĂ€ure u. zur endlichen Gewinnung 
von 14869 ,„ kohlens. Natron, oder von faßt 3mal soviel 
krystallisirter Soda. 

Die ausgefĂŒhrten Verbesserungen bestanden der 
Hauptsache nach in Vergrösserung der KĂŒhl- und Condensa- 
tionsrĂ€ume, so wie in der allgemeineren DurchfĂŒhrung der Ein- 
richtungen, welche das Gas aus dem 1. Oondensationsthurme 
dem 2. ebenfalls von unten her zufĂŒhren, also dem ein- 
strömenden Wasser entgegen. Bestrafungen haben auch 
in’diesem Jahre nicht stattgefunden, weil im den FĂ€llen, wo 
zu grosser Verlust (in einem Falle 15 Proc. stattfand, sofor- 
tige AbhĂŒlfe geschaffen wurde und die Grösse des Verlustes 
dem Fabrikanten nicht bekannt gewesen war. Zuweilen lie- 
fen Klagen aus der Umgegend ein, obwohl die Inspection 
keinen grösseren Verlust als 31/, Proc. wahrnehmen konnte. 
Also hatte auch dieser noch geschadet, wie das Aussehen der 
Vegetation bewies. Die betreffenden Fabrikanten hatten dess- 
halb ihre Condensatoren noch mehr verbessert und der Ver- 
lust betrĂ€gt jetzt nur 0,23 Proc. — Weitere Beispiele von 
begrĂŒndeten und unbegrĂŒndeten Klagen. — Specielle statisti- 
sche Angaben ĂŒber die absolute Grösse der KĂŒhl- und Con- 
densationsrĂ€ume in Cubikfussen. — Angaben ĂŒber den Gas- 
verlust beim Herausnehmen der Sulfatladungen aus den 
Oefen. — 


Erfurt, den 29. Dec. 1871. 
E. Biltz. 


C. Literatur und Kritik. 


Die organische Chemie und die Heilmittellehre. 
Rede zur Feier des Stiftungstages des medicinisch - chirur- 
gischen Friedrich- Wilhelms-Instituts und der 
medie.-chirurg. Akademie fĂŒr das MilitĂ€r, am 2. Au- 
gust 1871 gehalten von Aug. Wilh. Hofmann. Berlin 
1871. Verlag von Aug. Hirschwald unter den Linden. 
26 Seiten in gross. Octav. 


Nach einer Charakterisirung der Kohlen wasserstoffe, welche 
mit ihren Abkömmlingen das Heer der organischen Verbindungen 
bilden, kommt der Herr Redner auf den Einfluss zu sprechen, den die 
Untersuchungen auf dem Gebiete der organischen Chemie auf die EntÂź 
wickelung der Arzneimittellehre geĂŒbt haben. Als erstes Beispiel dieses 
fördernden Einflusses fĂŒhrt er das blausĂ€urehaltige Bitterman- 
del- und Kirschlorbeerwasser an. Schon 1782 entdeckte Scheele 
die BlausÀure; aber erst im Anfange unseres Jahrhunderts ermittelte 
Dohm im Bittermandelwasser die Gegenwart derselben; erst Liebig 
und Wöhler machten (1837) den Vorschlag, statt jener unsicheren WÀs- 
ser, deren Zusammensetzung so grossen Schwankungen unterworfen ist, 
eine BlausÀure von bestimmtem, leicht ermittelbaren Gehalt in den Arz- 
neischatz einzufĂŒhren. 


Bahnbrechend in der neuen Richtung sind die Arbeiten von Ser- 
tĂŒrner, seine Entdeckung des Morphins; diejenigen von Pelletier und 
Caventou (Chinin und Cinchonin, Strycehnin), von Robiquet 
(Kodein). Statt mechanischer Mischungen von unsicherer Wir- 
kung (in den OpiumprÀparaten, Chinarindentineturen und Extracten) ste- 
hen jetzt dem Arzte chemische Verbindungen von constanter Wir- 
kung zu Gebote. In Àhnlicher Weise darf er jetzt, nachdem ihm der 
Chemiker aus Digitalis purpurea und aus den verschiedenen Arte- 
misiaarten die wirksamen Bestandtheile abgeschieden, statt der Infu- 
sionen und Extracte dieser Pflanzen das von seinen Beimengungen befreite 
Digitalin oder das prachtvoll krystallisirende Santonin im Zustande 
vollendeter Reinheit zur Anwendung bringen. 


Von nicht geringerem Werth fĂŒr die Heilmittellehre erweist sich die 
chem. Untersuchung der Wurzel von Valeriana officinalis. Es ist 
jetzt dem Arzte unbenommen, sowohl die ValeriansÀure als das Àth. 
Baldrianöl fĂŒr seine Zwecke zu verwerthen. 


Dem Aufgusse von Kaffee und Thee lÀsst sich jetzt das von 
Runge entdeckte Kaffein (Thein) substituiren; statt der GallÀpfel- 
tinetur die chemisch reine GerbsÀure. 


184 Literatur und Kritik, 


Kein Kraut, keine BlĂŒthe, keine Frucht, in welchen nicht nach Ă€hn- 
lieh wirkenden Prineipien geforscht wĂŒrde! 

Die Chemiker entdeckten das Veratrin, das Atropin; die ner- 
venschmerztilgende, antifebrile Wirkung des ersteren, die pupillenerwei- 
ternde Kraft des letzteren werden von den Aerzten in der glĂŒckliehsten 
Weise ausgenutzt. 

Redner wendet sich nun zu den Umbildungs- und Zersetzungspro- 
dueten der Pflanzen- und Thierstoffe. 


In den dreissiger und vierziger Jahren ist ein grosser Theil der 
chem. Arbeiten der Erforschung des Alkohols gewidmet und es sind 
zwei Namen zumal, die Namen Liebig und Dumas, welche beim RĂŒck- 
blick auf jene Zeit in unserer dankbaren Erinnerung wiederklingen. In 
Gemeinschaft mit Peligot hat Dumas bereits dem Alkohole des 
Weins, dem Aethylalkohol, einen zweiten Körper von ganz Àhnli- 
chen Eigenschaften, den Holzgeist oder Methylalkohol an die 
Seite gestellt und schon beginnt den Chemikern die Ahnung aufzudÀm- 
mern, dass sie in dem Methyl- und Aethylalkohol die Prototypen einer 
umfassenden Körperklasse, und in der That der wichtigsten Klasse 
der organischen Verbindungen in HĂ€nden haben. Nun beginnt 
die Jagd nach neuen Alkoholen, deren Eifer bis auf den heutigen Tag 
nicht erloschen ist; es sind zumal die Zuckerkörper, denen ja auch 
der Alkohol des Weines entstammt, bei deren Metamorphosen man neuen 
Alkoholen zu begegnen hofft. 


Cahours gelingt es, aus dem Fuselöl des Kartoffelbranntweins einen 
yeuen, dritten Alkohol zu isoliren und zu charakterisiren, den Amyl- 
alkohol. Wie der Methylalkohol unter dem Einflusse von Oxydations- 
mitteln in AmeisensĂ€ure, der Aethylalkohol in EssigsĂ€ure ĂŒberge- 
fĂŒhrt wird, so liefert der Amylalkohol ValeriansĂ€ure, deren Zink- 
und Wismuthsalz als werthvolle Heilmittel anerkannt sind. 

Die von Scheele entdeckte MilehsÀure, deren Eisenoxydul- 
salz im Arzneischatze eine wichtige Rolle spielt, ist, erst seit der Zeit, 
nachdem der Chemiker die Methode gegeben hat, welche die fabrik- 
mÀssige Darstellung derselben ertheilt, ein so oft angewendetes Mittel 
geworden. 


Die BernsteinsÀure, von der AepfelsÀure nur durch einen Minder- 
gehalt von einem Atom Sauerstoff unterschieden, wird jetzt nach Des- 
saignes aus ÀpfelsÀurehaltigem Vogelbeersaft (von Sorbus Aucupa- 
ria) durch GĂ€hrung bereitet. 

Andeutungen ĂŒber die Existenz der Benzo&sĂ€ure gehen bis ins 
14. Jahrh. zurĂŒck, aber erst seit den letzten Jahrzehnden des verflossenen 
Jahrh. ist ihre Natur mit Sicherheit erkannt. UrsprĂŒngl. aus dem Ben- 
zo&harze dargestellt, gewinnt man sie heute auch durch Spaltung der 1829 
von Liebig entdeckten HippursÀure, die nach Dessaignes Beobachtung 
sich in Glykokoll und BenzoÀsÀure zerlegen lÀsst. 

AmeisensÀure erhÀlt man jetzt durch Destillation der OxalsÀure 
(mit Glycerin). 

Die merkwĂŒrdigen Eigenschaften des Glycerins haben demselben 
eine von Tag zu Tag vermehrte Anwendung in der Pharmacie verschafft. 
Es ist ganz eigentlich eine pharmaceutische Errungenschaft, denn 
es wurde 1783 von Scheele bei der Bereitung des Bleipflasters ent- 
deckt; allein erst nachdem die Wissenschaft seine Natur festgestellt hat, 
erst nachdem die classischen Arbeiten Chevreul’s ĂŒber die Fette, deren 
Studium der berĂŒhmte Forscher 13 Jahre seines Lebens widmete, das 
Wesen des Verseifungsprocesses in seiner ganzen Einfachheit ent- 


Literatur und Kritik. 185 


hĂŒllt haben, kaun die industrielle Gewinnung, wie der FettsĂ€uren, so des 
Glycerins mit Erfolg in Angriff genommen werden. Es ist unserer Zeit 
vorbehalten gewesen, Zeuge der grossen UmwÀlzung zu werden, welche 
die Technik der Fettkörper durch die EinfĂŒhrung der Wasserver- 
seifung erfahren hat, eines Processes, dessen Conception ohne die 
moderne Entfaltung der organ. Chemie gar nicht denkbar gewesen wÀre. 
Seit EinfĂŒhrung der Wasserverseifung ist das reine Glycerin einer der 
verbreitetsten Körper geworden. Das Studium seiner Metamorphosen hat 
dazu gefĂŒhrt, kĂŒnstliches Ă€therisches Senföl darzustellen. Die 
Natur des natĂŒrlichen Ă€th. Senföls war durch Will’s schöne Unter- 
suchungen. aufgeklÀrt worden: als Schwefeleyanallyl stellte es sich 
neben das Schwefelallyl im Àth. Knoblauchöl. Dieselbe Allylgruppe 
taucht plötzlich unter den Producten auf, welche aus den Spaltungs- 
processeu des Glycerins hervorgehen. Berthelot erhÀlt aus Glycerin 
dureh Einwirkung von Jodphosphor Jodallyl und bereitet daraus durch 
Reaction eines Schwefeleyanmetalles auf dasselbe Àther. Senföl mit 
allen Eigenschaften, welche das in dem Organismus der Pflanze gebildete 
auszeichnen. Das Àtherische Oel des Cochlearea offieinalis (im 
Löffelkrautspiritus der Pharmaceuten verwerthet) ist als das Sulfo- 
eyanid des Butyls erkannt worden. 

Der Redner wendet sich dann zu den neuen Heilmitteln, welche 
die chemische Untersuchung der Producte der trocknen Destillation 
geliefert hat. ZunÀchst zu dem von Reichenbach entdeckten Kreosot 
des Buchenholztheers und der von Runge aus dem Steinkohlentheeröle 
abgeschiedenen CarbolsÀure. Dem Kreosot in ihrer Wirkungsweise 
gleichend, empfiehlt sich die CarbolsÀure durch den Umstand, dass sie 
krystallinisch ist und im Allgemeinen sehr bestimmt ausgesprochene 
chemische Eigenschaften besitzt, mithin ohne Schwierigkeit rein erhalten 
und leicht auf ihre Reinheit geprĂŒft werden kann, zumal wenn, wie dies 
in neuerer Zeit zum Oeftern geschieht, die prÀchtigen, von der Carbol- 
sÀure abstammenden phenolschwefelsauren Salze zur Anwendung 
kommen. Auch schöne Farbderivate liefert die CarbolsÀure (z. B. das 
Corallin). Die CarbolsÀure beansprucht als eines der wichtigsten Des- 
infeetionsmittel die volle Beachtung des Arztes. Der Steinkohlen- 
theer liefert ferner das Benzol (das Rohmaterial fĂŒr die Anilinfarben- 
industrie), das Anthracen (die erst eben noch neuerschlossene Quelle 
fĂŒr die kĂŒnstliche Bereitung der Krappfarbstoffe). 

Das Collodium ist ebenfalls ein Kind der Forschung auf. dem Gebiete 
der organ. Chemie. Seine Grundlage gehört zu den nitrirten Ver- 
bindungen, schlechtweg Nitroverbindungen genannt. Mit der 
Nitrocellulose kommt die Periode des Nitrirens, wo Alles was dem 
Chemiker in die HÀnde fÀllt, mit SalpetersÀure behandelt wird. Mit- 
scherlich nitrirte das Benzol und erhielt in dem Nitrobenzol (unter 
dem Phantasienamen Mirbanöl dem Parfumeur dienstbar) den ersten und 
‚zugleich wichtigsten Nitrokörper, der spĂ€ter der Ausgangspunkt fĂŒr die 
Entfaltung der modernen Farbenindustrie geworden ist, Laurent nitrirt 
die CarbolsÀure, die Nitroverbindung ders. ist die als gelber Farbstoff 
geschÀtzte PikrinsÀure. 2 

Pelouze nitrirt das StÀrkemehl und die NitrostÀrke (auch als 
Xyloidin bekannt) stellt ihre explosiven Eigenschaften dem Pyrotech- 
niker zur VerfĂŒgung. Schönbein endlich nitrirt die Baumwolle und 
entdeckt die Schiessbaumwolle (das Pyroxylin), die eine Zeit lang 
selbst gegen das Schiesspulver in die Schranken tritt. In Aether gelöst, 
als Collodium, steht sie den Photographen und Wunden heilend 
dem Chirurgen zu Diensten. 


186 Literatur und Kritik. 


Ein höchst wichtiges Umbildungsagens ist das Chlor. Ein Körper 
soll zum Sprechen gebracht werden, man behandelt ihn mit Chlor. Wir 
haben die Periode desChlorirens, neben der des Nitrirens. Bei der 
Einwirkung dieses wasserstoffgierigen Elementes sieht Liebig den Alkohol 
sich in eine Reihe merkwĂŒrdiger Producte verwandeln, welche alle durch 
ihren Chlorgehalt ausgezeichnet sind. Unter ihnen ist eins, welches kurz 
zuvor bereits dem französ. Chemiker Sonbeiran flĂŒchtig durch die HĂ€nde 
gegangen ist, das aber von Liebig zuerst der Analyse unterworfen wird. 
Es ist das Chloroform. In derselben Reaction begegnet der grosse 
Forscher — dem Chloral. Ende 1847, also erst 15 Jahre nach seiner 
Entdeckung wird das Chloroform zum ersten Male von James Simpson 
in Edinburg zur AnÀsthesirung des Menschen angewendet (nachdem schon 
im Anfange des Jahres 1847 Flourens gezeigt hatte, dass die Wirkung 
des Chloroformdampfs auf Thiere derjenigen des Aethers in jeder Beziehung 
Ă€hnlich sei). 

In der Untersuchung des im Jahre 13832 von ihm entdeckten Chlo- 
rals begegnet Liebig zuerst dem Chloroform. Seltsam, dass nahezu 
40 Jahre verstrichen, ohne dass auch nur eine Ahnung von den merk- 
wĂŒrdigen physiologischen Eigenschaften des Chlorals auftauehten. Schon 
1832 zeigt Liebig, dass das Chloral in Gegenwart von Alkalien 
Wasser aufnimmt, um sich dann in AmeisensÀure und Chloroform 
zu spalten. Erst im Jahre 1868 wirft Liebreich die Frage auf, in 
welcher Weise wird diese Spaltung der thierischen Oekonomie zu Gute 
kommen, wenn sie sich statt in der Retorte des Chemikers im Organismus 
des Thieres vollendete? Die Umbildung des Chlorals in Chloroform und 
AmeisensĂ€ure erfolgt in verdĂŒnntester Alkalilösung. Das Chloral 
ist löslich in Wasser, mithin leicht resorbirbar fĂŒr den Organismus; nach 
der Resorption gelangt das Chloral in das alkalisch reagirende Blut. 
Hier ist in prÀcisester Form eine Frage an die Natur gerichtet; diese giebt 
darauf Antwort. Einen Maassstab fĂŒr die schnelle Verbreitung des neu- 
erkannten Heilkörpers giebt es, dass die ganze Menge des zwischen 1832 
und 1868 fĂŒr wissenschaftl. Zwecke dargestellten Chlorals schwerlich mehr 
als ein Kilogramm betragen haben mag; heute gehen aus den Fabriken 
Berlin’s allein alltĂ€glich mehr als 100 Kilogramm desselben hervor. 
Kein Arzt bezweifelt mehr, dass er im Chloral ein selten versagendes 
Mittel besitzt, mit dem er je nach der angewendeten Dosis Hypnose 
von verschiedener IntensitÀt zu erzeugen vermag, dass also die Heilmittel- 
lehre aus den HĂ€nden der organ. Chemie eine der werthvollsten Gaben 
empfangen hat. Wenn es frĂŒher die Aufgabe des Chemikers war, die 
zahlreichen, von dem Arzte als wirksam erkannten Stoffe auf ihre Zu- 
sammensetzung zu untersuchen und diese wirksamen Bestandtheile zu 
ermitteln, so liegt es jetzt umgekehrt dem Arzte ob, die zahl- 
reichen Körper, denen der Chemiker bei seinen Forschun- 
gen nach allgemeinen Gesetzen begegnet ist, auf ihre 
physiologischen Eigenschaften zu prĂŒfen und je nach Be- 
fund fĂŒr die Erreichung seiner Zwecke zu verwerthen. 

Schliesslich gedenkt der Redner der Beobachtungen, wie seltsam die 
physiologischen Eigenschaften einer Verbindung sich modifieiren können, 
wenn sie mit einem oder mehren Elementen zu einer complexen Verbindung 
zusammentritt. Als Beispiele werden Arsen, arsenige SĂ€ure, Arsen- 
wasserstoff einerseits und KakodylsÀure und die TetrÀthyl- 
arsonium-Verbindungen andrerseits aufgefĂŒhrt; ferner Brechwein- 
stein und die Stibonium-Verbindungen; die wÀssrige BlausÀure, 
das Formamid und Ammoniumformiat, und ihre methylirten 
Verbindungen, Je nach der Stelle, an welcher die Methylgruppe eintritt, 


Literatur und Kritik. 187 


je nach der Art und Weise, wie sie sich in dem Molekul befestigt, ent- 
stehen 2 ganz verschiedene, aber gleichzusammengesetzte Körper, von 
denen der eine durch seinen erstickenden Geruch, namentlich aber durch 
die wohlgeminderten, aber keineswegs erloschenen giftigen Eigenschaften 
noch immer an die BlausÀure erinnert, wÀhrend der andere einen höchst 
aromatischen Geruch besitzt und nicht die mindeste schÀdliche Wirkung 
mehr auf den Organismus ausĂŒbt. 


Schon hat sich die Forschung bemĂŒht, die angedeutete Methode im 
Interesse der Heilmittellehre zu verwerthen, schon liegen umfassende Unter- 
suchungen von Crum-Brown und Fraser vor ĂŒber die VerĂ€nderungen, 
welche die physiologischen Eigenschaften des Strychnins, Brueins, 
Thebains, Kodeins, Morphins und Nicotins erleiden, wenn diese 
Basen methylirt werden und Versuche im Àhnlichen Sinne sind von 
Jolyet und A. Cahours ĂŒber das Anilin und sein Methylderivat 
veröffentlicht worden. Aus diesen Versuchen erhellt unzweifelhaft, dass, 
wÀhrend bei dem mit Morphin vergifteten Frosche ReflexkrÀmpfe erscheinen, 
die Wirkung der methylirten Base in motorischer LĂ€hmung besteht; dass 
die tetanisirenden Eigenschaften des Stryehnins, Brueins und The- 
bains in den Methylderivaten dieser Alkaloide nahezu erloschen 
sind, in denen nunmehr die eigenthĂŒmliche, die Endorgane der motorischen 
Nerven lÀhmende Kraft des indianischen Pfeilgifts, des Curarins, hervor- 
tritt, Der Redner schliesst seinen gediegenen Vortrag: „Es ist uns viel- 
leicht vorbehalten, in der Heilmittellehre Zeugen einer Àhnlichen Wandlung 
zu werden, wie sie sich in letzter Zeit noch unter unseren Augen in den 
tinetorialen Industrien bereits vollzogen hat. Die moderne FĂ€rberei 
verschmĂ€ht es mehr und mehr, den erwĂŒnschten Farbenton, wie ehedem, 
durch mechanische Mischung verschiedener Farbstoffe zu gewinnen; es 
ist derselbe Farbstoff, mit welchem sie je nach dem Ziele, das angestrebt 
wird, eine verschiedene aber scharf bestimmte chemische VerÀnderung 
vornimmt. Dieselbe Methylgruppe, welche die BlausÀure ihrer giftigen 
Eigenschaften beraubt, vermag in den Farbstoffen VerÀnderungen hervor- 
zurufen, deren Mannigfaltigkeit nieht grösser gedacht werden kann. Dem 
Rosanilin, welchem der FĂ€rber das in unseren Tagen zum ersten Mal 
geschaute, tief gesÀttigte Carmoisin verdankt, dem Rosanilin wird eine 
Methylgruppe aufgepfropft und schon ist das prÀchtige Roth in das 
reichste V iolett ĂŒbergegangen; mit dem Eintritt einer 2. und 3. Methyl- 
gruppe ist das Rothviolett Blauviolett und endlich Blau geworden; 
noch 2 Methylgruppen und wir sind bei dem saftigen GrĂŒn angelangt. 


Ein solcher Umschwung in den Bestrebungen , wie er in der FĂ€rberei 
bereits eine vollendete Thatsache geworden ist, lÀsst sich auf dem Gebiete 
der Heilmittellehre kaum mehr als in ihren ersten AnfÀngen 
erkennen. Doch wird sie es als eine ihrer Zukunftsaufgaben betrachten 
mĂŒssen, die physiologische Wirkung, welche sie sucht, nicht mehr aus- 
schliesslich durch mechanische Mischung in der Phiole des Apo- 
thekers, sondern durch den chemischen Umbau des Heilmolekuls 
selber zu erzielen. B.'Z. 


188 Literatur und Kritik. 


A. v. Lösecke und F. A. Bösemann, Deutschlands 
verbreitetste Pilze oder Anleitung zur Be- 
stimmung der wichtigsten Pilze Deutschlands 
und der angrenzenden LĂ€nder; zugleich als 
Commentar der fortgesetzten Prof. BĂŒchner’- 
schen Pilznachbildungen. 1. BĂ€ndchen. Die Haut- 
pilze. Berlin, Th. Grieben. 8. 184 Seiten. 

Dieses kleine Buch empfehlen wir allen denjenigen zum Studium, 
welche sich fĂŒr die Pilzkunde und ganz besonders fĂŒr die Bestimmung 


und Verwerthung der essbaren Pilze interessiren. 
H. 


A. v. Lösecke und F. A. Bösemann. Kryptogamen- 
Herbarium. 1. Lieferung: Filices, Lycopodiaceae, 
Equisetaceae. 

Phanerogamen-Herbarium. 
1. Lieferung: Gramineae. 2. Lieferung: Cyperaceae, 
Juncaceae. Hildburghausen. Selbstverlag. 


In sauberer Ausstattung geht uns diese Pflanzensammlung zu, die 
wir allen AnfĂ€ngern in der Botanik als ein sehr zweckmĂ€ssiges HĂŒlfs- 
mittel zum Selbststudium empfehlen. 

Das Kryptogamen - Herbarium enthÀlt folgende Pflanzen: 


Polypodium vulgare L. 

b; Phegopteris L. 
Aspidium Filix mas Sw. 

spinulosum L. 
Polypodium Robertianum Hoffm.*) 
Dryopteris L. 

Asplenium Filix Femina Bernh. 
Ruta muraria L. 
Trichomanes L. 

x septentrionale H. 
Pteris aquilina L. 
Cystopteris fragilis Bernh. 
Blechnum Spicant Rth. 
Botrychium Lunaria Sw. 
Lycopodium elavatum L. 
inundatum L. 
annotinum L. 
complanatum L. 
Selago L. 
Equisetum limosum L. 
palustre L. 
arvense U. 
silvaticum L. 


” 
” 


*) Wir geben die Nomenklatur der Herren Verfasser. 


Literatur und Kritik. 189 


An den uns vorliegenden Exemplaren ist die Bestimmung correct, 
wenn auch nicht immer dem neuesten Standpunkt entsprechend, Die 
Pflanzen sind vorzĂŒglich gut getrocknet und sauber aufgeklebt. 

H. 


H. A. Weddell. Uebersicht der Cinchonen. Deutsch 
bearbeitet von Dr. F. A. FlĂŒckiger, Prof. an. der 
UniversitÀt Bern. Schaffhausen und Berlin 1871. 8. 
43 Seiten. 


Eine Bearbeitung dieser Schrift von Weddell ist ein sehr glĂŒckli- 
cher Gedanke des Herrn Professor FlĂŒckiger, welcher auf dem Felde 
pharmacognostischer Forschung sich bereits selbst einen bedeutenden 
Namen erworben hat. Um so verdienstvoller wird aber diese Bearbeitung, 
weil sie eine selbststÀndige und kritische ist. 

Dem Werkchen sind sehr praktische Register beigefĂŒgt, nemlich eines, 
welches die Arten und Formen des Genus Cinchona enthÀlt und eines 
ĂŒber die VulgĂ€rnamen der Rinden. 

@Auch die LiteraturĂŒbersieht im Anhang unter der Ueberschrift: „Li- 
terarische Nachweise‘ ist sehr zweckmĂ€ssig. Bei Citaten wird nemlich 
im Text einfach durch eine Ziffer auf diesen Literaturnachweis hinge- 
wiesen. 

_ Nach einigen historischen Bemerkungen geht der Verf. auf eine Be- 
sprechung der Gattung Cinchona ĂŒberhaupt ein. 

Bei den echten Cinchonen springen die „Fruchtkapseln“ von unten 
nach oben auf, bei den unechten umgekehrt. So nach der alten An- 
schauung von Klotsch, Endlicher u.A. Karsten sucht nachzuwei- 
sen, dass dieser Eintheilungsgrund irrig sei. Da aber die von Karsten, 
Howard und Weddell bezĂŒglich abweichender Art des Aufspringens 
der CinchonenfrĂŒchte gemachten Beobachtungen an getrockneten Exem- 
plaren gemacht wurden, so hĂ€lt der letztgenannte dieselben nicht fĂŒr 
maassgebend. Andere Kennzeichen der echten Cinchonen sind die „ver- 
filzten Keulenhaare “ der Corolla, der Duft der BlĂŒthen ete. 

Karsten lÀsst die Gattung Cinchona aus den drei Unterabtheilun- 
gen: Quinquina, Heterasca und Ladenbergia bestehen, wÀhrend 
Weddell die letzten beiden von Cinchona ausschliesst und einer beson- 
deren Gattung Buena als Subgenera einverleibt. HierĂŒber sind die 
Werke von Howard und FlĂŒckiger (Pharmacognosie) nachzulesen. 

Es folgt eine tabellarische Uebersicht sÀmmtlicher Formen (Arten) 
der Gattung Cinchona nach Weddell’s Begrenzung, mit Angabe der 
Synonyme. g 

I. Stirps Cinchonae offieinalis. 
Ramus A. Euofficinales, 


1) C. offieinalis L. 
«) Uritusinga How. 
fÂŁ) Condaminea How. 
y) Bonplandiana How. 


Ramus B. Macrocalycinae. 


2) ©. Macrocalyx Pav. 
3) C. lucumaefolia Pav. 
4) C, lanceolata R. P. 


190 Literatur und Kritik. 


Ramus C. Laneifoliae. 
5) C. lancifolia Mut. 
6) C. amygaalifolia Wedd. 
Il. Stirps Cinchonae rugosae. 


Ramus A. Eurugosae. 


7) C. pitagensis Wedd. 
.8) C. rugosa Pav. 

9) C. Mutisii Lamb. 
10) C. hirsuta R. P. 


Ramus B. Pahudianae. 


11) C. Carabagensis Wedd. 
12) C. Pahudiana How. 

13) C. asperifolia Wedd. 
14) C. umbraculifera Pav. 
15) C. glandulifera R. P. 
16) €. Humboldtiana Lamb. 


III. Stirps Cinchonae micranthae, 


Ramus A. Scrobieulatae. 


17) C. australis Wedd. 
18) C. scrobieulata H. B. 
. peruviana How. 
20) €. nitida R. P. 
Ramus B. Eumicranthae. 
21) C. mierantha R. P. 


IV. Stirps Cinchonae Calisayae. 


22) C. Calisaya Wedd. *) 
23) C. elliptica nov. spec. 


V. Stirps Cinchonae ovatae. 


Ramus A. Suecirubrae. 


) ©. purpurea R. P. 
5) C, rufinervis Wedd. 
) ©. suceirubra Pav. 


Ramus B. Euovatae. 
27) C. ovata R. P. 
C. Palalba Pav. 
Ramus C. Cordifoliae. 


28) C. cordifolia Mut. 
29) C. Tucujensis Karst. 
-30) C. pubescens Vahl. 


*) Hier werden C. boliviana Wedd. und C. Josephiana als VarietÀ- 
ten aufgefĂŒhrt. 


Literatur und Kritik. 191 


Hierzu: 


C. Pelletieriana Wedd. 

C. obovata Pav. 

C. viridiflora Pav. 
31) C. purpurascens Wedd. 
32) C. Chomelinua Wedd. 
33) C. Barbacoensis Karst. 


Auf die tabellarische Uebersicht folgt eine lÀngere Reihe bedeutungs- 
voller, kritischer, erlÀuternder Bemerkungen. 
Wir empfehlen jedem Pharmaceuten und Botaniker das kleine Werk 
auf das angelegentlichste. 
VZE 


Dr. Wilhelm Ulrich. Internationales Wörterbuch 
der Pflanzennamen in lateinischer, deutscher, 
englischer und französischer Sprache. Zum Ge- 
brauche fĂŒr Botaniker, insbesondere fĂŒr HandelsgĂ€rtner, 
Landwirthe, Forstbeflissene und Pharmaceuten. (Mit deut- 
schem, französischen und englischen Titel). Leipzig. 1871. 


Dieses Unternehmen ist offenbar von nur praktischem Werth. Es 
mag fĂŒr den Handelsmann ganz bequem sein, ein Buch zum raschen Nach- 
schlagen der Pflanzennamen zu besitzen. Der wissenschaftliche Werth 
des Werks ist, nach dem vorliegenden, 3 Druckbogen umfassenden Heft zu 
urtheilen, nur unbedeutend, 

Ein derartiges streng wissenschaftlich gehaltenes Werk, welches wo 
möglich alle wichtigeren Sprachen umfassen mĂŒsste, wĂŒrde ĂŒbrigens einem 
wesentlichen BedĂŒrfniss abhelfen und namentlich fĂŒr den Pharmaceuten, 
wie fĂŒr den Botaniker von grossem Werthe sein. 

Aber auch bei seiner beschrÀnkten Aufgabe hÀtte das obengenannte 
Werk einestheils wissenschaftlicher und anderentheils vollstÀndiger behan- 
delt werden sollen. 

Was den ersten Punkt anlangt, so hÀtten unbedingt den lateinischen 
Namen die Autorennamen beigefĂŒgt werden mĂŒssen, denn ohne diese wird 
es gerade dem praktischen Fachmann ganz unmöglich gemacht, sich in 
dem Wust der Nomeneclatur und Synonymik zurecht zu finden. Ferner 
werden oft zahlreiche deutsche Namen fĂŒr eine und dieselbe Pflanze an- 
gegeben. Das kann nur- verwirren, wenn man nieht zugleich die Gegend 
Deutschlands hinzufĂŒgt, in welcher dieser oder jener Name gebrĂ€uchlich 
ist, denn nur selten wird eine Pflanze an einem Ort mit zwei oder meh- 
ren Namen belegt. 

Was die VollstÀndigkeit anlangt, so sei nur als Beispiel erwÀhnt, dass 
von der an Arten und Namen reichen, wegen der vielen essbaren und gif- 
tigen Formen so wichtigen Pilzgattung Agaricus nur wenige Vertreter 
genannt werden. H, 


ErklÀrung. 


Im Aprilheft 1871 des Archivs d. Pharmacie, Il, 146, 96 befindet 
sich eine Verwahrung des Herrm J. von Liebig, PrÀsident der k, Akade- 
mie der Wissenschaften in MĂŒnchen, den Gebrauch seines Namens 
bei AnkĂŒndigung der nach Vorschriften von ihm bereiteten PrĂ€parate 
betreffend. 


192 Literatur und Kritik. 


Soweit diese „ErklĂ€rung“ sich auf mich bezieht, habe ich nachste- 
hende sachgemÀsse Darlegung zu geben. 

Das von mir im Vacuum bereitete Malzextraet ist nach einer 
Vorschrift dargestellt, welche der Initiative des Herrrn Geheimrath von 
Liebig ihre Entstehung verdankt. Aus diesem Grunde erachtete ich mich 
bei EinfĂŒhrung desselben in den Handel fĂŒr berechtigt, dem nach Lie- 
big’schen Principe dargestellten PrĂ€parate gleichfalls dessen Namen bei- 
zufĂŒgen. 

Nach Kenntnissnahme der ErklÀrung des Herrn v. L. in den Anna- 
len der Chemie vom 13. April 1870 habe ich sofort den Namen „Lie- 
big“ von den Etiquetten meines obigen PrĂ€parates verschwinden 
lassen. 

Dasselbe gilt von den PrÀparaten, welche Combinationen von 
Malz - Extract mit Arzneistoffen sind. 

In dieser Hinsicht ist demnach die Liebig’sche ErklĂ€rung ge- 
genwÀrtig nicht sachentsprechend. 

Liebig’s Nahrungsmittel in löslicher Form (Extract der 
Liebig’schen Suppe) allein wurde bisher unter dem Namen Liebe - 
Liebig’s N. M. von mir der Oeffentlichkeit ĂŒbergeben. Durch das Schrift- 
chen: „Suppe fĂŒr SĂ€uglinge von J. v. Liebig“ (Braunschweig, Fr. Vie- 
weg u. Sohn) ist der Name: „Liebig’sche Suppe“ so populĂ€r ge- 
worden, dass man ein Extract dieser Suppe thatsÀchlich kaum anders 
benennen kann, als „Liebig’s Suppenextract.“ 

Es erschien mir indess bedenklich und Irrungen des Publikums pro- 
voeirend, diesen Namen allein zu gebrauchen und ich fĂŒgte daher mei- 
nen eigenen Namen dem PrÀparate, und meinen Vor- und Zuna- 
men jeder Annonce hinzu in der wohlmeirenden Absicht, grade das zu 
verhindern, was die vorliegende ErklĂ€rung prĂ€sumirt: „Das Publi- 
kum tĂ€uschen zu wollen!“ 

Meinerseits liegt nicht der mindeste Grund vor, den Namen: „Lie- 
big‘ in der Bezeichnung meines PrĂ€parates und in den öffentlichen An- 
zeigen beibehalten zu wollen. 

Dass ich dies auch in Hinsicht auf mein PrĂ€parat: Liebe-Liebig’s 
Nahrungsmittel in löslicher Form thuen und hinfort dasselbe 
Liebe’s Nahrungsmittel in löslicher Form bezeichnen werde, 
habe ich Herrn PrÀsident v. Liebig bereits angezeigt und derselbe beehrte' 
mich in einer schÀtzbaren Zuschrift vom 21. Januar d. J. mit nachstehen- 
dem Schlusswort: 

„Sie werden wohl im Auge behalten, dass ich in meiner ErklĂ€rung 
keineswegs gegen die GĂŒte und Brauchbarkeit Ihrer PrĂ€parate aufgetreten 
bin, sondern darin einfach das Anrecht auf meinen Namen vertheidige, 
welches verletzt worden war.“ Ergebenst der Ihrige 

J. v. Liebig. 

Von der Ehrenhaftigkeit geehrter Redactionen, welche die ErklÀrung 
des H. von Liebig in ihre Spalten aufgenommen haben, darf ich ver- 
trauensvoll erhoffen, dass sie auch dieser „Darlegung“ die Aufnahme 
nicht versagen werden. : 

Dresden, Januar 1872. 

J. Paul Liebe. 


Halle, Buchdruckerei des Waisenhauses. 


ARCHIV DER PHARMACIE 


GXOIX. Bandes drittes Heft. 


A. Originalmittheilungen. 


I. Chemie und Pharmacie. 


Ueber den Babingtonit von Herbornseelbach in 
Nassau. 


Von Dr. Carl Jehn in Geseke. 


Bekanntlich wurde der Babingtonit entdeckt und benannt 
von Levy, welcher ihn auf einer dunklen Hornblende und 
einem damit verwachsenen Feldspath von Arendal auffand. 
Qualitativ wurde derselbe zuerst von Children untersucht, 
quantitativ von Arppe und Thomson. Die Analysen der 
beiden Letzteren weichen jedoch ganz bedeutend von einan- 
der ab, so dass beispielsweise Arppe 0,3%, Al?O° fand, 
Thomson dagegen 6,48°),. Ich ĂŒbergehe desshalb diese 
Analysen; um somehr als in beiden alles Eisen als Oxy- 
dul berechnet und das gleichzeitige Vorhandensein des 
Eisens als Oxyd ĂŒbersehen worden ist. Auf die gleichzeitige 
Bestimmung des FeO und Fe?O° nahm zuerst Rammels- 
berg RĂŒcksicht (Dessen Mineralchemie 8.477). Derselbe ermit- 
telte die relative Menge der beiden Oxyde des Eisens theils 
nach Fuchs, wodurch er 11,34%, Fe?O3 fand, theils durch 
die ChamÀleonprobe, welche in 2 Bestimmungen resp. 10,26°), 
und 10,29°/, Fe ergab. Die Gesammtmenge des Eisens, auf 
Oxyd berechnet, wurde als Mittelwerth von 2 Analysen zu 
22,4%), Fe? O3 gefunden. Es mĂŒssen demnach, wenn 10,26, 
FeO vorhanden sind, 11°, Fe?OŸ in Rechnung gestellt wer- 
den, was mit der direkten Bestimmung ziemlich nahe ĂŒber- 


einkommt. 
Arch, d, Pharm. OXCIX. Bds, 3. Hit. 13 


194 Ueber den Babingtonit von Herbornseelbach in Nassau. 


Rammelsberg erhielt als Mittelwerth von 2 Analysen 
nachstehende Zahlen: 
Sı0? 51,22 9. 
Fe20°3 11,00 „ 


FeO 10,26, >, 

MnO 7,91 „ Also keine Thonerde vor- 
CaO 132 handen! 

MgO' OR, 

K?O 

Na20 | Spuren 


GlĂŒhverlust 0,44 „ 
Summe 100,92). 


Hieraus berechnet derselbe fĂŒr das MolekĂŒl des Aren- 
daler Babingtonits folgende Zusammensetzung 


— (a0 
- FeO (SiO? | + Fe?03 (Si023. 


—- _MnO 


— 


So etwa war der Stand der chemischen Literatur ĂŒber 
den Babingtonit, als Herr Prof. Dr. G. vom Rath in der 
Sammlung des Herrn Ober-Postdirectors Handtmann ein 
als „Babingtonit von Herbornseelbach“ bezeichnetes Mineral 
bemerkte. Herbornseelbach war bisher unter den Fundorten 
des Babingtonits noch nicht genannt worden, und wÀhrend 
G. vom Rath daran ging, den neuen Babingtonit in mineralo- 
gisch-krystallographischer Hinsicht zu untersuchen, hatte er 
die Freundlichkeit, mir im Januar vorigen Jahres einige Gramme 
zur qualitativ-quantitativ-chemischen Feststellung zu ĂŒber- 
lassen. Der Herbornseelbacher Babingtonit bestand aus grĂŒn- 
lich-schwarzen Krystallen, die sich nur sehr schwer zu fei- 
nem Pulver zerreiben liessen, und hatte nach G. vom Rath 
3,355 spec. Gew. bei 23°C. Die Untersuchung nahm ich im 
A. W. Hofmann’schen Laboratorium in Berlin vor, — 


Ueber den Babingtonit von Herbornseelbach ın Nassau. 195 


Eine qualitative Analyse ergab, dass genau alle dieje- 
nigen Stoffe darin enthalten waren, welche Rammels- 
berg im Arendaler Babingtonit bestimmt batte. Bei der 
quantitativen Bestimmung kam es hauptsÀchlich darauf an, 
die Mengen von FeO und Fe?O3 mit Sicherheit festzu- 
stellen. 


ZunĂ€chst wurde zur Bestimmung des GlĂŒhverlustes die 
gebeutelte, lufitrockne Substanz in einem Porzellanschiffchen 
in eine Röhre von schwer schmelzbarem Glase geschoben 
und eine Stunde lang im KohlensĂ€urestrome geglĂŒht. Zwei 
Proben ergaben beziehungsweise 0,44 und 0,42%,, also im 
Durchschnitt 0,43°/, GlĂŒhverlust. 


Die geglĂŒhte Substanz wurde dann mit Kalium - Natrium- 
carbonat aufgeschlossen, mit HClhaltigem Wasser aufgenom- 
men, und die SiOŸ? nach der gewöhnlichen Methode abge- 
schieden. 


Ebenfalls nach den bekannten Methoden wurden gefÀllt: 
das Eisen zunÀchst als basisches Ferriacetat, dann als Ferri- 
hydrat und als Fe?OÂź bestimmt; das Mangan durch Cl, ge- 
glĂŒht zu Mn?0* und als solches gewogen; der Kalk als 
Calciumoxalat, dieses ĂŒber dem GeblĂ€se in CaO verwandelt; 
die Magnesia endlich als Ammoniummagnesiumphosphat und 
in Magnesiumpyrophosphat ĂŒbergefĂŒhrt. 


Drei Analysen ergaben folgende Resultate: 


I; I. 
1,3602 g. Substanz: 0,6230 g. Substanz: 
Si02? 0,879 „ = 50,50%. 03130 „ — 50,24%,. 
Fe203 0,3440 „ — 25,25 „ 0,1585 „ — 25,44 „ 


MnO 0046 „— 326, 00199: „3, 
(Mn30% 0,0480 „ 0,0215 „ 

Ca.0 02651 , —19,53 „ 0,1250 „ = 20,06 „ 
Mg&O 0,0200 „ — 1,46, 0,0086 „= 1,38, 
(Mg?P?0?0,0560 0,0240 ,„) 
GlĂŒhverl, 0,0062 „ = 0,44 „ Nicht bestimmt. 


13 * 


196 Ueber den Babingtonit von Herbornseelbach in Nassau. 


III. 
0,8816 g. Substanz: Mittelwerth: 

Si? 0,4460 „ = 50,58%. S02 g. = 50,449. 
Fe203,.,0,2230 , —:25,29,.: ..Be20: 0, nsı, 
MnO 0.0282) 41-2032 u MnO: „al oo 
(Mn¼O* 0,0304 „) en, 
Ja0 VASE a DO MgO A 
MsO MOB 019008 GlĂŒhverl. , = 043, 
(Mg?P?0? 0,0370 ,„) Summe —100,77%,. 
GlĂŒhverl. 0,0087 „ = 042, 


Hierdurch waren die Gesammtmenge des Eisens als 
Oxyd und sĂ€mmtliche andere Stoffe genĂŒgend festgestellt. 
Es galt nun, die relativen Mengen FeO und Fe?O3 und 
dadurch zugleich festzustellen, ob die, dem Arendaler Bab. 
gegenĂŒber fehlenden Procente MnO etwa durch FeO vertre- 
ten seien. Als Aufschliessungsmethode wÀhlte ich die 
Mitscherlich’sche mit H?SO¼ Die gebeutelte Substanz 
wurde in eine Röhre von schwer schmelzbarem Glase gebracht 
und mit einem Gemische von 3 Vol. conc. H?SO*Âź und 1 Vol. 
Ag. ĂŒbergossen. Die Röhre wurde zugeschmolzen, in ein 
eisernes Rohr geschoben und 3 Tage lang im Luftbade auf 
200 — 220°C. erhitzt. Jedoch ohne Resultat. Die Röhre 
wurde sodann vorsichtig aufgeschmolzen und noch soviel 
Wasser hinzugefĂŒgt, dass sich dasselbe zur H?SO* im Ver- 
hÀltnisse von 4 : 3 befand. (In dieser Concentration soll 
nach Rose-Finkener die SchwefelsÀure am geeignetsten 
zum Aufschliessen sein.) Die Erhitzung wurde auf 280 bis 
300°C. gesteigert und 3 Wochen lang durchschnittlich tÀg- 
lich 10 Stunden auf dieser Höhe erhalten. Nur eine sehr 
geringe Menge SiO? war abgeschieden, welche jedoch wahr- 
scheinlich von dem sehr bedeutend angegriffenen Glase her- 
rĂŒhrte. Der Bab. wird demnach von H?S0* nicht aufge- 
schlossen. Ich schloss denselben nunmehr mit HF in einer 
KohlensÀure- AtmosphÀre auf, welche Operation glatt und 
vollkommen befriedigend verlief. Das FeO titrirte ich mit 
ChamÀleonlösung und erhielt in zwei Versuchen beziehungs- 
weise 7,47 und 7,51°,, also im Durchschnitt 7,49%, FeO, 


Ueber den Babingtonit von Herbornseelbach in Nassau. 197 


Berechnet man den fĂŒr FeO gefundenen Werth auf 
Fe?OÂź und zieht die so erhaltene Zahl von der Gesammt- 
menge des Fe?O?° ab, so resultiren 17,01%, Fe?O°. 

Tan ERO == 8,32%, Ke?0?; 
25,33%, — 8,32%, = 17,01%, Fe?0°. 
Die Zusammensetzung der von hammelsberg (Arendal) 


und mir (Herbornseelbach) untersuchten Babingtonite ist dem- 
nach folgende: 


Arendal. Herbornseelbach. 

51022.151,32 In: 50,44 On 
Fe?O03 11,00 „ KEOR:, 
FeO Im: Tage, 
MnO %IL.,, Ba 
Ua 19,32 5 1.9.3904, 
MO 0,77, 1,45 „, 
GlĂŒhverlust 0,44 „, 0,43 „ 
100,92 9. 99,94 0),. 


Es treten demnach im Babingtonit von Herbornseelbach 
die Monoxyde im VerhÀltnisse zum Sesquioxyde gegen den 
Babingtonit von Arendal bedeutend zurĂŒck. 


Berechnet man die fĂŒr die Basen gefundenen Werthe auf 
Silicate, so erhÀlt man folgendes Resultat: 


Fe2(8i03)> — 36,15°],. 


, 


Fe SiO3 —E N 
MnSiO3 =— 5.94; 
UaSıO 3 — 41,22, 
MgsSi0? — 3,62 „ 
100,66 9),. 


Aus diesen Werthen berechnet sich, ohne dass man in 
zu bedeutende Fehler verfĂ€llt, fĂŒr das MolekĂŒl des Herborn- 
seelbacher Babingtonits nachstehende Formel: 


198 Eine interessante Reaction. 


12 BEN, 
60 FeSiO 
h) 
co MnSiO° 
29 + Fe?(Si03)3. 
60 CaSıOŸ | 

) 


x | 
ja 
—_ Me$iO3 
| 60 MgSiO 
Dieser theoretischen Formel wĂŒrde folgende Zusammen- 
setzung des Babingtonits entsprechen: 


Theorie. Versuch. 
Fe2($i03)? 36,29 %,. 36,15 9. 
FeSiO3 14,09 „ 13730 
Mn$iO3 5,87 „ 5,94 „ 
Cası0? 1023; 41,22 „ 
Me$iO3 3,52 „ 3,62 „ 

100,00%. 100,669. 


Mit Ausnahme des beim Versuche etwas höher gefun- 
denen Kalks ist die Uebereinstimmung zwischen den berech- 
neten und gefundenen Werthen eine vollkommen genĂŒgende, 
um obige Molecularformel höchst wahrscheinlich zu machen. 


Eine interessante Reaction. 


Von Demselben, 


Allgemein bekannt ist die Liebig’sche Nachweisung 
des Nickels mit Cyankalium; minder allgemein bekannt 
dĂŒrfte jedoch die genaue Theorie des ziemlich verwickelten 
Vorganges bei gleichzeitiger Anwesenheit von Kobalt sein. 
Ich glaube desshalb, wenigstens einigen Lesern des Archivs 
durch Mittheilung derselben einen kleinen Dienst zu erweisen. 

Löst man den Niederschlag von Kobaltsulfid und Nickel- 
sulfid in Königswasser und setzt dann KCy zu, so bildet sich 
zunÀchst NiCy? und CoCy?. Das Nickeleyanid verbindet sich 
mit zwei MolekĂŒlen Cyankalium zu 2KCy,NiCy?, ebenso das 
Kobalteyanid zunÀchst zu 2KOy,CoCy?. Bei letzterem schrei- 


Chemische Zusammensetzung eines Cementsteines. 199 


tet jedoch die Umsetzung weiter, indem sich Kobaltideyanka- 
lium bildet = K$,Co?Cy!?. 
2(2KCy,CoCy?)+4KCy-+2H20 = KC00?Cy!?+2KHO+H?. 
(Die hierbei eintretende Wasserstoffentwicklung lÀsst sich 
zeigen, wenn man mit grösseren Mengen in einem Kolben 
operirt.) 

Die vorhandene HCl wirkt nunmehr auf beide obige 
Verbindungen nach folgendem Reaktionsschema: 

1) 3(2KCy,NiCy?) + 6HC1 = 6KC1 + 6HCy + 3NiCy?. 
2) K°Co?Cy!? + 6HCl = 6KCI1 + H°Co?Cy!? letztere — 
KobaltideyanwasserstoffsÀure. 

Die KobaltideyanwasserstoffsÀure wirkt auf das Nickel- 
cyanid, sich mit demselben umsetzend in OyanwasserstoffsÀure 
und Kobaltideyannickel. 

3NiCy? + H6Co?Cy!?—= 6HCy + Ni?Co?Cy!? 
als Niederschlag. Ist Kobalt im Ueberschusse, so bleibt na- 
tĂŒrlich ĂŒberschĂŒssige HÂźCo?Cy!? in Lösung; ist dagegen 
Nickel im Ueberschusse, so fÀllt ein Theil als NiCy? nach 
der einfachen Gleichung: 

2KCy,NiCy? + 2HCl = 2KCl + 2HCy + Nicy?, 
ein Theil als Ni?Co?Cy!? nach obiger Gleichung. Bei einem 
Ueberschusse von Nickel ist demnach in der vom Nieder- 
schlage NiCy? und Ni?Co?2Cy!? abfiltrirten FlĂŒssigkeit kein 
Kobalt mehr vorhanden, da alles zur Bildung von Kobaltid- 
_ eyannickel verwendete wurde. 


Chemische Zusammensetzung eines Cementsteines. 
Von Dr. E. Reichardt, Prof, in Jena.*) 


Ein in hiesiger NĂ€he in grosser Masse zur Cementfabrika- 
tion benutzter Kalkstein wurde zur Untersuchung eingesendet 
und hat die Veröffentlichung der Resultate vielleicht insofern 
Interesse, als verhÀltnissmÀssig noch wenig derartige Analy- 


*) Als Separatabdruck aus Dingler’s polytechn. Journal, 1. Maiheft 
1871, Bd. 200, 8. 219, vom Hrn. Verfasser erhalten. Hier nur im Aus- 
zuge mitgetheilt. HA. L. 


200 Chemische Zusammensetzung eines Cementsteines. 


sen bekannt gegeben sind, auch gewöhnlich ganz besondere 
Bestandtheile in derartigen Gesteinen von dem technischen 
Publikum geahnt werden. 

Der Stein war von grauer, dunkler Farbe, thonigem 
Geruch und zeigte einige Reste versteinerter FischzÀhne, wie 
eingesprengten Schwefelkies.. Den hiesigen Vorkommnissen 
entsprechend, gehörte derselbe zu dem Keuper, welcher ge- 
wöhnlich dolomitische Kalksteine enthÀlt. 


100 Theile dieses Cementsteines enthalten: 


Kohlens. Kalk — (030,00? 49,84 
u Magnesia — Mg0, 00? 26,96 
Schwefels. Kalk — (a0,S0° 0,34 
Eisenoxyd — Fe?0? 3,83 ı 89,07 Proc. 
Eisenoxydul — FeO 4,17 in HC1 lös- 
Manganoxydul — MnO 0,22 lich. 
Natron —= NaO 0,40 | 
Kalı —= KO 0,35 
Kieselerde — Ss) 2,96 | 
Kiesels. Kali —ARONSIOE 0,26 
4 Natron — Na0,SiO¼ 0,47 
„ Magnesia = Mg20,Si0° 0,46 
Ra — (30, $i0¼ 2,01 Hi nr 
B5 Eisenoxyd = Fe?O°, SiOŸ 0,95 löslich. 
Sn Thonerde = A1?03, SıO3 3,04 
Sand 3,26 
Wasser 0,66 ) 


Summe 100, 18. 


Kohlens. Kalk und kohlens. Talkerde gewÀhren fast genau 
das VerhĂ€ltniss von 2 (Mg0,€60?) + 3 (Ca0, 002). 

Die oben erwÀhnte Beimischung von Schwefelkies, wel- 
cher in Krystallen und theilweise dendritenartig eingesprengt 
war, betrug Àusserst wenig; eine besondere Bestimmung des 
Schwefelgehaltes, ausser der SchwefelsÀure ergab 0,1 Proc. 
S = 0,175 Proc. FeS?. PhosphorsÀure und Chlor waren 
nicht vorhanden. 


Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einig. hĂ€ufig vorkomm. fett. Oele ete. 201 


Ueber Eigenschaften, PrĂŒfung und Nachweisung eini- 
ger hÀufig verkommenden fetten Oele des Pflanzen- 
reichs. 

Von G. GlÀssner, Apotheker in Cassel. 


Zu den schwierigsten Aufgaben eines Apothekers und 
Chemikers gehört die Untersuchung der fetten Oele. Im 
Aussehen und specifischen Gewicht sehr Àhnlich, zeigen diese 
Stoffe auch bei oberflÀchlicher chemischer Untersuchung nur 
geringe Unterschiede, und lassen den Untersuchenden, na- 
mentlich wenn er Gemische der Oele vor sich hat, ĂŒber die 
wahre Natur derselben hÀufig im Zweifel. Und doch ist es 
nicht nur fĂŒr den Apotheker, sondern namentlich auch fĂŒr 
das Publikum, gar hÀufig von höchster Wichtigkeit, die Rein- 
heit irgend eines Oeles unzweifelhaft festzustellen, 

Viele Millionen von Thalern werden im Handel mit fet- 
ten Oelen jĂ€hrlich umgesetzt, und es ist nicht gleichgĂŒltig, ob 
ein zu einem hohen Preise eingekauftes Oel rein ist, oder ob 
man ihm in betrĂŒgerischer Absicht werthlose Stoffe zugesetzt 
hat, um seine Masse zu vermehren. Ja, hÀufig enthalten die 
Oele sogar wirkliche Gifte, und nicht selten kommen Erkran- 
kungen 'vor, hervorgerufen durch den Genuss kupferhal- 
tigen Oliven- oder RĂŒböls. Von wem aber könnte wohl 
das Publikum mit grösserem Rechte eine genaue Kenntniss 
der PrĂŒfung dieser Oele erwarten, als gerade vom Apothe- 
ker. Er selbst ist ja Handeltreibender, und es lÀsst sich von 
ihm wohl nicht. annehmen, dass er, gleich manchem Kauf- 
mann, sein Provencer-Oel allein durch SchĂŒtteln und Beobach- 
tung der aufsteigenden Luftblasen auf VerfÀlschung mit Mohnöl 
prĂŒft. Wenn ich mir nun gestatte, in Folgendem eine kurze 
Darlegung der PrĂŒfungsmethoden zu versuchen, welchen ich 
fette Oele bei eigenem Bedarfe und auch bei chemischen 
Untersuchungen zu unterwerfen pflege, und welche zum 
grossen Theile durch eigene Beobachtungen hervorgerufen 
oder bestÀtigt sind, so glaube ich einem Theile der Herren 
Collegen hiermit einen immerhin nicht unwesentlichen Dienst 
zu erweisen. 


202 Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einig. hĂ€ufig vorkomm. fett. Oele ete, 


Die fetten Oele des Pflanzenreichs sind ungemein ver- 
breitet und finden sich, in besonderen Zellen eingeschlossen, 
in einer grossen Menge von Samen und FrĂŒchten. Behufs 
Gewinnung der Oele werden die einschliessenden Zellgewebe 
gehörig zerkleinert und entweder durch Pressen, oder 
durch Behandlung mit Schwefelkohlenstoff oder Ca- 
nadol ölfrei gemacht. Von letzteren Substanzen werden die 
Oele dann durch Destillation befreit. Solche Oele, welche 
zum Brennen dienen sollen, werden durch SchwefelsÀure 
von dem sie verunreinigenden Schleime befreit, stark gefÀrbte 
Oele können durch Einwirkung des Lichtes oder der 
schwefligen SÀure, oder der ChromsÀure gebleicht 
werden. Auch Lösungen von ĂŒbermangansaurem Kali 
werden zu demselben Zwecke gebraucht. 

Die fetten Oele sind Gemenge von Glyceriden der fetten 
SĂ€uren ‘und OelsĂ€uren. Sie sind meist flĂŒssig, specifisch leich- 
ter als Wasser und in diesem fast unlöslich. Leicht löslich 
sind sie in Aether, Chloroform und Àtherischen Oelen, schwer- 
löslich in Alkohol, mit -alleiniger Ausnahme des Ricinusöles. 
Sie vermögen Schwefel und Phosphor zu lösen. Werden 
fette Oele mit Aetzalkali- Lösung geschĂŒttelt, so findet eine 
Zerlegung statt, indem sich die fetten SÀuren und OelsÀuren 
mit dem Alkali verbinden und Glycerin ausgeschieden wird 
(Seifenbildung). Auch andere Metalloxyde wirken auf 
fette Oele ein und bilden mit ihnen mehr oder weniger feste 
Verbindungen, die Pflaster. Erhitzt bis auf ungefÀhr 
300°C. verflĂŒchtigen sie sich unter Zersetzung. Die SĂ€uren 
werden frei, wÀhrend das Glycerin an freier Luft bekanntlich 
nicht unzersetzt flĂŒchtig, DĂ€mpfe von Acrolein ausstösst, 
leicht erkennbar durch den stechenden Geruch. Concentrirte 
SchwefelsÀure zerlegt die Oele, tritt mit der Basis zu Glyce- 
rinschwefelsÀure zusammen und macht die FettsÀuren frei. 
NO3,Cl, Br,J bilden Substitutionsproducte. Auf Papier hin- 
terlassen fette Oele einen Fleck, der selbst beim ErwÀrmen 
nicht verschwindet. 

An der Luft nehmen sie Sauerstoff auf und werden 
allmĂ€hlig dickflĂŒssiger, Auf diese ihre Eigenschaft grĂŒndet 


» 


Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einig, hĂ€ufig vorkomm. fett. Oeleete. 203 


sich die Eintheilung der fetten Oele in solche, die allmÀhlig 
ganz austrocknen und in solche, die nur schmierig 
und zĂ€he, nie aber, selbst nicht in dĂŒnner Schicht, zu einer 
festen Masse werden. Erstere finden daher Verwendung zu 
Firnissen und Anstrichfarben. Die nicht trocknenden Oele 
nehmen mit der Zeit einen unangenehmen ranzigen Geruch 
und Geschmack an. Dieses Ranzigwerden ist eine wahre 
GÀhrung, welche durch Gegenwart von fÀulnissfÀhigen Stof- 
fen, wie Schleim und Eiweiss, befördert wird, und in 
Folge deren neben anderen Producten auch fette SĂ€uren 
entstehen. 


Nicht trocknende Oele. 


Solche Oele lassen sich durch die Elaidinprobe 
erkennen. Werden vier Theile Oel und zwei Theile NO von, 
1,20 spec. Gew. in ein Reagensglas gegossen und wird hierzu 
ein halber Theil KupferspÀne gesetzt, so entwickelt sich 
schon in der KĂ€lte salpetrige SĂ€ure !und diese bewirkt, ohne 
selbst verÀndert zu werden, eine Umwandlung der Oel- 
sÀure (C?°HŸ*O#) in die isomere ElaidinsÀure, eine 
feste, weisse Masse, welche erst bei + 45° schmilzt, und 
unverĂ€ndert flĂŒchtig ist. Ist die angewendete SalpetersĂ€ure 
concentrirter, so findet die Entwickelung der salpetrigen 
SĂ€ure in so stĂŒrmischer Weise statt, dass hĂ€ufig die FlĂŒssig- 
keit aus dem Glase herausgeschleudert wird. Auch beim 
Mischen gleicher Volume Oel und rother rauchender Salpeter- 
sÀure tritt die Elaidinreaction ein. Die wichtigsten nicht 
trocknenden Oele sind: 


1) Das Mandelöl, spec. Gewicht = 0,917 bis 0,920; 
wird aus den Samen von Amygdalus communis gepresst. 
Klar, dĂŒnnflĂŒssig, schwach hellgelb. Geschmack ange- 
nehm mild. Fast geruchlos, erstarrt erst bei — 20°, Lös- 


lich in 60 Theilen Alkohol, enthÀlt fast nur Olein und etwas 
sog. Margarin. Darf nicht ranzig riechen. 


204 Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einig. hĂ€ufig vorkomm fett. Oele ete. 


Als VerfĂ€lschungen werden aufgefĂŒhrt: Mohnöl, Baum- 
wollsamenöl, Erdmandelöl, Schmalzöl, Sesamöl, 
Provenceröl. 

Die Elaidinprobe giebt bei reinem Oel nach 3—4 Stun- 
den eine weisse oder schwachgelbliche Masse. Rothe FĂ€r- 
bung derselben deutet auf Sesamöl. Ist die Masse von 
Oelstreifen oder Tropfen durchsetzt, so sind trocknende Oele 
vorhanden. 

FĂŒnf Tropfen Oel, mit einem Tropfen HO,SO3 gemischt, 
werden trĂŒb und gelblich, nie aber dunkel gefĂ€rbt. 5 Volume 
Oel mit einem Volum Kalilauge von 1,34 geschĂŒttelt, geben 
ein weisses Liniment. Gleiche Volume rothe rauchende 
SalpetersĂ€ure und Oel zeigen an der BerĂŒhrungsstelle eine 
schmale, hellgrĂŒne Zone, welche selbst in der Elaidinmasse 
noch bleibt, bei Gegenwart von nur wenig Olivenöl indess 
hellblaugrĂŒn wird, und sich weit nach obenzu ausdehnt. 
8 Theile Oel und ein Theil Chlorkalk nebst etwas Was- 
ser zusammengerieben geben ein Liniment, aus dem sich das 
Oel sehr bald wieder abscheidet (Unterschied von Mohnöl.) 


2) Olivenöl, spec. Gew. — 0,910; 
aus den FrĂŒchten von Olea europaea gewonnen. 


Blassgelblich oder farblos. Geruch und Geschmack ange- 
nehm. Besteht hauptsÀchlich aus sogen. Margarin und 
Ölein. Einige Grade ĂŒber Null scheidet sich ersteres kry- 
stallinisch aus und bewirkt dadurch das Erstarren des Oeles. 

Das Olivenöl wird bei der Elaidinprobe nach etwa 2 Stun- 
den trĂŒbe und nach 6 Stunden fest und weiss.”) Beim Um- 
rĂŒhren zerbröckelt die Masse, die bei Gegenwart von 
U/go Mohnöl talgartig, mit !/,, von diesem Oele kaum fester 
als Schmalz sein wĂŒrde Das Erstarren der Elaidinmasse 


*) Nach Knapp wird ein Gemenge von einem Theil Untersalpeter- 
sÀure_ mit 33 Theilen Olivenöl fest in 70 Minuten, 
” 50 ” ” ” ” 78 er] 
Er] 100 ” er) ” er 130 „2 
„ 400 = „ »  „ gar nicht mehr. 


Veb. Eingensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einig. hĂ€ufig vorkomm. fett. Oeleete. 205 


beginnt nach Soubeiran mit reinem Oele nach 43 —59 Mi- 
nuten, bei Gegenwart von Mohnöl oft erst 30 Minuten 
spĂ€ter. — 

10 Theile Oel, mit einem Theile Ammoniak geschĂŒt- 
telt, geben ein dickes Liniment, wÀhrend Mohnöl unter gleichen 
UmstĂ€nden eine bröckliche Masse bilden wĂŒrde. Gleiche 
Volume rothe rauchende SalpetersÀure und Oel zeigen an 
der BerĂŒhrungsstelle einen prachtvoll blaugrĂŒnen Ring, 
der nach obenzu allmÀhlig blasser wird. 

5 Theile Olivenöl und ein Theil Kalilauge von 1,34 spec. 
Gew. bilden ein Liniment von der Farbe des Oeles. 

Als VerfĂ€lschungen werden angegeben: RĂŒböl, Leinöl, 
Mohnöl, Madiaöl, Baumwollsamenöl. 

Trocknende Oele lassen, sich bei der Elaidinprobe leicht 
erkennen. Aetherische Oele, welche dem gewöhnlichen Baumöl 
zuweilen zugesetzt werden, um den Eingangszoll niedriger 
zu machen, schwimmen auf der Elaidinmasse unverÀndert. 
Sesamöl wĂŒrde diese roth fĂ€rben. Schmalzöl erstarrt 4—- 5° 
frĂŒher als Olivenöl. Hauchecorne giebt zur Erkennung 
des reinen Olivenöles folgende Reaction an: 

Werden 3 Theile Olivenöl mit einem Gemisch von 
3 Theilen SalpetersÀure von 40° und einem Theil Wasser 
im Dampfbade erwÀrmt, so wird reines Oel klarer und hel- 
lergelb. War das Oel mit Samenöl verfÀlscht, so fÀrbt sich 
das Gemisch roth. 

WÀhrend das Puglieser oder Gallipoliöl gelb und 
klar ist, hat das Galabreser Oel hĂ€ufig eine grĂŒnliche 
Farbe, die durch Zusatz von Farbstoffen, aber auch durch 
Kupfergehalt hervorgebracht sein kann. Die Nachwei- 
sung des Kupferoxyds im Olivenöl ist in vielen FÀllen nicht 
ganz leicht. Ist die Menge des gelösten Kupferoxyds gross, 
so möge man einen blanken eisernen Spatel in das Oel legen, 
etwas SalzsĂ€ure zufĂŒgen und im Wasserbade 3 bis 4 Stun- 
den erwÀrmen. 

Auch durch lĂ€ngeres Kochen mit verdĂŒnnter SalzsĂ€ure 
lÀsst sich ein Theil des Kupferoxyds dem Oel eentziehen. Die 
wĂ€sserige FlĂŒssigkeit wird dann durch ein angefeuchtetes 


206 Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einig. hĂ€ufig vorkomm, fett. Oele etc. 


Papier filtrirt, zur Trockne verdampft, geglĂŒht, das Kupferoxyd 
aus der Asche mit SalzsÀure aufgenommen und durch Am- 
moniak, Schwefelwasserstoff oder Ferrocyankalium nachge- 
wiesen. Aber alle diese Proben geben, da das Kupferoxyd 
an organische SĂ€uren gebunden war, keineswegs stets ein 
sicheres Resultat. Zur ‘quantitativen Bestimmung des Kupfer- 
oxyds halte ich folgendes von mir selbst mehrfach angewandtes 
Verfahren fĂŒr geeignet. Eine gewogene Menge Oel wird 
mit chemisch reiner SalzsĂ€ure ĂŒbergossen, ĂŒber der 
Spirituslampe zum Kochen erhitzt und chlorsaures Kali 
in kleinen Portionen zugesetzt. Das Oel zersetzt sich all- 
mÀhlig und bildet nach einiger Zeit eine schaumige, in der 
KĂ€lte fest zusammenbackende Masse. Man filtrirt, stumpft in 
der wÀssrigen Lösung die SÀure theilweise ab und leitet 
unter stetem gelinden ErwÀrmen Schwefelwasserstoff ein. 
Der entstandene Niederschlag wird auf einem Filter ge- 
sammelt. 


Die bei der ersten Filtration zurĂŒckgebliebene Masse 
wird geglĂŒht, aus der Asche das Kupferoxyd mit SĂ€uren auf- 
genommen und durch Schwefelwasserstoff gefÀllt. Beide Nie- 
derschlÀge von Schwefelkupfer werden alsdann vereinigt und 
quantitativ bestimmt. 


Etwas einfacher ist es, das verdÀchtige Olivenöl mit 
starker Aetzlauge zu verseifen, die Seife durch SalzsÀure zu 
zerlegen, die Salzlösung durch Filtration von den OelsÀuren 
zu befreien und im Filtrate das Kupfer nachzuweisen. Indess 
halte ich diese Methode fĂŒr weniger sicher als die vorher- 
gehende. 

Bleioxyd lĂ€sst sich (nach Hager) durch SchĂŒtteln 
“ mit verdĂŒnnter EssigsĂ€ure aus dem Oele ausziehen und durch 
SchwefelsÀure nachweisen. 


3) RĂŒböl, spec. Gew. = 0,910. 


"Aus den Samen von Brassica Napus, Br. cam- 
pestris u.a. durch Pressen gewonnen. Das frisch gepresste 
Oel ist von gelber bis gelbgrĂŒner Farbe, ziemlich dickflĂŒssig. 


Ueb, Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einig. hĂ€ufig vorkomm. fett, Oeleete. 207 


Nur das zum Brennen benutzte Oel wird mit SchwefelsÀure 
raffınirt, enthÀlt also keine Schleimbestandtheile, wÀhrend 
diese bei dem Speiseöle noch vorhanden sind. Das KRĂŒböl 
ist fast reines Olein*) und liefert beim Kochen mit Bleioxyd 
und Wasser ein schmieriges Pflaster. Reines RĂŒböl liefert 
beim SchĂŒtteln mit '/; Volum Kalilauge von 1,34 eine weisse 
Masse, bei der Elaidinprobe wird das Oel nach etwa 5 bis 
6 Stunden fest. 

Als VerfÀlschungen werden angegeben: Leinöl, Hanföl 
und Thran. Bei Gegenwart von Leinöl wird das Liniment 
mit Kalilauge grĂŒnlich und fĂ€rbt sich, zum Kochen erhitzt, 
gelbbraun. Bei Gegenwart ven Thran wĂŒrde in letzte- 
rem Falle eine rothe FÀrbung eintreten, Hanföl ein braunes 
und starres Liniment liefern. Schon eine geringe Menge 
Thran lÀsst sich durch Zusatz eines Tropfens Schwefel- 
sÀure nachweisen. Der SÀuretropfen zertheilt sich in 
dem Oele sogleich in fadenförmige Streifen, welche in 
wellenförmiger Bewegung nach dem Boden zulaufen, und 
erst roth, spÀter schwarz gefÀrbt sind. Mit gleichen Vo- 
lumen SchwefelsĂ€ure versetzt, fĂ€rben sich RĂŒböl und 
Hanföl dunkelgrĂŒn. Noch !ıooo Ihran soll beim Zu- 
satz von etwas syrupartiger PhosphorsÀure durch eine aus 
Roth in Schwarz ĂŒbergehende FĂ€rbung erkannt werden. 
Giebt man 15 Tropfen RĂŒböl in eine Porzellanschale und 
lÀsst einen Tropfen SchwefelsÀure hinzufallen, so bildet sich 
um die SĂ€ure ein grĂŒnblauer Hof mit braunen Strei- 
fen. Mit gleichen Volumen rother rauchender SalpetersÀure 
versetzt, bildet sich bei reinem Oele an der BerĂŒhrungsstelle 
eine braunrothe, nach unten zu grĂŒnlich auslaufende Zone. 
Sollte von der Raffination her noch SchwefelsÀure dem Oele 
anhaften, so lÀsst sich diese auf folgende Art nachweisen. 


*) Reines Oleum Napi depurat., am 23. Juli 1868 aus der 
hiesigen Hofapotheke des Dr. R, Mirus entnommen, finde ich heute bei 
einer Lufttemperatur von 0° Cels. vollstÀndig butterartig erstarrt; 
kann demnach nicht reines Olein sein. 

Jena, den 29, Dec, 1871. H. Ludwig. 


208 Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einig. hĂ€ufig vorkomm, fett. Oele etc, 


Gleiche Volume Oel und chemisch reine concentrirte Sodalö- 
sung werden tĂŒchtig geschĂŒttelt, etwas Kochsaizlösung zuge- 
setzt und abermals geschĂŒttelt. Ist das Oel sĂ€urefrei, so 
steigt es nach einigen Minuten Ruhe empor und sammelt 
sich oben an. Ist es dagegen sÀurehaltig, so bildet sich 
sogleich eine weisse, je nach dem SĂ€uregehalte mehr oder 
‚ weniger consistente Emulsion. Die Sodalösung muss indess 
ganz frei von Aetzalkali sein, da letzteres auch mit sÀure- 
freiem Oele eine Emulsion bildet. 


4) Sesamöl, spec. Gewicht = 0,923; 
wird aus den Samen von Sesamum orientale gewonnen. 

Gelbes, bis hellbraungelbes, nicht unangenehm riechendes 
Oel, das bei — 5° erstarrt und fast nur aus Olein besteht. 
Mit Bleioxyd und Wasser gekocht, giebt es ein schmieriges 
Pflaster. 

Werden gleiche Volume des Sesamöles und eines abge- 
kĂŒhlten Gemisches von concentrirter SchwefelsĂ€ure und Sal- 
petersĂ€ure in BerĂŒhrung gebracht, so entsteht eine blau- 
grĂŒne Mittelzone. Durch Zusatz einiger Tropfen Schwefel- 
kohlenstoff wird die FĂ€rbung noch schöner grĂŒn und hĂ€lt 
sich lÀnger. Bei der Elaidinprobe wird das Oel fest und 
gelblich bis roth gefÀrbt. Die Nachweisung des Sesamöls in 
 Gemischen mit andern Oelen ist an den betreffenden Stellen 
angegeben. 

5) Palmöl, 
wird aus den grĂŒnen Schalen von Elais guyanensis ge- 
wonnen. AN 

Gelb, schmilzt bei + 27°, besteht vorzugsweise aus 
sogen. Margarin und Olein. Wird leicht ranzig und ist dann 
schwerer schmelzbar. Durch Erhitzen bei Zutritt von Luft 
lÀsst es sich entfÀrben. Mit Aetzalkali bildet es eine gelbe 
Seife, 

6) Sogenanntes Schmalazöl. 

LĂ€sst sich nach Ihlo dadurch bereiten, dass 22 Theile 

RĂŒböl mit einem Theile feingepulverter KartoffelstĂ€rke im 


Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis, einiger hĂ€ufig. vorkomm, fett. Oele ete. 209 


Sandbade erhitzt werden, bis ein sĂŒsslicher Geruch auftritt. 
Nach dem Erkalten, Absetzen und Filtriren erhÀlt man ein 
klares, gelbliches, angenehm sĂŒsslich riechendes und schmecken- 
des Oel, das bei + 6 bis 8°C. erstarrt*) und sich zur Anfer- 
tigung von wohlriechenden Oelen eignet. 


Trocknende Oele. 


Bleiben solche lĂ€ngere Zeit in BerĂŒhrung mit der Luft, 
so absorbiren sie Sauerstoff, werden immer dicker und trock- 
nen schliesslich ganz ein. Im Gegensatz zu den nicht trock- 
nenden Oelen wird diese Oxydation durch Gegenwart von 
Schleim oder Eiweiss verzögert und trocknen daher die Oele 
um so rascher, je vollstÀndiger man solche Stoffe daraus 
entfernt. 

Durch Zusatz von Metalloxyden, wie Zinkoxyd, Bleioxyd 
wird das Austrocknen noch beschleunigt. Sie finden. Ver- 
wendung zu Firnissen und Anstrichfarben. Durch Einwir- 
kung von salpetriger SĂ€ure auf trocknende Oele entstehen 
unter anderen Kork- und PimelinsÀure. Die Elaidinreaction 
tritt indess, da LeinölsÀure durch salpetrige SÀuren nicht fest 
wird, nicht auf. Die Zusammensetzung dieser SĂ€ure, die auch 
im Mohnöl vorkommt, ist C3?H23 04%, 

Alle-trocknenden Oele, mit Bleioxyd und Wasser ge- 
kocht, geben schmierige Pflaster, die jedoch mit der Zeit 
austrocknen. 

1) Leinöl, spec. Gew. = 0,930; 
wird aus den Samen von Linum usitatissimum gewonnen. 

GrĂŒnlich gelb, von eigenthĂŒmlichem Geruch und Geschmack. 
DickflĂŒssig. Wird erst bei —16 bis 20° fest. Mit salpetri- 
ger SÀure versetzt, fÀrbt es sich roth. Mischt man gleiche 
Volume Oel und rothe, rauchende SalpetersÀure in einem 
Reagensglase, so fĂ€rbt sich das Gemisch erst grĂŒn, dann 
nach oben zu roth. Oft ist die Reaction so heftig, dass die 
FlĂŒssigkeit zum Glase herausgeschleudert wird. Werden 


*) Dieses Erstarren stimmt mit einem reichlichen Gehalte an Pal- 
mitin, H. L. 
Arch, d. Pharm. CXCIX. Bds. 3. Hit, 14 


210 Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einiger hĂ€ufig. vorkomm. fett. Oele etc. 


5 Volume Oel mit einem Volum Kalilauge von 1,34 krÀftig 
geschĂŒttelt, so bildet sich ein grĂŒnlich gelbes Liniment, wel- 
ches beim Kochen gelbbraun und flĂŒssig wird. Hanföl wĂŒrde 
unter diesen UmstÀnden eine braune und starre Masse bilden. 
Beim Mischen gleicher Volume SchwefelsÀure Ein. Leinöl 
entsteht eine grĂŒne FĂ€rbung. 
2) Mohnöl, spec. Gew. — 0,913 — 0,924; 

wird aus den Samen von Papaver somniferum bereitet. 

Blassgelb, im Alter weiss, frisch von angenehmem Ge- 
schmack. Es ist dĂŒnnflĂŒssig und findet im gebleichten (ran- 
zigen, daher leicht austrocknenden) Zustande Verwendung in 
der Oelmalerei. Das Mohnöl erstarrt bei —18° In BerĂŒh- 
rung gebracht mit einem gleichen Volum rother rauchender 
SalpetersĂ€ure bildet sich eine dunkelgrĂŒne, nach oben 
hin rosaroth erscheinende Mittelzone. 8 Theile Mohnöl, 
mit einem Theil guten Chlorkalk angerieben, geben ein 
Liniment, aus dem sich das Oel nur schwierig trennt. (Un- 
terschied von Mandelöl) Werden 10 Theile Mohnöl 
mit 2—3 Theilen SchwefelsĂ€ure gemischt, so fĂ€rbt sich die 
FlĂŒssigkeit anfangs rein gelb, und erst spĂ€ter beim UmrĂŒh- 
ren brĂ€unlich olivengrĂŒn. Es tritt hierbei eine Ten:- 
peraturerhöhung auf, ĂŒber welche Maumene nĂ€here Mit- 
theilungen gemacht hat. 

Werden 50 Grm. Oel mit 10 C.C. SchwefelsÀure von 
66°B. geschĂŒttelt, so steigt die Temperatur bei einem Ge- 
mische von Mohnöl und Olivenöl auf 70—80°, bei reinem 
Olivenöl auf nur eirca 42%, Die Elaidinprobe lÀsst das 
Mohnöl unverÀndert und lassen sich etwaige VerfÀlschungen 
mit nicht trocknenden Oelen hierdurch leicht nachweisen. 

3) Ricinusöl, spec. Gew. = 0,950 — 0,970; 
wird aus den Samen von Ricinus communis gewonnen. 

Das Rieinusöl enthÀlt zwei fette SÀuren, die Ricin- 
stearinsÀure und die RicinölsÀure, neben Glyce- 
ryloxyd und eimem Harze.. Bei der trockenen Destillation 
liefert Rieinusöl Oenanthol, und bei der Oxydation mit 
NO OenanthylsÀure. Beim Erhitzen mit Kalihydrat 


Ueb.Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einiger hĂ€ufig. vorkomm. fett. Oeleete. 211 


liefert es Caprylalkohol und BrenzölsÀure. Wer- 
den die Schalen vor dem Auspressen von den Samen 
entfernt, so ist das Oel ganz farblos, geröstete Samen geben 
ein gelbes Oel. Das amerikanische Oel ist reicher an Ricin- 
stearin als das westindische und französische und wird daher 
auch schon bei geringer KĂ€lte dick und trĂŒbe. 

Das Oel ist dickflĂŒssig, farblos oder schwach gelblich 
und klar. Der Geschmack ist milde, hintennach etwas kratzend. 
An der Luft wird es leicht ranzig und trocknet aus. Bei 
— 18° erstarrt es. In absolutem Alkohol ist es leicht löslich. 

Werden 3 Theile Ricinusöl, gelöst in gleichviel Schwe- 
felkohlenstoff, ganz allmÀhlig mit 2 Theilen roher Schwefel- 
sÀure gemischt, so scheidet sich das Ricinusöl als eine schmie- 
rige, weissliche bis röthliche Masse ab, welche sich selbst in 
einem grossen Ueberschusse von Schwefelkohlenstoff nicht 
löst. -In diesem ist dann das Oel erst nach dem Auswaschen 
löslich. Bei der Elaidinprobe nimmt das Oel anfangs eine 
weissliche Farbe an und erstarrt erst nach 6—8 Stunden zu 
einer wachsÀhnlichen Masse (Ricinelaidin). 

Als VerfÀlschungen werden Sesamöl oder gebleichtes 
Sonnenblumenöl angegeben. In diesem Falle ist das Oel bei 
der Elaidinprobe anfangs gelblich, röthlich oder roth und bil- 
det spÀter eine mehr oder weniger weiche, gelbliche oder 
brÀunliche Masse. 

Reines Oel wird bei + 30—35° von einem gleichen 
Volum Alkohol klar gelöst, sobald es indess ĂŒber 5°, frem- 
des Oel enthĂ€lt, bleibt die Lösung trĂŒbe. 


Ich glaube in Vorliegendem die wichtigsten fetten Oele 
des Pflanzenreichs hinreichend charakterisirt zu haben und 
gehe nun zu einer kurzen Zusammenstellung der gebrÀuch- 
lichsten PrĂŒfungsmethoden derselben ĂŒber. In aller SchĂ€rfe 
werden die hier anzufĂŒhrenden Reactionen zwar nur bei un- 
verfÀlschten Oelen auftreten, allein in den meisten FÀllen und 
namentlich, wenn das Gemisch nicht zu complicirt ist, werden 
sie doch hinreichend sein, ĂŒber ein vorliegendes Oel genĂŒgen- 
den Aufschluss zu geben. Was die zu den Versuchen ange- 
wendete Kalilauge betrifft, so muss dieselbe mit chemisch rei- 
nem Kali bereitet werden. Die von mir angewandte rothe, 
rauchende SalpetersÀure hatte ein spec. Gew. von 1,40. Zu 
den Bestimmungen des spec. Gew. werden sich die vom 
UniversitÀtsmechanikus Desaga in Heidelberg verfertigten 
Öleometer mit Vortheil verwenden lassen, 

14* 


212 Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einiger hĂ€ufig vorkomm. fett. Oele ete. 


Schema zur Unte 
bei gew. 


° 


; \ Schneeweiss Gelblich. 
5 Vol. Oel werden mit 1 Vol. Kalilauge | (Aandelöl, sehr gutes | Mohnöl, Olivenöl, 
von 1,34 tĂŒchtig geschĂŒttelt, RĂŒböl, gebleiehtes RĂŒböl, Sesamöl. | 


Die Masse ist: Olivenöl. 


schmalu. hellgrĂŒn, dunkelgrĂŒn, na 


In einem Reagensglase werden vorsichtig 
gleiche Vol. Oel und rothe rauchende | das Oel selbst wird oben zu rosa: 


SalpetersÀure zusammen gegossen. An der flockig und u.ndurch- Mohnöl. 


BerĂŒhrungsstelle bildet sich eine Mittel- | sichtig: Mandelöl. 
zone, diese ist 


10 Tropfen Oel und 2 Tropfen 


| 


In einem Reagensglase wird das Oel mit | Schön grĂŒn mit Gelb, beim SchĂŒtte 
concentrirter reiner SchwefelsÀure ver- | braunen Streifen: |brÀunlich olive) 
setzt, die BerĂŒhrungsstelle des Oels und RĂŒböl. grĂŒn: Mohnöl, 
der SÀure ist gefÀrbt: Madiaöl. 


Bei der Elaidinprobe wird die Oelmasse: Fest, krĂŒmlich und | Fest, krĂŒmlich uı 
weiss: Olivenöl, gelblich: RĂŒböl, 


Mandelöl, gebleichtes 
RĂŒböl. 


Beim Kochen mit Bleioxyd und Wasser Fest: schmierig: 
entsteht Pflaster, dessen Consistenz ist: Olivenöl. RĂŒböl, Mandelöl! 
Sesamöl. | 


Löslichkeit eines Theils Oel in Alkohol: 1:1 1:25 
Rieinusöl. Mohnöl. 
RE EIERN. WERNEEREEEERIEREEEERERERENRERGEE 3 
Das specifische Gew. der Oele ist: 0,913 0,914 Ä 
Mohnöl u. Oel von | Mandelöl u. Oel vi 
Brass. Nap. Brass. camp. | 
Temperaturen nach Celsius, bei denen — 270 —18° 
die Oeie aus dem festen in den flĂŒssigen Hanföl. Rieinusöl. 


Zustand ĂŒbergehen. (f 
+2,50 +60 bis +8] 


Olivenöl, Schmalzöl | 


Ueb. Eigensch., PrĂŒf. u. Nachweis. einiger hĂ€ufig vorkomm. fett. Oele ete. 213 


uchung der fetten Oele 
| Tem peratur. nach dem Aufkochen 
— ei 
GrĂŒnlich. Rosa. Braunu.starr| Gelbbraunu. Roth 
‚einöl, Hanföl, Raffinirtes Hanföl. flĂŒssig, Leinöl. Thran. 
upferh. u. knstl. | RĂŒböl. | 
gefÀrbte Oele. 


DL nn 


breit u. schön | braunroth: grĂŒn, nach | braunroth, das ganze Oel 


ellblaugrĂŒn:| Leberthran. | oben roth: nach unten fĂ€rbt sich nach 
Olivenöl, Leinöl. grĂŒnlich: einiger Zeit 
RĂŒböl. roth: Leinöl. 


SchwefelsÀure Gleiche Vol. Oel und SÀure 


— = ee ze 
tothe, baldin ohne Schwefelkohlenstoff m. Schwefelkhst. 
P} . u Sr orye ET 
aewer: ĂŒbrg. | heim SchĂŒtteln grĂŒn: roth: m,d. 20fach.Vol. 
Streifen, ziehen |,chön dunkel- „Leinöl, Thran. Schwefelkohlst. 
ich in Schlan- grĂŒn: RĂŒböl. Hanföl. prachtvoll 
genwindungen violette, rasch 
lurch d. FlĂŒssig- in Braun ĂŒber- 

keit: Thran. geh. FĂ€rbung: 
Thran. 


nn TTEEEEEEEEREREEEEERERRRRER 


Fest und roth: | Wachsartig u. |In d. Elaidinm. | UnverÀndert: | Aether. Oele, zur 
Sesamöl. weiss: zeig, sich Oelstr. Leinöl, Geruchscorrec- 
Rieinusöl, u. Tropfen: Oel- Mohnöl, tion d. Olivenöl 
gemische, in d.| Nussöl. .. zugesetzt, 
sich trockn. Oele schwimmen auf 
befinden. dem Elaidin. 


hmierig, doch | 
mit der Zeit 
trocknend: 


1:30 | 1:40° 1:60 | 
_ Hanf. |  Loeinöl. Mandelöl. | 
0,918 0,923 0,926 0,950 — 0,970 0,930 
Olivenöl | Sesamöl. Sonnen- Rieinusöl. Leinöl. 
blumenöl, 


— 16° bis a 60 | _4 50 
Leinöl. Sonnen-' Oel von Brassie. | Oel von Brass. Sesamöl. 
blumöl. Napus. | camp. | 


20% bis — 25° 
Mandelöl, 


214 Ueber Liebig’sche Suppe. 


Ueber Liebig’sche Suppe. 
Von B. Hirsch, Apotheker in GrĂŒnberg. 


Nachdem ich mit diesem trefflichen Nahrungsmittel zwei 
gesund und krÀftig geberene Kinder, die jedoch unter dem 
Einfluss ihrer Ammen viele Wochen lang an AusschlÀgen 
und Wundsein bei mehrfach verheimlichtem Nahrungsmangel 
schwer gelitten hatten, mit dem erwĂŒnschtesten Erfolge auf- 
gezogen habe, erlaube ich mir darĂŒber Folgendes mitzutheilen: 

Nach Liebig’s ursprĂŒnglicher Vorschrift ist Malz- 
mehl anzuwenden; spÀter empfiehlt er, das Malz auf der 
KaffemĂŒhle zu mahlen, und das Mehl durch ein nicht allzu- 
feines Haarsieb von den Spelzen zu trennen. 

Ich habe das Malz stets im geschrotenen Zustande, wie 
es bei der Brauerei benutzt wird, ohne jede weitere Vorbe- 
reitung, also mit den Spelzen verwendet, und nur seine 
QuantitÀt um 20 Procent um dieser Spelzen willen vermehrt. 
Die Digestion habe ich stets im Wasserbade und mit einge- 
senktem Thermometer, das höchstens auf 70°0. steigen und 
. nicht unter 60°C. sinken durfte, bei sehr hĂ€ufigem UmrĂŒhren 
bewirkt. Das Abseihen fand durch ein feines BrĂŒhsieb von 
Weissblech, ohne allen Druck statt, doch wurde der RĂŒck- 
stand immer noch einmal mit Wasser angerĂŒhrt, nochmals 
abgeseiht und mit etwas Wasser nachgewaschen. Die da- 
durch bewirkte VerdĂŒnnung der Suppe wurde von den Kin- 
dern sehr gĂŒnstig empfunden, wĂ€hrend die concentrirtere 
Nahrung ihnen augenscheinlich weniger zusagte. Ich kam 
auf diese Weise zu folgender feststehenden Vorschrift: 


2,0 g. doppelt kohlensaures Kali, 

64,0 „ Weizenmehl zweiter QualitĂ€t, 

80,0 „  geschrotenes Gerstenmalz mit Spelzen wurden mit 

120,0 „ Wasser und 

600,0 „ Milch 
gleichmĂ€ssig angerĂŒhrt, im Wasserbade auf eine Temperatur 
von 64— 66°C. gebracht, darin 1/; — 3], Stunden lang unter 
hĂ€ufigem UmrĂŒhren erhalten, ‚hiernach bis zum Kochen erhitzt, 
abgeseiht, der RĂŒckstand nochmals mit Wasser angerĂŒhrt, 


Ueber Liebig’sche Suppe. 215 


wieder abgeseiht, und durch Nachwaschen mit Wasser die 
Gesammtcolatur auf 1 Liter gebracht. Die gut gemischte 
FlĂŒssigkeit lĂ€sst man kurze Zeit absetzen, und fĂŒllt sie dann 
in einzelne Flaschen von demjenigen Inhalt, den das Kind 
je auf einmal austrinkt. Reste kocht man auf oder giesst sie 
weg. Die Flaschen werden bis zum jedesmaligen Gebrauch 
im Keller aufbewahrt. Die Haltbarkeit der Suppe ĂŒbersteigt 
in der warmen Jahreszeit nicht 1—1'/,, in der kalten nicht 
2 Tage. Die scrupulöseste Reinhaltung der GefÀsse und 
Stöpsel ist dabei eine Hauptbedingung, deren VernachlÀssigung 
sich durch Magenverstimmung und Diarrhöen der Kinder 
sogleich empfindlich rÀcht. 

Der grosse Zeitaufwand, welchen die tÀgliche Zubereitung 
der Suppe veranlasst, bestimmte mich, die Suppe versuchs- 
weis in Extractform herzustellen; und bin ich nach halbjÀhri- 
ger Erfahrung mit dem Resultat so sehr zufrieden, dass ich 
durch dessen Veröffentlichung manchem Collegen einen Dienst 
zu erweisen hoffe. Die Extraction erfolgt mit weichem Was- 
ser, ohne Milch, im Wasserbade, unter genauer Beachtung 
der obigen Temperaturgrenzen; sie wird aber lÀngere Zeit 
und zwar 3—4 Stunden lang fortgesetzt und zweimal mit 
!, —1stĂŒndiger Dauer wiederholt, was keinesweges ĂŒber- 
flĂŒssig ist, da beispielsweis die drei aus 5600 g. Malz und 
4480 g. Mehl bereiteten AuszĂŒge folgende VerhĂ€ltnisse zeigten: 

1. Auszug 42 Pfund von 1,110 spec. Gew. bei 18°C, — 
26°%, oder 10,92 Pfund Extract. 

2. Auszug 20,5 Pfund von 1,057 spec. Gew. bei 18°C, — 
14°), oder 2,87 Pfund Extract. 

3. Auszug 19,5 Pfund von 1,027 spec. Gew. bei 18°C. = 
63/,%/, oder 1,32 Pfund Extract. 

Aufkochen der gewonnenen AuszĂŒge ist nicht erforder- 
lich; es findet auch dabei ausserordentlich leicht ein Anbren- 
nen an einzelnen Stellen statt. Die QuantitĂ€t des beizufĂŒgen- 
den einfach oder doppelt kohlensauren Kalis' ist wegen der 
vollstĂ€ndigeren Extraction der Mehlsubstanz um 10— 15%, 
zu vermehren; es resultirt auch dann nur ein Extract von 
sehr schwach, aber doch unzweifelhaft alkalischer Reaction. 


216 Ueber Liebig’sche Suppe. 


Das Abseihen geschieht am besten durch ein mÀssig feines 
Haarsieb. Der Versuch, die FlĂŒssigkeit durch Absetzenlas- 
sen oder durch Coliren etc. zu klÀren, ist resultatlos; nach 
16 stĂŒndigem ‚ruhigen Stehen in hohen Cylindern erscheint 
nur 1/,, der FlĂŒssigkeit klar, °/,, trĂŒbe Man thut desshalb, 
auch in RĂŒcksicht auf die geringe Haltbarkeit der verdĂŒnnten 
FlĂŒssigkeit gut, der Extraction unmittelbar das Abdampfen 
unter bestĂ€ndigem RĂŒhren bis zu der richtigen Consistenz 
folgen zu lassen. Das Abdampfen geschieht im Wasserbade 
in einem Kessel oder einer Schale von genau bekanntem 
Gewicht, nachdem das absolute und specifische Gewicht der 
abzudampfenden FlĂŒssigkeit genauer ermittelt ist, um daraus 
den Extractgehalt derselben berechnen zu können. Letzteres 
kann recht wohl nach der Balling’schen Tabelle zur Er- 
mittelung des Malzextractgehaltes aus dem specifischen Gewicht 
der BierwĂŒrzen geschehen, wenn sich auch die trĂŒbe Extraet- 
flĂŒssigkeit durch ihren Gehalt an unaufgeschlossenen StĂ€rke- 
körnern wesentlich von der klaren BierwĂŒrze unterscheidet. 
FĂŒr die heisse Jahreszeit empfiehlt es sich, das Abdampfen 
so lange fortzusetzen, bis das Gewicht des RĂŒckstandes im 
tarirten Kessel das 1!/, fache des nach obiger Tabelle berech- 
neten Extractgehaltes betrÀgt; in der kÀlteren Jahreszeit kann 
man das Abdampfen eher unterbrechen, und zwar, wenn der 
RĂŒckstand das 1!/, fache des berechneten Extractgehaltes 
wiegt. Im ersten Fall erhÀlt man ein sehr zÀhes, fadenzie- 
hendes Extract, im zweiten eine zwar weiche, aber doch vom 
bewegten Spatel nicht abfliessende Pulpa. Die Farbe, die 
natĂŒrlich von der des Malzes mit abhĂ€ngt, ist im Allgemei- 
nen hellbraun, der Geschmack mild, mĂ€ssig sĂŒss und etwas 
mehlig, der Geruch der des Malzes, die wÀssrige Lösung 
trĂŒbe, von hellgraubrauner Farbe und sehr geringer, fĂ€rben- 
den Kraft. Die Lösung in gleichviel Wasser, die ein spec. 
Gew. von 1,18— 1,24 besitzt, ist dickflĂŒssig und bildet kei- 
nen merklichen Absatz; die Lösung in 4— 6 Theilen Wasser 
ist dĂŒnnflĂŒssig, klĂ€rt sich ziemlich rasch, wenn auch nicht 
bis zur völligen Durchsichtigkeit und giebt nach kurzer Zeit 
einen erheblichen Absatz, der unter dem Mikroskop noch sehr 


Ueber Liebig’sche Suppe. 217 


viele unzerstörte StÀrkekörner zeigt. Das bis zum Faden- 
ziehen eingedampfie Extract hÀlt sich auch in angebrochenen 
GefÀssen und in der heissen Jahreszeit monatelang gut; das 
dĂŒnnere neigt zur Schimmelbildung, welcher man mit Erfolg 
dadurch begegnet, dass man die OberflÀche mit etwas Zucker 
bestreut. Der bequemeren Dosirung und Vertheilung wegen 
empfiehlt es sich, die fĂŒr 1—2 Tage erforderliche Extract- 
menge in gleichviel Wasser vorrÀthig aufzulösen; bei lÀnge- 
rer Aufbewahrung sÀnert die Lösung auch im Keller. 

In richtigem VerhĂ€ltniss in verdĂŒnnter Milch gelöst, 
erhÀlt man ein, der direkt dargestellten Suppe in Aussehen, 
Geruch und Geschmack ganz Àhnliches GetrÀnk, das auch 
von den an solche Suppe gewöhnten Kindern ohne Anstand 
genommen wird. Nicht dasselbe kann ich von dem sog. 
Liebe-Liebig’schen Nahrungsmittel sagen. Dasselbe besitzt 
bei einem spec. Gew. von 1,39 —1,40 die Consistenz eines 
sehr dicken, fadenziehenden Syrups; es ist weit durchsichtiger, 
dabei aber weit brauner von Farbe, von sĂŒsserem aber weni- 
ger milden und nicht mehligen Geschmack, und sehr abwei- 
chendem Geruch; die wĂ€ssrige Lösung ist dĂŒnnflĂŒssiger, bei 
weitem klarer und brauner von Farbe, wirkt auch verhÀlt- 
nissmÀssig stark fÀrbend, und bildet einen nur geringen Ab- 
satz, in welchem man mittelst des Mikroskops_keine unzer- 
störten StÀrkekörner findet. Auf Zusatz von Jodlösung nehmen 
aber sehr zahlreiche Partikelchen eine blaue FĂ€rbung an, und 
geben sich dadurch als chemisch noch unverÀnderte, wenn 
auch zertrĂŒmmerte StĂ€rkekörner zu erkennen. 

Die Vorschrift zur Darstellung des Extractes stellt sich 
hiernach wie folgt: 

110 — 115 (statt 100) g. doppelt kohlensaures Kali, 

3200 g. Weizenmehl zweiter QualitÀt und 

4000 g. geschrotenes Gerstenmalz 
werden mit 15 —16 Liter weichen Wassers, nach vorange- 
gangener 1— 2stĂŒndiger Maceration, im Wasserbade unter 
fortdauerndem UmrĂŒhren zuletzt auf 64 — 66°C. gebracht und 
3—4 Stunden lang in dieser Temperatur erhalten; darauf 
wird das Gemisch in nicht zu grossen Portionen auf ein ziem- 


218 Ueber Liebig’sche Suppe. 


lich feines Haarsieb geschĂŒttet, mit kleinen Mengen Wasser 
nachgespĂŒlt, der gesammte RĂŒckstand mit 7—8 Liter weichen 
Wassers abermals 1 Stunde lang bei 64—66°C. digerirt, 
das FlĂŒssige wie oben mittelst Haarsieb getrennt, und der 
RĂŒckstand nochmals mit 5—6 Liter Wasser !/, Stunde lang 
erhitzt und wie oben abgeseiht. Aus dem absoluten und 
specifischen Gewicht der AuszĂŒge berechnet man ihren Ge- 
halt an Extract nach der Balling’schen Tabelle, und verdampft 
im vollen Wasserbade unter unausgesetztem UmrĂŒhren im 
tarirten Kessel auf das 1/, oder höchstens 1, fache Gewicht 
des durch Rechnung gefundenen Extractgehaltes. 


Die Ausbeute an trocknem Extract, nach der Balling’- 
schen Tabelle berechnet, betrÀgt durchschnittlich 6'/,;, bis 
62), Kg., oder in Verbindung mit 25 oder 50 Procent Was- 
ser 81, —8!/,, resp. 9%/, —10 Kg. Das dĂŒnnere Extract 
giebt durch Lösung in seinem gleichen Gewicht Wasser eine 
dicke, chocoladenartige FlĂŒssigkeit von 1,18—1,19 spec. Gew.; 
dieselbe FlĂŒssigkeit erhĂ€lt man durch Lösung von 5 Th. des 
dickeren Extractes in 7 Th. Wasser. 


Von dieser Lösung verdĂŒnnt man fĂŒr den jedesmaligen 
Gebrauch 1 Volum mit 2!/), Volum Wasser und 41, Volum 
Milch, erwĂ€rmt auf die Temperatur des Blutes, 34 — 36°C, 
keinenfalls höher, und reicht dem Kinde zur Nahrung. Die 
sorgfÀltigste Reinigung der Saugflaschen, Stöpsel und nament- 
lich der Gummisauger kann nicht dringend genug empfohlen 
werden. 


Im Ganzen liefert also die obige Menge von Ingredien- 
zien 100— 110 Liter, oder 1 Kg. des aufgelösten Extractes 
6%, —7 Liter Suppe; wĂ€hrend eine Flasche des sogen. 
Liebe-Liebig’schen Nahrungsmittels, durchschnittlich 265 g. 
Extraet haltend, 31/, Liter Suppe nach Liebe’s Vorschrift 
liefert. 


Mittheilungen aus der pharmaceutischen Praxis. 219 


Mittheilungen aus der pharmaceutischen Praxis. 


Von E, Heintz, Apotheker in Duisburg, 


1) Ueber Extracte. 


College Kostka giebt (Dec.-Heft 1871 d. Arch. 
d. Pharm.) die Extract- Ausbeuten verschiedener Droguen 
an. Wenn man diese Ausbeute mit den Preisen der Ex- 
tracte in den Preis-Couranten der HĂ€ndler vergleicht, so 
kann man sich nicht genug wundern, dass es noch Colle- 
gen giebt, die Extracte kaufen. Nehmen wir z. B. ein 
Extract heraus, was gerade bei mir gemacht worden ist, 
Extract. Colocynth. 3 Theile schön geschÀlte Coloquinthen 
geben 1 Theil möglichst samenfreies Muls. Es ganz vollstÀndig 
samenfrei herzustellen, ist fast unmöglich. 3 Pfd. Coloquinth 
kosten Thlr. 1 u. 15 Gr., also ein Pfd. Mufs auch 1 Thlr. 
15 Gr. Diese geben 25°, (ich erhielt 24°,) Extract. Im 
Preis- Courant kosten 50 g. Ext.=27 Gr. Also gewonnene 
125,0 Extr. kosten 1 Thlr. 15 Gr. Beim Materialisten 
kosten sie 2 Thlr. 7 Gr. 6 Pf. FĂŒr ĂŒberschiessende 22 Gr. 
6 Pf. also hat der gefÀllige Mann fast 2 Tage Coloquinthen 
aussuchen lassen, den Spiritus - Verlust getragen, die Pres- 
sungen, Destillationen, Abdampfen etc. etc. besorgt, giebt 
5°, Sconto und — verdient dabei. Und das bei einem Artikel, 
nach dem wahrlich nicht oft gefragt wird. Die Extr., die wir 
leider kaufen mĂŒssen, wie Extract Hyoscyami können Ă€hnlich 
berechnet werden. Sollte es nicht Collegen geben, die in nicht 
zu weiter Entfernung an einem Tage gesammeltes frisches 
Kraut per Eilgut auf Bestellung senden? 

Nachtrag fĂŒr Ext. Hyoscyami. FrĂŒher bot mir 
ein Mann von Neuss mehre Male Folia Hyosc. an. Auf 
meine Weigerung, nur BlĂ€tter statt des blĂŒhenden Krautes 
zu kaufen (fĂŒr Extract) sagte er: BlĂ€tter schneide ich mehre 
Monate von derselben Pflanze, die Pflanze nur einmal. Der 
Mann calculirte richtig. Da er, wie er sagte, seine BlÀtter 
leicht los werden könne, so ist er fortgeblieben. Trotz alle- 
dem ist ein aus frischen BlÀttern selbst bereitetes Ex- 
tract entschieden besser, als vieles kÀufliche. 


220 Mittheilungen aus der pharmaceutischen Praxis. 
2) Ueber ChininprĂŒfung. 

Neulich kaufte ich von einem Hause Chinin sulfur. Zimmer. 
Der Reisende bot zugleich ein billigeres Chininsalz an, welches 
Spuren von Cinchonin, resp. Chinidin-Salzen enthielt. Grös- 
sere Verunreinigung wie „Spuren“ giebt es nemlich nicht. 
Ich verbat mir selbstverstÀndlich Letzteres, erhielt aber den- 
noch ein eirca 8°, Verunreinigungen haltendes.. Auf meine 
Reclamation erhielt ich natĂŒrlich ganz reines, der Magazinier 
hatte sich vergriffen, was ja in jedem GeschÀft vorkommen 
kann. So die Antwort. Man rechne und nehme nur 5°, 
Cinchon. sulfur. an. Es kosten jetzt 4 Pfd. Chin. sulfur. 
Zimmer 53 Thlr., und 1 Pfund Cinchonin. sulfur. 6 Thlr, so 
verdient der VerkÀufer bei einem Verkaufspreis von 50 Thlr. 
immer noch 1—2 Thlr. am Pfunde mehr, wie der VerkĂ€ufer, 
der reines Zimmer’sches Chin. sulf. verkauft fĂŒr 53 Thlr. das 
Pfund. Wer also mischen wollte, thut dies billiger selbst. 

Da ich nicht weiss, ob das Archiv die leicht auszu- 
fĂŒhrende Untersuchung des Chin, sulf, von Doctor G. Kerner 
schon mitgetheilt hat (in der Hager’schen Oentralhalle 
hat sie gestanden), so gebe ich diese hier an.*) 

Als Control-Chinin diente mir eine kleine QuantitÀt durch 
die GĂŒte des Herrn Zimmer ĂŒberlassenen Chinin sulfur. Die 
Aether-Ammoniak-Probe ist bekanntlich nicht zuverlÀssig, 
dĂŒrfte jedenfalls auch nur mit genauer Beobachtung der Tem- 
peratur gemacht werden. 

2,0 bis 4,0 g. Chin, sulfur., welches durchaus keine 
freie SĂ€ure enthalten darf, werden in einem kleinen 


*) Dr. 6. Kerner’s Aufsatz ĂŒber die PrĂŒfung des kĂ€ufliehen 
schwefelsauren Chinins auf fremde Chinaalkaloide steht im 
ersten Jahrg. von Fresenius Zeitschrift f. analyt. Chemie (1862), 
S. 150—162. Unser Archiv der Pharmacie giebt im 124. Bde. d. 
II. Reihe (1865), 8. 142 eine Mittheilung der Kerner’schen Chininprobe 
nach Mohr’s Commentar. In meine Bearbeitung des Marquart’schen 
Lehrb. d. Pharmacie habe ich nach Dr. Kerner’s Originalabhandlung 
dessen treffliche Probe aufgenommen (Bd. III, S. 783). Oswald Hesse 
erklĂ€rt Kerner’s Verfahren fĂŒr das beste (siehe Will’s Jahresb. ĂŒber Chemie, 
1365, $8. 442). H. Ludwig. 


Mittheilungen aus der pharmaceutischen Praxis, 231 


Becherglase mit 20 (bei 2 g. Salz), resp. 40 (bei 4 g. 
Salz) ©. ©. destillirten Wasser anhaltend gemischt, dass das 
Gemenge eine Emulsions-Consistenz hat. Das Wasser darf 
nie ĂŒber 15°C. haben, also mit eingesenktem Thermometer 
gemischt. Nach halbstĂŒndiger Maceration wird klar filtrirt. 
In einem ganz trocknen, nicht zu weiten graduirten Cylinder 
giebt man 5 C.C. des Filtrats, lĂ€sst 7 C.C. AmmoniakflĂŒssigkeit 
von 0,96 sp. G. oder 50.C. von 0,92 sp. G. vorsichtig zu- 
fliessen, so dass sich die FlĂŒssigkeiten kaum mischen, und 
mischt dann durch ruhiges Neigen und Aufrichten. Die 
FlĂŒssigkeit muss das etwa Ausgeschiedene vollstĂ€ndig 
wieder lösen oder klar bleiben. Eine schwache bleibende 
Opalescenz, die auf Zusatz eines weiteren !/,, €. C. Ammo- 
niakflĂŒssigkeit verschwindet, berechtigt noch zu keiner ungĂŒn- 
stigen Beurtheilung des Praeparats. Findet keine klare Lösung 
statt, so ist das Chinin. sulf. unrein. Ein starkes SchĂŒtteln 
beim Mischen der FlĂŒssigkeiten darf wegen des hierdurch 
verursachten Verlustes an freiem Ammoniak nicht statt finden. 
Ueber die quantitative Beurtheilung der VerfÀlschung lese man 
in der BrochĂŒre von Dr. Kerner nach. Wer !/, Pfund oder 
darĂŒber kauft, hat bei Zimmer in der Versiegelung des Um- 
schlages mit dem Privat- Siegel des Hrn. Z. eine ziemliche 
Sicherheit, dennoch rathe ich, obige kleine MĂŒhe nicht 
zu scheuen, um so mehr, als beim vorsichtigen Trock- 
nen des RĂŒckstandes auf dem Filter kaum ein Verlust statt- 
findet. 


Ueber das Einlassen von Glasstöpseln in Paraffın 
oder Àhnliche Fettstoffe. 


Von G. GlÀssner, Apotheker in Kassel. 
Bekanntlich werden Glasstöpsel zu GefÀssen, in denen 


Aetzalkalilaugen lÀngere Zeit aufbewahrt werden sollen, hÀufig 
in Paraffin eingelassen, und erhÀlt man auch aus chemischen 


222 Ueber Tinct. Rhei aquosa. 


Fabriken oft GlĂ€ser mit Lauge gefĂŒllt (z. B. Normal- Aetzkali- 
Lauge), deren Stöpsel mit Paraffin oder wenigstens mit einem 
Àhnlichen Fette eingelassen sind. Dieses quillt indess hÀufig, 
wenn es einigemale mit Aetzlauge in BerĂŒhrung gekommen 
ist, zu einer schaumigen Masse auf, welche in die Lauge 
fliesst und darin eine geringe TrĂŒbung verursacht. Es ist 
nun von höchster Wichtigkeit, solche Lauge nicht etwa zu 
Fehling’scher Lösung zu verwenden, da sie dieses Reagens 
stark reducirt und so leicht zu IrrthĂŒmern Anlass geben kann. 
Auch bei AusfĂŒhrung der Schiff’schen Probe ist es geboten, 
das Gemisch von weinsaurem Kupferoxyd und Kalilauge von 
zweifelhafter Reinheit stark aufkochen zu lassen, und es erst, 
wenn sich hierbei eine TrĂŒbung nicht zeigt, dem Harne zu- 
zufĂŒgen. 


Ueber Tinet. Rhei aquosa._ 
Von Dr. R. Mirus, Hofapotheker in Jena. 


Im Novemberheft des vorigen Jahrgangs ist eine Vor- 
schrift des Hofapotheker Fischer in Dresden veröffentlicht, 
die — wie ich hierdurch ebenfalls bestĂ€tige, eine vortrefflich 
haltbare Tinct. Rhei aquosa liefert. Ich habe dieselbe im Sep- 
tember vorigen Jahres bald nach meiner RĂŒckkehr von Dres- 
den dargestellt und finde sie heute noch ebenso unverÀndert. 


Ich versuchte es nun, unter Hinweglassung des Borax 
und unter möglichst genauem Einhalten der VerhÀltnisse in 
der Vorschrift der Preuss. Pharmacopöe diese Tinctur darzu- 
stellen, verfuhr aber ĂŒbrigens bezĂŒglich der Bereitung genau 
nach den Angaben Fischer’s und erhielt, wie ich erwartet 
hatte, eine ebenso haltbare Tinetur, wie die nach Fischer’s 
Vorschrift bereitete es ist. *) 


*) Ich verweise hier zugleich auf die beiden Artikel ĂŒber Tincet. Rhei 
aquosa von Dr. H, Ludwig in dem Januar- und von Dr. Enders im 
Septemberheft dieses Archivs, Jahrg. 1871; namentlich die von Enders 


Ueber Tinet. Rhei aquosa. 223 


Diese so dargestellte Tinct. Rhei aquosa steht in einem 
damit kaum zum 4. Theile angefĂŒllten, lose mit Korkstöpsel 
verschlossenen Glase, seit 9 Wochen in einem tÀglich gut 
geheizten Wohnzimmer. Das Glas wurde jede Woche mehr- 
mals einige Minuten geöffnet und die Tinctur umgeschĂŒttelt. 
Geruch und Farbe sind noch unverÀndert und die Tincetur so 
klar, wie nach dem Filtriren vor 9 Wochen. 


Die Vorschrift lautet demnach: 
Nimm: Rhabarber, in sehr dĂŒnne Scheiben geschnitten 12 Theile, 


Reines kohlensaures Kali MEN 
Höchst rectificirten Weingeist 002, 
Einfaches Zimmtwasser 11,9% 
Kochend heisses, destillirtes Wasser 88,5 „ 


"Die Rhabarberwurzel und das kohlensaure Kali werden 
mit dem kochenden destillirten Wasser ĂŒbergossen und !/, 
Stunde ausserhalb des Dampfbades bedeckt stehen gelassen. 
Hierauf wird der Weingeist hinzugefĂŒgt, umgerĂŒhrt, nach 
einer Stunde colirt und der RĂŒckstand alsbald mit der Hand 
ausgepresst. Der Colatur setzt man dann das Zimmtwasser 
hinzu, lÀsst absetzen und filtrirt. Das Filtrat betrÀgt etwa 
95 Theile, das VerhÀltniss der Rhabarber zur fertigen Tinc- 
tur ist sonach 1:8 (in der Fischer’schen Vorschrift 1: 10). 


Nach der Vorschrift der preuss. Pharmacopöe wĂŒrden 
16 Theile spirituöses Zimmtwasser genommen werden 
mĂŒssen, in denen nur 3,55 Theile Spir. Vini rectificatus 
enthalten sind, wÀhrend hier 6 Theile Spir. Vini rectificatissi- 
mus angewendet wurden. — Die Fischer’sche Vorschrift 
hat hingegen eine der angewendeten Rhabarber gleiche Menge 
Weingeist, es wĂŒrden demnach hier 12 Theile zu nehmen 
gewesen sein. Ich werde baldigst versuchen, ob sich nicht 
mit noch weniger und zwar mit 3/, Theilen Weingeist aus- 
kommen lÀsst. 


vorgeschlagene Bereitungsweise geht bezĂŒglich der Anwendung von Wein- 
geist von derselben Ansicht aus, welche auch in der Fischer’schen Vor- 
schrift zur Geltung gebracht worden ist, 


224 Ueber Tinet. Rhei aquosa. 


Da zur Destillation von 16 Theilen Ag. Cinnam. spir. 
1,77 Theile Zimmt-Cassia verwendet werden, habe ich, dem 
entsprechend 17,5 Theile Aq. Cinnam. simpl. verwendet, zu 
denen bei der Bereitung ebenfalls 1,77 Theile Zimmt- 
Cassia genommen werden. 

Ich gebe zu, dass das spirituöse Zimmtwasser gehalt- 
reicher an Zimmtöl sein kann, als das aus der gleichen Menge 
Rinde bereitete einfache Zimmtwasser. Die Menge desselben 
wĂŒrde also dann noch nach VerhĂ€ltniss zu vermehren sein. 


Um das VerhĂ€ltniss der FlĂŒssigkeit wie in der Vor- 
schrift der Pharmacop. streng einzuhalten, wurden an den 
vorgeschriebenen 96 Theilen destillirten Wassers 71/, Theile 
in Abzug gebracht. (Der verwendete Weingeist und das 
einfache Zimmtwasser betrugen zusammen 23!/, Theile, wÀh- 
rend die Pharmac. nur 16 Theile spirituöses Zimmtwasser 
vorschreibt. 

Ich werde bald auch noch Versuche anstellen, ob nicht 
eine ebenso haltbare Tinctur erzielt werden kann, wenn statt 
der Infusion mit kochendem Wasser, wie nach Fischer’s 
Vorschrift, nur eine 24 Stunden andauernde Maceration stait- 
findet, (Ph. Boruss.), unter Zusatz des Weingeistes etwa im 
letzten Drittel der Maceration. Wie schon angegeben, werde 
ich auch noch die kleinste erforderliche Menge Weingeist 
ermitteln. 

Die vorstehende Vorschrift dĂŒrfte, wenn man davon aus- 
geht, dass dieselbe sich der Vorschrift der Pharmacop. soviel 
wie möglich anpassen muss, die annehmbarste sein, von den 
vielen bereits frĂŒher vorgeschlagenen, da sie ohne namhafte 
Abweichung eine haltbare Rhabarbertinetur liefert, was fĂŒr 
die praktische Pharmacie immerhin ein Gewinn ist. Vielleicht 
könnte sie doch noch Aufnahme finden in die neue Pharmacop. 
germanica, wesshalb ich die baldige mehrseitige PrĂŒfung 
empfehle. 

Das Wasser könnte man zweckmÀssig noch um einige 
Theile vermehren und die Colatur auf 100 Theile feststellen, 
falls nicht vorgezogen werden sollte, in der Vorschrift das 
VerhÀltniss der Rhabarber zur Colatur in 1:10 umzuÀndern, 


\ 


Die trocknen narkotischen Extracte. 235 


Die trocknen narkotischen Extraecte. 


Von W. Stromeyer, Apotheker in Hannover. 


Als im November 1870 die Verordnung erschienen war, 
die trocknen narkotischen Extracte mit Dextrin zu bereiten, 
beeilte ich mich zunÀchst, mir dieses vollkommen rein darzu- 
stellen und damit jene Extracte anzufertigen. Da dieselben 
hier nun aber vorwiegend mit spirituösen FlĂŒssigkeiten, wie 
z.B. mit Tinct. Colchiei, Vin. stibiat. verschrieben werden, 
musste ich sehr bald die unangenehme Erfahrung machen, 
dass sie sich in den meisten FĂ€llen nicht verwenden liessen 
und in diesen das unangenehme, unsichere AbwÀgen sehr 
kleiner Mengen rer dicken Extracte nicht vermieden werden 
konnte. Dieserhalb machte ich den Versuch, eines der gang- 
barsten, Extr. Hyoscyami, mit Saccharum den VerhÀltnissen 
der Pharmak. entsprechend zu trocknen. Da dies gelungen 
und das völlig trockene Pulver nach Verlauf mehrer Wochen 
nicht feucht geworden war, bereitete ich in gleicher Weise 
Extracta sicca von Extr. Aconiti, Belladonnae und Lactucae, 
welche gleichfalls zu den hier gebrÀuchlichsten gehören und 
nebst dem ersteren, jetzt bereits ein volles Jahr hindurch wie- 
derholt angefertigt, gebraucht und niemals feucht geworden sind. 

Bemerken will ich noch, dass das Austrocknen bei sehr 
mÀssiger Temperatur von etwa + 80°C. geschehen muss, 
wenn.es gelingen soll. Da es bei erheblich höherer Tempe- 
ratur nicht ausfĂŒhrbar ist, die Extracte dann schmierig bleiben, 
so hat diese Methode noch den Vorzug, dass jene nicht ver- 
brannt und zersetzt werden können, in welcher. Weise wider- 
rechtlich beschaffen sie wohl angetroffen werden. In jeglichen 
FlĂŒssigkeiten lösen sich diese mit Zucker bereiteten Extracte 
sehr leicht ohne Verreibung in einem Mörser auf. 

Leider habe ich versĂ€umt, diese Erfahrungen frĂŒher mit- 
zutheilen, was vielleicht Veranlassung hÀtte geben können, die 
Vorschrift in der deutschen Pharm. aufzunehmen, wenn es nicht 
dennoch, auf anderweite Erfahrungen gestĂŒtzt, geschehen ist. 


Hannover im MĂ€rz 1872. 


Arch, d,. Pharm. OXCIX. Bd», 3, Hft. 15 


226 


II. Naturgeschichte und Pharma- 
cognosie. 


Beschreibung einiger pharmacognostischer Gegen- 
stÀnde Mittel - Asiens. 
(Untersuchungen aus dem chem. Laboratorium der UniversitÀt zu Greifs- 
wald, Pommern.) 


Von R. Palm. 
a) Die Alge SchorĂŒm DorĂŒ. 


Zu Anfang des Jahres 1868, wÀhrend meines Aufent- 
haltes in Mittel- Asien wurde mir durch einen Muhamedaner, 
der als Miltair- Arzt in russischen Diensten stand, eine Alge 
zur Beurtheilung vorgelegt. Dieser Arzt stand mit den ange- 
sehensten muhamedanischen HeilkĂŒnstlern Asiens in wissen- 
schaftlichen Wechselbeziehungen, daher waren ihm die asiati- 
schen VerhÀltnisse zum Theil genau bekannt. Nach seiner 
Aussage stammt diese Alge aus den Salzseen, die am Hima- 
laya-Gebirge gelegen sind; sie besteht aus 6 bis 14 Zoll 
langen und 1 bis 3 Zoll breiten BlattstĂŒcken. Das Blatt 
verschmÀlert und verdickt sich allmÀhlig nach dem einen 
Ende zu, wodurch ein dem Stengel Àhnliches Organ entsteht. 

Getrocknet, erscheinen die BlÀtter von graubrauner Farbe, 
lederartig dick mit anhaftenden kleinen Salzkrystallen, die 
StĂŒcke‘ der LĂ€nge und Breite nach verschiedenartig zusammen- 
gelegt und dann zu BĂŒndeln veremigt, wie sie im Handel 
anzutreffen sind. Im Wasser geweicht, nehmen die StĂŒcke 
auffallend an Dimensionen zu und es lassen sich dann dun- 
kelgrĂŒne und braune BlĂ€tter unterscheiden. Diese Alge wird 


Beschreibung einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel- Asiens. 227 


von den besseren muhamedanischen Aerzten Mittel- Asiens 
geschÀtzt als sicheres Mittel gegen Kropf, verschiedene Haut- 
krankheiten, Scrophulosis und Syphilis und wird aus diesem 
Grunde aus China nach den MĂ€rkten Mittel- Asiens gebracht, 
wo sie jedoch nur in kleineren Portionen anzutreffen ist. 


Dieses Mittel ist wahrscheinlich identisch mit den BlÀt- 
tern, welche die EnglÀnder unter dem indischen Namen 
„Giler ke pater“ (BlĂ€tter gegen den Kropf) kennen. Erst 
in Wien hat man dieselben mit dem wissenschaftlichen Na- 
men „Laminaria saccharina“ bezeichnet. Dieses indische 
Mittel ist in Lahore und Kaschmir offieinell und kommt aus 
Thibet; die Eingeborenen sagen, es wachse dort in einem 
Salzsee. Nach Dr. Honigberger’s Mittheilungen aber sind 
englische Aerzte der Meinung, es möge zwar aus dem Thibet 
kommen, jedoch nur im Kaspischen Meere wachsen; 
allein Honigberger glaubte sie auch im offenen Ocean unweit 
des Vorgebirges der guten Hoffnung auf dem Meere herum- 
schwimmend gefunden zu haben. — Die BlĂ€tter sind mehre 
Ellen lang, 2 bis 3 Finger breit und sehen aus wie einge- 
salzen; sie sind stark jodinhaltig, wesshalb sie vorzĂŒglich 
auf die SchilddrĂŒsengeschwulst (den Kropf) wirken. Honig- 
berger fand dieselben sehr wirksam bei Augenbutter, Mund- 
winkelgeschwĂŒren, Unverdaulichkeit, Appetitmangel, Magen- 
drĂŒcken, MagenhĂŒpfen, Stuhlzwanz und Fieber.*) 


Von dieser Laminaria saccharina ist ferner Folgendes 
bekannt.**) Fucus saccharinus nach Linne, Ulva 
longissima nach Gunn. Laminaria saccharina La- 
mouroux. ÖlivengrĂŒn, Stiel etwas flach, verlĂ€ngert sich 
ganz allmÀhlig nach aufwÀrts in der Breite, lange lanzett- 
förmige Phyllome, 1—6‘ lang und 1—8 breit, ganzrandig, 


*) „FrĂŒchte aus dem Morgenlande“ von J. M. Honigberger, 
gewesenem Leibarzte der königl. MajestÀten: Rentschit-Sing, Kanck - 
Sing, der Rani Tschendkour Schir - Sing und Dhelib-Sing. Wien 1853. 
8. p. 452. 


**) Siehe Carl Bryant’s Verzeichniss der zur Nahrung dienenden 
Pflanzen, aus dem Englischen. Bd. 1. p. 142, 


15* 


228 Beschreibung einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel-Asiens. 


zuweilen wellig am Rande. Kommt vor in der Nordsee und 
im MittellÀndischen Meere, dient als Viehfutter, wird hÀufig 
zur Gewinnung der Tangsoda verwendet und besonders in 
Island gegessen, wo sie den Namen Dillesk fĂŒhrt und an 
felsigen KĂŒsten wĂ€chst. Das frische Laub wird als Salat 
gegessen und mit Milch zu Brei gekocht. In Island wer- 
den die frischen BlĂ€tter in sĂŒssem Wasser gewaschen, an 
der Sonne getrocknet und in Tonnen verpackt. Die BlÀtter 
sind anfangs purpurroth, dann aber, wenn der Mannit aus- 
schwitzt, weiss und werden dann von den IslÀndern mit 
Butter zu trockenen Fischen gegessen, Man hÀlt dieses 
Alge fĂŒr eine sehr gesunde und delicate Speise. 

Die unter dem Collectiv-Namen Thare*) begriffenen 
Platttange dienen den IslÀndern zur Speise, aber selten, da- 
gegen sind Rinder und Schafe sehr begierig nach diesen 
SeegewÀchsen, welche ihnen adch wohl bekommen. Inson- 
derheit sollen die Schafe vom Genusse des gefingerten Platt- 
tangs und des essbaren FlĂŒgeltangs (Laminaria digitata 
und Alaria esculenta) sehr fett werden, was hingegen 
beim Zuckertang Laminaria saccharina, den sie am ehesten 
verschmÀhen, nicht der Fall ist. 

Böhmer beschreibt diese Alge in folgender Weise: **) 

Alga saccharina, Fucus saccharinus L. ist mit 
vielen kleinen Fasern oder Haken an Steinen befestigt, welche 
alle aus 3 oder 4 Wurzeln entspringen. Auf allen diesen 
steht ein Stiel, ohngefÀhr einen Finger hoch und mit einem 
einzigen Blatte besetzt. Auf der ganzen Pflanze bemerkt 
man ĂŒberall Runzeln und Vertiefungen, welche mit einem 
fruchtbaren Schleim angefĂŒllt sind. Das ganze Blatt ist 
4 Ellen lang. Die IslÀnder pflegen es mit heissem Wasser 
zu befeuchten, an der Sonne zu trocknen und in hölzerne 
GefÀsse zu legen, wo es dann nach einiger Zeit eine weisse 
Farbe und einen zuckerartigen Geschmack erhÀlt. Was man 


*) Siehe Geographische Naturkunde von Dr. Wilhelm Ebel. 
p. 278. 

**) Siehe Technische Geschichte der Pflanzen von Dr. R. Böhmer, 
p. 762, 


Beschreibung einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel-Asiens. 229 


fĂŒr Zucker ausgiebt, soll nach Gmelin nur Meersalz 
sein, welches, wenn es die Zunge nur wenig berĂŒhret, einen 
sĂŒsslichen Geschmack! erregt, wenn man es aber hinunter- 
schluckt, die GedÀrme reinigt und purgirt. 

Agardh sagt von der Alge: 

Hab. in mari septentrionali Europam Asiamque alluente, 
a Nowegia summa usque ad Galliam inferiorem, ab Islandia 
usque ad littora Kamtschatkae.*) 

Guibourt giebt von derselben Folgendes an: **) 

La laminaire, prealablement lavee pour enlever l’eau 
salee, qui la mouille, et söchee, presente une couleur rousse 
ou verdÀtre, une odeur peu marquee et une saveur douceÀtre 
et nauseabonde. 

Elle se recouvre quelque temps apr&s sa dessication d’une 
efflorescence blanche, qui offre un goĂŒt sucre. Üette substance, 
qu’on a prise pour du sucre cristallisable, puis pour de la 
mannite (Phipson), est probablement de la phycite., 

Nach den mit dem SchorĂŒm-DorĂŒ angestellten che- 
mischen PrĂŒfungen lĂ€sst sich Folgendes mittheilen: 

Beim Weichen in kaltem Wasser quillt die zerkleinerte 
Alge in demselben Maasse auf, wie das Üaragheen-Moos, 
wodurch die Alge gÀnzlich geschmacklos wird; in dem Was- 
ser lÀsst sich reichlich Jod nachweisen. Beim Kochen der 
Alge in Wasser entsteht eine dieke Gallerte und das Jod 
ist in der Lösung noch reichlicher enthalten. Die Gallerte - 
wird durch Alkohol vollstÀndig ausgefÀllt, durch Jodlösung 
nicht geblÀut und reducirt aus alkalischer Kupferoxydlösung 
beim Erhitzen Kupferoxyd. 

A) 10,19 Grm. getrockneter Alge hinterliessen nach dem 
GlĂŒhen: 

2,628 Grm. Salze. Aus diesen liessen sich durch Was- 
ser auflösen 

1,557 Grm. In dieser Lösung wurden gefunden: 


*) Siehe: Species, Genera et ordines fncoidearum et algarum auctore 
Jacobo Georgio Agardh 1848. p. 132. 

**) Siehe: Histoire naturelle des drogues simples par C. Guibourt 
professeur de pharmacie de Paris. Tome seconde. 


230 Beschreibung einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel-Asiens. 


Chlor kann 0,3874 Grm. 
SchwefelsĂ€ure 0,1295 „ 
Natrium 0,4287 „ 
Kalium 
Jod 0,0992 


B. 1,071 Grm. in Wasser unlöslicher Salze, wurden mit 
verdĂŒnnter SalzsĂ€ure lĂ€ngere Zeit erhitzt; in der erhaltenen 
Lösung waren- enthalten: 


Thonerde 0,2700 Grm. 
Magnesium 0,2400 „ 
Calcium 0,1012 ,, 
Eisenoxyd 0,0400. „ 


C. Nach dem Behandeln der Salze mit SalzsÀure hinter- 
blieb ein RĂŒckstand, der mit Natroncarbonat aufgeschlossen 
werden musste; nach dieser Operation enthielt die Salzschmelze 
noch 0,147 Grm. unaufschliessbare Substanz, in der salzsau- 
ren Lösung der Schmelze waren enthalten 0,1570 Grm. Kie- 
selsÀure. 

D. Ausser diesen Substanzen liessen sich noch Spuren 
von PhosphorsÀure und reichlicher KohlensÀure 
in dem Salze, das beim Verbrennen der Alge gewonnen war, 
nachweisen. Die KohlensÀure kommt jedoch nicht vorgebildet 
in der Alge vor, sondern wird erst beim Verbrennen dersel- 
. ben gebildet. Berechnet man die KohlensĂ€ure in ‚solcher 
QuantitĂ€t als zur Verbindung mit einem ‘der Alkalien oder 
einer der alkalischen Erden erforderlich ist, so wird das 
Gewicht der Asche durch das Hinzukommen der berechneten 
KohlensÀure zum Gewichte der gefundenen Salzbestandcheile 
vollstĂ€ndig ausgefĂŒllt. 

