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Full text of "Archiv der Pharmazie"

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ARCHIV 


DER 


PHARMACIE 


herausgegeben 


Deutschen Apotheker-Verein 


unter Redaction von 


E, Schmidt und H. Beckurts. 


Band 233. ne 


BERLIN. 
Selbstverlag des Deutschen Apotheker-Vereins. 
1895. 


ARCHIV 


DER 


PHARMACIE 


herausgegeben 


Deutschen Apotheker-Verein 


unter Redaction von 


Band 233. Heft 1. 


| 

1 
| E. Schmidt und H. Beeckurts. 
s 


Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereins. 


| 

B 

| 

BERLIN. | 
1895. | 


Ausgegeben den 10. März 189%. 


INHALT. 


Seite 

G. Grützner, Ueber einen krystallisirbaren Bestandteil der Basa- 
nacantha spinosa var. ferox Schum. . 1 

Ed. Schaer, Die Verflüssigung des Chloralhydrates mit Phenol 
und mit Stearoptenen, sowie der le'zteren unter sich . 5 

W. Autenrieth, Ueber die Einwirkung von E hosphorpen up 
auf aromatische Aether . . E 26 
W. Autenrieth, Tleber einen neuen Indikator: Luteol . . 43 


Koch, Phytochemische Studien. Beiträge zur Kenntniss der mittel- 
europäischen Galläpfel, sowie der Scrofularia nodosa L. 48 


Eingegangene Beiträge. 


C. Boettinger, Zur Kenntniss der Glyoxylsäure, III. u. IV. Abthlg. 

C. Boettinger, Ueber die Osazone der Zucker aus Sumach und 
Vallonen. 

P. Zenetti, Das Vorkommen von Hesperidin in Folia Bucco und 
seine Krystallformen. 

C. Hartwich, Ueber falsche Senega. 

H. Pommerehne, Ueber die Alcaloide von Berberis aquifolium. 


(Geschlossen den 25. Februar 1895.) 


€ VEN NR N AN 
Di - i Te - 


iese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel 
monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis 
50 Bogen. Badenpteis 1 für den Jahrgang Mk. I2,—. 


Alle Beiträge für das „Archiv‘‘ sind an die 
Archiv-Redaction 
Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg (Hessen) 
oder Herın Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig, 


alle die Inserate u. s. w., überhaupt die Archiv-Verwaltung und 
die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den 


Deutschen Apotheker-Verein 


Berlin ©. 22, An der Spandauer Brücke 14 
einzusenden. 


SR N RR A N A RR ER RR 


Anzeigen. 


Dieselben werden mit 40 Pfg. für die durchgehende und mit 25 Pfg für die gespaltene 
Petitzeile oder deren Raum berechnet. Beilage-Gebühr für das ‘lausend der Auflage — 


z. Z. 3650 — Mk. ıo. Für Beilagen, welche nicht dem Format des „Archiv“ entsprechen, 


bleibt besondere Vereinbarung vorbehalten 


a u ihr erh. A. 


2 fitteilung aus dem pharmaceutischen Institut der 
n Universität Breslau. 


- Ueber einen krystallisierten Bestandteil der 


Basanacantha spinosa var. ferox Schum. 
Von Dr. B. Grützner. 


(Eingegangen den 20. Dezember 1894.) 


i Im Verfolge seiner Arbeiten über brasilianische Nutz- und Heil- 
_ pflanzen hat der um die Erforschung der Flora und Pharmacognosie 
- von Brasilien hochverdiente Forscher Dr. Th. Peckolt, Apotheker 
= ‚in Rio de Janeiro kürzlich auch die Dasanacantha spinosa var. ferox 
 Schum. (Flora Brasiliensis, Rubiac. pag. 378) in den Kreis seiner 
Untersuchungen gezogen. 

„ 3 Dieses dünnstämmige Bäumchen des Urwaldes, welches zufolge 
‚seiner Frucht auch wilde Limone und wegen der wohlriechenden 
"Blüthen auch Jasmin do mato — wilder Jasmin — genannt wird, 
trägt an den Zweigen einen endständigen Blüthenstand, unterhalb 
_ dessen sich 4 spitze, kurze Stacheln befinden, von denen jedoch 
nach der Fruchtreife zwei verkümmern, während die beiden anderen 
als bleibende, grofse, scharfe Dornen sich gegenüberstehen. Die 
BE eeiblichen , rundlichen Früchte haben einen Durchmesser 
- bis zu drei Centimeter und sind mit dicht gedrängt liegenden, 
eckigen, wachsähnlichen Samen gefüllt, umgeben von einer sparsamen, 
gelben, sülsschmeckenden Pulpa, welche von den Einheimischen ge- 
 mossen wird. Der Geschmack der Samen ist bitter. Sie werden 
‚getrocknet und als Pulver theelöffelweise bei intermittierendem 
Fieber genossen. Blätter und Rinde dienen als Tonicum. Die 
beiden letzteren unterzog Peckolt einer eingehenden Unter- 
suchung. 
- Er fand in den lederartigen, wenig saftigen Blättern 58 Proz. 


F 0 ‚8965 bei 25°, sowie eine krystallisierte Substanz nach folgendem 
Verfahren. Die frischen Blätter werden mit heilsem Alkohol vom 
S spez. Gew. 0,900 ausgezogen, nach dem Abdestillieren des Alkohols 


wird das Extrakt in Wasser gelöst und solange als noch eine 
Arch. d. Pharın. CCXXXIII. Bäs. 1. Heft. 1 


asser, ferner 0,418 Proz. eines fetten Oeles von dem spez. Gew. 


2 Dr. B. Grützner: Ueber Basanacantha spinosa. 


Trübung bemerkbar, mit neutraler Bleiacetat-Lösung gefällt. Das 
Filtrat wird mit Schwefelwasserstoff entbleit und bis zur Sirup- 
konsistenz abgedampft. Nach dem Erkalten erstarrt es zu einem 
Krystallbrei. Die getrennten und getrockneten Krystalle werden 
durch Umkrystallisieren aus siedendem Amylalkohol oder absolutem 
Alkohol gereinigt. Ein Kilo trockene Blätter liefert 20,232 g reins 
Krystalle. Aus den Bleipräzipitaten erhielt Peckolt eine krystalli- 
sierte organische Säure und zwar von einem Kilo trockenen Blättern 
0,504 g. 

Peckolt führte die Darstellung noch in anderer Weise aus. 
Frische gestolsene Blätter wurden zur Entfernung des Fettes zunächst 
mit Petroläther und hierauf mit Aether extrahiert. Das ätherische 
Extrakt wurde mit heifsem Wasser aufgenommen, mit Bleiacetat 
gefällt und weiter wie oben behandelt. Die Ausbeute an krystalli- 
sierter Substanz betrug nur 0,272 Proz. 

Aus der trockenen Rinde wurden 2,23 Proz. reine Krystalle 
und 0,5 Proz. Säure erhalten. 

Die aus Blättern und Rinde dargestellten Verbindungen ge- 
langten mit Ausnahme der organischen Säure, deren geringe Menge 
noch nicht zur Untersuchung hinreichte, in Jas pharmaceutische 
Institut hiesiger Universität behufs näherer Charakterisierung und 
hatte der Direktor desselben Herr Geh. Rat Prof. Dr. Th. Poleck 
die Güte mir die Untersuchung zu überlassen. 

Die aus den Blättern durch Alkohol- Extraktion erhaltene 
Substanz bestand aus feinen, verfilzten, seidenglänzenden, kleinen 
Nadeln von fast weifser Farbe. Auf Platinblech vorsichtig erhitzt, 
schmelzen sie zu einer tarblosen Flüssigkeit, welche nach dem Er- 
kalten wieder krystallinisch erstarrt. Bei stärkerem Erhitzen ver- 
brennt der Körper ohne einen Rückstand zu hinterlassen. Stickstoff 
ist nicht vorhanden. In Wasser ist der Körper leicht, in Alkohol 
und Amylalkohol nur in der Siedehitze löslich. Aether, Benzol, 
Petroläther, Chloroform zeigen gar kein Lösungsvermögen. Die 
wässerige Lösung reagiert neutral und schmeckt süls. Sie wird 
weder durch Säuren, noch durch Ammoniak, kohlensaures Ammoniak, 
Aetzalkalien und Carbonate verändert. Fehling’sche Lösung wird 
nicht reduziert, auch trat die Pettenkofer’'sche Glykosid-Reaktion 
nicht ein, desgleichen waren Spaltungsversuche mit Säuren resultatlos. 


Dr. B. Grützner: Ueber Basanacantha spinosa. 3 


Es schien daher die Zugehörigkeit des Körpers in die Klasse der 
Alkaloide und Glykoside ausgeschlossen. Zur Bestimmung des 
Schmelzpunktes wurde die Substanz aus siedendem 94 prozentigem 
Alkohol umkrystallisiert, zunächst auf Thonplatten, dann bei 105° im 
Luftbade getrocknet. Das erhaltene Krystallmagma war schneeweiis 
und zeigte einen Schmelzpunkt von 165°, der sich nach nochmaligem 
Umkrystallisieren nicht mehr änderte. Die wässerige Lösung im 
Wild’schen Polaristrobometer geprüft, erwies sich als optisch inaktiv. 
Die Elementaranalyse der bei 1050 getrockneten Substanz ergab 
tolgende Zahlen: 


0,2437 g Substanz gaben 0,1730 1,O = 7,85 Proz. H 
0,3333.00,,.—39 55. nn 
0,2949 g Substanz gaben 0,2048 ,0O = 782 „H 


0227000, 3949.17 € 
im Mittel: 7,85 Proz. H, 39,51 Proz. ©. 

Aus diesen Werten ergiebt sich als eintachste Formel C, H; O;;: 
Verdoppelt man dieselbe, so gelangt man zur Zusammensetzung des 
Mannits C, Hy O;- 

Gefunden i. M. 7,85 Proz. H berechnet für 0, H,, 05:7,70 Proz. H 
39,51 ALS 39,56 set 
59,64 .,.0 Bay Ho: 

Nach dem gesamten chemischen und physikalischen Verhalten 
des fraglichen Pilanzenstoffes steht somit seine Identität mit dem in 
vielen Pflanzen vorkommenden Mannit aufser Zweifel. Auffallend 
ist die Reichhaltigkeit der tropischen Rubiaceen an Mannit; 
Basanacantha ist schon der vierte Vertreter dieser Familie, in 
welcher von Peckolt Mannit gefunden wurde. 


Von der aus frischen Blättern durch Aether- Extraktion er- 
haltenen Substanz war zufolge ihrer Darstellungsweise von vorn- 
herein nicht gut anzunehmen, dafs sie sich als Mannit herausstellen 
würde, da dieser in Aether nnlöslich ist. Und doch zeigte der nach 
dem Umkrystallisieren vollkommen rein erhaltene Körper alle die 
Eigenschaften und Reaktionen, welche den Mannit charakterisieren, 
Der Schmelzpunkt lag bei 165°, der Kohlenstoffgehalt betrug 
39,44 Proz., der des Wasserstofts 7,56 Proz. Die Erklärung für 
das Auffinden des Mannits nach obigem Verfahren ergiebt sich aus 


dem Umstande, dals zur Extraktion wassergesättigter Aether an- 


wendet wurde, denn die zum Ausziehen verwendeten frischen Blätter 
1* 


B Dr. B. Grützner: Ueber Basanacantha spinosa. 


enthalten 58 Proz. Wasser und entsprechend dem Wassergehalt 
wird der Aether auch kleinere Mensen Mannit aufzunehmen ver- 
mögen. Die Ausbeute war auch eine sehr geringe (0,27 Proz.), 
während durch Alkohol-Extraktion fast die zehnfache Menge erhalten 
wurde. 

Das dritte Präparat, die krystallisierte Substanz aus der Rinde, 
erwies sich gleichfalls als Mannit. Der Kohlenstoffgehalt betrug 
39,49 Proz., der des Wasserstoffs 7,57 Proz., der Schmelzpunkt und 
das sonstige Verhalten zeigten keine Abweichungen von dem des 
Mannits. 

Es ist somit das Vorkommen des Mannits in Blättern und Rinde 
von Dasanacantha spinosa var. ferox nachgewiesen. 


Zum Schlusse sei mir gestattet, noch einmal auf das Verhalten 
des Mannits gegen Fehling’sche Lösung zurückzukommen. 
W. Kwasnikb), der einen krystallinischen Bestandteil der 
Genipa brasiliensis Mart. als Mannit identifizierte, fand, dals sein 
Untersuchungsmaterial trotz mehrmaligen Umkrystallisierens nach 
kurzem Kochen oder auch nur längerem Stehen mit heilser 
Fehling’scher Lösung eine, wenn auch nicht beträchtliche, so 
doch immerhin beachtenswerte Abscheidung von Kupferoxydul her- 
vorrief. Auch mit reinem Mannit anderer Herkunft erhielt er das- 
selbe Resultate. Kwasnik nimmt an, dafs schon das kurze Kochen 
mit einem Alkali genügt, um chemische Umsetzungen in dem 
Mannit hervorzurufen, welche dann zerlegend auf die Kupferlösung 
einwirken. Diese Beobachtung kann ich nicht bestätigen. Der aus 
Basanacantha spinosa var. ferox erhaltene Mannit gab selbst nach 
lebhaftem Aufkochen und längerem Stehen mit frisch bereiteter 
Fehling’scher Lösung keine Spur einer Reduktion. Auch im 
Handel bezogener reiner Mannit verhielt sich ebenso. Hingegen 
erhielt ich übereinstimmend mit Kwasnik durch ammoniakalische 
Silberlösung einen schönen Silberspiegel. E. Salkowski?) fand, 
dafs aufser Mannit auch Rohrzucker und die Glykoside diese Er- 
scheinung zeigen. Gleich der ammoniakalischen Silberlösung wurden 
auch Silberaeetat und Silberoxyd durch käuflichen und aus Basana- 


1) Chem.-Ztg. 1892, 16, No. 8. 
2, Salkowski, Dt. chem. Ges. 1850, p. 822. 


Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 5 


cantha dargestellten Mannit unter Bildung eines Silberspiegels 
reduziert, während neutrale Silbernitratlösung, Goldchlorid und 
Quecksilberchlorid selbst in der Siedhitze unverändert blieben, ein 
Verhalten, auf welches schon Hirzel!) und Favre?) aufmerksam 


machten. 


Mitteilungen aus dem pharmaceutischen Institut 
der Universität Strassburg. 


Die Verilüssigung des Chloralhydrates mit 
Phenol und mit Stearoptenen, sowie der letzteren 


unter sich. 
Von Ed. Schär. 
- (Eingegangen den 25. XII. 1894.) 

Seit 20 Jahren weils man, dafs sich Chloralhydrat in sehr auf- 
fälliger Weise mit Kampher verflüssigt, und seit ungefähr 10 Jahren 
ist bekannt, dafs diese Erscheinung sich auch auf andere Stearoptene 
und auf Phenole ausdehnt und dafs verschiedene Substanzen aus 
den letztgenannten Körperklassen, in Mischungen unter sich, ein 
gleiches Verhalten zeigen. 

Das Interesse, welches den in Rede stehenden Verbindungen 
als wichtigeren Arzneistoffen zukommt, und die Rücksicht auf die 
praktische Bedeutung jener physikalischen Eigenschaft bei deren 
gelegentlicher Anwendung in Gemengen, veranlafste mich, ganz ab- 
gesehen von mehr theoretischen Gesichtspunkten, schon im J. 1885 
und 1889 eine Reihe ergänzender Beobachtungen über das Verhalten 
des Chloralhydrates zu verschiedenen Stearoptenen und Phenolen, 
sowie über die gegenseitige Einwirkung von Stearoptenen anzustellen, 
wobei der damalige Assistent am pharmaceutischen Laboratorium des 
Polytechnikums in Zürich, Herr Apotheker Fr. Steinfels, mich 
durch Anstellung der Versuche über das Verhalten des Chloral- 
alkoholates, des Butylchloralhydrates („Crotonchloral's“) und des 
Phenols unterstützte. 


!) Hirzel, Ann. chem. pharm. 131, p. 50. 
2) Favre, J. pr. chem. 32, p. 362. 


6 Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 


Nachdem in der Zwischenzeit manche Angaben früherer Autorer 
kontrolliert und zahlreiche eigene, vor mehreren Jahren gemachte 
Beobachtungen dem Kriterium öfterer Wiederholung unterworfen 
worden sind, ist es wohl statthaft, die Ergebnisse jener Versuche, 
unter Erwähnung wichtigerer früherer Daten, in übersichtlicher An- 
ordnung an dieser Stelle niederzulegen. Bieten doch die erwähnten 
Erscheinungen, sowohl für den Praktiker, wie für den Theoretiker 
mehrere bemerkenswerte Einzelheiten, deren näheres Studium 
Gegenstand der physikalischen Chemie bleiben mufs. 

Da mir auf letztgenanntem Gebiete keinerlei Kompetenz zusteht, 
so begnüge ich mich mit der Wiedergabe der beobachteten That- 
sachen, es den besonderen Vertretern jenes Wissenschaftszweiges 
überlassend, zu entscheiden, in welchen Fällen die Erniedrisung des 
Schmelzpunktes, welche die Verflüssigung herbeiführt, beide Teile 
eines Gemisches betrifft, und in welchen anderen Fällen nur der 
eine Gemengteil diese Veränderung erfährt, um sodann in flüssigem 
Zustande sogleich als energisches Lösungsmittel des anderen 
Gemengteils zu wirken. 


1. VerhaltendesChloralhydrates(und Chloralalkoholates) 
zu Stearoptenen und zu Phenol. 


Bekanntlich verdanken wir, soweit aus der Fachlitteratur er- 
sichtlich ist, die erste Kenntnis einer Verflüssigung des Chloral- 
hydrates mit Stearoptenen bezw. mit gewöhnlichem Kampher einer 
Mitteilung von J. F. Brown), welcher angab, dafs Kampher und 
Chloralhydrat, zu gleichen Gewichtsmengen unter Reiben gemengt, 
flüssige Konsistenz annehmen, somit den Aggregatzustand ver- 
ändern. Der genannte Autor erwähnt dabei einer leichten Temperatur- 
erhöhung, eine irrtümliche Beobachtung, auf welche wir später 
zurückzukommen haben werden. 

Nachdem diese ersten Beobachtungen, welche vermutlich ohne 
publiziert zu werden, schon früher von einzelnen praktischen Apo- 
thekern gemacht worden sind, in der pharmaceutischen Litteratur 
Eingang gefunden und die Chloral-Kamphergemenge schon arznei- 
liche Anwendung, z. B. in der Zahnheilkunde erlangt hatten, er- 
schienen im Laufe der nächsten Jahre über den Gegenstand ver- 


1) Pharm. Journ. and Trans. (III) 4 (1874) 729. 


Ed. Schär: Ueber Chloralbydrat. 7 


schiedene kleinere Notizen und auch eingehendere Mitteilungen, 
unter welchen diejenigen von Saunders, sowie von Zeidler 
hier besondere Erwähnung finden sollen. Erstgenannter Autor!) 
beobachtete mehrere physikalische Eigenschaften der aus gleichen 
Gewichtsteilen Kampher und Chloralhydrat bestehenden verflüssigten 
Mischung, die der Einfachheit wegen im Weiteren als Chloral- 
Kampher bezeichnet werden mag. So fand er das spez. Gewicht 
za 1,243; die Löslichkeit in Wasser = 0, in Chloroform = 1:1,5 
(wobei Zusatz gröfserer Chloroformmengen eine Ausscheidung bezw. 
Trübung verursacht), die Löslichkeit in Alkohol (0,937) = L:11, 
während Alkohol (0,3838), Aether, Schwefelkohlenstoff und fette Oele 
den Chloral-Kampher in jedem Verhältnisse lösen. Nachdem schon 
Brown (l. c.) gezeigt hatte, dals aus gewissen Lösungen des 
Chloral-Kamphers durch Wasser eine Ausscheidung von Kampfer 
bewirkt wird, sowie dals bei Einwirkung des Dampfes der einen 
Substanz auf die andere das Chloralhydrat trocken bleibt, dagegen 
Kampher flüssig wird, konstatierte Saunders das Verhalten des 
Chloral-Kamphers bei der Destillation und fand, dafs die Mischung 
zwischen Temperaturen von 107—206° C. ohne bleibende Zer- 
setzung der einzelnen Bestandteile übergeht; und zwar destilliert bei 
ca. 107° Chloralhydrat mit wenig Kampher, bei ca. 1490 Chloralhydrat 
mit derjenigen Menge Kampher, welche zur Verflüssigung des 
ersteren notwendig ist und endlich bei 200—2060 Kampher mit Spuren 
von Chloralhydrat. 


OÖ. Zeidler?) untersuchte verflüssigte Mischungen der beiden 
Substanzen im Verhältnis ihrer Molekulargewichte, wobei unter 
Temperaturerniedrigung eine wasserhelle, mit Alkohol, Aether und 
Chloroform mischbare Flüssigkeit erhalten wurde, welche selbst bei 
— 20° nicht erstarrte und sowohl durch Destillation, als durch 
Wasserzusatz teilweise in ihre Componenten zerlegt wurde. Das 
spez. Gewicht der genannten Mischung bestimmte Zeidler zu 
1,2512, die spezifische Drehung — [«]p = 33° 45. 

Zugleich wurde gezeigt, dafs bei Erwärmung des Chloral- 
Kamphers in geschlossenem Rohre auf 150°, sowie bei Erhitzung 


1) Pharm. Journ. and Transact. VII (1876) 89. 
2) Ber. d. Wiener Akad. (2. Abthlg.) 76, 253; auch Fittica, 
J.ber. d. Chem. 1878, 645. 


6) Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 


mit alkohol. Kaliumhydrat tiefergehende Zersetzungen erfolgen. Es 
gelang dem genannten Beobachter nicht, analoge Verbindungen des 
Kamphers mit wasserfreiem Chloral, Butylehloralhydrat oder Benz- 
aldehyd herzustellen, wogegen Kampher und Chloralalkoholat sich 
in obenerwähntem Verhältnis gleichfalls zu einer bei — 20% noch 
nicht festwerdenden Flüssigkeit von 1,177 spez. Gew. zerreiben 
liefsen. Endlich wird von Zeidler die auffallende Beobachtung 
erwähnt, wonach die Chloral-Kampher-Mischungen zu verschiedenen 
Zeiten nach ihrer Herstellung wechselnde Zusammensetzung auf- 
weisen, eine Erscheinung, welche seither nicht näher verfolgt 
worden ist, aber einer eingehenderen Prüfung wert wäre. 

Die vorstehend erwähnten Daten über das Verhalten des 
Chloralhydrats zu Kampher und anderen Stearoptenen wurden im 
Jahre 1886 durch weitere Beobachtungen von Albright!) über 
Chloral-Kampher, und von Becker?) über Chloral-Menthol ergänzt. 
Aus den Mitteilungen des Ersteren mag als bemerkenswert erwähnt 
werden, dafs das durch Vermischen von gleichen Teilen Chloral- 
hydrat und Kampher entstehende Liquidum beim Schütteln mit 
‘Wasser an Volum nicht abnimmt, sowie dafs eine Lösung von Chloral- 
hydrat im 5fachen Gewicht Wasser mit einer Lösung von Kampher 
im 5fachen Gewicht Alkohol klar mischbar ist; aus einer solchen 
Mischung wird durch Wasserzusatz öliger Chloral-Kampher ab- 
seschieden. Wenn an Stelle der alkoholischen Kampherlösung eine 
Chloroform-Kampher-Lösung mit der anderen Flüssigkeit zusammen- 
geschüttelt wird, so löst sich der sofort gebildete Chloral-Kampher 
in der Chloroformschicht, welche nach dem Abtrennen und Ein- 
dampfen einen öligen, flüssigen Rückstand liefert. Im Weitern fand 
Albright, dafs der Chloral-Kampher im Salmiakbade ohne Rück- 
stand destillierbar ist, sowie dafs er sich schon in 60 prozentigem 
Alkohol löst und aus dieser Lösung durch Wasser in unveränderter 
Beschaffenheit abgeschieden wird. Auch die klare Mischbarkeit von 
Chloralkampher mit konzentrierter Schwefelsäure wird konstatiert; 
diese Mischung färbt sich bald gelb, dann braun und zuletzt schwärz- 
lich und nimmt bald einen eigentümlich aromatischen Geruch an. 


1) American. Journ. of Pharmacy 1886, 252 (Auszug aus einer 
These. 
2) Ebendaselbst 1836, 283 (Referat über eine Inaug.-Dissert). 


Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. ) 


Endlich hat Albright auch zuerst darauf hingewiesen, dafs 
Chloralbydrat und Kampher nur innerhalb gewisser, relativ enger 
Grenzen der Gewichtsverhältnisse, am besten bei Mischung annähernd 
gleicher Teile, eine klare ölige Flüssigkeit liefern, während bei er- 
heblicher Vermehrung der einen oder anderen Substanz, z. B. von 
1 auf 5 bis 7 Teile, entweder nur ein feucht bleibendes, pulveriges 
Gemenge entsteht oder aber die Abtrennung eines öligen Liquidums 
von einem körnigen Pulver erfolgt. 

Aus den oben angeführten Beobachtungen des amerikanischen 
Autors erhellt jedenfalls, dafs es sich bei dem flüssigen, als Chloral- 
Kampher bezeichneten Gemisch nicht nur um eine, durch Erniedrigung 
der Schmelzpunkte zu Stande gekommene einfache Lösung der 
einen Substanz in der anderen, sondern um eine besondere Ver- 
bindung handelt, die, wenn auch lockerer Natur, immerhin so fest 
ist, dafs sie durch Kontakt mit guten Lösungsmitteln des einen 
oder anderen Bestandteils nicht aufgehoben wird. So allein erklärt 
es sich beispielsweise, dafs Chloralhydrat aus seiner wässerigen 
Lösung unter gewissen Bedingungen durch eine Kampherlösung in 
Chloroform ausgeschüttelt werden kann! 

Was die schon angeführte Studie von Becker (l. s. ce.) über 
das Verhalten des Chloralhydrates zu Menthol betrifft, so möge, 
unter einfacher Verweisung auf das Original, lediglich hervorgehoben 
werden, dafs dieser Autor den relativ raschen, besonders durch 
leichte Erwärmung beschleunigten Uebergang gleicher Gewichts- 
mengen Menthol und Chloralhydrat in eine klare ölartige Mischung ver- 
mutlich zuerst beobachtet, jedenfalls aber als Erster dieselbe zu 
arzneilichen Zwecken empfohlen hat. Er ermittelte das spez. Gew. 
. der besagten Mischung zu 1,1984 und konstatierte die leichte Lös- 
lichkeit des Chloral-Menthols in Alkohol, Aether, Chloroform, Benzin 
und Schwefelkohlenstoff. 

Bei Behandlung des Gemenges mit gleichen Teilen reiner 
Schwefelsäure traten durchaus ähnliche gelbgrüne, hernach grün- 
blaue Färbungen auf, wie solche wiederholt bei Einwirkung von 
Chloral auf Oleum Menthae pip. beobachtet und beschrieben worden 
sind. Die tiefblaue Mischung löst sich nahezu farblos in Alkohol auf. 


Bezüglich der seither in der pharmaceutischen und chemischen 
Litteratur erschienenen Angaben über die Verflüssigung mehrfach 


10 Ed. Schär: Ueber Chioralhydrat. 


erwähnter Körper soll, ohne allen allfälligen Notizen in zahlreichen 
Zeitschriften weiter nachzugehen, nur erwähnt werden, dafs in einer 
interessanten Mitteilung von Paschkis und Obermayer!) 
über Verflüssigung des Kamphers, sowie des Chloralhydrates mit 
zahlreichen anorganischen und organischen Substanzen irrtümlicher 
‘Weise, wohi durch irgend ein Versehen, Thymol als ein Körper ge- 
nannt wird, der sich mit Chloralhydrat nicht verflüssigt, während in 
dem im gleichen Jahre erschienenen Handbuche der pharmaceutischen 
Chemie von Flückiger?) in zutreffender Weise nicht allein die 
unter Temperaturerniedrigung erfolgende Verflüssigung des im Ver- 
hältnis der Molekulargewichte mit Chloralhydrat gemischten Kamphers, 
sondern auch das übereinstimmende Verhalten der Mischungen der 
ersteren Verbindung mit Menthol, Phenol und Thymol an- 
gegeben wird. 

Nach diesen Vorbemerkungen über die frühern Beobachtungen, 
welche die Einwirkung von Chloralhydrat auf Kampher betreffen 
und an welche sich alle seitherigen Erfahrungen über anderweitige 
flüssige Chloral-Stearoptene, sowie über Verflüssigung der Stearoptene 
unter sich anschlielsen, möge zu den Ergebnissen der vor einigen 
Jahren begonnenen und seither vervollständigten eigenen Versuche 
übergegangen werden. Es wurden zu denselben in erster Linie 
neben Phenol nachfolgende Stearoptene gewählt, unter denen ein- 
zelne bekanntlich in näheren Beziehungen zu Phenol und seinen 
Derivaten stehen und deshalb wohl auch als Phenole im weiteren 
Sinne betrachtet werden können. 

1. Menthol aus Mentha piperita (in der Form des seit 
mehreren Jahren von der Firma Todd in Notawa U. S. A. 
als „Pipmenthol“ in den Handel gebrachten Produktes). 

2. Laurus-Kampher (sowohl als raffinierter chines. und 
japan. Kampher, wie auch in der aus rohem Kampheröl in 
Europa isolierten Varietät). 

3. Barus-Kampher, sogen. „Borneo - Kampher“, von 
Dryobalanops Camphora, in diversen mehr oder weniger 
vollständig gereinigten echten Proben aus Sumatra. 


1) Pharm. Post 1888, No. 47. 
2)]. c. Bd. II, 89, 334, 444. 


Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 11 


4. Borneol, künstlich aus gewöhnlichem Laurineen-Kampher 
bereitet. 

5. Thymol, aus dem Oele der Umbellifere Ptychotis Ajowan. 

6. Diosphenol aus Bukublättern. 

7. Matico-Stearopten, aus äther. Matico-Oel. 

8. Ngai-Kamphert), aus Blumea-Species in China ge- 
wonnen. 

Diesen sämtlichen Kampherarten gegenüber zeigt nun Chloral- 
hydrat ein im wesentlichen übereinstimmendes Verhalten; d.h. es 
verflüssigt sich mit den genannten, einzelnen Stearoptenen, wenn es 
mit denselben im Verhältnisse gleicher Gewichtsmenge, beispiels- 
weise Il + 1 g, unter leichtem Druck oder auch unter Vermehrung 
des Kontaktes durch schüttelnde Bewegung, vermischt wird. Die 
Verflüssigung der Mischung erfolgt mehr oder weniger leicht bei 
gewöhnlicher Temperatur (10—20°), erheblich leichter und rascher 
in einer Digestionswärme von 25—35°. Von den Differenzen, welche 
sich bei diesem Verllüssigungsprozesse für die einzelnen Kampher- 
arten ergeben, möge hier nur insoweit die Rede sein, als speziell 
auf die sehr energische, schon bei gewöhnlichen Temperaturen relativ 
rasch erfolgende Veränderung des Aggregatzustandes bei der 
Mischung von Chloralhydrat mit Menthol, Laurus-Kampher, Borneol 
und Ngai-Kampher hingewiesen wird. In diesen Fällen entstehen 
vollkommen durchsichtige Liquida von öliger Konsistenz, während 
in den übrigen Fällen die Mischungen längere Zeit halbflüssig und 
trübe bleiben, um erst bei Temperaturerhöhung auf ca. 30° und 
Wiederabkühlung klar und flüssig zu werden oder überhaupt dauernd 
trübe zu bleiben. 

In Bezug auf das Verhalten der Chloral-Stearoptenmischungen 
zu Wasser und anderen Lösungsmitteln weisen die entstehenden 
verflüssigten Gemenge in der Regel annähernd dieselben Eigen- 
schaften auf, wie solche schon von früheren Autoren für den Chloral- 
Kampher und das Chloral-Menthol (s. o.) erwähnt wurden, doch 
treten bei einzelnen Kampherarten Unterschiede zu Tage, deren 


1) Bezüglich der Provenienz, sowie der physikal. chem. Eigen- 
schaften dieses und der vorgenannten Stearoptene vergl.u.a. Flückiger 
und Hanbury, Pharmakographia; Flückiger, pharm. Chem., 
terner E. Schmidt, Lehrb. d. pharm. Chemie. 


12 Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat, 


sorgfältige weitere Verfolgung wohl nicht ohne theoretisches Inter- 
esse sein dürfte. 

Auch in anderer Richtung ist eine Analogie mit den bei Ver- 
mischung von Chloralhydrat und Lauruskampher bereits angedeuteten 
Erscheinungen bei jenen übrigen Gemengen zu bemerken. Wird 
nämlich die Quantität des einen oder anderen Bestandteils über das 
früher angegebene Verhältnis hinaus erhöht, so entsteht in gewissen 
Fällen bis zu gewissen Grenzen noch eine klar-flüssige Mischung; 
über diese Grenzen hinaus werden entweder trübe, flüssige Gemenge 
erhalten, welche zuweilen eine pulverige Ausscheidung zeigen, oder 
es bilden sich auch wohl halbflüssige, pastöse Massen, welche nach 
und nach eine dickliche Flüssigkeit vom Charakter des altbekannten 
Chloral-Kamphers absondern. 

Bemerkenswert ist im weiteren auch die Thatsache, dafs die 
verfüssigten Gemische des Chloralhydrates mit den aufgeführten 
Stearoptenen farblos bleiben; einzig der Maticokampher nahm auch 
in den zur Verfügung stehenden, gut krystallisierten und anscheinend 
reinen Proben einige Zeit nach der Vermengung gelbbraune, zuletzt 
sogar sehr dunkelbraune Färbung an, was einigermafsen an die bei 
einigen anderen ätherischen Oelen, z. B. Mentha-Oelen, durch wasser- 
freies Chloral bewirkten Färbungen erinnert und auf eine intensivere 
chemische Einwirkung schliefsen lassen könnte. 


Was das Verhalten des Chloralhydrates zu Phenol betrifft, so 
ist hier lediglich zu bemerken, dafs die leichte Verflüssigung dieser 
beiden Substanzen schon seit einer Reihe von Jahren bekannt und 
auch in neueren Pharmakopöen, wie z. B. in Pharm. helvetica III 
bereits in die Charakteristik des Chloralhydrates aufgenommen ist. 
Es tritt diese Verflüssigung des Chloral - Phenolgemenges naclı 
meinen Beobachtungen sowohl bei reinstem Theer-Phenol in losen 
Krystallen als bei synthetischem Phenol rasch und in derselben 
Weise ein, wenn entweder gleiche Gewichtsteile oder auch die den 
Molekulargewichten (94 und 165) entsprechenden Mengen beider 
Verbindungen durch leichtes Verreiben oder Schütteln gemischt 
werden. 

Die beschriebene Einwirkung des Chloralhydrates auf Stearop- 
tene und Phenol legten es nahe, auch die bei Anwendung des 
Chloralalkoholates, sowie des s. Z. als Medikament eingeführten 


Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 13 


Butylchloralbydrates auftretenden Erscheinungen zu konstatieren, zu 
welchem Zwecke Versuchsreihen mit Laurus-Kampher, natürlichem 
und künstlichem Borneol, Menthol und Thymol angestellt wurden, 
und zwar in der Weise, dafs die den Molekulargewichten der ver- 
wendeten Stearoptene (150—156) entsprechenden Mengen (in Centi- 
grammen) mit den Molekulargewichtsmengen des Chloral-Alkoholates 
(193,5) und des Butylchloralhydrates (193,5) gemengt werden. 


Hierbei ergab sich, dafs Chloralalkoholat mit Lauruskampher 
eine schnell flüssig und klar werdende Mischung bildet. Die Reak- 
tion tritt in diesem Falle so leicht ein, dafs kleinere Mengen (2—5 g) 
der beiden Substanzen, welche in besonderen Schälchen unter einer 
Exsikkatorglocke nebeneinander gestellt werden, schon durch den 
Kontakt des Dampfes mit den festen Krystallen nach relativ kurzer 
Zeit beiderseits Verflüssigung zeigen. In durchaus analoger Weise 
verhält sich das Menthol zu der Chloralverbindung, insofern auch 
hier nach der Mischung, namentlich wenn die Temperatur durch 
Eintauchen in lauwarmes Wasser leicht erhöht wird, sehr bald eine 
klare Flüssigkeit entsteht. Weniger rasch erfolgt dagegen die Ver- 
llüssigung mit natürlichem oder künstlichem Borneol, obwohl auch 
in diesem Falle nach längerem Kontakt der beiden Substanzen unter 
leichter Erwärmung eine durchsichtig-füssige Mischung entsteht. 


Was das Verhalten des Thymols zu Chloralalkoholat betrifft, so 
ist die gegenseitige verflüssigende Wirkung eine merklich 
schwächere als bei den sonstigen Eigenschaften dieses Körpers zu 
erwarten wäre. Die Mischung bleibt bei gewöhnlicher Temperatur 
längere Zeit halbflüssig, d. h. breiig, um erst bei Erwärmung auf 
300-350 ganz flüssig zu werden, wobei jedoch ein gewisser Teil 
des Gemenges sich nachträglich krystallinisch ausscheidet. 


Wesentlich abweichend von der Wirkung des Chloralalkoholates 
ist diejenige des Butylchloralhydrates, insofern diese Substanz weder 
nit Lauruskampher noch mit Borneol, noch auch mit Thymol in irgend 
einem Grade Verflüssigung herbeiführt, was zu der Vermutung 
berechtigt, dafs sich die genannte Verbindung auch den weiteren 
oben angeführten Stearoptenen gegenüber indifferent verhalten dürfte. 
Unter den zum Versuche heigezogenen Kampherarten bewirkte einzig: 
das Menthol einen gewissen Grad von Verflüssigung, d. h. es nahm 


14 Ed. Schär: Ueber Chloralbydrat. 


die im Molekulargewichts-Verhältnis bereitete Mischung schon in 
der Kälte bleibend halbflüssige Konsistenz an. 

Bemerkenswert ist endlich auch das Verhalten der beiden 
Chlorale za Phenol. Sowohl das Chloralalkoholat als das Butyl- 
chloralhydrat bewirkt relativ rasche Verflüssigung beigemengten 
reinsten krystallisierten Phenols, wobei im ersteren Falle ein voll- 
kommen flüssiges, farbloses und durchsichtiges Liquidum entsteht, 
während bei der zweiten Verbindung eine weilslich trübe, bei ge- 
linder Erwärmung sich merklich klärende Flüssigkeit gebildet wird. 
Man wird demnach die leichte und vollständige Verflüssigung der 
erwähnten drei Chloralverbindungen mit Phenol als eine besondere 
Eigentümlichkeit sowohl der ersteren Substanzen als auch des 
Monoxybenzols betrachten dürfen. 


UI. Verhalten der Stearoptene unter sich. 


Ueber die gegenseitige Verflüssigung von Stearoptenen sind im 
Laufe der letzten Jahre verschiedene Einzeibeobachtungen bekannt 
geworden, welche auf ein häufigeres Vorkommen dieser Erscheinung 
hindeuten. So hat u. A. schon im Jahre 1885 Flückiger!) an- 
läfslich der Frage der Verfälschung von Mentholstiften mit Thymol 
die Beobachtung mitgeteilt, dafs Menthol und Thymol, welche beide, 
wie schon erwähnt, die Eigenschaft der Verflüssigung mit Chloral- 
hydrat aufweisen, diese Erscheinung noch rascher zeigen, wenn sie 
zu gleichen Teilen, d. h. im ungefähren Verhältnis ihrer Molekular- 
gewichte (156 : 150) gemengt und leicht geschüttelt werden. Hierbei 
verändert zunächst das Menthol seinen Aggregatzustand, während 
das Thymol etwas langsamer zerfielst, falls nicht gröfsere Mengen 
des ersteren zugegeben werden. Später hat derselbe Autor in seiner 
„pharm. Chemie (Bd. II, p. 444 bei Thymol)?) gezeigt, dafs relativ 
kleine Zusätze von Thymol die Verflüssigung des Menthols herbei- 
führen. 


1) Pharm. Zeitung 18385, No. 81. 
2) An gleicher Stelle wird auch mitgeteilt, dafs getrennt auf- 
estellte Krystalle von Menthol und Thymol nach einiger Zeit durch 
gegenseitige Einwirkung ihrer Dämpfe ihre Form verändern und so- 
dann zu zerflie/sen beginnen, eine Erscheinung, die auch bei den von 
F. Steinfels angestellten Versuchen mit Lauruskampher und Chloral- 
‚alkoholat beobachtet wurde und oben erwähnt ist. 


Ed. Schär: Ueber Chlorallıydrat. 15 


Es schien mir wünschenswert, das Verhalten einer etwas 
zrölseren Zahl teils offizineller, teils mit offizinellen ätherischen Oelen 
und Kamphern in nahen Beziehungen stehender Stearoptene kennen 
zu lernen, zu welchem Zwecke ich die schon oben angeführten, zu 
den Versuchen mit Chloralpräparaten verwendeten Kampherarten 
wählte, um das Verhalten derselben unter sich mit demjenigen zu 
Chloralhydrat und mit der noch zu erwähnenden Einwirkung auf Phenol 
vergleichen zu können. 

Die Versuche wurden so ausgeführt, dafs ich in trockenen kleinen 
Cylindern je zwei der sorgfältig getrockneten Stearoptene zu gleichen 
Gewichtsteilen zunächst durch leichtes Schütteln oberflächlich mengte 
und sodann durch kurzes Umrühren mit einem Glasstäbchen etwas 
inniger vermischte. Die Versuche wurden für jedes einzelne Ge- 
misch unter etwas variierenden Bedingungen öfters wiederholt, wo- 
sei die obwaltenden Temperaturen zwischen 200°—-300 und die 
angewendeten Gewichtsmengen zwischen je 1 bis je 5 g schwankten. 
Die Ergebnisse dieser Versuchsreihen finden sich in nachstehender 
Tabelle, welche der Kürze halber an Stelle einer Aufzählung der 
Einzelversuche treten mag und im übrigen keiner weiteren Er- 
läuterung bedarf. 

Wenn die hier tabellarisch zusammengestellten Resultate, welche 
bei der grofsen Zahl bekannt gewordener Stearoptene keineswegs 
auf Vollständigkeit Anspruch machen können, miteinander verglichen 
werden, so geht aus denselben zunächst hervor, dafs dem Menthol und 
‚dem Thymolden anderen Kampherarten gegenüber das relativ intensivste 
Vermögen der Verflüssigung zukommt; in der That verhält sich nur 
Matico-Kampher gegen die beiden genannten Stearoptene indifierent, 
während alle übrigen Kampherarten in Kontakt mit Thymol und 
nahezu alle mit Menthol sich verfiüssigen. Am raschesten und 
stärksten macht sich die Veränderung des Aggregatzustandes geltend 
wenn Thymol und Menthol gemischt oder Lauruskampher mit dem 
einen oder anderen dieser Staroptene in Kontakt gebracht wird, 
wobei als bemerkenswert hervorgehoben werden soll, dafs Thymol 
und Menthol in manchen Fällen nicht nur gleiche Gewichtsteile, 
sondern auch erheblich gröfsere Mengen der beigemischten Kampher 
art, wenn auch nicht vollständig zu verflüssigen, doch zu weicher 
‚oder halbflüssiger Konsistenz zu bringen vermögen. 


Ueber Chloralbydrat. 


Ed. Schär: 


Laurus- | Barus- 


Kampher| Kamphor 


Bornool Dios- 


Thymol 
(Kstl.) 


phenol 


x 
a sn m a en en nenn 


Menthol 


sehr rascheisehr raschelsebr er raschelkeine Verfl Ikeine 
Verflüssig. | Verflüssig. | Verflüssig. | Verflüssig. 


Laurus-Kampheı keine Verfl.|keine Verfl.{sehr raschelkeine Verfl.|keine 


intensive 
en AIRES FTE ö Verflüssig. 


Matico- 


en En m ar Te nr nn a een en — ER 


Ngai- 


Kampher]Kampher 


Verfl.| Verflüssig. 


Verfl.ikeine Vertl. 


Barus-Kampheı 


keine Verfl | Verflüssig. |keine Verfl.Ikeine 


Verflikeine Veıll. 


Borneool 


keine Verf. 
(Kstl.) 


langsame keine 


Verflüssig. 


Thymol — 


_ langsame Ikeine 


Vertlüssig. 


Diosphenol 


Matico-Kampfer = = = 


Verfl.|keine Verfl. 


Ver!l. 


langsame 
Verflüssig. 


Verfl.Ikeine Verf. 


keine Verfl. 


go 
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Kampher, Borneol, Ngai-Kampher, Diosphenol und Matieo-Kampher, 


Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 17 


wobei die hier eingehaltene Reihenfolge zugleich der Tendenz dieser 
Stearoptene zur Verflüssigung mit anderen Kampherarten entspricht. 
Während z. B. Laurus-Kampher erwähntermalsen sich mit Thymol 
oder Menthol rasch vollständig verflüssigt, erfolgt diese Erscheinung 
unter gleichen Umständen bei dem Ngai-Kampher nur langsam oder 
unvollständig, und Matico-Kampher vermag mit keinem der übrigen, in 
dieser Abhandlung berücksichtigten Kampherarten flüssige Mischungen 
zu bilden. 

Es bedarf kaum eines Hinweises darauf, dafs die mitgeteilten 
Beobachtungen, wie dieses schon von Flückiger hinsichtlich des 
Menthols und Thymols angedeutet wurde, dem praktischen Apotheker 
erwünschte Anhaltspunkte über die Möglichkeit, sowie über die Er- 
kennung von Verfälschungen gewisser Kampherarten durch ver- 
wandte andere Substanzen oder auch durch fremde Körper an die 
Hand geben, namentlich wenn in solchen Fällen gleichzeitig das 
Verhalten zu Chloralhydrat mit zu Rate gezogen wird. 


UI. Verhalten der Stearoptene zu Phenol. 


Das oben unter I besprochene Verhalten des Phenols zu Chloral- 
hydrat, welches u. A. auch in der neuesten Pharm. helv. III zur 
Charakterisierung des letztgenannten Präparates benützt worden ist, 
liefs es a priori wahrscheinlich erscheinen, dafs das Phenol im Kon- 
takt mit einzelnen Stearoptenen ein ähnliches Verhalten, d. h. eine 
mehr oder weniger weitgehende Verflüssigung zeigen werde, wie sie 
beim Vermischen verschiedener Kampherarten unter sich beobachtet 
und im Abschnitt II angegeben worden ist. Da andrerseits die 
ohne Zweifel nahe mit einander verwandten Stearoptene Laurus- 
kampher, Borneol und Ngaikampher, unter einander gemischt, die 
Erscheinung der Vertlüssigung nicht aufweisen, so lag die Ver- 
mutung nahe, dafs beispielsweise das in manchen Fällen energisch 
verflüssigende Thymol, welches dem Phenol chemisch so nahe steht, 
sich zu letzterem gleichfalls mehr oder weniger indifferent verhalten 
werde. 

Es führte dies zu einer Reihe von Versuchen über die Ein- 
wirkung von Phenol (in den beiden Formen des Phenol. absolut. aus 
Theer und des Phenol. absolut. synthet.) auf die 4 Stearoptene, 


welche das relativ stärkste Verflüssigungsvermögen, besonders mit 
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bades. 1. Heft. 3 


18 Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 


Chloralhydrat und Alkoholat aufweisen, nämlich auf Thymol, Menthol, 
Lauruskampher und Borneol. Die betreffenden Beobachtungen er- 
gaben das Resultat, dafs das Phenol, wie es schon bei gewöhnlicher 
Temperatur oder bei leichtester Erwärmung auf ca. 250 mit den 
genannten beiden Chloralpräparaten nach kürzerem Kontakt flüssige 
Mischungen liefert, so auch bei sämtlichen eben aufgeführten Stea- 
roptenen unter diesen Bedingungen auffallend rasch durchsichtige 
oder halbdurchsichtige flüssige Gemenge bildet. Bei den hier in 
Frage kommenden Versuchen wurden Phenol und das jeweilen zu- 
gesetzte Stearopten im Verhältnisse der Molekulargewichte zusammen- 
gegeben: eine Abänderung dieses Verhältnisses bewirkt je nach Um- 
ständen Verlangsamung oder Beschleunigung des Verflüssigungs- 
prozesses und erhöht oder verringert die Durchsichtigkeit der sich 
bildenden flüssigen Mischung. Es scheint mir jedoch nicht geboten, 
an diesem Orte auf weitere diesbezügliche Detailbeobachtungen ein- 
zutreten; wohl aber mag die Bemerkung beigefügt werden, dafs die 
Erscheinung am augenfälligsten auftritt, wenn das Phenol in geeig- 
neter Weise mit Menthol oder Thymol vermischt wird. 


Nachdem in vorstehenden Mitteilungen lediglich von der Ver- 
flüssigung der Mischungen genannter Substanzen die Rede gewesen 
ist, möge zum Schlusse noch einiger bei dieser Veränderung des 
Agsregatzustandes bemerkten Wärmeerscheinungen sowie gewisser 
die Löslichkeitsverhältnisse betreffender physikalischer Eigenschaften 
gedacht werden. 

Aus naheliegenden Gründen physikalischer Natur, deren spezi- 
ellere Erörterung hier überflüssig erscheint, mufste erwartet werden, 
dals die Bildung halbflüssiger oder Hüssiger Mischungen bei der 
Vermengung der verschiedenen obengenannten Substanzen von mehr 
oder weniger erheblichen Temperatur-Erniedrigungen begleitet sein 
werde und dafs diese Erscheinung in den Fällen unmittelbar und 
deutlich nachweisbar sein müsse, in denen die Verflüssigung durch 
Mischung bei gewöhnlicher Temperatur eingeleitet und nicht durch 
leichte Wärmezufuhr von Aufsen beschleunigt wird. In der That 
ist schon wiederholt von verschiedenen Beobachtern, sowohl bei Ver- 
mischung von Chloralhydrat mit Kampherarten, als bei Kontakt 
von letzteren unter sich, z. B. von Menthol mit Thymol, Abkühlung 
konstatiert und in der Litteratur angegeben worden. Es schien mir 


Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 19 


wünschenswert, diese Verhältnisse bei den Versuchen mit den wich- 
tigsten Stearoptenen ebenfalls in Betracht zu ziehen, wobei sich 
einige Ergänzungen der bisher gelegentlich bekannt gewordenen Daten 
ergeben haben, welche vielleicht nicht ohne alles Interesse sind. 

Die betreffenden Versuche wurden, da es sich bei dem kleineren 
Mafsstabe derselben nicht um erhebliche Temperaturveränderungen 
handeln konnte, selbstverständlich mit Utensilien und Materialien 
ausgeführt, welche, längere Zeit in dem Arbeitsraume stehend, dessen 
jeweilige Temperatur möglichst gleichmäfsig angenommen hatten. 
Zar Herstellung und Beobachtung der sich verflüssigenden 
Mischungen dienten kleinere, kurze Glascylinder von 25 bis 
30 mm Weite, in welche jeweilen je 2 g der pulverisierten 
Substanzen gleichzeitig eingeschüttet, zuerst oberflächlich mittelst 
eines kleinen Glasstabes und sodann durch 1—2 Minuten lange 
leichte und langsame Rührbewegung mit dem Thermometer ge- 
mischt wurden. Die Mengen waren so bemessen, dafs nach der 
Verflüssigung die verwendeten kleinen, für Temperaturen von 0—50° 
justierten Thermometer mit der Quecksilberkugel und einem kürzeren 
Teile der Röhre innerhalb der verflüssigten Gemenge blieben. 

Die mit dieser Anordnung angestellten Beobachtungen be- 
stätigten nicht allein einzelne schon vorhandene Angaben über Er- 
niedrigung der Temperatur bei den in Frage kommenden Ver- 
tlüssigungen, sondern zeigten, wie zu erwarten stand, dafs diese Er- 
seheinung eine mehr oder weniger durchgehende ist, wenn auch der 
Betrag der Abkühlung und deren Zeitdauer gewisse Differenzen auf- 
weisen. Speziell liefs sich die Temperatur-Erniedrigung in deutlicher 
Weise feststellen : 

1. bei Chloralhydrat und Laurus-Kampher, Chloralhydrat und 
Menthol, Chloralhydrat und Phenol; 

2. bei Chloralalkoholat und Laurus-Kampher, Alkoholat und 
Menthol, Alkoholat und Phenol; 

3. bei Laurus-Kampher und Menthol, Laurus-Kampher und 
Thymol, Menthol und Thymol ; 

4. bei Phenol und Menthol, Phenol und Thymol. 


Was zunächst das Verhalten der Chloralpräparate betrifft, so 
wurde beim Vermischen von Chloralhydrat mit Laurus-Kampher die 
relativ geringste Abkühlung von 2—3°0 beobachtet, während bei An- 


I 


20 Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 


wendung von Menthol die Erniedrigung der Temperatur zwischen 
3—4° schwankt. Von gleichem Belange ist auch die Abkühlung bei 
Einwirkung des Chloralhydrates auf Phenol. 

In noch auffälligerer Weise läfst sich die Temperaturerniedrigung 
bei Vermengung von Chloralalkoholat mit verschiedenen Stearoptenen 
bezw. Phenolen konstatieren. So tritt bei Mischung des genannten 
Präparates mit Phenol eine Abkühlung um 31/;—4° ein; bei Ein- 
wirkung auf Menthol beträgt dieselbe durchschnittlich 50 und noch 
gröfser, d. h. bis auf 9° ansteigend ist dieselbe bei der Mischung 
des Chloralalkoholates mit Laurus-Kampher. Die beobachtete, etwas 
auftallende Erniedrigung der Temperatur, welche bei Vermischung 
des erwähnten Alkoholates mit verschiedenen Kampherarten eintritt, 
steht übrigens in vollem Einklange mit der bemerkenswerten 
Energie, mit welcher das Chloral-Alkoholat, in teilweiser Abweichung 
von dem Hydrate, die Verflüssigung von Stearoptenen und Phenol 
herbeiführt. 

Innerhalb ähnlicher Grenzen, wie die Abkühlung bei den 
Mischungen der Chloralpräparate mit Stearoptenen, bewegt sich 
auch die Temperaturerniedrigung bei Vermischung der letzteren 
unter sich. So mag, um nur das Verhalten einiger pharmaceutisch 
besonders wichtiger Verbindungen ins Auge zu fassen, erwähnt 
werden, dafs die Abkühlung, welche durch Vermengung von Laurus- 
Kampher mit Menthol oder von Laurus-Kampher mit Thymol be- 
wirkt wird, nur auf 4—5° ansteigt, während dagegen bei Ein- 
wirkung von Tbymol auf Menthol die höchste bei diesen Versuchs- 
reihen konstatierte Abkühlung, nämlich eine solche von 10—11', zu 
beobachten ist. 

Dieselbe Erscheinung tritt auch noch bei der hier zuletzt er- 
wähnten Vermischung von Phenol mit Stearoptenen auf, und zwar 
beträgt die Temperaturerniedrigung bei Vermischung von Phenol 
mit Menthol gleichfalls im Mittel 10%, während diejenige bei Kontakt 
von Phenol mit Thymol erheblich geringer ist und nur auf 4—50 an- 
steigt. - 
Nachdem bis jetzt nur von Abkühlungen die Rede war, die bei 
Berührung von Chloralpräparaten mit Phenol und mit Stearoptenen 
oder bei Vermengung der letzteren Substanzen unter sich eintreten, 
mu/s zum Schlusse auf eine unerwartete, für mich bis jetzt uner- 


Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 21 


klärliche Thatsache hingewiesen werden, welche zugleich eine War- 
nung vor den bei naturwissenschaftlichen Beobachtungen nicht selten 
beliebten aprioristischen Konstruktionen einschliefst. 

Da das Thymol sowohl in Kontakt mit mehreren Kampherarten 
als mit Phenol Verflüssigung unter Temperatur-Erniedrigung bewirkt 
und da auch die letztgenannte, mit Thymol so nahe verwandte Ver- 
bindung bei der Vermischung mit Chloralpräparaten resp. Chloral- 
hydrat und Alkoholat unter Abkühlung sich verflüssigt (s. o.), so 
schien die Annahme berechtigt, dafs auch die Verflüssigung von 
Chloralhydrat und Thymol unter Abkühlung der Mischung vor sich 
gehen würde. Schon bei den vor ca. 5 Jahren angestellten Ver- 
suchen war jedoch das Gegenteil beobachtet worden, und ich fand 
damals, dafs die erwähnten beiden Substanzen, in Mengen von 
1—2 g innig vermischt, zunächst weich und halbflüssig werden, dafs 
die Mischung sich hierbei um 4° im Mittel erwärmt, um später 
bei etwas längerem Kontakt, rascher bei geringer Erwärmung, ganz 
flüssig zu werden. 

Diese Erscheinung ist in der Zwischenzeit wiederholt bemerkt 
und auch neuestens bestätigt worden, und zwar ergaben auch diese 
neueren Versuche die gleiche schon im Jahre 1889 beobachtete 
durchschnittliche Temperatur-Erhöhung von 4°. 


Es lag nunmehr nahe, auch das Chloralalkoholat hinsichtlich des 
Verhaltens zu Thymol zu prüfen, wobei sich unter gleichen Ver- 
suchsbedingungen fast genau dieselbe Erwärmung der Mischung um 
40_—41/,0 zeigte. Diese abnorme Erscheinung, welche ich bis jetzt 
nur bei Kontakt der Chloralpräparate mit Thymol, dagegen 
bei keinem andern der in ziemlich grofser Zahl angestellten ander- 
weitigen Versuche beobachten konnte, liefs an die Möglichkeit 
denken, dafs die beim Vermischen der Substanzen aufgewendete 
mechanische Bewegung eine Fehlerquelle darstellen, mit andern 
Worten, dafs es sich bei Beobachtung einer Temperatur-Erhöhung 
um Reibungswärme handeln könnte. Letztere würde besonders leicht 
dann bemerkbar werden müssen, wenn das Thermometer selbst an 
Stelle eines Glasstabes oder anderer Utensilien als Rührapparat ver- 
wendet wird. Die angestellten Kontrollversuche bewiesen jedoch 
sofort, dafs wenn die verschiedenen zu den Versuchen dienenden 
Substanzen für sich allein in genau gleicher Weise und gleich 


to 
08 


Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 


alnge mit der 'Thermometerröhre umgerührt werden, wie die Sub- 
stanzgemenge bei den definitiven Versuchen, zwar wohl eine sehr 
geringe ablesbare Erwärmung eintrat, aber niemals höher als 1°, im 
Mittel 0,7—0,8° anstieg. Hieraus ergiebt sich, dafs die bei Ver- 
mengung der beiden Chloralpräparate mit Thymol auftretende Tempe- 
raturerhöhung immerhin auf mindestens 30 anzusetzen ist und im 
weiteren, dafs bei den Versuchen, bei denen Abkühlung beobachtet 
wurde, die Temperaturerniedrigung um ca. 10 bezw. um den Betrag 
höher zu bemessen wäre, welcher im einzelnen Falle durch die er- 
wähnte geringe Reibungswärme kompensiert wird. 

Die Erwärmung der Mischungen von Chloralalkoholat oder 
-Hydrat und Thymol kann übrigens mehrmals nach einander beob- 
achtet werden, wenn lose Gemenge der beiden möglichst locker ge- 
pulverten Substanzen zeitweise mit dem Thermometer umgerührt 
werden, sodals Vermehrung des Kontaktes der Pulverteilchen erfolgt. 
In solchen Fällen pflegt die Verflüssigung nur sehr langsam vor sich 
zu gehen. Die ausnahmsweise Tempereratur - Erhöhung bei der 
Mischung der genannten Verbindungen, für welche ich vor der Hand 
noch keine Erklärung zu geben vermag, scheint immerhin darauf 
hinzudeuten, dafs es sich bei der gegenseitigen Einwirkung jener 
Stoffe nicht allein um physikalische, sondern auch um bestimmte 
chemische Wirkungen handelt, bei welchen chemische Energie als 
‘Wärme frei wird und welche sonach zu den Zustandsveränderungen 
gehören, bei denen gewisse Atombewegungen aufgegeben werden.) 

Scehliefslich soll noch auf eine charakteristische Eigentümlichkeit 
der flüssigen Mischungen von Ohloralhydrat und Kampher, wie auch 
von Thymol und Menthol, hingewiesen werden, welche auf deren 
Verhalten als Lösungsmittel Bezug hat. Schon durch die Versuche 
von Albright (s. o.) war bekannt, dafs das aus gleichen Teilen 
Kampher und Chloralhydrat gebildete ölige Gemisch beim Schütteln 
mit Wasser kaum merklich an Volumen abnimmt, sowie dafs aus 
einer Lösung des Choral-Kamphers in schwächerem Alkohol der 
erstere durch Wasserzusatz nahezu vollständig in ölartiger Form 
abgeschieden werden kann. Diese flüssige Mischung verhält sich 
sehr zahlreichen Substanzen gegenüber als Lösungsmittel; nament- 


1) S u. a. Lothar Meyer's Grundzüge d. theor. Chemie, 
2, Aufl. (1893) S. 155 uff. 


Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 23 


lich vermag dieselbe solche Stoffe in geringerem oder höherem Malse 
za lösen, welche auch in konzentrierten Lösungen des Chloral- 
hydrates in Wasser oder Alkohol löslich sind. Dazu sind u.a. viele 
Harze, organische Säuren, Alkaloide, Farbstoffe etc. zu zählen. 

Zu den letztgenannten Substanzen gehört auch das Cyanin 
(auch Chinolinblau oder Jodeyanin genannt), welches nach seiner 
Auffindung und Einführung in die Technik vorübergehende Ver- 
wertung als Farbstoff fand, aber nach seinen physikalisch- 
chemischen Eigenschaften zu den interessantesten Verbindungen zu 
rechnen ist. 

In einer an die Beobachtungen von C. F. Schönbein)) 
sich anschliefsenden Arbeit über chemische und physikalische Eigen- 
schaften des Cyanins?) babe ich s. Z. gezeigt, dals alle Lösungs- 
mittel, welche den Farbstoff Cyanin mit tiefblauer Farbe zu lösen 
vermögen, bei Zusatz zu den mit verdünnten Säuren entfärbten 
alkoholischen oder alkoholisch-wässerigen Uyaninlösungen eine Wieder- 
bläuung bewirken, vorausgesetzt, dals dieser Zusatz nicht zu gering 
bemessen wird. Es wurde ferner konstatiert, dafs unter diesen 
Cyanin Lösungsmitteln, von denen hier nur etwa Methyl-, Aethyl- 
und Amylalkohol, Aldehyd, Aceton, Aether, Chloroform, Glycerin, 
Bittermandelöl nebst anderen äther. Oelen erwähnt werden sollen, 
diejenigen Flüssigkeiten, welche in Wasser nur in beschränktem 
Mafse löslich sind (Aether, Amylalkohol, Chloroform) die Eigenschaft 
besitzen, beim Schütteln mit entfärbtem Cyanin-Wasser (Gemisch 
einer konzentrierteren alkoholischen Farbstofflösung mit dem 20- bis 
A0fachen Gewicht Wasser) unter starker Bläuung der aus dem 
Wasser sich abscheidenden Flüssigkeitsschicht der säurehaltigen 
farblosen Cyaninlösung einen geringeren oder grölseren Anteil des 
Farbstoffes zu entziehen, welcher mit allen seinen Eigenschaften in 
das zugeführte Lösungsmittel übergeht. 

Es erfolgt dabei dieser Uebergang um so reichlicher, je 
schwächer die zur Entfärbung verwendete Säure und je geringer 
deren Menge war, wie denn auch durch die genannten Lösungsmittel 
dem blauen, säurefreien Cyaninwasser aller Farbstoff durch Aus- 
schütteln entzogen werden kann, Thatsachen, welche die Vermutung 


1) Erdmann’s Journ. f. prakt. Chemie XCV, 385/464. 
2) Wittstein’s V. J. S. f. prakt. Pharm. 1871, 1—24. 


24 Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 


nahelegen, dals es sich bei der Entfärbung der Oyaninlösungen 
durch verdünnte, selbst schwache Säuren, ähnlich wie bei der 
Bleichung von gewissen Pflanzenfarbstoffen durch schweflige oder 
hydroschweflige Säure, um die Entstehung lockerer Molekularver- 
bindungen handelt. 

Der Umstand, dafs verschiedene flüssige ätherische Oele das 
Cyanin lösen und dafs dieser Farbstoff sich auch in einer kon- 
zentrierten wässerigen Chloralhydratlösung in merklicher Menge auf- 
löst, veranlafste eine Reihe von Beobachtungen über das Verhalten 
des Chloralkamphers, sowie einiger flüssiger Mischungen von 
Stearoptenen sowohl zu Cyaninwasser, als zu der durch Säure ent- 
färbten Cyaninlösung. 

So zeigte sich, dafs die alkoholisch-wässerige Cyaninlösung 
(Cyanin-Wasser), welche !/, bis !/;, Proz. des Farbstoffs enthält, 
sowohl durch Schütteln mit fHüssigem Chloralhydrat-Kampher oder 
Chloralalkoholat - Kampher, als auch durch flüssige Stearopten- 
Mischungen, insbesondere durch das Menthol-Thymol nahezu voll- 
ständig entfärbt \verden kann, sodals das Cyanin bis auf Spuren, 
welche die wässerige Schicht kaum deutlich blau färben, in das ölige 
Ligquidum übergeht. 

Dieselbe Erscheinung zeigt sich, wie vorauszusehen, auch dann, 
wenn entweder eine cyaninhaltige wässeri geChloralhydratlösung mit 
einer alkoholischen Kampherlösung oder aber eine wässerige Chloral- 
hydratlösung mit einer cyaninhaltigen alkoholischen Kampherlösung 
vermischt und sodann Wasser zugegeben und geschüttelt wird, 
während eine alkoholische Cyaninlösung mit überschüssigem Wasser 
unter Bildung eines tiefblau gefärbten Cyaninwassers mischbar ist. 


Auffallender und im übrigen mit dem oben erwähnten Verhalten 
von Aether, Chloroform oder Amylalkohol übereinstimmend, ist die 
Einwirkung des Chloralkamphers und der flüssigen Stearopten- 
Mischungen auf entfärbtes, d. h. säurehaltiges Cyaninwasser. Wird 
beispielsweise das letztere mit 1/ı, bis "/, seines Volums Chloral- 
Kampher oder Menthol-Thymol versetzt und umgeschüttelt, so findet 
sogleich eine Blaufärbung der emulsionsartigen Mischung statt und 
nach kurzem Schütteln scheidet sich die Schicht der einen oder 
anderen ölartigen Flüssigkeit von der wässerigen Lösung mit mehr 
oder weniger tiefblauer Farbe ab, während ein gewisser, von den 


Ed. Schär: Ueber Chloralhydrat. 25 


Versuchsbedingungen abhängiger Teil des säurehaltigen Cyanins in 
der wässerigen Schicht gelöst bleibt, wie sich durch die schwächere 
oder stärkere Bläuung der letzteren bei Einwirkung von Alkalien 
deutlich nachweisen läfst. 

Da in dem einen Falle, bei Chloralkampher, das spez. Gewicht 
über demjenigen des Wassers liegt (ca. 1,24 bei Mischung beider 
Substanzen in gleichen Gewichtsmengen oder 1,25 bei Anwendung 
der Mol.-Gewichte), im anderen Falle jedoch, bei Menthol mit 
Thymol, das flüssige Gemisch leichter als Wasser ist, so scheidet 
sich bei derartigen Versuchen mit entfärbtem Cyaninwasser die blaue 
ölartige Schicht bald unter, bald über der wässerigen Cyanin- 
lösung ab. 

Im ersteren Falle entsteht, wenn die beiden Flüssigkeiten nicht 
zusammengeschüttelt, sondern einfach übereinander geschichtet 
werden, infolge der sofort eintretenden Diffusionswirkung, eine 
sehr deutliche Zonenfärbung an der Kontaktstelle, von der aus ein 
tiefblauer Ring sich allmählich über die ganze Chloralkampher- 
schicht ausbreitet; in analoger, wenn auch viel weniger auffälliger 
Weise, verhält sich z. B. eine auf dem entfärbten Cyaninwasser 
lagernde Menthol-Thymol-Schicht. 

Es darf wohl darauf hingewiesen werden, dafs gerade diese Er- 
scheinungen sich recht gut zur Demonstration der Wirkungen der 
Diffusion, sowie der Dissociation von Molekularverbindungen eignen, 
sie sind überdies auch dazu angethan, die Aufmerksamkeit neuerdings 
auf die schon vor 25 Jahren in eingehender Weise beschriebenen 
eigentümlichen und theoretisch interessanten physikal.-chemischen 
Eigenschaften des Cyanins hinzulenken. 


Mit dieser kleinen Abschweifung mögen die vorstehenden Beob- 
achtungen über Chloralpräparate, Phenole und Stearoptene für ein- 
mal abgeschlossen werden. Wenn dieselben auch in den ver- 
schiedensten Richtungen der Ergänzung und weitern Vertiefung 
bedürfen, so kann wenigstens zur Rechtfertigung ihrer Mitteilung 
der Versuch geltend gemacht werden, eine Anzahl typischer Er- 
scheinungen dem pharmaceutischen Interesse etwas näher zu rücken. 


26 W. Autenrieth: Aromatische Aether u. POl,. 


Ueber die Einwirkung von Phosphorpentachlorid 
auf aromatische Aether. 
Von Dr. W. Autenrieth. 
(Eingegangen den 6. Januar 1595.) 

Das Phospherpentachlorid ist bekanntlich ein ausgezeichnetes 
Mittel, um in sauerstoffhaltigen Verbindungen Sauerstoff 
oder Hydroxyl durch Chlor zu ersetzen. Insbesondere die Reaktionen 
zwischen Phosphorpentachlorid und Alkoholen, 
Phenolen, Säuren, Aldehyden und Ketonen sind 
vielfach Gegenstand der Untersuchung gewesen, und gehören die- 
selben zu den wichtigsten und schon längst bekannten Prozessen 
der organischen Chemie. Es hat sich gezeigt, dafs das Phosphor- 
pentachlorid auf diese sauerstoffhaltigen Verbindungen stets so 
einwirkt, dafs organische Halogenderivate und Phosphor- 
oxychlorid entstehen. Die hierbei stattfindenden chemischen 
Vorgänge lassen sich durch folgende Gleichungen ausdrücken, wobei 
R einen Kohlenwasserstoffrest bedeuten soll: 

I. R-OH + PC, =R--C1+HC1+POOCI], 
7. R-07 7 + PCI, = R-CH CI, + POCI, 


It. B>00 + PC,— E>CCl, + POO) 
IV. R-C0.OH + PC, =R-CO.Cl+POC,—+ HCl. 

Auch mit anderen sauerstoffhaltigen Verbindungen tritt Phosphor- 
pentachlorid in gleicher Weise in Reaktion. Mit Säure- 
anhydriden liefert es Säurechloride und Phosphor- 
oxychlorid; aus Essigsäureanhydrid entsteht z.B., wie Ritter !) 
gefunden hat, Acetylchlorid : 

Ho >0 + PC,=POC,+20,H,0.C1 

In manchen Fällen wirkt Phosphorpentachlorid auf sauerstoff- 
haltige Substanzen als wasserabspaltendes Mittel; es 
führt z. B. Säureamide unter Wasserabspaltung in Nitrile 
über: 

CH,—CO.NH, + PCl, = CH,—CN + POCL, +2 HCl 


1) Ritter, Annalen der Chemie 95, 208. 


W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PO|,, 27 


und manche Dicarbonsäuren, wie deAethylenbernstein- 
säure, in innere Säureanhydride: 
CH, -CO.OH CH,-CO_ | 
+ POL, = | O+POC,+2HCI 
CH,—CO.OH CHz--C0/ 

Auch in diesen Fällen wird das Phosphorpentachlorid 
inOxycehlorid übergeführt. 

Ueber die Einwirkung von Phosphorpentachlorid auf Nitro- 
und Sulfonsäurederivate liegen gleichfalls viele Versuche 
vor, welche ergeben haben, dafs in vielen Fällen die Nitro-, wie 
auch die Sulfonsäuregruppe leicht durch Chlor substituiert 
werden können unter gleichzeitiger Bildung von Phosphoroxy- 
chlorid. — De Konink und Marquardt!) haben z. B. mit 
PC], «-Nitronaphtalin in «e-Chlornaphtalin verwandelt und Clöve°) 
hat aus Naphtalindisulfonsäuren mit PC], die entsprechenden Di- 
chlornaphtaline erhalten. 

Ueber das Verhalten von Phosphorpentachlorid gegen 
Aether der aliphatischen Reihe liegen nur wenige Be- 
obachtungen vor. Beilstein bemerkt darüber in seinem „Hand- 
buch der organischen Chemie“, III. Auflage, I. Band, Seite 292: 
„Phosphorpentachlorid ist in der Kälte ohne Einwirkung auf Aether.“ 
Wie dasselbe in der Wärme auf Aether einwirkt, ist nicht an- 
gegeben. -— Bachmann’) hat aber aus Diäthylacetal und Methyi- 
äthylacetal — also aus aliphatischen Aethern — und PC], Mono- 
chloräther und Phosphoroxychlorid erhalten: 


0C,H, 20 cl 
CH,.CH<oc: m? + POL, =POCh,+ CH. CH<Go,n, + a5 Cl 
Ferner wird nach Abeljanz*) 1,2 Dichloräther durch PC], 
in Aethylchlorid und Trichloräthan gespalten: 


CH,0° ch a>0+PC, =POC, + &H,CI + %H,0); 
Obgleich kaum weitere Angaben über die Einwirkung von 


Phosphorpentachlorid auf Aether in der Litteratur zu finden sind, 
so scheint doch die Ansicht der Chemiker allgemein dahin zu 


1) Berichte der Deutschen chem. Ges. IX, 317 und 927. 

2) Bulletin de la societ& chimique de Paris 26, 245. 

3) Annalen der Chemie 218, 39. 

4) Beilstein führt diese Angabe in seinem „Handbuch“ Seite 295 
mit einem ? an. 


28 W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PC],. 


gehen, dafs PC], die Aether so spalte, dafs Phosphoroxy- 
chlorid und Halogenalkyle entstehen. Anschütz be- 
merkt wenigstens in der neuesten Auflage der v. Richter’schen 
„Chemie der Kohlenstoffverbindungen.“ (Seite 138): 


„Bei der Einwirkung von Phosphorpentachlorid zerfallen die 
Aether in Alkylchloride: 


C,H | i 
Ca, >0+PC,=POC,+C,H,C1+CH,OL 


Im Hinblick auf diese Verhältnisse war von vornherein anzu- 
nehmen, dafs Phosphorpentachlorid auf „gemischt-aromatische Aether“ 
(fett-aromatisch) analog einwirken würde, wie auf aliphatische, näm- 
lich unter Bildung von Phospkoroxychlorid, Halogen- 
alkyl und Halogenbenzol, z. B. auf Phenetol im Sinne 
folgender Gleichung: 

C;3H,.0.0,H,+PCl,= C,H,C01-+- PO Cl +0C,H,C1. 

Diese Annahme war umsomehr berechtigt, als nach den an- 
geführten Thatsachen Phosphorpentachlorid mit sauer- 
stoffhaltigen Verbindungen stets so reagiert, dalsesin 
Phoesphoroxychlorid verwandelt wird. Es schien da- 
her die Gesetzmälsigkeit zu bestehen, dafs das Phosphorpentachlorid 
leicht zwei Chloratome gegen ein Sauerstoffatom austausche und da- 
her mit allen sauerstoffhaltigen Substanzen in diesem 
Sinne reagiere. 


Unter dieser Voraussetzung habe ich seinerzeit überschüssiges 
PC], auf m-Aethoxydioxychinoxalin 


06,H 

/N=C(08) 
GHZ 
IR 

N=((0H) 


einwirken lassen, in der Hoffnung, hierbei zu dem entsprechenden 
Trichlorchinoxalin zu gelangen. Versuche, die zu diesem Zwecke 
unter den verschiedenartigsten Bedingungen ausgeführt worden sind, 
haben aber ergeben, dafs hierbei stets ein Aethoxytrichlor- 
ehinoxalin sich bildet. Auf Grund dieser Beobachtung wurden 
die in der vorliegenden Arbeit beschriebenen Versuche mit ein- 
fachen Phenoläthern, mit $#-Naphtoläther und kompli- 
zierter zusammengesetzten Aethern der Chinoxalinreihe 
ausgeführt. 


W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PCI,, 29 


Diese Untersuchungen haben bestimmt zu dem Resultate ge- 
führt, dafs Phosphorpentachlorid auf gemischt- 
aromatisch& Aether der Benzol-, Naphtalin- und 
Chinoxalinreihe stets chlorierend einwirkt, so 
dafsim Benzolkern chlorierte Aether neben Phos 
phortrichlorid und Chlorwasserstoff entstehen. 
Der dabei stattündende Prozels läfst sich in folgender Gleichung 
ausdrücken, wobei R ein Alkyl bedeuten soll: 


GH;OR+POL=- GH, <ONr+POL,-+HOL 


Henry?) hat seinerzeit PC], auf Anisol einwirken lassen 
und hierbei auch gefunden, dafs ein chlorierter Aether entsteht, und 
nicht Chlorbenzol, Aethylchlorid und Phosphoroxychlorid. 

Die Einwirkung des Phosphorpentachlorids auf die aroma- 
tischen Aether erfolgt bei verhältnismäfsig niederen Temperaturen; 
die Reaktionen treten zwischen 30 und 70° ein, und zwar reagiert 
von den untersuchten Aethern der #-Naphtolmethyläther 
am leichtesten mit PC];,. Bringt man beide Substanzen in äqui- 
molekularen Mengen zusammen und erhitzt diese Mischung auf 30°, 
so findet eine ziemlich heftige Einwirkung statt: die Masse schmilzt 
unter reichlicher Chlorwasserstoffentwickelung zu einer dunkelrot 
gefärbten Flüssigkeit zusammen und zwischen 70—80° destilliert 
alles gebildete Phosphortrichlorid über. 

Nach den vorliegenden Beobachtungen verlaufen diese Reaktionen 
niemals im Sinne der oben für die aliphatischen Aether ange- 
gebenen Gleichung, so dals eine Spaltung des Aethers eintritt und 
Phosphoroxychlorid sich bildet; auch wenn man einen bedeutenden 
Ueberschufs von PCl, anwendet, reagieren beide Stoffe, selbst bei 
höherer Temperatur, nur in dem angedeuteten Sinne. Ein 
Chinoxalinäther wurde bei einem Versuche mit viel überschüssigem 
Phosphorpentachlorid einige Zeit auf 180° erhitzt; es konnte hierbei 
eine Spaltung des Aethers nicht bewirkt werden; stets resul- 


2) Berichte d. Deutsch. chem. Ges. DH. 710. 

Nach Abschiufs der vorliegenden Arbeit kam mir diese kurze 
Mitteilung von Henry in die Hände. Da Henry über den Verlauf 
der Reaktion zwischen PC], und Anisol nichts näheres angiebt und 
auch über die Stellung des eingetretenen Chloratoms im Chloranisol 
keine Angaben macht, su lasse ich meine diesbezüglichen Versuche in 
dieser Arbeit kurz folgen. 


30 W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PC],. 


tierte der monochlorierte Aether. Die aromatischen 
Aether sind somit gegen Phosphorpentachlorid bezüglich der Spaltung 
viel beständiger als die rein aliphatischen Aether. — Die chlorierten 
Aether werden meist mit quantitativer Ausbeute erhalten. Das bei 
diesen Reaktionen gebildete Phosphortrichlorid wurde jeweils durch 
Siedepunktsbestimmung und durch den Nachweis der phosphorigen 
Säure, welche mit Wasser entsteht, als solches erkannt. Die 
phosphorige Säure wurde mit Quecksilberchlorid nachgewiesen. Das 
Chlor trat bei all’ den untersuchten Aethern in den Benzolkern 
und niemals in die Seitenkette; bei den einfachen Phenoläthern, 
Anisol und Phenetol, entstehen ausschlie(slich Parachlorderivate. 
Der Nachweis hiervon wurde durch Spaltung der chlorierten Aether 
mit konz. Salzsäure erbracht, wodurch p-Chlorphenol entstand. Zur 
Erkennung kleiner Mengen von p-Chlorphenol hat sich die Baumann- 
Schotten’sche Benzoylierungsmethode vorzüglich bewährt, indem 
das schön krystallisierende Benzoylderivat desselben leickt im reinen 
Zustande erhalten wird. Zum Vergleiche mit dem aus den chlorierten 
Phenoläthern erhaltenen Benzoylderivat wurden die in der Litteratur 
noch nicht verzeichneten Benzo&säureester des o- und p-Chlorphenols 
dargestellt, welche im Anhang dieser Arbeit beschrieben sind. 

Bei dem #-Naphtolmethyläther tritt das Chloratom in die 
«e-Orthostellung zur Methoxylgruppe; dieser chlorierte Aether 
lieferte bei der Spaltung mit konz. Salzsäure dasjenige Monochlor- 
naphtol, welches Cleve!) und Zincke?) als a-Chlor-#Naphtol 

= 1,2) erkannt haben. 

Bemerkenswert ist, dafs bei den ausgeführten Reaktionen mit 
Phosphorpentachlorid niemals ein Dichlorderivat erhalten wurde, auch 
nicht, wenn man einen sehr zogen Ueberschufs von PÜ], auf den 
Aether einwirken liefs. 

Das verschiedenartige Verhalten des Phosphorpentachlorids 
gegen aromatische Aether und gegen solche der aliphatischen Reihe, 
sowie gegen andere sauerstoffhaltige Substanzen findet ungezwungen 
seine Erklärung darin, dafs die Phenoläther, wie ja fast alle Benzol- 
derivate leicht chloriert werden und infolge dessen eine Zerlegung 
des Phosphorpentachlorids in Chlor und Phosphortrichlorid bewirken; 


2) Berichte d. D. chem. Ges. XXI, 895. 
2) Berichte d. D. chem. Ges. XXI, 3384. 


W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PÜl,. 3l 


die betreffenden Reaktionstemperaturen liegen mehr als 1000 
unterhalb der Dissoziationstemperatur des Phosphorpentachlorids 
(1600); es ist demnach die chlorierende Wirkung des Phosphorpenta- 
chlorids auf aromatische Aether nicht auf vorhergehende Dissoziation 
desselben durch Wärme und auf das hierbei frei werdende Chlor 
zurückzuführen. — Hiermit ist freilich nicht erklärt, warum die 
Aetherbindung durch überschüssiges Phosphorpentachlorid selbst 
bei höherer Temperatur nicht gesprengt wird, obgleich doch anderer- 
seits die Phenoläther durch Salzsäure leichter gespalten werden, als 
die rein aliphatischen Aether. 


