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ARCHIV
DER
PHARMACIE
herausgegeben
Deutschen Apotheker-Verein
unter Redaction von
E, Schmidt und H. Beckurts.
Band 233. ne
BERLIN.
Selbstverlag des Deutschen Apotheker-Vereins.
1895.
ARCHIV
DER
PHARMACIE
herausgegeben
Deutschen Apotheker-Verein
unter Redaction von
Band 233. Heft 1.
|
1
| E. Schmidt und H. Beeckurts.
s
Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereins.
|
B
|
BERLIN. |
1895. |
Ausgegeben den 10. März 189%.
INHALT.
Seite
G. Grützner, Ueber einen krystallisirbaren Bestandteil der Basa-
nacantha spinosa var. ferox Schum. . 1
Ed. Schaer, Die Verflüssigung des Chloralhydrates mit Phenol
und mit Stearoptenen, sowie der le'zteren unter sich . 5
W. Autenrieth, Ueber die Einwirkung von E hosphorpen up
auf aromatische Aether . . E 26
W. Autenrieth, Tleber einen neuen Indikator: Luteol . . 43
Koch, Phytochemische Studien. Beiträge zur Kenntniss der mittel-
europäischen Galläpfel, sowie der Scrofularia nodosa L. 48
Eingegangene Beiträge.
C. Boettinger, Zur Kenntniss der Glyoxylsäure, III. u. IV. Abthlg.
C. Boettinger, Ueber die Osazone der Zucker aus Sumach und
Vallonen.
P. Zenetti, Das Vorkommen von Hesperidin in Folia Bucco und
seine Krystallformen.
C. Hartwich, Ueber falsche Senega.
H. Pommerehne, Ueber die Alcaloide von Berberis aquifolium.
(Geschlossen den 25. Februar 1895.)
€ VEN NR N AN
Di - i Te -
iese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel
monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis
50 Bogen. Badenpteis 1 für den Jahrgang Mk. I2,—.
Alle Beiträge für das „Archiv‘‘ sind an die
Archiv-Redaction
Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg (Hessen)
oder Herın Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig,
alle die Inserate u. s. w., überhaupt die Archiv-Verwaltung und
die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den
Deutschen Apotheker-Verein
Berlin ©. 22, An der Spandauer Brücke 14
einzusenden.
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Anzeigen.
Dieselben werden mit 40 Pfg. für die durchgehende und mit 25 Pfg für die gespaltene
Petitzeile oder deren Raum berechnet. Beilage-Gebühr für das ‘lausend der Auflage —
z. Z. 3650 — Mk. ıo. Für Beilagen, welche nicht dem Format des „Archiv“ entsprechen,
bleibt besondere Vereinbarung vorbehalten
a u ihr erh. A.
2 fitteilung aus dem pharmaceutischen Institut der
n Universität Breslau.
- Ueber einen krystallisierten Bestandteil der
Basanacantha spinosa var. ferox Schum.
Von Dr. B. Grützner.
(Eingegangen den 20. Dezember 1894.)
i Im Verfolge seiner Arbeiten über brasilianische Nutz- und Heil-
_ pflanzen hat der um die Erforschung der Flora und Pharmacognosie
- von Brasilien hochverdiente Forscher Dr. Th. Peckolt, Apotheker
= ‚in Rio de Janeiro kürzlich auch die Dasanacantha spinosa var. ferox
Schum. (Flora Brasiliensis, Rubiac. pag. 378) in den Kreis seiner
Untersuchungen gezogen.
„ 3 Dieses dünnstämmige Bäumchen des Urwaldes, welches zufolge
‚seiner Frucht auch wilde Limone und wegen der wohlriechenden
"Blüthen auch Jasmin do mato — wilder Jasmin — genannt wird,
trägt an den Zweigen einen endständigen Blüthenstand, unterhalb
_ dessen sich 4 spitze, kurze Stacheln befinden, von denen jedoch
nach der Fruchtreife zwei verkümmern, während die beiden anderen
als bleibende, grofse, scharfe Dornen sich gegenüberstehen. Die
BE eeiblichen , rundlichen Früchte haben einen Durchmesser
- bis zu drei Centimeter und sind mit dicht gedrängt liegenden,
eckigen, wachsähnlichen Samen gefüllt, umgeben von einer sparsamen,
gelben, sülsschmeckenden Pulpa, welche von den Einheimischen ge-
mossen wird. Der Geschmack der Samen ist bitter. Sie werden
‚getrocknet und als Pulver theelöffelweise bei intermittierendem
Fieber genossen. Blätter und Rinde dienen als Tonicum. Die
beiden letzteren unterzog Peckolt einer eingehenden Unter-
suchung.
- Er fand in den lederartigen, wenig saftigen Blättern 58 Proz.
F 0 ‚8965 bei 25°, sowie eine krystallisierte Substanz nach folgendem
Verfahren. Die frischen Blätter werden mit heilsem Alkohol vom
S spez. Gew. 0,900 ausgezogen, nach dem Abdestillieren des Alkohols
wird das Extrakt in Wasser gelöst und solange als noch eine
Arch. d. Pharın. CCXXXIII. Bäs. 1. Heft. 1
asser, ferner 0,418 Proz. eines fetten Oeles von dem spez. Gew.
2 Dr. B. Grützner: Ueber Basanacantha spinosa.
Trübung bemerkbar, mit neutraler Bleiacetat-Lösung gefällt. Das
Filtrat wird mit Schwefelwasserstoff entbleit und bis zur Sirup-
konsistenz abgedampft. Nach dem Erkalten erstarrt es zu einem
Krystallbrei. Die getrennten und getrockneten Krystalle werden
durch Umkrystallisieren aus siedendem Amylalkohol oder absolutem
Alkohol gereinigt. Ein Kilo trockene Blätter liefert 20,232 g reins
Krystalle. Aus den Bleipräzipitaten erhielt Peckolt eine krystalli-
sierte organische Säure und zwar von einem Kilo trockenen Blättern
0,504 g.
Peckolt führte die Darstellung noch in anderer Weise aus.
Frische gestolsene Blätter wurden zur Entfernung des Fettes zunächst
mit Petroläther und hierauf mit Aether extrahiert. Das ätherische
Extrakt wurde mit heifsem Wasser aufgenommen, mit Bleiacetat
gefällt und weiter wie oben behandelt. Die Ausbeute an krystalli-
sierter Substanz betrug nur 0,272 Proz.
Aus der trockenen Rinde wurden 2,23 Proz. reine Krystalle
und 0,5 Proz. Säure erhalten.
Die aus Blättern und Rinde dargestellten Verbindungen ge-
langten mit Ausnahme der organischen Säure, deren geringe Menge
noch nicht zur Untersuchung hinreichte, in Jas pharmaceutische
Institut hiesiger Universität behufs näherer Charakterisierung und
hatte der Direktor desselben Herr Geh. Rat Prof. Dr. Th. Poleck
die Güte mir die Untersuchung zu überlassen.
Die aus den Blättern durch Alkohol- Extraktion erhaltene
Substanz bestand aus feinen, verfilzten, seidenglänzenden, kleinen
Nadeln von fast weifser Farbe. Auf Platinblech vorsichtig erhitzt,
schmelzen sie zu einer tarblosen Flüssigkeit, welche nach dem Er-
kalten wieder krystallinisch erstarrt. Bei stärkerem Erhitzen ver-
brennt der Körper ohne einen Rückstand zu hinterlassen. Stickstoff
ist nicht vorhanden. In Wasser ist der Körper leicht, in Alkohol
und Amylalkohol nur in der Siedehitze löslich. Aether, Benzol,
Petroläther, Chloroform zeigen gar kein Lösungsvermögen. Die
wässerige Lösung reagiert neutral und schmeckt süls. Sie wird
weder durch Säuren, noch durch Ammoniak, kohlensaures Ammoniak,
Aetzalkalien und Carbonate verändert. Fehling’sche Lösung wird
nicht reduziert, auch trat die Pettenkofer’'sche Glykosid-Reaktion
nicht ein, desgleichen waren Spaltungsversuche mit Säuren resultatlos.
Dr. B. Grützner: Ueber Basanacantha spinosa. 3
Es schien daher die Zugehörigkeit des Körpers in die Klasse der
Alkaloide und Glykoside ausgeschlossen. Zur Bestimmung des
Schmelzpunktes wurde die Substanz aus siedendem 94 prozentigem
Alkohol umkrystallisiert, zunächst auf Thonplatten, dann bei 105° im
Luftbade getrocknet. Das erhaltene Krystallmagma war schneeweiis
und zeigte einen Schmelzpunkt von 165°, der sich nach nochmaligem
Umkrystallisieren nicht mehr änderte. Die wässerige Lösung im
Wild’schen Polaristrobometer geprüft, erwies sich als optisch inaktiv.
Die Elementaranalyse der bei 1050 getrockneten Substanz ergab
tolgende Zahlen:
0,2437 g Substanz gaben 0,1730 1,O = 7,85 Proz. H
0,3333.00,,.—39 55. nn
0,2949 g Substanz gaben 0,2048 ,0O = 782 „H
0227000, 3949.17 €
im Mittel: 7,85 Proz. H, 39,51 Proz. ©.
Aus diesen Werten ergiebt sich als eintachste Formel C, H; O;;:
Verdoppelt man dieselbe, so gelangt man zur Zusammensetzung des
Mannits C, Hy O;-
Gefunden i. M. 7,85 Proz. H berechnet für 0, H,, 05:7,70 Proz. H
39,51 ALS 39,56 set
59,64 .,.0 Bay Ho:
Nach dem gesamten chemischen und physikalischen Verhalten
des fraglichen Pilanzenstoffes steht somit seine Identität mit dem in
vielen Pflanzen vorkommenden Mannit aufser Zweifel. Auffallend
ist die Reichhaltigkeit der tropischen Rubiaceen an Mannit;
Basanacantha ist schon der vierte Vertreter dieser Familie, in
welcher von Peckolt Mannit gefunden wurde.
Von der aus frischen Blättern durch Aether- Extraktion er-
haltenen Substanz war zufolge ihrer Darstellungsweise von vorn-
herein nicht gut anzunehmen, dafs sie sich als Mannit herausstellen
würde, da dieser in Aether nnlöslich ist. Und doch zeigte der nach
dem Umkrystallisieren vollkommen rein erhaltene Körper alle die
Eigenschaften und Reaktionen, welche den Mannit charakterisieren,
Der Schmelzpunkt lag bei 165°, der Kohlenstoffgehalt betrug
39,44 Proz., der des Wasserstofts 7,56 Proz. Die Erklärung für
das Auffinden des Mannits nach obigem Verfahren ergiebt sich aus
dem Umstande, dals zur Extraktion wassergesättigter Aether an-
wendet wurde, denn die zum Ausziehen verwendeten frischen Blätter
1*
B Dr. B. Grützner: Ueber Basanacantha spinosa.
enthalten 58 Proz. Wasser und entsprechend dem Wassergehalt
wird der Aether auch kleinere Mensen Mannit aufzunehmen ver-
mögen. Die Ausbeute war auch eine sehr geringe (0,27 Proz.),
während durch Alkohol-Extraktion fast die zehnfache Menge erhalten
wurde.
Das dritte Präparat, die krystallisierte Substanz aus der Rinde,
erwies sich gleichfalls als Mannit. Der Kohlenstoffgehalt betrug
39,49 Proz., der des Wasserstoffs 7,57 Proz., der Schmelzpunkt und
das sonstige Verhalten zeigten keine Abweichungen von dem des
Mannits.
Es ist somit das Vorkommen des Mannits in Blättern und Rinde
von Dasanacantha spinosa var. ferox nachgewiesen.
Zum Schlusse sei mir gestattet, noch einmal auf das Verhalten
des Mannits gegen Fehling’sche Lösung zurückzukommen.
W. Kwasnikb), der einen krystallinischen Bestandteil der
Genipa brasiliensis Mart. als Mannit identifizierte, fand, dals sein
Untersuchungsmaterial trotz mehrmaligen Umkrystallisierens nach
kurzem Kochen oder auch nur längerem Stehen mit heilser
Fehling’scher Lösung eine, wenn auch nicht beträchtliche, so
doch immerhin beachtenswerte Abscheidung von Kupferoxydul her-
vorrief. Auch mit reinem Mannit anderer Herkunft erhielt er das-
selbe Resultate. Kwasnik nimmt an, dafs schon das kurze Kochen
mit einem Alkali genügt, um chemische Umsetzungen in dem
Mannit hervorzurufen, welche dann zerlegend auf die Kupferlösung
einwirken. Diese Beobachtung kann ich nicht bestätigen. Der aus
Basanacantha spinosa var. ferox erhaltene Mannit gab selbst nach
lebhaftem Aufkochen und längerem Stehen mit frisch bereiteter
Fehling’scher Lösung keine Spur einer Reduktion. Auch im
Handel bezogener reiner Mannit verhielt sich ebenso. Hingegen
erhielt ich übereinstimmend mit Kwasnik durch ammoniakalische
Silberlösung einen schönen Silberspiegel. E. Salkowski?) fand,
dafs aufser Mannit auch Rohrzucker und die Glykoside diese Er-
scheinung zeigen. Gleich der ammoniakalischen Silberlösung wurden
auch Silberaeetat und Silberoxyd durch käuflichen und aus Basana-
1) Chem.-Ztg. 1892, 16, No. 8.
2, Salkowski, Dt. chem. Ges. 1850, p. 822.
Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 5
cantha dargestellten Mannit unter Bildung eines Silberspiegels
reduziert, während neutrale Silbernitratlösung, Goldchlorid und
Quecksilberchlorid selbst in der Siedhitze unverändert blieben, ein
Verhalten, auf welches schon Hirzel!) und Favre?) aufmerksam
machten.
Mitteilungen aus dem pharmaceutischen Institut
der Universität Strassburg.
Die Verilüssigung des Chloralhydrates mit
Phenol und mit Stearoptenen, sowie der letzteren
unter sich.
Von Ed. Schär.
- (Eingegangen den 25. XII. 1894.)
Seit 20 Jahren weils man, dafs sich Chloralhydrat in sehr auf-
fälliger Weise mit Kampher verflüssigt, und seit ungefähr 10 Jahren
ist bekannt, dafs diese Erscheinung sich auch auf andere Stearoptene
und auf Phenole ausdehnt und dafs verschiedene Substanzen aus
den letztgenannten Körperklassen, in Mischungen unter sich, ein
gleiches Verhalten zeigen.
Das Interesse, welches den in Rede stehenden Verbindungen
als wichtigeren Arzneistoffen zukommt, und die Rücksicht auf die
praktische Bedeutung jener physikalischen Eigenschaft bei deren
gelegentlicher Anwendung in Gemengen, veranlafste mich, ganz ab-
gesehen von mehr theoretischen Gesichtspunkten, schon im J. 1885
und 1889 eine Reihe ergänzender Beobachtungen über das Verhalten
des Chloralhydrates zu verschiedenen Stearoptenen und Phenolen,
sowie über die gegenseitige Einwirkung von Stearoptenen anzustellen,
wobei der damalige Assistent am pharmaceutischen Laboratorium des
Polytechnikums in Zürich, Herr Apotheker Fr. Steinfels, mich
durch Anstellung der Versuche über das Verhalten des Chloral-
alkoholates, des Butylchloralhydrates („Crotonchloral's“) und des
Phenols unterstützte.
!) Hirzel, Ann. chem. pharm. 131, p. 50.
2) Favre, J. pr. chem. 32, p. 362.
6 Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat.
Nachdem in der Zwischenzeit manche Angaben früherer Autorer
kontrolliert und zahlreiche eigene, vor mehreren Jahren gemachte
Beobachtungen dem Kriterium öfterer Wiederholung unterworfen
worden sind, ist es wohl statthaft, die Ergebnisse jener Versuche,
unter Erwähnung wichtigerer früherer Daten, in übersichtlicher An-
ordnung an dieser Stelle niederzulegen. Bieten doch die erwähnten
Erscheinungen, sowohl für den Praktiker, wie für den Theoretiker
mehrere bemerkenswerte Einzelheiten, deren näheres Studium
Gegenstand der physikalischen Chemie bleiben mufs.
Da mir auf letztgenanntem Gebiete keinerlei Kompetenz zusteht,
so begnüge ich mich mit der Wiedergabe der beobachteten That-
sachen, es den besonderen Vertretern jenes Wissenschaftszweiges
überlassend, zu entscheiden, in welchen Fällen die Erniedrisung des
Schmelzpunktes, welche die Verflüssigung herbeiführt, beide Teile
eines Gemisches betrifft, und in welchen anderen Fällen nur der
eine Gemengteil diese Veränderung erfährt, um sodann in flüssigem
Zustande sogleich als energisches Lösungsmittel des anderen
Gemengteils zu wirken.
1. VerhaltendesChloralhydrates(und Chloralalkoholates)
zu Stearoptenen und zu Phenol.
Bekanntlich verdanken wir, soweit aus der Fachlitteratur er-
sichtlich ist, die erste Kenntnis einer Verflüssigung des Chloral-
hydrates mit Stearoptenen bezw. mit gewöhnlichem Kampher einer
Mitteilung von J. F. Brown), welcher angab, dafs Kampher und
Chloralhydrat, zu gleichen Gewichtsmengen unter Reiben gemengt,
flüssige Konsistenz annehmen, somit den Aggregatzustand ver-
ändern. Der genannte Autor erwähnt dabei einer leichten Temperatur-
erhöhung, eine irrtümliche Beobachtung, auf welche wir später
zurückzukommen haben werden.
Nachdem diese ersten Beobachtungen, welche vermutlich ohne
publiziert zu werden, schon früher von einzelnen praktischen Apo-
thekern gemacht worden sind, in der pharmaceutischen Litteratur
Eingang gefunden und die Chloral-Kamphergemenge schon arznei-
liche Anwendung, z. B. in der Zahnheilkunde erlangt hatten, er-
schienen im Laufe der nächsten Jahre über den Gegenstand ver-
1) Pharm. Journ. and Trans. (III) 4 (1874) 729.
Ed. Schär: Ueber Chloralbydrat. 7
schiedene kleinere Notizen und auch eingehendere Mitteilungen,
unter welchen diejenigen von Saunders, sowie von Zeidler
hier besondere Erwähnung finden sollen. Erstgenannter Autor!)
beobachtete mehrere physikalische Eigenschaften der aus gleichen
Gewichtsteilen Kampher und Chloralhydrat bestehenden verflüssigten
Mischung, die der Einfachheit wegen im Weiteren als Chloral-
Kampher bezeichnet werden mag. So fand er das spez. Gewicht
za 1,243; die Löslichkeit in Wasser = 0, in Chloroform = 1:1,5
(wobei Zusatz gröfserer Chloroformmengen eine Ausscheidung bezw.
Trübung verursacht), die Löslichkeit in Alkohol (0,937) = L:11,
während Alkohol (0,3838), Aether, Schwefelkohlenstoff und fette Oele
den Chloral-Kampher in jedem Verhältnisse lösen. Nachdem schon
Brown (l. c.) gezeigt hatte, dals aus gewissen Lösungen des
Chloral-Kamphers durch Wasser eine Ausscheidung von Kampfer
bewirkt wird, sowie dals bei Einwirkung des Dampfes der einen
Substanz auf die andere das Chloralhydrat trocken bleibt, dagegen
Kampher flüssig wird, konstatierte Saunders das Verhalten des
Chloral-Kamphers bei der Destillation und fand, dafs die Mischung
zwischen Temperaturen von 107—206° C. ohne bleibende Zer-
setzung der einzelnen Bestandteile übergeht; und zwar destilliert bei
ca. 107° Chloralhydrat mit wenig Kampher, bei ca. 1490 Chloralhydrat
mit derjenigen Menge Kampher, welche zur Verflüssigung des
ersteren notwendig ist und endlich bei 200—2060 Kampher mit Spuren
von Chloralhydrat.
OÖ. Zeidler?) untersuchte verflüssigte Mischungen der beiden
Substanzen im Verhältnis ihrer Molekulargewichte, wobei unter
Temperaturerniedrigung eine wasserhelle, mit Alkohol, Aether und
Chloroform mischbare Flüssigkeit erhalten wurde, welche selbst bei
— 20° nicht erstarrte und sowohl durch Destillation, als durch
Wasserzusatz teilweise in ihre Componenten zerlegt wurde. Das
spez. Gewicht der genannten Mischung bestimmte Zeidler zu
1,2512, die spezifische Drehung — [«]p = 33° 45.
Zugleich wurde gezeigt, dafs bei Erwärmung des Chloral-
Kamphers in geschlossenem Rohre auf 150°, sowie bei Erhitzung
1) Pharm. Journ. and Transact. VII (1876) 89.
2) Ber. d. Wiener Akad. (2. Abthlg.) 76, 253; auch Fittica,
J.ber. d. Chem. 1878, 645.
6) Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat.
mit alkohol. Kaliumhydrat tiefergehende Zersetzungen erfolgen. Es
gelang dem genannten Beobachter nicht, analoge Verbindungen des
Kamphers mit wasserfreiem Chloral, Butylehloralhydrat oder Benz-
aldehyd herzustellen, wogegen Kampher und Chloralalkoholat sich
in obenerwähntem Verhältnis gleichfalls zu einer bei — 20% noch
nicht festwerdenden Flüssigkeit von 1,177 spez. Gew. zerreiben
liefsen. Endlich wird von Zeidler die auffallende Beobachtung
erwähnt, wonach die Chloral-Kampher-Mischungen zu verschiedenen
Zeiten nach ihrer Herstellung wechselnde Zusammensetzung auf-
weisen, eine Erscheinung, welche seither nicht näher verfolgt
worden ist, aber einer eingehenderen Prüfung wert wäre.
Die vorstehend erwähnten Daten über das Verhalten des
Chloralhydrats zu Kampher und anderen Stearoptenen wurden im
Jahre 1886 durch weitere Beobachtungen von Albright!) über
Chloral-Kampher, und von Becker?) über Chloral-Menthol ergänzt.
Aus den Mitteilungen des Ersteren mag als bemerkenswert erwähnt
werden, dafs das durch Vermischen von gleichen Teilen Chloral-
hydrat und Kampher entstehende Liquidum beim Schütteln mit
‘Wasser an Volum nicht abnimmt, sowie dafs eine Lösung von Chloral-
hydrat im 5fachen Gewicht Wasser mit einer Lösung von Kampher
im 5fachen Gewicht Alkohol klar mischbar ist; aus einer solchen
Mischung wird durch Wasserzusatz öliger Chloral-Kampher ab-
seschieden. Wenn an Stelle der alkoholischen Kampherlösung eine
Chloroform-Kampher-Lösung mit der anderen Flüssigkeit zusammen-
geschüttelt wird, so löst sich der sofort gebildete Chloral-Kampher
in der Chloroformschicht, welche nach dem Abtrennen und Ein-
dampfen einen öligen, flüssigen Rückstand liefert. Im Weitern fand
Albright, dafs der Chloral-Kampher im Salmiakbade ohne Rück-
stand destillierbar ist, sowie dafs er sich schon in 60 prozentigem
Alkohol löst und aus dieser Lösung durch Wasser in unveränderter
Beschaffenheit abgeschieden wird. Auch die klare Mischbarkeit von
Chloralkampher mit konzentrierter Schwefelsäure wird konstatiert;
diese Mischung färbt sich bald gelb, dann braun und zuletzt schwärz-
lich und nimmt bald einen eigentümlich aromatischen Geruch an.
1) American. Journ. of Pharmacy 1886, 252 (Auszug aus einer
These.
2) Ebendaselbst 1836, 283 (Referat über eine Inaug.-Dissert).
Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. )
Endlich hat Albright auch zuerst darauf hingewiesen, dafs
Chloralbydrat und Kampher nur innerhalb gewisser, relativ enger
Grenzen der Gewichtsverhältnisse, am besten bei Mischung annähernd
gleicher Teile, eine klare ölige Flüssigkeit liefern, während bei er-
heblicher Vermehrung der einen oder anderen Substanz, z. B. von
1 auf 5 bis 7 Teile, entweder nur ein feucht bleibendes, pulveriges
Gemenge entsteht oder aber die Abtrennung eines öligen Liquidums
von einem körnigen Pulver erfolgt.
Aus den oben angeführten Beobachtungen des amerikanischen
Autors erhellt jedenfalls, dafs es sich bei dem flüssigen, als Chloral-
Kampher bezeichneten Gemisch nicht nur um eine, durch Erniedrigung
der Schmelzpunkte zu Stande gekommene einfache Lösung der
einen Substanz in der anderen, sondern um eine besondere Ver-
bindung handelt, die, wenn auch lockerer Natur, immerhin so fest
ist, dafs sie durch Kontakt mit guten Lösungsmitteln des einen
oder anderen Bestandteils nicht aufgehoben wird. So allein erklärt
es sich beispielsweise, dafs Chloralhydrat aus seiner wässerigen
Lösung unter gewissen Bedingungen durch eine Kampherlösung in
Chloroform ausgeschüttelt werden kann!
Was die schon angeführte Studie von Becker (l. s. ce.) über
das Verhalten des Chloralhydrates zu Menthol betrifft, so möge,
unter einfacher Verweisung auf das Original, lediglich hervorgehoben
werden, dafs dieser Autor den relativ raschen, besonders durch
leichte Erwärmung beschleunigten Uebergang gleicher Gewichts-
mengen Menthol und Chloralhydrat in eine klare ölartige Mischung ver-
mutlich zuerst beobachtet, jedenfalls aber als Erster dieselbe zu
arzneilichen Zwecken empfohlen hat. Er ermittelte das spez. Gew.
. der besagten Mischung zu 1,1984 und konstatierte die leichte Lös-
lichkeit des Chloral-Menthols in Alkohol, Aether, Chloroform, Benzin
und Schwefelkohlenstoff.
Bei Behandlung des Gemenges mit gleichen Teilen reiner
Schwefelsäure traten durchaus ähnliche gelbgrüne, hernach grün-
blaue Färbungen auf, wie solche wiederholt bei Einwirkung von
Chloral auf Oleum Menthae pip. beobachtet und beschrieben worden
sind. Die tiefblaue Mischung löst sich nahezu farblos in Alkohol auf.
Bezüglich der seither in der pharmaceutischen und chemischen
Litteratur erschienenen Angaben über die Verflüssigung mehrfach
10 Ed. Schär: Ueber Chioralhydrat.
erwähnter Körper soll, ohne allen allfälligen Notizen in zahlreichen
Zeitschriften weiter nachzugehen, nur erwähnt werden, dafs in einer
interessanten Mitteilung von Paschkis und Obermayer!)
über Verflüssigung des Kamphers, sowie des Chloralhydrates mit
zahlreichen anorganischen und organischen Substanzen irrtümlicher
‘Weise, wohi durch irgend ein Versehen, Thymol als ein Körper ge-
nannt wird, der sich mit Chloralhydrat nicht verflüssigt, während in
dem im gleichen Jahre erschienenen Handbuche der pharmaceutischen
Chemie von Flückiger?) in zutreffender Weise nicht allein die
unter Temperaturerniedrigung erfolgende Verflüssigung des im Ver-
hältnis der Molekulargewichte mit Chloralhydrat gemischten Kamphers,
sondern auch das übereinstimmende Verhalten der Mischungen der
ersteren Verbindung mit Menthol, Phenol und Thymol an-
gegeben wird.
Nach diesen Vorbemerkungen über die frühern Beobachtungen,
welche die Einwirkung von Chloralhydrat auf Kampher betreffen
und an welche sich alle seitherigen Erfahrungen über anderweitige
flüssige Chloral-Stearoptene, sowie über Verflüssigung der Stearoptene
unter sich anschlielsen, möge zu den Ergebnissen der vor einigen
Jahren begonnenen und seither vervollständigten eigenen Versuche
übergegangen werden. Es wurden zu denselben in erster Linie
neben Phenol nachfolgende Stearoptene gewählt, unter denen ein-
zelne bekanntlich in näheren Beziehungen zu Phenol und seinen
Derivaten stehen und deshalb wohl auch als Phenole im weiteren
Sinne betrachtet werden können.
1. Menthol aus Mentha piperita (in der Form des seit
mehreren Jahren von der Firma Todd in Notawa U. S. A.
als „Pipmenthol“ in den Handel gebrachten Produktes).
2. Laurus-Kampher (sowohl als raffinierter chines. und
japan. Kampher, wie auch in der aus rohem Kampheröl in
Europa isolierten Varietät).
3. Barus-Kampher, sogen. „Borneo - Kampher“, von
Dryobalanops Camphora, in diversen mehr oder weniger
vollständig gereinigten echten Proben aus Sumatra.
1) Pharm. Post 1888, No. 47.
2)]. c. Bd. II, 89, 334, 444.
Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 11
4. Borneol, künstlich aus gewöhnlichem Laurineen-Kampher
bereitet.
5. Thymol, aus dem Oele der Umbellifere Ptychotis Ajowan.
6. Diosphenol aus Bukublättern.
7. Matico-Stearopten, aus äther. Matico-Oel.
8. Ngai-Kamphert), aus Blumea-Species in China ge-
wonnen.
Diesen sämtlichen Kampherarten gegenüber zeigt nun Chloral-
hydrat ein im wesentlichen übereinstimmendes Verhalten; d.h. es
verflüssigt sich mit den genannten, einzelnen Stearoptenen, wenn es
mit denselben im Verhältnisse gleicher Gewichtsmenge, beispiels-
weise Il + 1 g, unter leichtem Druck oder auch unter Vermehrung
des Kontaktes durch schüttelnde Bewegung, vermischt wird. Die
Verflüssigung der Mischung erfolgt mehr oder weniger leicht bei
gewöhnlicher Temperatur (10—20°), erheblich leichter und rascher
in einer Digestionswärme von 25—35°. Von den Differenzen, welche
sich bei diesem Verllüssigungsprozesse für die einzelnen Kampher-
arten ergeben, möge hier nur insoweit die Rede sein, als speziell
auf die sehr energische, schon bei gewöhnlichen Temperaturen relativ
rasch erfolgende Veränderung des Aggregatzustandes bei der
Mischung von Chloralhydrat mit Menthol, Laurus-Kampher, Borneol
und Ngai-Kampher hingewiesen wird. In diesen Fällen entstehen
vollkommen durchsichtige Liquida von öliger Konsistenz, während
in den übrigen Fällen die Mischungen längere Zeit halbflüssig und
trübe bleiben, um erst bei Temperaturerhöhung auf ca. 30° und
Wiederabkühlung klar und flüssig zu werden oder überhaupt dauernd
trübe zu bleiben.
In Bezug auf das Verhalten der Chloral-Stearoptenmischungen
zu Wasser und anderen Lösungsmitteln weisen die entstehenden
verflüssigten Gemenge in der Regel annähernd dieselben Eigen-
schaften auf, wie solche schon von früheren Autoren für den Chloral-
Kampher und das Chloral-Menthol (s. o.) erwähnt wurden, doch
treten bei einzelnen Kampherarten Unterschiede zu Tage, deren
1) Bezüglich der Provenienz, sowie der physikal. chem. Eigen-
schaften dieses und der vorgenannten Stearoptene vergl.u.a. Flückiger
und Hanbury, Pharmakographia; Flückiger, pharm. Chem.,
terner E. Schmidt, Lehrb. d. pharm. Chemie.
12 Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat,
sorgfältige weitere Verfolgung wohl nicht ohne theoretisches Inter-
esse sein dürfte.
Auch in anderer Richtung ist eine Analogie mit den bei Ver-
mischung von Chloralhydrat und Lauruskampher bereits angedeuteten
Erscheinungen bei jenen übrigen Gemengen zu bemerken. Wird
nämlich die Quantität des einen oder anderen Bestandteils über das
früher angegebene Verhältnis hinaus erhöht, so entsteht in gewissen
Fällen bis zu gewissen Grenzen noch eine klar-flüssige Mischung;
über diese Grenzen hinaus werden entweder trübe, flüssige Gemenge
erhalten, welche zuweilen eine pulverige Ausscheidung zeigen, oder
es bilden sich auch wohl halbflüssige, pastöse Massen, welche nach
und nach eine dickliche Flüssigkeit vom Charakter des altbekannten
Chloral-Kamphers absondern.
Bemerkenswert ist im weiteren auch die Thatsache, dafs die
verfüssigten Gemische des Chloralhydrates mit den aufgeführten
Stearoptenen farblos bleiben; einzig der Maticokampher nahm auch
in den zur Verfügung stehenden, gut krystallisierten und anscheinend
reinen Proben einige Zeit nach der Vermengung gelbbraune, zuletzt
sogar sehr dunkelbraune Färbung an, was einigermafsen an die bei
einigen anderen ätherischen Oelen, z. B. Mentha-Oelen, durch wasser-
freies Chloral bewirkten Färbungen erinnert und auf eine intensivere
chemische Einwirkung schliefsen lassen könnte.
Was das Verhalten des Chloralhydrates zu Phenol betrifft, so
ist hier lediglich zu bemerken, dafs die leichte Verflüssigung dieser
beiden Substanzen schon seit einer Reihe von Jahren bekannt und
auch in neueren Pharmakopöen, wie z. B. in Pharm. helvetica III
bereits in die Charakteristik des Chloralhydrates aufgenommen ist.
Es tritt diese Verflüssigung des Chloral - Phenolgemenges naclı
meinen Beobachtungen sowohl bei reinstem Theer-Phenol in losen
Krystallen als bei synthetischem Phenol rasch und in derselben
Weise ein, wenn entweder gleiche Gewichtsteile oder auch die den
Molekulargewichten (94 und 165) entsprechenden Mengen beider
Verbindungen durch leichtes Verreiben oder Schütteln gemischt
werden.
Die beschriebene Einwirkung des Chloralhydrates auf Stearop-
tene und Phenol legten es nahe, auch die bei Anwendung des
Chloralalkoholates, sowie des s. Z. als Medikament eingeführten
Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 13
Butylchloralbydrates auftretenden Erscheinungen zu konstatieren, zu
welchem Zwecke Versuchsreihen mit Laurus-Kampher, natürlichem
und künstlichem Borneol, Menthol und Thymol angestellt wurden,
und zwar in der Weise, dafs die den Molekulargewichten der ver-
wendeten Stearoptene (150—156) entsprechenden Mengen (in Centi-
grammen) mit den Molekulargewichtsmengen des Chloral-Alkoholates
(193,5) und des Butylchloralhydrates (193,5) gemengt werden.
Hierbei ergab sich, dafs Chloralalkoholat mit Lauruskampher
eine schnell flüssig und klar werdende Mischung bildet. Die Reak-
tion tritt in diesem Falle so leicht ein, dafs kleinere Mengen (2—5 g)
der beiden Substanzen, welche in besonderen Schälchen unter einer
Exsikkatorglocke nebeneinander gestellt werden, schon durch den
Kontakt des Dampfes mit den festen Krystallen nach relativ kurzer
Zeit beiderseits Verflüssigung zeigen. In durchaus analoger Weise
verhält sich das Menthol zu der Chloralverbindung, insofern auch
hier nach der Mischung, namentlich wenn die Temperatur durch
Eintauchen in lauwarmes Wasser leicht erhöht wird, sehr bald eine
klare Flüssigkeit entsteht. Weniger rasch erfolgt dagegen die Ver-
llüssigung mit natürlichem oder künstlichem Borneol, obwohl auch
in diesem Falle nach längerem Kontakt der beiden Substanzen unter
leichter Erwärmung eine durchsichtig-füssige Mischung entsteht.
Was das Verhalten des Thymols zu Chloralalkoholat betrifft, so
ist die gegenseitige verflüssigende Wirkung eine merklich
schwächere als bei den sonstigen Eigenschaften dieses Körpers zu
erwarten wäre. Die Mischung bleibt bei gewöhnlicher Temperatur
längere Zeit halbflüssig, d. h. breiig, um erst bei Erwärmung auf
300-350 ganz flüssig zu werden, wobei jedoch ein gewisser Teil
des Gemenges sich nachträglich krystallinisch ausscheidet.
Wesentlich abweichend von der Wirkung des Chloralalkoholates
ist diejenige des Butylchloralhydrates, insofern diese Substanz weder
nit Lauruskampher noch mit Borneol, noch auch mit Thymol in irgend
einem Grade Verflüssigung herbeiführt, was zu der Vermutung
berechtigt, dafs sich die genannte Verbindung auch den weiteren
oben angeführten Stearoptenen gegenüber indifferent verhalten dürfte.
Unter den zum Versuche heigezogenen Kampherarten bewirkte einzig:
das Menthol einen gewissen Grad von Verflüssigung, d. h. es nahm
14 Ed. Schär: Ueber Chloralbydrat.
die im Molekulargewichts-Verhältnis bereitete Mischung schon in
der Kälte bleibend halbflüssige Konsistenz an.
Bemerkenswert ist endlich auch das Verhalten der beiden
Chlorale za Phenol. Sowohl das Chloralalkoholat als das Butyl-
chloralhydrat bewirkt relativ rasche Verflüssigung beigemengten
reinsten krystallisierten Phenols, wobei im ersteren Falle ein voll-
kommen flüssiges, farbloses und durchsichtiges Liquidum entsteht,
während bei der zweiten Verbindung eine weilslich trübe, bei ge-
linder Erwärmung sich merklich klärende Flüssigkeit gebildet wird.
Man wird demnach die leichte und vollständige Verflüssigung der
erwähnten drei Chloralverbindungen mit Phenol als eine besondere
Eigentümlichkeit sowohl der ersteren Substanzen als auch des
Monoxybenzols betrachten dürfen.
UI. Verhalten der Stearoptene unter sich.
Ueber die gegenseitige Verflüssigung von Stearoptenen sind im
Laufe der letzten Jahre verschiedene Einzeibeobachtungen bekannt
geworden, welche auf ein häufigeres Vorkommen dieser Erscheinung
hindeuten. So hat u. A. schon im Jahre 1885 Flückiger!) an-
läfslich der Frage der Verfälschung von Mentholstiften mit Thymol
die Beobachtung mitgeteilt, dafs Menthol und Thymol, welche beide,
wie schon erwähnt, die Eigenschaft der Verflüssigung mit Chloral-
hydrat aufweisen, diese Erscheinung noch rascher zeigen, wenn sie
zu gleichen Teilen, d. h. im ungefähren Verhältnis ihrer Molekular-
gewichte (156 : 150) gemengt und leicht geschüttelt werden. Hierbei
verändert zunächst das Menthol seinen Aggregatzustand, während
das Thymol etwas langsamer zerfielst, falls nicht gröfsere Mengen
des ersteren zugegeben werden. Später hat derselbe Autor in seiner
„pharm. Chemie (Bd. II, p. 444 bei Thymol)?) gezeigt, dafs relativ
kleine Zusätze von Thymol die Verflüssigung des Menthols herbei-
führen.
1) Pharm. Zeitung 18385, No. 81.
2) An gleicher Stelle wird auch mitgeteilt, dafs getrennt auf-
estellte Krystalle von Menthol und Thymol nach einiger Zeit durch
gegenseitige Einwirkung ihrer Dämpfe ihre Form verändern und so-
dann zu zerflie/sen beginnen, eine Erscheinung, die auch bei den von
F. Steinfels angestellten Versuchen mit Lauruskampher und Chloral-
‚alkoholat beobachtet wurde und oben erwähnt ist.
Ed. Schär: Ueber Chlorallıydrat. 15
Es schien mir wünschenswert, das Verhalten einer etwas
zrölseren Zahl teils offizineller, teils mit offizinellen ätherischen Oelen
und Kamphern in nahen Beziehungen stehender Stearoptene kennen
zu lernen, zu welchem Zwecke ich die schon oben angeführten, zu
den Versuchen mit Chloralpräparaten verwendeten Kampherarten
wählte, um das Verhalten derselben unter sich mit demjenigen zu
Chloralhydrat und mit der noch zu erwähnenden Einwirkung auf Phenol
vergleichen zu können.
Die Versuche wurden so ausgeführt, dafs ich in trockenen kleinen
Cylindern je zwei der sorgfältig getrockneten Stearoptene zu gleichen
Gewichtsteilen zunächst durch leichtes Schütteln oberflächlich mengte
und sodann durch kurzes Umrühren mit einem Glasstäbchen etwas
inniger vermischte. Die Versuche wurden für jedes einzelne Ge-
misch unter etwas variierenden Bedingungen öfters wiederholt, wo-
sei die obwaltenden Temperaturen zwischen 200°—-300 und die
angewendeten Gewichtsmengen zwischen je 1 bis je 5 g schwankten.
Die Ergebnisse dieser Versuchsreihen finden sich in nachstehender
Tabelle, welche der Kürze halber an Stelle einer Aufzählung der
Einzelversuche treten mag und im übrigen keiner weiteren Er-
läuterung bedarf.
Wenn die hier tabellarisch zusammengestellten Resultate, welche
bei der grofsen Zahl bekannt gewordener Stearoptene keineswegs
auf Vollständigkeit Anspruch machen können, miteinander verglichen
werden, so geht aus denselben zunächst hervor, dafs dem Menthol und
‚dem Thymolden anderen Kampherarten gegenüber das relativ intensivste
Vermögen der Verflüssigung zukommt; in der That verhält sich nur
Matico-Kampher gegen die beiden genannten Stearoptene indifierent,
während alle übrigen Kampherarten in Kontakt mit Thymol und
nahezu alle mit Menthol sich verfiüssigen. Am raschesten und
stärksten macht sich die Veränderung des Aggregatzustandes geltend
wenn Thymol und Menthol gemischt oder Lauruskampher mit dem
einen oder anderen dieser Staroptene in Kontakt gebracht wird,
wobei als bemerkenswert hervorgehoben werden soll, dafs Thymol
und Menthol in manchen Fällen nicht nur gleiche Gewichtsteile,
sondern auch erheblich gröfsere Mengen der beigemischten Kampher
art, wenn auch nicht vollständig zu verflüssigen, doch zu weicher
‚oder halbflüssiger Konsistenz zu bringen vermögen.
Ueber Chloralbydrat.
Ed. Schär:
Laurus- | Barus-
Kampher| Kamphor
Bornool Dios-
Thymol
(Kstl.)
phenol
x
a sn m a en en nenn
Menthol
sehr rascheisehr raschelsebr er raschelkeine Verfl Ikeine
Verflüssig. | Verflüssig. | Verflüssig. | Verflüssig.
Laurus-Kampheı keine Verfl.|keine Verfl.{sehr raschelkeine Verfl.|keine
intensive
en AIRES FTE ö Verflüssig.
Matico-
en En m ar Te nr nn a een en — ER
Ngai-
Kampher]Kampher
Verfl.| Verflüssig.
Verfl.ikeine Vertl.
Barus-Kampheı
keine Verfl | Verflüssig. |keine Verfl.Ikeine
Verflikeine Veıll.
Borneool
keine Verf.
(Kstl.)
langsame keine
Verflüssig.
Thymol —
_ langsame Ikeine
Vertlüssig.
Diosphenol
Matico-Kampfer = = =
Verfl.|keine Verfl.
Ver!l.
langsame
Verflüssig.
Verfl.Ikeine Verf.
keine Verfl.
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Kampher, Borneol, Ngai-Kampher, Diosphenol und Matieo-Kampher,
Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 17
wobei die hier eingehaltene Reihenfolge zugleich der Tendenz dieser
Stearoptene zur Verflüssigung mit anderen Kampherarten entspricht.
Während z. B. Laurus-Kampher erwähntermalsen sich mit Thymol
oder Menthol rasch vollständig verflüssigt, erfolgt diese Erscheinung
unter gleichen Umständen bei dem Ngai-Kampher nur langsam oder
unvollständig, und Matico-Kampher vermag mit keinem der übrigen, in
dieser Abhandlung berücksichtigten Kampherarten flüssige Mischungen
zu bilden.
Es bedarf kaum eines Hinweises darauf, dafs die mitgeteilten
Beobachtungen, wie dieses schon von Flückiger hinsichtlich des
Menthols und Thymols angedeutet wurde, dem praktischen Apotheker
erwünschte Anhaltspunkte über die Möglichkeit, sowie über die Er-
kennung von Verfälschungen gewisser Kampherarten durch ver-
wandte andere Substanzen oder auch durch fremde Körper an die
Hand geben, namentlich wenn in solchen Fällen gleichzeitig das
Verhalten zu Chloralhydrat mit zu Rate gezogen wird.
UI. Verhalten der Stearoptene zu Phenol.
Das oben unter I besprochene Verhalten des Phenols zu Chloral-
hydrat, welches u. A. auch in der neuesten Pharm. helv. III zur
Charakterisierung des letztgenannten Präparates benützt worden ist,
liefs es a priori wahrscheinlich erscheinen, dafs das Phenol im Kon-
takt mit einzelnen Stearoptenen ein ähnliches Verhalten, d. h. eine
mehr oder weniger weitgehende Verflüssigung zeigen werde, wie sie
beim Vermischen verschiedener Kampherarten unter sich beobachtet
und im Abschnitt II angegeben worden ist. Da andrerseits die
ohne Zweifel nahe mit einander verwandten Stearoptene Laurus-
kampher, Borneol und Ngaikampher, unter einander gemischt, die
Erscheinung der Vertlüssigung nicht aufweisen, so lag die Ver-
mutung nahe, dafs beispielsweise das in manchen Fällen energisch
verflüssigende Thymol, welches dem Phenol chemisch so nahe steht,
sich zu letzterem gleichfalls mehr oder weniger indifferent verhalten
werde.
Es führte dies zu einer Reihe von Versuchen über die Ein-
wirkung von Phenol (in den beiden Formen des Phenol. absolut. aus
Theer und des Phenol. absolut. synthet.) auf die 4 Stearoptene,
welche das relativ stärkste Verflüssigungsvermögen, besonders mit
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bades. 1. Heft. 3
18 Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat.
Chloralhydrat und Alkoholat aufweisen, nämlich auf Thymol, Menthol,
Lauruskampher und Borneol. Die betreffenden Beobachtungen er-
gaben das Resultat, dafs das Phenol, wie es schon bei gewöhnlicher
Temperatur oder bei leichtester Erwärmung auf ca. 250 mit den
genannten beiden Chloralpräparaten nach kürzerem Kontakt flüssige
Mischungen liefert, so auch bei sämtlichen eben aufgeführten Stea-
roptenen unter diesen Bedingungen auffallend rasch durchsichtige
oder halbdurchsichtige flüssige Gemenge bildet. Bei den hier in
Frage kommenden Versuchen wurden Phenol und das jeweilen zu-
gesetzte Stearopten im Verhältnisse der Molekulargewichte zusammen-
gegeben: eine Abänderung dieses Verhältnisses bewirkt je nach Um-
ständen Verlangsamung oder Beschleunigung des Verflüssigungs-
prozesses und erhöht oder verringert die Durchsichtigkeit der sich
bildenden flüssigen Mischung. Es scheint mir jedoch nicht geboten,
an diesem Orte auf weitere diesbezügliche Detailbeobachtungen ein-
zutreten; wohl aber mag die Bemerkung beigefügt werden, dafs die
Erscheinung am augenfälligsten auftritt, wenn das Phenol in geeig-
neter Weise mit Menthol oder Thymol vermischt wird.
Nachdem in vorstehenden Mitteilungen lediglich von der Ver-
flüssigung der Mischungen genannter Substanzen die Rede gewesen
ist, möge zum Schlusse noch einiger bei dieser Veränderung des
Agsregatzustandes bemerkten Wärmeerscheinungen sowie gewisser
die Löslichkeitsverhältnisse betreffender physikalischer Eigenschaften
gedacht werden.
Aus naheliegenden Gründen physikalischer Natur, deren spezi-
ellere Erörterung hier überflüssig erscheint, mufste erwartet werden,
dals die Bildung halbflüssiger oder Hüssiger Mischungen bei der
Vermengung der verschiedenen obengenannten Substanzen von mehr
oder weniger erheblichen Temperatur-Erniedrigungen begleitet sein
werde und dafs diese Erscheinung in den Fällen unmittelbar und
deutlich nachweisbar sein müsse, in denen die Verflüssigung durch
Mischung bei gewöhnlicher Temperatur eingeleitet und nicht durch
leichte Wärmezufuhr von Aufsen beschleunigt wird. In der That
ist schon wiederholt von verschiedenen Beobachtern, sowohl bei Ver-
mischung von Chloralhydrat mit Kampherarten, als bei Kontakt
von letzteren unter sich, z. B. von Menthol mit Thymol, Abkühlung
konstatiert und in der Litteratur angegeben worden. Es schien mir
Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 19
wünschenswert, diese Verhältnisse bei den Versuchen mit den wich-
tigsten Stearoptenen ebenfalls in Betracht zu ziehen, wobei sich
einige Ergänzungen der bisher gelegentlich bekannt gewordenen Daten
ergeben haben, welche vielleicht nicht ohne alles Interesse sind.
Die betreffenden Versuche wurden, da es sich bei dem kleineren
Mafsstabe derselben nicht um erhebliche Temperaturveränderungen
handeln konnte, selbstverständlich mit Utensilien und Materialien
ausgeführt, welche, längere Zeit in dem Arbeitsraume stehend, dessen
jeweilige Temperatur möglichst gleichmäfsig angenommen hatten.
Zar Herstellung und Beobachtung der sich verflüssigenden
Mischungen dienten kleinere, kurze Glascylinder von 25 bis
30 mm Weite, in welche jeweilen je 2 g der pulverisierten
Substanzen gleichzeitig eingeschüttet, zuerst oberflächlich mittelst
eines kleinen Glasstabes und sodann durch 1—2 Minuten lange
leichte und langsame Rührbewegung mit dem Thermometer ge-
mischt wurden. Die Mengen waren so bemessen, dafs nach der
Verflüssigung die verwendeten kleinen, für Temperaturen von 0—50°
justierten Thermometer mit der Quecksilberkugel und einem kürzeren
Teile der Röhre innerhalb der verflüssigten Gemenge blieben.
Die mit dieser Anordnung angestellten Beobachtungen be-
stätigten nicht allein einzelne schon vorhandene Angaben über Er-
niedrigung der Temperatur bei den in Frage kommenden Ver-
tlüssigungen, sondern zeigten, wie zu erwarten stand, dafs diese Er-
seheinung eine mehr oder weniger durchgehende ist, wenn auch der
Betrag der Abkühlung und deren Zeitdauer gewisse Differenzen auf-
weisen. Speziell liefs sich die Temperatur-Erniedrigung in deutlicher
Weise feststellen :
1. bei Chloralhydrat und Laurus-Kampher, Chloralhydrat und
Menthol, Chloralhydrat und Phenol;
2. bei Chloralalkoholat und Laurus-Kampher, Alkoholat und
Menthol, Alkoholat und Phenol;
3. bei Laurus-Kampher und Menthol, Laurus-Kampher und
Thymol, Menthol und Thymol ;
4. bei Phenol und Menthol, Phenol und Thymol.
Was zunächst das Verhalten der Chloralpräparate betrifft, so
wurde beim Vermischen von Chloralhydrat mit Laurus-Kampher die
relativ geringste Abkühlung von 2—3°0 beobachtet, während bei An-
I
20 Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat.
wendung von Menthol die Erniedrigung der Temperatur zwischen
3—4° schwankt. Von gleichem Belange ist auch die Abkühlung bei
Einwirkung des Chloralhydrates auf Phenol.
In noch auffälligerer Weise läfst sich die Temperaturerniedrigung
bei Vermengung von Chloralalkoholat mit verschiedenen Stearoptenen
bezw. Phenolen konstatieren. So tritt bei Mischung des genannten
Präparates mit Phenol eine Abkühlung um 31/;—4° ein; bei Ein-
wirkung auf Menthol beträgt dieselbe durchschnittlich 50 und noch
gröfser, d. h. bis auf 9° ansteigend ist dieselbe bei der Mischung
des Chloralalkoholates mit Laurus-Kampher. Die beobachtete, etwas
auftallende Erniedrigung der Temperatur, welche bei Vermischung
des erwähnten Alkoholates mit verschiedenen Kampherarten eintritt,
steht übrigens in vollem Einklange mit der bemerkenswerten
Energie, mit welcher das Chloral-Alkoholat, in teilweiser Abweichung
von dem Hydrate, die Verflüssigung von Stearoptenen und Phenol
herbeiführt.
Innerhalb ähnlicher Grenzen, wie die Abkühlung bei den
Mischungen der Chloralpräparate mit Stearoptenen, bewegt sich
auch die Temperaturerniedrigung bei Vermischung der letzteren
unter sich. So mag, um nur das Verhalten einiger pharmaceutisch
besonders wichtiger Verbindungen ins Auge zu fassen, erwähnt
werden, dafs die Abkühlung, welche durch Vermengung von Laurus-
Kampher mit Menthol oder von Laurus-Kampher mit Thymol be-
wirkt wird, nur auf 4—5° ansteigt, während dagegen bei Ein-
wirkung von Tbymol auf Menthol die höchste bei diesen Versuchs-
reihen konstatierte Abkühlung, nämlich eine solche von 10—11', zu
beobachten ist.
Dieselbe Erscheinung tritt auch noch bei der hier zuletzt er-
wähnten Vermischung von Phenol mit Stearoptenen auf, und zwar
beträgt die Temperaturerniedrigung bei Vermischung von Phenol
mit Menthol gleichfalls im Mittel 10%, während diejenige bei Kontakt
von Phenol mit Thymol erheblich geringer ist und nur auf 4—50 an-
steigt. -
Nachdem bis jetzt nur von Abkühlungen die Rede war, die bei
Berührung von Chloralpräparaten mit Phenol und mit Stearoptenen
oder bei Vermengung der letzteren Substanzen unter sich eintreten,
mu/s zum Schlusse auf eine unerwartete, für mich bis jetzt uner-
Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 21
klärliche Thatsache hingewiesen werden, welche zugleich eine War-
nung vor den bei naturwissenschaftlichen Beobachtungen nicht selten
beliebten aprioristischen Konstruktionen einschliefst.
Da das Thymol sowohl in Kontakt mit mehreren Kampherarten
als mit Phenol Verflüssigung unter Temperatur-Erniedrigung bewirkt
und da auch die letztgenannte, mit Thymol so nahe verwandte Ver-
bindung bei der Vermischung mit Chloralpräparaten resp. Chloral-
hydrat und Alkoholat unter Abkühlung sich verflüssigt (s. o.), so
schien die Annahme berechtigt, dafs auch die Verflüssigung von
Chloralhydrat und Thymol unter Abkühlung der Mischung vor sich
gehen würde. Schon bei den vor ca. 5 Jahren angestellten Ver-
suchen war jedoch das Gegenteil beobachtet worden, und ich fand
damals, dafs die erwähnten beiden Substanzen, in Mengen von
1—2 g innig vermischt, zunächst weich und halbflüssig werden, dafs
die Mischung sich hierbei um 4° im Mittel erwärmt, um später
bei etwas längerem Kontakt, rascher bei geringer Erwärmung, ganz
flüssig zu werden.
Diese Erscheinung ist in der Zwischenzeit wiederholt bemerkt
und auch neuestens bestätigt worden, und zwar ergaben auch diese
neueren Versuche die gleiche schon im Jahre 1889 beobachtete
durchschnittliche Temperatur-Erhöhung von 4°.
Es lag nunmehr nahe, auch das Chloralalkoholat hinsichtlich des
Verhaltens zu Thymol zu prüfen, wobei sich unter gleichen Ver-
suchsbedingungen fast genau dieselbe Erwärmung der Mischung um
40_—41/,0 zeigte. Diese abnorme Erscheinung, welche ich bis jetzt
nur bei Kontakt der Chloralpräparate mit Thymol, dagegen
bei keinem andern der in ziemlich grofser Zahl angestellten ander-
weitigen Versuche beobachten konnte, liefs an die Möglichkeit
denken, dafs die beim Vermischen der Substanzen aufgewendete
mechanische Bewegung eine Fehlerquelle darstellen, mit andern
Worten, dafs es sich bei Beobachtung einer Temperatur-Erhöhung
um Reibungswärme handeln könnte. Letztere würde besonders leicht
dann bemerkbar werden müssen, wenn das Thermometer selbst an
Stelle eines Glasstabes oder anderer Utensilien als Rührapparat ver-
wendet wird. Die angestellten Kontrollversuche bewiesen jedoch
sofort, dafs wenn die verschiedenen zu den Versuchen dienenden
Substanzen für sich allein in genau gleicher Weise und gleich
to
08
Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat.
alnge mit der 'Thermometerröhre umgerührt werden, wie die Sub-
stanzgemenge bei den definitiven Versuchen, zwar wohl eine sehr
geringe ablesbare Erwärmung eintrat, aber niemals höher als 1°, im
Mittel 0,7—0,8° anstieg. Hieraus ergiebt sich, dafs die bei Ver-
mengung der beiden Chloralpräparate mit Thymol auftretende Tempe-
raturerhöhung immerhin auf mindestens 30 anzusetzen ist und im
weiteren, dafs bei den Versuchen, bei denen Abkühlung beobachtet
wurde, die Temperaturerniedrigung um ca. 10 bezw. um den Betrag
höher zu bemessen wäre, welcher im einzelnen Falle durch die er-
wähnte geringe Reibungswärme kompensiert wird.
Die Erwärmung der Mischungen von Chloralalkoholat oder
-Hydrat und Thymol kann übrigens mehrmals nach einander beob-
achtet werden, wenn lose Gemenge der beiden möglichst locker ge-
pulverten Substanzen zeitweise mit dem Thermometer umgerührt
werden, sodals Vermehrung des Kontaktes der Pulverteilchen erfolgt.
In solchen Fällen pflegt die Verflüssigung nur sehr langsam vor sich
zu gehen. Die ausnahmsweise Tempereratur - Erhöhung bei der
Mischung der genannten Verbindungen, für welche ich vor der Hand
noch keine Erklärung zu geben vermag, scheint immerhin darauf
hinzudeuten, dafs es sich bei der gegenseitigen Einwirkung jener
Stoffe nicht allein um physikalische, sondern auch um bestimmte
chemische Wirkungen handelt, bei welchen chemische Energie als
‘Wärme frei wird und welche sonach zu den Zustandsveränderungen
gehören, bei denen gewisse Atombewegungen aufgegeben werden.)
Scehliefslich soll noch auf eine charakteristische Eigentümlichkeit
der flüssigen Mischungen von Ohloralhydrat und Kampher, wie auch
von Thymol und Menthol, hingewiesen werden, welche auf deren
Verhalten als Lösungsmittel Bezug hat. Schon durch die Versuche
von Albright (s. o.) war bekannt, dafs das aus gleichen Teilen
Kampher und Chloralhydrat gebildete ölige Gemisch beim Schütteln
mit Wasser kaum merklich an Volumen abnimmt, sowie dafs aus
einer Lösung des Choral-Kamphers in schwächerem Alkohol der
erstere durch Wasserzusatz nahezu vollständig in ölartiger Form
abgeschieden werden kann. Diese flüssige Mischung verhält sich
sehr zahlreichen Substanzen gegenüber als Lösungsmittel; nament-
1) S u. a. Lothar Meyer's Grundzüge d. theor. Chemie,
2, Aufl. (1893) S. 155 uff.
Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 23
lich vermag dieselbe solche Stoffe in geringerem oder höherem Malse
za lösen, welche auch in konzentrierten Lösungen des Chloral-
hydrates in Wasser oder Alkohol löslich sind. Dazu sind u.a. viele
Harze, organische Säuren, Alkaloide, Farbstoffe etc. zu zählen.
Zu den letztgenannten Substanzen gehört auch das Cyanin
(auch Chinolinblau oder Jodeyanin genannt), welches nach seiner
Auffindung und Einführung in die Technik vorübergehende Ver-
wertung als Farbstoff fand, aber nach seinen physikalisch-
chemischen Eigenschaften zu den interessantesten Verbindungen zu
rechnen ist.
In einer an die Beobachtungen von C. F. Schönbein))
sich anschliefsenden Arbeit über chemische und physikalische Eigen-
schaften des Cyanins?) babe ich s. Z. gezeigt, dals alle Lösungs-
mittel, welche den Farbstoff Cyanin mit tiefblauer Farbe zu lösen
vermögen, bei Zusatz zu den mit verdünnten Säuren entfärbten
alkoholischen oder alkoholisch-wässerigen Uyaninlösungen eine Wieder-
bläuung bewirken, vorausgesetzt, dals dieser Zusatz nicht zu gering
bemessen wird. Es wurde ferner konstatiert, dafs unter diesen
Cyanin Lösungsmitteln, von denen hier nur etwa Methyl-, Aethyl-
und Amylalkohol, Aldehyd, Aceton, Aether, Chloroform, Glycerin,
Bittermandelöl nebst anderen äther. Oelen erwähnt werden sollen,
diejenigen Flüssigkeiten, welche in Wasser nur in beschränktem
Mafse löslich sind (Aether, Amylalkohol, Chloroform) die Eigenschaft
besitzen, beim Schütteln mit entfärbtem Cyanin-Wasser (Gemisch
einer konzentrierteren alkoholischen Farbstofflösung mit dem 20- bis
A0fachen Gewicht Wasser) unter starker Bläuung der aus dem
Wasser sich abscheidenden Flüssigkeitsschicht der säurehaltigen
farblosen Cyaninlösung einen geringeren oder grölseren Anteil des
Farbstoffes zu entziehen, welcher mit allen seinen Eigenschaften in
das zugeführte Lösungsmittel übergeht.
Es erfolgt dabei dieser Uebergang um so reichlicher, je
schwächer die zur Entfärbung verwendete Säure und je geringer
deren Menge war, wie denn auch durch die genannten Lösungsmittel
dem blauen, säurefreien Cyaninwasser aller Farbstoff durch Aus-
schütteln entzogen werden kann, Thatsachen, welche die Vermutung
1) Erdmann’s Journ. f. prakt. Chemie XCV, 385/464.
2) Wittstein’s V. J. S. f. prakt. Pharm. 1871, 1—24.
24 Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat.
nahelegen, dals es sich bei der Entfärbung der Oyaninlösungen
durch verdünnte, selbst schwache Säuren, ähnlich wie bei der
Bleichung von gewissen Pflanzenfarbstoffen durch schweflige oder
hydroschweflige Säure, um die Entstehung lockerer Molekularver-
bindungen handelt.
Der Umstand, dafs verschiedene flüssige ätherische Oele das
Cyanin lösen und dafs dieser Farbstoff sich auch in einer kon-
zentrierten wässerigen Chloralhydratlösung in merklicher Menge auf-
löst, veranlafste eine Reihe von Beobachtungen über das Verhalten
des Chloralkamphers, sowie einiger flüssiger Mischungen von
Stearoptenen sowohl zu Cyaninwasser, als zu der durch Säure ent-
färbten Cyaninlösung.
So zeigte sich, dafs die alkoholisch-wässerige Cyaninlösung
(Cyanin-Wasser), welche !/, bis !/;, Proz. des Farbstoffs enthält,
sowohl durch Schütteln mit fHüssigem Chloralhydrat-Kampher oder
Chloralalkoholat - Kampher, als auch durch flüssige Stearopten-
Mischungen, insbesondere durch das Menthol-Thymol nahezu voll-
ständig entfärbt \verden kann, sodals das Cyanin bis auf Spuren,
welche die wässerige Schicht kaum deutlich blau färben, in das ölige
Ligquidum übergeht.
Dieselbe Erscheinung zeigt sich, wie vorauszusehen, auch dann,
wenn entweder eine cyaninhaltige wässeri geChloralhydratlösung mit
einer alkoholischen Kampherlösung oder aber eine wässerige Chloral-
hydratlösung mit einer cyaninhaltigen alkoholischen Kampherlösung
vermischt und sodann Wasser zugegeben und geschüttelt wird,
während eine alkoholische Cyaninlösung mit überschüssigem Wasser
unter Bildung eines tiefblau gefärbten Cyaninwassers mischbar ist.
Auffallender und im übrigen mit dem oben erwähnten Verhalten
von Aether, Chloroform oder Amylalkohol übereinstimmend, ist die
Einwirkung des Chloralkamphers und der flüssigen Stearopten-
Mischungen auf entfärbtes, d. h. säurehaltiges Cyaninwasser. Wird
beispielsweise das letztere mit 1/ı, bis "/, seines Volums Chloral-
Kampher oder Menthol-Thymol versetzt und umgeschüttelt, so findet
sogleich eine Blaufärbung der emulsionsartigen Mischung statt und
nach kurzem Schütteln scheidet sich die Schicht der einen oder
anderen ölartigen Flüssigkeit von der wässerigen Lösung mit mehr
oder weniger tiefblauer Farbe ab, während ein gewisser, von den
Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 25
Versuchsbedingungen abhängiger Teil des säurehaltigen Cyanins in
der wässerigen Schicht gelöst bleibt, wie sich durch die schwächere
oder stärkere Bläuung der letzteren bei Einwirkung von Alkalien
deutlich nachweisen läfst.
Da in dem einen Falle, bei Chloralkampher, das spez. Gewicht
über demjenigen des Wassers liegt (ca. 1,24 bei Mischung beider
Substanzen in gleichen Gewichtsmengen oder 1,25 bei Anwendung
der Mol.-Gewichte), im anderen Falle jedoch, bei Menthol mit
Thymol, das flüssige Gemisch leichter als Wasser ist, so scheidet
sich bei derartigen Versuchen mit entfärbtem Cyaninwasser die blaue
ölartige Schicht bald unter, bald über der wässerigen Cyanin-
lösung ab.
Im ersteren Falle entsteht, wenn die beiden Flüssigkeiten nicht
zusammengeschüttelt, sondern einfach übereinander geschichtet
werden, infolge der sofort eintretenden Diffusionswirkung, eine
sehr deutliche Zonenfärbung an der Kontaktstelle, von der aus ein
tiefblauer Ring sich allmählich über die ganze Chloralkampher-
schicht ausbreitet; in analoger, wenn auch viel weniger auffälliger
Weise, verhält sich z. B. eine auf dem entfärbten Cyaninwasser
lagernde Menthol-Thymol-Schicht.
Es darf wohl darauf hingewiesen werden, dafs gerade diese Er-
scheinungen sich recht gut zur Demonstration der Wirkungen der
Diffusion, sowie der Dissociation von Molekularverbindungen eignen,
sie sind überdies auch dazu angethan, die Aufmerksamkeit neuerdings
auf die schon vor 25 Jahren in eingehender Weise beschriebenen
eigentümlichen und theoretisch interessanten physikal.-chemischen
Eigenschaften des Cyanins hinzulenken.
Mit dieser kleinen Abschweifung mögen die vorstehenden Beob-
achtungen über Chloralpräparate, Phenole und Stearoptene für ein-
mal abgeschlossen werden. Wenn dieselben auch in den ver-
schiedensten Richtungen der Ergänzung und weitern Vertiefung
bedürfen, so kann wenigstens zur Rechtfertigung ihrer Mitteilung
der Versuch geltend gemacht werden, eine Anzahl typischer Er-
scheinungen dem pharmaceutischen Interesse etwas näher zu rücken.
26 W. Autenrieth: Aromatische Aether u. POl,.
Ueber die Einwirkung von Phosphorpentachlorid
auf aromatische Aether.
Von Dr. W. Autenrieth.
(Eingegangen den 6. Januar 1595.)
Das Phospherpentachlorid ist bekanntlich ein ausgezeichnetes
Mittel, um in sauerstoffhaltigen Verbindungen Sauerstoff
oder Hydroxyl durch Chlor zu ersetzen. Insbesondere die Reaktionen
zwischen Phosphorpentachlorid und Alkoholen,
Phenolen, Säuren, Aldehyden und Ketonen sind
vielfach Gegenstand der Untersuchung gewesen, und gehören die-
selben zu den wichtigsten und schon längst bekannten Prozessen
der organischen Chemie. Es hat sich gezeigt, dafs das Phosphor-
pentachlorid auf diese sauerstoffhaltigen Verbindungen stets so
einwirkt, dafs organische Halogenderivate und Phosphor-
oxychlorid entstehen. Die hierbei stattfindenden chemischen
Vorgänge lassen sich durch folgende Gleichungen ausdrücken, wobei
R einen Kohlenwasserstoffrest bedeuten soll:
I. R-OH + PC, =R--C1+HC1+POOCI],
7. R-07 7 + PCI, = R-CH CI, + POCI,
It. B>00 + PC,— E>CCl, + POO)
IV. R-C0.OH + PC, =R-CO.Cl+POC,—+ HCl.
Auch mit anderen sauerstoffhaltigen Verbindungen tritt Phosphor-
pentachlorid in gleicher Weise in Reaktion. Mit Säure-
anhydriden liefert es Säurechloride und Phosphor-
oxychlorid; aus Essigsäureanhydrid entsteht z.B., wie Ritter !)
gefunden hat, Acetylchlorid :
Ho >0 + PC,=POC,+20,H,0.C1
In manchen Fällen wirkt Phosphorpentachlorid auf sauerstoff-
haltige Substanzen als wasserabspaltendes Mittel; es
führt z. B. Säureamide unter Wasserabspaltung in Nitrile
über:
CH,—CO.NH, + PCl, = CH,—CN + POCL, +2 HCl
1) Ritter, Annalen der Chemie 95, 208.
W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PO|,, 27
und manche Dicarbonsäuren, wie deAethylenbernstein-
säure, in innere Säureanhydride:
CH, -CO.OH CH,-CO_ |
+ POL, = | O+POC,+2HCI
CH,—CO.OH CHz--C0/
Auch in diesen Fällen wird das Phosphorpentachlorid
inOxycehlorid übergeführt.
Ueber die Einwirkung von Phosphorpentachlorid auf Nitro-
und Sulfonsäurederivate liegen gleichfalls viele Versuche
vor, welche ergeben haben, dafs in vielen Fällen die Nitro-, wie
auch die Sulfonsäuregruppe leicht durch Chlor substituiert
werden können unter gleichzeitiger Bildung von Phosphoroxy-
chlorid. — De Konink und Marquardt!) haben z. B. mit
PC], «-Nitronaphtalin in «e-Chlornaphtalin verwandelt und Clöve°)
hat aus Naphtalindisulfonsäuren mit PC], die entsprechenden Di-
chlornaphtaline erhalten.
Ueber das Verhalten von Phosphorpentachlorid gegen
Aether der aliphatischen Reihe liegen nur wenige Be-
obachtungen vor. Beilstein bemerkt darüber in seinem „Hand-
buch der organischen Chemie“, III. Auflage, I. Band, Seite 292:
„Phosphorpentachlorid ist in der Kälte ohne Einwirkung auf Aether.“
Wie dasselbe in der Wärme auf Aether einwirkt, ist nicht an-
gegeben. -— Bachmann’) hat aber aus Diäthylacetal und Methyi-
äthylacetal — also aus aliphatischen Aethern — und PC], Mono-
chloräther und Phosphoroxychlorid erhalten:
0C,H, 20 cl
CH,.CH<oc: m? + POL, =POCh,+ CH. CH<Go,n, + a5 Cl
Ferner wird nach Abeljanz*) 1,2 Dichloräther durch PC],
in Aethylchlorid und Trichloräthan gespalten:
CH,0° ch a>0+PC, =POC, + &H,CI + %H,0);
Obgleich kaum weitere Angaben über die Einwirkung von
Phosphorpentachlorid auf Aether in der Litteratur zu finden sind,
so scheint doch die Ansicht der Chemiker allgemein dahin zu
1) Berichte der Deutschen chem. Ges. IX, 317 und 927.
2) Bulletin de la societ& chimique de Paris 26, 245.
3) Annalen der Chemie 218, 39.
4) Beilstein führt diese Angabe in seinem „Handbuch“ Seite 295
mit einem ? an.
28 W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PC],.
gehen, dafs PC], die Aether so spalte, dafs Phosphoroxy-
chlorid und Halogenalkyle entstehen. Anschütz be-
merkt wenigstens in der neuesten Auflage der v. Richter’schen
„Chemie der Kohlenstoffverbindungen.“ (Seite 138):
„Bei der Einwirkung von Phosphorpentachlorid zerfallen die
Aether in Alkylchloride:
C,H | i
Ca, >0+PC,=POC,+C,H,C1+CH,OL
Im Hinblick auf diese Verhältnisse war von vornherein anzu-
nehmen, dafs Phosphorpentachlorid auf „gemischt-aromatische Aether“
(fett-aromatisch) analog einwirken würde, wie auf aliphatische, näm-
lich unter Bildung von Phospkoroxychlorid, Halogen-
alkyl und Halogenbenzol, z. B. auf Phenetol im Sinne
folgender Gleichung:
C;3H,.0.0,H,+PCl,= C,H,C01-+- PO Cl +0C,H,C1.
Diese Annahme war umsomehr berechtigt, als nach den an-
geführten Thatsachen Phosphorpentachlorid mit sauer-
stoffhaltigen Verbindungen stets so reagiert, dalsesin
Phoesphoroxychlorid verwandelt wird. Es schien da-
her die Gesetzmälsigkeit zu bestehen, dafs das Phosphorpentachlorid
leicht zwei Chloratome gegen ein Sauerstoffatom austausche und da-
her mit allen sauerstoffhaltigen Substanzen in diesem
Sinne reagiere.
Unter dieser Voraussetzung habe ich seinerzeit überschüssiges
PC], auf m-Aethoxydioxychinoxalin
06,H
/N=C(08)
GHZ
IR
N=((0H)
einwirken lassen, in der Hoffnung, hierbei zu dem entsprechenden
Trichlorchinoxalin zu gelangen. Versuche, die zu diesem Zwecke
unter den verschiedenartigsten Bedingungen ausgeführt worden sind,
haben aber ergeben, dafs hierbei stets ein Aethoxytrichlor-
ehinoxalin sich bildet. Auf Grund dieser Beobachtung wurden
die in der vorliegenden Arbeit beschriebenen Versuche mit ein-
fachen Phenoläthern, mit $#-Naphtoläther und kompli-
zierter zusammengesetzten Aethern der Chinoxalinreihe
ausgeführt.
W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PCI,, 29
Diese Untersuchungen haben bestimmt zu dem Resultate ge-
führt, dafs Phosphorpentachlorid auf gemischt-
aromatisch& Aether der Benzol-, Naphtalin- und
Chinoxalinreihe stets chlorierend einwirkt, so
dafsim Benzolkern chlorierte Aether neben Phos
phortrichlorid und Chlorwasserstoff entstehen.
Der dabei stattündende Prozels läfst sich in folgender Gleichung
ausdrücken, wobei R ein Alkyl bedeuten soll:
GH;OR+POL=- GH, <ONr+POL,-+HOL
Henry?) hat seinerzeit PC], auf Anisol einwirken lassen
und hierbei auch gefunden, dafs ein chlorierter Aether entsteht, und
nicht Chlorbenzol, Aethylchlorid und Phosphoroxychlorid.
Die Einwirkung des Phosphorpentachlorids auf die aroma-
tischen Aether erfolgt bei verhältnismäfsig niederen Temperaturen;
die Reaktionen treten zwischen 30 und 70° ein, und zwar reagiert
von den untersuchten Aethern der #-Naphtolmethyläther
am leichtesten mit PC];,. Bringt man beide Substanzen in äqui-
molekularen Mengen zusammen und erhitzt diese Mischung auf 30°,
so findet eine ziemlich heftige Einwirkung statt: die Masse schmilzt
unter reichlicher Chlorwasserstoffentwickelung zu einer dunkelrot
gefärbten Flüssigkeit zusammen und zwischen 70—80° destilliert
alles gebildete Phosphortrichlorid über.
Nach den vorliegenden Beobachtungen verlaufen diese Reaktionen
niemals im Sinne der oben für die aliphatischen Aether ange-
gebenen Gleichung, so dals eine Spaltung des Aethers eintritt und
Phosphoroxychlorid sich bildet; auch wenn man einen bedeutenden
Ueberschufs von PCl, anwendet, reagieren beide Stoffe, selbst bei
höherer Temperatur, nur in dem angedeuteten Sinne. Ein
Chinoxalinäther wurde bei einem Versuche mit viel überschüssigem
Phosphorpentachlorid einige Zeit auf 180° erhitzt; es konnte hierbei
eine Spaltung des Aethers nicht bewirkt werden; stets resul-
2) Berichte d. Deutsch. chem. Ges. DH. 710.
Nach Abschiufs der vorliegenden Arbeit kam mir diese kurze
Mitteilung von Henry in die Hände. Da Henry über den Verlauf
der Reaktion zwischen PC], und Anisol nichts näheres angiebt und
auch über die Stellung des eingetretenen Chloratoms im Chloranisol
keine Angaben macht, su lasse ich meine diesbezüglichen Versuche in
dieser Arbeit kurz folgen.
30 W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PC],.
tierte der monochlorierte Aether. Die aromatischen
Aether sind somit gegen Phosphorpentachlorid bezüglich der Spaltung
viel beständiger als die rein aliphatischen Aether. — Die chlorierten
Aether werden meist mit quantitativer Ausbeute erhalten. Das bei
diesen Reaktionen gebildete Phosphortrichlorid wurde jeweils durch
Siedepunktsbestimmung und durch den Nachweis der phosphorigen
Säure, welche mit Wasser entsteht, als solches erkannt. Die
phosphorige Säure wurde mit Quecksilberchlorid nachgewiesen. Das
Chlor trat bei all’ den untersuchten Aethern in den Benzolkern
und niemals in die Seitenkette; bei den einfachen Phenoläthern,
Anisol und Phenetol, entstehen ausschlie(slich Parachlorderivate.
Der Nachweis hiervon wurde durch Spaltung der chlorierten Aether
mit konz. Salzsäure erbracht, wodurch p-Chlorphenol entstand. Zur
Erkennung kleiner Mengen von p-Chlorphenol hat sich die Baumann-
Schotten’sche Benzoylierungsmethode vorzüglich bewährt, indem
das schön krystallisierende Benzoylderivat desselben leickt im reinen
Zustande erhalten wird. Zum Vergleiche mit dem aus den chlorierten
Phenoläthern erhaltenen Benzoylderivat wurden die in der Litteratur
noch nicht verzeichneten Benzo&säureester des o- und p-Chlorphenols
dargestellt, welche im Anhang dieser Arbeit beschrieben sind.
Bei dem #-Naphtolmethyläther tritt das Chloratom in die
«e-Orthostellung zur Methoxylgruppe; dieser chlorierte Aether
lieferte bei der Spaltung mit konz. Salzsäure dasjenige Monochlor-
naphtol, welches Cleve!) und Zincke?) als a-Chlor-#Naphtol
= 1,2) erkannt haben.
Bemerkenswert ist, dafs bei den ausgeführten Reaktionen mit
Phosphorpentachlorid niemals ein Dichlorderivat erhalten wurde, auch
nicht, wenn man einen sehr zogen Ueberschufs von PÜ], auf den
Aether einwirken liefs.
Das verschiedenartige Verhalten des Phosphorpentachlorids
gegen aromatische Aether und gegen solche der aliphatischen Reihe,
sowie gegen andere sauerstoffhaltige Substanzen findet ungezwungen
seine Erklärung darin, dafs die Phenoläther, wie ja fast alle Benzol-
derivate leicht chloriert werden und infolge dessen eine Zerlegung
des Phosphorpentachlorids in Chlor und Phosphortrichlorid bewirken;
2) Berichte d. D. chem. Ges. XXI, 895.
2) Berichte d. D. chem. Ges. XXI, 3384.
W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PÜl,. 3l
die betreffenden Reaktionstemperaturen liegen mehr als 1000
unterhalb der Dissoziationstemperatur des Phosphorpentachlorids
(1600); es ist demnach die chlorierende Wirkung des Phosphorpenta-
chlorids auf aromatische Aether nicht auf vorhergehende Dissoziation
desselben durch Wärme und auf das hierbei frei werdende Chlor
zurückzuführen. — Hiermit ist freilich nicht erklärt, warum die
Aetherbindung durch überschüssiges Phosphorpentachlorid selbst
bei höherer Temperatur nicht gesprengt wird, obgleich doch anderer-
seits die Phenoläther durch Salzsäure leichter gespalten werden, als
die rein aliphatischen Aether.
Experimenteller Teil.
p-Chloranisol: GE <ocH,4
Trägt man Phosphorpentachlorid in Anisol, im Verhältnis gleicher
Moleküle, so geht das erstere unter reichlicher Chlorwasserstoft-
entwicklung mit roter Farbe gröfstenteils in Lösung; erhitzt man
hierauf diese Mischung im Paraffinbade auf 70 bis 100%, so tritt
ziemlich heftige Reaktion ein, und unter beständiger Entwicklung
von HCl destilliert zwischen 75° und 90° Phosphortrichlorid
über. Die Reaktion ist beendigt, wenn kein Phosphortrichlorid mehr
übergeht. Giefst man jetzt den Destillationsrückstand in Wasser,
so scheidet sich ein meist rötlich gefärbtes Oel aus, welches nach
dem Trocknen über Chlorcaleium zum gröfsten Teil zwischen 195 und
1960 überdestilliert.. Die Analyse dieses Oels lieferte für ein
Chloranisol übereinstimmende Werte. Die Ausbeute an Chloranisol
ist nahezu quantitativ.
Analyse.
I. 0,1426 g Substanz lieferten 0,3108 g CO, und 0,0652 g H,O,
1I. 0,255 g Substanz gaben 0,207 g AgCl.
Berechnet für: Gefunden:
C.H-OC1 J. LI.
C7=,58,94 59,30
H= 4% 5,07
GI=24,91 24,20
Das p-Chloranisol bildet ein farbloses Oel von aromatischem,
nicht unangenehmem Geruche. Es ist in Wasser unlöslich, mit
Alkohol, Aether und Chloroform in jedem Verhältnis mischbar. Es
32 W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PCI,
-
siedet zwischen 195 bis 1960 nahezu unzersetzt und ist auch mit
Wasserdämpfen wenig flüchtig.
Stellungsnachweis des Chlors.
Um den sicheren Nachweis zu führen, ob bei der Einwirkung
von PC], auf Anisol das Chlor in den Benzolkern oder in die Seiten-
kette getreten war, wurde das erhaltene Oel durch Erhitzen mit
konz. Salzsäure gespalten. Hierbei mufsten bei der ersten Annahme
ein Chlorphenol und Methylchlorid, bei der letzteren Phenol und
Methylenchlorid erhalten werden, wie aus folgenden Gleichungen zu
ersehen ist:
2 CHE ne Fre GER + CH, °C.
IL. 0,4, 00,014 Hcl- 0,8, - OH CHR
Zum Zweck der Spaltung wurde das erhaltene Chloranisol mit
konz. Salzsäure einige Stunden im geschlossenen Rohr auf 200° er-
hitzt. Beim Oeffnen der Röhre entwich ein Gas, welches mit grün-
licher Flamme verbrannte und sich dadurch als Methylchlorid zu
erkennen gab. Der Röhreninhalt wurde in überschüssiger Natron-
lauge aufgenommen, wobei sich geringe Mengen unveränderten Chlor-
anisols abschieden; die davon getrennte wässerige alkalische Lösung
wurde nach dem Uebersättigen mit Salzsäure der Destillation unter-
worfen. Im Destillate, das stark den charakteristischen Geruch des
p-Chlorphenols zeigte, schieden sich Oeltröpfchen aus. Da die
Menge des Oels zu gering war, um durch Siedepunktbestimmung
entscheiden zu können, welches Chlorphenol vorlag, so wurde das
Destillat mit Natronlauge übersättigt und die entstandene klare
Lösung mit Benzoylchlorid geschüttelt. Es resultierte hierbei ein
Benzoylderivat, das nach dem Umkrystallisieren aus verdünntem
Alkohol in perlmutterglänzenden Blättchen vom Schmelzpunkt 869
erhalten würde. Die Analyse dieser Substanz ergab, dafs eim
benzoyliertes Chlorphenol vorlag und der Vergleich mit dem aus
reinem p-Chlorphenol dargestellten Benzoylderivat (vergl. Anhang)
lieferte den Beweis, dafs es das Paraderivat war. Durch
diesen Spaltungsversuch mit konz. Salzsäure ist somit der un-
zweideutige Nachweis erbracht, dafs das aus Anisol und PÜ], er-
haltene Chlorderivat das Para-Chloranisol darstellt. Die Methoxy-
W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PCI,. 33
gruppe orientiert somit das Chlor nur zur Parastellung; die gleich-
zeitige Bildung des Orthoderivates wurde nicht beobachtet.
Die Analyse des Benzoylderivates des aus dem Chloranisol er-
haltenen Chlorphenols lieferte folgende Werte:
0,1559 g Substanz gaben 0,3852 g CO, und 0,0575 g H,O.
Berechnet für: Gefunden:
HK Q(c0 C,H,)
C = 67,09 67,38
ER —:3,88 4,09.
Das p-Chloranisol wurde zuerst von Beilstein und Kur-
batow!) durch Methylieren von p-Chlorphenol dargestellt. Die-
selben geben als Siedepunkt des p-Chloranisols 198 bis 2020 an,
während mein Chlorderivat konstant bei 195 bis 196° überdestillierte.
Wegen dieser Differenz habe ich den obigen Spaltungsversuch mit
Salzsäure ausgeführt.
p-Chlorphenetol: Ba r
Phosphorpentachlorid wirkt auf Phenetol in gleicher Weise ein,
wie auf Anisol; es entsteht ein Monochlorphenetol, welches durch einen
Spaltungsversuch mit konz. Salzsäure und durch den Vergleich mit
dem durch Aethylieren von p-Chlorphenol erhaltenen Derivat als
p-Chlorphenetol erkannt worden ist. Die Temperatur der Reaktion
zwischen Phenetol und PC], liegt zwischen 40 und 80°. Aus dem
Reaktionsprodukte wurde das p-Chlorphenetol nach dem bei Chlor-
anisol angegebenen Verfahren gewonnen. Der von 210 bis 215%
überdestillierende Teil, ein farbloses Oel, bestand aus reinem p-Chlor-
phenetol. Die Analyse dieses Oels lieferte folgende Werte:
1. 0,1278 g Substanz lieferten 0,29 g CO, und 0,0687 g H,0,
U. 0,2192 g Substanz gaben 0,2024 g AgCl.
Berechnet für: Getunden:
C;H,0Cl I. II.
ee: 61,80
EN 35,05 5,99
Cl = 22,68 22,80
Das p-Chlorphenetol bildet ein farbloses, dickes Oel von intensiv-
aromatischem, nicht unangenehmem Geruche. Es destillierte zwischen
212—215° über und ist mit Wasserdämpfen wenig flüchtig.
2) Annal, der Chem. 176, 30
Arch, d. Pharm. XXCCCII. Bäs. 1. Heft.
n
34 W. Autenrieth: Aromatische Asther u. PC],.
«-Chlor-3#-Naphtolmethyläther.
(Ul=10CH, = 2.)
, N FEN
i 3
ie 8: Dee. Ds 00m,
ci
Von den in den Kreis der Untersuchung gezogenen aromatischen
Aethern reagiert der #- Naphtolmethyläther am leichtesten mit Phos-
phorpentachlorid. Beide Stoffe wirken schon bei 300 auf einander
ein. Zur Gewinnung des chlorierten Aetbers giefst man das noch
Hüssige Reaktionsprodukt in viel Wasser, wobei es sofort zu einer
blättrig-krystallinischen Masse erstarrt. Ein einmaliges Umkrystalli-
sieren aus Alkohol genügt, um den Chlornaphtoläther völlig rein zu
erhalten. Ausbeute quantitativ.
Analyse:
I. 0,1968 g Substanz lieferten 0,4948 g CO, und 0,0842 g H.0,
II. 0,1520 g Substanz gaben 0,1109 g AgCl.
Berechnet für: Gefunden:
Cı,00: % 18L
© = 68,56 68,59
H= 467 4,75
Gl = 18,37 18,17
Der «-Chlor-#-Naphtolmethyläther krystallisiert aus Alkohol in
weilsen, perlmutterglänzenden Blättchen, die einen betäubenden
Geruch haben. Der Aether ist in Wasser unlöslich, in den organi-
schen Lösungsmitteln ziemlich leicht löslich und schmilzt bei 78%.
e-Chlor-#-Naphtol.
(A=1 0H=3,)
6 | 3!
—0H1
U OH HE
\8 N 1 ä
cu
Nach der Theorie müssen 7 Monochlor-2-Naphtole existieren,
von welchen bis jetzt 4 dargestellt und in der Litteratur verzeichnet
sind, nämlich das (2,1), (2,5), (2,6) und (2,8) Monochlor-(2)-naphtol.
W. Autenrioth: Aromatische Aether u. P Cl,. 35
Um zu entscheiden, ob »ei der Einwirkung von Phosphorpenta-
chlorid auf den #-Naphtolmethyläther das Chloratom in die Seiten-
kette oder in den Naphtalinkern eingetreten war und ob dann, falls
letztere Annahme richtig ist, der dargestellte Chlornaphtoläther auf
eines der bekannten Chlornaphtole zurückzuführen wäre, wurde die
Spaltung mit konz. Salzsäure ausgeführt. Zur vollständigen Spaltung
des Chlornaphtolmethyläthers war hierbei ein längeres Erhitzen im
geschlossenen Rohre auf 200—250° notwendig. Beim Oeffnen der
Röhre entwich ein Gas, das mit grünlicher Flamme verbrannte und
sich hiernach als Methylchlorid zu erkennen gab. Zur Isolierung des
Chlornaphtols wurde der Röhreninhalt mit überschüssiger Natronlauge
ausgekocht, unverändert gebliebener Aether abültriert und das
Filtrat mit verdünnter Salzsäure übersättigt. Das hierbei als weilser
Niederschlag gefällte Chlornaphtol wurde entweder durch Umkrystalli-
sieren aus Wasser oder Petroläther, oder durch Destillation mit
Wasserdämpfen gereinigt.
Analyse:
I. 0,1607 g Substanz lieferten 0,3926 g CO, und 0,0653 g H,O.
II. 0,21 g Substanz gaben 0,1632 g Ag Cl.
Berechnet für: Gefunden:
C.uH,00: 1% IT,
C = 67,22 66,65
H=:33 4,35
Cl = 19,88 19,22
Das 1-Chlor-2-Naphtol krystallisiert aus Wasser in glänzenden,
Yarblosen Blättchen und Nadeln, die beim Trocknen an der Luft
oder im Exsiccator ihren Glanz vollständig verlieren. Es scheint
somit, dafs das frisch krystallisierte Chlornaphtol Krystallwasser ent-
hält, das schon beim Liegen an der Luft allmählich entweicht; es
konnte aus diesem Grunde eine Wasserbestimmung nicht ausgeführt
werden. Aus Petroläther krystallisiertt das Monochlornaphtol in
schön ausgebildeten Prismen. Es zeigt einen aromatischen, nicht
unangenehmen Geruch, ist ziemlich flüchtig und sublimiert beim
Erhitzen unzersetzt; der Schmelzpunkt liegt bei 70%. Das Chlor-
naphtol giebt mit Kali- und Natronlauge violett fluorescierende
Lösungen. Auch in kalter Sodalösung ist es leicht löslich.
56 W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PC],.
e-Chlor-Benzoösäure£-naphtolester.
ee
Zur näheren Charakterisierung des 1-Chlor-2-Naphtols und haupt-
sächlich zum besseren Vergleiche mit dem von Zincke und Cleve
beschriebenen Chlornaphtols wurde das Benzoylderivat dargestellt.
Dieses wird leicht durch Benzoylierung des Chlornaphtols nach der
Baumann-Schotten’schen Methode in nahezu berechneter
Menge erhalten.
Analyse:
I. 0,1452 g Substanz lieferten 0,3818 g CO, und 0,0498 g H,O
IT. 0,1192 g 5 . 0,0558 g Ag Ci
Berechnet für Gefunden:
C,H4 0901: I. I.
A AN 71,71 —
HH, —,' 3,90 3.81 _
er Mal — 11,72
Das Benzoylderivat des Chlornaphtols krystallisiert aus Alkohol
in glänzenden, schön ausgebildeten Blättchen, die in Alkohol und
Aether ziemlich leicht löslich sind und bei 101° schmelzen.
Stellungsnachweis des Chlors im Chlor-
2-Naphtol.
Von den in der Litteratur beschriebenen Monochlor-2-Naphtolen
schmilzt das von Cl&ve!) und Zincke?) dargestellte Derivat bei
70—710. Es lag daher nahe, dafs dieses mit dem von mir dar-
gestellten Chlor-2-Naphtol identisch wäre. Zum besseren Vergleiche
wurde das 1-Chlor-2-Naphtol nach der Vorschrift von Zincke dar-
gestellt.
Es wurde in die Auflösung des #-Naphtols in Eisessig die be-
rechnete Menge Chlor unter Abkühlen eingeleitet, dann zur Reduktion
von gleichzeitig gebildetem Dichlorketohydronaphtalin mit über-
schüssigem Zinnchlorür versetzt. Diese Flüssigkeit wurde nach
einigem Stehen in viel Wasser gegossen, wobei sich das 1-Chlor-
2-Naphtol in feinen Krystallnadeln abschied. Die noch stark zinn-
haltigen Krystalle wurden mit verdünnter Salzsäure so lange digeriert
und ausgewaschen, bis in der abfiltrierten Flüssigkeit mit Schwefel-
wasserstoff kein Zinn mehr nachweisbar war. Zur weiteren Rei-
1) Berichte d. d. chem. Ges. XXI, 89.
2) Berichte d. d. chem. Ges. XXI, 3534.
W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PCI,. 37
nigung wurde ein Teil der Krystalle mit Wasserdämpfen abdestilliert
und ein zweiter Teil aus Petroläther umkrystallisiert. Das so ge-
reinigte Chlornaphtol zeigte den von Zincke angegebenen Schmelr-
punkt 70°; die Krystalle hatten dasselbe Aussehen, wie diejenigen
des mit Hilfe der Phosphorpentachloridreaktion erhaltenen Chlor-
naphtols und gaben auch mit den Alkalien fluoreszierende Lösungen.
Ein Teil des Zincke’schen Chlornaphtols wurde durch Schütteln mit
Benzoylchlorid und überschüssiger Natronlauge in das Benzoylderivat
übergeführt, welches nach dem Umkrystallisieren aus Alkohol in
farblosen, glänzenden Blättchen vom Schmelzpunkt 101° erhalten
wurde. Ein weiterer Teil wurde methyliert, indem die methyl-
alkoholische Lösung des Chlornaphtols mit der berechneten Menge
Aetznatron und Methyljodid unter Rückflufs einige Stunden erhitzt
wurde. Die Methylierung verlief hierbei glatt und vollständig. Der
Methyläther schied sich beim Eingiefsen des Reaktionsproduktes in
Wasser in Krystallen ab, die nach dem Umkrystallisieren aus Al-
kohol glänzende Blättchen vom Schmelzpunkt 68° darstellten.
Durch diese Versuche ist in unzweideutiger Weise bestimmt nach-
gewiesen, dals die beidenin Frage kommenden Mono-
ehlornaphtole identisch sind; die Identität stützt sich auf
folgende Thatsachen :
1. Beide Chlornaphtole schmelzen bei 70° und geben mit Al-
kalien fuoreszierende Lösungen.
2. Die Benzoylderivate beider Chlornaphtole krystallisieren im
glänzenden Blättchen, die scharf bei 101° schmelzen.
3. Der aus dem Zincke’schen Chlornaphtol dargestellte
Methyläther ist mit dem aus #-Naphtolmethyläther und Phosphor-
pentachlorid erhaltenen Derivat identisch; beide Aether schmelzen
bei 680,
Cleve und Zincke (l. ce.) haben durch Ueberführen ihres
Ohlornaphtols in das 1-, 2-Dichlornaphtalin mit PC]; den sichern
Nachweis erbracht, dafs ihr Derivat das 1-Chlor-2-Naphtol ist. —
Aus dem Vorhergehenden ist somit zu ersehen, dafs bei dem
#Naphtolmethyläther die Methoxylgruppe das Chlor zur «-Ortho-
stellung orientiert, abweichend von den einfachen Phenoläthern.
Dieses verschiedene Verhalten des 3-Naphtoläthers ist auf jeden
Fall dadurch bedingt, dafs dieser Aether in demjenigen Benzol-
38 W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PCI,.
kerne, welcher die Asthergruppe Ent eine freie Parastellung nicht
mehr enthält: RR
) 2
—OR
%
OC, H,
/ ‚N=cc
Aethoxytrichlorchinoxalin: CB, & |
\\W=CC
Nc1
Das m-Aethoxy-o-phenylendiamin kondensiert sich mit Oxal-
säure, wie Autenrieth und Hinsber g!) gezeigt haben, leicht
zu dem Aethoxydioxychinoxalin :
9% H; co. OH ! 9% H,
NINE, ni ® = (C(0H)
Wird dieses Chinoxalin mit überschüssigem PC], (1 Mol.
Chin. : 3 Mol. PC],) im Paraffinbade zusammengeschmolzen, so
werden nicht nur die Hydroxylgruppen durch Chlor ersetzt, sondern
es erfolgt auch gleichzeitig eine Substitution von Wasserstoff durch
Chlor im Benzolkern unter Bildung von Aethoxytrichlor-
chinoxalin. Durch öfteres Umkrystallisieren des meist braun
gefärbten Reaktionsproduktes aus Alkohol wird das Chinoxalin im
reinen Zustande erhalten. Die Analyse desselben lieferte für ein
Aethoxytrichlorchinoxalin genau übereinstimmende Werte.
I. 0,1615 g Substanz gaben 0,258 g CO, und 0,045 g H;0.
Il. 0,1055 g Substanz lieferten 0.164 g AgCl.
Berechnet für: Gefunden:
C,H,N,0Cl, TE 1.
055 743.35 43,56
IH — 2:50 3,09
Ci = 38,37 38,44.
Das Aethoxytrichlorchinoxalin krystallisiert aus Alkohol in feinen,
seidenglänzenden Nädelchen, die auch nach öfterem Umkrystallisieren
einen Stich ins Gelbliche behalten. Es ist in Wasser unlöslich, in
Alkohol, Aether und Chloroform ziemlich leicht löslich und schmilzt
bei 144°. Konz. Schwefelsäure löst das Chinoxalin mit gelbroter
I) Dieses Archiv 29, Heft 6.
W. Autenrieth: Aromatische Aether u. P C],. 39
Farbe auf; durch Wasser wird es aus dieser Lösung als gelblich-
weilser Niederschlag wieder ausgefällt.
A
o Blukenä BR A a ie
xytrich orchınoxalın: (sg rar \
Su 5 0
Bei der Einwirkung von Phosphorpentachlorid auf das Aethoxy-
dioxychinoxalin wurden zunächst die beiden Hydroxyle durch Chlor
substituiert. Um zu bestimmen, wo das 3. Chloratom eingetreten
war, ob in den Benzolkern oder in die Aethylgruppe, wurde der
Chinoxalinäther in gleicher Weise, wie die schon beschriebenen
ehlorierten Aether mit konz. Salzsäure gespalten. Hierbei mulste
entweder Oxytrichlorchinoxalin und Aethylchlorid oder Oxydichlor-
chinoxalin und Dichloräthan entstehen, wie folgende Gleichungen
veranschaulichen :
9%; yo
ren N ,mazoufl Tıomu
© ON N 1 = \ |
6 \n=ca NN bc +6H;
cı Nc1
0C,H,Cl oH
Hd. GE, -N CO ı pa=c,H, N = CU, 08,01,
N=-(Ca N-Col
Der Versuch mit Salzsäure hat ergeben, dafs hierbei Aethyl-
ehlorid und Oxytrichlorchinoxalin als Spaltungsprodukte des Aethers
sich bilden. Beim Oeffnen der Druckröhre entwich ein Gas, das mit
grüner Flamme verbrannte und sich dadurch als Aethylchlorid zu
erkennen gab. Der Röhreninhalt wurde zur Isolierung des gebildeten
Oxychinoxalins in Natronlauge aufgenommen und hieraus mit ver-
dünnter Salzsäure das Phenol als gelblicher Niederschlag getällt.
Die Ausbeute an Oxytrichlorchinoxalin war immer eine sehr geringe,
da bei der Reaktion mit konz. Salzsäure, zumal bei stärkerem Er-
hitzen, weitergehende Zersetzungen des Aethoxyderivates eintraten.
Während bei 140 bis 150° der Aether nicht gespalten wird, erhält
man beim Erhitzen auf 2400 so gut wie kein Phenol mehr; es
bilden sich hierbei stark braun gefärbte, amorphe, alkalilösliche
Substanzen. — Die Analyse des erhaltenen Phenols liefs erkennen,
dafs in der That das Oxytrichlorchinoxalin vorlag.
40 W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PC],.
0.2248 g Substanz gaben bei 150C und einem Barometerstand von
745 mm 23,3 ccm Stickstoff = 11,68 Proz. N.
Berechnet für: Gefunden:
C,;H;N,OCl,
NZ 21052 11,55
Cl = 42,68 43,21
Das Oxydichlorchinoxalin enthält dagegen 13,02 Proz-
N. und nur 33,02 Proz. Chlor.
Das Oxytrichlorchinoxalin ist in Wasser, Alkohol, Aether,
Chloroform und Eisessig nahezu unlöslich ; von den fixen Alkalien, von
Ammoniak und von heifser Sodalösung wird es mit intensiv
gelber Farbe zu den entsprechenden Salzen gelöst. In ver-
dünnten Säuren ist es unlöslich, wird jedoch von konz. Salzsäure
und Schwefelsäure mit geiber Farbe aufgelöst. Das Oxytrichlor-
chinozalin hat also neben dem ausgesprochen sauren Charakter
noch die Eigenschaften einer sehr schwachen Base. Durch den
Eintritt von 3 Chloratomen in das Molekül des p-Oxychinoxalins?)
ist der basische Charakter der Chinoxalingruppe beinahe aufgehoben;
während das p-Oxychinoxalin mit verdünnten Säuren Salzbildung
eingeht, ist das Trichlorderivat nur noch in konz. Mineralsäuren
löslich.
Anhang. Das Benzoylchlorid bei Gegenwart von über-
schüssiger Natronlauge — d. h. die Benzoylierung nach Bau-
mann-Schotten — hat sich in sehr vielen Fällen als ein vor-
zügliches Reagenz auf Alkohole, Phenole, primäre und
sekundäre Amine erwiesen. Hierbei wird der typische
Wasserstoff der Hydroxyl-, Amid-, bez. Imidgruppe durch Benzoyl
(C, H, CO) ersetzt. Die resultierenden Benzoylderivate sind meistens
in Wasser unlösliche und aus Alkohol krystallisierbare Substanzen.
Die Benzoylierungsmethode eignet sich daher sehr gut, um kleine
Mengen von Phenolen und Aminbasen nachzuweisen. E. Baumann
und Udränszky?°) haben z. B. mit Hilfe der Benzoylierungs-
methode die im Allgemeinen schwer isolierbaren Diamine, Cadaverin
und Putrescin aus Faeces und Harn einesan Cystinurieleidenden Patienten
leicht abscheiden und näher charakterisieren können. Auch Phenole
lassen sich leicht benzoylieren: z. B. steht der Nachweis der Karbolsäure
1) Berichte d. deutschen chem. Ges. XXV, 495.
2) Zeitschrift für physiologische Chemie XIH, 562.
W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PC|,. 4
durch Benzoylierung an Empfindlichkeit der Reaktion mit Bromwasser
wenig nach. In dieser Hinsicht ausgeführte Versuche haben ergeben,
dafs man im Destillate eines jeden normalen, mit Salzsäure an-
gesäuerten menschlichen Harns geringe Mengen von Phenolen durch
Benzoylierung nachweisen kann. Im Hinblick hierauf habe ich die
Benzoylierung auf die Chlorphenole angewandt, um das bei der Spaltung
des Chloranisols und Chlorphenetols erhaltene Chlorphenol näher
eharakterisieren zu können. Es schien mir dies umsomehr geboten, als
bei der Spaltung genannter Aether immer nur sehr geringe Mengen
von Chlorphenol erhalten wurden, so dafs eine Siedepunktsbestimmung
kaum ausgeführt werden konnte: zudem liegen die Siedepunkte der
3 Chlorphenole ziemlich nahe beisammen. Der Versuch hat nun ge-
zeigt, dafs die Benzoylierung auch in diesem Falle vorzügliche
Dienste leistet; man kann die kleinsten Mengen von p-Chlorphenol
durch Benzoylierung nachweisen.
Benzoäösäure-p-Chlorphenylester: Ga ee) Fi
entsteht in berechneter Menge beim Schüttein der Lösung von p-Chlor-
phenol in überschüssiger Natronlauge mit Benzoylchlorid. Das ab-
geschiedene Benzoylderivat wird durch Umkrystallisieren aus Alkohol
rein erhalten.
1. 0,1559 g Substanz lieferten 0,3852 g CO, und 0,0575 g H,O.
II. 0,215 g Substanz gaben 0,1334 & AgCi.
Berechnet für Gefunden
C,H,0; 01 % 11.
C = 67,09 67,38
H= 3,87 4,09
Cl= 15,26 15,02.
Der Benzoösäure-p-Chlorphenylester krystallisiert aus Alkohol m
farblosen, perlmutterglänzenden Blättchen, die bei 86° schmelzen.
Der Ester ist in Wasser unlöslick, in Alkohol und Aether ziemlich
leicht löslich.
Benzo&säure-o-Chlorphenylester: C,H,< "uk I
wird durch Benzoylierung von o-Chlorphenol mit quantitativer Aus-
beute erhalten. Durch fraktionierte Destillation des Reaktions-
produktes wird der Ester rein erhalten; der zwischen 314 bis 3169
überdestillierende Teil besteht aus reinem Benzoäsäure-o-chlor-
phenpylester.
42 W. Autenrieth: Aromatische Acther u. PC]..
Analyse.
0,2174 g Substanz lieferten 0,5433 g CO, und 0,0826 g H,O.
Berechnet für Gefunden:
C,3H30; Cl
er =467,09 67,99
re) 4,27.
Dieses Benzoylderivat stellt ein farbloses, das Licht stark
brechendes Oel dar, welches auch in einer Kältemischung nicht zum
Erstarren gebracht werden konnte. Es siedet zwischen 314 bis 316°
fast unzersetzt.
Da das Chlorphenol, welches bei der Spaltung von Chloranisol
und Ühlorphenetol entsteht, durch die Benzoylverbindung bestimmt
als p-Chlorphenol erkannt worden war, so wurde die Benzoylierung
des schwerer erhältlichen m-Chlorphenols unterlassen.
_OS0,0,H; 1.
"Cl 4.
O0. Hinsberg!) hat in sehr glücklicher Weise die Bau-
mann-Schotten’sche Benzoylierungsmethode auf das Säure-
chlorid der Benzolsulfonsäure, C;,H,SO, . Cl ausgedehnt und gefunden,
Benzolsulfonsäure-p-Chlorphenylester: C,H,
dafs hierdurch in Phenolen, primären und sekundären Aminbasen
der typische Wasserstoff leicht durch die Phenylsulfongruppe
(C,H,SO,) ersetzt werden kann. Ich habe diese Reaktion mit dem
p-Chlorphenol ausgeführt. Das p-Chlorphenol wurde in über-
schüssiger Natronlauge gelöst, die Lösung zum Sieden erhitzt und
unter Umschütteln allmählich die berechnete Menge Benzolsulfo-
chlorid eingetragen; hierbei schied sich der Benzolsulfonsäure-
p-Chlorphenylester als farbloses Oel ab.
Analyse:
0,1842 & Substanz gaben 0,3604 g CO, und 0,0613 g H30.
Berechnet für Gefunden
CaH,C1S0,
C = 53,63 53,36
EL: 35 3.69
Der Benzolsulfonsäure-p-Chlorphenylester bildet ein farb- und
geruchloses, dickes Oel, das auch bei niederen Temperaturen nicht
erstarrt. Es ist in Wasser uniöslich, mit Alkohol und Aether aber
in jedem Verhältnis mischbar.
Freiburg i. Brg., Dezember 1894.
Chemisches Univ.-Laboratorium
(med. Fak.).
3) Berichte d. D. chem. Ges. XXIIL, 475.
W. Autenrieth: Ueber einen neuen Indikator. 43
Ueber einen neuen Indikator.
Von Dr. W. Autenrieth.
(Eingegangen den 6. Januar 1895).
In der vorliegenden Arbeit ist ein mit Hilfe der Phosphor-
pentachloridreaktion !) erhaltenes Chinoxalinderivat be-
schrieben, welches als Indikator bei alkali- und acidimetrischen Be-
stimmungen Verwendung finden kann. Diesem Chinoxalin wurde der
Name „Luteol“ beigelegt, weil es ein Phenol ist und sich mit
Alkalien intensiv gelb färbt.
Aethoxychlordiphenylchinoxalin:
73= 0-6)
= == IR
a4 N C (0, 5)
Erhitzt man die Mischung der alkoholischen Lösungen von
m-Aethoxyphenylendiamin und Benzil zum Sieden, so bildet sich ein
reichlicher krystallinischer Niederschlag von Aethoxydipheny!-
chinoxalin:
/9%8, CO.0H, Re
co .Cg H, N RN (C, H-)
das durch Uinkrysialliäieren aus Alkohol in feinen, schwach gelblich
gefärbten Nädelchen vom Schmelzpunkt 150° gewonnen wird.
Wird dieses Chinoxalin mit Phosphorpentachlorid, im Verhältnis
gleicher Moleküle, im Paraffinbade erhitzt, so tritt zwischen 70—90
Reaktion ein, die Masse schmilzt zusammen und unter reichlicher
Chlorwasserstoffentwicklung destilliert Phosphortrichlorid über. Geht
von letzterem nichts mehr über, so krystallisiert man den meist stark
braun gefärbten Destillationsrückstand aus Alkohol um. Ein zwei-
maliges Umkrystallisieren genügt, um das chlorierte Chinoxalin rein
zu erhalten; dieses wird hierbei in nahezu berechneter Menge ge-
wonnen.
Analyse. I. 0,1733 g Substanz lieferten 0,469 g CO, und
0,0799 g H,O.
II. 0,1899 g Substanz lieferten bei 26° C. und einem Barometer-
stand von 741,5 mm 13,4 ccm N.
III. 0,1822 g Substanz gaben 0,0743 g AgCl.
1) Vergl. vorhergehende Abhandlung.
44 W. Autenrieth: Ueber einen neuen Indikator.
Berechnet für Gefunden:
03 Hr, N,0OC1: IR LI. TER
633 73,98 —_ —
H= 47 5,12 ar Be
N= 7,76 — 7,61 _-
elI=! 9,84 — — 10,07
Das Aethoxychlordiphenylchinoxalin krystallisiert aus Alkohol
in feinen, seidenglänzenden Nädelchen, welche auch nach öfterem
Umkrystallisieren einen Stich ins Geibliche behalten; es schmilzt
bei 146—1470 und ist in Wasser ganz unlöslich, in Alkohol und
Aether ziemlich leicht löslich. Konzentrierte Schwefelsäure löst das
Chinoxalin mit tiefroter Farbe auf; durch Wasser wird es aus dieser
Lösung wieder als gelblichweifser Niederschlag gefällt.
Hinsichtlich der Stellung des Chloratoms im Molekül des
Aethoxychlordiphenylchinoxalins nehme ich an, dafs das Chlor in
denjenigen Benzolkern eingetreten ist, welcher die Aethoxylgruppe
enthält, mdem diese ohne Zweifel orientierend auf das Chlor ein-
wirkt. Zu Gunsten dieser Annahme spricht auch, dafs bei An-
wendung von sehr viel PCl, niemals ein Dichlorderivat resultiert,
was doch der Fall sein müfste, wenn die beiden gleichartig ge-
bundenen C,H,- Gruppen beim Chlorieren beteiligt wären. — Da
eine Parastellung in dem äthoxylierten Benzolkern nicht mehr frei vor-
handen ist, so wäre nach Analogie mit dem «-Chlor-#-Naphtolmethyl-
äther nur noch die Orthostellung zum Aethoxyl in Betracht zu
ziehen. Diese ist aber zweimal vorhanden und käme somit dem
Aethoxylchordiphenylchinoxalin eine der beiden Formelausdrücke zu:
cl
r. EN, II. N
SS EN EN
DER: 7 Weg N— (C,H, CH.0 7, Se Sean
— 8; “ — (C,H,
i 6% Br En a
.-
x - .
j N
Ich möchte zunächst der ersten Formel den Vorzug geben.
OH
/N=C(G3)
Oxychlordiphenylchinoxalin: GH
— Luteol — N
W. Autenrieth: Ueber einen neuen Indikator. 45
Wird das Aethoxychlordiphenylchinoxalin mit konz. Salzsäure
einige Stunden im geschlossenen Rohre auf 180—200° erhitzt, so
erfolgt Spaltung des Aethers; beim Oeffnen der Druckröhre ent-
weicht Aethylchlorid und der Röhreninhalt ist dann in überschüssiger
Natronlauge mit gelbbrauner Farbe löslich; aus dieser Lösung fällt
verdünnte Essigsäure oder Salzsäure einen gelblichweifsen Nieder-
schlag von Oxychlordiphenylchinoxalin, das durch öfteres Um-
krystallisieren aus mälsig verdünntem Alkohol in reinem Zustande
gewonnen wird.
Analyse: I. 0,108 g Substanz lieferten 0,2863 g CO, und
0,046 & H20.
1I. 0,1283 g Substanz lieferten bei 24° C. und einem Barometer-
stand von 738,5 mm 10 ccm N.
III. 0,1557 g Substanz gaben 0,0675 g AgCl.
Berechnet tür Gefunden;
C,H; ON; Cl: r 1. II.
C= 72,18 72,29 —_ —
EI el 4,13 — —
NE 0,842 — 8,48 =
Er = 10,67 _ — 10,72
Das Oxychlordipbenylchinoxalin oder Luteol krystallisiert aus
Alkohol in feinen, wolligen, gelblich gefärbten Nädelchen, die bei
246 schmelzen und bei höherer Temperatur unzersetzt sublimieren.
Es ist in Wasser unlöslich, in kaltem Alkohol schwer, in heilsem
Alkohol und in Aether ziemlich leicht löslich. Von konz. Schwefelsäure
wird es mit tiefroter Farbe gelöst und aus dieser Lösung durch viel
Wasser wieder als gelblichweilser Niederschlag ausgefällt. In konz.
Salzsäure ist es wenig löslich; in verdünnten kalten Mineralsäuren
ist es aber vollkommen unlöslich. Das Luteol wird ferner
leicht von Kali- oder Natronlauge, Ammoniak und von
Alkalicarbonatenschonin der Kälte mit intensiv
gelber Farbe zu den entsprechenden Salzen gelöst. Ueberschüssige
verdünnte Säure entfärbt diese Lösungen vollständig und
scheidet das Luteol als flockigen, weilslichen Nieder-
schlag aus. Aus diesem Verhalten des Luteols ist zu ersehen,
dafs der schwach basische Charakter des Oxydiphenylehinoxalins
durch Eintritt eines Chloratoms in dessen Molekül beinahe völlig
verschwunden ist. Während das Oxydiphenylchinoxalin!) gleichzeitig
1) Berichte d. d. chem. Ges. XXV, 495.
+6 W. Autenrieth: Ueber einen neuen Indikator.
die Eigenschaften eines Phenols und einer schwachen Base besitzt
und dementsprechend auch in verdünnten Mineralsäuren zu
Salzen löslich ist, wird dessen Chlorderivat nur noch von konz.
Schwefelsäure reichlich gelöst. Andererseit ist der saure Charakter
des Phenols durch Eintritt eines Chloratoms in das Molekül des
Oxydiphenylchinoxalins bedeutend erhöht worden. Das Oxydiphenyl-
chinoxalin ist in kalter Sodalösung vollkommen unlöslich, das Chlor-
derivat hingegen wird hierbei mit gelber Farbe leicht aufgelöst.
Das Luteol verhält sich somit wie eine ächte Säure, indem es schon
in der Kälte aus Carbonaten Kohlensäure austreibt. Die Empfind-
lichkeit des Luteols gegen freies Alkali ist aufserordentlich grofs;
es färbt selbst sehr stark verdünnte Lösungen der Alkalien noch
deutlich gelb. Bringt man z. B. einen Tropfen verdünnte
Natronlauge, Ammoniakflüssigkeit oder konz. Soda-
lösung in 1 Liter Wasser, mifst 5 bis 10 ccm von einer
dieser Lösungen ab und fügt einige Tropfen einer alkoholischen
Luteollösung hinzu, so tritt in derselben eine noch deutlich
wahrnehmbare Gelbfärbung ein. Phenolphtalein und
Tackmustinktur reagieren hierbei nicht mehr und auch das
Nessler’sche Reagenz giebt mit 5 ccm obiger Ammoniakflüssig-
keit erst nach einiger Zeit einen Niederschlag. Die grolse Em-
pfindlichkeit des Luteols gegen freies Alkali hat mich veranlafst,
dasselbe bei malsanalytischen Bestimmungen zu erproben. Eine
teile von Versuchen hat ergeben, dafs das Luteol bei alkali- und
acidimetrischen Bestimmungen als Indikator gute Dienste leistet.
Der Farbenwechsel aus saurer Lösung in alkalische, oder umgekehrt,
ist scharf und tritt auf den Tropfen ein, selbst bei Titrationen mit
Yo Normallösungen. Zur Herstellung der Indikatorflüssigkeit löst
man 1 g Luteol in 300 ccm reinem Alkohol auf; von dieser Lösung
verwendet man bei Titrationen 3 bis höchstens 8 Tropfen. Das
Luteol hat vor den sonst üblichen Indikatoren manche Vorzüge; es
zeichnet sich vor dem Phenolphtalein dadurch aus, dafs man mit
demselben als Indikator Ammoniak titrieren kann; vor Lackmus
hat es den Vorzug zgrölserer Empfindlichkeit , ferner tritt bei
Titrationen mit Luteol kein Farbenübergang auf, wie bei Lackmus
von Blau nach Rot, sondern die gelbe Flüssigkeit entfärbt sich
vollständig oder umgekehrt färbt sich die farblose Lösung
W, Autenrieth: Ueber einen neuen Indikator. 47
intensiv gelb. Für solche Farbenübergänge, wie für die, welche bei
Titrationen mit Lackmus auftreten, sind aber bekanntlich manche,
wenig geübte Augen nicht sehr empfindlich ; hierzu kommt noch, dals
nicht ganz richtig hergestellte oder schon zum Teil zersetzte Lackmus-
tinktur häufig zwischen Rot und Blau stehende Zwischenfarben giebt,
welche die Genauigkeit der Titrationen sehr beinträchtigen. — Das
Luteol hat sich besonders bei den Stickstoffbestimmungen nach
Kjeldahl als brauchbarer Indikator bewährt.
Das Luteol ist ein Abkömmling des Phenacetfins, zu dem
es auch in naher Beziehung steht ; es wird durch folgende Zwischen-
glieder aus dem Phenacetin dargestellt:
Phenacetin — Nitrophenacetin — Nitrophene-
tidin — m-Aethoxy-o-phenylendiamin!) — Aeth-
oxydiphenylchinoxalin — Chloräthoxydiphenyl-
ehinoxalin — Chloroxydiphenylchinoxalin-Lu-
teol
Zur weiteren ÜCharakterisierung des Luteols habe ich das
Benzoyl- und Acetylderivat dargestellt.
0 COC,H,
BE
Benzoylluteol: GB
N N=C(0,H,)
cl
wird durch Schütteln der alkalischen Lösung des Luteols mit Ben-
zoylchlorid erhalten und durch Umkrystallisieren aus Alkohol im
reinen Zustande gewonnen.
Analyse:
0,1534 g Substanz lieferten 0,0485 g AgCl.
Berechnet für: Befunden:
Cz Hy, Na O0; Cl.
Cl 8,1 1,39
Das Benzoylluteol krystallisiert aus Alkohol in weilsen, silber-
glänzenden Blättchen, die bei 1920 schmelzen. Es ist in Wasser
unlöslich, in kaltem Alkohol schwer, in heifsem Alkohol und in
Aether ziemlich leicht löslich.
1) Nitrophenacetin, Nitrophenetidin und Aethoxyphenylendiamin
sind in diesem Archiv 29 Heft 6 beschrieben.
(Autenrieth u. Hinsberg: „Zur Kenntnis des Phenacetins“.
Es) F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel,
OCOCH,
u = u
Acetylluteol: Er
N N=C(C;H,)
Cl
Wird Luteol mit überschüssigem Essigsäureanhydrid, worin es
leicht löslich ist, einige Zeit unter Rückflufs erhitzt, so bildet sich
das Acetylderivat. Die Acetylierung ist beendigt, wenn eine heraus-
genommene Probe sich mit Natronlauge nicht: mehr gelb färbt. Das
Reaktionsprodukt wird dann in Wasser gegossen und das ausge-
schiedene Acetylluteol aus verdünntem Alkohol umkrystallisiert. Die
Ausbeute ist quantitativ.
Analyse:
0,205 g Substanz lieferten 0,074 g AgCl
Berechnet für EN
Cy5 Hs Na 05 Cl:
Cl 9,37 8,92
Das Acetylluteol krystallisiert aus verdünntem Alkohol in
flachen, glänzenden Nadeln, die in Wasser unlöslich, in Alkohol,
Aether und Chloroform leicht löslich sind und die bei 1850 —186°
schmelzen. Kalte Natronlauge wirkt auf das Acetylluteol nicht ein,
heifse Lauge verseiit es ziemlich leicht; der Eintritt der Verseifung
ist an der Gelbfärbung der Lauge zu erkennen.
Freiburg i. Brg., Dezember 1894.
Chem. Universit.-Laborator. d. med. Fak.
Beiträge zur Kenntnis der mitieleuropäischen
Galläpfel, sowie der Scrofularia nodosa L.
Von F. Koch.
(Eingegangen am 14. Januar 1894.
I. 6alläpfel.
Das zur vorliegenden Arbeit verwendete Material wurde mir in
liebenswürdiger Weise von Herrn Professor Brunner zur Ver-
fügung gestellt, welchem gelegentlich eines Aufenthaltes im Wallis
(Siders) zu Beginn des Herbstes 1893 das aufserordentlich reichliche
Auftreten von Galläpfeln an den dort heimischen Eichenarten :
Quercus pubescens und Quercus sessilis aufgefallen war.
F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 49
Obwohl die Untersuchung von Galläpfeln ein schon oft und in
den verschiedensten Richtungen behandeltes Thema ist, so erschien
doch die nochmalige Aufnahme der Untersuchung in zweifacher
Hinsicht gerechtfertigt:
Einesteils ergab sich bei der Durchsicht der mir zugänglichen
Litteratur, dafs mitteleuropäische Gallen noch nicht der Gegenstand
eingehender Untersuchungen gewesen, sind, denn die bisherige
Kenntnis ihrer Bestandteile beschränkt sich auf den Nachweis von
Gallussäure und Zucker und die allgemeine Annahme, eines nur
geringen Gerbstoffgehaltes, der in den meisten Fällen zu 7 Proz.
angegeben wird.
Andernteils erschien die Untersuchung des mir vorliegenden
Materials noch dadurch besonders interessant, dass diese Gallen Ende
September gesammelt und daher noch nicht völlig ausgereift, dem-
nach im Zustande des kräftigsten Wachstums begriffen waren. Es
war somit die Möglichkeit gegeben, einen etwa zwischen den Gerb-
stoffen und anderen Pflanzenprodukten, z. B. den neben den ersteren
vorkommenden Zuckerarten bestehenden Kausalnexus experimentell
zu prüfen.
Vergleichsweise sei im Nachstehenden die Zusammensetzung der
agiatischen Gallen wiedergegeben.
Husemann und Hilger!) führen als Bestandteile an: Gallus-
gerbsäure, Gallussäure, Zucker, Ellagsäure, flüchtiges Oel, Harz und
Stärke.
Nach Guibourt ?) ist die Zusammensetzung in Prozenten ausgedrückt
tolgende:
Gerbeturen ins dere ER
Gallussäure . . . RE)
Bllag- und nteneallussune 0)
Chlorophyll und Hüchtiges Oel . 0,7
Brauner Extraktivstoff . . . .. 25
Banminda. return
Diärkaiyuidt sole BAR
Holzfaser . .. . FE BR 5,
De ne Be uigen 1.3
WVASSEL.... > SE a LIED
Albumin "BETREUT OLE,
1) Husemann und Hilger, Päanzenstoffe, II. Aufl.
2) Pharmakognosie des Pflanzenreiches von Dr. Berg, IV. Aufl,
Berlin 1863.
Arch. d. Pharm. COXXXIIL. Bis, 1. Heft. 4
50 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel.
An Mineralbestandteilen sind vorhanden Kalium und Calcium, und
zwar in Form folgender Salze:
Schwefelsaures Kalium,
Chlorkaliurn,
Gallussaures Kalium und Calcium,
Oxal- und phosphorsaures Calcium.
Annähernd die gleiche Zusammevsetzung giebt auch Hager!) von
den asiatischen Gallen an, nur mit dem Unterschiede, dafs er 12 Proz.
Holzfaser statt 1,5 Proz. anführt. Aulserdem erwähnt er noch einen
Gehalt an ätherischem Oel von 0,5 Proz.
Hinsichtlich des Gehaltes an Ellagsäure scheint bis jetzt ein Be-
weis des Vorkommens derselben in den Galläpfeln als präformierte
nichr vorzuliegen. Husemann und Hilger?) lassen diese Frage
wenigstens offen. Ich werde darauf weiter unten®) zu sprechen
kommen.
Was den Gehalt an Stärke betrifft, so erkiärt Berg), dafs sich
dieselbe blofs in den asiatischen Galläpfeln vorfinde. Thatsächlich ist
es mir auch nicht gelungen, mikroskopisch den Nachweis der Stärke
am Uutersuchungsmaterial zu führen.
Besondere Erwähnung verdient das völlige Fehlen von Magnesium-
salzen in den asiatischen Gallen, ein Umstand, den ich auch für die
von mir untersuchten Gallen bestätigt habe. 5)
Die mitteleuropäischen Galläpfel erreichen einen Durchmesser
bis zu 1,8 cm und ein Gewicht bis zu 4,2 g im frischen und 0,6—0,8 g
im getrockneten Zustande, bleiben demnach nach Gröfse und Ge-
wicht, hinter den asiatischen zurück.
Die frischen sind kugelig, nicht gestielt, fettglänzend und zeigen
auf der Oberfläche keine Stacheln, sondern sind eben. Wie im
Folgenden nachgewiesen werden wird, bedingt das fettglänzende
Aussehen ein neu aufgefundener wachsartiger Körper.
Die Farbe der frischen Gallen variiert vom blassesten Gelb, über-
gehend zum Orange und Rosa, bis zum dunkeln Rot. Man kann mit
Leichtigkeit auf der dem Licht zugewandten, dem Anheftepunkte
gegenüberliegenden Seite, eine intensivere Rotfärbung konstatieren.
Das Flugloch befindet sich in der Mittelzone. Bei Abschlufs
von Feuchtigkeit bewahren die frischen Gallen, auch nach dem Aus-
fliegen der Wespe, ihre schöne Farbe noch längere Zeit hindurch.
1) Hager, Pharmac. Praxis, II. Band, Pag. 7.
2, Husemann und Hilger, Pflanzenstoffe, II. Aufl.
3) Ofr. Pag. 63.
4) Berg, Pharmakognosie des Pflanzenreiches, IV. Aufl., Pag. 70.
5) Cfr. Pag. 55.
F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 5l
Getrocknet zeigen sie eine hell- bis dunkelbraune Farbe, es treten
Runzeln hervor und Falten durchziehen die Oberfläche. Sie lassen
sich, wenn auch manchmal mit etwas Mühe, zwischen den Fingern
noch zerdrücken, zeigen also nicht das Spröde der asiatischen Gallen ;
ihr Bruch ist glänzend, gegen die Mitte zu strahlig. Frisch sowohl,
wie getrocknet, schwimmen sie auf dem Wasser.
Der Querschnitt durch eine unreife Galle zeigt zunächst eine
einzige Schicht von stark verdickten, englumigen Epidermiszellen,
darunter liegen zwei bis drei Lagen kleinere, tangentialgestreckte
Parenchymzellen, deren Wände starke Tüpfelung aufweisen und die
im Zellsaft gelöst den Farbstoff enthalten. Weiter nach innen werden
die Parenchymzellen isodiametrisch, dann radial gestreckt, dazwischen
grofse Interzellularräume. Gefäfsbündel finden sich nur vereinzelt.
Der radialgestreckten Parenchynischicht folgt eine Schicht von stark-
verdickten schwachgelblichen Steinzellen und weiter nach innen eine,
verhältnismälsig stark gerbstoffhaltige Schicht von Parenchymzellen,
die sog. Nahrungsschicht. Die Gerbsäure findet sich hauptsächlich
in der Auisenzelle — den Parenchymzellen — wo sie vereinzelt
gelbliche Klümpchen bildet.
Bei der mikrochemischen Untersuchung probierte ich behufs
Nachweis des Gerbstoffes, die bekannten in der Mikrochemie ange-
wandten Gerbstoffreagentien durch. Zunächst gab Eisenchlorid in
Mischung mit Alkohol und Aether eine blaue Färbung, die auf Zusatz
von Sodalösung violett wurde. Ich habe diese Reagentien in ver-
schiedenen Verdünnungen angewandt, stets auch um etwas ver-
schiedene Nuancen erhalten; der Uebergang von Blau in Violett aut
Zusatz von Sodalösung war jedoch zweifellos zu konstatieren.
Gorup-Besanez hat im Jahre 1871 bei der Untersuchung des
wilden Weines!) mit Eisenchlorid Grün-Färbung erhalten und glaubte
darzuthin, sowie gestützt auf das Verhalten gegen Kalkwasser auf das
Vorhandensein von Brenzkatechin im wilden Wein schliefsen zu müssen.
Preufse?) hat jedoch durch exakte Versuche nachgewiesen. dafs Brenz-
katechin nicht vorhanden ist. Möller ?) hat diese Befunde geprüft
1) Ber. der deutsch. chem. Ges. IV. Pag. 905.
?) Zeitschr. f. physiol. Chemie II. Pag. 324.
3) Mitteilungen des naturw. Vereins f. Neu-Vorpommern u. Rügen
1877.
4 ae
52 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel.
und kommt zu demselben Resultat wie Preufse. Er spricht sich
dann dahin aus, dafs die Grünfärbung von einer von der Proto-
catechusäure abzuleitenden Gerbsäure herrühre. Diese Reaktion:
Grünfärbung mit Eisenchlorid und Uebergang des Grüns in Violett
auf Zusatz von Sodalösung wird in den Lehrbüchern der Chemie!)
als Reaktion auf Orthodioxyverbindungen angegeben. Hier haben
wir nun den Fall, dafs eine eisenbläuende Orthodioxyverbindung mit
Sodalösung violette Färbung giebt. Dieses Resultat hat mich bewogen
weitere Versuche anzustellen, deren Resultat weiter unten folgt.?)
Die Gerbsäure führenden Zellen gaben ferner mit Kalium-
bichromat einen rotbraunen Niederschlag, ebenso mit Kalkwasser.
Ferridammoniumeitrat, welches Möller lebhaft empfiehlt, weil es
die Anwendung alkalischer Eisenlösungen gestattet, erzeugte eine
violette Färbung.
Uebergehend zur Mitteilung meiner eignen Untersuchungsresultate,
lasse ich zunächst die Ergebnisse der für Pflanzenstoffe gebräuch-
lichen Gesamtanalyse folgen. Es wurden bestimmt:
I. Feuchtigkeit
H. Rohfaser
III. Stickstoff
IV. Gesamtasche
V. Zusammensetzung der Asche.
I. Bestimmung der Feuchtigkeit.
Die in Scheiben geschnittenen frischen Gallen wurden im
Trockenschrank bei 100° bis zur Gewichtskonstanz getrocknet.
I. 5,042 g verloren 4,334 g — 85,95 Proz.
AL Au 2, 2. 14207 & > Byb2y
II. 502g „ 4332g = 85557 „
Als Mittel aus diesen Bestimmungen ergiebt sich ein Wasser-
gehalt von 85,71 Prozent.
I. Bestimmung der Rohfaser.
Zur Bestimmung der Rohfaser wurden 3 g der getrockneten,
möglichst fein’ gepulverten Galläpfel auf dem Wasserbade während
einer Stunde mit 200 ccm einer 1,25 prozentigen Schwefelsäure aus-
gekocht, dann aut dem Filter mit kochendem Wasser nachgewaschen,
2) Richter, Chemie der C.-Verbindungen 6. Aufl. 1891 Pag. 747.
2) Cfir. Pag. 64 u. £
F. Koch: Ueber mittelewropäische Galläpfel. 53
bis die ablaufende Flüssigkeit keine Schwefelsäurereaktion mehr
zeigte, hierauf in analoger Weise mit 200 ccm einer 1,25 prozentigen
Kalilauge gekocht und dieselbe auf dem Filter durch Auswaschen
entfernt. Der Rückstand wurde nun mit Alkohol, hierauf mit Aether
gewaschen, bei 1000 getrocknet und gewogen. Nach dem Glühen
wurde die Asche vom gefundenen Wert abgezogen.
Anpewandt . .,' . w, 52 50 153,000) 8 IE3000 g
Hinterlielsen nach dem Ausziehen
und Trocknen. . . . . . I 038085 I: 03828 g
Für Asche in Abzug zu bringen I. 0.0412 & II. 0,0410 g
103396 8 1.0318 8.
Als Mittel 0,3407 g woraus sich durch die Gleichung 3: 0,3407
— 100:x ein Gehalt von 11,39 Proz. Rohfaser ergiebt.:
Da die Galläpfel im botanischen Sinne als Hypertrophien d. h.
als durch abnormen Wachstumsprozefs auf den Eichenblättern ent-
stehende Neubildungen anzusehen sind, indem durch den Parasiten
auf das von ihm befallene Zellgewebe ein Reiz, eine Anregung zu
reichlicherer Nahrungszufuhr von den benachbarten Teilen und zu
erhöhter Bildungsthätigkeit ausgeübt wird, so mulste eben dieser
letztere Umstand es als wünschenswert erscheinen lassen, zu zeigen,
ob dem Wirte gewisse Substanzen in gröfserer Menge entzogen
werden. Hauptsächlich mufs es sich dabei um den quantitativen
Nachweis des Stickstoftes und in zweiter Linie eines solchen der
Mineralbestandteile durch Analyse der Asche handeln.
III. Bestimmung des Stickstoffes.
Zur Bestimmung des Stickstoffes bediente ich mich der Kjeldahl-
schen Methode. Darnach wurden 2 g Substanz in einem Kölbchen
mit 10 ccm eines Gemisches gleicher Volumina, konzentrierter engli-
scher, und rauchender Schwefelsäure unter Zusatz von ca.2g
wasserfreiem Kupfersulfat bis zur völligen Zerstörung der organischen
Substanz bezw. bis zur Erzielung einer klaren Lösung erhitzt und
schliefslich zur Vollendung der Oxydation übermangansaures Kali in
kleinen Portionen bis zur bleibenden Grünfärbung zugegeben. Nach
dem Erkalten wurde mit Wasser aufgefüllt, hierauf eine ca. 30 proz.
Natronlauge (deren zur Neutralisation der Säure nötige Menge durch
einen vorherigen, approximativen Versuch ermittelt worden) in ge-
nügendem Ueberschufs zugefügt und schliefslich destilliert. Das
54 F. Koch: VUeber mitteleuropäische Galläpfel.
entweichende Ammoniak wurde in 20 cem Y, Normal-Schwefelsäure
aufgefangen und nachher die freie Säure mit /; Norm.-Natronlauge
zurücktitriert.
Berechnung:
20 ccm Y, N.-H,SO, verbrauchten 19,8 ccm 1, N.-Na OH
Zum Zurücktitrieren wurden verbraucht 18,9 ccm 1), N-Na0OH
Für die Säuremischung sind für vorhandenen Stickstoff in Ab-
rechnung zu bringen 0,3 ccm NaOH
4. Der Stickstoffkoßffizient wurde zu 0.00707 berechnet.
So ergiebt sich:
vun
Anpewändt.. Zt). - se
D-cem; SO. 14... -—.. =198ccem Na0H
Zurücktitriert . . . . . 189cem
Biiferenze Eu. 1. 4 2.089
Für die Säure abzuziehen 0,3
Differenz. . . - - . . 0,6 X .0,00707 = 0,004242.
Aus dem Ansatz 2: 0,004242 = 100: x ergiebt sich ein Gehalt von
0,2121 Proz Stickstoff. 22
Ausgehend von der Annahme, dals 16g Stickstoff 100g Protem
liefern, dafs also im Protein 16 Proz. Stickstoff enthalten sind, er-
giebt der Stickstoff auf Protein umgerechnet 0,2121 X 6,26 = 1,3256
Prozent Protein.
Dieses Resultat, d. h. der geringe Stickstoffgehalt ist insofern
interessant, als dadurch der experimentelle Beweis geliefert wird,
dafs durch die parasitische Bildung dem Wirte selbst kein Schaden
erwächst, indem dadurch keine Entziehung von stickstoffhaltigen
Nährstoffen verursacht wird, und damit läfst sich auch das ganz
normale Aussehen der Eichenblätter erklären, obwohl auf den ein-
zelnen Blättern häufig bis zehn solcher Galläpfel salsen.
IV. Bestimmung des Äschegehaltes.
Nach Flückiger!) liefern
Aleppogallen . . . . . 1,5 Proz.
Chinesische Gallen . . . 2,0 „ Asche.
Zur Bestimmung der Gesamtasche wurde das frische Materia!
getrocknet und hierauf in offener Schale verascht.
I. 5,062 g hinterlassen 0,106 g Asche = 0,209 Proz.
II. 4,939 g i 0095 „ =012 „
II. 5,047 & bs 0,102 g rar u
1) Flückiger, Pharmakognosie des Pflanzenreiches. III. Aufl,
p. 268.
F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 55
Als Mittel ergiebt sich sonach für die frischen Gallen ein
Aschegehalt von 0,1977 Proz. oder unter Zugrundelegung des
oben mitgeteilten Feuchtigkeitsgehaltes
0,1977 X 7 (Koeffiz. {. Trockensubstanz) ein solcher von 1,3839 Proz.
V. Zusammensetzung der Asche.
In der Asche wurden bestimmt:
Phosphorsäure, Schwefelsäure, Calcium, Magnesium, Kalium und
Silikate und zwar in folgender Weise:
100 g des lufttrocknen Pulvers wurden in einer Platinschale
verascht, die Asche mit Salzsäure mehrmals eingedampft und die
Lösung filtriert, wobei die SiO, im Rückstande bleibt. Die Lösuug
wurde hierauf auf 250 ccm aufgefüllt:
a) 150 ecm = 60 g Substanz wurden mit kohlensaurem Natron
neutralisiert, mit Essigsäure angesäuert, dann Natriumacetat und
Eisenchlorid zugesetzt, mit Ammoniak gefällt, und der die Phosphor-
säure enthaltende Niederschlag abfiltriert:; in Salzsäure gelöst, wurde
die Phosphorsäure mit molybdänsaurem Ammon gefällt, der Nieder-
schlag in Ammoniak gelöst und als pyrophosphorsaure Magnesia ge-
wogen.
Das Filtrat wurde auf 250 ccm aufgefüllt, und in 200 ccm
—=48 g Substanz der Kalk mit oxalsaurem Ammon gefällt und als
CaO bestimmt.
Im Filtrat konnte Magnesia nicht mehr nachgewiesen werden.
b) Aus 100 ecm der ursprünglichen Lösung = 40 g Substanz
wurde die Schwefelsäure mit Baryumchlorid gefällt und als schwefel-
saurer Baryt gewogen.
Aus dem Filtrate wurden Baryum und Calcium mit Ammoniak,
kohlensaurem und oxalsaurem Ammonium gefällt und das Kalium als
Kaliumplatiachlorid gewogen.
I. Aus 100 g Pulver. . . ıinaaa rar 0.053: 5,0%
II. Aus 60 3 Pulver 0,0734 g ee P, 0, = 0,0469 g Pa 0;.
II. Aus 48 g Pulver ... . 1.0: 006 E:Cal
IV. Aus 40 g Pulver 0,0700 g Ba s0,= . 0,0240 g SO;.
V. Aus 40 g Pulver 0,0776 g K, PiCl, = 0,01513 g K, 0.
VI. Magnesia nicht enthalten,
Hieraus ergaben sich für das lufttrockene Pulver folgende
Prozentwerte:
56 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel.
BLOG urn.
P2O, 1.2.0. %,.0:07825, „
BOZEN OLD
30,2...‘
Ro er.
oder folgende Aschenprozente:
BSEOSWRRR IN 1 9eProz:
BO oe
DEN O Fl RA A SE Ra Er
SO;.L: ... Sala
Kuhn: re
Für die quantitative Bestimmung des Zucker- und Gerbstoft-
gehaltes wurden Galläpfel verwendet, die zu verschiedenen Zeiten
eingesammelt waren. Es geschah dies, da zu vermuten war, dafs
Zucker und Gerbstoff in zwei verschiedenen Stadien des Wachstums
hinsichtlich des prozentischen Gehaltes nicht konstant bleiben
würden. Inwieweit diese Vermutung gerechtfertigt war, ergiebt sich
aus den Resultaten der folgenden Untersuchungen.
Die unter No. I aufgeführten Daten beziehen sich auf die Ende
September gesammelten, die unter No. II mitgeteilten, auf solche,
welche nach der völligen Reife und dem Ausfliegen oder Absterben
des Insektes gepflückt waren.
Bestimmung des Zuckers.
Zur Bestimmung des Zuckers wurde das Verfahren der Titrie-
rung mit Fehling’scher Lösung eingeschlagen. 10 ccm dieser Lösung
enthalten 0,39338 & CuSO, + 5 H,O entsprechend 0,0568 g Glykose.
Die Bereitung der Auszüge geschah in beiden Fällen in der
Weise, dafs die zerkleinerten, frischen Galläpfel im Soxhlet’schen
Apparate vollständig ausgezogen wurden. Die klare Lösung wurde
behufs Fällung des Gerbstoffes zunächst mit neutralem, dann mit
basischem Bleiacetat behandelt, das Filtrat mit Schwetelwasserstoft
entbleit und eingedampft. Zum Zwecke der völligen Entfernung
etwa noch vorhandener Pektinsubstanzen, wurde der Verdampfungs-
rückstand mit Alkohol aufgenommen, der Alkohol wieder verjagt und
mit Wasser verdünnt.
I. Aus 100 g Galläpfel wurden bereitet 1000 ccm Auszug (je
10 cem = 1 g Gallae).
F. Koch: DUeber mitteleuropäische Galläpfel. 57
Zur Fällung des in 10 ccm Fehling’scher Lösung enthaltenen
Kupfers wurden bei der Titrierung verbraucht 18,5 cem = 1,85 g
Gallae.
Daraus ergiebt sich:
1,85..::0,0568°= 100% x = 3,07 Proz.
oder auf Trockensubstanz berechnet:
3,07 xX7 = 2149 Proz. Zucker
II. Für die im Januar, ebenfalls in Siders (Wallis) gesammeiten
Gallen ergab sich bei Bestimmung des Feuchtigkeitsgehaltes als Mittel
aus drei Bestimmungen ein Gehalt von 70,1 Proz, der Coefficient für
Trockensubstanz ist also 3,3.
Aus 100 g Galläpfeln wurden bereitet 900 cem Auszug (je 10 cem
= 0,9 g Gallae).
Zur Fällung von 10 ccm Fehling'scher Lösung wurden verbraucht:
4 ccm = 0,36 g Gallae.
Daraus ergiebt sich:
0.36:0,0568: = 100 x. 15,7, Proz.
oder auf Trockensubstanz berechnet:
192%. 34.3181 Proz-Zueker;
Bestimmung des Gerbsäuregehaltes.
Die Bereitung der Auszüge geschah in der Weise, dafs die
zerkleinerten, frischen Galläpfel im Soxhlet’schen Apparat mit Wasser
ausgezogen wurden. Diese Lösung wurde eingedampft, zur Ent-
fernung der Pektinsubstanzen mit Alkohol aufgenommen, sodann
mit Wasser mehrmals verdampft, bis die letzte Spur Alkohol be-
seitigt war.
Die Bestimmung des Gerbstoffes wurde ausgeführt nach den
drei, als beste anerkannten Methoden:
I. Verbesserte Löwenthal'sche Methode.
II. Risler-Bennat’sche Methode.
III. Hammer’sche Methode.
Für de Löwenthal’sche Methode wurde dargestellt:
A) Eine Kaliumpermanganatlösung, deren Wirkungswerth durch
Titrieren mit einer Lösung von Mohr’schem Salz
(NH,) SO, + FeSO,+6H,0
festgestellt wurde, ausgehend von der Annahme, dafs 56 T. Eisen,
41,57 T. Tannin entsprechen. '
B) Eine Indigokarminlösung: 40 g indigo-schwefelsaures Natrium
und 60 ccm Schwefelsäure zu 1 Liter gelöst und der Titer auf die
C'hamäleonlösung eingestellt.
58 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel.
C) Hautpulver.
I. Zunächst wurde mit der Lösung des Auszuges titriert, um zu
erfahren, wieviel Kaliumpermanganat für Gerbstoft und Nichtgerb-
stoff verbraucht wurden, dann aus der Lösung des Auszuges der
Gerbstoff mit Hautpulver gefällt und mit der so erhaltenen Lösung
wieder titriert und durch Subtraktion der beiden Resultate die
Anzahl cem KMnO, erhalten, die für den Gerbstoff verbraucht
wurden.
II. Nach Risler-Bennat wurden zwei Normalflüssigkeiten
bereitet, von denen die eine im Liter genau 10 g reines Tannin, die
andere im Liter genau 10 g reinste Hausenblase und 20 g Alaun
gelöst enthielt und durch Titration der gegenseitige Wirkungswert
festgestellt.
IH. Nach Hammer wurde das spez. Gewicht der Gerbstoff-
lösung mittels Pyknometers bestimmt, der Gerbstoff durch Haut-
pulver ausgefällt, und von neuem das spez. Gewicht bestimmt. Die
Berechnung des Gerbstoffgehaltes wurde dann in der Weise aus-
geführt, dafs das zweite spez. Gewicht als Einheit angenommen
wurde und für je 0,0004, die bei der ersten Bestimmung mehr ge-
funden, !/,, Proz. Gerbstoff mehr in Rechnung gebracht wurde.
Die einzelnen Bestimmungen ergaben folgende Resultate:
A. Löwenthal’sche Methode.
I. Von der Extraktiösung entsprechen 10 ccm = 0,4 g Gallen.
20 ecm Indigocarmin eriordern 12,5 cem Kal. permang.
20 ccm Indigocarmin und 10 ccm Extraktlösung erfordern 25,9 ce..:
Kal. permang.
Nach dem Ausfällen:
20 cem Indigolösung und 10 ccm Extraktlösung erfordern 13,5 een:
Kal. permang.
Gerbstoff und Nichtgerbstoff verlangen also 13,4ccm Kal. permang.
Für Oxydation des Gerbstoffes sind nötig 12,4 cem Kal. permang.
10 ccm Kal. permang.-Lösung entsprechen 0,00707 g Tannin,
12,4 ccm Kal. permanganat-Lösung entsprechen 0,0087668,& Tannir.
Woraus sich ergiebt:
0,4 :0,0087668 = 100: x = 2,19 Proz. Gerbstoff
U. 10 cem Extraktlösung entsprechen 0,54 g Gallen.
10 ccm Indigocarminlösung erfordern 6.5 ccm Kal. permang.
10 ccm Indigocarminlösung und 10 ccm Extraktlösung erfordern
26,8 ccm Kal. permang.
F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 59
Nach dem Fällen:
10 ccm Indigocarminlösung und 10 cem Extraktlösung erfordern
10 cem Kal. permang.
Gerbstoff und Nichtgerbstoft verlangen also 20,3 ccm Kal. permang.
Für Oxydation des Gerbstoffes sind nötig 16,3 ccm.
10 cem Kal. permang.-Lösung entsprechen 0,0131316 g Tannin.
16,5 com Kal. permang.-Lösung entsprechen 0,022061 g Tannin.
Woraus sich berechnet:
0,54 :0,022061 —= 100: x = 4,08 Proz. Gerbstoff.
B. Risler-Bennat'sche Methode.
I. 10 ccm Extraktlösung entsprechen 10 g Gallen.
10 ccm Tanninlösung (= 0,1 g Tannin) brauchen 9ccm der Hausen-
blaselösung zur Fällung.
ccm der Extraktlösung brauchen davon 22,5 ccm.
Daraus berechnet sich:
9:0,1= 223,5: x= 0,25 in 10 g oder 2,5 Proz. Gerbstoff.
li. 10 ccm Extraktlösung entsprechen 5 g Gallen.
10 ccm Tanninlösung (= 0,1 Tannin) brauchen 9 ce:ın der Hausen-
blaselösung zur Fällung.
10 cem der Extraktlösung brauchen davon 21,2 cem.
9:0.1 = 21,2: x= 0,235 in 5 g oder 4,69 Proz. Gerbstoft.
C. Hammer’sche Methode.
_—
1t
I. Spez. Gewicht der Extraktlösung vor dem Fällen . . . . 1,9190
® $ 5 % nach dem Fällen . . . 1,0087
Benz) naked kai he SUR” >04 elao
entsprechend 2,56 Proz. Gerbstofi.
II. Spez. Gewicht der Extraktlösung vor dem Fällen . . . . 1,0282
R e & a nach dem Fällen . . . 1,0092
Differenz: . .-.. EEE ee AARON
entsprechend 4,75 Proz. Gerbstoft.
Sonach ergeben sich folgende Gerbstoffgehalte:
NEL EN ERLERNTE
bi Rena ae 288
oder als Mittelwerte für I. 2,41 Proz.
für I. 4,50 Proz.
Auf Trockensubstanz berechnet:
I. 241 X 7 = 16,87 Proz. Gerbstofi
II. 4,50 X 33 — 14,85 Proz. ®
Stellen wir nun dieser Bestimmung des Gerbstofigehaltes in den
Galläpfeln die Zuckerbestimmung in den halbreifen und ausgereiften
gegenüber, so kommen wir zu einem überraschenden Resultate:
Während nämlich der Zuckergehalt von 21 auf
51 Proz. gestiegen, sich also um das 2l/jsfache ver-
60 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel.
mehrt hat, ist der Gerbstoffgehalt vor der Reife
und bei erlangter Reife derselbe geblieben; denn
die sich aus obiger Berechnung ergebende Differerz bez. Abnahme
des Gerbstoffes, dürfte wohl eher auf Rechnung der Unzulänglich-
keit der heutigen Gerbstofbestimmungsmethoden zu setzen sein,
als auf eine thatsächliche Veränderung des Gerbstofigehaltes.
Um sich diese Thatsache — des wechselnden Prozentgehaltes
von Gerbstoff und Zucker — zu erklären, dürfte vielleicht eine
Beleuchtung dieser Pflanzenstoffe von der physiologischen Seite nicht
uninteressant sein.
Obwohl die Menge der Gerbsäure in den Pflanzen schliefsen
läfst, dafs ihre Entstehung resp. Umsetzung im Stoffwechsel der
Pflanze zu den wichtigsten Prozessen chemischer .Art in Verbindung
steht, so ist doch bis auf den heutigen Tag eins durchgreifende
Theorie nicht vorhanden.
Hartwig!) zählt die Gerbstoffe zu den Reservestoffen; Wigand 2)
teilt ihnen eine aktive Rolle zu und hält sie unter anderem auch für
Chromogene, ein Punkt, auf den auch Wiesner?) zu sprechen kommt,
Wiesner #) und FranchimontÖ) schliefsen aus ihren Untersuchungen
auf einen ursprünglichen Zusammenhang zwischen den Gerbstoffen und
den Harzen.
Flückiger®) stellt sich auf den Standpunkt Streckers und spricht
die Ansicht aus, dafs der Zucker wohl ursprünglich in Form einer
Verbindung mit der Gerbsäure von den Pflanzen gebildet wird, etwa
in Form eines Glykosides; Beilstein”) giebt diesem Glykotannin die
Formel C;, Has; Os.
Strecker) drückte die Zusammensetzung desselben durch die
Formel C,, Has O,, aus.
Westermaier®) kommt auf Grund seiner Beobachtungen und einiger
physiologischer Versuche zu der Ansicht, dafs der Gerbstoff als näheres
ı) Botan. Zeit. 1865, pag. 53 und pag. 237.
2) A. Wigand: Sitz der China-Alkaloide und Sätze über die physio-
logische Bedeut. des Gerbstoffes, Bot. Zeit. XX. 121 u. 137.
3) Wiesner, Betracht. über Gerbstoffe und Farbst. d. Blumen. Bot.
Zeit XX. p. 389.
4) Wiesner, Entstehung des Harzes. Sitzb. der Akad. Wies.
Wien LII. p. 118.
5) Franchimont 1871: Entstehung des Harzes Flora XXIX. p. 225.
6) Flückiger: Pharmakognosie des Pflanzenreiches. III. Aufl. 91
Pag. 267.
”n Beilstein: Org. Chemie. II B. Pag. 1320.
3) Ann. 90, 340, -
9) Sitzb. d. Akad. der Wissensch. Berlin 1887 N. 5. St. 64.
F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpftel. 61
oder entfernteres Produkt der Assimilation entstehe, dals es gleich der
Stärke ein Reservestofl' und wahrscheinlich für die Eiweiflsbildung von
Bedeutung sei und entweder neben der Stärke in denselben Bahnen
wandere oder ein Uebergang des einen Stoffes in den andern stattfinde.
Unter anderen Arbeiten ist die von Kraus!) aufzuführen, worin er
seine Ausicht über die Rolle, die die Gerhstofie spielen veröffentlicht.
Er findet:
1. dafs der Gerbstoff nicht schlechthin Exkret, sondern augen-
scheinlich in sehr vielen Fällen ein im Leben der Pflanze hochbedeutendes
Glied ist;
2. dals der Gerbstofi quantitativ wandelbar ist und seine Erzeugung
zu dem Lichte in näherer Beziehung stehe, während
3. die physiologische Funktion desselben noch zweifelhaft sei.
In letzterer Zeit hat Möller?) die Ergebnisse einer Reihe von
Versuchen veröftentlicht, die er zur Erforschung der Funktion der
Gerbstoffe angestellt, und kommt dabei zu folgenden Resultaten.
Angesichts der Thatsache — sagt er — dals man häufig Zucker mit
der Fehling’schen Lösung oder auch mit der Löwe’schen nicht nach-
weisen kann, obwohlman sicher ist, Kohlehydrate auf der Wanderung
vor sich zu haben, mufs man von der alten Theorie, dafs die Kohle-
hydrate in allen Fällen als Zucker wandern, abgehen; dann kommt er
auf die Funktion der Gerbstoffe als Glykosegenide d. h. solche Stoäie,
welche mit den Zuckerarten bezw. anderen Kohlehydraten leicht zer-
setzliche, sehr lösliche und diffundierende, chemische Verbindungen
bilden, zu sprechen. Die Gerbsäuren — fährt er dann fort — entstehen
durch Oxdydation unter Mitwirkung des Protoplasmas aus den Kohle-
hyiraten. Wo ein Hemmnis in der Wanderung der Verbindung der
Kohlebydrate mit den Gerbsäuren eintritt, oder ein Verbrauch von
‚Kohlebydraten stattfindet, erfolgt eine Zersetzung, wobei die Gerbsäure
ausgeschieden und Stärke abgelagert oder Cellulose gebildet wird.
Durch Reduktionsprozesse können die Gerbsäuren wieder in Kohle-
hydrate übergeführt werden und daher aus dem Stoffwechsel verschwinden.
Wie lassen sich nun diese Hypothesen in Uebereinstimmung
bringen mit dem auffallenden Resultate der obigen Gerbstoff- und
Zuckerbestimmung ? Zunächst sind bei der Bildung der Gerbstof-
glykoside zwei getrennt verlaufende Prozesse auseinanderzuhalten.
Der erste besteht in der mittels Oxydation erfolgenden Bildung der
Gerbsäure, der zweite in der Bildung des Glykosides. Solange nun
vor der Reife, also in der Zeit September bis Oktober die Licht-
1) Sitzb. der naturf. Gesellsch. zu Halle. Nov. 1584.
#2, Mitteil. des Naturw. Ver. von Neu Vorpommern u. Rügen 1387
IX. Jabrg.
62 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel.
menge, sowie die Temperatur es gestatten wird eine gleichmäfsige
Oxydation der Kohlehydrate und Bildung der Glykosegenide statt-
tinden. Anders jedoch bei niederer Temperatur und gröfserem Licht-
ımangel. Es wird bei geringerer Atmungs- resp. Oxydationsthätigkeit
die Menge der gebildeten Gerbsäure nicht im Stande sein, alles
Kohlehydrat abzuleiten, es wird sich dasselbe anhäufen, so dals es
sich zur Zeit der Reife in einer im Vergleich zur Gerbsäure in
keinem Verhältnis stehenden Menge vorfindet.
Ein anderer annehmbarer Fall wäre auch der, dafs zwar Zucker
infolge der Bildung des Gerbstoffglykosides und dessen Zersetzung
von jeher im Ueberschufs vorhanden war, dafs dieser Ueberschußs
jedoch der Fliege als Nahrung diente, während er nach dem Aus-
liegen derselben bezw. ihrem Tode zur Zeit der Reife einfach ab-
gelagert wird.
Sehr wohl lälst sich der Prozefs auch vereinbaren mit den von
Brunner und Chuard !) gegebenen Auiklärungen über das Nachreifen
der Früchte. Die grün gepflückten Fıüchte enthalten noch unzer-
setztes Glykosid; beim Lagern derselben spaltet sich mit der Zeit
das Glykosid durch Fermentwirkung, Enzyme, in Säure und Zucker
der sülse Geschmack tritt dann erst deutlich hervor.
Nachdem ich mich somit in hinreichender Weise über die nor-
malen Gallenbestandteile orientiert hatte, erschien es interessant,
eine weitere systematische Untersuchung der Galläpfel in der für
Pflanzenstoffe üblichen Weise vorzunehmen. Ich befolgte hierbei
den von Dragendorf?) empfohlenen Gang, nur dafs ich an Stelle
der achttägigen Maceration die Extraktion auf heilsem Wege vor-
nahm. Dazu bediente ich mich eines nach dem Tscherniak’schen
Muster konstruierten Apparates, um auch mit gröfseren Mengen
konstant ausziehen zu können.
Die nach einander in Anwendung gebrachten Lösungsmittel
waren: Petroläther, Aether, Alkohol und Wasser.
Die nach dem Abdestillieren des Aethers und Petroläthers
bleibenden Rückstände wurden vereinigt, wobei eine gelbe, amorphe
Masse resultiertee Zur Reinigung wurde diese Masse in heifsem
Alkohol gelöst, mit Tierkohle so lange erhitzt, bis Entfärbung ein-
1).B. B. 19, Pag. 619.
2) Dragendorf, Anleitung zur Untersuchung von Pilanzenstoffen.
F. Koch: Usber mitteleuropäische Galläpfel. 63
getreten war und das Filtrat der freiwilligen Verdunstung über-
lassen. Auf diese Weise wurde ein weilser Körper erhalten, der
über Schwefelsäure getrocknet, ein weilses Pulver gab.
Der Verdampfungsrückstand des alkoholischen Auszuges wurde
zunächst mit heifsem Wasser aufgenommen und die filtrierte wässrige
Lösung mit neutralem Bleiacetat gefällt. In der nach dem Zer-
setzen dieser so gewonnenen Bleiniederschläge resultierenden Lösung
konnte lediglich nachgewiesen werden: Tannin, durch Blaufärbung
mit Eisenchlorid, sowie die Kaliumdichromatreaktion und Gallus-
säure durch die Sydney -Joung’sche Reaktion — Versetzen mit
Cyankalium, wobei Purpurfärbung auftritt, die nach einiger Zeit
wieder verschwindet, beim Schütteln jedoch wieder hervortritt —
sowie durch die Rottärbung beim Versetzen mit Natriumsulfat und Jod.
Das Filtrat der Bleifällung wurde durch Schwefelwasserstoff
entbleit und eingedampft. Es hinterblieb ein brauner, nach Melasse
viechender, sirupöser Rückstand, der zum gröfsten Teil aus einer
Fehling’sche Lösung reduzierenden Zuckerart bestand.
Im wässrigen Auszuge konnte auflser Spuren der vorerwähnten
Körper, sowie den Pektinsubstanzen keine charakteristische Ver-
bindung nachgewiesen werden.
Das Vorkommen sonstiger Pflanzenstoffe in den Galläpfeln be-
schränkt sich somit auf die Gegenwart des im ätherischen Auszuge
enthaltenen weilsen Körpers. -
Nach Braconnot !) soll m den Galläpfeln Ellagsäure vorkommen,
doch wurde stets bezweifelt, dafs sie fertiggebildet sich vor-
finde. Obige Analyse bestätigt, dals dies thatsächlich nicht
der Fall ist, sie scheint sich also erst bei Gegenwart von
Wasser durch einen Gährungs- oder Spaltungsproze(s zu bilden, was
wohl in besonders feuchten Sommern eintreten mag. — Dagegen
wurde eine wässrige Extraktlösung schimmeln lassen und konnte
nach einigen Wochen eine ansehnliche Menge Ellagsäure isoliert und
durch die Grielsmayer'sche Reaktion — . blutrote Färbung auf Zu-
satz von salpetrige Säure haltiger Salpetersäure identifiziert werden.
Hier seien auch die Resultate einiger kolorimetrischer Versuche
angeführt, die im Anschlufs an die bereits oben?) erwähnte, bei
ı) Husemann und Hilger, Ptlanzenstoffe, II. Bd., 461.
a) Cfr. Pag. 52,
64 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel.
Zusatz von Natriumcarbonat zu den mit Eisenchlorid versetzten
Schnitten auftretende Violettfärbung unternommen wurden.
In all den mir zur Verfügung stehenden Lehr- und Nachschlagse-
büchern der Chemie werden als allgemeine Reaktionen für Gallus-
säure folgende angegeben : !)
1. Mit Ferrichlorid giebt Gallussäurelösung eine blaue Flüssig-
keit, die mehr violett ausfällt, wenn man eine Spur Natriumacetat
zusetzt.
2. Werden Substanzen von alkalischer Reaktion mit Gallussäure
zusammengebracht, so entstehen meist Färbungen. 2 ccm der ge-
sättigten Lösung geben mit 3 ccm Kalkwasser blasse Grünfärbung.
1. Mit Ferrichlorid giebt Gerbsäure die bei Gallussäure an-
gegebenen Reaktionen. Kalkwasser erzeugt bläulich grauen Nieder-
schlag. Es wird nirgends bei der Reaktion mit Ferrichlorid einer
auf Zusatz von Natriumbicarbonat eintretenden Färbung von Blau in
Violett Erwähnung gethan. Ich sah mich daher veranlafst über das
Verhalten einiger, hier in Betracht kommenden Substanzen, im Ver-
gleich mit Gallussäure und Tannin, gegen Ferrichlorid und Natrium-
bicarbonat Versuche anzustellen, und hierbei ergab sich, dafs in be-
stimmten Verdünnungen, sowohl bei Brenzkatechin und Protocatechu-
säure als auch Tannin und Gallussäure ein Uebergang bei den
ersten, wie bekannt von Grün nach Violett, bei den letzteren von
Blau nach Violett stattfindet und als Endresultat bei allen vieren
ein gleichmälsiger Uebergang in Kirschroth zu verzeichnen ist.
Zur Prütung wurden folgende Substanzen herangezogen und
zwar in 1 prozentiger Lösung:
1. Protocatechusäure.
2. Pyrocatechin.
3. Gallussäure.
4. Tannin.
Als Reagentien dienten !/s, 1, 2 und 4 Proz. Ferrichloridlösung
und 1/, 1, 2, 4 und 8 Proz. Natriumbicarbonatlösung. Die in der
nachstehenden Tabelle referierten Versuche wurden derart ausgeführt,
dafs zur Erzeugung der Reaktion in allen Fällen ein Tropfen der
1) Flückiger, Reaktionen, 1892, Berlin.
ie)
Ueber mitteleuropäische Galläpfel.
F. Koch:
betr. Ferrichloridlösung und hierauf tropfenweise, bis zur vollständigen
Färbung !/;, Proz. Natriumbicarbonatlösung in Anwendung gebracht
wurde.
Farben
i/, Proz.| ver- [ Proz.2]|. Ver- 2 Proz, I vor 4 Proz. |], Ver-
Ferri- länderung| Ferri- änderung Ferri- änderung Ferri- änderung
ohlorid | durch | chlorid | dureh | ohloria | durch | ohloria | durch
Proto-
catechu-
säure
Sträker
Violett-
Blau
Blau mit
Spur-
Violett
Hellblau:
grün
Russisch-
Grün
Bläulich [Blaugrün Blaugrün Blau
Vioiott
© Dunkel-
mit
Spur-Rot grasgrün
Blau-
Violett
Pyro-
catechin
Hellgras-
grün
Rot-
violett
Violett [Grasgrün
Blau mit
Spur
Violett
Violett-
blau
Unvar-
ändert
Schwach
Graublau
Schwach | Waver-
Graublau| ändert
Gallus-
säure
Violett
ae Dunkel- Blau mit | Blau mit oje
Tannin Br | Rotgrau | Violett | Violett Blau Spur- Spur- a
ee Violett | Violet |
grau
Bei Zusatz von mehr Natriumbicarbonat und Ferrichlorid findet
Um eine einheitliche Uebersicht zu er-
langen, wurden die verschiedenen Nuancen nach der „Radde’schen
Internationalen Farlıenskala“ geprüft: das Resultat dieser Prüfung ist
Uebergang in Kirschro: statt.
die folgends Tabelle.
De}
1. Hefi.
Bad.
Arch. d. Pharm CCXXXIM.
66 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel.
|
1 Proz. Proto- | 1 Proz. Pyro- | 1 Proz. Gallus- |
r i E 1 Proz. Tannin
catechusäure catechin säure
a) 1 Tropfen !/, Proz: Ferrichloridlösung
16 0 | 15 r | 39 c | 39 a
b) 1 Tropfen 1 Proz. Ferrichloridlösung
16 g 14h 39 b 40 b
c) 1 Tropfen 2 Proz. Ferrichloridlösung
16 f | 13 k 19 d | 21c
d) 1 Tropfen 4 Proz. Ferrichloridlösung
16 f | 1ark 21 1 21 c
«) 1 Tropfen V/, Proz. Natriumbicarbonatlösung
a) Bleibt 22 f | Bleibt | 41h
b) x 22 f | 4 23 b
CIUROIE, ' Unverändert 3 ‘ Unverändert
#) 1 Tropfen 1 Proz. Natriumbicarbonatlösung
a) Unverändert | 22 h | Unverändert | 24 ©
b) ; 19 b ; | 23.
c) R 16 d | 21d | Unverändert
d) ” | 16 d | 2 d | Pr
») 1 Tropfen 2 Proz. Natriumbicarbonatlösung
a) Unverändert | 22 c | Unverändert | 23 k
b) 16 k ZT | 4 | 23T
c) 17 e | 21 e 21d | 236
d) 7 e | 21 e 2l'e | 22 £
d) 1 Tropfen 4 Proz. Natriumbicarbonatlösung
a) Unverändert | 23 d | Unverändert | 23 0
b) IE ar | 22 f | 5 23 f
ce) Ike ae | 23 e 22 d | 23 f
d) ie | 21 e | 22 c | 23 f
e) 2 Tropten S Proz. Natriumbicarbonatlösung
a) 18 k 24 k Unverändert | 25 0
b) 19 d | 24 k 21 c | 25 g
e) 19 g 24 e | 22 d 27h
d) 19 f 23 € | 22'd 24 c
Bei Zusatz von mehr Na HCO;3lösung findet bei b, c, d Uebergang
nach 26 h statt.
Ich habe auch die Einwirkung von Kalkwasser auf die ver-
schiedenen Lösungen durchprobiert und wird
1. 1 Proz. Protocatechusäurelösung nicht verändert
2. 1 Proz. Pyrocatechinlösung wird grasgrün; die Färbung ver-
schwindet mit der Zeit und tritt beim Umschütteln wieder stärker
hervor.
3. 1 Proz. Gallussäurelösung erscheint im auffallenden Lichte
blau, im durchscheinenden grünblau gefärbt. Auf Zusatz von mehr
Kalkwasser entsteht ein blauer Niederschlag. Beim Verdünnen geht
F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 67
auf Zusatz einiger Tropfen Wasserstoffsuperoxyd die blaue Färbung
in Russischgrün über.
4. Ebenso wird 1Proz. Tanninlösung im aufiallenden Lichte
blau, im durchscheinenden grünblau gefärbt, durch Zusatz von mehr
Kalkwasser entsteht ein blaugrauer Niederschlag.
Im weiteren Verlauf der Untersuchung des im alkoholischen
- Auszuge gewonnenen, braunen Sirups, wurde zunächst eine
möglichste Reinigung des Körpers nach folgenden Methoden
angestrebt.
Die Substanz wurde zunächt in Alkohol gelöst und mit Tier-
kohle wiederholt behandelt. Beim Eindampfen des Filtrates
wurde jedoch wiederum ein noch braun gefärbter Sirup erhalten.
Eine konzentrierte Lösung von Natriumsulfat wurde, mit dem
Sirap gemischt, der Krystallisation überlassen, jedoch ohne Erfolg,
da die Krystalle stets etwas der braungefärbten sirupösen Masse
einschlossen. Nach Stromeyer !} wurden dargestellt:
a) ein Baryumsaccharat. 50 g des Sirups und 450 g Wasser
wurden mit einer Lösung von 20g Barythydrat in 100 g Wasser
aufgekocht. Beim Erkalten schied sich das Saccharat ab.
b) ein Caleinmsaccharat: Der Mischung von 505g des Sirups und
450 5 Wasser wurden unter fortwährendem Umrühren 5g frisch
zeglühtes CaO zugegeben, das Gelöste vom Ungelösten abfiltriert
und die Lösung mit Alkohol zur Abscheidung des Saccharates
versetzt.
In beiden Fällen resultierten bei der Zersetzung der Saccharata
selbgefärbte Massen, die nicht rein zu bekommen waren.
Es wurde dieser braune Sirup daher der Ruhe überlassen.
Nach Ablauf von vier Monaten begann der Zucker in Krystallen
sich abzuscheiden und nach 7 Monaten konnte ich durch Absaugen
eine genügende Menge davon isolieren um die folgenden, die Gly-
kosen charakterisierenden, Versuche durchzuführen.
l. Mit krystallisierter Galle versetzt und über konzentrierte
Schwefelsäure geschichtet entstand die nach H. Brunner?) auch für
die Glykoside charakteristische Pettenkofer'sche Zonenbildung,
lt) Stromeyer, Ueber einige Saccharate, Archiv f. Ph. 37 P. 229.
2) Fresenius, Zeitschrift für anal. Chemie XII. 346.
68 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel.
2. Die Lösung mit Kalilauge erhitzt, tritt Braunfärbung ein
(Moore-Heller’sche Reaktion).
3. Beim Erwärmen mit alkalischer Wismutlösung entstand ein
schwarzer Niederschlag (Böttger-Nylandersche Reaktion).
4. Mit Pikrinsäure in alkalischer Lösung entstand Rotfärbuug
Johnson-Thierry’sche Reaktion).
5. a-Naphto! in 20 Proz. Lösung in Verbindung mit konzentr
Schwefelsäure erzeugte eine dunkelviolette Zone; auf Zusatz von
Wasser entstand ein blauer Niederschlag (Reaktion von Molisch).
6. Thymol unter denselben Bedingungen bewirkte eine karmin-
rote Zone (R. v. Molisch).
7. Nach der von E. Fischer gegebenen Vorschrift wurde ein
aus verdünntem Alkohol in gelben Nadeln krystallisierendes Glykosa-
zon erhalten, dessen Schmelzpunkt bei 204 lag.
Eine Probe des Zuckers wurde mit Hefe versetzt und erwies
sich durch Trübung des vorgelegten Barytwassers als direkt
gährungsfähig.
Die wälsrige Lösung im Polarisationsapparat geprüft, erwies
sich als rechtsdrehend.
Hiernach war also das aufgefundene Kohlehydrat in befriedigender
Weise als Dextrose charakterisiert, während man früher den in
den Galläpfeln gefundenen Zucker für nicht krystallisations-
fähig hielt.
Gallo-Cerin.
Der aus den vereinigten Petroläther und Aetherauszügen ge-
wonnene Körper stellt zerrieben ein Pulver von körniger, harzartig
anzufühlender Beschaffenheit dar.
Er ist löslich in heilsem Alkohol, Aether, Aceton, Benzol,
Chloroform und Eisessig, doch scheidet er sich aus diesen Lösungs-
mitteln beim Erkalten zum gröfsten Teil wieder aus. Schön
krystallisiert erhält man ihn beim Verdunstenlassen der alkoholischen
Tösung in “Form von federartigen, zu Büscheln vereinigten
Krystallen.
Er beginnt bei 172° zusammenzusintern und schmilzt bei 173
(unkorrigiert). Bei 176° färbt er sich unter Zersetzung gelb.
Mit konzentrierter Schwefelsäure färbt er sich schön kirschrot.
I. Mit Natrium geglüht, konnte darin Stickstoff nicht nachgewiesen
werden.
Xu
F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 69
II. Bei der Elementaranalyse lieferte der über H,SO, getrocknete
Körper folgende Werte:
I. 0,2571 g Substanz gaben 0,7318 g CO, und 0,2623 g H,O.
II. 0,2155 g Substanz gaben 0,6117 g CO, und 0,2173 g H,O.
III. 0,2155 g Substanz gaben 0,6139 g CO, und 0,2112 g H,O.
IV. 0,2123 g Substanz gaben 0,6036 g CO, und 0,2096 5 H,O.
Daraus ergiebt sich folgende prozentische Zusammensetzung:
C H 16)
E.1007759 11,33 11,08
IT: 77,40 11,20 11,40
ID. 77,63 10,89 11,48
IV. 77,54 10,97 11,49
Als Mittel berechnet sich:
G =.,17,54 Proz.
IT Ar LH
Ouler, TR 5
welcher Prozentgehalt einer Formel C,9 Hz, O;. demnach ein Kohlen-
stoffatom mehr als die Oelsäure, entspricht, oder auch Cs Hz, O;,
welche Formel insofern Wahrscheinlichkeit hat, als die Fette be-
kanntlich meistens paare Kohlenstotf-Atomzahlen haben.
Berechnet für C,g Hz4 O5 Gefunden:
D —=,.#153 Brez; 77,54 Proz.
Einen > IE
DI A0ERU 5 5 52 Digg
Berechnet für C,H; O3
EZ HT7T9, Pro®:
H sul ;
OA ZE04a 5
Um das Molekulargewicht des Körpers zu bestimmen, benutzte
ich die Raoult’sche, von Beckmann *) verbesserte Methode, welche
auf der Erhöhung des Siedepunktes verschiedener Flüssigkeiten.
durch Hinzufügen kleiner abgewogener Mengen der Substanz basiert
Die Gefriermethode konnte nicht benutzt werden, da die Substanz
in Eisessig gelöst, sich beim Erkalten, auch in kleinen Quantitäten
stets wieder ausschied. Daher benutzte ich die Siedepunktsbestim-
mung mit Eisessig. Es gelang mir jedoch nicht nach Eintragen der
Substanz eine konstante Temperatur zu bekommen, während die
*) Beckmann über die Methode der M.-G.-Best. durch Gefrierpunkt-
erniedrigung. Zeitschr. f. phys. Ch. IL. 9/10.
Beckmann, Studien über die Praxis der Best. des Mol,-G. aus
Dampfdruckerniedrigungen. Zeitschr. f. ph. Ch. IV. V. 1389.
‚0 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel.
Kontrolle mit andern Körpern, schon nach 3 Minuten konstante
Temperaturen lieferte. Das Maximum der Siedepunktserhöhung zeigt,
folgendes Resultat:
Eisessig Substanz Erhöhung
34,15 g 0,1904 0,18 0
Daraus ergäbe sich ein Molekulargewicht von 78,28.
Um zu versuchen, ob andere Lösungsmittel bessere Resultate
lieferten, führte ich zunächst eine Bestimmung mit Aceton, sodann
eine solche mit Benzol aus. Erstere lieferte folgende Werte:
Aceton Substanz Erhöhung
[L. 28,09 g 0,2010 g 0,1100
II. 28,09 g 0,1892 g 0,100 0
Aus der ersten resultiert ein Mol.-Gew. 108,08.
Aus der zweiten resultiert ein Mol.-Gew. 112,47.
Mit Benzol:
Benzol Substanz Erhöhung
33,26 g 0,1468 8 0,1400
woraus sich ein M.-G. von 84,15 ergiebt.
Da wohl ausgeschlossen ist, dafs ein Körper von obiger prozen-
tischer Zusammensetzung ein so niedriges Molekulargewicht habe,
so muls man annehmen, dafs die obige Methode, so vorzügliche
Resultate im allgemeinen sie auch liefert, bei manchen Substanzen
eben doch im Stiche läfst, zumal die verschiedenen Lösungsmittel
unter sich so abweichende Resultate ergeben haben. Da mir jedoch
aufgefallen war, dafs bei der Bestimmung mit Benzol, die Queck-
silbersäule bei einer wenig über dem Ausgangspunkt liegenden
Temperatur längere Zeit stehen geblieben und dann regelmälsig
weiter gestiegen war, so versuchte ich noch eine Bestimmung mit
Benzol und beobachtete, dafs das Thermometer bei der unten an-
gegebenen Erhöhung während 4 Minuten konstant‘ blieb, um damn
wieder weiterzusteigen. Eigentümlicherweise nähern sich, nimmt
man diese Temperatur als konstante an, die Werte aufserordentlich
dem für die obige Formel berechneten Molekulargewicht, doch kann
es natürlich nicht angehen, aus diesen Werten das Molekulargewicht
des Körpers iestzusetzen.
Benzol Substanz Erhöhung
31.07 0,1986 0,060
Berechnet für C,9 Hz O5 Gefunden:
294 284.43
F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 71
Um die Natur der Substanz zu studieren, wurden fulgende
Reaktionen ausgeführt:
I. Einwirkung von Brom.
Zur Darstellung des Bromderivates wurden 3 g der Substanz
in absolutem Alkohol gelöst, mit Brom bis zur bleibenden Rot-
färbung versetzt und auf dem Wasserbade am Rückflufskühler
während 6 Stunden erhitzt: die klare Flüssigkeit wurde in Wasser
gegossen, wobei sich das Bromderivat als gelbe, anf «em Wasser
schwimmende Masse ausschied. Durch mehrmaliges Aufnehmen mit
Alkohol und Eingiefsen in Wasser gereinigt, wurde die alkoholische
Lösung der freiwilligen Verdunstung überlassen, wobei das Brom-
derivat in Form einer amorphen Masse zurückblieb, die sich harzig
anfühlte. Bei 800 getrocknet, färbte sich d’e Substanz dunkelbraun,
und sprang schliefslich in glänzenden Blättchen vom Glas ab.
Die nach Carius ausgeführte Brombestimmung lieterte folgende
Werte:
I. 0,2060 g Substanz gaben 0,1192 g Ag'Br.
II. 0,2542 g 3 „ 0,1484 g AgBr.
Aus I. ergiebt sich ein Bromgehalt von 24,71 Proz.
” 11. ” ” ” ” ” 24,98 ”
Im Sauerstoffstrom mit vorgelegter Silberspirale verbrannt erhielt
ich aus
0,2248 g Substanz 0,496 g CO, und 0,1570 g H,O,
woraus sich berechnen:
Br 24,82 Proz.
C = 60,18 Proz. H = 7,74: Proz.
Da sieh diese Werte nur schwer mit der Formel Cjg Hz, Br O,
oder O9, Hz, Br O, in Uebereinstimmung bringen lassen, versuchte
ch die Bromierung unter Vermeidung jeglicher Erwärmung, indem
ich die Substanz in Chloroform löste, Brom bis zur Sättigung zu-
fügte und die Lösung der freiwilligen Verdunstung überliels. Das
überschüssige Brom wurde durch eine stark verdünnte Natrium-
carbonatlösung entfernt, das Reaktionsprodukt mit Aether aut-
genommen und schliefslich über Schwefelsäure bis zur Gewichts-
konstanz getrocknet. Ich erhielt dabei zwar einen fast farblosen
Körper, der jedoch, nach Carius analysiert, denselben Bromgehalt
wie das erst erhaltene Produkt aufwies.
0,3828 g Substanz gaben 0,2242 g AgBr = 24,92 Proz, Br.
2 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel.
II. Acetylierungs- und Benzoylierungsversuche.
Zur Darstellung des Acetylderivates wurde der Körper mit
Essigsäureanhydrid und Natriumacetat während 6 Stunden am Rück-
Aufskühler erhitzt und die so erhaltene Lösung in Wasser gegossen,
wobei sich ein weifser Körper ausschied, der, getrocknet, den
Schmelzpunkt der Ausgangssubstanz 1740 zeigte.
Ich wechselte daher die Methode und benutzte Chloracetyl, in-
dem ich die Substanz damit während 3 Stunden am Rückflufskühler
erhitzte. Das in Wasser sich ausscheidende Reaktionsprodukt wurde
mit Alkohol gelöst und krystallisierte dasselbe daraus in Form
dendritisch verzweigter Krystalle, die getrocknet, sich jedoch als
unveränderte Substanz erwiesen.
Auch durch mehrstündiges Erhitzen der Substanz mit Chlor-
acetyl im geschlossenen Rohre bei 100° konnte ich zu keinem
Acetylderivat gelangen.
Da gewisse Substanzen häufig kein Acetylderivat, wohl aber
ein Benzoylderivat geben, versuchte ich dasselbe darzustellen, indem
ich die Substanz mit gleichen Teilen Benzoesäureanhydrid mengte
und im Schwefelsäurebade während 6 Stunden auf 1750 erwärmte,
wobei sich eine dunkelbraune, homogene Masse bildete. In Wasser
gegossen, setzte sich das Reaktionsprodukt in Form von rotbraunen
Tropfen auf dem Boden des Gefäfses ab, die beim Erkalten eine
feste, amorphe Masse bildeten. Zur weiteren Reinigung in Alkohol
aufgenommen, blieb ein Teil ungelöst. Beim Eingieflsen der alko-
holischen Lösung in Wasser schied sich ein weilser Körper aus,
der, über Schwefelsäure getrocknet, den Schmelzpunkt 1740 zeigte.
II. Einwirkung von Alkalien.
Um zu sehen, ob der Körper durch Alkalien verändert wirds
versetzte ich seine alkoholische Lösung mit Ammoniak und ver-
dampfte das überschüssige Ammoniak. Beim Erkalten schied sich
ein Teil der Substanz aus, doch verursachte Silberlösung im Filtrate
eine schwache Fällung. Es war also eine partielle Einwirkung erfolgt.
Sodann versuchte ich die Einwirkung von schmelzendem Kali-
hydrat.
Es wurde 1 g der Substanz im Nickeltiegel geschmolzen mit
5 g Kalihydrat und während 10 Minuten im Schmelzen erhalten.
F. Koch. Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 73
Es tvat dabei eine sofortige Bräunung der Substanz unter Entwick-
lung von stark riechenden Kohlenwasserstoffen ein.
Beim Eingiefsen in Wasser zeigte sich eine nur minimale
Trübung, während jedoch auf Zusatz von Salzsäure”eine reichliche,
Hlockige Ausscheidung eines braunen Körpers eintrat. Demnach
hatte also eine Einwirkung stattgefunden, die auftretenden Dämpfe
liefsen jedoch schliefsen, dafs das eine Zersetzungsprodukt sich ver-
Nüchtigt hatte.
Um dies zu vermeiden resp. die Einwirkung des Kalihydrats
milder zu gestalten, wurden 3 g der Substanz mit einer 50 prozen-
tigen alkoholischen Kalilauge am Rückflufskühler zum Sieden erhitzt
und darin während 6 Stunden erhalten.
Beim Eingielsen in Wasser trat jetzt eine starke Ausscheidung
eines schwach gelblich gefärbten Körpers auf, während das Filtrat
aut Zusatz von Salzsäure einen ebenfalls noch schwach gelblichen
Körper fallen liefs. Beide Substanzen wurden durch mehrmaliges
Anuflösen in Alkohol und Eingiefsen in Wasser gereinigt und bis
zur Gewichtskonstanz über Schwetelsäure getrocknet.
Der erstere repräsentierte ein weilses Pulver von saurer
Reaktion.
Der Körper ist löslich in Alkohol, Aether und Chloroform. Er
beginnt bei 165° sich gelb zu färben, sintert bei 2000 zusammen
und schmilzt glatt bei 220°.
Im Sauerstofistrom im offenen Rohre verbrannt, lieferte die
Substanz folgende Werte:
I. 0,2300 g Substanz gaben 0,6440 g CO, und 0,2110 g H,O.
IH. 0,2120 g 4 „0,5912 g CO, und 0,1884 g H,O.
In Prozenten ausgedrückt:
I. C 76,08 H 10,19
11.0 76.06 H 9,88
Diese Werte würden einer Formel C,, Hs, OÖ» entsprechen.
Berechnet für C,; Ha, O5: Gefunden:
GC 176,27. Proz. C 76,07 Proz.
#3.410,17). ; B4110,03.,. 4
Der durch Salzsäure ausgefällte Körper wurde nochmals in Kali-
lauge aufgenommen, mit viel Wasser gemischt und durch Salzsäure
ausgefällt. Abfiltriert und ausgewaschen, bis das Filtrat nicht mehr
sauer reagierte, wurde der Körper über Schwefelsäure getrocknet,
74 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel.
nochmals in Aether gelöst, filtriert und die Lösung der freiwilligen
Verdunstung überlassen.
Es hinterblieb so ein schwach gelblich gefärbter, harzig sich
anfühlender Körper. Derselbe ist löslich in Alkohol und Aether, un-
löslieh in Wasser.
Er schmilzt bei 162°, nachdem er bei 140 0 begonnen sich braun
zu färben.
Der Körper reagiert sauer. Im Sauerstoffstrom verbrannt
lietert er folgende Werte:
I. 0,2110 g Substanz gaben 0,5673 g CO, und 0,1858 g H,0,
I. 0,1707'8 R „0,4606 g CO, und 0,1542 g H,0,
oder in Prozenten:
EROTEI3 31 ‚B. 868 Proz:
IL. .u0,,43,59 H 10,04
Als Mittel ergiebt sich daraus
.’
H 986.
Zur Darstellung des Silbersalzes wurden 05 g der
Substanz in Alkohol gelöst und die Lösung mit Ammoniak versetzt.
Nach Verjagung des überschüssigen Ammoniaks wurde die neutrale
Lösung mit Wasser verdünnt und mit salpetersaurem Silber versetzt.
Es entstand ein rein weilser, flockiger Niederschlag, der rasch auf
dem Filter ausgewaschen und über Schwefelsäure bis zur Gewichts-
konstanz getrocknet wurde.
Die Bestimmung des Silbergehaltes gab folgende Resultate:
I. 0,1002 g des Salzes gaben 0,0098 g Ag = 9,78 Proz.
11. 0,0032 „ is 3 0003L Er .„ „Ah
IV. Aethyläthern.
Zur Gewinnung dieses Aethers löste ich 1 g der Substanz in
Aethylalkohol und kochte diese Flüssigkeit während einer Stunde
mit alkoholischer Kalilauge (15 Proz.) und einem Ueberschufls von
Aethyljodid. Das Filtrat wurde in Wasser gegossen, wobei jedoch
nur eine geringe Trübung eintrat. Sobald man jedoch nur eine Spur
Salzsäure zusetzte schieden sich sofort gelbe Flocken ab, die aus-
gewaschen und in Alkohol gelöst wurden. Diese Lösung wurde in salz-
säurehaltiges Wasser gegossen. Der Niederschlag wurde über
Schwefel-äure bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Der Schmelz-
punkt dieses Körpers liegt zwischen 276—280° indem er bei 276°
beginnt harzartig zusammenzusintern.
F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 75
Die Elementaranalyse gab folgendes Resultat:
0,1552 g Substanz gaben 0,4354 g CO, und 0,1340 H,O
entsprechend einem Prozentgehalt von 76,49 Proz. C und 9,59 Proz. H.
Da ein Aethyläther der oben aufgestellten Formel andere Werte
verlangt, so glaubte ich noch einen Versuch wit der Darstellung des
Aethers machen zu müssen, erhielt dabei aber keine besseren
Resultate. 2 g der Substanz wurden in absolutem Alkohol gelöst
und in diese Lösung Chlerwasserstoff bis zur Sättigung eingeleitet.
Beim Eingielsen dieser Lösung in Wasser schied sich die Substanz
rein weils aus. Ausgewaschen und bei 100 ° getrocknet, schmolz
die Substanz glatt bei 274°.
Die Elementaranalyse ergab folgendes Resultat:
0,1794 g Substanz gaben 0,4992 5 CO, und 0,1532 H,O
entsprechend einem Prozentgehalt von C = 16,78 Proz. H = 9,49 Proz.
V. Verhalten gegen Phosphorpentachlorid.
Beim Erwärmen der Substanz mit Phosphorpentachlorid und
Eingiefsen in Wasser wurde eine braune, schmierige Masse erhalten,
die durch Auflösen in Alkohol und Eingielsen in Wasser nicht rein
zu bekommen war. Ich versuchte dann das Erwärmen zu vermeiden,
es gelang mir aber trotzdem nicht, ein farbloses Reaktionsprodukt
zu erzielen. Der Schmelzpunkt des Körpers liegt über 250°.
VI Verhalten gegen Hydroxylamin.
1 g der Substanz wurden in 30 g Alkohol gelöst und mit salz-
saurem Hydroxylamin einige Stunden am Rückflufskübler erhitzt.
Nach dem Erkalten wurde die Lösung in Wasser gegossen, der aus-
fallende, weilse, flockige Körper gut ausgewaschen und über
Schwefelsäure getrocknet.
Um zu untersuchen, ob ein Oxim gebildet worden sei, glühte
ich eme Probe der Substanz mit metallischem Kali, konnte in der
Schmelze jedoch keinen Stickstoff nachweisen. Auch beim Glühen
der Sabstanz mit Natronkalk gelang es mir ebensowenig Stickstoff
nachzuweisen, en Oxim war also nicht gebildet worden. Der
Schmelzpunkt der Substanz lag jedoch bedeutend höher als der der
Grundsubstanz (bei 274°).
VO. Verhalten gegen Salpetersäure.
In konzentrierte Salpetersäure eingetragen, löste sich die
Substanz beim Erwärmen auf unter Entwicklung von Untersalpeter-
76 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel.
säure. Beim Eingiefsen der gelben Lösung in Wasser schieden
sich Flocken ab, die, ausgewaschen bis das abfliefsende Wasser
keine Reaktion mit Diphenylamin mehr gab, und getrocknet, ein
schwach gelblich gefärbtes Pulver vorstellten. Löslich in Alkohol,
Aether und Chloroform. Nach der gewöhnlichen Methode mit
metallischem Kali geglüht, konnte kein Stickstoff darin nachgewiesen
werden. Der Körper gab weder Pikrinsäure, noch Oxalsäurereaktion.
VII. Verhalten gegen Zinkstaub.
Mit Zinkstaub im Glühröhrchen erhitzt, entweichen leicht ent-
zündliche, mit leuchtender Flamme brennbare Kohlenwasserstofie,
während sich an den oberen Teilen des Glases ein gelbes Oel an-
setzte, das beim Erkalten erstarrte.
IX. Verhalten gegen Jodwasserstoff.
In der Hoffnung durch Ueberführung des Körpers in seinen
Kohlenwasserstoff etwa Aufklärung über seine Konstitution zu er-
halten, erhitzte ich 2 g desselben mit S g HJ u. amorphem Phosphor im
geschlossenen Rohre während 4 Stunden auf 250° Beim Oeffnen
der Capillare fand eine solche Detonation statt, dals das Rohr zer-
plittert wurde und das Reaktionsprodukt verloren ging.
Nach diesen Resultaten zeigt sich der Körper als höchst indifferent
gegen chemische Agentien.
Ein Körper von ähnlichen Eigenschaften findet sich unter dem
Namen Cerint) beschrieben. Seine Eigenschaften sind nach John,
der ihn aus dem Bienenwachs isolierte, folgende: Weifs, hart wie
Wachs, P. S, 0,969; löslich in 16 Teilen kochenden Alkohols, woraus
er sich beim Eıkalten wieder ausscheidet. Der Schmelzpunkt wird nach
Brudet und Boissenot bei 62° angegeben. Durch Kali wird es teilweise
verseift.
Chevreul?) hat diesen Körper aus der Korkrinde von Quercus suber
durch Behandeln derselben mit heilsem Alkohol erhalten.
Wittstein®) hat denselben später aus der korkartigen Wurzelrinde
von Aristolochia antidysenterica Mart. isoliert. Nach demselben Autor
giebt das Cerin_ beim Behandeln mit HNO, neben andern Produkten
Oxalsäure. Seine Zusammensetzung ist nach Doepping Cy; Hz, O, ent-
sprechend einem Prozentgehalt von 0 75,00 H = 10,500 = 14,50. Bei
1) Vollst. allgm. chem. Handwörterb. v. Dr. Wittstein, München 1847.
2), Annal. d. Chemie Nov. 1815,
3) Repert. t. d. Ph. I, VII. 152.
=]
u |
F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa.
Fehling!) finden sich ferner folgende Eigenschaften: Das Korkwachs
wird in kochendem Wasser weich und backt zusammen, es wird von
Kalilauge nicht verseift und giebt bei der trocknen Destillation eine
grolse Menge beim Erkalten erstarrenden Fettes und hinterläfst Kohle
Die Aehnlichkeit zwischen diesem Cerin und dem von mir aus
den Galläpfeln abgeschiedenem Körper ist so augenfällig, dafs Herr
Professor Brunner und ich denselben als Gallocerin bezeichnen
wollen. Auch der Ursprung der Substanz rechtfertigt den Namen,
da Chevreul sein Cerin aus der Rinde der Korkeiche erhielt und
dürfte das Gallocerin aus der Rinde der Eiche in die Galläpfel
wandern.
IH. Serophularia nodesa.
Von der Gattung Scrophularia sind über 100 Arten teils Kräuter
oder Stauden in Europa sowie in den aulisertropischen Gegenden
Asiens, Afrikas und Amerikas verbreitet. Da die Blätter und Wurzeln
der Scrophularia nodosaL. (auch wohl der Scrophul. Ehrhart i. Stev.)
früher medizinisch verwendet wurden, so schien es interessant eine
Untersuchung dieser Pflanze in chemischer Hinsicht zu unternehmer,
um so mehr als dieses Thema nur einmal bis jetzt behandelt worden
ist; Walz hatte die Pflanze einer Untersuchung unterworfen im Jahre
1853, jedoch in einer Art und Weise, die mit den Fortschritten, die
die Chemie in diesen 40 Jahren gemacht, durchaus nicht mehr in
Einklang zu bringen ist. Ich werde unten auf die Resultate dieser
Untersuchung zu sprechen kommen.
Vorher mögen hier einige Daten über die Geschichte der Scro-
phularia, soweit mir die diesbezügliche Litteratur zu Gebote stand,
Platz finden.
Dem Werke: Dorvault2) entuehme ich folgendes:
Serofulaire, Serophular. aquat. et nodosa, Braunwurz, Kreuznessel,
Herbe aux &cruelles; herke du Siege; Betonie d’eau. Ües pla: tes
etaient employees jadis contre les affections scrofuleuses; elles ont &te
la base de plusieurs onguents. Leurs propri&'&s therapeutiques furent
mises en lumiere par suite du manque de vuln£raires qui survintpen
dant le siege de la Rochelle sous Louis VIII.
Chez les Arabes de l’Algerie le decoct& de Serofulaire est usite
en tisane dans les fi6vres intermittentes. Dans ces derniers temps la
Serofulaire a &te preconisde comme antidote Ju virus rabique.
4) Neues Handwörterbuch der Chemie II. Aufl,
2) Dorvault: L’offiecine XII. edition 1889 Pag. 877.
1
[0]
F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa.
Elle contient un principe amorphe (Scrofuliue-Joron) analogue & la
Digitaline et un autre principe cristallin en tres minime proportion.
Scrophularia!) Kropfwurzel, Skrophelkraut. Die Pflanze erhielt
hren Namen nach der Form der Wurzel, in der man auch der Gestalt
wegen ein Heilmittel gegen Halsgeschwülste gefunden zu haben
glaubte. Man wandte sie sowohl innerlich in Abkochung und äufserlich
gegen Kröpte, Drüsen u. 8. w. an.
Heute üudet die Scrophularia nur noch in der Homöopathie Ver-
wendung.
Für alle in der Litteratur erwähnten Mitteilungen bildet die Arbeit
von Walz die Basis, über die ich jedoch nur ein Referat zur Hand
hatte?). Ich lasse dasselbe hier folgen:
Die frischblühende Pflanze von Scrophularia nodosa gab bei der
Dampfdestillation erst ein neutrales, dann ein saures Destillat. in
welch letzterem Propionsäure neben wenig Essigsäure enthaltenist. Ein
stearoptenartiger Körper und mehr Essigsäure fanden sich in dem
stärker sauren Destillate von länger aufbewahrten Pflanzen. Walz
bezeichnet den stearoptenartigen Körper mit Scrophularosmin.
Nach der Destillation wurde das Kraut mit heilsem Wasser aus-
gezogen und das stark sauer reagierende, bitter braune Infusum
mit neutralem, essigsaurem Bleioxyd gefällt. Im grüngelben Nieder-
schlage waren an Bleioxyd gebunden aulser anorgauischen Säuren
Weinsäure, Citronensäure, Acpfelsäure eine eisengrüuende Gerbsäure,
Chloropbyllharz, und ein in Aether unlösliches, gelbrotes Harz. Das
Tjltrat gab mit basisch essigsaurem Bleioxyd einen gelben Nieder-
schlag, worin aufser den angeführten Säuren: Gummi, Stärkemehl und
Pektin sich fanden. Nach dem Ausfällen des Bleioxydes mit Natrium-
varbonat gab das Filtrat mit Gerbsäure einen starken, flockigen,
weilsen Niederschlag, der sich in Weingeist teilweise löste. Die
weingeistige Lösung gab nach dem andauernden Digerieren mit
seschlämmtem Bleioxyd, welches die Gerbsäure entzog, eine gelb-
‚raune Tinktur, die bei freiwilligem Verdunsten krystallinische
Schuppen eines in Wasser löslichen, bitteren, als Scrophularin
bezeichneten Körpers ausschied. Die irisch getrocknete Pilanze nebst
Wurzel gab 7,5 Proz. Asche.
Bei ähnlicher Behandlung der Scrophularia aquatica fand Walz,
dals die flüchtige Säure eine eigentümliche sei und in dem Gerb-
stoffniederschlage unterscheidet er neben Scrophularin
eine in Aether lösliche, harzartige Verbindung als Serophularaerin.
1) Handb. d. rein. u. angew. Ohemie, Dr. Fehling, Braunschweig
1859, WTB. :
2) J. B. über Fortschr. d. Ch. 1853, pag. 367.
F. Koch: Teber Scrophularia nodosa. 9
Dem bereits oben erwähnten Werke Fehling's!) entuehme ich nach-
folgenden Passus:
Die frisch getrocknete Pflanze, im Dampfapparat mit Wasser
destilliert, gab ein saures Destillat, auf dem eine fettartige Haut
schwamm, die, mit Aether behandelt, Scrophularosmin gab. Wird die
mit Wasser ausgekochte Pflanze getrocknet, dann mit Alkohol aus-
gezogen und das Filtrat verdampft, so bleibt eine grün-braune, harz-
artige Masse zurück von bitterem Geschmack, die sich nur teilweis»
in Wasser löst: der darin unlösliche Teil löst sich zum Teil in
Alkohol, Die alkoholische Lösung mit Bleizucker gefällt und dann mit
H,S behandelt, giebt nach dem Filtrieren und Abdampfen ein bräun.
liches Pulver, dem Wasser geringe Mengen Scroplularin entzogen. Aus
dem Rückstande löste Aether ein Harz mit goldgelber Farbe, das beim Ver-
dampfen der ätherischen Lösung teils in Form gelblich-weilser Krystalle,
teils als bräunlich gelbe, schmierige Masse zurückbleibt; die letztere wird
bei längerem Stehen auch krystallinisch. Das Harz ist löslich in Wein-
geist wiein Aether, aber unlöslich in Wasser; es schmilzt beim Erhitzen.
Die Asche der Scroplularia nodosa hat nach demselben Werke die
folgende prozentische Zusammensetzung:
TE LAT
NAUOnRE EN RE
NEN A EG,
Magnesia 7 124.9 er 1831
Bisenssyd sul ‚er
Chiomatrium 72.22.7762
Schwefelsäure . . .. 3,41
Phosphorsäure . . . . 13,0
Kohlensäure: . > „m 12
Kieselsäure . . .... 45
Kohle und Sand . . . 08
Loyd 2) will in der in Nordamerika wachsenden Scrophularia nodosa
Spuren eines Alkaloides und ein Harz von pfefferartigem Geschmack
gefunden haben.
F.F. Mayer) hat einige chemische Bemerkungen über die Familie
der Scrophulariaceae zusammengestellt, wobei er sich auf die Walz’sche
Arbeit stützt.
Ebenso beziehen sich die im Handwörterbuch 4) sowie bei Beil-
stein) gemachten Bemerkungen über Scrophularin und Scrophularosınin
lediglich aut die Walz’sche Arbeit.
1) Cfr. pag, 78.
2) Pharmac. Zeit., Berlin 1887, No. 69, S. 483.
3) Americ. Journ. of Pharm. 35 (1865).
4, Neues Handwörterbuch d. Ch. Dr. Hell, 1573. Lief. B. VL Liet. VL
Braunschweig 1893.
5) Handbuch der organ. Chemie, II. Aufl., III. B., 1590, Pag. 329.
Dar
Eichler!) fand, dafs in der Scerophularia nodosa Duleit ent} a
sei. Er isolierte denselben, indem er einen wässrigen Abs
Pflanze mit Kalkmilch bis zur alkalischen Reaktion versetzte, auf-
kochte, filtrierte, stark konzentrierte und mit Salzsäure übersättigte. ER
„Aus dieser Lösung krystallisierte der Duleit aus. ®
>
Nach der vorliegenden Litteratur wären in der Serophularia nodosa e
E
also gefunden:
1. Ein eisengrünender Gerbstoff.
i = Mn 2. Ein Bitterstoff — Serophularin-Walz. E
Wi. 3. Ein stearoptenartiger Körper — Scrophularosmin-Walz. 5;
3 4. Duleit. e
5 Es liegt auf der Hand, dafs Körper, wie die oben angegebenen
nach Walz’scher Vorschrift gewonnenen, ohne Angabe jeglicher
näherer Eigenschaften als der des äufseren Ansehens und ihres Ge-
schmackes, einen Anspruch auf den Namen eines chemischen Indi-
viduums an und für sich schon nicht machen können. Auffallend Ri:
3a aber ist es, dafs Walz erstens aus einem ursprünglich weilsen®) |
b M Niederschlage eine braune Tinktur erhält, die das Scrophularin
einschlie(st und zweitens, dals er dieses Scrophularin in der 2
Scrophularia nodosa in dem Filtrat von den Bleiniederschlägen
findet, in der Scrophularia aquatica jedoch in den Bleiniederschlägen
selbst.
| » Die zur Untersuchung verwendeten Auszüge der Scrophularia a
nodosa stammten aus der Fabrik der Firma Siegfried in Zofingen, Er
_ und zwar lagen vor: SR
De. a) ein ätherischer, 5
DR 3 b) ein alkoholischer, -
Br c) ein wälsriger, je von Kraut und Wurzel. E
' Asche.
+ In Hinsicht auf die frühere medizinische Verwendung schien es R
“ _ _gicht uninteressant, eine Untersuchung der Asche auf Halogene ke;
N spez. Brom und Jod, sowie auf Lithium vorzunehmen. Doch hat EN
j diese Analyse die völlige Abwesenheit dieser Elemente ergeben. Er
100 & Extrakt aus der Wurzel lieferten 4,75 g einer gelben
Asche.
Bi 1) Husemann und Hilger, Pflanzenstoffe, S. 1227.
Br u) ‚Cfr. Pag: 78.
ARCHIV
DER
PHARMACIE
herausgegeben
vom
Deutschen Apotheker-Verein
unter Redaction von
E. Schmidt und H. Beckurts.
Band 233. Heft 2.
| BERLIN.
Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereins.
1895.
Ausgegeben den 30. März 1895.
INHALT.
Seite
Koch, Phytochemische Studien. Beiträge zur Kenntniss der mittel-
europäischen Galläpfel, sowie der Scrofularia nodosa L. 81
C. Boettinger, Zur Kenntniss der Glyoxylsäure, III. Abteilung . 100
P. Zenetti, Das Vorkommen von en in Folia Bueco und
seine Krystallformen . . .. 104
C. Boettinger, Zur Kenntniss der Giyosyleäure, 1 Iv. Abreise EB: ..
C. Hartwich, Ueber falsche Senega.. . . 118
C. Boettinger, Ueber die Osazone der Fer aus u Sud
Nallonen“... .>; gu |
H. Pommerehne, Ueber die e von en .. BE 57)
Eingegangene Beiträge.
. Rössler, Cultivirung von Crenothrix polyspora auf festem Nährboden.
. Schmidt, Ueber das Scopolamin.
se)
(Geschlossen den 20. März 1895.)
802
Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel
monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis
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Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg (Hessen)
oder Herın Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig,
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bleibt besondere Vereinbarung vorbehalten
TE TEEN
l
|
|
PRÄITPTTRTTTTTTITTTTNTT
ir Zu
In j We
Ueber Scrophularia nodosa. 81
100 g Extrakt aus dem Kraute lieferten 16,2 g rein weilse
Asche.
Es finden sich darin:
Kalium, Natrium, Calcium, Magnesium, Eisen, Chlor, Phosphor-
säure, Kieselsäure.
Aulserdem weist die Asche der Wurzel einen reichlichen Gehalt
an Mangan auf.
l. Untersuchung des alkoholischen Auszuges.
Der Auszug des Krautes zeigte eine lebhaft grüne Färbung, der
der Wurzel eine braune. — Es war zu erwarten, dafs die von Walz
isolierten Körper sich in diesem Auszug finden würden und war zu-
nächst die Richtigkeit seiner Untersuchungsresultate zu kontrollieren
resp. der Nachweis der in den Bleiniederschlägen von ihm au‘-
gefundenen Säuren, sowie hauptsächlich des Scrophularins zu führen.
Zu diesem Zwecke wurden zuerst die Lösungen der Auszüge
in der von ihm angegebenen Weise behandelt. Dabei stellte sich
jedoch ein in denselben enthaltenes Harz als die Fällungen ver-
unreinigend in den Weg und schlug ich, um dasselbe möglichst zu
entfernen, folgenden Weg ein:
500 g des Auszuges wurden mit 750g Alkohol auf dem Dampf-
bade behandelt, absitzen lassen und filtriert. Der in Alkohol un-
lösliche Teil gelangte beim wässrigen Auszug mit zur Verarbeitung.
Der klaren Lösung wurde ein Dritteil Chloroform zugegeben und
das Ganze mit einer grölseren Menge Wasser gut ausgeschüttelt.
Längere Zeit der Ruhe überlassen, trennte sich die Flüssigkeit in
zwei Schichten, eine obere gelbbraune und eine untere grüne, das
Harz enthaltende.
A) Untersuchung der Chloroformschicht.
Zimmtsäure.
Von der Flüssigkeit wurde zunächst durch Destillation das
Chloroform entfernt, der letzte Rest auf dem Wasserbade verjagt
und die restierende Masse mit Alkohol aufgenommen. Tierkohle
entzog dieser Lösung beim Erhitzen am Rückflufskühler das Chloro-
phyll, sodafs eine gelbbraune Flüssigkeit resultierte. Nach dem Ab-
destillieren des Alkohols hinterblieb eine elastische, goldglänzende,
unter Wasser sich in Fäden ziehende Masse. Durch nochmaliges
Arch. d. Pharm. CCXXXIL. Bds. 2. Heft. [6]
A Due, > #0 ’ ae"
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82 F. Koch: Ueber Scerophularia nodosa.
Behandeln mit Tierkohle war eine weitere Entfärbung nicht zu er-
zielen, ebensowenig durch Versetzen der Lösung in Chloroform und
Alkohol mit Wasser, da sich eine Emulsion bildete. Es wurde da-
her zur Trockne verdampft, wobei die Masse dunkelbraune Farbe
annahm. Zerrieben stellt die Substanz ein hellbraunes Pulver dar,
Sie ist löslich in Alkohol und Chloroform, teilweise in Aether
und Benzol.
Die Substanz löst sich leicht in verdünnten Alkalien, wobei stets
ein Geruch nach Fruchtäther auftritt.
Löst man das Harz in Alkohol und giebt ein Stückchen me-
tallisches Natrium zu, so entsteht ein gelber Niederschlag.
Abfiltriert und zwischen Papier getrocknet, zeigt derselbe stark
hygroskopische Eigenschaft; er riecht stark nach Apfeläther.
Bleiacetat verursacht in der alkoholischen Lösung eine grau-
weilse Fällung.
Mit Wasser erwärmt schmilzt das Harz.
Da ich in dem Harz einen Ester einer aromatischen Säure ver-
mutete, suchte ich durch Verseifen denselben zu zerlegen.
20 g des Harzes wurden in 100g 25prozentiger Kalilauge unter
Erwärmen gelöst und die klare Lösung mit Wasser verdünnt. Da
eine Trübung dabei nicht eintrat, schüttelte ich die Lösung mehr-
mals mit Aether aus, erhielt jedoch beim Verdunsten desselben nur
einen minimalen Rückstand. der gleichzeitig vanille- und pfefferartig
roch. Bei der Destillation im Dampfstrom erhielt ich eine neutral
reagierende, geruch- und geschmacklose Flüssigkeit, die auf das
Chromsäuregemisch keinerlei Einwirkung zeigte.
Zur weiteren Behandlung wurde die Lösung mit Salzsäure ver-
setzt, wobei ein graubrauner Niederschlag entstand, der, in kaltem
Wasser so gut wie unlöslich, solange nachgewaschen wurde, bis die
ablaufende Flüssigkeit keine Chlorreaktion mehr gab. Da der
Niederschlag in heifsem Wasser vollständig löslich war, wurde diese
Lösung solange mit Tierkohle erhitzt, bis vollständige Entfärbung
eingetreten war, die Flüssigkeit heils filtriert und Erkalten lassen.
Dabei schieden sich farblose Krystallnadeln aus, die auf einem
Filter gesammelt, mit kaltem Wasser nachgewaschen wurden.
Durch weiteres Eindampfen der Mutterlauge wurde eine neue
Ausbeute von Kıystallen erzielt. Durch Absaugen zwischen Filtrier-
F. Koch: Ueber Scerophularia nodosa. 83
papier von der anhaftenden Flüssigkeit zum gröfsten Teil befreit,
wurden dieselben über Schwefelsäure bis zur Gewichtskonstanz ge-
getrocknet.
Die aus tarblosen Nadeln bestehende Krystallmasse löst sich
schwer in kaltem, leicht in heilsem Wasser, in Alkohol, sowie in
Alkalien. Die wässrige Lösung reagiert sauer.
Auf dem Platinblech erhitzt, hinterlassen sie keinerlei Rück-
stand.
Mit Natrium geglüht, konnte in der Schmelze Stickstoff nicht
nachgewiesen werden.
Der Schmelzpunkt der Substanz liegt bei 133°.
Dieselbe zeigt folgende Reaktionen: Mit Kaliumpermanganat
erwärmt, tritt starker Geruch nach Benzaldehyd auf; ebenso beim
Erwärmen mit verdünnter Salpetersäure.
In der Lösung des Ammoniumsalzes erzeugte:
Eisenchlorid einen flockigen, gelben Niederschlag, der sich in
Salzsäure löste.
Bleiessig einen rein weilsen Niederschlag, löslich im Ueberschufs
des’ Fällungsmittels ;
Silberlösung weifse Fällung ; löslich in Ammoniak ;
Quecksilbernitrat weifse Fällung ; löslich in Salpetersäure;
Kupfersulfat einen blauweilsen Niederschlag.
Die vorliegenden Reaktionen, sowie der Schmelzpunkt stimmen
mit den Identitätsreaktionen der Zimmtsäure überein.
Bei der Verbrennung im Sauerstoffstrome lieferte die Substanz
folgende Werte:
0,2090 g Substanz gaben 0,5570 g CO, und 0,0948 g H,O.
Berechnet für C, H,O, Gefunden:
0 —=.12,91 Proz. 72,67 Proz.
Eee: OR E
Das Filtrat wurde wie oben gefällt:
0,1642 g desselben lieferten 0,0692 g Ag = 42,15 Proz.
Berechnet für C,H, O0, Ag Gefunden:
Ag = 42,35 Proz. 42,15 Proz.
Wie ich bereits oben erwähnt, war mir nach dem Verseifen des
Harzes und Ausziehen mit Aether der aromatische Geruch der hinter-
bleibenden Substanz aufgefallen. Leider gestattete die Menge nicht,
dieselbe rein darzustellen.
6*
34 F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa.
Es erhellt somit aus der Untersuchung des Harzes, dafs die
Zimmtsäure wohl frei vorkommt, wesentlich aber ein Zersetzungs-
produkt des Harzes ist.
B. Urtersuchung der wässerigen Schicht.
Nach dem Gange der Walz’schen Untersuchungsmethode mulste
sich in dieser Schicht der Gerbstoff, sowie das von ihm isolierte
Serophularin finden.
Thatsächlich erzeugte Eisenchlorid in dieser Lösung eine grüne
Färbung. Um den Gerbstoff zu entfernen, wurde, wie unten be-
schrieben, mit Bleiacetat gefällt, das Filtrat durch Schwefelwasser-
stoft entbleit und nach dem Verjagen desselben mit Tierkohle be-
handelt. Eine vollständige Entfärbung konnte nicht erzielt werden,
sondern es hinterblieb auch nach mehrmaligem Erhitzen mit Kohle
und Eiweifs eine dunkelbraune Flüssigkeit.
Um daraus das Walz’sche Scrophularin zu erhalten, versetzte
ich die Lösung mit einer wässerigen Lösung von Tannin und erhielt
dabei einen schwachen, braungefärbten Niederschlag, der sich als in
Alkohol teilweise löslich erwies. Einen Teil dieser Lösung behandelte
ich nun mit Bleioxyd, einen andern mit frisch gefälltem Bleihydroxyd,
um das Tannin zu entfernen.
Das Filtrat wurde sodann der freiwilligen Verdunstung über-
lassen, wobei ein brauner Sirup hinterblieb, aus dem sich nach
längerer Zeit ein krystallinischer Körper ausschied, aber in ganz
geringer Menge, so dafs es mir unmöglich war, eine weitere Reini-
gung desselben vorzunehmen, oder eine Analyse anzustellen. Die
wässerige Lösung gab weder mit Qwuecksilberchlorid, noch mit
Phosphormolybdänsäure, sowie den übrigen Alkaloid-Reagentien
Fälllungen, es dürfte dieser Körper, den Walz vorzeitig, ohne jeg-
liche nähere Untersuchung mit dem Namen Scrophularin belegt hat,
das nicht sein, was man versucht ist hinter derartigen Namen zu
suchen. :
Das Filtrat der Fällung mit Tannin wurde durch Bleihydroxyd
von Tannin befreit.
Cholin.
Als ich diese Lösung mit Kaliummercurijodid prüfte, entstand
noch ein bedeutender, leuchtend citronengelber Alkaloidmercurijodid-
F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa. 85
niederschlag. Es lag demnach noch eine in Wasser lösliche
Base vor.
Zur Fällung dieser Base diente eine nach der von Böhm
empfohlenen Vorschrift bereitete höchst konzentrierte Lösung von
Kaliummercurijodid mit Ueberschufs von Mercurijodid, in welcher
Verdünnen mit Wasser sofortige Abscheidung von rotem Merecuri-
jodid erzeugt. Der schön hochgelbgefürbte Niederschlag wurde
auf einem Filter gesammelt, durch Abpressen möglichst von der
Flüssigkeit befreit und noch feucht durch Verreiben mit frisch ge-
fälltem Silberoxyd zersetzt. Hierbei trat ein deutlicher Geruch nach
Trimethylamin auf. Nun wurde von dem gleichmäfsig grau gefärbten
Niederschlage abfiltriert und bis zum Verschwinden der alkalischen
Reaktion des Filtrates nachgewaschen. Die genau mit Salzsäure
neutralisierten Filtrate wurden durch Einleiten von Schwefelwasser-
stoff von etwa noch gelöstem Silber und Quecksilber befreit, filtriert
und zum dünnen Sirup eingedampft.
Der letzte Rest wurde schliefslich im Exikkator verdunstet.
Durch wiederholtes Umkrystallisieren aus Alkohol erhielt ich das
Chlorhylrat der Base in Form harter, farbloser, äufserst hygrosko-
pischer, in Wasser und Alkohol leicht löslicher Krystalle, die beim
Erhitzen auf Platinblech unter Entwickelung von Trimethylamin ver-
kohlten.
Zur weiteren Untersuchung der Base stellte ich das Platin-
doppelsalz dar. Das in wässriger Lösung durch Platinchlorid nicht
fällbare Chlorhydrat giebt in weingeistiger Lösung mit alkoholischer
Platinchloridlösung einen schwach rötlich-gelben, mikrokrystallinischen
Niederschlag, der nach dem Auswaschen bei 80° getrocknet wurde.
Die Gesamtheit der angeführten Eigenschaften besonders aber
der sowohl beim Zersetzen mit Silberoxyd, als auch beim Erhitzen
der sirupösen Base auftretende charakteristische Trimethylamingeruch,
liefsen in dem vorliegenden Körper Üholin vermuten.
Ich glaubte mich daher bezüglich der Analyse des Platinsalzes
auf die Ermittelung des Platingehaltes beschränken zu dürfen. Beim
Glühen des Platinsalzes trat wieder sehr deutlich der Trimethylamin-
geruch auf.
0,2694 des Salzes hinterlielsen beim Glühen 0,0846 g = 31,40 Proz. Pt
56 F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa.
Vergleicht man diese Werte mit dem für Cholinplatinchlorid
berechneten Prozentgehalt an Platin, so erhält man:
Berechnet für: (C, H,, NOCI,PEC], Gefunden:
31,53 Broz.Bt: 31,40 Proz Pt.
Das Vorhandensein des Cholins in der Scrophularia ist somit
bewiesen.
Da ich das Cholin im alkoholischen Extrakt als freies vor-
gefunden, dasselbe jedoch in den Pflanzen bekanntermalsen aus den
Lecithinen durch Spaltung, sei es bei der Bereitung der Auszüge,
sei es in der Pflanze selbst, entsteht, so mulste es als höchst inter-
teressant erscheinen, wenn es gelang, das Lecithin als solches nach-
zuweisen. Zu dieser Vermutung, das Lecithin noch als solches in
dem Auszug zu finden, berechtigte der Nachweis von Palmitinsäure
und Oelsäure aus dem Fette der Scrophularia, den ich weiter unten
geführt.
Auf Anregung von Herrn Prof. Dr. Brunner suchte ich nun auf
folgende Weise das Vorhandensein des Palmitin-Olein-Leeithin zu
konstatieren.
Es wurde 1 Teil des aus dem ätherischen Auszuge erhaltenen
Fettes mit Natriumearbonat und Salpeter verpufit; in Wasser auf-
genommen, gab die Lösung mit Ammoniummolybdat sowohl als mit
Magnesiamixtur Phosphorsäure-Reaktion.
Ein Teil des Fettes wurde nach der von Brunner!) angegebenen
Methode mit Natronlauge verseift, mit Salzsäure neutralisiert, ein-
gedampft, mit wenig Wasser aufgenommen und mit Böhm’schem
Reagens versetzt. Es trat der für Cholin charakteristische gelbs
Niederschlag auf, womit die Gegenwart von Lecithin nachgewiesen
ist, da das Leeithin sich bekanntlich durch Verseifen folgendermafsen
zersetzt:
0 — C,;H;, 0
N
0; H,;-0 — C,Hz >
N =Y—N (CH
le
N mm
Palmitin—-Olein—Leeithin
OH
Cs Hz 0, + Cs Hy 0, + 03H; \ OPdIom,
1) Schweiz. Wochenschr. f. Ph. 1892.
F. Koch: Ueber Serophularia nodosa. 87
Palmitinsäure —Oelsäure—Glycerinpho sphorsäure
N:
CH,/ \GH,OH
Cholin.
Zucker.
Das Filtrat der Cholinfällung wurde durch Schütteln mit Queck-
silber von Jod, sodann durch Schwefelwasserstoff von Quecksilber
befreit, der Schwefelwasserstoff verjagt und die Lösung nochmals mit
Koble und Eiweils behandelt. Beim Eindampfen hinterblieb eine hell
gelbe Masse von der Konsistenz des Honigs, in deren Lösung durch
Fehling'sche Lösung reduzierender Zucker nachgewiesen wurde. Die
Lösung zeigte alle auf Seite 33 angeführten Reaktionen der Glykose-
gruppe und lieferte ein, aus Alkohol umkrystalliert, in weichen gelben
Nadeln sich abscheidendes Glykosazon dessen Schmelzpunkt bei
205° liegt.
Nach der Stromsyerschen!) Vorschrift lieferte der Zucker mit
Barythydrat ein gelbes Saccharat.
Eine Lösung des Zuckers wurde mit Hefe versetzt und erwies
sich durch Trübung des vorgelegten Barytwassers als direkt
gährungsfähig.
Interessant war das Resultat der polarimetrischen Unter-
suchung: Die Zuckerart der Scrophularia erwies sich als inaktiv.
Da es mir jedoch nicht gelang den Zucker krystallisiert zu be-
kommen — weder durch Behandeln mit gesättigter Natriumsulfat-
lösung noch durch Ueberführen in Caleium und Strontiumsaccharate
und Zersetzung derselben — der Schmelzpunkt des Glykosazons
direkt auf Dextrose hinweist, so dürfte der in der Scrophularia vor-
kommende Zucker mit ziemlicher Sicherheit als Dextrose anzu-
sprechen sein, umsomehr als die Erfahrung mit dem Gallenzucker
mich anfangs in einen ähnlichen Irrtum verfallen liels, indem die
nicht völlig farblose Lösung optisch inaktiv war.
Die durch Behandeln der wässerigen Flüssigkeitsschicht mit
Bleiacetat, wie oben erwähnt, erhaltenen Niederschläge waren auf
die von Walz aufgefundenen organischen Säuren zu untersuchen.
Es wurde dabei der Gang der Brunner’schen ?) Methode ein-
geschlagen.
"2 Chir. Pag. 67.
2) H. Brunner, Guide pour l’analiyse qualitative, Lausanne.
38 F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa.
Nach Entfernen des Bleis durch Schwefelwasserstoff, wurde die
wässrige Lösung schwach ammoniakalisch gemacht, wobei sich die
ursprünglich gelbe Lösung dunkler färbt. Auf Zusatz von Chlor-
ammon, und Chlorcaleium entsteht ein schwacher Niederschlag, der
mit Wasser gewaschen in Natronlauge gelöst und gekocht wurde.
Dabei trat keine Abscheidung auf.
Mit Kaliumacetat entstand kein Niederschlag — Wein-
säure frei.
Die Lösung in Natronlauge wurde mit Alkohol versetzt, wobei
keine Trübung entstand.
Die Niederschläge sind also auch frei von Citronen- und
Aepfelsäure.
Untersuchung des Gerbstoffes.
Zum Zwecke der Reindarstellung des Gerbstoffes schlug ich
den Weg der fraktionierten Fällung mit Bleiacetat ein und zwar
habe ich gefunden, dafs man am besten zum Ziele kommt, wenn
man folgende Methode betolst:
Als die Bleiniederschläge verunreinigend traten immer noch
Spuren von Harz, das mit in Lösung gegangen war, in den Weg.
Um diesen Uebelstand zu beseitigen, fällte ich die Gerbstofflösung
wit neutralem Bleiacetat, bis kein Niederschlag mehr entstand.
Diese Niederschläge waren von brauner Farbe und wurden zurück-
gestellt. Dem Filtrate dieser Fällungen gab ich nun tropfenweise
eine 2 bis 3 prozentige Ammoniaklösung zu, bis zur Neutralisation.
Dabei fiel das, durch die überschüssige Säure in Lösung gehaltene
Bleisalz, als schön citronengelber Niederschlag aus. |
Aus den durch neutrales Bleiacetat ausgefällten Niederschlägen
habe ich durch wiederholtes Auflösen in Essigsäure und Fällen mit
Ammoniak schliefslich auch das Harz vollständig entfernen können
und so rein gelbe Niederschläge erhalten.
Die so gewonnenen Bleiniederschläge wurden auf dem Filter
solange mit Wasser nachgewaschen, bis die ablaufende Flüssigkeit
alkalische Kupferlösung nicht mehr reduzierte, freier Zucker also
nicht mehr vorhanden war. Durch Aufschlämmen wurden dieselben
in Wasser suspendiert, durch Einleiten von Schwefelwasserstoff
zersetzt, die Gerbstofflösung vom Schwefelblei abfiltriert, der
Schwefelwasserstoff durch Erwärmen verjagt, und die Lösung ein-
F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa. 89
gedampft. Es trat dabei der Uebelstand auf, dafs der Gerbstoff
sich, wahrscheinlich unter Zersetzung dunkler tärbte.e Um ein ana-
lysenreines Präparat zu bekommen, strich ich die zur Sirupdicke
eingedampfte Masse auf Glasplatten und liefs sie bei 60 bis 70°
vollständig trocknen. Nach dem Abnehmen von den Glasplatten
entzog ich mit Aether die darin löslichen Zersetzungsprodukte und
trocknete über Schwefelsäure bis zur Gewichtskonstanz.
Der so gewonnene Gerbstoff ist in dünnen Lagen von brauner,
in diekeren Lagen von braunschwarzer Farbe. Zerrieben stellt er
ein hellbraunes Pulver vor.
Derselbe ist äufserst hygroskopisch und zersetzt sich bei
längerem Stehen an der Luft.
Sein Geschmack ist bitter, kratzend. Die wässrige Lösung des
Gerbstoffes reagiert schwach sauer und giebt folgende Reaktionen:
Leim- sowie Eiweilslösungen werden nicht gefällt.
Ferrichlorid erzeugt in den verdünnten wässrigen Lösungen eine
russisch-grüne Färbung. in konzentrierten einen dunklen Niederschlag,
Das Filtrat davon giebt mit Ferrieyankalium starke Eisenoxydul-
reaktion, es wird also ein Teil des Ferrichlorides zu Ferrosalz
reduziert.
Zusatz von Alkalien zur wässrigen Lösung ruft Dunkelfärbung hervor.
Bleiacetat erzeugt amorphe, hochgelbe, in verdünnten, auch organi-
sehen Säuren leicht lösliche Niederschläge.
Quecksilberchlorid in salzsaurer Lösung wird nicht reduziert.
Mit Kupfersulfat entsteht ein gelblich-grüner, mit neutraiem
Kupferacetat ein grau-grüner Niederschlag.
Fehling’sche Lösung wird beim Erwärmen reduziert.
Kaliumbichromat erzeugt dunkelbrauns Färbung.
Silbernitrat erzeugt in konzentrierten Lösungen einen gelblichen
Niederschlag, beim Erwärmen tritt Reduktion unter Spiegelbildung ein.
Ammoniakalische Silberlösung wird schon in der Kälte reduziert.
Sämtliche Reaktionen, speziell noch die Nichtfällbarkeit durch
Leim- und Eiweifslösung, sind die für die Kaffeegerbsäure bekannten,
wie dies aus den Arbeiten von Rochleder!), Pfaff?), Payen?), Graham-
Stinhoux und Campbell*), Hlasiwetz?) Kunz-Krause®) hervorgeht.
1) Jahresber. 1547 und 1848 Pag. 525.
2) Schweigger’s Journal f. prakt. Chemie B. 61 u. 62.
3) Journal pharm. X. 266. Annal. Chim. et phys. 26. 108.
4) Chemic. Soc. Quart. Journ. 9. a
5) Annal. der Chem. u. Ph. 142.
6,.Arch. d. Ph. 1893. Ilex ee
% F. Koch: Ueber Serophularia nodosa.
Bei der Elementaranalyse lieferte der über Schwefelsäure ge-
trocknete Gerbstoff folgende Resultate:
I. 0,3178 g Gerbstoff gaben 0,6257 g CO, und 0,1746 g H,O
H. 0,2470 g 3 & 0,4872 g CO, und 0,1294 g H,O
oder in Prozenten:
1.0. = 53,89'Proz. 1.16 79 PIE
1 e (Ei 116:82 5
Als Mittel aus beiden Analysen ergiebt sich: C = 53,74 Proz.
H = 6,02 Proz.
Weiter wurden untersucht das Kupfer- und Bleisalz des Gerb-
stoffes.
Kupfersalz.
Zur Bestimmung wurde der durch neutrales essigsaures Kupier
entstandene Niederschlag über Schwefelsäure getrocknet und dann
geglüht:
0,1254 g lieferten 0,0172 g CuO = 10,97 Proz.
Bleisalz.
Zur Bleibestimmung wurde der reine Gerbstoff mit neutralem
Bleiacetat gefällt, der Niederschlag über Schwefelsäure getrocknet,
mit Schwefelsäure behandelt und das erhaltene Bleisulfat geglüht.
0,1844 g des Salzes lieferten 0,0796 g PbSO, = 283,26 Proz. Pb.
Zur Kontrolle wurde das bei der Verbrennung restierende PbO
in HNO, gelöst, mit H, SO, unter Zugabe von Alkohol ausgetällt
und nach dem Trocknen geglüht.
0,2034 g des Salzes gaben 0,0867 g PbSO, = 28,40 Proz. PO.
Die Elementaranalyse des Bleisalzes ergab folgendes Resultat:
0,2034 g lieferten 0, 2504 g CO, und 0,0662 g H,O entsprechend
C — 33,58 Proz., H = 3,61 Proz.
Das erhaltene Bleisalz hatte also die folgende prozentische Zu-
sammensetzung:
23338
H= 361
26’ 28,33
O = 34,48
Spaltung der Kaffeegerbsäure.
Zur Darstellung der im Gerbstoff enthaltenen reinen Säure
wurde das zuerst von Hlasiwetz!) angegebene Verfahren verfolgt.