Der Gesammtgehalt der in 2,628 Grm. Asche 
gefundenen Substanzen wÀre demnach 


Natrium 0,4287 
Magnesium 0,2400 
R Thonerde 0,2700 
Calcium 0,1012 


Kalium 0,1300 


Beschreibung einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel-Asiens. 231 


Eisenoxyd 0,0400 

Chlor 0,3874 

Jod 0,0992 

SchwefelsÀure 0,1295 

KieselsÀure 0,1570 

PhosphorsÀure Spuren 

RN j nicht bestimmt 
\ worden 


Unaufschliessbare Substanzen 0,1470, 


Nimmt man statt der gefundenen Menge rund 0,1 Grm. Jod 
fĂŒr die Asche an, so wĂ€re in der Alge 1°/, Jod enthalten. 
Es ist bis jetzt weiter keine Pflanzensubstanz bekannt, die 
einen so auffallend grossen Jodgehalt besÀsse., 


b) Das Sirauwant. 


Dem Habitus nach lassen sich unversehrte StĂŒcke mit 
Knollen von Corydalis solida Sm., andere kleinere StĂŒcke 
mit Krebssteinen, andere mit Boletus cervinus m 
Form und Grösse vergleichen. Es ist schwierig zu entschei- 
den, ob diese Drogue FrĂŒchte, Knollen oder Wurzeln sind.*) 

Abbildung Nr. 1. 


Die meisten StĂŒcke sind an 
der unteren Seite abgeplattet, 
wo sie in der Mitte eine runde 
Vertiefung zeigen, an der sich 
hÀufig Organe, Àhnlich den 
Stengelstumpfen befinden. Der 
obere Theil ist kugelförmig ab- 
gerundet und mit 2 bis 5 klei- 
Do die Bike, h)irön anitetis nen Löchern versehen, in denen 

c) von oben, sich Haarzipfel befinden. Die 


1 N) m h 
i ne (m Sn 
lan I, 


*) In D. Hanbury’s Beitr. z. Materia mediea Chinus, ĂŒbersetzt 
von Th. Martius, finden sich 8. 60 Abbildungen von Knollen einer 
chinesischen Aroidee, Pinellia tubifera Tenore, die den hier 


abgebildeten sehr Àhnlich sind. 
ZH. la 


232 Beschreibung einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel-Asiens. 


kleineren StĂŒcke erscheinen ganz weiss mit gelben Ringen 
durchzogen und bestehen durchweg aus einer homogenen 
Substanz; die grösseren StĂŒcke bestehen aus einer inneren, 
weissen Marksubstanz, die umgeben ist von einer gelbbraunen, 
mehre Linien dicken, leicht zu zerbröckelnden HĂŒlle. In den 
kleineren StĂŒcken ist StĂ€rke der Hauptbestandtheil, wĂ€hrend 
bei den grösseren StĂŒcken der Ă€ussere Mantel aus Dextrin 
zu bestehen scheint. 


Abbildune Nr. 2. Be: R 
building Nr Ein interessantes Bild 


D d oA SONF gewÀhren die StÀrkefor- 
ER men, die in der Sub- 


stanz nach Abbildung 
D IS HD Nr. 2 vorkommen. Die 
StÀrkekörnchen sind in 


derselben zusammengesetzt zu Gruppen von 2 bis 8 Körn- 
chen, die eine excentrische, bei anderen Körnchen dagegen 
eine centrale Höhle (Kern) wumschliessen. Die Drogue 
stammt aus Indien, die Mutterpflanze derselben war nicht zu 
ermitteln. .Die Substanz schmeckt anfangs kaum, hinten- 
nach anhaltend Ekel erregend. 


Die chemische Untersuchung des Sirauwant 
ergab Folgendes: 


A. 5 Grm. der getrockneten Substanz hinterliessen nach 
dem GlĂŒhen 0,144 Grm. Salze. Diese zum Theil in Wasser, 
zum Theil in SalzsÀure gelöst, enthielten: 


a) Das im Wasser Gelöste: 


PhosphorsÀure, SchwefelsÀure, Chlor, 
Magnesia, Kali, Natron. 

b) Das in SalzsÀure Gelöste: ° 
PhosphorsÀure, Magnesia, Thonerde, 
KieselsÀure, Kalk, Eisenoxyd. 


Von den SÀuren ist in grösster QuantitÀt die Phosphor- 
sÀure vorhanden, dann die SchwefelsÀure, dann die 


Beschreibung einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel-Asiens. 235 


HCl, von den Basen ist am meisten Magnesia vorhanden, 
die in der wÀsserigen und salzsauren Lösung vorkommt; 
dann folgen der Reihe nach: Thonerde, Kalk, Natron 
und Kali, von denen die beiden letzteren nur in Spuren 
vorkommen. KieselsÀure und Eisenoxyd sind deut- 
lich nachweisbar. 


B. Die StÀrke wurde durch Verwandlung in Zucker be- 
stimmt. 2 Grm. Material lieferten 0,9514 Grm. Zucker. 


Daraus berechnen sich fĂŒr 100 Theile Substanz: 


47,57%, StÀrke und 
2,880/, Salze. 


Ausser diesen Stoffen kommt in. der angefĂŒhrten 
Drogue eine ekelerregende Materie vor, die, dem Geschmacke 
und der Wirkung nach zu urtheilen, an die Ipecacuanha 
erinnert, aus Mangel an vorliegendem Material jedoch nicht 
weiter verfolgt werden ‚konnte. 


c) Bucharische GallÀpfel. 


Diese kommen in grossen Massen unter dem Namen 
Busgunsch auf den MĂ€rkten Mittel- Asiens in den Handel. 
Sie zeigen die verschiedensten Formen: lÀngliche, kugelrunde, 
eylinderförmige, kantige, zuweilen mehre Exemplare an einem 
Stengel sitzend und mit ganzen BlÀttern behaftet. Von allen 
bis jetzt bekannten Gallen (z. B. von Gallae pistacinae) unter- 
scheiden sie sich durch ihre Farbe; an der einen Seite sind 
sie gelb und an der entgegengesetzten Seite gewöhnlich 
schön roth gezeichnet. Die meisten StĂŒcke zeigen wie 
gewöhnliche Gallen eine kleine Oeffnung und im Innern 
Eier und Larven eines Insectes (Aphis-Spec.). Die mehre 
Linien dicke HĂŒlle ist leicht zerbrechlich. Sie kommen 
hauptsÀchlich aus den Chanaten Kokand, Chiva und 
Buchara und finden Verwendung in der FĂ€rberei der 
Asiaten. 


234 Beschreibung einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel-Asiens. 


Abbildung Nr. 3. 


Abbildung Nr. 3 
zeigt Formen dieser Gal- 
len. 

Die chemische Zerle- 
gung derselben ist von 
Herrn Cand. pharm. 

U. Kröll aus Hol- 
stein ausgefĂŒhrt wor- 
den und gab felgende 
Resultate: 


a) 6,182 Grm. Material inte liessen nach dem GlĂŒhen 
0,731 Grm. Asche. 


b) 10 Grm. Material mit einem Gemische von 3 Theilen 
Aether und 1 Theile Alkohol mehre Male extrahirt, gaben 
4,31 Grm. Tannin. Beim Abdestilliren des Aethers schied 
sich nach und nach eine schöne, grĂŒne, wachsartige 
Substanz aus, dem Gewichte nach = 0,303 Grm. Diese 
letztere ist in Aether leicht löslich, unlöslich in Wasser und 
Alkohol, von Aetzalkalien wird sie nicht verÀndert. Im der 
Lösung des Tannins in Aether war kein Harz nachzuweisen, 
denn nach dem Verdampfen derselben zur Trockene löste 
sich das Tannin vollstÀndig auf, ohne dass irgend etwas 
ungelöst zurĂŒckblieb. In der ursprĂŒnglichen Ă€therischen Lö- 
sung waren Spuren Àtherischen Oeles enthalten, des- 
sen Geruch an Juniperus erinnerte Ausserdem kann 
ein namhafter Gehalt an StĂ€rke in den Gallen angefĂŒhrt 
werden. 


Dass diese Gallen mit denen, welche Waltz unter 
dem Namen „Gallen aus der Bokhara“ in der Tartarei 
angiebt, nicht identisch sind, ergiebt sich aus einer Ver- 
gleichung der Analyse der von Waltz untersuchten Gallen 
mit der des Busgunsch. 


Verzeichniss einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel - Asiens. 235 


GallÀpfel aus der Bokhara 


nach Waltz. *) GallÀpfel: Busgunsch. 
32%), GerbsÀure, 43,100°/, GerbsÀure 
6,5 „ in Aether lösl. Harze, 3,030 „ GrĂŒnes Pflanzenwachs, 
32 „ imAlkohollösl. Stoffe. 16,000 „ Zellstoff, 


unbestimmte te Oel 
Menge von |und StÀrke, 


d) Verzeichniss 

der interessantesten Arzeneistoffe aus dem Pflan- 
zenreiche, die in den verschiedenen Chanaten 
Mittel-Asiens im Gebrauche sind, nebst Fund- 
orten der Stoffe. Die speciellere botanische und phar- 
macognostische Bestimmung derselben ist bis jetzt nicht 
möglich gewesen, bei allen Artikeln festzustellen, da man 
nicht in allen FĂ€llen nach gesonderten Theilen einer Pflanze 
letztere selbst bestimmen kann. Dieses Verzeichniss soll nur 
den Zweck haben, Demjenigen, der in den entfernten Welt- 
theil kommt und sich fĂŒr denselben Gegenstand interessiren 
will, einen Leitfaden zu bieten. 


Benennung des - Name des 

Arzneistoffes. Fundortes. 
Karawitsch Samarkand. 
Afsantin br 
Basulban Y 
Andschabar h 
Darduni $ 
Farandaen muschk Indien, 
Chatmi Samarkand. 
(rasar & 
Abchall F 
Tatnjurae ' A 
Sagfarr **) , Medsched, 


*) Siehe Pharmacognosie von Wiggers 1864. p. 619. 
**) Safran, FD 6 


236 Verzeichniss einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel - Asiens. 


Benennung des Name des 
Arzneistoffes. Fundortes. 
Arpa badian Samarkand. 
Bogransch buja 55 
Dschadwarr China. 
Tarrbas - kie Samarkand. 
Ssosatsch Indien. 
TamĂŒrr ” 
Kanaptscha Samarkand. 
DolltschĂŒn Indien. 
Macvisatsch > 
Ssabri sakutarr 5 
Narrkatschull “ 
Rool Er 
Dschauschirr „ 
Norrmuschk * 
AndschĂŒr Medsched. 
Dschaball Samarkand. 
Dschauss baua (Samen einer Mimose) Indien. 
Supora (Areca COatechu L.) > 
Samg: arabi 5 
Galilaei Saint Gui 
Galilaei Sart Indien. 
Galilaei Kabuli 
Chapull muljuk as 
 keme Samarkand. 
Kaljıu 
Niljiufarr *) > 
Sufa SchachrisÀbs. 
Schachmi cehansall Samarkand. 
Saurinjean = 
Sehalschusa } 
Ama | Indien. 
Chabi- belisan ER 
Bass - bossa cH 
Schilaen Samarkand. 


| 


*) Nenufar (Nymphaea). H. L. 


Benennung des 


Arzneistoffes. 
Dehuwani . 
Gulnohr 
Mawisatsch 
Piess gansull 
Babuna 
Ansarutt 
Gaussbon 
Schiti jaman 
Kantiper 
Karanfıul 
Kumki schirin 
Taratisaek 
Svrnki sruch 
Kusti talich 
Rasdoru 
Finduk 
Kowki darja 
Turp 
Bassfondsch 
Chairu 
Kandurr 
Gofaess 
Fil- fill mujae 
Spujull 
Safıstan 


Namaki indi 
Sumok 


Stuchu kuduss 
Andschirr 
Gandno 
Sarmani 


SchorĂŒm DorĂŒ (Laminaria saccharina) 


Nardschill 
Sarrnab 
Chalbu pachud 


Verzeichniss einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel- Asiens. 


Name des 
Fundortes. 


Samarkand. 


eb) 
Indien. 


Samarkand. 


„ 
Indien. 
Afghanistan, 


’ 
Buchara. 


Indien. 


Samarkand. 
Indien. 


Indien. 


Afghanistan. 
Indien. ° 


 Schachrisaebs. 


Indien. 
Samarkand. 


Indien. 


Indien. 


Beludschistan. 


Samarkand. 


Turkestan. 
China. 
Indien. 


” 


Buchara, 


237 


Benennung des 
Arzneistoffes, 


Kurssi kamarr 
Tagall 
Kaboba 
Turrbutt 
Schach darra 
DorĂŒ fill All*) 
Tabaschirr **) 
Machmuda 
SsagĂŒ kufa 
Salicha 
Boklae 

ChapĂŒ salaem 
Aftimun 
Kaper band 
Choljundschill 
Uatsch | 
Guli surch 
Busidan 
Kasuss 


Parpi gafitt (Aconitum heterophyllum) 


Churrfae 
Sarnabad 
Chapeloss 
Salaep altip 
Tanakorr 
Chappi chisro 
Drunatsch akrabi 
Chapnill gorr 
Barrteng 

. Chuni charaubat 
Chabenill 


338 Verzeichniss einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel - Asiens. 


Name des 
Fundortes. 


Indien. 


EZ) 


China. - 
Indien. 
Samarkand. 
Indien. 

99 
Buchara. 
Indien. 


” 
Samarkand. 


Indien. 
Samarkand. 
Indien. 


’ 
Samarkand. 
Indien. 
Samarkand. 


Indien, China. 
Samarkand. 


Indien. 


er) 
Buchara. 


Indien. 
Samarkand. 


Indien. 
Samarkand. 


*) Dar filfil (arabisch) = Piper longum (Martius Pharma- 


cognosie). 


**) Tabascheer, steinartige Coneretionen aus KieselsÀurehy- 


dxrat in den Knoten des Bambusrohrs, 


HA. L. 


Benennung des 
Arzneistoffes. 


KutschĂŒrr 

Pusti trunsch } 
Assaurun | 
Sak binatsch 
Schach bulub | 
Mukli asrak 
Chudi balissan 
Dschorlaeng 
Gudicham 
Koriba 

Rup- issuss 
Allju 

Momuron 

KĂŒsill juguriuk 
Barang 
Tudarsch ssurch | 
GorĂŒkun *) 

Aell schuarr 
Jantak schakarr 


Verzeichniss einiger pharmacognostischer GegenstÀnde Mittel - Asiens, 239 


Name des 
Fundortes, 


Indien. 


Indien, 


2) 


Samarkand. 
Buchara. 


China. 
Turkestan, 
Indien. 


China. 
Afghanistan. 
Kokand u. Buchara, 


Kapnarr » „ „ 
Tokakr Turkestan, „ 
Bujau Kokand An 
Tuchmak Buchara. 
TatĂŒm H 
Akurr kara *) China. 
Machmill pedschon Afghanistan, 
Tum reihan **) Samarkand. 
Abullass Indien. 
Tigoll & 
Abulgarr 
Ganti- baschfon * 
BechĂŒ - kabarr Samarkand. 
Schakakull Afghanistan, 
*) Aggur, Ghurkee=Aloöholz (D.Hanbury, Materia medica 
Chinus, ĂŒbers. v. Th. W. C. Martius 1863, 8, 62.). H.L. 
**) Starker Wohlgeruch. an, 


240 BeitrÀge zur Kenntniss der sogenannten falschen Chinarinden. 


BeitrÀge zur Kenntniss der sogenannten falschen 
Chinarinden. 


Von F. A. FlĂŒckiger.*) 
I. China alba von Payta. 


Herr Dr. ©. Hesse hat in dieser unter dem Namen 
Quina blanca ĂŒber Payta, den nördlichsten und besten 
Hafen Peru’s, ausgefĂŒhrten Rinde das interessante Alkaloid 
Paytin, C?1H?*N?O + H?O entdeckt, welches sich bestimmt 
von den echten Chinabasen unterscheidet; es betrÀgt nahezu 
21/, Procent der Rinde. **) 

Aeussere Beschaffenheit. Auch jene Payta-Rinde 
selbst, wovon ich eine Probe Herrn Hesse verdanke, gleicht 
einer Cinchona-Rinde keineswegs. Sie besteht aus Bastplat- 
ten von ungefÀhr 30 Centimeter LÀnge, 6 Centim. Breite, bei 
etwa 5 bis 8 Millim. Dicke. Ihre gelblich. weisse FĂ€rbung 
ist bedingt, wie schon die Loupe darthut, durch sehr zahl- 
reiche gelbe Baströhren, welche in weisslichem Parenchym 
eingebettet sind. Die Rinde ist sehr mĂŒrbe und bricht auf- 
-fallend fĂ€dig. Zerreibt man die BastbĂŒndel zwischen den 
Fingern, so erhÀlt man leicht die reinen Baströhren frei von 
Parenchym; sie sind von einfach spindelförmiger Gestalt, nicht 
verzweigt, hÀufig 3 bis gegen 5 Millimeter lang. 

Mikroskopischer Bau. Der Querschnitt lehrt, dass 
diese Baströhren ausserordentlich zahlreich und sehr gleich- 
mÀssig durch das ganze Bastgewebe vertheilt sind. Ihre 
Masse darf wohl auf die HĂ€lfte, wenn nicht mehr, des ge- 
sammten Bastes geschÀtzt werden, betrÀgt also mehr als in 
den meisten unbedeckten Chinarinden. Bei stÀrkerer Ver- 
grösserung ist eine bestimmte Anordnung dieser Baströhren 
in der China blanca weder in radialer, noch in tangentialer 
Richtung zu unterscheiden. Sie treten fast immer vereinzelt 


*) Als Separatabdruck aus dem neuen Jahrbuche f. Pharmacie vom 
Herrn Verfasser erhalten, H. L. 

*#) Annal, d. Ch. u. Pharm. 154 (1870) 287 — 293; auch Wiggers- 
Husemann’scher Jahresbericht 1870, 140, 


+ 


BeitrÀge zur Kenntniss der sogenannten falschen Chinarinden. 241 


auf oder doch nur zu wenigen genÀhert in kleinen Gruppen. 
Der Querschnitt der Baströhren entspricht demjenigen der in 
den echten Chinarinden vorkommenden in Betreff der Form, 
Grösse und der Schichtung sehr nahe. 


Auch in der China blanca sind die Baströhren voll- 
kommen verholzt, so dass kein Lumen oder doch nur 
eine geringe Spalte ĂŒbrig bleibt. Bekanntlich zeigen die bis 
jetzt untersuchten sogenannten falschen Chinarinden offene 
Baströhren. DĂŒrfen wir die vorliegende weisse Chinarinde 
ebenfalls den falschen Chinarinden beizÀhlen, wie es wohl 
wahrscheinlich ist, so ist sie also sehr bemerkenswerth durch 
die Uebereinstimmung ihrer Baströhren mit denjenigen der 
wahren Fieberrinden. Höchstens könnte man hervorheben, 
dass die Baströhren der China blanca lÀnger und mehr cylin- 
drisch, seltener primatisch sind als die der (echten) Cincho- 
nen-Rinden, Doch sind diese so sehr unerheblichen Merk- 
male keineswegs durchgreifend.. — Trotz ihrer LĂ€nge und 
vollstÀndigen Verdickung besitzen die Baströhren der China 
blanca eine gewisse Weichheit und dringen nicht wie z.B. 
diejenigen der Calisaya in die’ Haut ein, selbst nicht beim 
Kauen. Durch kochende Kalilauge werden sie stark ange- 
- griffen und blass grĂŒnlich gefĂ€rbt. 


Dagegen erweist sich der Bast unserer Payta-Rinde 
dadurch abweichend, dass jede Baströhre begleitet ist von 
krystallfĂŒhrendem Parenchym. Das hier ziemlich reichlich 
abgelagerte Calciumoxalat bietet zwar nicht wohl aus- 
gebildete Individuen dar, aber keineswegs nur das fĂŒr die 
echten Chinarinden, so weit meine Kenntniss reicht, charakte- 
ristische Krystallpulver, sondern jede jener Bastparenchym- 
zellen schliesst einen einzigen Oxalatkrystall ein; die krystall- 
fĂŒhrenden Zellen sind stark an die Baströhren angedrĂŒckt 
und haften fest daran. Werden letztere nach dem Kochen 
mit Kali vermittelst der Nadel isolirt, so zeigen sie hÀufig 
die EindrĂŒcke der Krystallzellen des Bastparenchyms; oft in 
Form wunderlicher Höcker. Ausserdem finden sich in den 
BastbĂŒndeln Gitterzellen vor, Die wenig in die Augen fal- 

Arch. d, Pharm. CXCIX. Bds, 3. Heft, 16 


243 BeitrÀge zur Kenniniss der sögenaunten falschen Chinarinden. 


lenden Markstrahlen sind sehr schmal und bestehen aus einer 
oder zwei Zellenreihen. 

Der parenchymatische Antheil des Bastparenchyms ausser 
den Krystallzellen ist mit StĂ€rkemehlkörnern gefĂŒllt, 
welche sich weder durch Grösse noch durch ihre Form beson- 
ders auszeichnen. Sie sind klein, von annÀhernd kugeliger 
bis unregelmÀssig tetra@drischer Form, einfach oder zusam- 
mengesetzt. DBefeuchtet man dĂŒnne Schnitte dieser Rinde 
mit sehr verdĂŒnnter Auflösung von Eisenchlorid, so 
nimmt das Parenchym eine blaue bis violette FĂ€rbung an, 
welche dureh die gelbe Farbe reichlicher zugesetzten Eisen- 
chlorids in GrĂŒn ĂŒbergeht. Doch ist diese Reaction sehr 
wenig intensiv, so dass der dadurch angezeigte Gerbstoff in 
nur sehr geringer Menge vorhanden sein kann. Durch Al-- 
kalien wird die China blanca gelbgrĂŒnlich gefĂ€rbt. In 
geschlossener Röhre erhitzt, liefert sie nicht, wie die echten 
Chinarinden, ein schön rothes Product, sondern einen braunen 
Theer. 

Geschmack. Die Bitterkeit der Payta-Rinde zeigt 
einen bei den guten Chinarinden nicht vorkommenden unan- 

genehmen Beigeschmack. N 
| Vergleichung mitandern sogenannten weissen 
Chinarinden. Schon seit der Zeit von Mutis ist von 
weissen Chinarinden die Rede. Eine solche wurde z. B. ab- 
gebildet von Delondre und Bouchardat, Quinologie 1854 
Tafel 22: Quinquina blanc, Nouvelle Grenade. Die blassere 
Figur rechts sieht der von Hesse untersuchten Payta-Rinde 
in Betreff der Farbe so sehr gleich, dass man auf den ersten 
Blick die Rinden fĂŒr identisch halten muss. Nur stimmt der 
Bruch nicht ĂŒberein; es kann nicht wohl auf einer NachlĂ€ssig- 
keit des Zeichners beruhen, dass jene Figur keine Spur lang- 
faserigen Bruches darbietet, weil Delondre und Bouchardat 
dieses Merkmal sonst ĂŒberall sehr genau berĂŒcksichtigen. 
Im Texte (p. 40) schreiben sie ihrer weissen China ein dich- 
tes, feines Gewebe und so grosse HĂ€rte zu, dass sie Politur 
i annehme; der Bruch sei wie bei Eschenholz beschaffen. Das 
alles passt ganz und gar nicht auf den Bau der Hesse’schen 


BeitrÀge zur Keuntniss der sögenaunten falschen Chinarinden. 243 


Rinde. Aber noch mehr: die Rinde Delondre’s ist von 
Phoebus*) mikroskopisch untersucht worden. Er fand die 
Baströhren . („Bastfasern“) blassgrĂŒn und durchaus 
weitmĂŒndig, wĂ€hrend sie bei der Payta-Rinde gelb und 
geschlossen (verholzt) sind. Die Gesammtheit dieser so sehr 
abweichenden Angaben erhebt es ĂŒber alle Zweifel, dass die 
von Hesse untersuchte Rinde nicht die Delondre- Bouchar- 
dat'sche weisse China ist. 

Die schon 1807 von Humboldt**) charakterisirte Mu- 
tis’sche Quina blanca ist die Rinde der Ladenbergia ma- 
crocarpa Klotzsch, welche Art Karsten in der Flora 
Columbiae I (1859) Tab. XXI unter dem Namen Üinchona 
macrocarpa Vahl so schön abgebildet hat. Ueber die Rinde 
selbst berichtete Karsten in seiner: Schrift: Die medieinischen 
Chinarinden Neu-Granada’s 1858, p. 10, 24 und 44. Dass 
er darin keine Basen gefunden, kommt bier nicht in Frage, 
hingegen lehrt die Betrachtung der von Karsten entworfe- 
nen mikroskopischen Skizze Nr. 18 Taf. II, dass die Rinde 
der L. macrocarpa ebenfalls von der Payta-Rinde abweicht. 
Wenigstens stellt Karsten die Baströhren der ersteren so 
streng radial geordnet und durch so ansehnliche Markstrah- 
len getrennt dar, dass das Bild mit meinen Schnitten aus 
der Hesse’schen Rinde ganz und gar unvereinbar ist. Der 
Unterschied ist so gross, dass er mir durch untergeordnete 
VerhÀltnisse, wie etwa Altersverschiedenheiten, nicht erklÀrbar 
erscheint. 

Nach einer Aeusserung Berg’s***) wĂ€re jedoch die von 
Karsten ‚skizfirte Rinde nicht mit Sicherheit von Ladenbergia 
macrocarpa abzuleiten. Die Berliner SĂ€mmlung besitzt aber 
die ursprĂŒngliche Quina blanca von Mutis sowohl aus Pavon’s 
Sammlung als auch aus der Hand Howard’s. Ich bin nicht 


*) Die Delondre - Bouchardat’schen China-Rinden. Giessen, 1864 
p- 55. 
**) Plantes @quinoxiales 67. 
#*%) Die Ohinarinden der pharmacognostischen Sammlung zu Berlin 
1865 p. 42. 
16 * 


944 BeitrÀge zur Kenntniss der sogenannten falschen Chinarinden. 


in der Lage, die von Berg ausgesprochenen Zweifel zu erör- 
tern; es ist dies auch fĂŒr den vorliegenden Zweck gleichgĂŒl- 
tig. Wenn nemlich Karsten’s Bild der Quina blanca nicht 
mit der yon Hesse untersuchten Rinde ĂŒbereinstimmt, so ist 
dies noch weit weniger der Fall mit Berg’s Beschreibung. 
Der Bast seiner weissen China enthÀlt Steinzellengruppen, 
breite Markstrahlen, vierseitige BastbĂŒndel und das Bastpar- 
enchym wird durch Aetzlauge purpurn gefÀrbt. Ohne diese 
Berg’sche-Rinde zu sehen, wird jeder urtheilsfĂ€hige Leser sie 
fĂŒr durchaus von der obengeschilderten Payta-China verschie- 
den erklĂ€ren mĂŒssen. 

Schluss. Die wissenschaftlich nicht mehr genĂŒgenden 
Beschreibungen von weisser Chinarinde, welche sich noch da 
und dort in pharmacognostischen Schriften finden, z. B. bei 
Guibourt*) oder Martiny,**) scheinen mir auch nicht 
dafĂŒr zu sprechen, dass die von Hesse untersuchte Rinde 
schon frĂŒher bekannt gewesen sei. Ich komme daher zum 
Schlusse, diese durch ihren Alkaloidgehalt bemerkenswerthe 
Rinde sei eine neu auf dem Markte erschienene. Sollte sich 
meine Vermuthung bestÀtigen, dass sie einer Cinchonee, aber 
nicht einer Cinchona angehört, so wĂ€re sie doppelt. merkwĂŒr- 
dig durch ihr um 1 Aegq. Kohlenstoff von Cinchonin abweichen- 
des Alkaloid und ihre spindelförmigen starken Baströhren, 
welche denen der echten Öhinarinden so sehr Ă€hnlich sehen. 


II. China cuprea. 


Unter verschiedenen interessanten Chinarinden, welche 
mir unlÀngst durch Herrn Dr. 0. Hesse vorgelegt wurden, 
zeichnet sich eine durch ihre lebhaft rothe Farbe und auf- 
fallende Dichte aus. Wer nur einigermaassen mit echten 
Chinarinden vertraut ist, wird diese schön rothe Rinde nicht 
zu jenen zĂ€hlen. Um so mehr ĂŒberraschte mich daher die 
Angabe des genannten Chemikers, dass sie ungefÀhr 1 pC. 


*) Drogues simples III (1869) 186. 
**) Rohwaarenkunde I (1843) 384, auch Annalen der Pharm. XXV, 79, 


BeitrÀge zur Kenntniss der sogenannten falsehen Chinarinden. 245 
fe) » 


Chinin enthalte, ein Befund, der mich zu nĂ€herer PrĂŒfung der 
Rinde aufforderte. 

Abstammung. Die nachfolgenden Ermittelungen spre- 
chen dafĂŒr, dass dieselbe einem Baume aus der Gruppe der 
Cinchoneen angehöre, doch lĂ€sst sich hierĂŒber leider nichts 
NĂ€heres angeben. Die Rinde ist seit einigen Monaten wie- 
derholt auf dem Londoner Markte erschienen, wie Herr Dr. 
Hesse mir berichtet. *) 

Aeussere Beschaffenheit. Diese Rinde bildet Röh- 
ren oder rinnenförmige, bis 4 Cm. breite‘, bis 32 Um. lange 
und 1 bis 4 Millimeter dicke StĂŒcke von der bereits ange- 
deuteten Farbe, welche weit entschiedener roth genannt wer- 
den muss, als die der China rubra. Indem ich die fragliche 
Rinde als kupferroth bezeichne, darf ich aber die ausdrĂŒck- 
liche Bemerkung nicht unterlassen, dass ich die Farbe nur 
mit derjenigen vergleiche, welche uns z. B. an etwas matt 
angelaufenen kupfernen GerÀthen entgegentritt und keines- 
wegs mit der blank gescheuerten OberflÀche des Metalles. 
Der Vergleich ist, wie es ja meist der Fall ist, nur bis zu 
einem gewissen Grade zutreffend, aber das Colorit der Rinde 
ist ein höchst eigenthĂŒmliches, das nicht leicht verwechselt 
werden kann. | 

Die rothe Farbe gehört dem Gewebe des Bastes und 
der Mittelrinde an, die wenigen noch vorhandenen Korkreste 
sind grau oder brÀunlich, die InnenflÀche braunroth. Die 
dickern StĂŒcke sind sehr hart, schwer zu schneiden und zu 
brechen; dĂŒnnere StĂŒcke bieten einen sehr grobkörnigen, we- 
der faserigen noch blÀtterigen Querbruch dar; es gilt dieses 
auch von den stĂ€rksten rinnenförmigen StĂŒcken. Der LĂ€nge 
nach bricht die Rinde splitterig, beinahe sÀgenförmig, was 
mit dem unregelmĂ€ssigen Verlaufe der BastbĂŒndel zusammen- 
hÀngt. Derselbe lÀsst sich schon mit der Loupe sehr gut 
verfolgen, da die Korkbedeckung und Mittelrinde gewöhnlich 


*) Herr J. E. Howard, dem ich eine Probe der China cuprea 
sandte, theilt mir mit, dass er sie auf dem Londoner Markte schon 1857 
bemerkt und ebenfalls chininhaltig gefunden habe. 


946 BeitrÀge zur Kenrtniss der sogenannten falschen Chinarinden. 


fehlen. Die glĂ€nzenden, gelblichen BastbĂŒndel treten alsdann 
in Form eines in die LĂ€nge gezogenen Strickwerkes aus dem 
rothen Grundgewebe hervor. 

Geschmack. Er entwickelt sich sehr langsam, ist 
aber ziemlich stark und rein bitter. 

Mikroskopischer Bau. Der Querschnitt zeigt ein 
sehr dichtes gleichförmiges GefĂŒge mit geschlĂ€ngelten Mark- 
strahlen. Bei stÀrkerer Vergrösserung sieht man, dass die- 
selben einreihig oder 3 bis 4 Reihen stark in den Bast ein- 
treten, sich allmÀhlig erweitern und zuletzt in der Mittelrinde 
verlieren. Der innerste Theil des Bastes besteht aus reinem 
Parenchym, welches scharf von den Baststrahlen abgegrenzt 
ist. Diese enthalten als auffallendsten Antkeil sehr zahlreiche 
dichtgedrĂ€ngte Baströhren von grĂŒnlich gelber Farbe. Im 
Querschnitte sind dieselben rundlich, ihre Wandungen mehr 
oder weniger verdickt, aber fast immer eine deutliche Höhlung 
einschliessend;; sehr oft ist letztere so weit wie die Dicke der 
Wandung, nicht selten ĂŒbertrifft der Durchmesser des Lumens 
die Wanddieke. Zwischen den Baströhren treten auch radiale 
Streifen von Bastparenchym auf, welche nur im LĂ€ngsschnitte 
gut von den (secundÀren) Markstrahlen zu unterscheiden sind. 
Die dichtgedrÀngten nicht vollstÀndig verholzten Baströhren 
weichen demnach wesentlich von denjenigen der echten Cin- 
chonen ab, schon wenn der Querschnitt unserer kupferfarbigen 
China in Betracht gezogen wird, noch weit mehr aber auf 
dem tangentialen LĂ€ngsschnitte. Hier finden wir dĂŒnne, lange, 
sehr dicht in einander verflochtene Baströhren als vorherr- 
schenden Bestandtheil der Innenrinde. Diese bietet also im 
Ganzen ein Bild dar, wie es bisher bei keiner unzweifelhaft 
„echten“ Chinarinde beobachtet worden ist. 

Wo noch Kork vorhanden ist, pflegt in unserer Rinde 
auch die Mittelrinde noch erhalten zu sein; ich habe nirgends 
Borkenbildung wahrgenommen. In der Mittelrinde sind nicht 
sehr zahlreiche gelbe Steinzellen eingestreut, entweder ver- 
einzeli, oder zu kleinen Gruppen zusammengestellt. Durch 
ihre geringe VerlÀngerung in tangentialer Richtung oder 
geradezu annÀhernd kugelige Gestalt weichen sie von analo- 


BeitrÀge zur Kenntniss der sogenannten falschen Chinarinden. 247 


gen Zellen der echten Chinarinden ab. Auf SaftschlÀuche bin 
ich in der kupferrothen Rinde nicht gestossen, Als ferneres 
auffallendes Merkmal verdienen ihre Korkzellen hervorgehoben 
zu werden. Sie bieten die gewöhnliche Anordnung und tafel- 
förmige Gestalt dar, sind aber mit sehr starken, gelben WÀn- 
den versehen, oder aber geradezu knorpelig verdickt. Wo 
noch eine Höhlung ĂŒbrig bleibt, ist sie von braunem, festen 
Inhalte erfĂŒllt, welcher auch in den Baströhren enthalten ist. 
Stark verdĂŒnntes weingeistiges Eisenchlorid fĂ€rbt diesen Stoff 
schmutzig grĂŒn; denselben Ton nimmt ĂŒberhaupt das ge- 
sammte Gewebe an, die verdickten WÀnde der Baströhren, 
Steinzellen und des Korkes ausgenommen. — Die parenchy- 
matischen Zellen enthalten reichlich Amylum; die dem Baste 
angehörigen auch Calciumoxalat, doch immer nur in geringer 
Menge und in undeutlich krystallinischer Form. 


Alkaloidgehalt. WĂ€hrend diese Rinde nicht den 
Bau zeigt, welchen wir bei den wahren Chinarinden zu finden 
gewohnt sind, auch schon Àusserlich mit denselben nicht 
ĂŒbereinstimmt, liefert sie doch, wie schon angegeben, eine 
nicht unerhebliche Menge Chinin. Damit steht im Einklange, 
dass sie auch die 1858 von Grahe in Kasan aufgefundene 
Reaction*) giebt. Wird nemlich ein nur wenige Kubik - 
Millimeter grosses StĂŒck der Rinde im geschlossenen Glas- 
röhrchen erhitzt, so verdichten sich die flĂŒchtigsten Theile 
der Destillationsproducte zu einem schön roth gefÀrbten Theer. 
— Hesse hat in den Berichten der Deutschen Chemischen 
Gesellschaft (1871. p. 818) die Analysen der kupferfarbigen 
Rinde veröffentlicht. 

Vergleichung mit Àhnlichen Rinden. Es liegt 
nahe, im Hinblicke auf China cuprea, der sogenannten China 
nova**) zu gedenken, der Rinde von Buena magnifolia 
Weddell (Synon. Cinchona magnifolia Ruiz et Pavon, Laden- 
bergia magnifolia Klotzsch, Cinchona oblongifolia Mutis). 


*) S. mein Lehrb. der Pharmacognosie p. 410. 
**) 5. mein Lehrb, d, Pharmacogn. 400. 


248 BeitrÀge zur Kenntniss der sogenannten falschen Chinarinden, 


In der That besteht eine gewisse Aehnlichkeit zwischen 
beiden, doch ist die FĂ€rbung der China nova nicht roth, son- 
dern zimmtbraun.*) Ihr anatomischer Bau bietet freilich den- 
selben Plan dar, wie China cuprea, weicht aber durch die 
zahlreichen grossen MilchsaftschlÀuche ab, auch sind die 
WĂ€nde der Korkzellen dĂŒnn, oft sogar zart, durchaus nicht 
knorpelig verdickt.“*) Die China nova ist mir bis jetzt im- 
mer nur in sehr starken, bis 1 Oentimeter dicken, mit glat- 
tem Korke bedeckten Röhren oder Halbröhren vorgekommen, 
wĂ€hrend die China cuprea aus dĂŒnneren, meist ganz von Kork 
entblössten StĂŒcken besteht. Selbst wenn man die Alters- 
verschiedenheit berĂŒcksichtigt, so dĂŒrfte doch die augenschein- 
lich leicht ausfĂŒhrbare Beseitigung des Korkes bei der kupfer- 
rothen Rinde einen tiefern Grund haben. Mehr individueller 
EigenthĂŒmlichkeit, besonders dem Altersunterschiede, mag 
dagegen der Umstand zugeschrieben werden, dass die China 
nova weit reicher an Steinzellen ist, worunter viele sehr stark 
in tangentialer Richtung gestreckte. Dagegen giebt die 
China nova die Grahe’sche Reaction durchaus nicht, das 
heisst die flĂŒchtigsten Antheile des Theeres sehen gelblich, 
nicht roth aus. Niemand hat auch Alkaloide in dieser Rinde 
sicher nachgewiesen, obwohl Howard z. B. darin mehrmals 
gefunden hat „a minute proportion of some substance which 
behaves like an alkaloid. Its taste is more hot than bitter; 
it is soluble in ether and gives a light green colour with 
chlorine and ammonia.“***) Auch Pelletier und Caventou 
wollten in China nova eine unendlich geringe Menge Alkaloid 
getroffen haben. — Hesse hingegen hat China nova durch- 
aus frei von Alkaloid gefunden. ' 


*) Howard /N. Quinolog. fol. 77) nennt zwar die China nova pur- 
purroth, aber ein von ihm selbst erhaltenes StĂŒek ist höchstens rofh- 
braun, jedenfalls von der FĂ€rbung der in Frage stehenden kupferrothen 
Rinde völlig verschieden. — Frisch mag vielleicht die China nova auch 
lebhafter gefÀrbt sein. 

**) Berg’s Abbildung, Taf. X der Chinarinden d. pharmacogn. Samm- 
lung zu Berlin, finde ich richtig. 

*#%=) N. Quinol. sub voc. ©. magnifolia, fol, 77, 


BeitrÀge zur Kenniniss der sogenannten falschen Chinarinden. 249 


Auf Weddell*) gestĂŒtzt, betrachte ich die Cinchona 
oblongifolia von Mutis als identisch mit Buena magnifolia, 
allein Rampon,**) dem in diesen Fragen eine nicht zu 
unterschÀtzende an Ort und Stelle gesammelte Erfahrung zur 
Seite steht, vermuthet, dass dem nicht so sei. Die China 
nova des Handels leitet er von Buena magnifolia ab, zieht 
aber die Rinde, welche Delondre und Bouchardat m 
ihrer Quinologie Tab. 21 als Quinquina rouge pÀle 
Nouvelle Grenade, qualite inferieure, abgebildet haben, 
zu der nach ihm selbstĂ€ndigen Ü. oblongifolia. Auch Wig- 
gers,***) welcher diese letztere Rinde unter dem Namen 
China von Ocanna auffĂŒhrt, hĂ€lt sie nicht fĂŒr identisch mit 
der China nova.) Man könnte daher vermuthen, dass eine 
der von Delondre und Bouchardat abgebildeten Rinden unse- 
rer kupferfarbenen China entspreche. Die in jener Abbildung 
gegebene FĂ€rbung ist jedoch braun, nicht entschieden roth, 
doch ist hierauf kaum viel Gewicht zu legen, mehr 'aber auf 
den grossen Unterschied im Bruche. Die Bilder der Quino- 
logie zeigen ganz entschieden langfÀdigen Bruch und die 
Verfasser nennen die braunrothen StĂŒcke auch wirklich lang- 
faserig brechend, die blassrothe Rinde kurzfaserig. Als be- 
zeichnend fĂŒr letztere heben sie aber weiter noch hervor, 
dass ihre kurzen Fasern sich leicht herauslösen lassen (fibres 
courtes qui se detachent facilement, p. 40). Aus dieser Rinde 
hatte Ossian Henry 0,013 pC. Chininsulfat erhalten, 


» 


*) Linnean soeciety’s Journal VI: 185. 
**) In Bouchardat’s Annuaire de therapeutique 1866. 166. 
***) Handb. d. Pharmacogn. 1864. 427. 


7) Ebenso Phoebus, die Delondre - Bouchardat’schen Chinarinden 57 
und Howard N. Quinol. fol, 77 unten. — Ich erinnere mich auch in 
der Sammlung der ÖOriginalrinden von Pavon, welche im British Mu- 
seum liegt, unter dem Namen Ü. oblongifolia eine Rinde gesehen zu ha- 
ben, welche durch hellere FĂ€rbung stark von China nova abweicht. Was 
ich von Howard als C. oblongifolia erhalten habe, kann ich dagegen 
nicht von Ch, nova unterscheiden, obwohl auch Howard, wenigstens noch 
in der N. Quinologia, ©. magnifolia und C. oblongifolia trennt, 


250 BeitrÀge zur Kenntniss der sogenannten falschen Chinarinden. 


Leider besitze ich die authentischen Rinden von Delon- 
dre und Bouchardat nicht und sie sind auch nicht mehr zu 
beschaffen; aber was ich eben erwĂ€hnt habe, fĂŒhrt mit Noth- 
wendigkeit zum Schlusse, dass die von Hesse und von mir 
untersuchte kupferrothe Rinde mit den von D. und B. abge- 
bildeten nicht ĂŒbereinkomme, obwohl sie ihnen sicherlich 
nahe steht. 

Der VollstÀndigkeit wegen möge noch erwÀhnt werden, 
dass die. Rinde der Arariba rubra Martius, aus der Fa- 
milie der Rubiaceen - Gardenieen, worin das interessante sauer- 
stofffreie Alkaloid Aribin vorkommt,*) mit unserer kupfer- 
farbenen Chinarinde keine Aehnlichkeit hat. Wer diese 
beiden Rinden jemals gesehen hat, wird sie nicht verwechseln; 
die der Arariba giebt auch braungelben, nicht rothen Theer. 

Allgemeine Betrachtungen. In der vorstehenden 
Notiz ist vielfach die Rede von echten oder wahren und von 
falschen Chinarinden. Ueber die Fassung dieser Begriffe sind 
die Pharmacognosten ziemlich eimig,**) so dass man wohl 
die Frage erörtern durfte, ob die Chinabasen auf die .echten 
Cinchonen wirklich beschrÀnkt seien. Ziemlich allgemein 
wurde bisher den sogenannten falschen Chinarinden ein Alka- 
loidgehalt abgesprochen. Schon Phoebus***) hatte jedoch 
diesen Satz beanstandet; allein das Vorkommen von ein paar 
Zehntausendsteln oder gar nur Hunderttausendsteln von Alka- 
loid in einigen der sogenannten falschen Chinarinden konnte 
doch in meinen Augen nicht fĂŒglich als vollgĂŒltiger Beweis 
gelten.” Man durfte sich wohl ein Versehen denken, wo es 
sich um so ungeheuer kleine Mengen handelte. \ 

In der China cuprea, welcher diese Notiz gewidmet ist, 
hat aber jetzt einer derjenigen Chemiker, welche ohne Frage 
mit den Chinaalkaloiden am allerbesten vertraut sind, unge- 
fÀhr ein Procent Chinin nebst! etwas Cinchonin nachgewiesen ; 


*) Gmelins Organ. Chem. IV. 1949, 

**) Siehe z. B. Vogl, Commentar z. österr. Pharmacop. I, 248 bis 
282. FlĂŒckiger, Pharmacogn. 370. 415, 

*%**) Die Delondre- Bouchardat’schen Chinarinden 55, 556, 


’ 


BeitrÀge zur Kenutniss der sogenannten falschen Chinarinden. 251 


Dr. Hesse’s oben angefĂŒhrte Resultate lassen nun in die- 
ser Hinsicht durchaus keinem Zweifel mehr Raum. Diese 
Rinde, wie ich sie aus der Hand des genannten Chemikers 
empfangen habe, zeigt aber den Bau, welcher bisher den 
falschen Chinarinden zugeschrieben worden ist. Unter diesen 
letztern findet sich also wenigstens eine, welche zuverlÀssig 
eine ganz erhebliche Menge Chinin enthÀlt, so dass die von 
Phoebus ausgesprochenen Zweifel jetzt vollkommen gerecht- 
fertigt erscheinen. Diese Bedeutung der fraglichen Rinde, 
fĂŒr welche ich bis auf weiteres im EinverstĂ€ndnisse mit Hesse 
den Namen China cuprea gebrauche, in das richtige Licht 
zu setzen, schien mir der MĂŒhe werth. Dadurch ist die 
Schranke zwischen echten und falschen Chinarin- 
den durchbrochen und die Hoffnung vereitelt , »chemische 
Unterschiede herbeiziehen zu können, wo die botanischen Merk- 
male im Stiche lassen. Denn sollte sich auch wider alles 
Erwarten die hier besprochene kupferrothe Rinde dereinst 
als einer wahren mit von unten an aufspringenden Kapseln 
und allen ĂŒbrigen guten Kennzeichen ausgestatteten Cinchona 
angehörig erweisen, so ist immerhin der Bau der erstern 
durchaus abweichend von der bisher in der sogenannten 
echten Ühirarinden beobachteten Structur. Ohne Zweifel 
wird die Zeit‘ noch mehr derartiger UebergĂ€nge aufdecken 
und auch hier den Beweis liefern, dass SprĂŒnge in der Na- 
tur seltener vorkommen, als ungenĂŒgende Erkenntniss oft 
anzunehmen geneigt ist. 

In der fraglichen Rinde also finden wir die Alkaloide 
der‘ „echten“ China vereinigt mit der anatomi- 
schen Beschaffenheit, welche bisher ausschliesslich den 
„falschen“ Chinarinden zugeschrieben worden ist. Dem- 
gemÀss sind diese beiden Begriffe zu modificiren; in mir we- 
nigstens unerwarteter Weise erhalten durch die Analysen von 
Hesse die sogenannten falschen Ühinarinden eine erneute 
Bedeutung. Die hier geschilderte kupferrothe China dĂŒrfen 
wir vermuthlich als VorlÀufer anderer Uebergangsformen 
auffassen, 


252 Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., Àcht. tonguin. Moschus. 


Ueber die Eigenschaften und Kennzeichen eines 
guten, Àchten tonquinensischen Moschus. 


Von Chr. Rump.*) 


Dem October- Bericht von Rump & Lehners fĂŒgte ich 
folgende Bemerkungen wegen des Bezuges von Moschus an: 

„Unser direct bezogener Moschus ex vesicis empfiehlt 
sich besonders durch seine Kriterien der Aechtheit. Es ge- 
hört nach unseren vielseitigen Erfahrungen nachgerade zu 
den Vorurtheilen der Praxis, als sollte der Moschus nur dann 
als Àcht anzusehen sein, wenn man ihn selbst den Beuteln 
entnommen hat, dass also ein Bezug von exvesicirtem Moschus 
nicht zu gestatten sei. Gerade das Umgekehrte ist heutigen 
Tags das Richtigere. Der Droguist soll noch aufkommen, 
der fĂŒr den Inhalt der von ihm als best versandten Moschus- 
beutel einstehen könnte. Fast kein Beutel ist irgend einer 
der vielseitigen Manipulationen entgangen, die die Woaare 
alteriren, immer aber den KĂ€ufer benachtheiligen. Es ist der 
MĂŒhe werth, sie hier einmal aufzuzĂ€hlen: 

Erstens: der Inhalt ist theilweise dem frischen Beu- 
tel entnommen und dadurch das VerhÀltniss in der Ausbeute 
an reinem Moschus zum leeren Beutel zum Nachtheil des 
KÀufers gestört. 

Zweitens: der durch theilweise Entnahme des Inhalts 
erleichterte Beutel ist wieder durch heterogene Stoffe beschwert, 
als da sind Streifen oder kleine WĂŒrfel von der Haut eines 
Thieres, Bleikugeln oder Haut aus der Innenseite anderer 
Moschusbeutel, Horn- oder KlauenstĂŒckchen. 

Drittens: man hat die Moschusbeutel ganz entleert 
und an dessen Statt eine mehr oder weniger gefÀlschte Masse 
eingebracht. 

Diese VerfÀlschungen bestehen wohl hauptsÀchlich in Zu- 
mischung geringerer Sorten Moschus z. B. des cabardinischen, 
mag auch theilweise getrocknetes Blut sein, wir haben es 


*) Hannover, Schrift und Druck von Fr. Culemann, 1871. Vom Herrn 
Verfasser zum Wiederabdruck in unserem Archiv mitgetheilt. H. 1. 


Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., Àcht. tonquin. Moschus, 253 


nicht der MĂŒhe werth geachtet, dies nĂ€her zu untersuchen, 
denn gefÀlscht ist gefÀlscht, und uns mit dieser Thatsache 
begnĂŒgt. Eine solche Versetzung des Moschus mag nun 
geschickt angefangen sein, immer aber geht dabei das Haupt- 
kriterium eines guten Moschus verloren, es fehlen die ver- 
schieden grossen Kugeln, die ihn charakterisiren und die, wie 
es scheint, nicht nachzukĂŒnsteln sind, wĂ€hrend der cabardi- 
nische stets eine salbenartige oder in trocknem Zustande 
compacte Masse bildet. Der Inhalt solcher gefÀlschter Beutel 
ist dann gleichmĂ€ssig krĂŒmelig trocken oder compact schmie- 
rig, oder trocken, dabei hÀufig mit einem weissen salzartigen 
Beschlage versehen; manchmal ĂŒbelriechend , urinös oder am- 


moniakalisch. 


Zu allen diesen Manipulationen bietet nun die Àussere 
Beschaffenheit des Moschusbeutels die beste Gelegenheit, d& 
er mit einer natĂŒrlichen Oeffnung versehen ist und die noch 
frische Haut eine Dehnbarkeit besitzt, die wir an den mumien- 
artig aufgetrockneten Beuteln nicht mehr wahrnehmen. Es 
ist daher natĂŒrlich, dass diese VerfĂ€lschungen an den Ex- 
portplÀtzen geschehen. 


Eine vierte Art der VerfÀlschung mag in London mit 
den trocknen Beuteln vorgenommen werden, indem manedie 
durch vorsichtiges Ausschneiden ihres Inhaltes beraubten 
Beutel aufweicht, mit gefĂ€lschter Masse fĂŒllt, und so geschickt 
wie möglich wieder zunÀht. Gewiss ist, dass dort die leeren 
Beutel sehr gesucht und hoch bezahlt werden. Ein solcher 
Moschus ist nie durch unsere HĂ€nde gegangen, davor schĂŒtzte 
uns die ReellitÀt und Umsicht unserer CommissionÀre, die 
nur beauftragt sind, beste Waare fĂŒr uns anzukanfen, wobei 
‚aber die oben gerĂŒgten UebelstĂ€nde nicht auszuschliessen sind, 


Der Moschus wird von Uhina in 1 Pfund haltenden vier- 
eckigen Blechdosen verschickt, die jede einzeln in einem mit 
Seide ĂŒberzogenen KĂ€stchen stecken. 'Er geht aber nicht 
anders in die HĂ€nde der europĂ€ischen KĂ€ufer ĂŒber, als wenn 
jeder Beutel fĂŒr sich angesehn und Ă€usserlich gut befunden 
ist, zum Zeichen dessen das Seidenpapier mit der rohen chine- 


254 WUeb. d. Eigensch. u. Kennzeichen eis. gut., Àcht. tonguin, Moschus. 


sischen Malerei einer Moschusjagd, in welches jeder Beutel 
eingewickelt ist, gestempelt ist „finest selected Tonquin Musk.“ 

Nach diesem Allen ist es klar, dass mehr Moschusmasse 
in den Handel kommt, als die vorhandenen Beutel enthalten 
und diese ĂŒberschiessende Masse kommt als Moschus ex vesi- 
cis auf den Markt. Dabei hört nun aller Betrug fĂŒr den 
Kenner sofort auf, und der Vortheil ist schon so fĂŒr den 
HĂ€ndler, dass er den zweiten Betrug entbehren kann, indem 
er den doppelten Preis erhÀlt. 

Wir mĂŒssen gestehen, wir waren von dem allgemeinen 
Vorurtheil selbst so angesteckt, dass wir erst seit kurzer Zeit 
den ersten Versuch wagten, exvesicirten Moschus anzukaufen, 
der aber so evident gĂŒnstig ausfiel, und wobei uns die lang- 
jÀhrige Erfahrung bei dem Untersuchen des Inhaltes der 
besten Moschusbeutel, ein so sicheres Urtheil an die Hand 
gab, dass wir ĂŒberrascht wurden. 

Die VerfÀlschungen und VerÀnderungen 1 und 2, die 
man mit Moschus in Beuteln vorgenommen hat, sind die gĂŒn- 
stigsten, denn was man an Moschus erhÀlt, ist wenigstens 
Ă€cht und unvermischt, man hat nur Einbusse an der Aus- 
beute, nichts desto weniger wird darĂŒber am meisten Wesen 
gemacht, wÀhrend man die andere Adulteration der Masse 
weniger als solche erkennt, wenn man nicht wirklich echten 
Moschus unter HĂ€nden gehabt hat. 

Heute kann ich obige Bemerkungen dahin vervollstÀndi- 
gen, dass ich auch den thatsÀchlichen Nachweis liefere, dass 
der den frischen Beuteln entnommene Moschus krÀftiger ist, 
als ebenso Àchter, wenn er in der Haut eingeschlossen und 
ausgetrocknet ist. 

Es ist nemlich bisher nie gelungen, das riechende Princip 
fĂŒr sich daraus darzustellen, und doch ist es wohl unbestrit- 
ten, dass darin die ganze EigenthĂŒmlichkeit des Moschus 
beruht. Ich werde jetzt nachweisen, dass dasselbe besteht: 

1) aus freiem kohlensauren Ammoniak; 

2)-aus einer Spur ButtersÀure oder einer Àhnlichen 
SĂ€ure und 3 

3) einem neutralen eigenthĂŒmlichen Ă€ther. Oele. 


Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., acht. tonquin. Moschus. 255 - 


Die mit verhÀltnissmÀssig grössten und besten Materiale 
. ausgefĂŒhrte Analyse des Moschus finde ich vom Jahre 1803 
im Berliner Jahrbuche fĂŒr die Pharmacie, durch Herrn J. H. 
Thiemann, Apotheker in Berlin. Derselbe operirte mit 
Hunderten von Granen, konnte aber keinen Nachweis eines 
Ă€therischen Oeles liefern, obschon er darauf besonders Acht 
hatte, weil frĂŒhere Analytiker dasselbe gefunden haben wollten. 

Geiger und Reimann haben ebenfalls das riechende 

Prineip nicht isoliren können (s. Magaz. fĂŒr Pharmacie Bd. 21. 
p- 58). . 
Thiemann, dem ich um so lieber folge, als seine Un- 
tersuchungen, trotz der fortgeschrittenen Wissenschaft ihren 
praktischen Werth nicht verloren haben, bewies zuerst, dass 
Ă€chter, guter Moschus stets einen bedeutenden Gehalt an 
kohlensaurem Ammoniak haben mĂŒsse, was damals von 
allen AutoritĂ€ten verneint wurde. „Wenn Moschus, mit 
Pottasche gerieben, einen flĂŒchtigen Geruch entwickelt, so ist 
er verfĂ€lscht,“ sagen Hagen, Westrumb, Trommsdorff, 
Dörffurth und Scherf. Man kann hieraus, wie an kei- 
nem andern Beispiele besser,, ersehen, wie sich Vorurtheile 
und falsche Ansichten festsetzen können. Einer hatte dem 
Andern nachgesprochen, ohne selbst zu prĂŒfen. Oder, wie 
ich spÀter zeigen werde, sie hatten Alle nur sogen. russischen 
Moschus unter HĂ€nden gehabt. | 

Thiemann will darin 9 pCt. Ammoniak gefunden ha- 
ben; ferner fand er, dass Weingeist, ĂŒber Moschus abgezogen, 
keine Spur des riechenden Principes mit hinĂŒber nimmt. 

Von den Stoffen, die er fand, interessirt uns noch beson- 
ders das mit Aether ausziehbare Fett, was er fĂŒr Wachs 
anspricht, ich will es Cholesterin nennen. Seine Be- 
schreibung eines guten Moschus passt ganz auf den von uns 
empfohlenen exvesieirten Moschus. Der Gang seiner Analyse 
bestand im Wesentlichen aus: 

1) Destillation mit Wasser, wobei kein Àtherisches Oel 
sich abschjed, trotzdem 100 Gran in Arbeit genommen waren, 

2) Bestimmung der in Wasser löslichen Bestandtheile, 
die er zu 90 pOt. angiebt; Andere geben 66 pÜt. an, 


. 256 Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., Àcht. tonquin. Moschus, 


3) Ausziehen mit Weingeist, der 50 pCt. aufnahm. 
4) Extraction mit Aether. 
5) Bestimmung des freien Ammoniaks. 

Ausserdem bestimmte er die Aschenbestandtheile und 
constatirte einen wesentlichen Unterschied zwischen dem ton- 
quinensischen und cabardinischen Moschus, da die Asche des 
letzteren nur Kalk, die des ersteren auch Kali und Natron 
enthielt. 

Im Wesentlichen haben wir jetzt noch ebenso zu ver- 
fahren und verzichteten erst darauf, dem Gegenstande noch 
neue Seiten abgewinnen zu können; jedoch eine Betrachtung 
bewog mich, den Versuch zu wagen, nemlich, ob nicht der 
spec. Geruch des Moschus in irgend einer fetten SĂ€ure be- 
grĂŒndet oder damit vergesellschaftet sein könnte, wovon bei 
dem damaligen Stande der Wissenschaft noch keine Rede war. 

Zwei Gramme Moschus wurden mit 50 Grammen mit etwas 
PhosphorsÀure angesÀuerten Wasser unter abwechselndem 
Zusatze von reinem Wasser so lange destillirt, bis 45 Grm. 
ĂŒbergegangen waren. Das Destillat war trĂŒbe, mit einer 
fettigen Haut ĂŒberzogen, roch stark nach Moschus und rea- 
girte sauer. Von SalzsÀure fand sich nur eine Spur darin. 
Nach Zusatz von etwas AetzkaliflĂŒssigkeit wurde das Destillat 
der Rectification unterworfen bis zur HĂ€lfte. Hiebei schieden 
sich deutliche Oeltröpfchen aus, deren Geruch 
angenehm moschusartig. Hierauf wurde der RĂŒckstand 
in der Retorte mit PhosphorsÀure angesÀuert und abdestillirt, 
wobei ein saures Destillat erhalten wurde, das den Geruch 
nach ButtersÀure neben schwachem Moschusgeruch deut- 
lich erkennen liess. 

Beim Eintragen des Moschus in die schon heisse saure 
FlĂŒssigkeit entstand ein merkliches Aufbrausen von entwei- 
chender KohlensÀure. 

Nach diesem vorlÀufigen Versuche, der an sich schon in 
Bezug auf das riechende Prinzip ein entscheidendes Resultat 
gegeben, obgleich nur 32 Gran nach altem Gewicht, in Arbeit 
genommen waren, unternahm ich noch die Destillation einer 
grösseren QuantitÀt von 15 Grm., in der Hoffnung, eine 


Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., Àcht. tonquin. Moschus. 257 


grössere Menge des Àther. Oeles zu erhalten, und den Ge- 
halt an Ammoniak und an SĂ€ure, die ich fĂŒr ButtersĂ€ure 
ansprach, zu bestimmen. 

Zu dem Ende destillirte ich zunÀchst mit reinem Wasser. 
Es entwickelten sich aus der FlĂŒssigkeit bei der ErwĂ€rmung 
zuerst kleine Gasblasen, von Zersetzung des kohlensauren 
Ammoniaks herrĂŒhrend, beim Kochen aber warfen sich erst 
eine Zeitlang grosse schillernde Seifenblasen auf, die auf eine 
innige natĂŒrliche Mischung der fetten mit den ammoniakali- 
schen Bestandtheilen des Moschus schliessen liessen, weil sie 
spĂ€ter, als das Ammoniak ĂŒberdestillirt sein musste, weg fielen. 

Die Destillation wurde 2 Stunden lang fortgesetzt, und 
dann unterbrochen, obschon noch nicht aller Moschusgeruch 
verschwunden war. 

Das Destillat erforderte 4,3 Gr. PhosphorsÀure von 1,13 
spec. Gew. zur SĂ€ttigung, was einem Gehalte an kohlensau- 
rem Ammoniak von 1,22 Gr. = 8°), entspricht. Die Gegen- 
wart von Propylamin war nicht nachzuweisen. 

Nach gehöriger UebersÀttigung mit SÀure, um etwa 
gebundene fette SĂ€ure zu zersetzen, wurde nochmals destillirt 
und die HÀlfte abgezogen, wobei allerdings mehr Àtherisches 
Oel in Tropfen auftrat, aber doch noch. nicht so viel, um 
diese abnehmen zu können. Die freigewordene ButtersÀure 
erwies sich so unbedeutend, dass mit 3 Tropfen KaliflĂŒssig- 
keit die saure Reaction verschwand, wesshalb weiter keine 
RĂŒcksicht auf sie genommen wurde. Ein Versuch, durch 
Zusatz von Kali aus dem Moschus noch etwas durch Destil- 
lation zu entziehen, gab ein negatives Resultat. 

Noch ist zu bemerken, dass aus dem Retorteninhalt, nach 
Zusatz von SÀure sich ein kÀsiges Gerinnsel abschied. 

Somit wÀre also im Wesentlichen Alles durch den klei- 
nen Versuch mit zwei Grammen entschieden, theils durch die 
angewandte Methode, hauptsĂ€chlich aber in Folge der GĂŒte 
des angewandten Materials, quod erat demonstrandum. 

Das Àtherische Oel durch wiederholte Destillation 
anzusammeln, gelang um so weniger, als es nur schwer und 
desshalb langsam ĂŒbergeht. Selbst als zwei Drittel des ersten 

Arch, d, Pharm, CXCIX, Bds, 3. Hft, 17 


258 Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., Àcht. tonquin. Moschus. 


Destillates ĂŒbergegangen waren, roch der RĂŒckstand noch 
stark nach Moschus und gab bei fernerer Destillation den 
angenehmen Geruch, den ein kleiner Antheil Moschus einem 
ParfĂŒm mittheil. Das Ă€therische Oel des Moschus 
ist farblos, leichter als Wasser und in demselben in geringem 
Grade löslich. Das zuletzt ĂŒbergehende war stearopten- 
haltig. Sein Geruch ist der des feinsten Moschus und hai- 
tet ebenso an den KleidungsstĂŒcken. 

Die grosse ExtensivitÀt des Moschusgeruch erklÀrt sich 
daraus ungezwungen. Die Einwirkung auf unsere Geruchs- 
organe bildet seine EigenthĂŒmlichkeit, dem durch kein chem. - 
Reagens beizukommen ist. FĂŒr viele Personen ist er wider- 
wÀrtig, vollends, wenn sich die Erinnerung an ein trauriges 
Ereigniss in der Krankenstube damit verbindet. FĂŒr Andere, 
speciell auch fĂŒr mich, ist sein Geruch das feinste ParfĂŒm, 
wĂ€hrend mir beim Zibeth und Patchouli ĂŒbel zu Muthe wird. 
Soll ich von einer Einwirkung auf den Organismus reden, so 
war solche nach der Destillation der grösseren Masse keines- 
wegs unangenehm, nahm namentlich nicht im Geringsten die. 
Kopfnerven ein, vielmehr war derselbe aufweckend, heiter 
stimmend, was auch durch die medic. Praxis bestÀtigt wird. 

Die IntensitÀt und ExtensivitÀt des Moschusgeruchs steht 
aber namentlich in der Thierwelt nicht vereinzelt da. Auf 
welche Entfernungen hin wittert das Raubthier seine Beute, 
erkennt der Hund die Spur des Wildes, wie die seines Herrn! 
Welche unglĂŒckliche Wesen wĂ€ren wir aber, wenn wir diese 
selbe Geruchs- Empfindlichkeit besÀssen. 

Hinsichtlich der Zerstörbarkeit des Moschusgeruchs habe 
ich einige Versuche mit dem Destillate gemacht, namentlich 
dasselbe in siedende officinelle SalpetersÀure gegeben, ohne 
dass der Geruch alsbald zerstört worden wÀre. Aehnlich 
andauernd ist der Geruch des Juchtenleders, Kreosots, Pat- 
chouli ete. Chlor zerstört ihn sogleich, SchwefelsÀure brÀunt 
sich mit dem Geruchsprincip, Kali wirkt nicht darauf ein. 

In der pharmaceutischen Praxis erzÀhlt man sich manche 
VorfÀlle, wie der Geruch von Moschuspulvern durch zufÀllige 
Combination mit Zucker, Sulfur aurat., Zimmtöl etc. ganz ver- 


Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., Àcht. tonquin, Moschus. 259 


schwunden sei. Ein solches Verschwinden erklÀrt sich nicht 
aus einer leichten Zerstörbarkeit des riechenden Prinzips, da 
es gerade seine EigenthĂŒmlichkeit ist, lange zu dauern, eher 
aus seiner Eigenschaft, an GegenstÀnden zu haften; Zucker hat 
bekanntlich die Eigenschaft Àtherische Oele zu binden, Sulfur 
aurat. enthÀlt hÀufig freie schweflige SÀure, auch wenn er so 
beschaffen wÀre, wie ihn die Pharmacopöe nur verlangt, dass 
er nemlich nicht sauer schmeckt, ist auch ein sehr fein ver- 
theilter Körper, und was nun vollends den Zimmtölzucker 
anlangt, so ist dieser gewiss im Stande, den Moschus zu 
ĂŒberschreien, man verzeihe den bildlichen Ausdruck. Solche 
Erfahrungen sind schlecht nachzumachen; man weiss auch, 
wie Wenige im Stande sind, eine gute Beobachtung zu 
machen; ich bin eher geneigt, die Ursache in der wenig krÀf- 
tigen Beschaffenheit des Moschus zu finden, wozu mich spÀ- 
tere Betrachtungen fĂŒhrten, a 

Somit ist wohl erwiesen, dass es zu den widerlegten 
Vorurtheilen gehört, als sei Àchter Moschus nur in Beuteln 
zu beziehen, so lange nemlich die bisherige unverfÀlschte 
(Juelle anhÀlt. 

Dass sie anhalte, ist Sache guter Droguisten, die sich 
ein Urtheil haben bilden können, und jede verdÀchtige Waare 
von der Hand weisen, um nicht in die Lage zu kommen, 
solche ihren Kunden als gut auflegen zu mĂŒssen. 

Es ist aber schliesslich auch gar nicht schwer, selbst fĂŒr 
den weniger Erfahrenen, die Aechtheit und GĂŒte des Moschus 
zu erkennen, wenn auch von dem Aussehen der Beutel voll- 
stÀndig abzusehen ist. 

Der tonquinens. Moschus bildet nie eine salbenartige 
Masse, kann desshalb auch nie von diesem Zustande in einen 
zusammenhÀngenden mehr oder weniger trockenen Kuchen 
ĂŒbergehen, wie der cabardinische Moschus, er besteht viel- 
mehr aus linsen- bis erbsengrossen und noch grösseren 
KlĂŒmpchen von dunkler, fast schwarzbrauner Farbe, die sich 
weich anfĂŒhlen, mit dem Messer scharf und leicht durch- 
schneiden lassen, und mit einer zarten Haut durchsetzt sind, 
die beim Auflösen in Wasser zurĂŒckbleibt. Wahrscheinlich 

17 


260 Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., Àcht. tonquin. Moschus. 


sind dies Epithelialzellen, an denen die Moschusmaterie sich 
ausgeschieden hat und die allmÀhlig abgestossen werden. 
Durch die Bewegung des Thieres beim Laufen ballen sie sich 
dann zu lĂ€nglichen oder runden KlĂŒmpchen zusammen. Hat 
man hierauf Acht und solchen Moschus unter HĂ€nden gehabt, 
so ist man vor aller VerfÀlschung sicher. Spelzen von klei- 
nen GrÀsern und Haare laufen stets mit unter. Der Geruch 
ist, was man nennt fein, jedoch darĂŒber lĂ€sst sich streiten, 
und ist nicht zu beschreiben, je frischer der Moschus, um so 
penetranter; aus eingetrockneten Beuteln genommen, ist er 
milder. Seine Löslichkeit in Weingeist ist nicht gross, in 
Wasser zertheilt er sich und lÀsst, wie oben bemerkt, HÀute 
zurĂŒck, und um so weniger RĂŒckstand, je vollstĂ€ndiger das 
Ammoniak noch in der Mischung enthalten ist und vermöge 
einer seifenartigen Verbindung die Löslichkeit bedingt. 

Moschus, der in der Form von grobem Schnupftaback 
gemahlen vorkommt, ist sicher Beuteln mit verfÀlschtem In- 
halt entnommen, dessen Untersuchung nicht der MĂŒhe lohnt, 
und solcher ist es, von dem geschrieben steht: „Du sollst 
ihn nicht kaufen.“ 

Ein Moschus, der von ParfĂŒmeurs noch vorgezogen wird, 
ist sogen. Assammoschus. Die Beutel sind flacher und mit 
viel Bauchhaut versehen, desshalb weniger ergiebig und wer- 
den wenig gekauft. 

Der cabardinische riecht urinös, ist anfangs weich, sal- 
benartig und trocknet spÀter zu einer festen Masse ein. Er wird 
gewiss vielfach zum Versetzen von tonquin. Moschus gebraucht, 
an und fĂŒr sich findet er wenig KĂ€ufer. 

BezĂŒglich der DauerfĂ€higkeit des Moschusgeruches diene 
zum Beweise, dass der RĂŒckstand nach zweistĂŒndiger Destil- 
lation noch hartnÀckig nach Moschus riecht. Etwas Aehn- 
liches finden wir indess hÀufiger; man denke nur an Valeriana, 
deren Extract noch den specif. Geruch erkennen lÀsst. Wie 
ist aber auch die Zusammensetzung so zu sagen darauf be- 
rechnet, die flĂŒchtigen Bestandtheile durch die nicht flĂŒchtigen 
zu fixiren, wie greifen sie in einander, das Oel, das Ammoniak 
und das Fett! 


Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut., Àcht. tonquin, Moschus. 261 


Man braucht desshalb auch nicht nach einer besondern 
Ursache seiner Entstehung zu suchen, wie z. B., dass der 
Geruch sich fortwÀhrend bilde aus den Bestandtheilen des 
Moschus, er dunstet eben sehr langsam ab und unsere Ge- 
ruchsnerven sind Àusserst empfindlich dagegen. Ambra und 
Moschus bilden ein hÀufig zusammengestelltes Paar, wÀhrend 
die erstere so gut wie gar keinen Geruch besitzt, aber der 
Parfumeur ihn doch aufs Höchste schĂ€tzt, weil er die GerĂŒche 
fixirt; ein solches Fixirungsmittel besitzt der Moschus in sei- 
nem cholesterinartigen Fette. 

Dass ich mit Beschreibung des Àchten tonquin. Moschus 
keine ĂŒberflĂŒssige Arbeit gethan habe, 'erweist sich aus den 
Beschreibungen der Pharmakologen und Pharmakopöen. Alle 
beginnen damit, dass die Masse anfangs, oder frisch salben- 
artig sein, spÀter aus kleinen Körnern bestehen soll; nun kann 
aber eine salbenartige Masse nur zu einer compacten Masse 
eintrocknen, wie es der sogen. cabard. Moschus thut.*) Die 
Lösung soll bald neutral, bald alkalisch, ja sogar zuweilen 
sauer reagiren. Man ging davon aus, dass anscheinend 
unverletzte Beutel die Àchte Waare reprÀsentiren mussten, 
und da kam allerdings diese verschiedene Masse zu Tage. 
Aechter, guter tonquin. Moschus bildet immer eine aus Kör- 
nern von Stecknadelkopf- bis ĂŒber Erbsen - Grösse bestehende 
Masse, ist stets ammoniakalisch, zum bei weitem grössten 
Theile in Wasser löslich unter ZurĂŒcklassung von zarten 
Membranen. Um nun dem Visitator den Beweis zu geben, 
dass der Moschus richtig beschaffen sei, soll derselbe unzer- 
rieben aufgehoben werden, was auch zur Haltbarkeit nicht 


*) Das Richtige hat schon Wildenow in seinem Aufsatze ĂŒber 
die Naturgeschichte des Moschusthieres im Berliner Jahrbuch fĂŒr Phar- 
macie vom Jahre 1803. „Die VerfĂ€lschung der Moschusbeutel verstehen 
besonders die Chinesen und Thibetaner. Erstere wissen allerhand 'Mi- 
schungen zu machen, die nicht so leicht zu entdecken sind; letztere sollen 
besonders durch BleikĂŒgelehen deren Gewicht zu vermehren suchen. Der 
Moschus hat aber in den Beuteln an den frisch getödteten 
Thieren sogleich dieFarbe und Consistenz, dieman an dem 
in den Handel kommenden bemerkt.“ 


262 Ueb. d. Eigensch. u. Kemnzeichen ein. gut., Àcht, tonquin. Moschus. 


unwesentlich beitrÀgt. Das Verbot, den Moschus nur in Beu- 
teln zu beziehen, ist dahin abzuÀndern, dass der Apotheker 
sich zuvor von dem Inhalt der Beutel ĂŒberzeugt haben soll, 
ehe er zum Ankauf schreitet, oder, was dasselbe sagen will, 
dass er ihn erst aus den Beuteln kauft.*) Zerriebener und 
durch ein Sieb getriebener Moschus ist zurĂŒckzuweisen, da 
er keine Garantie fĂŒr die Aechtheit mehr bietet. Er darf 
nicht getrocknet werden, sondern werde beim Dispensiren mit 
den ihm adhÀrirenden zarten HÀutchen verrieben oder 
sollte Jemand daran Anstoss nehmen, da wir tÀglich in unse- 
ren Fleischspeisen davon Massen zu uns nehmen? Sollte es 
vorkommen, dass vom Arzte das gewöhnliche Vehikel von 
Zucker zu knapp bemessen wÀre, um Pulver damit herzu- 
stellen, so muss es freistehen, dasselbe so weit zu vermehren, 
dass ein Pulver entsteht. Schon Dyrssen und Göbel 
haben, wie ich eben lese, die Behauptung aufgestellt, dass 
niemals ein unverletzter Bisambeutel gefunden werde, sondern 
jeder derselben in irgend einer unbekannten Weise bearbeitet 
und der eingeschlossene Bisam dadurch partiell verÀndert 
worden sei. Jahrelange Beobachtungen haben mir dieses 
bestĂ€tigt, aber aus diesem Dilemma ‘war nicht heraus zu kom- 
men, bis sich eine Quelle fĂŒr den auf diese Weise gewonne- 
nen Àchten Moschus fand, an welche sich zu wenden bisher 
ein strenges Verbot hinderte. f 

Der Verbrauch von Moschus hat gegen frĂŒhere Zeiten 
bedeutend nachgelassen, nur grössere GeschÀfte haben noch 
Verwendung fĂŒr den ‘ganzen Inhalt eines Moschusbeutels. 
Also war das Gebot schon lĂ€ngst unhaltbar geworden. FĂŒr 
unser Deutschland wird es wohl nie an gutem, Àchten Mo- 
schus ex vesicis fehlen, mögen sich Andere mit dem deterio- 
rirten Inhalt der Beutel begnĂŒgen. FĂŒr die neue Pharma- 
 copöe schlage ich nun folgende Formel vor: 


*) Durch die Bestimmung, der Moschus darf nicht ausser den Beu- 
teln gekauft werden, gab man sich ein Armuthszeugniss bei Bevisionen, 
man sagte damit, weun Du mir nicht bezeugst, dass er Àcht ist, ich weiss 
es nicht, 


Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut, Àcht. tonquin. Moschus. 263 


Moschus, 5 


Secretum in folliculo proprio Moschi moschiferi, animalis 
in Asia viventis. Massa granulosa consistentiae pilularis nigro 
fusca e granulis constans, magnitudine usque ad lentis immo 
ad pisi, pinguiter nitens, cultro faciliter dissicanda, in sectura 
opaca. In aqua maxima ex parte dissolvenda membrana 
tenuia relinguens, solutio acidis effervescens. In spiritu et 
aethere minus solubilis. Odoris peculiaris penetrantis, sub- 
ammoniacalis, Kali hydrico contrita gas ammoniaci exhalans. 
A quisquiliis, pilis et frustulis singulis membrani separanda 
et in vasis bene clausis, sed non in forma pulveris asser- 
vanda. Sub nomine Moschi tonquinensis ex China affertur. 

Sollte Jemand nach allem Diesen kommen und sagen, 
du hast nur pro domo gesprochen, ich habe nur gute und 
durchaus unverfÀlschte Moschus - Beutel unter HÀnden gehabt, 
so erwidere ich dagegen, ein einzelner Apotheker mag dies 
wohl fĂŒr sich behaupten können, aber kein Droguist. Ferner 
könnte man versucht werden, zu glauben, es sei das frĂŒher 
besser gewesen, aber die Schlauheit und Geriebenheit der 
Chinesen datirt nicht von gestern, vielleicht schon von der 
SĂŒndfluth her, es ist im Gegentheile leicht, den Beweis zu 
fĂŒhren, dass es frĂŒher weit schlechter mit dem Bezug von 
gutem Moschus bestellt gewesen ist, als heute, 


Die von Herrn Apotheker Thiemarn aufgefĂŒhrten 
Schriftsteller, die als AutoritÀten. im Apothekerfache gelten 
dĂŒrfen, haben, weil sie die Anwesenheit von Ammoniak im 
Àchten Moschus bestreiten, nie Àchten Moschus unter HÀnden 
gehabt. Entweder war es nur sogen. russischer, der wirklich 
kein Ammoniak enthÀlt, oder verfÀlschte und vertrocknete 
Masse, ein corpus sine anima. „Zum Teufel war der Spiri- 
tus, das Phlegma war geblieben.“ 

Ferner: Im Jahre 1825, im 22. Bande des Repertorium 
fĂŒr die Pharmacie von Buchner, schreibt Friedr. Jobst an 
den Herausgeber: „Dieser Tage war ich endlich so glĂŒcklich, 
meine vieljÀhrigen und unaufhaltsam verfolgten Nachforschun- 
gen, Àchten Moschus zu erhalten, mit einem theilweisen 


264 Ueb. d. Eigensch. u. Kennzeichen ein. gut, Àcht, tonquin. Moschus. 


Erfolg gekrönt zu sehen.“ Nun beschreibt er denselben: 
„Die Beutel sind ungenĂ€ht (sic!) und mit dem feingeaderten 
UnterhĂ€utchen ganz geschlossen; sie enthalten eine ‚ganz 
trockne, aus harten KlĂŒmpchen, dem getrockneten Blute Ă€hn- 
liche Masse, woran auch noch das innere Zellgewebe sichtbar 
ist.“ Nach meiner bescheidenen Ansicht ist ihm damit noch 
nicht einmal das beste Zeugniss ertheilt. Zum Beweise aber, 
wie hoch er ihn hĂ€lt, bricht er in die Hyperbel aus: „Der 
Geruch ist so ausgezeichnet, so fein, angenehm durchdringend, 
dass ich fast sagen möchte, ein leerer Beutel von diesem ist 
mir lieber, als ein voller von denen, wie solche jetzt so hÀufig 
im Handel vorkommen.“ Sie taugen nemlich beide nichts. 
Schliesslich bedauert er, dass er nur eine Kleinigkeit habe 
auftreiben können; ferner geht aus dem Schreiben seine An- 
sicht noch hervor, dass der Moschus kĂŒnstlich mit Ammo- 
niak geschwÀngert werde, was ich bestreiten muss. 

Nein, der Droguenhandel wird rationeller be- 
triebenals vordem, und schlechte, wie verfÀlschte 
Waare findet immer weniger KĂ€ufer. 

Wenn ich oben den Werth des Moschus in seinen Gehalt 
an Àtherischem Oele gesetzt habe, so muss ich nach- 
trÀglich noch Gewicht auf den Gehalt an kohlensaurem 
Ammoniak legen. Mit dem letztern geht auch das erstere 
theilweise hinweg und nur dem durchdringenden Geruche des 
Àther. Oeles ist es zuzuschreiben, dass die QualitÀtsbezeich- 
nungen bisher so unbestimmt ausfallen konnten. Ist an der 
medic. Wirksamkeit des Moschus nicht zu zweifeln, so wird 
sich bei richtigerer Beurtheilung der Drogue spÀter eine 
grössere Uebereinstimmung darin herausstellen. 

Sollte einer der Herren Chemiker vor der Kostbarkeit 
des Materiales nicht zurĂŒckschrecken und Lust haben, sich 
von den Eigenschaften des Àtherischen Oeles ete. zu unter- 
richten, so sind wir gern bereit, das nöthige Material zum 
Kostenpreise dazu zu liefern; sechzig Gramme möchten genĂŒgen. 


Hannover, den 1. December 1871. 


265 


B. Monatsbericht. 


Y. Chemie. 


Schwefelwasserstoffgas 


wird nach Galletly vortheilhaft bereitet, indem man gleiche 
Theile Paraffin und Schwefel in einem Glaskolben etwas ĂŒber 
den Schmelzpunkt des Schwefels erhitzt. Beim Erkalten hört 
die Gasentwicklung auf, beginnt aber beim Erhitzen von 
Neuem. Statt des Paraffins kann man auch kÀufliche Stearin- 
sÀure gebrauchen, in diesem Falle condensirt sich jedoch im 
Gasleitungsrohr leicht eine milchige FlĂŒssigkeit, wahrschein- 
lich Wasser mit feinzertheiltem Schwefel. (Americ. Journ. 
of FPharmacy Fourth Ser. Novbr. 1871. Vol. IL. Nr. X1. 
p- 913.). W». 


Umwandlung des Chlorals in Aldehyd durch umge- 
kehrte Substitution. 


Sie geht nach J. Personne mit grosser Leichtigkeit 
bei Anwendung von Zink in einer sauren FlĂŒssigkeit vor 
sich. Man braucht nur etwas ZinkspÀhne in eine mittelst 
SO? oder HCl angesÀuerte Lösung von Chloralhydrat zu 
bringen, um bald den Geruch des Aldehyds wahrzunehmen. 

Nimmt man diese Arbeit in einer Retorte vor, die mit 
einer durch Eis gut abgekĂŒhlten Vorlage versehen ist, und 
beachtet man, die SĂ€ure nur in sehr kleinen Mengen nach 
und nach zuzusetzen, wÀhrend der Bauch der 'Retorte gegen 
50° erwÀrmt ist, so lÀsst sich eine hinlÀngl. grosse Menge 
Aldehyd hervorbringen, so dass man ihn rectifieiren und so 
viel Aldehyd-Ammoniak darstellen kann, um alle chrakte- 


266 Die VeberfĂŒhrung des Allylalkohols in Propylalkohol. 


vistischen Reactionen desselben damit vornehmen zu können. 
Ausser dem Aldehyd entsteht auch eine betrÀchtl. Menge der 
mit dem Aldehyd polymeren Verbindungen, namentl. Paral- 
dehyd, welcher auf der destill. FlĂŒssigkeit als ölige Schicht 
schwimmt. 


Personne stellte ausserdem die Verbindung des Am- 
moniaks mit dem wasserfreien Chloral H3N,C“*HC1°0? dar, 
welche dem Aldehyd- Ammoniak ganz vergleichbar ist. Man 
lĂ€sst ganz langsam trocknes H°’N gas in ein GefĂ€ss treten, 
welches eine sehr kleine Menge gut abgekĂŒhltes wasserfreies 
Chloral enthÀlt. Das Chloral-Ammoniak ist eine weisse, 
schmelzbare, HĂŒchtige Substanz, deren Geruch dem des Alde- 
hyd-Ammoniaks vergleichbar ist. Bei Behandlung mit conc. 
SchwefelsÀure giebt es wieder wasserfreies Chloral unter Bil- 
dung von schwefels. Ammoniak. Durch Wasser wird es in 
Chloroform und ameisens. Ammoniak zerlegt. 

Wenn man hierbei mit mehr als 2 bis 3 Grm. Chloral 
arbeitet, und das H°?N nicht sehr langsam zuleitet, so erhitzt 
sich die_Masse und ausser dem Ohloral- Ammoniak erhÀlt 
man viel syrupartige FlĂŒssigkeit, welche aus Chloroform 
C2HOC]Ÿ und Formamid C°HO°H°N besteht. Aus letzterem 
erhielt Personne durch Behandlung mit wasserfreier PO° 
BlausÀure. Zusammen mit der bereits bekannten Verbin- 
dung des Chlorals mit dem zweifach schwefligs. Natron las- 
sen die mitgetheilten Thatsachen keinen Zweifel mehr, dass 
das COhloral als dreifach gechlorter Aldehyd zu 
betrachten sei. (Compt. rend. 71, 227; daraus in Annalen d. 
Ohem. u. Pharm. Januar 1871; Bd. 157, 8. 113 — 115.). 


H.L. 


Die UeberfĂŒhrung des Allylalkohels in Propylalkohol 


ist B. Tollens gelungen, indem er entwÀsserten Allylalko- 
hol mit seinem gleichen Gewichte Actzkali am umgekehrten 
Liebig’schen KĂŒhler im Oelbade bei 155° C., erhitzte. 

Es entweicht Wasserstoffgas. Nach beendigter Zersetzung 
setzt man Wasser zu und destillirt ab. Auf dem Destillat schwim- 
men Oeltropfen. Das wÀssrige Destillat giebt durch system. 
Destilliren und Abscheiden mit kohlens. Kali eine nicht 
unbetrĂ€chtl. Menge einer alkohol. brennbaren FlĂŒssigkeit, 


Ueber normale ValeriansÀure, 267 


welche zum grössten Theil zwischen 80 und 100° ĂŒbergeht. 
Durch UeberfĂŒhrung des Productes in BromĂŒre und Acetate, 
Trennung dieser durch Fractioniren, wurden dieselben gerei- 
nigt, endlich der regenerirte Propylalkohol durch chroms. Kali 
und SchwefelsĂ€ure in PropionsĂ€ure ĂŒbergefĂŒhrt. 

Neben Propylalkohol und PropionsÀure entstehen 
bei dieser Reaction: Aethylalkohol, AmeisensÀure, 
alkoholartige Producte 'von C%- und U?-Gehalt (Mesityl- 
oxyd und Phoron?) und saure Producte- C°SH!?O° oder 
C°H!#0?2, die sich vielleicht vom !Phoron ableiten. — Die 
Constitution des normalen Propylalkohols wird jetzt 
allgemein als CH?_CH?_CH?OH angenommen; die des Iso- 
propylalkohols dagegen als CH?_CHOH_CH?. Da sich 
der Allylalkohol in Propylalkohol ĂŒberfĂŒhren lĂ€sst, so 
kann man mit Tollens deinselben die Formel CH?ZCH_CH?OH 
zutheilen. FĂŒr das Propylen gilt wohl allgemein die For- 
mel CH?/CH_CH?, fĂŒr das daraus leicht entstehende Allyl- 
jodĂŒr die Formel CH?/CH_CH?J. 

Tollens bemerkt, dass ihm schon vor mehren Jahren 
A. Baubigny empfohlen habe, die Reaction zwischen Allyl- 
alkohol und Kali zu versuchen; letzterer erwartete nemlich, 
dass der Allylalkohol aldehydartig Propylalkohol und Propion- 
sĂ€ure bilden wĂŒrde. (Ann. Oh. Pharm. Juli 1871; 159, 
92 — 105.). FL, 


Ueber normale ValeriansÀure 


haben Ad. Lieben u. A. Rossi Untersuchungen veröffent- 
licht. Sie erhielten dieselbe aus normalem CyÀnbutyl 
durch Kochen mit weingeistigem Kali. 

Das normale ButylchlorĂŒr,-bromĂŒr oder- jodĂŒr 
wird mit mehr als der Àquivalenten Menge Oyankalium 
und mit Weingeist von 85 Proc. in Glasröhren einge- 
schmolzen und 2 Tage hindurch auf 100 bis 110° erhitzt. 
Nach dem Oefinen der Röhren wird die alkohol. FlĂŒssigkeit, 
welche das Cyanbutyl in Lösung hÀlt zur Trockne destillirt, 
in das Destillat festes Kali eingetragen und am RĂŒckfluss- 
kĂŒhler 1 bis 2 Tage gekocht, bis sich kein HÂź?N mehr ent- 
wickelt. Der eigenthĂŒml. widrige Geruch des ÜCyanbutyls 
verschwindet dabei nicht ganz. Man destillirt nun den Wein- 
geist vollstÀndig ab und giesst auch wohl noch etwas Wasser 


268 Ueber normale ValeriansÀure. 


auf den RĂŒckstand, um wieder abzudestilliren. (Das alko- 
holische Destillat haben L. und R. statt gewöhnl. Weingeist 
als Zusatz zum Chlorbutyl und KCy bei neuen Bereitungen 
von ValeriansÀure verwendet; es enthÀlt neben H°ŸN stets 
Mono-, Di- und Tributylammin, die sich bei Darstellung 
grösserer Mengen von ValeriansÀure leicht als Nebenproduet 
gewinnen lassen (siehe bei Butylammin $. 150.) Der Destilla- 
tionsrĂŒckstand besteht aus valerians. Kali nebst ĂŒber- 
schĂŒssigem Aetzkali; er wurde in Wasser gelöst mit Schwe- 
felsÀure annÀhernd neutralisirt, das niederfallende 
K0,S0° auf Leinwand abfiltrirt, ausgepresst und etwas ge- 
waschen, Die Lösung wurde zur Trockne verdampft und 
warm mit SchwefelsÀure zersetzt, wodurch sich die freie 
ValeriansÀure als ölige Schicht abschied, die abgehoben 
wurde; aus der unteren wÀssrigen Schicht konnte durch 
Destillation noch etwas ValeriansÀure gewonnen werden. Die 
"SĂ€ure wurde noch mit etwas Wasser gewaschen u. der 
Destillation unterworfen, wobei nach Beseitigung der ersten 
wasserhaltigen Tropfen sogleich ein reines Product erhalten 
wurde, das in dem Temperaturintervall von »1°,5 vollstÀndig 
ĂŒberging. 

Die Analyse des wiederholt destill. Products von con- 
stantem Siedepunkt gab folgende, der Formel der Valerian- 
sÀure C°H!°0? entsprechenden Resultate: 0,4148 Grm. gaben 
0,8917 CO? und 0,3593 H20. In 100 Theilen also: 


berechnet. gefunden. 
C = 58,82 58,63 
m 950 9,62 
0 3755 ee 
100,00. 


Die normale ValeriansĂ€ure Ü5H!PO? besitzt einen 
Geruch, der sich mehr dem der reinen ButtersÀure als dem 
der gewöhnlichen ValeriansÀure nÀhert. In einem ver- 
korkten GefĂ€sse auf — 16° abgekĂŒhlt, wurde sie nicht fest, 
sondern nur etwas dicklich. 

1 €.C. SĂ€ure vermag bei 16° etwa 0,1 C.C. Wasser 
vollstÀndig aufzulösen; setzt man mehr Wasser zu, so bildet 
dieses eine untere Schicht, auf der die SĂ€ure schwimmt, bis 
nach Anwendung von 27 C.C. Wasser auf 1 C.C. SĂ€ure voll- 
stÀndige Lösung eintritt. Spec. Gew. (bezogen auf Wasser 
von den gleichen Temperaturen): 0,9577 bei 0°; 0,9415 bei 
20°; 0,9284 bei 40°; 0,9034 bei 99°,3 (hierbei befand_sich 
das Densimeter im Dampf von siedendem Wasser bei auf 


Ueber normale ValeriansÀure, 269 


0° reducirtem Barometerstand von 740,7 M.M. entsprechend 
999,3). 

er Siedepunkt bei dem auf 0° reducirten Barometer- 
stand 736 M.M.— 185° 0. (die berĂŒcksichtigte Correction f. 
d. herausragenden Quecksilberfaden = 3,8). 

Bei einer anderen ĂŒber 200 Grm. betragenden Partie nor- 
maler ValeriansÀure einer anderen Bereitung, die L. u. R. 
auch fĂŒr rein hielten, die aber nicht analysirt worden war, 
wurde bei auf 0° reducirtem Bar. 736,8 M.M. der corrigirte 
Siedepunkt 184° gefunden. Man muss also einstweilen 184 
bis 185° Cels. bei 736 M.M. Druck als Siedepunkt der nor- 
malen ValeriansÀure annehmen. 

Der Siedepunkt der gewöhnlichen ValeriansÀure, die 
durch Oxydation von optisch-inactivem Amylalkohol 
erhalten wurde, liegt bei 175° Cels. 

Die aus Baldrianwurzeln bereitete SĂ€ure ist mit der 
inactiven SĂ€ure identisch (Erlenmeyer, Berichte d. deutsch. 
chem. Gesellsch. 1870, 900). 

Die Constitution dieser SĂ€ure ergiebt sich einerseits aus 
dem von Erlenmeyer gelieferten Nachweis, dass sie durch 
Zersetzung des aus GĂ€hrungsbutylalkohol bereiteten 
Cyanbutyls ensteht; andererseits aus der von Frank- 
land und Duppa ausgefĂŒhrten Synthese der Isopropa- 
cetsÀure, deren Eigenschaften völlig mit denen der aus 
inactivem ‘Amylalkohol bereiteten ValeriansĂ€ure ĂŒbereinstim- 
men, Sie wird durch die Formel 


CH? an : N 
CH3 } CH_CH?_CO°ŸH ausgedrĂŒckt. 

Die Constitution der aus optisch-activem Amylal- 
kohol bereiteten rechtsdrehenden ValeriansÀure, 
deren Siedepunkt nach Pedler bei 170° liegt (Ann. Ch. 
Pharm. 147, 246) ist noch nicht fest gestellt. 

Die hier beschriebene normale ValeriansÀure ist 
ein neuer Körper, der schon durch den höheren Sie- 
depunkt von der aus GĂ€hrungsamylalkohol bereiteten SĂ€ure 
verschieden ist. Die Art ihrer Gewinnung leitet zu der 
Formel 

CH3_CH?_CH?2_CH2_CO°ŸH.) 

Schneider (Zeitschr, f. Chem. 1869, 342) giebt an, 
normale ValeriansÀure durch Behandlung eines Gemenges von 
JodĂ€thyl und der Beilstein’schen %-JodpropionsĂ€ure mit fein 
zertheiltem Silber erhalten zu haben, beschreibt aber ihre 
Eigenschaften nicht. — 


970 Ueber normale ValerıansÀure. 


Natriumvalerat, durch SĂ€ttigen der freien SĂ€ure mit 
Natriumcarbonat bereitet, ist ein weisses, ausserordentlich 
leichtlösl. Salz, das nicht in Krystallen erhalten werden konnte. 
Die. in der WÀrme gesÀttigte Lösung wird beim Erkalten so 
dick und gallertartig, dass man das GefÀss umkehren kann, 
ohne dass sein Inhalt ausfiesst. 

Baryumvalerat—= Ba (C°H°0?)? wurde durch SĂ€tti- 
gen der freien SĂ€ure mit Baryumcarbonat, zuletzt mit Aetz- 
baryt und Entfernung des ĂŒberschĂŒssigen Baryts durch CO? 
dargestellt. 

Es ist in der Hitze löslicher als in der KÀlte, so dass 
die heiss gesĂ€ttigte Lösung beim AbkĂŒhlen einen in kleinen 
BlÀttehen anschiessenden dicken Krystallbrei bildet. Das luft- 
trockne Salz ist neutral und wasserfrei. Es enthÀlt das bei 
110° C. getrocknete Salz, 40,41 Proc. Baryum ; 100 Th. einer 
bei 10° gesÀttigten Lösung enthalten 16,906 Theile Baryum- 
valerat. 

Caleiumvalerat = 0a(C°H°O2)? + H?O wurde durch 
SĂ€ttigen der freien SĂ€ure mit Kalkmilch dargestellt. Das 
durch Verdunsten der Lösung bei gewöhnl. Temp. in kleinen, 
fettglÀnzenden BlÀttchen auskrystallisirende Salz enthÀlt 
1 Mol. Krystallwasser, welches es schon bei 100°C,, rascher 
bei etwas höherer Temp. verliert. Das wasserfreie Salz zieht 
an der Luft Wasser an. Im wasserhaltigen Salze wurden 
15,42 Proc. Caleium und 6,81 Proc. Wasser gefunden. (Be- 
rechnet 15,39 Proc. Ca und 6,92%, Wasser.) 


Die- Lösung des Calciumvalerats zeigt ein dem Calcium- 
butyrat sehr Àhnliches Verhalten. Die kaltgesÀttigte Lösung 
scheidet nemlich beim Erhitzen reichlich glÀnzende Krystall- 
blÀttchen ab, die sich beim Erkalten zum grossen Theil, wenn 
auch nicht vollstÀndig wieder lösen. Andrerseits giebt eine 
heiss gesĂ€ttigte Lösung beim AbkĂŒhlen einen reichlichen 
kryst. Niederschlag, der sich jedoch, wenn die Temp. auf die 
gewöhnl. herabsinkt, zum grossen Theil wieder löst. Dem- 
nach scheint das Caleiumvalerat ein Löslichkeitsmini- 
mum bei etwa 70° Cels. zu haben. Auch in zugeschmolzenen 
Glasröhren verhÀlt sich die Lösung wie angegeben: eine voll- 
stÀndige Lösung tritt nicht wieder en. Es wird also wohl 
eine Abscheidung eines Theiles der ValeriansÀure und Bil- 
dung eines basischen Salzes die Ursache dieser Erscheinung 
sein; das schwerlösl. basische Salz widersteht dann der lösen- 
den Einwirkung der verdĂŒnnten kalten, freien SĂ€ure. Das 
Salz wird vom Wasser schwierig benetzt. 


Ueber normale ValeriansÀure. 271 


100 Theile einer bei circa 20° gesÀttigten wÀssrigen 
Lösung enthalten 8,0809 Theile wasserfreies Calciumvalerat. 

Manganvalerat = Mn (C°H°0?)? + H?O, wird bei 
100°C0 wasserfrei. Durch SÀttigen der SÀure mit Mangan- 
oxydulhydrat bereitet. Die nur schwach rosenroth gefÀrbte 
Lösung wurde bei gewöhnl. Temp. im Vacuum ĂŒber HO,SO? 
verdunstet. Das in kleinen Krystallen ausgeschiedene Salz ist 
in der KÀlte viel lösl., als in der WÀrme, daher eine nicht 
einmal gesÀttigte Lösung beim Erhitzen einen Mangansalz - 
Niederschlag abscheidet, der sich, wenn das Erhitzen nur 
kurze Zeit gedauert, beim AbkĂŒhlen wieder löst, bei lĂ€ngerer 
Dauer der Erhitzung aber nur theilweise wieder in Lösung 
geht. 

Kupfervalerat = Cu (C°H°O?)? wird durch FÀllung 
einer Kupfervitriollösung durch eine solche von valerians. Na- 
tron bereitet; es ist ein schwer lösliches, blaugrĂŒnes, 
krystallinisches Salz, das vom Wasser noch weniger benetzt 
wird, als die vorhergehenden Salze. Aus einer kaltbereiteten 
Lösung scheiden sich beim Verdunsten ĂŒber SchwefelsĂ€ure 
mikroskopische, dunkelgrĂŒne KrystĂ€llchen ab, zusammengewach- 
sene, prismatische Nadeln, die, zu Pulver zerrieben, eine hellere, 
mehr blÀuliche Farbe annehmen. Das Salz ist wasserfrei und 
enthÀlt 24 Proc. Cu (gefunden); berechnet 23,89%, Cu. Auch 
dieses Salz ist in der Hitze schwerer löslich als in 
der KĂ€lte, und seine Lösungen trĂŒben sich beim ErwĂ€rmen, 
wobei zugleich immer etwas basisches Salz entsteht, das sich 
beim AbkĂŒhlen nicht mehr auflöst. 


Zinkvalerat = Zn (0°H°0?)? wurde durch SÀttigen 
der freien SĂ€ure mit Zinkoxydhydrat bereitet und durch Ab- 
dunsten der Lösung im Vacuum bei gewöhnl. Temp. in Form 
dĂŒnner, glĂ€nzender, durchsichtiger KıystallblĂ€ttchen, die sich 
fettig anfĂŒhlen, erhalten. 


Die zwischen Papier ausgepressten, dann ĂŒber HO, SO? 
gestandenen Krystalle erwiesen sich als wasserfreies, neu- 
trales Salz. Dieses lieferte bei der Analyse 24,64 Proc. Zink; 
die obige Formel verlangt 24,4 Proc. Zink. Die Lösung auch 
dieses Salzes trĂŒbt sich beim ErwĂ€rmen, und der Nieder- 
schlag verschwindet grossentheils wieder beim ErkÀlten. 


Die Bestimmung der Löslichkeit wurde diesmal in der 
Weise ausgefĂŒhrt, dass man bei gewöhnl. Temp. eine Lösung 
von Zinkvalerat im Vacuum ĂŒber HO,SO? bis zur reichlichen 
Abscheidung von Krystallen verdunsten liess und dann- in 
einem Theile der ĂŒberstehenden gesĂ€ttigten Lösung den Salz- 


x 


212 Ueber normale ValeriansÀure. 


gehalt bestimmte. 100 Theile der bei 24 bis 2500. gesÀt- 
tigten Lösung enthielten 2,54 Theile Zinkvalerat. 

Wenn man das mitgetheilte Verhalten der Salze der 
normalen ValeriansĂ€ure mit den Angaben ĂŒber das 
Verhalten der Salze der gewöhnl. ValeriansÀure vergleicht, 
so ergeben sich ziemlich erhebliche Unterschiede. So wird 
das Baryumsalz der gewöhnl. ValeriansÀure von 
Einigen als unkrystallisirbar beschrieben, nach Anderen kryst. 
es mit 2 Molekulen Krystailwasser, wÀhrend das normale 
Baryumvalerat in wasserfreienKrystallen erhalten 
wurde; auch wÀre das gewöhnliche Salz viel löslicher 
als das normale. 

Das gewöhnl. Kupfervalerat wird von Tromms- 
dorff als leicht lösl. bezeichnet, wÀhrend das normale 
Salz schwer löslich ist. 

Das Zinksalz der gewöhnl. ValeriansÀure (aus 
Amylalkohol oder auch aus Baldrianwurzel) zersetzt sich nach 
Stalmann (Ann. Chem. Pharm. 147, 132) schon bei 80°, 
was mit dem normalen Salze nicht der Fall ist. 

Bloss fĂŒr das Zinksalz findet sich. eine Angabe, dass 
seine Lösung sich beim ErwĂ€rmen trĂŒbt, wĂ€hrend es nicht 
unwahrscheinlich ist, dass diese so augenfĂ€llige EigenthĂŒm- 
lichkeit, der man bei den normalen Valeraten begegnet, 
ebenso wie die Neigung zur Bildung schwer lösl. basischer 
Salze auch bei den Salzen der gewöhnl. SÀure angetrof- 
fen werden dĂŒrfte. L. und R. haben wenigstens beim Cal- 
ciumsalz der gewöhnl. ValeriansÀure gefunden, dass 
seine kalte, gesÀttigte Lösung beim Erhitzen einen Nieder- 
schlag giebt. 

Uebereinstimmend mit den alten Angaben von Dumas 
und Stas (Ann. chim. phys. [2] 73, 134) und mit den neue- 
ren von Stalmann (am o.c.O.) erhielten L. und R. durch 
Oxydation aus GÀhrungsamylalkoholeine ValeriansÀure, 
die en syrupartiges Baryumsalz lieferte, das auch 
bei sehr langem Stehen nicht zum Krystallisiren zu bringen 
war. Dieselbe SÀure gab ein Caleciumsalz, dessen Lösung 
beim Verdunsten im Vacuum, statt zu krystallisiren, sich mit 
einer durchsichtigen colloidalen Haut bedeckte, aber, an die 
Luft gebracht, alsbald zu einer Krystallmasse erstarrte. 

Der Amylalkohol, der zur Bereitung der SĂ€ure gedient 
hatte, zeigte nur eine sehr schwach drehende Wirkung auf 
das polarisirte Lich. Wenn demnach, wie Erlenmeyer 
(Berichte d. deutsch. chem. Gesellsch. 1870, 900) angegeben 
hat, die SĂ€ure aus inactivem Amylalkohol ein leicht 


Ueber normalen Amylalkohol und normale CapronsÀure. 273 


krystallisirendes, die aus activem Amylalkohol ein gummi- 
artiges Baryumsalz liefert, so scheint es, dass schon die 
Gegenwart einer geringen Menge activer SĂ€ure genĂŒgt, 
um die Krystallisation des Baryumsalzes der inactiven 
SĂ€ure zu verhindern. (Ann. Ch. Pharm. Juli 1871, 159, 58 
bis 69.). HT 


Ueber normalen Amylalkohol und normale Capron- 
sÀure. 

Ad. Lieben und A. Rossi haben, wie angegeben, 
aus GÀhrungsbuttersÀure normalen Butylalkohol 
und aus diesem normale ValeriansÀure bereitet. Letz- 
tere SĂ€ure diente ihnen nun als Ausgangspunkt zur Gewinnung 
des normalen Amylalkohols. Hierzu wurde normaler 
valeriansaurer Kalk mit ameisens. Kalk imig ge- 
mengt, in kleinen Portionen, zu 10 Grammen des Gemenges, 
der trocknen Destillation unterworfen, genau in der Weise, 
wie frĂŒher beim normalen Butylalkohol angegeben. Das Destil- 
lat bestand reichlich zur HĂ€lfte aus Valeraldehyd, der 
bei circa 102° siedet und durch fractionirte Destillation von 
den höher siedenden empyreumatischen Substanzen getrennt 
wurde. Er erfordert einen betrÀchtl. Ueberschuss von Wasser 
zur Lösung, besitzt einen dem gewöhnl. Valeral Àhnl. 
Geruch und giebt mit Natriumbisulfit unter starker Er- 
wÀrmung eine krystall. Verbindung. 

Zur Umwandlung in normalen Amylalkohol wurde dieser 
Valeraldehyd in 30 Th. Wasser eingetragen, die zur Lösung 
nicht ausreichten und mit Natriumamalgam und Schwe- 
felsÀure in der Weise behandelt, wie beim Butylalkohol be- 
schrieben. Der rohe Amylalkohol wurde mit Kalk entwÀssert 
und durch fractionirte Destillation gereinigt. Die Ausbeute 
war sehr befriedigend. Durch Digestion mit Kalk, dann 
Baryt, schliesslich Natrium wurde der zur Analyse bestimmte 
Amylalkohol völlig entwÀssert. 

0,2226 Gramm gaben 0,5585 C02 und.0,278 H2O, 


In 100 Theilen nach der Formel C°>H!?O 


berechnet. gefunden. 
Kohlenstoff 68,18 68,42 
Wasserstoff 13,64 13,88 
Sauerstoff 18,18 
100,00. 


Arch, d, Pharm. CXCIX. Bda. 3. Hft, 18 


274 Ueber normalen Amylalkohol und normale CapronsÀure. 


Dieser normale Amylalkohol C°H!?O ist eine 
wasserhelle FlĂŒssigkeit, deren Geruch mit dem des GĂ€hrungs- 
amylalkohols Aehnlichkeit hat. Sein Siedepunkt wurde in 
„wei Bestimmungen bei 137° unter dem auf 0° reducirten 
Barometerstande von 740 M.M. gefunden (bei der einen Be- 
stimmung war die ganze Thermometercolonne im Dampfe, bei 
der anderen betrug die Üorrection fĂŒr den herausragenden 
Quecksilberfaden 19,7). Er liegt also erheblich höher, als der 
des isomeren GĂ€hrungsamylalkohols. 

Spec. Gew. (bezogen auf Wasser von den gleichen Tem- 
peraturen) 0,8296 bei 0°; 0,8168 bei 20°; 0,8065 bei 40°; 
0,7835 bei 99°,15.*) 

(*Das Densimeter befand sich im Dampfe von siedendem 
Wasser bei auf 0° reducirtem Barometerstande 737,3 M.M. 
d.risbei 99%15,) 

Bei der Oxydation giebt der normale Amylalkohol 
ValeriansÀure. Eine gesÀttigte Lösung von Kalium- 
bichromat und SchwefelsÀure, die mit etwas Amylalkohol in 
eine Röhre eingeschmolzen wurde, wirkte schon bei gewöhnl. 
Temp. unter starker WĂ€rmerzeugung ein. Die Reaction wurde 
durch Erhitzen auf 85° vervollstÀndigt. Als dann die Röhre 
seöffnet, ihr Inhalt abdestillirt und das saure Destillat mit 
kohlens. Silberoxyd gesÀttigt wurde, erhielt man ein weisses 
krystallinisches Salz, das durch die Analyse als Silber- 
 valerat erkannt wurde. Es wurden daraus 51,69 Proc. Ag 
abgeschieden; die Formel AgC°H?O? verlangt 51,67 Proc. Silber. 

AmylehlorĂŒr = Ü°H!!COl. Der normale Amylalkohol 
wurde mit HCl-Gas gesÀttigt und unter Zusatz von rauchen- 
der wĂ€ssriger HÜl in zugeschmolzenen Glasröhren durch 2 Tage 
erst auf 80°, dann allmÀlig ansteigend bis 110° erhitzt. 
Die in den Glasröhren entstandenen 2 Schichten, die dann 
ihr gegenseitiges VolumverhÀltniss nicht mehr Ànderten, 
wurden hierauf getrennt, das Product erst mit rauchender 
SalzsÀure zur Entfernung von etwa noch vorhandenem Amyl- 
alkohol, dann mit alkalischem und reinen Wasser gewaschen, 
mit CaCl entwÀssert und durch fractionirte Destillation rein 
erhalten und analysırt. 

Es siedet bei 106°,6 unter dem auf 0° reduce. Druck von 
739,8 M.M. (das Thermometer ganz im Dampf). 

Spec. Gew. (bezogen auf Wasser von gleichen Tempe- 
raturen, und so auch spÀter) 0,9013 bei 0°; 0,8834 bei 20°; 
0,868 bei 40°. 

AmylbromĂŒr=C°H!'Br. Gleich dem Vorigen, nur 
mit Anwendung von HBr-gas ' und rauchender, wÀssriger 


Ueber normalen Amylalkohol und normale CapronsÀure. 275 


HBr-SÀure gewonnen. Siedet bei 128°,7 bei 739,4 M.M. auf 
0° redueirt (wobei f. d. herausragenden Hg-faden die be- 
rĂŒcksichtigte Correctur 1,015 betrug). 

Spec. Gew. = 1,246 bei 0°; 1,2234 bei 20°; 1,2044 
bei 40°, 

AmyljodĂŒr = C5H!!J wurde aus AmylchlorĂŒr mit An- 
wendung der von Ad. Lieben angegebenen Methode zur Ver- 
wandlung der ChlorĂŒre in JodĂŒre (Sitzungsberichte d. Wiener 
Akad. 1868, 58) dargestellt. Siedet bei 155,04 unter dem 
auf 0° reducirten Barometerstand 739,3 M.M. (wobei die be- 
rĂŒcksichtigte Correction f. d. heransrag, Hg-Faden 2,03 aus- 
machte). 

Spec. Gew.— 1,5435 bei 0% 1,5174 bei 20% 1,4961 bei 40° 

Amylacetat= C°H!!.C?H°0? Normales Jodamyl wurde 
mit Silberacetat, das mit Eisessig angefeuchtet war, in einen 
durch Eis gekĂŒhlten Kolben eingetragen, der mit einem 
RĂŒckflusskĂŒhler verbunden war. Nach einiger Zeit trat 
schon bei gewöhnl. Temp. beim UmschĂŒtteln heftige Reaction 
unter ErwÀrmung ein. Zur VervollstÀndigung der Reaction 
erhitzte man den Kolben und unterhielt seinen Inhalt durch 
mehre Stunden in mÀssigem Sieden; dann wurde abdestillirt, 
das Destillat mit Kali neutralisirt, die dadurch abgeschiedene 
Schicht gewaschen und mit CaCl? entwÀssert. Aus 29 Gramm 
AmyljodĂŒr wurden so 18 Gramme AmyalcetĂ€t erhalten 
(statt der berechneten 19 Gramme). Das durch fractionirte 
Destillation alsbald rein erhaltene Product gab bei der Ana- 
Iyse Zahlen, die mit obiger Formel ĂŒbereinstimmen. 


Das normale Amylacetat siedet bei 148%,4 unter 
dem auf 0° reducirten Druck 737 M.M. (wobei die Oorrection 
f. d. herausragende Hg-Faden 0°, 75 betrug). 

Spec. Gew. 0,8963 bei 0°; 0,8792 bei 20°; 0,8645 bei 40°. 


Normale CapronsÀure. 


Lieben und Rossi bedienten sich theils des normalen 
AmylbromĂŒrs, theils auch des JodĂŒrs, um das CyanĂŒr und 
daraus weiter die normale CapronsÀure darzustellen. 

Das BromĂŒr oder JodĂŒr wurde mit ĂŒberschĂŒssigem 
Uyankalium und Weingeist von 85 Proc. in zugeschmolzenen 
Röhren auf 105° durch 2 Tag erhitzt. Die alkoholische 
Lösung wurde dann von dem festen RĂŒckstande (der noch 
ausgepresst und mit Alkohol etwas gewaschen wurde) abge- 
gossen und zur Trockne destillirt. In das Destillat trug man 
festes Kali ein und liess am RĂŒckflusskĂŒhler so lange kochen, 


18% 


276 Ueber normalen Amylalkohol und normale CapronsÀure, 


bis sich kein Ammoniak mehr entwickelte; hierauf wurde der 
Alkohol abdestillirt und der RĂŒckstand mit Wasser und SOÂź 
bis nahezu zur Neutralisation versetzt. Das ausgeschiedene 
schwefels. Kali wurde abfiltrirt, ausgepresst und etwas ge- 
waschen, das schwach alkalische Filtrat zur Trockne verdampft 
und mittelst SO3 zersetzt. Dadurch schied sich die nor- 
male GapronsÀure als ölige Schicht ab, die mit etwas 
Wasser gewaschen und der Destillation unterworfen wurde, 
wobei sie sich als reines Product von sehr annÀhernd con- 
stantem Siedepunkte erwies. Die Analyse fĂŒhrte zur Formel 
0:41202% 

Die normale CapronsĂ€ure ÜO°H!?O? ist eine was- 
serhelle, mit Wasser nicht mischbare, scharf sauer schmeckende 
FlĂŒssigkeit, deren Geruch schwĂ€cher und minder unangenehm 
ist, als der der gewöhnl. CapronsÀure. Ihr Siedepunkt 
wurde unter dem auf 0° reducirten Druck 738,5 M.M. bei 
204,5 bis 205° C. gefunden, wobei die berĂŒcksichtigte Üor- 
rection fĂŒr den herausragenden Hg-Faden 5°,8 ausmachte. 
(Eine mit demselben Thermometer vorgenommene Siedepunkts- 
bestimmung von CapronsÀure, die aus gewöhnl. Amyl- 
alkohol resp. Öyanamyl dargestellt worden war und die auf 
ihr optisches Verhalten geprĂŒft ein sehr schwaches Drehungs- 
vermögen zeigte, ergab 199°,7 unter dem auf 0° reducirten 
Druck 732 M.M., wobei die Correction fĂŒr den herausragen- 
den Quecksilberfaden 4°,5 ausmachte.) 

Spec. Gewicht der normalen CapronsÀure (bezogen auf 
Wasser von gleichen Temperaturen): 0,9449 bei 0%; 0,9294 
bei 20°C.; 0,9172 bei 40°; 0,8947 bei 99%1. (Das Densi- 
meter befand sich im Dampf von siedendem Wasser bei dem 
auf 0° reducirten Barometerstand 736,6 M.M., entsprechend 
einer Temp. v. 99°,1). 

Die Constitution des hier beschriebenen normalen 
Amylalkohols giebt sich aus seiner Bereitungsweise zu 
erkennen und kann durch die Formel 

CH3_CH?_CH?_CH?_CH?2_OH ausgedrĂŒckt werden. 

Die Siedepunkte dieses Amylalkohols, seines Aldehyds 
und seiner sonstigen Abkömmlinge sind höher, als die an 
sÀmmtlichen bisher bekannten isomeren Verbindungen beobach- 
teten, insbesondere höher als die Siedepunkte der ent- 
sprechenden aus GĂ€hrung'sbutylalkohol bereiteten Ver- 
bindungen, mit denen die hier beschriebenen sonst grosse 
Aehnlichkeit haben. 

Der durch GĂ€hrung entstandene Amylalkohol ist ein 
Gemenge von 2 isomeren Modificationen, einer 


Ueber normalen Amylalkohol und normale CapronsÀure. 277 


optisch activen und einer inactiven, von denen vorlÀufig 
nicht mit Sicherheit festgestellt ist, ob sie sich bloss durch 
ihr verschiedenes Verhalten gegen polarisirtes 
Licht oder auch durch verschiedene chemische Üon- 
stitution unterscheiden; das Letztere ist wahrscheinlich. 

Die Constitution des inactiven GĂ€hrungsamyl|- 
alkohols lÀsst sich aus der durch Erlenmeyer und durch 
Frankland und Duppa festgestellten Constitution der ihm 
entsprechenden ValeriansÀure erschliessen. 

FĂŒr den optisch activen GĂ€hrungsamylalkohol 
mangelt es bis jetzt an sicheren Anhaltspunkten. 

Der von Schorlemmer aus dem Kohlenwasserstoft 
C°H!? aus Petroleum dargestellte Amylalkohol ist iden- 
tisch mit dem aus Fuselöl. (Diese Beobachtung, aus der 
fĂŒr den Amylwasserstoff des Steinöls die rationelle 
Formel CH(CH3)?2_CH?_CH3 folgt, macht es einigermassen 
wahrscheinlich, dass auch die höheren Kohlenwasserstofl 
CH?" +? des Steinöls die Gruppe CH(CH?)? enthalten und 
dass sie demnach gar keine normalen Alkohole liefern 
können.) 

Ausserdem kennt man an isomeren Alkoholen noch das 
Amylenhydrat und das Aethylallylhydrat von 
Wurtz, das aus Methylbutyryl von Friedel dargestellte 
Methylpropylearbinol (das wohl mit Aethylallylhydrat 
identisch ist) und das Aethyldimethylcarbinol von 
Popoff. r 

Die Constitution der angefĂŒhrten, bisher bekannten iso- 
meren Amylalkohole lÀsst sich durch folgende rationelle For- 
meln ausdrĂŒcken: 


TertiÀrer 
PrimÀre Amylalkohole., SeeundÀre Amylalkohole. Amylalkohol. 
CH3 UN CBŸ CH3 CH CH?° CH? 
CH? \V/ CH? \/ CH:CH’ 
CH? CH CH? CH | 
CH? CH? CH.OH CH.OH 6.0H 
OH?.OH CH?.OH CH CH? CH’ 
Normaler Optisch inacti-_  Propylme- Pseudopro- Aethyldi- 
Amylal- ver GĂ€hrungs- thylearbi- pylmethyl- methyl- 
kohol. amylalkohol. nol; Aethyl-. carbinol ; carbinol. 
allylhydrat. Amylenhy- 
drat, 


Siedet bei 137° 129—132° 120—123° 104—108° 98%,5—102°C. 
Man sieht, dass Àhnlich wie bei den isomeren Butylalko- 
holen die Siedepunkte vom tertiÀren zu dem normalen primÀren 


278 Reinigung von Fetten. 


Alkohol, der den höchsten Siedepunkt hat, steigen. Zur voll- 
stÀndigen Kenntniss der isomeren Amylalkohole, die uns heute 
die Theorie voraussehen lÀsst, fehlen noch 2 primÀre und 
ein secundÀrer Alkohol. 


Die Constitution der oben beschriebenen GapronsÀure 
ergiebt sich aus der des Amylalkohols, der zu ihrer Bereitung 
diente, und wenn dieser der normale Alkohol ist, so folgt, 
dass die daraus dargestellte SĂ€ure normale Capron- 
sÀure ist, der die Formel CH3_CH2_CH2_CH?_CH2_CO2H 
zukommt. (Annal, Chem. Pharm. Juli 1871; 159, 70—.79.). 

HN: 


Reinigung von Fetten. 


Nach Baillot wird ein Kilogramm Fett mit zwei Litern 
Kalkwasser 2— 3 Stungen lang erhitzt. Die nach dem Er- 
kalten diekflĂŒssig gewordene Masse wird abgegossen und 
zwischen Leinen oder Flanell gepresst. Der Presskuchen 
‚erlangt nach einigen Tagen eine vollkommene Weisse Man 
kann ihn nöthigenfalls durch Behandlung mit angesÀuertem 
Wasser ganz von etwa anhÀngendem Kalk befreien. 


Nach Dubrunfaut verliert Fischthran seinen widerlichen 
Geruch völlig durch Erhitzen auf 330°. Ferner verflĂŒchtigen 
sich nach ihm fette SĂ€uren in einem Dampfstrome ĂŒber 100°, 
wÀhrend die neutralen Fette in dieser Temperatur nicht 
flĂŒchtig sind. Endlich verhalten sich die letztern wie die 
fetten SĂ€uren gegen Dampf, wenn sie zuvor auf 300 bis 
330° C. erhitzt worden. Darnach verfÀhrt man zur Reini- 
gung von Fett, wie folgt: In einer passenden Pfanne wird 
dasselbe auf 140—150° erhitzt und mit kleinen Mengen 
Wasser besprengt. Der so erzeugte Wasserdampf durchdringt 
das Fett, zersetzt die neutralen Antheile, und die dadurch 
erzeugten fetten SĂ€uren werden verflĂŒchtigt. Das Product 
ist vollkommen rein. 


Nach Wurtz und Wilm verflĂŒchtigt sich beim Er- 
hitzen von RĂŒböl in einem Dampfstrome von 116 — 120° ein 
scharfriechender Stoff, ohne dass bei dieser Temperatur das 
Oel saponifieirt wird, wie das bei höherer Temperatur statt- 
findet. Durch Waschen mit einer schwachen, warmen Soda- 


Chinesisches PfeffermĂŒnzöl. — Das Ă€ther. Oel von Andromeda ete. 27V 


lösung entfernt man alle etwa vorhandenen FettsÀuren. (The 
Pharmae. Journ. and Transact. Nr. LKVII—LXX. Third. Ser. 
Octbr. 1871. p. 322.). W». 


Chinesisches PfeffermĂŒnzöl, 


von den Chinesen zu Einreibungen bei Gesichtsschmerz ange- 
wendet, zeigt nach FlĂŒckiger nicht die dem echten Pfef- 
fermĂŒnzöl eigenthĂŒmliche Fluorescenz mit SalpetersĂ€ure, son- 
dern bildet, damit gemischt, alsbald Krystalle eines Camphers, 
Ă€hnlich wie das vor einigen Jahren im Handel vorkommende, 
feste japanische PfeffermĂŒnzöl. Vielleicht wird letzteres durch 
KĂ€lte aus dem flĂŒssigen chinesichen Oel abgeschieden. Das 
japanische Oel hat nach Oppenheim und Gorup-Besanez die 
Formel G10H!8 + H2O und verhÀlt sich wie ein Alkohol. 
Dies sogenannte Menthol scheint mit dem sich zuweilen aus 
PfeffermĂŒnzöl abscheidenden Stearopten identisch zu sein. 
(The Pharm. Journ. and Transact. Nr. LX VHI— LXX. Third. 
Ser. Octbr. 1871. p. 321.). Wr. 


Das Àtherische Oel von Andromeda Leschenaultii 


besteht nach der Untersuchung von Braughton aus Methyl- 
salicylsÀure und ist fast identisch mit dem canadischen soge- 
nannten Wintergreen-Oel. Der Strauch von A. ist in Indien 
sehr hÀufig. Aus dem Oele lÀsst sich eine sehr reine Car- 
bolsÀure darstellen. Zu dem Zwecke behandelt man es mit 
verdĂŒnnter Aetzkalilauge, wobei reiner Methylalkohol frei 
wird. Auf Zusatz einer SÀure zu der alkalischen Lösung 
scheidet sich SalicylsÀure in schönen Krystallen ab, welche 
beim Erhitzen mit Kalk oder Sand in einer eisernen Retorte 
vollkommen reine ÜarbolsĂ€ure liefern. (The Pharm. Journ. 
and Transact. Nr. LXVII—LXX. Third. Ser. Octbr. 1871. 
p. 281.). Wp. 


280 Das wirksame Prineip von Polygonum Hydropiper. 
Das wirksame Prineip von Polygonum Hydropiper 


ist nach Rademaker eine krystallisirbare SĂ€ure, welche 
er folgendermassen darstellte: Das Kraut wurde mit schwa- 
chem Weingeist erschöpft, der Weingeist im Weasserbade 
abdestillirt und die zurĂŒckgebliebene FlĂŒssigkeit auf ein Drit- 
tel eingeengt, wobei sich eine harzige Masse ausschied. Die 
davon durch Filtriren gesonderte FlĂŒssigkeit wurde mit Blei- 
essig gefÀllt, der Niederschlag mit Wasser gewaschen und 
dann unter Wasser mit Schwefelwasserstoff zersetzt. Das 
Gemisch von Schwefelblei und organischer Substanz wurde 
mit Aether behandelt, welcher beim freiwilligen Verdunsten 
die SÀure in, dem Harnstoff Àhnlichen Krystallen hinterliess. 


Aus dem Fluidextract des Krauts erhielt er die SĂ€ure, 
indem er dasselbe auf jede Unze mit 5 Tropfen SalzsÀure 
versetzte und dann mit Aether schĂŒttelte. Die Ă€therische 
FlĂŒssigkeit wurde mit Bleiessig gefĂ€llt, der Niederschlag mit 
Wasser gewaschen und mit Schwefelwasserstoff zersetzt, das 
Schwefelblei wieder mit Aether behandelt und dieser der frei- 
willigen Verdunstung ĂŒberlassen. 


Die sogenannte PolygonumsĂ€ure ist grĂŒn gefĂ€rbt, 
schmeckt scharf und bitter, reagirt starksauer und giebt mit 
Basen neutrale, gut krystallisirende Salze. Mit Ammoniak, 
Kalilauge und kohlensaurem Natron giebt sie gelbe Lösungen. 
Von SalpetersÀure und ChlorwasserstoffsÀure wird sie gelb, 
von SchwefelsÀure dunkelroth, spÀter schwarz gefÀrbt. Der 
Niederschlag mit Bleiessig ist gelb, mit salpetersaurem Queck- 
silberoxydul gelblichweiss, mit Quecksilberchlorid grĂŒn. Chlor- 
baryum, Gold- und Platin-Chlorid, salpetersaures Silberoxyd 
bringen keine VerÀnderung hervor, schwefelsaures Kupferoxyd 
fĂ€rbt schwach grĂŒn, Eisenchlorid macht die Lösung dunkler. 
(Americ. Journ. and Transact: Fourth. Ser. Novbr. 1871. 
Vol. 1. Nr. Xl. p. 490.). 

W». 


281 


C. Literatur und Kritik. 


L. Pfeiffer, Synonyma botanica locupletissima 
Generum, Sectionum vel Subgenerum ad finem 
anni 1858 promulgatorum. VollstÀndige Syno- 
nymik der bis zum Ende des Jahres 1858 pu- 
blieirten botanischen Gattungen, Untergattun- 
gen und Abtheilungen. Zugleich systematische 
Uebersicht des ganzen GewÀchsreiches mit den 
neueren Bereicherungen und Berichtigungen 
nach Endlicher'sSchema zusammengestellt. Kas- 
sel 1870. Theodor Fischer. 8. 672 Seiten. 


Unter diesem gar langathmigen Titel kĂŒndigt sich uns ein sehr ver- 
dienstliches, fĂŒr jeden mit Botanik sich BeschĂ€ftigenden unentbehrliches 
Werk an. NatĂŒrlich ist der vorliegende Band nur der VorlĂ€ufer eines 
vollstĂ€ndigen „‚,Nomenclator botanieus,“ welchen der Herr Verfasser be- 
reits vollendet hat, wie wir durch einen Prospect der Verlagshandlung 
erfahren. Diese beiden Werke gehören unzertrennlich zusammen und wer 
das vorliegende anschafft, wird zu dessen wahrer Nutzbarmachung auch 
den Nomenclator besitzen mĂŒssen. 

Zu bedauern ist, dass die beiden Werke die Synonymik und Nomen- 
klatur nur bis zum Jahr 1858 behandeln. Wir erkennen vollstÀndig die 
Schwierigkeit, ein derartiges Werk, welches so umfangreiche Vorarbeiten 
nöthig macht, bis zur Gegenwart forszufĂŒhren, auch erfordert Druck 
und Correctur eine lÀngere Zeit als gewöhnlich; indessen hÀtte es doch 
wohl ermöglicht werden können, das Werk bis zum Ausschluss einer 
allerhöchstens die letzten 5 Jahre umfassenden Frist fortzufĂŒhren, denn 
wenn auch das Werk im Jahr 1858 schon theilweise ausgearbeitet wor- 
den ist, so hÀtten doch leicht durch NachtrÀge und Einschiebungen die 
spÀter hinzugekommenen Materialien in das Manuseript eingeschaltet wer- 
den können. 

Dass der Verfasser im Wesentlichen Endlicher’s System zu Grunde 
gelegt hat, halten wir im Ganzen fĂŒr völlig richtig. Es hat zwar auch 
dieses System seine grossen MĂ€ngel, aber die Zeit zur Aufstellung eines 
Systems, welches allen Anforderungen der Morphologie genĂŒgte, dĂŒrfte 
schwerlich schon jetzt gekommen sein. Die Ausstattung des Werks ist 
gut. Ueber den Inhalt lÀsst sich wenig mittheilen, da er der Natur der 
Sache nach in einer trocknen AufzÀhlung besteht. Soweit wir das Werk 
durchgesehen haben, ist der Inhalt correet und vollstÀndig. Bisweilen 
ist die Schreibweise etwas inconsequent. So werden die Balgpilze ganz 
richtig „Gasteromycetes“ genannt; die Schleimpilze dagegen „Myxo- 
gastres,“ wĂ€hrend es „Myxogasteres “ heissen muss. H. 


282 Literatur und Kritik. 


G. A. Pritzel, Thesaurus literaturae botanicae 
omnium gentium inde a rerum botanicarum 
initiis ad nostra usque tempora, quindecim 
millia opera recensens. Editio nova reformaia. Fasei- 
eulus 1, Plag. 1—10 continens,. Lipsiae: F. A. Brock- 
haus 1872. 4. 80 Seiten. 