Experimenteller Teil. 


p-Chloranisol: GE <ocH,4 


Trägt man Phosphorpentachlorid in Anisol, im Verhältnis gleicher 
Moleküle, so geht das erstere unter reichlicher Chlorwasserstoft- 
entwicklung mit roter Farbe gröfstenteils in Lösung; erhitzt man 
hierauf diese Mischung im Paraffinbade auf 70 bis 100%, so tritt 
ziemlich heftige Reaktion ein, und unter beständiger Entwicklung 
von HCl destilliert zwischen 75° und 90° Phosphortrichlorid 
über. Die Reaktion ist beendigt, wenn kein Phosphortrichlorid mehr 
übergeht. Giefst man jetzt den Destillationsrückstand in Wasser, 
so scheidet sich ein meist rötlich gefärbtes Oel aus, welches nach 
dem Trocknen über Chlorcaleium zum gröfsten Teil zwischen 195 und 
1960 überdestilliert.. Die Analyse dieses Oels lieferte für ein 
Chloranisol übereinstimmende Werte. Die Ausbeute an Chloranisol 
ist nahezu quantitativ. 


Analyse. 
I. 0,1426 g Substanz lieferten 0,3108 g CO, und 0,0652 g H,O, 
1I. 0,255 g Substanz gaben 0,207 g AgCl. 


Berechnet für: Gefunden: 
C.H-OC1 J. LI. 
C7=,58,94 59,30 
H= 4% 5,07 
GI=24,91 24,20 


Das p-Chloranisol bildet ein farbloses Oel von aromatischem, 
nicht unangenehmem Geruche. Es ist in Wasser unlöslich, mit 
Alkohol, Aether und Chloroform in jedem Verhältnis mischbar. Es 


32 W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PCI, 


- 


siedet zwischen 195 bis 1960 nahezu unzersetzt und ist auch mit 


Wasserdämpfen wenig flüchtig. 


Stellungsnachweis des Chlors. 


Um den sicheren Nachweis zu führen, ob bei der Einwirkung 
von PC], auf Anisol das Chlor in den Benzolkern oder in die Seiten- 
kette getreten war, wurde das erhaltene Oel durch Erhitzen mit 
konz. Salzsäure gespalten. Hierbei mufsten bei der ersten Annahme 
ein Chlorphenol und Methylchlorid, bei der letzteren Phenol und 
Methylenchlorid erhalten werden, wie aus folgenden Gleichungen zu 


ersehen ist: 


2 CHE ne Fre GER + CH, °C. 
IL. 0,4, 00,014 Hcl- 0,8, - OH CHR 

Zum Zweck der Spaltung wurde das erhaltene Chloranisol mit 
konz. Salzsäure einige Stunden im geschlossenen Rohr auf 200° er- 
hitzt. Beim Oeffnen der Röhre entwich ein Gas, welches mit grün- 
licher Flamme verbrannte und sich dadurch als Methylchlorid zu 
erkennen gab. Der Röhreninhalt wurde in überschüssiger Natron- 
lauge aufgenommen, wobei sich geringe Mengen unveränderten Chlor- 
anisols abschieden; die davon getrennte wässerige alkalische Lösung 
wurde nach dem Uebersättigen mit Salzsäure der Destillation unter- 
worfen. Im Destillate, das stark den charakteristischen Geruch des 
p-Chlorphenols zeigte, schieden sich Oeltröpfchen aus. Da die 
Menge des Oels zu gering war, um durch Siedepunktbestimmung 
entscheiden zu können, welches Chlorphenol vorlag, so wurde das 
Destillat mit Natronlauge übersättigt und die entstandene klare 
Lösung mit Benzoylchlorid geschüttelt. Es resultierte hierbei ein 
Benzoylderivat, das nach dem Umkrystallisieren aus verdünntem 
Alkohol in perlmutterglänzenden Blättchen vom Schmelzpunkt 869 
erhalten würde. Die Analyse dieser Substanz ergab, dafs eim 
benzoyliertes Chlorphenol vorlag und der Vergleich mit dem aus 
reinem p-Chlorphenol dargestellten Benzoylderivat (vergl. Anhang) 
lieferte den Beweis, dafs es das Paraderivat war. Durch 
diesen Spaltungsversuch mit konz. Salzsäure ist somit der un- 
zweideutige Nachweis erbracht, dafs das aus Anisol und PÜ], er- 
haltene Chlorderivat das Para-Chloranisol darstellt. Die Methoxy- 


W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PCI,. 33 


gruppe orientiert somit das Chlor nur zur Parastellung; die gleich- 
zeitige Bildung des Orthoderivates wurde nicht beobachtet. 
Die Analyse des Benzoylderivates des aus dem Chloranisol er- 
haltenen Chlorphenols lieferte folgende Werte: 
0,1559 g Substanz gaben 0,3852 g CO, und 0,0575 g H,O. 
Berechnet für: Gefunden: 


HK Q(c0 C,H,) 
C = 67,09 67,38 
ER —:3,88 4,09. 

Das p-Chloranisol wurde zuerst von Beilstein und Kur- 
batow!) durch Methylieren von p-Chlorphenol dargestellt. Die- 
selben geben als Siedepunkt des p-Chloranisols 198 bis 2020 an, 
während mein Chlorderivat konstant bei 195 bis 196° überdestillierte. 
Wegen dieser Differenz habe ich den obigen Spaltungsversuch mit 
Salzsäure ausgeführt. 


p-Chlorphenetol: Ba r 


Phosphorpentachlorid wirkt auf Phenetol in gleicher Weise ein, 
wie auf Anisol; es entsteht ein Monochlorphenetol, welches durch einen 
Spaltungsversuch mit konz. Salzsäure und durch den Vergleich mit 
dem durch Aethylieren von p-Chlorphenol erhaltenen Derivat als 
p-Chlorphenetol erkannt worden ist. Die Temperatur der Reaktion 
zwischen Phenetol und PC], liegt zwischen 40 und 80°. Aus dem 
Reaktionsprodukte wurde das p-Chlorphenetol nach dem bei Chlor- 
anisol angegebenen Verfahren gewonnen. Der von 210 bis 215% 
überdestillierende Teil, ein farbloses Oel, bestand aus reinem p-Chlor- 
phenetol. Die Analyse dieses Oels lieferte folgende Werte: 


1. 0,1278 g Substanz lieferten 0,29 g CO, und 0,0687 g H,0, 
U. 0,2192 g Substanz gaben 0,2024 g AgCl. 


Berechnet für: Getunden: 
C;H,0Cl I. II. 
ee: 61,80 
EN 35,05 5,99 
Cl = 22,68 22,80 


Das p-Chlorphenetol bildet ein farbloses, dickes Oel von intensiv- 
aromatischem, nicht unangenehmem Geruche. Es destillierte zwischen 
212—215° über und ist mit Wasserdämpfen wenig flüchtig. 


2) Annal, der Chem. 176, 30 
Arch, d. Pharm. XXCCCII. Bäs. 1. Heft. 


n 


34 W. Autenrieth: Aromatische Asther u. PC],. 


«-Chlor-3#-Naphtolmethyläther. 
(Ul=10CH, = 2.) 

, N FEN 

i 3 


ie 8: Dee. Ds 00m, 
ci 

Von den in den Kreis der Untersuchung gezogenen aromatischen 
Aethern reagiert der #- Naphtolmethyläther am leichtesten mit Phos- 
phorpentachlorid. Beide Stoffe wirken schon bei 300 auf einander 
ein. Zur Gewinnung des chlorierten Aetbers giefst man das noch 
Hüssige Reaktionsprodukt in viel Wasser, wobei es sofort zu einer 
blättrig-krystallinischen Masse erstarrt. Ein einmaliges Umkrystalli- 
sieren aus Alkohol genügt, um den Chlornaphtoläther völlig rein zu 


erhalten. Ausbeute quantitativ. 
Analyse: 
I. 0,1968 g Substanz lieferten 0,4948 g CO, und 0,0842 g H.0, 
II. 0,1520 g Substanz gaben 0,1109 g AgCl. 


Berechnet für: Gefunden: 
Cı,00: % 18L 
© = 68,56 68,59 
H= 467 4,75 
Gl = 18,37 18,17 


Der «-Chlor-#-Naphtolmethyläther krystallisiert aus Alkohol in 
weilsen, perlmutterglänzenden Blättchen, die einen betäubenden 
Geruch haben. Der Aether ist in Wasser unlöslich, in den organi- 
schen Lösungsmitteln ziemlich leicht löslich und schmilzt bei 78%. 

e-Chlor-#-Naphtol. 
(A=1 0H=3,) 
6 | 3! 


—0H1 


U OH HE 


\8 N 1 ä 

cu 
Nach der Theorie müssen 7 Monochlor-2-Naphtole existieren, 
von welchen bis jetzt 4 dargestellt und in der Litteratur verzeichnet 
sind, nämlich das (2,1), (2,5), (2,6) und (2,8) Monochlor-(2)-naphtol. 


W. Autenrioth: Aromatische Aether u. P Cl,. 35 


Um zu entscheiden, ob »ei der Einwirkung von Phosphorpenta- 
chlorid auf den #-Naphtolmethyläther das Chloratom in die Seiten- 
kette oder in den Naphtalinkern eingetreten war und ob dann, falls 
letztere Annahme richtig ist, der dargestellte Chlornaphtoläther auf 
eines der bekannten Chlornaphtole zurückzuführen wäre, wurde die 
Spaltung mit konz. Salzsäure ausgeführt. Zur vollständigen Spaltung 
des Chlornaphtolmethyläthers war hierbei ein längeres Erhitzen im 
geschlossenen Rohre auf 200—250° notwendig. Beim Oeffnen der 
Röhre entwich ein Gas, das mit grünlicher Flamme verbrannte und 
sich hiernach als Methylchlorid zu erkennen gab. Zur Isolierung des 
Chlornaphtols wurde der Röhreninhalt mit überschüssiger Natronlauge 
ausgekocht, unverändert gebliebener Aether abültriert und das 
Filtrat mit verdünnter Salzsäure übersättigt. Das hierbei als weilser 
Niederschlag gefällte Chlornaphtol wurde entweder durch Umkrystalli- 
sieren aus Wasser oder Petroläther, oder durch Destillation mit 
Wasserdämpfen gereinigt. 


Analyse: 
I. 0,1607 g Substanz lieferten 0,3926 g CO, und 0,0653 g H,O. 
II. 0,21 g Substanz gaben 0,1632 g Ag Cl. 


Berechnet für: Gefunden: 
C.uH,00: 1% IT, 
C = 67,22 66,65 
H=:33 4,35 
Cl = 19,88 19,22 


Das 1-Chlor-2-Naphtol krystallisiert aus Wasser in glänzenden, 
Yarblosen Blättchen und Nadeln, die beim Trocknen an der Luft 
oder im Exsiccator ihren Glanz vollständig verlieren. Es scheint 
somit, dafs das frisch krystallisierte Chlornaphtol Krystallwasser ent- 
hält, das schon beim Liegen an der Luft allmählich entweicht; es 
konnte aus diesem Grunde eine Wasserbestimmung nicht ausgeführt 
werden. Aus Petroläther krystallisiertt das Monochlornaphtol in 
schön ausgebildeten Prismen. Es zeigt einen aromatischen, nicht 
unangenehmen Geruch, ist ziemlich flüchtig und sublimiert beim 
Erhitzen unzersetzt; der Schmelzpunkt liegt bei 70%. Das Chlor- 
naphtol giebt mit Kali- und Natronlauge violett fluorescierende 
Lösungen. Auch in kalter Sodalösung ist es leicht löslich. 


56 W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PC],. 


e-Chlor-Benzoösäure£-naphtolester. 
ee 
Zur näheren Charakterisierung des 1-Chlor-2-Naphtols und haupt- 
sächlich zum besseren Vergleiche mit dem von Zincke und Cleve 
beschriebenen Chlornaphtols wurde das Benzoylderivat dargestellt. 
Dieses wird leicht durch Benzoylierung des Chlornaphtols nach der 
Baumann-Schotten’schen Methode in nahezu berechneter 


Menge erhalten. 


Analyse: 
I. 0,1452 g Substanz lieferten 0,3818 g CO, und 0,0498 g H,O 
IT. 0,1192 g 5 . 0,0558 g Ag Ci 
Berechnet für Gefunden: 
C,H4 0901: I. I. 
A AN 71,71 — 
HH, —,' 3,90 3.81 _ 
er Mal — 11,72 


Das Benzoylderivat des Chlornaphtols krystallisiert aus Alkohol 
in glänzenden, schön ausgebildeten Blättchen, die in Alkohol und 
Aether ziemlich leicht löslich sind und bei 101° schmelzen. 

Stellungsnachweis des Chlors im Chlor- 

2-Naphtol. 

Von den in der Litteratur beschriebenen Monochlor-2-Naphtolen 
schmilzt das von Cl&ve!) und Zincke?) dargestellte Derivat bei 
70—710. Es lag daher nahe, dafs dieses mit dem von mir dar- 
gestellten Chlor-2-Naphtol identisch wäre. Zum besseren Vergleiche 
wurde das 1-Chlor-2-Naphtol nach der Vorschrift von Zincke dar- 
gestellt. 

Es wurde in die Auflösung des #-Naphtols in Eisessig die be- 
rechnete Menge Chlor unter Abkühlen eingeleitet, dann zur Reduktion 
von gleichzeitig gebildetem Dichlorketohydronaphtalin mit über- 
schüssigem Zinnchlorür versetzt. Diese Flüssigkeit wurde nach 
einigem Stehen in viel Wasser gegossen, wobei sich das 1-Chlor- 
2-Naphtol in feinen Krystallnadeln abschied. Die noch stark zinn- 
haltigen Krystalle wurden mit verdünnter Salzsäure so lange digeriert 
und ausgewaschen, bis in der abfiltrierten Flüssigkeit mit Schwefel- 
wasserstoff kein Zinn mehr nachweisbar war. Zur weiteren Rei- 


1) Berichte d. d. chem. Ges. XXI, 89. 
2) Berichte d. d. chem. Ges. XXI, 3534. 


W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PCI,. 37 


nigung wurde ein Teil der Krystalle mit Wasserdämpfen abdestilliert 
und ein zweiter Teil aus Petroläther umkrystallisiert. Das so ge- 
reinigte Chlornaphtol zeigte den von Zincke angegebenen Schmelr- 
punkt 70°; die Krystalle hatten dasselbe Aussehen, wie diejenigen 
des mit Hilfe der Phosphorpentachloridreaktion erhaltenen Chlor- 
naphtols und gaben auch mit den Alkalien fluoreszierende Lösungen. 
Ein Teil des Zincke’schen Chlornaphtols wurde durch Schütteln mit 
Benzoylchlorid und überschüssiger Natronlauge in das Benzoylderivat 
übergeführt, welches nach dem Umkrystallisieren aus Alkohol in 
farblosen, glänzenden Blättchen vom Schmelzpunkt 101° erhalten 
wurde. Ein weiterer Teil wurde methyliert, indem die methyl- 
alkoholische Lösung des Chlornaphtols mit der berechneten Menge 
Aetznatron und Methyljodid unter Rückflufs einige Stunden erhitzt 
wurde. Die Methylierung verlief hierbei glatt und vollständig. Der 
Methyläther schied sich beim Eingiefsen des Reaktionsproduktes in 
Wasser in Krystallen ab, die nach dem Umkrystallisieren aus Al- 
kohol glänzende Blättchen vom Schmelzpunkt 68° darstellten. 


Durch diese Versuche ist in unzweideutiger Weise bestimmt nach- 
gewiesen, dals die beidenin Frage kommenden Mono- 
ehlornaphtole identisch sind; die Identität stützt sich auf 
folgende Thatsachen : 

1. Beide Chlornaphtole schmelzen bei 70° und geben mit Al- 
kalien fuoreszierende Lösungen. 

2. Die Benzoylderivate beider Chlornaphtole krystallisieren im 
glänzenden Blättchen, die scharf bei 101° schmelzen. 

3. Der aus dem Zincke’schen Chlornaphtol dargestellte 
Methyläther ist mit dem aus #-Naphtolmethyläther und Phosphor- 
pentachlorid erhaltenen Derivat identisch; beide Aether schmelzen 
bei 680, 

Cleve und Zincke (l. ce.) haben durch Ueberführen ihres 
Ohlornaphtols in das 1-, 2-Dichlornaphtalin mit PC]; den sichern 
Nachweis erbracht, dafs ihr Derivat das 1-Chlor-2-Naphtol ist. — 
Aus dem Vorhergehenden ist somit zu ersehen, dafs bei dem 
#Naphtolmethyläther die Methoxylgruppe das Chlor zur «-Ortho- 
stellung orientiert, abweichend von den einfachen Phenoläthern. 
Dieses verschiedene Verhalten des 3-Naphtoläthers ist auf jeden 
Fall dadurch bedingt, dafs dieser Aether in demjenigen Benzol- 


38 W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PCI,. 


kerne, welcher die Asthergruppe Ent eine freie Parastellung nicht 
mehr enthält: RR 


) 2 


—OR 
% 
OC, H, 
/ ‚N=cc 
Aethoxytrichlorchinoxalin: CB, & | 
\\W=CC 
Nc1 


Das m-Aethoxy-o-phenylendiamin kondensiert sich mit Oxal- 
säure, wie Autenrieth und Hinsber g!) gezeigt haben, leicht 
zu dem Aethoxydioxychinoxalin : 


9% H; co. OH ! 9% H, 
NINE, ni ® = (C(0H) 


Wird dieses Chinoxalin mit überschüssigem PC], (1 Mol. 
Chin. : 3 Mol. PC],) im Paraffinbade zusammengeschmolzen, so 
werden nicht nur die Hydroxylgruppen durch Chlor ersetzt, sondern 
es erfolgt auch gleichzeitig eine Substitution von Wasserstoff durch 
Chlor im Benzolkern unter Bildung von Aethoxytrichlor- 
chinoxalin. Durch öfteres Umkrystallisieren des meist braun 
gefärbten Reaktionsproduktes aus Alkohol wird das Chinoxalin im 
reinen Zustande erhalten. Die Analyse desselben lieferte für ein 
Aethoxytrichlorchinoxalin genau übereinstimmende Werte. 


I. 0,1615 g Substanz gaben 0,258 g CO, und 0,045 g H;0. 
Il. 0,1055 g Substanz lieferten 0.164 g AgCl. 


Berechnet für: Gefunden: 
C,H,N,0Cl, TE 1. 
055 743.35 43,56 
IH — 2:50 3,09 
Ci = 38,37 38,44. 


Das Aethoxytrichlorchinoxalin krystallisiert aus Alkohol in feinen, 
seidenglänzenden Nädelchen, die auch nach öfterem Umkrystallisieren 
einen Stich ins Gelbliche behalten. Es ist in Wasser unlöslich, in 
Alkohol, Aether und Chloroform ziemlich leicht löslich und schmilzt 
bei 144°. Konz. Schwefelsäure löst das Chinoxalin mit gelbroter 


I) Dieses Archiv 29, Heft 6. 


W. Autenrieth: Aromatische Aether u. P C],. 39 


Farbe auf; durch Wasser wird es aus dieser Lösung als gelblich- 
weilser Niederschlag wieder ausgefällt. 


A 
o Blukenä BR A a ie 
xytrich orchınoxalın: (sg rar \ 

Su 5 0 


Bei der Einwirkung von Phosphorpentachlorid auf das Aethoxy- 
dioxychinoxalin wurden zunächst die beiden Hydroxyle durch Chlor 
substituiert. Um zu bestimmen, wo das 3. Chloratom eingetreten 
war, ob in den Benzolkern oder in die Aethylgruppe, wurde der 
Chinoxalinäther in gleicher Weise, wie die schon beschriebenen 
ehlorierten Aether mit konz. Salzsäure gespalten. Hierbei mulste 
entweder Oxytrichlorchinoxalin und Aethylchlorid oder Oxydichlor- 
chinoxalin und Dichloräthan entstehen, wie folgende Gleichungen 
veranschaulichen : 


9%; yo 

ren N ,mazoufl Tıomu 

© ON N 1 = \ | 

6 \n=ca NN bc +6H; 

cı Nc1 
0C,H,Cl oH 

Hd. GE, -N CO ı pa=c,H, N = CU, 08,01, 
N=-(Ca N-Col 


Der Versuch mit Salzsäure hat ergeben, dafs hierbei Aethyl- 
ehlorid und Oxytrichlorchinoxalin als Spaltungsprodukte des Aethers 
sich bilden. Beim Oeffnen der Druckröhre entwich ein Gas, das mit 
grüner Flamme verbrannte und sich dadurch als Aethylchlorid zu 
erkennen gab. Der Röhreninhalt wurde zur Isolierung des gebildeten 
Oxychinoxalins in Natronlauge aufgenommen und hieraus mit ver- 
dünnter Salzsäure das Phenol als gelblicher Niederschlag getällt. 
Die Ausbeute an Oxytrichlorchinoxalin war immer eine sehr geringe, 
da bei der Reaktion mit konz. Salzsäure, zumal bei stärkerem Er- 
hitzen, weitergehende Zersetzungen des Aethoxyderivates eintraten. 
Während bei 140 bis 150° der Aether nicht gespalten wird, erhält 
man beim Erhitzen auf 2400 so gut wie kein Phenol mehr; es 
bilden sich hierbei stark braun gefärbte, amorphe, alkalilösliche 
Substanzen. — Die Analyse des erhaltenen Phenols liefs erkennen, 
dafs in der That das Oxytrichlorchinoxalin vorlag. 


40 W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PC],. 


0.2248 g Substanz gaben bei 150C und einem Barometerstand von 
745 mm 23,3 ccm Stickstoff = 11,68 Proz. N. 


Berechnet für: Gefunden: 
C,;H;N,OCl, 
NZ 21052 11,55 
Cl = 42,68 43,21 


Das Oxydichlorchinoxalin enthält dagegen 13,02 Proz- 
N. und nur 33,02 Proz. Chlor. 

Das Oxytrichlorchinoxalin ist in Wasser, Alkohol, Aether, 
Chloroform und Eisessig nahezu unlöslich ; von den fixen Alkalien, von 
Ammoniak und von heifser Sodalösung wird es mit intensiv 
gelber Farbe zu den entsprechenden Salzen gelöst. In ver- 
dünnten Säuren ist es unlöslich, wird jedoch von konz. Salzsäure 
und Schwefelsäure mit geiber Farbe aufgelöst. Das Oxytrichlor- 
chinozalin hat also neben dem ausgesprochen sauren Charakter 
noch die Eigenschaften einer sehr schwachen Base. Durch den 
Eintritt von 3 Chloratomen in das Molekül des p-Oxychinoxalins?) 
ist der basische Charakter der Chinoxalingruppe beinahe aufgehoben; 
während das p-Oxychinoxalin mit verdünnten Säuren Salzbildung 
eingeht, ist das Trichlorderivat nur noch in konz. Mineralsäuren 
löslich. 

Anhang. Das Benzoylchlorid bei Gegenwart von über- 
schüssiger Natronlauge — d. h. die Benzoylierung nach Bau- 
mann-Schotten — hat sich in sehr vielen Fällen als ein vor- 
zügliches Reagenz auf Alkohole, Phenole, primäre und 
sekundäre Amine erwiesen. Hierbei wird der typische 
Wasserstoff der Hydroxyl-, Amid-, bez. Imidgruppe durch Benzoyl 
(C, H, CO) ersetzt. Die resultierenden Benzoylderivate sind meistens 
in Wasser unlösliche und aus Alkohol krystallisierbare Substanzen. 
Die Benzoylierungsmethode eignet sich daher sehr gut, um kleine 
Mengen von Phenolen und Aminbasen nachzuweisen. E. Baumann 
und Udränszky?°) haben z. B. mit Hilfe der Benzoylierungs- 
methode die im Allgemeinen schwer isolierbaren Diamine, Cadaverin 
und Putrescin aus Faeces und Harn einesan Cystinurieleidenden Patienten 
leicht abscheiden und näher charakterisieren können. Auch Phenole 
lassen sich leicht benzoylieren: z. B. steht der Nachweis der Karbolsäure 


1) Berichte d. deutschen chem. Ges. XXV, 495. 
2) Zeitschrift für physiologische Chemie XIH, 562. 


W. Autenrieth: Aromatische Aether u. PC|,. 4 


durch Benzoylierung an Empfindlichkeit der Reaktion mit Bromwasser 
wenig nach. In dieser Hinsicht ausgeführte Versuche haben ergeben, 
dafs man im Destillate eines jeden normalen, mit Salzsäure an- 
gesäuerten menschlichen Harns geringe Mengen von Phenolen durch 
Benzoylierung nachweisen kann. Im Hinblick hierauf habe ich die 
Benzoylierung auf die Chlorphenole angewandt, um das bei der Spaltung 
des Chloranisols und Chlorphenetols erhaltene Chlorphenol näher 
eharakterisieren zu können. Es schien mir dies umsomehr geboten, als 
bei der Spaltung genannter Aether immer nur sehr geringe Mengen 
von Chlorphenol erhalten wurden, so dafs eine Siedepunktsbestimmung 
kaum ausgeführt werden konnte: zudem liegen die Siedepunkte der 
3 Chlorphenole ziemlich nahe beisammen. Der Versuch hat nun ge- 
zeigt, dafs die Benzoylierung auch in diesem Falle vorzügliche 
Dienste leistet; man kann die kleinsten Mengen von p-Chlorphenol 
durch Benzoylierung nachweisen. 
Benzoäösäure-p-Chlorphenylester: Ga ee) Fi 
entsteht in berechneter Menge beim Schüttein der Lösung von p-Chlor- 
phenol in überschüssiger Natronlauge mit Benzoylchlorid. Das ab- 
geschiedene Benzoylderivat wird durch Umkrystallisieren aus Alkohol 
rein erhalten. 
1. 0,1559 g Substanz lieferten 0,3852 g CO, und 0,0575 g H,O. 
II. 0,215 g Substanz gaben 0,1334 & AgCi. 


Berechnet für Gefunden 
C,H,0; 01 % 11. 
C = 67,09 67,38 
H= 3,87 4,09 
Cl= 15,26 15,02. 


Der Benzoösäure-p-Chlorphenylester krystallisiert aus Alkohol m 
farblosen, perlmutterglänzenden Blättchen, die bei 86° schmelzen. 
Der Ester ist in Wasser unlöslick, in Alkohol und Aether ziemlich 
leicht löslich. 


Benzo&säure-o-Chlorphenylester: C,H,< "uk I 


wird durch Benzoylierung von o-Chlorphenol mit quantitativer Aus- 
beute erhalten. Durch fraktionierte Destillation des Reaktions- 
produktes wird der Ester rein erhalten; der zwischen 314 bis 3169 
überdestillierende Teil besteht aus reinem Benzoäsäure-o-chlor- 
phenpylester. 


42 W. Autenrieth: Aromatische Acther u. PC].. 


Analyse. 
0,2174 g Substanz lieferten 0,5433 g CO, und 0,0826 g H,O. 
Berechnet für Gefunden: 
C,3H30; Cl 
er =467,09 67,99 
re) 4,27. 


Dieses Benzoylderivat stellt ein farbloses, das Licht stark 
brechendes Oel dar, welches auch in einer Kältemischung nicht zum 
Erstarren gebracht werden konnte. Es siedet zwischen 314 bis 316° 
fast unzersetzt. 

Da das Chlorphenol, welches bei der Spaltung von Chloranisol 
und Ühlorphenetol entsteht, durch die Benzoylverbindung bestimmt 
als p-Chlorphenol erkannt worden war, so wurde die Benzoylierung 


des schwerer erhältlichen m-Chlorphenols unterlassen. 
_OS0,0,H; 1. 
"Cl 4. 
O0. Hinsberg!) hat in sehr glücklicher Weise die Bau- 
mann-Schotten’sche Benzoylierungsmethode auf das Säure- 


chlorid der Benzolsulfonsäure, C;,H,SO, . Cl ausgedehnt und gefunden, 


Benzolsulfonsäure-p-Chlorphenylester: C,H, 


dafs hierdurch in Phenolen, primären und sekundären Aminbasen 
der typische Wasserstoff leicht durch die Phenylsulfongruppe 
(C,H,SO,) ersetzt werden kann. Ich habe diese Reaktion mit dem 
p-Chlorphenol ausgeführt. Das p-Chlorphenol wurde in über- 
schüssiger Natronlauge gelöst, die Lösung zum Sieden erhitzt und 
unter Umschütteln allmählich die berechnete Menge Benzolsulfo- 
chlorid eingetragen; hierbei schied sich der Benzolsulfonsäure- 
p-Chlorphenylester als farbloses Oel ab. 


Analyse: 
0,1842 & Substanz gaben 0,3604 g CO, und 0,0613 g H30. 
Berechnet für Gefunden 
CaH,C1S0, 
C = 53,63 53,36 
EL: 35 3.69 


Der Benzolsulfonsäure-p-Chlorphenylester bildet ein farb- und 
geruchloses, dickes Oel, das auch bei niederen Temperaturen nicht 
erstarrt. Es ist in Wasser uniöslich, mit Alkohol und Aether aber 
in jedem Verhältnis mischbar. 

Freiburg i. Brg., Dezember 1894. 


Chemisches Univ.-Laboratorium 
(med. Fak.). 


3) Berichte d. D. chem. Ges. XXIIL, 475. 


W. Autenrieth: Ueber einen neuen Indikator. 43 


Ueber einen neuen Indikator. 
Von Dr. W. Autenrieth. 


(Eingegangen den 6. Januar 1895). 


In der vorliegenden Arbeit ist ein mit Hilfe der Phosphor- 
pentachloridreaktion !) erhaltenes Chinoxalinderivat be- 
schrieben, welches als Indikator bei alkali- und acidimetrischen Be- 
stimmungen Verwendung finden kann. Diesem Chinoxalin wurde der 
Name „Luteol“ beigelegt, weil es ein Phenol ist und sich mit 
Alkalien intensiv gelb färbt. 


Aethoxychlordiphenylchinoxalin: 


73= 0-6) 
= == IR 
a4 N C (0, 5) 


Erhitzt man die Mischung der alkoholischen Lösungen von 
m-Aethoxyphenylendiamin und Benzil zum Sieden, so bildet sich ein 
reichlicher krystallinischer Niederschlag von Aethoxydipheny!- 
chinoxalin: 


/9%8, CO.0H, Re 
co .Cg H, N RN (C, H-) 


das durch Uinkrysialliäieren aus Alkohol in feinen, schwach gelblich 
gefärbten Nädelchen vom Schmelzpunkt 150° gewonnen wird. 

Wird dieses Chinoxalin mit Phosphorpentachlorid, im Verhältnis 
gleicher Moleküle, im Paraffinbade erhitzt, so tritt zwischen 70—90 
Reaktion ein, die Masse schmilzt zusammen und unter reichlicher 
Chlorwasserstoffentwicklung destilliert Phosphortrichlorid über. Geht 
von letzterem nichts mehr über, so krystallisiert man den meist stark 
braun gefärbten Destillationsrückstand aus Alkohol um. Ein zwei- 
maliges Umkrystallisieren genügt, um das chlorierte Chinoxalin rein 
zu erhalten; dieses wird hierbei in nahezu berechneter Menge ge- 
wonnen. 


Analyse. I. 0,1733 g Substanz lieferten 0,469 g CO, und 
0,0799 g H,O. 

II. 0,1899 g Substanz lieferten bei 26° C. und einem Barometer- 
stand von 741,5 mm 13,4 ccm N. 

III. 0,1822 g Substanz gaben 0,0743 g AgCl. 


1) Vergl. vorhergehende Abhandlung. 


44 W. Autenrieth: Ueber einen neuen Indikator. 


Berechnet für Gefunden: 

03 Hr, N,0OC1: IR LI. TER 
633 73,98 —_ — 
H= 47 5,12 ar Be 
N= 7,76 — 7,61 _- 
elI=! 9,84 — — 10,07 


Das Aethoxychlordiphenylchinoxalin krystallisiert aus Alkohol 
in feinen, seidenglänzenden Nädelchen, welche auch nach öfterem 
Umkrystallisieren einen Stich ins Geibliche behalten; es schmilzt 
bei 146—1470 und ist in Wasser ganz unlöslich, in Alkohol und 
Aether ziemlich leicht löslich. Konzentrierte Schwefelsäure löst das 
Chinoxalin mit tiefroter Farbe auf; durch Wasser wird es aus dieser 
Lösung wieder als gelblichweifser Niederschlag gefällt. 

Hinsichtlich der Stellung des Chloratoms im Molekül des 
Aethoxychlordiphenylchinoxalins nehme ich an, dafs das Chlor in 
denjenigen Benzolkern eingetreten ist, welcher die Aethoxylgruppe 
enthält, mdem diese ohne Zweifel orientierend auf das Chlor ein- 
wirkt. Zu Gunsten dieser Annahme spricht auch, dafs bei An- 
wendung von sehr viel PCl, niemals ein Dichlorderivat resultiert, 
was doch der Fall sein müfste, wenn die beiden gleichartig ge- 
bundenen C,H,- Gruppen beim Chlorieren beteiligt wären. — Da 
eine Parastellung in dem äthoxylierten Benzolkern nicht mehr frei vor- 
handen ist, so wäre nach Analogie mit dem «-Chlor-#-Naphtolmethyl- 
äther nur noch die Orthostellung zum Aethoxyl in Betracht zu 
ziehen. Diese ist aber zweimal vorhanden und käme somit dem 
Aethoxylchordiphenylchinoxalin eine der beiden Formelausdrücke zu: 


cl 
r. EN, II. N 


SS EN EN 
DER: 7 Weg N— (C,H, CH.0 7, Se Sean 


— 8; “ — (C,H, 


i 6% Br En a 


.- 


x - . 
j N 


Ich möchte zunächst der ersten Formel den Vorzug geben. 


OH 
/N=C(G3) 
Oxychlordiphenylchinoxalin: GH 
— Luteol — N 


W. Autenrieth: Ueber einen neuen Indikator. 45 


Wird das Aethoxychlordiphenylchinoxalin mit konz. Salzsäure 
einige Stunden im geschlossenen Rohre auf 180—200° erhitzt, so 
erfolgt Spaltung des Aethers; beim Oeffnen der Druckröhre ent- 
weicht Aethylchlorid und der Röhreninhalt ist dann in überschüssiger 
Natronlauge mit gelbbrauner Farbe löslich; aus dieser Lösung fällt 
verdünnte Essigsäure oder Salzsäure einen gelblichweifsen Nieder- 
schlag von Oxychlordiphenylchinoxalin, das durch öfteres Um- 
krystallisieren aus mälsig verdünntem Alkohol in reinem Zustande 


gewonnen wird. 

Analyse: I. 0,108 g Substanz lieferten 0,2863 g CO, und 
0,046 & H20. 

1I. 0,1283 g Substanz lieferten bei 24° C. und einem Barometer- 
stand von 738,5 mm 10 ccm N. 


III. 0,1557 g Substanz gaben 0,0675 g AgCl. 


Berechnet tür Gefunden; 

C,H; ON; Cl: r 1. II. 
C= 72,18 72,29 —_ — 
EI el 4,13 — — 
NE 0,842 — 8,48 = 
Er = 10,67 _ — 10,72 


Das Oxychlordipbenylchinoxalin oder Luteol krystallisiert aus 
Alkohol in feinen, wolligen, gelblich gefärbten Nädelchen, die bei 
246 schmelzen und bei höherer Temperatur unzersetzt sublimieren. 
Es ist in Wasser unlöslich, in kaltem Alkohol schwer, in heilsem 
Alkohol und in Aether ziemlich leicht löslich. Von konz. Schwefelsäure 
wird es mit tiefroter Farbe gelöst und aus dieser Lösung durch viel 
Wasser wieder als gelblichweilser Niederschlag ausgefällt. In konz. 
Salzsäure ist es wenig löslich; in verdünnten kalten Mineralsäuren 
ist es aber vollkommen unlöslich. Das Luteol wird ferner 
leicht von Kali- oder Natronlauge, Ammoniak und von 
Alkalicarbonatenschonin der Kälte mit intensiv 
gelber Farbe zu den entsprechenden Salzen gelöst. Ueberschüssige 
verdünnte Säure entfärbt diese Lösungen vollständig und 
scheidet das Luteol als flockigen, weilslichen Nieder- 
schlag aus. Aus diesem Verhalten des Luteols ist zu ersehen, 
dafs der schwach basische Charakter des Oxydiphenylehinoxalins 
durch Eintritt eines Chloratoms in dessen Molekül beinahe völlig 
verschwunden ist. Während das Oxydiphenylchinoxalin!) gleichzeitig 


1) Berichte d. d. chem. Ges. XXV, 495. 


+6 W. Autenrieth: Ueber einen neuen Indikator. 


die Eigenschaften eines Phenols und einer schwachen Base besitzt 
und dementsprechend auch in verdünnten Mineralsäuren zu 
Salzen löslich ist, wird dessen Chlorderivat nur noch von konz. 
Schwefelsäure reichlich gelöst. Andererseit ist der saure Charakter 
des Phenols durch Eintritt eines Chloratoms in das Molekül des 
Oxydiphenylchinoxalins bedeutend erhöht worden. Das Oxydiphenyl- 
chinoxalin ist in kalter Sodalösung vollkommen unlöslich, das Chlor- 
derivat hingegen wird hierbei mit gelber Farbe leicht aufgelöst. 
Das Luteol verhält sich somit wie eine ächte Säure, indem es schon 
in der Kälte aus Carbonaten Kohlensäure austreibt. Die Empfind- 
lichkeit des Luteols gegen freies Alkali ist aufserordentlich grofs; 
es färbt selbst sehr stark verdünnte Lösungen der Alkalien noch 
deutlich gelb. Bringt man z. B. einen Tropfen verdünnte 
Natronlauge, Ammoniakflüssigkeit oder konz. Soda- 
lösung in 1 Liter Wasser, mifst 5 bis 10 ccm von einer 
dieser Lösungen ab und fügt einige Tropfen einer alkoholischen 
Luteollösung hinzu, so tritt in derselben eine noch deutlich 
wahrnehmbare Gelbfärbung ein. Phenolphtalein und 
Tackmustinktur reagieren hierbei nicht mehr und auch das 
Nessler’sche Reagenz giebt mit 5 ccm obiger Ammoniakflüssig- 
keit erst nach einiger Zeit einen Niederschlag. Die grolse Em- 
pfindlichkeit des Luteols gegen freies Alkali hat mich veranlafst, 
dasselbe bei malsanalytischen Bestimmungen zu erproben. Eine 
teile von Versuchen hat ergeben, dafs das Luteol bei alkali- und 
acidimetrischen Bestimmungen als Indikator gute Dienste leistet. 
Der Farbenwechsel aus saurer Lösung in alkalische, oder umgekehrt, 
ist scharf und tritt auf den Tropfen ein, selbst bei Titrationen mit 
Yo Normallösungen. Zur Herstellung der Indikatorflüssigkeit löst 
man 1 g Luteol in 300 ccm reinem Alkohol auf; von dieser Lösung 
verwendet man bei Titrationen 3 bis höchstens 8 Tropfen. Das 
Luteol hat vor den sonst üblichen Indikatoren manche Vorzüge; es 
zeichnet sich vor dem Phenolphtalein dadurch aus, dafs man mit 
demselben als Indikator Ammoniak titrieren kann; vor Lackmus 
hat es den Vorzug zgrölserer Empfindlichkeit , ferner tritt bei 
Titrationen mit Luteol kein Farbenübergang auf, wie bei Lackmus 
von Blau nach Rot, sondern die gelbe Flüssigkeit entfärbt sich 
vollständig oder umgekehrt färbt sich die farblose Lösung 


W, Autenrieth: Ueber einen neuen Indikator. 47 


intensiv gelb. Für solche Farbenübergänge, wie für die, welche bei 
Titrationen mit Lackmus auftreten, sind aber bekanntlich manche, 
wenig geübte Augen nicht sehr empfindlich ; hierzu kommt noch, dals 
nicht ganz richtig hergestellte oder schon zum Teil zersetzte Lackmus- 
tinktur häufig zwischen Rot und Blau stehende Zwischenfarben giebt, 
welche die Genauigkeit der Titrationen sehr beinträchtigen. — Das 
Luteol hat sich besonders bei den Stickstoffbestimmungen nach 
Kjeldahl als brauchbarer Indikator bewährt. 


Das Luteol ist ein Abkömmling des Phenacetfins, zu dem 
es auch in naher Beziehung steht ; es wird durch folgende Zwischen- 
glieder aus dem Phenacetin dargestellt: 


Phenacetin — Nitrophenacetin — Nitrophene- 
tidin — m-Aethoxy-o-phenylendiamin!) — Aeth- 
oxydiphenylchinoxalin — Chloräthoxydiphenyl- 
ehinoxalin — Chloroxydiphenylchinoxalin-Lu- 
teol 


Zur weiteren ÜCharakterisierung des Luteols habe ich das 
Benzoyl- und Acetylderivat dargestellt. 
0 COC,H, 


BE 
Benzoylluteol: GB 


N N=C(0,H,) 
cl 
wird durch Schütteln der alkalischen Lösung des Luteols mit Ben- 
zoylchlorid erhalten und durch Umkrystallisieren aus Alkohol im 
reinen Zustande gewonnen. 
Analyse: 
0,1534 g Substanz lieferten 0,0485 g AgCl. 
Berechnet für: Befunden: 
Cz Hy, Na O0; Cl. 
Cl 8,1 1,39 
Das Benzoylluteol krystallisiert aus Alkohol in weilsen, silber- 
glänzenden Blättchen, die bei 1920 schmelzen. Es ist in Wasser 
unlöslich, in kaltem Alkohol schwer, in heifsem Alkohol und in 
Aether ziemlich leicht löslich. 


1) Nitrophenacetin, Nitrophenetidin und Aethoxyphenylendiamin 
sind in diesem Archiv 29 Heft 6 beschrieben. 
(Autenrieth u. Hinsberg: „Zur Kenntnis des Phenacetins“. 


Es) F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel, 


OCOCH, 


u = u 
Acetylluteol: Er 


N N=C(C;H,) 
Cl 


Wird Luteol mit überschüssigem Essigsäureanhydrid, worin es 
leicht löslich ist, einige Zeit unter Rückflufs erhitzt, so bildet sich 
das Acetylderivat. Die Acetylierung ist beendigt, wenn eine heraus- 
genommene Probe sich mit Natronlauge nicht: mehr gelb färbt. Das 
Reaktionsprodukt wird dann in Wasser gegossen und das ausge- 
schiedene Acetylluteol aus verdünntem Alkohol umkrystallisiert. Die 
Ausbeute ist quantitativ. 


Analyse: 
0,205 g Substanz lieferten 0,074 g AgCl 
Berechnet für EN 
Cy5 Hs Na 05 Cl: 
Cl 9,37 8,92 
Das Acetylluteol krystallisiert aus verdünntem Alkohol in 
flachen, glänzenden Nadeln, die in Wasser unlöslich, in Alkohol, 
Aether und Chloroform leicht löslich sind und die bei 1850 —186° 
schmelzen. Kalte Natronlauge wirkt auf das Acetylluteol nicht ein, 
heifse Lauge verseiit es ziemlich leicht; der Eintritt der Verseifung 
ist an der Gelbfärbung der Lauge zu erkennen. 
Freiburg i. Brg., Dezember 1894. 
Chem. Universit.-Laborator. d. med. Fak. 


Beiträge zur Kenntnis der mitieleuropäischen 


Galläpfel, sowie der Scrofularia nodosa L. 
Von F. Koch. 


(Eingegangen am 14. Januar 1894. 
I. 6alläpfel. 


Das zur vorliegenden Arbeit verwendete Material wurde mir in 
liebenswürdiger Weise von Herrn Professor Brunner zur Ver- 
fügung gestellt, welchem gelegentlich eines Aufenthaltes im Wallis 
(Siders) zu Beginn des Herbstes 1893 das aufserordentlich reichliche 
Auftreten von Galläpfeln an den dort heimischen Eichenarten : 
Quercus pubescens und Quercus sessilis aufgefallen war. 


F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 49 


Obwohl die Untersuchung von Galläpfeln ein schon oft und in 
den verschiedensten Richtungen behandeltes Thema ist, so erschien 
doch die nochmalige Aufnahme der Untersuchung in zweifacher 
Hinsicht gerechtfertigt: 

Einesteils ergab sich bei der Durchsicht der mir zugänglichen 
Litteratur, dafs mitteleuropäische Gallen noch nicht der Gegenstand 
eingehender Untersuchungen gewesen, sind, denn die bisherige 
Kenntnis ihrer Bestandteile beschränkt sich auf den Nachweis von 
Gallussäure und Zucker und die allgemeine Annahme, eines nur 
geringen Gerbstoffgehaltes, der in den meisten Fällen zu 7 Proz. 
angegeben wird. 

Andernteils erschien die Untersuchung des mir vorliegenden 
Materials noch dadurch besonders interessant, dass diese Gallen Ende 
September gesammelt und daher noch nicht völlig ausgereift, dem- 
nach im Zustande des kräftigsten Wachstums begriffen waren. Es 
war somit die Möglichkeit gegeben, einen etwa zwischen den Gerb- 
stoffen und anderen Pflanzenprodukten, z. B. den neben den ersteren 
vorkommenden Zuckerarten bestehenden Kausalnexus experimentell 
zu prüfen. 


Vergleichsweise sei im Nachstehenden die Zusammensetzung der 
agiatischen Gallen wiedergegeben. 

Husemann und Hilger!) führen als Bestandteile an: Gallus- 
gerbsäure, Gallussäure, Zucker, Ellagsäure, flüchtiges Oel, Harz und 
Stärke. 

Nach Guibourt ?) ist die Zusammensetzung in Prozenten ausgedrückt 
tolgende: 


Gerbeturen ins dere ER 
Gallussäure . . . RE) 
Bllag- und nteneallussune 0) 
Chlorophyll und Hüchtiges Oel . 0,7 
Brauner Extraktivstoff . . . .. 25 
Banminda. return 
Diärkaiyuidt sole BAR 
Holzfaser . .. . FE BR 5, 
De ne Be uigen 1.3 
WVASSEL.... > SE a LIED 
Albumin "BETREUT OLE, 


1) Husemann und Hilger, Päanzenstoffe, II. Aufl. 
2) Pharmakognosie des Pflanzenreiches von Dr. Berg, IV. Aufl, 
Berlin 1863. 


Arch. d. Pharm. COXXXIIL. Bis, 1. Heft. 4 


50 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 


An Mineralbestandteilen sind vorhanden Kalium und Calcium, und 
zwar in Form folgender Salze: 

Schwefelsaures Kalium, 
Chlorkaliurn, 

Gallussaures Kalium und Calcium, 
Oxal- und phosphorsaures Calcium. 

Annähernd die gleiche Zusammevsetzung giebt auch Hager!) von 
den asiatischen Gallen an, nur mit dem Unterschiede, dafs er 12 Proz. 
Holzfaser statt 1,5 Proz. anführt. Aulserdem erwähnt er noch einen 
Gehalt an ätherischem Oel von 0,5 Proz. 

Hinsichtlich des Gehaltes an Ellagsäure scheint bis jetzt ein Be- 
weis des Vorkommens derselben in den Galläpfeln als präformierte 
nichr vorzuliegen. Husemann und Hilger?) lassen diese Frage 
wenigstens offen. Ich werde darauf weiter unten®) zu sprechen 
kommen. 

Was den Gehalt an Stärke betrifft, so erkiärt Berg), dafs sich 
dieselbe blofs in den asiatischen Galläpfeln vorfinde. Thatsächlich ist 
es mir auch nicht gelungen, mikroskopisch den Nachweis der Stärke 
am Uutersuchungsmaterial zu führen. 

Besondere Erwähnung verdient das völlige Fehlen von Magnesium- 
salzen in den asiatischen Gallen, ein Umstand, den ich auch für die 
von mir untersuchten Gallen bestätigt habe. 5) 

Die mitteleuropäischen Galläpfel erreichen einen Durchmesser 
bis zu 1,8 cm und ein Gewicht bis zu 4,2 g im frischen und 0,6—0,8 g 
im getrockneten Zustande, bleiben demnach nach Gröfse und Ge- 
wicht, hinter den asiatischen zurück. 

Die frischen sind kugelig, nicht gestielt, fettglänzend und zeigen 
auf der Oberfläche keine Stacheln, sondern sind eben. Wie im 
Folgenden nachgewiesen werden wird, bedingt das fettglänzende 
Aussehen ein neu aufgefundener wachsartiger Körper. 

Die Farbe der frischen Gallen variiert vom blassesten Gelb, über- 
gehend zum Orange und Rosa, bis zum dunkeln Rot. Man kann mit 
Leichtigkeit auf der dem Licht zugewandten, dem Anheftepunkte 
gegenüberliegenden Seite, eine intensivere Rotfärbung konstatieren. 

Das Flugloch befindet sich in der Mittelzone. Bei Abschlufs 
von Feuchtigkeit bewahren die frischen Gallen, auch nach dem Aus- 
fliegen der Wespe, ihre schöne Farbe noch längere Zeit hindurch. 


1) Hager, Pharmac. Praxis, II. Band, Pag. 7. 

2, Husemann und Hilger, Pflanzenstoffe, II. Aufl. 

3) Ofr. Pag. 63. 

4) Berg, Pharmakognosie des Pflanzenreiches, IV. Aufl., Pag. 70. 
5) Cfr. Pag. 55. 


F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 5l 


Getrocknet zeigen sie eine hell- bis dunkelbraune Farbe, es treten 
Runzeln hervor und Falten durchziehen die Oberfläche. Sie lassen 
sich, wenn auch manchmal mit etwas Mühe, zwischen den Fingern 
noch zerdrücken, zeigen also nicht das Spröde der asiatischen Gallen ; 
ihr Bruch ist glänzend, gegen die Mitte zu strahlig. Frisch sowohl, 
wie getrocknet, schwimmen sie auf dem Wasser. 


Der Querschnitt durch eine unreife Galle zeigt zunächst eine 
einzige Schicht von stark verdickten, englumigen Epidermiszellen, 
darunter liegen zwei bis drei Lagen kleinere, tangentialgestreckte 
Parenchymzellen, deren Wände starke Tüpfelung aufweisen und die 
im Zellsaft gelöst den Farbstoff enthalten. Weiter nach innen werden 
die Parenchymzellen isodiametrisch, dann radial gestreckt, dazwischen 
grofse Interzellularräume. Gefäfsbündel finden sich nur vereinzelt. 
Der radialgestreckten Parenchynischicht folgt eine Schicht von stark- 
verdickten schwachgelblichen Steinzellen und weiter nach innen eine, 
verhältnismälsig stark gerbstoffhaltige Schicht von Parenchymzellen, 
die sog. Nahrungsschicht. Die Gerbsäure findet sich hauptsächlich 
in der Auisenzelle — den Parenchymzellen — wo sie vereinzelt 
gelbliche Klümpchen bildet. 


Bei der mikrochemischen Untersuchung probierte ich behufs 
Nachweis des Gerbstoffes, die bekannten in der Mikrochemie ange- 
wandten Gerbstoffreagentien durch. Zunächst gab Eisenchlorid in 
Mischung mit Alkohol und Aether eine blaue Färbung, die auf Zusatz 
von Sodalösung violett wurde. Ich habe diese Reagentien in ver- 
schiedenen Verdünnungen angewandt, stets auch um etwas ver- 
schiedene Nuancen erhalten; der Uebergang von Blau in Violett aut 
Zusatz von Sodalösung war jedoch zweifellos zu konstatieren. 

Gorup-Besanez hat im Jahre 1871 bei der Untersuchung des 
wilden Weines!) mit Eisenchlorid Grün-Färbung erhalten und glaubte 
darzuthin, sowie gestützt auf das Verhalten gegen Kalkwasser auf das 
Vorhandensein von Brenzkatechin im wilden Wein schliefsen zu müssen. 
Preufse?) hat jedoch durch exakte Versuche nachgewiesen. dafs Brenz- 
katechin nicht vorhanden ist. Möller ?) hat diese Befunde geprüft 


1) Ber. der deutsch. chem. Ges. IV. Pag. 905. 

?) Zeitschr. f. physiol. Chemie II. Pag. 324. 
3) Mitteilungen des naturw. Vereins f. Neu-Vorpommern u. Rügen 
1877. 


4 ae 


52 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 


und kommt zu demselben Resultat wie Preufse. Er spricht sich 
dann dahin aus, dafs die Grünfärbung von einer von der Proto- 
catechusäure abzuleitenden Gerbsäure herrühre. Diese Reaktion: 
Grünfärbung mit Eisenchlorid und Uebergang des Grüns in Violett 
auf Zusatz von Sodalösung wird in den Lehrbüchern der Chemie!) 
als Reaktion auf Orthodioxyverbindungen angegeben. Hier haben 
wir nun den Fall, dafs eine eisenbläuende Orthodioxyverbindung mit 
Sodalösung violette Färbung giebt. Dieses Resultat hat mich bewogen 
weitere Versuche anzustellen, deren Resultat weiter unten folgt.?) 

Die Gerbsäure führenden Zellen gaben ferner mit Kalium- 
bichromat einen rotbraunen Niederschlag, ebenso mit Kalkwasser. 

Ferridammoniumeitrat, welches Möller lebhaft empfiehlt, weil es 
die Anwendung alkalischer Eisenlösungen gestattet, erzeugte eine 
violette Färbung. 

Uebergehend zur Mitteilung meiner eignen Untersuchungsresultate, 
lasse ich zunächst die Ergebnisse der für Pflanzenstoffe gebräuch- 
lichen Gesamtanalyse folgen. Es wurden bestimmt: 

I. Feuchtigkeit 
H. Rohfaser 
III. Stickstoff 
IV. Gesamtasche 
V. Zusammensetzung der Asche. 


I. Bestimmung der Feuchtigkeit. 
Die in Scheiben geschnittenen frischen Gallen wurden im 
Trockenschrank bei 100° bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. 
I. 5,042 g verloren 4,334 g — 85,95 Proz. 
AL Au 2, 2. 14207 & > Byb2y 
II. 502g „ 4332g = 85557 „ 
Als Mittel aus diesen Bestimmungen ergiebt sich ein Wasser- 
gehalt von 85,71 Prozent. 


I. Bestimmung der Rohfaser. 

Zur Bestimmung der Rohfaser wurden 3 g der getrockneten, 
möglichst fein’ gepulverten Galläpfel auf dem Wasserbade während 
einer Stunde mit 200 ccm einer 1,25 prozentigen Schwefelsäure aus- 
gekocht, dann aut dem Filter mit kochendem Wasser nachgewaschen, 


2) Richter, Chemie der C.-Verbindungen 6. Aufl. 1891 Pag. 747. 
2) Cfir. Pag. 64 u. £ 


F. Koch: Ueber mittelewropäische Galläpfel. 53 


bis die ablaufende Flüssigkeit keine Schwefelsäurereaktion mehr 
zeigte, hierauf in analoger Weise mit 200 ccm einer 1,25 prozentigen 
Kalilauge gekocht und dieselbe auf dem Filter durch Auswaschen 
entfernt. Der Rückstand wurde nun mit Alkohol, hierauf mit Aether 
gewaschen, bei 1000 getrocknet und gewogen. Nach dem Glühen 
wurde die Asche vom gefundenen Wert abgezogen. 


Anpewandt . .,' . w, 52 50 153,000) 8 IE3000  g 
Hinterlielsen nach dem Ausziehen 
und Trocknen. . . . . . I 038085 I: 03828 g 


Für Asche in Abzug zu bringen I. 0.0412 & II. 0,0410 g 
103396 8 1.0318 8. 

Als Mittel 0,3407 g woraus sich durch die Gleichung 3: 0,3407 
— 100:x ein Gehalt von 11,39 Proz. Rohfaser ergiebt.: 

Da die Galläpfel im botanischen Sinne als Hypertrophien d. h. 
als durch abnormen Wachstumsprozefs auf den Eichenblättern ent- 
stehende Neubildungen anzusehen sind, indem durch den Parasiten 
auf das von ihm befallene Zellgewebe ein Reiz, eine Anregung zu 
reichlicherer Nahrungszufuhr von den benachbarten Teilen und zu 
erhöhter Bildungsthätigkeit ausgeübt wird, so mulste eben dieser 
letztere Umstand es als wünschenswert erscheinen lassen, zu zeigen, 
ob dem Wirte gewisse Substanzen in gröfserer Menge entzogen 
werden. Hauptsächlich mufs es sich dabei um den quantitativen 
Nachweis des Stickstoftes und in zweiter Linie eines solchen der 
Mineralbestandteile durch Analyse der Asche handeln. 


III. Bestimmung des Stickstoffes. 


Zur Bestimmung des Stickstoffes bediente ich mich der Kjeldahl- 
schen Methode. Darnach wurden 2 g Substanz in einem Kölbchen 
mit 10 ccm eines Gemisches gleicher Volumina, konzentrierter engli- 
scher, und rauchender Schwefelsäure unter Zusatz von ca.2g 
wasserfreiem Kupfersulfat bis zur völligen Zerstörung der organischen 
Substanz bezw. bis zur Erzielung einer klaren Lösung erhitzt und 
schliefslich zur Vollendung der Oxydation übermangansaures Kali in 
kleinen Portionen bis zur bleibenden Grünfärbung zugegeben. Nach 
dem Erkalten wurde mit Wasser aufgefüllt, hierauf eine ca. 30 proz. 
Natronlauge (deren zur Neutralisation der Säure nötige Menge durch 
einen vorherigen, approximativen Versuch ermittelt worden) in ge- 
nügendem Ueberschufs zugefügt und schliefslich destilliert. Das 


54 F. Koch: VUeber mitteleuropäische Galläpfel. 


entweichende Ammoniak wurde in 20 cem Y, Normal-Schwefelsäure 
aufgefangen und nachher die freie Säure mit /; Norm.-Natronlauge 
zurücktitriert. 
Berechnung: 

20 ccm Y, N.-H,SO, verbrauchten 19,8 ccm 1, N.-Na OH 
Zum Zurücktitrieren wurden verbraucht 18,9 ccm 1), N-Na0OH 
Für die Säuremischung sind für vorhandenen Stickstoff in Ab- 

rechnung zu bringen 0,3 ccm NaOH 
4. Der Stickstoffkoßffizient wurde zu 0.00707 berechnet. 
So ergiebt sich: 


vun 


Anpewändt.. Zt). - se 
D-cem; SO. 14... -—.. =198ccem Na0H 
Zurücktitriert . . . . . 189cem 
Biiferenze Eu. 1. 4 2.089 
Für die Säure abzuziehen 0,3 
Differenz. . . - - . . 0,6 X .0,00707 = 0,004242. 
Aus dem Ansatz 2: 0,004242 = 100: x ergiebt sich ein Gehalt von 
0,2121 Proz Stickstoff. 22 


Ausgehend von der Annahme, dals 16g Stickstoff 100g Protem 
liefern, dafs also im Protein 16 Proz. Stickstoff enthalten sind, er- 
giebt der Stickstoff auf Protein umgerechnet 0,2121 X 6,26 = 1,3256 
Prozent Protein. 

Dieses Resultat, d. h. der geringe Stickstoffgehalt ist insofern 
interessant, als dadurch der experimentelle Beweis geliefert wird, 
dafs durch die parasitische Bildung dem Wirte selbst kein Schaden 
erwächst, indem dadurch keine Entziehung von stickstoffhaltigen 
Nährstoffen verursacht wird, und damit läfst sich auch das ganz 
normale Aussehen der Eichenblätter erklären, obwohl auf den ein- 
zelnen Blättern häufig bis zehn solcher Galläpfel salsen. 


IV. Bestimmung des Äschegehaltes. 
Nach Flückiger!) liefern 


Aleppogallen . . . . . 1,5 Proz. 
Chinesische Gallen . . . 2,0 „ Asche. 


Zur Bestimmung der Gesamtasche wurde das frische Materia! 
getrocknet und hierauf in offener Schale verascht. 
I. 5,062 g hinterlassen 0,106 g Asche = 0,209 Proz. 
II. 4,939 g i 0095 „ =012 „ 
II. 5,047 & bs 0,102 g rar u 


1) Flückiger, Pharmakognosie des Pflanzenreiches. III. Aufl, 
p. 268. 


F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 55 


Als Mittel ergiebt sich sonach für die frischen Gallen ein 
Aschegehalt von 0,1977 Proz. oder unter Zugrundelegung des 
oben mitgeteilten Feuchtigkeitsgehaltes 
0,1977 X 7 (Koeffiz. {. Trockensubstanz) ein solcher von 1,3839 Proz. 


V. Zusammensetzung der Asche. 


In der Asche wurden bestimmt: 

Phosphorsäure, Schwefelsäure, Calcium, Magnesium, Kalium und 
Silikate und zwar in folgender Weise: 

100 g des lufttrocknen Pulvers wurden in einer Platinschale 
verascht, die Asche mit Salzsäure mehrmals eingedampft und die 
Lösung filtriert, wobei die SiO, im Rückstande bleibt. Die Lösuug 
wurde hierauf auf 250 ccm aufgefüllt: 


a) 150 ecm = 60 g Substanz wurden mit kohlensaurem Natron 
neutralisiert, mit Essigsäure angesäuert, dann Natriumacetat und 
Eisenchlorid zugesetzt, mit Ammoniak gefällt, und der die Phosphor- 
säure enthaltende Niederschlag abfiltriert:; in Salzsäure gelöst, wurde 
die Phosphorsäure mit molybdänsaurem Ammon gefällt, der Nieder- 
schlag in Ammoniak gelöst und als pyrophosphorsaure Magnesia ge- 
wogen. 

Das Filtrat wurde auf 250 ccm aufgefüllt, und in 200 ccm 
—=48 g Substanz der Kalk mit oxalsaurem Ammon gefällt und als 
CaO bestimmt. 

Im Filtrat konnte Magnesia nicht mehr nachgewiesen werden. 

b) Aus 100 ecm der ursprünglichen Lösung = 40 g Substanz 
wurde die Schwefelsäure mit Baryumchlorid gefällt und als schwefel- 
saurer Baryt gewogen. 

Aus dem Filtrate wurden Baryum und Calcium mit Ammoniak, 
kohlensaurem und oxalsaurem Ammonium gefällt und das Kalium als 
Kaliumplatiachlorid gewogen. 


I. Aus 100 g Pulver. . . ıinaaa rar 0.053: 5,0% 
II. Aus 60 3 Pulver 0,0734 g ee P, 0, = 0,0469 g Pa 0;. 
II. Aus 48 g Pulver ... . 1.0: 006 E:Cal 


IV. Aus 40 g Pulver 0,0700 g Ba s0,= . 0,0240 g SO;. 

V. Aus 40 g Pulver 0,0776 g K, PiCl, = 0,01513 g K, 0. 

VI. Magnesia nicht enthalten, 

Hieraus ergaben sich für das lufttrockene Pulver folgende 
Prozentwerte: 


56 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 


BLOG urn. 
P2O, 1.2.0. %,.0:07825, „ 
BOZEN OLD 
30,2...‘ 
Ro er. 
oder folgende Aschenprozente: 
BSEOSWRRR IN 1 9eProz: 
BO oe 
DEN O Fl RA A SE Ra Er 
SO;.L: ... Sala 
Kuhn: re 


Für die quantitative Bestimmung des Zucker- und Gerbstoft- 
gehaltes wurden Galläpfel verwendet, die zu verschiedenen Zeiten 
eingesammelt waren. Es geschah dies, da zu vermuten war, dafs 
Zucker und Gerbstoff in zwei verschiedenen Stadien des Wachstums 
hinsichtlich des prozentischen Gehaltes nicht konstant bleiben 
würden. Inwieweit diese Vermutung gerechtfertigt war, ergiebt sich 
aus den Resultaten der folgenden Untersuchungen. 


Die unter No. I aufgeführten Daten beziehen sich auf die Ende 
September gesammelten, die unter No. II mitgeteilten, auf solche, 
welche nach der völligen Reife und dem Ausfliegen oder Absterben 
des Insektes gepflückt waren. 


Bestimmung des Zuckers. 


Zur Bestimmung des Zuckers wurde das Verfahren der Titrie- 
rung mit Fehling’scher Lösung eingeschlagen. 10 ccm dieser Lösung 
enthalten 0,39338 & CuSO, + 5 H,O entsprechend 0,0568 g Glykose. 


Die Bereitung der Auszüge geschah in beiden Fällen in der 
Weise, dafs die zerkleinerten, frischen Galläpfel im Soxhlet’schen 
Apparate vollständig ausgezogen wurden. Die klare Lösung wurde 
behufs Fällung des Gerbstoffes zunächst mit neutralem, dann mit 
basischem Bleiacetat behandelt, das Filtrat mit Schwetelwasserstoft 
entbleit und eingedampft. Zum Zwecke der völligen Entfernung 
etwa noch vorhandener Pektinsubstanzen, wurde der Verdampfungs- 
rückstand mit Alkohol aufgenommen, der Alkohol wieder verjagt und 
mit Wasser verdünnt. 


I. Aus 100 g Galläpfel wurden bereitet 1000 ccm Auszug (je 
10 cem = 1 g Gallae). 


F. Koch: DUeber mitteleuropäische Galläpfel. 57 


Zur Fällung des in 10 ccm Fehling’scher Lösung enthaltenen 
Kupfers wurden bei der Titrierung verbraucht 18,5 cem = 1,85 g 
Gallae. 

Daraus ergiebt sich: 


1,85..::0,0568°= 100% x = 3,07 Proz. 
oder auf Trockensubstanz berechnet: 
3,07 xX7 = 2149 Proz. Zucker 
II. Für die im Januar, ebenfalls in Siders (Wallis) gesammeiten 
Gallen ergab sich bei Bestimmung des Feuchtigkeitsgehaltes als Mittel 
aus drei Bestimmungen ein Gehalt von 70,1 Proz, der Coefficient für 
Trockensubstanz ist also 3,3. 


Aus 100 g Galläpfeln wurden bereitet 900 cem Auszug (je 10 cem 
= 0,9 g Gallae). 

Zur Fällung von 10 ccm Fehling'scher Lösung wurden verbraucht: 
4 ccm = 0,36 g Gallae. 

Daraus ergiebt sich: 

0.36:0,0568: = 100 x. 15,7, Proz. 
oder auf Trockensubstanz berechnet: 
192%. 34.3181 Proz-Zueker; 


Bestimmung des Gerbsäuregehaltes. 


Die Bereitung der Auszüge geschah in der Weise, dafs die 
zerkleinerten, frischen Galläpfel im Soxhlet’schen Apparat mit Wasser 
ausgezogen wurden. Diese Lösung wurde eingedampft, zur Ent- 
fernung der Pektinsubstanzen mit Alkohol aufgenommen, sodann 
mit Wasser mehrmals verdampft, bis die letzte Spur Alkohol be- 
seitigt war. 

Die Bestimmung des Gerbstoffes wurde ausgeführt nach den 
drei, als beste anerkannten Methoden: 

I. Verbesserte Löwenthal'sche Methode. 

II. Risler-Bennat’sche Methode. 

III. Hammer’sche Methode. 

Für de Löwenthal’sche Methode wurde dargestellt: 

A) Eine Kaliumpermanganatlösung, deren Wirkungswerth durch 
Titrieren mit einer Lösung von Mohr’schem Salz 

(NH,) SO, + FeSO,+6H,0 
festgestellt wurde, ausgehend von der Annahme, dafs 56 T. Eisen, 
41,57 T. Tannin entsprechen. ' 

B) Eine Indigokarminlösung: 40 g indigo-schwefelsaures Natrium 
und 60 ccm Schwefelsäure zu 1 Liter gelöst und der Titer auf die 
C'hamäleonlösung eingestellt. 


58 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 


C) Hautpulver. 

I. Zunächst wurde mit der Lösung des Auszuges titriert, um zu 
erfahren, wieviel Kaliumpermanganat für Gerbstoft und Nichtgerb- 
stoff verbraucht wurden, dann aus der Lösung des Auszuges der 
Gerbstoff mit Hautpulver gefällt und mit der so erhaltenen Lösung 
wieder titriert und durch Subtraktion der beiden Resultate die 
Anzahl cem KMnO, erhalten, die für den Gerbstoff verbraucht 
wurden. 

II. Nach Risler-Bennat wurden zwei Normalflüssigkeiten 
bereitet, von denen die eine im Liter genau 10 g reines Tannin, die 
andere im Liter genau 10 g reinste Hausenblase und 20 g Alaun 
gelöst enthielt und durch Titration der gegenseitige Wirkungswert 
festgestellt. 


IH. Nach Hammer wurde das spez. Gewicht der Gerbstoff- 
lösung mittels Pyknometers bestimmt, der Gerbstoff durch Haut- 
pulver ausgefällt, und von neuem das spez. Gewicht bestimmt. Die 
Berechnung des Gerbstoffgehaltes wurde dann in der Weise aus- 
geführt, dafs das zweite spez. Gewicht als Einheit angenommen 
wurde und für je 0,0004, die bei der ersten Bestimmung mehr ge- 
funden, !/,, Proz. Gerbstoff mehr in Rechnung gebracht wurde. 


Die einzelnen Bestimmungen ergaben folgende Resultate: 


A. Löwenthal’sche Methode. 
I. Von der Extraktiösung entsprechen 10 ccm = 0,4 g Gallen. 
20 ecm Indigocarmin eriordern 12,5 cem Kal. permang. 


20 ccm Indigocarmin und 10 ccm Extraktlösung erfordern 25,9 ce..: 
Kal. permang. 


Nach dem Ausfällen: 
20 cem Indigolösung und 10 ccm Extraktlösung erfordern 13,5 een: 
Kal. permang. 
Gerbstoff und Nichtgerbstoff verlangen also 13,4ccm Kal. permang. 
Für Oxydation des Gerbstoffes sind nötig 12,4 cem Kal. permang. 
10 ccm Kal. permang.-Lösung entsprechen 0,00707 g Tannin, 
12,4 ccm Kal. permanganat-Lösung entsprechen 0,0087668,& Tannir. 
Woraus sich ergiebt: 
0,4 :0,0087668 = 100: x = 2,19 Proz. Gerbstoff 


U. 10 cem Extraktlösung entsprechen 0,54 g Gallen. 
10 ccm Indigocarminlösung erfordern 6.5 ccm Kal. permang. 
10 ccm Indigocarminlösung und 10 ccm Extraktlösung erfordern 
26,8 ccm Kal. permang. 


F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 59 


Nach dem Fällen: 
10 ccm Indigocarminlösung und 10 cem Extraktlösung erfordern 
10 cem Kal. permang. 
Gerbstoff und Nichtgerbstoft verlangen also 20,3 ccm Kal. permang. 
Für Oxydation des Gerbstoffes sind nötig 16,3 ccm. 
10 cem Kal. permang.-Lösung entsprechen 0,0131316 g Tannin. 
16,5 com Kal. permang.-Lösung entsprechen 0,022061 g Tannin. 
Woraus sich berechnet: 
0,54 :0,022061 —= 100: x = 4,08 Proz. Gerbstoff. 


B. Risler-Bennat'sche Methode. 
I. 10 ccm Extraktlösung entsprechen 10 g Gallen. 
10 ccm Tanninlösung (= 0,1 g Tannin) brauchen 9ccm der Hausen- 
blaselösung zur Fällung. 
ccm der Extraktlösung brauchen davon 22,5 ccm. 
Daraus berechnet sich: 
9:0,1= 223,5: x= 0,25 in 10 g oder 2,5 Proz. Gerbstoff. 
li. 10 ccm Extraktlösung entsprechen 5 g Gallen. 
10 ccm Tanninlösung (= 0,1 Tannin) brauchen 9 ce:ın der Hausen- 
blaselösung zur Fällung. 
10 cem der Extraktlösung brauchen davon 21,2 cem. 
9:0.1 = 21,2: x= 0,235 in 5 g oder 4,69 Proz. Gerbstoft. 


C. Hammer’sche Methode. 


_— 


1t 


I. Spez. Gewicht der Extraktlösung vor dem Fällen . . . . 1,9190 

® $ 5 % nach dem Fällen . . . 1,0087 

Benz) naked kai he SUR” >04 elao 
entsprechend 2,56 Proz. Gerbstofi. 

II. Spez. Gewicht der Extraktlösung vor dem Fällen . . . . 1,0282 

R e & a nach dem Fällen . . . 1,0092 

Differenz: . .-.. EEE ee AARON 


entsprechend 4,75 Proz. Gerbstoft. 
Sonach ergeben sich folgende Gerbstoffgehalte: 
NEL EN ERLERNTE 
bi Rena ae 288 
oder als Mittelwerte für I. 2,41 Proz. 
für I. 4,50 Proz. 
Auf Trockensubstanz berechnet: 
I. 241 X 7 = 16,87 Proz. Gerbstofi 
II. 4,50 X 33 — 14,85 Proz. ® 
Stellen wir nun dieser Bestimmung des Gerbstofigehaltes in den 
Galläpfeln die Zuckerbestimmung in den halbreifen und ausgereiften 
gegenüber, so kommen wir zu einem überraschenden Resultate: 
Während nämlich der Zuckergehalt von 21 auf 
51 Proz. gestiegen, sich also um das 2l/jsfache ver- 


60 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 


mehrt hat, ist der Gerbstoffgehalt vor der Reife 
und bei erlangter Reife derselbe geblieben; denn 
die sich aus obiger Berechnung ergebende Differerz bez. Abnahme 
des Gerbstoffes, dürfte wohl eher auf Rechnung der Unzulänglich- 
keit der heutigen Gerbstofbestimmungsmethoden zu setzen sein, 
als auf eine thatsächliche Veränderung des Gerbstofigehaltes. 

Um sich diese Thatsache — des wechselnden Prozentgehaltes 
von Gerbstoff und Zucker — zu erklären, dürfte vielleicht eine 
Beleuchtung dieser Pflanzenstoffe von der physiologischen Seite nicht 
uninteressant sein. 

Obwohl die Menge der Gerbsäure in den Pflanzen schliefsen 
läfst, dafs ihre Entstehung resp. Umsetzung im Stoffwechsel der 
Pflanze zu den wichtigsten Prozessen chemischer .Art in Verbindung 
steht, so ist doch bis auf den heutigen Tag eins durchgreifende 
Theorie nicht vorhanden. 

Hartwig!) zählt die Gerbstoffe zu den Reservestoffen; Wigand 2) 
teilt ihnen eine aktive Rolle zu und hält sie unter anderem auch für 
Chromogene, ein Punkt, auf den auch Wiesner?) zu sprechen kommt, 

Wiesner #) und FranchimontÖ) schliefsen aus ihren Untersuchungen 
auf einen ursprünglichen Zusammenhang zwischen den Gerbstoffen und 
den Harzen. 

Flückiger®) stellt sich auf den Standpunkt Streckers und spricht 
die Ansicht aus, dafs der Zucker wohl ursprünglich in Form einer 
Verbindung mit der Gerbsäure von den Pflanzen gebildet wird, etwa 
in Form eines Glykosides; Beilstein”) giebt diesem Glykotannin die 
Formel C;, Has; Os. 

Strecker) drückte die Zusammensetzung desselben durch die 
Formel C,, Has O,, aus. 

Westermaier®) kommt auf Grund seiner Beobachtungen und einiger 
physiologischer Versuche zu der Ansicht, dafs der Gerbstoff als näheres 


ı) Botan. Zeit. 1865, pag. 53 und pag. 237. 

2) A. Wigand: Sitz der China-Alkaloide und Sätze über die physio- 
logische Bedeut. des Gerbstoffes, Bot. Zeit. XX. 121 u. 137. 

3) Wiesner, Betracht. über Gerbstoffe und Farbst. d. Blumen. Bot. 
Zeit XX. p. 389. 

4) Wiesner, Entstehung des Harzes. Sitzb. der Akad. Wies. 
Wien LII. p. 118. 

5) Franchimont 1871: Entstehung des Harzes Flora XXIX. p. 225. 

6) Flückiger: Pharmakognosie des Pflanzenreiches. III. Aufl. 91 
Pag. 267. 

”n Beilstein: Org. Chemie. II B. Pag. 1320. 
3) Ann. 90, 340, - 
9) Sitzb. d. Akad. der Wissensch. Berlin 1887 N. 5. St. 64. 


F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpftel. 61 


oder entfernteres Produkt der Assimilation entstehe, dals es gleich der 
Stärke ein Reservestofl' und wahrscheinlich für die Eiweiflsbildung von 
Bedeutung sei und entweder neben der Stärke in denselben Bahnen 
wandere oder ein Uebergang des einen Stoffes in den andern stattfinde. 

Unter anderen Arbeiten ist die von Kraus!) aufzuführen, worin er 
seine Ausicht über die Rolle, die die Gerhstofie spielen veröffentlicht. 
Er findet: 

1. dafs der Gerbstoff nicht schlechthin Exkret, sondern augen- 
scheinlich in sehr vielen Fällen ein im Leben der Pflanze hochbedeutendes 
Glied ist; 

2. dals der Gerbstofi quantitativ wandelbar ist und seine Erzeugung 
zu dem Lichte in näherer Beziehung stehe, während 

3. die physiologische Funktion desselben noch zweifelhaft sei. 

In letzterer Zeit hat Möller?) die Ergebnisse einer Reihe von 
Versuchen veröftentlicht, die er zur Erforschung der Funktion der 
Gerbstoffe angestellt, und kommt dabei zu folgenden Resultaten. 
Angesichts der Thatsache — sagt er — dals man häufig Zucker mit 
der Fehling’schen Lösung oder auch mit der Löwe’schen nicht nach- 
weisen kann, obwohlman sicher ist, Kohlehydrate auf der Wanderung 
vor sich zu haben, mufs man von der alten Theorie, dafs die Kohle- 
hydrate in allen Fällen als Zucker wandern, abgehen; dann kommt er 
auf die Funktion der Gerbstoffe als Glykosegenide d. h. solche Stoäie, 
welche mit den Zuckerarten bezw. anderen Kohlehydraten leicht zer- 
setzliche, sehr lösliche und diffundierende, chemische Verbindungen 
bilden, zu sprechen. Die Gerbsäuren — fährt er dann fort — entstehen 
durch Oxdydation unter Mitwirkung des Protoplasmas aus den Kohle- 
hyiraten. Wo ein Hemmnis in der Wanderung der Verbindung der 
Kohlebydrate mit den Gerbsäuren eintritt, oder ein Verbrauch von 
‚Kohlebydraten stattfindet, erfolgt eine Zersetzung, wobei die Gerbsäure 
ausgeschieden und Stärke abgelagert oder Cellulose gebildet wird. 
Durch Reduktionsprozesse können die Gerbsäuren wieder in Kohle- 
hydrate übergeführt werden und daher aus dem Stoffwechsel verschwinden. 


Wie lassen sich nun diese Hypothesen in Uebereinstimmung 
bringen mit dem auffallenden Resultate der obigen Gerbstoff- und 
Zuckerbestimmung ? Zunächst sind bei der Bildung der Gerbstof- 
glykoside zwei getrennt verlaufende Prozesse auseinanderzuhalten. 
Der erste besteht in der mittels Oxydation erfolgenden Bildung der 
Gerbsäure, der zweite in der Bildung des Glykosides. Solange nun 
vor der Reife, also in der Zeit September bis Oktober die Licht- 


1) Sitzb. der naturf. Gesellsch. zu Halle. Nov. 1584. 
#2, Mitteil. des Naturw. Ver. von Neu Vorpommern u. Rügen 1387 
IX. Jabrg. 


62 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 


menge, sowie die Temperatur es gestatten wird eine gleichmäfsige 
Oxydation der Kohlehydrate und Bildung der Glykosegenide statt- 
tinden. Anders jedoch bei niederer Temperatur und gröfserem Licht- 
ımangel. Es wird bei geringerer Atmungs- resp. Oxydationsthätigkeit 
die Menge der gebildeten Gerbsäure nicht im Stande sein, alles 
Kohlehydrat abzuleiten, es wird sich dasselbe anhäufen, so dals es 
sich zur Zeit der Reife in einer im Vergleich zur Gerbsäure in 
keinem Verhältnis stehenden Menge vorfindet. 

Ein anderer annehmbarer Fall wäre auch der, dafs zwar Zucker 
infolge der Bildung des Gerbstoffglykosides und dessen Zersetzung 
von jeher im Ueberschufs vorhanden war, dafs dieser Ueberschußs 
jedoch der Fliege als Nahrung diente, während er nach dem Aus- 
liegen derselben bezw. ihrem Tode zur Zeit der Reife einfach ab- 
gelagert wird. 

Sehr wohl lälst sich der Prozefs auch vereinbaren mit den von 
Brunner und Chuard !) gegebenen Auiklärungen über das Nachreifen 
der Früchte. Die grün gepflückten Fıüchte enthalten noch unzer- 
setztes Glykosid; beim Lagern derselben spaltet sich mit der Zeit 
das Glykosid durch Fermentwirkung, Enzyme, in Säure und Zucker 
der sülse Geschmack tritt dann erst deutlich hervor. 

Nachdem ich mich somit in hinreichender Weise über die nor- 
malen Gallenbestandteile orientiert hatte, erschien es interessant, 
eine weitere systematische Untersuchung der Galläpfel in der für 
Pflanzenstoffe üblichen Weise vorzunehmen. Ich befolgte hierbei 
den von Dragendorf?) empfohlenen Gang, nur dafs ich an Stelle 
der achttägigen Maceration die Extraktion auf heilsem Wege vor- 
nahm. Dazu bediente ich mich eines nach dem Tscherniak’schen 
Muster konstruierten Apparates, um auch mit gröfseren Mengen 
konstant ausziehen zu können. 

Die nach einander in Anwendung gebrachten Lösungsmittel 
waren: Petroläther, Aether, Alkohol und Wasser. 

Die nach dem Abdestillieren des Aethers und Petroläthers 
bleibenden Rückstände wurden vereinigt, wobei eine gelbe, amorphe 
Masse resultiertee Zur Reinigung wurde diese Masse in heifsem 
Alkohol gelöst, mit Tierkohle so lange erhitzt, bis Entfärbung ein- 


1).B. B. 19, Pag. 619. 
2) Dragendorf, Anleitung zur Untersuchung von Pilanzenstoffen. 


F. Koch: Usber mitteleuropäische Galläpfel. 63 


getreten war und das Filtrat der freiwilligen Verdunstung über- 
lassen. Auf diese Weise wurde ein weilser Körper erhalten, der 
über Schwefelsäure getrocknet, ein weilses Pulver gab. 