20 g des Gerbstoffes wurden in einer Lösung von 20 g festem Aetz-
1) Annal. d. Chem. u. Pharm. 142. 357,
F. Koch: Ueber Scerophularia nodosa. 91
kali in 50 g Wasser gelöst und diese Lösung im Kolben am Ritick-
Aufskühler während einer Stunde im starken Sieden erhalten. Hierani
wurde die dunkelgefärbte Flüssigkeit mit ebensoviel Wasser ver-
dünnt, mit verdünnter Schwefelsäure übersättigt und dreimal mit
Aether ausgeschüttet. Die ätherische Lösung wurde durch
Destillation vom Aether befreit, der Destillationsrückstand in
heiflsem Wasser gelöst, mit Kohle behandelt und der so gewonnenen
wässerigen Lösung mit Aether die Säure entzogen. Die ätherische
Lösung hinterliefs beim Verdunsten einen hellbraun gefärbten Rück-
stand. Zur weiteren Reinigung wurde die wässerige Lösung mit
neutralem Bleiacetat fraktioniert gefällt; die letzten, citronengelben,
voluminösen Niederschläge wurden mit Schwetelwasserstoff zersetzt,
vom Bleisulfid abfiltriert und die nach dem Verjagen des Schwefel-
wasserstoffes und nochmaligem Behandeln mit Kohle erhaltene,
schwach gelb gefärbte Lösung eingedampft. Aus dieser Lösuns
schiefsen beim Erkalten hellgelbe Krystalle, zu Drusen vereinigt,
an. Beim Trocknen färben sie sich allmählich etwas dunkler und
zeigen schliefslich eine hellrehbraune Farbe. Dieselben sind schwer
löslich in Wasser, leicht dagegen in Alkohol und Aether. Die
Lösungen sind von saurer Reaktion. Die nachfo'genden, der Katree-
säure charakteristischen Reaktionen zeigt die wässerige Lösung der
Krystalle:
Wasserstoffsuperoxyd bewirkt Aufheilung der wässerigen Lösung,
nach einiger Zeit entsteht ein hellbrauner Niederschlag. Konzen-
trierte Salpetersäure löst die Krystalle unter Entwickelung von sal-
petriger Säure zu einer klaren, schön rotgelb gefärbten Flüssigkeit.
Silberlösung wird bei gelindem Erwärmen unter Spiegelbildung
reduziert.
Fehling’sche Lösung wird nicht reduziert. Ferrichloridlösung
erzeugt eine grasgrüne Färbung, die auf Zusatz von Natriumcarbonat
in violett übergeht.
Natronlauge bewirkt eine grüngelbe Färbung der Flüssigkeit.
Bis zur Gewichtskonstanz über Schwefelsäure getrocknet ergab
die Säure, im Sauerstofistrom verbrannt, folgende Werte:
0,1278 g lieferten 0,2826 g CO, und 0,0570 g H,O oder in Prozenten
u 60,30 Proz. H = 4,92 Proz.
92 F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa.
Berechnet für: C,H,0, Gefunden:
C = 60,00 C = 60,30
H= 444 Ba
Hlasiwetz!) giebt für Kaffeegerbsäure die Formel C,; H,, 0, an
und konstatierte, dals dieselbe laut dieser Zusammensetzung sich in
Kaffeesäure und einen sirupförmigen Zucker von der Formel 0, H,o O4
spalte. Ist dem so, so liefse sich dies nur dadu:ch erklären, dafs
in der Kaffeegerbsäure nicht Glykose, sondern Glykosan, das erste
Anhydrid der Glykose vorhanden wäre. Diese Zusammensetzung
der Kaffeegerbsäure entspricht einem Prozentgehalt von 55,2 Proz. C.
und 5,5 Proz. H.
Ist aber, wie gelegentlich des aus dem Gerbstoife erhaltenen
Zuckers noch erwähnt werden soll, der sich daraus abspaltende
Zucker Dextrose, so würde der Kaffeegerbsäure die Formel C;; Hjg O3
zukommen und dieselbe sich folgendermalsen in Dextrose und Kaffee-
siure spalten -
C, H, 0, — C,H, (OB, +H,0=
0H,0, + 6GH,0(0H),
Kaffeesäure Dextrose 0, H,O,
Dieser Formel entspricht eine prozentische Zusammensetzung von
G=-52341 Pro H- 534.
Die von mir erhaltenen analytischen Werte liegen zwischen
beiden in der Mitte.
Dafs keine genaueren Zahlen erhalten wurden, ist einerseits bei
der äufserst leichten Zersetzbarkeit des Gerbstoffes, andererseits bei
dem Mangel jeglichen Kriteriums seiner Reinheit leicht verständlich.
Hinsichtlich der Bleisalze glaubt Mulder,?) dafs die Salze
(CC; H150 3) Pb und (C,; Hy, Og)z Pb,
oder auch häufig Gemenge beider erhalten werden. „Die Nieder-
schläge, sagt er, zeigen je nach ihrer Fällung verschiedene Zu-
sammensetzung.“
Pohl?) hat Bleisalze erhalten mit
3,4 810 und 15 Pb
—_—— u un. m un
auf I Mol. 3 Mol. 4 Mol. Kaffeegerbsäure,
1) Beilstein, Org. Chemie III. Bd.
2) Neues Handwörterbuch der Ch. v. Fehling II. Ausg.
3) ibidem.
F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa. 93
‘ebenso mit Kupfer. Weder die einen noch die anderen zeigen
konstante Zusammensetzung.
Spaltung mit Salzsäure.
Eine Lösung von 10 g Gerbstoff in 50 g Wasser wurden mit
1 Proz. Salzsäure versetzt unä während 3 Stunden am Rückfluls-
kühler auf dem Wasserbade zum Sieden erhitzt, sodann die erkaltete
Lösung mit Aether so lange ausgeschüttelt, bis derselbe nichts mehr
aufnahm. Nach dem Abdestillieren des Aethers hinterblieb eine
schön gelbe, ölige Flüssigkeit, die, der freiwilligen Verdunstung über-
lassen, zu haufenförmig zu Büscheln vereinigten Krystallnadeln erstarrte.
Die wässerige Lösung dieser Krystalle gab mit Ferrichlorid
eine intensiv grüne Färbung, die durch Natriumcarbonat in Violett
und schliefslich in Rot übergeht.
Aufserdem zeigt die Substanz mit Schwefelsäure verrieben, die
von Tiemann und Will!) für Hesperetol als charakteristisch bezeich-
nete karminrote Färbung. — Die Ausbeute war leider eine zu geringe,
um eine Elementaranalyse anstellen zu können.
Einwirkung von Brom auf Kaffeegerbsäure.
Versetzt man wässrige Lösung des Gerbstoffes mit Bromwasser,
so wird, wie zuerst Hlasiwetz beobachtete, zunächst Brom absorbiert,
dann tritt Dunkelfärbung der Flüssigkeit ein, und schliefslich besteht
ein amorpher hellrot-brauner Niederschlag. Das Filtrat reduziert
Fehling'sche Lösung.
Der Niederschlag wurde reichlicher beimErwärmen auf dem
Wasserbade. Nach dem Erkalten wurde der Niederschlag abfiltriert,
der Rückstand solange nachgewaschen, bis das abfliefsende Wasser
nicht mehr sauer reagierte, dann über Schwefelsäure bis zur Gewichts-
konstanz getrocknet. Das in Alkohol lösliche Bromderivat hinterbleibt
dabei in Form einer hellrot-braunen, amorphen Masse, die ein rot-
gelbes Pulver liefert. Die nach Carius ausgeführte Brombestimmung
lieferte folgende Werte:
0,2920 g über Schwefelsäure getrocknete Substanz gaben 0,1858 g
AsBr = 27,22 Br.
1) B.B. 14, 1, 953.
94 F. Koch: Ueber Scerophularia nodosa,
Diese sich einer Monobromkaffeesäure nähernde Zahl
bestätigt die von Kunz Krause!) gemachte Beobachtung, dafs die
Einwirkung von Brom auf Kaffeesäure nicht zu einer glatten Reak-
tion führt,
Im Filtrate vom Bromderivate war eine Fehling’sche Lösung
reduzierende Substanz enthalten. Es wurde daher diese Lösung mit
Ammoniak versetzt, bis sie nur mehr schwach sauer reagierte und
dann auf dem Wasserbade eingedampft. In alkoholischer Lösung
mit Kohle längere Zeit erhitzt, dann nach dem Filtrieren der frei-
willigen Verdunstung überlassen, hinterblieb eine gelbliche Masse,
die neben der Reduktion der Fehling’schen Lösung auch die Brunner-
sche Gallensäure Reaktion, sowie die Naphtolreaktion der Glykose-
gruppe zeigte. Nach Vorschrift E. Fischer’s wurde daraus ein gelbes
(lykosazon erhalten, dessen Schmelzpunkt bei 204° lag. Das zweite
Spaltungsprodukt des Gerbstotfes ist also ein zur Glykosegruppe
gehöriger Zucker und zwar wie bereits oben?) erwähnt wurde wahr-
scheinlich Dextrose.
Einwirkung von salpetriger Säure.
Nach einer Notiz bei Kolbe?) tritt beim Behandeln der Kaffee-
serbsäure mit salpetriger Säure neben Oxalsäure viel Blausäure auf.
Dieselbe Reaktion erhielt Kunz Krause®) mit Liebermann's Reagens.
Es war daher interessant das Verhalten des von mir isolierten Gerb-
stoffes in dieser Richtung zu konstatieren. Zu dem Zwecke wurde
der Gerbstoff in wässriger Lösung unter sorgfältigem Kühlen mit
Jiebermann’s Reagens versetzt. wobei unter Entwicklung von Unter-
salpetersäure ein rotbrauner Niederschlag entstand. Nach einigen
Tagen trat ein intensiver Geruch nach Benzaldehyd auf und wurde
durch die Bläuung des eingeführten Kupfer-Guajakpapieres die
Gegenwart von Blausäure konstatiert.
Der Versuch durch Destillation die Blausäure ins Destillat über-
zuführen milslang, da beim Erhitzen wahrscheinlich eine weiter-
srehende Spaltung eingetreten war. Daher wiederholte ich den Ver-
such. indem ich eine Lösung des Gerbstoffes-mit verdünnter Salpeter-
1) Arch. d. Ph. 1893, Pag 637.
2) Cfr. Pag. 92.
3) Kolbe, Ausf. Lehrb. der org. Ch. 1578, Bd. III, p. 156.
4, Arch. d. Ph. 1893, S. 638.
F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa. 95
säure destillierte.e Es gingen dabei reichliche Mengen Blausäure in
das Destillat über. Nachgewiesen wurde dieselbe
1. Durch Blaufärbung des Kupfer-Guayakpapieres;
2. Durch Bildung von Berliner Blau;
3. Durch Bildung von Rhodanwasserstotfsäure;
4. Durch direktes Ausfällen mit Silbernitrat, Trocknen des ge-
wonnenen ÖOyansilbers und Erhitzen im Probierrohr. Unter Hinter-
lassung von metallischem Silber entwickelt sich dabei mit pfirsich-
blütroter Flamme brennendes Uyangas.
Aus dem Destillationsrückstand wurde durch Ausziehen mit
Aether und Fällen mit Chlorcaleium Oxalsäure nachgewiesen.
Wie bereits oben erwähnt, zersetzt sich der Gerbstoff mit der
Zeit unter Dunkelfärbung. Ich glaubte einigen Aufschlufs über das
Zersetzungsprodukt gewinnen zu müssen und zog daher solchen
Gerbstoft, der längere Zeit an der Luft gestanden, mit Aether aus.
Dabei erhielt ich jedoch nur eine geringe Menge einer gelben Masse,
die mit Kaliumpermanganat in wässeriger Lösung geschüttelt, Benz-
aldehydgeruch entwickelte, was auf das Vorhandensein von Zimmt-
säure hinweist und ist dieselbe zweifellos durch Reduktion der
Kaffeesäure, welche bekanntlich eine Dioxyzimmtsäure ist, entstanden
C,H, < L C HB;
CH OH
OH OH
COOH Co OH
Kaffeesäure. Zimmtsäure.
Wie aus der Analyse des in der Scrophularia enthaltenen Harzes
hervorgeht findet sich die Zimmtsäure ir demselben.
Es ist in der letzten Zeit häufig die Vermutung ausgesprochen
worden, dafs die Harze in direkter Beziehung zu den Gerbstotten
stehen. So hat besonders Tschirch darauf hingewiesen, dals die
Harze wahrscheinlich aus den Gerbstoffen entstehen. Der Beweis
für diese Hypothese wurde noch nicht erbracht.
Das gleichzeitige Vorhandensein der Kaffeegerbsäure und der
Zimmtsäure als Zersetzurgsprodukt des Harzes dürfte dieser Hypo-
these zur Stütze dienen.
96 F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa.
Untersuchung des wässerigen Auszuges.
In dem wässerigen Auszuge konnte aulser Gerbstoff, Zucker,
Spuren des Harzes und Pektinstoffen kein anderer Pflanzenstoff
nachgewiesen werden.
Da Eichler“) in einem wässerigen Absud der Pflanze Duleit ge-
funden zu haben glaubte, behandelte ich 100 g des Auszuges nach
der von ihm angegebenen Methode. Es gelang mir jedoch nicht
nach Entfernung des Zuckers noch Duleit nachzuweisen. Da mir
Kraut zur Bereitung eines frischen Absudes nicht zur Verfügung
stand, muls ich diese Frage noch offen lassen.
Untersuchung des ätherischen Auszuges.
Da nach den Untersuchungsresultaten des alkoholischen Aus-
zuges sich die Zimmtsäure teils frei vorgefunden hatte, so war voraus-
zusehen, dafs sie sich auch im ätherischen Extrakt als solche vor-
finden würde. Um dies zu konstatieren und, um gleichzeitig Rück-
sicht auf etwa vorhandene flüchtige Substanzen zu nehmen, destillierte
ich 100 g des ätherischen Auszuges im Dampfstrom.
Das Destillat war farblos, von schwach saurer Reaktion.
Zur Abscheidung der Säure wurde das Filtrat mit Natrium-
bicarbonat neutralisiert und eingedampft. Mit heifsem Wasser auf-
genommen krystallisierte das Salz daraus in Nadeln, die in Wasser
und Alkohol leicht löslich waren. Dasselbe zeigte folgende Reak-
tionen :
1. Mit arseniger Säure erhitzt beobachtete ich Kakodylgeruch.
2. Die alkoholische Lösung roch beim Erhitzen mit Schwefel-
säure nach Fruchtäther.
3. Beim Versetzen der wässerigen Lösung mit Säure trat starker
Geruch nach Buttersäure auf.
4. Dieselbe Lösung gab mit neutralem essigsaurem Kupfer einen
krystallinischen Niederschlag.
5. Basisches Bleiacetat erzeugt einen weifsen Niederschlag.
6. Ebenso salpetersaures Silber.
Die vorliegenden Krystalle waren demnach Natrium-
butyrat.
a\lCE. Pag! 80.
F. Koch: Ueber Serophularia nodosa. 97
Die im Kolben zurückbleibende Flüssigkeit wurde heils ab-
filtriert, das Filtrat mit Kohle vollständig entfärbt und Erkalten
lassen. Dabei schied sich eine reinweilse Krystallmasse aus, die
die oben!) erwähnten Reaktionen der Zimmtsäure gab.
Nachdem durch Destillation einer Probe des im Kolben befind-
lichen Rückstandes mit Kalilauge die Abwesenheit von flüchtigen
Basen konstatiert worden, behandelte ich den Rückstand in alko-
holischer l.ösung mit Kohle.
Es hinterblieb so nach dem Verdampfen des Alkohols eine hell-
braune, in dickeren Schichten dunkelbraune, sauer reagierende, fett-
artige Flüssigkeit.
Mit Kalilauge behandelt und mit Salzsäure übersättigt schied
sich eine krystallinische Substanz neben einer öligen ab.
Die erstere wurde durch wiederholtes Auflösen und Um-
krystallisieren aus Alkohol farblos erhalten und über Schwefelsäure
getrocknet.
Ihr Schmelzpunkt lag bei 62°.
Die Elementaranalyse des Körpers ergab folgendes Resultat:
0,1310 g Substanz gaben 0,3597 gCO;, und 0,1515 g Hs0,
oder in Prozenten ausgedrückt:
14,32 Proz. C und 12,54 Proz. H.
Berechnet für C,g Ha O2: Gefunden:
C 75,00 C 74,82
H 12,50 H 12,84
Vorliegende Substanz erwies sich somit ala Palmitinsäure.
Die gleichzeitg abgeschiedene fettartige Masse war auch durch
wiederholtes Behandeln mit Tierkohle nicht farblos zu erhalten. Bei
gewöhnlicher Temperatur flüssig, erstarrte der Körper über frischem
Wasser. Seine Reaktion war sauer. Die ammoniakalische Lösung
gab mit salpetersaurem Silber einen gelblich weilsen Niederschlag,
der nach dem Auswaschen und Trocknen über Schwefelsäure folgen-
den Silbergehalt aufwies :
0,3214 g Substanz gaben 0,0792 g Ag = 24,64 Proz.
Bei der Verbrennung der reinen Substanz im Sauerstoffstrom
erhielt ich folgendes Resultat:
0,4002 g Substanz gaben 1,1199 g CO, und 0,4282 H,O.
1) Cfr. Pag. 83.
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 2. Heft. 7
983 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel,
Berechnet für C,, Hay O5: Gefunden:
C.76,59 C 76,32
H 12,05 H 11,8
Vorliegende Substanz war also Oelsäure, was durch das Silber-
salz bestätigt wird.
Berechnet für C,; Ha; 02 Ag: Gefunden;
Ag 25,19 Proz. Ag 24,64 Proz.
Ich versuchte noch die Ueberführung in Elaidinsäure, indem ich
die flüssige Säure mit Salpetersäure und Kupfer versetzte. Nach
einiger Zeit erstarrte die Masse und nach dem Auflösen in Alkohol,
krystallisierte die Elaidinsäure beim Verdunsten des Alkohols aus,
die durch Bestimmung des Schmelzpunktes (450) als genügend iden-
difiziert erachtet werden dürite.
Wie oben angeführt, sind die Palmitin- und Oelsäure als Zer
setzungsprodukte des in der Scrophularia enthaltenen Leeithins auf-
zufassen.
Zum Schlusse tasse ich die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit
kurz zusammen:
A. Galläptel.
1. Der Tanningehalt der mitteleuropäischen Galläpfel ist ca.
16 Proz.
2. Wiührend der Zuckergehalt sich um das 2!/,fache vermehrt,
bleibt der Gerbstoffgehalt vor der Reife und beierlangter Reife derselbe.
3. Der in den Galläpfeln enthaltene Zucker ist krystallisierbar
und Dextrose.
4. Ellagsäure findet sich nicht präformiert.
5. Tannin und Gallussäure zeigen ebenfalls den Uebergang der
durch Eisenchlorid erzeugten Färbung in Violett und Rot.
6. Aufser den normalen bis jetzt bekannten Bestandteilen, ent-
halten die Galläpfel noch einen harzartigen Körper, das Gallocerin
EEE RER
a) Derselbe liefert amorphe, bromierte Derivate.
b) Acetylierungs- sowie Benzoylierungsversuche verliefen negativ;
ebenso die Darstellung des Aethyläthers.
c) Er verhält sich indifferent gegen Salpetersäure und Hydroxylamin.
d) Durch Jodwasserstoff scheint heftige Einwirkung stattzufinden.
F. Koch. Ueber Scrophularia nodosa. 93
B. Scerophularia nodosa.
Das ätherische Extrakt enthält:
1. Leeithin : als Bestandteile desselben nachgewiesen :
Palmitinsäure Cjg Ha5 O3
Oelsäure Cs Hai
Phosphorsäure H, PO,
Cholin CH; OH
CH IN
2. Freie Zimmtsäure (C,H; O,.
3. Buttersäure C,H; O,..
Das alkoholische Extrakt enthält:
1. Kaffeegerbsäure, die sich in Kaffeesäure einerseits und Zucker,
wahrscheinlich Dextrose, spalten läfst.
2. Der in der Scrophularia vorkommende Zucker, bis jetzt noch
nicht krystallisiert erhalten, ist höchst wahrscheinlich Dextrose.
3. Ein Harz, aus dem sich Zimmtsäure abspalten läfst.
4. Das Walz’sche Scrophularin existiert nicht.
5. Das Walz’sche Scrophularosmin ist Palmitinsäure.
6. Das Walz’sche durch Bleifällung aus der Scrophularia
aquatica isolierte Scrophularacrin dürfte Zimmtsäure sein.
Vorliegende Arbeit dürfte in zweierlei Hinsicht ein weiteres,
allgemeines Interesse in Anspruch nehmen.
Erstens ist es von Bedeutung, dafs es mir gelungen ist, in einer
Pflanze, wie der Scrophularia nodosa, die im mitteleuropäischen
Klima vegetiert, Substanzen nachgewiesen zu haben, die eben bis
jetzt nur in tropischen Gewächsen aufgefunden worden sind. Ich
erinnere dabei an die Zimmtsäure, die bis jetzt nur in der Benzoe,
im Tolu- und Perubalsam nachgewiesen, sowie an die Kaffeesäure,
die bis jetzt blos als Spaltungsprodukt aus dem im Thee, Kaffee
und Mate befindlichen, eisengrünendem Gerbstoffe isoliert worden war.
Zweitens war ich mit dem Studium des Gallocerins wieder einem
Körper näher getreten, dessen Kenntnis aus verhältnismäfsig alter
Zeit datiert.
Ist es mir auch nicht gelungen, seine Konstitution völlig klar
zu legen, so hoffe ich doch, dafs mir im weiteren Verlaufe der
Arbeit über diesen Körper erfolgreichere Resultate nicht werden
vorenthalten sein.
100 Dr. Carl Boettinger: Ueber Giyoxylsäure.
Zur Kenntnis der Glyoxylsäure.
II. Abteilung.
Von Dr. Carl Boettinger.
Glyoxylsäure und Paratoluidin.
(Eingegangen, den 2. II. 1895.)
Es sind nun nahezu achtzehn Jahre verflossen, seit ich die
Selbstzersetzung der Anilbrenztraubensäure und der Anilglyoxylsäure
beim Aufbewahren beobachtete. Diese Substanzen verwandelten
sich im Laufe der Zeit in zusammengefrittete, stark riechende,
dunkelgefärbte Massen.
Das von der Brenztraubensäure stammende Produkt zeigte sich
stark durchsetzt mit intensiv rotgelb gefärbten dreieckigen Blättchen,
welche mechanisch ausgelesen werden mufsten, da sie sieh nicht
anders isolieren liefsen. Auch der Glyoxylsäurekörper lieferte eine
intensiv rotgelb gefärbte krystallisierte Substanz, jedoch in viel
kleinerer Menge. Ich vermutete, dafs diese Krystalle in Beziehung
stehen möchten zum Isatin und prüfte sie demgemäfls, erhielt aber die
Indopheninreaktion nicht, weil ich krystallisiertes Benzol in dem Versuch
verwendete. An eine Analyse war bei der geringen Menge der
Krystalle nicht zu denken. Versuche, sie direkt aus der Brenz-
traubensäure resp. Glyoxylsäure zu erhalten, hatten keinen Erfolg
(Berichte d. d. chem. Ges. 1883, 1924). Meine Auffassung erhielt
eine Stütze durch die Beobachtung von P. J. Meyer. Derselbe
zeigte, dafs die Dichloressigsäure mit Paratoluidin in ganz einzig
dastehender Weise unter Wasserstoffabspaltung ziemlich glatt zu
einem substituierten Isatin, dem p- Toluyl - p - methylimesatin,
Cs Hıı NO zusammentritt (Berichte d. d. chem. Ges. 1883, 926 und
2261) und C. Duisberg fand später (Berichte d. d chem, Ges.
1885, 190), dafs dieser Körper vermöge der oxydierenden Wirkung
des Luftsauerstoffs aus dem p-Toluylamido-p-methyloxindol C;; Hj; NO
hervorgeht. Die beiden Forscher vermochten weder eine p-Diamido-
essigsäure, welche beim Orthotoluidin das Ende der Reaktion dar-
stellt, noch Dichloracet-p toluid zu erhalten und haben ihre Beob-
achtungen auch nicht auf die Glyoxylsäure ausgedehnt. Ich habe
diese Lücke auszufüllen gesucht und Glyoxyl»säure mit Paratoluidin
Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure. 101
zur Reaktion gebracht und gefunden, dafs diese Körper unter nach-
verzeichneten Versuchsbedingungen im wesentlichen zu Paratoluidin-
essigsäureparatoluid zusammentreten. In viel kleinerer Menge ent-
steht Paratoluidinessigsäure und in sehr kleiner Menge p-Toluyl-
p-methylimesatin, sowie eine Substanz, welche aus Alkohol in kleinen
farblosen Nädelchen krystallisiert, sich mit vorübergehend blutroter
Farbe in alkoholischem Kali löst, welche aber so zersetzlich ist, dafs
ich sie nicht genauer zu definieren vermochte, endlich ein gelber
verschmierter Körper. Nach meinen Erfahrungen ist es mir zur un-
umstöfslichen Gewilsheit geworden, dafs die Eingangs dieses Ar-
tikels erwähnten Substanzen dem p-Toluyl-p-methylimesatin nahe
verwandt sind und es scheint nicht unwahrscheinlich zu sein, dafs
der natürliche Indigo ein Derivat der Glyoxylsäure ist.
Werden gleiche Gewichtsmengen Paratoluidin und Glyoxylsäure
vom spez. Gew. 1,32 in einem Reagiercylinder zusammengebracht,
so schmilzt die Base alsbald zu einer dicken Masse zusammen,
welche von Wasser überdeckt ist. Erwärmt man im Wasserbade,
so färbt sich die Masse grün und sie steigt dann unter so starker
Gasentwicklung nach oben, dafs zwei Gramm der Mischung einen
geräumigen Reagiercylinder ausfüllen. Nach längerem Erwärmen
macht der grüne Farbenton einer rotbraunen Farbe Platz, die Masse
fällt in sich zusammen und bildet schliefslich eine dicke Flüssigkeit,
welche beim Abkühlen zu einem rotbraunen, in absolutem Alkohol
leicht löslichen Harz erstarrt. Da die Reaktion in dem Verfahren
zu energisch verläuft, operierte ich mit verdünnten Lösungen bei
gewöhnlicher Temperatur.
16 & reines Paratoluidin wurden in 120 ccm absoluten Alkohols
gelöst, die Lösung mit 80 ccm Asther verdünnt und in die Mischung
unter Umrühren mit einer Bürette 12ccm Glyoxylsäure vom spez. Gew.
1.32 allmählich eingetragen. Die Fiüssigkeit bleibt zunächst farb-
los, wird aber schon nach kurzem Stehen rot und scheidet sehr kleine
Mengen oxalsauren Paratoluidins aus. Dasselbe dürfte von der Spur
Oxalsäure abstammen, welche in meiner Glyoxylsäure enthalten war.
Die über Nacht gestandene, dunkelrot gewordene Flüssigkeit wurde
danach auf dem Wasserbade verdampft und nach dem Abtreiben
des Aethers und eines Teils des Alkohols mit Wasser versetzt, wo-
durch ein gelb gefärbter Teig abgeschieden wurde. Durch an-
102 Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäura.
haltendes Digerieren mit kaltem Wasser verwandelte sich derselbe
in ein Pulver, welches abfiltriert und mit Wasser ausgewaschen, hierauf
mit Ammoniak übergossen wurde. Hierdurch verwandelt sich das
Pulver wieder in eine teigige Masse, welche deshalb auf mechanischem
Wege gründlich mit Ammoniak und dann mit Wasser durchgearbeitet
werden mulste. Ungelöst blieb p-Toluidinessigsäureparatoluid, ver-
unreinigt mit Paratoluidin und dem farblosen kleinkrystallinischen
Körper, sowie einer gelben verschmierten Substanz, welche mit Aether
extrahiert wurden; es lösten sich auf p-Toluidinessigsäure und
p-Toluyl-p-methylimesatin, welche mittelst Aether voneinander ge-
trennt wurden. Die letzterwähnte Substanz ist zwar im reinen Zu-
stand in wässrigem Ammoniak unlöslich und sollte demzufolge dem
p-Toluidinessigsäureparatoluid beigemengt sein. Sie liels sich aber
nur aus dem erwähnten Auszug isolieren und zwar unter Benutzung
des eben erwähnten Verhaltens gegen wässriges Ammoniak.
p-Toluidinessigsäureparatolud HE=N — C,H, p.
|
(6/6) NH . C, H, P-
Diese mit dem p-Toluylamidoparamethyloxindol isomere Substanz
wird gereinigt durch Lösen in Benzol, Abtreiben desselben, Auf-
nehmen des Rückstands in absolutem Alkohol und Fällen durch
kaltes Wasser. Die Temperatur soll hierbei 60° nicht überschreiten. Der
Körper bildet ein hellrötliches, in Ammoniak und verdünnter Natron-
lauge unlösliches Pulver, welches unter Abspaltung von Paratoluidin
löslich ist in kalter konzentrierter Schwefelsäure. Beim Erwärmen
mit Ammoniak spaltet er langsam Paratoluidin ab, ebenso wenn auch
schwieriger beim Erwärmen mit Wasser und giebt dabei eine Lösung,
welche mit Salzsäure einen in Benzol unlöslichen Niederschlag liefert.
Das Toluid löst sich sehr leicht in Alkohol und Benzol. Diese
Lösungsmittel hinterlassen dasselbe beim Verdunsten in der Form
eines durchsichtigen rotbraunen spröden Harzes, welches schon unter
1000 schmilzt und dabei widerlich fäkalen Geruch verbreitet. Beim
Erhitzen in einer Retorte zersetzt sich die Substanz. — Zunächst
geht ein intensiv nach Isonitril riechender Körper, dann Paratoluidin
und p-Toluidinharnstoff über, während eine kohlige Materie in der
Retorte hinterbleibt. Durch Behandeln des Destillats mit Aether
isoliert man den darin fast unlöslichen p-Toluidinharnstoff. Das
Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure. 103
Paratoluidin läfst sich aus der ätherischen Lösung ebenso leicht mit
Oxalsäure wie mit Salzsäure entfernen. Dagegen konnte der intensiv
nach Isonitril riechende Körper nicht genauer charakterisiert werden,
wie sich denn auch die Beimengung eines Indols mittelst Pikrin-
säure*) nicht feststellen liefs. Besser wie durch Umkrystallisieren aus
kochendem absolutem Alkohol reinigt man den in Wasser und Natron-
lauge unlöslichen Paratoluidinharnstoff durch Sublimieren. Man ge-
winnt ihn dabei in der Form lebhaft irisierender Nadeln, welche bei
261° schmelzen. Bekanntlich habe ich das niedere Homologe, das
Carbanilid, unter den Destillationsprodukten des rohen anilglyoxyl-
sauren Anilins, welchem Anilid beigemischt gewesen sein mag, auf-
gefunden. (Liebig’s Annalen 198, 226.)
Zur Analyse wurde das p-Toluidinessigsäureparatoluid im
exsiccatortrocknen Zustand angewendet.
0,2287 g Substanz lieferten 0,6377 g CO, und 0,1347 g H,O.
Barechnet: Gefunden:
CH N,0
C = 76,19 Proz. C = 76,05 Proz.
Ee—706.35 ar 16:94 x
p-Toluidinessigsäure= HC = N.C,H,p und
|
COOH
CH; p
|
p-Toluyl-p-methylimesatin = C,H,N = C—-(,H;
CO-NH
Die p-Toluidinoessigsäure ist in Aether und Benzol fast ganz
unlöslich. Sie löst sich sehr schwer in Wasser, leicht in Ammoniak
und verdünnten Alkalien. Aus ihrer Lösung in Schwefelsäure von
1,84 spez. Gew. wird sie von Wasser in hellgelben Flocken nieder-
geschlagen. In rauchender Schwefelsäure löst sie sich unter tief-
greifender Veränderung mit brauner Farbe; Wasserzusatz bewirkt
keine Fällung mehr. Sie löst sich leicht in absolutem Alkohol und
wird aus dieser Lösung durch Weasserzusatz als nahezu weilses
Krystallpulver niedergeschlagen, welches bei 193° unter starkem
Aufblähen eine rotgelbe Schmelze bildet. Die p-Toluidinoessigsäure
schmeckt ähnlich wie Chinin. Bei längerem Erhitzen auf 100° ver-
*) Dieselbe lieferte ein sehr leicht lösliches Product.
104 Dr. P. Zenetti: Ueber Hesperidin.
liert die exsiccatortrockne Substanz 5,29 Proz. Wasser, färbt sich
dabei stark gelb und büfst die Löslichkeit in wässrigem Ammoniak
ein. Die Analyse der exsiccatortrocknen Säure, welche isomer mit
der Anilbrenztraubensäure ist, ergab folgendes Resultat:
0,2207 g Substanz lieferten 0,536 g CO, und 0,1185 H,O.
Berechnet: Gefunden:
C,H, NO,
C = 66,25 Proz. C=—66,23 Proz.
Ed H= 59 /
Das p-Toluyl-p-methylimesatin wurde aus heifsem Alkohol um-
krystallisiert. Es löst sich schwer in Benzol. Es krystallisiert in
goldgelben bei 259° schmelzenden Blättchen, welche sich in kon-
zentrierter Salzsäure mit tief brauner Farba auflösen. Die Farbe
dieser Lösung verblafst bald; sie erstarrt nach längerem Stehen zu
einer hochrotgetärbten Krystallmasse, aus welcher p - Methylisatin
leicht isoliert werden konnte.
Darmstadt, 1. Februar 1895.
Chemisch-Techn. Laboratorium (Privat).
Mitteilungen aus dem pharmaceutischen Institute
der Universität Strassburg.
Das Vorkommen von Hesperidin in Folia Bucco
und seine Krystalliormen.
Von Dr. P. Zenetti.
(Eingeg. 25. 1. 95.)
Im vorigen Jahre brachte L. Braemer in der Association fran-
caise pour l’avancement des sciences, Congres de Besangon, eine
Mitteilung über „les reactions histochimiques de l’'Hesperidine“. In-
dem er das Verhalten dieses Körpers zu den verschiedensten Rea-
gentien schildert, beschränkt er sich bezüglich der botanischen Seite
auf die Litteraturangabe und die eigene Untersuchung der Epidermis
von Folia Buceo; letzteres jedoch nur insofern, als er an abgezogenen
Epidermisstücken mit und ohne Zuhilfenahme chemischer Agentien
Dr. P. Zenetti. Ueber Hesperidin. 105
die Hesperidinkrystalle beobachtete. Besonders gab ihm 50 prozent.
Alkohol, dem 5 Proz. Schwefelsäure zugesetzt waren, schöne, farnblatt-
ähnliche Krystalle. Die anatomischen Verhältnisse der Buccoblätter
sind von ihm nicht weiter untersucht worden. Dies war schon früher
in einer Arbeit Flückiger’s „Ueber die Bukublätter* in der Schweizer
Wochenschrift für Pharmacie 1873, p. 435 seq, allerdings wenig de-
tailliert, geschehen; ausführlicher von Shimoyama in „Beiträge zur
Kenntnis der Bukublätter“ in Archiv 1888, 26. Bd. p. 64 seq., welch’
letzterer zum Studium der schleimgebenden Schicht auch frisches
Material des im Stralsburger botanischen Garten gehaltenen Diosma
alba benutzte.
Noch unabhängig von dieser letzten Arbeit hatte auch ich frische
Blätter von Diosma alba zum Vergleich herangezogen; die hier und
bei der sich daran anschliefsenden Untersuchung trockener Blätter
von Diosma betulina und crenata des Handels gewonnenen Resultate
schienen mir hinreichend interessant, um das Folgende als Ergänzung
der obenstehenden Arbeiten mitzuteilen.
Auf den ersten Blick scheint es fast, als ob die Vornahme der
kleinen, nadelförmigen Blättchen von Diosma alba als Vergleichungs-
objekt für die Buccoblätter nicht einwandsfrei sei. Doch liegt die
Verschiedenheit hauptsächlich nur in der äufseren Form, während
der anatomische Bau gröfste Uebereinstimmung aufweist.
Der @xerschnitt des Blattes von Diosma alba zeigt in der Me-
diane ein Gefäfsbündel der gewöhnlichen Art (Fig. 1), einen Holzteil
mit in radialen Reihen stehenden Elementen, darunter einen Siebteil,
beides von nicht sehr deutlichen Markstrahlen durchzogen; es folgt
ein halbmondförmiger Sklerenchymbelag auf der Unterseite, ein
kleinerer auf der Oberseite; eine einschichtige Parenchymscheide
umschliefst das Ganze.
Das Grundgewebe des Blattes besteht aus Pallisaden- und
Schwammgewebe, in welch’ letzterem grofse, kugelige Oelräume ein-
gebettet liegen. Das Pallisadengewebe, welches als ununterbrochene
Schicht die ganze Oberseite überzieht, ist auch auf der Unterseite
vorhanden und hier nur da unterbrochen, wo das Schwammparenchym
in direkter Verbindung mit den Spaltöffnungen steht; auch unterhalb
der Oelräume ist es auf eine kurze Strecke verdrängt. Es besteht
aus einer einzigen Zellschicht, ist aber ober- und unterhalb
106 Dr. P. Zenetti: Ueber Hesperidin.
des Gefäfsbündels mehrschichtig und füllt hier den ganzen Raum
zwischen den Epidermen und dem Bündel aus. Ein Collemchym-
gewebe, wie es an dieser Stelle so allgemein in den Blättern vor-
kommt, fehlt hier also. Die isodiametrischen Zellen der im übrigen
Teile des Blattes auf die Pallisaden zunächst folgenden Schicht
schliefsen auch eng aneinander und enthalten Oxalatdrusen. Letzteres
gilt auch für das Gewebe in der Umgebung des Gefälsbündels.
Das Schwammparenchym ist in seiner oberen Hälfte von häufigen
Bündelzweigen durchzogen, welch’ letztere Elemente sämtlicher
Teile des Hauptstranges enthalten und ebenso wie dort von einer
(auf Längsschnitten deutlicher hervortretenden) Parenchymscheide
umgeben werden. In diesem Schwammparenchym liegen, wie schon
erwähnt, mächtige Oelräume von kugeliger Gestalt, eingefalst von
einer Schicht seitlich gestreckter Sekretionszellen. An der Peripherie
einer solchen Oelkugel kann man mitunter schöne, strahlige Krystalle
erblicken.
Die das Blattgewebe nach aufsen abschlielsende Epidermis ist
es nun aber, die uns hier am meisten interessiert. An Stelle einer
einfachen, einschichtigen Haut finden wir zwei Zelllagen, deren Ele-
mente genau radial voreinander liegen und dadurch ihren Ursprung
aus derselben Mutterschicht dokumentieren. Dieser letztere Umstand
berechtigt uns, auch die innere der beiden Schichten als zur Epidermis
gehörig zu bezeichnen. Während nun die tangentiale Ausdehnung
der voreinander stehenden Zellen der beiden Epidermisschichten
genau übereinstimmt, ist in ihrer radialen Dimension ein grolser
Unterschied. Die Zellen der äufseren Schicht sind flach und werden
von denen der inneren um das 3—5fache überragt. Beiderlei Ele-
mente besitzen, unter Wasser betrachtet, eine dünne, farblose
Membran und einen gleichfalls farblosen Inhalt. Sie schliefsen eng
aneinander; nur an der Blattunterseite, in Verbindung mit dem
Schwammparenchym, stehen Spaltöffnungen. Hauptsächlich an dieser
Stelle ist auch die Zweiteilung der Epidermis unterblieben; des-
gleichen finden wir auch ober- und unterhalb des Bündels und unter-
halb der Oelräume häufig ungeteilte Epidermiszellen. Die Cuticula
ist an der Oberseite rechts und links ausgebildet, der Mittellinie am
schwächsten, an allen übrigen Stellen dringen ziemlich stark, cutisierte
Leisten zwischen die Epidermiszellen nach innen und auch nach
Dr. P. Zenetti: Ueber Hesperidin. 107
aulsen ragen ebensolche hervor. Oberhalb des Gefälsbündels endigen
zahlreiche Zellen in ein kurzes, mit Höckerchen besetztes, einseitig
gekrümmtes Haar; diese Zellen sind dann schmäler als die übrigen
und bleiben gleichfalls ungeteilt. Sonst finden wir nirgends Haare,
ausgenommen am Blattrande, wo die Endzellen in ähnliche Dorn-
fortsätze auslaufen.
Bringt man nun die Querschnitte in Quellung bewirkende
Flüssigkeiten (Chloralhydratlösung, Glycerin), so wird die äufsere
Epidermisschicht der oberen Blattseite zu beiden Seiten der Mediane
fast in der ganzen Breite abgehoben (Fig. 1); nur über dem Gefäls-
bündel bleibt der Zusammenhang erhalten. Die äulseren Epidermis-
zellen bleiben dabei unversehrt, während die Längswände der inneren
reilsen, so zwar, dals die stehen bleibenden Partien sich etwas ge-
tältelt zusammenziehen. Der ganze so entstehende Zwischenraum
zwischen den auseinanderweichenden Epidermisschichten ist mit
gelblich weilsem Schleime erfüllt. In allen übrigen Teilen bleibt
der Zusammenhang bestehen.
Diese am frischen Material von Diosma alba ohne besondere
Schwierigkeit gewonnenen Resultate kehren nun in den wesentlichen
Punkten in den Buccoblättern von Diosma betulina und crenata der
Handelsware wieder — wenn wir absehen von der sgrölseren
Flächenausdehnung der Blätter, der stärkeren Ausbildung des Gefäls-
bündelnetzes, dem Vorhandensein eines Collenchymgewebes in der
Umgebung der Gefälsbündel —, so dafs es nicht nötig ist, bier anf
die anatomischen Verhältnisse noch näher einzugehen.
Aber es drängt sich bei der Untersuchung der getrockneten
Handelsware eine neue Erscheinung auf, nämlich das massenhafte
Auftreten von Hesperidin, was bei gleicher Behandlungsweise der
{rischen Blätter von Diosma alba nicht zu erreichen war.
Ehenso wie bei letzterer Art findet in den Buccoblättern beim
Einlegen der Querschnitte in irgend eine Flüssigkeit Quellung und
Loslösung der äufseren Epidermisschicht von der inneren statt, und
zwar in demselben Umfange wie dort, nämlich rechts und links der
Mittelrippe bis an den Rand, wobei auch vor den Seitennerven mit-
unter der Zusammenhang erhalten bleibt. Und nun zeigt sich, dafs
der ganze Raum zwischen den beiden getrennten Epidermisschichten,
den gelblich-weilser Schleim erfüllt, mit Hesperidin von undeutlich
108 Dr. P. Zenetti: Ueber Hesperidin.
krystallinischer Struktur durchsetzt wird (Vergl. die schematische
Fig. 2). Wir treffen bäumchen- oder strauchähnliche Formen, jedoch
meist klumpig geballt, häufig so langgestreckt, dafs sie die ganze
Höhe des Zwischenraumes erreichen. In Schnitten, in welchen sich
aber die äulsere Hautschicht minder weit von der inneren entfernt
hat, da treffen wir wiederum ein anderes Aussehen des Hesperidins
(Fig. 3). Mitunter von der an die Pallisaden angrenzenden Quer-
wand der Schleimzellen aus, häufiger aber von der gegenüberliegen-
den, mit der äufseren Schicht sich ablösenden Wand ragen farnblatt-,
fächerähnliche Gebilde in den Schleim hinein. Immer sind diese
Hesperidinmassen von gelbbrauner Farbe.
Aber auch die Zellen der äufseren Epidermisschicht sind mit
Hesperidin erfüllt. Der flachen, gedrückten Gestalt dieser Zellen
entsprechend sind es hier Sphärokrystalle, und seltsam, sowohl der
Krystall in der äufseren, wie der in dem mitabgehobenen Teile der
inneren Epidermiszelle sitzt in seiner Zelle an dem gleichen Platze
und entspricht auch im Gröfsenverhältnis etwas seinem Gegenüber,
wie Fig. 3 veranschaulicht.
Es ist klar, dais sich diese Sphärokrystalle der äufseren Epi-
dermisschicht besser im Flächenbild an Epidermisstücken studieren
lassen, die man, gleichgiltig ob von der oberen oder unteren Seite
eingelegter Blätter mittels Nadel und Pincette mit Leichtigkeit ab-
zieht. Da liegt nun in jeder Zelle Hesperidin, in einem Falle (Fig. &)
als dichte, gerundete Platten, von denen wieder mehrere sich zu
einer grölseren vereinigen können, wobei häufig die Umrisse der
einzelnen Teilkrystalle noch recht deutlich erkannt werden. In
anderen Fällen unterscheiden wir an diesen Sphärokrystallen einen
dichten, von radialen Klüften durchsetzten Kern, der von einem
minder dichten Strahlenkranze umgeben ist. Und wieder einmal
(Fig. 5) besitzen sie schön blätteriges, gezacktes Gefüge, oft über
die ganze Fläche des Zellenraumes sich ausdehnend, während in
anderen Zellen dasselbe Hesperidin zu dichten Klümpchen und
knollenförmigen Gebilden geballt erscheint.
Diese farnblattähnlichen Hesperidinkrystalle erhält man wohl
am sichersten nach der von Braemer (s. oben) angegebenen Methode
durch vorheriges Einlegen der Epidermisstücke oder der ganzen
Blätter in schwefelsäurehaltigen, verdünnten Alkohol. Indes mufs
Dr. P. Zenetti: Ueber Hesperidin. 109
ich hervorheben, dafs man das Hervorrufen einer bestimmten Krystall-
form hier nicht ganz sicher in der Hand hat. Ich habe nach dieser
Braemer'schen Vorschrift mitunter auch dichtere Sphärokrystalle
von der Form Fig. 4 erhalten, während umgekehrt schon beim Ein-
legen in Wasser, Chloralhydratlösung oder Glycerin auch tarnblatt-
ähnliche oder Zwischenformen erschienen, in manchen Fällen sogar
alle diese Fälle in einem und demselben Präparate nebeneinander
vorkamen.
Wir sahen somit im Vorstehenden schon eine Reihe von unter-
schiedlichen Krystallgebilden. Die Mannigfaltigkeit dieser Formen
wird indes noch sehr bereichert, wenn man anstatt der Rohdroge
das rein gewonnene Hesperidin selbst in Untersuchung zieht.
In den gewöhnlichen Lösungsmitteln unlöslich, ist reines
Hesperidin mit gelber Farbe leicht löslich in Wasser, dem wenig
Natronlauge zugefügt ist. Aus dieser alkalischen Flüssigkeit ist es
wieder durch irgend eine Säure abzuscheiden. Es bildet sich hierbei
zuerst ein gelbliches Häutchen an der Oberfläche der Flüssigkeit.
Unter dem Mikroskop betrachtet — vergl. im Folgenden Fig. 6 —
erscheint dieses Häutchen zusammengesetzt aus einer Unzahl zu-
sammenhängender, schöner Sphärokrystalle mit einem dichten, hell-
glänzenden Kern von gelber Farbe und einer mehr oder minder
dichten Umhüllung zarter, spitzer Nadeln. Nach und nach trübt sich die
Flüssigkeit und es fällt das übrige Hesperidin als hellgelber,
pulveriger Satz zu Boden. Dieser Niederschlag zeigt uns die ver-
schiedensten Formen meist vereinzelter Krystalle. Betrachten wir
hierzu Fig. 6. Wir finden ganz dünne oder dickere Garben ge-
kreuzter Nadeln; diese Garben liegen wiederum zu zweien oder
dreien bald zu einem noch deutlichen, gleicharmigen Kreuz zusammen,
bald verwischt sich dieser letztere Charakter fast völlig, so dafs nur
noch mehr oder minder scharf markierte Radien in dem nun fast
kreisscheibenförmigen Gebilde den Zusammenhang mit der vorigen
Modifikation dokumentieren. Wenn bei solchen Formen immerhin
die Zusammensetzung aus einzelnen Nadeln noch recht deutlich er-
kannt werden kann, so geht schliefslich mit steigender Dichtigkeit
auch dieses Moment verloren, zuerst bei Garbenkreuzen, die bei
dichtem, massigem Centrum noch einen Strahlenkranz von Nadel-
spitzchen besitzen; schliefslich fällt auch dies noch fort uud wir
110 Dr. P. Zenetti: Ueber Hesperidin.
finden näpfchenförmige, in der Mitte etwas eingesenkte Scheiben
von grölster Dichtigkeit und stark glänzender, gelber Farbe, wobei
wieder Formen auftreten, bei denen zwei, drei Kreisscheibchen mit
scharfen Kanten zusammenlagern. Damit wären wir aber bei Er-
scheinungsformen angelangt, die mit den geschilderten Vorkomm-
nissen in der Epidermis der Buccoblätter (Fig. 4) grolse Ueberein-
stimmung zeigen.
Aber auch hier möchte ich wieder hervorheben, dals es nicht
möglich war, durch gewisse Reagentien oder Manipulationen die eine
oder die andere Krystallform zu erzielen. Zumeist kann man in
einem und demselben Bodensatze alle die beschriebenen Ge-
staltungen oder doch mehrere davon zusammen vorfinden.
Erläuterungen zu den Abbildungen.
Fig. 1. Querschnitt eines frischen Blattes von Diosma alba nach
dem Einlegen in Glycerin. Die Epidermis der Oberseite ist durch
Quellung des Schleimes und Sprengung der Längswände der schleim-
gebenden Schicht auseinandergewichen.
Fig. 2. Schematische Abbildung des Querschnittes eines trockenen
Blattes von Diosma crenata nach dem Einlegen in Glycerin. Zwischen
den durch Quellung getrennten Epidermisschichten der Oberseite ist
der Schleim mit ausgeschiedenem Hesperidin durchsetzt.
Fig. 3. Teil der Epidermis eines trockenen Blattes von Diosma
hetulina nach dem Einlegen in Chloralhydratlösung. Die äuflsere
Epidermisschicht ist weniger weit abgehoben wie in Fig. 2. Ihre
Zellen enthalten je einen Sphärokrystall von Hesperidin, dem ein
fächerförmiger in der entsprechenden verquollenen inneren Epidermis-
zelle korrespondiert.
Fig. 4 Stück der abgezogenen äulseren Epidermisschicht von
Diosma betulina in Wasser.
Fig. 5. Desgleichen nach Behandlung mit schwefelsäurehaltigem
Alkohol.
Fig. 6. Zusammenstellung von Abbildungen der aus einer alkali-
schen Hesperidinlösung durch Fällung mit Säuren erhaltenen Krystalle.
(Linke, grölsere Hälfte durch Salzsäure gefällt, rechte, kleinere durch
Essigsäure.)
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Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure. 111
Zur Kenntniss der Glyoxylsäure.
IV. Abteilung.
Kondensation mit aromatischen Kohlenwasserstoffen.
Von Dr. Carl Boettinger.
(Eingegangen den 23. I. 95.)
Zu einem eben so unerwarteten, wie interessanten Resultat hat
das genauere Studium der Kondensationsprodukte der Glyoxylsäure
mit aromatischen Kohlenwasserstoffen geführt, welche bei Betolgung
der Methode A.v. Baeyer's, also durch Vermittelung konzentrierter
Schwefelsäure entstehen. Ich habe Glyoxylsäure auf Benzol nach
diesem Verfahren schon im Jahre 1881 einwirken lassen, und zwar
im Anschlusse an meine Untersuchungen über die Kondensationen
der Bibrombrenztraubensäure und Brenztraubensäure mit aroma-
tischen Kohlenwasserstoffen und Nitrilen und in einer Fufsnote,
Bericht d. d. chem. Gesellschaft 1881, 1240 erwähnt, Diphenylessig-
säure erhalten zu haben. Diese Säure geht thatsächlich aus der
Reaktion hervor, aber in so geringer Menge, dafs ihre Isolierung
und Reinigung erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Der Schmelz-
punkt der von mir gewonnenen Säure liegt bei 1450. Sie verhält
sich gegen Lösungsmittel, also kaltes und heifses Wasser, Alkohol,
Aether, Chloroform, Essigsäure, konzentrierte Schwefelsäure, wie die
nach anderen Methoden gewonnene Säure. Bei stärkerem Erhitzen
ist sie so gut wie unzersetzt flüchtig. Ihr Baryumsalz löst sich in
Alkohol.
Die Hauptmasse des Kondensationsproduktes löst sich aber so
gut wie gar nicht in kochendem Wasser und besteht, wie ich im
folgenden zeigen werde, aus Abkömmlingen der Benzilsäure,
d. h. Diphenylglycolsäure.
In der Hofinung, leichter wie die Diphenylessigsäure die homo-
loge Ditolylessigsäure gewinnen zu können, liefs ich 1884 Toluol
auf in konzentrierter Schwefelsäure gelöste Glyoxylsäure einwirken.
Ich konstatierte allerdings die Kondensationsfähigkeit der beiden
Körper, fand aber unter den Reaktionsprodukten nur eine sehr kleine
Menge wasserlöslicher Substanz. Gerade so leicht wie das Toluol
tritt auch das Aethylbenzol mit der Glyoxylsäure in Reaktion.
112 Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure.
Die Kondensationsprodukte entstehen, wenn die mit über-
schüssigem Kohlenwasserstoff überdeckte konzentrierte Schwefelsäure
(d. = 1,84) mit Schnee gekühlt, die Glyoxylsäure allmählich eingetragen
und dann audauernd unter fortwährendem Kühlen geschüttelt wird.
Sie scheiden sich auf einmal an den Gefäfswänden und an der Ober-
fläche der Schwefelsäure in Gestalt dicker, weilser Massen ab.
Wird die Glyoxylsäure mit dem gleichen Volumen Eisessig oder
Essigsäureanhydrid vermischt, dann Kohlenwasserstoff aufgeschichtet,
konzentrierte Schwefelsäure eingetragen und geschüttelt, so ent-
stehen Kondensationsprodukte in ganz geringfügiger Menge. Hieraus
geht hervor, dafs eine bestimmte Wassermenge erforderlich ist, da-
mit die Reaktion zu stande kommt. Nach deren Beendigung, etwa
nach Ablauf von 4 Stunden, wurde der Kolbeninhalt in lebhaft
bewegtes, mit Eis versetztes Wasser eingetragen.
Es schieden sich dicke, klumpige Massen ab, welche von der
wässrigen Flüssigkeit durch Filtration getrennt wurden. Die Filtrate
wurden einmal mit Aether durchgeschüttelt, der Auszug verdunstet.
Der Rückstand wurde in etwas Ammoniak gelöst. Die auf dem
Filter gesammelten Hauptprodukte wurden ebenfalls in Ammoniak
gelöst. Die Lösungen wurden vereinigt und zur Entfernung trüben-
den Kohlenwasserstofis mit Aether geschüttelt. Nachdem sie klar
geworden waren, wurden sie von dem ätherischen Auszug abgezogen,
zur Verjagung gelösten Aethers auf dem Wasserbade einige Zeit
erwärmt, dann mit Salzsäure übersättigt. Dasselbe geschah mit den
ammoniakalisch-wässerigen Ausschüttelungen der Aetherextrakte. Die
ausgefällten organischen Säuren wurden in Aether gelöst und zu dieser
Lösung etwas niedrig siedender Petroläther gesetzt, um Wasser und
schmierige Bestandteile niederzuschlagen. Die abgegossene, klare,
ätherische Lösung hinterläfst nach dem Verdunsten einen dicken, zähen
Rückstand. Nur beim Benzolderivat zeigt derselbe nach langem Stehen
einen Anflug von Krystallisation. Durch Auskochen mit Wasser wurde
dem letzteren Diphenylessigsäure entzogen, welche dann in zweck-
entsprechender Weise, durch wiederholtes Umkrystallisieren aus
Wasser gereinigt werden mulste. Der Rückstand des Toluolproduktes
giebt an kochendes Wasser zwar auch etwas, aber nur wenig Sub-
stanz ab. Aus derselben vermochte ich keine Ditolylessigsäure ab-
zuscheiden.
Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure.
Die Rückstände wurden nunmehr mit einer zur Auflösung un-
genügenden Menge Ammoniak übergossen und ohne weiteres mit
Aether geschüttelt. Derselbe nahm Substanz auf, welche beim Ver-
dunsten des Lösungsmittels auskrystallisierte. Dieselbe läfst sich
farblos und rein gewinnen, wenn der ätherischen Lösung Petroläther
bis zur bleibenden Trübung zugesetzt, gekleppert und die klare
Flüssigkeit von der erst fiockigen, dann schmierigen Abscheidung ab-
gegossen wird. Durch mehrfaches Wiederholen dieses Verfahrens
gewinnt man den Benzolabkömmling in durchsichtigen Kryställchen,
den Toluolabkömmling in flachen Tafeln, welche eine stumpfpyramidale
Begrenzung zeigen. Die Verbindungen sind. wie vorgreifend erwähnt
sein mag, Diphenylglycolid resp. Ditolylglycolid.
Die von den eben erwähnten Körpern befreite ammoniakalische
Lösung wurde angesäuert und es wurden die organischen Säuren,
nachdem sie trocken geworden waren, mit Chloroform extrahiert, die
Auszüge verdunstet und die Rückstände längere Zeit auf dem Wasser-
bade erhitzt, da ihnen Chloroform hartnäckig anhaftet. Nach dem
Abtreiben desselben wurden dieselben mit Wasser übergossen, auf
dem Wasserbade erwärmt und succesive gesättigtes Barytwasser
zugegeben. Durch diese Behandlungsweise wurde das Benzolprodukt
bis auf einen ziemlich kleinen Rest in Lösung gebracht, während
das Toluolprodvkt einen ziemlich beträchtlichen Rückstand hinterliefs,
welcher auch nicht nach dem Erkalten der überstehenden Flüssigkeit
verschwand und zur Isolierung der Ditolylsäure, von der
später die Rede sein wird, verwendet wurde. Die Barytsalzlösung
‘hat nämlich die Eigenschaft beim Erwärmen trübe zu werden und
Salz abzuscheiden, welches nach dem Abkühlen von der überstehenden
Flüssigkeit teilweise aufgelöst wird. Darum fällt auch beim Auf-
kochen der mit Kohlensäure gesättigten, sehr verdünnten Salzlösungen
mit dem kohlensauren Baryt auch etwas Salz von organischer
Säure aus.
Der Barytgehalt der bei 120% getrockneten, wasserhaltigen Ab-
scheidungen, welche beim Verdampfen der Lösungen nach und nach
ausgesoggt wurden, überschritt stets die Menge des Baryts, welchen
dibenzilsaures resp. ditolylsaures Baryum verlangt und nahm zu mit
dem Grade der Verdunstung der Lösung, ohne dafs diese darum
ihre neutrale Reaktion verändert hätte. Offenbar enthalten die Ab-
Arch. d. Pharm. CCXXXII. Bäs. 2. Heft. 8
114 Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure.
scheidungen basische Salze, welche von Kohlensäure nicht zersetzt
wurden. So wurden beispielsweise in den getrockneten Abschei-
dungen des Benzolkörpers gefunden: 29,05 Proz. Ba und 29,13 Proz.
Ba, in denen des Toluolkörpers dagegen 23,46 Proz. Ba, 25,43 Proz.
Ba, 25,94 Proz. Ba, 26,97 Proz. Ba, 27,21 Proz. Ba. Dibenzilsaures
Baryum verlangt, 23,91 Proz. Ba, ditolylsaures Baryum 21,78 Proz. Ba.
Die Barytsalze wurden mit kaltem Wasser übergossen, die Lösungen
von den Rückständen abfiltriert und mit einer solchen Menge Salz-
säure gefällt, dafs mehr wie die Hälfte der organischen Säuren in
Lösung blieb. Die abgeschiedenen Säuren wurden mit zur Auf-
lösung ungenügenden Mengen Ammoniaks übergossen und die
Mischung mit Aether geschüttelt. So gelingt, es noch mehr des
Diphenylglycolides resp. Ditolylglycolides zu gewinnen.
Diese Substanzen stellen aber keineswegs die Hauptmasse der
Kondensationsprodukte dar. Letztere müssen zum Teil aus den
Salzlösungen, zum Teil aus den in kaltem Wasser nicht löslichen
Salzen abgeschieden werden. Die Säuren lösen sich leicht in
Alkohol, Chloroferm und in Aether, krystallisieren aber nicht aus
diesem aus, sondern hinterbleiben als zerreibliche Massen, welche
in kochendem Wasser ganz unlöslich sind.
Die Analyse der aus dem schwer löslichen Barytsalz des Toluol-
derivats abgeschiedenen Säure ergab Werte, welche auf Ditolyl-
säure, ein Homologon der Dibenzilsäure stimmen. Durch anhaltendes
Kochen der Lösung der Dibenzilsäure resp. Ditolylsäure in über-
schüssiger Natronlauge entstehen Säuren, welche sich in heilsem
Wasser lösen. Aus dem Benzolderivat entsteht eine Säure,
welche sich wie die Benzilsäure in Vitriolöl mit ähnlicher, wenn
auch nicht übereinstimmender Färbung löst, die Farbe der
Vitriollösung der aus der Ditolylsäure, welche Säure hervorgeht, ist
tief rot.
Es wirft sich nun die Frage auf, in welcher Weise die er-
wähnten Produkte aus der Glyoxylsäure entstehen, welche doch
normaler Weise substituierte Essigsäuren oder Mandelsäure und
deren Homologe liefern sollte. Da bei ihrer Erzeugung keine
schweflige Säure auftritt, so kann nur geschlossen werden, die kon-
zentrierte Schwefelsäure spalte ein Molekül Wasser und führe dessen
Bestandteile der Glyoxylsäure zu. Diese sollte darım in Glycol-
Dr, Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure. 115
säure und Öxalsäure übergehen. Aus letzterer mülsten dann die
Kondensationsprodukte entstehen. Nun ist ja bekannt, dafs der
Oxaläther sehr leicht in Glycolsäurederivate übergeführt werden
kann, von der Oxalsäure selbst kennt man bislang keinen derartigen
Uebergang. Die Bildung der Kondensationsprodukte ist in mehr-
facher Hinsicht bedeutungsvoll. Es wirft sich beispielsweise die
Frage auf, welches Sauerstoffatom, das der Aldebydgruppe oder des
Wassers, den Kohlenwasserstoffen Wasserstoff entzieht und sie in
Radikale verwandelt. Wäre es der Aldehydsauerstoft der Glyoxyl-
säure, so sollten doch lediglich Essigsäurederivate entstehen. Uebt
aber der aus dem Wasser abgespaltene Sauerstoff die Wirkung aus,
so muls das in der Glyoxylsäure isoliert stehende Wasserstoffatom
den benachbarten Aldehydsauerstoff reduzieren und vorübergehend
ein ungesättigter tertiärer Alkohol entstehen.
Folgende schematische Darstellung veranschaulicht diese Vor-
stellung.
nn
2 HC;
Done een,
HH
\ C,H,
TE
| |
Nach dieser Auffassung sollten substituierte Glycolsäuren ent-
stehen. Es werden aber nicht diese selbst, sondern ihre Anhydride
erzeugt. Andererseits sollte, da wie erwähnt keine Oxydation durch
die Schwefelsäure und auch nicht durch den Luftsauerstoff bewirkt
wird, die Hälfte der Glyoxylsäure in Glycolsäure übergehen. Da
das Resultat des Versuches nicht vorauszusehen war, habe ich leider
versäumt, das Auftreten dieser Säure nachzuweisen. Zu Gunsten
meiner Ansicht spricht aber die Menge der aus dem Versuch her-
vorgehenden chloroformlöslichen Kondensationsprodukte, denn dieselbe
entspricht bei weitem nicht der angewendeten Glyoxylsäure.
D=Diphenylelyeolıd.
Das Diphenylglyeolid ist unlöslich in kaltem und heilsem Wasser.
Es löst sich leicht in Alkohol, Chloroform und in Aether. Aus letz-
terem krystallisiert es in kleinen, farblosen Gebilden. In kalter kon-
zentrierter Schwefelsäure von 1,84 spez. Gew. löst es sich nicht.
5”
116 Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure.
Beim Erwärmen löst es sich leicht darin auf und erzeugt eine gelb
gefärbte Flüssigkeit. Ist die Schwefelsäure etwas wasserhaltig, so
schmilzt es beim Erwärmen auf derselben zu einem farblosen Oel.
Die Lösurg in kalter, rauchender Schwefelsäure ist gelb gefärbt. Es
ist leicht löslich in wässerigem Ammoniak, bildet aber erst nach und
nach Salz. Von kaltem Barytwasser wird es erst nach längerer
Digestion gelöst. Es schmilzt bei 140%. Bei starkem Erhitzen ver-
Rüchtigt sich die Substanz unter geringer Zersetzung, denn das
Destillat bildet mit Ammoniak eine weißsliche, trübe Lösung.
0,187 g Substanz lieferten 0,5477 g Kohlensäure und 0,039 g Wasser.
Berechnet: N
e,,0, Gefunden:
C 8u,00 Proz. C 79,88 Proz.
H 4,76 H 5,29
I. Ditolylglycolid.
Das Ditolylglycolid löst sich nicht in kaltem und heilsem Wasser,
leicht in Alkohol, Chloroform und Aether. Aus letzterem scheidet
es sich in grofsen, breiten, dünnen Tafeln aus, welchen eine ungleich-
seitige, stumpfe Pyramide aufgesetzt ist. Wie sein niederes Homologe
hält es Chloroform fest. Es zeigt gegen Schwefelsäure verschiedener
Konzentration das Verhalten des Diphenylglycolides.. Es löst sich
leicht in wässerigem Ammoniak, läfst sich aber aus der frisch be-
reiteten Lösung teilweise noch mit Aether ausschütteln. In kaltem
Barytwasser ist es erst nach längerer Digestion löslich. Es schmilzt
bei 131--132%. In hoher Temperatur verflüchtigt es sich nahezu
unzersetzt.
0,1543 g Substanz lieferten 0,4559 g Kohlensäure und 0,087 g Wasser.
Berechnet:
EEE Gefunden:
C 80,67 Pıoz. C 80,58 Proz.
H 5,88 H DO
lll. Ditolylsäure oder Anhydroditolylglycolsäure.
Die Substanz wurde aus dem Barytsalz durch Schütteln mit
wässriger Salzsäure und Aether abgeschieden. Aus der Lösung ihres
Ammoniaksalzes wird sie durch Mineralsäuren in weifsen Flocken
niedergeschlagen, welche in kaltem und heilsem Wasser ganz unlös-
lich sind. Die Ditolylsäure löst sich leicht in Aether, Alkohol und
in Chloroform, welches sie hartnäckig zurückhält.e. Um dieses ab-
zutreiben muls der Verdunstungsrückstand längere Zeit auf dem
Wasserbade erhitzt werden. Das in entsprechender Weise isolierte:
Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure, 117
Benzolderivat zeigt dasselbe Verhalten. Die Ditolylsäure vermochte
ich nicht in krystallisierter Form zu erhalten. Ihre ätherische
Lösung hinterlälst einen weilsen, leicht zerreiblichen Rückstand,
welcher beim Erhitzen auf 100° zu einer blasigen Masse wird. In
hoher Temperatur schmilzt die Säure zu einem dunkelrotbraunen
Oel, welches Dümpfe ausgiebt, dann verkohlt und schliefslich ohne
Rückstand zu hinterlassen verbrennt. Die Säure ist in kalter kon-
zentrierter Schwefelsäure nicht löslich. Beim Erwärmen mit nicht
ganz konzentrierter Schwefelsäure schmilzt sie zu einer blasigen
Masse, welche sich nach dem Abkühlen zu einem sandartigen Pulver
zerreiben lälst. Dagegen wird sie von warmer konzentrierter
Schwefelsäure gelöst und es entsteht eine satt braungelb gefärbte
Flüssigkeit. Kalte rauchende Schwefelsäure bildet mit ihr eine rote
Lösung. Die Ditolylsäure ist eine starke Säure, daher leicht löslich
unter Salzbildung in Ammoniak. Sie löst sich leicht in kaltem
Barytwasser. Beim Aufkochen scheidet die Lösung Salz aus,
welches beim Abkühlen der Flüssigkeit teilweise gelöst wird. Bei
langdauerndem Kochen ihrer Lösung in überschüssiger Natronlauge
verwandelt sie sich in Säure, welche in heilsem Wasser löslich ist
und mit Vitriol eine tiefrotgefärbte Lösung giebt.
0,1827 g Substanz lieferten 0,5192 g Kohlensäure und 0,102 g Wasser,
Berechnet: Gefunden:
C = 177,13 Proz. C = 77,50 Proz.
EI OT; H4=4:6.26, 17%
Im Anschlusse möchte ich noch über ein Doppelsalz der Glyoxyl-
säure berichten. Versetzt man die farblose neutrale konzentrierte
Lösung von glyoxylsaurem Natrium oder Kalium (beim Ueberschreiten
der Neutralität färbt sich die Lösung gelb) mit Chlorcalcium oder
Chlorbaryum, so findet nur geringe Umsetzung in der Weise statt,
dals glyoxylsaures Calcium resp. glyoxylsaures Baryum abgeschieden
werden. Es entstehen vielmehr in Wasser leicht lösliche Doppel-
resp. Torpolsalze. So bildet sich aus glyoxylsaurem Natrium und
Chlorcalcium ein farbloses, schön krystallisierendes, in heilsem Wasser
leicht, in kaltem Wasser schwer lösliches Salz von der Zusammen-
setzung (C;, H; NaO,+ C;H;ca0,). Das Salz wird bei 115° schwach
gelb, verliert aber bei dieser Temperatur kein Wasser.
h 0,1036 g trockenes Salz lieferten 0,0370 g Schmelzrückstand oder
35,12 Proz, und darin 0,0132 g Kalk oder 9,1 Proz. Calcium.
118 C. Hartwich: Falsche Senegawurzel
0,2066 g trockenes Salz lieferten 0,0735 Schmelzrückstand oder
35,58 Proz. und darin 0,0260 g Kalk oder 9,02 Calcium.
Für ein Salz der angegebenen Zusammensetzung berechnet sich
36 Proz. Glührückstand und 8,88 Proz. Calcium.
Aus der Mutterlauge von diesem Salz krystallisiert ein Doppel-
salz aus, dessen Bestandteile glyoxylsaures Natrium und Chlor-
natrium sind.
Die mit Chlorcaleium versetzte Lösung von glyoxylsaurem
Kalium liefert ein einheitlich aussehendes, in kaltem Wasser leicht
lösliches Salz, dessen Bestandteile glyoxylsaures Calcium, glyoxyl-
saures Kalium und Chlorkalium sind. Die Analyse des wasserhaltigen
und darum bei 100° getrockneten Salzes wies aber auf ein Gemenge
hin, denn es wurden bei 54,19 Proz. Glührückstand 8,3 Proz. ChloF
und 7,2 Proz. Calcium gefunden.
Darmstadt, 22. Januar 1895.
Chem. Tech. Laboratorium (Privat).
‚Mitteilungen aus der pharmazeutischen Abteilung
des Eidgenössischen Polytechnikums in Zürich.
III. Ueber eine neue Verfälschung der
Senegawurzel.
Von C. Hartwich.
(Eingegangen am 10. 2. 95.)
Zu Anfang des Jahres 1894 machte Herr Apotheker Ad, Andree
in Hannover!) aufmerksam auf eine interessante Verfälschung einer
aus New-York in den Handel gebrachten Senegawurzel, die in einer
fremden Wurzel bestand. Die Menge der fremden Wurzel war eine
sehr erhebliche, wie mir Herr Andree freundlichst mitteilt, betrug
sie fast 25 Proz. der Droge. Derselbe glaubte in der Verfälschung
die Wurzel von Richardsonia scabra St. Hil. die als Radix
Ipecacuanhae farinosa bekannt ist, zu erkennen.
Da Berührungen zwischen der nordamerikanischen Senega und
der südamerikanischen Ipecacuanha auch sonst vorgekommen sind,
so soll man unter Senega die Wurzeln des südamerikanischen Joni-
dium Ipecacuanha, die ebenfalls als Substitution der Ipeca-
cuanha vorkommen, gefunden haben, so interessierte mich die Sache
besonders weil die Verhältnisse hier ähnlich zu liegen schienen.
1) Apotheker-Zeitung 189+, No. 12, pag. 23.
C. Hartwich: Falsche Senegawurzel. 119
Richardsonia ist bekanntlich in einem grofsen Teile von Südamerika
heimisch, geht aber nördlich nur bis Mexiko; beide Pflanzen (Richard-
sonia und Polygala Senega) können also nicht zusammen vor-
kommen, so dafs ein Mitsammeln der Richardsonia aus Nachlässig-
keit ausgeschlossen schien und eine absichtliche Verfälschung an-
genommen werden mulste.
Herr Andre&e hatte auf meine Bitte die grolse Freundlich-
keit, mir ein Muster der betreffenden Wurzel zu senden. Eine
Untersuchung zeigte nun freilich bald, dafs beide Wurzeln allerdings
äufserlich recht ähnlich waren, sich aber im Bau sehr wesentlich
unterschieden, so dafs Richardsonia ausgeschlossen erschien. Ich
will nur erwähnen, dafs die Stärkekörnchen in beiden von einander
abwichen, und dafs Richardsonia Oxalat in Raphiden enthält, die
fragliche Wurzel aber in kleinen Drusen. Ebenso konnte ich sie
mit keiner der anderen, mir zu Gebote stehenden falschen Ipeca-
cuanhasorten identifizieren.
Damit war ich leider vorläufig zu Ende, eine Bestimmung der
interessanten Droge gelang mir nicht. Da schenkte mir Herr Hotrat
Professor Dr. Vogl in Wien bei Gelegenheit der Naturforscher-
versammlung 1894 eine Anzahl neuer Drogen und darunter die
Wurzel der Caprifoliacee Triosteum perfoliatum L., die
neuerdings auch als Ipecacuanha vorkommt. Eine Vergleichung
dieser Wurzel mit der Andree’schen zeigte die grolse Aehnlichkeit
und eine mikroskopische und chemische Prüfung wies die Identität
beiler nach. Es liegt also hier der interessante Fall vor, ähnlich
wie bei dem erwähnten Jonidium, dafs dieselbe Wurzel als Sub-
stitution der Ipecacuanha und als Verfälschung der Senega vorkommt.
Die Gattung Triosteum umfalst 5 Arten, von denen eine im
Himalaya, zwei in China und Japan und zwei in Nordamerika vor-
kommen. Triosteum perfoliatum findet sich besonders in
den östlichen und südöstlichen Staaten der Union, könnte also
wohl mit der Senega zusammen vorkommen und gesammelt werden
trotz des recht verschiedenen Aussehens beider Pflanzen, wenn man
nicht eine absichtliche und betrügerische Beimergurg der vielleicht
unverkäuflichen Triosteumwurzel annehmen will. Die Pflanze ist
eine Stande, die aus dem dicken, knorrigen Rhizom ein oder mehrere
Stengel eutsendet, die fast 1 m hoch werden können. Die sitzenden,
120 C. Hartwich: Falsche Senegawurzel.
ganzrandigen, gegenständigen, etwa 8 cm langen, in der Mitte etwa
3 cm breiten Blätter sind am Grunde mit einander verwachsen,
unterseits flaumhaarig oder filzig. Die fünfteiligen, etwas zygo-
morphen Blüten stehen in Wirteln, die zuweilen eine kurze terminale
Aehre bilden. Die Kelchblätter sind schmal, abstehend, am Rande
“ gewimpert, meist parpurrötlich, von Länge der Üorolle. Letztere
purpurrot, am Grunde ausgesackt, Zipfel kurz, aufrecht. Die Frucht
ist eine lederige, 3—5fächrige, 3—5samige Beere von purpur-schar-
lachroter Farbe. (Abbildung der Pflanze in: Monet de La Mark,
Illustration des genres, 1791, Tafel 150. Die Pflanze führt in Amerika
eine Anzahl heimischer Namen, die z. T. auf ihre Verwendung hin-
weisen: Tinkers Weed, Wild Fever Root, Feverwort, Horsegentian,
Bastard Ipecac, Wild Coffee.
Diese Verwendung ist eine ziemlich ausgedeknte: das Rhizom
mit den Wurzeln dient als Fiebermittel und Purgans, in stärkeren
Dosen als Emetikum, in Georgia benutzt man es gegen Rheumatismus,
die harten Samen sollen ein Kaffeesurrogat liefern.
Das Rbizom und die Wurzeln waren früher in Nordamerika
offieinell, die neueste Auflage der Pharmacopoeia of the United States
of Amerika von 1893 hat die Droge nicht mehr.
Die mir vorliegende Droge besteht aus einem gelbbraunen bis
dunkelbraunen Wurzelstock, der in den meisten Fällen aufserordent-
lich verbogen und knorrig, etwa 9 cm lang wird und auf der Ober-
seite Reste der bis 1 em dicken Stengel erkennen läfst. Von den
Seiten und nach unten gehen vom Wurzelstock in ziemlicher Menge
Wurzeln ab, die bis 1,2 cm dick werden. meist aber nicht mehr wis
1/, cm im Durchmesser haben, oft auch viel dünner sind. Die
Wurzeln sind an meinem Muster nicht länger wie 12 cm, aber natür-
lich abgebrochen. Ihre Farbe ist ein gelb'iches Graubraun, im All-
gemeinen etwas heller wie beim Wurzelstock. Sie sind zart längs-
runzlich und zeigen hier und da Querrisse. Zuweilen ist auf kürzere
Strecken die Rinde abgesprungen, so dafs hier der dünne Holz-
körper zum Vorschein kommt. (Fig. 1). Die ganze äulsere Erschei-
nung zeigt allerdings grofse Aehnlichkeit mit manchen falschen
Ipecacuanhasorten, speziell der Richardsonia. Dagegen ist an eine
Verwechslung mit der echten Ipecacuanhı, die viel dunkler gefärbt
ist und die bekannten Einschnürungen zeigt, nicht zu denken. In
C. Hartwich: Falsche Senegawurzel, 121
der That ist meines Wissens auch eine Verfälschung der Ipecacuanha
mit Triosteum nicht bekannt geworden, vielmehr geht die letztere
als besondere selbständige Sorte.
Anders ist es mit der Senega. Hier ist die Aehnlichkeit auf
den ersten Blick gar keine geringe, die Farbe ist ziemlich überein-
stimmend, ebenso die Stärke der meisten Wurzeln und die Längs-
runzelung, manche Wurzeln sind auch ziemlich regelmälsig hin- und
hergebogen. Natürlich fehlt aber der für Senega so charakteristische
Kiel, wie ja selbstverständlich bei genauerer Betrachtung der Unter-
schied beider deutlich in die Augen springt. Immerhin ist die
Aehnlichkeit eine so grolse, dafs man offenbar die Triosteum-Wurzel
in der Senega meist übersehen haben wird. Es läfst sich doch nicht
annehmen, dafs die verfälschte Droge nur in die Hände des Herrn
Andree gelangt ist, aber nur seiner Sorgfalt gelang es, die Ver-
fälschung sofort zu erkennen. Soviel ich weils, ist wenigstens ihr
Auftreten sonst nirgends berichtet worden.
Auf dem Querschnitt durch den Wurzelstock erkennt man schon
mit der Lupe eine relativ dünne Rinde, die in der schmäleren
äufseren Partie heller, nach innen dunkler braun ist, dann einen
hellen Holzkörper von strahligem Bau und ein ansehnliches Mark.
Ein Stück der trocknen Wurzel, die 5 mm dick ist, hat eine
Rinde von 3 mm und einen Holzkörper von 2 mm; wie man sieht,
ist die Dicke der Rinde recht erheblich, steht aber doch in keinem
Vergleich zu der der Ipecacuanla. Viel gröfser ist die Differenz
bei der in Wasser aufgequollenen Wurzel, sie quillt dann etwa auf
das Doppelte, eine solche Wurzel zeigte dann z. B. eine Rinde von
2,2 mm und einen Holzkörper von nur 0,8 mm. Selbstverständlich
ist es fast die Rinde allein, die quillt.
Auf dem Querschnitt durch die Wurzel (Fig. 2) erkennt man
ebenfalls einen strahligen Holzkörper, natürlich ohne Mark. In der
Rinde hebt sich sehr deutlich, wie beim Rhizom, eine diinnere, hellere,
äufsere Partie von der dunkleren inneren Rinde ab. (Fig. 2a).
Der mikroskopische Bau ist recht charakteristisch und ermöglicht
besonders, die Droge sowohl von der Senega wie von der Ipecacuanha
mit Leichtigkeit zu unterscheiden.
Die äufsere Korkbedeckung ist dünn, ihre Zellen flach, sie
zeigen nichts Charakteristisches. Darauf folgt eine Schicht ziemlich
122 C. Hartwich: Falsche Senegawurzel.
grolser, zusammengeprelster Zellen, die hier und da eine Oxalat-
druse enthalten, sonst aber leer sind (die primäre Rinde). Zwischen
dieser Schicht und der sekundären Rinde liegt eine zweite, 4—5
Zelireihen starke Schicht von Korkzellen, die sich sehr eigentümlich
verhalten. Die Zellen der am weitesten nach aufsen liegenden Reihe
strecken sich aufserordentlich stark radial (Fig. 4a), so dals sie
später fast den Eindruck von Trichomen machen, oder an die be-
kannten tonnenförmigen Zellen auf der Samenschäle der Mandel er-
innern (Fig. 5a). Sie sind dann verholzt. Infolge dieser starken
Streckung ist, wie soeben erwähnt, die primäre Rinde in radialer
Richtung so stark zusammengeprelst. Offenbar haben diese sich
streckenden Zellen die Funktion, das Abwerfen der aufserhalb der-
selben gelegenen Partieen zu erleichtern. Man kann auf Quer-
schnitten deutlich sehen, dafs diese Zellen sich sehr ungleichmälsig
ausbilden, zwischen ganz langgestreckten kommen kürzere Formen
vor, oft fehlen sie auf kürzere Strecken, da nicht alle Zellen sich
in der geschilderten Weise strecken, immer aber sieht man dann
die darüber liegenden Gewebe emporgehoben. Mir ist ein gleiches
Vorkommnis nicht bekannt geworden. Eine gewisse Analogie bietet
die Bildung des interessanten Aerenchyms bei Wasserpflanzen,
dessen Function aber selbstverständlich eine ganz andere ist. (Vgl.
Schenck, Jahrbücher f. wissensch. Botanik XX, p. 526.
Ich habe erwähnt, dafs diese Zellen die äufseren Partieen ab-
heben oder ihr Abwerfen befördern, und in der That findet man an
den meisten Stücken der Droge die Peripherie begrenzt durch die
innere Korkschicht, von der die lockeren Zellen natürlich leicht ab-
brechen. Man könnte auf den ersten Blick dann zweifeln, ob man
überhaupt dieselbe Droge vor sich hat. Indessen gelingt es ge-
wöhnlich, wenn man die Schnitte in Natronlauge stark quellen lälst
wenigstens einige der Zellen noch aufzufinden.
In der sekundären Rinde sind Mark- und Baststrahlen ohne
weiteres nicht zu unterscheiden, man erkennt sie aber mit Deutlich-
keit wenigstens in der Nähe des Kambiums, wenn man die Stärke
mit Chloralhydrat teilweise löst und dann mit Jod färbt, es heben
sich dann die schmalen Baststrahlen von den breiten Markstrahlen
sehr deutlich ab. Die Rinde enthält reichlich Oxalat in kleinen
Drusen und Stärke. Die letztere besteht aus einzelnen oder zu
C. Hartwich: Falsche Senegawurzel. 123
zweien und dreien zusammengesetzten Körnchen, sie sind rundlich,
länglich, auch wohl nierenförmig, bis 15 « grols und mit einem
Spalt versehen. Schichtung ist nicht zu erkennen. (Fig. 3.)
Der Holzkörper zeigt ebenfalls einige Eigentümlichkeiten. Er
besteht aus 1—5 Zellreihen breiten Markstrahlen, deren Zellen
radial gestreckt und deutlich getüpfelt sind und ebenso breiten
Holzstrahlen, die aus Tüpfelgefälsen, mälsig stark verdickten Fasern
und spärlichem Holzparenchym bestehen. Sehr charakteristisch ist
es nun, dals bei den Fasern nur die Mittelmembran sich mit Phloro-
gluein und Salzsäure rot fürbt, die Verdickungsschichten dagegen
nicht, sie fürben sich mit Chlorzinkjod deutlich, wenn auch nicht
eben stark, violett, sind also nicht verholzt. Dagegen sind die
Markstrahlen durchweg verholzt. Das Holzparenchym verhält sich
wie die Fasern, die dünne Innenmembran ist nicht verholzt. (Fig. 6.)
Das Rhizom ist ebenso gebaut, läfst aber, wie schon gesagt, ein
deutliches Mark erkennen. Die Rinde ist verhältnismälsig dünn.
Ferner machte Herr Andree darauf aufmerksam, dafs die von
ihm gefundene Wurzel ein Alkaloid enthalte, welches er für Emetin
hielt. Gelegentlich unserer Korrespondenz teilte er mir dann mit,
dals er sich dabei wesentlich auf die Blaufärbung stützte, die mit
einer Lösung von Ammonium-Molybdat in konzentrierter Schwefelsäure
und Zusatz eines Tröpfchens konzentrierter Salzsäure eintrat, wo-
gegen die Orangefärbung mit konzentrierter Salzsäure und Chlorkalk
resp. Kaliumchlorat weniger sicher eintrat. Selbstverständlich war die
Frage von sehr grolsem Interesse, ob in der Triosteum-Droge
Emetin vorkommt. An und für sich mufste man bei der sehr nahen
Verwandtschaft der Caprifoliaceen, zu denen Triosteum gehört, mit
den Rubiaceen, zu denen die Ipecacuanha gehört, die Möglichkeit
zugeben.
Zur Darstellung /des Alkaloids wurde die gepulverte Droge mit
Alkohol erschöpft, der Alkohol abdestilliert, der Rückstand zur
Extraktkonsistenz eingedampft, mit Wasser aufgenommen und mit
Ammoniak alkalisch gemacht,
Diese ammoniakalische Lösung war anfangs braun, wurde aber
bald schön grün. Sie wurde mit Aether ausgeschüttelt, die ätherische
Lösung sauer gemacht, mit Wasser ausgeschüttelt, diese Operationen
wiederholt und der Aether schliefslich verdunstet. Das zurück-
124 C. Hartwich: Falsche Senegawurzel.
bleibende Alkaloid war noch etwas gelblich gefärbt, aber deutlich
in Nadeln krystallisiert. Es betrug 0,029 Proz. der Droge und gab
deutliche Niederschläge mit Meyer’s Reagens, Phosphorwolframsäure,
Phosphormolybdänsäure und Pikrinsäure.
Bei der Reaktion, wie sie Herr Andree ausgeführt hatte, erhielt
ich zuerst beim Behandeln mit der Lösung von Ammoniummolybdat
in Schwefelsäure eine braune Färbung, die auf Zusatz von Salzsäure
blau oder blaugrün und nach 24 Stunden rein grün wurde.
Vier verschiedene daneben untersuchte Sorten von Emetin ver-
hielten sich genau ebenso.
Ein geringer Unterschied zwischen dem Triosteumalkaloid und
dem Emetin zeigte sich, wenn ich eine Lösung von Phosphormolyb-
dänsäure in Schwefelsäure verwendete, die Emetine lösten sich rot-
braun, das Triosteumalkaloid mehr grau, auf Zusatz eines Tröpfehens
Salzsäure wurden die Emetine schnell grün, das andere zunächst
bräunlich ; nach 6 Stunden war alles blau, nach 24 Stunden alles
grünlich blau.
Ich will indessen gestehen, dafs ich auf diesen Unterschied vor-
läufig kein grofses Gewicht legen möchte, da, wie gesagt, das neue
Alkaloid nicht völlig rein war.
Anders war es mit der zweiten, für den Nachweis von
Emetin besonders entscheidenden Reaktion. Ich habe den Versuch
nach dem Deutschen Arzneibuch und nach Pharmacopoea Helvetica III.
gemacht, also neben Salzsäure Chlorkalk resp. Kaliumchlorat ver-
wendet. In keinem Falle trat dabei eine orangerote, sondern nur
eine rein gelbe Färbung auf, wie sie das Reagenz allein eben-
falls zeigt.
Das Alkaloid von Triosteum perfoliatum ist danach sicher kein
Emetin, sondern dürfte der Pflanze eigentümlich sein, man wird ihm
den ihm zukommenden Namen: Triostein geben müssen. Meines
Wissens ist es das erste in einer Caprifoliacee aufgefundene Alkaloid.
Zu einer weiteren Untersuchung reichten die wenigen mir zu Gebote
stehenden Centigramm leider nicht aus.
Erklärung der Figuren.
1. Ein Stück der Wurzel in natürlicher Grölse mit teilweise abge-
sprungener Rinde.
Querschnitt durch die Wurzel. a) primäre Rinde; b) sekundäre
Rinde: c) Holzkörper.
I)
on
Dr. Carl Boettinger: Ueber Glukosazon. 12:
3. Stärkekörnchen.
4. Querschnitt durch die Grenzzone zwischen primärer und sekun-
därer Rinde. a) die sich stark streckende äulsers:e Lage der
inneren Korkzone; bc) primäre Rinde: d) sekundäre Rinde.
5. Querschnitt wie Fig. 4 einer älteren Wurzel; abed wie bei Fig. 4.
6. Querschnitt durch das Holz. 2) Markstrahlen: b) Holzstrahlen ;
c) Gefälse.
Ueber Glukosazon aus Sumach und Yallonen.
Von Dr. Carl Boettinger.
(Eingegangen den 22. II. 1895.)
Im 259. Bande, Seite 125 von Liebig’s Annalen habe ich eine
Studie über die Einwirkung von Phenylhydrazin auf Gerbeextrakte
veröffentlicht, in der sich auch Angaben über die Osazone des in
dem Sumach und den Vallonen vorkommenden Zuckers vorfinden.
Dieselben beziehen sich auf die Abscheidung und die Eigenschaften
der Osazone, also auf Löslichkeits- und Zersetzlichkeitsverhältnisse
und den Schmelzpunkt. Aus den in der bezeichneten Abhandlung
erwähnten Rindenextrakten vermochte ich das Osazon des in den-
selben enthaltenen Zuckers nicht in reinem Zustand zu isolieren.
Dies gelang auch nicht, als der Gerbstoff daraus in Form der
in Wasser nicht löslichen Acetverbindung abgeschieden und das
Filtrat hernach mit Phenylhydrazin gekocht wurde. Dagegen habe
ich neuerdings wieder das ÖOsazon des Zuckers aus Sumach und
Vallonen isoliert und analysiert. Die beiden Verbindungen erwiesen
sich in jeder Beziehung identisch mit einander und mit dem Osazon
des Traubenzuckers. Sie schmelzen bei 206%. Um sie aber in dem
Zustande vollkommener Reinheit zu gewinnen, mu[s man zuerst aus
Methylalkohol und dann aus Aceton umkrystallisieren. Die feder-
fahnenähnlichen Ausblühungen sind für sie besonders charakteristisch.
Nur so gelingt es eine dem Glukosazon offenbar nahestehenden, bei
223° sinternden Bestandteil des Rohosazons aus Sumach zu ent-
fernen, welcher für sich in kochendem Alkohol und Aceton aufserordent-
lich schwer löslich, in salzsäurehaltigem Alkohol dagegen leicht löslich
ist. Die gereinigten Körper sind von dem aus Traubenzucker dar-
gestellten Glukosazon nicht zu unterscheiden und besitzen auch die
chemischen Eigenschaften. desselben.
126 Dr. Carl Boettinger: Ueber Glukosazon.
Die Analyse des Glukosazons aus Sumach ergab folgende Werte:
I. 0,188 g Substanz lieferten 0,4144 g Kohlensäure oder 60,12 Proz. C
und 0.1102 g Wasser oder 6,51 Pıoz. H.
Die Analyse des Glukosazons aus Vallonen ergab folgende Werte:
II. 0,1772 g Substanz lieferten 0,3924 Kohlensäure oder 60,39 Proz. C
und 0,1031 g Wasser oder 6,46 Proz. H.'
Ber ER: : Gefunden:
= en Proz. EC = 60,127 60,39 Broz
H= 6,14 5 H= 6, Fr 6,46
”
Bei dieser Gelegenheit will ich erwähnen, dafs die Glyoxyl-
säure mit Traubenzucker zu einer leicht zersetzlichen, acetal-
artigen Verbindung zusammentritt. Ich habe aber bislang noch kein
Mittel gefunden, diese Substanz in reinem Zustand zu isolieren. Wird
ein Gemisch von 2 g wasserfreiem, sogenanntem chemisch reinen
Traubenzucker und 2 g Glyoxylsäure von 1,32 spez. Gewicht gelinde
erwärmt, so erfolgt nach kurzer Zeit Auflösung. Der dicke Sirup
wird ganz leicht aufgenommen von Wasser, absolutem Alkohol,
Methylalkohol und Aceton. Durch Zusatz von Aether zur alkoholi-
schen Lösung beseitigt man eine Verunreinigung des Trauben-
zuckers, welche sich flockig abscheidet. Die wässerige Lösung der
Substanz reagiert sauer und trocknet im Exsikkator zu einem
farblosen Glasse aus. Wird sie in einer Porzellanschale
schwach mit Ammoniak übersättigt und dann erwärmt, so färbt sie
sich in charakteristischer Weise erst gelb, dann dunkelorange.
Diese Reaktion beweist, dafs die Lösung eine eigenartige Verbindung
enthalten muls, denn weder der Traubenzucker, noch die Glyoxylsäure
liefern unter diesen Bedingungen eine entsprechende Färbung. Die
mit Chlorcaleium und Ammoniak versetzte wässerige Lösung wird
beim Erhitzen rostfarben und scheidet feine, bräunliche, in ver-
dünnter Essigsäure vollkommen lösliche Kryställchen ab. Die mit
Ammoniak nahezu neutralisierte Lösung bleibt beim Versetzen mit
Bleiacetat klar. Beim Aufkochen wird sie rotbraun und sie scheidet
ein ebenso gefärbtes Salz aus. Die Substanz reduziert Kupferoxyd
in alkalischer Lösung. Wird ihre Lösung mit Phenylhydrazin und
Essigsäure versetzt und längere Zeit im Wasserbade erwärmt, so
scheiden sich erst bald erstarrende Oeltropfen und alsdann Nadeln
von der Form des Glukosazons aus. Die Abscheidung wird von
kochender stark verdünnter Natronlauge zerlegt in unlösliches Glu-
Dr. H Pommerehne: Ueber Alkaloide von Berbh. aquif. er
kosazon und eine lösliche Verbindung, welche aus der Lösung
durch Salzsäure abgeschieden werden kann.
Ich gedenke mich noch weiter mit der Verbindung zu beschäf-
tigen und werde auch andere Zuckerarten in den Kreis dieser Unter-
suchung ziehen, demnächst aber eine schon nahezu fertig gestellta
Untersuchung über die Kondensationsprodukte der Glyoxylsäure
mit Glyeocoll unddendriAmidobenzoesäuren mitteilen.
Darmstadt, 20. Februar 1895.
Chem. Tech. Laboratorium (Privat).
Mitteilungen aus dem pharmaceutisch-chemischen
Institute der Universität Marburg
58. Beiträge zur Kenntnis der Alkaloide von
Berberis aquifolium.
Von Dr. H. Pommerehne.
(Eingegangen den 15. XII. 1894.)
Bereits ziemlich früh ist das Vorhandensein von Berberin in
‚den beiden Hauptvertretern der Familie der Berberideen Derberis
vulgaris und Berberis aquifolhum konstatiert, die Base daraus dar-
gestellt und nach den verschiedensten Richtungen hin untersucht
worden. Indessen war es bei der Gewinnung des Berberins aus
den Wurzeln obiger Pflanzen zunächst unbemerkt geblieben, dafs
dieselben noch weitere Alkaloide enthielten. Erst Wacker!) war
es vorbehalten, darauf aufmerksam zu machen, dafs in der Wurzel
von Berberis vulgaris, aulser Berberin, noch ein weiteres Alkaloid
enthalten ist. welches von ihm als Oxyacanthin bezeichnet wurde.
Später wies jedoch Hesse?) nach, dafs in der bei der Berberin_
darstellung verbleibenden Mutterlauge durch kohlensaures Natrium
ein Niederschlag entsteht, welcher noch zwei Alkaloide enthält, von
denen er das eine, durch gesättigte Natriumsulfatlösung fällbare, als
Oxyacanthin bezeichnete, das andere, aus der Mutterlauge des
Oxyacanthins durch Zusatz gesättigter Natriumnitratlösung abscheid-
bare, Berbamin benannte. Für ersteres Alkaloid stellte Hesse
zunächst die Formel C,, Hs, NO, auf, jedoch entschloß er sich später,
1) Chem Centralblatt 1561, p. 332.
2) Berichts der deutsch.-chem. Gesel!sch. 1886, p. 1172.
128 Dr. H. Pommerehne: Ueber Alkaloide. von Berb. aquif.
auf Grund der von ihm ausgeführten Elementaranalysen, die von ihm
für das Berbamin acceptierte Formel C,H}, NO;, auch für das
Öxyacanthin anzunehmen.
Von weiteren Arbeiten über die Alkaloide dieser Wurzeln,
namentlich die von Derberis agwyfolum, sind die von Stubbeh)
und von Rüdel?) zu erwähnen. Von diesen Autoren wies ersterer
nach, dafs sich nach der von Hesse angegebenen Methode auch
aus der Wurzel von Derberis aqufolium aulser Berberin noch zwei
Alkaloide isolieren lassen und gab beiden die Formel C,s Hg NO;.
Stubbe nahm somit mit Hesse an, dals die beiden Alkaloide isomer
seien. Rüdel dagegen, dessen Arbeit die Identität der Alkaloide
der Wurzel von Derberis vulgarıs und aquifolium zum Gegenstande
hatte, konstatierte auf Grund der für das Oxyacanthin gefundenen
Werte, dafs diesem Alkaloide die Formel C,9 Hs, NO, zuzuerteilen,
und dafs letzteres somit mit dem Berbamin nicht als isomer, sondern
wahrscheinlich als homolog zu betrachten ist.
Da somit in betreff der dem Oxyacanthin zukommenden Formel
die Ansichten der verschiedenen Autoren auseinandergehen, so unter-
nahm ich es, auf Veranlassung meines hochverehrten Lehrers, des
Herrn Geh. Rat Prof. E. Schmidt, die Alkaloide dieser Wurzel,
insbesondere das Oxyacanthin, zum Gegenstande einer erneuten Unter-
suchung zu machen, um hierdurch weitere Aufschlüsse über die Zu-
sammensetzung und Eigenschaften dieser Base zu erhalten.
Als Ausgangsmaterial dienten mir etwa 80 g rohes schwefel-
saures Oxyacanthin, die Herr Dr. OÖ. Hesse aus den Mutterlaugen
von der Berberindarstellung gesammelt hatte, aus dessen Händen
ich sie durch Vermittelung von Herrn Geh. Rat Prof. Schmidt
zur weiteren Verarbeitung erhielt. Es sei mir gestattet, Herrn
Dr. OÖ. Hesse für diese Liberalität auch an dieser Stelle meinen
verbindlichsten Dank auszusprechen. Aulserdem gelangte ich noch
in den Besitz von 10 kg zerschnittener Wurzel von Derb. aquifol.,..
am daraus selbst noch einmal die darin enthaltenen Basen darzu-
stellen. Da aufserdem E. Merck in Darmstadt in letzter Zeit ein
krystallisiertes Oxyacantlin in den Handel bringt, habe ich auch
1) Inaug.-Dissert. Marburg 1890.
2, Inaug.-Dissert. Marburg 1891.
Dr. H. Pommerehne: Ueber Alkaloide von Berb. aquif. 129
dieses Präparat, zum Vergleich mit den selbst dargestellten Alkaloiden,
herangezogen.
Darstellung der Alkaloide aus der Wurzel von
Berb’’gurfor,
Ich bediente mich bei der Gewinnung derselben im wesentlichen
des von Hesse angegebenen Verfahrens, indem ich zunächst las zer-
kleinerte Material mit essigsäurehaltigem Wasser wiederholt aus-
kochte, bis dasselbe völlig erschöpft war. Die gesammelten Auszüge
wurden auf ein kleines Volum eingedampft und einige Tage zum Ab-
setzen bei Seite gestellt. Von dem dabei ausgeschiedenen, meist aus
Berberinacetat und Extraktivstoffen bestshenden Bodensatze, filtrierte
ich den flüssig gebliebenen Teil ab, behandelte den Rückstand noch
einmal mit essigsäurehaltigem Wasser und versetzte alsdann das
Filtrat mit Natriumcarbonatlösung, bis keine Abscheidung mehr dirch
dieselbe erfolgte. Den brauuschwarz gefärbten Niederschlag saugte
ich ab und wusch ihn so lange mit Wasser nach, bis das Ablaufende
nur noch schwach gelb gefärbt war. Zur weitern Reinigung löste ich
diesen Niederschlag in verdünnter Salzsäure und fällte letztere Lösung
nochmals mit Natriumcarbonat. Da der Niederschlag indessen trotz
wiederholter Fällung immer noch eine dunkelbraune Farbe hatte, so
versuchte ich die noch vorhandenen Farbstoffe möglichst dadurch ab-
zuscheiden, da/s ich den Niederschlag wieder in essigsäurehaltigem
Wasser löste und die neutrale Lösung mit Bleiacetat im Ueberschuls
versetzte. Nach dem Abfiltrieren des durch Einleiten von Schwetel-
wasserstoff ausgefallenen Schwefelbleies, verblieb eine rötlich gelb
gefärbte Flüssigkeit, aus der beim abermaligen Fällen mit Nairium-
carbonat ein Niederschlag von grauweilser Farbe sich abschied, so
dals die stark färbenden Stoffe auf diese Weise grölstenteils entfernt
waren.
In diesem Zustande benutzte ich jenas Alkaloidgemisch zur
weitern Trennung des in demselben enthaltenen Oxyacanthins und
Berbamins, indem ich dasselbe in salzsäurehaltigem Wasser löste und
der gelinde erwärmten Flüssigkeit soviel Natriumsulfat zufügte, dafs
nach dem Erkalten sich ein Teil letzteren Salzes wieder ausschied.
Von den Natriumsulfatkrystallen und dem mitausgeschiedenen Oxya-
canthin filtrierte ich den flüssig gebliebenen Teil ab und fügte zu
letzterem nochmals etwas Natriumsulfat zu, wodurch aufs neue eine
Fällung entstand. Es zeigte sich nun, dafs wenn ich die jedesmal
abfiltrierte Flüssigkeit in gleicher Weise mit Natriumsulfat behandelte,
stets noch Fällungen erfolgten, so dals eine scharfe Trennung des
Oxyacanthins vom Berbamin sich auf diese Weise wohl nicht bewerk-
stelligen läfst. Die gesamten durch Natriumsuifat erhaltenen Nieder-
schläge löste ich hierauf, nachdem ich sie durch Auswaschen mit
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bas. 2. Heft. {e)
130 Dr. H. Pommerehne: Ueber Alkaloide von Berb. aquif.
wenig kaltem Wasser von dem grölsten Teile des Natriumsulfats be-
freit hatte, in salzsäurehaltigem Wasser, fällte aus dieser Lösung die
treie Base aufs neue mit Natriumcarbonat, wusch den entstandenen
Niederschlag gut mit Wasser nach, um ihn dann unter Erwärmen
wiederum mit verdünnter Salzsäure in Lösung zu bringen. Beim Er-
kalten dieser Lösung schied sich bereits ein Teil des Oxyacanthin-
hydrochlorids in kleinen weilsen Warzen ab, die ich auf einem Saug-
filter sammelte, um dann die etwas eingedampfte Mutterlauge aufs
neue der Krystallisation zu überlassen. Ich erhielt jedoch aus letzterer
nur noch verhältnismälsig wenig Krystalle‘ und mu/ste daher ver-
suchen, das noch in Lösung befindliche Alkaloid auf andere Weise
zu isolieren. Zu diesem Zwecke fügte ich den nicht mehr kry:tallisier-
baren Mutterlaugen Platinchloridlösung im Ueberschuls zu, wodurch
noch ein beträchtlicher, lehmgelber Niederschlag entstand, den ich
sammelte, durch Auswaschen von der anhaftenden Mutterlauge mög-
lichst befreite, um ihn alsdann, nachdem ich ihn in Wasser suspen-
diert hatte, unter gelindem Erwärmen mit Schwefelwasserstoff zu zer-
legen. Sobald die überstehende Flüssigkeit sich geklärt hatte, filtrierte
ich das ausgeschiedene Schwefelplatin ab und dampfte die erhaltene
Flüssigkeit auf ein kleines Volum ein. Es krystallisierte jetzt zwar
abermals ein kleiner Teil des salzsauren Oxyacanthins aus, indessen
blieb noch immer ein beträchtlicher Teil der Alkaloide in Lösung.
Letztern Teil versuchte ich im krystallisierten Zustande dadurch zu
erhalten, dafs ich die Mutterlauge, die nicht mehr zum Krystallisieren
zu bringen war, mit Natriumcarbonat abermals ausfällte, den aus-
gewaschenen braunen Niederschlag trocknete und mit Aether im
Soxhlet'schen Apparate extrahierte. Hierbei verblieb nach dem Ver-
dunsten des Aethers eine fast rein weilse Masse, die ich alsdann
gleichfalls in das salzsaure Salz überführte. Die so erhaltenen
Krystallisationen reinigte ich schliefslich durch Tierkohle, bis sie
völlig weils waren und erhielt auf diese Weise etwa 6 g reines salz-
saures Oxyacanthin.
Die vom Natriumsulfatniederschlage getrennte Flüssigkeit neu-
tralisierte ich mit verdünnter Natronlauge, um sie unter gelindem Er-
wärmen mit Natriumnitrat zu sättigen. Es schied sich dabei ein
schmutzig gelber Niederschlag aus, den ich nach weiterm Reinigen
durch wiederholtes Ausfällen mit Natriumearbonat schlielslich in salz-
säurehaltigem_Wasser löste. Indessen schieden sich aus dieser Lösung
selbst bei längerm Stehen über Schwefelsäure keine Krystalle ab,
vielmehr trocknete die Flüssigkeit nur zu einer rotbraunen, firnis-
artigen Masse ein. Erst nach Ueberführung in das Platinsalz und
Zerleg>n desselben mit Schwefelwasserstoff begann die Lösung zu
krystallisieren. Indessen war die Ausbeute an reinem Hydrochlorid
eine sehr geringe, indem ich nur etwa 9,6 g davon erhielt. Auch ick
Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 131
konnte somit die bereits von Hesse und Stubbe beobachtete
Thatsache bestätigen, dals die Darstellung des Oxyacanthins und
Berbamins mit grolsem Verluste verknüpft ist, da stets ein nicht un-
beträchtlicher Teil der Alkaloide in den stark braun gefärbten Mutter-
laugen verbleibt, die sich jeder erfolgreichen Behandlung entziehen.
Aulfser diesen aus der Wurzel von Berberis aquifol. darge-
stellten Alkaloiden verwendete ich, wie bereits erwähnt, noch zur
Untersuchung 80 g rohes schwefelsaures Oxyacanthin von Hesse.
Letzteres behandelte ich zur Trennung des Oxyacanthins von noch
etwa beigemenstem Berbamin ebenfalls mit gesättigter Natriumsulfat-
lösung und die von dem hierdurch entstandenen Niederschlage ab»
filtrierte Flüssigkeit mit Natriumnitrat.
Ich erhielt durch letzteres Salz jedoch nur noch eine geringe
Fällung.
Dis auf diese Weise getrennten Basen führte ich abermals in
Hydrochloride über und reinigte die ausgeschiedenen Krystalle durch
wiederholtes Umkrystallisieren, unter Zusatz von Tierkohle, so lange.
bis sie rein weils erschienen und sich zur Analyse verwenden liefsen.
Da mir das auf diese Weise völlig reinerhaltene salzsaure Oxyacanthin
als Ausgangsmaterial für die Darstellung der freien Base, sowie der
übrigen Verbindungen derselben diente, so sei dessen in folgendem
Erwähnung gethan.
I. Oxyacanthin.
a) Salzsaures Oxyacanthin, C,4.Hsı NO;, HEI 7258, 0.
Dieses Salz wurde bereits von Wacker und Hesse aus
der Wurzel von Berberis vulgaris, von Rüdel aufserdem noch aus
der Wurzel von Berberis aquifolium dargestellt. Von diesem
Hydrochlorid giebt Wacker an, dafs dasselbe 4 Moleküle Krystall-
wasser enthalte, während Hesse und Rüdel mur 2 Moleküle
fanden. Zur Aufklärung dieser Differenz unterwarf ich dieses Salz
noch einmal der Analyse. Dasselbe hatte sich sowohl bei Anwen-
dung des von mir aus der Wurzel von Berb. aquifol. isolierten
Oxyacanthins, als auch bei Benutzung des von Hesse erhaltenen
Materials in glänzend weilsen, zu Büscheln gruppierten Nadeln, aus-
geschieden. Eine Verschiedenheit in den Krystallformen dieser
beiden Hydrochloride, wie sie Rüdel bemerkt zu haben glaubt,
habe ich nicht konstatieren können.
132 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin.
[4
Die Bestimmung des Schmelzpunktes liefs sich nicht ausführen,
da das Salz bei stärkerem Erhitzen, ohne zu schmelzen verkohlte.
In Uebereinstimmung mit Hesse und Rüdel fand auch ich
2 Moleküle Krystallwasser. Das Trocknen nahm ich in einem ver-
schlie(sbaren Gläschen vor, da das Salz an der Luft leicht wieder
etwas Feuchtigkeit anzog und infolgedessen schwer ein konstantes
Gewicht zu erzielen war. Wie es scheint, giebt auch das Salz bei
100° das Wasser völlig nicht ab; daher trocknete ich zunächst bis
100° und schliefslich noch bei 105%. Dabei verloren:
I. 0,3242 g Subst. 0,0304 g H,O = 9,37 Proz. H,O.
II. 024649 „ 0,0234 7 7,7 = >
Ta. 0 2022U 5 7, 00.0228 Eee
Bei längerem Liegen an der Luft giebt das Salz durch Ver-
witterung etwas Wasser ab, wenigstens fiel bei einer Reihe von
Wasserbestimmungen von Salz, welches längere Zeit an der Luft
aufbewahrt war, der Wassergehalt etwas zu niedrig aus. So
verloren:
I. 0,3560 g Subst. bei 100—105° 0,0310 H, O = 8,70 Proz. H,O
11.=03172:8, A = 0,0232 ;„ =83372 ei
702 1109er 5 * 0.0920 N ou
Gefunden bei Salz, welches verwittert war:
I. 8,70 Proz. H,O. Berechnet für C,9H,, NO,HC1+2H,0:
IT.7 3,880, » 9,38 Proz. H,O.
HT1.W68297 7; *
Die Chlorbestimmung führte ich durch direktes Fällen mit
Silbernitrat in salpetersaurer Lösung aus. Man darf indessen nicht
zu stark mit Salpetersäure ansäuern und nicht zu stark damit er-
hitzen, da sonst das in Lösung befindliche Oxyacanthinnitrat unter
Bildung von harzartigen Produkten eine Zersetzung erleidet, die sich
alsdann mit abscheiden und dem Chlorsilber beimischen. Ich erhielt
dabei folgende Resultate:
I. 0,3004 bei 100—1050 getrockneter Subst. ergaben
0,12135 AgCl = 9,99 Proz. Cl.
II. 0,2890 bei 1950 getrockneter Subst. 0,1195 AgCl
—= 10,23 Proz ee
III. 0,3118 lufttrockner Subst. 0,11615 AgCl = 9,20 Proz. Cl.
Da bei den Elementaranalysen des salzsauren Salzes die Werte
für den Kohlenstoff anfangs stets zu niedrig ausfielen, so dafs ich
vermutete, dem Oxyacanthin könnte doch die Formel Cs His NOz
Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 133
zukommen, so suchte ich durch möglichst genaue Bestimmung des
Chlorgehalts einen Anhaltspunkt für die Molekulargröfse des Oxy-
acanthins zu gewinnen und denselben vielleicht durch Titration er-
mitteln zu können.
Bei Anwendung von Y,, N. KOH und Phenolphtalein war in-
dessen die Endreaktion keine scharfe, so da[s die Werte immer etwas
zu hoch ausfielen im Vergleich zu den auf gewichtsanalytischem Wege
ermittelten:
0,2890 bei 100—105° getrockn. Subst. erforderten 8,9 ccm.
1/oö N- KOH = 0,031595 Cl = 10,93 Proz. Cl.
Besser anwendbar scheint dagegen die Titration mit !/,, N. Silber-
lösung unter Zusatz von Kal. chrom. als Indikator zu sein. Hiermit
riert, wurden für 0,3250 bei 100-1050 getrockn. Subst. 9,5 ccm
1/, Ag NO, verbraucht, die 0,03372 g Cl = 10,37 Proz. Cl entsprachen.
Eine weitere Probe versetzte ich mit 1/,, N. Silberlösung im
Ueberschufs, titrierte den Ueberschuls der letzteren mit Y. N.
Rhodanammonlösung zurück und fand, da/s zur Fällung des Chlors
aus 0,2890 bei 100-1050 getrockn. Subst. 8,2 ccm Y/„ Ag NO, ver-
braucht waren = 0,02911 g Cl = 10,07 Proz. Cl.
Auch nach Carius führte ich noch eine Chlorbestimmung aus;
diese ergab aus 0,1980 bei 100-1050 getrockn. Subst. 0,0771 Ag Cl
—= 10,119 Proz. Cl.
Gefunden:
I. durch Titrat. mit Y/,, N. AgNO, u. Kal. chrom. = 10,37 Proz. Cl.
II. durch Titrat. mit !/, N. AgNO, u. Rhodanammon = 10,07 Proz. Cl.
III. nach Carius — 10.49 Proz. Cl.
Berechnet: für C,9 H,, NO;, HCl = 10,21 Proz. Cl.
Bei der Elementaranalyse lieferten mit Bleichromat und vor-
gelegter reduzierter Kupferspirale verbrannt:
I. 0,2938 getrockn. Subst. 0,1609 H,O = 6,08 Proz. H.
0,6976 CO, = 64,75 Proz. C.
II. 0,2872 getrockn. Subst. 0,1600 H,O = 6,16 Proz. H.
0,6818 CO, = 64,78 Proz. C.
III. 0,3683 lufttrockner Subst. 0,2146 H,O = 6,47 Proz. H.
0,7858 CO, = 58,78 Proz. C.
Da die Wasser- und Chlorbestimmungen auf Werte hinwiesen,
welche der Formel C,, Hs; NO, entsprachen, so mulste ich annehmen,
dafs die Substanz, die an und für sich sehr schwer verbrannte,
nicht völlig verbrannt war, zumal im Schiffehen immer ein schwarzer
Hauch von Kohle zurückblieb, der selbst im Sauerstoffstrome nicht
zum Verbrennen zu bringen war. Auch ein Bestreuen der Substanz
im Schiffehen mit gepulvertem Bleichromat war ohne Erfolg. - Ich
134 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin.
verbrannte daher die Substanz nochmals im Liebig'schen Schnabel-
rohre, nachdem dieselbe mit viel frisch ausgeglühtem Kupferoxyd
angeschüttelt war.
I. 0,2316 lufttrockner Subst. ergaben 0,1463 H,O = {,1l Proz. H.
0,5008 CO, = 58,97 Proz. C.
II. 0,2200 bei 105° getrockn. Subst. ergaben 0,1324 H,0 = 6,68 Proz. H.
0,5258 CO, = 65,18 Proz. C.
Gefunden bei lufttrockner Substauz :
ıE 14: Ill. IV. Yi VI.
H,0 = 9,37 9,49 9,35 _ =: —
Cl — — — 9,20 — —
H — u — — — 6,47 TA
C — — = — 58,78 58,97
Berechnet für
C9H5, NO, HCI + 2H,0 C3H,NO, HCIi + 2H,0
H,0 = 9,35 Proz. H,0 =. 9,74 ‚Proz.
Gi 79728 = GIER 39:60 ei
Ha2 8 60 EEE
er 59.1510 Or ya:
Gefunden bei 100—105% getrockneter Substanz
T; 1. DE IV. V:
Cl. = 9,99 10,23 — — —
31, — 0,0 = — 6,08 6,16 6,68
Of == — — 64,75 64,75 65,18
Berechnet für
C,9 Hz, NO,, HCl C;H,N0,;, HCl
Ci = 10,21 Proz. Ci = 10,64 Proz.
IE 54635 > Hr 25:99 5
G Zub HE 2 - FGANonmE
Gefunden von Rüdel:
1. Er
H,0 —= 9,24 9,u5
Bee 0 —
H == — 6,59
@ et ge 65,25
Gefunden von Hesse:
il IE HT:
07 79,43 — —
H = 637 6,45 6,43
6; —= 64,54 64,98 64,48
Da die Differenz im Chlorgehalt zwischen den beiden Formeln
C;o H;ı NO,, HC] und Us H,o NO;, HCl
nur gering ist, so versuchte ich weiter das brom- und jodwasser-
Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 135
stoffsaure Salz darzustellen, da in diesen Salzen die Werte für den
Brom- und Jodgehalt weit grölsere Unterschiede zeigen.
b) Bromwasserstoffsaures Oxyacanthin:
C,9 Ha, NO,. HBr + 2H,0.
Ueber dieses Salz finden sich in der Litteratur bisher keine
Angaben. Ich erhielt dasselbe, indem ich die freie, aus dem reinen
salzsauren Salz dargestellte Base fein zerıiieben in Wasser suspen-
dierte und unter gelindem Erwärmen soviel verdünnte Bromwasser-
stoffsäure zufügte, bis die Base gelöst war und die Flüssigkeit eine
schwach saure Reaktion zeigte. Die Lösung darf nicht zu sauer
sein, da sonst leicht eine Zersetzung und Braunfärbung unter Ab-
scheidung von Brom eintritt. Beim Erkalten der Lösung schied
sich das Salz in weilsen, seidenglänzenden zu Drusen gruppierten,
Nadeln aus, die dem salzsauren Salze in ihrem Aussehen ganz älın-
lich waren. Bei der Wasserbestimmung verloren bei 100°:
I. 0,1833 Subst. 0,0157 H,O —= 8,56 Proz. H,O.
II. 0,0832 Subst. 0,0074 H,O = 8,39 Proz. H,O.
Die Brombestimmung wurde in gleicher Weise wie die Chlor-
bestimmung durch direktes Ausfällen mit Silbernitrat ausgeführt und
dabei folgende Werte erhalten:
I. 0,0808 getrockneter Subst. ergaben 0,0396 Ag Br = 20,19 Proz. Pr.
11. 0,3912 lufttrockner Subst. ergaben 0,17235 Ag Br = 18,79 Proz. Br.
Gefunden:
Bei 100% getrockneter Substanz bei lufttrockner Substanz
1. IE
H,0 = 8,39 8,56 7,0 = _
Br = 20,19 —_ Br = 18,79 Proz.
Berechnet für
CasH,NO,,HBr+2H,0 Cs Hja NO; , HBr + 2H,0
H,0 = 8,41 Proz. H,0 = 8,64 Proz.
Bing Briı== 1982 in,
Berechnet für
Cs H;,; NO, ,H Br C,H NO; , HBr
Br = 20,40 Proz. Br = 21,16 Proz.
c) Jodwasserstoffsaures Oxyacantbhin:
Cs Hz; NO;,,HJ + 2H,0.
Auch über die Zusammensetzung und die Eigenschaften dieses
Salzes sind in der Litteratur bisher keine Angaben vorhanden. Ich
stellte dasselbe in der Weise dar, dals ich die freie Base mit
136 Dr. H, Pommerehne: Ueber Oxyacanthin,
soviel verdünnter, völlig farbloser HJ versetzte, bis bei gelindem
Erwärmen Lösung eintrat und nur eine schwach saure Reaktion
vorwaltete. Ich fügte alsdann noch ein wenig Alkohol, sowie einige
Tropfen schwefliger Säure zu, um die durch ausgeschiedenes Jod
verursachte schwache Gelbfärbung wieder fortzunehmen, und stellte
dann die Lösung, vor Licht möglichst geschützt, zur Krystallisation
zur Seite. Hierbei schied sich das Salz in ganz kleinen, weilsen
Warzen ab, die indessen nicht so gut ausgebildet waren, wie die
Krystalle der beiden andern halogenwasserstoffsauren Salze. Auch
besals dals Oxyacanthinhydrojodid, trotz aller angewandten Vorsichts-
malsregeln, eine schwach gelbliche Farbe, die indessen für die
weitere Verwendung desselben zur Analyse ohne Belang war. Es
ist dieses Salz weit weniger beständig, wie das entsprechende Hydro-
chlorid und Hydrobromid, da schon bei der Darstellung desselben
eine Gelbfärbung eintritt, die sich beim Stehen an der Luft und am
Licht noch derartig vermehrt, dafs schliefslich die ganze Flüssigkeit
stark gefärbt erscheint; gleichzeitig tritt auch eine Abscheidung
dunkel gefärbter Produkte ein, die selbst durch Zusatz von schwefliger
Säure nicht wieder zu entfernen sind. Aus der Mutterlauge noch
weitere Krystalle zu erzielen, gelang mir nicht, obwohl ich dieselbe
bei völligem Lichtabschlufs langsam über Schwefelsäure verdunsten
lies, da unter starker Bräunung Zersestzung eintrat. Das Oxy-
acanthinbydrojodid ist in kaltem Wasser verhältnismäfsig schwer
löslich, leichter in heifsem Wasser und verdünntem Alkohol. Der
bei der Wasserbestimmung gefundene Wert entsprach 2 Molekülen
Krystallwasser.
I. 0,3050 Substanz verloren bei 1009 0,0226 H,O = 7,40 Proz. H,0-
Das durch Fällung mittelst Silbernitrat erhaltene Jodsilber be
trug aus
I. 0,2824 bei 100° getrockneter Substanz 0,1517 Ag J = 29,02 Proz. J.
11. 0,2018 lufttrockner Substanz 0,0999 AgJ = 26,74 Proz J.
Gefunden bei
getrockneter Substanz lufttrockner Substanz
H,0 = 7,40 Proz. H,0 = we
3 2902 I .; = 126, 174@Proz:
Berechnet für
C,9 Ha; NO,, HJ + 2H,0 C,H NO; , HJ + 2H,0
#0. —= "7,30 eroz. 3,0 = EU:
Pi 26,710 , 3a aha
Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin, 137
Berechnet für
Cy9 Hz, NO, H.) Cs Hı9a NO, HJ
HO= — HO= —
3) —= 28,92 Proz. J —= 29,33 Proz.
Den Schmelzpunkt des getrockneten Salzes fand ich zwischen
256— 258.
d) Schwefelsaures Oxyacanthin:
(Cj9 Ha, NO,); H, SO, + 4 H,0.
Zur weitern Charakterisierung des Oxyacanthins analysierte
ich auch das schwefelsaure Salz noch einmal. Es ist dasselbe
bereits von Stubbe und von Rüdel untersucht, und von
ersterem ein Krystallwassergehalt von 2 Molekülen, von letzterem
ein solcher von 4 Molekülen angegeben worden. Zur Darstellung
dieses Sulfats löste ich die reine Base unter Erwärmen in schwefel-
säurehaltisem Wasser auf; schon beim Erkalten schied sich das
Salz gröfstenteils in Krusten aus, die sich bei näherer Betrachtung
als aus lauter kleinen würfelähnlichen, harten Krystallen bestehend
erwiesen. Nur an den Wandungen des Gefäfses hatten sich auch
einige Einzelkrystalle, die etwas besser ausgebildet waren, ab-
geschieden. Es scheint indessen, als ob dieses Salz in ver-
schiedenen Krystallformen auftritt, wenigstens erhielt ich aus den
Mutterlaugen weiche, seidenglänzende Krystalle in Gestalt von
Nadeln, die im Aussehen von ersteren völlig verschieden waren.
Eine Schmelzpunktbestimmung war nicht ausführbar, da das
Salz zusammensinterte und schliefslich, ohne zu schmelzen, verkohlte.
Bei Bestimmung des Wassergehaltes fand ich übereinstimmend mit
Rüde] 4 Moleküle; es verloren bei 110—115°
I. 0,3066 Substanz 0,0290 H,O = 9,45 Proz. H,O.
TEN WatgDe OPRRSO enge? El, Dar DRBINNGT
III. 0,3431 = 0,0298. 22/2 7808 2% =
Auch ich machte beim Trocknen dieses Salzes die Beobach-
tung, dals bei 100° das Wasser noch nicht völlig abgegeben wurde;
erst beim Steigern der Temperatur auf 110—115° wurde alles Wasser
ausgetrieben. Hierbei färbte sich die Substanz ein wenig gelb, in-
dessen war dieses ohne Bedeutung für die weitere Verwendung der-
selben zur Schwefelsäurebestimmung und Elementaranalyse.
138 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin.
Die Schwefelsäure bestimmte ich durch Fällen der mit HCI
stark angesäuerten Lösung der Substanz mittelst Chlorbaryum und
gelangte dabei zu folgenden Werten:
I. 0,4145 lufttrockene Subst. ergaben 0,1218 Ba SO, = 10,087 SO;.
II. 0,2754 bis zum konstanten Gewicht getrockne Substanz
ergaben 0,0915 Ba SO, = 11,34 Proz. SO;.
Auch durch Titration mittelst Y N.KÖOH unter Zusatz von
Phenolphtalein suchte ich die Schwefelsäure zu bestimmen, indessen
fielen die dabei gefundenen Werte gegen die auf gewichtsanalytischem
Wege erhaltenen stets etwas zu hoch aus, was wohl daraus sich
erklärt, dafs die Endreaktion keine scharfe ist. Es erforderten:
I. 0,2148 lufttrockener Substanz 5,7 ccm !/,;, KOH = 10,61 Proz. SO,.
II. 0,3062 lufttrockner Substanz 8,2 cem Y/,, KOH = 16,71 Proz. SO;.
III. 0,2754 bei 1150 getrockn. Subst. 7,9 ccm Y,, KOH = 11,47 Proz. SO;,
Die Elementaranalysen lieferten folgende Daten:
I. 0,2776 bei 110—115° getr. Subst. ergab 0,1500 H,O = 6,00 Proz. H-
0,6407 CO, = 62,93 Proz. C’
II. 0,1984 0,1076 H,O = 6,02 Proz. =
»
III. 0,2344 lufttrockener ee 0,1432 H,O = 6,78 Proz. H.
0,4964 CO, — 57,57 Proz. C.
Gefunden bei lufttrockener Substanz:
1 11. Bi IV. V:
H,O —= 9,45 Proz. 8,85 Proz. 8,68 Proz. — —
3,0 — —- Br — 10,08 Proz. —
H = — — = 6,78 Proz.
(a ar Be L —_ 57,97 Proz.
Berechnet für:
4,07 —2:9097Pro2: H,0 = 9,42 Proz.
SO, = 10,10 , SO, = 1047 „
3 Hr: BR
BG — 554,52, u re
Gerunden bei 110—115° getrockneter Substanz:
T. II. III.
SO, = 11,34 Proz. = ——
Ei 6,02 Proz. 6,00 Proz.
C= 63,23 Proz. 62,93 Proz.
Berechnet für:
(Cs Hz NO3), H, SO, (Cs Hı9 NOz) H,O,
SO, = 11,11 SO, = 11,56 Proz.
FH, 2611 H — “ae
GI Er PER
Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 139
Gefunden von Rüdel:
I. IT. IH. IV.
H,0 = 9,% En 8,98 9,16
SO, = 10,97°°_ 10,99 = _
ENsenet ae 6.38 u
5 EEE H 63,06 =
e) Salpetersaures Oxyacantbhin:
Cyg Hsı NO, HNO, +2H,0.
Zur Gewinnung dieses bisher nicht dargestellten Salzes suspen-
dierte ich die freie, aus dem salzsauren Salze erhaltene reine Base
in viel Wasser, fügte zunächst in der Kälte soviel verdünnte
Salpetersäure zu, dals die Lösung ganz schwach sauer reagierte
und erwärmte darauf gelinde, indem ich noch tropfenweise soviel
Salpetersäure zufügte, bis die Base in Lösung gegangen war. Es
ist nötig, hierbei eine möglichst verdünnte Salpetersäure anzuwenden
und nicht zu lange zu erwärmen, da andernfalls sich sehr leicht
gelbe, harzartige Zersetzungsprodukte bilden. Beim Erkalten schied
sich das Salz in kleinen, glänzend weilsen Warzen aus. Die von
der ersten Krystallisation abfiltrierte Mutterlauge suchte ich weiter
einzudampfen, indessen wirkte hierbei die Salpetersäure unter Gelb-
färbung etwas zersetzend ein. Da das Salz in kaltem Wasser ziem-
lich schwer löslich ist, leichter dagegen sich in heilsem Wasser löst,
so hatte sich mit der ersten Krystallisation bereits fast die ganze
Menge desselben ausgeschieden. Auch bei diesem Salz war eine
Schmelzpunktbestimmung nicht ausführbar, da dasselbe zusammen-
sinterte und bei 195— 200° verkohlte.
Bei der Wasserbestimmung verloren:
I. 0,3417 Substanz bei 1000 0,0302 H,O = 8,83 Proz. H,O.
Il. 0,2516 5 r 2.20.0224 7 5: 78:90 E
Diese Werte würden einem Krystallwassergehalt’”von 2 Molekülen
entsprechen, da die Formel C,a Hz; NO, HNO, +2H,0 8,78 Proz.
H,O verlangt.
Man darf dieses Salz nicht zu lange trocknen und auch nicht
über 100° erhitzen, da es sich sonst sehr stark gelb färbt, und an-
scheinend eine Zersetzung dabei erleidet. Bei der Verbrennung
im offenen Rohre ergaben:
1. 0,3034 bei 1000 getrockneter Substanz 0,1610 H,O = 5,79 Proz. H-
0,6834 CO, = 60,43 Proz. C.
II. 0,2206 lufttrockener Substanz 0,1262 H,O = 6,35 Proz. H.
0,4446 CO, = 54,96 Proz. C.
140 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin.
Da diese Werte im Vergleich zu den für die Formel
Cj9 Hzı NO,, HNO,
berechneten etwas zu gering ausgefallen waren, so führte ich noch-
mals eine Verbrennung der mit frisch ausgeglühtem Kupferoxyd
angeschüttelten Substanz in Liebig schen Schnabelrohre aus und
erhielt folgendes Resultat:
III. 0,2190 lufttrockener Substanz ergaben 0,1290 H,O = 6,54 Proz. H.
0,4444 CO, = 55,34 Proz. C.
Gefunden bei lufttrockener Substanz:
8,83 Proz. 8,90 Proz. — —
— _- 6,35 Proz. 6,54 Proz.
—_ — 54,96 Proz. 55,34 Proz.
Berechnet für:
CaHzı NO,HNO,;, + 2H,O C,H; NO3H NO; +2H,0.
H,
aHOo
III
H,0 = 8,18 Proz. H,0 = 9,09 Proz.
H= 6,43 = H = 6,06 ”
C= 5560 „ C= 545 „
Gefunden bei 100° getrockneter Substanz:
Hr. 9,19 Proz.
C = 60437 ,
Berechnet für:
C,9 Hsı NO,, HNO; Cıg Hı9g NO, HNO,
H = 5,88 Proz. H = 5,55 Proz.
C = 609 „ C = 60,00 „
Da für die Ermittelung der Molekulargröfse der Pflanzenbasen
sich die Platin und Goldsalze derselben in der Regel als sehr ge-
eignet erweisen, so stellte ich diese auch vom Oxyacanthin dar.
Beide Salze sind bereits von Stubbe und von Rüdel analysiert
worden, indessen stimmen die Angaben derselben über die dem
Oxyacanthin danach zukommende Formel, sowie über den Wasser-
gehalt wenig überein, so dals es aus letzterm Grunde wünschens-
wert erschien, diese Salze nochmals der Analyse zu unterwerfen.
f) Platinsalz des Oxyacanthins:
(Cj9 Hzı NO, , HCl, Pt Cl, + 5H;0.
Zur Darstellung desselben löste ich das reine salzsaure Oxy-
acanthin in Wasser, welches mit verdünnter Salzsäure angesäuert
war und versetzte diese Lösung so lange mit Platinchlorid, bis
keine Fällung mehr erfolgte. Den flockigen, gelblich weilsen Nieder-
schlag sammelte ich nach dem Absetzen auf einem Saugfilter, wusch
ihn mit wenig Wasser nach, um ihn alsdann zwischen Fliefspapier
lufttrocken werden zu lassen. Es gelang auch mir, ebensowenig
Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 142
wie Stubbe und Rüdel, nicht, dieses Salz krystallinisch zu er-
halten, da dasselbe beim Umkrystallisieren aus Alkohol sich zer-
setzte. Ich verwendete daher den amorphen lufttrockenen Nieder-
schlag zur Analyse. Die Gewichtsabnahme des bei 100° bis zum
konstanten Gewicht getrockneten Niederschlages betrug von
I. 0,2139 Substanz 0,0180 H,O = 8,41 Proz. H,O.
1I. 0,2876 F 0,0240 „ = 8,34
III. 0,3154 0,0256 „ = 8ll
n
Diese Werte würden einem Wassergehalte von 5 Molekülen ent-
sprechen, welcher 8,02 Proz. H,O verlangt.
Die Platinbesiimmung ergab aus
I. 0,2636 bei 100° getrockneter Substanz 0,0500 Pt = 18,96 Proz. Pt.
'II. 0,9898 „ , x Be ET
III. 0,2139 lufttrockner a OA BEI 16,30 FU EER
IV. 0,2097 h 2 0,0359 Pb — 17,11 ', Pt.
Die Elementaranalyse unter Anwendung von Bleichromat und
reduzierter Kupferspirale ausgeführt, ergab folgende Zahlen:
0,2124 lufttrockner Substanz ergaben 0,0936 H,O = 4,89 Proz. H
0,3200:.005 41,030, C
Zurück blieben im Schiffchen 0,0367 Pt = 17,28 Proz. Pt.
Gefunden für lufttrockne Substanz:
je II. III.
Pt = 16,87 Proz. 17,11 Proz. 17,28 Proz.
H= — — 489 5
A. = 2 — 41.05. 9%
Berechnet für:
(Cjg Hja NO; HCl), PL Cl, +5 H,0 (Cs E49 NO; HC]), Pt Cl, +5 H,0
Pt
— EN SSPETOZ: Pt W460 Eroz
SE ie re
u —HABOBN 7 = 390 „
Gefunden von bei 100° getrockneter Substanz:
I II. III.
H,0 = ,841 Proz. 834 Proz... 81 Proz.
P = _ 18,90... > III =;
Berechnet für:
(Cj9 Ha, NO, HCI, Pt Cl, (Cs Hı9 NO; HC], Pt Cl,
H,0 = 8,02 Proz. 0: = 824 Pro2.
PIE 1885, Pt, s=1PSU.5
Gefunden von Stubbe: von Rüdel:
1 108 PIR
H,0 = 6,45 Proz. H,0 = 7,43 Proz. 7,64 Pıoz. 7,87 Proz.
Pt.‘ — 1922, „ PR = Zum 18.5370 18.657 25
RR 5 H —= 489 „ -- AN
C =264 „ O E37, = 44,03
»
142 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin.
g) Oxyacanthingoldehlorid:
(Cjg Haı NO; , HCl) Au Cl, + 4H3;0.
Die Darstellung des Oxyacanthingoldsalzes geschah in gleicher
Weise wie die des Platinsalzes. Die Versuche, diesen amorphen,
rötlich-gelb gefärbten Niederschlag krystallisiert zu erhalten, waren
ebenfalls vergeblich, da derselbe sich beim Umkrystallisieren noch
jeichter zersetzte, wie das Platinsalz. Daher verwendete ich auch
den amorphen Niederschlag zur Analyse. Bei der Wasserbestimmung
verloren bei 100°
I. 0,2175 Substanz 0,0213 H,O = 9,79 Proz. H,O.
II. 0,2784 2 0,0380. , 5 = 410,72 3
Dieser Wasserverlust würde einem Krystallwassergehalt von
4 Molekülen entsprechen, welcher 9,90 Proz. H,O verlangt. Es ist
sehr schwierig, bei der Wasserbestimmung dieses Salzes ein kon-
stantes Gewicht zu erzielen, da dasselbe sehr labiler Natur zu sein
scheint. Man mufs die Temperatur daher nur langsam steigern, sie
stets etwas unter 100° halten und auch das Salz nicht allzu lange
im Trockenzustande belassen, da dasselbe sonst beständig an Ge-
wieht abnimmt, indem es, wie der zu hohe Goldgehalt nicht der-
artig getrockneter Präparate beweist, unter Salzsäureabspaltung eine
Zersetzung erleidet. Bei der Goldbestimmung fand ich folgende
Werte:
I. 0,1962 getrockneter Substanz ergaben 0,0598 Au = 30,47 Proz. Au.
II. 0,2484 = s; 0,0770 Au = 30,99 „ Au.
III. 0,6062 lufttrocknen Salzes > 0,1660 Au = 27,38 „ Au
Bei der Verbrennung erhielt ich aus
0,2160 lufttrockner Substanz 0,0890 H,O —= 4,57 Proz. H
0,2532 60,’ — 31,992, =
Gefunden bei lufttrockner Suastanz:
T- II.
Au = 27,38 Proz. —
il, = = 4,57 Proz.
= _ BE35 73
Berechnet für:
{Cjg Ho; NOz3 HC]) Au C,+4H,0 (Ca H»NO; HC AuCc, +4H,0
Au = 27,16 Proz. Au = 27,70 Proz.
H =. 41575, H = 39 „
OS —eslsanesee: 0. —=1304 375
Gefunden bei 100° getrockneter Substanz:
32,0:=1.9,19. Proz; 10,74 Proz.
DS Ser ES PER 30,99 475
Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 143
Berechnet für:
CC, Hy; NO,HC1AuCl, +4H,0 Cs H,9 NO, HCI Au Ol], -- 4H,0O
H,0 = 9,% Proz. H,O = 10,16 Proz.
Au =9017 5 Au = 3083 „
Gefunden von Stubbe: von Rüdel:
17 II. III.
2.0 —=,,7,86 ‚Proz. H,0 =. 9,76, Proz... 9,63/Proz.. ' 8,95 Proz.
At 253077, .. NT. 30;1282,,, 3092,
H NL H = — — DOT:
BD 5 Ü = == ar 35,5 „
h) Darstellung der freien Base.
Zur Darstellung des freien Oxyacanthins benutzte ich das
reine salzsaure Salz, aus welchem ich mittelst kohlensaurem Natron
die Base füllte. Dieselbe schied sich als ein weilser, voluminöser
Niederschlag ab, den ich auf einem Saugfilter sammelte, mit Wasser
auswusch, alsdann zwischen Thontellern möglichst abprefste und nun
lufttrocken werden liefs. Die fein zerriebene, trockne Base suchte
ich jetzt aus verschiedenen Lösungsmitteln zu krystallisieren. Aus
Chloroform und Essigäther, in denen sie sich sehr leicht löste,
schied sie sich jedoch stets nur als amorphe, glasige Masse ab,
selbst wenn die Lösungsmittel auch ganz langsam verdunsteten.
Nicht ganz so leicht wie in obigen Lösungsmitteln löste sich die
Base in 90 Proz. Alkohol. Ich versuchte daher die Base aus diesem
in der Weise zu krystallisieren, dafs ich sie in 90 Proz. Alkohol
löste, dieser Lösung Wasser bis zur eben noch verschwindenden
Trübung zusetzte und dieselbe dann der freiwilligen Verdunstung
überliefs. Hierbei schieden sich in der That ganz kleine Warzen,
bestehend aus sehr feinen Nadeln, ab; indessen, als ich den Ver-
such mit einer grölsern Menge Material in gleicher Weise ausführte,
wollte es mir nicht wieder gelingen, Krystalle zu erzielen. Auch
Aether und Benzol, in denen die Base etwas schwerer löslich ist,
erwiesen sich als unbrauchbar zur Umkrystallisatin. Da das
Oxyacanthin in Ligroin sehr schwer löslich ist, versuchte ich das-
selbe hieraus zu krystallisieren. Allein beim Kochen mit diesem
Lösungsmittel machte ich die Beobachtung, dals nur ein Teil der
Base gelöst wurde, während ein anderer geringerer Teil ungelöst
blieb. Durch diese Löslichkeit bezw. Nichtlöslichkeit in Ligroin
glaubte ich einen Weg gefunden zu haben, das Berbamin, welches
144 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin.
vielleicht dem Oxyacanthin noch beigemischt sein könnte, davon zu
trennen. Ich filtrierte daher das in heifsem Ligroin gelöste von
dem ungelöst gebliebenen Teile ab und bestimmte den Schmelzpunkt
beider. Ich fand denselben bei ersterem zwischen 194-2000, bei
letzterem zwischen 188—196°. Zur weitern Charakterisierung der
Identität bezw. Verschiedenheit dieser beiden Teile, führte ich sie
wieder in das salzsaure Salz über, um dieses dann zu analysieren.
I. In heifsem Ligroin gelöster Teil.
I. 0,2881 Substanz verloren bei 100° 0,0276 H,O —= 9,58 Proz. H,O.
II. 0,0683 e 5 I ne 3. -- »
III. 0,2881 lufttrockner Substanz ergaben 0,1067 AgCl = 9,16 Proz. Cl
IV. 0,0683 . 5 „ 0055 5 =
V. 0,2293 H a e 0,1362 E00 ZI
0,4935 CO; = 8697,77 C
II. In heifsem Ligroin ungelöster Teil.
I. 0,2480 Substanz verloren bei 105° 0,0238 H,O = 9,51 Proz. H,O
II. 0,2508 = ». 2r7.0,0241 57 Se ”
EI 0250 = 2 en Pros,
IV. 0,2764 lufttrockner Substanz ergaben 0,10185 AgCl= 9,11 Proz. Cl
V. 0,2508 5 E; = 009225. 1, 2/= AUS Tre
VI. 0,2580 R: £ an "0.095153: 0.5) = Oder un
VI. 0,2266 > e“ 2 0,1400; H,0 = 686 7 225
0,4878 CO, =58107 , &
Berechnet sind für
C,H; NO,HCI+2H,0 CH}, NO0;HC1+2H,0.
H,0 = 9,38 Proz. H,0 = 9,74 Proz.
BI m EI, OWEN BO Fe
re NE Hi ro
C = AI C —+0B43 %
Nach diesen Werten zu urteilen, scheint es sich nicht um ver-
schiedene Körper zu handeln, da dieselben sich in dem äufseren
und in den Löslichkeitsverhältnissen nicht von einander unter-
schieden, und unter Berücksichtigung des Umstandes, dafs die
Elementaranalysen im offenen Rohre ausgeführt wurden, in der Zu-
sammensetzung in ziemlicher Annäherung der Formel C,; Hz, NO,, HCl
+2H,0 entsprechen. Die geringe Verschiedenheit im Schmelzpunkt
ist vielleicht darauf zurückzuführen, dafs das in Ligroin gelöste
Oxyacanthin, welches sich teilweise krystallinisch, teilweise amorph
Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 145
ausgeschieden hatte, eine grölsere Menge krystallisierten Oxyacan-
thins enthielt, als das in Ligroin ungelöst gebliebene.
Auch bei dem Versuche, die Base aus Alkohol, welcher mit
Ligroin geschichtet war, zu krystallisieren, schied sich stets nur
eine gelblich gefärbte, glasige Masse ab.
Erst alsfich zum weitern Vergleich mit der selbst dargestellten
Base eine kleine Probe krystallisierten Oxyacanthins von Merck
erhalten hatte, nahm ich die Versuche, die Base aus Alkohol zu
krystallisieren "wieder auf, indem ich der Lösung der Base in
90 Proz. Alkohol, welcher noch mit Wasser soweit verdünnt war,
dafs eine eben auftretende Trübung beim Umschütteln wieder ver-
schwand, eine ganz kleine Menge krystallisierten Oxyacanthins zu-
fügte und dann diese Flüssigkeit der freiwilligen Verdunstung über-
liefs. Hierbei schieden sich in der That sehr bald kleine, harte,
würfelähnliche Krystalle, die denen des schwefelsauren Salzes ähnlich
waren, in reichlicher Menge ab, indessen begann auch hier die
Lösung, sobald eine gewisse Menge Alkohol verdunstet war, sich
unter Abscheidung eines amorpken Niederschlages zu trüben. Ich
wendete daher bei einem weitern Versuche 90 Proz. Alkohol, ohne
Wasserzusatz, an und erhielt hieraus die Base in denselben kleinen
harten Krystallen, ohne Beimengung amorpher Base. Ich machte
bei der Krystallisation der freien Base aus Alkohol die Beobachtung,
dafs sowohl die abgeschiedene Base, wie auch die Lösung bei
längerem Stehen mit dem Alkohol eine rötliche Farbe annahm, indem
wahrscheinlich das Licht oder der Sauerstoff der Luft verändernd
darauf einwirkt. Zur Erzielung farbloser Krystalle, mus man daher
die Lösung stets vor Licht geschützt krystallisieren lassen, und so-
bald sich ein Teil Krystalle farblos abgeschieden hat, diese sogleich
sammeln, ehe die Rotfärbung eintritt, da letztere sich nicht wieder
entfernen lälst.
Den Schmelzpunkt der bei 100° getrockneten Base fand ich
bei 208—210. Den gleichen Schmelzpunkt besals auch die von
Merck bezogene krystallisierte Base. Dieses würde dem Schmelz-
punkt, der von Hesse für die von ihm krystallisiert gewonnene
Base angegeben worden ist, nahe kommen, indem dieser Forscher
denselben als zwischen 208S—214° liegend ermittelte. Die amorphe
Base schmilzt weit niedriger, zwischen 150—1600 (Hesse 138—1500)
Arch. d. Pharm. COXXXIU. Bäs. 2. Heft. 10
146 Dr. H. Pommerehne: VÜeber Oxyacanthin.
Beim Trockzen bei 100° erwies sich die Base als wasserfrei.
Die Verbrennungen der bei 100° zuvor getrockneten Base lieferten
folgende Zahlen:
A. Im offenen Rohre,
I. Die von Merck bezogene Base:
1. 0,2490 Substanz ergaben 6,1466 H,O 6.35 Proz. H
0,6610 CO, = 72,39 „ ©
2. 0,2138 N R 0,1266 RO
0,5708,C0, 1 HB Sant
II. Die selbst dargestellte krystallisierte Base:
1. 0,2464 Substanz ergaben 0,1444 H,O = 6,50 Proz. H
0,6542 00, — 7240 7726
offenen Rohr der Kohlen-
Vergleich mit dem für die
Formel C;;9 Hsı NO, berechneten Werte, so führte ich noch eine
Da bei diesen Verbrennungen im
stoffgehalt etwas zu niedrig ausfiel, im
Reihe Verbrennungen im Liebig 'schen Schnabelrohre aus, deren
Resultate folgende waren:
B. Im Schnabelrohre.,
I. Die von Merck bezogene Base:
1. 0,1928 Substanz ergaben 0,1220 H,O
7.022ProZ@EN
0,5200,C03.,—..78,53 7 54.
2. 0,1966 e B 0,1220.B, 0 — 6,78 Zr
0,5390 00; —. 73,64 etc
3. 0,1908 Subst. ergaben 0,1180 H,O= 6,57 Proz. H.
0,5114 CO, = 73.09 „ C.
4. 0,2107 „ ” 0;134378,0 — 7.07 Wan auaEle
0,5672.C0, i73 37H Yu eb
II. Die selbst dargestellte Base:
1. 0,2758 Subst. ergaben 0,1702 H,O = 6,85 Proz.H.
0,7416 CO, = 173,33 „ C.
Bei der Stickstoffbestimmung nach Will-Varrentrapp verbraucht®
das aus 0,2558 g Subst. gebildete Ammoniak 8,00 cem Y,, N.HCl1 zur
Sättigung, entsprechend 0,0112 g N = 4,37 Proz. N.
Gefunden:
Verbrg. i. offenen Rohr: im Schnabelrohr:
1l 108 INS ETy: 1b Tre TE IV. Ve
EN, 653 "0,56. 1650 er 7,02 )).6,78. 06,87. ROTE 6
01272397 72,51 2272,40 — 13.25.1173,64& 73,09, 7332 77233
SEC. RER RL 437 Se TREE hi
Berechnet für:
CaH5,NO; CH NO;.
H 776.79. Proz E17 6392PR02
CE in GL TEE
N 4:50: 19, N Asch 185
Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 147
Gefunden von:
A. Rüdel. B. Hesse.
H 6,39 HB 1 6,87,75,6,807 56:63. 2..8.96 Belle 6,66 Proz.
C 73,19 C 73,26 73,13 72,62 72,88 72,75 7286 „
N — N 4,52.
Ich glaube somit auf Grund der Werte, die ich sowohl beim
Verbrennen der Salze des Oxyacanthins, als auch der freien Base,
namentlich im Schnabelrohr, ermittelte, annehmen zu dürfen, dals
die vonRüdel für das Öxyacanthin aufgestellte Formel, C,g Hs, NO;,
die richtige ist, zumal auch die bei den nachfolgenden Analysen ge-
fundenen Zahlen gut mit dieser Formel im Einklang stehen.
Was das Verhalten der freien Base gegen die allgemeinen
Alkaloidreagentien anlangt, so ist keine dieser Reaktionen besonders
charakteristisch.
Ich führte dieselben sowohl mit der von mir selbst darge-
stellten, wie mit der von Merck erhaltenen Base aus, und machte
dabei ziemlich dieselben Beobachtungen wie Rüdel. Das Verhalten
war folgendes:
1. Konz. HNO,: Gelbbraune Färbung, auf Zusatz von konz.
H, SO, unverändert, schliefslich hellgelb.
2. Konz. H,SO,: Farblos, auf Zusatz von konz. HNO, an-
fangs schwach gelb, dann rötlich braun, schliefslich rötlich gelb.
3. Erdmann’s Reag.: Schwach rötlich gelb.
4. Froehde’s Reag.: Anfangs stark violett, dann schmutzig
grün; hierauf wird die Färbung schwächer und geht schliefslich in
eine schwach gelbe über.
5. Vanadinschwefelsäure: Schwach schmutzig violett, dann
rötlich violett.
6. Zinnchlorür erzeugt mit der freien Base zusammengebracht,
keine Fällung, dagegen mit den Salzen sofort eine stark weilse
Fällung.
7. HgÜl, verhält sich ebenso.
8. Chlorwasser löst die Base unter Erzeugung einer ganz
schwach gelblichen Färbung; fügt man dann einen Tropfen Kal.
dichrom. sol. zu, so entsteht sofort eine starke gelbe Fällung.
9. Bromwasser erzeugt eine gelbe Fällung.
Die Eigenschaft des Oxyacanthins, reduzierend zu wirken,
konnte ich gleichfalls bestätigen, indem
10*
148 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin.
a) aus einer Lösung |von jodsaurem Kalium in verdünnter
Schwefelsäure Jod frei gemacht wurde, welches sowohl an Geruch
wie an der Violettfärbung von Schwefelkohlenstoff zu erkennen war.
b) Beim Eintragen von etwas bas. Wismutnitrat in eine
Lösung von Oxyacanthin in konz. H, SO, trat sehr bald eine Dunkel-
färbung des bas. Wismutnitrats ein.
c) Wurde Oxyacanthin zu einer verdünnten Lösung von
Ferıicyankallum in FeCl, zugesetzt, so färbt sich letztere
bald blau.
Oxyacanthin und Acetylchlorid.
Um zunächst Aufschlufs darüber zu gewinnen, in welcher
Bindung sich die im Oxyacantlin vorhandenen Sauerstoffatome be-
finden, liefs ich Säurechloride auf dasselbe einwirken. Zu diesem
Zweck kochte ich 1 g fein zerriebenes, bei 100% zuvor getrocknetes,
salzsaures Oxyacanthin mit überschüssigem Acetylchlorid in einem
mit Rückflulskühler versehenen Siedekölbchen etwa eine Stunde lang.
Hierbei löste sich das Salz zu einer grünlich gefärbten Flüssigkeit
auf, ohne jedoch beim Erkalten, auch nachdem das überschüssige
Acetylchlorid verjagt war, eine krystallinische Substanz abzu-
scheiden. Durch Wasser wurde in der Flüssigkeit eine weilse
Fällung erzeugt, die auf Zusatz von verdünnter Salzsäure sich noch,
vermehrte, jedoch durch Alkohol wieder verschwand. Als ich in-
dessen die ganze Menge des Einwirkungsproduktes in obiger Weise
behandelte und die erzielte Lösung hierauf über Schwefelsäure ver-
dunsten liefs, schieden sich nach einigem Stehen keine Krystalle,
sondern nur gelbe ölige Tropfen ab. Ich verwandelte daher das
Einwirkungsprodukt, um es in eine analysierbare Form zu bringen,
in das Platinsalz, indem ich die in der Schale zurückgebliebene ölige
Masse in Alkohol und Wasser unter Zusatz einiger Tropfen Salz
säure löste und diese Lösung mit Platinchlorid fällte. Bei der Platin-
bestimmung des bei 100° getrockneten Niederschlages konstatierte:
ich jedoch einen Gehalt an Platin, welcher nur etwa die Hälfte von
dem für die Formel (C}9 Hz, (CH, . CO) NO,, HCl), Pt Cl, berechnetem
Werte betrug, woraus hervorgeht, dafs unter obigen Bedingungen
jedenfalls kein acetyliertes Produkt entstanden war.
Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 149
Oxyacanthinund Essigsäureanhydrid.
Da die Behandlung des Oxyacanthins mit Acetylchlorid kein
Produkt geliefert hatte, aus dessen Zusammensetzung ein Schlufs
auf etwa in der Base vorhandene Hydroxylgruppen gezogen werden
konnte, so liefs ich auf eine andere Probe Essigsäureanhydrid, unter
Zusatz einer kleinen Menge wasserfreien Natriumacetats, einwirken.
Es resultierte dabei, nachdem ich das Gemisch etwa eine Stunde
lang gekocht hatte, eine gelbe Lösung. Ich verdunstete alsdann das
überschüssige Essigsäureanhydrid, um hierauf den Rückstand in
verdünntem Alkohol zu lösen und die Lösung der freiwilligen Ver-
dunstung zu überlassen. Hierbei trocknete dieselbe jedoch nur zu
einer amorphen, firnisartigen gelblichen Masse ein. Da sich auf
diese Weise das Einwirkungsprodukt nicht in analysierbare Form
überführen liefs, so versuchte ich aus einem Teile desselben das
Platinsalz darzustellen, indem ich die mit etwas Salzsäure angesäuerte
Lösung mit Platinchlorid versetzte. Hierbei erfolgte jedoch nur eine
ganz geringe Fällung. Eine Platinbestimmung aus 0,1644 der bei
100° zuvor getrockneten Substanz ergab 0,0068 Pt = 4,13 Proz. Pt.
Berechnet sind für (Cjg Hz, (CH, CO) NO,, HC]),PtCl, = 17,42 Proz.Pt.
Es beweist dieser viel zu geringe Platingehalt, dafs auch auf diese
Weise der Nachweis von etwa eingetretenen Acetylgruppen nicht
möglich ist. Auch ein Versuch, die Acetylgruppen durch Verseifen
mit !/,o N. KOH zu bestimmen, führte zu keinem Resultat, da der
hierbei gefundene Wert 6,63 Proz. CH,.CO nur die Hälfte des für
eine Acetylgruppe berechneten = 11,03 Proz. CH, CO betrug. Nach
den Eigenschaften der durch Einwirkung von Acetylchlorid und von
Essigsäureanhydrid auf Oxyacanthin erhaltenen Produkte gewinnt es
den Anschein, als ob diese Agentien mehr wasserabspaltend als
acetylierend auf Oxyacanthin einwirken.
Oxyacanthin und Benzoylchlorid.
Der negative Ausfall der im Vorstehenden beschriebenen Ver-
suche veranlalste mich, das Oxyacanthin mit Benzoylchlorid in Reaktion
zu bringen, Ich versetzte zu diesem Zwecke lg zuvor bei 100°
getrocknetes salzsaures Salz mit etwa 5 g Benzoylchlorid und erhitzte
dieses Gemisch 2 Stunden lang in einem mit Trichter verschlossenen
Kolben auf dem Wasserbade. Hierbei färbte sich die Substanz
150 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin.
gelb, ohne sich jedoch zu lösen. Nach dem Verdunsten des über-
schüssigen Benzoylchlorids verblieb ein bräunlicher Rückstand, den
ich zur Entfernung der in reichlicher Menge mit ausgeschiedenen
Benzoösäure mit Aether auswusch, um ihn alsdann in Alkohol zu
lösen. Aus der alkoholischen, rotgelb gefärbten Lösung, schied sich
beim Versetzen mit Wasser ein gelblich weifser, voluminöser Nieder-
schlag aus; ich fügte daher soviel Alkohol zu, bis sich der Nieder-
schlag wieder gelöst hatte, säuerte diese Lösung mit Salzsäure an,
um sie dann der Krystallisation zu überlassen. Obschon dieselbe
bis auf ein sehr kleines Volum verdunstet war, schieden sich doch
keine Krystalle daraus ab. Ich stellte daher das entsprechende
Platin und Golddoppelsalz daraus dar.
a), P Latı.n.s,a la:
[C;g Hao (Cg H, CO) NO, HCl, PL C, +8H3,0.
Ein Teil dieser mit Alkohol und Wasser wieder verdünnten
Lösung wurde mit Platinchlorid versetzt; hierdurch bildete sich eine
reichliche Menge eines flockigen, gelblich weifsen Niederschlages,
den ich nach dem Absetzen durch Absaugen von der Mutterlauge
trennte, mit wenig verdünntem Alkohol nachwusch und ihn dann
lufttrocken zur Analyse verwendete. Die Wasserbestimmung ergab
folgendes Resultat:
I. 0,2126 Subst. verloren bei 100° 0,0216 H,O = 10,15 Proz. H,O
1I1.0.29600.5 $ 11.009, 0.0230, 11244 2— LO
Diese Werte würden einem Krystallwassergehalt von 8 Molekülem
entsprechen, dem die Formel [C,g Ha, (C,H, CO) NO; H Cl] z„Pt C, +8H,0
verlangt 10,40 Proz. H;0.
Bei der Platinbestimmung blieben zurück aus
I. 0,1910 bei 1000 getrk. Subst. 0,0300 Pi. = 15,70 Proz. Pt.
1720,20307252 1000723 5.n40:0320.1E,,, = a6, ge 4
Gefunden: Berechnet:
IL IR
H,0 = 10,15, Proz. 10,17. Proz. H,O = 10,40 Proz.
Pre =1540, 7%, NL a a N
b) Goldsalz:
[Cıo Hao (C, H, CO) NO, H Cl} AuC, + 2H, 0.
Den andern Teil der verdünnten alkoholischen Lösung des
obigen Reaktionsproduktes versetzte ich mit Goldchlorid in geringem
Ueberschufs. Hierbei fiel ein rötlich gelb gefärbter Niederschlag
Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 151
aus, den ich gleichfalls absaugte und mit wenig verdünntem Alkohol
nachwusch. Das Goldsalz löste sich beim Erhitzen in Alkohol au:,
schied sich jedoch beim Erkalten stets wieder in amorphen Flocken:
ab. Ich verwendete dasselbe daher direkt zur Analyse. Bei vor-
sichtigem Trocknen bis auf nahezu 1000 verloren
I. 0,2830 Subst. 0,0166 H, O = 5,86 Proz. H, O
II. 0,3052 „ 0,0138 —4,52
Aus diesem Wasserverlust ergiebt sich ein Gehalt von 2 Mole-
külen Wasser, denn die Formel [C,g Ha, (C,H; CO)NO,H Cl] Au Cl, +2 H,O
verlangt 4,55 Proz. H,O.
Bei der Goldbestimmung hinterlielsen :
I. 0,2664 getrk. Subst. 0,0690 Au = 25,90 Proz. Au.
” » »
II. 0,2194 _ °„ em P.0720, 21 = 2024.) ; x
Berechnetsind für [C,, Ha, (C,H, CO) NO, H C]] Au Cl, 26,06 Proz. Au.
Gefunden: Berechnet:
I; I;
H,O = 5,86 Proz. 4,52 Proz. H,0 = 455 Proz,
Ark 123.902 3 Sn 2644 u Au = 26,06 =
Aus diesen Daten geht jedenfalls hervor, dals im Oxyacanthin
ein Sauerstoffatom in Form einer Hydroxy!gruppe vorhanden ist,
deren Wasserstoffatom durch Benzoyl ersetzt werden kann.
Methoxylbestimmungenim Oxyacanthin.
Zur Entscheidung der Frage, ob im Oxyacanthin eine oder
mehrere Methoxylgruppen : O.CH,, enthalten sind, bediente ich mich
der von Zeiselt!) angegebenen Methode, nach welcher durch Ein-
wirkung von konz. Jodwasserstoffsäure (Siedep. 1270) auf die be-
treffenden freien Basen oder deren salzsaure Salze, die in den
Methoxylgruppen vorhandenen Methylgruppen in Gestalt von Jod-
methyl abgespalten werden, welches dann mit alkoholischer Silber-
nitratlösung zu Jodsilber umgesetzt wird. Aus dem Gewichte dieses
Jodsilbers läfst sich dann ein Rückschlufs auf die Zahl der vor-
handenen Methylgruppen ziehen. Diese Bestimmungen lieferten
folgende Daten:
Il. Salzsaures Oxyaec.; lufttrocken.
1. 0,3130 Subst. ergab 0,3001 Ag J = 12,68 Proz.O.CH.,.
2.0.2170 ,.; Sr Ba 5, 13,22
» >
1) s. Monatshefte für Chemie 1355 p. 95%.
152 Dr. H. Pommerehne: TDeber Oxyacanthin.
Berechnet sind für die Formel C,9 Ha, NO, HC1+2H,0
für eine Methoxylgruppe 8,08 Proz.O.CH;..
„ Zwei 4 16.1002, a
Il. Salzs. Oxyac. bei 100--1050 getrocknet.
1. 0,1942 Subst. ergaben 0,20515 Ag J = 13,93 Proz. O.CH,.
Berechnet sind für C,9 H,, NO,. HCl
für eine Methoxylgruppe = 8,92 Proz.O.CH,.
„ zwei 5 —WSLnn »
III Oxyacanthin, freie Base.
0,2365 Subst. ergaben 0,27255 Ag J = 15,20 Proz. 0. CH;.
Der in Ligroin unlösliche Teil der freien Base lieferte bei der
Methoxylbestimmung das gleiche Resultat.
IV. Oxyacanthin freie Base von Mersk.
0,2308 Subst. ergaben 0,2786 Ag J = 15,73 Proz. O. CH;.
Berechnet sind für O9 Hz, NO;.
für eine Methoxylgruppe = 9.96 Proz. O.CH,.
„ zwei e 19,937, »
Nach den vorstehenden Resultaten kann es wohl kaum zweifel-
hatt sein, dals in dem Öxyacanthin thatsächlich Methoxylgruppen
vorhanden sind, ob es sich dabei jedoch um eine oder zwei derartiger
Gruppen handelt, lassen die gefundenen Werte unentschieden. Die
ermittelten Werte weisen jedoch mehr auf zwei Methoxylgruppen hin.
‘Worin indessen der Grund zu suchen ist, dafs ich trotz der Ein-
heitlichkeit des angewendeten Oxyacanthins die für zwei Methoxyl-
gruppen berechneten Werte nicht erhalten konnte, vermag ich nicht
zu entscheiden. Die erzielten Daten würden bei Annahme der ver-
doppelten Oxyacanthinformel C3g H, N; O0, auf einen Gehalt von
30.CH;, hinweisen. Zu einer derartigen Verdoppelung der Formel
des Oxyacanthins liegt jedoch sonst keine Veranlassung vor, ebenso-
wenig wie zu der Annahme, dafs das analysierte Oxyacanthin aus
einem Gemisch von zwei isomeren Basen, von denen die eine zwei,
die andere nur eine O.CH;-Gruppe enthält, bestanden habe.
EinwirkungvonJodmethylauf Oxyacanthin.
Um weiter über die Natur des Stickstoffatoms im Oxyacanthin
Aufschlufs zu gewinnen, prüfte ich das Verhalten desselben gegen
Jodalkyle. Ich brachte zu diesem Zwecke 1 g reines bei 100% zuvor
getrocknetes Oxyacanthin mit überschüssigem Jodmethyl in einer
Druckflasche zusammen, und erhitzte das Gemisch 4—5 Stunden lang
Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 153
im Wasserbade. Hierbei resultierte eine gelblich weilse Masse, die
ich nach dem Verdunsten des überschüssigen Jodmethyls in ver-
dünntem Alkohol löste, um dann die klare, gelblich gefärbte Lösung
dem freiwilligen Verdunsten zu überlassen. Sobald die Lösung kon-
zentrierter wurde, schieden sich einzelne, aus kleinen feinen Nadeln
bestehende Drusen ab, jedoch trat zugleich auch eine Abscheidung
reichlicher Mengen von öligen Tropfen ein. Ich löste daher den
Rückstand nochmals in Alkohol und liefs wieder verdunsten. Jetzt
schied sich eine beträchtliche Menge kleiner harter, gelblich ge-
färbter Krystalle ab, welche ich sammelte, um sie zur weiteren
Reinigung nochmals aus verdünntem Alkohol umzukrystallisieren
Da indessen die schwach gelbe Farbe sich nicht verlor, so trennte
ich die Krystalle durch Absaugen von der Mutterlauge, um sie
schliefslich zwischen Fliefspapier zu trocknen.
Bei der Wasserbestimmung des zerriebenen Salzes fand ich
einen Gehalt an Krystallwasser, der zwei Molekülen entsprach. Denn
es verloren bei 110°:
0,2216 Subst. 0,0164 H,O = 7,40 Proz. H,O.
Berechnet sind für
C,H, NO, CH, J + 2H,O = 7,36 Proz. H, 0.
Cu 85, NO;,HJ +2 H,O = TRDN ” H,O.
Hierbei machte ich die Beobachtung, dals das Wasser, ab-
weichend von dem jodwasserstoffsauren Oxyacanthin, welches mög-
licherweise hier hätte mit in Frage kommen können, bei 100° noch
nicht vollständig abgegeben wird. Denn bei der ersten Probe, die
ich trocknete, verloren
0,1968 Subst. bis 100% 0,0976 H,O — 3,86 Proz. H,0,
also nur die Hälfte des Wassergehaltes.. Ich erhitzte daher die
Substanz bis auf 110%, wobei nochmals Wasser abgegeben wurde,
ohne dafs sich indessen das Aussehen der Substanz dabei änderte.
Bei der Jodbestimmung nach Carius ergaben
0,1963 wasserhaltiger Subst. 0,0937 AgJ = 25,73 Proz. J.
Berechnet sind für
C,H; NO,CH,J+2H,0 = 25,97 Proz. J.
GEHN HI +03, T.
Der Schmelzpunkt der getrockneten Substanz lag ziemlich hoch.
Ich fand denselben bei 248—250°.
Aus diesen Daten geht hervor, dafs sich bei der Einwirkung
des Jodmethyls auf Oxyacanthin ein Additionsprodukt gebildet hatte.
154 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin.
Ich suchte jetzt durch Behandeln mit Silberoxyd die entsprechende
Ammoniumbase des Oxyacanthins zu isolieren.
Zu diesem Zwecke löste ich das Oxyacanthinmethyljodid in
Alkohol, dem etwas Wasser zugesetzt war, auf und fügte zu der
gelinde erwärmten Lösung soviel frisch gefälltes Silberoxyd, bis in
einer abfiltrierten Probe keine Jodreaktion mehr zu erkennen war.
Das Silberoxyd wirkte in folgender Weise ein:
2 (0, Hs NO, CH, J) + Ag 0 + H,0 = 2(C,,H; NO,CH,OH) + 2Agl.
Aus dem Reaktionsprodukte versuchte ich, nachdem dasselbe
durch Filtration von dem Jodsilber und dem überschüssigem Silber-
oxyd befreit und bis auf ein kleines Volum eingedampft war,
Krystalle zu erzielen. Ich erhielt jedoch nur eine rötlich gefärbte,
sirupartige Masse, welche stark alkalisch reagierte und reichlich
Kohlensäure absorbiert hatte. Denn beim Uebergiefsen derselben
mit verdünnter Salzsäure trat eine deutliche Kohlensäureentwicklung
ein. Da nun die gebildete Ammoniumbase nicht zur Kıystallation
zu bringen war, so stellte ich, um sie analysieren zu können, ein
Platin und Goldsalz daraus dar.
a) Platinsalz: (CO Hs, NO, CH; Ch; PC, +5H3,0.
Ich versetzte einen Teil der mit Wasser verdünnten und mit
Salzsäure angesäuerten Lösung mit Platinchlorid. Sofort schied sick
ein reichlicher, flockiger Niederschlag aus, welchen ich durch Ab-
saugen von der Mutterlauge trennte und zwischen Fliefspapier luft-
trocken werden liefs. Bei der Wasserbestimmung verloren, bei 100°
bis zum konstanten Gewicht getrocknet,
0,3151 Subst. 0,0255 H,O = 8,09 Proz. H, 0.
Dieser Wert würde 5 Molekülen Krystallwasser entsprechen.
Denn die Formel (C,g Hs, NO, CH, CD, Pt Cl, + 5H, O0 verlangt
7,83 Proz. H,O.
Bei der Platinbestimmung ergaben 0,2896 wasserfreie Substanz
0,0530 Pt = 18,30 Proz. Pt.
Berechnet sind für (Ci; Hz, NO; CH, Cl), Pt Ol, = 18,35 Proz. Pt.
b) Goldsalz: (Ci Hs, NO;, CH; Cl) Au C, + H, 0.
Dieses Doppelsalz stellte ich analog dem Platinsalz durch
Fällen der salzsauren Lösung der Ammoniumbase mit Goldchlorid
dar. Hierbei fiel ein gelbroter Niederschlag aus, den ich gleichfalls
im amorphen Zustande zur Analyse verwendete. Das Trocknen
mulste, ebenso wie bei den früher beschriebenen Goldsalzen, sehr
Dr. H Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 155
vorsichtig ausgeführt werden, da sonst leicht etwas Chlorwasserstoff
abgespalten wird und infolgedessen der Goldgehalt dann viel zu
hoch ausfällt. In dieser Weise getrocknet, verloren
0,2458 Subst. 0,0052 H,O = 2,11 Proz. H,O.
Dieser Wert entspricht einem Moleküle Wasser, denn die Formel
(Co Hz; NO, CH; Cl) Au Cl; + H,O verlangt 2,63 Proz. H,O.
Bei der Goldbestimmung hinterlie[sen 0,2406 wasserfreier Subst.
0,0712 Au = 29,59 Proz. Au.
Berechnet sind für (Cj9 Ha; NO; CH, Cl) Au Cl, = 29,53 Proz. Au.
Es zeigen diese Werte weiter, dafs aus dem Additionsprodukt
von Oxyacanthin und Jodmethyl durch Behandeln mit Silberoxyd
eine entsprechende Ammoniumbase gebildet wird und das Oxyacanthin
somit als tertiäre Base anzusprechen ist.
Drehungsvermögen des Oxyacanthins.
Das Oxyacanthin ist wie die meisten Alkaloide optisch aktiv,
und zwar lenkt dasselbe die Schwingungsebene des polarisierten Licht-
strahls stark nach rechts ab. Um das spezifische Drehungsvermögen
zu bestimmen, löste ich 0,3754 reiner, trockner Base in 27,3966 g
Alkohol (0,8895 spez. Gew. b. 20°). Das Gewicht der Lösung be-
trug 27,7720 g, das spez. Gew. derselben 0,8920 Der polarisierte
Lichtstrahl wurde bei einer 2 dm langen Flüssigkeitssäule um 40 13°
(Mittel von 6 vorgenommenen Ablesungen) nach rechts abgelenkt.
Die Temperatur betrug 20°. Als Lichtquelle wurde die Chlornatrium-
flamme benutzt, die beobachtete Drehung ist daher für das Gelb-
orange der Frauenhofer’schen Linie D. bestimmt. Das spez. Drehungs-
Y 100.
vermögen berechnet sich nach der Formel [«]p = BEE ER
Es ist « der beobachtete Ablenkungswinkel, d das spez. Gew.
der Lösung, 1 die Länge der Flüssigkeitssäule und p der prozentische
Gehalt der Lösung an optisch aktiver Substanz. Demnach ergiebt
sich für
l«p= + 1749 5° bei 20°,
Da die Base stark nach rechts drehte, so liefs sich erwarten,
dals die sehr häufig gemachte Beobachtung, nach der optisch aktive
Basen mit entgegengesetzt drehenden Säuren krystallisierbare Salze
liefern, sich auch beim Oxyacanthin bestätigen werde. Ich neu-
tralisierte daher eine Probe der Base in alkoholischer Lösung mit
Links-Weinsäure und überliefs diese Lösung der freiwilligen Ver-
156 Dr. H Pommerehne: DUeber Berbamin.
dunstung. Hierbei schieden sich auch nach genügender Konzentra-
tion schöne warzenförmige Krystalle, welche aus seidenglänzenden
Nadeln bestanden und im Aussehen ganz dem salzsauren Salze
glichen, ab, während die Base in gleicher Weise mit Rechts- Wein-
säure behandelt, keine Krystalle lieferte, sondern nur eine firnisartige
Masse bildete.
Wie das Oxyacanthin scheinen sich auch die Salze desselben
bezüglich des Drehungsvermögens zu verhalten. Das salzsaure Salz
lenkte in gleicher Weise die Ebene des polarisierten Lichtstrahls
stark nach rechts ab und ergab sich bei Bestimmung des spezifischen
Drehungsvermögens [«]p = + 163° 49, wenn in der Formel
EN
[«]p = en
der beobachtete Ablankungswinkel « = 8° 26’, die Länge des Rohres
d = 2 dm, der Prozentgehalt p der Lösung von 0,5258 g lufttrocknen
Salzes in 19,9020 g Wasser bei 20° = 2,5738 g betrugen.
II. Ueber das aus der Wurzel von Berberis aquifolium
dargestellte Berbamin.
Aufser dem ÖOxyacanthin habe ich, ebenso wie Hesse,
Stubbe und Rüdel, noch ein zweites Alkaloid aus der Wurzel
von Berberis aquifolum erhalten, indem ich die Mutterlauge des
durch Natriumsulfat entstandenen, das Oxyacanthin enthaltenden,
Niederschlages abfiltrierte und diese mit gesättigter Natriumnitrat-
lösung versetzte.
Den hierdurch gebildeten Niederschlag führte ich nach weiterer
Reinigung in das salzsaure Salz über. Ich erhielt jedoch nur eine
sehr geringe Ausbeute, so dafs ich mich auf die Analyse des salz-
sauren Salzes, sowie des Platindoppelsalzes beschränken mulste.
Salzsaures Berbamin: C,H, NO; HC + 2H, 0.
Dieses Salz ist von Stubbe und Rüdel noch nicht dar-
gestellt worden.
Ich erhielt dasselbe in kleinen ıveilsen Warzen, die denen des
entsprechenden Oxyacanthinsalzes sehr ähnlich waren, jedoch nicht
aus so deutlich ausgebildeten Nadeln bestanden.
Bei der Wasserbestimmung verloren bei 100—105° getrocknet
0,2490 Subst. 0,0241 H,O = 9,51 Proz. H,O.
Dr. H. Pommerehne: Ueber Berbamin. 157
Dieser Wasserverlust entspricht einem Krystallwassergehalt von
2 Molekülen, denn die Formel C,gH„aNO;HCI + 2H,0O verlangt
9,74 Proz. H,O.
Die Chlorbestimmung, die ich durch Ausfällen der stark mit
Wasser verdünnten und mit Salpetersäure angesäuerten Lösung mit
Silbernitrat ausführte, ergab aus 0,2249 getrockneter Subst. 0,09595 Ag Ol
—= 1055 Proz. Cl.
Berechnet sind für Ojg Hjg NO;, HCl = 10,64 Proz. Cl.
Die Elementaranalyse der bei 100—1050 getrockneten Substanz
lieferte folgende Zahlen:
0,2498 Subst. ergaben 0,1400 H,O = 6,24 Proz. H.
0,5918 CO, =64,65 „ı C.
Gefunden: Berechnet für:
Cs H;9a NO, HCl + 2H20.
H,0= 9,71 Proz. H,0= 9,74 Proz.
DREH 05 CR INEN ,
EI pe: ee
Beeies , C =66 „
Ich benutzte ferner einen Teil des reinen salzsauren Salzes
zur Methoxylbestimmung (nach Zeisel).
Hierbei ergaben:
0,3194 lufttrockter Subst. 0,3261 AgJ = 13,46 Proz. O.CH;.
Berechnet für C,H, NO; HC +2 H,0:
für eine O.CH, Gruppe = 8,39 Proz. O.CH,,
I. ZWEI # — lH BDEE z
Dieses Resultat erinnert an das, welches bei der Methoxyl-
bestimmung des Oxyacanthins erhalten wurde, indem der für 2 Meth-
oxylgruppen berechnete Wert nicht völlig erreicht worden ist. Aus:
diesem eigentümlichen Verhalten dürfte jedoch hervorgehen, dafs die
beiden Alkaloide einander sehr nahe stehen.
Berbaminplatinchlorid: (C,H1NO;HCH,PtC, +5 H,O.
Da ich nur über wenig Berbamin verfügte, so stellte ich
aufser dem salzsauren Salze nur noch das Platinsalz des-
selben dar.
Ich verfuhr dabei in der Weise, dafs ich die mit Salzsäure
angesäuerte Lösung des salzsauren Salzes mit Platinchlorid in ge-
ringem Ueberschuls versetzte, den entstandenen, schwach gelblich
gefärbten Niederschlag durch Absaugen von der Mutterlauge trennte,
und nur mit wenig Wasser nachwusch, um dem Niederschlage kein
Platinchlorid wieder zu entziehen. Von der bei 100° bis zum kon-
stanten Gewicht getrockneten Substanz erlitten:
158 Dr. H. Pommerehne: Veber Berberin.
I. 0,2220 einen Verlust von 0,0176 H,O = 7,92 Proz. H,O.
IT 02216: ,, x or a ’
Diese Zahlen würden einem Gehalte von 5 Molekülen Krystall-
wasser entsprechen ; denn die Formel (C,; H;g NO,HCI, PtCl, +5H, 0
werlangt:
8,20 Proz. H,O.
Bei der Platinbestimmung hinterlieisen:
I. 0,2044 bei 1000 getrockneter Subst. 0,0386 Pt = 18,88 Proz. Pt.
31.5.0:,2034/ 1 5 5 0,03905 1917
Die Formel (C,; Hy NO3HC1, Pt Cl, verlangt:
19,38 Proz. Pt.
” ”
Jr fl “
Ge ee Berechnet:
9, 01.92 ,8,21,. Proz: H,0 = 8,20 Proz.
PEN MSBEr Ps 2 oa
Nach den bei der Analyse des salzsauren Salzes und des
Platinsalzes gefundenen Daten würde dem Berbamin die Formel
O3 Hıg NO, zuzuerteilen sein. Leider war es mir wegen Mangels an
Material nicht möglich, entsprechend den Angaben von Hesse.
Stubbe und Rüdel, die Richtigkeit dieser Formel noch durch
Analysierung anderer Salze, sowie der freien Base weiter bestätigen
zu können.
Ill. Berberin.
Die Identität des in der Wurzel von Derberis aquıfol. und von
Berberis vulg. vorkommenden Berberins mit dem Berberin anderer
Provenienz ist bereits von Stubbe und von Rüdel bewiesen
worden. Ich habe mich daher darauf beschränkt, nur einige er-
gänzende Versuche über das bisher unbekannte neutrale Berberin-
sulfat, über das wenig studierte Berberincarbonat und Berberin-
hydrocyanid, sowie endlich über das noch immer bezweifelte addierende
Verhalten der Jodalkyle gegen Berberin auszuführen.
Neutrales Berberinsulfat: (Os, Hy, NO,) H, SO, +3 H,0.
Das gewöhnlich als Sulfat bezeichnete Salz des Berberins,
welches sich beim Lösen des reinen Berberins in schwefelsäure-
haltigem Wasser bildet, ist ein krystallwasserfreies, saures Salz, dem
nach den bisher darüber angestellten Untersuchungen die Formel
C;, H;;, NO,) H, SO, zuzuerteilen ist. Dasselbe krystallisiert in
schönen, hellgelben Nadeln und ist ziemlich schwer in Wasser lös-
lich. In der Neuzeit wird jedoch von Merck in Darmstadt ein
schwefelsaures Salz des Berberins in Form eines hellgelben Pulvers
Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 159
in den Handel gebracht, welches von ihm als neutrales Salz be-
zeichnet wird. Dasselbe verhält sich, abgesehen von seiner anderen
Zusammensetzung, auch insofern abweichend von dem sauren Salz,
als es in Wasser weit leichter löslich ist. Ich analysierte ein solches,
direkt von Merck bezogenes, neutrales Berberinsulfat und fand dabei
folgende Daten:
Beim Trocknen bis zu 1000 verloren:
I. 0,3029 Substanz 0,0214 H,O = 7,06 Proz. H,O.
BT 0,2272 ” 0,0170 2) == 7,47 ” ”
III. ne = 0,0151 „.—=1408 5 „
IV. 0,372 = 0,0266, Ar N 5
Diese Werte a einem Gehalte von 3 Molekülen Wasser ent-
sprechen, denn die Formel (Oz, H;, NO,)s H, SO, +3 H,O verlangt
6,56 Proz. H,O.
Die Schwefelsäurebestimmung führte ich in der Weise aus,
dafs ich die Substanz mit konz. Salpetersäure zerstörte und aus
dieser, mit Wasser stark verdünnten Lösung die Schwefelsäure mit
salpetersaurem Baryum fällte.e Das so erhaltene Ba SO, wurde nach
dem Glühen nochmals mit Salzsäure ausgezogen, um es von etwa
beigemengtem salpetersaurem Baryum zu befreien und hierauf
wiederum geglüht. In dieser Weise behandelt erhielt ich aus:
I. 0,4223 bei 1000 getrockn. Subst. 0,12835 BaSO, = 10,43 Proz. SO;.
1l. 0,5831 bei 1000 getrockn. Subst. 0,17315 Ba SO, = 10,18 Proz. so,
Berechnet sind für (C4, H;, NO,» H,SO, 10,41 Proz. SO;.
Diese Werte zeigen, dafs in dem Merck’schen Präparate ae
ein neutrales Salz vorliegt; denn ein saures Salz von der Zusammen-
stellung (Ca, Hı, NO,)H, SO, verlangt 18,47 Proz. SO;.
Ich versuchte, obiges Salz nun auch selbst darzustellen, indem
ich 1 g reines, saures Berberincarbonat von Merck in wenig Wasser
löste und mit der zur Bildung des neutralen Salzes erforderlichen
Menge Normal-Schwefelsäure versetzte.
Die klare Lösung dampfte ich auf dem Wasserbade bis zu
einem dünnen Sirup ein, um letzteren dann erkalten zu lassen. Das
hierbei ausgeschiedene Salz sammelte ich auf einem Filter, prefste
es behufs Entfernung der noch anhaftenden Mutterlauge gut zwischen
Fliefspapier ab und liefs es lufttrocken werden. Dasselbe bildete
gleichfalls ein hellgelbes Pulver, welches sich in Wasser leicht löste.
Bei der Wasserbestimmung verloren bei 100°:
0,2783 Substanz 0,0207 H,O = 7,48 Proz. H,O.
.160 Dr. H.Pommerehne: Ueber Berberin.
Die Schwefelsäurebestimmung, in gleicher Weise wie oben aus-
geführt, ergab aus: | ne
0,2576 wasserfreier Subst. 0,0778 Ba SO, = 0,0267 SO, = 10,36 Proz. SO,
Beim Verdunsten der etwas verdünnteren Lösung im Exsiccator
über Schwefelsäure scheint ein Gemisch aus saurem und neutralem‘
Salz gebildet zu werden, wenigstens ergab eine aus derartig behan-
delter Lösung gewonnene Substanz aus:
0,1775 g bei 100° getrockn. Subst. 0,0063 H,O = 3,54 Proz. H,O.
0,1712 g getrockn. Subst. 0,07855 SO; = 15,74 Proz. SO;.
Berechnet: 6,56 Proz. H,O.
10,41%... 808
Saures Berberincarbonat.
Ca, Hı, NO,.H;, CO, + 2 H;0.
Schreiber!) erwähnt in seiner Arbeit, dafs es ihm ge-
lungen sei, durch Behandeln des reinen Berberins mit Kohlensäure
ein Carbonat von der Zusammensetzung Cs, H;, NO, H, CO, + 5 H,O
zu erhalten, und giebt weiter auf Grund der CO, und H,O Be-
stimmungen an, dals diesem Präparate eine konstante Zusammen-
setzung zukommen, somit in demselben ein wirkliches kohlensaures
Salz vorliege. Stubbe?) versuchte später, in der gleichen Weise
wie Schreiber dieses Carbonat darzustellen, erhielt jedoch bei
den CO, und H,O Bestimmungen Werte, die so von einander ab-
wichen, dafs er zu der Annahme geführt wurde, es handle sich bei
diesem Präparat nicht um eine konstant zusammengesetzte Ver-
bindung des Berberins, ein Berberincarbonat, sondern nur um ein
Gemisch von sehr kohlensäurehaltigem Berberin mit reinem
Berberin. Um weitere Aufschlüsse über die Zusammensetzung
dieser Verbindung zu erhalten, analysierte ich ein von Merck be-
zogenes, als krystallisiertes Berberincarbonat in den Handel ge-
brachtes Präparat, indem ich dasselbe in einem Liebig schen
Trockenrohre unter beständigem Hindurchleiten von Wasserstoff bei
100° bis zum konstanten Gewicht trocknete, das dabei abgegebene
Wasser und die Kohlensäure in geeigneter Weise auffing und zur
Wägung brachte. Hierbei verloren:
1) Dissertation, Marburg 1888.
2) Dissertation, Marburg 1890.
Fortsetzung im Heft HI.
“
u ‚a ”
ARCHIV
DER
| PHARMACIE |
: herausgegeben
® vom
Deutschen Apotheker-Verein
unter Redaction von SE me: |
E. Sehmidt und H. Beekurts.
Band 233. Heft 3
BERLIN. |
- Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereins. un
u nn gg, Ser ne
INHALT.
Seite
H. Pommerehne, Ueber die Alcaloide von Berberis aquifolium . 161
E. Gildemeister, Beiträge zur Kenntnis der ätherischen Oele von
Citrus Limetta und Origanum smyrn.. . 174
O. Rössler, Ueber Cultivirung von Crenothrix polyspora auf festem
Nährboden - . 189
O. Helm, Ueber den Gedanit, "Suceinit und eine Abart des
letzteren, den sogenannten mürben Bernstein . . . . 191
C. Boettinger, Zur Kenntniss der Glyoxylsäure . . . . . . ..19
A. Baur, Ueber das Burseraceen-Opoponax . . .. 209
Arbeiten aus dem pharmazeutischen Institut der
Upiversität Bern.
ch Nachttae. 2 2... 0. 220.05 0802 2 vr Re
cine) Gere
Eingegangene Beiträge.
M. Hohenadel, Ueber das Sagapen.
0. Chimani, Untersuchungen über den Bau der Milchröhren, mit be-
sonderer Berücksichtigung der Kautschuck und Guttapercha
liefernden Pflanzen.
A. Partheil, Ueber die Bestimmung des Glycerins im Weine etc.
B%- Th. Hallström, Anatomische Studien über den Samen der Myristi-
caceen und ihre Arillen.
(Geschlossen den 3. Mai 1895.)
Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel
monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis
50 Bogen. Ladenpreis für den Jahrgang Mk. 12,—.
Alle Beiträge für das „Archiv‘‘ sind an die
Archiv-Redaction
Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg (Hessen)
oder Herın Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig,
alle die Inserate u. s. w., überhaupt die Archiv-Verwaltung und
die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den
Deutschen Apotheker-Verein
Berlin C. 22, An der Spandauer Brücke 14
einzusenden.
Anzeigen.
= “Dieselben werden mit 40 Pfg. für die durchgehende und mit 25; Pfg für die gespal ne
Petitzeile oder deren Raum berechnet. Beilage-Gebühr für das Tausend der Auflage -
02.2. 3650 — Mk.ıo. Für Beilagen, welche nicht dem Format des „Archiv“ en
SE 22 bleibt besondere Vereinbarung vorbehalten. X
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.
Vu sl
FOR ZIT 4 ji
Dr. H. Pomm br ehne: Ueber Berberin. 161
I. 0,2816 Subst. 0,0367 H,O = 13,03 Proz. H,O
0,0292 CO,’= 1036 „ CO,
‘II. 1,0065 „ 0,12371,0=1229 „ H,O
0,1025 CO, =10,18 „ CO,
Diese gefundenen Werte würden der Formel
(O5, Hı, NO,) H, CO, + 2H,0
entsprechen, welche folgende Zahlen verlangt:
12,47 Proz. H,O
19,46, .21,.2005
Das bis zum konstanten Gewicht getrocknete Salz hatte eine
fast schwarze Farbe angenommen und zeigte beim Uebergiefsen mit
Säuren keine Kohlensäureentwicklung mehr.
Zum weitern Nachweise, dafs dem untersuchten Carbonate
obige Formel zuzuerteilen sei, verbrannte ich das lufttrockene Salz
mit Kupferoxyd und vorgelegter reduzierter Kupferspirale und er-
hielt dabei folgende Werte:
0,2094 lufttrockenes Salz ergaben 0,0983 H,O u. 0,4449 CO,
Gefunden Berechnet für
12 LI. III. CyH,, NO,H,; CO, + 2H,0
H,0= 13,03 Proz. 12,29 Proz. == H,0 = 12,47 Proz.
CO; =10,36 „ 0 _ EI eye
H= = — St Proz. H = 5,31 =
= — — Dog Ge
Nach diesen Daten ist das von Merck dargestellte Präparat
‚ohne Zweifel als eine Verbindung von konstanter Zusammensetzung
anzusehen und somit erwiesen, dals abweichend von der grolsen
Mehrzahl der Alkaloide, das Berberin mit CO, in der That ein
kohlensaures Salz zu bilden vermag.
Cyanwasserstoffsaures Berberin.
Ca, H;, NO, HCN.
Das Berberin, welches ausgezeichnet ist durch das eben er-
wähnte höchst eigentümliche Verhalten gegen Kohlensäure, zeigt
noch eine weitere sehr bemerkenswerte Eigenschaft, die nur noch
wenigen der bisher bekannten Alkaloide zukommt, nämlich mit
. .Cyanwasserstoff eine Verbindung einzugehen. Hierüber berichtete
zuerst Henry in seinen Untersuchungen über das Berberin. Der-
selbe stellte das cyanwasserstoffsaure Berberin in der Weise dar,
dafs.er eine Lösung von salzsaurem Berberin mit Cyankalium fällte
1) Annalen der Chemie u. Pharmac. Bd. 115 p. 136.
Arch. d. Pharo. CCXXXIIL Bäs. 3. Heft. 11
162 Dr. H Pommerehne: DUeber Berberin.
und den erhaltenen Niederschlag aus Alkohol ymkrystallisierte. Er
‚gab demselben auf Grund der bei den Verbrennungen gefundenen
Werte die Formel CO,» H;g NO,, HCN. Später ist die Existenz einer
derartigen Verbindung des Berberins von Flückiger!) wieder in
Abrede gestellt worden. Nach einer im Chem. pharm. Centralblatte
‘1872 p. 741 sich findenden Notiz von Flückiger über blausaure
Alkaloide, hat dieser Forscher in diesem Niederschlage schon nach
kurzem Auswaschen kein Cyan mehr finden können. Auch durch »
Verteilung von frisch gefälltem Berberin in Wasser und Einleiten von
Cyanwasserstoff konnte er diese Verbindung nicht gewinnen. Des-
halb glaubte Flückiger, dafs diese Verbindung überhaupt nicht
existierte. Auch die blausauren Salze des Chinins, Cinchonins,
Strychnins und Morphins sollen nach Untersuchung von Flückiger
nicht existieren. ,
Um zu erfahren, ob sich die Angaben Flückiger’s be-
stätigten, versuchte ich noch einmal dieses Salz darzustellen. Ich
verfuhr dabei nach der Vorschrift von Henry, indem ich salz-
saures Berberin in einer reichlichen Menge heilsen Wassers löste,
die Lösung dann etwas abkühlen liefs und nun solange eine konz.
Cyankaliumlösung zufügte, als dadurch noch eine Fällung entstand.
Den schmutzig. gelben, flockigen Niederschlag liefs ich absetzen, be-
freite ihn sodann durch Absaugen möglichst von der Mutterlauge
und wusch ihn mit wenig Wasser nach, um ihn dann aus einem
Gemisch von 2 Teilen Alkohol (90 Proz.) und 1 Teil Wasser um-
zukrystallisieren. Derselbe löste sich indessen sehr schwer auf, so
dafs selbst nach wiederholtem Anfgiefsen neuer Mengen Alkohols,
noch immer ein Teil des Niederschlages ungelöst blieb. Das Un-
gelöste verwandelte sich jedoch bei, diesem Kochen in eine aus sehr
kleinen Krystallen bestehende gelbbräunliche Masse, die gleichfalls,
wie die qualitative Prüfung ergab aus cyanwasserstoffsaurem
Berberin bestand. . Das aus Alkohol umkrystallisierte Salz bildete
ein bräunlich gelbes, krystallinisches Pulver. Verdünnte Säuren
wirkten in der Kälte nur langsam darauf ein. Beim Erwärmen Er
“dagegen konnte man sehr bald den Geruch nach Blausäure wahr-
nehmen, während sich dabei unter völliger Austreibung des Cyan-
wasserstoffs die Salze des Berberins mit jenen Säuren bildeten. .
1) Auszug aus dem N. Jahrb. d. Pharm. 33 p. 138.
Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 163
Bei. 1000 getrocknet, färbte sich die Substanz stark dunkel-
braun, ohne indessen dabei an Gewicht zu verlieren. Wasser war
also nicht darin vorhanden. Die Verbrennung mit Kupferoxyd und,
reduzierter Kupferspirale ergab aus:
0,2820 Subst. 0,1334 H,O = 5,18 Proz. H.
0,7150 CO, = 69,15 Proz. .C.
Berechnet sind für C%, H;, NO, HCN
H = 4,97 Proz.
0: = ‚69,61, Proz.
Eine Stickstoffbestimmung, nach Dumas ausgeführt, ergab
aus 0,2948 Subst. 21 cem N. bei 19,60 ©. und 757 mm Barometer-
stand —= 8,12 Proz. N.
Berechnet sind für C,H}; NO,CHN = 7,72 Proz. N.
Die Cyanbestimmung führte ich zunächst nach der Methode
von Carius aus, erhielt jedoch keine Abscheidung von Cyansilber,
sondern eine vollkommen klare Flüssigkeit, sodals dabei die Cyan-
verbindung jedenfalls gänzlich zersetzt worden ist. Hierauf versuchte
ich das Cyan in der Weise zu bestimmen, dafs ich zu der alkoho-
lischen Lösung des blausauren Berberins Silbernitratlösung im
Ueberschuls zufügte und hierauf mit Salpetersäure ansäuerte. Es
schied sich dabei auch ein beträchtlicher Niederschlag von Cyan-
silber ab, den ich aus der heifsen Lösung abfiltrierte, (da beim Er-
kalten sonst Berberinnitrat auskrystallisierte), mit einem Gemisch
aus Alkohol und Wasser zur Entfernung des überschüssigen Silber- .
nitrats nachwusch und bei 100° auf einem gewogenen Filter trock-
nete. Hierbei ergaben:
0,2665 Subst. 0,0662 AgCN = 5,00 Proz. HCN,
Berechnet sind für die Formel
Ca, Hı, NO, HCN = 7,45 Proz. HCN.
Ich fand .also auf Jiese Weise über 2 Proz. HCN zu wenig,
so dafs es scheint, als ob ähnlich wie das Ag Cl bei der Bestimmung
des Chlors :im salzsauren Berberin auch das AgCN durch das
Berberinnitrat zum Teil in Lösung gehalten wird.
Ich verfuhr daher bei einer neuen Cyanbestimmung in der
Weise, dafs ich zunächst versuchte, den Cyanwasserstoff aus’ dem
Berberinhydrocyanid freizumachen und erst dann mit Silbernitrat zu
_ fällen. Ich suspendierte zu diesem Zwecke eine gewogene Menge
der Substanz in Wasser, säuerte stark mit verdünnter Schwefel-
\ 11*
164 Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin.
säure an, destillierte die Flüssigkeit bis auf ein kleines Volumen ab
und fing den übergehenden Cyanwasserstoff in vorgelegtem Am-
moniak auf. Diese ammoniakalische Lösung versetzte ich alsdann
mit überschüssiger Silbernitratlösung und säuerte sie schliefslich mit
Salpetersäure an. Hierbei schied sich sofort ein reichlicher weilser
Niederschlag von AgCN ab, den ich nach dem Absetzen auf einem
gewogenen Filter sammelte und bei 100° trocknete. In dieser Weise
behandelt ergaben
0,3360 Subst. 0,1220 Ag CN = 7,31 Proz. HCN.
Berechnet sind 745 „ HCN.
Durch Rücktitration der überschüssig zugesetzen Y,„N. Silber-
nitratlösung mit 1 N. Rhodanammoniumlösung fand ich, dals
9,0 ccm Y/,„ N. Silberlösung verbraucht waren zur Ausfällung des Cyan-
wasserstofis = 0,0243 8 HCN = 7,23 Proz. H. CN.
Es zeigte sich somit, dafs bei der Destillation mit verdünnter
Schwefelsäure der Cyanwasserstoff vollständig ausgetrieben wird,
und diese Methode sich daher am besten zu dessen Bestimmung eignet.
Gefunden: Berechnet für O5, H;;, NO,HCN:
H. = 5,18 Proz. H. = 4,97 Proz.
Bar 69.15... DIL —BI0L m
BER 12), ee.
HCN 731: , HCN= 7,45
Bei Untersuchung des Destillationsrückstandes zeigte es sich,
dals sich saures Berberinsulfat gebildet hatte. Das Salz war wasser-
frei und ergab aus
0,4466 g Subst. 0,24195 Ba SO, = 18,60 Proz. SO;.
Berechnet sind für (C%y, H;, NO H, SO, = 18,47 Proz. SO;.
Aus den angeführten Untersuchungen geht also hervor, dafs
die Angaben Henry’s sich bestätigen und ein cyanwasserstoff-
saures Salz des Berberins thatsächlich existiert. Die Existenz eines
gut charakterisierten cyanwasserstoffsauren Salzes des Berberins
erscheint mir im Hinblick daraut um so beachtenswerter, als cyan-
wasserstoffsaure Salze von nur wenigen Alkaloiden bekannt sind.
Nach den weitern Angaben Henry's sollte sich bei Ein-
wirkung von konz. Salpetersäure auf cyanwasserstoffsaures Berberin
eine dunkelrote in Wasser und Alkohol ziemlich leicht lösliche
Substanz in mikroskopisch kleinen Nadeln bilden, die er für blau-
saures Nitroberberin hielt. Auch ich versuchte die Darstellung dieses
Körpers, dem ichin in der Kälte blausaures Berberin mit konz.
Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 165
Salpetersäure zusammenbrachte. Dieselbe wirkte unter Entwicklung
einer reichlichen Menge braunroter Dämpfe auch sehr lebhaft darauf
ein, so dafs sich nach einigem Stehen eine völlig klare Lösung von
intensiv roter Farbe bildete. Ich teilte diese Lösung in 2 Teile;
den einen versetzte ich mit Wasser, wodurch sich ein hellroter
flockiger Niederschlag abschied, den ich abfiltrierte und in Alkohol
wieder löste. Aus dieser Lösung schied sich bei freiwilligem Ver-
dunsten jedoch nur eine amorphe, dunkelbraune, fast schwarze Masse
ab, die keine Cyanreaktion mehr gab. Das Filtrat von dem durch
Wasserzusatz abgeschiedenen Niederschlage liefs ich alsdann eben-
falls freiwillig verdunsten. Hierbei erhielt ich zwar Krystalle, die
sich jedoch nur als Oxalsäure erwiesen. Auch beim Verdunsten der
direkt durch Einwirkung von konz. Salpetersäure auf blausaures
Berberin erhaltenen Lösung schied sich nur eine blauschwarze,
amorphe, cyanwasserstofffreie Masse ab, so dals wohl anzunehmen
ist, dafs bei der Einwirkung der konz. Salpetersäure auf Berberin-
hydrocyanid eine tiefergreifende Zersetzung desselben, ohne Bildung
eines charakterisierbaren Nitroproduktes, stattgefunden hat.
Verhalten der Jodalkylegegen Berberin.
Die Salze des Berberins, welche alle leicht und gut krystallisiert
erhalten werden können, sind bereits erschöpfend in der Litteratur
behandelt worden, so dafs es nicht im Plane dieser Arbeit liegen
konnte, dieselben einer erneuten Untersuchung zu unterziehen. Nur
das Verhalten des Berberins gegen Jodalkyle, über welches die
Angaben in der Litteratur bisher sehr widersprechend sind, habe
ich nochmals einer Prüfung unterwofen.
a) Jodmethyl und Berberin.
Perrins und Jörgensen!) berichten, dals bei der Be-
handlung des Berberins mit Jodmethyl nur ein jodwasserstoffsaures
Salz entstände. Dieser Ansicht schliefst sich auch Perkin?) jr. an,
welcher bei der Untersuchung des Verhaltens von Berberin gegen Jod-
methyl fand, dafs das Alkaloid mit diesem Agens kein Additionsprodukt
lieferte. Ich wiederholte diesen Versuch und verfuhr dabei in
folgender Weise: Zur Verwendung gelangte reines kohlensaures
Berberin von Merck, welches ich zunächst in die freie Base
1) Annal. Chem. u. Pharm. Supp. 2 p. 183.
2) C.-Bl,:1889 I. p.'77.
166 Dr. H Pommerehne: Ueber Berberin.
überführte, indem ich es in einem Liebig schen Trockenapparate
unter Hindurchleiten von Wasserstoff so lange im Wasserbade er-
hitzte, bis keine Kohlensäure und kein Wasser mehr entwich. Hier-
bei färbte sich die anfangs gelb-braun aussehende Substanz dunkel-
braun. Da die Kohlensäure erst bei längerem Trocknen völlig aus-
getrieben wird, hierbei aber die Substanz unter starker Dunkel- bis
Schwarzfärbung anscheinend eine geringe Zersetzung erleidet, —
wenigstens war die Ausbeute aus derartig verwendetem Materiale
ziemlich gering im Vergleich mit der aus solchem Materiale, welches
nur kurze Zeit, bis auf die Anwesenheit von nur noch geringen
Mengen CO, getrocknet war, — so ist es zweckmälsig ein allzu
langes und starkes Trocknen zu vermeiden. Dafs in letzterem Falle
eine teilweise Zersetzung des Alkaloids eintritt, beweist auch der
Umstand, dafs derartiges Berberin sich nicht mehr völlig in Alkohol
und auch nicht in Salzsäure löst.
Von dem so erhaltenen reinen Berberin brachte ich etwa 2 g
in einer Druckflasche mit überschüssigem Jodmethyl zusammen und
erhitzte dieses Gemisch etwa 3—4 Stunden im Wasserbade. Das
Reaktionsprodukt befreite ich durch Erwärmen von dem Ueberschuls
des Jodmethyls. Hierbei hinterblieb eine gelb-braun gefärbte Masse,
welche ich in kochendem Alkohol zu lösen suchte. Indessen blieb
dabei stets ein Teil ungelöst, welcher weder mit starkem noch ver-
dünntem Alkohol zum Lösen zu bringen war. Aus der Lösung
schieden sich nach einigem Stehen kleine grünlich-gelb-gefärbte,
lockere Nadeln ab, die ich, als sie sich nicht mehr vermehrten,
sammelte und lufttrocken werden liefs. Ich erhielt diesen Körper
jedoch nur in geringer Menge, etwa 0,2 g aus 2 g Substanz. Beim
Trocknen erwiesen sich diese Krystalle als wasserfrei. Bei der Jod-
bestimmung nach Carius machte ich indessen die überraschende
Beobachtung, dafs diese Substanz überhaupt kein Jod enthielt. Um
aus der Mutterlauge noch mehr von diesem jodfreien Körper zu er-
halten, dampfte ich dieselbe ein und stellte sie zur Krystallisation
bei Seite. Es schieden sich hierbei zwar wieder Krystalle aus, die
jedoch nicht die lockere Beschaffenheit der früher erhaltenen zeigten
und eine gelbbraune Farbe besalsen. Bei einer qualitativen Prüfung
auf Jod zeigte es sich ferner, dals letztere Krystalle stark jod-
haltig waren.
Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 167
0,1942 bei 1000 getrock. Subst. ergaben nach Carius 0,0945 AgJ
= 26,09 Proz, J.
Gefunden: Berechnet für:
CyH;,NO, CH,J, CyH7,NO, HJ.
26,09 Proz. J. 26,62 Proz. J. 27,40 Proz. J.
Nach dem Jodgehalte zu urteilen, würde die untersuchte
Substanz als ein Additionsprodukt von Berberin mit Jodmethyl an-
zusprechen sein. Zur weiteren Charakterisierung dieser Krystalle
als Berberinmethyijodid, suchte ich den Rest derselben in das ent-
sprechende Chlorid überzuführen, indem ich dieselben in verdünntem
Alkohol löste und diese Lösung mit Ag Cl und einigen Tropfen Salz-
säure auf dem Dampfbade eine Zeit lang erwärmte. Nach dem
Eindampfen der von dem gebildeten Jodsilber abfiltrierten Lösung
schieden sich lockere, hellgelbe, nadelförmige, wasserhaltige Krystalle
ab. Bei 100° getrocknet verloren
0,2784 Subst. 0,0450 H,O = 16,16 Proz. H,O.
Gefunden: Berechnet für:
Ca, H,; NO,CH,C1+4H,0. C9 H,, NO,HC1+4H;0.
16,16 Proz. H,O 15,73 Proz. H,O. 16,23 Proz. H,O.
Da der Wassergehalt dieses vermeintlichen Berberinmethyl-
chlorids auf ein gebildetes salzsaures Berberin hinwies, so suchte
ich zur weiteren Kennzeichnung desselben das Goldsalz daraus dar-
zustellen. Ich löste zu diesem Zwecke die fragliche Substanz in
verdünntem Alkohol und versetzte diese Lösung mit Goldchlorid
im Ueberschufs. Hierbei schied sich ein brauner, amorpher, flockiger
Niederschlag ab, den ich nach dem Absaugen aus reinem Alkohol
umkrystallisierte. Schon beim Erkalten der alkoholischen Lösung
schied sich das betreffende Goldsalz in den für das Berberin-Gold-
chlorid charakteristischen braun-roten Nadeln ab. Dieselben ent-
hielten kein Wasser. Bei der Goldbestimmung hinterlielsen
0,2278 getrockneter Substanz 0,0666 Au = 29,23 Proz. Au
Gefunden: Berechnet für:
(Ca, H;, NO,, HCl) Au Cl, (Cy, H;, NO,CH; CI) Au C],
29,23 Proz. Au 29,10 Proz. Au 28,50 Proz. Au
Diese Analysen beweisen, dals sich bei der Umsetzung des Jod-
methyladditionsproduktes in das entsprechende Chlorid, nicht dieses,
sondern unter Abspaltung der anfänglich addierten Methylgruppe
das salzsaure Salz des Berberins gebildet war. Da nun bei der
ersten Einwirkung des Jodmethyls auf Berberin sich offenbar kein
168 Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin.
einheitlicher Körper gebildet hatte, so wiederholte ich diesen Ver-
such, um etwas mehr von dem jodfreien Körper zu erhalten. Aus
dem aus Alkohol umkrystallisierten Reaktionsprodukte schieden sich
jedoch in diesem Falle direkt kleine kompakte, gelbbraune Krystalle
ab, die sich als jodhaltig erwiesen. Bei der”Jodbestimmung erhielt
ich aus
3J. 0,1880 bei 100° getrockneter Substanz 0,0533 AgJ = 15,38 Proz. J.
IN OR2EB „.., 8 & 0.0650 „ = 1552 De
Bei einem dritten Einwirkungsprodukt erhielt ich ebenfalls
direkt wieder einen jodhaltigen Körper, welcher aus
I. 0,2538 Substanz 0,0963 Ag.J = 20,50 Proz. J lieferte.
Gefunden bei Einwirkungsprodukt:
I; II. 1Bh
a) kein Jod a), 15,358 Proz. J 20,50 Proz. J
b) 26,06 Proz. J b)13,82. Proz.)
Nach diesen Daten scheint sich somit bei dem zweiten und
dritten Versuche entweder ein Gemisch aus einem jodfreien und jod-
haltigen Körper gebildet zu haben, die sich durch Umkrystallisieren
nur schwer trennen lassen, oder das ursprünglich gebildete Additions-
produkt ist so labiler Natur, dafs schon beim Umkrystallisieren eine
teilweise Zersetzung desselben eintritt.
Aus den vorstehenden Beobachtungen dürfte somit hervor-
gehen, dafs das Jodmethyl, wenn es überhaupt addierend auf das
Berberin einwirkt, nicht in der glatten Weise reagiert, wie es sonst
bei tertiären Basen der Fall ist.
a) Jodmethyl und kohlensaures Berberin.
Da das saure kohlensaure Berberin schon bei 100° die CO,
vollständig abgiebt, schien es mir nicht uninteressant, zu erfahren,
ob Jodmethyl bei dieser Temperatur auf kohlensaures Berberin in
gleicher Weise reagiere, wielauf reines 'Berberin. Ich erhitzte daher
1 g ‘des Salzes mit Jodmethyleinige Stunden bei 100% Hierbei
resultierte eine gelbbraun gefärbte, mikrokrystallinische |Masse,
welche sich beim Kochen mit Alkohol vollständig löste "und "schon
beim Erkalten der Lösung zum gröfsten Teil wieder in lockern,
hellgelben, 'nadelförmigen Krystallen abschied. Es !unterschieden
sich diese Krystalle schon in der Form wesentlich von den früher
bei der Einwirkung von Jodmethyl auf reines Berberin erhaltenen,
und liefs daher das Aussehen sowie die Farbe derselben bereits
Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 169
vermuten, dafs sich nur ein jodwasserstoffsaures Salz gebildet habe,
Eine Jodbestimmung bestätigte dieses auch, denn
0,2318 bei 10009 getrockneter Substanz ergaben nach Carius
0,1160 AgJ = 27,04 Proz. J.
Gefunden: Berechnet für
Ca, Hız NO,, CH, J Ca Hi, NO, , HJ
27,04 Proz. .J 26,62 Proz. J 27,40 Proz. J
Es ist demnach die Einwirkung des Jodmethyls eine ganz
verschiedene, je nachdem man reines oder kohlensaures Berberin
damit zusammenbringt, obwohl letzteres bei 100° die CO, bereits
vollständig abgiebt.
b) Jodäthyl und Berberin.
Ueber die Einwirkung von Jodäthyl auf Berberin fist schon
mehrfach berichtet worden, indessen weichen die bezüglichen An-
gaben sehr von einander ab. Henry), der zuerst die Ein-
wirkung von Jodäthyl auf Berberin untersuchte, giebt an, dabei ein
Berberinäthyljodid erhalten zu haben. Ebenso erhielten Boeringer?)
sowie später Schreiber?°) und Stubbe#) diese Verbindung.
Perrins und Jörgensen’) hingegen berichten, dafs bei
der Behandlung des Berberins mit Jodäthyl nur ein jodwasserstoff-
saures Salz entsteht, welcher Ansicht sich Court®) ebenfalls an-
schlielst.
Auch nach Perkin’s?) Angabe soll hierbei kein Additions-
produkt entstehen.
Um einen Beitrag zur Entscheidung dieser Frage zu liefern,
liefs ich auf reines, aus Berberincarbonat dargestelltes Berberin,
Jodäthyl in gleicher Weise, wie das Jodmethyl, einwirken. Das
Reaktionsprodukt krystallisierte ich nach dem Verjagen des tiber-
schüssigen Jodäthyls aus heilsem Alkohol, dem etwas Wasser zu-
gesetzt war, um. Dieses Produkt schien sich leichter in verdünntem
Alkohol zu lösen als das entsprechende Jodmethylat. Aus dieser
Lösung schieden sich kleine, gelbbraune Krystalle ab. Beim Trock-
1) Annal. Chem. u. Pharm. 115, p. 132.
2) Ber. d. d. chem. Gesellsch. 1885.
3) Inaug.-Dissertat. Marburg 1888.
4) Arch. d. Pharm. 1890, p. 629.
5) Annal. Chem. u. Pharm. Supp. 2, p. 133.
6) Inaug.-Dissert. Freiburg, p. 13.
%) C.-Bl. 1889 I, p. 77.
170 Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin.
‚nen verlor diese Verbindung nichts an Gewicht. Der Jodgehalt
nach Carius bestimmt, ergab aus:
I. 0,1952 bei 1000 getrockn. Substanz 0,0925 AgJ =: 25,60 Proz. J.
1..020225,.,7,, a ® 0,0958 Ag J = 25,563. „UT
IT. 02492 „. „ u a 0,1210 AgJ = 26217 7%
Gefunden: Berechnet für:
T.. 25.60 1Pro62. J. Ca Hı, NO, C,H, J. C5, H;, NO, HJ.
100 al 25,83 Proz. J. 27,40 Proz. J.
II7.7726,21. te.
Hieraus geht hervor, dafs sich in der That ein Additions-
produkt von Berberin und Jodäthyl bei dieser Einwirkung ge-
bildet hatte.
Zum weiteren Nachweise, dafs es sich bei dieser Verbindung
um ein Additionsprodukt handelte, suchte ich daraus das ent-
sprechende Goldsalz darzustellen. Ich löste zu diesem Zwecke die-
selbe in verdünntem Alkohol, fügte zu dieser Lösung überschüssiges
AgCl und einige Tropfen HCl, und erwärmte das Gemisch eine
Zeit lang gelinde.e Aus dem eingedampften Filtrat schieden sich
beim Erkalten lockere, hellgelbe Nadeln ab. Beim Trocknen
verloren:
0,4734 dieser Substanz 0,0772 H;O = 16,277 H30.
Gefunden: Berechnet für:
Ca, H;, NO,C, H,C1l+4H,0 CyH7,NO,HCI+4H,O
16,29 Proz. H,O. 15,26 Proz. H,O. 16,23 Proz. H,O.
Nach der Krystallform und dem Wassergehalte zu urteilen,
hatte sich auch bei dieser Umsetzung nur Berberinhydrochlorid ge-
bildet. Zur ferneren Bestätigung dieser Annahme stellte ich daraus
das Goldsalz dar. Ich erhielt dasselbe wieder in den für Berberin-
goldchlorid charakteristischen Krystallen, die sich bei der Analyse
auch thatsächlich als solches herausstellten. Es hinterliefsen :
I. 0,2638 bei 1000 getrockneter Substanz 0,0768 Au — 29,11 Proz.,Au.
TR 021060 & V(,,; h 1 0,0610 Au = 28,96 „Au.
Gefunden: Berechnet für:
I. 29,11 Proz. Au. (C9H,,N0,0,H,Cl) AuQ], (C49H;,;, NO,HCIAuCl,
I1..28;91: 4 Au 27,94 Proz. Au. 29,10 Proz. Au.
Es hatte sich somit auch aus dem Berberinäthyljodid beim
Ueberführen in das entsprechende Chlorid, in analoger Weise, wie
ich es bereits beim Berberinmethyljodid beobachtet hatte, unter Ab-
spaltung der addierten Aethylgruppe, salzsaures Berberin gebildet.
Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 171
Aus den vorstehenden Beobachtungen geht hervor, dals in
Uebereinstimmung mit den Angaben von Henry, Boeringer,
Schreiber und Stubbe, das Berberin, entsprechend seinem
Charakter als tertiäre Base, sich mit Jodäthyl zu Berberinäthyljodid
vereinigt. Die Beständigkeit dieser Verbindung ist jedoch eine viel
-geringere, als die der sonstigen quaternären Ammoniumjodide,
da schon bei der Einwirkung von AgÜl salzsaures Berberin ge-
bildet wird.
Jodäthyl und Berberincarbonat.
Das verschiedene Verhalten, welches Jodmethyl gegen reines
Berberin und kohlensaures Berberin gezeigt hatte, veranlafste mich,
auch beim Jodäthyl zu untersuchen, wie dieses auf kohlensaures
Berberin reagieren würde. Ich erhitzte zu diesem Zwecke eine
Probe letzteren Salzes mit Jodäthyl einige Stunden in einer Druck-
flasche bei 100° und krystallisierte die dabei erhaltene gelbbraune
Masse aus verdünntem Alkohol um. Aus dieser Lösung schieden
sich kleine kompakte, rötlich-gelbe Krystalle ab, die denen des oben
beschriebenen Additionsproduktes in Form und Aussehen sehr ähn-
lich waren. Dieselben waren ebenfalls wasserfrei. Bei der Jod-
bestimmung nach Carius erhielt ich aus:
0,2474 Substanz 0,1201 AgJ = 26,23 Proz. J.
Gefunden: Berechnet für:
Cy, H,, NO, C,H, J. On Br NO
26.23 Proz. J. © 95,83 Proz. 37,40 Proz. J.
Es scheint somit Jodäthyl auf kohlensaures Berberin in gleicher
Weise einzuwirken wie auf reines Berberin.
c) Jodamyl und Berberin.
Die Einwirkung von Jodamyl auf Berberin ist bereits von
Schreiber (l. c.) studiert worden. Nach den betreffenden Angaben
soll hierbei ein Additionsprodukt gebildet werden. Im Anschlufs an
die vorstehenden Versuche schien es nicht ohne Interesse zu sein,
auch diesen Versuch zu wiederholen, da das hierbei zu erwartende
Additionsprodukt einen noch gröfseren Unterschied im Jodgehalte
gegen das Berberinhydrojodid zeigen mulste, wie dieses beim Ber-
berinäthyljodid der Fall ist.
Ich liefs zu diesem Zweck Jodamyl auf reines Berberin 4—5
Stunden einwirken, wusch die dabei erhaltene braune, gefärbte Masse
172 Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin.
zunächst in der Kälte mit etwas Alkohol aus, um das überschüssige
Jodamyl, sowie die Perjodide gröfstenteils zu entfernen, und kry-
stallisierte den Rückstand schlie[slich aus heilsem, verdünntem Alkohol
um. Aus dieser Lösung schieden sich nach einigem Stehen ganz
kleine, gelbbraun gefärbte Krystalle ab, welche beim Trocknen sich
als wasserfrei erwiesen. Aus der Mutterlauge erhielt ich durch Ein-
dampfen nur noch eine geringe Menge derselben Krystalle, indem
sich sehr bald, ebenso wie ich es beim Eindampfen der Mutterlaugen
des Berberinäthyljodids beobachtet hatte, braune, harzartige Massen
mit abschieden, die zur Analyse nicht mehr geeignet waren.
Bei der Jodbestimmung ergaben;
I. 0,1908 bei 1000 getrockn. Subst. 0,0851 Ag J = 24,05 Proz. J.
EROSION ei r 0,085 „ = 24,96 4
1172002883. = ... 0,1304 2 =—=2398 =
IV. 0,2084 „ “ + 0,0915 MN 3372 n
Gefunden: Berechnet für:
1. 24.050 Proz. J. CO. H,, NO, C;, HJ. Ca Hız NO, HJ.
II. 24,96 us 23,80 Proz. J. 27,40 Proz. J.
III. 23,92 ®
IV. 23,72 x
Es war also hier, wie diese Daten zeigen, unzweifelhaft ein
Additionsprodukt von Jodamyl und Berberin gebildet. Einen Teil
der erhaltenen Krystalle verwendete ich dazu, sie mittelst Ag Cl in
das entstehende Chlorid umzusetzen, hierbei erhielt ich wieder die
für das Berberinhydrochlorid charakteristischen hellgelben, nadel-
förmigen Krystalle. Auch der Wassergehalt sprach für ein derartig
gebildetes Salz. Es verloren bei 100% getrocknet!
0,3694 Substanz 0,0602 H, O = 16,26 Proz. H3,0.
Gefunden: Berechnet für:
Ca, H„7 NO,HC1+4H;,0.
16,26 Proz. H,O. 16,23 Proz. H,O.
Das hieraus dargestellte Goldsalz krystallisierte aus Alkohol
in schönen rotbraunen, wasserfreien Nadeln, die durchaus denen des
Berberingoldchlorids glichen. Es hinterliefsen:
I. 0,3476 g dieses Salzes 0,1010 Au = 29,05 Proz. Au.
I. 0,3126 g > 5 0,0906 „ 28,98 ,„ y
II. 0262 „ " 0,0769), 0 E28
Gefunden: Berechnet für;
I. 29,05 Proz. Au. (CO, H,, NO, C,H,,Cl)Au Cl C„H NO,HCI AuCl,
11.2898 „ se Proz au, Me I
In1.188,88'0 ;,,
Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 173
Bei einem Ueberblick über das Verhalten der Jodalkyle gegen
Berberin ergiebt sich also, dafs in allen drei Fällen jedentalls ein
Additionsprodukt des Berberins mit dem betreffenden Jodalkyle
entsteht, welches indessen bei der Ueberführung in das entsprechende
Chlorid, beim Umsetzen mit Ag Ol, unter Abspaltung der anfänglich
addierten Alkylgruppen, sich in Berberinhydrochlorid verwandelt.
Von den in den Bereich der Untersuchung gezogenen Alkyljodiden
reagiert am wenigsten glatt das Jodmethyl.
Zusammenstellung der erzielten Resultate.
1. Dem Oxyacanthin kommt die Formel C,g H;ı NO, zu, und
zwar auf Grund der Werte, welche die Analysen der freien Base,
sowie folgende Salze derselben lieferten:
a) das salzsaure Salz: Cj9g Hs; NO;,, HC1+2H,0.
b) das bromwasserstoffsaure Salz: CjHs; NO, HBr+2H, 0.
c) das jodwasserstoffsaure Salz: Cj9g Hs; NO, HJ +2H,0.
d) das schwefelsaure Salz: (Cjg Hsı NO3)) H, SO, +4H;,0.
e) das salpetersaure Salz: Cjg Hs; NO, HNO, +2H,0.
f) das Platindoppelsalz: (Cjg Hzı NO;,, HCl, PtC,+5H,0.
g) das Golddoppelsalz: (Co Hsı NO;, HC) AuCl, +4H;,0.
2. Im Molekül des Oxyacanthins ist ein Sauerstoffatom in
Form einer Hydroxylgruppe und die beiden anderen wahrscheinlich
in Gestalt von Methoxylgruppen vorhanden.
3. Das Oxyacanthin liefert mit Jodmethyl ein Additionsprodukt,
welches durch Behandeln mit Ag, O in eine Ammoniumbase über-
geht. Das Oxyacanthin ist somit als tertiäre Base anzusehen.
4. Das Oxyacanthin ist optisch aktiv und lenkt den polari-
sierten Lichtstrahl stark nach rechts ab.
5. Dem Berbamin ist nach den für das Hydrochlorid und
Platinsalz gefundenen Werten die Formel C,s Hıg NO, zuzuerteilen.
6. Vom Berberin existiert aufser dem sauren schwefelsauren
Salz noch ein neutrales Sulfat: (Ca9 Hı, NO,) Hs SO, +3 H, 0.
7. Das Berberin liefert bei geeigneter Behandlung mit CO,
ein wirkliches Bicarbonat: O3, H;, NO,H CO, +2H; 0.
8. Das Berberin ist im Stande, mit HCN ein gut charakteri-
siertes Salz: Cy9 Hız NO, HCN, zu bilden.
174 E. Gildemeister: Ueber Limettöl.
9. Bei der Einwirkung von Jodalkylen auf Berberin bildet
sich ein Additionsprodukt.
10. Die Jodalkyladditionsprodukte des Berberins zeigen eine
geringere Beständigkeit als die sonstigen Jodide quaternärer Ammo-
niumbasen.
Mitteilungen aus dem Laboratorium
von Schimmel & Co. in Leipzig.
Beiträge zur Kenntnis der ätherischen Oele.
Von Eduard Gildemeister.
(Eingegangen den 21. III. 1895.)
I. Ueber Limettöl.
Als Limetten bezeichnet man die Früchte von zwei ganz ver-
schiedenen Pflanzen, und zwar unterscheidet man die westindische
und die südeuropäische Limette.
Die westindische Limette, Citrus medica L. var. acıda Brands })
(lime), wird wegen ihres sauren Saftes hauptsächlich auf Montserrat,
Dominica und Jamaica kultiviert. Ihre kleinen eiförmigen Früchte
sind von schwefelgelber Farbe und mit einer nur schwach ausgebildeten
Zitze versehen. Der an Citronensäure reiche Saft bildet einen
ziemlich bedeutenden Handelsartikel und kommt entweder als „Raw
lime juice“ auf den Londoner Markt, von wo er in die Citronen-
säurefabriken wandert, oder er wird, nachdem er eingedampft ist,
als „Concenirated lime juice“ meist nach Nord-Amerika verschifft,
um dort zur Limonadefabrikation zu dienen. Das aus der Frucht-
schale geprefste Oel, im Handel als „Oil of limette“ bezeichnet, ent-
hält sehr viel Citral und ist, abgesehen von seiner grölseren In-
tensität, im Geruch von Citronenöl kaum zu unterscheiden.
Ganz verschieden von dem geprelfsten ist das destillierte Oel,
welches als Nebenprodukt beim Eindampfen des Saftes gewonnen
wird und unter der Bezeichnung „Oil of limes“ geht. Es hat einen
unangenehmen Geruch, der gar nicht mehr an Citral erinnert. Ver-
1) Bulletin of miscelaneous information, Royal gardens Kew,
1894, p. 113.
E. Gildemeister: Ueber Limeittöl. 175
mutlich wird dieser Aldehyd beim Einkochen der sauren Flüssigkeit
vollständig zerstört.
Die Eigenschaften mehrerer von mir untersuchter Oele waren
folgende:
Destillierte Oele.
Beide von Dominica.
No. 1. Spez. Gew. 0,868 bei 15%. Drehungswinkel (100 mm)
+ 380 35’. Siedete zwischen 175 und 220°,
No. 2. Spez. Gew. 0,867 bei 15°.
Gepre[ste Oele.
No. 1 von Montserrat. Spez. Gew. 0,882 bei 15%. Drehungs-
winkel + 350 40’.
No. 2 von Dominica. Spez. Gew. 0,882 bei 15%. Drehungs-
winkel + 370 55,
Die Früchte der südeuropäischen Limette, Citrus Limetta Risso !)
(Citrus Limetta vulgarıs, Lima dulcıs Volcam., Lima di Spagna
dolce Tanar., Limettier ordinaire.) unterscheiden sich von der west-
indischen am auffallendsten durch ihren sülsen Saft. Der Limett-
baum heifst in Calabrien ?) arancıo oder limoncello di Spagna, seine
Früchte arancı oder limi di Spagna. Früher wurden die Limett-
pflanzen dort in grofser Menge kultiviert, weil auf sie die Bergamotte
gepfropft wurde, da aber ihre Wurzeln häufig von der sogenannten
Gummikrankheit befallen wurden, so pflegt man jetzt die Bergamotten
auf den widerstandsfähigeren Bitterorangenbaum zu pfropfen.
Die Blütezeit, wo der Baum rein weilse Blüten trägt, fällt in
den Mai, die Fruchtreife in den Dezember bis Januar. Die Früchte
gleichen im Aussehen den Citronen, nur nähert sich ihre Gestalt
etwas der Kugelform, aulserdem ist die stark entwickelte Zitze mehr
wie bei diesen in die Breite gedrückt.
Die Limetten sind essbar, haben jedoch einen faden und allzu
aromatischen Geschmack. Ehe man sie genielst, muls man die
dünnen Häutchen, welche die Scheidewände der einzelnen Fächer
bilden, wegen ihres bitteren Geschmacks entfernen.
1) Risso et Poiteau. Histoire et culture des Orangers.
2) Herrn N. Siles in Reggio bin ich für eine Sendung von
Limettfrüchten, sowie für die darauf bezüglichen brieflichen Mit-
teilungen zu grolsem Danke verpflichtet.
176 E. Gildemeister: Ueber Limettöl.
Die Farbe der Fruchtschale, welche das sehr angenehm
riechende ätherische Oel enthält, ist im reifen Zustande bräunlich
gelb. Zur Oelgewinnung läfst man die Früchte nicht vollständig
reifen, sondern prelst sie solange sie noch grün sind, weil dann die
Ausbeute eine grölsere ist.
Die Aurantiaceenfrüchte haben unter pflanzlichen wie tierischen
Schmarotzern, welche nicht selten die Ernte zu Grunde richten, zu
leiden. Von beiden Arten waren auf den mir gesandten Limetten
Vertreter zu finden. So hatten sich auf einigen der Früchte, als
weilse Pünktchen sichtbare Pilzkolonien angesiedelt, eine Krankheit,
die mar in Calabrien „bianco“ nennt. Sie befällt vorzugsweise die
Citronen, welche dann ein Oel von schlechtem Geruch und in geringer
Menge liefern. Ein anderer Teil der Früchte wies zahlreiche braune
Flecke auf, die sich bei näherer Betrachtung als Läuse „prdoechi“
(Coccus cıtri?) zu erkennen gaben. Sie finden sich auf Zweigen,
Blättern und Früchten und richten bisweilen grofsen Schaden an;
so wurde beispielsweise vor mehreren Jahren die Bergamotternte
durch diese Tierchen um die Hälfte verringert.
Die Gewinnung des Limettöles geschieht auf die bei den
übrigen Anrantiaceenölen, Bergamottöl, Citronenöl und Pomeranzenöl
übliche Weise, durch Auspressen der Fruchtschalen mit der Hand,
wie es seiner Zeit von Flückiger!) ausführlich beschrieben
worden ist. Seine Produktion ist nur sehr unbedeutend und dem-
entsprechend hat das Oel praktisch nur geringes Interesse.
Versuche zu einer wissenschaftlichen Untersuchung des Oeles
sind schon mehrere gemacht worden, die aber alle in eine Zeit fallen,
wo die Kenntnis der Terpene und der damit zusammenhängenden
Körper eine noch recht mangelhafte war.
M. S. Luca?) bezeichnet zwar in einer 1860 erschienenen
Abhandlung als Stammpflanze des von ihm untersuchten Oeles Citrus
Lumna, ich glaube aber doch aus der Uebereinstimmung sowohl der
Beschreibung, als auch der italienischen Bezeichnung der Früchte mit den
Limetten, sowie aus dem Untersuchungsresultat schliefsen zu müssen,
dafs seiner Arbeit dasselbe Oel wie meiner zu Grunde gelegen hat.
Es wird nämlich in der zitierten Abhandlung gesagt, dais die Früchte,
1) Archiv der Pharmacie 227, 1065.