Von einer Kritik vorliegenden Werkes kann selbstverstÀndlich keine 
Rede sein, denn dasselbe hat sich lĂ€ngst einen ĂŒber die Kritik erhabenen 
Ruhm erworben; vielmehr benutzen wir nur die Gelegenheit der neuen 
Bearbeitung, um namentlich die JĂŒnger der Pharmacie auf den hohen 
Werth und die gÀnzliche Unentbehrlichkeit dieses Werks aufmerksam zu 
machen fĂŒr jeden, der sich mit Botanik beschĂ€ftigt. Die Zusammenstel- 
lung der gesammten botanischen Literatur aller Völker ist eine wahre 
Riesenarbeit, die uns zum Dank und zur Bewunderung des Fleisses des 
Herren Verfassers bewegen muss. H. 


Preis- VerÀnderungen pro 1872. Gratis-Beigabe 
zur Hartmann’schen Handverkaufs-Taxe fĂŒr 
Apotheker. (2. Aufl. 1869.) 


Im Octoberheft dieses Archivs, Jahrgang 1869, wurde die Hartmann’- 
sche Handverkaufstaxe kritisch beleuchtet. Das Erscheinen der Preis - 
VerĂ€nderungen pro 1872, welche zugleich die der frĂŒheren Jahre mit in 
sich fassen, giebt mir eine willkommene Veranlassung, auf das Werk selbst hier 
nochmals zurĂŒck zukommen. Ich bestĂ€tige heute, nach dem fast A Jahre 
verflossen sind — Alles, was ich in jener Kritik zum Lobe dieser Taxe 
ausgesprochen habe und verweise, um mich keiner Wiederholungen schul- 
dig zu machen, diejenigen Collegen, die das Werk’noch nicht in Gebrauch 
gezogen haben, ausdrĂŒcklich auf dieselbe, indem an jenem Orte die ratio- 
nellen Prineipien, welche in der Taxe zur Geltung gebracht worden sind, 
ausfĂŒhrlich beleuchtet wurden. E 


Auch die in andern Fachschriften und pharmaceutischen Zeitungen 
(Centralhalle, Bunzl. Z. ete.) seiner Zeit aufgenommenen Referate haben 
einstimmig die Arbeit des Collegen Hartmann aufs GĂŒnstigste beurtheilt 
und die Anschaffung und EinfĂŒhrung in den Apotheken ebenso warm 
befĂŒrwortet. 


Ich kann nur annehmen, dass da, wo die EinfĂŒhrung des Werkchens 
bisher nicht erfolgt ist, dies die GeschÀfte betrifft, deren Vorsteher sieh 
ĂŒberhaupt etwas schwer entschliessen, eine Neuerung einzufĂŒhren oder 
auch, dass eine Anzahl Collegen, die Wichtigkeit einer rationellen Taxe 
fĂŒr den Handverkauf noch immer unterschĂ€tzen; nicht suche ich den 
Grund davon, dass in vielen GeschÀften die Taxe noch fehlt darin, dass 
jene Collegen Gegner der Sache selbst seien. 


Wenn ich nun hier nochmals die alsbaldige EinfĂŒhrung anempfehle, 
so habe ich nicht minder die Verpflichtung, an den Gemeinsinn aller der- 
jenigen Apotheker mich zu wenden, in deren GeschÀften das Werk lÀngst 
beliebt und heimisch geworden ist, die aber immer noch an dem ersten 
Exemplare sich genĂŒgen lassen, obgleich die schlechte Beschaffenheit des- 


Anzeigen. 283 


selben meist darthut, dass es seine Dienste hinreichend gethan hat und die 
Anschaffung eines neuen Exemplares, was bekanntlich 24 Sgr. kostet, 
dringend geboten ist. Unser GeschÀftspersonal vwimmt noch einmal so 
gern ein reinliches, neues Buch in die HĂ€nde, als ein verbrauchtes und 
zum Theil zerrissenes. A 

Mir ist aus sicherer Quelle bekannt, dass von der 2, Aufl. bis jetzt 
etwa nur ?/, abgesetzt sind — wĂ€hrend der Herausgeber, der die 2. Aufl. 
in Selbstverlag ĂŒbernehmen musste, fast darauf gerechnet hatte — (wie 
auch die Zahl der leeren Preiscolonnen beweisen) dass nach Verlauf von 
3— 4 Jahren ein Exempl. als verbraucht angesehen werden mĂŒsse, so 
dass im Jahre 1872 die Herausgabe einer 3. Auflage nöthig werden 
wĂŒrde. 

Gewiss wollen aber die Herren Collegen, die ihr Interesse bereits 
dem Werkchen zugewendet haben, und diejenigen, die dasselbe ihm nach 
dieser Darlegung hoffentlich noch zuwenden werden, nicht, dass den Heraus- 
geber fĂŒr seine MĂŒhe noch dazu ein peceuniĂ€rer Nachtheil trifft. 

Auf einen Gewinn hatte College Hartmann von vorn herein bei dem 
Unternehmen es nicht abgesehen, helfen wir wenigstens jetzt, so viel an 
uns ist, dass das Unternehmen fortbestehen kann. Wie angenehm ist es 
fĂŒr uns, dass der Herausgeber jĂ€hrlich das zeitraubende GeschĂ€ft der 
Preis-Revision fĂŒr uns auch noch gratis besorgt! 

Es genĂŒgt hier nicht, Lob und Dank zu spenden, wir sind dem Col- 
legen Hartmann schuldig, auch durch die That sein Unternehmen zu unter- 
stĂŒtzen ! 

Jena, Febr. 1372. Dr. R. Mirus. 


Druckfehler. 


Im Heft 2, (Toxikologie) Seite 128 ist in der Anfangszeile des Auf- 
satzes zu lesen: „ein StĂŒck eines sehr festen ete.“ nieht reinen ete. 


D. Anzeigen. 


Im chemisch-pharmaceutischen Institute zu Jena beginnt 
am 15. April der Sommereursus. — 
Jena, d. 25. MĂ€rz 1872. ‚ Dr. H, Ludwig, a. Prof. u. Direetor desselben. 


Im Verlage von Friedrich Wreden in Braunschweig ist soeben 
erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben; 


Grundriss der Arzneimittellehre 
Dr. ©. Kolb. 


. Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. 
Taschenformat. Preis: gebunden 1 Thlr. 18 Sgr. 

In dieser neuen Auflage hat der Herr Verf. viele Partieen ganz um- 
gearbeitet, alle Erfolg versprechenden neuen Mittel aufgenommen, die 
Inhalationen und die subeutanen Injectionen medieamentöser Substanzen 
berĂŒcksichtigt und dem metrischen Dosirungs - System Rechnung getragen, 


234 Anzeigen, 


Abweisung einer gehÀssigen Insinuation. 


Eine Kritik der von uns vertheilten Schrift des Herren Dr. Meyn, 
„die richtige WĂŒrdigung des Peru-Guanos,“ welche in den „Annalen 
der Landwirthschaft“ erschien, und in welcher diese Schrift als eine 
gewöhnliche Reklame fĂŒr einen, solcher HĂŒlfsmittel bedĂŒrftigen Artikel 
geschildert wurde, machte auf uns, namentlich bei der hervorragenden 
Bedeutung des Organs, in welchem sie erschien, den allerpeinlichsten 
Eindruck. Wir hatten uns zu der Vertheilung dieser Schrift nur ent- 
schlossen, nachdem wir selbst, gestĂŒtzt auf das Urtheil bedeutender Agri- 
eulturchemiker, uns glaubten ĂŒberzeugt zu haben, dass dieselbe unseren 
wichtigen Handels -Artikel, welcher keiner Reklame bedarf, mit wissen- 
schaftlichen GrĂŒnden in seiner volkswirthschaftlichen Bedeutung klar lege. 
Die Abwehr des Herın Dr. Meyn kam uns daher erwĂŒnscht, allein die 
unmittelbar darauf folgende Replik des ersten Recensenten, welchem das 
Manuseript merkwĂŒrdiger Weise vorher eingehĂ€ndigt war, beschuldigte 
nun uns, dass wir eine geschiekte Reklame gemacht und die 
Freundschaft des Herrn Dr. Meyn, der in die Falle gegangen, 
dazu benutzt hÀtten! 

Wir waren fest entschlossen, diese niedrige Insinuation zu beantwor- 
ten, jedoch haben wir jetzt darauf verzichtet, nachdem sich herausgestellt 
hat, dass der Verfasser der Kritik der GeschĂ€ftsfĂŒhrer einer Fabrik in 
der NĂ€he Berlins ist, in welcher aus schwefelsaurem Ammoniak und Su- 
perphosphat sogenannte ammoniakalische Superphosphate gemischt wer- 
den. Der Verfasser dĂŒrfte daher weniger im Interesse der Wissenschaft, 
als im Interesse der von ihm vertretenen Fabrik seine Feder in Bewegung 
gesetzt haben und wird das Publikum sich demnach selbst ein Urtheil 
bilden können, in wieweit seine Kritik auf Unparteilichkeit basirt ist. 

Hamburg, 16. MĂ€rz 1372. 


Ohlendorff & Co. 


alleinige Importeure des Peru-Guano fĂŒr Deutschland, 
die Schweiz, DĂ€nemark, Norwegen, Schweden und 
Russland. 


Wichtige illustr. Werke fĂŒr Apotheker u. s.w. JĂ€ger, Apo- 
thekergarten (100 Illustrationen) Rthlr. — 25. Löbe, Anbau der Arznei- 
pflanzen (20 Illustr.) Rthl. — 10. „Vorstehende Werke sind v. d. Kritik 
als vortreffliehe Rathgeber anerkannt.“ 

Verlag von Cohen & Risch. Hannover. (Zu beziehen durch jede 
Buchhandlung.) 


Prima Schweinefett 


ganz weiss, fester Consistenz & Pfund, 6%/, Sgr. 
A. Gonschior in Breslau. 


Halle, Buchdruckerei des Waisenhauses. 


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ARCH! 


DER - 


PHARMACIE 


Bine Zeitschrift 


des 


allgemeinen deutschen Apoiheker-Vereins, 
Abtheilung Norddeutschland. 


Herausgegeben vom Directorium unter Redaction 


von 


H. Ludwig. 


22, Jahrgang. 


Im Selbstverlage des Vereins. 
In Commission der Buchhandlung des Waisenhauses in Halle a/S. 


1872. 


ARCHIV 


DER 


PHARMAUCIE 


Zweite Reihe, CL. Band. 
Der ganzen Folge CC. Band. 


Unter Mitwirkung der Herren 


Ad. Bayer, ©. Facilides, €. Ph. Falck, F. A. FlĂŒckiger, E. Heintz, 

0. Hesse, A. Hirschberg, P. Horn, Karl Jehn, R. Kemper, 

W. Kirchmann, H. Miller (Jena), H. Paehler, E. Pfeiffer, R. Sie- 
mens, W. Stromeyer und Fr. Wilh. Theile 


herausgegeben vom Directorium unter Redaction 
H. Ludwig. 
51. Jahrgang. 


Im Selbstverlage des Vereins. 
In Commission der Buchhandlung des Waisenhauses in Halle a/S. 


1872. 


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NEED RAN 


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OR AN WIE N 


ARCHIV DER PHARMAGIE 


GC. Bandes erstes Heft. 


A. Originalmittheilungen. 
Il. Chemie und Pharmacie. 


Ueber den Euxenit von Hitteröe. 
Von Dr. Carl Jehn in Geseke, 


Zu den Mineralien, welche Yttrium, Cer und die 
damit verwandten Metalle als Oxyde und Niob mit seinen 
Begleitern als SÀuren enthalten, gehört auch der Euxenit. 
Anfangs 1871 erhielt ich einige Gramme Euxenit von 
eimem neuen Fundorte, von der Insel Hitteröe bei Nor- 
wegen, durch Herrn Prof. Dr. @. vom Rath in Benn, 
welcher mir denselben zur qualitativ-quantitativen Unter- 
suchung freundlichst ĂŒberliess. Von den frĂŒheren Analysen 
des Euxenits sind zu nennen die von Strecker, Chyde- 
nius und von D. Forbes und Dahle, welche jedoch 
sĂ€mmtlich bedeutend differiren. Ich ĂŒbergehe dieselben und 
beschrÀnke mich darauf, eine Analyse aus der letzten Zeit . 
anzufĂŒhren. 

Dieselbe rĂŒhrt von Behrend her (Ber. d. deutsch. 
chem. Gesellschaft 1869), welcher den Euxenit von Eyd- 
land bei LindernÀs im Norwegen untersuchte und fol- 


gende Zahlen fand: 
Nb20° 31,98 %,. 


TiO? 19,17 „ 
UO 19,59, 
Yo 1823 ;, 
led 2,54 „ 
FeO 4,77 „ 
UaO 1 We ae 
Alkalien 0,82 „ 
H?O 2,40 „ 

100,92 °/,. 


Arch, d, Pharm. CC, Bda, 1, Hit, 1 


2 Ueber den Euxenit von Hitteroe. 


Herr Professor Rammelsberg leitet aus obiger Ana- 
lyse fĂŒr den Buxenit folgende Formel ab: 


R+Nb2Ti2013 + H2O oder 


R2Nb207 
Re + H20. 
2RTIOÂź 


Der mir zur Untersuchung ĂŒbergebene Euxenit von Hit- 
terde war schwarz, in dĂŒnnen Schichten rothbraun durch- 
scheinend, zeigte einen muschligen Bruch und liess sich ziem- 
lich leicht pulvern. Eine qualitative Analyse stellte die 
Anwesenheit nachstehender Stoffe fest: : 

Nb?03, TiO2, U0, CeO, YO, CaO, Al?0Âź, FeO, MgO 
und Spuren von K?O und Na?0. 

Zur Bestimmung des Wassergehaltes wurde die fein 
zerriebene und gebeutelte Substanz im Exsiccator ĂŒber CaCl? 
getrocknet und dann 4 Stunden lang im Trockenapparate bei 
100°C. gehalten; es trat keine Gewichtsverminderung ein. 
Hierauf wurde sie. in ein Porzellanschiffehen gegeben und in 
einer Glasröhre 2 Stunden lang im CO?Strome geglĂŒht. Als 
Mittelwerth von zwei auf diese Weise ausgefĂŒhrten Bestim- 
mungen ergab sich der Wassergehalt des Euxenits zu 2,87 %,. 
Hierauf ging ich zur vollstĂ€ndigen quantitativen Analyse ĂŒber. 

Das fein gepulverte Mineral wurde in einer zugeschmol- 
zenen Glasröhre mit einem Gemisch von 4 Vol, conc. H2SO4 
und 3 Vol. H?O 12 Stunden lang im Luftbade auf circa 
250°0. erhitzt. Nach Verlauf dieser Zeit war die Nb2O° 
als ein rein weisses Pulver am Boden der Röhre abgeschie- 
den. Letztere wurde geöffnet, der Inhalt derselben in eine 
gerĂ€umige Schale mit Wasser gespĂŒlt, die SchwefelsĂ€ure 
mit Ammoniak fast neutralisirt und nunmehr durch anhalten- 
des Kochen die TiO? gefÀllt. Die Trennung der Niob- und 
TitansĂ€ure wurde mit einer verdĂŒnnten KHO-Lösung 
bewirkt, wobei sich erstere löste. Aus der stark verdĂŒnnten 
alkalischen Lösung wurde kochend die Nb?OŸ mit H?S0# 
gefÀllt. Der Niederschlag ist eine Verbindung von NiobsÀure 
und SchwefelsÀure. Zur Beseitigung der letzteren wurde er 
unter Zusatz von Ammoniumcarbonat stark geglĂŒht, — 


Ueber den Euxenit von Hitteröe. 3 


Die von Nb?O5 und TiO? befreite, schwachsaure FlĂŒs- 
sigkeit wurde mit O?H?NaO? versetzt, so dass sie nur noch 
freie EssigsÀure enthielt, und dann mit Ammoniumoxalat. Die 
gefÀllten Oxalate von Kalk, Yttriumoxyd und Ceroxydul wur- 
den abfiltrirt, mit verdĂŒnnter Ammoniumoxalatlösung ausge- 
waschen, getrocknet und zur Zerstörung der C?H?0O% geglĂŒht. 
Der aus Kalk, Yttriumoxyd und Ceroxyd bestehende RĂŒck- 
stand wurde in HÜl gelöst, und aus der verdĂŒnnten Lösung 
durch kohlensÀurefreies Ammoniak Ceroxyd und Ytter- 
erde gefÀllt. Der Niederschlag wurde mit etwas H?SO4 
aufgenommen, die Lösung mit KHO fast neutralisirt und dann 
mit einer gesÀttigten Lösung von neutralem Kaliumsulfat ver- 
setzt. Nach 24 Stunden wurde das ausgeschiedene Cerdop- 
pelsalz abfiltrirt, mit Kaliumsulfatlösung ausgewaschen, in 
kochend heissem, schwach HÜCl-haltigen Wasser gelöst und 
wieder mit C?H?0? als Ceroxalat gefÀllt. Wegen der Anwe- 
senheit der ziemlich bedeutenden Menge von Kali wurde der 
Niederschlag abermals in HCl gelöst und mit Ammonium- 
oxalat gefÀllt. (Vorgeschlagen von Rose-Finkener, $. 69.) 


Das abfiltrirte und gut ausgewaschene Ceroxalat wurde 
im bedeckten Tiegel ĂŒber dem GasgeblĂ€se geglĂŒht. Der 
GlĂŒhrĂŒckstand besteht, wie zuerst Bunsen nachgewiesen 
hat, aus Ce? 0% 


Das Filtrat, welches das Yttriumkaliumdoppelsulfat ent- 
hielt, wurde mit Ammoniumoxalat versetzt und 24 Stunden 
lang sich selbst ĂŒberlassen. Der Niederschlag, ein Doppel- 
salz von Kaliumoxalat und Yttriumoxalat, wurde abfiltrirt und 
durch GlĂŒhen in Kaliumcarbonat und Yttriumoxyd verwan- 
delt. Eine Trennung beider durch Auswaschen mit Wasser 
ist nicht leicht zu bewerkstelligen, da das geglĂŒhte Yttrium- 
oxyd sich in einem so fein zertheilten Zustande befindet, dass 
es sich nur sehr schwierig abfiltriren lÀsst. Ich löste dess- 
halb nach dem Vorschlage von Th. Scheerer (Rose- 
Finkener, 5.64.) das Gemenge in SalpetersÀure und fÀllte 
die Yttererde mit Ammoniak. Der gut ausgewaschene und 
getrocknete Niederschlag wurde stark geglĂŒht und als YO 

1 * 


4 Ueber den Euxenit von Hitteröe. | 


bestimmt. Die obenerwÀhnte Lösung der drei Erden enthielt 
jetzt nur noch Kalk, welcher auf die gewöhnliche Weise 
als Caleciumoxalat gefĂ€llt, durch GlĂŒhen ĂŒber dem GasgeblĂ€se 
in CaO verwandelt und als solcher gewogen wurde. Die auf 
angegebene Weise von SĂ€uren und den genannten Erden 
befreite ursprĂŒngl. FlĂŒssigkeit wurde, um das Uranoxydul in 
Lösung zu halten, mit ĂŒberschĂŒssigem Ammoniumcarbonat und 
dann mit Schwefelammonium versetzt, Die FĂ€llung von 
Thonerdehydrat und EisensulfĂŒr wurde abfiltrirt, in HCl gelöst 
und zur Oxydation des Eisens mit. einigen Tropfen HNOÂź 
behandelt. 


Aus der Lösung wurde mit Kalilauge das Eisen gefÀllt 
und als Fe?O3 bestimmt. Das Filtrat wurde mit HÜl schwach 
angesÀuert und mit Ammoniak die Thonerde abgeschieden. 
Die FlĂŒssigkeit, welche. jetzt nur noch Uran und Magnesia 
enthielt, wurde mit HÜl ĂŒbersĂ€ttigt, durch Eindampfen con- 
centrirt, vom ausgeschiedenen Schwefel durch Filtration befreit, 
mit Ammoniak ĂŒbersĂ€ttigt, dann mit Ammoniumsulfid versetz! 
und eine halbe Stunde lang gekocht. Der hierdurch erzeugte 
Niederschlag von Uranoxydul kann kleine Mengen von 
Schwefelammonium enthalten. Derselbe wurde abfiltrirt und 
mit H2O. ausgewaschen, dem etwas Schwefelammonium und 
Chlorammonium hinzugefĂŒgt war. 


Nach dem Trocknen wurde das Uranoxydul in einem 
Rose’schen Tiegel im Wasserstoffstrome stark geglĂŒht und 
als UO bestimmt. Die FlĂŒssigkeit enthielt jetzt nur noch Mag- 
nesia, welche auf die gewöhnliche Weise als Ammonium- 
magnesiumphosphat gefÀllt und als Masnesiumpyrophosphat 
bestimmt wurde. 


Als Mittelwerth von drei, auf angegebene Weise aus- 
gefĂŒhrten Analysen erhielt ich fĂŒr die Zusammensetzung des 
Euxenits von Hitteröe folgende Zahlen: 


Ueber den Euxenit von Hitteröe. 


Nb2 05 18.37... 
TiO? 34,96 
A203 Al‘; 
FeO 2,54 „ 
CaO 463,5 
Geo 8,43 „ 
Yo 13:20 , 
UO Er PO 
MgO Re 
H20 2,87 „ 
IN08T- 


Es berechnet sich demnach das VerhÀltniss der ver- 


schiedenen Bestandtheile folgendermassen: 


Es 


Nb?20° = 


TiO? 
A1?O3 
FeO 
CaO 
CeO 
Yo 
uO 
MgO 


ist ferner zu 


2 — GAB 
— nn — 42,63 
EN = 2. 
= BT 
- = 2,91 
=. — 7,81 
— = 16,44 
- = 50 
_ = 9,80 
berĂŒcksichtigen, dass das H?O im 
als Krystallwasser, 


Euxenit höchst wahrscheinlich nicht 
sondern als sogenanntes basisches Wasser vorhanden ist, 
Es ist somit zu den Basen hinzu zu addiren; 


6 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


287 
18 


H?O — — 1,94% 


Wenn wir nun bei der Ueberzahl der zweiwerthigen 
Elemente alle gefundenen Zahlen auf Zweiwerthigkeiten zu- 
rĂŒckfĂŒhren, so mĂŒssen wir die vierwerthige Nb?O° mit 2 mul- 
tiplieiren. Wir erhalten alsdann Nb?0° — 12,96. Die Summe 
der fĂŒr die SĂ€uren gefundenen Zahlen ist, wenn wir die 
Thonerde mit zu den SĂ€uren rechnen und als zweiwerthig 
ansehen —= 60,84, der fĂŒr die Basen gefundenen Zahlen 
— 62,13. | 

Es herrscht somit, wenn man die Schwierigkeit, die ein- 
zelnen Basen scharf zu trennen, in ErwÀgung zieht, eine 
genĂŒgende Uebereinstimmung. Man sieht, dass wir im Hit- 
teröer Euxenit ein Salz-Gemenge haben, fĂŒr welches, da 
das VerhÀltniss der Aluminate, Niobate und Titanate zu 
einander ungefÀhr wie 2:5:15 ist, folgende Formel aufge- 
stellt werden kann: 


2 (RO, Al202) + 5(2RO,Nb205) + 15. (RO, TiO?) 
‚worin R = Fe,Ca,Ce, Y,U,Mg und H2 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 
Von O. Hesse.*) 


Von den vielen Verfahren, die zur Darstellung des Mor- 
phins empfohlen wurden, wird das von Robertson ange- 
gebene und von Gregory verbesserte Verfahren als das- 
jenige bezeichnet, nach welchem sich alle ĂŒbrigen Opium- 
basen gewinnen lassen sollen. Dieses Verfahren besteht 
bekanntlich darin, dass die‘ Alkaloidsalze des Opium durch 


*) Als Separatabdruck aus den Annal. d. Chem, u. Pharm. VIII. Sup- 
plementband, 3. Heft, (Januar 1872) vom Herrn Verfasser erhalten. Mit 
Hinweglassung der Zahlenbelege f. d. Analysen hier wieder gegeben. 

A. 1. 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 7 


Wechselzersetzung mit Chlorcaleium in Chlorhydrate umge- 
wandelt werden, von welchen sich bei einer gewissen Üon- 
centration, niederen Temperatur und lÀngeren Zeitdauer das 
Morphin-, Pseudomorphin- und Kodeinsalz vollstÀndig ab- 
scheidet, wĂ€hrend die ĂŒbrigen Basen, das Narkotin, 'Thebain, 
Papaverin und Narcein, nach Anderson in der Mutterlauge 
gelöst bleiben. Indem nun seit der Zeit, dass Anderson seine 
interessante Untersuchung ĂŒber diese Basen veröffentlichte, 
eine ziemliche Anzahl von neuen Opiumbasen aufgefunden 
worden ist, so war es von grossem Interesse, zu untersuchen, 
ob die bei anderen Verfahren erhaltenen neuen Alkaloide 
auch in der Mutterlauge enthalten seien, wie solche bei dem 
bezeichneten Verfahren erhalten wird. Da sich diese neuen 
Basen mehr oder weniger in Ammoniak lösen, so war anzu- 
nehmen, dass wenn man fragliche Mutterlauge mit dem 
gleichen Volumen heissen Wassers vermischte und mit einem 
Ueberschuss von Ammoniak ausfÀllte, diese Substanzen voll- 
stĂ€ndig in Lösung bleiben wĂŒrden. 

Der Erfolg hat meiner Voraussetzung nicht ganz ent- 
sprochen, insofern nemlich, als ein (allerdings unerheblicher 
Theil Lanthopin mit in den harzigen Niederschlag ĂŒber- 
geht, welcher hierbei erhalten wird. Die von diesem Nieder- 
schlage getrennte vollkommen klare Lösung wurde mit der 
zur Lösung der Basen erforderlichen Menge Aether aus- 
geschĂŒttelt und demselben die Basen durch verdĂŒnnte Essig- 
sÀure wieder entzogen. Nachdem die in der essigsauren 
Lösung enthaltenen Alkaloide in der frĂŒheren Weise *) mit- 
telst Natronlauge in einen darin unlöslichen Theil (N) und 
eine in der Aetzlauge lösliche Partie zerlegt worden waren, 
wurde vor allen Dingen an die Trennung der in der Natron- 
lauge gelösten Basen gegangen. Zu dem Zwecke wurde die 
basische Lösung bis zur beginnenden TrĂŒbung mit SalzsĂ€ure 
versetzt, mit Salmiak schliesslich ausgefÀllt und die ausge- 
schiedenen, resp. die im Ammoniak gelösten Basen an Aether 
ĂŒbergefĂŒhrt, aus welchem sie wieder an verdĂŒnnte EssigsĂ€ure 


*) Ann, Chem, Pharm, CLIJI, 47. 


8 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


gebracht wurden. Nach Entfernung des Aethers wurde die 
saure Lösurg genau mit Ammoniak neutralisirt, nach Verlauf 
von 24 Stunden die kleine Menge Lanthopin, welche sich 
abgeschieden hatte, abfiltrirt, und das Filtrat, das kein Kodein 
enthielt, weil sich dasselbe, wie Eingangs dieses erwÀhnt 
wurde, schon in Verbindung mit SalzsÀure abgeschieden hatte, 
mit Ammoniak niedergeschlagen, wodurch ein harziger Nie- 
derschlag entstand. 

Dieser Niederschlag löste sich in siedendem verdĂŒnnten 
Alkohol leicht auf, worauf sich beim Erkalten der Lösung 
weisse Krystalle in grosser Menge ausschieden, die ein Ge- 
menge von Laudanin und Kryptopin waren, welches 
mittelst Jodkalium in seine beiden Bestandtheile zerlegt wer- 
den konnte (vergl. Laudanin). 

Die alkoholische Mutterlauge, welche das Mekonidin 
und Kodamin enthalten sollte, wurde von dem Alkohol 
befreit und das sich ausscheidende braune Harz mit geringen 
Mengen siedenden Aethers behandelt, um ihm genannte Basen 
zu entziehen. Aber weder der im Aether unlösliche, noch 
der in Lösung ĂŒbergegangene Theil der Basen gab mit ver- 
dĂŒnnter SchwefelsĂ€ure erwĂ€rmt die rothe FĂ€rbung des Meko- 
nidins, das mithin bei dem in Rede stehenden Verfahren der 
Morphindarstellung zersetzt wird. Allein es wollte auch 
zuerst nicht gelingen, aus der Àtherischen Lösung krystallisir- 
tes Kodamin zu erhalten. Da diese Base mit HJ ein gut 
krystallisirendes, schwer lösliches Salz bildet, so wurde ver- 
sucht, dasselbe aus dem Gemenge darzustellen und desshalb 
die essigsaure Lösung mit etwas Jodkalium vermischt. Dabei 
schied sich anfangs nur eine amorphe harzige Masse . ab; 
spÀter fand man dieselbe von Krystallen durchsetzt und auch 
darĂŒber hatten sich an den GefĂ€sswĂ€nden eimige Krystall- 
gruppen angesetzt. Es wurde jetzt, weil die Krystallbildung 
weiter, wenn auch Àusserst langsam fortschritt, die klare 
Lösung abgegossen und die erwÀhnte Abscheidung durch das 
Entstehen eines flockigen Körpers innerhalb der Lösung zu 
beschleunigen versucht, was auch gelang; denn etwas Silber- 
salpeter, zu der ĂŒberschĂŒssiges Jodkalium enthaltenden Lösung 


Beitrag zur Kenntnissg der Opiumbasen, 9 


gebracht, erzeugte nicht nur die FĂ€llung von Jodsilber, son- 
dern veranlasste auch die Abscheidung von Kodaminjodhydrat. 
Aus dem Niederschlage wurde dann das Kodamin in der 
bei dieser Base angefĂŒhrten Weise abgeschieden. 


Auch wurde spÀter das Kodamin in der Art erhalten, 
dass man die brÀunliche Àtherische Lösung mit geschmolze- 
nem Chlorcaleium schĂŒttelte, welches Wasser, Alkohol *) 
und einen grossen Theil der fÀrbenden amorphen Substanzen 
niederschlug und so die Base fÀhig machte, Krystalle zu bil- 
den. Ingleichen wurde die essigsaure Lösung der Basen mit 
Kochsalz ausgefÀllt, das ausgeschiedene Harz entfernt und 
aus der Lösung die Basen wieder nach Zusatz von Ammo- 
niak an Aether ĂŒbergefĂŒhrt, welcher bei seinem Verdunsten 
ebenfalls etwas Kodamin lieferte. 


Die Versuche, etwa weitere alkalische Substanzen aus 
der letzten Àtherischen Lösung abzuscheiden, blieben erfolglos, 
wenigstens konnte in keiner Weise. neue Krystallbildung 
beobachtet werden. 


FĂŒr mich besonders interessant musste die Untersuchung 
des in Natronlauge unlöslichen Niederschlages N (8. 7) 
sein, in welchem nach FrĂŒherem das Thebain und Papa- 
verin zu suchen war. Von diesen Basen neutralisirt das 
Thebain die EssigsÀure vollstÀndig, wÀhrend die andere Base, 
das Papaverin, diese Eigenschaft nicht besitzt. Es lag nahe, 
dass auf dieses ungleiche Verhalten ein einfaches Verfahren 
der Trennung beider Alkaloide basirt werden könne. 


Zu diesem Zwecke wurde die fein zertheilte Masse bei 
mĂ€ssiger WĂ€rme mit verdĂŒnntem Weingeist digerirt und 
gleichzeitig so lange verdĂŒnnte EssigsĂ€ure zugebracht, bis 
von der Lösung blaues Lackmuspapier schwach geröthet 
wurde. Alsdann wurde hierzu etwa das dreifache Volumen 
kochendes Wasser gebracht, wodurch eine krystallinische 
FÀllung entstand, das Gemisch zu möglichster Entfernung 
des Alkohols einer Temperatur von 50° ausgesetzt und 


*) Der angewandte Aether enthielt etwas Alkohol. 


10 Beitrag zur Kenntaiss der Opiumbasen, 


danach der aus Papaverin und Narkotin bestehende 
Niederschlag abfiltrirt, dessen weitere Behandlung unten (vgl. 
Narkotin) angefĂŒhrt wird. 

Das Filtrat hiervon gab auf Zusatz von pulverisirter 
WeinsÀure eine reichliche Krystallisation von Thebainbi- 
tartrat. Dasselbe löst sich leicht in concentrirter SalzsÀure 
auf; wenn man also concentrirte SalzsÀure anstatt WeinsÀure 
zu dieser Lösung bringt, so ist keine Ausscheidung von The- 
bainsalz zu gewÀrtigen. Gleichwohl entstanden in der Lö- 
sung auf Zusatz von SalzsÀure Krystalle, welche mit denen 
des Thebainbitartrates die grösste Aehnlichkeit hatten, indess, 
wie es sich bald herausstellte, aus Kryptopinchlorhy- 
drat bestanden. Leider eignet sich die MutterlÀuge des 
Kryptopinsalzes wegen der grossen Menge .SalzsÀure, die 
Behufs der Abscheidung des Chlorhydrats zugesetzt werden 
musste und die sie noch enthÀlt,*) nicht besonders gut zur 
Darstellung der ĂŒbrigen Basen, so dass ich auf die FlĂŒssig- 
keit wieder zurĂŒckkomme, aus welcher das meiste Thebain 
mittelst WeinsĂ€ure abgeschieden worden ist. Diese FlĂŒssig- 
keit wird in der WĂ€rme genau mit Ammoniak neutralisirt, 
dann nach dem Erkalten mit 3 pC. von ihrem Gewicht an 
doppelt-kohlensaurem Natron, das mit Wasser abgerieben 
worden ist, vermischt und auf etwa 8 Tage bei Seite gestellt, 
wÀhrend dem sich eine schwarze pechartige Masse abscheidet: 
Die klare, wenig gefÀrbte Lösung wird hierauf abgegossen 
und mit einem Ueberschuss von Ammoniak ausgefÀllt, wo- 
durch ein harziger Niederschlag in reichlicher Menge ent- 
steht. Die ĂŒber dem Niederschlag stehende basische Lösung 
wird mit Benzin ausgeschĂŒttelt, dasselbe dann abgehoben und 
mit diesem bei seiner Siedetemperatur der harzige Nieder- 
schlag extrahirt.:. Das Gemisch lÀsst man hierauf auf etwa 
40° erkalten, giesst dann die Lösung von dem Ungelösten 


*) Die SalzsÀure liesse sich allenfalls durch kohlensaures Bleioxyd 
wegnehmen, aber in der Lösung befindet sich dann eine gewisse Menge 
Thebaicin, welches die weitere Untersuchung nicht unerheblich er- 
schwert. ß 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 11 


(vergl. Kryptopin und Protopin) ab und schĂŒttelt sie 
mit einer gesÀttigten 'wÀsserigen Lösung von Natronbicarbo- 
nat, worauf die klare Lösung, einer niederen Temperatur 
ausgesetzt, nach kurzer Zeit eine hĂŒbsche Menge von Lau- 
danosin (vergl. diese Base) abscheidet. Sobald eine Zu- 
nahme der Krystalle nicht mehr. beobachtet werden kann, 
wird die Benzinlösung abgegossen, resp. abfiltrirt und aus 
der letzteren durch vorsichtiges Zuleiten von SalzsÀuregas 
das Hydrokotarnin niedergeschlagen (vergl. Hydrokotar- 
nin). Das von den Krystallen des salzsauren Hydrokotarnins 
getrennte Benzin enthÀlt wohl noch basische Substanzen, aber 
dieselben liessen sich nicht in eine empfehlenswerthe Form 
bringen, desshalb von einer Untersuchung derselben vorerst 
abgesehen wurde. Es sei nur noch erwÀhnt, dass sich aus 
der das Laudanosin liefernden Benzinlösung anfÀnglich eine 
Base in gelblichweissen KlĂŒmpchen abschied, welche sich 
leicht in siedendem PetroleumÀther löste, sich beim Erkalten 
desselben als ein fast weisses, anscheinend amorphes Pulver 
ausschied und sich in eisenoxydhaltiger concentrirter Schwe- 
felsÀure mit blauer Farbe löste. Ueberhaupt kam mir bei 
dieser Untersuchung das verschiedene Verhalten vieler Opium- 
basen zu reiner und zu eisenoxydhaltiger concentrirter Schwe- 
felsĂ€ure sehr zu statten, wobei gleichzeitig der Beweis gefĂŒhrt 
wird, dass schwefelsaures Eisenoxyd, welches bislang fĂŒr 
gÀnzlich unlöslich in concentrirter SchwefelsÀure galt, sich in 
dieser SÀure etwas löst, Man erhÀlt die eisenoxydhaltige 
SĂ€ure durch Behandeln von reinem Eisenoxyd mit concen- 
trirter reiner SĂ€ure, oder wenn man zu letzterer etwas Eisen- 
chlorid bringt. Die Lösung wird, nachdem sich etwas Eisen- 
oxydsulfat abgesetzt hat, abgegossen und so verwendet. Auch 
lÀsst sich eine solche SÀure verwenden, in der geringe Men- 
gen des weissen Sulfats suspendirt sind, doch erschweren die 
letzteren die Beobachtung des Verlaufes der Reaction. Bis- 
weilen bildet sich eine solche SĂ€ure ganz von selbst, wenn 
nemlich reine concentrirte SÀure lÀngere Zeit in GlasgefÀssen 
aufbewahrt bleibt, offenbar in Folge der Corrosion des Glases 
durch die SĂ€ure. 


11% Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


Ein Beispiel der verschiedenen Reaction, je nachdem die 
reine oder eisenoxydhaltige concentrirte SchwefelsÀure ange- 
wendet wird, mag jetzt schon angefĂŒhrt werden.» Kodein, 
das sich bekanntlich auf Zusatz von Eisenchlorid nicht fÀrbt 
und sich nach Riegel, Guy und T. und H. Smith farblos 
in reiner concentrirter SchwefelsÀure löst, was ich bestÀtigen 
kann, löst sich dagegen in eisenoxydhaltiger SchwefelsÀure 
allmÀhlig mit schön blauer Farbe. Diese letztere Reaction ist 
ĂŒbrigens nicht neu, sondern bereits von Dragendorff ange- 
geben worden; freilich meint dieser Chemiker, dass die von 
ihm angewandte SĂ€ure rein gewesen sei. Findet jedoch bei 
dieser Reaction eine Temperatur von etwa 150°. statt, so 
ist, wenn Kodein angewendet wurde, kein Unterschied in dem 
Verhalten zu bemerken, insofern sich die Lösungen in beiden 
FĂ€llen schmutzig grĂŒn fĂ€rben, 

Nach diesen Erörterungen werden also bei der Robert- 
son-Gregory’schen Methode der Morphindarstellung ausser 
Morphin folgende Alkaloide erhalten: Kodein, ‚Thebain, 
Papaverin, Narcein, Narkotin, Pseudomorphin, 
Laudanin, Kodamin, Lanthopin, Kryptopin, Pro- 
topin, Laudanosin und Hydrokotarnin, dagegen wird 
dabei das Mekonidin vollstÀndig zersetzt. Ich habe mich 
indess nicht darauf beschrÀnkt, diese verschiedenen Stoffe 
‚nachzuweisen, resp. abzuscheiden, sondern dieselben, inso- 
fern als es nicht schon frĂŒher geschehen ist, einer genauen 
Untersuchung unterworfen, der nun die folgenden Zeilen 
gewidmet sind. 


Pseudomorphin. 


_ Die Darstellung dieser Base habe ich frĂŒher*) schon 
angegeben. Allein wie ich inzwischen gefunden habe, gelingt 
es nicht immer,: dieses Alkaloid aus dem Opium abzuschei- 
den, wahrscheinlich desshalb, weil das Opium bisweilen ent- 
weder frei von Pseudomorphin ist oder doch so geringe 
Mengen davon enthÀlt, dass sich dieselben der Beobachtung 


*) Ann. Chem. Pharm, CXLI, 87. 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 13 


entziehen. Nur einmal war es mir im Laufe von 4 Jahren ver- 
gönnt, bei einem besseren Smyrnaer Opium einen namhaften 
Gehalt von Pseudomorphin constatiren zu können. 

Das Pseudomorphin scheidet sich, wenn es aus seinen 
Salzlösungen mittelst Ammoniak gefÀllt wird, immer mit 
Krystallwasser ab; doch existiren mindestens zwei Verbin- 
dungen mit verschiedenem Wassergehalt. Schon frĂŒher wurde 
angefĂŒhrt, dass bei 120°C. getrocknetes Pseudomorphin an 
feuchter Luft alsbald 6 bis 7 pC. Wasser aufnehme und daher 
eine Verbindung von der Formel C!’H!’NO? + H?O zu 
existiren scheine. Um nun diese Frage zu erledigen, wurde 
salzsaures Pseudomorphin in verdĂŒnnter, wĂ€sseriger, heisser 
Lösung mit Ammoniak zersetzt und das sich in SchĂŒppchen 
ausscheidende Alkaloid an der Luft getrocknet. 

‘ Es wurde der Wassergehalt zu 8,42 — 9,50 pÜ. gefun- 
den. Diese Zahlen nĂ€hern sich der fĂŒr C17H1?’NOÂź + 1'/, H?O 
berechneten Zahl, welche sich zu 8,2 ergiebt. Ich glaube 
jedoch, dass dieses Hydrat ein Gemenge von C1’H!?NO# 
+ H2O und der folgenden Verbindung C!’H!?’NO* + 4H?O 
ist. Dieses letztere Hydrat entsteht, wenn die heisse, wÀsse- 
rige, verdĂŒnnte Lösung des Chlorhydrats mit weinsaurem Ka- 
linatron vermischt wird. Es bildet kleine, weisse, glÀnzende 
SchĂŒppchen, welche sich eben so zu Wasser und Alkohol ver- 
halten, wie das andere Hydrat.. Dieses Hydrat gab: 

18,02, 18,19 bis 18,24%, -H?O. 

Die Formel C1?H!?NO* + 4H?O verlangt 19,30%, H?O. 

Der etwas zu niedrig "gefundene Wassergehalt deutei 
darauf hin, dass diesem Hydrat wahrscheinlich geringe Mengen 
von C17H19 NO* + H?O beigemischt gewesen sind. 

In reiner concentrirter SchwefelsÀure löst sich das Pseu- 
domorphin farblos auf, doch fÀrbt sich die Lösung bald oli- 
vengrĂŒn. Wenn die frisch bereitete Lösung schwach erwĂ€rmt 
wird, so tritt rasch die schmutzig -grĂŒne FĂ€rbung ein, wie 
solche unter den gleichen UmstÀnden mit Morphin erzielt 
werden kann. Wasser, zu der in der KĂ€lte frisch bereiteten 
Lösung gebracht, erzeugt einen weissen krystallinischen 
Niederschlag von Pseudomorphinsulfat, 


14 | Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


Das Pseudomorphin bildet mit SalpetersÀure von 1,06 sp. 
Gew. zunÀchst das Nitrat, welches aber bald in das salpeter- 
saure Nitropseudomorphin ĂŒbergeht, falls ein kleiner Ueber- 
schuss von SĂ€ure angewendet wird. Aber das nene Derivat, 
welches in kleinen gelben Krystallen anschiesst, verschwindet 
fast eben so schnell, als es entsteht, so dass zu einer genauen 
Untersuchung desselben nicht das nöthige Material beschafft 
werden konnte. 

Wird das Pseudomorphin dem Einflusse reducirender 
Mittel ausgesetzt, wie schweflige SĂ€ure, Schwefelwasserstoff 
oder Wasserstoff (aus Zink und Wasser in saurer und alka- 
lischer Lösung entwickelt), so erleidet es nicht die geringste 
VerÀnderung. 

Was ferner die Salze dieser Base betrifft, so habe ich 
darĂŒber noch Folgendes ermittelt. 

Saures weinsaures Pseudomorphin = 

617H19N04, C4H606 + 6H2O 

wird in kleinen farblosen Prismen erhalten, wenn man die 
Base in verdĂŒnnter WeinsĂ€ure bei gelinder WĂ€rme auflöst, 
oder zur essigsauren Lösung des Alkaloids WeinsÀure setzt. 
Durch Umkrystallisiren aus kochendem -Wasser lÀsst es sich 
leicht rein darstellen. Es löst sich ziemlich leicht in kochen- 
dem Wasser auf, dagegen erfordert 1 Theil Salz bei 18°C. 
429 Theile Wasser zur Lösung. 

Neutrales weinsaures Pseudomorphin scheint 
nicht darstellbar zu sein. 

Bromwasserstoffsaures Pseudomorphin. wird 
aus der essigsauren Lösung der Base mittelst Bromkalium 
erhalten und krystallisirt in kleinen weissen, in Wasser sich 
schwer lösenden Prismen. 

Jodwasserstoffsaures Pseudomorphin = 

CY7H!?’NO#HJ + H?0O 
wird durch Wechselzersetzung von Pseudomorphinchlorhydrat 
mit durch EssigsÀure schwach angesÀuerter Lösung von Jod- 
kalium erhalten. Es scheidet sich aus verdĂŒnnter Lösung in 
kleinen farblosen Prismen ab, die sich bei 18°C. m 793 Thei- 
len Wasser lösen, 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 15 


Chromsaures Pseudomorphin = 
2C017HPNO#, CrÂźH?207 + 4 H%0. 

Die wÀsserige Lösung des Chlorhydrats giebt auf Zusatz 
von Kalibichromatlösung einen gelben, aus kleinen Prismen 
bestehenden Niederschlag, welcher, in Masse gesehen, gelb- 
braun und nach dem Trocknen bei 80° kaffeebraun gefÀrbt 
erscheint. Bei der Darstellung dieses Salzes ist namentlich 
starke ErwÀrmung der Lösung zu vermeiden, indem andern- 
falls Zersetzung eintritt und sich ein ziemlich dunkel gefÀrb- 
tes Salz abscheidet. Das Chromat enthÀlt Krystallwasser, 
von dem es etwa ?/, beim Trocknen ĂŒber Vitriolöl, den Rest 
bei 80°C. verliert. Etwas ĂŒber 100° erhitzt, verbrennt es 
und lĂ€sst schliesslich Chromoxyd zurĂŒck. 


In heissem und kaltem Alkohol ist dieses Salz unlös- 
lich und bedarf bei 18°C. 1090 Theile Wasser zu seiner 
Lösung. 


Lanthopin. 


Diese Base gleicht dem Pseudomorphin darin, dass sie 
EssigsÀure nicht neutralisirt; aber sie wird von Eisenchlorid 
nicht gefÀrbt und bildet auch mit SÀuren Salze, welche sich 
in Wasser erheblich leichter auflösen, als die Salze des Pseu- 
domorphins. Ich habe mich darauf beschrÀnkt, von dieser 
Base nur noch folgende Salze darzustellen. 


Saures weinsaures Lanthopin wird in zarten 
farblosen Prismen erhalten, welche sich sehr leicht in Wasser 
und Alkohol lösen. 


Saures oxalsaures Lanthopin scheidet sich in 
gallertartigen, bald krystallinisch werdenden Massen ab, 
welche sich ebenfalls leicht in kaltem Wasser und Alkohol 
lösen. 

Ferner ist anzufĂŒhren, dass sich das absolut reine Lan- 
thopin in reiner concentrirter SchwefelsÀure sowohl, als auch 
in eisenoxydhaltiger SÀure farblos löst und dass sich diese 
Lösung in beiden FÀllen bei etwa 150° erst brÀunlich - gelb, 
schliesslich dunkelbraun fÀrbt. 


16 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 
Laudanin. 


Das Laudanin wird, wie oben erwÀhnt wurde, mit etwas 
Kryptopin gemengt erhalten. Um nun das letztere Alkaloid 
zu beseitigen, trÀgt man die essigsaure Lösung des Gemenges 
in verdĂŒnnte ĂŒberschĂŒssige Natronlauge ein, wodurch das 
Kryptopin bis auf Spuren, die in Lösung bleiben, gefÀllt 
wird. Nachdem der Niederschlag krystallinisch geworden ist, 
wird derselbe beseitigt, die klare Lösung mit Salmiak ver- 
setzt und der Anfangs amorphe, spÀter krystallinisch wer- 
dende Niederschlag gesammelt. Der Niederschlag wird hierauf 
in verdĂŒnnter EssigsĂ€ure gelöst und die Lösung mit Jodka- 
lium vermischt, von dem man etwas mehr nehmen muss, als 
das halbe Gewicht des Niederschlages betrÀgt. Alsbald 
scheidet sich das Laudaninjodhydrat als ein anfÀnglich weisses, 
schliesslich gelb werdendes Krystallpulver aus, wÀhrend etwa 
noch vorhandenes Kryptopin in der Mutterlauge bleibt. Das 
mit kaltem Wasser gut ausgewaschene Jodhydrat wird mit 
Ammoniak digerirt,‘ die ausgeschiedene Base in EssigsĂ€ure 
gelöst, die mit Thierkohle behandelte Lösung mit Ammoniak 
gefÀllt und das Alkaloid durch Umkrystallisiren aus kochen- 
dem Weingeist endlich gereinigt. 


Die Angaben ĂŒber die Eigenschaften dieser Base, welche 
ich frĂŒher“) machte, fanden auch jetzt ihre BestĂ€tigung mit 
Ausnahme der, dass der Schmelzpunkt anstatt wie frĂŒher bei 
165° jetzt bei 166° 0. gefunden wurde. Ferner ergab sich, 
dass bei 18°C. 1 Theil Laudanin 647 Theile Aether zur Lö- 
sung nöthig hat. FrĂŒher habe ich angefĂŒhrt, dass sich 
1 Theil Alkaloid bei gewöhnlicher Temperatur in 540 Theilen 
Aether löst; allein da diese Lösung in der Art erhalten wurde, 
dass man ein Salz der Base in Wasser löste und die frisch 
gefĂ€llte Base mit Aether behandelte, so dĂŒrfte eben der schon 
frĂŒher angefĂŒhrte Fall eingetreten sein, dass eine ĂŒbersĂ€ttigte 
Lösung erhalten wurde. 


*) Ann. Chem. Pharm. CLIII, 53. 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 17 


Bemerkenswerth fĂŒr das Laudanin dĂŒrfte sein Verhalten 
zu SchwefelsÀure sein; denn reine concentrirte SÀure wird 
durch das Alkaloid bei etwa 20° Àusserst schwach rosa, bei 
etwa 150° schmutzig rothviolett gefÀrbt, wÀhrend eisenoxyd- 
haltige SĂ€ure durch dasselbe intensiv rosa und bei 1500 
schön dunkelviolett gefÀrbt wird, 

Die Analyse der absolut reinen Substanz gab gegen 
frĂŒher eine namhafte‘ Differenz im Kohlenstoffgehalt, indem 
damals fĂŒr das Alkaloid © = 73,21 pC., H = 7,68 pC. und 
N=4,35 pC. gefunden wurde, wĂ€hrend sich jetzt fĂŒr das 
reine und bei 100° getrocknete Alkaloid ae Zahlen 
ergaben: 


gefunden 
C = 69,75 69,939, 
27750 7,40 
N 74:21 — 


Daraus ergiebt sich die auch im Halgenden bestÀtigte 
Formel C?°H?° NO%, welche 


verlangt 
u nn 
C2° 240 69,97 


H5 35 7,29 
N 14 4,08 
04 64 18,66 


343 100,00. 


Das Laudanin ist zwar eine starke Pflanzenbase und bil- 
det mit SĂ€uren wohlcharakterisirte Salze, aber es ist eben so 
fÀhig mit anderen Basen Verbindungen einzugehen. Wird die 
schwach erwĂ€rmte Lösung der Base in verdĂŒnnter Kalilauge 
mit concentrirter Kalilauge versetzt, so scheiden sich aus der 
erkaltenden Lösung weisse seideglÀnzende, sternförmig grup- 
pirte Nadeln ab. Es lÀsst sich die Ausscheidung dieser Ver- 
bindung durch Zusatz von weiteren Mengen von Kalilauge in 
solcher Weise vermehren, dass die Lösung zu einem weissen 
Brei von Krystallen gesteht. Diese von der ĂŒberschĂŒssigen 
Kalilauge möglichst befreite Verbindung löst sich leicht in 
Wasser und Alkohol, ist dagegen wnlöslich in Kalilauge und 

Arch, d. Pharm. CO. Bds, 1. TIft, 2 


18 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


in Natronlauge. Die Krystalle verlieren beim lÀngeren Ver- 
weilen an der Luft ihren Glanz, wobei sich ein weisses Pul- 
ver. von Laudanin abscheidet, in Folge dessen sie sich nicht 
mehr vollstÀndig in Wasser lösen. 

Mit Natron lÀsst sich in analoger Weise eine Verbin- 
dung erzielen, welche in ihren Eigenschaften der Kaliverbin- 
dung gleich kommt. _ N 

Von einer weiteren Untersuchung dieser interessanten 
Verbindungen habe ich absehen mĂŒssen, da ich dieselben von 
dem anhaftenden FĂ€llungsmittel nicht ganz befreien konnte. 

Uebrigens folgt aus diesem Verhalten des Laudanins, 
dass, will man diese Base von dem Kryptopin mittelst Aetz- 
lauge trennen, ein grosser Ueberschuss von letzterer zu ver- 
meiden ist. 

Salzsaures Laudanin = 02°H°¼’NO%#HCl + 6H?0. 
Wenn die salzsaure Lösung der Base mit einem Ueberschuss 
von SalzsÀure vermischt wird, so scheidet sich das Salz als- 
bald in weissen, aus concentrisch gruppirten Prismen beste- 
henden Warzen aus, welche durch Umkrystallisiren aus heissem 
Wasser leicht rein erhalten werden. 

Das Salz reagirt neutral, löst sich sehr leicht in Wasser 
und Alkohol auf, ist unlöslich in Aether, sehr schwer löslich 
in Kochsalzlösung und fast unlöslich in concentrirter Salz- 
sÀure. Von dem Krystallwasser, das es enthÀlt, entweicht 
ein grosser Theil bei gewöhnlicher Temperatur im Exsiccator, 
der Rest bei 90%. Etwas ĂŒber 100° hinaus erhitzt, fĂ€rbt sich 
das Salz gelb und schmilzt bald zu einer gelben Masse, ohne 
an Gewicht zu verlieren. 

Bromwasserstoffsaures Laudanin = 

02°H2>NO%HBr + 2H?0O 

wird in weissen Krystallwarzen erhalten, wenn man die neu- 
trale essigsaure Lösung des Laudanins mit Bromkalium ver- 
mischt. Es reagirt neutral und löst sich leicht in Alkohol. 
Von Wasser bedarf 1 Theil Salz bei 20°C. 29 Theile zur 
Lösung. Bei 100° giebt das Bromhydrat sein Krystallwasser 
ab, bei einer etwas höheren Temperatur fÀrbt es sich gelb- 
lich und schmilzt. 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 19 


Jodwasserstoffsaures Laudanin, lufttrocken — 
C?°HŸ?>NO%HJ + H?O wird in entsprechender Weise wie 
vorstehendes Salz erhalten. Es bildet meist ein weisses kry- 
stallinisches Pulver, das aus kleinen Kugeln besteht, welche 
sich, lÀngere Zeit in der Mutterlauge gelassen, allmÀhlig gelb 
fÀrben. Das Jodhydrat löst sich ziemlich leicht in heissem 
Wasser und in Alkohol, sehr wenig in kaltem Wasser und 
fast gar nicht in Jodkalium- und Kochsalzlösung. Bei 15°C. 
bedarf z. B. 1 Theil Salz 500 Theile Wasser zur Lösung. 
Bei 100° verliert das Salz leicht sein Krystallwasser und 
schmilzt gegen 130° zu einer gelben, beim Erkalten amorph 
erstarrenden FlĂŒssigkeit. 

 Essigsaures Laudanin, — Wenn das Alkaloid in, 
der Weise in EssigsÀure aufgelöst wird, dass die Lösung nach- 
her blaues Lackmuspapier schwach röthet, so scheidet die 
Lösung, bei etwa 40° auf ein geringes Volumen gebracht, 
das Laudaninaestat allmÀhlig in kleinen weissen, in Wasser 
sich sehr leicht lösenden Nadeln ab. 

Neutrales schwefelsaures Laudanin wird durch 
genaue SĂ€ttigung von verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure mit der Base 
erhalten. Die neutrale Lösung hinterlÀsst beim Verdunsten 
in gelinder WĂ€rme einen amorphen farblosen RĂŒckstand, wel- 
cher sich sehr leicht in Wasser löst und wie es scheint in 
keiner Weise zum Krystallisiren gebracht werden kann. 

Saures schwefelsaures Laudanin = 

C2°H 2° NO#SH?O* + 4H?O. 

Bringt man zur wÀsserigen concentrirten Lösung des neu- 
tralen Sulfats etwas verdĂŒnnte SchwefelsĂ€ure, so erstarrt sehr 
bald die Lösung zu einer krystallinischen Masse von Laudanin- 
bisulfat. Dasselbe bildet kleine weisse Prismen, welche sich sehr 
leicht in Wasser und Alkohol lösen, wĂ€hrend es verdĂŒnnte Schwe- 
felsÀure bei gewöhnlicher Temperatur Àusserst schwer löst. Das 
Salz verliert sein Krystallwasser vollstÀndig beim Trocknen im 
Exsiceator und schmilzt, wenige Grade ĂŒber 100° hinaus erhitzt, 
zu einer gelben, beim Erkalten leicht erstarrenden FlĂŒssigkeit. 

Neutrales oxalsaures Laudanin. — SĂ€ttigt man 
die mit Wasser ĂŒbergossene Base genau mit OxalsĂ€ure und 

2% 


20 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


verdampft man nun diese Lösung bei mÀssiger WÀrme, so 
resultirt eine farblose syrupöse Masse, in welcher sich nach 
lÀngerer Zeit kleine KrystallblÀttchen bilden. Das Salz löst 
sich ausserordentlich leicht in Wasser und in Alkohol auf, 
ist jedoch unlöslich in Aether. 

Saures oxalsaures Laudanin 

—= (2°H?>NO# C?H?0* + 6H?0. 

Wird zur wÀsserigen Lösung des neutralen Oxalats das 
gleiche Aequivalent OxalsÀure gesetzt, so schiesst alsbald das 
saure Salz in Krystallen an. Eben so lÀsst es sich direct 
erhalten, wenn gleiche Aequivalente von SĂ€ure und Base 
zusammen in wenig kochendem Wasser gelöst werden. 

Das Salz krystallisirt aus der heissen wÀsserigen Lösung 
beim Erkalten derselben in kleinen, concentrisch gruppirten, 
farblosen Prismen, welche bei gewöhnlicher Temperatur im 
Exsiecator den grössten Theil ihres Krystallwassers verlieren, 
wÀhrend der Rest desselben erst bei 90° entweicht. Es 
schmilzt bei etwa 110° zu einer gelblichen FlĂŒssigkeit, löst 
sich in Alkohol und heissem Wasser leicht, schwieriger in 
kaltem Wasser, z. B. bei 10° C. in 45,7 Theilen. 

Neutrales weinsaures Laudanin. — VerdĂŒnnte 
wÀsserige WeinsÀurelösung giebt mit Laudanin neutralisirt 
beim Verdunsten in gelinder WÀrme eine amorphe, syrupöse, 
in Wasser sich sehr leicht lösende Masse, welche anscheinend 
nicht fÀhig ist, Krystalle zu bilden. | 

Saures weinsaures Laudanin 

1 02012>N 0%, CHE 087 3120: 

Das Alkaloid wird mit etwas mehr als dem gleichen 
Aequivalent WeinsÀure behandelt, worauf beim Erkalten der 
heissen, wÀsserigen Lösung das Salz in weissen, zu Warzen 
vereinigten Prismen anschiesst. Von dem Krystallwasser, 
welches dieses Salz enthÀlt, entweicht ein Theil bei gewöhn- 
licher Temperatur im Exsiccator, der Rest aber bei 100°, 
‚wobei das Salz schmilzt. Bei 15°C. löst sich das neue 
Tartrat in 20,6 Theilen Wasser. | 

Dieses Salz verliert beim Trocknen im Exsiceator nahezu 
2H?O und wird bei 100° wasserfrei, 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen, 21 


Chromsaures Laudanin ist ein dunkelbraunes Harz, 
das entsteht, wenn die wÀsserige Lösung von Laudaninsulfat 
bei gewöhnlicher Temperatur mit Kalibichromatlösung ver- 
mischt wird. 

Salzsaures Laudanin-Platinchlorid 

=— (C?°H2>NO4, HC])2, PtCl* + 2H2O, 

wurde in der frĂŒher angegebenen Weise erhalten. Das Dop- 
pelsalz beginnt, wenige Grade ĂŒber 100° hinaus erhitzt, sich 
zu zersetzen, schmilzt anfÀnglich und stösst dann gelbe DÀmpfe 
aus, welche sich zu einer dunkelgelben FlĂŒssigkeit condensi- 
ren lassen. Bei 35° wird es frei von hygroscopischem Was- 
ser und giebt dann bei 90 bis 100° chemisch gebundenes 
Wasser ab. 

Salzsaures Laudanin-Goldchlorid ist ein gelber, 
amorpher Niederschlag, welcher in kochendem Wasser 
schmilzt, sich zugleich etwas löst und bald metallisches Gold 
abscheidet. 


Kodamin, 


Das Kodamin wird bei dem oben angefĂŒhrten Verfahren 
theils als Jodhydrat gewonnen, welches mit etwas Jodsilber 
gemengt ist, theils in freiem Zustand erhalten. Nachdem man 
im letzteren Falle die Base ebenfalls an HJ gebunden und 
das schwerlösliche Jodhydrat dargestellt hat, zersetzt man 
dasselbe mit Ammoniak und fĂŒhrt die Base ‚an Aether ĂŒber, 
welcher sie nach dem Waschen mit Natronbicarbonat und 
Filtration durch etwas Thierkohle bei seinem Verdunsten in 
hĂŒbschen, farblosen Krystallen abscheidet. Werden diese 
Krystalle in EssigsÀure gelöst, die warme Lösung mit Am- 
moniak ausgefÀllt und sogleich mit der erforderlichen Menge 
heissen Benzins ausgeschĂŒttelt, so nimmt dasselbe die Base 
auf und scheidet sie beim Erkalten in kleinen, farblosen Pris- 
men ab. Diese schmelzen bei 126° C., wÀhrend das aus 
Aether oder Alkohol krystallisirte Kodamin immer einen etwas 
niedrigeren Schmelzpunkt (etwa 120°) aufweist. Wenn das 
Alkaloid ĂŒber seinen Schmelzpunkt hinaus erhitzt wird, so 
brÀunt es sich zunÀchst und zieht sich dann in öligen Streifen 


22 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


an den Wandungen des GefÀsses empor, wÀhrend die Zer- 
setzung mehr und mehr fortschreitet. Das frĂŒher hierbei 
beobachtete Sublimat scheint aus kohlensaurem Ammoniak 
bestanden zu haben, da es unter UmstÀnden erhalten wurde, 
welche eine Entstehung desselben nicht ausschliessen. *) 


Natron- und Kalilauge lösen, wie bekannt, die Base sehr 
leicht auf, doch wird in der Lösung auf Zusatz von concen- 
trirter Aetzlauge ein weisser amorpher Niederschlag erzeugt, 
welcher vermuthlich eine Verbindung der organischen Base 
mit dem Alkali ist. 


Das Kodamin fÀrbt sich mit Eisenchlorid schön dunkel- 
grĂŒn und scheidet allmĂ€hlig Eisenoxyd ab; es gleicht darin 
dem Laudanin. Allein wÀhrend sich die letztere Base mit 
concentrirter SalpetersÀure orangeroth fÀrbt, löst sich das Ko- 
damin mit schön dunkelgrĂŒner Farbe und unterscheidet sich 
hierdurch nicht allein vom Laudanin, sondern ĂŒberhaupt von 
allen anderen Opiumbasen. 


Reine concentrirte SchwefelsÀure löst das Kodamin bei 
circa 20° farblos, bei 150° schmutzig rothviolett, eisenoxyd- 
haltige SĂ€ure giebt aber damit bei 20° eine intensiv grĂŒn- 
lichblaue Lösung, welche bei etwa 150° dunkelviolett wird. 
Ganz der letzteren SÀure Àhnlich verhÀlt sich chlorhaltige 
SÀure. EnthÀlt indess die SchwefelsÀure Spuren von Nal- 
petersÀure, so fÀrbt sich das Kodamin schwarz und es ziehen 
intensiv dunkelgrĂŒn gefĂ€rbte Streifen von der Substanz 
hinweg, welche bald die ganze FlĂŒssigkeit braungelb fĂ€rben. 
Wird dann die Lösung erwÀrmt, so entfÀrbt sie sich unter 
Gasentwickelung, indem gleichzeitig die Substanz verbrennt. 


Chlorkalk erzeugt in der essigsauren Lösung der Base 
einen weissen flockigen Niederschlag, welcher sich nicht in 
EssigsÀure löst. Ein Ueberschuss von Chlorkalk verursacht 
BrÀunung des Niederschlags. 


*). Es wurde gelegentlich bei der Verbrennung der Substanz im 
Sauerstoffstrome beobachtet und hatte sich zwischen dem Platinschiffehen 
und dem Kupferoxyd gebildet, 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 23 


Was ferner die elementare Zusammensetzung des Kod- 
amins betrifft, so ist zuförderst anzufĂŒhren, dass die Base 
nach dem neuerdings eingeschlagenen Verfahren der Reini- 
gung von einer Substanz befreit wird, welche mehr Kohlen- 
stoff (70,5 pC.) enthÀlt, als das Kodamin. Indess scheint das 
Material, welches frĂŒher zu meinen Versuchen verwendet 
wurde, rein gewesen zu sein, wenigstens ist die einzige we- 
sentliche Differenz gegen jetzt, d.i. die den Kohlenstoffgehalt 
betreffende, wie ich leider erst vor Kurzem bemerkte, durch 
einen Rechnungsfehler verursacht worden. Die erste Ana- 
lyse,*) welche ich mit der aus Benzin umkrystallisirten Sub- 
stanz ausfĂŒhrte, gab Zahlen, welche sich den fĂŒr die Formel 
02°H?ŸNO* berechneten nÀhern; aus den weiteren Analysen 
aber, sowie aus dem Mittel sÀmmtlicher Analysen, lÀsst sich 
indess nur die Formel C?2°H?°NO% ableiten, die wir als die 
richtige Formel fĂŒr diese Base anzunehmen haben. !Das 
Kodamin ist, wie bekannt, wasserfrei und zeigt daher bei 
100° keinen Verlust. Das bei 100° ©. getrocknete Alkaloid: 


Berechnet fĂŒr die Formel Versuche 
2 23N 2 25N m nn U 
N tisch NO LEN EL EN 


C2> 240 70,38 C2? 240 69,97 70,21 69,38 69,97 70,11 69,92 
BER 9,6, 25 7728 7,1026 ne 


1 NAAR rn Aa 
EN A ae u je 
341 100,00. 343 100,00. 


Was schliesslich die Salze des Kodamins angeht, so be- 
sitzen dieselben mit wenig Ausnahmen solche Eigenschaften, 
die nicht zu einer ausfĂŒhrlichen Untersuchung derselben ein- 
laden. Dazu kommt noch, dass man selbst bei Anwendung 
grosser Mengen von Morphinmutterlauge nur ein paar Gramme 
dieser seltenen Substanz erhÀlt, so dass schon aus diesem 
Grunde nur wenige Bestimmungen damit ausgefĂŒhrt werden 
konnten. 

Salzsaures Kodamin reagirt neutral, ist amorph und 
in Wasser leicht löslich. Kochsalz scheidet das Salz aus der 


mm———— 


*) Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft IV, 694. 


24 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


concentrirten wÀsserigen Lösung in öligen Tropfen ab, wÀh- 
rend es in verdĂŒnnter Lösung keine FĂ€llung verursacht. 

Salzsaures Kodamin-Platinchlorid ist ein gel- 
ber amorpher Niederschlag, welcher sich in Wasser sehr 
schwer löst und bei 35° getrocknet aus (C?°H2>NO#HC])? 
+ PtCl* + 2H?O besteht. Das Wasser verliert die Verbin- 
dung bei 100%. Bei 110° schon beginnt das Salz sich zu 
zersetzen; es fÀrbt sich dunkel und blÀht sich schliesslich auf. 

Salzsaures Kodamin-Goldchlorid besteht aus 
gelben amorphen Flocken, welche leicht Gold metallisch ab- 
scheiden. 

Salzsaures Kodamin-Quecksilberchlorid scheint 
sehr löslich zu sein, da bei Anwendung von mÀssig concen- 
trirter Lösung des Chlorhydrats auf Zusatz von Sublimatlö- 
sung kein Niederschlag erhalten wurde. 

Jodwasserstoffsaures Kodamin = (?2°H?>NO%HJ 
+ 1", H?O wird als ein weisses krystallinisches Pulver erhal- 
ten, wenn das Chlorhydrat mit Jodkaliumsolution vermischt 
wird. Es löst sich leicht in Alkohol und in heissem Wasser, 
aber Àusserst schwer in kaltem Wasser. Das Jodhydrat rea- 
sirt neutral und verliert bei seinem Erhitzen auf 100° das 
Krystallwasser. 

Saures weinsaures Kodamin, in der Art darge- 
stellt, dass gleiche Aequivalente von SĂ€ure und Base zusam- 
men in wenig Wasser gelöst wurden, bleibt beim Verdunsten 
der Lösung als ein farbloser, sehr leicht in Wasser und Al- 
kohol löslicher syrupöser RĂŒckstand, welcher nach: lĂ€ngerer 
Zeit farblose Nadeln abscheidet. 

Saures oxalsaures Kodamin wurde in entsprechen- 
der Weise wie vorstehendes Salz erhalten und gleicht ihm 
vollkommen. 

Neutrales oxalsaures Kodamin ist amorph und 
löst sich sehr leicht in Wasser, eben so das essigsaure 
Kodamin. 

Pikrinsaures Kodamin ist ein ‘gelbes amorphes 
Pulver, das sich schwer in kaltem Wasser, leicht in kochen- 
dem Wasser löst. 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 25 
Narkotin. 


Das Narkotin bleibt bei der angefĂŒhrten Behandlung der 
schwarzen Mutterlauge zum geringsten Theile in Lösung und 
wird aus derselben, gemengt mit viel Papaverin, in Krystal- 
len erhalten. Das Gemenge wird behufs möglichster Ent- 
fernung von braun gefÀrbten amorphen Substanzen in sieden- 
dem Alkohol gelöst und die beim Erkalten desselben erhaltene 
Krystallmasse mit etwa !/, OxÀlsÀure zusammen in kochen- 
dem Wasser gelöst, worauf sich beim Erkalten und öfterem 
UmrĂŒhren der wĂ€sserigen Lösung der grösste Theil des sau- 
ren oxalsauren Papaverins in Krystallen abscheidet, wÀhrend 
das Narkotin vollstÀndig in der Mutterlauge bleibt. Um die 
letzten Reste des Papaverinsalzes möglichst zu gewinnen, 
welche noch in der Mutterlauge enthalten sind, erweist es 
sich als vortheilhaft, diese Lösung mit Ammoniak zu fÀllen 
und den mehr oder weniger harzigen Niederschlag nochmals 
mit !/, OxalsÀure in der geringsten Menge kochenden Was- 
sers zu lösen. Wird dann die Lösung mit einem Glasstab 
öfters umgerĂŒhrt, so scheidet sich im Laufe einiger Tage 
das etwa noch vorhandene Papaverinsalz bis auf Àusserst 
geringe Mengen ab. Die von den Krystallen des Papaverin- 
salzes befreite Lösung wird mit viel kaltem Wasser verdĂŒnnt, 
mit Ammoniak ausgefÀllt und das in Form eines weissen 
flockigen Niederschlages erhaltene Narkotin durch Umkrystal- 
lisiren aus kochendem Alkohol unter Zusatz von etwas Thier- 
kohle gereinigt, wobei die dem Niederschlage noch anhaf- 
tenden Spuren von Papaverin in der alkoholischen Mutter- 
lauge bleiben. Es wird so die Base frei von anderen Opium- 
basen erhalten. 

BezĂŒglich der elementaren Zusammensetzung des Narko- 
tins haben Matthiessen und Foster*) dargethan, dass 
alles Narkotin, welches dieselben untersuchten, nach der For- 
mel 022 H?3NO? zusammengesetzt war, wÀhrend bekanntlich 
vordem 0?>H2> NO? als die richtige Formel fĂŒr diese Base 


*) Ann, Chem, Pharm. Suppl.-Bd. I, 330. 


26 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


galt. Unter solchen UmstÀnden glaubte ich einige Bestim- 
mungen mit absolut reinem Material ausfĂŒhren zu sollen. 

Es gaben nun von der bei 100° getrockneten Substanz: 

0,2575 Grm. 0,603 CO? und 0,130 H2O. 

Diese Zahlen sprechen somit fĂŒr die Formel C??H2> NO7, 
welche | 


verlangt gefunden 
022772643 63,92 63,86 
237725 5,97 5,61 


N 14 3,39 .— 
on 119,2 .17.412 e 
415 100,00. 

Da im ĂŒbrigen die Proben von Narkotin von verschiede- 
ner Darstellung, sobald sie rein waren, keine Verschieden- 
heiten in ihrem Verhalten zu Reagentien zu erkennen gaben, 
so berechtigt mich dieses Resultat zu der Annahme, dass 
bisweilen Gemenge von Narkotin mit anderen Opiumbasen, 
insbesondere Papaverin, untersucht worden seien. So fĂŒhrt 
z.B. Husemann*) an, dass sich von mehren Narkotin- 
sorten das anscheinend reinste PrÀparat, mit reiner concen- 
trirter SchwefelsĂ€ure ĂŒbergossen, blauviolett fĂ€rbte. Dieses 
Verhalten wĂŒrde einen Gehalt von Papaverin andeuten. 

Nach meinen Beobachtungen löst sich reines Narkotin in 
concentrirter SchwefelsÀure, mag nun dieselbe rein oder 
eisenoxydhaltig sein, mit grĂŒnlich-gelber Farbe auf. Die 
Lösung wird beim schwachen ErwÀrmen anfangs orangeroth, 
dann carmoisinroth, bis sich bei der Temperatur, wo die 
SchwefelsÀure zu verdampfen beginnt, von der OberflÀche 
der Lösung aus blauviolette Streifen bilden und schliesslich 
die ganze Lösung schmutzig rothviolett gefÀrbt wird. 

Das Narkotin ist unlöslich in kaltem Wasser, dagegen 
löst es sich nicht unerheblich in kochendem Was- 
ser auf und scheidet sich daraus beim Erkalten 
in glimmernden Krystallen ab. Auch löst sich dieses 


*) Ann. Chem, Pharm. CXXVIII, 308, 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 27 


Alkaloid sehr leicht in kochendem Alkohol und scheidet sich 
daraus beim Erkalten bis auf geringe Mengen ab und zwar 
in hĂŒbschen farblosen Prismen. Von Aether bedarf 1 Theil 
Alkaloid bei 16°C. 166 Theile zur Lösung, nach Duflos 
von kaltem Aether von 0,735 spec. Gewicht 126 Theile. 
Ammoniak löst das Alkaloid in Àusserst geringer Menge, 
wÀhrend Kali- und Natronlauge, Kalkmilch und Barytwasser 
es bei gewöhnlicher Temperatur nicht lösen. Wird jedoch 
das basische Lösungsmittel erwÀrmt, so löst sich von dem 
Alkaloid mehr und mehr auf. So scheidet beispielsweise die 
heisse Lösung, welche beim Kochen von Narkotin mit Kalk- 
milch resultirt, beim Erkalten kein Narkotin ab, auch lÀsst 
sich der basischen Lösung durch Aether kein Narkotin entzie- 
hen; bringt man aber zur Lösung etwas Salmiak, so bilden 
sich bald Krystalle von Narkotin, weil durch den Salmiak der 
Narkotinkalk zersetzt wird und die sich bildende Menge 
freien Ammoniaks nicht genĂŒgt, um alles Narkotin in Lösung 
zu halten. Dieses Verhalten des Narkotins sollte nicht unbe- 
rĂŒcksichtigt bleiben, wenn man das Morphin nach dem Ver- 
fahren von Mohr darstellen will. Baryt wirkt noch gĂŒnsti- 
ger lösend auf das Narkotin ein, als der Kalk. Wird Nar- 
kotin mit Barytwasser erwÀrmt, so tritt, noch ehe der Siede- 
punkt der Barytlösung erreicht ist, der Moment ein, dass 
die Krystalle des Narkotins schmelzen und schliesslich ganz 
verschwinden. In der Lösung befindet sich dann Baryt- 
Narkotin, oder wenn man so sagen will „narkotinsaurer 
Baryt.“ Der Lösung wird das Narkotin durch Aether nicht 
entzogen; aber nach Zusatz von Salmiak entsteht ein gelati- 
nöser bis flockiger Niederschlag, und dann nimmt Aether, in 
dem sich eben dieser Niederschlag löst, Narkotin auf. # 
Findet indess das Kochen des Narkotins mit Barytwas- 
ser lÀngere Zeit hindurch statt, so zersetzt sich ein geringer 
Theil des Alkaloids, in Folge dessen man eine Substanz 
beobachtet, welche sich sehr leicht in Aether löst, aus dem- 
selben in dĂŒnnen, concentrisch gruppirten Prismen krystallisirt 
und mit SalzsÀure ein Àusserst lejcht lösliches, ebenfalls in 
dĂŒnnen Prismen krystallisirendes Salz bildet. Diese Base hat 


28 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


viel Aehnlichkeit mit dem Hydrokotarnin und entsteht wohl 
aus dem Narkotin nach der Gleichung: 

C22H23NO? + H20O — C12H!5NO3 + C!0H1005 

Hydrokotarnin. OpiansÀure. 

Das Narkotin schmilzt bei 176° zu einer farblosen FlĂŒs- 
sigkeit, welche sich, wenige Grade darĂŒber hinaus erhitzt, 
zersetzt. 

BezĂŒglich der Salze des Narkotins habe ich nur Folgen- 
des anzufĂŒhren: 

Salzsaures Narkotin-Platinchlorid. — Beim 
Vermischen der wÀsserigen salzsauren Lösung mit Platinso- 
lution in der KĂ€lte entsteht ein blassgelber, anscheinend amor- 
pher Niederschlag, welcher bei gewöhnlicher Temperatur an 
der Luft oder auch im Exsiccator getrocknet aus | 

(C22H?3N0, HC])? + BCl? + 2H2O 
besteht. 

Saures oxalsaures Narkotin. — Wenn gleiche 
Aequivalente von Base und OxalsÀure zusammen in kochen- 
dem Wasser gelöst werden, so scheidet die Lösung nach 
ihrem Verdunsten bei mÀssiger Temperatur das Salz als eine 
ölige schwere FlĂŒssigkeit ab, welche sich auf Zusatz von 
Wasser sehr leicht wieder löst. 


Saures weinsaures Narkotin, in entsprechender 
Weise wie vorstehendes Salz erhalten, kann ebenfalls als 
ein völlig amorphes, in Wasser sich sehr leicht lösendes 
Salz gelten. 

Beide letzteren Salze sind insofern von Interesse, als 
gerade mehre Opiumbasen mit OxalsÀure und WeinsÀure 
ziemlich schwer lösliche Verbindungen bilden, so dass eine 
Trennung des Narkotins von diesen Basen mittelst einer der 
genannten SÀuren leicht ermöglicht werden kann. 

Chromsaures Narkotin — (0??H??N0%2, Cr2H?0". 
— Wird die Auflösung des Narkotins in verdĂŒnnter Schwe- 
felsÀure mit Kalibichromatlösung vermischt, so entsteht ein 
schön gelber, amorpher Niederschlag, welcher aber bald dicht 
und, wie es scheint, krystallinisch wird. Beim Trocknen im 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 29 


Exsiceator fÀrbt sich das Salz braungelb und zersetzt sich 
bei 70 bis 80° unter reichlicher Entwickelung von DÀmpfen. 

Pikrinsaures Narkotin ist ein gelber, flockiger, 
amorpher Niederschlag, den Kaliumpikrat in der Lösung des 
schwefelsauren Narkotins erzeugt. Das. Salz löst sich sehr 
schwer in kaltem Wasser, wÀhrend kochendes Wasser davon 
sehr viel löst und beim Erkalten in amorphen Massen ab- 
scheidet. In der zur Lösung ungenĂŒgenden Menge heissen 
Wassers schmilzt der ungelöste Theil zu gelben Oeltröpfchen, 
die beim Erkalten amorph erstarren. 


Papaverin. 


Das Papaverin wird im vorliegenden Falle mit Narkotin 
gemengt erhalten, von welchem es mittelst OxalsÀure getrennt 
wird. Nachdem das Oxalat durch Umkrystallisiren aus 
kochendem Wasser gereinigt worden ist, wird daraus die 
Base in der frĂŒher angegebenen Weise dargestellt und, mit 
den bekannten Eigenschaften begabt, in Krystallen erhalten. 

BezĂŒglich des Verhaltens der Base zu concentrirter 
SchwefelsĂ€ure habe ich schon frĂŒher“) angefĂŒhrt, dass sich 
diese Base in genannter SÀure farblos löse, allein wenn Er- 
wÀrmung stattfinde, so nehme die Lösung eine schwach vio- 
lette FĂ€rbung an. Wenn ein Krystall mit der SĂ€ure in Be- 
rĂŒhrung kommt, so bildet sich in Folge dieser ErwĂ€rmung 
eine schwach violette Zone um denselben, und dann. erst, 
nachdem die erste Einwirkung vorĂŒber ist, löst sich der Rest 
des Krystalls farblos. Daher kommt es auch, dass, wenn 
man grössere Mengen von Papaverin mit concentrirter Schwe- 
felsĂ€ure ĂŒbergiesst, sich diese ausnahmslos blauviolett fĂ€rben 
und sich mit violetter Farbe lösen; allein die IntensitÀt der 
Farbe, welche die Lösung nachher besitzt, entspricht nicht 
der angewendeten Menge Substanz, offenbar, weil sich ein 
nicht unerheblicher Theil des Alkaloids farblos löste. Ent- 
hÀlt die SÀure Eisenoxyd, so ist diese FÀrbung bei weitem ' 


*) A. a. 0, 8. 76, auch Ber, der deutsch. chem, Gesellsch. IV, 694, 


30 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


nicht so intensiv als bei Anwendung reiner SĂ€ure. Je reiner 
die Substanz ferner ist und je vorsichtiger man die SĂ€ure 
anwendet, desto weniger wird die blauviolette Farbe des Pa- 
paverins beim Uebergiessen mit concentrirter SchwefelsÀure 
zum Vorschein kommen. 

Die frisch bereitete schwefelsaure Lösung giebt auf Zu- 
satz von kaltem Wasser eine milchige TrĂŒbung, resp. harzi- 
gen Niederschlag, welcher sich bald in farblose Krystalle von 
Papaverinsulfat umsetzt. Kein anderes Opiumalkaloid zeigt 
diese Eigenschaft; denn wenn auch eine Lösung von Pseudo- 
morphin in concentrirter SchwefelsÀure auf Zusatz von kaltem 
Wasser einen weissen Niederschlag giebt, so ist eben die- 
ser Niederschlag nicht harzig, sondern pulverig, krystal- 
linisch. 

Wenn die Auflösung von Papaverin in concentrirter 
SchwefelsÀure erhitzt wird, so tritt bekanntlich bald eine 
dunkelviolette FĂ€rbung derselben ein. Kaltes Wasser erzeugt 
dann in dieser Lösung die FÀllung von dunkelbraunen, amor- 
phen Flocken, welche in verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure, verdĂŒnn- 
ter SalzsÀure, in EssigsÀure, Alkohol, Aether und Wasser so 
gut wie unlöslich sind. Concentrirte SchwefelsÀure dagegen 
löst die Substanz sehr leicht mit prÀchtig purpurrother Farbe, 
eben so Ammoniak und Kalilauge. In der ammoniakalischen 
Lösung erzeugt EssigsĂ€ure wieder die FĂ€llung der ursprĂŒng- 
lichen amorphen Substanz. Die prachtvolle, purpurrothe, 
basische Lösung besitzt ein eminentes FÀrbungsvermögen; 
denn einige Tropfen der Lösung, in grosse Mengen kaltes 
Wasser gebracht, fÀrben dieselben noch deutlich roth. Dieser 
Farbstoff ist die Substanz, welche die blaue FĂ€rbung des 
Papaverins beim Uebergiessen mit concentrirter SchwefelsÀure 
verursacht; es wird davon um so mehr gebildet werden, je 
höher die Temperatur ist, welche beim Zusammentreffen der 
concentrirten Massen, der SĂ€ure und der Alkaloidkrystalle, 
nothwendig statt hat. 

Mit SalzsÀure bildet das Alkaloid ein gut krystallisiren- 
des Salz, das sich bei 18°C. im 37,3 Theilen Wasser löst. 
Diese Bestimmung wurde in der Weise ausgefĂŒhrt, dass 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 31 


Wasser bei der angegebenen Temperatur mit dem fein zer- 
theilten Salz gut geschĂŒttelt wurde. Man setzt sich dann 
nicht der Gefahr aus, dass man eine ĂŒbersĂ€ttigte Lösung 
erhĂ€lt. Dagegen werden leicht ĂŒbersĂ€ttigte Lösungen erhal- 
ten, wenn das Chlorhydrat unter Anwendung von WĂ€rme in 
Wasser gelöst wird. E. L. Mayer*) machte nun, als er 
Chlorzink auf Papaverinchlorhydrat kurze Zeit bei 125° ein- 
wirken liess, bei dem resultirenden Alkaloidsalz eine Àhnliche 
Beobachtung, nur meint Mayer, dass er ein neues Derivat 
erhalten habe, welches nach folgender Gleichung vom Papa- 
verin derivire: 

202°0H22NO* — H2O — C4°H+#2N20? 

Papaverin nach angeblich neues 

Mayer. Derivat. 

Ganz abgesehen davon, dass mir die von Mayer fĂŒr 
das Papaverin in Vorschlag gebrachte Formel C2°H??NO4 
nicht annehmbar zu sein scheint, so sprechen schon die Eigen- 
schaften und die Zusammensetzung dieses angeblich neuen 
Derivats dafĂŒr, dass es nichts weiter als gewöhnliches Papa- 
verinchlorhydrat sei. Dasselbe, nach der Formel 
C?1H?!NO#, HC] zusammengesetzt, 


verlangt Mayer fand 
Ü 65,03 65,01 
H 5,68 6,30 
Cl 9,16 9,49. 


Wenn jedoch Papaverinchlorhydrat lÀngere Zeit mit 
Chlorzink erhitzt wird, namentlich bei gesteigerter Tempera- 
tur, so tritt allerdings Zersetzung desselben ein. Da indess 
Mayer diese Zersetzung weiter studiren will, so verlasse ich 
diesen Gegenstand, um mich zu einem anderen Derivat des 
Papaverins zu wenden, nemlich zu dem 


Nitropapaverin. 


Die farblose Lösung des Papaverins in verdĂŒnnter Sal- 
petersÀure fÀrbt sich auf Zusatz von concentrirter Salpeter- 


*) Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft IV, 128, 


32 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


sĂ€ure gelb und trĂŒbt sich milchig; allein weiterer Zusatz von 
dieser SĂ€ure bringt die TrĂŒbung zum Verschwinden und: dann 
scheiden sich nach einiger Zeit aus der Lösung hĂŒbsche 
gelbe Prismen des Nitrosalzes ab. Dasselbe Salz wird auch 
erhalten, wenn das Papaverin mit concentrirter SĂ€ure schwach 
erwĂ€rmt wird; indess verlĂ€uft die Reaction etwas stĂŒrmisch 
und veranlasst die Zersetzung eines Theils des entstandenen 
Nitroderivats. Bei weitem vortheilhafter ist es, 1 Theil Al- 
kaloid mit circa 10 Theilen SalpetersÀure von 1,06 sp. Gew. 
zu ĂŒbergiessen, die Lösung bis zum Kochen zu erhitzen und 
dann erkalten zu lassen, worauf sich alsbald das salpeter- 
saure Nitropapaverin abzuscheiden beginnt. Das Salz wird 
behufs der Reindarstellung der Base mit Ammoniak zersetzt, 
die ausgeschiedenen Flocken werden in verdĂŒnnter SalzsĂ€ure 
gelöst und mittelst Glaubersalz aus dieser Lösung das Nitro- 
papaverin als Sulfat gefÀllt. Nachdem man aus dem letzteren 
Salze die Base vermittelst Ammoniak wieder isolirt hat, wird 
sie schliesslich durch Umkrystallisiren aus verdĂŒnntem kochen- 
den Weingeist rein erhalten. Bei dieser letzteren Operation, 
sowie beim Trocknen der Substanz muss man das Licht mög- 
lichst abhalten, da die Substanz gegen dasselbe sehr empfind- 
lich ist und sich gelb fÀrbt. Gleichwohl ist es Àusserst 
schwer, grössere Massen des Alkaloides vollkommen farblos 
zu erhalten. In der Regel bildet das Nitropapaverin blass- 
gelbe, zarte Prismen, welche wollig in einander verfilzt sind. 
Nur dann werden etwas besser Àusgebildete Prismen erhalten, 
wenn die Krystallisation aus starkem Weingeist erfolgt. 
Wenn die schwach erwÀrmte, wÀsserige Lösung des Chlor- 
hydrats nach vorherigem Vermischen mit HÂźN mit Aether 
ausgeschĂŒttelt wird, so scheidet der letztere das Alkaloid in 
Ă€usserst zarten, concentrisch gruppirten Nadeln ab, welche 
farblos sind, aber sich am Lichte sehr rasch gelb fÀrben. 
Anderson,*) dem wir die ersten Angaben ĂŒber Nitropa- 
paverin verdanken, erhielt diese Base in blassrothgelben 
Nadeln; welche augenscheinlich noch nicht rein waren. Eine 


*) Ann, Chem. Pharm. XCIV, 237. 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. BB} 


Probe, von Nitropapaverin nach dem Verfahren von Ander- 
son dargestellt, liess daher, in der eben bezeichneten Weise 
gereinigt, keinen Unterschied von meinem Nitropapaverin 
wahrnehmen. 

Das Nitropapaverin ‚enthĂ€lt, wenn es aus verdĂŒnntem 
Weingeist krystallisirt, oder aus seinen Salzen mittelst Am- 
moniak gefÀllt wird, 1 Mol. H?O, welches es bei 100° nicht 
verliert. Erst bei 163° C., dem Schmelzpunkte der Substanz, 
beginnt die Entwickelung des Krystallwassers; doch fÀrbt 
sich gleichzeitig die Substanz gelb und schliesslich braun. 
Bei höherer Temperatur tritt endlich lebhafte Gasentwicke- 
lung ein und die Substanz verpufft, besonders wenn das Er- 
hitzen im Sauerstoffigase statthat. 

Dem bei 100° getrockneten Nitropapaverin 
kommt die Formel C*'H2?(NO2)NO° zu, welche 


Versuch 
verlangt DE RE, 
er 252 60,87 60,56 61,01 
H2 22 5,31 5,49 5,51 
NÂź 938 6,76 de ie 
0° 112 27,06 — — 
414 100,00. 


Die Entstehung dieser Substanz wĂŒrde nach der Gleichung 
021421 NO4 + NHOÂź = 0?1H22(NO2) NO 

erfolgen. Wie aber erwÀhnt wurde, so ist in dieser Verbin- 
dung 1 Mol. H?O als Krystallwasser enthalten und mithin die 
Formel des nitrirten Papaverins C#!H?°(NO2)NO* + H?O. 

Das Nitropapaverin löst sich ziemlich leicht in kochen- 
dem Alkohol, dagegen schwer in kaltem Weingeist, sehr 
leicht in Chloroform, welch letzteres es beim Verdunsten in 
hĂŒbschen zarten Prismen zurĂŒcklĂ€sst. Von Aether lösen bei 
12°C. 3100 Theile einen Theil Nitropapaverin auf, Eben so 
löst siedendes Benzin das Alkaloid in geringer Menge auf 
und scheidet es beim Erkalten in Ă€usserst dĂŒnnen Nadeln 
ab. Wasser, Kalilauge und Ammoniak lösen das Alkaloid 
nicht. 

Arch. d, Pharm. CC, Bds, 1. Hit, 3 


34 Beitrag zur. Kenntniss der Opiumbasen. 


Das Nitropapaverin, fĂŒr sich geschmacklos, schmeckt in 
Verbindung mit SĂ€uren schwach bitter. Da es rothes Lack- 
muspapier nicht blÀut, so ist es, auch nicht fÀhig, die SÀuren 
zu neutralisiren, daher die Salze, welche mit wenigen Aus- 
nahmen sehr hĂŒbsch krystallisiren, durchgehends Lackmus- 
tinetur röthen. In EssigsÀure löst sich das Alkaloid Àusserst 
schwierig auf, so dass man, um einen kleinen Theil des Alka- 
loids in Lösung zu bringen, erhebliche Mengen EssigsÀure 
anwenden muss. 

In concentrirter SchwefelsÀure löst sich das Nitroderivat 
leicht auf und zwar bei gewöhnlicher Temperatur mit gelber 
Farbe, bei 150° und darĂŒber mit schmutzig dunkelbrauner 
Farbe. Es differirt daher dieses Verhalten des Nitropapave- 
rins wesentlich von dem des Papaverins. 

Von den Salzen dieser Nitrobase sind folgende dargestellt worden: 

Salzsaures Nitropapaverin 

— 702 H2INO2NO2, HChE 12, H20: 

Dasselbe wird in blassgelben, seideglÀnzenden, zarten 
Prismen erhalten, welche sich in kochendem Wasser und in 
Alkohol erheblich lösen. Die heisse, wÀsserige Lösung bleibt 
beim Erkalten lange Zeit ĂŒbersĂ€ttigt, sie zeigt mithin ein 
Verhalten, das um so mehr ĂŒberraschen muss, als das Salz 
bei 16°C. in 288 Theilen Wasser sich löst. 

Salzsaures Nitropapaverin-Quecksilberchlo- 
rid ist ein gelbliches, amorphes Pulver, welches sich in 
heissem Alkohol und Wasser ziemlich leicht löst, aber unlös- 
lich in kaltem Wasser ist. 

Salzsaures Nitropapaverin-Platinchlorid 

— (021.298 02) N 03 40) BO 
wird als ein gelber krystallinischer Niederschlag erhalten, der 
sich in Wasser und verdĂŒnnten SĂ€uren nicht löst und kein 
Krystallwasser enthÀlt. 

Salzsaures Nitropapaverin-Goldchlorid ist 
ein gelber, amorpher, flockiger Niederschlag, der sich sehr 
wenig-in kochendem Wasser löst. 

Bromwasserstoffsaures Nitropapaverin kryst. 
in zarten blassgelben, in Wasser schwerlöslichen Prismen, 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 35 


Jodwasserstoffsaures Nitropapaverin 
==: 63322 (NOR)N O4, HI: 

Wenn die verdĂŒnnte, heisse, wĂ€sserige Lösung des Chlor- 
hydrats mit Jodkaliumsolution vermischt wird, so scheidet 
sich das Jodhydrat in kleinen rectangulÀren, dem Jodblei an 
Farbe Àhnlichen BlÀttchen und kurzen Prismen ab, welche 
sich in heissem Wasser sehr schwer und kaum in kaltem 
Wasser lösen. Ist die Chlorhydratlösung einigermassen con- 
centrirt, so wird ein gelber, dichter Niederschlag des Jodhy- 
drats erhalten. Die neue Verbindung enthÀlt kein Krystall- 
wasser. 

Salpetersaures Nitropapaverin wird zwar un- 
mittelbar bei der Darstellung des Nitropapaverins erhalten, 
aber es ist in diesem Zustand von rothbrauner Farbe und 
lÀsst sich nicht durch Umkrystallisiren aus heissem Wasser 
völlig rein erhalten. Zum Zwecke der Untersuchung habe 
ich das Salz in der Weise dargestellt, dass ich die verdĂŒnnte, 
heisse, wÀsserige Lösung des Chlorhydrats mit etwas Natron- 
salpeter vermischte und dann das Salz, welches sich hierbei 
ausscheidet, aus kochendem Wasser umkrystallisirtee Auch 
habe ich die essigsaure Lösung der Nitrobase mit concentrir- 
ter SalpetersÀure vermischt, wodurch augenblicklich eine gela- 
tinöse Ausscheidung des Nitrats erfolgte, welches sich nach 
kurzer Zeit in kleine Prismen umsetzte. Das Salz löst sich 
in kochendem Wasser etwas auf, ist aber so schwer löslich 
in kaltem Wasser, dass eine solche Lösung mit Ammoniak 
keinen Niederschlag giebt. 

Die Formel des Salzes wurde zu C2!H2XNO2)NO 4 NHO3 
+ H?0, ermittelt. | 

Neutrales schwefelsaures Nitropapaverin, 
durch Wechselzersetzung von Cblorhydrat und Glaubersalz 
erhalten, sowie durch Kochen von verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure 
mit einem Ueberschuss der Base entstanden, besitzt in hohem 
Grade die Eigenschaft, sich aus seiner wÀsserigen Lösung in 
gelatinösen Massen abzuscheiden. Das aus zarten blassgel- 
ben Prismen bestehende Salz schrumpft zu einer gelben, dich- 
ten Masse zusammen, wenn es an der Luft getrocknet wird, 


3* 


Sb. Ueber Opiumextraet und Opiumuntersuchung. 


Nach dem Zerreiben bildet es dann ein gelbes Pulver, das 
bei 35° einen grossen Theil des Krystallwassers (nahezu 
3 Mol.) verliert, welches aber den Verlust an feuchter Luft 
bald wieder ergÀnzt. Das Salz löst sich ziemlich leicht in 
heissem Wasser, kaum im kaltem Wasser und eignet sich 
daher vortreffllich zur Reindarstellung der Basse. 


FĂŒr das lufttrockne Salz wurde die Formel 
2 C21H?°(NO2)NO#SH?0* + 8H?O, ermittelt. 

Saures oxalsaures Nitropapaverin. — Die 
Base wird in einem Ueberschuss von OxalsÀure gelöst und 
das sich ausscheidende Salz durch Umkrystallisiren aus wenig 
heissem Wasser gereinigt. Es krystallisirt in gelben Pris- 
men, die so zart und in einander verwachsen sind, dass das 
Ganze gelatinös erscheint. Das Salz löst sich sehr schwer 
in Wasser und Alkohol. Die Analyse der Verbindung fĂŒhrte 
zur Formel C?!H?°(NOŸ)\NO# 0?2H?0* + 2H?O. 

Saures weinsaures Nitropapaverin krystallisirt 
in blassgelben, dĂŒnnen Prismen, die sich sehr leicht in Was- 
ser lösen. 

Pikrinsaures Nitropapaverin ist ein gelber Nie- 


derschlag, amorph flockig, im Wasser schwer löslich. 
(Schluss im nÀchsten Hefte.) 


Ueber Opiumextraet und Opiumuntersuchung. 
Von E. Heintz, Apoth. in Duisburg. 


Opium verkaufen die Droguisten als eine trockne Waare, 
obgleich es eine wasserhaltige Waareist. Ich fand (mit Aus- 
nahme eines Quantum, von England bezogen mit 13°, Wasser) 
nie unter 15°), zuweilen sogar ĂŒber 16°), Wasser. KĂŒrzlich 
kaufte ich 2 Pfund Opium, wovon das 1 Pfund in kleinen 
Kuchen 15°, Wasser enthielt, das andere Pfund aber, aus 
einem Kuchen bestehend, enthielt 21°, Wasser. Nimmt 
man das Pfund zu 8 Thlr. an, so kostet also eigentlich das 


Ueber Opiumextraet und Opiumuntersuchung. 37 


1 Pfund 9 Thlr. 10 Sgr. und das andere Pfund eirca 10 Thlr. 
4 Sgr. Es wÀre also durchaus nöthig, dass die Collegen ent- 
weder ganz trockne Waare (in StĂŒcken!). kauften oder 
ein Maximum des Wassergehaltes festsetzten. Man hĂŒte sich 
vor dem Einkauf von Opiumpulver. Pulver nimmt in kurzer 
Zeit ziemliche Mengen Wasser auf, je feiner, desto mehr. 
Ich lese nun in einem Preis-Courant das Pfund Opiumpulver 
zu 13 Thlr. 15 Sgr. Bei 50°, Extract- Ausbeute (ich erhielt von 
obigem Opium so viel) hÀtte man also 2 Pfund Opiumpulver 
nöthig, macht 27 Thlr.; in diesem Preis- Courant steht aber 
das Pfund Extr. Opii zu 25 Thlr., also 2 Thlr. billiger, ohne 
alle und jede Arbeits- etc. EntschÀdigung! Da der Droguist 
die Vorschrift der Ph. Bor. nicht zu befolgen hat, so wÀre 
eine Verarbeitung des nassen Opium zu Extract denkbar 
und wĂŒrde es dann bei 40°, Ausbeute eine allenfalls loh- 
nende Arbeit sein. 

Ich fand in obigem Opium 10,6%, Morphium nach der 
von Hager-Jacobsen, Pharm. Centralhalle Nr. 31, 1869 
angegebenen Methode, die in 10 — 12 Stunden vorzĂŒgliche 
Resultate giebt. 

Die Opiumuntersuchung nach Stein, (Archiv, Band 148, 
Seite 150, 1871) ist allerdings viel einfacher, ich möchte jedoch 
einen Unterschied von 0,5 bis 1,0%, nicht wagen zu 
beurtheilen. Um diese Untersuchung nutzbar zu machen, ist 
die Durchschnittsöffnung des Cylinders und die Zeit, 
nach welcher man beobachtet, durchaus festzusetzen. Das 
Jod-Chloroform fÀrbt sich nemlich, je lÀnger es steht, um so 
dunkler, besonders aber die etwa oben hÀngen bleibenden 
Tropfen. Dies scheint der Zutritt der Luft zu veranlassen. 
Das Jod-Chloroform fÀrbt StÀrkekleister nicht, wird auch 
durch Ammoniak, SalzsĂ€ure und ÜUhlorwasser entfĂ€rbt. Das 
Jod wird also eine Verbindung mit Chloroform eingegangen 
sein. Sollte sich aber so vielleicht eine maassanalytische 
Bestimmung des Morphium, durch die Bestimmung des gewon- 
nenen Jod’s machen lassen? 

Duisburg, den 21. Februar 1872. 


38 Eine der AufklĂ€rung bedĂŒrftige Stelle in den AnfangsgrĂŒnden etc. 


Eine der AufklĂ€rung bedĂŒrftige Stelle in den Anfangs- 

srĂŒnden der Chemie (Elementa Chemiae) von Her- 

mann Boerhave, ĂŒber das natĂŒrliche Salz des 
Harnes. 


Von Dr. C. Ph. Falck, Prof. in Marburg. 


Die AnfangsgrĂŒnde der Chemie des im Jahre 1738 zu 
Leyden verstorbenen Professors Hermann Boerhave ent- 
halten unter der Aufschrift: „der XCVIII. Process, das natĂŒr- 
liche Salz aus dem Urin“ einen Abschnitt, den Jeder, dem 
die Cultur der Geschichte der Chemie nicht ganz gleichgĂŒltig 
ist, aufgeklĂ€rt wĂŒnschen muss. Die mir vorliegende gedruckte 
deutsche Uebersetzung der Elementa Chemiae giebt diesen 
Abschnitt also: 


„Zubereitung. Lass sehr frischen Urin von gesunden 
Menschen, der lange im Leibe gewesen, bei einer gleichen 
Hitze von 200 Grad in einem sehr reinen GefÀss so lange 
ausdÀmpfen, bis der Urin die Dicke eines frischen Milchrahms 
erhalten, alsdann giess ihn so heiss durch einen Hippocras - 
Sack, damit das zÀhe Oel in dem Sacke einigermaassen 
zurĂŒckbleibe und von dem Urin geschieden werde. Je sorg- 
fÀltiger dies geschieht, desto besser ist es. Alsdann setze eine 
grosse Menge von dieser verdickten FlĂŒssigkeit in einem 
hohen, glÀsernen, cylindrischen und mit einfachem Papier ver- 
bundenen Glase ein ganzes Jahr an einen kalten Ort bei 
Seite, und lass es stille stehen, so wird auf dem Boden ein 
salziges, festes, hartes, etwas durchsichtiges, braunes Wesen 
ĂŒberall anschiessen, oben aber wird eine dicke, schwarze, 
fette FlĂŒssigkeit stehen, die von dem angeschossenen Salze 
zurĂŒckgetrieben, und gleichsam davon ausgeworfen worden, 
solche giess behutsam ab, die salzige Materie nimm heraus 
und spĂŒle selbige mit sehr kaltem Wasser in einem anderen 
Geschirre fein ab, damit sie von den öligen Unreinigkeiten 
möge gereiniget werden, welches gar leicht geschiehet,. indem 
sie das kalte Wasser nicht leicht auflöset. Diese salzige 
Materie‘ hebe unter vorgedachtem Namen auf. Wenn sie 
darauf im warmen Wasser aufgelöset, und einigemal durch- 


Eine der AufklĂ€rung bedĂŒrftige Stelle in den AnfangsgrĂŒnden ete. 39 


geseihet wird, bis die Lauge klar und helle ist, alsdann aber 
in einem reinen, glÀsernen GefÀss so lange abgedunstet wird, 
bis oben darauf ein HĂ€utlein zum Vorschein kommt und als- 
dann an einen kalten Ort still hingesetzet wird, so werden 
SalzklĂŒmpcehen nach ihrer Art anschiessen, die von allen ande- 
ren Salzen sehr unterschieden sind. Sie kommen an Gestalt 
und Festigkeit den Kıystallen des Zuckers ziemlich gleich. 
Sie stinken nicht; sind nicht alkalisch, und auch nicht sehr 
flĂŒchtig. Und dieses ist das natĂŒrliche Salz des Urins.“ 


Bei der LectĂŒre dieser Unterweisung in der Darstellung 
des s. g. natĂŒrlichen Harnsalzes sagte ich mir zunĂ€chst, dass 
der von Boerhave gebrauchte Ausdruck „Salz“ nicht im 
jetzigen Sinne aufgefasst werden darf. Zur Zeit, als Boer- 
have seine Elemente der Chemie schrieb, verband man mit 
dem Worte Salz einen anderen Begriff, als den heutigen. 
Jedes aus Mineralien, Pflanzen oder Thieren in Krystallen 
darstellbare PrÀparat wurde damals ein Salz genannt. 


Weiter sagte ich mir bei dem Studium der Boerhave’- 
schen Vorschrift, dass die darin vorkommenden Temperatur- 
bestimmungen nicht ohne Weiteres auf unsere jetzigen Ther- 
mometer bezogen werden dĂŒrfen. Das Boerhave’sche Buch 
enthĂ€lt einen Abschnitt, der also ĂŒberschrieben ist: „Be- 
schreibung des Fahrenheit’schen Thermometers, nebst dessen 
Gebrauch bei chemischen Arbeiten.“ Man kann daraus 
ersehen, dass Boerhave den Urin etwa bei 70°R, ver- 
dampfte. 


Ferner brachte ich bei der LectĂŒre des Boerhave’schen 
Buches heraus, wie die Anfangsworte der gegebenen Vor- 
schrift, nemlich die Stelle: „lass sehr frischen Urin von 
gesunden Menschen, der lange im Leibe gewesen,“ eigent- 
lich zu verstehen sind. Boerhave bezeichnet mit diesen Wor- 
ten die Art von Urin, welchen neuere Urologen „Urina 
sangĂŒinis“ nennen, d.i. die Art von Urin, welche etwa 12 
bis 15 Stunden nach der letzten Mahlzeit, nach der letzten 
Aufnahme von Speise und Trank gebildet und ausgeleert 
wird. Jeder Urin, der nach einer mit Schlafen verbrachten 


40 Eine der AufklĂ€rung bedĂŒrftige Stelle in den AnfangsgrĂŒnden etc. 


Nacht frĂŒh Morgens vor dem FrĂŒhstĂŒcke gelassen wird, ist 
ein solcher, wie Boerhave ihn zur Darstellung seines PrÀpa- 
rates wĂŒnschte. 


Der geneigte Leser wird bei dieser VerstĂ€ndigung ĂŒber 
den Text der Boerhave’schen Vorschrift schon gemerkt ha- 
ben, wohinaus ich will. Ich habe die Ueberzeugung gewon- 
nen, dass schon Boerhave krystallisirten Harnstoff 
darstellte, dass das natĂŒrliche Harnsalz des Boer- 
have identisch ist mit unserem Harnstoff. 


Meine Ueberzeugung, dass Boerhave krystallisirten Harn- 
stoff gewann, grĂŒndet sich zunĂ€chst auf die Methode der 
Darstellung. Er nahm Morgenurin, dampfte diesen siedend 
bis zur Syrupsdicke ein, goss die concentrirte Masse durch 
ein Tuch, sammelte das Durchgelaufene in einem Glaseylin- 
der, bedeckte diesen mit einem Papier, brachte den Cylinder 
an einen kalten Ort und liess ihn da ruhig und sehr lange 
Zeit (etwa ein Jahr lang) stehen. Er erhielt so ein salziges, 
festes, hartes, etwas durchsichtiges, braunes Wesen, d.h. in 
der Mutterlauge vertheilte Krystalle. Es gelang ihm auch, 
diese Krystalle von der braunen Mutterlauge zu trennen 
und umzukrystallisiren und weisse, grössere Krystalle dar- 
zustellen. 


Dass die Boerhave’sche Charakteristik des natĂŒrlichen 
Harnstoffsalzes viel zu wĂŒnschen ĂŒbrig lĂ€sst, wer wollte das 
bestreiten? 


Meine Ueberzeugung, dass Boerhave der Entdecker des 
Harnstofles ist, stellt zunÀchst nur eine Vermuthung dar und 
ich muss wĂŒnschen, dass diese entweder zur Gewissheit 
erhoben, oder widerlegt werde. Wie wird das geschehen 
können? 


Dass ein Streit mit blossen Worten bei dieser Angele- 
genheit zu keinem befriedigenden Ziele fĂŒhren kann, bedarf 
keiner BeweisfĂŒhrung. Es bedarf dazu einer chemischen 
Arbeit und der Zweck dieser meiner Besprechung ist grade 
der, eine solche anzuregen. Vielleicht findet sich im geehrten 
Leserkreise dieser Zeitschrift Jemand, der sich dazu ‚bestim- 


Druckfehler - Verbesserung. 41 


men möchte, die von Boerhave gegebene Vorschrift zur Dar- 
stellung des natĂŒrlichen Harnsalzes neu auszufĂŒhren und die 
Krystalle, die dabei gewonnen werden, genauer zu unter- 
suchen. Was Alles dabei zu berĂŒcksichtigen ist, bedarf kei- 
ner AusfĂŒhrung. Jedenfalls mĂŒssen die Krystalle auch darauf 
geprĂŒft werden, ob sie mit SalpetersĂ€ure salpetersauren, mit 
OxalsÀure oxalsauren Harnstoff bilden. Kann die Elementar- 
analyse der Krystalle ausgefĂŒhrt werden, um so besser! Es 
wĂŒrde mich freuen, wenn diese Zeilen dazu beitrĂŒgen,. darĂŒber 
Klarheit zu schaffen, ob Boerhave als Entdecker des Harn- 
stoffs anzusehen ist, oder nicht. 


Marburg, 6. MĂ€rz 1872. 


Druckfehler-Verbesserung. 


In der Notiz von W. Stromeyer, die trocknen narkotischen 
Extraete, im MĂ€rzheft 1872 dieses Archivs, 8. 225, steht Zeile 14 
von unten unriehtig + 80°C.; es muss heissen + 50° C. 

BEE 7 


II. Chemische Technologie. 


Ueber Ransome’s kĂŒnstliche Steine und Marmorkitt. 
Von A. Hirschberg.*) 


Der EnglÀnder Ransome hat bekanntlich die von ihm 
erfundenen kĂŒnstlichen Steine neuerlichst durch eine Zusam- 
mensetzung von Portland-Cement, Kreide, Sand', etwas Kie- 
selerde (Infusorienerde, Kieselguhr) und kieselsaurem Natron 
(Wasserglas) ersetzt und entspricht diese in der That den 
Forderungen, welche man an derartige Mischungen stellen 
kann. Bansome hat aber ĂŒber das relative Mengen - VerhĂ€lt- 
niss dieser Bestandtheile NĂ€heres nicht angegeben und er- 
schien es von Interesse, dasselbe kennen zu lernen und die 
WiderstandsfĂ€higkeit dieser kĂŒnstlichen Steine gegen die Ein- 
fiĂŒsse der Witterung durch Versuche zu ermitteln. Zu die- 
sen Zwecken wurden die obengenannten festen Bestandtheile 
in nachstehenden drei VerhÀltnissen gemischt und mit Natron- 
wasserglas zu einem dickflĂŒssigen Brei angewirkt: 

Ne.l% ) Nr..2. NT 


Cement 12 Th.. so Eh. En 
SchlĂ€mmkreide ON END; 6 ,„ 
feiner Sand 6 Br, 6, 
Kieselguhr (von Altenschlirf 

am Vogelsberge) En, In, 1 8 


Die ErhÀrtung aller drei Mischungen erfolgte in verhÀlt- 
nissmÀssig kurzer Zeit, Nr. 2 zeigte die grösste HÀrte, Nr. 3 


*) Als Separatabdruck aus der deutschen Bauzeitung vom 30. Nov. 
1871 vom,Hın. Verfasser mitgetheilt. H. 1. 


Ueber Ransome’s kĂŒnstliche Steine und Marmorkitt. 43 


das gröbste Korn. Diese drei Proben wurden vom Mai die- 
ses Jahres ab mehre Monate hindurch den Einwirkungen der 
Witterung ausgesetzt und haben dieselben hierdurch an HĂ€rte 
zugenommen, wÀhrend ihre OberflÀche durch ausgeschiedene 
KieselsÀure eine weissliche Farbe angenommen hatte. Diese 
Mischungen dĂŒrften sich hiernach besonders zu Ornamenten, 
welche im Freien zu dauern haben, empfehlen und bei der 
Billiskeit des Materials und der leichten Formbarkeit der 
Masse einer vielfachen Anwendung werth sein. Zu ermitteln 
bleibt, mit welcher Substanz die Formen zu isoliren sein 
werden, um die erhĂ€rtete Masse leicht loszulassen. — 

In der Versammlung der polytechnischen Gesellschaft zu 
Berlin am 16. Februar 1871 wurde u. A. die Frage wegen 
eines haltbaren Kittes fĂŒr Marmor behandelt, ohne dass die 
aus der Mitte der Versammlung gemachten VorschlÀge eine 
allseitige Billigung gefunden hÀtten. Zu derselben Zeit unge- 
fÀhr war dem Verfasser dieses die Aufgabe geworden, eine 
Platte von Gypsmarmor (Alabaster), 25° lang, 16°” breit und 
2°¼ hoch, welche mit einer 1,5” hohen Schicht von buntem 
Stuck bedeckt ist und deren unterer Theil in zwei schrÀge 
StĂŒcke, die Bedeckung aber in vier unregelmĂ€ssige StĂŒcke 
gesprungen war, welche sich von der Unterlage getrennt hat- 
ten, zu kitten. Weder Wasserglas noch Wasserglas mit 
Kreide oder gebrannter Magnesia, noch Glycerinbleioxyd oder 
Gyps gaben eine haltbare Verbindung, dagegen ward dieselbe 
durch Anwendung der oben verzeichneten Mischung Nr. 1 
vollstÀndig und dauernd bewirkt. Anfangs witterte aus den 
Sprungstellen Glaubersalz aus und konnte aus dem Aufhören 
dieser Auswitterung auf die ErhÀrtung des Kittes geschlossen 
werden. Weiter wurde von einem grobkörnigen Marmor- 
stĂŒck mittels Meissels ein unregelmĂ€ssiges StĂŒck abgesprengt 
und die BruchflÀchen mit derselben Mischung sorgfÀltig be- 
strichen, die StĂŒcke genau aufeinander gepasst und der Ruhe 
ĂŒberlassen, auch die Ă€ussere Nath mit dem Kitte ausge- 
strichen. Nach 24 Stunden hatte eine vollstÀndige ErhÀrtung 
des Kittes und eine feste Vereinigung der getrennten StĂŒcke 
stattgefunden, wÀhrend Wasserglas allein wirkungslos geblie- 


44 Gegen Schimmelbildung auf Gummilösungen. 


ben war. Zu bemerken ist noch, dass zur ErhÀrtung des 
Kittes kĂŒnstliche WĂ€rme nicht erforderlich, dass derselbe 
nach BedĂŒrfniss gefĂ€rbt werden, sowie dass jede der gegen- 
wÀrtig an vielen Orten vorkommenden Infusorien -Erden, die 
zu den vorliegenden Versuchen verwendete ersetzen kann. 


Sondershausen, November 1871. 


Gegen Schimmelbildung auf Gummilösungen. 


Von Demselben, 


Das Bestreben, die Gummilösungen vor Schimmelbildung 
zu bewahren, hat zu einer Reihe von Mitteln Veranlassung 
gegeben, von denen, so viel dem Verf. dieses bekannt gewor- 
den, noch keins dem Zwecke entsprochen hat. Namentlich 
hat sich das neueste, Chinin, wie Dr. Romer in Altdamm 
den „IndustrieblĂ€ttern“ mittheilt, nicht bewĂ€hrt. Ein zufĂ€lli- 
ger Versuch aber hat Verf. dieses schon vor einigen Jahren 
ein solches PrÀservativ an die Hand gegeben und besteht 
solches einfach darin, dass man das mit Alkohol befeuchtete 
Gummipulver in der entsprechenden Menge Wasser auflöst, 
und die Lösung mit einigen Tropfen englischer SchwefelsÀure 
versetzt. Nachdem der Gypsniederschlag sedimentirt, resul- 
tirt eine bei Anwendung auch von nicht ganz weissem Gummi 
fast ungefÀrbte Lösung und hatte dieselbe, in einem Glase, 
welches nur lose mit einem durchbohrten Kork, in welchem 
ein Pinsel befestigt, bedeckt war, nach achtzehnmonat- 
licher Aufbewahrung an einem jedem, Tempera- 
turwechsel ausgesetzten Orte weder an Kleb- 
kraft verloren, noch zeigte sich die geringste 
Spur von Schimmel. 


SelbstverstÀndlich wird eine solche Lösung nicht in allen 
FĂ€llen, jedenfalls aber da anwendbar sein, wo die saure 
Reaction derselben nicht nachtheilig ist. 


Die BorsĂ€ure als Conservirungsmittel fĂŒr Milch und Bier. 45 


Zur VerhĂŒtung des Schimmelns der Dinte und um die 
SÀuerung des StÀrkekleisters auf lange Zeit hintanzuhalten, 
bedarf es nur des Zusatzes von einigen Tropfen Àtherischen 
Senföls. — 


Die BorsĂ€ure als Conservirungsmittel fĂŒr Milch und 
Bier. 


Von Demselben. 


Bekanntlich ist der Borax als ein Mittel empfohlen 
worden, durch welches die SĂ€uerung der Milch verlangsamt 
werden kann. Im vorigen Jahre, 1870, ward die BorsÀure 
in Schweden unter dem Namen Aseptin in: grossen Quan; 
titĂ€ten als Conservirungsmittel fĂŒr Milch mit Erfolg verwen- 
det und hat man dieselbe dort mit gleichem Erfolge zur Uon- 
servirung von Fleisch und, um die das Àussere Ansehen des 
Fleisches schÀdigende Einwirkung des Eichenholzes der FÀsser 
zu neutralisiren, ein Gemisch von gleichen Theilen BorsÀure 
und Alaun angewendet und dieses unter dem Namen dop- 
peltes Aseptin in den Handel gebracht. 

Als Zusatz zur Milch wurde von dem Verf. dieses durch 
die BorsÀure folgendes Resultat erlangt. 

In zwei Pfund frisch gemolkener Milch wurde am 
26. Juni 1871 1 Grm. gepulverter BorsÀure aufgelöst und 
die Satte bei 10°R. Temperatur der Ruhe ĂŒberlassen, gleich- 
zeitig auch die in derselben Milchstube aufgestellte nicht mit 
BorsÀure versetzte Milch beobachtet, 

Nach den in dem Zeitraume von 6 zu 6 Stunden vorge- 
nommenen Untersuchungen zeigte sich erst nach 96 Stunden 
eine sehr schwache Reaction auf SĂ€ure, nur erst ganz augen- 
scheinlich nach 120 Stunden. Bei der nicht mit BorsÀure 
versetzten Milch zeigte sich nach 36 Stunden die erste, nach 
48 Stunden bereits starke SĂ€urereaction. Die Bahmausschei- 
dung ging bei letzterer viel rascher und vollstÀndiger vor 
sich, als bei ersterer, und war mit 84 Stunden. vollstÀndig, 


46 Die BorsĂ€ure als Conservirungsmittel fĂŒr Milch und Bier. 


Die mit BorsÀure versetzte Milch schied den Rahm mit Àusser- 
ster Langsamkeit aus und bedeckte selbst nach Verlauf von 
120 Stunden die OberflĂ€che der Milch nur eine dĂŒnne Schicht 
Rahm. Die Ausscheidung an Rahm war keine vollstÀndige, 
doch wurde eine weitere Beobachtung aufgegeben, weil die 
Milch mit Rahmschicht einen sehr merklichen Geruch nach 
Zersetzung von sich gab, sich also der vollstÀndigen Un- 
brauchbarkeit nÀherte. Im Uebrigen ist zu bemerken, dass 
dieser Versuch bei einer Temperatur von durchschnittlich 
10 Grad Reaumur vorgenommen wurde. — 


Hiernach dĂŒrfte die BorsĂ€ure als ein wirksames Conser- 
virungsmittel fĂŒr Milch anzusprechen, aber nicht geeignet 
sein, die Rahmabscheidung ohne SĂ€uerung der Milch zu 
ermöglichen. *) 


Auf Grund dieses Experiments wurde ein gleicher Ver- 
such mit Bier angestellt und zu dem Ende am 7. Octb. 1871 
in einer Weinflasche voll am 30. Aug. gebrauten, vollstÀndig 
blanken Lagerbiers 1 Grm. gepulverter BorsÀure, dieselbe 
Menge dieser SÀure in einer gleich grossen QuantitÀt ein- 
fachen (obergÀhrigen) am 2. Octbr. gebrauten gut ausgegohrnen 
ebenfalls vollstÀndig blanken Bieres aufgelöst und beide lose 
verkorkte Flaschen bei + 10,5° R. hingestellt. Beide Biere, 
von blonder Farbe, zeigten vor dem Zusatz. der BorsÀure 
eine schwache, meist von KohlensĂ€ure herrĂŒhrende, saure 
Reaction, welche nach diesem Zusatz dieselbe blieb und auch 
nach sieben Tagen nicht zugenommen hatte. Vom 14. Octbr. 
bis zum 14. November wurden beide Flaschen, unter öfterem 
Probeziehen, in einer zwischen + 14 und + 1° R. schwan- 
kenden Temperatur aufbewahrt und waren beide Biere nach 
Verlauf dieser Zeit opalescirend geworden; aber ungeachtet 
wÀhrend dieser Zeit die Flaschen um ein Sechstheil ihres In- 
halts geleert worden und der lose Verschluss derselbe geblie- 
ben, hatte die SĂ€uerung der Biere nicht wesentlich zugenom- 


*) Dieser Versuch wurde von Herrn Oberamtmann Weber-son- 
dershausen angestellt, 


Ueber die Einrichtung und den Betrieb der Fabrik ete. 4X 


men, der Geschmack beider Proben war nicht mehr frisch, 
aber ein sogenannter „Stich“ nicht bemerkbar. 

Am 14. Novbr. wurden beide Flaschen in einen fast stetig 
14°R. warmen Raum ĂŒbertragen, wo die Öpalescenz des 
Inhalts bald wieder verschwand und erst Ende des Monats 
waren beide Biere, und zwar das einfache Bier entschieden, 
in einen untrinkbaren Zustand ĂŒbergegangen. 

Ob die BorsÀure auch bei der Sommertemperatur, oder 
der WĂŒrze des einfachen Bieres zugesetzt, gleich erhaltend 
wirke, bleibt zu versuchen. 


Ueber die Einrichtung und den Betrieb der Fabrik 
fĂŒr aufgeschlossenen Guano der Herren Ohlendorff 
und Co. in Hamburg. 


Von Demselben.*) 


Die Fabrik liegt auf der von einem Canal durchschnit- 
tenen Elbinsel SteinwÀrder, deren Verbindung mit der Stadt 
durch ein den Tag ĂŒber unausgesetzt hin und her gehendes 
kleines Dampfschiff vermittelt wird. Dieselbe ist meist von 
Arbeitern, Handwerkern und VictualienhÀndlern bewohnt, 
sonst mit Schiffswerften, unter denen das Trocken - Dock der 
Herren Goddefroy und deren Werft fĂŒr den Bau eiserner 
Schiffe besonders bemerkenswerth, Spiritus- und Petroleum - 
Lagern und Fabriken bedeckt, von denen die der Herren 
Öhlendorff & Co., das erste und grösste derartige Eta- 
blissement auf dem Continent, die erste Stelle einnimmt, 
WeitlÀufige, massive GebÀude beherbergen die grosse Fabrik, 
in der die zur Aufschliessung des Guano erforderliche Schwe- 
felsÀure erzeugt wird, und zwar wird dieselbe nach drei 


*) Als Separatabdruck aus den Verhandlungen des Vereins zur Be- 
förderung der Landwirthschaft zu Sondershausen, vom Herrn Verf. erhal- 
ten. H,L, 


48 Ueber die Einrichtung und den Betrieb der Fabrik etc. 


Systemen: aus sicilianischem Schwefel und aus StĂŒckkies von 
der Ruhr und aus Norwegen gewonnen, wÀhrend gegenwÀr- 
tig das dritte in Anlage begriffen ist, nach welchem der beim 
Brechen des Kieses auf der Maschine abfallende Grus oder 
Schlich verarbeitet werden wird. Die Fabrik erzeugt tÀglich 
500 Ctr. SĂ€ure, auf 66° B. berechnet, nur fĂŒr eignen Ge- 
brauch, und ist auch diese Anlage wohl die grösste der 
Art auf dem ÜOontinent. Die SalpetersĂ€ure wird in einer 
Nebenabtheilung des GebÀudes aus Chili-Salpeter dargestellt. 
Durch ein System von durch Dampfkraft bewegten Reini- 
gungsmaschinen, Mahlwerken, DurchschlÀgen und Sieben 
wird der rohe Guano von Steinen befreit und in den zur 
Aufschliessung erforderlichen pulverigen Zustand gebracht 
und erfolgt die Aufschliessung desselben in Bleikesseln. 
Das durch diese Operation wieder consistent gewordene 
Fabrikat wird durch Paternosterwerke in einen Raum geför- 
dert, wo dasselbe, durch Maschinen zerkleinert, ein System 
von Sieben zu passiren hat, aus denen dasselbe in der kÀuf- 
lichen Form hervorgeht und durch mit Dampf betriebene 
Schöpfwerke in die fĂŒr diesen Zweck eigens gefertigten 
SĂ€cke gelangt. Zwischen 2- und 300 gut gelohnte Arbei- 
ter sind in der Fabrik in rĂŒhriger und ebenmĂ€ssiger Haltung 
beschÀftigt und leidet deren Gesundheit weder durch den 
unvermeidlichen Staub noch durch die ammoniakalischen 
DĂŒnste, welche in der Fabrik und den LagerrĂ€umen vor- 
herrschen. Das ganze Etablissement steht unter der tech- 
nisch - wissenschaftlichen Leitung des Herrn Dr. Rube, eines 
SchĂŒlers des Hofrath Bunsen in Heidelberg, und frĂŒheren 
Lehrers an der Bergakademie in Freiberg, und hat derselbe 
‚auch ein mit allen Erfordernissen ausgestattetes chemisches 
Laboratorium zur VerfĂŒgung. 

Das Grossartigste der Anlage sind aber die colossalen 
VorrÀthe an rohem und aufgeschlossenen Guano, welche in 
hallenartigen, mit englischem Theerfilz bedeckten, in Holzcon- 
struction hergestellten RĂ€umen lagern. Hunderttausende von 
Centnern sind hier in SĂ€cken symmetrisch aufgestapelt, eine 
jede: Schiffsladung fĂŒr sich. Das grösste, im Bau noch nicht 


Ueber die Einriehtung und den Betrieb der Fabrik etc. 49 


vollendete, bei dem Besuche des Referenten aber schon fast 
bis zu einem Drittheil des Raumes belegte Lagerhaus, 
470 Fuss lang und 350 Fuss tief, hat Raum fĂŒr eine 
Million zweimalhundert fĂŒnfundzwanzig Tau- 
send Sack, und waren dort in einer Höhe von 40 Fuss 
56 SĂ€cke ĂŒbereinander geschichtet. Bei diesen enormen 
VorrÀthen erscheint die Besorgniss, dass der Vorrath an 
brauchbarem Guano demnÀchst zu Ende gehen werde, vor- 
lÀufig nicht gerechtfertigt, dagegen die Angabe, dass die 
Firma in einer Woche schon 75000 Pfd. Sterl. Fracht fĂŒr 
(Guano gezahlt habe, wohl glaublich. Zu der Zeit, als Refe- 
rent die Fabrik besuchte, löschten drei fĂŒr dieselbe mit Guano 
beladene Dreimaster ihre Fracht. 

Die Fabrik schliesst jetzt Ballestos-Guano auf und 
ist bei der GĂŒte desselben in den Stand gesetzt, die Ga- 
rantie fĂŒr Stickstoff auf 9 bis 10 Procent zu erhöhen. Nach- 
dem im vergangenen Herbst die Guano- VorrÀthe der Chin- 
chas-Inseln zur Neige gingen, begann man die Guanape- 
und Ballestos-Inseln anzubrechen und den Ertrag nach 
Europa zu bringen; die letzten Reste des Chincha -Guano, 
so wie die Decke des Guano von Guanape und Ballestos 
hielten aber weniger Stickstoff, ausserdem waren sie mit 
variabeln Mengen von Steinen und Sand gemengt, so dass die 
Fabrik in ihrem Circular vom 22. Januar die Garantie des 
Stickstoffs auf 8 Procent zu reduciren gezwungen war, Als 
man aber weiter in die Guanolager eindrang, wurde der 
Guano immer besser und im September konnte die Garantie 
wieder auf 9—10 Procent erhöht werden, eine (Garantie, 
welche die Fabrik nicht nur eingehalten hat, sondern es 
wird von derselben meistens Waare mit ĂŒber 10 Procent 
Stickstoff abgesetzt. 

Schliesslich sei noch auf ein eigenthĂŒmliches Zusammen- 
treffen hingewiesen, dass in derselben Stadt Hamburg, aus 
welcher Jahr aus, Jahr ein Millionen Öentner Auswurfsstoffe 
durch Canalisation in die Elbe gelangen, deren das Fahr- 
wasser derselben verflachende Sinkstoffe fortwÀhrend durch 
kostspielige Dampfbaggerei aus demselben entfernt werden 

Arch. d, Pharm, CC, Bds, 1. Heft, 4 


50 Raupenvertilgende Mittel. 


mĂŒssen, dass in derselben Stadt der Stickstoff, welcher der- 
selben aus weiten Fernen ĂŒberseeisch zugefĂŒhrt worden, fĂŒr 
die Landwirthschaft des europÀischen Continents nutzbar 
gemacht wird. Der Baggerschlamm aus der Elbe wird 
auf den verschiedenen Elbinseln niedergelegt und dort zwar 
einen fruchtbaren Vegetationsboden, aber daneben einen 
Heerd von verderblichen Einwirkungen auf menschliche Woh- 
nungen bilden. 


Raupenvertilgende Mittel. 


Eine Mischung von Kohlenstaub, Kochsalz und 
Abfall-Schwefel; sie wird am besten vor Regen auf das 
frischgepflĂŒgte Land gestreut. 