Der Verdampfungsrückstand des alkoholischen Auszuges wurde 
zunächst mit heifsem Wasser aufgenommen und die filtrierte wässrige 
Lösung mit neutralem Bleiacetat gefällt. In der nach dem Zer- 
setzen dieser so gewonnenen Bleiniederschläge resultierenden Lösung 
konnte lediglich nachgewiesen werden: Tannin, durch Blaufärbung 
mit Eisenchlorid, sowie die Kaliumdichromatreaktion und Gallus- 
säure durch die Sydney -Joung’sche Reaktion — Versetzen mit 
Cyankalium, wobei Purpurfärbung auftritt, die nach einiger Zeit 
wieder verschwindet, beim Schütteln jedoch wieder hervortritt — 
sowie durch die Rottärbung beim Versetzen mit Natriumsulfat und Jod. 


Das Filtrat der Bleifällung wurde durch Schwefelwasserstoff 
entbleit und eingedampft. Es hinterblieb ein brauner, nach Melasse 
viechender, sirupöser Rückstand, der zum gröfsten Teil aus einer 
Fehling’sche Lösung reduzierenden Zuckerart bestand. 

Im wässrigen Auszuge konnte auflser Spuren der vorerwähnten 
Körper, sowie den Pektinsubstanzen keine charakteristische Ver- 
bindung nachgewiesen werden. 

Das Vorkommen sonstiger Pflanzenstoffe in den Galläpfeln be- 
schränkt sich somit auf die Gegenwart des im ätherischen Auszuge 
enthaltenen weilsen Körpers. - 

Nach Braconnot !) soll m den Galläpfeln Ellagsäure vorkommen, 
doch wurde stets bezweifelt, dafs sie fertiggebildet sich vor- 
finde. Obige Analyse bestätigt, dals dies thatsächlich nicht 
der Fall ist, sie scheint sich also erst bei Gegenwart von 
Wasser durch einen Gährungs- oder Spaltungsproze(s zu bilden, was 
wohl in besonders feuchten Sommern eintreten mag. — Dagegen 
wurde eine wässrige Extraktlösung schimmeln lassen und konnte 
nach einigen Wochen eine ansehnliche Menge Ellagsäure isoliert und 
durch die Grielsmayer'sche Reaktion — . blutrote Färbung auf Zu- 
satz von salpetrige Säure haltiger Salpetersäure identifiziert werden. 

Hier seien auch die Resultate einiger kolorimetrischer Versuche 
angeführt, die im Anschlufs an die bereits oben?) erwähnte, bei 


ı) Husemann und Hilger, Ptlanzenstoffe, II. Bd., 461. 
a) Cfr. Pag. 52, 


64 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 


Zusatz von Natriumcarbonat zu den mit Eisenchlorid versetzten 
Schnitten auftretende Violettfärbung unternommen wurden. 


In all den mir zur Verfügung stehenden Lehr- und Nachschlagse- 
büchern der Chemie werden als allgemeine Reaktionen für Gallus- 
säure folgende angegeben : !) 

1. Mit Ferrichlorid giebt Gallussäurelösung eine blaue Flüssig- 
keit, die mehr violett ausfällt, wenn man eine Spur Natriumacetat 
zusetzt. 

2. Werden Substanzen von alkalischer Reaktion mit Gallussäure 
zusammengebracht, so entstehen meist Färbungen. 2 ccm der ge- 
sättigten Lösung geben mit 3 ccm Kalkwasser blasse Grünfärbung. 

1. Mit Ferrichlorid giebt Gerbsäure die bei Gallussäure an- 
gegebenen Reaktionen. Kalkwasser erzeugt bläulich grauen Nieder- 
schlag. Es wird nirgends bei der Reaktion mit Ferrichlorid einer 
auf Zusatz von Natriumbicarbonat eintretenden Färbung von Blau in 
Violett Erwähnung gethan. Ich sah mich daher veranlafst über das 
Verhalten einiger, hier in Betracht kommenden Substanzen, im Ver- 
gleich mit Gallussäure und Tannin, gegen Ferrichlorid und Natrium- 
bicarbonat Versuche anzustellen, und hierbei ergab sich, dafs in be- 
stimmten Verdünnungen, sowohl bei Brenzkatechin und Protocatechu- 
säure als auch Tannin und Gallussäure ein Uebergang bei den 
ersten, wie bekannt von Grün nach Violett, bei den letzteren von 
Blau nach Violett stattfindet und als Endresultat bei allen vieren 
ein gleichmälsiger Uebergang in Kirschroth zu verzeichnen ist. 

Zur Prütung wurden folgende Substanzen herangezogen und 
zwar in 1 prozentiger Lösung: 

1. Protocatechusäure. 
2. Pyrocatechin. 

3. Gallussäure. 

4. Tannin. 


Als Reagentien dienten !/s, 1, 2 und 4 Proz. Ferrichloridlösung 
und 1/, 1, 2, 4 und 8 Proz. Natriumbicarbonatlösung. Die in der 
nachstehenden Tabelle referierten Versuche wurden derart ausgeführt, 
dafs zur Erzeugung der Reaktion in allen Fällen ein Tropfen der 


1) Flückiger, Reaktionen, 1892, Berlin. 


ie) 


Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 


F. Koch: 


betr. Ferrichloridlösung und hierauf tropfenweise, bis zur vollständigen 


Färbung !/;, Proz. Natriumbicarbonatlösung in Anwendung gebracht 


wurde. 


Farben 


i/, Proz.| ver- [ Proz.2]|. Ver- 2 Proz, I vor 4 Proz. |], Ver- 
Ferri- länderung| Ferri- änderung Ferri- änderung Ferri- änderung 
ohlorid | durch | chlorid | dureh | ohloria | durch | ohloria | durch 


Proto- 
catechu- 
säure 


Sträker 
Violett- 
Blau 


Blau mit 
Spur- 
Violett 


Hellblau: 
grün 


Russisch- 
Grün 


Bläulich [Blaugrün Blaugrün Blau 


Vioiott 
© Dunkel- 
mit 


Spur-Rot grasgrün 


Blau- 
Violett 


Pyro- 
catechin 


Hellgras- 
grün 


Rot- 
violett 


Violett [Grasgrün 


Blau mit 
Spur 
Violett 


Violett- 
blau 


Unvar- 
ändert 


Schwach 
Graublau 


Schwach | Waver- 
Graublau| ändert 


Gallus- 
säure 


Violett 


ae Dunkel- Blau mit | Blau mit oje 
Tannin Br | Rotgrau | Violett | Violett Blau Spur- Spur- a 
ee Violett | Violet | 


grau 


Bei Zusatz von mehr Natriumbicarbonat und Ferrichlorid findet 


Um eine einheitliche Uebersicht zu er- 
langen, wurden die verschiedenen Nuancen nach der „Radde’schen 


Internationalen Farlıenskala“ geprüft: das Resultat dieser Prüfung ist 


Uebergang in Kirschro: statt. 
die folgends Tabelle. 


De} 


1. Hefi. 


Bad. 


Arch. d. Pharm CCXXXIM. 


66 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 


| 
1 Proz. Proto- | 1 Proz. Pyro- | 1 Proz. Gallus- | 


r i E 1 Proz. Tannin 
catechusäure catechin säure 


a) 1 Tropfen !/, Proz: Ferrichloridlösung 


16 0 | 15 r | 39 c | 39 a 
b) 1 Tropfen 1 Proz. Ferrichloridlösung 
16 g 14h 39 b 40 b 
c) 1 Tropfen 2 Proz. Ferrichloridlösung 
16 f | 13 k 19 d | 21c 
d) 1 Tropfen 4 Proz. Ferrichloridlösung 
16 f | 1ark 21 1 21 c 
«) 1 Tropfen V/, Proz. Natriumbicarbonatlösung 
a) Bleibt 22 f | Bleibt | 41h 
b) x 22 f | 4 23 b 
CIUROIE, ' Unverändert 3 ‘ Unverändert 
#) 1 Tropfen 1 Proz. Natriumbicarbonatlösung 
a) Unverändert | 22 h | Unverändert | 24 © 
b) ; 19 b ; | 23. 
c) R 16 d | 21d | Unverändert 
d) ” | 16 d | 2 d | Pr 
») 1 Tropfen 2 Proz. Natriumbicarbonatlösung 
a) Unverändert | 22 c | Unverändert | 23 k 
b) 16 k ZT | 4 | 23T 
c) 17 e | 21 e 21d | 236 
d) 7 e | 21 e 2l'e | 22 £ 
d) 1 Tropfen 4 Proz. Natriumbicarbonatlösung 
a) Unverändert | 23 d | Unverändert | 23 0 
b) IE ar | 22 f | 5 23 f 
ce) Ike ae | 23 e 22 d | 23 f 
d) ie | 21 e | 22 c | 23 f 
e) 2 Tropten S Proz. Natriumbicarbonatlösung 
a) 18 k 24 k Unverändert | 25 0 
b) 19 d | 24 k 21 c | 25 g 
e) 19 g 24 e | 22 d 27h 
d) 19 f 23 € | 22'd 24 c 


Bei Zusatz von mehr Na HCO;3lösung findet bei b, c, d Uebergang 
nach 26 h statt. 


Ich habe auch die Einwirkung von Kalkwasser auf die ver- 
schiedenen Lösungen durchprobiert und wird 

1. 1 Proz. Protocatechusäurelösung nicht verändert 

2. 1 Proz. Pyrocatechinlösung wird grasgrün; die Färbung ver- 
schwindet mit der Zeit und tritt beim Umschütteln wieder stärker 
hervor. 

3. 1 Proz. Gallussäurelösung erscheint im auffallenden Lichte 


blau, im durchscheinenden grünblau gefärbt. Auf Zusatz von mehr 
Kalkwasser entsteht ein blauer Niederschlag. Beim Verdünnen geht 


F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 67 


auf Zusatz einiger Tropfen Wasserstoffsuperoxyd die blaue Färbung 
in Russischgrün über. 

4. Ebenso wird 1Proz. Tanninlösung im aufiallenden Lichte 
blau, im durchscheinenden grünblau gefärbt, durch Zusatz von mehr 
Kalkwasser entsteht ein blaugrauer Niederschlag. 


Im weiteren Verlauf der Untersuchung des im alkoholischen 
- Auszuge gewonnenen, braunen Sirups, wurde zunächst eine 
möglichste Reinigung des Körpers nach folgenden Methoden 
angestrebt. 

Die Substanz wurde zunächt in Alkohol gelöst und mit Tier- 
kohle wiederholt behandelt. Beim Eindampfen des Filtrates 
wurde jedoch wiederum ein noch braun gefärbter Sirup erhalten. 


Eine konzentrierte Lösung von Natriumsulfat wurde, mit dem 
Sirap gemischt, der Krystallisation überlassen, jedoch ohne Erfolg, 
da die Krystalle stets etwas der braungefärbten sirupösen Masse 
einschlossen. Nach Stromeyer !} wurden dargestellt: 


a) ein Baryumsaccharat. 50 g des Sirups und 450 g Wasser 
wurden mit einer Lösung von 20g Barythydrat in 100 g Wasser 
aufgekocht. Beim Erkalten schied sich das Saccharat ab. 

b) ein Caleinmsaccharat: Der Mischung von 505g des Sirups und 
450 5 Wasser wurden unter fortwährendem Umrühren 5g frisch 
zeglühtes CaO zugegeben, das Gelöste vom Ungelösten abfiltriert 
und die Lösung mit Alkohol zur Abscheidung des Saccharates 
versetzt. 

In beiden Fällen resultierten bei der Zersetzung der Saccharata 
selbgefärbte Massen, die nicht rein zu bekommen waren. 


Es wurde dieser braune Sirup daher der Ruhe überlassen. 
Nach Ablauf von vier Monaten begann der Zucker in Krystallen 
sich abzuscheiden und nach 7 Monaten konnte ich durch Absaugen 
eine genügende Menge davon isolieren um die folgenden, die Gly- 
kosen charakterisierenden, Versuche durchzuführen. 

l. Mit krystallisierter Galle versetzt und über konzentrierte 
Schwefelsäure geschichtet entstand die nach H. Brunner?) auch für 
die Glykoside charakteristische Pettenkofer'sche Zonenbildung, 


lt) Stromeyer, Ueber einige Saccharate, Archiv f. Ph. 37 P. 229. 
2) Fresenius, Zeitschrift für anal. Chemie XII. 346. 


68 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 


2. Die Lösung mit Kalilauge erhitzt, tritt Braunfärbung ein 
(Moore-Heller’sche Reaktion). 

3. Beim Erwärmen mit alkalischer Wismutlösung entstand ein 
schwarzer Niederschlag (Böttger-Nylandersche Reaktion). 

4. Mit Pikrinsäure in alkalischer Lösung entstand Rotfärbuug 
Johnson-Thierry’sche Reaktion). 

5. a-Naphto! in 20 Proz. Lösung in Verbindung mit konzentr 
Schwefelsäure erzeugte eine dunkelviolette Zone; auf Zusatz von 
Wasser entstand ein blauer Niederschlag (Reaktion von Molisch). 

6. Thymol unter denselben Bedingungen bewirkte eine karmin- 
rote Zone (R. v. Molisch). 

7. Nach der von E. Fischer gegebenen Vorschrift wurde ein 
aus verdünntem Alkohol in gelben Nadeln krystallisierendes Glykosa- 
zon erhalten, dessen Schmelzpunkt bei 204 lag. 

Eine Probe des Zuckers wurde mit Hefe versetzt und erwies 
sich durch Trübung des vorgelegten Barytwassers als direkt 
 gährungsfähig. 

Die wälsrige Lösung im Polarisationsapparat geprüft, erwies 
sich als rechtsdrehend. 

Hiernach war also das aufgefundene Kohlehydrat in befriedigender 
Weise als Dextrose charakterisiert, während man früher den in 

den Galläpfeln gefundenen Zucker für nicht krystallisations- 
fähig hielt. 
Gallo-Cerin. 

Der aus den vereinigten Petroläther und Aetherauszügen ge- 
wonnene Körper stellt zerrieben ein Pulver von körniger, harzartig 
anzufühlender Beschaffenheit dar. 

Er ist löslich in heilsem Alkohol, Aether, Aceton, Benzol, 
Chloroform und Eisessig, doch scheidet er sich aus diesen Lösungs- 
mitteln beim Erkalten zum gröfsten Teil wieder aus. Schön 
krystallisiert erhält man ihn beim Verdunstenlassen der alkoholischen 
Tösung in “Form von federartigen, zu Büscheln vereinigten 


Krystallen. 
Er beginnt bei 172° zusammenzusintern und schmilzt bei 173 
(unkorrigiert). Bei 176° färbt er sich unter Zersetzung gelb. 
Mit konzentrierter Schwefelsäure färbt er sich schön kirschrot. 
I. Mit Natrium geglüht, konnte darin Stickstoff nicht nachgewiesen 


werden. 


Xu 


F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 69 


II. Bei der Elementaranalyse lieferte der über H,SO, getrocknete 
Körper folgende Werte: 

I. 0,2571 g Substanz gaben 0,7318 g CO, und 0,2623 g H,O. 

II. 0,2155 g Substanz gaben 0,6117 g CO, und 0,2173 g H,O. 

III. 0,2155 g Substanz gaben 0,6139 g CO, und 0,2112 g H,O. 

IV. 0,2123 g Substanz gaben 0,6036 g CO, und 0,2096 5 H,O. 

Daraus ergiebt sich folgende prozentische Zusammensetzung: 


C H 16) 
E.1007759 11,33 11,08 
IT: 77,40 11,20 11,40 
ID. 77,63 10,89 11,48 
IV. 77,54 10,97 11,49 
Als Mittel berechnet sich: 
G =.,17,54 Proz. 
IT Ar LH 
Ouler, TR 5 


welcher Prozentgehalt einer Formel C,9 Hz, O;. demnach ein Kohlen- 
stoffatom mehr als die Oelsäure, entspricht, oder auch Cs Hz, O;, 
welche Formel insofern Wahrscheinlichkeit hat, als die Fette be- 
kanntlich meistens paare Kohlenstotf-Atomzahlen haben. 


Berechnet für C,g Hz4 O5 Gefunden: 
D —=,.#153 Brez; 77,54 Proz. 
Einen > IE 
DI A0ERU 5 5 52 Digg 

Berechnet für C,H; O3 
EZ HT7T9, Pro®: 
H sul ; 
OA ZE04a 5 


Um das Molekulargewicht des Körpers zu bestimmen, benutzte 
ich die Raoult’sche, von Beckmann *) verbesserte Methode, welche 
auf der Erhöhung des Siedepunktes verschiedener Flüssigkeiten. 
durch Hinzufügen kleiner abgewogener Mengen der Substanz basiert 
Die Gefriermethode konnte nicht benutzt werden, da die Substanz 
in Eisessig gelöst, sich beim Erkalten, auch in kleinen Quantitäten 
stets wieder ausschied. Daher benutzte ich die Siedepunktsbestim- 
mung mit Eisessig. Es gelang mir jedoch nicht nach Eintragen der 
Substanz eine konstante Temperatur zu bekommen, während die 


*) Beckmann über die Methode der M.-G.-Best. durch Gefrierpunkt- 
erniedrigung. Zeitschr. f. phys. Ch. IL. 9/10. 

Beckmann, Studien über die Praxis der Best. des Mol,-G. aus 
Dampfdruckerniedrigungen. Zeitschr. f. ph. Ch. IV. V. 1389. 


‚0 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 


Kontrolle mit andern Körpern, schon nach 3 Minuten konstante 
Temperaturen lieferte. Das Maximum der Siedepunktserhöhung zeigt, 
folgendes Resultat: 
Eisessig Substanz Erhöhung 
34,15 g 0,1904 0,18 0 
Daraus ergäbe sich ein Molekulargewicht von 78,28. 
Um zu versuchen, ob andere Lösungsmittel bessere Resultate 
lieferten, führte ich zunächst eine Bestimmung mit Aceton, sodann 
eine solche mit Benzol aus. Erstere lieferte folgende Werte: 


Aceton Substanz Erhöhung 
[L. 28,09 g 0,2010 g 0,1100 
II. 28,09 g 0,1892 g 0,100 0 


Aus der ersten resultiert ein Mol.-Gew. 108,08. 

Aus der zweiten resultiert ein Mol.-Gew. 112,47. 

Mit Benzol: 

Benzol Substanz Erhöhung 
33,26 g 0,1468 8 0,1400 
woraus sich ein M.-G. von 84,15 ergiebt. 

Da wohl ausgeschlossen ist, dafs ein Körper von obiger prozen- 
tischer Zusammensetzung ein so niedriges Molekulargewicht habe, 
so muls man annehmen, dafs die obige Methode, so vorzügliche 
Resultate im allgemeinen sie auch liefert, bei manchen Substanzen 
eben doch im Stiche läfst, zumal die verschiedenen Lösungsmittel 
unter sich so abweichende Resultate ergeben haben. Da mir jedoch 
aufgefallen war, dafs bei der Bestimmung mit Benzol, die Queck- 
silbersäule bei einer wenig über dem Ausgangspunkt liegenden 
Temperatur längere Zeit stehen geblieben und dann regelmälsig 
weiter gestiegen war, so versuchte ich noch eine Bestimmung mit 
Benzol und beobachtete, dafs das Thermometer bei der unten an- 
gegebenen Erhöhung während 4 Minuten konstant‘ blieb, um damn 
wieder weiterzusteigen. Eigentümlicherweise nähern sich, nimmt 
man diese Temperatur als konstante an, die Werte aufserordentlich 
dem für die obige Formel berechneten Molekulargewicht, doch kann 
es natürlich nicht angehen, aus diesen Werten das Molekulargewicht 
des Körpers iestzusetzen. 


Benzol Substanz Erhöhung 
31.07 0,1986 0,060 
Berechnet für C,9 Hz O5 Gefunden: 


294 284.43 


F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 71 


Um die Natur der Substanz zu studieren, wurden fulgende 
Reaktionen ausgeführt: 
I. Einwirkung von Brom. 


Zur Darstellung des Bromderivates wurden 3 g der Substanz 
in absolutem Alkohol gelöst, mit Brom bis zur bleibenden Rot- 
färbung versetzt und auf dem Wasserbade am Rückflufskühler 
während 6 Stunden erhitzt: die klare Flüssigkeit wurde in Wasser 
gegossen, wobei sich das Bromderivat als gelbe, anf «em Wasser 
schwimmende Masse ausschied. Durch mehrmaliges Aufnehmen mit 
Alkohol und Eingiefsen in Wasser gereinigt, wurde die alkoholische 
Lösung der freiwilligen Verdunstung überlassen, wobei das Brom- 
derivat in Form einer amorphen Masse zurückblieb, die sich harzig 
anfühlte. Bei 800 getrocknet, färbte sich d’e Substanz dunkelbraun, 
und sprang schliefslich in glänzenden Blättchen vom Glas ab. 


Die nach Carius ausgeführte Brombestimmung lieterte folgende 


Werte: 
I. 0,2060 g Substanz gaben 0,1192 g Ag'Br. 


II. 0,2542 g 3 „ 0,1484 g AgBr. 
Aus I. ergiebt sich ein Bromgehalt von 24,71 Proz. 
” 11. ” ” ” ” ” 24,98 ” 


Im Sauerstoffstrom mit vorgelegter Silberspirale verbrannt erhielt 


ich aus 
0,2248 g Substanz 0,496 g CO, und 0,1570 g H,O, 


woraus sich berechnen: 
Br 24,82 Proz. 
C = 60,18 Proz. H = 7,74: Proz. 

Da sieh diese Werte nur schwer mit der Formel Cjg Hz, Br O, 
oder O9, Hz, Br O, in Uebereinstimmung bringen lassen, versuchte 
ch die Bromierung unter Vermeidung jeglicher Erwärmung, indem 
ich die Substanz in Chloroform löste, Brom bis zur Sättigung zu- 
fügte und die Lösung der freiwilligen Verdunstung überliels. Das 
überschüssige Brom wurde durch eine stark verdünnte Natrium- 
carbonatlösung entfernt, das Reaktionsprodukt mit Aether aut- 
genommen und schliefslich über Schwefelsäure bis zur Gewichts- 
konstanz getrocknet. Ich erhielt dabei zwar einen fast farblosen 
Körper, der jedoch, nach Carius analysiert, denselben Bromgehalt 
wie das erst erhaltene Produkt aufwies. 

0,3828 g Substanz gaben 0,2242 g AgBr = 24,92 Proz, Br. 


2 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 


II. Acetylierungs- und Benzoylierungsversuche. 


Zur Darstellung des Acetylderivates wurde der Körper mit 
Essigsäureanhydrid und Natriumacetat während 6 Stunden am Rück- 
Aufskühler erhitzt und die so erhaltene Lösung in Wasser gegossen, 
wobei sich ein weifser Körper ausschied, der, getrocknet, den 
Schmelzpunkt der Ausgangssubstanz 1740 zeigte. 

Ich wechselte daher die Methode und benutzte Chloracetyl, in- 
dem ich die Substanz damit während 3 Stunden am Rückflufskühler 
erhitzte. Das in Wasser sich ausscheidende Reaktionsprodukt wurde 
mit Alkohol gelöst und krystallisierte dasselbe daraus in Form 
dendritisch verzweigter Krystalle, die getrocknet, sich jedoch als 
unveränderte Substanz erwiesen. 

Auch durch mehrstündiges Erhitzen der Substanz mit Chlor- 
acetyl im geschlossenen Rohre bei 100° konnte ich zu keinem 
Acetylderivat gelangen. 

Da gewisse Substanzen häufig kein Acetylderivat, wohl aber 
ein Benzoylderivat geben, versuchte ich dasselbe darzustellen, indem 
ich die Substanz mit gleichen Teilen Benzoesäureanhydrid mengte 
und im Schwefelsäurebade während 6 Stunden auf 1750 erwärmte, 
wobei sich eine dunkelbraune, homogene Masse bildete. In Wasser 
gegossen, setzte sich das Reaktionsprodukt in Form von rotbraunen 
Tropfen auf dem Boden des Gefäfses ab, die beim Erkalten eine 
feste, amorphe Masse bildeten. Zur weiteren Reinigung in Alkohol 
aufgenommen, blieb ein Teil ungelöst. Beim Eingieflsen der alko- 
holischen Lösung in Wasser schied sich ein weilser Körper aus, 
der, über Schwefelsäure getrocknet, den Schmelzpunkt 1740 zeigte. 


II. Einwirkung von Alkalien. 


Um zu sehen, ob der Körper durch Alkalien verändert wirds 
versetzte ich seine alkoholische Lösung mit Ammoniak und ver- 
dampfte das überschüssige Ammoniak. Beim Erkalten schied sich 
ein Teil der Substanz aus, doch verursachte Silberlösung im Filtrate 
eine schwache Fällung. Es war also eine partielle Einwirkung erfolgt. 

Sodann versuchte ich die Einwirkung von schmelzendem Kali- 
hydrat. 

Es wurde 1 g der Substanz im Nickeltiegel geschmolzen mit 
5 g Kalihydrat und während 10 Minuten im Schmelzen erhalten. 


F. Koch. Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 73 


Es tvat dabei eine sofortige Bräunung der Substanz unter Entwick- 
lung von stark riechenden Kohlenwasserstoffen ein. 

Beim Eingiefsen in Wasser zeigte sich eine nur minimale 
Trübung, während jedoch auf Zusatz von Salzsäure”eine reichliche, 
Hlockige Ausscheidung eines braunen Körpers eintrat. Demnach 
hatte also eine Einwirkung stattgefunden, die auftretenden Dämpfe 
liefsen jedoch schliefsen, dafs das eine Zersetzungsprodukt sich ver- 
Nüchtigt hatte. 

Um dies zu vermeiden resp. die Einwirkung des Kalihydrats 
milder zu gestalten, wurden 3 g der Substanz mit einer 50 prozen- 
tigen alkoholischen Kalilauge am Rückflufskühler zum Sieden erhitzt 
und darin während 6 Stunden erhalten. 

Beim Eingielsen in Wasser trat jetzt eine starke Ausscheidung 
eines schwach gelblich gefärbten Körpers auf, während das Filtrat 
aut Zusatz von Salzsäure einen ebenfalls noch schwach gelblichen 
Körper fallen liefs. Beide Substanzen wurden durch mehrmaliges 
Anuflösen in Alkohol und Eingiefsen in Wasser gereinigt und bis 
zur Gewichtskonstanz über Schwetelsäure getrocknet. 

Der erstere repräsentierte ein weilses Pulver von saurer 
Reaktion. 

Der Körper ist löslich in Alkohol, Aether und Chloroform. Er 
beginnt bei 165° sich gelb zu färben, sintert bei 2000 zusammen 
und schmilzt glatt bei 220°. 


Im Sauerstofistrom im offenen Rohre verbrannt, lieferte die 
Substanz folgende Werte: 
I. 0,2300 g Substanz gaben 0,6440 g CO, und 0,2110 g H,O. 


IH. 0,2120 g 4 „0,5912 g CO, und 0,1884 g H,O. 
In Prozenten ausgedrückt: 
I. C 76,08 H 10,19 
11.0 76.06 H 9,88 
Diese Werte würden einer Formel C,, Hs, OÖ» entsprechen. 
Berechnet für C,; Ha, O5: Gefunden: 
GC 176,27. Proz. C 76,07 Proz. 
#3.410,17). ; B4110,03.,. 4 


Der durch Salzsäure ausgefällte Körper wurde nochmals in Kali- 
lauge aufgenommen, mit viel Wasser gemischt und durch Salzsäure 
ausgefällt. Abfiltriert und ausgewaschen, bis das Filtrat nicht mehr 
sauer reagierte, wurde der Körper über Schwefelsäure getrocknet, 


74 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 


nochmals in Aether gelöst, filtriert und die Lösung der freiwilligen 
Verdunstung überlassen. 

Es hinterblieb so ein schwach gelblich gefärbter, harzig sich 
anfühlender Körper. Derselbe ist löslich in Alkohol und Aether, un- 
löslieh in Wasser. 

Er schmilzt bei 162°, nachdem er bei 140 0 begonnen sich braun 
zu färben. 

Der Körper reagiert sauer. Im Sauerstoffstrom verbrannt 
lietert er folgende Werte: 

I. 0,2110 g Substanz gaben 0,5673 g CO, und 0,1858 g H,0, 

I. 0,1707'8 R „0,4606 g CO, und 0,1542 g H,0, 
oder in Prozenten: 


EROTEI3 31 ‚B. 868 Proz: 
IL. .u0,,43,59 H 10,04 
Als Mittel ergiebt sich daraus 


.’ 


H 986. 

Zur Darstellung des Silbersalzes wurden 05 g der 
Substanz in Alkohol gelöst und die Lösung mit Ammoniak versetzt. 
Nach Verjagung des überschüssigen Ammoniaks wurde die neutrale 
Lösung mit Wasser verdünnt und mit salpetersaurem Silber versetzt. 
Es entstand ein rein weilser, flockiger Niederschlag, der rasch auf 
dem Filter ausgewaschen und über Schwefelsäure bis zur Gewichts- 
konstanz getrocknet wurde. 

Die Bestimmung des Silbergehaltes gab folgende Resultate: 

I. 0,1002 g des Salzes gaben 0,0098 g Ag = 9,78 Proz. 

11. 0,0032 „ is 3 0003L Er .„ „Ah 

IV. Aethyläthern. 

Zur Gewinnung dieses Aethers löste ich 1 g der Substanz in 
Aethylalkohol und kochte diese Flüssigkeit während einer Stunde 
mit alkoholischer Kalilauge (15 Proz.) und einem Ueberschufls von 
Aethyljodid. Das Filtrat wurde in Wasser gegossen, wobei jedoch 
nur eine geringe Trübung eintrat. Sobald man jedoch nur eine Spur 
Salzsäure zusetzte schieden sich sofort gelbe Flocken ab, die aus- 
gewaschen und in Alkohol gelöst wurden. Diese Lösung wurde in salz- 
säurehaltiges Wasser gegossen. Der Niederschlag wurde über 
Schwefel-äure bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Der Schmelz- 
punkt dieses Körpers liegt zwischen 276—280° indem er bei 276° 
beginnt harzartig zusammenzusintern. 


F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 75 
Die Elementaranalyse gab folgendes Resultat: 
0,1552 g Substanz gaben 0,4354 g CO, und 0,1340 H,O 

entsprechend einem Prozentgehalt von 76,49 Proz. C und 9,59 Proz. H. 

Da ein Aethyläther der oben aufgestellten Formel andere Werte 
verlangt, so glaubte ich noch einen Versuch wit der Darstellung des 
Aethers machen zu müssen, erhielt dabei aber keine besseren 
Resultate. 2 g der Substanz wurden in absolutem Alkohol gelöst 
und in diese Lösung Chlerwasserstoff bis zur Sättigung eingeleitet. 
Beim Eingielsen dieser Lösung in Wasser schied sich die Substanz 
rein weils aus. Ausgewaschen und bei 100 ° getrocknet, schmolz 
die Substanz glatt bei 274°. 

Die Elementaranalyse ergab folgendes Resultat: 

0,1794 g Substanz gaben 0,4992 5 CO, und 0,1532 H,O 
entsprechend einem Prozentgehalt von C = 16,78 Proz. H = 9,49 Proz. 
V. Verhalten gegen Phosphorpentachlorid. 

Beim Erwärmen der Substanz mit Phosphorpentachlorid und 
Eingiefsen in Wasser wurde eine braune, schmierige Masse erhalten, 
die durch Auflösen in Alkohol und Eingielsen in Wasser nicht rein 
zu bekommen war. Ich versuchte dann das Erwärmen zu vermeiden, 
es gelang mir aber trotzdem nicht, ein farbloses Reaktionsprodukt 
zu erzielen. Der Schmelzpunkt des Körpers liegt über 250°. 


VI Verhalten gegen Hydroxylamin. 

1 g der Substanz wurden in 30 g Alkohol gelöst und mit salz- 
saurem Hydroxylamin einige Stunden am Rückflufskübler erhitzt. 
Nach dem Erkalten wurde die Lösung in Wasser gegossen, der aus- 
fallende, weilse, flockige Körper gut ausgewaschen und über 
Schwefelsäure getrocknet. 

Um zu untersuchen, ob ein Oxim gebildet worden sei, glühte 
ich eme Probe der Substanz mit metallischem Kali, konnte in der 
Schmelze jedoch keinen Stickstoff nachweisen. Auch beim Glühen 
der Sabstanz mit Natronkalk gelang es mir ebensowenig Stickstoff 
nachzuweisen, en Oxim war also nicht gebildet worden. Der 
Schmelzpunkt der Substanz lag jedoch bedeutend höher als der der 
Grundsubstanz (bei 274°). 

VO. Verhalten gegen Salpetersäure. 

In konzentrierte Salpetersäure eingetragen, löste sich die 

Substanz beim Erwärmen auf unter Entwicklung von Untersalpeter- 


76 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel. 


säure. Beim Eingiefsen der gelben Lösung in Wasser schieden 
sich Flocken ab, die, ausgewaschen bis das abfliefsende Wasser 
keine Reaktion mit Diphenylamin mehr gab, und getrocknet, ein 
schwach gelblich gefärbtes Pulver vorstellten. Löslich in Alkohol, 
Aether und Chloroform. Nach der gewöhnlichen Methode mit 
metallischem Kali geglüht, konnte kein Stickstoff darin nachgewiesen 
werden. Der Körper gab weder Pikrinsäure, noch Oxalsäurereaktion. 


VII. Verhalten gegen Zinkstaub. 

Mit Zinkstaub im Glühröhrchen erhitzt, entweichen leicht ent- 
zündliche, mit leuchtender Flamme brennbare Kohlenwasserstofie, 
während sich an den oberen Teilen des Glases ein gelbes Oel an- 
setzte, das beim Erkalten erstarrte. 


IX. Verhalten gegen Jodwasserstoff. 

In der Hoffnung durch Ueberführung des Körpers in seinen 
Kohlenwasserstoff etwa Aufklärung über seine Konstitution zu er- 
halten, erhitzte ich 2 g desselben mit S g HJ u. amorphem Phosphor im 
geschlossenen Rohre während 4 Stunden auf 250° Beim Oeffnen 
der Capillare fand eine solche Detonation statt, dals das Rohr zer- 
plittert wurde und das Reaktionsprodukt verloren ging. 

Nach diesen Resultaten zeigt sich der Körper als höchst indifferent 
gegen chemische Agentien. 

Ein Körper von ähnlichen Eigenschaften findet sich unter dem 
Namen Cerint) beschrieben. Seine Eigenschaften sind nach John, 
der ihn aus dem Bienenwachs isolierte, folgende: Weifs, hart wie 
Wachs, P. S, 0,969; löslich in 16 Teilen kochenden Alkohols, woraus 
er sich beim Eıkalten wieder ausscheidet. Der Schmelzpunkt wird nach 
Brudet und Boissenot bei 62° angegeben. Durch Kali wird es teilweise 
verseift. 

Chevreul?) hat diesen Körper aus der Korkrinde von Quercus suber 
durch Behandeln derselben mit heilsem Alkohol erhalten. 

Wittstein®) hat denselben später aus der korkartigen Wurzelrinde 
von Aristolochia antidysenterica Mart. isoliert. Nach demselben Autor 
giebt das Cerin_ beim Behandeln mit HNO, neben andern Produkten 
Oxalsäure. Seine Zusammensetzung ist nach Doepping Cy; Hz, O, ent- 
sprechend einem Prozentgehalt von 0 75,00 H = 10,500 = 14,50. Bei 


1) Vollst. allgm. chem. Handwörterb. v. Dr. Wittstein, München 1847. 
2), Annal. d. Chemie Nov. 1815, 
3) Repert. t. d. Ph. I, VII. 152. 


=] 
u | 


F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa. 


Fehling!) finden sich ferner folgende Eigenschaften: Das Korkwachs 
wird in kochendem Wasser weich und backt zusammen, es wird von 
Kalilauge nicht verseift und giebt bei der trocknen Destillation eine 
grolse Menge beim Erkalten erstarrenden Fettes und hinterläfst Kohle 

Die Aehnlichkeit zwischen diesem Cerin und dem von mir aus 
den Galläpfeln abgeschiedenem Körper ist so augenfällig, dafs Herr 
Professor Brunner und ich denselben als Gallocerin bezeichnen 
wollen. Auch der Ursprung der Substanz rechtfertigt den Namen, 
da Chevreul sein Cerin aus der Rinde der Korkeiche erhielt und 
dürfte das Gallocerin aus der Rinde der Eiche in die Galläpfel 
wandern. 

IH. Serophularia nodesa. 


Von der Gattung Scrophularia sind über 100 Arten teils Kräuter 
oder Stauden in Europa sowie in den aulisertropischen Gegenden 
Asiens, Afrikas und Amerikas verbreitet. Da die Blätter und Wurzeln 
der Scrophularia nodosaL. (auch wohl der Scrophul. Ehrhart i. Stev.) 
früher medizinisch verwendet wurden, so schien es interessant eine 
Untersuchung dieser Pflanze in chemischer Hinsicht zu unternehmer, 
um so mehr als dieses Thema nur einmal bis jetzt behandelt worden 
ist; Walz hatte die Pflanze einer Untersuchung unterworfen im Jahre 
1853, jedoch in einer Art und Weise, die mit den Fortschritten, die 
die Chemie in diesen 40 Jahren gemacht, durchaus nicht mehr in 
Einklang zu bringen ist. Ich werde unten auf die Resultate dieser 
Untersuchung zu sprechen kommen. 

Vorher mögen hier einige Daten über die Geschichte der Scro- 
phularia, soweit mir die diesbezügliche Litteratur zu Gebote stand, 
Platz finden. 

Dem Werke: Dorvault2) entuehme ich folgendes: 

Serofulaire, Serophular. aquat. et nodosa, Braunwurz, Kreuznessel, 
Herbe aux &cruelles; herke du Siege; Betonie d’eau. Ües pla: tes 
etaient employees jadis contre les affections scrofuleuses; elles ont &te 
la base de plusieurs onguents. Leurs propri&'&s therapeutiques furent 
mises en lumiere par suite du manque de vuln£raires qui survintpen 
dant le siege de la Rochelle sous Louis VIII. 

Chez les Arabes de l’Algerie le decoct& de Serofulaire est usite 
en tisane dans les fi6vres intermittentes. Dans ces derniers temps la 
Serofulaire a &te preconisde comme antidote Ju virus rabique. 


4) Neues Handwörterbuch der Chemie II. Aufl, 
2) Dorvault: L’offiecine XII. edition 1889 Pag. 877. 


1 
[0] 


F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa. 


Elle contient un principe amorphe (Scrofuliue-Joron) analogue & la 
Digitaline et un autre principe cristallin en tres minime proportion. 


Scrophularia!) Kropfwurzel, Skrophelkraut. Die Pflanze erhielt 
hren Namen nach der Form der Wurzel, in der man auch der Gestalt 
wegen ein Heilmittel gegen Halsgeschwülste gefunden zu haben 
glaubte. Man wandte sie sowohl innerlich in Abkochung und äufserlich 
gegen Kröpte, Drüsen u. 8. w. an. 

Heute üudet die Scrophularia nur noch in der Homöopathie Ver- 
wendung. 

Für alle in der Litteratur erwähnten Mitteilungen bildet die Arbeit 
von Walz die Basis, über die ich jedoch nur ein Referat zur Hand 
hatte?). Ich lasse dasselbe hier folgen: 


Die frischblühende Pflanze von Scrophularia nodosa gab bei der 
Dampfdestillation erst ein neutrales, dann ein saures Destillat. in 
welch letzterem Propionsäure neben wenig Essigsäure enthaltenist. Ein 
stearoptenartiger Körper und mehr Essigsäure fanden sich in dem 
stärker sauren Destillate von länger aufbewahrten Pflanzen. Walz 
bezeichnet den stearoptenartigen Körper mit Scrophularosmin. 
Nach der Destillation wurde das Kraut mit heilsem Wasser aus- 
gezogen und das stark sauer reagierende, bitter braune Infusum 
mit neutralem, essigsaurem Bleioxyd gefällt. Im grüngelben Nieder- 
schlage waren an Bleioxyd gebunden aulser anorgauischen Säuren 
Weinsäure, Citronensäure, Acpfelsäure eine eisengrüuende Gerbsäure, 
Chloropbyllharz, und ein in Aether unlösliches, gelbrotes Harz. Das 
Tjltrat gab mit basisch essigsaurem Bleioxyd einen gelben Nieder- 
schlag, worin aufser den angeführten Säuren: Gummi, Stärkemehl und 
Pektin sich fanden. Nach dem Ausfällen des Bleioxydes mit Natrium- 
varbonat gab das Filtrat mit Gerbsäure einen starken, flockigen, 
weilsen Niederschlag, der sich in Weingeist teilweise löste. Die 
weingeistige Lösung gab nach dem andauernden Digerieren mit 
seschlämmtem Bleioxyd, welches die Gerbsäure entzog, eine gelb- 
‚raune Tinktur, die bei freiwilligem Verdunsten krystallinische 
Schuppen eines in Wasser löslichen, bitteren, als Scrophularin 
bezeichneten Körpers ausschied. Die irisch getrocknete Pilanze nebst 
Wurzel gab 7,5 Proz. Asche. 


Bei ähnlicher Behandlung der Scrophularia aquatica fand Walz, 
dals die flüchtige Säure eine eigentümliche sei und in dem Gerb- 
stoffniederschlage unterscheidet er neben Scrophularin 
eine in Aether lösliche, harzartige Verbindung als Serophularaerin. 


1) Handb. d. rein. u. angew. Ohemie, Dr. Fehling, Braunschweig 
1859, WTB. : 


2) J. B. über Fortschr. d. Ch. 1853, pag. 367. 


F. Koch: Teber Scrophularia nodosa. 9 

Dem bereits oben erwähnten Werke Fehling's!) entuehme ich nach- 
folgenden Passus: 

Die frisch getrocknete Pflanze, im Dampfapparat mit Wasser 
destilliert, gab ein saures Destillat, auf dem eine fettartige Haut 
schwamm, die, mit Aether behandelt, Scrophularosmin gab. Wird die 
mit Wasser ausgekochte Pflanze getrocknet, dann mit Alkohol aus- 
gezogen und das Filtrat verdampft, so bleibt eine grün-braune, harz- 
artige Masse zurück von bitterem Geschmack, die sich nur teilweis» 
in Wasser löst: der darin unlösliche Teil löst sich zum Teil in 
Alkohol, Die alkoholische Lösung mit Bleizucker gefällt und dann mit 
H,S behandelt, giebt nach dem Filtrieren und Abdampfen ein bräun. 
liches Pulver, dem Wasser geringe Mengen Scroplularin entzogen. Aus 
dem Rückstande löste Aether ein Harz mit goldgelber Farbe, das beim Ver- 
dampfen der ätherischen Lösung teils in Form gelblich-weilser Krystalle, 
teils als bräunlich gelbe, schmierige Masse zurückbleibt; die letztere wird 
bei längerem Stehen auch krystallinisch. Das Harz ist löslich in Wein- 
geist wiein Aether, aber unlöslich in Wasser; es schmilzt beim Erhitzen. 

Die Asche der Scroplularia nodosa hat nach demselben Werke die 
folgende prozentische Zusammensetzung: 


TE LAT 
NAUOnRE EN RE 
NEN A EG, 
Magnesia 7 124.9 er 1831 
Bisenssyd sul ‚er 
Chiomatrium 72.22.7762 
Schwefelsäure . . .. 3,41 
Phosphorsäure . . . . 13,0 
Kohlensäure: . > „m 12 
Kieselsäure . . .... 45 
Kohle und Sand . . . 08 


Loyd 2) will in der in Nordamerika wachsenden Scrophularia nodosa 
Spuren eines Alkaloides und ein Harz von pfefferartigem Geschmack 
gefunden haben. 


F.F. Mayer) hat einige chemische Bemerkungen über die Familie 


der Scrophulariaceae zusammengestellt, wobei er sich auf die Walz’sche 
Arbeit stützt. 


Ebenso beziehen sich die im Handwörterbuch 4) sowie bei Beil- 


stein) gemachten Bemerkungen über Scrophularin und Scrophularosınin 
lediglich aut die Walz’sche Arbeit. 


1) Cfr. pag, 78. 
2) Pharmac. Zeit., Berlin 1887, No. 69, S. 483. 
3) Americ. Journ. of Pharm. 35 (1865). 


4, Neues Handwörterbuch d. Ch. Dr. Hell, 1573. Lief. B. VL Liet. VL 
Braunschweig 1893. 


5) Handbuch der organ. Chemie, II. Aufl., III. B., 1590, Pag. 329. 


Dar 


Eichler!) fand, dafs in der Scerophularia nodosa Duleit ent} a 
sei. Er isolierte denselben, indem er einen wässrigen Abs 
Pflanze mit Kalkmilch bis zur alkalischen Reaktion versetzte, auf- 
kochte, filtrierte, stark konzentrierte und mit Salzsäure übersättigte. ER 
„Aus dieser Lösung krystallisierte der Duleit aus. ® 

> 


Nach der vorliegenden Litteratur wären in der Serophularia nodosa e 
E 


also gefunden: 
1. Ein eisengrünender Gerbstoff. 


i = Mn 2. Ein Bitterstoff — Serophularin-Walz. E 
Wi. 3. Ein stearoptenartiger Körper — Scrophularosmin-Walz. 5; 
3 4. Duleit. e 
5 Es liegt auf der Hand, dafs Körper, wie die oben angegebenen 


nach Walz’scher Vorschrift gewonnenen, ohne Angabe jeglicher 
näherer Eigenschaften als der des äufseren Ansehens und ihres Ge- 
schmackes, einen Anspruch auf den Namen eines chemischen Indi- 
viduums an und für sich schon nicht machen können. Auffallend Ri: 
3a aber ist es, dafs Walz erstens aus einem ursprünglich weilsen®) | 
b M Niederschlage eine braune Tinktur erhält, die das Scrophularin 
einschlie(st und zweitens, dals er dieses Scrophularin in der 2 
Scrophularia nodosa in dem Filtrat von den Bleiniederschlägen 
findet, in der Scrophularia aquatica jedoch in den Bleiniederschlägen 
selbst. 

| » Die zur Untersuchung verwendeten Auszüge der Scrophularia a 
nodosa stammten aus der Fabrik der Firma Siegfried in Zofingen, Er 


_ und zwar lagen vor: SR 
De. a) ein ätherischer, 5 
DR 3 b) ein alkoholischer, - 
Br c) ein wälsriger, je von Kraut und Wurzel. E 


' Asche. 


+ In Hinsicht auf die frühere medizinische Verwendung schien es R 
“ _ _gicht uninteressant, eine Untersuchung der Asche auf Halogene ke; 
N spez. Brom und Jod, sowie auf Lithium vorzunehmen. Doch hat EN 

j diese Analyse die völlige Abwesenheit dieser Elemente ergeben. Er 


100 & Extrakt aus der Wurzel lieferten 4,75 g einer gelben 
Asche. 


Bi 1) Husemann und Hilger, Pflanzenstoffe, S. 1227. 
Br u) ‚Cfr. Pag: 78. 


ARCHIV 


DER 


PHARMACIE 


herausgegeben 


vom 


Deutschen Apotheker-Verein 
unter Redaction von 


E. Schmidt und H. Beckurts. 


Band 233. Heft 2. 


| BERLIN. 


Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereins. 
1895. 


Ausgegeben den 30. März 1895. 


INHALT. 


Seite 


Koch, Phytochemische Studien. Beiträge zur Kenntniss der mittel- 
europäischen Galläpfel, sowie der Scrofularia nodosa L. 81 


C. Boettinger, Zur Kenntniss der Glyoxylsäure, III. Abteilung . 100 
P. Zenetti, Das Vorkommen von en in Folia Bueco und 
seine Krystallformen . . .. 104 
C. Boettinger, Zur Kenntniss der Giyosyleäure, 1 Iv. Abreise EB: .. 
C. Hartwich, Ueber falsche Senega.. . . 118 
C. Boettinger, Ueber die Osazone der Fer aus u Sud 
Nallonen“... .>; gu | 
H. Pommerehne, Ueber die e von en .. BE 57) 


Eingegangene Beiträge. 


. Rössler, Cultivirung von Crenothrix polyspora auf festem Nährboden. 
. Schmidt, Ueber das Scopolamin. 


se) 


(Geschlossen den 20. März 1895.) 


802 


Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel 
monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis 
50 Bogen. Ladenpreis für den Jahrgang Mk. 12,—. 


Alle Beiträge für das „Archiv‘‘ sind an die 
Archiv-Redaction 
Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg (Hessen) 
oder Herın Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig, 
alle die Inserate u. s. w., überhaupt die Archiv-Verwaltung und 
die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den 
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Anzeigen. 


Dieselben werden mit 4o Pfg. für die durchgehende und mit 25; Pfg für die gespaltene 

Petitzeile oder deren Raum berechnet. Beilage-Gebühr für das Tausend der Auflage — 

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bleibt besondere Vereinbarung vorbehalten 


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PRÄITPTTRTTTTTTITTTTNTT 


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Ueber Scrophularia nodosa. 81 


100 g Extrakt aus dem Kraute lieferten 16,2 g rein weilse 
Asche. 
Es finden sich darin: 
Kalium, Natrium, Calcium, Magnesium, Eisen, Chlor, Phosphor- 
säure, Kieselsäure. 
Aulserdem weist die Asche der Wurzel einen reichlichen Gehalt 
an Mangan auf. 


l. Untersuchung des alkoholischen Auszuges. 


Der Auszug des Krautes zeigte eine lebhaft grüne Färbung, der 
der Wurzel eine braune. — Es war zu erwarten, dafs die von Walz 
isolierten Körper sich in diesem Auszug finden würden und war zu- 
nächst die Richtigkeit seiner Untersuchungsresultate zu kontrollieren 
resp. der Nachweis der in den Bleiniederschlägen von ihm au‘- 
gefundenen Säuren, sowie hauptsächlich des Scrophularins zu führen. 

Zu diesem Zwecke wurden zuerst die Lösungen der Auszüge 
in der von ihm angegebenen Weise behandelt. Dabei stellte sich 
jedoch ein in denselben enthaltenes Harz als die Fällungen ver- 
unreinigend in den Weg und schlug ich, um dasselbe möglichst zu 
entfernen, folgenden Weg ein: 


500 g des Auszuges wurden mit 750g Alkohol auf dem Dampf- 
bade behandelt, absitzen lassen und filtriert. Der in Alkohol un- 
lösliche Teil gelangte beim wässrigen Auszug mit zur Verarbeitung. 
Der klaren Lösung wurde ein Dritteil Chloroform zugegeben und 
das Ganze mit einer grölseren Menge Wasser gut ausgeschüttelt. 
Längere Zeit der Ruhe überlassen, trennte sich die Flüssigkeit in 
zwei Schichten, eine obere gelbbraune und eine untere grüne, das 
Harz enthaltende. 


A) Untersuchung der Chloroformschicht. 
Zimmtsäure. 

Von der Flüssigkeit wurde zunächst durch Destillation das 
Chloroform entfernt, der letzte Rest auf dem Wasserbade verjagt 
und die restierende Masse mit Alkohol aufgenommen. Tierkohle 
entzog dieser Lösung beim Erhitzen am Rückflufskühler das Chloro- 
phyll, sodafs eine gelbbraune Flüssigkeit resultierte. Nach dem Ab- 
destillieren des Alkohols hinterblieb eine elastische, goldglänzende, 
unter Wasser sich in Fäden ziehende Masse. Durch nochmaliges 


Arch. d. Pharm. CCXXXIL. Bds. 2. Heft. [6] 


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82 F. Koch: Ueber Scerophularia nodosa. 


Behandeln mit Tierkohle war eine weitere Entfärbung nicht zu er- 
zielen, ebensowenig durch Versetzen der Lösung in Chloroform und 
Alkohol mit Wasser, da sich eine Emulsion bildete. Es wurde da- 
her zur Trockne verdampft, wobei die Masse dunkelbraune Farbe 
annahm. Zerrieben stellt die Substanz ein hellbraunes Pulver dar, 

Sie ist löslich in Alkohol und Chloroform, teilweise in Aether 
und Benzol. 

Die Substanz löst sich leicht in verdünnten Alkalien, wobei stets 
ein Geruch nach Fruchtäther auftritt. 

Löst man das Harz in Alkohol und giebt ein Stückchen me- 
tallisches Natrium zu, so entsteht ein gelber Niederschlag. 

Abfiltriert und zwischen Papier getrocknet, zeigt derselbe stark 
hygroskopische Eigenschaft; er riecht stark nach Apfeläther. 

Bleiacetat verursacht in der alkoholischen Lösung eine grau- 
weilse Fällung. 

Mit Wasser erwärmt schmilzt das Harz. 

Da ich in dem Harz einen Ester einer aromatischen Säure ver- 
mutete, suchte ich durch Verseifen denselben zu zerlegen. 

20 g des Harzes wurden in 100g 25prozentiger Kalilauge unter 
Erwärmen gelöst und die klare Lösung mit Wasser verdünnt. Da 
eine Trübung dabei nicht eintrat, schüttelte ich die Lösung mehr- 
mals mit Aether aus, erhielt jedoch beim Verdunsten desselben nur 
einen minimalen Rückstand. der gleichzeitig vanille- und pfefferartig 
roch. Bei der Destillation im Dampfstrom erhielt ich eine neutral 
reagierende, geruch- und geschmacklose Flüssigkeit, die auf das 
Chromsäuregemisch keinerlei Einwirkung zeigte. 

Zur weiteren Behandlung wurde die Lösung mit Salzsäure ver- 
setzt, wobei ein graubrauner Niederschlag entstand, der, in kaltem 
Wasser so gut wie unlöslich, solange nachgewaschen wurde, bis die 
ablaufende Flüssigkeit keine Chlorreaktion mehr gab. Da der 
Niederschlag in heifsem Wasser vollständig löslich war, wurde diese 
Lösung solange mit Tierkohle erhitzt, bis vollständige Entfärbung 
eingetreten war, die Flüssigkeit heils filtriert und Erkalten lassen. 
Dabei schieden sich farblose Krystallnadeln aus, die auf einem 
Filter gesammelt, mit kaltem Wasser nachgewaschen wurden. 

Durch weiteres Eindampfen der Mutterlauge wurde eine neue 
Ausbeute von Kıystallen erzielt. Durch Absaugen zwischen Filtrier- 


F. Koch: Ueber Scerophularia nodosa. 83 


papier von der anhaftenden Flüssigkeit zum gröfsten Teil befreit, 
wurden dieselben über Schwefelsäure bis zur Gewichtskonstanz ge- 
getrocknet. 

Die aus tarblosen Nadeln bestehende Krystallmasse löst sich 
schwer in kaltem, leicht in heilsem Wasser, in Alkohol, sowie in 
Alkalien. Die wässrige Lösung reagiert sauer. 

Auf dem Platinblech erhitzt, hinterlassen sie keinerlei Rück- 
stand. 

Mit Natrium geglüht, konnte in der Schmelze Stickstoff nicht 
nachgewiesen werden. 

Der Schmelzpunkt der Substanz liegt bei 133°. 

Dieselbe zeigt folgende Reaktionen: Mit Kaliumpermanganat 
erwärmt, tritt starker Geruch nach Benzaldehyd auf; ebenso beim 
Erwärmen mit verdünnter Salpetersäure. 

In der Lösung des Ammoniumsalzes erzeugte: 

Eisenchlorid einen flockigen, gelben Niederschlag, der sich in 
Salzsäure löste. 


Bleiessig einen rein weilsen Niederschlag, löslich im Ueberschufs 
des’ Fällungsmittels ; 

Silberlösung weifse Fällung ; löslich in Ammoniak ; 

Quecksilbernitrat weifse Fällung ; löslich in Salpetersäure; 

Kupfersulfat einen blauweilsen Niederschlag. 

Die vorliegenden Reaktionen, sowie der Schmelzpunkt stimmen 
mit den Identitätsreaktionen der Zimmtsäure überein. 

Bei der Verbrennung im Sauerstoffstrome lieferte die Substanz 
folgende Werte: 

0,2090 g Substanz gaben 0,5570 g CO, und 0,0948 g H,O. 


Berechnet für C, H,O, Gefunden: 
0 —=.12,91 Proz. 72,67 Proz. 
Eee: OR E 


Das Filtrat wurde wie oben gefällt: 
0,1642 g desselben lieferten 0,0692 g Ag = 42,15 Proz. 
Berechnet für C,H, O0, Ag Gefunden: 
Ag = 42,35 Proz. 42,15 Proz. 

Wie ich bereits oben erwähnt, war mir nach dem Verseifen des 
Harzes und Ausziehen mit Aether der aromatische Geruch der hinter- 
bleibenden Substanz aufgefallen. Leider gestattete die Menge nicht, 
dieselbe rein darzustellen. 


6* 


34 F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa. 


Es erhellt somit aus der Untersuchung des Harzes, dafs die 
Zimmtsäure wohl frei vorkommt, wesentlich aber ein Zersetzungs- 
produkt des Harzes ist. 


B. Urtersuchung der wässerigen Schicht. 


Nach dem Gange der Walz’schen Untersuchungsmethode mulste 
sich in dieser Schicht der Gerbstoff, sowie das von ihm isolierte 
Serophularin finden. 

Thatsächlich erzeugte Eisenchlorid in dieser Lösung eine grüne 
Färbung. Um den Gerbstoff zu entfernen, wurde, wie unten be- 
schrieben, mit Bleiacetat gefällt, das Filtrat durch Schwefelwasser- 
stoft entbleit und nach dem Verjagen desselben mit Tierkohle be- 
handelt. Eine vollständige Entfärbung konnte nicht erzielt werden, 
sondern es hinterblieb auch nach mehrmaligem Erhitzen mit Kohle 
und Eiweifs eine dunkelbraune Flüssigkeit. 


Um daraus das Walz’sche Scrophularin zu erhalten, versetzte 
ich die Lösung mit einer wässerigen Lösung von Tannin und erhielt 
dabei einen schwachen, braungefärbten Niederschlag, der sich als in 
Alkohol teilweise löslich erwies. Einen Teil dieser Lösung behandelte 
ich nun mit Bleioxyd, einen andern mit frisch gefälltem Bleihydroxyd, 
um das Tannin zu entfernen. 


Das Filtrat wurde sodann der freiwilligen Verdunstung über- 
lassen, wobei ein brauner Sirup hinterblieb, aus dem sich nach 
längerer Zeit ein krystallinischer Körper ausschied, aber in ganz 
geringer Menge, so dafs es mir unmöglich war, eine weitere Reini- 
gung desselben vorzunehmen, oder eine Analyse anzustellen. Die 
wässerige Lösung gab weder mit Qwuecksilberchlorid, noch mit 
Phosphormolybdänsäure, sowie den übrigen Alkaloid-Reagentien 
Fälllungen, es dürfte dieser Körper, den Walz vorzeitig, ohne jeg- 
liche nähere Untersuchung mit dem Namen Scrophularin belegt hat, 
das nicht sein, was man versucht ist hinter derartigen Namen zu 
suchen. : 

Das Filtrat der Fällung mit Tannin wurde durch Bleihydroxyd 
von Tannin befreit. 
Cholin. 

Als ich diese Lösung mit Kaliummercurijodid prüfte, entstand 

noch ein bedeutender, leuchtend citronengelber Alkaloidmercurijodid- 


F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa. 85 


niederschlag. Es lag demnach noch eine in Wasser lösliche 
Base vor. 

Zur Fällung dieser Base diente eine nach der von Böhm 
empfohlenen Vorschrift bereitete höchst konzentrierte Lösung von 
Kaliummercurijodid mit Ueberschufs von Mercurijodid, in welcher 
Verdünnen mit Wasser sofortige Abscheidung von rotem Merecuri- 
jodid erzeugt. Der schön hochgelbgefürbte Niederschlag wurde 
auf einem Filter gesammelt, durch Abpressen möglichst von der 
Flüssigkeit befreit und noch feucht durch Verreiben mit frisch ge- 
fälltem Silberoxyd zersetzt. Hierbei trat ein deutlicher Geruch nach 
Trimethylamin auf. Nun wurde von dem gleichmäfsig grau gefärbten 
Niederschlage abfiltriert und bis zum Verschwinden der alkalischen 
Reaktion des Filtrates nachgewaschen. Die genau mit Salzsäure 
neutralisierten Filtrate wurden durch Einleiten von Schwefelwasser- 
stoff von etwa noch gelöstem Silber und Quecksilber befreit, filtriert 
und zum dünnen Sirup eingedampft. 


Der letzte Rest wurde schliefslich im Exikkator verdunstet. 
Durch wiederholtes Umkrystallisieren aus Alkohol erhielt ich das 
Chlorhylrat der Base in Form harter, farbloser, äufserst hygrosko- 
pischer, in Wasser und Alkohol leicht löslicher Krystalle, die beim 
Erhitzen auf Platinblech unter Entwickelung von Trimethylamin ver- 
kohlten. 

Zur weiteren Untersuchung der Base stellte ich das Platin- 
doppelsalz dar. Das in wässriger Lösung durch Platinchlorid nicht 
fällbare Chlorhydrat giebt in weingeistiger Lösung mit alkoholischer 
Platinchloridlösung einen schwach rötlich-gelben, mikrokrystallinischen 
Niederschlag, der nach dem Auswaschen bei 80° getrocknet wurde. 


Die Gesamtheit der angeführten Eigenschaften besonders aber 
der sowohl beim Zersetzen mit Silberoxyd, als auch beim Erhitzen 
der sirupösen Base auftretende charakteristische Trimethylamingeruch, 
liefsen in dem vorliegenden Körper Üholin vermuten. 


Ich glaubte mich daher bezüglich der Analyse des Platinsalzes 
auf die Ermittelung des Platingehaltes beschränken zu dürfen. Beim 
Glühen des Platinsalzes trat wieder sehr deutlich der Trimethylamin- 
geruch auf. 


0,2694 des Salzes hinterlielsen beim Glühen 0,0846 g = 31,40 Proz. Pt 


56 F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa. 


Vergleicht man diese Werte mit dem für Cholinplatinchlorid 

berechneten Prozentgehalt an Platin, so erhält man: 
Berechnet für: (C, H,, NOCI,PEC], Gefunden: 
31,53 Broz.Bt: 31,40 Proz Pt. 

Das Vorhandensein des Cholins in der Scrophularia ist somit 
bewiesen. 

Da ich das Cholin im alkoholischen Extrakt als freies vor- 
gefunden, dasselbe jedoch in den Pflanzen bekanntermalsen aus den 
Lecithinen durch Spaltung, sei es bei der Bereitung der Auszüge, 
sei es in der Pflanze selbst, entsteht, so mulste es als höchst inter- 
teressant erscheinen, wenn es gelang, das Lecithin als solches nach- 
zuweisen. Zu dieser Vermutung, das Lecithin noch als solches in 
dem Auszug zu finden, berechtigte der Nachweis von Palmitinsäure 
und Oelsäure aus dem Fette der Scrophularia, den ich weiter unten 
geführt. 

Auf Anregung von Herrn Prof. Dr. Brunner suchte ich nun auf 
folgende Weise das Vorhandensein des Palmitin-Olein-Leeithin zu 
konstatieren. 

Es wurde 1 Teil des aus dem ätherischen Auszuge erhaltenen 
Fettes mit Natriumearbonat und Salpeter verpufit; in Wasser auf- 
genommen, gab die Lösung mit Ammoniummolybdat sowohl als mit 
Magnesiamixtur Phosphorsäure-Reaktion. 

Ein Teil des Fettes wurde nach der von Brunner!) angegebenen 
Methode mit Natronlauge verseift, mit Salzsäure neutralisiert, ein- 
gedampft, mit wenig Wasser aufgenommen und mit Böhm’schem 
Reagens versetzt. Es trat der für Cholin charakteristische gelbs 
Niederschlag auf, womit die Gegenwart von Lecithin nachgewiesen 
ist, da das Leeithin sich bekanntlich durch Verseifen folgendermafsen 
zersetzt: 


0 — C,;H;, 0 
N 
0; H,;-0 — C,Hz > 
N =Y—N (CH 
le 


N mm 
Palmitin—-Olein—Leeithin 


OH 
Cs Hz 0, + Cs Hy 0, + 03H; \ OPdIom, 
1) Schweiz. Wochenschr. f. Ph. 1892. 


F. Koch: Ueber Serophularia nodosa. 87 


Palmitinsäure —Oelsäure—Glycerinpho sphorsäure 
N: 
CH,/ \GH,OH 
Cholin. 
Zucker. 

Das Filtrat der Cholinfällung wurde durch Schütteln mit Queck- 
silber von Jod, sodann durch Schwefelwasserstoff von Quecksilber 
befreit, der Schwefelwasserstoff verjagt und die Lösung nochmals mit 
Koble und Eiweils behandelt. Beim Eindampfen hinterblieb eine hell 
gelbe Masse von der Konsistenz des Honigs, in deren Lösung durch 
Fehling'sche Lösung reduzierender Zucker nachgewiesen wurde. Die 
Lösung zeigte alle auf Seite 33 angeführten Reaktionen der Glykose- 
gruppe und lieferte ein, aus Alkohol umkrystalliert, in weichen gelben 
Nadeln sich abscheidendes Glykosazon dessen Schmelzpunkt bei 
205° liegt. 

Nach der Stromsyerschen!) Vorschrift lieferte der Zucker mit 
Barythydrat ein gelbes Saccharat. 

Eine Lösung des Zuckers wurde mit Hefe versetzt und erwies 
sich durch Trübung des vorgelegten Barytwassers als direkt 
gährungsfähig. 

Interessant war das Resultat der polarimetrischen Unter- 
suchung: Die Zuckerart der Scrophularia erwies sich als inaktiv. 
Da es mir jedoch nicht gelang den Zucker krystallisiert zu be- 
kommen — weder durch Behandeln mit gesättigter Natriumsulfat- 
lösung noch durch Ueberführen in Caleium und Strontiumsaccharate 
und Zersetzung derselben — der Schmelzpunkt des Glykosazons 
direkt auf Dextrose hinweist, so dürfte der in der Scrophularia vor- 
kommende Zucker mit ziemlicher Sicherheit als Dextrose anzu- 
sprechen sein, umsomehr als die Erfahrung mit dem Gallenzucker 
mich anfangs in einen ähnlichen Irrtum verfallen liels, indem die 
nicht völlig farblose Lösung optisch inaktiv war. 

Die durch Behandeln der wässerigen Flüssigkeitsschicht mit 
Bleiacetat, wie oben erwähnt, erhaltenen Niederschläge waren auf 
die von Walz aufgefundenen organischen Säuren zu untersuchen. 

Es wurde dabei der Gang der Brunner’schen ?) Methode ein- 
geschlagen. 


"2 Chir. Pag. 67. 
2) H. Brunner, Guide pour l’analiyse qualitative, Lausanne. 


38 F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa. 


Nach Entfernen des Bleis durch Schwefelwasserstoff, wurde die 
wässrige Lösung schwach ammoniakalisch gemacht, wobei sich die 
ursprünglich gelbe Lösung dunkler färbt. Auf Zusatz von Chlor- 
ammon, und Chlorcaleium entsteht ein schwacher Niederschlag, der 
mit Wasser gewaschen in Natronlauge gelöst und gekocht wurde. 
Dabei trat keine Abscheidung auf. 

Mit Kaliumacetat entstand kein Niederschlag — Wein- 
säure frei. 

Die Lösung in Natronlauge wurde mit Alkohol versetzt, wobei 
keine Trübung entstand. 

Die Niederschläge sind also auch frei von Citronen- und 
Aepfelsäure. 


Untersuchung des Gerbstoffes. 

Zum Zwecke der Reindarstellung des Gerbstoffes schlug ich 
den Weg der fraktionierten Fällung mit Bleiacetat ein und zwar 
habe ich gefunden, dafs man am besten zum Ziele kommt, wenn 
man folgende Methode betolst: 

Als die Bleiniederschläge verunreinigend traten immer noch 
Spuren von Harz, das mit in Lösung gegangen war, in den Weg. 
Um diesen Uebelstand zu beseitigen, fällte ich die Gerbstofflösung 
wit neutralem Bleiacetat, bis kein Niederschlag mehr entstand. 
Diese Niederschläge waren von brauner Farbe und wurden zurück- 
gestellt. Dem Filtrate dieser Fällungen gab ich nun tropfenweise 
eine 2 bis 3 prozentige Ammoniaklösung zu, bis zur Neutralisation. 
Dabei fiel das, durch die überschüssige Säure in Lösung gehaltene 
Bleisalz, als schön citronengelber Niederschlag aus. | 

Aus den durch neutrales Bleiacetat ausgefällten Niederschlägen 
habe ich durch wiederholtes Auflösen in Essigsäure und Fällen mit 
Ammoniak schliefslich auch das Harz vollständig entfernen können 
und so rein gelbe Niederschläge erhalten. 

Die so gewonnenen Bleiniederschläge wurden auf dem Filter 
solange mit Wasser nachgewaschen, bis die ablaufende Flüssigkeit 
alkalische Kupferlösung nicht mehr reduzierte, freier Zucker also 
nicht mehr vorhanden war. Durch Aufschlämmen wurden dieselben 
in Wasser suspendiert, durch Einleiten von Schwefelwasserstoff 
zersetzt, die Gerbstofflösung vom Schwefelblei abfiltriert, der 
Schwefelwasserstoff durch Erwärmen verjagt, und die Lösung ein- 


F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa. 89 


gedampft. Es trat dabei der Uebelstand auf, dafs der Gerbstoff 
sich, wahrscheinlich unter Zersetzung dunkler tärbte.e Um ein ana- 
lysenreines Präparat zu bekommen, strich ich die zur Sirupdicke 
eingedampfte Masse auf Glasplatten und liefs sie bei 60 bis 70° 
vollständig trocknen. Nach dem Abnehmen von den Glasplatten 
entzog ich mit Aether die darin löslichen Zersetzungsprodukte und 
trocknete über Schwefelsäure bis zur Gewichtskonstanz. 

Der so gewonnene Gerbstoff ist in dünnen Lagen von brauner, 
in diekeren Lagen von braunschwarzer Farbe. Zerrieben stellt er 
ein hellbraunes Pulver vor. 

Derselbe ist äufserst hygroskopisch und zersetzt sich bei 
längerem Stehen an der Luft. 

Sein Geschmack ist bitter, kratzend. Die wässrige Lösung des 
Gerbstoffes reagiert schwach sauer und giebt folgende Reaktionen: 

Leim- sowie Eiweilslösungen werden nicht gefällt. 

Ferrichlorid erzeugt in den verdünnten wässrigen Lösungen eine 
russisch-grüne Färbung. in konzentrierten einen dunklen Niederschlag, 
Das Filtrat davon giebt mit Ferrieyankalium starke Eisenoxydul- 
reaktion, es wird also ein Teil des Ferrichlorides zu Ferrosalz 
reduziert. 

Zusatz von Alkalien zur wässrigen Lösung ruft Dunkelfärbung hervor. 

Bleiacetat erzeugt amorphe, hochgelbe, in verdünnten, auch organi- 
sehen Säuren leicht lösliche Niederschläge. 

Quecksilberchlorid in salzsaurer Lösung wird nicht reduziert. 

Mit Kupfersulfat entsteht ein gelblich-grüner, mit neutraiem 
Kupferacetat ein grau-grüner Niederschlag. 

Fehling’sche Lösung wird beim Erwärmen reduziert. 

Kaliumbichromat erzeugt dunkelbrauns Färbung. 

Silbernitrat erzeugt in konzentrierten Lösungen einen gelblichen 
Niederschlag, beim Erwärmen tritt Reduktion unter Spiegelbildung ein. 

Ammoniakalische Silberlösung wird schon in der Kälte reduziert. 

Sämtliche Reaktionen, speziell noch die Nichtfällbarkeit durch 
Leim- und Eiweifslösung, sind die für die Kaffeegerbsäure bekannten, 
wie dies aus den Arbeiten von Rochleder!), Pfaff?), Payen?), Graham- 
Stinhoux und Campbell*), Hlasiwetz?) Kunz-Krause®) hervorgeht. 


1) Jahresber. 1547 und 1848 Pag. 525. 

2) Schweigger’s Journal f. prakt. Chemie B. 61 u. 62. 

3) Journal pharm. X. 266. Annal. Chim. et phys. 26. 108. 
4) Chemic. Soc. Quart. Journ. 9. a 

5) Annal. der Chem. u. Ph. 142. 

6,.Arch. d. Ph. 1893. Ilex ee 


% F. Koch: Ueber Serophularia nodosa. 


Bei der Elementaranalyse lieferte der über Schwefelsäure ge- 
trocknete Gerbstoff folgende Resultate: 

I. 0,3178 g Gerbstoff gaben 0,6257 g CO, und 0,1746 g H,O 

H. 0,2470 g 3 & 0,4872 g CO, und 0,1294 g H,O 
oder in Prozenten: 

1.0. = 53,89'Proz. 1.16 79 PIE 
1 e (Ei 116:82 5 

Als Mittel aus beiden Analysen ergiebt sich: C = 53,74 Proz. 
H = 6,02 Proz. 

Weiter wurden untersucht das Kupfer- und Bleisalz des Gerb- 
stoffes. 

Kupfersalz. 

Zur Bestimmung wurde der durch neutrales essigsaures Kupier 
entstandene Niederschlag über Schwefelsäure getrocknet und dann 
geglüht: 

0,1254 g lieferten 0,0172 g CuO = 10,97 Proz. 


Bleisalz. 


Zur Bleibestimmung wurde der reine Gerbstoff mit neutralem 
Bleiacetat gefällt, der Niederschlag über Schwefelsäure getrocknet, 
mit Schwefelsäure behandelt und das erhaltene Bleisulfat geglüht. 

0,1844 g des Salzes lieferten 0,0796 g PbSO, = 283,26 Proz. Pb. 

Zur Kontrolle wurde das bei der Verbrennung restierende PbO 
in HNO, gelöst, mit H, SO, unter Zugabe von Alkohol ausgetällt 
und nach dem Trocknen geglüht. 

0,2034 g des Salzes gaben 0,0867 g PbSO, = 28,40 Proz. PO. 

Die Elementaranalyse des Bleisalzes ergab folgendes Resultat: 

0,2034 g lieferten 0, 2504 g CO, und 0,0662 g H,O entsprechend 
C — 33,58 Proz., H = 3,61 Proz. 

Das erhaltene Bleisalz hatte also die folgende prozentische Zu- 
sammensetzung: 


23338 
H= 361 
26’ 28,33 
O = 34,48 


Spaltung der Kaffeegerbsäure. 


Zur Darstellung der im Gerbstoff enthaltenen reinen Säure 
wurde das zuerst von Hlasiwetz!) angegebene Verfahren verfolgt. 
20 g des Gerbstoffes wurden in einer Lösung von 20 g festem Aetz- 


1) Annal. d. Chem. u. Pharm. 142. 357, 


F. Koch: Ueber Scerophularia nodosa. 91 


kali in 50 g Wasser gelöst und diese Lösung im Kolben am Ritick- 
Aufskühler während einer Stunde im starken Sieden erhalten. Hierani 
wurde die dunkelgefärbte Flüssigkeit mit ebensoviel Wasser ver- 
dünnt, mit verdünnter Schwefelsäure übersättigt und dreimal mit 
Aether ausgeschüttet. Die ätherische Lösung wurde durch 
Destillation vom Aether befreit, der Destillationsrückstand in 
heiflsem Wasser gelöst, mit Kohle behandelt und der so gewonnenen 
wässerigen Lösung mit Aether die Säure entzogen. Die ätherische 
Lösung hinterliefs beim Verdunsten einen hellbraun gefärbten Rück- 
stand. Zur weiteren Reinigung wurde die wässerige Lösung mit 
neutralem Bleiacetat fraktioniert gefällt; die letzten, citronengelben, 
voluminösen Niederschläge wurden mit Schwetelwasserstoff zersetzt, 
vom Bleisulfid abfiltriert und die nach dem Verjagen des Schwefel- 
wasserstoffes und nochmaligem Behandeln mit Kohle erhaltene, 
schwach gelb gefärbte Lösung eingedampft. Aus dieser Lösuns 
schiefsen beim Erkalten hellgelbe Krystalle, zu Drusen vereinigt, 
an. Beim Trocknen färben sie sich allmählich etwas dunkler und 
zeigen schliefslich eine hellrehbraune Farbe. Dieselben sind schwer 
löslich in Wasser, leicht dagegen in Alkohol und Aether. Die 
Lösungen sind von saurer Reaktion. Die nachfo'genden, der Katree- 
säure charakteristischen Reaktionen zeigt die wässerige Lösung der 
Krystalle: 

Wasserstoffsuperoxyd bewirkt Aufheilung der wässerigen Lösung, 
nach einiger Zeit entsteht ein hellbrauner Niederschlag. Konzen- 
trierte Salpetersäure löst die Krystalle unter Entwickelung von sal- 
petriger Säure zu einer klaren, schön rotgelb gefärbten Flüssigkeit. 

Silberlösung wird bei gelindem Erwärmen unter Spiegelbildung 
reduziert. 


Fehling’sche Lösung wird nicht reduziert. Ferrichloridlösung 
erzeugt eine grasgrüne Färbung, die auf Zusatz von Natriumcarbonat 
in violett übergeht. 

Natronlauge bewirkt eine grüngelbe Färbung der Flüssigkeit. 

Bis zur Gewichtskonstanz über Schwefelsäure getrocknet ergab 
die Säure, im Sauerstofistrom verbrannt, folgende Werte: 


0,1278 g lieferten 0,2826 g CO, und 0,0570 g H,O oder in Prozenten 
u 60,30 Proz. H = 4,92 Proz. 


92 F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa. 


Berechnet für: C,H,0, Gefunden: 
C = 60,00 C = 60,30 
H= 444 Ba 


Hlasiwetz!) giebt für Kaffeegerbsäure die Formel C,; H,, 0, an 
und konstatierte, dals dieselbe laut dieser Zusammensetzung sich in 
Kaffeesäure und einen sirupförmigen Zucker von der Formel 0, H,o O4 
spalte. Ist dem so, so liefse sich dies nur dadu:ch erklären, dafs 
in der Kaffeegerbsäure nicht Glykose, sondern Glykosan, das erste 
Anhydrid der Glykose vorhanden wäre. Diese Zusammensetzung 
der Kaffeegerbsäure entspricht einem Prozentgehalt von 55,2 Proz. C. 
und 5,5 Proz. H. 

Ist aber, wie gelegentlich des aus dem Gerbstoife erhaltenen 
Zuckers noch erwähnt werden soll, der sich daraus abspaltende 
Zucker Dextrose, so würde der Kaffeegerbsäure die Formel C;; Hjg O3 
zukommen und dieselbe sich folgendermalsen in Dextrose und Kaffee- 
siure spalten - 

C, H, 0, — C,H, (OB, +H,0= 
0H,0, + 6GH,0(0H), 
Kaffeesäure Dextrose 0, H,O, 
Dieser Formel entspricht eine prozentische Zusammensetzung von 
G=-52341 Pro H- 534. 

Die von mir erhaltenen analytischen Werte liegen zwischen 
beiden in der Mitte. 

Dafs keine genaueren Zahlen erhalten wurden, ist einerseits bei 
der äufserst leichten Zersetzbarkeit des Gerbstoffes, andererseits bei 
dem Mangel jeglichen Kriteriums seiner Reinheit leicht verständlich. 

Hinsichtlich der Bleisalze glaubt Mulder,?) dafs die Salze 

(CC; H150 3) Pb und (C,; Hy, Og)z Pb, 
oder auch häufig Gemenge beider erhalten werden. „Die Nieder- 
schläge, sagt er, zeigen je nach ihrer Fällung verschiedene Zu- 
sammensetzung.“ 

Pohl?) hat Bleisalze erhalten mit 


3,4 810 und 15 Pb 
—_—— u un. m un 
auf I Mol. 3 Mol. 4 Mol. Kaffeegerbsäure, 


1) Beilstein, Org. Chemie III. Bd. 
2) Neues Handwörterbuch der Ch. v. Fehling II. Ausg. 
3) ibidem. 


F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa. 93 


‘ebenso mit Kupfer. Weder die einen noch die anderen zeigen 
konstante Zusammensetzung. 


Spaltung mit Salzsäure. 

Eine Lösung von 10 g Gerbstoff in 50 g Wasser wurden mit 
1 Proz. Salzsäure versetzt unä während 3 Stunden am Rückfluls- 
kühler auf dem Wasserbade zum Sieden erhitzt, sodann die erkaltete 
Lösung mit Aether so lange ausgeschüttelt, bis derselbe nichts mehr 
aufnahm. Nach dem Abdestillieren des Aethers hinterblieb eine 
schön gelbe, ölige Flüssigkeit, die, der freiwilligen Verdunstung über- 
lassen, zu haufenförmig zu Büscheln vereinigten Krystallnadeln erstarrte. 

Die wässerige Lösung dieser Krystalle gab mit Ferrichlorid 
eine intensiv grüne Färbung, die durch Natriumcarbonat in Violett 
und schliefslich in Rot übergeht. 

Aufserdem zeigt die Substanz mit Schwefelsäure verrieben, die 
von Tiemann und Will!) für Hesperetol als charakteristisch bezeich- 
nete karminrote Färbung. — Die Ausbeute war leider eine zu geringe, 
um eine Elementaranalyse anstellen zu können. 


Einwirkung von Brom auf Kaffeegerbsäure. 


Versetzt man wässrige Lösung des Gerbstoffes mit Bromwasser, 
so wird, wie zuerst Hlasiwetz beobachtete, zunächst Brom absorbiert, 
dann tritt Dunkelfärbung der Flüssigkeit ein, und schliefslich besteht 
ein amorpher hellrot-brauner Niederschlag. Das Filtrat reduziert 
Fehling'sche Lösung. 

Der Niederschlag wurde reichlicher beimErwärmen auf dem 
Wasserbade. Nach dem Erkalten wurde der Niederschlag abfiltriert, 
der Rückstand solange nachgewaschen, bis das abfliefsende Wasser 
nicht mehr sauer reagierte, dann über Schwefelsäure bis zur Gewichts- 
konstanz getrocknet. Das in Alkohol lösliche Bromderivat hinterbleibt 
dabei in Form einer hellrot-braunen, amorphen Masse, die ein rot- 
gelbes Pulver liefert. Die nach Carius ausgeführte Brombestimmung 
lieferte folgende Werte: 


0,2920 g über Schwefelsäure getrocknete Substanz gaben 0,1858 g 
AsBr = 27,22 Br. 


1) B.B. 14, 1, 953. 