2) „Recherches surl’essencede Citrus Lumia“ Comptes rendus5l, 258.
ri
E. Gildemeister: Ueber Limettöl. 177
aus denen das Oel gewonnen wurde, in ihrem Aeulseren einer Citrone
ähnlich seien, sich jedoch durch ihren sülsen Saft und bergamott-
artigen Geruch von dieser unterschieden. Ferner wird erwähnt,
dafs sie m Calabrien „Limi di Spagna“ genannt würden. Bei der
Destillation des optisch rechtsdrehenden Oeles über freiem Feuer
bemerkte Luca Eintreten von Zersetzung bei 200°, eine Erscheinung,
die sich durch Abspaltung von Essigsäure erklärt. Als Hauptbestand-
teil erhielt er eine bei ca. 1800 siedende Fraktion von spez. Gewicht
0,853, deren Analyse auf ein Terpen C,, Hıs stimmende Zahlen gab,
und aus welcher durch Einleiten von Salzsäure ein Dichlorhydrat
Co Hıs 2 HCl erhalten wurde. Alle diese Beobachtungen kann ich
als durchaus richtig bestätigen.
Eine neuere Untersuchung des Oels von Citrus Limetta liegt
von Wright und Piesse!) vor. Sie gewannen aus ihrem Oel,
welches ein spez. Gewicht von 0,90516 bei 15,5 besafs, durch frak-
tionierte Destillation ein bei 176° siedendes Terpen, von dem sie be-
merken, dals es dem aus Pomeranzenöl sehr ähnlich sei.
Das von mir untersuchte Limettöl war von bräunlich-gelber Farbe,
hatte ein spezifisches Gewicht von 0,872 bei 15° und drehte den
polarisierten Lichtstrahl bei 100 mm Rohrlänge bei 150 um 58° 19’
nach rechts. [«]n bei 150° = + 66° 52°. Wie alle geprefsten Auran-
tiaceenöle, besonders im frischen Zustande, setzt es einen reichlichen
gelblich weilsen Bodensatz ab. Sein Geruch ist sehr angenehm und
erinnert stark an Bergamottöl beziehungsweise dessen Hauptbestand-
teil, das Linalylacetat. Die Gegenwart von Estern wurde durch eine
Verseifung, bei welcher 2,01 g Oel, 0,1512 g KOH verbrauchten, dar-
gethan. Dies entspricht auf Linalylacetat, dessen Anwesenheit durch
den weiteren Verlauf der Untersuchung festgestellt wurde, berechnet,
einem Gehalt von 26,3 Proz.
Da nun erfahrungsgemäls bei der fraktionierten Destillation
über freiem Feuer die Ester meist durch Abspaltung ihres sauren
Komponenten zersetzt werden, und hierdurch nicht nur der Gang
der Fraktionierung gestört wird, sondern auch die Säure verändernd
auf andere Bestandteile einwirken kann, so ist es in einem solchen
Falle, wenn man nicht die ganze Fraktionierung im Vakuum vor-
1) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 10. 1601.
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bde. 3. Heft. 12
178 E. Gildemeister: Ueber Limettöl
nehmen will, am geratensten, den Ester vorher durch Verseifen zu
zerlegen.
Es wurden daher 300 g Oel mit 50 g Kali, das in 200 g Alkohol
gelöst war, mehrere Stunden auf dem Wasserbade erhitzt, und nach
dem Erkalten mit Wasser versetzt. Nach Trennung der wässerigen
Flüssigkeit von dem aufschwimmenden Oele, wurde dies noch mehr-
mals mit Wasser ausgewaschen und zur Entfernung von Verharzungs-
produkten mit Wasserdampf übergetrieben, hierauf mit entwässertem
Natriumsulfat getrocknet und unter Anwendung eines Kugelaufsatzes
der fraktionierten Destillation unterworfen. Zunächst fing ich das
bis 1900 Uebergehende auf, und stellte das Höhersiedende, zur
weiteren Verarbeitung im Vakuum, vorläufig bei Seite.
Nach mehrmaliger sorgfältiger Fraktionierung des die Terpene
enthaltenden Anteils, zuletzt über metallischem Natrium, wurde dieser
in 3 Teile mit folgenden Eigenschaften zerlegt:
1. Sdp. ca. 170—1750 spez. Gew. 0,3847 b. 150 Drehungswinkel
(100 mm) + 649 33° bei 150.
Sdp. 175—176°% spez. Gew. 0,848 Drehungswinkel + 800 32
bei 150.
3. Sdp. 176—1780 spez. Gew. 0,848 Drehungswinkel + 810 45‘
bei 150,
Was die Grölse der einzelnen Fraktionen anbetrifft, so war
No. 1 die kleinste und ihre Menge betrug vielleicht '/;, von jeder
[89]
der folgenden, die etwa gleich grofs waren.
Der Siedepunkt der ersten Fraktion deutete aut Phellandren
hin. Bei der Behandlung mit Natriumnitrit und Eisessig wurde auch
eine undeutliche Phellandrenreaktion wahrgenommen, es gelang jedoch
nicht, das krystallinische Pbellandremnitrit zu isolieren, so dals es
zweifelhaft bleiben mufs, ob hier wirklich Phellandren vorliegt.
Jedenfalls wäre die Quantität nur eine äulserst minimale. Siedepunkt,
spezifisches Gewicht und Drehung der beiden folgenden Fraktionen
liefsen die Gegenwart von Limonen wahrscheinlich erscheinen. Es
wurden daher 10 ccm der Fraktion 2, in 40 cem alkoholhaltigem
Eisessig gelöst, im Kältegemisch gut abgekühlt und hierzu tropfen-
weise Brom zugesetzt, bis die rote Farbe nicht mehr verschwand.
Jeder Tropfen einfallenden Broms verursachte die Ausscheidung von
krystallinischem Tetrabromid, eine Erscheinung, die nur dann eintritt,
wenn man das Terpen im Zustande grofser Reinheit anwendet.
E. Gildemeister: Ueber Limettöl. 179
Gewöhnlich erhält man anfangs ein dickes Oel, das erst nach einiger
Zeit krystallinisch erstarrt.
Nach zweimaligem Umkrystallisieren, zuerst aus Essigäther und
dann aus Alkohol, zeigte das Bromid den für Limonentetrabromid
charakteristischen Schmelzpunkt 105°.
Zur Vervollständigung des Nachweises von Limonen wurde
noch das sowohl zu Limonen, wie zu Dipenten gehörige Dichlor-
hydrat vom Schmp. 50° dargestellt, welches, wie wir gesehen
haben, auch schon Luca in Händen hatte. Man erhält den
Körper auf eine bequeme Weise aus Jlimonen- oder dipenten-
haltigen Fraktionen, indem man diese mit einer überschüssigen Menge
alkoholischer Salzsäure vermischt und unter häufigem Umschütteln
im verschlossenen Gefälse stehen läfst. Zuerst schwimmt das Terpen
obenauf, sinkt aber, nachdem es sich mit Salzsäure gesättigt hat, zu
Boden, wird allmählich dicker und erstarrt schliefslich zu einer
krystallinischen Masse. Nach zweimaligem Umkrystallisieren aus
Alkohol wurde der Schmelzpunkt des aus Fraktion 176—1780 ge-
wonnenen Dichlorhydrats bei 50—51° gefunden.
Es besteht also der zwischen 175 und 178° siedende Kohlen-
wasserstoff des Limettöles aus Rechts-Limonen.
Denjenigen Teil des Oeles, der bei der Destillation bis 190°
nicht übergegangen war, fraktionierte ich zweimal im Vakuum. Die
Hauptfraktion zeichnete sich durch reinen Linaloolgeruch aus, siedete
bei 13 mm Druck von 88,3—89,5° und bei Atmosphärendruck
(B = 760 mm) von 198—199", Spez. Gewicht 0,870 bei 15°, Drehungs-
winkel bei 15° (100 mm Rohr) — 17,37° [a]p = — 200 7° bei 15°,
Brechungsexponent nn 1,4668 bei 200. Diese Eigenschaften stehen
mit denen des Linalools aus anderen Quellen, von denen die wichtigsten
in der nächsten Abhandlung zum Vergleich zusammengestellt sind,
in guter Uebereinstimmung.
Zum Nachweis des Linalools auf chemischem Wege fehlt es
bisher noch an einer charakteristischen Verbindung, man ist vielmehr
einzig undallein auf die Identifizierungdeshauptsächlichsten Oxydations-
produktes, des Citrals angewiesen, was aber durch die Darstellung
der von Doebnert) entdeckten Citryl-#-naphtocinchoninsäure keine
Schwierigkeiten macht.
1) Berichte d. Deutsch. chem. Gesellschaft 27, 352, Archiv. d.
Pharm. 232, 688.
12*
130 E. Gildemeister: Ueber Limettöl.
Zur Ausführung der Oxydation wurden 6 g der Linaloolfraktion
mit einer Lösung von 15 g Kaliumbichromat in 70 g Wasser und
10 g Schwefelsäure geschüttelt, wobei sich die Flüssigkeit stark er-
wärmte. Nach Beendigung der Reaktion wurde das im Scheidetrichter
abgeschiedene und durch Waschen mit Wasser von Säure befreite
Oel im Wasserdampfstrom überdestillier. Das intensiv nach Citral
riechende Oel wurde in Alkohol gelöst und mit gleichen Molekülen
Brenztraubensäure und # Naphtylamin mehrere Stunden lang auf dem
Wasserbade erwärmt. Nach dem Erkalten schied sich eine in Blätt-
chen krystallisierende citronengelbe Verbindung ab, deren Schmelz-
punkt nach Umkrystallisieren aus Alkohol bei 198—1990 gefunden
wurde. Nach Doebner (l.c.) schmilzt die Citryl-#-Naphtocinchonin-
säure bei 1970. Hieraus und aus der Uebereinstimmung der physi-
kalischen Konstanten ist zu schlie[sen, dafs die von 198—-199 siedende
Fraktion des Limettöls aus Links-Linalool besteht.
Es blieb nunmehr noch die Säure zu ermitteln, als deren Ester
das Linalool ursprünglich m dem Oele vorhanden gewesen war. Zu
dem Zwecke wurde die bei der Verseifung erhaltene alkalische
Lauge auf ein kleines Volumen eingedampft, und mit überschüssiger
Schwefelsäure versetzt. Aus der sauren Flüssigkeit wurde die
flüüchtige organische Säure durch Wasserdampf abdestilliert und das
Destillat nach Neutralisation mit kohlensaurem Natron eingedampft.
Beim Erkalten schieden sich derbe Krystalle ab, die in Wasser sehr
leicht löslich waren und beim Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäure
und Alkohol einen ganz reinen Essigäthergeruch entwickelten.
Aus einem Teile der Mutterlauge wurde durch Umsetzung mit
Silbernitrat das Silbersalz der Säure dargestellt, das aus heilsem
Wasser in zarten Nädelchen krystallisierte und, wie die Analyse
zeigte, aus essigsaurem Silber bestand.
0,4620 g Silbersalz hinterliels beim Glühen 0,2986 g Silber.
Berechnet für CH, COO Ag. Gefunden
64,67 Proz. 64,63 Proz.
Der im Limettöl enthaltene Ester ist also Linalylacetat.
Da ich inzwischen die Beobachtung gemacht hatte, dals bei
der Darstellung von Linalylacetat nach dem Bertram’schen !) Ver-
fahren mit Eisessig und Schwefelsäure, aus Links - Linalool der
1) Deutsches Reichspatent No. 80711.
E. Gildemeister: DUeber Limettöl. 181
rechtsdrehende Essigester entsteht, und da bis jetzt noch Angaben über
das Drehungsvermögen des natürlich vorkommenden Linalylacetats
fehlen, die Möglichkeit also nicht ausgeschlossen war, dafs der zum
Links-Linalool gehörige Ester rechtsdrehend sein könnte, so war es
geboten diesen als solchen aus dem Oele zu isolieren. Hierzu mulste
aus den anfangs angegebenen Gründen die ganze Destillation im
Vakuum vorgenommen werden, und es wurden zu dem Zweck 200 g
Oel in Arbeit genommen.
Nach dreimaliger sehr langsam ausgeführter Fraktionierung
wurde aufser den nicht mehr weiter berücksichtigten Terpenen, eine
bei 13 mm Druck zwischen 101 und 103° siedende Hauptfraktion
gewonnen, deren spezif. Gewicht bei 15°, 0,898 betrug. Die optische
Drehung (100 mm) war — 9° 52’ bei 15°, das Ester drehte also
in demselben Sinne wie das daraus abgeschiedene Linalool.
Wie eine Esterbestimmung ergab, bestand diese Fraktion aber
noch keineswegs aus reinem Linalylacetat.
1. 2,01 g verbrauchten 0,4760 $ KOH entsprechend 82,6 Proz. Ester.
2. 2,06 x verbrauchten 0,4886 $ KOH entsprechend 82,95 Proz. Ester.
Es waren also noch 17 Proz. Verunreinigungen vorhanden,
vermutlich Linalool, ohne welche der Siedepunkt wahrscheinlich
etwas höher gefunden worden wäre.
Zum Nachweise alkoholischer Bestandteile in ätherischen
Oelen ist schon mehrfach !) mit Erfolg so verfahren worden, dafs
man das Oel vor und nach der Behandlung mit Essigsäureanhydrid
einer Verseifung unterwarf. Bei Anwesenheit von Körpern alko-
holischer Natur findet man dann im acetylierten Oele einen höheren
Estergehalt, als im ursprünglichen. 20 g Oel wurden mit 20 g
Acetanhydrid und 3 g wasserfreiem Natriumacetat in einem Kölbchen,
das mit einem eingeschliffenen, als Rückflufskühler dienenden Glas-
rohr versehen war, eine Stunde lang im Sieden erhalten. Nachdem
das überschüssige Essigsäureanhydrid durch Digestion mit Wasser
auf dem Wasserbade zerstört war, wurde das von der wässerigen
Flüssigkeit getrennte Oel mehrere Male mit Soda ausgewaschen und
darauf mit wasserfreiem Natriumsultat getrocknet.
1) Bertram und Walbaum Journ. f. pr. Ch. N. F.45, 594. Bertram
und Gildemeister ebendaselbst 49,183. Power und Kleber Arch. d.
Pharm. 232, 652.
182 E. Gilde meister: Ueber Origanumöl.
Bei der Verseifung wurden folgende Resultate erhalten:
1. 2,01 g acetyliertes Oel verbrauchte 0,1722 g KOH, entsprechend
29,75 Proz. Linalylacetat.
2. 2,03 g verbrauchte 0,1722 & KOH, entsprechend 29,4 Proz. Lin-
alylacetat.
Der Gehalt an Linalylacetat war also bei dem acetylierten
Oele um 3 Proz. höher als bei dem ursprünglichen Oele. Da ein
anderer Alkohol bei der Untersuchung nicht autgefunden war, so
kann der freie Alkohol nur Linalool sein. Auf die vorhandene Menge
läfst sich aber aus der Bestimmung in diesem Falle ein Schluls
nicht ziehen, da bekanntlich die Acetylierung bei Linalool durchaus
nicht quantitativ verläuft, sondern ein erheblicher Teil des Linalools
durch Wasserabspaltung in Dipenten, Terpinen und polymere Ter-
pene umgewandelt wird.
Wie im Vorstehenden gezeigt worden ist, setzt sich das
ätherische Oel der sülsen Limette, Citrus Limetta Rısso, aus Rechts-
Limonen, Links-Linalool und Links-Linalylacetat zusammen. Wenn
auch das Limonen der Menge nach den Hauptbestandteil bildet, so
sind an der Hervorbringung des charakteristischen Geruchs wesent-
lich nur Linalylacetat und Linalool beteiligt.
Es gleicht also in seiner Zusammensetzung dem Bergamottöl,
in welchem aufser diesen drei Körpern noch Dipenten vorkommt.
I. Ueber Smyrnaer Origanumöl.
Unsere Kenntnis von der chemischen Zusammensetzung der
Oele der verschiedenen Origanumarten, welche im Handel den Namen
Spanisch Hopfenöl oder Kretisch Dostenöl führen, verdanken wir
einer interessanten Studie von E. Jahns.?) Dieser fand bei sieben
verschiedenen, teils in Deutschland destillierten, teils von Triest oder
aus Kleinasien importierten Oelen als Hauptbestandteil Carvacrol
CioHıs 0, ein Phenol, welches bis dahin noch in keinem Pflanzen-
produkte autgefunden, künstlich jedoch schon auf verschiedene Weise
dargestellt worden war. Später wies Jahns denselben Körper noch in
1) Bericht von Schimmel & Co., April 1893, 38.
2) Ueber das ätherische Oel von Origanum hirtum Link. und das
Kretisch Dostenöl des Handels. Arch. d. Ph. 215 (1879) 1.
E. Gildemeister: Ueber Origanumöl. 183
den Oelen von Satureja hortensist), Origanum vul-
gare und Thymus Serpyllum?) nach. Carvacrol ist ferner,
wie Haller?) zeigte, im Oele von Satureja montana enthalten.
Endlich findet es sich in spanischen Thymianölen in grofser Menge
(50—60 Proz.) und neben Thymol in manchen deutschen und fran-
zösischen Thymianölen.
Aufser Carvacrol stellte Jahns im Kretisch Dostenöl die
Anwesenheit geringer Mengen eines zweiten Phenols fest, welches
mit Eisenchlorid eine violette Färbung annahm und sich dadurch
von ersterem, welches durch dasselbe Reagens grün gefärbt wird,
unterscheidet. In den von 172—176° siedenden Bestandteilen des
Oeles vermutete er Öymol, ohne jedoch diesen Kohlenwasserstoff mit
Sicherheit zu identifizieren.
Da das Spanisch Hopfenöl häufig verfälscht zu werden pflegt,
und zweifelsohne das Carvacrol sein wertvollster Bestandteil ist, und
da dieser als direkter Wertmesser für die Güte des Oeles angesehen
werden muls, so prüft man das Oel, indem man seinen Gehalt an
Phenol annähernd quantitativ bestimmt. Hierbei verfährt man, wie
ich bereits im Hager ’schen Kommentar zur III. Auflage des
Deutschen Arzneibuches unter Thymianöl ausgeführt habe, zweck-
mälsig so, dals man in einer Bürette von mindestens 60 ccm Inhalt
10 cem des zu prüfenden Oeles bringt, mit 5 prozentiger Natron-
lauge bis zum Nullstrich auffüllt, und kräftig durchschüttelt. Die
Bestandteile nicht phenolartiger Natur setzen sich nach längerem
Stehen an der Oberfläche der Flüssigkeit ab, und ihre Menge kann
an der Skala direkt abgelesen werden. Ist die Bestimmung auch
keineswegs ganz genau, so genügt sie doch, um sich über den Wert
eines Oeles zu orientieren, vollkommen.
Oele, bei denen ein niedriger Phenolgehalt, d.h. unter 50 Proz.,
gefunden wird, sind in der Regel mit Terpentinöl verfälscht,
und lösen sich dann meistens nicht klar in 3 Teilen 70 Proz,
Alkohol auf. Nun kamen mir in jüngster Zeit verschiedene Oele
kleinasiatischer Herkunft unter die Hände, die trotz ihres niedrigen
Phenolgehaltes dennoch mit 70 Proz. Alkohol vollkommen klare
I) Ber. d. D. chem. Ges. 15, 816.
2) Arch. d. Ph. 216, 277.
3) Comptes rendus 94 (1882) 132.
184 E. Gildemeister: Ueber Origanumöl.
Lösungen gaben. Sie waren von hellerer Farbe als die Triester
Oele, im Geruch milder und erinnerten dabei etwas an Linaloeöl,
bezw. Linalool, was besonders deutlich hervortrat, nachdem das
Carvacrol durch Alkali entfernt worden war.
Da im Thymianöl, welches sowohl seiner botanischen Ab-
stammung, als auch seiner chemischen Zusammensetzung nach, als
nächster Verwandter des Spanisch Hopfenöles gelten kann, schon
Linalool nachgewiesen ist,!) so war es naheliegend, die Kretisch
Dostenöle kleinasiatischen Ursprungs auf diesen Körper hin zu
untersuchen. Hierzu lagen vier verschiedene Oele vor, sämtlich von
demselben Charakter und aus derselben Quelle aus Smyrna bezogen.
No. 1. Spezifisches Gewicht 0,930 bei 150 Drehungswinkel
— 70 52° bei 180 (100 mm Rohr). Löslich in 2!/, Teilen 70 (Volum.)
Prozent Alkohol Phenolgehalt 45 Proz.
No. 2. Spez. Gew. 0,916 bei 15%. Die optische Drehung war
wegen zu dunkler Farbe nicht bestimmbar. Löslichkeit wie No. 1.
Phenolgehalt 32 Proz.
No. 3. Spez. Gew. 0,918 bei 15%. Drehung wegen der dunklen
Farbe nicht bestimmbar. Löslichkeit wie No. 1. Phenolgehalt
34 Proz.
No. 4. Spez. Gew. 0,932 bei 15%. Drehungswinkel — 80 44
bei 15°. Löslichkeit wie No. 1. Phenolgehalt 47 Proz.
Zu der nachstehenden Untersuchung verwendete ich dasOel No. 1.
Nachdem die Phenole durch Ausschütteln mit dünner Natron-
lauge entfernt worden waren, wurde das in Alkali Lösliche mit
Wasserdampf destilliert und in mehreren Fraktionen aufgefangen.
Von diesen wurde dann die erste unter Anwendung eines Kugel-
aufsatzes fraktioniert, und nachdem dies fünfmal wiederholt worden
war, folgende Fraktionen aufgefangen:
1. 155 —163 9.
2. 163—1709.
3. 170—175°.
4. 175—180°.
5. 180—183°.
Das höher Siedende liefs ich vor der Hand unberücksichtigt.
Fraktion 1 vom Siedepunkt 155—163° und einem Drehungs-
winkel von — 30 28° bei 150 (100 mm Rohr) war durch das auf-
1) Bericht von Schimmel & Co., Oktober 1894, 58.
E. Gildemeister: Ueber Origanumöl. 135
fallend niedrige spezifische Gewicht 0,826 bei 150 ausgezeichnet.
Hierdurch war die Gegenwart gröfserer Mengen von Pinen (spez.
Gew. 0,860), welches man nach dem Siedepunkt und der optischen
Drehung hätte erwarten können, ausgeschlossen. Von einer näheren
Untersuchung mulste abgesehen werden, da die Quantität eine zu
kleine war, und ich kann daher nur die Vermutung aussprechen,
dafs es sich hier vielleicht um eins der aliphatischen Terpene
Semmler’'s!) handelt. In jüngster Zeit sind übrigens auch im
Hopfenöl (von Aumulus Lupulus) Kohlenwasserstoffe von sehr
niedrigen spez. Gewichte und einem sehr ähnlichen Siedepunkte von
Chapmann?) aufgefunden worden, welcher ebenfalls die Arsicht
äufsert, dals sie möglicherweise in Beziehungen zu denSemmler-
schen Körpern stehen könnten.
Mit Fraktion 4 Siedepunkt 175—180° wurden Versuche zur
Darstellung von Dipententetrabromid angestellt, die aber ohne Erfolg
blieben, weil nur ölförmige Produkte erhalten wurden.
Phellandren und Terpinen waren weder in Fraktion 3 noch in 4
nachweisbar.
Der ausgesprochene Cymol-Geruch dieser beiden Fraktionen ver-
anlalste mich auf diesen Kohlenwasserstoff zu prüfen.
Da Uymol vou kalter Kaliumpermanganatlösung kaum ange-
griffen wird, die Terpene aber leicht zerstört werden, so wurden die
wieder vereinigten Fraktionen 3 und 4 mehrere Stunden lang auf
der Schüttelmaschine mit einer 2, prozentigen Kaliumpermanganat-
lösung durchgeschüttelt, um Verunreinigungen möglichst zu beseitigen.
Dem nicht angegriffenen Oele mulsten wegen seines niedrigen
spez. Gewichtes, 0,845 bei 15% noch andere Körper beigemengt sein,
es wurde deshalb noch zweimal über metallisches Natrium fraktioniert
und in folgenden Intervallen aufgefangen.
1. 168—1720.
2. 172—174°.
3. 174—176°.
Aber auch so konnte ein annähernd reines Oymol nicht er-
halten werden, da Fraktion 3 das spez. Gewicht 0,852 bei 15° hatte,
während dem Cymol im reinen Zustande nach Oskar Widman?)
ein solches von 0,8602 bei 150 zukommt.
1) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 24, 682.
2, Essential oil of hops. Journ. ot the chem. Society 67 (1894), 54.
3) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 24, 552.
186 E. Gildemeister: Ueber Origanumöl.
Zum Nachweis von Cymol in ätherischen Oelen ist von
Wallach!) die Ueberführung desselben in Oxypropylbenzo&säure
durch Oxydation, und Umwandlung dieser in Isopropenylbenzo&säure
empfohlen worden.
Es wurden deshalb 10 g der Fraktion 3 mit einer Kalium-
permanganatlösung von 60 g in 1650 g Wasser auf dem Wasser-
bade unter häufigem Umschütteln solange erhitzt, bis Entfärbung
eingetreten war, worauf die vom Manganschlamm abfiltrierte Flüssig-
keit zur Trockne verdampft und der Rückstand mit Alkohol extrahiert
wurde. Die auf ein kleines Volumen eingeengte alkoholische Lösung
liefs auf Zusatz von Schwefelsäure eine Säure ausfallen, welche aus
Alkohoi umkrystallisiert bei 156—158° schmolz, also den Schmelz-
punkt der Oxypropylbenzo&säure zeigte.
Nach Richard Meyer’s?) Angabe wurde diese durch
Kochen mit rauchender Salzsäure (spez. Gew. 1,19) in die Iso-
propenylbenzoösäure übergeführt. Der Schmelzpunkt der aus
Alkohol umkrystallisierten Säure, der auch nach nochmaligem Um-
krystallisieren konstant blieb, wurdebei25 7—262° gefunden. R. Meyer
giebt 255 —260° an.
Nach diesem Befund ist also Cymol ein Bestandteil des Smyr-
naer Origanumöles. Seine Menge ist jedoch unbedeutend und dürfte
wenige Prozente kaum übersteigen.
Die nächste durch Wasserdampfdestillation erhaltene Fraktion
ging bei der Destillation über freiem Feuer innerhalb weniger Grade
über und siedete nach mehrmaligem Fraktionieren fast vollständig
zwischen 197,8 und 199° (B=752 mm). Spez. Gewicht 0,8704
bei 15°.
Drehungswinkel im 100 mm Rohr bei 15% — 15° 56
[ln = — 180 18° bei 15°.
Brechungsindex np 1,46337 bei 20°.
Im Geruche war diese Fraktion von Linalool anderer Her-
kunft nicht nicht zu unterscheiden.
Da man, wie in der vorigen Abhandlung erwähnt wurde, zur
Kennzeichnung des Linalools, abgesehen von seiner Ueberführung in
Citral, mangels einer charakteristischen krystallinischen Verbindung,
1) Liebig’s Annalen 264, 10.
2) Liebig’s Annalen 219, 282.
187
Ueber Origanumöl.
E Gildemeister
auf die Vergleichung der physikalischen Eigenschaften beschränkt
ist, so habe ich diese von Linalool aus verschiedenen Quellen der
bequemen Uebersicht halber in tabellarischer Form aufgeführt.
Siedepunkt
Spez.-Gewicht
Brechungs-
index np
' Lavendelöl
Bertram u.
Walbaumt)
197199
Drehungs-
winkel (100 mm)
— 100 35’
Linalool aus:
Linaloeöl
Bertram u
Walbaum!)
197 — 2000
0,877
bei 15"
1,4630
bei 200
_. 90
Bergamottöl
Bertram u,
Walbaum?)
Linaloeöl
Semmler>)
197— 199
0,372
bei 150
1,4629
bei 180
160
195—199
1,4695
bei 20%
Limettöl Smyrnaer
Gilde- Origanumöl
meister!) Gildemeister
198—1990 | 197,8— 199 9
B = 760 mm | B = 752mm
0,870 0,3704
bei 150 bei 150
1,4668 1,4635
bei 200 bei 200
— 179737 — 150559’
bei 150 bei 150
1) Journ. f. pract. Chem. N. F. 45, 597.
Seite 603.
3) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 24, 207.
4) Vorige Abhandlung.
2) Ebendaselbst.
188 E. Gildemeister: Ueber Origanumöl.
Die Uebereinstimmung ist, abgesehen von dem Rotationsver-
mögen eine so gute, wie man es von einem Körper welcher nur
durch fraktionierte Destillation zu reinigen ist, überhaupt erwartet
werden kann.
Die Oxydation des Linalools zu Citral wurde in der bei
Limettöl (vorige Abhandlung) beschriebenen Weise ausgeführt. Da
mir hier mehr Material zur Verfügung stand, so gelangten 60 &
Linalool zur Anwendung, wodurch soviel Citral erhalten wurde,
dafs es durch Ueberführung in die Natriumbisulfitverbindung ge-
reinigt werden konnte. Die daraus dargestellte Citryl - #- Naphtoein-
choninsäure schmolz bei 198—199°%. Links -Linalool ist also ein
wesentlicher Bestandteil des Smyrnaer Origanumöls.
Zur Untersuchung des Phenols im Smyrnaer Origanumöl wurde
die anfangs erwähnte alkalische Lauge mit verdünnter Schwefelsäure
bis zur sauren Reaktion versetzt, und die an der Oberfläche sich
abscheidende ölige Flüssigkeit von der wässerigen getrennt. Bei
der darauf folgenden Destillation im Vakuum sing die Hauptmenge
bei 100 mm Druck zwischen 114 und 115° über. In 1 Proz. Kali-
lauge löste sich das Destillat klar auf.
Zum Nachweis von Öarvacrol wird von Goldschmidt!)
die gut krystallisierende Verbindung mit Phenyl -Isocyanat vor-
geschlagen, deren Schmelzpunkt er bei 134—1350 fand.
Der Schmelzpunkt des durch Erwärmen gleicher Teile Phenyl-
isocyanat und meines Phenols unter Zusatz von etwas Aluminium-
chlorid erhaltenen Körpers lag jedoch, nachdem er einmal aus Petrol-
äther und einmal aus Alkohol umkrystallisiert war, höher, nämlich
bei 140°. Bei der zum Vergleich aus Carvon-Carvacrol hergestellten,
und zur Reinigung einmal aus Alkohol umkrystallisierten Verbindung
wurde der Schmelzpunkt ebenfalls bei 140% gefunden.
Die physikalischen Konstanten der Carvacrole verschiedenen
Ursprungs sind nahezu die gleichen :
Carvacrol
aus Carvon aus Smyrna Origanumöl
Spez. Gewicht. 0,983 bei 150 0,980 bei 15°
0,979 bei 200 0,976 bei 200
Siedepunkt 236— 236,5 9 235,5— 236,20
B = 742 mm; np bei 200 1,52295 1,52338
Schmelzpunkt -+0,5' + 0,50
1) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 26, 2086.
O0. Rölsler: Ueber Crenothrix polyspora. 189
Ein Unterschied war nur im Verhalten gegen Eisenchlorid be-
merkbar. Während aus Carvon hergestelltes Carvacrol mit diesem
eine rein grüne Färbung gab, wurde bei Zusatz einer sehr ver-
dünnten Eisenchloridlösung zu Origanum-Carvacrol zuerst eine violette
Färbung beobachtet, die erst nach weiterem Zusatz von Eisenchlorid
in Grün überging.
Demnach ist das Phenol des Smyrnaer Origanumöles nicht als
reines Carvacrol anzusehen, sondern es sind auch hier Spuren des
schon von Jahns erwähnten zweiten Phenols zugegen.
Die Untersuchung hat somit ergeben, dafs dasSmyrnaer Origanumöl
zum grölsten Teile aus Links-Linalool besteht. Im Vorlaufe findet
sich Cymol und sehr wenig eines noch nicht näher untersuchten
Körpers, dessen spezifisches Gewicht niedriger ist, als das der be-
kannten Terpene. Der sich mit Alkalien verbindende Anteil ist
Carvacrol, mit geringen Mengen eines Eisenchlorid violett färben-
den Phenols.
Interessant ist das gemeinsame Vorkommen der gewils in gene-
tischer Beziehung stehenden Körper, Cymol, Linalool und Carvacrol.
Ueber die botanische Abstammung des Oeles bin ich leider
nicht in der Lage Mitteilungen machen zu können. Wegen der
teilweise abweichenden chemischen Zusammensetzung ist es aber
wahrscheinlich, dafs das Smyrnaer Oel von einer anderen Origanum-
art, (vielleicht von Orıganum smyrnaicum L.) herkommt, als das
von Jahn’s untersuchte, aus dem Kraute von Origanum hirtum Link.
destillierte Oel.
Leipzig, im März 1895.
Ueber Kultivierung von Crenothrix polyspora
auf festem Nährboden.
Von Dr. Oskar Rölsler- Baden-Baden.
(Eingegangen den 13. III. 1895.
Crenothrix polyspora Cohn ist ein fadenförmiger Spaltpilz,
dessen Kultivierung auf festem Nährboden bis jetzt noch nicht ge-
lungen war. Die Crenothrixarten bestehen aus Fäden mit deutlichem
u
190 O Rölsler: Ueber Crenothrix polyspora.
Gegensatz von Basis und Spitze, sind also höhere Spaltpilze. Sie
bilden keine Endosporen ; die Fäden sinl mit sogenannten Scheiden
versehen, unverzweigt und deutlich gegliedert. Crenothrix polyspora
bildet makroskopische, dunkelbraune Flöckchen ; die braune Farbe
rührt von Eisenoxydhydrat resp. basischem kohlensaurem Eisenoxyd-
hydrat her, das sich in die Scheiden einlagert. Die Pflanze gedeiht
nur in eisenhaltigen Wässern, für die sie charakteristisch ist und
deren Eisenoxydulsalze sie durch den Assimilationsprozel[s in Eisen-
oxydsalze überführt. Die Fäden sind unten dünn, oben dicker und
unverzweigt mit deutlichen, unten langgestreckten, oben breiten
kurzen Gliedern. Die oberen scheibenförmigen Glieder können zu
kleinen Teilstücken zerfallen, die als Sporen funktionieren. Diese
werden frei, oder sie wachsen in der Mutterpflanze zu Fäden aus.
im Juni 1893 hatte ich Gelegenheit, einen Teil einer Kanalbaute
zu sehen, deren 25 cm dicke Ziegelsteinwände innerhalb von
3 Jahren vollständig von diesem Pilz durchwachsen waren. Die
Techniker glaubten zuerst an einen Fehler der Steine und versuchten
vergebens den braunen Ueberzug des Mauerwerks zu entfernen:
alles Reinigen half nichts, nach kurzer Zeit war der braune Belag
wieder da. Meine mikroskopische Untersuchung ergab ‘als Ursache
das vollständige Durchwachsen der Steine durch Crenothrix polyspora.
Ich versuchte nun die Crenothrix weiter zu züchten und nahm als
Nährboden denjenigen, den sie sich in vorliegendem Falle selbst ge-
wählt hatte: ein Stück eines Ziegelsteins.. Der Versuch gelang.
Als Nährsalz setzte ich dem Wasser stets etwas Eisenvitriol zu (in
eisenfreiem Wasser gedeiht der Pilz nicht), der durch den Lebens-
proze[s der Pflanze bei kräftigem Wachstum stets in Oxyd über-
geführt wurde. Auf der Oberfläche des Wassers zeigten sich, nach-
dem sich die Crenothrix sehr kräftig entwickelt hatte, weilse Punkte,
die sich unter dem Mikroskop als Krystalle erwiesen. Leider gelang
es mir nicht, eine mikrochemische Untersuchung dieser Krystalle
durchzuführen, vielleicht wird es durch eine Messung der Winkel
dieser Krystalle möglich sein, Schlüsse auf deren chemische Be-
schaffenheit zu ziehen. Seit bald 2 Jahren züchte ich bei gewöhn-
licher Zimmertemperatur diesen Pilz mit bestem Erfolg, dessen
Reinkultur unschwer zu erhalten ist, da Ziegelstückchen durch
Ausglühen leicht steril zu erhalten sind.
O. Helm: Ueber Gedanit, Succinit etc. 191
Meine berufliche Thätigkeit hält mich davon ab, diesen Spaltpilz
weiter in seiner Entwicklung zu verfolgen und hoffe ich durch diese
Veröffentlichung berufenere Kräfte auf dieses Pflänzchen aufmerk-
sam gemacht zu haben.
Crenothrix polyspora soll ein unschuldiger Spaltpilz sein; ich
habe aber von mehreren Seiten gehört, dafs Wasser in dem er
massenhaft enthalten ist und das in chemischer wie bakteriologischer
Beziehung zu keiner Beanstandung Anlafs giebt, in heifsen Sommer-
monaten Durchfall erzeuge. Schon aus diesem Grunde wäre eine
nähere Untersuchung der Lebensthätigkeit dieses Spaltpilzes
wünschenswert.
Ueber den Gedanit, Suceimit und eine Abart des
letzteren, den sogenannten mürben Bernstein.
Von Otto Helm, Danzig.
(Eingegangen, den 2. IV. 1395.)
Aus dem pharmaceutischen Institute der Universität Bern wurde
von Herrn E. Aweng in dieser Zeitschrift, 1894, 9. Heft, eine
Reihe von chemischen Untersuchungen über den Succinit und einige
ihm verwandte fossile Harze veröffentlicht. Bei dieser Gelegenheit
wurde auch ein fossiles Harz untersucht, welches unter dem Bern-
stein der Ostseeküste vorkommt und von mir als Gedanit beschrieben
wurde. Das Harz unterscheidet sich von dem eigentlichen Bern-
stein, dem Suceinit, u. a. dadurch, dals es frei von Bernstein-
säure ist. Meine darauf bezüglichen Untersuchungen befinden sich
in dieser Zeitschrift, Jahrgang 1877, VIII. Band, 3. Heft und 1878,
X. Band, 6.Heft. Entgegen meinen Angaben fandnunhier Aweng
in dem Gedanit Bernsteinsäure. Zur Aufklärung dieses Widerspruchs
bringe ich nachstehend einen Vortrag zum Abdruck, welchen ich im
November vorigen Jahres in der Naturforschenden Gesellschaft zu
Danzig hielt und welcher darauf hinweist, dafs häufig eine Ver-
wechselung des Gedanits mit einer Modifikation des Suceinits statt-
findet, welche im Handei als „mürber Bernstein“ geführt wird und
welche Bernsteinsäure enthält. Ich bin überzeugt, dals Herr Aweng
durch Herrn Bernsteinhändler Jantzen diesen Bernstein als „Ge-
192 0. Helm: Ueber Gedanit, Suceinit ete.
danit“ erhalten und urtersucht hat. Mein obenerwähnter Vortrag,
welcher zugleich eine Fortsetzung meiner Abhandlung in dieser Zeit-
schrift vom Jahre 1878 bildet, hat folgenden Inhalt:
Der weitem gröfste Teil des in den Ostseeländern vorkommen-
den Bernsteins besteht aus dem bernsteinsäurehaltigen Suceinit. Nur
in sehr geringer Menge finden sich andere fossile Harze darunter,
so der bernsteinsäurefreie Gedanit, der weiche Krantzit, der hell-
braune Glessit, der braunkohlenfarbige Beckerit, der glänzend schwarze
Stantinit. Diese fremden Harze unterscheiden sich schon äufserlich
vom Sucecinit, und dem Bernsteinsortierer wird es nicht schwer, sie
auf den ersten Blick zu erkennen und auszusondern. Schwieriger
wird es ihm schon, die Stücke des Succinit selbst nach ihrer Güte
und ihrem Werte zu sortieren. Sie sind aufserordentlich verschieden,
sowohl in Farbe und Gewicht, wie auch in ihrer Struktur und Härte.
Ich komme auf die Entstehung und Bildung dieser zahlreichen Ab-
arten später zurück. Von den Abarten des Sucecinits interessiert
den Fachmann besonders eine, welche gewöhnlich als „mürber Bern-
stein“ bezeichnet wird. Der mürbe Bernstein befindet sich sowohl
unter dem aus der Tertiärformation des Samlandes gegrabenen, wie
auch unter dem in der Ostsee und im Diluvium vorkommenden Bern-
stein. Seinen Namen haben ihm die Bernstein-Händler und -Drechsler
gegeben, weil er äufseren Einwirkungen gegenüber weniger wider-
standsfähig ist, namentlich den Werkzeugen zu seiner Verarbeitung
gegenüber sich bedeutend weicher erweist, als der eigentliche Suceinit.
Er ist deshalb zur Anfertigung von Schmuck- und Gebrauchsgegen-
ständen wenig geeignet. Auch der Gedanit wird von den Bernstein-
händlern als „mürber Bernstein“ bezeichnet und wie der vorgenannte
zu den Abfällen geworfen, welche zur Lackfabrikation dienen. Beide
Gedanit und mürber Bernstein sind auch sonst sehr ähnlich und
schwierig von einander zu unterscheiden. Mineralogen und Sammler
verwechseln sie gewöhnlich mit einander. Iclı habe deshalb die
chemischen und physikalischen Eigenschaften beider nochmals ge-
nauer festgestellt und lasse meine Untersuchungen hierüber nach-
stehend folgen. Zum Vergleiche führe ich die Merkmale des eigent-
lichen Suceinits hier ebenfalls an. Der mürbe Succinit besitzt eine
Härte von 11/;—2 Graden. Von derselben Härte ist der Gedanit,
Suceinit hat eine Härte von 2 —2!/, Graden.
O0. Helm: Ueber Gedanit, Sucecinit ete. 193
Die Farbe des mürben Succinits ist hellweingelb bis rotgelb,
seltener dunkelgelb oder milsfarbig. Er ist für gewöhnlich klar oder
halbdurchsichtig, selten undurchsichtig. Der Gedanit sieht für ge-
wöhnlich hellweingelb bis goldgelb aus, seltener dunkler; er ist eben-
falls durchsichtig und klar, selten halbdurchsichtig. Die Farbe des
eigentlichen Succinits wechselt aufserordentlich; man findet unter ihm
Stücke vom hellsten Weingelb bis zum Örangerot in allen Ab-
stufungen, grünliche, blaue, braune und gelbbraune Stücke und solche,
welche andere Mischfarben tragen. Aufser klaren Stücken sind alle
Uebergänge der Durchsichtigkeit und Undurchsichtigkeit bei dem
Suceinit vertreten. Auch beobachtet man unter ihm Stücke, welche
fluoreszieren, eine Eigentümlichkeit, welche ich beim mürben Suceinit
und Gedanit vermilste. Durch Reiben werden alle Bernsteinsorten
gleichmälsig negativ elektrisch. Als spezifisches Gewicht fand ich
das des mürben Suceinits 1,060—1,066, das des Gedanits 1,058 bis
1,068. Das spezifische Gewicht des Succinits bewegt sich in den
weiten Zwischenräumen von 1,050—1,096. Es giebt von dem letzteren
ferner eine Abart, welche so leicht ist, dafs sie auf dem Wasser
schwimmt.
Der mürbe Suceinit schmilzt bei einer Temperatur, welche
zwischen 280° und 287° C. liegt. Gedanit schmilzt bei 260° bis
27000. Charakteristisch ist beim Gedanit, dafs er sich schon lange
vor seinem Schmelzpunkte, bei einer Temperatur von 140° bis 1800 C.
stark aufbläht und dabei eine elastische Beschaffenheit annimmt.
Der eigentliche Succinit schmilzt bei einer Temperatur von 287
bis nahezu 300° C.
Der mürbe Suceinit enthält wie der eigentliche Suceinit Bern-
steinsäure; doch ist er im allgemeinen nicht reich daran, was sich
schon dadurch kund giebt, dafs er beim Erhitzen keine so heftig
zum Husten reizende Dämpfe ausstölst wie der eigentliche Suceinit.
Ich fand in einem schönen goldgelben klaren Stücke 1,13 Proz., in
einem anderen 1,70 Proz. Bernsteinsäure, während ich bei den vielen
trockenen Destillationen, welche ich mit dem eigentlichen Suceinit
vornahm, niemals unter 3 Proz. fand, sondern stets mehr, bis zu
8 Proz. Gedanit giebt bei der trockenen Destillation keine Bern-
steinsäure aus.
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bäs. 3. Heft. 13
194 O0. Helm: DUeber Gedanit, Sucecinit etc.
Das Verhalten des mürben Suceinits gegen Lösungsmittel er-
mittelte ich mit einem der Stücke, welche zur Bernsteinsäure-
bestimmung dienten. Gleichzeitig nahm ich zu demselben Zwecke
ein klares hellgelbes Stück Gedanit in Arbeit. Ich lasse die Er-
mittelungen hier folgen:
Des Verhalten des eigentlichen Suceinits gegen Lösungsmittel
stelle ich daneben:
Es lösen sich: vom mürben Suceinit Gedanit: ee
uceinit:
In#AIkoholi 2 9.22..27.308Eroz2 42 Proz. 20—25 Proz.
ERRÄNOTNOT». FREE DI ER ba 18—23 „
Sa.Chloroformee Mr, ENES3TRE a 20,6 hr
»uiBenzol oa Ei 00381. AED 9,8 na
„ Schwefelkohlenstoff . 39 „, Bar, 24 Br
„ Nerpentindl, . „41.588... 58 u.mehr Proz. 23 »
NEMO En ren DBL se 100 Proz. 18
„
Hiernach steht der mürbe Suceinit hinsichtlich seines Verhaltens
zu Lösungsmitteln zwischen dem eigentlichen Succinit und dem Ge-
danit. Die Ermittelungen der Löslichkeit fanden mit den fein zer-
stolsenen Harzen und bei Siedetemperatur des betreffenden Lösungs-
mittels statt. Ich bemerke hier noch, dafs das Verhaltens des Ge-
danits zum Terpentinöl recht charakteristisch ist. Die darin unlös-
lichen Teile quellen nach dem Kochen mit Terpentinöl gallertartig
auf und sind dann durch das Auge in der Lösung nur schwierig
zu erkennen. Die davon abgegossene klare heilse Lösung scheidet
während des Erkaltens einen Teil des Gelösten wieder ab.
Im Aschengehalt besteht kein Unterschied zwischen den drei
genannten fossilen Harzen; ebenso in ihrem Verhalten zu starken
Mineralsäuren.
Mit Olivenöl allmählich bis zum Sieden erhitzt, verhält sich
der mürbe Succinit ebenso wie der harte Suceinit, beide erweichen
ein wenig, das Oel durchdringt sie, die trüben Sorten werden da-
durch klar, indem die die Trübung bedingenden freien Hohlräume
sich mit Oel anfüllen, resp. sich schliefsen. Je härter und wider-
standsfähiger der Succinit ist, desto weniger greift ihn das zum
Sieden erhitzte Oel an. Der Gedanit verhält sich gegen das Oel
anders, er quillt in dem heifs werdenden Oele allmählich, noch bevor
dasselbe die Siedetemperatur erreicht hat, schwammartig auf, das
O0. Helm: Teber Gedanit, Suceinit ete. 195
Oel wirkt auf alle seine Teile lösend ein. Nach fortgesetztem Sieden
bleibt im Olivenöl nur eine geringe gallertartige Masse von ihm zu-
rück; Leinöl löst den Gedanit nach längerem Erhitzen vollständig
auf. Ich teile hier noch die chemische Elementaranalyse des Suc-
cinits und Gedanits mit, welche ich in den Jahren 1878 und 1882
ermittelte (Berichte der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig,
neue Folge IV. Band, 3. Heft, S. 215 und V. Band, 3. Heft, S. 9).
Darnach besteht der Suceinit aus:
78,63 Proz. Kohlenstoff,
104830 5 Wasserstoftt,
10,4% 9% Sauerstoff,
0,42 , Schwefel.
ee
Der Gedanit besteht aus:
81,01 Proz. Kohlenstoft,
IALES: Wasserstoff,
1330005 Sauerstoft,
0:25 4 Seh wefel.
EZ
Nach den vorstehenden Untersuchungen unterscheidet sich die
mürbe Abart des Suceinits von dem eigentlichen Succinit, abgesehen
von seiner äufseren Erscheinung, durch geringere Widerstands-
fähigkeit gegen Lösungsmittel, durch geringere Härte und einen
geringeren Gehalt an Bernsteinsäure.
Diese Unterschiede sind jedoch nicht so ins Gewicht fallend,
um in diesem fossilen Harze ein vom Suceinit wesentlich verschiedenes
zu erkennen. Ob diese Abart auch von einer anderen Pflanzenart
stammt, als die, welche den harten Suceinit erzeugte, oder ob nur
andere äufsere Einflüsse und Einwirkungen hier ein ähnliches Produkt
erzeugten, kann ich nicht entscheiden. Pflanzenteile, auf welche sich
eine besondere Species gründen könnte, sind bis jetzt in dem mürben
Suceinit nicht entdeckt worden.
Anders liegt es bei dem Gedanit. Wenngleich auch in ihm
keine Pflanzenreste gefunden wurden, welche auf eine besondere
Stammpflanze schliefsen lassen, so sind doch die chemischen und
physikalischen Eigenschaften dieses fossilen Harzes so wesentlich
andere, dafs eine Abtrennung vom Suceinit gerechtfertigt erscheint.
Der Gedanit ist, Lösungsmitteln gegenüber, noch weniger wider-
standsfähig als der mürbe Sucecinit, ja eines derselben, das Leinöl,
13*
196 O0. Helm: Ueber Gedanit, Succinit etc.
löst ihn völlig auf. Beim Erhitzen bläht er sich schon lange vor
seinem Schmelzpunkte stark auf und nimmt eine elastische Beschaffen-
heit an. Auch beim Erhitzen in Oel tritt dieses Aufblähen ein. Der
Gedanit enthält ferner keine Bernsteinsäure und eine geringere
Menge Sauerstoff als der Suceinit.
Alle diese recht wesentlichen Unterschiede führen zu der An-
nahme, dafs hier ein eigentümliches fossiles Harz vorliegt, und wenn
solches der Fall ist, so mufs auch angenommen werden, dafs es einst
von einer anderen Stammpflanze erzeugt wurde, als von der, welche
den Suceinit hervorbrachte. Schon das Fehlen eines so wesentlichen
Bestandteils, als es die Bernsteinsäure ist, muls entscheidend sein,
um den Gedanit als ein vom Suceinit verschiedenes fossiles Harz
anzusehen.
Was die Insekteneinschlüsse anbelangt, welche in den be-
zeichneten Bernsteinsorten gefunden werden, so habe ich keinen
Unterschied entdecken können zwischen denen des Suceinits und
denen, welche im Gedanit und in dem mürben Succinit vorkommen.
Die Einschlüsse im Gedanit sind überdies äufserst selten; ich be-
sitze nur eine Hymenoptere (/Pferomalus), eine kleine Spinne, einige
Dipteren und eine schön erhaltene Mikrolepidoptere. Diese Ein-
schlüsse konnte ich nicht, wie ich es mit denen des Suceinits halte,
in verdünntem Alkohol aufbewahren, weil selbst ein mit 90 Proz.
Wasser verdünnter Alkohol den Gedanit noch angreift, seine Ober-
fläche erweicht, weils färbt und nach dem Austrocknen rissig macht.
Der Bernsteinwald, welcher die im Eingange dieses Berichtes
erwähnten fossilen Harze einst erzeugte, hat ohne Zweifel sehr lange
Zeit, wahrscheinlich Jahrtausende hindurch, bestanden. Im Laufe
dieser Zeit wechselten Generationen von Bäumen, sie starben ab, sie
erneuerten sich, viele stürzten durch Windbruch, viele durch den
Strahl des Blitzes oder durch Wasserfluten, die über grofse Bestände
des Waldes hinbrausten. Alle so untergegangenen Bäume ver-
moderten, während das von ihnen erzeugte Harz der Fäulnis und
Zerstörung widerstand und in grofser Menge den Boden des Waldes
durchsetzte. Eine lange Reihe solcher Neubildungen von Wald und
teilweisen Zerstörungen mag stattgefunden haben, bis endlich eine
umfangreiche Katastrophe, durch Wasserfluten hervorgerufen (nach
Zaddach), ihn von der Bildfläche fortfegte und mit zertrümmertem
O0. Helm: VUeber Gedanit, Suceinit etc. 197
Gestein, einem grünlichen thonhaltigen Sande, dem Glaukonit, über-
schüttete. Das geschah zur Zeit des Unteroligocäns. Einzelne Be-
stände des Waldes mögen wohl noch verschont geblieben sein,
vielleicht lange Zeit hindurch, bis endlich auch sie den heran-
brausenden Fluten zum Opfer fielen und verschüttet wurden. Wie
lange der Wald bestanden, wissen wir nicht; das aber wissen wir,
dafs das aus den älteren Zeiten des Waldes stammende Harz sich
in physikalischer Beziehung mehr verändert haben mufs, als das aus
jüngeren Zeiten hervorgegangene; denn die in dem Waldboden
stattgehabten terrestrischen und die atmosphärischen Einwirkungen
können nicht ohne grolsen Einflufs auf die in ihm lagernden Harze
geblieben sein. Es erklären sich hierdurch manche Veränderungen,
welche das Harz durchgemacht hat. Zu diesen frühzeitig statt-
gefundenen Einwirkungen treten dann noch die späteren in der
gemeinsamen sekundären Lagerstätte, welche den Bernstein nicht
allein physikalisch sondern auch chemisch veränderten.
Zu den chemischen Einwirkungen rechne ich namentlich die durch
schwefelvitriolhaltige und andere stark zersetzend wirkende Wässer,
Ebenfalls von wesentlichem Einflusse auf die Beschaffenheit
des Harzes waren ohne Zweifel Temperatur und Jahreszeit, während
welcher das Harz ausflofs und erhärtete, ferner seine Herkunft aus
den verschiedenen Teilen des Baumes, selbst krankhafte Erschei-
nungen, und andere lokale Einflüsse, wie sie Conwentz in seiner
Monographie der Bernsteinbäume treffend beschrieben hat. Doch
können alle diese Einwirkungen und Einflüsse meiner Ansicht nach
nicht so verschiedenartige Produkte erzeugt haben, wie sie heute
u. a. zwischen Succinit und Gedanit bestehen. Auch der mürbe
Suceinit unterscheidet sich nicht unwesentlich von dem eigentlichen
Suceinit. Man geht deshalb nicht fehl, wenn man annimmt, dafs
verschiedene, wenn auch nahe verwandte Pflanzen einst den Bern-
stein erzeugten. Sie wuchsen nebeneinander oder getrennt in einzelnen
Beständen auf einem gemeinsamen Landstriche. Vorwiegend befand
sich darin die eigentliche, den Suceinit erzeugende Coniferenart,
dann in kleineren Beständen andere harzführende Bäume, welche
unter anderem den Gedanit hervorbrachten.
Alle Forscher, welche sich mit der mikroskopischen Unter-
suchung der im Bernstein vorhandenen Pflanzenreste beschäftigten,
193 OÖ. Helm : Ueber Gedanit, Suceinit etc.
teilen auch die Ansicht, dafs der in den Ostseeländern vorkommende
Bernstein nicht das Produkt einer einzigen Stammpflanze ist, sondern
dafs mehrere dabei beteiligt waren. Von Botanikern sprach zuerst
G. H. Berendt (Organische Reste im Bernstein von Goeppert
und Berendt, 1845, 1. Band, 1. Abt., S. 28) die Ansicht aus,
dafs noch andere Abietineen, als die von ihm aus den Holzresten
beschriebene Prnites succinifer Goepp. u. Berendt an der Produktion
des Bernsteins teilnahmen. Er schlofs solches namentlich aus dem
Umstande, dafs vier verschiedene Blätter von Nadelhölzern, im Bern-
stein eingeschlossen, gefunden wurden.
H. R. Goeppert (Die Flora des Bernsteins, Danzig 1883)
erkennt unter den im Bernstein vorkommenden Holzpartikeln fünf
verschiedene Arten von Abietineen und eine Taxacee, welche Ge-
wächse nach seiner Ansicht den Bernstein erzeugten. Von ihnen
beschreibt er als die beiden bemerkenswertesten die Pinites succinifer
und siroboides. H. Conwentz (Monographie der baltischen Bern-
steinbäume, Danzig 1890, S. 15) kann diese Ansicht Goepperts
nicht aufrecht erhalten; er konnte in diesen verschiedenen Holzresten
nur eine zu den Abietineen gehörige Art anerkennen, welche er
Pinus succinifera nennt und als die Stammpflanze des Suceinits im
engeren Sinne des Wortes bezeichnet. Doch giebt er die Möglich-
keit zu (ebendas. S. 61), dafs noch andere Baumarten als die be-
zeichnete darunter vertreten sein können; er giebt ferner zu, dafs
die neben dem Suceinit vorkommenden Harze, so der Gedanit, ihren
Ursprung von anderen Pflanzenspecies ableiten. Im Gedanit fand er
wohl kleine Holz- und Rindensplitter. jedoch konnte er daraus keine
Präparate gewinnen, welche eine genaue Bestimmung der Stamm-
pflanze ermöglicht hätten.
Auch andere Sachverständige auf dem Gebiete der Kenntnis
alter Pflanzen teilen die Ansicht der vorgenannten Forscher. Meine
chemischen Untersuchungen weisen noch entschiedener darauf hin,
dafs der Bernstein der Ostseeländer nicht von einer Baumart er-
zeugt wurde, sondern dafs, wenn auch in beschränktem Malse,
andere Pflanzen daran beteiligt waren, dafs namentlich die Stamm-
pflanze des Gedanits eine von Pinus succinifera Conwentz’ ver-
schiedene gewesen sein mufs. Leiten doch auch unsere heutigen
Coniferenharze ihren Ursprung nicht von einer Art ab, sondern von
C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure. 199
verschiedenen Arten dieser grolsen Familie. Diese recenten Harze
aber unterscheiden sich chemisch und physikalisch nicht mehr von
einander, als die verschiedenen Sorten von Bernstein.
Dafs die im Eingange dieser Abhandlung erwähnten fremd-
artigen fossilen Harze, Glessit, Stantienit, Beckerit und Kranzit,
welche neben dem Succinit gefunden werden, und welche schon
äulserlich von letzterem völlig verschieden sind, von anderen Pflanzen
staramen als der Succinit, unterliegt keinem Zweifel.
—
Zur Kenntnis der Glyoxylsäure.
V. Abteilung.
Kondensation mit Amidosäuren.
Von Dr. Carl Boettinger.
(Eingegangen den 27. III. 1895.)
In meiner Abhandlung, Beitrag zur Kenntnis der Brenztrauben-
säure, Annalen der Chemie 188 Band, Seite 344, habe ich unter
anderem ein Kondensationsprodukt der Brenztraubensäure mit
Anthranilsäure, welche von mir aus Indigo dargestellt worden war,
Ber. d. d. chem. Gesellschaft 1877, 269, beschrieben. Obwohl die
analytische Untersuchung der nach einer etwas gewaltsamen Me-
thode dargestellten Substanz, Werte ergab, welche nicht gut mit
der Formel C,, Hg NO, übereinstimmen, unterliegt es doch, wie auch
die Ergebnisse der Analyse des Barytsalzes zeigen, keinem Zweifel,
dafs der beschriebene Körper im wesentlichen aus der Säure
GH, -N=C<coöH
|
COOH
bestand, deren Zersetzlichkeit in der erwähnten Abhandlung ja auch
hervorgehoben worden ist. Nur ist dieselbe vor der Analyse nicht,
wie darin infolge eines Druckfehlers zu lesen ist, bei 135°, sondern
bei 105° getrocknet worden.
Das Studium des Kondensationsvorgangs der Glyoxylsäure mit
den drei Amidobenzoesäuren hat nun thatsächlich ergeben, da/s die
vorsichtig geleitete Reaktion der Hauptsache nach gemäls der
Gleichung verläuft:
200 C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure.
0,H,0,;,+(, Bea = 0 a — +BH,0,
COOH
dafs aber neben den Dikarbonsäuren selbst, Salze derselben ent-
stehen. Meine in der oben erwähnten Abhandlung veröffentlichten
Resultate lassen es als fast gewils ansehen, dafs das Kondensations-
produkt der Brenztraubensäure mit der Anthranilsäure auch ein
Anthranilsäuresalz enthält.
Die drei Amidobenzoesäuren werden von Glyoxylsäure nicht
mit der gleichen Energie angegriffen. Uebergiefst man z. B. Meta-
amidobenzoesäure mit Glyoxylsäure von 1,32 spez. Gewicht, so er-
folgt schon bei gewöhnlicher Temperatur eine mit beträchtlicher
Kohlensäureentwickelung begleitete sehr lebhafte Reaktion, welche
durch Beigabe von Alkohol in den Schranken gehalten werden muls.
Wird die alkoholische Lösung der beiden Substanzen auch nur eine
Stunde auf dem Wasserbade gekocht, so erhält man zwar Konden-
sationsprodukte, welche aber nur zu einem sehr kleinen Teil aus der
gewünschten Säure bestehen. Es sind vielmehr nicht mit den
schönsten physikalischen Eigenschaften ausgestattete Abkömmlinge
derselben, welche daher durch längeres Kochen der schwach
alkalischen Lösung in die Säure zurückverwandelt werden können.
Da nun während des Kochens jener alkoholischen Mischung an-
dauernd Kohlensäure entweicht, verringert sich die Ausbeute an
Kondensationsprodukten nicht unerheblich.
Glykokoll. Bis zu einem gewissen Grade läfst sich das
Verhalten der Metaamidobenzoesäure gegen Glyoxylsäure vergleichen
mit der Reaktion dieser Säure auf Glykokoll, welches gemäfs den
Angaben von Curtius erst bei 235° unter starkem Aufschäumen
schmilzt und aus einer mit Aether versetzten Lösung in wasser-
haltigem Alkohol in zolllangen seideglänzenden Nadeln krystallisiert.
Das Glykokoll löst sich in Glyoxylsäure von 1,32 spez. Ge-
wicht schon bei gewöhnlicher Temperatur ohne alle Erhitzung
sehr l:icht auf. Die Lösung färbt sich allmählich intensiv gelb.
Sie scheidet auch bei langem Stehen an der freien Luft nichts ab,
sondern wird nur dicker und zähflüssiger. Bei gelindem Erwärmen,
z. B. wenn sie in die Sonne gestellt wird, entwickelt sie unter
starkem Schäumen Kohlensäure. In noch ausgiebigerer Weise wird
das (ras entbunden, wenn die Mischung einen Augenblick der Wärme
C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure. 201
des kochenden Wasserbades ausgesetzt wird. Dabei bläht sich die-
selbe stark auf. Die Gasentwickelung wird nur gemälsigt, jedoch
keineswegs ganz aufgehoben beim Abkühlen und nach Zusatz von
kaltem Wasser. Dabei übersättigt sich die ruhig stehende, klare,
gelbe Flüssigkeit mit dem Gas. Darum schäumt sie anhaltend beim
Umrühren mit dem Glasstab unter Abgabe von Kohlensäure. Der
Zersetzung fällt im wesentlichen die Glyoxylsäure anheim, denn es
läfst sich aus der Lösung ohne weiteres durch geeignete Behandlung
mit Alkohol und Aether ein erheblicher Teil des Glykokolls wieder-
gewinnen. In der Lösung ist wahrscheinlich eine salzartige Ver-
bindung des Glykokolls mit der Glyoxylsäure enthalten, denn sie
giebt auf Zusatz von essigsaurem Blei einen weilsen, in Wasser und
verdünnter Essigsäure nicht, in Ammoniak und Alkali leicht lös-
lichen, stickstoffhaltigen Niederschlag, welcher sich beim Erhitzen
auf 100° schwach gelb färbt und dann 55,4 Proz. Blei enthält. Der
Niederschlag wird auch von Bleiacetatlösung aufgenommen. Es
findet sich darum in dem von ihm getrennten Filtrat nicht allein
Glykokoll, welches nach dem Entbleien mit Schwefelwasserstoff, Ver-
dampfen der Lösung und Extrahieren des Rückstands mit heilsem
Alkohol gewonnen werden kann, sondern auch eine Substanz vor,
welche im Exsikkator zu einem Firnis austrocknet, in Wasser zer-
fliefst, in absolutem Alkohol ganz unlöslich ist und wie die ursprüng-
liche Mischung ein weilses, in Wasser schwer lösliches Bleisalz
bildet.
Der vorhin erwähnte, in Wasser suspendierte Niederschlag
wurde mit Schwefelwasserstoff zerlegt, die aufgekochte Lösung vom
Schwefelblei getrennt und verdunstet. Beim Behandeln des Rück-
stands mit Alkohol blieb ein unlöslicher Stoff, der beim Verreiben
mit absolutem Alkohol zwar pulverig und filtrierbar wurde, aber so
hygroskopisch war, dafs von seiner Untersuchung Abstand ge-
nommen wurde. Der nach dem Verdunsten des alkoholischen Aus-
zugs bleibende Rückstand lieferte beim Behandeln mit Phenylhydrazin
und Essigsäure noch das Phenylhydrazon der Glyoxylsäure.
Dafs das Glykokollsalz der Glyoxylsäure ein stickstoffhaltiges
Bleisalz liefert, kann nicht befremden, denn das aus der mit Ammoniak
neutralisierten Glyoxylsäurelösung abgeschiedene Bleisalz ist auch
ammoniakhaltig. —
202 C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure.
Eine bei weitem bessere Ausbeute an Kondensationsprodukt
wie die Metaamidobenzoesäure gewähren die Orthoamidobenzoesäure
und die Paraamidobenzoesäure. Dabei schadet auch einstündiges
schwaches Kochen der alkoholischen Lösung der Komponenten nicht
besonders. Die aus diesen Isomeren hervorgehenden Derivate stehen
sich auch in der äufseren Beschaffenheit näher. Doch ist der Ab-
kömmling der Anthranilsäure die interessantere Substanz, denn sie
wird, wie durch mälsiges Erhitzen, so auch schon durch direktes
Sonnenlicht in der Färbung beeinflulst, was bei dem strohfarbenen
Paraderivat nicht der Fall ist. Die Erstere hat einige Aehnlichkeit
mit der von J. Mauthner und W. Suida in den Monatsheften für
Chemie 9, 727, beschriebenen, aus Monochloressigsäure und Anthranil-
säure dargestellten Säure COOH — C, H, NH — CH,.COOH, welche
ein gelbes, bei 207° unter Schäumen schmelzendes Krystallpulver
darstellt. Jedoch ist diese Säure durch ihre Löslichkeit in Aether
scharf unterschieden von meinem Körper.
Die zu meinen Versuchen verwendete Anthranilsäure wurde
von mir teils aus Indigo dargestellt, teils gekauft. Die aus Indigo
bereitete Säure ist schwach gelb gefärbt, ihre alkoholiche Lösung
Huoresziert etwas stärker blau wie die Lösung der käuflichen Säure.
Die beiden Substanzen haben aber den gleichen Schmelzpunkt. Die
oxalsaure Anthranilsäure ist in heilsem Alkohol verhältnismäfsig
leicht löslich. Sie unterscheidet sich in dieser Eigenschaft von den
in Alkohol sehr schwer löslichen Oxalaten der Paraamidobenzoesäure
und Metaamidobenzoesäure. Das sehr allmählich abgeschiedene
Anthranilsäureoxalat bildet derbe, harte, geschichtete Krystalle, welche
erst oberhalb 270° schmelzen.
Paraamidobenzoesäureoxalat. Die Paraamido-
benzoesäure ist aufser durch den sehr schönen Niederschlag von der
Zusammensetzung
0,H,0,
C,H,NO,
welchen Bleiacetat in ihrer Lösung erzeugt, leicht auch durch das
Öxalat zu charakterisieren. Zu seiner Darstellung wurden beispiels-
weise 0,5 g Paraamidobenzoesäure in vier ccm kochendem Alkohol
gelöst und die Flüssigkeit mit einer Auflösung von 0,4 g krystalli-
sierter Oxalsäure in I—2 ccm heifsem Alkohol versetzt. Schon bei
_ Pb,
C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure. 203
mälsigem Abkühlen fallen aus der erkaltenden Flüssigkeit breite
Nadeln aus, deren Menge so rasch zunimmt, dafs das Ganze zu
einem dicken Krystallbrei erstarrt. Derselbe wurde auf dem Saug-
filter abgesaugt und mit etwas kaltem absolutem Alkohol nachge-
waschen. Das trockne Salz schmilzt noch nicht bei 260°. Es besitzt
die Zusammensetzung (C, H, NO,), C, H, O,, wie die Bestimmung der
Öxalsäure ergab. Zur Analyse wurde das exsikkatortrockne Salz
mit Wasser und etwas Ammoniak übergossen, die Flüssigkeit bis
zur Auflösung des Salzes auf dem Wasserbade erwärmt, dann mit
Chlorcaleium und so viel Essigsäure versetzt, dals die Flüssigkeit
ganz schwach sauer reagierte. Nach längerem Stehen in mäfsiger
Wärme wurde das abgeschiedene Calciumoxalat auf einem Filter
gesammelt, ausgewaschen, getrocknet und geglüht.
0,3247 g exsikkatortrocknes Salz lieferten 0,0509 g Kalk ent-
sprechend 25,14 Proz. Oxalsäure. Die Formel (CO, H, NO3), C, Hy O, ver-
langt 24,72 Proz. Oxalsäure.
Metaamidobenzoesäureoxalat. Noch vielschwerer
löslich in Alkohol wie das eben beschriebene Salz ist das Oxalat der
Metaamidobenzoesäure. Dasselbe fällt sofort als weilses krystal-
linisches Pulver aus, wenn die alkoholischen Lösungen von einem
Teil Metaamidobenzoesäure und 0,8 Teilen krystallisierter Oxalsäure
mit einander vermischt werden. Das sich oberhalb 2900 schwärzende,
aber erst in höherer Temperatur schmelzende, ein gelbes Destillat
liefernde Salz besitzt, der Analyse zufolge, welche in der vor-
hin beschriebenen Weise ausgeführt wurde, die Zusammensetzung
(0, H, NO,), 0, H, O,.
0,1955 g exsikkatortrocknes Salz lieferten 0,0304 g Kalk, ent-
sprechend 24,99 Proz. Oxalsäure, während die angegebene Formel
24,72 Proz. Oxalsäure verlangt.
I, Glyoxylsäure und Anthranilsäure.
Obwohl die beiden Säuren schon in kalter alkoholischer Lösung
kondensierend aufeinander einwirken und eine intensiv gelb gefärbte
Flüssigkeit bilden, verläuft die gewünschte Reaktion doch besser,
wenn die Lösung im Wasserbade gelinde gekocht wird. Dabei stellt
sich allerdings eine schwache Entwickelung von Kohlensäure ein.
Auf 5,6 g Anthranilsäure wurden 4 ccm Glyoxylsäure von 1,32
spezifischem Gewicht und 60 cem absoluter Alkohol angewendet
204 C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure.
und eine Stunde auf dem Wasserbade am Rückflufsrohre er-
wärmt. Dann wurde die intensiv gelb gefärbte Flüssigkeit in
eine Porzellanschale verbracht und auf dem Wasserbade verdampft.
Es hinterblieb eine dicke, zähflüssige Masse, welche mit Wasser
angerührt wurde. Hierdurch schied sich ein gelber Klumpen ab,
welcher bei längerem Kneten unter Wasser in ein gelbes Pulver
zerfiel. Dasselbe wurde abfiltriert, in Wasser suspendiert und so
lange mit Aether durchgeschüttelt bis sich dieser kaum mehr färbte.
Durch diese Operation verwandelte es sich in eine dickflüssige
Masse, welche in Ammoniak gelöst wurde. Die Lösung wurde einige
Zeit auf dem Wasserbade erwärmt und darauf mit einem kleinen
Ueberschufs von Salzsäure gefällt. Die herausgefallenen körnigen
Flocken wurden auf dem Filter gesammelt und mit kaltem Wasser
ausgewaschen. Nach dem Trocknen wurde die Substanz, welche
nunmehr beim Uebergiefsen mit Aether ihre pulverige Form bei-
behält und nichts an denselben abgiebt, zur weiteren Reinigung in
Eisessig gelöst. Nachdem aus dieser Lösung durch Zusatz von
etwas Aether Flocken abgeschieden und durch Filtrieren beseitigt
waren, wurde, da die Eisessiglösung beim Austrocknen nur Schuppen
hinterläfst, der Aether verdampft und darauf das Kondensations-
produkt durch Wasserzusatz ausgefällt.
Eine weitere Menge desselben Körpers läfst sich aus dem vor-
hin erwähnten gelben ätherischen Auszug gewinnen, wenn der Rück-
stand desselben längere Zeit mit etwas wässriger Salzsäure ver-
rieben, dann Wasser zugefügt und filtriert wird. Die auf dem
Filter gesammelte Substanz mu[s nach dem Trocknen nochmals mit
Aether extrahiert werden zur Beseitigung einer der Menge nach un-
beträchlichen Beimengung. Das Unlösliche wird dann in wässrigem
Ammoniak aufgenommen und die Lösung längere Zeit auf dem
Wasserbade erwärmt. Hernach wird die durch Salzsäure aus dieser
Lösung abgeschiedene organische Säure mit Eisessig aufgenommen
und durch Wasserzusatz wieder abgeschieden.
Das Kondensationsprodukt der Anthranilsäure bildet im
trocknen Zustand ein sattgelbes krystaliinisches Pulver, welches erst
weit über 260° schmilzt. Wie in Eisessig löst es sich leicht in
konzentrierten Mineralsäuren und auch in Alkohol. Dagegen ist esin
Benzol und Aethyläther ganz unlöslich. Wird es auf 100° erhitzt,
C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure. 205
so nehmen die oberflächlichen Schichten eine tiefere aber trübere
Färbung an. Auch wenn man die auf Papier lagernde Substanz
dem Sonnenlicht aussetzt, nehmen die oberflächlichen Schichten einen
satten, körperhaften, ins Grüne hinüberziehenden Ton an, der deutlich
erkennen lälst, dafs bei der Sonnenbestrahlung nicht allein Wärme-
sondern auch chemische Schwingungen wirksam werden.
Das Kondensationsprodukt ist eine ziemlich starke Säure, leicht
löslich in Ammoniak und unter Austreiben von Kohlensäure in kalter
verdünnter wässriger Soda. Aus diesen Lösungen wird es von Salzsäure
wieder abgeschieden. Da es selbst in Salzsäure löslich ist, mufs ein
stärkerer Ueberschufs derselben bei der Ausfällung vermieden werden.
Die Färbung der Abscheidung ist verschieden, je nachdem diese im
Dunklen oder im direkten Sonnenlicht erfolgt, Im letzteren Fall
wird ein sattgelbes, in wässriger Suspension eine lebhaft grüne
Fluorescenz entwickelndes, im ersteren Falle ein lichtergelbes
Pulver gewonnen. Die gelbe alkalische Lösung wird beim Kochen
mit Zinkstaub nicht entfärbt und das Kondensationsprodukt nicht
verändert. Dieses wird von der wässrigen Lösung von Natrium-
nitrit aufgenommen und es entsteht eine, insbesondere in der Wärme
intensiv gelbrote Lösung, aus welcher Salzsäure voluminöse rotgelbe
Flocken abscheidet, welche aber nichts anderes sind, wie die an-
gewendete Substanz. Dieselbe bildet mit kalter rauchender Schwefel-
säure eine rotgelbe Lösung, welche die Färbung lange beibehält.
Beim Schmelzen mit Aetzkali entsteht kein Indigo.
Nach dem Ergebnis der Analyse besitzt das Kondensations-
produkt die Zusammensetzung C, H, NO,.
0,1921 g Substanz lieferten 0,3933 g Kohlensäure und 0,0720 g
Wasser.
Berechnet: Gefunden:
C,H,NO,
C = 55,96 Proz. 59,83 Proz.
I an e 216
Die ammoniakalische Lösung des Kondensationsproduktes giebt
auf Zusatz von Chlorbaryum einen Niederschlag. Dasselbe löst sich
auch schwer in Barytwasser, leicht dagegen in überschüsssigem
Ammoniak zu einer verhältnismäfsig schwach gelb gefärbten Flüssig-
keit. Wird diese aber auf dem Wasserbade verdampft. so ver-
flüchtigt sich aus der allmählich intensiv gelb werdenden Flüssigkeit
206 C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure.
auch gebundenes Ammoniak und es stellt sich stark saure Reaktion
ein. Auf Zusatz von salpetersaurem Silber zu der sauren Lösung
entsteht eine lichtempfindliche, tief gelb gefärbte Fällung, welche
nach dem Trocknen und Glühen weniger Silber hinterläfst wie das
normale Salz verlangt. Bei diesem Glühen entweichen aber neben
anderen prachtvoll gelb gefärbte Dämpfe, welche man nicht wahr-
nimmt, wenn das Silbersalz abgeschieden wurde aus der mit Am-
moniak so weit versetzten Lösung, dafs Curcumapapier eben ge-
bräunt wird.
A. Aus der sauer gewordenen Lösung abgeschiedenes Silbersalz.
0,2626 g Substanz lieferten 0,1239 g Silber oder 47,18 Proz. Silber.
B. Aus der ganz schwach alkalischen Lösung abgeschiedene
Silbersalze.
1. 0,1957 g Substanz lieferten 0,1035 g Silber oder 52,33 Proz.
Silber.
2. 0,196 g Substanz lieferten 0,1040 g Silber oder 53,06 Proz.
Silber.
Berechnet: Gefunden:
C,H,Ag,NO, B, B,
Nor 53.07 52,88 Proz. 53,06 Proz.
U. Glyoxylsäure und Paraamidobenzoesäure.
5,6 & Paraamidobenzoesäure wurden mit 50 ccm absolutem
Alkohol übergossen und 4 ccm Glyoxylsäure von 1,32 spez. Gewicht
zugesetzt, welche die Auflösung jener Säure in dem Alkohol wesent-
lich beschleunigt. Danach wurde eine Stunde auf dem gelinde
siedenden Wasserbade am Rückflulsrohre erwärmt. Dasselbe war in
geeigneter Weise mit einem U-röhrchen verbunden, welches Baryt-
wasser enthielt, somit die stattfindende schwache Kohlensäureent-
wickelung erkennen liels.
Nach Ablauf der angegebenen Zeit wurde die Lösung in eine
Porzellanschale gegossen und verdampft. Es hinterblieb eine dicke
gelbe Flüssigkeit, welche beim Anrühren mit Wasser eine hellrot-
braune etwas klebrige Masse abschied, die sich aber nach einigem
Kneten unter Wasser in ein filtrierbares gelbes Pulver verwandelt.
Dasselbe wurde nach dem Trocknen zunächst mit Aether extrahiert,
daun in Ammoniak gelöst. Nachdem diese Lösung unter Ersatz des
verdunstenden Wassers und entweichenden Ammoniaks einige Zeit
auf dem Wasserbade erwärmt worden war, wurde das Konden-
C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure 207
sationsprodukt durch Zusatz von Salzsäure abgeschieden, abfiltriert
und ausgewaschen. Wegen der Löslichkeit des ersteren in der
Salzsäure darf bei der Fällung kein zu grolser Ueberschufs von
dieser genommen werden. Die lufttrockene Substanz wurde alsdann
in Eisessig gelöst. Auf Zusatz von etwas Aether zu dieser Lösung
wurde eine Verunreinigung niedergeschlagen, welche durch Filtrieren
beseitigt wurde. Dann wurde der Aether verdampft und das Kon-
densationsprodukt durch Wasserzusatz aus der Eisessiglösung nieder-
geschlagen. Dasselbe bildet nach dem Trocknen ein hellstrohgelbes
Pulver, welches seine Färbung weder beim Erwärmen auf 100°,
noch bei Bestrahlung durch direktes Sonnenlicht ändert. Es besitzt
saure Eigenschaften, ist demnach leicht löslich in wässrigem Am-
moniak und unter Austreiben von Kohlensäure in verdünnter Soda-
lösung. Die alkalischen Lösungen sind gelb gefärbt, besitzen aber
im konzentrierten Zustand lange nicht die satte Färbung der ent-
sprechenden Lösungen des Orthoderivats. Die Paraverbindung löst
sich kaum in Wasser, Aether oder Benzol, leicht in Alkohol, Eis-
essig und konzentrierten Mineralsäuren. Die Lösung in rauchender
Schwefelsäure ist anfangs hellgelb gefärbt, verblalst aber beim Er-
wärmen oder längerem Stehen an der Luft. Das Kondensations-
produkt wird von einer wässrigen Lösung von Natriumnitrit mit
gelber Farbe aufgenommen. Diese Lösung färbt sich zwar beim Er-
wärmen rotgelb, scheidet aber beim folgenden Ansäuern mit Salz-
säure die organische Säure unverändert in Form hellgelber Flocken
ab. Die Paraverbindung löst sich leicht in Barytwasser. Die am-
moniakalische Lösung derselben giebt beim Eindampfen auf dem
Wasserbade gebundenes Ammoniak ab und reagiert dann sauer. Wie
bei der Orthoverbindung ist auch diese saure Lösung intensiver gelb
gefärbt, wie die mit Ammoniak übersättigte. Sie giebt mit Silber-
salpeter einen gelben Niederschlag, welcher nach dem Trocknen
weniger Silber enthält, wie dem normalen Salz entspricht, dafür aber
die Eigenschaft besitzt, beim Glühen neben anderen gelb gefärbte
Dämpfe auszugeben. Die Erscheinung "erinnert" an das Verhalten
. ‚der entsprechenden Orthoverbindung, istaber bei weitem nicht so brillant.
Die Paraverbindung beginnt von 226° ab zusammenzubacken
und steigt alsdann im Schmelzröhrchen. Sie besitzt die Zusammen-
setzung C, H, NO,.
208 C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure.
0,2393 g Substanz lieferten 0,4888 g Kohlensäure und 0,0925 g
Wasser.
Berechnet: Gefunden:
C 55,96 Proz. 55,71 Proz.
154 Su rplagrs 4,29 »
Das Silbersalz des Parakörpers wurde durch Versetzen der
gegen ÖCurcumapapier schwach ammoniakalisch reagierenden Lösung
mit salpetersaurem Silber in Form eines gelben, flockigen, in Am-
moniak löslichen Niederschlags gewonnen, welcher nach dem
Trocknen verglüht wurde.
0,2502 g Silbersalz lieferten 0,1319 g Silber.
Berechnet für C,H, Ag, NO, Gefunden :
Ag = 53,07 Proz. 52,72 Proz.
II. Glyoxylsäure und Metaamidobenzoesäure.
Zur Darstellung des Kondensationsproduktes wurden 4,5 g
Metaamidobenzoesäure mit 3,5 ccm. Glyoxylsäure von 1,32 spez.
Gew. übergossen. Da aus der sich schnell verflüssigenden und gelb
werdenden Mischung ziemlich reichlich Kohlensäure entweicht, wurde
Alkohol zugesetzt und über Nacht bei gewöhnlicher Temperatur
stehen gelassen. Danach wurde die gelbe Flüssigkeit von der
kleinen Menge oxalsaurer Metaamidobenzoesäure, welche sich abge-
schieden hatte, abfiltriert und rasch auf dem Wasserbade verdampft.
Der dicke gelbe Rückstand wurde mit Wasser verrührt und so eine
Substanz in halbflüssiger Form abgeschieden, welche sich nach
einigem Durcharbeiten mit Wasser in ein filtrierbares Pulver um-
wandelte. Dasselbe wurde in Ammoniak aufgelöst und die Lösung
längere Zeit hindurch unter Ersatz des verdunstenden Wassers und
Ammoniaks auf dem Wasserbade erwärmt, um salzartig gebundene
Metaamidobenzoesäure abzuspalten, hernach mit etwas überschüssiger
Salzsäure versetzt. Das in Form eines gelben, flockigen Pulvers ab-
geschiedene Kondensationsprodukt wurde abfiltriert, mit Wasser
ausgewaschen und getrocknet. Die weitere Reinigung der Säure
erfolgte in der bei den Isomeren angegebenen Weise. Sie ist in
Wasser, Aether, Benzol so gut wie unlöslich. Dagegen löst sie sich
leicht in Alkohol und Eisessig, sehr leicht in wässrigem Ammoniak,
in Sodalösung, sowie in einer verdünnten wässrigen Lösung von
salpetrigsaurem Natron. Sie löst sich auch leicht in konzentrierten
Mineralsäuren. Die Lösung in rauchender Schwefelsäure ist gelb
A. Baur: Ueber Opoponax. 209
gefärbt und behält diese Färbung lange Zeit bei. Die Säure backt
beim Erhitzen im Schmelzröhrchen von 215 0 ab zusammen und steist
in die Höhe. Ihre Verbrennung führte zu Werten, welche der
Formel C, H, NO, entsprechen.
0,2326 Substanz lieferten 0,4791 g Kohlensäure und 0,0854 g
Wasser.
Berechnet: Gefunden:
C,H,NO,
C = 55,96 Proz. 56.17 Proz.
H= 368 „ 408 „
Die Netasäure ist in Barytwasser leicht löslich. Ihre am-
moniakalische Lösung wird beim Verdampfen auf dem Wasserbade
unter Verlust von Ammoniak sauer. Die Lösung giebt beim Ver-
setzen mit Silbersalpeter einen gelben Niederschlag, welcher unähn-
lich den Silberverbindungen der isomeren Säuren, beim Erhitzen
unter starkem Aufblähen schmilzt. Dabei entweichen keine gelben
Dämpfe. Aber sowohl die aus der sauren Lösung, wie auch die
aus der mit Ammoniak gerade übersättigten Lösung durch Versetzen
mit Höllensteinlösung abgeschiedenen, in der Hitze ebenfalls unter
starkem Aufblähen schmelzenden, silberreicheren Salze hinterlassen
beim Glühen weniger Silber wie der Formel des normalen Salzes
entspricht. Es dürfte also zwecklos sein, wenn ich den Silbergehalt
von vier Salzen verschiedener Darstellung hier anführen wollte.
Darmstadt, 25. März 1895.
Chemisch-Technisches Laboratorium (Privat).
Arbeiten aus dem pharmazeutischen Institute der
Universität Bern.
Untersuchungen über die Sekrete.
Mitgeteilt von A. Tschirch.
12. Ueber das Burseraceen-Opoponax.
Von A. Baur.
(Eingegangen am 27. März 1895.)
Einleitung.
Ueber die Herkunft des schon im Altertum hochgeschätzten
Opoponax - Gummiharzes haben von jeher ebenso verschiedene An-
sichten bestanden, wie über die Stammpflanze desselben. Gewöhnlich
nahm man an, dals dasselbe von einer perennierenden persischen
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bd. 3. Heft. 14
210 A. Baur: DVeber Opoponax.
Umbellifere stamme und den aus der Wurzel, sei es freiwillig oder
nach Anschneiden, ausflie[senden, an der Luft erhärteten Milchsaft
vorstellt. Als Namen der Stammpflanze finden sich: Opopanax Chi-
ronium Koch, Ferula opopanax L., Laserpitium Chironium L., Pastinaca
Opopanax etc. BeiTheophrast heilst die Pflanze MTavazes Xeıpoviov,
bei Dioscorides Wuvaxes n„odzAsıov. Dals das Opoponax schon im
Altertum als Medikament eine hohe Bedeutung erlangt hatte, beweist
die Zusammensetzung seines Namens aus önos Saft, r&v alles und @xos
Heilmittel.
Was die chemischen Untersuchungen des Opoponaxgummiharzes
anbelangt, so stellte Johnston!) daraus ein rotgelbes, bei 500
schmelzendes, in Aether und Alkohol leichı lösliches Harz dar, das von
Alkalien mit roter Farbe gelöst und von Säuren wieder in gelben
Flocken gefällt wurde.
Verschiedene Proben dieses Harzes hat er, nachdem er sie
jeweilen einige Stunden aut mehr oder weniger hohe Temperaturen
erhitzt hatte, zur Verbrennung gebracht und hierbei ziemlich überein-
stimmende Resultate erhalten, woraus er für das Harz die Formel
Co Ha; O,, berechnete.
Pelletier?) machte eine quantitative Untersuchung der Droge
und fand, dafs dieselbe bestand aus: Harz 42, Wachs 0,3 Proz., Spuren
von Kautschuk, Gummi 33,4, Stärke 4,2, Apfelsäure 2,8, bittere Extraktiv-
stoffe 1,6, holzige Beimengungen 9,8, äther. Oel, Wasser und Verlust
5,9 Proz.
Hlasiwetz und Barth?) führten die Kalischmelze aus und
fanden, dals dabei Protocatechusäure und etwas Brenzcatechin
entstehen.
Vigiert) untersuchte das ätherische Oel, von dem er im Mittel
etwa 3,25 Proz. erhielt. Es besitzt eine hellgelbe Farbe, geht bei der
Destillation zum gröfsten Teil gegen 250° über, dann steigt das
Thermometer rasch auf 320°, wobei ein schön smaragdgrün gefärbtes
Oel übergeht. Das bei 250° destillierende ist farblos, flüssig, ohne
Wirkung auf das polarisierte Licht, vom spez. Gew. 0,974 bei 16%. Es
enthält 81—81,4 Proz. Kohlenstoff und 11,1—11,3 Proz. Wasserstoff
und färbt sich mit Eisenchlorür grün. Schwefelsäure, Brom und Salpeter-
säure verharzen es.
Przeciszewsky?°) löste das ursprüngliche Gummiharz in
Aether und schüttelte mit Alkali, wobei er zwei wesentliche An-
teile erhielt: einerseits ein sogenanntes indifferentes Harz
1) Johnston, Phil.Mag. 1840 p. 147, 352. J. pr. Chem. [1] 26. S. 145.
2) Ann. chim. [1] 80 p. 38; Schweigg. J. 5. S. 245.
3) Ann. Chem 139. S. 81.
4) Vigier, These de l’&cole de Pharm. Paris 1869.
5) Dissert. Dorpat 186i.
A. Baur: Ueber Opoponax. 211
neben dem üätherischn Oel und auf der anderen Seite
ein sogenanntes saures Harz. Aus dem vom Aether befreiten
ersten Anteil, der zähflüssig war, erhielt er beim längeren Stehen
spärliche Krystalle, die jedoch nicht weiter untersucht wurden. Das
Oel trennte er durch Destillation im Oelbad ab und gelangte so eben-
falls zu einem grünen Anteil. Hierbei war mit Bleipapier Schwefel-
wasserstoff nachzuweisen, jedoch bekam er nachher mit dem ab-
getrennten Oel keine Reaktion auf Schwefel mehr, wohl aber mit dem
Harz bei der trockenen Destillation, auch bei der Oxydation mit
Salpetersäure. Das sogenannte saure Harz gab, in Alkali gelöst, mit
Chlorammonium einen in Wasser löslichen Niederschlag, der ebenfalls
nicht päher untersucht wurde. Beim Fällen der alkalischer Lösung
mit Salzsäure entwickelte sich der Geruch nach einer flüchtigen
organischen Säure. Bei der trockenen Destillation gab auch dieses
Harz Schwefelreaktionen, nicht aber bei der Oxydation mit Salpeter-
säure. Verfasser nahm somit an, dals zwar das Oel nicht schwefel-
haltig sei, wohl aber die beiden von ihm dargestellten Harze. Ich
will gleich hier bemerken, dals mir dies unwahrscheinlich vorkommt,
und dals jedenfalls die mit den Harzen erhaltenen Schwefelreaktionen
noch darin enthaltenem Oel zuzuschreiben sind, ebenso wie der Geruch
nach einer Fettsäure jedenfalls von der Verseifung eines Esters des
Oeles durch das angewandte Alkali herrühren dürfte, da bei den bis
dahin im pharmaceutischen Institut untersuchten persischen Umbelli-
ferenharzen schwefelfreie Harze, dagegen schwefelhaltige Oele ge-
funden worden sind und letztere beim Behandeln mit Kali Fettsäuren
geliefert haben. Das Gummi hat Przeciszewsky nicht näher
untersucht, dagegen hat er einige Versuche mit den Harzen in
chemisch-physiologischer Hinsicht gemacht.
Sommer!) hat bei seinen Untersuchungen über das Vorkommen
des Umbelliferons durch trockene Destillation des Opoponax, ohne dals
blaues Oel überging, eine geringe Menge eines bei 2400 schmelzenden
Körpers erhalten, der die Reaktionen des Umbelliferons zeigte, jedoch
nicht zur Verbrennung gebracht wurde.
Hirschsohn?) hatneben Galbanum, Ammoniakum und Sagapen
auch Opoponax untersucht und vergleichende Löslichkeitsbestimmungen
verschiedener Sorten gemacht. Er fand, dafs in Petroläther 1,00 bis
2,97 Proz. Harz und 1,04—5,97 Proz. Oel gehen, in Aether 14,81 bis
38,385, in Alkohol 10,39—16,66, in Wasser 11,00—33,45 Proz. während
er den Rückstand zu 16,35—57,91 und den Feuchtigkeitsgehalt zu
0,67—3,99 Proz. berechnete. Er konnte weder Schwefel noch Umbelli-
feron nachweisen. Im alkoholischen Auszug fand er Zucker und einen
1) Archiv der Pharm. 1859, Bd, 148, S. 12.
2) Parm. Zeitschr. f. Rufsland, Jahrg. 14. Jahresber. d. Pharm.
1875, S. 120.
14*
212 A. Baur: Ueber Opoponax.
gallussäureähnlichen Körper. An Wasser gab das Harzgemenge eine
bitter schmeckende Substanz ab und erteilte demselben saure Reaktion.
Das Oel wurde mit Schwefelsäure gelb und später schwach rötlich,
Salzsäure, Salpetersäure, Chlorkalk, Chloral gaben keine Farben-
reaktionen.
In neuerer Zeit hat der Opoponax seine Bedeutung als Heil-
mittel fast vollständig verloren, dagegen hat ein unter dem Namen
Opoponax in den Handel gebrachtes Produkt eine gewisse Bedeutung
dadurch erlangt, dafs das aus ihm dargestellte ätherische Oel im
Gro[sen zu Parfümeriezwecken verwendet wird. Da nun äber das
frühere Gummiharz, nach verschiedenen Angaben, nicht nur keinen
angenehmen, sondern sogar widerlichen, an Liebstöckel und Ammoniakum
erinnernden Geruch besitzen soll, so ist es nicht zu verwundern, wenn
man dazu gekommen ist, das gegenwärtig im Handel befindliche, an-
genehm riechende Gummiharz von einer anderen Stammpilanze her-
zaleiten.
Holmes!) giebt an, dals das echte Opoponaxharz, dessen
Stammpfianze übrigens noch unbekannt sei, fast ganz aus dem Handel
verschwunden ist, und dafs das jetzt im Handel befindliche, aus dem
das ätherische Oel destilliert wird, von Balsamodendron Kafal stammt.
In den Sammlungen chinesischer Drogen .„ndet sich das Harz ge-
wöhnlich unter der Bezeichnung ‚„myrrh.“ Es ist möglich, dafs es
sich hier um die Myrrhe der heiligen Schrift handelt. Ich werde
auf diese Ansicht von Holmes speziell im botanischen Teil meiner
Arbeit zurückkommen. Bezüglich des von ihm angegebenen Namens
Balsamodendron Kafal sei hier bemerkt, was Schweinfurth in
seiner Mitteilung „Ueber Balsam und Myrrhe‘‘ 2, angiebt, dals noch
heute das Holz von Commiphora Opobalsamum, des echten Balsambaumes,
unter dem Namen „gafal“ von den arabischen Küstenländern des
roten Meeres ausgeführt wird. Er ist der Ansicht, dals sich die
Myrrhe der Bibel auf den Mekkabalsam bezieht.
Aus den Berichten von Schimmel & Cie.?) geht hervor, dals
ihr Opoponax, das die Firma für zweifellos echt erklärt, aus Syrien
geliefert wird. Das daraus gewonnene Oel hat ein spez. Gew. von
0,860 — 0,910 resp. 0,901. Es siedet zwischen 200 und 300%. Die Aus-
beute beträgt 6,5 — 8,5 Proz. Der Bericht sagt ferner, dals ver-
schiedene Proben eines aus Persien zugeführten Opoponaxharzes vor-
gelegen haben, die in Faris und London verhältnismälsig hohe Preise
erzielten. Das Parfum derselben, wenn überhaupt von einem solchen
gesprochen werden kann, war von demjenigen des türkischen Harzes
1) Pharmaceutical Journ. and Transact. 1891. S. 838.
2) Ber. d. Pharm. Ges. 1893. S. 225/26.
3) April 1890. S. 34; April 1891. S. 35: April 1892. S. 29; Oct.
1893. S. 30/31.
A. Baur: Ueber Opoponax. 21:
ww
verschieden, denn der Geruch war nichts weniger als angenehm. Es
war weich wie Elemiharz und im Geruch demselben ähnlich. Ich
glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich annehme, dals es sich hierbei
wieder um einen Posten des echten, d. h. früher im Handel befind-
lichen, wahrscheinlich von einer persischen Umbellifere stammenden
Gummiharzes gehandelt haben dürfte.
Aus obenstehenden Litteraturangaben ist zu ersehen, dals über
Stammpflanze und Herkunft des Opoponaxgummiharzes zur Zeit noch
keine sicheren Anhaltspunkte vorliegen, und dafs über die Bestand-
teile, aulser einigen Angaben über das Aussehen und die Löslichkeits-
verhältnisse derselben, wenig bekannt geworden ist.
1. Chemischer Teil.
Zur Untersuchung gelangten die rohen Gummiharze, einesteils
bezogen von ©. Haaf in Bern, andernteils vnSchimmelu. Cie.
in Leipzig. Nach den Angaben letzterer Firma handelte es sich
um sicher bestimmtes Gummi opoponax. Vergleichende Reaktionen
beider Produkte ergaben die vollständige Identität derselben und
lassen auf ein und dieselbe Herkunft schliefsen.
Die Droge stellte gröfsere, braungelbe Stücke dar, in die
stellenweise hellere Gummikörner, teilweise völlig durchsichtig, bis
zu Haselnulsgröfse erreichend, eingestreut waren, neben völlig weilsen
kleineren Körnern, die sich in Salzsäure unter Aufbrausen lösten
und sich als Calciumcarbonat erwiesen. Aufserdem fanden sich in
gröfserer Menge Pflanzenreste, namentlich Holz- und Rindenstücke,
die zur mikroskopischen Untersuchung bei Seite gesetzt wurden,
neben andern, mehr zufälligen Verunreinigungen.
Auf Papier hinterliefs das Gummiharz reichliche Fettflecke,
herrührend vom ätherischen Oel. Sein Geruch war eigenartig, an-
genehm , übereinstimmend mit demjenigen zweier Schimmel'scher
Proben Opoponaxöl aus den Sammlungen des pharmaceutischen In-
stituts. Aeltere Proben Gummiharz, den Sammlungen entnommen,
zeigten eine etwas dunklere Farbe und weniger angenehmen, mehr
an Sumbul erinnernden Geruch. Der Geschmack war scharf brennend,
etwas kratzend und bitterlich.
Das von mir untersuchte Material setzte sich zusammen aus:
Harz 19 Proz., Aether. Oel 6,5 Proz., Gummi, Pflanzenreste etc.
(Rückstand beim Extrahieren mit Alkohol) 70 Proz. Feuchtigkeit
und Verlust 4,5 Proz.
214 A. Baur: Ueber Opoponax.
Da bei der Untersuchung im hiesigen pharm. Institut sowohl
von Galbanum als von Sagapen Umbelliferon als Bestandteil gefunden
worden war, und man annahm, dafs Gummi Opoponax ebenfalls ven
einer Umbellifere stamme, so versuchte ich vor allem das Umbelliferon
nachzuweisen, da es sich nach den Angaben Sommers!) darin
findet. Aber es gelang mir weder durch trockene Destillation, noch
durch Sublimieren zwischen Uhrgläsern, wie ja das bei anderen
Gummiharzen bekanntlich sehr leicht gelingt, einesteils mehrerer
Proben entölter Rohgummiharze, anderenteils gereinigter Harze,
irgendwelche Krystalle zu erhalten. Aufserdem war die für das
Umbelliferon so charakteristische blaue Fluorescenz in neutraler oder
ammoniakalischer Lösung niemals zu bemerken, weder bei Versuchen
mit dem Rohgummiharz, noch mit den gereinigten Harzen auch
wenn dieselben der verseifenden Behandlung mit Alkalien oder
Schwefelsäure unterworfen worden waren. Es ist somit anzunehmen,
dafs die von Sommer untersuchte Droge anderer Abstammung war.
Ebensowenig gelang es mir jemals, weder in der Rohdroge,
noch in den einzelnen Bestandteilen derselben, Schwefel nachzu-
weisen, obwohl die Versuche wiederholt gemacht wurden und zwar
sowohl mit der Nitroprussidreaktion als auch durch die Oxydation
mit Salpetersäure. Es liegt somit auch hierin eine Abweichung von
den bei den Umbelliferen-Gummiharzen meist vorkommenden Ver-
hältnissen vor.
A. Die Harze.
a) Darstellung der Reinharze aus der Rohdroge
und Untersuchung derselben.
Das Rohgummiharz wurde so gut als möglich gepulvert, nach-
dem aus demselben die grölsern Stücke der Pflanzenreste ausgelesen
waren und dann am Rückflulskühler mehrere Tage mit Petroläther
behandelt, wobei sich derselbe schön gelb färbte. Beim Abziehen
des Petroläthers resultierte ein rotgelbes, schmieriges Harz vom
Geruch der ursprünglichen Droge, das ziemlich viel ätherisches Oel
neben Petroläther enthielt. Da eine Trennung von Oel und Harz
durch Lösungsmittel nicht bewirkt werden konnte, wurde das Ge-
misch der Destillation mit Wasserdampf unterworfen. Das vom
1) Archiv d. Pharm. 1859. Bd. 148. S. 12.
A. Baur: Ueber Opoponax. 215
übergegangenen Oel getrennte Destillationswasser hatte eine schwach
gelbliche Farbe und rötete blaues Lackmuspapier. Sein Geruch war
aromatisch, der Geschmack etwas bitterlich. Da ich vermutete, dals
durch den Wasserdampf eine Verseifung der Oel- oder Harzester
bewirkt worden sei, neutralisierte ich das ganze Destillat mit Kali
und dampfte auf dem Wasserbad ein. Es hinterblieb eine braune,
schmierige Masse von bitterem Geschmack, die nicht weiter gereinigt
werden konnte. Mit Salzsäure angesäuert, lie[s sie den Geruch nach
einer Fettsäure erkennen. Auch das Ausschütteln der Masse hatte
kein Resultat.
Das während der Destillation mit Wasser vermengte Harz
war im Anfang fast rein weils, nahm aber, je mehr das Oel aus
demselben entfernt wurde, immer dunklere Farbe an, so dafs es über
Gelb allmählich in Braungelb überging. Es wurde zur weiteren
Untersuchung bei Seite gesetzt.
Das nach der Extraktion mit Petroläther resultierende Roh-
gummiharz wurde nun, ebenfalls am Rückflufskühler, mit Aether er-
schöpft, wobei dieser braunrote Farbe annahm. Der Aether wurde
mit verdünntem Ammoniak geschüttelt, wobei sich die Lösung trübte
und sich allmählich eine tiefbraunrote Schicht vom gelbrot gefärbten
Aether trennte.
Der Aether wurde abgezogen und es hinterblieb ein braun-
rotes schmieriges Harz, das ebenfalls noch ziemlich viel ätherisches
Oel enthielt. Wie der Petrolätherauszug, so wurde auch dieser
Aetherauszug der Destillation mit Wasserdampf unterworfen, wobei
sich wiederum ein hellgelb gefärbtes Oel von dem Destillat ab-
trennen liefs. Das Wasser zeigte auch hier schwach saure Reaktion
und verhielt sich im übrigen analog demjenigen, das beim Destillieren
des Petrolätherauszuges erhalten worden. Auf gleiche Weise wie
dieses behandelt, ergab es dasselbe negative Resultat. Das re-
sultierende braunrote Harz wurde ebenfalls zu weiterer Untersuchung
aufgehoben.
Der an Ammoniak gegängene Anteil wurde durch Eindampfen
von diesem befreit und dann mit heilsem Wasser längere Zeit
digeriert. Er war von schön brauner Farbe, stellenweise Kupfer-
glanz zeigend und vollständig geruchlos.
216 A. Baur: Ueber Opoponax.
Der nach Extraktion mit Aether resultierende, immer noch
eigentümlich riechende Rückstand der Rohdroge wurde am Rück-
flufskühler mit Alkohol erschöpft, wobei dieser braune Farbe und
eigentümlichen Geruch annahm, der übrigens auch dem abdestillierten
Alkohol anhaftete..e Die zurückbleibende, schwarzbraune Harz-
schmiere wurde in heilses Wasser gegossen und damit längere Zeit
digeriert, wobei die Masse allmählich erhärtete, während das Wasser
unter Gelbfärbung stark bitteren Geschmack annahm, also einen
Bitterstoff aufgenommen hatte (s. unten unter Bitterstoff).
Durch die successive Behandlung der Rohdroge mit Petrol-
äther, Aether und Ammoniak und schliefslich Alkohol war ich somit
zu vier Harzen gelangt, die weiter zu untersuchen waren.
Leider ist die Ausbeute an einzelnen derselben, im Vergleich
mit anderen Gummiharzen, eine äufserst geringe, während die Rück-
stände, hauptsächlich aus Gummi, Pflanzenresten und anorganischen
Verunreinigungen bestehend, die Hauptsache der Droge ausmachen.
Diese Rückstände zeigten nur schwachen Geruch, sodafls anzunehmen
ist, dafs durch die bisherige Behandlung so ziemlich alles ätherische
Oel daraus entfernt worden war.
Im Anschlufs an die im Pharmaceutischen Institut ausgeführten
Harzuntersuchungen, welche für die Harze die Form von Estern er-
geben hatten, versuchte ich ebenfalls, durch die Verseifung mit
Alkali oder Schwefelsäure Zerlegung zu bewirken. Alle vier durch
die successive Extraktion des Rohgummiharzes erhaltenen Harze
wurden vor jeder anderen Untersuchung auf Uebereinstimmung und
Identität untereinander der Einwirkung verseifender Mittel unter-
worten.
Jedoch gelang es mir weder mit Hilfe konzentrierten oder ver-
dünnten, wässerigen oder alkoholischen Alkalis, noch mit Schwefel-
säure von-verschiedenem Verdünnungsgrade, in offener Schale so-
wohl wie am Rückflufskühler, selbst bei langer Dauer der Einwir-
kung zu einem-Resultate zu gelangen. Die mit Schwefelsäure be-
handelten Produkte wurden jeweilen direkt, die mit Alkali behan-
delten nach dem Ansäuern mit verdünnter Schwefelsäure, mit Aether
geschüttelt, niemals jedoch war, aufser Spuren einer Fettsäure,
offenbar entstanden durch Verseifung des immer noch dem Harze
anhaftenden Oeles, etwas in Aether übergegangen; eine Zerlegung in
A. Baur: Ueber Opoponax. 217
eine Säure und in einen Alkohol, wie sie bei den bisher untersuchten
Harzen stattgefunden hatte, schien somit nicht eingetreten zu sein.
Extraktionen der Flüssigkeiten mit Chloroform führten ebenfalls
nicht zum Ziele.
Um zu konstatieren, ob nicht etwa bei der Behandlung mit
Schwefelsäure eine in Aether oder Chloroform unlösliche Sulfover-
bindung entstanden sei, wurde mit Baryumcarbonat übersättigt und
nun versucht, eine eventuell entstandene Baryumverbindung in
Lösung zu bringen, ein Verfahren, das ja häufig zur Trennung von
Sulfosäuren von überschüssiger Schwefelsäure dient.
Aber weder mit Wasser, noch mit Alkohol, Chloroform oder
Aether war der getrockneten weilsen Masse etwas zu entziehen.
Das Gemisch von Baryumsulfat mit überschüssigem Carbonat wurde
nun wieder mit Schwefelsäure zersetzt und neuerdings mit ver-
schiedenen Lösungsmitteln behandelt, ohne das dieselben jedoch
etwas aufgenommen hätten.
Verseifungsversuche mit Alkali sowohl als mit Schwefelsäure,
die im geschlossenen Rohr vorgenommen wurden, führten ebenfalls
zu keinem Resultat.
Es ist somit mit Sicherheit anzunehmen, dals bei Gummi
Opoponax die Verhältnisse anders liegen als bei den bis dahin im
pharmaceutischen Institut untersuchten Harzen.
Das nach der Behandlung mit Wasserdampf resultierende Harz
aus dem Petrolätherauszug wurde zur Reinigung wiederholt in Aether
gelöst und die Lösung mit Petroläther versetzt. Im Anfang schied
sich etwas schmieriges, gelbrotes Harz an den Wänden des Kolbens
ab, das durch Abgielsen der Flüssigkeit entfernt wurde. Alsdann
wurde mehrmals in Alkohol gelöst und nach dem Filtrieren mit salz-
säurehaltigem Wasser versetzt, wobei das Harz als krümlige,
gelbliche Masse sich abschied. Mit Wasser ausgewaschen zur Ent-
fernung der Salzsäure, resultierte nach dem Trocknen ein gelbliches
Pulver, das, in heifses Wasser gebracht, zu einer gelbbraunen Masse
zusammenschmolz und sich leicht pulvern liefs. Ich werde dasselbe
mit dem Namen «-Panax-Resen bezeichnen.
Es war geruch- und geschmacklos und erweichte beim Kauen.
In Wasser erwärmt liefs es sich zu gelben, glänzenden Fäden aus-
ziehen. Es löste sich in Alkohol mit neutraler Reaktion, ferner in
218 A. Baur: Ueber Opoponax.
Aether, Petroläther, Eisessig, Chloroform, Schwefelkohlenstoff, Benzol
und Toluol. Dagegen war es unlöslich sowohl in verdünnten als in
konzentrierten Alkalien, in der Kälte sowohl als beim Erwärmen.
Beim Reiben war es elektrisch. Versuche, den Körper aus einem
seiner Lösungsmittel krystallisiert zu erhalten, schlugen immer fehl.
Schwefel und Stickstoff waren darin nicht nachweisbar. Da es nicht
möglich gewesen war, dieses «a-Resen durch Verseifung in seine
Komponenten zu zerlegen, so wurde es so zur Verbrennung gebracht.
Die Elementaranalyse der über Schwefelsäure getrockneten Substanz,
mit Kupferoxyd im Sauerstoffstrome ausgeführt, ergab folgende
Zahlen :
1. 0,1308 g Substanz verbrannten zu 0,3679 g CO, u. 0,1285 g H,O.
1104510 85, |, : „ 0,4238 „ CO, u. 0,1473 „ H,O.
Gefunden: Berechnet für C, H,, O,:
17276.710'Proz. ©: IT 1694 Proz. ©: 76,49 Proz. ©.
199774 ER inBarerı MT 10.737 See
Es käme somit diesem «a-Resen die Formel C,, H,, O, zu, was
mit derjenigen für den aus den Destillationsrückständen (s. unten)
dargestellten Körper übereinstimmt.
Der durch Destillation mit Wasserdampf vom Oel befreite
Aetherauszug wurde zu weiterer Reinigung wieder in Aether gelöst,
und wiederholt mit verdünntem Ammoniak geschüttelt, bis dieses
nicht mehr gefärbt erschien. Sodann wurde die Lösung durch Ab-
ziehen eines Teils des Aethers eingeengt und mit viel Petroläther
versetzt. Es fiel eine schmierige Harzmasse, während die über-
stehende Flüssigkeit schwach gelbliche Farbe zeigte. Durch wieder-
holtes Lösen und Fällen gelang es, die letzten Reste des «-Resens
und des ätherischen Oeles daraus zu entfernen. Alsdann wurde
noch wiederholt in Alkohol gelöst und daraus durch salzsäurehaltiges
Wasser gefällt. Es resultierte schliefslich ein gepulvert gelbbrauner,
geschmolzen rotgelber, durchsichtiger, spröder Körper, der ebenfalls
in glänzende Fäden ausgezogen werden konnte. Ich bezeichne den-
selben mit ß- Panax-Resen. Dasselbe war geruchlos, erweichte
beim Kauen und besals schwach bittern Geschmack. Die alkoholische
Lösung reagierte neutral. Der Körper war löslich in Alkohol,
Aether, Chloroform, Eisessig Benzol, Toluol, schwer in Schwefel-
kohlenstoff, unlöslich dagegen in verdünnten und konzentrierten
Alkalien und ebenso in Petroläther. Beim Reiben war er nicht
A. Baur: Ueber Opoponax. 219
elektrisch. Auch bei diesem #-Resen fielen Versuche, dasselbe aus
seinen Lösungsmitteln krystallisiert zu erhalten, negativ aus. Stick-
stoff und Schwefel waren darin nicht nachzuweisen. Die Elementar-
analyse des über Schwefelsäure getrockneten Körpers ergab folgende
Zahlen :
I. 0,2296 g Substanz verbrannten zu 0,6252 g CO, und 0,2104 g H,O.
Il. 0,1930 g 5 E „ 0,5270 g CO, und 0,1707 g Hs0.
Gefunden: Berechnet für C, H;s 0;
I. i%
74,26 Proz. C. 74,47 Proz. C. 74,41 Proz. C.
I0RlSe Proz. H. 9,82 Proz. H. 10,07 Proz. H.
Auch bei dieser Formel C,, H, O, ergab sich Uebereinstirm-
mung mit derjenigsn des bei der Untersuchung der Destillations-
rückstände erhaltenen #-Resens. (S. unten).
Der durch Schütteln mit Ammoniak aus dem Aetherauszug der
Rohdroge und Verdunsten des Ammoniaks erhaltene Körper erwies
sich bei der näheren Untersuchung als mit dem durch Extrahieren
mit Alkohol erhaltenen identisch und wurde die auf Analogie der
Löslichkeitsverhältnisse ete. gestützte Annahme durch die Elementar-
analyse bestätigt; seine nähere Beschreibung findet sich somit beim
Pana-Resinotannol.
Der beim Extrahieren der Rohdroge mit Alkohol erhaltene
Körper wurde, zur Entfernung allfällig noch vorhandenen Oels,
ebenfalls mit Wasserdampf behandelt. Es gingen aber nur geringe
Mengen Oel über. Durch wiederholtes Lösen in Alkohol und Fällen
mit salzsäurehaltigem Wasser, nachdem längere Zeit mit Wasser
digeriert war, wurde der Körper gereinigt. Da derselbe die Reak-
tionen der von Tschirch!) unter dem Namen Resinotannole zu-
sammengefalsten Harzalkohole zeigte, so erhielt er den Namen
Pana-Resinotanno|.
Geschmolzen liefs sich dasselbe in goldgelbe und glänzende
Fäden ausziehen. Es war fast geruchlos, nach längerem Auskochen
mit Wasser nur noch wenig bitter. Seine Lösung in Alkohol
reagierte neutral. Es war ferner leicht löslich in Chloroform und
Eisessig, schwerer in siedendem Aether, Benzol und Toluol, unlöslich
dagegen in Petroläther und Schwefelkohlenstoff. Beim Reiben war
lt) Archiv der Pharmacie 1893 und Pringsh. Jahrb.1893, S. 371.
220 A. Baur: TDUeber Opoponax.
es nicht elektrisch. Krystallisiert konnte es aus keinem seiner
Lösungsmittel erhalten werden ; Schwefel und Stickstoff waren darin
nicht nachzuweisen. Die Elementaranalyse der über Schwefelsäure
getrockneten Substanz ergab folgende Zahlen:
I. 0,2198 & des aus der Aetherlösung in Ammoniak gegangenen
Körpers verbrannten zu 0,5627 g CO;
und 0,1816 g H,O.
II. 0,1593 g des aus der Aetherlösung in Ammoniak gegangenen
Körpers verbrannten zu 0,4104 & CO,
und 0,1304 g H,O.
III. 0,1908 g des mit Alkohol aus der Droge extrahierten Körpers ver-
brannten zu 0,4854 g 00,
und 0,1517 g H;0.
IV. 0,1585 g des mit Alkokol aus der Droge extrahierten Körpers ver-
brannten zu 0,4065 g CO,
und 0,1236 & H;0.
V. 0,2031 g des mit Alkohol aus der Droge extrahierten Körpers ver-
brannten zu 0,5202 g CO,
und 0,1606 g H,O.
Gefunden: Berechnet für Cy, H;o Oz
I. 11. 1% IV. V.
C. 69,81 70.26 69,37 69,94 69,55 69,62
H. 9,18 9,09 8,83 8,66 8,78 8,53
Auch beim Vergleich dieser Formel, C;, H;, O,, erkennt man
die Identität mit derjenigen für das aus den Destillationsrückständen
dargestellte Tannol (s. unten.).
Mit dem «- u. #-Resen und dem Resinotannol wurden nun eine
Reihe vergleichender Versuche angestellt.
Reduktionsversuche: DieKörper wurden in Eisessig
gelöst, etwas Zinkstaub zugesetzt und am Rückflufskühler mehrere
Stunden behandelt. Sodann wurde filtriert, das Filtrat in Wasser
gegossen und die ausgeschiedenen Körper nach dem Auswaschen
geprüft. Alle drei Körper erwiesen sich als unverändert.
Die Versuche wurden nun in der Weise abgeändert, dafs die
Reduktion mit metallischem Natrium in alkoholischer Lösung aus-
geführt wurde. Das Reaktionsgemisch wurde in Wasser gegossen,
wobei beiallen drei Versuchen ein schmieriger Niederschlag entstand.
a- u. #-Resen waren in der Farbe etwas dunkler geworden. Beim
Frwärmen der wässerigen Flüssigkeit verteilte sich die vorher
schmierige Masse sehr fein im Wasser und liefs sich durch Zusetzen
A. Baur: Ueber Opoponax. 221
von einem Tropfen Salzsäure flockig ausfällen. Nach dem Auswaschen
erwiesen sich die drei Körper ebenfalls als unverändert, denn sie
besafsen noch die vorherigen Löslichkeitsverhältnisse und es ergab
ihre Elementaranalyse die Zahlen der ursprünglichen Substanzen.
Mit dem Tannol wurde noch ein Reduktionsversuch mit Zink-
staub in ammoniakalischer Lösung gemacht, aber ebenfalls ohne Erfolg.
Verhalten gegen konz. Salpetersäure. Die ge-
pulverten Substanzen wurden in Salpetersäure eingetragen und er-
wärmt. Nach einiger Zeit trat bei allen eine ziemlich heftige Reaktion
ein unter Bildung roter Dämpfe von Stickstoffdioxyd. Die Flüssigkeit
färbte sich intensiv gelb und zeigte die Reaktionen der Pikrinsäure
während die Körper voluminöse, schwammige Massen bildeten, die
in der Wärme weich waren und sich in helle, glänzende Fäden aus-
ziehen lielsen, beim Eintragen in kaltes Wasser hart und bröcklich
wurden und sich in gelbe Pulver zerreiben liefsen. Nach dem Aus-
waschen mit Wasser wurde jeweilen in Aether gelöst, wobei sich
tast alles löste, dann etwas Alkohol zugesetzt und verdunstet. Es
waren aber keine Krystalle zu erhalten. Nach der Lassaigne’schen
Methode war in allen drei Proben, die sich vollständig gleich ver-
halten hatten, Stickstoff nachzuweisen, was auf eine Nitrierbarkeit der
drei Körper schliefsen läfst. Weiter mit kochender Salpetersäure
behandelt, löste sich schliefslich alles in derselben auf.
Verhalten gegen schmelzendes Kali. Auch hier
verhielten sich die drei Körper gleich. In geschmolzenes Kali
wurden sie in einer Silberschale nach dem Pulvern in kleinen Mengen
eingetragen ; sie lösten sich hierbei auf und es resultierten farblose
Flüssigkeiten, die noch einige Zeit im ruhigen Flufs erhalten wurden.
Nach dem Erkalten wurde in Wasser gelöst, angesäuert, mit Aether
geschüttelt und schliefslich dieser verdampft.
Er hinterliefs in allen drei Fällen nur Spuren von Fettsäuren
die durch den Geruch nicht näher cherakterisiert werden konnten,
während feste Körper nicht zurückblieben.!)
1) Um zu konstatieren, ob nicht vielleicht durch die zu hohe
Temperatur der Kalischmelze eine zu weitgehende Zersetzung einge-
treten sei, wurde der Versuch im Oelbad wiederholt und die Temperatur
zwischen 290 u. 3000 erhalten. Aber auch hierbei war das Resultat
dasselbe, ebenso wie bei der in gleicher Weise vorgenommenen
Natronschmelze.
[647
[89]
ID
A. Baur: Teber Opoponax.
Zur Unterstützung der Ansicht, dafs das Harz des Alkohol-
auszuges zu den Resinotannolen gehöre, somit Alkoholcharakter be-
sitze, wurden mit demselben Benzoylierungs- und Acetylierungs-
versuche gemacht.
Acetylierungsversuche: Der Körper wurde in Essig-
säureanhydrid gelöst und dann am Rückflufskühler längere Zeit
gekocht. Hierauf wurde in heilses Wasser eingetragen, wobei sich
ein äufserst fein verteilter Niederschlag bildete, der auf Zusatz von
etwas Salzsäure Hockig wurde. Er wurde abfiltriert und mit heifsem
Wasser ausgewaschen. Um den letzten Rest ungebundener Essig-
säure zu entfernen, wurde in Aether gelöst, mit einer verdünnten
wässerigen Natriumcarbonatlösung geschüttelt und wieder mit Wasser
gewaschen. Es resultierte schliefslich ein graubraunes, geruch- und
geschmackloses Pulver, das aus seinen Lösungsmitteln nichtkrystallisiert
erhalten werden konnte. Obschon beim Erhitzen mit Arsenigsäure-
anhydrid Kakodylgeruch auftrat, somit Essigsäure in die Verbindung
eingetreten sein mulste, so stimmten doch die mit dem Körper aus-
geführten zahlreichen Elementaranalysen nicht mit den Berechnungen
überein.)
Benzoylierungsversuch: Derselbe wurde in der
Weise ausgeführt, dafs das Tannol in verdünnter Kalilauge gelöst
und dieser Lösung Benzoylchlorid in geringem Ueberschufs zugesetzt
wurde. Es trat eine ziemlich starke Erwärmung ein, während sich
die klare Lösung trübte und eine braunschwarze, schmierige Masse
fallen liefs, die beim Erkalten erhärtete, während die überstehende
Flüssigkeit klar und farblos geworden war. Es wurde abgegossen,
gepulvert und wiederholt mit warmem Wasser ausgewaschen, dann
in Alkohol gelöst und mit salzsäurehaltigem Wasser daraus wieder
gefällt. Auch hier resultierte ein graubraunes Pulver, das nicht
krystallisiert erhalten werden konnte und dessen Elementaranalyse
leider ebenfalls nicht die erhofften Resultate lieferte, obschon beim
Kochen mit Kali und nachherigem Ansäuern mit Salzsäure ein weilser
Niederschlag von Benzoesäure entstand.)
1) Acetylierungsversuche, die mit Essigsäureanhydrid im ge-
schlossenen Rohre (6 Stunden Erhitzen auf 170— 1800) ausgeführt wurden,
führten ebenfalls nicht zu einem einheitlichen Körper.
2) Eine Anzahl untereinander übereinstimmender Elementar-
analysen ergab für den Körper als Mittel 73,85 Proz. C und 8,96 Proz. H,
Zahlen, die aufkein Benzoylderivat des ursprünglichen Tannols stimmen,
das letztere scheint also bei der Benzoylierung auch eine anderweitige
Veränderung zu erfahren.
A. Baur: Ueber Opoponax. 223
Obschon nun die mit dem Pana-Resinotannol gemachten Versuche
bis dahin noch nicht zu positiven Resultaten geführt haben, so glaube
ich doch, für dasselbe Alkoholcharakter annehmen zu können und
hoffe ich später noch, bei veränderter Versuchsanordnung zum
Ziele gelangen und genauere Mitteilung hierüber machen zu können.
Als was die beiden Resene aufzufassen sind, kann vorläufig
nicht gesagt werden. Dafs wir es nicht mit Estern zu thun haben,
beweist ihre Unvarseifbarkeit, und ihre Unlöslichkeit in Alkalien
scheint es auszuschlielsen, dafs sie Alkohole oder Säuren sind. Man
kann sie vorläufig nur zu den sogenannten ‚„indifferenten‘“ Harzen
rechnen, mit welchem Namen man von jeher diejenigen bezeichnet
hat, die sich nicht in Alkalien lösten und für die Tschirch den
Namen Resene vorgeschlagen hat.
b) Untersuchung der Rückstände der
VDeld estill'at ron.» Chrromel
Da sich meine Untersuchungen über das Opoponax haupt-
sächlich auf das in demselben enthaltene Harz erstrecken sollten,
wandte ich mich an die Firma Schimmel u. Cie. in Leipzig, die mir
denn auch in bereitwilligster Weise einige Kilogramm ihrer Rück-
stände der Oeldestillation des Opoponax überliefs. Nach den An-
gaben der Firma wird das rohe Gummiharz, ohne weiteren Zusatz,
der Einwirkung gespannter Wasserdämpfe ausgesetzt, um aus dem
Destillat das Oel abzutrennen.
Diese Rückstände bildeten eine braunschwarze, durch bei-
gemengtes Wasser schmierige Masse von bitter aromatischem Ge-
schmack und dem Geruch nach Karamel.
Die Masse wurde zuerst, durch Digerieren auf dem Damptbad,
möglichst getrocknet, wobei sie zu braunen, gepulvert grauen Stücken
erhärtet, und dann mit Aether extrahiert. Der ätherische Auszug
wurde mit verdünntem Ammoniak geschüttelt, wobei ein Teil des
extrahierten Harzes mit brauner Farbe an dasselbe ging. Nach dem
Erschöpfen mit Aether wurde mit Alkohol behandelt, wobei ein in
Alkali löslicher, brauner Körper resultierte.
Der ätherische, mit Ammoniak geschüttelte Auszug zeigte
braungelbe Farbe und hinterliefs beim Abziehen des Aethers eine
braune, harzartige Substanz. Dieselbe wurde in Alkohol gelöst und
224 A. Baur TVeber Opoponax.
mit Wasser versetzt; hierbei setzte sich eine gelbe Masse ab, zu
der neuerdings Alkohol gegeben wurde, wobei sich die harzartige
Substanz löste, während die vorher schmierige Masse krümelig ge-
worden war. Nach dem Auswaschen mit Alkohol, wobei sie weilse
Farbe annahm, konnte sie durch Lösen in Aether und Zusetzen von
etwas Alkohol beim Verdunsten krystallisiert erhalten werden. Der
Alkohol, der zum Waschen der weilsen Masse verwendet worden
war, wurde zum ursprünglichen Aetherrückstand zurückgegeben und
daraus durch öfteres Fällen mit Wasser und Lösen in Alkohol neue
Mengen des Körpers erhalten.
Da sich aus den folgenden Untersuchungen ergab, dafs dem
krystallisierten Körper die Natur eines Alkohols zukommt, wurde
demselben, im Einklang mit der neuen Nomenklatur und in An-
lehnung an den Namen der früher vermuteten Stammpflanze des Gummi
Opoponax, Opoponax Chironium, der Name Chironol beigelegt.
Chironol.
Um dasselbe analysenrein zu erhalten, wurde es wiederholt in
Aether gelöst und nach dem Filtrieren nach Zusatz von etwas
Alkohol, zur Krystallisation gebracht. Es bildete so eine schnee-
weilse Krystallmasse ohne Geruch und Geschmack, von geringem
Gewicht, beim Reiben nicht elektrisch. Es ist in der Kälte leicht
löslich in Aether, Chloroform, Benzol, Petroläther und Aceton, beim
Erwärmen in Alkohol, Eisessig, Phenol, Essigsäureanhydrid ohne
Veränderung und durch Wasser daraus wieder fällbar oder beim Er-
kalten daraus krystallisierend.. Aus Essigsäureanhydrid wird es
krystallinisch gefällt. Unilöslich ist das Chironol in wässerigen
Alkalien, die farblose Lösung desselben in Alkohol reagiert neutral.
In Schwefelsäure löst sich das Chironol mit gelbroter, allmählich
dunkler werdender Farbe, unter Entwicklung von schwefliger Säure.
Die Lösung zeigt grüne Fluorescenz. Auf Zusatz von Wasser lälst
sie einen grauweilsen, amorphen Niederschlag fallen, der durch das
Filter geht.
Die Lösung in Schwefelsäure wurde nach der von Tschirch !)
angegebenen Methode auf ihr spektralanalytisches Verhalten geprüft.
Beobachtung in direkter Sonne: Dünne Schichten, im durchfallenden
1) Archiv d. Pharm. 1884, S. 136.
A. Baur: Teber Opoponax. 225
Licht hellgelb erscheinend, absorbieren nur Violett. Bei wachsender
Schichtendicke rückt die Endabsorption der blauen Spektrumshälfte
immer weiter gegen Gelb vor, so dafs dickere Schichten, die im
durchfallenden Lichte tief orange erscheinen, nur Rot und Gelb
durchlassen.
Das Chironol krystallisiert aus allen seinen Lösungsmitteln in
seidenglänzenden Nadeln, oft von der Länge bis zu !/, cm, zuweilen
zu fächerförmigen Drusen vereinigt. Erwärmt, schmilzt es zu einer
schwach gelblichen Flüssigkeit und sublimiert dann nach dem
Schmelzen in feinen weilsen Nadeln, die, in gröfserer Menge ver-
einigt, ein watteartiges Aussehen besitzen.
Der Schmelzpunkt des krystallisierten sowohl als des subli-
mierten Ohironols liegt bei 176° (unkorr.), nachdem dasselbe bei 1730
anfängt zu erweichen. Eisenchlorid verändert eine alkoholische
Lösung von Chironol nicht. Mit Natrium geglüht, konnte darin
weder Stickstoff noch Schwefel nachgewiesen werden. Auf Platin-
blech erhitzt, schmilzt es zuerst und verbrennt dann unter Aus-
stolsung weilser Dämpfe vom Geruch verbrennender Harze, ohne
einen Rückstand zu hinterlassen.
Die Elementaranalysen, sowohl krystallisierten als sublimierten
Chironols, im Sauerstoffstrom mit Kupferoxyd ausgeführt, ergaben:
I. 0,1344 g Substanz (sublimiert) verbrannten zu 0,4136 g CO, und
0,1458 g H,O.
II. 0,1184 g Substanz (krystallisiert) verbrannten zu 9,3645 g CO, und
0,1273 g H,O.
III. 0,1255 g Substanz (sublimiert) verbrannten zu 0,3873 g CO, und
0,1325 g H,0.
IV. 0,1513 g Substanz (krystallisiert) verbrannten zu 0,4671 g CO, und
0,1613 g H3,0.
Gefunden : Berechnet für Ca; H,O
R EL2% 1, AHEL.F> EV
C 83,92 83,90 84,16 84,19 84,0
H:4.12,05, 11,94,.11,.73...11,84 12,0
Die farblose Löslichkeit des Chironols in Phenol ermöglichte
Molekulargewichtsbestimmungen nach der Raoult’schen Methode,
beruhend aut der Depression des Erstarrungspunktes des reinen
Phenols durch Zusetzen kleiner, abgewogener Mengen der Substanz:
Phenol Substanz Depression
I 2548 0,4282 g 0,304
11. 23,908 0,2593 g 0,204
Arch. d. Pharm, CCXXXIII. Bds. 3. Heft. 15
226 A. Baur: Ueber Opoponax.
Aus Bestimmung I resultiert das Molekulargewicht von 421,
aus II dasjenige von 404. Es kann somit mit Sicherheit für das
Chironol die einfache Formel C,; H,O angenommen werden, ent-
sprechend einem Molekulargewicht von 400.
Acetylierungs-Versuch: Um zu sehen, ob dem
Chironol, das eine Hydroxylgruppe enthält, der Charakter eines
Alkohols zukommt, wurde dasselbe der Acetylierung ausgesetzt.
Zuerst wurde Chironol einige Minuten im Reagenzglas mit
Essigsäureanhydrid gekocht und dann sofort in heifses Wasser ge-
gossen. Es schied sich ein voluminöser, krystallinischer Nieder-
schlag aus, der, ausgewaschen und getrocknet, nach dem Verseifen
mit Kali keine Essigätherreaktion zeigte und ebensowenig beim Er-
hitzen mit arseniger Säure den Kakodylgeruch gab; der Schmelz-
punkt war ebenfalls unverändert.
Mit Essigsäureanhydrid längere Zeit am Rückflufskühler ge-
kocht, liefs sich ebenfalls keine Veränderung des Chironols kon-
statieren.
Ein dritter Versuch führte zu einem besseren Resultat.
Chironol wurde in Essigsäureanhydrid gelöst und während 15 Stunden
im geschlossenen Rohr auf 170° erhitzt. Beim Herausnehmen des
Rohres hatten sich aus der Flüssigkeit weifse, verfilzte Nadeln aus-
geschieden. Der Inhalt wurde in heifses Wasser ausgegossen, mit
heifsern und dann mit kaltem Wasser ausgewaschen, getrocknet und
aus Aetheralkohol umkrystallisiert. Die Krystalle waren von rein
weilser Farbe, geruch- und geschmacklos, nadelförmig und zu fächer-
törmigen Büscheln vereinigt. Mit arseniger Säure erhitzt lieferten
sie Kakodylgeruch. Der Schmelzpunkt lag bei 196° (unkorr.). Die
Löslichkeitsverhältnisse waren von denen des reinen Chironols
nicht verschieden. Auf dem Platinblech erhitzt, hinterliefs es keinen
Rückstand.
Die Elementaranalyse der über Schwefelsäure getrockneten Sub-
stanz ergab: -
I. 0,1194 g Subst. verbrannten zu 0,3566 g CO,
und 0,1240 g H,O
IE ERENTO , 5 zu 0,3631 g CO
und 0,1247 g 3,6
Gefunden: Berechnet
T: I. für O3 H,, 0 (CH, CO)
C 81,45 81,77 s1,44
H 114,53 11,43 11,31
A. Baur: Ueber Opoponax. 227
Die Formel Cs; H,, O (CH, CO) beweist die Richtigkeit der An-
nahme der Formel Cs; H;; O mit einer Hydroxylgruppe.
Benzoylierungsversuch: Da es gelungen war, eine
Acetylgruppe in das Chironol einzuführen, so machte ich nun auch
den Versuch, dasselbe zu benzoylieren und wurde dieser Versuch
schliefslich folgendermalsen ausgeführt. Chironol wurde im Reagens-
eylinder in Benzoylchlorid eingetragen und etwas erwärmt. Es trat
sofort, unter starker Wärmeentwickelung und Ausstolsung von Salz-
säuredämpfen eine heftige Reaktion ein, die durch Erwärmen unter-
stützt wurde. Die klare Lösung war tiefbraun geworden. Sie wurde
noch heifs in Wasser gegossen und die sich abscheidende braune
Schmiere mit kochendem Wasser zur Entfernung der Benzoesäure
gewaschen. Die resultierende gelbe Masse wurde in Aether gelöst
und aus Aetheralkohol öfters umkrystallisiert, zum Schlufs noch
mehrmals mit Alkohol gewaschen, um sicher zu sein, dafs keine freie
Benzoesäure vorhanden. Jedoch war es nicht möglich, dieselbe rein
weils zu erhalten: sie zeigte immer einen Stich ins Graue, was beim
Arbeiten mit Benzoylchlorid häufig der Fall ist, da sich die ent-
stehenden Nebenprodukte nur sehr schwer vollständig entfernen
lassen.
Die Krystalle hatten nicht nur ihre Form (sie bildeten mehr
Blättchen, keine Nadeln), sondern auch ihren Schmelzpunkt verändert.
Derselbe lag bei 186° (unkorr.). Die Löslichkeitsverhältnisse des
Derivats waren von denen des Chironols nicht verschieden. Beim
Erhitzen auf Platinblech hinterblieb kein Rückstand.
Die Elementaranalyse der über Schwefelsäure getrockneten
Substanz ergab folgende Zahlen:
I. 0,1535 g Substanz verbrannten zu 0,4679 CO, n. 0,1465 g H, 0.
IE. 0,1228 , a a -10,3750,,.,.00, n..0,1165, „.. H,0.
Gefunden: Berechnet
12 TE für Os, Hy, O (C,H, CO)
C 83,13 83,28 83,33
H 10,60 10,54 10,31
Es zeigt diese Formel Cy, H,, O (C,H, CO) ebenfalls das Vor-
handensein einer alkoholischen Hydroxylgruppe im Chironol an.
Versuche der Darstellung einer Kaliumver-
bindung: Im Anschlufs an die Acetylierungs- und Benzoylierungs-
versuche suchte ich nun auch eine Kaliumverbindung des Chironoles
15*
228 A. Baur: TUeber Opoponax.
darzustellen. Da dasselbe in wässerigen Alkalien, verdünnten so-
wohl als konzentrierten, unlöslich ist, so wurde es in konzentrierter
alkoholischer Kalilauge gelöst, einige Zeit gekocht und dann das
Ganze in Wasser gegossen. Es schied sich ein amorpher volumi-
nöser Niederschlag aus, der mit Wasser ausgewaschen wurde, bis
das Filtrat keine alkalische Reaktion mehr zeigte. Nach dem Trocknen
wurde in Aether gelöst, aus Aetheralkohol umkrystallisiert, die Kry-
stalle mit Alkohol gewaschen und über Schwefelsäure getrocknet.
Die Krystallform war diejenige des ursprünglichen Chironols, die
Löslichkeitsverhältnisse unverändert, der Schmelzpunkt lag noch bei
1760. Beim Glühen auf Platinblech hinterblieb kein Rückstand; es
war somit kein Kali in die Verbindung eingetreten, wenn nicht viel-
leicht die Verhältnisse hier ebenso liegen wie bei dem von Lüdy?)
aus der Benzoe dargestellten Bezoresinol, welches zwar eine Kalium-
verbindung bildet, die aber schon beim Auswaschen und dann beim
Trocknen wieder in Benzoresinol und Kali zerfällt.
Reduktionsversuch: Der Versuch, das Chironol zu
reduzieren, wurde in folgender Weise ausgeführt: Es wurde in Eis-
essig gelöst, der Lösung Zinkstaub zugesetzt und während mehrerer
Stunden am Rückflulskühler erwärmt. Die Flüssigkeit wurde vom
Rückstand abfiltriert, in Wasser gegossen und der abgeschiedene
amorphe Niederschlag nach dem Trocknen in Aether gelöst und aus
Aetheralkohol umkrystallisiert. Der Schmelzpunkt der Substanz lag
bei 170° (unkorr... Es schien somit eine Veränderung eingetreten
zu sein. Löslichkeitsverhältnisse und Krystallform waren von denen
des Chironols nicht wesentlich verschieden.
Die Elementaranalyse der über Schwefelsäure getrockneten
Substanz ergab folgende Zahlen:
I. 0,0811 g Substanz verbrannten zu 0,2458 g CO, u. 0,0924 g H,O.
I. 0,0871, » 5 „ 0,2631 g CO, u. 0,0976g H20.
III. 0,859 g Subst. verbr. zu 0,2601 gr CO, und 0,0962 g H,O.
Gefunden: Berechnet für
’B IT, III. C3Hn0:
C 82,66 82,38 82,57 82,50
H 12,66 12,44 12,44 12,50
1) Archiv 1893, S. 64.
A. Baur: Ueber Opoponax. 229
Die Formel Cs, H,, O differiert von derjenigen des Chironols
um C,H;, eine Erscheinung, für die vorläufig eine Erklärung noch
nicht vorhanden ist.
Ein fernerer Reduktionsversuch wurde mit metallischem
Natrium gemacht. Chironol wurde in Alkohol gelöst und unter Er-
wärmen metallisches Natrium zugesetzt. Nach einiger Zeit wurde
in Wasser ausgegossen, ausgewaschen und der amorphe Niederschlag
getrocknet. Sodann wurde in Aetheralkohol gelöst. Es krystalli-
sierte daraus ein Körper in weilsen Drusen, dessen Schmelzpunkt
bei 175° (unkorr.) lag. Das Chironol war somit nicht verändert
worden.
Bromierungsversuch: Chironol wurde in Chloroform
gelöst und tropfenweise Brom zugesetzt bis zur rötlichen Färbung.
Beim Erwärmen entwickelten sich Ströme von Bromwasserstoff ;
beim Verdunsten der Lösung hinterblieb eine amorphe, bröcklige,
braune Masse, die sich nur zum Teil in Alkohol löste, während ein
gelbes, amorphes Pulver zurückblieb. Die alkoholische Lösung, in
Wasser gegossen, liefs gelblich-weilse Flocken fallen, die in Aether,
Chloroform und Alkohol löslich waren, aber aus keinem der Lösungs-
mittel krystallisiert erhalten werden konnten.
Der in Alkohol unlösliche gelbe Rückstand löste sich ebenfalls
in Chloroform, war aber auch nicht krystallinisch daraus zu er-
halten. Mit Kalk geglüht, war Brom in beiden nachzuweisen.
OÖxydationsversuch,Chironolsäure: Da Chironol
in Schwefelsäure ohne Zersetzung nicht löslich ist, so konnte nicht
Kaliumbichromat als Oxydationsmittel verwendet werden. Der
Versuch wurde in folgender Weise ausgeführt: Chironol wurde in
Eisessig gelöst und nach dem Erkalten in kleinen Portionen eine
Lösung von Chromsäure in Eisessig zugesetzt. Es trat eine, nament-
lich beim Erwärmen ziemlich heftige Reaktion ein. Das Ganze
wurde in Wasser gegossen, wobei sich ein Niederschlag von weils-
licher Farbe in geringer Menge bildete, was auf eine zu heftige
Einwirkung der Chromsäure schliefsen lies. Der schmierige Nieder-
schlag wurde mit Wasser und kaltem Alkohol gewaschen, in Aether
gelöst, filtriert und etwas Alkohol zugesetzt. Auch nach wochen-
langem Stehen schieden sich aus der immer noch grünlich ge-
färbten Lösung keine Krystalle ab. Auch bei Anwendung anderer
230 A. Baur: Teber Opoponax.
Mengenverhältnisse und Temperaturen war zu keinem Resultate zu
gelangen. Ebensowenig war aus der vom Niederschlag abgetrennten,
tiefgrünen Flüssigkeit durch Schütteln mit Aether etwas zu er-
halten.
Ein anderer Oxydationsversuch wurde mit verdünnter Sal-
petersäure gemacht. Chironol wurde gepulvert mit ziemlich ver-
dünnter Salpetersäure einige Zeit gekocht. Die Flüssigkeit nahm
schwach gelbe Farbe an, gab aber auf Zusatz von mehr Wasser
keinen Niederschlag, ebenso nicht nach dem Uebersättigen mit
Alkali. Das Chironol dagegen ballte sich zu einer gelblichen
spröden Masse zusammen, die mit Wasser ausgewaschen und in
Aetheralkohol gelöst wurde. Nach dem Verdunsten des Aethers
schieden sich aus der gelbgefärbten Flüssigkeit weilse Nadeln aus,
die, mit Alkohol gewaschen und getrocknet, sich als unverändertes
Chironol erwiesen.
Ich änderte nun den Versuch in der Weise an, dafs ich ge-
pulvertes Chironol im Reagensglase mit rauchender Salpetersäure
übergofs und kurze Zeit erwärmte. Es trat sofort die Bildung von
Untersalpetersäure auf, während das Chironol sich zu einer dunkel-
gelben Masse zusammenballte. Diese wurde mit Wasser gewaschen
(bis zum Ausbleiben der Diphenylaminreaktion) und dann in Aether,
gelöst. Beim Verdunsten schieden sich gelbe Flocken, aber keine
Krystalle ab. Auch aus Chloroform, Alkohol und Eisessig, in denen
sich das Reaktionsprodukt löste, war es nicht möglich, Krystalle zu
erhalten.
Ich versuchte nun, mit Permanganat zum Ziele zu gelangen.
Zu einer Lösung von Chirouol in Eisessig wurde nach dem Erkalten
in kleinen Portionen eine Lösung von Kaliumpermanganat in Eis-
essig zugefügt. Die Flüssigkeit entfärbte sich unter Abscheidung
von Manganoxydull. Das Ganze wurde sodann mit Aether ge-
schüttelt, dieser abgetrennt, verdunstet und der rein weilse Rück-
stand aus Aetheralkohol krystallisiert. Die Krystalle waren nadel-
förmig und filzig wie die des reinen Chironols, der Schmelzpunkt
war unverändert und eine Verbrennung stimmte wieder auf die ur-
sprüngliche Substanz.
Da eine Permanganatlösung, kalt angewendet, nicht zum Ziele
geführt hatte, wurde der Versuch in der Wärme gemacht. Eine
A. Baur: Ueber Opoponax. 231
heils bereitete Lösung von Chironol in Eisessig wurde sofort mit
einer Lösung von Kaliumpermanganat in Eisessig versetzt. Es trat
unter Gasentwickelung eine stürmische Reaktion ein unter Ent-
färbung des Permanganats. Nach dem Erkalten wurde die Flüssig-
keit mit Aether geschüttelt; der Aether hinterliefs nach dem Ver-
dunsten eine gelbbraune, etwas schmierige Masse, die wiederum mit
Aether aufgenommen wurde. Nach Zusatz von etwas Alkohol er-
gaben sich nach dem Verdunsten keine Krystalle. Ebensowenig
waren aus Chloroform und Eisessig solche erhältlich. Um das Pro-
dukt zu reinigen, wurde es wiederholt in Eisessig gelöst und mit
Wasser gefällt. Nach dem Auswaschen mit Wasser war es schliefs-
lich rein weils, ohne krystallinische Struktur. Die alkoholische
Lösung dieses Oxydationsproduktes rötete blaues Lackmuspapier und
war in verdünnten Alkalien beim Erwärmen löslich. Durch Säuren
wurden aus diesen Lösungen wieder weilse Flocken gefällt. Im
Anschluls an den Namen Chironol, aus dem er dargestellt worden,
erhielt der wie eine Säure sich verhaltende Körper den Namen
Chironolsäure.
Dieselbe war löslich: sehr leicht in kaltem Alkohol, während
Chironol sich darin erst beim Erwärmen löst, ferner in Aether, Eis-
essig, Chloroform, Benzol, Schwefelkohlenstoff, Aceton, sehr wenig
dagegen und unter Zusammenbacken in Petroläther, in dem sich das
Chironol hingegen schon in der Kälte leicht löst. Erwärmt fing der
Körper bei 100° (unkorr.) an zusammenzusintern und war bei 108°
(unkorr.) zu einer gelblichen Flüssigkeit zusammengeschmolzen.
Die Elementaranalyse der über Schwefelsäure getrockneten
Substanz ergab folgende Zahlen:
I. 0,0733 g Subst. verbr. zu 0,2020 g CO, und 0,0700 g H,O
lI. 0,0947 g „ x » 0,2607 g CO, „ 0,0901 g H,0
Gefunden: Berechnet
1. II, für Ca H;g O4
Ga 75,08 75,00
H 10,61 10,57 1971
Es kommt somit diesem Oxydationsprodukt die Formel
Cyg H,; 0, zu.
Einwirkung von schmelzendem Alkali auf
Chironol: Chironol wurde in kleinen Portionen zu in einer Silber-
schale schmelzendem Kali zugesetzt. Es blähte sich anfangs stark
232 A. Baur: Ueber Opoponax.
auf und färbte sich dunkel, löste sich aber allmählich farblos in der
Schmelze. Nachdem alles gelöst war, wurde die Masse noch kurze
Zeit in ruhigem Flufs erhalten und nach dem Erkalten in Wasser
gelöst. Die farblose Lösung wurde mit verdünnter Schwefelsäure
angesäuert und wiederholt mit Aetlıer geschüttelt, dieser abgetrennt
und vorsichtig verdunstet: es hinterblieb nichts als einige Krystalle
von Kaliumsulfat. Ein charakteristischer Geruch, der auf Fettsäuren
oder andere riechende Produkte hätte schliefsen lassen, war nicht
zu bemerken. Weitere Versuche mit längerer oder kürzerer Ein-
wirkung des schmelzenden Kali hatten dasselbe negative Resultat.
Somit ist anzunehmen, dafls das Chironol durch die Kalischmelze
vollständig zerstört wird.
Um zu sehen, ob und inwieweit die Destillation mit gespanntem
Wasserdampf die Resene und das Resinotannol verändert habe,
suchte ich dieselben auch aus den Destillationsrückständen darzu-
stellen.
Dies wurde in folgender Weise ausgeführt:
Nachdem vom Aetherauszug der getrockneten Rückstände
der Aether abgezogen und daraus durch wiederholtes Lösen in wenig
verdünntem Alkohol und Ausfällen mit Wasser alles Chironol entfernt
worden war, wurde der Rückstand, nach dem Trocknen, in Aether
gelöst und mit viel Petroläther gefällt. Es fiel eine braune,
schmierige Harzmasse, die abgetrennt wurde. Die überstehende
Flüssigkeit wurde destilliert, ihr Rückstand nochmals in Aether ge-
löst und mit Petroläther gefällt u. s. w., bis der Petroläther keine
Trübung mehr hervorrief. Die resultierenden Auszüge wurden ver-
einigt, der Petroläther abgezogen und der Rückstand getrocknet.
Es resultierte so ein Körper, dessen Löslichkeitsverhältnisse sowohl
als Aussehen mit denjenigen des aus der ursprünglichen Rohdroge
dargestellten «-Resens übereinstimmten.
Eine Veränderung durch den Destillationsprozels schien somit
hier nicht eingetreten zu sein. Die Elementaranalyse des über
Schwefelsäure getrockneten Körpers ergab folgende Resultate :
I. 0,1413 g Substanz verbrannten zu 0,3952 g CO, u. 0,1348 g H,O,
I. 035g „ E „06505 „ n0aBer
II. 0,1870 g E 5 „052585 „ 2.078273
A. Baur: Ueber Opoponax. 233
Gefunden: Berechnet
L LE LER für 079 H, 0, 5
(a 76.27 76,41 76,68 76,49
H 10,59 10,59 10,63 10,75
Vergleicht man mit obigen Zahlen die für das aus der ursprüng-
lichen Droge dargestellte «-Resen gefundenen Zahlen:
% TE
BU) 7 70,20 76,54 Proz.
H 10,91 10,83
”
so ergiebt sich hieraus die Identität der beiden Körper und die
gleiche Formel C,, H;, O,.
Die beim Fällen des Aetherauszuges mit Petroläther hinter-
bleibende Masse wurde mit Petroläther digeriert und nach dem Ab-
gielsen des letzteren durch wiederholtes Lösen in Alkohol und Fällen
daraus gereinigt. Sodann wurde in Aether gelöst und dieser mehr-
mals mit Ammoniak geschüttelt, wobei ein Teil mit brauner Farbe
an das Ammoniak ging. Nach der Trennung der Schichten wurde
der Aether verdampft. Der resultierende Körper stimmte in allen
seinen Eigenschaften mit dem aus der Rohdroge durch Extraktion
mit Aether erhaltenen #-Resen überein, was ebenfalls eine Ver-
änderung durch den Wasserdampf ausschliefst. Die Elementar-
analyse ergab folgende Zahlen:
I. 0,1776 g Substanz verbrannten zu 0,4866 g CO, u. 0,1621 g H,O.
I. 0,2190 g = I »:0,5990 8; ı 7. u. 0,2023, 05
IT 02111 g = > „ 05 gg. „ a Eimizeme
Gefunden: Berechnet
T II. III. für Ca Hz O5:
C 74,12 74,59 74,63 7441
H 10,4 10,27 10,28 10,07
Obige Zahlen, verglichen mit denjenigen, die für das aus der
Rohdroge dargestellte #-Resen gefunden wurden, nämlich :
I. I.
C 74,26 74,47 Proz.
H 10,8 9,82 „
ergeben die Identität der beiden Körper und die gleiche Formel
0 Hz O;.
Nach dem Extrahieren mit Aether wurden die Rückstände mit
Alkohol erschöpft und mit der resultierenden braunschwarzen Lösung
auch die vom Aether abgetrennte Ammoniakschicht vereinigt. Nach
dem Eindampfen hinterblieb eine schwarzgefärbte, etwas schmierige
234 A. Baur: Ueber Opoponax.
Masse von bitterem Geschmack. Zur Reinigung wurde wiederholt
in Alkohol gelöst, filtriert und mit salzsäurehaltigem Wasser gefällt.
wobei sich eine körnige Masse abschied. Sodann wurde mit Ammoniak
digeriert, wobei sich nicht alles löste, hieraus wieder mit Salzsäure
gefällt, wobei die überstehende Flüssigkeit braune Farbe annahm,
und, um schliefslich ein aschefreies Produkt zu erhalten, mit Blei-
essig niedergeschlagen. Der Niederschlag wurde mit heilsem Wasser
und Alkohol gewaschen, in Alkohol suspendiert und Schwefelwasser-
stoff eingeleitet. Nach dem Abfiltrieren des Schwefelbleis wurde
die alkoholische Harzlösung wieder mit salzsäurehaltigem Wasser
gefällt und damit solange fortgefahren, bis das Produkt aschefrei
geworden war. Es resultierte ein braunes Pulver, dessen Eigen-
schaften übereinstimmten mit denjenigen des Pana-Resinotannols und
das, zur Verbrennung gebracht, folgende Zahlen ergab:
I. 0,1107 g Subst. verbr. zu 0,2826 g CO, und 0,0867 g H,O.
II. 0,2048 g r ® „ 0,5226. 5 00, „ 015820
IH. 017568 „ ». » 04459 & CO, „ 0,1865 & 350.
Gefunden:
C 69,62 69,59 69,25
Hi, 870 8,61 8,63
Berechnet für O3, H;, O5:
69,62
8,93
Vergleicht man diese Zahlen mit denjenigen, die die Elementar-
analyse des aus der Rohdroge dargestellten Tannols ergeben hatte,
nämlich:
11176937 Broz.:C: IV. 69,94 Proz. C V. 69,85 Proz. C.
883, JEMEN 866. SSp0 EN 878.10
so ergiebt sich auch hier die Identität der beiden Körper und es
scheint somit auch hier durch den Wasserdampf der Destillation
eine Veränderung nicht eingetreten zu sein.
c) Versuche der Darstellung des Chironols aus
h der Rohdroge.
Um zu konstatieren, ob das aus den Rückständen der Destilla-
tion mit gespanntem Wasserdampf erhaltene Chironol schon im ur-
sprünglichen Gummiharz vorhanden oder ob dasselbe als ein Zer-
setzungsprodukt aufzufassen sei, untersuchte ich zuerst den Petrol-
ätherauszug der Rohdroge. Wäre Chironol in derselben vorgebildet,
so müsste dasselbe, da es sich in siedendem Petroläther leicht löst,
A. Baur: Ueber Opoponax. 235
bei der Extraktion am Rückflufskühler in denselben übergegangen
sein. Verschiedene Versuche, die mit dem Rückstand dieser Extrak-
tion gemacht wurden, führten niemals zu Chironol, so dals als sicher
anzunehmen ist, dals dasselbe im Opoponax nicht vorgebildet ist.
Auch in den andern Auszügen war es nicht nachzuweisen.
Bei längerem Destillieren der Rohdroge mit gewöhnlichem
Wasserdampf wurde Chironol aus den Rückständen nicht erhalten,
es scheint somit gespannter Dampf von hoher Temperatur notwendig
zu sein, um die Zersetzung herbeizuführen.
Trotzdem die Harze sich beim Kochen gegen Schwefelsäure
und Alkali als resistent erwiesen hatten, wurde dennoch versucht,
dieselben durch gespannten und überhitzten Wasserdampf einzeln
zu zerlegen. Aber auch diese Versuche führten zu keinem Resultat,
Chironol war daraus nicht erhältlich. Da sich aufserdem die übrigen
aus den Destillationsrückständen dargestellten Körper als mit den-
jenigen der Robdroge identisch erwiesen hatten, so ist nicht daran
zu zweifeln, dafs das Chironol nicht ein Zersetzungsprodukt der
Harze darstellt.
B. Das ätherische Oel.
Obgleich eine eigentliche Untarsuchung des Opoponaxöles
nicht im Programm vorliegender Arbeit lag, so wurden gleichwohl
einige Versuche mit demselben gemacht.
Der Petrolätherauszug des ursprünglichen Gummiharzes ent-
hielt auch die Hauptmasse des Oeles. Um dasselbe von ebenfalls
gelöstem Harz zu befreien, versuchte ich es zu fraktionieren. Im
Anfang ging noch Petroläther über, aber bald begann sich die gelbe
Flüssigkeit im Kolben grün zu färben und das Destillat von schwach
gelber Farbe zeigte starken Geruch nach Zersetzungsprodukten. Bei
weiterem Erhitzen, und zwar schon unter 170%, wurde das Destillat
immer dunkler gelb gefärbt, während der Kolbeninhalt schliefslich
schwarzgrüne Farbe zeigte und beim Erkalten fest wurde. Destillat
sowohl, wie Rückstand rochen stark empyreumatisch.
Um die Destillation bei niedrigerer Temperatur vornehmen zu
können, wurde der Fraktionierapparat an die Luftpumpe ange-
schlossen. Obschon ich hierbei nicht über 130° erhitzte, so zeigten
sich gleichwohl wieder Zersetzungsprodakte, die auch beim Versuche
236 A. Baur: Ueber Opoponax.
einer Trennung von Harz und Oel durch Fraktionieren im Kohlen-
säurestrom auftraten. Es blieb, da auch durch Lösungsmittel eine
Trennung nicht möglich war, nichts übrig, als mit Hilte von Wasser-
dampf das Oel zu entfernen. (s. oben.)
Der zuerst übergehende Anteil, der noch ziemlich viel Petrol-
äther enthielt, war beinahe farblos. Beim Stehen über Wasser
schied er allmählich eine weilse Haut ab, die sich unter Gelb-
färbung am Boden des Kolbens absetzte und sich als, wahrschein-
lich durch den Sauerstoff der Luft verharztes, Oel erwies. Das
überstehende Oel wurde abgetrennt und durch vorsichtiges Er-
wärmen möglichst vom Petroläther befreit.
Nach dem Trocknen über Chlorcalcium versuchte ich, es zu
fraktionieren: zuerst destillierte reiner Petroläther; von ca. 900
ab nahm das Destillat aromatischen Geruch an und der Hauptanteil
ging zwischen 105 u. 1200 über. Bis 1500 war dann das Destillat
noch dünnflüssig und farblos, von 1500 an wurde es gelb und nahm
dabei mehr die Konsistenz eines hellen Oeles an. Leider war es
mir nun nicht möglich, diese farblosen Fraktionen zur Verbrennung
zu bringen, da dieselben immer noch Petroläther enthielten und
dieser bekanntlich kaum zu entfernen ist. Weder ein Redestillieren
mit Wasserdampf, noch Durchsaugen von Luft, die das Oel mit
samt dem Petroläther fortrifs, führten zum Ziele. Immerhin glaube
ich vermuten zu können, dals es sich hier eher um Terpene handelt,
während dann die gleich zu besprechenden Fraktionen eher die
esterartigen Anteile darstellen würden.
Die nach dem Vorigen übergehende Partie des ätherischen
Oeles war nun hellgelb gefärbt und in Aussehen und Konsistenz
eher einem fetten Oele ähnlic. Der Geschmack war scharf
brennend, der Geruch angenehm und aromatisch. Es war nicht
mischbar mit wässerigen Alkalien, löslich dagegen in Alkohol, Aether
und Petroläther.
Ein Versuch, dieses Oel in verschiedene Fraktionen zu zer-
legen, ergab ein negatives Resultat insofern, als bald, auch bei An-
wendung des Vacuums, wieder der Geruch nach Zersetzungsprodukten
auftrat.
Da in letzter Zeit durch eine Reihe von Arbeiten das Vor-
handensein von Estern in einer grofsen Anzahl von ätherischen Oelen
A. Baur: Ueber Opoponax. 237
nachgewiesen worden, so machte ich mit diesem Anteil des Opoponax-
öles Verseifungsversuche. Ein Teil derselben wurde zuerst mit einer
3 prozentigen, wässerigen Kalilauge am Rückflufskühler gekocht. Es
trat aber so heftiges Stolsen ein, dafs der Versuch unterbrochen
werden mulste. Beim Kochen mit 3 prozentigem alkoholischem Kali
war das Stolsen geringer. Nach mehrtägiger Einwirkung wurde
das immer noch in zwei Schichten getrennte Reaktionsgemisch in
Wasser gegossen und dann mit Aether geschüttelt. Die Schichten
trennten sich nur schwierig, wobei der Aether braune Farbe annahm,
wahrscheinlich herrührend von braunem Aldehydharz aus Kalilauge
und Alkohol. Der Aether wurde verdunstet und die resultierende
braune, etwas dickliche Flüssigkeit nach dem Trocknen über frisch
geglühtem Kalicarbonat fraktioniert. Die Hauptsache ging zwischen
220 und 255° über. Es war dies eine farblose, lichtbrechende
Flüssigkeit von sehr angenehmen, an Anis erinnerndem, Geruch und
scharf brennendem Geschmack. Die alkalische Flüssigkeit wurde
mit Schwefelsäure angesäuert und mit Aether ausgeschüttelt. Nach
dem Verdunsten des Aethers hinterblieb etwas Wasser, das den
unangenehmen Geruch einer Fettsäure, deren Identität durch den
Geruch nicht genau zu bestimmen war, besafs und deutlich sauer
reagierte. Dieser Geruch stimmte überein mit demjenigen, der bei
den Verseifungsversuchen mit den Harzen aufgetreten war. Eine
nochmalige Destillation dieser Flüssigkeit mit Wasserdampf führte
zu einem Destillat von denselben Eigenschaften. Leider ist es mir
nicht gelungen, genügende Mengen von dieser Säure zu erhalten,
um deren Siedepunkt bestimmen oder sie zur Verbrennung bringen
zu können, jedoch läfst der charakteristische Geruch die Anwesenheit
einer Fettsäure aulser Zweifel.
Der Verseifungsversuch wurde nun, um die Oelschicht von der
wässerigen, alkalischen besser trennen zu können, dahin abgeändert,
dafs die, bei der Verseifung resultierende Flüssigkeit durch
Destillieren mit Wasserdampf abgetrennt wurde. Die zurückbleibende
alkalische Lösung verhielt sich beim Ansäuern inbezug auf die auf-
tretende Fettsäure gleich wie beim vorigen Versuch, dagegen ent-
hielt sie noch eine harzartige, braune schmierige Masse, aus der das
Alkali entfernt wurde. Dieselbe wurde successive mit Petroläther,
Aether und Ammoniak und schliefslich Alkohol behandelt, wobei
238 A. Baur: Ueber Opoponax.
alle Lösungsmittel etwas aufnehmen, genau wie beim ursprünglichen
Gummiharz. Auch bei diesem Verseifungsversuch konnte aus der
vom Wasser abgetrennten und getrockneten Oelschicht wieder der
zwischen 220 und 255 0 übergehende Hauptanteil erhalten werden.
Derselbe wurde durch fraktionierte Destillation in einzelne Anteile
zerlegt, deren Geruch mit Zunahme des Siedepunktes allmählich ab-
nahm, so dafs z. B. eine zwischen 250 und 255° (unkorr.) über-
gehende Fraktion nur noch geringen Geruch zeigte. Ueber 255
färbte sich die Flüssigkeit gelb und roch dann unangenehm. Die
Fraktion zwischen 250 und 255, die vollständig farblos war, wurde
zur Verbrennung gebracht, nachdem sie über frisch geglühtem Kali-
carbonat getrocknet worden. Es ergaben sich folgende Zahlen:
I. 0,1539 g verbrannten zu 0,4834 g CO, und 0,1672 g H,O
II. 0,1086 g d „ 0,3418 g CO, „ 0,1209 & H,O
II. 0,1074 g z „ 0,3369 g CO, „ 0,1154 g H,H
Gefunden: Berechnet für 0,, H,O
T. iR 1,
C. 85,66 85,91 85,99 85,71
H4412,07. 12,36 11,93 12,24
Vergleicht man diese Formel C,,; Hg, OÖ mit derjenigen des
Chironols, Os, Hjs O, so erkennt man, letztere verdoppelt, dals sie sich
von derjenigen der Oelfraktion durch einen Mehrgehalt von einem
Atom Sauerstoff unterscheidet. Da nun die Resene durch Destillation
mit gespanntem Wasserdampf nicht verändert zu werden scheinen,
so ist nicht ausgeschlossen, dafs das Chironol aus dem Oel gebildet
wird, was noch zu untersuchen wäre.
Dafs durch Alkali eine Verseifung von Estern stattfindet,
beweist nicht nur das Auftreten des Geruches nach Fettsäuren,
sondern auch das Verhalten des vom Alkali abdestillierten Oeles, das,
mit Benzoylchlorid versetzt, beim gelinden Erwärmen unter lebhaftem
Kochen, eine stürmische Reaktion lieterte. Die resultierende braun-
schwarze Schmiere war aber leider nicht zu reinigen, so dals eine
krystallisierte Verbindung nicht erhalten werden konnte. Immerhin
lälst die eingetretene Reaktion auf eine Benzoylierung und so-
mit auf das Vorhandensein von Oelalkoholen (sog. Oleolen) im Oel-
anteil schliefsen.
Mit konzentrierter Salpetersäure erwärmt schäumte das Oel
zuerst stark auf und ging dann beim Erkalten in eine feste, harz-
A. Baur: Ueber Opoponax. 239
artige Masse von grofser Brüchigkeit über. Sie war unlöslich in
Petroläther, löslich dagegen zum Teil in Aether, zum anderen Teil
in Alkohol. Die restierende, nicht mehr ölige Flüssigkeit war intensiv
gelb gefärbt und zeigte die Reaktionen der Pikrinsäure. Mit kon-
zentrierter Salpetersäure weiter erhitzt ging dann auch die harzartige
Masse allmählich vollständig in Lösung.
C. Der Bitterstoff.
Das beim Auskochen des Alkoholauszuges der Rohdroge, resp.
des Resinotannols resultierende Wasser besals stark bitteren Ge-
schmack und versuchte ich defshalb, den Bitterstoff daraus darzu-
stellen. Beim Eindampfen resultierte eine braunschwarze Flüssigkeit,
aus der auch bei längerem Stehen keine Krystalle erhältlich waren,
während beim Verdampfen eine braune Schmiere, die anorganische
Stoffe enthielt, zurückblieb. Um den Bitterstoff rein zu erhalten,
wurde das Wasser mit Tierkohle digeriert und dann versucht, ihn
der Tierkohle durch Extraktion mit Alkohol zu entziehen, was auch
gelang, denn der Alkohol zeigte stark bitteren Geschmack. Aber
auch jetzt war zu einem krystallisierten Körper trotz monatelangen
Stehens nicht zu gelangen.
Da sich aus der wässerigen Lösung durch Zusatz von Blei-
essig ein brauner Niederschlag abschied, versuchte ich die Reinigung
in der Weise, dafs ich mit Bleiessig fällte, von der überstehenden
braunen Flüssigkeit abtrennte, mit Wasser auswusch und hernach
darin suspendierte. Es wurde nun Schwefelwasserstoft eingeleitet
und vom gebildeten Schwetelblei abfiltriert. Die resultierende,
schwach gelblich gefärbte Flüssigkeit besals bitteren Geschmack.
Es war aber auch jetzt weder ein krystallisierter Körper, noch ein
reiner amorpher, nicht erhältlich. Mit Eisenchlorid färbte sich die
gelbe wässerige Lösung dunkler.
D. Das Gummi.
Das in teilweise sehr schönen, durchsichtigen und fast weilsen
Körnern aus der Droge ausgelesene Gummi, das die Hauptsache der
Droge ausmachte, löste sich in heilsem Wasser und war daraus
durch öfteres Fällen mit Alkohol fast rein weils zu erhalten. Eine
Untersuchung desselben wurde nicht vorgenommen und sei hier auf
eine eingehende Untersuchung eines anderen Burseraceengummis,
WERE
Erz
_
der 4
0 gay DES BE 2 ve 1a gr gs Bi Zehn and a Zu 2
der Myrrhe, mit dem sich Köhler!) beschäftigte, verwiesen.
Anhang.
Mekkabalsam.
Da, wie sich aus dem botanischen Teil vorliegender Arbeit
ergiebt, das von mir untersuchte Opoponax von einer Burseracee
stammt, so will ich gleich hier einiger Beobachtungen, die ich mit
einem andern Burseraceenharz, nämlich dem Mekkabalsam ge-
macht habe, Erwähnung thun.
Die Stammpflanze des schon im Altertum als Heilmittel und
Wohlgeruch hochgeschätzten, auch in ger Bibel mehrfach erwähnten
Fortsetzung im Heft IV.
Nachtrag zu der Arbeit von F. Koch: Beiträge zur Kenntnis der
mitteleuropäischen 6alläpfel, sowie der Serofularia nodosa L.
Diese Arbeit ist auf Veranlassung von Herrn Professor Dr.
H. Brunner im chemischen Laboratorium der Uni-
versität Lausanne ausgeführt und spreche ich ihm für die mir
erwiesene Unterstützung und Förderung dieser Untersuchungen meinen
wärmsten Dank aus. Was das Gallocerin in den Gallen, sowie den
Nachweis von Lecithin, Cholin, Palmitinsäure, Oelsäure, Phosphor-
säure und Kaffeegerbsäure in Scrofularia nodosa anbetrifft, so hat
Herr Professor Brunner darüber im Juli 1894 in der „Societe
vaudoise des sciences naturelles“ in unsern beiden Namen referiert
und ist danach dieser Teil als von uns Beiden publiziert aufzufassen.
München, den 30. März 1895.
F. Koch.
Berichtigungen.
1. Zu ie Abhandlung vonDoebner: „Ueber Chinolin im Braun-
kohlentheer“, Bd. 232, Seite 693, Zeile 16 statt „Siedepunkt 2300“ lies.
Siedepunkt 9370.
2. Zu der Abhandlung desselben über Brucinpolysulfid ibidem
Seite 695, Zeile 14 statt C 52,02 Proz. lies C 51,02 Proz.
1) Archiv der Pharm. 1890. S. 293.
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ARCHIV
DER
PHARMACIE
herausgegeben
vom
Deutschen Apotheker-Verein
unter Redaction von
E. Schmidt und H. Beeckurts.
Band 233. Heft 4
BERLIN.
Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereins. ; z
1895.
INHALT.
A. Baur, Ueber ‘das Burseraceen-Opoponax . . 241
OÖ. Chimani, Untersuchungen über den Bau der Milchröhren, mit
besonderer Berücksichtigung der Kautschuck und REN
percha liefernden Pflanzen . . . 253
M. Hohenadel, Ueber das Sagapen . . 259
Arbeiten aus dem pharmazeutischen Institut der Ubi-
versität Bern.
C. Boettinger, Zur Kenntniss der Glyoxylsäure . . 286
Dr.P.C. Plugge. Ueber die Identität von Baptitoxin und Cytisin 294
Untersuchungen aus dem pharmaceutischen Laboratorium
der Universität Groningen.
H. Kiliani. Ueber ERS puz Du ‚sermanig und Digital
num verum . )',
- - Ueber #8 Digitoxin . En e
Eingegangene Beiträge.
A. Partheil, Ueber die Bestimmung des Glycerins im Weine etc.
K. Th. Hallström, Anatomische Studien über den Samen der Myristi-
caceen und ihre Arillen.
E. Winterstein, Chemische Zusammensetzung von Pachyma Cocos und
Mylitta lapidescens.
H. Beckurts, Zur Kenntnis der Angostura-Alcaloide.
H. Beckurts und H. Seiler, Ueber Fettuntersuchungen. mit dem
Refractometer.
H. Beckurts und F. Oelze, Zur Kenntnis des Hirschtalgs.
P. C. Plugge, Ueber das Vorkommen von Cytisin in verschiedenen
Papilionaceen.
(Geschlossen den 21. Juni 1895.)
Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel
monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis
50 Bogen. Ladenpreis für den Jahrgang Mk. 12,—.
Alle Beiträge für das „Archiv‘‘ sind an die
Archiv-Redaction
Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg (Hessen)
oder Herrn Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig,
alle die Inserate u. s. w., überhaupt die Archiv-Verwaltung und
die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den
Deutschen Apotheker-Verein
Berlin ©. 22, An der Spandauer Brücke 14
einzusenden.
Anzeigen.
Dieselben werden mit 40 Pfg. für. die durchgehende und mit 25; Pfg für die gespaltene
Seite
Petitzeile oder deren Raum berechnet, Beilage-Gehühr für das Tausend der Auflage — 53
z.Z. 3650 — Mk. ıo. Für Beilagen, welche nicht dem Format des „Archiv“ entsprechen, A
bleibt besondere Vereinbarung vorbehalten
Fe she 0-0 be ie ne
”
A. Baur: Ueber Opoponax. 241
4 Mekkabalsam führt verschiedene Namen. Erwähnt seien hier:
= Balsamodendron gileadense Kunth, Amyris Opobalsamum Forsk und
Berg, Amyris gileadense, Balsamodendron Ehrenbergianum, Commi-
phora Opobalsamum Engler u. s. w.
| Nach Angabe verschiedener Autoren soll der gewöhnliche
Mekkabalsam dargestellt werden durch Auskochen der Blätter und
Zweigspitzen des Balsamstrauches und dürfte somit ein wenig reines
Produkt vorstellen, während der im Orient ziemlich hoch im Preise
stehende Balsam eher die auf den Zweigen ausgeschwitzten Tröpfehen
darstellen dürfte.!)
Chemische Untersuchungen des Mekkabalsams sind ansgeführt
worden von Trommsdorftf?, und Bonastre?°). Hier kurz die
Ergebnisse der Analysen:
Trommsdorff: Bonastre:
Aether. Oel 30,0. Aether. Oel 10,0.
Hartes Harz 64,0. Lösl. klebendes Harz 70,0.
Klebendes Harz 4,0. Unlösl. Harz (Burserin) 12,0.
Bittere, färbende Subst. 0,4. Bitteres Extrakt 4,0.
Saure Subst. u. fremde Beimengungen 1,0.
Beim Vergleich der Resultate erkennt man, dafs dieselben wenig r
mit einander übereinstimmen.
Mit dem Mekkabalsam haben sich ferner beschättigt:
Vauquelin, Hirschsohn, Kreme)), Fristedt®),
Heyd’), Nicolai?).
Der Balsam, der mir zur Untersuchung diente, stammte von
Gehe u. Cie. und trug die Bezeichnung „naturale“.
1) Vergl. Schweinfurth: „Ueber Balsam u. Myrrhe“.
Ber. d. pharm. Ges. 1893. S. 226.
2) Neues Journ., Bd. 16, S. 62 u. f. 1828.
3) Journ. de Pharm. 1832, XVIII. 94, 333.
4, Archiv, 1877, Bd. 8, 160. 1878, Bd. 10, 514.
5) Archiv, 1886, Bd. 24, 854.
6) Pharm. Handelsblatt, Bunzlau, 16. Aug. 76.
Upsala Läkareforen Fört. Bd. 11, H. 7 u. 8, pag. 657. -
7) Geschichte d. Levantehandels im Mittelalter II. 1879, 566—72.
8) Balsamum de Mecca, Dissertatio medico-physica. Wittenberg1726.
Vergl. ferner: Husemann-Hilger, Pflanzenstoffe S. 865. Wiesner,
Rohstoffe S. 103. Henkel, Pharmakognosie S. 452. Wiggers, Pharma-
kognosie S. 620. Wigand, Pharmakognosie $S. 362. Wittstein, Hand-
wörterbuch d. Pharmakognosie S. 533. Guibourt, Drogues simples 2
III. 505. Henkel, Waarenkunde S. 11. Fehling, Handwörterbuch II. 622. De;
Beilstein, org. Chemie II. 1795. Berzelius, Jahresbericht S. 13. 299, 4,
Museum Museorum S. 402. Annalen d. Chemie u. Pharm. Bd. III- 147.
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 4. Heft, 16
242 A. Baur: Ueber Opoponax.
Er war dickflüssig, von braungelber Farbe, wenig trübe und
reagierte schwach sauer.
Sein Geruch war angenehm aromatisch und erinnerte an den-
jenigen der Koniferenharze, wie dies auch Schweinfurth angiebt
der Geschmack war bitterlich kratzend und etwas brennend. Der
Balsam war löslich: klar in Aether, Aether-Alkohol, Aceton und
Essigsäure, trübe in Alkohol, Petroläther, Benzol, Chloroform,
Toluol, ebenso in Schwefelkohlenstoff, wobei sich oben eine braun-
gelbe Schicht abschied.
Da eine Trennung des ätherischen Oeles vom Harz durch Lösungs-
mittel nicht zu erreichen war, wurde der Mekkabalsam der Destillation
mit Wasserdämpfen unterworfen, wobei mit dem Wasser eine beträcht-
liche Menge eines am Anfang farblosen, später gelblich werdenden
Oeles von aromatischem, an Terpentinöl erinnerndem Geruch und
hrennendem Geschmack überging, das vom Wasser abgetrennt
wurde. Dieses Wasser reagierte sauer. Schüttelte man dasselbe
mit Aether, so hinterlie(s dieser beim Verdampfen Spuren einer un-
angenehm riechenden Fettsäure, deren Geruch demjenigen der
Buttersäure zunächst kommt. Leider war es bei der geringen Menge,
die ich erhielt, nicht möglich, dieselbe näher zu charakterisieren.
Immerhin beweist ihr Auftreten, dafs auch im Oele des Mekkabalsams
Ester von Fettsäuren vorkommen, die durch verseifende Mittel,
wie z. B. Wasserdampf, zerlegt werden.
Ein Versuch, das Oel durch fraktionierte Destillation in einzelne
Anteile zu zerlegen, hatte insofern keinen Erfolg, als das Thermo-
meter zwischen 140 und 170°, wo fast alles Oel übergeht, keinen
konstanten Siedepunkt zeigte. Jedoch sei bemerkt, dafs der Haupt-
anteil zwischen 153 u. 1570 (unkorr.) übergeht. Dieser Anteil ist
farblos, dünnflüssig und besitzt den ausgesprochenen Geruch nach
Terpentinöl, mit dem es übrigens auch den Siedepunkt (gegen 160°)
gemein hat.
Die folgenden Fraktionen nahmen allmählich gelbliche Farbe
an, wurden etwas dickflüssiger und verloren den Terpentinölgeruch,
sodals sie bei 160° (unkorr.) z. B. fast geruchlos waren, während
eine Fraktion zwischen 160 und 170° mehr den Geruch nach gelben
Rüben zeigte.
A. Baur: Ueber Opoponax. 243
Das bei der Destillation des ursprünglichen Balsams mit
Wasserdampf über dem Harz stehende Wasser hinterlieis beim Ver-
dampfen einen braunen, schmierigen Rückstand von stark bitterem
Geschmack.
Behandelt man das resultierende braunrote Harz in der Wärme
mit verdünnter Natronlauge, so scheidet sich beim Erkalten ein
schmieriger, einer Harzseife ähnlicher Körper ab, der an der Luft
langsam erhärtet. Mit 1Oprozentiger Natronlauge enststeht beim Er-
wärmen ein dem vorigen ähnlicher, fester Körper; bei einem Ueber-
schufs’ von Balsam wird dagegen Seife nicht abgeschieden. Beide
waren löslich in Wasser, Alkohol (daraus weilse Flocken absetzend),
teilweise in Aether und Petroläther. Mit alkoholischem Kali entsteht
keine feste Seife, mit Natriumcarbonat wird dieselbe ebenfalls
schmierig.
In Ammoniak ist der Balsam nicht vollständig löslich, bildet
nur teilweise flüssige Seife und setzt einen harzartigen Körper ab.
Aus den Lösungen der Seifen, die stark schäumen, läfst sich das
Harz durch Säuren wieder ausfällen. Extrahiert man die Seifen mit
Aether, so nimmt derselbe ein braunrotes Harz daraus auf, das sich
mit Alkali nicht zu verbinden und mit den Seifen emulgiert zu sein
scheint.
Obiges Verhalten läfst es als wahrscheinlich erscheinen, dafs
auch beim Mekkabalsam, wie bei den anderen untersuchten Bursera-
ceenharzen (Opoponax, Myrrha)!) die Harze nicht Ester vorstellen,
sondern eher in Form einer oder mehrerer Harzsäuren oder Alko-
hole (Tannole), d. h. dem in Alkalien löslichen Anteil, neben gegen
Alkali indifferenten Harzen vorhanden sind, welch letzteren ich den
Namen Resene beigelegt habe. Was mich die Anwesenheit von Harz-
säuren ebenfalls vermuten läfst, ist die Fälibarkeit der alkoholischen
Lösungen der aus Alkali mit Säuren abgeschiedenen Harze durch
Metallverbindungen, wie z. B. Baryumhydroxyd und Bleiacetat.
Ich war leider durch äufsere Umstände genötigt, diese Arbeit
vorläufig zu unterbrechen, glaubte aber doch, diese wenigen Re-
sultate zur Vervollständigung der Kenntnis der Burseraceenharze an-
führen zu sollen.
) Köhler: Archiv. d. Pharm. 18%, S. 313.
16*
244 A. Baur: Ueber Opoponax.
II. Botanischer Teil.
1. Opoponax.
Es war möglich, eine grölsere Anzahl von Pfianzenresten aus
der im Handel befindlichen Droge auszulesen. Dieselben bestanden
aus ziemlich grofsen und bisweilen eine Dicke von 6 mm erreichen-
den Rindenstücken, die teils mit dem Korke bedeckt, teils von dem-
selben befreit waren. Daneben fanden sich Korkbänder, teils papier-
dünn, teils dick und von hornartiger Beschaffenbeit. Auch Holzstücke
waren darin zu finden. z
In der Rinde waren lysigene Gummiharzhöhlen zu beobachten.
Es unterliegt somit keinem Zweifel, dafs das Opoponax ein Produkt
der Rinde ist. Ob das Gummiharz auch im Holzkörper sich bilden
kann, ist nicht ganz sicher. An einigen beigemengten Holzstücken
war die Bildung von mit Gummiharz erfüllten Räumen, die deutlich
den OÖharakter typischer Gummiharzlücken trugen, aulser Zweifel.
Die Gefäfse des auffallend dünnwandigen Holzkörpers hatten
eine Weite von 136—221 « und zeigten sehr starke Thyllenbildung.
Die Markstrahlen besalsen eine Breite von 2—3 Zellen. Die
Markstrahlzellen sind auffallend radial gestreckt. Im Holzparenchym
findet sich Stärke.
Von den beigemengten Rindenstücken blättert der Kork
aufserordentlich leicht ab, indem er sich in der Phellogen-
schicht loslöst. Die Korkzone besteht aus sehr zahlreichen Kork-
zeilreihen und ist infolge Auftretens von Korktrennungsschichten in
dünne Lamellen gespalten, so dafs man sie nickt selten in vier und
mehr dünne Blätter mechanisch zerlegen kann. Die Korkzellen be-
sitzen eine dünne Suberinlamelle und innerhalb derselben eine breite
Celluloseauflagerung. Diese Schicht färbt sich daher mit Jod-
Schwefelsäure blau. Sie ist so stark, dafs oft nur ein spalten-
förmiges Lumen übrig bleibt. Bisweilen ist noch die haartragende
Epidermis dem Kork aufsen aufliegend erhalten.
Innerhalb der Korkschicht folgt die parenchymatische primäre
Rinde, welche reichlich mit Phlobaphenen erfüllt und daher braun
gefärbt ist. In zahlreichen Zellen finden sich wohlausgebildete
klinorhombische Kalkoxalatkrystalle.
Dann folgt der gemischte Ring, der schon auf dem Lupenbild
als helle Zone sich zeigt. Er besteht vorwiegend aus stark ver-
A. Baur: Ueber Opoponax. 245
dickten Sklereiden, zwischen denen man nur vereinzelte Bastfasern
erkennt und ist häufig gesprengt und in einzelne Gruppen aufgelöst.
Die sekundäre Rinde läfst aut dem Querschnitt die mehrere
Zellen breiten Rindenstrahlen nur undeutlich erkennen, besser an
mit Schultze’'scher Macerationsflüssigkeit behandelten Präparaten, ist
aber infolge von Tangentialreihen charakteristischer Sekretbehälter
tangential gezont. Es wechseln nämlich schmale Phloömparenchym-
bänder, deren Zellen einen braunen Inhalt führen und zwischen
welchen man reichlich Sekretbehälter findet, mit sehr breiten Sieb-
streifen ab, die charakteristische Obliteration der Siebelemente in
hervorragendem Malse zeigen, so dafs hier neben wenigen, meist
krystallführenden Phloömparenchymzellen (Phloimparenchymzellen)
aufserordentlich zahlreiche Keratenehymbänder, d.h. Streifen oblite-
rierter Siebelemente, angetroffen werden. Auch in diesem Teil der
Rinde sind die Kalkoxalatkrystalle sehr zahlreich und in weitaus
der überwiegenden Zahl der Fälle vortrefflich ausgebildet. Sowohl
auf dem Querschvritt als auch auf dem radialen Längsschnitt sind
die Keratenchymbänder sehr schön zu sehen und nur in der an das
Cambium angrenzenden Partie ist die Obliteration der Siebbänder
noch nicht bemerkbar. Auch in der sekundären Rinde tritt Sklerose
auf und da und dort beobachtet man Sklereidennester.
Die Sekretbehälter, deren Entwicklungsgeschichte freilich an
dem vorliegenden, nur älteren Rinden angehörenden Material nicht
verfolgt werden konnte, scheinen, soweit man Schlüsse aus dem
tertigen Zustand ziehen kann, schizogenen Ursprungs zu sein. !) Sie
sind mehr oder weniger in die Länge gestreckt und zeigen eine
auffallend breite resinogene Schicht,?) die hier als kontinuierliche
Schleimmembran entwickelt ist und eine deutliche innere Haut?) als
Abgrenzung gegen die Kanalmitte hin zeigt und sich bisweilen von
den sezernierenden Zellen faltig abhebt. Von diesen Sekretbehältern
scheint die Bildung grofser, demnach schizolysigener*) Sekretlücken
auszugehen, denn man beobachtet bisweilen, dafs dort, wo die
l) vergl. auch die Abbildungen von Burseraceengängen in
Tschirch's angew. Anatomie S. 480, 481, 498.
2) Tschirch: Pringsh. Jahrb. für wissenschaftl Bot. Bd. XXV
Heft 3 R. 375.
3) Tschirch : ebenda S. 375.
4) Tschirch: Angew. Pflanzenanatomie S. 477.
246 A. Baur: Ueber Opoponax.
Sekretbehälter normaler Weise zu suchen wären, d. h. zwischen den
Keratenchymstreifen, mehr oder weniger grofse Gummiharzlücken,
deren Randzellen in Auflösung begriffen sind, vorkommen. In
diesen Gummiharzlücken geht offenbar die Erzeugung des gummi-
reichen Sekretes vor sich.
Die Bildung schizolysigener Sekretbehälter ist für die Familien
der Terebinthinengruppe charakteristisch.!)
Der ganze Bau dieser aus der Droge ausgelesenen Rinden-
stücke läfst erkennen, dafs wires keinesfalls mit einer
Umbellifere hier zuthun haben und macht es mehr wie
wahrscheinlich, dafs eine Pflanze vorliegt, weche zu den Burseraceen
und zwar zur Gattung Balsamodendron gehört, wie ja denn
auch schon Holmes ?), ohne jedoch irgend welche Gründe hierfür
anzugeben, den jetzt im Handel befindlichen Opoponax von Bal-
samodendron Kafal ableitet. Zur Erhärtung dieser Ansicht
sei die Anatomie der Rinde von Balsamodendron geleadense und Bal-
samodendron (Balsamea) Myrrha beschrieben.
2. Balsamodendron gileadense.
Zur Untersuchung lag vor ein sicher bestimmtes Stammstück,
von Dr. Schweinfurth an Ort und Stelle gesammelt und von ihm mit
folgender Aufschrift versehen :
Balsamodendron gileadense Kth. (Amyris Opobalsamum Forsk.
u. Berg) in Vorbergen des Bebel Schellal am Cap Elba an der
nubischen Küste. Niedere Bäumchen mit trauerweidenähnlichen
Rutenzweigen, häufig an der nubischen Küste.
bega: Ajokt, Ajäb, Majäk, Ssuit, die echte Myrrhe der Alten.
Das Stück hatte eine Länge von 20 cm und einen Durch-
messer von 5 cm und war vollständig mit dem leicht ablätternden
hellgelben Kork bedeckt. Die Rinde besafs einen Durchmesser von
1l1/; bis 2 mm.
Der papierdünne, durch zahlreiche Korktrennungsschichten in
einzelne Blätter sich lösende Kork, der die Oberfläche der Rinde dieser
Pflanze bedeckt, ist gleich gebaut wie der Kork des oben be-
schriebenen Balsamodendron Kafal, d. h. er wird gebildet von
1) W.Sieck: „Untersuchungen über trop. Heilpflanzen“ Archiv 1894.
S. 309
2, Pharm. Journ. 1891. S. 838.
A. Baur: Ueber Opoponax. 247
Korkzellen mit dünner Suberinlamelle und breiter Celluloseschicht.
Die Korkschichten sind dünner als bei der Opoponaxpflanze. Die
Zellen sind auffallend stark tangential gestreckt. Der innerhalb der
primären Rinde auftretende gemischte Ring ist schmal und besteht
hauptsächlich aus Sklereiden. Er ist oft gesprengt.
In der sekundären Rinde beobachtet man zahlreiche Gruppen
von Bastfasern, die, wie der Tangentialschnitt lehrt, mit einander
anastomosieren und von Krystallkammerfasern begleitet werden.
Diese Gruppen sind schon mit blofsem Auge auf dem Querschnitt
als helle Inseln zu bemerken.
Auch bei diesem Balsamodendron wechseln schmale, die ovalen,
wenig gestreckten Sekretbehälter führende Phloömparenchymbänder
mit braunem Inhalt mit Keratenchymstreifen ab, doch sind beide
hier schmaler als bei der Opoponaxpflanze.
Auch hier sind wohlausgebildete Kalkoxalatkrystalle im Phlo&m-
parenchym sehr häufig. Die Sekretbehälter mit dicker resinogener
Schicht gleichen denen der Opoponaxpflanze.. Die innere Haut ist
meist vortrefflich zu sehen.
Es diente ferner zur Untersuchung ein dünner Zweig mit der
Aufschrift: Balsamodendron Opobalsamum Kth. (myrıs Opo-
balsamum 1L.), aus dem Herbar des botanischen Instituts der Uni-
versität Bern stammend. Der äufsere Habitus stimmte mit dem-
jenigen des im Berg-Schmidt’schen Atlas abgebildeten Dalsamoden-
dron Ehrenbergianum Bg = Balsamodendron Gileadense Kth. über-
ein, ebenso mit den Beschreibungen Schweinfurth's’).
Die mikroskopische Untersuchung zeigte ebenfalls einen infolge
zahlreicher Trennungsschichten abblätternden Kork. An der innern
Grenze der primären Rinde folgt ein schmaler gemischter Ring, bei
dem Gruppen von Bastzellen und Sklereiden ziemlich regelmälsig
mit einander abwechseln. Inder sekundären Rinde findet man zahl-
reiche schizogene Sekretbehälter mit aufserordentlich deutlichem,
hyalinem resinogenem Beleg, der schon in Wasser quillt. Zahlreiche
Zellen des Phlöeimparenchyms enthalten die oben erwähnten wohl-
ausgebildeten Kalkoxalatkrystalle.e Auch Keratenchymbänder sind
vorhanden.
7) „Ueber Balsam u. Myırhe“: Ber. d. Pharm. Ges. 1893. S. 218.
248 A. Baur: Teber Opoponax.
Dagegen stimmt der Bau der Blätter mit demjenigen der aus
dem Opoponax ausgelesenen, übrigens viel gröfseren Blattes nicht
überein, während die Aehnlichkeit im Bau der Rinde von Bals.
Gilead. und der Opoponaxpflanze in die Augen springend ist.
3. Balsamodendron Myrrha.
Der Bau der sekundären Rinde von Balsamea Myrrha ist
bereits von Tschirch beschrieben und abgebildet.!)
Mir lagen zur Untersuchung vor: Holz und Rindenstücke, die
aus der Droge ausgelesen waren und eine Dicke bis zu 6 mm er-
reichten ; aufserdem einige Korklamellen, ebenfalls aus der Droge
stammend.
Der Kork gleicht dem der beiden beschriebenen Pflanzen.
Die einzeinen Blätter, in welche er sich spaltet, sind sehr dünn.
Auch an den mir vorliegenden Stücken war innerhalb desunterbrochenen
Bastzellringes (Anatomie. fig. 399 St.) eine Alternanz von auffallend
breiten Phloömparenchymbändern, die zwischen je zwei Rinden-
strahlen in ihrer Mitte je einen Sekretbehälter führen, und relativ
schmalen Keratenchymbändern deutlich zu beobachten. Auch Borke-
bildung war nachzuweisen.
Auf@Grund vorstehender, vergleichend-ana-
tomischer Untersuchungen ist man berechtigt,
eine zur Gattung Balsamodendron gehörige Pflanze
als Stammpflanze desjetztim Handel befindlichen
Opoponaxanzunehmen.
Da es mir gelungen war, aufser den oben beschriebenen
grölseren Stücken auch einige kleinere von jüngeren Sprossen, sowie
ein Stück eines Blattes mit daransitzendem Blattstiel aus der Droge
auszulesen, so versuchte ich mit Hilfe derselben eine nähere Identi-
fizierung der Stammpflanze.
Durch die Güte des Herrn E. Autran, Konservator des ‚„Herbier
Barbey-Boissier“ in Genf, stand mir das in jenem Herbar vorhandene
Materiel an Balsamodendron und verwandten Arten zur Verfügung
und habe ich dann zum Vergleich folgende Pflanzen herbeigezogen :
1. Commiphora Opobalsamum, von Schweinfurth gesammelt. Aelteres
Rindenstück.,
I) Tschirch: Angew. Pflanzenanat. fig. 399.
A. Baur: Ueber Opoponax. 249
2. Hemprichia Kataf (Fk.) Schf. Nomen vern.: Kafal.
3. Balsamodendron Kafal, Kunth ? von Schimper.
4. Balsamodendron Kafal. Kunth. Kotschyi iter etc.
5. Hemprichia erythraea Ehrbg. (Balsam. Kafal F.?) Schf.
6. Balsamodendron abyssinic. Hochst. (B. Kafal, A. Richmon
Ktlı.), Schimper.
7. Amvris Opobals. Forsk. A. Deflers: Iter arab. II.
8. Balsamodendron Opobals. Knuth.
Bei der mikroskopischen Untersuchung sowohl der jüngeren
Sprosse als der Blattstiele der aus der Droge ausgelesenen Stücke
hatte es sich gezeigt, dafs dieselben mit charakteristischen Haaren
bekleidet waren und suchte ich zuerst, diese beim Vergleichsmaterial
wiederzufinden. Es zeigte sich aber, dafs nur Hemprichia Kataf
(No. 2), Balsamodendr. Kafal Kth. (No.4) und Hemprichia erythraea
(No.5) solche Haare besaf:en, während die andern Arten kahl waren.
Nachstehend folgen die Beobachtungen an jungen Sprossen
und Blattstielen :
No. 1. Ausder Droge ausgelesen: Blattstiel: Nieren-
förmiges Centralbündel mit fast ringsumlaufendem Bastzellbeleg.
Im Siebteil keine Sekretbehälter, dagegen liegen aufserhalb des
Bastzellringes zahlreiche Sekretbehälter, wie es scheint Sekretzellen.
Gerade und gekrümmte Haare mit sehr stark verdickter Membran,
50—200 „ lang, ca. 20 « breit.
Stengel: Strahlenförmiger Holzkörper; in der Rinde grolse
Sekretgänge und kontinuierlicher, wellenförmig verlaufender Bastzell-
beleg. Gerade und schwach gekrümmte Haare mit relativ weitem
Lumen, kegelförmiger oder selten hakenförmig gekrümmter Spitze.
Kutiknlarwarzen selten oder fehlend. Länge der Haare 8S0—220 u.
Breite 20 «.
No.2. Hemprichia Kataf. Blattstiel: Gestreckt nieren-
förmige Bündel; im Siebteil ca. 11 Sekretbehälter; um das Ganze
wellenförmig herumlaufend der Bastbeleg. Haare dünnwandig, ohne
deutliche Kutikularwarzen, gerade oder schwach umgekrümmt,
65—205 „ lang, 20 « breit.
Haartragende Sprosse dieser Pflanze standen mir leider nicht
zur Verfügung.
No. 4 Balsamodendron Kafal Kunth: Blattstiel:
sternförmiges Bündel; Mark und Rinde reich an wohlausgebildeten
250 A. Baur: Ueber Opoponax.
Kalkoxalatkrystallen. Haare dünnwandig mit deutlichen Kutikular-
warzen, meist in breitem Bogen stark hakenförmig umgekrümmt,
85—205 « lang, 20 « breit.
Sprofs: Bastzellring bogenförmig ringsumlaufend, bereits zer-
sprengt. Haare dickwandiger als beim Blattstiel, mit sehr deutlichen
Kutikularwarzen und starker, bogenförmiger Umkrümmung, 85—250 4
lang, 20 « breit.
No. 5. Hemprichia erythraea Ehrenbg. Blattstiel:
Bündel nierenförmig. Im Siebteil in regelmäfsiger Anordnung meist
acht Sekretbehälter. Um das Ganze wellenförmig herumlaufend der
Bastzellbeleg. Zahlreiche, sehr lange, oft mehrzellige, dünnwandige
gerade oder wenig gekrümmte Haare mit sehr zarten Kutikular-
wärzchen. Länge der Haare 280—510 „, Breite 20 «.
Sprofs: Sekretbehälter und Bastzellring wie bei No. 4. Haare
dünnwandig, häufig hakenförmig umgekrümmt, mit deutlichen
Kutikularwarzen. Epidermis mit den Haaren noch oft erhalten,
trotzdem darunter schon Kork erzeugt wurde. Länge der Haare
85—280 «, Breite 20 «.
Die Querschnitte durch Sprosse und Blattstiele von No. 3
Balsamodendr. Kafal Kunth? No. 6 Balsamodendr. abyssinic. und
No. 7 Amyris Opobalsamum Forsk. waren im Typus derjenigen von
No.22, 4 u. 5.
Aus dem Vergleich der Anatomie der Blattstiele des aus der
Droge ausgelesenen Materials mit den Blattstielen von Balsamoden
dronarten ergiebt sich, dafs die aus der Droge ausgelesenen Blatt
stiele keinem Balsamodendron angehören können. Die Anatomie
der ausgelesenen Sprosse dagegen zeigt, dafs wir es in der That
mit einem Balsamodendron zu thun haben. Mit keinem der oben
beschriebenen stimmt jedoch der Bau der Haare völlig überein, am
meisten noch glichen sie No. 4, Balsamodendron Kafal Kunth, so
dafs also die Vermutung, dals dies die Stammpflanze des gegen-
wärtig im Handel befindlichen Opoponax sei, auch durch die Anatomie
einige Unterstützung findet.
Neuerdings hat Holmes!) statt Balsamodendron Kafal Kunth
den Namen Commiphora Kataf, unter welchem Engler Amyris,
Y, Pharmaceutical Journal 1394, S. 521.
A. Baur: Ueber Opoponax. 251
Balsamodendron und Balsamophloeos anderer Autoren zusammenfalst,
gewählt.
Die Ergebnisse vorliegender Arbeit kurz zusammengefalst, sind
gestützt auf:
1. das Ergebnis der botanischen Untersuchung,
2. die Unverseifbarkeit der Harze,
3. das Fehlen von Umbelliferon, das Sommer in allen Um-
belliferenharzen, mit Ausnahme des Ammoniakums, nach-
gewiesen,
4. das Fehlen von Schwefel, der ein integrierender Bestand-
teil der Oele der persischen Umbelliferen zu sein scheint,
kann behauptet werden, dafs der gegenwärtig im Handel befindliche,
zur Oeldestillation zu Zwecken der Parfumerie benutzte und auch
von mir untersuchte Opoponax nicht von einer persischen Umbellifere
stammt, sondern von einer zu der Familie der Burseraceen ge-
hörenden Balsamodendron-Art, und zwar wahrscheinlich von
Balsamodendron Katal.
Das Burseraceen-Opopanax besteht in der Hauptsache aus
Gummi mit Verunreinigungen, Harz und ätherischem Oel. Das Harz
läfst sich in folgende drei Körper zerlegen:
1. das «-Panax-Resen von der Formel C3, Hz, O,,
2. das 3-Panax-Resen von der Formel Os; Hzs O;,
3. das Pana-Resinotannol:! Cy; H;o O3:
Aus letzterer Formel geht hervor, dafs das Pana-Resinotannol
nicht zu derjenigen Klasse von Resinotannolen gehört, deren Molekül
6 C-Atome, resp. ein Multiplum davon enthält.!)
Beim Vergleich der Formeln untereinander zeigt es sich, dafs
das $-Resen ein Oxydationsprodukt des a-Resens zu sein scheint.
Sie unterscheiden sich dadurch, dafs «-Resen in Petroläther löslich,
#-Resen dagegen darin unlöslich ist.
Schreibt man die Formel des Panaresinotannols—= C35 H,,; 05. (CH )a,
so kann dasselbe eventuell als ein Dimethyloxydationsprodukt der
I) Tschirch: Ueber Sekrete und Sekretbildung. Vortrag, ge-
halten auf der Naturforscherversammlung. Wien 1894.
10)
or
IN
A. Baur: Ueber Opoponax.
beiden andern Körper aufgefalst werden. Es unterscheidet sich von
denselben durch seine Löslichkeit in Alkalien.
Die drei Körper stellen keine Ester vor, da es nicht möglich
war, dieselben durch Einwirkung verseifender Mittel (Alkali, Schwefel-
säure, gespannter Wasserdampf) zu zerlegen. In we'che Klasse die
Resene einzureihen sind, ist vorläufig nicht ermittelt, sie scheinen
keine Säuren oder Alkohole zu sein, da sie sich nicht in Alkalien
lösen und sich nicht acetylieren lassen. Das Resinotannol zeigt
Alkoholcharakter.
Das Oel enthält Ester, die durch verseifende Mittel in Alkohole
(Oleole) und Fettsäuren (Buttersäure?) zerlegt werden.
Das Opoponax enthält ferner einen Bitterstoff, der nicht
krystallisiert oder rein erhalten werden konnte.
Behandelt man das Opoponax bei ca. 100° mit gespanntem
Wasserdampf, so wird dadurch das schön krystallisierende Chironol
gebildet. Aus was dasselbe entsteht, ist nicht bekannt. Möglich ist
es, dafs es aus dem Oel gebildet wird, da es aus den Harzen nicht
zu stammen scheint. Sicher ist, dals es ein Zersetzungsprodukt dar-
stellt, da es aus der Rohdroge ohne Einwirkung von Wasserdampf
nicht erhalten werden konnte. Es ist ein Alkohol von der Formel
Cy3 Hj; 0, der sich benzoylieren und acetylieren läfst, dagegen die
Bildung eines Kalisalzes nicht ermöglichte und durch Oxydation
mit Permanganat in der Wärme in einen Körper von der Formel
C;g H,g O, übergeht, der eine Säure zu sein scheint und vorläufig
den Namen Chironolsäure erhielt.
Die Verhältnisse liegen somit beim Opoponax (und auch bei
den andern untersuchten Burseraceengummiharzen) anders, als bei
den bis dahin im pharmaceutischen Institut untersuchten Harzen.
Sie bilden die dritte Gruppe der Harze.
OÖ. Chimani: Bau der \ilchröhren. 253
Arbeiten aus dem pharmaceutischen Institut der
Universität Bern.
Untersuchungen über die Sekrete.
Mitgeteilt von A. Tschirch.
13. Untersuchungen über Bau und Anordnung der
Milchröhren mit besonderer Berücksichtigung der
Guttapercha und Kautschuk liefernden Pflanzen.
Von Otto Chimani.
(Eingegangen den 20. III. 1895.)
Die Litteratur über Milchsaftgefäfse (bis 1894) habe ich meiner
im botan. Centralblatt veröffentlichten Arbeit als Einleitung voraus-
geschickt. Es geschah dies in der Hoffnung, denjenigen einen Dienst
zu leisten, welche über dies noch wenig aufgeklärte Kapitel der
Milchsäfte weiter arbeiten wollen. Diese Zusammenstellung uınfalst
gegen 100 Autoren. Im folgenden gebe ich eine kurze Uebersicht.
Als Entdecker der Milchsaftgefäfse werden Theophrast und
M.Lister genannt; M. Malphighi hat dieselben zuerst anatomisch
dargestellt und N. Grew teilte sie bereits in 4 Gruppen ein. Diese
„eigentümlichen Gefälse‘“ führten Forscher wie Moldenhauer,
Treviranus, Zenker und Mayer insofern irre, als dieselben mit
C. H. Schultz-Schultzenstein mehr oder weniger darin
übereinstimmten, dafs in ihnen der Lebenssaft der Pflanze enthalten
sei. Selbst Tr&cul teilte diese Ansicht, während Meyen und
Unger dieselbe bereits lebhaft bestritten. Hierauf erklärte
Schleiden den Milchsaft als Inhalt der Interzellularräume, welcher
später eine eigene Hauterhalte.e. Eine anonyme Verfasserin,
Mohl und Henfrey nahmen diese Theorie beifällig auf. Andere
Phytotomen damaliger Zeit wie Schacht, Mirbel und Meyen
sahen darin „nicht selten verzweigte Bastzellen‘. — David präzisierte
genauer den Unterschied zwischen gegliederten und ungeglielerten
Milchröhren, was J. Vesque bestätigte. Vogl sah sie damals
übereinstimmend mit Hartig als mit Milchsaft gefüllte Siebröhren
an, was später Schmitz und andere wiederlegten. Zu erwähnen
sind noch die Untersuchungen von Schmalhausen, welcher die
254 OÖ. Chimani: Bau der Milchröhren.
gegliederten Milchröhren mit Pilzhyphen vergleicht, dann die Arbeiten
von Scott, Nägeli und die interessanten meist physiologischen
Versuche von M. E. Faivre. Haberlandt suchte den Milch-
saft in Beziehung mit dem Assimilationsgewebe zu bringen.
Schullerus erklärte ihn für Bildungssaft, der meist aus den
Blättern stamme. Pirotta und Marcatili unterschieden je
nach den Wechselbeziehungen zwischen Milchröhren und Assimila-
tionssystem zwei Typen. Schwendener glaubt, dafs der Milch-
saft durch Bildung einer Emulsion einen Ausgleich zwischen den
leichteren Oeltröpfchen und den schwereren Stärkekörnern herbeiführe.
Treub schliefst sich dieser Ansicht an. Sachs und de Vries sehen in
demselben ein Mittel zum Wundverschlufs, was A. Tschirch bei den
Umbelliferen experimentell bewiesen hat. Mit der Frage, ob der
Milchsaitt zu den Sekreten oder Exkreten zu rechnen sei, be-
schäftigten sich aufser den zuletzt genannten Forschern Frank,
Wieler undA.Leblois. Eine reiche Fundquelle ist auf diesem
Gebiete De Bary’s „Vergleichende Anatomie“. Er hat auch eine
Zusammenstellung der Ergebnisse der Untersuchungen bis zum Jahre
1877 gegeben. Er beschreibt zuerst die Sapotaceen nach eigenen
Forschungen und denen von K. Wilhelm. Kny beschäftigte
sich mit der Untersuchung der Milchsafthaare der Cichoriaceen,
welche vor ihm Tre&cul, Carradori, Delpino und
Picceioli an Lactucaarten beobachteten. Kny fand diese Er-
scheinung den Cichoriaceen überhaupt eigentümlich. Das Vorkommen
von Milchsaft in den Tracheen erklären Höhnel und Micha-
lowski durch den negativen D:uck der Gefäfsluft. Die Beob-
tung Tr&cul’s, dafs die Milchsaftgefäfse bei Euphorbiaceen und
Lobeliaceen mit den Gefäfsen des Holzes in offene Kommunikation
treten, wiederlegten in einer Preisschrift gleichzeitig Hanstein
und Dippel.
Sowohl im Wandbeleg als auch in den Haarzellen zahlreicher
Apocyneen fand Berthold milchsaftähnliche Tröpfehen. Er
stimmt mit Schmidt, Kallen und Arth. Meyer zum Teil
damit überein, dafs der Milchsaft dem Zellsaft entspreche und sich
in diesem bilde. Mit Faivre und Schullerus erkennt er dem
Milchsaft eine Rolle im Chemismus der Pflanze zu. Leger hält mit
Battandier die Fumariaceen-Idioblasten den Milchsaftbehältern der
O. Chimani: Bau der Milchröhren. 255
Papaveraceen verwandt, indem sie gleiche Reaktionen zeigen. Zopf fand
diese Ansicht nicht bestätigt. Physiologisch hat die Papaveraceen zuerst
Meurisse untersucht. Dehmel suchte aus den anatomischen
Lagerungsverhältnissen einen Schlufs auf die Funktionen der Milch-
saftbehälter zu ziehen und sieht mitStahl und Tschirch in dem
Milchsaft ein Mittel zum Schutze gegen die Feinde der Pflanze und
zum Wundverschlufs. A. Tschirch fafst in seiner „angewandten
Anatomie“, gestützt auf die Litteratur und eigene Beobachtungen
seine Ansicht über die Funktion der Milchröhren in den Worten
zusammen: „Die Milchröhren mögen leitende Organe sein, sie sind
aber sicher auch Exkretbehälter. Mehr spricht freilich z. B. da-
für, dafs sie leitende Organe sind und hierin mag denn wohl ihre
Hauptfunktion liegen“ (l. c. p. 520). Er bezeichnet den Milchsaft
als den Sitz vieler Alkaloide. Weils, Istvanffy und Olsen
haben sich mit den Milchröhren der Pilze beschäftigt. Die Milch-
saftbehälter schizogenen Ursprungs wurden eingehend von A. B.
Frank, €. Müller und entwicklungsgeschichtlich von A.
Tschirch untersucht.
Was die Litteratur über Kautschuk und Guttapercha liefernde
Pflanzen betrifft, so habe ich, was bis jetzt bekannt ist, den betreffen-
den Kapiteln vorausgeschickt.
Das Untersuchungsmaterial, welches ich benutzte, stammt aus
der Tschirch’schen Sammlung.
Die Schnitte wurden anfangs mit Schultze’scher Macerations-
flüssigkeit behandelt. Da dieses Verfahren nicht für alle Fälle aus-
reicht, so war mir auch die Aufgabe gestellt worden, eine Tinctions-
methode für den Milchsaft zu suchen. Nach mühevollen Versuchen
habe ich in der Alkannin-Essigsäure ein Mittel gefunden,
um damit den Inhalt der Milchschläuche haltbar zu färben. Die
Methode besteht darin, dafs das käufliche Extr. Alkannae zuerst
mit Aether von dem beigemengten braunen Farbstoff gereinigt wird.
Nach dem Eindampfen der Flüssigkeit bleibt eine schmierige Masse
zurück, welcher durch 45 prozentige Essigsäure der Farbstoff
ziemlich rein entzogen werden kann. Nach weiterem mälsigem Kon-
zentrieren der zuletzt gewonnenen Flüssigkeit ist die Prozedur be-
endigt und die Schnitte resp. die Inhalte der Milchschläuche können
nun direkt, unter Beobachtung der Kautelen, die ich in meiner
256 O0. Chimani: Bau der Milchröhren.
Arbeit im botanischen Centralblatt, ausführlich erwähnt habe, ge-
färbt werden. Die Methode bewährte sich nicht allein bei trockenem
Materiale und bei frischen Pflanzen (nach dem Härten in Alkohol),
sondern sie ist auch ein vorzügliches Unterscheidungsmittel der oft
ähnlich gefärbten Gerbstoffschläuche und besonders der Inhalte der
Siebröhren.
Von den Guttapercha liefernden Pflanzen wurden fol-
gende untersucht: Palagwium Gutta, P. oblongifohum, P. borneense,
P. Treubii, P. argentatum, Bassıa firma, P. rostratum, Payena
Leeri, Pavena suringiana, Payena rubro-pedicellata, Achras Sapota,
Sideroxylon Urbani und Mimusops Balata. Diese Arten gehören der
Familie der Sapotaceen an. Den ersten Bericht über diese
Familie führt De Bary in seiner Anatomie von K. Wilhelm
an. Ausführliches ist auch in den Werken von Flückiger,
Wiesner, Burcek,Tschirch,Beauvisage, Heckel und
Schlagdenhauffen u. A. zu fnden. Oesterle hat zuletzt
die Guttapercha eingehender chemisch untersucht.
Die erzielten Resultate kann ich in folgende Sätze zusammen-
fassen:
1. Die Milchröhren derSapotaceen gehören zu den ungegliederten
Milchröhren.
2. Die Milchschläuche bilden in den Knoten kurze unregel-
mäfsige Milchzellreihen neben längeren Gliedern.
3. Die in gröfseren Intervallen segmentierten Schläuche zeigen
schiefe Querwände, welche zum Teil nebeneinander verschoben
sind. Für die Palagquinum und Payena-Arten kann diese Form als
Typus gelten.
4. In den Internodien sind auch Schläuche anzutreffen, die in
gröfseren Zwischenräumen segmentiert sind; sie zeigen horizontale
Querwände. Die Enden der einzelnen Segmente zeigen Knochenform
und sind nicht nebeneinander verschoben.
5. Bei Achras Sapota ist die Querwand der kurzen Milchzell-
reihen bis auf ein dünnes Häutchen resorbiert; dasselbe zerreilst an
einer bestimmten Stelle und der Inhalt fliefst zu einer Masse zu-
sammen.
O Chimani: Bau der Milchröhren. 257
6. Die Milchschläuehe zeigen folgende Weite:
(Sapotaceen)
Payena Leerii 2 mm dicke Zweigstücke 20 —32,5 u
5 suringiana 1,5905 fr 3 20 —25 „
® rubro-pedicull. 35 „ E = 12,5—15 „
Palaquium Gutta er A 2 12,6—39 „
R oblongifol. 4 4 N AL 22,5—45 „
5 — 75 „
E borneense 45 „ 5 R 20 —25 „
25 —50 „
= Treubii 5 = = 2 25 —40 „
A argentatum 9 > = s 22, 95—375 „
A rostratum 45 „ B e 20 —25 „
Bassia firma BE = > 22,530 „
Achras Sapota starre 5 x 33 —50 „
Mimusops Balata 9 4 2 32,5—34,5 „
Sideroxylon Urbani 2 = = = 25 —30 „
Queranastomosen, wie sie Lewschin abgebildet hat, konnte
ich bei aller Sorgfalt, welche ich seit Beginn meiner Untersuchungen
gerade dieser Frage widmete, nicht finden.
Ueber Kautschuk liefernde Pflanzen sind die Schriften von
Basvyre, De.Bary,. Wiesner, Henriqnes, Seott,
Calvert, Faraday, Thomson, Schuhmann und Chapel
zu erwähnen.
Diese Arbeiten sind teils chemischer, teils physiologischer
Natur und behandeln nur wenige Arten. Folgende Pflanzen wurden
von mir untersucht: Familie: Moraceen: Castıloa elastıca, Brosimum
alicastrum, Fıcus elastıca, F. religiosa, Cecropia peltata. Familie:
Euphorbiaceen: Flevea guyanensıs, FH. brasiliensis, Fl. spruceana.
Manihot Glaziovi. Familie: Apocynaceen: Cleghornia sp. ıg., Cl.
cymosa. Landolphia florrda, L. Heudelotii, L. Kirkii, L. mada-
gascariensis, L. ovariensis, L. Petersiana u. L. Watsonii. Hancornıa
speciosa, Parameria glandulifera, Urceola elastıca, Willughbeia
Jjavanica.
Die kautschukführenden Pflanzen haben folgendes eigen-
tümlich :
1. Die Moraceen, Apocynaceen und Euphorbiaceen haben unge-
gliederte Milchröhren.
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bde. 4. Heft. 17
258 O. Chimani: Bau der Milchröhren.
2. Die Milchschläuche sind segmentiert. Sie bilden kürzere und
längere Glieder, deren Enden stets genau aufeinanderpassen,
manchmal an der Berührungsstelle eingeschnürt sind, aber
niemals nebeneinander verschoben sind.
3. Die Landolphia-Arten und Hancornia-Arten zeigen eine partielle
Obliteration der Milchschläuche.
4. Die Markscheide zeigt hier grofse, eigentümliche Lücken, um
welche die obliterierten Milchsaftschläuche sich herumziehen.
5. Bei Urceola elastica fand eine solche Obliteration durch das
Auswachsen zweier Steinzellen statt.
6. In den Haaren von Castiloa elastica, Cecropia peltata und
Manihot Glaziovii habe ich mittelst meiner Färbemethode
Milchsafttröpfehen nachgewiesen.
7. Nachfolgende Zusammenstellung zeigt die Weite der Milch-
schläuche der hier untersuchten Arten:
Moraceen:
Castiloa elastica 12,5 mm dicke Zweigstücke 12,5—25 u
Brosimum alicastrum EEE > 175—20 u
Ficus elastica au 5 5 12,5—25 u
Urostigma Vogelii SHEBIOFN R 17,5—20 u
Cecropia peltata N: b 20—25 u
Euphorbiaceen:
Hevea guyanensis 17 a 5 15—20 x
5 brasiliensis 89, x 15—17,5 u
5 spruceana 8 N = 15—17,5 u
Manihot Glaziovii SR = 12,5—15 u
Apocynaceen:
b 2 525 u
Cleghornia sp. ig. 6, * 5 a 10-12 u
Cleghornia cymosa 1,5 mm dickes Rindenstück 28,4—35,5
12,5:40
Landolphia-florida 3 es „ Zweigst. | 17,5:42 u
30
5 Heudeilotii 3 ne 2 2 17,5—10
» Kirkii 3,9 » » „ 5—7,5—10 2
NEE madagascariens. 3 58 e a 75 u
r ovariensis Wital $ N | 33375 u
1.2125
*) Wo nur eine Zahl angegeben, ist der längste Durchmesser
gemeint.
M. Hoheradel: Ueber das Sagapen. 259
Landolphia-Petersiana 2 A r I 2,5—5-7,5 u
" Watsonii S, % g n 15:20
17,5:55 u
Hancornia spec. 3 4 e i 25:50 «
125525,
Parameria glandulifera 2 a 8 j 15—25 u
Urceola elastica 4 R R ii 12,5—15 u
Willughbeia jav. 5 1 FF R 20—22,5—25 u
Eine von 2 Tafeln begleitete ausführliche Abhandlung über
diese Untersuchungen erscheint im botanischen Centralblatt.
Arbeiten aus dem pharmaceutischen Institute
der Universität Bern.
Untersuchungen über die Sekrete,
mitgeteilt von A. Tschirch.
14. Ueber das Sagapen
von M. Hohenadel.
(Eingegangen den 20. III. 1895.)
Einleitung.
Zu denjenigen Drogen, die schon im Altertum Verwendung
fanden, im Mittelalter noch sehr wohl bekannt waren, in unserer Zeit
aber fast der Vergessenheit anheimgefallen sind, gehört auch das
Sagapenum. Neben der Bezeichnung Sagapenum findet man in
älteren Schriften noch Serapinum und Sacopinum.
Dragendorfft) sagt in seiner Abhandlung über Volksmedizin
von Turkestan: „Sakbinatsch ist das aus Indien (Persien?) importierte
Sagapen. Es wirdauch in Arabien und Hindostan so genannt, daneben
auch Kundel (nach dem Sanser). Schon bei Ebn Baithar ist diese
Droge erwähnt.“
Flückiger?) sagt: „Iayarnvov wird von Dioscorides als aus
Media (Nordpersien) kommend und zwischen Chalbane und Silphion
in der Mitte stehend bezeichnet. Auch Plinius führt Sagapenum
an, wie nicht minder die spätrömischen Aerzte und die Araber z. B.
Serapion Damascinus und Ebn Baithar, ferner die Schule von Salerno,
Im mittelalterlichen Handelsverkehr wird Sagapen öfter genannt als
Asa foetida, aber bei weitem nicht so häufig wie Galbanum. Valerius
Cordus hob hervor, dals die Benennung Serapinum aus Sagapinum
verdorben sei.“
1) Buchners Repert. d. Pharm. 1873, Bd. XXII, p. 218.
2) Pharmacognosie d. Pfl., 1891, p. 68.
>
250 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen.
Ueber die Stammpflanze von Sagapenum haben wir bislang
keine genau bestimmten Anhaltspunkte. Husemann-Hilger!j
nennen Ferula Scowitsiana Dec.; ebenso Wiggers?) Daneben findet
man Ferula persica angegeben; aber ebenso oft wie diese Stammpflanze
angenommen, wird sie auch in Zweifel gezogen. Flückiger?)
meint, dals Sagapen möglicherweise auch von einer Ferula
Persiens abstammen könne. Siller®) erwähnt, dafs wahrscheinlich
eine Ferulaart die Mutterpflanze sei, dals es jedoch nicht Ferula
persica sein könne, deren Milchsaft ganz deutlich wie Stinkasant, nicht
wie Sagapen rieche. Guibourt) giebt ebenfalls zu, dals die Frage
über die Stammpflanze von Sagapen noch ungelöst sei, wenn er sagt
„Le Sagapenum a ete attribue par quelques auteurs au ferula persica
Willd... Mais rien ne prouve que cette ombellifere soit en effet
l'origine de sagapenum, et dans l’etat actuel de nos connaissances nous
ne pouvons affirmer rien de positif ä& ce sujet.“ Diesem schliefst
sich Pelletier®) an mit den Worten: „... on ne connait pas posi-
tivement la plante qui le produit, on croit cependant que c'est le
ferula persica.“ Und Hanbury’) sagt kurz: „The botanical origin of
the drug is unknown.“ Noch deutlicher als in seiner Pharmacognosi.
spricht sich Wiggers®) an einer anderen Stelle aus: „jedenfalls
kann Ferula persica nicht das sogenannte Sagapen liefern, wie man in
neuerer Zeit anzunehmen geneigt war und über dessen Ableitung wir
also gegenwärtig keinen sicheren Anhaltspunkt mehr haben.“
Wenngleich über die Stammpflanze von Sagapen auch nichts
Genaues angegeben wird, so sind doch sämtliche Autoren darüber einig
dafs dasStammland der Droge Persien sei. Nach Stoilze und
Andreas°) wird es in den Gebirgen von Luristaun und Tschähan
Malles gesammelt und kommt von da wohl hauptsächlich nach Bombay,
Als zweiten Stapelplatz nennt Göbel!) Petersburg; fügt aber hinzu,
dals Sagapen nicht als solches nach Rulsland eingeführt werde, sondern
als Verfälschung dem Galbanum beigefügt sei, so dals unter einer
Menge von 20—30 Ballen Galbanum oft 3—4 Kolli vorkommen, die
kein Galbanum, sondern statt dessen Sagapen enthalten. Oft sollen
Galbanum und Sagapenum in einem Kolli sich zusammenfinden. Des-
wegen wurden in Petersburg alle Kolii des Galbanums geöffnet und
dieses vom Sagapen getrennt.
U. Bd. 1884, p. 967
2, Pharmacogn. 1864, 462.
°) Pharmacogn. 1891, 62.
4) Lehrbuch d. Pharmac. 1850, 641.
5) Histoire naturelle des Droges simples. Paris 1876, Bd. III, 242.
6) Bulletin de Pharmaeie, p. 431, Novbre, 1811.
?) Pharmacographia 1874, p. 291.
8) Jahresber. über die Fortschritte d. Pharmac. 1861. p. 49.
°) Flückiger Pharmacogn. p. 62.
19) Liebigs Annal. Bd. 42, p. 331.
M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 261
Während das Sagapen hier also als Verfälschungsmittel dient,
scheint es in England öfter direkt gefälscht vorzukommenl.) Nach
Southall (Pharm. Journ. 1843, 722) ist es dort schwer echt zu er-
halten und man findet dafür eine Komposition aus Asa foetida, Oliba-
num und Galbanum.
Welcher Teil der Pflanze zur Gewinnung des Sagapens haupt-
sächlich verwendet wird, ist nicht definitiv festgestellt. Siller?) sagt:
„Das Gummiharz soll in ähnlicher Weise wie der Stinkasant aus der
Wurzel gewonnen werden, was jedoch noch sehr der Bestätigung be-
darf, da noch kein Beweis gegen die Gewinnung aus dem Stengel vor-
liegt.“ — Diesem kann ich nur beipflichten. Denn der Umstand, dals
ch im Rohharz Frucht- und Stengelteile zu finden Gel ogenheit hatte
läfst vermuten, dals die Wurzel allein nicht zur Harzgewinnung heran-
gezogen wird.
Im Handel unterscheidet man hauptsächlich zwei Sorten: 3)
a) Sagapenum persicum s. in massis. Weiche, zähe, klebrige, braun-
gelbe Massen, die sich schwer pulvern lassen und mit Wasser sich
unvollkommen emulgieren. Schmilzt leicht und vollständig und ver-
brennt mit russender Flamme. Riecht nach Knoblauch und schmeckt
brennend pfefferartig.
b) Sagapenum levanticum s. in lacrimis. Hirse- bis nulsgrolse eckige
oder abgerundete Körner oder daraus zusammengebackene Massen.
Gewöhnlich gelb oder rotbraun, im Innern heller. Auf dem Bruch
matt oder wenig glänzend, leicht pulverisierbar; giebt mit Wasser eine
Emulsion aus der sich ein Teil des Harzes wieder abscheidet. Schmilzt
unvollständig, riecht schwach nach Knoblauch, schmeckt bitter, etwas
kratzend, knoblauchartig.
Die medizinische Verwendung von Sagapen war früher teils
äufserlich, teilsinnerlich. Aeufserlich gegen „grindige Augbrawen“#)
gegen Schmerzen des Rückens, des Rückgrats und der Lenden; ferner
als „Hauptstück eines magnetischen Pflasters, das Pfeile und anderes
dergleichen aus dem Leib ziehet.“5) Innerlich wurde es gegeben gegen
Brust- und Lungenkrankheiten, Husten, Milzsucht, Frost und Erkäl-
tung. Ferner gegen Wassersucht, Zittern der Glieder und Nieren-
entzündung.6)
In der Pharmacopoea helvetica vom Jahre 1771 ist es noch in
die Materia medica eingereiht. Die betreffende Pharmacopoe sagt
pag. 153 wörtlich folgendes:
1) Jahresber. d. Pharmac. 1843, p. 180.
2) Lehrbuch der Pharmacie 1850, p. 641.
3) Wiggers, Pharmacogn. p. 462.
4) Theodor Tabers Kräuterbuch, Basel 1664.
5) Museum Museorum v. M. B. Valentin, Frankfurt a. M. 1704.
6) Joh. Schröder’s „höchst kostbarer Artzeneyschatz“, Nürn-
berg 1636.
262 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen.
„Est Gumi-resina modo guttis magnis constant, modo in glebas
compacta, extus rufescens, intus cornei coloris, mordaci et acri sapore,
odore viroso et gravi, inter assam foetidam et Galbanum medio.
Ex Persia et Oriente nobis affertur, sed planta ex qua stillat
hactenus incognita est.
Vires aperientes, attenuantes, abstergentes, emmenagogas; in
affectibus thoracis mucosis, obstructionibus viscerum, morbis nervorum,
spasimo, tremore, paralysi, malo hysterico etc. commendatur.“
Sagapen findet sich noch aufgenommen in folgenden Pharmaco-
poeen : Pharmacopoea Wirtenbergica 1741; Ph. Borussica 1830; Französ.
Ph. 1839; Londoner Ph. 1836; Dubliner Ph. 1826; Edinburgh New
Dispensatory 1813.
Der erste, der Sagapen näher untersuchte, war J. Pelletier.!)
Er reinigte das Rohharz durch Extraktion mit Alkohol, nahm aus den
ungelösten Rückständen das Gummi mit Wasser auf, destillierte das
ätherische Oel mit Wasserdämpfen ab und erhielt aus 50 g Rohharz:
HATZ 2. = na a Zee
Gum 2. ae male
Unlösl. Körper . . . 0808
Saur. apfelsauer. Kalk 0208
Ather WEL. wa. aan 23908
Eine genauere Untersuchung stellte 1818 Rud. Brandes?) an
In seiner Einleitung sagt er, dafs auch Braconnot und Neu-
mann3) denselben Gegenstand bearbeitet hätten. Braudes behandelte
sowohl das Harz mit Alkohol wie mit Aether und nennt die in Aether
unlöslichen Anteile: „Halbharz“. In Abteilung C seiner Arbeit erwähnt
er eine Farbenveränderung durch Salzsäure. Das ätherische Oel
destillierte er mit Wasser ab und fand 3,73 Proz. Er kommt zu
folgenden Schlüssen:
„Das eigentümliche und charakteristische des Sagapens scheint
hauptsächlich von dem ätherischen Oel herzurühren, denn dieses wirkte
am ausgezeichnetsten sowohl auf die Geruchs- als Geschmacksorgane.‘‘
„Das Harz zeichnet sich vor allen anderen Harzen anf eine sehr
charakteristische Weise durch sein Verhalten gegen Salzsäure aus.
In einigen Eigenschaften stimmt es mit dem Guajakharz überein, in
anderen weicht es davon ab.“
„Das Harz ist gegen das Gummi im Sagapen der überwiegende
Anteil.“
1) Bulletin de Pharmacie 1811 Novbre, p. 481.
2) Trommsdorfs N. Journal d. Pharm. 1818.
3) Pfaff’s materia medica, Bd. III, p. 297.
M. Hohenadel: TUeber das Sagapen. 263
Die Resultate der Untersuchung sind folgende:
500 Teile Sagapen enthielten:
ASthern Veen... an ans 719,007
Eigentümliches Harz . . . 2.2 2.2..2...239,550
Halbhbarz. . . EN le‘
Gummi mit Kalksalzen. De 5 anal,
Tragant . . „SER 328° 0) )
Apfel- und ee Kalk EIN 2, 00
Phosphorsaurer Kalk mit einerSpur Tragant 1,375
Apfelsaurer und schwefelsaurer Kalk mit
etwaseGummıe Terme Ba ER N 2,250
Wasser . . a ER a de a Fa,
Fremde ee ae SAN 2 9216730
James F. W. Johnston!) fand die Zusammensetzung des
alkohollöslichen Harzes nach folgenden Proportionen:
6470,03. 70.832 10,78
H 8551 , 865 8,38
Er giebt ihm die Formel: C,, Hag O9
Fr. Przeciszewski?) unterscheidet zwischen indifferentem
und sauerem Harz. Das dem indifferenten Harze anhattende ätherische
Oel sucht er durch Fraktionieren im Oelbade, späterhin durch Kochen
mit Wasser zu entfernen. Sein Oel fing bei 1530 an zu destillieren
und färbte sich bei 280° grünlich. Jedenfalls war es dem Verfasser
nicht gelungen, das Harz ölfrei zu erhalten, da er letzteres als
Schwefel enthaltend angiebt. Durch trockene Destillation des in-
differenten Harzes erhielt er ein blaues Oel und einen Körper, der in
büschelförmigen Nadeln sublimierte; er hält ihn für Benzoesäure. —
Das sauere Harz versuchte er vergeblich krystallinisch zu erhalten.