(W. E. Gedge, London; patentirt fĂŒr Grossbritannien 
und Irland fĂŒr A. Laine, Beaunay, Frankreich... Siehe Be- 
richt d. deutsch. chem. Gesellsch. zu Berlin vom 11. MĂ€rz 
1872, Nr. 4. 8. 163.). 

HAT, 


Nach Apotheker Dr. Schmidt in Edenkoben werden 
die BĂ€ume von Raupen befreit durch Bespritzen derselben 
mit einer Auflösung von Schwefelleber (Schwefelkalium) 
in 500 Theilen Wasser; den BÀumen schadet diese Lösung 
nichts, aber die Raupen gehen dadurch zugrunde. (Apoth. 
Dr. Schmidt, wie vertreibt man den Heu- und Sauer- 
wurm? Neustadt an d. Hardt, 1871.). 

Vai 


Tab 1. 


FIT # Botanik. 


Ueber die sogenannte .,Wasserpest 
(Elodea eanadensis Casp.) 
(Mit 2 Tafeln.) 
Von Paul Horn, Apotheker in Waren. 


Wohl keine Pflanze hat in den letzten Jahren die allge- 
meine Aufmerksamkeit in einem solchen Grade in Anspruch 
genommen, als Elodea canadensis ÜOasp., da sie, mit 
ungeheurer Schnelligkeit sich in KanĂ€len, FlĂŒssen und Seen 
verbreitend, oft der Schifffahrt und der Fischerei wesentliche 
Hindernisse bereitete und grosse Summen fĂŒr ihre Vertrei- 
bung in Anspruch nahm. Aus diesem Grunde ist sie bereits 
unter dem deutschen Namen „Wasserpest“ der Gegen- 
stand vieler Abhandlungen gewesen und wenngleich in bota- 
nischer Beziehung die mustergĂŒltige und erschöpfende Arbeit 
des Prof. Caspary in den Pringsheim’schen JahrbĂŒchern 
von 1858 alles Wesentliche ĂŒber diesen neuen BĂŒrger der 
norddeutschen GewÀsser, denn das ist die Elodea bereits 
geworden, brachte, so dĂŒrfte grade das Archiv ĂŒber die so 
oftgenannte Pflanze seinen Lesern noch ein genaueres Referat 
schulden, zumal diese Pflanze ihren Verbreitungsbezirk all- 
jÀhrlich zu erweitern scheint. Auch in den Mecklenburgischen 
Seen ist sie bereits eingebĂŒrgert und habe ich seit 1868 
dieselbe genauer zu beobachten Gelegenheit gehabt. In Nach- 
folgendem ĂŒbergebe ich das Resultat meiner Studien und 
Beobachtungen, mit der Bitte um wohlwollende Aufnahme 
den Lesern des Archivs. 

UrsprĂŒnglich inNord-Amerika einheimisch, wurde die 
Elodea canadensis zuerst in der Flora boreali-americana 
des jĂŒngeren Michaux 1803 aufgefĂŒhrt, jedoch war sie 

4* 


52 Ueber die sogenannte Wasserpest. 


bereits von Richard mit dem Namen Elodea canaden- 
sis versehen, und zwar rechnen sie Michanx und Richard 
zur Triandria Monogynia L. Dieser Charakter der DreimÀn- 
nigkeit und des Hermaphroditismus wird von Humboldt 
und Bonpland bei Beschreibung der Elodea granaten- 
sis bestÀtigt. 

Pursh stellte 1814 eine Hypericineen - Gattung unter 
dem Namen Elodea auf und nannte unsere Gattung Elodea 
Richard „Serpicula.“ Dieser Name war aber bereits einer 
anderen Gattung zugetheilt und aus diesem Grunde taufte 
Nuttal die Pflanze in „Udora“ um, gab aber nicht den 
Gattungscharakter von Elodea Richard an, sondern den von 
Anacharis Richard, der in NeunmÀnnigkeit und Diöcis- 
mus besteht und behauptet die IdentitÀt beider Gattungen, 
ohne dafĂŒr den geringsten Beweis beizubringen. Der Gat- 
tungsname Udora Nuttal wurde von Babington und 
Planchon eingezogen, da Richard lange vor Nuttal das- 
selbe Genus Anacharis benannte Nuttal schlossen sich 
aber in der Behauptung der IdentitÀt der dreimÀnnigen Herm- 
aphroditen Elodea Richard und der neunmÀnnigen diöcischen 
Anacharis 0. Sprengel, Beck und Hooker an wnd ver- 
mehrte Sprengel die Verwirrung noch dadurch, dass er die 
indische Serpicula verticillata (L). Roxb. Willd. mit 
Udora canadensis Nuttal und Elodea canadensis Mich., Elodea 
granatensis H. et B. und Elodea orinoccensis Richard zusam- 
men warf und diese Art Udora verticillata Sprengel nannte. 
Endlicher, Meissner und Martius, wie auch Chatin 
ĂŒbertrugen den Richard’schen Charakter der Gattung Elodea, 
DreimÀnnigkeit und Hermaphroditismus auf die Gattung Udora 
Nuttal und finden wir nun bei diesen Anacharis Richard 
und Udora Nuttal als verschiedene Genera. Planchon suchte 
die Verwirrung dadurch zu heben, dass er der Gattung Udora 
Endl. et Meissner den neuen Namen Apalanche gab, Der 
erste, der Beweise fĂŒr die Zusammengehörigkeit der Gat- 
tungen Elodea und Anacharis Richard beizubringen suchte, 
war Torrey. Nach ihm haben die mÀnnlichen, stiellosen 
BlĂŒthen neun StaubgefĂ€sse und lösen sich zur Zeit der Reife 


Ueber die sogenannte, Wasserpest. 55 


ab, um das GeschÀft. der Befruchtung zu vollziehen. Die 
Hermaphroditen - BlĂŒthen haben meist drei, aber auch fĂŒnf, 
sechs und mehr gelbe, sitzende Stamina mit oblongen Anthe- 
ren. Weibliche BlĂŒthen ohne Antheren scheint er nicht ge- 
sehen zu haben. Die Stigmata beschreibt er als mehr oder 
weniger tief zweilappig und roth gefÀrbt. 

Durch die obengenannten Verwechslungen ist in die 
Nomenclatur dieser Pflanze eine heillose Verwirrung gebracht 
worden, so dass wir auch inKoch’s Synopsis unter 
dem Namen Udora Nuttal die verschiedensten 
Pflanzen vereinigt finden. Erst durch die Abhandlung 
des Prof. Caspary ĂŒber die Hydrilleen kam Licht in 
diese gelehrte Finsterniss und that derselbe durch umfÀng- 
liche Untersuchungen der verschiedensten Originalexemplare 
auf das Ueberzeugendste die Zusammengehörigkeit 
der Elodea und Anacharis Richard dar, wie er auch 
die IdentitÀt der zuerst in England gefundenen Anacharis 
Alsinastrum Babingt. mit den ersteren erwies, welche 
Pflanzen nun die Elodea canadensis Casp. darstellen. 

Die erste Auffindung dieser Pflanze in Europa fÀllt in 
das Jahr 1836, wo ein GĂ€rtner John New dieselbe in einem 
Teiche bei Warringtown in Irland entdeckte und zwar nach 
Auspflanzung einiger exotischer WassergewÀchse. Sie ver- 
nothwendigte durch ihr schnelles Wachsthum mehrfache Aus- 
krautungen schon wÀhrend des Sommers. Darauf fand sie 
Dr. Johnston am 3. August 1842 im See von Dunse- 
Castle in Berwickshire in Schottland und schickte sie blĂŒ- 
thenlos an Babington. Um dieselbe Zeit wurde sie auch in 
Irland von David Moore in einem Teich in Booterstown 
bei Dublin gefunden und in den botanischen Garten verpflanzt. 
1847 wurde die Pflanze weit entfernt von den ersten Fund- 
orten im mittleren England in Leicestershire und zwar mit 
weiblichen BlĂŒthen durch Miss Mary Kirby entdeckt. 
1848 lieferte Babington die Beschreibung der Pflanze und 
nannte sie Anacharis Alsinastrum. PBabington 
glaubte, dass die Pflanze in England heimisch sei, zumal sich 
die Fundorte hÀuften, obgleich schon der Umstand ihn hÀtte 


54 Ueber die sogenannte Wasserpest. 


bedenklich machen können, dass es bis dahin nur gelungen 
war, seine Anacharis in weiblichen Exemplaren zu finden. 
SpĂ€ter entschied auch er sich fĂŒr die Ansicht, dass dieselbe 
von Nord-Amerika und zwar mit Rhizomen von Nymphaea 
odorata eingeschleppt sei, wenigstens wurde sie zuerst nach 
Auspflanzung solcher direct von Canada bezogener Rhizome 
in dem Teiche von Leigh-Park in Hampshire beobachtet. 
Nach dieser Zeit breitete sich die Pflanze, dem Wasserlauf 
folgend, in ungeheurer Menge in England aus, so dass sie 
sehr wesentliche Verkehrsstörungen in FlĂŒssen und KanĂ€len 
hervorrief. 

Die starke Vermehrung der Elodea unter gĂŒnstigen 
Wachsthumsbedingungen ist Anlass geworden, ihr erstes 
Auftreten in England mit einer mythenartigen ErzÀhlung aus- 
zustatten, die ich hier mittheilen will. Dieser ErzÀhlung nach 
soll ein Geistlicher Mr. Rivers Topper, Vicar zu Stieton, 
der sich mit Kultur exotischer WassergewÀchse befasste, die 
Pflanze von einem ĂŒberseeischen Tauschfreund unter dem 
Namen Growforevva aquatilis in einem Wurzelexem- 
plar zugeschickt erhalten haben. Schon wÀhrend der Reise 
hatte die Pflanze das ganze GefÀss, in welchem sie untergebracht 
war, vollstĂ€ndig ausgefĂŒllt. In das fĂŒr sie bestimmte Bassin 
gebracht, fĂŒllte sie aber auch dieses bald aus, alle anderen 
Pflanzen vernichtend, und trotz der grössten Sorgfalt und 
MĂŒhe gelang es dem entsetzten GĂ€rtner nicht, die Pflanze zu 
vertilgen; denn am Morgen waren die gesÀuberten Stellen 
des vorigen Tages wieder gefĂŒllt. Aber nicht genug, dass 
sie in den Teichen des Blumenfreundes- nicht zu bewÀltigen 
war, sie ging durch einen Abzugscanal des Bassins auch in 
den Fluss und fĂŒllte diesen aus, WĂ€nde von solcher MĂ€ch- 
tigkeit und Dichtigkeit bildend, dass das Wasser aufgestaut 
wurde. In Folge der hierdurch entstehenden Verkehrs- 
störungen wurden die Stieton Schifffahrtscompagnie und die 
MĂŒllerassociation klagbar gegen den Vicar und nur durch den 
Umstand, dass fĂŒr solche SchĂ€digung durch Pflanzen kein 
Gesetz existirte, entging er der Verurtheilung. Aber die 
Royal Botanical Society knĂŒpfte sein GedĂ€chtniss dadurch an 


[2 


Ueber die sogenannte Wasserpest. 55 


diese Pflanze, dass dieselbe den Namen Topperaria pesti- 
fera erhielt, bis sich die IdentitÀt mit der Elodea heraus- 
stellte. In Holland und Belgien und der Mark Brandenburg 
trat die Elodea fast zu gleicher Zeit auf. 

Prof. Scheidweiler hatte 1858 lebende Pflanzen 'aus 
England kommen lassen und dieselben in einen Wasserpfuhl 
bei Ledeberg ausgepflanzt. 1860 beobachtete sie Prof. Oude- 
manns in der NĂ€he von Utrecht und in demselben Jahre 
fand sie ein UntergÀrtner des UniversitÀtsgartens Louis 
BossÀrts in einer Lehmgrube bei Pauwken unweit Gent. 
1862 entdeckte sie Prof. Crepin bei Gent und Dr. We- 
stendorp und Capt. Lenaers bei Termonde in Ostfries- 
land, Jetzt ist die Pflanze in Holland und Belgien weit 
verbreitet. 

In den botanischen Garten zu Berlin gelangte Elodea 
1852 direct von England durch Herrn E. T. Bennet Esa. 
Zuerst in KĂŒbeln gezogen, gelangte sie nicht zur BlĂŒthe und 
wurde in Folge dessen 1857 ins Freie in einen Teich ge- 
bracht, ĂŒberdauerte auch den Winter 1857 —58 sehr gut 
und blĂŒhte von August bis September 1858 reichlich, ver- 
mehrte sich aber in den KanÀlen des Gartens so sehr, dass 
sie schon 1860 als sehr unbequemes UnkrÀut betrachtet 
wurde. Der ObergĂ€rtner der Augustin’schen GĂ€rtnerei an 
der Wildpark - Station bei Potsdam fĂŒhrte sie Ende der fĂŒnf- 
ziger Jahre in das dortige Aquarium ĂŒber. Bald darauf 
tauchte sie in den GewÀssern von Charlottenhof in grosser 
Menge auf. Auf welche Weise sie aber dorthin gelangte, 
hat mit Sicherheit nicht festgestellt werden können. 1859 
fand Herr Lehrer Boss sie in der Havel bei Sanssouci. 
1860 wurde sie vom Kantor Buchholz in Neustadt 
beim alten Wasserfall, 1863 von Dr. Hegelmaier bei 
Werder und im Glindower See gefunden. 1866 waren der 
Tegeler See, der Schwilow- und der Plauen’sche See bereits 
damit angefĂŒllt und reichte sie in der Havel vom Tegeler 
See bis nach Havelberg. 1869 tauchte sie auch in den 
Templiner und Lychener GewÀssern, wie auch im Ueckersee 
bei Prenzlow auf. 1866 und 1867 wurde sie zuerst im 


56 Ueber die sogenannte Wasserpest. 


Damm’schen See bei Stettin und 1869 vereinzelt in der Oder 
und Diwenow gefunden. 


Von dem Hamburger botanischen Garten, wo sie 1860 
angepflanzt war, gelangte sie in den Stadtgraben und von 
dort ins Alsterbassin, wo sie in ungeheurer Menge auftrat 
und immense Summen fĂŒr ihre Vertreibung aufgewendet wur- 
den. Am 16. Mai 1866 wurde sie im Harburger Hafen ent- 
deckt und diese Thatsache, sowie auch die Beschreibung der 
Pflanze und der weiblichen BlĂŒthe von einem Herrn T. im 
Hannöver’schen Courier veröffentlicht. Die Bunzlauer Phar- 
maceutische Zeitung vom 8. August 1866 theilte diesen Arti- 
kel mit; die einzige Beschreibung der Pflanze, soviel mir 
bekannt, welche in- pharmaceutischen Journalen erschienen 
ist. Bei Dömitz wurde sie von Dr. Fiedler 1864 oder 
1865 in der Elbe entdeckt. In der MĂŒritz fand Gymna- 
siallehrer Struck sie 1868 und scheint es fast, als ob 
sie in die MĂŒritz von der Havel aus gelangt sei, wĂ€hrend sie 
sich in der Unterelbe stromaufwÀrts von Hamburg aus ver- 
breitet habe. Im Schweriner See wurde sie durch Brock- 
mĂŒller 1871 entdeckt. 


Ausserdem wurde noch das vereinzelte Vorkommen bei 
Leipzig durch Auerswald 1861 beobachtet und ist sie hier 
wohl mit Sicherheit aus dem botanischen Garten ausgewan- 
dert. Auerswald widmete der Elodea in der 2. Auflage sei- 
ner botanischen Unterhaltungen von 1863 pag. 287 eine Un- 
terhaltung und bildete sie auf der 37. Tafel ab. 


Ueber die Verbreitung in den schlesischen GewÀssern 
habe ich nichts NĂ€heres erfahren. 


Die Elodea canadensis Casp. gehört der kleinen monoco- 
tylen Familie der Hydrocharideae Rich. an, die durch 
ihren BlĂŒthenbau den Alismaceen und Juncagineen, durch 
ihre anatomische Structur den Najadeen verwandt ist. Diese 
Familie gliedert sich in drei Tribus Hydrilleae Casp. 
(Anacharideae Endl), Vallisnerieen und Stratioideen. 
Unsere Elodea reiht sich der ersten Tribus ein. Im Linne’- 
schen System wĂŒrde sie, nachdem durch Caspary ihr Herm- 


Ueber die sogenannte Wasserpest. 57 


aphroditismus und Diöcismus festgestellt ist, in der Poly- 
gamia Trioecia unterzubringen sein. 

In den europÀischen GewÀssern sind bis jetzt nur diöcische 
und zwar nur weibliche Exemplare beobachtet worden. Diese 
wachsen in sehr dichten Rasen an nicht zu tiefen, ruhigen 
Uferstellen von 1 bis 11/, Meter Tiefe und senden ihre lan- 
gen, fadenförmigen, brÀunlich gefÀrbten Adventivwurzeln in die 
oberen, modrigen Schichten des kalkhaltigen Bodens. Die 
Vermehrung der Individuen geschieht nur auf vegetativem 
Wege durch Sprossbildung und zwar in erstaunlicher Menge, 
da jedes mit einer lebensfĂ€higen Knospe versehene StĂŒck 
sich leicht bewurzelt, um bald selbst wieder neue Individuen 
zu erzeugen. Es entstehen so oft WĂ€nde von ungeheurer 
MÀchtigkeit, die in engen KanÀlen das Wasser förmlich auf- 
zustauen vermögen. Der fadenförmige, drehrunde, Àstige 
Stengel erreicht nach meinen Messungen die LĂ€nge von 40 
bis 50 Centimeter, vermag jedoch durch die in den Blatt- 
achseln erzeugten Sprosse sich fast zu jeder beliebigen LĂ€nge 
auszudehnen, meistens aber stirbt er, wÀhrend er an der 
Spitze fortwÀchst, am hinteren Ende ab. Das zierliche, fluthende 
Kraut erreicht die OberflÀche des Wassers und. bildet form- 
liche Wiesen. Gegen Ende des Herbstes hört natĂŒrlich die 
Vermehrung nach und nach auf und sinken die Stengel zu 
Boden, die BlÀtter abwerfend, und nur einige Achselknospen, 
die sich jedoch nicht von den gewöhnlichen unterscheiden, 
ĂŒberdauern den Winter unter dem Eise, um im FrĂŒhling von 
Neuem auszutreiben. In einzelnen Jahren sah ich ĂŒbrigens 
unter dem Eise kleine Pflanzen in grosser Menge, von denen 
ich bis jetzt keine genauer untersuchte. 

Dicht unter der kegelförmigen Stammspitze entstehen die 
lÀnglich ovalen, zungenförmigen, mit sehr kleinen einzelligen 
SĂ€gezĂ€hnen versehenen, tiefgrĂŒnen BlĂ€tter, als kleine ovale 
WĂŒlstchen, je drei auf gleicher Höhe und zwar in alterniren- 
den Wirteln. Man erkennt demgemÀss sechs senkrechte 
Blattzeilen am Stamm. Zwischen Stengel und Blatt finden 
wir in der oberen Region des Sprosses die so interessanten, 
durch Prof, Caspary entdeckten stipulaeintrafoliaceae, 


58 Ueber die sogenannte Wasserpest. 


die wegen ihrer grossen HinfÀlligkeit aber an den entwickel- 
ten BlÀttern nicht mehr aufgefunden werden können und dess- 
halb leicht zu ĂŒbersehen sind. Durch die Form dieser Organe 
sind Elodea und Hydrilla, wenn man alle anderen Merkmale 
nicht benutzen will, auf das Bestimmteste zu unterscheiden. 
Bei Elodea sind sie nemlich oval bis kreisrund und ganzran- 
dig, höchstens wenig buchtig, wÀhrend sie bei Hydrilla lÀng- 
lich lanzettlich am Rande durch sehr lange Papillen gefranzt 
sind. In der Achsel der BlÀtter entstehen die jungen Laub- _ 
sprosse von zwei deltoidischen VorblÀttchen umschlossen, von 
denen das untere die ganz junge Knospe am Grunde fast 
umfasst und nur die RĂŒckseite des zweiten Vorblattes etwas 
frei lÀsst. Die beiden VorblÀtter stehen fast niemals voll- 
stÀndig rechts und links zum Tragblatt, sondern meistens 
etwas gedreht. Oberhalb des Tragblattes, aber etwas seitwÀrts 
von ihm entspringt aus dem Stamm hÀufig eine Adventiv- 
wurzel. Von den drei BlÀttern eines Wirtels finden wir nur 
in der Achsel eines eine Knospe. Eines der VorblÀtter die- 
ser Knospe zeigt meist ebenfalls die Anlage eines jungen 
Sprosses zweiter Ordnung und findet man bei weiter ent- 
wickelten Exemplaren auch Knospen dritter und vierter Ord- 
nung in den Achseln der entsprechenden KnospendeckblÀtter, 
so dass in einer Blattachsel förmliche Knospenhaufen vereinigt 
stehen können. Durch das Auftreten der BlĂŒthe kommt in 
die regelmÀssigen dreigliedrigen Blattwirtel aber in so ferne 
eine Unterbrechung, als die BlĂŒthenknospen ausnahmelos, 
soviel ich beobachten konnte, ihr Tragblatt an den nÀchst 
unteren Wirtel hinandrĂ€ngen, so dass also der blĂŒthentra- 
gende Wirtel scheinbar zweigliederig ist, wÀhrend das fertile 
Wirtelblatt den nÀchstfolgenden Wirtel scheinbar viergliede- 
rig macht. Dies VerhÀltniss ist z. B. in der oben eitirten 
Zeichnung der Botanischen Unterhaltungen von Auerswald 
durchaus unrichtig dargestellt und bei den Beschreibungen, 
die mir bekannt geworden, vielfach nicht beachtet. Vielleicht 
wird durch Àhnliche Ursachen, wie sie das Auftreten der 
BlĂŒthenknospe in den Blattachseln erzeugt, das Entstehen der 
mitunter vorkommenden viergliedrigen Wirtel erklÀrlich, wie 


Ueber die sogenannte Wasserpest. 59 


auch ich solche, wenn auch selten zu beobachten Gelegen- 
heit hatte. Die ersten viergliederigen Wirtel sah ich im 
October 1870 und fand an einem. genauer untersuchten 
Exemplar zwölf viergliedrige Wirtel, wÀhrend der Stamm 
unterhalb derselben, wie auch oberhalb an der Stammspitze 
regelmÀssig dreigliederige Wirtel zeigte. Uebrigens gingen 
die dreigliedrigen in die viergliedrigen und diese wieder in 
die dreigliedrigen Wirtel ohne alle Vermittelung ĂŒber. Un- 
ter den zwölf Wirteln hatte einer eine BlĂŒthe entwickelt 
und war scheinbar dreigliedrig, wĂ€hrend sein viertes die BlĂŒthe 
tragendes Blatt an den nĂ€chst unteren Wirtel hinangerĂŒckt 
war, so dass dieser scheinbar fĂŒnfgliederig war. Es sind mir 
mehrfach UnregelmÀssigkeiten in der geschilderten Anordnung 
der Wirtel begegnet, ohne dass ich eine gewisse Gesetz- 
mÀssigkeit dabei entdecken konnte. So sieht man die Anord- 
nung der BlÀtter eines Wirtels mitunter schraubig werden 
und findet zwischen regelrecht stehenden Wirteln öfter ein 
einzeln stehendes Blatt, 

Unter anderen fand ich in fĂŒnf aufeinander folgenden 
Wirteln folgende Anordnung.*) In dem ersten Wirtel deckte 
das erste Blatt das zweite mit dem linken Rande, das dritte 
Blatt stand wie bei einem regelrechten Wirtel zwischen dem 
ersten und zweiten. Der zweite Wirtel war nur durch das 
vierte Blatt angedeutet, welches an der regelmÀssigen Stelle 
zwischen dem zweiten und dritten Blatt des ersten Wirtels 
stand. Darauf folgte der dritte Wirtel mit drei BlÀttern, von 
denen das erste Blatt (fĂŒnfte der ganzen Folge) dem vierten 
grade gegenĂŒberstand und mit beiden RĂ€ndern das sechste 
und siebente Blatt deckte, so dass ihm gegenĂŒber der Raum 
fĂŒr ein viertes Blatt dieses Wirtels freigelassen war. Der 
vierte Wirtel wurde vom achten und neunten Blatt gebildet, 
die an der regelrechten Stelle standen und fehlte diesem Wir- 
tel nur das zehnte Blatt. Der darauf folgende Wirtel war 
dreigliederig, durchaus regelmÀssig. Die bei den Zweigen 
vorhandenen VorblĂ€tter finden sich auch an den BlĂŒthen als 


*) Siehe Fig. 9. Tab. 2. 


60 Ueber die sogenannte Wasserpest. 


zweizĂ€hnige BlĂŒthenscheide, wenigstens stehen die beiden 
ZĂ€hne derselben zu dem sie tragenden Blatt ganz ebenso, 
als die VorblÀtter der Laubsprosse zu ihrem Tragblatt. 

Die BlĂŒtbe ist sitzend, durchaus trimer gebaut. Sechs 
PerigonblÀtter umgeben sie, von denen die drei Àusseren, 
brÀunlich roth gefÀrbten, kaputzenförmig an der Spitze ein- 
gezogen sind und derber kelchartig erscheinen. Hierauf folgt 
der zweite Wirtel, gebildet aus drei röthlichweissen, ovalen, 
blumenblattartigen PerigonblÀttern, die mit dem vorauf- 
gehenden und folgenden Wirtel alterniren. Dieser letztere 
besteht aus drei kleinen, weisslichen, linealen Körperchen, 
jedenfalls Staminodien. Mit diesen wechselnd, also vor 
den blumenblattartigen PerigonblÀttern stehend, sehen wir 
die drei-, sehr hÀufig zweilappigen, rothgefÀrbten, mit reich- 
lichen Papillen bedeckten Narben, welche, sich abwÀrts biegend, 
den PerigonblÀttern des zweiten Kreises sich fest anlegen, wÀh- 
rend die kelchartigen des Àusseren Kreises aufgerichtet stehen. 
Die bereits von Torrey angefĂŒhrte 'Thatsache, dass die 
Narben tief zweispaltig seien, wurde von Caspary nach 
dem von ihm untersuchten Material in der Arbeit ĂŒber die 
Hydrilleen bezweifelt, jedoch hat auch Caspary bereits in dem 
Abdruck aus den Verhandlungen der 35. Versammlung deut- 
scher Naturforscher und Aerzte â€žĂŒber das Vorkommen der 
Hydrilla verticillata Casp. in Preussen und Pommern“ 
in der Anmerkung pag. 297 diese Beobachtung bestÀtigen 
können. Die ziemlich lange, fadenförmige, rothbrÀunliche 
BlĂŒthenröhre wird bis fast auf ein Drittel ihrer LĂ€nge von 
den vorhin erwÀhnten, scheidenartig verwachsenen VorblÀttern 
umschlossen. Am Grunde umschliessen dieselben den Frucht- 
knoten ziemlich eng, nach oben bilden sie eine urnenförmige 
Erweiterung, um sich mit den Spitzen beider ZĂ€hne wieder 
eng an die Röhre anzuschliessen. Im Grunde dieser Scheide, 
in der Blattachsel des Tragblattes, finden wir das dreigliedrige 
Ovarium mit 3 Placenten, von denen jede, nach meinen Be- 
obachtungen ein orthotropes, zweihÀutiges Eichen trÀgt. 
HĂ€ufig sind aber nur zwei Narben vorhanden und fand ich 
in diesen FĂ€llen meistens zwei, mehrmals aber auch vier 


Ugber die sogenannte Wasserpest. ol 


orthotrope Eier an den entsprechenden Placenten. Bei den 
dreinarbigen sah ich bis jetzt niemals zwei ovale an einer 
Placenta. Die auf ‚der OberflĂ€che des Wassers schwimmende, 
flach ausgebreitete Blumenkrone zeigt einen Durchmesser von 
circa 5 MM., die BlĂŒthenröhre von 0,5 MM. und am Grunde 
des Ovarium von 2MM. Bei diesem geringen Durchmesser der 
BlĂŒthenröhre ĂŒberrascht die LĂ€nge derselben, welche zwischen 
50 bis 7TOMM. schwankt, so dass man bei flĂŒchtiger Beobachtung 
leicht geneigt ist, dieselbe fĂŒr den Petiolus anzusehen. 
Dieser Irrthum findet sich auch wirklich in der Beschreibung 
jenes Herrn T. in Harburg, vergleiche Pharmaceutische Zei- 
tung Nr. 63 vom 8. August 1866 pag. 295. Die LĂ€nge der 
BlĂŒthenscheide bewegt sich zwischen 15— 17MM. Die Stel- 
lung der BlĂŒthe zum Tragblatt anlangend, fand ich, dass die 
beiden hinteren Ecken des auf dem Querschnitt dreieckig 
erscheinenden Fruchtiknotens dem Stamme zugekehrt sind, 
wÀhrend die dritte dem Tragblatt zugewendet ist. Die Nar- 
ben liegen umgekehrt, zwei Narben nach vorne dem Tragblatt 
zu, die dritte nach hinten dem Stamme zugekehrt. _ 


AuffÀllig bei diesem sonst regelrechten, monocotylen 
BlĂŒthenbau erscheint mir die Stellung der Narben oder viel- 
mehr der ihnen entsprechenden CarpellarblÀtter, da diese wie 
bei den Irideen nicht vor den blumenblattartigen Perigon- 
blÀttern, sondern vor denen des ersten Kreises stehen sollten, 
um den verloren gegangenen zweiten Staubblattwinkel zu 
markiren. 


Der Àstige, fadenförmige, drehrunde Stengel hat ein bis 
zwei Millimeter im Durchmesser und schwankt die LĂ€nge der 
Internodien von den kaum messbaren der Spitze bis zu 20 MM. 
Auf dem Querschnitt erkennt man den in der Mitte liegenden 
Fibrovasalstrang. Eine bemerkbar von dem Grundgewebe 
sich abhebende Rindenschicht findet sich nicht, wohl aber 
sowohl am Stamm als auch den BlĂ€ttern eine ziemlich dĂŒnne 
Cnticula. In der Mitte des Fibrovasalstranges bemerkt man 
einen Kanal!, im spĂ€teren Alter mit brĂ€unlicher FlĂŒssigkeit 
erfĂŒllt. Das Grundgewebe zeigt mehre in einen Ring ge- 


62 Ueber die sogenannte Wasserpest, 


ordnete, lufttĂŒhrende KanĂ€le, meistens 5, mitunter auch mehr. 
An den Knoten des Stammes wird das Gewebe dichter. 

Die Bemerkung, dass der anatomische Bau des Stammes 
sich nicht weit von dem der Laubmoose entfernt, ist in so 
ferne allerdings gerechtfertigt, als man im fertigen Stamme 
keine weitergehende Differenzirung des Gewebes wahrnimmt. 
Derselbe baut sich nemlich aus lÀnglichen, parenchymatisch 
aneinanderschliessenden Zellen auf, die nur in der NĂ€he der 
Knoten kĂŒrzer werden. Die Knoten selbst bestehen aus zwei 
bis drei Reihen fast runder, stÀrker verdickter Zellen. Die 
Zellen des Umfangs enthalten ziemlich viel Chlorophyll. Der 
fertige Fibrovasalstrang besteht ebenfalls aus langgestreckten, 
parenchymatisch aneinander schliessenden Zellen, die nur 
noch bedeutend geringeren Durchmesser zeigen, als die des 
Grundgewebes und deren QuerwÀnde etwas schrÀg gestellt 
sind. GefÀsse finden sich in dem fertigen Fibrovasalstrang 
nicht, wohl aber, wie dies Caspary zuerst beobachtete, in der 
jungen Stammspitze ein in der Mitte liegendes, ringförmig 
verdicktes GefÀss, welches in den Knoten nach der Ansatz- 
stelle der BlÀtter je ein GefÀss entsendet. Diese GefÀsse, 
hÀufiger spiralförmig verdickt, sieht man weit leichter, als das 
centrale GefÀss; selbst noch in sehr weit von der Spitze ge- 
legenen Knoten erkannte ich dieselben. In den Fibrovasal- 
strang des entsprechenden Blattes sah ich dasselbe ĂŒbrigens 
nie eintreten. Das GefÀss des Stammes wird spÀter resorbirt 
und stellt den vorhin erwÀhnten mittleren Kanal dar. Der 
Fibrovasalstrang ist von einer Reihe eigenthĂŒmlich gebildeter 
Zellen umgeben, die auf ihren seitlich aneinanderschliessenden 
QuerwÀnden scheinbar einen Spalt erkennen lassen. Bei 
schrĂ€ggefĂŒhrten Querschnitten erkennt man aber eine Reihe 
parallellaufender Poren auf diesen Wandungen. Diese frĂŒher 
von Schleiden Kernscheide (Schld. Botanik Bd. II. S. 144) 
benannte Zellschicht benennt Caspary passender Schutz- 
scheide. (Pringsheim’s JahrbĂŒcher Bd. 1 p. 442.). 

Gegen den Herbst hin findet man das ganze Gewebe 
mit Ausnahme des Fibrovasalstranges mit StĂ€rke erfĂŒllt. 
Die Körnchen sind meistens, von der FlÀche gesehen, kreis- 


Ueber die sogenannte Wasserpest. 63 


rund, von der Seite gesehen, fast halbkreisförmig, also pauken- 
förmig. Mitunter findet man auch wohl zwei mit den flachen 
Seiten zusammengelagert, so dass sie dadurch kugelig erschei- 
nen. Eine Differenzirung in Schichten verschiedener Dichtig- 
keit vermochte ich nicht nachzuweisen. 


Die BlÀtter, nach ihrer Àusseren Form oben beschrieben, 
bestehen aus zwei Zelllagen. Die Oberseite wird aus fast 
kubischen, reichlich mit Chlorophyll erfĂŒllten Zellen gebildet, 
wÀhrend die Unterseite mehr lÀngliche, quadratische, eben- 
falls chlorophyllreiche Zellen zeigt. 

Der Querschnitt des Blattes zeigt nun diese obere Zell- 
lage in drei bis vier engere Zellreihen nach dem Rande zu 
ĂŒbergehend, deren Ă€usserste die kleinen, an der Spitze des 
Blattes zuerst auftretenden einzelligen SÀgezÀhne aussendet. 
An Àlteren BlÀttern sind sie gewöhnlich brÀunlich gefÀrbt, 
Unter diesen Zellreihen finden wir an der Unterseite drei 
nebeneinanderliegende Reihen prosenchymatisch aneinander- 
schliessender bastfaserartiger Zellen. Diese Zellen wurden 
von mir 1869 aufgefunden und gezeichnet, jedoch zuerst 
erwĂ€hnt durch Dr. Magnus in seiner Arbeit ĂŒber Na- 
jas. Dieselben zeigen stÀrker verdickte Wandungen, als 
die ĂŒbrigen Zellen des Blattes, sind lang, spindelförmig und 
ĂŒbertrifft ihre LĂ€nge den Durchmesser um das Zwölf- bis 
Sechszigfache. Auch an dem stets gefÀsslosen Fibrovasalstrang 
der Àlteren BlÀtter fand ich an der Unterseite eine Lage sol- 
cher Zellen. . 

In der Achsel der jungen BlÀtter finden wir die schon 
oben erwÀhnten Stipulae, welche aus zwei Zelllagen beste- 
hen und gar kein Chlorophyll enthalten. Sie sind fast 
kreisrund, bis 0,3 MM. lang und breit. 

Die VorblÀtter, der jungen Zweige zeigen weder eine 
Mittelrippe, noch die Bastzellen des Randes, ebenfalls auch 
keine SÀgezÀhne, 

Die zu einer zweispaltigen Röhre verwachsenen VorblÀt- 
ter der Blume bestehen ebenfalls aus zwei Zelllagen und 
haben je einen Fibrovasalstrang und an der Spitze vier bis 


64 Ueber die sogenannte Wasserpest. 


sechs einzellige SÀgezÀhne, entbehren ebenso, wie die Stipulae 
des Chlorophylis gÀnzlich. 


Aus dem Stengelknoten etwas oberhalb des Blattes, aber 
nicht in der Blattachsel, sondern seitlich davon entspringen 
die Adventivwurzeln, deren anatomischer Bau sich nicht 
viel von dem des fertigen Stammes unterscheidet. Sie wird 
in dem Gewebe des Knotens zuerst als kleinzelliger, flach- 
kegelförmiger Körper erkannt, an dem die Zellen der Wur- 
zelhaube zuerst unterschieden werden können. Das Gewebe 
des Knotens wird beim weiteren Wachsen nach auswÀrts 
etwas aufgetrieben und endlich von der Wurzel durchbrochen 
und umgiebt diese wallartig. _Die junge, zuerst weissgefÀrbte 
Wurzel nimmt in ihrer weiteren Entwickelung eine brÀun- 
liche Farbe an und erreicht bei einem Durchmesser von 1 MM. 
eine LĂ€nge von 1 bis 1!/, Meter. Auf dem Querschnitt 
erkennen wir den nicht von einer Schutzscheide umgebenen 
Fibrovasalstrang, der in der Mitte, wie der Fibrovasalstrang 
des Stammes, den mit brauner FlĂŒssigkeit erfĂŒllten Kanal 
hat. < Ein GefÀss, dem auch dieser seinen Ursprung verdanken 
mag, vermochte ich selbst in den jĂŒngsten ZustĂ€nden nicht 
nachzuweisen. Auch die luftfĂŒhrenden KanĂ€le des Grundge- 
webes fand ich in der Wurzel nicht. Die  Wurzelhaube, 
welche ich auch an ganz alten Exemplaren sah, besteht 
aus grossen, quadratischen Zellen und zwar von der Spitze 
der Wurzelhaube bis zur Spitze der eigentlichen Wurzel aus 
sieben bis neun Zelllagen. Die Àusserste Schicht reicht am 
weitesten an der Wurzel hinauf, doch werden die Zellen an 
der Seite lÀnglich viereckig. Oberhalb der Wurzelhaube sieht 
man namentlich bei solchen Wurzeln, die im Schlamm einge- 
bettet waren, reichlich einzellige bis zu 20 MM. LĂ€nge heran- 
wachsender Wurzelhaare, die das untere Ende der Wurzel 
von anhÀngendem Schlamm schwarz erscheinen lassen und 
einen förmlichen Schopf darstellen. Ihren Ursprung nehmen 
diese Wurzelhaare aus der obersten Schicht des Wurzelge- 
webes und zwar entstehen sie durch das Auswachsen einer 
Epidermialzelle, 


Ueber die sogenannte Wasserpest. 65 


StÀrkemehl fand ich in den Wurzeln nur in sehr 
geringer Menge; namentlich gelang es mir, solches in den 
Zellen der Wurzelspitze, wo dieselbe mit der Wurzelhaube 
zusammenhÀngt, in kleinen Körnchen nachzuweisen. Ich hatte 
im Novbr. aufgenommene Wurzeln bis Mitte Debr. in stark 
mit Wasser verdĂŒnnter Jodtinetur liegen lassen und von die: 
sen Wurzeln LĂ€ngsschnitte genommen. — 


‘ Was nun endlich den Nutzen und Schaden der vielfach 
verrufenen „Wasserpest“ anlangt, so lĂ€sst sich’ ja aller- 
dings nicht lÀugnen, dass dieselbe in nicht zu tiefen und nicht 
zu schnell fliessenden FlĂŒssen und KanĂ€len dem Verkehr 
sehr störend werden kann, wie sich das ja beim Spandauer 
Kanal und im Alsterbassin zeigte. Der Fischerei kann die 
Pflanze bei sehr massenhaftem Vorkommen ebenfalls momentan 
hinderlich werden, indess nĂŒtzt sie dadurch wieder, dass sie 
der jungen Fischbrut eine gute ZufluchtsstÀtte bietet und das 
Wasser klar und rein erhÀlt. Auf diese desinficirende 
Eigenschaft der Elodea machte zuerst Herr Dr. SchĂŒr in 
einem Artikel der IndustrieblÀtter (Nr. 9 vom 4. MÀrz 
1869) aufmerksam und kann ich die dort mitgetheilte 
desinficirende Wirkung bestÀtigen. Der Tiefwa- 
ren, ein ziemlich grosser Landsee, dessen einer Arm theil- 
weise von der Stadt Waren umschlossen wird, nimmt einen 
Theil der Gossen dieser Stadt in sich auf und verbreitete im 
Juni bis zum Septbr. hin oft einen sehr unangenehmen Ge- 
ruch in seiner unmittelbaren Umgebung, am Àrgsten war der- 
selbe, wĂ€hrend das Wasser blĂŒhte d. h. mit Unmassen von 
Cylindrospermum eircinnale Ktz, bedeckt war. Seit 
die Elodea sich aber an den Ufern angesiedelt hat, wo die 
meisten Gossen einmĂŒnden, ist der ĂŒble Geruch noch nicht 
wieder bemerkt worden. Hiernach dĂŒrfte es sich empfehlen, 
die Pflanze zur Desinfection kleiner GewÀsser 
auszupflanzen, da sie nicht nur den ĂŒblen Geruch besei- 
tigt, sondern auch die sonst verloren gehenden DĂŒngstoffe 
aufspeichert. Auch als ÖConservirungsmittel der Blut- 


egel ist die Pflanze zu empfehlen, wie das in der Anmerkung 
Arch. d, Pharm. CO. Bas, !, Htt, 5 


66 . Üeber die sogenannte Wasserpest. 


unter dem oben citirten Aufsatz des Herrn Dr. SchĂŒr durch 
Herrn Dr. Jacobson bestÀtigt wird. 

Wo die Pflanze in Folge gĂŒnstiger Wachsthumsbedingun- 
zen ĂŒberhand zu nehmen scheint, möchte ein Auskrauten 
mit eisernen Harken, die lange, enggestellte ZĂ€hne haben, zu 
empfehlen sein. Diese Harken haben sich wenigstens bedeu- 
 tend besser bewÀhrt, als die Sensenketten, da sich vor diesen 
die sehr zierlichen Pflanzen nur umlegen, um nachher ‚sich 
wieder aufzurichten und weiter zu wachsen. Die Harken 
ermöglichen ein fast vollstÀndiges Ausheben aus dem Boden. 
Das getrocknete Kraut gewÀhrt namentlich auf kalkarmem 
Boden ein sehr gutes DĂŒngmaterial. In der-NĂ€he 
des Mecklenburgischen StĂ€dtehens FĂŒrstenberg ist die dort 
in der Havel in grossen Massen vorkommende Pflanze bereits 
zu diesem Zwecke gewonnen worden. Auch anhaltende starke 
Bewegung des Wassers lÀsst die Pflanze nicht zur Entwick- 
lung kommen und wandte man fortwÀhrend hin und herfah- 
rende kleine Dampfer in Hamburg auf dem Alsterbassin zum 
Offenhalten des Fahrwassers an. Jedoch verschwindet die 
Pflanze auch theilweise von selbst nach einer Reihe von 
Jahren, wenn das Wasser fĂŒr une ErnĂ€hrung zu kalk- 
arm wird. 

Nach der auf der agriculturchemischen Ver- 
suchsstation zu Dahme ausgefĂŒhrten Analyse enthĂ€lt 
die frisch gewonnene PflÀnze in 100 Theilen: 


Feuchtigkeit 77,300. 
Organische Substanz 17,674. 
Kali 0,431. 

‘ Natron 0,244, 
Kalk 2,600. 
Magnesia 0,437. 
Eisenoxyd 0,082. 
PhosphorsÀure 0,142. 
KieselsÀure 0,805. 

A Chlor 0,124. 
Sand 0,161. 


100,000, 


Ueber die sogenannte Wasserpest. 67 


Hieran ist eine Vergleichung des DĂŒngwerthes der fri- 
schen Pflanze und frischen Stallmistes geknĂŒpft, die nach- 
stehend folgt: 

enthalten in Pfunden 


20 Centner. 

Stallmist. _Hlodea, 
Feuchtigkeit 1500 . 1546. 
Organische Substanz 430 354. 
Stickstoff 8 bis 10 8. 
Kali 10 bis 20 D: 
Kalk 8 bis 12 52. 
Magnesia 2 bis 5 9. 
PhosphorsÀure 3 bis 5 2,8. 


Auf Ansuchen des Herın Dr. SchĂŒr fĂŒhrte der, Chemiker 
Herr Dr. Siermann in Stettin eine Analyse der Asche 
junger frischer Zweige aus, und ergab sich folgende Zusam- 
mensetzung derselben in 100 Gewichtstheilen: 

KohlensÀure al.aR, 


KieselsÀure 10,34. 
SchwefelsÀure 0,83. 
Chlor 1,50. 
Kali 6,21. 
Natron 4,12. 
Kalk 35,39. 
Magnesia 7,10. 
Eisenoxyd 1,01. 
Verlust 1,542 

100,00. 


Jedenfalls steht jetzt soviel fest, dass der dieser Pflanze 
gewordene deutsche Name „Wasserpest“ ĂŒbertriebene 
Vorstellungen von ihrer SchÀdlichkeit erweckt und kann ich 
nnır dem schon mehrseitig lautgewordenen Wunsche, diese 
liebliche Pflanze, nach dem Vorgange der EnglĂ€nder „Was- 
serthymian“ zu nennen, zustimmen. 


ErklÀrung der Abbildungen. 


Taf.1. Eine Pflanze aus dem Tief-Waren mit ver- 


grösserter BlĂŒthe. Y 
5% 


68 Die Mutterpflanze von Radıx Galangae minoris. 


Taf. 2. Fig. 1. Randzellen der Oberseite des Blattes. 

Fig. 2. Die prosenchymatischen. faserartigen Randzellen 
der Blattunterseite. 

Fig. 3. Querschnitt aus der Mitte des Blattes mit dem 
Fibrovasalstrang. 

Fig. 4. Querschnitt durch den Rand des Blattes. 

Fig. 5 u. 6. Bastartige Fasern aus dem Fibrovasal- 
strang des Blattes. 

Fig. 7. LĂ€ngsschnitt durch eine Stipula. 

Fig. 8. Dieselbe von oben gesehen. 

Fig. 9. Grundriss zu der Seite 62 geschilderten Blatt- 
folge. 

Fig. 10. Grundriss der BlĂŒthee Ax. Stamm. B. Trag- 
blatt der BlĂŒthe. V. V. Die beiden zur Scheide verwachse- 
nen VorblĂ€tter der BlĂŒthe. t! kelchartige Sepala. t? blumen- 
blattartige Sepala. st. Staminodien. C. Die CarpellarblÀtter 
mit den entsprechenden Narben. 

Fig. 1 u. 2 gezeichnet durch das Zeichenprisma bei 
250 M.M. Entfernung, Carl Zeiss Syst. C. Ocular 3. 

Fig. 3, 5 u. 6 ebenso mit Syst. D. Ocular 2. 

Fig. 7 u. 8 ebenso mit Syst. ©. Ocular 2. 


Die Mutterpflanze von Radix Galangae minoris 


ist nach den Untersuchungen von H. Fletcher Hance die 
der Alpinia calcarata Roscoe Àhnliche Alpinia offieina- 
rum Hance; sie ist verschieden von Alpinia chinensis Rose. 
Hance fand sie bei einer Excursion nach der Insel Haenan. 
Nach Daniel Hanbury geschah die EinfĂŒhrung des klei- 
nen Galgants in Europa durch die Araber; der arabische 
Geograph Khurdadbah (869 —885 n. Chr.) nennt densel- 
ben ein Product Chinas. (Zeitschr. d. allg. österr. Apoth.- 


Vereins, vom 1. MĂ€rz 1872, Nr. 7. S. 168 —170.). 
VERBTE: 


69 


B. Monatsbericht. 


I. Chemie, Mineralogie und Geologie. 


Geologie des Mont-Cenis. 


Die Durchbohrung des Mont-Cenis zÀhlt zu den gross- 
artigsten Werken, die unsere Zeit durch das glĂŒckliche Inein- 
andergreifen von Wissenschaft und Technik geschaffen hat. 
Durch die Ueberwindung der der AusfĂŒhrung dieser Unterneh- 
mung entgegenstehenden, colossalen Schwierigkeiten sind aber 
auch die Wege fĂŒr alle spĂ€teren der Art geebnet worden 
und ward hier auch der Wissenschaft zum erstenmale ein 
Einblick in den tieferen Schichtenbau der Erdmasse eröffnet, 
ihr also ein Gebiet erschlossen, das sie nur im Geiste, aber 
kein Naturforscher,mit leiblichem Auge gesehen hatte. 

Die grosse Bedeutung, welche der Mont- Cenis- Tunnel 
auch fĂŒr die Geologie hat, beruht in der That vor Allem 
darin, dass dadurch die Gelegenheit geboten wurde, die nach 
den geognostischen Regeln sich ergebenden Folgerungen an 
der Wirklichkeit zu erproben. Der Tunnel ist eine horizon- 
tale Sondirung, welche, bei einer LĂ€nge von 12220M. ein 
Schichtensystem von 7000M. MĂ€chtigkeit erschlossen hat, 
wÀhrend die tiefsten vertikalen Bohrungen in Europa kaum 
1000M. betragen. Dadurch gelang es, die Beobachtungen im 
Inneren mit den an den Àusseren Theilen des Berges ge- 
machten zu verbinden, indem man einen geologischen Durch- 
schnitt durch die Axe des Tunnels legen kann. Und hier 
hat sich die Geologie in der That glÀnzend bewÀhrt, Mit 
gerechter Genugthuung durften die Geologen den Arbeitern, 
welche darĂŒber erstaunt waren, dass die Natur der zu durch- 
bohrenden Gesteine ihnen zum voraus angegeben wurden, 
sagen: FĂŒr das Auge der Wissenschaft sind die 
Berge durchsichtig. Die geologische Arbeit, welche jetzt 


1) Geologie des Mont - Cenis. 


E2 


die schönste BestÀtigung gefunden hat, wurde von Sismonda 
im Jahre 1866 publieirt. 

GestĂŒtzt auf eine sorgfĂ€ltig ausgewĂ€hlte Sammlung von 
GesteinsstĂŒcken der einzelnen durchbohrten Schichten, aus 
der ganzen LÀnge des Tunnels, hat jetÀt Elie de Beau- 
mont neuerdings ein Bild der geognostischen Beschaffenheit 
des Mont-Cenis entworfen. 

Der geognostische Bau des Mont-Cenis bietet keine 
grosse Mannigfaltigkeit dar, doch kann man trotz der grossen 
Einförmigkeit der Zusammensetzung der die verschiedenen 
Schichten bildenden Gesteine sechs Zonen in dem Schich- 
tencomplex deutlich unterscheiden, nemlich: 

1) Die Anthrazit fĂŒhrende Zone, welche in der 
Richtung des Tunnels 1963,3 M. mÀchtig ist. 

2) Die Zone der Quarzite, die im Tunnel 381,4 M. 
mÀchtig ist. 

3) Die Kalk-Gyps-Zone, im Tunnel 858 M. mÀchtig. 
Das Gestein ist ein krystallinisch -massiger Kalkstein, bald 
rein, bald schieferig gemengt. 

4) Obere Zone der Schiefer-Kalksteine, im Tun- 
nel 2275,2 M. mÀchtig. Es ist die grösste, aber auch die 
einförmigste Zone. 

5) Mittlere Zone der Schiefer-Kalksteine, im 
Tunnel 2610 M. mÀchtig. Hier ist bald der Schiefer, "bald 
der Kalkstein vorherrschend; das ÜCharakteristische EN 
Zone ist die Quarzbeimengung, welche beim Lösen 
des Kalksteins in SalzsĂ€ure als Sand zurĂŒckbleibt. 

6) Untere Zone der Schiefer-Kalksteine. Mit 
vorherrschendem Kalkstein; im Tunnel 3500 M. 
mÀchtig. 

Die meisten Zonen gehen allmĂ€hlig in einander ĂŒber, so 
dass keine feste Grenze bestimmt werden kann, doch geht 
aus den von Elie de Beaumont beigebrachten Einzelnhei- 
ten hervor, dass die vom Tunnel durchschnittenen Gesteine, 
abgesehen von besonderen EigenthĂŒmlichkeiten, doch ein Gan- 
zes bilden und zu einer Formation gehören. 

Die Schichten sind im Tunnel bis zu 50° aufge- 
richtet. Dadurch enstanden Reibungen, deren Spuren man 
noch oft entdeckt. Die Schichten sind auch öfters wellig 
gestaut), aber grosse Faltungen des Systems sind nicht vor- 
handen. Denn obgleich die 6 Zonen einander Àhnlich sind, 
ist die EigenthĂŒmlichkeit jeder einzelnen doch hinreichend 
ausgeprÀgt, um sie nicht mit einander zu identificiren. 


Bemerkungen ĂŒber Chloralhydrat. 1 


Um die MĂ€chtigkeit der ganzen Masse‘ kennen zu ler- 
nen, braucht man also nur, da eine Faltung des ganzen 
Systems nicht vorhanden ist, die MĂ€chtigkeit der einzelnen 
Schichten zusammenzuzÀhlen und findet man auf diese Weise, 
dass das Schichtensystem, der LĂ€nge von 12200 M. des 
schrÀg hindurchsetzenden Tunnels entsprechend, eine directe 
MĂ€chtigkeit von mindestens 6990,8 M. hat, dieselbe muss 
aber, da auf beiden Ausgangsseiten des Tunnels die Forma- 
tion noch vorhanden ist, ohne denselben erreicht zu haben, 
auf mehr als 7000 M, geschÀtzt werden, so dass also die Höhe 
des Mont-Cenis, wie ĂŒberhaupt bei all den Bergen dieses 
Theils der Alpen, weit zurĂŒckbleibt gegen die MĂ€chtigkeit 
des Schichtensystems, von dem einzelne Schichten zu seinem 
Aufbau gedient haben. (Der Naturforscher V, 1.). 

Hbg. 


Bemerkungen ĂŒber Chloralhydrat. 


Nach Mittheilungen von Robert Fairthorne kommt 
in Philadelphia das Chloralhydrat in drei verschiedenen For- 
men vor. Das aus deutschen Fabriken bildet grosse, glatte 
Massen, mit schimmernder BruchflÀche. Eine zweite Form hat 
rhomboidale, tafelföormige Krystalle. Das amerikanische Hydrat 
kommt meist in kleinen nadelförmigen Krystallen vor, welche 
frisch durchsichtig sind, spÀter undurchsichtig werden, den Geruch 
Àndern, sich schwerer in HO lösen und die Nasenschleimhaut 
irritiren. — Wird wenig Chloralhydrat auf einem ÖbjecttrĂ€- 
ger geschmolzen, so erstarrt es krystallinisch und zeigt dann 
unter dem Mikroskop rhombische Tafeln, zum grössten Theile. 
aber nadelförmige Krystalle, die zu BĂŒscheln glĂ€nzender 
Prismen vereinigt sind. Reines Chloralhydrat brennt beim 
Erhitzen ĂŒber der Spiritusflamme in einem Löffel nicht an 
(Rickher), wohl aber real das Hydrat verdunstet 
ohne RĂŒckstand. 


Die wÀssrige Lösung wird durch Bleiessig gefÀllt. Es 
löst sich leicht in Alkohol, Aether, Terpenthinöl, Benzol, 
Schwefelkohlenstoff und fetten Oelen; die Lösungen in den 
letzten Mitteln dĂŒrften zu topischen Anwendungen bei schmerz- 
haften Leiden dienen können. SchĂŒttelt man gleiche 
Theile Campher und Chlorhydrat in einem GefÀsse und stellt 
es dann ruhig bei Seite, so bildet sich eine klare Lösung. 
Wird Chloralhydrat mit SchwefelsÀure gemischt, so bedingt 


72 BenzoösÀuregehalt des Gaswassers. 


dies eine erhebliche Temperaturherabsetzung. Das Chloral 
in reinem Zustande, wie auch seine wÀssrige Lösung lösen 
reichlich Morphin; concentrirte Chloralhydratlösung löst Chi- 
nin in betrÀchtlicher Menge (1:15), ebenso Oinchonin, Strych- 
nin, Veratrin, Aconitin und Atropin. Die Chininlösung fluo- 
rescirt, jedoch weniger stark, als eine wÀssrige schwefelsaure 
Chininlösung. Eine Mischung von Chloralhydrat und Glyce- 
rin giebt nach einigen Stunden eine krystallinische Masse. 
Chloralhydrat ist ein gutes Lösungsmittel fĂŒr Campher 
und ÜarbolsĂ€ure, der Geruch der letzteren wird dadurch ge- 
schwÀcht, ihre Löslichkeit in Wasser hingegen erhöht. Durch 
SchwefelsÀurezusatz bildet sich in der auf diese Weise erhal- 
tenen CarbolsÀurelösung eine rosenrothe, feste Masse, Bei 
gelindem ErwÀrmen löst sich auch BenzoesÀure in Chloral 
und giebt beim Erkalten schöne, glÀnzende Krystalle. Bringt 
man eine concentrirte Lösung von saurem chromsauren Kali 
mit Chloral zusammen und erhitzt, so entsteht auf NO°- Zu- 
satz allmÀhlig eine blaue Farbe; durch Zusatz von HŸN im 
Ueberschuss geht die Farbe ins Johannisbeerroth ĂŒber. Wird 
Chloroform in dieser Weise behandelt, so entsteht eine dun- 
kele, orange Farbe, die sich auf Ammoniakzusatz nicht Àndert. 
Aetznatron, zu einer Mischung von Chloral und ChromsÀure 
gebracht, fĂ€rbt dieselbe hellgrĂŒn; Aetzkali hingegen (in grossen 
Mengen) blau. Erhitzt man Alkohol mit Kalibichromat und 
SalpetersÀure, so bildet sich nach Zusatz von Aetznatron im 
Ueberschuss eine grĂŒne Farbe, die rasch ins Braun ĂŒbergeht. 
(Amer. Journ. of Pharm. 1871. Oct. 1, p. 446; daraus im 
Jahrb. fĂŒr Pharmac. Bd. XXXVII, Heft 2, ». 100.). 
Chloralhydrat wird, mit Fett gemischt, als Salbe, sowie 
als Lösung in Olivenöl in Jena schon lange Àusserlich gegen 
Rheuma angewandt. 0. Schulze. 


.. .. En 
Benzo&sÀuregehalt des Gaswassers. 


Nach H. Reinsch wird bei der Behandlung des Gas- 
wassers mit Gyps bei einer Temperatur von 50° das kohlen- 
saure Ammoniak des Gaswassers vollkommen unter OO02-Ent- 
wickelung zersetzt und man erhÀlt eine gelblich gefÀrbte, stark 
nach Theer riechende Lösung von schwefelsaurem Ammoniak, 
die theerigen Bestandtheile lassen sich kaum von dem Ammo- 
niaksalze trennen; wird die Lösung aber bei mÀssiger Tem- 


Wirk.d.Lichtes aufRohrzucker. — Wirk. d. Sonnenlichts aufd. Olivenöl. 73 


peratur eingetrocknet, bis keine WasserdÀmpfe mehr entweichen, 
und die Masse in einer Porzellanschale mit aufgelegter Glim- 
merplatte erhitzt, so fÀrbt sie sich erst rosenroth, dann 
purpurroth und die Glimmerplatte bedeckt sich mit einer fei- 
nen Schicht glĂ€nzender Nadeln von BenzoĂ€@sĂ€ure; ĂŒber 
der Salzkruste findet sich ein wolliges Sublimat, welches aus 
Salmiak und schwefelsaurem Ammoniak besteht. (Jahrb. fĂŒr 


Pharmacie. Bd. XXXVII, Heft 2, p. 85.). ©. Schulze. 


Wirkung des Lichtes auf Rohrzucker. 


Man nimmt allgemein an, dass eine Lösung von hohr- 
zucker, wenn sie gegen die Einwirkung von Fermenten 
geschĂŒtzt ist, unbeschrĂ€nkt ihren Geschmack und ihre chemi- 
schen Eigenschaften behÀlt; dies ist jedoch nach Raoult ein 
Irrthum. Er hat mehre Male beobachtet, dass eine Rohr- 
zuckerlösung ohne die geringste GÀhrung sich mit der Zeit 
verÀndert und mehr oder weniger vollstÀndig in Glykose 
umwandelt. Ein Versuch, den er hierĂŒber anstellte, belehrte 
ihn ferner, dass diese Umwandelung nur unter Einwir- 
kung des Lichts stattfindet. Von 2 Portionen derselben 
Zuckerlösung wurde die eine im Dunkeln, die andere dicht 
daneben. im Lichte hingestellt und nach fĂŒnf Monaten unter- 
sucht. Es zeigte sich dann, dass nur die dem Lichte ausgesetzte 
Lösung sich langsam in Glykose verwandelt hatte, wÀhrend 
die im Dunkeln aufbewahrte ganz unverÀndert geblieben 
war. (Der Naturforscher V, 3.). Hobg. 


Wirkung des Sonnenlichts auf das Olivenöl. 


Auf Veranlassung und unter Leitung des Prof. Sestini 
hat Luigi Moschini Versuche ĂŒber den chemischen 
Einfluss des Sonnenlichts auf das Olivenöl angestellt, und 
ist dabei zu den folgenden Ergebnissen gelangt. 

1) Ein Monat genĂŒgte, um das Oel unter dem Einfluss 
des Sonnenlichts ganz zu entfÀrben, VerÀnderungen des spe- 
eifischen Gewichts wurden dabei nicht wahrgenommen, Wird, 


74 Ueber das indische Geraniumöl. 


das so entfÀrbte Oel mit SchwefelsÀure (Dichte 1,63) behan- 
delt, so fĂ€rbt es sich nicht grĂŒnlich, sondern rothgelb; mit 
SalpetersÀure oder Natronlösung behandelt, nimmt es statt 
der gewöhnlichen. grĂŒnen, resp. hellgelben FĂ€rbung eine 
weissliche an. Hs ’ 


2) Wird das Oel in offnem GefÀsse dem Sonnenlicht aus- 
gesetzt, so behÀlt es auch nach Verlauf eines Monats die 
FÀhigkeit, sich unter dem Einfluss von SalpeterdÀmpfen zu 
verdichten; dauert die Einwirkung zwei oder drei Monate, 
so bleibt das entfĂ€rbte Oel flĂŒssig, auch unter Einwirkung 
einer mit salpetrigen DÀmpfen geschwÀngerten Lösung von 
salpetersaurem Quecksilberoxydul. 

3) Das vom Sonnenlicht entfÀrbte Oel reagirt stark 
sauer, hat leicht ranzigen Geruch und Geschmack, und 
löst das Anilinroth leicht auf, wobei es sich intensiv fÀrbt. 


Daraus geht hervor, dass das Olivenöl vermittelst Sal- 
petersÀure, SchwefelsÀure und Aetznatron, nur wenn es sich 
im Normalzustande befindet, von anderen ÖOelsorten unter- 
schieden werden kann; dass die von Jacobson zur Ermitte- 
lung des Vorhandenseins freier FettsÀuren in gefÀlschtem 
Oele anempfohlne Anwendung des Anilinroths dazu fĂŒhren 
könnte, ein Oel fĂŒr verfĂ€lscht zu halten, das einige Zeit dem 
Sonnenlicht ausgesetzt war und etwas ranzig geworden ist. 


Das Olivenöl in seinem Normalzustande enthÀlt einen 
gelblichen Stoff in Lösung, den die SĂ€uren grĂŒn 
fÀrben, und den das Sonnenlicht so zersetzt, dass er weder 
gegen die SĂ€uren noch gegen das Aetznatron mehr seine 
charakteristische Reaction Àussert. Ausserdem bilden sich 
unter dem vereinigten Einfluss des Sonnenlichts und Sauer- 
stofis freie SĂ€uren. (Die landwirthschaftlichen Versuchssta- 
tionen XV, 1. 8.1.) 

Albg. 


Ueber das indische Geraniumöl 


sind von Dr. Oscar Jacobson Untersuchungen angestellt 
worden. Das verwendete Oel war kĂ€ufliches, ziemlich dĂŒnn- 
flĂŒssig, von grĂŒnlichgelber Farbe und angenehm rosenartigem 
Geruch; es reagirte sehr schwach sauer und zeigte 0,837 spec. 
Gew. bei 20% Es gelang nicht, durch lĂ€ngeres AbkĂŒhlen 


Ueber das indische Geraniumöl. 15 
eine feste Substanz daraus abzuscheiden. Das Oel zeigte 
durchaus keine Wirkung auf das polarisirte Licht. 

Bei der fractionirten Destillation ging zwischen 90° und 
120° nur etwas Weingeist ĂŒber (etwa 8 Proc. von der 
ganzen Menge des rohen Oeles), dann stieg das Thermometer 
rasch bis ĂŒber 200°. Die bei Weitem grösste Menge destil- 
lirte zwischen 210 und 240° Bei 250° blieb nur noch ein 
geringer, brauner, dickflĂŒssiger RĂŒckstand, der bei stĂ€rkerem 
Erhitzen stechendriechende, sauer reagirende DĂ€mpfe gab. 

Ein anderswoher bezogenes Geraniumöl war etwas dicker- 
flĂŒssig als das erste, reagirte deutlicher sauer und zeigte bei 
20° das spec. Gew. 0,910. Es enthielt keinen Weingeist, 
so dass unterhalb 200° fast gar kein Destillat erhalten wurde; 
dagegen blieb selbst nach dem Erhitzen auf 270° eine be- 
trĂ€chtliche Menge Oels in der Retorte zurĂŒck, welches sich . 
als fettes Oel, verunreinigt mit etwas Harz, ergab. Nach 
R. Baur kommt das Geraniumöl sehr hÀufig mit Nussöl 
verfÀlscht in den Handel.-. In dem vorliegenden Falle betrug 
die VerfÀlschung reichlich 20 Procent, 

In beiden Oelen liessen sich Spuren von Kupfer 
nachweisen, die an der grĂŒnlichen FĂ€rbung des Oeles bethei- 
ligt sein mögen. 

Die in dem 2. Oele enthaltene, freie SĂ€ure wurde durch 
SchĂŒtteln des unterhalb 210° erhaltenen Destillats mit Kali- 
lauge und Destillation der verdunsteten FlĂŒssigkeit mit Schwe- 
felsÀure abgeschieden und als ValeriansÀure erkannt. 

Im Widerspruch mit den Angaben Gladstone’s, dass 
„das Geraniumöl mehre durch Destillation kaum zu trennende 
Oele enthalte,“ wurde aus dem bei 210 bis 240° destillirten 
Hauptantheile des rohen Oels durch wiederholte fractionirte 
Destillation mit Leichtigkeit als einziger wesentlicher Bestand- 
theil eine ganz constant bei 232 bis 2330 siedende FlĂŒssig- 
keit erhalten, deren Analyse zu der Formel C1°H!ÂźO fĂŒhrte. 
Danach ist dieses Oel, das Geraniol, isomer mit dem Bor- 
neol und mit den wesentlichen Bestandtheilen des GCajeput- 
öls (Blanchet, Ann. Ch. Pharm. 19,224), des Hopfenöls 
(Wagner, Journ. f. pract. Chem. 58, 351), des Korian- 
deröls (Kawalier, Ann. Ch. u. Pharm. 84, 351) und des 
Oeles von Osmitopsis asteriscaides (Gorup-Besa- 
nez, Anf. Ch. Pharm. 89, 214.). 

Das Geraniol, U!°H!5O, ist eine farblose, stark licht- 
brechende FlĂŒssigkeit von sehr angenehmem Rosengeruch, 
unlöslich in Wasser, mischbar in allen VerhÀltnissen mit Al- 
kohol und Aether. 


76 Ueber das indische Geraniumöl. 


Es wird bei— 15°C. noch nicht fest. Sein Siedepunkt 
(232 bis 233°C.) liegt höher als der irgend eines jener isomeren 
Oele. Es ist optisch unwirksam. An der Luft verÀndert es 
sich nur sehr allmÀhlig unter Aufnahme von Sauerstoff und 
hinterlĂ€sst dann bei der Destillation eine braune dickflĂŒssige 
Masse, wie sie auch aus dem rohen Geraniumöl in wechseln- 
den Mengen zurĂŒckbleibt. 

Spec. Gew. = 0,8851 bei 15° C. und = 0,8813 bei 
21048. 

Mit Chlorcalcium bildet das Geraniol eine krystalli- 
sirbare Verbindung CaCl,C10H130, in der es gewissermassen 
das Krystallwasser vertritt. Man erhÀlt sie, wenn man frisch 
geschmolzenes und gepulvertes CaCl mit Geraniol auf höch- 
stens 50° erwÀrmt und die in trockner Luft filtrirte Lösung 
lĂ€ngere Zeit auf — 10° abkĂŒhlt. Diese Verbindung wird 
durch stÀrkeres Erhitzen und durch Wasser sofort zerlegt. 

LĂ€sst man Geraniol auf schmelzendes Kalihydrat tropfen, 
so entsteht valeriansaures Kali. Auch bei lÀngerem 
Kochen des Geraniols mit Kalilauge oder Barytwasser wird 
ValeriansĂ€ure in geringer Menge gebildet. Beim SchĂŒt- 
teln mit kalter, neutraler Lösung von ĂŒbermangans. Kali löst 
sich das Geraniol vollstÀndig auf; die filtrirte Lösung enthÀlt 
valeriansaures Kali und, falls die ErwÀrmung nicht ver- 
mieden wurde, auch EssigsÀure und andere Glieder der 
Reihe der fetten SĂ€uren. 

TrÀgt man Geraniol allmÀhlig in ein heisses Gemenge 
von chromsaurem Kalı und verd. SchwefelsÀure ein, so destil- 
lirt eine stark saure FlĂŒssigkeit, welche neben wenig Va- 
leriansĂ€ure fast nur EssigsĂ€ure enthĂ€lt; im RĂŒckstande 
ist BernsteinsÀure enthalten, die sich durch grosse Men- 
gen Aether demselben entziehen isst, 

Mit SalpetersĂ€ure von 1,20 erhitzt, tritt Ă€usserst hekiße 
Einwirkung ein; es bilden sich Nitrobenzol, BlausÀure, 
eine gelbe, harzige SÀure und OxalsÀure, aber keine 
der CamphersÀure entsprechende Verbindung. 

Mit PO5 oder ZnCl destillirt, liefert das Geraniol einen 
Kohlenwasserstoff = C10H1#, das Geranien; dieses siedet bei 
162 bis 164°, bildet eine farblose, leichtbewegliche FlĂŒssig- 
keit, von einem an frische Möhren erinnernden Geruch, 0,842 
bis 0,843 spec. Gew. bei 20°C. und ist optisch uhwirksam; 
Dampfdichte bei 237° bestimmt — 4,93. Es oxydirt sich an 
der Luft unter reichlicher Ozonbildung rasch. 

Das Geraniol zeigt in seinem chem. Verhalten grosse 
Uebereinstimmung mit dem Borneol, gleich welchem es nach 


Ueber das indische Geraniumöl. 77 


seinen meisten Reactionen, als ein einatomiger Alkohol 
C1°H!?OH betrachtet werden kann. Der physikalische Un- 
terschied, dass das Geraniol flĂŒssig und optisch unwirksam 
ist, wiederholt sich in fast allen seinen Abkömmlingen. 

Das Geraniolchlorid C!°H1?’ÜC] entsteht bei Einwir- 
kung von SalzsÀuregas oder starker wÀssriger SalzsÀure auf 
Geraniol. Es ist eine ölartige FlĂŒssigkeit von gelblicher Farbe 
und camphorartig aromatischem Geruch, spec. Gew. 1,020 bei 
20°. Noch bei — 15 nicht fest. Salpeters. Silberoxyd im 
alkohol. Lösung fÀllt schon in der KÀlte augenblicklich und 
vollstÀndig das Chlor als Chlorsilber. 

Durch die Leichtigkeit, mit der es Doppelzersetzungen 
erleidet, bietet es einen einfachen Weg zur Darstellung ande- 
rer analoger Verbindungen. Geraniolbromid C!’H!”Br 
und Geranioljodid O10H!’J entstehen, wenn das Chlorid 
in alkohol. Lösung bei gewöhnl. Temp. mit KBr oder KJ zer- 
setzt wird. Aus der vom gebildeten KCl abfiltrirten FlĂŒssig- 
keit scheidet Wasser diese Verbindungen als schwere ölige 
FlĂŒssigkeiten ab. Sie zeigen noch leichter Doppelzersetzung 
als das Chlorid; das Jodid brÀunt sich an der Luft und am 
Lichte. 


Aehnliche, leichtzersetzbare FlĂŒssigkeiten sind das Ge- 
ranioleyanid und Geraniolrhodanid. Auch das 
valerians., zimmts. und benzoÀs, Geraniol wurde dar- 
gestellt. Es sind angenehm riechende, ölartige FlĂŒssigkeiten. 
Zimmts. und benzo&s. Geraniol sind dickflĂŒssig, auch 
noch bei — 10°C. -Keiner dieser Aether ist unverĂ€ndert 
destillirbar. Sie lassen sich auch darstellen durch mehrstĂŒn- 
diges Erhitzen des Geraniols mit ĂŒberschĂŒssiger BenzoösĂ€ure 
oder ZimmtsÀure auf 200° und Waschen des Productes mit 
verd. Sodalösung. 

GeraniolÀther C?°H3+0. Erhitzt man Geraniolchlo- 
rid mit Geraniol, oder auch mit seiner 3 bis 4fachen Menge 
Wasser in zugeschmolzenen Röhren einige Zeit auf 180 bis 
200° so wird dieser Aether gebildet. Er entsteht auch bei 
der Zersetzung des Geraniolchlorids mittelst alkoh. Ka- 
lilauge. Man muss durch lÀngeres ErwÀrmen diese Zersetzung 
unterstĂŒtzen; das durch Wasser abgeschiedene und getrock- 
nete Product ist ĂŒber AetzkalkstĂŒckchen zu rectifieiren. Es 
ist eine farblose, auf Wasser schwimmende FlĂŒssigkeit von 
pfefferminzartigem Geruch, bei 187 bis 190° C. siedend. 

Geraniolsulfid 02°HŸ#S entsteht bei der Zersetzung 
des Chlorids mittelst einer alkoh. Lösung von Einfachschwefel- 


73 Daszuckerums,, glykosebild. Ferment d. Bierhefe. — Ueb. kĂŒnstl. Alizarin. 


kalium als eine gelbliche, im Wasser untersinkende FlĂŒssig- 
keit von ausnehmend unangenehmem Geruch. Sie giebt mit 
Quecksilberchlorid eine in Alkohol unlösl. Verbindung. (An- 
nalen d. Chem. u. Pharm. Febr. 1871, Bd. 157, 8. 232 bis 
239.). i H.L. 


Das zuckerumsetzende, glykosebildende Ferment der 
Bierhefe. 


In der chemischen Section der letzten deutschen Na- 
turforscher - Versammlung zeigte Hoppe-Seyler das von 
ihm aus Bierhefe abgeschiedene Ferment, welches die Ueber- 
fĂŒhrung des Rohrzuckers in Trauben- und Fruchtzucker 
bewirkt. Dasselbe stellt ein weisses, in Wasser lösliches 
Pulver dar, welches im trocknen Zustande und unter Alkohol 
unverÀndert aufbewahrt werden kann. Die lebende Bierhefe 
hĂ€lt dasselbe zurĂŒck und giebt es an Wasser nicht ab; tödtet 
man dieselbe indessen durch Zusatz von etwas Aether, so 
lÀsst sich das Ferment leicht durch Wasser ausziehen und 
kann aus der Lösung gewonnen werden. Die wÀssrige Lö- 
sung bewirkt rasch die Umwandlung des Rohrzuckers, und 
der Redner wies an einer im Soleil’schen Polarisations - Appa- 
rate befindlichen Rohrzuckerlösung, die er mit etwas klar 
fltrirter Fermentlösung versetzte, in Verlauf von etwa einer 
Stunde eine starke Verminderung der Rechtsdrehung nach. 
(Der Naturforscher). | Hbg. 


Ueber kĂŒnstliches Alizarin. 


Den Farbstoff, welchen man entweder nach GrĂ€be’s 
und Liebermann’s ursprĂŒngl. Verfahren oder aus der Sul- 
fosÀure des Anthrachinons erhÀlt, hat Perkin stets als Ali- 
zarın angesprochen. Man hat jedoch die IdentitÀt dieses 
Stoffes mit Krappalizarin in Frage ziehen wollen. Per- 
kin hat desshalb einige Versuche darĂŒber angestellt und die 
2 Producte aufs SorgfĂ€ltigste neben einander geprĂŒft. Zu 
diesem Zwecke verwendete er sowohl gereinigtes sublimirtes, 


Ueber kĂŒnstliches Alizarin. 79 


als unsublimirtes kĂŒnstliches Alizarin und zum Vergleich ge- 
reinigtes sublimirtes Alizarin aus Krappextract. 


Beide, natĂŒrl. wie kĂŒnstl. Alizarin krystallisiren in Na- 
deln, die gewöhnl. gekrĂŒmmt erscheinen, namentl. wenn sie 
klein sind. 

Beide bilden mit Àtzendem Alkali violette Lösungen 
von gleichem Farbenton. 


Auf gebeizten Zeugen bringen beide die gleichen Farben 
hervor, die gleichmÀssig die Behandlung mit Seife ertragen; 
beide besitzen gleichen FĂ€rbewerth. 

In Alkohol gelöst, erzeugen sie mit essigs. Kupferoxyd 
purpurfarbige Lösungen von genau gleicher FarbennĂŒance. 
Mit _ dem Spectroskop erzeugen ihre kalischen Lösungen die 
gleichen AbsorptionsbÀnder. 


Endlich giebt das prÀcipitirte Alizarin aus Anthracen 
bei Zersetzung mit SalpetersÀure ebenfalls PhtalsÀure. 

Nach den erwĂ€hnten Reactionen mĂŒssen wir kĂŒnstl. und 
natĂŒrl. Alizarin als einander völlig gleich ansehen. 

Neben Alizarin ist die einzige fÀrbende Substanz des 
Krapps, welche die Schönheit der Farben nicht beeintrÀchtigt, 
das Purpurin. Dasselbe ist in vielen Eigenschaften vom 
Alizarin verschieden. Es löst sich z. B. in Alkalien mit hell- 
rother Farbe (wÀhrend Alizarin eine schön violette Lö- 
sung giebt). Seine Lösung in Alaun ist blassroth mit gelber 
Fluorescenz (Alizarin ist in Alaun nahezu unlöslich). Seine 
optischen Eigenschaften sind auch sehr charakteristisch und 
von denen des Alizarins verschieden; ganz besonders ist diess 
der Fall mit seiner Lösung in Alaun, deren Spectrum im 
grĂŒnen Theil .2 AbsorptionsbĂ€nder zeigt; Alizarin giebt solche 
nicht. Prof. Stokes hat gezeigt, dass diese Unterschiede so 
ausgesprochen sind, dass man Alizarin und Purpurin 
nachweisen kann in einer Krappmenge nicht so gross wie 
ein Stecknadelkopf. Es ist daher die Entdeckung eines je- 
den dieser Farbstoffe auf einem mit Krapp gedruckten StĂŒck 
nicht schwer. Dr. Schunk bemerkt, er sei durch eine lange 
Reihe von Versuchen zu dem Schlusse gekommen, dass das 
Endresultat der KrappfÀrberei lediglich in der Verbin- 
dung von Alizarin mit den verschiedenen angewendeten 
Beizen bestehe; er empfiehlt als den leichtesten Weg, Aliza- 
rin im Kleinen rein zu gewinnen, das Ausziehen desselb. 
aus Krappdrucken. 

Perkin hat in dieser Beziehung einige Versuche gemacht 
und auf fertigem Krappdruck nur Alizarin gefunden; selbst 


80 Ueber kĂŒnstliches Alizarın. 


mit dem Spectroskop konnte er Purpurin nicht darın ent- 
decken. Man kann sich davon leicht ĂŒberzeugen, wenn man 
aus einem mit Krapp gefÀrbten Stoff die Beize mit HCl ent- 
fernt und nun den Farbstoff aus dem Zeug mit Kalilauge 
auszieht; man wird dann eine blauviolette Lösung erhal- 
ten, wie mit reinem Alizarin. WĂ€re Purpurin in irgend 
nachweisbarer Menge vorhanden, so wĂŒrde die Farbe der 
Lösung sich mehr und mehr dem Purpurroth nÀhern, 
entsprechend dem Procentgehalt an Purpurin. Es soll damit 
nicht behauptet werden, dass Purpurin niemals auf mit Krapp 
oder Garanein gefĂ€rbtem Zeuge vorkomme, aber darĂŒber kann 
kein Zweifel sein: je Àchter und brillanter die Farbe, desto 
reiner ist das Alizarin, das sich mit den Beizen verbun- 
den hat. 

Die SulfoxanthrachinonsÀure C!?H°O?OH.SOŸH 
giebt unter gewissen UmstÀnden ein Absorptionsspectrum, 
dem des Alizarins so Ă€hnlich, dass man sie bei der PrĂŒ- 
fung mit dem Prisma leicht mit ihm verwechseln könnte. 

Auf dem nebenstehenden Holzschnitt ist zu sehen, dass 
diese SÀure, in alkohol. Kali gelöst, 2 AbsorptionsbÀnder von 
nahezu gleicher Lage giebt, wie bei Alizarin unter gleichen 
UmstÀnden. 

Sie lÀsst sich jedoch von letzterem unterscheiden, wenn 
zur Untersuchung Lösungen in wÀssrigem Kali ange- 
wendet werden; dann giebt sie ein 3. Absorptionsband nahe 
bei E, das, wenn auch nicht sehr dunkel, doch vollkommen 
deutlich ist. Alizarin in wÀssrigem Kali bewirkt eine 
mehr gleichmÀssige Lichtabsorption und die BÀnder sind nicht 
so scharf wie bei der alkohol. Lösung. 

Nach Prof. Stokes ist auch in diesem Falle ein drit- 
tes Absorptionsband zu bemerken, das aber so schwach ist, 
dass es sich in der allgemeinen Dunkelheit fast verliert. 


In ihren chemischen Eigenschaften unterscheidet sich 
die SulfoxanthrachinonsÀure wesentlich vom Alizarin, 
denn sie ist m Wasser löslich und unlöslich in Aether, wÀh- 
rend Alizarin sich gegen diese Lösungsmittel umgekehrt ver- 
hĂ€lt. (Ann. Chem. Pharm. Juni 1871, 158, 315 — 319.). 


H. I 


81 


mil 


I. Alizarin in alkoholischem Kalı. 

II. SulfoxanthrachinonsÀure in alkoholischem Kali. 
II. Pr in wÀssrigem Kali. 
IV. Purpuri in in schwefelsaurer Thonerde. 


HL 


Arch, d. Pharm. CO, Bds. 1. Hft. 6 


32 


II. Botanik und Pharmacognosie. 


Ueber: den Greisenschmuck der BĂ€ume. 


Im Landschaftsbilde spielen auch die Flechten eine nicht 
zu unterschÀtzende Rolle. Mitten unter ihnen befinden wir 
uns, wenn wir in einen Gebirgswald eintreten. Hier schwe- 
ben sie in langen grĂŒngrauen oder gelblichen BĂ€rten von 
den Aesten der BĂ€ume hernieder und sie sind es, die oben 
im Gebirge nicht selten dem Nadelwald sein schönes, mÀnn- 
lich krĂ€ftiges Ansehen entreissen und ihm dafĂŒr ein greisen- 
haftes verleihen. 


Sie sind in Folge dessen auch von den poetisch - mysti- 
schen Anschauungen unserer Vorfahren in ihren WaldmÀhr- 
chen verwendet worden, denn RĂŒbezahl mit dem grauen 
Barte im Riesengebirge ist sicher nichts Anderes, als eine 
Personification des Tannenwaldes, den die Bartflechten grei- 
senhaft verzieren; etwas Aehnliches haben die Finnen in 
ihrem Waldgott Tapicc. Auch an den ObstbÀumen unserer 
GĂ€rten treten uns die Flechten entgegen, ebenso an den 
BĂ€umen der Strassen. Die Flechten sah man frĂŒher als eine 
Art krankhafter AusschlÀge am Baume an; jetzt erkennen 
wir sie als pflanzliche Gebilde, die auf der aussen abgestor- 
benen Baumrinde haften. An diese fliegen Flechtensporen an 
und entwickeln sich in rastlosem Wachsthum. An den Obst- 
bĂ€umen finden wir die Rinde zunĂ€chst ĂŒberzogen mit gelb- 
lichen, grauen und grĂŒnlichen Parmelien, besonders mit 
der gelben Wandflechte oder Steinschildflechte 
(Parmelia parietina und P. saxatilis); an alten Wei- 
den fehlt selten P. pulverulenta und P. stellaris, an 
Ă€lteren Linden finden wir fast immer P. tiliacea; die Pap- 
peln an den ÜChausseen lassen an sich wohl immer Ana- 
ptyehia eiliaris und Parmelia olivocea auffinden, 


Ueber den Greisenschmuck der BĂ€ume, 8 


erstere leicht kenntlich an ihren grossen scheibenförmigen, 
reich bewimperten FrĂŒchten. An alten EichenstĂ€mmen sieht 
man die dichten RĂ€schen der vielfach zerschlitzten Ever- 
nia prunastri und den glatten Buchenstamm ziert in 
grösseren Waldungen die breitrÀndrige verzweigte Lungen- 
tlechte mit ihren schön rothen FrĂŒchten, wĂ€hrend die gru- 
big runzligen Ramalinen mit den langen zerschlitzten 
BĂ€ndern und den blassen Fruchtscheiben allerorten herab- 
hÀngen. 

Aber nun erst der Nadelwald, wie ihn das rauhe Ge- 
birge trÀgt, da ist die eigentlich greise Bebartung so recht 
heimisch, Hier die dĂŒster graue, staubigrauhe Evernia 
prunastri fusslang herabhÀngend, die bepuderte Usnea 
barbata mit ihren pfenniggrossen Fruchtscheiben, von wel- 
cher man eine bis 14 Fuss lange VarietĂ€t „longissima“ 
nennt. Letztere ist es ganz besonders, die dem Fichtenwalde 
seinen eigenthĂŒmlichen Charakter giebt und an der die Er- 
innerung des Dichters hÀngt, wenn er in Elegien den wilden 
Nadelwald besingt. Noch feiner als der Moosbart ist der 
MĂ€hnenbart, der mit jenem vermischt vorkommt, 

Hinter dem bergenden Schutze dieser Flechten bauen die 
Vögel und verwenden die Fasern derselben zu ihrem Nest- 
baue; in ihrem Gewirre verkriechen sich Raupen; selbst der 
Edelmarder verbirgt sich hinter und zwischen ihnen vor dem 
Rohre des SchĂŒtzen. — Durch kleine Haftfasern oder Haft- 
scheiben, die sich ĂŒber ihre Unterseite verbreiten, sind die 
Flechten aufs Innigste mit der Rinde der BĂ€ume verwachsen. 
Sie sind aber keineswegs Schmarotzer, sondern fĂŒhren haupt- 
sÀchlich ein Luftleben, denn von der Unterlage abge- 
rissen und an FÀden aufgehÀngt, wachsen sie weiter; sie 
entnehmen der Luft KohlensÀure, Ammoniak und Wasser- 
dampf. 

Ein Einfluss der Unterlage auf sie besteht vielleicht im 
ersten Entwickelungsstadium, spÀter schwerlich. Feuchtigkeit 
lieben sie ĂŒber Alles; desshalb vegetiren sie hauptsĂ€chlich im 
FrĂŒhling, Herbst und Winter; im Sommer verfallen sie in 
einen Scheintod. . 

Der SĂŒden beherbergt nur wenige von ihnen; hier sie- 
deln sie sich auch an BlÀttern an. Ihre eigentliche Hei- 
math ist der Norden. Da, wo endlich aller Baumwuchs auf- 
hört, sind sie noch die einzigen Pflanzen, die die Felsen 
bekleiden (vergl. Arch. Pharm. Febr. 1872, 8. 171 -— 175). 

Man unterscheidet drei Hauptformen der Flechten. Die 
erste ist die der Strauchflechten: hierher die Bart- 


6* 


84 Ueb.d. Bereit. u. d. Eigenschaften d. verschied. Arten d. chines. Thee’s, 


flechte; mit dieser. vereint, findet sich gewöhnlich die etwas 
feinere MĂ€hnenflechte, ferner die Bandflechte Evernia, 
die Astflechte Ramalina. 

Die 2. Hauptform ist die der Laubflechten; hierher 
die islÀndische Flechte, welche indess auf der Erde 
wÀchst; ferner die gemeine gelbe Schildflechte, die Lungen- 
flechte (Stieta pulmonaria) und Nephroma tomentosa. 

Die 3. Hauptform ist die der Krustenflechten; zu 
ihnen gehören die Schriftflechten, welche arabischen oder 
hebrĂ€ischen SchriftzĂŒgen nicht unĂ€hnlich sehen. (Dr. Zim- 
mermann; 11. Jahresb. d. Erzgeb. G. V., Chemnitz. Deutsche 
Gartenzeitung, Erfurt, 1871, Nr. 49, S. 389.). HB: 


Ueber die Bereitung und die Eigenschaften der ver- 
schiedenen Arten des chinesischen Thee’s. 


Nach E. Porter Smith ist der chinesische Theestrauch, 
Thea cantoniensis s. Thea viridis durchaus nicht seit 
undenklichen Zeiten im Gebrauch und Cultur, vielmehr be- 
diente man sich zuerst der CichorienblÀtter, der Stech- 
palme, der Sageretia theezans Brogn.. (Rhamnus 
theezans L.), — letztere dienen in China noch heute als 
Theesurrogat — u. a. Pflanzen zu AufgĂŒssen, die dann als 
Genussmittel Verwendung fanden. Im 17. Jahrhunderte dehnte 
sich der Anbau des Theestrauchs so aus, dass er mit einer 
Steuer belegt wurde, die jedoch diejenige der Kornfelder in 
der Höhe nicht erreichte. Der Theestrauch findet sich in der 
Provinz Hupeh als immergrĂŒner, kleiner, verkĂŒmmerter, 1 
bis 3 Fuss hoher Strauch, mit unbestimmten Mengen junger 
Schusstriebe, welche glÀnzende, eiförmig zugespitzte und 
unregelmÀssig gesÀgte BlÀtter tragen. Er wÀchst nament- 
lich in solchen Distrieten, die ein hĂŒgeliges oder terras- 
senförmiges Terrain und rotben Sandboden haben, wo 
wegen Schwierigkeiten der BewÀsserung kein Reis gebaut 
werden kann. FrĂŒher erneuerte man die Anpflanzungen 
alle fĂŒnf Jahre, jetzt geschieht dies erst alle zehn Jahre 
durch junge, aus Samen gezogene Pflanzen; der immer mehr 
wachsende Begehr nach Thee hat dazu gefĂŒhrt, die StrĂ€ucher 
so weit als irgend möglich auszunutzen. Wird das Abstrei- 
fen der BlÀtter zu weit getrieben, so schlagen die Samen 
oft fehl. Die Samen bedĂŒrfen einer besondern Behandlung, 


Ueb, d. Bereit. u. d- Eigenschaften d. verschied. Arten d. chines. Thee’s. 85 


entweder erweicht man dieselben in einer eigens dazu prÀ- 
parirten FlĂŒssigkeit, oder bringt sie in erschöpften Oelkuchen 
zum Keimen und legt man, um junge Pflanzen zu ziehen, 
mehre ein. Die Samen geben ein fettes Oel, was nie ran- 
zig werden soll. Das kÀufliche Theeöl ist jedoch nicht das 
Product aus denselben, sondern stammt aus den Samen 
von Camellia oleifera, welche die Chinesen ebenfalls, 
wie den Theestrauch, Ch’e nennen. 

Alle Theesorten, grĂŒner, schwarzer, rother und Ziegel- 
thee, stammen von einem und denselben Theestrauch ab, der 
allerdings in mancher Hinsicht, wie z. B. in der Blattbildung 
gern varĂŒrt. Man sammelt die BlĂ€tter in drei bis vier Pe- 
rioden und beginnt damit gegen Ende April; zuletzt werden 
die StrÀucher beschnitten, um Ziegelthee zu gewinnen und 
das Wachsthum der jungen Triebe im nĂ€chsten FrĂŒhling zu 
fördern. Die BlÀtter werden auf Matten ausgebreitet, an der 
Sonne abgetrocknet, das eingeschrumpfte Product kneten 
dann MĂ€nner mit ihren nackten FĂŒssen in KĂŒbeln zu einer 
Kugel, wodurch die BlÀtter unter einander vereinigt werden 
und der ĂŒberschĂŒssige Saft entfernt wird. — Trockenen des 
Thees am Feuer findet sehr selten statt, höchstens bei klei- 
neren TheezĂŒchtern oder bei feuchter Witterung, wo ein 
Verderben zu befĂŒrchten ist. — Er wird dann in ziemlich lange 
Beutel gebracht und nun wird „gefeuert,“ indem man ihn in 
dĂŒnnen Lagen auf geflochtene Horden giebt und dann ĂŒber 
ein Kohlenfeuer bringt. Dieser Hitze, welche durch eine 
Lage Asche auf dem Feuer gemildert wird und 100° C. nie 
ĂŒbersteigt, setzt man den Thee unter UmrĂŒhren aus, um ihn 
gleichmÀssig zu erhitzen. Dann folgt Sieben, Sichten, Mischen 
und Auslesen und schliesslich macht ein letztes „Feuern, “ 
um die wÀhrend der Bearbeitung wieder aufgenommene Feuch- 
tigkeit zu entfernen, die Waare zum Verpacken in Kisten 
fertig. Die Stiele, welche fremde KĂ€ufer nicht lieben, wer- 
den aussortirt und da sie dieselben Eigenschaften wie die 
BlÀtter besitzen, von den Chinesen in grossen Mengen ver- 
braucht. Damit sich der Thee in den Kisten nicht weiter 
verĂ€ndert, werden dieselben fest verlöthet. Zum ParfĂŒmiren 
dienen die BlĂŒthen von Agluja odorata, Jasminum 
Sambac, Chloranthus, Gardenia etc,; zur VerfÀlschung, 
was im Innern des Landes sehr selten vorkommen soll, wer- 
den die BlÀtter von Salix alba benutzt. 

Die Hauptmenge des Productes ist der schwarze 
Thee, welchen die Chinesen als GetrÀnk vorziehen. Der 
rothe Thee, welcher von demselben Strauche stammt, hat 


86 Ueb. d. Bereit. u. d. Eigenschaften d. verschied. Arten d. chines. Thee’s, 


eher eine dunkelbraune als rothe Farbe, nur der Aufguss 
sieht tiefroth aus, woher die Bezeichnung Hung -Ch’e (rother 
Thee) herstammen mag. In Hupeh gewinnt man viel grĂŒ- 
nen Thee auf die Weise, dass man im Anfange der Saison 
die feinhaarigen Kuppen der jĂŒngsten Zweige trocknet. Die 
beim Scheeren der BĂ€ume gewonnenen Fragmente, der Staub 
vom schwarzen T'hee und andere AbfÀlle geben den Ziegel- 
thee. Die alten ErzÀhlungen, vom Mischen der TheeblÀtter 
mit Blut ete. beruhen auf einem Irrthum. Es werden „grosse 
grĂŒne Ziegel“ von der schlechten Sorte, „kleine grĂŒne Zie- 
gel“ von besserer Sorte und „kleine schwarze Ziegel“ von 
gutem Theestaub, unterschieden. Die TheestĂŒcke, welche 
von den Mongolen als Tauschmittel benutzt werden, sehen 
eher wie Dachpfannen, als wie Backsteine aus und trifft dess- 
halb die englische Benennung briek tea nicht ganz zu. 
Bei der Bereitung des Ziegelthees werden die BlÀtter und 
der Staub DĂ€mpfen ausgesetzt, in gleichartige Formen ge- 
presst und an der Luft ohne Sonnenzutritt und ohne kĂŒnst- 
liche WÀrme sorgfÀltig getrocknet. Der Ziegelthee wird von 
den Tungusen, Kirgisen, mongolischen u. a. StÀmmen Sibiriens 
verbraucht. In Tibet setzt man bei der Theebereitung aus 
Ziegelthee etwas Soda zu. 

Werden einige frische TheeblÀtter gekaut, so afficirt 
dies den Geschmacksinn wenig, es macht sich bloss ein krau- 
tiges, schwach bitteres, aber kaum adstringirendes Aroma gel- 
tend und benutzen die Bauern beim Theesammeln, oder wenn 
sie durch die Pflanzungen gehen, dieselben selten, als Kau- 
ınittel. PrÀparirte TheeblÀtter sind von den frischen total 
verschieden. Auch der chinesische 'Thee, welcher im Lande 
verbraucht wird und der mittelst einer einmaligen Feuerung 
nach dem Trocknen an der Sonne erhalten wird, ist anders 
wie der Congo-Thee des englischen Marktes. Russischer 
Thee, welcher der kurzen Landreise wegen nicht besonders 
behandelt wird, ist dem chinesischen Thee an Aroma sehr 
nahestehend. Der Thee geht gewöhnlich in Kisten von eini- 
gen 90 Pfund durch die tropischen Meere, wodurch er viel 
an seinem Aroma verliert. Die chinesische Pharmacologie 
nennt den Thee kĂŒhlend, verdauungsbefördernd, erheiternd, 
stimulirend, sowohl erschlaffend als zusammenziehend, diure- 
tisch, die Menstruation erregend und in grossen concentrir- 
ten Gaben brechenerregend. Man benutzt ihn zum Waschen 
kranker Augen, der GeschwĂŒre und aller Art Wunden. Chine- 
sische Aerzte wissen, dass ĂŒbermĂ€ssiger Theegebrauch 
schwachsichtig und anÀmisch macht, In China benutzen ihn 


Bereitungsweise des Catechu aus Acacia Catechu. 37 


Arbeiter und Scholaren, um den Hunger zu unterdrĂŒcken, bis 
sie Zeit zum Essen finden. Was die gewöhnliche Volksclasse 
in China als Thee consumirt, ist gewöhnlich nur heisses 
Wasser, welches sie in grossen Mengen gegen Fieber, ErkÀltung 
und andere chronische und acut. Krankheiten anwenden. Zur 
Bereitung des Aufgusses ziehen sie weiches Flusswasser vor. 

Das Theeblatt unterliegt durch die wiederholte ‚ Feue- 
rung“ und die Einwirkung der AtmosphĂ€re einer VerĂ€nde- 
rung. Es tritt zunÀchst eine Concentration seiner Principien, 
dann aber auch eine Oxydation, niemals aber eine GĂ€hrung 
ein, vielmehr wird diese auf das SorgfÀltigste vermieden. Es 
tritt vielmehr eine Art Reifung ein, welche in der Bildung 
von mehr Extractivsubstanz besteht, wodurch die LösungsfÀhig- 
keit erhöht wird. Durch die sogenannte „Schlussfeuerung “ 
wird jeder weiteren VerÀnderung ein Ziel gesetzt. Da das 
ErwÀrmen nur ein gelindes ist, können empyreumatische Pro- 
ducte bei der Theebereitung nicht entstehen, trotzdem hat 
der schwarze Thee etwas Herbes und ist ein starker Auf- 
guss von dem zum Export bereitliegenden frischen Thee im 
Stande, Uebelkeit und Durchfall zu bewirken. Es ist dies 
besonders der Fall mit schlecht geschĂŒtztem Thee, der offen- 
bar einer höhern Temperatur ausgesetzt ist, um ihn fĂŒr die 
auswÀrtigen MÀrkte brauchbar zu machen. Der Temperatur- 
einfluss hebt diese Effecte fast auf; frischer Thee wirkt in 
China auf AuslĂ€nder abfĂŒhrend. 


30 Pfd. grĂŒne BlĂ€tter liefern, an der Sonne getrocknet, 
8—10 Pfd.; 100 Pfd. des letzteren verlieren durch die 
„Feuerung“ 3 Pfd., geben 10 Pfd. Stiele, 15 Pfd. Staub und 
67 Pfd. guten Congo-Thee. (Med. Times and Gaz. July 22. 
p- 96. Aug. 5. p. 157 — 187; daraus im Jahrbuche fĂŒr Phar- 
macie. Bd. XXXVlU. Heft 2. p. 103.). 

©. Schulze. 


Bereitungsweise des Catechu aus Acacia Catechu. 


J. Leon Soubeiran berichtet: Nach M. Claude Du- 
maine (Journ. of the agrie. and hortic. Soc. of India t. X,, 
p- 399, 1869) schneidet man gegen Januar die untersten 
Theile der rothen VarietÀt der Acacia Catechu ab und lÀsst 
einen Stumpf von 6 Zoll bis zu einem Fuss Höhe fĂŒr 


88 Bereitungsweise des Catechu aus Acacia Catechu. 


die fernere Vegetation zurĂŒck. Man schĂ€lt ab, schneidet 
das Holz des Stammes (die Zweige dienen gewöhnlich als 
Brennmaterial) in kleine StĂŒcke und bringt dieselben an einen 
Platz, wo eine gewisse Zahl irdener GefÀsse (gharrech) in 
Reihen sich befinden; diese sind etwas auf die Seite geneigt 
und an ihrer Oeffnung mit einem grossen Pflanzen- 
Blatte versehen, ĂŒber welches die FlĂŒssigkeit in ein kleine- 
res GefÀss lÀuft. Man giebt in jedes GefÀss Holz und 
3), Wasser und setzt es einem lebhhaften Feuer aus; beim 
Kochen geht das Wasser fort und lĂ€uft quer ĂŒber das Blatt 
in das kleine GefĂ€ss, doch bringt man es wieder in BerĂŒh- 
rung mit dem Holze, bis das Wasser hinlÀnglich mit dessen 
Prineipien beladen ist, was die Syrupsconsistenz, welche es 
annimmt, anzeigt. Man lĂ€sst alslann die FlĂŒssigkeit 2 oder 
3 Stunden auf starkem Feuer kochen. Um die Arbeit abzu- 
kĂŒrzen und die gewĂŒnschte Consistenz zu erlangen, giessen 
die Eingebornen das Extract auf mit Kuhflatenasche be- 
deckte Matten und mischen sie damit. Diese Bereitungs- 
weise, welche immer in den WĂ€ldern vorgenommen wird, 
wendet man nur selten auf die weisse VarietÀt von Acacia 
Catechu an. (Journ. de Pharmacie et de Chemie, Jwin 1870. 
S.4. 7. 10 p. 195; aus demselben im Jahrb. fĂŒr Pharmacie. 
Bad. XXXV. Heft I 1871.) 

©. Schulze. 


89 


C. Literatur und Kritik. 


Das Geheimmittelunwesen. Nebst VorschlÀgen zu 
dessen UnterdrĂŒckung. Von Dr. Hermann Eberhard 
Riehter, Prof. d. Mediein a. D., Abgeordnetem d. Dresd- 
ner Àrztl. Kreisvereins zu dem K. SÀchs. Landesmedici- 
nalcollegium. Leipzig, Verlag von Otto Wigand. 1872. 
7 Bogen in Octav. 


Seit etwa 20 Jahren hat sich der Herr Verfasser, wie er in der Vor- 
rede zu dieser sehr zeitgemÀssen Schrift erwÀhnt, eine Sammlung der in 
deutschen LĂ€ndern vorkommenden Geheimmittel, welche als Heilmit- 
tel verkauft werden, angelegt, besonders sofern deren Zusammensetzung 
bekannt wurde. In neuerer Zeit sind mehre Verzeichnisse dieser Art 
erschienen, unter denen Wittstein’s Taschenbuch der Arzneimittellehre, 
3. Aufl. 1871 wohl das vollstÀndigste ist. 


Ausserdem mĂŒssen die Verdienste von Hager und Jacobsen auf 
dem Gebiete der EnthĂŒllung des Geheimmittel - Schwindels anerkannt 
werden. Der Zweck der vorliegenden Arbeit ist, diese Geheimmittel 
möglichst vollstÀndig und in einer systematischen An- 
ordnung zusammenzustellen, um den gewaltigen Umfang und die 
Bedeutung dieses Unwesens darzulegen und die dagegen zu ergreifenden 
Massregeln zu besprechen. 


„Die Motten aus dem Pelze klopfen, 
Herr Verfasser. 3 

Die Gesammtzahl der hier betrachteten bis jetzt bekannten und ent- 
larvten Geheimmittel betrÀgt 550. 


“ nennt es der wĂŒrdige 


A, Zum innerlichen Gebrauche; 


I. AbfĂŒhrmittel, 67; davon 37 stĂ€rkere (Drastica), 15 leichtere 
und 15 salzige (eröffnende und lösende Salze). Beispiele: Morison’sche 
Pillen, KrĂ€utermittel von Lampe in Goslar, Bullrich’s Universal - Reini- 
gungssalz. 

II. StÀrkungsmittel 45; darunter 22 arzneikrÀftige (z. B. das in 
Sachsen concessionirte Bleichsuchtpulver von Gerzabek) und 23 stÀrkende 
SchnĂ€pse und andre Genussmittel (darunter das Hoff’sche Malzextraet- 
Gesundheitsbier, der Hensel’sche Fleischextract - Likör und der Boone- 
kamp of Magbitter). 

UL Angebliche Speecifica, 94; darunter 56 stark, selbst 
giftig wirkende Mittel, mit einem Gehalte an Arsenik, Blei, Anti- 
mon, Zinn, Quecksilber , Silber, Kupfer, Zink, Jod, Brom, Nux vomica, 
Schierling, Seilla, BlausÀure, Opium, Morphium, Colchieum, Digitalis, Aco- 
nit, Senna, Sadebaumöl, Kampfer, Mutterkorn, Lobelia, Coloquinten, Can- 
thariden, Chloroform, Hanftinctur, Capsicum, PhenylsÀure etc, 


90 Literatur uud Kritik. 


Ferner 38 minderbedenkliche, darunter allein 10 Epilepsie - 
Mittel, 5 Mittel gegen Lungenschwindsucht und 1 Universalbalsam. 


IV. UnschÀdliche Genussmittel, 41; darunter 12 Mehlar- 
ten (Ervalenta, Revalenta arabica, Kraftbrustmalz, Peetorin, Stomachin, 
Maizena, Palmyrena, Racahout des Arabes etc.), 10 Bonbons (Stollwerk’s 
Brustbonbons, George’s Pate pectorale, Dr. Koch’s KrĂ€uterbonbons etc.) 
und 19 SĂ€ftchen (Mayers weisser Brustsyrup, Eggers Fenchelhonig- 
extract, Jacobis Königs- und Kaisertrank!). 


B. Zur Àusserlichen Anwendung: 


V. Giftige Àusserliche Mittel, 43; darin arsenige SÀure, Queck- 
silbersublimat, salpeters. Quecksilberoxydul, QuecksilberehlorĂŒr, weisser 
QuecksilberprÀcipitat, Zinkoxyd, PhenylsÀure, Jodtinetur, Pikrotoxin, Mor- 
phin; 35 der genannten Mittel sind bleihaltig (Schmink - Haar - und 
SchönheitswÀsser; auch ein Mittel gegen wunde Brustwarzen). 


VI. Angeblich speeifische Àussere Mittel, 32; (Flechten - 
Frostsalben, Injectionen, Aqua mirabilis, Antiepidemieum universale von 
H. MĂŒller in Kopenhagen, Remedium miraculosum von Stein- 
grÀber). 

VII. Hautreize- und Zertheilungsmittel, 41; (Albespey- 
re’s blasenziehender Taffet, Baunscheidt’s Lebenswecker, Leper- 
driel’s FontanellkĂŒgelehen, Gichtbalsame, Gichtsalben, Gichteinreibung, 
Gichtleder, Gichtspiritus; Scharfrichterpflaster, Anderssen’s Lebens- 
schmiere, Sturzenegger’s Bruchsalbe, KrĂŒsi-Alther’s Bruch- 
pflaster etc.) 


VII. Angebliche Hautverschönerungmittel, 44; Seifen, 
Pommaden, Schönheitsmilch, Maithau, BlĂŒthenthau, Mittel gegen Som- 
mersprossen, Anosmin -Fusspulver, ‘Lilionese, Hoff’s aromat. BĂ€der- 
malz etc. 

IX. Haarmittel, 44 (Abt’s destillirtes Kammfett, Barterzeugungs- 
tineturen); HaarfÀrbemittel mit Blei-, Silber-, Kupfer-, Nickel-, 
Eisen- und Chromgehalt. : 

X. Ohrmittel, 12; (Gehöröle, meistens kampferhaltig, Ohren- 
pillen, Behr’s lebensmagnetische Essenz). 

XI. Augenmittel, 11; (die AugenwÀsser von Stroinsky, White, 
Romershausen u. Andern). 

XIL. Mund- und Zahnmittel, 55; Mundwasser, Zahnpulver, 
Zahntineturen, Zahnpillen, Liton, Idiaton, Algontine, Myrrhine, Odontine, 
Algophon, Feytonia, Kalulia, Anadoli, Puritas, Popp’s Anatherin -Mund- 
wasser, Eau dentifriee des Cordilleres, Gesundheitsblumengeist von Wald, 
Extract- Radix von Schott, Svenska Tandroppar ete. 

XII. Rauch- und Schnupfmittel, 5; (Tormins Jodeigar- 
ren, angeblich zur VerhĂŒtung und Heilung der Schwindsucht. Enthal- 
ten nach Wittstein gar kein Jod). 

XIV. Nur mechanisch wirkende Mittel, 16; (Zahnkissen, 
Zahnperlen, eleetromotorische ZahnhalsbÀnder, Rheumatismusketten, Gieht- 
watten, HĂŒhneraugenpflaster, Blatz’sches Mittel gegen BettnĂ€ssen, Lai- 
ritz’sche Waldwolle, StrumpfbĂ€nder gegen Wadenkrampf, Eleetranodyn 
von Lipowitz ete.). 

Es kommen auf 247 innerlich anzuwendende 303 Àusserlieh anzu- 


wendende Mittel. Hinsichtlich der GefĂ€hrlichkeit fĂŒr Leben und 


Literatur und Kritik. 91 


Gesundheit der diese Geheimmittel gebrauchenden Personen stellen sich 
heraus: 


136 starkwirkende, bez. giftige Stoffe enthaltende Mittel, 
107 minder bedenkliche, doch arzneistoffige, nieht unkrÀftige Mittel, 
307 unbedenkliche, grossentheils ganz unschÀdliche Mittel, 
Dieser Geheimmittelhandel wird betrieben: 
1) im eigenen Hause, 
2) mittelst Hausirens, 


3) mittelst Commissionshandels bei Droguisten, Kaufleuten, Ge- 
wĂŒrzkrĂ€mern, BuchhĂ€ndlelrn, Antiquaren etc. 


4) Durch die Apotheker. (Wie weit sind wir wohl noch von der 
Zeit entfernt, seufzt der Herr Verf., wo die Pharmaceuten erklÀren wer- 
den, dass die Ehre ihres Standes ihnen nicht erlaube, sich 
mit einem so unehrlichen Gewerbe wie der Arkanenhandel 
sei, einzulassen?) 


5) Die Buchdruckerpresse trÀgt heutzutage die Hauptschuld an 
dem massenhaften Emporwuchern des Geheimmittel- Unwesens. Das Aus- 
bieten dieser Mittel in allen Zeitungen ist allbekannt. Dasselbe fĂŒllt einen 
grossen Theil der Inseraten -Spalten. Eine Haupteinnahme fĂŒr alle BlĂ€t- 
ter bilden die Reclamen der GeheimmittelhÀndler durch ihre Anzahl nicht 
weniger, als durch ihren Umfang und man findet sie sogar in Amts - und 
RegierungsblÀttern. Wenige Redactionen oder Verleger sind stand- 
haft genug, das SĂŒndengeld der GeheimmittelhĂ€ndler zurĂŒckzuweisen. 


Wenige derselben sind sich des hohen Berufs der Presse zur Volks- 
bildung und Volksveredelung so hinreichend bewusst, dass sie die Auf- 
nahmen dieser Reelamen verweigerten. Die grosse Mehrzahl der Verle- 
ger und Redaeteure — darunter sogar die der amtlichen und halb- 
amtlichen BlĂ€tter! — steckt dieses Schandgeld ruhig ein und pocht 
auf juristische Straflosigkeit. Ja, manche liefern sich geradezu durch 
schmachvolle Contracte in die HĂ€nde der GeheimmittelverkĂ€ufer.‘“ 


Zur Umgehung der AnkĂŒndigungsverbote hat sich eine weit 
ausgebreitete BrochĂŒren-Literatur entwickelt, deren Urheber etwa 
10 bis 15 Buchhandlungen niederen Ranges sind. In diesen BroschĂŒren 
(die gewöhnl. nur ein paar Groschen kosten) findet man die Symptome, 
Ursachen und Folgen der in Rede stehenden Krankheit. Aber der Kern 
der Sache ist, dass in der Vorrede oder auf einem Schlussblatt, oder 
noch vorsichtiger in einem besonders beigelegten Blatte angegeben ist: 


„Wer an den in der BrochĂŒre beschriebenen ZufĂ€l- 
len leide, habe sich unter Beilage von so und so viel baa- 
rem Gelde da und da hin zu wenden. Diese BrochĂŒren werden 
tagtĂ€glich in allen Zeitungen offen angekĂŒndigt und der Herr Verf. giebt 
ein Verzeichniss derselben und der darin empfohlenen Geheimmittel. 


Wir finden Laurentius, der persönliche Schutz, La Mert Selbst- 
bewahrung, Dr. Lobethal die Schwindsucht heilbar; Wundram, 
Strahl, Petsch u. Consorten, 


Dass die genannten Geheimmittel dem Publicum als solche irgend 
einen Nutzen brÀchten, wird Niemand behaupten, der die 550 aufgezÀhl- 
ten Mittel sich genau angesehen hat. 

Die ĂŒberwiegende Mehrzahl sind alle lĂ€ngstbekannte Stoffe und die 
wenigen einigermassen originellen (Podophyllin - Pillen, PepsinplÀtzchen, 
Matico -Syrup, Cocapillen, Spilanthestinetur, Lithion als Zahnmittel) sind 
der Àrztlichen und pharmaceut. Wissenschaft ebenfalls bekaunt, Andre 


99 Literatur und Kritik. 


moderne Geheimmittel wie Bromkalium, unterphosphorigs. Kalk, 
die PhenylsÀure gegen Croup, die WeinsÀure gegen Fussschweisse sind 
nicht von den sie ausbietenden GeheimnisskrÀmern erfunden worden. 
Diese beuten nur fremde Erfindungen aus. 


Nicht einmal in Bezug auf Reinheit der PrÀparate gewÀhrt diese 
schmÀhliche Industrie einen Vortheil. Die Finsterniss, in welcher sie 
lebt und der Schmutz, aus welchem sie entsprosst, spiegeln sich darin 
ab, dass sie die schlechtesten Rohstoffe und die miserabelsten Bereitungs- 
weisen benutzt. 


Nach diesen Thatsachen ist der Einwand, dass durch UnterdrĂŒckung 
des Geheimmittelwesens irgend welche heilsamen Stoffe oder kostbare 
Entdeckungen fĂŒr die leidende Menschheit verloren gehen könnten, völlig 
unbegrĂŒndet, 


Der Herr Verfasser erörtert nun das BedĂŒrfniss des Publikum nach 
gewissen Mitteln und hebt die Thatsache hervor, dass starkwirkende 
Arzneien, wenn sie unpassenderweise in Krankheiten angewendet 
werden, den Giften gleich zu achten sind. 


Es ist begreiflich, dass Arzneien oft eine ganz verkehrte und 
meist schĂ€dliche Wirkung ausĂŒben mĂŒssen, wenn man den Kran- 
ken vorher nicht untersucht hat und nicht weiss, was ihm 
fehlt. Bei den Geheimmittel-KrÀmern aber ist dies die Regel: ihr 
Leichtsinn, ihre Gewissenlosigkeit grenzt oft an eulpösen Mord! Sie 
versenden ihre Arzneimittel, wenn nur der Patient zahlt. 


Aber auch in den FĂ€llen, wo die Geheimmittel nicht direct schaden, 
wirkt ihr Gebrauch in der Regel dadurch nachtheilig, dass der Patient 
eine rechtzeitige HĂŒlfe durch den Arzt versĂ€umt. 


Die ganze Geheimmittel- KrÀmerei ist verwerflich, nicht bloss aus 
medieinischen GrĂŒnden, sondern vornemlich wegen des damit verbundenen 
systematischen Betrugs und des gewissenlosen Spiels, 
welches dabei mit der LeichtglÀubigkeit und Aengstlichkeit der bemit- 
leidenswerthen Kranken und sich krankdĂŒnkenden Menschheit getrieben 
wird, und wegen des damit verbundenen Strebens, die Menschen zn ver- 
dummen. 


Die BetrĂŒgerei erreicht im Geheimmittelhandel eine Höhe, wie 
sie kaum in irgend einem Zweige der Industrie vorkommen dĂŒrfte. 


Noch verwerflicher ist die Reclame der GeheimmittelkrÀmer. Da 
ist keine LĂŒge zu grob, keine TĂ€uschung zu unehrenhaft. Es werden 
Namen von Personen, nebst Titel und WĂŒrden erfunden; es werden falsche 
gÀnzlich erfundene Urkunden, Zeugnisse, Krankengeschichten, 
Danksagungen etc. mitgetheilt Mit dem Arzneiglauben wird der Aber- 
glaube im Volke unterhalten, um die LeichtelÀubigkeit desselben aus- 
zubeuten. Jeder, der die "Menschheit geistig vorwÀrts zu bringen 
wĂŒnscht, muss die GeheimmittelkrĂ€merei wie andere BetrĂŒgereien be- 
kÀmpfen helfen! 

Wer soll nun den Kampf fĂŒhren? a) die Gesundheits- und 
Medieinalpolizei, die Physiei; b)alleĂŒbrige Polizeibehörden, 
auch die presspolizeilichen: das AnkĂŒndigen der Geheim- 
mittelin öffentlichen BlÀttern muss aufhören; c) die Justizbehör- 
den haben das Recht und die Pflicht, bei fahrlÀssiger oder böswilliger 
Körperverletzung, gegen gewerbmÀssigen Betrug (Beutelschneiderei, escro- 
querie) einzuschreiten. 

Die betreffenden Bestimmungen des Strafgesetzbuches des deutschen 
Reiches und der Gewerbeordnung des norddeutschen Bundes reichen nach 


Literatur und Kritik. 95 


des Herrn Verf. Meinung vollkommen aus, um einem grossen Theile der 
Geheimmittel und insbesondere demjenigen, ĂŒber dessen GefĂ€hrlichkeit 
und GemeinschĂ€dlichkeit die Aerzte fortwĂ€hrend Klage fĂŒhren, völlig den 
Garaus zu machen. 

Bis diesen Augenblick sehen wir aber fast in allen LĂ€ndern die 
richterlichen Behörden in der BekÀmpfung des Geheimmittelhandels Àusserst 
lau und schlaff, ja manchmal geradezu parteiisch und wider- 
willig auftreten. Der Herr Verfasser erörtert die Ursachen dieses Man- 
gels an Amtseifer bei den Behörden; er findet sie in der Idee des Frei- 
handelssystems und der Gewerbefreiheit, der VerhĂŒtung einer Bevor- 
mundung des Volks, und in vorgefasster Meinung, dass es bei Verfolgung 
der GeheimmittelkrÀmer nur auf einen Schutz der innungsmÀssigen Àrzt- 
liehen und Apotheker-Privilegien abgesehen sei. 

Durch die Bestimmungen der norddeutschen Gewerbeordnung ĂŒber 
Freigebung des Curirens, durch die Aufgebung der Àrztlichen Privilegien 
und ScehutzansprĂŒche ist es auch den Aerzten möglich gemacht, offen 
gegen die Geheimmittel und deren Urheber zu reden und zu handeln, 
ohne Furcht, in den Verdacht zu gerathen, dass sie dieses nur im In- 
teresse des Àrztlichen Standes thun. Sie können nun dem grossen Publi- 
kum und den administrativen und juristischen Beamten bis zu den Re- 
gierungsspitzen hierauf begreiflich machen, dass der ganze Geheim- 
mittelkram ein gemeinschÀdliches, in sittlicher, recht- 
licher, volkswirthschaftlicher und sanitÀtspolizeilicher 
Beziehung verwerfliches Treiben ist, — ein öffentlich aus- 
geĂŒbter systematischer Betrug, auf Kosten unerfahrener 
und unwissender (kranker) MitbĂŒrger und zum Schaden 
des von allen VernĂŒnftigen und wohlmeinenden angestrebten 
Fortschrittes der VolksaufklÀrung. 

Die Behörden wĂŒrden folgende Maasregeln hiergegen in An- 
wendung bringen können: 


I. In gesundheits-polizeilicher Hinsicht ist der Gebrauch der 
starkwirkenden, arzneikrÀftigen oder gifthaltigen Geheimmittel dem Ge- 
brauche von Giften gleichzuachten und deren Verkauf ohne ein Àrzt- 
liches Recept einem Jeden, auch den Apothekern, gÀnzlich zu verbieten. 

II. Die öffentliche AnkĂŒndigung und Anpreisung von 
Geheimmitteln wird verboten. 

III. Eine Concessionirung von Geheimmitteln findet ferner nicht 
statt. 

Die Staatsbehörde macht dadurch, dass sie sich mit den Geheim- 
mittelkrĂ€mern ĂŒberhaupt in Unterhandlungen einlĂ€sst, sich einer 
Mitschuld an einem unmoralischen und verwerflichen Trei- 
ben schuldig; indem die Behörde den Verkauf und die AnkĂŒndigung 
von Geheimmitteln erlaubt, ertheilt sie denselben eine Weihe 
in den Augen leichtglÀubiger, urtheilsloser Menschen und trÀgt somit dazu 
bei, dieselben zu betrĂŒgen und zu verdummen und den Glauben an ge- 
heimnissvolle KrÀfte zu verbreiten und fortzupflanzen auf spÀtere Ge- 
schlechter. 

Aber durch blosse BeamtenthÀtigkeit lÀsst sich das 
Geheimmittelunwesen nicht unterdrĂŒcken; es muss auch vom 
Publikum mitbekÀmpft werden, wenn es verschwinden soll. In erster 
Instanz mĂŒssen die Aerzte und Ă€rztlichen Vereine dagegen wirken, 
mit der ausdrĂŒcklichen Betonung, dass der Geheimmittelhandel ein ver- 
unehrendes betrĂŒgerisches Gewerbe sei. 

Die gleichen Anforderungen stellt der Verf. an die Apotheker. 
Von ihnen verlangt er ausserdem, dass sie als ein vom Staate geehrter 


94 Literatur und Kritik. 


und privilegirter Stand, als geprĂŒfte MĂ€nner der Wissenschaft und zur 
ReellitÀt verpflichtete Staatschemiker, allen und jeden Geheimmittel- 
handel vermeiden und von sich abweisen sollen. Sie sollen offen er- 
klÀren, dass sie mit einem so schÀbigen, beutelschneiderischen GeschÀft 
in keiner Weise zu thun haben und ihre ehrlichen Namen nicht zur 
Deckung oder nur scheinbaren Hebung der Geheimmittel hergeben wollen, 
Dies wird erzielt werden, sobald Aerzte und Publikum consequent darauf 
bestehen, dass aller und jeder Geheimmittelkram ein unsittliches und 
unehrenhaftes Gewerbe ist. Gerade der Apotheker ist im Punkte 


seiner persönlichen Ehrenhaftigkeit empfindlicher als jeder andere Ge- 
werbetreibenae! 


Ferner muss von Seiten der Aerzte und Apotheker dafĂŒr Sorge ge- 
tragen werden, dass gewisse ArzneibedĂŒrfnisse des Publikum, denen 
der Geheimmittelhandel gefÀllig entgegenkommt, auf eine reelle Weise 
ihre Befriedigung finden. 


Endlich muss aber auch das ĂŒbrige Publikum seine Schuldigkeit 
ihun, um den Geheimmittelkram, als eine unmoralische, beutelschneiderische 
und volkverdummende Profession gÀnzlich aus der Reihe unserer Institu- 
tionen auszutilgen, Alle Organe der Presse, alle Redner und VorstÀnde von 
Volksvereinen, die Schullehrer und sogar die Geistlichen sollen hierbei 
mitwirken, 


Alle verstÀndigen Redactionen und Verlagshandlungen sollten die 
InsertionsgebĂŒhren fĂŒr Geheimmittel und ihre BrochĂŒren als SĂŒnden- 
geld von sich weisen. 


In allen Privatgesellschaften, sowie bei allen Wahlen zu 
EhrenÀmtern (z. B. zu Stadtverordneten, Landtagsdeputirten, Armen- 
vorstehern ete.) sollten die GeheimmitelkrÀmer durch statutarische Be- 
stimmungen oder durch stille Uebereinkunft ausgeschlossen werden. End- 
lich sollten sich freie Vereine gegen Charlatanerie bilden, 


Zum Schluss stellt der Herr Verf.:noch folgende practische An- 


trÀge als Maassregeln zur erfolgreichen BekÀmpfung des Geheimmittel- 
unwesens: 


1) An den deutschen Reichstag ist das Gesuch zu stellen, dass in dem 
zu erwartenden Gesetz ĂŒber den Gifthandel sĂ€mmtliche stark wirkende 
Geheimmittel den Giften gleichgestellt werden. 


2) An den Reichsrath, wie an alle Einzelregierungen ist das Gesuch 
zu stellen, dass alle polizeilichen und richterlichen Behörden, insbesondere 
aber die Staatsanwaltschaften und die Pressbureau’s, Anweisung erhalten, 
auf das Treiben der GeheimmittelkrĂ€mer und (BrochĂŒrenschreiber) scharf 
aufzupassen, 


3) Die Regierungen sind darauf aufmerksam zu machen, dass diese 
Verfolgung gegen die Geheimmittel nicht desshalb nöthig sei, um Aerzte 
und Apotheker gegen einen etwa entstehenden Geldverlust zu schĂŒtzen; — 
sondern deshalb, weil der Geheimmittelhandel ein betrĂŒgerisches, mora- 
lisch verwerfliches Gewerbe ist, welches ein freches Spiel mit Leben und 
Gesundheit der Mitmenschen treibt, das Volk durch NĂ€hrung von Aber- 
glauben verdummt und dasselbe fĂŒr eine vernunftgemĂ€sse Gesundheitspflege 
zur VerhĂŒtung von Krankheiten unzugĂ€nglich macht. 

4) Die Regierungen sind aufzufordern, die BemĂŒhungen von Privat- 
leuten zur Entlarvung der Geheimmittel auch ihrerseits zu fördern (durch 


Untersuchung in chem. Laboratorien), die Ergebnisse aber öffentlich und 
amtlich bekannt zu machen. 


Anzeigen. 95 


5) Die Regierungen sind darauf aufmerksam zu machen, dass das 
Annoncirverbot von den GeheimmittelkrÀmern auf verschiedene Weise, 
namentlich durch ausgebotene, dem Titel nach volksbelehrende Bro- 
ehĂŒren, umgangen wird. 

6) Die deutsche Reichsregierung und alle anderen Regierungen sind 
aufzufordern, dass sie sich mit den GeheimmittelkrÀmern in keiner 
Weise in Verkehr, Unterhandlungen, Bedingungsstellungen und Con- 
cession einlassen, sondern jede Gemeinschaft mit diesem Gewerbe 
als einem unehrenhaften und sittlich verwerflichen von sich und allen obrig - 
keitliehen Organen fernhalten. 


7) Im Publikum mĂŒssen durch Wort und Schrift richtige 
Ansichten ĂŒber das Wesen der Geheimmittel verbreitet werden. 


8) Durch alle Kreise der bĂŒrgerlichen Gesellschaft muss die Ueber- 
zeugung verbreitet werden, dass der Geheimmittelhandel ein schimpf- 
liches Gewerbe ist und dass die ihn Betreibenden zu keinem öffentlichen 
Vertrauensposten gewÀhlt und in keine anstÀndige Privatgesellschaft auf- 
genommen werden sollten. 


9) Man mus die Corporationen der Apotheker, der BuchhÀndler, 
der Sehriftsteller u, s. w. dahin vermögen, dass sie ebenfalls die 
Unehrenhaftigkeit des Geheimmittelkrams grundsÀtzlich aner- 
kennen und zu dessen UnterstĂŒtzung in keiner Weise ihren Namen 
oder ihre BeihĂŒlfe hergeben, insbesondere also nicht Geheimmittel ver- 
kaufen oder ankĂŒndigen, sie mittel- oder unmittelbar empfehlen oder sie 
in ihren Verlagswerken, Zeitungen u. s. w. anempfehlen lassen, 


Als Beilage ist der Process eines GeheimmittelkrÀmers (Laurentius) 
gegen Prof. Dr. Bock in Leipzig angefĂŒgt. 


Ein ausfĂŒhrliches Namen - und Sachregister gestattet eine grĂŒndliche 
Benutzung dieses Schriftehens, das wir unseren Lesern aufs wÀrmste em- 
pfehlen. H,. Ludwig, 


D. Anzeigen. 


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ARCHIV DER PHARMACIE 


GC. Bandes zweites Heft. 


una 


A. Originalmittheilungen. 
Il. Chemie und Pharmacie. 


Ueber das Vorkommen von Rubidium in den Run- 
kelrĂŒben. 
Von Dr. Emil Pfeiffer aus Jena. 


In den Jahren 1864 u. 1865 war ich in einer grossen 
Syrupsbrennerei Nordfrankreichs beschÀftigt, die zugleich 
auch die Raffinerie der RĂŒbenaschen, sowie die Fabri- 
kation von Conversionssalpeter aus Producten der 
RĂŒbenaschen in sehr bedeutendem Maasstabe betrieb. 

Die RĂŒbenaschen werden durch Verdampfen der, 
nach dem Abdestilliren des aus dem Zucker entstandenen 
Alkohols resultirenden FlĂŒssigkeiten und Calcination des 
vickstandes gewonnen. 

Die Zusammensetzung dieser RĂŒbenaschen variirt je nach 
dem Boden zugleich aber noch mit den Jahren, indem diesel- 
ben bei beginnender Erschöpfung oder doch Ermattung eines 
Bodens fĂŒr RĂŒbeneultur immer Ă€rmer an Pottasche und reicher 
an Soda werden. 

Eine Verringerung der Ausbeute an Zucker geht mit 
dieser VerÀnderung Hand in Hand, wenn dem Boden nicht 
eben ein Ersatz fĂŒr die ihm entzogenen Salze geboten wird. 
Endlich hĂ€ngt die Zusammensetzung der RĂŒbenaschen auch 
noch von der Verfahrungsweise und den Zuthaten ab, die 
eine solche Fabrik in Anwendung bringt. 

Im Mittel war dieselbe in jenen Jahren fĂŒr die RĂŒben- 
aschen Nordfrankreichs 

Arch, d, Pharm, CC, Bda, 2, Heft, 7 


98 Ueber das Vorkommen von Rubidıum ın den RunkelrĂŒben. 
[ 


Kohlens. Kali 30 pr> Cent. 
„ Natron 20, r, a 
Chlorkalium US 3 
Schwefels. Kali IBEN 7 
Unlösliche Bestandth. u. Feuchtigkeit 23 „, ” 
190,00. 


Durch ein erstes Eindampfen der Rohlaugen dieser 
RĂŒbenaschen (salins) wurde die grösste Menge des schwe- 
felsauren Kalis ausgeschieden, wÀhrend beim darauffolgenden 
Erkalten ein grosser Theil des Chlorkalium herauskry- 
stallisirt. 

Durch weiteres Eindampfen scheidet sich nun die Soda 
mit 1 Aequivalent Krystallwasser aus und beim Erkal- 
ten nochmals eine gewisse Menge Ohlorkalium, so dass die 
Lauge, auf 50 Grad ArÀom. Baume (1,525 spec. Gew.) an- 
gekommen, nur noch geringe Mengen beider Stoffe, haupt- 
sÀchlich aber kohlens. Kali enthÀlt. 


Durch Caleination werden diese Laugen auf weisse 
Raffinatpottasche verarbeitet. 


Von historischem Interesse fĂŒr die ee der 
Kaliindustrie in Frankreich ist es, zu erwÀhnen, dass vor 
der Auffindung der Stassfurter Kalilager die PreisverhÀltnisse 
der Pottaschensalze ganz andre waren als heutzutage, Damals 
war das schwefels. Kali am geringsten geschÀtzt, wÀhrend das 
Chlorkalium, als ausschliesslich verwendetes Material fĂŒr die 
Fabrikation von Conversionssalpeter so hoch im Preise stand, 
dass vor meinem Hinkommen noch im Jahre 1862 in jener 
Fabrik die obenerwÀhnten Pottaschenlaugen _ durch Zusatz 
einer concentr. Lösung von spanischem Steinsalz auf 
Chlorkalium verarbeitet wurden. 