94 F. Koch: Ueber Scerophularia nodosa, 


Diese sich einer Monobromkaffeesäure nähernde Zahl 
bestätigt die von Kunz Krause!) gemachte Beobachtung, dafs die 
Einwirkung von Brom auf Kaffeesäure nicht zu einer glatten Reak- 
tion führt, 

Im Filtrate vom Bromderivate war eine Fehling’sche Lösung 
reduzierende Substanz enthalten. Es wurde daher diese Lösung mit 
Ammoniak versetzt, bis sie nur mehr schwach sauer reagierte und 
dann auf dem Wasserbade eingedampft. In alkoholischer Lösung 
mit Kohle längere Zeit erhitzt, dann nach dem Filtrieren der frei- 
willigen Verdunstung überlassen, hinterblieb eine gelbliche Masse, 
die neben der Reduktion der Fehling’schen Lösung auch die Brunner- 
sche Gallensäure Reaktion, sowie die Naphtolreaktion der Glykose- 
gruppe zeigte. Nach Vorschrift E. Fischer’s wurde daraus ein gelbes 
(lykosazon erhalten, dessen Schmelzpunkt bei 204° lag. Das zweite 
Spaltungsprodukt des Gerbstotfes ist also ein zur Glykosegruppe 
gehöriger Zucker und zwar wie bereits oben?) erwähnt wurde wahr- 
scheinlich Dextrose. 


Einwirkung von salpetriger Säure. 

Nach einer Notiz bei Kolbe?) tritt beim Behandeln der Kaffee- 
serbsäure mit salpetriger Säure neben Oxalsäure viel Blausäure auf. 
Dieselbe Reaktion erhielt Kunz Krause®) mit Liebermann's Reagens. 
Es war daher interessant das Verhalten des von mir isolierten Gerb- 
stoffes in dieser Richtung zu konstatieren. Zu dem Zwecke wurde 
der Gerbstoff in wässriger Lösung unter sorgfältigem Kühlen mit 
Jiebermann’s Reagens versetzt. wobei unter Entwicklung von Unter- 
salpetersäure ein rotbrauner Niederschlag entstand. Nach einigen 
Tagen trat ein intensiver Geruch nach Benzaldehyd auf und wurde 
durch die Bläuung des eingeführten Kupfer-Guajakpapieres die 
Gegenwart von Blausäure konstatiert. 

Der Versuch durch Destillation die Blausäure ins Destillat über- 
zuführen milslang, da beim Erhitzen wahrscheinlich eine weiter- 
srehende Spaltung eingetreten war. Daher wiederholte ich den Ver- 
such. indem ich eine Lösung des Gerbstoffes-mit verdünnter Salpeter- 


1) Arch. d. Ph. 1893, Pag 637. 

2) Cfr. Pag. 92. 

3) Kolbe, Ausf. Lehrb. der org. Ch. 1578, Bd. III, p. 156. 
4, Arch. d. Ph. 1893, S. 638. 


F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa. 95 


säure destillierte.e Es gingen dabei reichliche Mengen Blausäure in 
das Destillat über. Nachgewiesen wurde dieselbe 

1. Durch Blaufärbung des Kupfer-Guayakpapieres; 

2. Durch Bildung von Berliner Blau; 

3. Durch Bildung von Rhodanwasserstotfsäure; 

4. Durch direktes Ausfällen mit Silbernitrat, Trocknen des ge- 
wonnenen ÖOyansilbers und Erhitzen im Probierrohr. Unter Hinter- 
lassung von metallischem Silber entwickelt sich dabei mit pfirsich- 
blütroter Flamme brennendes Uyangas. 


Aus dem Destillationsrückstand wurde durch Ausziehen mit 
Aether und Fällen mit Chlorcaleium Oxalsäure nachgewiesen. 


Wie bereits oben erwähnt, zersetzt sich der Gerbstoff mit der 
Zeit unter Dunkelfärbung. Ich glaubte einigen Aufschlufs über das 
Zersetzungsprodukt gewinnen zu müssen und zog daher solchen 
Gerbstoft, der längere Zeit an der Luft gestanden, mit Aether aus. 
Dabei erhielt ich jedoch nur eine geringe Menge einer gelben Masse, 
die mit Kaliumpermanganat in wässeriger Lösung geschüttelt, Benz- 
aldehydgeruch entwickelte, was auf das Vorhandensein von Zimmt- 
säure hinweist und ist dieselbe zweifellos durch Reduktion der 
Kaffeesäure, welche bekanntlich eine Dioxyzimmtsäure ist, entstanden 


C,H, < L C HB; 

CH OH 

OH OH 

COOH Co OH 
Kaffeesäure. Zimmtsäure. 


Wie aus der Analyse des in der Scrophularia enthaltenen Harzes 
hervorgeht findet sich die Zimmtsäure ir demselben. 


Es ist in der letzten Zeit häufig die Vermutung ausgesprochen 
worden, dafs die Harze in direkter Beziehung zu den Gerbstotten 
stehen. So hat besonders Tschirch darauf hingewiesen, dals die 
Harze wahrscheinlich aus den Gerbstoffen entstehen. Der Beweis 
für diese Hypothese wurde noch nicht erbracht. 

Das gleichzeitige Vorhandensein der Kaffeegerbsäure und der 
Zimmtsäure als Zersetzurgsprodukt des Harzes dürfte dieser Hypo- 
these zur Stütze dienen. 


96 F. Koch: Ueber Scrophularia nodosa. 


Untersuchung des wässerigen Auszuges. 

In dem wässerigen Auszuge konnte aulser Gerbstoff, Zucker, 
Spuren des Harzes und Pektinstoffen kein anderer Pflanzenstoff 
nachgewiesen werden. 

Da Eichler“) in einem wässerigen Absud der Pflanze Duleit ge- 
funden zu haben glaubte, behandelte ich 100 g des Auszuges nach 
der von ihm angegebenen Methode. Es gelang mir jedoch nicht 
nach Entfernung des Zuckers noch Duleit nachzuweisen. Da mir 
Kraut zur Bereitung eines frischen Absudes nicht zur Verfügung 
stand, muls ich diese Frage noch offen lassen. 


Untersuchung des ätherischen Auszuges. 


Da nach den Untersuchungsresultaten des alkoholischen Aus- 
zuges sich die Zimmtsäure teils frei vorgefunden hatte, so war voraus- 
zusehen, dafs sie sich auch im ätherischen Extrakt als solche vor- 
finden würde. Um dies zu konstatieren und, um gleichzeitig Rück- 
sicht auf etwa vorhandene flüchtige Substanzen zu nehmen, destillierte 
ich 100 g des ätherischen Auszuges im Dampfstrom. 


Das Destillat war farblos, von schwach saurer Reaktion. 


Zur Abscheidung der Säure wurde das Filtrat mit Natrium- 
bicarbonat neutralisiert und eingedampft. Mit heifsem Wasser auf- 
genommen krystallisierte das Salz daraus in Nadeln, die in Wasser 
und Alkohol leicht löslich waren. Dasselbe zeigte folgende Reak- 
tionen : 

1. Mit arseniger Säure erhitzt beobachtete ich Kakodylgeruch. 

2. Die alkoholische Lösung roch beim Erhitzen mit Schwefel- 
säure nach Fruchtäther. 

3. Beim Versetzen der wässerigen Lösung mit Säure trat starker 
Geruch nach Buttersäure auf. 

4. Dieselbe Lösung gab mit neutralem essigsaurem Kupfer einen 
krystallinischen Niederschlag. 

5. Basisches Bleiacetat erzeugt einen weifsen Niederschlag. 

6. Ebenso salpetersaures Silber. 

Die vorliegenden Krystalle waren demnach Natrium- 
butyrat. 


a\lCE. Pag! 80. 


F. Koch: Ueber Serophularia nodosa. 97 


Die im Kolben zurückbleibende Flüssigkeit wurde heils ab- 
filtriert, das Filtrat mit Kohle vollständig entfärbt und Erkalten 
lassen. Dabei schied sich eine reinweilse Krystallmasse aus, die 
die oben!) erwähnten Reaktionen der Zimmtsäure gab. 


Nachdem durch Destillation einer Probe des im Kolben befind- 
lichen Rückstandes mit Kalilauge die Abwesenheit von flüchtigen 
Basen konstatiert worden, behandelte ich den Rückstand in alko- 
holischer l.ösung mit Kohle. 

Es hinterblieb so nach dem Verdampfen des Alkohols eine hell- 
braune, in dickeren Schichten dunkelbraune, sauer reagierende, fett- 
artige Flüssigkeit. 

Mit Kalilauge behandelt und mit Salzsäure übersättigt schied 
sich eine krystallinische Substanz neben einer öligen ab. 

Die erstere wurde durch wiederholtes Auflösen und Um- 
krystallisieren aus Alkohol farblos erhalten und über Schwefelsäure 
getrocknet. 

Ihr Schmelzpunkt lag bei 62°. 

Die Elementaranalyse des Körpers ergab folgendes Resultat: 

0,1310 g Substanz gaben 0,3597 gCO;, und 0,1515 g Hs0, 
oder in Prozenten ausgedrückt: 

14,32 Proz. C und 12,54 Proz. H. 


Berechnet für C,g Ha O2: Gefunden: 
C 75,00 C 74,82 
H 12,50 H 12,84 


Vorliegende Substanz erwies sich somit ala Palmitinsäure. 

Die gleichzeitg abgeschiedene fettartige Masse war auch durch 
wiederholtes Behandeln mit Tierkohle nicht farblos zu erhalten. Bei 
gewöhnlicher Temperatur flüssig, erstarrte der Körper über frischem 
Wasser. Seine Reaktion war sauer. Die ammoniakalische Lösung 
gab mit salpetersaurem Silber einen gelblich weilsen Niederschlag, 
der nach dem Auswaschen und Trocknen über Schwefelsäure folgen- 
den Silbergehalt aufwies : 

0,3214 g Substanz gaben 0,0792 g Ag = 24,64 Proz. 

Bei der Verbrennung der reinen Substanz im Sauerstoffstrom 
erhielt ich folgendes Resultat: 

0,4002 g Substanz gaben 1,1199 g CO, und 0,4282 H,O. 


1) Cfr. Pag. 83. 
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 2. Heft. 7 


983 F. Koch: Ueber mitteleuropäische Galläpfel, 


Berechnet für C,, Hay O5: Gefunden: 
C.76,59 C 76,32 
H 12,05 H 11,8 


Vorliegende Substanz war also Oelsäure, was durch das Silber- 
salz bestätigt wird. 

Berechnet für C,; Ha; 02 Ag: Gefunden; 
Ag 25,19 Proz. Ag 24,64 Proz. 

Ich versuchte noch die Ueberführung in Elaidinsäure, indem ich 
die flüssige Säure mit Salpetersäure und Kupfer versetzte. Nach 
einiger Zeit erstarrte die Masse und nach dem Auflösen in Alkohol, 
krystallisierte die Elaidinsäure beim Verdunsten des Alkohols aus, 
die durch Bestimmung des Schmelzpunktes (450) als genügend iden- 
difiziert erachtet werden dürite. 

Wie oben angeführt, sind die Palmitin- und Oelsäure als Zer 
setzungsprodukte des in der Scrophularia enthaltenen Leeithins auf- 


zufassen. 


Zum Schlusse tasse ich die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit 
kurz zusammen: 

A. Galläptel. 

1. Der Tanningehalt der mitteleuropäischen Galläpfel ist ca. 
16 Proz. 

2. Wiührend der Zuckergehalt sich um das 2!/,fache vermehrt, 
bleibt der Gerbstoffgehalt vor der Reife und beierlangter Reife derselbe. 

3. Der in den Galläpfeln enthaltene Zucker ist krystallisierbar 
und Dextrose. 

4. Ellagsäure findet sich nicht präformiert. 

5. Tannin und Gallussäure zeigen ebenfalls den Uebergang der 
durch Eisenchlorid erzeugten Färbung in Violett und Rot. 


6. Aufser den normalen bis jetzt bekannten Bestandteilen, ent- 
halten die Galläpfel noch einen harzartigen Körper, das Gallocerin 
EEE RER 

a) Derselbe liefert amorphe, bromierte Derivate. 

b) Acetylierungs- sowie Benzoylierungsversuche verliefen negativ; 
ebenso die Darstellung des Aethyläthers. 

c) Er verhält sich indifferent gegen Salpetersäure und Hydroxylamin. 

d) Durch Jodwasserstoff scheint heftige Einwirkung stattzufinden. 


F. Koch. Ueber Scrophularia nodosa. 93 


B. Scerophularia nodosa. 

Das ätherische Extrakt enthält: 

1. Leeithin : als Bestandteile desselben nachgewiesen : 
Palmitinsäure Cjg Ha5 O3 


Oelsäure Cs Hai 

Phosphorsäure H, PO, 

Cholin CH; OH 
CH IN 


2. Freie Zimmtsäure (C,H; O,. 

3. Buttersäure C,H; O,.. 

Das alkoholische Extrakt enthält: 

1. Kaffeegerbsäure, die sich in Kaffeesäure einerseits und Zucker, 
wahrscheinlich Dextrose, spalten läfst. 

2. Der in der Scrophularia vorkommende Zucker, bis jetzt noch 
nicht krystallisiert erhalten, ist höchst wahrscheinlich Dextrose. 

3. Ein Harz, aus dem sich Zimmtsäure abspalten läfst. 

4. Das Walz’sche Scrophularin existiert nicht. 

5. Das Walz’sche Scrophularosmin ist Palmitinsäure. 

6. Das Walz’sche durch Bleifällung aus der Scrophularia 
aquatica isolierte Scrophularacrin dürfte Zimmtsäure sein. 

Vorliegende Arbeit dürfte in zweierlei Hinsicht ein weiteres, 
allgemeines Interesse in Anspruch nehmen. 

Erstens ist es von Bedeutung, dafs es mir gelungen ist, in einer 
Pflanze, wie der Scrophularia nodosa, die im mitteleuropäischen 
Klima vegetiert, Substanzen nachgewiesen zu haben, die eben bis 
jetzt nur in tropischen Gewächsen aufgefunden worden sind. Ich 
erinnere dabei an die Zimmtsäure, die bis jetzt nur in der Benzoe, 
im Tolu- und Perubalsam nachgewiesen, sowie an die Kaffeesäure, 
die bis jetzt blos als Spaltungsprodukt aus dem im Thee, Kaffee 
und Mate befindlichen, eisengrünendem Gerbstoffe isoliert worden war. 

Zweitens war ich mit dem Studium des Gallocerins wieder einem 
Körper näher getreten, dessen Kenntnis aus verhältnismäfsig alter 
Zeit datiert. 

Ist es mir auch nicht gelungen, seine Konstitution völlig klar 
zu legen, so hoffe ich doch, dafs mir im weiteren Verlaufe der 
Arbeit über diesen Körper erfolgreichere Resultate nicht werden 
vorenthalten sein. 


100 Dr. Carl Boettinger: Ueber Giyoxylsäure. 


Zur Kenntnis der Glyoxylsäure. 
II. Abteilung. 
Von Dr. Carl Boettinger. 


Glyoxylsäure und Paratoluidin. 
(Eingegangen, den 2. II. 1895.) 

Es sind nun nahezu achtzehn Jahre verflossen, seit ich die 
Selbstzersetzung der Anilbrenztraubensäure und der Anilglyoxylsäure 
beim Aufbewahren beobachtete. Diese Substanzen verwandelten 
sich im Laufe der Zeit in zusammengefrittete, stark riechende, 
dunkelgefärbte Massen. 

Das von der Brenztraubensäure stammende Produkt zeigte sich 
stark durchsetzt mit intensiv rotgelb gefärbten dreieckigen Blättchen, 
welche mechanisch ausgelesen werden mufsten, da sie sieh nicht 
anders isolieren liefsen. Auch der Glyoxylsäurekörper lieferte eine 
intensiv rotgelb gefärbte krystallisierte Substanz, jedoch in viel 
kleinerer Menge. Ich vermutete, dafs diese Krystalle in Beziehung 
stehen möchten zum Isatin und prüfte sie demgemäfls, erhielt aber die 
Indopheninreaktion nicht, weil ich krystallisiertes Benzol in dem Versuch 
verwendete. An eine Analyse war bei der geringen Menge der 
Krystalle nicht zu denken. Versuche, sie direkt aus der Brenz- 
traubensäure resp. Glyoxylsäure zu erhalten, hatten keinen Erfolg 
(Berichte d. d. chem. Ges. 1883, 1924). Meine Auffassung erhielt 
eine Stütze durch die Beobachtung von P. J. Meyer. Derselbe 
zeigte, dafs die Dichloressigsäure mit Paratoluidin in ganz einzig 
dastehender Weise unter Wasserstoffabspaltung ziemlich glatt zu 
einem substituierten Isatin, dem p- Toluyl - p - methylimesatin, 
Cs Hıı NO zusammentritt (Berichte d. d. chem. Ges. 1883, 926 und 
2261) und C. Duisberg fand später (Berichte d. d chem, Ges. 
1885, 190), dafs dieser Körper vermöge der oxydierenden Wirkung 
des Luftsauerstoffs aus dem p-Toluylamido-p-methyloxindol C;; Hj; NO 
hervorgeht. Die beiden Forscher vermochten weder eine p-Diamido- 
essigsäure, welche beim Orthotoluidin das Ende der Reaktion dar- 
stellt, noch Dichloracet-p toluid zu erhalten und haben ihre Beob- 
achtungen auch nicht auf die Glyoxylsäure ausgedehnt. Ich habe 
diese Lücke auszufüllen gesucht und Glyoxyl»säure mit Paratoluidin 


Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure. 101 


zur Reaktion gebracht und gefunden, dafs diese Körper unter nach- 
verzeichneten Versuchsbedingungen im wesentlichen zu Paratoluidin- 
essigsäureparatoluid zusammentreten. In viel kleinerer Menge ent- 
steht Paratoluidinessigsäure und in sehr kleiner Menge p-Toluyl- 
p-methylimesatin, sowie eine Substanz, welche aus Alkohol in kleinen 
farblosen Nädelchen krystallisiert, sich mit vorübergehend blutroter 
Farbe in alkoholischem Kali löst, welche aber so zersetzlich ist, dafs 
ich sie nicht genauer zu definieren vermochte, endlich ein gelber 
verschmierter Körper. Nach meinen Erfahrungen ist es mir zur un- 
umstöfslichen Gewilsheit geworden, dafs die Eingangs dieses Ar- 
tikels erwähnten Substanzen dem p-Toluyl-p-methylimesatin nahe 
verwandt sind und es scheint nicht unwahrscheinlich zu sein, dafs 
der natürliche Indigo ein Derivat der Glyoxylsäure ist. 


Werden gleiche Gewichtsmengen Paratoluidin und Glyoxylsäure 
vom spez. Gew. 1,32 in einem Reagiercylinder zusammengebracht, 
so schmilzt die Base alsbald zu einer dicken Masse zusammen, 
welche von Wasser überdeckt ist. Erwärmt man im Wasserbade, 
so färbt sich die Masse grün und sie steigt dann unter so starker 
Gasentwicklung nach oben, dafs zwei Gramm der Mischung einen 
geräumigen Reagiercylinder ausfüllen. Nach längerem Erwärmen 
macht der grüne Farbenton einer rotbraunen Farbe Platz, die Masse 
fällt in sich zusammen und bildet schliefslich eine dicke Flüssigkeit, 
welche beim Abkühlen zu einem rotbraunen, in absolutem Alkohol 
leicht löslichen Harz erstarrt. Da die Reaktion in dem Verfahren 
zu energisch verläuft, operierte ich mit verdünnten Lösungen bei 
gewöhnlicher Temperatur. 

16 & reines Paratoluidin wurden in 120 ccm absoluten Alkohols 
gelöst, die Lösung mit 80 ccm Asther verdünnt und in die Mischung 
unter Umrühren mit einer Bürette 12ccm Glyoxylsäure vom spez. Gew. 
1.32 allmählich eingetragen. Die Fiüssigkeit bleibt zunächst farb- 
los, wird aber schon nach kurzem Stehen rot und scheidet sehr kleine 
Mengen oxalsauren Paratoluidins aus. Dasselbe dürfte von der Spur 
Oxalsäure abstammen, welche in meiner Glyoxylsäure enthalten war. 
Die über Nacht gestandene, dunkelrot gewordene Flüssigkeit wurde 
danach auf dem Wasserbade verdampft und nach dem Abtreiben 
des Aethers und eines Teils des Alkohols mit Wasser versetzt, wo- 
durch ein gelb gefärbter Teig abgeschieden wurde. Durch an- 


102 Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäura. 


haltendes Digerieren mit kaltem Wasser verwandelte sich derselbe 
in ein Pulver, welches abfiltriert und mit Wasser ausgewaschen, hierauf 
mit Ammoniak übergossen wurde. Hierdurch verwandelt sich das 
Pulver wieder in eine teigige Masse, welche deshalb auf mechanischem 
Wege gründlich mit Ammoniak und dann mit Wasser durchgearbeitet 
werden mulste. Ungelöst blieb p-Toluidinessigsäureparatoluid, ver- 
unreinigt mit Paratoluidin und dem farblosen kleinkrystallinischen 
Körper, sowie einer gelben verschmierten Substanz, welche mit Aether 
extrahiert wurden; es lösten sich auf p-Toluidinessigsäure und 
p-Toluyl-p-methylimesatin, welche mittelst Aether voneinander ge- 
trennt wurden. Die letzterwähnte Substanz ist zwar im reinen Zu- 
stand in wässrigem Ammoniak unlöslich und sollte demzufolge dem 
p-Toluidinessigsäureparatoluid beigemengt sein. Sie liels sich aber 
nur aus dem erwähnten Auszug isolieren und zwar unter Benutzung 
des eben erwähnten Verhaltens gegen wässriges Ammoniak. 


p-Toluidinessigsäureparatolud HE=N — C,H, p. 
| 
(6/6) NH . C, H, P- 


Diese mit dem p-Toluylamidoparamethyloxindol isomere Substanz 
wird gereinigt durch Lösen in Benzol, Abtreiben desselben, Auf- 
nehmen des Rückstands in absolutem Alkohol und Fällen durch 
kaltes Wasser. Die Temperatur soll hierbei 60° nicht überschreiten. Der 
Körper bildet ein hellrötliches, in Ammoniak und verdünnter Natron- 
lauge unlösliches Pulver, welches unter Abspaltung von Paratoluidin 
löslich ist in kalter konzentrierter Schwefelsäure. Beim Erwärmen 
mit Ammoniak spaltet er langsam Paratoluidin ab, ebenso wenn auch 
schwieriger beim Erwärmen mit Wasser und giebt dabei eine Lösung, 
welche mit Salzsäure einen in Benzol unlöslichen Niederschlag liefert. 
Das Toluid löst sich sehr leicht in Alkohol und Benzol. Diese 
Lösungsmittel hinterlassen dasselbe beim Verdunsten in der Form 
eines durchsichtigen rotbraunen spröden Harzes, welches schon unter 
1000 schmilzt und dabei widerlich fäkalen Geruch verbreitet. Beim 
Erhitzen in einer Retorte zersetzt sich die Substanz. — Zunächst 
geht ein intensiv nach Isonitril riechender Körper, dann Paratoluidin 
und p-Toluidinharnstoff über, während eine kohlige Materie in der 
Retorte hinterbleibt. Durch Behandeln des Destillats mit Aether 
isoliert man den darin fast unlöslichen p-Toluidinharnstoff. Das 


Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure. 103 


Paratoluidin läfst sich aus der ätherischen Lösung ebenso leicht mit 
Oxalsäure wie mit Salzsäure entfernen. Dagegen konnte der intensiv 
nach Isonitril riechende Körper nicht genauer charakterisiert werden, 
wie sich denn auch die Beimengung eines Indols mittelst Pikrin- 
säure*) nicht feststellen liefs. Besser wie durch Umkrystallisieren aus 
kochendem absolutem Alkohol reinigt man den in Wasser und Natron- 
lauge unlöslichen Paratoluidinharnstoff durch Sublimieren. Man ge- 
winnt ihn dabei in der Form lebhaft irisierender Nadeln, welche bei 
261° schmelzen. Bekanntlich habe ich das niedere Homologe, das 
Carbanilid, unter den Destillationsprodukten des rohen anilglyoxyl- 
sauren Anilins, welchem Anilid beigemischt gewesen sein mag, auf- 
gefunden. (Liebig’s Annalen 198, 226.) 

Zur Analyse wurde das p-Toluidinessigsäureparatoluid im 
exsiccatortrocknen Zustand angewendet. 

0,2287 g Substanz lieferten 0,6377 g CO, und 0,1347 g H,O. 


Barechnet: Gefunden: 
CH N,0 
C = 76,19 Proz. C = 76,05 Proz. 
Ee—706.35 ar 16:94 x 
p-Toluidinessigsäure= HC = N.C,H,p und 
| 
COOH 


CH; p 
| 
p-Toluyl-p-methylimesatin = C,H,N = C—-(,H; 


CO-NH 

Die p-Toluidinoessigsäure ist in Aether und Benzol fast ganz 
unlöslich. Sie löst sich sehr schwer in Wasser, leicht in Ammoniak 
und verdünnten Alkalien. Aus ihrer Lösung in Schwefelsäure von 
1,84 spez. Gew. wird sie von Wasser in hellgelben Flocken nieder- 
geschlagen. In rauchender Schwefelsäure löst sie sich unter tief- 
greifender Veränderung mit brauner Farbe; Wasserzusatz bewirkt 
keine Fällung mehr. Sie löst sich leicht in absolutem Alkohol und 
wird aus dieser Lösung durch Weasserzusatz als nahezu weilses 
Krystallpulver niedergeschlagen, welches bei 193° unter starkem 
Aufblähen eine rotgelbe Schmelze bildet. Die p-Toluidinoessigsäure 
schmeckt ähnlich wie Chinin. Bei längerem Erhitzen auf 100° ver- 


*) Dieselbe lieferte ein sehr leicht lösliches Product. 


104 Dr. P. Zenetti: Ueber Hesperidin. 


liert die exsiccatortrockne Substanz 5,29 Proz. Wasser, färbt sich 
dabei stark gelb und büfst die Löslichkeit in wässrigem Ammoniak 
ein. Die Analyse der exsiccatortrocknen Säure, welche isomer mit 
der Anilbrenztraubensäure ist, ergab folgendes Resultat: 

0,2207 g Substanz lieferten 0,536 g CO, und 0,1185 H,O. 


Berechnet: Gefunden: 
C,H, NO, 
C = 66,25 Proz. C=—66,23 Proz. 
Ed H= 59 / 


Das p-Toluyl-p-methylimesatin wurde aus heifsem Alkohol um- 
krystallisiert. Es löst sich schwer in Benzol. Es krystallisiert in 
goldgelben bei 259° schmelzenden Blättchen, welche sich in kon- 
zentrierter Salzsäure mit tief brauner Farba auflösen. Die Farbe 
dieser Lösung verblafst bald; sie erstarrt nach längerem Stehen zu 
einer hochrotgetärbten Krystallmasse, aus welcher p - Methylisatin 
leicht isoliert werden konnte. 

Darmstadt, 1. Februar 1895. 


Chemisch-Techn. Laboratorium (Privat). 


Mitteilungen aus dem pharmaceutischen Institute 
der Universität Strassburg. 


Das Vorkommen von Hesperidin in Folia Bucco 
und seine Krystalliormen. 
Von Dr. P. Zenetti. 


(Eingeg. 25. 1. 95.) 


Im vorigen Jahre brachte L. Braemer in der Association fran- 
caise pour l’avancement des sciences, Congres de Besangon, eine 
Mitteilung über „les reactions histochimiques de l’'Hesperidine“. In- 
dem er das Verhalten dieses Körpers zu den verschiedensten Rea- 
gentien schildert, beschränkt er sich bezüglich der botanischen Seite 
auf die Litteraturangabe und die eigene Untersuchung der Epidermis 
von Folia Buceo; letzteres jedoch nur insofern, als er an abgezogenen 
Epidermisstücken mit und ohne Zuhilfenahme chemischer Agentien 


Dr. P. Zenetti. Ueber Hesperidin. 105 


die Hesperidinkrystalle beobachtete. Besonders gab ihm 50 prozent. 
Alkohol, dem 5 Proz. Schwefelsäure zugesetzt waren, schöne, farnblatt- 
ähnliche Krystalle. Die anatomischen Verhältnisse der Buccoblätter 
sind von ihm nicht weiter untersucht worden. Dies war schon früher 
in einer Arbeit Flückiger’s „Ueber die Bukublätter* in der Schweizer 
Wochenschrift für Pharmacie 1873, p. 435 seq, allerdings wenig de- 
tailliert, geschehen; ausführlicher von Shimoyama in „Beiträge zur 
Kenntnis der Bukublätter“ in Archiv 1888, 26. Bd. p. 64 seq., welch’ 
letzterer zum Studium der schleimgebenden Schicht auch frisches 
Material des im Stralsburger botanischen Garten gehaltenen Diosma 
alba benutzte. 

Noch unabhängig von dieser letzten Arbeit hatte auch ich frische 
Blätter von Diosma alba zum Vergleich herangezogen; die hier und 
bei der sich daran anschliefsenden Untersuchung trockener Blätter 
von Diosma betulina und crenata des Handels gewonnenen Resultate 
schienen mir hinreichend interessant, um das Folgende als Ergänzung 
der obenstehenden Arbeiten mitzuteilen. 

Auf den ersten Blick scheint es fast, als ob die Vornahme der 
kleinen, nadelförmigen Blättchen von Diosma alba als Vergleichungs- 
objekt für die Buccoblätter nicht einwandsfrei sei. Doch liegt die 
Verschiedenheit hauptsächlich nur in der äufseren Form, während 
der anatomische Bau gröfste Uebereinstimmung aufweist. 


Der @xerschnitt des Blattes von Diosma alba zeigt in der Me- 
diane ein Gefäfsbündel der gewöhnlichen Art (Fig. 1), einen Holzteil 
mit in radialen Reihen stehenden Elementen, darunter einen Siebteil, 
beides von nicht sehr deutlichen Markstrahlen durchzogen; es folgt 
ein halbmondförmiger Sklerenchymbelag auf der Unterseite, ein 
kleinerer auf der Oberseite; eine einschichtige Parenchymscheide 
umschliefst das Ganze. 

Das Grundgewebe des Blattes besteht aus Pallisaden- und 
Schwammgewebe, in welch’ letzterem grofse, kugelige Oelräume ein- 
gebettet liegen. Das Pallisadengewebe, welches als ununterbrochene 
Schicht die ganze Oberseite überzieht, ist auch auf der Unterseite 
vorhanden und hier nur da unterbrochen, wo das Schwammparenchym 
in direkter Verbindung mit den Spaltöffnungen steht; auch unterhalb 
der Oelräume ist es auf eine kurze Strecke verdrängt. Es besteht 
aus einer einzigen Zellschicht, ist aber ober- und unterhalb 


106 Dr. P. Zenetti: Ueber Hesperidin. 


des Gefäfsbündels mehrschichtig und füllt hier den ganzen Raum 
zwischen den Epidermen und dem Bündel aus. Ein Collemchym- 
gewebe, wie es an dieser Stelle so allgemein in den Blättern vor- 
kommt, fehlt hier also. Die isodiametrischen Zellen der im übrigen 
Teile des Blattes auf die Pallisaden zunächst folgenden Schicht 
schliefsen auch eng aneinander und enthalten Oxalatdrusen. Letzteres 
gilt auch für das Gewebe in der Umgebung des Gefälsbündels. 


Das Schwammparenchym ist in seiner oberen Hälfte von häufigen 
Bündelzweigen durchzogen, welch’ letztere Elemente sämtlicher 
Teile des Hauptstranges enthalten und ebenso wie dort von einer 
(auf Längsschnitten deutlicher hervortretenden) Parenchymscheide 
umgeben werden. In diesem Schwammparenchym liegen, wie schon 
erwähnt, mächtige Oelräume von kugeliger Gestalt, eingefalst von 
einer Schicht seitlich gestreckter Sekretionszellen. An der Peripherie 
einer solchen Oelkugel kann man mitunter schöne, strahlige Krystalle 
erblicken. 

Die das Blattgewebe nach aufsen abschlielsende Epidermis ist 
es nun aber, die uns hier am meisten interessiert. An Stelle einer 
einfachen, einschichtigen Haut finden wir zwei Zelllagen, deren Ele- 
mente genau radial voreinander liegen und dadurch ihren Ursprung 
aus derselben Mutterschicht dokumentieren. Dieser letztere Umstand 
berechtigt uns, auch die innere der beiden Schichten als zur Epidermis 
gehörig zu bezeichnen. Während nun die tangentiale Ausdehnung 
der voreinander stehenden Zellen der beiden Epidermisschichten 
genau übereinstimmt, ist in ihrer radialen Dimension ein grolser 
Unterschied. Die Zellen der äufseren Schicht sind flach und werden 
von denen der inneren um das 3—5fache überragt. Beiderlei Ele- 
mente besitzen, unter Wasser betrachtet, eine dünne, farblose 
Membran und einen gleichfalls farblosen Inhalt. Sie schliefsen eng 
aneinander; nur an der Blattunterseite, in Verbindung mit dem 
Schwammparenchym, stehen Spaltöffnungen. Hauptsächlich an dieser 
Stelle ist auch die Zweiteilung der Epidermis unterblieben; des- 
gleichen finden wir auch ober- und unterhalb des Bündels und unter- 
halb der Oelräume häufig ungeteilte Epidermiszellen. Die Cuticula 
ist an der Oberseite rechts und links ausgebildet, der Mittellinie am 
schwächsten, an allen übrigen Stellen dringen ziemlich stark, cutisierte 
Leisten zwischen die Epidermiszellen nach innen und auch nach 


Dr. P. Zenetti: Ueber Hesperidin. 107 


aulsen ragen ebensolche hervor. Oberhalb des Gefälsbündels endigen 
zahlreiche Zellen in ein kurzes, mit Höckerchen besetztes, einseitig 
gekrümmtes Haar; diese Zellen sind dann schmäler als die übrigen 
und bleiben gleichfalls ungeteilt. Sonst finden wir nirgends Haare, 
ausgenommen am Blattrande, wo die Endzellen in ähnliche Dorn- 
fortsätze auslaufen. 

Bringt man nun die Querschnitte in Quellung bewirkende 
Flüssigkeiten (Chloralhydratlösung, Glycerin), so wird die äufsere 
Epidermisschicht der oberen Blattseite zu beiden Seiten der Mediane 
fast in der ganzen Breite abgehoben (Fig. 1); nur über dem Gefäls- 
bündel bleibt der Zusammenhang erhalten. Die äulseren Epidermis- 
zellen bleiben dabei unversehrt, während die Längswände der inneren 
reilsen, so zwar, dals die stehen bleibenden Partien sich etwas ge- 
tältelt zusammenziehen. Der ganze so entstehende Zwischenraum 
zwischen den auseinanderweichenden Epidermisschichten ist mit 
gelblich weilsem Schleime erfüllt. In allen übrigen Teilen bleibt 
der Zusammenhang bestehen. 

Diese am frischen Material von Diosma alba ohne besondere 
Schwierigkeit gewonnenen Resultate kehren nun in den wesentlichen 
Punkten in den Buccoblättern von Diosma betulina und crenata der 
Handelsware wieder — wenn wir absehen von der sgrölseren 
Flächenausdehnung der Blätter, der stärkeren Ausbildung des Gefäls- 
bündelnetzes, dem Vorhandensein eines Collenchymgewebes in der 
Umgebung der Gefälsbündel —, so dafs es nicht nötig ist, bier anf 
die anatomischen Verhältnisse noch näher einzugehen. 

Aber es drängt sich bei der Untersuchung der getrockneten 
Handelsware eine neue Erscheinung auf, nämlich das massenhafte 
Auftreten von Hesperidin, was bei gleicher Behandlungsweise der 
{rischen Blätter von Diosma alba nicht zu erreichen war. 


Ehenso wie bei letzterer Art findet in den Buccoblättern beim 
Einlegen der Querschnitte in irgend eine Flüssigkeit Quellung und 
Loslösung der äufseren Epidermisschicht von der inneren statt, und 
zwar in demselben Umfange wie dort, nämlich rechts und links der 
Mittelrippe bis an den Rand, wobei auch vor den Seitennerven mit- 
unter der Zusammenhang erhalten bleibt. Und nun zeigt sich, dafs 
der ganze Raum zwischen den beiden getrennten Epidermisschichten, 
den gelblich-weilser Schleim erfüllt, mit Hesperidin von undeutlich 


108 Dr. P. Zenetti: Ueber Hesperidin. 


krystallinischer Struktur durchsetzt wird (Vergl. die schematische 
Fig. 2). Wir treffen bäumchen- oder strauchähnliche Formen, jedoch 
meist klumpig geballt, häufig so langgestreckt, dafs sie die ganze 
Höhe des Zwischenraumes erreichen. In Schnitten, in welchen sich 
aber die äulsere Hautschicht minder weit von der inneren entfernt 
hat, da treffen wir wiederum ein anderes Aussehen des Hesperidins 
(Fig. 3). Mitunter von der an die Pallisaden angrenzenden Quer- 
wand der Schleimzellen aus, häufiger aber von der gegenüberliegen- 
den, mit der äufseren Schicht sich ablösenden Wand ragen farnblatt-, 
fächerähnliche Gebilde in den Schleim hinein. Immer sind diese 
Hesperidinmassen von gelbbrauner Farbe. 

Aber auch die Zellen der äufseren Epidermisschicht sind mit 
Hesperidin erfüllt. Der flachen, gedrückten Gestalt dieser Zellen 
entsprechend sind es hier Sphärokrystalle, und seltsam, sowohl der 
Krystall in der äufseren, wie der in dem mitabgehobenen Teile der 
inneren Epidermiszelle sitzt in seiner Zelle an dem gleichen Platze 
und entspricht auch im Gröfsenverhältnis etwas seinem Gegenüber, 
wie Fig. 3 veranschaulicht. 

Es ist klar, dais sich diese Sphärokrystalle der äufseren Epi- 
dermisschicht besser im Flächenbild an Epidermisstücken studieren 
lassen, die man, gleichgiltig ob von der oberen oder unteren Seite 
eingelegter Blätter mittels Nadel und Pincette mit Leichtigkeit ab- 
zieht. Da liegt nun in jeder Zelle Hesperidin, in einem Falle (Fig. &) 
als dichte, gerundete Platten, von denen wieder mehrere sich zu 
einer grölseren vereinigen können, wobei häufig die Umrisse der 
einzelnen Teilkrystalle noch recht deutlich erkannt werden. In 
anderen Fällen unterscheiden wir an diesen Sphärokrystallen einen 
dichten, von radialen Klüften durchsetzten Kern, der von einem 
minder dichten Strahlenkranze umgeben ist. Und wieder einmal 
(Fig. 5) besitzen sie schön blätteriges, gezacktes Gefüge, oft über 
die ganze Fläche des Zellenraumes sich ausdehnend, während in 
anderen Zellen dasselbe Hesperidin zu dichten Klümpchen und 
knollenförmigen Gebilden geballt erscheint. 

Diese farnblattähnlichen Hesperidinkrystalle erhält man wohl 
am sichersten nach der von Braemer (s. oben) angegebenen Methode 
durch vorheriges Einlegen der Epidermisstücke oder der ganzen 
Blätter in schwefelsäurehaltigen, verdünnten Alkohol. Indes mufs 


Dr. P. Zenetti: Ueber Hesperidin. 109 


ich hervorheben, dafs man das Hervorrufen einer bestimmten Krystall- 
form hier nicht ganz sicher in der Hand hat. Ich habe nach dieser 
Braemer'schen Vorschrift mitunter auch dichtere Sphärokrystalle 
von der Form Fig. 4 erhalten, während umgekehrt schon beim Ein- 
legen in Wasser, Chloralhydratlösung oder Glycerin auch tarnblatt- 
ähnliche oder Zwischenformen erschienen, in manchen Fällen sogar 
alle diese Fälle in einem und demselben Präparate nebeneinander 
vorkamen. 

Wir sahen somit im Vorstehenden schon eine Reihe von unter- 
schiedlichen Krystallgebilden. Die Mannigfaltigkeit dieser Formen 
wird indes noch sehr bereichert, wenn man anstatt der Rohdroge 
das rein gewonnene Hesperidin selbst in Untersuchung zieht. 


In den gewöhnlichen Lösungsmitteln unlöslich, ist reines 
Hesperidin mit gelber Farbe leicht löslich in Wasser, dem wenig 
Natronlauge zugefügt ist. Aus dieser alkalischen Flüssigkeit ist es 
wieder durch irgend eine Säure abzuscheiden. Es bildet sich hierbei 
zuerst ein gelbliches Häutchen an der Oberfläche der Flüssigkeit. 
Unter dem Mikroskop betrachtet — vergl. im Folgenden Fig. 6 — 
erscheint dieses Häutchen zusammengesetzt aus einer Unzahl zu- 
sammenhängender, schöner Sphärokrystalle mit einem dichten, hell- 
glänzenden Kern von gelber Farbe und einer mehr oder minder 
dichten Umhüllung zarter, spitzer Nadeln. Nach und nach trübt sich die 
Flüssigkeit und es fällt das übrige Hesperidin als hellgelber, 
pulveriger Satz zu Boden. Dieser Niederschlag zeigt uns die ver- 
schiedensten Formen meist vereinzelter Krystalle. Betrachten wir 
hierzu Fig. 6. Wir finden ganz dünne oder dickere Garben ge- 
kreuzter Nadeln; diese Garben liegen wiederum zu zweien oder 
dreien bald zu einem noch deutlichen, gleicharmigen Kreuz zusammen, 
bald verwischt sich dieser letztere Charakter fast völlig, so dafs nur 
noch mehr oder minder scharf markierte Radien in dem nun fast 
kreisscheibenförmigen Gebilde den Zusammenhang mit der vorigen 
Modifikation dokumentieren. Wenn bei solchen Formen immerhin 
die Zusammensetzung aus einzelnen Nadeln noch recht deutlich er- 
kannt werden kann, so geht schliefslich mit steigender Dichtigkeit 
auch dieses Moment verloren, zuerst bei Garbenkreuzen, die bei 
dichtem, massigem Centrum noch einen Strahlenkranz von Nadel- 
spitzchen besitzen; schliefslich fällt auch dies noch fort uud wir 


110 Dr. P. Zenetti: Ueber Hesperidin. 


finden näpfchenförmige, in der Mitte etwas eingesenkte Scheiben 
von grölster Dichtigkeit und stark glänzender, gelber Farbe, wobei 
wieder Formen auftreten, bei denen zwei, drei Kreisscheibchen mit 
scharfen Kanten zusammenlagern. Damit wären wir aber bei Er- 
scheinungsformen angelangt, die mit den geschilderten Vorkomm- 
nissen in der Epidermis der Buccoblätter (Fig. 4) grolse Ueberein- 
stimmung zeigen. 


Aber auch hier möchte ich wieder hervorheben, dals es nicht 
möglich war, durch gewisse Reagentien oder Manipulationen die eine 
oder die andere Krystallform zu erzielen. Zumeist kann man in 
einem und demselben Bodensatze alle die beschriebenen Ge- 
staltungen oder doch mehrere davon zusammen vorfinden. 


Erläuterungen zu den Abbildungen. 


Fig. 1. Querschnitt eines frischen Blattes von Diosma alba nach 
dem Einlegen in Glycerin. Die Epidermis der Oberseite ist durch 
Quellung des Schleimes und Sprengung der Längswände der schleim- 
gebenden Schicht auseinandergewichen. 


Fig. 2. Schematische Abbildung des Querschnittes eines trockenen 
Blattes von Diosma crenata nach dem Einlegen in Glycerin. Zwischen 
den durch Quellung getrennten Epidermisschichten der Oberseite ist 
der Schleim mit ausgeschiedenem Hesperidin durchsetzt. 


Fig. 3. Teil der Epidermis eines trockenen Blattes von Diosma 
hetulina nach dem Einlegen in Chloralhydratlösung. Die äuflsere 
Epidermisschicht ist weniger weit abgehoben wie in Fig. 2. Ihre 
Zellen enthalten je einen Sphärokrystall von Hesperidin, dem ein 
fächerförmiger in der entsprechenden verquollenen inneren Epidermis- 
zelle korrespondiert. 


Fig. 4 Stück der abgezogenen äulseren Epidermisschicht von 
Diosma betulina in Wasser. 


Fig. 5. Desgleichen nach Behandlung mit schwefelsäurehaltigem 
Alkohol. 

Fig. 6. Zusammenstellung von Abbildungen der aus einer alkali- 
schen Hesperidinlösung durch Fällung mit Säuren erhaltenen Krystalle. 
(Linke, grölsere Hälfte durch Salzsäure gefällt, rechte, kleinere durch 
Essigsäure.) 


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Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure. 111 


Zur Kenntniss der Glyoxylsäure. 
IV. Abteilung. 


Kondensation mit aromatischen Kohlenwasserstoffen. 
Von Dr. Carl Boettinger. 


(Eingegangen den 23. I. 95.) 


Zu einem eben so unerwarteten, wie interessanten Resultat hat 
das genauere Studium der Kondensationsprodukte der Glyoxylsäure 
mit aromatischen Kohlenwasserstoffen geführt, welche bei Betolgung 
der Methode A.v. Baeyer's, also durch Vermittelung konzentrierter 
Schwefelsäure entstehen. Ich habe Glyoxylsäure auf Benzol nach 
diesem Verfahren schon im Jahre 1881 einwirken lassen, und zwar 
im Anschlusse an meine Untersuchungen über die Kondensationen 
der Bibrombrenztraubensäure und Brenztraubensäure mit aroma- 
tischen Kohlenwasserstoffen und Nitrilen und in einer Fufsnote, 
Bericht d. d. chem. Gesellschaft 1881, 1240 erwähnt, Diphenylessig- 
säure erhalten zu haben. Diese Säure geht thatsächlich aus der 
Reaktion hervor, aber in so geringer Menge, dafs ihre Isolierung 
und Reinigung erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Der Schmelz- 
punkt der von mir gewonnenen Säure liegt bei 1450. Sie verhält 
sich gegen Lösungsmittel, also kaltes und heifses Wasser, Alkohol, 
Aether, Chloroform, Essigsäure, konzentrierte Schwefelsäure, wie die 
nach anderen Methoden gewonnene Säure. Bei stärkerem Erhitzen 
ist sie so gut wie unzersetzt flüchtig. Ihr Baryumsalz löst sich in 
Alkohol. 

Die Hauptmasse des Kondensationsproduktes löst sich aber so 
gut wie gar nicht in kochendem Wasser und besteht, wie ich im 
folgenden zeigen werde, aus Abkömmlingen der Benzilsäure, 
d. h. Diphenylglycolsäure. 

In der Hofinung, leichter wie die Diphenylessigsäure die homo- 
loge Ditolylessigsäure gewinnen zu können, liefs ich 1884 Toluol 
auf in konzentrierter Schwefelsäure gelöste Glyoxylsäure einwirken. 
Ich konstatierte allerdings die Kondensationsfähigkeit der beiden 
Körper, fand aber unter den Reaktionsprodukten nur eine sehr kleine 
Menge wasserlöslicher Substanz. Gerade so leicht wie das Toluol 
tritt auch das Aethylbenzol mit der Glyoxylsäure in Reaktion. 


112 Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure. 


Die Kondensationsprodukte entstehen, wenn die mit über- 
schüssigem Kohlenwasserstoff überdeckte konzentrierte Schwefelsäure 
(d. = 1,84) mit Schnee gekühlt, die Glyoxylsäure allmählich eingetragen 
und dann audauernd unter fortwährendem Kühlen geschüttelt wird. 
Sie scheiden sich auf einmal an den Gefäfswänden und an der Ober- 
fläche der Schwefelsäure in Gestalt dicker, weilser Massen ab. 

Wird die Glyoxylsäure mit dem gleichen Volumen Eisessig oder 
Essigsäureanhydrid vermischt, dann Kohlenwasserstoff aufgeschichtet, 
konzentrierte Schwefelsäure eingetragen und geschüttelt, so ent- 
stehen Kondensationsprodukte in ganz geringfügiger Menge. Hieraus 
geht hervor, dafs eine bestimmte Wassermenge erforderlich ist, da- 
mit die Reaktion zu stande kommt. Nach deren Beendigung, etwa 
nach Ablauf von 4 Stunden, wurde der Kolbeninhalt in lebhaft 
bewegtes, mit Eis versetztes Wasser eingetragen. 

Es schieden sich dicke, klumpige Massen ab, welche von der 
wässrigen Flüssigkeit durch Filtration getrennt wurden. Die Filtrate 
wurden einmal mit Aether durchgeschüttelt, der Auszug verdunstet. 
Der Rückstand wurde in etwas Ammoniak gelöst. Die auf dem 
Filter gesammelten Hauptprodukte wurden ebenfalls in Ammoniak 
gelöst. Die Lösungen wurden vereinigt und zur Entfernung trüben- 
den Kohlenwasserstofis mit Aether geschüttelt. Nachdem sie klar 
geworden waren, wurden sie von dem ätherischen Auszug abgezogen, 
zur Verjagung gelösten Aethers auf dem Wasserbade einige Zeit 
erwärmt, dann mit Salzsäure übersättigt. Dasselbe geschah mit den 
ammoniakalisch-wässerigen Ausschüttelungen der Aetherextrakte. Die 
ausgefällten organischen Säuren wurden in Aether gelöst und zu dieser 
Lösung etwas niedrig siedender Petroläther gesetzt, um Wasser und 
schmierige Bestandteile niederzuschlagen. Die abgegossene, klare, 
ätherische Lösung hinterläfst nach dem Verdunsten einen dicken, zähen 
Rückstand. Nur beim Benzolderivat zeigt derselbe nach langem Stehen 
einen Anflug von Krystallisation. Durch Auskochen mit Wasser wurde 
dem letzteren Diphenylessigsäure entzogen, welche dann in zweck- 
entsprechender Weise, durch wiederholtes Umkrystallisieren aus 
Wasser gereinigt werden mulste. Der Rückstand des Toluolproduktes 
giebt an kochendes Wasser zwar auch etwas, aber nur wenig Sub- 
stanz ab. Aus derselben vermochte ich keine Ditolylessigsäure ab- 
zuscheiden. 


Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure. 


Die Rückstände wurden nunmehr mit einer zur Auflösung un- 
genügenden Menge Ammoniak übergossen und ohne weiteres mit 
Aether geschüttelt. Derselbe nahm Substanz auf, welche beim Ver- 
dunsten des Lösungsmittels auskrystallisierte. Dieselbe läfst sich 
farblos und rein gewinnen, wenn der ätherischen Lösung Petroläther 
bis zur bleibenden Trübung zugesetzt, gekleppert und die klare 
Flüssigkeit von der erst fiockigen, dann schmierigen Abscheidung ab- 
gegossen wird. Durch mehrfaches Wiederholen dieses Verfahrens 
gewinnt man den Benzolabkömmling in durchsichtigen Kryställchen, 
den Toluolabkömmling in flachen Tafeln, welche eine stumpfpyramidale 
Begrenzung zeigen. Die Verbindungen sind. wie vorgreifend erwähnt 
sein mag, Diphenylglycolid resp. Ditolylglycolid. 

Die von den eben erwähnten Körpern befreite ammoniakalische 
Lösung wurde angesäuert und es wurden die organischen Säuren, 
nachdem sie trocken geworden waren, mit Chloroform extrahiert, die 
Auszüge verdunstet und die Rückstände längere Zeit auf dem Wasser- 
bade erhitzt, da ihnen Chloroform hartnäckig anhaftet. Nach dem 
Abtreiben desselben wurden dieselben mit Wasser übergossen, auf 
dem Wasserbade erwärmt und succesive gesättigtes Barytwasser 
zugegeben. Durch diese Behandlungsweise wurde das Benzolprodukt 
bis auf einen ziemlich kleinen Rest in Lösung gebracht, während 
das Toluolprodvkt einen ziemlich beträchtlichen Rückstand hinterliefs, 
welcher auch nicht nach dem Erkalten der überstehenden Flüssigkeit 
verschwand und zur Isolierung der Ditolylsäure, von der 
später die Rede sein wird, verwendet wurde. Die Barytsalzlösung 
‘hat nämlich die Eigenschaft beim Erwärmen trübe zu werden und 
Salz abzuscheiden, welches nach dem Abkühlen von der überstehenden 
Flüssigkeit teilweise aufgelöst wird. Darum fällt auch beim Auf- 
kochen der mit Kohlensäure gesättigten, sehr verdünnten Salzlösungen 
mit dem kohlensauren Baryt auch etwas Salz von organischer 
Säure aus. 

Der Barytgehalt der bei 120% getrockneten, wasserhaltigen Ab- 
scheidungen, welche beim Verdampfen der Lösungen nach und nach 
ausgesoggt wurden, überschritt stets die Menge des Baryts, welchen 
dibenzilsaures resp. ditolylsaures Baryum verlangt und nahm zu mit 
dem Grade der Verdunstung der Lösung, ohne dafs diese darum 
ihre neutrale Reaktion verändert hätte. Offenbar enthalten die Ab- 

Arch. d. Pharm. CCXXXII. Bäs. 2. Heft. 8 


114 Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure. 


scheidungen basische Salze, welche von Kohlensäure nicht zersetzt 
wurden. So wurden beispielsweise in den getrockneten Abschei- 
dungen des Benzolkörpers gefunden: 29,05 Proz. Ba und 29,13 Proz. 
Ba, in denen des Toluolkörpers dagegen 23,46 Proz. Ba, 25,43 Proz. 
Ba, 25,94 Proz. Ba, 26,97 Proz. Ba, 27,21 Proz. Ba. Dibenzilsaures 
Baryum verlangt, 23,91 Proz. Ba, ditolylsaures Baryum 21,78 Proz. Ba. 
Die Barytsalze wurden mit kaltem Wasser übergossen, die Lösungen 
von den Rückständen abfiltriert und mit einer solchen Menge Salz- 
säure gefällt, dafs mehr wie die Hälfte der organischen Säuren in 
Lösung blieb. Die abgeschiedenen Säuren wurden mit zur Auf- 
lösung ungenügenden Mengen Ammoniaks übergossen und die 
Mischung mit Aether geschüttelt. So gelingt, es noch mehr des 
Diphenylglycolides resp. Ditolylglycolides zu gewinnen. 

Diese Substanzen stellen aber keineswegs die Hauptmasse der 
Kondensationsprodukte dar. Letztere müssen zum Teil aus den 
Salzlösungen, zum Teil aus den in kaltem Wasser nicht löslichen 
Salzen abgeschieden werden. Die Säuren lösen sich leicht in 
Alkohol, Chloroferm und in Aether, krystallisieren aber nicht aus 
diesem aus, sondern hinterbleiben als zerreibliche Massen, welche 
in kochendem Wasser ganz unlöslich sind. 

Die Analyse der aus dem schwer löslichen Barytsalz des Toluol- 
derivats abgeschiedenen Säure ergab Werte, welche auf Ditolyl- 
säure, ein Homologon der Dibenzilsäure stimmen. Durch anhaltendes 
Kochen der Lösung der Dibenzilsäure resp. Ditolylsäure in über- 
schüssiger Natronlauge entstehen Säuren, welche sich in heilsem 
Wasser lösen. Aus dem Benzolderivat entsteht eine Säure, 
welche sich wie die Benzilsäure in Vitriolöl mit ähnlicher, wenn 
auch nicht übereinstimmender Färbung löst, die Farbe der 
Vitriollösung der aus der Ditolylsäure, welche Säure hervorgeht, ist 
tief rot. 

Es wirft sich nun die Frage auf, in welcher Weise die er- 
wähnten Produkte aus der Glyoxylsäure entstehen, welche doch 
normaler Weise substituierte Essigsäuren oder Mandelsäure und 
deren Homologe liefern sollte. Da bei ihrer Erzeugung keine 
schweflige Säure auftritt, so kann nur geschlossen werden, die kon- 
zentrierte Schwefelsäure spalte ein Molekül Wasser und führe dessen 
Bestandteile der Glyoxylsäure zu. Diese sollte darım in Glycol- 


Dr, Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure. 115 


säure und Öxalsäure übergehen. Aus letzterer mülsten dann die 
Kondensationsprodukte entstehen. Nun ist ja bekannt, dafs der 
Oxaläther sehr leicht in Glycolsäurederivate übergeführt werden 
kann, von der Oxalsäure selbst kennt man bislang keinen derartigen 
Uebergang. Die Bildung der Kondensationsprodukte ist in mehr- 
facher Hinsicht bedeutungsvoll. Es wirft sich beispielsweise die 
Frage auf, welches Sauerstoffatom, das der Aldebydgruppe oder des 
Wassers, den Kohlenwasserstoffen Wasserstoff entzieht und sie in 
Radikale verwandelt. Wäre es der Aldehydsauerstoft der Glyoxyl- 
säure, so sollten doch lediglich Essigsäurederivate entstehen. Uebt 
aber der aus dem Wasser abgespaltene Sauerstoff die Wirkung aus, 
so muls das in der Glyoxylsäure isoliert stehende Wasserstoffatom 
den benachbarten Aldehydsauerstoff reduzieren und vorübergehend 
ein ungesättigter tertiärer Alkohol entstehen. 

Folgende schematische Darstellung veranschaulicht diese Vor- 
stellung. 


nn 
2 HC; 
Done een, 
HH 
\ C,H, 
TE 
| | 


Nach dieser Auffassung sollten substituierte Glycolsäuren ent- 
stehen. Es werden aber nicht diese selbst, sondern ihre Anhydride 
erzeugt. Andererseits sollte, da wie erwähnt keine Oxydation durch 
die Schwefelsäure und auch nicht durch den Luftsauerstoff bewirkt 
wird, die Hälfte der Glyoxylsäure in Glycolsäure übergehen. Da 
das Resultat des Versuches nicht vorauszusehen war, habe ich leider 
versäumt, das Auftreten dieser Säure nachzuweisen. Zu Gunsten 
meiner Ansicht spricht aber die Menge der aus dem Versuch her- 
vorgehenden chloroformlöslichen Kondensationsprodukte, denn dieselbe 
entspricht bei weitem nicht der angewendeten Glyoxylsäure. 

D=Diphenylelyeolıd. 

Das Diphenylglyeolid ist unlöslich in kaltem und heilsem Wasser. 
Es löst sich leicht in Alkohol, Chloroform und in Aether. Aus letz- 
terem krystallisiert es in kleinen, farblosen Gebilden. In kalter kon- 
zentrierter Schwefelsäure von 1,84 spez. Gew. löst es sich nicht. 


5” 


116 Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure. 


Beim Erwärmen löst es sich leicht darin auf und erzeugt eine gelb 
gefärbte Flüssigkeit. Ist die Schwefelsäure etwas wasserhaltig, so 
schmilzt es beim Erwärmen auf derselben zu einem farblosen Oel. 
Die Lösurg in kalter, rauchender Schwefelsäure ist gelb gefärbt. Es 
ist leicht löslich in wässerigem Ammoniak, bildet aber erst nach und 
nach Salz. Von kaltem Barytwasser wird es erst nach längerer 
Digestion gelöst. Es schmilzt bei 140%. Bei starkem Erhitzen ver- 
Rüchtigt sich die Substanz unter geringer Zersetzung, denn das 
Destillat bildet mit Ammoniak eine weißsliche, trübe Lösung. 

0,187 g Substanz lieferten 0,5477 g Kohlensäure und 0,039 g Wasser. 


Berechnet: N 
e,,0, Gefunden: 
C  8u,00 Proz. C 79,88 Proz. 
H 4,76 H 5,29 


I. Ditolylglycolid. 

Das Ditolylglycolid löst sich nicht in kaltem und heilsem Wasser, 
leicht in Alkohol, Chloroform und Aether. Aus letzterem scheidet 
es sich in grofsen, breiten, dünnen Tafeln aus, welchen eine ungleich- 
seitige, stumpfe Pyramide aufgesetzt ist. Wie sein niederes Homologe 
hält es Chloroform fest. Es zeigt gegen Schwefelsäure verschiedener 
Konzentration das Verhalten des Diphenylglycolides.. Es löst sich 
leicht in wässerigem Ammoniak, läfst sich aber aus der frisch be- 
reiteten Lösung teilweise noch mit Aether ausschütteln. In kaltem 
Barytwasser ist es erst nach längerer Digestion löslich. Es schmilzt 
bei 131--132%. In hoher Temperatur verflüchtigt es sich nahezu 
unzersetzt. 


0,1543 g Substanz lieferten 0,4559 g Kohlensäure und 0,087 g Wasser. 
Berechnet: 


EEE Gefunden: 
C 80,67 Pıoz. C 80,58 Proz. 
H 5,88 H DO 


lll. Ditolylsäure oder Anhydroditolylglycolsäure. 

Die Substanz wurde aus dem Barytsalz durch Schütteln mit 
wässriger Salzsäure und Aether abgeschieden. Aus der Lösung ihres 
Ammoniaksalzes wird sie durch Mineralsäuren in weifsen Flocken 
niedergeschlagen, welche in kaltem und heilsem Wasser ganz unlös- 
lich sind. Die Ditolylsäure löst sich leicht in Aether, Alkohol und 
in Chloroform, welches sie hartnäckig zurückhält.e. Um dieses ab- 
zutreiben muls der Verdunstungsrückstand längere Zeit auf dem 
Wasserbade erhitzt werden. Das in entsprechender Weise isolierte: 


Dr. Carl Boettinger: Ueber Glyoxylsäure, 117 


Benzolderivat zeigt dasselbe Verhalten. Die Ditolylsäure vermochte 
ich nicht in krystallisierter Form zu erhalten. Ihre ätherische 
Lösung hinterlälst einen weilsen, leicht zerreiblichen Rückstand, 
welcher beim Erhitzen auf 100° zu einer blasigen Masse wird. In 
hoher Temperatur schmilzt die Säure zu einem dunkelrotbraunen 
Oel, welches Dümpfe ausgiebt, dann verkohlt und schliefslich ohne 
Rückstand zu hinterlassen verbrennt. Die Säure ist in kalter kon- 
zentrierter Schwefelsäure nicht löslich. Beim Erwärmen mit nicht 
ganz konzentrierter Schwefelsäure schmilzt sie zu einer blasigen 
Masse, welche sich nach dem Abkühlen zu einem sandartigen Pulver 
zerreiben lälst. Dagegen wird sie von warmer konzentrierter 
Schwefelsäure gelöst und es entsteht eine satt braungelb gefärbte 
Flüssigkeit. Kalte rauchende Schwefelsäure bildet mit ihr eine rote 
Lösung. Die Ditolylsäure ist eine starke Säure, daher leicht löslich 
unter Salzbildung in Ammoniak. Sie löst sich leicht in kaltem 
Barytwasser. Beim Aufkochen scheidet die Lösung Salz aus, 
welches beim Abkühlen der Flüssigkeit teilweise gelöst wird. Bei 
langdauerndem Kochen ihrer Lösung in überschüssiger Natronlauge 
verwandelt sie sich in Säure, welche in heilsem Wasser löslich ist 


und mit Vitriol eine tiefrotgefärbte Lösung giebt. 
0,1827 g Substanz lieferten 0,5192 g Kohlensäure und 0,102 g Wasser, 


Berechnet: Gefunden: 
C = 177,13 Proz. C = 77,50 Proz. 
EI OT; H4=4:6.26, 17% 


Im Anschlusse möchte ich noch über ein Doppelsalz der Glyoxyl- 
säure berichten. Versetzt man die farblose neutrale konzentrierte 
Lösung von glyoxylsaurem Natrium oder Kalium (beim Ueberschreiten 
der Neutralität färbt sich die Lösung gelb) mit Chlorcalcium oder 
Chlorbaryum, so findet nur geringe Umsetzung in der Weise statt, 
dals glyoxylsaures Calcium resp. glyoxylsaures Baryum abgeschieden 
werden. Es entstehen vielmehr in Wasser leicht lösliche Doppel- 
resp. Torpolsalze. So bildet sich aus glyoxylsaurem Natrium und 
Chlorcalcium ein farbloses, schön krystallisierendes, in heilsem Wasser 
leicht, in kaltem Wasser schwer lösliches Salz von der Zusammen- 
setzung (C;, H; NaO,+ C;H;ca0,). Das Salz wird bei 115° schwach 
gelb, verliert aber bei dieser Temperatur kein Wasser. 


h 0,1036 g trockenes Salz lieferten 0,0370 g Schmelzrückstand oder 
35,12 Proz, und darin 0,0132 g Kalk oder 9,1 Proz. Calcium. 


118 C. Hartwich: Falsche Senegawurzel 


0,2066 g trockenes Salz lieferten 0,0735 Schmelzrückstand oder 
35,58 Proz. und darin 0,0260 g Kalk oder 9,02 Calcium. 

Für ein Salz der angegebenen Zusammensetzung berechnet sich 
36 Proz. Glührückstand und 8,88 Proz. Calcium. 

Aus der Mutterlauge von diesem Salz krystallisiert ein Doppel- 
salz aus, dessen Bestandteile glyoxylsaures Natrium und Chlor- 
natrium sind. 

Die mit Chlorcaleium versetzte Lösung von glyoxylsaurem 
Kalium liefert ein einheitlich aussehendes, in kaltem Wasser leicht 
lösliches Salz, dessen Bestandteile glyoxylsaures Calcium, glyoxyl- 
saures Kalium und Chlorkalium sind. Die Analyse des wasserhaltigen 
und darum bei 100° getrockneten Salzes wies aber auf ein Gemenge 
hin, denn es wurden bei 54,19 Proz. Glührückstand 8,3 Proz. ChloF 
und 7,2 Proz. Calcium gefunden. 

Darmstadt, 22. Januar 1895. 

Chem. Tech. Laboratorium (Privat). 


‚Mitteilungen aus der pharmazeutischen Abteilung 
des Eidgenössischen Polytechnikums in Zürich. 


III. Ueber eine neue Verfälschung der 
Senegawurzel. 
Von C. Hartwich. 
(Eingegangen am 10. 2. 95.) 

Zu Anfang des Jahres 1894 machte Herr Apotheker Ad, Andree 
in Hannover!) aufmerksam auf eine interessante Verfälschung einer 
aus New-York in den Handel gebrachten Senegawurzel, die in einer 
fremden Wurzel bestand. Die Menge der fremden Wurzel war eine 
sehr erhebliche, wie mir Herr Andree freundlichst mitteilt, betrug 
sie fast 25 Proz. der Droge. Derselbe glaubte in der Verfälschung 
die Wurzel von Richardsonia scabra St. Hil. die als Radix 
Ipecacuanhae farinosa bekannt ist, zu erkennen. 

Da Berührungen zwischen der nordamerikanischen Senega und 
der südamerikanischen Ipecacuanha auch sonst vorgekommen sind, 
so soll man unter Senega die Wurzeln des südamerikanischen Joni- 
dium Ipecacuanha, die ebenfalls als Substitution der Ipeca- 
cuanha vorkommen, gefunden haben, so interessierte mich die Sache 
besonders weil die Verhältnisse hier ähnlich zu liegen schienen. 
1) Apotheker-Zeitung 189+, No. 12, pag. 23. 


C. Hartwich: Falsche Senegawurzel. 119 


Richardsonia ist bekanntlich in einem grofsen Teile von Südamerika 
heimisch, geht aber nördlich nur bis Mexiko; beide Pflanzen (Richard- 
sonia und Polygala Senega) können also nicht zusammen vor- 
kommen, so dafs ein Mitsammeln der Richardsonia aus Nachlässig- 
keit ausgeschlossen schien und eine absichtliche Verfälschung an- 
genommen werden mulste. 

Herr Andre&e hatte auf meine Bitte die grolse Freundlich- 
keit, mir ein Muster der betreffenden Wurzel zu senden. Eine 
Untersuchung zeigte nun freilich bald, dafs beide Wurzeln allerdings 
äufserlich recht ähnlich waren, sich aber im Bau sehr wesentlich 
unterschieden, so dafs Richardsonia ausgeschlossen erschien. Ich 
will nur erwähnen, dafs die Stärkekörnchen in beiden von einander 
abwichen, und dafs Richardsonia Oxalat in Raphiden enthält, die 
fragliche Wurzel aber in kleinen Drusen. Ebenso konnte ich sie 
mit keiner der anderen, mir zu Gebote stehenden falschen Ipeca- 
cuanhasorten identifizieren. 

Damit war ich leider vorläufig zu Ende, eine Bestimmung der 
interessanten Droge gelang mir nicht. Da schenkte mir Herr Hotrat 
Professor Dr. Vogl in Wien bei Gelegenheit der Naturforscher- 
versammlung 1894 eine Anzahl neuer Drogen und darunter die 
Wurzel der Caprifoliacee Triosteum perfoliatum L., die 
neuerdings auch als Ipecacuanha vorkommt. Eine Vergleichung 
dieser Wurzel mit der Andree’schen zeigte die grolse Aehnlichkeit 
und eine mikroskopische und chemische Prüfung wies die Identität 
beiler nach. Es liegt also hier der interessante Fall vor, ähnlich 
wie bei dem erwähnten Jonidium, dafs dieselbe Wurzel als Sub- 
stitution der Ipecacuanha und als Verfälschung der Senega vorkommt. 


Die Gattung Triosteum umfalst 5 Arten, von denen eine im 
Himalaya, zwei in China und Japan und zwei in Nordamerika vor- 
kommen. Triosteum perfoliatum findet sich besonders in 
den östlichen und südöstlichen Staaten der Union, könnte also 
wohl mit der Senega zusammen vorkommen und gesammelt werden 
trotz des recht verschiedenen Aussehens beider Pflanzen, wenn man 
nicht eine absichtliche und betrügerische Beimergurg der vielleicht 
unverkäuflichen Triosteumwurzel annehmen will. Die Pflanze ist 
eine Stande, die aus dem dicken, knorrigen Rhizom ein oder mehrere 
Stengel eutsendet, die fast 1 m hoch werden können. Die sitzenden, 


120 C. Hartwich: Falsche Senegawurzel. 


ganzrandigen, gegenständigen, etwa 8 cm langen, in der Mitte etwa 
3 cm breiten Blätter sind am Grunde mit einander verwachsen, 
unterseits flaumhaarig oder filzig. Die fünfteiligen, etwas zygo- 
morphen Blüten stehen in Wirteln, die zuweilen eine kurze terminale 
Aehre bilden. Die Kelchblätter sind schmal, abstehend, am Rande 
“ gewimpert, meist parpurrötlich, von Länge der Üorolle. Letztere 
purpurrot, am Grunde ausgesackt, Zipfel kurz, aufrecht. Die Frucht 
ist eine lederige, 3—5fächrige, 3—5samige Beere von purpur-schar- 
lachroter Farbe. (Abbildung der Pflanze in: Monet de La Mark, 
Illustration des genres, 1791, Tafel 150. Die Pflanze führt in Amerika 
eine Anzahl heimischer Namen, die z. T. auf ihre Verwendung hin- 
weisen: Tinkers Weed, Wild Fever Root, Feverwort, Horsegentian, 
Bastard Ipecac, Wild Coffee. 

Diese Verwendung ist eine ziemlich ausgedeknte: das Rhizom 
mit den Wurzeln dient als Fiebermittel und Purgans, in stärkeren 
Dosen als Emetikum, in Georgia benutzt man es gegen Rheumatismus, 
die harten Samen sollen ein Kaffeesurrogat liefern. 

Das Rbizom und die Wurzeln waren früher in Nordamerika 
offieinell, die neueste Auflage der Pharmacopoeia of the United States 
of Amerika von 1893 hat die Droge nicht mehr. 


Die mir vorliegende Droge besteht aus einem gelbbraunen bis 
dunkelbraunen Wurzelstock, der in den meisten Fällen aufserordent- 
lich verbogen und knorrig, etwa 9 cm lang wird und auf der Ober- 
seite Reste der bis 1 em dicken Stengel erkennen läfst. Von den 
Seiten und nach unten gehen vom Wurzelstock in ziemlicher Menge 
Wurzeln ab, die bis 1,2 cm dick werden. meist aber nicht mehr wis 
1/, cm im Durchmesser haben, oft auch viel dünner sind. Die 
Wurzeln sind an meinem Muster nicht länger wie 12 cm, aber natür- 
lich abgebrochen. Ihre Farbe ist ein gelb'iches Graubraun, im All- 
gemeinen etwas heller wie beim Wurzelstock. Sie sind zart längs- 
runzlich und zeigen hier und da Querrisse. Zuweilen ist auf kürzere 
Strecken die Rinde abgesprungen, so dafs hier der dünne Holz- 
körper zum Vorschein kommt. (Fig. 1). Die ganze äulsere Erschei- 
nung zeigt allerdings grofse Aehnlichkeit mit manchen falschen 
Ipecacuanhasorten, speziell der Richardsonia. Dagegen ist an eine 
Verwechslung mit der echten Ipecacuanhı, die viel dunkler gefärbt 
ist und die bekannten Einschnürungen zeigt, nicht zu denken. In 


C. Hartwich: Falsche Senegawurzel, 121 


der That ist meines Wissens auch eine Verfälschung der Ipecacuanha 
mit Triosteum nicht bekannt geworden, vielmehr geht die letztere 
als besondere selbständige Sorte. 

Anders ist es mit der Senega. Hier ist die Aehnlichkeit auf 
den ersten Blick gar keine geringe, die Farbe ist ziemlich überein- 
stimmend, ebenso die Stärke der meisten Wurzeln und die Längs- 
runzelung, manche Wurzeln sind auch ziemlich regelmälsig hin- und 
hergebogen. Natürlich fehlt aber der für Senega so charakteristische 
Kiel, wie ja selbstverständlich bei genauerer Betrachtung der Unter- 
schied beider deutlich in die Augen springt. Immerhin ist die 
Aehnlichkeit eine so grolse, dafs man offenbar die Triosteum-Wurzel 
in der Senega meist übersehen haben wird. Es läfst sich doch nicht 
annehmen, dafs die verfälschte Droge nur in die Hände des Herrn 
Andree gelangt ist, aber nur seiner Sorgfalt gelang es, die Ver- 
fälschung sofort zu erkennen. Soviel ich weils, ist wenigstens ihr 
Auftreten sonst nirgends berichtet worden. 

Auf dem Querschnitt durch den Wurzelstock erkennt man schon 
mit der Lupe eine relativ dünne Rinde, die in der schmäleren 
äufseren Partie heller, nach innen dunkler braun ist, dann einen 
hellen Holzkörper von strahligem Bau und ein ansehnliches Mark. 


Ein Stück der trocknen Wurzel, die 5 mm dick ist, hat eine 
Rinde von 3 mm und einen Holzkörper von 2 mm; wie man sieht, 
ist die Dicke der Rinde recht erheblich, steht aber doch in keinem 
Vergleich zu der der Ipecacuanla. Viel gröfser ist die Differenz 
bei der in Wasser aufgequollenen Wurzel, sie quillt dann etwa auf 
das Doppelte, eine solche Wurzel zeigte dann z. B. eine Rinde von 
2,2 mm und einen Holzkörper von nur 0,8 mm. Selbstverständlich 
ist es fast die Rinde allein, die quillt. 

Auf dem Querschnitt durch die Wurzel (Fig. 2) erkennt man 
ebenfalls einen strahligen Holzkörper, natürlich ohne Mark. In der 
Rinde hebt sich sehr deutlich, wie beim Rhizom, eine diinnere, hellere, 
äufsere Partie von der dunkleren inneren Rinde ab. (Fig. 2a). 

Der mikroskopische Bau ist recht charakteristisch und ermöglicht 
besonders, die Droge sowohl von der Senega wie von der Ipecacuanha 
mit Leichtigkeit zu unterscheiden. 

Die äufsere Korkbedeckung ist dünn, ihre Zellen flach, sie 
zeigen nichts Charakteristisches. Darauf folgt eine Schicht ziemlich 


122 C. Hartwich: Falsche Senegawurzel. 


grolser, zusammengeprelster Zellen, die hier und da eine Oxalat- 
druse enthalten, sonst aber leer sind (die primäre Rinde). Zwischen 
dieser Schicht und der sekundären Rinde liegt eine zweite, 4—5 
Zelireihen starke Schicht von Korkzellen, die sich sehr eigentümlich 
verhalten. Die Zellen der am weitesten nach aufsen liegenden Reihe 
strecken sich aufserordentlich stark radial (Fig. 4a), so dals sie 
später fast den Eindruck von Trichomen machen, oder an die be- 
kannten tonnenförmigen Zellen auf der Samenschäle der Mandel er- 
innern (Fig. 5a). Sie sind dann verholzt. Infolge dieser starken 
Streckung ist, wie soeben erwähnt, die primäre Rinde in radialer 
Richtung so stark zusammengeprelst. Offenbar haben diese sich 
streckenden Zellen die Funktion, das Abwerfen der aufserhalb der- 
selben gelegenen Partieen zu erleichtern. Man kann auf Quer- 
schnitten deutlich sehen, dafs diese Zellen sich sehr ungleichmälsig 
ausbilden, zwischen ganz langgestreckten kommen kürzere Formen 
vor, oft fehlen sie auf kürzere Strecken, da nicht alle Zellen sich 
in der geschilderten Weise strecken, immer aber sieht man dann 
die darüber liegenden Gewebe emporgehoben. Mir ist ein gleiches 
Vorkommnis nicht bekannt geworden. Eine gewisse Analogie bietet 
die Bildung des interessanten Aerenchyms bei Wasserpflanzen, 
dessen Function aber selbstverständlich eine ganz andere ist. (Vgl. 
Schenck, Jahrbücher f. wissensch. Botanik XX, p. 526. 

Ich habe erwähnt, dafs diese Zellen die äufseren Partieen ab- 
heben oder ihr Abwerfen befördern, und in der That findet man an 
den meisten Stücken der Droge die Peripherie begrenzt durch die 
innere Korkschicht, von der die lockeren Zellen natürlich leicht ab- 
brechen. Man könnte auf den ersten Blick dann zweifeln, ob man 
überhaupt dieselbe Droge vor sich hat. Indessen gelingt es ge- 
wöhnlich, wenn man die Schnitte in Natronlauge stark quellen lälst 
wenigstens einige der Zellen noch aufzufinden. 

In der sekundären Rinde sind Mark- und Baststrahlen ohne 
weiteres nicht zu unterscheiden, man erkennt sie aber mit Deutlich- 
keit wenigstens in der Nähe des Kambiums, wenn man die Stärke 
mit Chloralhydrat teilweise löst und dann mit Jod färbt, es heben 
sich dann die schmalen Baststrahlen von den breiten Markstrahlen 
sehr deutlich ab. Die Rinde enthält reichlich Oxalat in kleinen 
Drusen und Stärke. Die letztere besteht aus einzelnen oder zu 


C. Hartwich: Falsche Senegawurzel. 123 


zweien und dreien zusammengesetzten Körnchen, sie sind rundlich, 
länglich, auch wohl nierenförmig, bis 15 « grols und mit einem 
Spalt versehen. Schichtung ist nicht zu erkennen. (Fig. 3.) 

Der Holzkörper zeigt ebenfalls einige Eigentümlichkeiten. Er 
besteht aus 1—5 Zellreihen breiten Markstrahlen, deren Zellen 
radial gestreckt und deutlich getüpfelt sind und ebenso breiten 
Holzstrahlen, die aus Tüpfelgefälsen, mälsig stark verdickten Fasern 
und spärlichem Holzparenchym bestehen. Sehr charakteristisch ist 
es nun, dals bei den Fasern nur die Mittelmembran sich mit Phloro- 
gluein und Salzsäure rot fürbt, die Verdickungsschichten dagegen 
nicht, sie fürben sich mit Chlorzinkjod deutlich, wenn auch nicht 
eben stark, violett, sind also nicht verholzt. Dagegen sind die 
Markstrahlen durchweg verholzt. Das Holzparenchym verhält sich 
wie die Fasern, die dünne Innenmembran ist nicht verholzt. (Fig. 6.) 
Das Rhizom ist ebenso gebaut, läfst aber, wie schon gesagt, ein 
deutliches Mark erkennen. Die Rinde ist verhältnismälsig dünn. 

Ferner machte Herr Andree darauf aufmerksam, dafs die von 
ihm gefundene Wurzel ein Alkaloid enthalte, welches er für Emetin 
hielt. Gelegentlich unserer Korrespondenz teilte er mir dann mit, 
dals er sich dabei wesentlich auf die Blaufärbung stützte, die mit 
einer Lösung von Ammonium-Molybdat in konzentrierter Schwefelsäure 
und Zusatz eines Tröpfchens konzentrierter Salzsäure eintrat, wo- 
gegen die Orangefärbung mit konzentrierter Salzsäure und Chlorkalk 
resp. Kaliumchlorat weniger sicher eintrat. Selbstverständlich war die 
Frage von sehr grolsem Interesse, ob in der Triosteum-Droge 
Emetin vorkommt. An und für sich mufste man bei der sehr nahen 
Verwandtschaft der Caprifoliaceen, zu denen Triosteum gehört, mit 
den Rubiaceen, zu denen die Ipecacuanha gehört, die Möglichkeit 
zugeben. 

Zur Darstellung /des Alkaloids wurde die gepulverte Droge mit 
Alkohol erschöpft, der Alkohol abdestilliert, der Rückstand zur 
Extraktkonsistenz eingedampft, mit Wasser aufgenommen und mit 
Ammoniak alkalisch gemacht, 

Diese ammoniakalische Lösung war anfangs braun, wurde aber 
bald schön grün. Sie wurde mit Aether ausgeschüttelt, die ätherische 
Lösung sauer gemacht, mit Wasser ausgeschüttelt, diese Operationen 
wiederholt und der Aether schliefslich verdunstet. Das zurück- 


124 C. Hartwich: Falsche Senegawurzel. 


bleibende Alkaloid war noch etwas gelblich gefärbt, aber deutlich 
in Nadeln krystallisiert. Es betrug 0,029 Proz. der Droge und gab 
deutliche Niederschläge mit Meyer’s Reagens, Phosphorwolframsäure, 
Phosphormolybdänsäure und Pikrinsäure. 

Bei der Reaktion, wie sie Herr Andree ausgeführt hatte, erhielt 
ich zuerst beim Behandeln mit der Lösung von Ammoniummolybdat 
in Schwefelsäure eine braune Färbung, die auf Zusatz von Salzsäure 
blau oder blaugrün und nach 24 Stunden rein grün wurde. 

Vier verschiedene daneben untersuchte Sorten von Emetin ver- 
hielten sich genau ebenso. 

Ein geringer Unterschied zwischen dem Triosteumalkaloid und 
dem Emetin zeigte sich, wenn ich eine Lösung von Phosphormolyb- 
dänsäure in Schwefelsäure verwendete, die Emetine lösten sich rot- 
braun, das Triosteumalkaloid mehr grau, auf Zusatz eines Tröpfehens 
Salzsäure wurden die Emetine schnell grün, das andere zunächst 
bräunlich ; nach 6 Stunden war alles blau, nach 24 Stunden alles 
grünlich blau. 