Genauere Untersuchungen und Angaben von Mengenverhältnissen
fehlen vollständig.
Hirschsohn?) giebt an, dals beim Befeuchten mit Alkohoj
und Uebergielsen mit konzentrierter Schwefelsäure sich alle Sorten
von Sagapen mit dunkelbrauner Farbe auflösen; bisweilen wird die
Lösung an den Rändern karminrot, auf Zusatz von Alkohol geht die
Farbe in violett, bisweilen in blau über. Salzsäure, den mit Alkohol
befeuchteten Sagapenproben zugesetzt, bewirkt gelbrote, bisweilen
rosenrote, in violett, ja selbst in blau übergehende Färbung. Durch
Destillation mit Wasserdampf erhält er 7,5 Proz. eines schwefelhaltigen
Oeles. Petroläther löst vom Sagapen mehr als vom Galbanum, das
Gelöste besteht aus ätherischem Oel und Harz und ist schwefelhaltig.
1) Phil. Transact, 1840, p. 361.
2) Inauguraldissertat., Dorpat 1861
3) Liebig und Kopp, Jahresber. der Chemie 1875, p. 860. —
Pharmaceut. Zeitschrift tür Rufsland 1875, p. 395.
264 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen.
Die einzelnen Handelssorten will Hirschsohn!) durch
folgende Reaktionen unterscheiden:
„Salzsäure färbt den Verdunstungsrückstand des Petroleumäther-
auszuges gelbrot, Chloralreagens färbt grün: persisches Sagapen.
„Salzsäure färbt blauviolett, Chloralreagens rosenrot, in Himbeer-
rot und violett: levantinisches Sagapen.“
Vigier?) suchte in seiner Dissertation die offizinellen Gummi-
harze durch Kochen mit Kalkmilch zu unterscheiden. Dabei bringt
Sagapen eine weilse Masse hervor, die fade riecht, hineingestelltes
Silber schwärzt, beim Trocknen unmerklich gefärbten Rückstand hinter-
lälst und beim Filtrieren ein fast farbloses Filtrat giebt, worin Salz-
säure einen weilsen Niederschlag erzeugt.
Flückiger?) giebtan, dals Sagapen Umbelliferon enthält und
schon in der Kälte sofort blaue Farbe annimmt, wenn auch nur das
kleinste Splitterchen mit Salzsäure geschüttelt wird. Schwefel enthält
Sagapen nicht.
Nach den bisherigen Untersuchungen ist, abgesehen von den
Reaktionen von Hirschsohn, festgestellt:
1. Das Harz enthält 3 bis 7 Proz. eines schwefelhaltigen äthe-
rischen Oeles; 2. 50 bis 65 Proz. Harz; 3. Umbelliferon ; 4. ca. 30 Proz.
Gummi; 5. ca. 5 Proz. Wasser; 6. 2 bis 5 Proz. Verunreinigungen. —
Die trockene Destillation liefert blaues Oel und Umbelliferon.
Wenngleich die Stammpflanze nicht bekannt ist, so ist doch
sonder Zweifel, dals wir es bei Sagapen mit dem Secret einer per-
sischen Umbellifere zu thun haben. Die Bildung unseres Harzes erfolgt
jedenfalls auch in schizogenen Sekretbehältern wie Tschirch‘$) bei
anderen persischen Umbelliferen nachgewiesen hat.
I. Chemischer Teil.
Darstellung des Reinharzes.
Als Untersuchungsmaterial diente mir Sagapenharz bezogen von
C. Haaf, Bern. Dasselbe zeigte in dunkelbrauner Grundmasse
zahlreiche weilsgelbe Mandeln ; die Konsistenz war schwach spröde,
aber schon durch die Handwärme wurde es geschmeidig und knet-
bar. Der Geruch erinnerte schwach an Galbanum, näherte sich aber
bedeutend mehr dem des Asa-foetidaharzes.
Ein kleiner Teil mit verdünnter Salzsäure übergossen verlieh
letzterer nach einiger Zeit violette Färbung ; dieselbe trat rascher
1) Zeitschrift für analyt. Chemie 17, p. 263.
2) Jahresber. d. Pharmacie, V, 1870, 132.
3) Pharmakognosie, 1891, p. 68.
4) Archiv d. Pharmacie 1886, p. 831.
M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 265
und deutlicher auf durch Erwärmen und Zusatz von etwas Alkohol.
Die ätherische Lösung des Harzes, mit Salzsäure versetzt, zeigte
violett-rötliche Farbe.
Mit Schwefelsäure erwärmt, löste sich das Harz mit dunkel-
rotbrauner Farbe. Nach dem Verdünnen mit Wasser zeigte das
Filtrat durch überschüssiges Ammoniak schön blaue Fluorescenz.
Ich fand ätherlösliches Harz 56,8 Proz., ätherisches Oel 5,8 Proz.,
Wasser 3,5 Proz., Gummi 23,3 Proz., Verunreinigungen 10,6 Proz.
Löslich war das Harz in Aether, Alkohol, Schwefelsäure und Alkalien.
Das Gummi wurde nicht näher untersucht.
Meine zunächstliegende Aufgabe war, das Harz vom ätherischen
Oele zu befreien. Ich versuchte eine Trennung mit Petroläther zu-
erst auf kaltem Wege ohne nennenswerten Erfolg. Auch durch Ex-
traktion im Soxhlet'schen Apparate kam ich nur langsam und unvoll-
kommen zum Ziel. Dagegen erwies sich folgende Methode als
brauchbar: Das Rohharz wurde in Aether gelöst, um von vorn-
herein gleich das Gummi abzuscheiden, die fitrierte ätherische
Lösung aber in viel Petroläther gegossen, wiederholt anhaltend damit
geschüttelt und im Scheidetrichter getrennt. Die Ausschüttelungen
mit Petroläther wurden so oft wiederholt, bis eine Harzprobe nach
dem Verdunsten des Aethers geruchlos zu sein schien. Die hierbei
erhaltene Menge ätherischen Oeles — 19,2 Proz. — liefs vermuten,
dafs im Oel auch noch Harz gelöst sei, was späterhin bestätigt
wurde (s. äther. Oel). Aber trotz der wiederholten Behandlung mit
Petroläther war nach völligem Verdunsten des Aethers doch noch
ein schwacher Geruch bemerkbar, der für Anwesenheit geringer
Mengen ätherischen Oeles sprach. Um letzteres vollständig zu ent-
fernen wurde das Harz in einem Kolben aufs Wasserbad gebracht
und durch das erweichte Sagapen Wasserdämpfe durchgeleitet. Das
Destillat zeigte deutlichen Sagapengeruch, reagierte schwach sauer
und wurde täglich mit Aether ausgeschüttelt. Dadurch erhielt ich
ca. 2 g eines schmutziggrünen Oeles, das nach längerem Stehen
braune Farbe annahm.
Das über dem Harz im Kolben sich sammelnde Wasser
fluorescierte schwach blau und reagierte ebenfalls sauer; doch war
der Geruch nicht so intensiv wie beim Destillat. Zur Gewinnung
der Säure wurde ebenfalls mit Aether geschüttelt, aber kaum ein
266 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen.
Tröpfehen einer braungelben Flüssigkeit, die stark nach Baldrian-
säure roch, resultierte aus ca. 5 Litern des Kondensationswassers.
Wahrscheinlich hatte durch das langandauernde Dampfeinleiten eine
Zersetzung des ätherischen Oeles stattgefunden und die Baldrian-
säure war wohl ein Spaltungsprodukt desselben. Mit welcher Hart-
näckigkeit übrigens das Oel dem Harze anhaftete, ist daraus zu
ersehen, dafs ich fast 4 Wochen lang genötigt war, das Harz mit
Dampf zu behandeln, bis endlich das Destillat und damit auch das
Harz völlig geruchlos wurde.
Das ölfreie Harz war hart und spröde, erweichte leicht
in heilsem Wasser und liefs sich in weilsglänzende Bänder ausziehen.
Die Farbe ist gelbbraun, Geruch und Geschmack nicht mehr vor-
handen. Es löste sich leicht in Aether, Chloroform, Ammoniak, Kali-
lauge, weniger leicht in Alkohol, gar nicht in Petroläther. Schwefel-
säure nahm es unter braunroter Farbe auf, die Lösung gab nach
dem Verdünnen mit Wasser und nach dem Filtrieren auf Zusatz von
Ammoniak schön blaue Fluorescenz. Der Schmelzpunkt war zwischen
74 und 76°. Mit Salzsäure übergossen trat keinerlei Violettfärbung
auf, da diese offenbar wie beim Galbanum!) durch das ätherische
Oel bedingt ist. Ebenso konnte ich im ölfreien Harz Schwefel
nicht nachweisen. Zwischen zwei Uhrgläsern erwärmt, sublimierte
ein Gewirr von langen Nadeln, die sich als Umbelliferon erwiesen.
Nachweis des freien Umbelliferons.
Der oben erwähnte Umstand, dafs bei der Dampfeinleitung
das über dem Harz sich sammelnde Wasser blau fluorescierte, liels
vermuten, dals auch im Sagapen freies Umbelliferon vorkomme. Zum
Nachweis desselben wurden 10 g Harz in konzentrierter Natrium-
salieylatlösung?) (1 +4 1) gelöst und mit Wasser versetzt,
wobei das Harz gelblich weils ausfiel. Sobald es genügend ausge-
waschen war, wurden die vereinigten Waschwässer mit verdünnter
Schwefelsäure versetzt. Die dadurch gefällte Salicylsäure wurde so-
lange mit kaltem Wasser ausgewaschen, bis das Filtrat auf Zusatz
von Ammoniak keine blaue Fluorescenz mehr gab. Das saure Filtrat
wurde nunmehr eingeengt, mit Kalilauge genau neutralisiert und mit
1) Tschirch und Conrady, Arch. d. Pharm. 1894.
2) Conrady, Archiv d. Pharm, 1894.
M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 267
Alkohol versetzt, teils um das anorganische Salz abzuscheiden, teils um
das freie Umbelliferon in Lösung zu bringen. Die letzten Reste des
Kaliumsulfates wurden mit absolutem Alkohol ausgeschieden, das
freie Umbelliferon mit Tierkohle gereinigt und umkrystallisiert. Ich
erhielt so 0,11 Proz. Umbelliferon.
Bringt man einige Krystalle reinen Umbelliferons in konzen-
trierte Schwefelsäure, so zeigt letztere eine prächtige Fluorescenz,
die aber gegenüber der mit Ammoniak mehr einen Stich ins Rötlich-
Violette hat. Fast dieselbe Reaktion tritt auf beim Lösen des Rein-
harzes in konzentrierter Schwefelsäure. Um zu sehen, ob die
Fluorescenz durch das freie Umbelliferon hervorgerufen wird, löste
ich wieder 10 g Harz in Schwefelsäure, gols die Lösung vorsichtig
in Wasser, filtrierte das in braunen Flocken ausfallende Harz ab
und wusch gut aus. Das Filtrat wurde ebenfalls genau neutralisiert,
das Kaliumsalz durch Alkohol gefällt wie vorhin beschrieben. Nach
dem Umkrystallisieren erhielt ich hier 0,14 Proz. freies Umbelliferon.
Dafs wirklich Umbelliferon vorlag, zeigte der Schmelzpunkt von
224°, die prächtig blaue Fluorescenz in ammoniakalischer Lösung und
die Grünfärbung durch Kochen mit Kalilauge und Zusatz von
Chloroform.)
Prüfung aufAldehyde.
Die nahen Beziehungen des Sagapens zur Asa foetida legten den
Gedanken nahe, dafs auch in ihm Vanillin enthalten sei, das E.
Schmidt?) im Stinkasant nachgewiesen hatte. 100 g einer äthe-
rischen Rohharzlösung wurden mit verdünnter Natronlauge ge-
schüttelt, die alkalische Flüssigkeit angesäuert und mit Aether be-
handelt. Nach der Trennung im Scheidetrichter wurde der ätherische
Auszug mit Natriumbisulfitlösung anhaltend geschüttelt und die
Sulfitlaugen mit einem Gemisch von 3 Volumteilen konzentrierter
Schwefelsäure und 5 Volumteilen Wasser versetzt. Die sich ent-
wickelnde schweflige Säure wurde auf dem Wasserbad vollends aus-
getrieben, die Lauge aber nach dem Erkalten wiederholt ausge-
schüttelt — doch konnte ich weder Vanillin noch einen anderen
Aldehyd nachweisen.
!) Tschirch und Conrady, Arch. d. Pharm. 1894
= 2) Archiv d. Parmac. 224, 1886. -—— Jahresber. der Chemie 1885,
p- 324.
268 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen.
Verseifung des Reiüharzes.
Die Verwandtschaft des Sagapens zu Galbanum gab mir
einen Fingerzeig bezüglich der Art der Verseifung. Denn da
Tschireh und Conrady bei Zerlegung des Galbanums einer-
seits wässerige und alkoholische Kalilauge, andererseits Salzsäure
und Natriumäthylat ohne grofsen Erfolg versucht, dagegen Schwefel,
säure mit befriedigendem Ergebnis verwendet hatten, erhitzte ich eine
Probe Harz mit Schwefelsäure, und da ganz analoge Erscheinungen
auftraten, wie bei Verseifung des Galbanums, zögerte ich nicht, auch
das Sagapenharz mit dieser Säure zu zerlegen, zumal Umbelliferon
selbst von konzentrierter Schwefelsäure unzersetzt aufgenommen wird.
Es wurde deshalb das ölfreie Harz mit verdünnter Schwefelsäure
(1:5) übergossen und über freiem Feuer unter Ergänzung des ver-
dampften Wassers erhitzt. Schon nach kurzer Zeit nahm das Harz
dunkelbraune Farbe an. Während es antangs leicht in der heilsen
Verseifungsflüssigkeit erweichte, geschah dies nach einigen Wochen
immer erst dann, wenn ein grofser Teil des Wassers abgedampft
war, die Verseifungsflüssigkeit also eine gewisse Konzentration er-
reicht hatte. Infolgedessen wurde bei fortschreitender Verseifung
Schwefelsäure und Wasser im Verhältnis von 1:3 verwendet. Das
Harz wurde mehr und mehr spröde, ballte sich in der Kälte schliels-
lich nicht mehr zusammen, sondern bildete leicht zerreibliche Massen,
die auch in kochendem Wasser nicht mehr zusammenschmolzen.
Die Verseifungsflüssigkeit nahm stets braunrote Farbe an und
wurde alle 2 bis 3 Tage erneuert. Das in ihr gelöste Harz wurde
durch Zusatz von Wasser gefällt, das Filtrat aber auf Umbelliferon
verarbeitet. Letzteres schied sich nicht in der Menge ab, wie beim
Galbanum, und auch der gefundene Prozentgehalt — 15,7 — ist bei
weitem geringer wie bei jenem Harz — allerdings sind die Verluste
nicht mit inbegriffen. Die Verseifung, die über 4 Monate gedauert
hatte, wurde für beendet betrachtet, als eine Probe ausgewaschenen
Harzes in konzentrierter Schwefelsäure gelöst und vorsichtig mit
Wasser versetzt im Filtrat keine Umbelliferonreaktion mehr gab.
Umbelliferon.
Aus der erkalteten Verseifungsflüssigkeit schied sich täglich
eine grölsere oder geringere Menge von braungefärbten Krystallen
ab, die sorgfältig gesammelt wurden. Zur Reinigung war wieder-
M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 269
holtes Auflösen und Umkrystallisieren vonnöten; schliefslich erhielt
ich feine weilse Nadeln, die nach dem Trocknen durch ihr wirres
Durcheinanderliegen dem Ganzen ein verfilztes Aussehen verliehen.
Um das übrige in der Verseifungsflüssigkeit gelöste Umbelli-
feron zu erhalten, stumpfte ich erstere mit Kalilauge bis zur schwach
sauren Reaktion ab, liefs das Kaliumsalz auskrystallisieren, entfernte
die letzten Reste desselben mit Alkohol und reinigte das mit dem
Alkohol aufgenommene Umbelliferon durch Umkrystallisieren und Be-
handeln mit Tierkohle.
Dals sich Umbelliferon direkt aus dem Harz durch Sublimation
gewinnen läfst, ist oben schon erwähnt. Ich stellte mir auf diese
Weise noch eine kleine Menge her; die anfangs gelb sublimierenden
Krystalle wurden durch zweimaliges Umsublimieren fast völlig weils.
Das auf diese ganz verschiedene Weise gewonnene Umbelliferon
zeigte ganz gleiches Verhalten: in wässeriger Lösung gab es auf
Zusatz von Ammoniak prachtvolle blaue Fluoreszenz; mit Kalilauge
erhitzt verlieh es zugesetztem Chloroform dunkelgrüne Farbe; der
Schmelzpunkt lag stets zwischen 224 u. 225°.
Die Elementaranalyse lieferte folgende Resultate:
I. Direkt aus dem Harz sublimiertes Umbelliferon über Schwefel-
säure aufbewahrt:
0,0471 g Substanz ergaben 0,1150 g CO, und 0,0157 g H,0.
II. Aus der Verseifungsflüssigkeit gewonnenes Produkt über
Schwefelsäure getrocknet:
0,0932 g Substanz ergaben 0,2276 g CO, und 0,0311 g H,O.
Berechnet für C,H, 03: Gefunden:
C 66,67 Proz. I. 66,63 II. 66,61 Proz.
2. 270 Bas. AL, SP
Die Menge des bei der Verseifung erhaltenen Umbelliferons
betrug 15,7 Proz., die Verluste nicht mit eingerechnet.
Beim Auswaschen des verseiften Harzes beobachtete ich, dals
die letzten Spuren von Umbelliferon schwer zu entfernen waren. Da
ich aus dem Filtrat weder mit Brom eine Fällung, noch nach dem
Eindampfen Krystalle erhielt, dagegen immer aut Zusatz von Ammo-
niak blaue Fluorescenz auftrat, so suchte ich festzustellen, in welcher
Verdünnung Umbelliferon noch deutlich fluoresciert. Zu diesem
Zweck löste ich 0,01 g Umbelliferon in 1000,0 Wasser; die Lösung
Hluorescierte schön blau, auch nach dem Verdünnen auf 1000 000
270 M. Hohenadel; Weber das Sagapen.
sah man, namentlich in direktem Sonnenlicht deutliche Fluorescenz.
Dieselbe trat auf Zusatz von etwas Ammoniak sofort kräftig hervor.
Bei einer Verdünnung von 1:10000000 war die Fluorescenz nur
noch bemerkbar in dem mit einer Loupe in die Lösung geworfenen
Lichtkegel; bei weiterer Verdünnung verschwand die Fluorescenz
vollständig.
E. Posen!) giebt eine Methode zur Darstellung von Tribrom-
umbelliferon. Ich arbeitete genau nach diesen Angaben mit reinem
Umbelliferon und fand, dafs es mit Brom quantitativ fällbar ist. Der
Niederschlag nahm bald, wohl infolge eines Ueberschusses von Brom,
braunrote Farbe an. Zur Reinigung wurde der Körper vom über-
schüssigen Brom befreit, alsdann aus verdünntem Alkohol wiederholt
umkrystallisiert. Die alkoholische Lösung zeigte deutlich grünliche
Fluorescenz. Nach längerem Stehen erhielt ich kleine Nadeln, die
einen Schmelzpunkt von 194° zeigten.
In ganz ähnlicher Weise behandelte ich nun auch einen Teil
meiner Verseifungsflüssigkeit mit Bromwasser. Das Produkt wider-
setzte sich hartnäckig allen Reinigungsversuchen, so dals ich es
schliefslich trocknete und der Sublimatien unterwarf. Dabei erhielt
ich schwach gelb gefärbte Krystalle, in denen nach dem Schmelzen
mit Kali leicht Brom nachzuweisen war. Da ich hoffte, durch Zer-
legung des Körpers wieder reines Umbelliferon abspalten zu können,
aber stets auf Hydroumbellsäure stie[s, nahm ich von einer genaueren
Untersuchung Abstand.
Der Harzalkohol.
Sagaresinotannol.
Da der bei der Zerlegung mit Schwefelsäure resultierende
braune Rückstand in der Asche noch Kalk aufwies, löste ich das
Harz zu seiner weiteren Reinigung wieder in kalter konzentrierter
Schwefelsäure, fällte vorsichtig mit Wasser, wusch den Niederschlag
aus ohne aber ein aschefreies Produkt zu erhalten. Auch wieder-
holtes Auflösen in Kalilauge und fällen mit Salzsäure lieferte kein
befriedigendes Resultat. Erst nachdem ich nacheinander in Ammo-
niak und Alkohol gelöst und mit Salzsäure wieder gefällt hatte, er-
hielt ich den Körper aschefrei. Eine Aenderung der Farbe und der
1, Berliner Berichte XIV, 2746.
M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 271
Lösungsverhältnisse war durch diese Manipulationen nicht eingetreten.
Der verseifte Harzkörper hatte nach dem Auswaschen und Trocknen
dunkelbraune Farbe, war leicht zerreiblich zwischen den Fingern
und reagierte neutral. Er löste sich leicht in Kalilauge, Ammoniak,
Schwefelsäure und Eisessig, weniger leicht in Alkohol, Aether und
Aceton, garnicht in Petroläther, Chloroform, Benzol, Schwefelkohlen-
stoff. Aus seinen Lösungsmitteln fiel er teils durch Verdünnen mit
Wasser, teils durch Zusatz von etwas Salzsäure in braunen Flocken
aus. In alkoholischer Lösung erzeugten Eisenchlorid sofort, Kalium-
bichromat nach einiger Zeit deutliche Fällungen, was auf seine Gerb-
stoffnatur hinweist. Mit metallischem Natrium geglüht, konnte Stick-
stoff nicht nachgewiesen werden. Es lag die Vermutung nahe, dafs
mein Verseifungsprodukt, wie bei der Benzoe, beim Perubalsam und
Galbanum in die Reihe der Harzalkohole zu stellen sei, die Tschirch!)
wit dem Namen Resinole belegt. Die Resinotannolreaktion, die
darin besteht, dals das Resinotannol in alkoholischer Lösung durch
alkoholische Kalilauge als brauner Niederschlag ausgefällt wird, der
sich an der Luft schwarz färbt und zerflie[st, wobei sich durch die
Kohlensäure der Luft wieder freies Resinotannol abspaltet — gab
mein Harz sehr deutlich und ich nannte es deshalb Sagaresino-
tannol. Die Elementaranalysen, im Sauerstoffstrom ausgeführt, er-
gaben folgende Resultate:
I. 0,1472 g Substanz, über Schwefelsäure getrocknet, ergaben
0,3918 g CO, und 0,0926 & H,O.
II. 0,1552 g Substanz ergaben 0,4137 g CO, und 0,1016 g H,O
IH. 0,1238 »„ 0,3384 g CO, „ 0,0804 g H,O
IV.0131g „ » 0,3574 g CO, „ 0,0879 g H,O
V. 0,1468 g » » 0,3912 g CO, „ 0,0951 g H,O
Gefunden: Berechnet für
E IE 1727 »Ey: V. C;, Hag 0;
ee = 7259 72,69 72,49 72,68 72,67 @ PE72272
HN = 72T ET PTR EI H => 7,07
Aus diesen Prozentzahlen wurde für das Sagaresinotannol die
Formel Cs, Ha; O, berechnet.
Acetylierung des Sagaresinotannols.
Ausgehend von der Annahme, dafs mein zerlegtes Harz ebenso
Alkoholnatur besitze, wie andere auf Veranlassung von Professor
1) Pringsheim’s Jahrb. XXV, H. 3.
272 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen.
Tschirch untersuchte Harze, versuchte ich zuerst die Acety-
lierung. Zu diesem Zwecke wurde ein Teil des Sagaresinotannols
in Essigsäureanhydrid gelöst und einige Tage am Rückflufskühler
erhitzt. Eine Aenderung der Farbe trat hierbei nicht auf. Nach
dem Eingiefsen in Wasser schied sich ein braunes Pulver aus, das
gut ausgewaschen und getrocknet wurde. Das Produkt ergab deut-
liche Kakodylreaktion und lieferte bei der Verseifung Essigsäure,
wobei Sagaresinotannol sich wieder abschied. Das Präparat löste
sich leicht in Natronlauge, Schwefelsäure und Chloroform, schwer
in Alkohol und Aether, gar nicht in Petroläther.
Die Elementaranalyse des über Schwefelsäure getrockneten
Körpers ergab folgende Zahlen:
I. 0,0561 & Substanz ergaben 0,1465 g CO, und 0,0347 g H,O
II. 0,0058 „ „0,2493 g CO, „ 0,0598 g H,O
Berechnet für die Formel: Gefunden:
Q;, Hs, 0; — CH, CO T. IT.
027° —2277]23 71,22 71,19
H = 68 6,87 6,95
Die Zahlen stimmen für eine Monoacetylverbindung des Saga-
resinotannols nach der Formel C,, Hz, 0, CH; CO.
Benzoylierung des Sagaresinotannols.
Dasselbe wurde in verdünnter Kalilauge gelöst und soviel
Benzoylchlorid zugesetzt, dafs von letzterem ein kleiner Ueberschuls
vorhanden war. Die Reaktion trat sofort unter Erwärmen ein: die
klare Lösung trübte sich und nach kurzer Zeit schied sich eine
braune Masse aus, die sich auf der Flüssigkeit zu einem Kuchen
vereinigte. Letzterer wurde abgenommen, zerkleinert, mit heilsem
Wasser erstmals, späterhin mit kaltem ausgewaschen.
Während der Körper in der Wärme weich, zäh und knetbar
war, wurde er nach völligem Erkalten hart und spröde. Zur Ent-
fernung der letzten Spuren von Benzoylchlorid wurde in Alkohol
gelöst und mit Wasser gefällt. Es fiel ein braungelbes, amorphes
Pulver, das bis zum Verschwinden der Chlorreaktion ausgewaschen
wurde. Nach dem Trocknen stellte der Körper ein hellbraunes
Pulver dar, das sich leicht in Chloroform und Schwefelsäure löste ;
Natronlauge nahm nur wenig auf, in Alkohol und Aether löste es
sich langsam.
M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 273
Durch Verseifen konnte der Körper leicht in seine Kompo
nenten gespalten werden: nach dem Erhitzen mit Kalilauge und
Versetzen mit Salzsäure im Ueberschufs schied sich der Harzalkohol
wieder ab, während sich aus dem Filtrat nach dem Erkalten kleine
Krystalle ausschieden, die nach dem Umkrystallisieren und Trocknen
einen Schmelzpunkt von 121° zeigten. Die Anwesenheit von Benzoe-
säure konnte ich übrigens schon durch blofses Erwärmen des
benzoylierten Harzes zwischen 2 Uhrgläsern nachweisen. Nach
einiger Zeit nämlich bedeckte sich das obere Glas mit feinen weilsen
Krystallblättchen, die ebenfalls einen Schmelzpunkt von 1219 auf-
wiesen.
Die Elementaranalyse des über Schwefelsäure getrockneten
Körpers ergab folgende Zahlen:
I. 0,1718 g Substanz ergaben 0,4688 g CO, und 0,0992 g H,O.
1I. 0,1662 g h. = 0,4535 g CO, „ 0.0953 g H20.
III. 0,1271 g 4 D 0,3467 g CO, „ 0,0728 g H,0.
Berechnet für C,, Hz, 0; — C,H; CO.
C = 74,40 Proz.
ER 2,640, Broz
Gefunden:
il; 18 Tr:
BZ 73,42 441 14.39
re 6,37 6,36
Die Zahlen stimmen für eine Monobenzoylverbindung von der
Formel C,, Hz, 0,.C;, H,CO.
Durch den Acetyl- und Benzoylester des Sagaresinotannols ist
erwiesen, dafs mein Harz ebenfalls Alkoholnatur besitzt und min-
destens eine Hydroxylgruppe enthält, also ein weiteres Glied der
„Resinole“ bez. „Resinotannole“!) ist.
Verhalten gegen Brom und Jod.
Die Einwirkung dieser beiden Reagentien bot keinerlei auf-
fallende Erscheinungen. Die Bromierung wurde in der Weise vor-
genommen, dafs Brom in kleinen Portionen in das mit Wasser auf-
geschwemmte Sagaresinotannol eingetragen wurde. Das Reaktions-
produkt war ein amorpher brauner Körper, der gut ausgewaschen
und getrocknet wurde. Er löste sich in Säuren, Alkalien und
1) Tschirch, Archiv d. Pharmac. 1893.
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 4. Heft. 18
274 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen.
Alkohol, fast gar nicht in Aether, Schwefelkohlenstoff und Petrol-
äther. Die Anwesenheit von Brom war qualitativ leicht nach-
zuweisen.
Zur Jodierung stellte ich mir eine alkoholische Harzlösung dar,
in die Jod eingetragen wurde. Durch Fällen mit Wasser erhielt
ich wiederum einen amorphen Körper, der nach dem Auswaschen
mit verdünnter Jodkaliumlösung und nach dem Trocknen dunkel-
braune Farbe hatte. Als Lösungsmittel erwiesen sich Schwefelsäure,
Natronlauge, Alkohol brauchbar, dagegen war in Petroläther, Chloroform
Aether, Benzol, Schwefelkohlenstoff fast nichts löslich. Jod war
qualitativ nachweisbar. Von einer quantitativen Jod- und Brom-
bestimmung wurde abgesehen, da bei früheren Untersuchungen von
Harzverbindungen im pharmac. Institut Bern die Erfahrung gemacht
wurde, dafs sie meist keine einheitlichen Produkte darstellen.
Oxydation des Sagaresinotannols.
Während Tschirch und Lüdyt!) bei der Oxydation des
Benzoeharzes direkt Pikrinsäure erhalten hatten, stie(senSchwanert?),
Tscehirch und Conrady°) bei der Oxydation des Galbanums
auch auf Kamphersäure. Es war nicht ausgeschlossen, dafs auch
bei meinem Harz Kamphersäure auftreten könnte, deshalb arbeitete
ich genau nach den Angaben Conrady’s: 40 g Sagapenharz wurden
mit 700 & Salpetersäure vom spez. Gew. 1,27 auf dem Wasserbade
so lange erwärmt, bis alles in Lösung gegangen war, was nach
einigen Tagen der Fall war. Die gelbbraune Lösung wurde ein-
gedampft, bis sich weilse Dämpfe entwickelten, der Rückstand mit
Wasser aufgenommen, filtriert, das Filtrat wieder eingeengt und
dann mit Aether geschüttelt. Nach dem Verdampfen des Aethers
fanden sich aber keine Krystalle, sondern eine klare 'citronengelbe
Harzschmiere, die sich in heilsem Wasser mit intensiv gelber Farbe
löste. Die Lösung wurde wieder mit Salpetersäure versetzt und
solange erhitzt, bis die Harzschmiere verschwunden war. Es schied
sich nach einiger Zeit ein zartes schwach gelbes Pulver ab, das sich
unter dem Mikroskop als krystallinisch erwies. Die Lösung des
Pulvers hatte bitter adstringierenden Geschmack und glaubte ich
1) Arch. d. Pharm. 1893.
2) Annal. d. Chem. u. Pharmac. 128. 122.
3) Archiv d, Pharmac. 1894. 232,
M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 275
anfangs Pikrinsäure vor mir zu haben, zumal auch die Haut dauernd
gelb gefärbt wurde. Da ich aber niemals mit Cyankalium die
Isopurpursäurereaktion erhielt, mufste wohl ein anderer Körper vor-
liegen. Die Krystalle wurden sorgfältig gesammelt und umkrystallisiert,
sie zeigten einen Schmelzpunkt von 175,50. Letzterer und die oben
beschriebenen Eigenschaften lassen mit Sicherheit erkennen, dals
das Oxydationsprodukt Oxypikrinsäure oder Styphnin-
säure sei. — Kamphersäure scheint sich bei der Oxydation nicht
zu bilden.
In dem „Handwörterbuch der reinen und angewandten Chemie?)
findet sich der Verlauf einer Oxydation von Stinkasant genau so ge-
schildert, wie ich ihn bei Sagapen zu beobachten Gelegenheit hatte
und ist dort ferner darauf hingewiesen, dafs diese Säure sich bilde
durch Einwirkung von Salpetersäure auf verschiedene Gummiharze
wie Ammoniak, Galbanum, Asa foetida, sowie auf Fernambukextrakt,
Sandelholz und Gelbholzextrakt.
Die Styphninsäure C,H (NO,); (OH), ist von Böttger und
Will 1846 und gleichzeitig von Erdmann rein dargestellt worden ;
schon 1808 hatte Chevreul sie erhalten und als „künstliches
Bitter“ bezeichnet, indem er ihre Beziehung zum Welter’schen
Bitter (Pikrinsäure) erkannte. Will und Böttger nannten die
Säure Styphninsäure (von origvos) ihres zusammenzichenden herben
Geschmackes wegen. Erdmann nannte die Säure Oxypikrinsäure,
weil sie sich als das höhere Glied derjenigen Reihe, welcher die
Pikrinsäure angehört, betrachten läfst, worauf schon Böttger und
Will hingewiesen haben. —
Aus dem Umstande, dafs bei Verseifung des Sagapenharzes
durch Schwefelsäure auf der einen Seite Umbelliferon, auf der andern
ein Harzalkohol — das Sagaresinotannol — auftrat, ist man berech-
tigt den Schlufs zu ziehen, dafs das Harz ein Umbelliferon-
Sagaresinotannoläther ist.
Das ätherische Oel.
Wie schon oben erwähnt, wurde zur Gewinnung des ätherischen
Oeles die konzentrierte ätherische Harzlösung wiederholt mit Petrol-
äther geschüttelt und letzterer nach der Trennung auf dem Wasser-
4) Liebig, Poggendorf und Wöhler 1851.
18*
276 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen.
bade abgezogen. Das resultierende Oel deutete schon durch seine
Konsistenz und seine Menge — über 19 Proz. — auf einen Gehalt
an Harz hin. In der That gelang es mir auch durch wiederholtes
Schütteln mit Petroläther noch Harz abzuscheiden. Das nunmehr
gereinigte Oel hatte nach dem Verdunsten des Petroläthers rein gelbe
Farbe und den charakteristischen Geruch des Sagapens; sein spez.
Gewicht war 0,980. Der fraktionierten Destillation unterworfen
zeigte sich folgendes: Die ersten Anteile unter 100 I waren farblos
und enthielten Petroläther. Zwischen 1000 und 110° ging Wasser
über von üblem Geruch und saurer Reaktion. Zwischen 110° und
135° zeigte sich ein hellgelbes ekelhaft riechendes Oel ebenfalls
sauer reagierend.. Bei 1500 nahm das Oel im Kolben dunklere
Farbe an, es destillierten einige ccm Oel von grünlicher Farbe über.
Zwischen 160° und 210° war das Destillat hellblau, die Temperatur
stieg aber bald bis 270° und schwankte alsdann zwischen 220° und
2700 selbst bis 300° steigend. Die bei diesen Graden übergehenden
Anteile hatten ‘schöne kornblumenblaue Farbe ohne den widerlichen
Geruch des gelben Oeles. Die letzten Anteile waren schmutzigblau.
Die Destillation mulste unterbrochen werden, weil Krystalle auf-
traten, die das Abflufsrohr zu verstopfen drohten. Die Krystalle
erwiesen sich bei näherer Untersuchung als Umbelliferon. Das Oel
war demnach trotz sorgfältiger Reinigung noch harzhaltig. Dies be-
stätigte auch der braungrüne Rückstand im Kolben, der nach dem
Erkalten vollständig erstarrte.
Da meine Bemühungen ein absolut harz- und wasserfreies Oel
mit Petroläther zu erhalten ohne Erfolg geblieben waren, wandte
ich die bekannte Methode der Oelgewinnung mittels Wasserdämpfen
an. Zu diesem Zweck behandelte ich 100 g gereinigten Harzes mit
Dampf. Das Destillat war anfangs milchigtrübe, doch trat bald eine
Trennung und Klärung ein, indem das Oel sich an der Oberfläche
sammelte. Dasselbe wurde im Scheidetrichter getrennt, mit Chlor-
caleium entwässert und filtriert. Ich erhielt hier 5,8 g ätherisches
Oel. Auch den Rest des mit Petroläther gewonnenen harzhaltigen
Oeles trennte ich auf diese Weise.
Das harzfreie Oel war von gelber Farbe, aber etwas heller als
das harzhaltige, zeigte reinen Geruch nach Sagapen, ein spezifisches
Gewicht von 0,905 und gab mit metallischem Natrium geglüht deut-
M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 277
liche Schwefelreaktion. Den Gehalt an Schwefel fand ich zu 9,7 Proz.
Es löste sich leicht in Aether, Petroläther, Eisessig, Chloroform,
Benzol, Aceton, weniger leicht in Essigäther und Alkohol. Mit etwas
Alkohol angeschüttelt zeigte sich auf Zusatz von:
Salzsäure schön violette Färbung schon in der Kälte.
Schwefelsäure (verdünnt) anfangs schmutzig violett, nach Erwärmen
und längerem Stehen purpurrot; es schieden sich weilse
Flocken ab.
Schwefelsäure (konzentriert) sofort braunrot, nach längerem Stehen
tief violett, ohne Flockenabscheidung.
Salpetersäure (konzentriert) anfangs gelbbraun, später braunrot, in
dünneren Schichten violett, nach längerem Stehen tief-
violett.
Ammoniak gab milchige Trübung, die sich nach dem Erwärmen
klärte unter Abscheidung weilser Flocken.
Natronlauge ähnlich wie bei Ammoniak.
Bei der Fraktionierung dieses harzfreien Oeles traten ganz
äbnlichke Erscheinungen auf wie bei dem harzhaltigen: zwischen
1000 und 110° einige Tropfen Wasser, zwischen 115° und 150° gelb-
grünes, saures Destillat, zwischen 150° und 180° grünes Oel, zwischen
180° und 210° blaues Oel, zwischen 210° und 240° dunkelblaues Oel,
zwischen 240° und 270° (300°) tiefblaues dickflüssiges Destillat. Der
Rückstand war grünbraun, dickflüssig.
Der zwischen 1500 und 1800 übergegangene Anteil wurde mit
Chlorcaleium behandelt und mit aller Vorsicht reiraktioniert. Dabei
erhielt ich einige Tropfen eines hellgelben Oeles von widerlichem
Geruch, das zwischen 118% und 123% übergegangen war; es reagierte
neutral und gab mit Salzsäure keine Reaktion. Die Quantität war
leider zu gering um nähere Untersuchungen anstellen zu können.
Der Umstand, dafs bei dem mit Wasserdämpfen gewonnenen
Oele bei der Fraktionierung Umbelliferon nicht auftrat, beweist, dafs
das bei der Fraktionierung des mit Petroläther extrahierten Oels
auftretende Umbelliferon in der That einer Verunreinigung dieses
letzteren Oeles mit Harz seine Entstehung verdankt und dafs Um-
belliteron also in diesem Falle nicht etwa aus dem Oele abgespalten
wurde.
[86]
-]
[0 >]
M. Hohenadel: Ueber das Sagapen.
Die sauer reagierenden Anteile der Fraktion verdünnte ich mit
Wasser, setzte Zinkoxyd bis zur Neutralisation zu, erwärmte längere
Zeit auf dem Wasserbade und setzte die Flüssigkeit nach dem
Filtrieren zur Krystallisation weg. Aber selbst nach wochenlangem
Stehen schieden sich keine Krystalle aus. Um doch eventuell zu
der Säure zu gelangen, erhitzte ich den letzten Rest meines Oeles
mit Kalilauge am Rückflufskühler mehrere Tage lang, das Oel nahm
dabei dunkelbraune Farbe an. Nachdem die Verseifung beendet
schien, wurde mit Wasser versetzt, mit verdünnter Schwefelsäure
angesäuert und mit Aether ausgeschüttelt. Dabei erhielt ich kaum
zwei bis drei Tropfen einer gelbbraun gefärbten Flüssigkeit, die
einen intensiven Geruch nach Valeriansäure hatte. Leider gelang
es mir auch hier nicht ein Salz darzustellen. Es mögen ganz ähnliche
Verhältnisse beim Sagapenöl obwalten wie beim -Galbanumöl, bei
dem Conrady vermutet, dals es ein flüssiger Ester sei, der
möglicherweise grofsenteils aus Bornylvalerianat besteht, während
das Terpen darin gelöst enthalten ist. Wir dürften es hier ebenfalls
mit dem Ester eines Oelalkohols zu thun haben, die Tschirch!)
mit dem Namen Oleole belegt.
Es lag nahe, Vergleichungen anzustellen zwischen den hoch-
siedenden blauen Anteilen des Sagapenöles und denen anderer Oele
wie Galbanum, Asa foetida, Chamillen etc. Zu diesem Zweck stellte
ich mir dar: Blauöl von Asa foetida durch trockene Destillation des
Harzes, ferner solches von Valeriana officinelis und Inula Helenium
durch Fraktionierung der Handelsöle Zur Verfügung stand mir:
Blaues Galbanumöl aus der Sammlung des Pharmac. Institutes Bern.
(Das Oel war gewonnen durch trockene Destillation des Harzes
und schon über 21 Jahre in zugeschmolzenem Glasrohr aufbewahrt.)
Sodann blaues japanisches Baldrianöl, Blauöl von Artemisia Absynthium
und Achrllea Millefolium, die letzteren durch die Güte von Schimme
& Comp. erhalten.
Dafs diese blauen Oele in naher Beziehung zu einander stehen,
ist schon ersichtlich aus den Temperaturen, bei denen sie über-
destillieren.
1) Pringsheim’s Jahrb. 1893 No. 373.
[89
-ı
be)
M. Hohenadel: Ueber das Sagapen.
Blauöl von Sagapen zwischen 2100 und 2709
# „ Valerian. office. „ 2100 ,„ 2650
r „ Asa foetida a 230 „2800 (3000)
n „ Inula Helen. „ 2100 „ 2600
2200 „3000 (Küchler)
e „ Galbanum ni
Ganz besonders tritt die Verwandtschaft namentlich der rekti-
fizierten Blauöle zu Tage bei der spektralanalytischen Untersuchung.
Apparat und Methode wurden angewendet wie sie Tschirch im
Archiv der Pharmacie 1884 beschrieben hat.
Da das auf kaltem Wege extrahierte Oel von Sagapen niemals
die alsbald zu beschreibenden spektralanalytischen Reaktionen giebt,
so unterliegt es keinem Zweifel, dafs das blaue Oel ein pyrogenes
Zersetzungsprodukt ist.
Sämtliche Beobachtungen wurden vorgenommen in direktem
Sonnenlicht.
Das blaue Sagapenöl zeigt bei einer Schichtendicke von
7 mm ein schmales Band in Rot zwischen 4 = 0,645 « und A = 0,660 u,
ein etwas breiteres verwaschenes Band zwischen 4 = 0,583 « und
4 = 0,610 «, ein mattes in seiner Lage nicht genau festzustellendes
bei A = 0,550 und 4 = 0,570 «. Rot, Blau und Violett werden
durchgelassen.
Bei 12 mm Schichtendicke erscheint ein neues Band im Rot
bei 4 = 0,720 « — A = 0,740 «. Das erste oben erwähnte Band
im Rot ist jetzt dunkel und scharf konturiert und liegt zwischen
4 = 0,645 „ und A = 0,665 „«. Das Band im Gelb ist mit dem
Band im Grüngelb verschmolzen und bildet nunmehr ein breites
gegen Grün verwaschenes, um 4 = 0,600 « am dunkelsten er-
scheinendes Band zwischen 4 = 0,615 «x und 4 = 0,550 a. Bei
dieser Schichtendicke wird Rot, Grün, Blau und Violett noch durch-
gelassen ; im durchfallenden Lichte tiefblau.
Bei 19 mm Schichtendicke hebt sich das Band im Rot, welches
nunmehr eine grölsere Breite bekommen hat, kräftiger hervor
zwischen 4 = 0,720 « und A} = 0,750 «. Das zweite Band im Rot
ist mit den Bändern im Gelb und Gelbgrün zu einem breiten Band
verschmolzen, ist gegen grün verwaschen und liegt ungefähr zwischen
280 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen.
, = 0,530 « und 4 = 0,675 «. Rot, Grün, Blau, Violett werden
noch durchgelassen ; im durchfallenden Lichte tiefblau.
Bei 28 mm Schichtendicke sieht man aufser dem Bande rechts
neben Fraunhofer A nur ein breites Absorptionsband zwischen
4 = 0,690 « und ca. 4 = 0,510 «. Bei höheren Schichtendicken
verschmilzt auch das Band im Rot zwischen 4 = 0,750 « und
4 = 0,720 « mit den übrigen Bändern. Bei direkter Sonne wird
Ultrarot und etwas Blau durchgelassen etwa zwischen 4 = 0,440 u
and — 0.470.
Japanisches Baldrianöl (von Schimmel u. Co.) ist
lichtgraublau, im durchfallenden Lichte grauviolett; zeigt die gleichen
Bänder an der gleichen Stelle wie Sagapenöl. Bei 55 mm Schichten-
dieke liegt Band 1 zwischen 4 = 0,720 « und 4 = 0,740 «, Band 2
zwischen / = 0,645 « und 4 = 0,665 «, Band 3 zwischen 4 = 0,585 «
und4=0,613 a. Diese drei Bänder sind deutlich und scharf konturiert,
Band 4 undeutlich begrenzt bei 4 = 0,550 « und 4 = 0,570 «. —
Bei 115 mm Schichtendicke wird nur Rot durchgelassen zwischen
) = 0,670 « und 4 = 0,780 «. Band 1 deutlich und scharf.
Wermutöl (von Schimmel u. Co.) zeigt braungraues Aus-
sehen mit einem Stich ins Grüne; das Spektrum weniger deutlich:
Bei 4 mm Schichtendicke zeigt sich Absorption des Violett und
Blau bis gegen 4 == 0,500 «. Band 1 hebt sich nur undeutlich von
der Endabsorption des Rot ab. Band 2 zwischen 4 = 0,650 « und
, = 0,665 „« sehr deutlich. Band 3 undeutlich begrenzt um
» = 0,600 u.
Bei 8 mm Schichtendicke erscheint es im durchfallenden Lichte
orange. Band 1 deutlich, Band 2 und 3 zu einem undeutlich be-
grenzten Bande zasammengeflossen. Die Endabsorption reicht bis
= 0,530 «. Band 4 nicht deutlich. Noch dickere Schichten lassen
nur Ultrarot durch.
Oleum Millefolii (von Schimmel u. Co.) hat grüngelbe
Farbe, erscheint im durchfallenden Lichte schön grün. Bei einer
Schichtendicke von 20 mm hebt sich Band 1 von der Endabsorption
kaum ab zwischen } = 0,710 « uud A = 0,740 «a. Band 2 zwischen
4 = 0,645 « bis 4 = 0,665 «a. Band 3 liegt um 4 = 0,600 «, etwa
M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 281
zwischen # = 0,580 «= und 4 = 0,605 «. Blau und Violett werden
bis 4 = 0,460 « absorbiert.
Auch bei einer Schichtendicke von 30 mm, wobei das Oel iın
durchfallenden Lichte gelbgrün erscheint, ist Band 4 noch nicht
deutlich, oder doch nur als ein Schatten von Band 3 gegen das
stärker gebrochene Spektrumsende hin sichtbar. Band 2 ist mit
3 verschmolzen, Band 1 relativ scharf konturiert. Die Endabsorption
ist bis gegen 4 = 0,500 « vorgerückt. Es werden nur grün und
rot durchgelassen, bei noch höheren Schichten nurmehr rot.
Blauöl von Asa-foetida, erhalten durch trockene
Destillation des Harzes und Fraktionierung des Destillationsproduktes.
Zur Untersuchung wurden verwendet die zwischen 200° und 220°
übergegangenen Anteile. — Bei einer Schichtendicke von 6 mm zeigt
das tiefblau gefärbte Oel Band 1 von 4 = 0,720 « bis 4 = 0,750
deutlich und dunkel, Band 2 von 4 = 0,650 « bis 4 = 0,675 a, gegen
gelb verwaschen ; Band 3 von 4 = 0,620 « bis = 0,580 «; Band 4
undeutlich und verwaschen, mit Band 3 verschmolzen und als ein
Schatten erscheinend etwa bei 4 = 0,560 «, verschmilzt später voll-
ständig mit 3. Bei dieser Schichtendicke wird violett noch durch-
gelassen. Bei höherer Schichtendicke verschmilzt zunächst Band 3
mit 4 und dann auch Band 2 mit 3 und 4.
Blaues Galbanumöl. Schichtendicke 4 mm, Farbe tief-
blau. Band 1 von 4 = 0,720 » bis 4 = 0,740 a; Band 2 von
4 = 0,645 a bis = 6,665 “; Band 3 undeutlich und verwaschen,
bereits mit Band 4 zu einem breiten Band verschmolzen ungefähr
zwischen 4 = 0,545 „ und 4 = 0,620 a. Immerhin ist das Band um
4 = 0,600 „ entschieden dunkler. Dicke Schichten (von 8 mm) lassen
nur Ultrarot über = 0,750 und Blau zwischen 4 = 0,440 » und
„= 0,470 » durch, doch hebt sich Band 1 noch gut von dem
Uebrigen ab.
Grüngelbes Oel von Inula Helenium. Fraktion
von 210° bis 260°. Das Oel fluoresziert deutlich blau. Bei einer
Schichtendicke von 32 mm erscheint das Oel im durchfallenden Lichte
orange, absorbiert blau und violett bis = 0,490 «, zeigt ein un-
deutliches, mattes, an den Rändern verwaschenes Band zwischen
4 = 0,610 und 4 = 0,550 », welches dem Bande 3 und 4 entsprechen
würde. Von Band I und 2 ist nichts zu sehen.
282 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen.
Blaugrünes Oel von Valeriana officinalis. Fraktion
zwischen 210° und 265°. Schichtendicke 20 mm. — Band 1 hebt sich
von der Endabsorption noch nicht deutlich ab, doch ist es zwischen
4 = 0,720 « und 4 = 0,750 « zu sehen; Band 2 ist dunkel, hebt sich
gut ab zwischen A = 0,650 « und 4 = 0,670 „a; Band 3 ist gut diffe-
renziert aber matt zwischen # = 0,590 «x und 4 = 0,610 «. Band 4
zwischen 7 =0,555 « und y = 575 « sehr matt, undeutlich begrenzt.
Violett wird absorbiert. Bei einer Schichtendicke von 27 mm reicht
die Endabsorption des Blau bis 4 = 0,455 «; Band 3 ist mit Band 4
verschmolzen. Band 1 und 2 treten deutlich und kräftig hervor.
Blaugrünes Oel von Matricaria Chamomilla.
(unfraktioniert. Schimmel u. Co.). Bei 4 mm Schichtendicke er-
scheint ein breites verwaschenes Band zwischen 4 = 0,550 « und
4 = 0,700 «. Die Endabsorption ist bis 4 = 450 « vorgerückt. Rot
wird nur wenig durchgelassen; das von der Flüssigkeit durch-
gelassene Licht ist blaugrün. —, fast nur Blau und Grün werden
durchgelassen. Das breite Band scheint aus mehreren zusammen-
geflossen zu sein. —
Es möge hier angefügt sein das Spektrum des gelben Sagapen-
öles, das mit Alkohol angeschüttelt und mit einigen Tropfen Salpeter-
säure versetzt war. Die Farbe ist rein violett. Einige Tropfen
zeigten ein dunkles gut begrenztes Band zwischen 4 = 0,540 « und
4 = 0,560 «, welches bei steigender Schichtendicke dunkler und
breiter wird. Steigert man die Schichtendicke, so liegt dasselbe als
ein breites schwarzes Band zwischen 4 = 0,538 « und 4 = 0,562 ..
Das Maximum der Absorption liegt bei A = 0,550 «. Daneben ist
ein zweites mattes Band erschienen zwischen 4} = 0,590 «x und
A= 0,610 «. Violett und Blau werden durchgelassen. Bei noch
höherer Schichtendicke liegt das erstgenannte Band gegen Gelb gut
abgegrenzt, gegen Grün verwaschen zwischen 4 = 0,568 „ und
i = 0,530 «. Das zweite Band hat sich ein wenig verbreitert, es
liegt zwischen 4= 0,588 « und 4 = 0,612 „. Bei noch höherer
Schichtdicke verschmelzen die beiden Bänder zu einem, welches
zwischen } = 0,612 «x und 4 = 0,500 a liegt. Die Flüssigkeit er-
scheint hier im durchfallenden Licht fuchsinrot. Dicke Schichten
lassen Blau, Blaugrün und Rot durch.
M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 283
Zusammenstellung:
Schichten- rer 3
Blaues Oel von dicke. Absorptionsbänder.
Sagapen 12 mm 1A = 0720 x — A = 0,740 u
2 = 0,685 u — ) = 0,665 12
34 = 0615 u — 0,550 #
Japan. Baldrianöl. 55 mm I 2.0202 2 020
21 = 0,685 u — 1 = 0,665 u
Be 1 ee 1 77
4.4 = 0550 I II
Ol. Millefolii 20 mm 1A — Walz NN a
2 ı = 0,645 «u — 4 = 0,665 u
34 = 0,580 «x — A = 0,605 u
4 undeutlich.
Asa foetida 6 mm li —0,/20 2a —I W504
24 = 0,650 « — 4 = 0,675 u
34 = 0,620 u -- A = 0,580 u
4 undeutlich.
Galbanum 4 mm 1A = 0,720 vu — A = 0,740 u
N — 0,6415 2 1 —- Vom
3) 2 — 0,545 u —
4f verwaschen , _ 06% u
Valeriana 20 mm IT A= 02027 > 00er
offieinalis 2A = 0,650 u — A = 0,670 u
= 050 a — 20610
4A = 0555 « — A = 0,575 matt..
Ol. Absynthü 4 mm 1 undeutlich
24 =0650 u. —-— A = 0665 u
34 = 0,600 « (ca.)
4 verwaschen.
Ueber das blaue Chamillenöl berichtet J. Kachler:), be-
schreibt die Rektifikation desselben und vergleicht die hochsiedenden
Anteile desselben mit denen des blauen Galbanumöles, das
Mössmer?) untersuchte. Kachler findet eine grolse Aehnlichkeit
1) Bericht der chem. Gesellsch. Bd. IV. 36. 1871.
2) Annalen der Chemie OXIX. 257.
284 M. Hohenadel : Ueber das Sagapen.
bezüglich des Geruches, doch einen beträchtlichen Unterschied was
ihre Zusammensetzung betrifft:
Blaues Chamillenöl Blaues Galbanumöl
281— 2890 289 —290%9 n. Mössmer
Me = 79,25 83,74
Mittel H — 10.40 11.43 Mittel
Auch ©. Wolff!) arbeitete über das blaue Chamillenöl und
untersuchte dasselbe spektroskopisch. Seine Messungen ergaben für
die alkoholische Lösung des Oeles für die drei Absorptionsmaxima
im prismatischen Spektrum: a3lB, B23C—C8D, C60D-—.D.
K. Hock?) untersuchte ebenfalls verschiedene blaue Oele mit
dem Spektralapparat und fand, dafs alle die nämlichen Absorptions-
bänder geben. Ertolgert daraus, dafs alle einen gemeinsamen blauen
Farbstoff — Azulen — besitzen. Er glaubt ferner, dafs dieser blaue
Körper manchmal schon in der Pflanze vorgebildet ist, oder doch
bei der Destillation mit Wasser erzeugt wird, während man ihn in
anderen Fällen erst durch Zersetzung bei höherer Temperatur er-
hält. Hock weist dann noch darauf hin, dafs der blaue Farbstoff
an der Luft sehr unbeständig ist, da die Färbung bald in ein
schmutziges Braun übergeht.
Durch meine Untersuchungen dürfte — abgesehen von einer
genaueren spektralanalytischen Charakterisierung des Azulens — fest-
gestellt sein, dafs das letztere nicht in den Oelen vorgebildet ist,
wohl aber ein sehr regelmälfsig bei den verschiedensten Oelen auf-
tretendes meist pyrogenes oder schon bei der Destillation mit Wasser-
dampf entstehendes Zersetzungsprodukt einer bisher unbekannten
Muttersubstanz ist.
Il. Botanischer Teil.
Aus der Droge wurden mehrere Stücke ausgelesen, die leicht
als Stengelorgane erkannt werden konnten. Anatomisch untersucht
zeigten dieselben einen Bau, wie er bei Umbelliferen häufig vor-
kommt: Auf eine ziemlich grofszellige Epidermis folgt ein breiter
Kollenchymring von verschiedener Dicke, in den die zahlreichen
schizogenen Sekretbehälter halb eingebettet sind. Der Kollenchym-
panzer ist am dicksten in den Längsleisten, die in dem Stengel vor-
1) Pharmac. Ztg. No. 82. 1378,
2 Archiv d. Pharmacie 1883. 17.
M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 285
handen sind, und fehlt oft ganz in den Rinnen. Die Sekretbehälter
erreichen einen aufserordentlichen Durchmesser, sind langgestreckt,
liegen ziemlich dicht nebeneinander, folgen überhaupt im Bau dem
Typus der Umbelliferen. Dann folgt ein lockerer Ring grolser
Gefälsbündel, die aufsen mit einem enormen Bastzellbeleg versehen
sind, der nicht selten eine Tiefe von 8 Zellen und eine Breite von
25 Zellen besitzt. Der Siebteil der Bündel ist fast regelmälsig stark
obliteriert; der Gefäfsteil besteht vornehmlich aus zahlreichen, ziem-
lich weiten Gefälsen, die grölsten Bündel liegen unter den Längs-
rippen des Stengels. Hier folgt also aufeinander von aufsen nach
innen: ein breiter Kollenchymbeleg, ein grofser Sekretgang, Bast-
beleg, Siebteil und Gefälsteil. Im Innern des Stengels finden sich
zahlreiche isolierte Gefäfsbündel, von denen die meisten einen zarten
Bastzellbeleg am Siebteil und rechts und links davon, dem Siebteil
angelagert, je einen grolsen schizogenen Sekretgang führen. Dieser
Bau läfst keinen Zweifel darüber, dafs wir es mit dem Stengel einer
Umbellifere zu thun haben und zwar wahrscheinlich mit einer Ferula.t)
Aulser den Stengelteilen fanden sich in der Droge auch noch
einige Früchte, die ebenfalls zweifellos zu einer Umbellifere gehören
wie sowohl die morphologische als anatomische Untersuchung zeigte.
Besonders der Bau der Aleuronkörner liefsen einen Zweifel an der
Zugehörigkeit zu einer Umbellifere nicht aufkommen.
Das Gleiche gilt von den ebenfalls ausgelesenen Blüthenstand-
axen. Alle aus der Droge gesammelten Organe sind also sämtlich
oberirdisch, so dafs eine Gewinnung des Sagapens aus der Wurzel
nicht wahrscheinlich erscheint.
Eine vergleichend morphologisch - anatomische Untersuchung
der aus der Droge ausgelesenen Pflanzenreste mit Herbarmaterial
von Ferula persica und Ferula Scovitziana aus dem Herbier
Boissier, Genf, die bezeichnet waren mit „Ferula persica Willd.
Persia. Dr. Buflse 1847 und Zerula Szovitsiana, Nakitschiwan,
Szovits — und die ich Herrn Konservator Autrand verdanke —
ergab als einziges sicheres Resultat, dals die im Sagapen vor-
kommenden Pflanzenreste zweifellos zu einer Ferula gehören. Der
Bau der Vegetationsorgane, besonders des Stengels, sowie der Frucht-
it) Dgl. Tschirch, Angew. Anatomie 478 u. Arch. d, Pharm, 1886.
286 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen.
schale (besonders der Querzellenschicht) liefsen hierüber keinen
Zweitel. Jedoch stimmte der Bau des Stengels weder vollständig
mit dem von Ferula persica nach dem von ZFerula Szovitsiana über-
ein. Da die aus der Droge ausgelesenen Früchte sämtlich stark
beschädigt waren, liefs sich nicht mehr entscheiden, ob dieselben
einen breiten Flügel, der für die Früchte von Ferula Szovıtsiana
charakteristisch ist, besessen haben, oder nicht. Die Frage, ob
Ferula Szovıtsiana wirklich die Stammpflanze ist, wäre gelöst, wenn
sich in der Droge die breitgeflügelten Früchte dieser Pflanze vor-
fänden.
Die Ergebnisse vorliegender Arbeit sind folgende:
Sagapen enthält 56,8 Proz. ätherlösliches Harz
233°, "Gummi
35 „ Wasser
10,6 „ Verunreinigungen,
5,8 „ ätherisches Oel.
Im Reinharz fanden sich
ca. 15,7 Proz. gebundenes Umbelliferon
0,11—0,15 Proz. freies Umbelliferon
40 Proz. Sagaresinotannol. Ca, Has O;.
Im ätherischen Oele konnte ich 9,7 Proz. Schwefel nachweisen.
Das Harz ist ein Aether und zwar ein Umbelliferon-Sagaresino-
tannoläther. Denn bei der Verseifung mit Schwefelsäure wurde
einerseits Umbelliferon frei, das durch Reaktionen, Schmelzpunkt und
Verbrennungen als solches festgestellt wurde; andererseits resultierte
das Sagaresinotannol, das Gerbstoffreaktion gab und im Stande war,
sowohl Benzoyl- als Acetylverbindungen einzugehen.
Infolge dieser Eigenschaften ist Sagaresinotannol als Alkohol
anzusehen und seine Verbindung mit Umbelliferon muls äther-
artig sein.
Die Behandlung des Sagaresinotannols mit Salpetersäure lieferte
keine Kampfersäure, sondern Oxypikrinsäure . C; H (NO,); (OH)3.
Dr. ©. Boettinger: Ueber Kohlenhydrate. 287
Zur Kenntnis der Glyoxylsäure.
VI. Abteilung.
Verhalten gegen Kohlenhydrate.
Von Dr. Carl Boettinger.
(Eingegangen den 15. 5. 1895.)
Vor kurzem habe ich in diesem Archiv 1895, 233. 125 einige
Andeutungen über das Verhalten der Glyoxylsäure gegen Trauben-
zucker mitgeteilt. Auf den folgenden Blättern erlaube ich mir
diesen Bericht zu vervollständigen und weitere Beobachtungen an-
zuführen, von welchen ich glaube, dafs sie einiges Interesse bean-
spruchen dürften. Aufser auf Traubenzucker, erstrecken sich die
Versuche auf Stärke, Rohrzucker, Lävulose und Galactose; andre
Zuckerarten vermochte ich nicht in den Kreis meiner Untersuchung
zu ziehen, weil ich dieselben nicht erhalten konnte.
I. Glyoxylsäure und Stärke.
(Die invertirende Eigenschaft der Glyoxylsäure).
Wenn fein zerriebene Stärke mit dem gleichen Gewicht Glyoxyl-
säure von 1.32 spec. Gew. übergossen wird, so verwandelt sie sich
in eine ganz schwach gelb gefärbte, durchscheinende, knollige Masse,
welche auf Zusatz von einigen ccm Wasser in eine weiche, lichtgelbe,
homogene Gallerte übergeht, auf welcher die wässrige Flüssigkeit
steht. Wird die Masse nunmehr auf dem Wasserbade erwärmt, so
löst sich die Gallerte nach kurzer Zeit bis auf einige Häute auf
und es entsteht eine klare Lösung von löslicher Stärke, welche in
verdünntem Zustand von Jodlösung blau gefärbt wird. In der
Lösung findet sich auch eine Zuckerart vor, welche wie der Trauben-
zucker von Fehling’scher Lösung reduziert wird. Es wirkt also die
Glyoxylsäure im Sinne einer Mineralsäure auf die Stärke ein.
Es wurden z. B. 0,5505 g zerriebene Stärke mit 0,4823 g
Glyoxylsäure von 1,32 spec. Gew. und sechs ccm Wasser auf dem
schwachdampfenden Wasserbade mit einander erwärmt. Nach Ablauf
von 15 Minuten war die Stärke aufgelöst und eine Flüssigkeit gebildet,
welche von einigen Häuten weilslich getrübt war. Es wurde nun
288 Dr. ©. Boettinger: Ueber Kohlenhydrate.
noch 3/, Stunden erwärmt, hierauf die Lösung durch Zusatz von
Wasser auf 100 cem gebracht und mit 50 ccm der weilsen
opalisierenden Flüssigkeit, welche auf Zusatz von Ammoniak oder
Natronlauge klar wird, das Reduktionsvermögen von Fehlin g’scher
Lösung bestimmt. Es wurden gefunden 0,127 g Kupferoxyd, ent-
sprechend 0,1014 g Kupter. Diese Kupfermenge entspricht nach der
Tabelle von Alliın 0,0516 g Traubenzucker, welcher aus 0,2752 g
Stärke unter den angegebenen Bedingungen erzeugt worden ist.
Ich habe in diesem Falle, wie überhaupt, das Kupferoxydul
in der Spitze eines gemessenen Filters gesammelt, getrocknet und
hernach durch längeres Glühen in Kupferoxyd übergeführt. Nach
Befeuchten des letzteren mit rauchender Salpetersäura und erneuertem
Glühen fand keine Gewichtsveränderung statt. Es sind also die
Resultate ebenso genau, als wenn das Kupferoxydul im Asbestülter-
röhrchen im Wasserstoffstrom zu Kupfer reduziert worden wäre.
Wenn Stärke mit überschüssiger Glyoxylsäure und ganz
wenig Wasser auf dem Wasserbade erwärmt wird, so scheint sie
noch eine weitere Veränderung zu erleiden, denn wenn man die
Masse dann mit Wasser übergielst und zu der eine ziemliche Menge
einer weilsen, in Wasser unlöslichen Substanz enthaltenden Flüssig-
keit Jod setzt, so entsteht keine Färbung. Setzt man aber erst
überschüssige Natronlauge, dann zur klar gwordenen Lösung Jod und
hierauf Essigsäure, so stellt sich Violettfärbung ein. Demnach
dürfte unter diesen Umständen wahrscheinlich ein Ester der Stärke
gebildet worden sein.
II. Glyoxylsäure und Rohrzucker.
Glyoxylsäure von 1,32 spez. Gew. löst schon bei gewöhnlicher
Temperatur eine beträchtliche Menge gepulverten Rohrzucker auf.
Wird 1 g Rohrzucker mit 0,7 g Glyoxylsäure der angegebenen
Concentration übergossen und die Mischung auf dem Wasserbade
erwärmt, so entsteht nach kurzer Zeit eine farblose, dicke Auflösung,
die aber jetzt Zucker enthält, welche Fehling’sche Lösung reduzieren.
In einem besonderen Falle wurde die erwähnte Mischung etwa eine
Stunde auf dem Wasserbade erwärmt, dann durch Wasserzusatz auf
100 ccm verdünnt. Von 50 cem der klaren, farblosen Lösung wurde
mit Fehlingscher Lösung das Reduktionsvermögen bestimmt. Es
wurden gefunden 0,8378 g Kupferoxyd, was etwa der Invertierung
Dr. C. Boettinger: Ueber Kohlenhydrate. 289
von 70 Prozent des Rohrzuckers entspricht. Die Lösung verändert
sich auf Zusatz von Ammoniak bei gewöhnlicher Temperatur zunächst
nicht, nimmt aber nach einigem Stehen eine gelbliche Färbung
an. Die letztere tritt mit rotgelbem Ton in grofser Intensität auf,
wenn erwärmt wird.
Bevor ich das Verhalten der Glyoxylsäure gegen T’rauben-
zucker erörtere, scheint esmir passend an dieser Stelle, einer andern
Eigenschaft der Glyoxylsäure zu gedenken.
IH. Die gährungshemmende Eigeuschaft der
Glyoxylsäure.
Wie der Formaldehyd ist die Glyoxylsäure, welche ja als
Carbonsäure dieses Aldehydes betrachtet werden kann, ein starkes
Gift für Hefe. Nach meinen Beobachtungen beeinträchtigt der
Zusatz von Glyoxylsäure zu einem wässrigen Gemisch von Prefshefe
oder von Bierhefe und Traubenzucker die Gährung, vorhindert sie
aber nicht vollkommen. Wird aber Glyoxylsäure zu einer wässrigen
Suspension von Hefe gesetzt und nach einer Stunde Traubenzucker
zugefügt, so wird derselbe so gut wie nicht angegriffen. Nach
Ablauf von 36 Stunden stellt sich wieder eine geringfügige Zer-
setzung ein. Da die von einem Bäcker erworbene Prefshefe
zufälligerweise die Gährung selbst nicht sonderlich förderte, habe
ich an ihrer statt die vielfach energischer wirkende Bierhefe verwendet.
Auf Zusatz von Glyoxylsäure zur wässrigen Suspension der Bierhefe
wird diese niedergeschlagen, so dafs sie lange Zeit hindurch ohne
jede sichtbare Bewegung auf dem Boden des Gefälses lagert. Von
den verschiedenen auf den Gegenstand bezüglichen Versuchen sei
der folgende angeführt.
Zu 11g Bierhefe wurden um 11 Uhr 31 g destilliertes Wasser ,
und 0,2 g Glyoxylsäure von 1,32 spez. Gew. gesetzt. Um 12 Uhr
30 Minuten wurden 2 g Traubenzucker eingetragen und die Ver-
bindung des Zersetzungsgefälses mit abgewognen Auffangapparaten
hergestellt.
Nach betrug die
24 Stunden, Gew:chtszunahme des Kalirohrs 0,0200 g; nach weiteren
Bun.’ f x & 0,0125 &
Det y, r L ß 0,0373 g
as, E n Hi 0,0482 g
Bee E R 0,0465 &
oder in 116 Stunden 0,1445 e (Kohlensäure).
Arch. d. Pharm CCXXXIII. Bd. 4. Heft. 19
290 Dr. C. Boettinger: Ueber Kohlenhydrate.
Dieser Versuch zeigt, dals die Glyoxylsäure schon in einer
Konzentration von 0,5 Proz. ein sehr energisch wirkendes Hefe-
gitt ist.
IV. Glyoxylsäure und Traubenzucker.
Es ist mir nicht gelungen ein krystallinisches Derivat des
Traubenzuckers zu gewinnen. Dennoch glaube ich über meine Ver-
suche berichten zu dürfen, da ich ein Reaktionsprodukt habe
isolieren können, welches konstante Zusammensetzung besitzt.
5 g Traubenzucker wurden mit ebenpsoviel Glyoxylsäure auf
dem schwach dampfenden Wasserbade erwärmt, bis vollkommene
Auflösung erzielt war und der beilsende Geruch des Formaldehyds
bemerkbar wurde. Hierauf wurde Methylalkohol zugesetzt und aus
der klaren Lösung durch Zufügen von Aceton weilse, leicht ver-
schmierende Flocken ausgefällt. Diese wurden abältriert, das Filtrat
auf dem Wasserbade bis zum dicken Sirup verdunstet, in welchen
alsdann Aceton eingerührt wurde. Es entstand eine zähe, weilse»
hygroskopische Abscheidung, welche dreimal mit frischem Aceton
durchgearbeitet, dann bis zum Vertreiben des anhaftenden Acetons
aut dem Wasserbade erwärmt wurde. Hierauf wurde der Rückstand
in der eben erforderlichen Menge kalten Wassers aufgelöst und die
Lösung im kalten Exsiccator verdunstet. Sie hinterlie/s einen fast farb-
losen, zähen, in kaltem Wasser sehr leicht löslichen, hygroskopischen
Sirup, welcher nicht die geringste Tendenz zum Krystallisieren
wahrnehmen liefs. Die wässrige Lösung desselben reagiert schwach
sauer. Wird sie auf dem Wasserbade erwärmt, so nimmt die saure
Reaktion aulserordentlich rasch und stark zu, besonders wenn sie
hin und wieder durch Eintröpfeln von Ammoniak autgehoben worden
ist, offenbar weil sich ein in der Flüssigkeit befindlicher Ester in
seine Komponenten spaltet. Auf Zusatz von Ammoniak färbt sich
die kalte wässrige Lösung der Substanz zunächst nicht, sie wird
aber allmählich schwach gelb. Beim Erwärmen tritt eine starke rotgelbe
Färbung auf. Versuche, die Substanz in salzartige Verbindungen
von einheitlichem Charakter überzuführen, scheiterten an ihrer Spalt-
barkeit. Von der Beschreibung der Versuche nehme ich Abstand.
Den Analysen zufolge kommt dem Sirup die Zusammensetzung
08,0% +0 = ,H»9, +0%H,0;+H,0
zu, bei 85° wird er wasserfrei.
Dr. ©. Boettinger: Ueber Kohlenhydrate. 291
1. 0,4307 g Substanz verloren bei 850 0,0300 g H,O oder 6,96 Proz.
0,4007 g entwässerte Subst. lieferten 0,5508 g CO, u. 0,218 gH, 0,
0,315 g Substanz verloren bei 850 0,0231 g H,O oder 7,26 Proz.
0,2949 g entwässerte Subst. lieferten 0,4089 g CO; u. 0,1668 g H,O.
3. 0,3167 g Substanz verloren bei 850 0,0217 g H,O oder 6,85 Proz.
0,295 g entwässerte Subst. lieferten 0,4095 g CO, u. 0,1643 g H,O.
15
Berechnet: Gefunden:
C,H, 0, + H,0 1: 2. a
für H,O = 6,61 Proz. 6,96 Proz. 7,26 Proz. 6,85 Proz.
Berechnet Cg Hy, 09
0 = 37,79 Proz. 3749. 7. 37,82 „ 37.30.2435
H= 551 „ ER 6,28 „ 6,19%
Die aus vorstehenden analytischen Bestimmungen abgeleitete
Zusammensetzung der Substanz entspricht auch deren Reduktions-
vermögen gegen Fehling’sche Lösung.
Es wurden 0,3434 g bei 850 entwässerte Substanz in 100 ccm
Wasser aufgelöst.
30ccm Lösung enthaltend 0,10302g Substanz lieferten 0,1715g Kupferoxyd.
7004 h „0.240388 n „0,3958 h
Die Resultate ergeben nach der Tabelle von Allihn um-
gerechnet 67,9 Proz., resp. 69,2 Proz. Traubenzucker, während die
Zusammensetzung der Substanz Oz H,, Og = 70,9 Proz. Traubenzucker
verlangt. —
Die acetonhaltige Mutterlauge von dem beschriebenen Körper
hinterläfst nach dem Vertreiben des Acetons einen Sirup, dessen
wässerige Lösung beim Erwärmen mit verdünntem Ammoniak eine
aulserordentlich intensiv rotgelbe Färbung giebt. Dieser Sirup,
welcher bei 85° 14,65 Proc. Wasser verlor, mufs der Bereitungs-
weise entsprechend in 100 Teilen mehr Glyoxylsäure, demnach
weniger Traubenzucker enthalten, wie die oben erwähnte Substanz,
deren Menge er bei weitem nicht erreicht, Dies gelangt auch
bei der Bestimmung des Reduktionsvermögens des bei 85° ent-
wässerten Sirups zum Ausdruck, denn es lieferten 0,2242 g trockene
Substanz 0,2401 g Kupferoxyd, welche nach der Tabelle von Allihn
0,100 g Traubenzucker oder 44,6 Proz. Traubenzucker entsprechen.
Nun verlangt eine Substanz von der Zusammensetzung
0; H3;2 0, + 20, H, 0,:55,5 Proz.
Traubenzucker, eine nach C,H, 0, +30,H, 0, zusammengesstzte
45,4 Proz. Traubenzucker.
19*
292 Dr. ©. Boettinger: Ueber Kohlenhydrate.
V. Glyoxylsäure und Lävulose und Galaktose.
Von Lävulose gelangte ein sirupförmiges Präparat für mikros-
kopische Zwecke der Firma E. Merck zur Verwendung, welches sich
ohne weiteres mit Glyoxylsäure vermischen liefs. Dabei trat keine
Temperaturerhöhung ein. Die farblose Mischung blieb auch nach
monatelangem Stehen flüssig. Sie wurde darum auf dem schwach
dampfenden Wasserbade längere Zeit erwärmt und schliefslich mit
Aceton durchgearbeitet, welches einen zähen Stoff zur Abscheidung
brachte, welcher wiederholt mit frischem Aceton durchgearbeitet wurde.
Die Abscheidung ist in Wasser leicht löslich. Die Lösung wird beim
Erwärmen mit Ammoniak gelb, aber erlangt bei weitem nicht die
Farbenintensität wie die Lösung des Traubenzucker- resp. Galaktose-
derivats. Auch der in Aceton leicht lösliche Anteil des Produktes
giebt beim Erwärmen seiner wässerigen Lösung nur eine gelb-
gefärbte Flüssigkeit.
Ich habe den von Aceton abgeschiedenen Teil bei 85° getrocknet
und dann sein Reduktionsvermögen festgestellt. Es lieferten 0,2312 g
trockene Substanz 0,295 g Kupferoxyd, welche gemäls der Tabelle
von Allihn 0,1234 g Traubenzucker oder 53,8 Proz. entsprechen.
Nach diesem Resultat scheint dem getrockneten Lävulose-
derivat die Zusammensetzung ©, H,s 0, + 2C,H, 0, zuzukommen,
denn für dieselbe berechnet sich 55,5 Proz. Traubenzucker.
Die Galaktose ist bei weitem nicht so leicht in Glyoxylsäure
löslich, wie der Traubenzucker. Erst bei längerem gelinden Er-
wärmen verwandelte sich die Mischung in einen zähen Sirup, welcher
beim Einrühren von etwas Methylalkohol dünnflüssig wurde und
dann bei langem Stehen etwas unveränderte Galaktose auskrystallisieren
liefs, von welcher die überstehende Lösung abgegossen wurde. Beim
Einrühren von Aceton in dieselbe erfolgte erst Mischung und dann
Abscheidung einer in Wasser und Methylalkohol ganz leicht lös-
lichen teigigen Masse, welche bei andauerndem Durcharbeiten mit
frischem Aceton fadenziehend wurde. Die Abscheidung löste ich in
Methylalkohol, filtrierte einige weilse Flocken ab und verdampfte in
gelinder Wärme. Es hinterblieb ein farbloser, zäher Sirup, welcher
nicht zum Krystallisieren gebracht werden konnte. Die farblose
wässerige Lösung desselben erlangt auf Zusatz von Ammoniak schon
einen schwach gelben Stich und wird beim Erwären intensiv gelb
a
Dr. C. Boettinger: Ueber Kohlenhydrate. 293
gefärbt. Die Stärke dieser Färbung wird noch übertroffen von der,
welche der Rückstand des Acetonauszuges bei gleicher Behand-
lung liefert.
0,2037 g bei 850 entwässerte Substanz lieferten 0,2893 g Kupferoxyd.
Wenn man der Berechnung die von Soxhlet ermittelten
Werte zu Grunde legt, nämlich dafs ein Molekül Galaktose bei Ver-
wendung normaler Fehling'scher Lösung 4,9 Moleküle Kupfer-
oxyd reduziert, so würde dies aut einen Gehalt von 65,7 Proz.
Galaktose in der untersuchten Substanz hinweisen, wonach also die
Substanz in der Zusammensetzung mit dem Traubenzuckerderivat
übereinstimmen würde.
Schlufs.
Gemäls den im Vorstehenden beschriebenen Resultaten müssen
wir der Glyoxylsäure eine bedeutende Rolle im Haushalte der organi-
schen Natur zuschreiben. Wir sehen diese Säure der Stärke und
dem Rohrzucker gegenüber ausgestattet mit dem Charakter einer
Mineralsäure; aber noch mehr, das Produkt der Invertierung wird
durch die gährungsfeindliche Eigenschaft derselben Säure vor der
Zerstörung geschützt und gelangt dank der lösenden Eigenschaft
der Säure in eine Beschaffenheit, dafs es überall hin mit der gröfsten
Leichtigkeit transportiert werden kann. Sonach drängt sich die Ver-
mutung auf, die Glyoxylsäure möchte im Lebensproze[s aus der
Kohlensäure entstehen. Wir können sie ja auch betrachten als
Formaldehyd, in welchem ein Wasserstoffatom durch den Carboxylrest
ersetzt ist, und in der That zerfällt die Säure leicht in Kohlensäure
und den genannten Aldehyd, welchen ja von Baeyer als das erste
Reduktionsprodukt der Kohlensäure betrachtet und dessen Konden-
sationsfähigkeit die Forschungen der letzten Jahre haben erkennen
lassen. Im Sinne der Hypothese von v. Baeyer würde die Glyoxyl-
säure das erste Kondensationsprodukt des Formaldehyds mit Kohlen-
säure sein, die Mesoxalsäure dagegen das zweite Kondensations-
produkt derselben Faktoren. Dafs aber die Kohlensäure unter Ab-
gabe von Sauerstoff, vielleicht in der Form von Wasserstoffsuperoxyd,
in Formaldehyd übergeht, mufs noch ebenso bewiesen werden, wie
die in folgenden Zeichen versinnlichte Annahme, welche sich keines-
wegs deckt mit der Vorstellung von Liebig:
294 P.C. Plugge: Baptitoxin.
| + H,0 = Oxalsäure und Glykolsäure.
|
|
o
A
Darmstadt, 14. Mai 1895.
Chem. Technisches Laboratorium (Privat).
Untersuchungen aus dem pharmaceutischen
Laboratorium der Universität in Gröningen.
Ueber die Identität von Baptitoxin und Cytisin.
Von Dr. P. C. Plugge.
(Eingegangen den 25. Mai 1895).
Die Baplisia tinctoria R. Br., die nach Dr. v. Schroeder!) das
vorerwähnte Alkaloid in seiner Wurzel enthält, ist eine perennierende,
gewürzartige Pflanze aus der Familie der Leguminosae Paptlionaceae,
Serie der Podalyriae, die in den Vereinigten Staaten Nord-Amerikas
vorkommt und dort unter dem Namen „wild Indigo“ als Arzneimittel
angewandt wird.
Der Teil der in der Arzneikunde verwendeten Pflanze ist die
Wurzel, die aufser zur Bereitung eines Absuds auch noch zur
Verfertigung eines Fluid extract of wild Indigo und eines s. 8.
Concentration-Baptısin benutzt wird.
Das Fluidextract wird bereitet durch Auszug der Wurzel
mit 50prozentigem Alkohol und durch Eindünstung zu einer derartigen
Konzentration, dals 1 cem des Fluidextracts übereinstimmt mit
1 g Wurzel.
Das Baptisin gehört zu der Gruppe der Arzneimittel, welche
namentlich in Amerika unter dem Namen „Concentrations“ bekannt
1) Revue des Sciences medicales 1886. Chem. Ztg. Oktober 1885.
Dujardin-Beaumetz et Egalse P. 7.
P. C. Plugge: ZBaptitoxin. 295
sind, wozu u.a. das Chimaphilin, Evonymin, Cimifugin
oder Maerotin, aber auch ein Gelsemin, Aconitin,
Atropin und viele andere gehören, welche nach einem sehr zu
mifsbilligendem Gebrauch diese für die Alkaloide und Glukoside
üblichen Namen führen, trotzdem dafs sie davon in der Zusammen-
setzung und an pharmacodynamischem Werte sehr verschieden sind.
Sind doch die „Concentrations“ Mischungen wirksamer und unwirk-
samer Pflanzenstoffe, welche nicht nur sehr verschieden sind von
den reinen Prineipia activa der Pflanzen, sondern auch unter dem-
selben Namen je nach den angewandten Bereitungsweisen, sehr von
einander abweichen,
Dujardin - Beaumetz und Egafse!) nennen das
Baptisin „un remede eclectique dont la composition varie beaucoup
et: que l’on obtient en precipitant par l’eau la solution alcoolique.“
Während diese Bereitungsweise in der That für das amerikanische
Baptisin angewandt wird, erhielt ich von E. Merck in Darmstadt
ein Baptisin, über dessen Bereitung er also berichtet: „Die Wurzel
von Baptisia tinctoria wird mit heilsem Weingeist ausgekocht, der
Weingeist abdestilliert und das Extrakt mit Wasser verdünnt. Das
Baptisin wird mit Tannin gefällt, und der Niederschlag mit Bleioxyd
zersetzt.“
Was den therapeutischen Gebrauch dieser Heilmittel betrifft,
so wird erwähnt, dafs sie — die Wurzel in der Form eines Decoctums
60—600, das Fluidextract in Gaben von 5—15 Minims und
das Baptisin in Dosen von 1—4 Gran (0,065—0,260) — sowohl aus-,
als inwendig als Tonica, Antiseptica, Purgantia, Emetica, Emmena-
goga etc. mit gutem Erfolg wider viele Krankheiten eingegeben
sind, als Skarlatia, Febris typhoidea, Dysenterie, Erysipelas, Rheu-
matismus und Geschwüre.
Parke, Davis and Co. erwähnen den wilden Indigo in
folgender Weise in ihrem „Descriptive Catalogue 1894. P. 223:
Baptisıa tinctoria R. Brown. Purgative, emetic, astringent, antiseptic;
used principally on account of the latter virtue. Employed in atonic
diseases, in scarlatina, typhus and all cases where there is a ten-
dency to septicaemia; externally as a wash, or ointment for ill
conditioned ulcers.“
1) Les plantes medicinales. P. 89,
296 P.C. Plugge: Baptitoxin.
Dafs ein so hoch gelobtes Heilmittel auch schon mehrmals
einer chemischen Untersuchung unterworfen wurde, liegt auf der
Hand.
B. L. Smedley!) behauptete, dals er daraus ein Alkaloid
isoliert habe, dessen Sulfat „yielded perfectly transparent crystals,
in plates similar to those of potassie chlorate.* Doch J. A.
Warner,?) der die Untersuchung nach der Beschreibung Smed-
ley’s wiederholte, kam zu der Folgerung, dafs das krystallinische
Sulfat des letztgenannten Forschers nur Gips sein könne. Warner
selbst will ein Alkaloid daraus abgeschieden haben mittels Jodkalium-
Jodquecksilbers und Schwefelwasserstoff.
Von Husemann - Hilger wird erwähnt, dafs E. v. Greene?)
ein Alkaloid aus der Wurzel von 2. tinctoria isoliert hat durch Aus-
zug der mit Soda befeuchteten Wurzel mittelst Aether, welcher bei
Verdunstung ein amorphes Alkaloid zurückliefs, löslich in Aether,
Wasser, Alkohol, unlöslich in Benzol und Chloroform.
Die jüngste Untersuchung ist, insofern ich habe nachgehen
können, die schon vorerwähnte Untersuchung Dr. v. Schroeder’s.
Nach diesem Forscher kommen drei wichtige Bestandteile in der
Wurzel vor:
1. Baptisin, ein bitteres, in Wasser lösliches Glukosid,
2. Baptin, ein in Nädelchen krystallisierendes und in Wasser
lösliches Glukosid, das schwach purgierende Eigenschaften
besitzt, und
3. Baptitoxin, ein giftiges Alkaloid.
In den zahlreichen Referaten über diese Arbeit v. Schroe-
der’s, welche ich nachschlagen konnte, habe ich nichts über Be-
reitung, Eigenschaften und Zusammensetzung der drei genannten
Stoffe gefunden. Nur fand ich in dem Werk von Dujardin-
Beaumetz und Egasse folgendes über die Wirkung des
Alkaloids erwähnt:
„Baptitoxine, alcaloide toxique m&me ä petites doses, agissant
sur les grenouilles en abolissant les mouvements respiratoires et
paralysant, chez les animaux & sang chaud il abaisse la respiration
et augmente Tirritabilite rellexe de la moelle.“
1) G. J. Smedley. Americ. Journ. of Pharmacy 1862, P. 311.
2) Ino A. Warner, ibid 1871, P. 251.
3) Francis v. Greene Pharm. Journ. and Trans (3) 60, 534.
P. C. Plugge: Baptitoxin. 297
Diese Angabe über die physiologische Wirkung des Alkaloids,
in Verbindung mit dem Umstande, dals Baptısia lincoria R. Br.
auch als Podalyria tincloria Mich. und Sophora tinctoria L. bekannt
ist, lie(s mich vermuten, dafs das sog. Baptitoxin v.Schroeder’s
wirklich Cytisin (Sophorin) sein würde.
Da nun im allgemeinen die Samen der Sophora einen grölsern
Alkaloidgehalt haben als die Wurzeln, beschlofs ich, meine Unter-
suchung mit erstgenannten Pflanzenteilen anzufangen und bestellte
dazu bei der Firma Haage und Schmidt in Erfurt kleine
Quantitäten der Samen von D. tincloria und B. australis. Zur Aus-
scheidung des Alkaloids wurden 10 g zermahlenen Samens mit
10 & 12 g frisch gelöschten Kalks gemischt und diese Mischung in
einem Soxhlet’schen Apparat mit Chloroform ausgezogen. Der
Rückstand, welcher nach der Abdestillierung des Chloroforms zurück-
blieb, wurde zur Reinigung vom Fett wiederholt mit Wasser be-
handelt, die so erhaltene Lösung auf dem Wasserbade verdunstet,
der trockene Rest in absolutem Alkohol aufgenommen und diese
Lösung, zu schwach saurer Reaktion, mit starker Salpetersäure ge-
mischt. Nach einigem Stehen zeigten sich in beiden Auszügen zier-
liche Krystallbündel, von denen bei näherer Untersuchung sich
zeigte, dals sie nichts anderes als Cytisinnitrat waren. Wir
fanden, dafs
1. das freie Alkaloid leicht löslich ist in Wasser zu
einer Flüssigkeit, welche Lackmuspapier stark blau, aber
Phenolphtalein nicht rot färbt, mit
Eisenchlorid: rotfarbig;
ID
3. van de Moers- Reagens (Fe, Ol, und H, O,): positives
Resultat;
4. Bromwasser ein anfangs weilses, dann rotes Präzipitat
wie bei Cytisin.
5. Dittmars-Reagens: negatives Verhalten, wodurch,
wie wir früher nachwiesen, das Cytisin sich von sehr vielen
Alkaloiden unterscheidet. j
6. Vollkommene Uebereinstimmung im Verhalten dieses Alkaloids
und des Oytisins gegenüber einer grolsen Anzahl anderer
Reagentien, wie PtC1,,Au Ol, Jod—KJ, Phosphor-
wolframsäure, Phosphormolybdänsäureete.
298 P.C. Plugge: Baptitoxin.
Durch Fällen einer schwach sauer reagierenden Lösung des
Alkaloids in Salzsäure mit einer Lösung von Goldchlorid wurde ein
Doppelsalz erhalten, das in Farbe und Form mit demjenigen des
Cytisins übereinstimmte und bei der Bestimmung des Goldgehaltes
das folgende Resultat lieferte: 0,5085 g der bei 100° Celsius zu
konstantem Gewichte getrockneten Verbindung lieferten durch Ver-
brennung einen Rest an Gold, der 0,1885 g wog. Deshalb wurden
gefunden 37,07 Proz. Au in der Doppelverbindung.
Die berechnete Quantität für die Cytisingoldverbindung
Cı H}a N; OH Cl, Au Cl], beträgt 37,11 Proz. Au.
Auch die Resultate einiger Tierversuche (Frösche und Ka-
ninchen) sprechen für die Identität von Baptitoxin und Oytisin.
Ebenso wie bei unseren früheren Untersuchungen mit Cytisin und
Sophorin, sahen wir auch durch dieses Alkaloid, bei Fröschen, fast
direkte Verlangsamung oder sogar Stillstand der Atemholung und
die charakteristische, sich von vorn nach hinten fortpflanzende
Paralysis des zentralen Nervensystems eintreten, während die
Wirksamkeit des Herzens wenig oder gar nicht gestört wurde.
In Verbindung mit meinen früheren Untersuchungen über
Sophorin (Cytisin) genügten mir die erwähnten chemischen und
physiologischen Reaktionen, um folgern zu können, dafs das Alkaloid
aus den Samen von Baßtisia tinctoria und Baplisia australis
Cytisin ist.
Eine quantitative Bestimmung des Alkaloidgehalts
in den Samen von Baptısia australis, auf die früher bei Sophorin
erwähnte Weise, nämlich durch Titrieren mit ”/joo H>SO,, und
Lackmus als Indikator ausgeführt erwies, dals diese Samen den
beziehungsweise sehr hohen Gehalt von 2,85 Proz. Cytisin enthalten.
Von B. tinctoria hatte ich zu wenig Samen erhalten können, um auch
davon noch eine quantitative Bestimmung ausführen zu können, doch
das Faktum, dafs die Darstellungen aus gleichen Quantitäten der
Samen auch ungefähr dieselben Quantitäten Nitrat lieferten, macht
es höchst wahrscheinlich, dafs auch der Cytisingehalt der Samen
von B. linctoria von der vorerwähnten Ziffer wenig verschieden
sein wird.
Obschon nun die Baptisia-Samen sich als cytisinhaltig er-
wiesen, mulste auch noch nachgewiesen werden, dafs das Alkaloid
H. Kiliani: Ueber Digitalinum. 299
der Wurzel, dem der Name Baptitoxin gegeben war, kein anderes
als das der Samen ist.
Mit grofsem Wohlwollen, wofür ich hier nochmals meinen
herzlichen Dank abstatte, stellte die bekannte Firma Parke,
Davis & Co. in Detroit Mich. U. S. mir das zu diesem Teil
meiner Untersuchung erforderliche Material zur Verfügung, d.h. eine
reichliche Quantität Radır Daptısiae lincloriae, fluid Extract of wild
Indigo und das Concentration-Baptısin. Weiter bestellte ich noch
ein Baptisin (Concentration) bei Merck in Darmstadt.
Die Untersuchung all dieser Stoffe zeigte, dafs sie in der
That alkaloidhaltig sind, wenn auch in geringerm Mafse als die
Samen. Weiter wurde noch nachgewiesen, dafs — wie wir schon
auf Grund der angewandten Bereitungsweisen vermuteten — das
Baptisin von Merck mehr Alkaloid enthält als das gleichnamige
Präparat aus Amerika.
Dafs das Alkaloid aus der Wurzel und der daraus bereiteten
Präparate in der That Cytisin war und wir also zu dem Urteil, dafs
das Baptitoxin identisch sei mit Cytisin, berechtigt
sind, wurde für dieses Alkaloid aut die nämliche Weise nachge-
wiesen als für das aus den Samen erhaltene.
Eine nähere Untersuchung der Glukoside, welche nach
v. Schroeder in dieser Wurzel vorkommen, lag aufserhalb meines
jetzigen Planes, doch wird dieselbe von meinem Assistenten Herrn
K. Gorter ausgeführt und später veröffentlicht werden.
Ueber Digitalinum pur. pulv. germanie. und über
die Darstellung von Digitalinum verum.
Von.H. Kylranı.
(Eingegangen den 9. VI. 1895.)
Als ich vor nunmehr sieben Jahren die Untersuchung der
pharmakologisch wichtigen Digitalisstoffe begann, fand ich in den
früheren Publikationen über diesen Gegenstand äufserst zahlreiche,
sich gegenseitig widersprechende Angaben vor. Mein ursprüng-
licher Plan, behufs Isolierung der wirksamen Stoffe im chemisch
reinen Zustande direkt von den Organen der Pflanze, den Samen
300 H. Kiliani: Ueber Digitalinum.
bezw. Blättern, auszugehen, mufste deshalb bald als vorläufig aus-
sichtslos aufgegeben werden. Vorher war offenbar die enger be-
grenzte Aufgabe zu lösen, aus den Digitalinsorten des Handels be-
stimmte chemische Individuen abzuscheiden und deren Eigenschaften
zu studieren. Erst wenn dies geschehen war, konnte man mit
besserer Hoffnung auf Erfolg die Erledigung des genannten Haupi-
problems in Angriff nehmen. Da ferner vorauszusehen war, dals
bei der Schwierigkeit der Sache die betreffenden Versuche ziemlich
grolse Quantitäten von Substanz absorbieren würden, wählte ich als
Ausgangsmaterial das Digitalinum pur. pulv. germanic.,
welches seit langer Zeit fabrikmälsig aus den Samen der
Digitalis purpurea gewonnen wird, also leicht in grölseren Mengen
zu beschaffen war. Das Digitalinum pur. pulv., welches ich ver-
arbeitete, stammte ausschliefslich aus der Fabrik von E. Merck
in Darmstadt und wurde mir von der Firma C. F. Boehringer
u. Söhne in Waldhof gütigst zur Verfügung gestellt. Die Unter-
suchung desselben führte, wie schon früher mitgeteilt wurde !), zur
Entdeckung der Krystallisierbarkeit des Digitonins und zur Auf-
findung einer praktisch brauchbaren Methode für die Darstellung
vonSchmiedeberg'sDigitalin, welches dann vonBoehringer
unter der Bezeichnung „Digrtalinum verum“ in den Handel gebracht
wurde. Durch das freundliche Entgegenkommen der genannten
Firma bin ich jetzt in der Lage, meine gesamte Durchforschung des
Digitalinum pur. pulv., also der aus Samen gewonnenen Digitalis-
glykoside, sowie das Lierbei ausgearbeitete Verfahren zur Gewinnung
von Digitalinum verum zu veröffentlichen.
Zunächst mufste ich paturgemäfs an die Arbeit vonSchmiede-
berg?) anknüpfen, welcher ebenfalls von den Samenglykosiden aus-
gegangen war. Nach Schmiedeberg kann man zur Trennung
der Glykoside zwei Methoden benutzen: Will man nur das unwirk-
same Digitonin, den Hauptbestandteil des Rohmaterials gewinnen,
so wird dasselbe durch gesättigtes Barytwasser als schwer lösliche
Baryumverbindung gefällt und aus dieser in bekannter Weise
regeneriert. Handelt es sich aber um die gleichzeitige Gewinnung
sämtlicher Gemengteile, so soll man das teste Digılalımum Pur.
1) Ber. chem. Ges. XXIV, 339. — Dieses Archiv Bd. 230. 251.
2) Archiv experim. Pathologie Bd. 3, 16.
ee
H. Kiliani: Ueber Digitalinum. 301
pulv. zuerst mit Aether und dann mit absolutem Alkohol ausziehen.
Letzterer nimmt nach Schmiedeberg hauptsächlich nur das
Digitalöin und das Digitalin auf, während das Digitonin ungelöst
bleibt. ‚Die gewonnene alkoholische Lösung versetzt man mit
1/,—!/, ihres Volums Aether, wodurch noch gelöstes Digitonin und
etwas Digitalöin gefällt werden, während das Digitalin neben reich-
lichen Mengen von Digitalöin fast vollständig in Lösung bleibt. Nach
dem Abdestillieren des Aethers scheidet sich aus der alkoholischen
Lösung, die man vorher mit Wasser versetzen muls, beim Ver-
dunsten des Alkohols in gelinder Wärme das Digitalin, meist ver-
unreinigt mit etwas Digitonäin, in Form einer feinflockigen, fast
gallertartigen Masse aus, die man durch Filtrieren und Auswaschen
mit Wasser von dem Digital&in befreit.“
Schon beim ersten Versuche, die Barytmethode Schmiede-
berg’s anzuwenden, beobachtete ich, dals die Lösung sich sehr
rasch stark gelb färbt. Offenbar trat also irgend eine chemische
Zersetzung ein und ich verliefs deshalb diesen Weg für immer in
der Ueberzeugung, dafs hier jedes Reagens prinzipiell auszuschliefsen
sei, welches auch nur die geringste chemische Veränderung des
Materials bedingen könnte.
Aber auch das Alkohol-Aether-Verfahren in der Form, wie es
Schmiedeberg vorschreibt, ist ganz unzulänglich, einerseits
weil präzise Angaben über die anzuwendenden Mengenverhältnisse
fehlen und andererseits ganz besonders deshalb, weil die Rohglykoside,
wie Schmiedeberg selbst hervorhebt, beim Uebergiefsen mit Aether
und dann mit absolutem Alkohol begierig Wasser aus der Luft anziehen
und sich in eine zähe klebrige Masse verwandeln, bei welcher
natürlich von einer auch nur annähernd vollkommenen Extraktion
einzelner Bestandteile durch jene Lösungsmittel keine Rede mehr
sein kann.
Will man eine glatte Trennung durchführen, so mufs man
zweifellos den absoluten Alkohol bezw. den Aether in anderer Weise
zur Anwendung bringen. Vor allem aber war zu erproben, ob es
nicht doch möglich wäre, den einen oder anderen Bestandteil des
Rohmaterials direkt in krystallisierter Form abzuscheiden, vielleicht
durch Benutzung anderer Lösungsmittel.
302 H. Kiliani: Ueber Digitalinum.
Zahlreiche Versuche, welche ich in letzterer Richtung anstellte,
führten anfangs durchweg zu negativen Resultaten, sie wurden aber
doch von ausschlaggebender Bedeutung für den Erfolg der ganzen
Arbeit, insoferne sie zur klaren Erkenntnis führten, dafs man bei
derartigen Substanzen niemals auf eine zufällige Krystallisation bei
freiwilliger, wenn auch noch so langsamer Verdunstung rechnen
dürfe, sondern dafs man sich unbedingt von vornherein eine über-
sättigte Lösung bereiten müsse, welche durch gute Verkorkung des
Gefälses sowohl vor Verdunstung als vor dem Zutritte von Luft-
feuchtigkeit zu schützen ist. Uebersättigte Lösungen kann man sich
aber bei solchen ursprünglich amorphen Gemengen nicht blos auf
dem allgemein üblichen Wege der EKrhitzung mit möglichst wenig
Lösungsmittel bereiten, sondern auch dadurch, dafs man jene mit
letzteren bei gewöhnlicher Temperatur in gut verschlossenem Ge-
fälse langsam zu einem Syrup zerlaufen lälst; denn die amorphe
Modifikation einer Substanz ist in einem derartigen Falle immer be-
deutend leichter löslich, als es die entsprechenden Krystalle sind,
Hat man dann das richtige Lösungsmittel gefunden, was natürlich
durch eine ganze Reihe von Parallelversuchen mit demselben trockenen
Ausgangsmaterial und verschiedenartigen Flüssigkeiten zu ermitteln
ist, so erfolgt, wenn überhaupt ein krystallisationsfähiger Körper
vorhanden ist, in der Regel in sehr kurzer Zeit die Krystallbildung.
Nur durch konsequente Durchführung dieser „Krystallisationsmethode*
war es möglich, in dem Labyrinte der Digitalisstoffe die richtigen
Pfade ausfindig zu machen.
Schliefslich gelang es so, in einem mälfsig verdünnten Alkohol
dasjenige Lösungsmittel aufzufinden, aus welchem der Hauptbestand-
teil der Samenglycoside, das Digitonin, krystallisiert erhalten werden
kann. Die Art und Weise, wie ich zu diesem Resultate gelangte,
ist nicht uninteressant und mag deshalb hier Erwähnung finden:
Wiederholt war beobachtet worden, dals einerseits wässrige
Lösungen des Merck’schen Digitalins mit starkem Alkohol, umgekehrt
aber auch alkoholische Lösungen mit Wasser Trübungen gaben.
Ich löste nun einige Deeigramme Digitalinum pur. pulv. in der
gerade absolut nötigen Menge von Wasser, wovon 2 Gew.-Teile er-
forderlich waren, und setzte dann tropfenweise absoluten Alkohol
hinzu, bis eine ganz leichte Trübung entstand. Die verbrauchte
H. Kiliani: Ueber Digitalinum. 303
Quantität Alkohol wurde durch genaue Wägung festgestellt. Nach
12 Stunden fand ich in der Flüssigkeit vereinzelte Krystallnadeln,
welche sich innerhalb 2 Tagen wesentlich vermehrten, und eine
einfache Berechnung führte zu dem Resultate, dals Wasser und
Alkohol genau in dem Verhältnisse 15:85 mit einander vermischt
worden waren. Nach diesem Befunde brauchte nur noch ermittelt
zu werden, in welcher Minimalmenge von S85prozentigem Alkohol
man die Rohglycoside auflösen müsse, um das Maximum der Krystal-
lisation zu erzielen. Jenes Minimum ergab sich zu 4 Teilen Lösungs-
mittel auf 1,T. Glycoside und zugleich wurde gefunden, dafs man
auf diesem einfachen Wege durch eine einzige Operation sofort
43—45 Prozent des Gesamtmaterials in Form des schön krystalli-
sierenden, aber nicht zu den Herzgiften gehörigen Digitonins ent-
fernen könne, wodurch überhaupt der Schlüssel zur Lösung des
ganzen Problems gegeben war. })
Die Mutterlauge jener ersten Krystallisation wurde nun im
Vacuum völlig eingetrocknet. Der Rückstand erwies sich jetzt als
so arm an Digitonin, dafs die erneute Auflösung desselben im
Minimum von kochendem S5prozentigem Alkohol selbst nach An-
regung mit Kryställchen keine weitere Abscheidung des gleichen
Glycosids mehr lieferte. Dagegen erhält man noch eine zweite
Krystallisation von Digitonin, wenn man jenen Rückstand entweder
in 3 Teilen warmen 85 prozentigen Alkohols löst und dazu nach
dem Erkalten Cloroform (!/; vom Gewichte der Lösung) giebt oder
wenn man ihn durch Erhitzen mit der gleichen Gewichtsmenge
Wasser in einen Syrup verwandelt, dem dann auf 100 Teile
Wasser 22 Teile Amylalkohol beigemischt werden. Die erste
Methode ist die bessere, weil die Trennung der Krystalle von
der Mutterlauge weit besser gelingt als im zweiten Falle.
Alle Versuche, aus dem Verdunstungsrückstande dieser zweiten
Mutterlauge irgendwie direkt eine krystallisierte oder wenigstens
1) Schmiedeberg hat entschieden auch mehrmals das obige
Verhältnis von Wasser und Alkohol zufällig getroffen; denn in seiner
Bemerkung (l. c. 8.19.) „wobei sich zuweilen Krystalle von Digitin
ausscheiden“, ist das Wort „Digitin* sicher durch „Digitonin“ zu er-
setzen. Letzteres krystallisieri nämlich gerade bei Gegenwart einer
gewissen Menge von Aether, dessen Anwendung Schmiedeberg
l. ec. erwähnt, besonders leicht aus 85 Proz. Alkohol.
304 H. Kiliani: TUeber Digitalinum.
zweifellos einheitliche Substanz abzuscheiden, blieben erfolglos. Da
aber beobachtet wurde, dafs das jetzt noch vorliegende Glycosid-
gemenge sehr reich ist an einer in kaltem absoluten Alkohol
unlöslichen und überdies sehr stark gefärbten Substanz, wurde
zur weiteren Trennung dieses Lösungsmittel in der Weise
zur Anwendung gebracht, dafs das völlig trockene Material
im Minimum (6 Gew.-Teile) von kochendem absolutem Alkohol
ganz aufgelöst wurde. Beim Erkalten uud Stehenlassen bildet sich ein
reichlicher, dunkler, am Boden festklebender Niederschlag I, von
dem nach 12 Stunden die bedeutend hellere Lösung glatt abgegossen
werden konnte. Versetzt man diese direkt mit Aether (0,72), so
entsteht ein fein flockiger Niederschlag, welcher von der Flüssigkeit
nur durch Filtration getrennt werden konnte, wobei er aber nach
und nach schmierig wird und infoigedessen teils die Poren des Filters
verstopft, teils allmählich wieder in Lösung geht. Hier läfst sich
jedoch leicht helfen: die vom Niederschlag I abgegossene, absolut
alkoholische Lösung wird gewogen, zuerst mit 4 Proz. ihres Ge-
wichtes Wasser und dann mit ihrem gleichen Gewichte Aether (0,72)
versetzt. Die kleine Menge Wasser genügt, um den anfangs flockigen
Niederschlag II innerhalb 12—24 Stunden am Glase fest zu legen,
so dals einfaches Abgiefsen möglich wird. Durch dieses Verfahren
war nun eine sehr günstige Zerlegung der Gemengteile erzielt worden.
Zunächst gab sich dies schon durch die Beobachtung zu erkennen,
dafs der Niederschlag I jetzt, nach möglichster Beseitigung der lös-
lichen Stoffe, selbst in kochendem absolutem Alkohol nahezu unlös-
lieh geworden war. Der Niederschlag II erwies sich nach dem
Austrocknen als ziemlich reich an einem in absolutem Alkohol schwer
löslichen Körper, der Verdunstungsrückstand der alkoholisch-ätheri-
schen Lösung (III) dagegen wurde vom gleichen Reagens schon bei
gewöhnlicher Temperatur äufserst leicht aufgenommen. Besonders
scharfe Unterschiede ergaben aber die von Herrn Prof. Boehm
in Leipzig gütigst ausgeführten Versuche an Fröschen (Rana
esculenta):
I erzeugte selbst zu 10 mg noch nicht die typische Digitalis-
Vollwirkung;
II veranlafste Vollwirkung bei Anwendung von 3—5 mg;
III aber schon bei einer Dosis von nur 1 mg.
H. Kiliani: Ueber Digitalinum. 305
Demnach kam für die Gewinnung des wirksamen Glycosids
nahezu ausschliefslich die Fraktion III in Betracht. Trotzdem wurden
auch die übrigen untersucht.
Der Niederschlag I besteht in seiner Hauptmasse aus
völlig amorphen, in Wasser leicht, in starkem Alkohol sehr wenig
löslichen Substanzen, höchst wahrscheinlich Zersetzungsprodukten der
ursprünglichen Glycoside. Nur in minimaler Menge enthält er eine
krystallisiorbare und vielleicht in pharmakologischer Hinsicht inter-
essante Substanz. Löst man nämlich den im Vakuum völlig aus-
getrockneten Niederschlag in der doppelten Menge 50prozentigen
Wasser-Acetons, so beginnt nach kurzer Zeit die Abscheidung von
mikroskopischen, aber sehr regelmälsig ausgebildeten, tafelförmigen
Kryställchen. Die Gesamtmenge derselben bleibt jedoch immer nur
so gering, dafs man aus 1 kg Digitalinum pur. pulv. vielleicht einige
Decigramme davon erhält. Die Krystalle sind, sobald ihre Mutter-
lauge abgetropft ist, in Wasser so gut wie unlöslich; sie enthalten
neben sehr viel organischer Substanz regelmäfsig Calcium und Ka-
lium.!) Löst man sie in kochender 50prozentiger Essigsäure, so
scheidet sich beim Erkalten der gröfste Teil der organischen Sub-
stanz wieder ab in hübschen, zu Rosetten vereinigten Blättchen,
während die beiden Metalle als Acetate gelöst bleiben. Für die ur-
sprünglichen Krystalle, deren Kaliumgehalt allerdings damals noch
nicht erkannt war, stellte Herr Prof. Boehm bei Fröschen stark
toxische Eigenschaften fest. Weitere Versuche wurden wegen Mangel
an Material noch richt ausgeführt.
Niederschlag II sollte nun hauptsächlich aus Schmiedeberg’s
Digitalöin, d.h. einem in Wasser leicht löslichen spezifischen Herzgifte
bestehen. Löst man ihn aber im trockenen Zustande im Minimum
von kochendem absolutem Alkohol auf, so überzeugt man sich leicht,
dafs er hierdurch wieder zerlegt werden kann ir einen schwer und
in einen leicht löslichen Anteil, von denen der erstere in seinen
Eigenschaften ungefähr der Fraktion I, der letztere aber III ent-
spricht. Von dem Vorwiegen eines bestimmten chemischen Indi-
viduums kann keine Rede sein.
1) Die Digitalis purpwrea scheint überhaupt eine ausgeprägte Kali-
pflanze zu sein: in den Blättern habe ich sehr gro/se Mengen Chlor-
kalium gefunden.
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 4. Heft. 20
306 H. Kiliani: Ueber Digitalinum.
Die Fraktion III enthält dagegen in r:!-hlicher Menge
einen an und für sich in Wasser schwer löslichen Körper, dessen
Gegenwart und Ausscheidung vorher nur durch die gleichzeitig vor-
handenen leicht löslichen Stoffe verdeckt bezw. verhindert wurde.
Die Gewinnung kleiner Quantitäten dieser Substanz war deshalb
sofort leicht möglich. Herr Prof. Boehm ermittelte, dafs schon 0,5
bis 0,7mg des noch nicht völlig reinen Materials bei Rana esculenta
kompleten systolischen Herzstillstand hervorrufen und demnach
konnte kein Zweifel mehr bestehen, dals hier die wirksame Substanz
der Samenglycoside vorlag, während die Eigenschaften derselben alsbald
die Identität mit Schmiedeberg's Digitalin verrieten. Obwohl
dieses bisher niemals wirklich krystallisiert erhalten wurde, so besitzt
es doch wenigstens die charakteristische Eigentümlichkeit, dafs es
sich aus übersättigten Lösungen in Form von „Körnern“ abscheidet;
dieser Umstand ermöglichte es, die oben geschilderte „Krystallisations-
methode‘ auch auf Fraktion III anzuwenden, wobei testgestellt wurde,
dafs man das Maximum der Körnerausscheidung erzielt, wenn die
trockene Fraktion III mit der dreifachen Gewichtsmenge 20 prozentigen
Alkohols angerührt und die so erhaltene konzentrierte Lösung unter
Schutz vor Verdunstung 24 Stunden stehen gelassen wird. Da aber
in der Fraktion III aufser dem Digitalin auch noch eine geringe
Menge eines anderen, in Wasser schwer löslichen, ölig-harzigen
Körpers steckt, erwies es sich als zweckmälsig, vor Allem den letzteren
zu beseitigen, was leicht durch Schütteln der bereits von Körnern
erfüllten Mischung mit Aether zu bewerkstelligen ist. Nach Ent-
fernung des Aethers bringt man die Körner auf eine relativ grolse
Nutsche, so dals sie auf derselben nur eine dünne Schicht bilden,
läfst gut abtropfen und kann hierauf, sobald in dieser Weise die
Hauptmenge der leicht löslichen Stoffe entfernt ist, ohne nennens-
werten Verlust das rohe Digitalin zuerst mit 10 prozentigem Alkohol
und schliefslich mit Wasser auswaschen. Das zunächst auf Thon-
platten, dann im Vakuum getrocknete Roh-Digitalin läfst sich ohne
jede Schwierigkeit aus kochendem 95 prozentigem Alkohol, nötigen-
falls unter Anwendung von Blutkohle „umkrystallisieren“. Die heifs
gesättigten Lösungen erstarren bald nach dem Erkalten zu einem
dieken Brei der charakteristischen Körner, zu deren Trennung von
der Mutterlauge jetzt zweckmälsig Nutsche und Saugapparat benutzt
-H. Kiliani: Ueber Digitalinum. 307
werden. Die Eigenschaften des reinen Digılalınum verum wurden
bereits früher ausführlich beschrieben.
Trocknet man das Filtrat vom rohen Digitalinum verum im
Vakuum völlig ein, löst den Rückstand in 3 T. 95prozentigen
Alkohols und fällt mit dem gleichen Volumen Aether, so lassen sich
aus der abgegossenen alkoholisch-ätherischen Lösung in ganz gleicher
Weise wie aus der ursprünglichen Fraktion III noch weitere Mengen
von Digitalin gewinnen. Diese Beobachtungen, sowie die oben be-
züglich des Niederschlages II mitgeteilten Thatsachen, lassen es mir
höchst fraglich erscheinen, ob in den Samenglycosiden wirklich ein
in Wasser leicht lösliches, besonderes Herzgift, ein Digitalöin, vor-
handen ist. Ich halte es für wahrscheinlicher, dafs die an ver-
schiedenen leicht löslichen Präparaten beobachtete Herzwirkung ein-
fach einem wechselnden Gehalte an Digitalinum verum zuzuschreiben
ist, dessen letzte Reste aus der grolsen Masse der Nebenstoffe
naturgemäfs nur unvollständig abzutrennen sind und dessen Löslich-
keitsverhältnisse in ganz aufsergewöhnlichem Mafse von der Quantität
der leichtlöslichen Beimengungen beeinflufst werden.
Die vorstehend beschriebene Methode zur Untersuchung des
Digitalinum pur. pulv. germanic. führte also zu folgendem End-
resultate:
Die aus dem Samen der Digials purpurea ge-
wonnenen Glycoside bestehen mindestens zur
Hälfte aus dem leicht krystallisierbaren Digi-
tonin. Sie enthalten als wesentlichen, für die
Herzwirkung wahrscheinlich allein in Betracht
kommenden Bestandteil das Dıigsalnum verum, wäh-
rend die Existenz des Digitaläöins mindestens
fraglichist. Aufserdem findetsich in minimaler
Menge einehübschkrystallisierende organische
Caleium - Kalium -Verbindung. Digitonin und
Digitalınum verum sind beide im reinen Zustande in
Wasser sehr schwer löslich. Die Leichtlöslich-
keit des gesamten Glycosidgemenges [(Digilahnum
pur. pub) wird lediglich durch die gleichzeitige
Gegenwart von schmierigen, absolut amorphen
Körpern bedingt. Digitogenin wurde im Merck-
20*
303 H. Kiliani: Ueber Digitalinum.
schen Fabrikate niemals aufgefunden. Die
Krystalle, welche Schmiedeberg für Digitin an-
sprach, waren sicher nur Digitonin.
Nachdem über diese Punkte durch die geschilderten umfang-
reichen Versuche volle Klarheit erlangt war, handelte es sich weiter
darum, eine praktisch brauchbare und zugleich möglichst ausgiebige
Methode für die Abscheidung des Digitalınum verum ausfindig zu
machen. Das obige Verfahren war natürlich hierzu unbrauchbar,
denn es hätte folgende Operationen bedingt:
1. Auflösung der Rohglycoside in 4 Gewichtsteilen 85 prozentigen
Alkohols,
2. Absaugen des auskrystallisierten Digitonins,
. Völlige Eintrocknung des Filtrats,
Auflösung des Trocken-Rückstandes in der sechsfachen Ge-
wichtsmenge kochenden absoluten Alkohols,
Fällung der alkoholischen Lösung durch Aether,
Eintrocknung der alkoholisch-ätherischen Lösung,
Behandlung des Rückstandes mit der dreifachen Gewichts-
menge 20prozentigen Alkohols,
8. Filtration des Rohdigitalins,
9. „Umkrystallisieren“ desselben.
Bedenkt man nun, dafs das Merck’sche Digıtalinum pur.
pulv. germanic., wenigstens zu der Zeit, als ich meine Versuche
begann, nach gütiger Mitteilung des Herrn Prof. Boehm bei Rana
esculenta erst nach Applikation von 8—10 mg Vollwirkung hervor-
rief, während das Digıtalinum verum den gleichen Effekt schon zu
0,5 mg erzeugt, so folgt, dafs das rohe Glycosidgemenge höchstens
5,5 Proz. Digitahnum verum enthielt, deren Isolierung aber bei
jenem komplizierten Verfahren absolut unrentabel gewesen wäre.
Die Ausarbeitung einer bequemeren und billigeren Methode
bot jedoch keine Schwierigkeit auf Grund folgender Erwägungen:
Pr @
SEIN
Das Digitonin und die amorphen Nebenstoffe werden aus ihren
alkoholischen Lösungen durch Aether leicht gefällt, das erstere
nahezu quantitativ, die letzteren wenigstens zum grölsten Teile. Das
Digitalinum verum besitzt zwar an und für sich die gleiche Eigen-
schaft. Da es aber in den Rohglykosiden nur in einem so geringen
Prozeutsatze vorkommt, befindet es sich, wenn ursprünglich die
H. Kiliani: Ueber Digitalinum. 309
gesamten Rohglykoside in Alkohol gelöst werden, in so stark
verdünnter alkoholischer Lösung, dals es durch Aether, wenn dieser
im richtigen Verhältnisse angewendet wird, nicht zur Ausfällung ge-
langt. Man würde also auf diese Weise sofort eine alkoholisch-
ätherische Lösung gewinnen, welche der früher besprochenen
Fraktion III entspricht. War dies richtig, so brauchte nur noch
die für den Fabrikbetrieb lästige völlige Eintrocknung dieser Lösung
umgangen zu werden, um ein praktisch brauchbares Verfahren zu
erhalten. Auch das ist leicht möglich. Bestimmt man nämlich in
passender einfacher Weise das Gewicht oder das Volumen jener
alkoholisch - ätherischen Lösung, ermittelt man hierauf in einer
kleinen abgewogenen oder abgemessenen Probe derselben ihren
Gehalt an Trockensubstanz, welcher nach Umrechnung auf das Ganze
mit A (Gramm oder Kilo) bezeichnet werden möge, und macht man
ferner die Annahme, dafs, falls ursprünglich 96 prozentiger Alkohol
verwendet wurde, dieser bei der Destillation seinen geringen Wasser-
gehalt kaum wesentlich ändern wird, so führt eine kurze Be-
rechnung zu dem Schlusse, dafs man einfach die alkoholisch-ätherische
Lösung abzudestillieren hat, bis sie noch 1,6.A Gramm oder Kilo
wiegt, um durch darauffolgende Beimischung von 2,4.A Gramm oder
Kilo Wasser dafür zu sorgen, dafs auf 1 T. Trockensubstanz gerade
die dreifache Gewichtsmenge 20 prozentigen Alkohols d. h. das für
die völlige Abscheidung des Digitalinum verum günstigste Verhält-
nis dieses Lösungsmittels trifft. Der Versuch bestätigte die Richtig-
keit dieser Kalkulation und ferner zeigte sich, dafs für die Dar-
stellung im Grofsen das früher erwähnte Schütteln mit Aether vor
der Filtration des rohen Digitalinum verum erspart werden kann,
weil die ölig-harzigen Stoffe, welche sich bei Weglassung des
Aethers natürlich dem Rohdigitalin beimengen, beim „Umkrystalli-
sieren“ des letzteren im Alkohol gelöst bleiben.
So ergab sich denn schliefslich folgende einfache Methode
zur Darstellung des Digilahnum verum:
Man löst 1 T. Digitalinum pur. pulv. germanic. in 4 Gew.-T.
95 prozentigen Alkohols, wozu nur schwache Erwärmung erforderlich
ist. Nach dem Erkalten fügt man unter Umrühren oder Schütteln
allmählich 5 Gew.-T. Aether (0,72) hinzu und läfst unter Schutz vor
Verdunstung 24 Stunden ruhig stehen. Die alkoholisch-ätherische
310 H. Kiliani: Ueher 3-Digitoxin.
Lösung wird dann abgehoben oder abgegossen, hierauf gewogen
oder gemessen und ihr Gehalt an Trockensubstanz (= A) mittels
einer Probe bestimmt. Sodann destilliert man (am besten im Vakuum)
den Aether und den gröfsten Teil des Alkohols ab, bis das Gewicht
des Rückstandes nur mehr gleich ist 1,6.A. Diesen vermischt man
mit 2,4.A Wasser, läfst 24 Stunden vor Verdunstung geschützt
stehen, bringt das ausgeschiedene Rohdigitalin in nicht zu dicker
Schicht auf eine Nutsche, läfst abtropfen, ohne zu saugen, wäscht
mit 10 prozentigem Alkohol und zum Schlusse mit Wasser aus und
trocknet endlich das Produkt auf Thon- oder Gips-Platten bezw. im
Vakuum. Das trockene Rohprodukt wird aus kochendem 95 prozen-
tigem Alkohol unter Anwendung von Blutkohle „umkrystallisiert.“
Höchst wahrscheinlich wird man sogar in der Vereinfachung
noch einen Schritt weiter gehen können. Bekanntlich werden die
Rohglykoside aus dem entsprechend vorbereiteten Extrakte der
Samen durch Gerbsäure gefällt; der gewaschene Niederschlag wird mit
Bleioxyd oder Zinkoxyd verrieben, das Gemenge getrocknet und mit
starkem Alkohol extrahiert. Statt nun, wie dies bisher geschah, die
alkoholische Lösung ganz einzudampfen und die Glykoside erst zu
trocknen, wird man voraussichtlich auf dieselbe die obige Methode
der Gehaltsbestimmung anwenden können, sie dann nur soweit ein-
dampfen, dafs auf 1 T. feste Substanz gerade noch 4 T. Alkohol
treffen und hierauf direkt mit Aether fällen u. s. w.
Der Aether - Niederschlag ist natürlich äufserst reich an
Digitonin und kann sehr leicht auf dieses Glykosid verarbeitet
werden.
Die vorstehenden Ausführungen dürften genügend klarlegen,
dafs die in mehreren neueren Publikationen enthaltene Bemerkung
„Das Digitahnum verum wird jetzt nach Schmiedeberg'’s
Verfahren fabrikmäfsig hergestellt“, keineswegs den Thatsachen
entspricht.
H. Kiliani: Ueber #-Digitoxin. 311
Ueber ?-Digitoxin.
Von H. Kiliani.
(Eingegangen den 9. VI. 1895.)
Das reine Digitalinum verum zeichnet sich vor allen bisher
in den Handel gebrachten Digitalispräparaten nach den Versuchen
des Herrn Prof. Boehm dadurch aus, dafs es nur die typische
Wirkung auf das Herz, aber keinerlei schädliche Nebenwirkung ver-
anlalst. Trotz dieses grolsen Vorzuges vermochte es bisher nicht
recht Eingang in die ärztliche Praxis zu gewinnen, weil von klinischer
Seite wiederholt Mitteilungen gemacht wurden, wonach sich mit dem
Digitalinum verum doch nicht immer die gleichen Heilerfolge er-
zielen lassen wie mit dem althergebrachten /nfusum Digitalis. Herr
Prof. Boehm sprach deshalb mir gegenüber die Vermutung aus,
dafs in den Blättern der Digitalis purpurea noch irgend ein be-
sonderes Herzgift stecken müsse, und er veranlafste mich, auch die
pharmakologisch wichtigen Bestandteile der Blätter einer erneuten
Untersuchung zu unterwerfen, indem er sich zugleich bereit erklärte,
die nötig werdenden Tierversuche auszuführen. Für diese An-
regung sowie für die äulserst wertvolle Förderung der Arbeit durch
zahlreiche pharmakologische Experimente bin ich Herrn Prof. Boehm
zu lebhattestem Danke verpflichtet, denn die Untersuchung führte
mehrfach zu sehr überraschenden Ergebnissen, vor allem aber zu
dem wichtigen Hauptresultate, dafs die aus den
Blättern gewonnenen Glykoside völlig ver-
schieden sind vonjenenausden Samen. Das Digi-
fonin, welches sichin letzteren so reichlich vor-
tindet, konnte bisher in den Blättern überhaupt
nichtaufgefunden werden,ebensowenig das Digi-
talinum verum. Andererseits aber enthalten die in
üblicher Weise dargestellten Samenglykoside
kein Digitoxin.
Heute soll nur über einen Teil der bisher erhaltenen Resultate
berichtet werden und zwar über die Gewinnung und die Eigenschaften
eines Herzgiftes, welches entweder identisch oder zum mindesten
nahe verwandt ist mit Se hmiedeberg'’s Digitoxin.
312 H. Kiliani: Ueber 2-Digitoxin.
Da ich von vornherein bei der Untersuchung der Blätter einen
möglichst vollständigen Ueberblick über alle Extraktivstoffe ge-
winnen wollte, wurden die grob zerstofsenen Blätter zuerst zweimal
mit Wasser extrahiert, dann wieder möglichst rasch an der Luft
getrocknet und hierauf mit 50prozentigem Alkohol ausgezogen.
Jeder der beiden so gewonnenen Extrakte wurde für sich untersucht.
Die mit Wasser befeuchteten Blätter besitzen bekanntlich
aulserst grolse Neigung zur Schimmelbildung; ich habe deshalb an-
fangs das Wasser vor seiner Verwendung mit Chloroform geschüttelt,
aber bald gefunden, das dies nicht immer hilft. Dagegen kann jenem
Uebelstande leicht und sicher dadurch abgeholfen werden, dafs man
das Wasser mit 5 Proz. seines Gewichtes 95prozentigen Alkohols
versetzt. Man nimmt auf 1 Teil Blätter 3 Teile dieses Extraktions-
mittels, sorgt für gleichmälsige Mischung und läfst 12 Stunden unter
Schutz vor Verdunstung stehen. Selbst bei zweitägiger Digestion
gehen, wie besondere Versuche lehrten, nicht mehr Extraktiv-
stoffe in Lösung als innerhalb jener kurzen Zeit. Durch
Auspressen der Masse wurden aus 1 kg Blätter regelmäfsig 2400
bis 2500 g rotbraunen Extrakts gewonnen. Der Rückstand wird
zum zweiten Male mit der gleichen Menge Lösungsmittel behandelt,
das zweite, äufserst verdünnte Extrakt aber nur zum Ansetzen neuer
Blätter verwendet. Der erste Extrakt wurde in Flaschen gegossen,
ca. 3 Stunden ruhig stehen gelassen, damit der beim Eingielsen ent-
standene starke Schaum verschwindet und nun die Flasche völlig
mit Aether aufgefüllt. Schüttelt man dann mehrmals um, so findet
infolge der Absorption von Aether durch das Wasser eine Volumen-
abnahme statt, welche durch neuen Aetherzusatz wieder ausgeglichen
wird, und auf diese Weise d. h. durch möglichsten Ausschlufs der
Luft ist es möglich, die bei Gegenwart von Luft aufserordentlich
zum Schäumen und zur Emulsion geneigte wässrige Lösung ohne
Schwierigkeit mit Aether zu extrahieren. Dieser färbt sich tief grün;
man wiederholt die Operation 3—4 mal, bis der letzte Auszug nur
mehr schwach grün erscheint. Von der Untersuchung der ver-
bleibenden wässrigen Lösung wird in einer späteren Abhandlung die
Rede sein; hier soll nur über den Aether-Auszug berichtet werden.
Destilliertt man den Aether direkt ab, so erhält man einen
tiefgrünen Sirup, aus dem auf keinerlei Weise eine Krystallisation
H. Kiliani: Ueber 3-Digitoxin. 313
zu erzielen ist. Schüttelt man aber die ätherische Lösung zuvor
mit sehr verdünnter Sodalösung, so nimmt diese unter starker Rot-
färbung eine ziemlich grofse Menge von organischer Substanz zu-
gleich mit dem gröfsten Teile des in den Aether übergegangenen
Alkohols (aus dem Extraktionsmittel stammend) auf, und läfst man
dann den Aether nach sorgfältiger Trennung von der alkalischen
Flüssigkeit 12—24 Stunden im bedeckten Gefälse stehen, so bilden
sich an den Gefäfswänden, namentlich beim Reiben, kleine grün-
weilse Wärzchen, welche an und für sich in reinem Aether so gut
wie unlöslich sind und in den Aetherauszug nur durch die Ver-
mittlung der grofsen Menge harziger Substanz und des Alkohols
übergegangen waren. Der von denselben abgegossene Aether wird
nun destilliert, wobei sich allmählich immer mehr von jener Substanz
in Krusten ablagert. Die aus 1 kg Blätter gewonnene ätherische
Lösung wird bis zu einem Volumen von ca. 10 ccm konzentriert,
dann einige Stunden, geschützt vor Verdunstung, stehen gelassen
und endlich von der Kruste abgegossen.!) Letztere wäscht man
zweimal durch Decantieren mit Aether. Aus 1 kg Blätter erhält
man so regelmäfsig 0,15 g Rohprodukt. In weit reichlicherer Menge
ist der Körper aus dem mittels 50 prozentigem Alkohol bereiteten
Extrakte der vorher mit Wasser erschöpften und wieder lufttrocken
gewordenen Blätter in folgender Weise zu gewinnen:
Je 1 kg dieses Materials wird mit 3 kg 50 prozent. Alkohol
12 Stunden digeriert, das abgeprefste stark grüne Extrakt unter
energischem Umrühren mit 0,4 kg Liquor Plumbi subacet. versetzt
und nach ca. 2 Stunden filtriert. Der äufserst voluminöse schleimige
Niederschlag schliefst auch nach vollständigem Abtropfenlassen auf
dem Filter noch sehr erhebliche Mengen von Extrakt ein, welche
man leicht durch Abnutschen gewinnen kann, wenn man dabei die
Niederschlagsschichte auf der Nutsche immer nur mäfsig dick werden
läfst, d. h. von Zeit zu Zeit den bereits ausgesaugten Niederschlag
entfernt. Das Filtrat wird nun durch Verdampfung im Vakuum ?)
!) Diese Mutterlauge enthält minimale Mengen eines zweiten,
gut krystallisierenden Körpers, dessen Gewinnung aber nur bei Ver-
arbeitung von mindestens 40 kg Blättern möglich ist.
2) Zum raschen Eindampfen grölserer Quantitäten von Lösungen,
welche leicht zersetzliche Substanzen enthalten, eignet sich ganz vor-
züglich der Apparat von Soxhlet (Chem. Ztg. 1894, I, 721), den ich
nach vielfältiger Erprobung allen Fachgenossen auf's Wärmste em-
314 H. Kiliani: Ueber #-Digitoxin.
vom grölsten Teile des Alkohols befreit, bis das schliefslich auf-
tretende äulserst starke Schäumen die Fortsetzung der Operation
unmöglich macht. Die konz. Lösung wird sodann in gleicher Weise
wie das wässrige Extrakt 3—4 mal mit Aether und dieser behufs
' Befreiung von Alkohol nur mit Wasser (nicht mit Soda) geschüttelt.
Die gewonnene ätherische Lösung ist in diesem Falle so reich an
der krystallisierbaren Substanz, dafs häufig sofort nach ihrer Be-
handlung mit Wasser die Abscheidung der grünweilsen Krusten be-
ginnt, ganz besonders wenn man sie niedriger Temperatur aussetzt.
Man giefst dann ab, destilliert, wobei immer stärkere Krustenbildung
erfolgt, und läfst die von den Krystallen abgegossene, konzentrierte,
tief grüne Lösung noch etwas in flacher Schale verdunsten, um
innerhalb mehrerer Tage eine weitere Krystallisation zu erhalten,
die allerdings zumeist selbst stark grün gefärbt ist, aber noch ein
bedeutendes Gewicht repräsentiert, so dafs man auf diesem Wege
im ganzen aus 1 kg Blättern bei aufeinanderfolgender Behandlung
derselben mit Wasser und 50 prozentigem Alkohol nahezu 1 g dieser
leicht krystallisierbaren Substanz gewinnt.
Nachdem dies festgestellt war, lag es nahe zu versuchen, ob
man nicht das gleiche Resultat erhalten könnte, wenn man die
Blätter direkt mit 50 prozentigem Alkohol extrahiert. Dabei stellt
sich aber, wohl in Folge der grofsen Masse von ölig-harzıgen Stoffen,
welche sofort in die Lösung und dann in den Aether übergehen
und in diesem gröfstenteils verbleiben, auch wenn man mit Soda
pfehlen kann. Namentlich wenn man die Vorlage durch Eis oder
Kältemischung energisch kühlt, erfolgt die äulserst rasch vorsich-
gehende Verdampfung nahezu bei Zimmertemperatur. Das von
Soxhlet benutzte Quecksilbermanometer habe ich an meinem
Apparate mit Vorteil durch ein direktan der Körting'schen Pumpe
befestigtes Metallmanometer ersetzt.
Während man im Allgemeinen bei der Benutzung des Apparates
die einzudampfende Lösung kontinuierlich in denselben einsaugen lälst,
in demselben Malse als die Verdampfung fortschreitet, ist dies speziell
bei den 50 Proz. alkoholischen Digitalisextrakten unmöglich. Sobald
nämlich deren Alkoholgehalt durch die Destillation unter eine gewisse
Grenze gesunken ist, beginnt ein so starkes Schäumen, dals ein Flüssig-
keitsvolumen von ca. 500 ccm einen Raum von 7—8 Litern mit grolsen
Blasen erfüllt. Man bringt deshalb in diesem besonderen Falle sofort
mehrere Liter Extrakt in den Kolben, stellt in diesen zur Erleichterung
der Dampfblasenentwicklung einen feinen Holzstab und destilliert bis
zu der onen angebenen Grenze.
H. Kiliani: Ueber 3-Digitoxin. 315
schüttelt, die Ausbeute wesentlich niedriger, sie beträgt aber immer-
hin noch ca. 0,5 g pro 1 kg Blätter.
Zur Reinigung des Rohproduktes kann man zwei Wege ein-
schlagen :
Entweder löst man es bei gewöhnlicher Temperatur in einem
Gemisch gleicher Volumina Methylalkohol und Chloroform (35 Gew.-T.
Methylalkohol und 65 Gew.-T. Chloroform) und setzt dann Aether
(0,72) hinzu, bis höchstens ein leichtes Opalisieren, keinenfalls aber
ein bleibender Niederschlag entsteht, wozu etwa das halbe Gewicht
des Methylalkohol-Chloroforms genügt. Nach kurzer Zeit beginnen
sich hübsche kleine Prismen in dichten Krusten abzuscheiden, welche
in gleicher Weise weiter gereinigt werden können, wobei ein
Schütteln der ursprünglichen Methylalkohol-Chloroform-Lösurg mit
Blutkoble sehr förderlich wirkt.
Oder man verwendet als Lösungsmittel 85 prozentigen Alkohol
und zwar 5 Gewichts-Teile auf 1 Teil Rohprodukt. Bei anhaltendem
Kochen erfolgt vollständige Lösung, welche man hier durch Kochen
mit Blutkohle reinigt. Beim Erkalten bilden sich langsam weilse
und sobald die Substanz wirklich rein ist, ganz farblose Warzen
von blättrigen Krystallen. Das Umkrystallisieren mufs nach gleichem
Prinzip mehrmals wiederholt werden unter allmählicher Steigerung
der Menge des Lösungsmittels bis auf 10 Gewichts-Teile pro 1 Teil
lufttrockene Substanz.
Die aus Methylalkohol-Chloroform gewonnenen Krystalle sind
wasserfrei, die aus der 85 prozentigen alkoholischen Lösung abge-
schiedenen enthalten Krystallwasser. Recht merkwürdig ist die Be-
obachtung, dafs die ersteren bei 240 ° noch fest oder höchstens schwach
gesintert sind, wogegen die letzteren immer zwischen 145 und 150 0
erweichen. Durch Auflösung in kochendem 85 prozentigemn Alkohol
lassen sich aber die wasserfreien Krystalle sofort wieder in wasser-
haltige von der Erweichungstemperatur 145—150 ° verwandeln.
In Wasser ist die reine Substanz nur spurenweise löslich.
Bringt man einige Stäubchen davon in ca. 10 cem englische Schwefel-
säure, so tritt allmählich eine charakteristische Rotfärbung ein, welche
man etwa mit der sog. „weinroten“ Färbung der Lackmustinktur
durch Kohlensäure vergleichen könnte; die Färburg wird durch
Zusatz eines Tropfens verdünnten Bromwassers verstärkt, steht aber
316 H. Kiliani: Ueber #-Digitoxin.
bezüglich ihrer Intensität weit zurück gegen die analoge Farben-
reaktion des Digitalinum verum. In konz. Salzsäure löst sich die
Substanz zunächst mit gelber Farbe, dann tritt ein ganz charakteris-
tisches Opalisieren ein und allmählich wird die Lösung intensiv grün.
Die Analysen des mittelst 85 prozentigem Alkohol gereinigten
Materials gaben folgende Werte:
I. 0,3756 g lufttrockener Substanz verloren im Vakuum sehr rasch
0,0483 g und dann bei 1050 noch 0,0061 g, im Ganzen 0,0544 & H,O.
Il. 0,1404 g bei 105° getrockneter Substanz lieferten 0,3195 g
CO, und 0,1096 g H,O.
1II. 0,1621 g ebenso 0,3672 g CO, und 0,1230 g H,O.
Berechnet für Ca Hy, 00» +5 Ha 0: Gefunden:
H,O 14,24 14,48
Berechnet für Os H,g On: Gefunden:
I. BElE
C 61,99 62,06 61,78
H 8,49 867 8,43
Nachdem das gleiche Material S Tage lang an der Luft ge-
legen hatte, fand ich nurmehr 12,3 Proz. Wasser, es scheint also
ganz langsame Verwitterung stattzufinden.
Die beschriebene Substanzist ein Glykosid:
Erhitzt man sie nur wenige Minuten mit verdünnter Salzsäure in
kochendem Wasser, so entsteht ein gelbes Harz und die von diesem
abfiltrierte L'sung verursacht reichliche Reduktion von Fehling's
Reagens.
Alle diese Beobachtungen sowie auch die ersten Versuche,
welche Herr Prof. Boehm (schon im April 1894) mit meinen
„Krystallen aus Aether“ ausführte, schienen anzudeuten, dafs letztere
mit keinem der bisher bekannten Digitalisabkömmlinge identisch
seien. Herr Prof. Boehm schrieb mir am 20. April 1894 sogar
direkt: „Sie haben also ohne Frage ein neues Digitalisglykosid ent-
deckt.“ Erst als es mir trotz aller Mühe und Sorgtalt absolut nicht
gelingen wollte, aus den Blättern einen Körper zu isolieren, welcher
keinGlykosid war und zugleich die Eigenschaften vonSchmiede-
berg’s Digitoxin gezeigt hätte, tauchten in jener Richtung Zweifel
auf. Ich bezog dann von E. Merck in Darmstadt eine kleine
Quantität Digitoxin, welches laut Mitteilung jener Firma „zwar nach
H. Kiliani: Ueber #-Digitoxin. 817
den Angaben Schmiedeberzg's dargestellt ist, dessen Schmelz-
punkt jedoch nicht damit übereinstimmt“. Zunächst stellte ich fest,
dafs auch das Merck'sche Präparat beim Erhitzen mit Säure
Zucker abspaltet; die Erweichungstemperatur wurde ebenso wie bei
meinen „Krystallen aus Aether‘ zu annähernd 145° gefunden. Gegen
englische Schwefelsäure verhält sich das Merck’sche Digitoxin
etwas anders als meine reine Substanz, es giebt nämlich eine sehr
schmutzige rote Färbung. Jedenfalls aber ist Merck’s Präparat
noch nicht ganz einheitlich bezw. rein. Denn wenn man esin IOT.
kochenden S5prozentigen Alkohols auflöst, erhält man eine gelbe
Flüssigkeit und beim Erkalten scheiden sich deutlich zweierlei
Krystalle aus, zuerst weilse kleine Wärzchen und dann kommen
unverkennbar dieselben schönen farblosen Krystallblätter wie bei
meinen reinen „Krystallen aus Aether“. Ich habe dieses Gemisch
von weilsen und farblosen Krystallen direkt analysiert und folgende
Werte erhalten:
I. 0,4565 g verloren im Vakuum rasch 0,0682 g, dann bei 1059
noch 0,0056 g, im ganzen 0,0738 g H,O.
I. 0,1611 g bei 105% getrockneter Substanz gaben 0,373 g CO,
und 0,1259 g H,O.
Gefunden : 16,16 Proz. H,0, 63,14 Proz. C, 8,68 Proz. H
Schmiedeberg fand: — 63:60-'1,. sr Sn De
Schmiedeberg hatte seine Substanz aus absolutem Alkohol
bezw. Chloroformalkohol gewonnen, also natürlich wasserfreies Material
bekommen, was ich ja auch an meinen „Krystallen aus Aether“ be-
obachtete..e Ueber die Identität von Merck's Präparat mit
Schmiedeberg's Digitoxin scheint mir nun nach obigem kein
Zweifel zu bestehen, so dafs jedenfalls die Schlufsfolgerung be-
rechtigt sein dürfte, dafs auch Schmiedeberg's Digitoxin
ein Glykosid war. Dagegen läfst sich vorläufig nicht mit voller
Bestimmtheit behaupten, dafs auch meine „Krystalle aus Aether“
identisch sind mit Schmiedeberg’s Digitoxin. Ich vermute
zwar, dals letzteres ebensowenig wie das Merck'sche Präparat
eine völlig einheitliche Substanz war. Denn Schmiedeberg's
Darstellungsmethode, welche sich einfach auf die Schwerlöslichkeit
des Digitoxins in Wasser gründet, macht die Wahrscheinlichkeit
der Beimengung anderer schwer löslicher Stoffe jedenfalls weit
318 M. Kiliani: Ueber 4-Digitoxin.
grölser als mein Aether-Extraktions-Verfahren, bei welchem nach
allen meinen Beobachtungen nur dieses eine Glykosid in den
Aether übergeht. Um aber jede neue Verwirrung in der Digitalis-
Litteratur zu vermeiden, möchte ich vorschlagen, bis zur späteren
völligen Aufklärung des Sachverhaltes das Schmiedeberg'sche
Präparat als «a-Digitoxin, meine „Krystalle aus
Aether“ dagegen als 3-Digitoxin zu bezeichnen. Stellt
sich dann in Zukunft heraus, dafs Schmiedeberg's Produkt
als wesentlichen Bestandteil wirklich nur das von mir dargestellte
chemische Individuum enthält, so macht es keine Schwierigkeit, die
Präfixa « und 3 zu beseitigen. Ueber die pharmakologische Unter-
suchung des #-Digitoxins wird Herr Prof. Boehm selbst be-
richten.
Die Spaltung des 4-Digitoxins lälst sich mit Leichtigkeit
schon bei gewöhnlicher Temperatur bewerkstelligen in
tolgender Weise:
Man übergiefst 1 Teil lufttrockenes 3-Digitoxin mit 10 Teilen
eines Gemisches von 8 Teilen 50 prozentigem Alkohol und 2 Teilen
konz. Salzsäure (1,19). Bei feifsigem Umschwenken der vor Ver-
dunstung geschützten Mischung löst sich das Glykosid in 1-2
Stunden völlig auf. Nach 24 Stunden, innerhalb welcher Zeit
manchmal ohnedies schon eine geringe Abscheidung von Krystallen
zu beobachten ist, versetzt man die nur schwach gelbe Flüssigkeit
mit Wasser bis zum leichten Opalisieren, woraufalsbald eine reichliche
Krystallisation entsteht. Zur Vollendung derselben läfst man 12 Stunden
im kalten Raum stehen und saugt dann ab unter Benutzung von
zuerst 20, dann 10 prozentigem Alkohol als Waschflüssigkeit. Das
Filtrat wird mit Wasser verdünnt und drei mal mit Chloroform ge-
schüttelt, bei dessen Verdunstung zunächst ein Sirup verbleibt.
Dieser verwandelt sich aber durch kurzes Erwärmen mit wenig
50 prozentigem Alkohol ebenfalls in einen dicken Brei der schon
erwähnten Krystalle.
Zur endgiltigen Reinigung des so gewonnenen #-Digitoxi-
genins genügt einmalige Auflösung in 5 Teilen warmen 95pro-
zentigen Alkohols, Schütteln der Lösung mit etwas Blutkohle und
vorsichtige Sättigung des völlig farblosen Filtrates mit Wasser. Man
H. Kiliani: Ueber #-Digitoxin. 319
erhält auf diese Weise prächtige, relativ grolse Prismen (sehr häufig
Durchkreuzungszwillinge).
Die reinen Krystalle geben keine Farbenreaktion mit Eisen-
chlorid, ebensowenig mit englischer Schwefelsäure oder mit konz.
Salzsäure und unterscheiden sich dadurch wesentlich vom #-Digitoxin.
Sie reagieren neutral und sind unlöslich in Natriumcarbonat. Mischt
man die Krystalle mit letzterem Reagens und giebt Kaliumpermanganat
hinzu so erfolgt wenigstens innerhalb kurzer Zeit keine Reduktion.
Das Digitoxigenin enthält kein Krystallwasser und ist bei
220° noch fest.
0,1257 g vakuumtrockene Substanz lieferten 0,3355 g CO, und
0,1023 g H30.
Berechnet für C,, Ha» 0;: Gefunden:
C 72,41 72,68
H 9,19 9,04
Die weitere Untersuchung des sowohl chemisch als pharma-
kologisch interessanten Körpers werde ich möglichst bald in Angriff
nehmen.
Zum Nachweise des bei der Spaltung entstandenen Zuckers
wurde die mit Chloroform extrahierte, ganz farblose wässerige Lösung
mittelst Silberoxyd von der Salzsäure befreit und im Vakuum über
Schwefelsäure bis zum Sirup verdunstet. Dieser verwandelte sich
nach krättigem Umrühren über Nacht in einen dicken Brei von
relativ grofsen Krystallen, deren ganzer Habitus sofort erkennen
liefs, dafs keinenialls ein dem allgemeinen Typus C, H,, O, angehöriger
Zucker vorlag. Zufällig war ich durch andere Arbeiten verhindert»
die Masse augenblicklich zu verarbeiten und liefs sie deshalb im
Exsikkator über Schwefelsäure stehen. Alsich sienach ca. 14 Tagen
wieder vornahm, war zu meiner unliebsamen Ueberraschung ein
wesentlicher Anteil der Krystalle unter Gelbfärbung schmierig
geworden; es hatte also eine Zersetzung stattgefunden, deren Grund
mir bisher unbekannt ist. Durch sofortiges Anrühren mit wenig
Methylalkohol konnte ich deshalb leider nurmehr einen kleinen
Teil der ursprünglichen Krystalle retten, was um so bedauerlicher
ist, als die einzige Elementaranalyse, welche ich aus obigem Grunde
auszuführen vermochte, ein recht merkwürdiges Resultat ergab.
320 H. Kiliani: Ueber /-Digitoxin.
0,1888 g vakuumtrockener Substanz lisferten 0,3386 8 CO, und
0,1452 g H,0.
Berechnet für C,H, 0;: Gefunden:
© 48,65 48,91
H 8,11 8,54
Hieraus kann man vorläufig nur schliefsen, dals bei der
Spaltung des #-Digitoxins ein eigenartiger Zucker, die Digitoxose
entsteht, deren Formel aber entschieden noch genauer kontrolliert
werden muls.
Der Zucker ist in Wasser leicht löslich; ein mittels Wasser
bereiteter Sirup desselben liefert langsam grofse, schön ausgebildete
Prismen. Die Digitoxose löst sich reichlich in Aceton; aus ihren
alkoholischen Lösungen wird sie nur, wenn jene ganz konzentriert
sind, durch Aether gefällt und zwar regelmälsig direkt als Krystall-
mehl. Diese Eigenschaften deuten auch schon darauf hin, dafs die
Digitoxose weniger Sauerstoff enthält als der allgemeinen Formel
C, Han On entspricht.
Zum Schlusse sei noch bemerkt, dafs die Untersuchung der
übrigen aus den Digitalisblättern gewinnbaren Glykoside schon
ziemlich weit vorgeschritten ist und dafs ich z. B. schon seit einiger
Zeit im Besitze von gut krystallisierten Glykosiden bin, deren Herz-
wirkung etwa viermal so stark ist als jene des #-Digitoxins. Ich
hoffe hierüber in Bälde berichten zu können.
ARCHIV
| PHARMACIE
Deutschen Apotheker-Verein
unter Redaction von
E. Sehmidt und H. Beckurts.
Band 233., Heft 5.
BERLIN.
Selbstverlag des Deutschen Apotheker-Vereins.
1895.
5. Ausgegeben den 31. Juli 1895.
>
INHALT.
Friedrich August Flückiger, Nekrolog
Eingegangene Beiträge. B., =
A. Partheil, Ueber die Bestimmung des Glycerins im Weine etc.
K. Th. Hallström, Anatomische Studien über den Samen der Myristi-
caceen und ihre Arillen.
E. Winterstein, Chemische Zusammensetzung von Pachyma Cocos und
Mylitta lapidescens.
. Beckurts, Zur Kenntnis der Angostura-Alcaloide.
Beckurts und H. Seiler, Ueber Fettuntersuchungen mit dem
Refractometer.
Beckurts und F. Oelze, Zur Kenntnis des Hirschtalgs.
C. Plugge, Ueber das Vorkommen von Cytisin in verschiedenen
Papilionaceen.
C. Plugge, Ueber das Matrin, das Alcaloid der Sophora augustifolia.
Kassner, Untersuchungen über Orthoplumbate der Erdalkalien.
. Mankiewicz, Ueber eine forensische Strychninuntersuchung.
. Luz, Ueber das Ammoniacum.
. Gorter, Ueber die van der Moor'sche Reaction und die Erınittelung
des Oytisins.
Ki
af:lefok:
nn | (Geschlossen den 20. VII. 1895.)
lo EEE A Rn De Fa Ra
_ Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel
“ monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis
50 Bogen. Ladenpreis für den Jahrgang Mk. 12,—.
Alle Beiträge für das „Archiv‘‘ sind an die
Archiv-Redaction
Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg (Hessen)
oder Herın Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig,
alle die Inserate u. s. w., überhaupt die Archiv-Verwaltung und
die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den
Deutschen Apotheker-Verein
Berlin ©. 22, An der Spandauer Brücke 14
2
& einzusenden.
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BRRITTTTTTÄÜTTTTTT FERRTTETTTRRTTTTERRTTRTTTTRTR
Anzeigen.
Dieselben werden mit 4o Pfg. für die durchgehende und mit 25; Pfg für die gespaltene‘ .
© Petitzeile oder deren Raum berechnet. Beilage-Gebühr für das Tausend der Auflage —
2.2. 3650 — Mk, ıc. Für Beilagen, welche nicht dem Format des „Archiv“ entsprechen, 3
ER bleibt BEBEPOSEE Vereinbarung vorbehalten ” = >
Friedrich August Flückiger. 321
Friedrich August Flückiger.
(1828—1894.)
„Et gaudium et solatium in literis, nihilque tam
laetum, 'quod his laetius, nihil tam triste, quod non
per has sit minus triste.“ (Plinius, Epist.)
Das Jahr 1894 hat eine nicht geringe Zahl hervorragender
Vertreter der Naturwissenschaften, sowie anderer gelehrter Fächer
dahingerafft; unter den ersteren findet sich mit einer Ausnahme
(Hermann Helmholtz) keiner, dem auf seinem Gebiete so unbestrittener
Masfen die erste Stelle zuerkannt werden dürfte, wie derjenige, dem
dieses Gedenkblatt gewidmet wird und den in später Abendstunde
des 11. Dezember in der Hauptstadt seiner geliebten schweizerischen
Heimat der Tod aus einem längeren Leben emsigster Arbeit und
gewissenhafter Pflichterfüllung abgerufen hat.
Friedrich August Flückiger, — so werden es in
allen Landen die Vertreter der Pharmacie dankbar bezeugen, welche
im Geiste trauernd an seiner frischen Gruft stehen — hat durch
seine Thätigkeit als Lehrer, Forscher und Schriftsteller neben einer
Anzahl gleichgesinnter Mitarbeiter mit in erster Linie das Ansehen
der wissenschaftlichen Pharmacie gehoben und vor allem durch seine
eigenen Leistungen und die von ihm ausgehenden Anregungen das
für den praktischen Apotheker so wichtige Fach der Pharmakognosie
zu der Bedeutung und Würde einer eigenen selbständigen Disziplin
erhöht, welche in seinem Sinne weiter zu pflegen und zu fördern
Aufgabe seiner zahlreichen Schüler und Freunde in der ganzen ge-
bildeten Welt bleiben mufs.
So durften denn die wissenschaftliche und die praktische Phar-
macie, die dem Verewigten beide so viel zu danken haben, zumal
in dem Lande, in dem er die besten und fruchtbringendsten Jahre
seines Lebens verbracht hat, wohl erwarten, dafs auch in der Zeit-
schrift, welche die Mehrzahl seiner wissenschaftlichen Abhandlungen
beherbergt, ein Lebensbildl, — dem hingegangenen Meister und
Lehrer zum ehrenden Andenken, den Zeitgenossen und Nachkommen
zur Ermutigung — seine Stelle finden werde.
Wer sich aber anschickt, dieser schönsten moralischen Pflicht
dankbarer Pietät nachzukommen und den Nekrolog des verdientesten
Arch. d. Pharm. CCXXXIM. Bäs. 5. Heft. 21
322 Friedrich August Flückiger.
unter den Nestoren der wissenschaftlichen Pharmacie unserer Zeit
zu schreiben, der wird an der Schwelle solchen Versuches den Kon-
flikt mit der in pharmaceutischen Kreisen und nicht weniger aulser-
halb derselben wohlbekannten Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit
des hingeschiedenen Gelehrten und Lehrers zu bestehen und nach
bestem Wissen und Gewissen zu schlichten haben. Diese Charakter-
eigenschaften, keineswegs unvereinbar mit einem tiefinnersten Gefühl
des Wertes der eigenen Leistungen, über welche bei keinem Anlasse
das leiseste Selbstlob über seine Lippen kam, waren echt, niemals
an die Blöfsen jenes bekannten Mantels erinnernd, und mulsten des-
halb berücksichtigt werden. Wohl konnte sich der Verstorbene ge-
legentlich über biographische Arbeiten unserer Tage freuen, so u.a.
über die meisterhaft redigierten Nekrologe, welche ein A. W. von
Hofmann seinen wissenschaltlichen Freunden, wie Graham,
Magnus, Dumas, Würtz u. s. w. widmete, oder über treff-
liche Lebensbilder vaterländischer Gelehrter, wie des Geologen
Escher v. d. Linth oder des Botanikers Oswald Heer. Er
bewunderte die ungewöhnlich geschickte Anordnung des Stoffes, den
höchst anziehenden und anregenden, oft geradezu klassischen Styl,
er freute sich des bleibenden Ruhmes und der ehrenvollen Würdigung,
welche jenen Gelehrten in solchen biographischen Denkmälern zu
teil wurde, wie er ja denn selbst in seinen Aufsätzen über Brun-
tels, über Scheele, über De Vrij u. A. die biographisch-
historische Richtung in so gediegener Weise gepflegt hat; — aber
wie wenig fiel es ihm ein, sich selbst in die Reihen solcher Männer
stellen zu wollen, wie peinlich vermied er jede Parallele, welche die
Deutung zugelassen hätte, dals er selbst dereinst gleichbeschaffene,
grölsere, die persönlicken Erlebnisse von der Wiege bis zum Grabe
umfassende Nekrologe beanspruche! Wenn dreifsigjährige Bekannt-
schaft und damit verknüpfter mündlicher und schriftlicher Verkehr
uns über Anschauungen und Wünsche eines verehrten Freundes be-
lehren kann, so muls sich der Verfasser dieses Nekrologes sagen, dals
derselbe, — eine keineswegs leichte Aufgabe — sich der grölsten
Diskretion und strengsten Sachlichkeit zu befleißsigen hat, um dem
Sinne und Wunsche des gefeierten Todten zu entsprechen. Diese
Vorbemerkung möge zugleich andeuten, dals hier mancherlei Beiwerk
wegzubleiben hat, welches gelegentlich bei Artikeln biographischen
Friedrich August Flückiger. 323
Inhaltes eher zur Unterhaltung, als zu historischer Belehrung auf-
genommen zu werden pflegt. —
Flückiger's Wiege lag in dem als Oberaargau bezeichneten
tebiete des Schweizerischen Kantons Bern. Dort wurde er am
15. Mai 1828 in dem seit jener Zeit kommerziell wie industriell
mehr und mehr aufblühenden Flecken Langenthal als Sohn des
Kaufmarns Fıiedrich Flückiger geboren und erhielt in der Taufe
die Namen Friedrich August, welche dereinst in der ganzen
pharmaceutischen Welt als „F. A. F.“ so guten Klang bekommen
sollten. Die Mutter, geborene Anna Maria Gygax, gehörte einer
seit langer Zeit im Oberaargau ansässigen Familie an, welche, wie
übrigens auch diejenige des Vaters, noch heute in zahlreichen
äweigen in diesen Teilen der Schweiz vertreten ist. Wenn dem
alten spanischen Spruche „Hombre del lugar en que nace muchas
ordenes hace“ (Der Mensch entnimmt seiner Geburtsstätte manche
Lebensregel) einige Wahrheit innewohnen sollte, so würde der junge
Langenthaler Bürger neben ernster Lebensauffassung die in poli-
tischen wie in religiösen Dingen liberale Richtung und den offenen,
auf weitere Ziele gerichteten Sinn, wie sie jener Landesgegend
eigen geblieben sind, als Angebinde für das Leben erhalten haben.
Nebenbei wurde ihm, den Verhältnissen des elterlichen Hauses ent-
sprechend, eine gute Erziehung zu tell. Schon frühe zur späteren
Uebernahme der gutgeführten und prosperierenden väterlichen Eisen-
handlung bestimmt, sollte Friedrich August zunächst in einer guten
Schule eine befriedigende Vorbildung erhalten und wurde deshalb
mit dem 10. Jahre dem schon damals unter ausgezeichneter Leitung
stehenden Progymnasium des benachbarten, am Ausgange des
Emmenthales freundlich und reizend gelegenen bernischen Städtchens
Burgdorf anvertraut. Hier verbrachte er, von seinen Lehrern
seines gewissenhaften Fleilses und seines redlichen Strebens halber
hochgeschätzt und bei verschiedenen Anlässen ausgezeichnet, mehrere
Jahre, bis im Herbst 1843 eine länger andauernde hartnäckige
Krankheit den lernbegierigen Schüler zwang, den weiteren Besuch
der Anstalt aufzugeben, deren Unterricht nach einer späteren auto-
biographischen Notiz die Vorliebe für Studien in ihm geweckt hatte.
Inzwischen war auch allzu frühzeitig Flückiger's Vater aus dem
Leben geschieden, und es trat an den Sohn die durch Familien-
21*
324 Friedrich August Flückiger.
verhältnisse und die Pietät gegen die Eltern gebotene Aufgabe
heran, sich durch geeigneten, baldigen Abschlufs der Ausbildung
zur späteren Fortsetzung des väterlichen Berufes vorzubereiten.
Sein Vormund, der bernische Amtsrichter Grim m in Burgdorf, der
dem jungen Flückiger Jahre lang ein väterlicher Freund blieb, hatte
zu diesem Zwecke, im Einverständnisse mit den nächsten Ver-
wandten, die über die Grenzen Deutschlands hinaus wohlbekannte
Handelslehranstalt von K. Noback in Berlin in Aussicht ge-
nommen, und als endlich die Gesundheitsverhältnisse die Wieder-
aufnahme der abgebrochenen Schulstudien gestatteten, siedelte der
Junge Schweizer im Frühjahr 1845 nach Berlin über, um seine Vor-
bildung in der genannten Anstalt zu gutem Ende zu führen. Wenn
nun auch Flückiger in der Folge von der kaufmännischen Lauibahn
Umgang nahm, um sich jenem Berufe zu widmen, in welchem ihm
eine Lorbeerkrone winkte, so stellt sich doch dem Biographen der
Eintritt in die Berliner Lehranstalt wie eine providentielle Fügung
dar, denn nicht allein wurde damit der trefflich begabte und streb-
same Schüler nach einem Oentrum geistigen Lebens und vielfältigster
Anregung versetzt, sondern es stand das genannte Institut, welchem
hervorragende Gelehrte, wie Alex. vv. Humboldt u. A. ihr
Interesse zugewandt hatten, mit der Berliner Hochschule wenn auch
nicht in offizieller, so doch in indirekter Verbindung, insofern
Dozenten der Universität in der Noback’schen Handelslehranstalt
Unterricht erteilten. Zu diesen gehörte u. A. auch der bekannte
Chemiker K. F. Rammelsberg, der damals an der Hochschule
Berlin als Privatdozent wirkte und noch während Flückigers Au-
wesenheit zum professor extraordinarius befördert wurde. Dieser
treffliche Gelehrte und Forscher, dem die Chemie eine Anzahl sehr
bemerkenswerter Schriften verdankt und dessen Vorträge, wie der
Verf. dieser Zeilen noch 25 Jabre später bei dem Besuch seiner
Vorlesungen bezeugen konnte, an Uebersichtlichkeit und Klarheit
ihres Gleichen suchten, war ganz dazu angethan, gleichzeitig mit
E. Mitscherlich, dem durch zahlreiche Arbeiten bekannten
Forscher und Verfasser eines der ersten Lehrbücher der Chemie,
den wissensdurstigen Zögling der Handelslebranstalt in das Gebiet
der Chemie einzutühren und damit seinem Geiste jene Richtung zu
geben, die ihn später, unter Verzichtleistung auf den ursprünglich
Friedrich August Flückiger. 325
naheliegenden kommerziellen Beruf, dem mit Chemie so nahe ver-
wandten Fache der Pharmacie zuführen sollte. Dem einsichtigen
Leiter der Anstalt konnte weder Flückiger's erheblich über das
Mittelmals hinausgehende Begabung noch sein ernstliches Streben nach
Erweiterung seiner Kenntnisse in wissenschaftlicher Richtung entgehen,
und er nahm deshalb keinen Anstand, ihm in uneigennütziger Weise
den Uebertritt aus seinem Institute an die Hochschule nahe zu legen.
Im Einverständnisse mit seiner Familie verliefs Flückiger im Spät-
herbst 1845 die Noback’sche Anstalt, mit einem sehr gut lautenden Ab-
gangszeugnisse versehen, , um sich für das Wintersemester 1845/46
an der Universität immatrikulieren zu lassen und neben den Vor-
trägen der schon erwähnten Chemiker noch anderweitige Vorlesungen
naturwissenschaftlichen und philosophisch-historischen Inhaltes anzu-
hören. Die Persönlichkeiten, mit denen er hier als Schüler in Be-
ziehung trat, wie Rose, Ehrenberg, Grimm, Lachmann,
Schelling,Schubart u.a., lassen uns ermessen, welchen Schatz
an neuem Wissen und vielseitigster Anregung der damals kaum
18 jährige Jüngling von diesem wenn auch nur kurzen Aufenthalt
an der Berliner Hochschule mit nach Hause brachte. Er verliels
die zu jener Zeit noch keineswegs alle Vor- und Nachteile der
Grolsstadt vereinigende preulsische Kapitale im Frühjahr 1846, um
sich, nach kurzem Aufenthalt im elterlichen Hause, wo die inter-
essanten brieflichen Berichte aus Berlin durch mündliche Schilderung
zu ergänzen waren, an die Berner Hochschule zu begeben und
dort die begonnenen naturwissenschaftlichen Studien fortzusetzen.
Die zwei Semester, welche Flückiger daselbst zubrachte, waren in
noch höherem Malse als die in Berlin verlebte Zeit als ein Arbeits-
jahr zu betrachten, in welchem er einen ersten solider Grund seiner
ungewöhnlich vollständigen wissenschaftlichen Bildung legte. In
dem ruhigeren Geleise einer kleineren Universität sich bewegend,
konzentrierte er sein Interesse in erster Linie auf chemische und
geologisch - mineralogische Studien, welch letztere ihn noch für ge-
raume Zeit ins praktische Leben begleiteten und in manchen
späteren Publikationen ihren Ausdruck finden. Die Vertreter der
beiden Disziplinen, alt angesessenen Berner Familien zugehörig,
hatten in der Wissenschaft einen guten Klang, — ersterer, Carl
Brunner, ursprünglich Pharmaceut, dann Professor der Chemie,
326 Friedrich August Flückiger.
durch seine Methode zur Kaliumbereitung und seine Arbeiten über
Eisen-, Mangan-, Aluminium- und Silberverbindungen, letzterer,
Bernhard Studer, durch seine wertvollen Untersuchungen über
Geologie und physikalische Geographie der Schweiz. Mögen auch
die Vorlesungen dieser Gelehrten hinsichtlich des demonstrativen
Teiles heutigen Anforderungen nicht immer entsprochen haben, so
kann doch kein Zweifel darüber bestehen, dafs beide Lehrer den
strebsamen und lernbegierigen Studenten wesentlich förderten und
dals namentlich der Geologe B. Studer, eine expansivere Natur,
über tiefgründige Kenntnisse in den Hauptgebieten der Naturforschung
gebietend und mit zahlreichen naturwissenschaftlichen Koryphaeen,
wie A.w.-Humboldt, Leopold v. Bach, Ch ZEy2BE
Wöhler, Chevreul, Marignac, A. de Candolle etc.
persönlich bekannt und befreundet, dem ihm sympathisch gewordenen
jungen Landsmanne mannigfache Anregung geboten und zu bleibender
Erweiterung seines Gesichtskreises beigetragen hat.
In das Berner Universitätsjahr fällt denn auch der für
Flückiger’s späteren Lebensgang so folgenschwere und wohl kaum
ohne Bedenken und sorgfältige Erwägungen gefalste, wenn auch von
den Angehörigen gebilligte Entschlufs, die unter früheren Verhält-
nissen sich aufdrängende kaufmännische Laufbahn gegen den
pharmaceutischen Beruf zu vertauschen. Mafsgebend mag bei dieser
Entschliefsung zunächst die immer fühlbarer gewordene Vorliebe für
die naturwissenschaftlichen Fächer, wie für die wissenschaftlichen
Studien überhaupt gewesen sein, sodann auch die Hoffnung, in der
Pharmacie einen Lebensberuf zu finden, welcher steten Kontakt mit
einer Anzahl naturwissenschaftlicher Gebiete bedingt, andererseits
auch, seinem gewerblichen Charakter entsprechend, in höherem
Malse als manche gelehrte Berufsarten, Aussicht auf gesichertes
Auskommen gewährt.
Um dem gesetzlich vorgeschriebenen, wenn auch zu jener Zeit
wesentlich einfacheren Curriculum pharmaceuticum nachzuleben, trat
der junge Mann, der schon in so ausgiebiger Weise aus dem Borne
der Wissenschaft geschöpft hatte, nach Beendigung des zweiten
Semesters in Bern (Winter 1846—47) an die etwas prosaischere
Aufgabe der Absolvierung seiner pharmaceutischen Lehrzeit heran,
welche er im Mai 1847 begann und im Dezember 1849 beendigte.
Friedrich August Flückiger. 327
Es war zu diesem Behufe die gut frequentierte und unter trefflicher
Leitung ihres Besitzers W. Pfaehler stehende Schlangenapotheke
inSolothurn gewählt worden. Mufsten auch, wie aus den
noch vorhandenen Briefen Flückigers aus jener Zeit hervor-
geht, einem Inzipienten, der schon in den Hallen und Hör-
sälen zweier Hochschulen heimisch geworden war, die mit
dem Stadium des Apothekerlehrlings unweigerlich verknüpften,
vielfach in rein mechanischen Geschäften bestehenden Obliegenheiten
manche Augenblicke der Enttäuschung bereiten, so lag andrerseits
in der tüchtigen fachmännischen Bildung und dem wissenschaftlichen
Sinne des Prinzipals eine Gewähr dafür, dafs der angehende
Pharmaceut iu regelrechter Weise in die verschiedenen Seiten des
Berufes eingeführt und auch zur Pflege der Hilfswissenschaften, so
namentlich der Botanik ermuntert wurde. Auch hat Flückiger lange
Jahre, nachdem er, mit einem sehr günstigen Zeugnisse über seine
Lehrzeit versehen, Solothurn verlafsen hatte, anlälsliich des früh-
zeitigen Todes seines Lehrherrn, demselben, gemeinschaftlich mit
einem andern frühern Lehrlinge, dem bekannten und verdienten
schweizer. Geologen Franz Lang, einen ehrenden Nachruf
gewidmet. (s. Anhang.) Während der 21, jährigen Beschäftigung
mit praktischer Apothekerkunst war in dem geistig regsamen und
vorwärtsstrebenden Jünger der Pharmacie die alte Sehnsucht nach
der Pflege der Wissenschaft erwacht, und es wurde beschlossen,
vor der Fortsetzung der praktischen Laufbahn die erste Hälfte des
Jahres 1850 in Genf zuzubringen und vorwiegend auf botanische
Studien zu verwenden, wozu sich die seit langem in dieser Univer-
sitätsstadt vereinigten grolsen und berühmten Herbarien uud zuge-
hörigen litterarischen Hilfsmittel in ganz besonderer Weise eigneten,
ganz abgesehen davon, dals es in dieser Gelehrtenrepublik, in der
zumal die Botanik durch altangesehene Familiennamen wie De
Candolle, Boissier, Micheli vertreten ist, an Gelegenheit
zu verschiedentlicher geistiger Anregung und Förderung nicht fehlen
konnte. Die späteren Arbeiten des damaligen Pharmaceuten auf
dem Gebiete der Pharmakognosie lassen keinen Zweifel darüber
aufkommen, dals er jenes Semester botanischer Studien gewissenhaft
ausgenützt hat. Allein auch in allgemein menschlicher Beziehung
brachte ihm diese Zeit insofern Gewinn, als sie, in die glückliche
328 Friedrich August Flückiger.
Periode der Jugendfreundschaften fallend, ihn mit gleichstrebenden
Genossen zusammenführte, welche späterhin Freunde für das Leben
wurden.
Durch den Aufenthalt in Genf in sprachlicher Richtung ge-
nügend vorbereitet, wendete sich Flückiger für die zweite Hälfte
des Jahres 1850 nach dem Elsafs, um dort in der Storchenapotheke
in Strafsburg bei Herrn Jannesson (heutiger Besitzer:
E. Reeb) die pharmaceutische Condition oder sog. Gehülfenzeit zu
verbringen.
Wie oft hat er sich später bei gelegentlichen Gesprächen über
seine Erlebnisse dahin geäufsert, dafs es ihm damals kaum im Traume
hätte einfallen können, dafs er dereinst in den Räumen der Ecole
superieure de pharmacie, in denen in jenem Jahre ein Pasteur,
Bechamp und Oppermann Chemie lehrten, als Direktor des
pharmaceutischen Institutes der Universität die Stätte einer lang-
jährigen, und wir dürfen hinzusetzen ruhmvollen und segensreichen
Wirksamkeit finden würde!
Zwischen dieser spätern Periode und seinem ersten Aufenthalte
in der alten Reichsstadt im Elsals lagen allerdings reichlich zwei
Dezennien, in welche seine Thätigkeit als praktischer Apotheker,
sowie die erste Zeit seiner intensiveren wissenschaftlichen Bethätigung
hineinfallen. Zunächst aber haben wir Flückiger nach dem Orte zu
begleiten, der für die Absolvierung seiner akademischen Studien
gewählt worden war, nämlich nach Heidelberg. Wenn auch
diese alte Universitätsstadt, das klassische Urbild einer „alma mater“,
schon damals wie heute noch unwiderstehliche Anziehungskraft übte
und überdies durch mälsige Entiernung von der Heimat einen weitern
Vorteil aufwies, so hat doch, wie der Verstorbene wiederholt bemerkte,
in erster Linie die damalige vorteffliche Besetzung der für den
studierenden Pharmaceuten wichtigsten Fächer, namentlich der
Chemie, und die so ermöglichte nachhaltige Förderung die dankbare
Erinnerung befestigt, welche Flückiger seiner Studienzeit in Heidelberg
zeitlebens bewahrte. Im Januar 1851 in der „feinen, an Ehren reichen“
Neckarstadt eintreffend, um sich zu orientieren und für den Besuch
des Sommersemesters vorzubereiten, traf er auf verschiedenen Lehr-
stühlen hervorragende Dozenten, welche z. Th. schon damals als
Meister in ihren Fächern anerkannt waren, so die Chemiker Gmelin
Friedrich August Flückiger. 329
undDelffs, den Anatomen Henle, den Physiologen Tiedemanr,
und, als dessen jüngern Fachgenossen, auch Jakob Moleschott,
der damals noch als Privatdozent wirkte und nach dessen Verzicht-
leistung auf das Lehramt in Heidelberg, im Jahre 1854, kein
Geringerer als Hermann Helmholtz auf den Lehrstuhl der
Physiologie berufen wurde.
Unter den Hochschullehrern Heidelbergs, zu denen Flückiger
damals in nähere Beziehung trat, ist vor allem der Professor der
Chemie Friedr. Wilh. Hermann Delffs (geb. 1812) zu
nennen, dessen spezieller Schüler und nachheriger Assistent geworden
zu sein er stets als besonders glückliche Fügung betrachtet hat.
In der That stimmen die Zeugnisse aller derer, welche diesen
akademischen Lehrer als Schüler oder Kollegen kennen gelernt haben,
in dem Urteile überein, dafs diesem Gelehrten sowohl in seinen
Vorträgen, wie im Laboratoriumsverkehr eine ganz seltene Lehrgabe
und ein ungewöhnliches Vermögen, die Zuhörer und Schüler anzu-
regen und zu fesseln, innewohnte. Kein Wunder also, dafs auch
unser Flückiger, die Gunst des Augenblicks erhaschend, aus solchen
Eigenschaften den gröfsten Vorteil zu ziehen wulste und bald einer
der eifrigsten Schüler des Meisters wurde. Deltfs, welcher da-
mals in den besten Jahren seiner Thätigkeit stand und sich nicht
allein durch eine Reihe von Arbeiten über seltenere Metalle und
über organische Verbindungen, sondern überdiefs durch ein s. Z.
sehr geschätztes kurzes Lehrbuch der reinen Chemie einen Namen
gemacht hatte, war selbstverständlich bei seinem schweizerischen
Schüler sehr bald darüber orientiert, wels Geistes Kind er vor sich
habe, und es ist deshalb nicht zu verwundern, dafs er ihm schon
im zweiten Semester eine Assistentenstelle übertrug, welche natürlich
den strebsamen Jünger der Pharmacie in noch nähern geistigen
Kontakt mit dem ausgezeichneten Lehrer bringen mufste. Auf Ver-
anlassung des Letzteren hin unternahm er eine Anzahl von Spezial-
untersuchungen. Zwei derselben finden sich im Jahrgange 1852 der
Poggendorff’schen Annalen der Physik und Chemie veröffentlicht
(s. Anhang); die eine über „neutrales molybdänsaures
Ammoniak“, die andere über „Fluorsalze des Antimons“.
Letztere Arbeit bildete zugleich den Inhalt seiner Doktor-Disser-
tation, die bei genauerer Durchsicht unschwer die charakteristische
330 Friedrich August Flückiger.
Sorgfalt, Gründlichkeit und Objektivität erkennen läfst, welche die
späteren Publikationen des Gelehrten kennzeichnen. Die Promotion
als „doctor philosophiae et magister liberalium artium“ erfolgte
„examine rigoroso summa cum laude superato“ am 4. Juli 1852.
Mit dem Sommersemester 1852 schlofs Flückiger sein Studium in
Heidelberg ab und damit zugleich seine Thätigkeit als chemischer
Assistent, über welche sich im Nachlasse ein sehr günstig lautendes
und das ungewöhnliche Talent F. betonendes Attest seines damaligen
Vorgesetzten und Lehrers vorfindet.
Nicht zutrieden mit der Erlangung der Doktorwürde, welche
so Vielen als unwiderruflich letzte Endstation des akademischen
Studiums vorschwebt, sehnte sich der junge, 24 jährige Gelehrte
nach einem ergänzenden Abschlusse in einem grölseren Centrum
des Geisteslebens, ähnlich demjenigen, welches ihm vor Jahren am
Schlusse seiner Schulzeit geboten worden war. Doch sollte
es diesmal die französische Hauptstadt sein, welche im Winter
1852—53 den neu kreierten „Doktor der Philosophie und Magister
der freien Künste“ in die goldenen Fesseln geistiger Eindrücke der
verschiedensten Art zu legen vermochte. Wie hätte er auch einen
Aufenthalt in jenem Paris nicht anstreben sollen, wo sich gerade
um die Mitte des Jahrhunderts eine Elite von Kapazitäten und
hervorragenden Lehrern und Forschern sowohl auf naturwissenschatt-
lichem Gebiete, als in den Geisteswissenschatten zusammenfanden
und aufserdem Sammlungen und Institute einziger Art dem Bedürf-
nils nach Belehrung und Vertiefung in Wissenschaften und Künsten
jede denkbare Unterstützung liehen! Mit guten Empfehlungen
namentlich seitens schweizerischer Gelehrter wohl versehen, hatte
Flückiger, als er im Herbst 1852 in Paris einrückte, bald die er-
wünschten Anknüpfungspunkte gefunden, und eine rationelle Zeit-
einteilung ermöglichte es ihm, sich ebensowohl mit dem Theater und
der Oper als mit den übrigen musikalischen Aufführungen, mit den
grolsen öffentlichen Vorträgen, wie mit den Parlaments-Debatten, mit
den Kunstsammlungen, wie mit den wissenschaftlichen Anstalten
bekannt und vertraut zu machen. Seine aus jenem Jahre datierenden
Briefe an die Verwandten, insbesondere an seine ihm geistig sehr
nahe stehende Schwester, enthalten eine Fülle von interessanten
Berichten über Gesehenes und Gehörtes, über Sachen und Personen
Friedrich August Flückiger. 331
und dürften, wenn auch selbstverständlich nicht zur Wiedergabe an
solcher Stelle geeignet, der Objektivität des Beobachters wegen
manche bemerkenswerte Einblicke gewähren.
Obwohl aber die Seinestadt nach so verschiedenen Seiten das
Interesse in Anspruch nehmen mulste, so hatte sich doch Flückiger
neben dem spezielleren Studium einer Anzahl wissenschaftlich er
Institute und Sammlungen, wie z. B. derjenigen des „Jardin des
plantes“, der „Ecole de pharmacie“, des „Conservatoire des arts et
metiers“, der „Ecole des mines“ etc. noch besondere Zwecke gesetzt,
vor Allem die weitere Ausbildung in chemischen Arbeiten durch den
Besuch des chemischen Laboratoriums von Professor Ch. Ad olphe
Wurtz (geb. 1817) in der Ecole de medecine, welcher neben dem
späteren Minister und Senator M. Berthelot, dem damals schon
bejahrten Chevreul undH. St. Claire Deville, dem Freunde
und Mitarbeiter Wöhlers, sowie J. B. A. Dumas, seinem Amts-
vorgänger an der Ecole de medecine, als der bedeutendste Chemiker
Frankreichs geschätzt war. Wer s. Z. die von A. W. v. Hofmann
verfalste vortreffliche Biographie von Wurtz gelesen hat, wird zu
würdigen wissen, welcher Gewinn sich aus dem anregenden Um-
gange mit diesem reichbegabten und vielseitigen Gelehrten ergeben
mulste, dessen Vaterstadt später der Ort langjähriger fruchtbarer
Thätigkeit seines Schülers werden sollte. Ohne Zweifel hatte sich
Flückiger, angeregt durch die genialen Arbeiten von W urtz über
die substituierten Ammoniake, schon in Paris mit einschlagenden
Untersuchungen beschäftigt. Eine hierauf bezügliche Mitteilung,
„Versuche über Thimethaldin und Thiäthaldin,
zwei künstliche dem Thialdin homologe Basen“,
welche er später als praktischer Apotheker in Burgdorf im Jahre
1855 in der Berner naturforschenden Gesellschaft vortrug (s. Anhang),
schlofs mit der Bemerkung: „Eine Wiederaufnahme dieser unglaub-
lich mühsamen und zeitraubenden Versuche ist mir leider gegen-
wärtig versagt, so sehr wünschbar es auch wäre, irgend eine gut
charakterisierte krystallisierte Verbindung dieser interessanten Basen
zu bereiten und deren Zusammensetzung analytisch zu verifizieren.“
Es darf hieraus doch wohl geschlossen werden, dals in diesem Vor-
trage die Ergebnisse einer früher im Wurtz’schen Laboratorium in
Paris ausgeführten Arbeit zusammengefalst wurden.
332 Friedrich August Flückiger.
Mit diesem für Flückiger so denkwürdig abgelaufenen Winter-
semester 1852/53, welchem sich ein kürzerer, später öfters wieder-
holter Besuch der wichtigsten Sehenswürdigkeiten und wissen-
schaftlichen Institute Londons anschlofs, war nunmehr die Periode
des quasi „offiziellen“ Lernens, — denn, wenn je Einer, so ist er
bis an sein Lebensende bewulster Weise „Schüler“ geblieben —
zu endgiltigem Abschlusse gekommen, und wir finden ihn im Früh-
sommer des Jahres 1853 bereits in die praktisch-pharmaceutische
Laufbahn eingetreten als Besitzer des im Volksmunde als „grolse
Apotheke“ bekannten Apotheken- und Drogengeschäftes in dem-
selben Städichen Burgdorf, in dem er 15 Jahre zuvor als
Schüler in das Progymnasium eingetreten war. Durch Vertrag mit
dem gleichzeitigen Besitzer und Socius, Friedr. Lüdy, wurde
vereinbart, dafs das Geschäft vom September dieses Jahres an unter
der Firma „Flückiger & Comp.“ geführt werden und dabei
Flückiger die verantwortliche Leitung der Apotheke, dem Mitbesitzer
aber die Leitung der damit verbundenen Drogenhandlung zukommen
solle. Diese Malsregel mulste sich in der Folge nach verschiedenen
Richtungen bewähren und hat wohl das ihrige zur Entwicklung des
weitern Lebensganges Flückiger's beigetragen; denn schwerlich
hätte der damals erst 25 Jahre alte, an Kenntnissen zwar reiche,
aber der praktischen Lebenserfahrungen noch entbehrende Apotheken-
besitzer bei alleiniger Führung eines ziemlich ausgedehnten Doppel-
geschäftes noch die nötige Sammlung, Lust und Zeit gefunden, um
die wissenschaftliche Pharmacie zu pflegen und einschlagende Arbeiten
auszuführen !
Die siebenjährige Periode, welche unser Lehrer und Freund in
Burgdorf verlebte, wurde für ihn vor allem dadurch zum erfreulichen
Wendepunkt, dafs er in die Lage kam, im August 1857 seine Lebens-
gefährtin Luise Frey, die Tochter einer angesehenen Familie der
zürcherischen Industrie- und Handelsstadt Winterthur, heimzuführen.
In einem glücklichen, auf gegenseitiger Liebe und Achtung fulsenden
Ehebunde, der bis zu seinem Tode andauerte, hatte ihm seine Gattin
3 Söhne und 3 Töchter geschenkt. welche mit den Eltern in
trautem Familienleben verbunden blieben, wenn auch zum wieder-
holten Male der Tod eine Lücke rils und das Familienglück zu
trüben drohte.
Friedrich August Flückiger. 333
Dals Flückiger seine Apotheke in gewissenhafter und muster-
giltiger Weise verwaltete, bedart nach dem schon Gesagten keiner
besonderen Darlegung; erwähnenswerter und bezeichnend für den
ihm innewohnenden Forschertrieb und den ihn beherrs chenden Drang,
die Pharmacie wissenschaftlich zu fördern, ist die Thatsache, dafs
er, obwohl ohne Verkehr mit einer größseren Zahl von Kollegen
oder mit einem anderweitigen grölseren Kreise wissenschaftlich Ge-
bildeter und hinsichtlich litterarischer und sonstiger wissenschaftlicher
Hilfsmittel auf seine in Entstehung begriffene Priva tbibliothek und
die Utensilien des Apotheken-Laboratoriums angewies en, doch schon
in Burgdorf die grofse Reihe seiner wissenscha itlichen Abhandlungeu
mit nicht weniger als etwa 20 Aufsätzen inaugurierte und nebenbei
intensive Vorstudien und Vorarbeiten für die späterhin vorzugsweise
unter seiner Leitung und Mitarbeit geschaffene Pharma ce opoea helvetica
betrieb.
Da im weiteren Verlaufe dieses Lebensbildes in erster Linie
von den wissenschaftlichen Leistungen des geschiedenen Lehrers
und Forschers die Rede sein wird, so mögen, um allfälligen Mifs-
deutungen vorzubeugen, an dieser Stelle zwei Bemerkungen voraus-
geschickt werden. In erster Linie konnte nicht davon die Rede
sein, in einem für eine Zeitschrift bestimmten Nekrologe neben den
grölseren, in Buchform erschienenen Schriften sämtliche wissen-
schaftliche Abhandlungen zu besprechen oder auch nur namhaft zu
machen; dagegen wurde es für erspriefslich und wünschenswert
gehalten, im Anhange ein möglichst sorgfältig revidiertes und voll-
ständiges Verzeichnis der in Fachschriften erschienenen wissen-
schaftlichen Publikationen Flückiger’s beizugeben und auf diese
Weise die Benutzung derselben, wie überhaupt die nähere Einsicht
in dessen grofse litterarische Thätigkeit zu erleichtern. Der ver-
storbene Autor hat dies selbst dadurch ermöglicht und nahegelegt,
dafs er der in 7 Bänden vereinigten Sammlung von Sep.-Abdrücken
der Mehrzahl seiner Abhandlungen und Aufsätze eine durch einen
Zeitraum von 40 Jahren fortgeführte Liste mit Angabe der Publikations-
orte beigeheitet hat!
Sodann ist a priori davon Umgang zu nehmen, in dieser Denk-
schrift alle in engeren oder weiteren Kreisen bekanuten und nach
den verschiedensten Richtungen hervorragenden Persönlichkeiten zu
334 Friedrich August Flückiger.
nennen, mit denen Flückiger teils in schriftlichem, teils in persönlichem
Verkehr gestanden hat oder spezieller befreundet gewesen ist.
Staunend versenkt sich immer wieder der Blick in seine, im Nach-
lasse vorgefundene Korrespondenz, die sich über reichlich 40 Jahre
erstreckt und die uns klar macht, wie er, im Interesse der wissen-
schaftlichen Pharmacie bald fragend und nehmend, bald auch, und
zwar häufiger, anregend und gebend, allmählich hervorragende
praktische Apotheker, Besitzer grofser Drogenhandlungen und Import-
häuser, Leiter weltbekannter chemischer Fabriken, pharmakologisch
gebildete Aerzte, Konsuln und Staatsbeamte in fremden Ländern,
vor Allem auch seine Kollegen, die Lehrer der Pharmacie und
pharmaceutischer Disciplinen, kurz Alle, denen die Förderung seiner
Lieblingsfächer am Herzen lag, aus allen Weitteilen als Korrespondenten
heranzuziehen und sich in freundliche, lehrreiche Beziehung mit
ihnen zu setzen wulste.e Nur in sehr beschränkter Zahl werden
alle diese Bekannten und Freunde in den nachfolgenden Blättern zu
nennen sein, wie es sich aus gelegentlicher Besprechung wichtigerer
Arbeiten und Werke ergiebt, ohne Andere übersehen oder weniger
würdigen zu wollen. Wer mit dem liebenswürdigen, bescheidenen
und stets hilfsbereiten Meister der Pharmacie in kürzerem oder
längerem Verkehr gestanden hat, wird letzteren auch ohne öffent-
liche Erwähnung zeitlebens als erfreuliche Erinnerung zu schätzen
wissen !
Unter den Arbeiten der Burgdorfer Periode mag in erster
Linie die Abhandlung: „Ueber das Templinöl“ (Beitrag
zur Kenntnis der Terebene) hervorgehoben werden, weil dieselbe
die frühzeitige Beschäftigung des Autors mit dem interessanten
Gebiete der ätherischen Oele dokumentiert und als Anfangsglied
einer Reihe späterer experimenteller und historischer Studien über
diverse flüchtige Oele der materia medica gelten kann. Die mono-
graphische Behandlung dieses im Kanton Bern früher in grölseren
Mengen dargestellten und als Panacee geltenden Oeles, welches be-
züglich seiner Abstammung und seiner physikal.-chemischen Eigen-
schaften, sowie in verschiedenen seiner Derivate genauer untersucht
wird, darf wohl im Hinblick auf die vor 40 Jahren (1855) für das
Studium organischer Verbindungen disponiblen Hilfsmittel als muster-
giltig bezeichnet werden und erinnert, mutatis mutandis, an die viel
Ne)
Friedrich August Flückiger. 335
w
späteren klassischen Arbeiten Wallach’s über die Terpene, an
denen sich Flückiger jeweilen erfreute. Erwähnenswert ist ein am
Schlufse des Aufsatzes genanntes, aus dem Samen der Weilstanne
durch Pressen erhaltenes, balsamartiges Sekret, welches damals als
Surrogat des Copaivabalsams unter dem Namen „oleum seminis
Abietis pectinatae expressum“ versuchsweise ärztliche Anwendung
fand. Eine Probe des aus dieser Untersuchung stammenden rekti-
fizierten Templinöls, in einem Fläschchen mit der denkwürdigen
Signatur „Flückiger & Komp. in Burgdorf“, ist s. Z. bei dem Um-
zuge Flückiger's in das pharmaceutische Institut Strafsburg gelangt;
das nunmehr 40 jährige Oel hat sich inzwischen, wie hier nebenbei
bemerkt werden mag, reichlich mit ozonisiertem Sauerstoff beladen,
welcher nach Schönbein's Beobachtungen sehr lange in besonderer
Bindung mit dem äther. Oele zu bestehen vermag, so dals sieh be-
sagte Probe vorzüglich zur Demonstration dieser, auch in jener Ab-
handlung besprochenen Eigenschaft eignet.
Von weiteren, in Burgdorf abgeschlossenen Studien chemi-
schen Inhalts verdient, neben einigen kleineren Mitteilungen über
Kalisesquicarbonat, phosphorsaures Stickoxyd,
Prüfung der fetten Oele und Prüfung der Milch,
noch eine Arbeit über Reduktion der Eisenoxydsalze
Erwähnung, insofern hier zum ersten Male das Verhalten einer
gröfseren Zahl anorganischer und organischer Substanzen zu den
wichtigsten Ferrisalzen untersucht und erörtert wird. Es finden sich
darin u. a. über die Einwirkung des Morphins auf Ferrichlorid und
auf Ferricyankalium einige Beobachtungen mitgeteilt, welche dem
Verfasser dieser Zeilen nicht bekannt waren, als er 1894 in Wien
über eine eingehendere Untersuchung jener Reaktion referierte. Zu
den dieser ersten Periode angehörenden Abhandlungen chemischen
Inhalts, welche einem besonderen Interesse für geognostische und
physikal-geographische Fragen entsprungen sind, gehören die Mit-
teilung über Bittersalzefflorescenz am Matterhorn,
die kritischen Erörterungen über Ozonometrie und die Unter-
suchung von Koprolithen aus Basel-Land.
Doch auch Flückiger’s späteres Hauptarbeitsgebiet, die wissen-
schaftliche pharmaceutische Warenkunde, welche wir heute mit dem
kürzeren Namen „Pharmakognosie“* bezeichnen, hatte schon damals
336 Friedrich August Flückiger.
in einigen Mitteilungen über die Droge Pengawar Djambi
und in einer kleineren Studie über das Antjar-Pfeilgift Be-
rücksichtigung gefunden, Arbeiten, in denen, wie übrigens auch in
den erwähnten Bemerkungen über Eisenoxydsalze, in unverkennbarer
Weise die feine Beobachtungsgabe, der kritische Sinn und das
Streben nach erschöpfender Behandlung des Gegenstandes her-
vortreten.
Endlich sind die Burgdorfer Jahre auch deshalb von be-
sonderem, wenn auch vielleicht dem Heimatlande Flückiger’s näher
liegendem Interesse, weil aus mehreren schriftlichen Elaborationen
jener Zeit, so namentlich aus einem an die eidgenössische Behörde
gerichteten Gutachten über eine Pharmacopoea helvetica
die intensive damalige und spätere Beteiligung an der Förderung
der schweizerischen Pharmacie und speziell an der Ausarbeitung
der ersten schweizerischen Pharmakopöe hervorgeht. Da aber diese
Verkältnisse in einem kürzeren Nekrologe') schon eingehender dar-
gelegt worden sind, so dürfen wir uns in dieser biographischen
Denkschrift auf wenige Bemerkungen beschränken.
Das Jahr 1857, in welchem Flückiger seinen Ehebund schlols,
war zugleich auch dasjenige, in welchem er durch das Vertrauen
seiner Kollegen zum Präsidenten des Schweizerischen Apotheker-
vereins gewählt worden war, weiches Amt er, mit einer kürzeren
Unterbrechung, volle 9 Jahre bekleidete.
Da es zu jener Zeit in der Schweiz an einer centralen
Medizinalbehörde fellte, welche erst in den letzten Jahren in Form
eines vorzugsweise mit hygienischen und statistischen Aufgaben be-
trauten „Gesundheitsamtes“, doch ohne direkte Vertretung der
Pharmacie, eingesetzt worden ist, so lag es jenem Fachvereine als
moralische Pflicht ob, die im Interesse des Berufes und seiner Be-
ziehungen zur salus publica liegenden Mafsnahmen anzubahnen und
vorzubereiten. Zu diesen letzteren gehörte unter vielen anderen
Dingen, welche zum Teil noch ihrer Verwirklichung harren, auch die
Aufstellung eines einheitlichen schweizerischen Arzneibuches, welches
in seinen Anfängen auf die Jahre zurückgeht, in denen Flückiger
noch nicht an der Spitze des Apothekervereins stand. Schon vorher,
aber insbesondere von letzterem Zeitpunkte an, hatte er sich in
1) Schweiz. Wochenschr. f. Chem. u. Pharm. 1895 No.7 (15. Febr.).
Friedrich August Flückiger. 337
intensiver Weise an der Bearbeitung des Textes beteiligt, und es
war seinem Eifer und seiner Sachkenntnis, wie auch der Energie
seines Vorgängers im Amte, Apotheker Roder, vorzugsweise zu
verdanken, dafs bei seinem Abgange von Burgdorf (1860) der fertige
Text zur ersten Ausgabe der vom genannten Vereine publizierten
Pharmacopoea helvetica vorlag, welche allerdings wegen unfreiwilliger
Verzögerung der Uebertragung in die lateinische Sprache erst 1865
die Presse verliefs. Wenn bedacht wird, dafs nach einer im Jahre
1860 beendigten schweiz. pharmaceutischen Statistik des Vorstands-
mitgliedes Ringk in Schaffhausen während der 50er Jahre in den
schweizerischen Kantonen noch sechs verschiedene Pharmakopoeen,
worunter vorwiegend die preufsische, zu Kraft bestanden, während
in vier Kantonen eine gesetzliche Pharmakopoe überhaupt fehlte, so
wird klar, dafs der damalige Vorsitzende des Vereins mit etwelcher
Genugthuung auf diesen ersten Vorläufer einer Landespharmakopoe
hinblicken durfte, zumal das Werk auch im Auslande Beachtung
und mehrfache günstige Beurteilung fand. Und doch hatte die Be-
teiligung an dieser Aufgabe und mehr noch an der Bearbeitung der
zweiten Auflage, welche in die Jahre 1869—1871 fiel, für Flückiger
noch eine besondere persönliche Bedeutung; denn in ihr lag nach
unserer Ueberzeugung die erfolgreichste Anregung zu jener Periode
intensivster pharmakognostischer Studien des Decenniums 1860—70,
deren Ergebnisse im „Lehrbuche der Pharmakognosie“
und inder späteren „Pharmacographia“ niedergelegt wurden.
Und dafs auch dem Autor dieser Zusammenhang bewulst war, er-
hellt wohl aus dem Umstande, dafs das erstgenannte Buch, ein erster
kühner Wurf, die Widmung trug: „Dem schweizerischen Apotheker-
Vereine zum Danke für vielfache Anregung von seinem langjährigen
Präsidenten“, eine Dedikation, die, wie mir wohl bekannt ist,
keineswegs höflicher Rücksicht, sondern innerem Bedürfnisse ent-
sprang.
Doch berühren wir mit dieser Bemerkung ein Faktum, das
bereits einer späteren Periode angehört. Im Jahre 1859 war in
Bern der Vorsteher und Verwalter der sogen. „Staatsapotheke“,
Sprüngli, gestorben und es handelte sich um die Wiederbesetzung
der Stelle. Zweck des genannten Instituts, welches in anderen
Teilen der Schweiz auch als „Kantonsapotheke“ bezeichnet wird, ist
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 5. Hefis 22
338 Friedrich August Flückiger.
die Versorgung der Spitalkliniken, sowie anderer öffentlicher An-
stalten mit Medikamenten, sowie die Lieferung von Chemikalien an
Universitätsinstitute; aufserdem war mit dieser Stellung der Sitz in
dem kantonalen Sanitätskollegium, sowie die Beteiligung an den
forensischen Analysen und übungsgemäls auch die Mitgliedschaft in
der pharmaceutischen Prüfungskommission verbunden. Es erforderte
deshalb dieses Amt einen vollkommen fachkundigen, gewissenhaften,
möglichst vielseitig gebildeten, gewiegten Apotheker. Bald genug
richteten sich die Blicke der Behörden und Kollegen auf den Apo-
theker und Doktor in dem benachbarten Burgdorf; er wurde in An-
frage gesetzt, entschlols sich nach kürzerer Bedenkzeit zur Ueber-
nahme der Stellung und erhielt, nachdem er sich für die durch Aus-
schreibung zu besetzende Stelle gemeldet, seine Ernennung als
bernischer Staatsapotheker im März d. J. 13860. Die Uebersiedlung
und Uebernahme der Geschäfte erfolgte in den ersten Tagen des
Juni; er sollte dieses Amt während der längeren Zeitdauer von nahe-
zu 13 Jahren versehen.
Die Motive, welche den Apothekenbesitzer in Burgdorf bewegen
konnten, seine Stellung mit derjenigen eines Staatsbeamten zu ver-
tauschen; — das Zurücktreten kommerzieller Bethätigung und direkter
Beschäftigung in der Apotheke und der daraus sich ergebende Zeit-
gewinn für Studien und Laboratoriumsarbeiten, die leichtere Möglich-
keit der Stundeneinteilung, die Gelegenheit zu viel häufigerem Ver-
kehr mit wissenschaftlich geschulten Vertretern verschiedenster
Fächer und die Erleichterung der Benutzung der Bibliotheken und
sonstigen Hilfsmittel der Hochschulanstalten, mögen, in Verbindung
mit einer instinktiven Erkenntnis der Befähigung zum Lehrberufe,
den eben in’s Amt getretenen Staatsapotheker auch veranlafst haben
schon im darauffolgenden Jahre 1861 an der Berner Univer-
sität um die venia docendi als Privatdozent für pharmaceutische
Fächer, insbesondere „Pharmakognosie“ nachzusuchen. Er habilitierte
sich in dieser Stellung noch in demselben Jahre und hat dieselbe
9 Jahre lang, d. h. bis zu seiner Beförderung zum Professor inne
gehabt. Mit dem Eifer der Begeisterung für die allmählig zum
Lieblingsfache und zur Lebensaufgabe heranwachsende Disziplin be-
treibt der nicht mehr ganz jugendliche, in praktischen Erfahrungen
schon gereifte Dozent neben seinen Berufspflichten als Leiter der
Friedrich August Flückiger. 339
Staatsapotheke die Vorlesungen über Pharmakognosie, und zahlreiche
spätere schweizerische Apotheker hören bei ihm mit wachsendem
Interesse dieses in neuem und originellem Gewande vorgetragene
Fach, zunächst in einem kleineren Raume der Anatomie, später in
einem geräumigeren Lokale im Gebäude der Staatsapotheke, welches,
heute noch bestehend, in Kürze der Ausdehnung des Bundesrats-
hauses wird weichen müssen. Das neben der Offizin gelegene
Schreibzimmer mit nur einem Fenster und anstofsendem Tisch und
Stehpult wird zum Studier- und Mikroskopierzimmer, ein dahinter
gelegener relativ dunkler Raum zum Privatlaboratorium, während im
Laufe der Jahre im Laboratorium der Apotheke und einem Annexe
desselben allmählich eine kleinere Zahl von Arbeitsplätzen entstehen,
welche die Aufnahme einzelner, unter Flückigers Leitung mehr oder
weniger selbständig arbeitender Schüler ermöglichen, — Alles in
Allem die ersten primitiven Anfänge eines pharmaceutischen Institutes,
welches später unter seinem Nachfolger wesentlich erweitert und in
seiner Ausstattung ergänzt werden konnte, nunmehr aber in eigenen,
zweckdienlichen und neuen Anforderungen entprechenden Räumen
nach wesentlich anderem Mafsstabe untergebracht ist.
Und doch, wie einst in seiner bescheidenen Apothekerküche
inKöping amMälarse Carl WilhelmScheele alle Büchsen
und Gläser seines Magazins zu jenen cbemischen Versuchen heran-
zog; welche den Untergang der von ihm selbst noch festgehaltenen
Phlogistontheorie anbahnten und andererseits die ersten Schritte einer
organischen Chemie darstellten, — so haben jene kleinen Arbeits-
räume an einer stillen Berner-Gasse, dem Hause schräg gegenüber,
das einst Albrecht von Haller als bernischer Staatsmann be-
wohnte, eine neue pharmakognostische Schule und als deren Aus-
gangspunkt und Grundlage ein damals noch bescheiden ausgestattetes
Buch entstehen sehen, das mit einem Schlage den Ruf seines Ver-
fassers begründen sollte!
So mögen denn diesem Werke, dessen spätere, der neueren
Generation vorwiegend bekannte Auflagen als klassische Er-
weiterung, Vertiefung und Umarbeitung der ersten, oftmals noch
tastend vorgehenden Autlage gelten können, an diesem Orte einige
Worte gewidmet werden. Eine Beschränkung solcher Darlegung
erscheint um so eher geboten, als schon an anderer Stelle von kom-
22*
340 Friedrich August Flückiger.
petenter Seite der status quo der pharmaceutischen Warenkunde
geschildert wurde, welcher vor dem Erscheinen der „Pharmakognosie“
Flückiger’s bestanden hatte und, bei vollster Anerkennung ver-
schiedener vortrefflicher und reformatorischer Leistungen, doch auf
die Dauer weder dem Inhalte noch namentlich der Form nach be-
friedigen konnte, vielmehr als ein Entwicklungsstadium zu wür-
digerer Stellung und höheren Aufgaben dieser Disziplin zu be-
trachten war.
Der Vorbereitung und Ausarbeitung der ersten Auflage des
„Lehrbuches“ war die erste Hälfte der Berner Epoche voll und
ganz gewidmet. Flückiger hatte aber in der stillen Studierstube
in Burgdorf, ja wohl schon während seiner pharmaceutischen Lehr-
und Wanderjahre erkannt, dafs erkleckliche Leistungen, intensivere
Förderung und damit auch gröfserer praktischer Nutzen der Phar-
makognosie nur dann zu erwarten seien, wenn dieses Fach nicht
mehr sub titulo „Beschreibung pharmaceutischer oder medizinischer
Drogen“ oder „pharmaceutische Warenkunde“, wie fast überall in
Europa, am wenigsten freilich in Deutschland, als eine Art An-
hängsel, Einschaltung oder Supplement der pharmaceutischen
Botanik, der pharmaceutischen Chemie oder der sog. Pharmacie be-
handelt, sondern zum Range einer der wichtigeren angewandten
Wissenschaften, wie etwa der Geographie oder Geologie erhoben
werde. Und er erkannte im Weiteren, dals eine Erhöhung der Dignität
und damit auch der praktischen Tragweite der Pharmakognosie nur
dadurch zu erreichen sei, dafs im Gegensatze zu einer öfters vor-
kommenden einseitig chemischen oder botanischen Behandlung oder
einer Beschränkung auf äufsere, vielfach zufällige Merkmale der
arzneilichen Rohstoffe eine monographische, alle bedeutsameren
Gesichtspunkte würdigende, somit auf zahlreichen Hilfsdisziplinen
fufsende Bearbeitung Platz greife.
„In hoc signo vinces‘‘ wurde seine wissenschaftliche Parole; —
erhatgesiegt und zwar namentlich‘auch deshalb gesiegt, weil er, kritisch
einschneidend woesNotthat, imübrigen jedoch reformierend, revidierend,
Gegensätze versöhnend, sich auf die Schultern der Vorgänger
stellte, von da aus weiterbaute, — mit einem Worte — „ex ungue
leonem !“ — den historischen Zusammenhang der Wissen-
schaft wahrte.
Friedrich August Flückiger. 341
Und dennoch hatte er sich für einen Zeitraum von wenigen
Jahren eine Riesenaufgabe gestellt. Handelte es sich doch um die
kritische Durcharbeitung des ganzen Materials über Drogen des
Pflanzenreiches, um ungezählte Wiederholungen, Verifizierungen
analytischer Daten, mikroskopischer Beobachtungen und physika-
lischer Bestimmungen, um zahlreichste Ergänzungen oder meist neue
Erhebungen auf den beiden ihm besonders am Herzen liegenden
Gebieten der geographisch-statistischen und geschichtlichen Er-
örterung der Arzneistoffe.. In diese Periode fallen auch die An-
fänge jener mehr und mehr ausgedehnten fachwissenschaftlichen
Correspondenz und jenes allmählich über den Erdkreis sich ver-
breitenden Verkehrs, welcher Flückigers Lehrbücher der Pharma-
kognosie in so günstiger Weise beeinflufst und denselben, bei allen
Unvollkommenheiten menschlicher Werke der Hände oder des
Geistes, jenen hohen Grad von Gründlichkeit, Vollständigkeit und
Zuverlässigkeit verliehen hat. Doch würde es ein Irrtum sein, die
eben erwähnten Eigenschaften ausschlielslich auf die weite Aus-
dehnung der Hilfsmittel zurückführen zu wollen, denn das gröfsere
Erstlingswerk verrät in hohem Grade jene in dem kleinen Städtchen
Burgdorf ermöglichte geistige Sammlung und Konzentration, die der
Verfasser im Jahre seines Erscheinens in der brieflichen Bemerkung
andeutet: „Inzwischen sind einfachere Lebensverhältnisse doch auch
wieder innerlicher Vertiefung und Verständigung günstig und ihr
Wert stellt sich gewöhnlich später erst recht deutlich heraus, wenn
man mit gröfserer Reife auch an gröfsere Aufgaben herantritt, sofern
eben letztere schliefslich noch eine andere als die akademische Reife
erheischen.“
Bei der Ausarbeitung seines Buches verwertete Flückiger neben
den Mitteilungen zahlreicher Correspondenten namentlich den Rat
einiger Berner Professoren, wie des scharfsinnigen, vielseitig be-
lesenen Physiologen Valentin, des Orientalisten Sprenger
und seines Jugendfreundes, des hochgeachteten Botanikers L. von
Fischer, der, gleichfalls aus der Pharmacie hervorgegangen, den
Hingang seines berühmten früheren Fachgenossen betrauert. Er
versicherte sich aber auch der Hilfe verschiedener Besitzer grölserer
privater Drogensammlungen, wie der Apotheker Kindt in Bremen,
Oberdöffer in Hamburg, Dittrich in Prag und verschaffte
342 Friedrich August Flückiger.
sich in dem damals so schwierigen und ausgedehnten Kapitel der
Chinarinden vielfache Belehrung durch die Besitzer und Leiter der
damaligen Chininfabriken Jobst und Zimmer.
Das „Lehrbuch der Pharmakognosie des
Pflanzenreiches“ erschien im Laufe des Jahres 1867 im
R. Gaertner’schen Verlage in Berlin, und dieses Erscheinen war für
die im pharmaceutischen Studium so vielfach vernachlässigte und
zur Seite gedrängte Disziplin eine Art Erlösung, es bedeutete über-
dies eine entschiedene Erhöhung der Stellung der wissenschaftlichen
Pharmacie, namentlich auch in den Augen der Medizin, welche ja
später den Autor wiederholt der Ernennung zum Ehrendoktor ge-
würdigt hat. Die zwei weiteren Auflagen aber, die wir später an
ihrem Orte anzuführen haben werden, ohne hier auf den Inhalt
dieser Werke eingehen zu dürfen, erscheinen uns als eine organische
Entwicklung und als eine mit bewundernswertem Geschick ausge-
führte Umarbeitung dieses ersten Lehrbuches, in dem mit fester
Hand die Grundprinzipien der neuen Pharmakognosie und die
Grundlinien der Stoffbehandlung für die neueren Lehrbücher dieser
Wissenschaft niedergelegt waren.
Der bald genug laut werdenden lobenden Beurteilung antwortete
damals der Verfasser mit dem bescheidenen Ausdrucke der Hoff-
nung, das noch lückenhafte Werk später emendieren zu können; so,
wenn er im November 1867 einem Rezensenten bemerkt: „Der
Verleger hat mir aus der Bunzlauer Zeitung die Rezension meines
Buches zukommen lassen, welche mich in ebenso wohlwollender als
einseitiger Weise ihrem Leserkreise empfiehlt. Ich stehe nicht an,
Ihnen darüber meine Freude auszudrücken, obwohl gewils niemand
so sehr auch der Lücken und Mängel des Werkes bewulst ist, als
ich. Aus der freundlichen Anerkennung, welche dasselbe dennoch
da und dort gefunden, schöpfe ich den Mut, Schritt für Schritt zu
bessern und zu vervollständigen, soweit Einsicht und Kraft reichen.“
In wie ungeahnter Weise sollte sich im Laufe des nächsten Viertel-
jahrhunderts diese Hoffnung noch erfüllen !
Die denkwürdige Periode der Ausarbeitung des in seiner Art
klassischen Buches blieb aber keineswegs auf diese litterarische
Leistung beschränkt; wir finden vielmehr in der pharmaceutischen
Litteratur der sechziger Jahre eine gröfsere Zahl von Arbeiten, die
Friedrich August Flückiger. 343
uns zeigen, dals Flückiger schon in diefer, wie in der späteren Zeit
nebeneinander pharmakognostische, chemische und historische Themata
in Behandlung zog und die Pharmacie in mehr denn einer Richtung
zu fördern suchte. Unter den pharmakognostischen Aufsätzen seien
als einige der wichtigsten hervorgehoben die Abhandlungen:
Quillaja Saponaria, Kamala und eine neue Art
Kamala, Weihrauchbaum, Sesamsamen, zur Ana-
tomie der Chinarinden, Erdnuf[s und Gummi und
Bdellium vom Senegal. Mit Kamala hat sich Flückiger
wiederholt beschäftigt; in der ersten Abhandlung, die als Festgabe
zur Apotheker-Versammlung in Neuchätel (1864) erschien, lieferte er
eine der besten monographischen Beschreibungen dieser dazumal
neuen Droge mit Darlegung der anatomischen und chemischen Ver-
hältnisse, sowie der Verwechslungen und Verunreinigungen, während
in der zweiten Mitteilung die mikroskopisch abweichende Droge be-
schrieben wurde, die sich später als das „Wars“ der Araber heraus-
stellte und als drüsige Bedeckung auf einer Leguminosenfrucht
(Flemingia) vorkommt. Verschiedene vollkommen neue Gesichts-
punkte und Anschauungen, welche treilich im Laufe der Zeit weiter
modifiziert wurden, brachte die von einer Abbildung begleitete Arbeit
über den Weihrauch und seine Abstammung, welche bei späterem
Anlasse durch eine Studie über ein eigentliches Boswellia-Harz, das
„Luban Mati“ ergänzt wurde, wie denn überhaupt für den
Förderer der historischen Pharmakognosie die beiden Drogen Weih-
rauch und Myrrhe von besonderer Anziehungskraft waren und zu
mehrfachen Untersuchungen Anlals gaben. In dem bemerkens-
werten Beitrag zur Anatomie der Chinarinden, einer der
Arbeiten, zu welchen die Redaktion des Lehrbuches speziellere An-
regung gegeben hatte, wurde die Zellwandsubstanz der China-
Bastfasern mit der sogen. Glucodrupose der Birmen-Konkretionen
verglichen und zugleich die wichtige Frage nach dem Sitze der
Alkaloide in den Chinarinden durch zweckmälsige Versuche geprüft,
deren Ergebnisse die früher bestrittene, nunmehr allgemein acceptierte
Ansicht der Einlagerung der Chinabasen in den Zellen des Paren-
chyms bestätigten. Endlick wurden auch in dem Artikel Gummi
und Bdellium auf Grund scharfsinniger Erörterungen diverse
traditionell gewordene irrtümliche Ansichten rektifiziert und nament-
344 Friedrich August Flückiger.
lich de Acacia Verek G. u. P. (A. Senegal Willd.) unter Bei-
gabe einer guten Abbildung als Hauptstammpflanze des gesamten
afrikanischen Gummis festgestellt.
Von chemisch interessanten Abhandlungen aus jener Zeit
mögen nur die Arbeiten über den geologisch merkwürdigen vulkani-
schen Salzsäurebach Sungi-Pait in Ostjava, über die
Löslichkeit der Stärke, das Lerp-Amylum, den
Carragheen-Schleim, ferner über Chininreaktionen,
den Narcotingehalt desindischen Opiums, über das
Euphorbon und über das Buxin genannt werden.
Die erwähnten Arbeiten über Stärke und Schleim gehören zu
einer gröfseren Reihe von Studien über die Natur der Kohlenhydrate
in verschiedenen offizinellen und nicht offizinellen Drogen, namentlich
einigen Manna-Arten, bei welchem‘Anlafse unter Anderm jene eigent-
tümliche als Lerp-Amylum benannte Stärkemodifikation in einer
australischen, von Insekten erzeugten sog. Manna aufgefunden wurde.
In der ebensowohl historischen wie chemischen Studie über Buxin
wurde auf Grund einläfslicher Vergleichungen die Identität dieser
Pflanzenbase mit dem Bibirin dercort. Bibiru und demPelosin
der Rad. Pareirae konstatiert und die weitere Uebereinstimmung
mit dem Paricin gewisser Chinarinden wahrscheinlich gemacht.
Bedeutsamer jedoch, als die obigen, nur in ihrer kleinen
Minderzahl angeführten Publikationen sind vielleicht diejenigen ge-
schichtlichen Inhalts, wie z. B. die Beiträge zur Geschichte der
bernischen Pharmacie, sowie zur Geschichte des
Moschus und zur Geschichte des Kamphers. Be-
weisen dieselben doch Flückiger’s relativ frühzeitige eingehendere
Beschäftigung mit Geschichte der Drogen und Geschichte der
Pharmacie, als mit jenem Gebiete, welches in der Folge mehr und
mehr zu einem Lieblingsgegenstande seiner Forschung wurde und
bei dem er auch nach Niederlegung seiner akademischen Thätigkeit
noch stehen blieb, wohl nicht ohne die Hoffnung, eine letzte speziell
auf Drogengeschichte bezügliche litterarische Leistung gewisser-
malsen als letzte Gabe seines unermüdlichen und phänomenalen
Gelehrtenfleifses bieten zu können. Die ersterwähnte Arbeit, eine
sorgfältige Zusammenstellung der aus bernischen Archiven über die
Friedrich August Flückiger. 345
frühern Zustände des dortigen Medizinalwesens extrahierten Nach-
richten ist als ein Vorläufer der später zu nennenden „Dokumente“
zu betrachten, während die beiden andern Abhandlungen, wenn auch
mit noch ungenügenden litterarischen Hilfsmitteln bearbeitet, doch
schon in typischer Weise seine spezifische Anlage zur Quellen-
forchung verraten und jene historische Vertiefung darlegen, welche
er der neuern Pharmakognosie beizugeben trachtete. Wir begegnen
ihren Spuren fast auf jeder Seite seiner „Pharmakognosie“, 'ns-
besondere in ihren zwei späteren Auflagen, wo er die Quintessenz
ungezählter, fast alle wichtigeren Drogen betreffender historischer
Untersuchungen niederlegte, um auf diese Weise zu weiterer
Forschung anzuregen.
Unter den litterarischen Erzeugnissen der ersten Berner Periode
finden wir endlich unter dem Titel „Pharmaceutische Reise-
eindrücke“ einen gröfsern, vortreftlich redigierten Aufsatz, der
für seinen Autor noch eine besonders wertvolle persönliche Er-
innerung einschlofs. Er war im Spätsommer 1867 zunächst nach
London, von da als schweizerischer Deputierter nach der Pariser
Weltausstellung und an den dort abgehaltenen internationalen
pharmaceutischen Kongrels gereist und hatte seine Eindrücke und
Erfahrungen über die botanischen Sammlungen Englands, wie über
die Schätze der Pariser-Ausstellung in jenem lehrreichen und an-
ziehenden Rückblick wiedergegeben. Im erstgenannten Orte, in
London, hatte er die seit seiner Arbeit über den Weihrauchbaum
längst erwünschte persönliche Bekanntschaft seines bisherigen
Correspondenten, des Apothekers Daniel Hanbury, Mitinhabers
der altbekannten Firma Allen & Hanbury’s in Plough Court,
Lombard street, gemacht und damit den ersten Knoten zu einer
Association geschürzt, welcher später die pharmaceutischen Kreise
des englischen Sprachgebietes die „Pharmacographia“ zu
verdanken hatten. Dieser Besuch, den der neugewonnene Freund
bald darauf in Bern erwiderte und der sich später mehrmals wieder-
holte, fiel in das Jahr der Herausgabe des ‚„Lehrbuches“ und aus
einem nach der Rückkehr aus London geschriebenen Briefe ergiebt
sich, dafs damals Verhandlungen mit einem dortigen Verleger über
eine englische Uebersetzung stattfanden, so dafs wohl ohne Zweifel
bei jenem Anlasse von den beiden gelehrten Fachgenossen der
346 Friedrich August Flückiger.
erste Plan zur Ausarbeitung des englischen Handbuches gefafst
worden ist.
Das Jahr 1870 brachte Flückiger die Ernennung zum Professor
extraordinarius für Pharmacie und Pharmakognosie mit offiziellem
Lehrauftrage für das letztere Fach an der philosophischen Fakultät, —
beides wohl eine mittelbare Folge und, nach der Meinung einzelner
Freunde, etwas verspätete Anerkennung seiner litterarischen Leistungen,
welehe ihn namentlich aus dem Grunde hoch erfreute, weil durch
diese Beförderung die Pharmacie als Lehrfach an der Berner Hoch-
sehule öffentlich anerkannt wurde. Die neue Stellung sollte er freilich
nur noch während weniger Jahre bekleiden; aber die erhaltene
Genugthuung mochte ihn zu Erweiterung seiner Lehrthätigkeit und
zu neuen fachwissenschaftlichen Aufgaben angespornt haben, denn
es sind uns gerade aus dem Zeitraume 1870 — 1873. zahlreiche
Arbeiten erhalten.
In seinem Beitrage zur Kenntnis der Aconit-
Alkaloide, dessen Inhalt ja selbstverständlich durch die neueren
Arbeiten mancherlei Modifikationen erfahren mulste, bietet Flückiger
ein klares, übersichtliches Referat über die Natur der damaligen
Aconitin-Präparate und führt die erste genauere Vergleichung des
Aconitins mit dem aus indischen Aconitumkn ollen stammenden „Pseuda-
conitin“ aus, welches zu so vielfachen Widersprüchen Anlals gegeben
hatte. Die Beiträge zur Prüfung der Oele enthalten vor
allem Beobachtungen über die Einwirkung von Säuren und Säure-
gemischen auf fette und ätherische Oele, mit welchem Gegenstande
er sich wiederholt einlässlicher beschäftigte; hier finden wir auch die
erste Erwähnung des verschiedenen Verhaltens der ätherischen Oele
von Copaifera und Dipterocarpus zu salpetersäurehaltiger Schwefel-
säure, eine Farbenreaktion, welche nur dann unsichere Resultate
geben kann, wenn sie ohne Isolierung des Oeles aus den Balsamen
angestellt wird. Dieselbe wurde zuerst in die Pharmacographia auf-
genommen, nachdem sie auch von Hanbury!) bestätigt und
acceptiert worden war. Eine Arbeit von besonderer pbarmakognosti-
1) Die noch vorhandene briefliche Notiz vom 27. Januar 1874 lautet:
„I have been much pleased in repeating your remarkable test for
distinguishing Copaiba from wood oil. Itis quite easy to deteet wood
oil when mixed with 7, even with 9 volumes of Copaiba, and using
only one drop of the acid mixture.“
Friedrich August Flückiger. 347
scher Bedeutung und von praktischem Werte für deutsch redende
Kreise war die in verschiedenen Richtungen erweiterte Uebertragung
von H. A. Weddell’s „Notes sur les quinguinas“, deren Publi-
kation in die noch so vielfach verworrene Abstammungsfrage bei
vielen Rinden Klarheit gebracht hat. Das Verdienst dieser durch
Flückiger’s Bearbeitung besonders zugänglich gemachten Schrift er-
hellt aus der Bemerkung im Vorworte des Uebersetzers: „Die Ueber-
sicht Weddell’s ruht auf der gesamten Masse des bis jetzt angehäuften
Wissens über die Cinchonen, welches uns, seinem Gehalte nach,
hier zum ersten Male festgegliedert vollständig entgegentritt. Die
beigegebenen Bemerkungen enthalten nicht nur die Begründung der
leitenden Grundsätze, sondern auch zahlreichste Aufschlüsse der
verschiedensten Art und lassen aufserdem eine Reihe noch uner-
ledigter Einzelheiten hervortreten, um sie künftiger Forschung zu
empfehlen.“ Anschliefsend an diese Abhandlung möge, weil gleich-
falls die Cinchonologie betreffend, die Arbeit: Beiträge zur
Kenntnis der sogen. falschen Chinarinden Erwäh-
nung finden, in welcher er, veranlafst durch Mitteilungen von
O0. Hesse über den Chiningehalt einer ungewöhnlichen Rinde, zu-
erst (1871) die damals, wie auch schon früher (1857) auf dem Londoner
Markte erschienene, von ihm als „China cuprea“ bezeichnete
Droge näher charakterisierte.e Es ist bekannt, dals gerade diese,
nicht dem Genus Cinchona angehörigse Rinde, deren Chiningehalt
die lange Zeit dogmatisch festgehaltene Ansicht über die Beschränkung
der eigentlichen Chinaalkaloide auf die botanisch echten, von jener
Pflanzengattung gelieferten Rinden umstürzen mulste, in späteren
Jahren, d. h. 1880—1885 in sehr namhaften Mengen auf Chinin ver-
arbeitet worden ist. Doch selbst zu dieser Zeit war deren Provenienz
noch keineswegs aufgeklärt. So schreibt im Februar 1880 der be-
kannte John Eliot Howard, welchem Flückiger nächst
Weddell, Markham, De Vry, vanGorkom, Moens
und den schon genannten Fabrikdirektoren die zuverläfsigsten Daten
über Chinarinden verdankte, nach Stralsburg: „I have been wishing
to inform you, that your „china cuprea“ is assuming some commer-
cial importance. A quantity was sold in the last days at 3 sh. to
3 sh. 6 p. pound, of which our firm bought some and the German
houses were eager buyers. From this you will conceive, that the
348 Friedrich August Flückiger.
contents in Quinine are satisfactory. I understand besides, that
300 or 400 serons are coming. I hope to find some pieces with
epidemis for you and in other ways to obtain some more satisfactory
information about this curious bark, which Ithink you were
the first to describe. I wish, we could get atits botanical origin.“
Eine interessante Studie über einen Gegenstand, der neben
Flückiger besonders auch einige englische Forscher beschäftigte, ist
die Abhandlung „The erystalline principlesin Aloes“,
in welcher das von ihm in der südafrikanischen Natal-Alo& aufge-
fundene besondere Aloin (Natal-Aloin) in seinen physikalisch-chemi-
schen Merkmalen beschrieben und mit dem Aloin der übrigen Aloe-
sorten von Barbadoes, Sokotra und Zanzibar verglichen wird. Es
war diese Arbeit zugleich Veranlassung zur Erhebung zuverläfsiger
Nachrichten über die Produktionsweise und Provenienz der ver-
schiedenen süd- und ostafrikanischen Alo&arten, welche erstere später
in der Pharmacographia und in der neuen Auflage der Pharmaco-
gnosie ihre Verwertung fanden.
Als eine Frucht der letzten in Bern an die Hand genommenen
Arbeiten müssen endlich noch mehrere Mitteilungen historischen
Charakters besonders angeführt werden, weil dieselben, wenigstens
teilweise, |mit den später in Strafsburg vorgenommenen geschicht-
lichen Forschungen in Beziehung stehen und uns insoweit wie eine
Vorahnung seiner bald bevorstehenden Thätigkeit auf dem Boden
des Deutschen Reiches anmuten. Es sind diefs die Studie: - Zur
Geschichte des Wortes Apotheke und die Publikation:
„Die Frankfurter Liste; Beitrag zur mittelalterlichen Ge-
schichte der Pharmacie, bei Gelegenheit des Erscheinens der Pharma-
copoea Germanica“. In diesen letzteren, vorzugsweise der Geschichte
der Drogen gewidmeten und mit Kommentar versehenen Widergabe
eines interessanten pharmaceutischen Dokumentes können wir von
neuem die spezifische Begabung des Autors zu geschichtlichen Unter-
suchungen bestätigen, und wenn wir überdies die beiden ersten im
jagendlichen Alter von 18—19 Jahren verfafsten Arbeiten!) durch-
1) I. Mitteilungen über die Geschichte Langenthals und der Um-
gegend bis zur Reformation von F. A. F. stud. phil. Mitglied des
histor. Vereins des Kantons Bern. Laugenthal, Juni 1847. II. Ge-
schichte des Amtes Aarwangen (Umarbeitung des Aufs. I) Abhandlgn.
d. histor. Ver. d. Kant. Bern 1848 (Nachrichten über die von F. im Langen-
thaler Hardt untersuchten Grabhügel enthaltend).
Friedrich August Flückiger. 349
gehen, welche während seiner pharmaceutischen Lehre gedruckt
wurden und dem Gebiete der politischen Geschichte angehören, so
werden wir unwillkürlich zu der Vermutung geführt, dafs Flückiger
vielleicht als Historiker vom Fach nicht weniger hervorragendes ge-
leistet haben würde, zumal ihm hinsichtlich des Styles in
hohem Grade die Gabe fesselnder, leicht fliefsender Diktion
eigen war.
Wir stehen bei der Schilderung seines Lebensganges in der
für die neuere Völkergeschichte so bedeutsamen Epoche der Jahre
1870—1872, welche auch für sein curriculum vitae einen Wendepunkt
bringen und ihn aus seinem Vaterlande an eine Hochschule des
neubegründeten Deutschen Reiches führen sollte. Ende April 1872
war durch kaiserliches Dekret die Universität Stralsburg im
Elsafs zum andern Male gegründet worden und die Behörden des
Reichslandes bemühten sich, an die neue Hochschule, welche a priori
mit reichen Hilfsmitteln ausgestattet worden war, die besten damals
erhältlichen Lehrkräfte zu berufen. Nachdem im Herbst 1872 durch
besondern offiziellen Akt die hisherigen Lehrinstitute „Ecole de
medecine“ und „Ecole superieure de pharmacie‘“ aufgelöst worden
waren, in der Meinung, dafs dieselben ihre Fortsetzung in der neuen
Universität, bezw. in deren medicinischer und mathemat.-naturwissen-
schaftlicher Fakultät finden sollten, erfolgten im Winter 1872/73 die
Berufungen für die noch vakanten Lehrstühle Für das Ordinariat
der Pharmacie (Pharmakognosie und pharmaceutische Chemie), ver-
bunden mit der Leitung des in den Räumen der trüheren „Ecole
superieure de pharmacie“ fortzuführenden pharmaceutischen Uni-
versitätsinstitutes, war sehr bald die Wahl aut den gelehrten
Pharmaceuten in Bern gefallen, der sich nicht nur durch sein Lehr-
buch, sondern durch zahlreiche wissenschaftliche Publikationen einen
Namen erworben hatte. Seine Berufung erfolgte zu Ende des
Jahres 1872, nachdem Flückiger zuvor auf einer Rückreise von
London in Strafsburg mit dem ersten Rektor der neuen Hochschule,
dem Botaniker Anton De Bary und andern Kollegen verhandelt
hatte. Flückiger erklärte am 22. Januar 1873 die Annahme der
Berufung, wurde auf Ende des Wintersemesters aus seinen Stellungen
in Bern unter ehrenvoller Verdankung der langjährigen geleisteten
Dienste entlassen und begann in den ersten Tagen des Monats Mai
350 Friedrich August Flückiger.
1873 seine neue akademische Thätigkeit, die er bekanntlich bis zum
Sommer-Semester 1892 fortgesetzt hat.