Die entstandene Soda wurde wĂ€hrend ‘des Eindampfens 
herausgefischt und das Chlorkalium krystallisirte dann beim 
Erkalten der concentr. Lauge. 

Als ich hinkam, wurde hingegen der Salpeter dort mit- 
telst des in den RĂŒbenaschen natĂŒrlich enthaltenen Chlor- 
kalium gebildet, welche Fabrikation mir speciell oblag. 


Ueber das Vorkommen von Rubidium in den RunkelrĂŒben. 96 


Dieses Product enthielt noch etwa 10— 12%, schwe- 
felsaures Kali, sowie eine geringe Menge kohlensaurer 
Alkalien, die durch Zusatz von Chlorcaleium und SalzsÀure 
in entsprechendem VerhĂ€ltniss in ChlorĂŒre ĂŒbergefĂŒhrt wur- 
den, damit man nur Kochsalz als Nebenproduct erhielt. 

Zu gleicher Zeit wurden nun auch die Pottaschenlaugen 
von 50° ArÀom. Baume durch Eindampfen mit einem nahezu 
gleichen Volumen einer gesÀttigten Lösung von Chilisal- 
peter direkt auf Kalisalpeter, verarbeitet. Kohlens. 
Natron wurde wÀhrend der Eindampfung gezogen und der 
Salpeter krystallisirte wÀhrend des Erkaltens der abgehe- 
berten Laugen. 

‘In den Mutterlaugen sammelte sich allmĂ€hlig das Chlor- 
natrium, sowie etwas schwefels. Kali, so dass wÀhrend des 
spÀtern Eindampfens ein Gemisch von etwa 

52 — 54°, Chlornatrium, 

30 — 32°, Soda, 

und 10°, schwefels, Kali 
herausfiel, das unter dem Namen Soude bas degr& in den 
Seifenfabriken eine Verwendung fand. 

Diese Mutterlaugen kamen endlich an eine Grenze, wo 
ihre weitere Eindampfung ĂŒber freiem Feuer höchst gefĂ€hr- 
lich wurde, da durch die gleichzeitige Anwesenheit von 
salpeters. Salzen und Schwefeleyanverbindungen 
das geringste Anbrennen die augenblickliche Explosion der gan- 
zen Masse zur Folge hatte. Vor meinem Hinkommen war auch 
ein Paar Arbeiter auf diese Weise schrecklich verbrannt 
und zugleich das circa 20 Fuss hoch ĂŒber dem Kessel befind- 
liche Dach in Flammen gerathen, 

Das Schwefeleyankalium, das ja einen Bestandtheil 
verschiedner frischer Theile von Oruciferenpflanzen ausmacht, 
findet sich zum grossen Theil schon als solchesin 
den rohen RĂŒbenaschen. 

In jener Mutterlauge fand ich durch Bestimmung des 
Schwefels und des Kalis einen Gehalt von 33,34%, Schwe- 
feleyanalkalien. Daneben fanden sich noch salpeters. 
Salz, ChlorĂŒre, ferner Jod- und Bromverbindungen 

7#* 


100 Ueber das Vorkommen von Rubidium ın den Runkelruben. 


und eine QuantitÀt Rubidium, die einem Gehalte von 
0,75%, Chlorrubidium entsprach. 

Durch die Mutterlaugen der gouvernementalen Salpeter- 
raffinerie zu Paris, an die jene Fabrik bedeutende Mengen 
Salpeter lieferte, wurde Herr Louis Grandeau, Prof. an 
der Ecole normale zu Paris, zuerst auf das Vorkommen des 
Rubidium in den RĂŒbenaschen aufmerksam und be- 
nutzte unsere explosible Mutterlauge zur Darstellung einer 
gewissen Menge dieses Metalls. 

Zu dem Zwecke wurde die Mutterlauge in einem eiser- 
nen Kessel mit SÀgespÀnen und HolzabfÀllen gemischt erhitzt 
und so verglimmen gelassen. 

Der kohlige RĂŒckstand wurde mit Wasser erschöpft und 
die AuszĂŒge auf circa 35 Grad ArĂ€om. Baume (1,317 spec. 
Gew.) eingedampft. 

Hierbei schied sich ein Salzgemisch von schwefels. Kali 
und ÜhlorĂŒren, sowie etwas Soda aus, das in 1000 Grm. 
schon 2,831 Grm. Rubidiumchlorid enthielt. Die Mutter- 
lauge enthielt kohlens. und schwefels. Salze, Chloride, 
Schwefelalkalien, unterschwefligs. Alkali nebst kleinen Men- 
gen von Jod- und Bromverbindungen. 

Sie wurde daher mit SalzsÀure im Ueberschuss versetzt 
und erhitzt, wobei sich ein reichlicher Absatz von Schwefel 
bildete. 

In die hiervon abfiltrirte und wiederum erhitzte FlĂŒssig- 
keit wurde nun tropfenweise SalpetersÀure gegossen, bis zur 
vollkommenen Austreibung des Jods und des Broms. 

Die so erhaltene Lauge enthielt in 1000 Grm. 7,5 Grm. 
Rubidiumchlorid. 

Zu seiner Gewinnung wurde: die stark verdĂŒnnte Lauge 
zum Kochen gebracht und mit einer verdĂŒnnten Lösung von 
Platinchlorid oder noch besser mit einer kochend 
gesÀttigten Lösung von Chlorkaliumplatinchlorid 
versetzt. Der erhaltene Niederschlag werden durch mehrfaches 
Waschen mit kochendem Wasser von einem Gehalte an 
Chlorkaliumplatinchlorid befreit und .das zurĂŒckbleibende Rubi- 
diumplatinchlorid im Wasserstoffstrome reducirt. 


Ueber das Vorkommen von Rubidium in den RunkelrĂŒben: 101 


Meinerseits bin ich ebensogut gefahren, indem ich die 
ursprĂŒngliche Mutterlauge mit einer Lösung von salpeters. 
Bleioxyd fÀllte, die salpeters. Salze, mit Kohle gemischt, ver 
puffte und, mit SalzsĂ€ure ĂŒbersĂ€ttigt, die FĂ€llung mit Chlor- 
kaliumplatinchlorid vornahm. 

Wenn es dem Ühemiker, besonders vor der Entdeckung 
der Speetralanalyse, oft sehr schwer wurde, geringe Mengen 
im Boden vorhandener Substanzen selbst qualitativ nachzu- 
weisen, so ist es um so interessanter, zu schen, wie der pflanz- 
liche Organismus mit Leichtigkeit und RegelmÀssigkeit den 
ihm gerade entsprechenden Bedarf an denselben zu assimiliren 
versteht. 

Nach direkt ausgefĂŒhrten Bestimmungen enthĂ€lt 1 Kilogrm. 
der RĂŒbenaschen Nordfrankreichs im Mittel 1,75 Grm. 
Rubidiumehlorid. 

Nun aber werden auf 1 Heetare Land in Nordfrankreich 
etwa 45000 Kilogrm. RĂŒben gebaut. 

Diese liefern: 

2650 Kil. Zucker und 
1325., „. Dy2ÂŁĂŒp. 
Letzterer aber in der Operation der Brennerei 
318 Liter Alkohol a 36 ° 
und 145,75 Kilogrm. RĂŒbenasche 
mit 255 Grm. Rubidiumchlorid. 

Der Kaligehalt in dieser QuantitĂ€t KĂŒbenasche wĂŒrde 
aber betragen: 

84,4 Kilogrm., Chlorkalium und der Natrongehalt 
32,153 Kilogrm. Chlornatrium. 

Die RĂŒbe nimmt also diese drei Substanzen in dem Ver- 
hÀltniss von 255 Grm. Chlorrubidium zu 32,153 Kilogrm. Chlor- 
natrium und 84,4 Kilogrm. Chlorkalium auf (QuantitÀten, die 
in einem Jahre einem Hectare Boden durch die kKĂŒbe entzogen 
werden). Stellt man die 255 Grm.Chlorrubidium gleich 1, so 
kommt das Chlornatrium auf 126 und das Chlorkalium auf 331. 

Ausser dem Rubidium will Prof. Grandeau auch Spu- 
ren von Üaesium gefunden haben. 


ie Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


WĂ€hrend also die RĂŒbe kein Lithion aufzunehmen 
scheint, hatte Taback in derselben Gegend gebaut, Kali, 
Rubidium und Lithium, hingegen nur Spuren von 
Natrium aufgenommen. RĂŒbsen, ebenfalls in dieser Gegend 
gebaut, hatte nur Kali und Natron, hingegen weder 
Rubidium noch Lithium aufgenommen. 


Jena, den 17. MĂ€rz 1872. 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 
Von ©. Hesse. 
(Schluss.) 


„Kryptopin. 

J. Smiles, in der Fabrik von T. und H. Smith be- 
schÀftigt, beobachtete, dass sich in der Mutterlauge des salz- 
sauren Thebains bald seideglÀnzende, leichte Nadeln abschieden, 
und veranlasste somit T. und H. Smith*) zur Entdeckung 
eines Opiumalkaloids, das letztere Kryptopia nannten, wel- 
ches wir aber nach dem hiesigen Sprachgebrauch Kryptopin 
nennen wollen. SpÀter ermittelte Cook**) die Zusammen- 
setzung dieser neuen Base, fĂŒr welche derselbe die Formel 
023 H25 NO? aufstellte. 

Wenn man auch nicht genau bekannt ist mit den Eigen- 
schaften der Alkaloide, welche hier in Betracht kommen, so 
wird man doch erkennen, dass der Weg, den T. und H. 
Smith zur Reindarstellung der Base einschlugen, nicht zum 
Ziele fĂŒhren kann. Uebrigens gestehen die Herren Smith 
in ihrer zweiten Abhandlung ĂŒber diesen Gegenstand selbst 
ein, dass ihr frĂŒheres Kryptopinchlorhydrat, von dem sie an 
Herrn Brady in Newcastle abgaben, Thebainchlorhydrat 
enthalten habe, | 


*) Pharm. Journ. Trans. [2] VII, 595. 
**) Daselbst, 716. 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen, h 103 


Ich habe gezeigt, dass Thebain, wenn man es in saurer 
(salzsaurer oder schwefelsaurer) Lösung erwÀrmt, bald in 
das intermediÀre Product Thebenin, schliesslich in Thebai- 
cin ĂŒbergeht. Kryptopin zeigt ein Ă€hnliches Verhalten nicht 
und kann daher leicht mittelst SalzsÀure vom Thebain getrennt 
werden, besonders da das Kryptopinchlorhydrat nahezu unlös- 
lich in concentrirter SalzsÀure ist. 

Man kann aber auch den grössten Theil des Thebains 
mittelst WeinsÀure beseitigen, wobei das Kryptopinbitartrat, 
obgleich es schwerer löslich in Wasser ist als das entspre- 
chende Thebainsalz, vollstÀndig in der Mutterlauge bleibt. 
Wird letztere in der oben angefĂŒhrten Weise weiter behan- 
delt, so resultirt ein Gemenge, welches aus Kryptopin, Protopin 
und etwas Thebain besteht. Dasselbe wird nun in verdĂŒnnter 
SalzsÀure gelöst und zur Lösung so viel concentrirte Salz- 
sÀure gebracht, bis dadurch nichts mehr gefÀllt wird. Dabei 
scheidet sich das Kryptopin- und Protopinchlorhydrat ab, 
wÀhrend das Thebain gelöst bleibt. Aus dem Gemisch der 
Chlorhydrate werden hierauf die Basen durch Ammoniak 
abgeschieden und dieselben mit einem Ueberschuss von Oxal- 
sÀure behandelt, welcher die Entstehung des sauren oxalsauren 
Kryptopins veranlasst, eines Salzes, das sich mit kaltem Was- 
ser leicht auswaschen und von dem in der Mutterlauge blei- 
benden Protopin trennen lÀsst. Das Alkaloid wird dann 
mittelst Ammoniak wieder isolirt, in EssigsÀure gelöst, diese 
Lösung mit Thierkohle entfÀrbt und nach dem ErwÀrmen mit 
Ammoniak gefÀllt, vorausgesetzt, dass man von der Erzielung 
gut ausgebildeter Krystalle absieht. Will man aber letztere 
haben, so ist es gut, }der Lösung vor dem FÀllen mit Am- 
moniak eine erhebliche Menge heissen Alkohols zuzusetzen, 
oder aber das pulverförmige Alkaloid aus kochendem Alkohol 
umzukrystallisiren. 

Die Analysen nun, welche ich mit Kryptopin von ver- 
schiedener Bereitung ausgefĂŒhrt habe, ergaben fast durchge- 
hends etwas weniger Kohlenstofl, als die von mir dafĂŒr auf- 
gestellte Formel verlangt, vielleicht weil dem Alkaloid noch 
ein anderes Alkaloid von gleichen Eigenschaften anhaftet. 


104 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


Gelang es mir doch schon, aus dem Rohkryptopin ein Alka- 
loid, das Protopin, abzuscheiden, welches dem Kryptopin 
in manchen StĂŒcken Ă€usserst Ă€hnlich ist. 

Sollte sich meine Vermuthung bezĂŒglich der Beimengung 
einer andern Base zum Kryptopin in Zukunft bestÀtigen, so 
wĂŒrde ich fĂŒr diese Base, welche sicherlich komolog zum 
Kryptopin ist, die Bezeichnung Deuteropin empfehlen. 
Vorerst sind wir genöthigt, das von mir nach dem angege- 
benen Verfahren erhaltene Kryptopin Àls homogen und rein 
zu betrachten. 

Bei der Analyse wurden fĂŒr die bei 100° getrocknete 
Substanz folgende Resultate erhalten: 


Berechnet Versuch 
2 DE 5 nn nenne nennen ne onarın rm mn 
an 1 1I. III. IV. Vi: v1. 


C21 252 68,29 67,98 67,64 67,51 67,44 67,69 68,23 

2237237, 6.25 6.07 76.21. 6,23 7 6,25 16,91052024 

IN ag Tr Bao a. 

05 80 21,69 N AB. — 

369 100,00. 

Kryptopin, das ich nach dem Verfahren von T. und H. 
Smith darstellte, schliesslich aber, weil es mir nicht rein 
genug war, um es einer Analyse fĂŒr werth zu halten, an 
OxalsÀure band, es aus dem erhaltenen Salz mit Ammoniak 
wieder abschied und dann analysirte, ergab 68,86 pC. © und 
6,40 pC. H, mithin Zahlen, welche sich den von Cook gefun- 
denen Zahlen bedeutend nÀhern; denn dieser Chemiker fand 
fĂŒr Smith’s Kryptopin 

C 69,50 bis 70,20 pO. 
H 6,76, bis 6,80 „, 
N 973 bie, Bin, 

Das Kryptopin ist unlöslich in Aether. Diese Angabe 
scheint einen Widerspruch zu enthalten, denn oben ist ja 
angefĂŒhrt worden, dass ich diese Base mittelst Aether erhal- 
ten habe. Dagegen muss vorgebracht werden, dass gleich- 
zeitig mit dem Kryptopin noch viele andere, zum Theil amorphe 
Basen extrahirt wurden, welche sicher die Wanderung des 
Kryptopins in den Aether veranlassten. Uebrigens löst Aether 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 105 


frisch gefÀlltes Kryptopin erheblich auf, doch scheidet es sich 
nach einiger Zeit in kleinen Rhomboedern wieder ab. 

Siedender Alkohol löst das Alkaloid in geringen Mengen 
auf und scheidet den grössten Tkeil desselben, jedoch erst im 
Laufe lÀngerer Zeit, in kurzen sechsseitigen Prismen und 
körnigen Krystallen ab. Terpenthinöl, Benzin und Petroleum- 
Àther lösen selbst bei ihren Siedetemperaturen sehr wenig 
von dem Alkaloid auf. Als das beste indifferente Lösungs- 
mittel fĂŒr das Kryptopin ist, wie auch schon von T. und H. 
Smith hervorgehoben worden ist, das Chloroform zu 
bezeichnen. 

Ammoniak, Kali- und Natronlauge geben zwar in der 
Lösung eines Kryptopinsalzes einen weissen amorphen, bald 
krystallinisch werdenden Niederschlag, aber es bleibt immer- 
hin eine gewisse, wenn auch sehr geringe Menge der orga- 
nischen Base in Lösung. Von dieser Thatsache kann man 
sich sehr leicht ĂŒberzeugen, wenn man ein paar Tropfen 
der Lösung in concentrirte eisenoxydhaltige SchwefelsÀure 
fallen lÀsst, wodurch letztere blau gefÀrbt wird. Uebrigens 
habe ich schon frĂŒher angefĂŒhrt, dass das Laudanin gleich- 
zeitig mit etwas Kryptopin erhalten werde, somit letzteres 
aus alkalischer Lösung, und eine Analyse davon hat mir ge- 
zeigt, dass die elementare Zusammensetzung des so erhalte- 
nen Kryptopins vortrefflich zur Formel C?!H2?NO° passt. 


Kryptopin wird, mit concentrirter SalpetersĂ€ure -ĂŒber- 
gossen, fĂŒr den ersten Augenblick nicht gefĂ€rbt, doch bald 
wird die Lösung orangefarben und die Base in Nitrokrypto- 
pin verwandelt. 


Reine concentrirte SchwefelsÀure fÀrbt das Alkaloid bei 
circa 20° gelb; es ziehen sich aber bald gelbe Streifen von 
den Krystallen der Base hinweg, welche sich sehr rasch 
violett und eben so die SÀure fÀrben, bis sich endlich die 
ganze Lösung dunkelviolett fÀrbt. Mit eisenoxydhaltiger 
SchwefelsÀure wird sogleich eine dunkelviolette Lösung erzielt. 
In beiden FÀllen werden die Lösungen, wenn man sie auf 
eirca 150° C, erhitzt, schmutzig grĂŒn. Wenn die Schwefel- 


106 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


sÀure eine Spur Chlor oder unterchlorige SÀure enthÀlt, so 
fÀrbt sie sich mit Kryptopin ebenfalls dunkelviolett. 

Das Kryptopin schmilzt bei 217° C.; doch tritt bei dieser 
Temperatur schon Zersetzung der Substanz ein, welche sich 
durch eine gewisse braune FĂ€rbung der Schmelze bemerklich 
macht und in dem Maasse fortschreitet, als das Erhitzen 
anhÀlt. Es enthÀlt kein Krystallwasser, zeigt daher beim 
Erhitzen keinen Verlust. 

Das Kryptopin ist ein starkes Alkaloid und blÀut dem 
entsprechend in alkoholischer Lösung eben so leicht rothes 
Lackmuspapier, wie es die stÀrksten SÀuren neutralisirt. Die 
Salze des Kryptopins schmecken anfangs bitter und hinten- 
nach brennend scharf, an PfeffermĂŒnzöl erinnernd. Mit weni- 
gen Ausnahmen zeigen diese Verbindungen die bemerkens- 
' werthe Eigenschaft, sich aus ihren Lösungen anfÀnglich als 
gallertartige Massen abzuscheiden. 

Salzsaures Kryptopin. — Nach T. und H. Smith 
bildet Kryptopin mit SalzsÀure ein neutrales und ein saures 
Salz, welche Verbindungen Cook der Analyse unterwarf und 
dafĂŒr die Formeln 
022H2>NO5,HCl +. 5H?0O, resp. C2>H?>NO5,2 HO]l 4 6H20 
aufstellte. Unstreitig wurden die Herren Smith bei der 
Darstellung des angeblich sauren Salzes durch das Verhalten 
des salzsauren Kryptopins, durch SalzsÀure aus seiner Lösung 
gefÀllt zu werden, getÀuscht und haben dann von Cook ein 
freie SalzsÀure enthaltendes PrÀparat untersuchen lassen. Das 
Kryptopin bildet mit dieser SĂ€ure, wie auch alle ande- 
ren Opiumalkaloide, nur eine Verbindung, in welcher gleiche 
Aequivalente von Base und SĂ€ure enthalten sind, nur kann 
diese Verbindung im vorliegenden Falle mit verschiedenem 
Wassergehalt erhalten werden. 

Die Verbindung mit 6H?O wird erhalten, wenn man die 
Base in der WĂ€rme genau mit verdĂŒnnter SalzsĂ€ure sĂ€ttigt, 
oder wenn man die Auflösung der Base in irgend einer SÀure 
mit SalzsÀure in der WÀrme vermischt. In letzterem Falle 
wird das Salz in zarten, weissen Prismen erhalten, die beim 
Trocknen an der Luft sehr zusammenschrumpfen und schliess- 


ic Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen, 107 


lich wohl auch eine hornartige Masse bilden. Wenn solche 
zu einem feinen Pulver zerrieben wird, so dunstet daraus die 
anhaftende SÀure ab. Wasser und Alkohol lösen das Salz 
sehr leicht, SalzsÀure, sowie Kochsalzlösung Àusserst wenig, 
Aether und Chloroform gar nicht.' 

Das aus neutraler Lösung erhaltene Salz ist anfangs 
‚meist gallertartig, spĂ€ter bilden sich in der Masse weisse 
Krystallpunkte und schliesslich bildet die Masse Âźben solche 
Krystalle, wie das aus saurer Lösung erhaltene Salz. Von 
dem Krystallwasser , welches in dieser Verbindung enthalten 
ist, entweicht ein erheblicher Theil im Exsiccator, der Rest 
bei 100°, doch scheint es, dass im letzteren Falle immer 
etwas SalzsÀure frei wird. Bei 125° fÀrbt sich das Salz 
gelb und wird es im Contact mit Chlorzink erhitzt, so bildet 
sich eine Substanz, die aus Aether in concentrisch gruppirten, 
weissen NĂ€delchen krystallisirt. Die Menge der so entstan- 
denen neuen Substanz ist verhÀltnissmÀssig sehr gering. 

Analysen 

von Salz aus neutraler Lösung und 
von Salz aus saurer Lösung ergaben die Formel 
C21H2>NO5, HCl + 6H2?O. 

Ein Salz mit weniger Krystallwasser, als vorstehende 
Verbindung enthÀlt, entsteht, wenn man z. B. oxalsaures 
Kryptopin mittelst Chlorcaleium von OxalsÀure befreit und 
dabei einen kleinen Ueberschuss von letzterem anwendet; 
sie bildet sich aber auch beim Vermischen der salzsauren 
Lösung des Chlorhydrats mit Kochsalzlösung bei niederer 
Temperatur. - 

Die Formel dieses Salzes ist 

C?1 H23NO5, HCl -- 5H?O. 

Cook fand fĂŒr das neutrale, wie es scheint, elwas ver- 

witterte Salz Zahlen, welche ebenfalls zu der Formel 
C21}423NO5, HCl + 5 H2O 
fĂŒhren. 

Salzsaures Kryptopin-Platinchlorid. — Die 
wÀsserige Lösung des Chlorhydrats giebt, mit Platinchlorid in 
der KÀlte vermischt, eine copiöse, aus zarten, fast weissen 


108 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


NÀdelchen bestehende Masse. War die Lösung erwÀrmt und 
nicht zu sehr concentrirt, so scheidet sich aus derselben das 
Platinsalz erst beim Erkalten ab, und zwar in blassgelben, 
Àusserst zarten, in ihrer Form den Narceinkrystallen Àhnli- 
chen Prismen. Wird die Lösung lÀngere Zeit im Kochen 
erhalten, so scheidet sich aus der erkaltenden Lösung ein 
schön gelbes Krystallpulver ab. 


Die Krystalle der ersteren Art schrumpfen beim langsa- 
men Trocknen an der Luft zu einer harten Masse zusammen, 
wÀhrend das Krystallpulver (die Krystalle der zweiten Art) 
beim Trocknen keine sichtliche Aenderung erleidet. Biswei- 
len verwandeln sich die zarten Prismen plötzlich in schwere, 
dunkelgelbe Krystalle. Diese Umsetzung beruht lediglich auf 
einer Umlagerung der Molecule, wobei gleichzeitig Wasser 
austritt, ohne dass das Kryptopin selbst alterirt wĂŒrde; denn 
wenn das schwere Krystallpulver mit Kaliumbitartrat gekocht 
wird, so geht das unverĂ€nderte Alkaloid in die Lösung ĂŒber 
und lÀsst sich daraus die gelatinöse Form des Platinsalzes 
leicht wieder erhalten. 

Das Doppelsalz löst sich in kochendem Wasser ziemlich 
leicht auf, besonders wenn etwas HÜl zugegen ist, und kry- 
stallisirt beim Erkalten desselben, da es sich in kaltem Was- 
ser kaum löst. 

Die lufttrockene Verbindung der ersten Art besitzt die 
Formel 

(C2:H2> NO, HCI)? + PtCl? + 6H?O. 

Die Krystalle der zweiten Art sind = 

(C22H2Âź NO3, HCl)? + PtCl* + H?O. 

Salzsaures Kryptopin-Goldchlorid. — Auf Zu- 
satz von Goldsolution zu einer schwach erwĂ€rmten, verdĂŒnn- 
ten, wÀsserigen Lösung des Chlorhydrats entsteht eine milchige 
- TrĂŒbung und bald erfolgt die Abscheidung eines dunkelgel- 
ben, amorphen Pulvers des Doppelsalzes, welches sich in 
heisser, verdĂŒnnter SalzsĂ€ure etwas auflöst und sich dann 
aus der erkaltenden Lösung in orangerothen Warzen ab- 
scheidet. 


= 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. “409 


Salzsaures Kryptopin-Quecksilberchlorid. — 
Die verdĂŒnnte, wĂ€sserige Lösung des Chlorhydrats giebt, wenn 
sie gelinde erwÀrmt und dann mit Sublimatlösung vermischt 
wird, weisse, aus kleinen Prismen bestehende Warzen, die 
sich ziemlich leicht in kochendem Wasser, schwer in kaltem 
Wasser lösen. Ist indess die Lösung des Chlorhydrats con- 
centrirt, so bildet sich eine gallertartige FĂ€llung, welche sich 
beim Auswaschen mit kaltem Wasser in ein weisses Krystall- 
mehl umsetzt, wahrscheinlich in Folge eintretender Zersetzung. 
FĂŒr das lufttrockene Krystallpulver wurde die Formel 

C21:H?3N05, HCl + HgCl? + H?O 
ermittelt. 

Jodwasserstoffsaures Kryptopin. — Die wĂ€s- 
serige Lösung des essigsauren Kryptopins giebt auf Zusatz 
von Jodkaliumlösung eine gallertartige Ausscheidung, die sich 
allmÀhlig in zarte, weisse Prismen umsetzt, welche sich sehr 
leicht in Wasser lösen, aber in Jodkaliumlösung unlöslich sind. 

Essigsaures Kryptopin. — VerdĂŒnnte EssigsĂ€ure 
wird beim ErwÀrmen leicht vom Kryptopin neutralisirt, worauf 
beim Erkalten die Lösung zu einer durchsichtigen Gallerte 
erstarrt, in welcher sich nach Verlauf von einigen Tagen 
weisse PĂŒnktchen bilden, von denen aus die Krystallisation 
erfolgt. Doch findet man selbst nach sehr langer Zeit Gal- 
lertpartieen zwischen den zarten, weissen Prismen des kry- 
stallisirten Salzes eingestreut. Wasser löst das Salz Àusserst 
leicht. 

Neutrales schwefelsaures Kryptopin, das man 
erhĂ€lt, wenn man verdĂŒnnte SchwefelsĂ€ure mit einem Ueber- 
schuss des Alkaloids kocht, lÀsst sich schwer in Krystallen 
darstellen. In der Regel erstarrt seine Lösung zu einer 
kleisterartigen Masse, die keine Spur von Krystallisation 
zeigt. Das neutral reagirende Salz löst sich sehr leicht in 
Wasser, namentlich beim ErwĂ€rmen desselben. VerdĂŒnnte 
SchwefelsÀure bringt die wÀsserige Lösung sofort zum Er- 
starren. 

Saures chromsaures Kryptopin entsteht auf Zu- 
mischen von Kalibichromatlösung zu einer verdĂŒnnten Auflösung 


> 


0. Beitrag zur Kenntniss der ÖOpiumbasen. 


des neutralen schwefelsauren Kryptopins, wobei eine gallert- 
artige, aus zarten gelben Prismen bestehende FĂ€llung erzielt 
wird. Das neue Chromat löst sich ziemlich leicht in sieden- 
dem Wasser auf. Beim Trocknen in gelinder WĂ€rme ver- 
wandelt sich die compacte gelbe Masse in ein loses Krystall- 
pulver und verliert dann bei 100° etwas Wasser, das als 
Krystallwasser zu betrachten ist. Der so getrockneten Ver- 
bindung kommt die Formel zu: 
(022 922 N05)26r2H207 

Salpetersaures Kryptopin wird in kleinen, weissen 
Prismen erhalten, welche sich in heissem Wasser leicht, 
schwieriger in kaltem Wasser lösen und sich bei ĂŒberschĂŒssi- 
ger SalpetersÀure leicht in salpetersaures Nitrokryptopin ver- 
wandeln. 

Neutrales oxalsaures Kryptopin. — Wenn eine 
Auflösung von OxalsÀure in: Wasser mit einem Ueberschuss 
von Kryptopin gekocht wird, so nimmt die Lösung bald eine 
neutrale Reaction an. Wird diese heisse Lösung von dem 
Ungelösten getrennt und erkÀltet, so scheiden sich einige 
kleime Krystalle ab, welche grosse Aehnlichkeit mit der freien 
Base haben. Nachdem diese Krystalle beseitigt sind und die 
Lösung auf ein geringes Volumen gebracht worden ist, kry- 
stallisirt das neutrale Salz in langen, weissen, asbestartigen 
Nadeln, aber fast gleichzeitig hat eine gewisse Zersetzung 
statt, der Art nemlich, dass sich freie Base und dem ent- 
sprechend das saure Salz abscheidet. Heisses Wasser ent- 
zieht dann dem RĂŒckstand nicht nur neutrales oxalsaures 
Kryptopin, sondern auch das entstandene Bioxalat, wÀhrend 
die freie Base ungelöst zurĂŒckbleibt. Die heisse, wĂ€sserige 
Lösung des Neutralsalzes gelatinirt beim Erkalten und liefert 
nach einiger Zeit grössere schiefwinkelige Tafeln, denen aber 
immer Krystalle des sauren Salzes beigemischt sind. 

Saures oxalsaures Kryptopin ist leicht darzu- 
stellen. Kocht man nemlich das Alkaloid mit einem Ueber- 
schuss von OxalsÀure, so löst sich ersteres auf, worauf sich 
bald das saure Salz als ein weisses, krystallinisches Pulver 
ausscheidet. In dem Falle, dass die Lösung sehr verdĂŒnnt 


— Aa ai a 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. ili 


ist oder dass sich das Salz sehr, langsam abscheiden kann, 
wird es in ziemlich grossen Rhomboedern erhalten. Das 
Kryptopinbioxalat ist wasserfrei, fast unlöslich in Alkohol, 
sehr schwer löslich in kochendem Wasser und bedarf von 
Wasser bei 12°C. das 330-fache zur Lösung. 


Die Analyse des bei 100° getrockneten Salzes fĂŒhrte zu 

der Formel 
621H23N05,02H 204. 

Neutrales weinsaures Kryptopin. — Wem 
WeinsÀurelösung in der WÀrme mit einem Ueberschuss der 
Base behandelt wird, so resultirt eine neutrale Lösung, welche 
beim Erkalten zu einer gallertartigen Masse erstarrt, in der 
keine Spur von Krystallisation zu entdecken ist. Das Salz 
löst sich sehr leicht in Alkohol, ebenso in Wasser. Letztere 
Lösung giebt auf Zusatz von WeinsÀure keine FÀllung, dage- 
gen erzeugt in der mĂ€ssig concentrirten Lösung verdĂŒnnte 
SchwefelsÀure einen weissen, gallertartigen Niederschlag, des- 
gleichen PhosphorsÀure und SalzsÀure, weniger leicht concen- 
trirte SalpetersÀure. 


Saures weinsaures Kryptopin, 
G7’H3NO5.04H60° 1.4320; 
wird beim Auflösen von Kryptopin in einem Ueberschuss von 
WeinsÀure erhalten. In der Regel scheidet sich aus der 
erkaltenden Lösung eine Gallerte ab, die sich bald in kleine, 
weisse Prismen umsetzt. Das Bitartrat löst sich sehr leicht 
in heissem Wasser und Alkohol, indess schwer in kaltem 
Wasser. So wurde z. B. gefunden, dass sich 1 Theil Salz 
bei 10°C. in 167 Theilen Wasser löse. 


Bei 100° getrocknetem Salz — 
02:5# NOAU+HÂŁOÂź, 


Pikrinsaures Kryptopin. — Die heisse, wĂ€sserige 
Lösung des Chlorhydrats giebt auf Zusatz von Kaliumpikrat 
einen gelben, krystallinischen Niederschlag, welcher aus klei- 
nen, kugelförmig aggregirten Prismen besteht, die sich sehr 
schwer in heissem Wasser lösen, Kochender Alkohol löst 


i12 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen., 


namhafte Mengen des Salzes und scheidet beim Erkalten 
hĂŒbsche gelbe, sternförmig gruppirte Prismen ab. 


Die Formel des lufttrockenen Salzes 
— 021 922N0>,.C5H2(N02)20 7.420: 


Nitrokryptopin. 


Diese Substanz bildet sich leicht aus dem Kryptopin beim 
Behandeln desselben mit verdĂŒnnter SalpetersĂ€ure. Am 
Besten nimmt man auf 1 Theil Base 20 Theile SalpetersÀure 
von 1,06 spec. Gewicht und setzt das Gemisch etwa 8 Stun- 
den lang einer Temperatur von 50 bis 60°C. aus. Nimmt 
man stÀrkere SalpetersÀure, so ist die Reindarstellung der 
nitrirten Substanz mit grossen Schwierigkeiten verbunden, 
auch ist dann die Ausbeute eine bedeutend geringere, als 
wenn man verdĂŒnnte SĂ€ure anwendet. Das Ende der Reac- 
tion erkennt man daran, dass sich lauter schwere, körnige 
Krystalle gebildet haben; auch gelatinirt die Lösung beim 
Erkalten nicht. Die Krystalle werden von der darĂŒber ste- 
henden Lösung getrennt, mit Ammoniak zersetzt und das 
sich ausscheidende Alkaloid an EssigsÀure gebunden. Nach- 
dem die essigsaure Lösung mit Thierkohle behandelt worden 
ist, wird sie m der WÀrme mit Ammoniak gefÀllt, wobei ein 
gelber, amorpher Niederschlag entsteht, der sich bald in kleine 
Prismen umsetzt. 


Das Nitrokryptopin, in vorstehender Weise erhalten, bil- 
det ein dunkelgelbes, aus kleinen Prismen bestehendes Pul- 
ver. Wird es in siedendem Alkohol gelöst, so scheidet es 
sich aus demselben beim Erkalten in hĂŒbschen blassgelben 
Tafeln und Prismen ab. Kochender Alkohol, sowie Aether 
lösen das Nitrokryptopin bedeutend leichter, als das Krypto- 
pin. Besonders leicht löst es sich im Chloroform, welches 
das Alkaloid beim Verdunsten in Form einer braungelben, 
halbkrystallinischen Masse zurĂŒcklĂ€sst. 


Reine concentrirte SchwefelsÀure fÀrbt das Alkaloid blut: 
roth, löst ‚es dann mit braungelber Farbe, welche beim Erhitzen 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen, 113 


anfangs dunkelviolett, spÀter schwarzbraun wird. Ein Eisen- 
oxydgehalt der SĂ€ure modifieirt die Reaction nicht. 

Kalilauge löst die Nitrobase nicht, ebenso wenig kaltes 
Wasser, dagegen löst Ammoniak erhebliche Mengen Nitrokryp- 
topin auf und giebt dasselbe beim SchĂŒtteln mit Aether an 
letzteren ab. 

Das Nitrokryptopin schmilzt bei 185° 0. zw einer braun- 
gelben FlĂŒssigkeit, die beim Erkalten .amorph erstarrt. Auf 
dem Platinblech erhitzt, schmilzt das Alkaloid erst und ver- 
pufft schliesslich. Geschieht das Erhitzen der Substanz im 
Sauerstofigase, so erfolgt die Zersetzung ziemlich lebhaft. Das 
Nitrokryptopin erleidet bei 100° keinen. Verlust, enthÀlt auch 
kein, etwa bei höherer Temperatur austreibbares Krystall- 
wasser. 

Die Analyse fĂŒhrte zu der Formel 0?!H??(NO2)NO°. 

Das Nitrokryptopin hat also dieselbe procentische Zusam- 
mensetzung wie das krystallisirte Nitropapaverin; allein wenn 
das Nitrokryptopin mit SĂ€uren sich verbindet, so scheidet es 
kein Wasser aus. Es fÀrbt sich mit Eisenchlorid nicht, 
schmeckt schwach bitter und blÀut in alkoholischer Lösung 
rothes Lackmuspapier. Es sÀttigt die SÀuren vollkommen 
und bildet damit Salze, die mehr oder weniger die Eigen- 
schaft besitzen, sich aus ihren Lösungen gelatinös abzuschei- 
den. Mehre Salze zersetzen sich schon bei ziemlich niederer 
Temperatur. 

Salzsaures Nitrokryptopin kann in blassgelben 
zarten Prismen erhalten werden, meist aber ist es gelatinös 
und nach dem Trocknen an der Luft stellt es in allen FĂ€l- 
len eine gelbe, hornartige Masse dar. Es löst sich sehr leicht 
in heissem Wasser und scheidet sich daraus beim Erkalten 
als Gallerte ab. Eben so bewirken Chlorcaleium, Chlorba- 
ryum, Kochsalz, concentrirte SalzsÀure stets eine gelatinöse 
Ausscheidung des Salzes. Das Salz schmeckt sehr bitter 
und reagirt nicht auf blaues Lackmuspapier. 

Im Exsiccator wird das neue Uhlorhydrat wasserfrei und 
zeigt dem entsprechend auf 70°C. erhitzt keinen weiteren 
Verlust. Allein die Farbe des Salzes geht in StahlgrĂŒn 


Arch, d, Pharm, CC, Bds, .2. Tft, 8 


114 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


ĂŒber und schliesslich schwĂ€rzt sich dasselbe, wenn die Tem- 
peratur etwas erhöht wird, so dass der bei 100° stattfindende 
Verlust nur durch beginnende Zersetzung veranlasst ist. 
Das in dieser Weise verÀnderte Salz löst sich in Wasser 
mit braunrother Farbe unter ZurĂŒcklassung schwarzbrauner 
Flocken und giebt auf Zusatz von Ammoniak einen schön 
rothen, bald 'krystallisirenden Niederschlag eines Gemenges 
von Nitrokryptopin und Zersetzungsproducten. 

Die Analyse: fĂŒhrte zu der Formel 

C?:H22(NO2) NO3, HCl + 3H?0. 

Salzsaures Nitrokryptopin-Platinchlorid fÀllt 
aus der heissen, wÀsserigen Lösung des Nitrokryptopinchlor- 
hydrates auf Zusatz von Platinchlorid als ein dunkelgelbes 
Krystallpulver aus; ist jedoch die Lösung nicht erwÀrmt, so 
gesteht dieselbe zu einer gelblich- weissen Gallerte, welche 
sich beim Auswaschen mit kaltem Wasser, sowie beim Trock- 
nen an der Luft in das dunkelgelbe körnige Salz umsetzt. 


Die Formel —= 
(C21H22(NO2)NO5,HC1)? + PtCl? + 10H?0. 

Das Platinsalz löst sich schwer in heissem, nicht in kal- 
tem Wasser und vertrÀgt beim Trocknen die Temperatur 
von 120° ohne Zersetzung zu erleiden. 

Salzsaures Nitrokryptopin-Quecksilberchlo- 
vid bildet ein blassgelbes, amorphes Pulver, das sich schwer 
in kaltem, etwas leichter in heissem Wasser löst. Die letz- 
tere Lösung trĂŒbt sich beim Erkalten milchig. 

JodwasserstoffsauresNitrokryptopin wird durch 
Wechselzersetzung von Ühlorhydrat und Jodkalium erhalten, 
und stellt anfangs blassgelbe, Àusserst zarte Prismen dar, 
welche sich aber bald in dunkelgelbe körnige Krystalle um- 
setzen. Es löst sich leicht in Wasser und ist unlöslich in 
Jodkaliumsolution. 

'Salpetersaures Nitrokryptopin. —!Beim Ver- 
mischen der essigsauren Lösung des Nitrokryptopins mit Sal- 
petersÀure entsteht sogleich eine gelatinöse, aus zarten Pris- 
men bestehende Abscheidung des Nitrats, welches sich aber 


= 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 115 


bald in körnige, dunkelgelbe Krystalle umsetzt. Das Nitrat 
ist unlöslich in salpetersÀurehaltigem Wasser, löst sich aber 
in reinem, kalten Wasser etwas auf. Kochendes Wasser löst 
das Salz ziemlich schwer und scheidet einen Theil desselben 
beim Erkalten in kleinen Prismen ab. 

Es enthÀlt kein Krystallwasser und ertrÀgt die Tempe- 
ratur von 100°, ohne zersetzt zu werden, aber bei höherer 
Temperatur verpuflt es. 

Die Analyse fĂŒhrte fĂŒr dieses Salz zu der Formel 

02112? (NO?) NOÂź, NHOÂź. 

Das salpetersaure Nitrokryptopin hat somit dieselbe Zu- 
sammensetzung wie das salpetersaure Nitropapaverin. 

Chromsaures Nitrokryptopin besteht aus kleinen, 
gelben Prismen, die sich schwer in kaltem Wasser lösen und 
sich am Lichte braun fÀrben. 

Pikrinsaures Nitrokryptopin. — Salzsaures Ni- 
trokryptopin giebt mit pikrinsaurem Kali in der WĂ€rme eine 
gelbe, gelatinöse FÀllung des Pikrates, welches sich spÀterhin 
in mikroskopisch kleine Krystalle umsetzt. 

Essigsaures Nitrokryptopin krystallisirt in blass- 
gelben, zarten Prismen, die sich sehr leicht in Wasser und 
Alkohol lösen. 

Neutrales oxalsaures Nitrokryptopin entsteht, 
wenn die heisse Lösung des folgenden Salzes genau mit Am- 
monjiak neutralisirt wird, worauf dieselbe beim Erkalten eine 
fadige, gelbe Masse des neutralen Salzes abscheidet. Das neu- 
trale oxalsaure Nitrokryptopin löst sich sehr schwer in kochen- 
dem Alkohol und krystallisirt daraus in kleinen, dunkelgelben 
Prismen; auch löst es sieh ziemlich schwer in kaltem Was- 
ser. Von Wasser bedarf z.B. 1 Theil krystallisirtes Salz 
bei 16°C. 148 Theile zur Lösung. 

Das Salz enthÀlt eine betrÀchtliche Menge Krystallwasser, 
von welchem 11 Mol. H?O beim Trocknen im Exsiccator ent- 
weichen, wÀhrend der Rest = 1 Mol. H?O erst bei 100 
bis 110° entfernt werden kann. 

Die Analysen fĂŒhrten zu der Formel: 

2 C2: H??(NO2)NOÂź,C?H?0* + 12H?0. 
8*#+ 


116 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


Sauresoxalsaures Nitrokryptopin wird beim Auf- 
lösen der Base in einem Ueberschuss von OxalsÀure erhalten. 
Es bildet kleine, dĂŒnne, blassgelbe Prismen, welche sich bis- 
weilen beim Trocknen an der Luft, manchmal sogar in der 
Mutterlauge selbst in schwefelgelbe, kurze, schwere Prismen 
umsetzen, wobei ein Theil des Krystallwassers austritt. Wer- 
den die dĂŒnnen Prismen im Exsiccator getrocknet, so verlie- 
ren sie dann bei 100° nichts mehr an ihrem Gewicht, bei 
110 bis 115° tritt aber ein neuer Verlust ein und dann 
wird das Salz wasserfrei. Steigert man die Temperatur, 
nachdem das Gewicht constant geworden ist, auf etwa 120 
bis 125°, so zeigt sich abermals ein Verlust, der indess durch 
die Zersetzung des Salzes veranlasst ist. 

Das im Exsiccator getrocknete Salz besitzt die Formel 

C?1H22(NO2) NO, C?H?0* + H2O. 

Das lufttrockene Salz 

— BEZ NOS NO>, 02120773 HE} 

Besonders bemerkenswerth dĂŒrfte sein, dass das im Ex- 
siceator getrocknete Salz genau dieselbe Zusammensetzung 
besitzt, wie das saure oxalsaure Nitropapaverin. Auch scheint 
dem oben erwÀhnten schwefelgelben Salze zufolge der Oxal- 
sÀurebestimmung die gleiche Formel zuzukommen. 

Saures weinsaures Nitrokryptopin. — Wird die 
Base in einem Ueberschuss von WeinsÀure gelöst, so scheidet 
sich beim Erkalten der Lösung eine gelbe, gelatinöse Masse 
aus, die nur Spuren von Krystallisation zeigt. Nur dann, 
wenn eine geeignete Concentration der Lösung und gĂŒnstige 
Temperatur statthat, lÀsst sich das Salz in zarten, gelben Pris- 
men erhalten, welche gleichwohl beim Trocknen eine horn- 
artige Masse bilden. Das Salz löst sich leicht in Wasser. 

Neutrales schwefelsaures Nitrokryptopin. — 
Wenn verdĂŒnnte SchwefelsĂ€ure in der WĂ€rme mit dem Alka- 
loid gesÀttigt wird, so scheidet sich beim Erkalten der Lösung 
anfangs eine gelatinöse Masse ab, die sich in fÀdige Krystalle 
umsetzt, welche sich sehr leicht in Wasser und Weingeist 
lösen und neutral reagiren. 


Beitrag zur Kenntniss der Upiumbasen. 117 


Protopin. 

Das Protopin wird gleichzeitig mit dem Kryptopin durch 
SalzsÀure gefÀllt, und bleibt dann, wenn das Gemenge in einem 
Ueberschuss von OxalsÀure gelöst wird, in der Mutterlauge 
des Kryptopinbioxalats. Diese Lösung wird mit Ammoniak 
ĂŒbersĂ€ttigt und mit Aether ausgeschĂŒttelt, von welchem die 
Basen, Protopin und etwas Kryptopin, an verdĂŒnnte SalzsĂ€ure 
ĂŒbergefĂŒhrt werden. Vermischt man dann die lauwarme Lö- 
sung mit concentrirter SalzsÀure, so scheidet sich bald das 
Protopinchlorhydrat, gemengt mit etwas Kryptopinchlorhydrat, 
ab. Das erstere Salz ist schwer, körnig und haftet fest an 
den Glaswandungen an, das letztere Salz dagegen leicht und 
lĂ€sst sich durch AbspĂŒlen mit kaltem Wasser oder, wenn 
man einen kleinen Verlust von Protopinchlorhydrat nicht scheut, 
durch AbspĂŒlen mit lauwarmem Wasser entfernen. Das un- 
gelöste Protopinsalz wird zunÀchst durch Digestion mit ver- 
dĂŒnntem Ammoniakliquor zersetzt, die Base an EssigsĂ€ure . 
gebunden, diese Lösung mit Kohle behandelt und auf Zusatz 
von etwas Weingeist mit Ammoniak gefÀllt. 

Das Protopin wird auf diese Weise als ein weisses, kry- 
stallinisches Pulver erhalten. Will man es in besser ausge- 
bildeten Krystallen haben, so ist nur nöthig, das Alkaloid aus 
kochendem Weingeist umzukrystallisiren, doch nehmen auch 
hier die Krystallaggregate keine besonders bemerkenswerthen 
Dimensionen an. Wasser löst das Protopin nicht, schwierig 
siedender Alkohol, kochendes Benzin und Aceton, wÀhrend 
letztere Lösungsmittel in der KÀlte fast nichts von der Base 
lösen. Chloroform löst das Protopin mÀssig, indess besser als 
alle anderen Lösungsmittel. Aether löst das gefÀllte Protopin 
sehr wenig, wird aber die wÀsserige Lösung eines Protopin- 
salzes mit Ammoniak gefÀllt und sogleich mit Aether ausge- 
schĂŒttelt, so nimmt der letztere betrĂ€chtliche Mengen der Base 
auf und scheidet einen Theil davon nach kurzer Zeit ab. Diese 
Ausscheidungen sind ganz charakteristisch fĂŒr das Protopin, 
denn sie bestehen aus Àusserst kleinen Prismen, die zu War- 
zen, bisweilen auch zu KĂŒgelchen vereinigt sind, genug in 
Formen, wie sie kein anderes Opiumalkaloid in so ausgezeich- 


118 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


neter Weise bildet. Das Kryptopin, mit welchem das Protopin 
allenfalls verwechselt werden könnte, lÀsst sich leicht in dieser 
Weise unterscheiden, da es sich, wie oben angefĂŒhrt wurde, 
aus Aether in kleinen Rhomboedern abscheidet. 


Das Protopin ist vollkommen unlöslich in Kali- und 
Natronlauge, löst sich aber in Ammoniak etwas auf. Mit 
Eisenchlorid giebt es keine FĂ€rbung. 


Concentrirte SalpetersÀure löst das Protopin iu der KÀlte 
farblos, aber die geringste. ErwÀrmung veranlasst eine gelbe 
FÀrbung der Lösung. Concentrirte, reine SchwefelsÀure löst 
das Alkaloid bei circa 20° anfangs mit gelber Farbe, dann 
wird aber die Lösung roth, endlich blÀulich-roth. EnthÀlt 
indess die SchwefelsÀure etwas Eisenoxyd, so löst sich das 
Alkaloid sogleich mit dunkelvioletter Farbe. Bei circa 150° 
verhalten sich letztere beiden Lösungen vollkommen gleich, 
insofern sie sich schmutzig braungrĂŒn fĂ€rben. 

Bei 202° C. schmilzt das Alkaloid, brÀunt sich jedoch 
etwas und zersetzt sich, lÀngere Zeit bei dieser Temperatur 
erhitzt, mehr und mehr. Bei 100° zeigt es keinen Verlust 
und enthÀlt kein Krystallwasser. 


Die Analyse dieser interessanten Substanz fĂŒhrte zu der 
Formel 


02°H19NO>. 
Berechnet nach | Versuch 
C20H1°NO>5 AT, IRA 
02° 240 67,98 67,70 67,71 
Hi 19 5,38 5,55 5,52 
N 14 3,97 > u 
05 80 22,67 u. 2 


353 100,00. 


Da ich von diesem Alkaloid nur circa 1,5 Grm. erhielt, 
obgleich ich solche Mengen Material in Arbeit nahm, die 
gegen 80 Grm. Kryptopin darzustellen gestatteten, so habe 
ich von einer Stickstoffbestimmung abgesehen und mich damit ' 
begnĂŒgt, das Atomgewicht dieser Base aus dem Platinsalz 


[3 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 119 


abzuleiten, wĂ€hrend noch etwas Substanz ĂŒbrig blieb, um 
damit noch einige weitere Studien machen zu können. 


Das Protopin reagirt in alkoholischer Lösung stark ba- 
sisch und neutralisirt die SĂ€uren, damit Salze bildend, die 
nicht gelatiniren, sich also wesentlich von den entsprechenden 
Kryptopinsalzen unterscheiden. Die Lösungen dieser Verbin- 
dungen schmecken bitter. Mit folgenden Salzen habe ich 
mich etwas eingehender beschÀftigt. 


Salzsaures Protopin wird in grösseren, anscheinend 
rhombischen Prismen erhalten, welche sich sehr schwer in 
kaltem und heissen Wasser lösen. Üoncentrirte SalzsĂ€ure 
bewirkt eine pulverig krystallinische FÀllung in der wÀsseri- 
gen Lösung des Salzes. 

Die Krystalle haben einige Achnlichkeit mit dem Papa- 
verinchlorhydrat, aber letzteres giebt eine schwach saure 
Lösung, wÀhrend jene Krystalle eine neutrale Lösung liefern. 


Salzsaures Protopin-Platinchlorid ist ein gel- 
ber, krystallinischer Niederschlag, der sich mit kaltem Was- 
ser leicht auswaschen lÀsst und nach dem Trocknen an der 
Luft ein dunkelgelbes Pulver darstellt. Dieses Doppelsalz 
löst sich wenig in kaltem Wasser. 


Lufttrocken = 
(C2°H!?NO5,HC1)? + PtCl? + 2H?O. 

Saures weinsaures Protopin schiesst in kleinen, 
weissen Prismen an, wenn das Alkaloid in einem Ueberschuss 
von WeinsÀure unter jAnwendung von WÀrme gelöst wird. 
Das Salz löst sich ziemlich schwer in kaltem Wasser. 


Saures oxalsaures Protopin bildet kleine, weisse, 
aus concentrisch gruppirten Prismen bestehende Warzen. 
Kochendes Wasser löst das Salz sehr leicht auf, dagegen 
löst kaltes Wasser schr wenig von dem Salze auf, jedoch 
relativ mehr als von dem entsprechenden Kryptopinsalz. 


Schwefelsaures Protopin krystallisirt leicht in 
weissen, kleinen Nadeln, 


s 


120 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 
Laudanosin. 


Das Laudanosin wird bei der oben angefĂŒhrten Art der 
Darstellung mit etwas Thebain, Kryptopin und Spuren Proto- 
pin gemengt erhalten, von welchen Alkaloiden es sich bis auf 
Àusserst kleine Reste mittelst Aether trennen lÀsst, indem es 
sich in Aether sehr leicht löst, wÀhrend sich genannte Basen 
darin in bei weitem geringerem Maasse lösen. Der Aether 
wird dann verjagt, der RĂŒckstand in EssigsĂ€ure gelöst und 
die schwach saure Lösung mit einem kleinen Ueberschuss von 
Jodkalium gefÀllt, wodurch das Laudanosinjodhydrat als ein 
anfangs weisses, spÀter gelblich werdendes Krystallpulver 
erhalten wird, wÀhrend die etwa noch vorhandenen Spuren 
der obengenannten Beimengungen in der Lösung bleiben. Aus 
dem Jodhydrat wird endlich die Base mittelst Ammoniak 
abgeschieden, dieselbe in EssigsÀure gelöst, diese Lösung 
mit Thierkohle behandelt und das Alkaloid wieder mit Am- 
moniak gefÀllt. 

Das Laudanosin wird so in weissen Flocken erhalten, 
die bald krystallinisch werden und dann leichte, weisse Massen 
bilden. Wird das Alkaloid in kochendem Benzin gelöst, so 
scheiden sich aus der erkaltenden Lösung prÀchtig weisse 
Nadeln aus. In gleicher Weise lÀsst es sich aus Alkohol in 
hĂŒbschen Prismen erhalten, jedoch nur dann, wenn das Alka- 
loid ganz rein ist. Aus Aether endlich lÀsst es sich in 
weissen, blumenkohlartigen Massen gewinnen. 

Das Laudanosin löst sich nicht in Wasser, dagegen leicht 
in siedendem Benzin und PetroleumÀther und scheidet sich 
beim Erkalten dieser Lösungen zum grössten Theil wieder 
ab. Alkohol, Aceton und: Chloroform lösen das Alkaloid 
Àusserst leicht, wÀhrend 1 Theil Substanz bei 16°C. 19,3 
Theile Aether zur Lösung erfordert. 

Kali- und Natronlauge lösen das Alkaloid nicht im Ge- 
ringsten auf und auch verdĂŒnnte Kalkmilch wirkt auf das- 
selbe nur spÀrlich lösend ein. Wenn seine Salzlösung mit 
einem betrÀchtlichen Ueberschuss von Ammoniak. zersetzt 
wird, so trĂŒbt sich anfangs die Lösung, bald aber wird die- 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 121 


selbe klar und dann scheiden sich kleine, weisse Prismen der 
Base aus, wÀhrend ein Àusserst geringer Theil davon gelöst 
bleibt und mittelst Aether der ammoniakalischen Lösung ent- 
zogen werden kann, 

Das Laudanosin schmilzt bei 89°C. zu einer farblosen 
Masse , welche beim Erkalten anfangs zÀhe wird, spÀter aber 
doch krystallinisch erstarrt. Bei etwa 110° zeigen sich in 
der Schmelze in Folge beginnender Zersetzung rothe Strei- 
fen; indess lÀsst sich der noch unzersetzte Theil sehr leicht 
wieder farblos daraus erhalten. Es ist nicht fÀhig, wenn es 
höher erhitzt wird, zu sublimiren. 

Das Laudanosin schmeckt sehr schwach bitter, wÀhrend 
seine Verbindungen mit SÀuren Àusserst bitter schmecken. 
Die alkoholische Lösung der Base reagirt stark basisch und 
neutralisirt die SÀuren, selbst die stÀrksten, vollstÀndig. 

Mit Eisenchlorid fÀrbt es sich nicht. Concentrirte Sal- 
petersĂ€ure löst das Laudanosin fĂŒr den ersten Moment farblos, 
aber bald wird die Lösung gelb, besonders wenn dieselbe 
erhitzt wird. In SalpetersÀure von 1,06 spec, Gewicht löst 
sich das Laudanosin bei gewöhnlicher Temperatur farblos auf; 
die Lösung wird beim ErwÀrmen gelb, entwickelt farblose 
Gase und trĂŒbt sich dann beim Erkalten milchig, indem sich 
eine neue Substanz in kleinen Oeltröpfchen abscheidet. Aether 
entzieht der sauren Lösung diese Substanz und hinterlÀsst sie 
bei seinem Verdunsten in kleinen, concentrisch gruppirten 
Prismen, welche sich in verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure nicht lösen, 
in kochendem Wasser schmelzen und von Ammoniak nicht 
unerheblich gelöst werden. — Der salpetersauren Lösung wird 
ferner noch eine Substanz mit Aether entzogen, sobald die 
Lösung mit Ammoniak ĂŒbersĂ€ttigt worden ist. Diese zweite 
Substanz, welche offenbar eine Base ist, krystallisirt in gelben 
Prismen, löst sich in SÀuren und wird daraus mittelst Ammo- 
niak niedergeschlagen. 

Concentrirte reine SchwefelsÀure fÀrbt sich mit Lauda- 
nosin schwach rosa, jedoch etwas intensiver als wie mit Lau- 
danin, Bei eirca 150° wird dann die Lösung schmutzig-roth- 
violett. Wesentlich anders verhÀlt sich eisenoxydhaltige SÀure 


192 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


zu Laudanosin, denn diese fÀrbt sich damit bei etwa 20° 
braunroth, bei etwa 150° anfangs grĂŒn, dann bleibend dun- 
kelviolett. 

Dieses Verhalten erinnert sehr an das des Laudanins; es 
lag daher die Vermuthung nahe, dass beide Basen in naher 
Beziehung zu einander stehen möchten. In der That ergab 
die fernere Untersuchung eine Differenz von CH? in der Zusam- 
mensetzung beider Basen, nemlich fĂŒr das Laudanosin die For- 
mel C?1H?7NOŸ, wÀhrend, wie oben erörtert wurde, das 
Laudanin nach der Formel 0?°H?5NO* zusammengesetzt ist. 
Beide Basen sind also zu einander homolog und verhÀlten 
sich zu einander etwa wie das Kodein zum Morphin. 

Das Laudanosin enthÀlt kein Krystallwasser. Die im 
Exsiccator getrocknete Substanz ist wasserfrei. 


Berechnet nach Versuch 
C21H?7 NO# CAT SEiRs RRETE 
— . - 
021 252 10,58 70,22 70,97 
H2? 27 7,56 7,16 7,50 
N 14 3,92 3,89 ” 
04 64 17,94 wei KM. 
357 100,00. 


Die Salze des Laudanosins sind im Allgemeinen etwas 
leichter löslich als die Salze des Laudanins.. Es wurden fol- 
gende Salze nÀher untersucht. 

Salzsaures Laudanosin erhÀlt man,.wenn man die 
alkoholische Lösung der Base genau mit SalzsÀure neutrali- 
sirt. Beim Verdunsten der Lösung bleibt ein farbloser, zÀher 
RĂŒckstand, welcher vollkommen neutral reagirt, sich leicht in 
Wasser löst und selbst nach Zusatz von etwas SalzsÀure 
nicht krystallisirt. 

Salzsaures Laudanosin-Platinchlorid. — Die 
Base wurde in verdĂŒnnter SalzsĂ€ure gelöst und diese Lösung 
mit, Platinsolution vermischt, wodurch ein gelber, amorpher 
Niederschlag entstand. Dieses Doppelsalz schmilzt in kochen- 
dem Wasser, löst sich auch etwas darin, ist aber in kaltem 
Wasser unlöslich. Es ist bestÀndiger als das entsprechende 
Laudaninsalz. 


Beitrag zur Kenntuiss der Opiumbasen. 123 


Formel = 
(C21H2?NO%# HC1)? + PtClÂź + 3H20. 

Jodwasserstoffsaures Laudanosin. — Die essig- 
saure Lösung des Laudanosins, sowie dessen Chlorhydratlö- 
sung giebt nach dem ErwĂ€rmen und Zusatz ‘von schwach 
angesĂ€uerter Jodkaliumsolution anfangs milchige TrĂŒbung, 
welche in dem Maasse verschwindet, als sich das Salz in 
Krystallen ausscheidet. Das Jodhydrat bildet anfangs farb- 
lose, kleine Prismen, welche sich aber, lÀngere Zeit in der 
Mutterlauge gelassen, allmÀhlig gelb fÀrben. Es löst sich 
sehr schwer in kaltem Wasser, leicht dagegen in Alkohol 
und in kochendem Wasser, Das lufttrockene Salz enthÀlt 
Krystallwasser, welches bei 100° entweicht. 


Die Analyse fĂŒhrte zu der Formel: 
C21H?7NO%HJ + 1, H?O. 

Neutrales oxalsaures Laudanosin. — Die alko- 
holische Lösung der Base wurde genau mit OxalsÀure neu- 
tralisirtt und der Alkohol bei mÀssiger Temperatur entfernt, 
worauf das Salz als ein farbloser, amorpher RĂŒckstand erhal- 
ten wurde, der sich leicht in Wasser und Alkohol löste. 

Sauresoxalsaures Laudanosin. — Gleiche Aequi- 
valente von Base und ÖOxalsĂ€ure wurden zusammen mit 
Wasser behandelt und die so erzielte Lösung auf ein gerin- 
ges Volumen gebracht, worauf sich bald das gesuchte Salz 
in zarten, weissen, in Wasser sich sehr leicht lösenden Pris- 
men abschied. 


Formel —= 


G?1H?7N04C02H?0* + 3H20, 


Hydrokotarnin. 


Das Chlorhydrat des Hydrokotarnins, wie es in der oben 
bezeichneten Weise erhalten wird, krystallisirt man zunÀchst 
aus wenig Wasser um, befreit die erhaltenen Krystalle von 
der Mutterlauge und scheidet mittelst Kalilauge die Base 
ab, welche man mit Aether ausschĂŒttelt. Beim Verdunsten 


124 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


der Àtherischen Lösung, die man zweckmÀssig erst mit Na- 
tronbicarbonatlösung wÀscht, scheidet sich das Alkaloid in 
monoklinen Krystallen ab, weiche oft betrÀchtliche Dimensio- 
nen annehmen, 
Das Hydrokotarnin löst sich sehr leicht und farblos in 
ikohol, Aceton, Chloroform, Benzin ‚und Aether und wird 
aus dem letzteren Lösungsmittel beim Verdunsten desselben 
in Krystallen erhalten. 


Es schmilzt bei 50°C. zu einer farblosen FlĂŒssigkeit, 
welche beim Erkalten strahlig krystallinisch erstarrt. Wenn 
es auf 57° erhitzt wird, so verliert es das Krystallwasser, 
das es enthÀlt, vollstÀndig, bleikt aber dann beim Erkalten 
lĂ€ngere Zeit flĂŒssig, erstarrt jedoch ebenfalls krystallinisch, 
sobald die FlĂŒssigkeit mit einer Nadel berĂŒhrt wird. Bei 
der Temperatur von 70° bleibt es noch farblos, wird aber 
bei etwa 80° gelb, bei etwa 100° roth, bei 110 kis 120° 
dunkelroth und zersetzt sich mehr und mehr; bei 100° be- 
ginnt die Entwickelung weisser, nach roher ÜCarbolsĂ€ure 
riechender DĂ€mpfe. Eine Probe der Substanz, welche kurze 
Zeit auf 100° erhitzt worden war, verlor wÀhrend dem nicht 
weniger als 11 Procent an Gewicht (Analyse 1.).g | 

Ungeachtet der grossen FlĂŒchtigkeit der Substanz gelingt 
es doch nicht, das Alkaloid bei gewöhnlichem Luftdruck un- 
zersetzt zu destilliren. 

Das Hydrokotarnin löst sich bei etwa 20° mit gelber 
Farbe in reiner concentrirter SchwefelsÀure auf. Beim Er- 
wÀrmen wird die Lösung erst intensiv carmoisinroth, dann 
bilden sich blauviolette Streifen in derselben, bis sie schliess- 
lich schmutzig rothviolett gefÀrbt ist. Ein Eisenoxydgehalt 
der SÀure Àndert diese Farbenreaction nicht. Es verhÀlt sich 
somit diese Base zu SchwefelsÀure gerade so, wie das Nar- 
kotin; doch will es mir scheinen, dass man dieselbe IntensitÀt 
der Farbe mit bedeutend geringeren Mengen von Hydroko- 
tarnin erhalte, als von Narkotin. 

Concentrirte SalpetersÀure fÀrbt sich mit dem Hydroko- 
tarnin gelb. 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 125 


Von Kali- und Natronlauge wird das Hydrokotarnin nicht 
gelöst. Wenn zur wÀsserigen Lösung des salzsauren Hydro- 
kotarnins Kalilauge gebracht wird, so entsteht eine milchige 
TrĂŒbung der Lösung, indem sich die organische Base in 
kleinen, farblosen Oeltröpfehen abscheidet. Diese TrĂŒbung 
verschwindet in dem Maasse, als sich die amorphe Ausschei- 
dung in farblose Prismen umsetzt. Ammoniak erzeugt in der 
wĂ€sserigen Lösung des Chlorhydrats ebenfalls milchige TrĂŒ- 
bung, doch verschwindet dieselbe auf Zusatz von Ammoniak 
und dann beginnt in der ammoniakalischen Lösung die Ab- 
scheidung des Alkaloids in grossen, farblosen, sechsseitigen 
monoklinen Tafeln. 

Das Hydrokotarnin schmeckt anfangs schwach bitter, 
spÀter macht sich auf der Zunge eine lÀngere Zeit andauern- 
des scharfes Brennen bemerklich. Es wird nicht von Eisen- 
chlorid gefÀrbt. Seine Lösung in Alkohol blÀut rothes Lack- 
muspapier und sÀttigt die SÀuren vollstÀndig. 

Die lufttrockenen Krystalle des Hydrokotarnins zeigten 
beim lÀngeren Verweilen im Exiccator keinen Verlust, allein 
da anzunehmen war, dass dieselben Mutterlauge einschliessen 
wĂŒrden, so wurden sie zerrieben und die gepulverte Sub- 
stanz, nachdem sie lÀngere Zeit wieder an der Luft gelegen 
hatte, wieder in den Exsiccator gebracht, wobei 1,6 pC. Ver- 
lust eintrat.- Es ist nicht unwahrscheinlich, dass bei diesem 
zweiten Trocknen im Exsiecator ein geringer Theil Krystall- 
wasser mit entwichen ist; denn der Krystallwassergehalt 
wurde dann etwas zu niedrig gefunden, wÀhrend andererseits 
die Kohlenstoffbestimmung etwas mehr ergab, als die Be- 
rechnung verlangt. Die Analyse des feingepulverten, im 
Exsicecator getrockneten Materials fĂŒhrte zu der Formel: 

C12H!5NO3 + 4,H2O. 


berechnet : gefnnden 
012 144 62,61 65,15 
H16 16 6,95 6,99 


. N 14 6,09 6,12 
03, 56 24,34 ii 
230 100,00 
aq. M) 3,91 3,59. 


126 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


Von der wasserfreien Substanz wurden zweı Analysen 
ausgefĂŒhrt und zwar eine (1.) von Substanz, die einige Stun- 
den lang auf 100° erhitzt worden war, dabei einen Verlust 
von circa 11 pC. gezeigt und sich roth gefÀrbt; hatte. Die 
Substanz, welche zur zweiten Analyse verwendet wurde, war 
dagegen nur bis auf 70° erhitzt worden und völlig unver- 
Ă€ndert. \ 


Berechnet nach Versuch 
C12H15N03 : = 
C12 144 65,15 . 64,65 65,04 
H1!5 15 6,78 6,83 6,82 
N 14 6,34 — — 
0? 48 21,73 — — 
221 100,00. 


‘Es ergiebt sich somit aus diesen Versuchen, dass die 
Substanz bei 100° trotz des erheblichen Gewichtsverlustes 
und der angenommenen rothen Farbe noch nahezu dieselbe 
Zusammensetzung besitzt, wie die völlig unverÀnderte Sub- 
stanz. 

Von dem Kotarnin, mit welchem sonst dieses Alkaloid 
grosse Aehnlichkeit hat, unterscheidet es sich vor allen Din- 
gen durch einen grösseren Gehalt von Wasserstofl. Uebri- 
gens muss hervorgehoben werden, dass die bis jetzt vom 
Kotarnin bekannt gewordenen Analysen nicht gut zu der 
Formel stimmen, die Matthiessen und Foster dafĂŒr in 
Vorschlag gebracht haben.*) Nach diesen Chemikern soll 
sich das Kotarnin aus dem Narkotin beim Erhitzen mit 
Wasser nach der Gleichung: 

C22H23N0O? — C12H13NO3 + (010H1004 
Narkotin Kotarnin Mekonin 
bilden. Was hierbei das Wasser zu thun habe, ist nicht recht 
einzusehen, vielleicht erfolgt die Zersetzung in ganz anderer 
Weise, etwa nach der Gleichung: 
022H2>NO? + H2O — C12H15NO3 + 010 91005 
Narkotin Hydrokotarnin OpiansÀure. 


*) Gmelin, Handbuch der Chemie VII, 1067. 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 197 


Ich bin augenblicklich verhindert, diese mir vorgelegte 
Frage zu erledigen, hoffe jedoch spÀter Gelegenheit zu finden, 
das Narkotin in dieser Weise untersuchen zu können. 

Was die Salze des Hydrokotarnins betrifft, so ist anzu- 
fĂŒhren, dass dieselben grosse Aebnlichkeit mit den Salzen 
des Kotarnins haben. Sie fÀrben sich nicht mit Eisenchlo- 
rid, wenn nicht etwa die in ihnen enthaltene SĂ€ure selbst 
eine FĂ€rbung mit diesem Agens zeigt. Die Salze schmecken 
bitter und mit wenigen Ausnahmen krystallisiren sie Àusserst 
schwierig. 

Salzsaures Hydrokotarnin, — Die Base wurde 
mit verdĂŒnnter SalzsĂ€ure neutralisirt und die Lösung auf ein 
geringes Volumen gebracht, worauf sich im Laufe lÀngerer 
Zeit das Chlorhydrat in langen, weissen Prismen abschied. 
Das Salz löst sich Àusserst leicht in Wasser und Alkohol. 

Formel = 

C12H!>NO3Âź HCl + 14, H2O. 

Salzsaures Hydrokotarnin-Platinchlorid. — 
Die wÀsserige Lösung des Chlorhydrats scheidet auf Zusatz 
von Platinsolution einen gelben amorphen Niederschlag ab, 
welcher sich bald in orangerothe Prismen umsetzt, die kein 
Krystallwasser enthalten. 

Formel —= 

(C12H15>NO3,HO])? + PtCl%. 

Salzsaures Hydrokotarnin-Goldchlorid. — Das 
salzsaure Hydrokotarnin giebt mit Goldchlorid einen braun- 
rothen, harzigen, in Wasser wenig löslichen Niederschlag, und 
nır dann, wenn die Lösung ziemlich verdĂŒnnt ist, gelingt es, 
das Doppelsalz in Form von gelbbraunen Prismen und rhom- 
bischen BlÀttchen zu erhalten. 

Salzsaures Hydrokotarnin-Quecksilberchlo- 
rid ist weiss, amorph. 

Jodwasserstoffsaures Hydrokotarnin, durch 
Wechselzersetzung vom Öhlorhydrat und Jodkalium erhalten, 
schiesst in soliden, kurzen, gelblichen Prismen an, welche sich 
bei 18°C, in 50,6 Theilen Wasser, besonders leicht in kochen- 
dem Wasser lösen. Es enthÀlt kein Krystallwasser, 


128 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


Formel = 
OA2HL3NO> HJ. 

Pikrinsaures Hydrokotarnin scheidet sich auf 
Zusatz von pikrinsaurem Kali zur wÀsserigen Chlorhy- 
dratlösung anfangs ölig ab, aber bald entstehen hĂŒbsche Pris- 
men des Salzes, die sich in kaltem Wasser sehr schwer lösen. 


Nach diesen Erörterungen enthÀlt also das Opium eine 
Collection von mindestens funfzehn Alkaloiden. Unter diesen 
basischen Substanzen nimmt unbedingt das Morphin bezĂŒglich 
seiner Anwendung in der Heilkunde und der QuantitÀt, in 
welcher es in dem Opium vorkommt, die erste Stelle ein, die 
demselben nicht streitig gemacht werden kann, selbst wenn, 
wie zu hoffen ist, dessen Begleiter Wirkungen besitzen, 
welche denen des Morphins gleichzustellen sind oder sie wohl 
gar ĂŒbertreffen, und zwar desshalb nicht, weil alle diese Stoffe 
nur in verhÀltnissmÀssig geringen Mengen aus dem Opium 
zu erhalten sind, 

Ich betrachte es als nicht unwahrscheinlich, dass die 
therapeutische Wirkung des Morphins lediglich 
in seiner VerÀnderlichkeit ihren Grund hat, dass 
somit den stabileren Opiumsioffen auch entsprechend geringere 
Wirkungen zuzusprechen wÀren, als dem Morphin selbst. . 

Das Morphin findet sich bekanntlich in grösserer Menge 
im Milchsafte der Mohnpflanze vor, der beim Anritzen der 
Mohnköpfe kurz vor der Reife derselben ausfliesst. In dem 
Maasse jedoch, als der Reifungsprocess der Pflanze vorschreitet, 
wird auch der Milchsaft mehr und mehr resorbirt, bis endlich 
der Moment eintritt, in welchem die Mohnköpfe keinen Milch- 
saft und dem entsprechend auch kein Morphin mehr enthalten. 
Diese VerÀnderungen, welche unter normalen VerhÀltnissen 
in der Natur erst nach lÀngerer Zeitdauer zum Abschluss 
gelangen, können in ihrem Verlaufe beschleunigt werden, wenn 
man z. B. die Pfanze vor der Reife abschneidet und trocknet, 
denn in diesem Falle verschwindet. der Milchsaft in kĂŒrzester 
Zeit und mit ihm das Morphin. Dann liefert die Mohnpflanze 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen, 129 


mit Wasser oder Alkohol wohl ein Extract, aber dieses Ex- 
tract ist weder Opium, noch enthÀlt es das werthvolle 
Morphin. 


Allerdings wollen mehre Chemiker in den reifen Mohn- 
kapseln Morphin gefunden haben, aber ich glaube, dass bei 
diesem Nachweis kohlensaurer Kalk eine wichtige Rolle 
gespielt haben mag, wenigstens habe ich bei solchen Unter- 
suchungen einen Niederschlag erhalten, der zwar bezĂŒglich 
seiner Form einige Aehnlichkeit mit Morphin hatte, sich aber 
bei der weiteren Untersuchung als das genannte Carbonat 
erwies. Selbst aber in dem Falle, dass es gelingen sollte, 
aus den reifen Mohnkapseln wirklich eine Spur Morphin abzu- 
scheiden, so wird doch die Frage gerechtfertigt erscheinen: 
Wo bleibt die Hauptmenge des Morphins? 


Diese Frage lÀsst sich zur Zeit noch nicht beantworten. 
Indess dĂŒrfte nicht zu viel behauptet werden, wenn gesagt 
wird, dass die im Opium enthaltenen Stoffe nicht alle ursprĂŒng- 
lich im Milchsafte der Mohnpflanze vorhanden seien, sondern 
sich erst wÀhrend des Einsammelns des Safıes und der Auf 
bewahrung des Opium bilden. Eatwell,*) der in dieser 
Richtung Versuche mit frischem Milchsaft anstellte, vermu- 
thet daher wohl mit Recht, dass bei einer sorgfÀltigen Be- 
handlung des Milchsaftes sein Morphingehalt durch Nachbil- 
dung gesteigert werden könne. Andererseits wird man nicht 
verkennen, dass bei einer mangelhaften Behandlung des 
Mohnsaftes ein Ausfall von Morphin nicht ausbleiben wird. 


Indess lassen sich nicht alle Opiumbasen auf 
das Morphin zurĂŒckfĂŒhren. Nehmen wir an, dass 
die Zusammensetzungsdifferenz von nCH? zwischen je zwei 
Opiumbasen zugleich den nahen Beziehungen entspricht, welche 
diese Basen zu einander haben, so wĂŒrden sich unter diesen 
Körpern folgende Reihen aufstellen lassen: 


*) Gmelin, Handbuch der Chemie VII, 1326, 
Arch, d, Pharm, CO, Bda, 2. Hit, r) 


130 Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 


I. Morphin C!17H!9NO3 und Kodein C1°H?!NO°. 

Il. Pseudomorphn C!?H!1?NO*, Laudanin und Kodamin 
G?°H25NO* und Laudanosin O?1H27NO%#, 

lil. Papaverin C?!H2!NO? und Lanthopin C2?H?>NO%. 


Von diesen Reihen zeichnet sich die Pseudomorphin- 
reihe besonders dadurch aus, dass alle Glieder derselben mit 
HJ Àusserst schwerlösliche Verbindungen bilden. Diese Reihe 
verhÀlt sich zur Morphinreihe wie etwa die MilchsÀurereihe 
zur Reihe der fetten SĂ€uren. Mit dem Kohlenwasserstoff- 
&ehalt dieser Basen erhöht sich auch ihr basischer Charakter. 
So ist das Kodein eine stÀrkere Base als das Morphin, das 
Laudanosin eine stÀrkere Base als das Pseudomorphin. 

Auch die zur Papaverinreihe gehörigen Glieder haben 
gewisse allgemeine EigenthĂŒmlichkeiten aufzuweisen, nem- 
lich die, dass sie weder fĂŒr sich basische Reaction zeigen, 
noch fÀhig sind, mit SÀuren Salze zu bilden, die neutral 
reagiren. 

Aber wir können die zahlreichen Opiumalkaloide auch 
noch in anderer Weise ordnen, wenn wir uns nemlich die 
VerÀnderungen als Anhaltspunkte dienen lassen wollen, 
welche diese Stoffe beim Erhitzen mit reiner concentrirter 
SchwefelsÀure erleiden. Die in diesem Falle auftretenden 
Farben legen Zeugniss davon ab, dass entweder gleiche oder 
im schlimmsten Falle Àusserst nahe verwandte Zersetzungs- 
producte enistehen. Wir können hiernach die Opiumbasen 
in vier Gruppen bringen, so zwar, dass zwei Gruppen in je 
zwei Unterabtheilungen zerfallen wĂŒrden. Wenn wir die 
Gruppen nach dem je Àltest bekannten Alkaloid bezeichnen, 
so gestalten sich dieselben wie folgt: 


I. Morphingruppe: «) Morphingruppe (im engeren 
Sinne): Morphin, Kodein, Pseudomorphin; ÂŁ) Laudaningruppe: 
Laudanin, Kodamin, Laudanosin. 

U. Thebaingruppe: Thebain, Kryptopin, Protopin. 

Il. Papaveringruppe: «) Papaverimgruppe im enge- 
ren Sinne : umfasst augenblicklich nur das Papaverin selbst; 
$) Narceingruppe : Narcein, Lanthopin. 


I 


Beitrag zur Kenntniss der Opiumbasen. 131 


IV. Narkotingruppe: Narkotin, Hydrokotarnin. 

Das Mekonidin ist ‘hierbei ganz unberĂŒcksichtigt geblie- 
ben, weil mir sein Verhalten zu concentrirter SchwefelsÀure 
beim ErwÀrmen nicht bekannt ist. Uebrigens wird diese 
Base bei dem Verfahren von Robertson-Gregory auch 
nicht erhalten und mĂŒsste behufs der Darstellung der Base 
ein anderer Weg”) eingeschlagen werden, wozu es mir augen- 
blicklich an Zeit fehlt, doch hoffe ich das VersÀumte in nicht 
zu ferner Zeit nachholen zu können. 

Was nun die angedeutete Farbenreaction der einzelnen 
Gruppen. betrifft, welche ein beliebiges Glied einer Gruppe, 
in reiner concentrirter SchwefelsÀure gelöst, beim ErwÀrmen 
der Lösung zeigt, so ist anzufĂŒhren, dass sich die Lösung 
fÀrbt von 

Gruppe I. «) schmutzig dunkelgrĂŒn; ÂŁ) schmutzig roth- 
violett. 

Gruppe II. SchmutziggrĂŒn bis braungrĂŒn. 

Gruppe III. «) dunkelviolett; £) schwarzbraun bis dun- 
kelbraun. 

Gruppe IV. Schmutzig rothviolett. 

Das Verhalten von Gruppe I, £ fÀllt anscheinend mit 
dem von Gruppe IV. zusammen, doch ist die NĂŒance nicht 
ganz gleich; wendet man aber eisenoxydhaltige SĂ€ure an, so 
fÀrbt sich I, £ dunkelviolett, wÀhrend IV. wieder schmutzig 
rothviolett wird, demnach ein erheblicher Unterschied statt- 
findet. 

Es wĂŒrden sich somit sĂ€mmtliche gut bekannte Opium- 
alkaloide auf vier Grundstoffe zurĂŒckfĂŒhren lassen, von denen 
aus entweder die verschiedenen Abzweigungen stattfinden 
oder in welche fragliche Alkaloide zerlegt werden können. 
Von welcher Art nun diese Stoffe sind, das allerdings bleibt 
eine Frage, deren Lösung ich der Zukunft ĂŒberlassen muss, 


*) Ann. Chem. Pharm, CLIII, 47. 


9% 


132 Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzein, 


Ueber die Bestandtheile der Queekenwurzeln 
(Graswurzeln, Rad. Graminis, den Rhizomen von Triticum 
repens L.). 


Von H. Ludwig und H. MĂŒller in Jena. 


Andreas Siegmund Marggraf, in seiner Abhand- 
lung: chymische Versuche, einen wahren Zucker aus ver- 
schiedenen Pflanzen, die in unseren LĂ€ndern wachsen, zu 
ziehen (dess. Chym. Schriften, 2. Theil, S. 70— 86; Berlin 
1767), in welcher er zuerst die Gewinnung „eines wahren 
vollkommenen und dem gebrÀuchlichen bekannten, aus dem 
Zuckerrohr bereiteten, vollkommen gleichen Zuckers aus dem 
weissen Mangold, Beta alba vel pallescens, quae 
Cyela offieinarum (. B., lehrt, erwÀhnt auch S. 85: dass 
zwei Arten der in den Apotheken gebrÀuchlichen Graswurzel 
gleichfalls einen sĂŒssen Saft lieferten, aber keinen festen 
Zucker. 

Einer Mittheilung des Herrn Apotheker Graff in Bay- 
reuth (in Trommsdorff’s Journ. d. Pharm. 1800, 7. Bd. 8. 271) 
entnehme ich folgende Angabe ĂŒber die Queckenwurzel: 
Da jetzt das Zuckerfabriciren gleichsam das allgemeine Losungs- 
wort ist, so habe ich nicht ermangeln wollen, Ihnen von 
meinen schon seit einigen Jahren gemachten Versuchen Nach- 
richt zu ertheilen. Alle frischen Stengel der Korn- 
arten, noch ehe solche zur BlĂŒthe kommen, liefern Zucker, 
nur immer eine Art mehr als die andere. Aus dem Schilf- 
rohre oder Weyrohr habe ich von 16 Pfunden 6!/, Loth 
Zucker erhalten und das zurĂŒckgebliebene Schleimige war 
noch ganz sĂŒss von Geschmack. 

Zwanzig Pfund Queckenwurzeln lieferten mir 
‚7 Loth Zucker, das zurĂŒckgebliebene Ertract schmeckte 
aber nicht mehr sĂŒss. 

C. H. Pfaff (System der Materia medica, 1808, Bd. I. 
S. 198) bemerkt ĂŒner die Queckenwurzel: Am meisten sĂŒssen 
Saft enthalten die im FrĂŒhjahre gesammelten Wurzeln, 
besonders die unter der Erde sich fortschlÀngelnden Stolones. 
Frisch zerstampft, geben sie durchs Auspressen vom Pfunde 


Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzeln. 133 


5 Unzen Saft, der, bis zur Honigdicke abgeraucht, den 
Queckenhonig (Mellago Graminis, Extract. Gram. liquid.) 
von angenehmer, eigenthĂŒmlicher SĂŒssigkeit giebt. Dieses so 
erhaltene flĂŒssige Extract schimmelt aber sehr leicht 
uud in dieser Hinsicht hat der aus den getrockneten 
Wurzeln (die beim Trocknen *, Feuchtigkeit verlieren) 
VorzĂŒge. 

Aus 40 Pfund getrockneten Wurzeln erhÀlt man 7 Pfund 
Mellago. Dieses Extract besteht grösstentheils aus sĂŒssem 
Extractivstoff; eigentlichen Zucker in krystallinischer 
Gestalt habe ich (Pfaff) bis jetzt nicht daraus darstellen 
können; ferner aus Schleim und wohl auch aus etwas 
glutinösem Stoff. Es geht leicht in die weinige GÀhrung 
ĂŒber und liefert nach Vollendung derselben eine FlĂŒssigkeit, 
die an Farbe, Geist und klebriger SĂŒssigkeit Aehnlichkeit mit 
spanischem Wein hat, nur dass das SĂŒsse nicht so an- 
genehm ist. 

Eine fortgesetzte, gelinde GĂ€hrung mit dem Zusatz von 
Essigferment giebt einen guten Essig. Pfaff eitirt noch eine 
Arbeit ĂŒber einige Bestandtheile der Quecken von Herrn 
Hoffmann aus Leer (dem Entdecker der ChinasÀure) in 
Crell’s BeitrĂ€gen, Ill. 123, die mir nicht zu Gebote 
stehen. 

Berzelius (Lehrbuch d. Chemie 1837. 3. Aufl. 6. Bd. 
S. 439) bemerkt: Pfaff fĂŒhrt als eine eigene Species, einen 
Zucker an, den man erhÀlt, wenn das Extract der Graswurzel 
(Tritieum repens) mit Alkohol gekocht und die Auflösung 
erkalten gelassen wird, wobei der Zucker in feinen, weissen, 
biegsamen Nadeln anschiesst, die sich so verweben, dass 
der Alkohol von einem einzigen Procent Zucker 
zu gestehen scheint. 

Diese Eigenschaften stimmen so gut mit denen des 
Mannazuckers ĂŒberein (des Mannits), dass man sie wohl 
schwerlich, ohne entscheidende Beweise ihrer Verschiedenheit, 
fĂŒr verschiedene Arten halten kann. 

Geiger (Handbuch der Pharmacie 2. Bd. 2. Aufl. 
1839, 5. 142) sagt ĂŒber denselben Gegenstand: Rad. Graminis 


134 Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzeln. 


enthÀlt als Hauptbestandtheil nach Pfaff einen besonderen 
Zucker, Graswurzelzucker: ein Theil desselb., in 120 Th. 
Weingeist gelöst, bildet eine steife Gallert. 

Pfaff, ĂŒber den Graswurzelzucker (System der 
Materia medica 1821, 6. Bd. oder Supplementband, S. 110 — 
112): Bei Untersuchung der sogenannten Mellago Graminis 
der Apotheken fand ich mehrmals eine körnige Krystalli- 
sation in derselben, wo auch nicht der entfernteste Verdacht 
eines Zusatzes von Zucker war, der auch auf eine andere 
Art, in etwas grösseren Krystallen: sich ausgeschieden hÀtte, 
und eben so wenig einen Zusatz von Honig, den ohnedem 
Geruch und Geschmack hÀtte leicht erkennen lassen. Ich 
unterwarf demnach den Graswurzelhonig einer sorgfÀltigen 
Untersuchung und schied aus demselben eine ganz eigene 
Art von Zucker, die sich von allen ĂŒbrigen Arten sehr 
bestimmt unterscheidet. Man kann ihn am besten durch 
Ausziehen des Graswurzelextractes durch Weingeist in der 
WĂ€rme und Herauskrystallisiren durch Erkalten darstellen. 
Es bleibt viel Schleim unaufgelöst und der leichter auf- 
lösliche Schleimzucker bleibt im Weingeiste zurĂŒck, 
aus welchem der Graswurzelzucker herauskrystallisirt. 

Er erscheint in zarten, bĂŒschelförmig und zu 
ganzen Kugeln zusammengehÀuften Nadeln und Prismen 
krystallisirt, von vollkommener weisser Farbe, weich und 
biegsam, von rein sĂŒssem Geschmack, ist viel auf- 
löslicher in Alkohol als der gemeine Zucker und der Manna- 
zucker, indem in der WÀrme 1 Theil ohngefÀhr 40 Theile 
Alkohol zur Auflösung bedarf, unterscheidet sich aber vor- 
 zĂŒglich von beiden und von allen ĂŒbrigen Arten des Zuckers 
durch die merkwĂŒrdige Eigenschaft, dass er beim Er- 
kalten den Alkohol eben so figirt (gerinnen macht), 
wie die Gallerte das Wasser, und dass eine sehr 
kleine Menge desselben, nemlich 1 Theil, noch 120 Theile 
Alkohol beim Erkalten in einen starren, der Morsellen- 
consistenz Àhnlichen Zustand verwandeln kann. Die Auf- 
lösung dieses Graswurzelzuckers wird von den heagentien 
ebenso wenig, wie die des gemeinen Zuckers affieirt, doch 


Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzeln. 135 


bringen salpeters. Quecksilberauflösung, salpeters. und essigs. 
Bleiauflösung eine leichte TrĂŒbung darin hervor. (Genauere 
analytische Versuche habe ich bis jetzt nicht damit ange- 
stellt. (Pfaff.) 

H. Ludwig’s Beobachtungen ĂŒber die Bildung von 
krystallisirtem milchsauren Kalk in Mellago Taraxacı und 
ĂŒber das Vorhandensein von MilchsĂ€ure in aufbewahrter Mel- 
lago Graminis (siehe Archiv d. Pharmacie 1857, Il. R., 90. Bd., 
S. 292) fĂŒhren ihn darauf, den sogenannten Grasswurzelzucker 
von Pfaff fĂŒr ein Gemenge von milchsaurem Kalk mit 
Mannit zu erklÀren. 


Dr. John Stenhouse (Annal. d. Chemie u. Pharm. 1844, 
51, 354) erhielt durch Auskochung von Queckenwurzeln mit 
Alkohol bei zwei Versuchen keinen Mannit. Die alkohol. 
Lösung setzte allerdings nach lÀngerem Stehen eine QuantitÀt 
langer, schlanker Nadeln ab, allein dieselben besassen keinen 
sĂŒssen Geschmack und lösten sich in heisser SchwefelsĂ€ure 
unter Aufbrausen und ohne die FlĂŒssigkeit zu schwĂ€rzen. Auf 
dem Platinbleche erhitzt, liessen sie einen weissen, schmelz- 
baren alkalischen RĂŒckstand, der, wenn er mit HÜl neu- 
tralisirt worden, in einer alkoholischen Lösung von PtÜl? einen 
gelben , krystallinischen Niederschlag erzeugte. Stenhouse 
erklĂ€rt desshalb diese Krystalle fĂŒr saures oxalsaures 
Kali. Die Queckenwurzeln enthielten sicherlich eine grosse 
Menge eines unkrystallisirbaren Zuckers, welcher leicht 
in GĂ€hrung ĂŒberging. 

A. Völcker fand Mannit in der grössten Menge in einem 
Queckenwurzelextract, bereitet aus Wurzeln, die in dem 
trocknen und heissen Sommer des Jahres 1842 gewachsen 
waren. Er unterwarf diesen Mannit einer sorgfÀltigen qualita- 
tiven und auch der Elementar- Analyse und fand darin: 
C=39,48 — 39,59; H= 7,71 — 7,59; O=52,81— 52,82 Proc, 
(Annalen der Chemie u. Pharm. 1846, 59, 330). 


Dr. Riegel, Apotheker in Carlsruhe (Archiv d. Pharm. 
1848, II. R., Bd. 55, 8. 58) bestĂ€tigte Pfafl’s Beobachtung 
an einem körnig grieslich gewordenen Extract. Graminis 


136 Weber die Bestandtheile der Queckenwurzeln. 


welches, in Wasser gelöst, dick wurde; Derselbe weiss keine 
ErklĂ€rung fĂŒr diese Erscheinung. 

Die Wurzel von Triticum repens (und von Leonto- 
don Taraxacum) enthÀlt nach HermbstÀdt auch Weinstein 
(L. Gmelin’s Handb. d. Chemie 3. Aufl. 1829. 2. Bd. 8. 57)- 


Die Queckenwurzeln enthalten nach meinen eigenen 
Beobachtungen in kaltem Wasser lösliches, beim Sieden der 
Lösung gerinnendes Eiweiss. 


Ueber Mellago Graminis schrieb Dr. Geiseler, 
Apotheker in Königsberg in der Neumark (Archiv d. Pharm. 
1847, II. R., 50. Bd., S. 257— 271): „WĂ€hrend des Ver- 
dampfens der AuszĂŒge bildete sich auf der OberflĂ€che der 
FlĂŒssigkeit viel Schaum, ein Zeichen, dass durch das kalte 
Wasser wahrscheinlich Eiweissstoff aufgelöst war; es 
verwandelte sich ferner die schwach gelbliche FĂ€rbung 
des Auszugs in eine hellbraune, die indessen nicht allein 
in der grösseren Concentration ihren Grund haben konnte, 
da sie fast zugleich mit dem Ausscheiden des Schaums 
zu Anfang der Verdunstung schonsich bemerkbar 
machte und deren Ursache daher nach Geiseler vielmehr in 
einer schwer zu vermeidenden VerÀnderung oder Ver- 
bindung des in den Graswurzeln enthaltenen Zuckers 
gesucht werden muss. 


Apotheker Horn in Gronau empfiehlt zur Bereitung 
der Mellago Graminis (im Archiv d. Pharm. 1849, II. R, 
Bd. 57, 8. 26) eine Extraction der getrockneten, auf der 
MĂŒhle geschrotenen Wurzeln mit kaltem Wasser im Ver- 
drÀngungsapparat und alsbaldiges Eindampfen im Wasserbade. 
Er erhielt so eine hellbraune, angenehm sĂŒss schmeckende 
Mellago; Ausbeute 40 bis 50%). In Weinflaschen aufbewahrt, 
hielt sich das PrÀparat Jahre lang ohne die mindeste Ver- 
Ă€nderung. 


(Ich kann aus eigener Erfahrung, gesammelt in dem 
GeschĂ€fte des verstorbenen Apothekers Johann BĂŒrck in 
Durlach im Anfang der 40ger Jahre, diese Methode eben- 
falls empfehlen.) 


Ueber die Bestandtheile der Queekenwurzeln. 137 


Ueber Queckenalkohol (Arch. d. Pharm. 1855, II. R. 
81. Bd., S. 322; und Bd. 83, 8. 205). 

Nach Eduard Rebling, Apotheker in Langensalza, 
(Arch. Pharm. 1855, Bd. 84, S. 15) betrÀgt der Zuckergehalt 
der Queckenwurzel nicht weniger als 22 Procent. — Pectin 
ist noch nicht darin nachgewiesen (F. A. FlĂŒckiger, Lehrb. 
d. Pharmakognosie d. Pflanzenreichs 1867, 8. 156). Die 
Queckenwurzel enthÀlt weder Amylum noch Harz (a. 2. 0. 
S. 156 und 8. 714). 

J. W. Albert Wigand fĂŒhrt in seinem Lehrb. d. 
Pharmakognosie 1863 8. 42 als Bestandtheile der Quecken- 
wutzel (Rhizoma Graminis) Gummi und Graswurzel- 
zucker auf. 

Das Ziel der nachfolgenden Untersuchungen war nun 
die nĂ€here PrĂŒfung der Zuckerarten in Rhizoma 
Graminis und der Substanz, aus welcher dieselben hervor- 
gehen. BezĂŒglich dieser letzteren lagen zwei Vermuthungen 
nahe: dieselbe konnte entweder ein durch Spaltung Zucker 
lieferndes Glykosid oder auch Dextrin sein. 

In der ersteren Richtung wurden folgende Versuche 
angestellt: 

50,0 Grm. Extr. Gram., aus der hiesigen Hofapotheke, 
wurden mehrmals mit Weingeist behandelt, die gemischten Aus- 
zĂŒge zur Syrupsconsistenz verdampft und mit Aetherweingeist 
(gleiche Theile Aether und Weingeist) mehrmals ausgeschĂŒttelt. 
Nach der Verdunstung dieses Àtherweingeistigen Auszugs 
blieb ein geringer RĂŒckstand, der indess nicht zum Krystal- 
lisiren gebracht werden konnte, sondern aus unkrystallisirba- 
rem Zucker bestand. Er schmeckte sehr sĂŒss, reducirte die 
Trommer’sche Probe leicht in der KĂ€lte und zeigte beim 
Kochen mit verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure keine VerĂ€nderung. 

Ferner wurden 250,0 Grm. Rhiz. Gram. zweimal mit 
Weingeist von 90 Vol.°/, in der WÀrme ausgezogen. Dieser 
Auszug war gelblich gefÀrbt, reagirte schmach sauer und 
schied nach Zusatz von wenig Wasser einige fettartige, gelb- 
liche Flocken ab, die abfiltrirt wurden; hierauf wurde die 
FlĂŒssigkeit mit CaO,HO bis zur neutralen Reaction vermischt, 


I 


138 Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzeln. 


(mit etwa 3,0 Grm.), filtrirt, in das Filtrat KohlensÀure eingelei- 
tet, die nun neutrale FlĂŒssigkeit nach einigem ErwĂ€rmen abfil- 
trirt und davon der grösste Theil des Weingeists abdestillirt. 
Der RĂŒckstand wurde zuletzt im Weasserbade weiter einge- 
dampft, wobei sich ein bei gewöhnlicher Temperatur flĂŒssiges, 
grĂŒnes Fett ausschied. Der AbdampfrĂŒckstand wurde daher 
mit etwas Wasser vermischt, filtrirt, zur Syrupsdicke einge- 
dampft und zum Krystallisiren bei Seite gestellt. Es konn- 
ten nach mehrtÀgigem Stehen keine Krystalle erhalten wer- 
den. Es wurde nun dieser Syrup mehrmals mit Aetherwein- 
geist ausgeschĂŒttelt; die dadurch erhaltenen AuszĂŒge hinter- 
liessen nach dem Verdunsten wenig eines ebenfalls unkrystal- 
lisirbaren RĂŒckstandes, aus Fruchtzucker bestehend, noch 
vermischt mit einer Spur einer kratzenden, harzartigen Sub- 
stanz. | n 

Es ist also ein in Weingeist lösliches Glykosid in Rhiz. 
Gram. nicht enthalten. 

Die oben erwÀhnten, aus dem weingeistigen Auszuge 
durch Wasser abgeschiedenen Flocken bestanden aus einem 
gelblichen Fette mit bei gew. Temp. fester FettsÀure. 

Die sowohl aus dem Fxtr., als aus dem Rhiz. Gram. 
erhaltenen Zuckersyrupe wurden nun nach dem EntfÀrben 
mittelst Thierkohle auf ihr Rotationsvermögen gegen das 
polarisirte Licht untersucht, wobei sich ergab, dass sie die 
Polarisationsebene stark nach links drehten, 

Zur Berechnung des Molecularrotationsvermögens diente 
die Formel: 

V 
AUT 
worin a die direct beobachtete Drehung, 
v das Volumen der FlĂŒssigkeit in CC. ausgedrĂŒckt, 
l die LĂ€nge des Rohres in Decimetern und 
p das Gewicht des gelösten Zuckers in Grammen be- 
deutet. 

1) Die Lösung des aus dem Extr. Gram. erhaltenen, mit 

Aetherweingeist ausgeschĂŒttelten Zuckers zeigte ein Drehungs- 


lei — a 


Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzeln. 139 


vermögen nach links von 8°. Sie enthielt 2,200 Grm. Zucker 
(bei 110° getrocknet, wie auch alle folgenden Zucker-, resp. 
Gummi-Arten). Das Molecularrotationsvermögen desselben 
ist also = — 49,0. Denn 

= KR, 

2,200 Grm,, 

2 Decim. (200 MM.), 

ua 


Il 


a 
pP 
l 

V 


also [«]j] = apgr =,8 Zar = 49,0 links. 

2) Die Lösung einer andern, ebenfalls aus dem Extract 
durch Ausziehen mit Weingeist erhaltenen, aber nicht mit Aether- 
weingeist behandelten QuantitÀt Zuckers besass ein Drehungs- 
vermögen nach links von 4°; sie enthielt 1,000 Grm. Zucker, 
woraus sich das Molecularrotationsvermögen desselben zu 
— 54,0 ergiebt. Denn 


a = 4° links, 
p= 1,000 Grm., 
KM 12 1Dm, 
v—=2T70E. 
27 h 
also [«]j = 4 IW” 54°,0 links. 


Der Unterschied beider Zuckerarten erklÀrt sich dadurch, 
dass dem zuerst angefĂŒhrten ein Theil Fruchtzucker durch 
Aetheralkohol entzogen worden war. 


3) Die Lösung des aus dem Rhiz. Gram. erhaltenen 
Zuckers drehte die Polarisationsebene um 8°,5 nach links und 
enthielt 1,805 Grm, Zucker. Das Molecularrotationsvermögen 
desselben berechnet sich daraus auf — 63,5. Denn 

a—= 805 links, 
p= 1,805 Grm., 
l= 2Dm, 
v=2760; 
27 


3.1,805 — 63,5 links, 


also [« ]j = 8,5 


140 Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzeln. 


Da reiner Fruchtzucker ein Molecularrotationsvermögen 
von —106° besitzt, so schienen also die vorliegenden Zucker- 
proben Gemenge von linksdrehendem Fruchtzucker mit rechts- 
drehendem Traubenzucker zu sein, — (die Anwesenheit von 
Rohrzucker kann wegen ihrer Unkrystallisirbarkeit nicht wohl 
angenommen werden)*), — und es wurde versucht, diese ver- 

mutheten Zuckerarten zu trennen. Demzufolge wurde die 
_ oben unter 1) angefĂŒhrte Zuckerlösung (mit einem Moleeu- 
larrotationsvermögen von — 49,0) mit Wasser auf 40 CC. 
gebracht und mit 1,5 Grm. Kalkhydrat vermischt, die nach 
einigem SchĂŒtteln zu einem dicken Brei erstarrte Masse aus- 
gepresst, der PressrĂŒckstand erst nahezu durch OxalsĂ€ure, 
schliesslich vollstÀndig durch KohlensÀure zerlegt und dadurch 
nach dem Filtriren eine fast farblose Lösung von Zucker 
erhalten, die ein Drehungsvermögen von 3° nach links zeigte. 
Sie enthielt 0,437 Grm. Zucker, woraus sich das Molecular- 
rotationsvermögen desselben auf — 92°%6 berechnet. Denn 


a3 lmke; 
p= 0,437 Grm,, 
= 2 Dim. 
va ER: 

27 


also [@]j = 3 — 929,6 links. 


2.0,437 

Die von dem krystallisirten Fruchtzuckerkalk abgepresste 
FlĂŒssigkeit wurde durch Einleiten von KohlensĂ€ure vom Kalk 
befreit und mit Thierkohle entfÀrbt. Sie besass ein Drehungs- 
vermögen von 1° nach rechts und enthielt 0,771 Grm. 
Zucker; das Molecularrotationsvermögen derselben ist hier- 
nach = + 17°,5; denn 


a ul rechts, 
pP 0,00 1aGcemı 
u 02Dım% 
0% 
5 27 
also [@]j = 1 — 179,5 rechts. 


2.0,771 


#) Weitere Versuche des Herrn H. MĂŒller haben die Abwesenheit 
von Rohrzucker in den Queckenwurzeln ausser Zweifel gestellt. JEh, Ibr 


Ueber die BestÀndtheile der Queckenwurzeln. 14i 


Das Molecularrotationsvermögen des wasserfreien Trauben- 
zuckers (01?H!1?01?) ist = + 539,2 bis 570%,4; obgleich also 
der vorliegende Zucker noch nicht reiner Traubenzucker ist, 
er auch nach mehrtÀgigem Stehen nicht krystallisiren wollte, 
so ist doch vorlÀufig die Anwesenheit eines rechtsdrehenden 
Zuckers in den Queckenwurzeln ĂŒberhaupt erwiesen. 

Eine besondere Art von Zucker scheint also im Rhiz. 
Gram. nicht enthalten zu sein. Es findet sich nun in manchem 
Extr. oder mancher Mellago Gram., besonders in Àlteren, zuweilen 
ein körnigkrystallinischer Absatz, den Pfaff fĂŒr einen eigenthĂŒm- 
lichen Zucker gehalten und mit dem Namen Graswurzel- oder 
Quecken - Zucker belegt hat; es war indess zu vermuthen, 
dass diese Krystalle der Hauptsache nach aus einem Salze und 
zwar vielleicht, wie beim Extr. Taraxaci, aus milchsaurem 
Kalk bestehen möchten. Durch Vermittelung meines Bru- 
ders Ed. MĂŒller kam ich in Besitz einer QuantitĂ€t ziemlich 
alten Extr. Gram. aus der Apotheke des Herrn GrÀf in Weis- 
senfels, das mit weissen, krystallinischen, runden Körnchen 
von halber Mohnsamengrösse ganz durchsÀet war. Im Uebri- 
gen war dieses Extract von gutem Geruch und Geschmack. 
Es wurde mit dem halben Volumen Wasser angerĂŒhrt, die 
Lösung nach einigem Stehen von den abgesetzten Körnchen 
abgegossen, die letzteren gelinde ausgepresst und mit kochen- 
dem Weingeist von 80°/, behandelt. (Durch einige Vorproben 
war die Gegenwart von ÜaO und die Löslichkeit in Weingeist 
constatirt worden.) Die weingeistige Lösung lieferte nach 
dem Eindampfen warzenfömige Krystallgruppen ganz nach 
Art des milchsauren Kalks; dieselben wurden von der Mutter- 
lauge getrennt, enthielten aber noch Zucker, von 
dem sie durch Umkrystallisiren nicht befreit wer- 
denkonnten. Um nun daraus reinen milchsauren Kalk zu 
erhalten, wurde das ganze vorhandene Material in etwas 
Wasser gelöst, mit SchwefelsÀure sauer gemacht und die 
FlĂŒssigkeit wiederholt mit Aether ausgeschĂŒttelt. Die acthe- 
rischen Lösungen wurden nach Zusatz von etwas Wasser ver- 
dunstet und der wĂ€ssrige, sehr saure RĂŒckstand mit reinem 
Ca0, CO? erwÀrmt, etwas eingedampft und nun das Ganze 


143 Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzeln. 


mit Weingeist ausgezogen, um (a0,SOÂź zurĂŒckzuhalten; nach 
dem Verdunsten des Weingeists und ZufĂŒgen von einigen Tro- 
pfen Wasser wurde die Lösung der Krystallisation ĂŒber 
SchwefelsĂ€ure ĂŒberlassen und die erhaltenen, zum Theil wieder 
warzenförmig gruppirten Krystalle, da ihre Menge nur gering 
war, nebst der Mutterlauge ĂŒber SchwefelsĂ€ure ausgetrocknet. 
Dieselben dienten zur Bestimmung des Kalk- und Wasser - 
Gehaltes.. Von Zucker waren sie frei, sie reducirten die 
Trommer'sche Probe nicht mehr. 


0,119 Grm. verloren bei 110° unter Schmelzen 

0,028 Grm. Wasser, — 23,53%), HO, u. gaben 0,023 Grm. 
GlĂŒhrĂŒckstand — 19,32), CaO. 

CaO, C6H°05 + AHO enthÀlt 24,82%, HO 

und 19,31%, CaO.) 

0,091 Grm. wasserfreier Ca0,C°H505 gaben also 

0,023 Grm. CaO —= 25,274°),. 

Die Formel verlangt 25,69, CaO. 


Zur Untersuchung auf Dextrin wurden die mit Weingeist 
ausgezogenen 250,0 Grm. Rhiz. Gram. mit warmem Wasser 
behandelt, die gemischten wĂ€ssrigen AuszĂŒge zur dĂŒnnen 
Syrupsconsistenz eingedampft, mit dem dreifachen Volumen 
Weingeist ausgeschĂŒttelt, wieder in Wasser gelöst und durch 
Weingeist gefÀllt, dies nochmals wiederholt und schliesslich 
das Gummi noch mehrmals mit warmem Weingeist ausgewaschen, 
zur Entfernung der letzten Reste anhÀngenden Zuckers. Die- 
ses Gummi, in Wasser gelöst und mit Thierkohle entfÀrbt, 
drehte aber die Polarisationsebene nicht nach rechts, sondern 
vielmehr nach links, und zwar besass es ein Molecular- 


rotationsvermögen von — 41°,4. Die Lösung gab eine directe 
Drehung von 2° links und enthielt 0,652 Grm. Gummi; also 
a2 links: 
p= 0,652 Grm,, 
25m! 
v—= 2706, 


27 
daher [@]j = 2 — 


2.0,652 ae 


Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzeln. 143 


Es ist dieses Gummi also kein Dextrin, verhÀlt sich 
aber insofern dem Dextrin Àhnlich, als es Kupferoxyd in alka- 
lischer Lösung leicht und krÀftig reducirt und durch ErwÀr- 
men mit verdĂŒnnter SO? in Zucker ĂŒbergeht, der indess 
nicht Traubenzucker, sondern ein stark links- 
drehendes Gemisch von diesem und Fruchtzucker 
ist. Einige Gramme des Gummis mit etwa 30 Grm. Was- 
ser und 5,0 Grm. verdĂŒnnter SO? einige Stunden auf 95° 
erwĂ€rmt, dann die FlĂŒssigkeit mit BaO,CO? neutralisirt 
und abfiltrirt, gaben eine sehr sĂŒssschmeckende Zuckerlösung, 
die nach dem EntfÀrben mittelst Thierkohle ein Drehungs- 
vermögen von 4°,25 nach links zeigte. Der Zuckergehalt der- 
selben betrug 0,769 Grm., woraus sich das Moleeularrotations- 
vermögen des Zuckers auf — 74°,6 berechnete. Denn 


a — ,4095- Imks, 
pP 0169 Grm: 
1-—.2/Drms | 
v=27(t. 


daher [«]j = 4,25 — 74°;6 links. 


2 

2.0,769 

Das Gummi war sogleich nicht fÀllbar durch Blei- 
essig, gab damit aber eine starke TrĂŒbung und 
nach einigem Stehen flockige FĂ€llung, von noch 
anhÀngendenEiweissstoffenund organischen SÀu- 
ren herrĂŒhrend, wie es auch, mit Natronkalk erhitzt, 
reichlich Ammoniak entwickelte. 


Um es rein zu erhalten, wurden 250,0 Grm. Rhiz. Grami- 
nis zweimal mit schwachem Weingeist (35°%,) ausgezogen, 
die gemischten AuszĂŒge vom Weingeist befreit, mit ĂŒberschĂŒs- 
sigem Bleiessig versetzt, der Niederschlag abfiltrirt, das Fil- 
trat durch HS vom Blei befreit und zur Syrupsconsistenz 
eingedampft; hierauf wurde das Gummi durch Weingeist aus- 
gefÀllt und mit Weingeist gewaschen. Es gab nach dem 
Wiederlösen in Wasser mit Bleiessig abermals eine geringe 
flockige FĂ€llung, wesshalb dieselbe Behandlung mit Bleiessig, 
HS und Weingeist wiederholt wurde. Auch jetzt gab es mit 


144 Veber -die Bestandtheile der Queckenwurzeln, 


Bleiessig wieder eine TrĂŒbung und enthielt noch Stickstoff. 
Es wurde daher jetzt mit ĂŒberschĂŒssigem Bleiessig einige 
Stunden digerirt, vom Niederschlag abfiltrirt und mit HS und 
Weingeist behandelt wie oben. Nach dem Eindampfen zeigte 
es immer noch Stickstoffgehalt und gab auch wieder eine 
TrĂŒbung mit Bleiessig, wenn auch erst nach einigem Stehen 
der Mischung. Es wurde jetzt zum 4. Male mit Bleiessig 
versetzt, diesmal aber !/, Stunde lang damit gekocht, nach- 
dem vorher noch etwas frisch gefÀlltes kohlensaures Bleioxyd 
zugefĂŒgt worden war; nach dem völligen Erkalten wurde 
abfiltrirt, das Filtrat mit HS behandelt, eingedampft und 
mit Weingeist gefÀllt, wieder in Wasser gelöst, abermals mit 
Weingeist gefÀllt und dies nochmals wiederholt, worauf das 
Gummi schliesslich einigemale mit heissem Weingeist gewa- 
schen wurde. 

Nach dem Eindampfen und Wiederauflösen in Wasser blieb 
es jetzt auf Zusatz von Bleiessig klar. Es stellte eine amor- 
phe, rothbraun gefĂ€rbte, in dĂŒnnen BlĂ€ttern durchsichtige, 
zu einem brÀunlich gefÀrbten Pulver zerreibliche, geruch- 
und geschmacklose Masse dar, in Wasser leicht und in 
jedem VerhÀltniss löslich, auch noch löslich in schwachem 
Weingeist, etwas hygroscopisch, von neutraler Reaction. 
Mit Natronkalk erhitzt, gab esnoch einwenig Ammoniak; 
beim Verbrennen auf dem Platinblech hinterliess es sehr 
wenig einer alkalisch reagirenden, in Wasser löslichen Asche. 
Die ziemlich concentrirte Lösung des Gummis gab keine 
TrĂŒbung mit GerbsĂ€ure, Bleiessig, Quecksilber- 
chlorid, gelbem Blutlaugensalz, Ohlorwasser. 
Durch Bleiessig und Ammoniak wurde es gelati- 
nös gefÀllt. Mit Chlorbaryum gab es eine geringe, nach 
Zusatz von SalzsĂ€ure nicht verschwindende TrĂŒbung. Es 
gab mit Kupfervitriol und ĂŒberschĂŒssiger Natronlauge eine 
klare, grĂŒnblaue Mischung, in welcher es das Kupfer- 
oxyd in geringem Maasse und langsam schon in 
der KĂ€lte, leicht beim Erhitzen reducirte. Eine mit 
Thierkohle entfÀrbte Lösung dieses Gummis zeigte ein Ro- 
tationsvermögen von 3°%5 nach links. Dieselbe enthielt 


Ueber die Bestandtheile der Queekenwurzel, 145 


0,980 Grm. des Gummis, woraus sich das Molecularrotations- 
vermögen desselben zu —48°,2 ergiebt. Denn 


— 159% links. 
0,980 Grm. 


= 2 
also [@ ]j] = 3,5 — —-— —= 48°,2 links. 


Arabisches Gummi besitzt nach Bechamp ein Drehungs- 
vermögen von — 36°. Das aus Rhiz. Gram. erhaltene Gummi 
(Quecken-Gummi) unterscheidet sich von jenem also 
durch stÀrkeres Drehungsvermögen, ausserdem aber 
auch dadurch, dass es durch Bleiessig nicht ge- 
fÀllt wird, dass es CuO in alkalischer Lösung 
reducirt und dass es, mit verdĂŒnnter SO? behan- 
delt, einen linksdrehenden Zucker liefert, wÀh- 
rend arabisches Gummi’dabei einen rechtsdre- 
.henden Zucker giebt. 

1,310 Grm, des mit Thierkohle behandelten, noch etwas 
gelblich aussehenden Gummis wurden in 25,0 Grm. Wasser 
gelöst, 2,0 Grm. verdĂŒnnte SO? zugefĂŒgt und damit 8 Stun- 
den lang bei 95° digerirt, hierauf die FlĂŒssigkeit mit, BaO, 00? 
neutralisirt, abfiltrirt, das Filtrat eingedunstet, der RĂŒckstand 
bei 100° getrocknet und gewogen; er betrug 1,350 Grm. 
Um den gebildeten Zucker rein zu erhalten, wurde die- 
ser RĂŒckstand mit starkem Weingeist ausgezogen, welcher 
nach dem Verdunsten 1,255 Grm. Zucker hinterliess. Der in 
Weingeist unlösliche Theil betrug also 0,095 Grm.; er war 
dunkelbraun gefÀrbt, bestand aus stickstoffhaltiger 
Substanz mit unorganischen Salzen, reagirte neutral, gab 
mit Bleiessig einen flockigen, in EssigsÀure 
leicht löslichen, mit GerbsÀure einen in Essig- 
sÀure schwer löslichen Niederschlag, mit Ferro- 
eyankalium keine TrĂŒbung, beim Kochen fĂŒr sich keine FĂ€l- 
lung, auch nicht nach Zusatz von NO°; mit Natronkalk 
erhitzt, reichlich Ammoniak. Die wÀssrige Lösung des 

Arch, d. Pharm, CC, Bda, 2. Heft. 10 


146 Ueber die Bestandtheile der Queckenwurzel. 


erhaltenen Zuckers zeigte nach dem EntfÀrben mit Thierkohle 
ein Rotationsvermögen von 2°25 nach links und enthielt 
0,732 Grm. Zucker, woraus sich das Molecularrotationsvermö- 
gen desselben zu —41°,4 berechnet; denn 

a 2,25 links. 

p= 0,732 Grm. 


19 2 20m! 
23006: 
e 2 
TE, Ba an: 0 
also [@ ]j = 2,25 3.0732 41,4, 


Dieser Zucker redueirte CuO in alkalischer Lösung leicht 
in der KĂ€lte zu Cu?O. 

Von den beim AusfÀllen und Auswaschen des Gummis 
erhaltenen, gesammelten und gemischten, Zucker und freie 
EssigsĂ€ure enthaltenden weingeistigen FlĂŒssigkeiten wurde 
der Weingeist abdestillirt, der hinterbleibende rothbraune Sy- 
rup mit Wasser vermischt, Bleiessig und PbO,00? zugesetzt, 
digerirt, der Niederschlag abfiltrirt, das Filtrat durch HS vom 
Blei befreit, eingedampft und mit Weingeist von 95°,0 behan- 
delt. Dabei löste sich nur ein Theil der diekflĂŒssigen Masse, 
der nach öfterem Auskochen mit Weingeist hinterbleibende 
RĂŒckstand war sehr schwer löslich in Weingeist, stickstoffhal- 
tig, schmeckte sĂŒss und gab mit Bleiessig eine geringe FĂ€l- 
lung, war also wohl ein mit stickstoffhaltiger organischer 
Substanz gemengter oder verbundener Zucker, ein Ueber- 
gsangsproduct zwischen dem in dem Rhiz. Gram. ent- 
haltenen Gummi und Fruchtzucker. Seine mit Thierkohle 
behandelte, doch nicht gang farblos zu erhaltende Lösung 
zeigte ein Drehungsvermögen von 4°,25 nach links. Sie 
enthielt 1,262 Grm. des Zuckers, woraus sich das Molecular- 
rotationsvermögen desselben zu —45°,4 ergiebt. Denn 

a2 40H Nnke 
p= 1,262 Grm. 


m 32 Dar 
v— 2700. 
27 


also [e]j = 4,25 — 450,4 links, 


2.1,262 


Pr 


Beobacht. ein. krystallis. Verbindung v. Aethylmereaptan m. Wasser. 147 


Das Resultat dieser vorlÀufigen Untersuchungen ist fol- 
gendes: 
Die Queckenwurzeln enthalten: 

1) einen stark linksdrehenden (Frucht-)Zucker, 

2) einen rechtsdrehenden Zucker (keinen Rohr- 
zucker), 

3) ein eigenthĂŒmliches, durch Spaltung linksdrehenden 
Zucker lieferndes und mit stickstoffhaltigen, organischen Sub- 
stanzen auf eigenthĂŒmliche Weise gepaartes linksdrehen- 
des Gummi, 
endlich 

4) mit stickstoffhaltigen, organischen Substanzen gepaarte, 
sĂŒssschmeckende Uebergangsproducte zwischen diesem Gummi 
und Fruchtzucker. 


Beobachtung einer krystallisirten Verbindung von 
Aethylmereaptan mit Wasser. ' 
Von Hermann MĂŒller, Assistenten am chemisch - pharmaceut, Institute 
zu Jena. 

Bei der Darstellung von Mercaptan durch Destillation 
sehr concentrirter Lösungen von Natriumsulfhydrat und Àther- 
schwefelsaurem Kali, wobei die sich entwickelnden DĂ€mpfe 
auf + 2°C. abgekĂŒhlt wurden, erstarrte der grösste Theil 
des Destillates zu einer krystallinischen Masse, die das KĂŒhl- 
rohr (glÀsernes Schlangenrohr) zu verstopfen drohte. Ueber 
diesen Krystallen fand sich in der Vorlage noch etwas flĂŒssi- 
ges Mercaptan, welches abgegossen wurde. 

Die Krystalle schmolzen bei 12°C. unter Zersetzung, 
indem sich zwei FlĂŒssigkeitsschichten bildeten, die untere aus 
Wasser, die obere aus Mercaptan bestehend; das Volumen 
des freigewordenen Wassers betrug ungefÀhr das 6fache von 
dem des Mercaptans. Nach dem spec. Gew. des letzteren, 
welches = 0,842 ist, wĂŒrde dies einem GewichtsverhĂ€ltniss 
von ungefÀhr 12,4%), Mercaptan und 87,6°), Wasser, oder 
einem Aequivalent- VerhÀltniss von 1 Aeq. Mercaptan und 
48 Aeq, Wasser entsprechen, 

10* 


148 ZwischenvorgÀnge bei d. Entwickel. v. Kohlenoxyd ete. 


Die Verbindung war in der KÀlte ganz bestÀndig, aber 
nachdem sie einmal durch WĂ€rme zerlegt war, gelang es 
nicht, die beiden entstandenen FlĂŒssigkeitsschichten durch 
Erhitzen im zugeschmolzenen Glasrohre wieder zu ver- 
einigen. 

Jena, Februar 1872. 


ZwischenvorgÀnge bei der Entwickelung von Koh- 
lenoxydgas aus Ferroeyankalium durch concentrirte 
SchwefelsÀure. 


Von Dr. Carl Jehn in Geseke. 


WĂ€hrend man frĂŒher sich damit begnĂŒgte, bei den che- 
mischen Reactionen das unantastbare Endresultat genau zu 
kennen, bemĂŒht man sich jetzt besonders, auch die Zwi- 
schenvorgÀnge klar zu stellen. Besonders reich an solchen 
ZwischenvorgÀngen ist die Darstellung des Kohlenoxyds aus 
Ferrocyankalium mittelst SchwefelsÀure. Die Zersetzungs- 
gleichung ist bekanntlich folgende: 

K*FeCyÂź + 6(H?SO% + 6H?O = 2(K?S0%) + FeSO2 
+ 3[(H?N)?S02] + 6CO 

d.h. es entweichen 6 MolecĂŒle CO, wĂ€hrend beziehungsweise 

1, 2 und 3 Mol. Ferro-Kalium- und Ammonium - Sulfat zu- 

rĂŒckbleiben. 

Die wirkliche Umsetzung dĂŒrfte jedoch folgendermaassen 
vor sich gehen. Durch die Einwirkung der SchwefelsÀure 
auf das Ferrocyankalium bildet sich zunÀchst Kaliumsulfat 
und FerrocyanwasserstoffsÀure. Diese zerfÀllt in BlausÀure 
und FerrocyanĂŒr, welches letztere sich mit der SchwefelsĂ€ure 
in Ferrosulfat und BlausĂ€ure umsetzt. Jedes MolecĂŒl Blau- 
sÀure nimmt bei Gegenwart der starken SchwefelsÀure 2 Mol, 
Wasser auf und bildet damit ameisensaures Ammoniak. Das 
ameisensaure Ammoniak wiederum zersetzt sich unter dem 
Einfiusse der SchwefelsÀure in Ammoniumsulfat und Kohlen- 


Pharmaceutische Notizen. 149 


_ oxyd. Dieses wechselseitige Bilden und Zersetzen in statu 
nascendi findet seinen Ausdruck in nachstehenden Gleichungen: 

I. KtFeCyÂź + 2H?S0? = H?FeCyÂź + 2K?S04. 

I. H“FeCy¼ = 4HCy + FeCy?. 

III. FeCy? + H?SO? = FeS0? + 2HCy. 

IV. 6HCy + 12H?0 = 6[CH (H?N)O?]. 

V. 6(CH’NO?) + 3(H?SO¼) = 

v1. 3[(H*N)?SO%] + 6C0 + 6H?O. 

Genau genommen, zerfÀllt auch das ameisensaure Ammo- 
niak zunÀchst in Ammoniak und AmeisensÀure, und diese in 
Wasser und Kohlenoxyd, wÀhrend Ammoniak und Schwefel- 
sÀure Ammoniumsulfat bilden. 


Pharmaceutische Notizen. 
Von Otto Faecilides, Apotheker in Zwickau. 


a) CarbolsÀure 


im krystallisirten Zustande, wie sie zu medicinischen Zwecken 
in den Handel kommt, ist beim Dispensiren höchst unangenehm 
zu handhaben, da man beim Abwiegen Schwierigkeiten hat, 
ganz abgesehen von der mehr oder mindern Beschmutzung 
der damit in BerĂŒhrung kommenden GegenstĂ€nde. Wasser 
ist ein schlechtes, Weingeist und Aether sind allerdings bessere, 
jedoch nicht in allen FĂ€llen und Zusammensetzungen zu ver- 
wendende Lösungsmittel. Diesen Unannehmlichkeiten glaube 
ich begegnen zu können, indem ich der festen CarbolsÀure 
10°/, reinen kochsalzfreien Glycerins von 1,25 sp. G. zusetze, 


Die mit Glasverschluss versehene, die CarbolsÀure ent- 
haltende Flasche sammt dem, Glycerin erwÀrme ich im 
Wasserbade vorsichtig auf eirca 30°, mische nun beide FlĂŒssig- 
keiten und erhalte ein bei gewöhnlicher Temperatur nicht 
wieder erstarrendes Gemenge, das nach BedĂŒrfniss getropft 
oder gewogen werden kann. 


150 Pharmaceutische Notizen. 
b) Storax 


bei ist Scabies bekanntlich eins der besten Mittel. Jedoch 
leider ist der liquide Storax durch mechanische Beimischungen 
immer mehr oder weniger verunreinigt, so dass durch Verrei- 
bung in gelinder WĂ€rme mit Oel zu gleichen Theilen ‚diesem 
Uebelstande, da nunmehr die fremden Körper durch Absetzen 
oder Coliren zu entfernen sind, abgeholfen werden muss, um 
fĂŒr Erwachsene dieses PrĂ€parat vollkommen dem Wunsche 
entsprechend zu machen. Bei SĂ€uglingen hingegen mit ziem- 
lich sensibler Haut schien es geboten, das Liniment gelinder 
zu machen, ohne die Gegenwart des wesentlichen und wirk- 
samen Princips zu sehr abzuschwÀchen. 


Vortheilhaft und dabei vollkommen dem Zwecke ent- 
sprechend, indem es noch völlig die Poren der Haut schliesst 
und somit die Brut tödtet, erschien ein auf folgende Weise 
bereitetes Mittel. 


Ein hartgekochtes Eigelb mit dem gleichen Gewichte 
Ung. Glycerini verrieben, mischt man sorgfÀltig mit einer 
der ganzen Portion gleichen Menge des obengereinigten Storax 
so lange, bis ein Ung. molle entstanden ist, dessen Anwen- 
dung keinerlei Schmerz verursacht. 


c) Emplastrum adhaesivum extensum 


wurde frĂŒher in jeder Apotheke bereitet, jedoch jetzt thut 
man es wohl nur noch selten, umso weniger, da die Herren 
Aerzte nur in wenigen Ausnahmen ein mit der Hand ge- 
strichenes oder gar nach ihrer eigenen Vorschrift bereitetes 
Heftpflaster beanspruchen. Mit vollem Rechte fĂŒhrt sich das 
in doppelter Breite liegende in Yards abgetheilte englische, 
oder gut deutsche Pflaster, ĂŒberall ein. Nur wollte es mir, 
besonders in den Wintermonaten, wenn das Pflaster im Vor- 
rathsraume oder in der etwas kĂŒhlen Offiein aufbewahrt war, 
hauptsÀchlich jedoch, wenn solches lÀnger auf Lager, öfter schei- 
nen, dass beim Aufrollen sich Lamellen lösten und die ursprĂŒng- 
liche Heilkraft beeintrÀchtigt sei. In den meisten FÀllen 


Pharmaceutische Notizen. 151 


wollte selbst bei sorgfĂ€ltigem ErwĂ€rmen die alte VorzĂŒglichkeit 
nicht wieder eintreten, oder wenigstens nicht in dem ursprĂŒng- 
lichen Grade wieder sich gewinnen lassen. Diesem Uebel- 
stande zu begegnen, brachte ich eine fragliche Pflasterrolle in 
ein mÀssig erwÀrmtes Zimmer, rollte sie nach einiger Zeit 
auf einem gerÀumigen Tische auf, befestigte sie horizontal 
und gab nun mittelst eines kleinen Schwammes oder Pinsels 
einen dĂŒnnen Ueberzug von Terpenthinöl. Hatte das Pflaster 
hierauf einen Tag ausgespannt gelegen, so war das Terpenthinöl 
theils verflogen, theils hatte es sich Eintritt in die Decke 
des Pflasters geschaflen und somit diesem eine wenn auch 
nicht plastische, doch cohÀrirende Beschaffenheit ertheilt. 
Nunmehr rollte ich es auf und brachte es an den ursprĂŒnglichen 
Ort der Aufbewahrung zurĂŒck. 


d) Aqua chlorata 

ist eins von den PrÀparaten, deren Bereitung man mit Fug 
und Recht in die chemischen Fabriken verlegen kann, sofern 
man nicht eines Eleven halber sich mit Herstellung des so 
billigen Dinges befassen; will. Des Lutiren der Kette von 
Entwickelungs-, Wasch- und AbsorptionsgefÀssen ist der 
unangenehmster Theil und muss mit grosser Gewissenhaftigkeit 
ausgefĂŒhrt werden, um nicht Schaden an Gesundheit oder 
allen in der NÀhe befindlichen metallenen GegenstÀnden zu 
erfahren. : Ich benutzte dazu einen Kitt folgender Art, den 
ich empfehlen kann. Eine in der WĂ€rme bereitete syrups- 
dicke Lösung von Schellack und eine eben solche von Kaut- 
schuk in Benzin wurde einzeln dargestellt, hierauf gemischt 
und mit einem Pinsel zu wiederholten Malen aufgetragen 
jedoch mit der Vorsicht, den vorhergegangenen Anstrich zuvor 
trocknen zu lassen. 

Der Erfolg war ein vorzĂŒglicher, da ich die Korke selbst 
möglichst consistent gewÀhlt hatte, auch im Bohren und Feilen 
der Oeffnungen der Korke mit Fleiss vorgegangen war. 


e) Tinte 
wird gewiss selten ein Defectar mit besonderem VergnĂŒgen auf 
seiner Tafel verzeichnet finden, und doch lÀsst sich deren Dar- 


152 Pharmaceutische Notizen. 


stellung zu einer weit reinlicheren Arbeit umwandeln, und das 
PrĂ€parat allen AnsprĂŒchen gerecht machen. „Die Tinte muss 
auch gemacht werden,“ so pflegt meist der mit dem Einfassen 
dieses wichtigen Artikels betraute Stösser oder Lehrling 
schmunzelnd mitzutheilen, sobald aus dem Fasse trotz 
Anstrengung nichts DĂŒnnflĂŒssiges mehr zu erlangen ist. 
Mit einem Galgenhumor beginnt nun der Defectar die meist 
grosse Menge der angehÀuften Sedimente auszulaugen, wenn 
nicht schon der Lehrling, seines Ausgehetags halber, auf 
eigene Rechnung und Gefahr eine VerdĂŒnnung vorgenommen 
hatte. 