Ich will indessen gestehen, dafs ich auf diesen Unterschied vor- 
läufig kein grofses Gewicht legen möchte, da, wie gesagt, das neue 
Alkaloid nicht völlig rein war. 

Anders war es mit der zweiten, für den Nachweis von 
Emetin besonders entscheidenden Reaktion. Ich habe den Versuch 
nach dem Deutschen Arzneibuch und nach Pharmacopoea Helvetica III. 
gemacht, also neben Salzsäure Chlorkalk resp. Kaliumchlorat ver- 
wendet. In keinem Falle trat dabei eine orangerote, sondern nur 
eine rein gelbe Färbung auf, wie sie das Reagenz allein eben- 
falls zeigt. 

Das Alkaloid von Triosteum perfoliatum ist danach sicher kein 
Emetin, sondern dürfte der Pflanze eigentümlich sein, man wird ihm 
den ihm zukommenden Namen: Triostein geben müssen. Meines 
Wissens ist es das erste in einer Caprifoliacee aufgefundene Alkaloid. 
Zu einer weiteren Untersuchung reichten die wenigen mir zu Gebote 
stehenden Centigramm leider nicht aus. 

Erklärung der Figuren. 
1. Ein Stück der Wurzel in natürlicher Grölse mit teilweise abge- 
sprungener Rinde. 
Querschnitt durch die Wurzel. a) primäre Rinde; b) sekundäre 
Rinde: c) Holzkörper. 


I) 


on 


Dr. Carl Boettinger: Ueber Glukosazon. 12: 


3. Stärkekörnchen. 

4. Querschnitt durch die Grenzzone zwischen primärer und sekun- 
därer Rinde. a) die sich stark streckende äulsers:e Lage der 
inneren Korkzone; bc) primäre Rinde: d) sekundäre Rinde. 

5. Querschnitt wie Fig. 4 einer älteren Wurzel; abed wie bei Fig. 4. 

6. Querschnitt durch das Holz. 2) Markstrahlen: b) Holzstrahlen ; 
c) Gefälse. 


Ueber Glukosazon aus Sumach und Yallonen. 
Von Dr. Carl Boettinger. 
(Eingegangen den 22. II. 1895.) 

Im 259. Bande, Seite 125 von Liebig’s Annalen habe ich eine 
Studie über die Einwirkung von Phenylhydrazin auf Gerbeextrakte 
veröffentlicht, in der sich auch Angaben über die Osazone des in 
dem Sumach und den Vallonen vorkommenden Zuckers vorfinden. 
Dieselben beziehen sich auf die Abscheidung und die Eigenschaften 
der Osazone, also auf Löslichkeits- und Zersetzlichkeitsverhältnisse 
und den Schmelzpunkt. Aus den in der bezeichneten Abhandlung 
erwähnten Rindenextrakten vermochte ich das Osazon des in den- 
selben enthaltenen Zuckers nicht in reinem Zustand zu isolieren. 

Dies gelang auch nicht, als der Gerbstoff daraus in Form der 
in Wasser nicht löslichen Acetverbindung abgeschieden und das 
Filtrat hernach mit Phenylhydrazin gekocht wurde. Dagegen habe 
ich neuerdings wieder das ÖOsazon des Zuckers aus Sumach und 
Vallonen isoliert und analysiert. Die beiden Verbindungen erwiesen 
sich in jeder Beziehung identisch mit einander und mit dem Osazon 
des Traubenzuckers. Sie schmelzen bei 206%. Um sie aber in dem 
Zustande vollkommener Reinheit zu gewinnen, mu[s man zuerst aus 
Methylalkohol und dann aus Aceton umkrystallisieren. Die feder- 
fahnenähnlichen Ausblühungen sind für sie besonders charakteristisch. 
Nur so gelingt es eine dem Glukosazon offenbar nahestehenden, bei 
223° sinternden Bestandteil des Rohosazons aus Sumach zu ent- 
fernen, welcher für sich in kochendem Alkohol und Aceton aufserordent- 
lich schwer löslich, in salzsäurehaltigem Alkohol dagegen leicht löslich 
ist. Die gereinigten Körper sind von dem aus Traubenzucker dar- 
gestellten Glukosazon nicht zu unterscheiden und besitzen auch die 
chemischen Eigenschaften. desselben. 


126 Dr. Carl Boettinger: Ueber Glukosazon. 


Die Analyse des Glukosazons aus Sumach ergab folgende Werte: 

I. 0,188 g Substanz lieferten 0,4144 g Kohlensäure oder 60,12 Proz. C 
und 0.1102 g Wasser oder 6,51 Pıoz. H. 

Die Analyse des Glukosazons aus Vallonen ergab folgende Werte: 

II. 0,1772 g Substanz lieferten 0,3924 Kohlensäure oder 60,39 Proz. C 
und 0,1031 g Wasser oder 6,46 Proz. H.' 


Ber ER: : Gefunden: 
= en Proz. EC = 60,127 60,39 Broz 
H= 6,14 5 H= 6, Fr 6,46 


” 


Bei dieser Gelegenheit will ich erwähnen, dafs die Glyoxyl- 
säure mit Traubenzucker zu einer leicht zersetzlichen, acetal- 
artigen Verbindung zusammentritt. Ich habe aber bislang noch kein 
Mittel gefunden, diese Substanz in reinem Zustand zu isolieren. Wird 
ein Gemisch von 2 g wasserfreiem, sogenanntem chemisch reinen 
Traubenzucker und 2 g Glyoxylsäure von 1,32 spez. Gewicht gelinde 
erwärmt, so erfolgt nach kurzer Zeit Auflösung. Der dicke Sirup 
wird ganz leicht aufgenommen von Wasser, absolutem Alkohol, 
Methylalkohol und Aceton. Durch Zusatz von Aether zur alkoholi- 
schen Lösung beseitigt man eine Verunreinigung des Trauben- 
zuckers, welche sich flockig abscheidet. Die wässerige Lösung der 
Substanz reagiert sauer und trocknet im Exsikkator zu einem 
farblosen Glasse aus. Wird sie in einer Porzellanschale 
schwach mit Ammoniak übersättigt und dann erwärmt, so färbt sie 
sich in charakteristischer Weise erst gelb, dann dunkelorange. 
Diese Reaktion beweist, dafs die Lösung eine eigenartige Verbindung 
enthalten muls, denn weder der Traubenzucker, noch die Glyoxylsäure 
liefern unter diesen Bedingungen eine entsprechende Färbung. Die 
mit Chlorcaleium und Ammoniak versetzte wässerige Lösung wird 
beim Erhitzen rostfarben und scheidet feine, bräunliche, in ver- 
dünnter Essigsäure vollkommen lösliche Kryställchen ab. Die mit 
Ammoniak nahezu neutralisierte Lösung bleibt beim Versetzen mit 
Bleiacetat klar. Beim Aufkochen wird sie rotbraun und sie scheidet 
ein ebenso gefärbtes Salz aus. Die Substanz reduziert Kupferoxyd 
in alkalischer Lösung. Wird ihre Lösung mit Phenylhydrazin und 
Essigsäure versetzt und längere Zeit im Wasserbade erwärmt, so 
scheiden sich erst bald erstarrende Oeltropfen und alsdann Nadeln 
von der Form des Glukosazons aus. Die Abscheidung wird von 
kochender stark verdünnter Natronlauge zerlegt in unlösliches Glu- 


Dr. H Pommerehne: Ueber Alkaloide von Berbh. aquif. er 


kosazon und eine lösliche Verbindung, welche aus der Lösung 
durch Salzsäure abgeschieden werden kann. 

Ich gedenke mich noch weiter mit der Verbindung zu beschäf- 
tigen und werde auch andere Zuckerarten in den Kreis dieser Unter- 
suchung ziehen, demnächst aber eine schon nahezu fertig gestellta 
Untersuchung über die Kondensationsprodukte der Glyoxylsäure 
mit Glyeocoll unddendriAmidobenzoesäuren mitteilen. 

Darmstadt, 20. Februar 1895. 


Chem. Tech. Laboratorium (Privat). 


Mitteilungen aus dem pharmaceutisch-chemischen 
Institute der Universität Marburg 


58. Beiträge zur Kenntnis der Alkaloide von 
Berberis aquifolium. 
Von Dr. H. Pommerehne. 
(Eingegangen den 15. XII. 1894.) 

Bereits ziemlich früh ist das Vorhandensein von Berberin in 
‚den beiden Hauptvertretern der Familie der Berberideen Derberis 
vulgaris und Berberis aquifolhum konstatiert, die Base daraus dar- 
gestellt und nach den verschiedensten Richtungen hin untersucht 
worden. Indessen war es bei der Gewinnung des Berberins aus 
den Wurzeln obiger Pflanzen zunächst unbemerkt geblieben, dafs 
dieselben noch weitere Alkaloide enthielten. Erst Wacker!) war 
es vorbehalten, darauf aufmerksam zu machen, dafs in der Wurzel 
von Berberis vulgaris, aulser Berberin, noch ein weiteres Alkaloid 
enthalten ist. welches von ihm als Oxyacanthin bezeichnet wurde. 
Später wies jedoch Hesse?) nach, dafs in der bei der Berberin_ 
darstellung verbleibenden Mutterlauge durch kohlensaures Natrium 
ein Niederschlag entsteht, welcher noch zwei Alkaloide enthält, von 
denen er das eine, durch gesättigte Natriumsulfatlösung fällbare, als 
Oxyacanthin bezeichnete, das andere, aus der Mutterlauge des 
Oxyacanthins durch Zusatz gesättigter Natriumnitratlösung abscheid- 
bare, Berbamin benannte. Für ersteres Alkaloid stellte Hesse 
zunächst die Formel C,, Hs, NO, auf, jedoch entschloß er sich später, 


1) Chem Centralblatt 1561, p. 332. 
2) Berichts der deutsch.-chem. Gesel!sch. 1886, p. 1172. 


128 Dr. H. Pommerehne: Ueber Alkaloide. von Berb. aquif. 


auf Grund der von ihm ausgeführten Elementaranalysen, die von ihm 
für das Berbamin acceptierte Formel C,H}, NO;, auch für das 
Öxyacanthin anzunehmen. 


Von weiteren Arbeiten über die Alkaloide dieser Wurzeln, 
namentlich die von Derberis agwyfolum, sind die von Stubbeh) 
und von Rüdel?) zu erwähnen. Von diesen Autoren wies ersterer 
nach, dafs sich nach der von Hesse angegebenen Methode auch 
aus der Wurzel von Derberis aqufolium aulser Berberin noch zwei 
Alkaloide isolieren lassen und gab beiden die Formel C,s Hg NO;. 
Stubbe nahm somit mit Hesse an, dals die beiden Alkaloide isomer 
seien. Rüdel dagegen, dessen Arbeit die Identität der Alkaloide 
der Wurzel von Derberis vulgarıs und aquifolium zum Gegenstande 
hatte, konstatierte auf Grund der für das Oxyacanthin gefundenen 
Werte, dafs diesem Alkaloide die Formel C,9 Hs, NO, zuzuerteilen, 
und dafs letzteres somit mit dem Berbamin nicht als isomer, sondern 
wahrscheinlich als homolog zu betrachten ist. 


Da somit in betreff der dem Oxyacanthin zukommenden Formel 
die Ansichten der verschiedenen Autoren auseinandergehen, so unter- 
nahm ich es, auf Veranlassung meines hochverehrten Lehrers, des 
Herrn Geh. Rat Prof. E. Schmidt, die Alkaloide dieser Wurzel, 
insbesondere das Oxyacanthin, zum Gegenstande einer erneuten Unter- 
suchung zu machen, um hierdurch weitere Aufschlüsse über die Zu- 
sammensetzung und Eigenschaften dieser Base zu erhalten. 


Als Ausgangsmaterial dienten mir etwa 80 g rohes schwefel- 
saures Oxyacanthin, die Herr Dr. OÖ. Hesse aus den Mutterlaugen 
von der Berberindarstellung gesammelt hatte, aus dessen Händen 
ich sie durch Vermittelung von Herrn Geh. Rat Prof. Schmidt 
zur weiteren Verarbeitung erhielt. Es sei mir gestattet, Herrn 
Dr. OÖ. Hesse für diese Liberalität auch an dieser Stelle meinen 
verbindlichsten Dank auszusprechen. Aulserdem gelangte ich noch 
in den Besitz von 10 kg zerschnittener Wurzel von Derb. aquifol.,.. 
am daraus selbst noch einmal die darin enthaltenen Basen darzu- 
stellen. Da aufserdem E. Merck in Darmstadt in letzter Zeit ein 
krystallisiertes Oxyacantlin in den Handel bringt, habe ich auch 


1) Inaug.-Dissert. Marburg 1890. 
2, Inaug.-Dissert. Marburg 1891. 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Alkaloide von Berb. aquif. 129 


dieses Präparat, zum Vergleich mit den selbst dargestellten Alkaloiden, 
herangezogen. 


Darstellung der Alkaloide aus der Wurzel von 
Berb’’gurfor, 


Ich bediente mich bei der Gewinnung derselben im wesentlichen 
des von Hesse angegebenen Verfahrens, indem ich zunächst las zer- 
kleinerte Material mit essigsäurehaltigem Wasser wiederholt aus- 
kochte, bis dasselbe völlig erschöpft war. Die gesammelten Auszüge 
wurden auf ein kleines Volum eingedampft und einige Tage zum Ab- 
setzen bei Seite gestellt. Von dem dabei ausgeschiedenen, meist aus 
Berberinacetat und Extraktivstoffen bestshenden Bodensatze, filtrierte 
ich den flüssig gebliebenen Teil ab, behandelte den Rückstand noch 
einmal mit essigsäurehaltigem Wasser und versetzte alsdann das 
Filtrat mit Natriumcarbonatlösung, bis keine Abscheidung mehr dirch 
dieselbe erfolgte. Den brauuschwarz gefärbten Niederschlag saugte 
ich ab und wusch ihn so lange mit Wasser nach, bis das Ablaufende 
nur noch schwach gelb gefärbt war. Zur weitern Reinigung löste ich 
diesen Niederschlag in verdünnter Salzsäure und fällte letztere Lösung 
nochmals mit Natriumcarbonat. Da der Niederschlag indessen trotz 
wiederholter Fällung immer noch eine dunkelbraune Farbe hatte, so 
versuchte ich die noch vorhandenen Farbstoffe möglichst dadurch ab- 
zuscheiden, da/s ich den Niederschlag wieder in essigsäurehaltigem 
Wasser löste und die neutrale Lösung mit Bleiacetat im Ueberschuls 
versetzte. Nach dem Abfiltrieren des durch Einleiten von Schwetel- 
wasserstoff ausgefallenen Schwefelbleies, verblieb eine rötlich gelb 
gefärbte Flüssigkeit, aus der beim abermaligen Fällen mit Nairium- 
carbonat ein Niederschlag von grauweilser Farbe sich abschied, so 
dals die stark färbenden Stoffe auf diese Weise grölstenteils entfernt 
waren. 

In diesem Zustande benutzte ich jenas Alkaloidgemisch zur 
weitern Trennung des in demselben enthaltenen Oxyacanthins und 
Berbamins, indem ich dasselbe in salzsäurehaltigem Wasser löste und 
der gelinde erwärmten Flüssigkeit soviel Natriumsulfat zufügte, dafs 
nach dem Erkalten sich ein Teil letzteren Salzes wieder ausschied. 
Von den Natriumsulfatkrystallen und dem mitausgeschiedenen Oxya- 
canthin filtrierte ich den flüssig gebliebenen Teil ab und fügte zu 
letzterem nochmals etwas Natriumsulfat zu, wodurch aufs neue eine 
Fällung entstand. Es zeigte sich nun, dafs wenn ich die jedesmal 
abfiltrierte Flüssigkeit in gleicher Weise mit Natriumsulfat behandelte, 
stets noch Fällungen erfolgten, so dals eine scharfe Trennung des 
Oxyacanthins vom Berbamin sich auf diese Weise wohl nicht bewerk- 
stelligen läfst. Die gesamten durch Natriumsuifat erhaltenen Nieder- 
schläge löste ich hierauf, nachdem ich sie durch Auswaschen mit 

Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bas. 2. Heft. {e) 


130 Dr. H. Pommerehne: Ueber Alkaloide von Berb. aquif. 


wenig kaltem Wasser von dem grölsten Teile des Natriumsulfats be- 
freit hatte, in salzsäurehaltigem Wasser, fällte aus dieser Lösung die 
treie Base aufs neue mit Natriumcarbonat, wusch den entstandenen 
Niederschlag gut mit Wasser nach, um ihn dann unter Erwärmen 
wiederum mit verdünnter Salzsäure in Lösung zu bringen. Beim Er- 
kalten dieser Lösung schied sich bereits ein Teil des Oxyacanthin- 
hydrochlorids in kleinen weilsen Warzen ab, die ich auf einem Saug- 
filter sammelte, um dann die etwas eingedampfte Mutterlauge aufs 
neue der Krystallisation zu überlassen. Ich erhielt jedoch aus letzterer 
nur noch verhältnismälsig wenig Krystalle‘ und mu/ste daher ver- 
suchen, das noch in Lösung befindliche Alkaloid auf andere Weise 
zu isolieren. Zu diesem Zwecke fügte ich den nicht mehr kry:tallisier- 
baren Mutterlaugen Platinchloridlösung im Ueberschuls zu, wodurch 
noch ein beträchtlicher, lehmgelber Niederschlag entstand, den ich 
sammelte, durch Auswaschen von der anhaftenden Mutterlauge mög- 
lichst befreite, um ihn alsdann, nachdem ich ihn in Wasser suspen- 
diert hatte, unter gelindem Erwärmen mit Schwefelwasserstoff zu zer- 
legen. Sobald die überstehende Flüssigkeit sich geklärt hatte, filtrierte 
ich das ausgeschiedene Schwefelplatin ab und dampfte die erhaltene 
Flüssigkeit auf ein kleines Volum ein. Es krystallisierte jetzt zwar 
abermals ein kleiner Teil des salzsauren Oxyacanthins aus, indessen 
blieb noch immer ein beträchtlicher Teil der Alkaloide in Lösung. 
Letztern Teil versuchte ich im krystallisierten Zustande dadurch zu 
erhalten, dafs ich die Mutterlauge, die nicht mehr zum Krystallisieren 
zu bringen war, mit Natriumcarbonat abermals ausfällte, den aus- 
gewaschenen braunen Niederschlag trocknete und mit Aether im 
Soxhlet'schen Apparate extrahierte. Hierbei verblieb nach dem Ver- 
dunsten des Aethers eine fast rein weilse Masse, die ich alsdann 
gleichfalls in das salzsaure Salz überführte. Die so erhaltenen 
Krystallisationen reinigte ich schliefslich durch Tierkohle, bis sie 
völlig weils waren und erhielt auf diese Weise etwa 6 g reines salz- 
saures Oxyacanthin. 


Die vom Natriumsulfatniederschlage getrennte Flüssigkeit neu- 
tralisierte ich mit verdünnter Natronlauge, um sie unter gelindem Er- 
wärmen mit Natriumnitrat zu sättigen. Es schied sich dabei ein 
schmutzig gelber Niederschlag aus, den ich nach weiterm Reinigen 
durch wiederholtes Ausfällen mit Natriumearbonat schlielslich in salz- 
säurehaltigem_Wasser löste. Indessen schieden sich aus dieser Lösung 
selbst bei längerm Stehen über Schwefelsäure keine Krystalle ab, 
vielmehr trocknete die Flüssigkeit nur zu einer rotbraunen, firnis- 
artigen Masse ein. Erst nach Ueberführung in das Platinsalz und 
Zerleg>n desselben mit Schwefelwasserstoff begann die Lösung zu 
krystallisieren. Indessen war die Ausbeute an reinem Hydrochlorid 
eine sehr geringe, indem ich nur etwa 9,6 g davon erhielt. Auch ick 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 131 


konnte somit die bereits von Hesse und Stubbe beobachtete 
Thatsache bestätigen, dals die Darstellung des Oxyacanthins und 
Berbamins mit grolsem Verluste verknüpft ist, da stets ein nicht un- 
beträchtlicher Teil der Alkaloide in den stark braun gefärbten Mutter- 
laugen verbleibt, die sich jeder erfolgreichen Behandlung entziehen. 

Aulfser diesen aus der Wurzel von Berberis aquifol. darge- 
stellten Alkaloiden verwendete ich, wie bereits erwähnt, noch zur 
Untersuchung 80 g rohes schwefelsaures Oxyacanthin von Hesse. 
Letzteres behandelte ich zur Trennung des Oxyacanthins von noch 
etwa beigemenstem Berbamin ebenfalls mit gesättigter Natriumsulfat- 
lösung und die von dem hierdurch entstandenen Niederschlage ab» 
filtrierte Flüssigkeit mit Natriumnitrat. 

Ich erhielt durch letzteres Salz jedoch nur noch eine geringe 
Fällung. 

Dis auf diese Weise getrennten Basen führte ich abermals in 
Hydrochloride über und reinigte die ausgeschiedenen Krystalle durch 
wiederholtes Umkrystallisieren, unter Zusatz von Tierkohle, so lange. 
bis sie rein weils erschienen und sich zur Analyse verwenden liefsen. 
Da mir das auf diese Weise völlig reinerhaltene salzsaure Oxyacanthin 
als Ausgangsmaterial für die Darstellung der freien Base, sowie der 


übrigen Verbindungen derselben diente, so sei dessen in folgendem 
Erwähnung gethan. 


I. Oxyacanthin. 

a) Salzsaures Oxyacanthin, C,4.Hsı NO;, HEI 7258, 0. 

Dieses Salz wurde bereits von Wacker und Hesse aus 
der Wurzel von Berberis vulgaris, von Rüdel aufserdem noch aus 
der Wurzel von Berberis aquifolium dargestellt. Von diesem 
Hydrochlorid giebt Wacker an, dafs dasselbe 4 Moleküle Krystall- 
wasser enthalte, während Hesse und Rüdel mur 2 Moleküle 
fanden. Zur Aufklärung dieser Differenz unterwarf ich dieses Salz 
noch einmal der Analyse. Dasselbe hatte sich sowohl bei Anwen- 
dung des von mir aus der Wurzel von Berb. aquifol. isolierten 
Oxyacanthins, als auch bei Benutzung des von Hesse erhaltenen 
Materials in glänzend weilsen, zu Büscheln gruppierten Nadeln, aus- 
geschieden. Eine Verschiedenheit in den Krystallformen dieser 
beiden Hydrochloride, wie sie Rüdel bemerkt zu haben glaubt, 
habe ich nicht konstatieren können. 


132 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 


[4 


Die Bestimmung des Schmelzpunktes liefs sich nicht ausführen, 
da das Salz bei stärkerem Erhitzen, ohne zu schmelzen verkohlte. 
In Uebereinstimmung mit Hesse und Rüdel fand auch ich 
2 Moleküle Krystallwasser. Das Trocknen nahm ich in einem ver- 
schlie(sbaren Gläschen vor, da das Salz an der Luft leicht wieder 
etwas Feuchtigkeit anzog und infolgedessen schwer ein konstantes 
Gewicht zu erzielen war. Wie es scheint, giebt auch das Salz bei 
100° das Wasser völlig nicht ab; daher trocknete ich zunächst bis 
100° und schliefslich noch bei 105%. Dabei verloren: 

I. 0,3242 g Subst. 0,0304 g H,O = 9,37 Proz. H,O. 

II. 024649 „ 0,0234 7 7,7 = > 

Ta. 0 2022U 5 7, 00.0228 Eee 

Bei längerem Liegen an der Luft giebt das Salz durch Ver- 
witterung etwas Wasser ab, wenigstens fiel bei einer Reihe von 
Wasserbestimmungen von Salz, welches längere Zeit an der Luft 
aufbewahrt war, der Wassergehalt etwas zu niedrig aus. So 


verloren: 
I. 0,3560 g Subst. bei 100—105° 0,0310 H, O = 8,70 Proz. H,O 
11.=03172:8, A = 0,0232 ;„ =83372 ei 
702 1109er 5 * 0.0920 N ou 
Gefunden bei Salz, welches verwittert war: 
I. 8,70 Proz. H,O. Berechnet für C,9H,, NO,HC1+2H,0: 
IT.7 3,880, » 9,38 Proz. H,O. 
HT1.W68297 7; * 


Die Chlorbestimmung führte ich durch direktes Fällen mit 
Silbernitrat in salpetersaurer Lösung aus. Man darf indessen nicht 
zu stark mit Salpetersäure ansäuern und nicht zu stark damit er- 
hitzen, da sonst das in Lösung befindliche Oxyacanthinnitrat unter 
Bildung von harzartigen Produkten eine Zersetzung erleidet, die sich 
alsdann mit abscheiden und dem Chlorsilber beimischen. Ich erhielt 


dabei folgende Resultate: 


I. 0,3004 bei 100—1050 getrockneter Subst. ergaben 
0,12135 AgCl = 9,99 Proz. Cl. 


II. 0,2890 bei 1950 getrockneter Subst. 0,1195 AgCl 
—= 10,23 Proz ee 


III. 0,3118 lufttrockner Subst. 0,11615 AgCl = 9,20 Proz. Cl. 

Da bei den Elementaranalysen des salzsauren Salzes die Werte 
für den Kohlenstoff anfangs stets zu niedrig ausfielen, so dafs ich 
vermutete, dem Oxyacanthin könnte doch die Formel Cs His NOz 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 133 


zukommen, so suchte ich durch möglichst genaue Bestimmung des 
Chlorgehalts einen Anhaltspunkt für die Molekulargröfse des Oxy- 
acanthins zu gewinnen und denselben vielleicht durch Titration er- 


mitteln zu können. 

Bei Anwendung von Y,, N. KOH und Phenolphtalein war in- 
dessen die Endreaktion keine scharfe, so da[s die Werte immer etwas 
zu hoch ausfielen im Vergleich zu den auf gewichtsanalytischem Wege 
ermittelten: 

0,2890 bei 100—105° getrockn. Subst. erforderten 8,9 ccm. 

1/oö N- KOH = 0,031595 Cl = 10,93 Proz. Cl. 

Besser anwendbar scheint dagegen die Titration mit !/,, N. Silber- 

lösung unter Zusatz von Kal. chrom. als Indikator zu sein. Hiermit 
riert, wurden für 0,3250 bei 100-1050 getrockn. Subst. 9,5 ccm 
1/, Ag NO, verbraucht, die 0,03372 g Cl = 10,37 Proz. Cl entsprachen. 

Eine weitere Probe versetzte ich mit 1/,, N. Silberlösung im 
Ueberschufs, titrierte den Ueberschuls der letzteren mit Y. N. 
Rhodanammonlösung zurück und fand, da/s zur Fällung des Chlors 
aus 0,2890 bei 100-1050 getrockn. Subst. 8,2 ccm Y/„ Ag NO, ver- 
braucht waren = 0,02911 g Cl = 10,07 Proz. Cl. 

Auch nach Carius führte ich noch eine Chlorbestimmung aus; 
diese ergab aus 0,1980 bei 100-1050 getrockn. Subst. 0,0771 Ag Cl 
—= 10,119 Proz. Cl. 

Gefunden: 
I. durch Titrat. mit Y/,, N. AgNO, u. Kal. chrom. = 10,37 Proz. Cl. 
II. durch Titrat. mit !/, N. AgNO, u. Rhodanammon = 10,07 Proz. Cl. 
III. nach Carius — 10.49 Proz. Cl. 
Berechnet: für C,9 H,, NO;, HCl = 10,21 Proz. Cl. 

Bei der Elementaranalyse lieferten mit Bleichromat und vor- 

gelegter reduzierter Kupferspirale verbrannt: 
I. 0,2938 getrockn. Subst. 0,1609 H,O = 6,08 Proz. H. 
0,6976 CO, = 64,75 Proz. C. 
II. 0,2872 getrockn. Subst. 0,1600 H,O = 6,16 Proz. H. 
0,6818 CO, = 64,78 Proz. C. 
III. 0,3683 lufttrockner Subst. 0,2146 H,O = 6,47 Proz. H. 
0,7858 CO, = 58,78 Proz. C. 


Da die Wasser- und Chlorbestimmungen auf Werte hinwiesen, 
welche der Formel C,, Hs; NO, entsprachen, so mulste ich annehmen, 
dafs die Substanz, die an und für sich sehr schwer verbrannte, 
nicht völlig verbrannt war, zumal im Schiffehen immer ein schwarzer 
Hauch von Kohle zurückblieb, der selbst im Sauerstoffstrome nicht 
zum Verbrennen zu bringen war. Auch ein Bestreuen der Substanz 
im Schiffehen mit gepulvertem Bleichromat war ohne Erfolg. - Ich 


134 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 


verbrannte daher die Substanz nochmals im Liebig'schen Schnabel- 
rohre, nachdem dieselbe mit viel frisch ausgeglühtem Kupferoxyd 
angeschüttelt war. 
I. 0,2316 lufttrockner Subst. ergaben 0,1463 H,O = {,1l Proz. H. 
0,5008 CO, = 58,97 Proz. C. 
II. 0,2200 bei 105° getrockn. Subst. ergaben 0,1324 H,0 = 6,68 Proz. H. 
0,5258 CO, = 65,18 Proz. C. 


Gefunden bei lufttrockner Substauz : 


ıE 14: Ill. IV. Yi VI. 
H,0 = 9,37 9,49 9,35 _ =: — 
Cl — — — 9,20 — — 
H — u — — — 6,47 TA 
C — — = — 58,78 58,97 
Berechnet für 
C9H5, NO, HCI + 2H,0 C3H,NO, HCIi + 2H,0 
H,0 = 9,35 Proz. H,0 =. 9,74 ‚Proz. 
Gi 79728 = GIER 39:60 ei 
Ha2 8 60 EEE 
er 59.1510 Or ya: 
Gefunden bei 100—105% getrockneter Substanz 
T; 1. DE IV. V: 
Cl. = 9,99 10,23 — — — 
31, — 0,0 = — 6,08 6,16 6,68 
Of == — — 64,75 64,75 65,18 
Berechnet für 
C,9 Hz, NO,, HCl C;H,N0,;, HCl 
Ci = 10,21 Proz. Ci = 10,64 Proz. 
IE 54635 > Hr 25:99 5 
G Zub HE 2 - FGANonmE 
Gefunden von Rüdel: 
1. Er 
H,0 —= 9,24 9,u5 
Bee 0 — 
H == — 6,59 
@ et ge 65,25 
Gefunden von Hesse: 
il IE HT: 
07 79,43 — — 
H = 637 6,45 6,43 
6; —= 64,54 64,98 64,48 


Da die Differenz im Chlorgehalt zwischen den beiden Formeln 
C;o H;ı NO,, HC] und Us H,o NO;, HCl 
nur gering ist, so versuchte ich weiter das brom- und jodwasser- 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 135 


stoffsaure Salz darzustellen, da in diesen Salzen die Werte für den 
Brom- und Jodgehalt weit grölsere Unterschiede zeigen. 


b) Bromwasserstoffsaures Oxyacanthin: 
C,9 Ha, NO,. HBr + 2H,0. 

Ueber dieses Salz finden sich in der Litteratur bisher keine 
Angaben. Ich erhielt dasselbe, indem ich die freie, aus dem reinen 
salzsauren Salz dargestellte Base fein zerıiieben in Wasser suspen- 
dierte und unter gelindem Erwärmen soviel verdünnte Bromwasser- 
stoffsäure zufügte, bis die Base gelöst war und die Flüssigkeit eine 
schwach saure Reaktion zeigte. Die Lösung darf nicht zu sauer 
sein, da sonst leicht eine Zersetzung und Braunfärbung unter Ab- 
scheidung von Brom eintritt. Beim Erkalten der Lösung schied 
sich das Salz in weilsen, seidenglänzenden zu Drusen gruppierten, 
Nadeln aus, die dem salzsauren Salze in ihrem Aussehen ganz älın- 
lich waren. Bei der Wasserbestimmung verloren bei 100°: 

I. 0,1833 Subst. 0,0157 H,O —= 8,56 Proz. H,O. 

II. 0,0832 Subst. 0,0074 H,O = 8,39 Proz. H,O. 

Die Brombestimmung wurde in gleicher Weise wie die Chlor- 
bestimmung durch direktes Ausfällen mit Silbernitrat ausgeführt und 
dabei folgende Werte erhalten: 


I. 0,0808 getrockneter Subst. ergaben 0,0396 Ag Br = 20,19 Proz. Pr. 
11. 0,3912 lufttrockner Subst. ergaben 0,17235 Ag Br = 18,79 Proz. Br. 


Gefunden: 
Bei 100% getrockneter Substanz bei lufttrockner Substanz 
1. IE 
H,0 = 8,39 8,56 7,0 = _ 

Br = 20,19 —_ Br = 18,79 Proz. 
Berechnet für 
CasH,NO,,HBr+2H,0 Cs Hja NO; , HBr + 2H,0 
H,0 = 8,41 Proz. H,0 = 8,64 Proz. 
Bing Briı== 1982 in, 

Berechnet für 
Cs H;,; NO, ,H Br C,H NO; , HBr 
Br = 20,40 Proz. Br = 21,16 Proz. 


c) Jodwasserstoffsaures Oxyacantbhin: 
Cs Hz; NO;,,HJ + 2H,0. 
Auch über die Zusammensetzung und die Eigenschaften dieses 
Salzes sind in der Litteratur bisher keine Angaben vorhanden. Ich 
stellte dasselbe in der Weise dar, dals ich die freie Base mit 


136 Dr. H, Pommerehne: Ueber Oxyacanthin, 


soviel verdünnter, völlig farbloser HJ versetzte, bis bei gelindem 
Erwärmen Lösung eintrat und nur eine schwach saure Reaktion 
vorwaltete. Ich fügte alsdann noch ein wenig Alkohol, sowie einige 
Tropfen schwefliger Säure zu, um die durch ausgeschiedenes Jod 
verursachte schwache Gelbfärbung wieder fortzunehmen, und stellte 
dann die Lösung, vor Licht möglichst geschützt, zur Krystallisation 
zur Seite. Hierbei schied sich das Salz in ganz kleinen, weilsen 
Warzen ab, die indessen nicht so gut ausgebildet waren, wie die 
Krystalle der beiden andern halogenwasserstoffsauren Salze. Auch 
besals dals Oxyacanthinhydrojodid, trotz aller angewandten Vorsichts- 
malsregeln, eine schwach gelbliche Farbe, die indessen für die 
weitere Verwendung desselben zur Analyse ohne Belang war. Es 
ist dieses Salz weit weniger beständig, wie das entsprechende Hydro- 
chlorid und Hydrobromid, da schon bei der Darstellung desselben 
eine Gelbfärbung eintritt, die sich beim Stehen an der Luft und am 
Licht noch derartig vermehrt, dafs schliefslich die ganze Flüssigkeit 
stark gefärbt erscheint; gleichzeitig tritt auch eine Abscheidung 
dunkel gefärbter Produkte ein, die selbst durch Zusatz von schwefliger 
Säure nicht wieder zu entfernen sind. Aus der Mutterlauge noch 
weitere Krystalle zu erzielen, gelang mir nicht, obwohl ich dieselbe 
bei völligem Lichtabschlufs langsam über Schwefelsäure verdunsten 
lies, da unter starker Bräunung Zersestzung eintrat. Das Oxy- 
acanthinbydrojodid ist in kaltem Wasser verhältnismäfsig schwer 
löslich, leichter in heifsem Wasser und verdünntem Alkohol. Der 
bei der Wasserbestimmung gefundene Wert entsprach 2 Molekülen 
Krystallwasser. 
I. 0,3050 Substanz verloren bei 1009 0,0226 H,O = 7,40 Proz. H,0- 
Das durch Fällung mittelst Silbernitrat erhaltene Jodsilber be 
trug aus 


I. 0,2824 bei 100° getrockneter Substanz 0,1517 Ag J = 29,02 Proz. J. 
11. 0,2018 lufttrockner Substanz 0,0999 AgJ = 26,74 Proz J. 


Gefunden bei 


getrockneter Substanz lufttrockner Substanz 
H,0 = 7,40 Proz. H,0 = we 
3 2902 I .; = 126, 174@Proz: 
Berechnet für 
C,9 Ha; NO,, HJ + 2H,0 C,H NO; , HJ + 2H,0 
#0. —= "7,30 eroz. 3,0 = EU: 
Pi 26,710 , 3a aha 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin, 137 


Berechnet für 
Cy9 Hz, NO, H.) Cs Hı9a NO, HJ 
HO= — HO= — 
3) —= 28,92 Proz. J —= 29,33 Proz. 
Den Schmelzpunkt des getrockneten Salzes fand ich zwischen 
256— 258. 


d) Schwefelsaures Oxyacanthin: 
(Cj9 Ha, NO,); H, SO, + 4 H,0. 


Zur weitern Charakterisierung des Oxyacanthins analysierte 
ich auch das schwefelsaure Salz noch einmal. Es ist dasselbe 
bereits von Stubbe und von Rüdel untersucht, und von 
ersterem ein Krystallwassergehalt von 2 Molekülen, von letzterem 
ein solcher von 4 Molekülen angegeben worden. Zur Darstellung 
dieses Sulfats löste ich die reine Base unter Erwärmen in schwefel- 
säurehaltisem Wasser auf; schon beim Erkalten schied sich das 
Salz gröfstenteils in Krusten aus, die sich bei näherer Betrachtung 
als aus lauter kleinen würfelähnlichen, harten Krystallen bestehend 
erwiesen. Nur an den Wandungen des Gefäfses hatten sich auch 
einige Einzelkrystalle, die etwas besser ausgebildet waren, ab- 
geschieden. Es scheint indessen, als ob dieses Salz in ver- 
schiedenen Krystallformen auftritt, wenigstens erhielt ich aus den 
Mutterlaugen weiche, seidenglänzende Krystalle in Gestalt von 
Nadeln, die im Aussehen von ersteren völlig verschieden waren. 


Eine Schmelzpunktbestimmung war nicht ausführbar, da das 
Salz zusammensinterte und schliefslich, ohne zu schmelzen, verkohlte. 
Bei Bestimmung des Wassergehaltes fand ich übereinstimmend mit 
Rüde] 4 Moleküle; es verloren bei 110—115° 

I. 0,3066 Substanz 0,0290 H,O = 9,45 Proz. H,O. 
TEN WatgDe OPRRSO enge? El, Dar DRBINNGT 
III. 0,3431 = 0,0298. 22/2 7808 2% = 
Auch ich machte beim Trocknen dieses Salzes die Beobach- 
tung, dals bei 100° das Wasser noch nicht völlig abgegeben wurde; 
erst beim Steigern der Temperatur auf 110—115° wurde alles Wasser 
ausgetrieben. Hierbei färbte sich die Substanz ein wenig gelb, in- 
dessen war dieses ohne Bedeutung für die weitere Verwendung der- 
selben zur Schwefelsäurebestimmung und Elementaranalyse. 


138 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 


Die Schwefelsäure bestimmte ich durch Fällen der mit HCI 
stark angesäuerten Lösung der Substanz mittelst Chlorbaryum und 
gelangte dabei zu folgenden Werten: 

I. 0,4145 lufttrockene Subst. ergaben 0,1218 Ba SO, = 10,087 SO;. 

II. 0,2754 bis zum konstanten Gewicht getrockne Substanz 
ergaben 0,0915 Ba SO, = 11,34 Proz. SO;. 

Auch durch Titration mittelst Y N.KÖOH unter Zusatz von 
Phenolphtalein suchte ich die Schwefelsäure zu bestimmen, indessen 
fielen die dabei gefundenen Werte gegen die auf gewichtsanalytischem 
Wege erhaltenen stets etwas zu hoch aus, was wohl daraus sich 

erklärt, dafs die Endreaktion keine scharfe ist. Es erforderten: 
I. 0,2148 lufttrockener Substanz 5,7 ccm !/,;, KOH = 10,61 Proz. SO,. 
II. 0,3062 lufttrockner Substanz 8,2 cem Y/,, KOH = 16,71 Proz. SO;. 
III. 0,2754 bei 1150 getrockn. Subst. 7,9 ccm Y,, KOH = 11,47 Proz. SO;, 

Die Elementaranalysen lieferten folgende Daten: 

I. 0,2776 bei 110—115° getr. Subst. ergab 0,1500 H,O = 6,00 Proz. H- 
0,6407 CO, = 62,93 Proz. C’ 
II. 0,1984 0,1076 H,O = 6,02 Proz. = 


» 


III. 0,2344 lufttrockener ee 0,1432 H,O = 6,78 Proz. H. 
0,4964 CO, — 57,57 Proz. C. 


Gefunden bei lufttrockener Substanz: 


1 11. Bi IV. V: 

H,O —= 9,45 Proz. 8,85 Proz. 8,68 Proz. — — 

3,0 — —- Br — 10,08 Proz. — 
H = — — = 6,78 Proz. 
(a ar Be L —_ 57,97 Proz. 


Berechnet für: 


4,07 —2:9097Pro2: H,0 = 9,42 Proz. 
SO, = 10,10 , SO, = 1047 „ 
3 Hr: BR 
BG — 554,52, u re 
Gerunden bei 110—115° getrockneter Substanz: 
T. II. III. 
SO, = 11,34 Proz. = —— 
Ei 6,02 Proz. 6,00 Proz. 
C= 63,23 Proz. 62,93 Proz. 
Berechnet für: 
(Cs Hz NO3), H, SO, (Cs Hı9 NOz) H,O, 
SO, = 11,11 SO, = 11,56 Proz. 
FH, 2611 H — “ae 


GI Er PER 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 139 


Gefunden von Rüdel: 


I. IT. IH. IV. 

H,0 = 9,% En 8,98 9,16 
SO, = 10,97°°_ 10,99 = _ 
ENsenet ae 6.38 u 
5 EEE H 63,06 = 


e) Salpetersaures Oxyacantbhin: 
Cyg Hsı NO, HNO, +2H,0. 

Zur Gewinnung dieses bisher nicht dargestellten Salzes suspen- 
dierte ich die freie, aus dem salzsauren Salze erhaltene reine Base 
in viel Wasser, fügte zunächst in der Kälte soviel verdünnte 
Salpetersäure zu, dals die Lösung ganz schwach sauer reagierte 
und erwärmte darauf gelinde, indem ich noch tropfenweise soviel 
Salpetersäure zufügte, bis die Base in Lösung gegangen war. Es 
ist nötig, hierbei eine möglichst verdünnte Salpetersäure anzuwenden 
und nicht zu lange zu erwärmen, da andernfalls sich sehr leicht 
gelbe, harzartige Zersetzungsprodukte bilden. Beim Erkalten schied 
sich das Salz in kleinen, glänzend weilsen Warzen aus. Die von 
der ersten Krystallisation abfiltrierte Mutterlauge suchte ich weiter 
einzudampfen, indessen wirkte hierbei die Salpetersäure unter Gelb- 
färbung etwas zersetzend ein. Da das Salz in kaltem Wasser ziem- 
lich schwer löslich ist, leichter dagegen sich in heilsem Wasser löst, 
so hatte sich mit der ersten Krystallisation bereits fast die ganze 
Menge desselben ausgeschieden. Auch bei diesem Salz war eine 
Schmelzpunktbestimmung nicht ausführbar, da dasselbe zusammen- 
sinterte und bei 195— 200° verkohlte. 


Bei der Wasserbestimmung verloren: 


I. 0,3417 Substanz bei 1000 0,0302 H,O = 8,83 Proz. H,O. 
Il. 0,2516 5 r 2.20.0224 7 5: 78:90 E 


Diese Werte würden einem Krystallwassergehalt’”von 2 Molekülen 
entsprechen, da die Formel C,a Hz; NO, HNO, +2H,0 8,78 Proz. 
H,O verlangt. 

Man darf dieses Salz nicht zu lange trocknen und auch nicht 
über 100° erhitzen, da es sich sonst sehr stark gelb färbt, und an- 
scheinend eine Zersetzung dabei erleidet. Bei der Verbrennung 
im offenen Rohre ergaben: 


1. 0,3034 bei 1000 getrockneter Substanz 0,1610 H,O = 5,79 Proz. H- 
0,6834 CO, = 60,43 Proz. C. 
II. 0,2206 lufttrockener Substanz 0,1262 H,O = 6,35 Proz. H. 
0,4446 CO, = 54,96 Proz. C. 


140 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 


Da diese Werte im Vergleich zu den für die Formel 
Cj9 Hzı NO,, HNO, 

berechneten etwas zu gering ausgefallen waren, so führte ich noch- 
mals eine Verbrennung der mit frisch ausgeglühtem Kupferoxyd 
angeschüttelten Substanz in Liebig schen Schnabelrohre aus und 
erhielt folgendes Resultat: 
III. 0,2190 lufttrockener Substanz ergaben 0,1290 H,O = 6,54 Proz. H. 

0,4444 CO, = 55,34 Proz. C. 


Gefunden bei lufttrockener Substanz: 
8,83 Proz. 8,90 Proz. — — 
— _- 6,35 Proz. 6,54 Proz. 
—_ — 54,96 Proz. 55,34 Proz. 
Berechnet für: 
CaHzı NO,HNO,;, + 2H,O C,H; NO3H NO; +2H,0. 


H, 


aHOo 
III 


H,0 = 8,18 Proz. H,0 = 9,09 Proz. 
H= 6,43 = H = 6,06 ” 
C= 5560 „ C= 545 „ 


Gefunden bei 100° getrockneter Substanz: 
Hr. 9,19 Proz. 


C = 60437 , 
Berechnet für: 
C,9 Hsı NO,, HNO; Cıg Hı9g NO, HNO, 
H = 5,88 Proz. H = 5,55 Proz. 
C = 609 „ C = 60,00 „ 


Da für die Ermittelung der Molekulargröfse der Pflanzenbasen 
sich die Platin und Goldsalze derselben in der Regel als sehr ge- 
eignet erweisen, so stellte ich diese auch vom Oxyacanthin dar. 
Beide Salze sind bereits von Stubbe und von Rüdel analysiert 
worden, indessen stimmen die Angaben derselben über die dem 
Oxyacanthin danach zukommende Formel, sowie über den Wasser- 
gehalt wenig überein, so dals es aus letzterm Grunde wünschens- 
wert erschien, diese Salze nochmals der Analyse zu unterwerfen. 


f) Platinsalz des Oxyacanthins: 
(Cj9 Hzı NO, , HCl, Pt Cl, + 5H;0. 

Zur Darstellung desselben löste ich das reine salzsaure Oxy- 
acanthin in Wasser, welches mit verdünnter Salzsäure angesäuert 
war und versetzte diese Lösung so lange mit Platinchlorid, bis 
keine Fällung mehr erfolgte. Den flockigen, gelblich weilsen Nieder- 
schlag sammelte ich nach dem Absetzen auf einem Saugfilter, wusch 
ihn mit wenig Wasser nach, um ihn alsdann zwischen Fliefspapier 
lufttrocken werden zu lassen. Es gelang auch mir, ebensowenig 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 142 


wie Stubbe und Rüdel, nicht, dieses Salz krystallinisch zu er- 
halten, da dasselbe beim Umkrystallisieren aus Alkohol sich zer- 
setzte. Ich verwendete daher den amorphen lufttrockenen Nieder- 
schlag zur Analyse. Die Gewichtsabnahme des bei 100° bis zum 
konstanten Gewicht getrockneten Niederschlages betrug von 


I. 0,2139 Substanz 0,0180 H,O = 8,41 Proz. H,O. 
1I. 0,2876 F 0,0240 „ = 8,34 
III. 0,3154 0,0256 „ = 8ll 


n 


Diese Werte würden einem Wassergehalte von 5 Molekülen ent- 
sprechen, welcher 8,02 Proz. H,O verlangt. 
Die Platinbesiimmung ergab aus 


I. 0,2636 bei 100° getrockneter Substanz 0,0500 Pt = 18,96 Proz. Pt. 


'II. 0,9898 „ , x Be ET 
III. 0,2139 lufttrockner a OA BEI 16,30 FU EER 
IV. 0,2097 h 2 0,0359 Pb — 17,11 ', Pt. 


Die Elementaranalyse unter Anwendung von Bleichromat und 
reduzierter Kupferspirale ausgeführt, ergab folgende Zahlen: 
0,2124 lufttrockner Substanz ergaben 0,0936 H,O = 4,89 Proz. H 
0,3200:.005 41,030, C 
Zurück blieben im Schiffchen 0,0367 Pt = 17,28 Proz. Pt. 
Gefunden für lufttrockne Substanz: 


je II. III. 
Pt = 16,87 Proz. 17,11 Proz. 17,28 Proz. 
H= — — 489 5 
A. = 2 — 41.05. 9% 


Berechnet für: 
(Cjg Hja NO; HCl), PL Cl, +5 H,0 (Cs E49 NO; HC]), Pt Cl, +5 H,0 
Pt 


— EN SSPETOZ: Pt W460 Eroz 
SE ie re 
u —HABOBN 7 = 390 „ 

Gefunden von bei 100° getrockneter Substanz: 

I II. III. 

H,0 = ,841 Proz. 834 Proz... 81 Proz. 

P = _ 18,90... > III =; 


Berechnet für: 
(Cj9 Ha, NO, HCI, Pt Cl, (Cs Hı9 NO; HC], Pt Cl, 


H,0 = 8,02 Proz. 0: = 824 Pro2. 
PIE 1885, Pt, s=1PSU.5 
Gefunden von Stubbe: von Rüdel: 
1 108 PIR 

H,0 = 6,45 Proz. H,0 = 7,43 Proz. 7,64 Pıoz. 7,87 Proz. 
Pt.‘ — 1922, „ PR = Zum 18.5370 18.657 25 
RR 5 H —= 489 „ -- AN 
C =264 „ O E37, = 44,03 


» 


142 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 


g) Oxyacanthingoldehlorid: 
(Cjg Haı NO; , HCl) Au Cl, + 4H3;0. 

Die Darstellung des Oxyacanthingoldsalzes geschah in gleicher 
Weise wie die des Platinsalzes. Die Versuche, diesen amorphen, 
rötlich-gelb gefärbten Niederschlag krystallisiert zu erhalten, waren 
ebenfalls vergeblich, da derselbe sich beim Umkrystallisieren noch 
jeichter zersetzte, wie das Platinsalz. Daher verwendete ich auch 
den amorphen Niederschlag zur Analyse. Bei der Wasserbestimmung 
verloren bei 100° 


I. 0,2175 Substanz 0,0213 H,O = 9,79 Proz. H,O. 
II. 0,2784 2 0,0380. , 5 = 410,72 3 


Dieser Wasserverlust würde einem Krystallwassergehalt von 
4 Molekülen entsprechen, welcher 9,90 Proz. H,O verlangt. Es ist 
sehr schwierig, bei der Wasserbestimmung dieses Salzes ein kon- 
stantes Gewicht zu erzielen, da dasselbe sehr labiler Natur zu sein 
scheint. Man mufs die Temperatur daher nur langsam steigern, sie 
stets etwas unter 100° halten und auch das Salz nicht allzu lange 
im Trockenzustande belassen, da dasselbe sonst beständig an Ge- 
wieht abnimmt, indem es, wie der zu hohe Goldgehalt nicht der- 
artig getrockneter Präparate beweist, unter Salzsäureabspaltung eine 
Zersetzung erleidet. Bei der Goldbestimmung fand ich folgende 
Werte: 
I. 0,1962 getrockneter Substanz ergaben 0,0598 Au = 30,47 Proz. Au. 
II. 0,2484 = s; 0,0770 Au = 30,99 „ Au. 
III. 0,6062 lufttrocknen Salzes > 0,1660 Au = 27,38 „ Au 


Bei der Verbrennung erhielt ich aus 
0,2160 lufttrockner Substanz 0,0890 H,O —= 4,57 Proz. H 


0,2532 60,’ — 31,992, = 
Gefunden bei lufttrockner Suastanz: 
T- II. 
Au = 27,38 Proz. — 
il, = = 4,57 Proz. 
= _ BE35 73 


Berechnet für: 
{Cjg Ho; NOz3 HC]) Au C,+4H,0 (Ca H»NO; HC AuCc, +4H,0 


Au = 27,16 Proz. Au = 27,70 Proz. 
H =. 41575, H = 39 „ 
OS —eslsanesee: 0. —=1304 375 


Gefunden bei 100° getrockneter Substanz: 
32,0:=1.9,19. Proz; 10,74 Proz. 
DS Ser ES PER 30,99 475 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 143 


Berechnet für: 
CC, Hy; NO,HC1AuCl, +4H,0 Cs H,9 NO, HCI Au Ol], -- 4H,0O 


H,0 = 9,% Proz. H,O = 10,16 Proz. 
Au =9017 5 Au = 3083 „ 
Gefunden von Stubbe: von Rüdel: 
17 II. III. 

2.0 —=,,7,86 ‚Proz. H,0 =. 9,76, Proz... 9,63/Proz.. ' 8,95 Proz. 
At 253077, .. NT. 30;1282,,, 3092, 
H NL H = — — DOT: 
BD 5 Ü = == ar 35,5 „ 


h) Darstellung der freien Base. 


Zur Darstellung des freien Oxyacanthins benutzte ich das 
reine salzsaure Salz, aus welchem ich mittelst kohlensaurem Natron 
die Base füllte. Dieselbe schied sich als ein weilser, voluminöser 
Niederschlag ab, den ich auf einem Saugfilter sammelte, mit Wasser 
auswusch, alsdann zwischen Thontellern möglichst abprefste und nun 
lufttrocken werden liefs. Die fein zerriebene, trockne Base suchte 
ich jetzt aus verschiedenen Lösungsmitteln zu krystallisieren. Aus 
Chloroform und Essigäther, in denen sie sich sehr leicht löste, 
schied sie sich jedoch stets nur als amorphe, glasige Masse ab, 
selbst wenn die Lösungsmittel auch ganz langsam verdunsteten. 
Nicht ganz so leicht wie in obigen Lösungsmitteln löste sich die 
Base in 90 Proz. Alkohol. Ich versuchte daher die Base aus diesem 
in der Weise zu krystallisieren, dafs ich sie in 90 Proz. Alkohol 
löste, dieser Lösung Wasser bis zur eben noch verschwindenden 
Trübung zusetzte und dieselbe dann der freiwilligen Verdunstung 
überliefs. Hierbei schieden sich in der That ganz kleine Warzen, 
bestehend aus sehr feinen Nadeln, ab; indessen, als ich den Ver- 
such mit einer grölsern Menge Material in gleicher Weise ausführte, 
wollte es mir nicht wieder gelingen, Krystalle zu erzielen. Auch 
Aether und Benzol, in denen die Base etwas schwerer löslich ist, 
erwiesen sich als unbrauchbar zur Umkrystallisatin. Da das 
Oxyacanthin in Ligroin sehr schwer löslich ist, versuchte ich das- 
selbe hieraus zu krystallisieren. Allein beim Kochen mit diesem 
Lösungsmittel machte ich die Beobachtung, dals nur ein Teil der 
Base gelöst wurde, während ein anderer geringerer Teil ungelöst 
blieb. Durch diese Löslichkeit bezw. Nichtlöslichkeit in Ligroin 
glaubte ich einen Weg gefunden zu haben, das Berbamin, welches 


144 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 


vielleicht dem Oxyacanthin noch beigemischt sein könnte, davon zu 
trennen. Ich filtrierte daher das in heifsem Ligroin gelöste von 
dem ungelöst gebliebenen Teile ab und bestimmte den Schmelzpunkt 
beider. Ich fand denselben bei ersterem zwischen 194-2000, bei 
letzterem zwischen 188—196°. Zur weitern Charakterisierung der 
Identität bezw. Verschiedenheit dieser beiden Teile, führte ich sie 
wieder in das salzsaure Salz über, um dieses dann zu analysieren. 


I. In heifsem Ligroin gelöster Teil. 
I. 0,2881 Substanz verloren bei 100° 0,0276 H,O —= 9,58 Proz. H,O. 


II. 0,0683 e 5 I ne 3. -- » 
III. 0,2881 lufttrockner Substanz ergaben 0,1067 AgCl = 9,16 Proz. Cl 
IV. 0,0683 . 5 „ 0055 5 = 

V. 0,2293 H a e 0,1362 E00 ZI 

0,4935 CO; = 8697,77 C 


II. In heifsem Ligroin ungelöster Teil. 


I. 0,2480 Substanz verloren bei 105° 0,0238 H,O = 9,51 Proz. H,O 


II. 0,2508 = ». 2r7.0,0241 57 Se ” 
EI 0250 = 2 en Pros, 
IV. 0,2764 lufttrockner Substanz ergaben 0,10185 AgCl= 9,11 Proz. Cl 
V. 0,2508 5 E; = 009225. 1, 2/= AUS Tre 
VI. 0,2580 R: £ an "0.095153: 0.5) = Oder un 
VI. 0,2266 > e“ 2 0,1400; H,0 = 686 7 225 

0,4878 CO, =58107 , & 


Berechnet sind für 
C,H; NO,HCI+2H,0 CH}, NO0;HC1+2H,0. 


H,0 = 9,38 Proz. H,0 = 9,74 Proz. 
BI m EI, OWEN BO Fe 
re NE Hi ro 
C = AI C —+0B43 % 


Nach diesen Werten zu urteilen, scheint es sich nicht um ver- 
schiedene Körper zu handeln, da dieselben sich in dem äufseren 
und in den Löslichkeitsverhältnissen nicht von einander unter- 
schieden, und unter Berücksichtigung des Umstandes, dafs die 
Elementaranalysen im offenen Rohre ausgeführt wurden, in der Zu- 
sammensetzung in ziemlicher Annäherung der Formel C,; Hz, NO,, HCl 
+2H,0 entsprechen. Die geringe Verschiedenheit im Schmelzpunkt 
ist vielleicht darauf zurückzuführen, dafs das in Ligroin gelöste 
Oxyacanthin, welches sich teilweise krystallinisch, teilweise amorph 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 145 


ausgeschieden hatte, eine grölsere Menge krystallisierten Oxyacan- 
thins enthielt, als das in Ligroin ungelöst gebliebene. 

Auch bei dem Versuche, die Base aus Alkohol, welcher mit 
Ligroin geschichtet war, zu krystallisieren, schied sich stets nur 
eine gelblich gefärbte, glasige Masse ab. 

Erst alsfich zum weitern Vergleich mit der selbst dargestellten 
Base eine kleine Probe krystallisierten Oxyacanthins von Merck 
erhalten hatte, nahm ich die Versuche, die Base aus Alkohol zu 
krystallisieren "wieder auf, indem ich der Lösung der Base in 
90 Proz. Alkohol, welcher noch mit Wasser soweit verdünnt war, 
dafs eine eben auftretende Trübung beim Umschütteln wieder ver- 
schwand, eine ganz kleine Menge krystallisierten Oxyacanthins zu- 
fügte und dann diese Flüssigkeit der freiwilligen Verdunstung über- 
liefs. Hierbei schieden sich in der That sehr bald kleine, harte, 
würfelähnliche Krystalle, die denen des schwefelsauren Salzes ähnlich 
waren, in reichlicher Menge ab, indessen begann auch hier die 
Lösung, sobald eine gewisse Menge Alkohol verdunstet war, sich 
unter Abscheidung eines amorpken Niederschlages zu trüben. Ich 
wendete daher bei einem weitern Versuche 90 Proz. Alkohol, ohne 
Wasserzusatz, an und erhielt hieraus die Base in denselben kleinen 
harten Krystallen, ohne Beimengung amorpher Base. Ich machte 
bei der Krystallisation der freien Base aus Alkohol die Beobachtung, 
dafs sowohl die abgeschiedene Base, wie auch die Lösung bei 
längerem Stehen mit dem Alkohol eine rötliche Farbe annahm, indem 
wahrscheinlich das Licht oder der Sauerstoff der Luft verändernd 
darauf einwirkt. Zur Erzielung farbloser Krystalle, mus man daher 
die Lösung stets vor Licht geschützt krystallisieren lassen, und so- 
bald sich ein Teil Krystalle farblos abgeschieden hat, diese sogleich 
sammeln, ehe die Rotfärbung eintritt, da letztere sich nicht wieder 
entfernen lälst. 

Den Schmelzpunkt der bei 100° getrockneten Base fand ich 
bei 208—210. Den gleichen Schmelzpunkt besals auch die von 
Merck bezogene krystallisierte Base. Dieses würde dem Schmelz- 
punkt, der von Hesse für die von ihm krystallisiert gewonnene 
Base angegeben worden ist, nahe kommen, indem dieser Forscher 
denselben als zwischen 208S—214° liegend ermittelte. Die amorphe 
Base schmilzt weit niedriger, zwischen 150—1600 (Hesse 138—1500) 

Arch. d. Pharm. COXXXIU. Bäs. 2. Heft. 10 


146 Dr. H. Pommerehne: VÜeber Oxyacanthin. 
Beim Trockzen bei 100° erwies sich die Base als wasserfrei. 
Die Verbrennungen der bei 100° zuvor getrockneten Base lieferten 
folgende Zahlen: 
A. Im offenen Rohre, 
I. Die von Merck bezogene Base: 


1. 0,2490 Substanz ergaben 6,1466 H,O 6.35 Proz. H 


0,6610 CO, = 72,39 „ © 

2. 0,2138 N R 0,1266 RO 
0,5708,C0, 1 HB Sant 

II. Die selbst dargestellte krystallisierte Base: 

1. 0,2464 Substanz ergaben 0,1444 H,O = 6,50 Proz. H 
0,6542 00, — 7240 7726 


offenen Rohr der Kohlen- 
Vergleich mit dem für die 
Formel C;;9 Hsı NO, berechneten Werte, so führte ich noch eine 


Da bei diesen Verbrennungen im 
stoffgehalt etwas zu niedrig ausfiel, im 


Reihe Verbrennungen im Liebig 'schen Schnabelrohre aus, deren 
Resultate folgende waren: 


B. Im Schnabelrohre., 
I. Die von Merck bezogene Base: 


1. 0,1928 Substanz ergaben 0,1220 H,O 


7.022ProZ@EN 


0,5200,C03.,—..78,53 7 54. 
2. 0,1966 e B 0,1220.B, 0 — 6,78 Zr 
0,5390 00; —. 73,64 etc 
3. 0,1908 Subst. ergaben 0,1180 H,O= 6,57 Proz. H. 
0,5114 CO, = 73.09 „ C. 
4. 0,2107 „ ” 0;134378,0 — 7.07 Wan auaEle 
0,5672.C0, i73 37H Yu eb 


II. Die selbst dargestellte Base: 
1. 0,2758 Subst. ergaben 0,1702 H,O = 6,85 Proz.H. 
0,7416 CO, = 173,33 „ C. 
Bei der Stickstoffbestimmung nach Will-Varrentrapp verbraucht® 
das aus 0,2558 g Subst. gebildete Ammoniak 8,00 cem Y,, N.HCl1 zur 
Sättigung, entsprechend 0,0112 g N = 4,37 Proz. N. 


Gefunden: 
Verbrg. i. offenen Rohr: im Schnabelrohr: 
1l 108 INS ETy: 1b Tre TE IV. Ve 
EN, 653 "0,56. 1650 er 7,02 )).6,78. 06,87. ROTE 6 
01272397 72,51 2272,40 — 13.25.1173,64& 73,09, 7332 77233 
SEC. RER RL 437 Se TREE hi 
Berechnet für: 
CaH5,NO; CH NO;. 
H 776.79. Proz E17 6392PR02 
CE in GL TEE 
N 4:50: 19, N Asch 185 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 147 


Gefunden von: 


A. Rüdel. B. Hesse. 

H 6,39 HB 1 6,87,75,6,807 56:63. 2..8.96 Belle 6,66 Proz. 
C 73,19 C 73,26 73,13 72,62 72,88 72,75 7286 „ 
N — N 4,52. 


Ich glaube somit auf Grund der Werte, die ich sowohl beim 
Verbrennen der Salze des Oxyacanthins, als auch der freien Base, 
namentlich im Schnabelrohr, ermittelte, annehmen zu dürfen, dals 
die vonRüdel für das Öxyacanthin aufgestellte Formel, C,g Hs, NO;, 
die richtige ist, zumal auch die bei den nachfolgenden Analysen ge- 
fundenen Zahlen gut mit dieser Formel im Einklang stehen. 

Was das Verhalten der freien Base gegen die allgemeinen 
Alkaloidreagentien anlangt, so ist keine dieser Reaktionen besonders 
charakteristisch. 

Ich führte dieselben sowohl mit der von mir selbst darge- 
stellten, wie mit der von Merck erhaltenen Base aus, und machte 
dabei ziemlich dieselben Beobachtungen wie Rüdel. Das Verhalten 
war folgendes: 

1. Konz. HNO,: Gelbbraune Färbung, auf Zusatz von konz. 
H, SO, unverändert, schliefslich hellgelb. 

2. Konz. H,SO,: Farblos, auf Zusatz von konz. HNO, an- 
fangs schwach gelb, dann rötlich braun, schliefslich rötlich gelb. 

3. Erdmann’s Reag.: Schwach rötlich gelb. 

4. Froehde’s Reag.: Anfangs stark violett, dann schmutzig 


grün; hierauf wird die Färbung schwächer und geht schliefslich in 
eine schwach gelbe über. 


5. Vanadinschwefelsäure: Schwach schmutzig violett, dann 
rötlich violett. 

6. Zinnchlorür erzeugt mit der freien Base zusammengebracht, 
keine Fällung, dagegen mit den Salzen sofort eine stark weilse 
Fällung. 

7. HgÜl, verhält sich ebenso. 

8. Chlorwasser löst die Base unter Erzeugung einer ganz 
schwach gelblichen Färbung; fügt man dann einen Tropfen Kal. 
dichrom. sol. zu, so entsteht sofort eine starke gelbe Fällung. 

9. Bromwasser erzeugt eine gelbe Fällung. 

Die Eigenschaft des Oxyacanthins, reduzierend zu wirken, 
konnte ich gleichfalls bestätigen, indem 


10* 


148 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 


a) aus einer Lösung |von jodsaurem Kalium in verdünnter 
Schwefelsäure Jod frei gemacht wurde, welches sowohl an Geruch 
wie an der Violettfärbung von Schwefelkohlenstoff zu erkennen war. 


b) Beim Eintragen von etwas bas. Wismutnitrat in eine 
Lösung von Oxyacanthin in konz. H, SO, trat sehr bald eine Dunkel- 
färbung des bas. Wismutnitrats ein. 


c) Wurde Oxyacanthin zu einer verdünnten Lösung von 
Ferıicyankallum in FeCl, zugesetzt, so färbt sich letztere 
bald blau. 


Oxyacanthin und Acetylchlorid. 


Um zunächst Aufschlufs darüber zu gewinnen, in welcher 
Bindung sich die im Oxyacantlin vorhandenen Sauerstoffatome be- 
finden, liefs ich Säurechloride auf dasselbe einwirken. Zu diesem 
Zweck kochte ich 1 g fein zerriebenes, bei 100% zuvor getrocknetes, 
salzsaures Oxyacanthin mit überschüssigem Acetylchlorid in einem 
mit Rückflulskühler versehenen Siedekölbchen etwa eine Stunde lang. 
Hierbei löste sich das Salz zu einer grünlich gefärbten Flüssigkeit 
auf, ohne jedoch beim Erkalten, auch nachdem das überschüssige 
Acetylchlorid verjagt war, eine krystallinische Substanz abzu- 
scheiden. Durch Wasser wurde in der Flüssigkeit eine weilse 
Fällung erzeugt, die auf Zusatz von verdünnter Salzsäure sich noch, 
vermehrte, jedoch durch Alkohol wieder verschwand. Als ich in- 
dessen die ganze Menge des Einwirkungsproduktes in obiger Weise 
behandelte und die erzielte Lösung hierauf über Schwefelsäure ver- 
dunsten liefs, schieden sich nach einigem Stehen keine Krystalle, 
sondern nur gelbe ölige Tropfen ab. Ich verwandelte daher das 
Einwirkungsprodukt, um es in eine analysierbare Form zu bringen, 
in das Platinsalz, indem ich die in der Schale zurückgebliebene ölige 
Masse in Alkohol und Wasser unter Zusatz einiger Tropfen Salz 
säure löste und diese Lösung mit Platinchlorid fällte. Bei der Platin- 
bestimmung des bei 100° getrockneten Niederschlages konstatierte: 
ich jedoch einen Gehalt an Platin, welcher nur etwa die Hälfte von 
dem für die Formel (C}9 Hz, (CH, . CO) NO,, HCl), Pt Cl, berechnetem 
Werte betrug, woraus hervorgeht, dafs unter obigen Bedingungen 
jedenfalls kein acetyliertes Produkt entstanden war. 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 149 


Oxyacanthinund Essigsäureanhydrid. 


Da die Behandlung des Oxyacanthins mit Acetylchlorid kein 
Produkt geliefert hatte, aus dessen Zusammensetzung ein Schlufs 
auf etwa in der Base vorhandene Hydroxylgruppen gezogen werden 
konnte, so liefs ich auf eine andere Probe Essigsäureanhydrid, unter 
Zusatz einer kleinen Menge wasserfreien Natriumacetats, einwirken. 
Es resultierte dabei, nachdem ich das Gemisch etwa eine Stunde 
lang gekocht hatte, eine gelbe Lösung. Ich verdunstete alsdann das 
überschüssige Essigsäureanhydrid, um hierauf den Rückstand in 
verdünntem Alkohol zu lösen und die Lösung der freiwilligen Ver- 
dunstung zu überlassen. Hierbei trocknete dieselbe jedoch nur zu 
einer amorphen, firnisartigen gelblichen Masse ein. Da sich auf 
diese Weise das Einwirkungsprodukt nicht in analysierbare Form 
überführen liefs, so versuchte ich aus einem Teile desselben das 
Platinsalz darzustellen, indem ich die mit etwas Salzsäure angesäuerte 
Lösung mit Platinchlorid versetzte. Hierbei erfolgte jedoch nur eine 
ganz geringe Fällung. Eine Platinbestimmung aus 0,1644 der bei 
100° zuvor getrockneten Substanz ergab 0,0068 Pt = 4,13 Proz. Pt. 
Berechnet sind für (Cjg Hz, (CH, CO) NO,, HC]),PtCl, = 17,42 Proz.Pt. 
Es beweist dieser viel zu geringe Platingehalt, dafs auch auf diese 
Weise der Nachweis von etwa eingetretenen Acetylgruppen nicht 
möglich ist. Auch ein Versuch, die Acetylgruppen durch Verseifen 
mit !/,o N. KOH zu bestimmen, führte zu keinem Resultat, da der 
hierbei gefundene Wert 6,63 Proz. CH,.CO nur die Hälfte des für 
eine Acetylgruppe berechneten = 11,03 Proz. CH, CO betrug. Nach 
den Eigenschaften der durch Einwirkung von Acetylchlorid und von 
Essigsäureanhydrid auf Oxyacanthin erhaltenen Produkte gewinnt es 
den Anschein, als ob diese Agentien mehr wasserabspaltend als 
acetylierend auf Oxyacanthin einwirken. 


Oxyacanthin und Benzoylchlorid. 


Der negative Ausfall der im Vorstehenden beschriebenen Ver- 
suche veranlalste mich, das Oxyacanthin mit Benzoylchlorid in Reaktion 
zu bringen, Ich versetzte zu diesem Zwecke lg zuvor bei 100° 
getrocknetes salzsaures Salz mit etwa 5 g Benzoylchlorid und erhitzte 
dieses Gemisch 2 Stunden lang in einem mit Trichter verschlossenen 
Kolben auf dem Wasserbade. Hierbei färbte sich die Substanz 


150 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 


gelb, ohne sich jedoch zu lösen. Nach dem Verdunsten des über- 
schüssigen Benzoylchlorids verblieb ein bräunlicher Rückstand, den 
ich zur Entfernung der in reichlicher Menge mit ausgeschiedenen 
Benzoösäure mit Aether auswusch, um ihn alsdann in Alkohol zu 
lösen. Aus der alkoholischen, rotgelb gefärbten Lösung, schied sich 
beim Versetzen mit Wasser ein gelblich weifser, voluminöser Nieder- 
schlag aus; ich fügte daher soviel Alkohol zu, bis sich der Nieder- 
schlag wieder gelöst hatte, säuerte diese Lösung mit Salzsäure an, 
um sie dann der Krystallisation zu überlassen. Obschon dieselbe 
bis auf ein sehr kleines Volum verdunstet war, schieden sich doch 
keine Krystalle daraus ab. Ich stellte daher das entsprechende 
Platin und Golddoppelsalz daraus dar. 


a), P Latı.n.s,a la: 
[C;g Hao (Cg H, CO) NO, HCl, PL C, +8H3,0. 

Ein Teil dieser mit Alkohol und Wasser wieder verdünnten 
Lösung wurde mit Platinchlorid versetzt; hierdurch bildete sich eine 
reichliche Menge eines flockigen, gelblich weifsen Niederschlages, 
den ich nach dem Absetzen durch Absaugen von der Mutterlauge 
trennte, mit wenig verdünntem Alkohol nachwusch und ihn dann 
lufttrocken zur Analyse verwendete. Die Wasserbestimmung ergab 
folgendes Resultat: 


I. 0,2126 Subst. verloren bei 100° 0,0216 H,O = 10,15 Proz. H,O 
1I1.0.29600.5 $ 11.009, 0.0230, 11244 2— LO 
Diese Werte würden einem Krystallwassergehalt von 8 Molekülem 
entsprechen, dem die Formel [C,g Ha, (C,H, CO) NO; H Cl] z„Pt C, +8H,0 
verlangt 10,40 Proz. H;0. 
Bei der Platinbestimmung blieben zurück aus 
I. 0,1910 bei 1000 getrk. Subst. 0,0300 Pi. = 15,70 Proz. Pt. 


1720,20307252 1000723 5.n40:0320.1E,,, = a6, ge 4 
Gefunden: Berechnet: 
IL IR 
H,0 = 10,15, Proz. 10,17. Proz. H,O = 10,40 Proz. 
Pre =1540, 7%, NL a a N 


b) Goldsalz: 
[Cıo Hao (C, H, CO) NO, H Cl} AuC, + 2H, 0. 
Den andern Teil der verdünnten alkoholischen Lösung des 
obigen Reaktionsproduktes versetzte ich mit Goldchlorid in geringem 
Ueberschufs. Hierbei fiel ein rötlich gelb gefärbter Niederschlag 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 151 


aus, den ich gleichfalls absaugte und mit wenig verdünntem Alkohol 
nachwusch. Das Goldsalz löste sich beim Erhitzen in Alkohol au:, 
schied sich jedoch beim Erkalten stets wieder in amorphen Flocken: 
ab. Ich verwendete dasselbe daher direkt zur Analyse. Bei vor- 
sichtigem Trocknen bis auf nahezu 1000 verloren 

I. 0,2830 Subst. 0,0166 H, O = 5,86 Proz. H, O 

II. 0,3052 „ 0,0138 —4,52 

Aus diesem Wasserverlust ergiebt sich ein Gehalt von 2 Mole- 

külen Wasser, denn die Formel [C,g Ha, (C,H; CO)NO,H Cl] Au Cl, +2 H,O 
verlangt 4,55 Proz. H,O. 


Bei der Goldbestimmung hinterlielsen : 
I. 0,2664 getrk. Subst. 0,0690 Au = 25,90 Proz. Au. 


” » » 


II. 0,2194 _ °„ em P.0720, 21 = 2024.) ; x 
Berechnetsind für [C,, Ha, (C,H, CO) NO, H C]] Au Cl, 26,06 Proz. Au. 
Gefunden: Berechnet: 

I; I; 
H,O = 5,86 Proz. 4,52 Proz. H,0 = 455 Proz, 
Ark 123.902 3 Sn 2644 u Au = 26,06 = 


Aus diesen Daten geht jedenfalls hervor, dals im Oxyacanthin 
ein Sauerstoffatom in Form einer Hydroxy!gruppe vorhanden ist, 
deren Wasserstoffatom durch Benzoyl ersetzt werden kann. 


Methoxylbestimmungenim Oxyacanthin. 


Zur Entscheidung der Frage, ob im Oxyacanthin eine oder 
mehrere Methoxylgruppen : O.CH,, enthalten sind, bediente ich mich 
der von Zeiselt!) angegebenen Methode, nach welcher durch Ein- 
wirkung von konz. Jodwasserstoffsäure (Siedep. 1270) auf die be- 
treffenden freien Basen oder deren salzsaure Salze, die in den 
Methoxylgruppen vorhandenen Methylgruppen in Gestalt von Jod- 
methyl abgespalten werden, welches dann mit alkoholischer Silber- 
nitratlösung zu Jodsilber umgesetzt wird. Aus dem Gewichte dieses 
Jodsilbers läfst sich dann ein Rückschlufs auf die Zahl der vor- 
handenen Methylgruppen ziehen. Diese Bestimmungen lieferten 
folgende Daten: 


Il. Salzsaures Oxyaec.; lufttrocken. 
1. 0,3130 Subst. ergab 0,3001 Ag J = 12,68 Proz.O.CH.,. 
2.0.2170 ,.; Sr Ba 5, 13,22 


» > 


1) s. Monatshefte für Chemie 1355 p. 95%. 


152 Dr. H. Pommerehne: TDeber Oxyacanthin. 


Berechnet sind für die Formel C,9 Ha, NO, HC1+2H,0 
für eine Methoxylgruppe 8,08 Proz.O.CH;.. 
„ Zwei 4 16.1002, a 
Il. Salzs. Oxyac. bei 100--1050 getrocknet. 
1. 0,1942 Subst. ergaben 0,20515 Ag J = 13,93 Proz. O.CH,. 
Berechnet sind für C,9 H,, NO,. HCl 
für eine Methoxylgruppe = 8,92 Proz.O.CH,. 
„ zwei 5 —WSLnn » 
III Oxyacanthin, freie Base. 


0,2365 Subst. ergaben 0,27255 Ag J = 15,20 Proz. 0. CH;. 
Der in Ligroin unlösliche Teil der freien Base lieferte bei der 
Methoxylbestimmung das gleiche Resultat. 


IV. Oxyacanthin freie Base von Mersk. 


0,2308 Subst. ergaben 0,2786 Ag J = 15,73 Proz. O. CH;. 
Berechnet sind für O9 Hz, NO;. 
für eine Methoxylgruppe = 9.96 Proz. O.CH,. 
„ zwei e 19,937, » 


Nach den vorstehenden Resultaten kann es wohl kaum zweifel- 
hatt sein, dals in dem Öxyacanthin thatsächlich Methoxylgruppen 
vorhanden sind, ob es sich dabei jedoch um eine oder zwei derartiger 
Gruppen handelt, lassen die gefundenen Werte unentschieden. Die 
ermittelten Werte weisen jedoch mehr auf zwei Methoxylgruppen hin. 
‘Worin indessen der Grund zu suchen ist, dafs ich trotz der Ein- 
heitlichkeit des angewendeten Oxyacanthins die für zwei Methoxyl- 
gruppen berechneten Werte nicht erhalten konnte, vermag ich nicht 
zu entscheiden. Die erzielten Daten würden bei Annahme der ver- 
doppelten Oxyacanthinformel C3g H, N; O0, auf einen Gehalt von 
30.CH;, hinweisen. Zu einer derartigen Verdoppelung der Formel 
des Oxyacanthins liegt jedoch sonst keine Veranlassung vor, ebenso- 
wenig wie zu der Annahme, dafs das analysierte Oxyacanthin aus 
einem Gemisch von zwei isomeren Basen, von denen die eine zwei, 
die andere nur eine O.CH;-Gruppe enthält, bestanden habe. 


EinwirkungvonJodmethylauf Oxyacanthin. 
Um weiter über die Natur des Stickstoffatoms im Oxyacanthin 
Aufschlufs zu gewinnen, prüfte ich das Verhalten desselben gegen 
Jodalkyle. Ich brachte zu diesem Zwecke 1 g reines bei 100% zuvor 
getrocknetes Oxyacanthin mit überschüssigem Jodmethyl in einer 
Druckflasche zusammen, und erhitzte das Gemisch 4—5 Stunden lang 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 153 


im Wasserbade. Hierbei resultierte eine gelblich weilse Masse, die 
ich nach dem Verdunsten des überschüssigen Jodmethyls in ver- 
dünntem Alkohol löste, um dann die klare, gelblich gefärbte Lösung 
dem freiwilligen Verdunsten zu überlassen. Sobald die Lösung kon- 
zentrierter wurde, schieden sich einzelne, aus kleinen feinen Nadeln 
bestehende Drusen ab, jedoch trat zugleich auch eine Abscheidung 
reichlicher Mengen von öligen Tropfen ein. Ich löste daher den 
Rückstand nochmals in Alkohol und liefs wieder verdunsten. Jetzt 
schied sich eine beträchtliche Menge kleiner harter, gelblich ge- 
färbter Krystalle ab, welche ich sammelte, um sie zur weiteren 
Reinigung nochmals aus verdünntem Alkohol umzukrystallisieren 
Da indessen die schwach gelbe Farbe sich nicht verlor, so trennte 
ich die Krystalle durch Absaugen von der Mutterlauge, um sie 
schliefslich zwischen Fliefspapier zu trocknen. 

Bei der Wasserbestimmung des zerriebenen Salzes fand ich 
einen Gehalt an Krystallwasser, der zwei Molekülen entsprach. Denn 
es verloren bei 110°: 

0,2216 Subst. 0,0164 H,O = 7,40 Proz. H,O. 

Berechnet sind für 


C,H, NO, CH, J + 2H,O = 7,36 Proz. H, 0. 
Cu 85, NO;,HJ +2 H,O = TRDN ” H,O. 


Hierbei machte ich die Beobachtung, dals das Wasser, ab- 
weichend von dem jodwasserstoffsauren Oxyacanthin, welches mög- 
licherweise hier hätte mit in Frage kommen können, bei 100° noch 
nicht vollständig abgegeben wird. Denn bei der ersten Probe, die 
ich trocknete, verloren 

0,1968 Subst. bis 100% 0,0976 H,O — 3,86 Proz. H,0, 
also nur die Hälfte des Wassergehaltes.. Ich erhitzte daher die 
Substanz bis auf 110%, wobei nochmals Wasser abgegeben wurde, 
ohne dafs sich indessen das Aussehen der Substanz dabei änderte. 

Bei der Jodbestimmung nach Carius ergaben 

0,1963 wasserhaltiger Subst. 0,0937 AgJ = 25,73 Proz. J. 

Berechnet sind für 

C,H; NO,CH,J+2H,0 = 25,97 Proz. J. 
GEHN HI +03, T. 

Der Schmelzpunkt der getrockneten Substanz lag ziemlich hoch. 
Ich fand denselben bei 248—250°. 

Aus diesen Daten geht hervor, dafs sich bei der Einwirkung 
des Jodmethyls auf Oxyacanthin ein Additionsprodukt gebildet hatte. 