Eine eingehendere Schilderung der zwanzigjährigen Periode
seines Wirkens in Strafsburg, in der Flückiger seine andauerndste
und reichste wissenschaftliche und litterarische Thätigkeit entfaltet
hat, würde weit über den Rahmen aieser Zeitschrift hinausgehen.
Dieselbe steht überdies als relativ neuerer Zeitabschnitt mehr im
Gedächtnisse der Mitlebenden, und wir dürfen uns deshalb darauf
beschränken, einige der wichtigsten Momente herauszuheben und
über die Bedeutung des hingegangenen Meisters als pharmaceutischer
Schriftsteller einige Bemerkungen beizufügen.
Das die Loslösung von dem Heimatland und von einer bereits
mit Erfolg gekrönten und durch längere Gewöhnung vertraut ge-
wordenen Wirksamkeit nicht ohne einen Kampf vor sich gegangen
war, liegt auf der Hand; mafsgebend für seine Entschliefsung mochte
wohl in erster Linie die Aussicht gewesen sein, durch Uebernahme
einer ungeteilten, nicht mehr mit der verantwortungsvollen Leitung
und Verwaltung einer gröfsern Spitalapotheke verbundenen aka-
demischen Stellung ireiere Verfügung über seine Zeit und damit
gröfsern Spielraum für die immer mehr an’s Herz gewachsene
wissenschaftliche Bethätigung zu erlangen, aufserdem aber auch
hinsichtlich seiner Lehrthätigkeit in einen gröfssern Wirkungskreis
einzutreten. In beiden Erwartungen hatte er sich im wesentlichen
nicht getäuscht. Es ist vielleicht nicht ohne Interesse, zu hören,
wie er selbst, im 2. Semester der neuen Thätigkeit stehend, die
Verhältnisse schildert. In einem Briefe vom Dezember 1873 schreibt
er: „Das Fach ist hier nicht nur äufserlich vollberechtigt hingestellt,
sondern ich finde auch dafür bei meinen Kollegen von der Physik,
Botanik, Chemie volles Interesse. Und andererseits habe ich nicht
nötig, in Gebiete einzugreifen, die mir nicht am Herzen liegen, so
dals ich mich in meinem Elemente fühle. Der Umgang mit jenen
Kollegen ist mir in der That von grofsem Werte und ein Ersatz für
manche angenehme Beziehungen vergangener Zeit. So ist besonders
De Bary in erster Linie mir nicht nur als Botaniker ersten Ranges
willkommen, sondern auch durch sein vielseitiges, geistreiches Wesen
anziehend. ...... Und so giebt es unter den Kollegen überhaupt
eine gute Zahl trefflicher Männer, mit denen wir ansprechenden Um-
Friedrich August Flückiger. 351
gang pflegen. Das pharmaceutische Institut ist nun mit einem guten
Laboratorium ausgestattet, Sammlung und Bibliothek noch der Um-
ordnung und Ergänzung harrend, während das Auditorium 27 Zu-
hörer aufgenommen hat. Als Facit darf ich nur aussprechen, dafs
ich zufrieden bin, und in mancher Hinsicht ist es mir gerade inter-
essant, die Zustände erst im Entstehen gefunden zu haben. Doch
Sie wundern sich mit Recht, mich noch nicht über meine Arbeiten
sprechen zu hören. Leider fange ich erst jetzt an, zu arbeiten, denn
eine solche Uebersiedlung wirkt ja auf lange sehr störend. Endlich,
anfangs dieses Monats, habe ich mir soweit Luft gemacht, dafs ich
das Studium des Kosins in Angriff nehmen konnte, eines Körpers,
der sehr bedeutend von Bedall’s Koussin abweicht und erst das
Kennzeichen eines reinen Körpers an sich trägt.“
Derselbe Brief schliefst freilich mit einer pessimistischen Be-
merkung, die hier noch beigefügt werden mag: „Haben Sie wohl die
Prognose gelesen, welche Hlasiwetz in der Zeitschrift des
österr. Apothekervereins vom 20. Dezember der Pharmacie steilt?
Sie lautet nicht eben ermutigend für uns, die wir dem Berute seine
wissenschaftliche Haltung nicht nur wahren, sondern sogar mehren
möchten, und doch ist die Darstellung des trefflichen Chemikers
teilweise nur zu sehr aus dem Leben gegriffen. Auch manche
andere Erscheinungen stimmen zu diesem Bilde; wie kommt es z. B.,
dafs mit dem 1. Januar 1874 gleichzeitig Wittstein’s V.J. Schrift
und Vorwerk's Neues Jahrbuch eingehen? Es ist mir darüber
nichts näheres bekannt; es mag ein zufälliges Zusammentreffen sein,
doch hat das sang- und klanglose Aufhören zweier nicht unansehn-
licher Organe etwas befremdendes. Ueberflufs an Lesern und Zu-
drang an Mitarbeitern können nicht tötlich gewirkt haben!“
Im Hinblick auf die schon so achtunggebietende Zahl seiner
Arbeiten durfte sich Flückiger damals wohl das Zeugnis geben,
dafs er an diesen Erscheinungen keine Schuld trage, wie ja denn
auch in der Zukunft eine Anzahl neuerer, gediegener pharma-
ceutischer Zeitschriitten den Beweis leisteten, dafs bei jenen Vor-
kommnissen noch andere Faktoren, als blofse Indifferenz gegenüber
der wissenschaftlichen Pharmacie mitgewirkt haben müssen.
Die Befriedigung, welcher der oben excerpierte Brief Aus-
druck giebt, wurde im Laufe der Jahre auch durch die Thatsache
352 Friedrich August Flückiger.
noch vermehrt, dafs nicht allein eine im Vergleich mit früheren Ver-
hältnissen ansehnliche, wenn auch an und für sich keineswegs über-
grolse Zahl von Schülern, teils aus dem Reichslande, teils aus Alt-
deutschland das pharmaceutische Institut frequentierten, sondern dafs
auch aus anderen Ländern, zum Teil aus weiterer Entfernung, so
aus den Vereinigten Staaten, England, Belgien, Galizien, Skandi-
navien, Dänemark, Finnland und Japan absolvierte Pharmaceuten
zur Ergänzung ihrer Studien, vielfach behufs Ausführung selb-
ständiger pharmakognostischer oder pharmaceutisch - chemischer Ar-
beiten sich nach Strafsburg begaben. Manche dahin gehörige
Namen werden aus dem Verzeichnisse seiner Schriften zu er-
sehen sein.
Allen diesen jüngeren oder vorgerückteren Schülern ist Flückiger
während der zwei Decennien seines Wirkens in Strafsburg nicht nur
Lehrer, sondern, wofern nicht ostentative Indifferenz jede An-
näherung überflüssig machte, immer auch väterlicher Freund ge-
wesen. Im Laufe der Jahre hat sich namentlich in Elsafs - Loth-
ringen eine stattliche Gemeinde früherer Schüler herangebildet; sie
würden alle bereit sein, zu bestätigen, in welch gewissenhafter Weise
der in allen Fächern gleich anregende Lehrer nicht allein seine
reichen Kenntnisse, sondern auch alle irgendwie zu Gebote stehenden
mikroskopischen, physikalisch - chemischen und litterarischen Hilfs-
mittel in weiser Beschränkung zu seinen Zwecken verwendete, ebenso
sehr in seinen Vorlesungen, in denen der Verzicht auf die Ehre,
durch Rhetorik als akademischer Lehrer zu glänzen, seine Mit-
teilungen nicht weniger interessant machte, wie in den pharma-
ceutisch-chemischen oder pharmakognostischen Uebungen im Labora-
torium, wo er in sorgfältiger Auswahl der Manipulationen mit be-
scheidensten Mitteln wichtige Dinge demonstrierte, um seine Schüler
in diese gerade tür den Pharmaceuten unbezahlbare Kunst ein-
zuführen.
Neben solcher Lehrthätigkeit ging aber die eigene Forschung
und schriftstellerische Thätigkeit Hand in Hand. Wenn wir die
Periode seiner Wirksamkeit in der Strafsburger Hochschule in zwei
Decennien, 1873—1882 und 1883—1892 abteilen, in deren Mitte zu-
gleich die Herausgabe der wesentlich erweiterten 2. Auflage seiner
Pharmakognosie fällt, so treten uns unter den bemerkenswertesten
Friedrich August Flückiger. 353
Publikationen der ersten Jahre zunächst entgegen: die kurze Zeit
nach dem Amtsantritte erschienenen Grundlagen der pharma-
ceutischen Warenkunde (Berlin, J. Springer), ein mit treff-
lichen Holzschnitten, einem kurzen Abrifs über Drogengeschichte
und einer Uebersicht der litterarischen Hilfsmittel ausgestattetes
Hilfsbuch zur Einführung in das Studium der Pharmakognosie,
welches sich allgemein eingebürgert hat und daher einer besonderen
Besprechung nicht bedarf; ferner die 15 Jahre später von Shi-
moyama aus Tokio ergänzte Arbeit über die Bukublätter
und deren anatomische Verhältnisse, welch letztere schon 2 De-
cennien früher von Oudemans!) einer Untersuchung unterworfen
worden waren; die Beiträge zur Kenntnis einiger
Kampherarten,insbesondere des Ngai-Kamphers
(anter Beteiligung von D. Hanbury), die in Gemeinschaft
mit Dr. Eugen Buri vorgenommene Untersuchung über das
Kosin, welche schon oben brieflich erwähnt wird, und die Ab-
handlung ‚on the chemistry of Elemi“. Die zweitgenannte, wie die
letzte Arbeit, bewegt sich auf dem von Flückiger mit unverkennbarer
Vorliebe kultivierten Gebiete der Pflanzensekrete. Während die
erstere, einer Reihe von Untersuchungen über aetherische Oele zuge-
hörend, speziellere Daten über einige seltenere Stearoptene vorführt,
denen sich später ähnliche experimentelle Ergebnisse über ander-
weitige Kampherarten, wie Safrol, Thymol, Diosphenol, Menthol
anschlossen, bringt die letztere Abhandlung eine wesentliche Be-
reicherung und Klärung unserer Kenntnisse über das Elemiharz, in
welchem als eigentümliche Bestandteile die inder frühern Untersuchung
des „Arbol a Brea“-harzes durch den waadtländischen Apotheker
S. Baup signalisierten Substanzen Amyrin und Bryoidin
festgestellt und näher beschrieben werden. Durch E. Buri sind
2 Jahre später im Strafsburger Institute einzelne Elemi- Körper, so
das genannte Amyrin und die Elemisäure auf ihre Zusammensetzung
und ihre chemischen Beziehungen näher geprüft worden.
Noch viel näher aber, als die Beschäftigung mit den erwähnten
und manchen anderen Untersuchungen, lag Flückiger nach seiner
Uebersiedelung die Förderung der schon mehrere Jahre zuvor mit
1) Aanteekeningen op de Pharmacopoea Neerlandica. Rotter-
dam 1854/56. p. 548.
Arch. d. Pharm. CCXXXIII Bas. 5. Heft. 23
354 Friedrich August Flückiger.
dem Freunde Daniel Hanbury geplanten englischen Pharma-
kognosie, eines Werkes, welches, wie es sein Titel näher besagt eine
Naturgeschichte der vegetabilischen, in Grofsbritannien und Britisch-
Indien verwendeten arzneilichen Drogen darstellen sollte, somit der 1867
erschienenen Pharmakognosie gegenüber einen nicht unwesentlich er-
weiterten Inhalt bieten mufste. Die Vorarbeiten, bei denen Flückiger
in erster Linie die chemische und die morphologisch-anatomische
Charakteristik, Hanbury die übrigen pharmakognostischen Merkmale
und die geographisch-kommerziellen Hinweisungen, beide Autoren
gemeinsamdie historischen Darlegungen übernommen hatten, waren noch
in Bern begonnen worden und fanden hauptsächlich in den Jahren 1873
und 1874 ihre Erledigung, nachdem in der Zwischenzeit die beiden
Freunde, vor allem der durch weitverzweigte Geschäftsverbindungen
n der Weltstadt besonders begünstigte D. Hanbury, in einer
Korrespondenz von staunenswertem Umfange die zur Klarstellung
zahlreicher Fragen notwendigen Materialien sich gesichert hatten.
Eine wesentliche Förderung dieser gemeinsamen Arbeiten
brachten aber die kürzeren oder längeren Besuche, welche Flückiger
drei Mal, zuletzt 1873 bei seinem Freunde in London abstattete und
welche der gemeinsamen Benutzung der Bibliotheken und Samm-
lungen Londons gewidmet waren. Am besten und anschaulichsten
hat dies Flückiger selbst in seinem späteren Nachrufe an den vor-
zeitig geschiedenen Fachgenossen geschildert. Er sagt darin:
„Hanbury schied 1870 von dem Geschäfte in Plough Court
und lebte nun fast ausschliefslich dieser gemeinschaftlichen Arbeit.
Die Sammlungen und Bibliotheken von London, Kew und Paris, die
Waarenlager der Londoner Docks, was die Auctionen der Drogen-
makler in der City zur Anschauung gelangen liefsen, wurde von den
beiden Genossen wiederholt gemeinsam ausgebeutet, besprochen und
mit den beiderseitigen Erfahrungen und Eindrücken verglichen.
Belangreiche Hilfsmittel sind hierbei schwerlich übersehen worden:
war Hanbury schon durch längst erworbene Erfahrung in London
gut orientiert, so bot er jetzt vollends allen Scharfsinn auf, um immer
in jedem Punkte die zuverlässigste Belehrung in praktischer, wie
in litterarischer Hinsicht herbeizuziehen, welche nur irgend in
dem unerschöpflichen Reichtum der Weltstadt zu finden war. Wie
weit das oft ging, zeigt der Fall von Sir Robert Talbor,
Friedrich August Flückiger. 355
dessen Testament von 1681 im „Will office‘ des Erzbischofs von
Canterbury in Doctors Commons, unweit St. Pauls, nachgeschlagen
werden mulste, um genauer bekannt zu werden mit diesem sonder-
baren, um die Einführung der Chinarinde verdienten Manne, über
den die sonst überreiche Litteratur der Chinarinden nur mangel-
hafte Auskunft giebt. So wurde in London und auf dem Continent
geforscht und gearbeitet und das Werk endlich 1874 abgeschlofsen.“
Die Pharmacographia erschien im Herbst des genannten
Jahres im Verlage von Mac Millan & Co. in London und war, in
einem weitbekannten Verlage des Centralpunktes des Welthandels
herausgegeben, wohl dazu angethan, den Namen ihrer Autoren in
alle Lande zu verbreiten. Dieses Werk, welches im Gegensatze zu
dem deutschen „Lehrbuche‘ die Drogen an der Hand eines natür-
lichen Pflanzensystems und nicht in geschlossenen Monographien,
sondern in übersichtlich geordneten Abschnitten behandelte, fand im
englischen Sprachgebiete und darüber hinaus!) bald allgemeine
Anerkennung und erntete damit den wohlverdienten Lohn einer
gewilsenhaft durchgeführten, tiefgründigen Arbeit. Von Flückiger
aber durfte man in vollem Malse dasselbe sagen, was er in seinem
Nekrologe von dem Freunde bemerkt hat: ‚Die Anerkennung, am
welche er in keiner andern Weise als durch die Leistung der
Arbeit selbst warb, blieb nicht aus, und in gleichem Malse er-
weiterten sich die ihm zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen
Verbindungen und Hilfsmittel.“
Leider wurde für ihn die berechtigte Freude an einem glück-
lich absolvierten Werke wenige Monate später durch den frühzeitigen
Hinschied (24. März 1875) seines Genossen und Mitarbeiters getrübt.
Er widmete demselben einen warmempfundenen, gerechten und
schlichten Nachruf,?) welcher nur dem unvergelslichen Freunde galt
und dem Verfasser dieses Nekrologs mafsgebend vorgeschwebt hat.
In die Epoche von 1875—1879, welch letzteres Jahr wiederum
zwei grölsere litterarische Produktionen aufweist, fallen als wichtigste
!) Es ist bekannt, dals im Jahre 1878 das Werk unter dem Titel:
„Histoire des drogues d’origine vegetale“ in einer französischen Bear-
beitung durch Dr. J. L. de Lanessan herausgegeben und damit der
neuern Auffassung der Pharmakognosie auch in Frankreich der Weg
geebnet wurde.
2) Buchner’s Rep. f. Pharm. XXIV, Heft 6 (1875) p. 363—384.
23*
356 Friedrich August Flückiger.
Arbeiten zunächst die pharmakognostischen Mitteilungen über Luban
Matiund Olibanum, über de Gewinnung des Peru-
balsam’s, über dass Drehungsvermögen der äthe-
rischen Oele und vor allem die, mit einer ungewöhnlichen
Fülle interessanter Daten und Betrachtungen ausgestattete Pharma-
kognostische Umschauin der Pariser Ausstellung
(1878) und in den Londoner Sammlungen. Von Ab-
handlungen chemischen Inhaltes seien diejenigen über Carvol,
Irisöl, Safrol, Thymusölund Sarsaparilla-Saponin
erwähnt; wichtiger jedoch, weil von bleibenderem Werte, sind
einige historische Arbeiten, welche in diese selbe Periode fallen. Vor
allem nennen wir de Dokumente zur Geschichte der
Pharmacie, welchen sich etwas später die Publikation des
„Nördlinger Registers“, einer Ergänzung der Frank-
furter Liste anschlofs. Diese ausführlichen, teilweise als Sep.-
Abdruck publizierten Arbeiten waren die Frucht seiner ausgedehnten
Nachforschungen über ältere Apotheken-Taxen, Apotheken-Inventare
und analoge Dokumente in Städten des deutschen Reiches und ver-
folgten als Hauptziel die Klarstellung der Geschichte wichtigerer
pharmaceutischer Drogen; den aus jenen archivalischen Materialien
excerpierten Texten sind in Form von Anmerkungen erläuternde
Kommentare beigegeben, die ihrerseits wiederum auf einläfslichen
Studien in der Litteratur der Drogengeschichte fufsen. Die Ergeb-
nisse dieser „Ausgrabungen“ auf geschichtlichem Gebiete haben be-
kanntlich später volle Verwertung in der 2. und 3. Auflage der
Pharmakognosie gefunden und diesen Werken noch auf lange
Zeit hinaus den Stempel origineller Quellenforschung aufgedrückt.
In etwas anderer Richtung bewegen sich die beiden biographi-
schen Abhandlungen über Garcia da Orta, den portugiesischen
Arzt in Goa, der uns im XVI. Jahrhundert in seinen „Colloquios“
eines der ersten Kompendien über ostindische Pflanzenprodukte,
tierische und mineralische Drogen schenkte, sowie über den Bo-
taniker und Arzt Otto Brunfels, dessen Schriften auch biblio-
graphisches Interesse aufweisen und dessen Bedeutung für die
systematische und medizinische Botanik, wie für die Pharmacie nicht
zum wenigsten durch Flückiger's sorgfältige Studie der Beachtung
auf Seite der Historiker etwas näher gerückt worden ist.
Friedrich August Flückiger. 357
Nicht unerwähnt darf bei diesem Anlasse ein litterarisches
Produkt aus seiner Feder bleiben, welches mit einigen analogen
späteren Arbeiten in besonderem Grade die auffallende schrift-
stellerische Befähigung unseres Gelehrten darlegt, der Aufsatz
Österterien in Ligurien, in welchem eine im Frühjahr
1876 an den sonnigen Gestaden der „Riviera di ponente“ in lehr-
reicher Beobachtung und wohlthuender Betrachtung verlebte Ferien-
zeit geschildert und namentlich der botanische Reichtum des berühmt
gewordenen Gartens des nunmehrigen Commendatore Thomas
Hanbury (Bruder von D. Hanbury 7) in Mortola bei Ventimiglia
in ansprechendster Weise und mit zahlreichen historischen Exkursen
erörtert wird. Bekanntlich hat der Besitzer des „Palazzo Orengo“
in Mortola, welcher s. Z. unter der beratenden und thatkräftigen
Mithilfe seines von ihm hochverehrten Bruders Arznei- und Nutz-
pflanzen aller Weltteile in seinem Parke vereinigte, vor 2 Jahren
anlälslich der Kolumbusfeier die Stadt Genua mit einem sehr zweck-
mälsig ausgestatteten botanischen Museum nebst zugehörigem Be-
triebsfond bedacht, — ein sprechender Beweis des erfreulichen Ein-
flusses intensiver wissenschaftlicber Anregung! Aber auch in
späteren Jahren hat Hanbury’s Freund noch Reiseberichte ähnlichen
Charakters geliefert, wie z. B. unter dem Titel „Osterferien
im Süden“, die Beschreibung einer lehr- und genulsreichen Reise
nach Sicilien, die er im Frühling 1889 mit Familienangehörigen
unternommen hatte. Auch hier erkennen wir, in fast noch höherem
Grade als in seinen rein wissenschaftlichen Abhandlungen, den
Meister des Styls, und wenn der bekannte Ausspruch: „Le style
c’est ’homme“ mit etwelcher Beschränkung auch auf den sinnlich
wirksamen Träger desselben angewendet werden darf, so möge, jetzt
da wir bei Durchsicht des Nachlasses zahlreiche Briefe der beiden
Freunde vor uns liegen sehen, auch der feinen und deutlichen, oft
bis zu minutiöser Zierlichkeit sich verkleinernden Handschrift
Flückiger's gedacht werden, welche ebenso sympathisch berührte, wie
die kräftigeren, ästhetisch schönen Schriftzüge seines englichen Mit-
arbeiters.
In noch höherem Malse als durch die erwähnten Arbeiten war
aber in den siebziger Jahren Flückigers Interesse durch die Vor-
bereitung seiner „pharmaceutischen Chemie“ in Anspruch
398 Friedrich August Flückiger.
genommen, zu deren Ausarbeitung ihn der Wunsch nach einer
litterarischen Ergänzung seiner darauf bezüglichen Vorlesungen und
zugleich die Ueberzeugung geführt hatte, dafs dem studierenden
Pharmaceuten neben den zur Einführung in die allgemeine Chemie
dienlichen Vorträgen über Experimentalchemie seitens eines aus dem
pharmaceutischen Stande hervorgegangenen Fachmannes speziellere
Darlegungen der offizinellen chemischen Rohstoffe und Präparate,
namentlich ihrer Bereitungsweise und ihrer Prüfung auf Identität
und Verfälschungen geboten werden sollen. Die Ueberlegungen, die
erin dieser Beziehung an seine eigenen Vorträge anknüpfte, verdienen
es wohl, an dieser Stelle in Form eines Briefauszuges aus dem Jahre
1874 wiedergegeben zu werden:
„Oft hätte ich Sie hergewünscht, um manche Fragen zu be-
sprechen, die uns in gleichem Mafse naheliegen und verschiedener
Auffassung fähig sind. Ich meine die pharmaceutische
Chemie, die ich mir hier in gründlicherer Weise zurechtzulegen
hatte, als ehedem in Bern. Es ist ja freilich nicht leicht, eine Disziplin
lehren zu sollen, deren Abgrenzung und Inhalt nicht durch innere Gründe
gegeben ist, die also fortwährend in Gefahr ist, sich in die Unend-
lichkeit der chemischen Thatsachen und — Spekulationen zu ver-
lieren oder aber zu versinken — in den stillen Ozean, das richtige
mare serenitatis oberflächlicher Geschwätzigkeit. Gerade darin liegt
aber ein grosser Reiz, den wahren befruchtenden Golfstrom aufzu-
suchen, welcher durch diese Unendlichkeit doch zum Ziele führt.
Die Beschränkung auf das richtige Mals, die sorgfältige Auswahl
der Thatsachen und Anschauungen erfordern schon einige Ueber-
legung, mehr noch dann die Aufgabe, solche Seiten des chemischen
Wissens und Körnens den Pharmaceuten vorzuführen, welche für sie
von Wichtigkeit sind, aber von der allgemeinen Chemie nicht be-
rücksichtigt werden. Dergleichen giebt es ja besonders in der or-
ganischen Chemie genug. Hier namentlich scheint es mir, lassen
uns die modernen Ansichten einen prächtigen Spielraum; sie lietern
den bewundernswerten Rahmen, der sich vor unsern Augen mehr
und mehr festigt, und unsere pharmaceutische Aufgabe ist es nun,
in demselben einen würdigen Inbalt anzubringen. Diese Gedanken
haben mich in der That mit der Zuversicht erfüllt, auf solche Grund-
sätze ein Haus zu bauen, das sich sehen lassen darf und des Be-
Friedrich August Flückiger. 359
suches wert ist..... Sicherlich kann es nur einem aus der Apo-
theke hervorgegangenen Lehrer gegeben sein, den Stoff so zu be-
handeln und so zu wählen, wie er mir vorschwebt, und darin liegt,
wie ich meine, eine hohe Befriedigung für uns, die wir andrerseits
doch wohl auch gelegentlich fühlen, wie viel kostbare Zeit am
Rezeptiertische anscheinend verloren geht.“
Die pharmaceutische ÖÜhemie erschien im Jahre 1879
im Verlage von R. Gaertner in Berlin, begleitet von einem kurzen
Anhang mit gedrängten biographischen Angaben über die namentlich
in den historischen Bemerkungen zu den einzelnen Uhemikalien ge-
nannten Chemiker und Pharmaceuten. Vor Ablauf eines Dezenniums,
im Jahre 1888, wurde eine zweite, mit der bekannten Sorgfalt und
Gründlichkeit des Autors erweiterte und revidierte Auflage heraus-
gegeben, welcher der Verleger ein etwas grölseres Format und eine
noch gewähltere typographische Ausstattung angedeihen liefs.
Die Frage aber, in wie weit der Verfasser dieser beiden Werke
den von ihm gefafsten idealen Plänen damit nahe gekommen ist,
kann in objektiver Weise von den zahlreichen Fachgenossen beant-
wortet werden, die sich im Besitze jener Kompendien befinden und
daraus weitere Anregungen geschöpft haben.
Das Dezennium der achtziger Jahre sollte sich jedoch noch in
anderen Richtungen als höchst fruchtbar erweisen, nachdem im
gleichen Jahre mit der pharmaceutischen Chemie auch die zweite
Auflage der von Flückiger nach dem Tode Hanbury’s allein über-
arbeiteten und ergänzten Pharmacographia im früheren Lon-
doner Verlage erschienen war. Als Ergebnis einer seit Herausgabe
des „Lehrbuches“ im Jahre 1867 während eines Zeitraumes von
15 Jahren unausgesetztfortbetriebenen Revisions- und Ergänzungsarbeit,
bei der nicht allein die zahlreichen Resultate eigener experimenteller
und historischer Forschung, sondern in einziger Weise auch die
ganze einschlagende Litteratur beiezogen wurde, erfolgte im Jahre
1883 die Herausgabe der 2. Auflage des früheren „Lehrbuches“
unter dem einfachenTitel: Pharmakognosie desPflanzen-
reiches, bereichert durch einen bibliographisch - biographischen
Anhang, der eine grofse Reihe quellenmälsig eruierter Nachrichten
über älteste und ältere Autoren und deren Werke enthält und des-
360 Friedrich August Flückiger.
halb mit Recht als eine werthvolle Beigabe dieser wie auch der
neuesten Auflage (1891) geschätzt wird.!)
Wenn bei Erwähnung des Lehrbuches von 1867 angedeutet
werden durfte, dafs dasselbe als wesentliche Stütze der neueren phar-
makognostischen Schule gelten dürfe und die wissenschaftliche Selb-
ständigkeit dieser Di:ziplin mitbegründen half, so kann dies in ebenso
hohem Grade auch noch von diesem Buche gelten; doch mag es der
Zukunft vorbehalten bleiben, voll und ganz zu ermessen, in welchem
Grade die drei, in einer Periode von 25 Jahren von unserem Autor
herausgegebenen Auflagen dieses Werkes epochemachend geworden
sind!
Ein Jahr später liefs Flückiger den „Grundrifs der Pharma-
kognosie erscheinen, ein kleineres, kompendiöses Buch mit dem
Charakter eines Leitfadens oder Repetitoriums, recht eigentlich aus
dem Bedürfnisse des akademischen Lehrers hervorgegangen, den
Zuhörern zur Wiederholung und Befestigung des in den Vorlesungen
gehörten die Quintessenz des Wissenswerten über jede einzelne
Droge zu bieten und der Schwierigkeit in der Benützung der
gröfseren Lehrbücher vorzubeugen. Wenn irgend je, so hatte der
Verfasser damit einen glücklichen Griff gethan; denn dieses ‚rekti-
fizierte Destillat“ aus der Hand des Meisters vom Fache sicherte
letzterem die Dankbarkeit sowohl der Schüler als der Lehrer
und, fügen wir es bei, — auch derjenigen Examinatoren, welche
auf gerechte und humane Weise in Pharmakognosie zu prüfen
bestrebt sind.
Wie die Bearbeitung der Pharmakognosie von 1883 den Ge-
danken der Zusammenstellung des Grundrisses nahegelegt
hatte, so führte sie auch zu dem Wunsche, die inzwischen ver-
griffenen Grundlagen in einer neuen Auflage durch sorgfältigere,
dem Standpunkte der neuen Botanik entsprechende Behandlung der
pflanzenanatomischen Abschnitte noch brauchbarer zu gestalten. Zu
diesem Ende verband sich Flückiger mit dem damals als eifriger
jüngerer Botaniker in Berlin lebenden Dr. Alexander Tschirch,
1) Als eine Ueberarbeitung und Erweiterung des in dieser 2. Auf-
lage enthaltenen Artikels über Cort. Chinae ist die mit 8 Tafeln ver-
sehene Schrift „Chinarinden“ zu betrachten, die in demselben
Jahre erschien und als treftliche Monographie die längst ersehnte Ver-
einfachung und Klarheit in jenes verworrene Gebiet gebracht hat.
Friedrich August Flückiger. 361
dem späteren Verfasser der „Angewandten Pflanzenanatomie“ und
des „Anatomischen Atlas“; es ist kaum notwendig, hier daran zu
erinnern, dals derselbe, der ihm anvertrauten Aufgabe durchaus
gewachsen, sich ihrer so entledigte, dals die 1885 erschienene, in
den übrigen Teilen von Flückiger revidierte 2. Auflage als ein voll-
kommen zeitgemälses Hilfsbuch bei pharmakognostischen Studien
gelten durfte‘).
Von den in der ersten Hälfte des Dezenniums 1880 —1890 in
Zeitschriften publizierten Abhandlungen soll hier. aufser den
historischen Aufsätzen über Alexander Trallianus, über die
Entstehung des Wortes „Droge“ und einigen kleineren
chemischen Mitteilungen über das Cananga-Oel, das Mastix-
Oel und das Senf-Oel, besonders die spezifisch pharmaceutische
Arbeit über Opiumprüfung genannt werden, an welche sich
einige Jahre später eine weitere Besprechung anschlofs, welche als
Bericht an die Pharmacopöe - Kommission des deutschen Apotheker-
Vereins abgefalst wurde (1885). Wenn auch die hier vorgeschlagene
Methode der Morphinbestimmung durch Behandlung des Opiumauszuges
mit Alkohol, Aether und Arcmoniak nicht Aufnahme in die neue Auflage
des deutschen Arzneibuches gefunden hat, so haben doch die bezüglichen
Erörterungen zu einläfslicher Diskussion und weiterer Prüfung der
wichtigen Frage geführt und damit einen relativ befriedigenden Ab-
schlufs ermöglicht. Wie wenig übrigens der Pharmakognost in
solchen mehr chemischen Streitfragen sich für unfehlbar hielt, be-
weist die in der Sammlung seiner Abhandlungen auf dem Artikel des
Jahres 1879 angebrachte lakonische Notiz: „Ergänzt durch meinen
späteren Aufsatz (1885) und überholt durch zahlreiche Arbeiten von
anderer Seite.“
Das Jahr 1887 sollte in das im übrigen so glückliche Familien-
leben Flückiger's einen tiefen Schatten werfen. Im Laufe der Jahre
hatte sich der Kreis erweitert; mehrere Söhne und Töchter belebten
das trauliche Heim und umgaben, neben der musikalisch hoch-
!) Zu dem durch diese gemeinschaftliche litterarische Production
gegebenen Verhältnisse trat bekanntlich später die weitere Beziehung,
dafs der Mitarbeiter die s.Z. von Flückiger in Bern innegehabte Pro-
fessur für Pharmacie übernahm, welche inzwischen während der Haupt-
periode der Thätigkeit in Stralsburg von dem ailzufrüh aus dem Leben
geschiedenen Staatsapotheker und Professor Paul Perrenoud
(7 1889) bekleidet worden war.
362 Friedrich August Flückiger.
begabten Mutter das Wirken des Familienhauptes mit Verständnis
verfolgend, dasselbe mit liebender Sorgfalt, während sein vielseitig
gebildeter Geist es niemals an Anregungen zum Studium der Kunst-
und Kulturgeschichte in Schrift und Wort fehlen lies. Nachdem
schon früher ein liebenswürdiges Töchterchen in jugendlichem Alter
einer unheilbaren Krankheit erlegen war, raffte der Tod im Herbst
1887 einen hoffnungsvollen und reichbegabten Sohn dahin, der nach
absolviertem medizinischen Studium Anwartschaft auf eine geachtete
Stellung als Arzt beanspruchen durfte. Flückiger hat sich von diesem
Schieksalsschlage wohl niemals erholt; sein ganzes Leid falste er im
Oktober jenes Jahres in die wenigen Worte zusammen: „Lieber
armer Freund nennen Sie mich, und in der That, Liebe bedarf ich
und ärmer bin ich geworden, wenigstens um eine vollberechtigte
Hoffnung ärmer. Der Spätherbst — the fall — haust in den
Blättern und von meinem Lebensbaume fällt vorzeitig die schönste
Frucht.“
Aber auch andere, auf seinen Lebensberuf sich beziehende
Enttäuschungen sind ihm nicht ganz erspart geblieben. Wenn er
auch in seinen Anforderungen an die ihm zur Verfügung stehenden
Räume und Hilfsmittel nie über das Mals der Bescheidenheit hinaus-
ging und in hohem Grade die Kunst verstand, mit einfachem Hand-
werkszeuge die Wissenschaft zu fördern, so lag ihm doch zu einer
Zeit, wo sich um die Hochschule in stattlicher Zahl allmählich die
ganze Reihe der zugehörigen neuerbauten Anstalten gruppierte, die
Errichtung eines der Pharmacie würdigen, mit allen nötigen Hilfsmitteln
ausgestatteten Institutes anı Herzen, umsomehr, als er sich sagen
mulste, dafs schon zur Zeit der Uebernahme der Lokalitäten der Ecole
de pharmacie die innere Einrichtung und Ausstattung mit Apparaten
den neueren Anforderungen nicht mehr konform war und die ganze
Anstalt auf längere Dauer der Dignität der Universität im ihrem
neuen Bestande kaum mehr entsprechen konnte. Er sollte eine Er-
füllung dieses Wunsches nicht mehr erleben. Es ist selbstverständ-
lich nicht Sache des Biographen und noch weniger des Amts-
nachfolgers, die Verhältnisse zu ermitteln, welche jenen stetigen Auf-
schub bedingt haben; wohl aber ist es Pflicht des Sachverständigen,
in diesem Nachrufe wahrheitsgemäfs anzudeuten, dafs der Strals-
burger Hochschule ein unersetzlicher Verlust erwachsen ist; denn
Friedrich August Flückiger. 363
der langjährige Lehrer der Pharmacie würde bei Gewährung der
nötigen Räume und Mittel in der Periode seiner besten Jahre in der
Lage gewesen sein, auf Grund seiner weitverzweigten Verbindungen
und seines grolsen Ansehens in den pharmaceutischen, industriellen
und kommerziellen Kreisen des In- und Auslandes ein pharma-
ceutisches Institut ersten Ranges zu schaffen, dessen Lehrmittel und
Sammlungen mit denjenigen der entsprechenden Lehranstalten in
Paris und London hätten verglichen werden dürfen.
Solcher keineswegs beabsichtigten, weil unverdienten, aber de
facto bestehenden Zurücksetzung gegenüber hat Flückiger, wie in
anderem Ungemach des Lebens, stets die vermehrte und vertiefte
wissenschaftliche Arbeit als Genugthuung und trostreichste Stütze
empfunden und jenem altklassischen Spruche gehuldigt, welcher, im
Jahre 1872 auf ein Ehrengeschenk des Schweizer Apotheker-Vereins
eingegraben, gewissermalsen als Lebensmotto an die Spitze dieser
Gedenkschrift gesetzt worden ist.!)
So haben die Jahre 1885—1892, das letzte Stadium seines
Wirkens in Strafsburg, noch eine ansehnliche Reihe bemerkenswerter
Arbeiten gezeitigt. Nur einige wenige mögen hier noch Erwähnung
finden. Vor allem ist neben mehreren historischen Abhandlungen
über Geschichte der Pharmacie in England und
Italien, neben pharmaceutisch-chemischen Arbeiten über flores
Cinae und Santoninbestimmung, über Strychnos-
Drogen und ihre Bestandteile, sowie über Atropin- und
Cocain-Reaktionen und sonstige Eigenschaften dieser Basen,
der in weiten Kreisen beachtete Aufsatz über den pharma-
ceutischen Unterricht in Deutschland zu nennen,
dessen auf voller Beherrschung des Stoffes beruhender Inhalt vom
deutschen Apotheker -Verein in geeigneter Weise Verwertung ge-
funden hat?), ohne dafs freilich bis jetzt die so berechtigten An-
1) Die erwähnten Umstände haben F. nicht verhindert, der ihm
durch langjährigen Aufenthalt, insonderheit auch durch ihre reiche
Bibliothek liebgewordenen Stätte seiner Wirksamkeit den fachwissen-
schattlichen Teil seines Nachlasses zuzuwenden. Ueber den Verbleib
desselben und die zum Andenken Flückiger's in Aussicht genommene
historische Abteilung der Stralsburger Institutsbibliothek soll an dieser
Stelle bei späterem Anlasse berichter werden.
2) Denkschrift des D. A.-V. „Ueber die Notwendigkeit einer
Reform der pharm. Ausbildung“. (Verf. von Apoth. Th. Pusch und
1889 dem Reichskanzleramte eingereicht.)
364 Friedrich August Flückiger.
regungen jenes Berichtes Verwirklichung in legislatorischer Hinsicht
gefunden hätten.
Als ein Dankestribut an den bedeutendsten Apotheker aller
Jahrhunderte ist die im hundertsten Todesjahre von Carl Wilhelm
Scheele (+ 1786) verfalste Denkschrift zu betrachten, welche
eine trefiliche Zusammenstellung der vielen chemischen Uniter-
suchungen dieses experimentellen Heroen enthält und das Verdienst
beanspruchen darf, die Aufmerksamkeit pharmaceutischer Kreise,
namentlich unter den jüngeren Zeitgenossen, von Neuem auf jene
vorbildliche Erscheinung in unserem Berufe hingelenkt zu haben.
Unter den chemischen und pharmakognostischen Arbeiten der
letzten, in Strafsburg verlebten Jahre mögen als typische Repräsen-
tanten des Charakters seiner Untersuchungen nur zwei Aufsätze ge-
nannt werden, nämlich derjenige über Arsennachweis und die
Studie über Weilse Seifenwurzel. Ersterer enthält eine
mustergültige, auf experimenteller Prüfung fulsende vergleichende
Kritik wichtigerer Methoden zum Arsennachweis und hat bekannt-
lich ergeben, dafs die Gutzeit’sche Reaktion die übrigen Verfahren
an Schärfe zum Teil weit übertrifft und deshalb z. B. für Pharma-
kopoe-Präparate nicht allgemein verwendbar ist. Die zweitgenannte,
in die pharmaceutische Botanik einschlagende Arbeit entscheidet,
auf Gruud frisch gesammelten Materials, welches der Autor auf der
oben erwähnten Reise in Sicilien beschafft hatte, die bisher durch-
aus unsichere Abstammung der Rad. Saponar. alb. s. levantic. und
untersucht die historische Frage des Zusammenhanges des
„Struthion“ der Alten mit der neueren südeuropäischen und
kleinasiatischen Seifenwurzel. Mehr und mehr fühlte sich Flückiger
in den letzten Zeiten seiner litterarischen Thätigkeit zu Unter-
suchungen aus dem Gebiete der Drogengeschichte oder zu biographi-
schen Studien über berühmte, in die Pharmacie eingreifende Gelehrte
älterer Zeit hingezogen, wie denn eine seiner letzten Mitteilungen
dieser Art sich aut Theophrastus Paracelsus bezieht, der
bekanntlich in neuerer Zeit Gegenstand einläfßslicher Quellenstudien
geworden ist. Nicht unerwähnt darf neben den litterarischen
Leistungen Flückiger’s seine rege Beteiligung an der Redaktion des
deutschen Arzneibuches gelassen werden. Wie ihm s. Z. die Ueber-
nahme seiner Stellung in Strafsburg den Vorsitz in der pharmaceu-
Friedrich August Flückiger. 365
tischen Prüfungsbehörde für das Reichsland gebracht hatte, so
führte ihn das Ansehen, das er als Vertreter der wissenschaftlichen
Pharmacie genois, bald auch in die Pharmakopoe-Kommission des
deutschen Apothekervereins und in die ständige Reichs-Kommission.
Als Mitglied derselben hat er in intensiver Weise bei der Aus-
arbeitung der beiden letzten Ausgaben des Arzneibuches mitgewirkt
und insbesondere der Redaktion der Rohstoffe und gewisser pharma-
ceutisch-chemischer Präparate sich gewidmet. Seitens seiner Kollegen
aber ist ihm später bei dem Rücktritte aus seiner Stellung Aner-
kennung und freundschaftliche Gesinnung in einem kunstvoll aus-
gestatteten Dokumente ausgesprochen worden, welches ihm, wie er
wiederholt versicherte, gröfsere Freude, als manche andere sehr
wohlgemeinte Ehrungen, bereitet hat.
Seine schriftstellerische Wirksamkeit in Deutschland endigte
im Jahre 1892 mit der Publikation der kleinen Schrift „Reak-
tionen“, welche als eine Art Ergänzung der pharmaceutischen
Chemie gelten durfte und in kompendiöser Weise, als Ergebnisse
eigener Beobachtung und Kontrole, die bemerkenswertesten Reak-
tionen zur Identificierung arzneilicher organischer Substanzen beschreibt.
Den weitaus wichtigsten Schlufsstein seiner Thätigkeit als
pharmaceutischer Autor legte er aber im Jahre 1891 durch die
Herausgabe der dritten Auflage seiner Pharmakognosie. Von
diesem Werke, in welchem mehr als in allen vorhergehenden die Resul-
tate eigener Beobachtung, mündlicher und brieflicher Belehrung und
litterarischer Studien in kaum glaublicher Zahl gehäuft sind und
welches, weil Quellenangaben enthaltend, auf lange Zeit hinaus den
Wert eines Quellenwerkes behalter muls, läfst sich nur sagen: Es
wird dasselberechteigentlich sein, „nonumentum
aere perennius“ werden und eswürdefür sichallein
genügen, um seinen Autor alseinen der mächtig-
stenFördererder Pharmakognosieund damit der
wissenschaftlichen Pharmacie überhaupt er-
scheinen zulassen.
Doch auch bei ihm wollte es allmählich Abend werden! Nach-
dem er, obwohl nicht von besonders kräftiger Konstitution, doch
längere Jahre hindurch sich relativ guter Gesundheit erfreut hatte,
stellte sich, wenn auch keineswegs in der geistigen Sphäre, doch im
366 Friedrich August Flückiger.
körperlichen Befinden eine gewisse Debilität ein, die ihn im Beginn
des Jahres 1892 veranlafste, den Wünschen seiner Angehörigen ent-
sprechend, auf seinen Rücktritt aus der akademischen Stellung Be-
dacht zu nehmen und auf den Herbst desselben Jahres um die
Emeritierung nachzusuchen. Ein nach langjähriger ununterbrochener
Wirksamkeit an der Hochschule bereitwillig gewährter mehrmonat-
licher Urlaub schaffte ihm die Möglichkeit, sich im Frühsommer
1892 nach Bern zurückzuzieben, wo er noch einen mehrjährigen
Lebensabend in stiller Beschäftigung mitseinenLieblingsstudien erhoffte.
Wenige Wochen nach seinem Einzuge in Bern wurde ihm in
einer festlichen Zusammenkunft in seinem Hause, am 9. Juli 1892,
die freudige Ueberraschung der Ueberreichung der „Flückiger-
Stiftung“ zu Teil. Uebergabe und Bedeutung der letztern sind da-
mals in der pharmaceutischen Presse besprochen worden und be-
dürfen deshalb keiner weiteren Krörterung.
Dafs Flückiger auch als „professor emeritus“ nicht müssig
bleiben werde, war a priori zu erwarten, und in der That erschien
noch in seinem Todesjahre, mit einem im Februar 1894 datierten
Vorworte, die zweite Auflage seines „arundrisses“.
Mehr als 40 seit seinem Rücktritte in die Heimat verfalste
Aufsätze, vornehmlich litterarische Besprechungen, zeugen aulserdem
dafür, wie er sein „otium cum dignitate“ auffafste. Wir erinnern
u. a. nur an den anziehend geschriebenen Text zu dem Pracht-
album der Firma Schimmelu.Comp. in Leipzig, sowie an
die historischen Artikel: Bernische Beiträge zur Ge-
schichte der Pharmacie (in der Jubil.-Schrift d. Schweiz.
Apoth.-Vereins pro 1893) und „Die historisch-pharm. Aus-
stellung des Apoth. B. Reberin Genf“).
Einer öfter wiederholten Einladung seines Freundes Dr. E.
R. Squibb inBrooklyn-N.-York folgend, reiste Flückiger
1) Diese-beiden Aufsätze mögen speziell genannt sein, um zu-
gleich einevielleicht bestehende, nicht ganzrichtigeMeinung zu beseitigen.
Flückiger hat in seinen historischen Arbeiten stets in erster Linie die
Drogengeschichte, sowie die Klarstellung des Lebens und Wirkens
bedeutender Persönlichkeiten ins Auge gefalst. Demgemäls hatte er
zwar für spätere Jahre die eventuelle Herausgabe einer Geschichte
der pharmaceutischen Drogen, niemals aber diejenige einer sogenannten
pragmatischen Geschichte der Pharmacie und des Apothekenwesens
geplant, vielmehr sich letzterer Aufgabe gegenüber stets ablehnend
verhalten. In dem vieljährigen zwischen ihm und dem Verf. dieser
Friedrich August Flückiger. 367
im Mai 1894, von seiner Familie begleitet, nach der neuen Welt
und kehrte von da, nach einem in jeder Richtung genufsreichen
Aufenthalt, über den seine Briefe den interessantesten Aufschlufs
geben, in den ersten Oktobertagen in sein wohnliches Heim in Bern
zurück. Da trat, nachdem sich schon in Amerika Anzeichen körper-
licher Störungen eingestellt hatten, eine schrittweise, aber sehr
rapide Verschlimmerung eines wahrscheinlich seit einiger Zeit
latenten Unterleibsleidens ein, welchem er, sorgfältigster ärztlicher
Bemühungen und treuester Pflege durch die Seinigen ungeachtet,
nach kaum 2 Monaten erlag; in der Nacht des 11. Dezember erlöste
ibn der Tod von weiteren Leiden. Die Nachmittagsstunde des
14. Dezember, in der seine sterblichen Ueberreste, unter dem
Scheidegrulse der Abendsonne und dem Geleite der Verwandten,
Kollegen, Schüler und Freunde mit akademischen Ehren zur letzten
Ruhestätte in heimatlicher Erde geführt wurden, war eine Trauer-
stunde der wissenschaftlichen Pharmacie aller Lande!
So ist er dahingegangen, der gottbegnadete Meister, treffliche
Lehrer und edle Mensch, der nicht allein den Seinigen, sondern
vielen andern väterlicher Freund war, der durch wissenschaftlichen
Rat und geistige Anregung wohl ebenso viel, wie im offiziellen
Lehramt gewirkt, der unentwegt, von hervorragenden Geistesgaben
unterstützt, mit eiserner Beharrlichkeit und rastlosem Fleilse seine
Lebensaufgabe durchgeführt hat! Er wirkte, so lange es Tag war,
und wenn auch, seinem bescheidenen Sinne entsprechend, sich nie-
mals und nirgendwo ein Denkmal von Künstlerhand erheben sollte,
so würde das klassische Distichon für ihn zutreffen:
„Saxa premunt Licinum; levat altum fama Catonem,
Pompejium tituli; — credimus esse deos.“
Ihm bleibt die Ehre, zu den gröfsten Förderern seines Berufes
gezählt zu werden; ihm bleibt der Dank der wissenschaftlichen
Pharmacie!
Er ruhe in Frieden! —
Strafsburg, im März 1895. Ed. Schär.
Zeilen gepflogenen Austausch von Gedanken und Materialien zur Ge-
schichte der Pharmacie und der Drogen pflegte er stets diesen Stand-
punkt zu betonen und an der Vereinbarung festzuhalten, dafs in dem
schon frühe besprochenen Doppelwerke ihm die Drogengeschichte,
seinem Korrespondenten die ardere Seite des Gebietes zu speziellerer
Bearbeitung zufallen solle. Ob die gefafsten Pläne verwirklicht
werden können, wird von Zeitumständen, Leben und Gesundheit
abhängen.
368
Anhang.
Friedrich August Flückiger.
I. Chronologisches Verzeichnis der Abhandlungen und Schriften
von F. A. Flückiger.')
Abkürzungen.
Apotheker-Zeitung, Berlin .
Archiv der Pharmacie SIETIRERE IR) LS0R,
Berichte der deutschen chem. Ges., Berlin
Buchner’s N. Repertorium der Pharmacie
Fresenius, Ztschr. f. analyt. Chemie .
Jahresbericht der Chemie . raten ee
Jahresbericht der Pharmacie (ehemals
Canstatt;seher Ber.) .-;. 1. =...
Journal d. Pharmacie von Elsals-Lothringen
Mittheilungen der naturforschenden Ges.
in Bern EIERN, SS ERENEREN
Mittheilungen des Schweizer. Apoth.-Vereins
Pharmaceutical Journal and Transactions,
London Killsutnir. 5
Pharmaceutische Zeitung, Berlin
Pharmaceutische Zeitung, Handelsblatt
Poggendorff’s Annalen der Physik u. Chemie
Schweizer. Wochenschrift {. Pharmacie.
Schweizer. Zeitschrift f. Pharmacie
Vorwerk’s Neues Jahrbuch der Pharmacie
Wittstein’s Vierteljahrsschrift f. prakt.
Pharmacie \
1. Ueber neutrales molybdänsaures Am-
moniak IE T
2. Fluorsalze des Antimons, Doktor-
dissertation, Heidelberg 1852, .
3. Phosphorsaures Stickoxyd
Serophularia Hoppi. . . .
5. Thimethaldin u. Thiaethaldin
m
Ap.-Ztg.
AUSPh.
Ber.
Buchner, Rep.
Fresenius, Z,
JaBch:
J- B, Ph:
J. Ph. E.-L.
Nat. G. Bern.
M. Schw. A.-V.
Ph:.. J;,..& Tr,
Ph. Z.
Ph. Z.2H.
Pogg. Ann.
Sch.’ W. Ph:
Schw. Z. Ph.
N. J. Pharm.
V. J. S. pr. Ph.
Pogg. Ann. 86 (1852).
Pogg. Ann. 87 245 (1852).
M. Schw. A.-V. 1854, 33—35.
M. Schw. A.-V. 1854, 145-148.
Nat. G. Bern, 6. Jan. 1855.
1) Behufs compendiöseren Druckes dieses Verzeichnisses sind die
Originaltitel mancher Aufsätze und Abhandlungen hier nicht voll-
ständig wiedergsgeben, sondern abgekürzt worden.
Die in Cursiv
schrift gedruckten Ordnungszahlen beziehen sich nicht auf Original-
arbeiten, sondern auf grölsere litterarische Besprechungen. DieOrdnungs-
zahlen entsprechen der von F. selbst aufgestellten Liste, in welcher
ursprünglich mehrere der grölseren Schriften nicht erwähnt waren.
(8.)
39.
Friedrich August Flückiger.
Templinöl
Kalisesquicarbonat
Bittersalzefflorescenz am Mattarhosi
Mangostan-Essig . Dr
Zur Prüfung fetter Oele .
Pengawar
Pengawar
Djambi
Djambi
Gefärbte Butter
Bemerkungen
und Versuche. über
Ozonometrie
Koprolithen aus Basplland \
Antjar-Pfeilgift -
. Pharmacopoea Helvetica .
Milchprüfung x E
Statistik des Schw. noeh ne \
Troptengewicht
Reduktion
der dal
Löslichkeit der Stärke .
Praesidialrede
bei der Jahresver-
sammlung d. schweiz. A.-V.
Chinarinden (Chininreaction)
Cedrela febrifuga Blume (Rinde) .
Löslichkeit von Harz, Gummi und
Zucker
Salzsäurebach er Pait.
Quillaja Saponaria
Chinin-Reaktion (nur Fluorescenz) . {
Beiträga
Pharm.
zur ältern Geschichte d.
in Bern .
Malzextrakt (Gegen Hoff)
Mehlprüfung ;
Anwendung des er
Vermeintliche Gypskrystalle
Einwirkung des Schwefels auf Am-
moniak
Kamala
nn Ben a
Weihrauchbaum
Storax u. Mastix . r
Fruktificierendes in ODE
Arch. d, Pharm. CCXXXIII. Bd. 4. Heft.
3. ZePh:
369
Nat. G. Bern, Juni 1855.
Schw. Z. Ph. 1856, 6—8.
Schw. Z. Ph. 1856, 117—120-
Schw. Z. Ph. 1856, 155— 159.
Schw. Z. Ph. 1856, 24—27.
Schw. Z. Ph. 1856, 108—109.
Schw. W. Ph. 1857, 43.
Schw. W. Ph. 1858, 56—57
Nat. G. Bern, Febr. 1857.
Schw. Z. Ph. 1858, 189—294.
Schw. Z. Pb. 1859, 31—41.
Schw. Z. Ph. 1859, 80-84.
Schw. Z. Ph. 1859, 103—1(:9,
Ebenda, 115—122.
Schw. Z. Ph. 1860,
Schw. Z. Ph. 1860,
Schw. Z. Ph. 1860,
48.
37.
185.
Schw.
Schw.
Schw.
„PB:
PH.
Eh.
1860,
1861,
1861,
193.
65—66.
124,
Schw.
4: Ph,
Nat. G. Bern
1861, 233.
1862, Jan.
1862, 13—21.
J. B. Chem. 1863. 611.
IsBsEh21863,6%
Schw. Z. Ph. 1862, 28.
Fresenius Z. I, 373.
Schw.
‚Schw.
Schw.
Z. Ph. 1862.
Z. Ph. 1862, 133—135.
Z. Ph. 1862, 136—137.
Schw. Z. Ph. 1862, 221 —236.
Schw. W. Ph. 1863, 57, 60
u. 65—69.
Schw. W. Ph. 1863, 173 bis
177 u. 181—185.
Schw. W. Ph. 1864, 233.
Schw. W. Ph. 1864, 33.
Schw. W. Ph. 1864, 128.
Schw. W. Ph. 1865, 25—29.
Schw. W.Ph, 1865, 129—132,
24
os
1
o©
39b. Krystalle in. Extr. Secalis cornuti
Friedrich August Flückiger.
a J.B.. Ph.”1865, 193.395
> JS. pr. Ph. XXIV 71885)
373.
Conessin (Wrightia antidiyssenterica) Bee Ph. 1865, 173—176.
Berg, Chinarinden (Recension) .. . Schw. W. Ph. 1865, 76.
Cornaz, Recension . . 0. „ ‚Schw. W. Ph. 1865, 225.
. Nekrolog von W. Pfähler. 20 =. Schw:uW. Phr A865 T27
Renward Cysat, Lebensbild eines
Schw. Apothekers . . . . . .„ Schw. W. Ph. 1866, 153,
fSchw. W. Ph. 1866, 283.
Sesamsamen . . - + - + * * \V.J.S.pr. Ph. XVI(1867)42.
Zur Anatomie der Chinarinden . . Schw. W. Ph, 1866, 361.
[Von Howard übersetzt in: Quinology of the East
Indian Plantations 1869, Fol. 33 u. 34.]
Geschichte des Moschus . . . . . Schw. W.Ph. 1867, 37—40 u.
45—49.
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77.
-78.
79.
82.
E&
Friedrich August Flückiger,
über die Bereitungsvor-
schriften z. d. chem. Präparaten .
Ueber die Ratanhia aus Parä .
Ueber die Pharmakopöa Helvetica .
Notiz über Ophelia Chirata . -
Recension von Howard’s Quinology
of the East Indian Plantations
Zur Kenntnis der Aconit-Alkaloide .
Reinigung des Chloralhydrates
Ueber einige Reaktionen des Wasser-
glases .
Zur Prüfung des Bittermandelöls u.
Nelkenöles Be Da
Rezension von Miquels „De Cin-
chonae speciebus ete. .
Beiträge zur Prüfung der Oele
Zur Kenntnis der Argemone mexicana
Uebersichtder Cinchonen.
(Deutsche Bearbeitung von Wed-
dell’s „Notes sur les Quinquinas).
Ueber Stärke und Cellulose .
Magnificent fluorescence of pepper-
mint oil
Ueber schwefelsaures Ammoniak aus
Losuchtgas .
Ueber Baumwollsamen .
Praktische Betrachtungen über das
Senföl . een
Nigella seeds or black cummin
The erystalline principles in Aloes .
Wild rue or Harmala seed .
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Acta der „Pharmacop.
Europaea“ 1869, fol. 147
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Schw. W.Ph. 1869, 227—231,
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J. B. Pb. 1871, 100.
Ph. J. & Tr. IL (1871) 193.
Ph. J. & Tr. I. (1871) 229
24*
883.
83b.
89.
9.
90h.
90 e.
90d.
90e,
90 f.
91.
92,
93.
94.
9.
96.
97.
97a.
98.
Friedrich August Flückiger.
Chinese peppermintoil .
Fortschritte der Chinakultur
Beiträge zur Kenntnis
falschen Chinarinden
(Auszug: Nat. G. Bern. 1871, p. XXVD.
Ueber das Vorkommen des
catechins in Kino SEE.
Uebersicht der in der Natur vor-
kommenden Alkaloide der Papa-
veraceen und einiger künstlich
daraus dargestellter Abkömmlinge
Ueber einige Reaktionen des Chinins
und des Morphins
der sogen.
Pyro-
Notiz über die Eichenmanna von
Kurdistan
Creasote and carbolie acid
Motherplant of wormseed
Rezension von „Vogl, Nahrungs- und
Genussmittel aus dem Pflanzen-
reiche .
Rezension von Were Eabrıka-
tion der ätherischen Oele
Schweizer Medizinalwesen und die
Pharmacopoea helvetica .
Erörterungen zur Pharm. helvetic
(1. Kamala, Lupulin, Lycopodium)
Die Koloquinthe als Nährpflanze .
Notiz über blausaure Alkaloide
On the occurrence of manganese in
plants . \
Erörterungen zur nn: helv. ca.
Zimmt)
Erörterung zur Pharm: haky. (IIT. Ha
kalium)
Zucker und Zuckerarten ,
Zur Geschichte des Wortes Apotheke
Die Frankfurter Liste; Beitrag zur
mittelalterlichen Geschichte der
Pharmacie
1
Ph. J. & Tr. I. (1871) 32
N.J. Pharm. XXXVL (1371)
193— 208.
N. J. Pharm. XXXVI. (1871)
291—302.
Ber. V. (1872) 1.
Schw. W.Ph. 1872, 93.
N. J. Pharm. 37 (1872) 136—
143.
A. Ph. 200 (1872) 159—164.
Ph. J. & Tr. June 1872, 1008.
Ph. J. & Tr. March.1872, 762.
Schw. W. Ph. 1872, 188.
Schw. W. Ph. 1872, 203.
Sonntagsblatt des
28. Juli 1872.
„Bund“
Schw. W. Ph. 1872, 267.
A. Ph. 201 (1872) 235—247.
N. J. Pharm. 38 (1872) 138.
Ph. J. & Tr. IH. (1872) 208.
Schw. W. Ph. 1872, 305.
Schw. W. Ph. 1872, 347.
Illustr. Schweiz. 1872, No.
70— 14.
Schw. W. Ph. 1872, 375.
A. Ph. 201 (1872) 433—464
und 508526.
98a.
986.
99.
100.
101.
102.
103.
103 b.
104.
105.
106.
107.
107 b.
107.
108.
108 b.
108 c.
1084.
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110b.
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lila.
111b.
Friedrich August Flückiger.
Rezension von Hager's Kommentar
zur Pharm. German.
Inventaire d’une pharmacie de Dijon
en 1439
Zur Nachweisung des Curarins
Erörterungen zur Pharm. helvet. (IV.
Kreosot und Phenol) :
Notiz über das krystallisierte Digi-
talin
Ueber die Bukublätter . -
Ueber das Muskatstearopten
Grundlagenderpharmaceut.
Warenkunde.
Harzgewinnung im badisch. a
walde .
Bedenken
German.
in Betreff der Pharm.
Zur Prüfung des Pfefferminzöles
Experiments on some varieties of
Camphor . :
Uebersetzung von No. 107
Ausfuhrprodukte Smyrnas und Syriens
Beiträge zur Kenntnis des Kosins
Die Stellung der Warenkunde in der
Wissenschaft
Ueber das Bergamottöl i
Der pharmaceut. Unterricht an Als
Universität Stralsburg
Note onProcter's reaction ofgallie BEN
On a substance called myristiein
Pharmacographia, mit D. Han-
bury. (Franz. Bearbtg. von J.L. de
Lanessan) L. :; Br
On the Chemistry of Elemi .
On a new seat of send
education in Germany.
Selbstbesprechung der
graphia“ . :
„Pharmaco-
373
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Buchner Rep. XXII (1873)
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A. Ph. 205 (1874) 193— 205.
Ausland 1874 406--408.
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374
112.
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117:
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Friedrich August Flückiger.
Referat über Pharmaceutische Bo-
tanik e
Artikel für Eehling® Nee Hand.
wörterbuch der Chemie; Cail-cedra,
Cajeputöl, Calabar, Castoreum,
Castorin, Canadabalsam, Canella,
Canthariden, Cantharidin, Carda-
mome, Cassia, Cascarilla, Cassave
Recensionen für Zarncke’s Littera-
risches Centralblatt: a) Hager,
Commentar zur Pharm. Germ.
b) Dragendorff, Wertbestimmung.
c) Wiggers -Husemann, Jahres-
bericht d. Pharm. f.1873. d) Fre-
derking, Geschichte d. Pharm.
Nekrolog von Daniel Hanbury
Recension von Markhams Lady Ana
de Osorio
Examination of some specimens of
Opium. :
Neue Reaktion auf Bruein !
Notiz über die Ratanhia von Cearä.
Ueber Urnenharz . 5
Review of Planchon’s ‚Trait6 ra
que de la determination des dro-
gues simplies“ .
Notiz über den Meisgueia- Pfeifen
Notiz über die Löslichkeit des Bitter-
mandelöles in Wasser .
Harzgewinnung im Bernischen ns
Note on Hing of the Bombay Market,
the so-called „Nauseous Asa-
foetida*“
Dokumente zur Geschichte der
Pharmacie
Zersetzung des weilsen Praecipitats
durch Jod 2
Bemerkungen über Ehabarbor er
Rheum offieinale.
Just’s botan. J. Ber. f. 1874.
März, April 1875.
Lit. ©. Bl. 17, (1875) 546,
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Buchn. Rep. XXIV (1875).
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A. Ph. 206 (1875) 403,
Ph. Z. H. No. 39; 23. Juni
1879,74:
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Ph. J. VI (1875) 58.
Bot. Z. 1875, No.29, p. 481.
A. Ph. 207 (1875) 103.
Schw. W. Ph. 1875, 371.
Ph. J. & Tr. VI. (20. Nov.
1875) 401.
A. Ph. 207 (1875) 422—437.
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Buchrer Rep. 25 (1876)
1—13.
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I3le.
132.
133.
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133 c.
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Artikel in Meyer's Konversations-
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Parilla; nous MON AP ATAETAAIZ IE
Note on Costus .. . +... 2... Ph. d. (1877 Aug. 18) 121.
Das Nördlinger Beginiiie silde. zii AsBho21l,(1879:92 118:
Note sur l’Iris de Verone . . . .„ J. Ph. E.-L. Dez. 1877.
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376
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Rezension von O.Kuntze’s „Cinchona*
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Besprechung von Luerssen, Med.-
PRaxni. Botanik". . . 0%
über
21
Anzeige von A. Poehl’s Schrift
Pilocarpus (Jaborandi)
Pharmakognostische Notizen aus
Alexander Trallianus . Are
Artikel „Jaborandi* für Fehling’s
N. H.W.B. der Chemie 5
The effeet of intense cold on Cherry-
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Ph. J. VIII Apr. 13 (1878)
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A. Ph. 212 (1878) 380.
Ph. J. VIII (1878 May 11)
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A. Ph. 212 (1878) 493--514.
Schw. W. Pb. 21. Juni (1878)
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A. Ph. 213 (1878) 473—480,
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Ph. J. IX (1879, March 22d)
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London, Mac Millan & Co.,
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Just’s bot. J. Ber. f. 1877.
A. Ph. 215 (1879) 379—381.
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‘A. Ph. 216 (1880) 81—90.
1830.
Ph.J.& Tr. X (March 1880)
749.
159 b.
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. Deutsche
Friedrich August Flückiger.
Erläuterungen zu Meister Diether's
„des artztes rat der appoteken
halp“
Notes on the essential oil of Buchu
leaves . ne SE RE,
Notes on the constituents of
peppermintoil (mit Dr. Fr. Power)
Prüfung des Senföles .
. Notes on Chian Turpentine .
Ueber das Cananga-Oel oder Tue
Jlang-Oel Inh it
Das Glait zu Aarau . ;
Haarspaltereien zur Pheiekoner
Revision .
Prüfung des en leane
Cortex Chinae der Pharmacopoea
Germanica
Geographische
Sternanis .
Artikel Kamala, Ka, Gambir, es
in Fehling’s N. H.W.B. d. Chem.
Notes on the fruit of Strychnos
Ignatii (mit Dr. Arthur Meyer)
Bearbeitung des Auf-
satzes 170
Zur Geschichte des ee De
Ueber das ätherische Oel der Mastiche
Note on the early history of Canada
balsam
Notizen über den
Referat über „Pharmaceutische und
technische Botanik“ ;
Zur Kenntnis des a nen
Storax .
Ueber den sneinchen Zune
Die älteste Pharmakopoe in Deutsch-
land
Zur Prüfung der Resina Jalapae .
. Kaliumcarbonat
I. Paraffioum liquidum der Phesn. Ger
manica
377
Corresp.-Blatt f. Schweizer
Aerzte 1830, 313.
Ph. J. & Tr. XI (1880) 219.
Ph. J. & Tr. XI (1880) 220.
Ph. Z. 1889, 460.
Ph. J. & Tr. XI (1880) 309.
A. Ph. 218 (1881) 24-30.
Schw. W. Ph. 1881, 107.
121.
222 — 223.
Ph. Z. 1881,
Ph. Z. 1881,
Ph. Z. 1881, 244—245.
Ph. Z. 1381, 252.
1881.
Ph.J. & Tr. XII (1881) 1-6.
A. Ph. 219 (1881) 402.
A. Ph 219 (1881) 81-85.
A. Ph. 219 (1851) 170—171.
Amer. Journ. Ph. 53 (1881)
593— 594.
Ph. J. a. Tr. XII (1881) 544.
Just’s J. Ber. d. Bot. f. 1878
und 1379, 309 — 345.
A, Ph. 220 (1832) 646
A. Ph. 223 (1832) 835—841.
Ph. Z. (Beilage) 1833, 49,
ferner 345.
Ph.:2.:1883, 21%
Ber. XVI (1883) 1143.
Ph. Z. 1883, 221.
378
179b.
180.
180b.
180c.
181.
181b.
182.
182b.
183.
184.
184b.
184ec.
185.
186.
186b.
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187.
187 b.
188,
188b.
189.
190.
Friedrich August Flückiger.
II. Parafänpräparate der Pharm. Ger-
manica
III. Unguentum Parafäni = en
Fortschritte der P.-Industrie
Nochmals das Dispensatorium des
Valerius Cordus .
Referat über „Pharmaceut und dei
Botanik“ . .
Pharmakognosie a. Pen:
reichs, I. Aufl.
Chinarinden (VUeberarbeiteter Kade
zug aus No. 180b) mit 8 Tafeln .
Rezension von Christy, New. Com-
merciai plants and drugs
Rezension von Karsten’s eier
Flora
Bemerkungen über Er eh:
Nomenklatur der Ph. Germ.
Grundri[s der Pharmakog-
nosie (Italien. Bearbeitung von
P. Giacosa) . Stück
Indische Pharmakognosie.
Zur Kenntnis des Kümmelöles
Besprechung von Sigismund „Die
Aromata“
Prüfung des Jodoforms ;
Die Industrie der ätherischen Oele
in Grasse
Bemerkungen über das Phenolphtalein
Notiz über die Wurmsamenpflanze .
Rezension von Ficalho, Plantas uteis
da Africa portugueza, Lisboa 1834
Referat über „Pharm. und technische
Botanik“.
Stammpflanze der Kertakel ; in Near
Amerika .
Grolse Kirschlorbeerbäume .
Der englische er a
sein Sitz in Edinburg
Bemerkungen über die Rinden von
Remijia ;
Zur Prüfung des bsendls 5
Ebenda 335.
Ebenda 391.
Ph, Z. (Beil.) 1883, 345.
Just’s bot. J.-Ber. f. 1880.
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196.
196 b.
197.
198.
198 b.
198 c.
199.
200.
201.
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Friedrich August Flückiger.
Note sur la Vaseline
Handbuch der nutzbaren Rohprodukte
Indiens
Bestimmung
Opium
des a ERRER im
Der pharmaceutische Unterricht in
Deutschland
Grundlagen der Pharma-
kognosie. II. Aufl. (gemein-
schäftlich mit Dr. Tschirch in
Berlin). Ne EN
Uebersetzung des Aufsatzes 183
(Matiere medicale des Indes bri-
tanniques)
Bemerkungen über a Bier
Vorträge an der Naturforscher-Ver-
sammlung zu Stralsburg (Pharma-
ceutische Sektion, 17. bis 22. Sep-
tember 1885)
Referat über nasgrhe ad
technische Botanik .
Mit Thymol gefälschte Mentholstifte
Rezention von H. M. Wilder’s „List
of tests“
Edmund Boissier . 1
Zur Geschichte der a -
Umrifs der Geschichte der Pharmacie-
schule in Stralsburg
Bestand einer Apotheke in Strafsburg
im Jahre 1643. :
Zur Geschichte der Gewürznelken
Strychnin-Reaktion
ZurWertbestimmungder Ipecacuanha
Ueber den Wurmsamen und die quan-
titative Bestimmung des Santonins
The tests for atropine .
Manganese, occurrence in plants.
379
J. Ph. E.-L. 1885.
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Friedrich August Flückiger.
Besprechung von: Fehling’s Neues
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Lieferung 51: (Oxybenzonitrile-
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216 b.
216 c.
217.
218.
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La Mortola. Der Garten des Herrn
Thomas Hanbury
[Englische Uebersetzung von Mifs
P. Sharpe.]
Helene
Note on Cocaine and Atropine
Notiz über das erste sauerstofffreie .
feste Alkaloid und dieArariba Rinde
Note on Quinine Hy.rate
Zur Erinnerung an Scheele, ein Jahr-
hundert nach seinem Ableben .
. Die Scheelefeier in Köping .
Gegenwärtiger Stand der eneksch:
chinesischen Opiumfrage
. Notiz zur Geschichte des Kamphers
Referat über pharmaceutische und
technische Botanik .
Daspharmaceutische InstitutinZürich
Zur Geschichte der ältesten Bezieh-
ungen zwischen Ostasien und dem
Abenalande . a HE REEENEE
Rezension von Piugge's „Die wichtig-
sten Heilmittel“ (übersetzt von
Ed. Schär) m LER
Anzeige der a eapden Fennica
ed IV .
Rezension von Hirsch’ ‚Uhiverad:
Pharmacopöe .
Rezension von Peters: „Aus phar-
maceutischer Vorzeit in Bild und
Wort“ .
Reaktion der Thiosulfate..
Rezension von Godfrin & Noel
Ph. Z. 1886, 102.
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Stralsburg 1886.
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Lit. ©. Blatt, 1886, No. 51,
11. Dzbr. 1755 —1757.
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5. Febr. 180—183.
No. 6,
eh. Z Febr 1
218 c.
219.
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229.
230.
230b.
231.
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Friedrich August Flückiger.
Rezension von Engler und Prantl:
„Die natürlichen Pflanzenfamilien“
Heft1.
Bemerkungen
Cocain
über das salzsaure
Rezension von F.v.Hoehnel: „Mikros-
kopie der technisch verwendeten
Faserstofie“ .
Referat über Pharm. u. techn. Botanik
Zur Geschichte des Tabaschir .
The distribution of Safrol
Rezension von Tschirch’s „China-
rinden und Cinchona“ (Real-Ency-
elop. d. Pharm.) .
Contributions to the History of Wars
Bemerkungen über das Lithiumcar-
bonät . N ELIA ER
Nachweisung des Jods in Laminaria
Couat Ficalhös History of Garcia
da Orta — and his Time
Italienische Beiträge zur Geschichte
der Pharmacie und Botanik
Strychnos Ignatii (mit Ed. Schär)
Contributions to the knowledge of
Catha leaves (mit J. E. Gerock)
Bemerkungen über die Verbreitung
des Berketiher : |.
Ein medizinischer Bundesgenosse der
Pharmacie Ds re
Nachweisung des Acetanilids (Anti-
IR. EEE OR a 2
Bemerkungen über das Morphinacetat
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Besprechung von J.J. Reins’ „Japan“
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Bemerkungen über Schinus molle
Uebercyanwasserstoffsaures Morphin
Englische Beiträge zur Geschichte
der Pharmacie und Botanik
Zur Kenntnis des Lithiumcarbonates
Referat über „pharmaceut. u. techn.
Botanik für 1835“ ;
Ueber Aschenbestimmung . , :
Illieium verum, der Sternanisbaum .
Angewandte Pflanzenanatomie von
Tschirch; Besprechung
Neue Beiträge zur Geschichte der
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Die Insel Socotra.
Universität oder Fachschulen .
Besprechung von Bertolotti, Notizie
e documenti sulla storia della
Farmacia e dell’empirismoinRoma
Notiz über die Darstellung der Vul-
pinsäure und Pulvinsäure
Nachweis kleinster
Arsen .
O’Shaughnessy .
Strychnos Ignatiü .
Mengen von
Ein zweckmälsiger Nxtraktions-
ADDAaral Dr.
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Schwarzer Phosphor
Zur Geschichte
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der Phaimacie in
Be di
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ten des Papieres.
Zur Kenntnis des Chinpilins
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Ap.-Ztg. No. 69, 436, 1892.
A. Ph. 231 (1692) 343—352
Ap.-Ztg. No. 71, 1892, 441
bis 443, und No. 72, 450
bis 451.
Schw. W. Ph. No. 40, 395,
1892.
Chem. Ztg. XVI, 1892, 1470.
Chem.-Ztg. XVI, 1892, 1559.
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280,
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die in Kaiserl. Verord-
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genannt werden“.
Professor Alfonso Corradi (Nachruf)
Die Alkaloide, hauptsächlich nach der
Monographie von Guareschi
. Neue Gummisorten Australiens
Neue Kino-Sorten in Australien .
Wintersrinde und Cotorinde
a) Entstehung des Peer
(nach Guignard) . N
b) Alkaloidgehalt des Borken, Java-
nischer Chinarinden (nach P. van
Leersum) :
Eigentümliches Verhalten des Chloro-
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. Manna von Myoporum ..
. Zur Kenntnis der venezianischen Ge-
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Spielmann, Jacob Reinboid .
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31. Januar 1893 er;
E. Bretschneider’s „Botanicon Sini-
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Uebersetzung des ee ‚Hiher
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aus dem X. Jahrhundert; mediz.
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sität Dorpat seit 1802. N
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Der botanische Garten in Montpellier
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„ ’ „
„ E33 ,
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25
386
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Die neuePharmacopoe der ve ehe
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Text zu dem Peschlniliem- ‚Die Ce:
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Schimmel & Co., Leipzig-Prag und
Fritzsche BrothersN.York-Garfield
Ein Blick auf das Dispensatorium des
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Zum Fischfange dienliche Pflanzen
Die Schweizerische Pharmakopoe
Richard Spruca (Nachruf)
Rezensionen diverser Schriften
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Bruysman’s hortus plantarum dia-
phoricarum . >
Joh. Mich. Maisch (Nachruf)
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Mikroskopische iterschiedes zwi-
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I. Robert Bentley
I. E. Strohl f
Aconitum Srlgskaneih von Tone
dahl. ; }
Vanille-Kultur in DR
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Sammlung des Apothekers Burk-
hard Reber in Genf
I. Heckel’s Monographie der Globu-
larien Sagen seine, EURE,
II. Sawer, Odorographia, second
series .
The National en |
I. Zur Geschichte der Kola.
II. Neuere Berichte über Theekultur
in China, Ceylon und Java.
Der Vater des Chinins
Englische Arbeiten in Indien
Anzeige von Lay, Note on the opium
question etc.
Australische Manna .
R. Kobert’s Compendium der a
tischen Toxikologie.
Zur Kenntnis der Gerbstoffe; Litt.
Bespr. von Braemer, Tannoide
und Trimble, Tannins. (10. Mai
in Bern verfalst).
Die Glasmodelle des botanischen
Museums der Harvard University
(19. August in Brooklyn
verfalst). : ABER TEE
337
1894, 37.
1394, 40.
Ap.-Ztg.
Ap.-Ztg.
Ap.-Ztg. 1894, 112.
„Forschungs- Berichte“.
München 1894, I. 82/83.
Ap.-Ztg. 1894. 2839, 297, 305.
"315, '325.
Pharm. Post, Wien 15894,133
Pharm. Post, Wien 1894, 139.
Ap.-Ztg. 1894. 258.
„Forschungs - Berichte“.
(München 1894) 169.
„Forschungs - Berichte“.
(München 1894) 196.
Schw. W. Ph. 1894. 77—78.
Allg. Ztg. München 1894,
Beil. 95 und 96.
Ap.-Ztg. 1894, 354.
A. Ph. 232 (1894) 311.
Chem. Ztg. Cöthen 1894,
No. 57.
Pharm. Post, Wien 1894,
Mai,
Pharm. Rundsch. N.-York
XII (1894) 202.
abgedr. in J. Ph. E.L. XXI
(1894) 421,
25*
388
Friedrich August Flückiger.
Il. Chronologische Zusammenstellung
der Ernennungen Flückiger’s zum Ehren-Mitgliede
1860,
1864,
1867,
1868,
1868,
1868,
1869,
1871,
1872,
1872,
1872,
1873,
1875,
1876,
1879,
1880,
1881,
1883,
1883,
1854,
1854,
1854,
1884,
1886,
1888,
1888,
1888,
1888,
1890,
1891,
verschiedener Gesellschaften ete.
22. August
3./15. November
12. März
April.
6. Mai
11. September
11. Oktober
10. August
Saft >
17. Oktober
27. Dezember
12. August
7. April.
15. Januar
3. Juli
5. Dezember .
2. August .
12. Juli.
10. September
15. Februar
10, März
Juli
4. August.
1. März.
13. Januar .
4. Februar
11. Juni
13. Juni
6. September.
29. Mai.
Societe medicale de Neuchätel
Pharmaeeut. Gesellschaft in St. Petersburg.
Verein studierender Pharmaceuten inMünchen.
Colegio de farmaceuticos de Madrid.
Societe de pharmacie A Paris.
American Pharmaceutical Association.
Allgem. österreichischer Apothekerverein.
Massachusetts College of Pharmacy.
Pharmaceutical Society of Great Britain.
New-York College of Pharmacy.
Philadelphia College of Pharmacy.
Schweizerischer Apothekerverein.
Societe royale de pharmacie, Bruxelles.
Naturforschende Gesellschaft in Moskau.
Naturforschende Gesellschaft in Halle a, S.
Societe royale de botanique de Belgique.
Zuerkennung der „Hanbury Medal“ am
intern. pharm. Kongrel[s in London.
Societe des sciences me&dicales et naturelles
de Bruxelles.
Danmarks Apotheker Forening.
Apotbeker-Gesellschaft von Galizien in Lem-
berg.
Deutscher Apotheker-Verein.
Akademischer pharmakognostischer Verein,
Berlin.
Ernennungzum „doctor medicinae h.c.*
der Universität Bern.
Stralsburger Apotheker-Verein.
Verleihung des Roten Adlerordens IV. Kl.
Finnländische medizinische Gesellschaft.
Physikalisch - medizinische Societät zu Er-
langen.
Ernennung zum „doctor medicinae
h. ce.“ der Universität Bologna.
Schweizerische botanische Gesellschaft,
Apothekerverein des Kantons Bern.
Friedrich August Fiückiger. 389
1892, 17. Februar
1892, 4. März.
1892, 12. März
1892, April.
1892, 10. Mai.
1892, 20. August
1892, 27. August
1892, 7. September.
Verleihung des Roten Adlerordens III. Kl.
mit der Schleife.
Pharmaceutische Gesellschaft in Warschau.
Adresse der Pharmakopos-Kommission dass
Deutschen Reiches.
Ernennurgzum „doctor philosophiae
h. ec.“ der Universität Erlangen.
Pharmaceutische Gesellschaft zu Charkow.
Nederlandsche Maatschappy tot Bevordering
der Pharmacie.
Academie royale de medecine de Bruxelles.
Oesterreichische pharmaceutische Gesellschaft
in Wien.
ZNAGEIV
DER
PHARMACIE
herausgegeben
vom
Deutschen Apotheker-Verein
unter Redaction von
E. Schmidt und H. Beckurts.
Band 233. Heft 6.
BERLIN.
Selbstverlag des Deutschen Apotheker-Vereins.
1895.
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Ausgegeben den 10. September 1895.
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A. Partheil, Ueber die Bestimmung des Glycerins im Weine ete.
E. Winterstein, Chemische Zusammensetzung von Pachyma Cocos
und Mylitta lapidescens.
H. Beckurts, Zur Kenntnis der Angostura-Alcaloide.
'H. Beckurts und H. Seiler, Ueber Fettuntersuchungen mit dem
H
Refractometer. 423.3
. Beckurts und F. Oelze, Zur Kenntnis des Hirschtalgs. 429
P. C. Plugge, Ueber das Vorkommen von Cytisin in verschie-
denen Papilionaceen. 430
P. C. Plugge, Ueber das Matrin, das Alcaloid der Sophora augusti-
folia. 441
K. Th. Hallström, Anatomische Studien über den Samen der Myristi-
caceen und ihre Arillen. 443
Eingegangene Beiträge.
G. Kassner, Untersuchungen über Orthoplumbate der Erdalkalien.
Dr. Mankiewicz, Ueber eine forensische Strychninuntersuchung.
H. Luz, Ueber das Ammoniacum.
K. Gorter, Ueber die van der Moor’sche Reaction und die Erznittelung
des Cytisins.
-B. Grützner u. M. Höhnel, Zur Kenntnis der Metaplumbate der Erd-
alkalien.
L. Moeser, Zur Kenntniss der eisensauren Salze.
A. Pinner, Ueber das Nicotin (II).
H. Dragendorff, Beiträge zur gerichtlichen Chemie.
Dr. Mjöen, Beiträge zur mikroskopischen Kenntniss des Opiums,
(Geschlossen den 30. VIII. 1895.)
Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel
monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis
50 Bogen. Ladenpreis für den Jahrgang Mk. 12,—.
Alle Beiträge für das „Archiv‘‘ sind an die
Archiv-Redaction
Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg (Hessen)
oder Herın Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig,
alle die Inserate u. s. w., überhaupt die Archiv-Verwaltung und
die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den
Deutschen Apotheker-Verein
Berlin ©. 22, An der Spandauer Brücke 14
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2. Z. 3650 — Mk. ıo. Für Beilagen, welche nicht dem Format des „Archiv“ ent:
h bleibt besondere Vereinbarung vorbehalten
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Dr. A. Partheil: Ueber Glycerin. 391
Mitteilungen aus dem pharmaceutisch-chemischen
Institute der Universität Marburg.
59. Ueber die Bestimmung des Glycerins in
Wein und Bier.
Von Dr. A. Partheil
(Eingegangen den 1. Mai 1895.)
Die allseitig anerkannte Unzulänglichkeit der sogenannten
Reichsmethode“ zur Bestimmung des Glyceringehaltes in Wein und
Bier gab die Veranlassung zu einer Reihe von Untersuchungen
über deren Ergebnisse im Folgenden berichtet werden soll.
Man muls bei der Glycerinbestimmung in jenen Getränken die
Isolierung des Glycerins einerseits und die Gewichtsbestimmung
desselben andererseits auseinanderhalten. Da man bei der Kritik
der Methoden der Isolierung des Glycerins in der Lage sein muls,
die Menge desselben bestimmen zu können, so mögen zunächst die
für den letzteren Zweck bekannten Methoden betrachtet werden.
Die Reichsmethode schreibt, nach dem Vorgange von
Reichardt,) Clausnitzer,?) Pasteur?°) und anderen vor,
das Glycerin als solches zu wägen. Wie schwierig es ist, dals bei
dieser Operation übereinstimmende Zahlen von Seiten verschiedener
Untersucher erhalten werden, bedarf nicht erst der Begründung.
Sehr exakte Resultate liefert dagegen die Methode von
Legler,* welche auf der Oxydation des Glycerins mittels Kalium-
dichromat und Schwefelsäure zu Kohlensäure una Wasser, sowie
Wägung der gebildeten CO, beruht. Leider ist dieselbe jedoch nur
verwendbar zur Bestimmung von Reinglycerinen ; die gleichzeitige
Gegenwart fremder organischer Verbindungen schliefst ihre An-
wendbarkeit aus. Dasselbe gilt für die von Planchon?°) em-
pfohlene Oxydation des Giycerins mittels Kaliumpermanganat in
saurer Lösung und Wägung der gebildeten Kohlensäure.
1) Arch. Pharm. 10, 408, 11, 242.
2) Zeitschr. f. analyt. Cliem. 20, 58.
3) Annal. de chim. et de phys. (3), 58, 330.
4, R-p. der anal. Chem. 6, 631.
5) Compt. rend. 107, 246.
Arch. d. Pharm. CCXXXII. Bds. 6. Heft. 26
392 Dr. A. Partheil: Ueber Glycerin,
Dietz!) führt das Glycerin nach der Methode von Bau-
mann?) in ein Gemisch des Di- und Tribenzoats über, welches
zur Wägung gebracht wird. Das Verhältnis, in dem die beiden
Glycerinester entstehen, ist indessen bei verschiedenen Konzen-
trationsverhältnissen ein etwas wechselndes, sodals durch diesen
Umstand die an sich bestechende Methode ihre Genauigkeit verliert.
Es liegt auf der Hand, dafs die nach der Benzoylierungsmethode
erhaltenen Werte dadurch nicht exakter werden können, dafs man,
nach dem Vorschlage von Suhr,?) die Wägung des Estergemisches
durch eine Titration ersetzt. Wenn Suhr bei der Titration besser
stimmende Resultate erhielt, so :st der Grund hierfür mir nicht
ersichtlich, da doch die Fehlerquelle, die wechselnde Zusammen-
setzung des Estergemisches, bestehen blieb.
Die Oxydation des Glycerins mit !/;o N- Chamäleonlösung,
in siedendheifser, schwefelsaurer Lösung, wie dieselbe vonOlivera
und Spica*) empfohlen wurde, ist eine wenig angenehme ÖOpe-
ration, bei welcher überdies die Endreaktion nicht scharf zu er-
kennen ist.
Während das Glycerin in schwach alkalischer Lösung von
Kaliumpermanganat in komplizierter Weise angegriffen wird, verläuft
die Oxydationin stark alkalischer Lösung glatt nach der Gleichung:
C; H; O3, + 60 = (0, +H,0+[%H,0,+2H,0]
Diese, vnFox und Wanklyn?) für die Glycerinbestimmung
verwertete, vnBenedikt und Zsigmondy?) fürdie Fettanalyse
empfohlene Reaktion reduziert mithin die Bestimmung des Glycerins
auf die der Oxalsäure. Namentlich in der von Baumert und
Schaumann’) angewendeten Form liefert die Methode äulserst exakte
Resultate, sodafs ich dieselbe angelegentlichst empfehlen kann und
sie auch für die weiterhin zu beschreibende Bestimmungmethode
des Glycerins in Wein und Bier zur Anwendung ziehe.
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 11, 472.
2) Ber. 19, 3221.
3) Arch. f. Hyg. 14, 305.
4) Gaz. chim. ital. 20, 777.
5) Z. f. analyt. Chem. 25, 587.
6) Chem. Zeitg. 9, 975.
?) Zeitschr. f. Naturw. 64, 270: dieses Archiv 230, 324.
Dr. A. Partheil: Ueber Glycerin. 393
Die refraktometrische Bestimmung des Glycerins, welche
Skalweit!) empfahl, und für welche Lenz?) bereits früher
Tabellen ausgearbeitet hatte, scheint wenig Eingang in die Praxis
gefunden zu haben und setzt auch chemisch reine Glycerinlösungen
voraus.
Die Isolierung des Glycerins aus den Getränken kann entweder
durch Extraktion oder durch Destillation bewerkstelligt werden.
Für alle Extraktionsmethoden dürfte dasselbe gelten, was kürzlich
P. Kulisch?) über die Reichsmethode urteilte, welche ebenfalls
das Glycerin auf dem Wege der Extraktion gewinnen lälst. „Jeder“
sagt dieser Forscher, „der dieselbe häufiger zu streng wissenschaft-
lichen Untersuchungen benutzt hat, wird diese Mängel schmerzlich
empfunden haben. Ich kann mich jetzt der Ueberzeugung nicht
mehr verschliefsen, dafs sie hierfür fast gar keinen Wert besitzt;
auch für praktische Zwecke kann ich ihr nur eine ganz unter-
geordnete Bedeutung zuerkennen.“ Diesem, allerdings harten Urteil
muls ich mich voll und ganz anschlielsen.
Baumert und Schaumann schlagen (l. c.) vor, das Glycerin
aus dem zuvor unter Zusatz von etwas ÜÖalciumcarbonat entgeisteten
Bier durch Destillation mit überhitzten Wasserdämpfen zu gewinnen.
Die günstigen Resultate, welche jene Autoren hierbei erzielten, habe
ich indessen niemals, selbst nicht bei der Destillation reiner,
wässeriger Glycerinlösungen erhalten können, obgleich ich sowohl
hinsichtlich des Apparates, als der Ausführung alle Einzelheiten auf
das peinlichste berücksichtigte. Stets befanden sich, auch wenn die
Menge des Destillates auf das fünffache des von Baumert und
Schaumann vorgeschriebenen Volumens getrieben wurde, noch
sehr beträchtliche Glycerinmengen im Destillationsgefälse. Es dürfte
daher ein vollständiges Uebertreiben des Glycerins aus den Wein-
extrakten mittels überhitzten Wasserdampfes kaum ausführbar sein.
Das Prinzip, das Glycerin durch Destillation im Vakuum zu
isolieren, wurde zuerst vom H. v. Törring*) verwendet. Er
destilliert die glycerinhaltige Flüssigkeit aus einer circa 100 ccm
fassenden Tubulatretorte, welche in einem passenden kleinen Luft-
1) Rp. d. analyt. Chem. 1886, 183.
2) Zeitschr. f. analyt. Chem. 19, 302.
3) Forschungsberichte über Nahrungsmittel etc. 1894, 280.
4) Landw. Vers.-Stat. 1889, 89; Zeitschr. für angew. Chemie 1889, 362.
26*
394 Dr. A. Partheil: Ueber Glycerin.
bade aus Eisenblech ruht. Der Retortenhals steht mit Hilfe eines
kleinen Liebig’schen Kühlers mit einer Saugflasche in Verbindung,
welche als Vorlage dient und mit Manometer und Luftpumpe in
Kommunikation steht. Der Tubus der Retorte wird mit einem
weichen, durchbohrten Kork geschlossen, welcher in der Bohrung
ein mit Vaselin gefettetes zugespitztes Glasstäbchen trägt. Zunächst
wird bei gewöhnlichem Luftdruck das Wasser bei i50—1709 Luft-
badtemperatur überdestilliert, dann möglichst evakuiert und bei
190--210° das Glycerin übergetrieben. Um im Retortenhalse hängen
gebliebene Anteile des Glycerins in die Vorlage zu befördern, werden
schliefslich noch bei gewöhnlichem Luftdruck einige Cubikcentimeter
Wasser überdestilliert, welche man nach dem Erkalten des Apparates
durch die Bohrung des Pfroptens eingeführt hat. Bei dieser letzteren
Operation wird nicht gekühlt.
Zur Ausführung meiner Untersuchung hatte ich mir zunächst
eine Lösung hergestellt, welche 17,5919 g reines Glycerin im Liter
enthält. Der Gehalt des verwendeten Glycerins war durch Be-
stimmung des spez. Gewichtes und des Brechungsexponenten fest-
stellt. Das Glycerin zeigte ein spez. Gewicht = 1,2328 g bei 120
n(n) = 1,45591 g bei 12,50,
Demnach besals dasselbe einen Gehalt von 86,3 Proz. Von diesem
Glycerin waren 20,3846 g zum Liter gelöst worden, entsprechend
17,5919 &g C,H, (OH),.
Je 10 ccm dieser Lösung, entsprechend 0,1759 g C, H, (OH);
wurden nach Baumert-Schaumann oxydiert und die gebildete
Oxalsäure bestimmt. Es wurden gefunden:
T. TT. III.
0,1749 ; 0,1761; 0,1752 & C,H, (OH),.
Folglich liefert die Bestimmung des Glycerins als Oxalsäure in der
angewendeten Art und Weise sehr gut stimmende Werte.
Ich unterwarf nunmehr wiederum 10 ccm meiner Glycerin-
lösung nach der Methode von Törring der Destillation im Vakuum
in dem von jenem Forscher beschriebenen Apparate. Im Destillat
wurden gefunden
0,14328 g C, H, (OH), statt 0,1759 g.
Ein zweiter Versuch lieferte 0,1317 g Glycerin. In der Re-
torte war kein Glycerin mehr nachzuweisen, es mufste also der
Dr. A. Partheil: Ueber Glycerin. 395
fehlende Teil desselben bei der Operation selbst verloren gegangen
sein. Da bei Beginn des Evakuierens die auf 150—170° erhitzte
Retorte mit Dämpfen von wasserhaltigem Glycerin angefüllt sein
muls, so glaubte ich, dafs durch das Auspumpen selbst jener Verlust
entstände, indem Anteile dieser Glycerindämpte in die Pumpe ge-
sogen würden. Diese Vermutung erwies sich als richtig, denn es
gelang mir, durch eine geringe Abänderung des Destillationsapparates
und dadurch, dafs ich die Retorte abkühlen liefs, bevor ich die Luft-
pumpe in Thätigkeit setzte und erst nach Erzielung des Vakuums
wieder erhitzte, einen Verlust an Glycerin zu vermeiden. Demnach
verfahre ich nunmehr folgendermalsen :
50 ccm Wein oder Bier werden nach Zusatz einer Messer-
spitze voll Caleiumearbonat bis auf 10—15 ccm eingedampft, die
Flüssigkeit dann durch ein kleines Filter in eine tubulierte, etwa
100 ecm fassende Retorte a filtriert und das Filtrum mit wenig
Wasser nachgewaschen. Den Tubus der Retorte verschlieist man
zweckmäfsig nach v. Törring’s Angabe mit einem weichen Kork,
durch dessen Bohrung man einen mit etwas Vaselin bestrichenen
Glasstab schiebt. Die Retorte wird hierauf mit einer Kugelvorlage d,
in deren zweiter Oeffnung ein Kühler eingepalst ist, luftdicht in
Verbindung gebracht. Die Retorte plaziert man in ein Luftbadt
welches aus einem Eisenblech als Boden besteht; die Seitenwände
werden aus mit Wasserglas zusammengeklebter Asbestpappe gebilde,
und ein Stück Abestpappe dient als Deckel. Die Vorder- und Rück-
wand des Luftbades versieht man zweckmälfsig mit Fenstern aus
Glimmerplatten, die eine Seitenwand mit einem Ausschnitt zur Auf-
nahme des Retortenhalses. Der Boden der Retorte sei etwa 2—3 cm
von der Eisenplatte entfernt. In dem abnehmbaren Deckel des Luft-
bades ist ein Thermometer befestigt. Man destilliert nun zunächst
bei gewöhnlichem Luftdruck bis fast zur Trockne, indem man das
Luftbad aut 1200 erhitzt. Steigert man die Temperatur höher, so
findet leicht ein Ueberspritzen des Retorteninhaltes statt, das ver-
mieden werden muß. Während der Destillation ist die Vor-
lage d durch das aus dem Kühler e abfliefsende Wasser zu
kühlen. Das Kühlwasser fliefst von der Oberfläche von d
in einen untergesetzten Trichter und wird von diesem aus weg-
geleitet.
396 Dr. A. Partheil: Ueber Glycerin.
Ist die erste Destillation bei 120° beendet, das heilst, das
Wasser bis auf Spuren übergegangen, so läfst man die Retorte auf
etwa 60° abkühlen, evakuiert den Apparat durch eine Wasserstrahl-
luftpumpe, welche mit Manometer m und Rückschlagventil r versehen
sein sollte. Ist fast bis auf die Tension des Wasserdampfes evakuiert,
so erhöht man die Temperatur des Luftbades auf 180° C. und
setzt hierbei, unter einem Druck von 25—-30 mm, die Destillation
noch 11/, Stunden fort. Hierauf läfst man, unter Aufhebung der
Druckverminderung abkühlen, bringt durch die Bohrung des Stopfens
ca. 10 ccm Wasser in die Retorte und destilliert nochmals bei 120°
und gewöhnlichem Luftdruck soweit als möglich ab. Das Glycerin
befindet sich alsdann vollständig in der Vorlage d. Sollte das
Destillat infolge Ueberspritzens gefärbt sein, was bei extraktreicheren
Flüssigkeiten meist der Fall ist, so ist dasselbe in demselben Appa-
rate, und zwar unter den gleichen Bedingungen, noch einmal der
Destillation zu unterwerfen.
Das glycerinhaltige Destillat wird nunmehr in einen etwa
1/, Liter fassenden weithalsigen Erlenmeyer’schen Kolben gespült,
Vorlage und Kühler nachgespült und die gesamte Flüssigkeit auf
etwa 200 ccm verdünnt. In derselben löst man sodann etwa 8 bis
10 g festes Natronhydrat, versetzt die kalte Lösung mit Kalium-
permanganatlösung von 5 Proz., bis die anfänglich grüne Färbung
in ein bleibendes Blauschwarz übergegangen ist, und erwärmt sodann
eine Stunde auf dem Wasserbade. Alsdann leitet man in die heifse
Mischung gasförmiges Schwefligsäureanhydrid eine, bis ein völlig
wasserklare Lösung erzielt ist. Zur Darstellung des Schwefeldioxyds
empfiehlt sich ein mit technischer Natriumbisulfitlösung und eng-
lischer Schwefelsäure beschickter Thiele scher!) Gasentwicklungs-
apparat. Man fügt nun der mit SO, behandelten Flüssigkeit 20 cem
Eisessig zu, erhitzt auf dem Wasserbade in einer Porzellanschale
bis zur vollständigen Verjagung der schwefligen Säure und fällt
schliefslich die‘ gebildete Oxalsäure mit Chlorcaleiumlösung aus der
wieder auf ungefähr 200 cem verdünnten essigsauren Flüssigkeit
aus. Neben dem Calciumoxalat scheiden sich reichliche Mengen
Calciumsulfat aus. Den gesamten Niederschlag sammelt man nach
dem Absetzen am besten auf einem Asbestfilter, wäscht aus, bis das
1) Annal. d. Chem.
Dr. A. Partheil: Ueber Glycerin. 397
ablaufende Waschwasser gegen Kaliumpermanganatlösung indifferent
ist und bestimmt die vorhandene Oxalsäure mit titrierter Chamaseleon-
lösung (etwa 5: 1000). Zu diesem Zwecke spült man den Trichter
samt dem Asbest in einen Titrierkolben, löst das Calciumoxalat auf
dem Wasserbade in verdünnter Schwefelsäure auf und titriert diese
heilse Lösung mit Kaliumpermanganatlösung (etwa 5 : 1000) von be-
kanntem Gehalt.
Nach den beiden Gleichungen :
C,H, (OH), + 60 = [C,H, 0, + 2H,0] + CO, + H2O0
92 126
460 630.
5[C, H50,+2H,0] + K,Mn,0; + 3H, SO, — K,SO,-+ 2MnSO,
630 316.
+10C0,+ 18H, 0
entsprechen je 316 Teile bei letzterer Titration verbrauchten Kalium-
permanganats je 460 Teilen Glycerin in den angewendeten 50 ccm
Wein oder Bier. Die in obiger Weise bei der Oxydation des er-
zielten Destillates gebildete Oxalsäure entstammt ausschliefslich dem
vorhandenen Glycerin. Die sonstigen Bestandteile von unter Zusatz
von Ca CO, entgeistetem Bier und Wein liefern, wie bereits Bau-
mert und Schaumann (|. c.) nachwiesen, bei 180° keinerlei
flüchtige Verbindungen, welche durch Kaliumpermanganat in stark
alkalischer Lösung zu Oxalsäure oxydiert werden. Indirekt ergiebt
sich letzteres auch aus folgendem Versuche: 50 ccm eines, einer
hiesigen Handlung entnommenen Weifsweines lieterten, in der an-
gegebenen Weise behandelt, 0,207 g Glycerin,
50 ccm desselben Weines lieferten nach Zusatz von 10 ccm
Glycerinlösung (enthaltend 0,1759 g C,H, (OH);) 0,3822 g Glycerin,
wogegen 0,3829 g zu erwarten waren. Andererseits beweist dieser
Versuch, dafs auch der volle Gehalt des Weines an Glycerin zur
Bestimmung gelangt ist.
Die Exaktheit der beschriebenen Methode ist somit erwiesen.
Die Ausführung der letzteren erfordert einige Uebung. Scheinbar
ist dieselbe für praktische Zwecke zu kompliziert. Aber so lange
nicht eine einfachere und dabei gleich gute Methode der Glycerin-
bestimmung bekannt ist, dürfte die von mir angegebene vor den
sonstigen dennoch den Vorzug verdienen; im grölseren Betriebe fällt
auch die scheinbar lange Zeit weg, ein Hinderungsgrund für die
398 E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos.
Ausführung der Glycerinbestimmung nach meiner Methode zu sein,
da die einzelnen Operationen eine fortwährende Beaufsichtigung nicht
verlangen und ein geübter Analytiker recht wohl mehrere Bestimmungen
gleichzeitig nebeneinander ausführen kann.
Nach der gegebenen Vorschrift werden in der Abteilung des
hiesigen pharmaceutisch-chemischen Instituts für Nahrungsmittel-
untersuchungen die Glycerinbestimmungen nunmehr seit etwa drei
Jahren ausgeführt. Von der Mitteilung der analytischen Werte,
welche bei der Untersuchung von Bieren und \Veinen nach meiner
Methode erhalten wurden, glaube ich Abstand nehmen zu können,
da die Mehrzahl der verwendeten Proben billige Handelsmarken,
bezüglich Flaschenbiere waren.
Ob bei der Bestimmung des Glycerins nach meiner Methode
für die Beurteilung der Getränke ein anderes Verhältnis zwischen
Alkohol und Glycerin, als das bisher übliche anzunehmen ist, läfst
sich noch nicht sicher beurteilen. Im allgemeinen fallen die Werte
für das Glycerin etwas niedriger aus, als nach der Reichsmethode.
Es wird einer gröfseren Zahl von Untersuchungen notorisch reiner
Weine der verschiedensten Herkunft, sowie regelrecht entnommener
Fafsbierproben bedürfen, um über die letztberührte Frage ein end-
gültiges Urteil abgeben zu köunen.
Marburg a. L., im April 1895.
Ueber die chemische Zusammensetzung von
Pachyma Cocos und Mylitia lapidescens.
Von E. Winterstein.
(Aus dem agrikultur-chemischen Laboratorium des Polytechnikums
in Zürich.)
(Eingegangen d. 11. 6. 1895.)
Pachyma Cocos ist schon der Gegenstand wiederholter Unter-
suchungen seitens der Botaniker gewesen, doch herrschen noch in
manchen Punkten Zweifel über die Natur dieser eigentümlichen,
knollenförmigen Pilzbildung. Eine Arbeit neueren Datums verdanken
wir Ed. Fischer.!) Derselbe gelangt auf Grund einer eingehen-
1) Beiträge zur Kenntnis exotischer Pilze. Hedwigia 1891. Heft 2
S. 61-79.
E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 399
den mikroskopischen Prüfung, die er mit Objekten verschiedener
Herkunft angestellt hat, zur Ansicht, dass das Pachyma (Cocos eine
einheitliche Pilzbildung, höchstwahrscheinlich ein Sclerotium darstelle,
und dass es ein holzzerstörender Parasit sei. Die Resultate dieser
Untersuchung stimmen mit der Ansicht von Fries,!) welcher sich
auch Prillieux?) anschliesst, überein. Zu wesentlich anderen Ergeb-
nissen gelangten Öurrey und Hanbury,?) dieselben halten die licht-
brechenden Körper, welche die Hauptmasse der Innensubstanz bilden,
für ein Umwandlungsprodukt der Holzelemente der Wurzeln, auf
welchen der Pilz wuchert.
Soweit ich die mir zugängliche Litteratur überblicken konnte,
liegen nur unvollständige chemische Untersuchungen von Pachyma
Cocos vor.
Champignonf) hat wohl zuerst aus Pachyma Cocos eine in
Wasser und Kupferoxydammoniak unlösliche Substanz isoliert, welche
beim Behandeln mit Mineralsäuren eine die Fehling’sche Lösung
reduzierende Substanz liefert; dieselbe ist mit dem Namen Pachy-
mose?°) belegt worden und soll nach Pellet®) die Formel
Co Hyg Os; besitzen. Eine Untersuchung über die quantitative Zu-
sammensetzung von Pachyma ist von L. Keller”) ausgeführt
worden. Nach S. Gore) soll Pectinsäure der Hauptbestand-
teil der Pachyma Cocos sein.
Von Herrn Prof. Ed. Schär in Strassburg auf die Wünsch-
barkeit einer erneuten Untersuchung dieses Gegenstandes aufmerksam
gemacht, habe ich zwei Proben von Pachyma Cocos verschiedener
Herkunft und zugleich auch ein ähnliches Gebilde Mylıtta lapıdescens?)
1) Vergl. die zitierte Arbeit von Ed. Fischer. 8. 64.
2 Le Pachyma Cocos en france. Bulletin de la societ& botanique
de France T. 36 1889 p. 433.
3) Science papers by D. Hanbury, London 1876 p. 9.
4) Husemann. Die Pflanzenstoffe Bd. I. p. 285.
5) Ob die Bezeichnung von Champignon herrührt, habe ich aus
den Litteraturangaben nicht ersehen können.
6) Husemann. Die Pflanzenstoffe Bd. I. p. 285.
?) Chemical examination of Füh. Ling. American Journal of
Pharmacy 1876 p. 553-—558.
8) Annual Report of the Board of the Smithsonian Institution
for the year 1881 p. 687— 701.
9) Eine kleine Probe von Pachyma Cocos, welche ich nur für die
quantitative Untersuchung benutzte, wie eine solche von Mylitta
lapidescens verdanke ich der Freundlichkeit des Herrn Prof. Dr.
Hartwich in Zürich.
400 E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos.
untersucht. Da Kohlenhydrate die Hauptmenge der genannten
Untersuchungsobjekte ausmachen, konnte ich, wegen Mangel an
Material, die stickstoffhaltigen Substanzen nicht in genügenden
Quantitäten isolieren, um dieselben einer eingehenden Untersuchung
zu unterziehen.
Im folgenden teile ich nun zunächst die Resultate mit, welche
bei der qualitativen Untersuchung von Pachvma Cocos erhalten
wurden. Eine grössere Quantität (ca. 500 g) des Untersuchungs-
materials wurde mir in Gestalt einer grossen und mehrerer kleiner
Knollen von Th. Schuchardt m Görlitz geliefert, dasselbe
wurde zuvörderst in folgender Weise behandelt. Die Knollen wurden
von der schwarzen, runzligen, dünnen Rinde befreit, dann mittels
einer Reibe zerrieben und endlich aut einer Mühle fein gemahlen.
Dieses Pulver verwendete ich sowohl für die qualitative, als auch
quantitative Untersuchung.
Zunächst stellte ich mir die von Champignon aufgefundene
Pachymose dar und untersuchte die bei Hydrolyse derselben mit
Schwefelsäure entstehenden Produkte. Ich verfuhr hierbei in folgen-
der Weise. 100 g des in beschriebener Weise vorbereiteten Pulvers
wurden, behufs Entfernung der Eiweilsstoffe, mit verdünntem (circa
1/, proz.) Ammoniak in der Kälte behandelt, der Rückstand nach
dem Auswaschen des Ammoniaks längere Zeit mit circa 1 1 kalter
5 proz. Natronlauge digeriert, die alkalische Lösung vom Ungelösten
durch Glaswolle abfiltriert und in das mit Wasser verdünnte Filtrat
unter tüchtigem Umschütteln ) Kohlensäure eingeleitet; hierbei
scheidet sich eine voluminöse, durchsichtige Gallerte aus; dieselbe
sammelte ich auf einem Filter, wusch zuerst bis zum Verschwinden
der alkalischen Reaktion mit Wasser und daun, um die Salze voll-
ständig zu entfernen, mit sehr verdünnter Essigsäure aus; die vom
Wasser durch Abpressen zwischen Fliesspapier möglichst befreite
Masse wurde sodann unter absoluten Alkohol gebracht, schliefslich
mit Aether behandelt und im Exsikkator über konzentrierter Schwetel-
säure getrocknet. Aut diese Weise erhielt ich eine weilse, amorphe
in Wasser, kalten verdünnten Säuren und konzentriertem Ammoniak
1) Durch das Umschütteln vermeidet man die Ausscheidung von
grossen Knollen, welche nach dem Trocknen hart werden und sehr
schwer pulverisierbar sind.
E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 401
unlösliche Substanz, welche von konzentrierten Säuren und verdünnten
fixen Alkalien allmählich gelöst wird. Aus der alkalischen Lösung
wird die Pachymose durch verdünnte Säuren, Alkohol, Chlorcaleium,
Chlorammonium und Magnesiumphosphat ausgefällt. Durch Be-
handeln mit Schulze’schem oder Hoffmeister'schen Reagenz
und darauffolgendem Behandeln mit verdünntem Ammoniak wird die
Pachymose vollständig zerstört; von Jod oder Jod und Schwefel-
säure wird sie gelb gefärbt. Ob die alkalische Lösung der Pachymose
optisch aktiv ist vermochte ich nicht mit Sicherheit festzustellen,
da eine 5proz. Lösung keine deutliche Ablenkung zeigt und
Lösungen höherer Konzentration zu stark gefärbt sind, um sie
untersuchen zu können.
Die Inversion wurde in folgender Weise ausgeführt: 20g
Pachymose rührte ich mit 30 cem cirka 70 proz. Schwefelsäure zu
einem Brei an; nachdem die Masse sich verflüssigt hatte, verdünnte
ich mit 1!/,1 Wasser und kochte die Flüssigkeit 21/, Sunden am
Rückflufskühler; die noch warme Lösung wurde hierauf mit pulveri-
siertem Barythydrat nahezu neutralisiert und vom ausgeschiedenen
Baryumsulfat abfiltriert. Die tarblose, schwach saure Lösung
dunstete ich bei gelinder Wärme zum Syrup ein, letzteren extrahierte
ich mit heifsem Alkohol; die weingeistige Lösung wurde im Ex-
sikkatorr der Verdunstung überlassen. Nach mehreren Tagen
hatten sich warzenförmige Krystalle ausgeschieden, welche noch
einmal aus Methylalkohol umkrystallisiert wurden. Das gewonnene
Produkt stimmte in seinem Verhalten und seinen Eigenschaften mit
Traubenzucker (d-Glukose) überein, wie aus folgendem zu ersehen
ist. Eine wässerige Lösung der Krystalle, welche in 10 cm1g
Trockensubstanz enthielt, drehte nach 24 stündigem Stehen im
200 mm Rohr im Solsil-Ventzke’schen Apparat + 30,50;
daraus berechnet sich (a)p = + 52,76%?) 5g der erhaltenen Krystalle
wurden mit Salpetersäure vom spez. Gewicht 1,15 nach den Vor-
schriften von Gans und Tollens°) oxydiert, das Reaktions-
!) Das Drehungsvermögen war nach dem Auflösen höher, es war
also Birotation vorhanden.
2) Nach Tollens (Handbuch der Kohlenhydrate S. 45) beträgt
das spezif. Drehungsvermögen reinen Traubenzuckers in 1U proz. Lösung
für («)p = + 52,749.
3) Ann. d. Chem. u. Pharm. 249, S. 218.
402 E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos.
gemisch mit Kaliumearbonat neutralisiert und das erhaltene Kalium-
salz in das Silbersalz übergeführt. Die Silberbestimmung im letzteren
gab folgendes Resultat: 0,1794 g Substanz gaben 0,0918 g Silber.
Daraus berechnet sich ein Gehalt von 51,15 Proz. Ag. Diese Zahl
stimmt gut auf zuckersaures Silber; dasselbe enthält 50,94 Proz. Ag.
Die Glukose liefert also bei der Oxydation Zuckersäure.
Ich prüfte nun ferner noch das Verhalten des umkrystallisierten
Produktes gegen Hefe, und zwar nach der von Stone und
Tollens1!) gegebenen Vorschrift. 0,1 g gaben 18,5 ccm Gas,
während aus der gleichen Menge Traubenzucker unter gleichen Ver-
suchsbedingungen 21 ccm erhalten wurden. Schliefslich wurde noch
das Osazon durch Erhitzen der wässrigen Glukoselösung mit der an-
gemessenen Menge essigsauren Phenylhydrazins dargestellt; das aus-
geschiedene gelbe Produkt, nach dem Abfiltrieren, aus kochendem
S0 proz. Weingeist umkrystallisiert. Dasselbe schmolz bei raschem
Erhitzen bei 201°.
Die im Vorigen mitgeteilten Versuchsergebnisse machen es
zweifellos, dafs bei der Hydrolyse der Pachymose Trauben-
zucker (d-Glukose) entstanden war. Die Prüfung auf andere
Glukosen gab ein negatives Resultat.
Nach diesem Befund schien es noch von Interesse, festzustellen,
wie viel Glukose die Pachymose bei der Inversion liefert.
Zu diesem Zweck wurden 2 g aschenfreier Trockensubstanz mit
6 cem konzentr. Schwefelsäure gelöst; die Lösung auf 200 ccm auf-
gefüllt und 100 cem dieser Flüssigkeit 6 Stunden lang am Rückflufs-
kühler gekocht und nach dem Neutralisieren mit Natronlauge die
Glukose nach Allihn bestimmt. Ich erhielt hierbei folgende Resultate:
I. 20 cem gaben 0,3660 g Cu = 0,1934 g Dextrose. II. Die gleiche
Menge Flüssigkeit gab 0,3680 g Cu = 0,1946 g Dextrose. Also
gaben 100 Teile Pachymose nach sechsstündigem Kochen 97,00 Teile
Glukose.2)
Zur Ermittelung der Elementarzusammensetzung der Pachymose,
verbrannte ich die bei 101—102° im Soxhlet’schen Trocken-
schrank getrocknete Substanz im beiderseitig offenen Rohr mit
1) Ann. d. Chem. u. Pharm. 249, S. 259.
2) Nach den von mir ausgeführten Untersuchungen giebt die
Baumwollen-Cellulose bei der Inversion 102,67 Proz. Glukose, andere
in dieser Riehtung untersuchten Kohlenhydrate gaben weniger Glukose.
Landwirtschaftliche Versuchsstation Bd. 41, p. 375—334.
E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 403
Kupferoxyd im Luft-, beziehungsweise Sauerstoffstrom. Ich erhielt
folgende Resultate:
1. 0,1300 g Substanz gaben 0,1960 g CO, und 0,0842 g H30.
2. 0,2256 g Substanz gaben 0,3395 g CO, und 0,1420 g H,O. Aus
diesen Daten berechnet sich folgender C- und H-Gehalt:
Il; 2 Mittel
C 411 41.04 41,07
15 ae) 6,99 7,09
Aus den im vorigen mitgeteilten Versuchsergebnissen ist er-
sichtlich, dafs die Pachymose ein Anhydrid des Traubenzuckers ist;
sie hat zweifellos Aehnlichkeit mit dem von mir früher beschriebenen
Paradextran und Paraisodextran;t) von der gewöhnlichen
Cellulose unterscheidet sie sich dadurch, dafs sie in verdünnten
Laugen löslich ist und von Jod und Schwefelsäure gelb gefärbt wird.
Aufser dem durch Lauge in Lösung zu bringenden Kohlen-
hydrat, der Pachymose, findet sich in Pachyma Cocos ein anderes,
in Wasser lösliches Kohlenhydrat vor, welches sich bei näherer
Untersuchung als Traubenzucker erwies. Die Isolierung und Iden-
tifizierung desselben geschah in folgender Weise. 300 g entfettetes
Pulver von Pachyma wurden in einer geräumigen Schale mit Wasser
angerührt und, um die Masse vollständig zu durchfeuchten, auf freier
Flamme stark gekocht; die Lösung wurde vom Rückstand abfiltriert und
das Filtrat vorsichtig zu Syrup eingedunstet; nach einiger Zeit
schieden sich Krystalle aus, welche aus Methylalkohol umkrystallisiert
wurden. Dieselben besalsen folgende Eigenschaften. Eine wässrige
Lösung derselben, welche in 10 ccm 0,9280 g enthielt, drehte nach
24stündigem Stehen im 200 mm Rohr + 27958. V. Daraus be-
rechnet sich («a)p = + 50,30?) Bei der Gährung gab 0,1 g der
Substanz 18 ccm Gas, reiner Traubenzucker lieferte unter gleichen
Versuchsbedingungen 21 cbm. Das in bekannter Weise durch Er-
hitzen mit essigsaurem Phenylhydrazin dargestellte Osazon schmolz
bei 204%. Diese Resultate machen es zweifellos, dafs der durch
Wasser in Lösung gegangene Zucker Dextrose (d-Glukose) war.
1, Ber. d. Chem. Gesellsch. Bd. 26, S. 3098. Bd. 28, S. 774,
2) Das spezifische Drehungsvermögen reiner Dextrosa beträgt
für (a)p + 52,74%. Doch erhält man ganz. reine Dextrose erst nach
wiederholtem Umkrystallisieren aus Methylalkohol. Wegen der ge-
ringen Ausbeute an Substanz habe ich aber von einer wiederholten
Krystallisation absehen müssen.
404 E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos.
Nach J. L. Keller!) enthält Pachyma Cocos nahezu 3 Proz.
Gummi.
Als ich einen wässrigen Auszug von Pachyma auf ein kleines
Volumen eindunstete, schied sich eine weilse, amorphe, klebrige
Masse aus; eine nähere Untersuchung dieser Substanz habe ich
wegen der geringen Quantitäten derselben nicht ausgeführt.
Das Vorhandensein stickstoffhaltiger Stoffe habe ich durch
Verbrennen einer grölseren Quantität des Pulvers mit Schwefelsäure
und Abdestillieren des gebildeten Ammoniaks mit Lauge nachweisen
können; das Destillat gab mit Nessler’schem Reagens eine rot-
braune Lösung, die Quantität des vorhandenen Stickstoffs war dem-
nach eine geringe.) Ein wässriger Auszug, welchen ich aus circa
10 g Material dargestellt hatte, war völlig stickstofffrei. Es dürfte
also der Stickstoffgehalt auf die Anwesenheit von Proteinstoffen und
einer dem Ühitin verwandten oder demselben nahestehenden Stoff
zurückgeführt werden.?) Das letzteres in der That der Fall ist, be-
weist folgender von mir ausgeführter Versuch. 20 g Pachyma wurden
mit 80 g Natronhydrat eine Stunde auf 180° erhitzt, das Reaktions-
produkt nach dem Erkalten mit Wasser verdünnt, der Rückstand
gut ausgewaschen und dann mit Aether und Alkohol behandelt;
derselbe war stickstoffhaltig, er löste sich zum Teil in verdünnter
Salzsäure, diese Lösung gab auf Zusatz von konzentrierter Salz-
säure eine schwache Trübung.
1) loc. cit.
2) Vergl. die Resultate der quant. Untersuchung.
®2) Nach meinen Untersuchungen sind die aus verschiedenen
Pilzen nach verschiedenen Methoden dargestellten Pilzcellulosepräparate
stickstoffhaltig. (Der Stickstoffgehalt schwankte von 0,5— 3,89 Proz.
Da der Gehalt an Stickstoff nicht auf die Anwesenheit von Protein-
stoffen, Plastin oder Nuclein zurückzuführen ist und die Pilzcellulose-
präparate bei der Spaltung mit Salzsäure die gleichen Spaltungsprodukte
wie das Chitin — nämlich salzsaures Glukosamin und Essig-
säure liefern, so scheint die Schlulsfolgerung berechtigt, dals die
Membranen der Pilze einen mit dem Chitin entweder identischen
oder demselben sehr nahestehenden Körper einschlielsen. Vergl. Ber.
d. deutsch. chem. Gesellsch. Bd. 27, S. 3113 ebenda Bd. 28, S. 168;
Bericht d. deutsch. botanischen Gesellsch. Bd. XI, S. 441; ebenda
Bd. XIII S. 65.
E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 405
Extrahiert man Pachyma mit wasserfreiem Aether, so hinter-
bleibt nach Verdunsten des Aethers eine geringe Menge einer
weilsen, nahezu geruchlosen Substanz; die Chloroformlösung der-
selben giebt mit Essigsäureanhydrid und Schwefelsäure eine schwache
Grünfärbung; es scheint also, dafs der ätherische Auszug geringe
Quantitäten von Cholesterin einschlols. Eine weitere Prüfung konnte
wegen der geringen Ausbeute nicht vorgenommen werden.
Nach den Ergebnissen der oben angeführten Versuche enthält
Pachyma Cocos folgende Bestandteile:
Pachymose, Traubenzucker, Gummi, Pilzcellulose, Proteinstoffe,
Fett, Cholesterin.
Der Aschengehalt des von mir untersuchten Materials ist
aulserordentlich gering.!) Mit Hilfe der mikrochemischen Reaktionen
konnte ich in der Asche die Anwesenheit von Kalium, Natrium,
Calcium, Magnesium nachweisen; Phosphorsäure, Schwefelsäure
und Salzsäure liefsen sich makrochemisch in der Asche nachweisen.
Im Nachfolgenden beschreibe ich nun die bei der quantitativen
Analyse von Pachyma Cocos und Mylıtta lapidescens angewendeten
Methoden, und lasse dann am Ende die Resultate dieser Analyse
folgen.
Die Trockensubstanz und Asche wurde in bekannter Weise
durch Trocknen einer abgewogenen Menge Substanz bei 102° im
Soxhlet’schen Apparat bestimmt und der Rückstand verascht.
Den Aetherextrakt bestimmte ich durch Extraktion einer grölseren
Quantität des Pulvers mit wasserfreiem Aether im Soxhlet'’schen
Apparat, Eindunsten der ätherischen Lösung und Wägen des einige
Zeit bei 100° getrockneten Rückstandes.
Um die Menge der Proteinstoffe und die Quantität der in den
Membranen enthaltenen chitinähnlichen Substanz zu ermitteln, be-
stimmte ich zunächst den Gesamtstickstoff nach Kjeldahl. Den
Gehalt an chitinähnlicher Substanz ermittelte ich annähernd in
folgender Weise: eine abgewogene Menge Substanz digerierte ich
mit verdünnter (ca. 21/, Proz.) Natronlauge bei ca. 40° einige Zeit
auf dem Wasserbade, entfernte die Lösung durch Dekantation vom
Rückstand, wusch denselben auf dem Filter vollständig aus und
bestimmte den Stickstoffgehalt dieses Rückstandes nach Kjeldahl.
1) Vergl. die Resultate der quantitativen Analyse.
406 E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos.
Da die Proteinstoffe bei dieser Behandlung gelöst werden, so ist
die Annahme, dafs der in dieser Weise gefundene Stickstoff auf die
chitinähnliche Substanz entfällt, wohl berechtigt. Die Menge dieser
Substanz berechnete ich aus dem Stickstoffgehalt durch Multiplikation
mit dem Faktor 16,64.) Zieht man vom Gesamtstickstoff die Menge
des auf Chitin entfallenden Stickstoffs ab, so erhält man den Protein-
stickstoff; durch Multiplikation der gefundenen Zahl mit dem Faktor
6,25 erhielt ich die Menge der Proteinstoffe.
Den Gehalt an Cellulose (Rohfaser) ermittelte ich in folgender
Weise: Abgewogene Mengen des Pulvers wurden 1, Stunde mit
11/4 proz. Kalilauge und, nach dem Entfernen der Lauge durch
Decantation, !/; Stunde mit 11/, proz. Schwefelsäure in der Wärme
behandelt, der Rückstand auf ein gewogenes und getrocknetes Filter
gebracht, vollständig durch Auswaschen von der Säure befreit und
dann mit Alkohol und zuletzt mit Aether übergossen und getrocknet.
Den Gehalt an Pachymose ermittelte ich wie folgt: Eine ab-
gewogene Menge Substanz wurde mit kalter 21/, proz. Natronlauge
übergossen und das Gemisch unter öfterem Umschütteln einige
Stunden stehen gelassen, darauf wurde mit Wasser verdünnt und
die alkalische Lösung zuerst durch Decantation und endlich durch
Filtrieren vom Rückstand getrennt; die alkalische Lösung neutralisierte
ich sodann mit verdünnter Salzsäure, brachte den Niederschlag auf
ein Filter, wusch zunächst vollständig mit Wasser, sodann mit Alkohol
und Aether aus, trocknete und wog.
Die Menge des Traubenzuckers wurdein folgender Weise bestimmt:
Eine abgewogene Menge Substanz wurde mit Wasser ausgekocht,
die Lösung abfiltriert, der Rückstand auf dem Filter ausgewaschen,
die vereinigten Flüssigkeiten wurden auf ein kleines Volumen ein-
gedampft und die Glukose in der Lösung nach Allihn bestimmt,
Im Folgenden gebe ich nun eine Zusammenstellung der bei
der quantitativen Analyse gefundenen Zahlen?) :
1) Diesen Factor habe ich unter Zuhilfenahme der von
Schmiedeberg für das Chitin aufgestellten Formel C,; Hz, Na O;s
berechnet. Arch. f. experim. Pathologie u. Pharmacologie, Bd. 28,
S 385. Vergl.auch T. Araki, Zeitschrift f. physiol. Chem., Bd. 20, S. 501.
2) Die erhaltenen Zahlen ergänzen sich nicht auf 100 Proz.; es
ist dies wohl darauf zurückzuführen, dals Pachyma Cocos neben den
aufgeführten Substanzen noch andere nicht bestiimmbare Stoffe in
geringer Menge enthält.
E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 407
Pachyma Cocos TI,
Proteinstoßi: ii. 49.5474, 2%. 002, 2225 50,56: Po;
Chitinähnliche Substanz. . . . . 0,60 „
Aotheraxtrakt;. 2. 0... 20 Eigen
AScHaWt?t 2 PRIV SE BREI NE
WEaSser..i ı Aullklumie- Sinn sietslotsun: 5
Draubenzucker 4... Isis. lnlene LAUNE
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Pachymose . . . . - Da
Eee Cocos II.
Proteinstoffe . . . . uk ON Proz:
Chitinähnliche RR le). ar
SRRTHEFBZLTART Me. oem 07 lee Maae SATTE 1
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Praubenancker., Sir sarse ach 2. SI
BEnlzeelluloseas u FDA:
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Mylıtta EEE 0)
Proteinstoffe . . . z m222736#Broz:
Chitinähnliche en Fe te
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Missser tu steel
„Palzeellulosetits ...n...5 25% 4 2804.E,
Saceharoceolleide Zu 222 88, gs
Vergleicht man die erhaltenen Resultate der quantitativen
Analyse mit den zahlreichen Analysen anderer pflanzlicher Objekte
so fällt zunächst der aufserordentlich geringe Gehalt an Asche und
Proteinstoffen auf. Dieser geringe Gehalt an Proteinstoffen bedingt
aber einen sehr geringen Gehalt an protoplasmatischer Substanz; es
erscheint daher die schon von Currey und Hanbury ausge-
sprochene Ansicht wohl nicht ganz unberechtigt, dafs das Pachyma
1) Mylitta lapidescens enthält kein in verdünnter kalter Lauge
lösliches Kohlenhydrat; erst nach längerem Digerieren mit warmer
verdünnter Lauge habe ich aus genanntem Objekt eine schleimige
Masse isolieren können, welche, soweit ich konstatieren konnte, zu
denjenigen Kohlenhydraten gerechnet werden darf, welche Tollens
mit dem Namen Saccharocolloide bezeichnet. Die Quantität
dieser Substanz habe ich, nach Abzug der in der Pilzcellulose ent-
haltenen chitinähnlichen Substanz aus der Differenz berechnet.
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bäs. 6. Heft. 97
408 E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos.
Cocos keine einheitliche Pilzbildung ist; es wäre denkbar, dafs die
in so grolser Menge vorhandene Pachymose aus den Wurzeln des
Substrats durch die Wucherung des Pilzes gebildet ist, wobei aller-
dings eine tiefgreifende chemische Veränderung eingetreten sein muls.
In einer in der Chemiker-Zeitung Bd. 15 S. 117 veröffent-
lichten Untersuchung spricht sich Prof. Hartwich auf Grund
der mikroskopischen Untersuchung von Pachyma Cocos folgender-
malsen aus: „Das Vorkommen eines Pilzes in Fuh-ling (Pachyma
Cocos) ist danach zweifellos, aber ebensowenig zweifelhaft erscheint es
mir, dafs nicht der ganze Körper aus einem Pilze besteht, sondern
dafs die Coniterenwurzel an seiner Bildung sehr wesentlich beteiligt
ist, denn die braunen Stellen sind doch wohl Reste der Rinde und
ebenso gehören die beschriebenen, an Tragantzellen erinnernden
Zellen der Wurzel an. Wahrscheinlich sind die grofsen Körner, die
in Kalilauge löslich sind, ebenfalls solche in Pachymose oder Pectose
umgewandelten Zellen, worauf auch die in einigen beobachtete
Höhlung schlielsen läfst. Man wird demnach die Fuh-ling vielleicht
als eine durch einen Pilz erzeugte kolossale Wucherung der Coni-
ferenwurzel bezeichnen können. Es sei schliefslich noch darauf hin-
gewiesen, dals ein sehr reichliches Auftreten von Pectinstoffen
bezw. Umwandlung von Cellulose in solche auch sonst beobachtet
ist, so besteht der Tragant zum grolsen Teil aus Pectinsäure. Die
jetzt von Herrn Prof. Hartwich ausgeführte mikroskopische
Untersuchung eines Objektes von Pachyma Cocos, welches ich für
meine Versuche verwendet habe, führten ihn zu gleichen Ergeb-
nissen. Es stimmt also meine oben ausgesprochene, auf Grund
chemischer Prüfung gewonnene Ansicht mit der Anschauung über-
ein, die auf Grund mikroskopischer Untersuchung erhalten worden ist.
Analytische Belege.
Vorbemerkung. Das beim Verbrennen mit Schwetelsäure nach
der Methode von Kjeldahl erhaltene Ammoniak wurde in ver-
dünnter, titrierter Säure aufgefangen und der Ueberschufs an letzterer
mit Ammoniak zurücktitriert.
Pachyma Cocos 1.
Gesamtstickstoff: a) 2 g Substanz gaben 0,00182 x N (= 1,3 cem
1/,n Norm NH;,), b) 2 g Substanz gaben 0,00182 g N (= 1,3cem
I/,ö Norm NH;3).
E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 409
Stickstoff in chitinähnlicher Substanz a) 5 g Substanz gaben
0,00252 g N (= 1,8 ccm Y/,, Norm NH3,), b) 5 g Substanz gaben 0,0028 g
N (= 2 ccm !/,, Norm NB;3).
Aeth erextrakt 17,116 g gaben 0,06 g Extrakt,
Asche 1 g Substanz gab 0,0006 g Asche,
Wasser 1 „ 1 »4 0,1686%;, H20.
Traubenzucker 2 g Substanz gaben 0,0542 g Cu = 0,028 g
Dextrose.
Pilzcellulose a) 2 g Substanz gaben 0,041 g Cellulose, 2) 2 g
Substanz gaben 0,049 g Cellulose.
Pachymose 1 g Substanz gab 0,7621 g Pachymose.
Pachyma Cocos II.
Gesamtstickstoff a) 1 g Substanz gab 0,0014g N (= 1 ccm
I/ö Norm NH,), b) 1 g Sulstanz gab 0,00182 g N (= 1,3 ccm
1/,) Norm NH,3).
Stickstoff in chitinäh: licher Substanz 2 g Substanz gaben
0,00126 g N (= 0,9 ccm Y/,, Norm NH;3).
Aetherextrakt 10 g Substanz gaben 0,042 g Extrakt,
Asche 1 „ gab 0,0025 „ Asche,
Wasser 1 gr Substauz gab 0,1209 gr H,O,
Pilzcellulose 1 g Substanz gab 0,0324 g Cellulose,
Traubenzucker 1 g Substanz gab 0,0220 g Cu = 0,01132 g Dextrose.
Myhita lapidescens.
Gesamtstickstofft 1 g Substanz gab 0,0078 g N (= 2,7 ccm
1/oö Norm NH,).
Stickstoff in chitinähnlicher Substanz 2 g Substanz gaben
0,0011 g N (= 0,8 ccm Y/,, Norm NH;3).
Aetherextrakt 10 g Substanz gaben 0,010 g Extrakt,
Asche I 5% = gab 0,0020 „ Asche,
Wasser 7 2 , 00456 ; 420,
Pilzcellulose Enak B- n 0,0280 ,„ Cellulose.
27%
410 H. Beckurts: Ueber Angosturaalkaloide,
Mitteilungen aus dem chem.-pharm. Laboratorium
der technischen Hochschule in Braunschweig.
Zur Kenntnis der Angosturaalkaloide.
Von H. Beckurts.
(2. Mitteilung.*)
(Eingegangen den 13. VI. 1895.)
I. Cusparin.
Vor kurzem habe ich nachgewiesen, dafs in der Rinde von
Cusparia trifoliata Engler (Galipea officinalis Hancock), der
Angosturarinde, mindestens vier Alkaloide enthalten sind, welche
mit den Namen: Cusparin, Cusparidin, Galipin und
Galipidin bezeichnet sind. Diese Alkaloide sind in der Rinde
zum gröfseren Teil im freien Zustande und nur zu einem kleineren
Teile in Form von Salzen enthalten. Die Isolierung der im freien
Zustande vorhandenen Alkaloide geschah durch Perkolation mit
Aether. Dieselbe wurde diesmal auf meinen Wunsch bereitwilligst
von Herrn E. Dieterich in Helfanberg im Aetherextrakteur aus-
geführt, welchem ich für diese freundliche Unterstützung auch an
dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank sage. Das nach dem
Abdestillieren des Aethers vom ätherischen Auszuge verbleibende
Extrakt aus 50 kg Angosturarinde wog 2,58 kg und bestand aus
ätherischem Oel, Harz, Wachs und Alkaloide. Um aus dem grünlich-
braun gefärbten Extrakt die Basen zu isolieren, wurde dasselbe in
der doppelten Menge Aether gelöst, und die erhaltene ätherische
Lösung mit der vielfachen Menge schwefelsäurehaltigen Wassers
wiederholt ausgeschüttelt, wodurch eine durch Abscheidung eines
grünlichgelben Salzes getrübte, tiefgelb gefärbte wässerige Lösung
und eine braune, wesentlich das ätherische Oel enthaltende ätherische
Schicht erhalten, wurde. Die trübe wässerige Lösung wurde von der
ätherischen Schicht getrennt, und letztere noch so oft mit schwefel-
säurehaltigem Wasser ausgeschüttelt, als dies noch gefärbt war.
Darauf wurden die vereinigten, durch ausgeschiedenes schwefel-
saures Alkaloid getrübten wässerigen Auszüge auf dem Wasserbade
*) Vergl. Ueber die Bestandteile der Angostura-
rinde von H. Beckurts und P. Nehring D. Zeitsch. 1892, 41.
H, Beckurts: Ueber Angosturaalkaloide. 411
unter Zusatz der erforderlichen Menge Wasser erwärmt, bis alles
Salz in Lösung gegangen war. Von dem sich abscheidenden Harz
und Wachs wurde filtriert, und dadurch die die spätere Krystallisation
der Alkaloide erschwerenden Verunreinigungen beseitigt. Das aus
den Filtraten beim Erkalten sich abscheidende Salz wurde abfiltriert,
die Mutterlaugen wurden eingeengt, und das aus denselben auf diese
Weise gewonnene Salz mit den erstausgeschiedenen vereinigt. Das
Alkaloidsalzgemenge wurde durch oftmals wiederholtes Umkrystalli-
sieren aus Wasser in ein tiefgelb gefärbtes und ein gelblich weilses,
sowie ein fast rein weilses Salz zerlegt. Die letzten Anteile der
Mutterlaugen konnten nicht zur Krystallisation gebracht werden, es
schieden sich aus den concentrierten wässerigen Lösungen nur
braun gefärbte Oele ab, die in mehr Wasser zu wenig gefärbten
Flüssigkeiten löslich waren. Aus diesen Lösungen schied sich auf
Zusatz überschüssiger starker Salzsäure in reichlicher Menge kry-
stallinisches Hydrochlorid ab. Dieses wurde gesammelt, mit wenig
Wasser gewaschen und mit Natronlauge zerlegt. Durch Aus-
schütteln mit Aether wurde jetzt ein in glänzenden Blättchen
krystallisierendes Alkaloid erhalten, welches nach dem Umkrystalli-
sieren aus einer Mischung von Petroläther und Ligroin bei 111°
schmolz und sich mit dem Galipidin als identisch erwies.
Auch die in oben beschriebener Weise isolierten krystallinischen
schwefelsauren Salze wurden mit Natronlauge zerlegt, und darauf
durch Ausschütteln mit Aether die freigemachten Alkaloide dem
Gemische entzogen. Von den ätherischen Lösungen wurde der
Aether abdestilliert und der Rückstand aus einer Mischung von
Petroläther und Ligroin umkrystallisiert. Nach sehr mühsamem Um-
krystallisieren gelang es, die Alkaloidgemische in die vier Basen:
Cusparin (Sm. 890), Cusparidin (Sm. 780), Galipin (Sm. 1150) und
Galipidin (111° C. Sm.) zu zerlegen. Das
Cusparin
O2 HNO,
läfst sich nur schwer von den begleitenden Basen vollständig be-
freien. Sehr kleine Mengen Galipin haften selbst den glatt bei 89
schmelzenden Anteilen des Basengemisches hartnäckig an und sind
nur durch wiederholtes Umkrystallisieren aus einer Mischung von
‚„ Ligroin-Petroläther in sehr verdünnter Lösung zu entfernen. Das
412 H. Becekurts: Ueber Angosturaalkaloide.
Cusparin ist als rein anzusehen, wenn es bei 89° schmilzt und mit
Säuren vollkommen farblose Salze giebt.
Aus verdünnten Lösungen in Petroläther-Ligroin krystallisiert
das Cusparin in kompakten, warzenförmigen Gebilden. Aus kon-
zentrierten Lösungen krystallisiert es in feinen, federartig oder stern-
förmig vereinigten Nadeln. Dieselben sind in Alkohol, Aether,
Chloroform, Aceton und Benzol sehr leicht löslich. Mit Säuren
liefert das Cusparin in Wasser schwer lösliche farblose Salze.
Konzentrierte reine Schwefelsäure löst das Alkaloid sofort mit
schmutzigroter Farbe. Diese geht bald in Kirschrot über und
gleicht dann der Färbung. welche Veratrin mit Schwefelsäure giebt.
Rauchende Salpetersäure löst das Alkaloid mit gelber Farbe.
Verdunstet man die Lösung zur Trockne und durchtränkt den Rück-
stand mit alkoholischer Kalilauge, so färbt sich die Mischung orange.
In Fröhde’s Reagens löst sich das Cusparin zunächst mit brauner
Farbe, welche bald in eineviolette, blaugrüne und schliefslich in eine tief-
blaueübergeht. Erwärmen beschleunigt die Bildung dertiefblauenLösung.
Konzentriertes Fröhde’s Reagens löst Cusparin sogleich mit
prachtvoll tiefblauer Farbe.
In Titansäure enthaltender Schwefelsäure löst sich die Base mit
rotbrauner, in Furfurol enthaltenderSchwefelsäure mit braunroter Farbe.
Zusammensetzung.
1. 0,1925 g lieferten im offenen Rohr mit Kupferoxyd unter Vor-
legen reduzierter Kupferspiralen verbrannt 0,5365 g CO, und
0,0934 g H,O, entsprechend 74,9 Proz. C und 5,3 Proz. H.
2. 0,1655 g lieferten unter denselben Bedingungen 0,4501 g CO,
und 0,0863g H,O, entsprechend 74,9 P:oz. C und 5,6 Proz. H.
3. 0,2366 g lieferten unter denselben Bedingungen 0,6530 g CO,
und 0,1186g H,O, entsprechend 75,2 Proz. C und 5,6 Proz. H.
4. 0,4398 g gaben im Kohlensäurestrome mit Kupferoxyd unter
Vorlegen von reduzierten Kupfersp'ralen verbrannt bei 753 mm
Druck und bei 200 18 ccm N =4,7 Proz.
5. 0,4588 g gaben unter denselben Bedingungen bei 754mm Druck
und bei 20° C. 19 ccm N=4,7 Proz.
Berechnet für
die Formel: Gefunden:
Ca, Hıg NO5 IE IHR III. 18% Wi.
—= 74,8 74,9 74,9 75,2 _ —
H= 5,9 5.3 5,6 5,56 — —
N= 44 Hi = NT 47
O = 14,9 — = _ —
H. Beckurts: Ueber Angosturaalkaloide. 413
Bei der Bestimmung der Oxmethylgruppen nach der
Methode von Zeisel wurden die folgenden Werthe erhalten.
a. 0,4055 g des über Schwefelsäure getrockneten Cusparins lieferten
0,3075 g AgJ.
b. 0,3545 g des über OOH WEIBLBABTE getrockneten Cusparins lieferten
0,2685 g Ag).
Bei dem Vorhandensein einer Oxymethylgruppe (OCH?®) müssten
0,2968 g bzw. 0,2702 g Ag.J gebildet sein.
Salze des Cusparins.
Cusparinhydrochlorid.
Cao Hıg NO, HCl + 3 H,O.
Das in kaltem Wasser schwer lösliche Salz wird durch Zusatz
von Salzsäure zu dem in heilsem Wasser suspendierten fein zer-
riebenen Cusparin bis zur schwachsauren Reaktion und Kochen bis
zu vollständiger Lösung und Umkrystallisieren des beim Erkalten
ausgeschiedenen Reaktionsproduktes aus heilsem Wasser dargestellt.
Farblose, bitter schmeckende, glänzende Nadeln, dieselben
sind schwer in Wasser löslich und verlieren bei 100° ihr Krystall-
wasser.
Die Analyse des Salzes führte zu den folgenden Ergebnissen.
Berechnet für Gefunden:
die Formel O3, Hjg NO, HCI + 3H, O I II
H,0 = 13,5 Proz. 13,1 —
HCI=1W2 „ — 105.
Cusparinhydrobromid.
Oz, Hıs NO, .H Br.
Das in analoger Weise wie das Hydrochlorid dargestellte Salz
bildet lange, farblose, bitter schmeckende Nadeln, welche beim Er-
hitzen auf 105° kein Krystallwasser verlieren. Die Analyse des in
Wasser und Alkohol schwer löslichen Salzes führte zu dem folgenden
Ergebnis.
Berechnet für
Ca, Hjg NO,.H. Br. Gefunden :
H Br = 20,14 Proz. 20,7 Proz.
Einwirkung vonBrom auf Cusparinhydrobromid.
Die wässerige Lösung des Cusparinhydrobromids trübt sich
auf Zusatz von überschüssigem Bromwasser unter Abscheidung eines
gelben flockigen Niederschlages.
414 H. Beckurts: Ueber Angosturaalkaloide.
Derselbe bildet im trocknen Zustande ein hellgelbes, amorphes
in kaltem Spiritus mit gelber Farbe lösliches Pulver. Dasselbe schmilzt
ohne Zersetzung bei 171° und gab bei der Analyse die folgenden für
die Zusammensetzung eines bromwasserstoffsauren Cusparindibromids
Ca, Hıg NO; HBrBr, stimmenden Werte.
0,3063 g der bei 70—80°C. getrockneten Substanz geben 0,3057 g
Ag Br = 42,4 Proz.
Berechnet für
C50 H,g NO, H Br Br, Gefunden:
Br = 42,64 Proz. 42,4 Proz.
Aus der in mäfsiger Wärme bereiteten alkoholischen Lösung
scheiden sich nach dem Erkalten harte, gelbe, prismatische Nadeln
ab, welche bei 236° schmelzen. Die Zusammensetzung der noch
näher zu untersuchenden Verbindung entspricht derjenigen eines
Cusparindibromids.
0,2592 gaben 0,2144 g Ag Br entsprechend 0,091234 g = 35,2 %/, Br.
0,4102 gaben 0,3365 Ag Br entsprechend 0,14319g — 34,9), Br.
Die Formel C?° H19 NO3. Br? verlangt 33,30), Br.
Cusparinsulfat (Cy, H,g NO5): H, SO, + 7H3 0.
Cusparin wurde fein zerrieben, in heiflsem Wasser suspendiert
und genau mit verdünnter Schwefelsäure neutralisiert. Der beim
Erkalten sich ausscheidende Krystallbri wurde abfiltriert, mit wenig
Wasser gewaschen und aus heilsem Wasser umkrystallisiert.
Weilse, prismatische, sehr bitter schmeckende harte Nadeln.
Dieselben waren in Wasser schwer löslich und lieferten bei der
Analyse die folgenden Werte.
Gefunden: Berechnet für die Formel
H3 O= 23,4 Proz. (Cry Hj9 NO,) 2 Ha so, + 7Ha, (0)
H,S0, = 122 „ H,O = 23,6 Proz.
H, SO, = 11,5 ”
Cusparingoldchlorid C,H; NO;.HC1. Au Q];.
Beim Vermischen einer wässerigen Lösung des Cusparin-
hydrochlorids mit überschüssigem Goldchlorid schied sich das Gold-
doppelsalz zunächst als hellbraunes, voluminöses, mikrokrystallinisches
Pulver ab, welches in reinem Wasser so gut wie unlöslich war.
Aus mit rauchender Salzsäure stark angesäuertem Alkohol konnte das-
selbe umkrystallisiertt werden und wurde so das Cusparingoldchlorid
H. Beckurts: Ueber Angosturaalkaloide. 415
in Form feiner, gelbroter, glänzaender Nadeln erhalten. Dieselben
waren wasserfrei und schmolzen bei 190°,
Die Goldbestimmung des bei 100° getrockneten Doppelsalzes
ergab die folgenden Werte.
0,21 g des Salzes lieferten 0,063 g Au = 30,1 Proz.
Gefunden: Berechnet:
Au = 30,1 Proz. Au = 29,9 Proz.
Cusparinplatinchlorid.
(Cao Hjg NO, H Cl, PtC, +6 H,0.
Durch Vermischen einer wässerigen Lösung des Cusparin-
hydrochlorids mit überschüssiger Platinchloridlösung wurde das
Platindoppelsalz als ein tief gelbes, aus mikrokrystallinischen Nadeln
bestehendes voluminöses Pulver erhalten.
Durch Umkrystallisieren desselben aus mit rauchender Salz-
säure stark angesäuertem Alkohol wurde das Platindoppelsalz in
gelben, glänzenden Nädelchen erhalten. Dieselben schmelzen bei
179° und enthalten & Moleküle Krystallwasser. Bei der Analyse
wurden die folgenden Werte erhalten.
0,2128 g verloren bei 105° 0,0117 = 8,83 Proz. H,O,
0,2011 desbei 1050 getrockneten Salzeslieferten 0,0377 g = 18,7%,Pt.
Berechnet für die Formel
(Co9 Hy NO; HC], Pt Cy, - 6 H,0 Gefunden:
H,0. = 9,1 Proz. 8,836 Proz.
Berechuet für die Formel
(Ca) Hs NO, HC], Pt C], Gefunden:
DEE 1887 EroZ 18,7 Proz.
Einwirkung von Jodmethyl auf Cusparin.
Cusparinmethyljodid
Ca, Hıs NO,.. CH, J.
Fein zerriebenes Cusparin wurde in einer Druckflasche mit
überschüssigem Jodmethyl übergossen und sechs Stunden im
kochenden Wasserbade erhitzt. Von dem Inhalt des Fläschchens
wurde das überschüssige Jodmethyl durch Abdestillieren entfernt,
und der zurückbleibende mit braunen Jodadditionsprodukten durch-
setzte gelbe Krystallbrei aus heifsem Wasser, in welchem das
Jodadditionsprodukt unlöslich war, umkrystallisiert.
416 H. Beckurts: Ueber Ängosturaalkaloide.
Das so gewonnene Cusparinmethyljodid bildet gelbe, glänzende
Nadeln, welche sich am Lichte unter Einflufs der Luft bald dunkler
färben, wasserfrei sind, intensiv bitter schmecken und bei 186° C.
schmelzen.
Die Analyse ergab die folgenden Werte:
1. 0,249 g der bei 105° getrockneten Substanz gaben 0,129 g
Jodsilber = 27,3 Proz. Jod.
0,3518 g der bei 105° getrockneten Substanz gaben
0,1554 g H,O und 0,6979 g CO, entsprechend 4,9 Proz. H
und 54,1 Proz. C.
ww
Berechnet für die Formel Gefunden:
Osg H;g NO; CH; J I. TE.
GE —ZEHE2 — 54,1 Proz.
ee. - > ie
37,208 27,3 — 1
Die Bildung dieses Additionsproduktes beweist den Charakter
des Cusparins als tertiäre Base.
Cusparinmethylchlorid
C;0 Hıs NO, CH; Cl.
Zur Darstellung dieser Verbindung wurden 3 g des Cusparin-
methyljodids in heifsem Wasser gelöst, die heifse Lösung mit über-
schüssigem, frisch gefälltem Chlorsilber versetzt und erwärmt. So-
bald eine abfiltrierte Probe keine Jodreaktion mehr gab, wurde
filtriert, und das zurückbleibende Jodsilber und Chlorsilber gut aus-
gewaschen. Filtrat und Waschwasser wurden auf dem Wasserbade
eingedampft, bis eine Krystallhaut erschien und die konzentrierte
Lösung im Exsikkator erkalten gelassen. Das nach zwölf Stunden
ausgeschiedene hellgelb gefärbte Chlorid wurde abfiltriert, mit wenig
Wasser ausgewaschen und auf einer Thonplatte getrocknet.
Das so erhaltene Cusparinmethylchlorid bildete in Wasser und
Alkohol leicht lösliche eitronengelbe Nadeln. Dieselben sind wasser-
rei und schmelzen bei 190°.
Analyse.
0,3820 g der bei 100° getrockneten Substanz gaben 0,1445 g Ag Cl
— 9,36 Proz. Cl.
Berechnet für
Cy9g Hıg NO, . CH, Cl Gefunden:
C1:=: 9,55 ‚Proz. Cl = 9,36 Proz.
H. Beckurts: Ueber Angosturaalkaloide. 417
Aus den Mutterlaugen der zuerst erhaltenen Krystalle schied
sich auf Zusatz concentrierter Salzsäure ein dicker, gelber Krystall-
brei aus. Da die Vermutung nahe lag, dafs derselbe ein Additions-
produkt von Cusparinmethylchlorid und Salzsäure enthielt, so wurde
derselbe abfiltriert, mit wenig Wasser gewaschen und zuerst auf einer
Thonplatte, dann über Schwefelsäure getrocknet.
0,4578 g dieses Körpers gaben bei der Analyse
0,1752 g AgCl= 9,44%, Cl.
Da die Verbindung C2° H!? NO®CH3Cl 9.45°/, Cl enthält, so
fand die obige Annahme somit ihre Bestätigung nicht.
Platindoppelsalz des Cusparinmethylchlorids.
(C2 H19 NO®. CH3CI, PtCi%.
Dasselbe wurde aus der wässerigen Lösung des Cusparinmethyl-
chlorids durch Fällen mit Platinchloridlösung im Ueberschuss darge-
stellt. Der sich ausscheidende gelbe flockige Niederschlag wurde
abfiltriert und ausgewaschen und sodann aus stark salzsäurehaltigem
Weingeist umkrystallisiert.
Das so gewonnene Salz bildete goldgelbe, leichte glänzende
Nadeln, welche bei 2100 schmelzen.
Analyse.
Berechnet: Gefunden:
Pt—18,10%, Pt=18.0%
Golddoppelsalz des Cusparin methylchlorids.
C®H2 NOS:CH3Au CE.
Der durch Vermischen wässeriger Lösungen des Cusparin-
methylchlorids mit Goldchloridlösung erhaltene rotbraune voluminöse
Niederschlag wurde aus stark Salzsäure enthaltenden Weingeist um-
krystallisiert. Das so dargestellte Golddoppelsalz bildete rotbraune,
wollige Nadeln, welche bei 152—153° schmelzen.
Analyse.
Berechnet: Gefunden:
Au= 28.70, Au=28.90%/,.
Cusparinwethylammoniumhydroxyd.
(20. H2.N0?.CH3:OH.
Cuspariummethyljodid wurde in so viel heissem Wasser gelöst,
dass die auf etwa 500 abgekühlte wässerige Lösung noch nichts ab-
schied, und zu derselben so viel feuchtes Silberoxyd gefügt, bis eine
418 H. Beekurts: Ueber Angosturaalkaloide.
abfiltrierte Probe keine Reaktion auf Jod mehr gab. Dann wurde
von dem Silberoxyd und dem gebildeten Jodsilber filtriert, der Rück-
stand auf dem Filter gut ausgewaschen und das Filtrat nebst Wasch-
wasser bei mässiger Temperatur im Wasserbade auf einkleines Volumen
eingedunstet. Die dann in den Essiccator überSchwefelsäure gebrachte
Lösung trocknete allmählich vomRandeauszu einerviolettund schliesslich
bräunlich getärbten Masse ein, aus welcher auch durch Behandlung
mit Aceton, Spiritus oder Chloroform die Ammoniumbase nicht iso-
liert werden konnte. Es wurden nur farblose, glänzende Blättchen
erhalten, welche sich bei der näheren Untersuchung nicht als das
gewünschte Cusparinmethylhydroxyd, sondern als Methyleusparin
erwiesen. Dasselbe ist nach der Formel
C® H1 (CH3) NO®+'Y H2 O
zusammengesetzt und aus dem Cusparinmethylhydroxyd unter Ab-
spaltung von Wasser gebildet:
6% H23 NO° CH3 OH =H20 + 0% H% (CH3) NO!
Die Krystalle schmolzen bei 190° und gaben bei der Analyse
die folgenden Werte:
0,3180 g der über Schwefelsäure getrockneten Substanz gaben
0,1751.8 H,;0 und 0,8512 g CO, entsprechend 73,0 Proz. C und
6,1 Proz. H.
Berechnet für die Formel
Ca = Se NO; + Y, H,O Gefunden:
— 79,2 Proz. 73,0 Proz.
= = 6,4 ”„ 6,1 E23}
Methylcusparin.
O2 His (CH) NO, + 1/7, H50.
Das Cusparinmethyljodid zeigt ein analoges Verhalten, wie
das Hydrastinäthyljodidd und -methyljodid, welche sich, wie E.
Schmidt gezeigt hat, durch eine äquivalente Menge Kalihydrat
unter Abscheidung von Jodkalium und Bildung neuer Basen,
Methyl bezw. Aethylhydrastin zersetzen.
Zur Darstellung des Methylcusparins wurden 5 g ÜCusparin-
methyljodid in heilsem Wasser gelöst, und diese Lösung mit Normal-
Kalilauge bis zur schwach alkalischen Reaktion versetzt. Dabei
wurde die gelbe Lösung entfärbt und getrübt, die sich anfangs ölig,
später pulvrig abscheidende Masse wurde gesammelt, mit Wasser
H. Becekurts: Ueber Angosturaalkaloide, 419
bis zum Verschwinden der alkalischen Reaktion im Waschwasser
gewaschen und aus verdünntem Alkohol umkrystallisiert.
Das Produkt bildete weilse, bei 190° schmelzende Nadeln,
welche sich leicht in Alkohol, Essigäther und Aether, schwer in
Wasser lösen. Aus Wasser krystallisiert es in weilsen perlmutter-
glänzenden Blättchen.
Die Bildung des Methylcusparins ist im Sinne der Gleichung:
Cyo Hı9 NO, CH, J + NaOH = NaJ + H,O + C„H;s (CH,) NO,
erfolgt.
Die Analyse führte zu den folgenden Ergebnissen :
1. 0,3877 g gaben bei der Verbrennung 1,0362 g CO, und 0,2129 g
H,O entsprechend 72,9 Proz. C und 6,1 Proz. H.
2. 0,2429 g gaben 0,6505 g CO, und 0,1355 g H,O entsprechend
73,0 Proz. C und 6,2 Proz. H,O.
Berechnet für die Formel
C.9H;s (CH,) NO, + !/, H,O Gefunden:
L; 2.
C = 73,2 Proz. 72,9 73,0
5 6,1 6,2
Bromwasserstoffsaures Methylcusparin
C’9, H,s (CH,)NO,.HBr + 10 H,O.
Das Salz wird durch Neutralisation von Methyleusparin mit
Bromwasserstoffsäure erhalten. Aus Wasser umkrystallisiert bildet
es nicht schwer lösliche gelblichgrünliche, feine glänzende Blättchen.
0,2204 g des lufttrockenen Salzes verloren bei 1050 0,069 g
H;0 = 31,0 Proz.
Die Formel O,, H,s (CH;) NO;,. HBr + 10 H,O verlangt 30,3 Proz. H,O.
0,2222 g des bei 105° getrockneten Salzes gaben (0,0992 g
Ag Br = 19,0 Proz. Br.
Berechnet für die Formel
C;0 Hıs (CH,) NO, HBr Gefunden:
Br = 19,2 Proz. 19,0 Proz.
Methylcusparinhydrochlorid
C»H;s(CH,) NO,.HC1 + 2,5 H,O.
Durch Neutralisation des Methyleusparins mit Salzsäure er-
halten.
Feine weifse Nadeln, welche in Wasser leicht löslich sind.
Aus verdünnten wässerigen Lösungen bildet es harte, sternförmig
vereinigte Nadeln.
420 H. Beckurts: Ueber Angosturaalkaloide.
1. 0,3508 g verloren bei 1020 0,039 g = 11,12 Proz. H,O.
Die Formel Cy%, Hjg {CH;) NO,. HCl + 2,5 H,O verlangt 10,9 Proz. H,O.
2. 0,2919 g des bei 102° getrockneten Salzes lieferten O,ll g
AsCl — 9,31 Proz. Cl.
Das durch Fällen der wässerigen Lösung des Hydrochlorids
mit überschüssigem Platinchlorid und Umkrystallisieren des volumi-
nösen gelblichweilsen Niederschlages aus salzsäurehaltigem Wein-
geist erhaltene Methylcusparin platinchlorid,
(Ca, Hy (CH,) NO, HCl, HC,
bildet goldgelbe, glänzende Nadeln und Blättchen, die bei 210°
schmelzen.
Einwirkung von Jodmethyl auf Methylcusparin.
Methylcusparinmethyljodid.
Cyo Hıs (CH,) NO,. CH3 J.
Um die Frage zu entscheiden, ob dem Methylcusparin der
Charakter einer primären, sekundären oder tertiären Base zukommt,
wurden 2 g des Methylcusparins in einer Druckflasche mit über-
schüssigem Jodmethyl vier Stunden lang im Wasserbade erhitzt.
Nach dieser Zeit wurde vom Inhalt des Fläschchens das überschüssige
Jodmethyl abdestilliert, und die zurückbleibende gelbe krystallinische
Masse aus heilsem Wasser umkrystallisiert.
Es schied sich der gebildete Körper in feinen, gelben glänzenden
Nadeln ab. Dieselben färben sich am Lichte dunkler, schmecken
intensiv bitter, sind schwer in Wasser, leicht in Spiritus löslich.
Der Schmelzpunkt der wassertreien Verbindung liegt bei 185°.
Die Elementaranalyse der bei 100° getrockneten Substanz führte
zu folgenden Zahlen:
0,2542 g lieferten 0,5132 g CO, und 0,1110 g H,O entsprechend
55,1 Proz. C und 4,9 Proz. H.
Berechnet für die Formel Gefunden:
Cy H;s (CH,) NO,.CH;.
C = 55,3 Proz. C = 55,1 Proz.
Wera Hs Ag
Darnach ist das Methylcusparin analog dem Cusparin als eine
tertiäre Base anzusehen, wenn gleich es auch hier nicht gelungen
ist, die dem Methyleusparinmethyljodid entsprechende Ammoniumhase
rein darzustellen.
H Beckurts: DÜeber Angosturaalkalcide, 421
Einwirkung von Jodäthyl auf Cusparin.
Cusparinäthyljodid.
Cu H,N0,.0, HJ.
Zur Darstellung dieser Verbindung wurden 10 g fein zer-
riebenes Cusparin mit überschüssigem Jodäthyl in einer Druck-
flasche im Wasserbade während vier Stunden erhitzt. Der Ueber-
schuls an Jodäthyl wurde abdestilliert, und das Reaktionsprodukt
aus heilsem Wasser umkrystallisiert.
Das auf diese Weise erhaltene und durch wiederholtes Um-
krystallisieren aus Wasser gereinigte Cusparinäthyljodid bildet gelbe,
glänzende Nadeln, welche schwer in heilsem Wasser mit gelber
Farbe, fast gar nicht in kaltem Wasser, leicht in Weingeist löslich
sind. Sie färbten sich an der Luft dunkler und schmolzen bei
201°. Sie enthalten kein Krystallwasser.
Analyse.
0,2394 g des bei 1050 getrockneten Salzes gaben bei der Ver-
brennung mit Bleichromat im Sauerstoffstrom 0,4823g CO, und 0,109 g
H20 entsprechend 55 Proz. C und 5 Proz. H.
Berechnet für die Formel: Gefunden:
CH,3N0;C5H,J
er 55.3/Ero2! 55,0 Proz.
Hi —,33.0'Broz 5,0 Proz.
Cusparinaethylchlorid.
Ca, Hıs NO; C, H, Cl.
Um Cusparinaethylchlorid darzustellen, wurden 2 g des Cusparin-
aethyljodids in heilsem Wasser gelöst, die Lösung wurde mit über-
schüssigem Chlorsilber versetzt und erwärmt, bis eine abfiltrierte Probe
keine Jodreaktion mehr gab. Nun wurde filtriert, und das zurück-
bleibende Chlor- und Jodsilber gut ausgewaschen. Filtrat und
Waschwasser wurden auf ein kleines Volumen eingedampft. Die
sich nun ausscheidenden Krystalle wurden gesammelt, mit wenig
Wasser gewaschen und auf der Thonplatte an der Luft getrocknet.
Das so gewonnene Cusparinaethylchlorid bildet citronengelbe, in
Wasser und Alkohol leicht lösliche Nadeln, welche kein Krystall-
wasser enthalten und bei 1560 schmelzen.
Berechnet für die Formel: Gefunden:
Ca, H;9g NO, C, H, Cl
Cl= 9,2 Proz. 9,0 Proz.
422 H. Beekurts: Ueber Angosturaalkaloide,
Platindoppelsalz des Cusparinaethylcehlorids.
(Cao Hıg NO; C, H, Cl), Pt Cl,
Die bei der Darstellung des Cusparinaethylchlorids gewonnenen
Mutterlaugen wurden mit überschüssiger Platinchloridlösung versetzt.
Der entstandene voluminöse, hellgelbe Niederschlag wurde aus stark
salzsäurehaltigem Weingeist umkrystallisiertt. Das so gewonnene
Salz bildete goldgelbe, derbe, sternförmig vereinigte rhombische
Prismen, welche bei 1780 schmelzen.
Analyse.
Berechnet für die Formel: Gefunden:
(Ca9 Hıg NO; C, H, Cl), Pt Cl,
Pt = 20.4 Proz. 20. 1 Proz.
Cusparinaethylammoniumhydroxyd.
Ca, Hıs NO, C, H, OH.
2,3 g Cusparinaethyljodid wurden in viel heissem Wasser ge
löst, die auf etwa 500 abgekühlte Lösung wurde mit so viel feuchtem
Silberoxyd nach und nach versetzt, bis eine abfiltrierte Probe keine
Reaction auf Jod mehr galı. Darauf wurde von dem Jodsilber und
Silberoxyd abfiltriert, letztere gut ausgewaschen und Filtrat und
Waschwasser bei niederer Temperatur auf dem Wasserbade auf
ein kleines Volumen eingedampft. Hierbei schieden sich sehr volu-
minöse, glänzende Krystallblättchen ab. Dieselben schmolzen be
114—1150 C. und waren identisch mit dem Aethylcusparinhydrat
C;0 Hıs (Ca H,) NO; H,0. Die von diesen abtiltrierte Flüssigkeit wurde
in den Exsiccator über Schwefelsäure gestellt. Hier schieden sich
eine geringe Menge farbloser harter rhombischer Prismen ab, dieselben
schmolzen bei 190—1910 C. und dürften wohl Aethylcusparin
repräsentieren, während die Hauptmenge der Flüssigkeit zu einer
rotvioletten Masse eintrocknete.
Aethylcusparin
Co Hs (C> H,) NO;.
Nachdem es sich gezeigt hatte, dafs Cusparinmethyljodid durch
Einwirkung von 1 Aeg. Aetznatron unter Bildung von Methyleus-
parin zersetzt wird, hatte es Interesse zu erfahren, ob das Cusparin-
äthyljodid eine analoge Zersetzung unter Bildung von Methyleusparin
erleidet.
H. Becekurts: Ueber Fettuntersuchungen. 423
Der Versuch hat gelehrt, dals auch Cusparinäthyljodid eine
Zersetzung gemäls der Gleichung:
Cy, H;9s NO; C,H, J + NaOH = NaJ + H,O + Cap Hıs (0, H,) NO,
d. h. unter Bildung von Aethylcurparin erleidet. 3 g Cusparin-
äthyljodid wurden in heilsem Wasser gelöst, und diese Lösung mit
6,4 ccm Normal-Natronlauge bis zur eben alkalischen Reaktion ver-
setzt. Die gelbe wässerige Lösung wurde entfärbt und gleichzeitig
getrübt. Die in der Ruhe sich absetzende anfangs ölige, später
pulverige Masse wurde abfiltriert, mit Wasser gewaschen und aus
Spiritus umkrystallisiert.
Das Produkt bestand aus weilsen, durchsichtigen, prismatischen
Krystallen dieselben schmolzen bei 190—191° und gaben bei der
Analyse die folgenden auf Aethyleusparin stimmenden Werte.
Berechnet für die Formel;
CH Hjs (Ca H,) NO, Gefunden °
Ce 2736 Ce 3
H= 66 Ice — 23055
(Fortsetzung folgt.)
Ueber Fettuntersuchungen mit dem Refraktometer.
Von H. Beckurts und H. Heiler.
(Eingegangen den 13. VI. 1895.)
Seitdem die lichtbrechenden Eigenschaft verschiedener Körper
durch Einführung des aufserordentlich einfach eingerichteten und
bequemzuhandhaben den Z ei [s ’schen Butterrefraktometer verhältnis-
mässig leicht in der Analyse benutzt werden kann, ist dieselbe zur
Prüfung der Butter und anderer Fette auf Reinheit mehrfach be-
nutzt worden. — Wir verdanken Wollny, unter dessen Mit-
wirkung der Apparat entstanden ist, ferner Mansfeld)!, Hetel-
mann?) und Halenke?) Mitteilungen über die Erfahrungen,
I) XII. Vers. Bayer. Vertreter der angew. Chemie 1893, 21.
2) Pharm. Centraihalle 1894, 467.
3) XIII. Vers. Bayer. Vertreter der angew. Chemie 1894, 44.
Arch. d, Pharm. CCXXXIII. Bds. 6. Heft. 28
424 H. Beckurts: Ueber Fettuntersuchungen.
welche bei dem Gebrauche des Zei[s’schen Retractometers ge-
macht sind.
Der Umstand, dafs die bisher vorliegenden Angaben über die
Bedeutung des Apparates noch vielfach abweichende sind, und es
wünschenswert sein muls, möglichst zahlreiche Beobachtungen und
Untersuchungen kennen zu lernen, ist die Veranlassung die nach-
stehend aufgezeichneten Beobachtungen schon jetzt bekannt zu
geben. 2
Der Apparat besteht bekanntlich aus zwei durch Bajonett-
verschluls zusammendrückbaren Prismen, zwischen welchen einige
Tropfen des flüssigen oder geschmolzenen Fettes gebracht werden
Umgeben sind die Prismen von einer Warmwasserheizvorrichtung
deren Temperatur geregelt und an einem Thermometer abgelesen werden
kann. Diese Warmwasserheizvorrichtung ist die charakteristische
Eigentümlichkeit des Zei[s'schen Refraktometer, wodurch sich der-
selbe von anderen früheren Instrumenten unterscheidet, und welche
ermöglicht auch die Untersuchung fester Fette vornehmen zu können.
Auf die Prismen gelangt durch einen Spiegel der Lichtstrahl und er-
leidet hier je nach der Natur der Fette eine Ablenkung, wodurch die
Grenzlinie der totalen Reflektion eine Verschiebung erieidet, welche
an einer in 100 Teile geteilten Mikrometerscala durch ein Okular ab-
gelesen und gleichzeitig die Beschaffenheit der Grenzlinie beobachtet
werden kann, welche infolge der Konstruktion der Prismen je nach
dem Dispensionsvermögen der Fette für Butter farblos, für Fetts mit
grölserem Lichtbrechungsvermögen blau, für solche mit geringerem
Brechungsvermögen rotgelb erscheint. Somit ist das Auftreten eines
blauen Randes an sich schon geeignet, Margarine von Naturbutter zu
unterscheiden, da erstere ein grölseres Lichtbrechungsvermögen wie
Butter besitzt.
Wir haben zunächst den Einflufs der Temperatur auf
das Brechungsvermögen verschiedener fester und flüssiger Fette
festgestellt und Untersuchungen über den Parallelismus zwischen
Refractionund Gehaltan flüchtigen Säurenund zwischen
Refraetion und Jodadditionsvermögen ausgeführt,
deren Ergebnisse in dem Folgenden kurz mitgeteilt werden sollen.
Von grösster Bedeutung ist der Einflufs der Temperatur auf
die Ablenkung der verschiedenen Fette. Die Differenz der Re-
fraction für reines Butterfett wird von Wollny, Mansfeld,
Halenke u.a. für 19 Temperaturerhöhung auf 0,53, für Margarine
auf 0,56 Scalenteile angegeben.
H. Beckurts: Ueber Fettuntersuchungen. 425
Nach unseren sehr zahlreichen Beobachtungen dürfte eine Ver-
schiebung der Grenzlinie nach links bei einer Naturbutter durch-
schnittiich um 0,54-0,58 Scalenteile stattfinden. Von kürzlich
untersuchten 17 Butterproben zeigten nämlich nur zwei Proben eine
Differenz von 0,52 Skalentheilen. Die Differenz war um so grösser,
je höher die Reichert-Meifsel’sche Zahl war. So betrug z. B.:
Die Verschiebung der Grenzlinie
bei der Differenz von 5 zu 5°C.
Skalenteile:
2,6 27
2,65 28,5
75 29,59
29,3
6 29,4
7 29,5
und die Reichert-Meihsel’sche
Zahl
“
—1
8 30,86
85 31,6
‚9 31,8
9 31,8
9 31,2
Für Margarine fanden wir die Differenz für 1°C zu
0,56 Skalenteile in Uebereinstimmung mit Wollny und abweichen-
den Mansfeld u. Halenke, welche die Differenz nur zu
0,52 Skalenteilen ermittelten.
Das Aussehen der Grenzlinie wurde auch bei reiner Butter
nicht immer farblos gefunden. Bei niederer Temperatur ist bei
hochbrechenden Fetten die Grenzlinie bisweilen blau, so dafs
das Auftreten einer blauen Grenzlinie nicht ohne weiteres auf
Margarin hinweist.
Drei Butterproben, welche bei 25° eine Refraktion von 52,7,
52,8 und 53 Skalenteilen besalsen, zeigten eine blaue Grenzlinie, wie
Margarine, bestanden aber nach Ausfall der chemischen Untersuchung
aus reiner Naturbutter.
Für Olivenöl, Sesamöl, Baumwollensamenöl, Erdnufsöl, Mandelöl,
Aprikosenkernöl, Pfirsichkernöl, Sonnenblumensamenöl wurden die
folgenden Ablenkungen und Differenzen für je 1° C. gefunden
(s. Tabelle).
28*
426 H. Beekurts: Ueber Fettuntersuchungen.
Olivenöl Sesamöl Baumwollen- Erdnuflsöl
= samenöl
8
8 R 5 2 :
SEE Differenz pt Differenz ah Difarenz: & Differenz
=] für 19. für 19. für 19. für 10,
fan lenk- | Spaten- |1e0E- | Skalen. |1OE- | Seaten- | RE | Sealen-
ung.| "teile RE teile "Er teile re
30 59,0 _ 65,6 65,0 _ 63,3 ——
29 59,6 0.6 66,3 0,7 65,5 0,5 63,9 0,6
23 | 6002| 06 | 8670| 07 66,1 06 I 6425| 086
27 60,8 0,6 67,7 0,7 66,6 0,5 65,2 0,7
26 61,4 0,6 68,3 0,6 67,2 0,6 65,9 0,7
25 62,0 0,6 69,0 0,7 | 67,8 | 0,6 66,5 0,6
% Mandelöl Aprikosenöl Pfirsichkernöl Sonnenblumen-
3 samenöl
E Differenz Differenz Differenz | Differenz
& Ab- für 10 N) Ab- für 10 B für 10
8 |lenk- | Skaten- |lenk-| Skaten. |1enk- | Skaten. |1RE- | Sralen-
Uns teile Rn teile anB teile Lu teile
30 62,2 — 62,6 — 63,11 _- | 69,5 —
29 |627| 05 6332| 04 63,7| 086 7001 05
28 63,2 0,5 63,8 0,6 64,3 0,6 70,5 0,5
27 63,8 0,6 64,4 0,6 64,9 0,6 alsı! 0,6
26 64,3 0,5 65 0,6 65,5 0,6 71,6 0,5
25 64,8 0,5 65,6 0,6 | 66,1 0,6 72.2 0,6
Mansteld (l. c.) fand für unzweifelhaft echte Butterproben
eine mittlere Ablenkung von 51 Skalenteilen und die Schwankungen
zwischen 49,6 und 52,4 bei 25%. Wir fanden:
für reine Butterproben Ablenkungen bis zu 53 Skalentheilen, und
zwar waren dies solche Butterproben, welche hohe Reichert-Meiss’sche
Zahlen von 31.79, 31.85, 31.6 gaben. Auch Halenke (I. c.) fand
einige wenige Butterproben, welche bei der Refraktion zwischen
51.5—53 Skalenteile zeigen, die eine normale Reichert-Meiss’sche
Zahl lieferten, doch erreicht keine dieser Butterproben die Refraktion
von 53 Skalentheilen.
Ein Parallelismus zwischen der Refraktion
und Reichert-Meissl’scher Zahl wurde auch von uns
H. Beckurts: Ueber Fettuntersuchungen. 427
nicht beobachtet. Zwanzig von uns auf dem Markt zu verschiedenen
Zeiten aufgekaufte Butterproben ergaben in dieser Beziehung die
folgenden Werte:
No. Refraktometerzahl Reichert-Meissl'sche
bei 250 C. Zahl
1 48.1 27
2 48.8 30.86
3 49.8 31.8
4 49.9 30.42
5 49.8 30.25
6 49.9 29.59
7 49.8 29.48
8 49.6 30.26
9 49.6 28.60
10 50.0 30.36
1l 50 30,8
12 50,3 31,2
13 51 26,0
14 3155 27,0
15 50,1 29,3
16 50 29,4
17 532.7 31,79
18 52,8 31,85
19 52,6 24,0
20 53,0 31,6
Die Refraction für Olivenöl wurde bei 25% C. zu 620 ge-
funden. Die zur Verfälschung des Olivenöls dienenden Oele zeigten
alle eine höhere Refraction, so dafs durch Zusatz solcher zu
Olivenöl die Refraction erhöht wird.
Es betrug die Rerraction bei 250 C.
für SERBEABES. alt, So. 0000008
„Baumwollssmenöh .,.. .. : .-.„.. 648
„ (Brdamlinaben. -ı8 -ernermun. v2
an. VERNEREUE ORT ER PT. ES EEE NEBEN SEITEN ESG
„. Aprikasenkernölly 3X. 20412707 21656
„’ PersphErraas ar Be. 20802
su: Mir a a ee: Soda Bar
„ Sonnenblamenskmmt in, 1, 8 722
Die bei Untersuchung des Olivenöls und einiger seiner
Verfälschungen beobachtete Ablenkung und gefundenen Jodzahlen
428 H. Beckurts: Ueber Fettuntersuchungen.
zeigen einen gewissen Parallelismus der Refraction mit dem
Jodadditionsvermögen, indem die Refraction mit dem
Jodadditionsvermögen steigt. Es wurden gefunden:
Refraktion b. 250 C. Jodzahl.
1: OBTEBSIN ET IB 83
2. Mandel" 7. „=. "7648 98
3. Pfirsichkernöl . . . 66.1 99.5
4. Aprikosenkernöl . . 65.6 100.1
5: Branulsole 2... P= 1 669 101
6. Baumwollesamenöl . 67,8 103
VRESCHEN te re ne 106
8-Mahräl 25: 2 #22 92 133
9. Sonnenblumensamenöl 72.2 134
Analog verhielten sich einige feste Fette, es wurden nämlich
gefunden:
Refraction b. 40° C. Jodzahl.
ISKokonoler. 7.2207 78335 9
2. Palmkernöl”. . .. . 365 12.3
3:3Butterge Em. u... 408 33
4 Tale E Bean: 2 38
5. Schweinefett . . . 50 53
6. Margarine . . . . 504 59
Giebt somit die Refraction in alle den untersuchten Fetten gleich
der Jodzahl als ein Maas für den Gehalt an ungesättigten Fettsäuren
ab, so trifft dies bei einem anderen Fette, dem Hirschtalg nicht
zu, welcher fast das gleiche Refractionsvermögen, wie Rinder- und
Hammeltalg zeigt, aber nur eine Jodzahl besitzt, welche halb so grols
ist, wie diejenige des Rinder- und Hammeltalgs.
Die Verwendbarkeit des Refractometers für Butter, Schmalz
und Olivenöl steht für viele Fälle, peinlichste Berücksichtigung der
Temperatur vorausgesetzt, aulser allem Zweifel. Abschliefsende
Urteile über die Grenzen der Verwendbarkeit können aber erst auf
Grund weiterer Untersuchungen, über welche demnächst berichtet
werden soll, gefällt werden.
H. Beckurts: Zur Kenntnis des Hirschtalgs. 429
Zur Kenntnis des Hirschtalgs.
Von H. Beckurts und F. Oelze.
(Eingegaugen den 13. VI. 1895.)
Vor kurzem hatten wir Gelegenheit, echtes Hirschtalg, welches
uns durch die Herren Dr. Weppen und Lüders in Blanken-
burg a. H. zugestellt war, zu untersuchen. Es wurde dabei ge-
funden, dafs Hirschtalg von dem Rinder- und Hammeltalg
in einigen seiner Eigenschaften wesentliche Verschiedenheiten zeigt,
auf die bisher noch nicht aufmerksam gemacht ist.
Zunächst liegen die Schmelzpunkte und Erstarrungs-
punkte des Fettes und der Fettsäuren höher als bei Rinder- und
Hammeltalg.
Während nämlich Rindertalg nach unseren Untersuchungen
bei 43 —44,50 schmilzt, bei 37% erstarrt, Hammeltalg bei 44 bis
45,50 schmilzt und bei 32—36° erstarrt, liegt der Schmelzpunkt des
Hirschtalges bei 49—49,5°, der Erstarrungspunkt bei 48°.
Die aus dem Rindertalg abgeschiedenen Fettsäuren
schmelzen nach unseren Beobachtungen bei 44,5—46°, diejenigen
des Hammeltalgs bei 45—470, während die aus dem Hirschtalg ab-
geschiedenen Fettsäuren erst bei 49,50 schmelzen.
Der wesentlichste Unterschied liegt aber in der Höhe der
Jodzahl.
Die Jodzahl wurde für Rindertalg zu 40 (Hübl), 43,3
bis 44 (Wilson), 35,4 —36,4 (Filsinger), 35,6—38,9 (Dieterich) er-
mittelt, und fürrHammeltalg auf 45,2—-46,2 (Wilson), 34,8—37,7
(Dieterich), 32,7 (Thörner) festgestellt.
Wir fanden nach zahlreichen Untersuchungen die Jodzahl für
Rindertalg im Durchschnitt = 38, diejenige des Hammeltalgs = 36.
Auffallender Weise aber für Hirschtalg erheblich niedriger,
nämlich zu
7 Lu. HEN V. VI.
19,8 20,7 20,57 20,8 21,0° 20,73
Es ist dies ein Umstand, auf welchen hingewiesen zu werden
verdient, und der durch Untersuchung der Fettsäuren des Hirsch-
talges noch aufgeklärt werden soll.
430 Dr. P. C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin.
Im Zeiss’schen Refraktometer wurde zwischen den
drei Talgsorten nur ein geringfügiger Unterschied bemerkt. Der
Brechungsexponent betrug bei 40° für Rindertalg 45, für Hammel-
talg 46 und für Hirschtalg 44,5 Skalenteille.e Es ist dies um so
bemerkenswerter, weil nach Hefelmann *) ein Parallelismus
zwischen Refraktion und Jodadditionsvermögen vorhanden ist, so
dals wie die Hübl’sche Jodzahl auch die Refraktion der Fette ein
Mafs für den Gehalt an ungesättigten Fettsäuren abgeben kann.
Dies trifft nach unseren Untersuchungen an den Talgsorten nicht zu,
welche bei annähernd gleicher Refraktion ein sehr verschiedenes
Jodadditionsvermögen besitzen.
Untersuchungen aus dem pharmaceutischen
Laboratorium der Reichsuniversität zu Gröningen.
Ueber das Vorkommen
von Cytisin in verschiedenen Papilionaceae.
Von Dr. P. C. Plugge.
(Eingegangen den 19. Juni 1895).
Untersuchungen der letzten Zeit haben gelehrt, dafs das Oytisin,
aulser im Goldregen und in vielen anderen Arten des Geschlechtes
Cytisus auch in einigen Arten der Geschlechter Genısia, Ulex,
Sophora und Baptisia vorkommt. Es schien mir in mehr als einer
Hinsicht interessant, die Untersuchung nach dem Vorkommen und
der Verbreitung dieses Alkaloids in der Familie der Papilionaceae
fortzusetzen. Von pharmacologischem und toxikologischem Interesse
ist eine derartige Untersuchung, weil sie Licht verbreitet über die
Ursache des einigen noch wenig bekannten Papilionaceae zuerkannten
bedeutenden pharmacodynamischen Wertes resp. giftiger Wirkung.
Wahrscheinlich ist sie auch in botanischer Hinsicht einigermalsen
von Interesse. Wenn wir nämlich in Betracht ziehen, dafs, abgesehen
von verschiedenen Ausnahmen, bestimmte Pflanzenstoffe, wie Alka-
loide, Glukoside, ätherische Oele, Harze u. s. w., namentlich oder
*) Pharm. Centralh. 1894, 467.
Dr. P. C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin. 431
sogar ausschlie(slich in Pflanzen einer bestimmten Familie sich vor-
finden,’ fist es nicht zu leugnen, dafs bei Pflanzen mit überein-
stimmenden morphologischen Kennzeichen auch bestimmte physiolo-
gische Beziehungen vorhanden sind, oder dafs zwischen der Form
der, !Pflanzen, welche ihre systematische Stellung oder Einteilung
bestimmte, und dem Chemismus derselben irgend welcher Zusammen-
hang bestehen muls.
Dem Botaniker müssen wir es überlassen, auszumachen, ob
innigerer morphologischer Verband nachweislich sei zwischen den
Andromedotoxin-haltigen Ericaceae, wie: Andromeda, Ca/sandra,
Aszalea, Rhododendron, Kalmia und Pieris einerseits und den Andro-
medotoxin-freien Geschlechtern wie: Zrica, Calluna, Arbutus, Ledum,
Gaultheria, Chimaphila und Clethra andererseits, ihm müssen wir die
Antwort auf die Frage überlassen, ob die Ausnahme, welche das
Andromedotoxin-freie Rhododendron hirsictum unter allen übrigen
Andromedotoxin-haltigen Species dieses Geschlechtes macht, auch
begleitet ist von bestimmten morphologischen oder anatomischen
Abweichungen. So entsteht hier auch die Frage, stehen die vor-
genannten Geschlechter der Papilionaceae, worin Cytisin gefunden
ist, auch in systematischer Hinsicht sich nicht näher, als man blofs
auf Grund morphologischer Kennzeichen angenommen hat? Mufs die
Baptısia tinctoria R. Br. nicht mit grölserem Recht mit ihrem früheren
Namen Sophora tinctoria L. bezeichnet werden? Weicht die gift-
freie, glukosidbildende Sophora japonica Dec. (Styphnolobium) nicht
mehr ab von den cytisinbildenden Arten, wie Sophora lomentosa
S. speciosa ete., als diese untereinander und von den Baptısıa’s
verschieden sind ?
Die Thatsache, dafs die 7empletonia glauca Sims sehr giftig
ist, während die 7empletonia retusa R. Br. (syn. Rafnia Vent.) fast
nicht giftig ist, dafs weiter die Sophora japonıca vollkommen un-
schuldig ist, während die Sophora secundiflora Lagasca (Vırgılia
secundiflora Cav.) staık giftig wirkt, hat auch schon Cornevin:)
zur Frage veranlafst: „pourquoi cette difference de venosite entre
deux especes aussi voisines?“ Cornevin beantwortet diese Frage
mit den Worten: „Je ne saurais, pour mon compte, apporter le
1) L. Henry. Revue borticole Paris 1893. 402.
432 Dr. P. C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin.
moindre element & la solution de ce probleme, mais il m’a paru in-
teressant de la signaler & l’attention des chercheurs.“
In der That ist die Antwort auf derartige Fragen, bei dem
noch so mangelhaften Zustand unserer Kenntnis des Chemismus in
der Pflanze, höchst schwer oder selbst noch unmöglich, doch es will
mich bedünken, dals diese Fragen sich uns stets mehr aufnötigen
und dafs die Untersuchung nach der Verbreitung charakteristischer
chemischer Pflanzenbestandteile innerhalb einer bestimmten Pflanzen-
familie eins der Mittel ist, zu einer eventuellen Beantwortung der-
artiger Fragen kommen zu können.
Diese Erwägung war einer der Gründe, infolge welcher ich
mich zu einer fortgesetzten Untersuchung der Verbreitung des Cytisins
in der Familie der Papilionaceae entschlofs. Bis jetzt wurden fol-
gende Pflanzen untersucht:
I® Sophora speciosa. Benth.
Die Untersuchung dieser in Texas und Mexico vorkom-
menden Giftpflanze, deren schön rote Samen unter dem Namen
„poison beans“ bekannt sind, interessierte mich besonders, weil
Wood gerade aus diesen Samen das Alkaloid bereitete, das er mit dem
Namen Sophorin bezeichnete. Ich hatte nämlich bei einer früher
mitgeteilten Untersuchung 1) der Samen von Sophora tomentosa L.
gefunden, dafs diese Cytisin enthalten und, einstweilen annehmend,
dals Sophora lomentosa und Sophora speciosa dasselbe Alkaloid,
Wood’s Sophorin, enthalten sollten, kam ich zum Urteil, dafs „S o-
phorin und Cytisinindentisch sind.“
Obgleich für diese vorausgesetzte Aehnlichkeit der Basen sehr
viele Gründe anzuführen waren, so konnte dennoch das vorhin er
wähnte Urteil erst dann als vollkommen berechtigt betrachtet werden,
wenn nachgewiesen war, dafs auch das Alkaloid von Sophora spe-
ciosa in der That Cytisin ist.
Durch di6 freundliche Vermittlung der Herren Parke, Da-
vis& Co. zu Detroit, Mich. U. S., denen ich dafür meinen
herzlichen Dank abstatte, empfing ich eine geringe Quantität Samen
von Sophora speciosa. Auf die früher, bei Sophorin, erwähnte Weise,
nämlich durch Ausziehung einer Mischung des Pulvers der Samen
1) P.C. Plugge. Archiv der Pharm. 1884. 444,
Dr. P. C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin. 433
und frisch gelöschten Kalks in einem Soxhlet’schen Apparat mit
Chloroform, isolierte ich die giftige Basis,
Sowohl aus der chemischen, als auch der toxikologischen Unter-
suchung, welche ich zur Vermeidung von Wiederholungen hier nicht
näher beschreiben werde, ergab sich, dals auch diese Basis Cytisin
ist und deshalb das Urteil: „Sophorin und Cytisin sind
identisch“ vollkommen berechtigt ist.
Die quantitative Bestimmung des Alkaloidgehaltes zeigte, dafs
diese Samen 3,23 pCt. Cytisin enthalten. Dieser hohe Cytisingehalt
erklärt denn auch die grolse Giftigkeit dieser Pflanzen.
Dujardin-Beaumetz und Egalse!) erwähnen, dafs
eine halbe Bohne Delirien und darnach tiefen Schlaf verursucht, und
dafs eine einzige Bohne genügen würde, einen Menschen zu töten.
Eine einzige Bohne enthält 26,97 Mgrm. Cytisin, wie aus dem ge-
fundenen Prozentgehalt Cytisin = 3,23 und dem durchschnittlichen
Gewicht einer Bohne oder eines Samens = 0,835 g. berechnet
werden kann.
Da die Wirkung des Jnfus der Samen und die desCyti-
sins völlig mit einander übereinstimmen, ist das Vorkommen eines
zweiten Giftes in den Samen von Sophora speciosa nicht wahrscheinlich.
20 Sophora secundiflora Lagasca (Virgilia secundıflora Cad.)
Von dieser Pflanze gab The pharmacentical Journal
1892/93, P. 264 folgende, dem Kew Bulletin LXIX, 216 ent-
nommene Beschreibung: „The Sophora secundiflora is a
small tree or shrub of Matagorda Bay, Texas and forms dense thik-
kets on the borders of streams. Its wood is heavy, hard, close-
grained, and of an orange colour, streaked with red. The leaves and
seeds are said so produce tetanus in animals eating them, and a
whole pod to be sufficient to killa man. The seeds which are
stated to contain an exceedingly poisonous alkaloid, sophorin, are
used by Indians in the neighbourhood of San Antonio to pro-
duce intoxication, half a seed producing exhilaration, which is folle-
wed by sleep lasting two or three days.“
l) Dujardin-Beaumetz und Egalse. Lesplantes medi-
einales. P. 678.
434 Dr. P.C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin.
Eins bedeutende Quantität der Samen dieser Pflanze verdanke
ich wiederum dem Wohlwollen der Herren Parke, Davisund Co.
Die Trennung und die Untersuchung des Alkaloids geschahen auf
die schon beschriebene Weise; dieselben bewiesen, dals auch dieses
Alkaloid Cytisin ist. Die quantitative Bestimmung lehrte, dafs
diese Samen 3,47 pCt. Cytisin enthalten, bezüglich bei einem durch-
schnittlichen Gewicht von 0,795 für einen Samen, 27,58 Mgrm. pro
Samen, der an Farbe und äufserer Erscheinung dem der Sophora
speciosa vollkommen gleicht.
Ob die zwei hier erwähnten Species in der That verschiedene
Arten sind, oder ob unter S. specrosa und S. secundiflora ein und
dieselbe Pflanze verstanden werden mufs, scheint mir nicht fest aus-
gemacht. Von einer Identität dieser zwei Arten zeugen u. a. die
vollkommen übereinstimmenden Angaben über die Gegend, wo sie
wächst, den Habitus der Pflanze und die Giftigkeit der Samen, die,
wie wir schon bemerkten, auch an Farbe, Form und Gröfse gänz-
lich gleich sind. Auch hinsichtlich des feineren Baus stimmen diese
Samen, wie mein Kollege Prof. Moll so freundlich war zu kon-
statieren, vollständig überein. Da Prof. Moll von beiden Samen-
arten einige aussäen liels, werden wir später wahrscheinlich die
Gelegenheit haben, diese botanische Frage näher zu beleuchten.
30 Sophora Japonica De. (Styphnolobium).
Diese Pflanze, deren Blätter nach einigen Angaben pur-
gierend wirken, und die nach Dr. Greshoffs „Eerste Ver-
slag P. 27“, in ihrer Heimat wider Kolik und Diarrhoea angewandt
wird, ist als nicht giftig bekannt.
Ihre Blumen enthalten einen gelben Farbstoff: mai-fa der
Chinesen. P. Foerster (Ber. 1882 P. 214) hat aus dieser Pflanze
ein Glukosid erhalten, dem er den Namen Sophorin gab, und das
sich bei Behandlung mit verdünnter Schwefelsäure in 57,56 Pzt.
Isoduleit und 46,84 Pzt. Sophoretin spaltet. _ Letztge-
nannter Stoff zeigt grolse Aehnlichkeit mit Quercetin, dennoch
ist er damit, nach Foerster, nicht identisch, wie mit Unrecht
von Stein (Journ. f. prakt. Chemie 58, 399; 85, 351; 88, 280)
behauptet worden ist.
Dr. P. C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin. 435
Wie wir schon früher mitteilten, erwies sich, dafs die Samen
dieser Pflanze kein Cytisin enthielten.
Nunder Name Sophorin für das Alkaloid von Wood weg-
fällt, kann also der Name für das Glukosid von Foerster er-
halten bleiben.t)
40 Sophora japonıca pendula.
Die Samen dieser Pflanze lieferten uns kein Cytisin.
50 Sophora affınıs.
Es zeigte sich, dafs diese, ebenso wie die vorige, cytisinfreie,
Samen enthielt.
6. Sophora tomentosa.
Die Untersuchung dieser Pflanze, die 2,065 Pzt. Cytisin in
ihrem Samen enthielt, haben wir schon ausführlich beschrieben.
Euchresta Horsfieldii Benn.
Ueber diese zu den Leguminosae-Paptlionaceae, tribus Dal-
bergicae gehörige Pflanze, und besonders über ihre schwarzen, ein-
samigen Früchte, werden viele Einzelheiten von Dr. W.G.Boorsma
in seinem neulich erschienenen: „Eerste resultaten van
hetonderzoek naar deplantenstoffen van Neder-
landsch-Indie.Batavia’s Gravenhage 1894.“ mitgeteilt
Nach seiner Beschreibung besitzt man in diesen Früchten das hoch-
gerühmte javanische Heilmittel, dem die Eingeborenen den Namen
„Pränädjiwä“ d. bh. Trost der Seele gegeben haben,
einen Namen, mit dem man aber auch die zur Familie der
Sterculiaceen gehörigen Sterculia Javanıca R. Br. bezeichnet.
Schon vor einiger Jahren wurde mir von einem aus Ost-Indien
zurückgekehrten Offizier eine Quantität — der Angabe nach von.
Euchresta Horsfieldii herkom mende — Samen zugeschickt, mit der
Bitte, dieses unfehlbare Mittel gegen Phthisis zu untersuchen.
Meine Untersuchung wies nach, dafs die Samen keine Alkaloid oder
1) Nach neueren Untersuchungen von Ed. Schunck (Journ.
chem. Fol. 1095, 1. 30—32) ist das GlucosidvonSophora Japonica,
entgegen der Annahme Foersters, identisch mit den Rutin, dem
Glucosid der Gartenraute. (Ber. 1895 Ref. 302).
Der Name Sophorin kann also auch für das Glueosid weg-
fallen.
436 Dr. P.C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin.
Glukosid enthielten, dafs sie so ziemlich geschmacklos waren
und bei Versuchen an Tieren nicht die geringste Wirkung hervor-
brachten. Ich antwortete dem Absender denn auch, dafs diese
Samen vielleicht nach Art der Ervalenta oder Revalenta einige Be-
deutung haben könnten, dafs die Untersuchung aber keinen einzigen
Beweis für die angeblich heilkräftige Wirkung ermittelt habe.
Die heute erschienene Mitteilung von Dr. Boorsma macht
es nun höchst wahrscheinlich, dafs wir damals die unechten
Pränädjiwä, die Samen der Sterculia javanıca zugeschickt
worden sind. Jedenfalls stimmten sie nicht überein mit den mir
jetzt von Boorsma zugeschickten echten Pränädjiwä, den
Samen von Zuchiesta Horsfeldii.
Letzterwähnte Samen, die einen bittern Geschmack haben, enthalten
nach Boorsmamehrals 1,5 Pzt. Alkaloid, das er aus den von Fett
befreitenSamendurch Ausziehung mit Spiritus Aufnahme des spirituosen
Extrakts mit Wasser, Reinigung mit basischem Bleiacetat u. s. w., und
schliefslichem Ausschütteln mit Chloroform isolierte. Die Beschreibung,
welche Boorsma von diesem Euchresta-Alkaloid gab, lautet wie
folgt: „Das Alkaloid ist in Wasser leicht löslich zu einer alkalischen
Flüssigkeit. Der Geschmack ist widerlich bitter. Mit starken Säuren
erhält man keine spezifischen Reaktionen; Salpetersäure: schwach
gelb, Schwefelsäure und Salzsäure: schwach rotgelb, Schwefelsäure
mit Kaliumbichromat oder mit molybd. Ammon.: nichts besonderes.“
Weiter erwähnt er noch das Verhalten dieser Basis gegenüber all-
gemeinen Alkaloidreagentien, nebst einigen wenigen Versuchen an
Kröten und Hühnern. Elementar-Analysen und Bestimmungen des
Molekulargewichts wurden nicht ausgeführt, sodals die Art und Zu-
sammensetzung dieses Alkaloids, dem der Verfasser denn auch keinen
besonderen Namen gab, im Dunkeln blieben. Ein Teil dieses Alka-
loids wurde mir von Dr. Boorsma zum Studium seiner physiolo-
gischen Wirkung zugeschickt. Er bestand aus (11,62 g) einer grün-
braun gefärbten alkoholischen Lösung, worin nach der Angabe ca.
4 g Alkaloid enthalten war. Mit dieser Flüssigkeit führte ich fol-
gende Untersuchung aus:
1%. Durch Eindunstung und Erhitzung des trockenen Restes
fand vollkommene Verbrennung statt: die Flüssigkeit enthielt des-
halb keine anorganischen, unverbrennbaren Stoffe.
Dr. P. C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin. 437
2°, Ein wenig von der alkoholischen Lösung färbte, nach
Verdünnung mit Wasser, Lackmus blau, liefs aber die Phenolphtalein-
lösung unverändert (Kennzeichen von Alkaloiden).
30, In verschiedenen Uhrgläsern wurden kleine Quantitäten
der alkoholischen Flüssigkeit mit ein wenig Säure gemischt (HNO®,
H? SO#, C2 H* O? oder H Cl und dann in einen Exsicator gesetzt.
Bald zeigten sich schöne Krystallbündel eines Nitrats, feine Nadeln
von Acetat und Salzsäureverbindung, während die mit Schwefelsäure
vermischte Lösung amorph blieb.
4%. Durch Vermischung der alkoholischen Flüssigkeit mit
Chloroform präzipitierte sich allmälich ein wenig von einer weilsen
krystallinischen Masse, jedoch zu wenig für eine nähere Unter-
suchung.
5%, Die Flüssigkeit, welche von dem sub 4° erwähnten Stoff
durch Filtration befreit worden war, wurde nun auf dem Wasserbad
verdunstet, der Rest wiederum in stark sauer gemachtem Wasser
aufgenommen, durch Natronlauge alkalisch gemacht und nun mit
Chloroform ausgeschüttelt. Mit dem Verdunstungsrückstande der so
erhaltenen Lösung in Chloroform wurden folgende Versuche angestellt:
a. konzent. Schwefelsäure färbt einen Rest schwach gelb.
b. 5 ® und Kaliumbichromat:
nichts Besonderes.
c. ” - e molybd. Ammon: nichts
Besonderes.
d. = ® Er vanadins Ammon.
nichts Besonderes.
e. x a R Ceriumoxydul: färbt
einen Rest vorübergehend
schwach pfirsichblüterot.
f. 3 E x Kaliumpermanganat
giebt eine schön violettrote
Farbe, die allmählich mehr
violett bis blau wird.
g- ri » - Ba (U H)2, KC103, K$ Fe?
Cy!2, Rohbrzucker oder
Furfurol geben nichts.
h. Die Lösung in sauergemachtem Wasser wird präzipitiert durch die
allgemeinen Alkaloid-Reagentien Jodjodkalium, Jodkalium-
Jodquecksilber, Jodkalium-Jodwismut,Phosphor
molybdänsäure, Phosphorwolframsäure u.s. w.
438 Dr. P.C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin.
i. Dittmar’s Reagens (Chlorjod) präzipitierte diese Lösung nicht.
J- Konzent. Salpetersäure färbt einen Rest schwach gelb.
k. Eisenchloridlösung färbt einen Rest blutrot.
l. van de Moers Reagens (Fe? C1# + H?O? und danach NH3 und
verdünnt H? SO%) gab mit diesem Euchresta-Alkaloid vollkommen
gleichen Farbenwechsel, wie mit Cytisin.
Die Löslichkeit des Alkaloids in Wasser, demzufolge die Nicht-
fällbarkeit durch Alkalien, das negative Verhalten gegen Ditt-
mar’s Reagens, die Rotfärbung mit Eisenchlorid und vor Allem
das Verhalten gegen v.d. Moers’schen Reagens, deuten darauf,
dafs das Euchresta-Alkaloid Cytisin ist.
Wenn dies wirklich der Fall war, so mulste aber auch
das Alkaloid des Goldregens — was früher nicht probiert war —
mit konzent. Schwefelsäure und Kaliumpermanga-
nat die oben beschriebene Farbereaktion geben. Bei Wieder-
holung dieses Versuchs mit reinem Cytisin zeigte sich, dals dies in
der That der Fall war, so dafs wir durch die Untersuchung des
Euchresta-Alkaloids nun auch eine neue Reaktion auf Oytisin ge-
funden hatten.
m. Einige Versuche an Fröschen (Rana temporaria) lieterten
Resultate, welche vollkommen übereinstimmten mit denen, welche wir
bei Cytisin wahrgenommen hatten.
Nachdem durch diese qualitativen chemischen und physiologischen
Versuche mit grofser Wahrscheinlichkeit ermittelt war, dafs das
Euchresta-Alkaloid Cytisin ist, werden jetzt auch einige quantitative
Bestimmungen ausgeführt. Dazu wurde ein Teil der Lösung in
Chloroform verdunstet, der Rest in Wasser, das durch Salzsäure
sauer gemacht war, aufgenommen, die so erhaltene schwach saure
Lösung in zwei Teile (I und II) geteilt und (IT) mit Goldchlorid und
(II) Platinchlorid präzipitiert. Die so erhaltenen Gold- und Platin-
doppelverbindungen wurden zu constantem Gewicht getrocknet und
dann darin durch Verbrennung einer abgewogenen Quantität, der Gold-
resp. Platingehalt bestimmt. Dabei erzielte ich folgende Resultate:
I. Goldbestimmung.
a. 0.250 g Golddoppelverbindung lieferte 0.091 g oder 36.40 Pzt. Au.
BEUABSEZ" ", A c L 0.129 „ „’ SI@u ZUR
während die Berechnung fordert für:
CU H“UN2O. HAuCc# 37.11 „ „
Dr. P. C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin. 439
I. Platinbestimmung.
0.140 g Platindoppelverbindung lieferte 0.026 g oder 25.00 Pzt. Pt.
während die Berechnung fordert für:
(CH! H14 N2 O)2H2Pr Cl6 24.64 „ „
Auch die quantitativen Bestimmungen deuten entschieden auf
Cytisin hin, und wir stehen daher auch auf Grund dieser Unter-
suchungen nicht an, zu folgern, dafs das Alkaloid der Samen
von Euchresta Horsfieldii Benn. Cytisin ist.
Auf Grund der vorerwähnten Untersuchungen in Verbindung
mit andern, hat sich bezüglich des Vorkommens von Cytisin in der
Familie der Papilionaceae Folgendes herausgestellt.
A. Cytisinhaltig sind:
1. Cytisus LaburnumZL(Laburnum vulgare Grisebach),
nachgewiesen von Husemann & Marm&,
2. Cytisusalpinus Mill, 3. C.supinus Jacq., nachgewiesen
von Husemann & Marm&,
4. Cytisuselongatus W.u. K,5.C. Weldinii Vis, nach-
gewiesen von Husemann & Marme&,
6. Cytisus sessifoliusL,., 7.C. hirsutus ZL., nachgewiesen
von Husemann & Marme,
8 CytisusbiflorusL'her., 9. C. Alschingeri Vis, nachge-
wiesen von Cornevin,
10. CytisusnigricansL,11l. C.proliferus ZL.fil., nachge-
wiesen von Cornevin,
12. Cytisus Adami Poit., 13. C. ratisbonensis 3 minor
Schäf. nachgewiesen von Radziwillowicz,
14. Cytisus ratisbonensis Schäf. 15 C. polytrichus
M. B., nachgewiesen von Radziwillowicz,
16. Genistaracemosus Marnoch, 14.G. ramosissimus Ten, nach-
gewiesen von van de Moer,
18. Genista Spicatusl), nachgewiesen von van de Moer,
19. Ulexeuropaeus_L. (Ulexin von Gerrard), nachge-
wiesen von van de Moer, Partheil,
20. Sophora speciosa (Sophorin von Wood), nachge-
wiesen von Plugge,
21. Sophoratomentosa,22.S.secundiflora Lagasca, nach-
gewiesen von Plugge,
23. Baptisia tinctoria R. Br. (Baptitoxin von
v.Schroeder), nachgewiesen von Plugge,
1, Die unter 16, 17 und 18 erwähnten Genista's werden auch
wohl als Cytisus species erwähnt.
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 6. Heft. 29
440 Dr. P. C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin.
N)
rm
Baptisia australis, nachgewiesen von Plugge,
EuchrestaHorsfieldii Benn., nachgewiesen von Plugge.
ID
er
B. Als Cytisinfreierwiesen sich:
1. Cytisus nigricans!), nachgewiesen von Husemann&
Marme6,
Cytisussessilifolius_L,3.C.argenteus L. nachge-
wiesen von Cornevin,
Cytisus capitatus Jacq,, nachgewiesen von Cornevin,
4. Genistatinctoria L,5. G. pilosa L., nachgewiesen von
vandeMoer,
6. Genistaanglical.,7.G.germanica, nachgewiesen von
vandeMoer,
8 SophorajaponicaDec,9. S.japonicapendula, nach-
gewiesen von Plugge,
9. Sophora affinis, nachgewiesen von Plugge.
I)
=
Aus dem Mitgeteilten erhellt, dafs das Cytisin in vielen Pflanzen
der Familie der Papilionaceae vorkommt. Namentlich das Faktum,
dafs unter diesen Pflanzen einige vorkommen, die entweder in Nord-
Amerika oder in Ost-Indien zu den wertvollsten Heilmitteln gerechnet
werden, machte es unseres Erachtens erwünscht, die Aufmerksamkeit
der Therapeuten auf das Oytisin zu lenken.
Von der Sophora, dem „Pharmacum magnum“ sagt Dr.
Greshoffin seinem mehr genannten „Eerste Verslag“: „Es giebt
wenig indische Pflanzen, die als Arzneimittel sich einer so grolsen
Berühmtheit erfreut haben als die Sophora.“
Dals die Zuchresta Horsfieldi Benn, die „Pränädjiwa“ oder
„Trost der Seele“ nicht weniger hoch geschätzt sind, als die vorige
Pflanze, kann man aus den „Mededeelingen“ von Dr. Boorsma
erfahren. Dafs endlich die Baptısıa tincloria R. Br. noch in ver-
schiedenen Formen in Amerika Anwendung findet, habe ich schon in
einer vorigen Mitteilung erwähnt.
Da nun einige der angeblichen therapeutischen Effekte dieser
Pflanzen sehr wohl übereinstimmen mit den erzielten Resultaten der
physiologischen Untersuchung über Cytisin, ist es meines Erachtens
auch empfehlenswert, dieses nun leicht zu erhaltende Alkaloid noch
einmal einer genauen therapeutischen Untersuchung zu unterwerfen.
Den de Moer ermittelte in Uebereinstimmung mit
Cornevin, also abweichend von Husemann & Marme, Cytisin
in Oytisus nigricans.
Dr. P. C. Plugge: Ueber Matrin. 441
Wir beabsichtigen die Untersuchung über das Vorkommen und
die Verbreitung von Cytisin in giftigen Papilionaceen fortzusetzen.
Diejenigen, welche uns möglicherweise dazu (wenigstens 10 Gramm)
Samen noch nicht untersuchter Papilionaceen zusenden können, würden
uns dadurch zu besonderm Dank verpflichten.
Matrin, das Alkaloid von Sophora angustifolia.
Von Dr. P. C. Plugge.
(Eingegangen den 6. VII. 1895.)
Im Verfolg meiner vorigen Mitteilung über verschiedene Sophora-
species möchte ich hier noch etwas über Sophora angustifohla mit-
teilen.
Die sehr bitter schmeckende Wurzel dieser Pflanze, welche
in Chiva unter den Namen Kusham oder Kuisiu, in Japan
unter den von Maiari bekannt ist, wird in den genannten Ländern
als Heilmittel gebraucht.
Zutolge einer kurzen Mitteilung vonDujardin-Beaumetz
und E gasse wurde die Wurzel schon von Petit untersucht, der
nach seiner Behauptung darin ein neues Alkaloid nachwies, mit
welchem aber von ihm nicht weiter experimentiert ist. Um zu unter-
suchen, ob das Alkaloid auch Sophorin (Cytisin) sein könnte,
bemühte ich mich, die Wurzel oder auch den Samen aus Japan zu
erhalten. Gerade als ich meine vorige Mitteilung über das Vor-
kommen von Cytisin in verschiedenen Papilionaceen an die Redaktion
dieses Archivs gesandt hatte, empfing ich Bericht aus Japan, dals
dort Prof. Nagai sich mit der Untersuchung dieser Wurzel be-
schäftigt und ein Alkaloid daraus abgeschieden hätte, welchem er
den Namen: Matrin gab.
Prof. Nagai hatte die grofse Freundlichkeit, wofür ich ihm
meinen herzlichen Dank abstatte, mir ein wenig von dem gut
krystallisierten Alkaloid, zusammen mit einer japanisch gedruckten
Abhandlung über die Pflanzenbasis zuzusenden. Zu meinem grolsen
Bedauern mufs der Inhalt dieser japanischen Abhandlung zum
grölsten Teil ein Geheimnis für mich bleiben. Nur die zwischen
dem Text vorkommenden Formeln konnten mich belehren, dafs das
29*
442 Dr. P.C. Plugge: Ueber Matrin.
durch Prof. Nagai mit dem Namen Matrin bezeichnete Alkaloid
bestimmt verschieden ist von dem Sophorin (Cytisin. NachNagai
ist Matrin eine bei + 800 ©. schmelzende Basis von der Zusammen-
setzung : O4; H3, Nz0 = 248, deren Gold- und Platindoppelverbindungen,
gemäls der gelieferten Menge Au (33,39 Proz.) und Pt (29,85 Proz.)
die folgende Zusammensetzungen haben: Cj; Hs, NsO,H AuCl, und
C,; Hz, Ns0 , H, Pt C1e. %)
Obgleich aus diesen und mehreren anderen Formeln in der
Brochüre von Nagai schon deutlich hervorging, dafs Matrin
und Cytisin von einander verschieden sind, habe ich doch das
mir zugeschickte Matrin für einige vorläufige Versuche benutzt, wo-
durch die Uebereinstimmung oder Verschiedenheit auch in den
Eigenschaften und in der Wirkung dieses Alkaloids und des Oytisins
konnte bewiesen werden. Ich fand dabei folgendes:
Matrin ist leicht löslich in Wasser, zu einer alkalisch reagieren-
den Solution, welche die Polarisationsebene nach rechts dreht.
Die durch Salzsäure sauer gemachte Lösung wird von den ver-
schiedenen allgemeinen Alkaloidreagentien und auch durch Brom-
wasser, Quecksilberchlorid, Goldchlorid und gelbes Blutlaugensalz,
zu vielfach schön krystallisierten Verbindungen präzipitiert.
Von den zwei letztgenannten Verbindungen wurden grölsere
Mengen bereitet, vollkommen abgewaschen, bei 110°C. zu konstantem
Gewichte getrocknet und danach zu quantitativen Bestimmungen ver-
wendet.
0,3312 g Golddoppelverbindung lieferte bei Verbrennung 0,1117 g
Rückstand, was auf einen Goldgehalt der Verbindung weist von
33,12 Proz.
Für die Formel: O,, Hs, N,O, H Au Cl, berechnen wir 33,44 Proz. Au.
Durch Verbrennen des ferrocyanwasserstoffsauren Matrins er-
hielten wir das folgende Resultat:
0,714 g lieferte 0,115 g oder 16,1 Proz. Eisenoxyd. Für die
Formel (C,; Hy, N50),H,FeCy;, berechnen wir 11,26 Proz. und für
[077 H;, N;0, H, Fe Oy 11:31 Proz. Fe O5.
1) Oyusin O4, H,4N50 = 190, hat ein Schmelzpunkt von 152 bis
1530 C., bildet eine Golddoppelverbindung Cy, H4N;0,H AuCl, mit
37.11 Proz. Au, und zwei Platindoppelverbindungen (C,, H,4 Na0), H, Pt Cl,
und C,, Hı4 NO, Hz Pt Cl, mit 24,64 resp. 32,44 Proz. Pt.
K. T. Hallström: Myristicaceen. 443
Aus der Lösung des Matrins in absolatem Alkohol wird durch
Salpetersäure kein Nitrat abgeschieden, wogegen ÖOytisin unter diesen
Umständen beinahe vollkommen präzipitiert wird.
Auch einige Versuche an Fröschen bewiesen, dafs die physio-
logischen Wirkungen des Matrins und Cytisins verschieden
sind, dafs in quantitativer Hinsicht, d. h. im Mafse der Giftigkeit,
Cytisin weit über dem Matrin steht.
Da Prof. Nagai die Güte hatte, mir mehr Material für eine
vollständigere physiologische Untersuchung zuzusagen, so werde ich
wahrscheinlich später darüber ausführlicher berichten.
Jetzt war nur der Zweck dieser Untersuchung, festzustellen, ob
Sophora angustifolia, ebenso wie viele andere Sophora-Spezies,
Cytisin enthält. Der Beweis ist geliefert, dafs das Alkaloid aus der
Wurzel von Kusham eine andere Basis ist.
Arbeiten aus dem pharmazeutischen Institute der
Universität Bern.
Indische Fragmente
Mitgeteilt von A. Tschirch.
2. Vergleichend- anatomische Studien über
die Samen der NMyristicaceen und ihre Arillen.
Von K. Th. Hallström.
(Eingegangen am 3. Mai 1895.)
Schon seit langer Zeit ist der Muskatbaum als Heil- und Nutz-
pflanze bekannt. Unsicher ist, ob die Römer die Muskatnüsse und die
Macis kannten. Der mit Maecis ähnlich klingende Ausdruck Macin,
. den Plinius.d.Ä, in seiner „historia naturalis“ erwähnt, bezeichnet
„die dunkelgelbe oder rötliche stark riechende Rinde der grossen Wurzeln
eines gleichnamigen Baumes, ua'yns des Dioscorides; er findet sich noch
jetzt auf der Malabarküste und heilst dort „macre.“ VonMasu-
dis Zeiten an (900-957 n. Ch.) kannten die Araber die Heimat der
Muskatnu[ls und der Macis, welche erstgenannte als ein beliebtes
Räuchermittel gebraucht wurde; und in Mesue des Jüngeren
(gest.1057n.Ch.) Antidotarium medicaminum compositum
1) Beren des, Die Pharmacie bei den alten Kulturvölkern II S. 42
444 K. T. Hallström: Myristicaceen.
oder Grabaddin werden beide als Bestandteile der Electuarien er-
wähnt.!) — Am Ende des 12. und im Anfang des 13. Jahrhunderts
wendet man schon in Deutschland und im Norden die Muskatnüsse
zu pbarmaceutischen und kosmetischen Zwecken an. Doch erst nach
der Entdeckung des Seeweges nach Indien erhält man nähere Notizen
über den Muskatbaum. Die traurige Rolle, die derselbe wie auch der
Gewürznelkenbaum in den blutigen Grausamkeiten, den schreienden
Ungerechtigkeiten und dem Vandalismus, die die ostindische Handels-
compagnie an den Eingeborenen im 17. und 18. Jahrhundert aus-
übte, gespielt hat, sind allzu bekannt, um hier näher erwähnt zu werden.2)
Eigentlich erst von dieser Zeit an werden die Muskatnüsse und die
Macis geschätzte Handelsartikel und kommen immer mehr in Gebrauch,
sowohl als Arzneimittel als auch als Gewürze. Auch findet man sie
nunmehr regelmälsig in Kräuterbüchern dieser Zeit erwähnt.
Je nachdem die Kommunikationen zwischen Europa und Indien
lebhafter und die Nachfrage nach den Produkten des Orients grösser
wurden, musste selbstverständlich die Zufuhr von den nachgefragten
Waaren vermehrt werden, um dem Bedürfnis zu entsprechen. Aller
tyranischen Malsregeln ungeachtet, die den Muskatbaum wie auch
den Gewürznelkenbaum auf ein kleines Gebiet zu beschränken beab-
sichtigten, um eine strenge Kontrole zu Frommen des Monopolhandels
ausüben und die Ueberproduktion und das darauf folgende Fallen der
Preise verhindern zu können, sorgten einige Taubenarten, die die Ver-
bote ungestraft übertreten durften, für die Verbreitung der Samen. In
solcher Weise wurden die gewinngierigen Anstrengungen vernichtet
und neue Muskatbäume wuchsen auf Inseln auf, wo man schon glaubte
die Bäume ausgerottet zu haben.
Auch die strengste Ueberwachung konnte nicht das Ueberbringen
der Muskatbäume aus ihrer engbegrenzten Heimat, den Bandainseln
und den südlich gelegenen Ceram, Damme und Nila nach fernen
Ländern verhindern. So gelang es z. B. Poivre im Jahre 1769
die Muskatpflanze nach Mauritius und Bourbon?) und nach den Antillen
zu bringen, von wo sie sich nach Guyana) verbreitete. Während
der englischen Okkupation der Molucken im Jahre 1795 wurden siv
nach den englischen Besitzungen aufSumatra übergeführt. 1883 hatte man
Plantagen aulserhalb der Molucken auf Java, Sumatra, Malacca, Penang,
Singapore, Borneo und in Bengalen, dazunoch in Westindien, Guyana,
l) Berendes,a.a.O. II.S, 144. — Vergleiche auch Flückiger,
Pharmakognosie des Pflanzenreichs S. 137—140.
2) Vergl. Semler Tropische Agrikultur 1886, vanGorkom,
de ostindische Cultures 1884, Tschirch Indische Heil- und Nutz-
Pflanzen 1892.
3) Flückiger, Pharmakognosie S. 1040, 2 u. 3.
4) Tschirch, Indische Heil- und Nutzpflanzen S. 106.
K. T. Hallström: Myristicaceen. 445
S.O.-Afrika, Reunion, Brasilien und Birma.) Auf den nördlichen
Molucken, Ternate, Halmabeira und Batjan, wo der Muskatbaum noch
in wildem Zustande anzutreffen ist, werden die Früchte von wild-
wachsenden Bäumen gesammelt, sonst erhält man die Handels-
ware aus Plantagen, von welchen die auf den Bandainseln die besten
Produkte liefern. — Aulserhalb den Molucken ist die Muskatkultur
ohne grölsere Bedeutung.
In den ältesten Arbeiten, die über die Muskatnüsse
geschrieben sind, werden diese fast ausschlielslich aus dem
Gesichtspunkte des Handels erwähnt. Später aber, je mehr die
Muskatnuls nicht nur als Gewürz geschätzt wurde, sondern auch als
Droge eine weitere Verwendung fand, erschienen auch mehr oder weniger
ausführliche Beschreibungen, in denen diese aus botanischen Gesichts-
punkten betrachtet wurde, woueben alle ihre Eigenschaften und
Wirkungen als Heilmittel eine möglichst eingehende Darstellung
erfuhren.
Obgleich alle diese Notizen hauptsächlich die noch heute wichtigste
echte Muskatnul[s angehen, werden doch daneben auch andere Arten
erwähnt. Die unvollständige Kenntnis der Stammpflanzen der
verschiedenen Arten und ihrer Produkte verursachte schon früh
Schwierigkeiten und Verwechselungen beim Unterscheiden der echten
und unechten, als Gewürze und zu medizinischen Zwecken nicht verwend-
baren Nüsse. Jenachdem neue Artenin den Handel gekommen sind, in
dem gleichen Mafse ist auch die Gelegenheit zur Verwechselung der-
selben gröfser geworden, und der Käufer ist gezwungen worden, Mittel
und Wege zu suchen, um den richtigen Wert der Ware bestimmen
zu können und sich so gegen Ankauf von absichtlich oder unab-
sichtlich gefälsehter Ware zu schützen.
Es ist nicht immer genügend den Wert der Handelsware auf
Grund der äulseren Kennzeichen zu beurtheilen, sie muls in zweifel-
haften Fällen einer eingreifenderen Untersuchung unterworfen werden.
in der mikrochemischen und mikroskopischen Untersuchung hat
der praktische Pharmazeut Hilfsmittel erhalten, mit welchen er
im Standeist, auch schwerzu erkennendeVerfälschungen zu entdecken. Um
diese Hülfsmittel benutzen zu können, ist aber eine genaue Kenntnis des
anatomischen Baus nicht nur der echten Droge sondern auch ihrer
Vertälschungen nötig.
Von den vielen nutzbaren Früchten der Myristicaceen sind bis jetzt
nur einige anatomisch näher untersucht, in erster Linie natürlich Myr.
fragrans schon von Berg?).
In seiner 1885 publizierten Dissertation beschreibt Alb. Voigt
„den Bau und die Entwickelung des Samens und des Samenmantels von
1) ebenda.
2) Berg anatomischer Atlas der pharmaz. Warenkunde Taf. 48.
446 K. T. Hallström: Myristicaceen.
Myr. fragrans Houtt. und 1880 hat J. Moeller!) eine genaue
Beschreibung des Baues des Samens der Myr. offieinalis Mart.
Myr. sebifera, Sw., Mur. tomentosa Thbg., und Myr. punctata
Spruce gegeben. Fritz Müller beschrieb die Keimung der
Bieuibaa) — Tschirch?) hat Myr. surinamensis beschrieben
und den Nachweis geführt, dals die Inhaltskörper der
Arillen von Myristica fragrans aus Amylodextrinstärke bestehen.3) Der-
selbe hat dann auch die Keimungsgeschichte der Muskatnuls studirt.4)
O0. Warburgs Arbeit „Ueber die nutzbaren Muskatnüsse“5) ist noch
von Aufsätzen späterer Zeit zu nennen. Obgleich er nur im Vorbei-
gehen die Anatomie einiger Muskatnüsse berührt, ist der Aufsatz zur
Kenntnis derselben von grosser Bedeutung. Von Warburg, dem
besten Kenner der Myristicaceen, erscheint demnächst eine Monogra-
graphie der Familiee Warburg hat auch die nutzbaren von
den keine Handelsbedeutung besitzenden getrennt. Als nutzbar sind
jetzt zu nennen: Aufser Myristica fragrans. Myr. fatua, Myr. subalu-
lata, Myr. malabarica, Virola surinamensis, V. sebifera, V. guatemalensis
Y. Bicuhyba. In den letzten Jahren ist die Aufmerksamkeit hauptsäch-
lich auf die Untersuchung der echten und der als Verfälschung be-
nützten unechten Macis bes. der Bombay-Macis6), gerichtet gewesen.
Die vorliegende Arbeit, die auf Veranlassung von Herrn Prof.
Dr. Tschirch gemacht ist, will ein kleiner Beitrag zur Kenntnis der
Reproduktionsorgane der Myristicaceen, namentlich mit Rücksicht
auf die Samenschale und den Arillus, sein.
Das Untersuchungsmaterial verdanke ich HerrnProf.Tschirch,
der mir sowohl seine reiche Sammlung, die er teils selbst aus Java
mitgebracht, teils aus den Sammlungen in Berlin, Wien und Graz
zusammengebracht, als auch seine mikroskopischen Präparate und
an Ort und Stelle gesammelten Beobachtungen zur Verfügung stellte.
1) J. Moeller. Ueber Muscatnüsse. Pharm. Centralhalle 1880
No. 51—53.
13) F. Müller Berichte d. deutsch. bot. Ges. 1887. S. 465.
2) Tschirch Archiv der Pharmacie 1887. S. 619.
3) Tschirch, Berichte der deutsch. bot. Ges. 1888. S.138. vergl.
auch Tageblatt der Strafsburger Naturforscherversammlung 1885.
Seite 88.
4 Tschirch Berichte der pharmazeut. Ges. 1894. S. 360. &
5) Warburg Ber. d. pharmaz. Ges. 1892. S. 211. Dort auch die
ältere Literatur. Vergl. auch die Abbildungen in G. E. Rumpfii
Herbarium amboinense (1743). II Taf. IV und in Blume’s Rumphia
(1835). Tat. 55—64.
6) Die erste Notiz über diese Macis findet sich bei Tschirch
Pharm. Zeit. 1881 No. 74, die spätere Litteratur siehe weiter unten,
K. T. Hallström: Mypyristicaceen. 447
Die etwa hundert Baumarten, die die Familieder Myristicaceae bilden
gehören dem tropischen Asien und Amerika an. Nur einige Arten
sind auf Madagascar und eine in Australien einheimisch. — Sie
sind Bäumel), seltener Sträucher mit 2-zeiligen, kurz gestielten, ganz-
randigen, ungeteilten, lederartigen, fiedernervigen Blättern ohne Neben-
blätter oder Scheiden. — Die dioecischen Blüten sind einfach, ver-
wachsenblättrig, dieklederartig, meist 3-lappig. Die Blütenstände ent-
springen zuweilen etwas oberhalb der Achsel, sind selten endständig,
die männlichen Blüten zu wenigblütigen, gestielten Trauben oder
Trugdolden vereinigt, im Allgemeinen reicher verzweigt als die weib-
lichen, deren Inflorescenzen oft einblütig, sehr selten 3-blütig sind. —
Die Staubgefälse, 3—18, sind mit einander zu einer Säule verwachsen,
die Antheren nach aussen in Längsspalten aufspringend.. — Der
oberständige Stempel ist fast so lang als das Perigon. Der Frucht,
knoten l-fächerig, mit einer grundständigen anatropen Samenknospe,
Griffel sehr kurz mit schwach 2-lappiger Narbe. — Die Frucht ist etwa
birnenförmig, wirl feischig und springt an Rücken- und Bauchlinie
auf, wenn der hartschalige Same, von einem fleischigen, geteilten oder
ungeteilten Arillus umgeben, sichtbar wird.
Der Samenkern — die Muskatnuls des Handels — ist durch Ein-
stülpungen der innersten Schicht der Samenschale und des Nucellus
zerklüftet und hat ein marmorirtes Aussehen. Der Embryo liegt dicht
am Nabel mit kurzem, dem Nabel zugekehrten Würzelchen uud zwei
dünnen, becherartig zerschlitzten und krausrandigen Cotyledonar-.
lappen.?)
I. Anatomie der männlichen Blüte.
a) Corolle. Die äulsere Epidermis ist von kleinen isodia-
metrischen Zellen, bei denen die Aussenwand wie auch die Seiten-
wände ungefähr in gleichem Mafse, die inneren Wände dagegen
weniger verdickt sind, zusammengesetzt. Die Zwischenwände der
subepidermalen Zellen sind auch etwas verdickt, übrigens gehen sie
indasdünnwandige, die übrige Corollebiläendeparenchymatische Gewebe
über. Die äus[ere Epidermis geht allmälich am inneren Rande des
Perigons in die innere über. Diese besteht aus bedeutend grölseren
Zellen, bei denen nur die Aufsenwände verdickt sind. (Fig. 1.)
Nebst den meistens zarten Gefäfsbündeln (mit feinen Spiral- und
Ringgefälsen) verlaufen in dem Parenchymgewebe in allen Richtungen
1) Exemplare von Myristica fragrans sind abgebildetinTschirch
Indische Heil- und Nutzpflanzen Taf. 63—65,
2), Vergl. bes. Berg und Schmidt, Atlas und die Arbeit
Tschirch's über die Keimungsgeschichte von Myristica fragrans
Houtt. Ber. der pharmaz. Ges. 1894.