Ist nun die Manipulation beendet, so wird meist dieser 
Auszug an der Stelle des Wassers verwendet. — Ich verfahre 
auf andere Weise. — Die grobgestossenen GallĂ€pfel (denn 
die Gallustinte, so sehr man sie auch angeschwÀrzt oder 
verdĂ€chtigt hat, wird ihre VorzĂŒge stets bewahren) ma- 
cerire ich mit der vorgeschriebenen Menge Wasser acht 
Tage lang, sammele dann auf einem Tuche, lasse abtropfen 
und bringe das Durchgelaufene nach und nach wieder auf die 
das Colatorium bedeckenden Gallen. 

Das Ablaufen verlangsamt sich, man stellt die GefÀsse 
bei Seite und fÀhrt acht bis vierzehn Tage fort mit dem 
immer neuen Aufgiessen. Nunmehr bringe ich den meist 
GallussÀure enthaltenden Auszug aufs Feuer, lasse aufkochen, 
um die Schimmelsporen zu zersetzen und dann in das Stand- 
gefÀss, wo mittelst «Eisenoxydliquor, (nicht Oxydul-) etwas 
CarbolsÀure und Gummi die Mischung fertig gemacht wird. 
Auf diese Weise erhalte ich das Dreifache der sonst mit 
gleichen Ingredienzien erzielten Ausbeute an einer recht guten 
Tinte, ohne den geringsten Schmutz dabei verursacht zu 
haben. Als VerhÀltniss muss man sich an Versuche halten, 
da der Gehalt der GallÀpfel stets verschieden ist und somit 
auch der Eisenzusatz sich diesem accomodiren muss. 


Emplastrum fuscum. 153 


Emplastrum fusceum. 
Von H. PĂ€hler, Apotheker in Gollub. 


Wenn man 200 Grm, Mennige, 400 Grm. Baumöl, 100 Grm. 
Wachs und 6 Grm. Campher nach der bekannten Methode 
zusammenkocht, so gelangt man zu ungefÀhr 700 Grm. Em- 
plastrum 'fuscum, welches sofort in eine aus einem Bogen 
Wachspapier von gewöhnlichem Format angefertigte Papier- 
kapsel ausgegossen werden kann und dadurch eins Dicke von 
ungefĂ€hr einem Viertelzoll (etwas ĂŒber Y, Centim.) erhĂ€lt, 
was wohl durchschnittlich die gewĂŒnschte Dimension sein 
wird. Zur leichteren Eintheilung des PrÀparates kniffe man 
den anzuwendenden Bogen Weachspapier zuvor in seiner 
grösseren Ausdehnung in 16, in der kleineren in 12 gleiche 
Theile. Der in dieser Weise eingeknifite Bogen enthÀlt 
16 x12= 192 gleich grosse Vierecke. An den RĂ€ndern 
des Bogens gehen jedoch davon fĂŒr die Pflastermasse 2 x 16 
und 2 x 10, also 52 Vierecke verloren, welche zur Herstel- 
lung der Capsel verbraucht werden. Es bleiben 140 Vierecke 
ĂŒbrig, welche sich spĂ€ter ganz deutlich in der erkalteten 
Pflastermasse abzeichnen. Das Wachspapier lÀsst sich besser 
von derselben ablösen als gewöhnliche. Es bleibt dann nur 
ĂŒbrig, mit Lineal und Messer den auf der Pflastermasse ab- 
gezeichneten Theilen nachzugehen. Kocht man mehr als 
obige QuantitÀt auf einmal, so muss man entweder aus ein- 
anderwÀgen, oder grösseres Format des Papiers anwenden. 
700 Grm. Pflaster, in 140 Theile getheilt, ergeben fĂŒr jeden 
Theil ein Gewicht von 5 Grm. Man kann also jeden Theil 
a '/, Sgr. verkaufen und erreicht den Zweck der Anferti- 
gung und der Eintheilung dieses hÀufig im Handverkauf 
verlangten Pflasters in dieser Art am schnellsten und ein- 
fachsten. 

Vor dem Anusgiessen eingekniffte Papierkapseln sind 
ĂŒberall zu Gerat. labiale, zu Gera alba, Ü. nigra und 
Ö. flava, ĂŒberhaupt dort zu empfehlen, wo irgend eine 
spÀter zum Verkauf einzutheilende Masse ausgegossen wer- 
den soll. 


154 


11. Naturgeschichte und Pharma- 
cognosie. 


Die Eisenquelle zu Pausa. 
Von Otto Facilides, Apotheker in Zwickau. 


Interimistisch mit der Administration der Apotheke zu 
Pausa betraut, hatte ich Gelegenheit, das am Orte befind- 
liche Bad kennen zu lernen und dĂŒrfte, obgleich dieses einer 
Sage zufolge im Mittelpunkte ‚der Welt gelegen, weniger 
bekannt sein; wesshalb ich mir erlaube, weit entfernt eine 
Monographie liefern zu wollen, nur einige meiner Beobachtun- 
gen hier niederzulegen. 

Des Pausaer Gesundbrunnens geschieht in einem ActenstĂŒcke 
vom Jahre 1739 zuerst ErwÀhnung und durch Fama, dieses böse 
Weib, die sonst wie jetzt ihr Spiel getrieben, sind im 
Volksmunde verschiedene traditionelle und höchst abweichende 
Aussagen ĂŒber die Entdeckung genannter Quelle verbreitet. 
Das lauschige PlÀtzchen unserer Nymphe erhielt von guten, 
rechtglĂ€ubigen Vorfahren den Namen „Gottesgeschenk,“ 
einer Benennung, der ich mich, abgesehen von Bergwer- 
ken, aus einer Urkunde meiner Vaterstadt Plauen in Àhnli- 
cher Weise erinnere, in welcher, des an der Quelle der Elster 
gelegenen Gesundbrunnens (des jetzigen Bades Elster) geden- 
kend, von der heiligen Elster gesprochen. wird. 

Das eigentliche Bad Pausa ist circa 800 Meter vom 
StÀdtchen gleichen Namens entfernt, am unteren Ausgangs- 
punkte eines seichten Defilees, welches, nach dem unmittel- 
bar hinter dem Brunnenhause gegen SĂŒden langsam anstei- 


Die Eisenquelle zu Pausa. 155 


genden Bergkamme sich in leichten Intervallen gradatim hinauf- 
ziehend, endlich darin verschwimmt, dabei nach oben jedoch 
eigenthĂŒmlicher Weise sich ausbreitend, gleichsam als drei” 
eckige mit der Spitze nach unten liegende FlÀche, einem Fal- 
tenfilter Àhnlich, hin, die Educte liefert. Das den Bergabhang 
bildende Grundgebirge, aus Grauwackenschiefer bestehend, 
ist eines Theils mit einer durch die Zersetzung bedingten Let- 
ten--und Lehmschicht, hauptsÀchlich. hier jedoch mit einem 
mÀchtigen Lager von Torfmoor bedeckt, welcher an ver- 
schiedenen Stellen sumpfige, durch Quellen bedingte, auf was- 
serhaltenden Untergrund basirte PlÀtze zeigt. 

Dem einfachen Gesetze der Schwere folgend, bahnt sich 
von dem Höhenkamme dieses Wasser unsichtbar in der Àusserst 
seicht abfallenden Thalsohle durch den Moorgrund, dabei even- 
tuell ‚grössere oder kleinere zu Tage  tretende Weasser- 
anhÀufungen bildend, bis zum Bade herab, uns hier als das 
(Gottesgeschenk entgegentretend, seinen unterirdischen Weg. 
Das aus den obersten Quellen des Berges auftretende Was- 
ser kann mit Recht den Namen eines ‚sogenannten wilden 
Wassers erhalten, da ein Theil desselben, aufgefangen und durch 
Röhrenleitungen in die Stadt gefĂŒhrt, hier ‚als Trinkwasser 
verwendet, keinen specifischen Geschmack und Geruch, ebenso 
wenig als Eisenockerablagerung zeigt. ‘Wohl aber'findet man 
in.dem Maasse, als dasselbe tiefer nach dem. Bade herab- 
kömmt, deutlichen Geschmack und Sedimente von Eisen, wozu 
vom wesentlichen Einfluss sein mag, dass zwischen genannten 
teichartigen WasseranhÀufungen keine sichtbaren und zu Tage 
liegenden AbzugskanÀle befindlich sind, das Wasser vielmehr 
die Torf- und Moormassen mittelst Durchsickerns ĂŒberwinden 
muss, so dass die neben und zwischen den Teichen liegenden 
saueren Wiesen, wenn auch keine pontinischen, doch von den 
BadegĂ€sten gefĂŒrchtete, mit schmutzig gelbem Wasser ge- 
fĂŒllte SĂŒmpfe bilden. 

Bekanntlich liefern die im Torf- und Moorgrund fort- 
dauernd in Zersetzung begriffenen Pfilanzenstoffe viel ‚Koh- 
lensĂ€ure, die in Folge der 'zĂŒhen Consistenz des’ Bodens 
zum grössten Theile zurĂŒckgehalten wird ; das langsam sickernde 


156 Die Eisenquelle zu Pausa. 


Wasser, durch Druck und Temperatur bedingt, schwÀngert 
sich damit, wÀhrend die gleichzeitig vorhandenen minerali- 
schen Bestandtheile des Moorgrunds, als Schwefelkies, Kalk 
und Talk sich lösen und daraus ein alkalisch - salinisch - 
hepatischer SĂ€uerling, eine Heilquelle „hervorgehen muss. 
Um so mehr ist dieses anzunehmen, als von der ersten 
Quelle bis zu ihrer Fassung im Brunnenhause ein Raum von 
circa 500 Meter zurĂŒckgelegt werden muss. 

Das hier in steinerner Fassung vereinigte Wasser ist, 
wie schon mitgetheilt, ein Geschenk Gottes genannt worden, 
wĂ€hrend der mehr sĂŒdlich und etwas höher gelegene neuere 
Brunnen, die Sophienquelle, analogen Ursachen, jedoch 
theilweise unter Zutritt der aus der Luft condensirten Nieder- 
schlÀge, ihre Existenz verdankt, aus eisenhaltigem Thon quillt, 
nur kĂŒrzere Zeit mit dem Moorgrunde in BerĂŒhrung, und in 
Folge dessen auch schwÀcher an den erstgenannter Quelle in 
hohem Grade eigenen Beimischungen und Bestandtheilen 
gefunden wird. 

Wie bei allen erdig alkalischen Stahlquellen, ist die Farbe 
des Wassers im statu nascendi vollkommen klar, nach Schwefel- 
wasserstoff riechend, von dem specifischen Eisen -, jedoch gleich- 
zeitig erfrischend prickelndem Geschmack. Im Glase starke Per- 
len aufwerfend, zeigt es, mit leichter TrĂŒbung beginnend, nach 
einiger Zeit einen .ocherfarbigen, schlammigen Niederschlag. 
ÖberflĂ€chlich bildet sich gleichzeitig ein schillerndes, gelbes 
HĂ€utchen, da unser wachsamstes Polizeiorgan, der Sauerstoff, 
einen Theil der der Tiefe geraubten SchÀtze requirirt, wÀh- 
rend die untreue KohlensĂ€ure ihren VerbĂŒndeten schwimmen 
lÀsst. Die Temperatur der Quelle ist recht erquickend zum 
Trinken, zum Baden hingegen ohne Zusatz warmen Wassers, 
da die sonst ĂŒbliche Dampfheizung noch nicht angebracht, 
ist, zu kĂŒhl. 

Zu beiden Zwecken von mir gebraucht, beobachtete ich 
recht erfreuliche Resultate ĂŒnd konnte wohl von der anre- 
genden Wirkung etwas beobachten, keineswegs aber von 
einem, von begeisterten Consumenten dem zu reichlichen Ge- 
nusse genannten Wassers zugeschriebenen Brunnenrausche, 


Noch einmal Pausa. 157 


Baderausche und Badeausschlage irgend etwas be- 
merken. 

Wenn ich diesem kleinen Bade das PrÀdikat eines ange- 
nehmen gebe, so gehe ich dabei von der Ansicht aus, dass, 
wer zwischen den Reizen des Ballsaales und der Tafel, des 
Theaters und der Concerte erkrankt ist und zu seiner Hei- 
lung ein naturgemÀsses, dem Treiben grösserer StÀdte gera- 
dezu entgegengesetztes Leben bedarf, dem entspricht der 
lĂ€ndliche, stille, dem GemĂŒthe so wohlthuende Charakter die- 
ses Ortes in der vollkommensten Weise. 


Noch einmal Pausa. 
Von Dr. H. Ludwig, a. Prof. in Jena. 


Einige Reactionen der Pausa’er Eisen- und 
Schwefelquelle beobachtete ich Sonntag den 4. Septbr. 
1864 Nachmittags an Ort und Stelle. 


A. Das aus der Eisenquelle beim SchĂŒtzenhause 
frisch geschöpfte Wasser erschien farblos und schmeckte etwas 
schweflig, hinterher eisenhaft, 


Schwache violette FĂ€rbung des blauen Lackmuspapiers; 
GallÀpfelaufguss deutliche violette FÀrbung; 

Gelbes Schwefelammonium sogleich schwarzgrĂŒne FĂ€rbung; 
Kaliumeisencyanid augenblicklich intensiv blaue FĂ€rbung; 
Bleiessig weissen Niederschlag ; 

Chlorbaryum keine TrĂŒbung. 


B. Das aus der sog. Schwefelquelle geschöpfte Wasser 
war schwach getrĂŒbt. Es gab mit Bleiessig einen weissen 
Niederschlag; mit Chlorbaryum eine kaum merkliche TrĂŒ- 
bung; mit Schwefelammonium eine grĂŒne FĂ€rbung und TrĂŒ- 
bung. — 

Der frĂŒhere Besitzer des Bades, jetzige Oekonom Franz 
Tittel diente uns (meinem damaligen Assistenten Ü, Wein- 


158 Noch einmal Pausa. 


hold und mir) als FĂŒhrer zu den Moorlagern oberhalb des 
Bades. Pausa ist gegen Nordostwinde geschĂŒtzt. Gleich 
hinter Pausa, auf dem Wege nach Mehltheuer, tritt der 
Thonschiefer zu Tage, seine Schichten sind in der Rich- 
tung nach Pausa geneigt. 

Auf unserem Wege von Schleiz. nach Pausa a wir 
Gelegenheit, die verschiedenartigsten Pilze zu beobachten. 

Herr Weinhold machte mich auf die folgenden auf- 
merksam: Agaricus nudus, Agaricus luteus (schlei- 
mig, ekelhaft), Agaricus deliciosus, Reizker, mit orange- _ 
rother Milch, essbar); Ag. virginalis, .essbar, mit breit- 
sperrigen Lamellen; Agaricus procerus, (Parasol- 
schwamm, 1 Fuss im Durchmesser); Agaricus cam- 
pester (Ă€chter. Champignon, von angenehmem Geruch, mit 
röthlichen Lamellen); , Bovista ,granulata; Clavaria 
coralloides (weich), Clavaria aurantiaca (zÀhe), Po- 
lyporus variegatus (braun mit weissem Rande), auch 
Polyporus' versicolor. Kleinere und grössere Hyd- 
numarten (mit: Blutströpfchen); Cantharellus  ciba- 
rius (den Pfifferling, gelb, Lamellen am Stiele herablaufend, 
querrunzlig; essbar); Agaricus violaceus (giflig); Sem- 
melpilze (essbar); Boletus bovinus (gelb); Agaricus 
eburneus (ElfenbeinblĂ€tterpilz); Clavaria ‚botryoides 
(rothbraun); Hydnum imbricatum (mit Schuppen. und 
Stacheln); Habichtsschwamm (essbar); Amanites asper 
(grau und röthlich, giftig). 

Ein. Agaricus mit schwarzem Stiel und gelben Lamel- 
len; Baeomyces roseus; Amanita muscaria (Fliegen- 
schwamm, im Jugendzustande weiss mit. Schuppen, aufge- 
schnitten gelb werdend und den Ring zeigend). 

Bovista gemmata oder.Lycoperdon gemmatum, 
(auf der Anhöhe hinter Pausa). 

Tags vorher auf dem Wege von Schleiz nach Mösch- 
litz und Schloss Burgk fanden wir schon im Walde 
Agaricus squamosus (gelb, giftig), Agaricus ovinus, 
Agarieus scorodonius, Boletus sapidus, 'Agari- 
cus emeticus (Russula emetica, den Speiteufel), Boletus 


Notiz ĂŒber die Eichenmanna von Kurdistan. 159 


edulis (Steinpilz), Amanita phalloides (den falschen 
Champignon, giftig) und Hydnum repandum (essbar). 

In dem GĂ€rtchen des Gasthauses zu Burgk, von dem 
man eine prÀchtige Aussicht in das kesselförmige Thal der 
tiefunten in schönen Bogen dahin fliessenden Saale geniesst, 
fanden wir Nicandra physaloides verwildert. Im Walde 
an den Thonschieferfelsen blĂŒhten Arabis arenosa, Cyti- 
sus nigricans und Dianthus caesius. 


‚Notiz ĂŒber die Eichenmanna von Kurdistan. 
Von Dr. F. A. FlĂŒckiger, Prof. in Bern, 


Die schöne Arbeit des Herrn Prof. Ludwig ĂŒber die 
Bestandtheile einiger Mannasorten des Orients*) lÀsst im 
Betreff der Eichenmanna einen Zweifel ĂŒbrig. Derselbe fand 
nemlich darin gegen 48 pC. Traubenzucker, viel Schleim, 
wenig Amylum und kein Dextrin. Berthelot**) dagegen 
hatte eine nordöstlich von Mossul durch Dr. Gaillardot gesam- 
melte Manna von Kurdistan in Procenten zusammengesetzt 
gefunden aus: 

Rohrzucker 61,0 
Invertzucker 16,5 
Dextrin 22,5. 

Er giebt ĂŒber die hierbei in Abzug gebrachten Pflanzen- 
theile und das Wasser nichts an und schildert die Manna als 
eine ziemlich feste, teigartige, mit BlattstĂŒckchen gemengte 
Masse. Der grosse Widerspruch zwischen den Resultaten 
zweier so ansgezeichneter Forscher machte mir weitere Beleh- 
rung ĂŒber diese Manna wĂŒnschenswerth, ganz besonders mit 
RĂŒcksicht auf das Dextrin, dessen Verbreitung in der Pflan- 
zenwelt noch keineswegs genĂŒgend untersucht ist. 


*) Archiv der Pharm. 193 (1870) 32. 
*#) Annales de Chimie et de Physique 67 (1861) 85. 


160 Notiz ĂŒber dıe Eichenmanna von Kurdistan. 


Ich verdanke meinem Freunde Herrn Dr. Christ in 
Basel eine gute 1870 von Dr. Socin aus- Diarbekir mit- 
gebrachte Probe dieser kurdischen Manna. Sie bildet eine 
durch viele BlattstĂŒckchen grĂŒnliche, etwas weiche Masse, 
welche beim Schaben weiss wird, auch da und dort brÀun- 
liche BlattschĂŒppchen erkennen lĂ€sst. Ein adstringirender 
Beigeschmack ist kaum wahrnehmbar, auch knirscht die Manna 
beim Kauen nicht. Zerreibt man etwas derselben mit Man- 
delöl, so findet man sie, im polarisirten Lichte betrachtet, 
durch und durch krystallinisch, aber nirgends zeigen sich 
deutlich ausgebildete Krystalle und eben so wenig Amylum- 
körner. Bei 100° verlor die Manna, verschiedenen Stellen 
meiner Probe entnommen, 9,24 pC. Wasser; die getrocknete 
Substanz hinterliess dann beim Verbrennen 3,47 pC. Asche, 
was Alles, wie ich denke, auf grosse Reinheit derselben deutet. 
An Aether giebt die getrocknete, fein zerriebene Manna nur 
Spuren von Chlorophyll ab; der sehr geringe RĂŒckstand fĂ€rbt 
sich mit Eisenchlorid nicht betrÀchtlieh brÀunlich. 


13 Grm. lufttrockener Manna zog ich ungefÀhr 10 mal 
mit kleinen Mengen heissen Weingeistes von 85 Gew.-Proc. 
aus, Der getrocknete RĂŒckstand wog nur noch 1,222 Grm.; 
durch Weingeist waren also nicht weniger als 90,6 pC. der 
ganzen Masse aufgelöst worden. Nach dem Verdunsten des 
Weingeistes schieden sich Flocken in unbedeutender 
Menge aus; der mit Wasser verdĂŒnnte RĂŒckstand lieferte 
nach dem Filtriren und ‚Eindampfen eine gelbliche, angenehm 
sĂŒss schmeckende FlĂŒssigkeit, welche Lackmuspapier nicht 
verĂ€nderte und auf Zusatz von Eisenchlorid schwach grĂŒn- 
lich braun, nicht blau gefÀrbt wurde. Im Glycerin und Na- 
tron gelöstes Kupferoxyd wurde schon in der KÀlte sofort 
energisch redueirt, in der Siedhitze auch alkalisches Wis- 
muthtartrat. 


Nach dem Eindampfen dieser Zuckerlösung hinterblieb 
ein Syrup, der auch nach monatelangem Stehen nicht krystal- 
lisirte, obwohl der Zucker, wie die mikroskopische Unter- 
suchung zeigt, in der Manna selbst wenigstens krystallinische 


Notiz ĂŒber die Eichenmanna von Kurdistan. 161 


Struetur besitzt. Da seine Auflösung rechts rotirt, so halte 
ich diesen Zucker mit Ludwig fĂŒr Traubenzucker. 


Den vom Weingeiste nicht gelösten 


RĂŒckstand, betragend 1,222 Grm., kochte 
ich nun mit viel Wasser aus, trocknete 
wieder und fand, dass jetzt noch 1,123, WĂŒbrig‘ 


geblieben waren. Das Wasser hatte 
also nur aufgenommen 0,099 Gr.—0,76 pC. 


Dieses Minimum also wÀre höchstens als Dextrin anzu- 
sprechen, aber ich fand die wÀsserige Auflösung zwar wohl 
rechtsdrehend, aber, selbst verdĂŒnnt, durch neutrales essigsaures 
Blei stark fÀllbar. Der durch Schwefelwasserstoff zersetzte 
Niederschlag gab einen Schleim, aus welchem ich vermittelst 
SalpetersÀure Krystalle von SchleimsÀure gewann. Ich hatte 
also hier keineswegs Dextrin vor mir, sondern einen Schleim. 

In quantitativer Hinsicht (auch in Betreff des Amylum 
und der GerbsÀure, worauf aber kaum Gewicht zu legen ist) 
stimmt zwar meine Untersuchung nicht mit derjenigen von 
Prof. Ludwig ĂŒberein, wohl aber in dem Hauptpunkte, nem- 
lich in Betreff der Abwesenheit des Dextrins und des 
Rohrzuckers. Die gegentheiligen Angaben Berthelot’s 
werden wohl darin ihren Grund haben, dass eben die von 
ihm unter dem gleichen Namen untersuchte Manna anderen 
Ursprunges war. 

Auch fĂŒr die gewöhnliche Eschenmanna, sowohl die 
Manna cannellata als fĂŒr die gemeine schmierige Manna, hat 
Buignet*) durch scharfsinnige Schlussfolgerungen aus dem 
optischen Verhalten einen zwischen 11 bis 24 pC. schwan- 
kenden Gehalt an Dextrin nachgewiesen, welches vorher gÀnz- 
lich ĂŒbersehen worden war. Buignet seinerseits ĂŒbergeht 
dagegen den Schleim, welcher unlÀugbar auch einen Bestand- 
theil der offieinellen Manna bildet, wie ich schon frĂŒher **) 
angegeben habe. Nicht nur schweigt Buignet ĂŒber diesen 


*) Journal de Pharm. et de Chim, VIII (1868) 14. 
**) Jehrb. der Pharmacognosie. Berlin 1867. 16. 
Arch. d. Pharm. CC. Bds. 2. Ift, 11 


162 Notız ĂŒber die Eichenmanna von Kurdistan. 


Schleim, sondern er hebt auch“) ausdrĂŒcklich hervor, dass das 
von ihm aus Manna dargestellte Dextrin durch Bleiessig 
nicht gefÀllt werde und durch geeignete Behandlung mit Sal- 
petersÀure keine Spur SchleimsÀure liefere.. Das Drehungs- 
vermögen der Mannaauflösung wÀre nach dem genannten 
Chemiker allein von der Gegenwart des Dextrins abhÀngig. 
Um mich 'auch ĂŒber diese Angaben einigermaassen zu beleh- 
ren, löste ich 1500 Grm. stengeliger Manna (M. cannellata in 
fragmentis) in. viel Wasser auf und liess durch successive 
AbkĂŒhlung und weitere Concentration den Mannit möglichst 
auskrystallisiren. So wurde schliesslich ein auch bei 0° noch 
‘ flĂŒssig bleibender Syrup erhalten, welcher schon mit Blei- 
zuckerauflösung einen Niederschlag gab. Letzterer wurde 
gewaschen und mit Schwefelwasserstoff zersetzt. Die nach 
dem Verjagen des Schwefelwasserstoffes bleibende FlĂŒssigkeit 
drehte m einem 50MM. langen Rohre 3,1° rechts; sie ent- 
hielt 12 pC. Schleim in Auflösung. Es giebt also, wie dieser 
Versuch zeigt, jedenfalls in der Manna noch einen rechts- 
drehenden Schleim, der jedoch nicht in grosser Menge, 
vorhanden ist. Die Darstellungsweise dieses Körpers spricht 
schon dafĂŒr, dass er wirklich Schleim sei; er lieferte mir 
durch SalpetersÀure eine reichliche Menge schön krystallisir- 
ter SchleimsÀure. 

Eine rechtsdrehende Gummiart habe ich schon vor eini- 
ger Zeit (Wiggers-Husemann’scher Jahresbericht 1869. 154) 
in Gummi der Feronia elephantum nachgewiesen. — In 
Betreff jenes rechtsdrehenden Mannaschleimes fiel mir seine 
stark saure Reaction auf. Als ich ihn mit Weingeist aus- 
zog, erhielt ich Krystalle, welche ich nach ihren Reactionen 
fĂŒr CitronsĂ€ure halten muss; meines Wissens ist dieselbe 
bis jetzt m Manna noch nicht gefunden worden. 

Den concentrirten und auf angegebene Weise von diesem 
Schleime und hierauf vom Schwefelwasserstoff befreiten Man- 
naauszug concentrirte ich in gelinderter WĂ€rme weiter und 


a 


Notiz ĂŒber die Eichenmanna von Kurdistan. 163 


suchte nach Buignet’s Verfahren das Dextrin daraus in 
reiner Form zu gewinnen. Die FlĂŒssigkeit enthĂ€lt aber immer 
noch eine kleine Menge eines vermuthlich gummiartigen Stof- 
fes, welcher durch Bleiessig gefÀllt werden konnte. Nach- 
dem dieses geschehen und das ĂŒberschĂŒssige Blei durch 
Schwefelwasserstoff beseitigt war, liess ich die FlĂŒssigkeit in 
sehr gelinder WĂ€rme eindampfen und setzte ihr das doppelte 
Volum Weingeist (von ungefÀhr 85 Gew. Procenten) zu, wo- 
durch das gesuchte Dextrin gefÀllt werden musste. Es schied 
sich in der That eine untere dickliche Schicht aus, welche 
ich von dem Weingeist befreite und wiederholt mit heissem 
Weingeist auskochte. Die Schicht verminderte sich dadurch 
zusehends und zuletzt blieb mir nur wenig einer hellgelbli- 
chen zĂ€hen Masse zurĂŒck, welche aber selbst nach anhalten- 
dem Austrocknen weich blieb. Ihre Auflösung in wenig 
Wasser reducirte jedoch schon in der KĂ€lte nach sehr 
kurzer Zeit die schon erwÀhnte Glycerin-Kupfer- 
oxydlösung, was bei einem ÜControlversuche mit Dextrin 
aus StÀrkemehl nicht der Fall war. Das vermeintliche Dextrin 
enthielt daher sehr reichlich Zucker; aller Wahrscheinlichkeit 
nach bestand meine Masse eben nur aus solchem. 

Die Manna enthÀlt, wie ich oben dargethan habe, einen 
durch neutrales essigsaures Bleioxyd fÀllbaren Schleim und eine 
Gummiart, welche sich erst durch basisches Bleiacetat nieder- 
schlagen lÀsst. Da letztere nur in höchst geringer Menge 
vorhanden ist, so nahm ich einen Theil des nur von jenem 
Schleime befreiten Mannaauszuges, verdĂŒnnte ihn und ver- 
setzte ihn in GÀhrung, welche nur Àusserst langsam verlief. 
Nachher concentrirte ich die FlĂŒssigkeit und ĂŒberzeugte mich, 
dass sie in der KÀlte nicht auf Kupferlösung wirkte; sie ent- 
hielt also in der That keinen Trauben- oder Fruchtzucker 
mehr. War Dextrin in derselben zugegen, so musste aber 
doch nach dem Kochen eine Reduction des Kupferoxydes 
erfolgen. Aber auch dieses fand nicht in recht entschiedener 
Weise statt, so dass selbst dieser Versuch mich nicht von 
der Anwesenheit des Dextrins ĂŒberzeugen konnte. War 
wirklich Dextrin vorhanden, so musste es durch kurze Ein- 

irr 


164 Notiz ĂŒber die Kichenmanna von Kurdistan. 


wirkung von verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure in einen Zucker ĂŒber- 
gefĂŒhrt werden, welcher sogleich Kupferoxydul abzuscheiden 
vermochte. Dieses aber trat auch nicht ein. 

Aus diesen Versuchen ergiebt sich daher hauptsÀchlich 
folgendes: 

1) Hauptbestandtheil der Manna von Kurdistan ist eine 
Zuckerart, welche darin krystallisirt enthalten ist. Durch 
heissen Weingeist ausgezogen, eingedampft und mit Wasser 
wieder aufgenommen, lÀsst sich dieser Zucker aber nicht 
krystallisirt erhalten. Er dreht rechts und redueirt in der 
KĂ€lte Glycerin - Kupferoxyd - Natron. 

2) Dextrin fehlt dieser Manna. 

3) Dagegen enthÀlt sie Schleim. 

4) Das VerhÀltniss zwischen letzterem und dem Zucker 
scheint betrÀchtlich zu schwanken; sehr reine Manna, wie die 
mir vorliegende, enthĂ€lt ĂŒber 90 Procent Zucker. 

5) Die‘ gewöhnliche offieinelle Manna cannellata enthĂ€lt 
einen durch neutrales essigsaures Bleioxyd fÀllbaren Schleim, 
welcher rechts rotirt. 

6) Dieselbe liefert in sehr geringer Menge eine zweite, 
erst durch Bleiessig fÀllbare Schleimart. 

7) Rohrzucker lÀsst sich aus dieser Manna nicht dar- 
stellen. 

8) Die befriedigende Reindarstellung von Dextrin gelang 
mir nicht; immerhin wÀren gemeine schmierige Mannasorten 
in dieser Richtung noch zu prĂŒfen. 


165 


111. Geheimmittel. 


Zusammensetzung zweier pharmaceutischer Gcheim- 
mittel. 
Von Dr. Emil Pfeiffer aus Jena. 


Beide enthielten StÀrkekleister als Grundmasse und wur- 
den mir in den Jahren 1863 und 1864 zur Untersuchung 
ĂŒbergeben. 

a) Das erste, amerikanischen Ursprungs, war ein 
messerrĂŒckendick auf weisses Leder gestrichenes PflĂ€ster- 
chen von etwa 4 Centim. Durchmesser, welches bei Oroup 
der Kinder auf den Hals gelegt wurde. 

Der Arzt hielt es fĂŒr ein Diachylonpflaster mit Arsenik, 
jedoch ergab es sich einfach als unvollstÀndig coagulirte 
StĂ€rke, mit etwa 6—8 Tropfen Crotonöl gemischt. 

b) Das zweite war die gegen HĂŒhneraugen sehr 
. gerĂŒhmte Pommade Galopeau, eine französische Spe- 
cialitÀt, von der etwa 10 Grm. in einem gut verschlossenen 
OpodeldocglĂ€schen zum Preise von 1—2 Franken verkauft 
wurden. 

Die chemische und mikroskopische Analyse ergab, dass 
dieses etwas gallertige, salbenartige Product aus StÀrkeklei- 
ster bestand, mit etwa 8°), Schweineschmalz versetzt 
und mit concentrirter EssigsÀure belalen, 

Das Mittel wurde Abends vor Bettgehen erbsengross 
auf das HĂŒhnerauge, sowie rings herum gestrichen und dann 
mit GoldschlÀgerhÀutchen bedeckt. 


166 Das Enthaarungsmittel Busma. 


Nach 3 — 5 maliger Anwendung des Mittels fiel das HĂŒh- 
nerauge meist von selbst ab, da die umliegende Haut durch 
die EssigsÀure in ihrer Textur gelöst und erweicht war. 

Personen mit empfindlicher Haut konnten es jedoch nicht 
lange damit aushalten. 

° Ich machte dasselbe nach und suchte es noch zu ver- 
bessern, indem ich concentr. EssigsÀure zuerst mit Gummi 
Ammoniacum und Gummi Galbanum emulgirte, dann StÀr- 
kemehl zusetzte und gelind erhitzte, darauf sogleich ein we- 
nig Fett darĂŒber strich und es dann spĂ€ter gut durcheman- 
der mischte. — / 


Das Enthaarungsmittel Busma des E. BĂŒhligen in 
Leipzig 


ist das allgemein bekannte orientalische Rhusma 
(Rhusma turcarum, ein im Orient zur Wegnahme der 
Baarthaare gebrÀuchliches Gemenge aus Aetzkalk, Auripig- 
ment und Wasser, welches in Breiform aufgetragen wird. 
Handwörterb. d. reinen und angew. Chemie Bd. VI, 8. 863). 
Ein Gemisch von 2—3 Th. Schwefelarsen mit 15 Th. gepul- 
vertem Aetzkalk muss hier mit 1 Thaler fĂŒr das Loth bezahlt 
werden, wÀhrend es mit 1 Groschen schon gut bezahlt wÀre. 
(IndustrieblÀtter, Nr. 8, 1872.). 
| HE, 


167 


B.  Monatsbericht. 


12, Chereme. 


Chemische Untersuchung der Beeren von berberis 
vulgaris. 


Die vollstĂ€ndig reifen, hochrothen FrĂŒchte der Berberis 
vulgaris wurden von E. Lenssen nach der Methode von 
Fresenius untersucht. — 50 Grm., abgewogen, zerdrĂŒckt, 
gepresst und auf das Colatorium gebracht, gewaschen, wieder 
zerdrĂŒckt und mit Wasser behandelt, bis Lackmuspapier nur 
noch kaum bemerklich reagirte, gaben 1 Liter Filtrat, die 
löslichen Bestandtheile enthaltend. Die Untersuchung des 
Filtrats ergab: 

1) SĂ€urebestimmung mittelst titrirter Natronlauge (100 CU. 
derselben 7,217 Grm. AepfelsÀurehydrat entsprechend): 10. CC. 
Natronlauge neutralisirten 218,0 Filtrat, entsprechend 6,62%), 
AepfelsÀurehydrat. 

2) Zuckerbestimmung: 20 CC. titrirter Cyanquecksilberlö- 
sung (entsprechend 0,05 Grm. Traubenzucker) erforderten 
28,0 CC. Filtrat. Hiernach berechnen sich 3,57%), Trauben- 
zucker. 

3) Bestimmung des GesammtrĂŒckstandes des Löslichen 
200 CC. Filtrat wurden in der Platinschale abgedampft, der 
RĂŒckstand bei 100° C. getrocknet, bis sich constantes Ge- 
wicht zeigte — 1,3035 Grm. d.i. 13,03%, fester RĂŒckstand. 

4) Aschebestimmung: Obiger RĂŒckstand von 200 CC. ein- 
geÀschert, gab 0,0960 Grm. = 0,96°/, Asche. 

5) Bestimmung der stickstoffhaltigen Substanzen: 200 CC. 
Filtrat wurden im Wasserbade zur Trockne abgedampft, zur 
Bestimmung des Stickstoffs mittelst Natronkalk aufgenommen 
und das Ganze nach der Mischung in ein Verbrennungsrohr 
gebracht, wo 10 CC. titrirter Schwefelsiure vorgeschlagen 
waren. (10 CC. SchwefelsÀure enthielten 0,4810 Grm. 803 
und neutralisirten genau 11,16 CC. Natronlauge.) ZurĂŒck- 
titrirt wurden 10,1 CC. Natronlauge, so berechnet sich der 
Stickstöffgehalt zu 0,0798%, und nach dem VerhÀltniss 
15,5 : 100, berechnen sich somit die stickstoffhaltigen Sub- 


168 Chemische Untersuchung der Beeren der Berberis vulgaris. 


stanzen zu 0,51%. Der Gesammtgehalt des Löslichen in 
Procenten betrÀgt wie angegeben: 


13,03 9; 
darin an’ Traubenzucker Sa 
freier SĂ€ure 6,62 „ 
stickstoffhaltigen Substanzen 0,51 „, 
Asche VER 55 

6) Aus der Differenz ergeben sich die 
löslichen Pectinkörper zu Dal 


Der unlösliche Theil der 50 Grm. Beeren wurde bei 
100°C,. andauernd getrocknet, bis derselbe constantes Gewicht 
zeigte, und wog derselbe sodann 6,1450 Grm. — Die Kerne 
wurden von den Schalen mechanisch getrennt und gewogen. 

7) Dieselben ergaben 4,0200 Grm. — 8,04%, Kerne, 
FĂŒr Cellulose und Pectose blieben somit noch 2,125 Grm. 

8) Die Gesammtasche des Unlöslichen von 50 Grm. Bee- 
ren wog 0,1785 Grm. — 0,357 %, Asche. 

9) FĂŒr die Bestimmung der Pectose wurden 50 Grm. 
Beeren mit wenig Wasser zerquetscht, mit verdĂŒnnter Schwe- 
felsÀure (1 Thl. SOŸ und 20 Thle. HO) versetzt und mehre 
Tage bei mÀssiger Temperatur digerirt, solange, bis alle 
Pectose gelöst war und die reine Oellulose sammt Kernen zurĂŒck- 
blieb. Die letztern wurden sodann mechanisch entfernt. Die 
Cellulose, bei 100° C. getrocknet, wog 1,2765 Grm., sonach 
2,55, Cellulose. Pectose und Üellulose von 50 Grm. Beeren 
wogen nach 

7 — 2,1250 Grm. 

Cellulose nach 9 —= 1,2765 „ 

10) Sonach Pectose — 0,8485 Grm. = 1,69°/, Pectose. 


Die Analyse ergiebt fĂŒr die FrĂŒchte der Berberitze fol- 
sende Zusammensetzung: 


Fruchtzucker 3,97 
freie SĂ€ure 6,62 
Pflanzeneiweiss 0,51 
lösliche Pectinkörper 1,37 
Asche 0,96 
Summe des Löslichen 13,035 
Kerne 8,04 
‘Schale und Cellulose 2,56 
Pectose 1,69 
Asche des Gesammt-Unlöslichen (0,357) 
Summe des Unlöslichen 12,290 
Wasser 9775) 


100,000. 


Chlorbenzoyl, ein neues Reagenz auf Weingeist. 169 


Bei der Untersuchung des Saftes der Beeren konnten 
WeinsÀure und CitronensÀure nicht nachgewiesen werden 
und wurde desshalb in der Analyse die SĂ€ure als Aepfel- 
sĂ€urehydrat ausgedrĂŒckt. Eine Angabe HermbstĂ€dts, wonach 
der Saft der Beeren der Berberitze freie EssigsÀure enthalten 
soll, fand Lenssen in keinem einzigen Versuche bestÀtigt. 
Eine andere, flĂŒchtige, aromatische SĂ€ure liess sich dagegen 
erkennen und erinnerte die deutlich saure Reaction des 'zuerst 
ĂŒbergehenden Destillationsproductes und die mit ammoniakali- 
scher Silberlösung eintretende flockige FÀllung und rasche 
BrÀunung dieses Niederschlags am Lichte an das bei der 
Destillation der Vogelbeeren sich bildende flĂŒchtige Vogel- 
beeröl. Lenssen lÀsst es dahin gestellt, ob diese neue SÀure 
identisch mit der VogelbeersÀure ist, 


Die Analyse der Beeren der Berberitze zeigt einen hohen 
Gehalt an treier SÀure und einen verhÀltnissmÀssig niedern 
Gehalt an Pectinkörpern. Da die Beeren nur AepfelsÀure 
enthalten, so bieten sie ein geeignetes Material fĂŒr die Dar- 
stellung dieser SĂ€ure dar, sind geeigneter als die FrĂŒchte 
von Sorbus aucuparia, welche meist zur Darstellung der 
AepfelsÀure empfohlen werden. Die Beeren dieser letztern 
enthielten nach einer vorgenommenen Bestimmung 1,58 %, 
AepfelsĂ€urehydrat. Es stimmt hiermit die Angabe Winkler’s 
(Jahrbuch fĂŒr praktische Pharmacie 1, 13) ĂŒberein, wonach 
22,7 Thle. Vogelbeeren, 1 Thl. Àpfelsaures Bleioxyd liefern, 
also 1,50°/, AepfelsÀurehydrat enthielten., (Berichte der deut- 
schen chem. Gesellschaft. 3. Jahrgang.). 

R. Bender. 


Chlorbenzoyl = C’H?0Cl, ein neues Reagenz auf 
Weingeist, nach Berthelot. 


Chlorbenzoyl wird in BerĂŒhrung mit kaltem, oder selbst 
lauwarmen Wasser nur sehr langsam zersetzt; enthÀlt jedoch 
das Wasser Weingeist, wenn auch nur 1 Procent, so ent- 
steht sofort Benzo@öÀther; dieser wird vom ĂŒberschĂŒssi- 
gen Chlorbenzoyl aufgenommen, beim ErwÀrmen mit wÀssri- 
ger Kalilauge frei gemacht und am Geruch erkannt. (Ann. 
Ch. Pharm. April 1872 162, 192.). 


170 


II. "Toxikologie. 


Versuche ĂŒber Einwirkung einer Luft, welche schwef- 

lige SÀure, ArsendÀmpfe, feinzertheiltes 

Bleioxyd und feinzertheilten Russ enthielt, 
auf junge Fichten. 


Von Adolph Stöckhardt, Prof. in Tharand.*) 


Die Veranlassung zu diesen Untersuchungen ward dem 
Verf. bereits im Jahre 1849 durch den amtlichen Auftrag 
gegeben, nĂ€here, Untersuchungen ĂŒber die Art und Grösse 
der schÀdlichen Einwirkung, welche der Rauch der Freiber- 
ger HĂŒttenwerke auf die den letztern nahe liegenden Feld-, 
Wiesen- und WaldstĂŒcke ausĂŒbe, anzustellen. Nach den 
betr. Untersuchungen konnte kaum zweifelhaft sein, dass der 
Grund der acuten Vergiftung der Pflanzen durch den 
HĂŒttenrauch der Wirkung der schwefligen SĂ€ure, deren An- 
wesenheit in diesem Rauch auch schon in der NĂ€he der 
KRöststÀtten durch den Geruch sich ergab und deren Wir- 
kung durch anderweite Beobachtungen analoger Art bestÀtigt 
wird, zuzuschreiben sei. Neben diesem Factum macht Verf. 
noch darauf aufmerksam, wie die anderweite Benachtheiligung 
der nahen Umgebung der HĂŒtten durch chronische Ver- 
giftung des Erdbodens in Folge abgelagerter metallischer 
Bestandtheile aus dem HĂŒttenrauche oder den aufgeschwemm- 
ten PochrĂŒckstĂ€nden stattfinden und die ErtragsfĂ€higkeit des- 


*) Vergl. Christel, ĂŒber die Einwirkung von SĂ€uredĂ€mpfen, ins- 
besondere der SalzsÀure, auf die Vegetation. Archiv der Pharmaeie. 1871. 
September. 8. 252 ff. 


4 


Versuche ĂŒber Einwirkung einer Luft, welche schweflige SĂ€ure ete.: 171 


selben verringert, endlich völlig aufgehoben werden 
könne. 

BestÀtigt wurde die Annahme von der Àtzenden Wir- 
kung der schwefligen SĂ€ure bei einer Besichtigung der Na- 
delholzwaldungen der Umgegend im Jahre 1854, wo nicht 
allein BÀume von perennirender Lebensdauer in nÀchster 
NĂ€he der HĂŒtten, sondern auch entfernter gelegene Obst- 
und WaldbÀume mehr oder weniger afficirt befunden wurden. 
Diese schÀdliche Einwirkung erstreckte sich bis auf etwa 
3500 bis 4000 Fuss Entfernung und liess sich auf Grund 
derselben auch bei den FeldfrĂŒchten und beim Gesundheits- 
zustande des Rindviehs wahrnehmen, ja dieselbe dehnte sich 
in der Richtung der herrschenden Winde bis zu einer !/, Meile 
Entfernang und darĂŒber aus. 


Specielle Untersuchungen des Medicinalrath Haubner 
ĂŒber die SchĂ€dlichkeit des berĂ€ucherten Futters 
haben dargethan, dass bei gewissen WitterungsverhÀltnissen 
die sauren DĂ€mpfe sich auf die Pflanzen niederschlagen und 
erst diese und dann durch dieselben die Thiere vergiften. 


Durch chemische Untersuchung von 6 verschiedenen Stel- 
len entnommener, beschÀdigter Fichten-Zweige und Nadeln, 
einiger Streu- und Bodenproben, so wie von Schnee in der 
NĂ€he der HĂŒtten wurde festgestellt, dass — namentlich auch 
im Schnee, — Blei, Arsen und SchwefelsĂ€ure, und zwar in 
der Trockensubstanz der festen Objecte 4,0000 bis Yaooo am 
Blei Y/,g000 bis Yzo00 an Arsen, Y,goo biS "go. am Schwefel- 
sÀure enthalten, so wie dass diese Stoffe auf den Fichten- 
stÀmmen und Aesten niedergeschlagen waren. 


Verf. hat nun im Verein mit dem Öberforst-Rath von 
Berg directe Versuche zur Ermittelung der Einwirkung der 
in der Ueberschrift genannten im HĂŒttenrauche enthaltenen 
Substanzen auf lebende Fichtenpflanzen derart angestellt, dass 
er die DĂ€mpfe von schwefliger SĂ€ure, von arseniger SĂ€ure, 
so wie den durch Verbrennen von Benzin erzeugten Rauch 
getrennt auf die in GlasgehÀusen eingeschlossenen Pflanzen 
einwirken liess, dieselben auch mit Bleiweiss bestÀubte und 
ist zu folgenden Ergebnissen gelangt. 

Die schweflige SĂ€ure vermag selbst in sehr grossen 
VerdĂŒnnungen, welche bei kĂŒrzerer Einwirkungszeit nicht 
mehr sichtlich schaden, doch dann beizend und schÀdigend 
einzuwirken, wenn die Einwirkungszeit bedeutend verlÀngert 
wird. Es war dem Verf. zu keiner Zeit möglich,‘ durch den 
Geruch die Anwesenheit der SĂ€ure in der Localluft wahrzu- 


172 Versuche ĂŒber Einwirkung einer Luft, welche schweflige SĂ€ure et«. 


nehmen und dennoch war die schÀdliche Wirkung derselben 
nicht ausgeblieben; in der That dĂŒrfte die Kastenluft zu 
keiner Zeit mehr als Ysoo,000 bis höchstens Yzyo,000 (das 
wĂ€re 1000 bis 1500fach verdĂŒnnter Rauch der Röstöfen) 
an schwefliger SĂ€ure enthalten haben. 


Rothbuche und Spitzahorn, in gleicher Weise mit gas- 
förmiger schwefliger SÀure behandelt, wurden erst dann affı- 
eirt, als die Luft mit 1/,0,000 Schwefliger SÀure imprÀgnirt 
war; das Gelbwerden und Absterben der BlÀtter fand bei der 
Rothbuche nach zweimaligem, beim Spitzahorn nach sechs- 
maligem RĂ€uchern statt, was fĂŒr eine geringere Empfindlich- 
keit der Laubhölzer im Vergleich mit den Nadelhölzern gegen 
die gasförmige schweflige SĂ€ure und sonst auch gegen HĂŒt- 
tenrauch sprechen dĂŒrfte. 


Nach Freytag’s Versuchen zerstört eine Luft, welche 
mehr als %/;,,o0o0 dem Volumen nach (0,0018 Vol. Proc.) an 
schwefliger SÀure enthÀlt, die Chlorophylimassen der feuchten 
srĂŒnen BlĂ€tter von Weizen, Hafer und Erbsen derart, dass 
man schon nach wenigen Stunden die Zerstörung deutlich 
wahrnehmen kann. Hiernach halten die landwirthschaftlichen 
Pflanzen hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit gegen schweflige 
SÀure.die Mitte zwischen Nadel- und Laubhölzern. 


Zu den ArsenrÀucherungen wurden Arsenmetalle 
verwendet und in 86 solcher RĂ€ucherungen zusammen reich- 
lich 1%), Loth arsenige SĂ€ure erzeugt. Obgleich auf den 
Zweigen der Versuchsfichte ein grosser Theil derselben ver- 
diehtet war, erlitt die Pflanze weder im !Ansehen noch 
in der Vegetation irgend eine nachtheilige VerÀnderung. 
Es wird hierdurch das schon frĂŒher von dem Verf. abgege- 
bene Gutachten, dass die auf den Pflanzen niedergeschlagene 
arsenige SĂ€ure ungleich milder auf deren Organismus wirkt, 
als wenn der Arsenik durch die Wurzeln oder die verwun- 
dete Rinde in die Pflanzen gelangt, bestÀtigt. 

Die Versuche mit Russ und die mit Bleioxyd gaben 
nur negative Resultate und harmonirten die Ergebnisse der 
Versuche mit Russ gut mit der alten Erfahrung, dass der 
Holzruss, wie z. B. derjenge der Köhlereien, den selbst nahen 
BĂ€umen keinen Schaden bringe, wie dieselben zugleich gegen 
die von Physiologen ausgesprochene Annahme sprechen, dass 
der Steinkohlenruss um deswillen schĂ€dlich fĂŒr die Pflanzen 
sei, weil er die Spaltöffnungen der Nadeln und BlÀtter ver- 
stopfe und verklebe. Die vorstehenden Versuche weisen viel- 
mehr bezĂŒglich des HĂŒttenrauchs mit Entschiedenheit darauf 


Vergiftung mit Argentine. . 173 


hin, dass dessen beizende, bleichende und schliesslich tödtende 
Einwirkung auf die Nadeln und BlÀtter der Pflanzen sei- 
nem Gehalte an schwefliger SĂ€ure zuzuschrei- 
ben sei, und die weitere Schlussfolgerung liegt nun nahe 
genug, die durch den Steinkohlenrauch veranlassten 
SchÀdigungen der gleichen Ursache zuzuschreiben. (Der che- 
mische Ackersmann. Nr. 1. 1872. S. 24 f.). 
Abg. 


Vergiftung mit Argentine. 


Unter dem Namen Argentine wird von Galanteriewaa- 
renhandlungen ein Versilberungsmittel angeboten, das aus 
der Apotheke in Beetzendorf, Reg.-Bez. Magdeburg, 
stammt und in kleinen, etwa 1%/, Unzen fassenden, rothver- 
siegelten GlÀschen zu 1 fl. 30 Xr. verkauft wird. G. Mar- 
tius beobachtete bei einer Dame, die etwa einen Kaffelöffel 
voll dieses Mittels zum Versilbern mehrer MetallgegenstÀnde 
verwendet hatte, die heftigsten, 3 Tage andauernden Vergif- 
tungssymptome. Nach der von A. Buchner vorgenomme- 
nen Untersuchung ist diese Argentine eine Auflösung von 
Cyansilber in concentrirter Cyankaliumlösung, 
vermischt mit etwas Schlemmkreide, und gehört somit zu den 
heftigsten Giften. Im vorliegenden Falle hatte das blosse . 
Einathmen der sich entwickelnden BlausÀuredÀmpfe sowohl 
intensiv örtliche als allgemeine Intoxicationserscheinungen 
hervorgerufen. (Aerztl. Intellgbl. 1872, Nr. 11; daraus im 
N. Jahrb. f. Pharm. MĂŒĂ€rz 1872, Seite 172.). 

H.L. 


174 


III. Naturgeschichte und Pharma- 
cOgNnosie. 


Die miocene Flora Spitzbergens. 


OÖ. Heer, der Monograph der Pflanzen der TertiĂ€rzeit 
giebt in seinem Werke: die miocene Flora und Fauna Spitz- 
bergens, Stockholm 1870, eine AufzÀhlung aller derjenigen 
Pflanzen, welche bis jetzt aus der Flora der TertiÀrzeit aus 
Spitzbergen bekannt geworden sind. Die Materialien zu 
diesem Werke haben die in den Jahren 1858, 1861, 1864 und 
1868 von Schweden ausgerĂŒsteten Expeditionen geliefert. 
Besonders war es die letzte Expedition, die das reichste 
Material lieferte, indem die Prof. Nordenskiöld und Malm- 
sren nebst dem Stud. Nauckhoff von derselben 1700 StĂŒck 
. PflanzenabdrĂŒcke mitbrachten, von denen 1200 am Cap Starat- 
schin und 500 in Kingsbai gesammelt waren. Die 
frĂŒheren Expeditionen hatten die PflanzenabdrĂŒcke von 17 
miocenen Pflanzenarten von Bellsund und Kingsbai und 
eine aus dem GrĂŒnhafen des Eisfiordes bekannt gemacht. 
Der im Hintergrunde des Eisfiordes liegende Berg, der den 
Namen „Heersberg“ erhalten hat, besitzt ebenfalls eine 
PflanzenabdrĂŒcke enthaltende Schicht. Die reichste FundstĂ€tte 
fossiler Pflanzen in Spitzbergen ist jedoch das oben genannte 
Cap Staratschin, das auf der SĂŒdseite des Einganges in 
das Eisfiord bei 78%5 n. Br. und 14° östl. L. liegt. Dort 
lebte eine lange Reihe von Jahren ein russischer Rennthier- 
jÀger, von dem das Cap den Namen trÀgt. 

Im Ganzen weist Heer gegenwÀrtig 111 Pflanzenarten 
nach, welche nach dem bis jetzt bekannten Material zur 
TertiÀrzeit das jetzt mit Gletschern bedeckte Grönland 
bewohnten. Darunter ist die Gruppe der Ooniferen mit 


Die miocene Flora Spitzbergeiis. 175 


26 Arten vertreten, — dabei die Sumpfeypressc (Taxo- 
dium distichum), sowie eine nah verwandte Art von 
Sequoia sempervirens (S. Nordenskioldi) und eine Libo- 
cedrus (L. Sabiniana) als sehr verbreitete BĂ€ume der 
Niederungen. Die mehr auf höher gelegenem Terrain wach- 
sende Gattung Pinus war in den Waldungen Spitzbergens 
mit 12 Arten vertreten und zwar gehörten davon 2 Arten 
zu den 2-nadeligen Föhren, eine zu den 3-nadeligen 
TĂ€den, 2 zu den 5-nadeligen Weymuthskiefern, 
2 zu den Fichten, 2 zu Tsuga und 2 zu den Weiss- 
tannen; es fanden sich mithin dort damals Typen gesell- 
schaftlich, die jetzt theils in der alten Welt, theils in der 
neuen Welt auf der nördlichen Halbkugel vorkommen. 


Die Monocotyledonen sind durch 8 Familien und 
33 Arten vertreten, darunter eine unserem Sumpfrohr nahe 
verwandte Pflanze (Phragmites oeningensis), die eine 
weite Verbreitung hatte; eine mit Potamogeton natans 
nahe verwandte Pflanze (P. Nordenskioldi). 


Von den Dieotyledonen gehört weit aus die grösste 
Zahl der bis jetzt entdeckten Arten zu den HolzgewÀchsen. 
Am hÀufigsten sind die Pappeln, eine Corylus, 3 Quer- 
cus, eine grossblÀttrige Linde, ein Wallnussbaum. Ein 
Epheu (Hedera M’Clurii) mag an den WaldbĂ€umen, Ă€hn- 
lich wie unser Epheu emporgeklettert sein. 


Unter den Pflanzen Spitzbergens fĂŒhrt Heer 3 Arten 
auf noch jetzt lebende Arten zurĂŒck, nemlich die Rothtanne 
(Pinus Abies L.), die Bergföhre (P. montana Mill) und 
die Sumpfeypresse (Taxodium distichum). 

Ausserdem fĂŒhrt Heer zahlreiche Arten auf, welche mit 
jetzt lebenden Arten sehr nahe verwandt sind, wenn sie auch 
nicht völlig identisch sind, nemlich 22 Arten, die mit Pflanzen 
Amerikas, 5 Arten die mit Pflanzen Asiens und 19 Arten, die 
mit Pflanzen Europas ihre Charactere theilen. 


Es spiegeln sich mithin nach Heer in der miocenen 
Spitzbergener Flora unter den noch lebenden Pflanzenar- 
ten solche Nordamerikas, Europas und Nord- und Mittel- 
asiens. Tropische Formen fehlen aber ebensowohl, wie die 
Formen der jetzigen arktischen Flora. 

Spitzbergens jetzige Flora ist arm, im Ganzen sind von 
dort nur 110 Arten BlĂŒthenpflanzen bekannt und darunter 
nur 3 kleine HolzgewÀchse (Salix polaris, 8. reticulata 
und Empetrum nigrum). In der TertiÀrzeit war jenes 
Land von mÀchtigen Waldungen bedeckt und es 


176 Die Sumbulpflanze. 


lebten dort, Pflanzen, die den Formen der jetzigen gemÀssig- 
ten Zone entsprechen, — doch war der Charakter jenes 
Florengebietes mehr boreal, als das der 8° mehr nach SĂŒ- 
den gelegenen TertiÀrflora Grönlands, denn der damaligen 
Flora Spitzbergens fehlten die immergrĂŒnen Laub- 
bÀume, die sich in jenem Gebiete Grönlands finden. (Ed. 
Regel, Gartenflora, Novbr. 1871, S. 348.). (Man vergleiche 
Arch. d. Pharm. 1868, II. R. Bd. 136, S. 302.). 
HA.L. 


Die Sumbulpflanze. 


Die letzte Arbeit des in Moskau verstorbenen Prof. 
Kaufmann war die ĂŒber die bucharische Sumbul- 
wurzel, welche derselbe in den neuen Memoiren der Kais. 
Gesellsch. d. Naturforscher zu Moskau (Tom. XIII, 1871) 
veröffentlichte und mit einer Abbildung der Pflanze begleitete. 
Die Perser haben unter dem Namen „Sumbul“ mehre stark- 
riechende Pflanzen in den Handel gebracht, so eine Vale- 
rianee, (Nardostachys Jatamansi) und ein Zwiebel- 
gewÀchs, die gewöhnliche Tuberose (Polyanthus Tu- 
berosa). 

Der bucharische Sumbul, der geschÀtzteste von 
allen, kam erst 1835 ĂŒber Nischni-Nowgorod in den Han- 
del und zwar in einzelnen StĂŒcken und Scheiben. 

Eine von Sewerzow als Sumbul nach Petersburg aus 
Turkestan eingesandete Pflanze ward in der Gartenflora als 
„Hyalolaena Sewerzowi“ beschrieben, erwies sich aber 
nicht als die Àchte Sumbulpflanze. 

Im Sommer 1869 gelang es endlich einem Botaniker 
Moskau’s, Herrn Fedschenko, die Ă€chte Sumbulpflanze im 
Magian-Gebirge in der NĂ€he von Pentschokend aufzufinden. 
Von einer Anzahl Wurzeln erhielt der botan. Garten in Mos- 
kau 7 noch Leben zeigende Von diesen entwickelte sich 
aber nur eine krÀftig, alle anderen starben ab. 

Die eine Pflanze kam aber im Sommer 1870 im botani- 
schen Garten zu Moskau in BlĂŒthe und erwies sich als eine 
mit der Gattung „Ferula“ nahe verwandte Umbellifere, 
welche Kaufmann als neue Gattung nach der bedeutenden 
Breite der CanÀle der Frucht von Ferula abtrennte und 


Ueber die Nutzhölzer PalĂ€stina’s. 177 


„Euryangium Sumbul“ genannt hat. (Gartenflora 
Deutschlands, Russlands u. d. Schweiz, Novbr. 1871, 8. 324.). 
Die falsche Sumbul, die von Sewerzow aus Turkestan mit- 
gebrachte, und als Hyalolaena Sewerzowii beschriebene 
Pflanze ist einerlei mit Prangos uloptera DeÜ., welche 
in Mittelasien sehr verbreitet ist und von Szovitz in den 
Provinzen Aderbeidschan und Nakitschiwan, von Kotschy in 
der Gegend von Schiras und am Elbrus, von Aucher- 
Eloy in Persien und von Griffith in Afghanistan gefunden 
worden ist; es ist sehr wahrscheinlich, dass auch Prangos 
pabularia Lindley damit identisch. (a. a. O, 8. 347.). 


HT: 


Ueber die Nutzhölzer PalĂ€stina’s 


theilt Dr. Oscar Schneider Folgendes mit. Die Verar- 
beitung und der Vertrieb verarbeiteter einheimischer Materia- 
lien bildet seit langer Zeit einen Erwerbszweig vieler Be- 
wohner PalĂ€stina’s, besonders der Bethlehemiten, die in 
Bethlehem selbst und auf dem Platze vor der Grabeskirche 
in Jerusalem den Fremden die Erzeugnisse ihrer Kunst mit 
unermĂŒdlichen Empfehlungen anbieten. Rohere Arbeiten, 
besonders in Holz, erhÀlt man in vielen einsamen griechischen 
Klöstern vorgelegt, so im Felsenkloster MarsÀba im Kidron- 
"thale, 

Zu dieser nationalen Industrie ist in neuester Zeit eine 
neue fremde getreten, die von einem deutschen Tisch- 
ler angeregt worden ist und in der Hauptsache noch in der 
Hand gehalten wir. 0. Schneider sah in dem engen 
Laden dieses Tischlers in der Strasse, die vom Johanniter- 
hospize nach dem Jaffathore hinfĂŒhrt, sauber gearbeitete und 
schön polirte HolzgegenstÀnde kleinen und grossen Formates: 
Stöcke, Briefbeschwerer, BucheinbÀnde, Schalen und Karten- 
körbehen, Streichhölzchen- und -NadelbĂŒchsen, Lineale und 
Papiermesser und dazu grössere Arbeiten, besonders prÀch- 
tige, aus verschiedenen Hölzern zusammengesetzte Tischplat- 
ten, Schachbretter u. dergl. Jedem dieser StĂŒcke ist in 
hebrÀischer oder lateinischer Schrift der Name eines wichti- 
gen Ortes aufgeschrieben, von dem das Holz stammt oder 
vielleicht — stammen soll. 

Arch. d. Pharm. CC. Bda, 2. Heft. 12 


178 Ueber die Nutzhölzer PalĂ€stina’s. 


Das verarbeitete Holz ist theils Oliven-, theils Eichen-, 
theils „Balsamholz,“ ausserdem bisweilen ein schwarzes, 
dem Ebenholze gleichendes Material, das aber wohl durch 
Beizung gefÀrbt ist. 


Der Oelbaum (Olea europaea L.) findet sich an vielen 
Orten PalĂ€stina’s hĂ€ufig, in Pflanzungen die steilen AbhĂ€nge 
bedeckend, die nach den schluchtenartigen ThÀlern des Gebir- 
ges Juda abfallen. Die Ă€ltesten, welche OÖ. Schneider sah, 
stehen in dem klemen Gethsemanegarten; sie sehen 
mÀchtigen uralten Weiden völlig gleich und sollen nach dem 
Urtheile von Botanikern ĂŒber 1000 Jahre alt sein. 


Eichen sind besonders im Norden PalĂ€stina’s in grosser 
Menge und in mehren Arten nachgewiesen. 


Der Balsamstrauch, Balsamodendron (Amy- 
ris) Opobalsamum Kunth = Opobalsamum decla- 
ratum L., eine Terebinthacee, ist in alter Zeit am See 
Genezareth und besonders in der Oase von Jericho ange- 
pflanzt gewesen, wie die Àltesten Schriften des alten Testa- 
mentes, spÀter Josephus und die Schriftsteller der Griechen 
und Römer berichten. Nach Plinius hat schon Alexan- 
der der Grosse sich tÀglich eine Muschel voll des köstli- 
chen Balsams von Jericho bringen lassen; Pompejus hat den 
Baum zuerst, wie spÀter auch Vespasian und Titus, im 
Triumphzuge in Rom aufgefĂŒhrt. Josephus bezeichnet noch 
den Balsam als Jericho’s köstlichstes Product und Ă€hnlich 
preist denselben Dioscorides. 


Seitdem nun aber die grossen AquĂ€ducte, die frĂŒher die 
Ebene durchzogen, verfallen sind, ist das Gebiet „der Pal- 
menstadt,“ das dereinst die GĂ€rten der Herodianer 
enthielt und noch zu Zeiten des Kreuzfahrers Wilhelm 
von Tyrus ein blĂŒhendes Gartenland war, zum grössten 
Theil der WĂŒste anheimgefallen und von dem edlen 
Balsamstrauche ist dort jede Spur verschwunden. Der heutige 
„Balsam von Jericho“ und damit auch das Balsamholz 
der palÀstinensischen Arbeiten entstammt dem Zukkum oder 
Zakkum Murha, Elaeagnus angustifolia L. 


Auch ‘an anderen Orten haben sich die im Alterthume 
berĂŒhmten Anpflanzungen des Abuschon Jemen’s nicht 
halten können. Die bei Josephus erwÀhnte Pflanzung bei 
Engaddi am Westufer des todten Meeres soll Cleopatra 
nach Aegypten verlegt haben, wo 2 berĂŒhmte BalsamgĂ€rten, 
zu Heliopolis und Cairo, bis in die neue Zeit hinein gepflegt 
und erhalten wurden, bis endlich auch in Aegypten die letzte 


Notiz ĂŒber eine neue Cinchonaspeeies ete. 179 


Spur des köstlichen Strauches im Jahre 1615 durch die Nil- 
ĂŒberschwemmung verloren ging. 

Die kolossalen Massen verkieselter StÀmme, die 
östlich von Cairo in dem „versteinerten Walde“ mei- 
lenweit die WĂŒste bedecken, gehörten sĂ€mmtlich einer von 
Unger „Nicolia“ genannten Baumgattung an, die sich 
unmittelbar an den Balsambaum anschliesst. (Sitzungsberichte 
der naturwiss. Gesellsch. Isis in Dresden 1871, Heft Januar, 
Februar, MĂ€rz. S. 11— 12.). 98: 


Notiz ĂŒber eine neue Cinchonaspecies aus der Pro- 
vinz Ocana in Neu-6Granada. 


Von J. Eliot Howard. 


Vön der Verwaltung des königl. Gartens zu Kew wurde 
W. Purdie im Jahre 1844 nach Westindien gesandt, um 
dort Pflanzen zu sammeln. Seine Berichte wurden in den 
Jahren 1845 und 46 in dem „London Journal of Botany“ 
veröffentlicht, die Fortsetzung, welche Berichte ĂŒber Neugra- 
nada bringen sollte, blieb leider aus, weil Purdie Director 
eines botanischen Gartens auf den Antillen wurde, was seine 
volle ThĂ€tigkeit in Anspruch nahm. — Die von ihm gesam- 
melten Pflanzen sind gut erhalten und befindet sich darunter 
ein Exemplar, welches, gleich einigen andern, im Herbarium 
zu Kew, die China de la tierra fria von Velez in der 
Provinz Ocana reprÀsentirt. J. M. Eliot Howard giebt an, 
dass sie zur BlĂŒthezeit im October 1844 von Purdie selbst 
gesammelt und von allen Cinchonaformen verschieden sei. 
Das Blatt nÀhert sich in der Gestalt dem der Cinchona ovata 
Pavon; die zahlreichen Seitennerven zeigen eine grössere 
AusgeprĂ€gtheit und SchĂ€rfe. Die EigenthĂŒmlichkeiten, mit der 
lederartigen Beschaffenheit des Blattrandes verbunden, geben dem 
lebenden Blatte ein ganz charakteristisches Aussehen. Auch 
der BlĂŒthenstand ist auffallend anders, wie bei den benach- 
barten Formen. ' 

Dr. Berthold Scemann beschreibt diese Cinchona 
rosulenta Howard (spec. nov.) wie folgt: 

Ö. ramulis obtuse angulatis rachidibusque rufo - villoso - 
tomentosis demum glabratis; foliis late ovatis v. subrotundo - 
ovatis aentis, basi in petiolum Àttenuatis, supra sparse pilosis 


12% 


180 Notiz ĂŒber eine neue Cinchonaspecies ete. 


demum glabratis nitidis, subtus pilosis escrobiculatis, costa 
venisque utrinque plus minus villoso -hirtellis, venis utrinque 
lateri costae 11 — 14 subparallelis cum costa angulum obtu- 
sum formantibus et in nervum marginalem abeuntibus; flori- 
bus (pro genere) medioribus axillaribus terminalibusque in pani- 
culas laxas multifloras dispositis; pedunculis, pedicellisgue et 
ovariis rufo-villoso-tomentosis, calyce cupuliformi pallescenti, 
laciniis ovatis acuminatis; corolla lacinias sextuplo superante, 
extus sericeo-tomentosa, intus lanatu; capsula.... 

Nomen vernaculum: Quina de la tierra fria. Habı- 
tat in locis altis et frigidis, circa Velez, prov. Ocanıa neogra- 
natensis. (W. Purdie). 

Aller Wahrscheinlichkeit nach stammt die Rinde, welche 
zum erstenmale in der Quinologie von Delondre unter der 
Bezeichnung Quinquina rose d’Ocana beschrieben 
wurde und vor Kurzem sehr hÀufig im Handel war, von die- 


ser Cinchona. 

Die charakteristischen und bestimmtesten Merkmale die- 
‘ ser Rinde sind einmal: die Festigkeit und Biegsamkeit der 
Bastfasern der Innenrinde und die aussergewöhnliche MÀchtigkeit 
und Festigkeit der Aussen - Rinde; die OberflÀche zeigt manch- 
mal kleine GrĂŒbchen, Ă€hnlich wie dieselben bei der „Quin- 
quina rouge dure, die von Uinchona succirubra stammt, 
vorkommen und welcher sich die China rosulenta auch 
in Form und Farbe nÀhert. 

Auch Rampon beschreibt in G. Planchon’s Werke: 
„Des Quinquinas,“ eine Rinde als „quinguina & quinidine,“ 
die im Norden von Bogota, zu Velez am Sarcorro in den 
Provinzen Ocafa und Pamplona gesammelt wird. Die Rinde 
hat dieselbe Structur wie die von ÜCinchona lancifolia, aber 
ihre OberflÀche ist vor der Entfernung der schuppigen Epi- 
dermis rosa bis dunkelroth gefĂ€rbt. In ihren StĂŒcken ahmt 
sie das Aussehen der Quinquina rouge nach, unterschei- 
det sich jedoch durch verschiedenen Gehalt an Alkaloiden 
(ZeĂŒschrift des allgem. öster. Apoth.- Vereins 10. MĂŒrz 1872, 
Nr. 8. 8. 181— 185, wo auch die neue COinchonaspecies abge- 
bildet ist). ©. Schultze. 


Druckfehler-Verbesserung. 


Im Aprilhefte dieses Archivs Seite 5, Zeile 7 von unten muss es 
heissen 80,3 anstatt 803. H. Ludwig. 


181 


C. Literatur und Kritik. 


Erdmann-König, Grundriss derallgemeinen Waa- 
renkunde. Zum Gebrauche fĂŒr Handels- und Gewerb- 
schulen, sowie zum Selbstunterricht, entworfen von Dr. 
Otto Linne Erdmann, weil. ord. Prof. d. Chemie a. 
d. Univ. Leipzig. Siebente, völlig umgearbeitete und 
stark vermehrte Auflage von Dr. Christian Rudolph 
König, Oberlehrer fĂŒr Physik und Chemie an der Real- 

“ schule I. Ordnung zu Leipzig. Mit 43 Holzschnitten und 
einer Tafel mit mikroskopischen Abbildungen. Leipzig, 
1871, Verlag von Johann Ambrosius Barth. — 472 
und XII Seiten in Grossoctav. 


Der Erdmans’che Grundriss der Waarenkunde erschien 1833; 
eine 2. Auflage (Gr. d. allgemeinen W.) 1852; eine 3. 1857 u. s. w. 
Der Herr Bearbeiter der vorliegenden 7. Auflage fand keine Veranlassung, 
von dem ursprĂŒnglichen Plane abzuweichen, wohl aber hielt er es fĂŒr 
angemessen, eine Anzahl neuer Artikel aufzunehmen (Bronzefarben, Alka- 
limetrie, Ammoniak, Blattgold, Dextrin und StÀrkezucker, spinnbare 
Pflanzenfasern verschiedener Art, Theerfarben, Fleischwaaren, Darmsaiten, 
GoldschlÀgerhÀutehen, Phosphorit) und sÀmmtliche Àltere Paragraphen 
einer den neuesten Erfahrungen auf dem Gebiete des Handels und der 
Industrie entsprechenden Umarbeitung zu unterwerfen, sowie die in der 
6. Auflage vorhandenen statistischen Angaben zu vermehren und bis auf 
die neueste Zeit fortzufĂŒhren, Ausser einigen neuen Holzschnitten ist auch 
eine Tafel mit trefflichen mikroskopischen Abbildungen der Baumwolle, 
Leinenfaser, Seide, Schafwolle, der StÀrkekörner des Weizens, der Kar- 
toffeln, der Arrow -root und des Reises beigefĂŒgt. 

Die Anordnung des reichen Material geschieht nach den 3 Natur- 
reichen in Waaren I., aus dem Mineralreiche, II}, aus dem Pflan- 
zenreiche und III., aus dem Thierreiche. In der Einleitung wird 
gehandelt von dem Begriff und der Eintheilung der Waarenkunde und von 
den Kennzeichen der Waaren im Allgemeinen und von der Literatur 
der Waarenkunde, 

Die Waaren aus dem Mineralreiche reihen sich kapitelweise 
wie folgt aneinander. 

1) Schmucksteine (Edelsteine): harte (Diamant, Rubin etec.), halb- 
harte (Bergkrystall, Opal ete.), weiche (Malachit, Bernstein). 

Abbild. der gebrÀuchlichen Schleifformen. 

2) Verzierungs- und Baumaterialien; Steingeschirre 
(Meerschaum, Bildstein, Speckstein, Topfstein, Serpentin, Gyps, Kalk 
und Marmor, Cemente), 


182 Literatur und Kritik. 


3) Schleif- und Polirmittel, MĂŒhlsteine (Diamantbord, 
Smirgel, Bimsstein, Polirschiefer, Tripel, Polirroth, Probirstein,, Schleif- 
und Wetzsteine, Feuersteine, MĂŒhlsteinquarz, MĂŒhlsteinlava). 

4) ZĂŒnd- und Brennstoffe (Schwefel, Phosphor, Erdöl, Petro- 
leum, Asphalt, Steinkohle und Kok, Braunkohle und Torf. Bestimmung 
der Heizkraft und des.Brennwerthes der Brennmaterialien). 

5) Schreib-‚Zeichen- und Farbematerialien. a) Graphit, Blei- 
stifte, Röthel, Rothstifte Kreide, Zeichenschiefer, Schiefertafeln, Schieferstifte, 
lithographischer Stein. b) Farben, weisse: Bleiweiss, Zinkweiss, 
Talk, Barytweiss; gelbe: Ocker, Gelberde, Chromgelb, Mineral-, Neapel- 
gelb, Operment, Uran-, Zink-, Ultramaringelb i. e. ZnO0,CrO3; Cad- 
miumgelb; rothe: Mennige, Zinnober, Realgar; blaue: Smalte, Ultramarin, 
Bergblau; grĂŒne: GrĂŒnerde, BerggrĂŒn, ChromgrĂŒn, Schweinfurter GrĂŒn, 
Scheele’s-, Gentele’s, Casselmanns, Rinmanns GrĂŒn, NĂŒrnberger GrĂŒn, 
grĂŒner Zinnober, grĂŒnes Ultramarin; braune: Bolus, Umbra, Mangan- 
braun; schwarze: Mineralschwarz, Eisenschwarz,. Pastellfarben. 
Gold- und Silberfarben. Bronzefarben. ; 

6) MineralsÀuren (SchwefelsÀure, SalpetersÀure, SalzsÀure, Aci- 
dimetrie). 

7) Salze des Mineralreichs. a) Schwefelsaure: Glauber- 
salz, Bittersalz, Alaun, Eisen-, Kupfer-, Adler-, und Zinkvitriol; 
b) Salpetersaure: Salpeter, Natronsalpeter, Schiesspulver; e) Salzs. 
Salze (Chlormetalle): Kochsalz, Zinnsalz, Salmiak ; d) unterchlorigs. 
und chlorsaure: Chlorkalk, Chlorimetrie, chlorsaures Kali; e) bor- 
saure: Borax; f) chromsaures Kali; g) kohlensaure: Potasche, 
kohlens. Kali, Soda, Alkalimetrie, kohlens. Ammoniak; Anhang: Magnesia, 
Amianth, Walkerde, Glimmer. 

8) Irdene und Glaswaaren (Thonpfeifen, Pfeifenköpfe, Schmelz- 
tiegel, Fayence, Steingut, Porzellan, Glas). 

9) Metallische Berg- und HĂŒttenproducte (Platin, Gold, 
Silber, Quecksilber, Kupfer; Messing, Tombak, Bronze, Argentan; Blei, 
Bleiglanz, GlÀtte, Zinn, Wismuth, Zink, Galmei, Antimon, Schwefelanti- 

‚mon, Eisen, Stahl, Kobalt, Zaffer, Nickel, Arsenik, Braunstein). 


Die Waaren aus dem Pflanzenreiche sind unter folgende apa 
vertheilt. 


1) Nahrungsmittel und GewĂŒrze (Reis, Sago, StĂ€rke, Cacao, 
Zucker, Kaffee, Thee, Citronen und Orangen, Rosinen und Korinthen, Fei- 
gen, Mandeln, Capern, Kastanien, TrĂŒffeln, Johannisbrod, Pistazien; Pfef- 
fer, GewĂŒrznelken, Piment, Cardamom, Vanille, Muskatnuss und Muskat- 
blĂŒthe, Ingwer, Zimmt, ZimmtblĂŒthe, Saffran, Hopfen, Senf, KĂŒmmel, 
Coriander, Anis, Fenchel, Dill, Calmus, Cichorien). 

2) GĂ€hrungs- und Destillationsproducte (Wein, Bier, Brannt- 
wein, Alkohol, Alkoholometrie, Essig). 

3) Materialien zum Verspinnen, Weben, Flechten; Zeuge, 
Garn, Papier u.s. w. (Baumwolle, Baumwollengarn 3 Baumwollen- 
zeuge; Flachs, Hanf und ihre Gespinnste und Gewebe, Jute, Sunfaser, 
Manillahanf, Chinagras, neuseelÀnd. Flachs; Papier, Pappe, Pressspahn, 
StrohhĂŒte ote. ): 

4) Gerbmaterialien, z. Th.als Farbestoffe dienend (Eichen- 
rinde, GallÀpfel, Knoppern, Sumach, Dividivi, Bablah, Myrobalana). 


Literatur und Kritik. 135 


5) Farbstoffe: a) schwarze und braune Farben: Russ, Ca- 
techu; b) blaue: Indigo, Waid, Lackmus; e) grĂŒne: SaftgrĂŒn, Lakao; 
d) rothe: Krapp, Orseille und Persio, Fernambuk -, Santel-, Campeche- 
holz, Safflor; e) gelbe: Orlean, Quereitron, Gelbholz, Wau, Curcuma, 
Gummigutt. Lackfarben. Theerfarben (Anilin-, CarbolsÀure- und 
Naphtalinfarben). 

6) Hölzer, Wurzeln und andere ganze Pflanzentheile zu 
versechiedenem Gebrauch (Guajaec -, Buchsbaum-, Mahagoni-, Eben-, 
Rosen-, Cedern-, Weichsel - Schlangenholz; TaguanĂŒsse (vegetabil. Elfen- 
bein); Stuhlrohr, Bambusrohr, Seegras, Kork, Feuerschwamm, Karden, 
Tabak, Rhabarber, SĂŒssholz, Chinarinde, Cascarillrinde, Augusturarinde, 
Quassiaholz, Sassafrasholz, IslÀndisches Moos, SennesblÀtter, Sternanis, 
Coloquinten, Cubeben, Tamarinden, KrÀhenaugen, BÀrlappsamen, Seidel- 
bast, AlthÀwurzel, Enzian-, Jalappen -, Brechwurzel, Salep, Sassaparill- und 
Baldrianwurzel. Diese Arzneiwaaren ausfĂŒhrlich zu behandeln, verbot der 
beschrÀnkte Raum dieses Grundrisses). 

7) PflanzensÀfte verschiedener Art: 

a) Gummi und znekerartige SĂ€fte (Gummi, Traganth, Manna, 


_ Lakritzensaft) ; 


b) Harze, Bal same ‚ Gummiharze und Federharz (Gummi- 
lack, Copal, Mastix, Fichtenharz,, Benzo&, Drachenblut, Elemi, Dammar, 
Guajacharz, Sandarak, Weihrauch, fester Storax, Terpenthin, Copaiva -, 
Mecea-, Peru- u. Tolubalsam; flĂŒssiger Storax, Theer und Pech, Asa 
foetida, Euphorbium, Myrrhe u. a.; Opium; Aloö; Cautschuk, Gut- 
tapercha. 

ec) Fette (Olivenöl, Samenöle, trocknende und nicht trocknende, feste 
vegetabilische Fette); Pflanzenwachs. 

d) Aetherische Oele und Campher. 

8) SĂ€uren und Salze aus dem Pflanzenreiche (Sauerklee- 
salz, Weinstein, Bleizueker und GrĂŒnspan). — 


Die Waaren aus dem Thierreiche sind in folgenden Kapiteln 
abgehandelt: 

1) Nahrungsmittel (Austern, Caviar, HĂ€ring, Stockfisch, Fleisch- 
waaren, Fleischextract, KĂ€se, Honig). 

2) Arznei- und Parfumeriewaaren (Moschus, Bibergeil, Ambra ; 
Canthariden, Blutegel). 

3) Kleidungsstoffe, Federn u. s. w. (Seide und sSeidenstoffe, 
Wolle, Wollengarn und Wollenzeuge, Ziegen-, KĂ€mel-, Kamcel-, Ross -, 
Hasen -, Kaninchen-, Biberhaar,, Schweinsborsten; ThierhÀute und Felle, 
Leder, Federn, BadeschwÀmme). 

4) Materialien zu Kunstartikeln u.s. w. (Elfenbein, Knochen, 
Horn, Fischbein, Schildkrot, Perlen und Perlmutter, Korallen, Hausen- 
blase, Leim, Darm saiten, GoldschlÀgerhÀutchen, Albumin). 

5) Fa rb ewaaren (Cochenille, Lacklack und Lackdye, Sepie, Berli- 
nerblau, blausaures Kali, Beinschwarz). 

6) Fettsubstanzen (Talg, Kerzen, Seife, Glycerin, Thran, Wal- 
rath, Wachs). 

7) DĂŒngemittel (Guano, Phosphorit, Sombrerit). 


Wir finden in diesem trefflichen Werke auf engem Raum einen rei- 
chen Schatz des Wissens zusammengedrÀngt und kann ich mir nicht 
versagen, einige Einzelnheiten herauszunehmen, als Belege fĂŒr meine 
Behauptung. 


184 Literatur und Kritik. 


Bernstein. Der Hauptfundort ist die samlĂ€ndische KĂŒste von Pil- 
lau bis Gross- Hubniken. Die Bernsteingewinnung an dieser 3 Meilen 
langen Strecke ist von der Regierung verpachtet. Man gewinnt ihn im 
Samlande durch Schöpfen am Strande, Stechen auf Boten in. der See, 
Baggern und durch GrÀberei in der blauen Erde der Strandberge. Die 
jÀhrl. Ausbeute betrÀgt ungefÀhr 200,000 Pfund, wovon die HÀlfte auf das 
Schöpfen und Stechen (bei gĂŒnstiger Windrichtung ist der Ertrag einzel- 
ner SchöpfstrÀnde oft sehr bedeutend), 30,000 Pfund auf den GrÀberei- 
betrieb in den Strandbergen und 70,000 Pfund auf die Baggerei fallen. 
Das Baggern wird in neuester Zeit namentl,. im Curischen Haff in sehr 
grossartigem Maasstabe betrieben. Man sortirt die BernsteinstÀrke und 
bringt sie in 6 Qlassen: 


1) Sortiment oder HauptstĂŒcke, 2) Tonnensteine, 3)Kno- 
tel, 4) Firnisssteine oder Graus, 5) Sandsteine und 6) Schleick. 

Das grösste bekannte StĂŒck von 13Âź/, Zoll LĂ€nge, 81/, Zoll Breite 
und 3—6 Zoll Dicke befindet sich im Berliner Museum; es wiegt ĂŒber 
131/, Pfund. 

Erdöl. Der Export von Petroleum aus den vereinigten Staaten 
betrug 1861 1,194682 Gallons; 1869 102,394421 Gallons (1 Gallon — 
4,54 Liter; 1 Gallon Petroleum enthÀlt durchschnittl. 6'/;, Pfund). WÀhrend 
des Monats Januar 1870 wurden tÀglich 10000 Barrels rohes Petro- 
leum —= 26000 Zollcentner desselb. zu Tage gefördert, was auf eine jĂ€hr- 
liche Produetion von 3,650,000 Barrels oder beinahe 10,000,000 Zolleent- 
ner schliessen lÀsst. (1 Barrel = 145,39 Liter; 1 Barrel Petroleum ent- 
hÀlt ungefÀhr 260 Pfund). 


Steinkole. Die ausgedehntesten Steinkohlenlager befinden sich in 
Nordamerika, so nimmt z. B. das sogenannte Apalachische Kohlen- 
feld, welches sich vom Erie- See durch Pennsylvanien, Virginien, Ken- 
tucky, bis an den Fluss Tennesee hinzieht, eine OberflÀche von 2800 geo- 
graphischen Quadratmeilen ein. 

Schieferstifte. Fast sÀmmtliche im Handel vorkommenden Schie- 
ferstifte kommen aus einem Bruche in der NĂ€he von Sonneberg, der die 
ganze Welt mit dergleichen Stiften versieht, 

Barytweiss, Permanentweiss (schwefels. Baryt), wird auch als 
mineralisches Lumpensurrogat in der Papierfabrikation angewendet. 
(So findet man es auch in dem weissen Filtrirpapier. H. Ludwig). 


Operment. Die Juden benutzen das Rauschgelb zum Rasiren, 
wobei sie keine Messer benutzen dĂŒrfen, daher auch die Hauptconsum- 
tionsgegenden in Europa das sĂŒdliche Russland, die Wallachei u. s. w. sind. 

Surrogate fĂŒr Metallbroncen: Glimmerbroncen. Wolf- 
ramverbindungen: das Wolframoxyd-Natron, prachtvoll- gold- 
gelbe glÀnzende Krystalle, das entsprechende Kalisalz violette Krystalle 
mit Kupferglanz, das Lithionsalz stahlblaue Krystalle, das Wolf- 
ramoxyd dunkelstahlblaues Pulver; das Chromchlorid prachtvoll 
violette glÀnzende BlÀttehen; das goldgelbe schuppigkryst. Jodblei etc. 


Salonfeuerwerkskörper enthalten keinen Schwefel, sondern 
Schellackpulver als Bestandtheil, um beim Abbrennen die Entwickelung 
der lÀstigen SO? zu vermeiden. 

BorsĂ€ure. Die jĂ€hrliche Production ders. in Toskana betrĂ€gt ĂŒber 
3 Millionen Kilogramme trockner SĂ€ure. Californien liefert auch 
BorsÀure. Der Borax ist ein zweckmÀssiges Mittel zur Vertilgung der 
Schaben (Blatta orientalis). 

Stassfurter Abraumsalze, Kalihaltige: Sylvin oder Leo- 
poldit = KCl; Carnallit = KCl, 2MgCl + 12H0O; Kainit 


Literatur und Kritik. 185 


KCl + 2(Mg0,S03 + 6H0). Schönit = K0,S0° + Mg0,S03 + 6HO; 
Polyhalit = K0,S03 + Mg0,503 + 2(Ca0,S03 + 2HO). 

Glas. Ausgezeichnete Spiegel liefert auch die Fabrik in Pe- 
tersburg, welche hinsichtlich der Grösse ihrer Erzeugnisse unĂŒber- 
troffen ist. 


Platin. Die vorzĂŒglichsten Bezugsorte des verarbeiteten Platins 
sind die Fabriken in Paris (Desmoutis und Quennessen, Gebr. 
Chapuis, Godart und Labordenave), in London (Johnson, 
Matthe'y et Co., sie haben einen massiven Block von Platin, 21/, Cent- 
ner schwer ausgestellt) und Hanau (C. W. HerÀus). 


Gold. Die gesammte jÀhrl. Goldproduetion betrÀgt 800000 bis 
900000 Pfund, im Werthe von 372 bis 418 Millionen Thaler. Hiervon 
kommen auf Australien ungefÀhr 112 Mill. Thl., auf Californien 
90 Mill, auf Mexiko 35 Mill., auf Russland 32 Mill., auf SĂŒdamerika 
20 Mill. und auf Oesterreich 13 bis 14 Mill. Thaler. 

In Australien wurde 1858 ein Goldklumpen von 184 Pfund 9 Unz. 
Gewicht gefunden, 55840 Thaler an Werth. 

In den Buchbindereien Leipzigs wird jĂ€hrlich fĂŒr 45 bis 50000 Tha- 
ler Blattgold verarbeitet. 


Zinn. In reinem Bancazinn fand man 99,96 Proc. Zinn; die 
0,04°/, fremder Beimengungen waren Eisen, Blei und Kupfer. 

Wismuth. Neuerdings kommen solche Wismutherze als nament- 
lieh Wismuthmetall von Peru und Australien in den europÀischen 
Handel. 


Zink. Oberschlesien produeirt jĂ€hrlich ĂŒber 750000 Centner Zink; 
Belgien, namentlich die Umgegend von LĂŒttich, mimdestens 800000 Ctr., 
die rheinischen Gesellschaften "(Umgegend von Aachen), 230000 Ctr., 
Spanien 50000 Ctr,, England 160000 Ctr. 


Kadmium. Belgien producirt jÀhrlich gegen 5 Centner, Schlesien 
ohngefÀhr 2 Centner dieses Metalls. 

Antimon. Das meiste kommt aus Ungarn (4000 bis 5000 Centner 
jĂ€hrlich) und den östreichischen Staaten ĂŒberhaupt, so wie aus England; 
auch Frankreich und Algier, die deutschen Rheinprovinzen, der Harz, die 
reussischen Lande (Schleiz) liefern Antimon. 

Schwefelantimon findet man zu Kremnitz, Schemnitz, Felsöbanya 
in Ungarn, in Böhmen, Frankreich, am Harz, bei Coblenz cte.; 
ferner in grosser Menge in Algier, Ostindien, Borneo, Peru, Persien, 


Kabul. 
“ Eisen. Production, jĂ€hrliche: 
Millionen Centn. Millionen Oentn, 
Grossbrittanien 90,0 „ Schweden 4,50 .- 
Frankreich, 24,5 r Norwegen 0,50 a 
Vereinigte Staaten 20,2 A Australien 2,00 1% 
Preussen 10,3 e Spanien 1,20 % 
Das ĂŒbrige Deutschland 4,25 „, DĂ€nemark 0,30 ” 
Belgien 725 „ Schweiz 0,30 a 
Oesterreich 0,10 2. Italien 0,75 2 
Russland N 9,55 Mi 
169,25 „ 169,25 
Also in Summa beinahe 179 Millionen Centner. 178,80 RR 


Zucker. Frankreich produeirt 4'/, Mill. Zolleentner RĂŒbenzucker, 
der Zollverein A Mill., Oesterreich 2 Mill,, Russland 1°/, Mill., die ĂŒbri- 


186 Literatur und Kritik. 


gen europĂ€ischen Staaten 1,06 Mill. Die Gesammtproduction an RĂŒben- 
zucker betrĂ€gt gegen 14 Mill. Centner, wĂ€hrend aus Zuckerrohr ĂŒber 
40 Mill. Centner Zucker gewonnen werden, wovon Cuba allein 14 Mill, 
liefert. Rechnet man hierzu noch eine ohngefÀhre Production von 4 
bis 5 Mill. Centner Ahorn- und Palmzucker, so ergiebt sich als 
jÀhrl. Gesammt-Production von kryst. Zucker eine Menge von nahe 
60 Millionen Centner, 

StÀrkezucker. Im Jahre 1869 betrug im Preussen die Produc- 
tion in 49 Fabriken 86836 Centner StÀrkezucker und 194625 Centner 
StÀrkesyrup. 

Kaffee. An den 4 europÀischen HauptmÀrkten betrug die Einfuhr 
von Kaffee im Jahre 1869 in runden Zahlen: London 71 Tausend Ton- 
nen, Hamburg 66 Tausend, Holland 56 Tausend, HĂ€vre 44 Tausend 
Tonnen (1 Tonne — 20 Centner). 

Davon kamen in Hamburg 34 Mill. Pfund auf Santos (Brasilien), 
45 auf Rio, 15 auf Laguayre und Porto Cabello u. je 5%/, Millionen 
Pfund auf Domingo und auf ostindischen Kaffee. 

Thee. Der jÀhrl. Verbrauch des Thees in Europa betrÀgt circa 
72 Millionen Pfund. Die Consumtion ist in England am grössten. 


Mandeln. In Hamburg betrug die Einfuhr im Jahre 1867 2,8 Mill. 
Pfund, 1868 1,78 Mill. und 1869 1,79 Mill. Pfund; davon kommen auf 
Sicilien, Provence und Bari 1"/, Mill. Pfund, auf Barbarice 340000, 
Oporto 110000, Lissabon 50000 und auf Malaga und Valence 40000 Pf. 

Saffran. Zu 1 Pfund frischem Saffvan sind die Narben von unge- 
fĂ€hr 7 bis 8000 BlĂŒthen nothwendig und da diese ‚beim Trocknen etwa 
*/; am Gewicht verlieren, so geben erst 35 bis 40 Tausend BlĂŒthen 1 Pfund 
trocknen Saffran. 

Baumwolle. Die Baumwollerndte von Nordamerika lieferte in 
Tausenden von Ballen & 450 Pfund; 

1862 A800; 1865 3656; 1869 2439. 

Ostindien, welches 1858 462000 Ballen exportirte, brachte 1869 
schon 1850000 Ballen nach Europa. 

Der nordamerikanische BĂŒrgerkrieg hat die Baumwollenproduetion 
sehr beeintrÀchtigt. Die GrundflÀche, die zur Erzielung einer Erndte in 
d. Ver. St, v. N.- Amerika mit Baumwollenpflanzen angebaut wird, soll 
nach amerik. Angaben ungefÀhr der GrundflÀche des ganzen europÀischen 
Festlandes gleichkommen. 

Gelbe Farbmaterialien. Chinesische Gelbschoten 
(Wongshy) sind die FrĂŒchte von Gardenia florida. 

Waifa sind die BlĂŒthen von Sophora japonica: 

Das Purree (Kameelharn), gereinigt Jeaune indien, englisch 
Indian yellow genannt, ist noch ungewissen Ursprungs und besteht 
aus euxanthinsaurer Magnesia. Beim Copal sind die Worl6de’-- 
schen Angaben berĂŒcksichtigt. Bei Charakteristik der fetten Oele sind die 
spec. Gewichte (nach SchĂŒbler) hervorgehoben. 

Seide. Ausser dem Maulbeerspinner (Bombyx mori) giebt es 
noch folgende erwÀhnenswerthe Seidenraupenarten: 

Die Fayararaupe (Bombyx Cynthia), in Bengalen Arrindy, in 
Japan Yamamay genannt. Sie lebt auf der Ricinusstaude und spinnt 
eine sehr dauerhafte Seide, welche aber nicht so schön wie diejenige des 
Morus - Spinners ist. 

Die in der Mongolei und China einheimischa Bombyx Pernyi, 
welche sich von EichenblÀttern nÀhrt. 


Literatur und Kritik. 187 


Die Tussahraupe (Bombyx Mylitta) in Bengalen, auch in den 
rauheren Tbeilen desselben, vorzĂŒglich von den BlĂ€ttern der Eichen 
lebend, liefert einen 6 — 7 mal stĂ€rkeren Faden als der Morusspinner; 
sie ist bis jetzt noch nicht in der Gefangenschaft aufgezogen worden. 
Bombyx polyphemus auf Eichen und Pa ppeln;.B. cecropia 
auf dem wilden Maulbeerbaume und auf Ulmen; sowie B. Bela are 
auf Mimosa platensis sind in Nord- Amerika heimisch. 

Wie colossal der Consum an Seidenstoffen in AR sein muss, 
erhellt daraus, dass die grosse Mehrzahl der mÀnnlichen, wie der weib- 
lichen Bevölkerung nicht nur Kleider und Hosen, sondern auch Schuhe, 
Stiefeln und MĂŒtzen von Seide trĂ€gt. 

Wolle. Die gesammte jÀhrl. Wollenproduction schÀtzt man auf 
nahe 1800 Millionen Zollpfund. Davon kommen eirca 600 Millionen auf 
die sĂŒdliche HemispbĂ€re, nemlich 150 Mill. auf Australien, 50 Mill. auf 
SĂŒdafrika, 400 Mill. auf SĂŒdamerika. Die Vereinigten Staaten von Nord- 
amerika produciren ungefÀhr 160 Mill. Pfund. In Europa liefern Gross- 
britannien 200 Mill., Frankreich 160, Deutschland mit Holland und Belgien 
200 Mill., Oesterreich 50, Italien 20, Spanien und Portugal 80, die euro- 
pĂ€ische TĂŒrkei 50, das europĂ€ische Russland 140 Millionen Zollpfund 
Wolle. 

ThierhÀute, Felle und BÀlge. In Deutschland werden jÀhrlich 
eirea 100000 FĂŒchse, 70000 Steinmarder, 30000 Edelmarder, 5000 Dachse 
und 5000 Fischottern erlegt, welehe ohngefÀhr den Werth von einer 
Million Thalern reprÀsentiren. Die weniger kostbaren, gleichfalls zu 
Pelzwerk gebrauchten „deutschen Felle,‘ als Hamster-, Katzen-, 
Kaninchen- und Lammfelle, haben mindestens den gleichen Werth. Zu 
den kostbarsten amerikan. Pelzwaaren gehört das Fell-des schwarzen 
Fuchses (canis argentatus), der nur einzeln in den PolarlÀndern 
angetroffen wird; ein Fell kostet 200 bis 300 Thaler. 

Hat der schwarze Pelz weisse Haarspitzen, so heisst er Silberfuchs 
(50 bis 200 Thlr. p. StĂŒck). 

Unter den russischen Rauchwaaren steht obenan der Zobel (Mus- 
tellina Zibellina (bis 150 Thlr. p. St... Von geringerem Werth, je- 
doch von grosser Bedeutung fĂŒr den Handel sind die amerikanischen 
Zobel (bis 25 Thlr. p. St... Als vorzĂŒglich bekannte oder allgemein 
verbreitete Rauchwaaren sind noch zu erwÀhnen von feineren Waaren: 
Nerz oder Nörtz (vom russischen Norka; von Vison americanus 
oder V. lutreola); Hermelin (Mustela erminea); Cinchilla aus Chile 
und Peru; Grauwerk oder Veh, die aus Sibirien kommenden Winter- 
pelze des grauen Eichhörnchen; Kreuzfuchs, Blaufuchs und weisser 
Fuchs, von dem im Winter weisshaarigen Polarfuchs; Biberseehunde 
(Pelzseehunde) von den SĂŒdseeinseln; Otterfelle, wovon man die ge- 
wöhnliche Fischotter (Lutra vulgaris) und die Seeotter (Kamtschat- 
kischer Biber) unterscheidet, 

Skunks, das im rohen Zustande stark riechende Fell des Stink- 
thieres. Von Hauptartikeln seien erwÀhnt: Biber aus Nordamerika und 
Russland, Bisamratte, die besten aus Canada; Schuppenfelle (von 
WaschbĂ€ren) aus Nordamerika; Virginische FĂŒchse, rothe und 
blassgelbe. 

Minder wichtige Artikel sind: die Felle der schwarzen und braunen 
BÀren, von Affen, Wölfen, Vielfrassen, Tigern, Leoparden, und Löwen; 
die Seehundsfelle (Kofferseehund). Auch BÀlge von Vögeln kommen 
imRauchwaarenhandel vor z. B. Schwanenpelz, der Pelz des Tauchers 
(Grebes), der Wildente, des Pinguin, die prÀparirten DÀlge des Paradies- 
vogels, Kolibris u. s, w. 


188 Literatur und Kritik. 


FĂŒr die amerikan. Pelzwaaren ist London der Hauptmarkt. Die 
deutschen Pelzwaaren werden zum grössten Theil auf den Leipziger Messen 
verkauft; die nordischen und russischen Waaren finden hier nach allen 
Theilen der Welt ihren Absatz und der Handel von amerik. Waaren nach 
Russland wird besonders in Leipzig vermittelt. Die jÀhrliche Zufuhr in 
Leipzig hat, einen Werth von 6,131,500 Thaler, hiervon kommen auf 
amerikan. Rauchwaaren 2,6, auf mitteleuropÀische 2,1 und auf russische 
und asiatische fast 1,4 Millionen Thaler. — Ein sorgfĂ€ltig gearbeitetes 
Register schliesst das Werk. 


Druckfehler sind mir nur sehr wenige aufgefallen;*) das Werk ist 
mit grosser Correctheit gesetzt und ĂŒberhaupt vom Herrn Verleger sehr 
gut ausgestattet. 


Einzelne Unklarheiten kommen vor; so steht 8. 10: ein ganz- 
randiges Blatt kann einen glatten oder einen gezÀhnten, gekerbten 
Rand haben. — Bei dem Processe der SchwefelsĂ€urebildung ist des Was- 
serdampfes nicht ErwÀhnung gethan. (S. 122) 

Die Fabrication der StÀrke (S. 236) ist zu kurz abgethan; mangelhaft 
ist die Bittermandelöl- Bildung behandelt. 


Der Satz S. 257 Z.8S von oben in Betreff des Johannisbrodbaums 
ist unklar, es sind wohl die BlĂŒthen gemeint. 

Bei Catechu (Seite 321) ist das Catechin oder die CatechusÀure 
nicht erwÀhnt und nur von der CatechugerbsÀure die Rede. 


Die Angabe auf $. 341, Anmerkung, dass 1 Kilogrm. Fuchsin zu 
seiner Erzeugung 3000 Kilogrm. Steinkohlen erforderte, reimt sich nicht 
mit den ĂŒbrigen Angaben in jener Anmerkung. — 


Da Schleiden schon vor langen Jahren darauf aufmerksam gemacht, 
dass es Cascarilla und nicht Cortex Cascarillae heissen mĂŒsse, 
weil „Casea“ eine Rinde und „Cascarilla‘“ eine feine Rinde heisse, 
so ist die 8. 360 gebrauchte Ueberschrift Cascarillrinde ein Pleonas- 
mus und dafĂŒr immer Cascarille zu setzen, wie auch der Herr Verfasser 
in der weiteren Besprechung es thut. — 


S. 370. „Beim Kauen fĂ€rbt der Stocklack den Speichel roth“ (die 
LackschildlÀuse stecken noch eingetrocknet in den Zellen!) 

Bei Mastix ($S. 372) ist die Kauprobe ebenfalls mitgetheilt; es 
hĂ€tte hier gesagt werden können, dass Mastix „Kauharz‘“ par excel- 
lence sei. 

Bei Elemi hÀtte erwÀhnt werden können, dass es einen Dillgeruch 
zeige. Opium und Alo& stehen sehr unpassend unter b) den Harzen, 
Balsamen, Gummiharzen und Federharzen. 


*) S. 32, Zeile 14 von unten sollte stehen eaZzz statt 
GasflĂŒsse. 

S. 171, Z. 12 von oben sollte stehen 0? 03 anstatt CHR, 

S. 330, Z. 6 von unten sollte stehen Rhamnus cathartica anst. 
R. ceathartieus. 

S. 336, Z. 4 von oben sollte stehen Carthamus tinetorius anst. 
C. tinetoria, 

S. 345, Z. 8 von oben sollte stehen Sauerkirschbaum anstatt 
saurer Kirschbaum. 

S. 359, Z. 20 von unten lies Piton-China anstatt Biton -China. 
. 362, Z. 13 von oben lies Solenostemma, anst. Solenostemura. 
. 589, Z. 5 von unten lies Rapa anstatt raba. 
. 390, Z. 2 von unten lies Behen anst. Beten. 


RAM 


Literatur und Kritik. 189 


Bleizuceker und GrĂŒnspan haben eine verfĂ€ngliche Stelle unter 
den SĂ€uren und Salzen aus dem Pfianzenreiche erhalten. Hier 
macht es sich so recht bemerklich, wie stiefmĂŒtterlich gewöhnlich die 
Chemie bei der sogenannten praetischen Eintheilung behandelt wird. 
In einem Werke wie dem Erdmann’schen sollten solche Schnitzer 
nicht stehen bleiben. Auch in eine Waarenkunde gehört eine Abtheilung 
ehemischer PrĂ€parate und in dieser kann man GrĂŒnspan und Blei- 
zucker trefllich unterbringen. Auch die Arzneimittel sind so zerfetzt unter- 
gesteckt, dass man seinen Augen nicht traut: nach Karden und Tabak 
kommt Rhabarber, SĂŒssholz und Chinarinde ete. ete., dann kommt der 
$. 236: Einige FrĂŒchteund Samen zuarzneilichem Gebrauch, 
Doch nun zum Schluss. Unsere Leser, wenn sie sich auf den Standpunkt 
des Kaufmannes und Droguisten stellen, werden dem Buche den rechten 
Geschmack abgewinnen und es sei ihnen hiermit aufs Beste empfohlen. 

Jena, den 28. MĂ€rz. 1872. H. Ludwig. 


Anleitung zur Ausmittelung der Gifte und zur 
Erkennung der Blutflecken bei gerichtlich 
chemischen Untersuchungen von Dr Fr. Jul. 
Otto, weil. Medicinalrath und Professor der Chemie in 
Braunschweig. Vierte Auflage. Nach dem Tode des 
Verfassers herausgegeben und durch einen Nachtrag vermehrt 
von Dr. Robert Otto, Medicinalassessor, Professor der 
Chemie und Pharmacie am Collegio Oarolino in Braun- 
schweig. FĂŒr Chemiker, Apotheker, Medicinalbeamte und 
Juristen; Leitfaden in Laboratorien und bei VortrÀgen. 
Mit in den Text eingedruckten Holzstichen. Braunschweig, 
Druck und Verlag von Friedr. Vieweg und Sohn. 1870. 
XH und 132 S. in Gross - Octav. 


Diese vortreffliiche Anleitung erschien im Jahre 1856 in 1., im Jahre 
1857 in unverÀnderter, aber mit einem Nachtrage versehener 2., und 1867 
in 3. Auflage. Die vorliegende 4. Auflage ist von dem Sohne des anfangs 
Januar 1870 verstorbenen Verfassers herausgegeben und mit den erforder- 
lichen NachtrÀgen versehen worden, Eine völlige Umarbeitung des Wer- 
kes schien ihm unnöthig zu sein, weil die Brauchbarkeit der in der letzten 
Auflage empfohlenen Methoden durch wiederholtes Arbeiten mit demselben 
von Neuem erprobt sei. Wir finden desshalb noch die Anordnung des 
Stoffes: Einleitung, Untersuchung (im Allgemeinen), Untersuchung auf 
Phosphor und BlausÀure; U. auf Alkaloide; U. auf metallische Gifte; die 
Dialyse in der gerichtl. Chemie; U. auf Alkohol und Chloroform und 
Erkennung der Blutflecken. Zu allen speeciellen Capiteln sind NachtrÀge 
gegeben und ein neues Capitel: Nachweis der phosphorigen SĂ€ure hinzu- 
gefĂŒgt worden. Bei der Besprechung der Alkaloide sind namentlich „die 
schönen Arbeiten von Dragendorff“ vielfach benutzt worden (So 
besonders dessen Werk ĂŒber gerichtl. chem. Ermittelung von Giften, 
Petersburg 1868). Die SchĂ€rfe und ExaetitĂ€t der Otto’schen Unter- 
suchungsmethoden, dessen minutioese Detaillirung der zum Gelingen der 
Versuche nöthigen Handgriffe, Untersuchungsmengen, Apparate und 
GefÀsse ist jedem mit solehen Arbeiten Vertrauten bekannt; aber Eins stört 
den unbefangenen Leser bei der öfteren Bemutzung des Schriftehens, nem- 


190 Literatur und Kritik. 


lich die allzu zahlreichen und oft den Text ĂŒberwuchernden Noten und 
deren zuweilen allzu scharfer Ton in Beziehung auf den weniger gewandten 
Mitarbeiter oder den lernbegierig herantretenden SchĂŒler. 

Meine Herren Collegen werden mit mir darin ĂŒbereinstimmen, dass 
manches in diesem BĂŒchlein nun zum 4. Male AufgewĂ€rmte ĂŒber den 
oder jenen Apotheker in der nÀchsten Auflage wegfallen könnte. (z. B. 
der Apotheker, welcher mit solchen schmierigen Untersuchungen nichts 
zu thun haben wollte,‘ Seite 5, Zeile 8 von unten; ‚der Apotheker,“ 
der den Ofenrost mit SalzsÀure und chlorsaurem Kali behandeln wolite 
S. 52, Z. 2 von unten; „Ich will nicht verrathen, welche Classe von 
Praeticanten am wenigsten von dem einen Begriff hat, was der Chemiker 
viel oder wenig nennt und die Angewohnheit sehr rohen, gedan- 
kenlosen Arbeitens ins Laboratorium bringt“ S. 35, Z. 12 von unten; 
„Man ritzt das Glas mit einer der zarten Feilen, welche die Gestalt einer 
Klinge haben, flach und sehr dĂŒnn sind, oder ritzt mit einem Diamanten: 
Dreikantige Feilen sind viel zu roh und grob fĂŒr den Zweck, 8. 53 
2. 5 von unten; „ich habe gesehen, dass pfundschwere Porzellanreib- 
schalen zur Aufnahme der Arsenflecken, genommen waren,“ 8. 72, 2.1 
von unten; ‚vier Pfund fassende Woulf’sche Flaschen fĂŒr Marsh’schen 
Apparat zur Unters. einer halben Messerspitze voll arsenhaltiger Substanz,“ 
S. 73, Z. 3 von unten). 

Bei der scharfen, feinen Otto’schen Feile wird man unwillkĂŒrlich 
an den Ausspruch Franklin’s erinnert, dass ein ordentlicher Arbeiter 
auch einmal mit einer Feile bohren könne ete. In Göttingen erzÀhlt sich 
die chemische Welt von einem Chymicus, der auf die Frage, wie er einen 
Bienenstock auf Arsenik untersuchen wolle, die geflĂŒgelte Antwort hatte: 
„man glĂŒht ihn vor dem Löthrohr auf der Kohle.“ — Wir wollen vom 
Lehrer unterrichtet sein, aber er soll uns dabei freundlich entgegen 
kommen. 

Damit soll diese Expeetoration beschlossen sein. Einige wenige Be- 
merkungen ĂŒber aufgefallene Ungenauigkeiten möge man mir noch ge- 
statten. 

Bei Besprechung der Phosphoruntersuchung (S. 6,) hÀtte erwÀhnt 
werden können, dass FlĂŒssigkeiten, in denen substantieller Phosphor ver- 
theilt ist, oder phosphorhaltige Masse, in BerĂŒhrung mit der Luft Nebel 
entwiekeln, rauchen. 

Wenn Cyanquecksilber in FlĂŒssigkeiten vorhanden ist, so kann Wein- 
sĂ€ure allein die BlausĂ€ure nicht austreiben, es muss dann mit verdĂŒnn- 
ter SalzsÀure destillirt werden. 

Zum Nachweis der BlausĂ€ure im Destillate fĂŒge ich zuerst die 
Eisenvitriollösung, dann die Natronlauge hinzu und nach UmrĂŒhren und * 
Stehenlassen SalzsÀure; es wird auf diese Weise das Eisenoxydulhydrat 
alsbald innigst mit der BlausĂ€ure in BerĂŒhrung gebracht; inniger, als 
wenn KEisenvitriollösung in die alkalische BlausÀuremischung gegossen 
wird. Ich vermisse die schöne Probe von Henry und Humbert (Bil- 
dung von Jodeyan). 

Die schöne Probe auf Phosphor und phosphorige SÀure mittelst 
Bildung von Phosphorwasserstoff und Beobachtung eines grĂŒnen Flammen- 
kegels beim Brennen desselben ist von L. Dusart, nicht Dussard, wie 
Otto und leider auch Neubauer (in Fresenius Zeitschr. f. analyt. Chemie 
1862, $. 129) schreiben. Ich benutze zu dieser Probe den Marsh’schen 
Apparat („den Otto’schen, wie ihn die Amerikaner nennen,“ 8. 66, 
Z. 2 von unten), drehe die an der Spitze etwas gebogene Brennröhre nach 
unten, setze das PlatinhĂŒtchen auf und tauche so weit in das in einer 
kleinen diekwandigen Porzellanschale befindliche Quecksilber, dass die 


Literatur und Kritik. 191 


Oeffnung des Röhrchens und HĂŒtchens aus demselben heraussieht. Beim 
AnzĂŒnden des phosphorwasserstoffhaltigen Wasserstoffgases beobachtet man 
den schönen grĂŒnen Flammenkegel. 

Im Betreff der Affaire Bocarm& ist zu bemerken, das Stas anfangs 
keine Ahnung von der Anwesenheit des Nieotins in den ihm zur Analyse 
ĂŒbergebenen Contentis hatte und zuerst nach EssigsĂ€ure suchte. 

Hinsichtlich des Nachweises von Pikrotoxin durch AusschĂŒtteln einer 
angesÀuerten Lösung mit Aether muss ich meinem verstorbenen Assi- 
stenten GĂŒnkel die PrioritĂ€t wahren (Archiv d. Pharmacie April 1858, 
IH. R. Bd. 94. S. 14). Auch habe ich zuerst die Beobachtung gemacht, 
dass Pikrotoxin bei der Trommer’schen Probe das Cu20O2 zu Cu?O redu- 
eirt. („Wer GlĂŒck hat, kommt bei den „Jnen“ endlich wohl auf eine 
werthvolle Reaction; Otto S. 33, Z. 2 von unten). 

Das Digitalin schmeckt nicht kratzend, ekelhaft, sondern 
höchst bitter (est d’une amertume horrible. Kosmann). 


Bei Besprechung des Schneider’schen Verfahrens, das Arsen 
durch Destillation mittelst Kochsalz und SchwefelsÀure zu isoliren, ist 
ganz mit Stillschweigen ĂŒbergangen worden, dass auch durch Destillation 
mit SalzsÀure allein aus organischen Gemengen das Arsen der AsOŸ als Arsen- 
ehlorid im Destillate erhalten werden kann. (J, v Liebig, chem. Central- 
blatt 1857, Nro. 20 8. 305. H. Ludwig, Archiv d. Pharm: 1859, Bd. 
.97, 8. 23— 37). 

Das Chloroform zerfÀllt beim Hindurchleiten nicht in Kohle, Salz- 
sÀure und Chlor, sondern in krystallisirbare und sublimir- 
bare Chlorkohlenstoffe, HCl und freies Chlor. 


Jena, den 6. April 1872. H. Ludwig. 


Jahrbuch fĂŒr Balneologie,’ Hydrologie und Kli- 
matologie.e Herausgegeben von Dr. E. Heinr. 
Kisch, Docent an der Prager UniversitÀt und Brunnen- 
arzt in Marienbad. Jahrgang 1871. I. Band. Wien 1871. 
Wilh. BraumĂŒller, K. K. Hof- und UniversitĂ€ts - BuchhĂ€nd- 
ler. VI und 218 Seiten. Gross- Octav. 


Aus verschiedenen GrĂŒnden hat der Verfasser es fĂŒr wĂŒnschenswerth 
gehalten, die bislang von ihm herausgegebene „Allgemeine balneologische 
Zeitung“ in ein Jahrbuch fĂŒr Balneologie, Hydrologie und Klimatologie 
umzugestalten, von dem uns der erste Band vorliegt. Der Inhalt wird 
uns in 8 Abschnitten vorgefĂŒhrt: 1) Balneologie, 2) Berichte aus Kuror- 
ten, 3) Hydrologie, 4) Klimatologie, 5) Kritik und literarische Anzeigen, 
6) Feuilleton, 7) Notizen, 8) Bibliographie. 

Im ersten Abschnitte begegnen wir einer Abhandlung des Verf. „zur 
therapeutischen WĂŒrdigung der MoorbĂ€der, mit besonderer RĂŒcksicht auf 
jene von Marienbad.“ Nach einer geschichtlichen Einleitung und nach 
AufzÀhlung der bekannteren MoorbÀder wird die Entstehung der Mineral- 
moore und besonders die desjenigen von Marienbad besprochen und her- 
vorgehoben, dass der Moor nur in verwittertem Zustande zu BĂ€dern Ver- 
wendung finden dĂŒrfe, weil dann die ursprĂŒnglich unlöslichen mineralischen 
Bestandtheile in lösliche und wirksame verwandelt seien, 

Bei Erörterung der bei der Verwitterung vor sich gehenden VerÀn- 
derungen wird ein an der OberflÀche des Moores sieh zeigender zarter, 
weisser Salzanflug als grösstentheils aus wasserfreiem schwefelsauren Eisen- 


192 Literatur und Kritik. 


oxydul bestehend bezeichnet; dass dieser Anflug vollstÀndig wasserfrei 
sei, erscheint mir zweifelhaft. — Der Eisenvitriol bildet sich aus dem im 
rohen Moore enthaltenen doppelt Schwefeleisen, und es wird wohl das 
bei vollstÀndiger Verwitterung entstehende zweite Aequivalent Schwefel- 
sÀure durch vorhandene andere Basen gebunden werden, so dass nur orga- 
nische SÀuren im freien Zustande vorhanden sind. Nach oberflÀchlicher 
Berechnung scheint diese Annahme "fĂŒr die aufgefĂŒhrte Analyse Lehmanns 
zutreffend zu sein. Der genannte Chemiker hat berechnet, dass in einem 
Marienbader Moorbade von 10 Kubikfuss neuem Mineralmoor (möglichst 
verwittert) 10— 12 Pfund Eisenvitriol, 14 Loth AmeisensĂ€ure und 17 Loth 
anderer flĂŒchtiger organischer SĂ€uren enthalten sind. Dr. Kisch ist ge- 
neigt, diesen flĂŒchtigen SĂ€uren eine der Hauptwirkungen der MoorbĂ€der 
zuzuschreiben. 

Es werden dann die physiologischen Wirkungen dieser BĂ€der, die 
Krankheiten, bei welchen sie indieirt sind und Heilungsresulate besprochen, 
Am Schlusse giebt eine Tabelle die Analysen verschiedener Mineralmoore. 

In demselben Abschnitte bringt ein Aufsatz der Drn. Heymann 
und Krebs interessante Versuche ĂŒber die ElectricitĂ€t als wirksames Mit- 
tel der MineralwÀsser. Die Verfasser sagen, dass Scoutetten auf diesen 
Gegenstand aufmerksam gemacht habe und dass derselbe diejenigen Wir- 
kungen, welche man frĂŒher dem Brunnengeiste zugeschrieben, auf elec- 
trische Ströme zurĂŒckfĂŒhre, welche durch BerĂŒhrung des Badewassers 
mit dem menschlichen Körper entstehen. Die Verf. beschreiben ihre Be- 
obachtungen bei der BerĂŒhrung verschiedener Wasserarten (destillirtes* 
Wasser, Flusswasser, Brunnenwasser, Thermalwasser); sie bedienten sich 
eines Multiplikators von mehren Tausend Umdrehungen und machen auf 
die erforderlichen Vorsichtsmassregeln aufmerksam. Die Redaction kann 
Scoutetten nicht die PrioritĂ€t zugestehen, diese gebĂŒhre dem Prof. Baum- 
gartner; in neuester Zeit seien specielle Versuche von Dr. Pröll in Ver- 
bindung mit Ruff, Schwarz und Reissacher angestellt worden. 

Es wĂŒrde zu weit fĂŒhren, alle einzelnen Abhandlungen, wenngleich 
sie manches Interessante bieten, in dieser Weise zu verfolgen, und wÀre 
nun wohl auf die statistischen Mittheilungen ĂŒber die Mineralquellen und 
Badeorte des Nassauischen Taunus wÀhrend des Jahres 1870 besonders. 
hinzuweisen. Diese bilden mit Berichten aus den böhmischen Kurorten, 
aus Jschl und aus Wiesbaden den zweiten Abschnitt. 

Im dritten Abschnitte sind u. A. von verschiedenen Autoren ihre 
Beobachtungen ĂŒber die Kaltwasserbehandlung des Typhus niedergelegt 
und das Verfahren in KrankenhÀusern und in der Privatpraxis beschrieben. 

Im vierten Abschnitte hat Dr. Schreiber ausfĂŒhrlich ĂŒber das von ihm 
geleitete in Steiermark belegene Sanatorium und die dort erzielten Er- 
folge berichtet; spÀter schildert derselbe in Reisebriefen die VerhÀltnisse 
von Meran und Arco. Ueber die EinflĂŒsse der Temperatur und Feuchtig- 
keit auf die Gesundheit handelt eine Mittheilung des Dr. v. Liebig zu 
Reichenhall; der Herausgeber referirt ĂŒber neuere englische Publikationen, 
ĂŒber klimatische Therapie bei Lungenphtisis.. Ausserdem finden wir 
speciellere Angaben ĂŒber. den Luftkurort Engelberg im Canton Unter- 
‘ walden und Bemerkungen ĂŒber Alpensommeraufenthalte fĂŒr Leidende im 
Jahre 1869. 

Die nun folgenden Abschnitte, welche nur kĂŒrzere Notizen bringen, 
können in dieser Anzeige ĂŒbergangen werden. Als Druckfehler wurde 
bemerkt 8. 150 ‚„Chlorhydrats“ anstatt ‚‚Chloralhydrats.“ R. Kemper. 


Halle, Buchdruckerei des Waisenhauses, 


ARCHIV DER PHARMACIE, 


GC. Bandes drittes Heft. 


MINI An annnan 


A. Originalmittheilungen. 
I. Chemie und Pharmacie. 


Ueber die Zersetzung des Feldspathes unter dem Ein- 
fluss von Salzlösungen und einiger anderen Agentien. 


Von Dr. Alb. Beyer. 


Die nachstehenden von Birner und Ulbricht gemein- 
schaftlich entworfenen, auf eine lÀngere Reihe von Jahren be- 
rechneten Versuche sind in der Absicht angestellt, nach dem 
Vorgange von Dietrich einen weiteren möglichst eingehenden 
Beitrag liefern zu wollen zur Kenntniss des Verhaltens der 
bodenbildenden Mineralien gegen diejenigen Agentien, welche 
im Boden entweder schon im natĂŒrlichen Zustande vorhanden, 
oder durch DĂŒngung demselben zugefĂŒhrt, nach unserem 
Ermessen bei der Verwitterung wirksam sein können. Es 
wurde dazu der Feldspath gewÀhlt, weil derselbe ohne 
Zweifel einer der wichtigsten Bestandtheile der bodenbilden- 
den Gesteinsarten ist, und weil derselbe am leichtesten in 
möglichst reinem Zustande in grösserer Menge zu erlangen 
ist. Es sollten dabei aber nicht allein die mit HĂŒlfe von Salz- 
lösungen u. s. w. aus der Verbindung ausgeschiedenen Be- 
standtheile nÀher ins Auge gefasst werden, sondern auch die 
qualitative VerÀnderung des Minerals selbst, durch Eintritt 
von Bestandtheilen der angewendeten Lösungen, event, Bil- 
dung von wasserhaltigen Silicaten, studirt werden. Wird es 
nun auch kaum möglich sein, aus derartigen Versuchen un- 
mittelbare Folgerungen auf die in dem Boden selbst stattfin- 

Arch, d, Pharm. CC. Bds. 3. Hft, 13 


194 TUeb. d. Zersetzung d. Feldspathes unt. d. Einfluss v. Salzlösungen ete, 


denden Processe abzuleiten, da hier noch viele andere Factoren 
in Betracht kommen, so werden dieselben doch immerhin Bau- 
steine fĂŒr weitere Forschungen bilden. Der Weg vom Ein- 
facheren zum Üomplieirten dĂŒrfte auch hier der am ersten 
zum Ziele fĂŒhrende sem. Die Versuche beziehen sich auf die 
Einwirkung folgender Körper: 

Wasser fĂŒr sich, Wasser mit atmosphĂ€rischer Luft, 
Wasser mit KohlensÀure, Kalk, kohlensaurem Kalk, Gyps, 
salpetersaurem Kalk, schwefelsaurem Kalk, schwefelsaurem 
Ammoniak, Magnesia, kohlensaurem Kali, salpetersaurem 
Natron, Kochsalz und Eisenoxydulhydrat. 

Ausserdem wurde noch bei den oben genannten Salzen 
und alkalischen Erden die Mitwirkung der KohlensĂ€ure geprĂŒft. 


AusfĂŒhrung der Versuche. 


Ein Kilogramm geschlemmter Feldspath aus der Porzellan- 
fabrik von Moabit wurde mit je 24, Liter destillirten WaÀs- 
ser in gerÀumige Glasflaschen gebracht, und diese letzteren 
21 GefÀsse folgendermassen beschickt: 


No. 1,2 und 3 nur mit Wasser, 

4 mit 4, Aequivalent Aetzkalk, 

5 und 6 mit 1 Aeg. kohlensauren Kalk, 

„8 rl, schwefelsauren Kalk, 

mon 1000 sn, salpebersauren‘ Kalk, 

11 „12 „ 1 „  schwefelsauren Ammoniak, 
Dane td Lo Macmesia, 

16.2 ,als m | Kkohlensauren, Kalı, 

17T 18,5: U, „0. salpetersauren Natron, 
19.8203. 415°, Chlornatrium; 

21 mit /, Aeg. Eisenoxydul, 

welches dargestellt war, indem eine Lösung von !/, Aeg. 
schwefelsauren Eisenoxydulammoniak in Wasser kalt mit 
kohlensaurem Natron gefÀllt und der Niederschlag durch Decan- 
tiren mit Wasser ausgewaschen wurde. Durch die 2%/, Liter 
Wasser wurde der Niederschlag mit dem Feldspath fein ver- 
theilt. Der Versuch sollte den Einfluss des sich langsam 


a 


Ueb. d. Zersetzung d. Feldspathes unt, d. Einfluss v. Salzlösungenete. 195 


oxydirenden Eisenoxyduls auf die Zersetzung des Feldspathes 
darthun. 


Die GefÀsse 1, 4, 5, 7, 9, 11, 13, 15 und 17 wurden 
mit Korken luftdicht verschlossen, welche sowohl auf ihrer 
inneren, beim SchĂŒtteln mit der FlĂŒssigkeit in BerĂŒhrung 
kommenden Seite, als auch nach Aussen mit einer Wachs- 
schicht ĂŒberzogen waren, um dadurch einen luftdichten Ver- 
schluss herzustellen. Bei den ĂŒbrigen Versuchen waren die 
Korke mit 2 rechtwinklig gebogenen Glasröhren versehen, 
von denen die eine bis auf den Boden des GefÀsses reichende 
zur Zuleitung der KohlensÀure, resp. der atmosphÀrischen Luft 
diente, die andere unterhalb der inneren Seite des Korkes 
ausmĂŒndende den Wiederaustritt der nicht absorbirten Kohlen- 
sÀure vermittelte. Bei jedesmaliger Erneuerung der Kohien- 
sÀure und der atmosphÀrischen Luft wurden die GefÀsse auf 
das SorgfĂ€ltigste umgeschĂŒttelt, so dass die FlĂŒssigkeiten mit 
dem Feldspath eine gleichmÀssige Masse bildeten. Dasselbe 
geschah selbstverstÀndlich zu gleicher Zeit mit den anderen 
verschlossenen GefĂŒssen. Ausser der Zeit des Einleitens 
waren auch die Glasröhren mit kleinen Korkstopfen ver- 
schlossen. 


Die Versuche selbst sind eingeleitet und bis zum October 
1866 fortgesetzt worden von Dr. Ulbricht, zu welcher Zeit. 
dieselben von mir weiter gefĂŒhrt wurden. 


Die Zuleitung der KohlensÀure und der atmosphÀrischen 
Luft geschah in ZwischenrÀumen von 14 Tagen bis 4 Wochen, 
und zwar bei der KohlensĂ€ure in der Weise, dass fĂŒr jedes 
GefÀss ein bestimmtes Volumen SalzsÀure von bekannter Con- 
centration in das ĂŒberschĂŒssigen kohlensauren Kalk enthal- 
tende EntwickelungsgefÀss gebracht wurde. Vor dem Eintritt 
in das VersuchsgefÀss wurde die KohlensÀure erst durch eine 
Lösung von kohlensaurem Natron gewaschen. Die Erneue- 
rung der atmosphÀrischen Luft wurde durch einen Aspirator 
vermittelt. WĂ€hrend der ganzen Versuchsdauer sind durch 
die GefÀsee 3, 6, 8, 10, 12, 18 und 20 74 Grm. KohlensÀure 
geleitet worden. In das GefÀss 14 leitete man schon bei 

13* 


196 Ueb. d. Zersetzung d. Feldspates unt. d. Einfluss v. Salzlösungenete. 


Beginn des Versuchs 24 Grm. und in das GefÀss 16 13 Grm. 
KohlensÀure mehr. Durch GefÀss 2 und 21 gingen im Ganzen 
148 Liter Luft. 


Die Versuche begannen am 11. Juni 1866. Nach eini- 
sen Tagen zeigten sich folgende Unterschiede: Bei 1, 2 und 
3 hatte sich der Feldspath fest zu Boden gesetzt und war 
schwer aufzuschĂŒtteln, die FlĂŒssigkeiten waren opalisirend. 
Ein Gleiches gilt fĂŒr 15, 17 und 19. Die FlĂŒssigkeiten aller 
ĂŒbrigen GefĂ€sse waren klar. Bei 13 und 14 hatte eine be- 
deutende Volumenvermehrung des Bodensatzes, circa um 125 
Proe., stattgefunden. Bei Nr. 4 betrug sie ungefÀhr 100 Proc. 
Die eben erwÀhnten Unterschiede blieben wÀhrend der ganzen 
Versuchsdauer dieselben. 


Anfang November 1868 wurde mit der Analyse der 
FlĂŒssigkeiten begonnen. Die GefĂ€sse wurden behufs spĂ€teren 
Wiederersatzes des Wassers, resp. der entnommenen Salz- 
lösungen genau gewogen, hierauf so viel wie möglich klar 
abgegossen, und da wo es nöthig war, die abgegossene 
FlĂŒssigkeit durch doppelte Filter so lange filtrirt, bis die zur 
Analyse zu verwendende Lösung vollkommen klar war. In 
der nachstehenden Tabelle sind die Resultate auf die ganze 
FlĂŒssigkeit berechnet *). 


*) Die Analysen der FlĂŒssigkeiten aus den Versuchen 17, 18, 19, 20 
und 21 sind von dem damaligen Assistenten Herrn Dr. Heinrich aus- 
gefĂŒhrt worden, alle ĂŒbrigen von dem Berichterstatter. 