154 Dr. H. Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 


Ich suchte jetzt durch Behandeln mit Silberoxyd die entsprechende 
Ammoniumbase des Oxyacanthins zu isolieren. 

Zu diesem Zwecke löste ich das Oxyacanthinmethyljodid in 
Alkohol, dem etwas Wasser zugesetzt war, auf und fügte zu der 
gelinde erwärmten Lösung soviel frisch gefälltes Silberoxyd, bis in 
einer abfiltrierten Probe keine Jodreaktion mehr zu erkennen war. 
Das Silberoxyd wirkte in folgender Weise ein: 

2 (0, Hs NO, CH, J) + Ag 0 + H,0 = 2(C,,H; NO,CH,OH) + 2Agl. 

Aus dem Reaktionsprodukte versuchte ich, nachdem dasselbe 
durch Filtration von dem Jodsilber und dem überschüssigem Silber- 
oxyd befreit und bis auf ein kleines Volum eingedampft war, 
Krystalle zu erzielen. Ich erhielt jedoch nur eine rötlich gefärbte, 
sirupartige Masse, welche stark alkalisch reagierte und reichlich 
Kohlensäure absorbiert hatte. Denn beim Uebergiefsen derselben 
mit verdünnter Salzsäure trat eine deutliche Kohlensäureentwicklung 
ein. Da nun die gebildete Ammoniumbase nicht zur Kıystallation 
zu bringen war, so stellte ich, um sie analysieren zu können, ein 
Platin und Goldsalz daraus dar. 

a) Platinsalz: (CO Hs, NO, CH; Ch; PC, +5H3,0. 

Ich versetzte einen Teil der mit Wasser verdünnten und mit 
Salzsäure angesäuerten Lösung mit Platinchlorid. Sofort schied sick 
ein reichlicher, flockiger Niederschlag aus, welchen ich durch Ab- 
saugen von der Mutterlauge trennte und zwischen Fliefspapier luft- 
trocken werden liefs. Bei der Wasserbestimmung verloren, bei 100° 
bis zum konstanten Gewicht getrocknet, 

0,3151 Subst. 0,0255 H,O = 8,09 Proz. H, 0. 

Dieser Wert würde 5 Molekülen Krystallwasser entsprechen. 
Denn die Formel (C,g Hs, NO, CH, CD, Pt Cl, + 5H, O0 verlangt 
7,83 Proz. H,O. 

Bei der Platinbestimmung ergaben 0,2896 wasserfreie Substanz 

0,0530 Pt = 18,30 Proz. Pt. 
Berechnet sind für (Ci; Hz, NO; CH, Cl), Pt Ol, = 18,35 Proz. Pt. 
b) Goldsalz: (Ci Hs, NO;, CH; Cl) Au C, + H, 0. 

Dieses Doppelsalz stellte ich analog dem Platinsalz durch 
Fällen der salzsauren Lösung der Ammoniumbase mit Goldchlorid 
dar. Hierbei fiel ein gelbroter Niederschlag aus, den ich gleichfalls 
im amorphen Zustande zur Analyse verwendete. Das Trocknen 
mulste, ebenso wie bei den früher beschriebenen Goldsalzen, sehr 


Dr. H Pommerehne: Ueber Oxyacanthin. 155 


vorsichtig ausgeführt werden, da sonst leicht etwas Chlorwasserstoff 
abgespalten wird und infolgedessen der Goldgehalt dann viel zu 
hoch ausfällt. In dieser Weise getrocknet, verloren 
0,2458 Subst. 0,0052 H,O = 2,11 Proz. H,O. 
Dieser Wert entspricht einem Moleküle Wasser, denn die Formel 

(Co Hz; NO, CH; Cl) Au Cl; + H,O verlangt 2,63 Proz. H,O. 

Bei der Goldbestimmung hinterlie[sen 0,2406 wasserfreier Subst. 
0,0712 Au = 29,59 Proz. Au. 

Berechnet sind für (Cj9 Ha; NO; CH, Cl) Au Cl, = 29,53 Proz. Au. 

Es zeigen diese Werte weiter, dafs aus dem Additionsprodukt 
von Oxyacanthin und Jodmethyl durch Behandeln mit Silberoxyd 
eine entsprechende Ammoniumbase gebildet wird und das Oxyacanthin 
somit als tertiäre Base anzusprechen ist. 


Drehungsvermögen des Oxyacanthins. 


Das Oxyacanthin ist wie die meisten Alkaloide optisch aktiv, 
und zwar lenkt dasselbe die Schwingungsebene des polarisierten Licht- 
strahls stark nach rechts ab. Um das spezifische Drehungsvermögen 
zu bestimmen, löste ich 0,3754 reiner, trockner Base in 27,3966 g 
Alkohol (0,8895 spez. Gew. b. 20°). Das Gewicht der Lösung be- 
trug 27,7720 g, das spez. Gew. derselben 0,8920 Der polarisierte 
Lichtstrahl wurde bei einer 2 dm langen Flüssigkeitssäule um 40 13° 
(Mittel von 6 vorgenommenen Ablesungen) nach rechts abgelenkt. 
Die Temperatur betrug 20°. Als Lichtquelle wurde die Chlornatrium- 
flamme benutzt, die beobachtete Drehung ist daher für das Gelb- 
orange der Frauenhofer’schen Linie D. bestimmt. Das spez. Drehungs- 


Y 100. 
vermögen berechnet sich nach der Formel [«]p = BEE ER 


Es ist « der beobachtete Ablenkungswinkel, d das spez. Gew. 
der Lösung, 1 die Länge der Flüssigkeitssäule und p der prozentische 
Gehalt der Lösung an optisch aktiver Substanz. Demnach ergiebt 
sich für 

l«p= + 1749 5° bei 20°, 

Da die Base stark nach rechts drehte, so liefs sich erwarten, 
dals die sehr häufig gemachte Beobachtung, nach der optisch aktive 
Basen mit entgegengesetzt drehenden Säuren krystallisierbare Salze 
liefern, sich auch beim Oxyacanthin bestätigen werde. Ich neu- 
tralisierte daher eine Probe der Base in alkoholischer Lösung mit 
Links-Weinsäure und überliefs diese Lösung der freiwilligen Ver- 


156 Dr. H Pommerehne: DUeber Berbamin. 


dunstung. Hierbei schieden sich auch nach genügender Konzentra- 
tion schöne warzenförmige Krystalle, welche aus seidenglänzenden 
Nadeln bestanden und im Aussehen ganz dem salzsauren Salze 
glichen, ab, während die Base in gleicher Weise mit Rechts- Wein- 
säure behandelt, keine Krystalle lieferte, sondern nur eine firnisartige 
Masse bildete. 

Wie das Oxyacanthin scheinen sich auch die Salze desselben 
bezüglich des Drehungsvermögens zu verhalten. Das salzsaure Salz 
lenkte in gleicher Weise die Ebene des polarisierten Lichtstrahls 
stark nach rechts ab und ergab sich bei Bestimmung des spezifischen 
Drehungsvermögens [«]p = + 163° 49, wenn in der Formel 

EN 

[«]p = en 
der beobachtete Ablankungswinkel « = 8° 26’, die Länge des Rohres 
d = 2 dm, der Prozentgehalt p der Lösung von 0,5258 g lufttrocknen 
Salzes in 19,9020 g Wasser bei 20° = 2,5738 g betrugen. 


II. Ueber das aus der Wurzel von Berberis aquifolium 
dargestellte Berbamin. 


Aufser dem ÖOxyacanthin habe ich, ebenso wie Hesse, 
Stubbe und Rüdel, noch ein zweites Alkaloid aus der Wurzel 
von Berberis aquifolum erhalten, indem ich die Mutterlauge des 
durch Natriumsulfat entstandenen, das Oxyacanthin enthaltenden, 
Niederschlages abfiltrierte und diese mit gesättigter Natriumnitrat- 
lösung versetzte. 

Den hierdurch gebildeten Niederschlag führte ich nach weiterer 
Reinigung in das salzsaure Salz über. Ich erhielt jedoch nur eine 
sehr geringe Ausbeute, so dafs ich mich auf die Analyse des salz- 
sauren Salzes, sowie des Platindoppelsalzes beschränken mulste. 


Salzsaures Berbamin: C,H, NO; HC + 2H, 0. 

Dieses Salz ist von Stubbe und Rüdel noch nicht dar- 
gestellt worden. 

Ich erhielt dasselbe in kleinen ıveilsen Warzen, die denen des 
entsprechenden Oxyacanthinsalzes sehr ähnlich waren, jedoch nicht 
aus so deutlich ausgebildeten Nadeln bestanden. 


Bei der Wasserbestimmung verloren bei 100—105° getrocknet 
0,2490 Subst. 0,0241 H,O = 9,51 Proz. H,O. 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Berbamin. 157 


Dieser Wasserverlust entspricht einem Krystallwassergehalt von 
2 Molekülen, denn die Formel C,gH„aNO;HCI + 2H,0O verlangt 
9,74 Proz. H,O. 

Die Chlorbestimmung, die ich durch Ausfällen der stark mit 
Wasser verdünnten und mit Salpetersäure angesäuerten Lösung mit 
Silbernitrat ausführte, ergab aus 0,2249 getrockneter Subst. 0,09595 Ag Ol 
—= 1055 Proz. Cl. 

Berechnet sind für Ojg Hjg NO;, HCl = 10,64 Proz. Cl. 

Die Elementaranalyse der bei 100—1050 getrockneten Substanz 
lieferte folgende Zahlen: 

0,2498 Subst. ergaben 0,1400 H,O = 6,24 Proz. H. 

0,5918 CO, =64,65 „ı C. 


Gefunden: Berechnet für: 
Cs H;9a NO, HCl + 2H20. 
H,0= 9,71 Proz. H,0= 9,74 Proz. 
DREH 05 CR INEN , 
EI pe: ee 
Beeies  , C =66 „ 


Ich benutzte ferner einen Teil des reinen salzsauren Salzes 
zur Methoxylbestimmung (nach Zeisel). 
Hierbei ergaben: 
0,3194 lufttrockter Subst. 0,3261 AgJ = 13,46 Proz. O.CH;. 
Berechnet für C,H, NO; HC +2 H,0: 
für eine O.CH, Gruppe = 8,39 Proz. O.CH,, 


I. ZWEI # — lH BDEE z 
Dieses Resultat erinnert an das, welches bei der Methoxyl- 
bestimmung des Oxyacanthins erhalten wurde, indem der für 2 Meth- 
oxylgruppen berechnete Wert nicht völlig erreicht worden ist. Aus: 
diesem eigentümlichen Verhalten dürfte jedoch hervorgehen, dafs die 
beiden Alkaloide einander sehr nahe stehen. 


Berbaminplatinchlorid: (C,H1NO;HCH,PtC, +5 H,O. 

Da ich nur über wenig Berbamin verfügte, so stellte ich 
aufser dem salzsauren Salze nur noch das Platinsalz des- 
selben dar. 

Ich verfuhr dabei in der Weise, dafs ich die mit Salzsäure 
angesäuerte Lösung des salzsauren Salzes mit Platinchlorid in ge- 
ringem Ueberschuls versetzte, den entstandenen, schwach gelblich 
gefärbten Niederschlag durch Absaugen von der Mutterlauge trennte, 
und nur mit wenig Wasser nachwusch, um dem Niederschlage kein 
Platinchlorid wieder zu entziehen. Von der bei 100° bis zum kon- 
stanten Gewicht getrockneten Substanz erlitten: 


158 Dr. H. Pommerehne: Veber Berberin. 


I. 0,2220 einen Verlust von 0,0176 H,O = 7,92 Proz. H,O. 

IT 02216: ,, x or a ’ 

Diese Zahlen würden einem Gehalte von 5 Molekülen Krystall- 
wasser entsprechen ; denn die Formel (C,; H;g NO,HCI, PtCl, +5H, 0 
werlangt: 

8,20 Proz. H,O. 

Bei der Platinbestimmung hinterlieisen: 

I. 0,2044 bei 1000 getrockneter Subst. 0,0386 Pt = 18,88 Proz. Pt. 

31.5.0:,2034/ 1 5 5 0,03905 1917 

Die Formel (C,; Hy NO3HC1, Pt Cl, verlangt: 

19,38 Proz. Pt. 


” ” 


Jr fl “ 
Ge ee Berechnet: 
9, 01.92 ,8,21,. Proz: H,0 = 8,20 Proz. 


PEN MSBEr Ps 2 oa 
Nach den bei der Analyse des salzsauren Salzes und des 
Platinsalzes gefundenen Daten würde dem Berbamin die Formel 
O3 Hıg NO, zuzuerteilen sein. Leider war es mir wegen Mangels an 
Material nicht möglich, entsprechend den Angaben von Hesse. 
Stubbe und Rüdel, die Richtigkeit dieser Formel noch durch 


Analysierung anderer Salze, sowie der freien Base weiter bestätigen 
zu können. 


Ill. Berberin. 


Die Identität des in der Wurzel von Derberis aquıfol. und von 
Berberis vulg. vorkommenden Berberins mit dem Berberin anderer 
Provenienz ist bereits von Stubbe und von Rüdel bewiesen 
worden. Ich habe mich daher darauf beschränkt, nur einige er- 
gänzende Versuche über das bisher unbekannte neutrale Berberin- 
sulfat, über das wenig studierte Berberincarbonat und Berberin- 
hydrocyanid, sowie endlich über das noch immer bezweifelte addierende 
Verhalten der Jodalkyle gegen Berberin auszuführen. 


Neutrales Berberinsulfat: (Os, Hy, NO,) H, SO, +3 H,0. 

Das gewöhnlich als Sulfat bezeichnete Salz des Berberins, 
welches sich beim Lösen des reinen Berberins in schwefelsäure- 
haltigem Wasser bildet, ist ein krystallwasserfreies, saures Salz, dem 
nach den bisher darüber angestellten Untersuchungen die Formel 
C;, H;;, NO,) H, SO, zuzuerteilen ist. Dasselbe krystallisiert in 
schönen, hellgelben Nadeln und ist ziemlich schwer in Wasser lös- 
lich. In der Neuzeit wird jedoch von Merck in Darmstadt ein 
schwefelsaures Salz des Berberins in Form eines hellgelben Pulvers 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 159 


in den Handel gebracht, welches von ihm als neutrales Salz be- 
zeichnet wird. Dasselbe verhält sich, abgesehen von seiner anderen 
Zusammensetzung, auch insofern abweichend von dem sauren Salz, 
als es in Wasser weit leichter löslich ist. Ich analysierte ein solches, 
direkt von Merck bezogenes, neutrales Berberinsulfat und fand dabei 
folgende Daten: 


Beim Trocknen bis zu 1000 verloren: 
I. 0,3029 Substanz 0,0214 H,O = 7,06 Proz. H,O. 


BT 0,2272 ” 0,0170 2) == 7,47 ” ” 
III. ne = 0,0151 „.—=1408 5 „ 
IV. 0,372 = 0,0266, Ar N 5 


Diese Werte a einem Gehalte von 3 Molekülen Wasser ent- 
sprechen, denn die Formel (Oz, H;, NO,)s H, SO, +3 H,O verlangt 
6,56 Proz. H,O. 

Die Schwefelsäurebestimmung führte ich in der Weise aus, 
dafs ich die Substanz mit konz. Salpetersäure zerstörte und aus 
dieser, mit Wasser stark verdünnten Lösung die Schwefelsäure mit 
salpetersaurem Baryum fällte.e Das so erhaltene Ba SO, wurde nach 
dem Glühen nochmals mit Salzsäure ausgezogen, um es von etwa 
beigemengtem salpetersaurem Baryum zu befreien und hierauf 
wiederum geglüht. In dieser Weise behandelt erhielt ich aus: 


I. 0,4223 bei 1000 getrockn. Subst. 0,12835 BaSO, = 10,43 Proz. SO;. 
1l. 0,5831 bei 1000 getrockn. Subst. 0,17315 Ba SO, = 10,18 Proz. so, 


Berechnet sind für (C4, H;, NO,» H,SO, 10,41 Proz. SO;. 
Diese Werte zeigen, dafs in dem Merck’schen Präparate ae 
ein neutrales Salz vorliegt; denn ein saures Salz von der Zusammen- 
stellung (Ca, Hı, NO,)H, SO, verlangt 18,47 Proz. SO;. 

Ich versuchte, obiges Salz nun auch selbst darzustellen, indem 
ich 1 g reines, saures Berberincarbonat von Merck in wenig Wasser 
löste und mit der zur Bildung des neutralen Salzes erforderlichen 
Menge Normal-Schwefelsäure versetzte. 

Die klare Lösung dampfte ich auf dem Wasserbade bis zu 
einem dünnen Sirup ein, um letzteren dann erkalten zu lassen. Das 
hierbei ausgeschiedene Salz sammelte ich auf einem Filter, prefste 
es behufs Entfernung der noch anhaftenden Mutterlauge gut zwischen 
Fliefspapier ab und liefs es lufttrocken werden. Dasselbe bildete 
gleichfalls ein hellgelbes Pulver, welches sich in Wasser leicht löste. 


Bei der Wasserbestimmung verloren bei 100°: 
0,2783 Substanz 0,0207 H,O = 7,48 Proz. H,O. 


.160 Dr. H.Pommerehne: Ueber Berberin. 
Die Schwefelsäurebestimmung, in gleicher Weise wie oben aus- 
geführt, ergab aus: | ne 


0,2576 wasserfreier Subst. 0,0778 Ba SO, = 0,0267 SO, = 10,36 Proz. SO, 


Beim Verdunsten der etwas verdünnteren Lösung im Exsiccator 


über Schwefelsäure scheint ein Gemisch aus saurem und neutralem‘ 


Salz gebildet zu werden, wenigstens ergab eine aus derartig behan- 
delter Lösung gewonnene Substanz aus: 
0,1775 g bei 100° getrockn. Subst. 0,0063 H,O = 3,54 Proz. H,O. 
0,1712 g getrockn. Subst. 0,07855 SO; = 15,74 Proz. SO;. 
Berechnet: 6,56 Proz. H,O. 
10,41%... 808 


Saures Berberincarbonat. 
Ca, Hı, NO,.H;, CO, + 2 H;0. 

Schreiber!) erwähnt in seiner Arbeit, dafs es ihm ge- 
lungen sei, durch Behandeln des reinen Berberins mit Kohlensäure 
ein Carbonat von der Zusammensetzung Cs, H;, NO, H, CO, + 5 H,O 
zu erhalten, und giebt weiter auf Grund der CO, und H,O Be- 
stimmungen an, dals diesem Präparate eine konstante Zusammen- 
setzung zukommen, somit in demselben ein wirkliches kohlensaures 
Salz vorliege. Stubbe?) versuchte später, in der gleichen Weise 
wie Schreiber dieses Carbonat darzustellen, erhielt jedoch bei 
den CO, und H,O Bestimmungen Werte, die so von einander ab- 
wichen, dafs er zu der Annahme geführt wurde, es handle sich bei 
diesem Präparat nicht um eine konstant zusammengesetzte Ver- 
bindung des Berberins, ein Berberincarbonat, sondern nur um ein 
Gemisch von sehr kohlensäurehaltigem Berberin mit reinem 
Berberin. Um weitere Aufschlüsse über die Zusammensetzung 
dieser Verbindung zu erhalten, analysierte ich ein von Merck be- 
zogenes, als krystallisiertes Berberincarbonat in den Handel ge- 


brachtes Präparat, indem ich dasselbe in einem Liebig schen 


Trockenrohre unter beständigem Hindurchleiten von Wasserstoff bei 
100° bis zum konstanten Gewicht trocknete, das dabei abgegebene 
Wasser und die Kohlensäure in geeigneter Weise auffing und zur 
Wägung brachte. Hierbei verloren: 


1) Dissertation, Marburg 1888. 
2) Dissertation, Marburg 1890. 
Fortsetzung im Heft HI. 


“ 
u ‚a ” 


ARCHIV 


DER 


| PHARMACIE | 


: herausgegeben 
® vom 


Deutschen Apotheker-Verein 
unter Redaction von SE me: | 


E. Sehmidt und H. Beekurts. 


Band 233. Heft 3 


BERLIN. | 
- Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereins. un 
u nn gg, Ser ne 


INHALT. 


Seite 


H. Pommerehne, Ueber die Alcaloide von Berberis aquifolium . 161 
E. Gildemeister, Beiträge zur Kenntnis der ätherischen Oele von 
Citrus Limetta und Origanum smyrn.. . 174 
O. Rössler, Ueber Cultivirung von Crenothrix polyspora auf festem 
Nährboden - . 189 
O. Helm, Ueber den Gedanit, "Suceinit und eine Abart des 
letzteren, den sogenannten mürben Bernstein . . . . 191 
C. Boettinger, Zur Kenntniss der Glyoxylsäure . . . . . . ..19 
A. Baur, Ueber das Burseraceen-Opoponax . . .. 209 
Arbeiten aus dem pharmazeutischen Institut der 
Upiversität Bern. 
ch Nachttae. 2 2... 0. 220.05 0802 2 vr Re 
cine) Gere 


Eingegangene Beiträge. 


M. Hohenadel, Ueber das Sagapen. 

0. Chimani, Untersuchungen über den Bau der Milchröhren, mit be- 
sonderer Berücksichtigung der Kautschuck und Guttapercha 
liefernden Pflanzen. 

A. Partheil, Ueber die Bestimmung des Glycerins im Weine etc. 

B%- Th. Hallström, Anatomische Studien über den Samen der Myristi- 
caceen und ihre Arillen. 


(Geschlossen den 3. Mai 1895.) 


Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel 
monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis 
50 Bogen. Ladenpreis für den Jahrgang Mk. 12,—. 


Alle Beiträge für das „Archiv‘‘ sind an die 
Archiv-Redaction 
Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg (Hessen) 
oder Herın Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig, 
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die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den 
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Berlin C. 22, An der Spandauer Brücke 14 
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 Petitzeile oder deren Raum berechnet. Beilage-Gebühr für das Tausend der Auflage - 

02.2. 3650 — Mk.ıo. Für Beilagen, welche nicht dem Format des „Archiv“ en 

SE 22 bleibt besondere Vereinbarung vorbehalten. X 


N a et a ee ee et 
. 


Vu sl 
FOR ZIT 4 ji 


Dr. H. Pomm br ehne: Ueber Berberin. 161 


I. 0,2816 Subst. 0,0367 H,O = 13,03 Proz. H,O 
0,0292 CO,’= 1036 „ CO, 
‘II. 1,0065 „ 0,12371,0=1229 „ H,O 
0,1025 CO, =10,18 „ CO, 
Diese gefundenen Werte würden der Formel 
(O5, Hı, NO,) H, CO, + 2H,0 
entsprechen, welche folgende Zahlen verlangt: 

12,47 Proz. H,O 

19,46, .21,.2005 

Das bis zum konstanten Gewicht getrocknete Salz hatte eine 
fast schwarze Farbe angenommen und zeigte beim Uebergiefsen mit 
Säuren keine Kohlensäureentwicklung mehr. 

Zum weitern Nachweise, dafs dem untersuchten Carbonate 
obige Formel zuzuerteilen sei, verbrannte ich das lufttrockene Salz 
mit Kupferoxyd und vorgelegter reduzierter Kupferspirale und er- 
hielt dabei folgende Werte: 

0,2094 lufttrockenes Salz ergaben 0,0983 H,O u. 0,4449 CO, 


Gefunden Berechnet für 
12 LI. III. CyH,, NO,H,; CO, + 2H,0 
H,0= 13,03 Proz. 12,29 Proz. == H,0 = 12,47 Proz. 
CO; =10,36 „ 0 _ EI eye 
H= = — St Proz. H = 5,31 = 
= — — Dog Ge 


Nach diesen Daten ist das von Merck dargestellte Präparat 
‚ohne Zweifel als eine Verbindung von konstanter Zusammensetzung 
anzusehen und somit erwiesen, dals abweichend von der grolsen 
Mehrzahl der Alkaloide, das Berberin mit CO, in der That ein 
kohlensaures Salz zu bilden vermag. 


Cyanwasserstoffsaures Berberin. 
Ca, H;, NO, HCN. 

Das Berberin, welches ausgezeichnet ist durch das eben er- 
wähnte höchst eigentümliche Verhalten gegen Kohlensäure, zeigt 
noch eine weitere sehr bemerkenswerte Eigenschaft, die nur noch 
wenigen der bisher bekannten Alkaloide zukommt, nämlich mit 


. .Cyanwasserstoff eine Verbindung einzugehen. Hierüber berichtete 


zuerst Henry in seinen Untersuchungen über das Berberin. Der- 
selbe stellte das cyanwasserstoffsaure Berberin in der Weise dar, 
dafs.er eine Lösung von salzsaurem Berberin mit Cyankalium fällte 


1) Annalen der Chemie u. Pharmac. Bd. 115 p. 136. 
Arch. d. Pharo. CCXXXIIL Bäs. 3. Heft. 11 


162 Dr. H Pommerehne: DUeber Berberin. 


und den erhaltenen Niederschlag aus Alkohol ymkrystallisierte. Er 
‚gab demselben auf Grund der bei den Verbrennungen gefundenen 
Werte die Formel CO,» H;g NO,, HCN. Später ist die Existenz einer 
derartigen Verbindung des Berberins von Flückiger!) wieder in 
Abrede gestellt worden. Nach einer im Chem. pharm. Centralblatte 
‘1872 p. 741 sich findenden Notiz von Flückiger über blausaure 
Alkaloide, hat dieser Forscher in diesem Niederschlage schon nach 
kurzem Auswaschen kein Cyan mehr finden können. Auch durch » 
Verteilung von frisch gefälltem Berberin in Wasser und Einleiten von 
Cyanwasserstoff konnte er diese Verbindung nicht gewinnen. Des- 
halb glaubte Flückiger, dafs diese Verbindung überhaupt nicht 
existierte. Auch die blausauren Salze des Chinins, Cinchonins, 
Strychnins und Morphins sollen nach Untersuchung von Flückiger 
nicht existieren. , 
Um zu erfahren, ob sich die Angaben Flückiger’s be- 
stätigten, versuchte ich noch einmal dieses Salz darzustellen. Ich 
verfuhr dabei nach der Vorschrift von Henry, indem ich salz- 
saures Berberin in einer reichlichen Menge heilsen Wassers löste, 
die Lösung dann etwas abkühlen liefs und nun solange eine konz. 
Cyankaliumlösung zufügte, als dadurch noch eine Fällung entstand. 
Den schmutzig. gelben, flockigen Niederschlag liefs ich absetzen, be- 
freite ihn sodann durch Absaugen möglichst von der Mutterlauge 
und wusch ihn mit wenig Wasser nach, um ihn dann aus einem 
Gemisch von 2 Teilen Alkohol (90 Proz.) und 1 Teil Wasser um- 
zukrystallisieren. Derselbe löste sich indessen sehr schwer auf, so 
dafs selbst nach wiederholtem Anfgiefsen neuer Mengen Alkohols, 
noch immer ein Teil des Niederschlages ungelöst blieb. Das Un- 
gelöste verwandelte sich jedoch bei, diesem Kochen in eine aus sehr 
kleinen Krystallen bestehende gelbbräunliche Masse, die gleichfalls, 
wie die qualitative Prüfung ergab aus cyanwasserstoffsaurem 
Berberin bestand. . Das aus Alkohol umkrystallisierte Salz bildete 
ein bräunlich gelbes, krystallinisches Pulver. Verdünnte Säuren 


wirkten in der Kälte nur langsam darauf ein. Beim Erwärmen Er 


“dagegen konnte man sehr bald den Geruch nach Blausäure wahr- 
nehmen, während sich dabei unter völliger Austreibung des Cyan- 
wasserstoffs die Salze des Berberins mit jenen Säuren bildeten. . 


1) Auszug aus dem N. Jahrb. d. Pharm. 33 p. 138. 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 163 


Bei. 1000 getrocknet, färbte sich die Substanz stark dunkel- 
braun, ohne indessen dabei an Gewicht zu verlieren. Wasser war 
also nicht darin vorhanden. Die Verbrennung mit Kupferoxyd und, 
reduzierter Kupferspirale ergab aus: 

0,2820 Subst. 0,1334 H,O = 5,18 Proz. H. 

0,7150 CO, = 69,15 Proz. .C. 

Berechnet sind für C%, H;, NO, HCN 

H = 4,97 Proz. 
0: = ‚69,61, Proz. 

Eine Stickstoffbestimmung, nach Dumas ausgeführt, ergab 
aus 0,2948 Subst. 21 cem N. bei 19,60 ©. und 757 mm Barometer- 
stand —= 8,12 Proz. N. 

Berechnet sind für C,H}; NO,CHN = 7,72 Proz. N. 

Die Cyanbestimmung führte ich zunächst nach der Methode 
von Carius aus, erhielt jedoch keine Abscheidung von Cyansilber, 
sondern eine vollkommen klare Flüssigkeit, sodals dabei die Cyan- 
verbindung jedenfalls gänzlich zersetzt worden ist. Hierauf versuchte 
ich das Cyan in der Weise zu bestimmen, dafs ich zu der alkoho- 
lischen Lösung des blausauren Berberins Silbernitratlösung im 
Ueberschuls zufügte und hierauf mit Salpetersäure ansäuerte. Es 
schied sich dabei auch ein beträchtlicher Niederschlag von Cyan- 
silber ab, den ich aus der heifsen Lösung abfiltrierte, (da beim Er- 
kalten sonst Berberinnitrat auskrystallisierte), mit einem Gemisch 
aus Alkohol und Wasser zur Entfernung des überschüssigen Silber- . 
nitrats nachwusch und bei 100° auf einem gewogenen Filter trock- 
nete. Hierbei ergaben: 

0,2665 Subst. 0,0662 AgCN = 5,00 Proz. HCN, 

Berechnet sind für die Formel 

Ca, Hı, NO, HCN = 7,45 Proz. HCN. 
Ich fand .also auf Jiese Weise über 2 Proz. HCN zu wenig, 
so dafs es scheint, als ob ähnlich wie das Ag Cl bei der Bestimmung 
des Chlors :im salzsauren Berberin auch das AgCN durch das 
Berberinnitrat zum Teil in Lösung gehalten wird. 

Ich verfuhr daher bei einer neuen Cyanbestimmung in der 
Weise, dafs ich zunächst versuchte, den Cyanwasserstoff aus’ dem 
Berberinhydrocyanid freizumachen und erst dann mit Silbernitrat zu 


_ fällen. Ich suspendierte zu diesem Zwecke eine gewogene Menge 


der Substanz in Wasser, säuerte stark mit verdünnter Schwefel- 
\ 11* 


164 Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 


säure an, destillierte die Flüssigkeit bis auf ein kleines Volumen ab 
und fing den übergehenden Cyanwasserstoff in vorgelegtem Am- 
moniak auf. Diese ammoniakalische Lösung versetzte ich alsdann 
mit überschüssiger Silbernitratlösung und säuerte sie schliefslich mit 
Salpetersäure an. Hierbei schied sich sofort ein reichlicher weilser 
Niederschlag von AgCN ab, den ich nach dem Absetzen auf einem 
gewogenen Filter sammelte und bei 100° trocknete. In dieser Weise 
behandelt ergaben 
0,3360 Subst. 0,1220 Ag CN = 7,31 Proz. HCN. 
Berechnet sind 745 „ HCN. 

Durch Rücktitration der überschüssig zugesetzen Y,„N. Silber- 
nitratlösung mit 1 N. Rhodanammoniumlösung fand ich, dals 
9,0 ccm Y/,„ N. Silberlösung verbraucht waren zur Ausfällung des Cyan- 
wasserstofis = 0,0243 8 HCN = 7,23 Proz. H. CN. 

Es zeigte sich somit, dafs bei der Destillation mit verdünnter 
Schwefelsäure der Cyanwasserstoff vollständig ausgetrieben wird, 
und diese Methode sich daher am besten zu dessen Bestimmung eignet. 


Gefunden: Berechnet für O5, H;;, NO,HCN: 
H. = 5,18 Proz. H. = 4,97 Proz. 
Bar 69.15... DIL —BI0L m 
BER 12), ee. 
HCN 731: , HCN= 7,45 


Bei Untersuchung des Destillationsrückstandes zeigte es sich, 
dals sich saures Berberinsulfat gebildet hatte. Das Salz war wasser- 
frei und ergab aus 

0,4466 g Subst. 0,24195 Ba SO, = 18,60 Proz. SO;. 

Berechnet sind für (C%y, H;, NO H, SO, = 18,47 Proz. SO;. 

Aus den angeführten Untersuchungen geht also hervor, dafs 
die Angaben Henry’s sich bestätigen und ein cyanwasserstoff- 
saures Salz des Berberins thatsächlich existiert. Die Existenz eines 
gut charakterisierten cyanwasserstoffsauren Salzes des Berberins 
erscheint mir im Hinblick daraut um so beachtenswerter, als cyan- 
wasserstoffsaure Salze von nur wenigen Alkaloiden bekannt sind. 

Nach den weitern Angaben Henry's sollte sich bei Ein- 
wirkung von konz. Salpetersäure auf cyanwasserstoffsaures Berberin 
eine dunkelrote in Wasser und Alkohol ziemlich leicht lösliche 
Substanz in mikroskopisch kleinen Nadeln bilden, die er für blau- 
saures Nitroberberin hielt. Auch ich versuchte die Darstellung dieses 
Körpers, dem ichin in der Kälte blausaures Berberin mit konz. 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 165 


Salpetersäure zusammenbrachte. Dieselbe wirkte unter Entwicklung 
einer reichlichen Menge braunroter Dämpfe auch sehr lebhaft darauf 
ein, so dafs sich nach einigem Stehen eine völlig klare Lösung von 
intensiv roter Farbe bildete. Ich teilte diese Lösung in 2 Teile; 
den einen versetzte ich mit Wasser, wodurch sich ein hellroter 
flockiger Niederschlag abschied, den ich abfiltrierte und in Alkohol 
wieder löste. Aus dieser Lösung schied sich bei freiwilligem Ver- 
dunsten jedoch nur eine amorphe, dunkelbraune, fast schwarze Masse 
ab, die keine Cyanreaktion mehr gab. Das Filtrat von dem durch 
Wasserzusatz abgeschiedenen Niederschlage liefs ich alsdann eben- 
falls freiwillig verdunsten. Hierbei erhielt ich zwar Krystalle, die 
sich jedoch nur als Oxalsäure erwiesen. Auch beim Verdunsten der 
direkt durch Einwirkung von konz. Salpetersäure auf blausaures 
Berberin erhaltenen Lösung schied sich nur eine blauschwarze, 
amorphe, cyanwasserstofffreie Masse ab, so dals wohl anzunehmen 
ist, dafs bei der Einwirkung der konz. Salpetersäure auf Berberin- 
hydrocyanid eine tiefergreifende Zersetzung desselben, ohne Bildung 
eines charakterisierbaren Nitroproduktes, stattgefunden hat. 


Verhalten der Jodalkylegegen Berberin. 

Die Salze des Berberins, welche alle leicht und gut krystallisiert 
erhalten werden können, sind bereits erschöpfend in der Litteratur 
behandelt worden, so dafs es nicht im Plane dieser Arbeit liegen 
konnte, dieselben einer erneuten Untersuchung zu unterziehen. Nur 
das Verhalten des Berberins gegen Jodalkyle, über welches die 
Angaben in der Litteratur bisher sehr widersprechend sind, habe 
ich nochmals einer Prüfung unterwofen. 


a) Jodmethyl und Berberin. 

Perrins und Jörgensen!) berichten, dals bei der Be- 
handlung des Berberins mit Jodmethyl nur ein jodwasserstoffsaures 
Salz entstände. Dieser Ansicht schliefst sich auch Perkin?) jr. an, 
welcher bei der Untersuchung des Verhaltens von Berberin gegen Jod- 
methyl fand, dafs das Alkaloid mit diesem Agens kein Additionsprodukt 
lieferte. Ich wiederholte diesen Versuch und verfuhr dabei in 
folgender Weise: Zur Verwendung gelangte reines kohlensaures 
Berberin von Merck, welches ich zunächst in die freie Base 


1) Annal. Chem. u. Pharm. Supp. 2 p. 183. 
2) C.-Bl,:1889 I. p.'77. 


166 Dr. H Pommerehne: Ueber Berberin. 


überführte, indem ich es in einem Liebig schen Trockenapparate 
unter Hindurchleiten von Wasserstoff so lange im Wasserbade er- 
hitzte, bis keine Kohlensäure und kein Wasser mehr entwich. Hier- 
bei färbte sich die anfangs gelb-braun aussehende Substanz dunkel- 
braun. Da die Kohlensäure erst bei längerem Trocknen völlig aus- 
getrieben wird, hierbei aber die Substanz unter starker Dunkel- bis 
Schwarzfärbung anscheinend eine geringe Zersetzung erleidet, — 
wenigstens war die Ausbeute aus derartig verwendetem Materiale 
ziemlich gering im Vergleich mit der aus solchem Materiale, welches 
nur kurze Zeit, bis auf die Anwesenheit von nur noch geringen 
Mengen CO, getrocknet war, — so ist es zweckmälsig ein allzu 
langes und starkes Trocknen zu vermeiden. Dafs in letzterem Falle 
eine teilweise Zersetzung des Alkaloids eintritt, beweist auch der 
Umstand, dafs derartiges Berberin sich nicht mehr völlig in Alkohol 
und auch nicht in Salzsäure löst. 


Von dem so erhaltenen reinen Berberin brachte ich etwa 2 g 
in einer Druckflasche mit überschüssigem Jodmethyl zusammen und 
erhitzte dieses Gemisch etwa 3—4 Stunden im Wasserbade. Das 
Reaktionsprodukt befreite ich durch Erwärmen von dem Ueberschuls 
des Jodmethyls. Hierbei hinterblieb eine gelb-braun gefärbte Masse, 
welche ich in kochendem Alkohol zu lösen suchte. Indessen blieb 
dabei stets ein Teil ungelöst, welcher weder mit starkem noch ver- 
dünntem Alkohol zum Lösen zu bringen war. Aus der Lösung 
schieden sich nach einigem Stehen kleine grünlich-gelb-gefärbte, 
lockere Nadeln ab, die ich, als sie sich nicht mehr vermehrten, 
sammelte und lufttrocken werden liefs. Ich erhielt diesen Körper 
jedoch nur in geringer Menge, etwa 0,2 g aus 2 g Substanz. Beim 
Trocknen erwiesen sich diese Krystalle als wasserfrei. Bei der Jod- 
bestimmung nach Carius machte ich indessen die überraschende 
Beobachtung, dafs diese Substanz überhaupt kein Jod enthielt. Um 
aus der Mutterlauge noch mehr von diesem jodfreien Körper zu er- 
halten, dampfte ich dieselbe ein und stellte sie zur Krystallisation 
bei Seite. Es schieden sich hierbei zwar wieder Krystalle aus, die 
jedoch nicht die lockere Beschaffenheit der früher erhaltenen zeigten 
und eine gelbbraune Farbe besalsen. Bei einer qualitativen Prüfung 
auf Jod zeigte es sich ferner, dals letztere Krystalle stark jod- 
haltig waren. 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 167 


0,1942 bei 1000 getrock. Subst. ergaben nach Carius 0,0945 AgJ 
= 26,09 Proz, J. 


Gefunden: Berechnet für: 
CyH;,NO, CH,J, CyH7,NO, HJ. 
26,09 Proz. J. 26,62 Proz. J. 27,40 Proz. J. 


Nach dem Jodgehalte zu urteilen, würde die untersuchte 
Substanz als ein Additionsprodukt von Berberin mit Jodmethyl an- 
zusprechen sein. Zur weiteren Charakterisierung dieser Krystalle 
als Berberinmethyijodid, suchte ich den Rest derselben in das ent- 
sprechende Chlorid überzuführen, indem ich dieselben in verdünntem 
Alkohol löste und diese Lösung mit Ag Cl und einigen Tropfen Salz- 
säure auf dem Dampfbade eine Zeit lang erwärmte. Nach dem 
Eindampfen der von dem gebildeten Jodsilber abfiltrierten Lösung 
schieden sich lockere, hellgelbe, nadelförmige, wasserhaltige Krystalle 


ab. Bei 100° getrocknet verloren 
0,2784 Subst. 0,0450 H,O = 16,16 Proz. H,O. 


Gefunden: Berechnet für: 
Ca, H,; NO,CH,C1+4H,0. C9 H,, NO,HC1+4H;0. 
16,16 Proz. H,O 15,73 Proz. H,O. 16,23 Proz. H,O. 


Da der Wassergehalt dieses vermeintlichen Berberinmethyl- 
chlorids auf ein gebildetes salzsaures Berberin hinwies, so suchte 
ich zur weiteren Kennzeichnung desselben das Goldsalz daraus dar- 
zustellen. Ich löste zu diesem Zwecke die fragliche Substanz in 
verdünntem Alkohol und versetzte diese Lösung mit Goldchlorid 
im Ueberschufs. Hierbei schied sich ein brauner, amorpher, flockiger 
Niederschlag ab, den ich nach dem Absaugen aus reinem Alkohol 
umkrystallisierte. Schon beim Erkalten der alkoholischen Lösung 
schied sich das betreffende Goldsalz in den für das Berberin-Gold- 
chlorid charakteristischen braun-roten Nadeln ab. Dieselben ent- 
hielten kein Wasser. Bei der Goldbestimmung hinterlielsen 

0,2278 getrockneter Substanz 0,0666 Au = 29,23 Proz. Au 


Gefunden: Berechnet für: 
(Ca, H;, NO,, HCl) Au Cl, (Cy, H;, NO,CH; CI) Au C], 
29,23 Proz. Au 29,10 Proz. Au 28,50 Proz. Au 


Diese Analysen beweisen, dals sich bei der Umsetzung des Jod- 
methyladditionsproduktes in das entsprechende Chlorid, nicht dieses, 
sondern unter Abspaltung der anfänglich addierten Methylgruppe 
das salzsaure Salz des Berberins gebildet war. Da nun bei der 
ersten Einwirkung des Jodmethyls auf Berberin sich offenbar kein 


168 Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 


einheitlicher Körper gebildet hatte, so wiederholte ich diesen Ver- 
such, um etwas mehr von dem jodfreien Körper zu erhalten. Aus 
dem aus Alkohol umkrystallisierten Reaktionsprodukte schieden sich 
jedoch in diesem Falle direkt kleine kompakte, gelbbraune Krystalle 
ab, die sich als jodhaltig erwiesen. Bei der”Jodbestimmung erhielt 


ich aus 
3J. 0,1880 bei 100° getrockneter Substanz 0,0533 AgJ = 15,38 Proz. J. 
IN OR2EB „.., 8 & 0.0650 „ = 1552 De 


Bei einem dritten Einwirkungsprodukt erhielt ich ebenfalls 


direkt wieder einen jodhaltigen Körper, welcher aus 
I. 0,2538 Substanz 0,0963 Ag.J = 20,50 Proz. J lieferte. 


Gefunden bei Einwirkungsprodukt: 
I; II. 1Bh 
a) kein Jod a), 15,358 Proz. J 20,50 Proz. J 
b) 26,06 Proz. J b)13,82. Proz.) 


Nach diesen Daten scheint sich somit bei dem zweiten und 
dritten Versuche entweder ein Gemisch aus einem jodfreien und jod- 
haltigen Körper gebildet zu haben, die sich durch Umkrystallisieren 
nur schwer trennen lassen, oder das ursprünglich gebildete Additions- 
produkt ist so labiler Natur, dafs schon beim Umkrystallisieren eine 
teilweise Zersetzung desselben eintritt. 

Aus den vorstehenden Beobachtungen dürfte somit hervor- 
gehen, dafs das Jodmethyl, wenn es überhaupt addierend auf das 
Berberin einwirkt, nicht in der glatten Weise reagiert, wie es sonst 
bei tertiären Basen der Fall ist. 


a) Jodmethyl und kohlensaures Berberin. 


Da das saure kohlensaure Berberin schon bei 100° die CO, 
vollständig abgiebt, schien es mir nicht uninteressant, zu erfahren, 
ob Jodmethyl bei dieser Temperatur auf kohlensaures Berberin in 
gleicher Weise reagiere, wielauf reines 'Berberin. Ich erhitzte daher 
1 g ‘des Salzes mit Jodmethyleinige Stunden bei 100% Hierbei 
resultierte eine gelbbraun gefärbte, mikrokrystallinische |Masse, 
welche sich beim Kochen mit Alkohol vollständig löste "und "schon 
beim Erkalten der Lösung zum gröfsten Teil wieder in lockern, 
hellgelben, 'nadelförmigen Krystallen abschied. Es !unterschieden 
sich diese Krystalle schon in der Form wesentlich von den früher 
bei der Einwirkung von Jodmethyl auf reines Berberin erhaltenen, 
und liefs daher das Aussehen sowie die Farbe derselben bereits 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 169 


vermuten, dafs sich nur ein jodwasserstoffsaures Salz gebildet habe, 
Eine Jodbestimmung bestätigte dieses auch, denn 


0,2318 bei 10009 getrockneter Substanz ergaben nach Carius 
0,1160 AgJ = 27,04 Proz. J. 


Gefunden: Berechnet für 
Ca, Hız NO,, CH, J Ca Hi, NO, , HJ 
27,04 Proz. .J 26,62 Proz. J 27,40 Proz. J 


Es ist demnach die Einwirkung des Jodmethyls eine ganz 
verschiedene, je nachdem man reines oder kohlensaures Berberin 
damit zusammenbringt, obwohl letzteres bei 100° die CO, bereits 
vollständig abgiebt. 


b) Jodäthyl und Berberin. 


Ueber die Einwirkung von Jodäthyl auf Berberin fist schon 
mehrfach berichtet worden, indessen weichen die bezüglichen An- 
gaben sehr von einander ab. Henry), der zuerst die Ein- 
wirkung von Jodäthyl auf Berberin untersuchte, giebt an, dabei ein 
Berberinäthyljodid erhalten zu haben. Ebenso erhielten Boeringer?) 
sowie später Schreiber?°) und Stubbe#) diese Verbindung. 

Perrins und Jörgensen’) hingegen berichten, dafs bei 
der Behandlung des Berberins mit Jodäthyl nur ein jodwasserstoff- 
saures Salz entsteht, welcher Ansicht sich Court®) ebenfalls an- 
schlielst. 

Auch nach Perkin’s?) Angabe soll hierbei kein Additions- 
produkt entstehen. 

Um einen Beitrag zur Entscheidung dieser Frage zu liefern, 
liefs ich auf reines, aus Berberincarbonat dargestelltes Berberin, 
Jodäthyl in gleicher Weise, wie das Jodmethyl, einwirken. Das 
Reaktionsprodukt krystallisierte ich nach dem Verjagen des tiber- 
schüssigen Jodäthyls aus heilsem Alkohol, dem etwas Wasser zu- 
gesetzt war, um. Dieses Produkt schien sich leichter in verdünntem 
Alkohol zu lösen als das entsprechende Jodmethylat. Aus dieser 
Lösung schieden sich kleine, gelbbraune Krystalle ab. Beim Trock- 


1) Annal. Chem. u. Pharm. 115, p. 132. 

2) Ber. d. d. chem. Gesellsch. 1885. 

3) Inaug.-Dissertat. Marburg 1888. 

4) Arch. d. Pharm. 1890, p. 629. 

5) Annal. Chem. u. Pharm. Supp. 2, p. 133. 
6) Inaug.-Dissert. Freiburg, p. 13. 

%) C.-Bl. 1889 I, p. 77. 


170 Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 


‚nen verlor diese Verbindung nichts an Gewicht. Der Jodgehalt 
nach Carius bestimmt, ergab aus: 
I. 0,1952 bei 1000 getrockn. Substanz 0,0925 AgJ =: 25,60 Proz. J. 


1..020225,.,7,, a ® 0,0958 Ag J = 25,563. „UT 
IT. 02492 „. „ u a 0,1210 AgJ = 26217 7% 
Gefunden: Berechnet für: 
T.. 25.60 1Pro62. J. Ca Hı, NO, C,H, J. C5, H;, NO, HJ. 
100 al 25,83 Proz. J. 27,40 Proz. J. 


II7.7726,21. te. 

Hieraus geht hervor, dafs sich in der That ein Additions- 
produkt von Berberin und Jodäthyl bei dieser Einwirkung ge- 
bildet hatte. 

Zum weiteren Nachweise, dafs es sich bei dieser Verbindung 
um ein Additionsprodukt handelte, suchte ich daraus das ent- 
sprechende Goldsalz darzustellen. Ich löste zu diesem Zwecke die- 
selbe in verdünntem Alkohol, fügte zu dieser Lösung überschüssiges 
AgCl und einige Tropfen HCl, und erwärmte das Gemisch eine 
Zeit lang gelinde.e Aus dem eingedampften Filtrat schieden sich 
beim Erkalten lockere, hellgelbe Nadeln ab. Beim Trocknen 
verloren: 

0,4734 dieser Substanz 0,0772 H;O = 16,277 H30. 


Gefunden: Berechnet für: 
Ca, H;, NO,C, H,C1l+4H,0 CyH7,NO,HCI+4H,O 
16,29 Proz. H,O. 15,26 Proz. H,O. 16,23 Proz. H,O. 


Nach der Krystallform und dem Wassergehalte zu urteilen, 
hatte sich auch bei dieser Umsetzung nur Berberinhydrochlorid ge- 
bildet. Zur ferneren Bestätigung dieser Annahme stellte ich daraus 
das Goldsalz dar. Ich erhielt dasselbe wieder in den für Berberin- 
goldchlorid charakteristischen Krystallen, die sich bei der Analyse 
auch thatsächlich als solches herausstellten. Es hinterliefsen : 

I. 0,2638 bei 1000 getrockneter Substanz 0,0768 Au — 29,11 Proz.,Au. 


TR 021060 & V(,,; h 1 0,0610 Au = 28,96 „Au. 
Gefunden: Berechnet für: 

I. 29,11 Proz. Au. (C9H,,N0,0,H,Cl) AuQ], (C49H;,;, NO,HCIAuCl, 

I1..28;91: 4 Au 27,94 Proz. Au. 29,10 Proz. Au. 


Es hatte sich somit auch aus dem Berberinäthyljodid beim 
Ueberführen in das entsprechende Chlorid, in analoger Weise, wie 
ich es bereits beim Berberinmethyljodid beobachtet hatte, unter Ab- 
spaltung der addierten Aethylgruppe, salzsaures Berberin gebildet. 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 171 


Aus den vorstehenden Beobachtungen geht hervor, dals in 
Uebereinstimmung mit den Angaben von Henry, Boeringer, 
Schreiber und Stubbe, das Berberin, entsprechend seinem 
Charakter als tertiäre Base, sich mit Jodäthyl zu Berberinäthyljodid 
vereinigt. Die Beständigkeit dieser Verbindung ist jedoch eine viel 
-geringere, als die der sonstigen quaternären Ammoniumjodide, 
da schon bei der Einwirkung von AgÜl salzsaures Berberin ge- 
bildet wird. 

Jodäthyl und Berberincarbonat. 


Das verschiedene Verhalten, welches Jodmethyl gegen reines 
Berberin und kohlensaures Berberin gezeigt hatte, veranlafste mich, 
auch beim Jodäthyl zu untersuchen, wie dieses auf kohlensaures 
Berberin reagieren würde. Ich erhitzte zu diesem Zwecke eine 
Probe letzteren Salzes mit Jodäthyl einige Stunden in einer Druck- 
flasche bei 100° und krystallisierte die dabei erhaltene gelbbraune 
Masse aus verdünntem Alkohol um. Aus dieser Lösung schieden 
sich kleine kompakte, rötlich-gelbe Krystalle ab, die denen des oben 
beschriebenen Additionsproduktes in Form und Aussehen sehr ähn- 
lich waren. Dieselben waren ebenfalls wasserfrei. Bei der Jod- 
bestimmung nach Carius erhielt ich aus: 

0,2474 Substanz 0,1201 AgJ = 26,23 Proz. J. 


Gefunden: Berechnet für: 
Cy, H,, NO, C,H, J. On Br NO 
26.23 Proz. J. © 95,83 Proz. 37,40 Proz. J. 


Es scheint somit Jodäthyl auf kohlensaures Berberin in gleicher 
Weise einzuwirken wie auf reines Berberin. 


c) Jodamyl und Berberin. 


Die Einwirkung von Jodamyl auf Berberin ist bereits von 
Schreiber (l. c.) studiert worden. Nach den betreffenden Angaben 
soll hierbei ein Additionsprodukt gebildet werden. Im Anschlufs an 
die vorstehenden Versuche schien es nicht ohne Interesse zu sein, 
auch diesen Versuch zu wiederholen, da das hierbei zu erwartende 
Additionsprodukt einen noch gröfseren Unterschied im Jodgehalte 
gegen das Berberinhydrojodid zeigen mulste, wie dieses beim Ber- 
berinäthyljodid der Fall ist. 

Ich liefs zu diesem Zweck Jodamyl auf reines Berberin 4—5 
Stunden einwirken, wusch die dabei erhaltene braune, gefärbte Masse 


172 Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 


zunächst in der Kälte mit etwas Alkohol aus, um das überschüssige 
Jodamyl, sowie die Perjodide gröfstenteils zu entfernen, und kry- 
stallisierte den Rückstand schlie[slich aus heilsem, verdünntem Alkohol 
um. Aus dieser Lösung schieden sich nach einigem Stehen ganz 
kleine, gelbbraun gefärbte Krystalle ab, welche beim Trocknen sich 
als wasserfrei erwiesen. Aus der Mutterlauge erhielt ich durch Ein- 
dampfen nur noch eine geringe Menge derselben Krystalle, indem 
sich sehr bald, ebenso wie ich es beim Eindampfen der Mutterlaugen 
des Berberinäthyljodids beobachtet hatte, braune, harzartige Massen 
mit abschieden, die zur Analyse nicht mehr geeignet waren. 
Bei der Jodbestimmung ergaben; 
I. 0,1908 bei 1000 getrockn. Subst. 0,0851 Ag J = 24,05 Proz. J. 


EROSION ei r 0,085 „ = 24,96 4 

1172002883. = ... 0,1304 2 =—=2398 = 

IV. 0,2084 „ “ + 0,0915 MN 3372 n 
Gefunden: Berechnet für: 

1. 24.050 Proz. J. CO. H,, NO, C;, HJ. Ca Hız NO, HJ. 
II. 24,96 us 23,80 Proz. J. 27,40 Proz. J. 
III. 23,92 ® 
IV. 23,72 x 


Es war also hier, wie diese Daten zeigen, unzweifelhaft ein 
Additionsprodukt von Jodamyl und Berberin gebildet. Einen Teil 
der erhaltenen Krystalle verwendete ich dazu, sie mittelst Ag Cl in 
das entstehende Chlorid umzusetzen, hierbei erhielt ich wieder die 
für das Berberinhydrochlorid charakteristischen hellgelben, nadel- 
förmigen Krystalle. Auch der Wassergehalt sprach für ein derartig 


gebildetes Salz. Es verloren bei 100% getrocknet! 
0,3694 Substanz 0,0602 H, O = 16,26 Proz. H3,0. 


Gefunden: Berechnet für: 
Ca, H„7 NO,HC1+4H;,0. 
16,26 Proz. H,O. 16,23 Proz. H,O. 


Das hieraus dargestellte Goldsalz krystallisierte aus Alkohol 
in schönen rotbraunen, wasserfreien Nadeln, die durchaus denen des 
Berberingoldchlorids glichen. Es hinterliefsen: 

I. 0,3476 g dieses Salzes 0,1010 Au = 29,05 Proz. Au. 


I. 0,3126 g > 5 0,0906 „ 28,98 ,„ y 
II. 0262 „ " 0,0769), 0 E28 
Gefunden: Berechnet für; 
I. 29,05 Proz. Au. (CO, H,, NO, C,H,,Cl)Au Cl C„H NO,HCI AuCl, 
11.2898 „ se Proz au, Me I 


In1.188,88'0 ;,, 


Dr. H. Pommerehne: Ueber Berberin. 173 


Bei einem Ueberblick über das Verhalten der Jodalkyle gegen 
Berberin ergiebt sich also, dafs in allen drei Fällen jedentalls ein 
Additionsprodukt des Berberins mit dem betreffenden Jodalkyle 
entsteht, welches indessen bei der Ueberführung in das entsprechende 
Chlorid, beim Umsetzen mit Ag Ol, unter Abspaltung der anfänglich 
addierten Alkylgruppen, sich in Berberinhydrochlorid verwandelt. 
Von den in den Bereich der Untersuchung gezogenen Alkyljodiden 
reagiert am wenigsten glatt das Jodmethyl. 


Zusammenstellung der erzielten Resultate. 


1. Dem Oxyacanthin kommt die Formel C,g H;ı NO, zu, und 
zwar auf Grund der Werte, welche die Analysen der freien Base, 
sowie folgende Salze derselben lieferten: 

a) das salzsaure Salz: Cj9g Hs; NO;,, HC1+2H,0. 

b) das bromwasserstoffsaure Salz: CjHs; NO, HBr+2H, 0. 
c) das jodwasserstoffsaure Salz: Cj9g Hs; NO, HJ +2H,0. 
d) das schwefelsaure Salz: (Cjg Hsı NO3)) H, SO, +4H;,0. 

e) das salpetersaure Salz: Cjg Hs; NO, HNO, +2H,0. 

f) das Platindoppelsalz: (Cjg Hzı NO;,, HCl, PtC,+5H,0. 
g) das Golddoppelsalz: (Co Hsı NO;, HC) AuCl, +4H;,0. 

2. Im Molekül des Oxyacanthins ist ein Sauerstoffatom in 
Form einer Hydroxylgruppe und die beiden anderen wahrscheinlich 
in Gestalt von Methoxylgruppen vorhanden. 

3. Das Oxyacanthin liefert mit Jodmethyl ein Additionsprodukt, 
welches durch Behandeln mit Ag, O in eine Ammoniumbase über- 
geht. Das Oxyacanthin ist somit als tertiäre Base anzusehen. 

4. Das Oxyacanthin ist optisch aktiv und lenkt den polari- 
sierten Lichtstrahl stark nach rechts ab. 

5. Dem Berbamin ist nach den für das Hydrochlorid und 
Platinsalz gefundenen Werten die Formel C,s Hıg NO, zuzuerteilen. 

6. Vom Berberin existiert aufser dem sauren schwefelsauren 
Salz noch ein neutrales Sulfat: (Ca9 Hı, NO,) Hs SO, +3 H, 0. 

7. Das Berberin liefert bei geeigneter Behandlung mit CO, 
ein wirkliches Bicarbonat: O3, H;, NO,H CO, +2H; 0. 

8. Das Berberin ist im Stande, mit HCN ein gut charakteri- 
siertes Salz: Cy9 Hız NO, HCN, zu bilden. 


174 E. Gildemeister: Ueber Limettöl. 


9. Bei der Einwirkung von Jodalkylen auf Berberin bildet 
sich ein Additionsprodukt. 


10. Die Jodalkyladditionsprodukte des Berberins zeigen eine 
geringere Beständigkeit als die sonstigen Jodide quaternärer Ammo- 
niumbasen. 


Mitteilungen aus dem Laboratorium 
von Schimmel & Co. in Leipzig. 


Beiträge zur Kenntnis der ätherischen Oele. 
Von Eduard Gildemeister. 
(Eingegangen den 21. III. 1895.) 


I. Ueber Limettöl. 


Als Limetten bezeichnet man die Früchte von zwei ganz ver- 
schiedenen Pflanzen, und zwar unterscheidet man die westindische 
und die südeuropäische Limette. 

Die westindische Limette, Citrus medica L. var. acıda Brands }) 
(lime), wird wegen ihres sauren Saftes hauptsächlich auf Montserrat, 
Dominica und Jamaica kultiviert. Ihre kleinen eiförmigen Früchte 
sind von schwefelgelber Farbe und mit einer nur schwach ausgebildeten 
Zitze versehen. Der an Citronensäure reiche Saft bildet einen 
ziemlich bedeutenden Handelsartikel und kommt entweder als „Raw 
lime juice“ auf den Londoner Markt, von wo er in die Citronen- 
säurefabriken wandert, oder er wird, nachdem er eingedampft ist, 
als „Concenirated lime juice“ meist nach Nord-Amerika verschifft, 
um dort zur Limonadefabrikation zu dienen. Das aus der Frucht- 
schale geprefste Oel, im Handel als „Oil of limette“ bezeichnet, ent- 
hält sehr viel Citral und ist, abgesehen von seiner grölseren In- 
tensität, im Geruch von Citronenöl kaum zu unterscheiden. 

Ganz verschieden von dem geprelfsten ist das destillierte Oel, 
welches als Nebenprodukt beim Eindampfen des Saftes gewonnen 
wird und unter der Bezeichnung „Oil of limes“ geht. Es hat einen 
unangenehmen Geruch, der gar nicht mehr an Citral erinnert. Ver- 


1) Bulletin of miscelaneous information, Royal gardens Kew, 
1894, p. 113. 


E. Gildemeister: Ueber Limeittöl. 175 


mutlich wird dieser Aldehyd beim Einkochen der sauren Flüssigkeit 
vollständig zerstört. 
Die Eigenschaften mehrerer von mir untersuchter Oele waren 
folgende: 
Destillierte Oele. 
Beide von Dominica. 
No. 1. Spez. Gew. 0,868 bei 15%. Drehungswinkel (100 mm) 
+ 380 35’. Siedete zwischen 175 und 220°, 
No. 2. Spez. Gew. 0,867 bei 15°. 


Gepre[ste Oele. 


No. 1 von Montserrat. Spez. Gew. 0,882 bei 15%. Drehungs- 
winkel + 350 40’. 

No. 2 von Dominica. Spez. Gew. 0,882 bei 15%. Drehungs- 
winkel + 370 55, 

Die Früchte der südeuropäischen Limette, Citrus Limetta Risso !) 
(Citrus Limetta vulgarıs, Lima dulcıs Volcam., Lima di Spagna 
dolce Tanar., Limettier ordinaire.) unterscheiden sich von der west- 
indischen am auffallendsten durch ihren sülsen Saft. Der Limett- 
baum heifst in Calabrien ?) arancıo oder limoncello di Spagna, seine 
Früchte arancı oder limi di Spagna. Früher wurden die Limett- 
pflanzen dort in grofser Menge kultiviert, weil auf sie die Bergamotte 
gepfropft wurde, da aber ihre Wurzeln häufig von der sogenannten 
Gummikrankheit befallen wurden, so pflegt man jetzt die Bergamotten 
auf den widerstandsfähigeren Bitterorangenbaum zu pfropfen. 

Die Blütezeit, wo der Baum rein weilse Blüten trägt, fällt in 
den Mai, die Fruchtreife in den Dezember bis Januar. Die Früchte 
gleichen im Aussehen den Citronen, nur nähert sich ihre Gestalt 
etwas der Kugelform, aulserdem ist die stark entwickelte Zitze mehr 
wie bei diesen in die Breite gedrückt. 

Die Limetten sind essbar, haben jedoch einen faden und allzu 
aromatischen Geschmack. Ehe man sie genielst, muls man die 
dünnen Häutchen, welche die Scheidewände der einzelnen Fächer 
bilden, wegen ihres bitteren Geschmacks entfernen. 


1) Risso et Poiteau. Histoire et culture des Orangers. 

2) Herrn N. Siles in Reggio bin ich für eine Sendung von 
Limettfrüchten, sowie für die darauf bezüglichen brieflichen Mit- 
teilungen zu grolsem Danke verpflichtet. 


176 E. Gildemeister: Ueber Limettöl. 


Die Farbe der Fruchtschale, welche das sehr angenehm 
riechende ätherische Oel enthält, ist im reifen Zustande bräunlich 
gelb. Zur Oelgewinnung läfst man die Früchte nicht vollständig 
reifen, sondern prelst sie solange sie noch grün sind, weil dann die 
Ausbeute eine grölsere ist. 

Die Aurantiaceenfrüchte haben unter pflanzlichen wie tierischen 
Schmarotzern, welche nicht selten die Ernte zu Grunde richten, zu 
leiden. Von beiden Arten waren auf den mir gesandten Limetten 
Vertreter zu finden. So hatten sich auf einigen der Früchte, als 
weilse Pünktchen sichtbare Pilzkolonien angesiedelt, eine Krankheit, 
die mar in Calabrien „bianco“ nennt. Sie befällt vorzugsweise die 
Citronen, welche dann ein Oel von schlechtem Geruch und in geringer 
Menge liefern. Ein anderer Teil der Früchte wies zahlreiche braune 
Flecke auf, die sich bei näherer Betrachtung als Läuse „prdoechi“ 
(Coccus cıtri?) zu erkennen gaben. Sie finden sich auf Zweigen, 
Blättern und Früchten und richten bisweilen grofsen Schaden an; 
so wurde beispielsweise vor mehreren Jahren die Bergamotternte 
durch diese Tierchen um die Hälfte verringert. 

Die Gewinnung des Limettöles geschieht auf die bei den 
übrigen Anrantiaceenölen, Bergamottöl, Citronenöl und Pomeranzenöl 
übliche Weise, durch Auspressen der Fruchtschalen mit der Hand, 
wie es seiner Zeit von Flückiger!) ausführlich beschrieben 
worden ist. Seine Produktion ist nur sehr unbedeutend und dem- 
entsprechend hat das Oel praktisch nur geringes Interesse. 


Versuche zu einer wissenschaftlichen Untersuchung des Oeles 
sind schon mehrere gemacht worden, die aber alle in eine Zeit fallen, 
wo die Kenntnis der Terpene und der damit zusammenhängenden 
Körper eine noch recht mangelhafte war. 

M. S. Luca?) bezeichnet zwar in einer 1860 erschienenen 
Abhandlung als Stammpflanze des von ihm untersuchten Oeles Citrus 
Lumna, ich glaube aber doch aus der Uebereinstimmung sowohl der 
Beschreibung, als auch der italienischen Bezeichnung der Früchte mit den 
Limetten, sowie aus dem Untersuchungsresultat schliefsen zu müssen, 
dafs seiner Arbeit dasselbe Oel wie meiner zu Grunde gelegen hat. 
Es wird nämlich in der zitierten Abhandlung gesagt, dais die Früchte, 


1) Archiv der Pharmacie 227, 1065. 
2) „Recherches surl’essencede Citrus Lumia“ Comptes rendus5l, 258. 


ri 


E. Gildemeister: Ueber Limettöl. 177 


aus denen das Oel gewonnen wurde, in ihrem Aeulseren einer Citrone 
ähnlich seien, sich jedoch durch ihren sülsen Saft und bergamott- 
artigen Geruch von dieser unterschieden. Ferner wird erwähnt, 
dafs sie m Calabrien „Limi di Spagna“ genannt würden. Bei der 
Destillation des optisch rechtsdrehenden Oeles über freiem Feuer 
bemerkte Luca Eintreten von Zersetzung bei 200°, eine Erscheinung, 
die sich durch Abspaltung von Essigsäure erklärt. Als Hauptbestand- 
teil erhielt er eine bei ca. 1800 siedende Fraktion von spez. Gewicht 
0,853, deren Analyse auf ein Terpen C,, Hıs stimmende Zahlen gab, 
und aus welcher durch Einleiten von Salzsäure ein Dichlorhydrat 
Co Hıs 2 HCl erhalten wurde. Alle diese Beobachtungen kann ich 
als durchaus richtig bestätigen. 

Eine neuere Untersuchung des Oels von Citrus Limetta liegt 
von Wright und Piesse!) vor. Sie gewannen aus ihrem Oel, 
welches ein spez. Gewicht von 0,90516 bei 15,5 besafs, durch frak- 
tionierte Destillation ein bei 176° siedendes Terpen, von dem sie be- 
merken, dals es dem aus Pomeranzenöl sehr ähnlich sei. 


Das von mir untersuchte Limettöl war von bräunlich-gelber Farbe, 
hatte ein spezifisches Gewicht von 0,872 bei 15° und drehte den 
polarisierten Lichtstrahl bei 100 mm Rohrlänge bei 150 um 58° 19’ 
nach rechts. [«]n bei 150° = + 66° 52°. Wie alle geprefsten Auran- 
tiaceenöle, besonders im frischen Zustande, setzt es einen reichlichen 
gelblich weilsen Bodensatz ab. Sein Geruch ist sehr angenehm und 
erinnert stark an Bergamottöl beziehungsweise dessen Hauptbestand- 
teil, das Linalylacetat. Die Gegenwart von Estern wurde durch eine 
Verseifung, bei welcher 2,01 g Oel, 0,1512 g KOH verbrauchten, dar- 
gethan. Dies entspricht auf Linalylacetat, dessen Anwesenheit durch 
den weiteren Verlauf der Untersuchung festgestellt wurde, berechnet, 
einem Gehalt von 26,3 Proz. 


Da nun erfahrungsgemäls bei der fraktionierten Destillation 
über freiem Feuer die Ester meist durch Abspaltung ihres sauren 
Komponenten zersetzt werden, und hierdurch nicht nur der Gang 
der Fraktionierung gestört wird, sondern auch die Säure verändernd 
auf andere Bestandteile einwirken kann, so ist es in einem solchen 
Falle, wenn man nicht die ganze Fraktionierung im Vakuum vor- 


1) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 10. 1601. 
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bde. 3. Heft. 12 


178 E. Gildemeister: Ueber Limettöl 


nehmen will, am geratensten, den Ester vorher durch Verseifen zu 
zerlegen. 

Es wurden daher 300 g Oel mit 50 g Kali, das in 200 g Alkohol 
gelöst war, mehrere Stunden auf dem Wasserbade erhitzt, und nach 
dem Erkalten mit Wasser versetzt. Nach Trennung der wässerigen 
Flüssigkeit von dem aufschwimmenden Oele, wurde dies noch mehr- 
mals mit Wasser ausgewaschen und zur Entfernung von Verharzungs- 
produkten mit Wasserdampf übergetrieben, hierauf mit entwässertem 
Natriumsulfat getrocknet und unter Anwendung eines Kugelaufsatzes 
der fraktionierten Destillation unterworfen. Zunächst fing ich das 
bis 1900 Uebergehende auf, und stellte das Höhersiedende, zur 
weiteren Verarbeitung im Vakuum, vorläufig bei Seite. 


Nach mehrmaliger sorgfältiger Fraktionierung des die Terpene 
enthaltenden Anteils, zuletzt über metallischem Natrium, wurde dieser 
in 3 Teile mit folgenden Eigenschaften zerlegt: 

1. Sdp. ca. 170—1750 spez. Gew. 0,3847 b. 150 Drehungswinkel 
(100 mm) + 649 33° bei 150. 
Sdp. 175—176°% spez. Gew. 0,848 Drehungswinkel + 800 32 
bei 150. 
3. Sdp. 176—1780 spez. Gew. 0,848 Drehungswinkel + 810 45‘ 
bei 150, 

Was die Grölse der einzelnen Fraktionen anbetrifft, so war 

No. 1 die kleinste und ihre Menge betrug vielleicht '/;, von jeder 


[89] 


der folgenden, die etwa gleich grofs waren. 

Der Siedepunkt der ersten Fraktion deutete aut Phellandren 
hin. Bei der Behandlung mit Natriumnitrit und Eisessig wurde auch 
eine undeutliche Phellandrenreaktion wahrgenommen, es gelang jedoch 
nicht, das krystallinische Pbellandremnitrit zu isolieren, so dals es 
zweifelhaft bleiben mufs, ob hier wirklich Phellandren vorliegt. 
Jedenfalls wäre die Quantität nur eine äulserst minimale. Siedepunkt, 
spezifisches Gewicht und Drehung der beiden folgenden Fraktionen 
liefsen die Gegenwart von Limonen wahrscheinlich erscheinen. Es 
wurden daher 10 ccm der Fraktion 2, in 40 cem alkoholhaltigem 
Eisessig gelöst, im Kältegemisch gut abgekühlt und hierzu tropfen- 
weise Brom zugesetzt, bis die rote Farbe nicht mehr verschwand. 
Jeder Tropfen einfallenden Broms verursachte die Ausscheidung von 
krystallinischem Tetrabromid, eine Erscheinung, die nur dann eintritt, 
wenn man das Terpen im Zustande grofser Reinheit anwendet. 


E. Gildemeister: Ueber Limettöl. 179 


Gewöhnlich erhält man anfangs ein dickes Oel, das erst nach einiger 
Zeit krystallinisch erstarrt. 

Nach zweimaligem Umkrystallisieren, zuerst aus Essigäther und 
dann aus Alkohol, zeigte das Bromid den für Limonentetrabromid 
charakteristischen Schmelzpunkt 105°. 

Zur Vervollständigung des Nachweises von Limonen wurde 
noch das sowohl zu Limonen, wie zu Dipenten gehörige Dichlor- 
hydrat vom Schmp. 50° dargestellt, welches, wie wir gesehen 
haben, auch schon Luca in Händen hatte. Man erhält den 
Körper auf eine bequeme Weise aus Jlimonen- oder dipenten- 
haltigen Fraktionen, indem man diese mit einer überschüssigen Menge 
alkoholischer Salzsäure vermischt und unter häufigem Umschütteln 
im verschlossenen Gefälse stehen läfst. Zuerst schwimmt das Terpen 
obenauf, sinkt aber, nachdem es sich mit Salzsäure gesättigt hat, zu 
Boden, wird allmählich dicker und erstarrt schliefslich zu einer 
krystallinischen Masse. Nach zweimaligem Umkrystallisieren aus 
Alkohol wurde der Schmelzpunkt des aus Fraktion 176—1780 ge- 
wonnenen Dichlorhydrats bei 50—51° gefunden. 

Es besteht also der zwischen 175 und 178° siedende Kohlen- 
wasserstoff des Limettöles aus Rechts-Limonen. 

Denjenigen Teil des Oeles, der bei der Destillation bis 190° 
nicht übergegangen war, fraktionierte ich zweimal im Vakuum. Die 
Hauptfraktion zeichnete sich durch reinen Linaloolgeruch aus, siedete 
bei 13 mm Druck von 88,3—89,5° und bei Atmosphärendruck 
(B = 760 mm) von 198—199", Spez. Gewicht 0,870 bei 15°, Drehungs- 
winkel bei 15° (100 mm Rohr) — 17,37° [a]p = — 200 7° bei 15°, 
Brechungsexponent nn 1,4668 bei 200. Diese Eigenschaften stehen 
mit denen des Linalools aus anderen Quellen, von denen die wichtigsten 
in der nächsten Abhandlung zum Vergleich zusammengestellt sind, 
in guter Uebereinstimmung. 

Zum Nachweis des Linalools auf chemischem Wege fehlt es 
bisher noch an einer charakteristischen Verbindung, man ist vielmehr 
einzig undallein auf die Identifizierungdeshauptsächlichsten Oxydations- 
produktes, des Citrals angewiesen, was aber durch die Darstellung 
der von Doebnert) entdeckten Citryl-#-naphtocinchoninsäure keine 
Schwierigkeiten macht. 


1) Berichte d. Deutsch. chem. Gesellschaft 27, 352, Archiv. d. 
Pharm. 232, 688. 


12* 


130 E. Gildemeister: Ueber Limettöl. 


Zur Ausführung der Oxydation wurden 6 g der Linaloolfraktion 
mit einer Lösung von 15 g Kaliumbichromat in 70 g Wasser und 
10 g Schwefelsäure geschüttelt, wobei sich die Flüssigkeit stark er- 
wärmte. Nach Beendigung der Reaktion wurde das im Scheidetrichter 
abgeschiedene und durch Waschen mit Wasser von Säure befreite 
Oel im Wasserdampfstrom überdestillier. Das intensiv nach Citral 
riechende Oel wurde in Alkohol gelöst und mit gleichen Molekülen 
Brenztraubensäure und # Naphtylamin mehrere Stunden lang auf dem 
Wasserbade erwärmt. Nach dem Erkalten schied sich eine in Blätt- 
chen krystallisierende citronengelbe Verbindung ab, deren Schmelz- 
punkt nach Umkrystallisieren aus Alkohol bei 198—1990 gefunden 
wurde. Nach Doebner (l.c.) schmilzt die Citryl-#-Naphtocinchonin- 
säure bei 1970. Hieraus und aus der Uebereinstimmung der physi- 
kalischen Konstanten ist zu schlie[sen, dafs die von 198—-199 siedende 
Fraktion des Limettöls aus Links-Linalool besteht. 

Es blieb nunmehr noch die Säure zu ermitteln, als deren Ester 
das Linalool ursprünglich m dem Oele vorhanden gewesen war. Zu 
dem Zwecke wurde die bei der Verseifung erhaltene alkalische 
Lauge auf ein kleines Volumen eingedampft, und mit überschüssiger 
Schwefelsäure versetzt. Aus der sauren Flüssigkeit wurde die 
flüüchtige organische Säure durch Wasserdampf abdestilliert und das 
Destillat nach Neutralisation mit kohlensaurem Natron eingedampft. 
Beim Erkalten schieden sich derbe Krystalle ab, die in Wasser sehr 
leicht löslich waren und beim Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäure 
und Alkohol einen ganz reinen Essigäthergeruch entwickelten. 

Aus einem Teile der Mutterlauge wurde durch Umsetzung mit 
Silbernitrat das Silbersalz der Säure dargestellt, das aus heilsem 
Wasser in zarten Nädelchen krystallisierte und, wie die Analyse 
zeigte, aus essigsaurem Silber bestand. 


0,4620 g Silbersalz hinterliels beim Glühen 0,2986 g Silber. 
Berechnet für CH, COO Ag. Gefunden 
64,67 Proz. 64,63 Proz. 


Der im Limettöl enthaltene Ester ist also Linalylacetat. 


Da ich inzwischen die Beobachtung gemacht hatte, dals bei 
der Darstellung von Linalylacetat nach dem Bertram’schen !) Ver- 
fahren mit Eisessig und Schwefelsäure, aus Links - Linalool der 


1) Deutsches Reichspatent No. 80711. 


E. Gildemeister: DUeber Limettöl. 181 


rechtsdrehende Essigester entsteht, und da bis jetzt noch Angaben über 
das Drehungsvermögen des natürlich vorkommenden Linalylacetats 
fehlen, die Möglichkeit also nicht ausgeschlossen war, dafs der zum 
Links-Linalool gehörige Ester rechtsdrehend sein könnte, so war es 
geboten diesen als solchen aus dem Oele zu isolieren. Hierzu mulste 
aus den anfangs angegebenen Gründen die ganze Destillation im 
Vakuum vorgenommen werden, und es wurden zu dem Zweck 200 g 
Oel in Arbeit genommen. 


Nach dreimaliger sehr langsam ausgeführter Fraktionierung 
wurde aufser den nicht mehr weiter berücksichtigten Terpenen, eine 
bei 13 mm Druck zwischen 101 und 103° siedende Hauptfraktion 
gewonnen, deren spezif. Gewicht bei 15°, 0,898 betrug. Die optische 
Drehung (100 mm) war — 9° 52’ bei 15°, das Ester drehte also 
in demselben Sinne wie das daraus abgeschiedene Linalool. 


Wie eine Esterbestimmung ergab, bestand diese Fraktion aber 
noch keineswegs aus reinem Linalylacetat. 

1. 2,01 g verbrauchten 0,4760 $ KOH entsprechend 82,6 Proz. Ester. 
2. 2,06 x verbrauchten 0,4886 $ KOH entsprechend 82,95 Proz. Ester. 

Es waren also noch 17 Proz. Verunreinigungen vorhanden, 
vermutlich Linalool, ohne welche der Siedepunkt wahrscheinlich 
etwas höher gefunden worden wäre. 

Zum Nachweise alkoholischer Bestandteile in ätherischen 
Oelen ist schon mehrfach !) mit Erfolg so verfahren worden, dafs 
man das Oel vor und nach der Behandlung mit Essigsäureanhydrid 
einer Verseifung unterwarf. Bei Anwesenheit von Körpern alko- 
holischer Natur findet man dann im acetylierten Oele einen höheren 
Estergehalt, als im ursprünglichen. 20 g Oel wurden mit 20 g 
Acetanhydrid und 3 g wasserfreiem Natriumacetat in einem Kölbchen, 
das mit einem eingeschliffenen, als Rückflufskühler dienenden Glas- 
rohr versehen war, eine Stunde lang im Sieden erhalten. Nachdem 
das überschüssige Essigsäureanhydrid durch Digestion mit Wasser 
auf dem Wasserbade zerstört war, wurde das von der wässerigen 
Flüssigkeit getrennte Oel mehrere Male mit Soda ausgewaschen und 
darauf mit wasserfreiem Natriumsultat getrocknet. 

1) Bertram und Walbaum Journ. f. pr. Ch. N. F.45, 594. Bertram 


und Gildemeister ebendaselbst 49,183. Power und Kleber Arch. d. 
Pharm. 232, 652. 


182 E. Gilde meister: Ueber Origanumöl. 


Bei der Verseifung wurden folgende Resultate erhalten: 

1. 2,01 g acetyliertes Oel verbrauchte 0,1722 g KOH, entsprechend 
29,75 Proz. Linalylacetat. 

2. 2,03 g verbrauchte 0,1722 & KOH, entsprechend 29,4 Proz. Lin- 
alylacetat. 


Der Gehalt an Linalylacetat war also bei dem acetylierten 
Oele um 3 Proz. höher als bei dem ursprünglichen Oele. Da ein 
anderer Alkohol bei der Untersuchung nicht autgefunden war, so 
kann der freie Alkohol nur Linalool sein. Auf die vorhandene Menge 
läfst sich aber aus der Bestimmung in diesem Falle ein Schluls 
nicht ziehen, da bekanntlich die Acetylierung bei Linalool durchaus 
nicht quantitativ verläuft, sondern ein erheblicher Teil des Linalools 
durch Wasserabspaltung in Dipenten, Terpinen und polymere Ter- 
pene umgewandelt wird. 


Wie im Vorstehenden gezeigt worden ist, setzt sich das 
ätherische Oel der sülsen Limette, Citrus Limetta Rısso, aus Rechts- 
Limonen, Links-Linalool und Links-Linalylacetat zusammen. Wenn 
auch das Limonen der Menge nach den Hauptbestandteil bildet, so 
sind an der Hervorbringung des charakteristischen Geruchs wesent- 
lich nur Linalylacetat und Linalool beteiligt. 

Es gleicht also in seiner Zusammensetzung dem Bergamottöl, 
in welchem aufser diesen drei Körpern noch Dipenten vorkommt. 


I. Ueber Smyrnaer Origanumöl. 


Unsere Kenntnis von der chemischen Zusammensetzung der 
Oele der verschiedenen Origanumarten, welche im Handel den Namen 
Spanisch Hopfenöl oder Kretisch Dostenöl führen, verdanken wir 
einer interessanten Studie von E. Jahns.?) Dieser fand bei sieben 
verschiedenen, teils in Deutschland destillierten, teils von Triest oder 
aus Kleinasien importierten Oelen als Hauptbestandteil Carvacrol 
CioHıs 0, ein Phenol, welches bis dahin noch in keinem Pflanzen- 
produkte autgefunden, künstlich jedoch schon auf verschiedene Weise 
dargestellt worden war. Später wies Jahns denselben Körper noch in 

1) Bericht von Schimmel & Co., April 1893, 38. 