448 K. T. Hallström: Myristicaceen.
milchröhrenartige Sekretbehälter, (Mi. Fig. 1) die teilsleer, teils mit homo-
genem oder körnigem Inhalt gefüllt sind. Diese sind oft reich ver-
zweigt, anastomosiren aber niemals. Der Inhalt dieser Sekretbehälter
läfst sich mit Alkanna-Tinktur nicht färben; sie sind also keine echten
Milchröhren 1). Chloroform, Alkohol und Aether lösen den Inhalt
kaum. Hie und da kommen auch runde Oelzellen vor. Die Wände
derSekretbehälter wie auch der Oelzellen sind gegen konc. Schwefel-
säure resistent. — An der äulseren Seite des Perigons befinden sich
Astrosclereiden einzeln oder gruppenweis vereinigt. (Fig. 1. scl.) Die
Wände dieser Sclereiden sind nicht besonders dick, die Schichtung
ist undeutlich, die Poren rund oder oval. — Der Inhalt der langen
Sekretbehälter wie auch die Membranen des gesamten Gewebes,
geben mit Fe, Ol, und K, Cr, OÖ, eine deutliche Gerbsäurereaktion.
b)Stamina. Wie schon oben gesagt, sind die Staubgefälse unter
sich zu einer mittelständigen, keulenförmigen Säule verwachsen. Im
Querschnitt sieht man die zu jedem Filament gehörenden Ge-
fäfsbündel — ich habe 8—10 gefunden — und innerhalb des Sieb-
teils wie auch aulserhalb desselben findet man lange, verzweigte, nicht
anastomosierende, milchröhrenartige Sekretbehälter wie in der Corolle
(Fig. 2.) — Die Pollenkörner sind kugelig und mit einer Längsspalte
versehen.
c) Blütenstiel. Die Epidermiszellen sind in radialer Richtung
etwas gestreckt, die Aufsenwände sind stark, die Zwischenwände
weniger verdickt. Die Parenchymzellen sind in der Längsrichtung
des Blütenstiels langgestreckt, an der Peripherie kleiner, nach innen
gröfser, ziemlich dickwandig, lückenlos mit einander vereinigt, da-
gegen in dem Mark mit Intercellularen versehen. (Fig. 3.) Die
rings um das Mark gestellten Gefäfsbündel bestehen aus Ring- und
Spiralgefäfsen. Auch hier findet man die langen Sekretbehälter wie
auch in dem Parenchym Oelzellen mit körnigem Inhalt. Aufserhalb
jedes Siebteils befindet sich eine Gruppe kollenchymatisch verdickter
Zellen. Die Astrosclereiden kommen auch hier reichlich, in den
peripherischen Teilen meist einzeln, in dem Mark gruppenweise vor
i) Aehnliche Sekret führende Zellen, wenn auch kürzer und un’
verkorkt, findet man in der Rhiz. Curcumae und in Rhiz. Zingiberis,
wo sie die Gefässe begleiten. (Vergl: Tschirch und Oesterle,
Anat. Atlas S. 101 und 110.)
K. T. Hallström: Myristicaceen. 449
Sie sind mehr verdickt und deutlicher geschichtet, als die des Peri-
gons und mit langen und stellenweise verzweigten Porenkanälen ver-
sehen. — In der Epidermis und den nächstfolgenden Zelllagen sind
viel Calciumoxalat-Krystalle zu finden. Sie sind von verschiedener
Form; auch kommen Drusen, die grölser sind, als die übrigen, vor,
I. Anatomie der weiblichen Blüte.
a) Corolle. Ist in allen Teilen mit der Anatomie der Corolle
der männlichen Blüte übereinstimmend.
b) Gynaeceum.
Der Fruchtknoten enthält ein einziges, beinahe basal inseriertes
anatropes Ovulum, das am Chalazaende etwas zugespitzt ist. In
einer geschlossenen Blüte zeigt das Ovulum folgendes Aussehen.
Die beiden Integumente sind ungefähr 'gleich dick. Das äufsere
Integument, dessen Insertion sich dicht an der Chalaza befindet,
umschliefst das Ovulum völlig und liegt locker dem innern Integu-
ment resp. demNucellus an. Die Insertion des inneren Integumentes befin-
det sich dagegen in halber Höhe zwischen Chalaza und Mikropyle.
Von der kegelförmig zugespitzten Nucellusspitze abgesehen, ist das
innere Integument mit dem Nucellus verwachsen. Weil die
beiden Integumente in gleicher Höhe abschlielsen, ist die Mikro-
pyle nur von dem inneren Integumente gebildet. Das äufsere Inte-
gument ist an der Rapheseite mit dem Funiculus nicht bis zum
Exostom verwachsen, sondern umfalst das Endostom frei. Der Em-
bryosack ist in dem Nucellusoberteil gelegen und schliefst nach unten
in der Höhe der Insertion des inneren Integumentes ab. Das ihn
seitwärts und aufwärts umgebende Gewebe ist ungefähr ebenso dick wie
das innere Integument. — Das Embryosack ist ringsum von Dauer-
gewebe umgeben. Der Nucellusunterteil, von Chalaza an bis unter-
halb der Insertion des inneren Integumentes, besteht, mit Ausnahme
von einer Dauergewebsschicht aufsen, die ungefähr die Stärke des
inneren Integumentes hat, aus Meristem. Dieses findst sich auch,
in Verbindung mit dem Meristem des Nucellusunterteils stehend, sowohl
an der Innenseite des inneren Integumentes als auch an der Aussen-
seite des Nucellusoberteils in Form einer dünnen sich schnell aus-
keilenden Schicht. An der Chalaza geht das Meristem allmählich in
das Raphegefäfsbündel über. — Das unverzweigte Raphebündel be-
450 K. T. Hallström: Myristicaceen.
steht aus ganz jungen Gefäfsen und ist von milchröhrenartigen
Sekretbehältern mit braunem Inhalt begleitet.
II. Entwickelungsgeschichte der Früchte und
Samen von Myristica fragrans Houtt.
Voigt hat schon eingehend die Entwickelung der Samen der
Myristica fragrans Houtt. untersucht und beschrieben.!) Obgleich
meine Beobachtungen im ganzen mit den seinigen übereinstimmen,
werde ich doch eine kurze Uebersicht von meinen Untersuchungen
geben, besonders weil es dadurch leichter wird, den Bau der Samen-
schale dieser Art zu verstehen. Denn mit dieser bis jetzt am ge-
nauesten untersuchten Art sollen in dieser Arbeit die neu unter-
suchten Arten verglichen werden.
Wenn wir aus dem unter „Gynaeceum“ beschriebenen Ent-
wickelungsstadium ausgehen und den Zuwachs des Samens und die
davon abhängende Verwandlung der verschiedenen Teile desselben
verfolgen, finden wir, wie im gleichen Mafse mit dem Zuwachs des
Nucellus der Funiculus und die Integumente mehr und mehr gegen
den Nucellus zurücktreten. Der Nucellusoberteil und das innere
Integument wachsen mehr in der Quer- als in der Längsrichtung,
so dals die kegelförmig zugespitzte Nucellusspitze stumpfer, später,
einer Anschwellung des inneren Integumentes entsprechend, etwas
eingeschnürt wird. Der Nucellusunterteil dagegen wächst in allen
Richtungen ziemlich stark, mehr in der Längs- als in der Querrichtung.
Der Nucellusoberteil ist dadurch im reifen Samen auf ein äulserst kleines
Gebiet an seiner Spitze beschränkt. — Dieses ist an einem Ovulum
von etwa 1,5—2,0 mm Durchmesser sehr auffällig bemerkbar.
Der Embryosack resorbiert die ihm benachbarten Zellen und
wächst, dem Zuwachs des Nucellus folgend, in den verschiedenen
Richtungen ungleich stark. „An der Spitze des Nucellusoberteils
findet die Resorption der Zellen zwar äulserst langsam, doch stetig
statt, und es wird daher, da hier kein Meristem für die Ersetzung
der resorbierten Zellen sorgt, das den Embryosack vom inneren
l) Alb. Voigt: DÜUeber den Bau und die Entwicke-
lung des Samens und des Samenmantels von Myr. fragrans, und
Alb. Voigt: Untersuchung über Bau u. Entw. von Samen mit
ruminiertem Endosperm a. d. Fam. der Palmen, Myristicaceen u.
Anonaceen. Annal. d. Jardin de Buitenzorg 1837, VII, S. 151.
K. T. Hallström: Myristicaceen. 451
Integumente trennende Gewebe, bis auf geringe, fast unkenntliche
Reste aufgezehrt. Weiter abwärts im Nucellus-Oberteil sowohl, als
auch im ganzen Nucellusunterteil, wird das Gewebe nicht vermin-
dert, sondern beträchtlich vermehrt, indem die Meristem-Schicht
nach aufsen und nach innen stets neues Dauergewebe erzeugt. Das
nach aufsen abgegebene bleibt erhalten, während das andere successiv
vom wachsenden Embryosack resorbiert wird.“ (Voigt a. a. O.)
Nun bildet also das Meristem im Nucellusunterteil eine dünne
Schicht zwischen dem Embryosack und dem Integument, parallel mit
diesem verlaufend. Schon in einem Ovulum von 2 mm Durchmesser
beobachtet man von dieser Meristem-Schicht gebildete und gegen
den Embryosack gerichtete flache und wellenförmige Einstülpungen
die den ersten Anfang der später das Endosperm zerklüftenden
Platten bilden. Die das äulsere Integument bekleidende Epidermis
ist durch die Streckung der Zellen in radialer Richtung deutlich
erkennbar und der des reifen Samens (Fig. 9.6 ep.) ähnlich, nur sind
die Zellen weniger verdickt. (Fig. 4.e). Die subepidermalen Zellen
sind in tangentialer Richtung gestreckt. Die die Spalte zwischen
dem äufseren Integument und dem inneren Integument bekleidenden
Epidermen bestehen aus prismatischen, in radialer Richtung
etwas gestreckten Zellen. Die subepidermalen Zellreihen der beiden
Epidermen unterscheiden sich auch von dem umgebenden Gewebe
durch ibre mehr kubische Form. Von den Gefäfsbündeln ist nur
das Raphebündel vollständig entwickelt; in den übrigen Gefäls-
bündeln, sowohl in den des äufseren Integuments, als in dem, den
Einstülpungen entsprechenden, sind die Gefäfse noch nicht deutlich
differenziert ; die Bündel sind mehr als Procambiumstränge anzusehen.
Die langen Sekretbehälter kommen im äufseren Integument vor, be-
sonders ist das Raphebündel von vielen derselben umgeben.
Während der fortschreitenden Entwickelung des Samens
werden allmählich die drei verschiedenen, die Testa bildenden Ge-
websschichten des äufseren Integuments in folgender Weise
bestimmter differenziert.
Die Aufsenschicht wird am wenigsten verändert. Sie wird
aus dem äufseren Integument, ausgenommen dessen innere Epider-
mis nebst ihrer subepidermalen Zelischicht (Fig. 4. 3 u. 4), gebildet,
also aus den Schichten 5 und 6 (Fig. 4).- Die Epidermiszellen sind
452 K. T. Hallström: Myristicaceen.
polygonal oder platt. Nach innen wird die Aufsenschicht von einer
Reihe lückenlos mit einander vereinigter, etwas in radialer Richtung
gestreckter, prismatischer Zellen begrenzt. Das zwischenliegende,
lockere Gewebe ist aus gewöhnlichen parenchymatischen, tangential
gestreckten Elementen zusammengesetzt. Die Zellen sind entweder
mit einem braunen Inhalt oder mit einfachen Stärkekörnern erfüllt.
Das stark entwickelte Raphebündel ausgenommen, sind die Gefäls-
bündel ziemlich klein und können deutlich auf der Aufsenseite des
Samens als ein helleres Netzwerk bemerkt werden.
An der Bildung der Mittelschicht sind die subepider-
male Zelllage der inneren Seite des äufseren Integumentes (Fig. 4.4)
die innere Epidermis der äulseren (Fig. 4,3) und die äufsere Epidermis
des inneren Integumentes bezw. Nucellus (Fig. 4.2), wie auch auf
einem kleinen begrenzten Gebiete rings um die Chalaza die sube-
pidermale Zelllage des Nucellus beteiligt.
Diese Gewebe entwickeln sich zu drei ganz verschiedenen
Lagen. Die subepidermalen Zellen der inneren Epidermis des
äulseren Integumentes bilden lange dünnwandige, gleich verdickte
und dicht aneinander stehende Palissaden: die Aulsenpalissaden
(Voigt’s Nebenpalissaden. Fig. 5—9 ap.), die der Regel nach nur
eine Zelle hoch sind. Stellenweise stehen aber zwei oder mehrere
kürzere über einander; diese sind durch Entwickelung von zwei oder
mehreren Zellen, die einer subepidermalen Zelle entsprechen, ent-
standen. An dem inneren Rande dieser Zellen sieht man ungleich
weit von einander unregelmälsige, wellenförmige Vertiefungen, die
von den entsprechenden Erhebungen der anstolsenden Lage aus-
gefüllt sind. In diesen vertieften Stellen sind die Aufsenpalissaden
kürzer und gewöhnlich mit braunem Zellinhalt erfüllt (Fig. 8 u. 9).
Die mittlere Schicht, die Innenpalissaden (Voigt’s
Hauptpalissaden. Fig. 5—9 ip.), wird von der inneren Epidermis
des äulseren Integumentes (Fig. 4.3) gebildete und besteht aus
einer Reihe langer prismatischer, dicht zusammengedrängter Zellen.
Die Zellwände sind stark verholzt, gelbbraun, sehr erheblich und
ungleich verdickt. so dafs von ihrem Lumen meistens nur ein schmaler
and enger Kanal mit Erweiterungen an den beiden Enden übrig ist
Diese umschliefsen grolse Caleiumozalat-Krystalle (Fig. 9 Kr).
K. T. Hallström: Myristicaceen, 453
An die Aulsenpalissaden schliesst sich nach innen die Quer-
faserschicht (Voigt’s Faserlage. Fig. 9.2 qfs), die von einer
Reihe tangential zusammengedrückter Bastzellen gebildet wird. Die
Zellen schliefsen lückenlos an einander. Die Wände sind stark ver-
dickt und mit Poren oder mit gegen das Zelllumen sich erweiternden
Porenkanälen versehen. Die Form ist wechselnd, sie geht von lang-
gestreckten Bastzellen in unregelmälsige und polygonale Formen
über (Fig. 10). Diese Lage (Fig. 9.2 qfs) wird von der äuferen Epi-
dermis des inneren Integuments bezw. der den Nucellus bekleidenden
Epidermis (Fig. 4.2 qfs) gebildet. — In einer begrenzten, die Chalaza
unmittelbar umgebenden Zone werden die epidermalen Elemente
nicht in oben beschriebener Weise entwickelt, sondern bilden den
Innenpalissaden ähnliche Zellen, woneben die subepidermale Zell-
schicht derselben Zone in vollständig entwickeltem Zustande eine
grolse Aehnlichkeit mit den Aufsenpalissaden hat. — Oben gegen
den Nucellus werden diese Zellen kürzer. Die erstgenannten gehen
ziemlich rasch in die Querfaserschicht, die letzteren in die sub-
epidermalen Zellen, die nicht mehr an der Bildung der Mittelschicht
teilnehmen, über.
An der Chalaza und der Nucellusspitze ist die harte Mittel-
schicht durchbrochen. Die kreisrunde Oeffnung an der Chalaza
ist von dem aus der Raphe in den Nucellus eintretenden Gefäls-
bündel ausgefüllt. An der Nucellusspitze liegt in der Innenpalissaden-
schicht ein feiner runder Kanal, der später dem keimenden Embryo
als Ausführgang dient.*)
Die Entwickelung dieser epidermalen und subepidermalen Zellen
gehtnicht gleich schnellanallen Stellen desSamensvor sich. Am frühesten
fängt sie an der Chalaza, am spätesten an der Samenspitze an. Die volle
Entwickelung erreichen zuerst von allen die Aufsenpalissaden. In einem
Ovulum von etwa 4 mm im Durchmesser kaun man schon eine beginnende
Längsstreckung der die Palissaden bildenden Zellen beobachten. — Ein
Unterschied zwischen den Aulsen- und Innenpalissaden ist anfangs
gar nicht zu bemerken. (Fig. 5.) Erst nachdem der Same gröfser
geworden ist, wachsen die Innenpalissaden verhältnismälsig
viel schneller als die Aufsenpalissaden (Fig. 5—8 ap. ip.),
*) Vergl. Tschirch, Keimungsgeschichte von Myristica fra-
grans. a. a. 0.
454 K. T. Hallström: Myristicaceen,
woneben eine gleichmälsige und feine, wellenförmige Anschwellung
in den noch ganz dünnen Wänden der Innenpalissaden bemerkbar
wird. (Fig. 7, ip). Hierauf fängt die Verdickung der Wände durch
Bildung von Leisten und localen Vorsprüngen an. (Fig. 8.) Bei
fortgesetztem Zuwachs stofsen diese zusammen und verschmelzen in
der Mitte der Zellen. So werden die oben besprochenen langen und
schmalen Canäle wie auch die grofsen, die Calciumoxalat-Krystalle
umschliefsenden Erweiterungen (Fig. 9) gebildet.
Zuletzt von allen erreichen die Bastzellen der Querfaserschicht
ihre schliefsliche Form.
Die Entwickelung der verschiedenen Gewebe der Mittelschicht
steht in keinem bestimmten Verhältnis zur Gröfse des Ovulums. In
einem kleineren Ovulum können diese viel mehr fortgeschritten sein
als in einem grölseren. Und dazu kann man in einem Samen viele
verschiedene Entwickelungsstadien desselben Gewebes beobachten.
Das innere Integument bzw. der Nucellus bildet die innerste
Lage der Samenschale: die Innenschicht. Diese besteht aus
einer äulseren sekundären und einer inneren primären Dauergewebs-
schicht. Beide sind zu verschiedenen Zeiten durch Zuwachs
nach aufsen aus der Meristemschicht, die in dem jungen Ovulum
zwischen den Embryosack und das Integument eingeschoben ist,
entstanden. Auch nach innen bildet diese Meristemschicht Dauer-
gewebe, das jedoch allmählich von dem Embryosack resorbirt wird.
Die äufsere Lage besteht aus verhältnismälsig gro[sen, zusammen-
gedrückten ungefärbten oder braungefärbten parenchymatischen Zellen
und ist von Gefäfsbündeln frei. Die innere unterscheidet sich von
der äusseren durch ihren viel dichteren Bau und durch die An-
wesenheit zahlreicher, in tangentialer Richtung verlaufender Gefäfs-
bündel. — Durch localen Zuwachs entstehen aus dieser Lage nach
innen gerichtete Vorsprünge (sog. Samenhautfalten.) In diese senden
die in dem basalen Teil befindlichen Gefäfsbündel Zweige hinein.
Beiderseits von diesen Zweigen sind, in das kleinzellige Gewebe
grolse, runde, mit aetherischem Oele gefüllte Oelzellen eingebettet.
(Fig. 29 oez.) Wenn der Same reif wird, und das Endosperm sich ent-
wickelt, wird das Gewebe zwischen den Oelzellen zusammengedrückt,
so dafs in einem ganz reifen Samen zwischen diesen nur ein stark
obliteriertes Zellengewebe übrig ist.
K. T. Hallström: Myristicaceen. 455
In einem kleinen Gebiete an der Samenspitze fehlen diese Vor-
sprünge vollständig, weil hier kein Meristem vorhanden war. Die
innere Lage der Innenschicht wird hier aus’ dem inneren Integu-
mente und zu einem geringen Teil aus der Nucellusspitze gebildet.
Die Gefässbündel, die in der inneren Lage verlaufen, gehen hier in
das innere Integument über.
Wenn diese Vorsprünge vollständig ausgebildet sind, hört das
Meristem auf Dauergewebe nach innen zu bilden und der Embryo-
sack dasselbe zu resorbieren. In einem reifen Samen sind die Reste
des Dauergewebes zwischen den „Samenhautfalten“ und dem
Endosperm als eine dünne, stark obliterierte Zellschicht, die mit
dem Endosperm fest zusammengewachsen ist, zu sehen.
Die Oelzellen in den ‚„Samenhautfalten‘‘ werden verhältnismälsig
früh ausgebildet. In einer jungen Samenanlage von etwa 8 mm im
Querdurchmesser sind sie schon vollständig ausgebildet und ent-
halten Oel. Sie sind echte Oelzellen mit verkorkten Wänden.
In einem unreifen Samen von ungefähr 20 mm im Querdurch-
messer sieht man den kleinen fleischigen Keimling auf dem dicken
polstrigen inneren Integumente. Die Innenpalissaden sind jetzt bei
weitem noch nicht vollständig ausgebildet und erstrecken sich bei
der Mikropyle noch nicht bis an einander heran, sondern lassen
zwischen sich eine Oeffnung übrig. Da später mit dem fort-
schreitenden Reifwerden die Innenpalissaden länger und fester
werden, wird auch diese Oeffnung kleiner, die Ränder schliefsen
sich dicht aneinander, so dafs sie schlie(slich nur einen sehr schmalen
Kanal bilden. In demselben Verbältnis wächst das Endosperm, das
innere Integument verliert seine Bedeutung als „Nährschicht“ !) und
obliteriert. In einem reifen Samen liegt der Keimling also dicht an
der harten Samenschale und an der Mündung des Kanals. Beim
Keimen dringt die Radicula in diesen Kanal hinein; der Kanal er-
weitert sich, den Keimling hermetisch umschliefsend, was für einen
so langfam keimenden Samen, wie den des Muskatbaumes, von Be-
deutung ist. ?)
1) Tschirch, Angewandte Pflanzenanatomie. S. 459,
2) Vergl. Tschirch, der Keimungsgeschichte von Myristica
fragrans in Ber. d. pharmac. Ges. 1394 S. 260.
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 6. Heft. 30
456 K.T. Hallström: Myristicaceen.
In demselben Verhältnis verändert auch der Keimling seine
Gestalt. Die dicken Cotyledonen vereinigen sich zu einem zweige-
teilten becherförmigen Gebilde, während ihre Ränder dünner und
krausrandig werden. Später teilen sich diese in zahlreiche schmale
Lappen, die als Saugorgan fungieren. !)
Die Entwickelung des Endosperms fängt erst an, wenn die
Ruminationsvorsprünge ihre vollständige Ausbildung erreicht haben.
In einem fast reifen Samen ist es noch milchig oder geleeartig, erst
in ganz reifen Samen bekommt es seine volle Festigkeit. Dieses
erhärtete Endosperm, die Muskatnufs des Handels, hat in reifem Zu-
stande eine braun-graue Farbe und ein durch die eindringenden
„Samenhautfalten“ marmoriertes Aussehen. Mit blofsem Auge sind hier
hellere Ringe und geschlängelte Linien, die in einiger Entfernung die
Samenhautzapfen begleiten, zu sehen. In diesen sog. „Leitbahnen‘“,)
die schon beim ruhenden Samen zu erkennen sind, dringen die zu
Saugorganen ausgebildeten Cotyledonarzapfen durch den Samen bis
an dessen anderes Ende vor. Die Zellen in diesen Ringen und
Linien führen vornehmlich Stärke, selten Fett und Aleuron. —
Während die Cotyledonarzapfen vorwärts in den Leitbahnen
wachsen, benutzen sie die dort aufgespeicherten Stoffe für ihre Nah-
rung, die entleerten Zellen weichen auf die Seite und obliterieren.
— Erst wenn sie in dieser Weise den ganzen Samen durchwachsen
haben, fängt die Auflösung und Entleerung der in den übrigen
Teilen des Samens befindlichen Reservestoffe an.
Schon im ruhenden Samen dringen die Cotyledonarzapfen in
das Endosperm auf den Leitbahnen ein Stück weit vor, d. h. die
allerersten Stadien des Keimungsprozesses beginnen schon während
die Frucht am Baume hängt.
Die Bildung der Reservestoffe in dem Endosperm fängt erst an,
nachdem der Same in jeder Beziehung seine volle Ausbildung er-
reicht hat. Am frühesten wird die Stärke, die erst die Zellen
aufserhalb und später innerhalb der Leitbahnen füllt, gebildet. —
Das Fett und die Aleuronkörner werden später gebildet. Die
Aleuronkörner enthalten oft alle typischen Bestandteilegleichzeitig. Die
Krystalloide werden bei Myristica fragrans nicht so gut ausgebildet,
1) Tschirch, ebenda S. 261.
2, Tschirch, ebenda S. 262.
K. T. Hallström: Mpyristicaceen. 457
sind auch nicht so zahlreich wie z. B. bei den Aleuronkörnern der
Myr. surinamensis. Die am besten ausgebildeten wurden von mir
in einem keimenden Samen gefunden, den Prof. Tschirch aus Java
mitgebracht hatte.
Wie in vielen anderen tropischen Samen kommt Gerbstoff auch
bei Myr. fragrans in der Fruchtschale, den „Samenhautzapfen“ und
der Samenschale vor. In allen Entwickelungsstadien vom Frucht-
knoten an bis zur reifen Frucht bekommt man die Gerbstoffreaktion.
Auch der Inhalt der langen Sekretbehälter giebt diese Reaktion. —
Ohne Zweifel wirkt der Gerbstoff wie auch das ätherische Oel in
den Samenhautzapfen wie ein Antiseptikum und sichert gewisser-
malsen die Keimung des Samens, die sonst in den warmen und
feuchten Tropen durch Fäulnisprozesse leicht gestört werden
könnte.*)
Der Arillus tritt schon in einer ungeöffneten Blume, also
ehe die Befruchtung eirgetreten ist, als eine äulserliche Gewebsan-
schwellung zwischen Hilum und 'Exostom hervor. Der hintere
Exostomrand ist diek und abgerundet, der vordere ist dünn. Diese
Anschwellung verbreitet sich dann sowohl um das Hilum als um den
jungen Exostomrand herum und bildet später erst an der hinteren
Seite, dann ringsum einen die Spitze der Samenknospe umschlielsen-
den Mantel. — In einem Ovulum von 2 mm im Querdurchmesser
sieht man den Rand dieses bis zur halben Höhe des Ovulums
reichenden Mantels in lange Lappen zerschlitz. In einem etwas
grölseren Ovulum — von etwa 2,5 mm — treffen die Lappen schon an
der Chalaza zusammen und der Arillus hat fast das gleiche Aussehen
wie im reifen Zustande. Die Exostomöffnung wächst allmälich zu-
sammen, so dals im reifen Zustande nur eine flache längliche Höhle
sichtbar ist.
In dem ein Ovulum von 3,0—3,5 mm im Durchmesser umgeben-
den Arillus sind sowohl die Oelzellen als die Gefässbündel schon
fertig ausgebildet. In etwas späterem Entwickelungsstadium waren,
wenn auch ziemlich spärlich, wohlausgebildete Caleiumoxalatkrystalle
sichtbar.
*) Vergl. Osenbrüg über d. Entwickelung des Samens von
Areca Catechu ete. Dissertation Marburg 1894. Tschirch, Ber. d.
pharmac. Ges. 1894, S. 263, und Annales du jardin botanique de
Buitenzorg IX, 1891, S. 143.
30*
458 K. T. Hallström: Myristicaceen.
Der fertige Arillus wird im Zusammenhang mit den anderen
Arillen weiter unten näher behandelt werden.
Die Fruchtschale zeigt in allen Entwickelungsstadien
fast dasselbe Aussehen. Auswendig ist sie mit Sternhaaren besetzt,
Das Fruchtfleisch ist dicht von Gefässbündeln und milchröhren-
ähnlichen Sekretbehältern durchzogen und führt reichlich dünn-
wandige Oelzellen, die meist einen Oeltropfen enthalten. (Fig. 4.)
Die resinogene Schicht der Oelzellen!) ist teilweise aulfser-
ordentlich gut entwickelt. Dicht unter die Epidermis findet man zu
Gruppen vereinigte Astrosclereiden. — Die Fruchtschale giebt
Gerbsäurereaktion.
IV. Vergleichende Anatomie der Samenschalen
der Myristicaceen.
Myristica fatua Houtt.
(Abbild. bei Warburg. Fig. 1—3.)
(Alkoholmaterial a. d. Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten
in Buitenzorg.)
Ausser der Myristica fragrans waren schon früh auch andere
Arten bekannt und werden in den ältesten Arbeiten, in welchen die
Muskatnufs behandelt wird, neben der Myr. fragrans erwähnt. So
werden besonders zwei verschiedene Nussarten, runde und aromatische
— die echte Nuls — und längliche, weniger aromatische beschrieben.
Diese letztere Art kommt in wissenschaftlichen Arbeiten im 17. Jahr-
hundert unter dem Namen Nux myristica mas, Pala metsiri?)
s. nux mas und Nux fructu oblongo vor. Die unzureichende
Kenntnis der Stammpflanzen dieser verschiedenen Arten und die
Ähnlichkeit der „länglichen“ Nüsse mit gleichgestalteten der
Myristica fragrans?) und ihrer Varietäten, verursachten viele Ver-
wechslungen, die sich durchaus nicht durch die Einteilung der
Muskatnüsse von Rumphius auf Grund ihrer Form verminderten.
„Er unterscheidet mehrere Varietäten oder besser gesagt wohl ab-
norme Formen‘), die er als männliche Muskat der rundfrüchtigen,
1) Vergl. Tschirch in Ber. d. Deutsch. botan. Ges. 1893.
* Ei Vergl. Warburg. a.a. 0.8.8.
3) Vo: dieser Art giebt es sowohl runde als längliche Nüsse.
4) Von Myr. fragrans.
K. T. Hallström: Myristicaceen. 459
weiblichen gegenüber stellt; über den Namen langfrüchtige Nüsse
macht er keine Angabe, doch stellt er die ganze Species wieder
der eigentlichen männlichen Muskat (unsere Myr. fatua Houtt)
. .. “ıi
gegenüber.“ !)
Wenn dann die Nüsse der Myr. argentea Warb., die auch
länglich sind, im Handel erschienen, wurde die Konfusion noch
grölser, besonders weil diese im Handel unter dem Namen „long
nutmeg“, der mit dem ähnlich klingenden „nux fructu oblongo“ ver-
wechselt wurde, vorkamen. Diese männliche Muskatnufs der alten
Schriftsteller ist identisch mit unserer Myr. fatua Houtt.
Was die Heimat der Myr. fatua betrifft, so sind die Angaben
von einander abweichend gewesen. So ist z. B. Borneo ganz falsch
als die Heimat dieser Art angegeben worden und auch Brasilien als
ein Land, wo sie kultiviert werden soll, erwähnt. Dafs M. fatua
nicht in Borneo, sondern auf den Molucken heimisch ist und dafs sie
nicht in Brasilien kultiviert wird, sondern Buitenzorg der einzige Ort
zu sein scheint, wo M. /atua im bot. Garten angepflanzt ist, soll nach
Warburg aulser Zweifel sein.
Die Früchte der Myristica fatua Houtt (Synon. Myr. tomentosa,
Thunb. = Myr. macrophylla, Roxb. = Myr. spadicea Bl.) sind rost-
rot behaart, 55 mm lang, 32—35 mm breit. Das Pericarpium ist dick.
Der Arillus, der in einige breitere Lacinien geteilt ist, bedeckt den
Samen gröfstenteils. Zwischen den unbedeckten Stellen sieht man
die dunkelbraune, glänzende, sehr harte und dicke (1—1,5 mm) Samen-
schale. — Der Same ist eckig und an den beiden Enden stumpf. —
Die Raphefurche ist durch eine tiefe Rinne zwischen Hilum und
Chalaza bezeichnet. — Die Arillusfurchen sind breit und aufserordent-
lich tief. — Bemerkenswert ist noch der Höcker unweit der Spitze
an der Chalaza. Am Samenkern ist eine Vertiefung, der in der
Samenschale verlaufenden Rinne entsprechend, sichtbar. Das
Endosperm zeigt im Querschnitte viele dünne Ruminationsstreifen
und ist von sehr schwachem Geruch, oft geruchlos.
1) Warburga.a. 0.8.8. — Über den Namen „männliche
Muskatnu[s“ siehe auch Tschirch: Ind. Heil- u. Nutzpfl. S. 111 und
Warburg 8.7.
460 K. T. Hallström: Myristicaceen.
Die äulserste Lage der Samenschale stimmt in ihrem Bau mit
den entsprechenden Teilen der Myr. fragrans überein. Die fest-
sitzende Epidermis ist verhältnismäfsig sehr verdickt, besonders die
äufseren und inneren Wände. In der folgenden dünnwandigen
Parenchymschicht, deren Zellen nach innen in eine mehr prismatische
Form übergehen (Fig. 19), sind die letzteren teils mit kleinen und
runden Stärkekörnern, teils mit rotbraunem Sekret gefüllt. Daneben
folgen die langen Sekretbehälter bald den Gefälsbündeln, bald ver-
laufen sie allein. Auch die Aussen- und Innenpalissaden zeigen in
ihrem Bau eine fast vollständige Uebereinstimmung mit den ent-
sprechenden Teilen der Myr. fragrans. Die Aufsenpalissaden
(Fig. 19 ap.) sind lang, dünnwandig, prismatisch zusammengedrückt
(Länge — 0,162—0,216 mm), die Innenpalissaden (Fig. 19 ip.) sehr
stark verdickt, so dals stellenweise kein Lumen übrig ist, und gelb
gefärbt (Länge = 0,94—1,16 mm). :. Auch bei dieser Art ist das
Verhältnis der Aufsen- und Innenpalissaden dasselbe, wie bei
Myr. fragrans, d. h. wo jene kürzer sind, sind diese länger. Also
zeigt sich die Grenze zwischen beiden Palissadenlagen als eine
wellenförmig gebogene Linie. — Die die Querfaserschicht (Fig. 19 qfs.)
bildenden kleinen, langgestreckten oder polygonalen, mit Vorsprüngen
versehenen, getüpfelten Bastzellen sind denen der Myr. fragrans
sehr ähnlich (Fig. 20).
Um die Löslichkeit des Sekrets zu prüfen, wurden Schnitte
in Alkohol-Ammoniak (Liquor amm. caust. duplex + Alcoh.
absol. gleiche Teile), Ammoniak, Aether, Alk.-Aether,
Kalilauge(15 Proz.und 7 Proz., AlkoholundAlkohol-Kali
eingelegt. — Nach 48 Stunden war der Inhalt von Aether und Alkohol-
Aether ein wenig, schon nach 24 Stunden von den übrigen besser
gelöst. Von diesen Lösungsmitteln waren Ammoniak und Kalilauge
die besten, dann der Alkohol. Kochen in Wasser löste gar nichts.
— Eisenchlorid und Kaliumbichromat geben die Gerb-
säurereaktion. — Konz. H,SO, löst den Farbstoff in den Samen-
hautzapfen mit roter Farbe.
Das Endosperm ist reich an Fett, Stärke und Aleuron. Die
Stärkekörner (0,013—0,027 mm) sind denjenigen der Myr. fragrans
gleich und bestehen aus runden und zusammengesetzten Körnern
mit einer runden oder länglichen Spalte in der Mitte des Korns.
K. T. Hallström: Myristicaceen. 461
Die gröfseren Aleuronkörner (0,054—0,067 mm) bestehen aus gut
ausgebildeten Krystalloiden, Globoide und Calciumoxalatkrystalle
fand ich nicht. Die kleineren (0,008—0,027 mm) sind mehr scheiben-
förmig. — Wie in Myr. fragrans giebt es auch hier „Leitbahnen“
für die Cotyledonarzapfen. Der Keimungsprozel[s ist auch in beiden
übereinstimmend. ')
In seinem Aufsatze „Ueber Muskatnüsse“ hat J. Möller
unter anderem Myristica tomentosa Thbg. beschrieben, die also mit
dem oben beschriebenen M. fatua identisch sein mülste. Dafs hier
aller Wahrscheinlichkeit nach eine Verwechselung vorliegt, und dafs
die von Möller untersuchte Muskatnuls ein Same der Myristica
argentea war, geht aus einer Vergleichung von Möller’'s Be-
schreibung mit der hier oben gegebenen Darstellung der
Myr. fatua und der unten folgenden von Myr. argentea und mit
dem, was Warburg von diesen beiden Arten angeführt hat, her-
vor. So fehlt Möller’s Myr. tomentosa und der von mir unter-
suchten Myr. argentea die Querfaserschicht völlig, die bei allen an-
deren Arten vorkommt. Der Bau der äufseren Partien der
Samenschale ist bei beiden in allem übereinstimmend, aulserdem
scheinen die Nüsse der Form und dem äuferen Aussehen nach einander
völlig gleich zu sein. Dafs Möller’s Myr. tomentosa wirklich
Myr. argentea gewesen ist, wird aufserdem durch das folgende be-
stätigt. „Jetzt findet man“, sagt Warburg, „diese Nuls (Myr.
argentea Warb.) in allen Museen Europas unter den verschiedensten
Damen als... ...: >. ‚ meist aber, als Myr. fatua Houtt. Dies
letztere nun hat folgende Bewandtnis: ........ dafs im Jahre
1797 von Banda die Myristica tomentosa (...... = M.fatua
Houtt), unter dem Namen Neu-Guinea- oder lange Mus-
kat eingesandt wurde. Also die nicht von Neu-Guinea stammende,
nicht nutzbare M. fatua wurde als Neu -Guinea-Muskat
(oder long nutmeg = M. argentea) eingehandelt; und so wurde
denn von jener Zeit an auch umgekehrt stets die aromatische
„long nutmeg“ mit M. tomentosa Thbg. — M. fatua Houtt
identifiziert und als solche bezeichnet.‘ ‘2)
ı) Vergl.: Techirch: Die Keimungsgeschichte von Myr. fragrans
Houtt. Ber. d. deutsch. pharm. Ges. 1894, S. 264.
2\\Warbiurg, 312. 0/8UB:
462 K. T. Hallström: Myristicaceen.
Myristica malabarica Lam.
(Abbildung bei Warburg Fig. 4—7.)
(A. d. pharm. Sammlung in Wien und Bern.)
Das zur Untersuchung vorliegende Material besteht nur aus
dem Samenkern. Die äufserste und die sklerenchymatisch verdickte
Lage der Samenschale fehlen ganz, die innere Lage ist nur teil-
weise da. — Die die Nufs umgebende Testa ist hart. Bemerkens-
wert sind die vielen sehr schmalen und scharf abgegrenzten tiefen
Arillarfurchen und die kurze, schon nahe der Mitte des Samens in
der Chalaza endende Raphefurche.t) — Der dunkelbraunrote Arillus
ist in viele lange und schmale Lappen, die oft sehr eng an einander
gedrückt sind, zerschlitzt. An der Spitze der Nufs sind die Arillar-
streifen zu einem konischen Gebilde verschlungen. Innen liegt ein
dünnes Häutchen, das dem offiecinellen wie auch anderen Arillen
fehlt, an.
Der 33 mm lange und 18 mm breite Samenkern wird gegen
die beiden Enden gleichmäfsig schmäler. Einige Längsfurchen und
Querrunzeln machen den Samen uneben. Zwischen der Chalaza und
dem Hilum, die fast diametral entgegengesetzt an den beiden Enden
des Samens liegen, verläuft eine der Raphefurche entsprechende
rinnenförmige Vertiefung. — Die Ruminationsstreifen, die stellen-
weise sehr tief in das Endosperm dringen, sind in dem unteren Teil
geringer an Zahl und regelmälsiger als nahe der Spitze, wo sie zart
und unregelmäfsig sind. — Die grau-braune Farbe des gar nicht
aromatischen Endosperms wird von den reichlich in den
Endospermzellen vorkommenden Gerbstoffklumpen verursacht. Diese
werden von konc. H, SO, rot-braun gefärbt, welche Farbe allmälich
in eine violette übergeht.
Wie bei Mr. fragrans und fatua sind auch in dieser Nuls
„Leitbahnen“ für die eindringenden Cotyledonarzapfen vorhanden.
Der Same keimt auch in derselben Weise wie die der beiden
anderen. Betrachtet man die Schnitte des Endosperms im Wasser,
so sieht man die Leitbahnen als helle Zonen, die beim Zufliefsen von
Jod hellblau gefärbt werden. Die Zellen hier sind verhältnis-
mälsig arm an Stärke. Die anderen Zellen enthalten viel mehr
1) Warburg,a.a. O.S. 18 (228).
K. T. Hallström: Myristicaceen. 463
Stärke und werden dunkler blau gefärbt, während die gelbbraunen
Gerbsäureklumpen, die nicht innerhalb der Leitbahnen, auch nicht
in den dieselben umgebenden Zellen zu finden sind, eine rotbraune
Farbe bekommen. — Fe, Cl, und K, Cr, O, geben in den Samen-
hautzapfen, in den mit dem Kerne zusammenhängenden Resten der
Samenschale wie auch in den oben erwähnten gelbbraunen Klumpen
des Endosperms eine deutliche Gerbstoffreaktion. — Die Stärke-
körner sind rund, sie kommen meistens in aus 2—7 Einzelkörnern zu-
sammengesetzten Körnern vor. — Aleuronkörner findet man sehr
spärlich, sie sind klein und bestehen nur aus Krystalloiden.
Die Oelzellen in den Samenhautzapfen sind mit gelbem, ver-
harzten Oele gefüllt. Sie sind den Oelzellen und ihrem Inhalt in der
Bombay-Macis ganz gleich. KOH und Chloralhydrat lösen
den gelben Zellinhalt mit orangeroter, konc. H,SO, mit
roter bis rotgelber Farbe Alkohol löst in Form kleiner
Tröpfchen den Inhalt mit gelber Farbe, die allmälich sich in
grün verändert.
Myristica argentea Warb.
(Abbild. bei Warburg Fig 8—10.)
(A. d. pharm. Sammlung in Bern und von Dr. Warburg.)
Diese Art wurde wahrscheinlich im Jahre 1666 zum ersten
Male beobachtet und stammt von holländisch Neu-Guinea. Der
Baum zeichnet sich durch seine grossen, unterseits silberfarbigen
Blätter aus, wovon er seinen Namen hat. — Schon seit der Mitte
des 18. Jahrhunderts war die Nufs in Ostasien eine Handelsware,
kam später sogar als Handelsartikel nach Europa und wurde der
wichtigste Exportartikel Neu-Guineas.
Die Nufs der Myristica argentea kommt in den Museen Europas
unter vielen verschiedenen Namen, wie Wild nutmeg, wild
Papua nutmeg, long nutmeg, Nootmoschat von
Nieuw-Guinea, wild nutmeg from the Gold-coast,
Spice from Malacca vor. Die gewöhnlichste Benennung ist
jedoch Myr. fatua Houtt, ein Irrtum, der durch die Aehnlichkeit des
alten Namens der Myr. fatua „nux oblonga“ mit dem späteren
Handelsnamen der Myr. argentea; „long nutmeg“ verursacht wurde.!)
1) O0. Warburg. Ueber die nutzbaren Muskatnüsse S. 212—217.
464 K. T. Hallström: Myristicaeeen.
Diese Nufs ist ohne Zweifel nach der der Myr. fragrans die wich-
tigste Art und diejenige, die die beste Zukunft hat.
Der Export aus der Landschaft Onin an der Westküste Neu-
Guineas ging früher über Banda, wo die Nüsse wie die echten be-
handelt, sogar zuweilen als Verfälschung gebraucht wurden. Gegen-
wärtig werden sie meistens direkt nach Macassar gebracht, wo sie
wie die echten geschätzt und mit Kalk behandelt werden. (Warburg!)
Früher wurde die Nufs namentlich wegen der Billigkeit nur
von den Eingeborenen im malayischen Archipel, auf der malayischen
Halbinsel und auf den Philippinen gebraucht und kam nur aus-
nahmsweise nach England und Holland. Jetzt werden sie über
Amsterdam unter dem Namen Papua noten und Mannetjes
noten van Nieuw-Guinea importiert; in England kommen
sie im Handel unter dem Namen long nutmeg, in Deutschland
als Pferdemuskat und Neu-Guinea-Muskat vor. —
Obgleich das Aroma, das sich sehr lange hält, nicht so fein ist, wie
das der echten Nüsse, wird die Nuls doch gegenwärtig z. B. in
England von der ärmeren Bevölkerung gebraucht.
Die Frucht ist 45—65 mm lang, 45—55 breit und fast kahl,
das Perikarpium ist sehr dick (”—12 mm). — Der Arillus, der ge-
wöhnlich aus 4-5 breiteren Streifen besteht, ist oben und unten
zusammengewachsen und hat eine schmutzig graue oder braunrote
Farbe. — Die Nufs unterscheidet sich von der echten durch ihre
längere und schmälere Form (35—45 mm lang, 20—25 mm breit)
und durch die seichten Arillusfurchen. Sie ist an der Basis
am breitesten ; aufsen, wenn frisch, glänzend rotbraun, im Handel
aber meist abgerieben und dann fein punktiert und gelbbraun
(Warburg). — Von dem Chalazaende verlaufen einige deutlich sicht-
bare Gefälsbündel gegen die Samenspitze. — Die Aufsenseite der
Samenschale, die hart und dick (1,0—1,7 mm) ist, ist feinhöckerig.
Dieses ist, wie aus dem Vergleichen der succedanen Flächenschnitte
hervorgeht, von der verschiedenen Länge der Innenpalissaden ver-
ursacht.
Bei den Samen, die zur Untersuchung vorlagen, war
der Kern gröfstenteils verdorben ; ein übersichtliches Bild des
1) Herrn Dr. Warburg verdanke ich zahlreiche Bestimmungen
zweifelhaften Materiales, Herrn Prof. Vogl gutes Material. Tschirch.
K. T. Hallström: Mypyristicaceen. 465
Endosperms war deshalb nicht zu erhalten. „Das Endosperm“,
sagt Warburg, „enthält viel Stärke und die braunen Ruminations-
streifen, die allein das Aroma enthalten, sind mehr zerstreut und
gröber als bei der echten Nufs. Die Cotyledonen sind zu einer
5 mm im Durchmesser besitzenden am Rande gewellten Scheibe
zusammengewachsen. Zu uns kommen meist nur die gekalkten
Samenkerne, die häufig recht viel kleiner (manchmal nur 2 cm lang)
und meist sehr abgerieben sind, wodurch sie eine etwas höckerige
Oberfläche erhalten, doch zeigen auch diese noch die cylindrische
oder cylindrisch-konische Form ziemlich deutlich“.!)
Wie oben erwähnt, ist die Samenschale der Myr. argentea
sehr hart, so dafs Schnitte sehr schwer zu erhalten sind. Die flache
Epidermis ist von dünnwandigen polygonalen Zellen gebildet; die
Aufsenwand ist stark verdickt, die Innen- und Seitenwände unver-
diekt, die Spaltöffnungen etwas unter das Niveau der Epidermis
gedrückt. Die 2—3 subepidermalen Zelllagen ausgenommen, die aus
ziemlich grofsen parenchymatischen Zellen mit grofsen Interzellularen
bestehen, ist der äufsere Teil der Samenschale aus zusammenge-
drückten kleinen parenchymatischen Zellen, die teils mit braunem In-
halt gefüllt sind, aufgebaut. Hier findet man die langen Sekretbehälter,
bald allein, bald die Gefäfsbündel begleitend. — Die dünnwandigen, lan-
gen, prismatischen Aufsenpalissaden gleichen denen der Myr. fragrans.
Hie und da kommen in dieser Zelllage Lücken vor, die durch das
Auseinanderweichen benachbarter Zellen entstanden sind. (Fig. 21
ap). Ohne Kenntnis der vorhandenen Entwickelungsstadien des
Samens ist es unmöglich zu sagen, ob diese Lücken durch Schrumpfen
des äufseren Teils der Samenschale entstanden, oder ob sie für den
Bau dieser Zelllagen eigentümlich sind. — Die stark verdickten
Innenpalissaden bestehen aus ungleich langen Zellen; kleine Gruppen
von diesen bilden nämlich stellenweise spitzige Erhebungen, die der
Aulsenseite des getrockneten Samens das schon erwähnte höcker-
artige Aussehen verleihen.
Durch das Fehlen der Querfaserschicht unterscheiden sich die
Samen der Myr. argentea von allen untersuchten Myrıstica-
l) Warburga.a.O.S. 216.
466 K. T. Hallström: Myristicaceen.
Samen!). Dagegen schlielst sich direkt an die Palissaden eine
2—3 Reihen starke Lage von weitlumigen parenchymatischen Zellen
(Fig. 21,,) und an diese dünnwandige, mit hellgelbem Inhalt gefüllte,
in radialer Richtung zusammengefallene Zellen an, die die innerste
Schicht der Samenschale bilden.
Das Endosperm ist dem der Myr. fragrans ähnlich. Die
Stärke kommt hier nicht nur in der Form kleiner Körner (0,005 bis
0,040 mm) vor, sondern auch als eine homogene, gallertartige Masse,
die durch Jod blaugefärbt wird. — Die farblosen Aleuronkörner
sind meist rund, doch kommen auch birnenförmige und längliche vor.
Die gröfseren Körner haben ein rundes Globoid, selten zwei, die
kleineren keines. ÜOalciumoxalatkrystalle fand ich nicht.
Myristica corticosa. Hook f. et Thoms.
(Alkoholmaterial a. d. Tschirch’schen Sammlung a. d. bot. Garten
Buitenzorg und der Sammlung in Bern.)
Die leberbraune Frucht ist grofs und länglichrund, 65 mm lang
40 mm breit. Das Pericarpium ist diek und kahl. — Der hellbraune,
glatte, aromatisch riechende Arillus bedeckt ungefähr ein Drittel des
Samens; an der Basis teilt er sich in 6—7 Lappen, die sich noch-
mals teilen und an der Spitze sich vereinigen, ohne dieselbe zu
decken.
Der Same ist 50 mm lang, 19 mm breit, lang und schmal mit
deutlichen Arillusfurchen. Die Farbe ist kastanienbraun mit dunkleren
Streifen. Die Samenschale ist weich und lälst sich leicht biegen,
ohne zu brechen. Die Epidermis, deren äufsere Wand sehr verdickt
ist, löst sich leicht. Die folgenden Zellreihen sind in rad. Richtung
zusammengedrückt, die nahe an den Innenpalissaden stehenden
Zellen sind prismatisch (nicht langgestreckt und schmal wie die ent-
sprechenden Aufsenpalissaden der Myr. fragrans), reichlich mit
braunem Inhalt gefüllt. Milchröhren ähnliche Sekretbehälter sind
selten. — Die Innenpalissaden sind nicht gleich lang (0,45—0,54 mm);
Im Gegensatz zu den Samen der Myr. fragrans, falua und argentea
ist bei dieser Art der innereRand der gesamten Palissadenschicht
wellenförmig gebogen. — Die Bastzellen der Querfaserschicht (Fig.
1) Vergl.: Möller, Ueber Muskatnüsse, Separatabdruck a. d.
Ph. Centralhalle 1880 S. 7 und oben bei Myr. fatua.
K. T. Hallström: Myristicaceen. 457
23) sind von zwei verschiedenen Formen: lange, gerade oder etwas
gebogene (0.297—0,540 mm lang) und kurze und breite (0,162—0,216
mm lang) beide mit linksschiefen Tüpfeln. Die lange Form ist
zahlreicher vertreten.
Fe, Cl, und K, Cr, O, geben die Gerbsäurereaktion. H, SO,
löst fast sogleich den Zellinhalt mit schöner purpurrother Farbe.
Ammoniak und KOÖH färben die Samenhautzapfen und die
äufseren Partien der Samenschale orangerot-schwarz, KOH
löst nur äulserst wenig. Nach dem Kochen der Schnitte
mit Wasser giebt H, SO, eine kirschrote und KOH eine braunrote
Färbung. Stärke fehlt der Samenschale.
Das Endosperm ist weich und locker und schrumpft sehr
schnell, — sehr wahrscheinlich war der untersuchte Same noch
nicht reif. Die Ruminationsstreifen sind kurz und nicht besonders
zahlreich. In den Endospermzellen beobachtet man kleine runde
ebenso wie grölsere runde und ovale, farblose Körner, die sich als
Stärke und Aleuron erweisen. Globoide und Calciumoxalatkrystalle
sind nicht zu sehen,
Myristica cahyba (Ucuhuba?).
(Trockenes Material a. d. pharm. Sammlungen in Wien und Bern.)
Der Same ist 21 mm lang, 17—19 mm breit, von den Seiten
etwas zugedrückt. Die Chalaza, die durch eine 2—3 mm hohe und
5 mm breite warzenförmige Erhebung ausgezeichnet ist, be-
findet sich auf der einen Längsseite des Samens. Das Hilum ist
als eine ovale Erhebung mit grauen Rändern zu bemerken. — Die
Samenschale, die keine Arillusfurchen hat, ist von der Farbe einer
Eichel. Die in der äusseren Schicht der Samenschale verlaufenden
Gefäfsbündel sind als hellere Streifen sichtbar.
Die Samenschale ist hart und 0,7—1,5 mm, an der Chalaza
bis an 25 mm dick. — Der anatomische Bau bietet nichts Be-
merkenswertes dar. — Die Innenpalissaden sind 0,62=2,065 mm
lang. Die Bastzellen der Querfaserschicht sind 0,189—=0,378 mm
lang, im Querschnitt rund (0,027=0,04 mm), stark verdickt und mit
weiten Spaltentüpfeln versehen.
Das Endosperm ist hier ungleichmässig ruminiert; meist sind
die Ruminationsstreifen klein, nicht selten aber reichen die Falten bis
468 K. T. Hallström: Myristicaceen.
an die gegenüberliegende Seite. Besonders grofse Streifen gehen von
der Raphe aus. — Die braungraue Farbe des Endosperms ist von
der Menge der Gerbstoffklumpen, die nebst dem Fett und Aleuron
die Zellen ausfüllen, verursacht. — Das Fett ist teilweise krystal-
linisch; erwärmt man einen Schnitt, so schmilzt es mit unange-
nehmem Geruch. Alkohol löst es leicht. Die Aleuronkörner sind
sehr grofs und wohl ausgebildet und enthalten alle typischen Bestand-
teile.!) — Stärke fehlt meist. Fe, Cl; und K, Cra O, zeigen wie bei
allen anderen Nüssen das Vorhandensein von Gerbstoff an.
Myristica Bicuiba Schott.
(Trockenes Material a. d. pharm. Sammlungen in Graz und Bern.)
Stimmt mit der vorhergehenden überein. Eine sehr schwache
Stärkereaktion wurde jedoch erhalten.
Die Keimungsgeschichte der Myr. Bicuiba unterscheidet sich von
derjenigen der Myr. fragrans, jatua nnd malabarıca Sie ist von
Fritz Müller festgestellt worden.?)
Virola surinamensis (Rol.) Warb. (Myristica surina-
mensis Rol.) (Abbildung bei Warburg Fig. 15).
(Trockenes Material a. d. pharm. Sammlung in Bern.)
Diese auf der Insel Cariba in Surinam einheimische Art ist
von Tschirch?) beschrieben, besonders mit Rücksicht auf die
aufserordentlich schön ausgebildeten Aleuronkörner. Doch mag der
Bau der Samenschale kurz erwähnt werden, besonders weil diese
Art durch die die Querfaserschicht bildenden Bastzellen sich von
den übrigen hier erwähnten Arten unterscheidet. Die äufsere Schicht
der Samenschale ist dünn und spröde und löst sich leichtab. Aufser
der dickwandigen, platten Epidermis besteht sie aus 4—6 Reihen dünn-
wandiger parenchymatischerZellen mit tangentialer Streckung (Fig. 17,;).
Die Aufsenpalissaden sind kurz, dünnwandig, prismatisch, fast ohne
Ausnahme mit braunem, zu Klumpen erhärtetem Inhalt gefüllt.
Anstatt einer Zelle stehen oft zwei kürzere über einander (Fig. 17 ap).
° ) Vergl.: Tschirch. Archiv d, Pharmacie 1887 S. 628.
2) F. Müller, Keimung der Bicuiba. Ber. d. d. bot. Gesellsch.
1887 V. S. 468.
3) Archiv der Pharmacie 1887 $8. 619 und Angew. Pflanzenanatomie
Fig. 37.
K. T. Hallström: Myristicaceen. 469
— Die Hauptmasse der Testa wird aus den langen (0,945 mm)
Innenpalissaden und der Querfaserschicht gebildet. Die Bastzellen
dieser Schicht sind entweder spiralig verdickt mit linksschiefen
Tüpfeln (Länge 0,594 mm) oder kurz und netzartig verdickt
(0,229—0,405 mm) (Fig. 18). — Stärke fehlt.
Virola guatemalensis. (Hemsl.) Warb. (Abbildung bei
Warburg Fig. 14). (Trockenes Material a. d. pharm. Sammlung in
Bern und von Dr. Warburg.)
Im Handel kommt diese Art, wie auch Virola surinamensis
(Rol.) Warb. unter dem Namen „African oil nut“ vor, welcher Name
eigentlich der letzteren Art zukommt, und wird in ihrer Heimat
Guatemala zur Bereitung von Fett benutzt. Das Pericarpium ist
wie bei den amerikanischen Virola-Arten überhaupt dünn und also
unbrauchbar.
Der Same, 20 mm lang, 14—15 mm breit, ist fast eiförmig,
kaum gefurcht. Der kaum erhabene Chalazafleck in der Mitte der
einen Längsseite ist auffallend grofs. Wo die äulserste Lage der
papierdünnen und spröden Samenschale, die sich leicht in dünnen
Splittern löst, nicht mehr erhalten ist, sieht man den harten Teil
als eine schwarzbraune, glänzende Fläche mit wenigen kurzen, schief-
längsverlaufenden Erhebungen. — Die innere Seite der harten
Samenschale ist von einem graubraunen Beleg bedeckt. Sie löst
sich leicht beim Kratzen ab und besteht aus der Querfaserschicht
und einigen Zellreihen der Samenhaut, deren gröfster Teil mit dem
blosliegenden Samenkern vereinigt ist.
Der Bau der Samenschale bietet nichts bemerkenswertes dar.
Die Calciumoxalatkrystalle in den Palissaden sind ungewöhnlich
gro[s (0,027 —0,032 mm) (Fig. 25 Kr.), die Palissaden selbst sind
ungleich lang (0,459—0,513 mm), so dafs der innere Rand derselben
eine wellenförmige Linie bildet. — Die Bastzellen der Querfaser-
schicht dagegen treten im Querschnitt durch ihre unregelmälsige
rechteckige Form mit abgerundeten Ecken und durch ihre weiten
Lumina (0,027—0,067 mm) hervor (Fig. 25 qfs). Isoliert sind sie
von verschiedener Grölse (0,216—0,945 mm) (Fig. 26).
470 K. T. Hallström: Mypyristicaceen.
Der Samenkern ist braungrau, von den Seiten etwas zu-
sammengedrückt. Die Chalaza wird durch einen grofsen dunkel-
braunen Fleck bezeichnet.
Von dem unteren Rande der Chalaza verläuft gegen das
Hilum, an dessen Rande mit einer Erhebung aufhörend, eine rinnen-
förmige Vertiefung. -—— Die Ruminationsstreifen sind teilweise grols und
dringen in das Endosperm bis weit über die Hälfte des Samens vor.
Das Endosperm, dem der aromatische Geruch fehlt, besteht
aus polygonalen Zellen. Schon beim ersten Anblick setzt die so-
wohl in amorpher als in krystallinischer Form vorkommende
Fettmasse, welche die Zellen füllt, in Erstaunen. Das Fett löst sich
leicht in Alkohol. In das Fett eingebettet, bisweilen die ganze Zelle
füllend, sind gröfsere und kleinere braungelbe und gelbe Klumpen
verschiedener Form, die, wie auch die Membranen der Samenhaut-
zapfen, mit Fe, Cl; und K, Cr, O, die Gerbsäurereaktion geben. —
Stärke fehlt.
Die Aleuronkörner sind aufserordentlich wohl ausgebildet.
Neben den kleinen Körnern kommen auch grolse vor, die, wie in
Myristica surinamensis Hüllmembran, Hüllmasse und Einschlüsse
haben und die mit denen der Myristica surinamensis gut vergleich-
bar sind. Dazu kommen hie und da in den Zellen isolierte oder
mehrere zu Gruppen vereinigte Globoide mit eingeschlossenen
Krystallen vor.
Virola sebifera Aubl. (Myristica sebifera Sw.)
(Abbildung bei Warburg Fig. 12).
Der vorliegende Same(aus der pharm. Sammlung in Wien) hat kein
Pericarpium, ist eirund und sowohl in Grölse als Farbe dem des Lor-
beers ähnlich, 12—14 mm lang, 10—12 mm breit. Wo die Epidermis
noch vorhanden ist, ist die Farbe graubraun mit längslaufenden
helleren Streifen, den Gefälsbündeln ; wo sie dagegen zerstört ist,
tritt die ebenholzgefärbte harte Palissadenlage hervor. Die Aufsen-
fläche ist von meridional verlaufenden langen Runzeln und Erheb-
ungen uneben. Die Raphefurche ist als eine seichte und schmale
Rinne zwischen Hilum und der Samenspitze, wo sie mit einem
spitzigen Höcker aufhört, sichtbar.
Fortsetzung im Heft VIl.
ARCHIV
DER
—_ PHARMACIE 7°
herausgegeben
» di
vom
Deutschen Apotheker-Verein
unter Redaction von
E. Sehmidt und H. Beckurts.
Band 233. Heft 7.
BERLIN. re
Selbstverlag des Deutschen Apotheker-Vereins,
1895. =
1895.
E
-K. Th. Hallström, Anatomische Studien über den ne der M
caceen und ihre Arillen.. . . = Zah
G. Kassner, Untersuchungen über Orthoplumbate nr Erdalkalien.
Dr. Mankiewicz, Ueber eine forensische Strychninuntersuchung.
Br. Grützner u. M. Höhnel, Zur Kenntnis der Metaplumbate der
Erdalkalien.. . .
L. Moeser, Zur Kenntnis der eisensauren Be
K. Gorter, Ueber die van de Moer'sche Reaction und die Erzaitte-
lung des Cytisins. . . . 2 er.
Dr. Mjöen, Beiträge zur nikenskopechrn Kon des Opiuzie
Era, TVeber das’ Ainmoniacum ;* ;.. ... u. Sr Ieene
Eingegangene Beiträge.
Pinner, Ueber das Nicotin (II).
Dragendorff, Beiträge zur gerichtlichen Chemie.
Gadamer, Ueber das Thiosinamin.
Virchow, Ueber Bau und Nervatur der Blattzähne und Blattspitzen
(Geschlossen den 19. IX 1895.)
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Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel
monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis
50 Bogen. Ladenpreis für den Jahrgang Mk. 12,—.
Alle Beiträge für das „Archiv‘‘ sind an die
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K. T. Hallström: Myristicaceen. 471
Der Samenkern ist der Haselnufs täuschend ähnlich. Er ist
fast kugelförmig mit einer tiefen Aushöhlung an der Chalaza; die
Oberfläche ist grobrunzelig.
Die Testa ist papierdünn. Weil die äufsere Schicht der
Samenschale stark geschrumpft und teilweise zerstört ist, ist eine
Übersicht davon unmöglich zu erhalten. Möller sagt!): „An
nicht vollkommen ausgereiften Samen ist sie (die Oberhaut) erhalten
und diese Samen sind hellbraun, glatt und glänzend. Die Anord-
nung der Schichten der Samenschale und die Ausbildung ihrer
Elemente zeigt eine grolse Übereinstimmung mit Myr. officinalis?).
Als Unterschiede sind hervorzuheben die unregelmäfsig polygonalen
Plattenzellen der Epidermis und die unterhalb der Palissadenschicht
gelegene einfache Reihe von Sclerenchym.* Die Zelllage nach
aulsen von den Palissaden — die Aufsenpalissadenschicht der Myr.
fragrans — besteht aus langgestreckten prismatischen, mit braunem
Inhalt erfüllten Zellen (Fig. 27 ap.) Die Innenpalissaden sind kurz
(0,27—0,32 mm). Die grolsen scheibenförmigen Caleiumoxalatkrystalle
befinden sich fast ohne Ausnahme in einer Reihe in der Mitte der
Zellen und nicht wie gewöhnlich bei den anderen in den Erweiter-
ungen der beiden Enden (Fig. 27 Kr.) Die Bastzellen der Quer-
faserschicht unterscheiden sich im Querschnitt von denjenigen aller
anderen Arten durch ihre rechteckige Form (Fig. 27 qfs) und durch
die Streckung in radialer Richtung, wie auch durch ihre grofsen
Lumina. Höhe : 0,067—0,081 mm, Breite : 0,021—-0,031 mm. Isoliert
treten zwei verschiedene Typen hervor (Fig. 28): kurze fast
quadratische (0,04—0,08 mm breit und 0,21—0,37 mm lang) und
sehr lange und schmale (1,21—1,75 mm lang, 0,067—0,108 mm
breit), die hier praevalieren. Zwischen diesen giebt es auch Über-
gangsformen.
Das Endosperm ist geschmack- und geruchlos, weich wie Wachs
Die Ruminationsstreifen sind kurz und ziemlich weit von einander
entfernt. Manchmal kommen gröfsere Samenhautzapfen, die von
der Raphe ausgehend durch den ganzen Samenkern dringen, vor.
Die Endospermzellen sind mit scholligen Fettklumpen gefüllt;
innerhalb dieser sind grölsere und kleinere gelbgefärbte Klumpen
ı) Über Muskatnüsse S. 4.
2) Über Muskatnüsse Vergl. Myr. officinalis Mart.
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 7. Heft 31
472 K. T. Hallström; Myristicaceen.
zu sehen, die von Jod citronengelb gefärbt werden: Aleuronkörner.
Daneben bekommt man eine schwache Stärkereaktion, man sieht
spärliche, sehr kleine, fast unme(sbare Körner, daneben hie und da
eine blaugefärbte gel&eartige Masse.
In einem Schnitt, bei dem das Fett durch Kochen mit Wasser
geschmolzen worden ist, verursacht Alkohol keine Veränderungen.
Läfst man aber Alkohol ohne vorhergehendes Aufwärmen zuflielsen,
so löst sich das Fett teilweise, der ungelöste Teil bekommt
eine unbestimmte krystallinische Struktur. — KOH und
Na OH verursachen keine Veränderungen. — Fe, Öl, und
K, Cr; O, geben die Gerbsäurereaktion in der Samenschale und den
Ruminationsstreifen.
Die Aleuronkörner bestehen aus gröfseren Krystalloiden und
kleineren runden Körnern. Sie bieten sonst nichts bemerkens-
wertes dar.
Der Same aus der pharm. Sammlung in Graz war viel grölser
(Länge 18 mm, Breite 15 mm) und mehr kugelrund als der oben
genannte, sonst mit demselben übereinstimmend.
Ein Same (Virola sebifera Aubl.) aus der Sammlung Dr. War-
burg’s ist viel kleiner als die beiden vorhergehenden, mit dem kaum
1 mm dünnen Pericarpium 13 mm lang, 11 mm breit. Der ana-
tomische Bau ist wie bei den anderen; in der Querfaserschicht
wurden nur lange Bastzellen beobachtet. In den Endospermzellen
wurde keine Stärkereaktion erhalten.
Horsfieldia spec. ign. (wahrscheinlich glabra.
(Bl.) Warb.)
(In Buitenzorg bezeichnet mit Myriıstica glabra.)
(Alkoholmaterial aus der Tschirch’schen Sammlung a. d. bot. Garten
in Buitenzorg.)
Die chokoladbraune Frucht ist 35—40 mm lang, 25—30 mm
breit, eiförmig. — Das Pericarpium ist 3—5mm dick und ziemlich locker.
Der gelb-braune Arillus umhüllt die ganze Frucht sackförmig; nur
rings um die Samenspitze ist er etwas offen, so dafs der Same sicht-
bar wird, und in einige sehr kurze Lappen geteilt.
Der Same, der nur an der Chalaza einige seichte Arillus-
furchen hat, ist übrigens ganz glatt, eitörmig und an dem Chalaza-
K. T. Hallström: Myristicaceen. 473
ende spitzig. Die Grundfarbe ist braun, der Farbe einer Eichel sehr
ähnlich, mit helleren, fast gelben Striemen, die unregelmälsig zwischen
Hilum und Chalaza verlaufen. Die Epidermis, wie auch die ganze
Aufsenschicht, die die Dicke einer Karte hat, löst sich leicht ab.
Die flache Epidermis ist aus polygonalen dünnwandigen Zellen,
deren Ecken mehr oder weniger verdickt sind, zusammengesetzt.
Die zahlreichen Spaltöffnungen sind ziemlich grofs. — Die folgenden
20—25 Zelllagen sind in radialer Richtung zusammengedrückt, zum Teil
mit braunem Inhalt gefüllt. Im Flächenschnitt sieht man die par-
enchymatischen Zellen mit grofsen Intercellularen versehen, im Quer-
schnitt dagegen zeigen sie sich ganz anders, die Zellwände sind
scheinbar von Löchern durchgebohrt. (Fig. 11.) In dieser Schicht ver-
laufen die Gefäfsbündel und die langen Sekretbehälter, deren Inhalt
ebenso wenig wie der der parenchymatischen Zellen und der den
Palissaden benachbarten Zellen sich in Alkohol, Aether, Chloroform
oder Benzol löst. Die den Aufsenpalissaden der Myr. fragrans
entsprechenden Zellen sind ein wenig in radialer Richtung gestreckt,
zum Teil mit braunem Inhalt gefüllt. Hier und da enthalten sie gut
ausgebildete Calciumoxalatdrusen. (Fig. 11 ap.)
Die sehr harten Innenpalissaden sind wie bei anderen Arten
gebaut. Die der Querfaserschicht zugehörenden Zellen bestehen aus-
schliefslich aus sclerenchymatisch verdickten Bastzellen mit links-
schiefen Tüpfeln und abgerundeten oder schief abgeschnittenen
Enden. (Fig. I1qgfs und 12, Fig. 13 im Querschnitt.) — Zwischen
diesen beiden Zelllagen kommen hie und da einzelne Gruppen von
ungleich langen und dickwandigen Sklereiden, die fast wie aus den
Palissaden abgeschnitten zu sein scheinen, vor. Wo diese Gruppen
sich finden, sind die Palissaden kürzer. Ganz gleiche findet man bei
Horsfieldia Iryaghedhi. — Die Innenschicht der Samenschale ist sehr
stark obliteriert. Der mittlere Teil derselben ist aus ganz gleichen,
mit Intercellularen versehenen Zellen, wie die der Aufsenschicht,
aufgebaut.
Das fettreiche Endosperm besteht aus unregelmälsig polygo-
nalen Zellen, deren Wände mit Poren versehen eind. Das Fett zeigt
sich als aufgeschwollene, amorphe Masse, die die Zellen vollständig
ausfüllt. Das durch Erwärmen geschmolzene Fett bildet nach Zu-
fliefsen von Alkohol Fettsäurekrystallgruppen, die Fettklumpen werden
31*
474 K. T. Hallström: Myristicaceen.
von sehr feinen und zarten Krystallnadeln umgeben. — Die Aleuron-
körner bestehen nur aus Krystalloiden und Hüllmembran und sind
von wechselnder Gröfse und Form (0,013—0,085 im Durchmesser),
-— Kleine Stärkekörner kommen sehr spärlich vor.
Horsfieldia Iryaghedhi, Wark.
(Alkoholmaterial aus der Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten
in Buitenzorg.)
Die dunkel chokoladenbraune Frucht ist 40 mm lang und 30
mm breit, besonders an der Basis steifhaarig. Auch der Fruchtstiel
ist haarig. Die Fruchtschale ist ziemlich fest und 4--7 mm dick. —
Der ungeteilte, kastanienbraune Arillus schlie[st sich dieht an den
Samen, so dafs er ganz eben, ohne Runzeln oder Faltungen ist. An
der Spitze ist er wie eine Düte zusammengelegt. — Der Same ist 283 mm
lang, 19 mm breit, gleichförmig oval, kastanienbraun. Die Aulfsen-
seite, deren Epidermis sich sehr leicht löst, ist, kleine warzen-
förmige Erhebungen ausgenommen, ganz eben; nur an der Spitze sind
einige seichte Arillusfurchen zu shen. — Die Samenschale ist
dünn und zerbrechlich. — Der Samenkern zeigt tiefe zwischen Cha-
laza und Hilum verlaufende Furchen mit kleineren seitwärts gehen-
den Verzweigungen, die durch die tief in das Endosperm eindringen-
den Samenhauttalten entstanden sind.
Die Epidermis ist aus polygonalen Plattenzellen zusammenge-
setzt. Die Aufsenwand und die Ecken sind stark, die Seitenwände
nicht verdickt (Fig. 15 ep). Die subepidermalen und die weiter
nach innen folgenden Zelllagen bestehen aus ziemlich grofsen und
unregelmäfsigen, mit Vorsprüngen versehenen parenchymatischen
Zellen. (Fig. 16.) Näher den Palissaden (0,44—0,95 mm lang)
werden diese regelmälsiger rund oder oval und haben Intercellularen.
Die den Aufsenpalissaden entsprechenden Zellen sind in radialer Rich-
tung etwas gestreckt, prismatisch, die Seitenwände mit Poren ver-
sehen. (Fig.15 ap). Auch hier zeigen sich scheinbar Löcher in den
Zellwänden. In der Aufsenschicht sind die Zellen sehr reichlich mit
braunem Inhalt, der in den den Palissaden benachbarten Zellen harte
Klumpen bildet, erfüllt. Die Bastzellen der Querfaserschicht sind
derjenigen der oben beschriebenen Horsfieldia gleich. Auch hier
kommen zwischen diesen beiden Gewebsschichten gleiche Gruppen
K. T. Hallström: Myristicaceen. 475
von sklerenchymatisch verdickten Zellen, wie bei Horsfieldia spec.
ign. vor.
In den die Palissaden umgebenden Geweben sind die Zellen
sehr stark mit braunem Inhalt oder mit harten Sekretklumpen erfüllt.
Dazu finden sich in den Epidermiszellen reichlich Chromatophoren
in Form brauner oder rotbrauner gelappter Scheiben und kleinerer
oder grölserer Körner, die besonders in Flächenschnitte deutlich
sichtbar sind. In den subepidermalen Zellen findet man kleine farb-
lose Körner, runde, ovale, nierenförmige, die mit Jod eine deut-
liche Stärkereaktion geben. Um die Löslichkeit des Zelleninhaltes
zu untersuchen, wurden Schnitte auf dem Objektträger mit Alkohol-
Chloroform, Aether und Alkohol - Aether (gl. Teile) behandelt, doch
ohne Resultat. Nach 2 Tagen war eine Lösung der Inhaltsbestand-
teile kaum bemerkbar, die Lösungsmittel aber waren (besonders der
Alkohol) deutlich rotgetärbt. Durch Kochen der Schnitte mit den
Lösungsmitteln wurde die Löslichkeit nicht grölser. — Nach längerer
Zeit vermag jedoch der Alkohol viel zu lösen, denn der Alkohol, in
welchem das Material viele Monate nach einander aufbewahrt worden
war, war tiefrot gefärbt. Lie(s man etwas von diesem abdunsten, so blieb
eine spröde, harzartige und blättrige Masse übrig. Kam dieser
gefärbte Alkohol in Berührung mit Wasser, so wurden braungraue
klebrige Ballen gebildet. — KOH löst die Chromotophoren mit
schöner, orangeroter Farbe, H, SO, löst dieselben mit dunkel-
orangerother-braunroter Farbe.
Das Endosperm ist wie bei der vorigen Art gebaut. Die Zellen
sind von krystallinischem Fett erfüllt. Dasdurch Kochen in Wasser
geschmolzene Fett krystallisiert beim Zufliefsen von Alkohol. Daneben
findet man Aleuronkörner und länrgliche und runde Stärkekörner
(0,005—0,032 mm lang und 0,005—0,013 mm breit.) — KOH ver-
seift das Fett und bildet Krystallnadeln. Der Farbstoff in den
Samenhautzapfen wird mit bronzeroter Farbe gelöst. — H,SO, giebt die-
selbe Reaktion wie KOH, nur krystallisiert das Fett nicht so deutlich.
Horsfieldia macrosoma (Mig.) Warb.
(Alkoholmaterial a. d. Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten in
Buitenzorg).
Die Frucht ist 40 mm lang, 27 mm breit, graubraun, ganz
glatt. Das Pericarpium 5—7 mm dick und test. — Der hellbraune,
476 K. T. Hallström: Myristicaceen.
28 mm lange und 13 mm breite Samen ist von einem ungeteilten,
den Samen sackartig umgebenden, leberbraunen Arillus umschlossen.
Der Bau der Samenschale ist in seinen einzelnen Teilen dem
der Horsfieldia spec. ign. sehr ähnlich. Die Palissaden sind
0,37—0,43 mm lang. An der Rapheseite ist nach innen von den
Palissaden eine zweite Palissadenschicht zu finden. Die Zellen in
dieser inneren Schicht sind ganz gleich und fast überall auch gleich
lang, wie in der äusseren Schicht und mit Calciumoxalatkrystallen
versehen.
Die Endospermzellen sind mit scholligen Fettklumpen gefüllt.
— Die Samenhautzapfen sind meistens kurz und an Zahl gering,
doch kommen auch einzelne grölsere, die sich sehr mächtig in dem
Endosperm ausbreiten, vor. — Die Stärkekörner sind klein, rund
oder oval (0,002—0,018 mm), die Aleuronkörner klein und wenig
entwickelte. KOH und Ammoniak verursachen eine Rotfärbung
in dem Inhalt der Zellen, in der Samenschale und in den Samen-
hautzapfen. — H, SO, löst den Inhalt mit tief orangeroter Farbe.
— Fe, Cl; und K: Cr, O, geben Gerbstoffreaktion.
Horsfieldia glabra. (Bl.) Warb.
(Alkoholmaterial a. d. Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten
in Buitenzorg).
Die Frucht ist 32 mm lang, 20 mm breit, dunkel rotbraun,
Das Pericarp ist dünn. Der blafs-graubraune Arillus ist an der
Spitze in zwei Hauptlappen geteilt; grölstenteils ist der Same von
demselben sackartig umgeben. Der Same ist 28 mm lang, 19 mm
breit. Die Farbe ist etwas heller als die der Frucht.
Die Epidermis der Samenschale ist aus regelmäfsigen, im
Querschnitt fast quadratischen, kleinen Zellen, die mit äufserst
kleinen Stärkekörnern erfüllt sind, aufgebaut. Sonst ist die Aulsen-
schicht wie bei Horsfieldia spec. ign. Die Zellen führen reichlich
Calciumoxalatdrusen. Gruppen aus sklerenchymatisch verdickten, den
Palissaden ähnlichen Zellen, wie bei Horsfieldia spec. ign. und
A. Iryyghedhı kommen zwischen der Querfaserschicht und der
Innenschicht vor. Fe, Cl, und K, Cr, O,, KOH und Ammoniak
geben dieselben Reaktionen wie bei der vorigen.
Im Endosperm sind die Stärkekörner sehr klein; die Aleuron-
körner sind nicht gut entwickelt und bestehen nur aus Krystalloiden.
K. T. Hallström: Myristicaceen. 477
Knemaintermedia (Bl) Warb.
(Alkoholmaterial a. d. Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten
in Buitenzorg).
Die eirunde Frucht ist 23—30 mm lang, 18 mm breit, choko-
ladebraun und feinfilzig. Das Pericarp ist 3—5 mm dick und
ziemlich fest. Der Arillus, von derselben Farbe wie die Frucht, ist
grölstenteils ungeteilt und umschliefst den Samen sackartig. Die
Arillarlappen, die kaum bis zur Hälfte des Samens sich er-
strecken, schlie[sen sich dicht aneinander, so dafs der Same vollständig
davon bedeckt ist. Der Same ist ohne Arillus 19 mm lang und 12
mm breit, gegen die Spitze sich stark verschmälernd. Die Farbe
erinnert sehr an die der Haselnufs. Die dünne, kaum 0,5 mm
dicke Samenschale ist ganz glatt, nur an der Chalaza sind einige
flache Erhabungen sichtbar. Die hellbraune Aufsenfläche ist von
dunkleren Striemen — Gefäfsbündeln — in kleine unregelmäfsige
Felder geteilt.
Die Epidermis ist grolfszellig und ziemlich diekwandig. Inder
Aufsenschicht, die nichts bemerkenswertes darbietet, kommen die
langen Sekretbehälter nebst den Gefäfsbündeln vor. Besonders die
innersten Zellreihen sind mit braunem Inhalt gefüllt. Die Innen-
palissaden sind 0,37—0,45 mm lang. Im Längsschnitt der Querfaser-
schicht sieht man hauptsächlich Janggestreckte Bastzellen. Isoliert
man sie, so findet man zwei verschiedene Hauptformen, beide klein.
Die langgestreckten sind überwiegend, die kurzen und breiteren
seltener (Fig. 22).
Die Stärkekörner sind klein und rund und füllen besonders
die subepidermalen Zellen fast ganz. Fe,Cl;, und K,Cr,0O,
geben Gerbsäurereaktion. KOH und H, SO, lösen weder noch
färben sie.
Das Endosperm ist spröd und zerfällt sehr leicht beim Schneiden.
Das beim Kochen im Wasser geschmolzene Fett bildet beim Zu-
fliefsen von Alkohol entweder lange, spitze Nadeln oder Klumpen,
die von kleinen spitzen Krystallnadeln umgeben sind. Sonst ist das
Endosperm sehr reich an Stärke und Aleuron, die die Zellen neben
dem Fett ganz ausfüllen.
Die Stärkekörner sind wie in der Samenschale klein und rund,
die Aleuronkörner führen nur selten Hüllmasse und Membran.
478 K. T. Hallström: Myristicaceen.
Globoide und Krystalle fand ich nicht. Die Krystalloide sind von
KARTEN
verschiedener Gröfse (0,005—0,031 mm lang, 0,005—0,021 mm breit)
und meistens regelmälsig ausgebildet.
Knema glauca (Bl.) Warb.
(Alkoholmaterial a. d. Tschirch’schen Sammlung).
Die fast eirunde Frucht ist 32—34 mm lang, 20—22 mm breit,
Pericarpium ist hart und dünn, rostbraun und dicht mit Stern-
haaren, die der Frucht ein feinfilziges Aussehen geben, besetzt. —
Der früher den Samen sackartig umhüllende Arillus ist jetzt in zwei
gleiche Teile geteilt, sehr dünn, an der Spitze mit einigen Zotten
versehen und von rotbrauner Farbe. Bei durchfallendem Licht
sieht man die parallel verlaufenden Gefäfsbündel als dunkle braune
Striemen. Auf der Aufsenseite sind diese auch als leistenförmige
Erhebungen sichtbar.
Der Same ist 23 mm lang, 18—20 mm breit. Die Samen-
schale ist dünn und hellbraun. Der Samenkern hat an der Chalaza
ein tiefes Grübchen, das einer Einstülpung der Samenschale ent-
spricht.
In der Aufsenschicht der Samenschale sind die verschiedenen
Gewebe den entsprechenden Teilen der Änema intermedia ganz ähn-
lich, nur die subepidermale Zellschicht ausgenommen, die wie bei
Horsfieldia Jryaghedhı gebaut ist (Fig. 16). — Die Stärke besteht
aus kleinen runden und länglichen Körnern. Die Palissaden sind
0,62 mm lang.
Die zur Querfaserschicht gehörenden Zellen unterscheiden sich
von allen anderen durch ihre kurze und breite, drei- und viereckige
Form (Fig. 24) (Länge 0,067—0,216 mm, Breite 0,027—0,067 mm).
Auch kommen spärlich etwas längere Bastzellen vor. Aber alle sind
sie wie bei Myristica surinamensis spiralig und netzartig ver-
dickte Fasern (Vergl. Fig. 18). — Fe Ol; und K, Cr; O0, geben
eine schwache Gerbsäurereaktiin. KOH und H, SO, lösen nach
kurzer Zeit ein wenig. Beim Behandeln mit H, SO, ist gleichzeitig
eine Färbung des Inhalts bemerkbar. Sie geht von einer karmin-
roten in eine violette und grüne Farbe über. Die grüne bleibt am
längsten bis auch diese verschwindet, und der Zellinhalt bekommt
dann eine fast schmutzigbraune Farbe.
K. T. Hallström: Myristicaceen. 479
Das Endosperm ist reich an Fett und weich. Die Ruminations-
streifen liegen dicht neben einander und dringen tief in das Endo-
sperm ein. — Die Stärke hat dieselbe Form wie bei Änema_ inter-
media. Aleuronkörner fand ich nicht.
Mondora-Myristica. (Kalabassen Muskatuf/s).
(Trockenes Material a. d. pharm. Sammlung in Wien.)
Ueber Mondora-Myristica habe ich nur eine kurze Notiz ge-
funden. Döbereiner!) sagt nämlich: „Mondora Myristica
Dan. liefert die sogenannten amerikanischen oder jamaikanischen
Muskatnüsse und werden dieselben dort häufig angewandt.“ Ob diese
Benennung eine oder mehrere Arten umfalst, ist unmöglich zu sagen,
wie auch ob die zur Untersuchung vorliegende Mondora Myristica
mit der von Döbereiner erwähnten identisch, ob sie überhaupt
eine Myristica-Nuls ist. Denn so sehr ist sie in Form und Aus-
sehen, wie auch im anatomischen Bau den anderen Muskatnüssen un-
ähnlich, dafs man letzteres kaum annehmen kann.
Der Same ist länglich, 20 mm lang, 10—12 mm breit, von
den Seiten platt zusammengedrückt und etwas schief. Das eine Ende
des Samens ist abgerundet, das andere ist schmäler und endigt in
einer Spitze. Längs den schmalen Längsseiten verlaufen Wulste, die
durch eine seichte, in dem abgerundeten Ende des Samens deutlich
sichtbare rinnentörmige Vertiefung in die breitere Seite des Samens
übergehen. Diese Wulste werden, wie der Querschnitt zeigt, von
einer Verdickung in der sonst papierdünnen Texta verursacht.
Die innere Seite der Samenschale sendet in das Endosperm
zahlreiche dünne, farblose Lamellen, die dasselbe in kleine Zapfen
teilen. Das Endosperm, das also ruminiert ist, löst sich leicht aus
der Samenschale und die Lamellen bleiben dabei fast unzerbrochen
mit der Samenschale vereinigt.
Die Epidermis ist von platten, unregelmälsigen Zellen gebildet.
Auf diese folgt eine Lage ungleich grolser, wenig verdickter und
mit Spaltentüpfeln versehener Bastzellen, die in der Längsrichtung
des Samens verlaufen. Die folgende Schicht ist auch aus Bastzellen
zusammengesetzt, die jedoch schmäler und länger sind und eine den
l) Deutsches Apothekerbuch von Dr, J. W. Döbereiner
und Dr. Franz Döbereiner. I. Stuttgart 1842, 3, 550.
480 K. T. Hallström: Myristicaceen.
vorigen entgegengesetzte Richtung haben. Nach innen ist die Samen-
schale von einer dünnen — 1—2 Zellreihen starken — Schicht fast
isodiametrischer, stark getüpfelter, parenchymatischer Zellen bekleidet.
Hie und da sieht man im Querschnitt die I—2 innersten Zellreihen
mit braunem Inhalt erfüllt. Diese erinnern etwas an die Innen-
schicht der übrigen Myristica-Arten. Wo in der Samenschale die
wulstigen Verdickungen sich finden, ist zwischen den beiden Bast-
zellschichten eine dicke Lage parenchymatischer Zellen, die den in-
wendig die Samenschale bekleidenden Zellen gleichen, eingeschoben,
— DieLamellen sind aus den zwei innerstenSchichten, den inneren Bast-
zellen und den parenchymatischen Zellen aufgebaut. Die Bastzellen, die
hier ausserordentlich lang und schmal sind, sind nicht lückenlos mit ein-
ander vereinigt, sondern lassen zwischen sich grofse leere Räume, die
von den parenchymatischen Zellen ausgefüllt sind. Nur ausnahmsweise
sind in den Lamellen die Bastzellen, die sich in allen Richtungen
verschlingen, mit Poren versehen. — In der Samenschale sind keine
Getäfsbündel, Sekretbehälter oder Oelzellen zu finden.
In dem Endosperm, das deutlich nach Elemi riecht, sind die
Zapfen am meisten an den Rändern, aber auch nach innen reichlich
mit runden Oelzellen, die mit braun-gelbem Oel gefüllt sind, besetzt.
Diese verursachen die braune Farbe der Zapfen. Die ziemlich dick-
wandigen, unregelmäfsigen Endospermzellen sind mit Fett, das sich
leicht in Ammoniak löst, gefüllt. KOH und Ammoniak geben
in den Oelzellen keine Reaktionen. — Jod färbt den Inhalt etwas
brauner. H, SO, löst denselben mit dunkel-orangeroter
fast rotbrauner Farbe. Die übrigen Reagentien lassen den In-
halt unverändert.
Myristica subalulata. Mig.
(Trockenes Material a. d. Sammlung von Dr. Warburg.)
Die Frucht ist schmutzig hellbraun, nicht haarig, 25 mm lang,
15 mm breit. — Die Samenschale ist von hellziegelbrauner Farbe,
sehr uneben, mit Leisten zwischen den tiefen Arillusfurchen ; dazu
(wie auch der rotbraune Arillus) mit warzenähnlichen Erhebungen
dicht besetzt, die sich leicht beim Berühren lösen. Eine glatte
Furche, die an der Chalaza mit einer sehr deutlichen Erhebung auf-
hört, bezeichnet den Verlauf des Raphebündels.
K. T. Hallström: Myristicaceen. 481
Im Querschnitte zeigt die Samenschale denselben Bau wie bei
Myr. fragrans, d. h. die Aufsenpalissaden sind zu dünnwandigen,
langen prismatischen Zellen ausgewachsen. — Das Endosperm ist
zerstört wie auch die innerste Schicht der Samenschale.
Die warzenähnlichen Erhebungen scheinen aus langen nadel-
förmigen Fettkrystallen zu bestehen.
Myristica Teysmanni Mig.
(Alkoholmaterial a. d. Tschirch’schen Sammlung vom bot. Gart. in
Buitenzorg.)
Die Frucht ist feinflzig und chokoladebraun, 50 mm lang,
45 mm breit. — Der Arillus ist im Vergleich mit dem der anderen
Arten besonders an der Basis aufserordentlich dick, bis 5 mm im
Querdurchmesser. Er besteht aus 5 Hauptstreifen, die sich in viele
dünnere zerschlitzen und sich um einander verschlingend die Spitze
der Nufs bedecken. Der Geruch ist schwach aromatisch, die Farbe
chokoladebraun. Die Schnittfläche ist ziegelrot und im Querschnitt
sind die mächtig entwickelten, mittelständigen Gefäfsbündel schon
mit blofsem Auge sichtbar.
Der regelmäfsig ovale Same, 38—40 mm lang, 30—33 mm
breit, ist glänzend chokoladebraun, etwas dunkler als der Arillus
von sehr tiefen Arillusfurchen eingekerbt. Die Samenschale ist
meistens zerstört. Sie zeigt einen mit Myr. fragrans im allgemeinen
übereinstimmenden Bau mit gut entwickelten Aufsenpalissaden. —
Der Samenkern war zerstört.
Der Bau der Fruchtschale der gesamten untersuchten
Myristicaceen stimmt im grofsen und ganzen überein. Einige Früchte
sind von, mit mehr oder weniger gegliedertem Stiel versehenen,
Sternhaaren besetzt, andere sind kahl. Alle haben sie die langen
Sekretbehälter und Oelzellen ebenso wie die Astrosklereiden, alle
enthalten Gerbstoffe im Parenchym.
V. Vergleichende Anatomie der Arillen
der Myristicaceen.
Ehe ich den anatomischen Bau der Arillen der verschiedenen
Myristicaceen beschreibe, will ich eine kurze Übersicht der hauptsäch-
lichsten Litteratur geben, die die zwei bis jetzt untersuchten Myristica-
arillen, die Banda- und Bombay-Macis, sowohl aus .anatomischen
482 K. T. Hallström: Myristicaceen.
Gesichtspunkten als auch mit Rücksicht auf die chemischen Identitäts-
Reaktionen behandelt.
Zuerst sei erwähnt, dals bereits Bergl) die Banda-Macis gut
und richtig beschreibt, dann ist die Untersuchung über Bombay-Maeis von
Tschirch?) zu erwähnen. Er giebt eine genaue, von Abbildungen
begleitete Beschreibung des anatomischen Baus und erwähnt „die
mannigfach gestalteten Körner“, die von Jodjodkalium und Chlor-
zinkjod violettbraun gefärbt werden und mit denen die Zellen
des Parenchyms angefüllt sind. — Einige Jahre später teilen
R. Frühling und J. Schultz?) zwei zweckmälsige, durch viele
Versuche erprobte Vorprüfungen mit, welche sie gebraucht haben
beim Untersuchen der verfälschten pulverisierten Macis. Die eine
beruht auf der Thatsache, dals die echte Macis niemals Stärke enthält,
die andere berücksichtigt die Abwesenheit eines bestimmten in Alkohol
löslichen Farbstoffes. Wird echtes Macispulver mit Alkohol geschüttelt,
so bekommt man ein gelbgefärbtes Filtrat, dessen Farbstoff nicht von
dem Flie/spapier aufgenommen wird. Ein mit Curcuma und Bombay-
Macis gemischtes Macispulver giebt dagegen ein das Flie[spapier
dauernd gelbfärbendes Filtrat. Wird dann das getrocknete gelbge-
färbte Flie[fspapier mit KOH geprüft, so ist an einer Braunfärbung
Curcuma, an einer blutroten Färbung Bombay-Macis zu erkennen.
Im Jahre 1837 behandelt T.F. Hanausekt) die unechte Macis,
dieer für identisch mit dervon Tschirch beschriebenen Bombay-Maeis,
welchenachTschirch,DymockundWarburg von Myr. malabarica
Lam. abstammt, hält. Als bemerkenswert erwähnt er das Verhalten des
Inhaltes der grolsen blasenartigen Zellen zu Laugen und Säuren,
Seiner Verımutungnach enthalten dieseZellen nebst ätherischem Oel einen
Farbstoff, der wenigstens zum Teil die Eigenschaften des Curcuma-
Farbstoffes besitzt. In einer Mitteilung über falsche Macis?) fügt er
bei, dafs der Mangel an jedem Aroma die Ableitung der Bombay-Macis
von Myr. fatua Houtt., Myr. officinalis Mart. oder Myr. sylvestris Houtt.
ausschlielst.
Tschirch$) beschreibt alsdann die Inhaltsstoffe der Zellen des
Arillus von Myr. fragrans Houtt. und das Vorkommen von Amylo-
dextrinstärke in Banda-Maecis, dessen eigentümliche Körnchen er auch in
der Angewandten Anatomie (S. 100) abbildet.
1) Anatomischer Atlas.
2) Pharm. Zeitung 1831 S. 556.
3) Chemiker-Zeitung 1886 No. 34.
4) Jahresberichte der WienerHandelsakademie
(Referat im Jahresber. der Pharmacognosie, Pharmacie und Toxi-
cologie 1887. S. 109.)
5) Pharm. Zeitung 1886 S. 61—62,
6) Ber. d.d. bot. Gesellschaft. 1883. Band VI. Heft.
K. T. Hallström: NMyristicaceen. 433
Als das beste Kennzeichen für unechte Maeis bält T. F. Hanau-
se kl)die Reaktionserscheinungen des Inhaltsstoffes der grolsen Oelzellen.
Diese enthalten einen harzigen Körper. derin Alkohol mitsaffrangelber oder
grüngelblicher Farbe sich löst,einkleinerTeil bleibt in Gestalt molekularer
Körnchen (Tröpfchen ?) ungelöst. Tschirch hält diese Körnchen
für den Rest der resinogenen Schicht.
Ein Jahr nachher erwäbnt Hefelmann?) Bleiessig als ein
Reagens, mit dem er geringe Mengen beigemengter Bombay-Macis bei
grolsem Ueberschu[s echter Macis noch erkennen konnte. Ein mit
kochendem Alkohol hergestellter Auszug der echten Macis färbt beim
Filtrieren das Papier schwach gelb, und giebt mit Bleiessig eine
milchig weisse Trübung, der Bombay-Macis-Auszug färbt das
Fliefspapier rot und giebt mit Bleiessig einen flockigen
rothen Niederschlag.
Waage hatdanach die obenerwähnten Reagentien mit einander
verglichen und ihre Anwendbarkeit beim Untersuchen der verfälschten
Macis?) beurteilt. Was besondersdie „Böhm’sche Reaktion“, „wodurch
der durch ein reinweilses Filter filtrierte alkoholische Auszug das
Papier nur schwach gelb färben und durch namentlich vom Rande her
beim Abtrocknen auftretende Rötung Bombay-Macis anzeigen sollte“
und Hefelmann's Methode betrifft, so geben diese nach dem ge-
nannten Autor sehr oft zweifelhafte Resultate. Es giebt nämlich
hellere, gelbe und dunklere, braune Bombay-Macis, weshalb es irre-
führend ist, eine dunkle Macisprobe sofort für verdächtig anzusehen.
Mit brauner Bombay-Macis gelingt die Hefelmann'sche Reaktion
gut. Anders verhält sich die geibe, deren Sekretzellen zumeist einen
eitronengelben Inhalt zeigen. Wenige erscheinen gelbrot, manche Quer-
schnitte sind sogar ganz frei von letzteren. Bei solcher Ware lälst
uns die Böh m’sche Reaktion im Zweifelund mitderHefelmann-
schen Reaktion geht jeder charakteristische Unterschied verloren
wenn man etwas Banda-Macis hinzusetzt.— Warburg'st) Angabe dals
Bombay-Macis mitHCl1 od. H, SO,einegrünliche Färbung geben soll, fand
Waage weder bei dunkler, noch bei heiler Bombay-Macis zutreffend
‘Als dassicherste Reagens empfiehlt erKaliumchromat. Der aeth.
Auszug der Bombay-Macis giebt auf Zusatz von Kaliumchromat eine
1) Zeitschr. f£ Nahrungsmittel - Untersuchung
und Hygiene 189%. No. 4. S. 77.
2) Pharm. Zeitung 1891. S. 122.
3) Ber. d. pharm. Gesellsch. 1892 S. 229 und 1893
S. 164 und Pharm. Centralhalle 1892, S. 372.
4) Ueber die nutzbaren Muskatnüsss S. 14 (224). Auch
mikroskopisch-anatomisch ist der Arillus leicht zu erkennen, nament-
lich aber durch Schwefelsäure. „indem die Bombay-Macis beim
Betupfen derselben mit der Säure eins grünliche Färbung annimmt.“
184 K. T. Hallström: Myristicaceen.
dunkelrotbraune Färbung, Banda-Macis nur eine Gelb-
färbung.
Jüngst hat Hanausekl) die Einwirkungen dieser und mehrerer
anderer Reagentien auf Alkoholauszüge der Banda- und Bombay-Maeis
genauer verglichen.
Der Farbstoff der Bombay-Macis ist dann von Hilger?)
dargestellt und untersucht worden. Eine dieser Arbeit beigegebene
Tabelle giebt zahlreiche vergleichende Reactionen der Farbstoffe der
Banda-Macis und der Bombay -Macis. Das Fett der Bombay - Macis
ist nach Hilger ein Gemisch von Stearinsäure, Palmitinsäure und Oel=
säure-Glycerinester. Dasselbe stimmt also qualitativ mit dem Fette
der Banda-Macis überein, für welches Tschirch den Nachweis ge-
führt hat, dals es die gleichen Ester enthält.
Amylodextrinstärke ist bei den Myristicaceen bisher nur bei
dem Arillus der Myr. fragrans bekannt. Schon Henry beobachtete
dafs Macis „eine stärke- und gummiartige, durch Jodtinktur purpur-
farbig werdende Substanz enthält.“ Da diese Tatsache einige Zeit in
Vergessenheit geraten war, wurden die Körner wieder zur Unter-
suchung herangezogen (Vogl. Moeller), doch ohne Resultat, bis
Tschirch sie als Amylodextrinstärke erkannte.3) Inde/sen hatte
schon C. Nägeli undnach ihm einige andere in verschiedenen Pflanzen
und Pflanzenteilen Stärkekörner, die sich mit Jod rot färbten, ge-
funden. Heut zu Tage sind diese Fälle nicht mehr allzu selten. Nach
A. Meyer) sind sie in den folgenden Familien gefunden: Iridaceae,
Gramineae, Orchidaceae, Papaveraceae, Aceraceae, Ericaceae, Gentiana-
ceae und Myristicaceae (Banda-Macis). Dazu kommt die Familie der
Crueiferae, wo Tschirch?) sie in keimenden, stärkefreien Samen der
Sinapis alba gefunden hat.
Myristica fragrans Houtt.
Banda-Macis.
An den beiden Seiten ist der Arillus von einer einschichtigen
Epidermis bedeckt. (Fig. 31). Nur bisweilen beobachtet man Hypo-
dermbildung. Die Aufsenwand ist sehr stark, die Innen- und Seiten-
wände weniger verdickt. In der dicken Aufsenwand, die aussen von
einer Cuticula bedeckt ist, beobachtet man oft Schichtung. In heilsem
1) Zeitschr. für Nahrungsmittelunters. 1894, Nr. 1.
2) Forschungsberichte über Nahrungsmittel etc. 1394, S. 136.
3) Vergl. Döbereiner Deutsch. Apothekerbuch S. 512 und
Tschirch, Pharm. Zeitung 1881 S. 556.
4) Ueber Stärkekörner, welche sich mit Jod rot färben. Ber.
d. d. bot. Ges. 1886 S. 337.
5) Angewandte Pflanzenanatomie S. 100.
K. T. Hallström: Myristicaceen, 485
Wasser quillt sie sehr stark. Die Epidermiszellen sind lang und
parallelwandig, durch schiefe Querwände von einander geschieden.
Tüpfel an den Seitenwänden sind selten.
Das Gewebe zwischen den Epidermen besteht aus dünn-
wandigen, fast isodiametrischen, parenchymatischen Zellen. Rings
um die zahlreichen und kleinen Gefäfsbündel sind die Zellen
gegen die Bündel hin etwas gestreckt. Aufser dem Fett, das in
Alkohol und Aether leicht löslich ist, enthalten die Zellen sehr viel
Amylodextrinstärke, die sich durch Jod rot färbt. Die Körner sind
etwa 0,002 —0,010 mm grols, meistens knochen- und stäbchenförmig,
wulstigverbogen!.)
Die zahlreichen runden Oelzellen kommen überall in dem
Gewebe vor. Diese sind etwa 0,062—0,069 mm weit, mit einer
verkorkten Membran versehen und mit gelbem oder gelbbräunlichem
Oel, das in der Droge eine ölige und harzartige Masse bildet, mehr
oder weniger vollständig erfüllt. Die resinogene Schicht?) dieser Oel-
zellen ist oft sehr schön auch in der Droge enthalten. Der in diesen
Zellen neben dem aeth. Oele vorkommende gelbe oder gelbbräunliche
Farbstoff wird von Alkohol mit gelber Farbe gelöst. — Stärke
fehlt. Ammoniak färbt die resinogene Schicht, wo sie erhalten
ist, und den Inhalt der Oelzellen rotbraun, (NH,) CO, und
Na,CO, gelbbraun, KOH löst den Inhalt der Oelzellen
mit gelber Farbe, die nicht von Filtrirpapier aufgenommen wird, die
resinogene Schicht wird dabei rotbraun gefärbt. K,CrO, färbt
anfangs gar nicht; betupft man aber vorher den Schnitt mit einem
Tropfen Alkohol, so färbt sich der Inhalt und die resinogene Schicht
ein wenig dunkler. — K,Cr,0,, HCl, Chromalaun,
Fe3Cl;,, Ba (NO,)s,, H,SO,, und Bleiacetat veranlassen
keine Reaktionen.
Westindische Macis.
(Trocknes Material aus Tschirch’s Sammlung.)
Sie gleicht vollständig der echten Banda-Macis. Der Geruch
und Geschmack ist aber nicht ganz so aromatisch wie bei der echten.
Sie besitzt einen etwas bitterlich-unangenehmen Nachgeschmack.
1) Vergl. Tschirch, Angew. Anat. S. 100.
2) Tschirch Ber. d. d. bot. Ges. 1893.S. 201 und Anatomischer
Atlas, Tafel: Kalmus.
486 K. T. Hallström: Myristicaceen.
Der anatomische Bau ist ganz wie bei der Banda-Macis, so auch die
Amylodextrinstärkekörner. Die mehr runden sind 0,008—0,016 mm,
die längeren 0,005—0,021 mm grofs. Ammoniak und KÖOH
lösen den Inhalt der Oelzellen mit orangegelber Farbe. H,SO,
löst nur hie und da mit orangeroter Farbe.
Myristica malabarica Lam.
(Bombay-Macis. Trocknes Material aus der Berner
Sammlung.)
Bombay-Macis unterscheidet sich schon habituell von anderen
Arillen durch die reich zerschlitzten, dünnen Arillarstreifen und
durch ihre dunkelbraunrote Farbe. Bei anatomischer Untersuchung
beobachtet man vor allem die hohen, dickwandigen Epidermiszellen
mit bald fast rechteckigem, bald (meistens) ungleich verengtem,
schiefem Lumen (Fig. 32 ep). Die stark quellungsfähige Epidermis
ist einschichtig, hie und da kommt eine Hypodermbildung vor, die
Aulsenwand ist mit dünner Cuticula versehen. Die Epidermiszellen
sind sehr lang und nicht so regelmälsig wie bei der Banda - Macis.
Sie sind mit den zugespitzten Enden in einander eingefügt. (Fig. 39).
Nicht weniger bemerkenswert ist der aufserordentliche Reich-
tum an grolsen, meist ovalen, mit verkorkten Membranen versehenen
Oelzellen, die bandartig oder gruppenweise zusammensto/send an der
Aulsen- und Innenseite des Arillus im Parenchym zerstreut sind, die
Mittelschicht dagegen fast ganz frei lassen. Sie sind mit einem
dunkelgelben, fast braungelben, meist; verharzten Oel, das die braun-
rote Farbe des Arillus verursacht, erfüllt.
Das dünnwandige Parenchym ist braun gefärbt, mit Fett und
mannigfach gestalteten Körnern erfüllt. — Jod färbt diese
Körner rotbraun, mit Wasser behandelt verändert sich die Farbe
in rotviolet. Es ist also Amylodextrinstärke. Siesind
wie bei der Banda-Macis von mannigfaltiger Form und 0,005—0,018 mm
grols. — Stärke fehlt. — Wenn Ammoniak in Berührung mit
dem Inhalt der Oelzellen kommt, wird derselbe sogleich orange-
rot gefärbt. Aber allmälic wird der Inhalt, Tropfen
oder eine körnige Masse bildend, mit grüner, schliefslich gras-
grüner Farbe, gelöst. Gleichzeitig löst sich das Fett in den
parenchymatischen Zellen und fliefst zu Tropfen zusammen. _ Die-
K. T. Hallström: Myristicaceen. 487
selben Reaktionen bekommt man mit Ammoniak von verschiedener
Stärke, nur wirkt das verdünnte Ammoniak langsamer. Na, 00,
und (NH,), CO, geben nach einer längeren Zeit eine schwache orange-
rote Färbung. — KOH löst sogleich mit schöner orangeroter
Farbe; das Fliefspapier wird von dem gelösten Farbstoft braunrot
wie bei „Kamala“ gefärbt. Diese Farbe geht mit Säuren sogleich in
eine gelbe über. Die Oelzellen werden bei dieser Behandlung ganz
leer. — Konc. H, SO, färbt den Inhalt tief orangerot. Das
umgebende Gewebe wird mit orangegelber Farbe, die allmälich
dunkler wird, gelöst. — Fe, Ol; färbt nach einer längeren Zeit die
Ränder der verharzten Oelklumpen schbwachrotbraun. K, CrO,
allein färbt kaum. Wird aber der Schnitt erst mit Alkohol be-
tupft, so löst sich das Sekret ein wenig und wird dann gleich beim
Zufliefsen von K, Cr O0, dunkel braunrot, fast braun-
schwarz gefärbt. — Ba (NO,), färbt nach längerer Zeit und nur
theilweise den Inhalt schwach blutrot.
„Macis sylvestris“ aus d. pharmacol. Sammlung in Wien,
erwiels sich als Bombay-Macis.
Myristica Teysmanni Miq.
(Alkoholmaterial aus der Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten
in Buitenzorg.)
Wie schon früher erwähnt, sieht man im Querschnitt schon
mit blofsen Augen die grolsen, in eine Reihe gestellten, gut ent-
wickelten Gefälsbündel. Sie haben einen central gestellten Gefälsteil,
der von einem reichhaltigen Siebteil, der oft aus 3—4 von einander
getrennten Partien besteht, nahezu vollständig umgeben ist (Fig. 37
gtb.). Die verhältnismäfsig kleinen Parenchymzellen sind dünnwandig,
gelb-braun gefärbt und mit Fett und Amylodextrinstärke erfüllt. In
diesem Gewebe finden sich die ziemlich grofsen, meist in radialer
Richtung gestreckt ovalen Oelzellen, die fast ohne Ausnahme leer
sind, überall zerstreut. (Fig. 37 oez.). Sie sind mit einer verkorkten
Membran versehen. In die Augen fallend ist die ungewöhnlich
mächtig ausgebildete Hypodermbildung, die oft bis 4 Zellreihen in
Anspruch nimmt. Die Zellen sind hier von sehr verschiedener Gröfse
und unregelmäfsig. Das gleiche gilt von den langen Epidermiszellen,
deren äussere und innere Wand sehr erheblich, deren Seitenwände
viel weniger verdickt sind.
Arch, d. Pharm. COXXXIII. Bas. 7. Heft 32
488 K. T. Hallström: Myristicaceen.
Jod giebt eine deutliche Amylodextrinstärkereaktion.
Die Körner sind fast ohne Ausnahme rundlich, scheibenförmig. —
Stärke fehlt. — Ammoniak färbt die gelbbraunen Zellmembranen
tief orangerot. — N3,CO, und (NH,)» CO, geben dieselbe
Reaktion, nur schwächer. — KOH löst den von den Zellmembranen
aufgespeicherten Farbstoff mit derselben tieforangeroten
Farbe wie Ammoniak. —- Verd. KOH wirkt in derselben Weise.
H, SO, löst und färbt mit tieforangeroter Farbe. — Fe, U], färbt
alle Zellmembranen dunkelbraun, K,0r30, mehr gelbbraun.
K, Cr O0, färbt die Zellmembraven rotbraun; in den Oelzellen,
wo der Inhalt erhalten ist, wird dieser und besonders die Membranen
dunkelbraun gefärbt. — Ba(NO,), färbt die Zellmembranen ein
wenig dunkler.
Myristicascortüco0sar) (9
(Alkoholmaterial aus der Tschirch'’schen Sammlung vom bot. Garten
in Buitenzorg.)
Auch bei dieser Art finden wir im Vergleich mit den früher
erwähnten Arillen einen Unterschied hauptsächlich im Bau der
Epidermis. Die beiden Epidermen sind ungleich. Die äulsere be-
steht aus verhältnismälsig gleichverdickten, im Querschnitt hohen
Zellen, die direkt in Verbindung mit dem Parenchym stehen.
(Fig. 35 aep.). Dagegen ist zwischen der inneren Epidermis (iep) und
dem Parenchym ein mehrschichtiges, nicht besonders diekwandiges
Hypoderm zu finden. Ausserdem sind die Epidermiszellen (iep) hier
viel höher und grölser als die der äulseren Epidermis. Die Oelzellen
sind leer, oval oder rundlich und mit einer verkorkten Membran
versehen. Meistens begleiten sie die beiden Epidermen und kommen
nnr selten in der Mitte des ziemlich kleinzelligen und dünnwandigen
Parenchyms vor.
Jod giebt eine sehr undeutliche Amylodextrinstärkereaktion.
Die Körner sind nur hie und da zu sehen, aber kommen doch sicher
vor. Die Zellinhaltsbestandteile scheinen noch nicht vollständig ent-
wickelt zu sein. Der untersuchte Arillus ebenso wie der Same
(siehe oben) hatte die volle Reife noch nicht erreicht. Stärke fehlt.
Ammoniak, KOH, (NH,) CO, und Na, CO, verursachen
keine, jedenfalls nur sehr undeutliche Reaktionen. Konc. H, SO,
löst den Farbstoff der Zellmembranen mit schwacher weinroter
K. T. Hallström: Myristicaceen. 45)
Farbe. K;, Cr O, Fe; Cl, K, Cr, O, und Ba (N O,) rea-
gieren nicht.
Myristica fatua Houtt.
(Alkoholmaterial aus der Tsschirch’schen Sammlung vom bot. Garten
in Buitenzorg).
Der anatomische Bau des Arillus der Myr. fatua zeigt eine
grofse Ähnlichkeit mit dem der Myr. glabra (Fig. 34). Der Samen-
mantel von Myr. tomentosa Thbg. (Myr. fatua Houtt), den Moeller
beschreibt, scheint die gleichen anatomischen Eigenschaften, wie der
von mir untersuchte von Myr. falua zu besitzen. Die unregelmälsig
gestalteten, den grolsen Intercellularen gleichenden Ölzellen sind
bei den beiden ganz ähnlich. Dazu kommt, dafs die die Gefäis-
bündel umgebenden Parenchymzellen gegen diese sehr langgestreckt
und strahlig angeordnet sind. (Doch findet man die Gefäfsbündel
auch wie bei Myr. fragrans Fig. 31). Die in das Parenchym ein-
dringenden Epidermalfaltungen, die Moeller bei Myr. lomentosa
gefunden hat, sind von keiner diagnostischen Bedeutung. Diese
findet man hie und da auch bei anderen Arillen. Mit dem Arillus
der Myr. argentea haben Myr. fatua und glabra die unregelmälsigen
Ölzellen gemeinsam, dagegen sind bei Myr. argentea die Parenchym-
Zellen viel diekwandiger, die Zellen rings um die Gefälsbündel nicht
strahlig angeordnet und die Epidermis mehrschichtig. (Vergl. Figg.
33 und 34). Wie ist es wohl zu verstehen, dafs der Arillus der
von Moeller beschriebenen Myr. tomentosa, dessen anatomischer
Bau mit dem von mir untersuchten Arillus der Myr. fatua Houtt.
übereinstimmt, zu einem Samen gehört, der mit aller Wahrschein-
lichkeit als der Same der Myr. argentea Warb. anzusehen ist?
(Vergl. oben, Myr. argentea, Seite 463).
Jod giebt eine deutliche Amylodextrinstärkereaktion. Die
Körner sind teils scheibenförmig mit unregelmäfsigen Rändern wis
bei Myr. glabra (Fig. 40); meistens sind sie jedoch ganz rund oder
etwas eckig. Nur ausnahmsweise findet man längliche Körner (Fig.
43). Diese sind verhältnismälsig grofs (0,008—0,024 mm), Stärke
fellt. Ammoniak und KOH lösen den hellgelben Inhalt der
Ölzellen mit orangegelber, H,S O, mit orangeroter-rotbrauner Farbe.
Die übrigen Reagentien geben keine deutlichen Reaktionen.
490 K. T. Hallström: Myristicaceen.
Myristica glabra.
(Trocknes Material aus der Tschirch’schen Sammlung.)
Die Farbe ist etwas heller als die der Banda-Maeis, an die
sie übrigens sehr erinnert, der Arillus hat keinen aromatischen
Geruch oder Geschmack. Die innere Seite ist fettglänzend. Die
Arillarstreifen sind teilweise ziemlich breit, an der Spitze des Samens
in viele dünne und schmale in einander sich verschlingende, die
Samenspitze bedeckende Streifen geteilt.
Die Zellen der einschichtigen Epidermis sind plattgedrückt
und besitzen besonders aulsen sehr erheblich verdickte Wände. In der
Flächenansicht sind die Epidermiszellen lange nicht so langgestreckt
wie bei Myr. fragrans und malabarıca, sie sind mit schiefen und
horizontalen Querwänden versehen. In dem zartwandigen Paren-
chymgewebe sind die unregelmälsig gestalteten, mit verkorkten
Membranen versehenen Ölzellen in allen Teilen des Gewebes zer-
streut, meistens kommen sie jedoch längs der Ränder vor. Bei dem
ersten Anblick scheinen sie mehr grofse Intercellularen oder Ölzellen
zu sein. Rings um die Gefäfsbündel sind die pareuchymatischen
Zellen strahlig angeordnet mit der Längsrichtung gegen die Gefäls-
bündel (Fig. 34). Die Oelzellen sind leer.
Jod zeigt Amylodextrinstärke an. Die Körner sind meistens
rundlich, von unregelmälsigem Umrifs oder buckeliger Form (0,005 —
0,018 mm); selten kommen krugförmige oder Zwillingskörner vor.
Sonst wie bei Myr. fatua. Stärke fehlt.
Myristica argentea. Warb.
(Trocknes Material aus der Warburg’schen Sammlung).
Das Parenchym bei diesem Arillus unterscheidet sich von dem
der übrigen durch die verhältnismälsig grolse Dicke der Zellwände
(Fig. 33). Die Ölzellen kommen spärlicher vor als gewöhnlich und
sind, wie bei dem Arillus der Myr. glabra mehr grolsen Intercellularen
als Ölzellen ähnlich. Sie sind unregelmäßig im Umrils, mit
scharfen Einbuchtungen (Fig. 33 oez). Die Epidermen bestehen aus
kleinen unregelmäfsigen Zellen. Die innere Epidermis, deren Aufsen-
wand sehr stark verdickt ist, grenzt nachinnen an ein einschichtiges
Hypoderm, die äufsere ist etwas weniger verdickt, hat aber ein
mehrschichtiges Hypoderm. Die Gefäfsbündel sind klein.
K. T. Hallström: Myristicaceen, 491
Die Amylodextrinstärkekörner sind meistens knochenförmig,
auch kommen runde und vicreckige vor (0,005— 0,013 mm). Die
Reaktionen mit KOH, Ammoniak und H, SO, sind sehr undeutlich.
Stärke fehlt.
Horstieldia Iryaghedhi.(Gärtn.) Warb.
(Alkoholmaterial aus der Tsschirch’schen Sammlung vom bot. Garten
in Buitenzorg.)
In ihrem anatomischen Bau zeigt diese Art einen weitgehenden
Unterschied von allen bisher erwähnten Arillen der Myristicaceen.
So besteht z. B. die Hauptmasse des Arillus aus radialgestreckten,
ziemlich dickwandigen, mit Fett gefüllten Parenchymzellen, die 2 bis
5 Zellschichten dick nach aufsen und innen die beiden Flächen be-
grnzen (Fig. 36). Die mittlere Schicht dagegen besteht aus ganz
dünnwandigen, ziemlich kleinzelligen parenchymatischen Elementen.
Hier verlaufen die meist zarten Gefälsbündel, auch führen die Zellen
nicht selten Fett in Form von die Zellen ausfüllenden harten, amorphen
Klumpen. Diese Schicht ist sehr reichlich mit ungleich grolsen,
rundlichen und sowohl radial gestreckten, wie zusammengedrückten
Oelzellen erfüllt (Fig. 36 oez). — Die Membran der Oelzellen ist
verkorkt. Die Zellen selbst sind mit verharztem Oele erfüllt. Schon
mikroskopisch ist diese stark obliterierte Mittelschicht im Querschnitt
von dem umgebenden Gewebe zu unterscheiden, indem sie sich als
ein rötliches Band darstellt. Eine eigentliche Epidermis fehlt ganz;
dagegen sind die Aufsenwände der Randzellen stärker verdickt und
mit einer OCuticula versehen. Wie in der Epidermis der Aufsen-
schicht der Samenschale sind auch hier die den beiden Aufsenpartien
zugehörenden Zellen des Arillusgewebes reich mit roten, eckigen Farb-
stofikörpern erfüllt.
Mit Ausnahme der lockeren Mittelschicht enthalten die Zellen
Amylodextrinstärke (0,005—0,013 mm). — Beim Zufliefsen von
Ammoniak quillt die obliterierte Mittelschicht auf, der gelbbraune
‚Inhalt der Oelzellen wird teils orangerot gefärbt, teils aufgelöst, wie
auch die Zellmembranen in dieser Schicht mit derselben Farbe ge-
färbt werden. Ebenso werden die Farbstoftkörper in den äulseren
Zellen (wenn auch unvollständig) mit orangeroter Farbe gelöst. Der
ganze Schnitt hat alsbald diese Farbe angenommen. Das Fett in
492 K. T. Hallström: Mpyristicacsen.
der Mittelschicht wird von Ammoniak aufgelöst und flie(st in Tropfen
aus. — KOH giebt dieselbe Reaktion, löst aber mehr. (NH,), CO;
und Na, CO, lösen fast nichts. Ks, Cr O, zeigt eine rotbraune
Färbung der mittleren Schicht. Fe, Cl, und K, Cr, O, eine sehr
schwache Braunfärbung. H, SO, löst allmälich mit klarer, wein-
roter Farbe. Stärke fehlt.
Horsfieldia macrosoma (NMig.) Warb.
(Alkoholmaterial aus der Tschirch’schen Sammlung.
Der Arillus dieser Art zeigt in seinem Bau eine vollständige
Uebereinstimnmung mit dem Arillus der Horsfieldia Iryaghedhi,
doch fehlen die Chromatophoren ebenso wie in der Samenschale.
— Nur H, SO, löst den Farbstoff der mittleren Schicht mit wein-
rother Farbe. Die anderen Reagentien geben keine Reaktionen. —
Amylodextrinstärke und Stärke fehlt.
Horsfieldia glabra (Bl.) Warb.
(Alkoholmaterial aus der Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten
in Buitenzorg.)
Der Arillus ist wie der der Myristica-Arten gebaut. DieEpidermis
ist sehr unregelmäfsig, die Zellen sind bald hoch, bald sehr breit
und platt, meistens klein. Das Parenchym ist sehr dünnwandig.
Die Oelzellen, mit hellgelbem, verharzten Oele gefüllt, sind am meisten
längs der äusseren, die Gefälsbündel dagegen längs der inneren
Seite angeordnet. — Die Amylodextrinstärkekörner sind ausserordent-
lich klein. Stärke fehlt. — Der Inhalt der Oelzellen wird von
H,SO, mit gelbroter Farbe gelöst. Die übrigen Reagentien ver-
ursachen keine Reaktionen.
Horsfieldia spec. ign.
(Alkoholmaterial aus der Tschirch'’schen Sammlung).
Der Bau dieses Arillus ist dem der /orsf. glabra sehr ähnlich.
Er ist von sehr weicher Consistenz. Das Hauptgewebe ist aus sehr
dünnwandigen parenchymatischen Zellen gebildet, das Ganze sieht
‚aus wie Gelee. Die hellgelbes, tast farbloses, verharztes Oel ent-
haltenden Oelzellen liegen überall dicht bei einander, doch vielleicht
etwas reichlicher an der nach aussen gewandten Seite. — Die
Epidermis ist einschichtig, die Zellen gleichen sehr denen des
Arillus der Myr. malabarica Lam. Die äussere Epidermis besteht
K. T. Hallström: Myristicaceen, 493
aus langgestreckten Zellen. — Jod giebt keine Stärke- und
Amylodextrinstärkereaktion. — Durch Ammoniak schwellen die
Oelzellen etwas auf, zeigen aber sonst keine Veränderungen. —
KOH zeigt nur hie und da eine schwache orangegelbe Färbung
des Inhalts der Oelzellen. — Andere Reaktionen sind nicht zu
erhalten.
Knema glauca (Bl) Warb.
(Alkoholmaterial aus der Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten
in Buitenzorg.)
Die äussere Epidermis zeigt im Querschnitt eine sehr grolse
Aehnlichkeit mit der der Bombay-Maecis, die innere ist aus
grolsen platten Zellen zusammengesetzt. Die Aussenwand der
Epidermiszellen ist sehr erheblich verdickt; beiderseits ist eine
starke Hypodermbildung zu finden. Der Arillus ist aus grofsen
dünnwandigen und unregelmälsigen Zellen, die sebr geschrumpft sind,
aufgebaut. — Bei dem vorliegenden Material scheint er nicht voll-
ständig reif zu sein. — Die Oelzellen sind anfangs nicht zu finden;
erst nach der Behandlung mit KOH treten hie und da einige
Zellen, die sich von den umgebenden parenchymatischen Zellen nicht
unterscheiden und die teilweise einen fast farblosen Inhalt haben,
hervor. — Jod giebt keine Amylodextrinstärkereaktion. — Von den
übrigen Reagentien geben nur Fe,Cl, und K;Cr, OÖ, eine sehr
schwache Gerbsäurereaktion. Stärke fehlt.
Knema intermedia. (Bl) Warb.
(Alkoholmaterial aus der Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten
in Buitenzorg.)
Die äussere Epidermis besteht aus kleinen Zellen, deren
Aussenwand sehr stark, die Zwischenwände weniger verdickt sind.
Im Querschnitt sind sie fast wie bei der Vorigen. Die inneren
Epidermiszellen sind grofs, platt, mit 2—3 reihigem Hypoderm ver-
sehen. — Die unregelmäfsigen, runden, leeren Oelzellen sind längs
der äusseren Seite angeordnet, die grolsen, mit reichhaltigem Sieb-
teil versehenen Gefälsbündel folgen der inneren Seite. Sonst ist der
Arillus sehr locker, die parenchymatischen Zellen sind sehr dünnwandig
und in radialer Richtung gestreckt. Sie enthalten viel Caleiumoxalat-
krystalle— Amylodextrinstärke und Stärke fehlt. — Andere Reaktionen
sind nicht zu erhalten.
Mvristicaceen.
DISER ans om
KR
494
Uebersicht der Reaktionen bei
rLLL— es EEE EEE
diem Am lalkom:
ER Myristica
Myristica 5 M an 43 Hors-
fragrans A Myristica er Myristica Myristioa Mistiea fieldia
(Banda- mer Hatum AarICa [argentea. corticosa. J°° Iryaghed-
: Maeis. (Bombay manni 2
Macis.) Macs) hi.
= ., |Löst den :In-|Löst den In-|Färbt sofort. 2 :
Färbt die halt der Oel-halt der Oel-den Inh. der Färbtden In- Färbt den In- Löst en
resinogene : E halt der Oelz. wenig und
Am- Schicht zellen ein zellen ein Oelz. orange- söhr a halt und den) +. .pt mit
moniak. wenig mit | wenig mit rot. Löst all- ” Schnitt tief| 5
schwach SE $ schwach : orangeroter
ohren orangegelb. |orangegelb.| mälig mit en orangerot. Farbe
Be Farbe. Farbe. |grünerFarbe. ES x
Ei | Löst den Inh. |
en um der Oelz. mit =
. Oelz. mit Bee Löst den In-
Nar fe) FR n
Be ber abe, Löst den In: Löst den In-| Farbe. Das = u = a Fee Löst den In-
Kali- : „8 halt der Oelz.!halt der Oelz, Fliefspapier | "na Ce! halt d. Oelz.
Flie(spapier a B ; ; = 5 | Oelzellen — stoffdesZell- .,
lauge. | jcht, die | Mit orange- mit orange- |wird wis bei } h mernbr. mit | Mit orange-
Sa gelber Farbe. gelber Farbe.|,Kamala“ge-"hwach rot- "© roter Farbe.
resinugene farht Drwoh braun. orangeroter
Sch. schwaclhı Sinren ud Farbe.
zolbraun, d. Farbe gelb.
Löst den In-
halt d. Oelz.|Löst den In- Löst den In-
mit heller, |haltder Oelz./Löst den In-/halt der Oelz., Lö
» : | er öst und en m
orangeroter Mur hie und halt der mit tief Ferkt mi Löst und | Löst all-
Kone. Farbe, die da mit |Oelzellen mitorangeroter heraeh färbt mit | mälig mit
Schwefel. „halten jorangeroter| schwach | Farbe, die 2 Be Er tief orange-klarer, wein-
Saure Ljeibt: Farbe: sonst|orangeroter| allmälich Wr roter Farbe.roter Farbe.
bleibt; geht“ > Farbe.
nicht m [mit orange-| Farbe. rotbraun
rotbraun gelber. wird.
über. |
495
Uebersicht der Reaktionen bei den Arillen.,
Myristicaceen.
T. Hallström
RB:
‚Myristica Myristioa FR Hors-
en Be dische Myristica ae Myristica Myristica Ton fieldia
(Bombay argentea. corbticosa, „anni. Pu
% Mais.) j
Färbt die Färbt lang-
Ammon. | resinog. sam d. Inh. Färbt Färbt
| Schicht der Oelz. schwach schwach
| ch schwach n= orangerot. | orangerot,
ı gelbbraun. orangerot.
Natr. Car- do, do.
bonat. do.
a | Ailm. eine färbt die
er mem | schw. blutr. — Zellmembr. =
a Färbung. etw. dklbr.
SE. | Färbt d. Inh. Färbt die | Färbt sehr
ori d.Oelz. schw. _ Zellmembr. | schwach
aa rotbraun. dunkelbr, braun.
m. | Färbt die | Färbt die
Kalium u — Zellmembr. | Zellmembr.
bichromat.
Färbt die
Kalium- | resinogene
chromat. Schicht etw.
Färbt nach
Betupfen mit
Alkohol den
Inh. d. Oelz.
dunkelrotbr,
OhneBetupf.
kaum eine
Färbung.
etw. gelbbr.
Färbt die
Zellmembr.
rotbraun.
schw. braun.
Färbt die
Mittel-
schicht rot-
braun.
496 K. T. Hallström: Myristicaceen.
Stellen wir die Beobachtungen zusammen, so finden wir:
I)derBauderFruchtschale der untersuchten Myristica-
ceen ist nahezu übereinstimmend derselbe.
2) Die Aufsenschicht der Samenschale ist bei den
Myristicaarten gleich gebaut; die Horsfieldia- und Knemaarten zeigen
eine unter sich übereinstimmende, von den Myristicaarten ab-
weichende Bauart.
3) Die langen, aneinander gedrückten prismatischen und gleich-
verdickten Au[lsenpalissaden kommen bei Myristica fragrans,
-fatua, -argentea, -subalulata und - Teysmanni vor. — Etwas kürzere
— eine Zwischenform — hat Virola sebifera. Den übrigen fehlen sie.
4) Die Innenpalissaden sind beiallen gleich oder doch
ähnlich und führen Caleiumoxalatkrystalle an den beiden Enden. Nur
Virola sebifera hat sie in einer Reihe in der Mitte der Palissaden.
5) Die die Querfaserschicht bildenden Bastzellen
zeigen eine sehr mannigfaltige Form. Alle sind sie jedoch entweder
spiralig oder netzartig verdickte Bastfasern mit linksschiefen Tüpfeln.
— Durch die Abwesenheit dieser Schicht unterscheidet sich Myr.
argentea von allen anderen. Am meisten von einander abweichend
und für die Art bezeichnend sind sie bei Virola sebifera (Fig. 28),
Virola guatemalensis (Fig. 26) Knema glauca (Fig. 24) und Virola
surinamensis (Fig. 17).
6) Die Innenschicht ist bei allen gleich gebaut.
7) Stärke kommt bei den meisten im Endosperm vor. Ganz fehlt
sie denSamen von Myr.Cahyba, Virola surinamensis (meist) und V. guate-
malensıs und der Mondora. Myristica,; sehr spärlich kommt sie in den
Samen der Myr. Bicuiba, Virola sebifera und Horsfieldia spec ign. vore
Die übrigen führen mehr oder weniger Stärke.
8) Die Aleuronkörner sind besonders gut in Virola
surinamensis und gualemalensıs entwickelt. In den anderen sind sie
mehr oder weniger gut entwickelt, sie fehlen ganz der Anema glauca
und Mondora Myristica.
9) Die „Leitbahnen“ (Tschirch’s) findet man in Endosperm
der Myr. fragrans, --fatua und -malabarica. Diese Samen keimen auch
in derselben Weise.
10) Milchröhrenartige Sekretbehälter, reich
verzweigt, niemals anastomosierend, sind zu finden: in dem Frucht-
K. T. Hallström: Mpyristicaceen. 497
fleisch, in der Audsenschicht der Samenschale, in den Cotyledonen,
in der Corolle der männl. und weibl. Blüte und in dem Blütenstiel.
Der braune Inhalt ist sehr schwer löslich, fast unlöslich in Chloro-
form und Aether, besser, wenn auch langsam, in Alkohol und Al-
kalien. Mit Fe, Cl, und K,Cr, O, giebt er die Gerbsäurereaktion.
11) Der gelbbraune-braunrote Inhalt der Zellen
der Innen- und Aufsenschicht zeigt fast gleiche Lösungsverhältnisse
wie der der Sekretbehälter und giebt, wie auch die braunrot ge-
färbten Zellmembranen die Gerbsäurereaktion. Gerbsäure kommt
in allen Pflanzenteilen, sogar im Endosperm einiger Samen (Myr.
malabarıca, -Cahyba, Virola surinamensis) vor. — Konz. Schwefel-
säure, Kalilauge und Ammoniak verursachen in dem Zell-
inhalt und in den Zellmembranen, die den Inhalt absorbiert haben,
durchgehend hellere oder dunklere orangerote Färbungen. Wo der
Inhalt der Oelzellen in den Samenhautzapfen noch vorhanden ist,
geben auch sie diese Reaktionen.
12) DieArillen der untersuchten Myristicaceen zeigen zwei
verschiedene Haupttypen. Entweder umschlielst der Arillus den Sarnen
gänzlich, sackartig denselben umgebend und ist dann entweder voll-
ständig ungeteilt (Horsjfieldia Iryaghedhi) oder nur an der Spitze in
wenige kurze Lappen geteilt (Aorsfieldia spec. ign., — macrosoma,
— glabra, Knema intermedia und — glauca), oder derselbe ist schon
von der Basis an in mehrere grössere oder kleinere Lappen, die siclı
nicht überall dieht an einander schliessen, sondern Lücken zwischen
sich lassen, gespalten.
Auch in dem anatomischen Baue dieser Arillen sind zwei Formen
zu unterscheiden. Die meisten sind nach aussen und innen von einer
mit oder ohne Hypodermbildung versehenen Epidermis begrenzt.
In dem zwischenliegenden parenchymatischen Gewebe sind die dünn-
wandigen, runden oder etwas gestreckten, mit verkorkten Membranen
versehenen Oelzellen idioblastenartig überall zerstreut, oder treten
längs den beiden Epidermen bandartig oder gruppenweise einander
genähert auf (BDombay-Macis). Die Gefäfsbündel verlaufen in der
Mitte des Arillus, nur bei Änema intermedia sind die Oelzellen mehr
längs der äusseren, die Gefälsbündel längs der inneren Seite an-
geordnet. — Diesem Bau gegenüber zeigen Horsfieldia Iryaghedhi
und — smacrosoma Abweichungen. Diesen fehlt die Epidermis. Die
498 K. T. Hallström: Myristicaceen.
Hauptmasse ist aus dickwandigen parenchymatischen Zellen, die 2
bis 5 Zellschichten tief nach aussen und innen die beiden Flächen
begrenzen, gebildet. In die sehr dünnwandige Mittelschicht sind die
Oelzellen und Gefäfsbündel eingebettet.
13. Die Amylodextrinstärkekörner sind — die
Arillen der Horsfieldia macrosoma, Knema glauca und — ıntermedıa
ausgenommen — in den Arillen aller Myristicaceen gefunden worden.
Ihre Grölse schwankt zwischen 0,002 und 0,021 mm im Querdurch-
messer. — Stärke fehlt den Arillen ganz.
Um zu prüfen, wie verwendbar die durch Kalilauge, Ammoniak
und konc. Schwetelsäure erhältlichen Reaktionen beim Untersuchen
von pulverförmigen Mischungen verschiedener-Macisarten sind, machte
ich mir Mischungen von Banda-Maeis und Bombay-Macis, sowie von den
Arillen der Myr. Teysmannı und Horsfieldia Iryaghedhı, d.h. von den
dunkel gefärbten Arillen, die die Rotfärbung mit obengenannten Rea-
gentien deutlich gaben.
Da ich nur sehr kleine Mengen von jeder zur Verfügung hatte
kann ich keine bestimmten Prozentzahlen des Geha'tes der Banda-
Macis an diesen Beimischungen angeben. Jedenfalls waren sie nicht
grofs. Nach mehreren Proben fand ich, dafs nach dem Zufliessen
von H, SO,, KOH und NH, die Beimischungen durch das lösende
und färbende Vermögen dieser Reagentien sofort sichtbar wurden.
Von diesen Reagentien ist KOH das beste, da es nicht nur färbt, sondern
auch löst, sowohl den Inhalt der Oelzellen als auch den Farbstoff der
Zeilmembranen, nicht wie H, SO, die ganzen Pulverfragmente.
Was diese Reaktionen anbetrifft, so will ich noch hinzufügen,
dafs ich nur eine helle Banda-Maeis und eine ziemlich dunkle Bom-
bay-Macis zur Verfügung hatte, sowie auch, dafs mein Unter-
suchungsmaterial im ganzen teils aus altem, trockenen Sammlungs-
material, teils aus Samen und Früchten, die eine längere Zeit und
gleich nach dem Pflücken in Alkohol bez. Alkoholdampf eingelegt
waren, bestand.
Schliesslich mag erwähnt werden, dafs die Reaktionen mit
KOH, NH, und verd. H, SO, den entsprechenden bei Rhiz. Curen-
mae sehr ähnlich sind (siehe Tschirch und Oesterle: Ana-
tomischer Atlas S. 93).
6.
K. T. Hallström: Myristicaseen. 499
Verzeichnis der Figuren und der benutzten
Abkürzungen auf Taf. 1—3.
- Querschnitt der Corolle der männlichen Blüte von Myr. frag-
rans Houtt.
Längsschnitt durch die Staubgefälsröhre der Myr. fragrans
Houtt.
. Querschnitt des Blumenstiels v. Myr. fragrans Houtt.
. Querschnitt der Fruchtschale und des Ovulums von Myr. frag-
rans Houtt.
5. Querschnitt aus einer Samenanlage d. Myr. fragrans Houtt.,
Frucht: 14 mm in Querdurchmesser.
7. 8. Querschnitte aus älteren Samenanlagen d.Myr. fragrans
Houtt.
. Querschnitt der Samenschale eines reifen Samens d. Myr. frag-
rans Houtt.
). Isolierte Zellen aus d. Querfaserschicht d. Myr. fragrans
Houtt.
I. Radialer Längsschnitt der Samenschale d.Horsfieldiaspec.ign.
2. Isolierte Zellen d. Querfaserschicht d.. Horstieldia spec. ign.
3. Aus dem Querschnitt d. Samenschale d. Horsfieldia spec. ign.
. Aus dem Querschnitt d. Samenschale d. Horsfieldia Iryag-
hedhi (Gärtn.) Warb.
. Radialer Längsschnitt d. Samenschale d. Horsfieldia Iryag-
hedhi (Gärtn.) Warb.
Bei den Figuren 15, 17, 19, 21, 25 sind die Innenpalissaden aus
Raumersparniss nicht ausgezeichnet, sondern nur das äulsere
und innere Ende angegeben.
. Subepidermale Zellen der Aussenschicht der Samenschale d.
HorsfieldiaIryaghedhi (Gärtn). Warb.
. Radialer Längsschnitt der Samenschale d. Virola surina-
mensis.
. Isolierte Zellen d. Querfaserschicht d.Virola surinamensis.
. Aus dem radialen Längsschnitt d.Samenschale d.Myr.fatua Houtt.
. Isolierte Zellen d. Querfaserschicht d. Myr. fatua Houtt.
. Querschnitt d. Samenschale d. Myr. argentea Warb.
. Isolierte Zeilen d. Querfaserschicht d.. Knema intermedia
(Bl.) Warb.
. Isolierte Zellen d. Querfaserschicht d. Myr. corticosa.
. Isolierte Zellen d. Querfaserschichtd.Knema glauca (Bl.) Warb.
. Aus dem Querschnitt d.Samenschale d..Virola guatemalensis
(Hemsl) Warb.
. Isolierte Zellen d. Querfaserschichtd. Virola guatemalensis
(Hemsl) Wa.b.
500 K. T. Ha llström: Myristicaceen.
27. Aus dem Querschnitt d. Samenschale d. Virola sebifera Sw.
28. Isolierte Zellen d. Queifaserschicht d. Virola sebifera Sw.
29. Ein Samerhautzapfen einer Samenanlage, Frucht: 9mm im Durch-
messer, von Myr. fragrans Houtt.
30. Aleuronkörner von Myr. fragrans Houtt.
31. Querschnitt d. Arillus d. Myr. fragrans Houtt.
32. 5, Pr d.Myr. malabarica Lam.
33. 8 Er d.Myr.argentea Warb.
34, 5 ” dy/Myr' ea bxra.
39. 3 9 d. My cortieosa,
36. y; h> d.Horsfieidialryaghedhi (Gärin).
Warb.
37. Querschnitt d. Anillusd.Myr. Teysmanni.
38. Epidermis in Flächenansicht d. Arillus d. Myr. fragrans
Houtt.
39. Epider mis in Flächenansicht d. Arillusd.Myr. malabarica Lam.
40. Amylodextrinstärke d. Myr. glabra.
41. rn d.Myr. malabarica Lam.
42. n d.Myr. argentea Warb.
43. b5 d. Myr. fatua Houtt.
ap. = Aeussere Palissaden. chro. = Chromatophoren. cut. = Outi-
cula. ep. = Epidermis. Frs. = Fruchtschale Gfb. —= Gefälsbündel.
ia. = Aeusseres Iutegument. ii = Inneres Integument. ip. = Innere
Palissaden. m = Mark, Mi. = Milchröhrenartigs Sekretbehälter.
Oez. = Oelzelle. par. = Parenchym. qfs. = Querfaserschicht. rsg.
= Resinogene Schicht, sb. = Siebtheil. scl. = Sclereiden. 1. = Pa-
renchym d. inn. Integuments. 2, = Aeuss. Epidermis des inn. Inte-
gumente. 3. = Inn. Epidermis d. äuss. Integuments. 4. = Subepider-
male Zellen d. inn. Seite d. äuss. Integuments, 5. = Parenchymzellen
d. Suss. Integuments.
G. Kassner: Orthoplumbate der Erdalkalien. 501
Mittheilungen ‘aus der pharmaceutischen Abteilung
des chemischen Instituts der Akademie Münster i. W.
Untersuchungen über die Orthoplumbate der
Erdalkalien (Il).
Von Georg Kalsner.
(Eingegangen am 7. Juli 1895).
Die in meiner letzten Abhandlung im Archiv der Pharmacie
(Band 232 Heft 5, S. 375—387) beschriebenen neuen Verbindungen,
nämlich das krystallwasserhaltige Caleiumorthoplumbat (Ca, PbO,
+4 H,;0) und das Calciumdiplumbat (Ca H, Pb, O,), sind inzwischen
weiter von mir studiert worden.
Dabei hat es sich gezeigt, dafs man aus beiden Körpern durch
verhältnismälsig einfache Behandlung leicht zu zwei neuen Körpern
gelangen kann.
Bei Gelegenheit der Bestimmung des Wassergehaltes in der
Verbindung Ca, PbO, + 4 H,O nahm ich wahr, dafs sich das Präparat
während des Erhitzens tief braun färbte, sodafs ich ursprünglich auf
den Gedanken kam, es finde eine Abspaltung von Bleisuperoxyd
statt auf Grund einer ganz eigenartigen Konstitution dieser krystall-
wasserhaltigen Verbindung. Das ist jedoch, wie unten gezeigt wird,
nicht der Fall.
Die dunkelbraune Färbung tritt übrigens nur während der
ersten Hälfte des Erhitzens auf und ist daher nur bei vorsichtiger
Steigerung der Temperatur sichtbar. Bei stärkerer Erhitzung ver-
schwindet die Farbe wieder und es bleibt alsdann das wasserfreie
Calciumorthoplumbat von seinem natürlichen, fleischfarbenen Aus-
sehen zurück.
Dieses Verhalten bestimmte mich, die Art der Wasserab-
spaltung bei diesem Präparate etwas näher zu studieren. Zu diesem
Zwecke wurden abgewogene Mengen der Verbindung, welche aus
97 prozentigem Orthoplumbat hergestellt worden war, in einem zu
einer Kugel ausgezogenen Glühröhrchen und innerhalb eines Luit-
trockenkastens von Nickel *) langsam einer allmälig gesteigerten
®) Derselbe war von der Firma Desaga in Heidelberg bezogen
worden.
502 G. Kassner: ÖOrthoplumbate der Erdalkalien.
Temperatur unterworfen. Zum Messen der letzteren bediente ich
mich eines mit komprimirter Kohlensäure über der Quecksilbertfüllung
versehenen Thermometers, mit welchem Temperaturen bis zu 5609
ermittelt werden können.
In gewissen Intervallen wurde alsdann der Wasserverlust
durch Wägen der im Exsiccator erkalteten Röhrchen bestimmt. Die
Glühröhrchen wurden übrigens während der Erhitzung im Luftbade
mit einem lose aufgesetzten Asbestpfropfen verschlossen, um mög-
liehst das Eindringen kohlensäurehaltiger Luft zu verhüten, gegen
welche das krystallwasserhaltige Ca, Pb O, sehr empfindlich ist; der
Austritt des verdampfenden Wassers wird durch den losen Verschlufs
dagegen nicht verhindert.
Wie ich schon früher!) bemerkt habe, ist bis zu 145° C ein
Wasserverlust nicht zu konstatieren ; deutliche Mengen von Wasser
gehen erst bei 1600 C und darüber hinweg. Die Erhitzung wurde
bis 2509 © gesteigert und circa 10 Stunden um diese Temperatur
herum (240—250) erhalten, bis eine weitere Gewichtsabnahme nicht
mehr konstatiert werden konnte.
1,201 gr Substanz hatten verloren 014 H0 = 3%
1,9034 „ £ N e 023 „ AilLzN
151129, e F ’ 0,1267... =ABR
im Mittel 11,8 °/, Verlust.
Da nun der Wassergehalt des reinen krystallisierten Ortho-
plumbats 17,02 0/, beträgt, der des mit 3 °/, unverbundener Stoffe
(Kalk und Bleioxyd) verunreinigten sich auf 16,5 °/, berechnet —
ich fand früher?) 16,42 %/, — so ersieht man, dafs rund drei Viertel
des Krystallwassers aus der Verbindung Ca,PbO, + 4 H,O beim
Erhitzen derselben auf 250 0 C ausgetrieben worden sind.
Gefunden 11,8 %
Berechnet für Y7prozentiges Präparat 12,36 9,
3 „ chemisch reines = 12,75 9%,
Das vierte Molekül Wasser ist somit noch in dem erhaltenen
Produkt verblieben, welches einen Körper von lockerer Beschaffen-
heit und zimmtbrauner Farbe darstellt. Indessen erwies sich derselbe
als keine einheitliche Substanz.
1) Archiv d. Ph. Bd. 232 S. 378.
an due:
G. Kassner: ÖOrthoplumbate der Erdalkalien. 503
Schon die Besichtigung unter dem Mikroskop zeigte, dals ein
Gemenge zweier verschiedener Körper vorlag. Zwischen den brau-
nen Partikelchen der Grundsubstanz lagen zahlreiche kleine, farblose
Körnchen zerstreut. Wurde das Präparat zwischen gekreuzte Nicols
gebracht, so leuchteten lediglich diese farblosen Körnchen hell auf.
Ihre Natur ergab die nachträgliche Behandlung mit kohlen-
säurefreiem destilliertem Wasser, welches dieselben zur völligen
Lösung und zum Verschwinden brachte, sodafs sich alsdann die
braune Masse völlig gleichmässig zeigte. Das Wasser nahm stark
alkalische Reaktion an und trübte sich beim Einblasen von Kohlen-
säure.
Die farblosen Gebilde waren somit nichts anderes als Calcium-
hydrat, dessen Wassergehalt erst bei höherer Temperatur vertrieben
werden kann.
Um die Menge des durch das Erhitzen des Ca, PbO,.4H,O auf
2500 C. gebildeten Calciumhydrats zu bestimmen, wurden abge-
wogene (Quantitäten des erhitzten Präparats mit einem gemessenen
und hinreichenden Volumen kohlensäurefreien destillierten Wassers
geschüttelt und im Filtrat das gelöste Ca(OH), durch Titrieren
bestimmt.
1. für das Filtrat (in Summa 200 ccm) von 0,9862 gr. Substanz ver-
brauchte ich 60,5 cem = n. HCl, entsprechend
also 0,169 gr. CaO = 17,1%,
2. für das Filtrat (200 ccm) von 0,4185 gr. Substanz verbrauchte ich
25,5 ccm = n. HCl, entsprechend 0,0712 gr. CaO = 17 %,
Gefunden also im Mittel 17,05°%, Caleiumhydrat.
Berechnet für die Zusammensetzung Ca PbO, + Ca (OH),: 17,6%,
Das Filtrat enthielt übrigens bei der Prüfung mit Schwefel-
wasserstoffwasser auch nicht die geringste Spur von Blei.
Es ist somit durch das blolse Erhitzen auf 2500 C. das kry-
stallisierte Orthoplumbat gespalten worden in das bisher unbekannte
Caleiummetaplumbat und in Calciumhydrat, sowie in sich verflüch-
tigendes Wasser.
Ca, Pb0O,..4H,0 = Ca PbO, + Ca (OH, + 3 H,0.
Die etwaige Annahme, dals die Zersetzung erfolgt wäre unter
Bildung einer Verbindung von PbO, mit Ca, PbO, etwa im Sinne
der Gleichung
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 7. Heit. 35
504 G. Kassner: Orthoplumbate der Erdalkalien.
2 (Ca, PbO,.4H,0) = 2 Ca (OH, + hier + 6H,0
muss als der Ausdruck einer sehr unwahrscheinlichen Reaktion von
vornherein ausgeschlossen werden.
Es bleibt daher nur obige Erklärung und es ist sehr inter-
essant zu sehen, dafs bei niederen Temperaturen Calciummetaplum-
hat (Ca PbO,) neben freiem Aetzkalk bez. Ca (OH), bestehen kann,
während bei höheren Hitzegraden (500° C, und darüber) die An-
lagerung des freien Kalks zu Orthoplumbat erfolgt.
OH
Ca PbO, + Ca I0H) — H,0-+Ca,PbO,.
Diese Reaktion ist der Gruud, dals man über 5000 C. durch
direkte Oxydation eines Gemisches von Aetzkalk und Bleioxyd an
der Luft kein Metaplumbat erhält. Dagegen ist es nicht unwahr-
scheinlich, dafs man unterhalb 5000C. bei geeigneterBehandlung beider
Componenten des Calciummetaplumbat direkt aus den Componenten
Bleioxyd und Calciumoxyd unter Mitwirkung des Luftsauerstoffes
erzeugen kann.
Versuche in dieser Richtung sollen darüber demnächst ange-
stellt werden; auch über die Erzeugung des Metaplumbats auf nassem
Wege, die, wie mir verschiedene Beobachtungen ergaben, durch Be-
handlung des Orthoplumbats mit Alkali erfolgreich sein dürfte.
Das von überschüssigem Calciumbydrat befreite Calciummeta-
plumbat nimmt bei längerem Stehen mit destilliertem Wasser solches
unter Hellerwerden in sein Molekül auf (siehe unten) und stellt
alsdann nach dem Trocknen bei gelinder Wärme ein lockeres, zartes
Pulver von zimtbrauner Farbe dar. In Wasser ist das OaPbO, un-
löslich und wird beim Glühen zerlegt nach der Gleichung
2 Ca PbO,;, = Ca, PbO, + PrO + 0.
Um die prozentische Zusammensetzung des Körpers festzu-
stellen, an der ja nach Obigem kein Zweifel sein kann, schlug ich
folgendes rasch ausführbare Verfahren ein.
Es wurden 0,2708 g des mit Wasser gut gewaschenen und über
Schwefelsäure getrockneten Körpers mit verdünnter Essigsäure über-
gossen und mit Hilfe von reinem Wasserstoffsuperoxyd zur Lösung
gebracht.
Durch Einleiten von H,S wurde jetzt das Blei als PbS abge-
schieden und alscann nach dem Auflösen in Salpetersäure direkt mit
G. Kassner: Orthoplumbate der Erdalkalien. 505
Schwefelsäure in einer tarirten Platinschale abgeraucht, desgleichen das
Filtrat von Schwefelblei, welches nur Calciumacetat enthielt.
Ich erhielt 0,2465 PbSO, = 0,1943 PbO, = 71,74%/,
und 0,1068 CaSO, = 0,0439 CaO = 16,210,
zur Bestimmung des Wassergehaltes wurden 0,7480 g der Verbindung
längere Zeit bis zur Gewichtsconstanz auf 300° ©. erhitzt, wobei 0,0836 g
Wasser abgegeben wurden = 11,1/,.
Gefunden in Prozenten Berechnet für
Analyse I Analyso II CaPbO, + H,O
PbO, 71,74 — 72,1 Proz.
CaO 16,21 _ 16,9 Proz.
H,0 — 11,1 10,8 Proz.
Das durch Erhitzen bis 300 0 C. wasserfrei erhaltene Oalcium-
metaplumbat ist ein Körper von hell chocoladenbrauner Farbe, also
etwas dunkler als die wasserhaltige Verbindung Ca PbO,.;3H,0. —
Im Anschuls an vorstehende Mitteilung über das Metaplumbat
möchte ich noch des auffallenden Umstandes gedenken, dafs das inı
Gemisch mit dem CaPbO, abgeschiedene Calciumhydrat sich im
Polarisations - Mikroskope doppelt brechend zeigte, während das
früher (Seite 379 — Bd. 232) durch Druckerhitzung im wässrigen
Brei bei 1500 C. abgespaltene Calciumhydrat bei gekreuzten Nicols
dunkel blieb. Sollte hier nur die besondere Lage (etwa die
Parallelität der Hauptaxe mit den Lichtstrahlen) der tafelförmig aus-
gebildeten Krystalle die optische Inaktivität bedingt haben ? —
Die in Obigem zur Benützung gelangte Methode, den Weggang
des gebundenen Wassers bei gesteigerter Temperatur zu verfolgen,
wurde nun auch auf das früher (Bd. 232 Seite 380 u. 386) be-
schriebene Caleiumdiplumbat angewendet.
Dabei zeigte es sich, dals das in diesem Körper enthaltens
Wasser hartnäckig zurückgehalten wird und vollständig erst bei
circa 4000 C. fortgeht. Doch sind hier zwei Phasen der Wasser-
abspaltung zu unterscheiden. In der ersten Phase wird genau di»
Hälfte des gebundenen Wassers und zwar bei Temperaturen bis
310V ©. abgegeben, wobei es bemerkenswert ist, dafs dies ohne
erhebliche Farbenänderung stattfindet; höchstens färbt sich dabei
das gelblich olivgrüne CaH,Pb,O, einen Stich dunkler.
Wird indefs die zweite Hälfte des Wassers aus der Verbindung
abgetreten, was vollständig etwa zwischen 380—4000 C. der Fall
ist, so nimmt das Präpara‘ eine aschgraubraune Farbe an.
33%
505 G. Kassner: Orthoplumbate der Erdalkalien.
1. 0,6973 gr. CaH,Pb,0, verloren
a) bis 315° C. 0,0112 gr. H,O = 1,6 Proz.
b) „ 4000 CC. (berechnet aus dem Gesamtverlust von
3109APLOZ) ee ee BEER 1,49 Proz.
zusammen also 3,09 Proz.
2. 0,7076 gr CaH,Pb,O, verloren
a) bis 3220 C 0,0120 = 1,69 Proz.
b) „. 390%’/C’noch 0.0122 1,71 Proz
zusammen 3,4 Proz.
Nach Erhitzen auf 5500 C. wurde das Präparat fleischfarben und betrug
alsdann der Gesammtverlust (H,O +0) = 0,0408 gr = 5,76 %,.
3. 0,8167 gr. CaH,Pb, O, verloren
a) bis 3000 ©. 0,0125 = 1,5%,-
b) = — e—
Gefunden also im Mittel a) 1,57 %/,,
b) 1,60 9.
zusammen 3,17 %9.
Berechnet a) für 20aH,Pb,0, = H,0 + C,H, Pb, 0,;, = 16%
b) für Ca, H, Pb, O, = H;0 + Ca, Pbs On = 16%
zusammen 3,2 0/,.
Es zeigt sich also, dafs beim Erhitzen eine Kondensation des
Diplumbats unter Wasserverlust eintritt, indem sich zunächst wasser-
haltiges Tetraplumbat abspaltet, welches erst bei stärkerer Erhitzung
sein Wasser verliert. Eine andere Erklärung dürfte sich für die
beobachtete Erscheinung kaum finden lassen.
Das Caleiumtet:aplumbat Ca;H,Pb, O,, bildet ein dem Diplumbat
ähnliches lockeres Pulver von gelblicher Farbe und ist ein durchaus
einheitlicher Körper, sodafs an seiner Individualität nicht zu zweifeln
ist. Seine Konstitution läfst sich am besten wie folgt ausdrücken,
indem man annimmt, dafs 2 Moleküle Calciumdiplumbat unter Aus-
tritt von einem Molekül Wasser mit einander verbunden sind:
OH
OH
PRO
0 No No PrLo,
SPpri09/ 6) OFFICE
Nph/0/
OH =
Bun x 0
X /
PRO P®
07 No “oa 07 NoNo
NoH NoH
Caleiumdiplumbat. Calciumtetraplumbat.
G. Kassner: Orthoplambate der Erdalkalien. 507
Es wäre somit der Beweis geliefert, dafs sich auch auf trockenem
Wege Üondensationsprodukte der Plumbate bilden lassen, deren
Entstehung bisher nur auf nassem Wege unter Mitwirkung von
Säuren von mir beobachtet wurde.
Wenn nun bereits das gelbliche mit einem Stich ins Dunkle
erhaltene I’rodukt ein Tetraplumbat darstellt, so läfst sich annehmen,
dafs die mit Säuren aus dem Diplumbat erhaltenen dunkelbraunen,
fast schwarzen Körper die Salze noch complexerer Säuren darstellen.
Ebenso dürfte dies mit dem vollständig wasserfreien, aschgrau-
braunem Körper (Ca, Pb, O,,) der Fall sein, welcher daher wohl auch
nur (Cag Pb, O,,) X zuschreibenist, worin X eineganze Zahl oder eine Zah].
mit einem Bruch bedeuten kann
Uebrigens möchte ich erwähnen, dafs ich bei Behandlung des
aschgraubraunen Körpers (Ca; Pb, O,,) mit kohlensäurefreiem Wasser
in einem Versuche nur einen geringen Betrag an Üaleiumoxyd,
nämlich nur 0,90/, auswaschen konnte, während sich der Gesamt-
betrag des Körpers daran auf 10,3%, beläuft.
Von einer Zerlegung des Tetraplumbats im Sinne der des
krystallisierten Orthoplumbats (Casa PbO, + 4H,O), wie sie oben erörtert
wurde, kann daher nicht die Rede sein; der Kalk bleibt gebunden
und das Produkt der Erhitzung stellt daher wohl eher ein weiteres
Kondensationsprodukt als ein blofs wasserfreies Teetraplumbat dar.
Sicheren Schlufs über die Existenz und die Constitution der über das
Tetraplumbat hinausgehenden complexen Verbindungen dürften wohl
nur genaue thermochemische und anders subtile Bestimmungen
physikalischer Natur gestatten.
Ich fasse die Ergebnisse vorstehender Untersuchungen dahin
zusammen:
Die sorgsame Bestimmung der aus den Plumbaten beim Er-
hitzen abgegebenen Wassermengen und die Beantwortung der Frage,
wieviel von diesem Wasser bei jeweiligen Temperaturen abgespalten
wird, bildet ein wichtiges Hiltsmittel für die Erkennung der Natur
der gebildeten Körper. Diese Methode hat in vorliegendem Falls
dazu geführt, zwei neue Verbindungen aufzufinden. Diese sind das
Calciummetaplumbat Ca PbO, bez.
Ca PbO,. ,H,O und das
wasserhaltige, d. i. saure Caleiumtetraplumbat
Ca; H; Pb, O,.-
508 Dr. Mankiewicz: Strychnin-Untersuchung.
Ueber eine forensische Strychnin - Untersuchung.
Von Med, Assessor Dr. Mankiewicz in Posen.
(Eingegangen den 16. VI. 1895.)
Die folgenden Mitteilungen sind für Gerichts - Chemiker von
besonderem Interesse, und da ich direkt aufgefordert wurde, über
diesen Streitfall ausführlich zu berichten, so komme ich dieser Auf-
forderung um so eher nach, als der Prozefs nun endgültig entschie-
den und kein Bedenken mehr vorliegt, den Thatbestand zu veröffent-
lichen.
Im Oktober 1892 verstarb der Rittergutsbes. R. in O., nachdem
er sich einige Jahre vorher mit 30,000 Mk. bei der Lebensversiche-
rungsgesellschaft Janus in Hamburg versichert hatte. Der plötz-
liche Tod erregte Aufsehen, und die Gesellschaft stellte im Novem-
ber 1892 bei dem Amtsgericht zu S. den Antrag, die Leiche exhu-
mieren und eine chemische Untersuchung der inneren Organe
vornehmen zu lassen. Diesem Antrage wurde stattgegeben, und ich
wohnte persönlich am 24. November 1892 der Sektion bei. Die
Leiche hatte fast schon 5 Wochen in der Erde gelegen, die Fäul-
nis war deshalb eine sehr erhebliche; aie Leichenteile wurden mir
persönlich übergeben. Glaskrause No. I. enthielt Magen, Zwölt-
fingerdarm, Mageninhalt und Speisesöhre, Glaskrause No. II. Teile
der Milz, Nieren und Leber.
Das Ergebnis der chemischen Untersuchung war nach den bis-
her bekannten und bewährten Untersuchungsmethoden, dafs Strych-
nin mit Sicherheit nachgewiesen werden konnte. Zur Bestätigung
wurden darauf physiologische Versuche unter Mitwirkung des Medi-
zinalrathes Dr. K. bei Fröschen ausgeführt und zwar durch subeu-
tane Applikation.
Allerdings zeigten sich erst nach ca. 30 Minuten deutlich teta-
nische Wirkungen, nach mehreren Stunden trat erst der Tod ein.
Der leiseste Reiz der Hautnerven indes, der unter normalen Ver-
hältnissen noch keine Bewegung erzeugt, verbreitete reflektorische
Zuckungen über den ganzen Körper. Auch bei dem Versuchsfrosch
trat erst nach !/,; Stunde die tetanische Einwirkung ein, nachdem
diesem Strychninsubcutaninjiziert war. Eswaren sehr grolse Frösche von
ınindestens 50 Gramm Gewicht und lälst sich die langsame Wirkung
Dr. Mankiewicz: Strychnin-Untersuchung. 509
dadurch erklären, dafs die Frösche im Winter (es war im Monat
Dezember) eine Art Winterschlaf durchmachen, also weniger
empfindlich sind.
Einige Uhrgläschen mit durch Ausschüttelung gewonnenem In-
halt der verschiedenen Organe überreichte ich zu den Akten. Auf
Veranlassung und auf Antrag des gegnerischen Anwalts U. wurden
ein Jahr später einige Uhrgläschen dem Prof. Dr. L. in B. über-
geben, um zu konstatieren, ob das gefundene Resultat des Experten
richtig sei. Am 3. Dezember 1893 erstattete Prof. Dr. L. das Gut-
achten: 1. dafs die übersandte Masse frei von Strychnin sei, 2. dals
die wichtigste Schwefelsäure - Chromreaktion nicht eintrat, 3. dafs
der Froschversuch, doppelt angestellt, absolut negativ ausfiel,
4. dals ein bitterer Geschmack nicht vorhanden war.
Das Gutachten wurde mirzur Kenntnisnahmemitgeteilt. Ich unter-
nahm sofort im Vereinmit Apotheker A. W.neue Untersuchungen mitnoch
vorhandenenUhrgläschen undstellte dieThatsache fest,da[salle früher aus-
geführten Reaktionen auch jetzt nach einem Jahre prompt eintraten.
Ich führte in der Replik aus: 1. dafs die charakteristischen chemi-
schen Reaktionen mit aller Bestimmtheit eintraten, 2. dals die phy-
siologischen Versuche bei Fröschen die Thatsachen bestätigten,
3. dals der behandelnde Arzt sich unserem Gutachten völlig ange-
schlossen und die beobachteten Krampfsymptome sich nach Ermit-
telung des Giftes erst erklären konnte.
In Folge meiner Erklärung beschlofs das Landgericht zu P.
darauf am 1. März 1894, um diesen Zwiespalt aufzuklären, die noch
vorhandenen Uhrgläschen dem chemischen Institut der k. Universität
in Berlin zur Untersuchung mit dem Auftrage zu übergeben, die
Herren M. A. Dr. M. und Prof. Dr. L., die beiden Sachverständigen
zur Ausführung der Untersuchungen auf Strychnin zuzuziehen.
Diese Prüfung des Inhalts der Uhrgläschen fand am 13. Oktober
1894 in Berlin statt und erstattete das chemische Institut nachfolgen-
des Gutachten, das ich vollständig hiermit mitteile:
„Nach den Resultaten der ausgeführten Prüfungen kann kein
Zweifel obwalten, dafs in dem Präparate, welches vorgelegen hatte,
Strychnin enthalten ist.
Nicht nur die Kaliumdichromatprobe, sondern auch die charak-
teristische Reaktion mit Ceroxyd hatten die Gegenwart dieses Kör-
510 Dr. Mankiewicz: Strychnin-Untersuchung.
pers dargethan, und es war demzufolge überflüssig, noch einen
Froschvergiftungsversuch vorzunehmen.
Es handelt sich nunmehr um Aufklärung über it: Meuche
weshalb bei der früher von Herrn Dr. M. ausgeführten Untersuchung
sowie bei der jetzt vorgenommenen Strychnin nachgewiesen werden
konnte, während dies Prof. L. nicht gelungen war. Ueber diese
Frage dürften vielleicht folgende Punkte Aufschlufs geben:
Laut Obduktions-Protokoll vom 24. November 1892 wurden die
der Leiche entnommenen Organe in zwei verschiedene Glaskrausen
verteilt. Krause I enthielt den Magen, einen Teil des Dünndarms,
den Inhalt des oberen Teiles des Dieckdarms und die Speiseröhre.
In Krause II waren Milz, Leber und die Nieren gebracht worden.
Bei der von Herrn Dr. M. ausgeführten Untersuchung hat derselbe
zuerst den Inhalt der Glaskrause No. I in Arbeit genommen. Be-
hufs Prüfung auf Alkaloide waren die nach bekannten Methoden
Jargestellten Chloroformauszüge auf eine Anzahl von Uhrgläschen
verdunsten gelassen worden, von welchen einige zu den Reaktionen
dienten, während zwei reserviert und dem Gerichte übergeben
wurden. In gleicher Weise verfuhr Dr. M. mit dem Inhalte der
Glaskrause No. II; auch hier sind von den Uhrgläsern mit den
Rückständen der Chloroform-Auszüge einige direkt zu den Proben
verwandt und zwei reserviert worden. Die im Ganzen zu den Akten
gegebenen vier Uhrgläschen hatten aber, wie es scheint, keine Be-
zeichnung erhalten, welche erkennen liefs, ob sie von der Unter-
suchung der Leichenteile aus Glaskrause No. I oder II herstammten.
Wenigstens besalsen die 2 Uhrgläser, die den mir zugestellten
Akten beigelegen hatten, und von welchen eins zu der am 13. Ok-
tober d. J. vorgenommenen gemeinschaftlichen Prüfung diente, kein
solches Merkmal.
Herr M. A. Dr. M. hatte nun bei der von ihm vorgenommenen
Untersuchung auf Alkaloide das Vorhandensein von Strychnin er-
kennen können, und zwar durch die bekannten Proben mit Kalium-
dichromat und Schwefelsäure, sowie Kaliumpermanganat und Schwe-
felsäure. Er erhielt aber insofern abweichende Resultate, wie Fol.
59 bemerkt, als die Präparate aus Krause II die Reaktionen auf
Strychnin noch viel deutlicher und intensiver gaben, als diejenigen
aus Krause I.
0 Dr. Mankiewicz: Strychnin-Untersuchung. 5ll
FEER von den verschiedenen Uhrgläschen Prof. L.zuseinerspäteren
Untersuchung erhalten hat, läfst sich nicht feststellen. In seinem
Gutachten vom 3. Dezember 1893 schliefst er auf Abwesenheit von
Strychnin, sagtaber: „Mit Schwefelsäure und Kaliumdichromat geprüft,
ergab sich nach 4— 5 Minuten ein bei gutem Willen als rosafarben
zu deutender farbiger AnfiuginderLösung. Beiderbetreffenden Reaktion
tritt nun, wenn Strychnin vorhanden, zunächst die charakteristische
blau-violette Färbung auf, aber dieselbe geht nachundnachin
rosa über, welche Farbe sich längere Zeit erhält, und zuletzt in
gelb umschlägt. Wenn Dr. L. in seinem Gutachten bemerkt, dafs
sehr viele Stoffe pflanzlicher oder tierischer Herkunft eine Rosa-
färbung geben, so ist dagegen zu bedenken, dafs die
meisten solcher Körper, wie alle Eiweilsstoffe, nicht in Chloroform
löslich sind, was in dem vorliegenden Falle erforderlich wäre, und
uns über diesen Punkt zu wenige Erfahrungen vorliegen.
Es liegt nun die Vermutung nahe, dafs Prof. L. ein Präparat
in die Hände bekommen hat, welches von den Leichenteilen aus
Krause I stammte, und also zu denjenigen gehörte, die schon von
Dr. M. als die schwächer reagierenden erkannt worden waren.
Das Präparat soll ferner aus einer gelben Schmiere bestanden
haben, es war also nicht rein, und demzufolge ist es sehr wohl
möglich, dafs die Kaliumdichromat-Reaktion kein klares Bild
geben konnte.
Die Probe mit Ceroxyd, welche auch in unreinen strychnin-
haltigen Massen die Gegenwart des Alkaloids bestimmt erkennen
läfst, ist von Herrn Dr. L. nicht vorgenommen worden.
Bei der am 13. Oktober c. von mir in Gemeinschaft mit den
Herren Dr. L. und M. vorgenommenen Prüfung wurde ein Uhrglas
angewendet, welches eine feste klare, in dickeren Schichten schwach
gelbliche Masse enthielt. Das Präparat besafs keine Anzeichen von
Unreinheit und gab, wie erwähnt, sofort alle Reaktionen auf
Stryehnin. Möglicherweise stammte es von dem Inhalte der Krause IT.
Somit darf die Vermutung aufgestellt werden, dafs bei der
früher von Dr. L. vorgenommenen Prüfung und der jetzt ausge-
führten verschiedene Präparate vorgelesen haben und dafs hieraus
die Abweichung in den Resultaten sich erklärt.
—
512 B. Grützneru. M. Höhnel: Ueber ©
ki I
Mitteilung aus dem pharmaceutischen a +; der
Universität Breslau. de
Zur Kenntnis der Metaplıumbate der Erdalkalien.
Von B. Grützner und M. Höhnel.
(Eingegangen den 27. VII. 1895.)
Das Bleisuperoxyd wurde lange Zeit analog dem Mangansuper-
oxyd als indifferentes Oxyd betrachtet, bis Fremy!) zeigte, dals
das Bleisuperoxyd mit Kali und Natron krystallisierbare Verbindungen
bildet. Nach der Analyse des Kaliumsalzes kommt demselben die
Formel K,PbO, +3 H,O zu. Er nannte daher auch das Bleisuper-
oxyd Bleisäure (acide plombique) und die Verbindungen desselben mit
Metalloxyden Plumbate (plombates).. Nach Fremy soll die Dar-
stellung bleisaurer Salze durch mälsiges Glühen von Bleioxyd mit
anderen Metalloxyden, besonders leicht beim Erhitzen von Bleioxyd
mit Kalk oder Baryt vor sich gehen, indem das Bleioxyd lebhaft
Sauerstoff aufnimmt. Nähere Angaben über das chemische und
physikalische Verhalten der Verbindungen, sowie Analysenresultate
tehlen indefs. In seiner Inaugural-Dissertation: Ueber einige Ver-
bindungen des Bleisuperoxyds (der Bileisäure), Breslau 1878, sagt
Otto Seidel, dafs bei der Darstellung bleisaurer Salze nach den
Angaben von Fremy das Einhalten einer sehr constanten Tempe-
ratur erforderlich scheine, wie das z. B. bei der Darstellung der
Mennige der Fall ist, denn beim Erhitzen bis zur schwachen Rotglut
eines innigen Gemenges von Bleioxyd mit reiner Magnesia wurde kein
Sauerstoff aufgenommen. Die Mengenverhältnisse waren so gewählt,
dals in dem einen Falle auf eine Molekel Bleioxyd zwei Molekeln
Magnesia und bsi einem zweiten Versuch gleiche Molekeln Bleioxyd
und Magnesia gemischt und bis zur schwachen Rotglut erhitzt wur-
den. Die beiden Gemenge änderten wohl die Farbe von der
schmutziggelben zu einer schönen hellgelben, auf Zusatz von Salz-
säure trat jedoch keine Chlor-Entwickelung ein. Es war also kein
bleisaures Salz entstanden oder, und das scheint nach der von
Seidel gemachten Beobachtung, dafs bleisaures Magnesium (durch
1) Ann.d. Chim. et de Phys. 3me Serie 12,490. Jou:n. de Phara.
(3) 3,30 Compt. rend. 15 1109.
B. Grützner u. M. Höhnel: Ueber Erdalkalimetaplumbate. 513
Koche _ von Magnesia mit bleisaurem Kali erhalten) bei schwacher
Rotglut Sauerstoff entwickelt, das wahrscheinlichere, die zuerst ge-
bildete Verbindung war durch zu hohe Temperatur wieder zerlegt
worden. Versuche, durch Erhitzen von Bleioxyd mit Kalk oder Baryt
zu den entsprechenden Salzen zu gelangen, scheint Seidel
nicht angestellt zu haben, wenigstens finden sich hierüber iu
seiner Arbeit keine Angaben. Er erhielt jedoch durch Kochen
von bleisaurem Kali mit in Kali unlöslichen Verbindungen wie Kalk,
Baryt und Magnesia Verbindungen, welche er als bleisaure Salze
anzusprechen sich berechtigt sah, da Salpetersäure leicht Bleisuper-
oxyd abspaltete, während die Oxyd. in Lösung gingen. Nach seinen
eigenen Angaben ergaben die Analysen jedoch nicht die Resultate,
welche einer chemisch reinen Verbindung entsprochen hätten. Nach
unseren Versuchen muls Seidel, wie es auch durch die Art der
Darstellung hervorgeht, saure Verbindungen unter den Händen ge-
habt haben. So erhält man z. B. ein graues, scheinbar saures
Baryumplumbat, welches alls Reaktionen der Plumbate giebt, wenn
man Baryumsuperoxyd mit Bleioxyd unter Wasserzusatz mälsig er-
wärmt; analysenrein konnte indessen diese Verbindung nicht er-
halten werden. Seidel erwähnt nur, dals die Verbindung von
Bleisäure und Kalk als ein gelbbraunes, die Barytverbindung als
ein graues und diejenige mit Magnesia als ein braunes Pulver er-
halten wurden und dafs annähernd 1 Mol. Bleisäure an 1 Mol. Kalk
oder Magnesia gebunden war.
In xeuerer Zeit gelang es G. Kassner!) durch Erhitzen
der Carbonate oder Oxyde der Erdalkalien mit Bleioxyd bleisaure
Salze der Erdalkalien darzustellen, welche ihrer Zusammensetzung
nach aufzufassen sind als Derivate der Orth o bleisäure (Pb(OH),),
in welcher die vier Wasserstoffatome der Hydroxylgruppen durch
zwei Atome Calcium, Strontium oder Baryum ausgewechselt sind,
mithin den Verbindungen die Formeln Ca, PbO,, Srz, PbO, und Ba, PbO,
zukommen. Die Verbindungen der Metableisäure (H, PbO,) mit
den Erdalkalien scheinen jedoch in reinem Zustande noch nicht dar-
gestellt worden zu sein, denn abgesehen von den oben erwälnten
Bemerkungen von Fremy und von Seidel konnien wir in der
1) Diese Zeitschr. 1390 Band 223. pag. 109.
514 B Grützneru. M. Höhnel: Ueber Erdalka ime
uns zugänglichen Litteratur keine weiteren diesbezüglichen An;
finden. gg
Es gelang uns nun von dem Calciumorthoplumbat ausgehend
durch Einwirkung von Natriumsuperoxyd oder Kalilauge das Oalcium-
metaplumbat zu erhalten.
Darstellung des Caleciummetaplumbates.
Öalciumorthopiumbat, nach dem Verfahren von G. Kassner
dargestellt, wurde durch Müllerseide gebeutelt, in einem Mörser mit
Wasser angerührt und unter Umrühren in Portionen von 3—5 Gramm
solange Natriumsuperoxyd zugesetzt, bis eine Probe des Breies, mit
Wasser versetzt, einen rein weilsen Niederschlag gab. Hierauf
wurde in einen Kolben gespült und bis zur neutralen Reaktion
des Waschwassers durch Dekantieren ausgewaschen. In letzterem
konnten nur Spuren Blei, hingegen erhebliche Mengen Kalk nach-
gewiesen werden. Der ausgewaschene Niederschlag enthielt noch
kleine Mengen eines rötlich- gelben Körpers, vermutlich von nicht
umgesetztem Orthoplumbat herrührend, der inde/s durch Schlemmen
init Wasser leicht zu trennen war. Nach dem Absaugen mit der
Wasserstrahlpumpe wurde auf Thontellern, schliefslich über Schwefel-
säure im Exsiccator getrocknet. Das auf diese Weise erhaltene
Pulver war rein weils, unter dem Mikroskop deutlich würfelförmig
krystallisiert.
Chemisches Verhalten des Calciummeta-
plumbates.
Eine Probe mit Wasser angeschüttelt und mit Essigsäure ver-
setzt, giebt nach dem Ausfällen des Bleis mit Schwefelwasserstoff
ein Filtrat, welches nur Calcium und kein Natrium enthält. Kohlen-
säure war nur in Spuren vorhanden. Beim Erhitzen im Glühröhr-
chen macht sich Abscheidung von Wasser und Entwickelung von
Sauerstoff bemerkbar. Der Rückstand ist gelb bis braun gefärbt.
Durch Trocknen bei 1200 tritt kaum eine Gewichtsabnahme ein, es
zeigt sich jedoch der Beginn der Zersetzung durch schwache Gelb-
färbung an. Mit Salzsäure entwickelt sich reichlich Chlor unter
Abscheidung von Chlorblei. Weder durch kaltes noch durch warmes
Wasser war eine Veränderung des Präparates wahrzunehmen und
unterscheidet sich hierdurch das Caleiumsalz vorteilhaft von dem
B. Grützner u, M. Höhnel: Ueber Erda.kalimetaplumbate. 515
Natriammetaplumbat. Wird dagegen dem Wasser etwas kohlen-
saures Alkali zugesetzt, so scheidet sich beim Erwärmen Bleisuper-
oxyd ab. Konzentrierte Schwefelsäure bewirkt Sauerstoffentwickelung
unter Bildung von Bleisultfat. Verdünnte Essigsäure scheidet beim
Kochen alles Blei als Superoxyd ab, im Filtrat ist nach sofortigem
Filtrieren keine Spur Blei durch Schwetelwasserstoff, dagegen sind
grolse Mengen von Kalk durch Ammonuvxalat nachweisbar. Salpeter-
säure, sowie verdünnte Schwefelsäure bewirken die gleiche Um-
setzung. Kohlensäure wirkt in der Kälte wenig, rascher beim Er-
wärmen unter Bildung von Bleisuparoxyd ein.
Quantitative Bestimmung des Calciummeta-
plumbates.
Die quantitative Analyse wurde in folgender Weise ausgeführt.
Eine abgewogene Menge Substanz wurde mit Wasser übergossen,
mit Essigsäure im Ueberschufs erwärmt und durch anhaltendes Ein-
leiten von Schwefelwasserstoffgas alles Bleisuperoxyd in Schwefel-
blei übergeführt. Das abfiltrierte und mit schwefelwasserstoffhal-
tisem Wasser ausgewaschene Bleisulfid wurde nach dem Trocknen
unter Beobachtung der notwendigen Vorsichtsmalsregeln im Porzellan-
tiegel in Bleisulfat übergeführt und gewogen. Im Filtrat vom Blei-
sulfid wurde Calcium als Oxalat gefällt und als Oxyd gewogen. Die
Menge des Wassers aus dem Glühverluste zu berechnen, ist nicht
angängig, da Versuche zeigten, dafs durch anhaltendes Erhitzen bei
60—70° 0,26, bei 1150 nur 1,01 Proz. Wasser fortgehen und bei
höherer Temperatur Zersetzung der Substanz eintritt. Es wurde
daher der Wassergehalt durch direkte Wägung des Wassers be-
stimmt. Ein ca. 50 cm langes schwerschmelzbares Rohr wurde am
Linteren Ende mit einem Reinigungs- und Trockenapparat, am vor-
deren Ende mit einem Chlorcalciumrohr zur Absorption des Wassers,
sowie mit einem zweiten Chlorcaleiumrohr zum Schutz des ersteren
vor Feuchtigkeit der Atmosphäre verbunden, dann das Schiff-
chen mit der Substanz hineingeschoben und das Rohr unter
Ueberleiten von Sauerstoff in einem kurzen Verbrennungsofen nach
Art einer Elementaranalyse erhitzt. Es zeigte sich hierbei, dals
nach Ende der Operation das Schiffehen soviel an Gewicht verloren,
als das Chlorcalcium-Rohr zugenommen hattte. Demnach konnte die
516 B. Grützner u. M. Höhnel: Ueber Erdalkalimetaplumbate.
Substanz nur Wasser verloren haben. Der Inhalt des Schiffehens
nach dem Glühen war braun. Die Bestimmung der geringen Menge
Kohlensäure, welche das Präparat als Caleinmcarbonat enthielt,
wurde gewichtsanalytisch im Apparat von Fresenius vorge-
nommen und die gefundene Kohlensäure auf Caleiumcarbonat um-
gerechnet.
0,7627 g. Subst. gaben 0,6243 g. PhSO, = 0,4924 g. PbO, = 64,56°%/, PbO,
0,5929 „ cr Br ABDE, * n =. 0,3806, ...... — Gase
0,3689 „ R 2 0,7081 „ = — 05989 „. —6r2g „
0,7627 g. Subst. gabeı 0,1323 g. CaO = 17,41%, CaO
0,8504 „ n & 0,1462 „ ne em >
EYE ee _
045092, , „b 0,0808 „ EL0: 2 79,08
0,5548 „ n 4 0,0987 „ sera e
0,5564, „ „ 250087, pe
0,9234 „ 5 a 0,0055 „ CO, = 0,596, C0,
— 1,350), CaCO,
Gef, im Mittel: 64,33 0, PbO,
16,52 .,.Ca0
1,355 „ CaCO,
14,83. 150
auf Caleciumcarbonat freie Verbindung umgerechnet:
gef. 65,19%/, PbO,
16,75 ,„ CaO
18,07... :H,0
berechnet für Ca PbO, + 4 H,O : 65,07 0/, PbO,
19:27, CaO
19,64 „ H>0
Aus den gefundenen Werten ergiebt sich ohne Zweifel, dals
die vorliegende Verbindung aus Calciummetaplumbat bestand,
welches wie das Natriummetaplambat!) mit 4 Mol. Krystallwasser
krystallisiert und beim Trocknen im Vacuum bereits etwas Wasser
verloren hatte.
2. Art der Darstellung von Calcium-
metaplumbat.
Wir versuchten nun, ob es nicht möglich wäre, schon durch
Einwirkung von Aetzalkalien ohne Anwendung des Natriumsuper-
oxydes das Orthoplumbat in das Metaplumbat überzuführen, indem
wir Caleiumorthoplumbat, mit cr. 330%, Lauge erst bei gewöhnlicher
I) Diese Zeitschrift 1594, 224.
B. Grützner u. M. Höhnel: Ueber Erdalkalimetaplumbate. 517
Temperatur, dann in der Wärme des Wasserbades digerirten, jedoclı
ohne Erfolg. Es war selbst nach mehrtägigem Erhitzen
keine wahrnehmbar Veränderung eingetreten. Aber auch gegen
Natriumsuperoxyd zeigte sich dieses, sowie ein zweites für
diesen Versuch verwendetes Orthoplumbat wenig reaktionsfähig.
Das Reaktionsprodukt war grau und mit viel unverändertem Ortho-
plumbat vermischt. Von der Annalıme ausgehend, dafs durch zu
starkes Glühen das Orthoplumbat in seiner Reaktionsfähigkeit ge-
schwächt worden sei, wiederholten wir dıe Versuche mit einem nur
bei mälsiger Rotglut dargestelltsm Caleiumorthoplumbat. Der Erfolg
war ein überraschender. Schon nach wenigen Minuten des Digerirens
mit Kalilauge bei gewöhnlicher Temperatur begann der Niederschlag
voluminös und bald darauf krystallinisch zu werden, gleichzeitig
ging die Farbe in eine weilse über, welche nach dem Auswaschen und
Trocknen des Präparates kaum einen Stich ins Gelbe zeigte.
Gestützt auf obige Versuche, möchten wir uns der Ansicht zu-
neigen, dafs für die gute Umsetzungsfähigkeit des Orthoplumbates
zu hohe Temperatur bei der Darstellung zu vermeiden ist.
Analyse des durch Digestiin mit Kalilauge erhaltenen
Calciummetaplumbates.
Die Bleibestimmung wurde hier folgendermalsen ausgeführt
Das mit Wasser angeschlemmte Calciummetaplumbat wurde mit
verdünnter Essigsäure übersäuert und bis zum Aufkochen erhitzt.
Das abgeschiedene Bleisuperoxyd wurde sofort abfiltriert und nach
dem Trocknen bei 1100 gewogen. Im Filtrat war Blei nicht mehr
nachzuweisen.
Gefunden:
64,02 Proz. PbO,, 17,68 Proz. CaO, 16,88 Proz. H,0, 0,28 Proz. CO,
64,05 „ apa 12. Des apnue Meg
Nach Umrechnung der Kohlensäure auf Caleiumcarbonat ergeben
sich folgende Werte:
i. M. 64,03 Proz. PbO,
else CaO
063 „ CaCO,
16,95 -„.ı H,O
für CaCO; freie Verbindung berechnet sich:
64,44 Proz. PbO,
1.49 8..7,2:630
14,06%. 5e0 HsO
” ”
518 B. Grützner u. M. Höhnel: Ueber Erdalkalimetaplumbate,
CaPbO, + 4 H,O verlangt:
65,07 Proz. PbO,
15.972 020
19,6kr7y 4 80)
Nach dengefundenen Werten liegt auch hier das mit 4 Mol. Wasser
krystallisirte Metaplumbat des Calciums vor. Der nach beiden
Darstellungsmethoden etwas zu hohe Kalkgehalt des Präparates
läfst sich vielleicht durch die Annahme erklären, dals das Calcium-
metaplumbat in frisch bereitetem Zustande Calciumoxyd gewisser-
malsen fixirt, so dals letzteres nur sehr schwer durch Auswaschen
vollständig entfernt werden kann.
Silbersalz der Metableisäure.,
Digeriert man gebeuteltes und mit Wasser angeschlemmtes
metableisaures Calcium bei gewöhnlicher Temperatur mit über-
schüssiger Silbernitrat-Lösung, so bemerkt man schon nach kurzer
Zeit eine Veränderung. Das ursprünglich weilse Pulver wird bald
milsfarbig, grau schliefsliich sammetschwarz und krystallinisch. Im
Filtrat sind neben dem überschüssigen Silber beträchtliche Mengen
Kalk, aber kein Blei nachzuweisen. Nach dem vollständigen Aus-
waschen des Reaktionsproduktes mittels kaltem Wasser wurde ab-
gesaugt und auf Thonplatten im Schwefelsäure-Exsiccator getrocknet.
Das mikroskopische Bild zeigte deutlich würfelförmig ausgebildete
Krystalle und war vollständig einheitlich. Mit Salpetersäure über-
gossen schied sich Bleisuperoxyd ab, während im Filtrat neben
Silber geringe Spuren Blei und wenig Kalk enthalten waren. Bei-
dem Behandeln des Präparates mit Säuren konnte auch etwas
Kohlensäure, die in Form von Caleiumcarbonat das Silbersalz ver-
unreinigte, nachgewiesen werden. Bei 1200 getrocknet, verlor das
Silbersalz 1,29 0/, HsO und nahm eine stahlgraue Farbe an.
Analyse des Silbersalzes.
Zur quantitativen Bestimmung wurde das bei 1200 getrocknete
Präparat benutzt. Die Silberbestimmung wurde in der Weise aus-
geführt, ‘dafs das mit Wasser angeschüttelte Pulver mit Salzsäure
erwärmt wurde, wobei unter Chlor-Entwickelung sich Chlorsilber ab-
schied, welches sich auch bald durch geringen Zusatz von Salpeter-
säure zusammenballte und klar absetzte. Das mit kochendem Wasser
ausgzewaschene Chlorsilber wurde in üblicher Weise als solches
B. Grützner u. M. Hölhnel: Ueber Erdalkalimetaplumbate. 519
bestimmt. Im Filtrat wurde Blei durch Schwefelwasserstoff gefällt
und in Bleisulfat übergeführt. Zur Kalkbestimmung wurden
2—3 Gramm Substanz in Arbeit genommen und nach Entfernung
des Silbers und des Bleies durch Ammonoxalat gefällt. Der ge-
tundene Kalk wurde auf Caleiumcarbonat umgerechnet.
Gefunden: 53,340/, Ag,0, 42,830/, PbO,, 2,810, CaCO,
9arların r re 3.10% er,
im Mittel: 53,231,5 10,5 A303, 2,05:5,, 9
berechnet auf CaCO, freie Verbindung:
53,29 0%/, Ag50, 44,71%, PbO,.
für metableisaures Silber (Ag,PbO,) berechnet sich!
49,31 Proz. Ag,O und 50,69 Proz. PbO,.
Es konnte demnach ein Salz obiger Zusammensetzung nicht
vorliegen. Auffallend ist der hohe Silbergehalt der Verbindung.
Es wurde daher nochmals und zwar etwas abweichend von der oben
angegebenen Methode die Silberbestimmung vorgenommen. Statt
mit Salzsäure wurde das Silbersalz mit Salpetersäure bis zum Sieden
erhitzt und im Filtrat vom abgeschiedenen Bleisuperoxyd die Fällung
des Silbers mit Chlornatrium vorgenommen. Wie zu erwarten, erwies
sich das Chlorsilber vollständig bleifrei. Die gefundene Menge
betrug 53,06 Prvz. auf Ag,O berechnet, während durch Zersetzung
mit Salzsäure im Mittel 53,23 Proz. AggO gefunden wurde. Er-
mittelt man durch Division mit den Molekulargewichten das einfachste
Verhältnis von Silberoxyd zu Bleisuperoxyd, so gelangt man zu den
Zahlen 0,237 Ag»O zu 0,187 PbO, oder 1,27Ags0 zu 1 PbO,, vervier-
facht 5 AgO zu 4PbO, Es gewinnt den Anschein, als ob hier der
seltene Fali eines basischen Silbersalzes vorliegt, dessen Zusammen-
setzung sich vielleicht durch die Formel (Ag5Pb0,),Ag,0 zum Aus-
druck bringen lielse.
Hierfür berechnet sich: gefunden:
54,71 Proz. Ag,O 59,29 Proz. Ag,O
45,28 ..;» 1..EbO, an 51h
Ein Salz von der Zusammensetzung (Ag, PbO,),Ag,0 enthält
10,94 Proz. Ag,O, welches nicht an Blei gebunden ist. Bei einem
Versuch, durch Digerieren mit annähernd 5 Proz. Ammoniak diesen
Gehalt an Silberoxyd zu bestimmen, wurden, auf caleiumcarbonatfreie
Verbindung berechnet, 13,30 Proz. Ag30 gefunden. Allerdings waren
hierbei auch kleine Mengen von bleisaurem Silber in Lösung gegangen,
Arch. d. Pharm. CCXXXIM. Bds. 7. Heft 34
520 B. Grützuer u. M. Höhnel: Ueber Erdalkalimetaplumbate,
wie Reaktionen auf Blei erkennen liefsen. Es erklärt sich hierdurch
der zu hoch gefundene Silberoxydgehalt. Der Rückstand vom
Digerieren mit Ammoniak zeigte nach dem Trocknen eine rein
graue Farbe und unter dem Mikroskop deutlich würfelförmige
Krystalle. Er bestand aus reinem metableisaurem Silber.
(Ag, Pb O;).
Bei den Versuchen nach oben beschriebenen Methoden Strontium-
und Baryummetaplumbat darzustellen, zeigte es sich, dals die
Orthoplumbate selbst nach wochenlangem Digerieren mit Kalilauge
sich nicht umsetzen. Natriumsuperoxyd wirkte wohl ein, jedoch un-
gleich schwerer als bei der Kalkverbindung. Es blieb immer noch
ein nicht unbeträchtlicher Teil des Orthoplumbates dem Reaktions-
produkt beigemischt und dieser konnte selbst durch wiederholtes
Schlemmen nicht vollkommen getrennt werden. Bei dem Auswaschen
des durch Umsetzung erhaltenen weilsen Bodensatzes mit Wasser
macht sich alsbald eine Zersetzung durch Gelb- oder Orangefärbung
bemerkbar, die auch nicht verhindert wird, wenn ein ca. 50 procentiger
Alkohol als Waschflüssigkeit angewendet wird. Das Endprodukt war
stets ein Gemisch, keine einheitliche Substanz. Das Blei war als
Oxyd und als Superoxyd in wechselnden Mengen vorhanden. Es er-
scheint daher ausgeschlossen, auf diesem Wege zu Verbindungen des
Strontiums und Baryums zu gelangen, welche dem Metaplumbat des
Caleiums entsprechen.
Durch Einwirkung von Baryumsuperoxyd auf Bleioxyd wurde
ein graues Baryumplumbat erhalten; infolge der Zersetzbarkeit durch
Wasser gelang es jedoch nicht, die Verbindung in reinem Zustande
zu erhalten. Bleisuperoxyd und Baryumhydroxyd in wässeriger
Lösung geben selbst bei längerem Kochen keine Veränderung.
Wurde jedoch der Versuch unter Zusatz von Lauge ausgeführt, so
verschwand das Bleisuperoxyd, und es entstand ein weilser Nieder-
schlag, aus welchem sich beim Auswaschen mit Wasser kleine
orangegelbe Krystalle ausschieden. Diese gelben Krystalle zeigten
alle Reaktionen eines Plumbates, waren jedoch in kleiner Menge mit
einem weilsen Körper gemischt, von dem sie nicht getrennt werden
konnten. Dieselbe Reaktion mit Strontiumhydroxyd ausgeführt, führte
zu keinem befriedigenden Resnltat.
Ludwig Moeser: Zur Kenntnis der eisensauren Salze. 521
Wenn es uns auch nicht gelungen ist, die Metaplumbate des
Strontiums und Baryums zu erhalten, so glaubten wir doch von der
Mitteilung dieser negativen Resultate umsoweniger Abstand nehmen
zu müssen, als daraus hervorgeht, dafs die einfache Methode der
Darstellung für das Calciumsalz nicht für die ihm so nahestehenden
Verbindungen des Strontiums und Baryums zu verallgemeinern geht.
Mitteilung aus dem Universitätslaboratorium
des Prof. Alex Naumann zu Giessen.
Zur Kenntnis der eisensauren Naize.
Von Ludwig Moeser.
(Eingegangen den 1. VIII. 1895.)
Schon um 17021) war die Thatsache bekannt, dals man beim
Erhitzen von Eisenpulver mit Salpeter eine Schmelze erhält, welche
sich in Wasser mit dunkelroter Farbe löst. Dafs die rote Farbe
dieser Lösung von einem höheren Oxyde des Eisens, der Eisen-
säure, herrührt, wurde zuerst von Fremy?) erkannt. Derselbe be-
schäftigte sich eingehender mit der Untersuchung der Ferrate und
zeigte, dals das denselben zu Grunde liegende Oxyd, Eisentrioxyd
Fe O, ist. Diese Formel wurde durch wiederholte Untersuchungen
von Rose°), Smith* und Mollins°) bestätigt. Die Eisensäure
und ihr Anhydrid sind in freiem Zustande nicht bekannt, da sie bei
einem Versuche zur Isolierung sofort in Sauerstoff und Eisenoxyd,
bezw. Eisenhydroxyd zerfallen. Von ihren Salzen sind bisher nur
eisensaures Kalium, Natrium und Baryum erhalten worden.
Kaliumferrat kann auf verschiedene Weise dargestellt
werden. Die seither bekannten Methoden zu seiner Darstellung sind
in Folgendem kurz abgehandelt.
1) Eisensaures Kalium entsteht beim Erhitzen von 1 Teil
Eisenfeile mit 2 Teilen Salpeter®. Das Eisen verbrennt hierbei
1) Kopp’s Gesch. d. Chem. 1, 192.
2) Compt. rend. 1840—44, 12, 23; 14, 442; 15. 1106; 16, 187,
3) Pogg. Ann. 1843, 59, 321.
%) Phil. Mag. 1843, 23. 217.
5) Ber. deutsch. chem. Ges. 1871, 4, 626.
6) J. pr. Chem. 1845, 34, 101.
34*
u
522 Ludwig Moeser: Zur Kenntnis der eisensauren Salze.
unter lebhaftem Erglühen teils zu Eisenoxyd, teils oxydiert es sich
höher unter Bildung von Kaliumferrat. Die Lösung der Schmelze
in Wasser ist sehr unbeständig und zersetzt sich infolge ihres Ge-
haltes an Kaliumnitrit um so rascher, je concentrierter sie ist.
2) Kaliumferrat bildet sich ferner beim starken, anhaltenden
Glühen von Eisenoxyd mit Aetzkali unter Luftzutritt oder im Sauer-
stofistrom!). Das Eisenoxyd löst sich zunächst in dem geschmolzenen
Aetzkali auf, unter Bildung von Kaliumferrit, wobei die rote Farbe
des ersteren in die hellgrüne des letzteren übergeht. Das Ferrit
wird durch das bei stärkerem Glühen des Kaliumhydroxyds an der
Luft gebildete Kaliumsuperoxyd zu Ferrat oxydiert.
3) Sehr leicht erhält man eisensaures Kalium durch Erhitzen
von 1 Teil Eisenoxyd mit 2 Teilen Kaliumsuperoxyd bis zum
Schmelzen?.. Beim Auflösen in Wasser zersetzt sich das Produkt
grölstenteils wieder, indem das Ferrat und das überschüssige Super-
oxyd sich gegenseitig reducieren. Diese Bildungsweise erklärt auch
das Entstehen von eisensaurem Salz beim Verbrennen von Kaliun-
oder Natriummetall in eisernen Gefäfsen.
4) Durch Elektrolyse erhält man Kaliumferrat, wenn
man den elektrischen Strom durch concentrierte Kalilauge gehen lässt
und als Anode eine Eisenplatte verwendet?°).
5) Leitet man Chlorgas in concentrierte Kalilauge, welche
Eisenhydroxyd suspendiert enthält, so bildet sich eine dunkelrote
Lösung von eisensaurem Kali. Nach Merz) bringt man zu 26
Teilen concentrierter Kalilauge (5:8) 5 Teile zwischen Fliefispapier
abgepresstes Eisenhydroxyd, oder man vermischt Kalilauge (5:8)
mit 1/, ihres Volumens an Eisenchloridlösung von 1,13 spec. Gewicht
und leitet in die Flüssigkeit einen mäfsig starken Chlorstrom. Die
so erhaltene Lösung ist viel beständiger als die auf anderem Wege
dargestellte. Um das Ferrat in fester Foım und in reinem Zustande
zu erhalten, sättigte Fremy’) diese Lösung mit festem Aetzkali,
wodurch das Kaliumferrat als schwarzrotes Pulver ausgeschieden
wurde. Um dasselbe von gleichzeitig ausgeschiedenem Kaliumehlorid
1) J. pr. Chem. 1845, 34, 101.
2) J. pr. Chem. 1845, 34, 102.
3) Pogg. Ann. 1841, 54, 373; 1843, 59, 315.
4) J. pr. Chem. 1866, 101, 268.
©, Ann. chim phys. (3) 1844, 12, 369.
{
Ludwig Moeser: Zur Kenntnis der eisensauren Salze. 523
und Kaliumchlorat zu trennen, löste er es wieder in Wasser und
fällte es durch Sättigen mit festem Aetskali wieder aus; es gelang
jedoch nicht, das Ferrat von diesen Beimengungen zu trennen. Zur
Aufbewahrung trocknete er das erhaltene Präparat auf porösem
Porzellan und schmolz es in eine Glasröhre ein. Es stellt ein
erystallinisches, schwarzrotes Pulver dar, das sich in Wasser leicht
mit dunkelroter Farbe löst und an der Luft rasch unter vollständiger
Zersetzung zerflielst.
6. Ganz analog der letztgenannten Bildungsweise entsteht
Kaliumferrat, wenn man Bromdampf in Eisenhydroxyd enthaltende
konzentrierte Kalilauge einleitet oder wenn Eisenhydroxyd mit kon-
zentrierter Kalilauge und Kaliumhypobromitlösung schwach erwärmt
wird.!)
Natriumferrat bildet sich analog dem Kaliumsalz nach
Bildungsweise 3, 4, 5 und 6, jedoch nicht nach 1 und 2, was in der
weniger grolsen Glühbeständigkeit seine Ursache haben mag. Es
verhält sich im allgemeinen wie die Kaliumverbindung und unter-
scheidet sich von dieser nur durch seine Nichtfällbarkeit beim Sättigen
seiner Lösung mit Aetznatron.
Baryumferrat erhält man als dunkelroten amorphen Nieder-
schlag, wenn man die Lösung von Kalium- oder Natriumterrat mit
Chlorbaryum versetzt.
Die vonFremy°’, Trommsdorff?), Wackenrodert)
u. a. vorgeschlagenen Verfahren zur Kaliumferratdarstellung durch
Verpuffen von Eisenfeile mit Salpeter leiden an dem Uebelstande, dafs
man nur mit kleinen Portionen gute Resultate erhält, bei Anwendung
grölserer Mengen dagegen infolge Ueberhitzung zersetztes Produkt.
Um dies zu vermeiden und um ein gleichmälsiges, gehaltreiches
Produkt zu erhalten, empfiehlt es sich, das innige Gemenge von 1 Teil
feiner Eisenfeile mit 1,8 Teilen Salpeter auf eine Eisenplatte in 1 bis
2 cm hoher Schicht aufzutragen und dieselbe mit Hilfe einer am
einen Ende angefügten Mischung von Eisenfeile mit wenig Salpeter
anzuzünden. Die Glüherscheinung setzt sich unter Bildung dicker,
weilser Dämpfe von verfiüchtigtem Kali von einem Ende zum andern
1) Bar. deutsch. chem. Ges, 1879, 12, 346; 1886, 19, 742.
2) J. pr. Chem. 1845, 34, 103.
3) Arch. Pharm. 1842, 29, 103.
*) Arch. Pharm. 1843, 33, 41.
524 Ludwig Moeser: Zur Kenntnis der eisensauren Salze.
fort und es hinterbleibt eine schwarze geschmolzene Masse, die reichlich
eisensaures Kalium enthält.
Zur Darstellung von möglichst reinem, mangan-
freiem eisensaurem Kalium wurde folgendes auf Bildungs-
weise 6 beruhende Verfahren ausgearbeitet:
80—90 g abgeprefstes, manganfreies Eisenhydroxyd wurden
mit 80 g Wasser und 50 g gereinigtem festem Aetzkali angerührt; in
Sie erkaltete Mischung wurden nach und nach 50 g Brom eingetragen,
hierauf unter guter Kühlung festes Ätzkali bis zur Sättigung aufge-
löst; nach nochmaligem Zusatz von etwa 20 g Kalihydrat wurde die
Masse vorsichtig auf 60° erwärmt und nach einer halben Stunde er-
kalten lassen. Erwärmen auf mindestens 50° ist zur vollständigen
Umsetzung erforderlich, Erwärmen über 60° ist dagegen zu vermeiden,
da sonst wieder Zersetzung des entstandenen Ferrates eintritt.
Die Umsetzung des Eisenhydroxyds in Kaliumferrat geht bei
diesem Verfahren fast quantitativ vor sich, was man daran erkennt,
dals eine Probe der schwarzen Masse in Wasser sich völlig klar
aufiöst und innerhalb 5 Minuten keine Eisenhydroxydabscheidung
erkennen lälst.
Nach dem Erkalten der Masse schöpft man das infolge an-
hängender Gasbläschen meist an der Oberfläche ausgeschiedene
eisensaure Kali auf poröse Porzellanplatten und läfst trocknen. Das
erhaltene Präparat ist mit Aetzkali, Bromkalium und Kaliumbromat
verunreinigt. Erstere Beimengung läfst sich durch Decantieren mit
96 prozentigem Alkokol leicht entfernen. Das ätzkalifreie Produkt
kann durch weiteres Auswaschen mit Alkohol von Bromkalium nicht
befreit werden. Die Trennung von Brormkalium gelingt, wenn man
das mittelst Aether ausgewaschene und getrocknete eisensaure Kalium
wieder in Wasser löst (50 g in 100-200 Wasser) und es aus der
Lösung durch Eingiefsen derselben in überschüssigen 85 prozentigen
Alkohol (etwa 3 Liter) wieder ausfällt, wobei das Bromkalium in dem
verdünnten Alkohol vollständig gelöst bleibt.
Das so dargestellte, nur noch etwas Kaliumbromat enthaltende
Kaliumferrat ist ein schwarzrotes, wenig hygroskopisches Pulver. In
Wasser ist dasselbe leicht löslich; die konzentrierte Lösung erscheint
undurchsichtig, rötlich schwarz, die verdünnte tief dunkelrot und zum
Unterschied von Permanganatlösung ohne violetten Schein. Die kon-
Ludwig Moeser: Zur Kenntnis der eisensauren Salze. 525
zentrierte Lösung zersetzt sich äusserst rasch unter lebhafter Sauer-
stoffentwickelung, während die stark verdünnte sich stundenlang un-
zersetzt hält. In Aether, Chloroform und starkem Alkohol ist das
Ferrat unlöslich und wird bei Abwesenheit von Wasser davon nicht
zersetzt; stark verdünnter Alkohol wird sofort unter Bildung von
Aldehyd oxydiert. Beim Erhitzen auf etwa 250° zerfällt das nach
obiger Vorschrift dargestellte eisensaure Kalium unter Entwickelung
von Sauerstoff und Hinterlassung eines blassgrünen Rückstandes von
Kaliumferrit; dieser Rückstand zerflielst sehr bald an der Luft unter
Braunwerden, indem das Kaliumferrit durch den Einflufs des Wassers
in Kalihydrat und Ferrihydroxyd zerlegt wird.
Sofortige Zersetzung des eisensauren Kalis bewirken alle
Säuren, auch Kohlensäure, ferner alle sauer reagierenden Salze,
Ammoniak, Ammoniumsalze und Wasserstoffsuperoxyd.. Auch
Schwefelwasserstoff wird sofort oxydiert unter Abscheidung von
Schwefeleisen und Schwefel; bei Gegenwart von Aetzalkalien findet
diese Zersetzung nicht statt, sondern man erhält eine nach dem
Verdünnen mit Wasser tiefgrüne Lösung, die unzersetzt filtrierbar
ist und selbst beim Kochen kein Schwefeleisen abscheidet. Beim
Verdunsten dieser Lösung findet Zersetzung statt, es konnten daher
bis jetzt keine Krystalle erhalten werden. Sehr wahrscheinlich liegt
bier eine dem Kaliumferrat entsprechende Schwetelverbindung, das
sulfoeisensaure Kalium, vor.
In der Lösung des reinen eisensauren Kalis bewirkt neutrales
Silbernitrat einen anfangs tiefschwarzen Niederschlag von wahrschein-
lich Silberferrit, wobei gleichzeitig Sauerstoff entwickelt wird. Der-
selbe wird sehr bald grau und zerfällt dabei in seine Bestandteile,
Silberoxyd und Eisenoxyd, bezw. Eisenhydroxyd.
Eisensauren Baryt erhält man durch Versetzen von
Kaliumferratlösung mit Chlorbaryum als ziegelrotes bis dunkelcarmoisin-
rotes amorphes Pulver. Dasselbe ist nach der seither gewöhnlichen
Bereitungsweise mit mehr oder weniger iremden Körpern, besonders
mit Baryumcarbonat, Baryumsulfat und Eisenhydroxyd verunreinigt.
Zur Darstellung von reinem, eisensaurem Baryt ist ein Kaliumferrat
erforderlich, welches keine durch Chlorbaryum fällbaren Salze ent-
hält, wozu sich das mit Kaliumhypobromit dargestellte, von Aetzkali
526 Ludwig Moeser: Zur Kenntnis der eissnsauren Salze.
befreite Kaliumferrat eignet. Dasselbe wird mit überschüssiger
Chlorbaryumlösung zusammengerieben, abfiltriert und ausgewaschen,
bis eine Probe, in Salpetersäure gelöst, keine Bromreaktion mehr
gibt, hierauf erst auf porösem Porzellan, dann im Luftbade bei 500
gatrocknet.
Der eisensaure Baryt lässt sich auch ohne Zuhilfenahme des
Kaliumsalzes direkt erhalten. Er bildet sich, wenn Eisenhydroxyd
bei Gegenwart von überschüssiger Baryumhydroxydlösung mit ge-
eigneten Oxydationsmitteln behandelt wird, wie mit unterchlorigsauren
oder unterbromigsauren Salzen.
Erhitzt man reines, frisch dargestelltes Eisenhydroxyd mit
Barytwasser und Baryumhypochloritlösung bis nahe zum Sieden, so
geht die anfangs gelbbraune Farbe des Eisenhydroxyds durch grau
und schwarz in dunkelrot über, unter Bildung von Baryumferrat.
Das Baryumhypochlorit lässt sich mit Vorteil durch Natrium- oder
Kaliumhypochlorit ersetzen ; letztere müssen frei von Carbonat sein.
Die Reaktion verläuft dann meist, wenn auch weniger glatt und voll-
ständig, schon in der Kälte.
Der reine eisensaure Baryt ist ein dunkelearmoisinretes,
amorphes, in Wasser unlösliches Pulver. In trocknem Zustande ist
es beständig, unter Wasser zersetzt es sich langsam. Lässt man
Baryumferrat einen Tag unter ausgekochtem destilliertem Wasser
stehen und schüttelt es dann auf, so entweichen in beträchtlicher
Menge Sauerstoffbläschen. Beim Erhitzen auf 200—300° zersetzt es
sich grölstenteils, bei stärkerem Erhitzen vollständig unter Sauer-
stoffentwickelung und Wasserabgabe mit Hinterlassung eines grün-
lichen Rückstandes von Baryumferrit. Befeuchtet man diesen Rück-
stand mit Wasser, so wird er braun, indem Zersetzung in Baryum-
und Eisenhydroxyd eintritt. Durch Säuren wird der eisensaure Baryt
sofort unter stürmischer Sauerstoffentwickelung zerstört unter Bildung
von Baryum- und Ferrisalz; der entweichende Sauerstoff ist bei An-
wendung von Salpetersäure oder Schwefelsäure stark ozonhaltig.
Letztere wirkt nur wenig auf den eisensauren Baryt ein, weil das
oberflächlich gebildete Baryumsulfat die fernere Einwirkung der
Schwefelsäure hindert. Mit Essigsäure geht die Zersetzung weniger
lebhaft vor sich, verläuft jedoch in ganz analoger Weise. Fr&emy’s
Angabe, dafs das Baryumferrat in verdünnter Essigsäure ohne Zer-
[11
19
=!
K. Gorter: Ueber Ermittelung des Cytisins.
setzung mit dunkelroter Farbe löslich seil), konnte nicht bestätigt
werden und dürfte wohl auf die Gegenwart von Mangan zurückzu-
führen sein.
Erwärmt man Baryumferrat mit konzentrierter Alkalicarbonat-
oder Alkalihydroxydlösung, so findet eine Umsetzung statt, indem
eisensaures Alkali in Lösung geht und Baryumcarbonat oder Baryum-
hydroxyd als Rückstand bleibt. Am vorteilhaftesten wirkt eine
Mischung von konzentrierter Aetzlauge mit einer zur Umsetzung
hinreichenden Menge von konzentrierter Carbonatlösung. Auf diese
Weise können ausser Kalium- und Natriumferrat auch Rubidium-
und Cäsiumferrat in Lösung erhalten werden. Sie werden mit
Ausnahme von Natriumferrat durch Zusatz von überschüssigem
absoluteın Alkohol als dunkelrote, mit Carbonat verunreinigte Pulver
ausgefällt.
Andere eisensaure Salze konnten bis jetzt noch nicht darge-
stellt werden. Die Angabe eines Forschers®), dafs eine rote Lösung
von eisensaurem Calcium entstehe, wenn man Chlorkalk mit Wasser
und etwas Eisenlösung kocht, beruht auf Irrtum und ist durch die
Gegenwart von Mangan bedingt, denn bei Anwendung manganfreier
Materialien tritt diese Rotfärbung niemals auf.?)
Veber die van de Moer’sche Reaktion und die
Ermittelung des Cytisins.
Von K. Gorter,
Assistent am pharmaceut. Laboratorium der Universität Groningen.
(Eingegangen den 10. VII. 1895).
Noch vor Kurzem, das heilst vor dem Erscheinen der van
de Moer’schen Dissertation 1890: „Over cytisine het vergitt
van den Goudenregen en over de identiteit van cytisine en ulexine“,
war es, in Ermangelung einer charakteristischen Farbenreaktion, sehr
schwer, Cytisin nachzuweisen.
1) Ann, chim. phys. (3) 1844, 12, 374.
2) Ber. deutsch. chem. Ges. 1886, 19, 742.
3) Vergl.: Chem. Repert. 1893, 17, 117. Die Rosalärbung von
Caleiumchloratflüssigkeit.
528 K. Gorter: Ueber Ermittelung des Oytisins.
Es gebührt van de Moer das Verdienst, eine Farben-
reaktion für das Cytisin angegeben zu haben, welche es ermöglicht,
dieses Alkaloid mitunter in sehr kleinen Quantitäten darzuthun.
Er sagt darüber folgendes:
„Uebergielst man das freie Alkaloid oder eines seiner Salze
mit einer Ferrisalzlösung, so entsteht eine rote Färbung. Fügt man
dem rot gefärbten Cytisin einige Tropfen einer Wasserstoffsuper-
oxydlösung hinzu, so verschwindet die Farbe und wird die Lösung
beim Erwärmen auf dem Wasserbade blau. Mit Hilfe dieser
Reaktion kann !/s, Milligr. Cytisin noch dargethan werden.“
Er fügt noch hinzu, dafs die blaue Lösung durch kaustisches
Ammon rotviolett und dann durch Säurezusatz wieder blau gefärbt
wird. Durch Kali- oder Natronlauge verschwindet dagegen die
Blaufärbung und wird dieselbe durch Säuren nicht wieder her-
gestellt.
Hinsichtlich der Beschaffenheit des gebildeten Farbstoffes ist
die Meinung van de Moers die folgende:
„Es scheint, die hier auftretende Farbe komme einem Oxy-
dationsprodukte des ÜOytisins zu, denn auch nach Erwärmen des
Cytisins mit Chlor-, Brom- oder Jodwasser wird dieses Alkaloid durch
Ferrisalze (jedoch weniger intensiv) blau gefärbt.“
Es stellte sich weiter heraus, dafs die folgenden Alkaloide,
welche Benzol der alkalisch gemachten Flüssigkeit entzieht, die
Reaktion nicht zeigen, nämlich: Strychnin, Brucin, Emetin, Chinin,
Cinchonin, Atropin, Hyoscyamin, Physostigmin, Aconitin, Delphinin,
Veratrin, Codein, Thebain und Narcein.
Auch die durch Chloroform oder Amylalkohol der alkalischen
Lösung entzogenen Stoffe: Morfin, Solanin, Saponin und Salicin
gaben keine Blaufärbung.
Zur Ermittelung des Öytisins schüttelt van de Moer die
mit Salzsäure sauer gemachte Lösung nach Dragendortf nach-
einander mit Petroleumäther, Benzol und Chloroform aus. Es ent-
ziehe der sauren Lösung weder Benzol, noch Chloroform Alkaloid,
dieses werde erst spurenweis von Benzol aus der alkalischen
Flüssigkeit aufgenommen, leichter jedoch von Chlorotorm.
Eigner Erfahrung gemäfs erhält man durch Ausschütteln der
sauren Lösung, es sei denn, dals diese durch eine anorganische
K. Gorter: Ueber Ermittelung des Cytisins. 529
Säure (Schwefelsäure) oder durch eine organische Säure (Weinsäure)
angesäuert ist, mit Chloroform schon Cytisin in Lösung. Wenn
die Untersuchung lehrt, man habe mutmalslich Cytisin
durch Verdampfen dieser Chloroformlösung als Rückstand erhalten,
so empfiehlt es sich, die alkalische Flüssigkeit nochmals mit Chloro-
form auszuschütteln.
Ueber die van de Moer sche Farbenreaktion sagt Par-
theil (Dr. A. Partheil. Ueber Cytisin und Ulexin. Arch. d.
Pharmacie. Bd. 230. S. 461)... . „Indessen darf man nur sehr
gelinde erwärmen, andernfalls verschwindet die Blaufärbung wieder
oder bleibt gar ganz aus. Ich mufs mich daher Magelhaes’
Urteil über diese van de Moer’sche Cytisin - Reaktion an-
schliefsen, dafs die Reaktion nicht sehr scharf ist“.
Van de Moer selbst behauptet, er könnte mit seiner Re-
aktion noch !/;, Milligr. Cytisin darthun. Jedoch aus folgendem von
ihm Gesagten ist ersichtlich, dafs bei solchen kleinen Quantitäten
die Reaktion auch fehlschlagen kann:
„Handelt es sich darum, Spuren von Cytisin darzuthun, so ist
es notwendig, nur wenig der Ferrisalzlösung hinzuzufügen, da sonst
die Blaufärbung leicht durch den Ueberschufs an Ferriverbindung
in grün verwandelt oder ganz verdeckt wird.“ Weiter sagt er in
seiner Dissertation:
„Wenn die Quantität Oytisin sehr klein ist und man zu viel
Wasserstoffsuperoxydlösung hinzugefügt hat, so kann die Blau-
färbung sich nur momentan zeigen, um augenblicklich wisder zu
verschwinden.“
Sowohl aus dem Urteil vonMagelhaesundvon Partheil,
sowie aus den Angaben von van de Moer selbst über diese Re-
aktion geht hervor, dafs für das Zustandekommen derselben gewisse
Bedingungen einzuhalten sind, welche bisher nicht genügend be-
kannt sind. Ich habe daher diese Reaktion näher studiert, um
diese Bedingungen näher kennen zu lernen und das blaue Produkt
für die chemische Untersuchung darzustellen. Zweifelsohne würde
ein solches, für Cytisin characteristisches Produkt etwas beitragen
können zur Kenntnis der Struktur dieses Alkaloids.
Mischte ich Cytisin, Eisenchlorid und \WVasserstoffsuperoxyd
in verschiedenen Verhältnissen in Lösung mit einander und er-
550 K. Gorter: Ueber Ermittelung des Cytisins.
wärmte, so stellte sich bald heraus, dals die angewendeten Mengen-
verhältnisse die Reaktion beeinflussen : zuviel Eisenchlorid, im Ver-
gleich zu den andern Stoffen, kann das Auftreten der blauen Farbe
hindern ; ebenso kann sie durch ein Uebermafs an Wasserstoff-
superoxyd nur momentan erscheinen, um bald wieder zu ver-
schwinden.
Einige Beispiele dürften diese Erscheinung erklären:
I. 1cc. Cytisinlösung + 0,2ccF&U],Jlösung-+ 0,5cc H,0,-Lösung.
Isalee: 5 + 0,2cc n + 1,öce 5
II rec, A + 0,2cc = + Dee R
Diese drei Mischungen wurden zu gleicher Zeit in dem-
selben Wasserbade erwärmt. In I. wurde die Farbe gelbbraun,
ohne jede Spur einer Blaufärbung, II und III zeigten schöne Blau-
färbung und zwar III am intensivsten. Zahlreiche Versuche
lehrten, dafs die Reaktion am stärksten auftritt, wenn man das
unter III erörterte Verhältnis anwendet.
Die oben erwähnten Lösungen enthielten:
Oytisinlösung ». 2... 0.2000 Lee; = 7,74 Millier. Cr 1E3m
Eisenchloridlösung . . . . 2.50%, FeaCl;,
Wasserstoffsuperoxydlösung . . 0,05%, Hz20;.
Wurde der Alkaloidlösung zuvor eine Säure zugesetzt und dann
Eisenchlorid und Wasserstofisuperoxyd, so zeigte sich, dals solches
einen sehr störenden Einflufs auf die Reaktion ausübt, und dafs für
anorganische Säuren dieser Einfuls gröfser ist als für organische.
Nachdem ich das gegenseitige Verhältnis der Stoffe in wäss-
riger Lösung festgestellt hatte, reagierte ich noch mit Cytisinresten,
welche durch Verdampfen einer Oytisinlösung in Chloroform er-
halten waren. Ich konnte dabei bestätigen, dafs mit der van de
Moer'schen Reaktion '/o Milligr. Cytisin, noch deutlich dargethan
werden.kann, und dafs die Farbe auch beim Verdunsten der Lösung
bestehen bleibt, wenn man für die Reagentien das geeignete Ver-
hältnils gewählt hat. Ist dies jedoch nicht ungefähr der Fall, so
schlägt die Reaktion fehl oder zeigt sich nur momentan und ver-
schwindet bald. Dies giebt zugleich eine Erklärung der Angaben
von Magelhaes und von Partheil, dafs die Reaktion nicht
sehr scharf sei. Magelhaes fand eine neue Reaktion auf, näm-
lich Erwärmen des Cytisins mit konzentrierter Schwefelsäure und
K. Gorter: Ueber Ermittelung des COytisins. 531
Thymol, wobei nacheinander gelbe, rote und bordeauxrote Farbe
auftreten sollen. Diese Reaktion tritt jedoch, ebensowohl olıne, als
auch mit Cytisin ein.
Aus den oben festgestellten Verhältnissen ist zu folgern:
l ccm Cytisinlösung (= 7,74 mg Öytisin) bedarf 0,2 ccm Eisenchlorid-
lösung (= 3,45 mg Fe.) und 5 ccm Wasserstoffsuperoxydlösung
(= 1,2 mg. OÖ), oder ein Molekül Cytisin CuH4NsO (= 190) 1,5
Atome Fe und 1,5 Atome OÖ. Es wurde hiernach wahrscheinlich, dafs
ein Molekül Cytisin ein Atom Eisen und zwei Atome Sauerstoff
für das Entstehen der kräftigsten Farbenreaktion bedürfen würde,
was auch durch zahlreiche Versuche mit folgenden verdünnten Lö-
sungen von genau bekannter Konzentration als richtig erkannt
wurde.
1 ccm Cytieinlösung —= 19 mg Üytisin
1 cem Eisenchloridlösung — 5,6 mg Fe.
l ccm Wasserstoffsuperoxydlösung —= 1,6 mg O
(oder 3,4 mg H,0;)
Was den Farbstoff selbst anbelangt, so kann ich schon jetzt
darüber mitteilen, dals die Lösung desselben durch Ammon violettrot
wird, ohne jede Spur einer Trübung. Wendete ich mehr Eisen-
chloridlösung an, als einem Atom Eisen auf ein Molekül Oytisin
entsprach, so trübte sich die Lösung durch Ammon deutlich. Die
violettrote Lösung wurde durch Säurezusatz von neuem blau gefärbt,
durch ein grolses Uebermals verschwand jedoch die Farbe. Nach
van de Moer verliert die blaue Lösung durch Kali- oder Natron-
lauge ihre Farbe, welche dann auch durch Säuren nicht wieder her-
gestellt werden kann. Es hat sich jedoch gezeigt, dals letzteres
unrichtig ist; im Gegentheil, Natronlauge verhält sich wie Ammon:
die violettrote Lösung wird also durch Säuren wieder blau gefärbt.
Wie Natronlauge und Ammon verhält sich auch Kalkwasser.
Durch Natriumacetatlösung verschwand die blaue Farbe auch
augenblicklich und wurde violettrot, jedoch durch wenig ver-
dünnte Schwefelsäure wieder blau. Kochte ich jedoch die blaue
Lösung mit einer Natriumacetatlösung, so wurde das Eisen
als basisches essigsaures Eisenoxyd praecipitiert. Das vollkommen
farblose Filtrat wurde alsdann durch Schwefelsäure nicht im geringsten
wieder blau gefärbt. Eine geringe Menge Eisenchlorid genügte
532 K. Gorter: Ueber Ermittelung des Cytisins.
jedoch für die Entstehung der Blaufärbung. Das Eisen befand sich
nur allein als Ferriverbindung in der Lösung.
Aus allem Gesagten scheint mir der blaue Farbstoff eine
Ferriverbindung eines Oxydationsproduktes des Cytisins zu sein.
Ich habe dargethan, dafs das geeignetste Verhältnis für das Zustande-
kommen der Blaufärbung ein Molekül Cytisin auf ein Atom
Eisen und zwei Atome Sauerstoff (zwei Moleküle Wasserstoffsuper-
oxyd) ist. Es wäre daher möglich, dafs der Farbstoff ein Derivat
eines Oxydationsproduktes C,H}, N; O0; des Cytisins wäre. Die
Sauerstoffatome dürften alle als Hydroxylgruppen anwesend sein,
weil dann drei Wasserstoffatome des Oxydationsproduktes eines
Cytisinmoleküls durch Metali vertretbar sein würden. Die Grund-
substanz wäre daun C,H}; Ns (OH), und der Farbstoff selbst (Cu
H,ı N: O;)s Fe,. Das eine Cytisin-Sauerstoffatom mülste dann aber
als OH. gebunden sein. Es gelang Partheil(Dr. A. Partheil
Ueber Cytisin und Ulexin, Arch. d. Pharmacie. Bd. 230 S. 491)
jedoch nicht, Methyleytisin zu acetylieren; dies macht die Existenz
der OH-Gruppe unwahrscheinlich. Natürlich sollen weitere Unter-
suchungen dieses Farbstoffes, worüber ich in Bälde zu berichten
gedenke, lehren, ob diese oder eine ähnliche Betrachtung
richtig sei.
Eigner Erfahrung gemäfs ist die van de Moer'sche Re-
aktion für Cytisin charakteristisch. Jedoch will ich bemerken, dafs
nach Plugge (Dr. P. C. Plugge. Nederl. Tydschr. vor
Pharm. 1894. Seite 291; Arch. d. Pharm. 1894. S. 444.) auch die
methylierte Basis eben so gut die Reaktion giebt wie die ursprüng-
liche. Mit folgenden Stoffen, welche alle durch Chloroform schon der
sauren Flüssigkeit entzogen werden, habe ich die Reaktion nicht er-
halten können: Theobromin, Narcein, Narcotin, Papaverin, Cinchonin,
Hydrastin, Aspidospermin, Chelidonin, Brucin, Physostigmin, Veratrin,
Berberin, Pikrotoxin, Digitalin, Saponin und Delphinin.
Zum Schlufs über die Ausmittelung des Cytisins noch Folgendes:
Die Alkaloidreste, die darch Verdampfen des Chloroforms, welches
mit der sauren Flüssigkeit geschüttelt ist, erhalten werden, geben
mit einer Lösung von Kaliumpermanganat in konzentrierter Schwetel-
säure Violettfärbung, eine Reaktion, welche Cytisin mit vielen anderen
Stoffen teilt. Zeigt es sich jedoch, dafs diese Reste weder mit kon-
Dr. Mjöen: Opium. 533
zentrierter Schwefelsäure, noch mit Erdmann's Reagens eine
Färbung geben, so ist man auf 4 Alkaloide angewiesen, nämlich
Cytisin, Theobromin, Aspidospermin und Cinchonin. Färbt Eisen-
chlorid nun einen dieser Alkaloidreste rot, so liegt mutmaßslich
Cytisin vor, was danach mit der van de Moer'’'schen Reaktion
bestimmt nachgewiesen wird. —
Arbeiten aus dem pharmaceutischen Institute
der Universität Bern.
Untersuchungen über die Sekrete
mitgeteilt von A. Tschirch.
16. Beiträge zur mikroskopischen Kenntnis
des Opiums.
Von Dr. Mjöen.
(Eingegangen den 29. 3. 1395.)
In seinem Anatomischen Atlas der Pharmakognosie und Nah-
rupgsmittelkunde macht Tschirch*) darauf aufmerksam, dafs bei
der Gewinnung von Opium „durch das Abkratzen der Tropfen von
der jungen, sehr weichen Kapsel fast immer ein kleines Stück der
Fruchtschalepidermis von den Wundrändern mit abgerissen wird“.
„Diese Fetzen der Fruchtschalepidermis“, sagt er weiter, „finden sich
denn auch stets im Opium und sind selbst im Opiumpulver noch ohne
Schwierigkeit aufzufinden. Sie bilden das charakteristische Element
derselben.“ Dievon Tschirch untersuchten Opiumsorten stammten
sämtlich aus Kleinasien.
Da dieses Vorhandezsein von Fetzen der Fruchtschalepidermis
auf die Art und Weise der Gewinnung des Opiums zurückzuführen
ist, und die Gewinnungsart von Opium z. B. in Persien und Indien
von der in Kleinasien gebräuchlichen etwas verschieden ist, — so
geschieht beispielsweise das Anschneiden der Mohnkapseln in Persien
und Indien durch einen senkrechten Schnitt, während in Kleinasien
der Schnitt rings um die Kapsel geführt wird — war es von Inter-
esse, zu untersuchen, ob man diese Fetzen der Fruchtschalepidermis
auch bei indischen, persischen und andern Opiumsorten findet.
*) Anatomischer Atlas der Pharmakognosie und Nahrungsmittel-
kunde von A. Tschirch und O. Oesterle. S. 65, Taf. 17.
534 Dr. Mjöen: Opium.
Um die Fruchtwandreste zu finden, zieht man — nach Flückiger
— eine Probe erst mit Weingeist und dann mit Wasser aus und
legt den Rückstand in einer gesättigten, wässrigen Lösung von
Chloralhydrat unter das Mikroskop. Diese Methode bietet kaum Vor-
teile gegenüber der einfacheren: direkt auf dem Objektträger mit
Chloralhydratlösungzubehandeln und, wennnötig, schwach zu erwärmen.
Beide Methoden wurden gebraucht, doch gebe ich der letzteren
den Vorzug.