Ueb. d. Zersetzung d. Feldspathes unt. d. Einfluss v. Salzlösungenete. 197 


Es- waren in 2'/, Liter enthalten in Grammen: 


- a Ii_ = 49 5 
Bei Versuch: Iısı=|@| 8 leuales| ss} 
a N A ne Weiss 

| “A )ıg 512 

1. Destillirtes Wasser .-. .10,051|0,0780,058|0,006| — |0,044/0,049 

2. Destillirtes Wasser mit Luft \0,037/0,064.0,044/0,005| — |0,044| ? 
3. KohlensÀure . . . . . .|0,071/0,1140,076 0,004 0,009 0,046|0,069 
4, Aetzkalk . . . . . .. .»[0,209|0,1740,06710,003|0,0080,041[/0,061 
5. Kohlensaurer Kalk . . .)0,042|0,0730,112|0,009| — [0,040|0,019 
6. Kohlens. Kalk u. KohlensĂ€ure |0,067|0,094.0,273/0,018| — [0,04110,034 
7.GyPps - » 2 2 2.2..../0,053|0,07411,906/0,016| — |2,840]0,033 
8. Gyps und KohlensĂ€ure . . ‚0,068 0,09711,958/0,016| — 12,684[|0,062 
9. Salpetersaurer Kalk . . .|0,0410,062) — |0,016| — |0,048|0,036 
10, Salpeters.Kalk u. KohlensĂ€ure | ? Âź? | — 10,017| — 1|0,048!0,045 
11. Schwefelsaures Ammoniak .:0,161/0,09410,1220,035| — | — |0,066 
12. Schwefels, Ammon. u. Kohlens. |0,162]0,1070,147 0,015) — | — [0,056 
13. Magnesia . . She . 10,359/0,31510,013|0,004)| — |0,065/0,159 
14. Magnesia und KohlensĂ€ure . 0,312 0,255] Spur |7,569! — 10,111|0,048 
15. Kohlensaures Kali. . . .| — | — |/Spur|Spur| — 0,048 0,026 
16. Kohlens. Kali u. KohlensĂ€ure — | — [0,029]0,007| — [0,040/0,029 
17. Salpetersaures Natron . ..0,089) — [0,049/0,003|0,005|0,043|0,060 
18. Salpeters. Natron u. Kohlens. |0,096| — |0,120/0,008)0,0090,037)0,032 
19, Chlornatrium . ..0,163] — |0,091/0,008|0,0040,040[0,032 
20, Chlornatrium u. KohlensĂ€ure 0,183) — 10,123/0,006,0,006 0,034/0,057 
21, Eisenoxydulhydrat . . . .|0,086,0,069/0,040|0,004[0,003/0,052|0,036 


} 
Die Analyse des zu den Versuchen verwendeten Feld- 
spaths ergab folgenden Gehalt an Hauptbestandtheilen: 


Kalle  ", 27400 81 Erde 
Natron. N „ae ad 0% 
Thoherde: tn... 16.0330, 
KieselsÀure ; '.. 65,52 
Barylaer.ı IE, 00 a... 
94,73 Proc. 


Die Nebenbestandtheile Kalk, Magnesia und Schwefel- 
sĂ€ure wurden nur bei der Analyse der FlĂŒssigkeiten berĂŒck- 
sichtigt. 


Ergebnisse der Versuche. 


Beim Vergleich der zwei ersten Versuchsnummern ergaben 
‚sich keine wesentlichen Unterschiede. Die Wirkung reinen 
Wassers mit oder ohne Luftzutritt war eine nahezu gleiche. 


198 Ueb. d, Zersetzung d. Feldspathes unt. d. Einfluss v. Salzlösungen etc, 


In die Augen fallender ist in Versuch 3 schon die Mitwir- 
kung der KohlensÀure in Bezug auf die Löslichmachung des 
Kalis, Natrons und der KieselsÀure. 

In Versuch 4 sind durch Aetzkalk bedeutend mehr Alka- 
lien gelöst. Derselbe hat aber vorzugsweise Kali aus der 
Siliecatverbindung frei gemacht. WĂ€hrend in allen anderen 
Versuchen, mit Ausnahme des schwefelsauren Ammoniaks, 
die Menge des gelösten Kalis zum gelösten Natron, in dem 
VerhÀltniss von ungefÀhr 10: 15 steht, ist das Kali in diesem 
Versuche vorwaltend und das VerhÀltniss zum Natron wie 
10: 8. Der beim Begimn der Versuche in aufgelöster Form 
(als Kalkwasser) hinzugefĂŒgte Kalk ist vollstĂ€ndig unlöslich 
geworden, denn es findet sich in der analysirten FlĂŒssigkeit 
nicht mehr vor, als schon in blossem Wasser löslich, vom 
Gypsgehalt des Feldspaths herrĂŒhrend, vorhanden war. Jeden- 
falls hat die Bildung eines Kalkerdesilicats stattgefunden, ohne 
dass aber eine dem eingetretenen Kalk aequivalente Menge 
Alkalien aus der Verbindung ausgetreten ist. Magnesia ist 
weniger, KieselsÀure nur unbetrÀchtlich mehr gelöst, als bei 
den vorhergehenden Versuchen. 

Sehr wenig hervortretend ist die Wirkung des kohlen- 
sauren Kalkes in Versuch 5. 

Es findet sich ausser ein wenig Kalk nur noch etwas 
mehr Magnesia, als in der Lösung mit destillirtem Wasser. 
KieselsÀure tritt in Folge der Bildung von kieselsaurem Kalk 
sehr zurĂŒck. 

Der doppeltkohlensaure Kalk in Versuch 6 hat nicht 
wesentlich stĂ€rker lösend gewirkt, als die KohlensĂ€ure fĂŒr sich. 

Es ist wahrscheinlich, dass im Laufe der drei Jahre 
grössere Mengen Kalk in Lösung ĂŒbergegangen waren, die dann 
in Verbindung mit dem Feldspath getreten sind. Die Ana- 
iyse des RĂŒckstandes nach Beendigung der Versuche wird 
darĂŒber entscheiden. 

Bei der bekannten lösenden Wirkung des Gypses auf die 
Alkalien der Ackererde hÀtte man in den Versuchen 7 und 8 
mehr Kali und Natron in Lösung erwarten sollen. Die vor- 
liegenden Zahlen aber ergeben dem destillirten und kohlen- 


Ueb. d. Zersetzung d. Feldspathes unt. d, Einfluss v. Salzlösungen ete. 199 


sĂ€urehaltigen Wasser gegenĂŒber durchaus keine Vermehrung 
der letzteren. Dieses Resultat dĂŒrfte wohl zu dem Schlusse 
berechtigen, dass wahrscheinlich nur derjenige Theil des 
Kalis und Natrons der Ackererde durch den Einfluss des 
Gypses in Lösung ĂŒbergeht, der, bereits durch Verwitterung 
blossgelegt und durch die Ackererde absorbirt, in einem schon 
leichter löslichen Zustande vorhanden ist. Auf die Lösung 
des angewendeten Gypses selbst ist die KohlensÀure ohne 
befördernden Einfluss gewesen. Es ist in der Lösung zwar 
etwas mehr Kalk vorhanden, aber weniger SchwefelsÀure, 
als bei Anwendung von ypswasser ohne KohlensÀure. Berech- 
net man nach Abzug der schon in destillirtem Wasser vor- 
gefundenen SchwefelsĂ€ure die zurĂŒckbleibende auf Gyps, so 
resultirt in Versuch 7 4,76 Grm. schwefelsaurer Kalk und in 
Versuch 8 4,435 Grm. 

Nach Anthon*) lösen sich aber in 10,000 Theilen Was- 
ser bei gewöhnlicher Temperatur 18,70 Theile wasserfreier 
schwefelsaurer Kalk, fĂŒr unseren Fall berechnet mĂŒssen sich 
also 4,575 Grm. in Versuch 7 gelöst haben. Die wirklichen 
Zahlen stimmen mit den aus obiger Angabe berechneten, wie 
ınan sieht, ziemlich gut ĂŒberein. 

Die Versuche 9 und 10 haben im Vergleich zur Wirkung 
des Wassers kein bemerkenswerthes Resultat ergeben. 

In den Versuchen 11 und 12 existiren unter sich keine 
allzu bedeutenden Abweichungen, von allen bisher besproche- 
nen Salzen hat aber das schwefelsaure Ammoniak die ener- 
gischste Zersetzung hervorgebracht. Die Versuche von Diet- 
rich**) haben schon frĂŒher fĂŒr Basalt und auch fĂŒr Feld- 
spath dasselbe Resultat ergeben. Wie bereits erwÀhnt, 
erstreckt sich die Wirkung aber vorzugsweise auf das Kali. 
Es stand zu vermuthen, dass auch hier wie beim Versuch 
mit Kalkhydrat Ammoniak in die Verbindung ĂŒbergegangen 
se. Um dies zu constatiren, wurde eine Probe des Feldspaths 
aus GefÀss 11 auf das SorgfÀltigste mit destilliriem Wasser 


*) Lersch, Hydrochemie, $. 363. 
**) Journal fĂŒr prakt, Chemie, Bd, 14, 8, 12. 


} 


200 Ueb. d. Zersetzung d. Feldspathes unt. d. Einfluss v. Nalzlösungen ete, 


gewaschen, bis das Waschwasser keine Spur von Schwefel- 
sÀure mehr zeigte. Die breiige Masse gab dann eine sehr 
starke Reaction auf Ammoniak, welche nach dem Trocknen 
bei 100° noch ebenso stark auftrat. Die nachtrÀglich noch 
mit SalzsÀure ausgezogene Masse ergab wiederum keine Spur 
von SchwefelsÀure. Die beiden Thatsachen nun, dass kein 
anhÀngendes schwefelsaures Ammoniak mehr vorhanden war, 
und dass das Untersuchungsmaterial bei 100° das Ammoniak 
nicht verlor, dass letzteres also nicht durch physikalische Ab- 
sorption festgehalten wurde, berechtigen wohl zu dem Schlusse, 
dass das Ammoniak in die Verbindung ĂŒbergegangen sei. 
Das zu den Versuchen verwendete Feldspathpulver selbst gab 
bei der PrĂŒfung keine Spur Ammoniak. Nach Beendigung 
der Versuche dĂŒrfte die Analyse des RĂŒckstandes Aufschluss 
ĂŒber die QualitĂ€t und QuantitĂ€t des gebildeten Ammonsilicates 
geben. Dass Silicate, die durch SalzsÀure zersetzbar sind, 
z. B. Chabasit, aus Ammoniaksalzen Ammoniak absorbiren, 
haben die Versuche von Eichhorn“) gelehrt, nach den von 
mir erhaltenen Resultaten scheint diese Eigenschaft aber auch 
anderen Silicaten zuzukommen. 

Energischer als alle ĂŒbrigen Agentien haben in Versuch 
13 und 14 die Magnesia und die doppeltkohlensaure Magnesia 
gewirkt. Die gelösten Alkalimengen ĂŒbertreffen das destillirte 
Wasser um das Siebenfache und die gelöste KieselsÀure in 
Versuch 13 um das Dreifache. Dass in Versuch 14 weniger 
KieselsÀure gelöst ist, erklÀrt sich aus der in Lösung vor- 
handenen doppeltkohlensauren Magnesia. Diese letztere Ver- 
bindung hatte sich in Krystallkrusten an den WĂ€nden des 
GefÀsses in reichlicher Menge abgesetzt. Der lockeren Be- 
schaffenheit und dem dadurch erzielten innigen Contact 
zwischen Magnesia und Feldspath darf wohl ein Theil der 
zersetzenden Wirkung der Magnesia in Versuch 13 mit zu- 
geschrieben werden, da die Löslichkeit derselben in Wasser 
an und fĂŒr sich eine so geringe ist. Bemerkenswerth ist, 
dass in beiden Versuchen das gelöste Kali nicht in der Weise 


*) Jahresbericht von Hoffmann 1859—60, 8. 60. 


Ueb. d. Zersetzung d. Feldspathes unt. d. Einfluss v. Salzlösungenete. 201 


vorwiegt, wie in den anderen Versuchen, wo eine stÀrkere 
Zersetzung stattgefunden hatte, z. B. beim Aetzkalk und 
schwefelsauren Ammoniak. Die Lösung des Natrons ist fast 
in gleicher Weise beeinflusst worden, wie die des Kalis. 

Die Wirkung der doppeltkohlensauren Magnesia ist nur 
unbedeutend hinter der der Aetzmagnesia zurĂŒckgeblieben. 

Aus den Versuchen 15 und 16 lÀsst sich in dieser ersten 
Versuchsreihe noch nichts Wesentliches ableiten. 

Die in Versuch 17 und 18 angewendeten Lösungen von 
salpetersaurem Natron haben zwar die doppelte Menge Kali 
mehr gelöst, als blosses Wasser, werden aber von den Koch- 
salzlösungen in den Versuchen 19 und 20 ĂŒbertroffen. Es 
stimmt dies mit den von Dietrich“) gemachten Beobach- 
tungen ĂŒberein, denn derselbe fand beim Basalt durch Koch- 
salz auch mehr Kali gelöst, als durch aequivalente Mengen 
Chilisalpeter. Die Wirkung des ersteren scheint sich aber 
nicht, wie beim Gyps, nur auf das bereits durch Verwitterung 
blossgelegte Kali zu erstrecken, sondern auch auf das noch 
in festerer Verbindung vorhandene. 

In seinen zwar in anderer Weise ausgefĂŒhrten Versuchen 
ĂŒber die Zersetzung des Feldspaths durch mechanische Ein- 
wirkung fand Daubree**), dass ein Zusatz von Kochsalz 
das Alkalischwerden der FlĂŒssigkeiten verhindert, welches 
bei reinem Wasser reichlich eintrat, und schliesst daraus, 
dass das Kochsalz die Zersetzung beeintrÀchtige. Die von 
mir erhaltenen Zahlen bestÀtigen diesen Schluss allerdings 
nicht, und es steht zu vermuthen, dass die Analysen der 
FlĂŒssigkeiten, welche unterlassen worden zu sein scheinen, 
doch einen nicht unbetrÀchtlichen Gehalt an Kali ergeben 
haben wĂŒrden, wenn die Art der Zersetzung auch wohl eine 
andere gewesen sein wird, als mit reinem Wasser. 

Der Versuch 21 ĂŒber die Wirkung des Eisenoxydulhy- 
drats bei Gegenwart von atmosphÀrischer Luft hat bis jetzt, 
wie sich aus obigen Zahlen ersehen lÀsst, noch kein bemerkens- 
werthes Resultat ergeben. 


*) Jahresbericht von Hoffmann 1862—63, $, 14, 
**) Ebenda 1867, 8. 8. 


202 


Ueb. d. Zersetzung d. Feldspathes unt. d. Einfluss v. Salzlösungen ete, 


Fassen wir die Resultate dieser ersten 3 Versuchsjahre 


nochmals kurz zusammen, so ergiebt sich Folgendes: 


1) 


2) 


3) 


4) 


5) 


6) 


Kalkwasser vermag aus Feldspath bedeutend grössere 
Mengen von Kali und Natron frei zu machen, als Wasser 
fĂŒr sich allein. Der vorher gelöste Kalk tritt im Laufe 
der Zeit mit in die Verbindung des Feldspathes ein. 
Gypslösung, sowohl mit KohlensÀure als auch ohne diese, 
ĂŒbt auf unverwitterten Feldspath nicht die bei der 
Ackererde mehrfach beobachtete lösende Wirkung auf 
das Kali aus. Es ist desshalb wohl anzunehmen, dass 
nur das bereits in lockerer Verbindung oder in absor- 
birtem Zustande in der Ackererde vorhandene Kali durch 
Gyps in Lösung gebracht wird. 

Schwefelsaures Ammoniak wirkt fĂŒr sich ebenso energisch, 
als unter gleichzeitiger Anwendung von KohlensÀure. 
Die Wirkung erstreckt sich vorzugsweise auf das Kali, 
weniger. auf das Natron. Der mit schwefelsaurem Ammo- 
niak lĂ€ngere Zeit in BerĂŒhrung gewesene Feldspath 
hatte Ammoniak absorbirt. Die Absorption dĂŒrfte als 
auf chemischem Wege vorgegangen zu betrachten sein. 
In Wasser vertheilte Aetzmagnesia vermag sehr stark 
zersetzend auf Feldspath zu wirken. Doppeltkohlensaure 
Magnesia steht ihr darin nur wenig nach. In beiden 
Versuchen ist die siebenfache Menge Alkalien mehr 
zelöst, als durch destillirtes Wasser. 

Von den beiden in Anwendung gebrachten Natronsalzen 
wirkt Chlornatrium .bei gleicher Aequivalenz stÀrker als 
salpetersaures Natron. KohlensĂ€ure unterstĂŒtzte in beiden 
FĂ€llen die Wirkung nicht wesentlich. 

KohlensÀure, kohlensaurer Kalk, kohlensaurer Kalk mit 
KohlensÀure, salpetersaurer Kalk mit und ohne Kohlen- 
sÀure, sowie auch in Wasser vertheiltes Eisenoxydul- 
hydrat, haben, verglichen mit destillirtem Wasser, in 
der ersten Versuchsperiode keine wesentliche Wirkung 
ausgeĂŒbt. | 


Eine Beobachtung ĂŒber die Oxydationete, Ueber Chinamin ete, 203 


Eine Beobachtung ĂŒber die Oxydation des Queck- 
silbers. 
Von W. Kirchmann in Garding, 

Quecksilber wird von ĂŒbermangansaurer Kalilösung, kalt 
damit geschĂŒttelt, in Quecksilberoxydul, heiss damit ebenso 
behandelt, in Quecksilberoxyd verwandelt, — 

Das sich bildende Manganoxyd muss natĂŒrlich erst mit 
SalzsÀure aus dem sich bildenden Brei ausgezogen werden 
und man erkennt dann an dem sich bildenden Calomel, resp. 
der Sublimatlösung die vorgegangene Einwirkung. Nirgends 
fand ich diese Thatsache aufgezeichnet und glaube die Be- 
obachtung fĂŒr neu halten zu dĂŒrfen. 


Ueber Chinamin, ein neues Chinaalkaloid. 
Von O0. Hesse, *) 


Die in Britisch-Indien cultivirte Cinchona suceciru- 
bra ist jetzt so weit entwickelt, dass davon erhebliche 
Mengen Rinde gewonnen und exportirt werden können, so 
dass man gegenwÀrtig nicht selten die Gelegenheit. haben 
kann, sich von dem wirklichen Werth dieser Rinde, welcher 
nach Howard nicht gering sein soll, ĂŒberzeugen zu können. 
Diese Rinde enthÀlt nun nach meinen Untersuchungen relativ 
viel Chinidin, etwas Chinin und in wechselnder Menge noch 
andere Alkaloide, worunter auch eine neue Substanz, welche 
ich Chinamin nenne. 

Das Chinamin krystallisirt in Àusserst zarten, langen 
asbestartigen, weissen Prismen, welche kein Krystallwasser 
enthalten. Es löst sich bei gewöhnlicher Temperatur ziemlich 
leicht in Aether, noch leichter darin bei dessen Siede- 
temperatur und krystallisirt daraus beim Erkalten, resp. Ver- 
dampfen der Lösung. Alkohol und PetroleumÀther lösen es 
leicht, besonders in der WĂ€rme und scheiden es ebenfalls in 
der bezeichneten Form wieder ab. In verdĂŒnntem Weingeist 


*) Als Separatabdruck aus den Berichten d. deutsch, Chem, Gesellsch. 
zu Berlin, v. 8.4. 72 vom Herrn Verf, erhalten. IK, 


204 Ueber Chinamin, ein neues Chinaalkaloid. 


löst sich das Chinamin sehr wenig und ist unlöslich in Wasser. 
Ebenso besitzen Kalilauge und Ammoniak nicht die FĂ€higkeit, 
das Alkaloıd zu lösen; sie scheiden es daher aus seinen Salz- 
lösungen ab und zwar in der Form zarter Prismen, nachdem 
vorher milchige TrĂŒbung der Lösung eintrat. 


Seine alkoholische Lösung reagirt alkalisch, neutralisirt 
dem entsprechend verdĂŒnnte SchwefelsĂ€ure und SalzsĂ€ure und 
bildet damit Salze, welche sich sehr leicht in Wasser lösen. 
Von beiden Salzen ist das Chlorhydrat amorph, das andre 
Salz, das neutrale Sulfat nÀmlich, schwierig in Krystallen 
zu erhalten. Die beobachteten Formen sind sechsseitige BlÀtt- 
chen und kurze Prismen. 


Das Platinsalz ist ein gelber, amorpher Niederschlag, der 
sich nur in der concentrirten wÀssrigen Lösung des Chlor- 
hydrats bilden kann, indem sich dieses Doppelsalz schon bei 
sewöhnlicher Temperatur Àusserst leicht in Wasser löst. 
Nicht minder charakteristisch fĂŒr das Chinamin ist sein Ver- 
halten zu Goldchlorid, denn letzteres erzeugt in der Lösung 
des Chlorhydrats einen gelblich weissen, amorphen Nieder- 
schlag, der sich alsbald purpurroth fÀrbt und Gold abschei- 
det, wĂ€hrend die darĂŒber stehende Lösung eine purpur- 
rothe, spÀter braunrothe Farbe annimmt. Mit Eisenchlorid 
konnte keine bemerkenswerthe Reaction erzielt werden. 


Das Chinamin zeigt in verdĂŒnnter saurer Lösung nicht 
die geringste Fluorescenz. Obwohl es bezĂŒglich seiner Lös- 
lichkeit in Aether zwischen COhinin und Conchinin zu stellen 
wĂ€re, so giebt es doch nicht die grĂŒne FĂ€rbung mit Chlor 
und Ammoniak, wie die genannten Alkaloide. Zwar tritt auf 
Zusatz von Chlor eine gelbliche FÀrbung der Lösung ein, 
aber beim UebersÀttigen mit Ammoniak entsteht ein gelblicher 
amorpher Niederschlag von verÀndertem Alkaloid. 

Das neue Alkaloid löst sich in concentrirter Schwefel- 
sÀure farblos, beim ErwÀrmen dieselbe gelb bis braun fÀrbend. 
Dagegen löst es sich in concentrirter SalpetersÀure mit gelber 
Farbe, welche spÀter von selbst orangeroth wird, endlich 
verblasst. 


Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 205 


Das Chinamin schmilzt bei 172° C. und erstarrt beim 
Erkalten strahlig krystallinisch, jedoch nur dann, wenn das 
Erhitzen wenige Minuten lang angehalten hat. Dauert es 
aber etwas lÀnger, so verÀndert sich das Alkaloid und wird 
braun und amorph. 

Das Chinamin fĂŒr sich schmeckt kaum bitter, aber in 
Verbindung mit SĂ€uren ist es ziemlich bitter. 

Die bis jetzt dargestellte Menge von Chinamin wĂŒrde 
allenfalls hinreichen, um dessen elementare Zusammensetzung 
ermitteln zu können, ich habe aber geglaubt, damit warten 
zu sollen, bis ich grössere Mengen von diesem Alkaloid dar- 
gestellt haben werde. Da mir die Firma Fr. Jobst in 
Stuttgart in der Beschaffung des erforderlichen Rohmaterials 
hilfreich die Hand geboten hat, so hoffe ich, dass diese Unter- 
suchung bald zu Ende gefĂŒhrt werden kann. 

Vergleichen wir nun noch das Chinamin mit den andern 
Alkaloiden, welche bis jetzt in den Chinarinden aufgefunden 
worden sind, so kommt nur das Paytin in Betracht, indem 
sich beide Alkaloide zu Goldchlorid sehr Àhnlich verhalten, 
aber die ĂŒbrigen Eigenschaften des Paytins sind der Art, dass 
eine Verwechslung beider nicht wohl möglich ist. 


Berieht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr 
die Lehrlinge, fĂŒr 1870 — 1871: 


„Beschreibung und PrĂŒfung der im Handel 
vorkommenden Sorten BenzoÀharz, nebstgenauer 
quantitativer Bestimmung der darin vorkommen- 
den Benzo@sĂ€ure und ZimmtsĂ€ure.“ 

Von den eingelieferten sechs Preisbewerbungen wurden 
. 5 Arbeiten‘ mit Preisen belohnt; eine einzige ging leer aus, 
Das Folgende enthÀlt im Auszuge das Wissenswerthe aus den 
5 prĂ€miirten Arbeiten; die des ersten Preises wĂŒrdig befun- 
dene Arbeit ist zuerst und am ausfĂŒhrlichsten wiedergegeben, 
obgleich sie in der Reihenfolge der eingegangenen Bewerbungen 
die Ordnungsnummer 6 trÀgt; ihr folgen der Reihe nach die 


206 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 


mit den Preisen Ila, Ilb, Illa und IIIb bedachten Preis- 
schriften. 

I. „Wenn auch der Hindernisse viel, wenn 
Fehlgriffe uns zwingen, die Aufmerksamkeit zu 
verdoppeln, den Versuchzuerneuern, kĂŒhn greif’ 
ich und muthvoll das Werk an. Immerhin wartet 
des JĂŒnglings Entwurfdie Feile der Meisterhand.“ 

(Verfasser: Julius Hagemeister aus Greifswald, der- 
zeit Lehrling bei dem Apotheker Livonius in Stralsund.) 

Erhielt den 1. Preis. (Nro. 6. der eingegangenen Arbeiten; 
50 halbbeschriebene Folioseiten mit 7 Proben und 11 PrÀparaten). 

Das Benzo&harz ist nach der allgemeinen Annahme 
ein Product des zuerst von Dryander als Stammpflanze 
bezeichneten Benzo&Ă€baumes, Styrax Benzoin. 

Derselbe ist nach Pereira nur in Laos einheimisch, 
wÀhrend andere Autoren auch Martaban, Sumatra, 
Rahong, Chiang-mai und La-kon nennen. 

Das aus diesen LĂ€ndern stammende Harz soll zwar nach 
Pereira mit der Benzo& von Laos ziemlich gleiches Ansehen 
haben, jedoch das Product einer anderen Pflanze sein, da 
Styrax Benzoin nördlich vom 20. Grade nördl. Breite nicht 
mehr vorkomme; Royle bezeichnet als solche Styrax 
Finlaysonianus, einen in ÖOstindien vorkommenden Baum. 
Diese Angabe Pereiras ist jedoch nach dem Verf. durchaus 
nicht genĂŒ gend ‚ ohne ‘weiters noch andere Stammpflanzen des 
Benzo&harzes feststellen zu können, doch bringt er in seinen 
Arbeiten Thatsachen, die hinreichend massgebend sind, ausser 
obiger Species wenigstens noch eine andere als benzo&harz - 
liefernd anzunehmen. 

Die Benzo@ kam erst nach der Entdeckung des Seeweges 
nach Ostindien nach Europa. Die erste ausfĂŒhrliche Beschrei- 
bung lieferte schon im 16. Jahrhunderte Garcias ab Horto: 
er zÀhlt verschiedene Handelssorten der Benzo& auf und zwar 
als die beste die weisse Benzoö&, die das Product jĂŒnge- 
rer BÀume sei, wÀhrend das der Àlteren mehr dunkel, zuletzt 
ganz braun gefÀrbt erscheine. Nach ihm werden die weissen 
und die braunen Sorten noch im flĂŒssigen Zustande gemengt 


Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 207 


und als mittlere Sorte unter dem Namen „Mandel- 
benzo& von HÀndlern aufgekauft. Ausserdem erwÀhnt er 
einer Benzo& von Boninas, die durch Vermischen des 
Harzes mit einem flĂŒssigen Storax (Rasamala-Harz) 
erhalten werde. 

Im 18. Jahrhundert beschrieb Marsden die Benzo& 
nĂ€her und fĂŒgte genaueres ĂŒber ihre Gewinnung hinzu. Nach 
ihm werden die BĂ€ume erst vom 3. Jahre an angeschnitten, 
um das ausfliessende Harz zu_gewinnen, das im ersten Jahre, 
weiss sei und die weisse Benzo& liefere, wÀhrend dasselbe 
spÀter mehr gefÀrbt erscheine und eine gelbröthliche, 
zuletzt dunkelgefÀrbte unreine schlechtere Benzo& liefere. 

Von den jetzt im Handel vorkommenden Sorten sind es 
die der Siambenzo@, welche mit jenen Harzen ĂŒbereinstimmen. 
Ausserdem wird jetzt eine Sumatra- und Penang-Benzo& 
in den Handel gebracht, an welchen die Unterschiede der 
besseren Sorte nicht so deutlich hervortreten. Dass der zuerst 
ausfliessende Harzsaft ebenfalls weiss ist, beweisen die in einer 
dunkelen Masse eingeschlossenen weissen "StĂŒcke. Man kann 
daher den Unterschied der einzelnen Sorten der Siam- und 
Sumatra-Benzo& nur durch eine verschiedene Art der 
Gewinnung des Harzes erklÀren. 

Die in neuerer Zeit von Schomburgk gemachten An- 
gaben ĂŒber die Gewinnung der Benzo& scheinen sich auf die 
Sorten von Sumatra zu beziehen. Nach ihm wird ĂŒberall 
in die Rinde des Baumes hineingehauen und das Harz, nach- 
dem es ausgeschwitzt und erhÀrtet ist, gesammelt; dabei gehen 
die BĂ€ume zu Grunde. 


A. Siam-Benzo&. 


1) Siam-Benzo& I. Bezogen von H, L. Muhle u. 
Comp. in Hamburg. Kleine, theilweise abgerundete, ober- 
flĂ€chlich braunrötbliche, innen weisse, glĂ€nzende, spröde StĂŒcke 
von der Grösse zwischen !/, und 1 Zoll. Sie ist von allen 
Sorten die beste und wird als ThrÀnenbenzo6, Benzo&@ 
in laerymis bezeichnet. Obgleich sie fĂŒr pharmac. Zwecke 
keine bessere Diensten leistet als geringere Sorten, so steht 


208 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete, 


sie aoch um das Doppelte im Preise höher , als die ĂŒbrigen 
Sorten. 

Unreinigkeiten enthÀlt sie nur gegen 3 Procent. 

2) Siam-Benzo& Il. Von Lampe, Kauffmann u. 
Comp. in Berlin bezogen und als Benzo& Siam superf.- 
secunda bezeichnet. Aus einer glÀnzenden, brÀunlichen, 
weder porösen noch sehr verunreinigten Grundmasse, in welcher 
zahlreiche grössere und kleinere, glĂ€nzende, weisse StĂŒcke 
eingebettet sind. j 

Benzo& amygdaloides ist es nicht. 

(Caleutta-Benzo&, von welcher Berg schreibt, findet 
sich in keinem Preisc#urant der verschiedenen Droguenhand- 
lungen und ist nach L. Meyer u. Comp. in Berlin, an 
welchen sich der Verf. desshalb wandte, nicht zu beschaffen. 

Der Preis dieser Probe (32 Sgr.) ĂŒbersteigt den der besten 
Sumatra-Benzo& (25 Sgr.) noch bedeutend. Unreinigkeiten 
9,6 Procent. 


PB. Sumatra-Benzo&. 


3) Sumatra-Benzo& I. Diese wie die nÀchstfolgen- 
den 3 Sorten stammten, wie Siam-Benzo& I. von Muhle u. 
ÖOomp. in Hamburg. Sie enthĂ€lt weit mehr und grössere 
weisse StĂŒcke wie die vorige; diese sind aber nicht wie bei 
jener glÀnzend weiss, sondern matt und grau gefÀrbt. 


Die Grundmasse ist nicht wie bei Siambenzo& glÀnzend 
braun, sondern mehr graubrÀunlich, spröde und porös, der 
Geruch aber weit angenehmer als bei jener. 

Unreinigkeiten 7,2 Procent. 

4) Sumatra-Benzo& Il. Der vorigen Àhnlich, nur 
finden sich nicht so zahlreiche und so grosse weisse ThrÀnen 
eingesprengt. Im Preise stehen sich beide sehr nahe. Un- 
reinigkeit 14,2 Procent. 

5) Sumatra-Benzo& Ill. Bei ihr treten die weissen 
StĂŒcke sehr vereinzelt auf; dagegen zeigt die schmutzig grau- 
braune Hauptmasse zahlreiche kleine, dunkelbraune Körnchen, 
wĂ€hrend an der OberflĂ€che ĂŒberall kleine Oeffnungen in 


Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 209 


Menge sichtbar sind. Verunreinigungen 13,4 Procent. Sie 
ist weit billiger als die ersteren Sorten. 

6) Sumatra-Benzo& IV. Preis nur 9 Sgr. das Pfund; 
besteht zum 3. Theil aus Holzsplittern und anderen Un- 
reinigkeiten. Sie enthĂ€lt weisse StĂŒcken-fast gar nicht, besitzt 
dunklere Farbe als die ĂŒbrigen Sorten und zerfĂ€llt schon 
bei mÀssigem Druck zu staubigem Pulver. 

7) Penang-BenzoÀ. Bezogen von Lampe, Kauff- 
mann u. Öomp. in Berlin und war signirt: Benzo& - Penang 
superf. mandolirt. Grosse, grauweisse, matte Mandeln, einge- 
bettet in eine hellchocoladefarbene Masse. WĂ€hrend aber 
bei der Siambenzo& (weniger bei der von Sumatra) die weissen 
Mandeln als scharf-gerandet und deutlich getrennt 
von der braunen Hauptmasse erschienen, sind bei der 
Penang-Benzo@, besonders auf der OberflÀche, die RÀnder 
der Mandeln vollstÀndig verwischt und die innen weissen Man- 
deln gehen allmĂ€hlig in die brĂ€unliche Grundmasse ĂŒber. 
Die grosse PorositÀt und die Leichtigkeit dieser Benzo& lassen 
auf einen damit vorgenommenen Schmelzprocess schliessen. 
Sie riecht, namentlich erwÀrmt, unverkennbar nach 
Storax. Wenn Henkel nur die ganz geringen Sorten von 
Sumatra mit Benzo@-Penang bezeichnet, so stimmt ihm darin 
der Verf. nicht bei, da die vorliegende Probe die beste 
dieser Sorten vorstellt. 

Die Benzo@ besteht aus 4 Harzen, die man durch ver- 
schiedene Lösungsmittel von einander trennen kann; man 
bezeichnet sie als Alpha-, Beta-, Gamma- und Delta- 
harz der Benzoe. 

Das Alphaharz bildet die weissen StĂŒcken und Mandeln, 
wĂ€hrend das braune Harz ein Gemenge der 3 ĂŒbrigen ist. 
Ferner findet sich eine Spur eines Àtherischen Oeles, 
welches der Benzo& ihren angenehmen Geruch verleiht, endlich 
fertig gebildete Benzo@sÀure. Ausserdem findet sich 
in einigen Sorten, namentlich in denen von Sumatra und 
Penang, neben BenzoösÀure auch die im Storax etc. vor- 
kommende ZimmtsÀure. Vor noch nicht langer Zeit wurde 
sie von Kolbe u. Lautemann in der Benzo@ aufgefunden, 

Arch, d. Pharm. CO, BĂ€s. 2. Hft, 14 


210 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete, 


indem ihnen an der aus einer Sumatra- und einer Siam- Ben- 
zo& dargestellten SĂ€ure der niedrige Schmelzpunkt und 
die von der reinen BenzoesÀure ganz verschiedene Krystal- 
lisation aufliel. 


Sie hielten die SĂ€ure anfangs fĂŒr ToluylsĂ€ure, er- 
kannten dieselbe jedoch spÀter als ein Gemenge von Zimmt- 
sÀure und BenzoösÀure. 

Man erkennt die ZimmtsÀure leicht durch Behandlung mit 
Oxydationsmitteln, durch welche sie in Bittermandelöl 
und andere Produkte zerlegt wird, ersteres an seinen Geruche 
leicht erkennbar. Die gewöhnlichen Reagentien hierzu sind 
ĂŒbermangansaures Kali und saures chromsaures 
Kali mit SchwefelsÀure. 

Bei Benutzung des letzteren darf man sich nicht durch 
das Auftreten der grĂŒnen Farbe des Chromoxyds in dem 
Gemische verleiten lassen, auf ZimmtsÀure zu schliessen, da, 
auch BenzodsÀure und andere organ-Stoffe eine solche Reduc- 
tion zu Chromoxyd bewirken; nur das Auftreten des Bitter- 
mandelölgeruchs ist entscheidend. 

Dr. Rieckher gab (im Journ. f. pract. Pharm.) als ein 
Kennzeichen des Gehaltes einer BenzodsÀure an ZimmtsÀure 
den niedrigen Schmelzpunkt dieses SĂ€uregemisches im 
Wasser an, wÀhrend reine BenzoesÀure bei 121° C. und 
ZimmtsÀure bei 129° C. schmilzt. 

Erhitzt man ein solches SĂ€uregemisch mit weniger Wasser, 
als es zu seiner Auflösung bedarf, so beginnt dasselbe, ehe 
noch das Wasser siedet, zu schmelzen; es bilden sich 2 klare 
Schichten, von denen die untere brÀunlich gefÀrbt ist und 
ölartig erscheint. Da reine Benzo&sÀure, in gleicher 
Weise mit Wasser behandelt, ebenfalls diese beiden Schichten 
bildet, so ist Rickher’s Verfahren unzuverlĂ€ssig. Aschofl 
hĂ€lt’diese letztere Schicht fĂŒr eine Auflösung von Was- 
ser in Benzo&Ă€sĂ€ure, wĂ€hrend die darĂŒber stehende, wĂ€ss- 
rige Schicht eine gesÀttigte Auflösung von Benzo£e- 
sÀure in Wasser ist. Die reine ZimmtsÀure bildet, ab- 
weichend von der Benzo6sÀure, eine solche Schicht nicht. 


Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete 211 


SÀmmtliche Benzoöproben wurden nun auf ZimmtsÀure 
geprĂŒft und alle aus Sumatra- und Penang - Harz abgeschiede- 
nen SĂ€uren zimmtsĂ€urehaltig gefunden, was mit Garcke’s 
Angaben (Berg’s Pharmacognosie, 4. Aufl.) ĂŒbereinstimmt. 
Aber auch in einigen Siambenzo&Ă€sorten hat man Zimmt- 
sĂ€ure gefunden (FlĂŒckiger’s Pharmacognosie; Archiv d. Pharm. 
Bd. 160 S. 86), so dass eine Eintheilung der BenzoÀharze 
nach ihrem BenzoösÀure- und ZimmtsÀuregehalt nicht gerecht- 
fertigt ist. 


Verfasser fand in der Penangbenzo& eine gewisse Menge 
von Styracin und Àtherischem Storaxöl und hÀlt dess- 
halb die Angabe des alten Garcias ab Horto fĂŒr gerechtfertigt, 
dass manche Benzoö@ Rasamalaharz (Storax von Altin- 
gia excelsa) beigemengt enthalte. Das Styracin setzte sich 
aus den heissbereiteten, schwach weingeistigen Auflösungen der 
Penangbenzo& als schleimartige Masse ab und begab sich 
beim Kochen der gepulverten Benzo& mit kohlensaurem Natron 
als ölige Schicht an die OberflÀche, Beim Destilliren dieser 
Benzo&@ mit Wasser und kohlens. Natron wurde ein stark- 
riechendes, milchiges Destillat erhalten, welches dem Styrol 
Ă€hnlich roch. 


Verf. schied durch kohlens. Natron, Aether, Alkohol 
u. s. w. die verschiedenen Harze der Benzoe. Das Alpha- 
harz ist unlöslich in Ammoniak, wÀssrigem Na0,CO ?, in Petro- 
leum, löslich in Aether, in Alkohol und in Kalilauge. Die 
alkohol. Lösung wird von essigs. Bleioxyd gefÀllt, nicht von 
essigs. Kupferoxyd. Die kalische Lösung wird durch Salmiak 
weiss getrĂŒbt, durch Kupfervitriol grĂŒn pulvrig gefĂ€llt, unlösl. 
in Aether. Eisenchlorid giebt einen dunkelbraunen, pulvrigen 
Niederschlag. 


Das Betaharz ist unlöslich in Aether und Àth. Oelen, 
Ammoniak und Na0,00 2, lösl. in Kalilauge und in Weingeist, 
Letztere Lösung wird durch Bleizucker gefÀllt. Die kalische 
Lösung wird durch Ueberschuss von KO,HO gefÀllt, ebenso 
giebt H’NÜl darin einen weissen Niederschlag. Das Harz 
hat brÀunliche Farbe. 

14* 


212 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 


Das Gammaharz ist unlösl. in Petroleum, schwerlösl. 
in Aether, leichtlösl. in Alkohol, Ammoniak und Na0,C0. 
Die weingeistige Lösung wird durch Bleizucker gefÀllt, dieser 
Niederschlag ist unlösl. in Alkohol und Aether. 

Die kalische Lösung wird durch ĂŒberschĂŒss. KO,HO ge- 
fĂ€llt, ebenso durch H*NÜl; durch essigs. Kupferoxyd entsteht 
ein grĂŒner, in der Hitze nicht zusammenballender Niederschlag. 
Das Harz hat braune Farbe. 

Erhitzt man eine Siambenzo& in einem PorzellanschÀl- 
chen, so schmilzt sie sehr leicht zu einer schwarzbraunen, dĂŒnn- 
flĂŒssigen, nicht schĂ€umenden Masse, aus welcher 
rasch weissgraue DĂ€mpfe in reichlicher Menge aufsteigen. Eine 
Sumatra- oder Penang-Benzo& hingegen giebt dabei 
eine zĂ€he, starkschĂ€umende FlĂŒssigkeit, die in weit 
geringerm Grade weissgraue DĂ€mpfe entwickelt, als die vorige. 

Ein wesentlicher Unterschied und eine verschiedene Ab- 
stammung der beiden Hauptsorten lÀsst sich sonach nicht 
bezweifeln. 

Verfasser giebt nun historische Notizen ĂŒber die Benzoe- 
sÀure und ihre Darstellung, ferner die Abbildung eines von ihm 
benutzten Sublimirapparates (eisener Grapen mit aufgesetztem 
kegelförmigen Pappehut und eingehÀngter Pappscheibe), ist 
aber im Ganzen mit den Resultaten seiner Sublimationen nicht 
zufrieden und gedenkt mit einem verbesserten Apparate die 
Versuche fortzusetzen, 

Aus Siam-Benzo&I erhielt er 12,4 Proc. sublimirte 
Benzo&saure. 

Aus Sumatra-Benzo& nur 5,2 Proc. (aber völlig 
weisse) SĂ€ure, aus Sumatra III hingegen 8,8 Proc. 

Zur Sublimation eignet sich Siam-Benzo& entschieden 
am besten, weil sie mehr gleichföormig schmilzt, auch die 
SÀure leichter abgiebt, als Sumatra-Benzoe. Eine grössere 
und sicherere Ausbeute erzielt man bei der Darstellung auf 
nassem Wege. 

Bei der quantitativen Bestimmung der in der 
Benzo& enthaltenen SĂ€uren wurde die Stolze’sche Methode 
benutzt. 


Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 213 


I. 50 Gramme zerkleinerte Benzo& wurden mit 150 Grammen 
Weingeist von 0,894 spec. Gew. 2 Tage bei gelinder WĂ€rme 
digerirt, in welcher Zeit sich das Harz und die SÀure gelöst 
hatten. Man filtrirte und versetzte das Filtrat in einem Becher- 
glase mit einer Lösung von kohlens. Natron bis zur Neutra- 
lisatiin. Nach dem Verbrauche dieser Lösung des kohlens. 
Alkalis, welche aus 1 Th. Na0,CO?, 8 Th. Wasser und 3 Th. 
Weingeist bestand, die also ein LösungsverhÀltniss von 1: 12 
hatte, wurde der Gehalt der Harzlösung an SÀure bestimmt. 
Dies konnte jedoch nur zunÀchst bei den Siam-Sorten ge- 
schehen, wĂ€hrend man bei den ĂŒbrigen erst das VerhĂ€ltniss 
der BenzoesÀure zur ZimmtsÀure bestimmen musste. 

Es wurde desshalb zur Darstellung der SĂ€uren geschritten- 

Bei der AbsÀttigung mit Na0,CO? hatte sich durch den 
Zusatz des Wassers bereits ein Theil des Harzes ausgeschie- 
den. Die ĂŒberstehende FlĂŒssigkeit wurde in einem Kolben 
im Dampfbade so lange erhitzt, bis der Weingeist sich völlig 
verflĂŒchtigt hatte, wobei auch das ĂŒbrige Harz sich ausschied. 
Nach dem Erkalten wurde die Lösung des benzoös. (resp. 
zimmts.) Natrons abfiltrirt und in einer Porzellanschale so 
lange mit verdĂŒnnter HCl versetzt, als noch ein weisser 
Niederschlag entstand. Die Schale wurde 2 Tage an einen 
kalten Ort gestellt, darauf die auskrystallisirte SĂ€ure auf Lein- 
wand gesammelt und ausgepresst. Die SĂ€ure, welche bei fast 
allen Sorten schon ziemlich weiss erschien, wurde in einem 
Kolben in einer hinreichenden Menge siedenden Wassers gelöst, 
dieser Lösung Thierkohle hinzugesetzt, welche zuvor mit HOl 
behandelt und mit Wasser gut ausgewaschen worden war, die 
Lösung in ein Becherglas filtrirt, das man dann in die KÀlte 
stellte. Nach lÀngerem Stehen wurde die ausgeschiedene 
SĂ€ure auf einem Filter gesammelt und zwischen Filtrir-Papier 
getrocknet. 

SÀttigt man nun eine Lösung von 56,5 Grammen reinen 
hohlensauren Kalis (KO,CO2, dessen Aequivalent = 69), mit 
reiner BenzoösÀure (HO,C!4H50°, deren Aeg. = 122), 
so sind, nach den Aequivalenten berechnet, hierzu 100 Gramme 
Benzo&sÀure erforderlich. 


914 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 


SÀttigt man dagegen dieselbe Menge kohlens. Kalıs 
mit reiner ZimmtsĂ€ure (HO,C1°H?O?°, deren Aeg. — 148) 
so verbraucht man von letzterer 121,31 Gramme. Verbraucht 
man also zur SĂ€ttigung mehr als 100 Gramme einer 
fraglichen SĂ€ure, so zeugtdiesvon einem Gehalte 
an ZimmtsÀure. BetrÀgt der Ueberschuss 21,31, so hat 
man reine ZimmtsĂ€ure vor sich. Jeder ĂŒber Hundert 
liegende Gewichtstheil entspricht aber einem Gehalte an Zimmt- 
sÀure von 4,6926 nach der Gleichung: 

21,381:0100.—l: &— 100]/21,31'—4,6926: 

Man bereitete sich zunÀchst eine Lösung kohlens. Kalis 
von dem spec. Gew. 1,32 bei 14°R., welche einem Gehalte 
von 33,33 Proc. reinen kohlens. Alkalis entspricht. Diese 
Lösung wurde mit 9 Th. Wasser verdĂŒnnt, so dass 100 
Gramme der Mischung 3,333 Gramme KO,C0? enthielten. Von 
dieser Lösung trug man 16,95 Gramme, welche 1 Gramm 
BenzoösÀure sÀttigen mussten, in ein Becherglas ein, setzte 
etwa eine gleiche Menge Weingeist hinzu und trug die frag- 
liche SÀure in anfangs grösseren, spÀter sehr geringen Mengen 
bis zur Neutralisation ein. Als diese Lösung mit reiner Ben- 
zoesĂ€ure geprĂŒft worden war, wurde zur PrĂŒfung der ĂŒbrigen 
zimmtsÀurehaltigen SÀuren geschritten. Es wurden zur SÀtti- 
gung verbraucht: 


1,190 Gramme SĂ€ure aus Sumatrabenzo& TI; 


1,195 „ ” N » IT; 
1,110 „ ” » „ LI; 
1,045 „ ” „ » IV; und 
121077, x i, Penang - Benzo&. 


Multiplieirt man nun die Decimalen 0,190 — 0,195 
— 0,110 — 0,045 und 0,210 mit 4,6926, so erhĂ€lt man die 
Grammentheile von ZimmtsÀure, welche in einem Gramm des 
SĂ€uregemisches enthalten sind und findet fĂŒr Sumatrabenzo& I 
0,891, fĂŒr II 0,915, fĂŒr III 0,516, fĂŒr IV 0,211 und fĂŒr Penang - 
Benzo& 1,0 ZimmtsÀure. Letztere war also reine Zimmt- 
sĂ€ure, wie auch die PrĂŒfung mit kleinen Mengen kochenden 
Wassers bestÀtigte, wobei sie keine Oelschicht bildete. 


Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 215 


Bei AbsÀttigung von kohlens. Natron entsprechen nun: 


0,891 Grm. ZimmtsÀure 0,734 Grm. Benzo6sÀure, 


0,9 15 „ „ 0,754 ”„ ” 
0,516: ,, e 0,425 „ Y und 
0,211 ”„ ”„ 0,173 „ ” 


Es muss sonach die fĂŒr jedes Harz gefundene SĂ€uremenge, 
die man zunÀchst als reine BenzoesÀure angenommen, in fol- 
gendem VerhÀltnisse getheilt werden: 

Sumatra-Benzo& I. 0,109: 0,734; 
II. 0,085 : 0,754; 
5 „ IL 0,484: 0,425; 
> a A A ei 


Zur AbsÀttigung von 50 Grm. Sumatra -Benzo& I ver- 
brauchte man 124 Grm. der Lösung kohlens. Natrons, 
die im VerhÀltniss von 1:12 10,33 Grm. krystallisir- 
tes Salz enthielt. Dieses entsprach einem Gehalte an rei- 
nem Na0,00? von 33,33 Procent; also 10,33 Grm. enthielten 
3,43 Grm. Na0, CO. 

100 Grm. Benzo@sÀure erfordern 43,4 Grm. kohlens. Na- 
tron, mithin entsprechen 3,43 Grm. Na0,CO? 7,9 Grm. Ben- 
zoesÀure, denn 43,4:100 =343:x;x= 7,9. 

Diese 7,90 Benzo@sÀure, getheilt in dem VerhÀltnisse 
von 0,109 : 0,734, ergiebt 1,0213 : 6,8775; also 6,8775 Ben- 
zoesÀure entsprechend 8,3431 ZimmtsÀure, 

Sumatra-Benzo& I enthÀlt demnach 16,6862 Proc. 
ZimmtsÀure und 2,0426 Proc. Benzo6sÀure. 


IH. 50 Grm. Sumatra-BenzoöIl erforderten 98 Grm, 
der kohlens. Alkalilösung, welche 2,722 Grm. reines Na0,002 
enthielt. 43,4 : 100 = 2,722 :x; x 6,271. Letztere Zahl, 
getheilt in dem VerhÀltniss 0,085 : 0,754, ergiebt 0,6349 : 
5,6323 (BenzoesÀure) = 6,8327 ZimmtsÀure. Diese Benzoö 
enthÀlt sonach 13,6654 Proc. ZimmtsÀure und 1,2698 Proc. 
BenzoösÀure, 

III. 50 Grm. Sumatra-BenzoösÀure III erforderten 
118 Grm. der kohlens. Alkalilösung, worin 3,277 reines 
Na0,C0?; 43,4 :100 —= 3,277 : x; x = 7,550 BenzoösĂ€ure. 


216 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 


7,550, getheilt in dem VerhÀltniss 0,484 : 0,425, ergiebt 
4,0196 : 3,5296 (BenzoesÀure) = 4,2818 ZimmtsÀure. Diese 
Benzo& enthÀlt also 8,5636 Proc. ZimmtsÀure und 8,0392 Proc. 
Benzo6sÀure. 


IV. 50 Grm. Sumatra-Benzo& IV erforderten 83 Grm. 
der kohlens. Alkalilösung, worin 2,3055 Grm. reines Na0,CO?; 
43,4 : 100 —= 2,3055 : x; x — 5,3122 Grm. BenzoesĂ€ure. Ge- 
theilt im VerhÀltniss 0,789 : 0,173 ergiebt 4,3568 : 0,9553. 
0,9553 Benzo&sÀure = 1,1583 ZimmtsÀure. Diese Benzo& 
enthÀlt sonach 2,3176 Proc. ZimmtsÀure und 8,7136 Proc. 
BenzoesÀure. 

V. Penang-Benzo& erforderte 86 Grm. der kohlens. 
Alkalilösung, worin 2,388 Grm. reines NaO, 002. 
| 100 Grm. ZimmtsÀure erfordern nach der Gleichung 
148:53—=100:x; x = 35,8 Grm. Na0,00? zur SĂ€ttigung; 
2,388 Grm. Na0,CO? entsprechen sonach 6,6703 Grm. Zimmt- 
sÀure. 

35,8: 100 — 2,388 :x; x = 6,6703, 

Diese Benzo& ‚enthĂ€lt also 13,3406 Proc. ZimmtsĂ€ure. 

VL Sıambenzo& I erforderte 121 Grm. der kohlens. 
Alkalilösung, worin 3,3611 Grm. NaO, 002. 

43,4 :100 = 3,3611 : x; x — 7,7444; mithin 15,4888 
Proc. BenzoösÀure in dieser Benzo&. 

VI. Siambenzo& II erforderte 96 Grm. der kohlens. 
Alkalilösung, worin 2,666 Grm. Na0, 002. 

43,4 : 100 = 2,666 :x; x = 6,1428; also 12,2856 Proc. 
BenzoösÀure in dieser Benzoö. 

Es wurde noch versucht, die beiden SĂ€uren als Kalk- 
salze zu scheiden. Aus 25 Grm. gebrannten Kalk wurde eine 
Kalkmilch bereitet, zu welcher 100 Grm. feingepulverte Ben- 
zoŸ gemischt wurden. Das Ganze erwÀrmte man zwei Tage 
lang in einem kupfernen Kessel ĂŒber Dampf unter öfterem 
Ersatz des verdampften Wassers. Sodann wurden 1000 Grm. 
‘Wasser hinzugesetzt, und unter bestĂ€ndigem UmrĂŒhren ĂŒber 


freiem Feuer gekocht, bis etwa 300 Grm. Wasser verdampft 
waren, 


Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 217 


Jetzt wurde durch ĂŒber ein Tenakel gespannte Lein- 
wand colirt. Der RĂŒckstand wurde noch 2mal mit je 750 
Grm. Wasser gekocht und colirt. Die Menge Wassers 
wurde wegen der Schwerlöslichkeit des zimmtsau- 
ren Kalks absichtlich grösser genommen, als die Vorschrift 
verlangt. Die vereinigten Laugen wurden auf 500 Grm. ein- 
gedampft und in den Keller gestellt zur Abscheidung des 
zimmtsauren Kalks, wÀhrend der benzoes. Kalk noch gelöst 
bleiben musste. Eine Probe der klaren Lauge wurde mit HCl 
versetzt und die abgeschiedene SĂ€ure mit KO,Mn?0? geprĂŒft, 
wobei noch deutlich Bittermandelölgeruch auftrat. Selbst auf 
200 Grm. eingedampft, schienen sÀmmtliche Laugen noch 
zimmtsauren Kalk zu enthalten. Der Inhalt’ der Schale wurde 
nun auf ein Filter gebracht, und das Filtrat mit HCl in der- 
selben Weise behandelt, wie bei der oben beschriebenen Me- 
thode von Stolze. 


Der RĂŒckstand auf dem Filter wurde mit 200 Grm. 
Wasser gekocht, filtrirt und noch heiss HCl bis zum schwach 
sauren Geschmack zugefĂŒgt. Die hierbei abgeschiedene 
SÀure stellte ZimmtsÀure vor, die vorhergewonnene hinge- 
gen Benzo@sÀure. Reine ZimmtsÀure schien man nur aus 
Sumatrabenzo& I und II erhalten zu haben, wÀhrend die ande- 
ren SĂ€uren nicht als rein gelten konnten. 


Man erhielt aus: 


BenzoösÀure. ZimmtsÀure. 

Sumatra-Benzoö 1. 2,1 5,7 Proc, 
2 re nk 2,8 Ra 
» » III. 4,1 ? 2) 
” ”» IE 2,8 3,9 ”» 


Diese Resultate waren auch nicht einmal annÀhernde. _ 


Von den beiden beschriebenen Methoden scheint dem Ver- 
fasser die von Stolze entschieden die einfachste und 
bequemste zu sein. Der Weingeist, den man bei grösse- 
ren Mengen abdestillirt, wird zum grössten Theile wieder- 
gewonnen, diese Destillation ist in kĂŒrzerer Zeit beendigt, als 
die wiederholten Auskochungen des Kalkgemenges, welche 


218 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete, 


noch des fortwĂ€hrenden UmrĂŒhrens bedĂŒrfen, so wie des Ein- 
dampfens der Laugen. Vermeidet man bei Stolze’s Me- 
thode sorgfÀltig einen Ueberschuss von Alkali, so erhÀlt man 
bei der FĂ€llung schon eine fast weisse SĂ€ure, die nur des 
einmaligen Auflösens in heissem Wasser bedarf ‚ um vollstĂ€n- 
dig weiss erhalten zu werden, wÀhrend bei der anderen 
(Scheele’schen) Methode die erste SĂ€ure stets noch etwas 
gefÀrbt erscheint. 


Nachstehende Tabelle stellt den SĂ€uregehalt der ver- 
schiedenen Benzoösorten ĂŒbersichtlich dar. Es enthĂ€lt in 
Procenten: 


BenzoesÀure. ZimmtsÀure. 


Benzo& Sam 1. 15,489 — 
„ » 1. #7 200122856 ieh 
Pnumatra ie. 2,043 16,686 
» IE 1,270 13,665 
s 5% (RER! 8,039 8,564 
» ». SUN. 8,714 2,318 
„  Penang — 13,341 


Vom Verf. benutzte Quellen: Archiv der Pharmacie. — 
Jahrbuch f. Pharmacie (Prof. Dr. Henkel: ĂŒber Benzo& des 
jetzigen Handels.) 


Annalen der Chemie und Pharmacie. Bd. 1—108. Phar- 
macognosie von Berg und von FlĂŒckiger. Strecker, 
organ. Ohemie 1856. 


Stralsund, den 27. Juli 1871. 


I. „Post tenebras lux!“ 


(Verfasser: Julius Marius Gaberil aus Savagnier, 
Canton Neuchatel, Lehrling bei Apotheker Brill in Rödel- 
heim.) 

Erhielt den 2. Preisa. (Nr. 1 der eingegangenen Ar- 
beiten; 15 vollbeschriebene Quartseiten; mit 4 Proben und 
20 PrÀparaten.) 


Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 219 


100 Gew.- Th. Benzoöharz enthalten nach Gaberil: 


Siam Siam 

in lacrymis. amygd. Penang. _ Sumatra. 
Benzo&sÀure 12,14 15,57 4,60 1,64 90. 
ZimmtsĂ€ure — — 11,34 14,18 „, 
Alphaharz. 87,36 57,50 48,00 9.50.. 
Betaharz — 23,60 27,00 45,00 „, 
Gammaharz — 1,50 3,30 12,50 „ 
Beimengungen 0,50 1,80 5,50 17,00,,, 


100,00 100,07 99,74 99,82. 
Verf. gruppirt die im Handel vorkommenden Benzo6- 
sorten: 


A. BenzoÀsÀure enthaltende Benzoe. 


1) Benzo&ö Siam, a) in lacrymis („in granis“ der 
Droguisten) b) amygdaloides. 


B) ZimmtsÀure enthaltende Benzoe. 


2) Benzo@ö de Penang. Berg, in seiner pharmaceut. 
Waarenkunde und die Preuss. Pharmacopo& ed. VI 
geben die Penangbenzo& als synonym mit der Sumatrabenzo& 
an. Dies ist nach dem Verfasser gar nicht der Fall, 
beide Namen eignen sich vielmehr zu zwei verschiedenen 
Sorten. 

3) Benzoö de Sumatra (Benzo& communis s. in mas- 
sis s, in sortis. — Benzo& mandulat. extrafein und fein der 
Droguisten.) 

Berg scheint die Sumatrabenzo&, wenn auch unter ande- 
rer Benennung beschrieben zu haben, nemlich da, wo er von 
einer „Ualeutta-Benzo&Ă¶â€œ spricht, die er zu den benzoe- 
sÀurehaltigen rechnet. 

Eine Calcuttabenzo@ hat es aber im Handel nie gegeben. 
Verf. erkundigte sich ĂŒber diese Sache bei den. Herren Lampe, 
Kaufmann u. Comp. in Berlin und erhielt von diesen brief- 
lich die BestĂ€tigung seiner Ansicht: „Berg hat die Herkunft 
der Benzoö nicht richtig bestimmt. Aus Calcutta ist 
wohl kaum je Benzo@ exportirt worden, da Singapore 


220 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge etc. 


der Haupthafen ist, aus welchem hinterindische Droguen vor- 
zugsweise ausgefĂŒhrt werden ... Berg war ein tĂŒchtiger 
Botaniker, aber in Betreff der Bezugsorte der Droguen konnte 
er unmöglich so orientirt sein, wie Droguisten, welche mit 
den HaupthandelsplÀtzen der Erde in dauernder Verbindung 
stehen. “ 

4) Benzo& de Java. Eine sehr geringe Sorte, die 
mehr Holz als Harz enthÀlt und dem Storax nÀher steht als 
der Benzoe. War frĂŒher im Handel, ist jetzt aber aus dem- 
selben verschwunden. 

Qualitative PrĂŒfung der Benzo& auf Zimmt- 
sĂ€ure. Die einfachste PrĂŒfung ist, einige Decigramme des 
zu prĂŒfenden Harzes zu zerreiben, in einem ReagenzglĂ€schen 
mit einigen Krystallen des ĂŒbermangansauren Kalis 
zu versetzen, darauf einen Zoll hoch Wasser zu giessen und 
das Gemenge zu erwÀrmen. Ein Geruch nach Bittermandelöl 
verrÀth die Gegenwart von ZimmtsÀure. Statt. des KO,Mn?07 
kann man auch doppeltchromsaures Kali und Schwefel- 
sĂ€ure anwenden. VerdĂŒnnte SalpetersĂ€ure giebt eben- 
falls mit zimmtsÀurehaltiger Benzo& beim Erhitzen den Bitter- 
mandelölgeruch, derselbe ist aber wegen der stechendsauren 
DĂ€mpfe der NOS schwieriger wahrzunehmen. Bei dieser Probe 
wird die ZimmtsÀure zersetzt und aus ihr Bittermandelöl 
gebildet. | 

Verfasser fand, dass mittelst dieser Proben Siam- 
benzo& (in granis et amygdaloides) kein Bittermandel- 
öl lieferte, wÀhrend Penang- und Sumatra -Benzo& solches 
gaben; diese Siambenzo& war mithin frei von ZimmtsÀure. 

Trennung von BenzoÀsÀure und ZimmtsÀure. 
Beide SĂ€uren zeigen sich in ihren Eigenschaften und den 
allgemeinen Reagentien gegenĂŒber ausserordentl. Ă€hnlich; sie 
verhalten sich aber verschieden gegen rauchende Sal- 
petersÀure. Durch diese wird BenzoesÀure gelöst und in 
NitrobenzoÀsÀure verwandelt, welche in Lösung bleibt; 
ZimmtsÀure wird zwar auch gelöst und in Nitrozimmt- 
sÀure verwandelt, diese aber scheidet sich unter ErwÀrmung 
der FlĂŒssigkeit wieder aus.. In gewöhnlicher rauchender Sal- 


Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 221 


petersÀure findet dieser Vorgang langsam statt und die 
ErwÀrmung ist dann unbedeutend; in starker rauchender 
SalpetersÀure tritt die Reaction augenblicklich ein und die 
ErwÀrmung ist eine plötzliche und starke. 


Nitrobenzo&@sÀure ist in Alkohol leicht löslich, Nitro- 
zimmtsÀure ist darin sehr schwer löslich. Diese Verschieden- 
heiten hat Verf. seiner Trennung zu Grunde gelegt. 


In ein BecherglÀschen gab er 15 Grm. starke rauchende 
SalpetersĂ€ure, stellte das GlĂ€schen in kaltes Wasser und fĂŒgte 
nach und nach unter fortwĂ€hrendem UmrĂŒhren 2 Grm, kĂ€uf- 
liche reine ZimmtsÀure, dann nach 1 bis 2 Minuten 30 Grm. 
Wasser. Es wurde wieder umgerĂŒhrt, die Mischung durch 
Federalaun filtrirt, der Niederschlag mit einer bestimmten 
Menge (60 Grm.) Wasser gewaschen, bis das abfliessende 
Wasser nicht mehr sauer reagirte. (Um den Niederschlag 
sÀurefrei zu bekommen und möglichst wenig Waschwasser 
dazu zu gebrauchen, muss man das Wasser in kleinen 
Portionen auf den Niederschlag giessen und vor Zusatz einer 
neuen Portion immer warten, bis die erste abgelaufen ist.) 
Die NitrozimmtsÀure sammt Federalaun wurden zwischen 
Fliesspapier getrocknet; sie wog allein 2,3 Grm. FĂŒgt man 
noch 0,308 Grm., die in SalpetersÀure und Wasser gelöst 
geblieben waren, hinzu, so ergeben sich 2,608 Grm. Nitrozimmt- 
sÀure, was der Formel der letzteren entspricht. 


Nun wurde zur PrĂŒfung der SĂ€uren aus Penang- und 
Sumatra-Benzo& geschritten, welche der Verfasser sich ent- 
weder durch Sublimation oder auf nassem Wege bereitet hatte. 


2 Grm. SĂ€ure von jeder Sorte wurden fĂŒr sich allein, 
wie zuvor die ZimmtsÀure, mit starker rauchender ar 
sÀure behandelt. Die getrockneten NiederschlÀge durften als 
Gemenge von Nitrobenzoö-SÀure und NitrozimmtsÀure an- 
gesehen werden. Sie wurden mit 20 Grm. Weingeist !/, Stunde 
lang digerirt, die ungelöste SÀure auf Fliesspapier gebracht 
und durch Pressen getrocknet. Alsdann wog die Nitrozimmt- 
sĂ€ure von Penangbenzo@ 1,53 Grm.; fĂŒgt man 0,308 Grm,, 
die sich in SalpetersÀure und Wasser, und 0,04 Grm., die 


222 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 


sich in Weingeist gelöst hatten, hinzu, so erhÀlt man 1,878 
Grm. NitrozimmtsÀure im Ganzen. 

NitrozimmtsĂ€ure von Sumatrabenzo& wog 2,0; fĂŒgt man 
hier auch 0,308 Grm. und 0,04 Grm. hinzu, so erhÀlt man. 
2,348 Grm. NitrozimmtsÀure. 

Da aber 1 Grm. ZimmisÀure 1,304 Grm. NitrozimmtsÀure 
entspricht, so hat man fĂŒr Penang 1,304: 1—1,878:x;x— 1,44 
und fĂŒr Sumatra 1,304 : 1=2,348:x;x—1,8 Grm. Zimmt- 
sÀure. Von 2,0 Grm. ZimmtsÀure -- BenzoösÀure abgezogen, 
bleiben fĂŒr Penang 0,56 und fĂŒr Sumatra 0,2 Grm. Benzo6- 
sÀure oder in 1,0 Penang 0,72 ZimmtsÀure und 0,28 Benzoc- 
sÀure, in 1,0 Sumatra 0,90 ZimmtsÀure und 0,10 BenzoösÀure. 

BestimmungderBenzo&-undZimmtsÀureinsge- 
sammt. Hierzu benutzte Verf. den Weg der Neutralisation, 

Er löste 0,1 Grm. BenzoesÀure in 10 Grm. Alkohol. 
Andrerseits bereitete er sich eine alkohol. Lösung von Kali 
caustic. fusum (1:100). Diese brachte er in eine graduirte 
Proberöhre und tröpfelte davon so lange zu der ersteren, bis 
ein Streifchen eingetauchtes geröthetes Lackmuspapier eine 
neutrale FĂ€rbung annahm. 

Um dahin zu gelangen, mussten 3,5 CC. der KaliflĂŒssig- 
keit verbraucht werden. Dasselbe wurde fĂŒr eine alkohol. 
Lösung von 0,1 Grm. ZimmtsĂ€ure ausgefĂŒhrt, fĂŒr welche 3,65 
Cubiecentimeter KaliflĂŒssigkeit nöthig waren.) 

Alsdann bereitete er sich aus allen seinen Benzodsorten 
Tineturen im VerhÀltniss von 1 Th. Harz zu 10 Th. Weingeist. 
Von jeder Tinctur behandelte er 10 Grm. fĂŒr sich allein, wie 
zuvor die BenzodsÀure- und ZimmtsÀure-Lösungen mit der 
KaliflĂŒgsigkeit. Von dieser verbrauchte er nun, um zu neu- 
tralisiren: 4,25 CC. bei Siambenzo& in granis, 5,45 CC. bej 
Siam amygd.; 5,75 CC. bei Benzoö Penang und 5,75 bei 
SumatrabenzoÂŁ. 

Bei den beiden Sorten von Siambenzo& . verhalten sich. 
die ©.0©. Zahlen ausschliesslich gleich der BenzodsÀure, da sie 


*) Dieses VerhÀltniss von 3,5: 3,65 stimmt nicht zu den Aequivalen- 
ten‘ der Benzo&sĂ€ure und ZimmtsĂ€ure. Hi. 


Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 223 


bloss solche enthalten. Bei Penang und Sumatra hingegen 
verhalten sich jene Zahlen zu denen der BenzoesÀure und 
ZimmtsÀure zugleich, da beide SÀuren vorhanden sind. 

Um die BenzoösÀure der beiden Siamharze zu bestimmen, 
hatte man bloss die Proportion anzusetzen: 

FĂŒr Siam in lacrymis: 3,5: 0,1 =4,25:x; x—0,1214 Grm. 

FĂŒr Siam amygdaloides 3,5: 0,1 = 5,45: x; x —= 0,1557 
Grm. BenzoösÀure in 1,0 Harz oder 12,12 Proc. Benzo&sÀure 
in Siam in granis und 15,57 Proc. BenzoesÀure in Siam 
amgydaloides. 

Bleiben noch Penang- und Sumatra-Benzoe Nehmen 
wir Penang. Aus einem frĂŒheren Experiment war bekannt, 
dass 1 Grm. HarzsÀure aus 0,72 ZimmtsÀure und 0,28 Benzoe- 
sÀure bestand. 

Es wurden 5,75 CC. alkoh. Kali zur Neutralisation von 
1 Grm. Harz gebraucht. Davon sind offenbar 0,72 auf Zimmt- 
sÀure und 0,28 auf Benzo@sÀure verwandelt worden; also 
0,72. 5,75 —=4,14 CC. auf ZimmtsĂ€ure und 0,28. 575 —=1,61 CC, 
auf Benzo@sĂ€ure. Daraus folgt fĂŒr beide SĂ€uren: 

3,65: 0,1 = 4,14: x; x = 0,1134 Grm. ZimmtsÀure und 
3,5: 0,1 = 1,61: x; x = 0,046 Grm, Benzo&sÀure in1 Grm. Harz 
oder 11,34°/, ZimmtsÀure und 4,6°, BenzoesÀure. 

In Àhnlicher Weise wurde bei Sumatrabenzo& verfahren. 
Zur Trennung der Harze wurden 10 Grm, kohlens. Natron 
in 150 Grm. Wasser gelöst und in einer Porzellanschale 
erwÀrmt; hierzu wurden nach und nach 60 Grm. einer 
Benzoötinetur (aus 20 Grm. Harz und 40 Grm. Weingeist 
bereitet) gegossen und bis zur Entfernung des Weingeistes 
gekocht. Die heisse FlĂŒssigkeit wurde abgegossen und filtrirt. 
Der kaltgewordene RĂŒckstand in der Schale wurde zerrieben 
und mit 5 Grm. Soda und 100 Grm. Wasser aufs neue 
gekocht. Die heisse FlĂŒssigkeit wurde zum ersten Auszug 
gegeben und dies Ganze mit HCl angesÀuert. Der Nieder- 
schlag wurde gesammelt und mit heissem Wasser gewaschen, 
um die Benzo@sÀure auszuziehen. Das Hinterbleibende (das 
Gammaharz) wurde von noch anhÀngender BenzoösÀure durch 
Kochen mit Wasser gereinigt. 


224 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 


Die in Sodalösung unlöslichen Harze wurden getrocknet 
und gewogen, dann in einem tarirten Kolben mit der gleichen 
bis 1!/, fachen Menge Aether ĂŒbergossen u. 1'/, bis 2 Stun- 
den damit digerirt. Der abgegossene Aetherauszug gab 
beim Verdunsten das Alphaharz, das in Aether unlösl. Harz 
bestand aus dem Betaharz. 


Aetherisches Oel bemerkte Verf., als er Benzo&, 
Aetzkalk, Soda und Wasser zusammenmischte; es entwickelte 
sich dabei ein petroleum- oder benzinartiger Geruch. Abge- 
schieden hat er solches nicht. 


Die Verunreinigungen der BenzoÀharze beste- 
hen aus RindenstĂŒckchen, holzigen Theilen, Blattresten etc. 


III. Rebus angustis animosus atque 
Fortis appare;, sapienter idem 
Contrahes vento nimium secundo 
Turgida vela (Horat. Carm. Lib. II. C.X1.) 


(Verfasser: Fritz Pfuhl, Lehrling bei seinem Vater, 
Apotheker A. A. Pfuhl in Posen.) Erhielt den 2. Preis b. 
(Nr. 5 der eingegangenen Arbeiten; 14 halbbeschriebene Fo- 
lioseiten; mit 6 Proben und 3 PrÀparaten.) 


Verfasser stellte sich die zu vergleichenden Versuchen 
dienende ZimmtsÀure aus Styrax liquida, Balsam. peruvianum 
und Bals. tolutanum dar; aus flĂŒssigem Storax erhielt er 
16 Proc., aus Perubalsam 5,8 Proc. und aus Tolubalsam 
5,3 Proc. rohe ZimmtsÀure. 

Die BenzodsÀure, welche bei den Ve benutzt 
wurde, war nach der preuss. Pharmacopo& dargestellt; sie 
entwickelte mit einer Lösung von ĂŒbermangansaurem Kali 
keine Spur von Bittermandelölgeruch und entfÀrbte das 
Salz nicht. 

Die leichte Zersetzbarkeit des zimmtsauren Natrons durch 
ĂŒbermangansaures Kali bot ein Mittel dar, die beiden SĂ€uren 
BenzoösÀure und ZimmtsÀure neben einander zu bestimmen. 
Benzo&saures Natron entfĂ€rbt selbst beim Erhitzen das ĂŒber- 
mangansaure Kali nicht. 


Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 225 


0,5 Grm. reiner ZimmtsÀure (aus Styrax dargestellt), 
welche 48 Stunden ĂŒber SchwefelsĂ€ure getrocknet worden 
war, wurden in 50 Grm. Wasser, dem etwas kohlens. Na- 
tron zugesetzt war, gelöst und die FlĂŒssigkeit in eine 
BĂŒrette, welche bis aus 0,2 CC. getheilt war, gegossen. In 
eine andere BĂŒrette kam eine Lösung von 0,5 Grm. KO,Mn?0' 
in 100 CC. Wasser. Es wurden nun von der letzteren Lösung 
zu 1 CC. der ersteren so viel zugetropft, bis die Farbe selbst 
beim Erhitzen nicht mehr verschwand. 


Bei 8 Versuchen wurde je 1 Gew.-Th. ZimmtsÀure zer- 
setzt durch 3,4— 3,1 — 3,3 — 3,1 — 3,4 — 3,3 — 3,2 und 3,4 
Gew.- Th. KO, Mn? 0% 

Die Durchschnittszahl hiervon wÀre 3,275 Gew.-Th. 
KO, Mn?0? auf 1 Gew.- Th. ZimmtsÀure, welches 3 Molekule 
KO,Mn?O? auf 1 Molekul ZimmtsÀure betrÀgt. 

Zur Analyse standen 6 verschiedene Benzoösorten zu 
Gebote. 

1) Siam, 2—4) Sumatra I, II. u. III (alle 4 von Grund 
in Breslau) und 2 Benzo@öproben aus Posener GeschÀften. 


a) Siambenzo&. 


Grosse StĂŒcken, aus vielen aneinander geklebten kleinen 
Harztheilchen bestehend. Letztere sind theils weiss, theils 
hellgelb, bis brÀunlich, von Wachsglanz, durchscheinend bis 
durchsichtige. Im Innern meistens weiss, mit gelbbraunen 
Adern durchzogen. Vom Fingernagel wird das Harz nur 
schwierig geritzt. Geruch und Geschmack aromatisch, letzte- 
rer auch etwas brennend. Auf einer Unterlage konnte es 
nicht entzĂŒndet werden, da es zu schnell schmolz; auf einem 
Holzspahne jedoch brannte es mit leuchtender, sehr russenden 
Flamme. Spec. Gew., bei 20°C. aus dem Gewichtsverlust, 
den es an einem Haupthaare hÀngend beim Wiegen im Was- 
ser erlitt, bestimmt, wobei sorgfÀltig die anhÀngenden Luft- 
blasen entfernt wurden) = 1,21. (Hierzu, wie zu allen fol- 
genden Ă€hnl. Yersuchen, wurde das erste beste StĂŒck Harz 
ohne Auswahl genommen.) Sie erweichte schon im Munde 


Arch, d, Pharm, CC, Bda, 3. Heft, 15 


996 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 


(bei 35 bis 40°C.) und schmolz (unter Wasser) bei 64°C. 
vollstÀndig. 

5 Grm. der Benzo& wurden in der hinreichenden Menge 
Weingeist gelöst, die Lösung filtrirt, wobei 0,23 Grm. Unrei- 
nigkeiten hinterblieben. Das Filtrat wurde unter Zusatz von 
kohlens. Natron-Lösung gekocht (bis zur Entfernung des 
Weingeists), dann mit reinem Wasser. Hierdurch gingen die 
SÀuren und das Gammaharz in Lösung. Das ungelöst geblie- 
bene Gemenge von Alpha- und Betaharz wog 3,48 Grm. 
Aus der filtrirten alkalischen FlĂŒssigkeit wurden durch HCl 
die SĂ€uren abgeschieden, denen sich auch das Gammaharz 
beimengte. Die FlĂŒssigkeit wurde dann mit dem Nieder- 
schlage erhitzt, wobei sich das Gammaharz zu dunkelbraunen 
Flocken vereinigte, die auf der FlĂŒssigkeit schwammen. Die 
FlĂŒssigkeit wurde kochend filtrirt und die sich aus dem Fil- 
trate in Flocken abscheidenden SĂ€uren durch Zusatz von 
kohlens. Natron gelöst. Das Gewicht des Gammaharzes war 
0,09 Grm. 

Die Lösung wurde mit Wasser verdĂŒnnt bis ihr Volu- 
men — 100 CC. war. Zu 1CC. ders. wurde dann soviel 
ChamÀleonlösung gethan (0,5 Grm. KO,Mn?O? in 100 CC. 
Wasser), bis die rothe Farbe nicht mehr verschwand. Es war nur 
sehr wenig ZimmtsÀure vorhanden. Das an 5 Grm. noch 
fehlende zeigt die Benzo&sÀure an. Doch ist die- 
selbe bei allen Analysen zu hoch berechnet, indem nemlich 
verabsÀumt worden war, vorher die Harze zu trock- 
nen; desshalb addirt sich noch der Feuchtigkeitsgehalt des 
Harzes dem Gehalt an BenzoösÀure hinzu. (Leider reichte 
die Zeit zu neuen Versuchen nicht aus.) 

100 Theile dieser Siambenzo& lieferten auf diese Weise: 

23,0 Proc. Benzo@sÀure (einschliesslich der Feuchtigkeit des 
Harzes), 
1,0 ,„  ZimmtsĂ€ure (annĂ€hernd), 
69,6 , Alpha- und Betaharz, 
18  „ Gammaharz und 
4,6  ,„  Unreinigkeiten. » 
100,0. 


Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 227 
b) Samatrabenzo&]. 


Grosse, spröde, leicht zu zerbröckelnde StĂŒcke, Grund- 
masse gelblich braun, mit eingelagerten weissen, gelblich- 
weissen, hier und da röthlichen HarzstĂŒckchen von Wachs- 
glanz. Auch einzelne gelblichbraune, fast durchsichtige Theil- 
chen sind darin zu bemerken. Die weissen HarzstĂŒckchen 
erweichen im Munde, wÀhrend die braunen Massen beim 
Kauen zerbröckeln. Riecht und schmeckt aromatisch, brennt 
mit leuchtender russender Flamme. Spec. Gew. bei 23°C. 
= 1,12. Bei der Analyse wurde das Betaharz vom Alpha- 
harz durch Digeriren mit Aether getrennt, worin sich das 
Alphaharz löste. Die Benzo& erweichte bei 63°C. und schmolz 
etwa bei 90°C. 

Zusammensetzung: 

1,0 Proc. BenzoösÀure (und Feuchtigkeit des Harzes), 

9,2 ,„  ZimmtsĂ€ure, 

39,8 „ Alphaharz, 

29,0 „ _ Betaharz, 

14,6 „  _Gammaharz, 

6,4 „ Unreinigkeiten. 


100,0. 
c) Sumatrabenzo& II. 


Grosse, braune, leichtzerbröckelnde HarzstĂŒcke, mit vie- 
len Verunreinigungen. Man bemerkt darin weisse durch- 
scheinende und einige klar durchsichtige Theilchen. Wird 
vom Fingernagel geritzt, zerbröckelt beim Kauen. Brennt 
mit leuchtender, russender Flamme. Spec. Gew. bei 21%,5 C. 
—= 1,12. Erweicht bei 75° und schmilzt etwa bei 95°C, 

Zusammensetzung: 

25,8 Proc. BenzoösÀure (u. Feuchtigkeit d. Harzes), 

4,2 ,„  ZimmtsĂ€ure, 

43,8 „ Alpha- und Betaharz, 
11,2 „ Gammaharz, 

15,0 „ _Unreinigkeiten. 


100,0, 
15* 


998 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 
d) Sumatrabenzo& III. 


Braune, sehr verunreinigte HarzstĂŒcke; darin einzelne 
weisse, oder gelbe, wachsglÀnzende, durchscheinende bis durch- 
sichtige Harztheilchen, die vom Nagel schwer geritzt werden. 
Zerbröckelt beim Kauen. Brennt mit leuchtender, russender 
Flamme. Spec. Gew. b. 230,5 0. — 1,09. Erweicht bei 65°, 
schmilzt etwa bei 85°Cels. (Hierzu dienten die weisslichen 
HarzstĂŒckchen, da die braune Masse zu unrein war.) 

Zusammensetzung: 

12,4 Proc. BenzoesÀure (u. Feuchtigkeit d. Harzes), 
3,8 „  ZimmtsĂ€ure, 

544 „ Alpha- und Beta - Harz, 

42 ,„  Gammaharz, 

25,2 ,„ ÜUnreinigkeiten. 


100,0. 
e) Benzo& aus einem Posener GeschÀft. 


Sie enthÀlt sehr viele weisse und gelblichweisse Harz- 
stĂŒckchen; auch kleine, fast wasserhelle Theilchen. Die ĂŒbrige 
Masse des Harzes besteht aus braunen, glÀnzenden, etwas 
durchscheinenden Adern und StĂŒckchen. Brennt an der Luft. 
Spec. Gew. bei 22°,5 Cels. = 1,14. Erweicht bei 65°C. und 
schmilzt bei 81° C. 

Zusammensetzung: 

7,2 Proc. Benzo&sÀure (u. Feuchtigkeit d. Harzes), 
4,2 ZimmtsÀure, 
60,2 Alpha- und Betaharz, 
204 „ _Gammaharz, 

80 „  ÜUnreiigkeiten. 


100,0. 
f) Benzo& aus einem anderen Posener GeschÀft. 


Leichtzerbrechliche StĂŒcke mit gelblich rother bei dun- 
kelgrauer Grundmasse, worin weisse, porzellanartige, durch- 
scheinende bis klare, wasserhelle, auch gelbliche Harztheile 
eingesprengt sind. Geruch und Geschmack erinnern etwas 


Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete, 229 


an Storax. Brennt mit leuchtender, russender Flamme. Spec. 
° Gew. bei 220,5 Cels. =1,16. Erweicht bei 67° C., schmilzt 
aber erst bei 96°C. vollstĂ€ndig zu einer dunkelbraunen FlĂŒs- 
sigkeit. 

Zusammensetzung: 

5,8 Proc. Benzo&@sÀure (u. Feuchtigkeit d. Harzes),} 
3,6 ,, ZimmtsÀure, 

54,4 Alpha- und Betaharz, 

17,2. „ Gammaharz, 

19,0 ,„ Unreinigkeiten. 

100,0. 

Der Verfasser benutzte bei seiner Arbeit die organische 
‚Chemie (1867) von A. Strecker und das Lehrbuch der 
Pharmacognosie von FlĂŒckiger, wie man bemerken wird, 
mit Aufmerksamkeit. 


IV. „Per aspera ad astra!“ 


(Verfasser: Oscar Ernst Eckert aus Ansbach, Lehr- 
ling bei Apoth. ©. Barnickel daselbst) erhielt den 3. Preis a. 
(Nro. 3 der eingegangenen Arbeiten; 23 vollgeschriebene 
Folioseiten; mit 8 Proben und 22 PrÀparaten).' 


Zur Untersuchung dienten folgende Benzoesorten: 

1) Siam I. 

2) Siam II. Von der Droguenhandlung von Grund- 
3) Sumatra I. [ herr und Hertel in NĂŒrnberg bezogen. 
4) Sumatra 1. 
5) Siam 
6) Sumatra 1. 
7) Sumatra II. 
8) Sumatra IIL 


Zur Abscheidung der BenzoösÀure (und, ZimmtsÀure) 
durch Sublimation wÀhlte Verfasser den von Gorup-Be- 
sanez vorgeschriebenen Sublimirapparat: 2 gerÀumige Uhr- 
schalen, deren RĂ€nder genau aufeinander passen. Die obere 
Schale war mehr gewölbt, die untere etwas flacher, 


Von Th. Gessner aus NĂŒrnberg be- 
zogen. Sumatrabenzo@ III war ein Oa- 
binetsstĂŒck. 


930 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete. 


Nachdem die Benzo& in dieselbe gegeben, wurde eine aus 
Filtrirpapier geschnittene Scheibe darĂŒber gespannt, die 
obere Schale aufgesetzt und die RĂ€nder beider Schalen mit 
Papier verklebt. Der so hergerichtete Apparat wurde ins 
Sandbad gesetzt und langsam angewÀrmt, bis sich Was- 
ser in der oberen Schale ansetztee Dieses wurde nach 
dem Auseinandernehmen der Uhrschalen entfernt, diese wieder 
aufeinander geklebt und durch neues, stÀrkeres Erhitzen die 
Sublimation der BenzoesÀure (und ZimmtsÀure) eingeleitet. 
Nach einstĂŒndiger Erhitzung wurde der Apparat erkalten ge- 
lassen, geöffnet, die sublimirte SÀure aus der obern Schale 
herausgenommen, die Schalen wieder zusammengefĂŒgt und 
dieses Verfahren 3 bis 4 mal wiederholt, ĂŒberhaupt so oft, 
bis sich keine SĂ€ure mehr sublimirte. Dabei wurde das Harz 
zuerst zĂ€he, allmĂ€hlig dĂŒnnflĂŒssig wie Syrup, dann wieder 
unter AufblĂ€hen zĂ€he. Der erkaltete RĂŒckstand erschien 
blasig, spröde, schwarzbraun. 


Es lieferten: 


Siambenzo&. Sumatrabenzo&. 
I(ı) DO2@) 6) I(3) II(4) I(6) III(7) (III) 
Sublimirte SÀure 21 135 14 14° 9° 14 Sog 
RĂŒckstand 71 850 80 7 ga Neal Neon 
Wasser u. Verlust. 5 1,5 6 8 4 4 4 40%), 


100 1000 100 ° 100. 400 100. "100920007 


Durch Auskochen des gepulverten Benzocharzes mit Kalk- 
milch (auf 4 Gew. "Th. Benzo& 1 Gew. Th. Kalk), FĂ€llen der 
filtrirten FlĂŒssigkeit mit SalzsĂ€ure, Auflösen der abgeschiede- 
nen SĂ€urekrystalle in kochendem Wasser und Krystallisiren 
wurden folgende Mengen von SĂ€ure erhalten. 


Aus Siambenzo& Aus Sumatrabenzz& 
I(1) IL) (5) I(3) II(4) I(6) _II(7) III(8) 
20 12 12 % 12 11 12 4e*11 24 On 


Durch ĂŒbermangansaures Kali wurde ZimmtsĂ€ure 
qualitativ nachgewiesen in Siambenzo& I(1) und (5), in 
Sumatrabenzoöl (3), I(6) und III(8), letztere enthielt 
davon nur Spuren, keine ZimmtsÀure in Siam II(2) und 
Sumatra II(4 und 7). 


Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr, die Lehrlinge ete, 231 


Eine quÀftitative Bestimmung der ZimmtsÀure wurde 
nicht versucht. Der Abhandlung sind beigelegt zwei nette 
Bleistiftzeichnungen von Benzoin oflicinale Hayne und Cinna- 
momum zeylanicum Blume. Verfasser nennt folgende Werke, 
die er bei seiner Arbeit zu Rathe zog: 

v.Gorup-Besanez, Lehrb. d. org. Chemie; J. W. Doe- 
bereiner’s pharmac. Waarenkunde und Chemie; Liebig’s 
Handb. d. org. Chemie; G. Dulk’s und Fr. Mohr’s Commen- 
tare z. preuss. Pharmacopo& und Wittstein’s Vierteljahrs- 
schriften f. pract. Chemie. 


V. Si desint vires, tamen est laudanda voluntas, 


(Verfasser: Friedrich Pögler aus NĂŒrnberg, Lehrling 
bei Apoth. ©. Barnickelin Ansbach.) Erhielt den 3. Preisb. 
(Nr. 4 der eingegangenen Arbeiten; 23 vollgeschriebene Folio- 
seiten; mit 8 Proben und 22 PrÀparaten.) 


Es wurden beschrieben und analysirt: 


1) Siambenzo& I., seu Benzo@ in granis 


2) Siambenzo& Il. von Grundherr 
3) Sumatrabenzo@ Nr. 1. und Hertel im 
4) b; ia NĂŒrnberg. 
5) ; „ I. (CabinetsstĂŒck) 


6) Siambenzo& 1. 
7) Sumatra Nr. 1. von Gessner in NĂŒrnberg. 
Binz Fe 1° ; 

Diese 8 Benzoösorten wurden auf nassem und auf trock- 
nen Wege auf ihren Gehalt an BenzoösÀure (inclus. Zimmt- 
sÀure, da, wo solche vorkommt) untersucht. 

Es lieferten 100 Theile Benzo&: 

1) Siam I 17 Th. SĂ€ure auf trocknem und 10 Th. auf nas- 
sem Wege (3 Th. waren im Filtrum stecken geblieben). 

2) Siam II 12 Th. SĂ€ure auf trocknem ee und 8 Th. 
auf nassem (3 Th. im Filtrum geblieben). 

3) Sumatra I 8 Th. auf trocknem Wege und 9 Th. auf 
nassem (3 Th. im Filtr. geblieben). 


932 Bericht ĂŒber die Beantwortungen der Preisfrage fĂŒr die Lehrlinge ete, 


4) Sumatra Nr. II 9 Th. auf trockn. Wegdfund 9 Th. auf 
nassem (2 Th. im Filtr.). 

5) Sumatra I 8 Th. auf trocknem Wege und 10 Th. auf 
nassem (wobei 2 Th. mit dem Filtrum verlustig gingen). 

6) Siam Nr. I 94, Th. auf trocknem Wege und 101/, Th. 
auf nassem (wobei 24, Th. im Filter blieben). 

7) Sumatra Nr. I, 10 Th. auf trocknem Wege und 11 Th. 
auf nassem (mit 1 Th. im Filtrum). 

8) Sumatra Nr. II, 9 Th. SĂ€ure auf trocknem Wege und 
12 Th. auf nassem, mit 2 Th. Verlust. 

Bei Behandlung mit ĂŒbermangansaurem Kali entwickelten 
folgende SÀuren Bittermandelölgeruch, enthielten mithin Zimmt- 
sÀure (Verfasser schreibt CimmtsÀure, indem er der sonst 
‚ nicht weiter gebrĂ€uchlichen Schreibweise Wittstein’s folgt): 
Benzo&@ Siam I(1), Sumatra I(3), Sumatra I(5), Siam I(6), 
Sumatra Il(8), letztere nur Spuren. Keine ZimmtsÀurereac- 
tion gaben: Siam IIL(2), Sumatra IL(4) und Sumatra 1(7). 

Von Werken konnte Verf. benutzen: dieselben, wie der 
Vorhergehende, ausserdem noch Meyer’s Conversationslexicon 
und Wittstein’s organische Chemie. 

Jena, den 11. Mai 1872. 
HA. Ludwig. 


233 


II. Chemische "Technologie. 


Ueber die Versilberung von 6las. 


Von R. Siemens, Apotheker in Niedermarsberg. 


In neuerer Zeit sind versilberte Glassachen, z. B. GĂ€rten- 
Kugeln jeder Form und Grösse, TrinkglÀser, Leuchter ete. 
so sehr beliebt geworden und in Aufnahme gekommen, dass 
ich mich veranlasst sah, eine Reihe von Versuchen anzustel- 
len, um eine Methode zur praktischen, raschen und sicheren 
Herstellung solcher GegenstÀnde ausfindig zu machen. Die 
Methode, zu welcher ich gelangt bin, möchte ich nicht ver- 
fehlen, an dieser Stelle mitzutheilen; man kann sich vermit- 
telst derselben auf eine leichte und bequeme Art sehr hĂŒbsche 
GegenstĂ€nde, so Kugeln fĂŒr den Garten etc. selbst herstellen. 
Ob die Fabrikanten (es bestehen, wie ich höre, in Cöln und 
Wesel solche Fabriken) diese oder eine derselben Àhnliche 
Methode befolgen, weiss ich nicht. Das Reductionsmittel zur 
Herstellung des Silberspiegels, welches ich anwende, ist der 
durch diese Eigenschaft bekannte Aldehyd und zwar Aethyl- 
aldehyd (Acetaldehyd) in Form von Aldehydammoniak, darge- 
stellt durch Einleiten von trockenem Ammoniakgas in Alde- 
hyd. Im Handel kann man es beziehen von Herrn Tromms- 
dorf in Erfurt. | 

Silbernitrat und Aldehydammoniak werden jedes fĂŒr sich 
in destillirtem Wasser aufgelöst, die Lösungen gemischt und 
filtrirt; und zwar bewÀhrt sich folgendes VerhÀltniss am 
besten: 

4 Grm. Silbernitrat und 2,5 Grm. Aldehydammoniak auf 
1 Litre Wasser, Der zu versilbernde Gegenstand wird, nach- 
dem er vorher durch AusspĂŒlen mit einer Lösung von koh- 


234 Ueber die Versilberung von Glas. 


lensaurem Kali und nachheriges NachspĂŒlen zuerst mit Wein- 
geist und dann mit destillirtem Wasser von allen Spuren von 
Fettigkeit befreit wurde, mit dieser Lösung angefĂŒllt, resp. 
so weit als man ihn versilbern will und in ein Wasserbad 
gehÀngt. Letzteres wird nun allmÀhlig erhitzt und sobald 
die Temperatur auf 50°C. gestiegen ist, beginnt die Aus- 
scheidung des Silberspiegels, der sich zusehends ĂŒber die 
ganze innere GlasflÀche verbreitet. Seine Bildung ist in kur- 
zer Zeit beendet (ungefÀhr bei 55 bis 60°); zuerst, wenn er 
noch dĂŒnn ist, sieht er schwĂ€rzlich aus, er bekommt jedoch, 
in dem Maasse die Ausscheidung weiter schreitet, immer 
mehr Glanz, bis er zuletzt die schönste SilberflÀche zeigt. 
Jetzt ist es Zeit, den Gegenstand aus dem Bade heraus zu 
nehmen und ‘den Inhalt zu entleeren, da ein lĂ€ngeres Ver- 
bleiben desselben im GefÀsse der Reinheit des Spiegels schÀd- 
lich ist. Die letzten Antheile entfernt man 'durch AusspĂŒlen 
mit destillirtem Wasser. 

Der Aldehyd wird bei diesem Vorgange nach der 
Gleichung: 
H2NOC¼H¼- H20 + 2AgNO3=ÜC?’H3(HN)O?-++2NHO3-+-2Ag 
zu EssigsÀure oxydirt. Dass jedoch dieser Process nicht so 
einfach vor sich geht, dafĂŒr spricht schon der Umstand, dass 
die anzuwendende Menge Aldehydammoniak die durch die 
Theorie gegebene bei Weitem ĂŒbersteigt. Ebenso lĂ€sst ihn 
die Gegenwart der freigewordenen SalpetersÀure nicht so 
einfach verlaufen; es bildet sich noch salpetrige SĂ€ure, welche 
man vermittelst Jodkaliumlösung, die .mit StÀrkekleister 
und verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure versetzt ist, leicht in der abfil- 
trirten FlĂŒssigkeit durch die entstehende BlĂ€uung nachwei- 
sen kann. Hat man den Inhalt in ein GefÀss entleert, so 
lĂ€sst man absetzen, decantirt die ĂŒberstehende FlĂŒssigkeit, 
in welcher sich kein Silber mehr befindet (sondern nur 

NHO?Âź;. H2NO?N; C3H2(H*N)O? 

und ĂŒberschĂŒssiger C?HO) ab und kann das pulverig aus- 
geschiedene metallische ‚Silber, nachdem man es ausgewa- 
schen, leicht durch Auflösen in NHO3 in Silbernitrat zurĂŒck- 
verwandeln. Der grösste Theil des angewandten Silbers fÀllt 


HĂ€rtebestimmung des Wassers. 235 


pulverig nieder; so wandte ich z. B. zur Versilberung einer 
Gartenkugel von 10 Litre Inhalt 40 Grm. Silbernitrat an, 
von welchem ich durch Auflösen des pulverig niedergefallenen 
Silbers 35 Grm. wiedergewann. 

Ob Traubenzucker in alkalischer Lösung zum Zwecke 
solcher Versilberung sich eben so’ gut eignet, als Aldehyd- 
ammoniak, bleibt ferneren Versuchen vorbehalten. 


HĂ€rtebestimmung des Wassers. 


Die Untersuchungen des Wassers, bezĂŒglich der Verwend- 
barkeit dess. fĂŒr technische Zwecke, hat man bisher gewöhn- 
lich in der Weise ausgefĂŒhrt, dass man den HĂ€rtegrad des- 
selben mittelst Seifenlösung bestimmte. Nun haben aber 
Schneider (1864), E. Reichardt (1870) und in neuester 
Zeit N. GrÀger die Unbrauchbarkeit dieser Methode 
nachgewiesen. A. Wagner bestÀtigt dies abermals, indem 
seine Resultate ihm gezeigt haben, dass diese Methode selbst 
in den HĂ€nden geĂŒbter Fachtechniker nur unbrauchbare Re- 
sultate liefert. Das einzige zuverlĂ€ssige Instrument fĂŒr die 
Untersuchung des Wassers ist die Wage, und diese Unter- 
suchung muss nur von Chemikern und nicht von soge- 
nannten Praktikern ausgefĂŒhrt werden. Dampft man 
selbst nur kleine gemessene QuantitÀten Wasser ab, so kann 
man die AbdampfrĂŒckstĂ€nde wĂ€gen und mit aller Sicherheit 
fĂŒr die Resultate gut sagen. Zur Untersuchung des Wassers 
mit HĂŒlfe der Wage genĂŒgen 2 Gewichtsbestimmungen,, sowohl 
fĂŒr technische, wie fĂŒr wissenschaftl. Untersuchungen: 1) Be- 
stimmung der Gesammtmenge der im Wasser gelösten Salze 
durch Abdampfen; 2) Bestimmung der an und fĂŒr sich im 
Wasser löslichen Salze. Subtrahirt man 2. von 1., so erhÀlt 
man das Gewicht der mittelst der freien KohlensÀure 
gelöste Erdalkalien, entsprechend der temporÀren HÀrte. (Aus 
d. Bayer. Ind.- u. Gew.-Bl. 1872, 5 im Chem. Centralblatt 
16. April 1872, Nro. 15, S. 234.). # I. 


256 


B. Monatsbericht. 
I. Chemie. 


Ueber Flammenschutzmittel 


ist vom Bergrath Patera in Wien eine Schrift erschienen, 
welche die grösste Aufmerksamkeit verdient. Denn so gross- 
artig die Anstalten und Mittel sind, die angewandt werden, 
um dem bereits ausgebrochenen Feuer Einhalt zu thun, so 
wenig allgemeine BerĂŒcksichtigung haben bis jetzt die Be- 
strebungen gefunden, solche UnglĂŒcksfĂ€lle, durch die so enorme 
Verluste an Hab und Gut und Menschenleben herbeigefĂŒhrt 
werden, zu verhĂŒten. Das BedĂŒrfniss, sie zu verhĂŒten, liegt 
zunĂ€chst nahe bei der leichten EntzĂŒndlichkeit der Theater- 
decorationen und der meisten Frauenkleiderstoffe. 
Patera giebt an, dass man die Anzahl der jÀhrlich in Eng- 
land durch brennende Kleider VerunglĂŒckten auf mehr als 
400 schÀtzt, und dass in Wien nach einem 5jÀhrigen Durch- 
schnitt jÀhrlich 21 Personen auf diese Weise durch Verbren- 
nung verunglĂŒckten. Er erinnert ferner an den Brand der 
Kirche zu .St. Jago im Jahre 1863, bei welchem in einer 
Viertelstunde mehr als 2000 Frauen ihren Tod fanden, indem 


eine Gasflamme einen Vorhang in Brand setzte und das Feuer 


sich durch die Kleider der Frauen weiter verbreitete. Obenan 
in Bezug auf FeuergefÀhrlichkeit stehen die Theater. 
Beim Brande des Theaters von Saragossa im Jahre 1787 ver- 
loren 600 Personen das Leben; bei dem Brande des Theaters 
in Quebeck im Jahre 1846 kamen ĂŒber 500 Personen um. 
Im Jahre 1868 fingen in Turin die Kleider einer TĂ€nzerin 
Feuer, das sich auf die anderen TĂ€nzerinnen fortpflanzte und 
wodurch zuletzt das ganze Theater in Asche gelegt wurde. 
Mit BerĂŒcksichtigung der in neuester Zeit erfolgten BrĂ€nde 
sind in den letzten 109 Jahren 136 Theater vollstÀndig abge- 
brannt, von welchem 51 auf die letzten 10 Jahre fallen. 


Ueber Flammenschutzmittel. 937 


Es ist also klar, dass es eine Sache von grosser Wich- 
tigkeit ist, Mittel aufzufinden, durch welche die EntzĂŒndlich- 
keit leicht feuerfangender Stoffe verzögert und vermindert 
werden kann. 

Zu den schon lÀngst vorgeschlagenen und fast wieder 
vergessenen, die Verbrennung mit Flamme verhindernden Mit- 
teln gehört das von Fuchs empfohlene Wasserglas (kie- 
selsaures Kali oder kiesels. Natron oder ein Gemisch beider) 
mit dessen mit Kreide vermischter Lösung bei dem Neubau 
des 1823 abgebrannten Hoftheaters in MĂŒnchen alles Holz- 
werk angestrichen wurde und das Patera selbst noch jetzt 
zu den besten Schutzmitteln fĂŒr Holz rechnet. 

Dann erwÀhnt er das von Versmann und Oppen- 
heim vorgeschlagene wolframsaure Natron, als eines 
sehr dem Zwecke entsprechenden Mittels, dem aber bei einer 
massenhaften Anwendung die zu grosse Kostbarkeit entgegen- 
stehe. Auch das von Denselben vorgeschlagene schwefel- 
saure Ammoniak leiste gute Dienste, erfordere aber 
manche Vorsicht und sei desshalb in vielen FĂ€llen unan- 
wendbar. 

Nachdem Patera noch verschiedene andere, neuerlich 
empfohlene Mittel genannt, und ihre UebelstÀnde bei der An- 
wendung hervorgehoben hat (die Alaune, Vitriole, Borax, 
Salmiak, Bittersalz u. s. w.), kommt er zu den von ihm selbst 
aufgefundenen und erprobten Flammenschutzmitteln, die auch 
den ĂŒbrigen Anforderungen: wohlfeil und leicht zugĂ€nglich zu 
sein, in möglichst verdĂŒnnter Lösung zu wirken, die Stoffe 
nicht steif und schwer zu machen, die Farben nicht zu ver- 
derben, nicht riechend, nicht Àtzend, nicht giftig zu sein, voll- 
kommen entsprechen. 

Nach seinen vielfachen belehrenden Versuchen hÀlt Pa- 
tera ein Gemenge von Borax und Bittersalz fĂŒr 
ein Flammenschutzmittel, welches dem wolframsauren Natron 
mindestens gleich zu stellen und dabei ĂŒberall wohlfeil zu 
haben sei. Seine Wirkung beruht auf der Bildung der in 
kaltem und heissen Wasser unlöslichen borsauren Magne- 
sia, welche die FĂ€den des Gewebes dicht umhĂŒllt, und, 
indem sie so die Entwickelung der brennbaren Gase sehr 
erschwert, das Umsichgreifen der Flamme verhindert. Das 
MischungsverhÀltniss der Salze ist: 

4 Theile Borax und 3 Theile Bittersalz. Die 
Salze werden erst kurz vor dem Gebrauche gemengt, weil 
sich sonst zu frĂŒh borsaure Magnesia bildet und ungelöst 
bleibt. 7 Loth des Salzgemenges werden in 20 bis 30 Loth 


238 Ein. Apparat z. Darstell. v. Ozon. — Darstell. v. Chlor im Grossen. 


warmen Wassers gelöst und in diese Lösung wird der zu im- 
prÀgnirende Stoff eingetaucht; er wird dann ausgerungen, 
getrocknet und nöthigenfalls gebĂŒgelt. — 


Ein zweites, nach seiner Versicherung vortreffliches 
Schutzmittel fand er in einem Gemenge von schwefel- 
saurem Ammoniak und Gyps, in verschiedenen Ver- 
hĂ€ltnissen, je nachdem es fĂŒr feinere oder gröbere Stoffe die- 
nen soll. — 

Beide Salzgemenge eignen sich fĂŒr alle feineren und 
gröberen Stoffe, fĂŒr Crepe, TĂŒll, Musselin, Packleinwand, 
Strieke und Holz. Im Betreff der Einzelnheiten bei der 
ImprÀgnation verschiedener Stoffe mit den beiden Salzgemengen 
oder mit Wasserglas ist auf die Patera’sche Schrift zu ver- 
weisen. . (Annalen d. Chem. u. Pharm. Februar u. MĂ€rz 1872, 
Bd. 161, S. 282 — 284.). HD: 


Einen Apparat zur Darstellung von Ozon 


beschreibt A. Houzeau. Derselbe besteht aus einer dĂŒnn- 
wandigen und engen Glasröhre, von der Form der Röhren, 
welche zum Auffangen der Gase-dienen, in deren Innern 
sich ein 40—60 Ctm. langer Platindraht befindet, welcher 
am oberen Ende das Glas durchdringt und dort eingekittet 
oder eingeschmolzen ist. Das Rohr ist Àusserlich mit einer 
Spirale von Kupferdraht umwunden. Leitet man durch die- 
ses Glasrohr einen langsamen Strom Sauerstoff und setzt die 
beiden DrÀhte mit den beiden Polen eines Inductionsappara- 
tes (von 2 bis 3 Ctm. FunkenlÀnge) in Verbindung, so wird 
der Sauerstoff stark ozonisirt. Je nach UmstÀnden enthÀlt 
derselbe 60 bis 120 Milligramme Ozon im Liter. (Berichte 
der deutsch. chem. Gesellsch. z. Berlin, 25. MĂ€rz 1872, Nr. 5, 
S. 217.). al 


Darstellung von Chlor im Grossen nach Deacon. 


Man leitet ein Gemenge von atmosphÀrischer Luft und 
SalzsĂ€uregas bei hoher Temperatur ĂŒber Ziegelsteine, welche 
mit Kupfervitriol getrÀnkt sind. Die Reaction zwischen dem 
Sauerstoff der Luft und dem Wasserstoff der SĂ€ure soll von 


Ueber eine neue SĂ€ure des Stickstofls, die untersalpetrige SĂ€ure, 239 


dem Kupfersalze katalytisch unterstĂŒtzt werden. (The Phar- 
macist and Chem. Record. Vol. IV. Nr. 11—12. Deobr. 
1871. P. 253.). W». 


Ueber eine neue SĂ€ure des Stickstoffs, die unter- 
salpetrige SĂ€ure, von Edward Divers. 


Nach den Versuchen von Schönbein werden die sal- 
petersauren Alkalien in ihren wÀssrigen Lösungen durch 
Natrium in salpetrigsaure Salze verwandelt. Diese Um- 
wandlung kann sehr leicht mit HĂŒlfe von Natrium - Amalgam 
bewirkt werden. Aber das eben gebildete salpetrigsaure Salz 
erleidet durch einen Ueberschuss von Natrium eine neue Re- 
duction. Man bemerkt ein Aufbrausen, bewirkt durch eine 
Entwickelung von reinem Stickoxydgas.. FĂŒgt man den 
Ueberschuss des Natriumamalgams der Lösung nur nach und 
nach hinzu unter sorgfĂ€ltiger AbkĂŒhlung des GefĂ€sses, so tritt 
das Aufbrausen nur dann stark auf, sobald man 1 Molecul 
des salpetersauren Alkalis 2 Atome Natrium zugesetzt hat. 
Bei weiterem Zusatz von Natriumamalgam beobachtet man 
keine Wirkung mehr. Die stark alkalisch reagirende FlĂŒs- 
sigkeit enthÀlt das Alkalisalz der neuen SÀure in verhÀltniss- 
mÀssig geringer Menge. Mit EssigsÀure neutralisirt, giebt sie 
mit salpetersaurem Silberoxyd einen gelben Niederschlag, der 
leicht ausgewaschen werden kann, da er im Wasser fast eben 
so unlöslich ist, wie das Chlorsilber. Unterhalb 100°C. bleibt 
dieser Niederschlag unverÀndert und kann ohne Zersetzung 
mit heissem Wasser gewaschen werden. Auch am Lichte 
bleibt er unverÀndert, in einer reinen AtmosphÀre, selbst in 
BerĂŒhrung mit Papier. In EssigsĂ€ure ist ‘er nur sehr wenig 
löslich und man kann ohne Nachtheil die ursprĂŒngl. alkalische 
Lösung mit EssigsĂ€ure ĂŒbersĂ€ttigen, bevor man sie mit Sil- 
bersalpeter fÀllt. Er löst sich in Ammoniak- und kohlens. 
Ammoniak-FlĂŒssigkeit u. kann aus dieser Lösung durch EssigsĂ€ure 
oder genaue Neutralisation mit verdĂŒnnter NO? oder SO gefĂ€llt 
werden. Er löst sich auch unzersetzt in den beiden genannten 
verdĂŒnnten SĂ€uren und wird aus diesen Lösungen durch Neu- 
tralisation derselben mit H?N oder kohlens. Ammoniak, oder durch 
UebersĂ€ttigen der sauren FlĂŒssigkeit mit Aetznatron oder kohlens. 
Natron, in denen er unlöslich ist, wieder niedergeschlagen. 
Oone. SalpetersÀure oxydirt ihn unter Entwickelung reichlicher 
rother DĂ€mpfe. MĂ€ssigverdĂŒnnte NO°,S03 oder HCl zer- 


240 Ueber eine neue SĂ€ure des Stickstoffs, die untersalpetrige SĂ€ure. 


setzen ihn unter Entwickelung von Stickgas und Bildung 
von salpetriger und Salpeter-SĂ€ure. Die löslichen ChlorĂŒre 
und Schwefelwasserstoff zersetzen ihn ebenfalls. Bei seiner 
Ausscheidung aus der ursprĂŒnglichen Lösung erscheint er 
zuweilen schwarz, aber diese FĂ€rbung ist Folge einer Ver- 
unreinigung. Man reinigt ein solches Salz durch Auflösen in 
sehr verdĂŒnnter SalpetersĂ€ure und Neutralisiren der Lösung 
mit Ammoniak, oder durch UebersÀttigen derselben mit Am- 
moniak und schwaches AnsÀuern mit EssigsÀure. 

In der Hitze zerlegt sich .das Silbersalz in Stickoxyd 
und metallisches Silber; gleichzeitig entsteht eine gewisse Menge 
von salpetersaur. Silberoxyd. Zum RothglĂŒhen erhitzt, hinter- 
lÀsst es nur metallisches Silber. Seine Zusammensetzung 
wird durch die Formel AgON ausgedrĂŒckt. Sie scheint dem 
Verfasser (Divers) unbestreitbar, obgleich die Analysen ein 
Deficit von 1 Proc. Silber zeigen. Wenn sie genau ist, so 
wĂŒrde das fragliche Salz das Silbersalz einer neuen SĂ€ure 
HON sein, welche den Namen untersalpetrige SĂ€ure 
(acide hyponitreux) bekommen mĂŒsste. 

Divers veröffentlichte seine wichtigen Untersuchungen 
unter dem Titel: ĂŒber die Existenz und Bildung von Salzen 
des Stickoxyds. Ad. Wurtz ist hingegen der Ansicht, dass 
sich diese Verbindungen vielmehr dem Stickoxydul N?O an- 
schliessen, welches als das Anhydrid der neuen SĂ€ure HON 
zu betrachten wÀre. Die untersalpetrige SÀure wÀre dann 
das Analogon der unterchlorigen SĂ€ure. 

I. UnterchlorigsĂ€ureanhydrid — 01?0 ; unterchlorige SĂ€ure 
— HOCI; wobei C1?0 + H?O = 2H00]). 

II. StickoxydĂŒl =N?O; untersalpetrige SĂ€ure = HON; 
wobei N?O + H?O = 2(HON). 

Das Product der Einwirkung des Natriumamalgams auf 
das salpetersaure Kali, genau mit EssigsÀure neutralisirt, 
wird durch kein anderes Metallsalz gefÀllt, ausser durch Sil- 
bersalpeter. Nach der FĂ€llung des untersalpetrigsauren Silber- 
oxyds erscheint die ĂŒberstehende FlĂŒssigkeit sauer; dies 
kommt daher, dass das untersalpetrigsaure Natron eine alka- 
lische Reaction besitzt. Man kann dies zeigen, indem man 
das gut gewaschene Silbersalz mit Chlornatrium zersetzt: die 
FlĂŒssigkeit zeigt alsdann alkalische Reaction. Um eine Salz-. 
lösung zu erhalten, die weder freie SÀure noch freies Alkali 
enthĂ€lt, genĂŒgt es, der alkalischen Lösung mit Vorsicht ent- 
weder EssigsĂ€ure oder verdĂŒnnte SalpetersĂ€ure zuzufĂŒgen, bis 
diese aufhört mit AgO,NOŸ einen braunen Niederschlag zu 
geben. Eine solche Lösung giebt nun auch mit anderen 


“ Veber eine neue SĂ€ure des Stickstoffes, die untersalpetrige SĂ€ure, 41 


Metallsalzen NiederschlÀge, nur Chlorbaryum wird nicht 
gefÀllt. Essigsaures Bleioxyd bildet einen gelblich 
weissen, flockigen Niederschlag, der bei ruhigem Stehen dicht 
und gelb wird. Dieser Niederschlag Ă€ndert sich, in der ĂŒber- 
stehenden FlĂŒssigkeit oder mit Wasser gekocht, nicht; er löst 
sich in EssigsÀure und in anderen SÀuren, wird kaum von 
HÂźN und Na0,CO? angegriffen, aber von Aetzkalilauge zersetzt. 

Quecksilberchlorid bildet darin einen gelblich- 
weissen Niederschlag; salpeters. Hg?O einen schwÀrzlich- 
grauen; Kupfervitriol einen olivengelben, in SĂ€uren und 
HŸN lösl., in Natronlauge unlösl. Niederschlag unverÀnderlich 
in siedendem Wasser. 

Chlorzink, ManganchlorĂŒr und Alaun geben weisse 
NiederschlÀge. 

NickelchlorĂŒr giebt einen grĂŒnlichen, beinahe weissen 
Niederschlag. 

Eisenchlorid einen schwach rothbraunen, Eisen- 
vitriol einen weissen, bald dunkelgrĂŒn, zuweilen rothbraun 
werdenden Niederschlag. 

Der Zusatz des Fe?C]Âź und FeO,S03 bewirkte in der 
FlĂŒssigkeit eine langsame Gasentwickelung; es ist desshalb 
wahrscheinlich, dass die NiederschlÀge nur Hydrate sind. 

Salmiak zersetzt das untersalpetrigsaure Silberoxyd 
(das Silberhyponitrit) unter Bildung von AgÜl und unter 
Ammoniakentwickelung: 

Ein Ammoniaksalz scheint nicht zu existiren. 

Uebermangansaures Kali wird durch die Lösung 
des untersalpetrigsauren Natrons reducirt, besonders bei An- 
wesenheit von freiem Alkalı. 

Jodkalium giebt keine Reaction. 

Jodlösung wird entfÀrbt. 

Die Lösung des Hyponitrites, mit -EssigsÀure, oder HCl 
versetzt, giebt ebenfalls keine Reaction mit KJ, entfÀrbt aber 
die Jodlösung und verhindert die Reaction der NO3 auf die 
Jodmetalle. 

Die angesÀuerte Lösung giebt mit schwefels. Eisenoxydul 
keine FĂ€rbung. Eine solche tritt aber ein bei Gegenwart 
von concentrirter SchwefelsÀure. | 

Die angesĂ€uerte Lösung entfĂ€rbt wohl das ĂŒbermangan- 
saure Kali, reducirt aber nicht das 2fach chromsaure Kali, 

Die Lösung, mit EssigsÀure angesÀuert und erhitzt, ent- 
wickelt Stickoxydul, welches nach der Gleichung gebil- 
det wird 

2 (HON) = N?0 + H?O. 
Arch, d, Pharm, CC. Bda, 2, Hft, 16 


242 Caesiumgeh. gew. MineralwĂ€ss. — Gasei, Meteoreisen. — MetazinnsĂ€ure. 


(Annales de chimie et de physique. Janvier 1872. IV. 25, 141 
bis 144) von Ad. Wurtz aus d. Chemical News. t. XXIII, 
p. 206 extrahirt. Siehe auch Zeitschr. f’ Ohem. 14. Jahrg. neue 
R. Bd.VII, S. 225.). H.L. 


Caesiumgehalt gewisser MineralwÀsser. 


Oberst Yorke bestimmte die Menge des im Wasser 
der heissen Quellen von Wheal Clifford vorhandenen 
Uaesium zu 1,7 Theilen Cs in 1,000,000 Theilen jenes 
Wassers. Das DĂŒrkheimer Wasser enthĂ€lt nach Bun- 
sen nur 0,17 Theile Cs in 1 Million Theilen Wasser. (Ber. 
d. deutsch. chem. Ges. z. Berlin.). H.L. 


Gase im Meteoreisen. 


Die im Meteoreisen von Lenarto eingeschlossenen Gase 
bestehen nach Salet aus Wasserstoffgas und Kohlen- 
oxydgas; Stickgas fand sich nicht darunter. (Berichte der 
deutsch. chem. Gesellsch. zu Berlin v. 25. 3.72; Nr. 5, 8. 222.). 

ENT. 


Ueber MetazinnsÀure. 


Cl. H. Allen fand, dass die durch Einwirkung von Sal- 
petersÀure auf metallisches Zinn entstehende SÀure ziemlich 
leicht löslich ist in conc. SalzsÀure und vollkommen löslich 
in cone, HO,SO?. Aus der letzteren Lösung schlÀgt Wasser 
Zinnoxydhydrat nieder, und nicht, wie in den Lehr- 
bĂŒchern angegeben wird, MetazinnsĂ€ure. Nur wenn man 
die FlĂŒssigkeit gekocht hat, bildet sich MetazinnsĂ€ure. Diese 
geht beim Behandeln mit SchwefelsÀure wahrschemlich in 
schwefels. Zinnoxyd ĂŒber, welche Reaction fĂŒr analy- 
tische Zwecke gut verwendbar ist. Die schwefelsaure Lösung 
kann durch Zusatz von SalzsĂ€ure verdĂŒnnt und in solcher 
Lösung können durch WeinsÀure, H?N und ein MgO- Salz 
PhosphorsÀure und ArsensÀure leicht entdeckt werden, 


Der Cassius’sche Goldpurpur. — Flechten - Spiritus. 245 


ohne dass das Zinn in irgend welcher Form niederfiele. (Be- 
richte d. deutsch.-chem. Gesellsch. z. Berlin, 25. 3.72; Nr. 5, 
S. 223 — 224.). - YaBB} 


Der Cassius’sche &oldpurpur 


ist nach der Ansicht und den Untersuchungen von Cl.-H. 
Allen ein Doppelsalz aus zinnsaurem Zinnoxydul mit 
zinnsaurem Goldoxydul, entsprechend der Formel 
Au?SnO03 + SnSn0? +4H2O. (a. a. 0. 8.224). A4.L. 


Flechten - Spiritus (Moos-Spiritus). 


In Petersburg und namentlich in den nördlichen Gou- 
vernements Russlands gewinnt ein neuer Gewerbszweig eine 
grosse Ausdehnung. Man fabrieirt in Finnland, im Gouver- 
nement Archangel, Pskow, Nowgorod aus Flechten und Moo- 
sen, die dort in massenhafter FĂŒlle wachsen, Branntwein und 
Spiritus. Diese neue Art Spiritus zu gewinnen, tauchte zuerst 
in Schweden auf und wurde von da nach Finnland ĂŒbertra- 
gen. Auf der letzten russischen Industrie- Ausstellung befand 
sich solcher Spiritus aus der Brennerei in Wincilas und der 
Lewin’schen Fabrik in der Stadt Borgo, sowie aus der Fabrik 
von Zadler und FĂŒrst Trabirki in Petersburg. Deutsche, 
englische und französische Fabrikanten waren mit der Qua- 
litÀt sehr zufrieden. Im Norden Russlands bringt dieser 
Industriezweig einen Reingewinn von beinahe 100%, und in 
den innern Gubernien von 40—100°,. Je mehr Flechten- 
spiritus erzeugt wird, desto mehr werden Cerealien den Be- 
wohnern zu Gute kommen. (Neue Börsenzeitung Nr. 48 v. 
26. Febr. 1872.). ©. Schulze. 

Man vergleiche den Artikel Alkohol aus Flechten 
(namentl. aus Cladonia rangiferina) im Archiv d. Pharm. 
1869, 139, 126.). HL. 


I6# 


944 Campherpulv. — PrĂŒf. d, Petrol. — Erkennt. v. Nitrobenz. -— PikrinsĂ€ure, 


Campherpulver 


erhÀlt man am besten nach Loud, indem man die DÀmpfe 
des Camphers sich in einem weiten Raume verdichten lÀsst, 
nach Art der Schwefelblumen. (Americ. Journ. of Pharmacy. 
Fourth Ser. Vol. II. Nr. III. March 1872. P. 112... Wv. 


PrĂŒfung des Petroleum 


auf sehr flĂŒchtige und entzĂŒndliche Antheile geschieht, indem 
man ein damit gefĂŒlltes Glasrohr mit dem offenen Ende unter 
Wasser bringt, das auf 110° Fahrenh. erhitzt ist und durch Zu- 
giessen von heissem Wasser auf dieser Temperatur erhalten 
wird. Die sich bei dieser Temperatur in Gas verwandeln- 
den Antheile sammeln sich im dem oberen Theile der Röhre 
und drĂŒcken das schwere flĂŒchtige Petroleum herab. Aus 
der Menge derselben lÀsst sich die QualitÀt des Petroleum 
beurtheilen. (The Pharmacist and Chem. Record. . Vol. V. 
Nr. I. January 1872.). W». 


Zur Erkennung von Nitrobenzol im Bittermandelöl 


wendet Bourgoin Kalilauge an. Mischt man 2 Theile 
des fraglichen Oeles mit 1 Theile Kalilauge, so fÀrbt sich bei 
Gegenwart von Nitrobenzol das Gemisch grĂŒn. Auf Zusatz 
von Wasser theilt sich die FlĂŒssigkeit in 2 Schichten, die 
untere erscheint gelb, die obere grĂŒn gefĂ€rbt. Ueber 
Nacht verwandelt sich die grĂŒne FĂ€rbung in eine rothe. 
In der WĂ€rme, so wie bei Gegenwart von Weingeist finden 
im Allgemeinen dieselben Erscheinungen statt. (Berichte der 
deutsch. chem. Gesellsch. zu Berlin, vom 8. 4. 72, Nr. 6. 
S. 293.). A, 


PikrinsÀure als Oxydationsproduet des Nataloins. 


FlĂŒckiger giebt in seiner Abhandlung ĂŒber den kry- 
stallinischen Bestandtheil der Natal- Aloe, das. sogenannte 


Ueber Aloinabkömmlinge. — Pentachlororein u. Pentachlorresorcin. 245 


Nataloin an, dass dasselbe durch Behandlung mit Salpeter- 
sĂ€ure ausser ÖOxalsĂ€ure weder Pikrin- noch Chrysamin- 
SĂ€ure gebe. Nach Tilden’s Versuchen wird jedoch Pikrin- 
sÀure jedenfalls gebildet. (The Pharmac. Journ. and Transact. 
Third. Ser. Part. X VIII Nr. LXXV— LXXIX. Decbr. 1871. 
p. 441.). W». 


Ueber Aloinabkömmlinge. 


Durch Behandeln von Aloin mit chlorsaurem Kali und 
SalzsÀure, (einer Methode, welche Stenhouse zum Chlori- 
ren des Orcins mit Erfolg angewendet hatte) erhielt W. A. 
Tilden ein krystallisirbares Trichloraloin 

GIBSCROT EL SHEN: 

Es ist leichter löslich, als das entsprechende Tribrom- 
aloin; krystallisirt in langen, seideglÀnzenden, gelben Na- 
deln und giebt bei Behandlung mit SalpetersÀure und Silber- 
nitrat OxalsÀure und PikrinsÀure, aber keine Chrys- 
aminsÀure, wÀhrend Aloin in solchem Falle neben den erst- 
genannten SÀuren eine reiche Ausbeute an ChrysaminsÀure 
liefert. 


Die Reactionen des Aloins sowohl, als auch seiner 
Brom- und Chlorabkömmlinge besitzen grosse Analogie mit 
denen des Orgins. (Berichte d. deutsch-chem. Gesellsch. zu 
Berlin, vom 26. 2.72; Nr. 3, S. 118.). . DH. LE» 


Pentachlororein und Pentachlorresorein. 


Nach Stenhouse werden 2 Theile Orcin mit 4 Theilen 
chlorsauren Kali gemengt, nachdem vorher das Orgin in 7 Thle. 
SalzsÀure gelöst worden, und das Gemenge in 35 Th. SalzsÀure 
von 1,17 spec. Gewicht eingetragen. Das Pentachlororgin 
— (°TH°C1°’0? krystallisirt aus OS? in grossen, farblosen 
Prismen, die bei 125°C. schmelzen. Beim Behandeln von 
Resorgin mit KC1O¼, und HÜl bildet sich Pentachlor- 
resorcin = Ü6HUI?O2% Es bildet farblose Prismen oder 
TÀfelchen, die bei 92°,5 schmelzen. 


246 AloreinsÀure. 


Auch ein Pentabromorcin — Ü’H?Br?O2 lĂ€sst sich 
darstellen (durch Einwirkung von ĂŒberschĂŒssigem Brom auf 
Orgin). (Berichte d. deutsch. chem. Gesellsch. zu Berlin vom 
BI NIEREN 9.1.08:7229,): Dub. 


AlorcinsÀure. 


Bei Darstellung von Orcin aus einer grösseren Menge 
Aloe nach dem Verfahren von Hlasiwetz fand P. We- 
selsky, dass neben dem Orcin und der Paraoxybenzo6sÀure, 
den Hauptproducten der Einwirkung des schmelzenden Kalı- 
hydrats auf Aloe, noch ein drittes Product, wenn auch in 
viel geringerer Menge als die beiden ersteren entsteht. 
Es befindet sich in der Mutterlauge der Paraoxybenzo&sÀure 
und stellt eine bisher unbekannte SĂ€ure dar, die in naher 
Behiehung zum Orcin steht und wegen ihrer Isomerie mit 
einer Anzahl bekannter SĂ€uren ein gewisses Interesse bietet. 
Weselsky nennt diese gut krystallinische SĂ€ure, die sich 
auch durch charakteristische Reactionen auszeichnete 

AlorginsÀure. sie bildet feine, spröde, der Gallus- 
sÀure Àhnliche Nadeln, ist in kaltem Wasser schwerlöslich, 
leicht in siedendem Wasser, in Alkohol und Aether. 

Bei trockner Destillation entsteht das gleichfalls krystal- 
linische Anhydrid dieser SĂ€ure. Ihre durch die krystalisirten 
Salze des Kalks, Baryts und Kupfers controlirte Formel ist 
C°H1P03. Erhitzt, verbreitet sie einen cumarinÀhnlichen Ge- 
ruch. Ihre wÀssrige Lösung wird von Fe?Cl? nicht gefÀrbt. 
Macht man sie durch irgend eine Basis alkalisch, so fÀrbt 
sie sich nach und nach kirschroth. Unterchlorigsaure Alka- 
lien bewirken eine prÀchtige, purpurrothe, durch einen Ueber- 
schuss des Reagenzes verschwindende FĂ€rbung. 

Sie wird nicht gefÀllt von Bleizuckerlösung; Bleiosse 
giebt einen weissen Niederschlag, der an der Luft roth wird. 

Sie reducirt beim ErwĂ€rmen eine Trommer’sche 
Kupferlösung. Am meisten Aufschluss ĂŒber die Natur dieser 
SĂ€ure giebt ihr Verhalten gegen schmelzendes Aetzkali; sie 
zersetzt sich dabei in Orgin und EssigsÀure nach der 
Gleichung: 
C°H1003 £ H20O = C’H802 + 02H+02, 

Die AlorginsÀure ist isomer mit dem Monoacetylorcin. 
Die. AlorginsÀure steht in nÀchster Beziehung zur Evernin- 
sÀure, 


. 


Ueber die Einwirkung schmelzender Aetzalkalien auf Braunkohlen, 247 
Diese letztere ist (nach Schorlemmer’s Lehrb., 460) — 


OH i : OH 
Ei lo cps WÀhrend die AoreinsÀure | ps 


SR geschrieben werden kann?! . 

er a 

COOH COOH. 
(Wien, Laboratorium d. Prof. Hlasiwetz. — Berichte der 
deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin vom 25. MĂ€rz 
1872, Nr. 5. S. 168—169.). _ Ha: 


Ueber die Einwirkung schmelzender Aetzalkalien auf 
Braunkohlen 


haben L. Scehinnerer und T. Morawski im Laboratorium 
des Prof. Dr. A. Bauer in Wien Versuche angestellt. 


Es ist bekannt, dass durch Einwirkung schmelzenden 
Alkalis auf Cellulose OxalsÀure entstehtte Millon hat 
gezeigt, dass durch schmelzendes Aetzkali oder Aetznatron 
aus Holzkohle Huminsubstanzen gebildet werden. 


Schinnerer und Morawski liessen grössere Quanti- 
tÀten von Traunthaler Kohle (200 ;Grm.) mit Aetznatron 
(600 Grm.) so lange schmelzen, bis die Wasserstolfentwicke- 
lung aufhörte, sÀttigten dann die braune Schmelze mit ver- 
dĂŒnnter SchwefelsĂ€ure, schĂŒttelten die filtrirte FlĂŒssigkeit nach 
dem Erkalten mit Aether aus und destillirten von dem Aether- 
auszug den Aether ab. 

Im Kolben blieb eine braune Masse zurĂŒck, aus welcher 
nur auf grossen Umwegen Krystalle erhalten werden konnten. 
Sie suchten desshalb einen nÀheren Weg und fanden ihn in 
der Destillation der braunen Masse. Dabei erhielten sie ein 
weisses, krystallinisches Sublimat und ein gelbes 
Oel. Das Sublimat ergab sich nun durch sein Verhalten 
gegen Fe?Ül? und Sodalösung als Brenzcatechin. 