2) Ueber das ätherische Oel von Origanum hirtum Link. und das 
Kretisch Dostenöl des Handels. Arch. d. Ph. 215 (1879) 1. 


E. Gildemeister: Ueber Origanumöl. 183 


den Oelen von Satureja hortensist), Origanum vul- 
gare und Thymus Serpyllum?) nach. Carvacrol ist ferner, 
wie Haller?) zeigte, im Oele von Satureja montana enthalten. 
Endlich findet es sich in spanischen Thymianölen in grofser Menge 
(50—60 Proz.) und neben Thymol in manchen deutschen und fran- 
zösischen Thymianölen. 


Aufser Carvacrol stellte Jahns im Kretisch Dostenöl die 
Anwesenheit geringer Mengen eines zweiten Phenols fest, welches 
mit Eisenchlorid eine violette Färbung annahm und sich dadurch 
von ersterem, welches durch dasselbe Reagens grün gefärbt wird, 
unterscheidet. In den von 172—176° siedenden Bestandteilen des 
Oeles vermutete er Öymol, ohne jedoch diesen Kohlenwasserstoff mit 
Sicherheit zu identifizieren. 


Da das Spanisch Hopfenöl häufig verfälscht zu werden pflegt, 
und zweifelsohne das Carvacrol sein wertvollster Bestandteil ist, und 
da dieser als direkter Wertmesser für die Güte des Oeles angesehen 
werden muls, so prüft man das Oel, indem man seinen Gehalt an 
Phenol annähernd quantitativ bestimmt. Hierbei verfährt man, wie 
ich bereits im Hager ’schen Kommentar zur III. Auflage des 
Deutschen Arzneibuches unter Thymianöl ausgeführt habe, zweck- 
mälsig so, dals man in einer Bürette von mindestens 60 ccm Inhalt 
10 cem des zu prüfenden Oeles bringt, mit 5 prozentiger Natron- 
lauge bis zum Nullstrich auffüllt, und kräftig durchschüttelt. Die 
Bestandteile nicht phenolartiger Natur setzen sich nach längerem 
Stehen an der Oberfläche der Flüssigkeit ab, und ihre Menge kann 
an der Skala direkt abgelesen werden. Ist die Bestimmung auch 
keineswegs ganz genau, so genügt sie doch, um sich über den Wert 
eines Oeles zu orientieren, vollkommen. 


Oele, bei denen ein niedriger Phenolgehalt, d.h. unter 50 Proz., 
gefunden wird, sind in der Regel mit Terpentinöl verfälscht, 
und lösen sich dann meistens nicht klar in 3 Teilen 70 Proz, 
Alkohol auf. Nun kamen mir in jüngster Zeit verschiedene Oele 
kleinasiatischer Herkunft unter die Hände, die trotz ihres niedrigen 
Phenolgehaltes dennoch mit 70 Proz. Alkohol vollkommen klare 

I) Ber. d. D. chem. Ges. 15, 816. 


2) Arch. d. Ph. 216, 277. 
3) Comptes rendus 94 (1882) 132. 


184 E. Gildemeister: Ueber Origanumöl. 


Lösungen gaben. Sie waren von hellerer Farbe als die Triester 
Oele, im Geruch milder und erinnerten dabei etwas an Linaloeöl, 
bezw. Linalool, was besonders deutlich hervortrat, nachdem das 
Carvacrol durch Alkali entfernt worden war. 

Da im Thymianöl, welches sowohl seiner botanischen Ab- 
stammung, als auch seiner chemischen Zusammensetzung nach, als 
nächster Verwandter des Spanisch Hopfenöles gelten kann, schon 
Linalool nachgewiesen ist,!) so war es naheliegend, die Kretisch 
Dostenöle kleinasiatischen Ursprungs auf diesen Körper hin zu 
untersuchen. Hierzu lagen vier verschiedene Oele vor, sämtlich von 
demselben Charakter und aus derselben Quelle aus Smyrna bezogen. 


No. 1. Spezifisches Gewicht 0,930 bei 150 Drehungswinkel 
— 70 52° bei 180 (100 mm Rohr). Löslich in 2!/, Teilen 70 (Volum.) 
Prozent Alkohol Phenolgehalt 45 Proz. 

No. 2. Spez. Gew. 0,916 bei 15%. Die optische Drehung war 
wegen zu dunkler Farbe nicht bestimmbar. Löslichkeit wie No. 1. 
Phenolgehalt 32 Proz. 

No. 3. Spez. Gew. 0,918 bei 15%. Drehung wegen der dunklen 
Farbe nicht bestimmbar. Löslichkeit wie No. 1. Phenolgehalt 
34 Proz. 

No. 4. Spez. Gew. 0,932 bei 15%. Drehungswinkel — 80 44 
bei 15°. Löslichkeit wie No. 1. Phenolgehalt 47 Proz. 

Zu der nachstehenden Untersuchung verwendete ich dasOel No. 1. 

Nachdem die Phenole durch Ausschütteln mit dünner Natron- 
lauge entfernt worden waren, wurde das in Alkali Lösliche mit 
Wasserdampf destilliert und in mehreren Fraktionen aufgefangen. 
Von diesen wurde dann die erste unter Anwendung eines Kugel- 
aufsatzes fraktioniert, und nachdem dies fünfmal wiederholt worden 
war, folgende Fraktionen aufgefangen: 


1. 155 —163 9. 
2. 163—1709. 
3. 170—175°. 
4. 175—180°. 
5. 180—183°. 


Das höher Siedende liefs ich vor der Hand unberücksichtigt. 
Fraktion 1 vom Siedepunkt 155—163° und einem Drehungs- 
winkel von — 30 28° bei 150 (100 mm Rohr) war durch das auf- 


1) Bericht von Schimmel & Co., Oktober 1894, 58. 


E. Gildemeister: Ueber Origanumöl. 135 


fallend niedrige spezifische Gewicht 0,826 bei 150 ausgezeichnet. 
Hierdurch war die Gegenwart gröfserer Mengen von Pinen (spez. 
Gew. 0,860), welches man nach dem Siedepunkt und der optischen 
Drehung hätte erwarten können, ausgeschlossen. Von einer näheren 
Untersuchung mulste abgesehen werden, da die Quantität eine zu 
kleine war, und ich kann daher nur die Vermutung aussprechen, 
dafs es sich hier vielleicht um eins der aliphatischen Terpene 
Semmler’'s!) handelt. In jüngster Zeit sind übrigens auch im 
Hopfenöl (von Aumulus Lupulus) Kohlenwasserstoffe von sehr 
niedrigen spez. Gewichte und einem sehr ähnlichen Siedepunkte von 
Chapmann?) aufgefunden worden, welcher ebenfalls die Arsicht 
äufsert, dals sie möglicherweise in Beziehungen zu denSemmler- 
schen Körpern stehen könnten. 

Mit Fraktion 4 Siedepunkt 175—180° wurden Versuche zur 
Darstellung von Dipententetrabromid angestellt, die aber ohne Erfolg 
blieben, weil nur ölförmige Produkte erhalten wurden. 

Phellandren und Terpinen waren weder in Fraktion 3 noch in 4 
nachweisbar. 

Der ausgesprochene Cymol-Geruch dieser beiden Fraktionen ver- 
anlalste mich auf diesen Kohlenwasserstoff zu prüfen. 

Da Uymol vou kalter Kaliumpermanganatlösung kaum ange- 
griffen wird, die Terpene aber leicht zerstört werden, so wurden die 
wieder vereinigten Fraktionen 3 und 4 mehrere Stunden lang auf 
der Schüttelmaschine mit einer 2, prozentigen Kaliumpermanganat- 
lösung durchgeschüttelt, um Verunreinigungen möglichst zu beseitigen. 

Dem nicht angegriffenen Oele mulsten wegen seines niedrigen 
spez. Gewichtes, 0,845 bei 15% noch andere Körper beigemengt sein, 
es wurde deshalb noch zweimal über metallisches Natrium fraktioniert 
und in folgenden Intervallen aufgefangen. 


1. 168—1720. 
2. 172—174°. 
3. 174—176°. 


Aber auch so konnte ein annähernd reines Oymol nicht er- 
halten werden, da Fraktion 3 das spez. Gewicht 0,852 bei 15° hatte, 
während dem Cymol im reinen Zustande nach Oskar Widman?) 
ein solches von 0,8602 bei 150 zukommt. 


1) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 24, 682. 
2, Essential oil of hops. Journ. ot the chem. Society 67 (1894), 54. 
3) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 24, 552. 


186 E. Gildemeister: Ueber Origanumöl. 


Zum Nachweis von Cymol in ätherischen Oelen ist von 
Wallach!) die Ueberführung desselben in Oxypropylbenzo&säure 
durch Oxydation, und Umwandlung dieser in Isopropenylbenzo&säure 
empfohlen worden. 

Es wurden deshalb 10 g der Fraktion 3 mit einer Kalium- 
permanganatlösung von 60 g in 1650 g Wasser auf dem Wasser- 
bade unter häufigem Umschütteln solange erhitzt, bis Entfärbung 
eingetreten war, worauf die vom Manganschlamm abfiltrierte Flüssig- 
keit zur Trockne verdampft und der Rückstand mit Alkohol extrahiert 
wurde. Die auf ein kleines Volumen eingeengte alkoholische Lösung 
liefs auf Zusatz von Schwefelsäure eine Säure ausfallen, welche aus 
Alkohoi umkrystallisiert bei 156—158° schmolz, also den Schmelz- 
punkt der Oxypropylbenzo&säure zeigte. 

Nach Richard Meyer’s?) Angabe wurde diese durch 
Kochen mit rauchender Salzsäure (spez. Gew. 1,19) in die Iso- 
propenylbenzoösäure übergeführt. Der Schmelzpunkt der aus 
Alkohol umkrystallisierten Säure, der auch nach nochmaligem Um- 
krystallisieren konstant blieb, wurdebei25 7—262° gefunden. R. Meyer 
giebt 255 —260° an. 

Nach diesem Befund ist also Cymol ein Bestandteil des Smyr- 
naer Origanumöles. Seine Menge ist jedoch unbedeutend und dürfte 
wenige Prozente kaum übersteigen. 

Die nächste durch Wasserdampfdestillation erhaltene Fraktion 
ging bei der Destillation über freiem Feuer innerhalb weniger Grade 
über und siedete nach mehrmaligem Fraktionieren fast vollständig 
zwischen 197,8 und 199° (B=752 mm). Spez. Gewicht 0,8704 
bei 15°. 

Drehungswinkel im 100 mm Rohr bei 15% — 15° 56 
[ln = — 180 18° bei 15°. 

Brechungsindex np 1,46337 bei 20°. 

Im Geruche war diese Fraktion von Linalool anderer Her- 
kunft nicht nicht zu unterscheiden. 

Da man, wie in der vorigen Abhandlung erwähnt wurde, zur 
Kennzeichnung des Linalools, abgesehen von seiner Ueberführung in 
Citral, mangels einer charakteristischen krystallinischen Verbindung, 


1) Liebig’s Annalen 264, 10. 
2) Liebig’s Annalen 219, 282. 


187 


Ueber Origanumöl. 


E Gildemeister 


auf die Vergleichung der physikalischen Eigenschaften beschränkt 
ist, so habe ich diese von Linalool aus verschiedenen Quellen der 


bequemen Uebersicht halber in tabellarischer Form aufgeführt. 


Siedepunkt 


Spez.-Gewicht 


Brechungs- 


index np 


' Lavendelöl 
Bertram u. 
Walbaumt) 


197199 


Drehungs- 


winkel (100 mm) 


— 100 35’ 


Linalool aus: 


Linaloeöl 
Bertram u 
Walbaum!) 


197 — 2000 


0,877 
bei 15" 


1,4630 
bei 200 


_. 90 


Bergamottöl 
Bertram u, 
Walbaum?) 


Linaloeöl 
Semmler>) 


197— 199 


0,372 
bei 150 


1,4629 
bei 180 


160 


195—199 


1,4695 
bei 20% 


Limettöl Smyrnaer 
Gilde- Origanumöl 

meister!) Gildemeister 

198—1990 | 197,8— 199 9 


B = 760 mm | B = 752mm 


0,870 0,3704 
bei 150 bei 150 
1,4668 1,4635 
bei 200 bei 200 
— 179737 — 150559’ 
bei 150 bei 150 


1) Journ. f. pract. Chem. N. F. 45, 597. 
Seite 603. 

3) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 24, 207. 

4) Vorige Abhandlung. 


2) Ebendaselbst. 


188 E. Gildemeister: Ueber Origanumöl. 


Die Uebereinstimmung ist, abgesehen von dem Rotationsver- 
mögen eine so gute, wie man es von einem Körper welcher nur 
durch fraktionierte Destillation zu reinigen ist, überhaupt erwartet 
werden kann. 

Die Oxydation des Linalools zu Citral wurde in der bei 
Limettöl (vorige Abhandlung) beschriebenen Weise ausgeführt. Da 
mir hier mehr Material zur Verfügung stand, so gelangten 60 & 
Linalool zur Anwendung, wodurch soviel Citral erhalten wurde, 
dafs es durch Ueberführung in die Natriumbisulfitverbindung ge- 
reinigt werden konnte. Die daraus dargestellte Citryl - #- Naphtoein- 
choninsäure schmolz bei 198—199°%. Links -Linalool ist also ein 
wesentlicher Bestandteil des Smyrnaer Origanumöls. 

Zur Untersuchung des Phenols im Smyrnaer Origanumöl wurde 
die anfangs erwähnte alkalische Lauge mit verdünnter Schwefelsäure 
bis zur sauren Reaktion versetzt, und die an der Oberfläche sich 
abscheidende ölige Flüssigkeit von der wässerigen getrennt. Bei 
der darauf folgenden Destillation im Vakuum sing die Hauptmenge 
bei 100 mm Druck zwischen 114 und 115° über. In 1 Proz. Kali- 
lauge löste sich das Destillat klar auf. 

Zum Nachweis von Öarvacrol wird von Goldschmidt!) 
die gut krystallisierende Verbindung mit Phenyl -Isocyanat vor- 
geschlagen, deren Schmelzpunkt er bei 134—1350 fand. 

Der Schmelzpunkt des durch Erwärmen gleicher Teile Phenyl- 
isocyanat und meines Phenols unter Zusatz von etwas Aluminium- 
chlorid erhaltenen Körpers lag jedoch, nachdem er einmal aus Petrol- 
äther und einmal aus Alkohol umkrystallisiert war, höher, nämlich 
bei 140°. Bei der zum Vergleich aus Carvon-Carvacrol hergestellten, 
und zur Reinigung einmal aus Alkohol umkrystallisierten Verbindung 
wurde der Schmelzpunkt ebenfalls bei 140% gefunden. 

Die physikalischen Konstanten der Carvacrole verschiedenen 
Ursprungs sind nahezu die gleichen : 


Carvacrol 
aus Carvon aus Smyrna Origanumöl 
Spez. Gewicht. 0,983 bei 150 0,980 bei 15° 
0,979 bei 200 0,976 bei 200 
Siedepunkt 236— 236,5 9 235,5— 236,20 
B = 742 mm; np bei 200 1,52295 1,52338 
Schmelzpunkt -+0,5' + 0,50 


1) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 26, 2086. 


O0. Rölsler: Ueber Crenothrix polyspora. 189 


Ein Unterschied war nur im Verhalten gegen Eisenchlorid be- 
merkbar. Während aus Carvon hergestelltes Carvacrol mit diesem 
eine rein grüne Färbung gab, wurde bei Zusatz einer sehr ver- 
dünnten Eisenchloridlösung zu Origanum-Carvacrol zuerst eine violette 
Färbung beobachtet, die erst nach weiterem Zusatz von Eisenchlorid 
in Grün überging. 

Demnach ist das Phenol des Smyrnaer Origanumöles nicht als 
reines Carvacrol anzusehen, sondern es sind auch hier Spuren des 
schon von Jahns erwähnten zweiten Phenols zugegen. 

Die Untersuchung hat somit ergeben, dafs dasSmyrnaer Origanumöl 
zum grölsten Teile aus Links-Linalool besteht. Im Vorlaufe findet 
sich Cymol und sehr wenig eines noch nicht näher untersuchten 
Körpers, dessen spezifisches Gewicht niedriger ist, als das der be- 
kannten Terpene. Der sich mit Alkalien verbindende Anteil ist 
Carvacrol, mit geringen Mengen eines Eisenchlorid violett färben- 
den Phenols. 

Interessant ist das gemeinsame Vorkommen der gewils in gene- 
tischer Beziehung stehenden Körper, Cymol, Linalool und Carvacrol. 

Ueber die botanische Abstammung des Oeles bin ich leider 
nicht in der Lage Mitteilungen machen zu können. Wegen der 
teilweise abweichenden chemischen Zusammensetzung ist es aber 
wahrscheinlich, dafs das Smyrnaer Oel von einer anderen Origanum- 
art, (vielleicht von Orıganum smyrnaicum L.) herkommt, als das 
von Jahn’s untersuchte, aus dem Kraute von Origanum hirtum Link. 
destillierte Oel. 


Leipzig, im März 1895. 


Ueber Kultivierung von Crenothrix polyspora 
auf festem Nährboden. 
Von Dr. Oskar Rölsler- Baden-Baden. 
(Eingegangen den 13. III. 1895. 


Crenothrix polyspora Cohn ist ein fadenförmiger Spaltpilz, 
dessen Kultivierung auf festem Nährboden bis jetzt noch nicht ge- 
lungen war. Die Crenothrixarten bestehen aus Fäden mit deutlichem 


u 


190 O Rölsler: Ueber Crenothrix polyspora. 


Gegensatz von Basis und Spitze, sind also höhere Spaltpilze. Sie 
bilden keine Endosporen ; die Fäden sinl mit sogenannten Scheiden 
versehen, unverzweigt und deutlich gegliedert. Crenothrix polyspora 
bildet makroskopische, dunkelbraune Flöckchen ; die braune Farbe 
rührt von Eisenoxydhydrat resp. basischem kohlensaurem Eisenoxyd- 
hydrat her, das sich in die Scheiden einlagert. Die Pflanze gedeiht 
nur in eisenhaltigen Wässern, für die sie charakteristisch ist und 
deren Eisenoxydulsalze sie durch den Assimilationsprozel[s in Eisen- 
oxydsalze überführt. Die Fäden sind unten dünn, oben dicker und 
unverzweigt mit deutlichen, unten langgestreckten, oben breiten 
kurzen Gliedern. Die oberen scheibenförmigen Glieder können zu 
kleinen Teilstücken zerfallen, die als Sporen funktionieren. Diese 
werden frei, oder sie wachsen in der Mutterpflanze zu Fäden aus. 


im Juni 1893 hatte ich Gelegenheit, einen Teil einer Kanalbaute 
zu sehen, deren 25 cm dicke Ziegelsteinwände innerhalb von 
3 Jahren vollständig von diesem Pilz durchwachsen waren. Die 
Techniker glaubten zuerst an einen Fehler der Steine und versuchten 
vergebens den braunen Ueberzug des Mauerwerks zu entfernen: 
alles Reinigen half nichts, nach kurzer Zeit war der braune Belag 
wieder da. Meine mikroskopische Untersuchung ergab ‘als Ursache 
das vollständige Durchwachsen der Steine durch Crenothrix polyspora. 
Ich versuchte nun die Crenothrix weiter zu züchten und nahm als 
Nährboden denjenigen, den sie sich in vorliegendem Falle selbst ge- 
wählt hatte: ein Stück eines Ziegelsteins.. Der Versuch gelang. 
Als Nährsalz setzte ich dem Wasser stets etwas Eisenvitriol zu (in 
eisenfreiem Wasser gedeiht der Pilz nicht), der durch den Lebens- 
proze[s der Pflanze bei kräftigem Wachstum stets in Oxyd über- 
geführt wurde. Auf der Oberfläche des Wassers zeigten sich, nach- 
dem sich die Crenothrix sehr kräftig entwickelt hatte, weilse Punkte, 
die sich unter dem Mikroskop als Krystalle erwiesen. Leider gelang 
es mir nicht, eine mikrochemische Untersuchung dieser Krystalle 
durchzuführen, vielleicht wird es durch eine Messung der Winkel 
dieser Krystalle möglich sein, Schlüsse auf deren chemische Be- 
schaffenheit zu ziehen. Seit bald 2 Jahren züchte ich bei gewöhn- 
licher Zimmertemperatur diesen Pilz mit bestem Erfolg, dessen 
Reinkultur unschwer zu erhalten ist, da Ziegelstückchen durch 
Ausglühen leicht steril zu erhalten sind. 


O. Helm: Ueber Gedanit, Succinit etc. 191 


Meine berufliche Thätigkeit hält mich davon ab, diesen Spaltpilz 
weiter in seiner Entwicklung zu verfolgen und hoffe ich durch diese 
Veröffentlichung berufenere Kräfte auf dieses Pflänzchen aufmerk- 
sam gemacht zu haben. 

Crenothrix polyspora soll ein unschuldiger Spaltpilz sein; ich 
habe aber von mehreren Seiten gehört, dafs Wasser in dem er 
massenhaft enthalten ist und das in chemischer wie bakteriologischer 
Beziehung zu keiner Beanstandung Anlafs giebt, in heifsen Sommer- 
monaten Durchfall erzeuge. Schon aus diesem Grunde wäre eine 
nähere Untersuchung der Lebensthätigkeit dieses Spaltpilzes 
wünschenswert. 


Ueber den Gedanit, Suceimit und eine Abart des 


letzteren, den sogenannten mürben Bernstein. 
Von Otto Helm, Danzig. 


(Eingegangen, den 2. IV. 1395.) 


Aus dem pharmaceutischen Institute der Universität Bern wurde 
von Herrn E. Aweng in dieser Zeitschrift, 1894, 9. Heft, eine 
Reihe von chemischen Untersuchungen über den Succinit und einige 
ihm verwandte fossile Harze veröffentlicht. Bei dieser Gelegenheit 
wurde auch ein fossiles Harz untersucht, welches unter dem Bern- 
stein der Ostseeküste vorkommt und von mir als Gedanit beschrieben 
wurde. Das Harz unterscheidet sich von dem eigentlichen Bern- 
stein, dem Suceinit, u. a. dadurch, dals es frei von Bernstein- 
säure ist. Meine darauf bezüglichen Untersuchungen befinden sich 
in dieser Zeitschrift, Jahrgang 1877, VIII. Band, 3. Heft und 1878, 
X. Band, 6.Heft. Entgegen meinen Angaben fandnunhier Aweng 
in dem Gedanit Bernsteinsäure. Zur Aufklärung dieses Widerspruchs 
bringe ich nachstehend einen Vortrag zum Abdruck, welchen ich im 
November vorigen Jahres in der Naturforschenden Gesellschaft zu 
Danzig hielt und welcher darauf hinweist, dafs häufig eine Ver- 
wechselung des Gedanits mit einer Modifikation des Suceinits statt- 
findet, welche im Handei als „mürber Bernstein“ geführt wird und 
welche Bernsteinsäure enthält. Ich bin überzeugt, dals Herr Aweng 
durch Herrn Bernsteinhändler Jantzen diesen Bernstein als „Ge- 


192 0. Helm: Ueber Gedanit, Suceinit ete. 


danit“ erhalten und urtersucht hat. Mein obenerwähnter Vortrag, 
welcher zugleich eine Fortsetzung meiner Abhandlung in dieser Zeit- 
schrift vom Jahre 1878 bildet, hat folgenden Inhalt: 


Der weitem gröfste Teil des in den Ostseeländern vorkommen- 
den Bernsteins besteht aus dem bernsteinsäurehaltigen Suceinit. Nur 
in sehr geringer Menge finden sich andere fossile Harze darunter, 
so der bernsteinsäurefreie Gedanit, der weiche Krantzit, der hell- 
braune Glessit, der braunkohlenfarbige Beckerit, der glänzend schwarze 
Stantinit. Diese fremden Harze unterscheiden sich schon äufserlich 
vom Sucecinit, und dem Bernsteinsortierer wird es nicht schwer, sie 
auf den ersten Blick zu erkennen und auszusondern. Schwieriger 
wird es ihm schon, die Stücke des Succinit selbst nach ihrer Güte 
und ihrem Werte zu sortieren. Sie sind aufserordentlich verschieden, 
sowohl in Farbe und Gewicht, wie auch in ihrer Struktur und Härte. 
Ich komme auf die Entstehung und Bildung dieser zahlreichen Ab- 
arten später zurück. Von den Abarten des Sucecinits interessiert 
den Fachmann besonders eine, welche gewöhnlich als „mürber Bern- 
stein“ bezeichnet wird. Der mürbe Bernstein befindet sich sowohl 
unter dem aus der Tertiärformation des Samlandes gegrabenen, wie 
auch unter dem in der Ostsee und im Diluvium vorkommenden Bern- 
stein. Seinen Namen haben ihm die Bernstein-Händler und -Drechsler 
gegeben, weil er äufseren Einwirkungen gegenüber weniger wider- 
standsfähig ist, namentlich den Werkzeugen zu seiner Verarbeitung 
gegenüber sich bedeutend weicher erweist, als der eigentliche Suceinit. 
Er ist deshalb zur Anfertigung von Schmuck- und Gebrauchsgegen- 
ständen wenig geeignet. Auch der Gedanit wird von den Bernstein- 
händlern als „mürber Bernstein“ bezeichnet und wie der vorgenannte 
zu den Abfällen geworfen, welche zur Lackfabrikation dienen. Beide 
Gedanit und mürber Bernstein sind auch sonst sehr ähnlich und 
schwierig von einander zu unterscheiden. Mineralogen und Sammler 
verwechseln sie gewöhnlich mit einander. Iclı habe deshalb die 
chemischen und physikalischen Eigenschaften beider nochmals ge- 
nauer festgestellt und lasse meine Untersuchungen hierüber nach- 
stehend folgen. Zum Vergleiche führe ich die Merkmale des eigent- 
lichen Suceinits hier ebenfalls an. Der mürbe Succinit besitzt eine 
Härte von 11/;—2 Graden. Von derselben Härte ist der Gedanit, 
Suceinit hat eine Härte von 2 —2!/, Graden. 


O0. Helm: Ueber Gedanit, Sucecinit ete. 193 


Die Farbe des mürben Succinits ist hellweingelb bis rotgelb, 
seltener dunkelgelb oder milsfarbig. Er ist für gewöhnlich klar oder 
halbdurchsichtig, selten undurchsichtig. Der Gedanit sieht für ge- 
wöhnlich hellweingelb bis goldgelb aus, seltener dunkler; er ist eben- 
falls durchsichtig und klar, selten halbdurchsichtig. Die Farbe des 
eigentlichen Succinits wechselt aufserordentlich; man findet unter ihm 
Stücke vom hellsten Weingelb bis zum Örangerot in allen Ab- 
stufungen, grünliche, blaue, braune und gelbbraune Stücke und solche, 
welche andere Mischfarben tragen. Aufser klaren Stücken sind alle 
Uebergänge der Durchsichtigkeit und Undurchsichtigkeit bei dem 
Suceinit vertreten. Auch beobachtet man unter ihm Stücke, welche 
fluoreszieren, eine Eigentümlichkeit, welche ich beim mürben Suceinit 
und Gedanit vermilste. Durch Reiben werden alle Bernsteinsorten 
gleichmälsig negativ elektrisch. Als spezifisches Gewicht fand ich 
das des mürben Suceinits 1,060—1,066, das des Gedanits 1,058 bis 
1,068. Das spezifische Gewicht des Succinits bewegt sich in den 
weiten Zwischenräumen von 1,050—1,096. Es giebt von dem letzteren 
ferner eine Abart, welche so leicht ist, dafs sie auf dem Wasser 
schwimmt. 


Der mürbe Suceinit schmilzt bei einer Temperatur, welche 
zwischen 280° und 287° C. liegt. Gedanit schmilzt bei 260° bis 
27000. Charakteristisch ist beim Gedanit, dafs er sich schon lange 
vor seinem Schmelzpunkte, bei einer Temperatur von 140° bis 1800 C. 
stark aufbläht und dabei eine elastische Beschaffenheit annimmt. 
Der eigentliche Succinit schmilzt bei einer Temperatur von 287 
bis nahezu 300° C. 


Der mürbe Suceinit enthält wie der eigentliche Suceinit Bern- 
steinsäure; doch ist er im allgemeinen nicht reich daran, was sich 
schon dadurch kund giebt, dafs er beim Erhitzen keine so heftig 
zum Husten reizende Dämpfe ausstölst wie der eigentliche Suceinit. 
Ich fand in einem schönen goldgelben klaren Stücke 1,13 Proz., in 
einem anderen 1,70 Proz. Bernsteinsäure, während ich bei den vielen 
trockenen Destillationen, welche ich mit dem eigentlichen Suceinit 
vornahm, niemals unter 3 Proz. fand, sondern stets mehr, bis zu 
8 Proz. Gedanit giebt bei der trockenen Destillation keine Bern- 
steinsäure aus. 

Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bäs. 3. Heft. 13 


194 O0. Helm: DUeber Gedanit, Sucecinit etc. 


Das Verhalten des mürben Suceinits gegen Lösungsmittel er- 
mittelte ich mit einem der Stücke, welche zur Bernsteinsäure- 
bestimmung dienten. Gleichzeitig nahm ich zu demselben Zwecke 
ein klares hellgelbes Stück Gedanit in Arbeit. Ich lasse die Er- 
mittelungen hier folgen: 


Des Verhalten des eigentlichen Suceinits gegen Lösungsmittel 
stelle ich daneben: 


Es lösen sich: vom mürben Suceinit Gedanit: ee 
uceinit: 
In#AIkoholi 2 9.22..27.308Eroz2 42 Proz. 20—25 Proz. 
ERRÄNOTNOT». FREE DI ER ba 18—23 „ 
Sa.Chloroformee Mr, ENES3TRE a 20,6 hr 
»uiBenzol oa Ei 00381. AED 9,8 na 
„ Schwefelkohlenstoff . 39 „, Bar, 24 Br 
„ Nerpentindl, . „41.588... 58 u.mehr Proz. 23 » 
NEMO En ren DBL se 100 Proz. 18 


„ 

Hiernach steht der mürbe Suceinit hinsichtlich seines Verhaltens 
zu Lösungsmitteln zwischen dem eigentlichen Succinit und dem Ge- 
danit. Die Ermittelungen der Löslichkeit fanden mit den fein zer- 
stolsenen Harzen und bei Siedetemperatur des betreffenden Lösungs- 
mittels statt. Ich bemerke hier noch, dafs das Verhaltens des Ge- 
danits zum Terpentinöl recht charakteristisch ist. Die darin unlös- 
lichen Teile quellen nach dem Kochen mit Terpentinöl gallertartig 
auf und sind dann durch das Auge in der Lösung nur schwierig 
zu erkennen. Die davon abgegossene klare heilse Lösung scheidet 
während des Erkaltens einen Teil des Gelösten wieder ab. 


Im Aschengehalt besteht kein Unterschied zwischen den drei 
genannten fossilen Harzen; ebenso in ihrem Verhalten zu starken 
Mineralsäuren. 


Mit Olivenöl allmählich bis zum Sieden erhitzt, verhält sich 
der mürbe Succinit ebenso wie der harte Suceinit, beide erweichen 
ein wenig, das Oel durchdringt sie, die trüben Sorten werden da- 
durch klar, indem die die Trübung bedingenden freien Hohlräume 
sich mit Oel anfüllen, resp. sich schliefsen. Je härter und wider- 
standsfähiger der Succinit ist, desto weniger greift ihn das zum 
Sieden erhitzte Oel an. Der Gedanit verhält sich gegen das Oel 
anders, er quillt in dem heifs werdenden Oele allmählich, noch bevor 
dasselbe die Siedetemperatur erreicht hat, schwammartig auf, das 


O0. Helm: Teber Gedanit, Suceinit ete. 195 


Oel wirkt auf alle seine Teile lösend ein. Nach fortgesetztem Sieden 
bleibt im Olivenöl nur eine geringe gallertartige Masse von ihm zu- 
rück; Leinöl löst den Gedanit nach längerem Erhitzen vollständig 
auf. Ich teile hier noch die chemische Elementaranalyse des Suc- 
cinits und Gedanits mit, welche ich in den Jahren 1878 und 1882 
ermittelte (Berichte der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig, 
neue Folge IV. Band, 3. Heft, S. 215 und V. Band, 3. Heft, S. 9). 
Darnach besteht der Suceinit aus: 
78,63 Proz. Kohlenstoff, 


104830 5 Wasserstoftt, 
10,4% 9% Sauerstoff, 
0,42 , Schwefel. 

ee 


Der Gedanit besteht aus: 
81,01 Proz. Kohlenstoft, 


IALES: Wasserstoff, 
1330005 Sauerstoft, 
0:25 4 Seh wefel. 

EZ 


Nach den vorstehenden Untersuchungen unterscheidet sich die 
mürbe Abart des Suceinits von dem eigentlichen Succinit, abgesehen 
von seiner äufseren Erscheinung, durch geringere Widerstands- 
fähigkeit gegen Lösungsmittel, durch geringere Härte und einen 
geringeren Gehalt an Bernsteinsäure. 

Diese Unterschiede sind jedoch nicht so ins Gewicht fallend, 
um in diesem fossilen Harze ein vom Suceinit wesentlich verschiedenes 
zu erkennen. Ob diese Abart auch von einer anderen Pflanzenart 
stammt, als die, welche den harten Suceinit erzeugte, oder ob nur 
andere äufsere Einflüsse und Einwirkungen hier ein ähnliches Produkt 
erzeugten, kann ich nicht entscheiden. Pflanzenteile, auf welche sich 
eine besondere Species gründen könnte, sind bis jetzt in dem mürben 
Suceinit nicht entdeckt worden. 

Anders liegt es bei dem Gedanit. Wenngleich auch in ihm 
keine Pflanzenreste gefunden wurden, welche auf eine besondere 
Stammpflanze schliefsen lassen, so sind doch die chemischen und 
physikalischen Eigenschaften dieses fossilen Harzes so wesentlich 
andere, dafs eine Abtrennung vom Suceinit gerechtfertigt erscheint. 
Der Gedanit ist, Lösungsmitteln gegenüber, noch weniger wider- 
standsfähig als der mürbe Sucecinit, ja eines derselben, das Leinöl, 

13* 


196 O0. Helm: Ueber Gedanit, Succinit etc. 


löst ihn völlig auf. Beim Erhitzen bläht er sich schon lange vor 
seinem Schmelzpunkte stark auf und nimmt eine elastische Beschaffen- 
heit an. Auch beim Erhitzen in Oel tritt dieses Aufblähen ein. Der 
Gedanit enthält ferner keine Bernsteinsäure und eine geringere 
Menge Sauerstoff als der Suceinit. 


Alle diese recht wesentlichen Unterschiede führen zu der An- 
nahme, dafs hier ein eigentümliches fossiles Harz vorliegt, und wenn 
solches der Fall ist, so mufs auch angenommen werden, dafs es einst 
von einer anderen Stammpflanze erzeugt wurde, als von der, welche 
den Suceinit hervorbrachte. Schon das Fehlen eines so wesentlichen 
Bestandteils, als es die Bernsteinsäure ist, muls entscheidend sein, 
um den Gedanit als ein vom Suceinit verschiedenes fossiles Harz 
anzusehen. 

Was die Insekteneinschlüsse anbelangt, welche in den be- 
zeichneten Bernsteinsorten gefunden werden, so habe ich keinen 
Unterschied entdecken können zwischen denen des Suceinits und 
denen, welche im Gedanit und in dem mürben Succinit vorkommen. 
Die Einschlüsse im Gedanit sind überdies äufserst selten; ich be- 
sitze nur eine Hymenoptere (/Pferomalus), eine kleine Spinne, einige 
Dipteren und eine schön erhaltene Mikrolepidoptere. Diese Ein- 
schlüsse konnte ich nicht, wie ich es mit denen des Suceinits halte, 
in verdünntem Alkohol aufbewahren, weil selbst ein mit 90 Proz. 
Wasser verdünnter Alkohol den Gedanit noch angreift, seine Ober- 
fläche erweicht, weils färbt und nach dem Austrocknen rissig macht. 

Der Bernsteinwald, welcher die im Eingange dieses Berichtes 
erwähnten fossilen Harze einst erzeugte, hat ohne Zweifel sehr lange 
Zeit, wahrscheinlich Jahrtausende hindurch, bestanden. Im Laufe 
dieser Zeit wechselten Generationen von Bäumen, sie starben ab, sie 
erneuerten sich, viele stürzten durch Windbruch, viele durch den 
Strahl des Blitzes oder durch Wasserfluten, die über grofse Bestände 
des Waldes hinbrausten. Alle so untergegangenen Bäume ver- 
moderten, während das von ihnen erzeugte Harz der Fäulnis und 
Zerstörung widerstand und in grofser Menge den Boden des Waldes 
durchsetzte. Eine lange Reihe solcher Neubildungen von Wald und 
teilweisen Zerstörungen mag stattgefunden haben, bis endlich eine 
umfangreiche Katastrophe, durch Wasserfluten hervorgerufen (nach 
Zaddach), ihn von der Bildfläche fortfegte und mit zertrümmertem 


O0. Helm: VUeber Gedanit, Suceinit etc. 197 


Gestein, einem grünlichen thonhaltigen Sande, dem Glaukonit, über- 
schüttete. Das geschah zur Zeit des Unteroligocäns. Einzelne Be- 
stände des Waldes mögen wohl noch verschont geblieben sein, 
vielleicht lange Zeit hindurch, bis endlich auch sie den heran- 
brausenden Fluten zum Opfer fielen und verschüttet wurden. Wie 
lange der Wald bestanden, wissen wir nicht; das aber wissen wir, 
dafs das aus den älteren Zeiten des Waldes stammende Harz sich 
in physikalischer Beziehung mehr verändert haben mufs, als das aus 
jüngeren Zeiten hervorgegangene; denn die in dem Waldboden 
stattgehabten terrestrischen und die atmosphärischen Einwirkungen 
können nicht ohne grolsen Einflufs auf die in ihm lagernden Harze 
geblieben sein. Es erklären sich hierdurch manche Veränderungen, 
welche das Harz durchgemacht hat. Zu diesen frühzeitig statt- 
gefundenen Einwirkungen treten dann noch die späteren in der 
gemeinsamen sekundären Lagerstätte, welche den Bernstein nicht 
allein physikalisch sondern auch chemisch veränderten. 

Zu den chemischen Einwirkungen rechne ich namentlich die durch 
schwefelvitriolhaltige und andere stark zersetzend wirkende Wässer, 


Ebenfalls von wesentlichem Einflusse auf die Beschaffenheit 
des Harzes waren ohne Zweifel Temperatur und Jahreszeit, während 
welcher das Harz ausflofs und erhärtete, ferner seine Herkunft aus 
den verschiedenen Teilen des Baumes, selbst krankhafte Erschei- 
nungen, und andere lokale Einflüsse, wie sie Conwentz in seiner 
Monographie der Bernsteinbäume treffend beschrieben hat. Doch 
können alle diese Einwirkungen und Einflüsse meiner Ansicht nach 
nicht so verschiedenartige Produkte erzeugt haben, wie sie heute 
u. a. zwischen Succinit und Gedanit bestehen. Auch der mürbe 
Suceinit unterscheidet sich nicht unwesentlich von dem eigentlichen 
Suceinit. Man geht deshalb nicht fehl, wenn man annimmt, dafs 
verschiedene, wenn auch nahe verwandte Pflanzen einst den Bern- 
stein erzeugten. Sie wuchsen nebeneinander oder getrennt in einzelnen 
Beständen auf einem gemeinsamen Landstriche. Vorwiegend befand 
sich darin die eigentliche, den Suceinit erzeugende Coniferenart, 
dann in kleineren Beständen andere harzführende Bäume, welche 
unter anderem den Gedanit hervorbrachten. 

Alle Forscher, welche sich mit der mikroskopischen Unter- 
suchung der im Bernstein vorhandenen Pflanzenreste beschäftigten, 


193 OÖ. Helm : Ueber Gedanit, Suceinit etc. 


teilen auch die Ansicht, dafs der in den Ostseeländern vorkommende 
Bernstein nicht das Produkt einer einzigen Stammpflanze ist, sondern 
dafs mehrere dabei beteiligt waren. Von Botanikern sprach zuerst 
G. H. Berendt (Organische Reste im Bernstein von Goeppert 
und Berendt, 1845, 1. Band, 1. Abt., S. 28) die Ansicht aus, 
dafs noch andere Abietineen, als die von ihm aus den Holzresten 
beschriebene Prnites succinifer Goepp. u. Berendt an der Produktion 
des Bernsteins teilnahmen. Er schlofs solches namentlich aus dem 
Umstande, dafs vier verschiedene Blätter von Nadelhölzern, im Bern- 
stein eingeschlossen, gefunden wurden. 


H. R. Goeppert (Die Flora des Bernsteins, Danzig 1883) 
erkennt unter den im Bernstein vorkommenden Holzpartikeln fünf 
verschiedene Arten von Abietineen und eine Taxacee, welche Ge- 
wächse nach seiner Ansicht den Bernstein erzeugten. Von ihnen 
beschreibt er als die beiden bemerkenswertesten die Pinites succinifer 
und siroboides. H. Conwentz (Monographie der baltischen Bern- 
steinbäume, Danzig 1890, S. 15) kann diese Ansicht Goepperts 
nicht aufrecht erhalten; er konnte in diesen verschiedenen Holzresten 
nur eine zu den Abietineen gehörige Art anerkennen, welche er 
Pinus succinifera nennt und als die Stammpflanze des Suceinits im 
engeren Sinne des Wortes bezeichnet. Doch giebt er die Möglich- 
keit zu (ebendas. S. 61), dafs noch andere Baumarten als die be- 
zeichnete darunter vertreten sein können; er giebt ferner zu, dafs 
die neben dem Suceinit vorkommenden Harze, so der Gedanit, ihren 
Ursprung von anderen Pflanzenspecies ableiten. Im Gedanit fand er 
wohl kleine Holz- und Rindensplitter. jedoch konnte er daraus keine 
Präparate gewinnen, welche eine genaue Bestimmung der Stamm- 
pflanze ermöglicht hätten. 

Auch andere Sachverständige auf dem Gebiete der Kenntnis 
alter Pflanzen teilen die Ansicht der vorgenannten Forscher. Meine 
chemischen Untersuchungen weisen noch entschiedener darauf hin, 
dafs der Bernstein der Ostseeländer nicht von einer Baumart er- 
zeugt wurde, sondern dafs, wenn auch in beschränktem Malse, 
andere Pflanzen daran beteiligt waren, dafs namentlich die Stamm- 
pflanze des Gedanits eine von Pinus succinifera Conwentz’ ver- 
schiedene gewesen sein mufs. Leiten doch auch unsere heutigen 
Coniferenharze ihren Ursprung nicht von einer Art ab, sondern von 


C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure. 199 


verschiedenen Arten dieser grolsen Familie. Diese recenten Harze 
aber unterscheiden sich chemisch und physikalisch nicht mehr von 
einander, als die verschiedenen Sorten von Bernstein. 

Dafs die im Eingange dieser Abhandlung erwähnten fremd- 
artigen fossilen Harze, Glessit, Stantienit, Beckerit und Kranzit, 
welche neben dem Succinit gefunden werden, und welche schon 
äulserlich von letzterem völlig verschieden sind, von anderen Pflanzen 
staramen als der Succinit, unterliegt keinem Zweifel. 


— 


Zur Kenntnis der Glyoxylsäure. 
V. Abteilung. 
Kondensation mit Amidosäuren. 


Von Dr. Carl Boettinger. 
(Eingegangen den 27. III. 1895.) 

In meiner Abhandlung, Beitrag zur Kenntnis der Brenztrauben- 
säure, Annalen der Chemie 188 Band, Seite 344, habe ich unter 
anderem ein Kondensationsprodukt der Brenztraubensäure mit 
Anthranilsäure, welche von mir aus Indigo dargestellt worden war, 
Ber. d. d. chem. Gesellschaft 1877, 269, beschrieben. Obwohl die 
analytische Untersuchung der nach einer etwas gewaltsamen Me- 
thode dargestellten Substanz, Werte ergab, welche nicht gut mit 
der Formel C,, Hg NO, übereinstimmen, unterliegt es doch, wie auch 
die Ergebnisse der Analyse des Barytsalzes zeigen, keinem Zweifel, 
dafs der beschriebene Körper im wesentlichen aus der Säure 

GH, -N=C<coöH 


| 
COOH 


bestand, deren Zersetzlichkeit in der erwähnten Abhandlung ja auch 
hervorgehoben worden ist. Nur ist dieselbe vor der Analyse nicht, 
wie darin infolge eines Druckfehlers zu lesen ist, bei 135°, sondern 
bei 105° getrocknet worden. 

Das Studium des Kondensationsvorgangs der Glyoxylsäure mit 
den drei Amidobenzoesäuren hat nun thatsächlich ergeben, da/s die 
vorsichtig geleitete Reaktion der Hauptsache nach gemäls der 
Gleichung verläuft: 


200 C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure. 


0,H,0,;,+(, Bea = 0 a  — +BH,0, 
COOH 
dafs aber neben den Dikarbonsäuren selbst, Salze derselben ent- 
stehen. Meine in der oben erwähnten Abhandlung veröffentlichten 
Resultate lassen es als fast gewils ansehen, dafs das Kondensations- 
produkt der Brenztraubensäure mit der Anthranilsäure auch ein 
Anthranilsäuresalz enthält. 

Die drei Amidobenzoesäuren werden von Glyoxylsäure nicht 
mit der gleichen Energie angegriffen. Uebergiefst man z. B. Meta- 
amidobenzoesäure mit Glyoxylsäure von 1,32 spez. Gewicht, so er- 
folgt schon bei gewöhnlicher Temperatur eine mit beträchtlicher 
Kohlensäureentwickelung begleitete sehr lebhafte Reaktion, welche 
durch Beigabe von Alkohol in den Schranken gehalten werden muls. 
Wird die alkoholische Lösung der beiden Substanzen auch nur eine 
Stunde auf dem Wasserbade gekocht, so erhält man zwar Konden- 
sationsprodukte, welche aber nur zu einem sehr kleinen Teil aus der 
gewünschten Säure bestehen. Es sind vielmehr nicht mit den 
schönsten physikalischen Eigenschaften ausgestattete Abkömmlinge 
derselben, welche daher durch längeres Kochen der schwach 
alkalischen Lösung in die Säure zurückverwandelt werden können. 
Da nun während des Kochens jener alkoholischen Mischung an- 
dauernd Kohlensäure entweicht, verringert sich die Ausbeute an 
Kondensationsprodukten nicht unerheblich. 

Glykokoll. Bis zu einem gewissen Grade läfst sich das 
Verhalten der Metaamidobenzoesäure gegen Glyoxylsäure vergleichen 
mit der Reaktion dieser Säure auf Glykokoll, welches gemäfs den 
Angaben von Curtius erst bei 235° unter starkem Aufschäumen 
schmilzt und aus einer mit Aether versetzten Lösung in wasser- 
haltigem Alkohol in zolllangen seideglänzenden Nadeln krystallisiert. 
Das Glykokoll löst sich in Glyoxylsäure von 1,32 spez. Ge- 
wicht schon bei gewöhnlicher Temperatur ohne alle Erhitzung 
sehr l:icht auf. Die Lösung färbt sich allmählich intensiv gelb. 
Sie scheidet auch bei langem Stehen an der freien Luft nichts ab, 
sondern wird nur dicker und zähflüssiger. Bei gelindem Erwärmen, 
z. B. wenn sie in die Sonne gestellt wird, entwickelt sie unter 
starkem Schäumen Kohlensäure. In noch ausgiebigerer Weise wird 
das (ras entbunden, wenn die Mischung einen Augenblick der Wärme 


C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure. 201 


des kochenden Wasserbades ausgesetzt wird. Dabei bläht sich die- 
selbe stark auf. Die Gasentwickelung wird nur gemälsigt, jedoch 
keineswegs ganz aufgehoben beim Abkühlen und nach Zusatz von 
kaltem Wasser. Dabei übersättigt sich die ruhig stehende, klare, 
gelbe Flüssigkeit mit dem Gas. Darum schäumt sie anhaltend beim 
Umrühren mit dem Glasstab unter Abgabe von Kohlensäure. Der 
Zersetzung fällt im wesentlichen die Glyoxylsäure anheim, denn es 
läfst sich aus der Lösung ohne weiteres durch geeignete Behandlung 
mit Alkohol und Aether ein erheblicher Teil des Glykokolls wieder- 
gewinnen. In der Lösung ist wahrscheinlich eine salzartige Ver- 
bindung des Glykokolls mit der Glyoxylsäure enthalten, denn sie 
giebt auf Zusatz von essigsaurem Blei einen weilsen, in Wasser und 
verdünnter Essigsäure nicht, in Ammoniak und Alkali leicht lös- 
lichen, stickstoffhaltigen Niederschlag, welcher sich beim Erhitzen 
auf 100° schwach gelb färbt und dann 55,4 Proz. Blei enthält. Der 
Niederschlag wird auch von Bleiacetatlösung aufgenommen. Es 
findet sich darum in dem von ihm getrennten Filtrat nicht allein 
Glykokoll, welches nach dem Entbleien mit Schwefelwasserstoff, Ver- 
dampfen der Lösung und Extrahieren des Rückstands mit heilsem 
Alkohol gewonnen werden kann, sondern auch eine Substanz vor, 
welche im Exsikkator zu einem Firnis austrocknet, in Wasser zer- 
fliefst, in absolutem Alkohol ganz unlöslich ist und wie die ursprüng- 
liche Mischung ein weilses, in Wasser schwer lösliches Bleisalz 
bildet. 

Der vorhin erwähnte, in Wasser suspendierte Niederschlag 
wurde mit Schwefelwasserstoff zerlegt, die aufgekochte Lösung vom 
Schwefelblei getrennt und verdunstet. Beim Behandeln des Rück- 
stands mit Alkohol blieb ein unlöslicher Stoff, der beim Verreiben 
mit absolutem Alkohol zwar pulverig und filtrierbar wurde, aber so 
hygroskopisch war, dafs von seiner Untersuchung Abstand ge- 
nommen wurde. Der nach dem Verdunsten des alkoholischen Aus- 
zugs bleibende Rückstand lieferte beim Behandeln mit Phenylhydrazin 
und Essigsäure noch das Phenylhydrazon der Glyoxylsäure. 

Dafs das Glykokollsalz der Glyoxylsäure ein stickstoffhaltiges 
Bleisalz liefert, kann nicht befremden, denn das aus der mit Ammoniak 
neutralisierten Glyoxylsäurelösung abgeschiedene Bleisalz ist auch 
ammoniakhaltig. — 


202 C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure. 


Eine bei weitem bessere Ausbeute an Kondensationsprodukt 
wie die Metaamidobenzoesäure gewähren die Orthoamidobenzoesäure 
und die Paraamidobenzoesäure. Dabei schadet auch einstündiges 
schwaches Kochen der alkoholischen Lösung der Komponenten nicht 
besonders. Die aus diesen Isomeren hervorgehenden Derivate stehen 
sich auch in der äufseren Beschaffenheit näher. Doch ist der Ab- 
kömmling der Anthranilsäure die interessantere Substanz, denn sie 
wird, wie durch mälsiges Erhitzen, so auch schon durch direktes 
Sonnenlicht in der Färbung beeinflulst, was bei dem strohfarbenen 
Paraderivat nicht der Fall ist. Die Erstere hat einige Aehnlichkeit 
mit der von J. Mauthner und W. Suida in den Monatsheften für 
Chemie 9, 727, beschriebenen, aus Monochloressigsäure und Anthranil- 
säure dargestellten Säure COOH — C, H, NH — CH,.COOH, welche 
ein gelbes, bei 207° unter Schäumen schmelzendes Krystallpulver 
darstellt. Jedoch ist diese Säure durch ihre Löslichkeit in Aether 
scharf unterschieden von meinem Körper. 


Die zu meinen Versuchen verwendete Anthranilsäure wurde 
von mir teils aus Indigo dargestellt, teils gekauft. Die aus Indigo 
bereitete Säure ist schwach gelb gefärbt, ihre alkoholiche Lösung 
Huoresziert etwas stärker blau wie die Lösung der käuflichen Säure. 
Die beiden Substanzen haben aber den gleichen Schmelzpunkt. Die 
oxalsaure Anthranilsäure ist in heilsem Alkohol verhältnismäfsig 
leicht löslich. Sie unterscheidet sich in dieser Eigenschaft von den 
in Alkohol sehr schwer löslichen Oxalaten der Paraamidobenzoesäure 
und Metaamidobenzoesäure. Das sehr allmählich abgeschiedene 
Anthranilsäureoxalat bildet derbe, harte, geschichtete Krystalle, welche 
erst oberhalb 270° schmelzen. 


Paraamidobenzoesäureoxalat. Die Paraamido- 
benzoesäure ist aufser durch den sehr schönen Niederschlag von der 
Zusammensetzung 

0,H,0, 

C,H,NO, 
welchen Bleiacetat in ihrer Lösung erzeugt, leicht auch durch das 
Öxalat zu charakterisieren. Zu seiner Darstellung wurden beispiels- 
weise 0,5 g Paraamidobenzoesäure in vier ccm kochendem Alkohol 
gelöst und die Flüssigkeit mit einer Auflösung von 0,4 g krystalli- 
sierter Oxalsäure in I—2 ccm heifsem Alkohol versetzt. Schon bei 


_ Pb, 


C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure. 203 


mälsigem Abkühlen fallen aus der erkaltenden Flüssigkeit breite 
Nadeln aus, deren Menge so rasch zunimmt, dafs das Ganze zu 
einem dicken Krystallbrei erstarrt. Derselbe wurde auf dem Saug- 
filter abgesaugt und mit etwas kaltem absolutem Alkohol nachge- 
waschen. Das trockne Salz schmilzt noch nicht bei 260°. Es besitzt 
die Zusammensetzung (C, H, NO,), C, H, O,, wie die Bestimmung der 
Öxalsäure ergab. Zur Analyse wurde das exsikkatortrockne Salz 
mit Wasser und etwas Ammoniak übergossen, die Flüssigkeit bis 
zur Auflösung des Salzes auf dem Wasserbade erwärmt, dann mit 
Chlorcaleium und so viel Essigsäure versetzt, dals die Flüssigkeit 
ganz schwach sauer reagierte. Nach längerem Stehen in mäfsiger 
Wärme wurde das abgeschiedene Calciumoxalat auf einem Filter 
gesammelt, ausgewaschen, getrocknet und geglüht. 

0,3247 g exsikkatortrocknes Salz lieferten 0,0509 g Kalk ent- 
sprechend 25,14 Proz. Oxalsäure. Die Formel (CO, H, NO3), C, Hy O, ver- 
langt 24,72 Proz. Oxalsäure. 

Metaamidobenzoesäureoxalat. Noch vielschwerer 
löslich in Alkohol wie das eben beschriebene Salz ist das Oxalat der 
Metaamidobenzoesäure. Dasselbe fällt sofort als weilses krystal- 
linisches Pulver aus, wenn die alkoholischen Lösungen von einem 
Teil Metaamidobenzoesäure und 0,8 Teilen krystallisierter Oxalsäure 
mit einander vermischt werden. Das sich oberhalb 2900 schwärzende, 
aber erst in höherer Temperatur schmelzende, ein gelbes Destillat 
liefernde Salz besitzt, der Analyse zufolge, welche in der vor- 
hin beschriebenen Weise ausgeführt wurde, die Zusammensetzung 
(0, H, NO,), 0, H, O,. 

0,1955 g exsikkatortrocknes Salz lieferten 0,0304 g Kalk, ent- 


sprechend 24,99 Proz. Oxalsäure, während die angegebene Formel 
24,72 Proz. Oxalsäure verlangt. 


I, Glyoxylsäure und Anthranilsäure. 


Obwohl die beiden Säuren schon in kalter alkoholischer Lösung 
kondensierend aufeinander einwirken und eine intensiv gelb gefärbte 
Flüssigkeit bilden, verläuft die gewünschte Reaktion doch besser, 
wenn die Lösung im Wasserbade gelinde gekocht wird. Dabei stellt 
sich allerdings eine schwache Entwickelung von Kohlensäure ein. 
Auf 5,6 g Anthranilsäure wurden 4 ccm Glyoxylsäure von 1,32 
spezifischem Gewicht und 60 cem absoluter Alkohol angewendet 


204 C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure. 


und eine Stunde auf dem Wasserbade am Rückflufsrohre er- 
wärmt. Dann wurde die intensiv gelb gefärbte Flüssigkeit in 
eine Porzellanschale verbracht und auf dem Wasserbade verdampft. 
Es hinterblieb eine dicke, zähflüssige Masse, welche mit Wasser 
angerührt wurde. Hierdurch schied sich ein gelber Klumpen ab, 
welcher bei längerem Kneten unter Wasser in ein gelbes Pulver 
zerfiel. Dasselbe wurde abfiltriert, in Wasser suspendiert und so 
lange mit Aether durchgeschüttelt bis sich dieser kaum mehr färbte. 
Durch diese Operation verwandelte es sich in eine dickflüssige 
Masse, welche in Ammoniak gelöst wurde. Die Lösung wurde einige 
Zeit auf dem Wasserbade erwärmt und darauf mit einem kleinen 
Ueberschufs von Salzsäure gefällt. Die herausgefallenen körnigen 
Flocken wurden auf dem Filter gesammelt und mit kaltem Wasser 
ausgewaschen. Nach dem Trocknen wurde die Substanz, welche 
nunmehr beim Uebergiefsen mit Aether ihre pulverige Form bei- 
behält und nichts an denselben abgiebt, zur weiteren Reinigung in 
Eisessig gelöst. Nachdem aus dieser Lösung durch Zusatz von 
etwas Aether Flocken abgeschieden und durch Filtrieren beseitigt 
waren, wurde, da die Eisessiglösung beim Austrocknen nur Schuppen 
hinterläfst, der Aether verdampft und darauf das Kondensations- 
produkt durch Wasserzusatz ausgefällt. 

Eine weitere Menge desselben Körpers läfst sich aus dem vor- 
hin erwähnten gelben ätherischen Auszug gewinnen, wenn der Rück- 
stand desselben längere Zeit mit etwas wässriger Salzsäure ver- 
rieben, dann Wasser zugefügt und filtriert wird. Die auf dem 
Filter gesammelte Substanz mu[s nach dem Trocknen nochmals mit 
Aether extrahiert werden zur Beseitigung einer der Menge nach un- 
beträchlichen Beimengung. Das Unlösliche wird dann in wässrigem 
Ammoniak aufgenommen und die Lösung längere Zeit auf dem 
Wasserbade erwärmt. Hernach wird die durch Salzsäure aus dieser 
Lösung abgeschiedene organische Säure mit Eisessig aufgenommen 
und durch Wasserzusatz wieder abgeschieden. 


Das Kondensationsprodukt der Anthranilsäure bildet im 
trocknen Zustand ein sattgelbes krystaliinisches Pulver, welches erst 
weit über 260° schmilzt. Wie in Eisessig löst es sich leicht in 
konzentrierten Mineralsäuren und auch in Alkohol. Dagegen ist esin 
Benzol und Aethyläther ganz unlöslich. Wird es auf 100° erhitzt, 


C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure. 205 


so nehmen die oberflächlichen Schichten eine tiefere aber trübere 
Färbung an. Auch wenn man die auf Papier lagernde Substanz 
dem Sonnenlicht aussetzt, nehmen die oberflächlichen Schichten einen 
satten, körperhaften, ins Grüne hinüberziehenden Ton an, der deutlich 
erkennen lälst, dafs bei der Sonnenbestrahlung nicht allein Wärme- 
sondern auch chemische Schwingungen wirksam werden. 

Das Kondensationsprodukt ist eine ziemlich starke Säure, leicht 
löslich in Ammoniak und unter Austreiben von Kohlensäure in kalter 
verdünnter wässriger Soda. Aus diesen Lösungen wird es von Salzsäure 
wieder abgeschieden. Da es selbst in Salzsäure löslich ist, mufs ein 
stärkerer Ueberschufs derselben bei der Ausfällung vermieden werden. 
Die Färbung der Abscheidung ist verschieden, je nachdem diese im 
Dunklen oder im direkten Sonnenlicht erfolgt, Im letzteren Fall 
wird ein sattgelbes, in wässriger Suspension eine lebhaft grüne 
Fluorescenz entwickelndes, im ersteren Falle ein lichtergelbes 
Pulver gewonnen. Die gelbe alkalische Lösung wird beim Kochen 
mit Zinkstaub nicht entfärbt und das Kondensationsprodukt nicht 
verändert. Dieses wird von der wässrigen Lösung von Natrium- 
nitrit aufgenommen und es entsteht eine, insbesondere in der Wärme 
intensiv gelbrote Lösung, aus welcher Salzsäure voluminöse rotgelbe 
Flocken abscheidet, welche aber nichts anderes sind, wie die an- 
gewendete Substanz. Dieselbe bildet mit kalter rauchender Schwefel- 
säure eine rotgelbe Lösung, welche die Färbung lange beibehält. 
Beim Schmelzen mit Aetzkali entsteht kein Indigo. 

Nach dem Ergebnis der Analyse besitzt das Kondensations- 
produkt die Zusammensetzung C, H, NO,. 


0,1921 g Substanz lieferten 0,3933 g Kohlensäure und 0,0720 g 
Wasser. 


Berechnet: Gefunden: 
C,H,NO, 
C = 55,96 Proz. 59,83 Proz. 
I an e 216 


Die ammoniakalische Lösung des Kondensationsproduktes giebt 
auf Zusatz von Chlorbaryum einen Niederschlag. Dasselbe löst sich 
auch schwer in Barytwasser, leicht dagegen in überschüsssigem 
Ammoniak zu einer verhältnismäfsig schwach gelb gefärbten Flüssig- 
keit. Wird diese aber auf dem Wasserbade verdampft. so ver- 
flüchtigt sich aus der allmählich intensiv gelb werdenden Flüssigkeit 


206 C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure. 


auch gebundenes Ammoniak und es stellt sich stark saure Reaktion 
ein. Auf Zusatz von salpetersaurem Silber zu der sauren Lösung 
entsteht eine lichtempfindliche, tief gelb gefärbte Fällung, welche 
nach dem Trocknen und Glühen weniger Silber hinterläfst wie das 
normale Salz verlangt. Bei diesem Glühen entweichen aber neben 
anderen prachtvoll gelb gefärbte Dämpfe, welche man nicht wahr- 
nimmt, wenn das Silbersalz abgeschieden wurde aus der mit Am- 
moniak so weit versetzten Lösung, dafs Curcumapapier eben ge- 
bräunt wird. 


A. Aus der sauer gewordenen Lösung abgeschiedenes Silbersalz. 

0,2626 g Substanz lieferten 0,1239 g Silber oder 47,18 Proz. Silber. 

B. Aus der ganz schwach alkalischen Lösung abgeschiedene 
Silbersalze. 

1. 0,1957 g Substanz lieferten 0,1035 g Silber oder 52,33 Proz. 


Silber. 
2. 0,196 g Substanz lieferten 0,1040 g Silber oder 53,06 Proz. 
Silber. 
Berechnet: Gefunden: 
C,H,Ag,NO, B, B, 
Nor 53.07 52,88 Proz. 53,06 Proz. 


U. Glyoxylsäure und Paraamidobenzoesäure. 


5,6 & Paraamidobenzoesäure wurden mit 50 ccm absolutem 
Alkohol übergossen und 4 ccm Glyoxylsäure von 1,32 spez. Gewicht 
zugesetzt, welche die Auflösung jener Säure in dem Alkohol wesent- 
lich beschleunigt. Danach wurde eine Stunde auf dem gelinde 
siedenden Wasserbade am Rückflulsrohre erwärmt. Dasselbe war in 
geeigneter Weise mit einem U-röhrchen verbunden, welches Baryt- 
wasser enthielt, somit die stattfindende schwache Kohlensäureent- 
wickelung erkennen liels. 

Nach Ablauf der angegebenen Zeit wurde die Lösung in eine 
Porzellanschale gegossen und verdampft. Es hinterblieb eine dicke 
gelbe Flüssigkeit, welche beim Anrühren mit Wasser eine hellrot- 
braune etwas klebrige Masse abschied, die sich aber nach einigem 
Kneten unter Wasser in ein filtrierbares gelbes Pulver verwandelt. 
Dasselbe wurde nach dem Trocknen zunächst mit Aether extrahiert, 
daun in Ammoniak gelöst. Nachdem diese Lösung unter Ersatz des 
verdunstenden Wassers und entweichenden Ammoniaks einige Zeit 
auf dem Wasserbade erwärmt worden war, wurde das Konden- 


C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure 207 


sationsprodukt durch Zusatz von Salzsäure abgeschieden, abfiltriert 
und ausgewaschen. Wegen der Löslichkeit des ersteren in der 
Salzsäure darf bei der Fällung kein zu grolser Ueberschufs von 
dieser genommen werden. Die lufttrockene Substanz wurde alsdann 
in Eisessig gelöst. Auf Zusatz von etwas Aether zu dieser Lösung 
wurde eine Verunreinigung niedergeschlagen, welche durch Filtrieren 
beseitigt wurde. Dann wurde der Aether verdampft und das Kon- 
densationsprodukt durch Wasserzusatz aus der Eisessiglösung nieder- 
geschlagen. Dasselbe bildet nach dem Trocknen ein hellstrohgelbes 
Pulver, welches seine Färbung weder beim Erwärmen auf 100°, 
noch bei Bestrahlung durch direktes Sonnenlicht ändert. Es besitzt 
saure Eigenschaften, ist demnach leicht löslich in wässrigem Am- 
moniak und unter Austreiben von Kohlensäure in verdünnter Soda- 
lösung. Die alkalischen Lösungen sind gelb gefärbt, besitzen aber 
im konzentrierten Zustand lange nicht die satte Färbung der ent- 
sprechenden Lösungen des Orthoderivats. Die Paraverbindung löst 
sich kaum in Wasser, Aether oder Benzol, leicht in Alkohol, Eis- 
essig und konzentrierten Mineralsäuren. Die Lösung in rauchender 
Schwefelsäure ist anfangs hellgelb gefärbt, verblalst aber beim Er- 
wärmen oder längerem Stehen an der Luft. Das Kondensations- 
produkt wird von einer wässrigen Lösung von Natriumnitrit mit 
gelber Farbe aufgenommen. Diese Lösung färbt sich zwar beim Er- 
wärmen rotgelb, scheidet aber beim folgenden Ansäuern mit Salz- 
säure die organische Säure unverändert in Form hellgelber Flocken 
ab. Die Paraverbindung löst sich leicht in Barytwasser. Die am- 
moniakalische Lösung derselben giebt beim Eindampfen auf dem 
Wasserbade gebundenes Ammoniak ab und reagiert dann sauer. Wie 
bei der Orthoverbindung ist auch diese saure Lösung intensiver gelb 
gefärbt, wie die mit Ammoniak übersättigte. Sie giebt mit Silber- 
salpeter einen gelben Niederschlag, welcher nach dem Trocknen 
weniger Silber enthält, wie dem normalen Salz entspricht, dafür aber 
die Eigenschaft besitzt, beim Glühen neben anderen gelb gefärbte 
Dämpfe auszugeben. Die Erscheinung "erinnert" an das Verhalten 
. ‚der entsprechenden Orthoverbindung, istaber bei weitem nicht so brillant. 
Die Paraverbindung beginnt von 226° ab zusammenzubacken 


und steigt alsdann im Schmelzröhrchen. Sie besitzt die Zusammen- 
setzung C, H, NO,. 


208 C. Boettinger: Zur Kenntnis der Glyoxylsäure. 


0,2393 g Substanz lieferten 0,4888 g Kohlensäure und 0,0925 g 
Wasser. 


Berechnet: Gefunden: 
C 55,96 Proz. 55,71 Proz. 
154 Su rplagrs 4,29 » 


Das Silbersalz des Parakörpers wurde durch Versetzen der 
gegen ÖCurcumapapier schwach ammoniakalisch reagierenden Lösung 
mit salpetersaurem Silber in Form eines gelben, flockigen, in Am- 
moniak löslichen Niederschlags gewonnen, welcher nach dem 
Trocknen verglüht wurde. 

0,2502 g Silbersalz lieferten 0,1319 g Silber. 

Berechnet für C,H, Ag, NO, Gefunden : 
Ag = 53,07 Proz. 52,72 Proz. 


II. Glyoxylsäure und Metaamidobenzoesäure. 


Zur Darstellung des Kondensationsproduktes wurden 4,5 g 
Metaamidobenzoesäure mit 3,5 ccm. Glyoxylsäure von 1,32 spez. 
Gew. übergossen. Da aus der sich schnell verflüssigenden und gelb 
werdenden Mischung ziemlich reichlich Kohlensäure entweicht, wurde 
Alkohol zugesetzt und über Nacht bei gewöhnlicher Temperatur 
stehen gelassen. Danach wurde die gelbe Flüssigkeit von der 
kleinen Menge oxalsaurer Metaamidobenzoesäure, welche sich abge- 
schieden hatte, abfiltriert und rasch auf dem Wasserbade verdampft. 
Der dicke gelbe Rückstand wurde mit Wasser verrührt und so eine 
Substanz in halbflüssiger Form abgeschieden, welche sich nach 
einigem Durcharbeiten mit Wasser in ein filtrierbares Pulver um- 
wandelte. Dasselbe wurde in Ammoniak aufgelöst und die Lösung 
längere Zeit hindurch unter Ersatz des verdunstenden Wassers und 
Ammoniaks auf dem Wasserbade erwärmt, um salzartig gebundene 
Metaamidobenzoesäure abzuspalten, hernach mit etwas überschüssiger 
Salzsäure versetzt. Das in Form eines gelben, flockigen Pulvers ab- 
geschiedene Kondensationsprodukt wurde abfiltriert, mit Wasser 
ausgewaschen und getrocknet. Die weitere Reinigung der Säure 
erfolgte in der bei den Isomeren angegebenen Weise. Sie ist in 
Wasser, Aether, Benzol so gut wie unlöslich. Dagegen löst sie sich 
leicht in Alkohol und Eisessig, sehr leicht in wässrigem Ammoniak, 
in Sodalösung, sowie in einer verdünnten wässrigen Lösung von 
salpetrigsaurem Natron. Sie löst sich auch leicht in konzentrierten 
Mineralsäuren. Die Lösung in rauchender Schwefelsäure ist gelb 


A. Baur: Ueber Opoponax. 209 


gefärbt und behält diese Färbung lange Zeit bei. Die Säure backt 
beim Erhitzen im Schmelzröhrchen von 215 0 ab zusammen und steist 
in die Höhe. Ihre Verbrennung führte zu Werten, welche der 
Formel C, H, NO, entsprechen. 

0,2326 Substanz lieferten 0,4791 g Kohlensäure und 0,0854 g 
Wasser. 


Berechnet: Gefunden: 
C,H,NO, 
C = 55,96 Proz. 56.17 Proz. 
H= 368 „ 408 „ 


Die Netasäure ist in Barytwasser leicht löslich. Ihre am- 
moniakalische Lösung wird beim Verdampfen auf dem Wasserbade 
unter Verlust von Ammoniak sauer. Die Lösung giebt beim Ver- 
setzen mit Silbersalpeter einen gelben Niederschlag, welcher unähn- 
lich den Silberverbindungen der isomeren Säuren, beim Erhitzen 
unter starkem Aufblähen schmilzt. Dabei entweichen keine gelben 
Dämpfe. Aber sowohl die aus der sauren Lösung, wie auch die 
aus der mit Ammoniak gerade übersättigten Lösung durch Versetzen 
mit Höllensteinlösung abgeschiedenen, in der Hitze ebenfalls unter 
starkem Aufblähen schmelzenden, silberreicheren Salze hinterlassen 
beim Glühen weniger Silber wie der Formel des normalen Salzes 
entspricht. Es dürfte also zwecklos sein, wenn ich den Silbergehalt 
von vier Salzen verschiedener Darstellung hier anführen wollte. 

Darmstadt, 25. März 1895. 

Chemisch-Technisches Laboratorium (Privat). 


Arbeiten aus dem pharmazeutischen Institute der 
Universität Bern. 


Untersuchungen über die Sekrete. 
Mitgeteilt von A. Tschirch. 


12. Ueber das Burseraceen-Opoponax. 
Von A. Baur. 
(Eingegangen am 27. März 1895.) 


Einleitung. 
Ueber die Herkunft des schon im Altertum hochgeschätzten 
Opoponax - Gummiharzes haben von jeher ebenso verschiedene An- 
sichten bestanden, wie über die Stammpflanze desselben. Gewöhnlich 


nahm man an, dals dasselbe von einer perennierenden persischen 
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bd. 3. Heft. 14 


210 A. Baur: DVeber Opoponax. 


Umbellifere stamme und den aus der Wurzel, sei es freiwillig oder 
nach Anschneiden, ausflie[senden, an der Luft erhärteten Milchsaft 
vorstellt. Als Namen der Stammpflanze finden sich: Opopanax Chi- 
ronium Koch, Ferula opopanax L., Laserpitium Chironium L., Pastinaca 
Opopanax etc. BeiTheophrast heilst die Pflanze MTavazes Xeıpoviov, 
bei Dioscorides Wuvaxes n„odzAsıov. Dals das Opoponax schon im 
Altertum als Medikament eine hohe Bedeutung erlangt hatte, beweist 
die Zusammensetzung seines Namens aus önos Saft, r&v alles und @xos 
Heilmittel. 

Was die chemischen Untersuchungen des Opoponaxgummiharzes 
anbelangt, so stellte Johnston!) daraus ein rotgelbes, bei 500 
schmelzendes, in Aether und Alkohol leichı lösliches Harz dar, das von 
Alkalien mit roter Farbe gelöst und von Säuren wieder in gelben 
Flocken gefällt wurde. 


Verschiedene Proben dieses Harzes hat er, nachdem er sie 
jeweilen einige Stunden aut mehr oder weniger hohe Temperaturen 
erhitzt hatte, zur Verbrennung gebracht und hierbei ziemlich überein- 
stimmende Resultate erhalten, woraus er für das Harz die Formel 
Co Ha; O,, berechnete. 


Pelletier?) machte eine quantitative Untersuchung der Droge 
und fand, dafs dieselbe bestand aus: Harz 42, Wachs 0,3 Proz., Spuren 
von Kautschuk, Gummi 33,4, Stärke 4,2, Apfelsäure 2,8, bittere Extraktiv- 
stoffe 1,6, holzige Beimengungen 9,8, äther. Oel, Wasser und Verlust 
5,9 Proz. 

Hlasiwetz und Barth?) führten die Kalischmelze aus und 
fanden, dals dabei Protocatechusäure und etwas Brenzcatechin 
entstehen. 

Vigiert) untersuchte das ätherische Oel, von dem er im Mittel 
etwa 3,25 Proz. erhielt. Es besitzt eine hellgelbe Farbe, geht bei der 
Destillation zum gröfsten Teil gegen 250° über, dann steigt das 
Thermometer rasch auf 320°, wobei ein schön smaragdgrün gefärbtes 
Oel übergeht. Das bei 250° destillierende ist farblos, flüssig, ohne 
Wirkung auf das polarisierte Licht, vom spez. Gew. 0,974 bei 16%. Es 
enthält 81—81,4 Proz. Kohlenstoff und 11,1—11,3 Proz. Wasserstoff 
und färbt sich mit Eisenchlorür grün. Schwefelsäure, Brom und Salpeter- 
säure verharzen es. 


Przeciszewsky?°) löste das ursprüngliche Gummiharz in 
Aether und schüttelte mit Alkali, wobei er zwei wesentliche An- 
teile erhielt: einerseits ein sogenanntes indifferentes Harz 


1) Johnston, Phil.Mag. 1840 p. 147, 352. J. pr. Chem. [1] 26. S. 145. 
2) Ann. chim. [1] 80 p. 38; Schweigg. J. 5. S. 245. 

3) Ann. Chem 139. S. 81. 

4) Vigier, These de l’&cole de Pharm. Paris 1869. 

5) Dissert. Dorpat 186i. 


A. Baur: Ueber Opoponax. 211 


neben dem üätherischn Oel und auf der anderen Seite 
ein sogenanntes saures Harz. Aus dem vom Aether befreiten 
ersten Anteil, der zähflüssig war, erhielt er beim längeren Stehen 
spärliche Krystalle, die jedoch nicht weiter untersucht wurden. Das 
Oel trennte er durch Destillation im Oelbad ab und gelangte so eben- 
falls zu einem grünen Anteil. Hierbei war mit Bleipapier Schwefel- 
wasserstoff nachzuweisen, jedoch bekam er nachher mit dem ab- 
getrennten Oel keine Reaktion auf Schwefel mehr, wohl aber mit dem 
Harz bei der trockenen Destillation, auch bei der Oxydation mit 
Salpetersäure. Das sogenannte saure Harz gab, in Alkali gelöst, mit 
Chlorammonium einen in Wasser löslichen Niederschlag, der ebenfalls 
nicht päher untersucht wurde. Beim Fällen der alkalischer Lösung 
mit Salzsäure entwickelte sich der Geruch nach einer flüchtigen 
organischen Säure. Bei der trockenen Destillation gab auch dieses 
Harz Schwefelreaktionen, nicht aber bei der Oxydation mit Salpeter- 
säure. Verfasser nahm somit an, dals zwar das Oel nicht schwefel- 
haltig sei, wohl aber die beiden von ihm dargestellten Harze. Ich 
will gleich hier bemerken, dals mir dies unwahrscheinlich vorkommt, 
und dals jedenfalls die mit den Harzen erhaltenen Schwefelreaktionen 
noch darin enthaltenem Oel zuzuschreiben sind, ebenso wie der Geruch 
nach einer Fettsäure jedenfalls von der Verseifung eines Esters des 
Oeles durch das angewandte Alkali herrühren dürfte, da bei den bis 
dahin im pharmaceutischen Institut untersuchten persischen Umbelli- 
ferenharzen schwefelfreie Harze, dagegen schwefelhaltige Oele ge- 
funden worden sind und letztere beim Behandeln mit Kali Fettsäuren 
geliefert haben. Das Gummi hat Przeciszewsky nicht näher 
untersucht, dagegen hat er einige Versuche mit den Harzen in 
chemisch-physiologischer Hinsicht gemacht. 

Sommer!) hat bei seinen Untersuchungen über das Vorkommen 
des Umbelliferons durch trockene Destillation des Opoponax, ohne dals 
blaues Oel überging, eine geringe Menge eines bei 2400 schmelzenden 
Körpers erhalten, der die Reaktionen des Umbelliferons zeigte, jedoch 
nicht zur Verbrennung gebracht wurde. 


Hirschsohn?) hatneben Galbanum, Ammoniakum und Sagapen 
auch Opoponax untersucht und vergleichende Löslichkeitsbestimmungen 
verschiedener Sorten gemacht. Er fand, dafs in Petroläther 1,00 bis 
2,97 Proz. Harz und 1,04—5,97 Proz. Oel gehen, in Aether 14,81 bis 
38,385, in Alkohol 10,39—16,66, in Wasser 11,00—33,45 Proz. während 
er den Rückstand zu 16,35—57,91 und den Feuchtigkeitsgehalt zu 
0,67—3,99 Proz. berechnete. Er konnte weder Schwefel noch Umbelli- 
feron nachweisen. Im alkoholischen Auszug fand er Zucker und einen 


1) Archiv der Pharm. 1859, Bd, 148, S. 12. 


2) Parm. Zeitschr. f. Rufsland, Jahrg. 14. Jahresber. d. Pharm. 
1875, S. 120. 


14* 


212 A. Baur: Ueber Opoponax. 


gallussäureähnlichen Körper. An Wasser gab das Harzgemenge eine 
bitter schmeckende Substanz ab und erteilte demselben saure Reaktion. 
Das Oel wurde mit Schwefelsäure gelb und später schwach rötlich, 
Salzsäure, Salpetersäure, Chlorkalk, Chloral gaben keine Farben- 
reaktionen. 


In neuerer Zeit hat der Opoponax seine Bedeutung als Heil- 
mittel fast vollständig verloren, dagegen hat ein unter dem Namen 
Opoponax in den Handel gebrachtes Produkt eine gewisse Bedeutung 
dadurch erlangt, dafs das aus ihm dargestellte ätherische Oel im 
Gro[sen zu Parfümeriezwecken verwendet wird. Da nun äber das 
frühere Gummiharz, nach verschiedenen Angaben, nicht nur keinen 
angenehmen, sondern sogar widerlichen, an Liebstöckel und Ammoniakum 
erinnernden Geruch besitzen soll, so ist es nicht zu verwundern, wenn 
man dazu gekommen ist, das gegenwärtig im Handel befindliche, an- 
genehm riechende Gummiharz von einer anderen Stammpilanze her- 
zaleiten. 

Holmes!) giebt an, dals das echte Opoponaxharz, dessen 
Stammpfianze übrigens noch unbekannt sei, fast ganz aus dem Handel 
verschwunden ist, und dafs das jetzt im Handel befindliche, aus dem 
das ätherische Oel destilliert wird, von Balsamodendron Kafal stammt. 
In den Sammlungen chinesischer Drogen .„ndet sich das Harz ge- 
wöhnlich unter der Bezeichnung ‚„myrrh.“ Es ist möglich, dafs es 
sich hier um die Myrrhe der heiligen Schrift handelt. Ich werde 
auf diese Ansicht von Holmes speziell im botanischen Teil meiner 
Arbeit zurückkommen. Bezüglich des von ihm angegebenen Namens 
Balsamodendron Kafal sei hier bemerkt, was Schweinfurth in 
seiner Mitteilung „Ueber Balsam und Myrrhe‘‘ 2, angiebt, dals noch 
heute das Holz von Commiphora Opobalsamum, des echten Balsambaumes, 
unter dem Namen „gafal“ von den arabischen Küstenländern des 
roten Meeres ausgeführt wird. Er ist der Ansicht, dals sich die 
Myrrhe der Bibel auf den Mekkabalsam bezieht. 