Stärke wurde in der üblichen Weise mit einer äufserst geringen
Spur von Jodlösung nachgewiesen.
Stärke ist vorhanden als Verfälschung, —- sie kommt im Opium
selbst nicht vor — und dieses Verfälschung wird, wie es scheint, mit
der Stärke der Cerealien (Fig. 4) und vielleicht ebenso oft mit Legumi-
nosen-Stärke ausgeführt (Fig.5). Dafs diese Vertälschung einen ge-
ringeren Gehalt von Morphin zur Folge hat, ist selbstverständlich.
Sie verleilit aber auchdem Pulver ein helleres Aussehen, welches bei einer
von den von mir untersuchten Proben so auffallend war, dafs man beim
blofsen Ansehen schon vermuten mulste, dafs Stärke beigemengt war.
Krystalle von Alkaloiden (Fig. 6) oder richtiger deren schwefel-
sauren und mekonsauren Salzen sind in persischem Opium häufig ge-
funden worden.
Die Fruchtwandreste haben in älteren Stadien eine Form, die in
Fig. 1 dargestellt ist, in jüngeren Stadien mehr wie Fig. 2, aber auch
alle Zwischenstufen finden sich.
. Fruchtwandepidermis,
. Jüngeres Stadium der Fruchtwandepidermis,
.r Stärke aus persischem Opium.
[> AS 0, a4 SuZ.
2 Krystalle der Alkaloidsalze.
Dr. Mjöen: Opium. 5835
Die Opiumsorten lassen sich dem mikroskopischen Befunde
nach in 3 Gruppen einteilen:
1. Gruppe: Reste der Fruchtwandepidermis sind
vorhanden — ca. 5 oder mehr im Hi 1
Gesichtsfelde — in einer Probe mehr, \ an a Aue
in ei : Saloniki,
in einer anderen weniger.
Clermont
Keine Stärke.
2. Gruppe: Entweder keine oder sehr selten
Reste der Fruchtwandepidermis. | Persische Sorten.
Viel Stärke.
Malva
3. Gruppe: Keine Fruchtwandreste. | Patna [adidas
Keine Stärke. Benares | Sorten.
Punjab
Aus dieser Tabelle geht also hervor, dals wir kleinasiatische,
persische und indische Opiumsorten mit Leichtigkeit bestimmen
können nach dem Vorhandensein oder Fehlen von Fruchtwandresten
und Stärke. Sind Reste der Fruchtwandepidermis zahlreich vor-
handen, so können wir mit grofser Bestimmtheit sagen, dafs die
Opiumsorte aus Kleinasien stammt. Fehlen diese Fruchtwandreste
oder sind sie nur als Ausnahme da (zum Beispiel einzelne Fetzen in
einer Probe) und ist gleichzeitig das Opium mit Stärke verfälscht,
so kann man schlie(sen, dafs die Sorten aus Persien stammen. Es
schien mir jedoch bedenklich, aus den 16 Sorten der Tschirch-
schen Sammlung allein meine Schlüsse zu ziehen und so beschlofs
ich, eine gröfsere Anzahl von ÖOpiumproben der mikroskopischen
Analyse zu unterwerfen. Durch die Güte des Herrn Dieterich in
Helfenberg wurden mir 43 weitere Opiumsorten, welche aus der
pharmakologischen Sammlung des Professor Vo gl in Wien stammten
zur Verfügung gestellt. Diese sind von Herrn Dieterich mor-
phiumetrisch bestimmt worden *) und ich füge seine Zahlen bei.
*) Helfenberger Annalen 1894. S. 34.
Arch. d. Pharm. CCXXXII. Bäs. 7. Heft. 35
536 Dr. Mjöen: Opium.
Opium aus der pharmakognostischen Sammlung
des pharmaceutischen Institutes Bern.
Reste der
\ Frucht- |; Kry- | Andere mikroskopische
No. Sort Stärke &
> BER wand- stalle, Befunde, Aussehen etc.
epidermis
mn nn nn nn m rs a nn nn m nn nn nn an au nn m mn m m en
1 Smyrna- Viele | Keine| Keine In Brodten.
Opium
2 | Konstantinopel- * kg ch sn e re
Opium |
3 | Salonici-Opium R s f 3 3;
4 Geiva-Opium f > "e > ;
5 ı Konstantinopel- = > % R. 2
Opium
6 Arachsas- ” ”» ” „ ”
Opium
7 Persisches Keine Viel | Viele
Opium
8 Persisches ö P A
(1869)
Opium
9 Persisches , “ ». In Stengeln.
Opium
10 Persisches Ein ein-' „ 5 Sehr helles Pulver
Opium zelnes gemengt mit Extrakt.
Stück ge- Konische Kuchen
funden in
3 Proben
11 Persisches Keine = Fr Kleine rote oder brauna
Opium Blattreste beigemengt.
12 | Hilles of Kulu = Keine| Keine Hellgelbes Pulver mit
Punjab anorganischen Bestand-
teilen gemengt.
13 Malva a ” ”
|
14 Patua ” ” ”
15 Benares 4 n 2 Unter dem Mikroskope
| dicke zähe Klumpen.
16 Malva, N = 2 Kugeln.
eben angekommen | |
(Ende Juli 1895)
Dr. Mjöen: Opium.
Opiumproben
ausderSammlungdespharmacologischen Instituts
in Wien.
5 ;
ne orapıe 3 = S = ei
No. Sorte |Fruchtwand-, & 7) Fr Befund
idermis | @ RS u
> nd z Aussehen etc.
17 Angora Viele Keine Keine) 10.57 Rotbraun, Körnig
18 5 | 2 er EEE „ .:
19 2 2 & »@|10.45,| 5 3
20 x z >. „ 110.42 | Etwas dunkler rotbr.
21 3 2 & „ 110.51 | Viele Gefässbündelr.
22 > Nichtsoviele „ ERS SLOSIOMS|
23 Koniah
Nigde Viele > n 7.43
24! Koniah, |
25 |Nigde Bour-
dour Seltener a = 9.73 Dunkler
Be al Wale 3 ae 3)
26 Koniah : = 7 983
27 4 | & E ss 9.26
28 e 2 4 n 9.25
29 | Houdaven- Mehr gummiartig,
dighiar 5 ve = .1.12.95 nicht so körnig.
30 ı Houdaven-
dighiar
Kutahye & = „ |1126 | Körnig, rothbraun.
31 | Houdaven-
dighiar
Simav € = ge Mehr gummiartig.
32 | Houdaven-
dighiar
Orschak = * „ , 11.80 es 2
33 | Houdaven-
dighiar
Orschak . = » | 1159 =
34 | Houdaven-
Kara Hissar,
Sahib & r * 9.07 ” i
35 Se Tuggreger - “ OT 2 -
36 Aidin Seltener is MAN T217.
37 Ismit,
Gheive Viele . s2l11.23
38 | Environs
d’Ismit &
39 Sivas Keine Viel en 4.15 | Ganz helles Pulver.
40 | Diarbekir & Keine 6.37
41 Pizren Sehr selten| „. „11438
42 3 £ Bi » KIL22 Mehr gummiartig.
43 Sivas A ei 1.68
35*
538 Dr. Mjöen: Opium.
S |
| Reste der | o = =
| Br S SIE=|
No Sorte Fruchtwand- & 2 & Ei
. . > [o}
epidermis | a © =
44 | Persisches Keine Viel |Keine 5.60
Opium
45 | Persisches 2 Sehr 5 4,47
Opium wenig
46 | Persisches = Wenig | „ 9.77
Opium Stärke
47 | Persisches . Keine Viele
Opium in
Stangen
48| Bagdad a Etwas |Keine
Stärke
49| Indisches = Keine „ 3.80
Opium, Be-
nares
50| Indisches E 2 5, PT
Opium,
Kugeltorm
51| Flüssiges : ” 3 8.47
Opium ein-
getrocknet.
Hongkong.
52 |Chinesisches = e e 0.45
Opium,
Tschandu
Ausserdem wurden untersucht:
päische, zwei unbekannte und zwei
pharmaceutischen Institute in Bern:
Andere
mikroskopische
Befunde,
Aussehen etc.
Dicke Klumpen
Gefälsbündelreste
Wie ein Extrakt
Dunkel. Tschandu ist
ein gerösteter, aufge-
löster und dann ein-
gedampfter Saft
eine abnormale, einige euro-
ägyptische Sorten aus dem
| Reste der | © = Re Andere
| Fi & NS 2 3
No Sorte Fruchtwand- & 5 An mikroskopische
epidermis | & Sn = Befunde
Se)
53 | Unbekannt Viele Keine|Keine
54 m Keine Viel “
55 | Deutsches 4 Keine) „
Opium
56 |Französisch.| Wenige 5 n Gefälsbündelreste
Opium von
Clermont
57 | Bernisches Keine 5 R
Opium
58 | Asgyptisch. Viele
Opium
Dr. Mjöen: Opium. 539
| | ©
| Reste dr 2 5 s3 Andere
No. Sorte ‚Fruchtwand- 4 © 2 = | mikroskopische
| epidermis RK | a Befunde
59| Assinti | Viele | Viel Keine 6%, |
60/Aus Bagdad. Keine Keine „
Wie ein Ex- |
trakt. |
Es löst sich |
beinahe alles |
|in Wasser. |
Wenn wir die Opiumsorten aus der letzten Tabelle, welche
auf dem Handelsmarkt keine Rolle spielen, ausser Acht lassen, finden
wir unter 33 Opiumsorten aus Kleinasien nur 2, wo die Fruchtwandreste
fehlen. Diese 2Sortenstammen derSignaturnach ausSiwasund Diarbekir.
Diarbekir liegt so nahe an der persischen Grenze wie z.B. auch
Bagdad, dafs man ganz gut annehmen kann, dals die persische Ge-
winnungsart und Verfälschungsmanier sich auf diese Distrikte über-
tragen hat oder von vornherein schon vorhanden war. Was die
Probe signiert „Siwas“ anbetrifft, so spricht die Tatsache, dafs gleich-
zeitig Stärke vorhanden ist, für die Annahme, dafs hier eine Ver-
wechslung oder Verfälschung vorliegt. Der abnorm niedrige Morphin-
gehalt deutet auch darauf.
Es hat sich bei der Untersuchung von einem grölseren Material
auch bestätigt, dafs den persischen Opiumsorten fast immer etwas
und sehr häufig viel Stärke beigemengt ist, da aber in einigen Sorten
gar keine Stärke nachgewiesen werden konnte, war es nicht möglich,
in dieser Weise ein analytisches Merkmal zwischen persischen und
indischen Sorten aufzustellen. Was man als Resultat dieser Unter-
suchungen (wenn wir die europäischen und ägyptischen Opium-
sorten ausser Acht lassen) aufstellen kann, ist:
1. Sind Fruchtiandreste vorhanden, so hat man kleinasiatisches
Opium vor sich,
2. sind keine Fruchtwandreste und viel Stärke nachweisbar,
so stammt die Sorte aus Persien,
3. sind keine Fruchtwandreste und auch keine Stärke vorhanden,
so haben wir es wahrscheinlich mit indischen oder chinesischen
Sorten zu thun.
|
|
|
540 Tschirch und Luz: Ammoniacum.
Das Vorhandensein der Fruchtwandreste im kleinasiatischen
Opium und die Abwesenheit oder das seltene Auftreten derselben im
persischen und indischen Opium lässt sich leicht aus der Gewinnungs-
weise des Opiums erklären. In Kleinasien wird die Mohnkapsel
ringsum angeschnitten und um den ausgeflossenen und einge-
trockneten Saft gewinnen zu können, mufs man mit einem
Schabeisen ebenfalls ringsum (die „Furche“ entlang) fahren. Dafs
bei dieser Manipulation von der äufseren Epidermis der Kapsel leicht
kleine Stücke mitgerissen werden, ist einleuchtend.
In Persien und Indien werden die Mohnkapseln senkrecht an-
geschnitten. Der noch halbflüssige Saft wird in Pfannen ge-
sammelt und eingedampft, dann entweder in Kapseln geknetet (Indien)
oder auf Bretter gestrichen und weiter an der Sonne getrocknet
(Persien). Bei dieser Behandlung (senkrechter Schnitt) fliesst der
Milchsaft zu einem Tropfen am unteren Ende des Schnittes zu-
sammen und kann ohne Kratzen abgetrennt werden; besonders, da
er nicht, wie in Kleinasien, solange an der Kapsel selbst gelassen
wird, bis er hart ist, sondern im halbflüssigen Zustand gesammelt
wird. Bei dieser Manipulation kann nur ausnahmsweise etwas von
der Fruchtwand mitgerissen werden.
Arbeiten aus dem pharmazeutischen Institut der
Universität Bern.
Untersuchungen über die Sekreite.
Mitgeteilt von A. Tschirch.
15. Ueber das Ammoniacum.
von H. Luz.
(Eingegangen am 12, VII. 1895).
Wie beim Galbanum, so wissen wir auch hier über das Ge-
schichtliche wenig Sicheres und Zuverlässiges.
Martiny berichtet, dafs die erste Erwähnung des Ammoniaks
bei Hippokratessich finde, während Borscow und Hamburg
dem Dioscarides die erste Erwähnung des Ammoniaks zuschreiben.
Dioscorides und Plinius erwähnen beide zwei Sorten des Am-
moniaks; die bessere sei dem Olibanum ähnlich, rieche wie Castoreum,
schmecke bitter und werde zu Räucheruugen gebraucht, die geringere
und gewöhnliche:e Sorte habe ein harziges Ansehen und werde mit
Steinen und Erde verfälscht.
Tschirch und Luz: Ammoniacum. 541
Nach Plinius stammt der Name Ammoniacum von dem Wort
„Sand“, so benannt von dem sandigen Boden. auf dem die Mutterpflanze
wächst. Auch wird behauptet, das Wort Ammoniacum sei mitunter
Armeniacum geschrieben worden, was vielleicht auf Armenien als
Vaterland oder Stapelplatz der Ware hindeuten könne.
Bezüglich der Abstammung meint Dioscorides, dals das
Ammoniak von einer Ferulaart abstamme, mit Namen Agasyllis, welche
bei Kyrene in Afrika wachse. Plinius dagegen nennt die Pflanze
Metopion und giebt an, dals sie in Afrika in der Gegend des Jupiter-
Ammontempels vorkommen soll.
Chardin, welcher sich von 1666 —1677 in Persien aufhielt,
behauptet, dals die Pflanze, von den Persern Ouchay genannt, massen-
weise an den südlichen Grenzen Partiens, d. h. südlich von Ispahan
anzutreffen sei. Chaw und Jakson fanden die Mutterpflanze des
Ammoniak im Kyrenischen Lybien und verglichen sie mit einer
Fenchelart, die arabisch Feshook heilst.
Sichere Nachrichten über die Abstammung des Gummiharzes
verdankt man Johnston, Hart und Wright). Johnston
fand die Ammoniakpflanzs in gro/ser Menge in der Nähe von Isdekhast
in steinigen Ebenen, während Hart die Pflanze in der Nähe von
Jorda, Kaust und Kumischa in der Provinz Vauk antraf.
Der Engländer Don beschrieb zuerst im Jahre 1829 ausführlich
eine der Ammoniakpflanzen, die von Lieutenant Wright in der
persischen Provinz Irau-Adschani gesammelt worden waren und belegte
sie mit dem Namen Dorema Ammoniacum.
Das von Karelin und Kirilow in der Songarei entdeckte
Dorema paniculatum ist vach Borszcow identisch mit Dorema Am-
moniacum. Dasselbe gilt von Dorema aureum.
Ausserdem werden noch zwei in Persien einheimische Arten
gefunden; nämlich Dorema glabrum Fischer und Dorema Aucheri; doch
kommen diese Sorten nicht in den Handel.
Nach Tschirch?2) fliefst das Ammoniacum als ein starker
Strom von Milchsaft beim Verwunden der Sprosse hervor. Die Ver-
wundung geschieht durch Insekten, welche bis jetzt nicht näher
festgestellt werden konnten, und ist eine so gewaltige, dals
Stamm und Blattstiele oft über und über mit Wundstellen bedeckt
sind. Jeder Stich hat einen reichlichen Erguss von Milchsaft
zur Folge. Der austretendo Milchsafttropfen vergrölsert sich durch
Nachfluf[s-allmählich zu einer etwa erbsengrolsen Masse, erhärtet am
Stamm selbst und verstopft wie ein Wundbalsam die Wunden.
1) Hirschsohn , Pharmaz. Zeitschr. für Rulsl. XIV. Jahrgang No.8.
2) Tschirch: Archiv d. Pharmac. 1836 S,. 834.
542 Tschirch und Luz: Ammoniacum.
Nach Flückiger!) wird das Gummi Ammoniacum in der
Weise gewonnen, dafs man die freiwillig oder infolge von Insekten-
stichen aus dem Stengel und den dicken Blattstielen der Ammoniacum-
pflanzen, Dorema Ammoniacum Don und andern Doremaarten austreten-
den und dort zu Gummiharz erhärtenden Milchsafttropfen (Ammoniacum
in granis) oder aber das am Wurzelschopfe hervorquellende und er-
härtende Gummiharz (Ammoniacum in massis) sammelt. Eine Bear-
beitung (An- oder Durchschneiden) des Stengels oder der Wurzeln
findet nicht statt.
Gewonnen wird das Gummiharz nach Janson?) durch Ein-
schnitte in die Pflanze. welche selten die Höhe von 6-7‘, doch auch
nicht unter 3‘ erreicht.
Johnston dagegen meint, dals der Stengel der Pflanze von
einem Käfer durchbohrt werde und dals aus den so entstandenen
Bohrlöchern das Gummiharz hervortrete und erhärte.
Nach Borszcow sind die jungen Wurzeln äulserst reich an
Milchsaft, welcher bei anhaltender Glut des Bodens durch die in der
Rinde entstandenen Risse in grolsen Tropfen ausfliefst und den um-
gebenden Sand tränkt. Beim Erstarren entstehen sehr feste, braun-
graue Massen, welche beim Ausgraben der Wurzeln oft zu Tage treten.
Eine sehr reichliche Ausschwitzung des Saftes findet auch zwischen
den Bastbündeln der Coma statt und dieses ist die braune, schlechtere,
stark mit Sand verunreinigte Sorte des Ammoniaks, das sogenannte
Gummi Ammoniacum in massis. Das in den Achseln der blumen-
tragenden Aeste und an der Basis der kleinen Dolden, wie auch das
am Stengel ausgeschwitzte Gummiharz ist milchweils, wachsweich und
bildet gewöhnlich erbsen- bis nulsgrolse Tropfen, oft sogar Klümpchen.
Längere Zeit der Luft ausgesetzt überziehen sich die Tropfen mit
einer gelben, spröden Kruste.
Als Handelssorten unterscheidet man: Afrikanisches und Per-
sisches Ammoniak, welch letzteres gegenwärtig nur im europäischen
Handel erscheint.
Das Persische Ammoniak wird eingeteilt in:
a) Ammoniacum in granis, s. lacrimis, s. amygdaloides,
Ammoniak in Körnern, Trähnen.
Es besteht aus einzelnen, hirsen- bis wallnulsgrolsen
Stücken, die äulserlich eine blalsgelbe bis bräunlichgelbe
Farbe zeigen. Sie sind mattglänzend, opalartig. Der
Bruch ist weils bis bläulich-weils, an den Kanten durch-
scheinend. Ein Sammlungsmuster des pharmazeutischen
Instituts in Bern bildete einzelne Körner von verschiede-
1) Flückiger, Pharmakognosie. Dort und in der Pharmacographia
die Literatur.|
2) Pharmaz. Zeitschr. für Rulsl. XIV. Jahrg. No. 3.
Tschirch und Luz: Ammoniacum. 543
ner Grölse:; äulserlich hellgelb bis bräunlich, auf dem
Bruch weils bis bläulichweils, opalartig, ähnlich denjenigen,
wie sie von Hirschsohn!) beschrieben wurden.
b) Ammoniacum in massis, 8. placentis, 3. panibus, Ammoniak
in Massen, Kuchen oder Broten. Eine mehr oder weniger
gleichförmige Masse bildend, mit eingesprengten Körnern,
häufig vermischt mit Resten des Stengels oder der Früchte,
von schmutzig duukelbrauner Farbe.
Das afrikanische Ammoniak, Ammoniacum Africanum, ist nach
Lindley’'s Ansicht das von Ferula tingitana?) stammende Gummi-
harz und bildet eine hellbräunliche, rötliche, stellenweise selbst bläu-
liche Masse, die weich, nur leicht an den Fingern klebend, einen von
dem persischen Ammoniak verschiedenen Geruch besitzt. Derselbe
erinnert mehr an Aepfel und Lavendel. Dasselbe ist erst zweimal auf
dem Londoner Markt erschienen. Die Zufuhr kam aus Mogadar,
Aegypten und Arabien.
Die ersten chemischen Untersuchungen, und zwar des persischen
Ammoniak, stammen von Carthäuser, Neumann und Löseke.
Auch haben Braconnot, Buchholz, Calmeyer und Hagen
sich chemisch mit dieser Droge beschäftigt. Sie fanden das Gummi-
harz zusammengesetzt aus: Harz, Gummi, gummiartigen, in Wasser
und Alkohol unlöslichen Stoffen und ätherischem Oel. Nach all diesen
Autoren ist das Harz rötlich und schmilzt bei 45-54 ©. Es riecht
wie das Gummibarz und ist geschmacklos.
Johnston fand das Harz zusammengesetzt nach der Formel
C4Hz0;. Hlasiwetz und Barth?) behandelten das Ammoniacum, wie so
viele audere Harze, mit schmelzendem Aetzkali und erhielten als Re-
sultat dieser Kalischmelze neben einer wässrigen, nach flüchtigen
Fettsäuren riechenden Flüssigkeit ein öliges, dickliches Produkt, aus
welchem sich Krystalle ausschieden, die nach wiederholter Reinigung
sich als Resorcin erwiesen.
Guido Goldschmidt?) nahm ebenfalls mit dem Harz einer
aus Marokko bezegenen Handelssorte eine Kalischmelze vor und fand
neben Resorcin einen Körper, welcher unter dem Mikroskop regel-
mälsige, octaödrische Formen zeigte, dessen Schmelzpunkt unter Gas-
entwicklung und Schwä g bei 265° lag, sehr schwer in kaltem
Wasser sich löste, leichter dagegen in kochendem Alkohol und in
Aether. Ausgezeichnet ist dieser Körper durch die prachtvoli rote
(einen Stich ins violette zeigende) Farbe seiner wässrigen Lösung,
wenn sie mit Eisenchlorid versetzt wird. Auf Zusatz von kohlen-
!) Pharmaz. Zeitschr. für Rufsl. XIV. Jahrg. No, 8.
2) Die Sekretgänge dieser Pflanze hatTschirch (Arch. d. Pharm.
1886) beschrieben
3) Annal. d. Chemie in Pharm. COXXX.
4) Berl. Ber. 1878. 850.
544 Tschireh und Luz: Ammoniacum.
saurem Natrium wird dieselbe mehr weinrot, Salzsäure entfärbt
sie. Die ausgeführten Analysen stimmten auf die Formel C,H; O,.
Schwanert!) liefs auf Ammoniacum Salpetersäure einwirken
und erhielt Styphninsäure und Camphresinsäure, welch letztere später
als ein Gemisch von Kamphersäure und Kamphoronsäure erkannt wurde.
Will und Böttger?) erhielten bei Einwirkung von Salpeter-
säure von 1,20 spez. Gew. auf Ammoniakgummi reichliche Mengen von
Styphninsäure, ohne dals ein anderes Produkt, wie z. B. Pikrinsäure,
Benzoösäure, Oxalsäure gleichzeitig mit aufgetreten wäre.
Nach einem Bericht in den Phil. Transact.®) ergab das mit Alkohol
aus dem Ammoniakgummi ausgezogene Harz analysiert:
2 II.
Kohlenstoff: 71.78 72,07
Wasserstoff: 7.93 1,63
Sauerstoff: 20,67 20,3)
weiche Zahlen der Formel C,, Ha, O entsprechen würden.
Pluggei) verwendete als Reaktion auf Ammoniacum eine
Natriumhypobromidlösung und verwertete diese Reaktion zum quanti-
tativen Nachweis von Ammoniacum. Aufserdem fand er, dals weder
das Gummi, noch das ätherische Oel diese Reaktion gaben, sondern
allein das Harz. Ebenso konstatierte er, dals die anderen Umbelli-
ferenharze diese Reaktion nicht gaben.
Hirschsohn) fand bei Untersuchung des Amınoniacum, Jdals
dasselbe enthält: ätherisches Oel, verschiedene Harze, Gummi, Zucker,
Dextrin und Bassorin ähnliche Materien. Bei afrikanischem Ammoniak
fand er Umbelliteron, bei dem persischen einen phloridzinartigen
Körper; ebenso wird persisches Ammoniakgummi durch Chlorkalk-
lösung orange gefärbt; afrikanisches bleibt ungefärbt.
Ciamician®) führte eine Kalischmelze aus und erhielt eben-
falls Resorein.
Eine Zinkstaubreduktion wi: dem vom Gummi befreiten Harze
ausgeführt, ergab aus 1 kg guinmifreien Harzes ungefähr 450 ccm
eines braunen, aromatisch-äthrerisch riechenden Oeles, das aus einem
Gemenge von aromatischen Kohlenwasserstoffen und einem sauerstoff-
haltigen Körper bestand. Du:ch Destillation mit Wasserdampf wurden
drei Fraktionen erhalten, wovon die mittlere zum grölsten Teil den
sauerstoffhaltigen Körper enthielt, währemd#die beiden andern vor-
nehmlich aus Kohlenwasserstoffen bestanden. Die mittlere Fraktion,
welche zwischen 1800—200° ©. aufgefangen wurde, ergab eine geringe
1) Annalen d. Chem. und Pharm. 128. 122.
2) Annalen der Chem. und Pharm. 58. 272.
3) Philos. Transact. 1840. 350.
4) Archiv d. Pharm. 1883, 211. Band.
5) Jahresbericht der Chemie 1875, 859.
6) Berl. Ber. 12, 1658.
Tschirch und Luz: Ammoniacum. 545
Menge Flüssigkeit, die bei der Analyse die Formel C,H,O ergab.
Diese Substanz wurde mit Kaliumhydroxyd verschmolzen, nach
beendigter Operation die Flüssigkeit neutralisiert und mit Aether
ausgeschüttelt. Aus diesem Aetherauszug wurden sehr geringe Mengen
einer Säure erhalten, welche an Reaktionen und Schmelzpunkt als
Salicylsäure erkannt werden konnten. Wird die Reaktion zu früh
unterbrochen, so erhält man einen phenolartigen Körper, welcher nach
gemachter Analyse die Formel C,H,,O ergab.
Die erste Fraktion ist ein Kohlenwasserstoft von der Formel
C;H,, und gielt bei der Oxydation ein Gemenge von Iso- und
Terephtalsäure.
Die höher siedende Fraktion hat die Formel C,H,, und giebt
bei der Oxydation Isophtalsäure.
Die letzte Fraktion besitzt die Formel C,H, und giebt bei
Oxydation mit chromsaurem Kali und Schwefelsäure neben harzigen
Substanzen eine geringe Menge Benzoösäure, Essigsäure und vielleicht
auch etwas Propionsäure.
Flückiger!) fand im Ammoniacum bis zu 70 Proz. Harz,
welches, der trockenen Destillation unterworfen, braune Oele lieferte,
die bei 2500 ungefähr zu sieden beginnen, bei der Rektifikation jedoch
keinen blaugefärbten Anteil geben. Umbelliferon wurde nicht er-
halten, mit Kalihydrat verschmolzen lieferte das Harz Resorein, der
Zinkstaubdestillation unterworfen 40 Proz. aromatisches Oel. Neben
dem Harz findet sich Gummi, sowie !/, Proz. ätherischen Oeles, kein
Schwefel.
Preiszewski?) iand bei einer Untersuchung des Ammoniacum
ein saures, hellbraunes Harz, ein indifferentes, schwarzbraun getärbtes
schwefelhaltiges Harz, ein rötlich gefärbtes, nicht schwefelhaltiges
ätherisches Oel und Gummi.
Kurz zusammengefalst wären die seitherigen Angaben über
Ammoniacum und seine Bestandteile die Folgenden:
I. Das Harz enthält: !/, bis 3 Proz. eines ätherischen Oeles, das
schweielfrei ist und keinen blauen Anteil liefert.
II. Der Harzgehalt beträgt 60—70 Proz., das Harz spaltet sich
in ein saures, schwefelfreies und in ein indifferentes, schwefelhaltiges.
III. Gummi.
Die trockene D ion liefert braungefärbie Oele, welche
bei 250% zu sieden beginnen und keinen blaugetärbten Anteil liefern;
die Kalischmelze : neben Fettsäuren Resorecin, die Oxydation mit Salpeter-
säure führt zu Styphninsäure, Kampher- und Kamphororsäure; die
Zinkstaubreduktion ergiebt aus den höhersiedenden Partien des Roh-
destillates einen hochinolekularen Kohlenwasserstoff der Benzolreihe
1, Pharmak. Ill.
2) Inaugur. Disr. Dorpat. 1892, 66.
546 Tschirch und Luz: Ammoniacum.
aus der mittleren Fraktion nach vollständigem Schmelzen mit Kalium-
hydroxyd Salicylsäure, bei unvollständigem einen phenolartigen Körper,
Ichhabe nun dasAmmoniacum einer erneutenUntersuchung, nament-
lich mit Rücksicht auf etwaig vorhandene Salicylsäure, unterworfen.
Ich knüpfte dabei an Untersuchungen an, die schon vor längerer Zeit
im pharmaceutischen Institut der Universität Bern von den Herren
Dr. Oesterle und Lüdy begonnen und schon ein beträchtliches
Stück gefördert waren. Die bis dahin erzielten Ergebnisse wurden
mir von Herrn Dr. Oesterle auf das Entgegenkommendste zur
Verfügung gestellt und spreche ich ihm an dieser Stelle meinen
besten Dank aus.
I. Chemischer Teil.
Quantitative Untersuchung desAmmoniacum.
Als Untersuchungsmaterial benutzte ich ein von der Firma
Dieterich in Helfenberg bezogenes Gummi Ammoniacum. Es
stellte schwach durchscheinende Körner dar, von weilser, aussen
hräunlicher oder gelber Farbe, wachsglänzend, in der Kälte spröde,
beim Erwärmen in der Hand zusammenklebend, zwischen den
Fingern erweichend, mit Wasser angerieben, eine Emulsion gebend.
i00 g dieses Gummi Ammoniacum wurden, nachdem es vorher
möglichst fein zerrieben worden war, mit Aether übergossen, gut
durchschüttelt und unter ötterem Umschütteln einen Tag bei Seite
gestellt. Alsdann wurde der Aether abgegossen und der Rückstand
wiederholt solange mit Aether behandelt, als derselbe noch eine gelbe
Färbung zeigte. Nach vollständiger Erschöpfung wurden die Aether-
auszüge, welche eine gelbrötliche Färbung zeigten und sauer reagier-
ten, vereinigt, filtriert und das klare Filtrat auf dem Dampfbade ab-
destilliert. Im Rückstand blieb ein schön goldgelb bis rötlichgelb
gefärbtes Harz, dessen Ausbeute 69 °/, betrug. Dieses dickflielsende,
zähe Harz löste sich in der doppelten ae Schwefelkohlenstoff,
in Chloroform und Eisessig vollständig auf, in alkalischen Laugen
sowie Ammoniak nur unvollständig. Mit Aetznatronlauge und Chlor-
kalklösung befeuchtet, trat eine schön gelbe Farbe auf. Ein Teil
der alkoholischen Lösung des Harzes mit Bromnatriumlauge (dar-
gestellt aus 15,0 NaOH in Wasser, 10,0 Brom und mit Wasser
verdünnt bis zu 500,0) versetzt, ergab eine schön rote Farbe. Eben-
so entstand bei Zusatz von Natriumhypochloridlösung zu einem
Tschirch und Luz: Ammoniacum. 547
anderen Teil des alkoholischen Harzes eine schön violettrote Farbe,
welche jedoch nicht beständig war und bald wieder verschwand. Auf
Zusatz von Chlorwasser, Chromsäure und Salpetersäure trat keine
Aenderung der alkoholischen Lösung ein. Mit Bleizucker und essig-
saurem Kupfer entstanden Praecipitate. Mit Eisenchlorid versetzt
trat in der alkoholischen Lösung eine rotviolette, mit Chlorkalklösung
eine orangegelbe Färbung auf. Mit Wasser gekocht gab das Harz
eine gelblich gefärbte Flüssigkeit, welche schwach sauer reagierte
und mit Eisenchlorid violett wurde. Weder durch trockene Destil-
lation, noch durch Behandeln mit Salzsäure konnte ich aus dem
Harz Umbelliferon erhalten (Unterschied von Galbanum), ebensowenig
ergab der alkoholische Auszug des Ammoniakgummi mit einigen
Tropfen Natronlauge versetzt eine Fluorescenz. Bei der trockenen
Destillation gingen braungefärbte Oele bei ungefähr 230— 2500 über.
Diese zeigten einen stechenden Geruch, saure Reaktion, aber keinen
blaugefärbten Anteil. Mit Eisenchlorid versetzt trat auch in
sehr starker Verdünnung noch eine rote Farbe auf. Der in Aether
ungelöst gebliebene Rückstand, welcher 26 gr. betrug, wurde nun so-
lange wiederholt mit Wasser ausgeschüttelt, als das wässrige Fil-
trat beim Abdampfen einer geringen Menge auf dem Wasserbade
einen Rückstand hinterliefs. Alsdaun wurden die wässrigen Aus-
züge vereinigt und filtriert. Das Filtrat zeigte eine schwach gelb-
liche Farbe und hinterliefs nach dem Abdampfen eine Mucilago
ähnliche, dicke Flüssigkeit von zäher Konsistenz und schwach saurer
Reaktion. Diese zähe Flüssigkeit wurde alsdann in Wasser noch-
mals gelöst, mit einigen Tropfen Salzsäure angesäuert und aus dieser
Lösung das Gummi als teigartig zähe, gelblich-weilse Masse durch
Alkohol ausgefällt. Diese Masse färbte sich an der Luft dunkler
und hinterliefs beim Erhitzen auf dem Platinblech wenig Asche.
Ein Teil des wässrige jauszuges gab auf Zusatz von Eisen-
ehlorid eine gallertarti scheidung, aber keine Fällung.
Der in Aether und Wasser ungelöst gebliebene Rückstand
wurde alsdann getrocınet und ergab nach vollständigem Trocknen
ein Gewicht von 3,525 gr. Auf dem Platinblech erhitzt, verbrannte er mit
starkrulsenderFlammeundunterHinterlassung einer grofsenMengeAsche.
Zur Bestimmung des Wassergehaltes wurden 2,0 Ammoniacum fein
zerrieben und bis zum konstanten Gewicht im Exsiccator getrocknet.
548 Tschirch und Luz: Ammoniacum.
Nach ungefähr 3 Wochen betrug der Gewichtsverlust 0,390, somit
betrug der Wassergehalt 4,45 ®/,.
Zusammengestellt ergab die quantitative Untersuchung folgen-
des Resultat:
a ar RN:
In Wasser lösliche Substanz 22:675
In Wasser unlösliche Substanz 3,525
Wassers. mu Dr 7 BAAR 7 6ART EEE)
99,650
Zum Vergleich möchte ich hier noch einige andere Analysen-
resultate*) anführen:
Hirschsohn Plugge DBraconnot Moss Buchholz
Aetherisches Oel: 1,43—6,68 1,27 \og \
Wasser: 0,81 3,27, 5,10 1,2 ; 4
Asche: 2,0216,88 2,00 J j
Harz: 47,12—69,22 65,55 70,0 68,6 72,0
Gummi: 11,85— 25,74 26,10 18,4 19,3 22,4
Zucker: 1,61—4,49 - _- — _
Rest: 0,81—3,09 4,4 7,0 1,6
Dieser Rest wird von den einen als Bassorin, von den andern
als Extractivstoff oder leimartige Stoffe bezeichnet.
Untersuchung auf freie Säure.
Zur Untersuchung auf etwaig vorhandene freie Säuren wurden
verschiedene Methoden angewandt, von denen nur eine ein be-
friedigendes Resultat ergab, und zwar die folgende:
Da das Ammoniacum feingepulvert und mit Wasser zerrieben
trotz wiederholten Filtrierens keine klare Lösung gab, sondern
milchig trüb und undurchsichtig blieb, so wurde längere Zeit mit
Filtrierpapier geschüttelt und stehengelassen, olıne dafs jedoch eine
Klärung erzielt werden konnte. Auch auf Zusatz von wenigen
Tropfen Salzsäure oder Alkohol trat keine Aenderung ein. Ich be-
handelte daher den feinzerkleinerten A
gummi so lange mit
Wasserdämpfen, als das übergehende, ach sauer reagierende
Destillat einen Geruch nach ätherischem Öel ‘erkennen liefs. Die
über dem Ammoniakgummi stehende, wässrige Flüssigkeit war von
weilser, milchigtrüber Farbe, zeigte stark saure Reaktion und gab
mit Eisenchloridlösung behandelt, eine tief stahlgraue Färbung, mit
Kaliumpermanganat erwärmt, trat keine Reaktion ein. Diese trübe,
*) Arch. d. Pharm. 1883, 21.
ann.
Tschirch und Luz: Ammoniacum. 549
wässrige Flüssigkeit wurde nun von dem zusammengebackenen
Ammoniakgummi abgegossen, mit Aether gut durchschüttelt und
einige Stunden bei Seite gestellt. Da weder nach dieser Zeit, noch
auf weiteren Zusatz von Aether eine klare und deutliche Trennung
zweier Schichten erfolgte, so machte ich mit Alkohol einen
Versuch. Bald konnten zwei klar sich abscheidende Schichten er-
kannt werden. Im Scheidetrichter wurde die obenstehende, rot-
bräunlich gefärbte Aetherschicht von der Muceilago ähnlichen, trüb grau ge-
tärbten, wässrigen Schicht getrennt. Der Aether wurde alsdann ab-
destilliert und im Rückstand blieb eine geringe Menge eines rötlich-
gelben Harzes von zäher Konsistenz und saurer Reaktion. Das Harz
wurde nun wiederholt solange mit kochendem Wasser ausgewaschen,
als das letztere saure Reaktion und, mit Eisenchlorid versetzt, violette
Färbung zeigte. Die vereinigten wässrigen Auszüge wurden mit
30/, Natriumcarbonatlösung neutralisiert und auf dem \WVasserbade ein-
gedampft. Trotz wiederholten Auflösens in Wasser und Ein-
dampfens konnte der Verdampfungsrückstand nicht vollständig farb-
los erhalten werden. Denselben neutralisierte ich sodann mit ver-
dünnter Schwefelsäure und schüttelte das Filtrat mit Aether aus.
Nach Abdestillierung des Aethers blieben einige gelbgefärbte
Tropfen zurück, aus welchen sich nach kurzer Zeit wenige Krystalle
in Form langer Nadeln ausschieden. Durch wiederholtes Um-
krystallisieren aus Alkohol und kochendem Wasser wurden dieselben
zuletzt als weilse, seidenglänzende Nadeln erhalten, deren Schmelzpunkt
nach vollständigem Trocknen bei 157°lag und welche, mit Eisenchlorid
versetzt, die für Salicylsäure charakteristische Reaktion gaben. Die
Ausbeute war jedoch zu gering, um eine Verbrennung machen zu können.
Somit war sowohl durch den Schmelzpunkt, ala auch durch
die Eisenchloridreaktioggedi
säure erkannt worde
vorhandene freie Säure als Salieyl-
Das wässrige, riechende Destillat, sowie die wässrige,
mit Aether ausgeschü Gummilösung wurden bei Untersuchung des
ätherischen Oeles, sowie bei derjenigen des Gummis weiter be-
rücksichtigt.
Prüfung auf Aldehyde.
Etwa 50 g des konz. Aetherauszuges von 1 Kilo Ammoniak-
gummi schüttelte ich mit 100 cem konzentr. Natriumbisulfitlösung
550 Tschirch und Luz: Ammoniacum.
während !/, Stunde im Scheidetrichter und versetzte nach Abzug der
wässrigen Lauge den restierenden Aether nochmals mit 100 ccm
Natriumbisulitlösung. Die vereinigten, wässrigen Laugen behandelte
ich alsdann mit kalter, verdünnter Schwefelsäure (bestehend aus
3 T. konz. Schwefelsäure und 5 T. Wasser) und zwar mit soviel,
dals auf 100 ccm Sulfitlösung 150 cem obiger, verdünnter Schwefel-
säure kamen. Nachher wurde filtriert und das Filtrat zur Verjagung
der schwefligen Säure auf dem Wasserbade erwärmt. Die voll-
ständig erkaltete, saure Lösung wurde im Scheidetrichter 2—3 mal
mit Aether ausgeschüttelt. Da der Aetherauszug keine Reaktion auf
Aldehyde ergab, so wurde nach vollständigem Verjagen des Aethers
der harzartige Rückstand der Destillation mit Wasserdämpfen unter-
worfen, zeigte jedoch mit Silbernitrat keine Aldehydreaktion.
Ein anderes, von Gehe in Dresden bezogenes Gummi Ammo-
niacum ergab, auf dieselbe Weise untersucht, ebenfalls keine Reaktion.
Das sogenannte indifferente Harz.
Die ätherischen Auszüge des Ammoniacum, welche von gelblich-
roter Farbe waren, klebrige Beschaffenheit und schwach saure
Reaktion zeigten, wurden filtriert und das Filtrat solange mit 5 proz.
Kalilauge versetzt, bis sich nach gutem Durchschütteln deutlich zwei
klare Schichten erkennen liefsen. Im Scheidetrichter getrennt zeigte
die untenstehende, wässrige Schicht eine tief dunkelrote Farbe, die
obere ätherische eine gelbrote. Um das Harz aus dem Aetherauszuge
möglichst zu entfernen, werde derselbe solange mit 5 proz. Kali-
lauge ausgeschüttelt, bis letztere keine gelbe Färbung mehr erkennen
liefs und auf Zusatz von verdünnter Schwefelsäure nur noch schwache
Opalisirung eintrat. Alsdann destillierte ich den Aether ab und im
Rückstand blieb eine dickflielsende, aromatisch riechende und nicht
sauer reagierende Masse von tiei dunkelbrauner Farbe. Diese wurde
t, als das übergehende
ı
zunächst solange mit Wasserdämpfen
Destillat einen Geruch von ätherisch rkennen liefs. Trotz
wochenlangen Einleitens von Wasserd konnte kein festes
Harz erzielt werden, sondern die Konsistenz blieb immer zäh und
schmierig. Von dem anhängenden Wasser befreit, wurde diese
zähflie(sende Masse einer näheren Untersuchung unterzogen. Die
Farbe war tiefbraun mit einem Stich ins Grüre. Auf dem Platin-
blech erhitzt, verbrannte sie mit stark rulsender Flamme, ohne Rück-
Fortsetzung im Heft Vili,
ARCHIV
PHARMACIE |
herausgegeben | Be
vom =
Deutschen Apotheker-Verein _
unter Redaction von Be =
E. Schmidt und H. Beekurts.
Band 233. Heft 8.
BERLIN.
‚Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereins.
INHALT.
Seite
H. Luz, Ueber das Ammoniacum . . . . 2 2 m. ud. 551
A. Pinner, Ueber das Nicotin (ID. . . . - ES
G. Dragendorff, Beiträge zur gerichtlichen Ohahas 2
| Eingegangene Beiträge.
J. Gadamer, Ueber das Thiosinamin.
W. Göhlich, Ueber Morphin und Morphinhydrochlorid.
O0. Hesse, Ueber die Bestandteile von Aristolochia argentea.
G. Dragendorff, Beiträge zur gerichtlichen Chemie.
H. Virchow, Ueber Bau und Nervatur der Blattzähne und Blatt-
spitzen.
(Geschlossen den 24. Oktober 1895.
Anzeigen.
Dieselben werden mit 4o Pfg. für die durchgehende und mit 2;Pfg für die gespaltene
Petitzeile oder deren Raum berechnet. Beilage-Gebühr für das Tausend der Auflage —
z.Z. 3650 — Mk. ıo. Für Beilagen, welche nicht dem Format des „Archiv“ entsprechen,
bleibt besondere Vereinbarung vorbehalten x
Abonnements auf die
Apotheker-Zeitung
für das II. Semester 1895 werden noch durch jede Post-
anstalt angenommen und die bereits erschienenen
Nummern nachgeliefert.
Die Expedition der Apotheker- -Zeitung |
Berlin C. 22, An der ee Brücke 14.
El
Tschireh und Luz: Ammoniacum. 551
stand zu hinterlassen. In konz. Kalilauge löste sich das Harz
auch beim Erwärmen nur wenig auf mit schwach gelber
Farbe, in kohlensauren Alkalien sowie in Ammoniak war
keine Lösung zu erzielen, in konz. Schwefelsäure löste sich das Harz
mit schön braunroter Farbe und wurde durch viel Wasser aus dieser
Lösung wieder gefällt. In Salzsäure und Essigsäure löste es sich
weder in der Kälte noch beim Erwärmen, leichter und klar in
Aceton, Benzol, Chloroform, Schwefelkohlenstoff, Alkohol, Aether und
Eisessig. Aus seinen Lösungen mit salzsäurehaltigem Wasser aus-
getällt, schied sich weder ein fester oder pulverförmiger Körper ab,
sondern dieselbe schmierige Masse von etwas hellerer Farbe. Ein
Teil der alkoholischen Harzlösung mit Bromnatriumlauge (nach der
oben erwähnten Methode dargestellt) versetzt, ergab keine Rot-
färbung, sondern eine milchig trübe Flüssigkeit von weilser Farbe,
aus welcher sich das Harz mit bräunlich-gelber Farbe ausschied.
Einen Teil dieses Harzes unterwarf ich der trockenen Destillation.
Nachdem zuerst unter starkem Zischen und Schäumen etwas Wasser
übergegangen war, destillierten zwischen 200—240° braungefärbte
Oeltropfen, welche stark sauer reagierten und einen durchdringenden,
säuerlich stechenden Geruch besalsen. Das übergehende Destillat
untersuchte ich wiederholt mit einem in Bleinitrat getauchten Papier-
streifen, konnte aber während der ganzen Destillation keinen Schwefel-
gehalt nachweisen. Bei höherer Temperatur blähte sich die Masse
unter Entwicklung weilslich-gelber Dämpfe auf und hinterliefs nach
beendigter Destillation einen schwarzen, porösen Rückstand, der nach
dem Erkalten sehr hart und glänzend war. Derselbe war jedenfalls
zum grölsten Teil verkohlt und verbrannte auf dem Platinblech
mit stark rufsender Flamme. Einen Teil der bei 2400
übergegangenen braunen Oele behandelte ich, zur Unter-
suchung auf etwaig vorhandenen Schwefel längere Zeit mit
kochender Salpetersäure; die Einwirkung war anfangs stark,
später weniger energisch. Nach beendigter Einwirkung wurde die
sauer reagierende, syrupdicke Flüssigkeit mit Wasser durchschüttelt,
filtriert und das Filtrat mit Chlorbaryumlösung versetzt, wodurch
weder eine Trübung, noch Fällung erfolgte. Es war also auch
hierbei keine aus etwa vorhandenem Schwefel gebildete Schwefel-
säure nachzuweisen.
Arch. d. Pharm. COXXXII. Bds. 8. Heft. 36
552 Tschirch und Luz: Ammoniacum.
Um sicher zu sein, unterzog ich das Harz selbst einer
Prüfung auf Schwefel. Zu diesem Behufe dampfte ich das Harz
möglichst vorsichtig zur Trockene ein, glühte den trockenen Rück-
stand in einem Reagensrohr mit metallischem Natrium. Der Glüh-
rückstand in Wasser aufgenommen, filtriert und mit Nitroprussid-
natrium versetzt, ergab nicht die charakteristische Reaktion auf
Schwefel.
Die übergegangenen, braunen Oele wurden nochmals rectificiert,
ohne dafs hierbei ein blauer Anteil wahrgenommen werden konnte,
und alsdann mit 30, Natriumcarbonatlösung neutralisiert. Mit
Aether ausgeschüttelt und im Scheidetrichter getrennt, wurde die
schwach gelb gefärbte Lauge mit verdünnter Schwefelsäure neutra-
lisirt, filtriert und das Filtrat mit Aether ausgeschüttelt. Nach
Trennung und Abdestillierung des Aethers blieben wenige gelbe Oel-
tropfen im Rückstand, welche saure Reaktion besafsen und sich
gegen Eisenchlorid indifferent verhielten. Zur Krystallisation bei
Seite gestellt, erfolgte keine Ausscheidung.
Dasätherische Oel.
Die das aetherische Oel enthaltenden, wässrigen Destillate
wurden wiederholt mit Aether ausgeschüttelt und der grünlich-gelb
gefärbte Aetherauszug im Scheidetrichter von der klaren, farblosen
Schicht getrennt. Nach Abdestillieren des Aethers blieben 5 gr. eines
ätherischen Oeles von rotgelber Farbe und saurer Reaktion zurück.
Zunächst untersuchte ich nach der oben angegebenen Weise mit
Natriumcarbonatlösung, erhielt aber aus der mit Schwefelsäure ange-
säuerten Lösung nach Ausschütteln mit Aether keine Krystallaus-
scheidung.
Das ätherische Oel wurde nun durch Trocknen über Chlor-
calcium möglichst von dem anhängenden Wasser befreit und als-
dann der Fraktion unterworfen. Zwischen 155—1700 singen Tropfen
eines schön goldgelben ätherischen Oeles über, während bei ge-
steigerter Temperatur, bei etwa 2400 ein braunrotes Oel überging
das einen stechend sauren Geruch besals. Das zwischen 155 —170°
erhaltene Oel wurde nochmals fraktioniert und bei 1650 ein Oel er-
halten von gelblich-grüner, an der Luft schnell gelbrot werdender
Farbe. Der Geruch dieses Oeles war scharf aromatisch, der Ge-
schmack bitter und stark brennend. Ein blauer Anteil konnte
Tschirch und Luz: Ammoniacum. 553
während der ganzen Destillation nicht wahrgenommen werden, mit
Weingeist verdünntes Eisenchlorid zugefügt, wurde durch das
Ammoniacumöl braunrot gefärbt. Mit dem hundertfachen Gewicht
Schwefelkohlenstoff verdünnt, ergab 1 gr. Ammoniacumöl mit konz.
Schwefelsäure oder rauchender Salpetersäure versetzt, eine nur
schwach gelbliche Färbung, durch Bromdampf trat keine Veränderung
ein. Ein Teil des ätherischen Oeles, mit Bromnatriumlauge (nach
der bereits erwähnten Methode dargestellt) versetzt, gab keine vio-
lettrote Färbung.
Ein weiterer Teil des Oeles nach Oxydation mit Salpetersäure
auf Schwefelgehalt untersucht, ergab auf Zusatz von Chlorbaryum
weder eine Trübung, noch einen Niederschlag. Das ätherische Oel,
welches sich nur in geringer Menge vorfindet, ist somit frei von
Schwefel und liefert fraktioniert keinen blauen Anteil. Eine Aus-
scheidung von Terpenkrystallen war nicht za bekommen.
Verseifung des Harzes.
Die wässrige Kalilauge, welche, wie früher erwähnt, aus dem
ätherischen Auszug des Ammoniakgummi durch Trennung im Scheide-
trichter erhalten worden war, zeigte eine tief braunrote Farbe. Zur
vollständigen Entfernung von etwa noch vorhandenem ätherischen
Oel, schüttelte ich die Lauge wiederholt solange mit Aether aus, bis
derselbe keinen Geruch, noch gelbe Färbung mehr erkennen liels.
Nachdem der anhaftende Aether durch Abdampfen auf dem Dampf-
bade verjagt war, wurde die Lauge filtriert und das Filtrat mit
Salzsäure angesäuert. Unter ziemlich starkem Aufblähen fiel ein
gelbrötliches Harz aus, welches sich an der Luft etwas dunkler
färbte. Die obenstehende saure Flüssigkeit wurde von dem ausge-
schiedenen Harz vorsichtig abgegossen und filtriert. Das Filtrat war
von gelbroter Farbe und wurde mit Aether wiederholt solange aus-
geschüttelt, bis letzterer keine gelbe Färbung mehr zeigte. Von den
vereinigten Aetherauszügen wurde dann der Aether abdestilliert und
im Rückstand blieb eine ölige, tief dunkelbraune Masse von saurer
Reaktion und einem starken, an Baldriansäure erinnernden Geruch.
Mit Eisenchlorid versetzt trat eine schwarzblaue Färbung ein, welche
in sehr starker Verdünnung violettrot wurde. Nachdem der Aether
vollständig abgedunstet war, schieden sich aus der ölartigen, zähen
36*
554 Tschirch und Luz: Ammoniacum.
Flüssigkeit braungefärbte Krystalle in langen Nadeln und Spielsen
an den Wandungen des Becherglases aus.
Das Harz wurde nun öfters mit Wasser ausgewaschen, von
neuem in 20%, Kalilauge gelöst und die Verseifung solange fort-
gesetzt, bis aus der angesäuerten Lösung, nach Ausschütteln mit
Aether und Abdestillieren desselben, keine Krystallausscheidung mehr
erfolgte. Diese Methode des Fällens mit Salzsäure und Wiederauf-
lösens in Kalilauge, wurde während 3 Monaten täglich, später 3mal
in der Woche ausgeführt. Erst nach 6 Monaten war eine völlige
Verseifung eingetreten.
Die erhaltenen, gelb gefärbten Nadeln krystallisierte ich
wiederholt aus Aether und Alkohol um und befreite sie möglichst
von der anhängenden Mutterlauge durch vorsichtiges Pressen zwischen
Filtrierpapier. Zur vollständigen Reinigung löste ich die Krystalle
in kochendem Wasser unter Anwendung von Tierkohle und filtrierte
noch heifs. Aus der noch warmen Lösung schossen nach kurzer
Zeit rein weilse, seidenglänzende Nadeln an, während die oben-
stehende Mutterlauge klar und farblos war. Die Krystalle sammelte
ich auf einem Trichter und brachte sie lufttrocken im Exsiccator über
Schwefelsäure.
Der Schmelzpunkt lag bei 156°.
Die Elementaranalyse, im Sauerstoffstrom ausgeführt, ergab beim
Verbrennen folgende Resultate:
I. 0,168 g Substanz ergaben 0,352 g CO, und 0,074 g H,O.
11.50,1637, ” “ 0,341, 37 2°... 9 KOT
III. 0,145 „ 3 N 0.300225 „',. 0,0bo ms
IV. 0.181, 4 e W379: 295, SOSE
Berechnet für Formel: Gefunden:
C,H,0;,+1/,H, 0 T. 1I. III. IV.
C = 57,14 Proz. ; 57,14 Proz, 57,05 Proz., 57,36 Proz., 57,11 Proz.
H= 476 „ 4,89 „ 4,83 „ AT 08 BB.
Da die Analysen auf Salieylsäure + 1/; H,O stimmen würden,
so stellte ich die weiteren Verbrennungen ein und sublimierte den
Rest der gereinigten Krystalle.
Die erste Verbrennungsanalyse führte zu demselben Resultate,
wie die vorhergehenden, ich sublimierte daher nochmals mit möglichst
kleiner Flamme. Nach dem Trocknen im Exsiecator lag der Schmelz-
punkt bei 157%. Die Verbrennung lieferte folgende Resultate:
or
Tschirch und Luz: Ammoniacum. 55
I. 0,181 g Substanz ergaben 0,400 g CO, und 0,033 H,O
II. 0,271 g S he 0,5050 Ti, ) DATO
Ill. 0,357 g & r DTIL.E u u u 06 5
IV. 000g „ OR GE TE AUTLIENT
Berechnet für Formel: Gefunden
C,H,03 I II. III. IV.
C 60,87 Proz. 60,60 Proz. 60,10 Proz. 60,41 Proz. 60,68 Proz.
H AS „ AD. 452, 454 „ 4,16 „
Diese Zahlen stimmen somit auf Salicylsäure, ebenso die
Reaktionen. Die Krystalle lösten sich in 500 T. kochenden Wassers
und schieden sich beim Abkühlen der Lösung wieder aus. Leicht
und schnell trat Lösung ein in Aether, Alkohol und Chloroform, von
Schwefelkohlenstoff wurden sie nur spärlich gelöst. Auf Zusatz von
Ferrichloridlösung trat bei sehr starker Verdünnung Violettfärbung
ein, mit Kupfersulfat zeigte sich eine grüne Farbe. In Ammoniak
gelöst, gaben die Krystalle auf Zusatz von Bromwasser keine Färbung.
Salpetersäure von 1,185 spez. Gewicht wirkte in der Kälte
nicht auf die Krystalle ein, gelinde erwärmt trat eine Rotfärbung
ein. Gekocht ging die Farbe in blafsgelb über und es schieden sich nach
dem Erkalten wenige, gelbliche Nadeln von Nitrosalicylsäure aus,
welche von Ammoniak mit roter Farbe aufgenommen wurden. Mit
Ferrichloridlösung versetzt, gab die Nitrosalicylsäure keine violette,
sondern eine weinrote Färbung. Die wässrige, gesättigte Lösung
der Krystalle mischte sich ohne Färbung mit neutralem Bleiacetat,
durch Bleiessig trat eine starke Fällung ein.
0,05 der Krystalle wurden mit 0,01 Natriumnitrit versetzt und
mit 1 ccm Schwefelsäure übergossen. Nach ungefähr 3 Stunden
trat eine rote Färbung ein, welche immer deutlicher hervortrat.
Die Krystalle bestanden demnach aus Salicylsäure.
Die flüchtigen Säuren.
Die bei der Verseifung erhaltenen und keine Krystalle mehr
abscheidenden Mutterlaugen, welche von tief braunschwarzer Farbe
und saurer Reaktion waren, wurden AÄlltriert und das Filtrat mehrere
Tage hindurch so lange mit Wasserdämpfen behandelt, als das
übergehende Destillat, welches einen angenehm aromatischen Geruch
besafs, sauer reagierte. Im Rückstand blieb nach beendigter
Destillation eine schwarze harzige Masse, welche beim Erhitzen auf
dem Platinblech mit stark russender Flamme verbrannte und be-
556 Tschireh und Luz: Ammoniacum.
trächtlichen Aschengehalt hinterliefs. Diese Masse wurde in Kali-
lauge gelöst und weiter verseift.
Das erhaltene wässrige Destillat war grünlichgelb gefärbt und
zeigte an seiner Oberfläche ebensolche Oeltropfen. Gut mit Aether
ausgeschüttelt, blieb nach Trennung im Scheidetrichter und nach
Abdestillieren des Aethers eine schön rotgelbe, klare Flüssigkeit
zurück von saurer Reaktion und einem stark an Baldrian- und
Buttersäure erinnernden Geruch. Mit Eisenchloridlösung versetzt,
trat keine Reaktion ein.
Einen Teil der gebildeten flüchtigen Säuren verwendete ich
zur Darstellung der betreffenden Kalksalze, den andern zur Dar-
stellung der Ester.
Die Eigenschaften der flüchtigen Fettsäuren und ihrer Kalk-
salze stelle ich vorher hier systematisch zusammen :
Essigsäure: In Wasser löslich, ebenso das Kalksalz.
Propionsäure: In Wasser in allen Verhältnissen löslich, ebenso das
Kalksalz in Wasser löslich.
Buttersäure: In Wasser löslich, wird durch Chlorcaleium wieder
(normal) ausgeschieden, Kalksalz in Wasser löslich, bei 30° sich
ausscheidend.
Buttersäure: In Wasser weniger löslich, Kalksalz leicht löslich in
(iso) Wasser.
Valeriansäure: In Wasser leicht löslich, Kalksalz in Wasser löslich»
(normal) bei 70° sich wieder ausscheidend.
Valeriansäure: In 23 Teilen Wasser von 20° löslich, wird durch
(iso) Chlorcaleium wieder ausgeschieden.
Capronsäure: In Wasser unlöslich.
(normal)
Die flüchtigen Säuren wurden nun zunächst mit Wasser aus-
geschüttelt, die sich am Boden ausscheidenden, braungefärbten
Harztropfen im Scheidetrichter abgezogen und letztere solange mit
Wasser ausgewaschen, als dasselbe saure Reaktion und gelbe
Färbung zeigte.
Die vereinigten, wässrigen Auszüge, an deren Oberfläche gelbe
Oeltropfen schwammen, wurden mit 3 proz. Natriumcarbonatlösung
alkalısch gemacht, die gelbrote Lauge etwas eingedampft und das
Filtrat mit verdünnter Schwefelsäure angesäuert. Nach Ausschütteln
der sauren Lösung mit Aether und Abdestillieren desselben blieb
eine klare, goldgelbe Flüssigkeit im Rückstand von stark saurer
Tschirch und Luz: Ammoniacum. 557
Reaktion. Diese wurde mit Kalkmilch im Ueberschufs versetzt und
längere Zeit bei mälsiger Temperatur damit digeriert. Von dem
abgeschiedenen Kalkhydrat wurde abfiltriert, mit Wasser von 15°
gut nachgewaschen, die vereinigten und filtrierten, gelben Flüssig-
keiten etwas eingedampft. Die Flüssigkeit, welche nach dem Er-
kalten völlig klar blieb, wurde nun während einer halben Stunde
auf dem Wasserbade bei 300 erwärmt, bald trat eine starke Färbung
und nur geringe Ausscheidung eines weilsen Bodensatzes ein.
Krystalle konnten daraus nicht erhalten werden. Die von dem ge-
bildeten Bodensatz abfiltrierte Flüssigkeit wurde nun bis 70° er-
wärmt, auch hier erfolgte eine starke Ausscheidung, aber keine Krystall-
bildung. Wenn auch keine Krystallbildung erfolgte, so war doch
die bei 30% und 700 C. erfolgte Ausscheidung ein Beweis für das
Vorhandensein von Normal-Buttersäure und Normal-Baldriansäure.
Zur Darstellung der Ester wurde nun der andere Teil
der flüchtigen Säuren mit der zehnfachen Menge absoluten
Alkohols vermischt und in diese alkoholische Lösung solange Chlor-
wasserstoffgas, das vorher durch Schwefelsäure und Chlorcaleium ge-
trocknet war, eingeleitet, bis kein Gas mehr absorbiert wurde. Die
Gaseinleitung hatte etwas über 2 Stunden in Anspruch genommen.
Die gebildeten Aethylester, welche eine gelbrote Farbe zeigten,
wurden mit Natriumcarbonatlösung entsäuert und die Lauge mit
Aether gut durchschüttelt. Nach erfolgter Trennung im Scheide-
trichter und Abdestillieren des Aethers blieb eine angenehm aroma-
tisch riechende Flüssigkeit von neutraler Reaktion zurück. Nach dem
Trocknen über Chlorcalcium wurde dieselbe der fraktionierten Destil-
lation unterworfen und nach wiederholtem Rektifizieren folgendes
Resultat erhalten:
I. Fraktion: bis 80°, grünlich gefärbt, etwa 3,0 einer hauptsächlich aus
Alkoholund Aether bestehenden, aromatischenFlüssigkeit.
II. Fraktior : bis 1100, beinahe farblos, wenige Tropfen einer aroma-
tisch riechenden Flüssigkeit.
IIl. Fraktion: 110-1150, wenige, grüngefärbte Tropfen, die den charakt.
Geruch des Euttersäureaethylesters besalsen.
IV, Fraktion: 115—1350, wenige Tropfen eines gelblich gefärbten
Destillats, welches den Geruch des Baldriansäureaethyl-
esters zeigte.
V. Fraktion: über 1350, bräunlich gefärbte Tropfen von stechendem,
an Zersetzung erinnernden Geruch.
558 Tschirceh und Luz: Ammoniacum.
Dieser Geruch war während der ganzen Destillation zu beob-
achten und trat besonders deutlich bei Zunahme der Temperatur
auf, so dafs der Geruch der gebildeten Ester dadurch etwas beein-
Hufst wurde. Doch war die Bildung von Baldrian- und Buttersäure-
aethylester auch durch den Siedepunkt erwiesen, welcher bei Butter-
säureaethylester nach Kopp bei 115°, (nach Fittig bei 119%, nach
Linnemann bei 1210) liegt, während Baldriansäureaethylester bei
1340 siedet.
Noch deutlicher als durch die Ausscheidung der obenbe-
schriebenen Kalksalze war somit durch die Bestimmung des Siede-
punktes der Ester, der für den gebildeten Buttersäureaethylester bei
1150C. für den gebildeten Baldriansäureaethylester bei 1340 C. lag, er-
wiesen, dals die vorhandenen flüchtigen Säuren aus Butter- und Baldrian-
säure bestehen. Der während der ganzen Destillation und besonders
gegen den Schlufs stark hervortretende, scharfe Geruch lälst aufser-
dem auf entstandene Zersetzungsprodukte schliefsen. Die beiden
Säuren sind wahrscheinlich durch die langdauernde Einwirkung der
Kalilauge auf das Harz entstanden.
Der Harzalkohol|.
Den völlig säurefreien Rückstand der monatelangen, durch die
tägliche Abscheidung, die mit Salzsäure erfolgte, sehr zeit-
raubenden Verseifung mit Kalilauge, sammelte ich auf einem
Colatorium und wusch ihn wiederholt solange mit Wasser aus,
als derselbe sauer reagierte und mit Silbernitratlösung eine
Trübung eintrat. Alsdann trocknete ich den Körper, der eine
pulverige Beschaffenheit und gelbbräunliche Farbe besals, bei
1000. Die nach dem Erkalten spröde, tief braunrote Masse
wurde nochmals verrieben, mit Wasser ausgewaschen und
getrocknet. Eine Probe des Pulvers auf seinen Aschengehalt auf
dem Platinblech untersucht, verbrannte mit leuchtender und rulsender
Flamme unter Hinterlassung eines beträchtlichen Aschengehaltes.
Letzterer mit Ammoniumoxalat auf Kalk untersucht ergab nur
eine schwache Trübung, bei der Flammenreaktion trat eine violette
Färbung auf. Um einen analysenreinen Körper zu erhalten,
löste ich den Harzalkohol zunächst in Ammoniak und fällte
mit verdünnter Schwefelsäure wieder aus. Da nach wiederholtem
Auflösen und Fällen kein aschefreier Körper zu bekommen war,
Tschirceh und Luz: Ammoniacum. 559
löste ich den gut ausgewaschenen Körper in Alkohol, filtrierte und
fällte das Filtrat mit salzsäurehaltigem Wasser wieder aus. Je reiner
der Körper wurde, desto heller wurde seine Farbe beim Eingielsen
der alkoholischen Lösung in Wasser und um so weniger leicht ertolgte
die Ausscheidung des in der Lösung suspendierten, hellgelben Pulvers.
Um dasselbe vollständig auszuscheiden, mufste schwach erwärmt
werden, worauf es sich als gelbrötliche, zusammenhängende Masse
abschied. Nach dreimaligem Autlösen und Ausfällen hinterblieb
beim Glühen kein Rückstand mehr. Den bei 100° getrockneten,
fein zerriebenen Harzalkohol prüfte ich auf sein allgemeines
Verhalten.
Seine Eigenschaften sind folgende: ein chocoladebraunes,
geschmack- und geruchloses Pulver, an der Luft feucht
werdend und sich dunkler färbend, von neutraler Reaktion
und beim Reiben stark elektrisch. In kochendem Wasser
sinkt es zu Boden und schmilzt nicht zusammen, hat somit den
Charakter des Harzes verloren. Es löst sich mit braunroter Farbe
klar und vollständig in Alkalien, Ammoniak, Aceton, Eisessig und
Alkohol. Bei starkem Verdünnen mit Wasser fällt es aus letzteren
Lösungen wieder aus. Spurenweise löst es sich in Aether, Chloro-
form, Toluol undSchwefelkohlenstoff, garnicht in Petroläther und Benzol.
Aus keinem dieser Lösungsmittel konnte es krystallinisch erhalten
werden. In konz. Schwefelsäure löste es sich mit klarer, rotbrauner
Farbe; beim Verdünnen mit Wasser schieden sich daraus braune
Flocken ab, welche in Aether gelöst wurden. In konz. Salpeter-
säure löste es sich beim Erwärmen unter Entwicklung von Stick-
oxyddämpfen zu einer gelbroten, klaren Flüssigkeit. Mit konz. Salz-
säure färbte es sich tief schwarz. Seine Gerbstoffnatur zeigte sich
aulserdem bei tolgenden Reaktionen: Mit Eisenchlorid entstand in
der alkoholischen Lösung, welche bis zur eintretenden Trübung mit
Wasser versetzt war, ein rotbrauner flockiger Niederschlag, mit Blei-
essig ein gelblichweilser, mit Kaliumpermanganat versetzt, bildete
sich nach längerer Zeit ein geringer, brauner Bodensatz. Beim Er-
hitzen sinterte es zusammen und zersetzte sich, so dals keine
Schmelzpunktbestimmung ausgeführt werden konnte. Die Elementar-
analyse des über Schwefelsäure bis zum konstanten Gewicht ge-
trockneten Körpers ergab folgende Zahlen:
560 Tschirch und Luz: Ammoniacum.
I. 0,318 g Substanz ergaben 0,854 g CO, m. 0,261 g H,O
II. 0,249 g : " 0,6688... », D2lägız
Im ers ge, 2 ODE . 6
IV. 0,178 g 2 5 04798 „ „ Vs
V. 0,173 g n © 0,164 5 „NOTE
VI. 0,143 g A 2 0,384 g „0,126 Bi
Berechnet für Formel Gefunden:
C;H,0 I II III IV V VL
C = 73,46 Y,; 73,24 0/9; 73,16 0/9; 73,38 V4; 73,39%; 73,15 %/,; 73,23 0,
Be 710,207, 967... il „ 981, Geb, Ba
Obige Zahlen stimmen aut die Formel C,H,,0. Das Ammo-
resinotannol zeigt also die gleiche proz. Zusammensetzung wie Galba-
resinotanno].”)
Einwirkung von Hydroxylamin.
Ammoresinotannol wurde in Alkohol gelöst und mit der dop-
pelten Menge salzsauren Hydroxylamins am Rückflufskühler unter
Zugabe von etwas Natronlauge mehrere Stunden erhitzt. Nach dem
Erkalten in Wasser gegossen, wurde ein brauner Niederschlag er-
halten, der gut gewaschen und getrocknet, nach dem Trocknen mit
metallischem Natrium geglüht, keine Stickstoffreaktion gab. Es
hatte somit keine Oximbildung stattgefunden.
Einwirkung von Phenylhydrazin.
In verdünntem Alkohol gelöster Harzalkohol wurde mit salz-
saurem Phenylhydrazin unter Zufügung von Natriumacetat in der
Wärme behandelt. Der Kolbeninhalt wurde in Wasser gegossen,
wodurch ein brauner Körper ausfiel, der jedoch keinen Stickstoff
enthielt.
Verhalten von Ammoresinotannol gegen
Salpetersäure.
Ammoresinotannol wurde in einer Retorte mit Salpetersäure von
1,27 spez. Gew. unter häufigem Umschütteln auf dem Wasserbade
erwärmt. Unter Entwicklung von roten Stickstoffoxyden löste sich
der Harzalkohol nach mehreren Tagen zu einer gelben Flüssigkeit
auf. Diese wurde auf dem Wasserbade ziemlich stark eingedampft,
der Rückstand in Wasser aufgenommen, worin er sich leicht und
klar löste, sodann wieder eingedampft und dieses so lange wiederholt,
*) Tschirch u. Conrady: Archiv d. Pharm. 1894.
Tschirch und Luz: Ammoniacum. 561
bis alle freie Säure abgedampft war. Dann wurde in Wasser gelöst,
die citronengelbe Flüssigkeit filtriert und etwas eingedampft.
Da die Färbung der Lösung auf Pikrin- oder Styphninsäure
schliefsen lies, so wurde zunächst daraufhin untersucht. Die saure
Lösung zeigte keinen bitteren, sondern stark adstringierenden Ge-
schmack. Wolle und Seide wurden durch die Lösung nicht gelb
gefärbt, ebenso trat bei Zusatz von Cyankaliumlösung (1:2) und
nach dem Abdampfen keine Rotfärbung ein, von isopurpursaurem
Kalium herrührend.
Zur Untersuchung auf Oxalsäure wurde die ammoniakalische
Lösung mit Chlorcaleium versetzt, ohne dafs eine Ausscheidung
oder Trübung erfolgte.
Zur Untersuchung, ob Stickstoff eingetreten war, wurde ein
Teil der eingedampften Lösung mit metallischem Natrium geglüht, der
Glührückstand mit Wasser ausgezogen, filtriert und das Filtrat mit
einer Lösung von Eisenvitriol in Eisenchlorid und wenig freier Salzsäure
versetzt. Da sich hierbei ein blauer Niederschlag bildete, so war das
Vorhandensein von Stickstoff erwiesen.
Die Lösung, welche weder Pikrin- noch Oxalsäure enthielt,
wurde nun mit Aether ausgeschüttelt. Nach Abdestillieren desselben
blieb eine schmierige Masse zurück, aus welcher sich keine Krystalle
ausschieden. Um daraus Krystalle zu erhalten, löste ich diese dicke
Masse in einer ziemlich grofsen Menge Wassers, erhitzte zum Sieden
und setzte solange kohlensaures Kali hinzu, als ein Aufbrausen statt-
fand. Nach erfolgter Filtration wurde verdampft und zur
Krystallisation bei Seite gestellt. Das sich ausscheidende, schwer
lösliche Kaliumsalz wurde von der Mutterlauge möglichst befreit und
unter Anwendung von Tierkohle wiederholt umkrystallisiert. Das so
gereinigte Kalisalz wurde in wenig Wasser gelöst, zum Sieden er-
hitzt und Salpetersäure zugesetzt. Die Säure fiel nun in Gestalt
eines gelben Pulvers aus. Nochmals aus Alkohol umkrystallisiert
wurden dünne Blättchen erhalten, welche unter dem Mikroskop als
hexagonale Prismen erkannt wurden.
Leider war die Ausbeute zu gering, um den Schmelzpunkt be-
stimmen zu können. Diese Blättehen vorsichtig auf dem Platinblech
erhitzt, schmolzen und erstarrten nach dem Erkalten zu einer strahlig
krystallischen Masse. Bei stärkerem Erhitzen wurden Dämpfe aus-
562 Tschirch und Luz: Ammoniacum.
gestossen, welche sich bei Annäherung eines brennenden Körpers
leicht entzündeten. Stärker erhitzt verbrannten sie mit heller Flamme,
deren Saum orange gefärbt war.
Eine weingeistige Lösung der Blättchen mit Schwefelammo-
nium erwärmt, veränderte die hellgelbe Farbe sogleich in eine
dunkelrote.
Alle diese Reaktionen, sowie die erhaltene Krystallform, stimmen
auf Styphninsäure.
Einwirkung von schmelzendem Kali
auf Ammoresinotannol.
100,0 Kalihydrat wurden in einer Nickelschale unter Zugabe
einer Kleinigkeit Wasser im Oelbade (bei 200°) geschmolzen. In
diese Lösung wurden nach und nach unter Umrühren und in kleinen
Portionen 10,0 gepulvertes Ammoresinotannol vorsichtig eingetragen,
wobei die Mischung sich stark aufblähte und eine braune Farbe an-
nahm. Die Temperatur wurde nun solange bei 2000 gehalten bis
eine homogene Masse entstanden war und dann die Schmelze noch
eine halbe Stunde in ruhigem Flusse erhalten. Nach dem Erkalten
wurde dieselbe in Wasser gelöst, filtriert und das Filtrat mit ver-
dünnter Schwefelsäure versetzt, wodurch sich eine geringe Menge
einer schwarzen, schmierigen Masse abschied. Diese, sowie die saure
braungefärbte Lösung wurden mit Aether ausgeschüttelt und der
Aetherauszug zur Krystallisation bei Seite gestellt. Aus der braun-
roten Mutterlauge schieden sich Krystalle aus, welche wiederholt
aus Weingeist und dann aus Wasser umkrystallisiert wurden, unter
Anwendung von Tierkohle. Im Exsiccator getrocknet, ergaben sie
einen Schmelzpunkt von 110°. Um eine Verbrennung zu machen,
war die Ausbeute zu gering. Die Krystalle waren Resorcin. Sie
lösten sich leicht in Wasser, Alkohol und Aether; Chloroform und
Schwefelkohlenstoff nahmen nur wenig davon auf. Auf Zusatz von
Kalkwasser entstand eine blafslila Farbe, welche bald in hellgrün
überging. Die Lösung in Natronlauge war anfangs lila, wurde aber bald
grün. Ferrichlorid rief in der wässrigen Lösung eine Aunkelviolette
Färbung hervor. Eine ganz geringe Menge mit wenig Natronlauge
zusammengebracht, gab eine rosenrote Lösung. Auf Zusatz von
Chloroform und Erwärmen auf 50%, nahm die Mischung eine feuer-
rote Farbe an, auf Zusatz von Salpetersäure trat Entfärbung ein.
Tschireh und Luz: Ammoniacum. 563
Die wässrige Lösung wurde weder durch Ferrosultat, noch
durch neutrales Bleiacetat verändert (Unterschied von Pyrogallol),
durch Bleiessig aber gefällt. In wenig Wasser gelöst und vorsichtig
mit Bromwasser versetzt, schied sich bald ein geringer breiartiger
Niederschlag ab, ebenso wurden ammoniakalische Silberlösung, sowie
Fehling'sche Lösung reduziert (Unterschied von Protocatechusäure).
Der Schmelzpunkt, sowie die angeführten Reaktionen stimmen somit
auf Resorcin.
Acetylierung des Ammoresinotannols.
Da die Vermutung nahe lag, dafs das Ammoresinotannol ein
alkoholartiger Körper sei, so wurde die Acetylierung desselben vor-
genommen.
Das Ammoresinotannol wurde feingepulvert, in Eisessig gelöst
und unter Zugabe von einigen Stücken entwässerten Natriumacetats
während mehrerer Tage am Rückflufskühler gekocht. Die anfangs
braune Flüssigkeit wurde immer heller und zeigte nach beendigter
Reaktion eine braungelbe Farbe. Nach dem Verdünnen mit Wasser
schied sich ein braunes Pulver ab, das solange mit Alkohol aus-
gewaschen wurde, bis keine Essigsäure mehr im Filtrat nachzuweisen
war und alsdann im Exsiccator getrocknet.
Das Acetylderivat stellte ein braunes, elektrisch werdendes
Pulver dar, das durch Verseifung einerseits Essigsäure lieferte, welche
durch die gewöhnlichen Reaktionen (Kakodylreaktion, Essigäther-
reaktion) nachgewiesen wurde, andererseits Ammoresinotannol ab-
schied. Es löste sich nicht in Aether und kaltem Alkohol, teilweise
in Benzol, leicht dagegen in Aceton, Chloroform, Eisessig und Essig-
äther. Aus keinem dieser Lösungsmittel konnte es krystallisiert er-
halten werden. Mit konz. Salzsäure gab es nicht die schwarze
Färbung des Ammoresinotannols, d. h. die beim Harzalkohol erwähnte
Gerbstoffnatur des Ammoresinotannols wurde durch den Eintritt der
Acetylgruppe aufgehoben. Auch auf Zusatz von Eisenchlorid entstand
keine Reaktion.
Die Elementaranalyse des über Schwefelsäure getrockneten
Körpers ergab folgendes Resultat:
I. 0,294 g Substanz ergaben 0,767 g CO, und 0,243 H,O
II. 0253 g 2 2 0,662 g CO, und 2,212 H,O
564 Tschirch und Luz‘ Ammoniacum.
Berechnet für Gefunden
Cs Ha9g O; CH, CO I ie
C = 71,42 Proz. aalomBxoz: 711,36 Proz.
IHR, 20:52% 922, , 980728
Die vorstehend ausgeführten Analysen deuten darauf, dafs die
Formel des Ammoresinotannols C; H,, O0 zu verdreifachen ist und
dafs der Körper eine Hydroxylgruppe enthält: Cjg Hz9 O2 (OH), was
gleichfalls mit dem Galbaresinotannol übereinstimmen würde.
Benzoylierung des Ammoresinotannols.
Zum weiteren Nachweis, dafs das Ammoresinotannol ein Alkohol
ist, wurde auch die auf Bildung von Benzoesäureester beruhende
Reaktion angewandt. Zu diesem Zweck wurde das Ammoresinotannol
in verdünnter Kalilauge gelöst, filtriert und das Filtrat vorsichtig
und unter Umschütteln mit einem ganz geringen Ueberschuss von
Benzoylchlorid versetzt, so dafs das Gemisch nur schwach sauer re-
agierte. Die Einwirkung war eine momentane; schon beim Zugielsen
des Benzoylchlorids trat eine starke Erwärmung ein; die klare Lösung
trübte sich sofort und bald schied sich eine braune zähe Masse ab,
während die darüberstehende Flüssigkeit klar und farblos wurde.
Nach der Filtration wurde der Niederschlag mit Alkohol, dann mit
Wasser von nicht über 60° wiederholt ausgewaschen, um das Benzoyl-
chlorid bez. die Benzoesäure zu entfernen und einen aschefreien
Körper zu erhalten. Zur vollständigen Entfernung des erstern wurde
die harzartige Masse nochmals in Alkohol gelöst und mit Wasser
ausgefällt, worauf sich ein bräunlich gelbes, amorphes Pulver ab-
schied, welches solange mit Wasser ausgewaschen wurde, bis
Silbernitrat keine Trübung mehr ergab. Das Pulver welches an der
Luft eine dunkle Farbe annahm und wieder zu einer zähen Masse
zusammenflols, wurde im Exsiccator getrocknet und alsdann weiter
untersucht.
Das Benzoylderivat stellte ein gelbbraunes, beim Reiben
elektrisch werdendes Pulver dar, welches sich im Gegensatz zum
Harzalkohol nicht mehr in kalter, sondern nur noch in heisser, konz,
Kali- und Natronlauge löste und zwar mit tief braunroter Farbe, wie
Harz. Beim Erhitzen mit konz. Kalilauge am Rückflulskühler schied
sich das Ammoresinotannol wieder unverändert ab. Aus der heils-
filtrierten Lösung fielen kleine weisse Krystallblättchen nach dem
Tschirch und Luz: Ammoniacum. 565
Erkalten aus. Dieselben wurden gesammelt, ausgewaschen und nach
dem Trocknen zwischen zwei Uhrgläsern}sublimiert. Der Geruch liels
Benzoesäure vermuten, der Schmelzpunkt ergab, dafs sie Benzoesäure
waren, derselbe lag bei 121°. Mit konz. Salzsäure zeigte es nicht die
schwarze Färbung wie das Ammoresinotannol d.h. die Gerbstoffnatur
wird durch den Eintritt der Benzoylgruppe maskiert. In kaltem und
heilsem Alkohol, sowie in Aether trat keine Lösung ein, leicht löste
es sich in Aceton und Eisessig mit brauner Farbe, konnte aber aus
keiner seiner Lösungen krystallinisch erhalten werden.
Der Schmelzpunkt des über Schwefelsäure getrockneten Körpers
lag bei 70%. Die Elementaranalyse ergab folgende Zahlen:
I. 0,132 g ergaben 0,366 CO, und 0,098 H,O,
II. 0,174 g n 0,460 CO, „ 0,134 H,O.
Berechnet für Gefunden :
C,g Hay O3; (C; H, CO). i
[6 75,37 Proz. 27354 Proz. . ..1ı9.28. Proz:
H= 854 Proz. 8,24 Proz. 8,55 Proz.
Auch diese Analysen deuten darauf hin, dafs der Körper eine
Hydroxylgruppe enthält: C,g Hsg Oz (OH), was wiederum mit dem
Galbaresinotannol übereinstimmen würde.
Verhalten von Ammoresinotannol
gegen Brom.
In eine Lösung von Ammoresinotannol in Essigsäure, der einige
Tropfen Wasser zugefügt wurden, wurde Brom eingetragen, wodurch
eine starke Erwärmung der Mischung unter Entwicklung von
Bromwasserstoff eintrat. Es wurde nun noch soviel Brom zugefügt,
bis nach gehörigem Umschütteln die Bromdämpfe über der Flüssig-
keit nicht mehr absorbiert wurden. Dann wurde auf dem Wasser-
bade bis zur Trockene eingedampft, der Rückstand mit heifsem Alko-
hol aufgenommen, filtriert und das Filtrat in Wasser gegossen Es
schied sich ein braungelber Niederschlag aus, der gut ausgewaschen
und getrocknet ein braungelbes Pulver bildete, welches sich voll-
ständig in Alkohol und Chloroform, nur teilweise in Aceton, Aether
und Essigsäure löste. Krystallisiert konnte der Körper nicht er-
halten werden. Nach dem Glühen mit chlorfreiem Kalk konnte
durch Silbernitrat ein starker Gehalt an Brom nachgewiesen werden.
Reduktionsversuche desAmmoresinotannols.
Ammoresinotannol wurde in Essigsäure unter Zugabe einiger
Tropfen konz. Salzsäure gelöst und auf dem Wasserbade am Rück-
566 Tschirch und Luz‘ Ammoniacum.
Hufskühler erwärmt, indem von Zeit zu Zeit Zinkstaub eingetragen
wurde. Nach einigen Tagen trat eine kaum merkliche, hellere
Färbung der anfangs braunen Flüssigkeit ein, indem sich am Boden
der unzersetzte Zinkstaub, sowie eine zgelblich-braune Masse ab-
schied. Der Rückstand wurde mit Wasser ausgelaugt, um das ge-
bildete Zinkacetat zu entfernen, in Alkohol gelöst und von dem un-
angegriffenen Zinkstaub abfiltriert. Auf Zusatz von Wasser zum
Filtrat fielen gelbe Flocken aus, welche abfiltriert und ausgewaschen,
keine Gerbstoftreaktion mehr gaben. Durch nochmaliges Auflösen
und Fällen mit salzsäurehaltigem Wasser suchte ich den Körper
aschefrei zu erhalten, wobei er sich jedoch immer dunkler färbte,
ein Zeichen, dals wohl eine Reduktion eingetreten war, durch den
Sauerstoff der Luft aber auch wieder eine Reoxydation.
Das Gummi desGummi-Ammoniacunm.
Da die Verseifung sehr lange Zeit (6 Monate) in Anspruch
nahm, so unterzog ich inzwischen das Gummi einer näheren Prüfung.
Vollständig harzfrei erhielt ich dasselbe durch mehrwöchentliches
Ausziehen des Gummiharzes mit Alkohol in einem grolsen Soxhlet-,
Apparat, wie ein solcher zu derartigen Versuchen in grolsem Styl
im pharmaz. Institut in Bern in Benutzung ist. Als der Alkohol nichts
mehr aufnahm, und der ausgezogene Rückstand nicht mehr klebrig
anzufühlen war, wurde derselbe durch Erwärmen auf dem Wasser-
bade von dem noch anhängenden Alkohol befreit. Die zurückge-
bliebene, grobpulverige und graugefärbte Masse wurde nun solange
mit Wasser erschöpft, als dasselbe beim Verdunsten noch einen
Rückstand hinterliefs. Die erhaltenen wässrigen Auszüge, welche
von Mucilago ähnlicher Farbe und Konsistenz waren, wurden filtriert
und auf ihr Verhalten gegen Alkohol geprüft. Auf Zusatz desselben
nahm die vorher vollständig klare Flüssigkeit eine milchig-weilse,
undurchsichtige Beschaffenheit an, aus welcher sich im Verlauf
einiger Tage ein gelbgefärbter, dicker Bodensatz abschied. Die
über dem Bodensatze stehende milchig-trübe Flüssigkeit wurde nun
mittels des Hebers abgezogen. Um eine vollständige Trennung und
Klärung der milchig-trüben Flüssigkeit zu erzielen, wurden ver-
schiedene Methoden angewandt. Mit Bleiessig trat in der
alkoholischen Lösung nach kurzer Zeit eine Klärung ein unter Ab-
scheidung eines starken Niederschlages, ebenso bei Zusatz weniger
Tschirch und Luz: Ammoniacum. 567
Tropfen Salzsäure. Versuche mit Benzol, Aceton, Chloroform und
Petroläther bewirkten eine langsame Ausscheidung und keine voll-
ständige Klärung. Auf Zusatz weniger Tropfen einer konz. Chlor-
natriumlösung trat wohl eine Klärung, aber keine Abscheidung ein.
Aether bewirkte, in beträchtlicher Menge zugesetzt, eine Klärung, in-
dem das Gummi sich als klebrige Masse am Boden ansetzte.. Um
die Beimischung von Säuren oder Salzlösungen zu vermeiden, zog
ich die Methode mit Aether vor.
Die gesammelten Bodensätze löste ich nach vorsichtigem Ab-
heben der alkoholisch-ätherischen Flüssigkeit in einer möglichst ge-
ringen Menge Wasser und dampfte das braungefärbte Filtrat auf
dem Wasserbade zur Trockene ein. Der Rückstand war von gelber
bis röthlicher Farbe und spröder harter Konsistenz ; zerrieben stellte
er ein feines hellgeibes Pulver dar.
Zunächst untersuchte ich dasselbe au? Kalk und Magnesia.
Die wässrige, filtrierte Gummilösung machte ich mit Ammoniak
schwach alkalisch und versetzte dann mit Ammoniumoxalatlösung,
wodurch sich alsbald ein beträchtlicher Niederschlag von oxalsaurem
Kalk bildete. Nach Absetzen und Filtrieren wurde das kalkfreie
Filtrat mit phosphorsaurer Ammoniaknatronlösung auf Magnesia ge-
prüft ohne dafs jedoch eine Trübung oder Ausscheidung erfolgte.
Zur Bestimmung des Aschen- und Kalkgehaltes trocknete ich
nun einen Teil des ausgefällten Gummis bis zum konstanten Gewicht
im Exsiecator, während ich den übrigen Teil wieder in wenig Wasser
löste und aus dieser Lösung das Gummi wieder mit Alkohol und
Aether ausfällte. Einen Teil dieser zweiten Fällung brachte ich
wieder in den Exsiccator, den andern löste ich nochmals in Wasser,
fällte nochmals mit Alkohol und Aether aus und brachte diese
dritte Fällung ebenfalls in den Exsiceator.
Getrocknet, wurde das Gummi in einem Piatintiegel vorsichtig
so lange geglüht, bis die Asche rein weils geworden war und das Ge-
wicht des Tiegels nach dem Trocknen ein konstantes blieb.
Zur Bestimmung des Kalkgehaltes in der Asche löste ich diese
in verdünnter Salzsäure, filtrierte und ergänzte das Filtrat auf
100 ccm Wasser. Die klare Flüssigkeit machte ich nun mit Am-
moniak schwach alkalisch, erwärmte beinahe bis zum Kochen und
fügte anfangs tropfenweise und unter Umrühren Ammoniumoxalat
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bäs. 8. Heft. 37
568 Tschirch und Luz Ammoniacum.
in geringem Ueberschufs zu. Der Niederschlag fiel als schweres
Pulver aus, die darüberstehende Flüssigkeit wurde nach einigen
Stunden völlig klar. Nach Filtrieren und Auswaschen des Nieder-
schlags brachte ich diesen ohne vorheriges Trocknen in einen ge-
wogenen und unbedeckten Platintiegel und führte ihn unter vorsich-
tigem Glühen zuerst in Calciumkarbonat und dann in Calcium-
oxyd über. Nachdem die Entwicklung der Dämpfe aufgehört hatte,
und die Kohle vollständig verbrannt war, wurde der weilse Rück-
stand über dem Gebläse bis zum konstanten Gewicht geglüht, als-
dann der Tiegel gut bedeckt, rasch in den Exsiccator gebracht und
nach dem Trocknen bedeckt gewogen.
I. Der Aschen- und Kalkgehalt der ersten Fällung betrug
bei 5,011 g angew. Gummis: 3,41 pCt. Asche; 1,16 pCt. Calciumoxyd.
II. Der Aschen- und Kalkgehalt der zweiten Fällung betrug
bei 2,600 g angew. Gummis; 3,53 pCt. Asche: 1,23 pCt. Caleiumoxyd.
III. Der Aschen- und Kalkgehalt der dritten Fällung betrug
bei 4,990 g angew. Gummis: 3,36 pCt. Asche; 1,14 pCt. Calciumoxyd.
Aus diesen Analysen ist ersichtlich, dafs der Aschen- und
Kalkgehalt des Gummis durch die verschiedenen Fällungs- und
Lösungsversuche keine wesentliche Aenderung erfahren hat.
Neben der Kalkbestimmung aus der Asche führte ich noch
eine Kalkbestimmung direkt aus dem Gummi aus.
5,0 des aus der ersten Fällung erhaltenen Gummis löste ich zu
diesem Zwecke in etwa 50,0 Wasser auf und versetzte das alkalisch
gemachte Filtrat nach der bereits angegebenen Weise mit Am-
moniumoxalat in geringem Ueberschufs. Trotz langen Stehens und
Erwärmens war die über dem gebildeten Niederschlag stehende
Flüssigkeit nicht klar zu bekommen. Der auf einem gewogenen
Filter gesammelte Niederschlag wurde gut mit Wasser ausgewaschen
und durch Glühen im Platintiegel in Caleiumoxyd übergeführt.
Die Analyse ergab
aus5 gr Gummi 0,94%, Caleiumoxyd.
Die Differenz zwischen der Kalkbestimmung aus dem Gummi
und derjenigen aus der Asche rührt wohl daher, dafs die Gummi-
lösung noch etwas Kalk zurückhielt, somit die Ausscheidung des
Calciumoxalates keine vollständige war. Vergleicht man den ge-
fundenen Aschen- und Kalkgehalt der einzelnen Fraktionen unter-
einander, so ersieht man, dals weder der eine noch der andere eine
Bd
Tschirch und Luz: Ammoniacum. 569
wesentliche Aenderung erfahren hat und dafs somit das (wahrschein-
lich) arabinsaure Kalksalz eine einheitliche und geschlossene Ver-
bindung ist, genau so wie das im Gummi arabicum sich findende
saure Caleiumarabinat, dessen proc. Aschen- und Kalkgehalt nach
Neubauer!) 2,7—4°/, (Asche) und 1,90/, (Calcium) beträgt. Dafs bei
dem Gummi aus Ammoniacum weniger Kalk gefunden wurde, dürfte
darauf beruhen, dafs neben dem Calciumarabinat auch noch andere
Arabinate zugegen sind.
IH. Botanischer Teil.
In der Droge fanden sich zahlreiche Früchte. Dieselben wurden
ausgelesen, mit Wasser- und Alkohol von dem anhängenden Gummi-
harz befreit und in diesem Stadium zur Untersuchung heran-
gezogen.
Das Schizocarpium zerfällt sehr leicht in die beiden Meri-
carpien und findet man oft noch an der Berührungsfläche derselben
das Carpophor, dem einen Mericarp ansitzend, in Form eines fädigen
Anhängsels. Das Mericarp ist beiderseits schwach geflügelt, sehr
flach, 1 mm dick und wird auf der Rückenfläche von drei Costalrippen
durchzogen, die als zarte Leisten auch äufserlich hervortreten. An der
Grenze des Flügels verläuft ebenfalls ein Bündel und in dem Flügel
selbst ein oder zwei weitere, die nicht hervortreten, so dafs also
auf der Rückenseite der Frucht 5 deutliche Costalrippen sich nach-
weisen lassen, abgesehen von den Flügelbündeln.
Die Epidermis der Frucht ist ausserordentlich stark an der
Aussenwand verdickt und besteht, von der Fläche gesehen, aus
etwas gestreckten, polyedrischen Zellen. Die Cuticula ist schwach
wellig gefaltet. Spaltöffnungen sind selten und mit eigentümlichen
Anhängseln versehen. Das subepidermale Gewebe der Fruchtschale
ist ein reich durchlüftetes Parenchym. Die beiden inneren Schichten
der Fruchtschale sind von den übrigen differenziert und zwar in
der Weise, dals die am weitesten gegen den Samen hin liegende
Schicht aus auffallend grofsen, im Querschnitt quadratischen Zellen
besteht, die in der tangentialen Flächenansicht das bekannte Bild
der Querzellenschicht zeigen. ?) Die äufsere Schicht besteht aus im
Querschnitt stark tangential gestreckten Zellen. Eingebettet in das
1) Annalen d. Chemie 1557. S. 105.
2) Tschirch u. Oesterle, Anatom. Atlas, Tafel 14, Fig. S und 16,
37*
570 Tschirch und Luz: Ammoniacum.
Aurchlüftete Parenchym der dünnen Fruchtschale findet man zunächst
die oben erwähnten 3 Oostalbündel. Dieselben führen in ihrem
Siebteil einen grofsen, schizogenen Secretgang, der das Bündel be-
gleitet und bei dem man noch häufig die resinogene Schicht am
Secernirungsepithel bemerkt. Im Gefäfsbündel finden sich zarte
Spiralgefäfse.
Auch in den Partien, welche zwischen den Costalbündeln
liegen, findet man einen oder mehrere schizogene Sekretstränge, zum
Mindesten einen zwischen je zwei Costalbündeln. Auch auf der
Commissuralseite finden sich meist 4—6 schizogene Gänge, je 2—3
beiderseits an der Ansatzstelle des Carpophors. Die Samenschale
ist nur an der Commissuralseite mehrschichtig, an der Rückenseite
besteht sie, abgesehen vou einer inneren, obliterirten Zone aus der
stark gebräunten Epidermis des Integumentes. Die Zellen dieser
Epidermis sind in der Richtung der Costalbündel gestreckt, an der
Kommissuralfäche verläuft das Raphebündel. Das Endosperm ist
erfült von den für die Umbelliferen charakteristischen Aleuron-
körnern mit Kalkoxalatdrusen als Einschlüssen. Der Flügel der
Frucht besteht aus ziemlich vielen sclerenchymatisch verdickten
Zellen.
Vergleicht man die aus der Droge ausgelesenen Früchte mit
sicher bestimmtem Sammlungsmaterial!), so stellt sich heraus, dafs
im Allgemeinen der Bau übereinstimmt. Auch bei den in Deutsch-
land erzogenen Früchten liegen auf der Rückenseite 3 Oostalbündel
und zwischen den Rippen je ein grofser schizogener Gang. Auch
hier führen die Costalbündel in ihrem Siebteil schizogene Gänge, die
jedoch nicht die erhebliche Gröfse erreichen, wie bei dem aus der
Droge ausgelesenen Material. Auch bei den in Baden-Baden er-
zogenen Früchten sind in dem Flügel mehrere Bündel wahrzunehmen,
von denen das eine oder andere sogar einen schizogenen Gang führt.
Die Querzellenschicht ist bei dem Material aus Baden-Baden niedri-
ger, die Zellen kleiner, als bei dem aus der Droge ausgelesenen
Material. Auch auf dem tangentialen Flächenschnitt erscheinen die
Querzellen nicht unerheblich kleiner. Trotz dieser übrigens geringen
!), Mir stand sicher bestimmtes Material von Früchten von Do-
rema Ammoniacum aus der Sammlung des pharm. Iustitutes zur Ver-
fügung, welche Früchte 1890 von Leichtlin in Baden-Baden erzielt
wurden.
Tschirch und Luz: Ammoniacum. 571
Differenzen dürfte wohl kaum ein Zweifel darüber bestehen, dafs
die aus der Droge ausgelesenen Früchte zu Dorema Am-
moniacum gehören.
Stengel.
Die aus der Droge ausgelesenen Stengelreste zeigten in den
Rippen die bekannten grofsen Collenchymbündel, in die von Innen
her ein Kranz äufserer Sekretgänge eingebettet ist, sie scheinen
regellos in das dünnwandige Grundparenchym eingebettet. Die Ge-
fälsbündel zeigen einen breiten Bastzellenbeleg auf der Aulsenseite,
einen schmalen, sichelförmigen Siebteil und, dem Holzteil eingelagert,
1—5 schizogene Sekretbehälter oder einen mechanischen Beleg}).
Diese Anordnung ist von Tschirchals fürrDorema Am-
moniacum charakteristisch erkannt worden, so dals also ebenfalls
kein Zweifel darüber besteht, dals auch die aus der Droge ausgelesenen
Stengelteille zuDorema Ammoniacum gehören. Die Blattstiele,
welche Herbarmaterial entstammten, das ich dem Flückiger’schen Her-
barium im Botanischen Garten der Universität Bern verdanke, zeigten
eine regellose Verteilung der zahlreichen Gefäfsbündel. Die Sekretbe-
hälter lagen im Grundparenchym und waren auffallend klein. Ihre
Lage zeigte gleichfalls Beziehungen zum Gefäfsteil, doch waren sie
demselben nicht direkt eingelagert und auch in der Nähe der Sieb-
teile fand sich da und dort ein Gang. Das Gummiharz entsteht,
wie bereits Tschirch nachgewiesen hat, in den schizogenen
Gängen und tritt wahrscheinlich infolge einer Verwundung aus.
Wurzelreste wurden in der Droge nicht ge-
funden.
Ergebnisse der vorliegenden Arbeit:
Das Gummiharz besteht aus Harz, Gummi und ätherischem
Oel. Daneben enthält es ca. 3,5 Proz. eines in Wasser und Alkohol
unlöslichen Rückstandes. Der in Alkohol und Aether lösliche Teil
des Ammoniacum ist ein Gemenge eines sog. „sauren“ und eines
„indifferenten“ Harzes und beträgt 69 Proz., beide Harze sind schwefel
frei, im Gegensatze zuPrciszewski, welcher letzteres als schwefel-
haltig bezeichnet. Bei der Verseifung des sog. „sauren“ Harzes,
erhielt ich Salicylsäure von der Zusammensetzung 0, H, OH CO OH
1) Tschirch, Archiv d. Pharmac. 1886. S. 137. Daselbst ist das
Weitere nachzusehen.
502 A. Pinner: Ueber Nicotin.
und C,H,OH COOH + !/; H,O. Daneben flüchtige Säuren, be-
stehend aus Baldrian- und Buttersäure, sowie einen Alkohol, der in
die Reihe der Resinotannole gehört und dieselbe Formel besitzt
wie das Galbaresinotannol: C,;, H,, ©. (resp. CjsH3003). Das Harz
ist also ein Salicylsäure-Resinotannolester.
Ich habe von dem Resinotannol dargestellt:
Ein Acetylderivat von der Formel: Cj; Hay O3 CH, CO.
Ein Benzoylderivat von der Formel: Cjg Hay 03 C,H, CO.
Aus beiden ergiebt sich, dals die Formel des Am-
moresinotannols: C,H,,O zu verdreifachen ist und dafs der
Körper eine Hydroxylgruppe enthält C,; Hz94 Oz (OH), was gleichfalls
mit dem Galbaresinotannol übereinstimmen würde.
Bei der Oxydation dieses Resinotannols mit Salpetersäure
resultierte Styphninsäure, bei der Kalischmelze Resorein. Aetheri-
sches Oel fand ich im Ammoniacum nur in geringer Menge. Das-
selbe enthält kein Umbelliferon und ist frei von Schwefel. Aus dem
rohen Ammoniacum erbielt ich Spuren einer freien Säure
deren Schmelzpunkt sowie Eisenchloridreaktion auf Salicylsäure
C,H,OH (COOH) hinweisen.
Das Gummi enthält:
circa 3,5 Proz. Asche
E12 „ Caleiumoxyd
und ist wahrscheinlich als ein dem Gummi Arabicum verwandtes,
saures Calciumarabinat zu betrachten.
Ueber Nicotin.
Von A, Pinner.
II. Mitteilung.
Vor zwei Jahren habe ich im „Archiv“ eine grölsere Abhand-
lung unter dem gleichen Titel veröffentlicht), in welcher auf Grund
zahlreicher Versuche für das Alkaloid eine neue Konstitutionstormel
aufgestellt wurde. Da ich jetzt meine Untersuchung über das Nicotin
zu einem vorläufigen Abschlufs gebracht habe, möchte ich die
weiteren Erfahrungen, welche ich über das chemische Verhalten
dieser so interessanten Base zu sammeln Gelegenheit gehabt
habe, hier mitteilen. Dabei will ich gleich vorausschicken,
dafs alle neu aufgefundenen Thatsachen mit meiner damals aus-
1) Archiv, Bd. 231.
A. Pinner: Tjeber Nicotin. 573
gesprochenen Auffassung der Konstitution des Nicotins im besten
Einklang sich befinden, so dafs auf Grundlage unserer heutigen An-
schauungen über die Verkettung der Atome unter einander das
Nicotin C,, Hıı Na fast mit Sicherheit als 2. Pyridyl-Methyl-
pyrrolidin
H
C
AN
HC C—CH-cCH,
j n.*
HHNCHE RU AH:
Par“
N cH,CB:
anzusprechen ist.
Meine weiteren Untersuchungen galten vornehmlich der Auf-
klärung einiger früher beobachteten und damals nicht weiter ver-
folgten eigentümlichen Reaktionen des Nicotins, namentlich der Um-
änderungen, welche das Alkaloid unter dem Einflufs von Wasser-
stoffsuperoxyd und von Benzoylchlorid erleidet. Und hier hat die
wissenschaftliche Diskussion wesentlich zur Förderung der Erkenntnis
beigetragen. Denn nach dem Erscheinen meiner Arbeiten hat Herr
Etard, welcher bereits früher namentlich in Gemeinschaft mit
Cahours sich mit der Untersuchung des Nicotins eingehend be-
schäftigt hat, in den Comptes Rendus zwei kurze Abhandlungen
veröffentlicht, in welchen er seine frühere Auffassung der Konstitution
des Nicotins
als ein (dem Naphtalin ähnlich) aus Pyridin und äthyliertem Hexahy-
dropyridin zusammengeschweilstes Gebilde aufrecht zu erhalten und
durch neue Thatsachen zu stützen versuchte.
Nach dieser Auffassung nämlich würde im Nicotin das eine der
beiden Stickstoffatome noch mit Wasserstoff verbunden, als „Jmid“
im Molekül vorhanden sein, während alle bisher aufgetundenen, sicher
ermittelten Thatsachen darauf hinweisen, dafs beide Stickstoffatome
lediglich mit Kohlenstoff verbunden, in Nitrilform, vorhanden sind.
574 A. Pinner: TUeber Nicotin.
Herr Etard glaubte nun neuerdings aus dem Nicotin eine Acetyl-
und eine Benzoylverbindung gewonnen zu haben. Da aber nur Jmid-
nicht aber Nitrilstickstoff noch Säureradikale aufzunehmen vermögen,
so würde diese Thatsache, falls sie sich bestätigt hätte, die früher
von mir aufgestellte Konstitutionstormel des Nicotins sehr zweifelhaft
gemacht haben, wenn auch die von Rtard vertheidigte Formel da-
durch noch nicht bewiesen worden wäre. Denn der Auffassung von
Etard steht vor allen Dingen entgegen, dals bei der Oxydation
des Nicotins mit Kaliumpermanganat glatt und in fast: berechneter
Ausbeute Nicotinsäure C,H,N.CO,H, d. h. Pyridincarbonsäure
entsteht. Bei Annahme der Etard’schen Formel aber mülste
Öxynicotincarbonsäure C,H, (OH)N. CO,;,H, oder allenfalls Amido-
nicotincarbonsäure entstehen. Immerhin aber würde durch die Dar-
stellbarkeit des Acetylnicotins und des Benzoylnicotins die Jmidnatur
des einen Stickstoffatoms so gut wie erwiesen gewesen sein. Dem
aber stand wiederum entgegen, dafs wie ich früher nachgewiesen
habe und wie dann durch andere Forscher (Blau, Herzig) be-
stätigt werden konnte, das eine der beiden Stickstoffatome mit Methyl
verbunden ist. Folglich hätte dieses N als NHCH, im Nicotin
vorhanden sein müssen, denn das andere Stickstoffatom mulste bei
dem leichten Uebergang des Nicotins in Pyridincarbonsäure noth-
wendig, ebenso wie im Pyridin, in Nitrilform vorhanden sein. Dem
widersprechen aber die meisten übrigen Reaktionen des Nicotins.
Nun waren aber die vermeintlichen Acetyl- und Benzoylver-
bindungen entweder zu wenig charakterisirt oder in zu eigentüm-
licher Weise dargestellt, um ohne Weiteres als genügendes Beweis-
material zu irgend welcher Schlufsfolgerung dienen zu können. Ich
habe deshalb die Etard’schen Versuche wiederholt, habe dieselben
Erscheinungen beobachten können, wie er, habe aber bei genauerem
Eingehen feststellen können, dals die vermeintlichen Acetyl-undBenzoyl-
verbindungen gar nicht Verbindungen des Nicotins sind, sondern
einer neuen, aus diesem entstehenden und mit ihm isomeren Base, welche
ich als Metanicotin bezeichnet habe. Gerade die Versuche von
Etard dienten schliefslich zurBestätigungmeiner Annahme.
Etard hat zur Darstellung des sog. Acetylnicotins!) Nicotin
mit Essigsäureanhydrid auf 1500 erhitzt, das Reaktionsprodukt ent-
1) Compt. rend. Bd. 117. 8. 170.
A. Pinner: Ueber Nicotin. 575
weder mit Soda neutralisiert oder im Vacuum destilliert und dann
mit Platinchlorid fractioniert gefällt. So erhielt er amorphe Nieder-
schläge, die er analysierte und deren Zusammensetzung er als
C,H! N50;. HCl. PtCı, annahm. Eine derartige Zusammensetzung
kannaberein einheitlicher aus Nicotin und Essigsäureanhydrid
entstehender Körper gar nicht besitzen. Denn abgesehen davon,
dafs alle Platindoppelsalze 2HÜl. PtCl, enthalten, kein einziges aber
bekannt ist, welches HC1l.PtC], enthielte, würde die Base C,,H8,1NsO;
sich zusammensetzen aus C,,H14N» (Nicotin) + C,H,O, (Essigsäure-
anhydrid) + H. Derartige Reaktionen sind einfach unmöglich. Die
Platinniederschläge, welche Etard untersuchte, waren mithin Ge-
menge von irgend welchen Substanzen und somit zum Beweisen
irgend einer Annahme durchaus nicht geeignet. Dazu kam, dals
ich selbst bereits vor Jahren Essigsäureanhydrid auf Nicotin habe
einwirken lassen und damals keine fafsbaren einheitlichen Verbin-
dungen zu isolieren vermochte, sondern stets Gemenge erhielt, aus
deren Analysen kein Schluls auf den Verlauf der Reaktion zu
ziehen war. Ich habe deshalb damals diese Versuche in meinen
Publikationen überhaupt nicht erwähnt. Somit brauchte ich diese
Mitteilung von Etard nicht weiter zu berücksichtigen.
Allein kurz darauf erschien eine zweite Mitteilung!) von Etard,
nach welcher durch Erhitzen von Nicotin mit Benzoylchlorid
bis zum Kochen (also bis ca. 200°) Salzsäure sich abspaltet und
„Benzoylnicotin“ von der Zusammensetzung C,,H13NsC-H,O entsteht,
von welchem Etard freilich nur das Platinsalz analysierte. Aber
dieses Platinsalz war als krystallinischer Niederschlag erhalten
worden und gab in mehreren Analysen gut übereinstimmende Zahlen.
Es konnte demnach an der richtigen Zusammensetzung des sog.
Benzoylnicotins kaum gezweifelt werden.
Nun hatte ich bereits früher Benzoylchlorid auf Nicotin ein-
wirken lassen und dabei eine Verbindung beider erhalten
C,0H14Na. C,H,0C1, welche nicht etwa als salzsaures Benzoylnicotin
(CoH13N:. C,H;0). HCl aufzufassen war, weil dieselbe durch
Basen in der Kälte nicht zersetzt wurde und mit an-
deren Säuren Salze gab, in denen die volle Verbindung
1) Compt. rend. Bd. 117. S. 278.
576 A. Pinner: DUeber Nicotin.
C,0H14Na. C;H,0C1 enthalten war.) Es lag deshalb die Vermutung
nahe, dafs die von Etard erhaltene Verbindung das Zersetzungs-
produkt der von mir früher dargestellten Substanz sei, und es stellte
sich somit die Nothwendigkeit heraus, diese Reaktion eingehend zu
studieren.
Das Ergebnis dieser Untersuchung war, dafs thatsächlich das
sog. Benzoylnicotin das Zersetzungsprodukt des Additionsprodukts
von Benzoylchlorid und Nicotin ist, dals aber das Nicotin durch
Benzoylchlorid in der Weise verändert wird, dafs der Pyrrolidin-
ring aufgespalten wird und bei der Abspaltung von Salzsäure, welche
sowohl durch starkes Erhitzen, als auch durch Kochen mit Alkalien
bewirkt werden kann, nicht wieder Ringschlielsung erfolgt, sondern
ein Körper entsteht, welcher als Pyridyl-Methyl-Butylenamin zu be-
zeichnen wäre, den ich kurz Metanicotin (d. h. verändertes
Nicotin) genannt habe, wie aus folgenden Formeln hervorgeht:
Durch Anlagerung von Benzoylchlorid zum Nicotin bildet sich
die Verbindung
Be! .CH,.CH,-CH,-N (CH,): C, H, O=C,HuN, + C;H,0C1
x
indem die Bindung zwischen CH und NCH, des Pyrrolidinringes
gesprengt wird:
Ne CH-CH? /N_CHCI--CH,
Oz Ind ICH,
NG CHE ie abe BR
NN CH: = N N—CH;,
LER
CH; CH, C,H,0
Wird nun aus dieser Verbindung Salzsäure abgespalten, so
entsteht unter doppelter Bindung der beiden ersten C das Ben-
zoyl-Metanicotin:
( Bien:
|
N |
C,H,0
Aus diesem Benzoyl-Metanicotin läfst sich nun durch Er-
hitzen mit Salzsäure leicht die Benzoylgruppe abspalten und durch
1) Vergl. Archiv a. a. O. S. 388.
A. Pinner: Teber Nicotin. 577
Wasserstoff ersetzen, man erhält so das Metanicotin selbst,
welchem die Konstitution zukommt
/N—-CH-CH: CH,-CH,- NHCH,
nf
Wenn man dagegen aus dem Additionsprodukt von Nicotin
und Benzoylchlorid zuerst die Benzoylgruppe abspaltet, was leicht
auch hier durch Erhitzen wässeriger mit Salzsäure gelingt, so entsteht
zunächst die Verbindung
“N -CHC1-CH,
N
7 Pe
N HN--CH,
CH;
diese aber ist nicht beständig, sondern spaltet jetzt sogleich
auch HC] ab, indem das H des NHCH, mit dem Cl des CHÜl sich
vereinigt, und nun entsteht wieder Nicotin:
NICH "CH,
| >>CB,
Da
N -
CH,
Alle diese Reaktionen erfolgen leicht und quantitativ und sind,
wie man sieht, ausgezeichnet zu erklären, wenn man die von mir
aufgestellte Konstitutionstormel zu Grunde legt.
Aber noch mehr. Nach diesen Formeln ist das Metanicotin
eine tertiär-sekundäre Base, im Gegensatz zu dem bitertiären Nicotin,
enthält aulserdem am Stickstoff noch das Methyl und besitzt endlich
eine doppelte Bindung in der Seitenkette. Alle diese Thatsachen
sinddurch die verschiedenen Versuche im vollsten Mafse bestätigtworden.
Die sekundäre Natur des Metanicotins konnte konstatiert
werden 1. durch Darstellung der Benzoylverbindung desselben
mittels der Schotten-Baumann’schen Methode. Während das Nicotin
in alkalischer Lösung mft Benzoylchlorid behandelt, keine Spur einer
Benzoylverbindung liefert, giebt das Metanicotin bei gleicher Be-
handlung sofort das Benzoylmetanicotin wieder, aus welchem es er-
halten worden ist. Ferner vereinigt sich 2. das Nicotin mit 2. Mol.
Jodmethyl zu einem quaternären Jodmethylat, dagegen reagiert das
Metanicotin schon bei gewöhnlicher Temperatur mit Jodmethyl in
578 A. Pinner: Ueber Nicotin.
der Weise, dafs sich erst Methylmetanicotin bildet und dieses mit 2 Mol.
Jodmethyl zu einem Jodmethylat zusammentritt:
CoHuNs + 3CH, I = CoHnCH,N,.2CH,J 13
man erhält stets ein Jodmethylat von der Zusammensetzung:
Ci Hay N, J>.
Dafs im Metanicotin das eins Stickstoffatom ebenso wie im
Nicotin mit Methyl verbunden ist, konnte nicht nur nach der
Herzig’schen Methode durch Abspaltung von Jodmethyl aus dem
jodwasserstoffsauren Salz dargethan werden, sondern auch dadurch,
dafs das Metanicotin im Gegensatz zum Nicotin verhältnismäfsig
leicht Methylamin abzuspalten geneigt ist. Das ist aber zugleich
ein Beweis dafür, dafs im Metanicotin das NCH; gleichsam expo-
nierter, leichter durch chemische Agentien angreifbar sich befindet,
als im Nicotin, was durch die obigen Formeln des Nicotins und des
Metanicotins leicht seine Erklärung findet.
Das Vorhandensein einer doppelten Bindung im Metanicotin
an einer Stelle, wo im Nicotin nur einfache Bindung ist, ist auf zwei
völlig von einander verschiedenen Wegen dargethan worden. Durch
den Vergleich der physikalischen Eigenschaften des Nicotins und
des Metanicotins, welchen Herr Brühl vorzunehmen die Güte hatte,
ist erwiesen, dals im Nicotin drei doppelte Bindungen (im Pyridin-
ring) vorhanden sind, dagegen muls das Metanicotin mehr doppelte
Bindungen besitzen, wie aus seinem spezifischen Gewicht und seinem
Lichtbrechungsvermögen hervorgeht.
Ferner liefert das Nicotin mit Brom lediglich Substitutions-
produkte, welche einen energischen Eingriff des Broms in das
Molekül der Base voraussetzen und deshalb auch nur ganz allmählich
entstehen. Dagegen vereinigt sich das Metanicotin sofort mit Brom
zu einem Additionsprodukt genau in derselben Weise, wie irgend
ein anderer ungesättigter Körper.
So ist die früher nicht erklärbare Bildung eines durch Basen
in der Kälte nicht zersetzbaren Additiomsprodukts von Benzoyl-
chlorid und Nicotin gerade durch die Entstehung von Benzoylmeta-
nicotin aus demselben unter Annahme meiner Nicotinformel leicht
erklärbar geworden.
Nachdem durch das Studium dieser Reaktion ein Einblick in
die Art der Veränderung des Nicotins gewonnen war, konnte mit
A. Pinner: TDeber Nicotin. 579
Leichtigkeit durch Einwirkung von Essigsäureanhydrid auf Nicotin
eine Acetylverbindung dargestellt und isoliert, zugleich aber gezeigt
werden, dafs diese Verbindung Acetyl-Metanicotin ist.
Noch ein zweiter dunkler Punkt ist mit ziemlicher Sicherheit
aufgeklärt worden, nämlich die Art der Wirkung : von Wasserstoff-
superoxyd auf Nicotin. Wie in der ersten Mitteilung gezeigt worden
ist, bildet sich beim Stehenlassen einer Mischung von Nicotin mit
Wasserstoffsuperoxyd allmählich eine beim Verdampten der Lösung
hinterbleibende, schwer krystallisierende, hygroskopische Substanz
welche Oxynicotin genannt worden ist und sich als CH, ‚NO:
zusammengesetzt erwies. Diese Substanz zeigte höchst eigentümliche
Reaktionen. Durch Erhitzen mit Salzsäure verwandelte sie sich in
eine isomere Verbindung, welche sich dadurch von ihr unterschied,
dals sie mit Wasserdämpfen flüchtig sich erwies, nicht wie jene
ammoniakalische Silberlösung reduzierte, auch stark basische Reaktion
besafs, bei der Destillation tür sich unter Abspaltung von Wasser
in C,oH1,N, überging und als Pseudonicotinoxyd vorläufig
bezeichnet wurde Beim Erhitzen mit Barythydrat wurde das
ÖOxynicotin ebenfalls zersetzt, hierbei aber damals lediglich Nicotin
gewonnen. Beide Reaktionen waren damals in hohem Mafse auf-
fallend, und es wurde auch beim Fehlen jeglicher Unterlage gar kein
Erklärungsversuch gemacht, vielmehr lediglich die Thatsache mitgeteilt.
Etwas später zeigte Wolffenstein!) in einer schönen Unter-.
suchung über die Einwirkung von Wasserstoffsuperoxyd auf
Piperidin, dafs hierbei Amidovaleraldehyd entstehe, indem die
Bindung zwischen NH und CH, des Piperidinringes gelöst und unter
Addition von Wasser bei gleichzeitiger Oxydation der Aldehyd
entstehe::
CH, CH, H,
en AN C
or id aaa Fellage Tl AREA ET
Herde Dar Ran ah WA 7 ne
H,O CH, BO (CHOMe a
a cC cCHo
NH SH,
H;
Da nun durch die früheren Untersuchungen es sehr wahr-
scheinlich gemacht worden war, dafs das Nicotin Pyridyl-Methyl-
1) Berichte d. d. ch. G. 25. 2776.
580 A. Pinner: DUeber Nicotin.
Pyrrolidin ist, da ferner das Pyrrolidin sich dem Piperidin sehr
ähnlich verhält, so lag es nahe, anzunehmen, dafs die Wirkung des
Wasserstoffsuperoxyds auch beim Nicotin darin bestehe, dafs unter
Sprengung des Pyrrolidinringes sich ein Amidoaldehyd bilde. Als-
dann konnten auch die Reaktionen des Oxynicotins leicht erklärt
werden, wie aus folgenden Ueberlegungen sich ergiebt:
Das Nicotin
/N_CH—CH,—CH,
Mies ee
N CH |
wird durch Wasserstoffsuperoxyd zunächst in die Verbindung (I)
e CH. -0H,-08,
RR |
\Y NH CH (OH),
NICH,
D)
übergeführt, welche unter Abspaltung von Wasser in Oxynicotin
A SECH VCH;
|
er
\yY MH CHO
N A
übergeht. A
Allein durch die Wirkung der Salzsäure bei hoher Temperatur
kann die Wasserabspaltung auch in der Weise erfolgen, dals das
H des NHCH; mit einem der beiden OH des CH (OH), sich ver-
einigt und somit wieder Ringschlielsung eintritt ;
© 04 GH2 CH, esse sie
rl) | | | | H;0
RAUNE CHOH, \\/ N—CHOH IE;
N CH; R CH;
So würde denn ein Alkohol von der Zusammensetzung
C,,H14Ns0 entstehen, welcher selbstverständlich stark basische
Eigenschaften besitzt. Dieser Alkohol spaltet aber bei der trockenen
Destillation nochmals Wasser ab, indem das OH mit einem H des
benachbarten CH; sich vereinigt, so dafs die Verbindung
ä Ron ou
| | |
u £
N N
N — CH
A. Pinner: Ueber Nicotin. 581
Co Hja N» entsteht, welche als Dehydronicotin bezeichnet
worden ist.
Die Einwirkung von Barythydrat aber auf das Oxynicotin
mulste in derselben Weise erfolgen wie auf alle Aldehyde, d. h. es
mulste der Aldehyd zersetzt werden zur Hälfte in Alkohol, zur
anderen Hälfte in Säure. Beispielsweise liefert Benzaldehyd beim
Erwärmen mit Kali Benzylalkohol und Benzoösäure:
2C,H, CHO + H,0 = C,H, CH, OH + C,H, COOH.
So mulste auch das Oxynicotin zur Hälfte den zugehörigen
Alkohol, zur anderen Hälfte die Säure liefern:
BER
7° or cn.-chH, CH OR:
Br | ae | +
N, NH CHO N NH CH, OH
CH, CH,
© SCH CH, on,
rd |
N NH cCoOH
CH,
Der Alkohol mulste sofort unter Abspaltung von Wasser aus
dem H des NHCH, und dem OH des CH, OH übergehen in
Nicotin selbst:
a Ps
—CH—CH,-—-CH, —CH—CH,—CH,
a ai oa | I +30,
N NH CH,0H BEN BE
CH; CH,
Die Säure aber konnte entweder für sich bestehen oder auch in
gleicher Weise unter Abspaltung von Wasser sich verwandeln in
Co H, N;0 5
Reg bEeen, (N=2eH_enjlch,
a Be |
N NH COOH N N === -—- 06
CH, CH,
Dieses letztere würde aber identisch sein mit dem früher ander-
weitig dargestellten Cotinin. Es handelte sich also darum, entweder
die Säure C,, Hıı Na Oz oder das Ootinin Cjo Hz NO unter den Reak-
tiousprodukten des Barythydrats auf das Oxynicotin aufzufinden. Es
582 A. Pinner: DUeber Nicotin. _
wurde deshalb diese Reaktion nochmals aufgenommen, dabei aber,
wie hier gleich erwähnt sein mag, weder die Säure Cjo Hıs Na O3,
noch das Cotinin Co Hı2 NO, noch eine dem Cotinin isomere Base
isoliert. Gleichwohl aber gab die Untersuchung, welche aufser-
ordentlich langwierig sich gestaltete, recht interessante Resultate.
Zunächst wurde nämlich konstatiert, dals beim Stehenlassen
von Wasserstoffsuperoxyd mit Nicotin thatsächlich ein im Wasser
leicht löslicher, bisher daraus in unverändertem Zustande nicht
isolierbarer aldehydartiger Körper entsteht, welcher mit
Wasserdämpfen leicht sich verflüchtigt, stark reduzierende Eigen-
schaften besitzt, mit ammoniakalischer Silberlösung einen schönen
Silberspiegel giebt, mit Phenylhydrazin in essigsaurer Lösung ein
öliges Hydrazid liefert u. s. f£ Dieser Aldehyd ist äulserst em-
pfindlich gegen Säuren. Seine Lösung wird durch verdünnte Salz-
säure sofort gelb gefärbt, und dampft man die angesäuerte Lösung
ein, so erhält man neben etwas hygroskopischem und sehr leicht
löslichem, salzsauren Nicotin lediglich rotbraune, unlösliche, amorphe,
nicht analysierbare Massen.
Verdampft man die Lösung des Aldehyds vorsichtig, so bleibt
das bereits in der ersten Mitteilung beschriebene Produkt zurück,
welches als Polymerisationsprodukt des Aldehyds zu betrachten ist,
da es mit Wasserdämpfen nicht mehr flüchtig ist. Bei versuchter
Destillation zersetzt es sich auch im Vacuum bei ca. 1500 in eine
grofse Zahl von Produkten, welche beim Aufbewahren sich schnell
dunkel färben und nicht weiter untersucht worden sind.
Durch Erhitzen mit Bariumhydrat wurde wieder wie früher
Nicotin erhalten, aufserdem aber, wenn auch in kleiner Menge, das
dem ÖOxynicotin isomere Pseudonicotinoxyd CoH„Nz0, endlich
eine Substanz, welche im Rohzustande analysiert werden mulste
und Zahlen lieferte, welche zur Formel C,, H;, Na O2 passen.
Diese Substanz zersetzte sich bei der Destillation im Vacuum
bei ca. 1650 und lieferte ein zweites Isomeres des
Oxynicotins, also Ci, Hıı Na 0, welches durch seine ohne Zersetzung
erfolgende Destillierbarkeit sich leicht unterscheiden läfst von
Oxynicotin und Pseudonicotinoxyd. Die Entstehung einer derartigen
Verbindung lälst sich leicht erklären, wenn auch strikte Beweise für
die hier zu entwickelnde Anschauung nicht geliefert werden können.
A. Pinner: Ueber Nicotin. 583
Wie man aus der Einwirkung von Benzoylchlorid und Essig-
säureanhydrid auf Nicotin erkennt, kann der Pyrrolidinring leicht
zwischen dem am Pyridin befindlichen Kohlenstoff und dem Stick-
stoff aufgespalten werden. Andererseits kann aber, wie aus der
Aldehydnatur des Oxynicotins erkennbar ist, der Pyrrolidin-
ring auch zwischen dem Stickstoff und dem vierten Kohlen
stoffatom gelöst werden; so dafs also im Nicotin zwei angreif-
bare Stellen sich befinden, welche durch Punktierung erkenntlich
gemacht sind.
7 \—CH-CH,-CH,
\/ N—— CH,
Wenn man nun annimmt, dafs bei der hohen Temperatur das
Bariumhydrat auf das Oxynicotin zum Teil analog wirkt wie Salz-
säure und Pseudonicotinoxyd erzeugt, wie es ja thatsächlich der Fall
ist und durch den Versuch nachgewiesen werden konnte, und dafs
alsdann das Pseudonicotinoxyd in statu nascente zum Teil sofort unter
Wiederaufspaltung des Ringes die Elemente des Wassers addiert,
so würden die durch folgende Gleichungen anschaulich gemachten
Vorgänge sich abspielen:
z nn e N_CH-CH2_CH?
\yY NH | geht über in ee |
N ı CHO N N-CH0H
CH; |
CH,
{N-CH-CH,-CH, A Ee
3 | | | ern | |
BE ST: |
a N CHOH
) |
nn HNCH;
Letztere Substanz, Co Hıs O,, würde die beim Erhitzen mit
Bariumhydrat zunächst entstehende Verbindung sein. Bei der
Destillation spaltete sie aber Wasser ab, indem die beiden OH auf
einander reagieren und das übrig bleibende O die Bindung zwischen
den beiden Kohlenstotfen übernimmt:
Arch. d. Pharm. CCXXXII. Bds. S. Heft 38
584 A. Pinner: Ueber Nicotin.
Zen lcH2äcH, /N—CH-CH2 CH:
in aaa "aut |
4 YOH a re Wa
N HOCH N |
| NHCH,
NHCH,
Es mag nicht unerwähnt bleiben, dafs vergebens versucht
wurde, durch Zusatz von Benzoylchlorid zu einer alkalischen
Lösung von Oxynicotin und von dieser Isomeren eine
Benzoylverbindung darzustellen, da bei der Jmidnatur beider
die leichtte Bildung einer solchen zu erwarten war. In
gleicher Weise lieferte die Einwirkung von Jodmethyl auf Oxynicotin
kein falsbares Resultat, es wurden lediglich braune Schmieren erhalten,
aus denen keine analysierbare Substanz zu isolieren war. Jodmethylate
der neuen Isomeren aber darzustellen war unmöglich, weil dieselbe
stets mit Nicotin verunreinigt erhalten wurde und nur durch die
verschiedene Löslichkeit der Pikrate von Nicotin getrennt werden
konnte.
Der Annahme, das Nicotin sei die Pyridinverbindung eines
Methylpyrrolidins, konnte vielleicht entgegengehalten werden, dafs
bislang Pyrrolidin — oder Methylpyrrolidinderivate unter den
Pflanzenstoffen noch nicht aufgefunden worden seien. Auch dieser Ein-
wurf ist in letzter Zeit beseitigt worden, da Liebermann gezeigt
hat, dafs das sog. niedrig siedende Hygrin (aus den Nebenalkaloiden
des Cocains) bei der Oxydation die Carbonsäure des Methylpyrroli-
dins liefert, dals also diese Nebenalkaloide jedenfalls Abkömmlinge
des Methylpyrrolidins sind.
Völlig unzweifelhaft ist endlich die von mir aufgestellte Kon-
stitutionsformel geworden durch die schönen soeben veröffentlichten
Untersuchungen von Am& Pictet, welcher gefunden hat, dafs das
Jodmethylat des Pyridyl-Methylpyrrols, welches er synthetisch dar-
gestellt hat, identisch ist mit dem Jodmethylat des durch Oxydation
mittels Ferricyankalium etc. aus dem Nicotin gewonn:nen und ur-
sprünglich als „Isodipyridin“ C,oHioNa, jetzt als „Nicotyrin“ be-
zeichneten Produkts.
Auf den folgenden Seiten sollen zunächst das Metanicotia und
seine Derivate, dann die Produkte der Zersetzung des Oxynicotins
beschrieben werden.
A. Pinner: TDÜeber Nicotin. 585
Metanicotin.
Das Metanicotin kann nach drei Methoden gewonnen werden,
aus Acetylmetanicotin, aus Benzoylchloridnicotin und aus Benzoyl-
metanicotin.
Acetylmetanicotin. Man erhitzt Nicotin mit etwa der
fünffachen Menge Essigsäureanhydrid 10—12 Stunden lang auf 1700,
entfernt aus der dunkelbraunen Reaktionsmasse den gröfsten Teil des
überschüssigen Anhydrids durch Destillation im Vakuum, versetzt den
Rückstand mit etwas Wasser und fügt vorsichtig konzentrierte Pott-
aschelösungbis zur alkalischen Reaktion hinzu. Alsdann schüttelt man
die Flüssigkeit mit Aether aus. Das bei der Reaktion entstandene
Acetylmetanicotin ist zwar schwer in Aether löslich, und man muls
10—12 mal die Ausschüttelung wiederholen, um alle Acetylverbin-
dung in die ätherische Lösung zu bringen. Aber gleichwohl ist
diese Methode für die Reinigung der Verbindung ganz ausgezeichnet,
weil hier ebenso wie bei der Benzoylverbindung die durch tiefgreitende
Zersetzung entstandenen schwarzen schmierigen Massen in Aether
tast vollkommen unlöslich sind und somit entfernt werden können.
Ueberhaupt hat sich bei vielen Nicotinderivaten die Lösung in
Aether als vorzügliche Reinigungsmethode bewährt.
Nach dem Verdampfen des Aethers hinterbleibt die Acetyl-
verbindung als dicker, gelber Honig, der keine Neigung zum
Krystallisieren besitzt. Sie wurde ohne weitere Reinigung analysiert.
0,1592 & Substanz gaben 0,4064 g CO, und 0,1240 g H,O.
0,1658 g Substanz gaben 20,1 cem N bei 220 C. und 743 mm Bar.
Berechnet für C,, Hı3 N,. C, H,0: Gefunden:
= =n059 69,62 Proz.
3 — 11,84 8.65
N = 13.12 13.51.74,
Auf Zusatz von Pikrinsäure zur wässerigen Lösung erhält
man einen öligen, langsam zu amorphen Kügelchen erstarrenden
gelben Niederschlag, der auch aus Lösungsmitteln (heilses Wasser,
Alkohol) nicht krystallisiert erhalten werden konnte. Ebenso erhält
man anf Zusatz von Platinchlorid zur salzsauren Lösung einen
amorphen Niederschlag. Durch Erhitzen mit Salzsäure auf 100°
oder mit Barytwasser auf 140° wird die Acetylverbindung nur
schwer und unvollständig verseift. Dafs aber bei der Verseifung
nicht Nicotin, sondern Metanicotin entsteht, wurde mit Sicherheit
38*
586 A. Pinner: TDeber Nicotin.
durch das später zu erwähnende charakteristische Pikrat nachge-
wiesen.
Benzoylcehlorid-Nicotin C,, Hı4 Na. C, H, OCI. Diese
schon in der ersten Mitteilung beschriebene Verbindung erhält man
leicht, wenn man Nicotin mit ca. 2 Mol. frisch destilliertem Benzoyl-
chlorid eine Viertelstunde auf dem Wasserbad erwärmt, das mit
etwas Salzsäure versetzte Reaktionsprodukt mehrere Male mit Aether
ausschüttelt, um das überschüssige Benzoylchlorid zu entfernen, die
von Benzoylchlorid befreite saure wässerige Lösung mit verdünnter
Natronlauge eben alkalisch macht und zur Sicherheit, um Spuren
unveränderten Nicotins zu binden, mit einigen Tropfen Essigsäure
schwach ansäuert und wiederholt mit Aether ausschüttelt. Beim
Verdampfen der ätherischen Lösung hinterbleibt das Benzoylchlorid-
Nieotin als etwas bräunliche, dieke, kaum noch fliefsende Masse,
die unlöslich ist in Wasser, leicht löslich in Alkohol und in Mineral-
säuren, schwer löslich in verdünnter Essigsäure und in Aether. Die
salpetersaure Lösung bleibt auf Zusatz von Silbernitrat klar, es liegt
also durchaus kein salzsaures Salz vor. Wird dagegen die Substanz
mit Kalk geglüht, so giebt mit der nun zersetzten Masse nach dem
Lösen in Salpetersäure Silbernitrat einen starken Niederschlag.
Die alkoholische Lösung polarisiert schwach nach links.
A) 0,948 g zu 10 cem in Alkohol gelöst gab eine Ablenkung
von — 0,40.
B) 1,0780 g zu lO ccm in Alkohol gelöst gab eine Ablenkung
von — (0,50.
Also an=&A) — 4,75, B) — 4,64, im Mittel — 4,70.
Erhitzt man das Nicotin-Benzoylchlorid 6—8 Stunden mit kon-
zentrierter Salzsäure im geschlossenen Rohr auf 100°, so wird es
vollständig verseift. Der Röhreninhalt besteht nach dem Erkalten
aus ausgeschiedener Benzoesäure und der salzsauren Lösung des
Nicotins. Filtriert man die saure Flüssigkeit von der Benzoe-
säure ab, verdampft sie, um den grofsen Überschuls von Salzsäure
zu entfernen, und stellt aus dem Rückstand durch Auflösen in, Wasser
und Versetzen mit Pikrinsäure das Pikrat dar, so erhält man das
charakteristische, bei 2180 schmelzende Nicotinpikrat.
Bei der Zersetzung durch Salzsäure wird aus dem Benzoyl-
chlorid-Nicotin, welchem die Konstitution
C,;H,N. CHCI. CH,. CH,. CH,. N (CH;). C, H,O
A. Pinner: TDUeber Nicotin. 587
zukommt, zunächst die Benzoylgruppe abgespalten. Es entsteht
also das Zwischenprodukt
C, H,N. CHCI. CH, CH, CH,. NH CH,,
welches aber sofort Salzsäure abspaltet und in
0, H,N. CH. CH,. CH,. CH,. NCH,,
d. h. Nicotin, übergeht.
Kocht man das Benzoylchlorid am Rückflufskühler mit Natrium-
alkoholat, so spaltet es nur Salzsäure ab und es entsteht Benzoyl-
metanicotin, aus welchem dann das Metanicotin selbst ge-
wonnen werden kann.
Man verdampft die alkoholische Lösung, nimmt den Rückstand
in verdünnter Salzsäure auf und versetzt mit Pikrinsäure, wodurch
das gleich zu erwähnende Benzoylmetanicotinpikrat, welches bei
1280 schmilzt, als Niederschlag erhalten wird. Zum Überflufs ist in
diesem Pikrat noch der Stickstoffgehalt bestimmt worden.
0,1284 x Subst. gaben 16,0 cem N bei 190 und 4758 mm Br.
Berechnet für C,Hj3N2. C,H,O. C,H; N; O;: Gefunden:
N = 14,14. 14,28 Proz.
Benzoylmetanicotin C„HjsN;. C,H,0. Das Ben-
zoylmetanicotin ist zuerst von Etard dargestellt worden, ohne von
ihm erkannt zu werden. Die von Etard angegebene Methode
namentlich der Reinigung der Substanz ist wenig zweckmälsig, es
sei deshalb die Bereitung hier genauer angegeben.
Um das Nicotin in das Benzoylmetanicotin überzuführen, ist
ein grölserer Überschufs von Benzoylchlorid erforderlich, sonst er-
hält man nichts als schwarzes Pech. Man fügt zu in einem lang-
halsigen, geräumigen Kolben befindlichem Nicotin die doppelte Ge-
wichtsmenge Beuzoylchlorid und erhitzt die Masse über freiem Feuer.
Bei etwa dem Kochpunkte des Benzoylchlorids tritt in der inzwischen
tiefschwarz gewordenen Flüssigkeit unter Entweichen von Salzsäure-
dämpfen ein Aufschäumen ein. Zur Vollendung der Reaktion erhitzt
man noch etwa 15 Minuten, so dafs die Flüssigkeit in gelindem
Sieden bleibt, läfst dann erkalten, übergielst das Produkt zur Ent-
fernung von Benzoylchlorid mit Aether und fügt zu der dicken,
schwarzen, theerähnlichen Masse etwa l5prozentige Salzsäure. In
dieser ziemlich konzentrierten Salzsäure löst sich das Benzoylmeta-
nicotin ziemlich leicht, während das Benzoylchlorid und seine etwa
588 A. Pinner: Ueber Niecotin.
schon entstandenen Zersetzungsprodukte (Benzoesäure, Benzoesäure-
anhydrid) in dem Aether gelöst bleiben. Nach Entfernung des
Aethers schüttelt man noch einmal die saure Flüssigkeit mit Aether
aus.
Die so von den nicht basischen Stoffen befreite Lösung ist
tiefschwarz gefärbt, kann aber leicht gereinigt werden, weil bei der
Verdünnung und bei fraktionierter Neutralisation zuerst die pech-
artigen Verunreinigungen niederfallen und durch Filtration der
Lösung völlig entfernt werden können.
Man erspart so die von Etard benutzte unzweckmälsige Reini-
gung der stark sauren Flüssigkeit mit Tierkoble. Man verdünnt
deshalb die saure, vom Aether getrennte Lösung mit etwa dem
doppelten Volum Wasser, filtriert vom abgeschiedenen Peach und fügt
zum Filtrat vorsichtig und in kleinen Anteilen Natronlauge so lange
hinzu, als noch schwarze, pechartige Fällungen dadurch hervorge-
bracht werden. Sobald die Fällungen hellbraun werden, filtriert man
wieder und setzt nun so lange Natronlauge hinzu, bis die Flüssig-
keit nur noch schw.ch sauer reagiert oder neutral ist. Dadurch
fällt das schwach basische Benzoyimetanicotin als honiggelbes, dickes
Oel nieder und kann leicht im Scheidetrichter, in welehem zweck-
mälsig diese Fällung vorgenommen wird, von der darüber stehenden
dünnen Salzlösung getrennt werden. Es ist ein honiggelbes, dickes
Oel, schwerer als Wasser und kaum löslich darin, schwer löslich in
Aether, sehr leicht löslich in Alkohol und Aceton. Es besitzt nur
schwach basische Eigenschaften, löst sich deshalb nur in etwas
stärkerer Salzsäure und wird daraus so gut wie vollständig durch
Alkalien gefällt, während die Flüssigkeit noch sauer bleibt.
Die Reinigung wird beschleunigt und die Ausbeute an reinem
Material wesentlich vergrölsert, wenn man die von den nicht basi-
schen Stoffen befreite stark saure Lösung mit der 4—5 fachen Menge
Wasser verdünnt, von den pechartig ausgeschiedenen Stoffen filtriert,
mit Aether überschichtet und vorsichtig mit Natronlauge abstumpft,
so lange nach dem Umschütteln lediglich pechartige Massen sich
abscheiden. Die Flüssigkeit wird abgegossen, der Aether von der
wässerigen Lösung getrennt, die letztere wiederum mit Aether über-
schichtet und mit Natronlauge abgestumpft und dieses Verfahren
wiederholt, bis die Flüssigkeit kaum noch sauer reagiert. Aus den
A. Pinner: Ueber Nieotin. 589
ätherischen Lösungen, welche das Benzoylmetanicotin in fast reinem
Zustande zurücklassen, wird der Aether abdestilliert und wieder
benutzt. Das Benzoylmetanicotin ist zwar, wie erwähnt, in Aether
schwer löslich, da aber die pechartigen Verunreinigungen so gut wie
unlöslich darin sind, wird dadurch eine vorzügliche Reinigung erzielt
Das Benzoylmetanicotin ist auch im Vacuum nicht ohne Zer-
setzung destillierbar. Es ist optisch inaktiv.
Um ein gut krystallisierendes Salz daraus zu gewinnen, habe
ich nicht wie Etard das Platinsalz gewählt, sondern das Pikrat, weil
die Platinsalze für Nicotin und dessen nächste Derivate weniger
charakteristisch sind als die Pikrate.
Setzt man zur salzsauren Lösung des Benzoylinetanicotins eine
kalte Pikrinsäurelösung, so fällt eiu gelbes, allmählich erstarrendes
Oel nieder. Aus verdünntem Alkohol umkrystallisiert bildet das
Benzoylmetanieotinpikrat CjoHısN2 . C7H;0 . C5H;3N30, zu Warzen ver-
einigte, dünne flache Prismen, die bei 1230 schmelzen und kaum in
kaltem, sehr schwer unter Schmelzung in heilsem Wasser, ziemlich
leicht in Alkohol löslich sind.
0,2032 g Subst. gaben 0,4098 & CO, und 0,0823 g H,O
0,1529 g Subst. gaben 19,2 ccm N bei 19% C. und 757 mm Bar.
Berechnet für C3H3,,N,05: Gefunden:
0255418 55,00 Proz.
el pi 4,52 =
N = 1414 14,38 „
Verseifung des Benzoylmetanicotins.
Zur Zerlegung der Benzoylverbindung wird dieselbe mit der
4—5fachen Menge konzentrierter (25 proz.) Salzsäure in geschlossenem
Rohr 12—24 Stunden lang auf 100° erhitzt. Das Reaktionsprodukt
wird mit etwas Wasser verdünnt von der abgeschiedenen Benzo&-
säure abgesaugt, verdampft und der dunkel gefärbte syrupöse Rück-
stand mit Natronlauge alkalisch gemacht und mit Wasserdämpfen die
treie Base übergetrieben. Da aber die Base nur äufßserst langsam
übergeht (zum Uebertreiben von einigen Gramm muls man mehrere
Tage destillieren), so kann man auch in folgender Weise verfahren.
Man fügt einen groflsen Ueberschufs konzentrierter
Natronlauge hinzu und schüttelt die Basc mit grofsen Mengen
Aether aus.
590 A. Pinner: DUeber Niecotin.
Auch hier bewirkt der Aether gleichzeitig eine teilweise Reini-
gung der Substanz, indem schwarze schmierige Produkte ungelöst
bleiben. Der Zusatz eines grolsen Ueberschusses konzentrierter
Natronlauge ist notwendig, weil die Base alsdann ölig sich abscheidet
und leichter durch Aether aufgenommen werden kann. Sie ist nämlich
äufserst leicht in Wasser, schwer in Aether, sehr schwer in konzen-
trierter Natronlauge löslich, so dafs Aether einer wässerigen Lösung
die Base kaum zu entziehen vermag.
Die nach Verjagung des Aethers erhaltene Rohbase wird am
besten erst im Vacuum, dann bei gewöhnlichem Luftdruck de-
stilliert.
Sie ist eine farblose ölige Flüssigkeit von schwachem, an Nieotin
erinnernden, aber dock davon verschiedenen Geruch, siedet bei 2750
(uncorr.), entwickelt beim Erhitzen stark zum Husten reizende Dämpfe,
ist giftig, doch nicht so stark wie das Nicotin, bringt aber alle
charakteristischen physiologischen Wirkungen des Nicotins hervor.
Die physiologischen Eigenschaften der Base hat Herr Prof. Falek in
Kiel auf meine Bitte durch Herrn Ringhardtz feststellen lassen
(s. unten).
0,1830 g Subst. gaben 0,4934 g CO, und 0,1532 g H,0.
0,1770 g Subst. gaben 26,3 ccm N bei 170 C. und 766 mm. Bar.
Berechnet für C,, Hy Na: Gefunden:
C = 74,07 Proz. 173,33 Proz.
H= 8,70 = 9,30 =
N=.17.28, , rien
Das Chlorhydrat, Ci Hı Na. 2HC1, wird durch Auflösen
der Base in Salzsäure, Verdampfen der Lösung auf dem Wasserbad,
Lösen des eingedampften und im Trockenraum allmählich erstarrten
Rückstandes in wenig kaltem absolutem Alkohol und Fällen mit
Aether dargestellt. Es ist eine weisse, hygroskopische, äusserst
leicht in Wasser, leicht in Alkohol, nicht in Aether lösliche Krystall-
masse.
0,1740 g Subst. gaben 0,2114 g AgCl.
Berechnet für 0,9, H44Ns.2H Cl: Gefunden:
Cl = 30,21 30,06 Proz.
Platindoppelsalz, CoHıuN:.H,PtCl;,. Setzt man zur
wässrigen Lösung des Chlorhydrats Platinchlorid, so entsteht eine
Trübung, welche beim Umrühren sich löst und nach kurzer Zeit
A. Pinner: TDeber Nicotin. 591
schöne, stark glänzende, dicke, flache, gelbrote Prismen aus-
krystallisieren läfst. Das Salz ist wenig in Wasser löslich, be-
ginnt oberhalb 2300 sich dunkler zu färben und zersetzt sich bei
ca. 255° unter starkem Aufblähen und unter teilweiser Schmelzung.
0,1722 g Subst. gaben 0,1332 &g CO, und 0,049 g H,0,
200. „ 0,0686 g Pt,
0,1529 g a „. 0,0921 e Et.
Berechnet für CO, Hy Na - H, Pt Q];: Gefunden:
C = 21,00 Proz. 21,09 Proz.
280 316 „
Pi 34,210) 34,12 „ 34,07 Proz.
Zum Vergleich wurde auch das Platindoppelsalz des Nicotins
dargestellt und auf sein Verhalten in der Hitze untersucht. Selbst-
verständlich befanden sich beide Platinsalze an demselben Thermo-
meter. Das Platindoppelsalz des Nicotins bildet auch gelbe Prismen,
aber von anderem Aussehen, es beginnt erst bei 2550 sich dunkler
zu färben und bei 275° unter Zersetzung zu schmelzen. Seine Rein-
heit wurde durch eine Platinbestimmung festgestellt.
0,1252 g Subst. gaben 0,0426 g Pt.
Berechnet für Co Hya Ns: H, Pt O];: Gefunden:
Pt = 34,21 Proz. 34,03 Proz.
Das Golddoppelsalz, CoHwuNs.2HAuC],, scheidet
sich zunächst ölig, allmählich zu gelben kurzen, breiten, flachen Prismen
erstarrend auf Zusatz von Goldchlorid zur wässrigen Lösung des Chlor-
hydrats aus. Es ist schwer in Wasser löslich, leichter in heilsem Wasser
und scheidet sich aus heilsem Wasser ebenfalls zunächst ölig ab. Es
schmilzt glatt bei 1600 und zersetzt sich je nach schnellerem oder
langsamerem Erhitzen bei 175—185.
0,1295 g Subst. gaben 0.0602 g Au.
Berechnet für O9 Ha Na -2 HAuQ]j;: Gefunden:
Au=46,79 Proz. 46,38 Proz.
Da das Golddoppelsalz des Niecotins noch nicht be-
schrieben ist, so sei hier erwähnt, dafs dasselbe nicht ölig fällt,
sondern einen hellgeiben, kaum krystallinischen Niederschlag dar-
stellt, der in heilsem Wasser sich löst und daraus in kleinen un-
ansehnlichen Warzen krystallisiert (nicht zuerst ölig sich abscheidet).
Es färbt sich beim Erhitzen oberhalb 150° dunkler, wird allmählich
ganz schwarz, und zersetzt sich oberhalb 180° unter teilweiser
Schmelzung.
593 A. Pinner: TDUeber Nicotin.
0,1348 g Subst. gaben 0.0642 g Au.
Berechnet für Co H4Na-2H AuQ];; Gefunden:
46,79 Proz. 47,63 Proz.
Metanicotinpikrat CjH4uN.s 2 C;H;3N,O;. Setzt man zur
salzsauren Lösung des Metanicotins eine kalt gesättigte Pikrinsäure-
lösung, so scheidet sich das Pikrat ölig aus. Allmählich erstarrt es
zu grofsen Warzen, während zugleich aus der Mutterlauge lange,
sehr dünne tadenförmige, in einander verschlungene Nadeln, die wie
Alsenfäden aussehen, auskrystallisieren. In heilsem Wasser, noch
mehr in heifsem Alkohol leicht löslich, zeigt es beim Erkalten
namentlich der wässrigen Lösung dieselbe Erscheinung der erst
öligen Abscheidung und nachherigen fadenförmigen Krystallisation.
Es enthält 1 Mol. Wasser, welches es bei 80—80° verliert. Beim
Erhitzen schmilzt das wasserhaltige Salz bei 114°, erstarrt allmählich,
wenn man die Temperatur nicht schnell steigert, weil es Wasser
verliert, und schmilzt dann erst bei 163%. Die eigentümliche
Krystallform und das Verhalten beim Erhitzen sind sehr cha-
rakteristisch für das Metanicotin.
Das Salz wurde nach dem Trocknen im Exsiccator analysiert:
g Subst. gaben 0,2942 g CO, und 0,067 g H,O
g Subst. gaben 0,2383 & CO, und 0,0612 g H,O
0,1815 g Subst. gaben 27,0 com N bei 170 C und 76+ mm Bar.
0,1903 g Subst. gaben 28,2 ccm N bei 130 C und 764 mm Bar.
0,5376 g Subst. verloren bei 90° 0,0156 g H,O.
je)
ar
DD
DD
He
je
Berechnet für C;oH4sNs- 2C5H3N;0;. H30: Gefunden:
C = 41,38 Proz. 41.70 Proz. 41,70 Proz.
Er — WIR IR; 3 asier So
= ES 17,36: 14,06:005;
EI 2,90
Das Metanicotin ist eine tertiär-sekundäre Base. Es vermag
leicht ein Säureradikal aufzunehmen. So läßst es sich mit Leichtig-
keit in de Benzoylverbindung überführen.
Wird das Metanicotin in Natronlauge gelöst und Benzoylchlorid
hinzugefügt, so scheidet sich beim tüchtigen Durchschütteln unter
beträchtlicher Erwärmung das Benzoylmetanicotin, Cj9HısNa . C-H;0,
als dickes Oel ab. Zur Reinigung wurde es von der Lauge getrennt,
mit Salzsäure versetzt und mit Aether geschüttelt, um beigemengtes
Benzoösäureanhydrid zu entfernen, alsdann die saure Flüssigkeit
A. Pinner. Ueber Nieotin. 593
alkalisch gemacht, das abgeschiedene Oel in vielem Aether, in
welchem es schwer löslich ist, aufgenommen und nach Verjagung
des Aethers in Salzsäure wieder gelöst und in das Pikrat überge-
führt. Es ist identisch mit dem aus dem Nicotin bereiteten, oben
beschriebenen Benzoylkörper. Denn das Pikrat zeigte alle Eigen-
schaften, welche die oben beschriebene Verbiudunsr besitzt. Es fiel
zunächst ölig, erstarrte sehr langsam zu den charakteristischen Warzen,
schmolz bei 128°, verhielt sich genau wie jenes inbezug auf seine
Löslichkeit in Wasser und Alkohol und lieferte bei der Analyse
recht gut stimmende Zahlen.
0,1770 g Substanz gaben 0,3615 g CO, und 0,0726 g H,O.
0,1384 g R S 16,7 cem N bei 120 und 762 mm Bar.
Berechnet für Co His N, 8 C, H,O e 07 HB, N; 07 3 Gefunden 7
072-25554757Pr0Z 55.10, Proz
1 2 eye ne 7 De AROO NER
Nie ee 14.356..8,
Die Entstehung der beschriebenen Benzoylverbindung auf dem
hier angegebenen Wege ist ein vollgültiger Beweis nicht nur für die
Imidnatur des Metanicotins gegenüber dem Nicotin, aus welchem bei
gewöhnlicher Temperatur eine Benzoylverbindung in keiner Weise
zu erhalten ist, sondern auch dafür, dals die bei 2000 aus Nicotin
und Benzoylchlorid entstehende Verbindung nicht etwa Benzoyl-
nicotin ist, welches bei der Zersetzung mit Salzsäure eine Ver-
änderung erleidet, sondern Benzoylmetanieotin.
Wie man aus allen diesen Thatsachen erkennen kann, unter-
scheidet sich das Matanicotin vom Nicotin hauptsächlich dürch seinen
weit höhern Siedepunkt, durch seine weit geringere Flüchtigkeit mit
Wasserdämpfen und seine geringere Löslichkeit in Aether. Zumeist
aber dadurch, dals es eine sekundäre Base ist, denn es lälst sich,
im Gegensatz zum Nicotin, in alkalischen Flüssigkeiten mittels
Benzoylchlorid äufserst leicht in die Benzoylverbindung überführen.
Dann ist sein Pikrat sehr leicht von dem des Nicotins zu unter-
scheiden. Dasselbe kann bequem zur Charaktcrisierung der Base
benutzt werden. Auch das Golddoppelsalz ist recht verschieden von
dem des Nicotins. Der besseren Uebersicht wegen mögen die
charakteristischen Unterschiede zwischen Nicotin und Metanicotin in
einer kleinen Tabelle zusammengestellt sein.
A. Pinner:
Ueber Nicotin.
Niecotin
Metanicotin
1. Freie Base, | Bei 2450 siedendes Oel, in
Bei 275-2780 siedendes Oel,
CoHuNs. |reinem Wasser sehr leicht in reinem Wasser sehr leicht
löslich, durch starke Lauge | löslich, durch starke Laugen
aus wässriger Lösung ab- | aus wässriger Lösung ab-
scheidbar, eigentümlich rie- | scheidbar, riecht schwächer
chend, aus stark alkalischer | als Nicotin, aus stark alka-
Flüssigkeit mit Aether leicht |lischer Flüssigkeit mit
ausschüttelbar, mit Wasser- Aether sehr schwer aus-
dämpfen ziemlich leicht |schüttelbar. mit Wasser-
flüchtig, sehr stark links- | dämpfen sehr schwer flüch-
drehend, liefert nach der tig, opisch inaktiv, lälst
Schotten - Baumann’schen | sich nach der Methode von
Methode keine Benzoylver- | Schotten - Baumann sehr
bindung. | leicht benzoylieren.
2. Chlor- |Zertlie[slicheKrystallmasse, | Zerflielsliche Krystallmasse,
hydrat, die beim Eindampfen ihrer | die beim Abdampfen ihrer
CH Na. Lösung unter Zerfall in die | Lösung sich nicht zu ver-
2 HCl. | Komponenten sich zum Teil | Hüchtigen scheint.
verflüchtigt.
3. Platin- | Gelbe Prismen, die bei 2500 | Gelbrote Hache Prismen von
doppelsalz, |sich dunkler zu färben be- | ganz anderem Habitus, fär-
CoHıuNs - ginnen und bei ca. 2750| ben sich schon bei ca. 2350
H, Pt C],. | unter Schmelzung sich zer- | dunkler und blähen sich bei
setzen. ca. 2550 unter teilweiser
Schmelzung stark auf.
4. Gold- Kaum krystallinischer, hell- | Kurze dicke Prismen, tiefer
doppelsalz, | geiber Niederschlag, beginnt | gelb gefärbt, schmilzt glatt
10 Hı4 Na - bei ca. 165° sich dunkler zu | bei 1600 zu einer gelbroten
2HAuCl], |färben und zersetzt sich | Flüssigkeit und zersetzt
unter teilweiser Schmelzung | sich bei ca. 1850 unter Auf-
bei ca. 1900. schäumen.
5. Pikrat, |Gelbe, stark glänzende| Lange, fadenartig ge-
CoHuN:. kurze Prismen, wasserfrei, krümmte Nadeln, enthält
20,H;N,0,. [schmilzt glatt bei 2180.)1H,0, schmilzt wasser-
Scheidet sich sofort auch | kaltigbei 1140, wasserfrei bei
aus heilsen Lösungen kry-
stallinisch ab.
1630, scheidet sich aus heilser
Lösung zunächst ölig ab.
Methylmetanicotin-Jodmethylat,
Co Hız Na. CH, .2 CH, J.
Setzt man Jodmethyl zu Metanicotin, so findet eine üulserst
heftige Reaktion statt. Dagegen erhält man leicht isolierbare Pro-
dukte, wenn man das Metanicotin mit etwa dem dreifachen Gewicht
Holzgeist verdünnt, Jodmethyl (wenigstens je drei Moleküle auf
1 Mol. Metanicotin) hinzufügt und nach mehrtägigem Stehen die
klare Flüssigkeit im Vacuum verdunsten läfst.
Es krystallisiert das
A. Pinner: Teber Nicotin. 595
Jodmethylat und kann bequem aus absolutem Alkohol umkrystalli-
siert werden.
Man erhält dieselbe Verbindung, wenn man Metanicotin in me-
thylalkoholischer Lösung mit Jodmethyl in geschlossenen Röhren
24 Stunden lang auf 100° erhitzt.
Das Jodmethylat bildet farblose Nadeln, die nicht hygroskopisch
sind, sehr leicht in Wasser, ziemlich schwer in kaltem Alkohol,
nicht in Aether sich lösen und bei 1890 schmelzen. Seine Zusammen-
setzung ist (Co Hıs N: . CH,) . 2CH3J.
0,1346 g Subst. gaben 0,1668 g CO, und 0,0756 g H,O
0,236 g Subst. gaben 0,2422 g AgJ
0.2038 g Subst. gaben 0,2076 g AgJ
Berechnet für C,3 Has Na J5: Gefunden:
C = 33,91 Proz. 33,80 Proz.
RE 624,
1 595,46 „ 55,05 Proz.
Wie man sieht, entsteht sogleich das Jodid der quaternären
Base:
Der Nachweis, dafs im Metanicotin eine doppelte Bindung ent-
halten ist, welche sich gänzlich verschieden von den Doppelbindungen
im Pyridinkern des Nicotins verhält, wurde durch die Art der Ein-
wirkung von Brom auf die Base erbracht.
Einwirkung von Brom auf Metanicotin.
Wie nämlich trüher gezeigt worden ist!), entsteht bei der
Einwirkung von Brom auf Nicotin in eisessigsaurer Lösung bei ge-
wöhnlicher Temperatur das Perbromid des Dibrom-
cotinins, C,, Hj, Bra N;O . HBr. Br,, und in bromwasserstoffsaurer
Lösung bei 100° das Bromhydratdes Dibromticonins,
Co H; Bra N, O,.HBr. Beide Verbindungen entstehen nur langsam.
Fügt man hingegen Brom zu eisessigsaurer Lösung des Metanicotins,
so scheidet sich unter starker Erwärmung ein gelbrotes, langsam
krystallisierendes Oel ab, desgleichen wenn man zu einer brom-
wasserstoffsauren Lösung der Base Brom hinzufügt. Setzt man aber
zu dem Reakiionsprodukt einen Krystallsplitter der bereits erstarrten
Substanz hinzu, so findet augenblicklich unter Erwärmung Krystalli-
1) Archiv a. a. O. S. 400.
"596 A. Pinner: Ueber Nicotin.
sation des Oe!s statt. Die Krystalle sind das Perbromid einer
sauerstofffreien Base.
Die Krystalle, gelbrote Nadeln, sind sehwer in Wasser lös-
lich, schmelzen bei 1700 zu einer dunkelroten Flüssigkeit und
gleichen in ihrem Verhalten dem Perbromid des Dibromeotinins.
Sie haben die Zusammensetzung Co Hıı Bra N, 2HBr. Br.
Da es bei der Analyse der durch Einwirkung von Brom aut
Nicotin und dessen Derivate entstehenden gebromten Produkte zu-
meist darauf ankommt, die Form, in welcher das Brom in der Sub-
stanz vorhanden ist, mit Sicherheit festzustellen, ob es nämlich als
HBr, oder als leicht zu HBr reduzierbares Br im Perbromid, oder
endlich als integrierender Bestandteil der gebromten Base selbst ent-
halten ist, habe ich, wie bereits in der ersten Mitteilung ausein-
andergesetztist, mich dreier Methoden zurBestimmung desBroms bedient:
1. Reduzieren mit schwefliger Säure von bekanntem Gehalt
an SO,, um das als Perbromid vorhandene Brom zu bestimmen,
2. Fällen der reduzierten Substanz mit Silbernitrat, um die
Menge des als HBr und als Perbromid vorhandenen Broms zu ermitteln,
3. Glühen der Substanz mit Kalk und Fällen der in Salpeter-
säure aufgenommenen Masse mit Silbernitrat, um die Gesammtmenge
des Broms zu bestimmen.*)
*) Anmerkung. Wie notwendig eine derartige genauereBestimmung
des Broms iu den t’rodukten der Einwirkung von Brom auf Nicotin
und dessen Derivate ist, zeigte aufs Klarste eine vor Kurzem er-
schienene Abhaudlung von Oliveri ın Gazzetta chimica
XXV,59 u. f. „Su!la costruzione della nicotina“, in welcher unter
andereu bereits von anderen Forschern ausgeführten Versuchen auch
die Einwirkung von Brom auf Nicotin von Neuem studiert worden ist.
Herr Oliveri hat das Brom abweichend von früheren For-<chern
in der Weise auf Nicotin einwirken lassen, dals er Brom zu ge-
trocknetem bromwasserstoffsauren Nicotin hinzufügte, um wie er
glaubte, dadurch die Umwandlung des Nicotins in sauerstoffhaltiga
Derivate (Dibromcotinin und Dibromticonin) zu umgehen.
Gewogene Menge: Nicotin wurden iu das bromwasserstoffsaur®
‚Salz verwandelt, das Salz getrocknet und dann entweder mit je
2 Atomen Brom oder mir 4 atomen versetzt (auf l Teil Nicotin 1 oder
2 T. Brom). Im ersten Fall soll ohne Gasentwicklung eine rotbraune
Masse entstehen, welche nach 5 Tagen zu rotbraunen Nadeln kry-
stallisiert war. Die Krystalle ergaben 65.78 Proz. Brom, folglich, so
schlielst Herr Oliveri, waren sie Co H4: Ns. HBr.HBr; zusammen-
gesetzt, denn diese Formei entspricht eiuer Substanz mit 66,1 Proz.
Brom. Herr Oliveri glaubt aus einer einzigen Brombestimmung
die Zusammensetzung dieser komplizierten und so schwer in reinem
A. Pinner: Ueber Nicotin. 597
1. 0,6070 g Substanz brauchten so viel schwetflige Säure zur
Entfärbung, als 19,9 ccm 1/,, Normal-Jodlösung entspricht = 0,1592 g Br.
2. 0,503 g Substauz wurden mittels SO, in Lösung gebracht und
mit Silbernitrat gefällt. Erhalten 0,5954 g AgBr.
3. 0,1314 g Substanz mit Kalk geglüht etc. gaben 0,2295 g AgBr
Berechnet für C,, Hı4 Bra Na. 2 H Br. Brz: Gefunden:
Br als Perbromid — 24,84 Proz. 26,23 Proz,
Br als HBr + Perbrowid = 49,68 „, 50,37
Br überhaupt —un 25 PR 14,422 „
Das bromwasserstoffsaure Metanicotinbromid selbst
welches bei der Reduktion des Perbromics wit schwefliger Säure
entsteht, die Zusammensetzung CH, BraNs.2HBr besitzt und
im Gegensatz zum Dibromcotinin zweibasisch ist, ist wegen seiner
Leichtlöslichkeit in analysierbarem Zustande nicht erhalten worden.
Setzt man zu der Lösung des Salzes verdünnte Natronlauge, so
scheidet sich ein mit Aether ausschüttelbares Oel ab, welches nicht
destillierbar ist und sich schon beim Verdunsten des Aethers dunkel
färbt. Um es zu analysieren, wurde es in das Pikrat übergeführt.
Dabei stellte sich heraus, dafs durch die Natronlauge aus dem
Dibromid ein Molekül HBr abgespalten wird und das Monobrom-
Zustande zu gewinnenden Substanzeu erschlielseu zu können. Bei-
läufig sei erwähnt. dals denselben Bromgehalt Cahoursund Eta: ,
aulserdem Laiblin gefunden haben, trotzdem, wie ich früher nach-
gewiesen habe, die ersteren unreines Dibromeotininperbromid, der
letztere ein Gemisch dieses Körpers mit bro. wasserstoffsaurem
Dibromticonin in Händen gehabt haben. Aber noch mehr. Diese
Krystalle werden in zwei Teile geteilr, der eine Teil mitAmmoniak
zersetzt, mit Aether ausgezogen und der Auszug destilliert und als un-
verändertes Nicotin erkannt. Der zweite Teil wird erst auf 700 er-
hitzt, dann mit verdünnter Kalilauge zersetzt (warum nicht
mit Ammoniak ?), dabei ein öliger Nie iierschlag erhalten, der mit Wasser
gewaschen, ın Salzsäure gelöst und mit Pikrinsäure gefällt wurde.
Diese Fällung ist eine rorbraune Masse, also amorph. bei 1030
schmelzend, aus deren Brom- und Stickstoffbvestimmung Herr Oliveri
die Zusammensetzung CHjsBr Ng.C,H,N,;0, erschliefst. Folglich
würde nach Oliveri «urch das Erkitzen aut 70° zunächst dia Ver-
bindung O5, Hj4 Bra Ng.2 H Br entstanden sein, welche durch Kalilauge
Bromwasserstoff abspaltet und in O9 H,; BrN, übergeht. Es fällt so-
fort aut, dafs dieses vermeintliche Bromnicotin nur mit einem Mol.
Pikrinsäure verbunden ist, während das Nıcotin, das Metanicotin und
das gebromte Metauicotin zweisäurige Basen sind. Aber aus der ein-
maligen, nicht einmal vollständigen Analyse einer nicht reinen Sub-
stanz (das Pıkrat war ja augeuscheinlich nicht rein) derartige Seulüsse
zu ziehen, war mehr als gewagt.
Bei einer Wiederholung dieser Versuche habe ich auch that-
sächlich andere Resultate erhaitev. Wenn man 2 Atome Brom zu gut
598 A. Pinner: Ueber Nicotin.
metanicotin, Ca H;3 BrN,, sich bildet: Cj, Hıı Bra N—HBr = C,,
H,3 BrN,.
Das Pikrat C,H, BrN;,.20,H;,N; O, fällt als langsam er-
starrender öliger Niederschlag, der aus heilsem Wasser, worin er
ziemlich leicht löslich ist, bequem umkrystallisiert werden kann und
dann gut ausgebildete, durchsichtige, bei 1900 unter Zersetzung
schmelzende Prismen bildet. In Alkohol ist das Salz leicht löslich.
0,1540 g Subst. gaben 0,2144 g CO, und 0,0456 g H,O.
0,1320 g Subst. gaber 18,9 ccm N bei 200C. und 754 mm Bar.
0,2070 g Subst. mit Kalk verbrannt gaben 0,0558 g Ag Br.
Berechnet für Co Hı43 BrN3.20,H,N, O,: Gefunden;
CH S717 Proe 37,97 Proz.
ie NR 3,29 „
N, 16:02. 16 2300
Br=114 „ 1147 MR
Es war von hohem Interesse, zu untersuchen, ob dieses.
Monobromprodukt ein Derivat des Nicotins oder Metanicotins
sei, denn es konnte das Brom sowohl mit Wasserstoff aus dem
NHCH, als auch aus dem benachbarten CH Br als Bromwasserstoff
austreten:
getrocknetem bromwasserstoffsauren Nicotin setzt, erhält man keine
flüssige Masse, wie Herr Oliveri angiebt, sondern nur ein Teil des
schnell gepulverten Salzes, welches bekanntlich äulserst hygroscopisch
ist, bildet mit dem Brom eine dicke dunkelbraune halbflüssige Masse,
während ein sehr erheblicher Teil fest bleibt und augenscheinlich an
der Reaktion sich gar nicht beteiligt. Dieser Zustand ändert sich bei
gewöhnlicher Temperatur nur wenig. Dagegen beobachtet man etwas
Bromwasserstoffentwicklung, wenn das Reaktionsgefäls geöffnet wird.
Die Bromwasserstoffentwicklung wird stärker, wenn das Gefäls in
70 Grad heilses Wasser eingesetzt wird. Ich habe diese Temperatur
etwa 12—15 Stunden erhalten. Nach dem Erkalten ist die Masse fast
fest und besteht aus einer von amorpher dunkler Substanz durch-
setzten Krystallmasse, welche uuter der Lupe meist farblose Nadeln
(bromwasserstoffsaures Nicotin) erkennen läfst Setzt man Wasser zu
dieser Substanz, so bleibt eine dickflüssige, dunkelbraune Masse un-
gelöst. Diese liefert beim Schütteln mit 5 proz. Natronlauge oder etwa
10 proz. Pottaschelösung ein kaum lösliches Harz, welches sehr viel
Dibromcotinin enthält. und eine Flüssigkeit, die beim Ausäthern
ein dunkles Oel liefert, das beim Stehen teilweise zu farblosen Nadeln
erstarrt. Das Oel ist ein Gemisch von Nicotin und Dibromeotinin,
CH Bra N;0. Mach meinen Erfahrungen verläuft also die Reaktion
zwischen Brom und Nicotin unter diesen Umständen genau So, wie
wenn eine wässrige oder eisessigsaure Lösung von Nicotin oder dessen
Bromhydrat angewendet wird. Nur bleibt bei der zu geringen Menge
von Brom der grölste Teil des Nicotins unverändert. Aber infolge
der ungünstigen Bedingungen verharzt ein Teil der Substanz und er-
A. Pinner; Ueber Nicotin. 599
C;H,N.CHBr.CHBr
CH,
CH,. NH — CH,
konnte geben entweder
C,H,N.CH— CHEr C,„H,N.CH=(CBr
a: oder CH;
CH, . N—— CH, CH,. NH — CH,
im ersten Falle mufste Bromnicotin, im zweiten Brommetanicotin
entstehen, die Entscheidung war mit Sicherheit durch Entbromung
mittels Zink und Salzsäure herbeizuführen, im ersten Falle mufste
Nicotin, im zweiten Metanicotin entstehen. Das Experiment entschied
für den zweiten Fall. Wird das Brommetanicotin in Salzsäure ge-
löst und Zinkstaub eingetragen, schwach erwärmt und das Filtrat in
das Pikrat übergeführt, so erhält man das so charakteristische
Pikrat des Metanicotins, keine Spur von Nicotin.
Endlich wurde noch versucht, ob vielleicht aus dem Meta-
nicotindibromid C,, Hı, Bra N; durch Behandlung mit Zink und Salz-
säure das Dihydrometanicotin C,, Hıs Na gewonnen werden könnte.
schwert die Reinigung. Soweit aus meinen Versuchen Schlüsse zu
ziehen erlaubt ist, ist es mehr als zweifelhaft, ob durch das Erhitzen
auf 70 Grad die Bildung des Dibromeotinins erfolgt, vielmehr scheint
zunächst ledigiich Nicotinperbromid zu entstehen und erst durch den
Zusatz verdünnter Natronlauge zu dem Nicotinperbromid. also durch
die Entstehung des unterbromigsauren Salzes, die Reaktion zwischen
Brom und Nicotin zu erfolgen. Ich habe nämlich gefunden, dafs,
weun man das Rohmaterial mit Wasser zunächst auslaugt, um un-
verändertes bromwasserstoffsaures Nicotin zu entfernen, dann die
braunschwarze, dickflüssige Masse, welche usgelöst bleibt, in 2 Teile
teilt, den einen erst mit schwefliger Säure versetzt, um das Perbromid
zu reduzieren, und darn alkalisch macht, den andereu dagegen direkt
mit ver‘ünnter Natronlauge alkalisch macht, man im ersten Teil ledig-
lich Nicotin erhält, im zweiten Teil dagegen neben Nicotin das
Dibromeotirin. Aber auch wenn man Nicotinbromhydrat, trocken oder
in Lösung, mit Brom versetzt einige Zeit stehen lälst ohne zu er-
hitzen, erhält man dieselben Resultate. Das würde auch im Einklang
sich befinden mit den von mir früher beobachteten Erscheinungen,
welche bei der Einwirkung von Brom auf Nicotin stattfinden. Zur
Konstatierung der Produkte habe ich auch die pikrinsauren Salze an-
gewendet, habe aber nicht aus Alkohol, sondern aus Wasser oder
ganz verdünntem Spiritus wiederholt umkrystallisiert und dadurch die
Verharzungsprodukte entfernt. Die bei verschiedenen Versuchen
gewonnenen Pikrate schmolzen bei 178—180 Grad und besalsen aulser
dem Schmelzpunkt die Krystallform, die Löslichkeit und endlich die
Zusammensetzung des Dibromcotininpikrats.
Arch. d. Pharm. CCXXXIIL Bds. 8. Heft. 39
600 A. Pinner: TDUeber Nicotin.
Es wurde deshalb das durch schweflige Säure reduzierte Perbromid
direkt mit Zink und Salzsäure längere Zeit bei gewöhnlicher Tem-
peratur in Berührung gelassen, hierbei aber ebentalls ausschliefslich
Metanicotin erhalten, wie durch das Pikrat und das Goldsalz fest-
gestellt werden konnte.
Zersetzung des Metanicotins. Bei der Darstellung
einer etwas grölseren Menge Metanicotin, wobei in der Weise ver-
fahren wurde, dafs Benzoylmetanicotin mit starker Salzsäure bei
100% zersetzt, die von der abgeschiedenen Benzo&@säure abfiltrierte
Lösung verdampft und der Rückstand zur Sicherheit, dafs sämtliche
Benzoylverbindung zerlegt sei, einige Zeit mit Natronlauge gekocht
und mit Aether ausgeschüttelt wurde, konnte die Beobachtung ge-
macht werden, dals das nach dem Verjagen des Aethers verbleibende
Oel nur zum gröfseren Teil bei 2750 destillierte und einen nicht
ohne völlige Zersetzung bei weit höherer Temperatur destillierenden
Rückstand lies. Auch als ein anderer Teil zuerst im Vakuum
1. 0,0993 g Subst. gaben 11,0 ccm N bei 220 ©. und 761.3 mm Bar.
0,1405 g Subst. gaben 0,0958 g Ag Br.
2. Von einer andern Darstellung gaben
0,1493 g Subst. 16,7 ccmN bei ?2° C. und 752 mm Bar.
0,1946 g Subst. — 0,1335 g Ag Br.
0,1169 g Subst. — 0,0788 & Ag Br.
Berechnet für C,, Hıo Bra N>0. C,H, N; 0,: Gefunden:
N = 12,43 Proz. 12,56 Proz. 12,53 Proz.
Br = 2842 29,01 „ .29,19—28,68 Proz.
Dann hat Herr Oliveri trockenes Nicotinbromhydrat mit
4 Atomen Brom versetzt und die halbflüssige dunkelrotbraune Masse
nach l4tägigem Stehen mit Schwefelkohlenstoff gewaschen und eine
Brombestimmung ausgeführt Aus dieser Brombestimmung der halb-
tlüssigen schmierigen Masse berechnet Herr Oliveri eine Formel
CoHıNsBr,. HBr.HBır,, obwohl eine solche Verbindung etwa
1,4 Proz. Brom mehr enthältals er gefunden. Woraus Herr Oliveri
schlielst, dals ein einheitliches Produkt vorliegt und dals die 6 Atome
Brom in der Verteilung sich befinden. wie durch die Formel ange-
deutet ist, wird nicht mitgeteilt. Diese Masse zersetzt Herr Oliveri
mit alkoholischer Kalilauge, also wieder in anderer Weise als vorher,
ohne Begründung, warum die Abänderung der Versuche erfolgt, und
findet, dafs ein grolser Teil verharzt, und nur von einem sehr kleinen
Teil bereitet er ein Platinsalz, bestimmt den Platingehalt und glaubt
nun, er hätte das Platinsalz des Dibromticonins in Händen. So viel
aus der kurzen Beschreibung zu ersehen ist, scheint es das Platinsalz
des Dibromeotinins gewesen zu sein, womit die einzige mitgeteilte
Platinbestimmung auch vorzüglich übereinstimmt.
Es braucht kaum erwähntzu werden, dals die vonOliveri ge-
wählten Bedingungen für die Gewinnung chemisch reiner Produkte so
ungünstig wie möglich sind.
u I u.
A. Pinner: DUeber Nicotin. 601
destilliert wurde, hinterblieb ein solcher Rückstand, der zwar in
Salzsäure, nicht aber in Wasser leicht löslich war. Es wurde ver-
sucht, diesen Rückstand mit Quecksilberchlorid zu reinigen, wodurch
zwar die färbenden Beimengungen entfernt, aber keine einheitliche
Substanz gewonnen werden konnte. Bei der Analyse mehrerer
solcher Rückstände wurde mehr Kohlenstoff und weniger Stickstoff
und Wasserstoff gefunden, als Metanicotin enthält.
1. 0,1470 g Substanz gaben 18,0 ccm N bei 220 C und 764 mm Bar.
0,1620 g > „ 0,4502 g CO, und 0,119 g H,O.
2. 0,1250 g S A 14,0 cem N bei 210 C und 758 mm Bar
Berechnet für O,, Hıs Na: Gefunden:
T. 2.
Ns 1.17.:28° Proz; 13,95 Proz. 12,72 Proz.
U Ze N40T, 193138, ©;
Eure: 816, =
Aber zugleich wurde beobachtet, dafs das zuerst übergehende
Metanicotin ammoniakalisch roch, während reines Metanicotin ohne
jede Zersetzung destilliert. Es wurde deshalb mit Erfolg versucht,
das Metanicotin durch Erhitzen mit Basen zu zersetzen, und zwar
wurde auch hier heils gesättigtes Barytwasser genommen und 10 bis
12 Stunden mit dem Alkaloid auf 1700 erhitzt. Dabei scheidet sich
ein gelbes dickes Oel ab, während die Flüssigkeit deutlich den Ge-
ruch nach flüchtigen Aminbasen annimmt. Man destilliert den Röhren-
inhalt, um die Aminbasen zu entfernen und fängt das Destillat in
Salzsäure auf.
Beim Abdampfen der salzsauren Lösung des Destillats hinter-
bleibt ein in Alkohol leicht lösliches Salz, welches durch sein
charakteristisches, bei ca. 2200 schmelzendes Platinsalz mit Sicher-
heit als Methylaminsalz erkannt werden konnte. Der Destillations-
rückstand wird ausgeäthert, die ätherische Lösung zur Entfernung
von unverändertem Metanicotin mehrere Male mit stark verdünnter
Essigsäure ausgeschüttelt und nach dem Trocknen verdampft. Es
hinterbleibt eine durchsichtige, gelb gefärbte, beim Erwärmen leicht
flüssig werdende Masse, welche wenig in Wasser sich löst, auch in
stark verdürnter Essigsäure schwer, leicht in Salzsäure löslich
ist. Die Substanz wurde direkt analysiert und gab Zahlen,
aus denen sich die Formel C, H, N berechnen läfst, aber sie
scheint etwas fest gebundenes Wasser (ca. 2 Proz.), vielleicht als
39*
602 A. Pinner: Ueber Nicotin.
C, H,, NO, zu enthalten. Dagegen gab das Pikrat gut stimmende
Zahlen.
1. 0,1430 g Subst. gaben 13,3 ccm. N bei 240 C. und 760 mm Bar.
0,1340 g Subst. gaben 0,3954 g CO, und 0,0890 g H,O.
Substanz anderer Darstellung.
2. 0,1660 g Subst. gaben 15,1 ccm N bei 22° C. und 757 mm Bar.
0,1364 g Subst. gaben 0,4010 g CO, und 0,090 & H,O.
Berechnet für CyH,N: Gefunden:
1. 2.
N = 10,68 Proz. 10,43 Proz 10,26 Proz.
BT —US2MaN 80,47 „, 80,17
ug 1381... 1,3%
Die Substanz war vor der Analyse bei ca. 90% getrocknet worden
Wenn die Verbindung ca. 20 Proz. CgH,,NO enthielte, würde sie
80,2 Proz. C, 7,0 Proz. H. und 10,4 Proz. N verlangen.
Das Pikrat, C,H,N. C,H3N;0,, erhält man, wenn man zu der
warmen Lösung der Base in sehr verdünnter Salzsäure eine warme
Pikrinsäurelösung setzt und sogleich von dem ausgeschiedenen Harz
filtriert. Aus dem Filtrat scheiden sich allmählich kleine gelbe Warzen
aus, welche kaum in kaltem, ziemlich leicht in heifsem Wasser und
in Spiritus sich lösen und glatt bei 1510 schmelzen.
0,1202 g Subst. gaben 16,6 ccm N bei 270 C. und 763 mm Bar.
0,2178 g Subst. gaben 0.4018 g CO, und 0,00738 g H,O.
Berechnet für C,H,N . C5H3N 30; : Gefunden:
N = 15,55 Proz. 15,30 Proz.
C 30:00: ; 50,3115'%
150 1 2} 5 ep 3u0n1%
Wie man aus dem Verhalten der Base gegen Essigsäure er-
sieht, besitzt die Verbindung C;H;N nur schwach basische Eigen-
schaften. Ihre physikalische Beschaffenheit zwingt zu der An-
nahme, dafs ihr Molekül ein mehrfaches von C3H;N, vielleicht CjsH,sNa
u. 8. w. ist.
Durch die Einwirkung von Alkalien zerfällt also das Metanicotin
leicht in Methylamin und ein dem Styrol entsprechendes Pyridinderivat,
welches unter den Bedingungen seiner Bildung sich polymerisiert und
deshalb dem Distyrol vergleichbar ist. Unter gleichen Bedingungen
ist Nieotin von Basen vollständig unangreifbar, wie Vergleichsver-
suche mit Nicotin und Metanicotin ergeben haben. Es muls dem-
A. P inner: Ueber Nicotin. 603
nach im Metanicotin die ebenso wie im Nicotin vorhandene CH,-
Gruppe gleichsam exponierter sich befinden, als in der isomeren
Base. Das ist auch leicht verständlich, wenn das Metanicotin als
C,H,N.CH=CH-CH,—CH,. NHCH, aufgefafst wird. Durch
die Wirkung der Alkalien würde, ebenso wie bei den ungesättigten
Fettsäuren mit Sicherheit nachgewiesen ist, die doppelte Bindung
bis zum letzten Kohlenstoffatom vorrücken und nun kann leicht durch
Abspaltung von Methylamin ringförmige Bindung eintreten, so dals
dem polymeren C,H, N die Konstitution
C,H,N.CH,.CH—CH=CH
| | zuzuschreiben wäre.
C,;,H,N.CH,.CH— CH-CH
Im Anschlufs an die Besprechung der chemischen Umwand
lungen des Metanicotins seierwähnt, dafs Herr Brühl das Brechungs-
vermögen des Metanicotins neben dem des Nicotins zu untersuchen
die Güte hatte und über das Ergebnis seiner Untersuchung Folgen-
des mitteilt:
Nicotir:
1. Präparat eigener Sammlung:
— Ma DMixa My— Vie
159,7 48,65 48,97 1,87
2. Präparat von Pinner:
160,3 49.02 49,36 1,88
CH
N HC CH»
berechnet für | ah z
Bea N CH,
N CH,
— 48,77 49,24 1,83
Die Uebereinstimmung aller Konstanten ist eine so gute, dals
die obige Strukturformel als optisch durchaus bestätigt gelten kann.
Metanicotin.
P
ade Ma Mxa M,Nie
161,8 51,45 51,92 2,13
Die Konstanten sind also viel grölser als die enigen des Nicotins;
während für die eventuelle, früher dem Nicotin selbst zugeschriebene
Struktur
604 A. Pinner: Ueber Nicotin.
CH CH(C,H,)
HC L N ev N CH»
| | annähernd dieselben Konstanten zu erwarten wären,
HC er CH,
Y NER
wie für die obige Konstitutionsformel des Nicotins. Keine derselben
entspricht also dem spektrometrischen Verhalten des Metanicotins.
Für die wahrscheinlichste Struktur dieses Körpers
/N.CH:CH.CH,.CH,.NH.CH,
we)
INKL
N
lassen sich die optischen Konstanten gegenwärtig nicht genau, sondern
nur näherungsweis berechnen ; sie müssen nämlich, wegen der Nach-
barschaft einer Aethylengruppe und des Pyridinkerns, etwas grölser
sein als die Werte:
Ma Mina M,— Ma
50,29 50,60 2,01
welche einem Körper von der Struktur
Ver sun en
ee
N
zukommen würden. In der That sind die gefundenen Konstanten des
Metanicotins etwas grölser und damit ist die Pinner sche Struktur-
formel optisch bestätigt.
Die Gegenwart eines Doppelringes im Nicotin, und eines ein-
fachen mit Aethylenbindung in der Seitenkette beim Metanicotin, wird
auch durch das Molekularvolumen = angezeigt. Denn da erfahrungsge-
mä/s das Molekularvolum durch Ringschliefsung infolge von Wasser-
stoffabspaltung mehr abnimmt als bei stawtfindender Aethylenbindung
so muls das Molekularvolum des Nicotins kleiner sein als dasjenige
des Metanicotins, wenu die resp. Strukturformeln von Pinner zu-
treffen. Thatsächlich ist auch das Molecularvolum des Nicotins das
Kleinere.
Somit finden jene Formeln durch das gesamte physikalische Ver-
haiten eine Bestätigung. Insbesondere ist aber die Gegenwart einer
Aethylenbindung in der Seitenkette des Metanicotins als vollkommen
sichergestellt zu bezeichnen,
Schlie(slich seien noch die Resultate erwähnt, welche Dr.
Ringhardtz bei seinen auf Veranlassung des Herrn Prof. Falck
an Tieren ausgeführten Versuchen mit Metanicotin gewonnen hat.
Die Wirkung des Metanicotins ist an Fröschen, an Hunden und an
A. Pinner: DUÜeber Nicotin. 605
Tauben studiert worden. Herr Ringhardtz falst die Ergebnisse
seiner Versuche in folgenden Sätzen zusammen :
1. Wirkung auf Frösche:
„Kleinste Mengen des Giftes wirken in der Weise auf das Tier
ein, dals es nur schwer zum Sprunge veranlalst werden kann. Etwas
grölsere Gaben lassen die Zeichen der Schwäche schon deutlicher
hervortreten, bewirken aber fast gleichzeitig in der Haltung der Tiere
eine auffallende Aenderuug: Die Tiere sitzen meist mit stark nach
oben gerichtetem Kopfe unbeweglich da; sieht man genau zu, so be-
merkt man, dals die Hinterbeine fast ruckweise stärker und stärker
an den Körper derart herangezogen werden, dals die Enden der Unter-
schenkel sich in der Mittellinie des Rückens mehr und mehr nähern
und über einander geschlagen werden. Die Arme sind über der Brust
gekreuzt. Werden in diesem Stadium die Beine von dem Körper ab-
gezogen, was nicht sehr leicht ausführbar, so werden sie sofort wieder
nach dem Nachlafls der Kraft in die vorhergehende Stellung zurück-
gebracht. Nach einiger Zeit bleiben aber die Beine von dem Körper
ab liegen und werden erst später herangezogen; doch auch dies ge-
schieht nicht immer. Die Tiere liegen schlaff da. Auf den Rücken
gelegt, bemerkt man, dals die Arme längere Zeit, in jede beliebige
Stellung gebracht, steif in dieser verharren.
Ist die Gabe grols genug gewesen, dann treten an dem sonst lang
gestreckt liegenden Tiere jetzt krampfige Bewegungen hervor, Streck-
ungen, die mehriach dem Öpisthotonus entsprachen, auch wie der
Strychnintetanus wiederholt spoutan, resp. nach Reizen hervortraten.
Dann aber macht die krampfige Erscheinung der Lähmung Platz:
Die Tiere liegen völlig regungs- und reaktionslos da. Der Herz-
schlag ist zunächst noch durch die Brustwand wahrnehmbar, später
ergiebt die Oefinung der Brust starke Verlangsamung und schlielslich
Stillstand, meist in stark kontrahiertem Zustande, während die Nerven
und auch die Muskeln direkt gereizt sich noch erregbar erwiesen.
Vergleicht man das vorstehend Mitgeteilte mit den zahlreichen
Angaben, die in der Litteratur über die Nicotinwirkuug gemacht wor-
den sind, dann kommt man mehr und mehr zu der Ueberzeugung, dals
die Wirkung des Metanicotins mit der Wirkung seiner Muttersubstanz
qualitativ übereinstimmt. Ganz besonders tritt dieses gleiche Verhalten
hervor bezüglich der typischen Körperhaltung des nicotinisierten
Frosches, wie sie schon 1848 von Falck geschildert worden ist, sowie
der Katalepsie der Vorderarme, auf die zuerst vonAnrep 1879 beson-
ders aufmerksam gemacht hat. Auch die erwähnten Krämpfe und
tlimmernden Zuckungen in der Beinmuskulatur sind mehrfach bei
Nicotin vergifteten Fröschen beobachtet worden.
Wie oben bereits erwähnt, trat bei der grolsen Zahl der Frösche
von einer bestimmten Gabe an ein tetanusähnlicher Krampf auf, teta-
606 A. Pinner: TUeber Niecotin.
nische Streckungen der Hinterbeine, die gro/se Aehnlichkeit mit der
entsprechenden Wirkung des Strychnins hatten.“
„Vergleicht man das, was wir an den Säugetieren feststellen
konnten, mit den in der Litteratur niedergelegten Angaben über die
Wirkung des Nicotin, dan kommt man zu der Ueberzeugung, dafs
beide Gifte im grofsen und ganzen in der gleichen Weise einwirken ;
die Hypersekretionen, die klorischen Krämpfe, die mit tonischen
wechseln, die beobachtete Myose, all das wurde auch oft genug
während des Verlaufes der Nicotinwirkung beobachtet.“
Wirkung auf Tauben:
„Kleinste, eben noch wirksame Gaben des Giftes brachten bald
nach der Applikation eine ziemlich erhebliche Beschleunigung der
tmungszahl, sowie Zeichen der Schwäche (schlaffes Herabhängen des
Kopfes, unsicheres Stehen, Einnahme der sitzenden Stellung). — Eine
geringe Steigerung der Gabe füste dann zu diesen Erscheinungen den
typischen Brechanfall hinzu, der bei verschiedenen Versuchen vielfach
sogar beobachtet werden konnte. Inzwischen hat die Wirkung des
Metanicotin auch noch derart eine Steigerung erlitten. dafs die Tiere
zeitweilig auf Hals und Kopf gelagert und unfähig waren, zu dem
Brechakt sich aufzurichten. Erst eine erhebliche Vergrölserung der
Giftmenge fügte krampfige Affektionen dem Symptomenkomplex zu.
Die krampfigen Bewegungen wurden ganz besonders stark an dem
Hinterteil des Körpers, an den Beinen wahrgenommen, die krampfig
steif nach hinten gestreckt, somit dem Willen des Tieres entzogen
waren, während die Brust- und Flügelmuskulatur noch regelrecht zum
Fluge gebraucht werden konnte.
Mit Benutzung der Tötungsgabe traten zu diesem sogenannten
Beinkrampf noch andere krampfige Bewegungen des Körpers hinzu,
bauptsächlich gegen Ende der Vergiftung ; meist konnte nachgewiesen
werden, dafs die krampfigen Bewegungen, Flügelschlagen, Zuckungen
des Schwanzes, gleichzeitig erfolgten mit den sehr verlangsamten und
erschwerten Inspirationen. — Dem Tode girg meist ein etwas stärkerer
Krampf kurz vorher. Auffallend war der ungemein rasche Eintritt de
Totenstarre.
Vergleichen wir das hier Mitgeteilte mit dem, was uns über die
Einwirkung des Nicotin auf die Taube von anderen Experimentatoren
angegeben wird, so finden wir, dals beide Gifte in gleichem Mafse
durch kleinste Gaben nur Atembeschleunigung hervorrufen, dafs dann
zu den Zeichen der Schwäche, sowie zu dem Erbrechen der Beinkrampf
sich hinzugesellt und dafs schliefslich dem Leben des Tieres durch
Stillstaud der Atmung ein Ende gesetzt wird.*
In Bezug auf die Intensität der Wirkung äufsert sich Herr
Ringshardtz:
A. Pinuner: Ueber Nicotin. 607
„Bei der früher mitgeteilten Versuchsweisse wurde ge-
funden, dals 4,58 mg Nicotin genügen, um für 1000 g Körper-
gewicht der Taube subceutan beizebracht, das Tier in ca. 12 bis
131/, Minuten zu töten. Wir fanden jetzt, dafs man von dem
Metanicotin entsprechend 37,4705 mg beibringen mul[s, und dafs
alsdann der Tod in 20 Min. später erfolgte. Beide Werte in
Vergleich gestellt ergeben, dafs das Nicotin 8,185 mal so
stark wirkt,alsdas Metanicotin.
Das Ergebnis aller Versuche ist, dafs das Metanicotin
qualitativ genau so wirkt, wie seine Mutter-
substanz,da[sesaber quantitativ ganz erheblich
hinterder Wirkung des Nieotins zurücksteht“
Vom chemischen Standpunkt aus würde also der Schlufs er-
laubt sein, dafs durch die Oeffnung des Pyrrolidinringes im Nicotin
zwar die charakteristische physiologische Wirkung des Alkaloids noch
erhalten bleibt, aber doch erheblich abgeschwächt wird.
Zersetzung des Oxynicotins.
Zur Zersetzung des Oxynicotins mittels Barythydrats erhitzt
man dasselbe mit aus zwei Teilen Hydrat bereitetem heils gesättigtem
Barytwasser S—10 Stunden auf 140°, destilliert alsdann das Re-
aktionsprodukt mit Wasserdampf, so lange noch das Destillat basisch
reagiert, und fällt aus der zurückbleibenden dunkelbraunen Flüssig-
keit das Barium mit Kohlensäure aus. Das Filtrat wird zum Trocknen
verdampft, der schwarze schmierige Rückstand in möglichst wenig
absolutem Alkohol gelöst, wobei in geringer Menge ein organisches
Bariumsalz zurückbleibt, und die Lösung mit etwa der achtfachen
Menge Aether versetzt. Dadurch werden die schmierigen Verunreini-
gungen zum grölsten Teil gefällt. Die ätherische Lösung hinterläfst
einen etwas gelb gefärbten geruchlosen Syrup, welcher direct analysiert
wurde. Er gab Zahlen, aus welchen sich die Zusammensetzung
Co Hıs Na O; berechnen liefs:
0,1448 g Subst. gaben 0,3028 g CO, und 0,1060 g H,O.
or „ „ 12,3 ccm N bei 170 C. und 762 mm Bar.
Berechnet für O,, His Na O3: Ä Gefunden:
C = 56,08 Proz. 57,03 Proz.
Tepe Pr 8.1972
N—=1308 8 12,717 4,
608 A. Piuner: Ueber Nicotin.
Die Substanz konnte sowohl C,,Hıs N 02 + Hz 0 als auch
CoHuN0O+ 2 H, O zusammengesetzt sein. Dafs jedoch that-
sächlich das Erstere der Fall ist, beweist die Geruchlosigkeit des
Syrups, die Leichtlöslichkeit des Pikrats und die vollständig neu-
trale Reaktion derselben. Erhitzt man aber die Substanz im
Vacuum, so tritt bei ca. 1650 (unter 50 mm Druck) Zersetzung
ein, die Masse schäumt stark auf und anscheinend unter Selbsterhitzung
geht bei 180—200% ein nach Pyridinbasen intensiv riechendes
Oel über, welches in Wasser leicht löslich ist und stark basisch reagiert.
Dieses Oel konnte nun auch bei gewöhnlichem Luftdruck ohne
Zersetzung destilliert werden und sott bei ca. 253%. Da die Menge zur
Reinigung mittels fraktionierter Destillation zu gering war, wurde zu-
nächst das destillierte Oel direct analysiert und folgende Zahlen erhalten:
0,145 g Subst. gaben 21,6 ccm N bei 21.600. und 760 mm Bar.
01372 8. % „..21,5 cem N bei 200 C. und 764 mm Bar.
DLTIE En, »„ 27.7 ccm N bei 190 CO. und 752 mm "Bar.
022608 „ „ 0,586 g CO, und 0,1772 g H,O.
0,1830 „ »„ 04722 g CO, und 0, 1446 8 H,O.
0.2426 g 0,631 g CO, und 0,1876 g en
Bei einer en Darstelluag wurden im destillierten Rohöl
folgende Mengenverhältnisse der Bestandteile gefunden:
0,1412 g Subst. gaben 21,0 cem N bei 240 C. und 756 mm Bar.
IS Fu „ 0,3440 g CO, und 0.0796 g H,O.
Daraus berechnen sich die Prozentzahlen:
C = 70,71 Proz. 70,38 Proz. 70,93 Proz. 71,07 Proz.
He 12870, 8:07.77, 8.58.1005 6.20.1053
N ne 13:02 .% 17510: ,-05 16.60 28
Aus diesen Analysen lie[s sich schlielsen, dafs das Substanzen-
gemisch zwar sauerstoffhaltig war, jedoch das Atomverhältnis C:H:
N=5:7:1, d.h. dasselbe wie im Nicotin selbst war. Da eine
Trennung des Gemisches durch teilweise Neutralisation mit Salz-
säure und Ausziehen des frei gebliebenen basischen Anteils mit
Aether zu keinem brauchbaren Resultat führte, wurde eine Trennung
der Pikrate mit Erfolg durchgeführt. Im Gegensatz nämlich zu
dem nicht destillierten Oel, welches auf Zusatz von Pikrinsäure
völlig klar bleibt, giebt das destillierte Oel mit der Säure einen
starken Niederschlag, der durch heilses Wasser sehr leicht in zwei
verschiedene Verbindungen zerlegt werden konnte. In heilsem
Wasser ist nämlich das Pikrat der einen recht leicht, das der anderen
recht schwer löslich. Es wurde deshalb das Basengemenge in sehr
A. Pinner: Teber Nicotin. 609
verdünnter Essigsäure gelöst und zur heilsen Lösung in einzelnen
Anteilen Pikrinsäure hinzugefügt, sofort filtriert, bis auf weiteren
Zusatz der Säure keine Fällung eintrat. Das letzte Filtrat lieferte
beim Erkalten gelbe Warzen, welche sich sofort als verschieden von
den schönen Prismen, in welchen das andere Pikrat krystallisierte,
zu erkennen gaben. Es wurden sowohl die verschiedenen Fällungen
als auch die letzte Krystallisation wiederholt umkrystallisiert und
sehr bald konstante Schmelzpunkte erreicht, die durch weiteres Um-
krystallisieren nicht mehr verändert wurden.
Das schwer lösliche Pikrat zeigte sich durch seinen Schmelz-
punkt (2180), durch sein Aussehen und sein ganzes Verhalten iden-
tisch mit Nicotinpikrat.
Das leichter lösliche Pikrat ist ziemlich schwer in kaltem,
ziemlich leicht in heilsem Wasser löslich, bildet kleine charakteristische
Wärzchen und schmilzt bei 184°,
Präparate zweier verschiedener Darstellungen gaben Zahlen,
welche nur auf ein Pikrat der Zusainmensetzung 0), H14Na30.2C,H; N30,
gedeutet werden können.
1. 0,1544 g Substanz gaben 0,2366 g CO, und 0,0582 g H,O
2. 0,2354 g Bi „0,3584 g CO, und 0,0786 g H,O
3. 0,1620 £ R » 0,2480 g CO, und 0,0510 g ER
4. 0,1604 g 5 5 24,4 ccm N bei 190°C. und 760 mm Bar.
5. 0,1563. 8 E % 23,3 ccm N bei 180 C. und 760 mm Bar.
6. 0,1480 g x 22,4 ccm N bei 170 ©. und 771 mu Bar.
Berechnet für 0, Hy NO. C,H;,N3;0;: Gefunden:
027 7.41.90 Proz 41,755 41,79 41,52 Proz.
ir DR as] AU: 4,18 3,71 3 iur e
Non ÜiBLinr 17,49: 17, 53915 NAB2 un
Diese Verbindung ist die dritte Isomere, welche direkt oder
indirekt aus dem Nicotin bisher erhalten worden ist. Sie ist mit
Sicherheit, wie unten in der Tabelle angegeben, von dem Oxynicotin
und Pseudonicotinoxyd zu unterscheiden.
Das bei der Einwirkung von Baryt aut Oxynicotin entstehende
Nieotin wird, wie oben erwähnt, aus der alkalischen Lösung durch
Wasserdampf abgetrieben. Säuert man das Destillat mit Salzsäure
an und verdampft völlig zur Trockne, so zerflieist beim Stehen an
der Luft das Nicotinsalz in kurzer Zeit. Hierbei kann man mit
Leichtigkeit beobachten, dals ein Teil des Salzes, schöne, lange,
farblose Nadeln, nicht zerfliefsen, wenn man nicht zu lange stehen
läfst. Dieser Teil ist das Chlorhydrat des Pseudonicotin-
610 A. Pinner: DUeber Nicotin,
oxyds. Er wurde von dem zerflossenen Nicotinchlorhydrat scharf
abgesaugt und abgeprefst und aus absolutem Alkohol umkrystallisiert.
Nun zeigte das Salz den früher angegebenen Schmelzpunkt des
Chlorhydrats dieser Base (192%, ebenso schmolz das daraus darge-
stellte Quecksilbersalz bei 212°, endlich wurde noch der Chlorgehalt
des Salzes bestimmt.
0,1056 g Substanz gaben 0,1212 g AgCl.
Berechnet für C,0H44N50. 2HC1: Gefunden:
Cl = 28,29 Proz. 28,39 Proz.
Da also unzweifelhaft jetzt drei gleich zusammengesetzte und
auseinander entstehende Verbindungen C,,H,,Nz0 bekannt sind,
deren Konstitution ebenfalls, wenn auch nicht mit aller Sicherheit,
erschlossen ist, so mögen sie wenigstens vorläufig unterscheidende
Das ÖOxynicotin, welches ein Aldehyd ist,
heilfse Nicotal, das Pseudonicotinoxyd, welches ein Alkohol ist,
Nicotol, das jetzt beschriebene dritte Isomere, welches äthylen-
Benennungen erhalten.
oxydartig gebundenen Sauerstoff enthält, heifse Nicoton:
@ SCH CH, /N-CHcH /N—-CH--CH,
tal | | | | | |
NINE CH, U EN CH; A Si
N | N | N j |
CH, CHO N——CH (OH) 0O—-CH
| |
CE; NHOH;,
Nicotal (Oxynicotin.) Nicotol Nicoton.
(Pseudonicotinoxyd.)
Der gröfseren Uebersichtlichkeit wegen mögen die Eigen-
schaften der drei Isomeren in folgender kleinen Tabelle nebeneinander
gestellt werden:
Oxynicotin:
Fest, an der Luft
leicht zerflie[slich, zer-
zetzt sich bei 1500 in
eine grolse Zahl von
Produkten ; besitzt
schwach basische Ei-
genschaften, reduziert
ammoniakalische Sil-
berlösung, giebt ein
schwer lösliches, bei
1540 schmelzendes Pi-
kr il.
Pseudonicotin- |
oxyd:
Farbloses Oel, inrei-
nem Wasser leicht lös-
lich, durch starke
Lauge aus der Lösung
abscheidbar, zersetzt
sich bei der Destilla-
tion oberhalb 2500
unter Abspaltung von
Wasser in Dehydro-
nicotin, besitzt stark
basische Eigenschaf-
ten, reduziert nicht,
giebt kein schwer lös-
liches Pikrat.
Nicoton:
Farbloses Oel, in rei-
nem Wasser leicht lös-
lich, durch starke
Lauge aus der Lösung
abscheidbar, destilliert
ohn= Zersetzung bei
ca. 2530, besitzt stark
basische Eigenschat-
ten, reduziert nicht,
giebt ein in der Kälte
schwer, in der Hitze
leicht lösliches, bei
1840 schmelzendes Pi-
krat.
A. Pinner: Ueber Nicotin. 611
Zum Schlufs seien noch einige Versuche erwähnt, welche nicht
zu reinen Produkten geführt haben, jedoch wegen der unglatten
Reaktion nicht weiter verfolgt werden konnten.
Das Cotinin C,oHıs N, O ist, wie in der ersten Mitteilung
angegeben ist,
C,H, N—CH—CH— CB
Me ul gg
CH,
konstituiert. Durch energische Hydrierung konnte dasselbe entweder
inC,H,N.CH.CH3.CH,.CO.NHCH; oder in
C;H,oN.CH.CH,.CH,.CHOH.NHCH,
übergehen. Es wurde deshalb in kochender alkoholischer Lösung
mit Natrium behandelt. Hierbei zeigte sich, dafs Ammoniak, nicht
Methylamin, wie durch besondere Versuche konstatiert wurde, ent-
wich. Es wird also ein Teil der Substanz völlig zerstört. Nach
Beendigung der Reduktion wurde die Masse mit etwas Wasser ver-
setzt, der Alkohol aus dem Wasserbad abdestilliert, das Destillat,
welches durch seinen Geruch die Gegenwart von Ammoniak verriet,
mit Salzsäure angesäuert, verdampft, und der Rückstand in das Pla-
tindoppelsalz verwandelt. De: Niederschlag besals das charakte-
ristische Aussehen des Platinsalmiaks und gab 43,67 Proz. Platin,
statt der berechneten 43,85 Proz. (0,1708 g Subst. gaben 0,0746 g Pt).
Die nach Verjagung des Alkohols hinterbleibende wässerige Lauge
wurde mit Chloroform ausgezogen, der Auszug verdampft und der
Rückstand im Vacuum destilliert. Dabei zersetzte er sich ziemlich
stark, indem er zum grölsten Teil bei ca. 2200 (bei 50 mm. Druck)
überging. Das Destillat ist ein dicker in Wasser löslicher Syrup
von eigentümlichem Geruch, von welchem analysirbare Salze nicht
erhalten wurden. Das salzsaure Salz ist eine harzige Masse, das
Platinsalz ein amorpher Niederschlag. Es wurde deshalb die Base
direkt analysiert und dabei Zahlen erhalten, welche auf eine Zu-
sammensetzung Co Hısg NO hindeuten.
0,1872 g Subst. gaben 0,4461 g CU, und 0,1624 g H,O.
0,2060 g Subst. gaben 26,5 cem N bei 200 C. und 753 mm Bar.
Berechnet für Cj9 Hjg N50: Gefunden:
C= 65,93 Proz. 64,99 Proz.
H—,9887774 9,03,
Ni 15,88H\" 7, 14,58
»
612 G. Dragendorfif: Beiträge zur gerichtlichen Chemie.
Die Ausbeute ist recht mangelhaft.
Dann wurde aus dem ÖOctohydronicotin Cjg Ha Na durch Brom
das Perbromid dargestellt. Es bildet sich sofort, wenn Brom zur
bromwasserstoffsauren Lösung der Base hinzugefügt wird und
krystallisiert in roten körnigen Massen. Es ist C,H2Ns.2HBr;
zusammengesetzt.
Durch schweflige Säuren reduzierbares Brom gefunden 48,3
und 49,9 Proz., berechnet für 4 Br 49,2 Proz.
Beim Liegen an der Luft hauchen die Krystalle sehr langsam
Brom aus und werden gelb. Es scheint nur die Hälfte der 4 Br
fortzugehen. Beim Erhitzen auf 1000 im geschlossenen Rohr scheint
das Brom substituierend oder oxydierend zu wirken. Es wurden
jedoch keine fafsbaren Produkte erhalten. f
Berlin, Juli 1895.
Beiträge zur gerichtlichen Chemie.
Von G. Dragendorff£f.
(Eingegangen den 27. Juli 1895.)
Den in früheren Jahren unter obigem Titel veröffentlichten
Mitteilungen über den Nachweis organischer Gifte!) lasse ich eine
neue Serie solcher Untersuchungen folgen, welche ich durch meine
Schüler in den letzten Jahren ausführen liefs und deren Ergebnisse
ich kurz bei Abfassung der vierten Auflage meiner „Ermittelung
von Giften“ verwertet habe.) Hier möge etwas ausführlicher wie
dort über die betr. Arbeiten referiert werden. Dieselben hatten
einmal die Aufgabe, für eine Reihe neu in den Arzneischatz einge-
führter starkwirkender Medikamente, neu entdeckter Pflanzengifte,
Alkaloide etc. den Modus der Isolierung aus komplizierteren Misch-
ungen — Speisebrei, Körperteilen, Blut, Harn ete. — festzustellen
— dann aber auch den Nachweis derselben durch Kontrole schon
bekannter, durch Aufsuchung neuer Reaktionen möglichst sicher zu
1) Vergl. Beitr. z. ger. Chem. einzelner org. Gifte. 1872, Vanden-
hoeck & Ruprecht, Göttingen, ferner Pharm. Ztschr. f. Rulsland, Jg.
1882, 1884 und 1886.
2) Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1895.
G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 613
machen. Zu letzterem Zweck habe ich besonders darauf Gewicht
gelegt, dals bei den besseren Farbenreaktionen, die mit Hilfe des
Spektroskopes erkennbaren Eigentümlichkeiten untersucht wurden,
deren Ausnutzung in dem Sinne, dals
1. das Spektrum der besonders charakteristischen Färbung und
2. die allmählich bei Farbenübergängen eintretenten Veränder-
ungen des Spektrums Berücksichtigung finden,
für den Nachweis organischer Gifte von bedeutendem praktischen
Wert ist.
Indem ich den Gang der Untersuchung auf organische Gifte
so wie ich ihn eingeführt habe — die Art der Vorbereitung kom-
plizierter Mischungen, das Ausschütteln mit Petroläther, Benzol,
Chloroform, Amylalkohol etc. -— als bekannt voraussetze, resp. in-
betreff derselben auf meine „Ermittelung von Giften“ verweise),
bemerke ich, dals bei Bearbeitung von Mischungen von Giften ete.
mit Speisebrei, Blut, Harn etc. im Allgemeinen nach Anleitung dieser
verfahren wurde, dals ich deshalb in Folgendem nur dort auf solche
Operationen eingehen werde, wo sich eine Abweichung von dem
gewöhnlichen Modus als notwendig herausstellte. Die Ausdrücke
„Ausschüttelung aus saurer, aus alkalischer, wässriger Lösung“ werde
ich im Hinblick auf obiges Werk und meine früheren Publikationen
wohl nicht weiter zu erklären brauchen; nur darauf sei auch bei
dieser Gelegenheit hingewiesen, dafs das Ansäuern der dem Aus-
schüttelprozeis zu unterwerfenden Mischungen stets mit verd.
Schwefelsäure, das Alkalischmachen derselben stets mit Ammoniak
erfolgte.
Esterdes Guajakols, Naphthols, Kresols etc.)
Die Mehrzahl dieser Verbindungen ist in den letzten Jahren
als Medikament empfohlen. Ihr Nachweis in Organen, Körperteilen
etc. macht, so lange sie unzersetzt sind, keine grolsen Schwierig-
keiten, da sie, wenn sie in saurer, wässriger Flüssigkeit verteilt oder
gelöst vorliegen, meistens schon durch Petroläther und noch leichter
durch Benzol ausgeschüttelt werden können. Unbequem ist, dafs
ı) Vierte Aufl. pag. 149—153.
®, Die Mehrzahl dieser Substanzen sind von Dr. Melch. Leuziunger
bearbeitet, vergl. dessen Dissertation „Beitr. z. ger. chem. Nachw.
neuerer Arzneimittel“, Dorpat, 1894.
614 G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie.
die Mehrzahl dieser Verbindungen in säurehalt. Wasser schwer
löslich ist. Wenn nun auch bei gerichtlich chemischen Analysen
aus Organen etc. nach meiner Methode immer wohl ein Teil dieser
Ester ausgezogen und später isoliert wird, so mag es doch in sol-
chen Fällen, in denen man die betr. Substanz möglichst vollständig
ausscheiden will, besser sein, wie ich es für die Untersuchung von
Blut, Leber, Faecalsubstanz etc. empfohlen habe, zu verfahren ı,
d. h. gleich nach dem Zerkleinern und Ansäuern mit verd. Schwefel-
säure mit 4—5 Raumteilen Alkohol zu mischen, 12—24 Stunden da-
mit zu mazerieren, dann zu filtrieren und den Alkohol wieder durch
Destillation zu entfernen. Der Destillationsrückstand ist vor dem
Ausschüttelnnichtnochmals zu filtrieren. Ueber die einzelnen hier-
her gehörigen Substanzen wäre Folgendes zu sagen:
Benzosol (Benzoylguajakol, Guajakolbenzoat), das neuer-
dings als milde wirkender Ersatz von Guajakol u. a. auch bei Dia-
betes mellitus angewendet wurde, wird durch den Magensaft lang-
sam in Guajakol und Benzoesäure zerlegt ?), leichter durch Alkalien,
am besten in Alkohollösung in analoger Weise gespalten. Nach
einer Gabe von 2,5 g wurde bei einem Diabetiker von v. Jaksch
Medizinalvergiftung — Diarrhoe, Ikterus, Herzschwäche, Beschleuni-
gung des Pulses ete. — beobachtet, bei welcher grofse Mengen von
Sulfosäuren neben Hippursäure durch den Harn ausgeschieden wur-
den. Letzterer kann noch die Reaktion des Guajakols geben, er
wirkt nach Jolles linksdrehend (Benzosol ist opt. inaktiv.).
Benzosol ist nach Bongartz fast unlöslich in Wasser; es löst
sich aber leicht in warmem Alkohol, in Aether und Chloroform.
Nach Leuzinger lälst es sich leicht durch Petroläther aus saurer
wässriger Flüssigkeit ausschütteln.. Die farblosen Krystalle des
B. schmelzen bei 59 (Thoms).
Reaktionen: Benzosol giebt nach dem Durchfeuchten mit SO*H?
bei Einwirkung von Acetondämpfen oder von einer Mischung aus
Aceton und Alkohol prachtvoll kirsch- bis purpurrote Färbung, die
noch bei Anwendung von 1 Milligramm erkannt wird (Salol giebt
nur Gelbfärbung).
1) Vergl. „Ermittel. v. G.“, 4. Aufl. p. 149 Anmerk.
2) Nach Einführung von Benzosol per os kann schon nach etwa
!/, Stunde Gwajakol im Harn und Speichel aufgefunden werden.
G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 615
Die Mischung des B. mit SO*H? wird mit Eisenchloridlösung
violett, grün und blau gestreift, sie wird nach Zugabe einer Spur
NHO, orange und grün, nach Zusatz von Kaliumnitrit grün, violett
und gelb, von Amylnitrit in Alkohollösung grün. Rohr- und Trauben-
zucker färben die Mischung mit SO, H, hochrot. Fröhde’s Reagens
nimmt anfangs mit violetter, dann roter Färbung auf, später wird
die Mischung grün (1: 60 000).
Vanadinschwefelsäure wird mit B. grün, setzt man das Reagens
zu einer Mischung von B. mit SO, Hs, so entstehen violette, grüne
und blaue Streifen (1: 90 000).
Guajakolsalol (Guajakolsalicylat), bei Phtisikern und zur
Desinfektion des Darmes angewendet, wird nach Bovet besonders
im Darm und in Fänlnisgemengen in Guajakol und Salicylsäure ge-
spalten. Auch durch alkoholische Kalilauge wird es in seine Kom-
ponenten zerlegt.
Es bildet farblose, nadelföürmige Krystalle, geschmack- und
geruchlos, in Wasser schwer, in Alkohol, Aether, Chloroform leicht
löslich ; in Petroläther und Benzol geht es aus saurer Wassermischung
leicht über. Es schmilzt bei 65 °.
Reaktionen: In Alkohollösung wird G. durch Eisenchlorid
violett gefärbt, durch nicht zu viel konz. SO, H, hellrot. Giebt man zu
dieser SO, H»-Mischung NHO,, so wird sie grün, dann violett und
weinrot. Auch mit Alkohol verdünntes Amylnitrit macht die mit
SO,H: gemischte Alkohol - Solution rötlich und später bleibend
Mischt man gepulvertes G. mit SO,H,, so bewirkt ein Zusatz
von Kaliumnitrit grüne, blaue, dann rot werdende Streifen und
allmählich wird die ganze Mischung weinrot (1:60000). Aceton-
dampf oder Alkohol-Aceton-Mischung machen das mit SO,H, durch-
teuchtete @. hochrot (1:7200); also auch hier wie beim Benzosol
ein Unterschied mit Salol.
Vanadinschwefelsäure giebt beim Mischen mit gepulvertem G.
grüne, dann blauschwarze Färbung, Fröhde’s Reagens giebt anfangs
violette Streifungen, die später einer smaragdgrünen Färbung weichen
(1:80000). Mengt man zur alkoholischen Lösung des G. Vanadin-
schwefelsäure, so tritt grüne, später bläulichke Färbung ein
(1: 180.000).
Arch. dä. Pharm. CCXXXIII. Bds. 8. Hefi 40
616 G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie.
Styrakol (Cinnamylguajakol, Guajakoleinnamat) wurde als
Antiseptikum, innerlich bei Blasenkatarrh, Gonorrhoe, Tuberkulose,
empfohlen. Beim Durchgang durch den Körper wird es, wenigstens
teilweise, zersetzt; nach Anwendung von 0,5 g St. konnte aus dem
Harn reichlich Guajakol gewonnen werden.
Styrakol geht bedeutend schwerer wie Benzosol und Guajakol-
salol aus saurer wässriger Mischung in Petroläther über. Leicht
und vollständig läfst es sich durch Benzol ausschütteln. In Wasser
ist es sehr schwer löslich ; seine farblosen nadelförmigen Krystalle
schmelzen bei 130°.
Reaktionen: Konz. SO, H, löst reines St. mit gelber
Farbe; diese Mischung wird auf Zusatz von NO,H orange, mit
Kaliumnitrit violett und grün gestreift. Auch mit Acetondampf
resp. Aceton-Alkohol wird sie violett gestreift.
Ebenso bewirkt St. in Vanadinschwefelsäure und Fröhde’s
Reagens violette und grüne Streifungen.
Zum Unterschied von Benzosol und Guajakolsalol kann neben
dem Verhalten gegen Petroläther namentlich dasjenige gegen warme
Natronlauge und Hypermanganat benutzt werden. Der Geruch nach
Bittermandelöl konnte mit 0,05 g Styrakol erlangt werden.
Da die drei bisher besprochenen Ester im Körper grölsere
oder geringere Mengen von Guajakol als Zersetzurgsprodukt
liefern, so mag es nicht überflüssig sein, hier einige Worte
über den Nachweis desselben anzuschliefsen. Bekanntlich ist
dieses G. im Handel in verschiedenen Graden der Reinheit zu-
gänglich: während das reinste, synthetisch erhaltene, Präparat farblose
Krystalle bildet, kommt daneben ein zwar als „absolut rein“ be-
zeichnetes G. vor, das aber flüssig ist und in der That oft an
50 Proz. fremde Substarzen (Kreosol etc.) enthält. Je nachdem das
eine oder andere Präparat bei Anfertigung von Estern verbraucht
wurde, mufs das im Körper entstehende Guajakol gleichfalls in einem
Falle rein, im andern mit Kreosol etc. verunreinigt erhalten werden.
Da nun beide Produkte in ihren Eigenschaften verschieden sind,
mögen diese hier neben einander "vorgeführt werden. Zunächst
sei nur noch bemerkt, dals beide Handelssorten aus saurer wässriger
Lösung durch Petrolaether ausgeschüttelt werden.
@. Dragendorff:
Schwefelsäure
Schwefelsäure +
wenig NO,H
Schwefelsäure +
einer Spur Kalium-
nitrit
Schwefelsäure +
Eisenchlorid
Schwefelsäure (140) +
selensaurem Kali (,)
Vanadinschwefelsäure
Fröhde’s Reagens
Eisenchlorid (in alkoh.
Lös.d. G.angewendet)
Wenig HCl und Ka-
liumhypermanganat
iu Wasserlösung d.G.)
Kıyst. Guajakol.
löst farblos
löst rot, beim Er-
hitzen braun
geben violette und
grüne Streifungen
geben grüne, blaue,
violette Streifen
lösen grün (Styrakol
gelb)
giebt blaue, grüne
und violette Strei-
fungen
giebt anfangs grüne
und violette Streif.,
dann blau-grüne
Mischung
färbt bei Spuren von
Fe,Cl, blau und
smaragdgrün, beimmehr
gleich schön grün
(Thoms)
färbt kirschrot, dann
bräunlich (Thoms)
Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 617
Flüssiges Guajakol.
löst anfangs blals
purpurfarben oder
gelb
löst tiefbraun, dann
rotbraun (bei mehr
NO,;H orange)
wie das krystallisierte
ebenso
lösen schmutzig grün-
braun, dann violett
löst olivengrün
anfangs violette und
grüne Zonen, dann
schön violetteFärbung
wie das krystallisierte
färben gleich
bräunlich.
In Wasserlösung wird Guajakol durch Eisenchlorid gleichfalls
grün und man kann dann nach Untersuchung meines Schülers Mesing
spektroskopisch eine Absorption in Roth und Orange von 654—610 „,
eine schwache Beschattung bei 595 « und geringe Absorption in
Violett und Indigo bis 450 « nachweisen.
ist bei Abdominal-
Es scheint im
Alphol (Salicylsäure- « Naphtylester)
typhus, Dysenterie und Cholera empfohlen worden.
Körper z. T. zu « Naphtol resp. Sulfosäure desselben umgesetzt zu
werden, von denen ersteres stärker antiseptisch und weniger giftig
wie # Naphtol sein soll.
Alphol ist farblos krystallinisch, in Wasser schwer, in Alkohol
leichter löslich. Es kann aus sauren wässerigen Mischungen mit
40*
618 G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie.
Petroläther ausgeschüttelt werden; aus Harn- und Blutmischungen
liefs es sich nach meinem Untersuchungsverfahren leicht abscheiden.
Reaktionen: Konz. SO,H, löst mit gelber Farbe (1: 60 000).
NO?H oder Salpeter machen diese Lösung blau, dann sofort grün (bei
sehr kleinen Mengen — 1:120000 — gleich grün). Später wird
die grüne Mischung von einem roten Hof umgeben und geht endlich
in braun über. Auch mit Kaliumnitrit erhält man in ähnlicher
Weise schöne Grüntärbung (1:120000). Diese Reaktion kann auch
umgekehrt zum Nachweis von Salpetersäure und salpetriger Säure
benutzt werden. Als Leuzinger einige Tropfen 1 prozent. alkohol
Lösung von Alphol zu einer wässrigen Sol. von NO;H oder KNO,
setzte und mit reiner konz. SO, H, unterschichtete, trat schöne grüne
Zonenfärbung ein und das Reagens erwies sich als fast noch einmal
so empfindlich als Brucin. Im Spektrum der Mischung mit SO,H,
und NO,;,H oder KNO, sah v. Bunge!) Absorption von Violett bis
Grün (500 «) und ein Band in Rot (680—650 u).
In der Mischung des A. mit konz. SO®H? tritt nach Zusatz
von Furfurolwasser (2 Tropfen Furfurol auf 1 ccm Wasser) Purpur-
Violettfärbung ein. Das Spektrum zeigt dabei einen Streifen in
Gelbgrün (570—540 «, oder bei gröfserer Konzentration 570—500 ;
dann ein Dunkelheitsmaximum von 560—540 «). Setzt man zu der
Mischung mit SO,H, Rohrzucker, so sieht man schön kirschrote Färb-
ung?), verfolgt man den Eintritt derselben mittelst des Spektroskopes,
so zeigt sich anfangs in Gelborange ein Band (590—565 «), nach 1 bis
2 Minuten ein zweiter schwächerer Streifen in Gelb (550—535 «),
das sich später mit ersterem vereinigt (600—530 «). Giebt man zu
der Zuckermischung Ammoniak, so wird sie blau und die Spektral-
Streifen schwinden.
Eisenchlorid macht die Mischung des Alphols mit SO,H,
smaragdgrün, dann oliven- und hellgrün, Acetondampf färbt sie gelb.
Erhitzt man A. mit SO4 Hs und Jodoform, so sieht man die Mischung
in grün fluorescieren. Fröhde’s Reagens färbt sich mit A grün
(1:80 000). Das Spektrum der Mischung gleicht dem derjenigen
mit SO,H, und NO,H. Vanadinschwefelsäure wird durch A. grün,
dann olivengrün und nach Zusatz von wenig Wasser rotbraun..
1) Beitr. z. Spektroskopie einzelner Gifte: Diss. Dorpat 1894.
2) Traubenzucker und Lactose machen viol-tt.
G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 619
Schwefelsäure (2 cem) + uransaures Ammon (0,1 g) werden durch
A. grün, beim Erwärmen graubraun (s. später beim Beto]).
Alkoholische Lösung von A. wird mit verd. Lösung von Eisenchlorid
violett (1:2000), mit alkohol. Natronlauge und Chloroform färbt sie
sich erst beim Erwärmen blau.
Betol(Salieylsäure-# Naphthylesther, Naphthalol, Salinaphthol)
wird bei Ischias, Blasenkatarrhen, gonorrhoischer Oystitis und als
Ersatz des Salols empfohlen. Es wird wie dieses durch den Pan-
kreas aber auch durch Fermente der Dünndarm- und oberen Dick-
darmschleimhaut in seine Komponenten zerlegt (Kobert). Da
#Naphtol besser vom Darm vertragen wird wie das Phenol, so be-
fürwortet Kobert den Gebrauch des Betols anstatt den des Salols.
Im Harn findet man nach innerlichem Gebrauch von Betol Salieyl-
und Salicylursäure neben Naphtylschwefelsäure, welche letztere
durch Erhitzen mit verd. Säuren zu Naphtol und SO,H, zerfällt.
Betol bildet gleichfalls farblose Krystalle, die selbst in heifsem
Wasser schwerlöslich sind, die aber von warmem Alkohol, von
Aether und Benzol leicht gelöst werden und sich durch Petrolaether
aus saurer wässriger Mischung ausschütteln lassen. Die Isolierung
nach meiner Methode aus Harn, Blut ete. macht keine Schwierigkeiten.
Für den Nachweis sind namentlich folgende Reactionen zu
beachten:
Konz. SO, H, löst gelb, diese Mischung wird mit wenig NO,H
olivengrün (Salol nicht).
Wenn nach Flückiger eine Mischung von SO,H, (2 ccm.) mit
Betol (0,2) und Chloralhydrat (0,1) beim Schütteln sich braunrot
färbt, so läfst sich diese Reaction nach Leuziger dadurch verbessern,
dafs man erst Betol in SO,H; löst, dann ein Krystall von Chloral-
hydrat zusetzt; die Mischung wird nach einander orange, dann rot-
violett und rot mit grüner Fluorescenz (1:1500). Im Spektrum der
Orange-Mischung findet sich, wie von Bunge feststellte, ein Streiten
in Grün (520—490 «der auch nach dem Uebergang in violett und rot
bleibt). Bromalhydrat färbt ziegelrot, dann violett. Furfurolwasser
erzeugt in der Mischung von B. mit SO,H; rosa, dann rot, rot-vio-
lette, endlich schöne Violetttärbung (1:12000). Auch Rohrzucker
wacht die Mischung rot und violett und auch hier zeigt sich im
620 G. Dragendortfft: Beiträge zur gerichtlichen Chemie.
Spektrum der Streifen in Grün (520—490 „). Auch Lactose giebt die
Violettfärbung (Traubenzucker schmutzig-violette, später grüne).
Eisenchlorid macht die Mischung m't SO, H, violett, dann rot-
braun (im Spektrum nur ein Schatten in Blau (500—490 „). Natrium-
nitrit färbt sie, wie schon Flückiger sah, rotbraun und beim Erwär-
men violett. Macht man erst die Mischung mit SO,H, warm (Grün-
färbung) und mischt zur wiedererkalteten Flüssigkeit Nitrit, so
sieht man blutrote Färbung und allmälich verschieden gefärbte
— rosa, gelbe — Ringe. Erwärmt man die Mischung mit
SO,H, mit einer Spur Jodoform, so wird die später erkaltete
Flüssigkeit grün.