Die Elementaranalyse dieses Productes lieferte folgende 
Zahlen, die mit dem fĂŒr Brenzcatechin berechneten sehr nahe 
ĂŒbereinstimmen. 


Theorie. Versuch. 
I. II; 
C = 65,45 Proc, 65,50 65,38 Proc. 
H= 545 „ 5,85 Duhdırım 


248 : Qlassifieation der Àtherischen Oele. 


Die ursprĂŒngl. braune Masse zeigte ebenfalls deutlich die 
Reactionen des Brenzcatechm als einen sicheren Beweis, dass 
es als solches schon in der geschmolzenen Masse vorhanden 
war und sich nicht erst bei der Destillation bildete. 


Um zu erfahren, aus welchem Theile der Kohle die Bil- 
dung des Brenzcatechins vor sich gehe, wurde Braunkohle 
mit Aether vollstÀndig extrahirt und der unlösliche Theil 
auf die oben beschriebene Art mit Aetznatron behandelt; in 
der Schmelze konnte jetzt der Nachweis des Brenzeatechins 
nicht geliefert werden. Die Bildung desselben kommt daher 
dem bituminösen und im Aether löslichen Theile 
zu, was ĂŒbrigens auch durch einen directen Versuch bewie- 
sen wurde. 


Es wurden nun eine Reihe von Kohlen auf dieselbe Art 
behandelt und nur bei Einwirkung der schmelzenden Alkalien 
auf junge Kohlen, welche noch deutliche Holz- 
structur zeigten, wie die Karbitzer Kohle und die 
Traunthaler Kohle, die Bildung von Brenzcatechin 
beobachtet. 

Auf Steinkohlen reagirten die schmelzenden Alkalien 
gar nicht ein und bei Anwendung von Steierdorfer, FĂŒnf- 
kirchner, GrĂŒnbacher, Kirchberger Kohle und Kohle von An- 
nathal wurde zwar eine Einwirkung, aber keine Bildung von 
Brenzkatechin beobachtet. (Berichte d. deutsch. chem. Gesell- 
schaft zu Berlin, v. 25. MĂ€rz 1872, Nr. 5, S. 185 — 186.). 

Hz 


Classifieation der Àtherischen Oele nach Gladstone. 


Die Gesammtresultate seiner Arbeiten ĂŒber die flĂŒchti- 
gen Oele veranlassen Gladstone, dieselben in drei polymere 
Gruppen zu theilen, welche die allgemeinen Formeln: 

1 BLOCH 5705 Hund IH, 027 1 °2r besten 

Die erste Gruppe C!°H!Ÿ umfasst die Mehrzahl der Oele, 
darunter das Terpenthinöl, Pomeranzenöl u. s. w. 

Die zweite Gruppe O:1°H?* enthÀlt Nelkenöl, Kalmus -, 
Cascarill-, Patschuli- und Cubebenöl; die 3. Gruppe 0?°H3? 
wird durch das Colophen vertreten. 

Die 3 Gruppen sind durch ihre physikal. Eigenschaften 
wesentlich von einander unterschieden, wie dies aus der fol- 
senden Zusammenstellung ersichtlich wird. 


VanillsÀure. | 249 


Formel G10 16 G15H 24 C20H>2 . 
Dampfdichte 4,7 TR En 
Speeifisches Gewicht 0,846 — 0,880 0,904—- 0,927 0,939 
Brechungsindex fĂŒr A. 1,457 — 1,467 1,488— 1,497 1,508 
Dispersion etwa 0,027 etwa 0,029 0,031 
Siedepunkt 160—176°C. 249 — 260° 315°C. 

Viele der flĂŒchtigen Oele sind Mischungen eines Koh- 
lenwasserstoffes mit einer sauerstoffhaltigen Ver- 
bindung; diese letztere Klasse von Körpern ist noch wenig 
untersucht. 

Gladstone nennt die von ihm aus dem Oele der Üi- 
tronenblÀtter und des Wermuths ausgeschiedenen Substanzen 
obiger Art Citronenöl und Absinthöl. Beide haben die 
- Zusammensetzung 010H!#O, doch differiren sie sehr bedeu- 
tend in ihren Refractions- Aequivalenten — das fĂŒr Absinthöl 
ist 74,5, genau entsprechend der Formel C!°H1!#0, wÀhrend 
‚die Zahl fĂŒr Citronenöl 79,5 ist; der bedeutende Unterschied 
zwischen den experimentellen und theoretischen Zahlen erin- 
nert an die analoge UnregelmÀssigkeit in der grossen Phe- 
nylgruppe. (Berichte d. deutsch. chem. Gesellsch. zu Berlin 
vom 12. Febr. 1872. Nr. 2. 8.60.). 2.IL 


VanillsÀure. 


Die weisse Substanz, welche die Vanille ĂŒberzieht, be- 
steht nach Carles aus einer neuen SÀure, der VanillsÀure 
CÂźHÂź0Âź, welche aus kochendem Wasser in langen, prisma- 
tischen Krystallen anschiesst. Sie schmilzt bei 80 bis 81 °0,, 
ist sublimirbar und destillirt unter Zersetzung bei 290°. 
Aether, Chloroform und kochendes Wasser lösen sie leicht 
auf; Wasser von 15° löst nur 1,2, derselben. Sie redu- 
cirt die Silber- und Eisenoxydsalze, neutralisirt die Basen 
und zersetzt die kohlens. Salze. 

Alkalisalze lassen sich nicht darstellen, weil bei dem 
Versuche, sie zu gewinnen, die SĂ€ure sich verharzt. Das 
Magnesiasalz = Mg (CŸH 70°), 

Die VanillsÀure bildet mit Jod ein Substitutionsproduct = 
CŸH?JOŸ, welches bei 174°C. schmilzt; mit Brom eine bei 
161°C,. schmelzende gebromte SÀure CŸH? Br OŸ, 


250 RainfarnsĂ€ure. — Eine sĂŒsse Ausschwitzung a. d. ob. FlĂ€che d. BlĂ€tt.ete, 


Schmelzendes Kali verwandelt die VanillsÀure in die 
OxyvanillsÀure CSH°0*, kleine prismatische bei 169° 
schmelzende Krystalle. 

Mit HJ giebt die VanillsÀure bei 100°0C. Jodmethyl 
und ein braunes Harz. (Berichte d. deutsch. chem. Gesellsch. 


zu Berlin, v. 25. MĂ€rz1872, Nro.5. S. 215—216.). B.L. 


RainfarnsÀure (TanacetsÀure) v. Frosini Merletta. 


Man erhĂ€lt diese SĂ€ure, indem man den RĂŒckstand von 
der Destillation des flĂŒchtigen Oels der Rainfarnblumen filtrirt, 
und zur Honigdicke abdampft, mit Kalk und Thierkohle ein- ° 
trocknet und die Masse in Wasser aufnimmt. Nachdem die 
Lösung erst mit SalzsĂ€ure, dann mit EssigsĂ€ure ĂŒbersĂ€ttigt 
worden, krystallisirt die SĂ€ure aus, welche durch wieder- 
holtes Waschen mit kaltem Wasser gereinigt wird. Sie 
schmeckt scharf und bitter, löst sich in Alkohol und Aether, 
nicht aber in Wasser, giebt krystallisirbare Salze und wirkt 
in denselben Dosen wurmtreibend, wie Santonin. (The Pharm. 
Journ. and Transact. Third. Ser. Part. XIX. Nr. LXXX bis 
LXXXID. January 1872. p. 584.) W». 


Eine sĂŒsse Aussehwitzung (Miellee, Honigthau) auf der 
oberen FlÀche der BlÀtter einer grossblÀttrigen 
Linde 
wurde von Boussingault in den Tagen des 21. bis 30. Juli 


und 1. August 1869 gesammelt und einer optischen und che- 
mischen Analyse unterworfen. 


I. Die sĂŒsse Ausschwitzung, am 22. Juli gesammelt, be- 
stand aus: 


45,04 Proc. Rohrzucker 48,86 %,.\nach Abzug 
26.30 .,, Invertzucker 28,59 „ | der miner. u. 
20.19, Dextrin 22,55 „ [ unbestimmt. 
5,43: mineralischen Stoffen 100,00. Stoffe. 
DIS 15 unbestimmten Stoffen, 


100,00, 


Milchzucker als Bestandtheil eines Pflanzensaftes. 251 


I. Die sĂŒsse Substanz, am 1. Aug. 1869 gesammelt, 
enthielt: 
55,44 %, Rohrzucker 
24,75 „ Invertzucker, 
19,81, - Dextrin. 
100,00. 


Berthelot fand in der Manna vom Berge Sinai 
(Tamariskenmanna) 55°, Rohrzucker, 25%, Invert- 
zucker und 20%, Dextrin. 

Die BlĂ€tter des die sĂŒsse Ausschwitzung liefernden Lin- 
denbaums gaben bei der Untersuchung 3,514 Proc. Rohr- 
zucker und 0,852 Proc. Invertzucker. (Die BlÀtter gaben 
0,34 Trockensubstanz.) Die gesunden BlÀtter einer nicht von 
der Ausschwitzung befallenen Linde (am 5. Aug. 1869 ge- 
sammelt) lieferten 1,915 Proc. Rohrzucker und 1,080°/, Invert- 
zucker. 

Frische BlÀtter eines gesunden Lindenbaums, am 30. Sept. 
1871 gesammelt, lieferten 3,514°, Rohrzucker und 0,852, 
Invertzucker. 

Auf 1 Qnadratmeter LindenblÀttern im Jahre 1869 wur- 
den gefunden 26,71 Grm. sĂŒsse Ausschwitzung, darin 13,89 
Grm. Rohrzucker, 7,21 Grm. Invertzucker und 5,61 Grm. 
Dextrin; hingegen in 1 Quadratmeter (= 101,5 Grm, gesun- 
den BlÀttern eines Lindenbaums (im Jahre 1871) nur 
4,43 Grm. sĂŒsse Substanzen, nemlich 3,57 Grm. Rohr- 
zucker u. 0,86 Grm. Invertzucker, aber kein Dextrin. (Anna- 
les d. chim. et d. phys. Janv. 1872; [IV] 25; 5 —21.). 


Man vergleiche meine Angaben ĂŒber den sĂŒssen, klebri- 
gen Ueberzug der LindenblÀtter (im Archiv d. Pharm. Juli 
1861, [II], 117, 10.). 

H. Ludwig. 


Milehzucker als Bestandtheil eines Pflanzensaftes. 


Wenn man nach Bouchardat den aus dem Safte der Zapo- 
dilla (Achras Sapota) erhaltenen Zucker mit siedendem Alkohol 
auszieht, so erhÀlt man beim Erkalten eine krystallinische Sub- 
'stanz, welche nach zweimaligem Umkrystallisiren aus Wasser sich 


252 Ueber den Gehalt der China cuprea an Alkaloiden. 


ganz wie Michzucker verhÀlt. Im der Mutterlauge findet sich 
Rohrzucker. (The Pharmac. Journ. and Transact. Third. Ser. 
Part. XVIO. Nr. LXXV—LXXIX. Dechr. 1871. p. 446.). 


W». 


Ueber den Gehalt der China cuprea 
an Chinaalkaloiden 


hat OÖ. Hesse Mittheilungen gemacht. Die erste Probe von 
Rinde lieferte 1,33 und 1,28 Proc. Ohininsulfat (auf die ĂŒbri- 
gen Alkaloide wurde dabei nicht weiter RĂŒcksicht genommen. 
Zwei spÀtere Proben aus verschiedenen Bezugsquellen erga- 
ben den Gehalt an wasserfreien Alkaloiden, in Procenten” aus- 
gedrĂŒckt, wie folgt: | 


I. IT 
Chinin LU) 1,26 
Conchinin 0,46 0,28 
Cinchonin 0,22 0,24 
Amorphe Basen 0,37 0,34 
Summed. Alkaloide 2,25°/,. 2,12%. 


Chinidin und Paricin haben sich bis jetzt in der China 
cuprea nicht vorgefunden. Hesse versteht unter Chinin 
reines .Chinin, nicht etwa ein gewisses Aether- 
extract, wie es hĂ€ufig in den ÜOhinaanalysen anzutreffen 
ist. WĂŒrde diese Methode fĂŒr China cuprea angewendet 
worden sein, so wĂŒrde der (scheinbare) Chiningehalt dersel- 
ben zu etwa 1,9%, sich ergeben haben, wÀhrend er in Wirk- 
lichkeit nicht ĂŒber 1,26°/, betrĂ€gt. Die amorphen Basen 
sind in der China cuprea wirklich enthalten und nicht etwa 
im Laufe der Bestimmung in Folge eines mangelhaften Ver- 
fahrens erst entstanden. Diese amorphe Portion giebt auf Zu- 
satz von Chlor und Ammoniak dieselbe grĂŒne FĂ€rbung, wie 
Chinin und Conchinin und scheint mit „Chinoidin“ iden- 
tisch zu sein. 

Die China cuprea giebt wegen ihres Gehaltes an China- 
alkaloiden die Grahe’sche (nicht Grahl’sche) Reaction 
(einen carminrothen Theer beim Erhitzen eines StĂŒckchens 


der Rinde in einer horizontalgehaltenen, unten verschlossenen 
Glasröhre). 


Die Trennung und Bestimmung der verschiedenen Chinaalkaloide. 253 


Das blÀulichrothe Pulver der China cuprea giebt beim 
Uebergiessen mit Ammoniak einen purpurrothen Auszug, der 
weisses Filtrirpapier, wenn es mit demselben befeuchtet wird, 
unter dem Einflusse der Luft schön rosa fÀrbt. SalpetersÀure 
und SchwefelsÀure erzeugen in der Lösung einen braunrothen, 
amorphen Niederschlag. Wird dieser beseitigt und das klare, 
gelbe Filtrat mit H?N ĂŒbersĂ€ttigt, so entsteht anfangs nur 
eine violette FĂ€rbung, aber bald tritt Abscheidung von pur- 
purnen, amorphen Flocken ein, welche ein Zersetzungsproduct 
der noch in Lösung befindlichen GerbsÀure sein mögen. Diese 
GerbsÀure, die sich schon im wÀssrigen Auszuge der Rinde 
vorfindet und sich mit Fe?Cl? intensiv grĂŒn fĂ€rbt, scheint 
somit von der GerbsÀure verschieden zu sein, die in den 
echten Chinarinden und in der China nova, der Rinde von 
Buena magnifolia vorkommt. 


Kalkmilch giebt mit der Rinde eine intensiv dunkelgelb- 
roth gefÀrbte Lösung, welche an der Luft allmÀhlig eine 
rothe Kalkverbindung (Chinaroth-Kalk?) absetzt. Die davon 
getrennte klare Lösung liefert mit ĂŒberschĂŒssiger EssigsĂ€ure 
einen amorphen Niederschlag, welcher sich in Nichts von den 
GallertsÀuren zu unterscheiden scheint, wie man diesel- 
ben unter den gleichen VerhÀltnissen aus den Àchten China- 
rinden erhÀlt. 

In der von der GallertsÀure getrennten und mit Ammo- 
niak neutralisirten Lösung giebt Bleiessig eine reichliche 
FĂ€llung von basisch chinasaurem Bleioxyd, aus welcher die 
SĂ€ure mittelst HS abgeschieden und an der Entwickelung 
von Chinon beim Erhitzen mit MnO? und HO,SO3 erkannt 
wurde. (Berichte d. deutsch. chem. Gesellsch. zu Berlin, vom 
13. Nov. 1871; Nr. 15, S. 818 —820.). 

Man vergleiche ĂŒber China cuprea Prof. FlĂŒckiger’s Mit- 
theilung im letzten MĂ€rzheft d. Archivs. HE, 


Die Trennung und Bestimmung der verschiedenen 
Chinaalkaloide nach de Vry. 


Es handelt sich hierbei um Chinin, Cinchonidin, 
Cinchonin, Chinidin und das in Aether lösliche 
amorphe Alkaloid. Die Trennung grĂŒndet sich auf fol- 
gende Thatsachen: 


254 Die Trennung und Bestimmung der verschiedenen Chinaalkaloide. 


1) die grosse Löslichkeit des Chinins und amorphen Alka- 
loids in Aether und die relative Unlöslichkeit der drei an- 
dern Alkaloide in diesem Menstruum; 

2) die grosse Löslichkeit des, Jodsulfats des amor- 
phen Alkaloids und die schwache Löslichkeit des Chinin- 
jodsulfats (Herapathits) in Alkohol; 

3) den grossen Unterschied in der Löslichkeit des wein- 
sauren Cinchonidins, des weinsauren Chinidins, 
und weins. Cinchonins, von denen das erste in 1265 Thle. 
Wasser von 10°, das zweite in 35,6 Thle. von 16° und das 
dritte in 38,8 Thle. von 15° löslich ist und 

4) den grossen Unterschied in der Löslichkeit des jod- 
wasserstoffsauren Chinidins einerseits und des jod- 
wasserstoffsauren Cinchonidins und Cinchonins in Wasser und 
Alkohol anderseits. 

‘1 Thl. Jodwasserstoff- Chinidin erfordert 1250 Thle. Was- 
ser von 15° oder 110 Thle. Alkohol. 

1 Thl. Jodwasserstoff-Cinchonidin erfordert 110 Thle. 
Wasser von 15° oder 3 Thle. Alkohol. 

1 Thl. Jodwasserstoff-Cinchonin erfordert 123 Thle. 
Wasser von 15° oder 3 Thle. Alkohol. 

Das Verfahren ist folgendes: 5 Grm. der gemischten 
Alkaloide werden mit 50 Grm. Aether unter öfterem Um- 
schĂŒtteln bis zum folgenden Tage in BerĂŒhrung gelassen. 
Man erhÀlt dadurch eine Lösung von Chinin und amorpher 
Base in Aether und einen unlöslichen RĂŒckstand von Uin- 
chonidin, Cinchonin und Chinidin, den man abfiltrirt. 

Von der Àtherischen Lösung wird der Aether abdestillirt 
und der RĂŒckstand in Alkohol gelöst mit !/,, SchwefelsĂ€ure. 
Dazu fĂŒgt man Jodtinetur, so lange ein Niederschlag ent- 
steht. Bei wenig Chinin entsteht dieser Niederschlag erst 
nach 24 Stunden. Er wird abfiltrirt, mit Alkohol gewaschen 
und zwischen Fliesspapier im Wasserbade getrocknet. Ein 
Theil entspricht 0,565 Chinin. 

Die von dem Niederschlage abfiltrirte FlĂŒssigkeit wird 
mit einer alkoholischen Lösung von schwefliger SÀure 
&emischt, wodurch sich das jodwasserstoffsaure Salz des 
amorphen Alkaloids wieder in das schwefelsaure Salz ver- 
wandelt. Man neutralisirt mit Natronlauge, entfernt durch 
Erhitzen im Wasserbade den Alkohol und schlÀgt mit Na- 
tronlauge das amorphe Alkaloid nieder. 

Der in Aether unlösliche Theil der Alkaloide wird so 
weit neutralisirt, dass die Lösung schwach alkalisch bleibt, 
dann fĂŒgt man hinreichend weinsaures Natronkali zu, 


Bestimmung des Morphins im Opium. 255 


um die schwefelsauren Salze in weinsaure zu verwandeln und 
setzt bei Seite. Das Cinchonidinsalz scheidet sich kry- 
stallinisch ab in Streifen auf der Glaswand beim RĂŒhren mit 
einem Glasstabe, die andern Salze bleiben gelöst. Ein Theil 
des Niederschlags entspricht 0,804 Cinchonidin. 

Die abfiltrirte FlĂŒssigkeit wird mit Jodkalium ver- 
setzt und heftig gerĂŒhrt. Jodwasserstoffsaures Chi- 
nidin scheidet sich darauf als sandiges Pulver ab, ein Theil 
entsprechend 0,718 Chinidin. Die davon abfiltrirte FlĂŒssigkeit 
wird mit Natronlauge gefÀllt und giebt das Oinchonin. 
(The Pharmac. Journ. and Transact. : Third. Ser. Part. XX. 
Nr. LXXXIV—LXXXVLD. Febr. 1872. ». 642 f.). 


Bestimmung des Morphins im Opium nach Miller. 


Diese Methode beruht auf der Zersetzung der JodsÀure 
durch das Morphin, Lösung des abgeschiedenen Jods in 
Schwefelkohlenstoff und Vergleichung der Farbe dieser Lö- 
sung mit der einer andern, die durch Zersetzung von Jod- 
sÀure mit einer Morphinlösung von bestimmtem Gehalt erhal- 
ten worden. Zur AusfĂŒhrung dieser Methode das Folgende: 

1) Man löst 1 Grn. Morphin in 50 Granmaass verdĂŒnn- 
ter SchwefelsĂ€ure und verdĂŒnnt mit Wasser bis zu 1000 
Maass. 

2) Man erhitzt 100 Gran Jod und 100 Gran chlorsaures 
Kali mit einer Fluiddrachme starker SalpetersÀure in zwei 
Unzen Wasser, bis alles Jod oxydirt ist, neutralisirt nahezu 
mit kohlensaurem Natron und zersetzt mit einem Uebermaass 
an Chlorbaryum. Der Niederschlag wird mit 1 Fluiddrachme 
starker SchwefelsÀure und drei Unzen Wasser eine halbe 
Stunde gekocht, filtrirt und nach dem Erkalten auf sechs Un- 
zen verdĂŒnnt. 

3) Zwanzig Gran des ER RRN trocknen Opium, 
werden mit 1 Gran OxalsÀure und !/, Fluiddrachme Alkohol 
(spec. Gew. 0,838) in einem FlÀschchen eine halbe Stunde 
lang im Wasserbade ausgekocht, dann abfiltrirt und mit 
/, Fluidunze heissem Alkohol gewaschen. Das Filtrat wird 
mit */, Unze Wasser gemischt, im Wasserbade auf 4, Unze 
abgedampft und mit einer Unze kaltem Wasser gemischt. 
Nach 10 Minuten filtrirt man von dem ausgeschiedenen Harze 


356 “ Darstellung von Eebolin und Ergotin. 

ab und wÀscht mit etwas kaltem Wasser nach. Das Filtrat 
wird mit 10 Gran Kalkhydrat 2—3 Minuten gekocht, dann 
filtrirt man den Kalk ab und wÀscht ihn mit heissem Wasser. 
Das Filtrat macht man mit OxalsÀure etwas sauer und dampft 
auf eine halbe Unze ab. Nach dem AbkĂŒhlen fĂŒgt man 12 Gran 
Aetzkali hinzu, lÀsst eine Viertelstunde stehen und filtrirt, 
den Niederschlag mit einer Drachme verdĂŒnnter Kalilauge 
auswaschend.. Das Filtrat wird in zwei gleiche Theile ge- 
theilt, deren man einen in ein 1000 Gran Maass schĂŒttet und 
mit 100 Gran Maass verdĂŒnnter SchwefelsĂ€ure und Wasser 
bis zur Marke versetzt. Schliesslich schĂŒttelt man eine halbe 
Unze der Solution mit dem vierten Theil ihres Volums 
Schwefelkohlenstoff und filtrirt. 

Von*der Probesolution misst man 100 Gran-Maass ab 
und mischt sie in einer Proberöhre mit 100 Gran-Maass - 
Schwefelkohlenstoff und 50 Gran-Maass JodsÀuresolution und 
schĂŒttelt eine halbe Minute lang. Die rothe Jodsolution son- 
dert sich sofort ab. - Mit 100 Gran Maass der obigen Mor- 
phinlösung von bestimmtem Gehalt wird die gleiche Operation 
vorgenommen und darnach die Farbe der beiden Lösungen 
verglichen, indem man die Röhren gegen eine weisse Wolke 
oder gegen ein auf das Fenster gelegtes StĂŒck weisses Pa- 
pier hÀlt. Sind die Farben gleich, so enthÀlt das Opium 
10 Procent Morphin, sind sie ungleich, so fĂŒgt man zu der 
dunkleren Solution so viel Schwefelkohlenstoff, dass sie gleich 
erscheinen. Die Berechnung macht sich dann folgender- 
maassen. 

Wenn v= dem Vol. der Standard-Solution in Gran - 


Maass; v’ —= dem Vol. der Probesolution, 

so ist — en dem Procentgehalt des Opium an Morphin. 
v 

(The Pharmac. Journ. and Transact. Third. Ser. Part X VII. 


Nr. LXXV—-LXXIX. Decbr. 1871. ». 465.). WW». 


Darstellung von Eebolin und Ergotin nach Wenzel. 


Ein Pfund gepulvertes Mutterkorn wird vier Tage lang 
in einer gleichen Menge schwachen Weingeists macerirt, dann 
ausgepresst. Die Maceration wiederholt man mit 6 Unzen 
Weingeist und presst wieder aus. Die vereinten FlĂŒssigkei- 
ten werden durch ein angefeuchtetes Filter filtrirt, um fettes 


Zur Analyse der Frauenmilch. 257 


Oel abzuscheiden, dann auf 16 Unzen mit einer Unze Wein- 
sÀure versetzt und 24 Stunden zur Abscheidung von Wein- 
stein bei Seite gestellt. Nachdem filtrirt worden, setzt man 
1%/, Unze gelöschten Kalk und 3 Unzen Thierkohle zu und trock- 
net im Wasserbade ein. Der RĂŒckstand wird mit kochendem 
absoluten Alkohol ausgezogen, bis man 24 Unzen FlĂŒssigkeit 
erhalten hat, die durch Destillation auf 6 Unzen reducirt 
werden, worauf sich beim AbkĂŒhlen ein Antheil Mykose 
abscheidet. Die davon abfiltrirte FlĂŒssigkeit giebt, mit einem 
gleichen Volum Aether gemischt, einen weissen, flockigen 
Niederschlag von Eebolin, welches, auf einem Filter gesam- 
melt, nach dem Verdunsten des Aethers alsbald zerfliesst und 
braun wird. Es reagirt stark alkalisch nnd fÀllt MolybdÀnphos- 
phorsÀure und Quecksilberchlorid. 

Von der Ă€therischen FlĂŒssigkeit, aus welcher das Ecbo- 
lin niedergeschlagen worden ist, wird der Aether abde- 
stillirt, dann concentrirt man auf 1%, Unzen und mischt mit 
dem doppelten Volum wasserfreien Aether, wodurch sich 
das Ergotin in halbflĂŒssigem Zustande abscheidet. In 
Wasser gelöst, lÀsst es sich durch MolybdÀnphosphorsÀure 
und Tannin, nicht aber durch Quecksilberchlorid fÀllen. 

Dieser Process grĂŒndet sich auf die Löslichkeit der Mut- 
terkornalkaloide in Alkohol und deren Unlöslichkeit 
in Aether. Absoluter Alkohol ist anzuwenden wegen der 
grossen HygroskopieitÀt der Alkaloide und der geringen Lös- 
lichkeit des Zuckers in diesem Lösungsmittel. Die WeinsÀure 
dient zur Abscheidung der im Mutterkorn enthaltenen Kali- 
salze, das Kalkhydrat zur Entfernung von Trimethyl- 
amin und Bindung von PhosphorsÀure, Ergotin- 
sĂ€ure, Farbstoff und ĂŒberschĂŒssiger WeinsĂ€ure, 
so dass die Alkoholsolution schliesslich fast nur die reinen 
Alkaloide enthÀlt. (The Pharmacist and Chem, Record. Vol. V. 
Nr. I. January 1872. p. 8.). | W». 


Zur Analyse der Frauenmilch 


lieferte A. Schukoffsky einen werthvollen Beitrag. Viele 
Methoden sind möglich und auch empfohlen worden, um Milch 
zu analysiren. Allein bei Untersuchung der Frauenmilch 
sind sie meistens ungenĂŒgend. Letztere macht mehr MĂŒhe 
bei ihrer Analyse, als andere Milch. Lange Zeit hielt man 
die Frauenmilch fĂŒr eine im chemischen Sinne der Milch der 


Arch. d, Pharm, CC, Bds, 3, Heft, 27 


258 Zur Analyse der F'rauenmilch. 


Thiere Ă€hnliche FlĂŒssigkeit, welche sich von diesen nur durch 
die relative Menge ihrer Bestandtheile unterscheide. Aber 
die nÀhere Bekanntschaft mit der Frauenmilch bewies, 
dass das Öasein derselben sich chemisch von dem. 
Casein sÀmmtlicher Thiermilcharten unterschei- 
det, wie aus den Untersuchungen Biddert’s zu ersehen 
ist (Untersuch. ĂŒber d. chem, Unterschiede der Menschen- und 
Kuhmilch. Inaugural-Dissertation von Ph. Biddert, Giessen 
1869). Aus denselben ergab sich, dass die Frauenmilch 
nicht, wie die Milch sÀmmtlicher Thiere, durch jedes Reagenz 
gerinnt. Diese Nichtgerinnbarkeit der Frauenmilch vereitelt 
sÀmmtl. Methoden, die 'zur Analyse anderer Milch angewandt 
werden. So z. B. ist es sehr leicht, vermöge der Methode 
von Hoppe-Seyler das Casein der Kuhmilch durch Kohlen- 
sÀure zu bestimmen, sehr schwer hingegen bei der Frauen- 
milch. .Kuhmilch gerinnt sogleich und gestaltet sich, sobald 
man auf bekannte Weise EssigsĂ€ure hinzufĂŒgt und Kohlen- 
sĂ€ure hindurchleitet, zu einer sehr gut filtrirbaren FlĂŒssig- 
keit. Die Frauenmilch hingegen lÀsst keine Gerinnung zu, 
weder durch HinzufĂŒgung von EssigsĂ€ure, noch durch Hindurch- 
leiten von CO?, und obgleich die damit behandelte FlĂŒssig- 
keit sich anfangs filtriren lÀsst, so ist dennoch das. Filtrat 
trĂŒbe, und wenn es auch binnen kurzer Zeit klarer wird, so 
erfolgt dies so zögernd, dass zur völligen Filtration. 1 oder 2 
Tage erforderlich sind. 

In den „mediec. chem. Untersuch.“ von Hoppe- 
Seyler (1867, 2. Heft. $. 272) ist eine andere Methode von 
Tolmatscheff fĂŒr die Casein- Abscheidung aus der Frauen- 
milch vorgeschlagen worden, nemlich die der UebersÀttigung 
der Milch mit Bittersalz. Allein auch durch diese Methode 
gelang es Schukoffsky nicht, einen guten Erfolg zu er- 
zielen; ebenso schlug sie bei Biddert (a. a. O. 8. 29), der 
von ihr Gebrauch machen wollte, fehl. 

Auch fĂŒr die Bestimmung der Milchfette giebt es 
viele, aber gleichfalls nicht zulÀngliche Methoden. Als die beste 
derselben wird die von Haidien angenommen, welche darin 
besteht, dass man in ein bestimmtes Quantum Milch eine 
gewisse Menge von Gyps schĂŒttet, die Mischung trocknen 
lÀsst, zerreibt und dann mit Aether behandelt. Jedoch auch 
diese Mischung giebt ihr Fett nicht vollstÀndig an Aether ab, wie 
schon Biddert nachwies (a. a. 0.8.45). Uebrigens machte be- 
reits Trommer auf die Unbequemlichkeit des Gypses zur 
Analyse der Milch aufmerksam (Trommer, die PrĂŒfung der 
Kuhmilch, Berlin 1859, $S. 4) und empfahl statt dessen den 


Zur Analyse der Frauenmilch. 259 


Gebrauch von Marmor. Allein weder Gyps noch Marmor 
gaben Schukoffsky die Möglichkeit, die mikroskopischen 
FettkĂŒgelchen von ihrer CaseinhĂŒlle zu befreien, um dem Aether, 
der zur Lösung des Fettes dient, Zugang zu verschaffen. 
Desshalb ist zur Bestimmung des Fettes die Methode von 
Hoppe-Seyler vorzuziehen; sie besteht darin, dass man 
zu dem gegebenen Quantum Milch eine Aetzkalilösung 
hinzufĂŒgt, wodurch die Auflösung der CaseinhĂŒllen bezweckt 
wird und alsdann das dadurch blossgelegte Fett in dem 
hinzugefĂŒgten Aether aufgelöst, emporsteigend, die oberste 
Schicht der FlĂŒssigkeit bildet, sodass es sehr leicht entfernt 
werden kann. 

Ein Fehler dieser Methode besteht darin, dass das Aetz- 
kali durch den Milchzucker eine brÀunliche FÀrbung der 
Aether-Fettschicht bewirkt, in welcher nicht allein das Fett, 
sondern auch die durch Aetzkali gebildeten, farbigen Milch- 
zuckerproducte suspendirt sind, was auf das Resultat der 
Analyse von ĂŒblem Einfluss ist; ĂŒberdies bewirkt eine solche 
Aetzkalilösung eine VerÀnderung des Fettes selbst. 

Wenn man die Einwirkung des Aethers auf Frauenmilch 
verfolgt, so bemerkt man, dass beim DurchrĂŒhren beider die 
Milch, falls sie frisch ist, sich nicht mit dem Aether vereinigt. 
Nur bei anhaltendem DurchrĂŒhren und bei Anwendung einer 
nicht frischen (bereits einige Tage alten) Milch erhÀlt man 
eine homogene FlĂŒssigkeit, die halbdurchsichtig, dick und frisch- 
gekochtem StÀrkekleister Àhnlich erscheint. LÀsst man sie 
einige Tage stehen, so bilden sich darin 2 Schichten: eine 
obere, dicke, dem abgekĂŒhlten StĂ€rkekleister Ă€hnliche und 
eine untere, wÀssrige, opalisirend -durchsichtige. Bei lÀngerem 
Stehen wird die obere Schicht immer geringer und dicker 
und die untere immer bedeuterider und durchsichtiger. Giesst 
man zu der Mischung eine hinreichende Menge starken Wein- 
geists (solchen von 90 bis 97 Vol. °/,), so gerinnt sie schnell 
und es entstehen in ihr weisse Flocken von geronnenem 
Casein, die sich am Boden des GefÀsses absetzen, und das 
Fett schwimmt tropfenförmig, fettaugenartig, oben auf, oder 
ist bei fettarmer Milch ganz verschwunden. . 

In Folge dieses Verhaltens des Aether-Alkohols 
zur Frauenmilch machte Schukoffisky von letzteren zur Bestim- 
mung des Fettgehaltes in dieser Milch Gebrauch. Er setzte 
zu 20 bis 25 CC. Milch 20 bis 25 CC. = 18 bis 20 Grm. 
Aether, durchrĂŒhrte beide und vermengte mit 30 bis 35 CC. 
starkem Weingeist. Oder er bediente sich einer schon fertigen 
Mischung aus Aether und Alkohol und goss darein eine be- 


17* 


260 Zur Analyse der Frauenmilch. 


stimmte Milchmenge. Als nun das Casein zur Gerinnung 
gelangte, liess er dieses Gemisch 10 bis 24 Stunden lang 
stehen. Alsdann hatte sich auf dem Boden und an den 
WÀnden des GefÀsses Milehzucker in Form durchsichtiger, 
glÀnzender, gut geformter, kleiner Krystalle abgeschieden. 
Beim Filtriren blieben die Oaseinflocken und die Zucker- 
krystalle auf dem Filter. Dieses wurde sorgfÀltig mit Aether- 
alkohol gewaschen, worauf das Oasein im getrockneten Zu- 
stande pulverförmig, mehlÀhnlich erschien. Nun wurde 
vom Filtrate auf dem Wasserbade der Aether abdestillirt, 
der RĂŒckstand in eine Glasschale gegeben, auf ein Wasser- 
bad gestellt, um den Weingeist zu verdampfen, wobei Sieden 
und Aufbrausen vorsichtig vermieden werden mĂŒssen, um 
Verluste zu vermeiden. 

Die vom Weingeist befreite FlĂŒssigkeit zeigt einen speci- 
fischen, nicht widrigen Geruch. 

Gleich darauf wurde die abgekĂŒhlte FlĂŒssigkeit, wieder- 
um mit Aether vermengt, in einen mit Hahn versehenen Glas- 
trichter gebracht, wo sich das Fett, mit dem Aether verbun- 
den, von der FlĂŒssigkeit trennte und in ein vorher dazu 
tarirtes BecherglÀschen gebracht werden konnte. Hier erfolgte 
nun die völlige Verdunstung des Aethers, worauf das im 
BecherglÀschen hinterbliebene reine Fett in einem Luftbade 
bei 100° C. getrocknet wurde. So konnte schliesslich die in 
der behandelten Milch eingeschlossene Fettmenge genau be- 
stimmt werden (Berichte d. deutsch. chem. Gesellsch. zu Berlin 
vom 26. Febr. 1872, Nro.3, 8.75 —77.). 


261 
If. Botanik und Pharmacognosie. 


Ueber die Stammpflanze der Flores Cinae levantiei 


sind von Prof. Dr. Willkomm in Dorpat in der Botanischen 
Zeitung genaue Untersuchungen veröffentlich worden, aus 
denen ich das Folgende hervorhebe. 

Berg und FlĂŒckiger (Letzterer in seinem Lehrb. der 
Pharmakognosie d. Pflanzenreichs 1867, 8. 545) gestehen, dass 
die Pflanze, welche den levantinischen Wurmsamen liefert, 
noch unbekannt sei. Berg brachte fĂŒr diese noch zu ent- 
deckende Pflanze den Namen Artemisia Cina in Vorschlag, 
einen Namen, den Pallas schon einer Steppenpflanze gab, ohne 
eine Beschreibung hinzuzufĂŒgen. 

Es erregte nicht geringes Aufsehen unter den Botani- 
kern, Aerzten und Pharmaceuten Dorpat’s, als Prof. Alexan- 
der Petzholdt (Prof. an d. Dorpater UniversitÀt), welcher 
den vergangenen FrĂŒhling und Sommer auf Reisen in Tur- 
kestan zugebracht hatte, im Novbr. unter einer grossen An- 
zahl dort gesammelter Pflanzen, welche von ihm dem Dorpater 
botan. Garten geschenkt und Prof. Willkomm zur wissen- 
schaftlichen Bearbeitung ĂŒbergeben wurden, auch die wirkliche 
Stammpflanze der Flores Cinae levantici in einer betrÀchtl. 
Menge gut gesammelter Exemplare nach Dorpat mitbrachte. 

Die Vergleichung der Calathien dieser Artemisia mit den 
jetzt ĂŒber Nishnei-Nowgorod nach Europa gelangenden levan- 
tinischen Wurmsamen liess nicht den geringsten Zweifel ĂŒber 
die IdentitÀt beider, wovon sich auch der Prof. d. Pharmacie 
u. Pharmakognosie, Dr. Dragendorff, der die Pflanze zuerst 
zu sehen bekam, sofort ĂŒberzeugt hatte, wozu noch kommt, dass 
dieselbe nicht von Petzholdt selbst gefunden, sondern von 
Sammlern des „Wurmsamens,“ auf seinen Wunsch mit 
der Wurzel ausgerissen, ihm ĂŒberbracht worden ist. Diese 
Exemplare sind in der Gegend der Stadt Turkestan gesam- 
melt, wohin grosse Massen von Wurmsamen gebracht und 
von dort, in SĂ€cke verpackt, nach Nishnei- Nowgorod zur 
grodsen Messe verschickt werden. 

Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass dieselbe Pflanze 
auch anderwÀrts in Turkestan, namentlich in dessen östlichem, 
ehemals zum chinesischen Reiche gehörenden Theile wÀchst. 
Deutet doch schon der uralte Name Semen Cinae, der 
auch Semen Sinae geschrieben wird, auf chines. Ursprung. 


262 Ueber die Stammpflanze der Flores Cinae levantici. 


Die Stammpflanze der Flores Cinae levantici ist 
eine halbstrauchige Artemisia aus der Section Seriphi- 
dium und unstreitig verschiedenen Arten ders. nahe verwandt, 
jedoch von allen Arten verschieden und desshalb als eine beson- 
dere Art zu betrachten. Die Arten der Section Seriphi- 
dium sind dadurch ausgezeichnet, dass ihre BlĂŒthenkörbehen 
ein nacktes Receptaculum und nur eingestaltige und zwar 
ZwitterblĂŒthen besitzen. Ihr Receptaculum bildet keine con- 
vexe Scheibe, sondern eine stielartige Axe, an welcher in 
spiraliger Stellung die HĂŒllschuppen befestigt sind; die meist 
nur wenigen BlĂŒthen sitzen in den Achseln der obersten 
HĂŒllschuppen, zwischen denen das Receptaculum mit nacktem 
Scheitel endet. 

So ist es bei allen von Willkomm untersuchten Arten: 
Artemisia Cina Berg, A. pauciflora Stechm., A. Ler- 
cheana Stechm., A. monogyna Kit., A. Sieberi Bess,, 
A. maritima L., A. gallica Lam., A. Herba alba Ass. 
u. A: Barrelieri Bess. Alle diese Arten stimmen ferner 
darin ĂŒberein, dass sie HalbstrĂ€ucher sind, welche eine Menge 
BlĂ€tterbĂŒschel und BlĂŒthenstengel entwickeln; dass sowohl die 
BlĂ€tter der BĂŒschel als die unteren StengelblĂ€tter doppelt 
und dreifach fiederschnittig sind; dass die kleinen, lÀnglichen 
oder verkehrt eiförmig-kugeligen BlĂŒthenkörbcehen in rispig 
angeordnete Aehren gestellt sind, an deren Spindel sie’ sitzen 
und zwar gewöhnlich (bald einzeln, bald zu mehren) in der 
Achsel eines linearen, selten dreitheiligen DeckblÀttchens; dass 
die Schuppen des HĂŒllkelchs und die Corollen mit leicht ablös- 
baren blasigen Papillen mehr oder weniger besetzt sind, die 
einen harzigen, stark aromatischen Stoff, den TrÀger des 
wurmwidrigen Santonins, enthalten, und dass die Narben 
des Griffels sich erst sehr spĂ€t (um die Zeit des AufblĂŒhens) 
differenziren, indem sie bis dahin einen keulen- oder kronen- 
förmigen Körper auf der Spitze des dicken, kurzen Griffels 
bilden, welcher am Scheitel mit langen, fÀdigen Papillen be- 
setzt ist, Wie bei allen Artemisien lÀuft das Connectiv der 
Antheren in einen 3eckigen Fortsatz aus und sind die FĂ€cher 
des Staubbeutels sowohl nach aussen als nach innen, wo sie 
entspringen, mit einer so zarten Wandung versehen, dass 
(wenigstens bei der getrockneten Pflanze) die Pollenkörner 
durch die zarte Haut deutlich durchschimmern. Bei allen 
den genannten Arten sind die Harzpapillen in um so grösse- 
rer Menge vorhanden, je jĂŒnger das Oalathium ist.. Dies 
erklÀrt, dass junge Calathien der Cina wirksamer sind, als 
Ă€ltere, und wesshalb die Flores Cinae in so jugendlichem 


’ 


Ueber die Stammpflanze der Flores Cinae levantici. 263 


Zustande gesammelt werden. Da nun bei keiner der genann- 
ten Arten jene Harzpapillen in so grosser Menge an und in 
den jugendlichen Calathien vorhanden sind, als bei der Stamm- 
pflanze der Flores Cinae levantici, so ist es erklÀrlich, warum 
geradesdiese allen ĂŒbrigen Sorten von Flores Cinae als wurm- 
widriges Mittel den Rang abgelaufen haben, wesshalb nur sie 
neuerdings und schon seit einer Reihe von Jahren von den Aerzten 
verwendet und zur Herstellung des Santonius benutzt werden. 

Die turkestanische Pflanze unterscheidet sich nun 
von allen oben genannten Arten, unter denen ihr die durch 
einen grossen Theil des westlichen und inneren Mittelasiens 
verbreiteten Artem. Lercheana, A. pauciflora und mo- 
nogyna am nÀchsten stehen, durch die gÀnzliche Kahl- 
heit sowohl der mittleren und oberen StengelblÀtter, wie 
ĂŒberhaupt aller alten BlĂ€tter, als auch der Rispen- Aehrchen 
und HĂŒllkelche, deren Schuppen bei allen ĂŒbrigen Arten am 
RĂŒcken mehr oder weniger mit wolligen Haaren besetzt, bei 
manchen, z.B. bei A. Sieberi und ramosa, dickfilzig sind. 

Die von Petzholdt mitgebrachten Exemplare haben 
Ă€usserst junge BlĂŒthenkörbchen. Nur durch mikroskop. Un- 
tersuchung war es möglich, die noch ganz unentwickelten 
BlĂŒthen aufzufinden, welche in diesem jugendlichen Zustande 
ĂŒber und ĂŒber mit jenen Harzpapillen bedeckt, 
damit förmlich incrustirt sind, wÀhrend gegen die 
Zeit des AufblĂŒhens diese mittlerweile viel grösser geworde- 
nen Papillen zwar immer noch viel reichlicher, als bei allen 
ĂŒbrigen genannten Arten auf gleichem Entwickelungsstadium 
vorhanden, aber dennoch bereits zum grössten Theile ver- 
schwunden sind. Verschiedene Proben der Flores Cinae levan- 
tiei, welche Willkomm zu Gebote standen, zeigten theils eben 
so junge, theils Àltere Calathien in verschiedenen Entwicke- 
lungsstadien, wodurch es eben möglich wurde, die IdentitÀt 
der in den Handel kommenden Drogue mit den Calathien der 
turkestanischen Pflanze festzustellen. Selbst die Àltesten Cala- 
thien der Drogue sind aber immer noch im geschlossenen Zu- 
stande und daher die Narben ihrer BlĂŒthen noch nicht getrennt. 
Die FrĂŒchte sind selbstverstĂ€ndlich noch ganz unbekannt. 

Die Stammpflanze der Flores Cinae levantieci 
ist ein aufrechter Halbstrauch mit dicken, gewundenen, fase- 
rig rindigen Stock, aus welchem sich zahlreiche 3 bis 5 Decim. 
hohe Stengel oder Aeste erheben, die ungefÀhr bis zur HÀlfte 
ihrer LĂ€nge vollkommen holzig, nach unten von der Dicke 
eines Rabenfederkiels und glÀnzend scherbengelb berindet, 
zugleich völlig kahl und glatt sind. 


264 Ueber die Stammpflanze der Flores Cinae levantici. 


Etwa von der Mitte an entsenden diese Stengel zahl- 
‚reiche, dĂŒnne, fadenförmige Zweige, welche einen sehr spitzen 
Winkel mit der Hauptaxe bilden und entweder von ihrer 
Mitte oder schon von ihrer Basis an zahlreiche Calathien in 
einfacher oder zusammengesetzter, immer aber sehr lockerer 
Aehre tragen. Diese je weiter nach oben, desto dichterstehenden 
Zweige bilden zusammen eine besenförmige Rispe, so dass jeder 
einzelne Stengel gleichsam einen kleinen Besen darstellt. 

Die untersten BlÀtter sind nach Entwickelung der Cala- 
thien bereits verschwunden. Die unteren StengelblÀt- 
ter, welche mit Einschluss des langen, dĂŒnnen Stiels 4 bis 
6 Cm. LÀnge besitzen, zeigen im Umriss lÀngliche Lamina, 
welche doppelt fiederschnittig und in lineale, ziemlich lange 
stumpfspitzige Zipfel von 1/;, — !/); Mm. Breite zerschnitten sind. 

Diese BlĂ€tter sind von graugrĂŒner Farbe, unter der Lupe 
betrachtet, mit einzelnen SpinnewebhÀrchen besetzt, sonst völ- 
lig kahl; sie scheinen im frischen Zustande gleich allen ĂŒbri- 
gen BlÀttern von dicklicher Beschaffenheit zu sein. Die Zipfel 
aller BlÀtter haben nemlich verdickte, umgerollte RÀnder und 
auf der unteren Seite einen dicken Mittelnerv, auf der oberen 
Seite eine LĂ€ngsfurchung. 

Der Blattstiel erweitert sich am Grunde plötzlich in eine 
ziemlich breite, scherbengelbe Scheide, welche einen Theil des 
Stengels umgiebt. Alle StengelblÀtter stehen einander ziem- 
lich nahe, wesshalb bei der jungen Pflanze die Stengel dicht 
mit BlĂ€ttern bedeckt sein mĂŒssen. 

Aus den Achseln der StengelblÀtter entspringen dicht- 
beblÀtterte Kurztriebe, deren ganz Àhnlich geformte BlÀtter, je 
jĂŒnger sie sind, desto mehr mit einem grauweissen, dichten 
Filz bedeckt sind. Die mittleren, entsprechend kĂŒrzer ge- 
stielten und allmÀhlig in einfach fiederschnittige Formen 
ĂŒbergehenden StengelblĂ€tter entwickeln in ihren Achseln 
ebenfalls BlĂ€tterbĂŒschel, welche aber, wie auch diese Stengel- 
blÀtter vollkommen kahl sind. 

Die blĂŒthentragenden Zweige sind am Grunde mit drei- 
theiligen, kurzgestielten BlÀttern, sonst nur mit ganz einfa- 
chen, linealen, sitzenden FloralblÀttern besetzt, welche 
sehr stumpf und kĂŒrzer sind, als die in ihren Achseln sitzen- 
den, aufrechten BlĂŒthenkörbchen. Letztere besitzen gegen 
die BlĂŒthezeit hn 3 MM. LĂ€nge, eine lĂ€ngliche Form und 
bestehen aus etwa 12 locker zusammenschliessenden, sehr 
stumpfen, concaven HĂŒllschuppen mit breitem, durchsichtig 
scariösen Rande und grĂŒnem Mittelstreif, welcher auf beiden 
FlÀchen mit zahlreichen, dichtstehenden Harzpapillen besetzt 


Ueber die Stammpflanze der Flores Cinae levantici. 265 


ist, besonders bei den oberen Schuppen, in deren Achseln die 
3 bis 6 BlĂŒthen meist paarweise stehen. Die untersten Schup- 
pen sind eiförmig-elliptisch, die obersten, dreimal lÀngeren 
linear-lÀnglich und am oberen Rande mit einigen Cilien be- 
setzt, sonst, wie alle Schuppen, gÀnzlich kahl und glÀn- 
zend glatt. Ihr scariöser Rand zeigt unter dem Mikroskop 
eine Àusserst zierliche Bildung. 

Die BlĂŒthen haben gegen die Zeit des AufblĂŒhens eine 
LÀnge von 1 bis 1,4 MM. Ihr verkehrt eiförmiger, etwas 
zusammengedrĂŒckter Fruchtknoten ist kaum !/, so lang, wie 
die verkehrtkegelförmige Blumenkrone, deren stumpf drei- 
eckige Zipfel, wie auch die Basis der Röhre, mit zahlreichen 
Harzpapillen bestreut sind, die jedoch eine geringere Grösse 
besitzen als diejenigen der HĂŒllschuppen. Von einem Kelch- 
rande ist, wie auch bei den ĂŒbrigen Seriphidien, keine Spur 
zu bemerken. Die Zipfel der Blumenkrone entsprechen in 
ihrer LĂ€nge bloss 4, der ÜorollenlĂ€nge. Die Staubge- 
fĂ€sse sind kurz gestielt und ĂŒberragen um ein BetrĂ€chtliches 
den keulenförmigen Narbenkörper; der kurze, walzige Griffel 
aber ist mit einer HĂŒlle von Ă€usserst zartwandigen, blasigen, 
durchsichtigen Zellen umgeben, welche spÀter jedenfalls ver- 
schwindet. 

Die der turkestanischen Pflanze am nÀchsten stehenden 
Artemisien, von denen A. Lercheana ihr habituell am 
Ă€hnlichsten sieht, unterscheiden sich von ihr durch folgende 
Merkmale: Art. Lercheana Stechm. hat lÀngere und 
schmĂ€lere Calathien mit dicht angedrĂŒckten, weniger concaven 
Schuppen, ein lÀngliches Ovarium von !/, der CorollenlÀnge 
und breitere und lÀngere Blumenkronenzipfel, deren LÀnge 
den 3. Theil der GesammtlÀnge der hier mehr trichterförmigen 
Corolle entspricht. Die ganze Pflanze ist mit einem weiss- 
lichen Filz bekleidet, mit Ausnahme der zuletzt kahlen Cala- 
thien. Lerche fand sie zuerst bei Astrachan am Wolgaufer 
und Gmelin beschrieb sie ziemlich gut. 

Art. pauciflora Stechm. unterscheidet sich durch den 
alle Theile bedeckenden, weissgrauen Filz, durch die lÀnglich - 
linealen, sehr stumpfen und kurzen Zipfel der unteren BlÀtter, 
durch die abstehenden, einen pyramidalen Corymbus bildenden 
Zweige, durch die dichtweichhaarigen HĂŒllschuppen der Cala- 
thien und durch die trichterföormige Corolle, die lÀngeren 
Filamente und den keulenförmig verdickten Griffel. 

Art. monog'yna Kit. hat ebenfalls weissgraufilzige BlÀt- 
ter, Stengel, Aeste und FloralblĂ€tter und weichhaarige HĂŒll- 
schuppen und ist ausserdem durch lÀngere lineal -lancettför- 


266 Ueber die Stammpflanze der Flores Cinae levantici. 


mige, stachel-spitzige Blattzipfel, betrÀchtl. lÀngere Filamente 
und ConnectivanhÀnge und einen ebenfalls keulenförmigen 
Griffel von der Stammpflanze der Cina unterschieden. 

Art. Vahliana Kost. (A. Contra Vahl), welche so lange 
fĂŒr die Stammpflanze des Ă€chten Wurmsamens gehalten 
wurde, unterscheidet sich von dieser durch lÀngere, eiförmige, 
gebĂŒschelte Calathien mit spinnewebhaarigen, nur zuletzt 
kahlen HĂŒllschuppen, durch die filzigen Stengel und kleine 
handförmig - fiederschnittige BlÀtter. 

Art. Lessingiana Bess. hat einfach fiederschnittige 
BlÀtter, fiedertheilige FloralblÀtter (mit Ausnahme der ober- 
sten), eine „panicula supradecomposita patula“ und zottige 
HĂŒllschuppen. Auch sind die meisten FloralblĂ€tter lĂ€nger, 
als das Köpfchen. 

Art. Barrelieri (in SĂŒdspanien) steht bezĂŒglich des 
Baues der Calathien und der BlÀtter der Stammpflanze der 
Cina am nÀchsten, so dass es sehr schwer, wenn nicht un- 
möglich sein dĂŒrfte, von beiden Arten gesammelte Köpfchen 
von gleichem Entwickelungsstadium zu unterscheiden. Allein 
die spanische Pflanze ist durch die Form der BlÀtter, die 
ausgebreitet Àstige, breitpyramidale Inflorescenz und dadurch, 
dass jedes einzelne BlĂŒthenkörbchen am Grunde von einer 
Anzahl kleiner, linealer Bracteolen umgeben ist, wie durch 
den ganzen Habitus von unserer Pflanze himmelweit verschieden. 

Willkomm schlÀgt vor, die Stammpflanze der Cina unter 
dem Namen Artemisia-Cina Berg als eigene Art zu be- 
trachten und fĂŒgt zum Schluss noch folgende lateinische Dia- 
gnose ders. bei: Artemisia Cina Berg (et Willkomm)). 
Suffruticosa, caudice crasso tortuoso, caulibus multis basi li- 
gnosis 3—5 Dm. longis basi foliosis, inde a medio ramulos 
permultos floriferos erecto-patulos paniculam scopaeformem 
formantes edentibus; foliis basilaribus inferioribusque longe 
petiolatis bipinnatisectis arachnoideo-villosulis, mediis pin- 
natisectis floralibusque integris glaberrimis, segmentis omnium 
linearibus obtusis cartilagineo- mucronulatis, crassiusculis, mar- 
gine revolutis et nervo medio erasso instructis; foliis basi- 
laribus inferioribusque turiones -foliosos incano-tomentosos, 
superioribus foliorum fasciculos glabros ex axilla edentibus; 
calathiis numerosis secus ramulos laxe spicato-glomeratis 
v. simplieiter spieatis, sessilibus erectis, versus anthesin 3 MM. 
l., oblongis, squamis glaberrimis, eirc. 12 oblongo-line- 
aribus obtusissimis valde concavis laxe imbricatis, late sca- 
rioso-marginatis, dorso vitta viridi in utraque pagina densis- 
sime glanduloso papillosa notatis; floribus 3—6 ın squama- 


Droguenbericht. 267 


-rum summarım axilla sessilibıs, per paria dispositis, ovario 
obovato vix quartam corollae obconicae partem longitudine 
aequante, dentibus corollae obtusis triangularibus tubo qua- 
druplo brevioribus extus papillis resinosis crebris obsitis. 
(Botanische Zeitung, 1. MĂŒrz 1872, Nro. 9, S. 129 — 138.). 
HD: 


III. Droguenbericht. 


Notizen ĂŒber Chinacultur, China- Alkaloide, Atropin, Belladonnin, 
Hyoseyamin, fossiles Kautschuk, Gutta Balata, Secammonium und 
Zineum sulfocarbolicum. 


(Aus Gehe’s Droguenbericht vom Monat April 1872.) 
BD: 


Ueber das Gedeihen und die Fortschritte der neuen Culturen 
der ChinabĂ€ume in Britisch- und HollĂ€ndisch - Indien liegen gĂŒn- 
stige Berichte vor. Auch die Britisch - Indische Regierung hat neuerlich 
durch einen dazu angestellten Chemiker, Mr. Broughton, vergleichende 
Untersuchungen ĂŒber Alealoidgehalt der in den Arten verschiedenen dortigen 
China-Cultur anstellen lassen, und dabei hat sich herausgestellt, dass die 
unter dem SĂŒdamerikanischen Himmel das meiste Chinin produeirende 
Cinchona suceirubra, deren Rinden desshalb die höchsten Preise, bis 
zu 3 Thlr. pro Pfd. erzielten, sich in Indien zwar auch noch quantitativ 
reich an Alcaloiden zeigte, dass aber unter ihrem Gehalte an China- 
salzen nicht mehr das werthvollste, das Chinin, vorherrschend 
blieb, so dass sie minder reich an Chinin und dafĂŒr stĂ€rker 
einehonidinhaltig, also qualitativ geringer wurden, ja dass sich 
suecessive sogar ihr Cinehonidingehalt im Verlaufe der Zeit im Pro- 
ducte der spÀteren Jahre auf Unkosten des Chinins vermehrte, so dass 
z. B. bei dem Producte der Indischen Culturen schon 1868 2,21°,, 1871 
nur 1,15°/, durchschnittlicher Chiningehalt constatirt wurde, wÀhrend 
deren Cinchonidingehalt noch ĂŒber VerhĂ€ltniss zugenommen hatte. 
Man wird sich desshalb nunmehr der Cultur der VarietÀten der Cinchona 
offieinalis zuwenden, wie dies auch die HollÀndische Regierung auf 
Java gethan hat, um dem zunehmenden Mangel an schöner Loxa und 
Calisaya AbhĂŒlfe zu schaffen. Ebenso hat man in dem herrlichen Thale 
von Ootacamund, der grossen Versuchsstation des Indischen Gouverne- 
ments, die Pitayo-BĂ€ume in grossem Massstabe eultivirt; diese geben 
bekanntlich das hauptsÀchliche Material an Fabrik-Rinden ab und 
enthalten neben Chinin das nicht viel minder werthe Chinidin. 
Ausserdem empfiehlt Mr. J. Eliot Howard in dem von ihm er- 
statteten Berichte an die Regierung vom 16. Januar a. c. auch die Oultur 
der besonders Cinchonin liefernden Species von Cinchona nitida, 
C. mierantha und ©. Peruviana, weil der Verbrauch dieses Alcaloids, 
nemlich des Cinchonin’s, im Zunehmen begriffen ist. Was die Be- 
fĂŒrchtung der Ueberproduetion und UeberfĂŒhrung der MĂ€rkte anlangt, so 
sagt schon der Bericht der Regierung, dass die Culturdistriete celimatisch 
sehr begrenzt sind, und Mr. Howard fĂŒgt dem hinzu, dass besonders 
wirklich gute Rinden bei dem hohen therapeutischen Werthe des Mittels 
stets nur auf den Preis der darauf verwendeten Arbeit kommen wĂŒrden. 
Ueberdies sei Indien gegen SĂŒdamerika im Vortheile durch bessere 


268 Droguenbericht. 


und billigere Transportwege von den Productionsstellen zu den resp. 
HafenplÀtzen. Ueber die Erfolge der oben auch erwÀhnten China-Cul- 
tur auf Java gestattet der Umstand gĂŒnstige SchlĂŒsse, dass aus dieser 
Cultur ein grösserer Anfang von Ablieferungen bereits gemacht ist, inso- 
fern in Amsterdam zum 14. MÀrz d. J. von der NiederlÀndischen Handels- 
Maatchappy eine Auction von 104 Oolli Java-Chinarinde anberaumt 
war, welche aus 38 Kisten und 17 Packen Cinchona Pahudiana, 
10 Kisten C. Hasskarliana, 27 Kisten und 6 Packen C. Calisaya, 
2 Kisten und 2 Packen C. offieinalis und 2 Packen C. succirubra be- 
standen und von fĂŒnf verschiedenen Schiffen zugefĂŒhrt waren. Ueber den 
Ablauf dieser Auetion ist zu berichten, dass Pahudiana und Calisaya 
afl. 1.60. pr. /, Ko. und die Hasskarliana Afl. 1. 93. pr. 1), Ko. erste 
Kosten abgegangen sind. Der Einladung, selbst nach Amsterdam zu kommen 
und persönlich die Waare vor der Auction zu inspieiren, vermochten wir nicht 
nachzukommen, haben uns aber doch bei den AnkÀufen betheiligt, so dass 
wir auch diese Rinden anzubieten vermögen. Hierbei ist die EinfĂŒhrung 
der botanischen Bezeichnungen bei den Handelssorten als im Allgemeinen 
nachahmungswerth zu begrĂŒssen. 


Chinidinum sulfurieum. Die Sorte A unserer Liste ist das schwefel- 
saure Salz des Chinidin (Pasteur), d.i. mit Chlorwasser und Ammo- 
niak Thalleiochin gebend, und von einem specifischen Drehungsvermögen 
von circa -——- 250° rechts, wĂ€hrend die Sorte B wiederum das Sulfat 
vom Cinchonidin (Pasteur) ist, das sich bekanntlich mit Chlor- 
wasser und Ammoniak nicht grĂŒn fĂ€rbt und die Ebene des polarisirten 
Lichtstrahles — 152° nach links ablenkt. Die bereits frĂŒher von uns 
hervorgehobene Thatsache, dass aus vom Britisch - Indischen Gouvernement 
angestellten therapeutischen Versuchen mit den China-Alkaloiden in 
Fieberdistrieten Indiens sich das Resultat herausgestellt habe, dass diese 
sÀmmtlichen China-Alkaloide fiebervertreibend, nur verschieden krÀftig 
wirken, wird jetzt in dem, bereits oben bei Cortices chinae erwÀhnten 
Berichte des Chemikers Mr. Broughton dahin, prÀcisirt, dass, wÀhrend 
von Chinin 3 Theile, von Chinidin 5 Theile, von Cinchonidin und von 
Cinchonin 7 Theile zu gleicher Wirkung nöthig sind. 


Atropinum. Grosse Kostspieligkeit und ungewöhnliche Unausgiebig- 
keit der als Material dienenden Belladonnapflanze, sowie stark ver- 
mehrte Anwendung in der Mediein, haben dieses wichtige Heilmittel 
wesentlich im Preise gesteigert. In England etablirte sich schon seit 
lÀngerer Zeit ein Preis von 100 sh. pro oz. = 600 Thlr. pro '!/, Ko., 
wogegen unsere Engros-Notirung noch nicht drei Viertheile hiervon 
austrug. Zu den gestiegenen Preisen rÀumte sich unsere Winterproduction 
stets in dem Maasse auf, wie sie fertig wurde. Beide von uns dargestellten 
eouranten QualitÀten, Atropinum purum und Atropinum sulfuri- 
eum, zeichnen sich durch Reinheit, weisse Farbe und grosse Volumino- 
sitÀt aus. Auch von Belladonninum, dem uncrystallinischen Alkaloid 
der Tollkirschwurzel, haben wir das schwefelsaure Salz in Form eines 
schwerflĂŒssigen, braunen Körpers dargesellt, und können auf Grund der 
Beobachtungen unseres betreffenden Chemikers hinzufĂŒgen, dass die Wir- 
kung desselben im Auge genau von derselben Empfindung begleitet ist, 
welche unter gleichen UmstÀnden Atropinum sulfuricum erzeugt, 
wogegen von einem Schmerz, wie gewisse AtropinprÀparate solche nach 
frĂŒheren Angaben veranlasst haben sollen, hierbei nicht die Rede sein 
könne. Bei dem Mangel an Atropin dĂŒrfte daher das Belladonnin, 
wovon eirca der zehnte Theil vom Atropin erhalten wird, Beachtung 
verdienen, um so mehr, als die Wurzelgrabung alljÀhrlich schwieriger, 
die von uns veranlasste Sammlung der Beeren und Samen aber nicht wohl 


Droguenbericht. 269 


fortzusetzen sein wird, weil der die HĂ€nde der Sammler berĂŒhrende Saft 
ĂŒberreifer Beeren Vergiftungserseheinungen hervorrief. Vielleicht gelingt 
es auch, dafĂŒr Atropinmaterial durch in Indien gewachsene Wurzeln zu 
erlangen, wozu wir den Samen einem Östindischen Freunde, der dort 
dieser Cultur sich unterziehen will, ĂŒbersandten. Wir erinnern ferner, 
dass auch das Hyoseyamin und das Daturin Ersatz fĂŒr das Atropin 
bieten. Eine medieinische AutoritÀt, Dr. med. Th. Chalybaeus in Dresden, 
hat Versuche mit Belladonnin und Hyoscyamin angestellt und ĂŒber 
die mit diesen Heilmitteln erzielten Erfolge soeben, wie folgt, sich geÀussert: 
„Ich habe die PrĂ€parate, welche Sie mir aus der Fabrik von Gehe & Co. 
ĂŒbergaben, Belladonninum, Belladonninum sulfurieum und Hyoseyaminum 
sÀmmtlich in Lösung von 1:100 in der hiesigen NeustÀdter Poli- 
klinik in Anwendung gebracht und zwar als EintrÀuflung ins Auge. 
Alle drei PrÀparate bewirken, ganz analog dem Atropin, eine Er- 
weiterung der Pupille; die Wirkung tritt nach eirca fĂŒnf Minuten 
ein und ist bei gesunden Augen noch nach zwei Tagen bemerkbar. Un- 
angenehme und schmerzhafte Nebenwirkungen waren nicht vorhanden. 
Die Mittel sind demnach sehr wohl als Mydriatica verwendbar. Dresden, 
MĂ€rz 1872. Dr. med. Th. Chalybaeus.“ 

Hyoseyaminum theilt, wie bereits unter ‚Atropin‘ berichtet, nach 
medieinischen AutoritÀten mit dem Atropin, Belladonnin, Daturin 
vollstÀndig die pupillenerweiternde Kraft. Nur muss dasselbe in eben 
solcher Reinheit, wie das Atropin, gearbeitet und von jenem in den 
unteren Stufen ihm anhÀngenden, unerystallinischen Alkaloid völlig befreit 
sein, welches in seinem Ansehen dem Belladonnin Àhnelt. Hyosceya- 
mus niger giebt freilich eine geringe Ausbeute an Hyoscyamin, die 
noch weit hinter der von Atropin und Daturin erlangten zurĂŒck- 
bleibt; doch bietet er damit immer noch ein nĂŒtzliches Substitut- fĂŒr das 
immer seltener und theurer werdende Atropin. 

Gutta Balata. Dasselbe besitzt im Wesentlichen dieselben Eigen- 
schaften wie Gutta percha, mit grosser ZĂ€higkeit bei etwas minderer 
ElastieitÀt, dabei ist es nicht in Klumpen, sondern in Tafeln, Àhnlich den 
Korkholzplatten. Auch davon haben wir ein kleines Quantum depurirt 
und albifieirt, welches sich zur versuchsweisen Anwendung empfiehlt und 
noch weisser von Farbe ist wie das Gutta percha alba. 

Fossiles Kautschuk. Von Interesse dĂŒrfte die Mittheilung sein, 
welche Mr, John R. Jackson, ÜCurator der Museen in Kew soeben 
gemacht hat. Dieselbe stellt in Aussicht, dass mit dem, den lebenden 
BĂ€umen entflossenen Kautschuk noch ein, nach den ersten Angaben 
mineralischr fossiler Kautschuk, muthmaasslich aber natĂŒrlich ge- 
wachsener, unter dem Namen Coorongit-Kautschuk in Mitbewerbung 
treten könne. Seit 1866 wurde in SĂŒdaustralien in dem Coorong ge- 
nannten Distriete ein eigenthĂŒmlicher Stoff in einige (Englische) Meilen 
langen, zum Theil ĂŒber einander, an AbhĂ€ngen an der OberflĂ€che des 
Bodens gelegenen, einen Fuss mÀchtigen Schichten entdeckt, von dem 
es schon an Ort und Stelle bald zweifelhaft wurde, ob er mineralischen 
oder vegetabilischen Ursprungs sei. In Farbe und Ansehen gewissen Kaut- 
schuk-Sorten gleichend, theilt er bis zu einem gewissen Grade dessen 
ElastieitÀt, und verbrennt wie dieser, doch ohne Geruchentwickelung. 
Nach Dr. Bernay’s Analyse ist derselbe reich an Wasserstoff und be- 
steht aus: 97,190 flĂŒchtiger Substanz, 

1,005 festem Kohlenstoff, 
1,790 Asche, 
0,015 Verlust, 


100,000, 


270 Droguenbericht. 


oder auch aus: 64,29 C und 11,23 H. Nach Mr. George Franeis 
Beschreibung gleicht Erscheinung und Farbe dieser Substanz dem 
Kautschuk oder kaltem, festgelatinösen Leim mit grobem, kÀseartigen 
Bruche. Die Masse zeigt ElastieitÀt beim. Drucke, ist weich dehnbar, 
lÀsst sich leicht schneiden und klebt, ohne die Haut zu beschmutzen. Der 
Geruch ist schwach, zwischen vegetabilischem und animalischen Oele 
innestehend, Àhnlich dem des Kautschuks. Sie brennt gleich einer 
Kerze mit Rauch, schmilzt in der Flamme, hat ein specifisches Gewicht 
von 0,982 bis 0,990 und nimmt Wasser an, ohne sich in demselben zu 
lösen; durchscheinend in dĂŒnnen Schnitten, zeigt sie unter dem Mikroskop 
Körnehen- und Zellenstructur, durchzogen mit Fasern gleich denen abge- 
storbener SchwÀmme. Der Coorongit stellt sich somit als ein organi- 
sches Zellgewebe in der Form gewisser SchwÀmme, z. B. der Essigpflanze, 
dar, und kann als nicht amorph weder Asphalt, noch Elaterit (ela- 
stisches Bitumen oder mineralischer Kautschuk) sein. Er gab auch noch 
zu der Vermuthung Anlass, dass er der Vegetation einer alten Formation 
angehöre, und dass er vielleicht durch Mineralisation, Hitze und Druck 
zu einem harzreicheren Bitumen in dĂŒnnen Schichtenlagen gestaltet worden 
sein könne. Andererseits war wieder dabei als auffÀllig bemerkt worden 
die Abwesenheit aller sich fortsetzenden Zellen und Pflanzenstructuren in 
den anscheinend organischen Geweberesten, sowie dass gewisse Infusorien, 
Diatomeen (Naviculae ete.) darin eingesprengt sich zeigten. Es bedienten 
die Bergleute sich dieses Stoffes auch schon unmittelbar zu Fackeln. Mit 
dieser hier nicht weiter zu erstreckenden Notiz wĂŒnschen wir nur die 
Aufmerksamkeit auf dieses vielversprechende zweite Kautschuk und 
dessen gewerbliche Erprobung zu richten und mĂŒssen dessen BewĂ€hr da- 
hin gestellt sein lassen, uns Anzeige vorbehaltend, sobald wir mit Proben 
werden dienen können. 


Scammonium halten wir dem alten Gebrauche gemÀss in zwei Quali- 
tÀten, wovon die Prima-QualitÀt, die sogenannte Aleppo-Sorte, von 
einem durchschnittlichen Gehalte von 50%, Seammonin, somit besser 
als die ĂŒbliche Handelswaare. Vortheilhafter bleibt indess immer, die 
Resina seammonii e radice pura, sowie das weisse, pulver- 
förmige Scammonin anzuwenden. Diese aus bezogenen Syrischen 
Scammonium- Wurzeln hier kunstgerecht gearbeiteten PrÀparate stehen in 
GĂŒte und ZuverlĂ€ssigkeit weit ĂŒber der primitiven Syrischen Bauern- 
waare, können aber im Aeusseren der letzteren schon desswegen nicht 
völlig gleichen, weil sie deren bis zu 60 und 90°/, ansteigende Unreinig- 
keiten nicht fĂŒhren. Wir erwĂ€hnen dies fĂŒr solche Consumenten, die 
noch immer glauben, an den altherkömmlichen Syrischen und TĂŒrkischen 
Facons unbedingt festhalten zu mĂŒssen, 

Zineum sulfo - earbolieum scheint seine Rolle ausgespielt zu haben, 
nachdem sich herausgestellt, dass auf seinen Lösungen Schimmelbildung 
statthaben kann, dass mithin die antivitale Kraft der CarbolsÀure in 
dieser Verbindung aufgehoben ist. 


271 


C. Literatur und Kritik. 


Grundriss der Arzneimittellehre von Dr. C. Kolb. 
Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. Braunschweig, 
1872. Schmal Octav. Verlag von Friedrich Wreden, 
380 S, 


Verf. hat seit einer lÀngeren Reihe von Jahren unter dem Collectiv- 
titel „Medieinische Repetitorien und Examinatorien“ Grund- 
risse der verschiedenen medieinischen Disciplinen herausgegeben (der Um- 
schlag fĂŒhrt 7 bereits erschienene auf); darunter befindet sich auch die 
Arzneimittellehre, die nach dem Vorworte zuerst 1857 erschien, und nun 
in zweiter Auflage, zum Theil umgearbeitet und vervollstÀndigt, vorliegt. 
SelbstverstĂ€ndlich sind diese Repetitorien wesentlich fĂŒr Studirende der 
Mediein bestimmt, die daher auch im Texte dieses Grundrisses der Arznei- 
mittellehre wiederholt als junge Freunde angeredet werden. In solcher 
Stellung des Autors zum Publikum darf dann wohl eine Entschuldigung 
fĂŒr gelegentlich vorkommende burschikose Aeusserungen gefunden werden, 
wie z. B. S. 99: Salpeter ist fast das tÀgliche Brod aus der lateinischen 
KĂŒche und figurirt auf den meisten Speisezetteln, resp. Recepten, obschon 
sein Ruf als sogen. Antiphlogisticum in der LungenentzĂŒndung durch die 
Vergleichung mit anderartigen Behandlungsweisen eine gewaltige Schlappe 
_ erlitten hat. 

Dagegen wird -den Autor ein wohlverdienter Tadel darĂŒber treffen, 
dass er durch gesuchte oder gezierte auslÀndische Termini bequem deutsche 
AusdrĂŒcke verdrĂ€ngt, wie etwa in folgenden Beispielen: die Heilmittellehre, 
die ĂŒbrigens ein so umfangreiches Terrain beherrscht (S. 1); — Stimmen, 
welche die veröffentlichten Erfahrungen (ĂŒber ein Heilmittel) dementiren 
(S. 3); — das Faet der Heilung genĂŒgt (S. 5), oder: das Fact muss in 
seinen Folgen beurtheilt werden (S. 53); — grosse Dosen Brechweinstein 
wurden bei Irren wie gewöhnliche Nahrung digestirt (weder lateinisch, 
noch französisch!) und sind desshalb auch wohl als Test des Wahnsinns 
vorgeschlagen (S. 52). Hinsichtlich des letzgenannten Terminus möchte 
Verf. sich vielleicht auf Oesterlen berufen, dessen Handbuch der Heil- 
mittellehre er ja wesentlich seiner Zusammenstellung zu Grunde gelegt 
‚hat, indem dort ein Anhang beigefĂŒgt ist mit der Ueberschrift: Zusammen- 
stellung chemischer Testmittel und Reagentien. Oesterlen hÀlt aber aufs 
bestimmteste daran fest, dass das in neuer Zeit aus dem Englischen ĂŒber- 
kommene Wort der chemischen Terminologie, und nur dieser, angehört. 

Dieses Haschen nach Fremdwörtern fÀllt um so mehr auf, wenn 
man auf Stellen stösst, wo Verf. des Wortes fortmachen in ganz un- 
schriftmÀssiger Weise sich bedient: Die Frau erlitt nach dem dritten 
Löffel von einer Jodkaliumsolution eine Uterusblutung, und da’ man sie 
fortmachen liess, trat nach dem fĂŒnften Löffel voll Abortus ein’(S. 25). 
Ganz im gleichen Sinne wird das Wort 8. 54 gebraucht, und $. 62 lesen 
wir gar; der Bauchschmerz macht fort. Dabei mag auch gleich erwÀhnt 


272 Literatur und Kritik, 


werden, dass mehrfach orthographische Unrichtigkeiten vorkommen, 
« die nicht immer als Druckfehler gelten können, z. B. Plenkische Solution 
(S. 43) statt Plenksche Solution, Eeclampsia (8. 226, wiederholl: Chele- 
donium (8. 269 und gleichmÀssig im Register S. 372). 

In der kurzen und im Ganzen zweckentsprechenden Einleitung spricht 
sich Verf, ĂŒber die praktische und wissenschaftliche Gewinnung "des Ma- 
terials der Arzneimittellehre aus, namentlich auch ĂŒber Rademacher’s 
Erfahrungsheilmittellehre, der weiterhin bei den einzelnen Mitteln Reehnung 
getragen wird; den Bestrebungen. der Homöopathie wird ebenfalls die 
Berechtigung zuerkannt, der homöopathischen Therapie jedoch bei. den 
einzelnen Mitteln nicht gedacht. 

Im speciellen Theile werden die Arzneimittel mit lateinischer Be- 
nennung aufgefĂŒhrt, in der Regel unter BeifĂŒgung des deutschen Namens, 
Aus dem nachfolgenden Verzeichniss ist jedoch ersichtlich, dass von dieser 
Norm hin und wieder abgewichen wurde, ohne dass ein Grund dafĂŒr 
sichtbar ist. Die gesammten Arzneimittel sind aber in. folgenden zehn 
Reihen untergebracht: 

I. Metalloide. Oxygenium, Carbo, Sulphur, Phosphorus, Chlorum, 
Jodium, Bromium. 

II. Metalle. Mercur (sic!), Argentum, Aurum, Platina, Antimon 
(sie!), Arsenicum, Plumbum, Bismuthum, Zineun, Cuprum, Manga- 
nesium, Ferrum. 

III. Fixe Alkalien und Erden. A, Gruppe der fixen Alkalien: Kali, 
Natrium, Seifen. B, Gruppe der Erden: Kalkerde, Talkerde, Baryta, 
Alumina. 

IV. SĂ€uren. Acidum sulphuricum, Ac. nitricum, Ac, chloronitrosum, 
Ac. hydrochloratum, Ac. phosphoricum, Ac. carbonicum, Ac. oxalicum, 
Ac. aceticum, Ac. tartarieum, Ac. eitricum, Ac. lacticum, Fructus aeidi. 

V. Adstringirende Mittel. A, Gruppe der vorzugsweise gerbsauern 
Mittel: Acidum tannicum (der gebrÀuchlichere Name Tanninum fehlt, und 
wird nur ganz am Ende des Artikels einmal in einer Formel genannt), _ 
Gallae tureicae, Cort. Quereus, Glandes Quercus, Rad. Ratanhiae, Gummi 
Kino, Catechu, Sanguis Draconis. Anhang: Indigo. B, Gruppe der 
bitteren Adstringentien: Cortex Saliecis, Cort. Ulmi, Folia Juglandis et 
Putamen nucum Juglandis, Hb. Uvae ursi, Hb. Ballotae lanatae, Extr. 
Monesiae. C, Gruppe der Àtherisch -öligen Adstringentien: Flores Rosa- 
rum, Fl. Sambuei, Summitates Millefolii, Hb. Hyssopi, Fol. Salviae, Rad. 
Caryophyllatae.e D, Gruppe der alkaloidhaltigen Adstringentien: Cort. 
Chinae fuscus — regius — ruber. 

VI. Bittere Mittel. A, Amara pura: Cort. et Lign. Quassiae, Cort. 
Simarubae, Rad. Gentianae, Hb. Centaurei minoris," Hb, Trifolii fibrini, 
Hb. Cardui benedieti, Semina Cardui mariani, Hb. Polygalae amarae, Hb. 
Galeopsidis grandiflorae. B, Schleimigbittere Mittel: Rad. Columbo, Rad. 
Pareirae bravae, Lichen islandieus, Lichen Carageanum, Fol. Farfarae. 
C, Salinischbittere Mittel: Hb. et Rad. Taraxaci, Rad. CichorĂŒ, Hb. 
Fumariae, Hb. Marrubi, Fel Tauri. D, Aromatischbittere Mittel: 
a, Aromatischbittere Magenmittel: Cort. Cascarillae, Cort. Angusturae verae, 
Fol., Flor., Cort. et Fructus immaturi Aurantii, Cort, Fruetus Citri, 
- Glandulae Lupuli, Rhizoma Calami aromatiei, Folia Guaco, Hb. 
Absynthii. b, Aromatischbittere Anthelminthieca: Hb. et Flor. Tanaceti, 
Semen Cinae, Rhizoma Filieis maris, Cort. radieis Punicae granati, 
Flor. Brayerae anthelminthicae, 

VI. Erregende Mittel. A, Harze und Balsame. a, Einfache Harze: 
Resina Mastichis, Suceinum, Resina elastica, Gutta percha. b, Oelreiche 
Harze und Balsame: Terebinthina, Turiones Pini, Baecae — Lignum' — 


Literatur und Kritik. 2 


Rad, Juniperi, Frondes Thujae oeceidentalis, Frondes Sabinae, Bals. 
Copaivae, Bals. peruvianum, Resina Benzoes. c, Die Schleimharze: 
Gummi Myrrhae, Gummi Ammoniacum, Gummi Galbanum, Asa foetida. 
B, Aetherischölige Mittel: Camphora, Ol. Cajeputi, Rad. Serpentariae, 
Rad. Angelicae; Rad. Valerianae, Rad. Artemisiae, Flor. et Rad. Arnicae, 
Fl. Chamomillae vulgaris, GewĂŒrze (Fructus Anisi stellati, Baccae et 
Folia Lauri, Caryophylli aromatiei, Semen Amomi, Semen Cardamomi, 
Rad. Zingiberis, Rad. Galangae, Rad. Zedoariae, Cort. Cinnamomi, Cort. 
Cassiae einnamomeae, Cort. Winteranus, Nux moschata, Maeis, Siliqua 
Vanillae), Semen Coffeae arabicae, Folia Theae viridis. C, Die empyreu- 
matischen Stoffe: Pix liquida, Creosotum, Acidum carbolicum, Benzinum, 
Oleum animale foetidum, Oleum Petrae. D, Die animalischen Exeitantia: 
Moschus, Castoreum, Zibethum, Ambra grisea, Hyraceum. E, Die Am- 
moniakmittel: Lig. Ammonii caustici, Ammoniacum carbonicum, Ammo- 
niacum carbonicum pyrooleosum, Liquor Ammoniaci suceiniei, Liquor 
Ammoniaei acetici, Ammonium chloratum, Ammoniacum phosphoricum, 
Ammoniacum nitrieum, Liquor Ammonii hydrosulfurati. F, Die Spiri- 
tuosa: Cerevisia, Vinum, Spiritus vini, Aetheres (Aether sulfurieus — 
nitrieus — aceticus, Spiritus pyroaceticus, Spiritus Aetheris chlorati, 
Aether. chlorieus, Carboneum trichloratum, Chloroformium, Hydrat. Chlorali 
(sie!). Anhang: Collodium. . 

VIII. Scharfstoffige Mittel. A, Scharfe Stoffe mit Àtherischen Oelen: 
Piper nigrum et album, Fructus Cubebae, Fructus Capsiei, Semen Sinapis 
nigrae et albae, Radix Armoraciae, Hb, Cochleariae. B, Nauseose und 
diaphoretische Acria: Rad. Ipecacuanhae, Rad, Caincae, Rad. Squillae, 
Rad. Senegae, Rad. Saponariae, Cort., Lign. et Resina Guajaci, Rad. 
Sassaparillae, Rad. Chinae, Lign. Sassafras, Folia Rhododendri, Stipitse 
Duleamarae, Hb. Violae trieoloris, Hb. et Flores Calendulae, Hb. Chelidonii 
majoris, Hb. Sedi minoris, Rad. Ononidis spinosae, Rad. Paeoniae, Viscum 
album, Rad. Iridis florentinae, Rad. Pyrethri, Rad. Pimpinellae, Rad. 
Helenii. C, Purgantia und Drastica: Rhad. Rhei, Alo&, Cort. Rhamni 
frangulae, Baccae spinae cervinae, Folia Sennae, Rad. Jalappae, Scammo- 
nium, Gummi guttae, Elaterium, Colocynthis, Rad. Bryoniae, Hb. Gra- 
tiolae, Oleum Ricini, Oleum Crotonis. D, Einfache nicht purgirende 
Scharfstoffe des Pflanzenreichs: Euphorbium, Folia Rhois toxicodendri, 
Cort. Mezerei, Hb. Pulsatillae. E, Scharfe thierische Stoffe: Cantharides, 
Melo&@ majalis, Formicae rufae, Millepedes, Coccionella. 

IX. Narkotische Stoffe. A, Scharfe Narcotica: Rad. et Semina 
Colehiei, Rhizoma Veratri, Semen Sabadillae, Rad. Hellebori nigri, Semina 
Staphisagriae, Rad. Aconiti, Hb. Lobeliae, Folia Digitalis purpureae, 
Hb. Nieotianae, Hb. Conii maculati, Hb. Belladonnae, Hb. et Semina 
Stramonii, Secale cornutum. Anhang, BlausÀuremittel: Acidum hydro- 
eyanieum, Folia Laurocerasi, Amygdalae amarae, Kalium cyanatum. 
B, Einfache Narcotica: Hb. et Semina Hyoscyami, Hb. Cannabis, Hb. 
Lactucae virosae, Opium. C, Bittere Narcotica (Spinantia): Strychnium, 
Brucinum, Pierotoxinum, Nuces vomicae, Fabae Sancti Ignatii, Coceuli 
indiei, Curara, Semina Physiostigmatis venenosi, 

X. Indifferente NĂ€hrstoffe. A, Schleimige Stoffe: Gummi arabicum, 
Gummi Tragacanthae, Rad. Salep, Semina Cydoniorum, Hb. et Rad. 
Althaeae, Hb. et Flor. Malvae, Hb. et Flor, Verbasci, Helmintochorton, 
Turiones et Rad. Asparagi, Rad. Bardanae, Rad, Carieis arenariae, Rad. 
Graminis. B, StÀrkmehlstoffe: Amylum, Amylum Marantae, Tapioca, 
Grana Sago, Semen Oryzae, Semen Avenae, Semen Hordei, Semen Tri- 
tiei, Semen Secalis, Tubera Solani. C, Zuckerstoffe: Saccharum album 
Saccharum laetis, Mel, Rad. Dauei, Rad. Glyeyrrhizae, Manna, Glyceri- 


Arch, d. Pharm. CC, Bda. 2. Hit, 18 


974 Literatur und Kritik. 


num. D, Fettstoffe: a, Vegetabilische Fette und Oele: Amygdalae dulces, 
Semina et Oleum Papaveris, Oleum Olivarum, Semina et Oleum 
Lini, Semina Cannabis, Semina et Butyrum Cacao, Semen Lyeopodii. 
b, Animalische Fette und Oele: Oleum Morrhuae (die jedenfalls ver- 
breitetere Benennung Oleum jecoris Aselli wird gar nicht erwÀhnt), Cetaceum, 
Cera flava et alba, Adeps suillus, Butyrum. E, Eiweissmittel und leim- 
gebende Substanzen: Lac, Ova, Gelatinosa, Caro. 

Die pharmakognostische Characteristik der einzelnen Mittel ist meistens 
sanz ĂŒbergangen, im Falle der BerĂŒcksichtigung aber eine höchst mangel- 
hafte; die Herstellung der chemischen Mittel ist meistens viel zu kurz 
uud unklar verzeichnet. Das ist bei einer zur Repetition fĂŒr Studirende 
bestimmten Schrift gewiss nicht zu billigen. Der gleiche Grund lÀsst es 
aber auch tadelnswerth erscheinen, dass die chemischen Formeln ganz 
mit Stillschweigen ĂŒbergangen sind; nur ganz ausnahmsweise geschieht bei 
Elayl, Aether anaestheticus Wiggers, Carboneum trichloratum der chemi- 
schen Constitution ErwÀhnung. Wenn bei den vegetabilischen Droguen 
ĂŒberall der Abstammung gedacht wird durch BeifĂŒgung des Linn@schen 
Namens der Mutterpflanze und Nennung der natĂŒrlichen Familie, der diese 
angehört, so war es sicherlich in gleicher Weise BedĂŒrfniss, dem Studi- 
renden, der die Arzneimittellehre repetiren will, die chemische Constitu- 
tion der anorganischen Mittel ins GedĂ€chtniss zurĂŒckzurufen. 

Die Angaben ĂŒber die pharmaceutische Herstellung der PrĂ€parate 
sind zum Oeftern ungenau und schwer verstÀndlich, und braucht in dieser 
Beziehung nur auf Ungt. einereum (S. 40), auf die Schmucker’schen Fomen- 
tationen (S. 100), auf Liquor Ammoniaci acetiei (8. 226) verwiesen zu 
werden. 

Im Vorworte wird erwÀhnt, dass in dieser zweiten Auflage, dem in 
Preussen eingefĂŒhrten metrischen Dosirungsreglement Rechnung getragen 
worden sei, und in der That ist vom Anfang bis zum Ende die Dosis 
immer zugleich nach dem metrischen und dem alten Unzensystem ange- 
geben, etwa in der Form: 0,25 —0,35 (gr. IV— VI). Damit ist unnö- 
thiger Weise Raum verschwendet worden. Unsere Studirenden, denen das 
Buch bestimmt ist, sind jetzt in die metrische Dosirung bereits eingeweiht 
oder mĂŒssen sich doch dieselbe unumgĂ€nglicher Weise aneignen, es hĂ€tte 
daher die Dosenbestimmung nach dem metrischen System, unter Ver- 
weisung auf die S. 12 befindliche Reduetionstabelle, vollstĂ€ndig genĂŒgt. 

Die Darstellung der therapeutischen Verwendung der Arzneimittel ist 
im Ganzen nur zu loben: Oesterlen hat hier als schÀtzbares Muster gedient. 
Bei den Classificationsreihen und bei den Unterabtheilungen wird die phy- 
siologische Wirkung voraus gestellt und aus dieser werden dann die In- 
dieationen fĂŒr die therapeutische Benutzung entnommen. 

ErwÀhnt sei noch, dass bei einer Anzahl vegetabilischer Gifte in 
Form einer Anmerkung auf deren Vergiftungsbehandlung hingewiesen 
wird. Prof. Th. 


A. Payen’s Handbuch der technischen Chemie. 
Nach der fĂŒnften Auflage der Chimie industrielle frei bear- 
beitet von F. Stohmann, Prof. in Halle (jetzt Prof. im 
Leipzig) und CarlEngler, Privatdocent (jetzt Prof.) in Halle. 
I. Bandes zweite Lieferung, von Oarl Engler. Mit 
81 Holzschnitten und 3 Kupfertafeln. Stuttgart, E. Schwei- 


” 


Literatur und Kritik. 275 


zerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch). 1780. Bogen 17 
bis 30. (S. 257 —480.) Gross Octav. 


Im Julihefte 1870 dieses Archivs, 8. 81 —86 ist die erste Lieferung 
des I. Bandes dieses Werkes eingehend besprochen und unseren Lesern 
auf das WĂ€rmste empfohlen worden. Von der Verlagshandlung wird das 
Erscheinen der dritten (Schluss-) Lieferung dieses I. Bandes Anfang 
1872 in Aussicht gestellt. Die vorliegende zweite Lieferung bringt den 
Schluss des Artikels SchwefelsÀure. An diesen schliesst sich die Be- 
sprechung der Scheidung des Goldes und Silbers durch Affiniren und 
Quartation; des Schwefelwasserstoffs und der Desinfection; des Chlors und 
der unterehlorigsauren Salze (Bleichsalze), der Chlorometrie und Braun- 
steinproben ; des chlorsauren Kalis, der SalzsÀure; des Jods und Broms; 
der SalpetersĂ€ure; der kĂŒnstlichen kohlensauren WĂ€sser; der BorsĂ€ure; 
des Boraxes; des Phosphors, der ZĂŒndrequisiten; des Kochsalzes, Glau- 
bersalzes,. des unterschwefligsauren Natrons und kohlensauren Natrons, 
der Soda. 

Von den beigegebenen Kupfertafeln enthÀlt Taf. IX. Darstellung des 
schwefels. Natrons und der SalzsÀure in Cylindern; Taf. X. Darst, d. 
Glaubersalzes in Oefen, Sodaofen, Auslaugeapparat fĂŒr die Soda; Taf. XI. 
einen Apparat zur Bereitung kĂŒnstl. kohlens. WĂ€sser. Die zahlreichen 
in den Text eingesetzten Holzschnitte erlÀutern das im Texte Gesagte zur 
GenĂŒge. Wir finden darunter Schachtöfen fĂŒr die Kiese bei ihrer Be- 
nutzung zur SchwefelsÀurefabrikation, den Gerstenhöferschen Röstofen, 
den Apparat zur Bereitung von Chlorkalk, Sublimation des Jods, Frank’s 
Apparat zur Bromgewinnung,, SalpetersÀuredestillation mit verbesserten 
Condensationsvorrichtungen von Devers und Plisson; Siphon’s und 
FĂŒllapparat f. kohlens,. WĂ€sser; Phosphordestillation; Coignets Apparat 
zur Darstellung von amorphem Phosphor ; Vorrichtung zur Mengung des 
Phosphors mit dem Leimwasser etc. fĂŒr die ZĂŒndhölzchenmasse und viele 
andere Abbildungen. 

Die Behandlung der einzelnen Kapitel ist eingehend, klar und fern 
von Weitschweifigkeit. Die ErklÀrung der Prozesse durch chemische 
Formel -Gleichungen unter Anwendung sowohl der dualistischen als 
der unitarischen Schreibweise ist auch hier zum Nutzen des Lesers 
eonsequent durchgefĂŒhrt. Sehr belehrend sind die Kapitel ĂŒber die An- 
wendung der einzelnen PrÀparate. So z. B. SalpetersÀure. Sie ver- 
dankt ihre ausgedehnte Anwendung theils ihres starkoxydirenden, 
theils ihrer nitrirenden Wirkung, Sie wird in grosser Menge ver- 
braucht bei der Gewinnung von SchwefelsÀure, der chem, reinen PO aus 
Phosphor, der JodsÀure und ArsensÀure; zum Beizen des Kupfers, der 
Bronze nnd des Messings, zur Trennung von Gold und Silber; in der 
Kupferstecherei zum TiefÀtzen der Kuperplatten; zur Bereitung des 
Königswassers, welches als Lösungsmittel fĂŒr Gold, Platin ete. An- 
wendung findet; zur Darstellung der salpeters. Salze des Silbers (Höllen- 
stein), Quecksilbers, Kupfers, Bleis; des Zinnchlorids; des neutralen und 
basisch salpeters. Wismuthoxyds; zur Fabrikation reiner OxalsÀure, 
der Schiessbaumwolle, des Nitroglycerins, des Nitrobenzols, welches 
wiederum der Ausgangspunkt zur Darstellung des Anilins ist; zur 
Bereitung des Oxanthracens, aus welchem das kĂŒnstliche Ali- 
zarin gewonnen wird, der PhtalsÀure, des Nitromannits, des Nitro- 
naphtalins, des Martiusgelbs, der PikrinsÀure. Sie wird ferner verwendet 
zum direeten GelbfÀrben der Seide, Wolle und anderer thierischer Stoffe, 
zur UeberfĂŒhrung des StĂ€rkemehls in Dextrin; zur Zerstörung des Indigos 
in der Kattundruckerei zum Zweck der Herstellung von Mustern, zur Dar- 


18* 


276 Literatur und Kritik. 


stellung einer Eisenbeize ld die zum SchwarzfÀrben der Seide ver- 
wendet wird etc. 


Von Druckfehlern Sad mir nur wenige aufgestossen, so die fol- 
genden: 
. 272, Z. 4 von unten muss stehen VI. anstatt V. 
. 273, Z. 10 von unten titrirt anstatt filtrirt. 
. 295, Z. 14 von unten 1,3 Meter tief anstatt 13 Meter. 
301, Z. A von unten Javelle anstatt Javalle. 
304, Z. 11 von unten Soolquelle anstatt Sohlquelle. 
308, Z. 6 von unten gefĂ€llt anstatt gefĂŒllt. 
308, Z. 5 von unten Tennant statt Thennant. 
2.6 von unten Blutlaugensalzes anstatt Blutlauge- 
malz 


D 
St} 
DD 
IV} 

> 


Z. 13 von unten Lycopodium st. Licopodium. 
7. 4 von oben BromĂŒre st BrumĂŒre. 
379, Z, 5 von oben amethystroth st. amethistroth. 
Z. 7 von oben Streichholz st. Steichholz. 
411, Z.1 von unten arabisches Gummi st. arabischer Gummi, 
: 422, Z. 15 von oben Brodemfang st. Bodenfang. 
. 446, Z. 1 von unten lies oben st. unten. 


Dem Herrn Vebersetzer und nicht dem Setzer sind nachstehende 
Ungenauigkeiten zuzurechnen: 


8. 299 wird gesagt: „Schwefelwasserstof? finde sich in der Luft ĂŒberall 
da, wo stickstoffhaltige organische Stoffe faulen; es mĂŒsste wohl 
noch hinzugefĂŒgt werden „und schwefelhaltige, oder bei Gegenwart 
schwefelsaurer Salze.“ 


8. 321, 2. 10 Y- unten steht: „das weit werthlosere Chlorkalium.“ 
Aber „werthlos“ ist ein Wort, welches im guten Deutsch weder Com- 
parativ noch Superlativ besitzt. 


S. 350, Z. 8 von unten steht: Mit dem Wassergehalt einer Salpeter- 
sĂ€ure nimmt das spec. Gew. derselben ab.“ Im Gegentheil mit abneh- 
mendem Wassergehalte nimmt das spec. Gew. der SalpetersÀure zu. 


S. 384 wird behauptet, dass Kunkel das Brand’sche Geheimniss der 
Phosphordarstellung theilweise oder ganz gekannt habe. Darauf hin ist 
zu bemerken, dass Brand eben Geheimniss daraus machte, wÀhrend Kun- 
kel seine eigenen Beobachtungen und Erfahrungen bekannt machte, 
Hören wir Lavoisier darĂŒber. In seinem Trait€ elementaire, 1793, tome I. 
pag. 223 sagt er vom Phosphor: „Ü’est en 1667 que la decouverte en 
fut faite par Brandt, qui fit mystere de son procede: bientöt apres 
Kunckel decouvrit le secret de Brandt; il le publia, et le nom de 
phosphore de Kunckel qui lui a etE conserv& jusqu’& nous jours, 
prouve que la reconnaissance public se porte sur celui qui publie. plutöt 
que sur celui qui decouyre, quand il fait mystere de sa decouverte,“ 

Seite 402, Zeile 14 von oben wird gesagt „dass zu dem chemischen 
Feuerzug mit Asbest und concentr. SchwefelsÀure Hölzchen gebraucht 
worden seien, deren Köpfchen aus Schwefel und Zucker bestanden 
hĂ€tten;“ es war aber chlorsaures Kali ein Gemengtheil der ZĂŒnd- 
masse. 


S. 423, 2.15 von oben heisst es: „Die Menge des sich abscheidenden 
Nalzes (Kochsalzes) nimmt mit der Grobkörnigkeit zu, sie betrĂ€gt fĂŒr ganz 
feinkörniges Salz 100 — 220, fĂŒr grobkörniges nur 24—26 Kilogramme 


in 24 Stunden pro Quadratmeter. “ Hier muss es heissen: „die Menge 
nimmt mit der Grobkömigkeit ab. . 


nnnnunnme nmnunnmun 
[SV 
jur 
le) 


Literatur und Kritik. 277 


S. 432, Z. 16, 17 v. oben steht: „Die Menge des raffinirten Koch- 
salzes betrÀgt in Holland jÀhrlich etwa 600000 Cir., wovon jedoch 180 
GR wieder ins Ausland gehen.“ Soll wohl heissen 180 Tausend Centner. 

H. Ludwig. 


A. Payen’s Handbuch der technischen Chemie. 
II. Band. Erste Lieferung, vonF. Stohmann. Mit 
44 Holzschnitten und 12 Kupfertafeln. Stuttgart, E. 
Schweizerbart’sche Verlagshandlung (E. Koch). 1870. 
200 8. Gross- Octar. 
IL. Band, Zweite Lieferung, von F. Stohmann. 
Mit 53 Holzschnitten und 7 Kupfertafeln. Ebendaselbst 
1871. Seite 209— 464. Gross- Octav. 


Dieser zweite Band enthÀlt im Wesentlichen die chemische Tech- 
nologie der dem lebenden Naturreiche entstammenden Stoffe. Wir finden 
zuerst ein Kapitel Organische Chemie (S. 1—16), in welchem von 
der Zusammensetzung der Pflanzen gehandelt wird: ĂŒber elementare Zu- 
sammensetzung der Gewebe, Zellmembran, Epidermis, Lignin, Mineral- 
stoffe in den Pflanzen; nÀhere Zusammensetzung der Keimungsorgane der 
Phanerogamen und der Gesammtpflanzen niederer Organisation. Bedeu- 
tung dieser Organismen im Haushalte der Natur und Verwendung der- 
selben. Allgemeine Gesetze der ErnÀhrung der Pflanzen. NÀhere organi- 
sche Bestandtheile derselben. 

e Ins Einzelne eingehend wird zunÀchst die Cellulose abgehandelt. 
(S. 17— 29.) 

Hier finden wir auch die PrĂŒfungsmethoden der Gespinnste und Ge- 
webe vegetabil. und animal. Ursprungs besprochen, sowie die Zubereitung 
der Gespinnstfasern des Leins und Hanfs. 


S.30— 40 ĂŒber Peetinsubstanzen, Gelose, Dialose, Cubi- 
lose und Apiin. Hier finden wir die interessanten Untersuchungen 
Scheibler’s ĂŒber MetapectinsĂ€ure und Pektinose (Pectinzucker) be- 
rĂŒcksichtigt. 

Es folgt ein interessantes Kapitel ĂŒber’ das Holz (8. 41— 78), dessen 
Conservirung, ImprÀgnirungsmethoden unter Beigabe der Abbild. verschie- 
dener hierzu dienender Apparate. Verwendung von Kupfervitriol zur Im- 
prÀgnirung, Vermeidung von Eisensalzen mit MineralsÀuren; Benutzung 
von CarbolsÀure, Theer, Oelen, Fetten, Harzen, Chlornatrium, Chlor- 
caleium, Quecksilberchlorid, Zinksalzen. Conservirung des Holzes durch 
Trocknen, Dörren, DÀmpfe, oberflÀchliche Verkohlung, RÀuchern, In 
einem Anhang wird die Lockerung von Gesteinmassen durch starke 
Erhitzung beschrieben und durch Abbildung verdeutlicht. Die Besprechung 
von Latry’s gehĂ€rtetem Holz macht den Schluss dieses Kapitels. 

Dem StĂ€rkmehl sind die Seiten 79— 124, dem Dextrin 9. 125— 
131, dem Traubenzucker $. 132—141 gewidmet. Die Kupfertafeln 
XVII, XIX, XXI und XXII erlÀutern durch gute Abbildungen die For- 
men einer grossen Zahl verschiedener Amylumarten, Coneretionen in 
Pflanzenzellen, Pflanzenfasern, Zellverdiekungen ete. Die Verarbeitung 
von Kartoffeln zu Kartoffelmehl und Amylum wird eingehend abge- 
handelt, die Ermittelung des StÀrkemehlgehaltes der Kartoffeln nach deren 
spec. Gewicht durch eine Tabelle ermöglicht. Eine Betrachtung ĂŒber 


2718 Literatur und Kritik. 


Kartoffelkrankheit beschliesst dieses Kapitel.*) Beim Dextrin finden 
wir die Angabe, dass dasselbe eine alkalische Kupferoxydlösung beim Er- 
hitzen nicht reducire; dagegen möchte ich behaupten, dass auch das 
reinste Dextrin eine solche Reduction des Cu?O2 zu Cu?O in der WĂ€rme 
bewirken könne und berufe mich dabei theils auf eigene Erfahrungen, 
theils auf Dr. Kemper’s Untersuchungen (Archiv: d. Pharmacie, Septbr. 
1863, II. R., Bd. 115, $. 250). 

Anstatt des Namens „Traubenzucker“ fĂŒr den aus StĂ€rke- 
mehl erhaltenen StĂ€rkezucker wĂŒrde der Name KrĂŒmelzucker sich 
besser passen, da ja sonst einfach gelogen wird, wenn man StÀrkezucker 
fĂŒr Traubenzucker ausgiebt. Herr F. Stohmann schliesst seine Be- 
trachtung mit den Worten: „Der gekörnte Zucker (i. e. StĂ€rkezucker) 
dient zur VerfĂ€lschung des Rohrzuckers.“ Also der Fabrikant verkauft 
dem Materialisten StĂ€rkezucker fĂŒr Traubenzucker und dieser dringt ge- 
legentlich als Rohrzucker ins Publikum. 

S. 142—153 wird Schiessbaumwolle abgehandelt und als An- 
hang das Nitroglycerin und Collodium. Das letztere hat zwei 
grosse Verwendungen: in der Chirurgie und in der Photographie. Be- 
rard Tousselin verwendet es zur Anfertigung kĂŒnstl. BlĂ€tter und 
Blumen. Auch können Bleistiftzeichnungen durch Ueberziehen 
mit Collodium völlig unvermischbar und unverÀndert gemacht werden. 

Der Conservirung des Getreides sind die Seiten 154— 161 
gewidmet und es werden die Apparate von V allery, Conink, Huart 
und Devaux beschrieben, der des Ersteren (Grenier mobi le, beweg- 
licher Speicher genannt) auch abgebildet. 

Zwei verschiedene Arten von Inseeten sind die grössten Vertilger des 
Kornes: Cureulio granarius, der schwarze Kornwurm (Calan- 
dra granaria Fdb., Sitophilus granarius Schönh,) und der weisse Korn- 
wurm oder die Kornmotte (Tinea granella L. Alueita granella Fabr.), 
Eine starke Ventilation des Speichers, durch Bewegung 
unterstĂŒtzt, ist ein ziemlich sicheres Schutzmittel gegen diese Körner- 
feinde. 

Die sicherste Vertilgung des Kornwurms in den Silos oder Erdgruben 
wird nach Doyere und Garreau durch eine ganz geringe Menge von 
Schwefelkohlenstoff herbeigefĂŒhrt. Man braucht pro Hectoliter 
Korn nur 2 Gramme davon in die Grube zu bringen, um alle Insecten, 
selbst deren Eier, nach 5—6 Tagen zu tödten; bei etwas grösseren 
Gaben, bei 5 Grammen tritt die Wirkung schon nach 24 Stunden ein.— 

Mehl und Brot (S. 162—183). PrĂŒfung auf Beimengungen; Back- 
ofen von Lespinasse, von Grouvelle und Mouchot, von Rolland; 
Knetmaschinen von Moret, Rolland. 

StĂ€rkmehl und Kleber des Getreides (S. 184—202), Fabrika- 
tion des WeizenstĂ€rkmehls; Martin’s Verfahren. Mais- und ReisstĂ€rke, 
Nudeln, Macaroni, Vermicelli; Veron’s gekörnter Kleber. 

Zucker (S. 203—380). Vorkommen und Eigenschaften. Statistik 
der Zuckerproduction. (Die jetzige Gesammtproduction an Zucker auf der 
Erde kann man wohl zu 2650 Millionen Kilogramm taxiren, davon kommen 

1,950 Millionen Kilogr. auf Zucker aus Zuckerrohr 


580 $}) „ PR) 2) PR) ZuckerrĂŒben 
100 „ ” Fr) ” „ Palmsaft und 
20 „ „ „ „ „ Ahornsaft.) 


*) 8. 86. Bestimmung des Wassergehaltes des StÀrkmehls nach 
Scheibler vermittelst eines Weingeistes von 0,834 spec. Gew. 


Literatur und Kritik. 279 


Zuckerfabrikation (RĂŒbenzucker 8. 215 —324; aus Zuckerrohr 
S. 325 — 341). 

Raffination des Zuckers ($. 342— 362); Fabrikation des Candis 
(362 — 365). 

Sacharimetrie, chem,, arÀometrische und optische Zuckerproben 
(366 — 380). Feinde der RĂŒben (MaikĂ€fer, Engerlinge, Maulwurfsgrille, 
Gryllotalpa vulgaris Latr.; von pflanzl. Parasiten, der die Wurzeln be- 
fallende Pilz, Rizoctonia violacea Tulasne, der RĂŒbentödter, 
ferner der RĂŒbenrost, Uromyces Betae Tul., der die BlĂ€tter 
befĂ€llt. Anatomischer Bau der RĂŒbe, durch Abbild. auf Kupfertafel XXX 
trefflich erlĂ€utert. Bestandtheile der RĂŒben: Gemeiner Zucker 
(sogen. Rohrzucker), es giebt ZuckerrĂŒben, deren Zuckergehalt nicht ĂŒber 
89 Proc. sich erhebt, wĂ€hrend andere aus vorzĂŒglichen Samen RĂŒben 
mit 17 Proc. und mehr Zucker produciren, Durchschnittszahl 14% 
Zucker. 

Traubenzucker und Fruchtzucker kommen in guten RĂŒben 
nur spurenweise oder gar nicht vor; sie entstehen aber darin durch Um- 
wandlung des Rohrzuckers, 

Organische SÀuren: OxalsÀure, WeinsÀure, Citronen- 
sÀure, ApfelsÀure theils frei, theils als Salze. 

Gummi, Schleim; Fette, fÀrbende Bestandtheile, Ei- 
weissstoffe, Asparagin, Betain (—=(03°H3?N°0%, vor Kurzem von 
Scheibler im RĂŒbensafte entdeckte organische Basis). 

Ammoniak, SalpetersÀure, 

K0,Na0, Ca0, Mgo, Fe203, POS, SOÂź, HCl. 

Die sĂ€mmtlichen Bestandtheile des RĂŒbensaftes mit Ausnahme des 
Zuckers und des Wassers fasst man technisch unter dem Namen Nicht- 
zucker zusammen, — 

Saftgewinnung durch Pressung, Maceration und Diffusion; aus 
frischen und aus getrockneten RĂŒben, 

Scheidungsmethoden nach Rousseau, nach Perrier, Possoz- 
Jelinek. Filterpressen, Schlammpressen von Needham, ete, 


Dubrunfauts Verarbeitung der Melassen auf Zucker mitttelst Baryt. 
Scheiblers Verfahren, mittelst Kalk und Weingeist kryst. Zucker aus 
Melassen zu gewinnen. 

Abbildungen des Zuckerrohrs und mikrosk. Bilder (Taf. XXXIV), 
seiner Zellen und Gewebe. Zusammensetzung des Zuckerrohrs (71°/, Wasser, 
18°, Zucker und 11°/, andere Stoffe). Auf Tafel XXXV Abbildung einer 
Colonial- Zuckerfabrik, des Innern; einer Raffinerie Fig. 84, einer Candis- 
fabrik Fig. 87, 88, 89. — 

Kaffe (8. 381— 392) Structur, Bestandth. d. Kaffebohne, das Kaffein, 
das chlorogensaure Kaflein-Kali, die KaffegerbsÀure, das Àtherische (aro- 
matische) Oel des gebrannten Kaffes, Eigenschaften verschiedener Kaffe- 
sorten, der Kaffe als menschliche Nahrung. 


Bier (S. 393—440). Geschichtl., Gerste, Hopfen, Hefe, Malz, 
Malzdarren (darunter Overbeck’sche Darre), Maischprocess , Kochen, 
Hopfen, KĂŒhlen der WĂŒrze (Herr Stohmann spricht hier von KĂŒhl- 
geschlĂ€ger; bei uns nennt man es KĂŒhlgelĂ€ger), GĂ€hrung; Analyse 
des Biers. 

Wein (8. 441—464). Geschichte, Bestandth. d. Traube, Mostberei- 
tung, GĂ€hrung, Chaptalisiren, Gallisiren, Scheelisiren (ei, ei; wir haben 
ein Element, nach unserem Scheele gehabt, das heute Wolframium 
heisst; jetzt stört man die Grabesruhe des grossen Mannes und macht 
ihn zum Weinverschneider. Wer denkt da nicht an Englisiren ?) 


280 | Fler elland Reine 


Herr Stohmann schreibt „der Gummi, Oenanthin genannt, der 
sich in manchem Wein findet und der sich wahrscheinlich aus dem 
Zucker bildet, ertheilt dem Wein eine dickliche Consistenz; in zu grosser 
Menge bedingt er eine Krankheit desselben.“ Aber Gummi ist schon bei 
Dioscorides und Plinius ein Neutrum und bei unseren sÀmmt- 
lichen Pharmacognosten ebenfalls ein solches, z. B. Gummi arabicum, 
„das“ arabische Gummi. Derselben incorreeten Schreib- und Sprech- 
weise begegnen wir bei Extractum, welches nicht bloss von Hoff und 
Genossen als „der Extract“ verdeutschelt wird. Im guten Deutsch 
muss es heissen „das“ Extraet. 


Mit den Krankheiten des Weines und dem Conserviren dess. bricht 
die 2. Lieferung ab. Auch bei dieser Lieferung ist der Druck correet und 
die in den Text gedruckten Holzschnitte, so wie die beigegebenen Stahl- 
stiche sind von grosser Sauberkeit. 


Von Druckfehlern sind mir nur die folgenden aufgefallen: 

Seite 24, Zeile 1 von oben steht Bohemeria, anstatt Boehmeria, 

Seite 40, Zeile 7 von unten steht Bracounot, anstatt Braconnot. 

Seite 87, Zeile 3 und 4 von unten steht Gefrieren und Aufthauen, 
anstatt gefrieren und aufthauen. 

Seite 143, Zeile 17 von oben steht Monitrocellulose anstatt Mono- 
nitrocellulose. 

Seite 162. Z. 13 von unten steht Gluein anstatt Glutin oder 
Gliadin. 

Seite 165, Zeile 11 von oben steht XXVIII anstatt XVIII. 

Seite 205, Zeile 16 von unten steht der Extraet anstatt das Extract. 

Seite 248, Zeile 15 von unten steht Gewinnung anstatt Gerinnung. 

Seite 381, Zeile 2 von unten steht kaffegerbsaures Kali anstatt 
kaffegerbs. Kali-Kaffein. 

Seite 403, Zeile 21 von unten steht collirt anstatt eolirt, 

Seite 404, Zeile 8 von unten steht der Röstgummi anstatt das 
Röstgummi. 

Seite 418, Zeile A von unten steht Malzextraet anstatt Malzschrot. 

Seite 456, Z. 7 von unten steht Naturalisiren anstatt Neutrali- 
siren. 


Mehremale treffen wir auf den Ausdruck „es erĂŒbrigt nun noch, 
das und das zu thun (8. 249, Z. 8 von oben, 8. 295, Z. 6 von unten, 
8. 379, Z. 14 von unten), eine bei Zeitungsschreibern ĂŒbliche Wiedergabe 
des superest, .religuum est; mir will es scheinen, dass wir besser sagen 
„es bleibt noch ĂŒbrig“. Doch ich will nicht ins Kleinliche fallen und 
schliesse desshalb meinen Bericht mit der Bemerkung, dass die Verlags- 
buehhandlung dem Publikum baldigst den Schluss dieses werthvollen Wer- 
kes bringen möge, damit es in seiner VollstÀndigkeit den Nutzen stiften 
könne, den es wegen seines reichen Inhaltes zu verbreiten fÀhig ist. 


Jena, den A. April 1872. Dr. 7. Ludwig. 


281 


D. Anzeigen. 


I. Wiederabdruck eines Cireulars von E. Merck in Darmstadt. 


Durch die Zeitungen ist wohl zu Ihrer Kenntniss gelangt, wie im 
Februar 1. J. im BĂŒrgerspitale zu Bern zwei dort verpflegte Wöchnerinnen 
statt der ihnen verordneten Pulver mit salzsaurem Chinin solche erhielten, 
welche aus einem Gemische von salzsaurem Chinin und Morphium bestan- 
den, und an den Folgen dieser Verwechslung starben. 

Das Medicament war in der Berner Staatsapotheke gefertigt worden, 
welch letztere das PrÀparat aus einer Berner Droguenhandlung bezogen 
hatte. 

Die Berner Gerichtsbehörde leitete sofort bezĂŒglich dieser Vergiftungs- 
fÀlle eine Untersuchung ein. Sowohl in der Staatsapotheke zu Bern als 
in der erwÀhnten Droguenhandlung daselbst wurde die Masse, von welcher 
das Medieament genommen worden war, mit Beschlag belegt, und ergab 
sich, dass dieselbe aus Chin. muriatie. mit Morph. muriatie. in der Weise 
vermischt bestand, dass die zwei Substanzen in Schichten ĂŒbereinander 
lagen. Welche Schichte die oberste war, und wie dieselben mit einander 
abwechselten, ist meines Wissens nicht constatirt worden. Dass bei der 
Berner Droguenhandlung mit Beschlag belegte GefÀss, in welchem sich 
die Masse befand, war ein glÀsernes StandgefÀss , welches in dem offenen 
Laden Aufstellung gefunden hatte, Aus dem StandgefÀss wurde das PrÀ- 
parat bei seiner Sequestrirung zu Untersuchungszwecken in einen Papier- 
sack ausgeleert. 

Mit diesen VorgÀngen steht nun meine Firma nur in so fern in Ver- 
bindung, als nahezu ein Jahr, bevor der tragische Vorfall im Berner 
BĂŒrgerspitale sich ereignete — im April 1871 — erwĂ€hnte Berner Dro- 
guenhandlung 1/, Pfund Chin. muriatie. von mir bezogen hatte. 

Im Verfolg der Untersuchung begab sich allerdings ein Mitglied der 
Berner Gerichtsbehörde in Begleitung eines SachverstÀndigen nach Darm- 
stadt, um persönlich von den in meinem Etablissement verwahrten Stoffen 
und der Art ihrer Verwahrung und Expedirung Einsicht zu nehmen, 
Ich öffnete diesen Herrn bereitwilligst meine Arbeite- und Magazin- 
rÀumlichkeiten, und haben sie von der darin herrschenden Einrichtung 
und Ordnung, sowie von der Art und Weise der AusfĂŒhrung der Com- 
missionen mit Befriedigung Kenntniss genommen und dies mir auch aus- 
drĂŒcklich versichert. . 

Die in Bern anhÀngige Untersuchung ist indessen lediglich gegen die 
Staatsapotheke und den Droguisten dorten gerichtet, durch deren HĂ€nde 
das PrÀparat ging, 

Eine Veranlassung, meine Firma in diese Untersuchung zu impliciren, 
lag weder fĂŒr die Berner - noch die hiesige Gerichtsbehörde in irgend einer 
Weise vor, und ist mir von dem Grossherzoglichen Kreisamt Darmstadt 
eine hierauf bezĂŒgliche ausdrĂŒckliche ErklĂ€rung in bereitwilligster Weise 
amtlich zugefertigt worden. 

Wusste ich mich nun auch — abgesehen von den einschlĂ€gigen Be- 
stimmungen des Handelsgesetzbuchs — nicht nur jeder commerziellen 


282 An 


Haftbarkeit ledig, sondern im Bewusstsein meiner völligen Schuldlosigkeit 
auch jeder moralischen Verantwortlichkeit frei, so musste doch die 
Art und Weise, wie die Presse sich des Vorfalls bemÀchtigte, mich ver- 
anlassen, aus eignem Antriebe der Untersuchung nÀher zu treten, 

Schon wÀhrend die Berner Gerichtscommission sich hierher begeben, 
ist im ‚Berner Bund“ ein Artikel erschienen, in welchem die Schuld 
an dem tragischen Ende der beiden Wöchnerinnen in dem dortigen 
BĂŒrgerspitale geradezu auf meine Firma geschoben wird. Bei dem Ge- 
schmacke des grossen Publicum an Sensationsnachrichten, wurde der 
Berner Vorfall sofort von‘ den grossen und kleinen BlĂ€ttern aller LĂ€nder 
verwerthet, und wÀhrend der von mir oben erörterte einfache Thatbestand 
der Beachtung der Presse völlig entgangen ist, wurde, anstatt den Worten 
„audiatur et altera pars‘“ Rechnung zu tragen, sich auf die einfache 
Wiedergabe des eigentlichen Begebnisses zu beschrÀnken und bis zur Auf- 
klÀrung sich jeden Urtheils zu enthalten, die Kunde von dem traurigen 
Ereignisse mit allen möglichen und unmöglichen Zuthaten, stets aber den 
Schuldigen in meiner Firma suchend, in alle Welt getragen. 

Auf meine Veranlassung gab zwar die Berner Gerichtsbehörde dem 
„Berner Bund“ auf, eine Rectification jenes Artikels erscheinen zu lassen, 
da keinerlei Indieien gegen meine Firma vorlÀgen. Dieser Rectification, 
welche heute noch die Sachlage im Wesentlichen resumirt und wie nach- 
stehend abgefasst ist: 

„Bern. Die Herren Professor Schwarzenbach und Untersuchungs- 
richter Bircher sind von Darmstadt zurĂŒckgekehrt. Die Untersuchung 
betreffend die Vermischung von chemischen Fabrikaten, welche so 
traurige Folgen gehabt hat, dauert fort. SelbstverstÀndlich kann vor 
Beendigung derselben ĂŒber ihr Resultat keine positive Mittheilung ge- 
macht werden, wohl aber ersucht man uns einstweilen zu bemerken, 
dass fĂŒr die Behauptung, es habe jene Vermischung in der Fabrik 
zu Darmstadt stattgefunden, bis dahin keine Anhaltspunkte vorliegen.,, 

hat nun auch, wie ich dankbar anerkenne, der „Berner Bund‘ bereit- 
willig seine Spalten geöffnet und damit den Standpunkt einer ehren- 
werthen Zeitung eingenommen; indessen konnte sich dieselbe einer wohl- 
wollenden Aufnahme bei den meisten anderen BlÀttern nicht erfreuen, ja 
gerade diejenigen, welche die grössten Entstellungen gebracht, verweiger- 
ten auf desfallsige Aufforderung die Aufnahme einer Berichtigung, es sei 
denn, es wĂŒrde dieselbe bezahlt. 

Jedenfalls wĂŒrde ich gegen dieses Vorgehen der Presse schon frĂŒher 
protestirt haben, wenn ich nicht befĂŒrchtet hĂ€tte, dass eine einfache 
Protestation ohne UnterstĂŒtzung gewichtiger GrĂŒnde wirkungslos verhallen 
wĂŒrde. Diese BefĂŒrchtung hat mich jedoch veranlasst, dem Untersuchungs- 
gericht in Bern alles Material, ĂŒber welches ich verfĂŒgen konnte, und 
welches die Behauptung der Presse, die fragliche Verwechslung habe bei 
mir stattgefunden, als völlig grundlos erscheinen lÀsst, auch ohne eine 
Aufforderung abzuwarten, zur VerfĂŒgung zu stellen. 

Aus einer noch schwebenden Untersuchungssache Mittheilungen zu 
machen, namentlich da dieselbe gegen dritte Personen gerichtet ist, verbieten 
mir GrĂŒnde, deren WĂŒrdigung ich meinen geehrten GeschĂ€ftsfreunden ĂŒber- 
lassen kann. Doch darf ich wenigstens so viel schon jetzt mit positiver 
Bestimmtheit mittheilen, dass wĂ€hrend ein Anhaltspunkt dafĂŒr, dass die 
Vermischung in meinem GeschÀfte stattgefunden, in keiner Weise sich 
ergeben hat, eine Reihe von Thatsachen bereits constatirt sind, welche 
“selbst die Möglichkeit eines solchen Vorganges ausschliessen. Ich 
glaube, mir spÀtere Mittheilung vorbehaltend, schon jetzt darauf aufmerk- 
sam machen zu können, dass wÀhrend das oben erwÀhnte Berner GeschÀft 


Anzeigen. 283 


im April 1871 125 Grm. Chin. muriatie. von mir bezogen hat, die bei 
demselben und bei seinen Abnehmern im Februar 1872 mit Beschlag 
belegte Masse 160— 170 Grm. betrĂ€gt, dieselbe daher unter keinen Um- 
stĂ€nden in ihrer jetzigen Zusammensetzung von mir herrĂŒhren kann, ein 
Punkt, der allein schon hinreicht, um mich von jeder Verantwortlichkeit 
fĂŒr dieses PrĂ€parat zu entlasten. . 

Auch durch die Eingangs erwÀhnte schichtenförmige Lagerung beider 
Stoffe wird der Annahme, ein solches Gemisch sei von hier expedirt wor- 
den, jeder Boden entzogen, denn bei dem auf einem Posttransporte nicht 
zu vermeidenden SchĂŒtteln und Herumwerfen hĂ€tten sich jedenfalls beide 
Stoffe inniger mischen mĂŒssen. 

Ich bemerke weiter, dass sÀmmtliche Personen, welche gleichzeitig 
mit dem ofterwÀhnten Berner Hause Droguen von mir bezogen, deren 
vollstÀndigste OrdnungsmÀssigkeit bezeugten. 

Insbesondere hat ein Wiener Haus, welches unter demselben Datum 
wie das Berner GeschÀft Chinin muriatie. von mir erhalten, auf ein dess- 
fallsiges von hiesigem Kreisamt auf Grund meiner eigenen Angaben an 
die K,u.K. Polizei-Direetion in Wien unterm 25. Febr. 1. J. gerichtetes 
Requisitionsschreiben amtlich erklĂ€rt: dass bezĂŒglich des fraglichen PrĂ€- 
parats keinerlei Reclamationen eingelaufen seien. Wenn aus Veranlassung 
dieses Requisitionsschreibens Grossherzoglichen Kreisamts Darmstadt, in 
welchem des Berner Vorfalls selbstverstÀndlich ErwÀhnung geschah, die 
K.u.K. Oesterreichische obere SanitÀtsbehörde neuerdings sich bewogen 
gefunden hat, ein Circular an die Apotheker in Oesterreich zu erlassen, 
in welchem vor meinen PrÀparaten geradezu gewarnt wird, so kann ich nicht 
anders unterstellen, als dass diese Massnahme der K. u. K. Oesterrei- 
chischen Regierung auf einem MissverstÀndnisse beruhe, und hat nicht nur 
Grossherzogliches Kreisamt Darmstadt, welches diese Auffassung theilt, 
bereits ein weiteres Schreiben an die K. u.K. Polizei-Direction in Wien 
gerichtet, in welchem dasselbe darzulegen sucht, dass ein Requisitions- 
schreiben d. d. 25. Februar 1. J. nicht etwa durch eine gegen meine Firma 
selbst anhÀngende Untersuchung veranlasst worden sei und keineswegs 
eine meine Firma und deren Ansehen in so empfindlicher Weise schÀ- 
digende Massregel, wie jenes Circular an die Apotheker der Oesterrei- 
chischen Monarchie, habe provociren wollen und um ZurĂŒcknahme dieser 
Massregel bittet, sondern ich habe auch an competenter Stelle gegen die 
mehrerwĂ€hnte VerfĂŒgung der K. u. K. Oesterr. Regierung Protest erheben 
lassen und gleichzeitig wegen diplomatischer UnterstĂŒtzung dieses Pro- 
testes die geeigneten Schritte eingeleitet. 

Die Einrichtungen, welche in meinem GeschÀfte bei Aufbewahrung 
und Versendung von Chemikalien getroffen sind, dĂŒrfen im Uebrigen 
meinen geehrten GeschÀftsfreunden die vollstÀndige Ueberzeugung geben, 
dass Vermischungen und Verwechselungen namentlich solcher stark wir- 
kender Stoffe bei mir nicht vorkommen können. Und gegenĂŒber den 
zahlreichen Versendungen, welche Jahr aus Jahr ein von mir effeetuirt 
werden, kann ich mit Befriedigung constatiren, dass noch Niemand durch 
eine vorgekommene UnregelmÀssigkeit oder NachlÀssigkeit geschÀdigt 
worden ist, Denn bei zwei FĂ€llen — beide ereigneten sich in Russland — 
wobei ich in Mitleidenschaft gezogen wurde und deren sich wie diesmal 
gleichfalls die Oeffentlichkeit bemÀchtigt hatte, ist positiv nachgewiesen 
worden, dass die Reclamationen, soweit sie gegen mich gerichtet, voll- 
stĂ€ndig und in jeder Beziehung ungegrĂŒndet waren. 

Ich darf mich der Hoffnung hingeben, dass meine geehrten GeschÀfts- 
freunde an der Hand des vorstehend Gesagten auch die ĂŒber die Berner 
VorfĂ€lle verbreiteten Mittheilungen zu wĂŒrdigen wissen und mir ihr schĂ€tz- 


284 Anzeigen. 


bares Vertrauen erhalten werden. Es wird auch ferner mein Bestreben 
sein, demselben durch die minutiöseste Sorgfalt zu entsprechen. Ich wollte 
jedoch nicht unterlassen, Ihnen von diesen VerhÀltnissen Kenntniss zu 
geben und darf Sie bitten, eintretenden irrigen Vorstellungen entgegen 
treten zu wollen. 
Darmstadt, Ende April 1872. 
.- E. Merck.*) 


II. Verkauf eines Herbarium der mitteleuropÀischen Flora. 


Ueber 5000 Arten in 76 Mappen in einem Glasschranke; wissen- 
schaftlich bestimmt, bezeichnet und geordnet nach De Cand. Ausser den selbst 
gesammelten Pflanzen mit meist mehren Doubletten, enthÀlt dasselbe 
mehre Centurien von F. W.Schulz, Reichenbach, Baronv. Leit- 
ner, Petter (Dalmatien), Belege von BĂŒk, Sadler, Wolf, von 
Janke, Tommasini, Hugovini, Schleicher, Bonvie ete. 

Das Ganze ist zu ĂŒbernehmen fĂŒr 160 Thaler. 

Dr, M. J. Löhr in Köln a/Rhein. 


Jahresberichte d. Chemie 
von Liebig, Kopp & Wöhler 
complett und einzeln werden zu hohem Preise von Ed. MĂŒller, 
Berlin Gartenstrasse 166. gekauft. 


In Carl Winter’s UniversitĂ€tsbuchhandlung in Heidelberg 
ist soeben erschienen: 

Naumann, Dr. Alexander, Professor an der UniversitÀt Giessen. 
Ueber MolekĂŒlverbindungen nach festen VerhĂ€ltnissen. gr. 8. 
brosch. 20 Sgr. 


Mayer & MĂŒller. Antiquariats-Buchhandlung in Berlin, 
Markgrafenstrasse 50, kaufen ganze Bibliotheken und ein- 
zelne Werke zu hohen Preisen. 


*) Nr. A6 der Pharmaceutischen Zeitung, Bunzlau, den 8. Juni 
1872, berichtet aus Carlsruhe in Baden, dass aus einer der dortigen 
Apotheken anstatt Chinin. muriatie. Morph. muriatic. abgegeben wurde, 
in Folge dessen der EmpfÀnger dieses Pulvers, ein junger Mann von 
18 Jahren, gestorben sei. i 

Jena, den 9. Juni 1872. DB. L. 


Halle, Buchdruckerei des Waisenhauser 


New York Botanical Garden Libra 


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