Vanadinschwetelsäure, zur SO, H,-Mischung des Betols gesetzt,
verursacht grüne, blaue, auch violette Streifen (0,00005 g).
Nach dem Kochen von Betol mit konzentrierter Kalilauge
färbt Chloroform schön blau. In alkoholischer Lösung giebt Betol
mit Eisenchlorid violette Färbung.
Benzonaphthol (Benzoesäure - 3- Naphtholesther) soll
eben so stark antiseptisch wie #-Naphthol wirken, aber nicht die
unangenehmen Nebenwirkungen dieses besitzen. Man empfiehlt es,
da es stark diuretisch wirkt, wo man bei antiseptischer Behandlung
des Darmes zugleich Diurese erzielen will. Im Darme zerfällt auch
dieser Ester in seine Komponenten, von denen die Benzoäsäure als
Hippursäure durch den Harn ausgeschieden wird. Behauptet wird,
dafs das Naphthol im Darm verbleibe, was wohl nur für einen Teil
desselben gelten kann, da andere Naphthylester nach der Darm-
spaltung Naphthylschwefelsäure in den Harn liefern. Beim Kochen
mit Kalilauge zerfällt Benzonaphthol zu Kaliumbenzoat und #-Naphtol.
Benzonaphthol bildet farblose Krystalle, deren Löslichkeitsverhältnisse
denen des Betols gleichen. Wie dieses kann es aus saurer wässriger
Flüssigkeit durch Petrolaether ausgeschüttelt werden.
Reaktionen: Von konz. SO,Hs wird Benzonaphthol gelb,
beim Erwärmen violett gelöst, wobei Fluorescenz in Grün be-
obachtet wird.
In der Mischung mit SO,H, bewirken Salpeter oder NO;3H
schwarzbraune, Kaliumnitrit violette, später in Rot und Blau über-
gehende Färbung. Eisenchlorid macht sie violett, dann rot (1:30 000),
Zusatz von Ammoniummolybdat blauviolett, rot, dann grün und blau
G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 621
(1:60000). Auch Fröhde's Reagens färbt die Lösung in SO,H,
violett (1:20 000) und Vanadinschwefelsäure macht dieselbe violett.
dann rot, später blau (1:30000). Chloralhydrat färbt die Lösung
in SO,H, grünlich, dann orange (1:60 000), Bromalhydrat gleich
orange.
Giebt man zu der Schwefelsäuremischung Furfurolwasser, so
tritt Purpur-, später Violettfärbung ein (1:1000). Rohrzucker macht
die Mischung mit SO,H, rotviolett, Traubenzucker violett, später
blau. Giebt man zu der Mischung mit SO,)Hs eine 20 prozentige,
alkoholische Acetonlösuug, so tritt Gelbfärbung ein. Benzonaphthol
giebt, erst nachdem es mit alkoholischer Natronlauge erhitzt wurde,
mit Chloroform Blaufärbung (3-Naphtol!), auch ohne dafs erhitzt
wurde.
83 Naphtholcarbonat (Kohlensäure-# Naphthylester) wird
als Darmantiseptikum empfohlen, welches weniger reizend als das
3 Naphthol wirkt. Im Darm wird es zu CO? und Naphthol
zerlegt.
3 Naphtholearbonat bildet glänzende Krystallblättchen, bei
1760 schmelzend, in Wasser schwer, in heilsem Alkohol leichter
löslich ; von Petrolaether wird es schwer, leicht aber von Benzol
aus saurer wässriger Mischung aufgenommen. Mittelst Benzol kann
es bei Bearbeitung nach meiner Methode aus Harn, Blut etc. isoliert
werden.
Reaktionen: Nach dem Lösen in konz, SO? H? färben Salpeter
oder NO®H gelb, Kaliumnitrit violett (nach Wasserzusatz braunrot),
Vanadinschwefelsäure?) hellviolett, bald rotbraun, Fröhde’s
Reagens®) violett, dann schwarzblau (nach Wasserzusatz grün),
Chloralhydrat schmutzig gelbbraun mit grüner Fluorescenz, Jodotorm
(nochmals erhitzen) grün, gleichfalls mit starker Fluorescenz in
Grün, Furfurolwasser rosarot, Rohrzucker (gelinde erwärmen) grün;
Traubenzucker veranlalst carmoisinrote und grüne Streifungen, dann
I) Freies 3#-Naphthol erkennt man auch an derkirschroten Färbung,
welche eine mit gl. Vol, NO®H versetzte Alkohollösung mit Queck-
silbernitrat annimmt.
?®) Die hier und in vielen Fällen besser tropfenweise zur Mischung
mit SO4 H? zugesetzt wird.
3) Ebenso.
622 G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie.
olivengrüne Mischung und nach neuem Erhitzen smaragdgrüne
Färbung, Lactose braune, beim Erwärmen olivengrüne Färbung.
Erwärmt man mit alkoh. Natronlauge, so zeigt sielı Fluorescenz in
Blau, giebt man dann nach Verdünnen mit Wasser Chloroform hinzu,
so tritt mitunter eine grünblaue Färbung ein. Will man die inten-
sive Blautärbung mit Chloroform haben, wie sie 3 Naphthol geben
soll, so mufs man mit starker Kalilauge das Naphtholkarbonat kochen,
nach dem Ahkühlen Chloroform zusetzen und nun nochmals etwas
erwärmen.
Da die zuletzt besprochenen Ester im Körper zu Naphthol
zersetzt werden, so wird es mitunter nicht möglich sein, erstere
selber nachzuweisen !), sondern man wird sich bequemen müssen,
das Naphthol resp. (im Harn) Naphtholschwefelsäure oder Naphtol-
glycuronsäure aufzusuchen. Letztere werden durch Kochen des
betr. Harnes mit Salzsäure zerlegt und es kann dann das Naphthol
durch Aether oder Petroläther ausgeschüttelt werden. Zur Unter-
scheidung des « und #3 Naphthols kann man folgende Reaktionen
verwenden:
aNaphthol färbt sich in ca. löprozentiger alkoholischer-
Lösung nach Zusatz von etwas Rohzucker mit 2 Vol.
SO®H? tief violett, es giebt mit einem Tropfen einer
Mischung aus 1 Th. K2CrO„ 10 T. Wasser und 1 T.
konzentriert NO®H schwarzen Niederschlag (Aymonier), es wird
in Lösung mit verdünnter Natronlauge (0,04 Naphthol, 0,5 cem
Normalnatron, 1—2 ccm Wasser) durch Zusatz einer Mischung aus
0,05 Sulfanilsäure, gelöst in 5 ccm Normalnatron, sowie 0,02 Natrium-
nitrit, gelöst in 5 cem Normalschwefelsäure, dunkelblutrot und nach
Zugabe von mehr verdünnter SO,H, braun (Richardson). Endlich
soll «-Naphthol nach Flückiger, wenn 0,2 g des Naphthols mit 0,2 g
HgCl,, 0,1 g NaNO,;, und 10 ccm Wasser bei 100° zusammen-
geschüttelt werden, nur geringe Menge eines scharlachroten Absatzes
liefern.
5#-Naphthol teilt die Reaktion mit Zucker und SO,H, und
K;, Cr, 0, + NO;H nicht, es giebt bei der Probe Richardsons nur
eine rötlichgelbe Färbung, die aber auch nach Zusatz verdünnter
1) Namentlich wenn sie bereits den Magen, in dem sie unzersetzt
bleiben, passiert haben.
G. Dragendortff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 623
SO, H; bleibt; bei der Flückiger’'schen Reaktion giebt es reichliche
Mengen eines amorphen rotbraunen Absatzes. Es liefert endlich bei
schwachem Erwärmen mit starker Kalilauge und Chloroform oder
Chloralhydrat die bekannte Blaufärbung, auf welche Lustgarten zuerst
aufmerksam machte (0,016 g).
Kresolsalole. Alle drei Kresolsalole sind neuerdings
dargestellt und zu medizinischem Gebrauch empfohlen. Meta- und
Parakresolsalol sollen nach Bircher bei der Wundbehandlung als
ungiftiger und geruchloser Ersatz des Jodoforms gute Dienste leisten,
Orthokresolsalol wurde von Neisse als Ersatz des Natriumsalieylates
und als Antiseptikum für den Darmkanal und die Harnwege
empfohlen.
Alle drei Verbindungen sind farblos, krystallinisch, in Wasser
schwer, in Alkohol und Aether leichter löslich. Durch Petroläther
können sie aus saurer wässriger Mischung leicht ausgeschüttelt
werden. Alle drei werden durch Kochen mit Natronlauge in Salicyl
säure und das entsprechende Kresol zerlegt; auch im Darme er-
fahren sie eine analoge Spaltung. Orthokresolsalol schmilzt bei 350,
Metakresolsalol bei 73—74°, Parakresolsalol bei 390. Beim stärkeren
Erhitzen ihrer Lösungen in Petroläther sollen die Ortho- und Para-
verbindung, die auch beim Verdunsten leicht etwas Lösungsmittel
zurückhalten und flüssig bleiben, teilweise zersetzt werden.
Reaktionen: Alle drei Kresolsalole werden in Alkohollösung
durch wenig Eisenchlorid violett gefärbt (1: 10000); Zusatz von HCl
hebt die Färbung auf.
Metakresalol soll nach dem Schmelzen und Zersetzen
mit Natronlauge beim Erwärmen mit NH; und Einwirkung von Brom-
dampf Grün- und Blaufärbung zeigen.
Das in SO, Ha gelöste M. wird durch Kaliumnitrit orange, braun
und grün gefärbt. Im Spektrum sieht man einen Streifen in Orange
von 650—620 «.
Fröhde’s Reagens soll das M. mit blauer, später grüner, zu-
letzt blauschwarzer Farbe lösen. In der grün gewordenen Mischung
sah v. Bunge ein Spektralband in Orange (640—600 «) und eine
Endabsorption etwa bis 500 «. Auch nach Zusatz von Vanadin-
schwefelsäure zur Lösung in SO,H; tritt blaue, grüne, endlich grün-
624 G. Dragendortff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie.
braune Färbung ein (im Spektr. Absorpt. in Rot von 700-650 « und
bedeutende Verdunkelung am violetten Ende).
Parakresalol wirdnach dem Verteilen in konz. SO,H» durch
NO,H rotbraun, dann kirschrot, durch Salpeter gelb, durch Kaliumnitrit
rotbraun, dann grün, durch K,Cr, 0, grün, durch F urfurolwasser orange,
durch Vanadinschwefelsäure grün, dann blau und rotviolett (1:50000),
durch Fröhde’s Reagens blau, dann violett, zuletzt rotbraun (1 : 6000)
gefärbt.
Bei diesen Reaktionen sieht man, wie von Bunge festgestellt
hat, folgende Spektra. Bei SO,H, und KNO, erst nach Eintritt der
Grünfärbung einen Streifen in Rot von 700-660 „und Absorption von
Violett ete. bis 480, bei Vanadinschwefelsäure, erst nachdem die
kirschrote Färbung eingetreten, Band in Grün von 530—490 «, mit
Fröhde’s Reagens anfangs einen ähnlichen Streifen ‚später einen zweiten
in Orange von 650—600 «, dann Verdunkelung des ganzen Spek-
trums namentlich von Violett aus, mit Furfurol Streifen in Grün von
490-475 «, nicht charakteristisch, da auch Furfurol mit SO,H,
allein ein ähnliches Band giebt.
Orthokresalol, in SO,H, gelöst, giebt mit NO;H hell-
gelbe, dann schöne grüne und endlich orange Färbung, mit Kalium-
nitrit rotbraune, dann smaragdgrüne, weiter blaue, später rosa oder
violett gerandete Färbung, mit Fröhde’s Reagens wird obige Misch-
ung violett gestreift, dann blaugrün, endlich smaragdgrün, mit
Vanadinschwefelsäure olivengrün, auch mit SO,H, und K,Crs0, orange
und olivengrün. Furfurolwasser macht in der SO,Hs,-Mischung
orange und heilviolett. Nur die Mischung mit Kaliumnitrit giebt
ein charakteristisches Spektrum — Band in Rot vorn 700—650 «.
Bei Untersuchung des aus Harn- und Blutmischungen isolierten
Orthokresalols sind diese Farbenreaktionen durch Beimengungen
etwas gestört.
Benzoparakresol! (Benzoesäure -p-Kresylester) soll
gleichfalls antiseptisch wirken.
Es bildet farblose Krystalle, die bei 70—71° schmelzen, in
Wasser sehr schwer löslich, in heilsem Alkohol, Aether, Chloroform
leicht löslich sind und aus saurer wässriger Mischung durch Petrol-
aether und Benzol isoliert werden können.
G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 625
Reaktionen: In Mischung mit SO,H, wird B. durch NO,H
oder Salpeter orange (1:1000), durch Kaliumnitrit dunkelrotbraun,
später kirschrot gefärbt (1:6000), durch Ammoniummolybdat grün,
blau und violett gestreift, später längere Zeit gleichmälsig blau.
Auch Fröhde's Reagens färbt sich mit B. intensiv blau, dann grün
und zuletzt braun (1:30000), während Vanadinschwefelsäure rosa-
violette, schnell in rotbraun übergehende Tinktion erzeugt.
Methylsalol (Parakresotinsäure-Phenylester) wird als Er-
satz des Salols empfohlen. Es bildet farblose Nadeln, fast unlöslich
in Wasser, leicht löslich in heilsem Alkohol, in Aether, Benzol und
Chloroform. Auch dieser Ester kann durch Petrolaether aus saueren
Wassermischungen gewonnen werden. Er läfst sich nach meiner
Methode gut isolieren.
Reaktionen: In Mischung mit SO,H, wird M. durch NO;H
orange gefärbt (1:5000), durch Zusatz von wenig Kaliumnitrit rot-
braun, dann smaragdgrün, später dunkelblau mit rosa und ziegelroter
Umrandung, endlich tritt violett und blutrote Färbung her-
vor, die durch Zusatz von etwas Wasser schneller erlangt werden
kann (1 : 3000). Giebt man zu der Mischung mit SO,H» eine Spur
Ammoniummolybdat so erhält man schön himmelblaue Färbung
(1:12000). Fröhde's Reagens löst mit blauer Farbe, schnell in
olivengrün übergehend (1:60000). Vanadinschwefelsäure färbt die
Mischung mit SO, H; violett, dann olivengrün (1: 100000), selensaures
Kali (1:140) macht sie gelb, später schön grün, selenige Säure aber
macht die Mischung mit SO, H, violett und (beim Erhitzen) rotbraun.
Ammoniumsulfuranat !) löst mit grünblauer Farbe.
In Alkohollösung wird M. durch wenig Fe]; violett ge-
färbt (1: 4000).
Salacetol (Acetosalicylsäureester) ist gleichfalls als Ersatz
des Salols in Vorschlag gekommen, dessen Giftigkeit es nicht be-
sitzt und dessen Wirkung im Darm und bei Krankheiten der Harn-
wege es teilen soll. Nach innerlichem Gebrauch wird es im Darme
zerlegt und die dabei abgespaltene Salicylsäure kann im Harn nach-
gewiesen werden. Auch durch Einwirkung verdünnter Alkalilösungen
wird es zu Salieylsäure und Acetonalkohol zerlegt.
1) Vergl. beim Alphol.
626 G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie.
S. krystallisiert in feinen Nadeln, die bei 710 schmelzen, auch
in heilsem Wasser schwer löslich, in heifsem Alkohol, Aether, Petrol-
äther, Benzol, Chloroform, Schwetelkohlenstoff aber leicht löslich
sind. Durch Petroläther kann er aus sauren wässrigen Mischungen
gut ausgeschüttelt werden.
Reaktionen: In SO,H; gelöst, wirdS. durch Kaliumnitrit car-
moisinrot gefärbt (1:4000), mit Ammoniummolybdat schön lasurblau.
Fröhde’s Reagens löst violett, später rötlich werdend (1: 6000),
Vanadinschwefelsäure smaragdgrün (1:100000), SO, Hs + K, Cr 0;
braun, dann grün, Ammoniumsulfuranat rosa, beim Erwärmen violett.
Resorein färbt in Lösung mit SO,H, orange (1: 15000).
In Alkohollösung wird S. durch Fe Cl; violett (1:30000);
HCl entfärbt die Mischung.
Salacetol reduziert nach dem Lösen in verdünnter Natronlauge
Fehling’sche Solution.
Amidische Verbindungen.
Salophen (Acetylparamidophenolsalicylsäureester, Salicyl-
acetylparamidophenol) soll bei Gelenkrheumatismus vor dem Salol
den Vorteil haben, geschmacklos und weniger giftig zu sein. Auch
bei Cephalalgie, Hemicranie und verwandten Neurosen soll es Nutzen
gewähren. Zu bemerken ist, dafs S., welches zwar im Körper durch
Pancreasferment in Salicylsäure und Acetylparamidophenol gespalten
wird und dessen Komponenten dann im Harn nachweisbar sind, teil-
weise auch unzersetzt durch die Haut und mit dem Schweifs den
Körper verläfst.
Salophen bildet farblose Krystallblättchen, neutralreagierend,
schwer löslich in Wasser, leicht löslich in Alkohol und Aether. Durch
Petroläther wird es nicht, leicht aber durch Benzol aus saurer
wässriger Mischung nach meiner Methode ausgeschüttelt. Es schmilzt
bei 187—1880,
Reaktionen: Salophen wird schon in der Kälte von Alkali-
lauge aufgelöst; kocht man es mit Natronlauge?), so färbt sich diese
anfangs blau, dann gelbrot. Schüttelt man diese erkaltete Lösung
mit Luft, so wird sie wieder dunkelblau, versetzt man sie mit Jod-
jodkalum. Bromwasser oder Chlorkalksolution, so färbt sie sich grün
1) Auch beim Kochen mit Barytwasser tritt Blaufärbung ein.
G. Dragenäorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 627
1:330) oder bei wenig Chlorkalk (kaltbereitete Lösung in Natron)
violett.
In alkoholischer Lösung des S. bewirkt Fe, Ol, Violettfärbung
(1:15 000), dagegen Salophen (in wenig Alkohol gelöst) in wässe-
riger Lösung von Fe, Cl, gelbe Färbung.
Kocht man S. mit HCl, so entsteht nach dem Erkalten durch
wenig Phenol und frisch filtrierte Chlorkalklösung rote, nach Zusatz
von NH, blaue Färbung (Indopheno)).
Kocht man S. mit wenig Alkohol und einigen Tropfen SO,H,,
so bemerkt man den Geruch nach Essigäther.
S. löst sich in konz. SO,H, farblos, beim Erwärmen rotbraun.
Giebt man zur wieder erkalteten Lösung Bromwasser, so scheiden
sich Krystalle aus. K, Cr, O, macht grün. Mischt man SO,H,
mit wenig Kaliumchlorat und setzt Salophen hinzu, so sieht man
Braunfärbung und grüne Streifungen in der Mischung.
Salocoll (Phenocollsalieylat) soll in sich die Wirkungen des
Phenocolls und der Salicylsäure vereinigen; es hat vor ersterem den
Vorzug, leichter löslich zu sein. Bei seiner Anwendung als Anti-
pyreticum sollen schädliche Nebenwirkungen nicht eintreten; als
Antineuralgiecum soll es nach Cohnheim weniger wertvoll sein.
Grofs ist nach Balzer der Einfluls des Mittels auf die Stickstoffaus-
scheidung, die es bedeutend vermehrt.
Salocoll ist in kaltem Wasser schwer, in warmem Wasser
leicht löslich ; es krystallisiert aus letzterer Lösung in Prismen und
Nadeln. Sehr beachtenswert ist es, dafs Salocoll in Wasserlösung
auch durch verdünnte Säuren schon zersetzt wird zu Salicylsäure
und Phenocoll. Man wird also im Körper — und zwar schon im
Mageninhalte -— das Präparat meistens nicht mehr unzersetzt
antreffen, sondern sich mit dem Nachweis seiner Komponenten
begnügen müssen. Von diesen wird Salicylsäure bekanntlich
aus saurer, wässeriger Mischung durch Petroläther und besser durch
Benzol ausgeschüttelt, während Phenocoll erst aus den ammoniakalisch
gemachten Flüssigkeiten durch Petroläther und reichlicher durch
Benzol zu gewinnen ist. Nur wenn der Mageninhalt sehr wenig
treie Säure enthielte, könnte sich in ihm Salocoll unzersetzt finden.
Dann sollteman bei der Vorbereitung für die Ausschüttelungen jeden
Zusatz von SO,Hs vermeiden. Nach der Vorbereitung mit Alkohol
6285 G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie.
etc. würde man Salocoll durch Petroläther nicht ausschütteln können.
In Benzol und leichter noch in Chloroform geht es aus neutraler,
wässeriger Lösung über.
Reaktionen: S. giebtin alkoholischer und wässriger Lösung
die Salicylsäurereaktion mit Eisenchlorid (1:80 000), aber mit Kupfer-
sulfat keine Grünfärbung. Mit Bromwasser giebt die wässrige
Solution des S. weilsen Niederschlag ; das Filtrat von demselben
wird mit NH, braun unter Abscheidung nadelförmiger Krystalle.
Nach Zusatz von Phenol wird die wässrige Lösung des S. mit
Kaliumhypochlorit blau oder violett (später grün. Mit dem
Hypochlorit allein wird die Lösung des S. rot (mit Ueberschufs des
ersteren farblos und dann mit NH, orange).
Die Mischung des S. mit SOsH, färbt sich mit Salpeter rot,
dann orange und gelbgrün, mit Kaliumnitrit rot, mit Ammonium-
molybdat orange, grün und blau.
Verreibt man S. mit Fröhde’s Reagens, so färbt sich dieses
orange (auch mit Phenocoll allein — Salicylsäure würde dunkel-
violett und später blau machen) In der anfangs orange Mischung
bilden sich dann nach ca. 1 Stunde grüne und blaue Ringe und zu-
letzt wird die ganze Mischung schön grün.
Vanadinschwefelsäure giebt mit der Mischung des S. mit
SO,H, rote, gelbe, grüne und blaue Färbung.
Tolysal (Tolypyrinsalicylat) soll als Antirheumaticum und
Antipyreticum auch als Antisepticum brauchbar sein.
Es bildet farblose Krystalle, bei 101—-102° schmelzend, in
Wasser wenig, in Alkohol und in Essigäther leicht löslich. Durch
Petroläther kann esnicht, durch Benzol wohl ausgeschüttelt werden.
Aber auch hier hat man zu bemerken, dafs Tolysal durch verdünnte
Säuren zu Tolypyrinsulfat und Salicylsäure zersetzt wird — wenn
es auch nicht so leicht und vollständig wie das Salocoll in seine
Komponenten zerfällt. Es ist demnach möglich, dafs bei Unter-
suchung eines Mageninhaltes das Tolysal zum Teil noch unzersetzt
wieder isoliert wird, daneben wird man aber doch auch schon
Tolypyrin und Salicylsäure antreffen und diese werden in anderen
Organen allein oder doch vorzugsweise erkannt werden. Jedenfalls
empfiehlt es sich auch hier, bei der Abscheidung aus Körperteilen
die beim Salocoll angegebenen Modifikationen meines Verfahrens
G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 629
eintreten zu lassen. Tolysal wird am Besten durch Benzol aus
wenig saurer Mischung ausgeschüttelt, Tolypyrin wird erst aus
ammoniakalisch gemachter Solution durch Benzol, Salicylsäure,
wie schon gesagt, aus saurer Mischung durch Petroläther und besser
Benzol isoliert.
Reaktionen: Eisenchlorid bewirktin wässriger und alkoholi-
scher Lösung des T. violette Färbung!), die auf Zusatz von SO,H,
schwindet (1:30 000). Tolypyrin selbst wird durch Fe,C], rot.
Jodjodkalium giebt rotgelben Niederschlag, löslich beim Er-
wärmen und in NH,. Kaliumquecksilberjodid, Quecksilberchlorid,
Zinnchlorür und Tannin fällen gelbweilse oder weilse Niederschläge.
Erhitzt man mit 25 prozentiger NO, H, so tritt weinrote, nach
Zusatz vonNH, gelbeFärbungein (ebenso beiAntipyrin und Tolypyrin).
Im Spektrum sieht man bei allen 3 Absorptionen in Grün von 580
bis 490 u.
Erwärmt man mit konzentrierterer NO, H auf dem Uhrgläschen,
so ist die Färbung blutrot (1:3000) und nach dem Verdampfen blau
(Antipyrin gelb). Der Rückstand wird durch NH, gelb, durch Natron
braunrot.
Salpetrige Säure (2—3 Tropfen starke Salpetersäure mit wenig
As,0,;, oder Kaliumnitrit + Essigsäure) färbt sich mit T. grün
(1:2000) und nach Zusatz von mehr rauchender Säure blutrot unter
Abscheidung einer purpurfarbenen, in Chloroform löslichen Masse
(Antipyrin und Tolypyrin ebenso). Spektroskopiert man die grüne
Mischung, so sieht man, wie Brasche?) schon beim Artipyrin und
v. Bunge auch beim Tolypyrin und Orthotolypyrin beobachteten, bei
geringer Konzentration nur eine Verdunkelung in Violett etc. bis
429 „, bei stärkerer einen intensiven Streifen in Orange von 650 bis
580 „. In Mischung mit SO, H, bewirkt Kaliumnitrit orange Färbung
(1:2000), die durch NH, noch verdunkelt wird (ebenso Antipyrin und
Tolypyrin).
Vanadinschwefelsäure färbt sich mit T. olivengrün (1:60 000),
ohne dals ein charakteristisches Spektrum beobachtet würde. Auch
1) Bei dieser Reaktion der Salicylsäure wird ein charakteristisches
Spektrum nicht beobachtet.
2) Verwendbarkeit d. Spektroskopiez. Untersch. d,Farbenreaktionen
d. Gifte ete. Diss. Dorpar 1891.
630 G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie.
mit Fröhde’s Reagens und Furfurolschwefelsäure wurden von v. Bunge
keine charakterische Spektra erhalten.
Agathin (Salicylaldehyd - Methylphenylhydracin) soll als
Antineuralgicum von Nutzen sein und dabei die so sehr unangenehmen
Wirkungen des Phenylhydracins und einiger aus ihm hergestellter
Kombinationen (Antithermin und Pyrodin) nicht teilen.
Es ist in Wasser kaum, in Alkohol, Aether, Benzol ziemlich
leicht löslich. Seine farblosen Krystalle schmelzen bei 74°. Durch
Kochen mit HCl wird es zersetzt. Durch Petroläther wird es aus
saurer wässriger Flüssigkeit leicht ausgeschüttelt und aus Harn, Blut
ete. kann es nach meiner Methode abgeschieden werden.
Reaktion. Konz. SO, H, löst A. mitrotgelber Farbe, Zusatz
einer Spur NO,;H macht blau und dann grün (1:20000, kein
charakt. Spektr.), Wasserstoffsuperoxyd (1:240 000), Natriumsuper-
oxyd (1:500000), Fröhde’s Reagens (1:60 000), Vanadinschwefel-
(1:150 000), Kaliumbichromat (1:400000) und Kaliumnitrit
(1:60000) färben alle die Mischung mit SO,H, violett und
überall zeigt das Spektroskop ein Band in Grün von 550
510 «. Giebt man zur Mischung mit SO, H, Resorein oder
Pyrogallol, so tritt schöne ÖOrangefärbung ein, ebenso mit
Brenzcatechin und ÖOrcin, bei welchen beiden letzteren später
eine mehr rote Färbung beobachtet wurde. In allen jenen Orange-
Mischungen sieht man ein ähnliches Band wie bei den früher er-
wähnten violetten, nur scheint dasselbe (die Ränder sind sehr ver-
waschen) etwas mehr nach Blau gerückt. Giebt man Agathin zu
einer Lösung von Orcin oder Phlorogluein in Salzsäure, so entsteht
bei ersterem, namentlich beim Erwärmen, Rotfärbung (1:20 000),
bei letzterem Orangefärbung. Thymol bewirkt in der Schwefel-
säurelösung des A. purpurrote Färbungen (bis 1: 300 000), während
Ammoniumsulfuranat (1 g Ammonuranat in 20 CC SO,H,) A. zu
blutroter, beim Erwärmen grüngestreifter Lösung aufnimmt.
a
ARGHIW:
DER
PHARMACIE
herausgegeben
vom
| - Deutschen Apotheker-Verein
unter Redaction von
E. Sehmidt und H. Beekurts.
Ve
x
Band 233. Heft 9.
(Schluss des Bandes.)
BERLIN.
Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereir
RER 10050
INHALT.
'W. Göhlich, Ueber Morphin und Morphinhydrochlorid.. . . . 631
J. Gadamer, Ueber das Thiosinamin. . . a:
O. Hesse, Ueber die Bestandteile von Aristelochien ronahe „7 BO
H. Kiliani, Zur Kenntnis des Digitalinum verum. . . . 2... 6% ;
kannusverzeichnis . .. - .. „2... 20... 02 Deo
Eingegangene Beiträge.
G. Dragendorff, Beiträge zur gerichtlichen Chemie.
H. Virchow, Ueber Bau und Nervyatur der Blattzähne und Blatt-
spitzen.
J. Gadamer, Ueber das Thiosinamin II. e
C. Boettinger, Ueber einige Abkömmlinge der Sulfometabrombenzo&-
säure.
(Geschlossen den 25. XI, 1895.
Anzeigen.
Dieselben werden mit 4o Pfg. für die durchgehende und mit 2; Pfg für die gespaltene
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Die Expedition der Apotheker - Zeitung
Bern: C. 22, An der Ri: Brücke 14.
ERNST
— 3
Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 631
Mitteilungen aus dem pharmaceutisch-chemischen
Institut der Universität Marburg
von Ernst Schmidt.
60. Ueber den Krystallwassergehalt des Morphin-
hydrochlorids und des Morphins
von Dr. Wilhelm Göhlich.
(Eingegangen am 1. VIII. 1895.)
Die Veranlassung zur vorliegenden Arbeit bildete die Aufgabe
mit welcher mich vor längerer Zeit Herr Geheimrat Prof. Dr. E.
Schmidt betraute, die in der Sammlung des Instituts vorhandenen
Sorten des Morphinhydrochlorids einer Untersuchung bezüglich ihres
Verhaltens gegen reine konzentrierte Schwefelsäure und ihres Krystall-
wassergehaltes zu unterwerfen. Als Kriterium grölster Reinheit des
salzsauren Morphins hat, wie bekannt, das Deutsche Reichs-
arzneibuch das Verhalten gegen reine konz. Schwefelsäure aut-
genommen. Ein reines Präparat soll durch die konz. Schwefelsäure
nicht verändert werden und beim Zusammenreiben mit derselben
auch diese nicht färben. Von dem Krystallwassergehalte sagt das
Deutsche Arzneibuch, dafs Morphinum hydrochloricum durch Trocknen
bei 100° 14,5 Proz. an Gewicht verlieren solle. Regnault*)
ist einer der ersten gewesen, welcher sich mit der Untersuchung des
Morphins sowohl, als auch mit der des salzsauren Salzes dieser Base
beschäftigte. Das von ihm untersuchte Hydrochlorid schildert er
als in sehr weilsen, seidenartigen Fasern krystallisiert. Zur Be-
stimmung des Krystallwassergehalts trocknete er das zerriebene
Salz bei 130°; es erlitt dabei einen Verlust von 14,23 Proz.; ein
weiteres Steigern der Temperatur bis auf 160° vermehrte diesen
Verlust nicht mehr. Die Formel des Morphinhydrochlorids C,H1NO;,
HC1-+ 3H,;0 verlangt einen Wassergehalt von 14,38 Proz. Die
französische Pharmacopoe hat diesen theoretischen
Krystallwassergehalt acceptiert; ein ihren Anforderungen entsprechen-
des Salz soll durch Trocknen bei 130 ® 14,38 Proz. an Gewicht einbülsen,
während die amerikanischePharmacopoe bei derselben
*), Regnault. Annalen der Chemie u. Pharm. 26, 24.
Arch. d. Pharm. CCXXXIH. Bds. 9. Heft. 41
632 Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid.
Temperatur einSchwanken des Verlusteszwischen 14,5 Proz. und 15 Proz.
gestattet. Die Pharm.Germ. ed. II hatte den Krystallwassergehalt
gleichfalls auf 14,5—15 Proz. normiert, liefs denselben aber durch
Trocknen bei 100° ermitteln.
In der Sammlung des pharm. chem. Instituts zu Marburg be-
finden sich zwei mit eingeriebenen Glasstöpseln verschliefsbare Ge-
fälse für Morphinhydrochlorid, von denen das eine das Salz in
Würfeln, in der im Handel jetzt eingebürgerten Form, das andere
feines Pulver, aus Würfeln durch Zerreiben dargestellt, für Vorle-
sungszwecke enthält, Bei der Untersuchung der beiden Präparate
machte ich die Beobachtung, dafs dieselben beim Zusammenreiben
mit reiner absolut salpetersäurefreier konzentrierter Schwefelsäure !)
oder beim Daraufstreuen auf die Säure unter Aufbrausen von ent-
weichender Salzsäure Färbungen in der konzentrierten Schwetelsäure
erzeugten, und zwar erschien zuerst ein rötlicher Farbenton, welcher
am besten beim Aufstreuen des Morphinsalzes auf die Schwefelsäure
als Zone wahrnehmbar war und der allmählich verblafste, um einem
schmutzigen Violett, welches sich dann durch die ganze Säuremenge
hinzog, Platz zu machen. Diese letztere Farbe war ziemlich be-
ständig, noch nach 10—12 Stunden war sie mit einem Stich ins
Rötliche deutlich zu sehen. Diese Beobachtung der Farben-
erscheinungen beim Zusammenbringen des Morphinhydrochlorids mit
konzentrierter reiner Schwefelsäure steht im Einklang mit den An-
gaben, welche sich schon in der Litteratur darüber vorfinden, so im
Handelsbericht von Gehe 1891 und in der Pharm. COentralhalle:
32. Jahrgang S. 231, G. Vulpius „Zur Prüfung des Morphins“.
Die Anforderungen des Deutschen Reichsarzneibuches bezüglich dieser
Probe vermochten beide obige Präparate demnach nicht zu erfüllen.
Zur Bestimmung des Krystallwassergehaltes wurde eine kleine
Menge der vorliegenden Würfel frisch zerrieben ; 0,3555 g des er-
haltenen Pulvers verloren durch lang anhaltendes Trocknen bei 1009
0,048 g Wasser = 13,50 Proz.; 0,3612 g der schan vor damals
ca. !/, Jahre zerriebenen und als Pulver in der Sammlung auf-
bewahrten früheren Würfel verloren bei 100° 0,0471 g Wasser
—= 13,04 Proz. Beide Proben hatten durch das Trocknen einen
1) Die bei all den beschriebenen Reaktionen angewendete konz,
Schwefelsäure war mit Diphenylamin auf Salpetersäure geprüft worden.
Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 633
Stich ins Gelbe angenommen. (regen den berechneten, bezw. von
dem Deutschen Arzneibuche geforderten Krystallwassergehalt,
blieben die gefundenen um 1 bezüglich um 1,5 Proz. zurück.
Wegen des zu niedrig erhaltenen Krystallwassergehaltes bestimmte ich
in dem als Pulver vorrätig gehaltenen Präparate den Gehalt an Chlor
und zwar sowohl im wasserhaltigen, als auch im wasser-
freien. Bei dieser und den später folgenden Chlorbestimmungen der
Handelspräparate verfuhr ich in der folgenden Weise. Die be-
treffende Menge des salzsauren Morphins wurde im 200 ccm Mals-
kolben gelöst und 100 ccm dieser Lösung gelangten direkt unter
Zusatz von Kaliumchromatlösung als Indikator zur Titration. In den
anderen 100 cem der Lösung wurde dasChlor nach der Volhard’schen
Chlorbestimmungsmethode in der Weise ermittelt, dafs zu den
100 em Lösung ein überschüssiges Volumen Y,, N. Silberlösung zu-
gegeben und der Ueberschufs der Silberlösung nach dem Ansäuern
mit Salpetersäure und Zusatz von Eisenalaun als Indikator durch
Rücktitration mit Y/,, N. Rhodankaliumlösung ermittelt wurde. Ich
bin bei diesen doppelten Bestimmungsarten zu sehr gut überein-
stimmenden Zahlen gelangt. Die durch direkte oder indirekte
Titration ermittelten Mengen der Y/,, N. Silberlösung stimmten meist
völlig miteinander überein, nur in seltenen Fällen differierten sie um
1/j) ecem. Bei der direkten Titration war der Farbenumschlag und so-
mit die Endreaktion nicht gerade leicht zu erkennen, da die Lö-
sungen meist etwas gelb gefärbt erschienen, wenn durch das
Trocknen bei 130 % gelb gewordene Morphinhydrochloride zur Titration
gelangten.
I. 0,6025 g des zerrieben vorrätig gehaltenen Sammlungs-Prä-
parates erforderten zur Bindung des Chlors 16,6 ccm !/,„ N. Silberlösung
= 9,78 Proz. Cl. Berechnet wäre für Chlor, die gefundene Wasser-
menge von 13,04 Proz. hierbei zu Grunde gelegt, 9,58 Proz. Cl.
II. 0,2456 g desselben bei 100° getrockneten Präparates ver-
brauchten 7,6 ccm Y,, N. Silberlösung = 10,98 Proz. Cl. Die Formel
des wasserfreien Morphinhydrochlorids C,H NO;, HC1l verlangt
Cl = 11,04 Proz.
Man sollte vermuten, dafs bei der aufserordentlichen Schwer-
löslichkeit des freien Morphins in Wasser (1: 5000) eine Bestimmung
der Säuren in den Salzen dieser Base durch direkte Titration mit
1/jö oder Yo N. Kalilauge zu sehr guten Resultaten führen müsse
41*
634 Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid.
Doch ist dem nicht so. Ich versuchte Lösungen, die je 0,1709 g
krystallisierten Morphinhydrochlorids enthielten, mit !/„ N. Kalilauge,
sowohl unter Zusatz von Rosolsäure (des käuflichen Korallins), als
auch nach Zusatz von Phenolphtalein als Indikatoren zu titrieren.
Bei Anwendung von Rosolsäure brauchte ich nur 0,2 cem !y N.
Kalilauge, um eine bleibende Rotfärbung der Flüssigkeit zu erzielen;
bei Benutzung des Phenolphtaleins als Indikator 2,8 cem Yo N.
Kalilauge, eine Menge, welche einem Gehalt von 5,81 Proz. Chlor
entsprechen würde, während die Formel
C;, Hıg NO,, HCl + 3H,;0
9,45 Proz. Chlor verlangt.
Die oben mitgeteilten zu niedrig gefundenen Krystallwasser-
werte der Sammlungspräparate konnten ihren Grund in einer Ver-
witterung der betreffenden Morphinhydrochloride haben; um diese
Möglichkeit zu beseitigen und um ferner möglichst die die konz.
Schwefelsäure färbenden Verunreinigungen zu entfernen, krystalli-
sierte ich zu einer neuen Untersuchung eine beliebige Menge des
zerriebenen Präparates wiederholt aus 50 Proz. Alkohol um, saugte
die rein weilsen seidenglänzenden, zarten Nadeln ab und bestimmte,
nachdem dieselben lufttrocken geworden waren, den Krystallwasser-
gehalt zunächst durch Trocknen bei 100%. 0,6861 g verloren 0,0918 g
Wasser = 13,38 Proz. ; nach weiterem Trocknen bis 1300 betrug der
schliefsliche Gesamtverlust 0,0932 g = 13,58 Proz. Das Verhalten
des zerriebenen Salzes gegen reine konzentrierte Schwefelsäure war
das gleiche geblieben. Aus diesem Grunde und da auch hier trotz
der angewandten Reinigungsmetode zu niedrige Werte gefunden
worden waren, löste ich eine neue Menge des Sammlungspräparates
diesmal in Wasser und schied das Salz zur Entfernung aller die
Färbung der Schwefelsäure bedingenden Beimengungen durch Zusatz
von rauchender Salzsäure aus. Die gebildeten feinen Nadeln wurden
dann mehrmals aus Wasser umkrystallisiert und schliefslich, wie
schon oben geschildert, behandelt. 1,0348 g der zerriebenen Nadeln
verloren bei 1000 0,1370 g = 13,23 Proz. Wasser; bei 1300 ins-
gesamt 0,1392 g = 13,45 Proz. Diese Probe erlitt wegen Spuren
noch oberflächlich den Krystallen anhattender Salzsäure beim Trocknen
eine bedeutend stärkere Gelbfärbung, als die beiden vorigen. Auf
konzentrierte Schwetelsäure gestreut, erzeugte eine kleine Menge der
Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 635
Substanz dieselben Färbungen, wie das ursprüngliche Sammlungs-
präparat. Letzteres wurde zu einem weiteren Versuche nunmehr
nur mehrmals aus Wasser umkrystallisiert und bei der Untersuchung
dieser Proben wurden günstigere Werte gefunden, als bei allen
vorhergehenden. 0,6993 g verloren bei 1000 0,0990 g Wasser —
14,14 Proz. und 0,4226 g erlitten einen Verlust von 0,0592 g be-
1000 — 14,00 Proz. Beide Proben waren sehr lange im Wasser-
dampftrockenschranke getrocknet, und erlitten bei weiterem Trocknen
bei 1300 einen Verlust nicht mehr. In dem Verhalten gegen
konzentrierte Schwefelsäure war eine Veränderung nicht zu kon-
statieren.
Zur Selbstdarstellung von absolut reinem salzsauren Morphin
wurde mir von Herrn Geheimrat Schmidt „chemisch“ reines
Morphin in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt. Die
Base selbst stammte aus einer bekannten deutschen Alkaloidfabrik
und stellte weilsliche, ziemlich derbe Nadeln dar. Um mich von
ihrer Reinheit zu überzeugen, bestimmte ich den Krystallwasserge-
halt, den Schmelzpunkt des wasserfreien Präparates und beobachtete
das Verhalten der zerriebenen Krystalle gegen reine konzentrierte
Schwefelsäure. Beim Trocknen bei 100° machte ich die Beob-
achtung, dafs hierdurch die formelgemälse Krystallwassermenge
(1 Molekül = 5,94 Proz.) nicht zu entfernen war. 5,3937 g ver-
loren bei 1000 nämlich nur 0,1368 g Wasser — 2,53 Proz. und erst
beim Trocknen bei 1200 trat unter oberflächlicher, gelblichbrauner
Färbung der Substanz ein Verlust von 0,3188 g = 5,91 Proz.
Wasser ein.
Diese Wahrnehmung steht im Widerspruche zu den Be-
obachtungen, welche D.A. Dott (Pharm. Journal. Transact. Ser. III
Nr. 722. p. 900 durch Arch. für Pharmacie 1888, p. 325) mitteilt
und welche Dieterich (Helfenberger Annalen 1888) bestätigt.
Dott giebt an, dafs Morphin, sowohl mit Ammoniak aus. Morphin-
salzen gefälltes, als auch aus Alkohol umkrystallisiertes schon
unter 1000 (bei 900) sein Gesamtkrystallwasser verlieren solle und
dafs bei 1200 bei 10 von ihm untersuchten Proben im Mittel ein
Verlust von 6,56 Proz. eingetreten sei; Dieterich fand bei zwei
mehrmals aus Alkohol umkrystallisierten und zuvor 8 Tage bei
25—30° getrockneten Proben einen Wasserverlust nach zwölfstündigem
636 Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid.
Trocknen bis 100° von 6,19 Proz. und nach fünfzehnstündigem
Trocknen bei 120° einen solchen von insgesamt 6,39 Proz., wogegen
Hesse (Pharm. Zeitung 1888, S. 478) bei Wiederholung seiner
Versuche zu dem Resultat gelangte, dafs nach 48 stündigem Trocknen
bei 110° sein Uatersuchungsobjekt nur 5,99 Proz. und bei
48 stündigem Trocknen bei 120° nur 5,91 Proz. Verlust an Krystall-
wasser erlitt. Ich bin auch dieser durch die widersprechenden
Angaben der zitierten Autoren immer noch offenen Frage näher ge-
treten, indem ich den Krystallwassergehalt des unter verschiedenen
Bedingungen erhaltenen Morphins bestimmte. Da Dott in seiner
Arbeit die Meinung vertritt, dafs das Morphin zum Zwecke der
Wasserbestimmung nicht zerrieben werden dürfe, da die durch das
Zerreiben erzeugte Wärme durch Verdunsten den Wassergehalt
herabdrücken könne, Hesse undDieterich dagegen bezweifeln,
dals die Reibungswärme eine solche Höhe erreichen könne, chemisch
gebundenes Wasser zum Verdampfen zu bringen, so habe ich von
demselben käuflichen Morphin, von dem oben die Rede war, ungefähr
ein Jahr nach der ersten Untersuchung eine Wasserbestimmung,
sowohl im unzerriebenen, als auch im zerriebenen Zustande aus-
geführt. 0,5741 g des käuflichen in derben Krystallen vorliegenden
Präparates verloren nach einstündigem Trocknen bei 100° 0,001 g
Wasser, eine Vermehrung dieses Verlustes war auch nach weiterem
vierzehnstündigen Trocknen bei 100° nicht zu konstatieren. Der
Verlust würde auf Prozente berechnet 0,17 Proz. betragen. Beim
Trocknen bei 110° betrug nach Verlauf von zwei Tagen der Ge-
samtverlust 0,0358 g = 6,23 Proz. und nach abermaligem zwei-
tägigem Trocknen bei 120° 0,0360 g = 6,27 Proz. 0,4362 g desselben
nur zerriebenen Präparates bei 100° eine Stunde getrocknet, hatten
0,0808 g an Gewicht — 0,18 Proz. verloren, eine weitere Abnahme
trat auch nach 14 stündigem Trocknen nicht mehr ein. Nach zwei-
tägigem Trocknen bei 110° verlor obige Menge 0,0242 g Wasser
gleich 5,54 Proz. und nach weiterem zweitägigen Trocknen bei
1200 0,0257 g = 5,89 Proz. Die Wasserabgabe des Präparates beim
Trocknen bei 100° war demnach wesentlich geringer geworden,
(0,17—0,18 Proz), als vor Jahresfrist (2,53 Proz.), und bei 120° hatte
die nicht zerriebene Substanz mehr Wasser verloren (6,27 Proz.),
als die zerriebene (5,89 Proz.). Zur weiteren Untersuchung wurde
Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 637
eine beliebige Menge salzsauren käuflichen Morphins in Wasser
gelöst und die treie Base durch vorsichtigen Zusatz von NH, ab-
geschieden. Nach zweitägigem Stehen war der anfangs amorphe
Niederschlag krystallinisch geworden ; er wurde abgesaugt, gut mit
Wasser ausgewaschen, vollständig lufttrocken werden gelassen, zer-
rieben und von der Substanz 0,3034 g bei 1000 bis zum konstanten
Gewicht getrocknet; der Verlust betrug 0,0024 g = 0,79 Proz.
Nach weiterem Trocknen bei 120° bis zum konstanten Gewicht hatte
die obige Menge 0,0192 g = 6,34 Proz. verloren. Das nicht zur
Wasserbestimmung verwendete Morphin wurde wiederum in’s Hydro-
chlorid verwandelt und abermals mit Ammoniak ausgefällt und, wie
oben geschildert, weiter behandelt. 0,3682 g verloren bei 1009
0,0034 g = 0,89 Proz. und bei 1200 0,0228 g = 6,19 Proz. Dieses
zweimal mit Ammoniak ausgeschiedene Morphin wurde zu einem
neuen Versuche mehrmals aus Alkohol umkrystallisiert. Von den
zerriebenen Krystallen verloren 0,4308 g bei 100° 0,0012 g = 0,27 Proz.
und bei 120° 0,0268 & = 6,21 Proz. an Gewicht,
Diese von mir gemachten und soeben beschriebenen Be-
obachtungen stehen mit keiner der Angaben der genannten Autoren
im Einklange; am allerwenigsten mit derjenigen von Dott
(I. e), dafs das Morphin schon beim Trocknen unter 100° sein Ge-
sammtkrystallwasser verlieren solle. Nach meinen Beobachtungen
findet eine vollständige Entwässerung des Morphins erst bei
120° statt.
Der Schmelzpunkt der wasserfreien käuflichen Base lag bei 230°.
Beim Aufstreuen der zerriebenen lufttrockenen Krystalle auf konz. reine
Schwefelsäuretraten auch hierbei die Farbenreaktionen auf, von welchen
schon oben die Rede war. Zur Darstellung des salzsauren Salzes wurde
die fein zerriebene freie Base mit Salzsäure genau neutralisiert und
die Lösung zur Krystallisation eingedampft. Die erhaltenen Kry-
stalle wurden mehrfach aus Wasser umkrystallisiert, schliefslich ab-
gesaugt und aus der lufttrockenen Substanz nach dem Zerreiben der
Krystaliwassergehalt bestimmt. 0,7144 g des salzsauren Salzes ver-
loren bei 100° 0,1020 g Wasser (Trocknen im Wasserdampftrocken-
schrank) = 14,27%, und 0,3983 g des Salzes einer anderen Dar-
stellung unter denselben Bedingungen 0,0562 g Wasser = 14,11%.
Ein weiterer Verlust von Wasser durch Trocknen bei 130° wurde
638 Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlerid.
nicht mehr konstatiert. Da das Verhalten des salzsauren Salzes
gegen konzentrierte reine Schwefelsäure ein anderes immer noch
nicht geworden war, unternahm ich es, die freie Base durch mehr-
faches Umkrystallisieren aus heilsem 96%/, Alkohol einer Reinigung
zu unterwerfen und erst nach derselben durch genaues Neutrali-
sieren mit reiner Salzsäure das salzsaure Morphin darzustellen. Das
erhaltene Hydrochlorid wurde dann noch zweimal aus Wasser um-
krystallisiert. 0,4486 g desselben verloren bei 100% 0,0628 g Wasser
gleich 13,99%, und bei 130° insgesamt 0,0632 g = 14,09%). Eine
zweite Menge verlor bei 100° 0,0516 & = 13,91%), und bei 1300
0,0518 g = 13,97°/, an Gewicht. Das Verhalten gegen konz. Schwefel-
säure war bei dieser Probe in so fern anders, als die Substanz beim
Aufstreuen auf Schwefelsäure eine nicht mehr so stark rötliche
Färbung erzeugte, wie die vorher geschilderten Proben. Die Resul-
tate der Krystallwasserbestimmungen mufsten einigermafsen über-
raschen, da die zur Untersuchung gelangten Salze in sorgfältig ge-
reinigtem Zustande vorlagen und doch gleichwohl der berechnete
Krystallwassergehalt von 14,35°/, nicht gefunden wurde.
Prof. Plugge in Groningen veröffentlichte im Archiv der
Pharmacie 1887, pag. 348 ein Verfahren, um Morphin von allen
anderen im Opium gleichfalls vorkommenden Basen quantitativ zu
trennen, welches demnach ermöglichen mufste, zu einem wirklich
chemisch reinen Morphin zu gelangen. Diese Methode
wandte auch ich an, da die Färbungen, welche konzentrierte
Schwefelsäure beim Zusammenbringen mit den untersuchten Morphin-
hydrochloriden annahm, von geringen Mengen den Morphinsalzen
beigemengter anderer Opiumalkaloide (Codein, Narkotin) herrühren
konnten. Zum Zwecke der Reinigung des Morphinhydrochlorids
nach dem Plugge’schen Verfahren löste ich eine gröfsere Menge des
käuflichen Präparates in Wasser auf und versetzte diese Lösung mit
einer der Konzentration der angewendeten Morphinlösung entsprechend
starken Rhodankaliumlösung und liefs dann die gemischten Flüssig-
keiten einige Tage lang bei gewöhnlicher Temperatur stehen. Bei
Gegenwart von Codein in Morphinsalzlösungen scheidet sich nach
Plugge bei der befolgten Behandlungsweise erstere Base in Gestalt
ihres gut krystallisierenden rhodanwasserstoffsauren Salzes aus,
während Morphin nahezu quantitativ in Lösung bleibt. In dem vor-
Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 639
liegenden Falle schieden sich Krystalle nicht ab, noch trübte sich die
Lösung überhaupt durch irgend welche Ausscheidungen, obwohl ich
mich bezüglich der Konzentration derselben an die Angaben von
Plugge gehalten hatte. Aus der vollständig klar gebliebenen
Lösung, welche nach dem genannten Forscher immerhin noch
kleinste Mengen von Codein erhalten konnte, gelangte das
Morphin als freie Base so zur Abscheidung, dafs die betreffende
Lösung mit Ammoniak in geringem Ueberschusse versetzt und die
Flüssigkeit zum Abdunsten des Ammoniaks in einem nur lose be-
deckten, geräumigen Becherglase ruhig stehen gelassen wurde. Die
sogleich durch den Ammoniakzusatz bewirkte amorphe Ausscheidung
des Morphins hatte sich nach der Verflüchtigung des Ammoniaks
bedeutend vermehrt und war zudem krystallinisch geworden. Aus
diesen Krystallen wurde darauf nach dem Absaugen, Abwaschen,
Trocknen und Zerreiben derselben durch genaue Sättigung mit Salz-
säure reines salzsauresMorphin dargestellt und dieses nach mehrmaligem
Umkrystallisieren aus Wasser der Untersuchung unterzogen. In dem
Verhalten gegen konzentrierte reine Schwefelsäure zeigte dieses Salz
schwächere Farbentönungen, als die früher untersuchten Präparate.
Die Bestimmung des Krystallwassers ergab folgendes Resultat:
0,7243 g verloren im Dampftrockenschrank 0,0962 g Wasser und bei
130° noch 0,0028 g, zusammen also 0,0990 g; demnach in Prozenten
bei 1000 13,28 und bei 1300 13,68. Wegen dieses unerwarteten
Befundes wurde das Hydrochlorid nochmals aus Wasser und Alkohol
umkrystallisiert. 0,3228 g der erhaltenen zerriebenen Krystalle ver-
loren bei 100° 0,0412 = 12,76 Proz. und bei 130° insgesamt
0,0440 = 13,63. Proz. Wasser. Der Krystallwasserverlust war also
bei diesem Präparate bei 1000 sogar noch um 0,5 Proz. geringer
ausgefallen, während er bei 1300 annähernd der gleiche geblieben
war, wie bei dem vorigen. Ich löste daher die Gesamtmenge des
vorhandenen salzsauren Salzes noch einmal in Wasser und schied die
freie Base wiederum durch vorsichtigen Zusatz von Ammoniak aus,
um nach dem Verdunsten des Ammoniaks von neuem aus ersterer
mit Hülfe von Salzsäure das Hydrochlorid zu erzeugen. Nach mebhr-
maligem Umkrystallisieren aus Wasser wurden von den lufttrockenen,
zerriebenen Krystallen 0,5658 g zur Wasserbestimmung verwendet.
Bei 100° verloren dieselben 0,0752 g an Gewicht = 13,29 Proz., bei
640 Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid.
1300 im Ganzen 0,0780g = 13,78 Proz., trotzdeseingeschlagenen neuen
Reinigungsweges annähernd die gleichen Prozentzahlen, wie ich die-
selben schon oben erhalten hatte, gegen den theoretisch berechneten
Wassergehalt um ca. 0,54 Proz. zurückbleibend. Ich krystallisierte
nunmehr das obige Hydrochlorid nochmals aus stark salzsäurehaltigem
und schliefslich wohl zehn- bis zwölfmal aus reinem Wasser um. Die
mit den auf diese Weise gewonnenen Krystallen ausgeführten Wasser-
bestimmungen lieferten folgende Daten: I. 0,9374 g des Salzes einer
ersten Krystallisation verloren im Wasserdampftrockenschrank 0,1236
Wasser = 13,180/, und bei 130°, im Ganzen 0,1279 g= 13,64 %,.
II. 0,8225 g des Salzes einer anderen Krystallisation verloren bei
1000 0,1080 g= 13,13 %/, und bei 130 ® insgesamt 0,1090 g = 13,24 %/,
Wasser. III. 0,5194 g des Hydrochlorids einer dritten Krystallisa-
tion erlitten bei 100 0 einen Verlust von 0,0683 g= 13,14 °/, und
bei 1300 0,0723 g=13,920%/, Wasser. Auch gegen konzentrierte,
reine Schwefelsäure zeigten die Salze dieser drei Krystallisationen
annähernd das gleiche schon oben erwähnte Verhalten.
Um nun endlich noch einen letzten Versuch zu machen, schied
ich noch einmal das schon mehrfach nach der Plugge’schen
Methode gereinigte Morphinhydrochlorid mit rauchender Salzsäure
aus seiner Lösung aus und krystallisierte die gewonnenen Krystalle
so lange aus Alkohol und Wasser um, bis dieselben, auf angefeuch-
tetes, aulserordentlich empfindliches Lacmuspapier gelegt, keine
Spur einer sauren Reaktion mehr zeigten; im Ganzen war hierzu
ein zwölf- bis fünfzehnmaliges Umkrystallisieren erforderlich. Die
so erhaltenen Krystalle zeigten mit reiner konz. Schwetelsäure zu-
sammengebracht nur noch Spuren von Färbungen, namentlich war
die zuerst auftretende Rotfärbung sehr schwach, oft kaum bemerk-
bar, dagegen trat das schmutzige Violett nach zwei- bis dreistündi-
gem Stehen noch immer deutlich auf. Bei der Bestimmung des
Wassergehaltes verloren 0,6668 g der fein zerriebenen Krystall-
nadeln im Wasserdampftrockenschrank 0,0878 g= 13,160, und bei
1300 0,0894 g= 13,40 %/, Wasser, das bedeutet gegen die be-
rechnete Menge von 14,38%, eine Differenz bei 100° von
1,220/, und bei 130° eine solche von 0,98°%,. Welche Ursache
diese anormalen Befunde bei einem so sorgfältig gereinigten und
behandelten Präparate haben mögen, bin ich nicht im Stande, zu
Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 641
erklären ; jedenfalls stehen dieselben im Widerspruch mit allen mir
bekannten Litteraturangaben über den Wassergehalt des Morphin-
hydrochlorids. Nach E. Schmidt, Lehrbuch für pharmazeutische
Chemie, II. Band, Organische Chemie, II. Auflage Seite 1213 soll
Morphinhydrochlorid bei 1000 bis zum konstanten Gewicht getrock-
net höchstens 14,50 0/, Wasserverlust erleiden, das getrocknete
Salz soll auch bei 1300 eine Färbung nicht annehmen. Flückiger
sagt in seiner pharmazeutischen Chemie 1879, S. 380 vom Morphinum
hydrochloricum : „seine weilsen Krystallnadeln geben erst bei 1309
ihren Wassergehalt vollständig ab“ und Tausch (Archiv der
Pharmazie 1880, 287), welcher sich gleichfalls eingehend mit der
Untersuchung des salzsauren Morphins beschäftigt hat, stellt gerade-
zu die Behauptung auf. dafs „bei anhaltendem Trocknen bis
zu 100° das salzsaure Morphin nicht nur mechanisch anhaftende
Salzsäure, sondern auch sein gesamtes Krystallwasser, also
14,38 %/,, verlöre“ und fordert ferner, dafs „das reine Präparat bei
130 0 eine Veränderung bezüglich der Farbe überhaupt nicht erleide.“
Dem Letzteren gegenüber mufs ich einwenden, dafs auch diejenigen
von mir untersuchten, vorher mehrfach nach den beschriebenen
Methoden gereinigten und vieltach umkrystallisierten Präparate bei
130 stets, wenn auch nur einen schwachen Stich ins Gelbliche an-
genommen haben.
Dafs ein oberflächliches Verwittern der Morphinhydrochlorid-
krystalle nicht etwa die Ursache des stets zu gering gefundenen
Krystallwassergehaltes sei, wie man am ersten wohl annehmen
konnte, habe ich in folgender Weise zu beweisen versucht. Morphin-
hydrochloride verschiedener eigenen Darstellungsmethoden und auch
eines aus dem Handel wurden in zerriebenem Zustande in gewöhn-
liche Porzellantiegel gebracht und vor Staub geschützt in dem grolsen
Wägezimmer des hiesigen Instituts in dem oberen Gefach eines
Schrankes über ein Jahr lang bei ziemlich gleicher Temperatur
(15—20 %) und, wegen der Aufbewahrung in den nur lose verschlos-
senen Porzellantiegeln unter günstigen Verwitterungsbedingungen
stehen gelassen. Während dieser ganzen Zeit verlor Probe I.
0,6261 g nur 0,0003 g an Gewicht = 0,05 %/,, Probe II. 0,5815 g
ebenfalls 0,0003 g = 0,06 %/, und Probe II. 0,7973 g 0,0006 g=
0,08%, an Gewicht. Angesichts dieser Daten erscheint die
642 Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid.
Annahme einer Verwitterung hinfällig; ob ein anderes das
Morphinhydrochlorid verunreinigendes Alkaloid, welches auch die
Schuld an den auftretenden Färbungen der konzentrierten Schwefel-
säure tragen mülste, den Krystallwassergehalt des salzsauren
Morphins um 1—1,5 Proz. herunterzudrücken vermag, weil das
Hydrochlorid des beigemengten Alkaloids einen erheblich niedrigeren
Wassergehalt besitzt, kann ich nicht für wahrscheinlich halten; es
müfste bei den vielfach von mir eingeschlagenen Reinigungsmethoden
das verunreinigende Alkaloid entweder entfernt oder mir zu Gesicht
gekommen sein. Nach der erfolgten Reinigung des Morphins mulste
dann der Wassergehalt des sogleich dargestellten Hydrochlorids der
normale geworden sein; indessen thun aber gerade die zuletzt ge-
fundenen Zahlen dar, dafs auch nach den verschiedenen Reinigungs-
prozessen der Krystallwassergehalt zu gering erhalten wurde.
Schliefslich erübrigt es noch auf die Möglichkeit hinzuweisen,
dafs das Morphinhydrochlorid in zwei in ihrem Krystallwassergehalte
verschiedenen Modifikationen krystallisiere, vielleicht in einer solchen
mit zwei und einer anderen mit drei Molekülen Krystallwasser. Das
Morphinhydrobromid krystallisiert nach E. Schmidt!) mit nur
zwei Molekülen Wasser, während das Morphinhydrojodid nach An-
gabe von H. R. Bauer?) drei Moleküle Wasser enthalten soll
E.Schmidt?) fand dagegen bei Morphinhydrojodiden verschiedener
Darstellungen entgegen obigen Angaben stets nur zwei Moleküle
Wasser, so dafs, die Richtigkeit der Bauer schen Angaben voraus-
gesetzt, die Annahme gerechtfertigt erscheint, dafs das Morphin-
hydrojodid je nach der Verschiedenheit der Darstellungsbe-
dingungen mit zwei oder drei Molekülen Wasser zu krystallisieren
vermag.
Die Formel für salzsaures Morphin C,7 H;g NO, HCl + 2H,0
verlangt 10,06 Proz. Wasser, während dieselbe mit 3 H,O, wie schon
erwähnt, 14,38 Proz. Wasser erfordert. Nach der in obigem an-
gedeuteten Annahme mülste dann das mit nur zwei Molekülen Wasser
krystallisierende Hydrochlorid stets mit dem drei Moleküle Wasser
enthaltenden zusammen krystallisiert sein und das erstere wegen
1) E. Schmidt, dieses Archiv 211, S. 42.
2), H. R. Bauer, dieses Archiv 205, S. 303.
3) E. Schmidt, dieses Archiv 211, S. 42 u. £.
Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 643
seines geringeren Wassergehaltes auch den Wassergehalt des krystall-
wasserreicheren herabgedrückt haben.
Da eine Vergleichung der von mir ermittelten Wassergehalts-
prozentzahlen mit dem Wassergehalte der im Handel befindlichen
Sorten des Morphinum hydrochloricum interessant erschien, so habe
ich, soweit mir nur irgend erreichbar, Morphinhydrochloride des
Handels gleichfalls untersucht. Unter denselben dürften sich wohl
Repräsentanten der Mehrzahl der in Deutschland und England dar-
gestellten Präparate befinden. Letztere stammen aus Apotheken und
Drogenhandlungen aller Gegenden Deutschlands, und ich verdanke
die verschiedenen Sorten zum Teil der Güte der betreffenden Herren
Geschäftsbesitzer, zum Teil der Liebenswürdigkeit der Herren
Kommilitonen, welche in vorigen Semestern im hiesigen Institute
gearbeitet haben und welche mir die Präparate durch ihre früheren
Beziehungen zu Apotheken besorgen konnten. An dieser Stelle
möchte ich nochmals allen jenen Herren, welche mich mit
Untersuchungsmaterial unterstützten, meinen besten Dank aus-
sprechen.
In dem Verhalten gegen reine konzentrierte Schwefelsäure
waren sämtliche Handelspräparate, die zur Untersuchung kamen,
gleich. Beim Aufstreuen des feinen Pulvers auf dieselbe trat unter
Aufbrausen der Salzsäure ein schwach rötlicher Schaum auf, der
nach dem Zusammenfallen einen ebenso rötlichen Ring hinterliels,
welcher allmählich erblafste.
Nach zwei bis drei Stunden langem Stehen hatte die dann ent-
stehende zuerst schwache, dann stärker werdende schmutzig
violette Farbe ihren Intensitätspunkt erreicht und begann dann
in eine schmutzig rot-violette und dann rötliche Färbung über-
zugehen.
Die beifolgende Tabelle giebt in den einzelnen Rubriken
die Resultate der ausgeführten Untersuchungen in laufenden
Nummern an.
Die Formel C,, H;g NO,, HCl + 3H,O erfordert H,O : 14,38 Proz;
Cl: 9,45 Proz.
Die Formel C,, H;s NO;, HCI erfordert Cl: 11,04 Proz.
644 Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid.
Wie lange
Lan. | das Morph, Wasserverlust Farbe | Chlorgehalt in Prozent
as hydrochl. in Prozenten |nach dem berechnet auf
ze ano bei Trock- | wasserhaltige | wasserfreie
- | aufbewahrt nen.
ne 1000 1300 Substanz
1 ? 13,03 13,03 gelb 9,42 11,01
2 | Frisch zer-
rieben 14,20 14,20 % 9,38 10,98
3 1/, Jahr 14,19 14,19 | gelblich 9,47 11,05
4 IE 12,98 13,23 ® 9,53 11,12
B) ZU 0, 13,10 13510 & 9,52 11,04
BR. 13,39 13,39 ß 9,36 11,10
TE ne 13,46 13,46 5 9,39 11,10
8 10 Tage 13,58 13,64 , 9,52 11,02
9 | 5 Wochen 13,24 13,87 gelb 9.45 11,07
10 | 14 Tage 13,25 13,25 t 9,60 11,01
Malle spp 13,67 | 13,78 a 9,58 10,99
12 Sim 13,46 13,67 gelblich 9,41 10,92
13 1 Jahr 13,54 13.54 3 9,57 11,13
14 ? 12,99 13,23 ” 9,63 11,12
15 8 Tage 13,80 14,01 ” 9,43 10,96
16 ? 13,49 13,68 gelb 9,61 11,21
17 2 Jahr 14,02 14,02 gelblich 9,62 11,18
18 6 Monate 13,83 13,92 u 9,56 10,99
19 1!1/, Jahr 13,86 13,86 n 9,48 11,06
20 | 11a Jahr | 13,43 13,86 gelb 9,68 11,21
21 1 Tag 13,72 14,22 „ 9,40 10,92
22 | 3/, Jahr 13,39 13,88 & 9,45 10,98
23 1 Woche 13,91 13,97 „ 9,57 11,10
24 2 Wochen 13,43 13,75 = 9,53 11,10
25 ? 13,99 14,15 gelblich 9,69 11,26
26 4 Wochen 13,41 13,68 = 9,26 10,70
27 8 5 13,72 13,92 5 9,43 10,98
28 1 Jahr 13,38 13,80 B 9,58 11,02
29 4 Monate 13,94 14,21 n 9,45 11,00
30 11/, Jahr 14,02 14,11 n 9,43 10,99
si | 12, Jahr | , 13,00 13,29 a 9,57 11,18
Sp an » 13,71 14,08 S 9,62 11,21
33 oil, 13,98 13,98 gelb 9,72 11,14
34 ? 14,17 14,35 ü 9,44 10,99
35 2 Jahre 13,39 13,77 e 9,68 11,03
36 1 Woche 13,23 13,57 2 9,72 ‚hab
37 6 Wochen 14,02 14,12 | gelblich 9,04 10,42
38 ? 13,40 13,90 = 9,26 10,83
39 ? 13,29 13,74 » 9,56 11,11
40 4 Wochen 13,95 14,07 gelb 9,65 11,02
41 ? 14,05 14,14 | gelblich 9,36 10,97
42 21/, Jahre 13,67 14,03 5 9,28 10,89
43 ? 14,16 14,16 = 9,46 10,90
44 6 Wochen 13,07 13,56 2 9,72 11,31
45 1!/, Jahre 13,04 13,63 gelb 9,35 10,87
46 US, 13,.1° 1.13.93 > 9,27 10,73
Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 645
Wie lange Wasserverlust Chlorgehalt in
Lau- | das Morph i Farbe
fende | hydrochl. wer) in Prozenten a Proz.,berechnet auf
Is rieben aufbe- bei Trock wasserhalt, | wasserfreie
No. | wahrt wurde 1000 1300 ge = Substanz
47 14 Tage 13,40 13,85 gelb 9,32 11,11
48 3 Monate 13,54 14,06 gelblich 9,30 10,84
49 | 21, Jahre | 13.13 13,77 h 9,54 10,78
50 Us 14,05 14,20 3 9,43 11,08
Sl er 13,18 SH gelb 9,38 11,01
52 7 13,32 13,67 stark gelb 0,46 12,12
Von den zur Untersuchung gelangten 52 Präparaten des
Handels erreicht nur eins (Nr. 34) den nach der Formel berechneten
Wassergehalt, allerdings erst nach dem Trocknen bei 1300. Sechs-
zehn Präparate weisen den Gehalt von 14 Proz. Wasser auf be-
ziehungsweise überschreiten denselben, während 35 Präparate zum
Teil mit bis zu 1,3 Proz. unter dem ertorderlichen Wassergehalte
zurückbleiben. Die letzte Nummer zeigt insofern noch besondere
Eigenschaften, dafs einmal das Präparat sich beim Trocknen auf-
fallend stark gelb färbte und sein Chlorgehalt ein anormal hoher war.
Ich vermute, dafs dieses Morphinhydrochlorid aus seiner wässrigen
Lösung mit rauchender Salzsäure ausgeschieden und dann nicht häufig
genug umkrystallisiert wurde, um die letzten anhaftenden Spuren der
treien Salzsäure zu entfernen.
Diese letzten Untersuchungen beweisen, dafs die Handels-
präparate den Anforderungen des deutschen Arzneibuches be-
züglich ihres Verhaltens gegen reine konzentrierte Schwefelsäure
nicht gerecht zu werden vermögen, und dals der vom Arzneibuch
vorgeschriebene Krystallwassergehalt nur in den seltensten Fällen
von denselben ‘erreicht wird.
Eine bündige Erklärung dieses sonderbaren Verhaltens des
Morphinhydrochlorids zu geben bin ich, wie ich schon oben ausein-
andersetzte, trotz der ausgeführten eigenen Untersuchungen leider
nicht im Stande, vielmehr mu/s ich mich mit der Feststellung der
Thatsache begnügen.
646 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin.
Mitteilungen aus dem pharmaceutisch-chemischen
Institut der Universität Marburg
von Ernst Schmidt.
61. Ueber das Thiosinamin und seine Halogen-
additionsprodukte
von Dr. J. Gadamer.
(Eingegangen den 2. August 1895.)
Nachdem das Thiosinamin zuerst von Dumas und Pelouze
durch Einwirkung von starkem Ammoniak auf Senföl dargestellt
worden war, wurde dasselbe Gegenstand einer Reihe von Arbeiten,
die sich teils mit seinen Verbindungen, teils mit der Ergründung
seiner Konstitution beschäftigten. Dumas und Pelouze!) selbst
scheinen sich nicht eingehender mit dem neuentdeckten Körper be-
schäftigt zu haben, da sie sich eines endgültigen Urteils über seine
Eigenschaften enthalten und denselben nach seinen Komponenten
einfach als Senfölammoniak bezeichnen. Will kam dann auf
Grund seiner Analysen zu der Bezeichnung Thiosinamin, da seiner
Ansicht nach diese Verbindung in jeder Hinsicht als organische
Base zu betrachten ist. Er wurde hierzu durch den Umstand ge-
führt, dafs das „Thiosinamin“ mit gewissen Metallchloriden und gas-
förmiger Salzsäure Verbindungen eingeht. ?)
Aschoff?°) machte alsdann die Wahrnehmung, dafs Thiosinamin
auf Zusatz von Brom e’nen weilsen Niederschlag lieferte, während
die von Brom herrührende B:aunfärbung gleichzeitig verschwand.
Diese Angabe wird von Malyt) in der Weise berichtigt, dals
reinem Thiosinamin diese Reaktion nicht zukomme, dals aber
allerdings Brom addiert werde unter Bildung eines Körpers, den er
7) Ann. f. Ch. u. Phy. 53, 181.
2) Ann. f. Ch. u. Pharm. 52, 9.
3) Journ. f. pr. Chem. 4, 314.
4) Zeitschr. f. Chem. 1867, 42.
Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 647
Thiosinamindibromür nennt. Maly weist dabei auf die Verschieden-
heit der beiden addierten Bromatome hin und charakterisiert die
Verbindung als ein bromwasserstoffsaures Salz. Derselbe Forscher
berichtet zwei Jahre später über die entsprechende Jodverbindung..)
Das auffällige Verhalten der beiden Bromatome, sowie der Um-
stand, dafs man inzwischen das Thiosinamin als Allylthioharnstoff
charkterisiert hatte, veranlalsten Falke, die Konstitution des
Thiosinamins auf Anregung von Herrn Prof. E. Schmidt näher
zu studieren.
Für den Thioharnstoff sind zwei Formeln, eine symmetrische
NR, NE
os und eine unsymmetrische ds H, aufgestellt, und nach den Reak-
I
| |
NH, NH,
tionen und Verbindungen, welche derselbe zu liefern imstande ist,
mu[s man annehmen, dafs ihm beide Formeln zukommen, dals er
also ein Beispiel der Tautomerie sei.?) Es war daher zu erwarten,
dafs bei dem Allylderivate des Thioharnstoffs, dem Thilosinamin,
ähnliche Verhältnisse vorliegen würden.)
Der Umstand ferner, dafs das Thiosinamin mit rauchender
Salzsäure erhitzt einen isomeren Körper, den Propylen » thioharnstoff
Gabriel’s?) liefert, legt es nahe, die Maly’sche Additions-
produkte mit ersterem zu vergleichen, und zu konstatieren, ob den
beiden Körpern dieselbe Konstitution zukomme, oder ob auch hier
Verschiedenheiten vorlägen. Seine Untersuchungen hierüber hat
Falke in seiner 1893 erschienenen Dissertationsschrift niedergelegt.
Da jedoch Falke’s Arbeit noch so manches unentschieden lälst,
anderes von Wichtigkeit überhaupt nicht behandelt, so unternahm
ich es auf Veranlassung von Herrn Geheimrat Professor
Dr. E Schmidt, die Arbeit Falke’s fortzusetzen und zu er-
gänzen. Die Aufgabe zerfällt, wie aus Obigem erhellt, in zwei
Hauptpunkte::
1. Untersuchungen über die Konstitution des Thiosinamin’s,
1) Zeitschr. f. Chem. 1869, 258.
2\ Maly, Monatsb. f. Chem. XI. 277; Storch, ebendaselbst 458;
Rathke, Ber. 1884, I., 297.
3) Ber. 1889, 2986.
Arch. d. Pharm. CCXXXI. Bas. 9. Heft. 49
648 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin.
2. Untersuchungen über die Konstitution des Maly’schen
Brom- und Jodadditionsproduktes.
il
In seinen Untersuchungen über die Konstitution des Thiosin-
amins kommt Falke zu dem Schlußs, dafs auch diesem
Allylderivat des Thioharnstoffs die beiden tautomeren Struktur-
formeln :
NH, NH
| l
OS und CSH
| |
NHC,H, NH
zuzuschreiben seien. Für die erstere sprächen vor allem die
Additionsprodukte des Thiosinamins mit salpetersaurem Silber und
mit Chlorsilber, sowie das Verhalten gegen Quecksilber- und Blei-
oxyd (eintretende Entschwefelung); für die letztere hingegen die
Doppelsalze mit Kupfer- und Platinchlorid.
Um zu konstatieren, ob die Ansicht Falke’s den Thatsachen
entsprächen, stellte ich sowohl die oben genannten Verbindungen,
wie auch einige neue dar, und studierte deren Verhalten.
Einwirkung von Silbernitrat auf Thiosinamin.
Loewig und Weidmann!) haben durch Einwirkung
von konzentrierter wässeriger Silbernitratlösung auf eine ebensolche
Thiosinaminlösung ein Thiosinaminsilbernitrat erhalten, in welchem
ein Molekül Silbernitrat mit einem Molekül Thiosinamin verbunden
ist. Nach den Angaben Falke’s giebt auch eine nicht allzu-
konzentrierte alkoholische Thiosinaminlösung, mit Silbernitrat im
Ueberschu/s versetzt, ein weilses, voluminöses Salz, das sich an der
Luft mit einer grauen Schicht überzieht. Dieses Präparat enthielt
38,8 Proz. Silber. In der That erhält man nach Falke's Vor-
schrift ein derartiges Präparat, wie meine bezüglichen Versuche
lehrten ; die Zusammensetzung dieses Doppelsalzes entspricht jedoch
nicht der von Falke irrtümlich angegebenen Kormel C,H; NS
+ 2 AgNO,;, sondern vielmehr einer Verbindung von gleichen Mole-
külen Thiosinamin und Silbernitrat, welche 37,76 Proz. Ag. verlangt.
Somit ist der von Falke aus mälsig konzentrierter alkoholischer
1) Journ. f. pr. Chem. 19,218.
Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 649
Lösung dargestellte Körper identisch mit dem von Loewig und
Weidmann beschriebenen.
Verschiedene, in veränderter Konzentration gefällte Salze (nach
Falke'’s Vorschrift) hatten einen Gehalt von 39,2 und 41,2 Proz.
Silber, so dafs dieselben wohl als ein Gemisch der Verbindungen
C,H; N S+AgNO,und C,H; N,;S +2 Ag NO; in wechselndem Ver-
hältnis aufzufassen sein dürften. Aufserdem zeichnen sich diese
Präparate nicht durch grofse Beständigkeit aus, vielmehr erleiden
dieselben schon bei der Darstellung, anscheinend infolge Bildung
von Schwefelsilber, eine Graufärbung.
Hingegen gelang es mir eine reine, haltbare Verbindung von
der Formel C,H, S-+2 AgNO, auf folgende Weise zu erhalten:
Eine Lösung von 1 g Thiosinamin in 10 g Wasser versetzte
ich mit einem Tropfen Salpetersäure und fügte dann so lange zehn-
prozentige wässerige Silbernitratlösung zu, bis der zuerst entstehende
Niederschlag sich wieder auflöste und überhaupt ein Ueberschufs an
Silbernitrat vorhanden war. Die klare Flüssigkeit schied nach etwa
halbstündigem Stehen eine reichliche Menge grauglänzender, derber,
nadelförmiger Krystalle aus, welche ich durch Absaugen von der
Mutterlauge trennte und mit wenig salpetersaurem Wasser nachwusch.
Den Silbergehalt bestimmte ich durch direktes Glühen, schliels-
lich im Wasserstoffstrome. Selbst bei vorsichtigem Erhitzen verpuffte
die Verbindung, und es blieb sofort rein weilses Silber zurück.
0,2808 g hinterliefsen 0,1332 g Silber = 47,43 Proz. Silber, wäh-
rend 47,37 Proz. für 0,H,N,S+2AgNO, berechnet sind.
Da in dieser Verbindung Schwefel und Silber in äquivalenten
Mengen vorhanden sind, so mulste auch folgender Versuch zu einem
brauchbaren Resultate führen: Ich versetzte eine gewogene Menge
mit Ammoniak und erwärmte einige Minuten. Das dabei sich ab-
scheidende Schwefelsilber wurde gesammelt und im Wasserstoffstrom
geglüht. Ich fand auf diese Weise 46,97 Proz. Das Filtrat vom
Schwefelsilber teilte ich in zwei Teile und erwärmte den einen mit
ammoniakalischer Silberlösung; es fand keine Abscheidung von
As,S statt; den andern prüfte ich mit Salzsäure auf Silbernitrat.
Da auch hier kein Niederschlag entstand, mu/ste auch das Silber
vollständig ausgefallen und somit Silber und Schwefel in den
berechneten Mengen vorhanden sein.
42*
650 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin.
Es gelang mir ferner auch, aus alkoholischer Lösung eine Ver-
bindung von gleicher Zusammensetzung zu erhalten. Eine alkoho-
lische Lösung von Thiosinamin, etwa 1:400, säuerte ich mit einem
Tropten Salpetersäure an und setzte dazu tropfenweise eine wässerige
Silbernitratlösung. Es entstand auch hier zunächst eine milchige
Trübung, welche bei weiterem Zusatz wieder verschwand. Beim
ruhigen Stehen schieden sich seidenglänzende, weilse Flocken ab,
die sich von dem aus wässeriger Lösung dargestellten Präparat durch
die weilsere Farbe und geringere Derbheit unterschieden. Die Ana-
lyse ergab jedoch, dafs ich es mit derselben Verbindung zu thun
hatte.
0,1581 g hinterliefsen beim Glühen im Wasserstoffstrome
0,0749 g Silber = 47,375 Proz., berechnet für 0, H, NS +
2 Ag NO, = 47,37.
Das in derben Krystallen aus wässeriger Lösung erhaltene
Präparat versuchte ich durch Umkrystallisieren aus heilsem Wasser
zu reinigen. Loewig und Weidmann berichten von ihrem
Präparat, dafs es getrocknet von grünlich-weilser Farbe und ziemlich
lichtbeständig sei. Beim Umkrystallisieren aus lauwarmem Wasser
sei es unverändert geblieben, durch heilses oder kochendes Wasser
habe es sich unter Bildung von Ag,S zersetzt. Letztere Wahr-
nehmung konnte ich auch an meinem Präparat bestätigen, jedoch
wurde eine weitere Zersetzung durch Zusatz von einem Tropfen
Salpetersäure verhindert. Beim Erkalten schied sich aus dem
Filtrat eine weilse, aus langen, seidenartigglänzenden Krystallnadeln
bestehende Masse aus, die nach dem Absaugen und Trocknen einen
Gehalt von 38,13 Proz. Silber aufwies.
0,2536 g hinterlie[sen beim Glühen 0,0967 g
Gef. Ber. für C,H, NS + AgNO,
Ag. 38,13 37,76.
Ein anderes, ebenfalls aus Wasser umkrystallisiertes Präparat,
welches sich im Pharm.-chem. Institut zu Marburg vorfand, enthielt
38,42 Proz. Ag.
0,2634 g hinterliefsen beim Glühen 0,1012 g.
Hieraus ist ersichtlich, dafs die ursprünglich mit zwei Mole-
külen Silbernitrat krystallisierte Verbindung des Thiosinamins durch
Umkrystallisieren in die mit einem Molekül AgNO, übergegangen
ist. Um zu konstatieren, ob diese Veränderung durch die teilweise
Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 651
Zersetzung bedingt worden sei, versuchte ich eine andere Menge
des derb krystallisierten Körpers aus’heilsem Wasser, welches mit
einem Tropfen Salpetersäure angesäuert war, umzukrystallisieren.
Die Lösung ging ohne Schwefelsilberabscheidung von statten und
war beinahe völlig beendet, als plötzlich die gesamte Flüssigkeit
zu einem Krystallbrei erstarrte, der erst auf Zusatz von viel heilsem
Wasser sich wieder auflöste. Das beim Erkalten auskrystallisierte
Präparat erwies sich bei der Analyse als die Verbindung von
gleichen Molekülen Thiosinamin und Silbernitrat.
Ein Versuch, aus ganz verdünnter alkoholischer Lösung
(1:2000) die Silberverbindung darzustellen, mifslang, da in dieser
Verdünnung der zunächst entstehende voluminöse Niederschlag sich
sofort schwärzte.
Aus alledem scheint mit Sicherheit hervorzugehen, dafs für die
Gewinnung der Verbindung C,H; NS +2 AgNO; nicht die Art und
die Konzentration des Lösungsmittels in Betracht kommen, sondern
vor allem die Gegenwart geringer Mengen freier Salpetersäure,
sowie ferner ein Ueberschu(s an Silbernitrat und endlich die Tem-
peraturr. Ob die von Loewig und Weidmann dargestellte
Verbindung, in welcher sie 36,58 Proz. Silber fanden, nicht doch
ursprünglich die silberreichere gewesen ist, welche durch Um-
krystallisieren in die silberärmere übergegangen, vermag ich nicht
zu konstatieren, da die Verfasser nicht angeben, welches Präparat
sie der Analyse unterworfen haben.
Einwirkung von Quecksilberchlorid auf
Thiosinamin.
Nach Will!) entsteht beim Versetzen einer salzsauren Lösung
des Thiosinamins mit Quecksilberchlorid ein weilser, käsiger, in
Essigsäure löslicher Niederschlag, der, zur Vermeidung einer Zer-
setzung, nur mit wenig kaltem Wasser ausgewaschen werden darf.
Die Zusammensetzung dieser Verbindung soll der Formel C,H3N5S
+ 2HgCl, entsprechen. Ich benutzte zur Darstellung dieser Ver-
bindung zunächst eine wässerige, nicht salzsaure Lösung des Thiosin-
amins; auf Zusatz von fünfprozentiger Quecksilberchloridlösung
entstand aus konzentrierter Lösung ein durchsichtiger, zäher, in
l) Ann. f. Chem. u. Pharm. 52, 13.
652 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin.
allen Lösungsmitteln unlöslicher Körper, der zur weiteren Unter-
suchung nicht geeignet war; aus verdünnter Lösung erhielt ich da-
gegen einen weilsen, käsigen Niederschlag, den ich, nach dem Ab-
saugen, bei gewöhnlicher Temperatur trocknete und darauf unter-
suchte.
In verdünnter Essigsäure war die Verbindung unlöslich, löslich
hingegen nach längerem Kochen in Eisessig. Eine derartige essig-
saure Lösung benutzte ich zur Analyse, indem ich das Queck-
silber als Schwefelquecksilber durch H35S fällte.
Gef. Ber. für 0,H;N,S + 2HgOl,
Hg 60,67 60,8.
Das Filtrat vom abgeschiedenen HgS sollte zur Bestimmung
des Chlorgehaltes dienen, erwies sich aber als untauglich hierzu, da
es mit grolser Hartnäckigkeit Schwefelwasserstoff zurückhielt. Des-
halb glühte ich eine neue Menge des Präparates mit entwässertem,
chlorfreiem Natriumearbonat uud fällte aus der zuvor Äfiltrierten und
salpetersauren Lösung das Chlor mit Silbernitrat.
0,7210 g lieferten hierbei 0,6277 g AgCl.
Gef.: Ber. tür C,H,3N:S + 2HgÜC],
6421,53 21,58.
Ich habe demnach durch Fällen mit Quecksilberchlorid aus
verdünnter wässeriger Lösung des Thiosinamin’s dieselbe Verbindung
erhalten, die Will aus salzsaurer Lösung dargestellt hat. Die
Gegenwart der freien Säure ist somit für das Zustandekommen der
Verbindung nicht von Belang.
Einwirkung von Quecksilberchlorür auf
Thiosinamin.
Verreibt man Thiosinamin in wässeriger Lösung mitpräzipitiertem
Calomel und erwärmt nach 24 Stunden, so scheiden sich nach dem
Erkalten im Filtrat weilse Krystalle aus. Auf dem Filter ver-
bleibt etwas Schwefelquecksilber und metallisches Quecksilber. Das
Filtrat reagiert alkalisch. Auf tropfenweisen Zusatz von Salzsäure
entsteht ein Niederschlag, der sich aber immer wieder auflöst, bis
bei weiterem Zusatz eine flockige Abscheidung stattfindet. Auf
Zusatz von Ammoniak entsteht ebenfalls eine weifse Fällung, die
aber im Ueberschufs des Fällungsmittels nicht wieder löslich ist.
Die Mutterlaugen scheiden beim längeren Stehen noch weitere
Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 653
Mengen schön ausgebildeter, grölserer Krystalle aus, die die Eigen-
tümlichkeit zeigen, dals in scharfer Abgrenzung die eine Hälfte voll-
ständig klar und durchsichtig, die andere hingegen trübe ist. Die
Grenze liegt anscheinend ungefähr in der Längsaxe.
Die Verbindung ist krystallwasserfrei und zersetzt sich schon
im Wassertrockenschranke.
1. 0,3782 g, mit Ammoniak erwärmt, schieden 0,1412 g HgS ab;
das Filtrat enthielt kein Quecksilber mehr.
2. 0,6105 g gaben 0,2870 g Ag Cl.
Zieht man aus den für Hg und Cl. gefundenen Werten die
Quotienten, so findet man, dafs Hg:Cl im Verhältnis 1:2 steht, dals
also eine Oxydverbindung vorliegt.
Die Formel berechnet sich auf (C,H, N.S), HgÜl,
Gef. Ber.
I IE
Hg 32,18 — 3219
Er BES 11.47
Zu einer Verbindung von demselben Aeulsern gelangte ich
beim Erwärmen der Verbindung C,H;3NS-+2HgCl, mit über-
schüssiger Thiosinaminlösung. Es resultierte dabei eine klare Lösung,
dieselbe reagierte alkalisch und zeigte dieselben Eigenschaften, wie
das Filtrat obigen Einwirkungsproduktes von Quecksilberchlorür aut
Thiosinamin. Beim Erkalten krystallisierte eine Verbindung von
genau derselben Form aus. Zum Nachweis der Identität bestimmte
ich den Queksilbergehalt,
0,375 g des über Schwefelsäure getrockneten Salzes, mit Ammoniak
gekocht, gaben 0,1405 g HgS, entsprechend 32,29 Proz. Hg; berechnet
sind 32,15 Proz.
Einwirkungvon Quecksilbercyanid auf
Thiosinamin.
Eine wässerige Thiosinaminlösung nimmt, versetzt mit einer
Lösung von Quecksilbereyanid, alkalische Reaktion an. Nach mehr-
stündigem Stehen scheiden sich prachtvoll glänzende, weilse Krystalle
von bedeutender Gröfse aus, die in ihrer Krystallform der des
Quecksilbercyanids ähneln. Aufserdem aber entstehen noch grau-
getärbte, kleinkrystallinische Massen. Die gut ausgebildeten, weilsen
Krystalle wurden ausgelesen und analysiert. Bei 1000 getrocknet,
zersetzten sie sich unter Schwarzfärbung ; über Schwefelsäure ge-
trocknet, gaben sie nichts ab, waren also wasserfrei.
654 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosiaamin.
0,3305 g wurden in Wasser gelöst und mit Ammoniak gekocht,
und das ausgeschiedene Schwefelquecksilber auf einem gewogenen
Filter gesammelt. Das Filtrat vom HgS wurde mit Silbernitrat ver-
setzt, um den überschüssigen Schwefel zu bestimmen, und gekocht.
Das ausgeschiedene Schwefelsilber wurde gesammelt und im Wasser-
stoffstrome geglüht. Im Filtrat endlich von Schwefelsilber wurde
Cyan, nach dem Ansäuren mit Salpetersäure, durch Silbernitrat aus-
gefällt und das ausgeschiedene Cyansilber im Weasserstoffstrome
geglüht.
0,3395 g gaben 1. 0,0918 HgS = 23,94 Hg
2 &
2 BlRE AR uns
3. 0,0727 gAg = 4,26 Cy.
Diese Daten lassen sich auf keine Formel vereinigen. Denn
während der für Hg gefundene Wert auf eine Formel
(C, H; N, 8), Hg Cy
hinweisen würde, setzt der ermittelte Schwefelgehalt eine Ver-
bindung von der Formel (C,H; N; S);, + HgCy, voraus. Der für
Cy gefundene Wert endlich würde der ersten Formel entsprechen,
wenn man eine Oyanürverbindung annehmen würde, da die tür Hg
und Cy berechneten Quotienten sich wie 1:1 verhalten.
Bei weiterer Prütung stellte sich jedoch heraus, dafs sich im
Filtrat von Cyansilber sowohl Hg. als auch Cy noch nachweisen
liefs, obwohl ich bei deren Bestimmung die betreffenden Reagen-
tien im starken Ueberschuls angewandt hatte.
Nach dem Gegebenen schien es mir erforderlich, den Gehalt an
Hg und S erst nach Zerstörung der organischen Substanz zu be-
stimmen. Zu diesem Zweck erhitzte ich 0,1835 g mit Salpetersäure-
hydrat drei Stunden im zugeschmolzenen Rohr auf 180°. In dem
stark verdünnten Reaktionsprodukt wurde Hg als HgS und S als
Baryumsulfat bestimmt. 0,1835 g lieferten 0,08785 g HgS und 0,1731 g
Ba SO,.
Gef. Ber. für (C,H; N, S), Hg (CN),
Hg ALaTı% 41,32
S 13,42 13,23.
Einwirkung von Kupferchlorür auf Thiosinamin.
Durch Fällen einer konzentrierten Thiosinaminlösung mit mög-
lichst neutraler Kupferchloridlösung erhielt Falke eine weilse,
unlösliche Verbindung, der er auf Grund seiner Analysen die em-
pirische Formel C,H; N;S- Cu Cl + 1/; H,O zuschreibt.
Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 655
Aus den Mutterlaugen hat Falke keine anders zusammenge-
setzten Verbindungen erhalten; trotzdem hat er nie die quantitative
Ausbeute erhalten, und er erklärt dies durch eine Gleichung, welche
er, analog der von Rathkel) für die entsprechende Thioharnstoff-
verbindung angegebenen Formel, aufstellt:
I. 2CSN,H, C,H, + Cu Cl,— CSN,H,C, H;-Cu Cl + CSN, HB, C,H,-Cl.
IL 2CSN,H, C,H, CI=CSN,H,G,H, +CN,H0C,A,+S+2HCL
Im Anschlufs hieran habe ich folgende Beobachtungen ge-
macht:
Verreibt man fein verteiltes Kupferchlorür (dargestellt durch
Fällen einer salzsauren Lösung durch viel Wasser) mit Thiosin-
aminlösung, so entsteht eine voluminöse Verbindung (A). Mit dem
Zusatz von Thiosinamin mufs man so lange fortfahren,
bis die über dem Niederschlage stehende Flüssigkeit eine schwach-
blaue Färbung behält, Saugt man den Niederschlag alsdann ab, so
scheiden sich im Filtrat nach einigem Stehen weilse, gläuzende
Krystalle aus. In reichlichen Mengen erhält man dieselben, wenn
man den Niederschlag mit Thiosinaminlösung nachwäscht oder von
vornherein einen Ueberschufs des letzteren zum Kupferchlorür zu-
zetzt. Wie ich unten nachweisen werde, sind diese beiden Körper
verschieden zusammengesetzt. Einen mit letzterer Verbindung identi-
schen Körper (B) erhielt ich durch Verreiben völlig neutralen Kupfer-
chlorürs mit überschüssigem Thiosinamin. Das Kupferchlorür löst
sich dabei nahezu vollständig auf, das Filtrat reagiert alkalisch und
giebt, mit Salzsäure tropfenweise versetzt, einen sich immer wieder
auflösenden Niederschlag. Hört man mit weiterem Zusatz von Salz-
säure auf, sobald der entstehende Niederschlag sich nur noch schwierig
auflöst, so scheiden sich nach etwa viertelstündigem Stehen
reichliche Mengen kleiner, glänzender Krystalle aus. Durch gleiches
Behandeln können in dem Filtrat weitere Krystallisationen erzielt
werden. Bleiben diese Krystalle längere Zeit mit den Mutterlaugen
in Berührung, so verwandeln sie sich allmählich in zähe durch-
scheinende Massen, die aber allmählich wieder krystallinisch erhärten.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dafs obige, alkalisch reagierende
Lösung von Kupferchlorür in Thiosinamin auch mit Ammoniak einen
weilsen Niederschlag giebt, der sich aber nicht wisder auflöst.
1) Ber. 1884, 297 ff.
656 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin.
Der erstere, in Wasser unlösliche Körper (A) war nach dem
Trocknen schwach blau gefärbt.
0,4956 & verloren weder im Exsiccator über Schwefelsäure, noch
bei 1000, noch endlich bei 105° getrocknet etwas an Gewicht. Diese
Menge im Wasserstoffstrome mit Schwefel geglüht hinterliels 0,1845 g
Cu,S, was einem Gehalt von 29,6%, Cu entsprechen würde.
Falke fand 28,2 und 28,60%, Cu und berechnete hieraus die
Formel (C,H; N; S), Cu; Cl, + H,O. Dafs der von mir dargestellte
Körper identisch mit dem Falke’s ist, unterliegt bei den sonst
völlig gleichen Eigenschatten keinem Zweifel. Der Umstand, dals
ich ca. 10/, Cu mehr gefunden habe, konnte seinen Grund darin
haben, dafs dem Thiosinaminkupferchlorür eine geringe Menge un-
verändertes Kupferchlorür beigemengt war. Da aber andererseits
der von mir für Kupfer gefundene Wert genau mit dem auf die
wasserfreie Verbindung berechneten übereinstimmt (gef. 29,6 — ber.
29,53), so liegt die Vermutung nahe, dafs der von Falke durch
Einwirkung von Kupterchlorid- auf Thiosinaminlösung dargestellte
Körper kein einheitlicher gewesen, sondern ein Gemenge aus wasser-
ireiem Thiosinaminkupferchlorür und der durch Einwirkung über-
schüssigen Thiosinamins auf Thiosinaminkupferchlorür entstandenen
Verbindung, deren Beschreibung und Analysen folgen, gewesen sei.
Um dies zu konstatieren, stellte ich mir eine Quantität obiger Ver-
bindung genau nach den Angaben Falke’s dar und bestimmte
darin den Kupfer-, Chlor- und Schwefelgehalt.
1. 0,3346 g der bei 1000 getrockneten Substanz hinterlielsen beim
Glüben mit Schwefel im Wasserstoffstrome 0,1160 g.
2. : 0.5785 g lieferten 0,3529 g AgCl.
3. 0,3245 g, mit Salpetersäurehydrat drei Stunden auf 2200 er-
hitzt, gaben 0,3496 g Baryumsulfat.
Gef. Falke
I II 1881
Cu 27,66 _ — 28,2— 28,6
[01 — 15,09 — 15,2
Se 2 14,79 14,1
Wenn die für Ca und Cl gefundenen Werte auch annähernd
mit den von Falke gefundenen übereinstimmen und somit die An-
nahme Falke’s zu bestätigen scheinen, weist doch der von mir
für Schwefel gefundene Wert mit Notwendigkeit auf eine wasser-
freie Verbindung hin, die mit der weiter unten beschriebenen thio-
Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 657
sinaminreicheren Verbindung (B) verunreinigt ist. Dafs letztere sich
leicht wird beimengen können, kann man aus Folgendem entnehmen:
Bei der Darstellung des Thiosinaminkupferchlorürs wird Thio-
sinamin im Ueberschufs angewandt. Dasselbe wird also leicht die
in Wasser lösliche thiosinaminreichere Verbindung (B) liefern können.
Gleichzeitig wird bei der Einwirkung von Thiosinamin auf Kupfer-
chlorid freie Salzsäure abgespalten. Letztere scheidet aber, wie
oben erwähnt, die thiosinaminreichere Verbindung zum Teil aus ihren
Lösungen ab.
War diese Annahme richtig, so mulste durch Versetzen einer
Kupferchloridlösung mit ungenügendem Thiosinamin eine von diesem
Körper freie Verbindung entstehen. Ein in dieser Weise dagestelltes
Salz zeigte in der That vollständig dieselben Eigenschaften, wie das
Falke's, erwies sich aber als wasserfrei.
0,3452g gaben nach dem Trocknen über Schwefelsäure weder bei 100
noch bei 1100 etwas ab. Das durch Ammoniak abgeschiedense mit S
im Wasserstofistrom geglühte Cu,S wog 0,1261 g = 29,15 Proz. Be-
rechnet sind für (C,H, N,S.CuCl), 29,53 Proz.
Das obige, gut krystallisierte Salz B war von rein weilser
Farbe und veränderte sich selbst nach wochenlangem Liegen an der
Luft nicht im geringsten. Es verlor ebenfalls, weder über Schwefel-
säure, noch bei 100° und 1050 getrocknet, etwas an Gewicht, so dals
es also frei von Krystallwasser zu bezeichnen ist.
1. 0,3956 g hinterlielsen 0,1167 & CuaS.
2. 0,2937 g, bei 105—110° getrocknet, verloren 0,0009 g an Gewicht.
3. 0,2928 g wurden mit Ammoniak gekocht. Das abgeschiedene
Schwefelkupfer betrug nach dem Glühen im Wasserstoffstrome mit
Schwetel 0,0843.
4. Das Filtrat von Analyse 3 wurde mit Silbernitrat gekocht.
Der Niederschlag von Ag, S, im Wasserstoffstrom geglüht, hinterliefs
0,2114 g Ag.
Aus Analyse 2 und 4 berechnet sich der Gesamtgehalt an
Schwetel.
5. 0,328 g lieferten 0,1724 g AgCl.
Berechnet für
Gef. (C, H; N, S)z Cu, Cl
I II III IV V
Cu 2354 — 23,32 — _ 23,18
EEE Tr REES DEREN Ö
Ser Bil ya 16,51 17.6
Cl —_— — — — 13,0 13,02
658 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin.
Der zu geringe Befund an Schwefel erklärt sich daraus, dals
eine kleine Menge, bei Analyse 3, als CuS mit Ammoniak ausfällt,
welche nachher als Cu,S zur Wägung kommt.
Diese Verbindung stellt sich in der Zusammensetzung der aus
Thiosinamin und Quecksilberchlorür dargestellten Quecksilberverbin-
dung zur Seite. Bemerkenswert ist jedoch die verschiedenartige
Wirkung, welche das Thiosinamin auf die Chlorverbindungen dieser
beiden so nahe verwandten Metalle ausübt. Denn während die Oxy-
dulverbindung des Quecksilbers durch Thiosinamin unter Abschei-
dung von metallischem Quecksilber in die Oxydverbindung überge-
führt wird, verwandelt sich umgekehrt die Oxydverbindung des
Kupfers durch Einwirkung von Tbhiosinamin unter Salzsäureabspal-
tung in die Oxydulverbindung.
Verhalten der Thiosinamin-Schwermetallsalz-
Verbindungen gegen Reagentien.
Alle vorher beschriebenen Metallsalzverbindungen des Thio-
sinamins zeigen ein wesentlich anderes Verhalten, als das Thiosinamin
selbst. Während Thiosinaminlösungen vollständig neutral reagieren
und auf Zusatz von Pikrinsäure, Phosphomolybdän- und Phospho-
woltramsäure keine Niederschläge geben, wohl aber mit den übrigen
sogenannten allgemeinen Alkaloidreagentien, mit Ausnahme der Gerb-
säure, reagieren die Metallsalzverbindungen, soweit sie wasserlöslich
sind, schwach alkalisch auf Lackmus und geben, selbst in den grölsten
Verdünnungen, mit allen Alkaloidreagentien, mit Ausnahme der
Gerbsäure, voluminöse Niederschläge. Durch eine einfache Doppel-
salzbildung dürfte sich dieses eigentümliche Verhalten kaum er-
klären lassen.
Von Wert für die Erkennung der Konstitution der im Vor-
stehenden beschriebenen Verbindungen scheint mir ferner das Ver-
halten derselben gegen Schwefelwasserstoff zu sein.
Loewig und Weidmann!) berichten hierüber folgendes:
„Wird die in Wasser verteilte Verbindung des Thiosinamin-
silbernitrats durch Schwefelwasserstoff zersetzt, so enthält die von
Schwefelsilber getrennte Flüssigkeit Salpetersäure und Senf-
ölammoniak aufgelöst. Wird die saure Lösung mit Natriumkarbonat
gesättigt und dann eingedampft, so bleibt ein salzartiger Rückstand,
1) Journ. f. pr. Chem. 19, 220.
Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 659
aus welchem Aether unverändertes Senfölammoniak auszieht. Wird
jedoch die saure Flüssigkeit ohne vorhergegangene Neutralisation
abgedampft, so bleibt eine gelbliche, zerfliefsliche Masse zurück,
welche durch zersetzende Wirkung der Salpetersäure auf das Senf-
ölammoniak entstanden ist.“ Meine Versuche hierüber haben fol-
gende Thatsachen ergeben:
Schwefelwasserstoff scheidet allerdings aus den Metallsalz-
verbindungen Schwefelmetall ab, jedoch gelingt es selbst durch
tagelanges Einleiten von HzS nicht, sämtliches Metall zu elimi-
nieren, vielmehr verbleibt immer eine metallhaltige, wasserhelle
Flüssigkeit, die auf Zusatz von Pikrinsäure, Phosphomolybdän- und
Phosphowolframsäure Niederschläge giebt, also nicht blos aus Thio-
sinaminlösung bestehen kann. Dabei konnte ich bemerken, dals
z. B. aus Thiosinaminchlorsilber ausgeschiedenes Schwetfelsilber
heim Erwärmen (um das Schwefelsilber kompakter zu machen) sich
wieder auflöste; dafs das Quecksilber aus seinen Verbindungen
als schwarzes Schwefelquecksilber äusfällt, beim weiteren Einleiten
von Schwefelwasserstoff allmählich braun, schliefslich zinnoberrot
wird; dafs das mit Schwefelwasserstoff gesättigte, farblose Filtrat
von Thiosinamin-Kupferchlorür auf Zusatz von destilliertem
Wasser sich bräunt, also eine weitere Menge von Schwefelkupfer
abscheidet. In allen Fällen aber bleibt, wie schon gesagt, Metall
in Lösung und kann erst durch Zusatz von Schwefelammonium bis
zur alkalischen Reaktion abgeschieden werden.
Beim Eindampfen der so metallfrei dargestellten Lösung aus
Thiosinaminkupferchlorür schieden sich weilse, glänzende Krystalle
aus, deren Schmelzpunkt, nach dem Trocknen über Schwefelsäure
bei 69—700 lag. Die aus Alkohol umkrystallisierte Verbindung
schmolz bei 72°, difterierte also mit dem in der Litteratur ange-
“ gebenen Schmelzpunkt um 2%. Dafs aber der erhaltene Körper mit
Thiosinamin identisch war, ersah ich aus dem Verhalten gegen Blei-
und Quecksilberoxyd. Durch letztere Agentien wurde nämlich der
Verbindung beim Kochen, unter Bildung von Schwefelmetall, der
Schwefel entzogen, das Filtrat reagierte alkalisch, gab mit Pikrin-
säure Fällungen und bestand aus Allylcyanamid. Zum Vergleich
wurde auch gleichzeitig der Schmelzpunkt von reinem Thiosinamin
bestimmt. Beide Substanzen schmolzen genau bei derselben
660 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin.
Temperatur, bei 720. Auch das Verhalten gegen Pikrinsäure,
Phosphomolybdän- und Phosphowolframsäure war vollständig gleich.
Es bestätigt sich somit die Angabe Loewig und Weid-
mann's, dals durch Schwefelwasserstoff Thiosinamin zurückge-
wonnen werden kann, nur ist eben dabei die Kautele zu beachten,
dafs nach dem Einleiten von Schwefelwasserstoff noch Schwefel-
ammonium zugesetzt werden muls. Loewig und Weidmann
haben dasselbe Resultat durch den Zusatz von Natriumcarbonat er-
reicht. Durch selbiges ist jedenfalls das noch in Lösung befindliche
Silber ebenfalls abgeschieden worden.
Die Konstitution der Metallsalzverbindungen
des Thiosinaminse.
Die verhältnismäfsig grofse Schwierigkeit, welche es bietet,
sämtliches Metall aus den Verbindungen zu eliminieren, legt, wie
Rathket!) bei den analogen Thioharnstoffmetallverbindungen aus-
führt, die Annahme nahe, dafs das Metall direkt an den Schwefel
des Thiosinamins gebunden ist; denn naturgemäls wird dasselbe,
bereits an Schwefel gebunden, keine allzugrofse Neigung haben, sich
von einem Schwefelatom loszureilsen, um mit einem andern in Ver-
bindung zu treten. Den Beweis für diese Annahme führte Rathke
in der Weise, dafs er auf die Silberverbindung Jodaethyl einwirken
lies. Dadurch erhielt Rathke eine Verbindung, welche das Metall
gegen Aethyl ausgetauscht hat.
Ganz analog verhält sich auch das Thiosinamin. Behandelt
man Thiosinaminchlorsilber mit überschüssigem Jodaethyl in einer
Druckflasche bei 100°, so erhält man eine gelbgefärbte Verbindung,
die in allen Lösungsmitteln unlöslich ist und aller Wahrscheinlichkeit
nach ebenso zusammengesetzt ist, als dasnach Rathke intermediär
entstehende
CSNH, AgJ + CSNH,.%H,Cl;
es unterscheidet sich von letzterem jedoch dadurch, dafs man das
Thiosinaminaethylcehlorid nicht zu isolieren vermag. Dals aber die
Einwirkung in dem angegebenen Sinne stattfindet, dafür spricht das
Verhalten von Thiosinaminjodaethyl gegen Chlorsilber. Es resultiert
dabei eine Verbindung, die vollständig identisch mit der durch Ein-
wirkung von Jodaethyl auf Thiosinaminchlorsilber entstandenen ist.
Das Thiosinaminjodaethyl entsteht beim Verdunsten einer alkoholischen
1) Ber 1884, I. 308.
Dr. J). Gadamer: Ueber Thiosinamin. 661
Thiosinaminlösung mit überschüssigem Jodaethyl in weilsen, grolsen
Krystallen, die in Wasser und Alkohol äufserst leicht löslich sind.
0,4140 g verbrauchten 15,29 ccm !/,, N. Silberlösung.
Gefunden: Ber. für 0,H,;,N5S.C,H,J
J = 46,63 46,68.
Der Verlauf bei Bildung der Metallverbindungen dürfte dem-
nach etwa folgender sein:
NH | NH
( I TR
CSH +M= CSM ıH
| |
NHC,H, NHO.H,
Der dabei frei werdende Wasserstoff kann sich nun entweder
mit dem vom Metall abgespaltenen Säureradikal zu einer Säure ver-
einigen, welch’ letztere dann mit der metallhaltigen Base eine salz-
artige Verbindung eingeht, wie es Rathke für die Thioharnstoff-
metallverbindungen annimmt, oder aber man kann, nach dem Vor-
gange von Falke, den Reaktionsverlauf dadurch erklären, dafs, bei
der Einwirkung von Metallsalzen, das Schwefelatom des Thiosinamins
aus der Zweiwertigkeit in die Vierwertigkeit übergeht, und dafs die
beiden Komponenten des Metallsalzes sich direkt an den Schwefel
nach folgendem Schema anlegen:
NH NH
| Erz
| DB Yan:
CB EMR- CigNn
I
| | N:
NHC;H, NHC,H,.
I I
M bedeutet ein einwertiges Metall, R ein einwertiges Säureradikal.
Für letztere Annahme spricht vor allem der Umstand, dafs
sämtliche Metallsalzverbindungen schwach alkalisch reagieren, was
sich kaum durch die Annahme einer Salzbildung nach Rathke er-
klären lälst, um so weniger, da das Thiosinamin selbst keine Salze
zu bilden vermag, und die Harnstoffsalze von saurer Reaktion sind.
Dals der Eintritt [des Metalles für Wasserstoff die Basieität in
dem Mafse erhöhen sollte, dafs die Salze schwach alkalisch rea-
gieren, ist, wenn auch möglich, doch an sich nicht recht wahrschein-
lich; man mülste denn annehmen, dafs die Neutralität des Thiosin-
amins durch eine Sättigung der basischen Stickstoffgruppen gegen die
662 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin.
Säurecharakter tragende SH-Gruppe bedingt sei, durch Sättigung
der elektronegativen SH-Gruppe mit Metall aber die Basicität der
NH- resp. NHC,H,-Gruppe wieder zur Geltung kommen. Erstere
könnte dann durch die Säure des Metallsalzes gesättigt werden,
während der schwach basische Charakter der Verbindungen seine
Erklärung in der Gruppe NH.C,H, finden würde.
Erklärlich wird diese Hypothese durch folgende Thatsachen:
1. Der Harnstoff ist trotz seiner zwei Amidgruppen eine
schwache einsäurige Base und geht mit einbasischen Säuren salz-
artige Verbindungen von saurer Reaktion ein. Die Einsäurigkeit ist
bedingt durch Sättigung einer Amidgruppe durch die Carbonyl-
gruppe.
2. Der Aliylthioharnstoff ist neutral und ist nicht imstande,
mit Säuren salzartige Verbindungen zu liefern. Der basische Charakter
der beiden Stickstoffgruppen wird neutralisiert durch die elektro-
negative SH-Gruppe. Wird nun die SH-Gruppe durch Metall ge-
sättigt, so gelangen die beiden Stickstoffgruppen, wie oben erörtert,
in ihrem basischen Charakter wieder zur Geltung, und es resultiert
eine Verbindung, die als schwache Base aufzufassen ist.
Unterstützt wird die Annahme salzartiger Verbindungen durch
das Verhalten vorbeschriebener Körper gegen Pikrinsäure und die
Zusammensetzung dieser Pikrate. Näher untersucht habe ich die
Reaktionsprodukte von Pikrinsäure auf die beiden Thiosinaminsilber-
nitrate.
Eine stark verdünnte Lösung der Verbindung C4H3N:S
+ 2AgNO, wurde mit wässeriger Pikrinsäurelösung versetzt. Dadurch
entstand ein flockiger Niederschlag, der sich anfänglich immer wieder
auflöste, bis er auf weiteren Zusatz von Pikrinsäure bestehen blieb.
Nach eintägigem Stehen war der zunächst amorph erscheinende
Niederschlag zum gröfsten Teil in schön gelbe, glänzende Nadeln
übergegangen. ‘Aus heilsem Wasser liefs sich die Verbindung nicht
umkrystallisieren.
Die über Schwefelsäure getrocknete und zerriebene Substanz
wurde zunächst für sich, dann im Wasserstoffstrome bis zum kon-
stanten Gewicht geglüht. Die Substanz mus anfänglich sehr vor-
sichtig erhitzt werden, da sonst durch die eintretende schwache
Verpuffung metallisches Silber mit fortgerissen wird.
Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 663
1. 0,2568 g hinterlielsen 0,0888 g mı«tallisches Silber.
2. 0,11068 derselben Substanz lieferten 0,0383 g.
Gef. Ber. für C0,H,N,S Ag. C,H, OH (NO,); + AgNO,
I. II.
Ag 34,58 34,63 34,72.
Eine sehr verdünnte Lösung der Verbindung C,H,N,;S+
AgNO;, mit Hilfe einiger Tropfen Salpetersäure in lauwarmem
Wasser hergestellt, verhielt sich auf Zusatz wälsriger Pikrinsäure
ebenso, wie vorige Verbindung, nur ging sie auch nach tagelangem
Stehen nicht in eine krystallisierte Form über, vielmehr resultierte
sie als grünlichgelbe Krusten, die nach dem Zerreiben und Trocknen
über Schwefelsäure in gleicher Weise, wie vorige Verbindung, ana-
lysiert wurden.
1. 0,3587 g hinterlielsen beim Glühen 0,0841 g
2. 0,2058 g lieferten 0,0486 g Ag.
Gef. Ber. für C,H, N,SAg. C,H, OH (NO,),
1. I
Ag 2345 23,62 23,89.
Hieraus geht hervor, dafs erstere Verbindung als Doppelsalz
von Thiosinaminsilberpikrat und Silbernitrat, letztere als Thiosin-
aminsilberpikrat aufzufassen ist. In beiden Fällen tritt Pikrin-
säure unter Abspaltung eines Moleküles Salpetersäure in die Ver-
bindung ein. Ferner folgt daraus, dafs die Verbindung von einem
Molekül Thiosinamin mit zwei Molekülen Silbernitrat eine Doppel-
verbindung von Thiosinaminsilbernitrat mit Silbernitrat ist. Dafür
spricht auch der Umstand, dals diese Verbindung sehr labiler Natur
ist, indem sie bereits beim Erwärmen in diese beiden Komponenten
zerfällt.
Die Abspaltung von Salpetersäure durch Pikrinsäure lälst,
wie bereits angedeutet, die Konstitution der Verbindung nach
Rathke wahrscheinlich erscheinen:
NH NH
I I
NH 0, H,, HNO, HC,H,, C,H, (NO,), OH.
Jedoch läfst sich diese Abspaltung auch mit der von Falke
vorgeschlagenen Konstitutionsformel vereinigen. Der Reaktions-
verlauf würde dann durch folgende Gleichung seinen Ausdruck
finden:
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 9. H: ft. 43
664 Dr. J, Gadamer: Ueber Thiosinamin.
NH H NH H
I I
| IR NO, | 5 0C;H; (NO,);.
NH C,H, NHC, H,
Demnach würden sich für die in der Arbeit näher be-
schriebenen Verbindungen, sowie für das von Will!) und Falke?)
dargestellte Thiosinaminchlorsilber folgende Formeln aufstellen lassen:
1. yH, NS + AgNO,
NH NH ‚H
| 1
a) CS Ag b) CS-Ag
| N
NH C,H,, HNO, DS NO,
NH C,H,
2. C,H, N,8S + Ag0l
NH NH H
| 1
a) OS Ag b) CS—Ag
|
NHC,H,,HCl | Naı
3. C,H, N,8 +2 AgNO,.
NH er en
l 19
a) COSAg AgNO;. b) COSAg.AgNO,
- “NV
NH 0, H,, HNO, NHC,H,
4, 2C,H,S+4HgCl..
NH HN
ll ll
a) | O—S—Hg—S—C (Hg Clo)g
NHC,H, H,C,.HN,2HCl
NH EH HN
b) | C-8—-Hg -8—-C |(Hg Cly;
PERS nr
INHC,H, H,C,HN
1) Ann. f. Chem. n. Pharm. 52, 14.
2) Falke, Disserta’ ionsschrift 14.
Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin, 665
5. (C,H, N, S), Hg Cl,
"NH HN
Il II
a) A C,‚H,N, 8
NHC,H, H,C,NH,2HCl
NH pH HN
In“:
nI0S— Hg — SCI, MN;
| Na c/
NHC,H, H,GH
6. (C,H, N, 8), Hg (CN).
NH HN
ee re Se
NHC, H, H, C, HN, 2HCN Be N ar
7. (C4 H, N, 8), Cu; C],.
NH BIN \ HH ie
a)C—S— Cu—Cu— SC p) CE —8 — Cu— CuI—Ü
0,H. #,0,HN2Ho0l | en re
8. (C,H, N, 8), Cu, C},.
NH HN
a) ea en C,H,N,&
NHO,H, H,C, HN,2HC1
SE. =
b) RR > C,H,N,8
| Naı a7
NHC,H, H,O; a
Diese Verbindungen lassen se wie man aus obigem leicht
ersehen kann, leicht in drei Gruppen einteilen:
1. Verbindungen von äquivalenten Mengen Thiosinamin und
Metallsalz. Hierzu gehören die sub 1, 2,6 und 7 Mar ee
Dieselben sind in Wasser ziemlich schwer löslich.
43*
666 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin.
3. Verbindungen von Thiosinamin mit überschülfsigem Metall-
salz. 3 u. 4. Sie sind nahezu unlöslich in allen Lösungsmitteln.
3. Verbindungen von überschüssigem Thiosinamin mit Metall-
salz. 5 u. 8. Sie lösen sich verhältnifsmälsig leicht in Wasser.
Einwirkung von metallischem Quecksilber,
Silberund Kupfer auf Thiosinamin.
Die grolse Reaktionstähigkeit des Thiosinamins mit Metall-
salzen legte es nahe, zu untersuchen, ob und inwiefern Tbiosinamin
auf die Metalle selbst einwirke.
Verreibt man Thiosinamin mit metallischem Quecksilber unter
Zusatz einiger Tropfen Alkohol, so bemerkt man schon nach kurzer
Zeit, dals das Reaktionsgemisch alkalische Reaktion annimmt und
Schwefelquecksilber abscheidet. Ein wässeriger Auszug giebt mit
Pikrinsäure einen Niederschlag und läfst beim Erwärmen mit Am-
moniak reichliche Mengen von Schwefelquecksilber erkennen. Beim
weiteren Verreiben wird die Masse allmählich zähe, und sie verliert
die Fähigkeit, sich leicht in Alkohol oder Wasser zu lösen. Nach
mehrwöchentlicher Einwirkung wurde dieselbe mit heilsem ver-
dünnten Alkohol extrahiert. Das Filtrat von stark alkalischer
Reaktion schied beim freiwilligen Verdunsten reichliche Krystall-
mengen aus, die sich durch ihren Schmelzpunkt als unverändertes
Thiosinamin erwiesen.
Gleichzeitig hinterblieb eine schwachgelbliche, firnilsartige
Masse, die ich von anhaftendem Thiosinamin durch Abwaschen mit
kaltem verdünnten Alkohol, worin die zähe Masse nur wenig löslich
war, möglichst befreite. Beim Trocknen über Schwefelsäure wurde
die Masse fest und spröde, ohne ihre Durchsichtigkeit zu verlieren.
Die fein zerriebene Verbindung schmilzt bei 79—800 und schwärzt
sich bei weiterem Erwärmen infolge Abscheidung von Schwefel-
quecksilber. In Wasser und Alkohol i-t sie unlöslich. Zur Er-
mittelung der Zusammensetzung bestimmte ich den Gehalt an Queck-
silber und Schwefel.
1. 0,3119 g, nach Carius 3 Stunden auf 1800 erhitzt, zeigten,
dafs noch richt sämtlicher Schwefel oxydiert war, da beim Lösen in
Wasser ein gelber, amorpher Rückstand blieb.
Das Filtrat gab 0,1093 g HgS und 0,361 g Ba SO,.
2. 0,2219 g, nach Carius3 Stunden auf 200—2100 erhitzt, waren
vollständig oxydiert und lieferten 0,0602 g HgS und 0,2840 g Ba SO,.
Dr. J.. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 667
I II
Hg 30,21 31,08
BramS 17,51.
Berechnet man aus diesen Werten die Quotienten, so findet
man für Quecksilber und Schwefel das Verhältnis 2:7. Eine Ver-
bindung von 2 Atomen Quecksilber mit 7 Molekülen Thiosinamin
würde jedoch einen bei weitem höheren Quecksilber- und Schwetel-
gehalt erfordern, nämlich 33 Proz. Hg und 18,48 Proz. S.
Nun scheidet sich aber, wie oben erwähnt, beim Verreiben
des Thiosinamins mit Quecksilber Schwefelquecksilber ab, es findet
also eine teilweise Entschwefelung statt; ferner giebt die analysierte
Verbindung beim gelinden Erwärmen mit verdünnter Salzsäure
Schwefelwasserstoff ab, eine Eigenschaft, die dem Thiosinamin
nicht zukommt; endlich passen die für Hg und S gefundenen
Werte auf eine Verbindung von 2 Atomen Quecksilber mit 8 Mole-
külen Thiosinamin minus einem Molekül H> S. Diese drei Momente legen
die Vermutung nahe, dafs fragliche Verbindung vielleicht aus 2 At.
Quecksilber, 6 Mol. Thiosinamin und einer aus 2 Mol. Thiosinamin
durch H,S-Abspaltung entstandenen neuen Verbindung bestehe.
Gef. Ber.
T. 1.
Hg 30,21 31,08 30,89
S 17,51 17,31
Allerdings ist eine Entwickelung von Wasserstoff nicht wahr-
nehmbar, jedoch ist dies bei dem langsamen Verlauf der Reaktion
nicht zu verwundern. Andererseits kann die Verbindung kaum aus
Thiosinamin und einer Quecksilberverbindung des Allyleyanamids be-
stehen, da nach der Analyse auf 2 Atome Quecksilber nur 1 Mol.
Allylceyanamid kommen würde. Versuche, mit Allyleyanamid und
met. Quecksilber ausgeführt, haben insofern kein Resultat geliefert,
als es mir nicht gelungen ist, ein von Thiosinamin freies Allyleyanamid
zu erhalten.
Ebenso wie das Quecksilber verbindet sich auch fein ver-
teiltes, sogenanntes molekulares Silber und fein verteiltes Kupfer,
erhalten durch Fällung einer Kupfersulfatlösung mit met. Eisen, schon
bei gewöhnlicher Temperatur, durch einfaches Zusammenreiben, bei
Gegenwart von Alkohol oder Wasser, zu alkalisch reagierenden
Körpern, unter gleichzeitiger Bildung von Schwetfelmetall.
668 Dr. J. Gadamer: TDUeber Thiosinamin.
Die Silberverbindung, mit heifsem verdünnten Alkohol extrahiert,
schied beim Verdunsten über Schwefelsäure zunächst Krystalle von
unverändertem Thiosinamin ab. Die letzten Mutterlaugen wurden
allmählich sirupförmig und erstarrten dann zu einer fast farblosen
Krystallmasse. Dieselbe war ziemlich weich und liels sich daher
nicht zerreiben. Ich beschränkte mich daher auf eine Bestimmung
des Silbergehaltes.
0,3003 g, im Wasserstoffstrome geglüht, hinterliefsen 0,0151 g
met. Silber, entsprechend einem Gehalt von 5,03 Proz. Eine Formel
läfst sich für diesen Körper nicht aufstellen; jedenfalls besteht er
in der Hauptsache aus unverändertem Thiosinamin und Allyleyanamid.
Dafs aber ein obiger Quecksilberverbindung nahestehender Körper
entstanden, läfst sich aus dem völlig gleichen Verhalten gegen Pikrin-
säure und verdünnte Salzsäure schlielsen.
Die Kupferverbindung war, selbst nach monatelangem Stehen
über Schwefelsäure, nicht krystallinisch erstarrt; vielmehr resultierte
sie als ein schwach bräunlicher, vollkommen klarer, dicker Sirup.
Eine Ausscheidung von unverändertem Thiosinamin war nicht wahr-
zunehmen. Im übrigen verhielt sie sich in derselben Weise, wie
die Quecksilber- und Silberverbindung.
0,761 g, mit Ammoniak längere Zeit zum Kochen erhitzt, schieden
schwarzes Schwefelkupfer ab. Nach dem Glühen im Wasserstoff-
strome, unter Zusatz von Schwefel, betrug dasselbe 0,0152 g CuzS, ent-
sprechend 1,653 Proz. Cu.
Alle in vorstehendem beschriebenen Verbindungen weisen,
meiner Ansicht nach, auf die unsymmetrische Formel des Thiosin-
amins hin. Auch die Entschwefelung mit Quecksilber- und Blei-
oxyd spricht ebensowohl für die unsymmetrische Formel, wie für die
symmetrische. Die Einwirkung des Quecksilberoxyds z. B. lälst
sich von der unsymmetrischen Formel ebenso ungezw ungen ableiten.
‘NH NH
ÖsH 1 H80 — 60H + HgS
NHc:H, NHOH,
NH N
ob# — N + H,0
Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinauin. 669
oder
NH, NH,
cs CHg0= 60 + HgS
|
NHC,H, NHC,H,
NH, N
Ill
co = Ö + H,0
NHC,H, NHC,H,
Da auf Grund dieser Versuche keine endgiltige Entscheidung
getroffen werden kann, welcher von beiden Formeln der Vorzug zu
geben sei, so mulste ein anderer Weg gesucht werden. Derselbe
ergab sich aus der Bildungsweise des Tbiosinamins selbst. Das
Thiosinamin entsteht durch direkte Vereinigung von Allylsenföl mit
Ammoniak. Die drei Wasserstoffatome des Ammoniaks sind offenbar
gleichwertig; ebenso auch die Wasserstoffatome des Thioharnstoffs
und seiner Derivate, so lange wir demselben die symmetrische Formel
zuschreiben. Da nun die Wasserstoffatome des Ammoniaks sich
durch Alkyle ersetzen lassen, und die daraus entstehenden Ver-
bindungen dieselben basischen Eisenschaften, wie das Ammoniak,
besitzen, so werden diese Aminbasen mit Allylsenföl alkylierte
Thiosinamine liefern müssen, und zwar die primären und sekundären
Aminbasen ohne weiteres, ob nun dem Thiosinamin die symmetrische
Formel oder nicht zukommt, die tertiären aber voraussichtlich nur
dann, wenn das Thiosinamin auch die symmetrische Konstitution be-
sitzen kann, da nur in diesem Falle die drei vertretbaren H-Atome
an Stickstoff gebunden sind. Es mulste daher meine Aufgabe sein,
die Einwirkungsprodukte von primären, sekundären und tertiären
Monaminen auf Allylsenföl zu untersuchen. Ueber solche primärer
und sekundärer Monamine finden sich in der Litteratur zahlreiche
Angaben, nicht jedoch über die tertiärer Monamine. Ich wählte die
Methylamine zur Anstellung meiner Versuche, da von diesen bisher
nur die Einwirkung der primären Base untersucht ist.
Monomethylthiosinamin.
Das Monomethylthiosinamin ist bereits von Avenarius!)
dargestellt.
1) Ber. 1891, 261.
670 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin.
Werden 10 g Allylsenföl mit 10 g absolutem Alkohol ver-
dünnt und mit 10 g einer 33prozentigen Methylaminlösung in
Alkohol versetzt, so verschwindet unter lebhafter FEr-
wärmung der Geruch nach Senföül; es findet Addition statt,
indem sich Methylthiosinamin, neben geringen Mengen von
rhodanwasserstoffsaurem Methylamin, bildet. Beim Erkalten
scheiden sich keine Krystalle ab, erst nach längerem Stehen
über Schwefelsäure erstarrt die ganze Masse krystallinisch. Ein Ver-
such, die Verbindung aus Ligroin, unter Zusatz von Alkohol umzu-
krystallisieren, milslang, da sich das Methylthiosinamin aus diesem
Lösungsmittel beim Erkalten als öliges Liquidum abschied, welches
erst durch Zusatz eines Krystalles des Rohproduktes erstarrte. Ich
begnügte mich daher damit, das ursprüngliche Einwirkungsprodukt
durch Abpressen zwischen Fliefspapier zu reinigen. Dafs ich da-
durch ein hinreichend reines Produkt erhalten hatte, bewies mir der
Schmelzpunkt, der, übereinstimmend mit dem von Avenarius an-
gegebenen, bei 460lag. Das Methylthiosinamin ist in Wasser schwer,
in Alkohol und Aether leicht löslich.
Einwirkung von Brom auf Methylthio-
sinamin.
Auf eine alkoholische Lösung des Methylthiosinamins liefs ich
unter Abkühlung mit dem gleichen Vol. Alkohol verdünntes Brom
tropfenweise einwirken. Dasselbe wurde sofort absorbiert, bis end-
lich eine schwache Gelbfärbung bestehen blieb. Beim freiwilligen
Verdunsten schieden sich völlig weilse, gro[fse Krystalle aus, deren
Schmelzpunkt bei 145—146° lag. Mit Pikrinsäure versetzt, gab die
wässerige Lösung einen Niederschlag, der sich beim Erwärmen löste,
beim Erkalten krystallinisch wieder ausschied. Der Schmelzpunkt
der Pikrates lag bei 181—182%. In Wasser ist die Verbindung
leicht löslich.
Die Analysen, welche ich von diesem Körper ausführt», lieferten
folgende Daten:
1. 0,1852 g lieferten 0,1377 g CO, und 0,0604 g H30.
2. 0,3312 gaben (,2482 g CO, und 0,1018 g H,O.
3, 0,6765 g, mit überschüssigem Silbernitrat in wässeriger Lösung
erhitzt, schieden 0,575 g Bromsilber ab.
Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 671
Gef. Ber. für 0, H,, N,S Br,
I I III
020982 20,68
a. 3,01. 3,45
DE 16 8, 101] 55,04 55,17
Hieraus ergiebt sich, dafs das Bromid durch Adäition zweier
Bromatome in analoger Weise entstanden ist, wie Maly’'s Thiosin-
aminbromid. Durch Erhitzen mit Silbernitrat war es mir gelungen,
sämtliches Brom als Bromsilber zu eliminieren. Es war nun die
Frage, wie sich das Methylthiosinaminbromid in der Kälte gegen
Silbernitrat verhalten würde.
1. 0,6655 g, mit überschüssigem Silbernitrat nur in der Kälte
behandelt, lieferten nach dreitägigem Stehen 0,5837 g Ag Br.
2. 0,5509 g, in derselben Weise zwei Tage behandelt, gaben
0,4111 g AgBı.
Gef. Ber. für 1 Atom Brom
E II
Br22737:32. 31575 27,59
Hieraus kann man entnehmen, dafs in der Kälte zunächst nur
ein Atom Brom eliminiert wird, dafs aber, je nach der Einwirkungs-
dauer, auch mehr oder weniger des zweiten Atoms ausgeschieden
wird.
Einwirkung von Chlorsilber auf das Methyl-
thiosinaminbromid.
Beim Behandeln einer wässerigen Lösung des Methylthiosinamin-
bromids mit Chlorsilber geht ersteres ebenso, wie das Thiosinamin-
bromid, durch Austausch eines Atomes Brom gegen Chlor in das
Bromochlorid über. Dasselbe ist in Wasser leicht löslich und
krystallisiert aus demselben erst nach dem völligen Verdunsten.
Der Schmelzpunkt des über Schwefelsäure getrockneten Salzes liegt
bei 120—23 °,
Zur Bestimmung des Chlorgehaltes löste ich 0,579 g zu 50 cem
auf. 20 cem dieser Lösung versetzte ich mit Kaliumchromat als Indi-
kator und titrierte mit 1/,, N.Silberlösung. Es trat bald eine Schwärz-
ung des abgeschiedenen Chlorsilbers ein, so dafs die Endreaktion nicht
zu erkennen war. Weitere 20 ccm säuerte ich mit einiger Tropfen
Salpetersäure an, setzte 20 cem 1/,, N.Silberlösung zu und titrierte
den Ueberschuls mit Rhodanammonlösung, unter Zusatz von Eisen-
alaun, zurück. Bis zur eintretenden Rotfärbung (die Endreaktion ist
scharf, verschwindet aber nach einigen Augenblicken) wurden 10,7 ccm
672 Dr. J. Gadamer: Ueber Tbiosinamin.
Rhodanlösung verbraucht, so dals zur Abscheidung des Chlors 9,3 ccm
Silberlösung erforderlich gewesen wären
Gef. Ber.
Cl. 14,25 14,05
Aulserdem stellte ich noch das Gold- und Platinsalz der Ver-
bindung dar. Als ich die wässerige, mit Salzsäure angesäuerte Lösung
des Bromochlorids mit Platinchlorid versetzte, schieden sich zunächst
nur geringe Mengen eines gelben, amorphen Salzes aus, das offenbar
von einer Verunreinigung herrührte. Im Filtrat schied sich nach
einiger Zeit über Schwefelsäure das Platinsalz in grolfsen, gelbroten,
warzenförmigen Krystallmassen ab. Dieselben wurden bei 100° ge-
trocknet und der Analyse unterworten.
0,2882 g hinterlielsen beim Glühen 0,0687 g Pt.
Gef. Ber. für [C,H,N,SBr-H Cl, PıC,,
Pt. 23,83 23,50
Das Goldsalz krystallisiert und ist schwer löslich; es schmilzt
bei 80°.
0,2393 g hinterlielsen beim Glühen 0,0861 g Au.
Gef. Ber. für C,H,BrN;S-HCl.AuCl],
Au 35,98 35,83
Dimethylthiosinamin.
In derselben Weise, wie das Methylthiosinamin, stellte ich auch
die Dimethylverbindung dar. 10 g Senföl, mit dem gleichen Vol.
absoluten Alkohols verdünnt, versetzte ich allmählich mit 14 g
33 0/,iger alkoholischer Dimethylaminlösung. Die Einwirkung war
eine so heftige, dafs sich die Flüssigkeit bis zum Sieden erhitzte.
Das Reaktionsgemisch liefs ich über Schwefelsäure verdunsten, aber
selbst nach Monaten fand keine Krystallisation statt, vielmehr ver-
blieb ein dünner, schwach braun gefärbter Sirup, der ebenfalls eine
deutliche Rhodanreaktion gab. In einer Kältemischung (feste Kohlen-
säure und Aether) erstarrte allmählich die ganze Masse zu gut aus-
gebildeten Krystallen, die sich aber bei gewöhnlicher Temperatur
wieder zu einem Sirup verflüssigten. Das Dimethylthiosinamin ist
also bei gewöhnlicher Temperatur flüssig.
Einwirkung von Brom auf Dimethylthiosinamin.
Ich löste nun einen Teil obigen Präparates in Alkohol und
tröpfelte unter Kühlung ein Gemisch aus gleichen Teilen Brom und
Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 673
Alkohol zu, bis eine schwache Gelbfärbung bestehen blieb. Beim
ruhigen Stehen krystallisierte die grölste Menge des gebildeten
Bromadditionsproduktes schon nach einigen Stunden aus, ohne dals
es erforderlich gewesen wäre, die Lösung zu konzentrieren. Die
Krystalle waren vollkommen weils und erwiesen sich als derbe, ca,
5—8 mm lange Nadeln vom Schmelzpunkt 207,5—208°, die sofort
analysenrein waren. In Wasser ist die Verbindung leicht löslich,
schwerer in Alkohol.
Ich beschränkte mich auf eine Bestimmung des Bromgehaltes,
iv dem ich Silbernitratlösung sowohl in der Kälte als auch in der Siede-
hitze einwirken liels.
0,4084 g, mit überschüssigem Silbernitrat einige Tage in der
Kälte behandelt, schieden 0,259 g AgBr ab.
Gef. Ber. für den Austritt 1. At. Brom
Br 26,99 26,32
Es war also nur ein Atom Brom durch Silbernitrat eliminiert
worden.
0,361 g, mit überschüssigem Silbernitrat unter Zusatz einiger
T:opten Salpetersäure gekocht, gaben 0,4453 g Ag Br.
Gef. Ber. für C,H, NS Br,
Br 52,48 52,63.
Einwirkung von Chlorsilber auf das
Dimethylthiosinaminbromid.
Auch aus dem Dimethylthiosinaminbromid wird durch Chlor-
silber ein Atom Brom gegen Chlor ausgetauscht. Das vom Brom-
silber abfiltrierte Bromochlorid krystallisiert über Schwefelsäure in
rein weilsen, durchsichtigen, grofsen Krystallen, die in Wasser leicht
löslich sind. Ihr Schmelzpunkt liegt bei 191—192°. Den Gehalt an
Chlor bestimmte ich durch direkte Titration.
0,6325 g wurden zu 50 ccm aufgelöst. Davon wurden 20 ccm mit
1/o N -Silberlösung, unter Zusatz von Kaliumchromat als Indikator,
titriertt. Bis zum Eintritt der Endreaktion wurden 9,9 ccm verbraucht.
Weitere 20 ccm, in derselben Weise behandelt, erforderten 9,85 ccm.
Die Endreaktion ist scharf zu sehen, verschwindet aber ziemlich rasch,
indem allmählich auch ein Teil des Brom in Reaktion tritt. Eine
Verdeckung der Endreaktion durch Schwärzung des Chlorsilbers trat
hierbei nicht ein.
Gef. Ber. für CO, H,ı Br N;3S.HOCI
I II
' C113,88 13,82 13,68.
674 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin.
Zur weiteren Charakterisierung der Verbindung stellte ich das
Gold- und Platinsalz dar.
Das Goldsalz ist schwer löslich und mu([s aus sehr verdünnten
Lösungen abgeschieden werden, da es sich sonst als rote, ölige
Flüssigkeit zu Boden setzt, die beim Umkrystallisieren aus warmem
Wasser Gold abscheidet. Ich versetzte daher eine stark verdünnte,
wässerige Lösung nach dem Ansäuern mit Salzsäure, mit Goldchlorid,
es trat sofort eine Trübung ein. Beim Stehen über Schwefelsäure
schied sich dann nach kurzer Zeit das Goldsalz in strahligen Krystall-
aggregaten ab, die nach dem Trocknen über Schwetelsäure bei 70°
schmolzen.
0,503 dieses Salzes hinterlie[sen beim Glühen 0,1762 g Au.
Gef. Ber. für C,H,,BrN,;,S.HCl. AuCl,
Au 34,69 34,93
Dieselbe Verbindung erhielt ich, als ich das silberfreie Filtrat
des mit Silbernitrat in der Kälte behandelten Dimethylthiosinamin-
bromids mit Goldchlorid versetzte. Der Schmelzpunkt der lutt-
trocknen Substanz lag auch hier bei 70%. Der Goldgehalt betrug
34,78 Proz.
Das Platinsalz ist ziemlich leicht löslich und scheidet sich beim
Verdunsten über Schwefelsäure in schönen, glänzenden, orangegelben
Nadeln von ca. 4—5 mm Länge ab.
0,179 g hinterliefsen beim Glühen 0,0405 g Pt.
Gef. Ber. für (0, H,, BrN,S. HCi), PtCl,
Pt 22,62 22,73.
Einwirkung von alkoholischer Trimethylamin-
lösung auf Allylsenföl.
Während Mono- und Dimethylamin mit aufserordentlicher
Heftigkeit auf Allylsenföl einwirken, unter Bildung von Methyl- resp.
Dimethylthiosinamin, wirkt Trimethylamin weder in der Kälte, noch
beim Erwärmen im Dampfbade ein. Es kann diese Verschiedenheit
nur seinen Grund in der Konstitution des Thiosinamins haben. Es
schien mir aber von Wichtigkeit zu sein, zu ergründen, ob das
Trimethylamin überhaupt nicht auf Allylsenföl addierend einzuwirken
vermöchte; ich brachte infolgedessen die Base unter Druck mit dem
Senföl zusammen.
Allylsenföl wurde mit überschüssiger 30°/,iger alkoholischer
Trimethylaminlösung in einer Druckflasche mehrere Stunden auf
Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 675
1000 erhitzt. Die Flüssigkeit färbte sich dadurch intensiv dunkel-
braun, so dafs sie das Licht nicht mehr durchfallen liefs. Der Geruch
nach Senföl war fast völlig verschwunden und hatte einem un-
angenehm lauchartigen Platz gemacht. Mit viel Wasser versetzt,
schied sich eine schwarze, ölige Flüssigkeit ab; das Wasser selbst
blieb fast farblos und gab eine starke Rhodanreaktion. Die ölige
Flüssigkeit war so dunkel gefärbt, dafs ich sie zu weiteren Versuchen
für unbrauchbar hielt.
Besseren Erfolg hatte ich beim Erhitzen im zugeschmolzenen
Glasrohr auf 150— 160°:
Einige Gramm Senföl wurden in einem starkwandigen Kaliglas-
rohr mit Trimethylamin im Ueberschufs versetzt, so dafs die Flüssig-
keit reichlich ein Drittel des Rohres einnahm, und nach dem Zu-
schmelzen im Bombenofen auf etwa 1500 zwei Stunden lang erhitzt.
Der Röhreninhalt bestand nach dem Erkalten aus gut ausgebildeten,
grolsen Krystallen, die in eine hellbraune, klare Flüssigkeit einge-
bettet waren. Beim Oeffnen des Rohres entwichen brennbare Dämpfe,
die anfangs deutlich den Geruch nach Schwefelkohlenstoff erkennen
liefsen, bald aber nur noch einen sehr intensiven, unangenehmen
Geruch zeigten, der an den des Phosphorwasserstoffs erinnerte. Die
Krystalle wurden von der braunen Flüssigkeit durch Filtrieren ge-
trennt und zwischen Fliefspapier geprelst. Sie waren völlig weils,
geruchlos und leicht löslich in Wasser; bei 240° schmolzen sie noch
nicht, roch auch veränderten sie ihre Farbe. Mit Natronlauge er-
wärmt, entwickelte sich ein deutlicher Geruch nach Trimethylamin.
Mit Eisenchlorid gaben sie eine intensive Rhodanreaktion. Die
Krystalle waren demnach als rhodanwasserstoffsaures Trimethylamin
anzusprechen.
Die alkoholische Flüssigkeit des Röhreninhalts versetzte ich
mit viel Wasser ; es schieden sich dabei einige Tropfen eines bräun-
lichen Oeles aus, welche durch mehrmaliges Ausschütteln mit Wasser
von beigemengtem Trimethylaminrhodanid befreitund schliefslich mit
Aether aufgenommen wurden. Die nach dem Verdunsten des Aethers
hinterbleibende, ölige Flüssigkeit roch eigentümlich, aber nicht un-
angenehm, lauchartig.
Eine alkoholische Lösung derselben versetzte ich tropfenweise
mit Brom, welches sofort absorbiert wurde, bis Brom im geringen
676 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin.
Ueberschufs vorhanden war, und dampfte dann dieselbe bei mälsiger
Wärme auf ein kleines Volum ein. Da zunächst keine Ausscheidung
eines festen Körpers zu bemerken war, verdünnte ich mit Wasser.
Die dadurch entstehende Trübung verschwand auf Zusatz von Alko-
hol. Letztere Lösung in verdünntem Alkohol wurde mit Chlorsilber
behandelt, und das Filtrat mit Platinchlorid versetzt. Es schied sich
sofort ein hellgelbes, amorphes Platinsalz in solchen Mengen aus,
dafs ich davon eine Platin- und eine Brom-Chlorbestimmung aus-
führen konnte.
l. 0,1885 g hinterlie[sen beim Glühen 0,036 Proz.
2. 0,3609 g gaben 0,536 g Chlor- und Bromsilber, 0,4623 g davon
verloren beim schwachen Glühen im Chlorstrom 0,0523 g.
Gef. Ber. für
I 74 [C5 Hja NS Br,. HCl, PtC1,
Pt 19,09 — 18,60
ie eos 20,37
Br — 30,22 30,61
Diese Werte führen zu der Annahme, dafs der analy-
sierte Körper das Platinsalz eines Trimethylthiosinaminbromid
gewesen ist. Man sieht ferner daraus, dafs Chlorsilber
dem Bromadditionsprodukt des Trimethylthiosinamis kein Brom zu
entziehen vermag, dals sich also hier nicht, wie beim Thiosinamin,
Methyl- und Dimethylthiosinamin, durch Abspaltung von Brom-
wasserstoff und Ringschliefsung, ein bromwasserstoffsaures Salz
bildet, sondern dafs Brom durch Aufhebung der doppelten Bindung
in der Allylgruppe ein einfaches Additionsprodukt liefert:
C, H,, NaS + 2 Br = C, H,, NS Br;.
Um jedoch das Trimethyl-Thiosinaminbromid selbst in seinen
Eigenschaften studieren, respektive den exakten Identitätsnachweis
liefern zu können, stellte ich nun grölsere Mengen Trimethylthiosin-
amin nach der oben angegebenen Methode dar. Die in der näm-
lichen Weise gereinigte Verbindung wurde in Alkohol gelöst, mit
Brom gesättigt und über Schwefelsäure verdunstet. Nach längerem
Stehen schied sich ein etwas bräunlich gefärbter, fester Körper aus,
der jedoch keine scharfen Krystallformen erkennen liefs, sondern
von ungleichmälsigen Konturen begrenzt war. Die ausgeschiedene
und abgepreiste Verbindung war nunmehr in Alkohol fast unlöslich.
Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 677
Bei 230 Grad schmolz dieselbe nicht, sondern färbte sich nur
dunkler.
Eine Analyse des direkten Ausscheidungsproduktes gab un-
genügende Resultate, da dasselbe offenbar durch anhaftende Mutter-
lauge, welche viel Bromwasserstoff enthielt, verunreinigt war. Ich
fand hierbei 52,29 Proz. Brom. Ich benutzte daher die Schwer-
löslichkeit des Körpers in Alkohol, um ihn von den beigemengten
Verunreinigungen zu befreien, indem ich ihn so lange mit Alkohol
auswusch, bis er nur noch schwach gefärbt war. Eine Analyse des
gereinigten, bei 100 Grad getrockneten Präparates gab folgende Daten:
0,2353 g lieferten nach Carius 0,2766 g AgBr und 0,1717 g Ba SO,.
Gef. Ber. für C, H., Br, N,S
Br 50,02 50,31
S 10,02 10,07.
Somit war es gelungen, das Trimethylthiosinamin, resp. dessen
Bromid darzustellen. Wie erwartet, wird dem Brom-Additionsprodukt
durch Chlorsilber kein Brom entzogen.
Die Konstitution des Thiosinamins und seiner
homologen Verbindungen.
Nimmt man die von Falke für das Thiosinamin aufgestellten
beiden Formeln (s. S. 648) an, so wird man nicht zweifeln können,
dafs dem Thiosinamin für gewöhnlich die unsymmetrische Form zu-
kommt. Denn nur so läfst es sich erklären, dafs die Bromadditions-
produkte des Thiosinamins, des Methyl- und Dimethylthiosinamins
durch Abspaltung von Bromwasserstoff unter Ringbildung in brom-
wasserstoffsaure Salze übergehen, wie es Falke in seiner Disser-
tation für das Thiosinaminbromid ausführt. Dem Trimetbylthiosinamin
jedoch werden wir, bei Acceptierung der Falke’schen Formeln,
nur die symmetrische zuerkennen können. Die schwierige Dar-
stellung desselben würde darauf hinweisen, dafs dem Thiosinamin
nur unter besonderen Verhältnissen die letztere Konstitution eigen-
tümlich sei.
Bei Annahme der Falke’schen Formeln mufste der Vorgang
der Thiosinaminbildung sich folgendermalsen abspielen:
|
NH--C;H,
678 Dr. J. Gadamer: Teber Thiosinamin.
c=S NH,
II. || + NH, = |
N—C;, 5 C = Ss
|
NHC3H,.
Weiter dürfte jedoch die Bildung des Tbiosinamins auch durch
folgende Gleichung zum Ausdruck kommen :
IT. | Bi Pe N
N C,H, '
NO,H;
Das Resultat dieser Gleichung ist ebenfalls eine unsymmetrische
Formel; alle Verbindungen. welche bisher erwähnt sind, finden durch
dieselbe ihre Erklärung ebenso gut, wie durch die Falke’sche un-
symmetrische Formel.
Gegen obige Thiosinaminformel (III) spricht jedoch erstens der
Umstand, dals Falke durch Einwirkung von Salpetrigsäureanhydrid
auf Thiosinaminbromochlorid eine Nitrosoverbindung erhalten hat.
Da jedoch diese Verbindung in keine analysierbare Form zu bringen
war, die Zusammensetzung somit unbekannt geblieben ist, so möchte
ich dem nicht allzuviel Wert beimessen ; denn bei der leichten Zer-
setzbarkeit des Thiosinamins kann durch Einwirkung eines so stark
reagierenden Körpers, wie das Salpetrigsäureanhydrid, leicht eine
Umlagerung eintreten.
Schwerer dürfte das Verhalten des Thiosinamins gegen Queck-
silber- und BJeioxyd in’s Gewicht fallen, da bei Abnahme der
Formel III dem durch Schwefelwasserstoffabspaltung gebildeten
Allyleyanamid, wenn man von einer hierbei eintretenden molekularen
Umlagerung absieht, nicht die Formel
N NH
Il
Ü sondern C
| I
H—N—C;zH, N—C;H,
zukommen mülste. Nun existiert allerdings das Cyanamid in zwei
isomeren rezp. tautomeren Former, welche obigen beiden Formeln
entsprechen.
In ähnlicher Weise verhält sich auch der von Gabriel dar-
gestellte Propylen „ thioharnstof. Auch diesem Körper kommen
zwei verschiedene Konstitutionsformeln zu, je nachdem, ob von dem-
Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 679
selben alkylsubstituierte Verbindungen durch Einwirkung von Jodalkyl
auf die freie Base, oder durch Umlagerung substituierter Thiosin-
amine dargestellt werden. Im ersteren Falle kommt dem Propylen
y thioharnstoff die Formel!)
CH, . CH—S\
| SO—NEH,
in 7
CH,—NR
im letzteren hingegen die Formel ?)
CH,.CH—S
| \C-NHR
CH,—N
zu, wo R ein Alkohol-Radikal bedeutet. Erstere Verbindung würde
sich leicht von dem unsymmetrischen Thiosinamin Falke’s (D,
letztere von der unsymmetrischen Thiosinaminformel ableiten, die ich
oben als III. aufgestellt habe. Prager leitet allerdings letztere
Verbindung von einem symmetrischen alkylsubstituierten Thiosinamin
ab; jedoch erscheint mir seine Ableitung gezwungen und weniger
natürlich als die meine. Zum Vergleich stelle ich die beiden Re-
aktionsgleichungen neben einander:
1. Nach Prager.
NHC,H, NHC,H,
|
6=3 Hor=7607—25
| |
NH—CH,—CH = CH, NH—CH,—CHCl—CH,
NHC,H,
= (0-5 + HCl
Ii...258
2. nach Formel III NCH, . CH—CH,
NHC,H, ee
C—S—H + HCi= C0-S-H
I I
N—CH,—CH = CH, NCH,—CHCI—CH,
NH—C,H,
= 0-5 + HCl
Nom. CH-—-CH,
I) Gabriel, Ber. 1889, II 2984 ff.
2) Prager, Ber. 1889, II 2991 ff.
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 9. Heft.
680 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin.
Auf Grund vorstehender Thatsachen möchte ich den Schlufs
für gerechtfertigt halten, dafs dem Thiosinamin bei obigen Reaktionen
immer eine unsymmetrische Formel zukommt, und zwar bald die von
Falke (I), bald die von mir aufgestellte (III). Die symmetrische
möchte ich für ausgeschlossen halten, denn selbst das Trimethyl-
thiosinamin kann sich von der von mir aufgestellten unsymmetrischen
Formel ableiten.
N(CH;3),
C=S N(CH;), |
I + | = 0SCH,
NC;H, CH; |
NC,H;
Dadurch findet, meiner Ansicht nach, der Umstand seine Er-
klärung, dafs es verhältnismäfsig schwer fällt, diese Verbindung
darzustellen. Allerdings könnte dies auch dadurch bedingt sein (bei
Annalıme einer symmetrischen Formel), dafs die Methylpruppen un-
gleich fester am Stickstoff sitzen, als die Wasserstoffatome.
Eine weitere Stütze für die unsymmetrische Formel
liefert das Verhalten des Dimethylthiosinamins beim Erhitzen mit
konzentrierten Säuren auf hohe Temperatur unter Druck, und das
Verhalten gegen Schwermetallsalze.
Beim Erhitzen von Bromthiosinamin mit konzentrierter H Br
spaltet dasselbe aus 2 Molekülen ein Molekül NH, ab. Ich schlofs
daraus, wie ich weiter unten zeigen werde, dafs sich dasselbe vom
symmetrischen Thiosinamin ableiten müsse. Ferner ist durch die
Arbeiten von Avenarius!) erwiesen, dals bei dem Diaethylthiosi-
amin die beiden Aethylgruppen an dasselbe Stickstoffatom gebunden
sind. Durch Umlagerung mit konzentrieter Salzsäure liefert dasselbe
einen Diaethyl - # Methyläthylen - y -Thioharnstoff. Trotzdem legt
Avenarius diesem Diaethylthiosinamin die symmetrische Formel
zu Grunde und nimmt an, dafs die unsymmetrische Form erst beim
Erhitzen mit Salzsäure gebildet werde.
Das Dimethylthiosinamin wird zweifellos dem Diaethylthiosin-
amin analog konstituiert sein. Hingegen kann ich mich der Ansicht,
1) Ber. 24. 1. 264.
Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 681
dals demselben die symmetrische Formel zukomme, keineswegs
unbedingt anschliefsen.
In diesem Falle würde zu erwarten sein, dafs es sich beim Er-
hitzen mit Säuren analog dem Bromthiosinamin verhalten und aus
zwei Molekülen ein Molekül Trimethylamin abspalten werde. Meine
Versuche haben aber ergeben, dafs dies nicht der Fall ist, sondern
dafs, wie beim Diaethylthiosinamin eine Umlagerung nach Gabriel
stattfindet.
Das Dimethylthiosinamin wurde mit HC] auf 160 und 2000 und
mit konzentrierter Schwefelsäure auf 1000 erhitzt. In allen 3 Fällen
ging beim Destillieren mit Natronlauge eine alkalische Flüssigkeit
über, die nach dem Neutralisieren mit Salzsäure mit Platinchlorid
ein schön krystallisierendes Doppelsalz lieterte.e Die davon ausge-
führten Platinbestimmungen haben folgende Resultate ergeben:
1. 0,1594 g hinterlielsen 0,0442 g Pt.
2. 0,2380 g ” 0,0664 g Pt.
3. 0,1698 g " 0,0472 g Pt.
Gef. Ber. für
I II III (C,H) NS. HC1, Pt Ci,
Pb 22,23 22.90 27,80 27,89 Proz.
Trimethylamin konnte in keirem Falle nachgewiesen werden.
Glatt und leicht läfst sich dies aus der unsymmetrischen
Formel
N(CH;),
erklären.
Allerdings könnte durch Einwirkung der konzentrierten Säuren
bei hoher Temperatur eine Umlagerung stattfinden, wie sie
Avenarius annimmt, doch veranlaist mich das Verhalten des
Dimethylthiosinamins gegen Silbernitrat und andere Metallsalze an-
zunehmen, dafsihm von vornherein die obige unsymmetrische Formel
zukommt. Das Dimethylthiosinamin liefert nämlich bereits in der
Kälte mit Silbernitrat eine Doppelverbindung, die in schönen Nadeln
krystallisiiert und sich in allen Eigenschaften durchaus dem
Thiosinaminsilbernitrat zur Seite stellt. Sie besteht aus gleichen
Molekülen Dimethylthiosinamin und Silbernitrat, scheidet beim Er-
44*
682 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin.
wärmen mit Ammoniak Schwefelsilber ab und giebt mit Pikrinsäure
eine schön krystallisierende schwerlösliche Verbindung, ein Beweis,
dafs nicht ein einfaches Doppelsalz, sondern eine salzartige Verbindung
vorliegt (cfr. Thiosinamin). Das Dimethylthiosinamin selbst giebt
ebensowenig wie das Thiosinamin mit Pikrinsäure einen Niederschlag.
0,3337 g des Silbersalzes hinterlie[sen beim Glühen im Wasser-
stoffstrome 0,1148 g Silber.
Gef. Ber. für C,H» N;5S. Ag NO,
Ag 34,40 34,40
Auch mit Kupferchlorür verbindet sich das Dimethylthiosinamin
in ganz analoger Weise, wie das Thiosinamin. Versetzt man eine
verdünnt alkoholische Lösung desselben mit wässriger Kupferchlorid-
lösung, so entsteht zunächst eine intensiv violettrote Farbe,
die aber sofort wieder verschwindet. Beim weiteren Zusatz wieder-
holen sich diese Farbenerscheinungen, bis eine genügende Menge
Kupferchlorid zugesetzt ist; alsdann scheidet sich das Dimethyl-
thiosinamin-Kupferchlorür in sehr schwach bräunlich gefärbten, kleinen
Krystallen aus. Die Mutterlauge reagiert infolge der Abspaltung
von Salzsäure stark sauer. Das getrocknete Salz löst sich in Am-
moniak fast farblos auf (Cupro-Verb.) und scheidet beim Erwärmen
erst nach längerer Zeit Schwefelkupfer aus, unterscheidet sich also
‚hierin wesentlich von der Thiosinamin-Verbindung. Doch ist dieses
verschiedene Verhalten durchaus nicht zu verwundern, wenn man
bedenkt, dafs sich beim Dimethylthiosinamin kein Allyleyanamid-
derivat bilden kann.
Gegen Schwetelwasserstoff ist das Verhalten insofern etwas
abweichend, als das Dimethylthiosinamin-Kupferchlorür leicht den
gesamten Kupfergehalt abgiebt. Dafs trotzdem die Verbindung
entsprechend dem Thiosinamin-Kupferchlorür zusammengesetzt ist,
lehrt die Bestimmung des Kupfergehaltes :
0,4182 g hinterliefsen beim Glühen mit Schwefel im Wasserstoff.
strome 0,1377 g CusS.
Gef. Ber. für C,H,5NsS Cu Ol
Cu 26,27 26,04.
Quecksilberchlorid verursacht in der verdünnt - alkoholischen
Lösung des Dimethylthiosinamins ebenfalls zunächst eine weilse
Fällung, die sich aber anfänglich immer wieder auflöst, wie dies auch
beim Thiosinamin der Fall ist. Bei genügendem Zusatz entsteht, je
Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 683
nach der Konzentration, eine zähe weilse Masse oder ein teiner,
voluminöser Niederschlag. (cfr. Thiosinamin.)
Diese Angaben mögen genügen, um die analoge Konstitution
des Dimethylthiosinamins und des Thiosinamins in ihren Metallsalzen
zu beweisen. Wie ich bei den .Metallsalzen des letzteren ausein-
andergesetzt habe, erklären sich dieselben nur aus der unsym-
metrischen Formel, sei es nun die von Falke oder die von mir
aufgestellte. Beim Dimethylthiosinamin hingegen bleibt nur die
zweite, von mir aufgestellte Formel übrig.
Wenn es somit keinem Zweifel unterliegen kann, wie die
Thiosinamine in ihren salzartigen Verbindungen konstituiert sind
kann. die Frage für die Thiosinamine selbst nicht unbedingt gelöst
erscheinen. Denn nach der Theorie vonHeinrich Goldschmidt
und Aloys Meissler!) erklärt sich deren Zustandekommen sehr
gut aus der symmetrischen Formel. Obige Forscher stellen das
Gesetz auf, dafs die Tautomerie stickstoffhaltiger Verbindungen durch
die auf sie in Lösung einwirkenden Verbindungen hervorgerufen
würde, welche nicht als solche, sondern als freie Jonen auf die-
selben einwirkten.
Danach würde sich für das Silbersalz folgende Gleichung auf-
stellen lassen :
CH
ad ae] [na a
C=S + Ag = C-SAz
|} NO, \
NH C,H, NC, H,, HNO,.
Für das Thiosinamin jedoch glaubte ich, wegen seiner Fähig-
keit metallisches Quecksilber aufzulösen, annehmen zu müssen, dafs
es eine SH Gruppe enthalte. Denn nur einem merkaptanartigen
Körper kann man von vornherein eine derartige Eigenschaft zu-
schreiben. Enthielt das Dimethylthiosinamin gleichfalls eine SH-
Gruppe, so durfte man von ihm die gleiche Fähigkeit erwarten.
Diese Erwartung hat durch das Experiment ihre volle Bestätigung
gefunden: Durch Baryumsulfat fein verteiltes Quecksilber wurde
mit Dimethylthiosinamin unter Zusatz von etwas Alkohol etwa eine
1) Ber. 23, 257.
684 O. Hesse: TUeber Aristolochia argentina.
halbe Stunde lang verrieben. Es machte sich dabei eine geringe
Bildung von Schwefelquecksilber bemerklich; in dem Filtrat war
Quecksilber sowohl durch Schwefelwasserstofft und Zinnchlorür in
stark saurer Lösung, als durch das Verhalten auf einer Goldmünze
unzweifelhaft nachzuweisen.
Ich halte es daher für im hoben Grade wahrscheinlich, dafs
dem Dimethylthiosinamin die unsymmetrische Formel
zukommt.
Ueber die Wurzel von Aristolochia argentina.
Von O. Hesse.
(Eingegangen den 21. Oktober 1895.)
Mehrere Aristolochiaarten sind bis vor etwa 20 Jahren chemisch
untersucht worden, ohne dafs eine gut definierbare Substanz dabei
zu Tage gefördert wurde. In der Regel handelte es sich um ein
gelbes, bitter oder kratzend schmeckendes, amorphes Harz und um
den Namen. So hat Walz!) verschiedenen Bestandteilen der Wurzel
von Aristolochia Clematıtis Namen gegeben, ohne sie rein dargestellt
oder einigermalsen näher untersucht zu haben, wie z. B. die
Aristolochinsäure, welche nach C,H, 0; und des
Clematitin, das nach C,H,, 0, zusammengesetzt sein soll.
Letzteres ist vielleicht mit dem Serpentarin oder Aristo-
lochiun von Chevallier?) identisch, welches dieser Chemiker
aus der Wurzel von Aristolochia Serpentaria darstellte und die
toxische Wirkung dieser Wurzel bedingen soll. Späterhin gelang es
allerdings Friekinger°), aus den jungen unterirdischen Trieben
der Aristolochia Clematitis eine Substanz in kleinen bernstein-
gelben Nadeln zu gewinnen, welche als Aristolochiagelbange-
sprochen wurden, allein die betreffenden Angaben lassen es unent-
1) Jahrbuch für praktische Pharmacie 24, 65; 26, 65.
2) Journal de Pharmacie (II) 5. 565.
3) Repertorium für Pharmacie (3) 7, 1.
O0. Hesse: Ueber Aristolochia argentina. 685
schieden, ob in diesen Nadeln wirklich eine reine Substanz vorlag.
Unlängst haben dann Dymock und Warden!) die Aristolochia
indica untersucht und in dieser Pflanze aulser gelblichen oder
braunen Harzen eine Substanz von basischem Charakter gefunden.
Die Mitteilung von Dymock und Warden war es nun
welche mich ?2) bestimmte, sofort meine Untersuchung über die
Wurzel von Aristolochia argentina bekannt zu geben, so weit die
kleine Probe dieser Droge, welche ich Herrn Th. Stuckert in
Cordöba, Argentinien, verdankte, überhaupt eine Untersuchung ge-
stattete. Diese Untersuchung ergab 1. einen Ester, wahrscheinlich
Palmitylphytosterin, 2. ein Alkaloid und 3. einen gelben,
krystallisierten Körper. Das Alkaloid wurde von mir Aristo-
lochin, letzterer Körper Aristin genannt. Kurz vorher war
jedoch, was mir leider entging, von Pohl?) eine Mitteilung über
eine Untersuchung verschiedener Species des Genus Aristolochia er-
schienen, in welcher eine hübsch krystallisierte gelbe Substanz unter
dem Namen Aristolochin beschrieben wurde. Jedoch sagt
Pohl, dafs er diesen Namen aus nebensächlichen Gründen für
diese Substanz gewählt habe, anstatt der sonst näher liegenden
Bezeichnung „Aristolochiasäure“. Da sich aber diese Substanz
thatsächlich wie eine Säure verhält, so dürfte es sich empfehlen,
dieselbe auch Aristolochiasäure zu nennen, um so eine
Verwechselung mit dem Alkaloid Aristolochin auszu-
schlie[sen.
Inzwischen war es mir möglich, diese Untersuchung mit
grölseren Mengen Material vorzunehmen, und erlaube ich mir nun,
das Resultat derselben im Folgenden mitzuteilen.
1. Aristoloehin.
Wird die zerkleinerte Wurzel mit Aether ausgezogen, so gehen
Spuren von dem basischen Aristolochin in diesen über, welche dem-
selben durch Weinsäure entzogen werden können. Die Hauptmenge
1) Pharmaceutical Journal and Transactions (3) 22,245.
2) Daselbst (3) 22, 551.
Ze FE, Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie
686 O0. Hesse: Ueber Aristolochia argentina.
des Alkaloids bleibt aber in der Wurzel zurück. Man behandelt
diese nun mit genügend Soda und unterwirft die Wurzel einer
neuen Extraktion mit Aether, oder zieht dieselbe direkt mit heilsem
Alkohol aus. Im letzteren Falle hinterbleibt nach der Destillation
des Alkohols ein bedeutender Rückstand eines braunen Harzes,
das man alsdann mit einer konzentrierten Lösung von kohlensaurem
Natron tüchtig bearbeitet und hierauf mit Aether extrahiert. Letzterer
giebt dann an verdünnte Salzsäure oder Schwefelsäure, besser Wein-
säure, dasAlkaloid ab. Die saure Lösung ist gelb gefärbt, jedochlälst sie
sich bei einiger Vorsicht mit Tierkohle entfärben, ohne einen er-
heblichen Verlust an Alkaloid befürchten zu müssen. Die Auf-
lösungen des Aristolochins in verdünnter Säure zeigen weder Farbe
noch Fluoreszens; sie geben mit Ammoniak, Kalilauge oder Soda
weilse flockige Niederschläge von Aristolochin, das sich wenig in
Petroläther, leicht in Alkohol, Chloroform, Benzol und Aether löst.
Die letztere Lösung giebt beim langsamen Verdunsten einen farb-
losen Rückstand, der deutlich Neigung zum Krystallisieren zeigt.
Das Aristolochin bläut in alkoholischer Lösung rotes Lackmuspapier
und neutralisiert Salzsäure und Schwefelsäure vollständig, jedoch
wurden die mit den genannten Säuren erhaltenen Salze nur amorph,
firnisartig, erhalten. Setzt man zur Auflösung des salzsauren
Aristolochins Jodkaliumsolution oder Rhodankaliumlösung, so wird
im ersteren Falle das jodwasserstoffsaure, im anderen das rhodan-
wasserstoffsaure Aristolochin in Form von amorphen Flocken er-
halten. Auch das Platinsalz ist amorph und wird als ein blafsgelber
flockiger Niederschlag erhalten.
Von konzentrierter Schwefelsäure wird das Aristolochin dunkel-
grün gelöst; die Farbe wird blaugrün, wenn ganz wenig Eisenchlorid
hinzugebracht wird.
Das Aristolochin schmeckt sowohl für sich bitter, wie in seinen
Auflösungen in verdünnten Säuren.
Leider mufste ich von einer Analyse und weiteren Unter-
suchung des Aristolochins absehen, da dasselbe irrtümlich mit einer
anderen Substanz vermengt wurde, deren vollständige Beseitigung
aus der geringen Menge Aristolochin, welche überhaupt erhalten
wurde, mir nicht gelang.
O0. Hesse: Ueber Aristolochia argentina. 687
2. Indifferente Stoffe.
Wird die zerkleinerte Wurzel mit Aether ausgezogen und durch
diese Lösung ammoniakhaltige Luft!) geleitet, so erfolgt zunächst
gelbe Trübung der Lösung und dann die Abscheidung einer roten
krystallinischen Masse. Nachdem eine Vermehrung dieser Ab-
scheidung nicht mehr bemerkt wird, behandelt man den vom Nieder-
schlag getrennten Aether mit einer Säure, um das überschüssig vor-
handene Ammoniak sowohl, wie etwa Spuren von Aristolochin weg-
zunehmen, und destilliert hierauf den Aether ab. Hierbei bleibt
eine ölige grünlichbraune Masse zurück, aus welcher sich beim
starken Abkühlen eine reichliche Krystallisation von indifferenten
Körpern abscheidet, die nach einiger Zeit gesammelt wird. Die
nunmehrige ölige Mutterlauge scheidet bei ihrer Abkühlung auf etwa
6% kaum noch etwas ab. Dieselbe giebt, der Destillation unter-
worfen, zunächst etwas Alkohol ab, der offenbar vom angewandten
Aether herrührt, dann geht aber bei ziemlich hoher Temperatur ein
stark lichtbrechendes, farbloses Oel über, das einen eigentümlichen,
höchst unangenehmen Geruch besitzt.
Die oben erwähnte Krystallisation von indifferenten Stoffen
wurde wiederholt zwischen Fliefspapier ausgebreitet, um die ihr
hartnäckig anhaftende Mutterlaugs möglichst zu beseitigen und dann
aus heifsem Alkohol umkrystallisiert, wobei eine krümliche Masse
erhalten wurde, während harzige, grünlichbraun gefärbte Substanzen
gelöst blieben. Durch wiederholte Krystallisation dieser Masse aus
heifsem Alkohol, unter Zusatz von etwas Tierkohle, wurde dieselbe
schlie(slich farblos erhalten und bestand dann in der Hauptsache
aus farblosen kleinen Schuppen, die sich lösten, als die Masse in
der Kälte mit Petroläther behandelt wurde. Durch Verdunsten der
Petrolätherlösung wurde diese Substanz zurückerhalten, die nun nach
einmaligem Umkrystallisieren aus heifsem Alkohol vollkommen rein
war. Diese Substanz ist nun nichts anderes als Palmityl-
phytosterin.
0,1735 g bei 1100 geschmolzen gaben 0,522 CO, und 0,1915 H,O
I) Erhalten in der Art, dafs die Luft, ehe sie den Aether passiert,
durch starkes Ammoniak geleitet wird.
688 O0. Hesse: Ueber Aristolochia argentina.
Berechnet für Gefunden
CaH,03
C 82,62 82,05
H 1213 12,26
Dasselbe bildet kleine weilse Schuppen, welche bei 820
(nicht 84%, wie früher irrtümlich angegeben wurde) schmelzen.
In höherer Temperatur verflüchtigt es sich unzersetzt.
In Chloroform gelöst zeigt es Linksdrehung und zwar betrug
bei p=3, t= 15° [alp = — 15,80.
Dieser Ester löst sich leicht in Aether, Chloroform, Petroläther
und heilsem Alkohol, wenig dagegen in kaltem Alkohol, nicht in
Kalilauge oder Kaliumcarbonat. Wird derselbe mit alkoholischer
Kalilösung erwärmt, so erfolgt rasch Spaltung desselben in Palmitin-
säure und Phytosterin. Dafs diese Spaltungssäure thatsächlich Pal-
mitinsäure war, wurde nicht nur an ihrer Eigenschaft erkannt,
sondern auch durch die Analyse.
0,1433 g Säure gaben 0,3945 CO, und 0,1615 H,O = 75,08 Proz. C
und 12,51 Proz. H, während Palmitinsäure Cjg Hz O, 75,00 Proz. C und
12,50 Proz. H verlangt.
Das zweite Spaltungsprodukt erwies sich nach seinen Eigen-
schaften als identisch mit dem Phytosterin. Zum Ueberflusse wurde
noch der Essigsäureester davon dargestellt, der in hübschen atlas-
glänzenden Blättchen krystallisierte.
0,0762 g gaben 0,2275 CO, und 0,0795 H,O.
Berechnet für Gefunden.
C2g H43 (0, H30) O
C 81,15 81,42
H nl 11,57
Das Palmitylphytosterin wird in der obengenannten Krystall-
masse von einem Körper begleitet, der in Petroläther sich sehr
schwer löst und daher leicht getrennt werden kann. Zu seiner
Reinigung genügt ein zweimaliges Umkrystallisieren desselben aus
heilsem Alkohol. Dieser Körper wird in solcher Art in weilsen,
aus mikroskopisch kleinen Nadeln bestehenden kugligen Aggregaten
erhalten. Derselbe löst sich kaum in kaltem Alkohol, nicht in kaltem
Petroläther, leicht in Aether und heilsem Alkohol, etwas in warmem
Petroläther. Auch in heifser Natronlauge löst er sich etwas und
krystallisiert daraus unverändert beim Erkalten. In Wasser ist der-
selbe unlöslich, ebenso in konzentrierter Schwefelsäure; beim Er-
O0. Hesse: Ueber Aristolochia argentina. 689
hitzen färbt er aber diese Säure dunkel, während er selbst als eine
geschmolzene Masse auf derselben schwimmt. Sein Schmelzpunkt
liegt bei 265°, bei welcher Temperatur zugleich Schwärzung der
Substanz eintritt.
Durch alkoholische Kalilösung wird dieser Körper beim Kochen
nicht verändert; allein beim Schmelzen mit Kalihydrat entwickeln sich
kleine Mengen von Ammoniak. Der Körper enthäit somit Stickstoff,
dessen Menge (0,66 Proz. N) indels so gering ist, dals derselbe nur
einer Beimengung zukommen kann. Bei der Analyse wurde daher
die obenbezeichnete Menge N in Abzug gebracht. Darnach gaben
0,1433 g bis 1000 getrocknete Substanz 0,3665 CO, und 0,141 H,O.
Hieraus folgt für diesen Körper die Formel C,; Hag O;.
Berechnet: Gefunden:
C 70,31 69,75
150 10,93 10,93.
Ich schlage vor, diesen Körper Aristolin zu nennen. Der-
selbe dürfte ein Alkohol sein, jedoch war es mir wegen Mangel an
Material nicht möglich, diesen Punkt noch aufzuklären.
3. Aristinsäure.
Dieselbe wird aus der Aetherlösung durch Ammoniak (siehe
S. 683) in Form des Ammoniumsalzes, gemengt mit aristidinsaurem und
aristolsaurem Ammonium, als ein roter Niederschlag erhalten, in
welchem das aristinsaure Ammonium den Hauptanteil ausmacht. Löst
man dieses Gemenge in kochendem Eisessig, so krystallisiert beim
Erkalten die Aristinsäure, während die beiden anderen Säuren vor-
zugsweise in der Mutterlauge bleiben. Durch wiederholte Krystalli-
sation der ausgeschiedenen Säure aus heilsem Eisessig lälst sie sich
rein erhalten. Zweckmälsig hat sich im Laufe der Untersuchung
die Reindarstellung der fraglichen Säure mittelst ihres Kaliumsalzes
erwiesen. Zu dem Zwecke wird die rote Masse in verdünnter Kali-
lauge gelöst, die Lösung klar filtriert und in der Wärme mit einem
kleinen Ueberschufs von Kalilauge versetzt, wobei nun das aristin-
saure Kalium ausfält, während die Kaliumsalze der beiden
andern Säuren gelöst bleiben. Zur schliefslichen Reinigung
wird das aristinsaure Kalium noch in wenig heifsem Wasser
gelöst, die Lösung erkalten gelassen, nach 24 Stunden die Mutter-
lauge abgesaugt und die zurückbleibende Krystallmasse im Saug-
690 O0. Hesee: Ueber Aristolochia argentina.
apparat mit wenig starkem Alkohol nachgewaschen. Dieses Um-
krystallisieren ete. wird, wenn es sich um das absolut reine Kalium-
salz handelt, zwei oder drei Mal wiederholt, während zur Darstellung
der Aristinsäure es schon genügt, das Kaliumsalz einmal aus Wasser
umzukrystallisieren. Das fragliche Salz wird alsdann in heilsem
Wasser gelöst, mit Salz- oder Essigsäure die Säure ausgefällt, gut:
mit Wasser ausgewaschen und schliefslich aus kochendem Eisessig
umkrystallisiert.
Die Aristinsäure enthält Stickstoff und krystallisiert wasser-
frei; ihre Analyse bietet insofern besondere Schwierigkeiten dar, als
sich diese Substanz im Sauerstoffstrome fast explosionsartig zersetzt.
Verfährt man aber in der Art, dafs man zunächst in einem Luft-
strome erhitzt und dann erst Sauerstoff hinzutreten läfst, wenn die
Verpuffung vorüber ist, so gelingt die Verbrennung auch im offenen
Rohre. Die Substanz wurde vor der Analyse bei 100— 1200 getrocknet.
I. 0,2015 g Substanz gaben 0,4445 CO, und 0,066 H,O.
IH. 0,2390 g 5 „ 0,5308 CO, ,„ 0,0765 H50.
II. 0,305 g Y „ 0,0105583 N.
IV. 0,3575 g 3 „ 0,0122046 N.
V. 0,2955 g 2 „ 0,011385 N.
Mit Bezng auf die nachfolgenden Bestimmungen leite ich für die
Aristinsäure aus diesen Resultaten die Formel C,; H, NO, ab.
Berechnet Gefunden
m nenn
ji II III IV V
6) 60,34 60,16 60,57 — == —
H 3,66 3083 — _ —
N 3,94 — — 3,46 3,41 3,85.
Die Aristinsäure bildet, aus Eisessig krystallisiert, kleine grün-
lichgelbe Blättchen und Nadeln, welche bei etwa 2750 unter Zer-
setzung schmelzen. Letztere geht bei einer nur wenig höheren
Temperatur rasch von statten, wobei sich gelbe Dämpfe bilden.
welche sich an kälteren Stellen zu einem gelben Sublimat verdichten.
Die Säure schmeckt ekelbaft bitter und rötet in alkoholischer Lösung
deutlich blaues Lakmuspapier.!) In Aether, Chloroform, Benzin und
heifsem Alkohol löst sie sich wenig und scheidet sich daraus in
li) Diese Reaktion, welche man erst an dem getrockneten Lak-
muspapier scharf bemerkt, wurde durch die Gelbfärbung. welche das
Lakmuspapier zunächst annimmt, früher übersehen, die Substanz
als neutral reagierend angesehen und in Folge dessen Aristin
genannt.
O0. Hesse Ueber Aristolochia argentina. 691
Krystallen ab. In Ammoniak, verdünnter Kali- oder Natronlauge,
sowie in den wässerigen Lösungen der kohlensauren Alkalien löst
sie sich mit gelbbrauner Farbe, welche beim Verdünnen mit Wasser
in Hellgelb übergeht. Salzsäure, Schwefelsäure oder Essigsäure er-
zeugen in diesen Lösungen gelbe flockige Niederschläge, welche
bald krystallinisch werden. namentlich wenn die Fällung in der
Wärme stattfand. In kaltem Wasser ist die Säure fast unlöslich,
sehr wenig löslich in kochendem Wasser, wenig löslich in kochender
-konzentrierter Salpetersäure, aus welcher sie sich beim Erkalten in
‘gelben, kurzen Prismen anscheinend unverändert wieder abscheidet.
Konzentrierte Schwefelsäure läst sie allmählich mit schön grüner
Farbe; wird die Lösung schwach erwärmt, so färbt sich dieselbe
alsbald prächtig dunkelgrün. Letztere Reaktion tritt rascher ein,
wenn anstatt reiner Schwefelsäure eisenoxyd- oder molybdänsäure-
haltige Säure angewandt wird.
Wird die Säure mit konzentrierter Kalilauge gekocht, so ent-
wickelt sich keine Spur von Ammoniak. In dem Mafse aber als
diese Lösung konzentrierter wird, scheidet sich das Kaliumsalz als
eine carmoisinrote Masse ab. Erst dann, wenn die Temperatur auf
die von schmelzendem Kalihydrat kommt, entwickelt sich unter
Braunfärbung Ammoniak. Wird andernfalls die konzentrierte Lösung
12 Stunden lang im geschlossenen Rohr auf 140° erhitzt, so ist die
Masse zwar dunkelbraunrot geworden und scheidet auf Zusatz von
Säuren braune Flocken ab, allein diese Flocken enthalten noch ge-
wisse Mengen von unveränderter Aristinsäure, welche durch Aether
“derselben entzogen werden kann.
Aristinsäure verwandelt sich beim Erhitzen mit Essigsäure-
anhydrid in eine braune, amorphe Masse, welche nicht näher unter-
sucht wurde. Wird in die Eisessiglösung der Säure Zinkstaub ein-
getragen, so entfärbt sich zwar die Lösung etwas, allein eine voll-
kommene Entfärbung war nicht zu erzielen. Die hellgelbe Lösung
schied beim Verdunsten einen gelblichen amorphen Körper ab. Bei
der Behandlung mit Jodwasserstoffsäure von 1,7 spez. Gew. nach
Zeisel’s Verfahren bilden sich nur kleine Mengen von AgJ,
welche einem Gehalt der Säure an Methoxyl bis zu 1,5 Proz. ent-
sprechen, welche wohl von einer Beimengung bedingt sind, die nach
692 O. Hesse: Ueber Aristolochia argentina.
obigem Verfahren der Darstellung nicht beseitigt werden konnte.
Indefs liefs sich irgend welche Beimengung unter dem Mikroskop
nicht nachweisen.
Die Aristinsäure, obgleich eine schwache Säure, bildet gleich-
wohl zwei Reihen von Salzen, nämlich neutrale und basische ; letztere
konnten inde(s nicht rein erhalten werden. Die neutralen Salze ver-
ändern weder rotes noch blaues Lakmuspapier.
Als Ausgangspunkt für die Darstellung der neutralen Salze
diente das Kaliumsalz, dessen Darstellung schon oben ange-
führt wurde. Dasselbe bildet kleine morgenrote Nadeln, welche
beim Erhitzen auf 100—120° unter Verlust des Krystallwassers gelb
werden. Beim Erhitzen in höherer Temperatur verpufft es bisweilen,
häufiger bildet es jedoch momentan lange wurmförmige Gebilde.
I. 0,2155 g lufttrockene Subst. gaben bei 1200 0,0175 H,O,
sowie beim Verbrennen 0,0435 SO, K
II. 0,2045 g lufttrockene Subst. gaben bei 1200 0,0165 H,O,
sowie beim Verbrennen 0,0400 SO, Ka
III. 0,2085 g lufttrockene Subst. gaben bei 1200 0.0180 H,O,
sowie beim Verbrennen 0,0405 SO, Ka
Berechnet für Gefunden:
C,H; NO,K + 2H,0 I IL 0
K 9,13 9,07 8,79 8,73
2H,0 8,38 8,12 8,06 8,63,
Das Natriumsalz durch Auflösen der Säure in verdünnter
Natronlauge erhalten krystallisiert in kleinen, morgenroten Nadeln,
die sich ziemlich leicht in Wasser, wenig in Natronlauge lösen.
Das Ammoniumsalz wird in schönen, roten Nadeln er-
halten, wenn in die ätherische Lösung der Säure Ammoniakgas ge-
leitet wird.
Das Baryumsalz wird durch Wechselzersetzung von
Kaliumsalz und Chlorbaryum in heifser wässeriger Lösung in kleinen
orangefarbenen Nadeln erhalten, welche sich wenig in Wasser
lösen und bei 1200 unter Gelbfärbung ihr Krystallwasser verlieren.
0, 2162 g lufttrockene Subst. gaben bei 120% 0,0086 H,O
und beim Verbrennen 0,056 SO, Ba
0,1875 g lufttrockene Subst. gaben bei 1200 0,0078 H,O
und beim Verbrennen 0,0492 SO, Ba
Das Baryumsalz ist somit nach (Cjg Hs NO,)a, Ba + 2H;0 zu-
sammengesetzt.
O0. Hesse: Ueber Aristolochia argentina. 693
Berechnet: Gefunden:
Ba 15,55 15,22 15,32
2H,0 4,08 3,83 4,16
Das Calciumsalz, in ähnlicher Weise dargestellt wie das
Baryumsalz, bildet ebenfalls kleine, orangefarbene Nadeln, welche
sich sehr schwer in Wasser lösen und bei 120° gelb werden.
0,309 g Subst. gaben bei 1200 0,0245 H,O und beim Verbrennen
0,0492 SO, Ca.
Berechnet für Gefunden:
(Cyg Hıa NO,)z Ca + 4 H,O
Ca 4,37 4,68
4H,0 8,71 7,91
Das Kupfersalz, in analoger Art wie die beiden vorge-
nannten Salze erhalten, ist ein grünlich gelber, amorpher Niederschlag,
welcher sich bald in kleine Nadeln umsetzt. Es ist unlöslich in
Wasser und färbt sich bei 130 9 gelbbraun.
0,3142 g gaben bei 130° 0,0195 H,O und beim Verbrennen 0,0307 CuO.
Seine Zusammensetzung entspricht demnach der Formel
(C,H45N0,),Cu En 3H30.
Berechnet: Gefunden:
CuO 9,62 Gr
3H,0 6,54 6,20
Das Bleisalz, ebenfalls durch Doppelzersetzung erhalten,
ist ein orangefarbener, aus kleinen Nadeln bestehender Niederschlag,
unlöslich in Wasser. Bei 120° verliert es sein Krystallwasser und
wird dabei gelb.
0,3415 g gaben bei 1200 0,013 H,O und beim Verbrennen 0,1125 SO,Pb.
BB it 50,007 ©:
0,1635 g 2 * „ 0,0065 H,O.
Formel: (C,H NO,), Pb + 2H,0
Berechnet: Gefunden:
Pb 21,76 9950 4. — Be
2H,0 3,78 3,71 3,36 3,97
Das Silbersalz, in ähnlicher Art gewonnen, ist ein mennig-
roter, krystallinischer Niederschlag, der kein Krystallwasser enthält
und ziemlich lichtempfindlich ist.
0,3137 g bei 120° getrocknet gaben 0.0724 Ag.
Berechnet für Gefunden:
05H NO7Ag
Ag 23,16 23,08
694 OÖ. Hesse: Ueber Aristolochia argentina.
Der Methyläther wird durch Behandlung des Silbersalzes
mit Jodmethyl erhalten und krystallisiert aus kochendem Eisessig,
worin er sich sehr schwer löst, in zarten gelben Nadeln, welche
gegen 250 schmelzen.
Während aber die vorgenannten Salze beim Erhitzen mehr oder
weniger stark, namentlich im Sauerstoff, verpuffen, verbrennt der
Methyläther ganz ruhig.
0,1611 g bei 100° getrocknet gaben 0,3605 CO, und 0,0555 HO.
Berechnet für . Gefunden:
C,sH173NO,CH;
0) 61,78 61,03
H 4,06 3,83
Die Methoxylbestimmung ergab 11,2 Proz. OCH,, während
8,73 Proz. verlangt werden. Dieses Mehr dürfte zum Teil dadurch
bedingt sein, dafs die angewandte Aristinsäure selbst etwas OCH, ent-
hält, worauf die betreffenden Versuche, wie oben angeführt, hindeuten.
4, Aristidinsäure.
Diese Säure bleibt teils in der essigsauren Mutterlauge, wenn
die Roh-Aristinsäure in heilsem Eisessig gelöst wird, theils in der
alkalischen Lösung, aus welcher das aristinsaure Kalium gefällt
wurde. Durch weiteren Zusatz von Kalilauge wird dann das
aristidinsaure Kalium abgeschieden. Die aus der essigsauren Mutter-
lauge erhaltene Rohsubstanz wird ebenfalls in Kalilauge gelöst und
mit Kalilauge fraktioniert, wobei zuerst etwas aristinsaures Kalium,
dann das aristidinsaure Salz ausfällt. Das Rohsalz wird dann in
wässeriger Lösung nochmals durch Kalilauge fraktioniert, wobei
die ersten Fällungen, so lange sie noch Krystallpartien
(aristinsaures Kalium) zeigen, beseitigt werden. Von dem Punkte
ab, dafs die Fällungen amorph sind und es auch bleiben,
werden dieselben für sich gesammelt, dann in heilsem Weingeist ge-
löst und wird nun aus der klar filtrierten Lösung die Aristidinsäure
durch Essigsäure ausgefällt, welche als ein gelber, krystallinischer,
Hlockiger Niederschlag resultiert. Durch Umkrystallisieren aus
kochendem Eisessig wird dieselbe in kleinen, grünlich gelben Nadeln
erhalten, die sich gegen 230° zu schwärzen beginnen, aber erst be
etwa 260° schmelzen. Wird diese Säure höher erhitzt, so zersetzt sie
sich eben so rasch wie die Aristinsäure.
O. Hesse: Ueber Aristolochia argentina. 695
0,210 g bei 120° getrocknet gaben 0,4705 CO, und 0,076 H,O.
0,215 g „. 120 a „ 0.007828 N.
Die Aristidinsäure hat somit dieselbe prozentische Zusammen-
setzung wie die Aristinsäure und kommt ihr ohne Zweifel dieselbe
empirische Formel zu, nämlich C,s H,; NO,.
Berechnet: Gefunden:
C 60,54 60.81
H. 366 4,00
N 3,94 3,64
Dagegen enthält die Aristidinsäure eine Methoxylgruppe, indem
0,140 g bei 120° getrocknet nach Zeisel’s Methode 0,0665 AgJ
entsprechend 6,26 Proz. OCH, gaben. Dieser Befund bleibt zwar
gegen die Berechnung (8,73 Proz.) etwas zurück, allein dies dürfte
darauf zurückzuführen sein, dafs es nach der angegebenen Art der
Trennung nicht gelingen dürfte, einen Rückhalt von Aristinsäure ganz
zu beseitigen.
Die Aristidinsäure löst sich etwas leichter in heilsem Eisessig
und in heilsem Alkohol als die Aristinsäure; letztere Lösung reagiert
deutlich sauer. In Aether löst sie sich ziemlich leicht und
krystallisiert daraus in kleinen Nadeln. Von konzentrierter Schwetel-
säure wird sie beim schwachen Erwärmen mit dunkelgrüner Farbe
gelöst.
In verdünnter Kalilauge löst sich die Aristinsäure mit gelb-
brauner Farbe, welche Lösung auf Zusatz von konzentrierter Kali-
lauge das Kaliumsalz als eine dunkelrote, amorphe Fällung giebt
Die wässrige Lösung des Kaliumsalzes giebt mit Chlorbaryum, Chlor
ealcium, Kupfersulfat und Silbernitrat orangefarbene, flockige,
amorphe Niederschläge, welche jedoch nicht weiter untersucht
wurden.
5. Aristolsäure.
Aus der alkalischen Lösung, aus welcher die Kaliumsalze der
Aristinsäure und Aristidinsäure durch Kalilauge möglichst vollständig
ausgefällt worden sind, wird durch Salzsäure ein gelber, flockiger
Niederschlag abgeschieden, welcher mit Aether ausgeschüttelt wird.
Bei der Destillation des Aethers bleibt dann ein dunkelgelber,
krystallinischer Rückstand, welcher zur Beseitigung eines etwaigen
Rückhaltes von Aristia- und Aristidinsäure mit Kalkmilch erwärmt
wird, wobei eine dunkelrote Lösung resultiert. Dieselbe wird filtriert,
Arch. d. Pharm. CCXXXIIl. Bds. 9. Heft 45
696 O. Hesse: Ueber Aristolochia argentina.
mit Salzsäure übersättigt und ausgeäthert. Bei der Destillation des
Aethers hinterbleibt nun ein orangeroter krystallinischer Rückstand,
welcher in heilsem Alkohol gelöst, beim Erkalten kleine, orangerote
Nadeln giebt. Dieselben enthalten kein Krystallwasser, färben sich
bei 2200 dunkel, schmelzen aber erst zwischen 260 und 2700, Beim
Erhitzen auf höherer Temperatur findet keine Verpuffung statt.
Die Aristolsäure, wie ich diese Substanz nennen möchte, löst
sich leicht in heifsem Alkohol und erteilt demselben saure Reaktion.
In heifsem Eisessig löst sie sich leicht, auch gut in Aether. In ver-
dünnter Kali- oder Natronlauge löst sie sich mit dunkelroter Farbe, ohne
daraus durch konzentrierte Lauge gefällt zu werden. Mit der gleichen
Farbe löst sie sich auch in Baryt-, Strontian- oder Kalkwasser.
Wird die Auflösung in Barytwasser bei mäfsiger Temperatur kon-
zentriert, so hinterbleibt ein amorpher dunkelroter Rückstand, In
konzentrierter Schwefelsäure löst sie sich beim schwachen Erwärmen
gleich wie die Aristin- und Aristidinsäure mit dunkelgrüner Farbe.
0,1124 g bei 100° gaben 0,2315 CO, und 0,0395 H,O.
0,130 00, 0,005730 N.
Diese Werte lassen es unentschieden, ob der Aristolsäure die
Formel C,;H,ı NO, oder C,;, H,; NO, zukommt.
Berechnet für Gefunden:
CH N0, CH NO,
C 56,78 56,44 56,17
H 3,47 4,08 3,91
N 14,41 4,37 4,39
Aus dem Mitgeteilten ist nun ersichtlich, dafs das Aristolochin
und die Aristin-, Aristidin- und Aristolsäure durchgehends mit kon-
zentrierter Schwefelsäure dunkelgrüne Lösungen geben und dadurch
nicht nur ihre chemische Beziehung zu einander erkennen lassen,
sondern auch zu der Aristolochiasäure oder dem Aristolochin von
Pohl, welche Substanz das gleiche Verhalten zeigt. Am meisten
nähert sich aber die Aristolochiasäure der Aristin- und Aristidin-
säure. Nimmt man für die Aristolochiasäure anstatt der Formel
C3; Hz, NO,,, welche ohne jede Kontrolle Pohl dafür aufstellte, die
Formel C;, H,ı NO, an, zu welcher die von Pohl erhaltenen Werte
mindestens recht gut passen, wie aus Folgendem ersichtlich ist:
O. Hesse: Ueber Aristolochia argentina. 697
Berechnet für Pohl fand
— ———
C,H, NO, I II III IV
C 59,82 60,25 59,94 59,93 59,32
EB 392 358: 348. 384 _—
N 21 4,39 4,35 423 —
so würden sich diese drei Säuren wie folgt aneinanderreihen:
Aristinsäure CO, H,; NO,
Aristolochiasäure C,, H,ı NO,
Aristidinsäure C,, H,o (CH;) NO,.
Aristolochiasäure würde danach zu Aristinsäure homolog,
Aristidinsäure Methylaristolochiasäure sein.
Es ist sehr wahrscheinlich, dals das Clematitin von Walz
und das Aristolochin oder Serpentarin von Chevallier nichts
anderes als unreine Aristolochiasäure waren, dagegen dürfte das
krystallisierte Aristolochiagelb von Frickinger-
welches bernsteingelbe Prismen bildete, verschieden davon
sein, wie auch von den obigen Säuren da dieselben intensiver gelb
gefärbt sind, als der Bezeichnung „bernsteingelb“ entspricht.
Wie ich an anderem Orte schon angeführt habe, enthält die
Wurzel von Artstolochha argentina eine erhebliche Menge
Stärkemehl, sodals die Bestandteile derselben, welche von mir
darin nachgewiesen wurden, folgende sind: Stärkemehl, Harz
(in gröfseren Mengen, wurde aber nicht weiter untersucht), hoch-
siedendes ätherisches Oel (ebenfalls nicht weiter untersucht), Palmityl-
phytosterin CO, H,; O,, Aristolin C,; Has O,;, Aristin- und Aristidin-
säure C,s H;; NO,, Aristolsäure C,, H,, NO, oder C,;H,; NO, und
das Alkaloid Aristolochin. Man wird wohl annehmen können, dals
sich diese Körper mehr oder weniger noch in anderen Arten des
artenreichen Genus Aristolochia vorfinden und habe ich dies bezüglich
des Aristolochins und der Aristinsäure schon früher!) für Aristolochia in-
dica als sehr wahrscheinlich bezeichnet. Von besonderem Interesse war
für mich, dieses Alkaloid noch in anderen Aristolochiaarten aufzu-
suchen und habe ich dazu zunächst die mir leicht zugängliche
Wurzel von Arıistolochra longa gewählt, jedoch in dieser Wurzel
weder das Alkaloid Aristolochin noch sonst ein Alkaloid auffinden
können, noch Aristin-, Aristidin- oder Aristolsäure.
1) Pharmaceutical-Journal and Transactions (3) 22, 551.
45*
698 H. Kiliani: Ueber Digitalinum verum.
Zur Kenntnis des Digitalinum verum
Von H.-Kılıanı
(Eingegangen am 11. XI. 1895.)
Die charakteristische Eigentümlichkeit des Digitalinum verum,
sich aus gesättigten Lösungen in „Körnern“ abzuscheiden, hatte in
mir schon längst Jie Ueberzeugung gefestigt, dafs diesem Glycoside
die Krystallisationsfähigkeit unmöglich vollständig fehlen könne. Da
jene „Körner“, welche in der Regel aus Alkohol oder Wasser-
Alkohol gewonnen werden, beim Trocknen aulserordentlich an Gewicht
und Volumen verlieren, also grolse Mengen jener Lösungsmittel ein-
schlie(sen, schien der nächstliegende Weg zur Gewinnung von
krystallisiertem Material darin zu bestehen, dals man ein anderes
passendes Lösungsmittel zur Anwendung bringt, welches keine
Neigung besitzt, dem Glycosid so hartnäckig anzuhaften. Alle Ver-
suche nach dieser Richtung fielen aber negativ aus. Dagegen ge-
lingt es ohne Schwierigkeit, das Digitalinum verum in krystallisierter
Form zu erhalten, wenn man dessen Abscheidung bei höherer
Temperatur eintreten läfst, wodurch die mechanische Bindung von
Alkohol bezw. Wasser verhindert wird. Als bestes Lösungsmittel
hierfür erwies sich 85 prozentiger Methylalkohol. Man nimmt auf
1 Teil völlig oder nahezu reines Digitalinum verum 2 Teile von
jenem, erzeugt durch Kochen am Rückflufskühler im Wasserbade
vollständige Lösung, läfst dann die Temperatur des Bades langsam
auf 450 sinken und erhält sie schliefslich mehrere Stunden lang auf
dieser Höhe. Hierbei scheiden sich (scheinbar in reichlicher Menge)
hübsche weilse Nädelchen, teils isoliert, teils zu Wärzchen vereinigt
ab. Während- nun die gleiche Methode bei der Reinigung des
Digitonins vortreffliche Dienste leistet!), erweist sie sich beim
Digitalinum verum in praktischer Beziehung leider als bedeutungslos.
Denn 1. beträgt die Gesamtmenge des so abgeschiedenen Glycosids
im günstigsten Falle !/; des in Lösung gebrachten Materials, 2. ge-
sellen sich bei weiterer Abkühlung zu den Krystallen wieder die
bekannten „Körner“, 3. verwandeln sich die Krystalle selbst bei ge-
!) Dieses Archiv 1893. 460.
H. Kiliani: Ueber Digitalinum verum. 699
wöhnlicher Temperatur durch Aufsaugung von Alkohol aus der
Mutterlauge in „Körner“, 4. werden sie beim 'Absaugen oder
Filtrieren durch Wasseranziehung äufserst rasch klebrig und end-
lich 5. gelingt bei unreinem Material die Krystallisation überhaupt
schlecht.)
Bereitet man sich eine weit verdünntere Lösung, indem 1 Teil
reines Glycosid in 10 Teilen kochendem 85 prozentigen Methylalkohol
gelöst wird, so bildet sich bei langsamer Abkühlung auf gewöhnliche
Temperatur ebenfalls eine sehr hübsche Krystallisation, welche hier
ausschliefslich aus Wärzchen (sternförmig gruppierten Nadeln) be-
steht. Aber die Menge derselben ist eine verschwindend geringe
und kann auch durch Einstellen der Lösung in eine Kältemischung
nicht wesentlich vermehrt werden. Sättigt man aber eine solche
Lösung mit Aether, so erhält man nur „Körner“, und freiwillige
Verdunstung führt zu einem Gemenge von krystallisierter und amorpher
Substanz.
Für die Reinigung des rohen Digitalinum verum muls also
die frühere Methode der Auflösung im Minimum von kochendem
95 prozentigen Alkohol beibehalten werden. Immerhin ist aber die
Thatsache von Interesse, dals das Glycosid unter bestimmten Be-
dingungen eine ausgesprochene Krystallisationsfähigkeit besitzt.
2) Die Beobachtung unter 3. erscheint insofern wichtig, als sie
deutlich beweist, dals nicht etwa ein Gemenge von krystallisierbarer
und amorpher Substanz vorliegt.
Verzeichnis
über Band 233 des Archivs der Pharmacie (Jahrgang 1895).
l. Autorenverzeichnis.
A.
Autenrieth, W. Einwirkung
von Phosphorpentachlorid auf
aromatische Aether 26.
— Ein neuer Indikator: Luteol
43.
B.
Baur, A., Burseraceen-Opoponax
209.
Siehe Tschirch, A.
Beckurts, H., Angostura-Alka-
loide 410,
Derselbe u.Heiler, H.,Fett-
untersuchungen mit dem Refrac-
tometer 423.
Derselbeu.Oelze,F., Hirsch-
talg 429,
Boettinger, C., Zur Kenntnis
der Glyoxylsäure III 100.
— Zur Kenntnis der Glyoxyl-
säure IV 113
— ÖOsazone des Zuckers aus
Sumarh und Vallonen 125.
— Zur Kenntnis der Glyoxylsäure
199, 287.
Brunner, H., Siehe Koch, F.
240.
©.
Chimani, O., Bau der Milch-
röhren, bes. der Kautschuk und
Guttapercha liefernden Pflanzen
258.
Siehe Tschirch, A.
D.
Dragendorff, G. Beiträge zur
gerichtlichen Chemie 612.
&.
Gadamer, J., Thiosinamin und
seine Halogenadditions - Pro-
dukte 646.
Gildemeister,E., Aetherische
Oele von Citrus Limetta und
ÖOriganum smyrn. 174.
Goehlich, W.. Krystallwasser-
gehalt des Morphinbydrochlorids
und des Morphins 631.
Gorter, K, Die v.d. Moer’sche
Reaktion und die Ermittelung
des Cytisins 527.
Grützner, B, DUeber einen
krystallisierten Bestandteil der
Basanacantha spinosa var ferox
1%
Derselbe u Höhnel’M,
Metaplumbate der Erdalkalien
512.
H.
Hallstroem, K. Th, Samen
der Myristicaceen und ihre
Arillen 443.
Siehe auch Tschirch, A.
Hartwich, C. Falsche Senega
118.
Heiler, H., Siehe Beckurts, H.
u. Heiler, H.
Helm, O., Gedanit, Suceinit und
mürber Bernstein 191.
Hesse, O., Ueber die Wurzel
von Aristolochia argentina 684.
Hoehnel, M. Siehe Grützner B.
und Hoehnel, N.
Hohenadel, M., Sagapen 259.
Siehe Tschirch, A
Autorenverzeichnis. 701
K.
Kassner, G. Untersuchungen
über die Orthoplumbate der Erd-
alkalien 501.
Kiliani, H., Digitalinum pur.
pulv. germanic. und Digitalinam
verum 299.
— #-Digitoxin Sl.
— Digitalinum verum. 698.
Koch, F.,PhytochemischeStudien.
Mitteleuropäische Galläpfel.
Serophularia nodosa 48.
— Nachtrag dazu 240.
L.
Luz, H, Ammoniacum 540.
Siehe Tschirch, A.
M.
Mankiewicz, torensische
Strychnin- Untersuchung 508.
Mjöen, Mikroskopische Kennt-
nis des Opiums 533.
Siehe Tschirch, A.
Moeser, L. Eisensaure Salze
521.
R.
Naumann, A. Siehe Moeser, L.
0.
Oelze, F., Siehe Beckurts, H. u.
Oelze, F.
P.
Partheil, A., Bestimmung des
Glycerins in Wein und Bier 391.
Pinner, A., Nicotin (II) 572.
Plugge, P. C.. Identität von
Baptitoxin und Oytisin 294.
— Vorkommen von Cytisin in ver-
schiedenen Papilionaceen 430.
— Matrin, das Alkaloid von So-
phora angustifolia 441.
Pommerehue, H. Alkaloide
von Berberis aquifolium 127.
R.
Roessler, O. Kultivierung von
Crenothrix polyspora auf festem
Nährboden 189,
S.
Schaer, E, Verflüssigung des
Chloralhydrates mit Phenol und
Stearoptenen, sowie der letzteren
unter sich >.
— F. A Flückiger, Nekrolog 321.
Schmidt, E, Siehe Pomme-
rehne, H., 127. Partheil, A., 391.
Goehlich, W., 631. Gadamer, J.
646.
T.
Tschirch, A., Untersuchungen
über die Secrete 209, 253, 259,
533, 540.
— Indische Fragmente 443.
Siehe auch Baur, A. Chimani,
O. Hohenadel, M. Mjöen. Lenz, H.
Hallstroem, K, Th.
W.
Winterstein. E. Zusammen-
setzung von Pachyma Cocos und
Mylitta lapidescens 398.
2.
Zenetti, P., Vorkommen von
Hesperidin in Folia Bucco und
seine Krystallform 104.
Sachverzeichnis.
II. Sachverzeichnis.
702
A.
Acetosalicylsäureester
625.
Acetylammoresinotannol
563
Acetylluteol 48.
Acetylmetanicotin 585.
Acetylparaamidophenol-
salicylsäureester 626.
Aether, aromatische, Verhalten
gegen Phosphorpentachlorid 26.
Avthoxychlordiphenyl-
chinoxalin 43.
Aethoxydiphenylchin-
oxalin 43.
Aethoxytrichlorchinoxa-
lin 38.
Aethylcusparin 422.
Agathin 630.
Alkaloid von Sophora angusti-
folia (Matrin) 441.
Alkaloide aus Berberis aqui-
folium 127.
— der Angosturarinde 410.
— der Papilionaceen, Vorkommen
von Cytisin in denselben 430.
Ammoniacum 540. Quantita-
tive Untersuchung 546. Unter-
suchung auf freie Säure 548.
Prüfung auf Aldehyde 549. Das
sog. indiffereute Harz 550. Das
ätherische Oel 552. Verseifung
des Harzes 553. Die flüchtigen
Säuren 555. Der Harzalkohol,
Ammoresinotannol 558. Ver-
halten desselben gegen Hydr
oxylamin, Phenylhydrazin u. Sal-
petersäure 560. Einwirkung von
schmelzendem Kali auf Ammo-
resinotannol 562. Acetylammo-
resinotannol 563. Benzoylammo-
resinotannol 564. Verhalten des
Ammoresinotannols gegen Brom
und Reduktionsmittel 565. Dis
Gummi des Ammoniacum 566.
Botanischer Teil 569.
Ammoresinotannol
Siehe auch Ammoniacum.
Angosturaalkaloide 410.
Siebe auch Cusparin.
Anhydroditolylglycol-
säure 116.
558.
Aristidinsäure 694.
Aristinsäure 689.
Aristolin 639.
Aristolochia argentina
Wurzel derselben 684. Aristo-
lochin 685. Indifferente Stoffe
687. Palmitylphytosterin 687,
Aristolin 689. Aristinsäure 689.
Kaliumsalz 692. Natriumsalz 692.
Ammoniumsalz 69. Baryum-
salz 692. Caleiumsalz 693. Kupfer-
salz 693. Bleisalz 693. Silber-
salz 693. Methyläther 694. Aris-
tidinsäure 694. Aristolsäure 69.
Aristolsäure 695.
B.
Baptitoxin, Identität des-
selben mit Oytisin 294.
Basanacantha spinosa, krys-
tallisiert-r Bestandteil derselb-n
1. Mannit 3. Eigenschaften des
Mannits 4,
Benzoösäure-p-Kresyl-
ester 624.
Benzoäösäure-#-Naphtol-
ester 620.
Benzoäösäure - o - Chlor-
phenylester 41.
Benzoösäure - p- Chlor-
phenylester 41.
Benzolsulfonsäure - p-
Chlorphenylester 42,
Benzonaphthol 620.
Benzoparakresol 624.
Benzosol 614.
Benzoylammoresinotan-
nol 964
Benzoylchloridnikotin
586.
Benzoylguajakol 614.
Benzoylluteol 47.
Benzoylmetanikotin 58.
Berbamin 156. Siehe auch Ber-
beris aquifolium.
Berberin 158. Siehe auch Ber-
beris aquifolium.
Berberis aquifolium, Bei-
träge zur Kenntnis der Alkaloide
derselben 127. Darstellung der
Alkaloide 129. Oxyacanthin 131.
Sachverzeichnis.
Salzsaures Oxyacanthin 131. Hy-
drobromid 135. Hydrojodid 135.
Sulfat 137. Nitrat 139. Platin-
salz 140. Oxyacanthingoldchlo-
rid 142. Freie Base 143. Ver-
halten des Oxyacanthins gegen
Acetylchlorid 148, gegen Essig-
säureanhydrid 149, gegen Ben-
zoylchlorid 149. Platin-und Gold-
doppelsalzee des Beuzoyloxya-
canthins 159. Methoxylbestim-
mungen im ÖOxyacanthin 151.
Verhalten gegen Jodmethyl 152.
Platin- und Goldsalz des Jod-
methylates 154. Drehungsver-
mögen des Oxyacanthins 155.
Berbamin 156. Salzsaures Ber-
bamin 156. DBerbaminplatin-
chlorid 157. Berberin 158. Neu-
trales Berberinsulfat 153. Saures
Berberincarbonat 160. Cyan-
wasserstoffsaures Berberin 161.
Verhalten des Berberins gegen
Jodalkyle 165. Jodmethyi und
Berberin 165. Jodmethyl und
kohlensaures Berberin 163. Jod-
aethyl und Berberin 169. Jod-
aethyl und Berberincarbonat 171.
Jodamyl und Berberin 171.
Bernstein, mürber 191.
Burseraceen-Opoponax
209. Chemischer Teil 213. Die
Harze 214. Darstellung und
Untersuchung der Reinharze 214.
a - Panax - Resen 217. 3- Panax-
Resen 218. Pana-Resinotannol
219. Reduktionsversuche 220.
Verhalten gegen konz. Salpeter-
säure und gegen schmelzendes
Kali221. Acetylierungs- und Ben-
zoylierungs -Versuch 222. Unter-
suchung der Rückstände der Oel-
destillaiion 223 Chironol 224,
Acetylchironol 226. Benzoyl-
chironol 227. Ve:such zur Dar-
stellung einer Kaliumverbindung
227. Reduktionsversuch 228.
Bromierungsversuch 229. Oxy-
dationsversuch: Chironolsäure
229; 231. Verhalten gegen
schmelzendes Kali 231. Dar-
stellung der Resene und des
Resinotanxuols 232. Darstellung
des Chironols aus der Rohdroge
234. Das ätherische Oel 235.
703
Der Bitterstoff 239. Das Gummi
239. Meccabalsam 240. Bota-
nischer Teil 244. Opoponax 244.
Balsamodendron gil»adense 246.
Balsamodendron Myrrhu 248.
C.
Calciummetaplumbat 503,
514.
Calciumtetraplumbav 506.
Carvacro] aus ÖOrganumöl
1883. Carvacrole verschiedener
Herkunft, physikalische Con-
stanten 139.
Chironol 224.
Chironolsäure 2,31.
Chloralhydrat, Verflüssigung
desselben mit Phenol und mit
Stearoptenen, sowie der letzteren
unter sich 5. Verhalten des
Chloralhydrates und Chloral-
alkoholates zu Stearoptenen und
Phenol 6. Verhalten der
Stearoptene unter sich 14. Ver-
halten der Stearoptene zu Phe-
no! 17. Verhalten gegen Cyanin-
lösungen 23.
p-Chloranisol 31.
a-Chlorbenzoäösäure-?-
Naphtolester 36.
a-Chlor-3-Naphtol 34.
a-Chlor-3-Naphtolmethyl-
äther 34
p-Chlorphenetol 33.
Cinnamylguajakol 616.
Crenothrix polyspora,
Kultivierung auf festem Nähr-
boden 189.
Cusparin 410, 411. Cusparin-
hydrochlorid 413. Hydrobromid
413. Einwirkung von Brom auf
das Hydrobromid 413. Cusparin-
sulfat 414. Cusparingoldchiorid
414. Cusparinplatinchlorid 415.
Cusparinmethyljodid 415. Cus-
parinmethylchlorid 416. Pilatin-
und Golddoppelsalz desselben
417. Cusparinmethylammonium-
hydroxyd 417. Methylcusparin
418. Bromwasserstoffsaures Me-
thylcusparin 419. Hydrochlorid
desselben 419. Methylcusparin-
methyljodid 420. Cusparinäthyl-
jodid 421. Cusparinäthylchlorid
421. Platindoppelsalz des Cus-
704
parinäthylchlorids 422. Cusparin-
äthylammoniumhydroxyd 422.
Aethyleusparin 422.
Cyanin, Verhalten seiner Lösung
gegen Chloralkampher 23.
Cytisin, Identität mit Bapti-
toxin 294. Vorkommen in ver-
schiedenen Papilionaceen 430.
Ermittelung desselben 527. v.d.
Moer’sche Reaktion 527.
D,
Digitalinum pur. pulv. ger-
manic. und die Darstellung von
Digitalinum verum 299, 698.
8-Digitoxigenin 318.
8-Digitoxin 311.
Digitoxose 320.
Dimethylthiosinamin 672.
Diphenylglycolid 115.
Ditolylglycolid 116.
Ditolylsäure 116.
E.
Eisensaure Salze 521. Ka-
liumferrat 524. Baryumferrat
525. Rubidiumferrat 527. Cae-
siumferrat 527.
Erdalkalien, Orthoplumbate
derselben 501.
— Metaplumbate 512,
F.
Fettuntersuchungen mit
dem Refraktometer 423.
Flückiger, Friedrich August.
Nekrolog 321.
Folia Bucco, Vorkommen von
Hesperidin 104.
Fragmente, indische 443.
mer
&.
Galläpfel, Beiträge zur Kennt-
nis der mitteleuropäischen, so-
wie der Scrofularia nodosa 48,
240. Galläpfel 48. Bestimmung
der Feuchtigkeit 52, der Roh-
faser 52, des Stickstoffgehaltes
53, des Aschegehaltes 54, Zu-
sammensetzung der Asche 55.
Bestimmung des Zuckers 56,
der Gerbsäure 57. Nachweis
von Dextrose 68. Gallocerin 68.
Sachverzeichnis.
Verhalten gegen Brom 71. Ace-
tylierungs- und Benzoylierungs-
versuche 72. Verhalten gegen
Alkalien 72. Aethyläther 74.
Verhalten gegen Phosphorpenta-
chlorid, Hydroxylamin, Salpeter-
säure 75, gegen Zinkstaub und
Jodwasserstoff 76. Scrofularia
nodosa 17
Gallocerin, siehe Galläpfel.
Gedanit, Suceinit und eine
Abart desselben, der sog. mürbe
Bernstein 198:
Gerichtliche Chemie, Bei-
träge zu derselben 612. Ester
des Guajakols, Naphtols, Kre-
sols etc. 613. Benzosol 6l4.
Guajakolsalol 615. Styrakol 616.
Guajakol 616. Alphol 617. Betol
619. Benzonaphtol 620. 3-Naph-
tolcarbonat 621. «-Naphtol
622. #-Naphtol 622. Kresol-
salole 623. Metakresalol 623.
Parakresalol 624. Orthokresalol
624. Benzoparakresol 624. Me-
thylsalol 625. Salacetol 625.
Amidische Verbindungen 626.
Salophen 626. Salocoll 627.
Tolysal 628. Agathin 630
Glycerin, Bestimmung dessel-
| ben in Wein und Bier 391
Glyoxylsäure, zur Kenntnis
derselben 100, 111, 199, 287. Ver-
halten gegen Paratoluidin 100.
p - Toluidinessigsäureparatoluid
102. p- Toluidinessigsäure 103.
p -Toluyl-p-methylimesatin 103.
Kondensation mit aromatischen
Kohlenwasserstoffen 111. Di-
phenylglycolid 115. Ditolylgly-
colid 116. Ditolylsäure oder An-
hydroditolylglycolsäure 116. Ver-
halten gegen Traubenzucker 126.
Kondensation mit Amidosäuren
199. Glyoxylsäure und Anthra-
nilsäure 203. Glyoxylsäure und
Paraamidobenzoesäure 206. Gly-
oxylsäure und Metaamidobenzoe-
säure 208. Verhalten gegen
Kohlenhydrate 287. Glyoxyl-
säure und Stärke 287. Glyoxyl-
und Rohrzucker 288. Gährungs-
hemmende Eigenschaft der Gly-
oxylsäure 289. Glyoxylsäure und
Traubenzucker 290.
Sachverzeichnis. 705
Glukosazon aus Sumach und
Vallonen 125.
Guajakolbenzoat 614
Guajakolcinnamat 616
Guajakolsalicylat 615.
Guajakolsalol 615.
H.
Hesperidin, Vorkommen in
Folia Bucco und seine Krystall-
iorm 104.
Hirschtalg, zur Kenntnis des-
selben 429,
I.
Indikator, ein neuer 43. Lu-
teol 43. Aethoxychlordiphenyl-
chinoxalin 43. Aethoxydiphenyl-
chinoxalin 43. Oxychlordiphenyl:
chinoxalin (Luteol) 44. Benzoyl-
luteol 47. Acetylluteol 48.
Indische Fragmente 443
K.
Kaffeegerbsäure, Nachweis
in Strofularia nodosa 89
Kohlensäure-3-Naphtyl-
ester 621
Kresolsalole 623.
Krystallwassergehaltdes
Morphinhydrochlorids und des
Morphins 631
L.
Limettöl 174 Rechts-Limonen
179. Links -Linalool 179, 180.
Links-Linalylacetat 181.
Limonen aus Limettöl 179.
Linalool aus Limettöl 179, aus
Origanumöl 186. Eigenschaften
der Linaloole verschiedener Her-
kunft 187.
Linalylacetat aus Limettöl
131.
Luteol, ein neuer Indikator 43
M.
Mannit aus Basanacantha spi-
nosa 3
Matrin, das Älkaloid von So-
phora angustifolia 441.
Meccabalsam 240.
Metakresalo] 623.
Metanicotin 585. Siehe auch
Nieotin.
Metaplumbate der Erdalka-
lien 512. Darstellung des Cal-
ciummetaplumbates 514. Che-
misches Verhalten desselben 514.
Quantitative Bestimmung des-
selben 515. Art der Darstellung
desselben 516. Silbersalz der
Metableisäure 518
Methylcusparin 418. Siehe
auch Cusparin.
Methylmetanicotinjod-
methylat 594.
Methylsalol 625.
Milchröhren, Bau u. Anord-
nung der elben, besonders bei
den Kautschuk und Guttapercha
liefernden Pflanzen 253
v. de Moer’sche Reaktion und
Ermittelung des Cytisins 527.
Monomethylthiosinamin
669
Morphinhydrochlorid,Kry-
stallwassergehalt desselben und
des Morphins 631.
Mylitta lapidescens, Zu-
Saumensetzung 398, 407.
Myristicaceen, Samen und
Arillen derselben 443. Anatomie
der männlichen Blüte 447. Der
weiblichen Blüte 449. Entwick-
lungsgeschichte der Früchte und
Samen der Myr. fragrans 450.
Vergleichende Anatomie der
Samenschalen der Myristicaceen
458. Vergleichende Anatcmie
der Arillen der Myristicaceen
481. Uebersicht der Reaktionen
bei den Arillen 494.
N.
Nährboden, fester zur Kulti-
vierung von Crenothrixpolyspora
189.
Naphtalol 619.
a-Naphtol 622.
#Naphtol 622.
8Naphtolcarbonat 621.
Nicotin II. Mitteilung 572.
Metavicotin 585. Acetylmeta-
nicotin 585. Benzoylchlorid-
Nicotin 586. Benzoylmetanicotin
587. Verseifung desselben 589,
Eigenschaften und Wirkung des
106
Metanicotins 590. Salzsaures
Metanicotin 590. Metanicotin-
platinchlorid 590. Metanicotin-
goldeblorid 591. Niecotingold-
chlorid 591. Metanicotinpikrat
592. Benzoylmetanicotin 592.
Unterschiede zwischen Nicotin
und Metanicotin 594. Methyl-
metanicotinjodmethylat 594. Ein-
wirkung von Brom auf Meta-
nicotin 595. Perbromid des brom-
wasserstoffsauren Metanicotin-
bromids 597. Bromwasserstoff-
saures Metanicotinbromid 597.
Monobrommetanicotin 597. Pik-
rat desselben 599. Versuch zur
Darstellung von Dihydrometa-
nicotin 599. Zersetzung des
Metanicotins 600. Metbylamin
601. Base C,H,N 601. Pıkrat
derselben 602. Brechungsver-
mögen des Nicotins und Meta-
nicotins 603. Physiologische
Wirkung des Metanicotins 604
Zersetzung des Oxynicotins 607
Unterschiede von ÖOxynicotin,
Pseudonieotinoxyd und Nicotin
610. Hydrirung des Cotinins 611.
Perbromid des Octohydronico-
ins 612
Nicotal 610.
Nicotol 610.
Nicoton 610.
®.
O el, ätherisches aus Burseraceen-
Opoponax 235, aus Sagapen 275.
Oele, ätherische, Beiträge zur
Kenntnis derselben 174. Limett-
öl 174. Smyrnaer Origauumöl
182.
— blaugefärbte 279.
Opium, Beiträge zur mikros-
kopischen Kenntnis derselben
933.
Opoponax. Siehe Burseraceen-
Opoponax 209.
Origanumöl, Smyrnaer 182.
Cymol 186. Linalool 186. Car-
vacrol 188.
Orthokresalol 624.
Orthoplumbate der Erdal-
kalien 501. Calciummetaplum-
bat 503. Calciumtetraplumbat
506.
Sachverzeichnis.
Oxyacanthin 131. Siehe auch
Berberis aquifolium.
Oxycehlordiphenylchin-
oxalin (Luteol) +t
Oxynicotin 607, 610.
OÖxytrichlorchinoxalin
39.
P.
Pachyma Cocosu.Mylitta
lapidescens, chemische Zu-
sammensetzung derselben 398.
Pachyma Cocos 400. Darstellung
der Pachymose 400. Inversion
derselben 401. Traubenzucker
aus Pachymose 402. Trauben-
‚ucker aus Pachyma Cocos 403.
Gummi, Pilizcellulose, Protein-
stoffe 404. Fett, Cholesterin 405.
Methoden der Quantitativen
Untersuchung 405. Zusammen-
setzung von Pachyma Cocos
und Mylitta lapidescens 407.
Bildung von Pachyma .Cocos
407. Analytische Belege 408.
Pachymose 400.
Palmitylphytosterin 697.
a-Pana-Resen 217.
8-Pana-Resen 218.
Pana-Resinotannol 219.
Parakresalol 624.
Parakresotinsäure-
phenylester 625.
Paratoluidin, Verhalten gegen
Glyoxylsäure 10
Phenocollsalicylat 627.
Phenol, Verhalten gegen Chlo-
ralhydrat 6.
Phosphorpentachlorid,
Einwirkung auf aromatische
Aether 26. p-Chloranisol 31.
Stellungsnachweis des Chlors 32.
p-Chlorphenetol 33. «-Chlor-3-
Naphtolmethyläther 34. a-Chlor-
#Naphtol 34. a-Chlor-Benzo&-
säure3-Naphtolester36. Aetboxy-
trichlorchinoxalin 38. Oxytri-
chlorchinoxalin 39. Benzo&-
säure-p-Chlorphenylester41. Ben-
zo&ösäure-o-Chlorphenylester #1.
Benzolsulfonsäure - p - Chlorpbe-
nylester 42.
Pseudonicotinoxyd 6M.
Sachverzeichn is.
BR.
Refraktometer,
suchungen mit demselben
Fettunter-
423.
S.
Sagapen 259. Chemischer Teil
264. Darstellung des Reinharzes
264. Nachweis von freiem Um-
belliferon 266. Prüfung auf
Aldehyde 267. Verseifung des
Reinharzes 268. Umbelliferon
268. Der Harzalkohol: Sagıre-
sinotannol 270. Acetylierung des-
selben 271. Benzoylierung 272.
Verhalten gegen Brom und Jod
273. Oxydation desselb-n 274.
Das ätherische Oel 275. Ver-
gleich blaugefärbter ätherischer
Oele 279. Botanischer Teil 284,
Sagaresinotannol. Siehe
Sagapen.
Salacetol 625.
Salicylacetylparamido-
phenol 626.
Salicylaldehyd -Methyl-
pheuylhydrazin 630.
Salicylsäure-a- uatrT
ester 617
Salicylsäure- ß- Nanly
ester 619.
BE inaphtoi 619.
Salocoll 627.
Salophen 626.
Serofularia nodosa 77;
240. Asche 80. Untersuchung
des alkoholischen Auszuges 81.
Untersuchung der Chlorotorm-
schicht 81. Zimmtsäure 82; 83.
Untersuchung der wässerigen
Schicht 84. Cholin 84. Leeithin
86. Zucker 87. Abwesenheit
von Zitronensäure, Weinsäure,
Aepfelsäure 88. Untersuchung
des Gerbstoffs 88. Kaffvegerb-
säure 89. Kupfersalz, Bleisalz
90. Spaltung der Kaffeegerb-
säure 90. Spaltung mit »alz-
säure 93. Einwirkung von Brom
auf Kaffeegerbsäure 93. Ein-
wirkung von salpetriger Säure
94. Untersuchung des wässe-
rigen und ätherischen Auszuges
96. Buttersäure 96. Palmitin-
säure 97. Oelsäure 98.
707
Secrete, Untersuchungen über
dieselben 209: 253 ; 259; 533 ; 540.
Senegawurzel, neue Ver-
fälschung derselben 118. Trios-
tein 124.
Stearoptene, Verhalten gegen
Chloralhydrat 6. Verhalten der-
selben unter sich 14. Verhalten
zu Phenol 17.
Strychnin-Untersuchun , fo-
rensische 908.
Suceinit 191.
Sumach,Glycosazon daraus 125.
T.
Thiosinamin und seine Halo-
genadditionsprodukte 646. Unter-
suchungen über die Konstitu-
tion des Thiosinamins 648. Ein-
wirkung von Silbernitrat auf
Thiosinamin 648. Einwirkung
von Quecksilberchlorid auf Thio-
sinamin 651. Einwirkung von
Quecksilberchlorür auf Thios.n-
amin 652. Einwirkung von
Quecksilberceyanid auf dasselve
653. Eiuwirkung von Kupfter-
chlorür auf Thiosinamin 654.
Verhalten der Thio>inamin-
Schwermetallsalz -Verbindungen
gegen Reagentien 658. Konsti-
tution der Metallsalzverbiun-
dungen des Thiosinamins 660.
Einwirkung von metallischem
Quecksilber, Silber und Kupfer
auf Thiosinamin 666.
Monomethylthiosinamin 669 Ein-
wirkung von Brom auf Methyl-
thiosinamin 670. Einwirkung
von Chlorsilber auf das Methyl-
thiosinaminbromid 671. Platin- u.
Goldsalz des Bromchlorids 672.
Dimethylthiosinamin 672. Ein-
wirkung von Brom aut dasselbe
672. Einwirkung von Chlor-
silber auf das Dimethylthiosin-
aminbromid 673. Gold- und
Platinsalz des Dimethylthiosin-
aminchlorobromids 674. Einwir-
kung von alkoholischer Tri-
merhylaminlösung aut Allyl-
senföl 674. Rhodanwasserstoff-
saures Trimetbylamin 675.
Trimethylthiosinaminbromid 676.
Platinsalz desselben 676. Kon-
5 %
Ei
SL Ylkır
KAge
De - ı erg >> n
ENVSEr
£
seiner homologen en
677
p-Toluidin, Verhalten gegen
Glyoxylsäure 100.
p-Toluidinessigsäure 103
p-Toluidinessigsäure-
paratoluid 102.
p - Toluyl-p - methylime-
satin 103.
3 Tolypyrinsalicylat 628.
F Tolysal 628.
Traubenzuckeraus Pachyma
Cocos 403. Als Produkt der
: Inversion von Pachymose 402.
; Trimethylthiosinamin-
bromid 676.
Triostein 124,
stitution des Thiosinamins und | - es
Umbelliferon 206; be
v.
Vallonen, Glukosazon dar
WW.
Wurzel von Aristolochia argen-
tina 634.
SieheauchAristolochiaargentina.
Z.
Zimmtsäure, Nachweis
Serotularia nodosa
ge er
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