Aus den Berichten von Schimmel & Cie.?) geht hervor, dals 
ihr Opoponax, das die Firma für zweifellos echt erklärt, aus Syrien 
geliefert wird. Das daraus gewonnene Oel hat ein spez. Gew. von 
0,860 — 0,910 resp. 0,901. Es siedet zwischen 200 und 300%. Die Aus- 
beute beträgt 6,5 — 8,5 Proz. Der Bericht sagt ferner, dals ver- 
schiedene Proben eines aus Persien zugeführten Opoponaxharzes vor- 
gelegen haben, die in Faris und London verhältnismälsig hohe Preise 
erzielten. Das Parfum derselben, wenn überhaupt von einem solchen 
gesprochen werden kann, war von demjenigen des türkischen Harzes 


1) Pharmaceutical Journ. and Transact. 1891. S. 838. 
2) Ber. d. Pharm. Ges. 1893. S. 225/26. 


3) April 1890. S. 34; April 1891. S. 35: April 1892. S. 29; Oct. 
1893. S. 30/31. 


A. Baur: Ueber Opoponax. 21: 


ww 


verschieden, denn der Geruch war nichts weniger als angenehm. Es 
war weich wie Elemiharz und im Geruch demselben ähnlich. Ich 
glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich annehme, dals es sich hierbei 
wieder um einen Posten des echten, d. h. früher im Handel befind- 
lichen, wahrscheinlich von einer persischen Umbellifere stammenden 
Gummiharzes gehandelt haben dürfte. 

Aus obenstehenden Litteraturangaben ist zu ersehen, dals über 
Stammpflanze und Herkunft des Opoponaxgummiharzes zur Zeit noch 
keine sicheren Anhaltspunkte vorliegen, und dafs über die Bestand- 
teile, aulser einigen Angaben über das Aussehen und die Löslichkeits- 
verhältnisse derselben, wenig bekannt geworden ist. 


1. Chemischer Teil. 


Zur Untersuchung gelangten die rohen Gummiharze, einesteils 
bezogen von ©. Haaf in Bern, andernteils vnSchimmelu. Cie. 
in Leipzig. Nach den Angaben letzterer Firma handelte es sich 
um sicher bestimmtes Gummi opoponax. Vergleichende Reaktionen 
beider Produkte ergaben die vollständige Identität derselben und 
lassen auf ein und dieselbe Herkunft schliefsen. 

Die Droge stellte gröfsere, braungelbe Stücke dar, in die 
stellenweise hellere Gummikörner, teilweise völlig durchsichtig, bis 
zu Haselnulsgröfse erreichend, eingestreut waren, neben völlig weilsen 
kleineren Körnern, die sich in Salzsäure unter Aufbrausen lösten 
und sich als Calciumcarbonat erwiesen. Aufserdem fanden sich in 
gröfserer Menge Pflanzenreste, namentlich Holz- und Rindenstücke, 
die zur mikroskopischen Untersuchung bei Seite gesetzt wurden, 
neben andern, mehr zufälligen Verunreinigungen. 

Auf Papier hinterliefs das Gummiharz reichliche Fettflecke, 
herrührend vom ätherischen Oel. Sein Geruch war eigenartig, an- 
genehm , übereinstimmend mit demjenigen zweier Schimmel'scher 
Proben Opoponaxöl aus den Sammlungen des pharmaceutischen In- 
stituts. Aeltere Proben Gummiharz, den Sammlungen entnommen, 
zeigten eine etwas dunklere Farbe und weniger angenehmen, mehr 
an Sumbul erinnernden Geruch. Der Geschmack war scharf brennend, 
etwas kratzend und bitterlich. 

Das von mir untersuchte Material setzte sich zusammen aus: 
Harz 19 Proz., Aether. Oel 6,5 Proz., Gummi, Pflanzenreste etc. 
(Rückstand beim Extrahieren mit Alkohol) 70 Proz. Feuchtigkeit 
und Verlust 4,5 Proz. 


214 A. Baur: Ueber Opoponax. 


Da bei der Untersuchung im hiesigen pharm. Institut sowohl 
von Galbanum als von Sagapen Umbelliferon als Bestandteil gefunden 
worden war, und man annahm, dafs Gummi Opoponax ebenfalls ven 
einer Umbellifere stamme, so versuchte ich vor allem das Umbelliferon 
nachzuweisen, da es sich nach den Angaben Sommers!) darin 
findet. Aber es gelang mir weder durch trockene Destillation, noch 
durch Sublimieren zwischen Uhrgläsern, wie ja das bei anderen 
Gummiharzen bekanntlich sehr leicht gelingt, einesteils mehrerer 
Proben entölter Rohgummiharze, anderenteils gereinigter Harze, 
irgendwelche Krystalle zu erhalten. Aufserdem war die für das 
Umbelliferon so charakteristische blaue Fluorescenz in neutraler oder 
ammoniakalischer Lösung niemals zu bemerken, weder bei Versuchen 
mit dem Rohgummiharz, noch mit den gereinigten Harzen auch 
wenn dieselben der verseifenden Behandlung mit Alkalien oder 
Schwefelsäure unterworfen worden waren. Es ist somit anzunehmen, 
dafs die von Sommer untersuchte Droge anderer Abstammung war. 


Ebensowenig gelang es mir jemals, weder in der Rohdroge, 
noch in den einzelnen Bestandteilen derselben, Schwefel nachzu- 
weisen, obwohl die Versuche wiederholt gemacht wurden und zwar 
sowohl mit der Nitroprussidreaktion als auch durch die Oxydation 
mit Salpetersäure. Es liegt somit auch hierin eine Abweichung von 
den bei den Umbelliferen-Gummiharzen meist vorkommenden Ver- 
hältnissen vor. 

A. Die Harze. 
a) Darstellung der Reinharze aus der Rohdroge 
und Untersuchung derselben. 


Das Rohgummiharz wurde so gut als möglich gepulvert, nach- 
dem aus demselben die grölsern Stücke der Pflanzenreste ausgelesen 
waren und dann am Rückflulskühler mehrere Tage mit Petroläther 
behandelt, wobei sich derselbe schön gelb färbte. Beim Abziehen 
des Petroläthers resultierte ein rotgelbes, schmieriges Harz vom 
Geruch der ursprünglichen Droge, das ziemlich viel ätherisches Oel 
neben Petroläther enthielt. Da eine Trennung von Oel und Harz 
durch Lösungsmittel nicht bewirkt werden konnte, wurde das Ge- 
misch der Destillation mit Wasserdampf unterworfen. Das vom 


1) Archiv d. Pharm. 1859. Bd. 148. S. 12. 


A. Baur: Ueber Opoponax. 215 


übergegangenen Oel getrennte Destillationswasser hatte eine schwach 
gelbliche Farbe und rötete blaues Lackmuspapier. Sein Geruch war 
aromatisch, der Geschmack etwas bitterlich. Da ich vermutete, dals 
durch den Wasserdampf eine Verseifung der Oel- oder Harzester 
bewirkt worden sei, neutralisierte ich das ganze Destillat mit Kali 
und dampfte auf dem Wasserbad ein. Es hinterblieb eine braune, 
schmierige Masse von bitterem Geschmack, die nicht weiter gereinigt 
werden konnte. Mit Salzsäure angesäuert, lie[s sie den Geruch nach 
einer Fettsäure erkennen. Auch das Ausschütteln der Masse hatte 
kein Resultat. 


Das während der Destillation mit Wasser vermengte Harz 
war im Anfang fast rein weils, nahm aber, je mehr das Oel aus 
demselben entfernt wurde, immer dunklere Farbe an, so dafs es über 
Gelb allmählich in Braungelb überging. Es wurde zur weiteren 
Untersuchung bei Seite gesetzt. 


Das nach der Extraktion mit Petroläther resultierende Roh- 
gummiharz wurde nun, ebenfalls am Rückflufskühler, mit Aether er- 
schöpft, wobei dieser braunrote Farbe annahm. Der Aether wurde 
mit verdünntem Ammoniak geschüttelt, wobei sich die Lösung trübte 
und sich allmählich eine tiefbraunrote Schicht vom gelbrot gefärbten 
Aether trennte. 


Der Aether wurde abgezogen und es hinterblieb ein braun- 
rotes schmieriges Harz, das ebenfalls noch ziemlich viel ätherisches 
Oel enthielt. Wie der Petrolätherauszug, so wurde auch dieser 
Aetherauszug der Destillation mit Wasserdampf unterworfen, wobei 
sich wiederum ein hellgelb gefärbtes Oel von dem Destillat ab- 
trennen liefs. Das Wasser zeigte auch hier schwach saure Reaktion 
und verhielt sich im übrigen analog demjenigen, das beim Destillieren 
des Petrolätherauszuges erhalten worden. Auf gleiche Weise wie 
dieses behandelt, ergab es dasselbe negative Resultat. Das re- 
sultierende braunrote Harz wurde ebenfalls zu weiterer Untersuchung 
aufgehoben. 


Der an Ammoniak gegängene Anteil wurde durch Eindampfen 
von diesem befreit und dann mit heilsem Wasser längere Zeit 
digeriert. Er war von schön brauner Farbe, stellenweise Kupfer- 
glanz zeigend und vollständig geruchlos. 


216 A. Baur: Ueber Opoponax. 


Der nach Extraktion mit Aether resultierende, immer noch 
eigentümlich riechende Rückstand der Rohdroge wurde am Rück- 
flufskühler mit Alkohol erschöpft, wobei dieser braune Farbe und 
eigentümlichen Geruch annahm, der übrigens auch dem abdestillierten 
Alkohol anhaftete..e Die zurückbleibende, schwarzbraune Harz- 
schmiere wurde in heilses Wasser gegossen und damit längere Zeit 
digeriert, wobei die Masse allmählich erhärtete, während das Wasser 
unter Gelbfärbung stark bitteren Geschmack annahm, also einen 
Bitterstoff aufgenommen hatte (s. unten unter Bitterstoff). 


Durch die successive Behandlung der Rohdroge mit Petrol- 
äther, Aether und Ammoniak und schliefslich Alkohol war ich somit 
zu vier Harzen gelangt, die weiter zu untersuchen waren. 

Leider ist die Ausbeute an einzelnen derselben, im Vergleich 
mit anderen Gummiharzen, eine äufserst geringe, während die Rück- 
stände, hauptsächlich aus Gummi, Pflanzenresten und anorganischen 
Verunreinigungen bestehend, die Hauptsache der Droge ausmachen. 
Diese Rückstände zeigten nur schwachen Geruch, sodafls anzunehmen 
ist, dafs durch die bisherige Behandlung so ziemlich alles ätherische 
Oel daraus entfernt worden war. 

Im Anschlufs an die im Pharmaceutischen Institut ausgeführten 
Harzuntersuchungen, welche für die Harze die Form von Estern er- 
geben hatten, versuchte ich ebenfalls, durch die Verseifung mit 
Alkali oder Schwefelsäure Zerlegung zu bewirken. Alle vier durch 
die successive Extraktion des Rohgummiharzes erhaltenen Harze 
wurden vor jeder anderen Untersuchung auf Uebereinstimmung und 
Identität untereinander der Einwirkung verseifender Mittel unter- 
worten. 

Jedoch gelang es mir weder mit Hilfe konzentrierten oder ver- 
dünnten, wässerigen oder alkoholischen Alkalis, noch mit Schwefel- 
säure von-verschiedenem Verdünnungsgrade, in offener Schale so- 
wohl wie am Rückflufskühler, selbst bei langer Dauer der Einwir- 
kung zu einem-Resultate zu gelangen. Die mit Schwefelsäure be- 
handelten Produkte wurden jeweilen direkt, die mit Alkali behan- 
delten nach dem Ansäuern mit verdünnter Schwefelsäure, mit Aether 
geschüttelt, niemals jedoch war, aufser Spuren einer Fettsäure, 
offenbar entstanden durch Verseifung des immer noch dem Harze 
anhaftenden Oeles, etwas in Aether übergegangen; eine Zerlegung in 


A. Baur: Ueber Opoponax. 217 


eine Säure und in einen Alkohol, wie sie bei den bisher untersuchten 
Harzen stattgefunden hatte, schien somit nicht eingetreten zu sein. 
Extraktionen der Flüssigkeiten mit Chloroform führten ebenfalls 
nicht zum Ziele. 

Um zu konstatieren, ob nicht etwa bei der Behandlung mit 
Schwefelsäure eine in Aether oder Chloroform unlösliche Sulfover- 
bindung entstanden sei, wurde mit Baryumcarbonat übersättigt und 
nun versucht, eine eventuell entstandene Baryumverbindung in 
Lösung zu bringen, ein Verfahren, das ja häufig zur Trennung von 
Sulfosäuren von überschüssiger Schwefelsäure dient. 

Aber weder mit Wasser, noch mit Alkohol, Chloroform oder 
Aether war der getrockneten weilsen Masse etwas zu entziehen. 
Das Gemisch von Baryumsulfat mit überschüssigem Carbonat wurde 
nun wieder mit Schwefelsäure zersetzt und neuerdings mit ver- 
schiedenen Lösungsmitteln behandelt, ohne das dieselben jedoch 
etwas aufgenommen hätten. 

Verseifungsversuche mit Alkali sowohl als mit Schwefelsäure, 
die im geschlossenen Rohr vorgenommen wurden, führten ebenfalls 
zu keinem Resultat. 

Es ist somit mit Sicherheit anzunehmen, dals bei Gummi 
Opoponax die Verhältnisse anders liegen als bei den bis dahin im 
pharmaceutischen Institut untersuchten Harzen. 

Das nach der Behandlung mit Wasserdampf resultierende Harz 
aus dem Petrolätherauszug wurde zur Reinigung wiederholt in Aether 
gelöst und die Lösung mit Petroläther versetzt. Im Anfang schied 
sich etwas schmieriges, gelbrotes Harz an den Wänden des Kolbens 
ab, das durch Abgielsen der Flüssigkeit entfernt wurde. Alsdann 
wurde mehrmals in Alkohol gelöst und nach dem Filtrieren mit salz- 
säurehaltigem Wasser versetzt, wobei das Harz als krümlige, 
gelbliche Masse sich abschied. Mit Wasser ausgewaschen zur Ent- 
fernung der Salzsäure, resultierte nach dem Trocknen ein gelbliches 
Pulver, das, in heifses Wasser gebracht, zu einer gelbbraunen Masse 
zusammenschmolz und sich leicht pulvern liefs. Ich werde dasselbe 
mit dem Namen «-Panax-Resen bezeichnen. 

Es war geruch- und geschmacklos und erweichte beim Kauen. 
In Wasser erwärmt liefs es sich zu gelben, glänzenden Fäden aus- 
ziehen. Es löste sich in Alkohol mit neutraler Reaktion, ferner in 


218 A. Baur: Ueber Opoponax. 


Aether, Petroläther, Eisessig, Chloroform, Schwefelkohlenstoff, Benzol 
und Toluol. Dagegen war es unlöslich sowohl in verdünnten als in 
konzentrierten Alkalien, in der Kälte sowohl als beim Erwärmen. 
Beim Reiben war es elektrisch. Versuche, den Körper aus einem 
seiner Lösungsmittel krystallisiert zu erhalten, schlugen immer fehl. 
Schwefel und Stickstoff waren darin nicht nachweisbar. Da es nicht 
möglich gewesen war, dieses «a-Resen durch Verseifung in seine 
Komponenten zu zerlegen, so wurde es so zur Verbrennung gebracht. 
Die Elementaranalyse der über Schwefelsäure getrockneten Substanz, 
mit Kupferoxyd im Sauerstoffstrome ausgeführt, ergab folgende 
Zahlen : 
1. 0,1308 g Substanz verbrannten zu 0,3679 g CO, u. 0,1285 g H,O. 


1104510 85, |, : „ 0,4238 „ CO, u. 0,1473 „ H,O. 
Gefunden: Berechnet für C, H,, O,: 
17276.710'Proz. ©: IT 1694 Proz. ©: 76,49 Proz. ©. 
199774 ER inBarerı MT 10.737 See 


Es käme somit diesem «a-Resen die Formel C,, H,, O, zu, was 
mit derjenigen für den aus den Destillationsrückständen (s. unten) 
dargestellten Körper übereinstimmt. 

Der durch Destillation mit Wasserdampf vom Oel befreite 
Aetherauszug wurde zu weiterer Reinigung wieder in Aether gelöst, 
und wiederholt mit verdünntem Ammoniak geschüttelt, bis dieses 
nicht mehr gefärbt erschien. Sodann wurde die Lösung durch Ab- 
ziehen eines Teils des Aethers eingeengt und mit viel Petroläther 
versetzt. Es fiel eine schmierige Harzmasse, während die über- 
stehende Flüssigkeit schwach gelbliche Farbe zeigte. Durch wieder- 
holtes Lösen und Fällen gelang es, die letzten Reste des «-Resens 
und des ätherischen Oeles daraus zu entfernen. Alsdann wurde 
noch wiederholt in Alkohol gelöst und daraus durch salzsäurehaltiges 
Wasser gefällt. Es resultierte schliefslich ein gepulvert gelbbrauner, 
geschmolzen rotgelber, durchsichtiger, spröder Körper, der ebenfalls 
in glänzende Fäden ausgezogen werden konnte. Ich bezeichne den- 
selben mit ß- Panax-Resen. Dasselbe war geruchlos, erweichte 
beim Kauen und besals schwach bittern Geschmack. Die alkoholische 
Lösung reagierte neutral. Der Körper war löslich in Alkohol, 
Aether, Chloroform, Eisessig Benzol, Toluol, schwer in Schwefel- 
kohlenstoff, unlöslich dagegen in verdünnten und konzentrierten 
Alkalien und ebenso in Petroläther. Beim Reiben war er nicht 


A. Baur: Ueber Opoponax. 219 


elektrisch. Auch bei diesem #-Resen fielen Versuche, dasselbe aus 
seinen Lösungsmitteln krystallisiert zu erhalten, negativ aus. Stick- 
stoff und Schwefel waren darin nicht nachzuweisen. Die Elementar- 
analyse des über Schwefelsäure getrockneten Körpers ergab folgende 
Zahlen : 


I. 0,2296 g Substanz verbrannten zu 0,6252 g CO, und 0,2104 g H,O. 
Il. 0,1930 g 5 E „ 0,5270 g CO, und 0,1707 g Hs0. 
Gefunden: Berechnet für C, H;s 0; 
I. i% 
74,26 Proz. C. 74,47 Proz. C. 74,41 Proz. C. 
I0RlSe Proz. H. 9,82 Proz. H. 10,07 Proz. H. 


Auch bei dieser Formel C,, H, O, ergab sich Uebereinstirm- 
mung mit derjenigsn des bei der Untersuchung der Destillations- 
rückstände erhaltenen #-Resens. (S. unten). 

Der durch Schütteln mit Ammoniak aus dem Aetherauszug der 
Rohdroge und Verdunsten des Ammoniaks erhaltene Körper erwies 
sich bei der näheren Untersuchung als mit dem durch Extrahieren 
mit Alkohol erhaltenen identisch und wurde die auf Analogie der 
Löslichkeitsverhältnisse ete. gestützte Annahme durch die Elementar- 
analyse bestätigt; seine nähere Beschreibung findet sich somit beim 
Pana-Resinotannol. 

Der beim Extrahieren der Rohdroge mit Alkohol erhaltene 
Körper wurde, zur Entfernung allfällig noch vorhandenen Oels, 
ebenfalls mit Wasserdampf behandelt. Es gingen aber nur geringe 
Mengen Oel über. Durch wiederholtes Lösen in Alkohol und Fällen 
mit salzsäurehaltigem Wasser, nachdem längere Zeit mit Wasser 
digeriert war, wurde der Körper gereinigt. Da derselbe die Reak- 
tionen der von Tschirch!) unter dem Namen Resinotannole zu- 
sammengefalsten Harzalkohole zeigte, so erhielt er den Namen 
Pana-Resinotanno|. 

Geschmolzen liefs sich dasselbe in goldgelbe und glänzende 
Fäden ausziehen. Es war fast geruchlos, nach längerem Auskochen 
mit Wasser nur noch wenig bitter. Seine Lösung in Alkohol 
reagierte neutral. Es war ferner leicht löslich in Chloroform und 
Eisessig, schwerer in siedendem Aether, Benzol und Toluol, unlöslich 
dagegen in Petroläther und Schwefelkohlenstoff. Beim Reiben war 


lt) Archiv der Pharmacie 1893 und Pringsh. Jahrb.1893, S. 371. 


220 A. Baur: TDUeber Opoponax. 


es nicht elektrisch. Krystallisiert konnte es aus keinem seiner 
Lösungsmittel erhalten werden ; Schwefel und Stickstoff waren darin 
nicht nachzuweisen. Die Elementaranalyse der über Schwefelsäure 
getrockneten Substanz ergab folgende Zahlen: 
I. 0,2198 & des aus der Aetherlösung in Ammoniak gegangenen 
Körpers verbrannten zu 0,5627 g CO; 
und 0,1816 g H,O. 
II. 0,1593 g des aus der Aetherlösung in Ammoniak gegangenen 
Körpers verbrannten zu 0,4104 & CO, 
und 0,1304 g H,O. 
III. 0,1908 g des mit Alkohol aus der Droge extrahierten Körpers ver- 
brannten zu 0,4854 g 00, 
und 0,1517 g H;0. 
IV. 0,1585 g des mit Alkokol aus der Droge extrahierten Körpers ver- 
brannten zu 0,4065 g CO, 
und 0,1236 & H;0. 


V. 0,2031 g des mit Alkohol aus der Droge extrahierten Körpers ver- 


brannten zu 0,5202 g CO, 
und 0,1606 g H,O. 
Gefunden: Berechnet für Cy, H;o Oz 
I. 11. 1% IV. V. 
C. 69,81 70.26 69,37 69,94 69,55 69,62 
H. 9,18 9,09 8,83 8,66 8,78 8,53 


Auch beim Vergleich dieser Formel, C;, H;, O,, erkennt man 
die Identität mit derjenigen für das aus den Destillationsrückständen 
dargestellte Tannol (s. unten.). 

Mit dem «- u. #-Resen und dem Resinotannol wurden nun eine 
Reihe vergleichender Versuche angestellt. 


Reduktionsversuche: DieKörper wurden in Eisessig 
gelöst, etwas Zinkstaub zugesetzt und am Rückflufskühler mehrere 
Stunden behandelt. Sodann wurde filtriert, das Filtrat in Wasser 
gegossen und die ausgeschiedenen Körper nach dem Auswaschen 
geprüft. Alle drei Körper erwiesen sich als unverändert. 

Die Versuche wurden nun in der Weise abgeändert, dafs die 
Reduktion mit metallischem Natrium in alkoholischer Lösung aus- 
geführt wurde. Das Reaktionsgemisch wurde in Wasser gegossen, 
wobei beiallen drei Versuchen ein schmieriger Niederschlag entstand. 
a- u. #-Resen waren in der Farbe etwas dunkler geworden. Beim 
Frwärmen der wässerigen Flüssigkeit verteilte sich die vorher 
schmierige Masse sehr fein im Wasser und liefs sich durch Zusetzen 


A. Baur: Ueber Opoponax. 221 


von einem Tropfen Salzsäure flockig ausfällen. Nach dem Auswaschen 
erwiesen sich die drei Körper ebenfalls als unverändert, denn sie 
besafsen noch die vorherigen Löslichkeitsverhältnisse und es ergab 
ihre Elementaranalyse die Zahlen der ursprünglichen Substanzen. 
Mit dem Tannol wurde noch ein Reduktionsversuch mit Zink- 
staub in ammoniakalischer Lösung gemacht, aber ebenfalls ohne Erfolg. 
Verhalten gegen konz. Salpetersäure. Die ge- 
pulverten Substanzen wurden in Salpetersäure eingetragen und er- 
wärmt. Nach einiger Zeit trat bei allen eine ziemlich heftige Reaktion 
ein unter Bildung roter Dämpfe von Stickstoffdioxyd. Die Flüssigkeit 
färbte sich intensiv gelb und zeigte die Reaktionen der Pikrinsäure 
während die Körper voluminöse, schwammige Massen bildeten, die 
in der Wärme weich waren und sich in helle, glänzende Fäden aus- 
ziehen lielsen, beim Eintragen in kaltes Wasser hart und bröcklich 
wurden und sich in gelbe Pulver zerreiben liefsen. Nach dem Aus- 
waschen mit Wasser wurde jeweilen in Aether gelöst, wobei sich 
tast alles löste, dann etwas Alkohol zugesetzt und verdunstet. Es 
waren aber keine Krystalle zu erhalten. Nach der Lassaigne’schen 
Methode war in allen drei Proben, die sich vollständig gleich ver- 
halten hatten, Stickstoff nachzuweisen, was auf eine Nitrierbarkeit der 
drei Körper schliefsen läfst. Weiter mit kochender Salpetersäure 
behandelt, löste sich schliefslich alles in derselben auf. 
Verhalten gegen schmelzendes Kali. Auch hier 
verhielten sich die drei Körper gleich. In geschmolzenes Kali 
wurden sie in einer Silberschale nach dem Pulvern in kleinen Mengen 
eingetragen ; sie lösten sich hierbei auf und es resultierten farblose 
Flüssigkeiten, die noch einige Zeit im ruhigen Flufs erhalten wurden. 
Nach dem Erkalten wurde in Wasser gelöst, angesäuert, mit Aether 
geschüttelt und schliefslich dieser verdampft. 
Er hinterliefs in allen drei Fällen nur Spuren von Fettsäuren 
die durch den Geruch nicht näher cherakterisiert werden konnten, 
während feste Körper nicht zurückblieben.!) 


1) Um zu konstatieren, ob nicht vielleicht durch die zu hohe 
Temperatur der Kalischmelze eine zu weitgehende Zersetzung einge- 
treten sei, wurde der Versuch im Oelbad wiederholt und die Temperatur 
zwischen 290 u. 3000 erhalten. Aber auch hierbei war das Resultat 
dasselbe, ebenso wie bei der in gleicher Weise vorgenommenen 
Natronschmelze. 


[647 
[89] 
ID 


A. Baur: Teber Opoponax. 


Zur Unterstützung der Ansicht, dafs das Harz des Alkohol- 
auszuges zu den Resinotannolen gehöre, somit Alkoholcharakter be- 
sitze, wurden mit demselben Benzoylierungs- und Acetylierungs- 
versuche gemacht. 


Acetylierungsversuche: Der Körper wurde in Essig- 
säureanhydrid gelöst und dann am Rückflufskühler längere Zeit 
gekocht. Hierauf wurde in heilses Wasser eingetragen, wobei sich 
ein äufserst fein verteilter Niederschlag bildete, der auf Zusatz von 
etwas Salzsäure Hockig wurde. Er wurde abfiltriert und mit heifsem 
Wasser ausgewaschen. Um den letzten Rest ungebundener Essig- 
säure zu entfernen, wurde in Aether gelöst, mit einer verdünnten 
wässerigen Natriumcarbonatlösung geschüttelt und wieder mit Wasser 
gewaschen. Es resultierte schliefslich ein graubraunes, geruch- und 
geschmackloses Pulver, das aus seinen Lösungsmitteln nichtkrystallisiert 
erhalten werden konnte. Obschon beim Erhitzen mit Arsenigsäure- 
anhydrid Kakodylgeruch auftrat, somit Essigsäure in die Verbindung 
eingetreten sein mulste, so stimmten doch die mit dem Körper aus- 
geführten zahlreichen Elementaranalysen nicht mit den Berechnungen 
überein.) 

Benzoylierungsversuch: Derselbe wurde in der 
Weise ausgeführt, dafs das Tannol in verdünnter Kalilauge gelöst 
und dieser Lösung Benzoylchlorid in geringem Ueberschufs zugesetzt 
wurde. Es trat eine ziemlich starke Erwärmung ein, während sich 
die klare Lösung trübte und eine braunschwarze, schmierige Masse 
fallen liefs, die beim Erkalten erhärtete, während die überstehende 
Flüssigkeit klar und farblos geworden war. Es wurde abgegossen, 
gepulvert und wiederholt mit warmem Wasser ausgewaschen, dann 
in Alkohol gelöst und mit salzsäurehaltigem Wasser daraus wieder 
gefällt. Auch hier resultierte ein graubraunes Pulver, das nicht 
krystallisiert erhalten werden konnte und dessen Elementaranalyse 
leider ebenfalls nicht die erhofften Resultate lieferte, obschon beim 
Kochen mit Kali und nachherigem Ansäuern mit Salzsäure ein weilser 
Niederschlag von Benzoesäure entstand.) 


1) Acetylierungsversuche, die mit Essigsäureanhydrid im ge- 
schlossenen Rohre (6 Stunden Erhitzen auf 170— 1800) ausgeführt wurden, 
führten ebenfalls nicht zu einem einheitlichen Körper. 

2) Eine Anzahl untereinander übereinstimmender Elementar- 
analysen ergab für den Körper als Mittel 73,85 Proz. C und 8,96 Proz. H, 
Zahlen, die aufkein Benzoylderivat des ursprünglichen Tannols stimmen, 
das letztere scheint also bei der Benzoylierung auch eine anderweitige 
Veränderung zu erfahren. 


A. Baur: Ueber Opoponax. 223 


Obschon nun die mit dem Pana-Resinotannol gemachten Versuche 
bis dahin noch nicht zu positiven Resultaten geführt haben, so glaube 
ich doch, für dasselbe Alkoholcharakter annehmen zu können und 
hoffe ich später noch, bei veränderter Versuchsanordnung zum 
Ziele gelangen und genauere Mitteilung hierüber machen zu können. 

Als was die beiden Resene aufzufassen sind, kann vorläufig 
nicht gesagt werden. Dafs wir es nicht mit Estern zu thun haben, 
beweist ihre Unvarseifbarkeit, und ihre Unlöslichkeit in Alkalien 
scheint es auszuschlielsen, dafs sie Alkohole oder Säuren sind. Man 
kann sie vorläufig nur zu den sogenannten ‚„indifferenten‘“ Harzen 
rechnen, mit welchem Namen man von jeher diejenigen bezeichnet 
hat, die sich nicht in Alkalien lösten und für die Tschirch den 


Namen Resene vorgeschlagen hat. 


b) Untersuchung der Rückstände der 
VDeld estill'at ron.» Chrromel 


Da sich meine Untersuchungen über das Opoponax haupt- 
sächlich auf das in demselben enthaltene Harz erstrecken sollten, 
wandte ich mich an die Firma Schimmel u. Cie. in Leipzig, die mir 
denn auch in bereitwilligster Weise einige Kilogramm ihrer Rück- 
stände der Oeldestillation des Opoponax überliefs. Nach den An- 
gaben der Firma wird das rohe Gummiharz, ohne weiteren Zusatz, 
der Einwirkung gespannter Wasserdämpfe ausgesetzt, um aus dem 
Destillat das Oel abzutrennen. 

Diese Rückstände bildeten eine braunschwarze, durch bei- 
gemengtes Wasser schmierige Masse von bitter aromatischem Ge- 
schmack und dem Geruch nach Karamel. 

Die Masse wurde zuerst, durch Digerieren auf dem Damptbad, 
möglichst getrocknet, wobei sie zu braunen, gepulvert grauen Stücken 
erhärtet, und dann mit Aether extrahiert. Der ätherische Auszug 
wurde mit verdünntem Ammoniak geschüttelt, wobei ein Teil des 
extrahierten Harzes mit brauner Farbe an dasselbe ging. Nach dem 
Erschöpfen mit Aether wurde mit Alkohol behandelt, wobei ein in 
Alkali löslicher, brauner Körper resultierte. 

Der ätherische, mit Ammoniak geschüttelte Auszug zeigte 
braungelbe Farbe und hinterliefs beim Abziehen des Aethers eine 
braune, harzartige Substanz. Dieselbe wurde in Alkohol gelöst und 


224 A. Baur TVeber Opoponax. 

mit Wasser versetzt; hierbei setzte sich eine gelbe Masse ab, zu 
der neuerdings Alkohol gegeben wurde, wobei sich die harzartige 
Substanz löste, während die vorher schmierige Masse krümelig ge- 
worden war. Nach dem Auswaschen mit Alkohol, wobei sie weilse 
Farbe annahm, konnte sie durch Lösen in Aether und Zusetzen von 
etwas Alkohol beim Verdunsten krystallisiert erhalten werden. Der 
Alkohol, der zum Waschen der weilsen Masse verwendet worden 
war, wurde zum ursprünglichen Aetherrückstand zurückgegeben und 
daraus durch öfteres Fällen mit Wasser und Lösen in Alkohol neue 
Mengen des Körpers erhalten. 


Da sich aus den folgenden Untersuchungen ergab, dafs dem 
krystallisierten Körper die Natur eines Alkohols zukommt, wurde 
demselben, im Einklang mit der neuen Nomenklatur und in An- 
lehnung an den Namen der früher vermuteten Stammpflanze des Gummi 
Opoponax, Opoponax Chironium, der Name Chironol beigelegt. 


Chironol. 


Um dasselbe analysenrein zu erhalten, wurde es wiederholt in 
Aether gelöst und nach dem Filtrieren nach Zusatz von etwas 
Alkohol, zur Krystallisation gebracht. Es bildete so eine schnee- 
weilse Krystallmasse ohne Geruch und Geschmack, von geringem 
Gewicht, beim Reiben nicht elektrisch. Es ist in der Kälte leicht 
löslich in Aether, Chloroform, Benzol, Petroläther und Aceton, beim 
Erwärmen in Alkohol, Eisessig, Phenol, Essigsäureanhydrid ohne 
Veränderung und durch Wasser daraus wieder fällbar oder beim Er- 
kalten daraus krystallisierend.. Aus Essigsäureanhydrid wird es 
krystallinisch gefällt. Unilöslich ist das Chironol in wässerigen 
Alkalien, die farblose Lösung desselben in Alkohol reagiert neutral. 
In Schwefelsäure löst sich das Chironol mit gelbroter, allmählich 
dunkler werdender Farbe, unter Entwicklung von schwefliger Säure. 
Die Lösung zeigt grüne Fluorescenz. Auf Zusatz von Wasser lälst 
sie einen grauweilsen, amorphen Niederschlag fallen, der durch das 
Filter geht. 

Die Lösung in Schwefelsäure wurde nach der von Tschirch !) 
angegebenen Methode auf ihr spektralanalytisches Verhalten geprüft. 
Beobachtung in direkter Sonne: Dünne Schichten, im durchfallenden 


1) Archiv d. Pharm. 1884, S. 136. 


A. Baur: Teber Opoponax. 225 


Licht hellgelb erscheinend, absorbieren nur Violett. Bei wachsender 
Schichtendicke rückt die Endabsorption der blauen Spektrumshälfte 
immer weiter gegen Gelb vor, so dafs dickere Schichten, die im 
durchfallenden Lichte tief orange erscheinen, nur Rot und Gelb 
durchlassen. 

Das Chironol krystallisiert aus allen seinen Lösungsmitteln in 
seidenglänzenden Nadeln, oft von der Länge bis zu !/, cm, zuweilen 
zu fächerförmigen Drusen vereinigt. Erwärmt, schmilzt es zu einer 
schwach gelblichen Flüssigkeit und sublimiert dann nach dem 
Schmelzen in feinen weilsen Nadeln, die, in gröfserer Menge ver- 
einigt, ein watteartiges Aussehen besitzen. 

Der Schmelzpunkt des krystallisierten sowohl als des subli- 
mierten Ohironols liegt bei 176° (unkorr.), nachdem dasselbe bei 1730 
anfängt zu erweichen. Eisenchlorid verändert eine alkoholische 
Lösung von Chironol nicht. Mit Natrium geglüht, konnte darin 
weder Stickstoff noch Schwefel nachgewiesen werden. Auf Platin- 
blech erhitzt, schmilzt es zuerst und verbrennt dann unter Aus- 
stolsung weilser Dämpfe vom Geruch verbrennender Harze, ohne 
einen Rückstand zu hinterlassen. 

Die Elementaranalysen, sowohl krystallisierten als sublimierten 


Chironols, im Sauerstoffstrom mit Kupferoxyd ausgeführt, ergaben: 

I. 0,1344 g Substanz (sublimiert) verbrannten zu 0,4136 g CO, und 
0,1458 g H,O. 

II. 0,1184 g Substanz (krystallisiert) verbrannten zu 9,3645 g CO, und 
0,1273 g H,O. 

III. 0,1255 g Substanz (sublimiert) verbrannten zu 0,3873 g CO, und 
0,1325 g H,0. 

IV. 0,1513 g Substanz (krystallisiert) verbrannten zu 0,4671 g CO, und 


0,1613 g H3,0. 
Gefunden : Berechnet für Ca; H,O 
R EL2% 1, AHEL.F> EV 
C 83,92 83,90 84,16 84,19 84,0 
H:4.12,05, 11,94,.11,.73...11,84 12,0 


Die farblose Löslichkeit des Chironols in Phenol ermöglichte 
Molekulargewichtsbestimmungen nach der Raoult’schen Methode, 
beruhend aut der Depression des Erstarrungspunktes des reinen 
Phenols durch Zusetzen kleiner, abgewogener Mengen der Substanz: 


Phenol Substanz Depression 
I 2548 0,4282 g 0,304 
11. 23,908 0,2593 g 0,204 


Arch. d. Pharm, CCXXXIII. Bds. 3. Heft. 15 


226 A. Baur: Ueber Opoponax. 


Aus Bestimmung I resultiert das Molekulargewicht von 421, 
aus II dasjenige von 404. Es kann somit mit Sicherheit für das 
Chironol die einfache Formel C,; H,O angenommen werden, ent- 
sprechend einem Molekulargewicht von 400. 

Acetylierungs-Versuch: Um zu sehen, ob dem 
Chironol, das eine Hydroxylgruppe enthält, der Charakter eines 
Alkohols zukommt, wurde dasselbe der Acetylierung ausgesetzt. 

Zuerst wurde Chironol einige Minuten im Reagenzglas mit 
Essigsäureanhydrid gekocht und dann sofort in heifses Wasser ge- 
gossen. Es schied sich ein voluminöser, krystallinischer Nieder- 
schlag aus, der, ausgewaschen und getrocknet, nach dem Verseifen 
mit Kali keine Essigätherreaktion zeigte und ebensowenig beim Er- 
hitzen mit arseniger Säure den Kakodylgeruch gab; der Schmelz- 
punkt war ebenfalls unverändert. 

Mit Essigsäureanhydrid längere Zeit am Rückflufskühler ge- 
kocht, liefs sich ebenfalls keine Veränderung des Chironols kon- 
statieren. 

Ein dritter Versuch führte zu einem besseren Resultat. 
Chironol wurde in Essigsäureanhydrid gelöst und während 15 Stunden 
im geschlossenen Rohr auf 170° erhitzt. Beim Herausnehmen des 
Rohres hatten sich aus der Flüssigkeit weifse, verfilzte Nadeln aus- 
geschieden. Der Inhalt wurde in heifses Wasser ausgegossen, mit 
heifsern und dann mit kaltem Wasser ausgewaschen, getrocknet und 
aus Aetheralkohol umkrystallisiert. Die Krystalle waren von rein 
weilser Farbe, geruch- und geschmacklos, nadelförmig und zu fächer- 
törmigen Büscheln vereinigt. Mit arseniger Säure erhitzt lieferten 
sie Kakodylgeruch. Der Schmelzpunkt lag bei 196° (unkorr.). Die 
Löslichkeitsverhältnisse waren von denen des reinen Chironols 
nicht verschieden. Auf dem Platinblech erhitzt, hinterliefs es keinen 
Rückstand. 


Die Elementaranalyse der über Schwefelsäure getrockneten Sub- 
stanz ergab: - 
I. 0,1194 g Subst. verbrannten zu 0,3566 g CO, 
und 0,1240 g H,O 


IE ERENTO , 5 zu 0,3631 g CO 
und 0,1247 g 3,6 
Gefunden: Berechnet 
T: I. für O3 H,, 0 (CH, CO) 
C 81,45 81,77 s1,44 


H 114,53 11,43 11,31 


A. Baur: Ueber Opoponax. 227 


Die Formel Cs; H,, O (CH, CO) beweist die Richtigkeit der An- 
nahme der Formel Cs; H;; O mit einer Hydroxylgruppe. 

Benzoylierungsversuch: Da es gelungen war, eine 
Acetylgruppe in das Chironol einzuführen, so machte ich nun auch 
den Versuch, dasselbe zu benzoylieren und wurde dieser Versuch 
schliefslich folgendermalsen ausgeführt. Chironol wurde im Reagens- 
eylinder in Benzoylchlorid eingetragen und etwas erwärmt. Es trat 
sofort, unter starker Wärmeentwickelung und Ausstolsung von Salz- 
säuredämpfen eine heftige Reaktion ein, die durch Erwärmen unter- 
stützt wurde. Die klare Lösung war tiefbraun geworden. Sie wurde 
noch heifs in Wasser gegossen und die sich abscheidende braune 
Schmiere mit kochendem Wasser zur Entfernung der Benzoesäure 
gewaschen. Die resultierende gelbe Masse wurde in Aether gelöst 
und aus Aetheralkohol öfters umkrystallisiert, zum Schlufs noch 
mehrmals mit Alkohol gewaschen, um sicher zu sein, dafs keine freie 
Benzoesäure vorhanden. Jedoch war es nicht möglich, dieselbe rein 
weils zu erhalten: sie zeigte immer einen Stich ins Graue, was beim 
Arbeiten mit Benzoylchlorid häufig der Fall ist, da sich die ent- 
stehenden Nebenprodukte nur sehr schwer vollständig entfernen 
lassen. 

Die Krystalle hatten nicht nur ihre Form (sie bildeten mehr 
Blättchen, keine Nadeln), sondern auch ihren Schmelzpunkt verändert. 
Derselbe lag bei 186° (unkorr.). Die Löslichkeitsverhältnisse des 
Derivats waren von denen des Chironols nicht verschieden. Beim 
Erhitzen auf Platinblech hinterblieb kein Rückstand. 

Die Elementaranalyse der über Schwefelsäure getrockneten 
Substanz ergab folgende Zahlen: 

I. 0,1535 g Substanz verbrannten zu 0,4679 CO, n. 0,1465 g H, 0. 


IE. 0,1228 , a a -10,3750,,.,.00, n..0,1165, „.. H,0. 
Gefunden: Berechnet 
12 TE für Os, Hy, O (C,H, CO) 
C 83,13 83,28 83,33 
H 10,60 10,54 10,31 


Es zeigt diese Formel Cy, H,, O (C,H, CO) ebenfalls das Vor- 
handensein einer alkoholischen Hydroxylgruppe im Chironol an. 
Versuche der Darstellung einer Kaliumver- 
bindung: Im Anschlufs an die Acetylierungs- und Benzoylierungs- 
versuche suchte ich nun auch eine Kaliumverbindung des Chironoles 
15* 


228 A. Baur: TUeber Opoponax. 


darzustellen. Da dasselbe in wässerigen Alkalien, verdünnten so- 
wohl als konzentrierten, unlöslich ist, so wurde es in konzentrierter 
alkoholischer Kalilauge gelöst, einige Zeit gekocht und dann das 
Ganze in Wasser gegossen. Es schied sich ein amorpher volumi- 
nöser Niederschlag aus, der mit Wasser ausgewaschen wurde, bis 
das Filtrat keine alkalische Reaktion mehr zeigte. Nach dem Trocknen 
wurde in Aether gelöst, aus Aetheralkohol umkrystallisiert, die Kry- 
stalle mit Alkohol gewaschen und über Schwefelsäure getrocknet. 
Die Krystallform war diejenige des ursprünglichen Chironols, die 
Löslichkeitsverhältnisse unverändert, der Schmelzpunkt lag noch bei 
1760. Beim Glühen auf Platinblech hinterblieb kein Rückstand; es 
war somit kein Kali in die Verbindung eingetreten, wenn nicht viel- 
leicht die Verhältnisse hier ebenso liegen wie bei dem von Lüdy?) 
aus der Benzoe dargestellten Bezoresinol, welches zwar eine Kalium- 
verbindung bildet, die aber schon beim Auswaschen und dann beim 
Trocknen wieder in Benzoresinol und Kali zerfällt. 


Reduktionsversuch: Der Versuch, das Chironol zu 
reduzieren, wurde in folgender Weise ausgeführt: Es wurde in Eis- 
essig gelöst, der Lösung Zinkstaub zugesetzt und während mehrerer 
Stunden am Rückflulskühler erwärmt. Die Flüssigkeit wurde vom 
Rückstand abfiltriert, in Wasser gegossen und der abgeschiedene 
amorphe Niederschlag nach dem Trocknen in Aether gelöst und aus 
Aetheralkohol umkrystallisiert. Der Schmelzpunkt der Substanz lag 
bei 170° (unkorr... Es schien somit eine Veränderung eingetreten 
zu sein. Löslichkeitsverhältnisse und Krystallform waren von denen 
des Chironols nicht wesentlich verschieden. 


Die Elementaranalyse der über Schwefelsäure getrockneten 
Substanz ergab folgende Zahlen: 
I. 0,0811 g Substanz verbrannten zu 0,2458 g CO, u. 0,0924 g H,O. 
I. 0,0871, » 5 „ 0,2631 g CO, u. 0,0976g H20. 
III. 0,859 g Subst. verbr. zu 0,2601 gr CO, und 0,0962 g H,O. 


Gefunden: Berechnet für 
’B IT, III. C3Hn0: 
C 82,66 82,38 82,57 82,50 
H 12,66 12,44 12,44 12,50 


1) Archiv 1893, S. 64. 


A. Baur: Ueber Opoponax. 229 


Die Formel Cs, H,, O differiert von derjenigen des Chironols 
um C,H;, eine Erscheinung, für die vorläufig eine Erklärung noch 
nicht vorhanden ist. 

Ein fernerer Reduktionsversuch wurde mit metallischem 
Natrium gemacht. Chironol wurde in Alkohol gelöst und unter Er- 
wärmen metallisches Natrium zugesetzt. Nach einiger Zeit wurde 
in Wasser ausgegossen, ausgewaschen und der amorphe Niederschlag 
getrocknet. Sodann wurde in Aetheralkohol gelöst. Es krystalli- 
sierte daraus ein Körper in weilsen Drusen, dessen Schmelzpunkt 
bei 175° (unkorr.) lag. Das Chironol war somit nicht verändert 
worden. 

Bromierungsversuch: Chironol wurde in Chloroform 
gelöst und tropfenweise Brom zugesetzt bis zur rötlichen Färbung. 
Beim Erwärmen entwickelten sich Ströme von Bromwasserstoff ; 
beim Verdunsten der Lösung hinterblieb eine amorphe, bröcklige, 
braune Masse, die sich nur zum Teil in Alkohol löste, während ein 
gelbes, amorphes Pulver zurückblieb. Die alkoholische Lösung, in 
Wasser gegossen, liefs gelblich-weilse Flocken fallen, die in Aether, 
Chloroform und Alkohol löslich waren, aber aus keinem der Lösungs- 
mittel krystallisiert erhalten werden konnten. 

Der in Alkohol unlösliche gelbe Rückstand löste sich ebenfalls 
in Chloroform, war aber auch nicht krystallinisch daraus zu er- 
halten. Mit Kalk geglüht, war Brom in beiden nachzuweisen. 


OÖxydationsversuch,Chironolsäure: Da Chironol 
in Schwefelsäure ohne Zersetzung nicht löslich ist, so konnte nicht 
Kaliumbichromat als Oxydationsmittel verwendet werden. Der 
Versuch wurde in folgender Weise ausgeführt: Chironol wurde in 
Eisessig gelöst und nach dem Erkalten in kleinen Portionen eine 
Lösung von Chromsäure in Eisessig zugesetzt. Es trat eine, nament- 
lich beim Erwärmen ziemlich heftige Reaktion ein. Das Ganze 
wurde in Wasser gegossen, wobei sich ein Niederschlag von weils- 
licher Farbe in geringer Menge bildete, was auf eine zu heftige 
Einwirkung der Chromsäure schliefsen lies. Der schmierige Nieder- 
schlag wurde mit Wasser und kaltem Alkohol gewaschen, in Aether 
gelöst, filtriert und etwas Alkohol zugesetzt. Auch nach wochen- 
langem Stehen schieden sich aus der immer noch grünlich ge- 
färbten Lösung keine Krystalle ab. Auch bei Anwendung anderer 


230 A. Baur: Teber Opoponax. 


Mengenverhältnisse und Temperaturen war zu keinem Resultate zu 
gelangen. Ebensowenig war aus der vom Niederschlag abgetrennten, 
tiefgrünen Flüssigkeit durch Schütteln mit Aether etwas zu er- 
halten. 

Ein anderer Oxydationsversuch wurde mit verdünnter Sal- 
petersäure gemacht. Chironol wurde gepulvert mit ziemlich ver- 
dünnter Salpetersäure einige Zeit gekocht. Die Flüssigkeit nahm 
schwach gelbe Farbe an, gab aber auf Zusatz von mehr Wasser 
keinen Niederschlag, ebenso nicht nach dem Uebersättigen mit 
Alkali. Das Chironol dagegen ballte sich zu einer gelblichen 
spröden Masse zusammen, die mit Wasser ausgewaschen und in 
Aetheralkohol gelöst wurde. Nach dem Verdunsten des Aethers 
schieden sich aus der gelbgefärbten Flüssigkeit weilse Nadeln aus, 
die, mit Alkohol gewaschen und getrocknet, sich als unverändertes 
Chironol erwiesen. 


Ich änderte nun den Versuch in der Weise an, dafs ich ge- 
pulvertes Chironol im Reagensglase mit rauchender Salpetersäure 
übergofs und kurze Zeit erwärmte. Es trat sofort die Bildung von 
Untersalpetersäure auf, während das Chironol sich zu einer dunkel- 
gelben Masse zusammenballte. Diese wurde mit Wasser gewaschen 
(bis zum Ausbleiben der Diphenylaminreaktion) und dann in Aether, 
gelöst. Beim Verdunsten schieden sich gelbe Flocken, aber keine 
Krystalle ab. Auch aus Chloroform, Alkohol und Eisessig, in denen 
sich das Reaktionsprodukt löste, war es nicht möglich, Krystalle zu 
erhalten. 

Ich versuchte nun, mit Permanganat zum Ziele zu gelangen. 
Zu einer Lösung von Chirouol in Eisessig wurde nach dem Erkalten 
in kleinen Portionen eine Lösung von Kaliumpermanganat in Eis- 
essig zugefügt. Die Flüssigkeit entfärbte sich unter Abscheidung 
von Manganoxydull. Das Ganze wurde sodann mit Aether ge- 
schüttelt, dieser abgetrennt, verdunstet und der rein weilse Rück- 
stand aus Aetheralkohol krystallisiert. Die Krystalle waren nadel- 
förmig und filzig wie die des reinen Chironols, der Schmelzpunkt 
war unverändert und eine Verbrennung stimmte wieder auf die ur- 
sprüngliche Substanz. 

Da eine Permanganatlösung, kalt angewendet, nicht zum Ziele 
geführt hatte, wurde der Versuch in der Wärme gemacht. Eine 


A. Baur: Ueber Opoponax. 231 


heils bereitete Lösung von Chironol in Eisessig wurde sofort mit 
einer Lösung von Kaliumpermanganat in Eisessig versetzt. Es trat 
unter Gasentwickelung eine stürmische Reaktion ein unter Ent- 
färbung des Permanganats. Nach dem Erkalten wurde die Flüssig- 
keit mit Aether geschüttelt; der Aether hinterliefs nach dem Ver- 
dunsten eine gelbbraune, etwas schmierige Masse, die wiederum mit 
Aether aufgenommen wurde. Nach Zusatz von etwas Alkohol er- 
gaben sich nach dem Verdunsten keine Krystalle. Ebensowenig 
waren aus Chloroform und Eisessig solche erhältlich. Um das Pro- 
dukt zu reinigen, wurde es wiederholt in Eisessig gelöst und mit 
Wasser gefällt. Nach dem Auswaschen mit Wasser war es schliefs- 
lich rein weils, ohne krystallinische Struktur. Die alkoholische 
Lösung dieses Oxydationsproduktes rötete blaues Lackmuspapier und 
war in verdünnten Alkalien beim Erwärmen löslich. Durch Säuren 
wurden aus diesen Lösungen wieder weilse Flocken gefällt. Im 
Anschluls an den Namen Chironol, aus dem er dargestellt worden, 
erhielt der wie eine Säure sich verhaltende Körper den Namen 
Chironolsäure. 

Dieselbe war löslich: sehr leicht in kaltem Alkohol, während 
Chironol sich darin erst beim Erwärmen löst, ferner in Aether, Eis- 
essig, Chloroform, Benzol, Schwefelkohlenstoff, Aceton, sehr wenig 
dagegen und unter Zusammenbacken in Petroläther, in dem sich das 
Chironol hingegen schon in der Kälte leicht löst. Erwärmt fing der 
Körper bei 100° (unkorr.) an zusammenzusintern und war bei 108° 
(unkorr.) zu einer gelblichen Flüssigkeit zusammengeschmolzen. 

Die Elementaranalyse der über Schwefelsäure getrockneten 
Substanz ergab folgende Zahlen: 

I. 0,0733 g Subst. verbr. zu 0,2020 g CO, und 0,0700 g H,O 


lI. 0,0947 g „ x » 0,2607 g CO, „ 0,0901 g H,0 
Gefunden: Berechnet 
1. II, für Ca H;g O4 
Ga 75,08 75,00 
H 10,61 10,57 1971 


Es kommt somit diesem Oxydationsprodukt die Formel 
Cyg H,; 0, zu. 

Einwirkung von schmelzendem Alkali auf 
Chironol: Chironol wurde in kleinen Portionen zu in einer Silber- 
schale schmelzendem Kali zugesetzt. Es blähte sich anfangs stark 


232 A. Baur: Ueber Opoponax. 


auf und färbte sich dunkel, löste sich aber allmählich farblos in der 
Schmelze. Nachdem alles gelöst war, wurde die Masse noch kurze 
Zeit in ruhigem Flufs erhalten und nach dem Erkalten in Wasser 
gelöst. Die farblose Lösung wurde mit verdünnter Schwefelsäure 
angesäuert und wiederholt mit Aetlıer geschüttelt, dieser abgetrennt 
und vorsichtig verdunstet: es hinterblieb nichts als einige Krystalle 
von Kaliumsulfat. Ein charakteristischer Geruch, der auf Fettsäuren 
oder andere riechende Produkte hätte schliefsen lassen, war nicht 
zu bemerken. Weitere Versuche mit längerer oder kürzerer Ein- 
wirkung des schmelzenden Kali hatten dasselbe negative Resultat. 
Somit ist anzunehmen, dafls das Chironol durch die Kalischmelze 
vollständig zerstört wird. 


Um zu sehen, ob und inwieweit die Destillation mit gespanntem 
Wasserdampf die Resene und das Resinotannol verändert habe, 
suchte ich dieselben auch aus den Destillationsrückständen darzu- 
stellen. 

Dies wurde in folgender Weise ausgeführt: 


Nachdem vom Aetherauszug der getrockneten Rückstände 
der Aether abgezogen und daraus durch wiederholtes Lösen in wenig 
verdünntem Alkohol und Ausfällen mit Wasser alles Chironol entfernt 
worden war, wurde der Rückstand, nach dem Trocknen, in Aether 
gelöst und mit viel Petroläther gefällt. Es fiel eine braune, 
schmierige Harzmasse, die abgetrennt wurde. Die überstehende 
Flüssigkeit wurde destilliert, ihr Rückstand nochmals in Aether ge- 
löst und mit Petroläther gefällt u. s. w., bis der Petroläther keine 
Trübung mehr hervorrief. Die resultierenden Auszüge wurden ver- 
einigt, der Petroläther abgezogen und der Rückstand getrocknet. 
Es resultierte so ein Körper, dessen Löslichkeitsverhältnisse sowohl 
als Aussehen mit denjenigen des aus der ursprünglichen Rohdroge 
dargestellten «-Resens übereinstimmten. 


Eine Veränderung durch den Destillationsprozels schien somit 
hier nicht eingetreten zu sein. Die Elementaranalyse des über 
Schwefelsäure getrockneten Körpers ergab folgende Resultate : 


I. 0,1413 g Substanz verbrannten zu 0,3952 g CO, u. 0,1348 g H,O, 


I. 035g „ E „06505 „ n0aBer 
II. 0,1870 g E 5 „052585 „ 2.078273 


A. Baur: Ueber Opoponax. 233 


Gefunden: Berechnet 
L LE LER für 079 H, 0, 5 
(a 76.27 76,41 76,68 76,49 
H 10,59 10,59 10,63 10,75 


Vergleicht man mit obigen Zahlen die für das aus der ursprüng- 
lichen Droge dargestellte «-Resen gefundenen Zahlen: 


% TE 
BU) 7 70,20 76,54 Proz. 
H 10,91 10,83 


” 


so ergiebt sich hieraus die Identität der beiden Körper und die 
gleiche Formel C,, H;, O,. 

Die beim Fällen des Aetherauszuges mit Petroläther hinter- 
bleibende Masse wurde mit Petroläther digeriert und nach dem Ab- 
gielsen des letzteren durch wiederholtes Lösen in Alkohol und Fällen 
daraus gereinigt. Sodann wurde in Aether gelöst und dieser mehr- 
mals mit Ammoniak geschüttelt, wobei ein Teil mit brauner Farbe 
an das Ammoniak ging. Nach der Trennung der Schichten wurde 
der Aether verdampft. Der resultierende Körper stimmte in allen 
seinen Eigenschaften mit dem aus der Rohdroge durch Extraktion 
mit Aether erhaltenen #-Resen überein, was ebenfalls eine Ver- 
änderung durch den Wasserdampf ausschliefst. Die Elementar- 
analyse ergab folgende Zahlen: 

I. 0,1776 g Substanz verbrannten zu 0,4866 g CO, u. 0,1621 g H,O. 


I. 0,2190 g = I »:0,5990 8; ı 7. u. 0,2023, 05 
IT 02111 g = > „ 05 gg. „ a Eimizeme 
Gefunden: Berechnet 
T II. III. für Ca Hz O5: 
C 74,12 74,59 74,63 7441 
H 10,4 10,27 10,28 10,07 


Obige Zahlen, verglichen mit denjenigen, die für das aus der 
Rohdroge dargestellte #-Resen gefunden wurden, nämlich : 


I. I. 
C 74,26 74,47 Proz. 
H 10,8 9,82 „ 
ergeben die Identität der beiden Körper und die gleiche Formel 


0 Hz O;. 

Nach dem Extrahieren mit Aether wurden die Rückstände mit 
Alkohol erschöpft und mit der resultierenden braunschwarzen Lösung 
auch die vom Aether abgetrennte Ammoniakschicht vereinigt. Nach 
dem Eindampfen hinterblieb eine schwarzgefärbte, etwas schmierige 


234 A. Baur: Ueber Opoponax. 


Masse von bitterem Geschmack. Zur Reinigung wurde wiederholt 
in Alkohol gelöst, filtriert und mit salzsäurehaltigem Wasser gefällt. 
wobei sich eine körnige Masse abschied. Sodann wurde mit Ammoniak 
digeriert, wobei sich nicht alles löste, hieraus wieder mit Salzsäure 
gefällt, wobei die überstehende Flüssigkeit braune Farbe annahm, 
und, um schliefslich ein aschefreies Produkt zu erhalten, mit Blei- 
essig niedergeschlagen. Der Niederschlag wurde mit heilsem Wasser 
und Alkohol gewaschen, in Alkohol suspendiert und Schwefelwasser- 
stoff eingeleitet. Nach dem Abfiltrieren des Schwefelbleis wurde 
die alkoholische Harzlösung wieder mit salzsäurehaltigem Wasser 
gefällt und damit solange fortgefahren, bis das Produkt aschefrei 
geworden war. Es resultierte ein braunes Pulver, dessen Eigen- 
schaften übereinstimmten mit denjenigen des Pana-Resinotannols und 
das, zur Verbrennung gebracht, folgende Zahlen ergab: 
I. 0,1107 g Subst. verbr. zu 0,2826 g CO, und 0,0867 g H,O. 


II. 0,2048 g r ® „ 0,5226. 5 00, „ 015820 
IH. 017568 „ ». » 04459 & CO, „ 0,1865 & 350. 
Gefunden: 

C 69,62 69,59 69,25 
Hi, 870 8,61 8,63 
Berechnet für O3, H;, O5: 

69,62 
8,93 


Vergleicht man diese Zahlen mit denjenigen, die die Elementar- 
analyse des aus der Rohdroge dargestellten Tannols ergeben hatte, 


nämlich: 
11176937 Broz.:C: IV. 69,94 Proz. C V. 69,85 Proz. C. 
883, JEMEN 866. SSp0 EN 878.10 


so ergiebt sich auch hier die Identität der beiden Körper und es 
scheint somit auch hier durch den Wasserdampf der Destillation 
eine Veränderung nicht eingetreten zu sein. 


c) Versuche der Darstellung des Chironols aus 
h der Rohdroge. 

Um zu konstatieren, ob das aus den Rückständen der Destilla- 
tion mit gespanntem Wasserdampf erhaltene Chironol schon im ur- 
sprünglichen Gummiharz vorhanden oder ob dasselbe als ein Zer- 
setzungsprodukt aufzufassen sei, untersuchte ich zuerst den Petrol- 
ätherauszug der Rohdroge. Wäre Chironol in derselben vorgebildet, 
so müsste dasselbe, da es sich in siedendem Petroläther leicht löst, 


A. Baur: Ueber Opoponax. 235 


bei der Extraktion am Rückflufskühler in denselben übergegangen 
sein. Verschiedene Versuche, die mit dem Rückstand dieser Extrak- 
tion gemacht wurden, führten niemals zu Chironol, so dals als sicher 
anzunehmen ist, dals dasselbe im Opoponax nicht vorgebildet ist. 
Auch in den andern Auszügen war es nicht nachzuweisen. 


Bei längerem Destillieren der Rohdroge mit gewöhnlichem 
Wasserdampf wurde Chironol aus den Rückständen nicht erhalten, 
es scheint somit gespannter Dampf von hoher Temperatur notwendig 
zu sein, um die Zersetzung herbeizuführen. 


Trotzdem die Harze sich beim Kochen gegen Schwefelsäure 
und Alkali als resistent erwiesen hatten, wurde dennoch versucht, 
dieselben durch gespannten und überhitzten Wasserdampf einzeln 
zu zerlegen. Aber auch diese Versuche führten zu keinem Resultat, 
Chironol war daraus nicht erhältlich. Da sich aufserdem die übrigen 
aus den Destillationsrückständen dargestellten Körper als mit den- 
jenigen der Robdroge identisch erwiesen hatten, so ist nicht daran 
zu zweifeln, dafs das Chironol nicht ein Zersetzungsprodukt der 
Harze darstellt. 


B. Das ätherische Oel. 


Obgleich eine eigentliche Untarsuchung des Opoponaxöles 
nicht im Programm vorliegender Arbeit lag, so wurden gleichwohl 
einige Versuche mit demselben gemacht. 


Der Petrolätherauszug des ursprünglichen Gummiharzes ent- 
hielt auch die Hauptmasse des Oeles. Um dasselbe von ebenfalls 
gelöstem Harz zu befreien, versuchte ich es zu fraktionieren. Im 
Anfang ging noch Petroläther über, aber bald begann sich die gelbe 
Flüssigkeit im Kolben grün zu färben und das Destillat von schwach 
gelber Farbe zeigte starken Geruch nach Zersetzungsprodukten. Bei 
weiterem Erhitzen, und zwar schon unter 170%, wurde das Destillat 
immer dunkler gelb gefärbt, während der Kolbeninhalt schliefslich 
schwarzgrüne Farbe zeigte und beim Erkalten fest wurde. Destillat 
sowohl, wie Rückstand rochen stark empyreumatisch. 

Um die Destillation bei niedrigerer Temperatur vornehmen zu 
können, wurde der Fraktionierapparat an die Luftpumpe ange- 
schlossen. Obschon ich hierbei nicht über 130° erhitzte, so zeigten 
sich gleichwohl wieder Zersetzungsprodakte, die auch beim Versuche 


236 A. Baur: Ueber Opoponax. 


einer Trennung von Harz und Oel durch Fraktionieren im Kohlen- 
säurestrom auftraten. Es blieb, da auch durch Lösungsmittel eine 
Trennung nicht möglich war, nichts übrig, als mit Hilte von Wasser- 
dampf das Oel zu entfernen. (s. oben.) 

Der zuerst übergehende Anteil, der noch ziemlich viel Petrol- 
äther enthielt, war beinahe farblos. Beim Stehen über Wasser 
schied er allmählich eine weilse Haut ab, die sich unter Gelb- 
färbung am Boden des Kolbens absetzte und sich als, wahrschein- 
lich durch den Sauerstoff der Luft verharztes, Oel erwies. Das 
überstehende Oel wurde abgetrennt und durch vorsichtiges Er- 
wärmen möglichst vom Petroläther befreit. 


Nach dem Trocknen über Chlorcalcium versuchte ich, es zu 
fraktionieren: zuerst destillierte reiner Petroläther; von ca. 900 
ab nahm das Destillat aromatischen Geruch an und der Hauptanteil 
ging zwischen 105 u. 1200 über. Bis 1500 war dann das Destillat 
noch dünnflüssig und farblos, von 1500 an wurde es gelb und nahm 
dabei mehr die Konsistenz eines hellen Oeles an. Leider war es 
mir nun nicht möglich, diese farblosen Fraktionen zur Verbrennung 
zu bringen, da dieselben immer noch Petroläther enthielten und 
dieser bekanntlich kaum zu entfernen ist. Weder ein Redestillieren 
mit Wasserdampf, noch Durchsaugen von Luft, die das Oel mit 
samt dem Petroläther fortrifs, führten zum Ziele. Immerhin glaube 
ich vermuten zu können, dals es sich hier eher um Terpene handelt, 
während dann die gleich zu besprechenden Fraktionen eher die 
esterartigen Anteile darstellen würden. 

Die nach dem Vorigen übergehende Partie des ätherischen 
Oeles war nun hellgelb gefärbt und in Aussehen und Konsistenz 
eher einem fetten Oele ähnlic. Der Geschmack war scharf 
brennend, der Geruch angenehm und aromatisch. Es war nicht 
mischbar mit wässerigen Alkalien, löslich dagegen in Alkohol, Aether 
und Petroläther. 

Ein Versuch, dieses Oel in verschiedene Fraktionen zu zer- 
legen, ergab ein negatives Resultat insofern, als bald, auch bei An- 
wendung des Vacuums, wieder der Geruch nach Zersetzungsprodukten 
auftrat. 

Da in letzter Zeit durch eine Reihe von Arbeiten das Vor- 
handensein von Estern in einer grofsen Anzahl von ätherischen Oelen 


A. Baur: Ueber Opoponax. 237 


nachgewiesen worden, so machte ich mit diesem Anteil des Opoponax- 
öles Verseifungsversuche. Ein Teil derselben wurde zuerst mit einer 
3 prozentigen, wässerigen Kalilauge am Rückflufskühler gekocht. Es 
trat aber so heftiges Stolsen ein, dafs der Versuch unterbrochen 
werden mulste. Beim Kochen mit 3 prozentigem alkoholischem Kali 
war das Stolsen geringer. Nach mehrtägiger Einwirkung wurde 
das immer noch in zwei Schichten getrennte Reaktionsgemisch in 
Wasser gegossen und dann mit Aether geschüttelt. Die Schichten 
trennten sich nur schwierig, wobei der Aether braune Farbe annahm, 
wahrscheinlich herrührend von braunem Aldehydharz aus Kalilauge 
und Alkohol. Der Aether wurde verdunstet und die resultierende 
braune, etwas dickliche Flüssigkeit nach dem Trocknen über frisch 
geglühtem Kalicarbonat fraktioniert. Die Hauptsache ging zwischen 
220 und 255° über. Es war dies eine farblose, lichtbrechende 
Flüssigkeit von sehr angenehmen, an Anis erinnerndem, Geruch und 
scharf brennendem Geschmack. Die alkalische Flüssigkeit wurde 
mit Schwefelsäure angesäuert und mit Aether ausgeschüttelt. Nach 
dem Verdunsten des Aethers hinterblieb etwas Wasser, das den 
unangenehmen Geruch einer Fettsäure, deren Identität durch den 
Geruch nicht genau zu bestimmen war, besafs und deutlich sauer 
reagierte. Dieser Geruch stimmte überein mit demjenigen, der bei 
den Verseifungsversuchen mit den Harzen aufgetreten war. Eine 
nochmalige Destillation dieser Flüssigkeit mit Wasserdampf führte 
zu einem Destillat von denselben Eigenschaften. Leider ist es mir 
nicht gelungen, genügende Mengen von dieser Säure zu erhalten, 
um deren Siedepunkt bestimmen oder sie zur Verbrennung bringen 
zu können, jedoch läfst der charakteristische Geruch die Anwesenheit 
einer Fettsäure aulser Zweifel. 


Der Verseifungsversuch wurde nun, um die Oelschicht von der 
wässerigen, alkalischen besser trennen zu können, dahin abgeändert, 
dafs die, bei der Verseifung resultierende Flüssigkeit durch 
Destillieren mit Wasserdampf abgetrennt wurde. Die zurückbleibende 
alkalische Lösung verhielt sich beim Ansäuern inbezug auf die auf- 
tretende Fettsäure gleich wie beim vorigen Versuch, dagegen ent- 
hielt sie noch eine harzartige, braune schmierige Masse, aus der das 
Alkali entfernt wurde. Dieselbe wurde successive mit Petroläther, 
Aether und Ammoniak und schliefslich Alkohol behandelt, wobei 


238 A. Baur: Ueber Opoponax. 


alle Lösungsmittel etwas aufnehmen, genau wie beim ursprünglichen 
Gummiharz. Auch bei diesem Verseifungsversuch konnte aus der 
vom Wasser abgetrennten und getrockneten Oelschicht wieder der 
zwischen 220 und 255 0 übergehende Hauptanteil erhalten werden. 
Derselbe wurde durch fraktionierte Destillation in einzelne Anteile 
zerlegt, deren Geruch mit Zunahme des Siedepunktes allmählich ab- 
nahm, so dafs z. B. eine zwischen 250 und 255° (unkorr.) über- 
gehende Fraktion nur noch geringen Geruch zeigte. Ueber 255 
färbte sich die Flüssigkeit gelb und roch dann unangenehm. Die 
Fraktion zwischen 250 und 255, die vollständig farblos war, wurde 
zur Verbrennung gebracht, nachdem sie über frisch geglühtem Kali- 
carbonat getrocknet worden. Es ergaben sich folgende Zahlen: 


I. 0,1539 g verbrannten zu 0,4834 g CO, und 0,1672 g H,O 


II. 0,1086 g d „ 0,3418 g CO, „ 0,1209 & H,O 
II. 0,1074 g z „ 0,3369 g CO, „ 0,1154 g H,H 
Gefunden: Berechnet für 0,, H,O 
T. iR 1, 
C. 85,66 85,91 85,99 85,71 
H4412,07. 12,36 11,93 12,24 


Vergleicht man diese Formel C,,; Hg, OÖ mit derjenigen des 
Chironols, Os, Hjs O, so erkennt man, letztere verdoppelt, dals sie sich 
von derjenigen der Oelfraktion durch einen Mehrgehalt von einem 
Atom Sauerstoff unterscheidet. Da nun die Resene durch Destillation 
mit gespanntem Wasserdampf nicht verändert zu werden scheinen, 
so ist nicht ausgeschlossen, dafs das Chironol aus dem Oel gebildet 
wird, was noch zu untersuchen wäre. 

Dafs durch Alkali eine Verseifung von Estern stattfindet, 
beweist nicht nur das Auftreten des Geruches nach Fettsäuren, 
sondern auch das Verhalten des vom Alkali abdestillierten Oeles, das, 
mit Benzoylchlorid versetzt, beim gelinden Erwärmen unter lebhaftem 
Kochen, eine stürmische Reaktion lieterte. Die resultierende braun- 
schwarze Schmiere war aber leider nicht zu reinigen, so dals eine 
krystallisierte Verbindung nicht erhalten werden konnte. Immerhin 
lälst die eingetretene Reaktion auf eine Benzoylierung und so- 
mit auf das Vorhandensein von Oelalkoholen (sog. Oleolen) im Oel- 
anteil schliefsen. 

Mit konzentrierter Salpetersäure erwärmt schäumte das Oel 
zuerst stark auf und ging dann beim Erkalten in eine feste, harz- 


A. Baur: Ueber Opoponax. 239 


artige Masse von grofser Brüchigkeit über. Sie war unlöslich in 
Petroläther, löslich dagegen zum Teil in Aether, zum anderen Teil 
in Alkohol. Die restierende, nicht mehr ölige Flüssigkeit war intensiv 
gelb gefärbt und zeigte die Reaktionen der Pikrinsäure. Mit kon- 
zentrierter Salpetersäure weiter erhitzt ging dann auch die harzartige 
Masse allmählich vollständig in Lösung. 


C. Der Bitterstoff. 


Das beim Auskochen des Alkoholauszuges der Rohdroge, resp. 
des Resinotannols resultierende Wasser besals stark bitteren Ge- 
schmack und versuchte ich defshalb, den Bitterstoff daraus darzu- 
stellen. Beim Eindampfen resultierte eine braunschwarze Flüssigkeit, 
aus der auch bei längerem Stehen keine Krystalle erhältlich waren, 
während beim Verdampfen eine braune Schmiere, die anorganische 
Stoffe enthielt, zurückblieb. Um den Bitterstoff rein zu erhalten, 
wurde das Wasser mit Tierkohle digeriert und dann versucht, ihn 
der Tierkohle durch Extraktion mit Alkohol zu entziehen, was auch 
gelang, denn der Alkohol zeigte stark bitteren Geschmack. Aber 
auch jetzt war zu einem krystallisierten Körper trotz monatelangen 
Stehens nicht zu gelangen. 

Da sich aus der wässerigen Lösung durch Zusatz von Blei- 
essig ein brauner Niederschlag abschied, versuchte ich die Reinigung 
in der Weise, dafs ich mit Bleiessig fällte, von der überstehenden 
braunen Flüssigkeit abtrennte, mit Wasser auswusch und hernach 
darin suspendierte. Es wurde nun Schwefelwasserstoft eingeleitet 
und vom gebildeten Schwetelblei abfiltriert. Die resultierende, 
schwach gelblich gefärbte Flüssigkeit besals bitteren Geschmack. 
Es war aber auch jetzt weder ein krystallisierter Körper, noch ein 
reiner amorpher, nicht erhältlich. Mit Eisenchlorid färbte sich die 
gelbe wässerige Lösung dunkler. 


D. Das Gummi. 


Das in teilweise sehr schönen, durchsichtigen und fast weilsen 
Körnern aus der Droge ausgelesene Gummi, das die Hauptsache der 
Droge ausmachte, löste sich in heilsem Wasser und war daraus 
durch öfteres Fällen mit Alkohol fast rein weils zu erhalten. Eine 
Untersuchung desselben wurde nicht vorgenommen und sei hier auf 
eine eingehende Untersuchung eines anderen Burseraceengummis, 


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Erz 
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der 4 


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der Myrrhe, mit dem sich Köhler!) beschäftigte, verwiesen. 


Anhang. 
Mekkabalsam. 
Da, wie sich aus dem botanischen Teil vorliegender Arbeit 
ergiebt, das von mir untersuchte Opoponax von einer Burseracee 
stammt, so will ich gleich hier einiger Beobachtungen, die ich mit 


einem andern Burseraceenharz, nämlich dem Mekkabalsam ge- 


macht habe, Erwähnung thun. 
Die Stammpflanze des schon im Altertum als Heilmittel und 


Wohlgeruch hochgeschätzten, auch in ger Bibel mehrfach erwähnten 
Fortsetzung im Heft IV. 


Nachtrag zu der Arbeit von F. Koch: Beiträge zur Kenntnis der 
mitteleuropäischen 6alläpfel, sowie der Serofularia nodosa L. 


Diese Arbeit ist auf Veranlassung von Herrn Professor Dr. 


H. Brunner im chemischen Laboratorium der Uni- 


versität Lausanne ausgeführt und spreche ich ihm für die mir 


erwiesene Unterstützung und Förderung dieser Untersuchungen meinen 
wärmsten Dank aus. Was das Gallocerin in den Gallen, sowie den 
Nachweis von Lecithin, Cholin, Palmitinsäure, Oelsäure, Phosphor- 
säure und Kaffeegerbsäure in Scrofularia nodosa anbetrifft, so hat 
Herr Professor Brunner darüber im Juli 1894 in der „Societe 


vaudoise des sciences naturelles“ in unsern beiden Namen referiert 


und ist danach dieser Teil als von uns Beiden publiziert aufzufassen. 


München, den 30. März 1895. 
F. Koch. 


Berichtigungen. 

1. Zu ie Abhandlung vonDoebner: „Ueber Chinolin im Braun- 

kohlentheer“, Bd. 232, Seite 693, Zeile 16 statt „Siedepunkt 2300“ lies. 
Siedepunkt 9370. 

2. Zu der Abhandlung desselben über Brucinpolysulfid ibidem 

Seite 695, Zeile 14 statt C 52,02 Proz. lies C 51,02 Proz. 


1) Archiv der Pharm. 1890. S. 293. 


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ARCHIV 


DER 


PHARMACIE 


herausgegeben 


vom 


Deutschen Apotheker-Verein 
unter Redaction von 


E. Schmidt und H. Beeckurts. 


Band 233. Heft 4 


BERLIN. 


Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereins. ; z 


1895. 


INHALT. 


A. Baur, Ueber ‘das Burseraceen-Opoponax . . 241 

OÖ. Chimani, Untersuchungen über den Bau der Milchröhren, mit 
besonderer Berücksichtigung der Kautschuck und REN 
percha liefernden Pflanzen . . . 253 

M. Hohenadel, Ueber das Sagapen . . 259 
Arbeiten aus dem pharmazeutischen Institut der Ubi- 
versität Bern. 

C. Boettinger, Zur Kenntniss der Glyoxylsäure . . 286 

Dr.P.C. Plugge. Ueber die Identität von Baptitoxin und Cytisin 294 
Untersuchungen aus dem pharmaceutischen Laboratorium 
der Universität Groningen. 

H. Kiliani. Ueber ERS puz Du ‚sermanig und Digital 

num verum . )', 
- - Ueber #8 Digitoxin . En e 


Eingegangene Beiträge. 


A. Partheil, Ueber die Bestimmung des Glycerins im Weine etc. 

K. Th. Hallström, Anatomische Studien über den Samen der Myristi- 
caceen und ihre Arillen. 

E. Winterstein, Chemische Zusammensetzung von Pachyma Cocos und 
Mylitta lapidescens. 

H. Beckurts, Zur Kenntnis der Angostura-Alcaloide. 

H. Beckurts und H. Seiler, Ueber Fettuntersuchungen. mit dem 
Refractometer. 

H. Beckurts und F. Oelze, Zur Kenntnis des Hirschtalgs. 

P. C. Plugge, Ueber das Vorkommen von Cytisin in verschiedenen 
Papilionaceen. 


(Geschlossen den 21. Juni 1895.) 


Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel 
monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis 
50 Bogen. Ladenpreis für den Jahrgang Mk. 12,—. 


Alle Beiträge für das „Archiv‘‘ sind an die 
Archiv-Redaction 


Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg (Hessen) 
oder Herrn Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig, 


alle die Inserate u. s. w., überhaupt die Archiv-Verwaltung und 
die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den 


Deutschen Apotheker-Verein 


Berlin ©. 22, An der Spandauer Brücke 14 
einzusenden. 


Anzeigen. 


Dieselben werden mit 40 Pfg. für. die durchgehende und mit 25; Pfg für die gespaltene 


Seite 


Petitzeile oder deren Raum berechnet, Beilage-Gehühr für das Tausend der Auflage — 53 
z.Z. 3650 — Mk. ıo. Für Beilagen, welche nicht dem Format des „Archiv“ entsprechen, A 


bleibt besondere Vereinbarung vorbehalten 


Fe she 0-0 be ie ne 


” 


A. Baur: Ueber Opoponax. 241 


4 Mekkabalsam führt verschiedene Namen. Erwähnt seien hier: 
= Balsamodendron gileadense Kunth, Amyris Opobalsamum Forsk und 
Berg, Amyris gileadense, Balsamodendron Ehrenbergianum, Commi- 
phora Opobalsamum Engler u. s. w. 
| Nach Angabe verschiedener Autoren soll der gewöhnliche 
Mekkabalsam dargestellt werden durch Auskochen der Blätter und 
Zweigspitzen des Balsamstrauches und dürfte somit ein wenig reines 
Produkt vorstellen, während der im Orient ziemlich hoch im Preise 
stehende Balsam eher die auf den Zweigen ausgeschwitzten Tröpfehen 
darstellen dürfte.!) 
Chemische Untersuchungen des Mekkabalsams sind ansgeführt 
worden von Trommsdorftf?, und Bonastre?°). Hier kurz die 
Ergebnisse der Analysen: 


Trommsdorff: Bonastre: 
Aether. Oel 30,0. Aether. Oel 10,0. 
Hartes Harz 64,0. Lösl. klebendes Harz 70,0. 
Klebendes Harz 4,0. Unlösl. Harz (Burserin) 12,0. 
Bittere, färbende Subst. 0,4. Bitteres Extrakt 4,0. 
Saure Subst. u. fremde Beimengungen 1,0. 
Beim Vergleich der Resultate erkennt man, dafs dieselben wenig r 


mit einander übereinstimmen. 

Mit dem Mekkabalsam haben sich ferner beschättigt: 

Vauquelin, Hirschsohn, Kreme)), Fristedt®), 
Heyd’), Nicolai?). 

Der Balsam, der mir zur Untersuchung diente, stammte von 
Gehe u. Cie. und trug die Bezeichnung „naturale“. 


1) Vergl. Schweinfurth: „Ueber Balsam u. Myrrhe“. 
Ber. d. pharm. Ges. 1893. S. 226. 

2) Neues Journ., Bd. 16, S. 62 u. f. 1828. 

3) Journ. de Pharm. 1832, XVIII. 94, 333. 

4, Archiv, 1877, Bd. 8, 160. 1878, Bd. 10, 514. 

5) Archiv, 1886, Bd. 24, 854. 

6) Pharm. Handelsblatt, Bunzlau, 16. Aug. 76. 

Upsala Läkareforen Fört. Bd. 11, H. 7 u. 8, pag. 657. - 

7) Geschichte d. Levantehandels im Mittelalter II. 1879, 566—72. 

8) Balsamum de Mecca, Dissertatio medico-physica. Wittenberg1726. 

Vergl. ferner: Husemann-Hilger, Pflanzenstoffe S. 865. Wiesner, 
Rohstoffe S. 103. Henkel, Pharmakognosie S. 452. Wiggers, Pharma- 
kognosie S. 620. Wigand, Pharmakognosie $S. 362. Wittstein, Hand- 
wörterbuch d. Pharmakognosie S. 533. Guibourt, Drogues simples 2 
III. 505. Henkel, Waarenkunde S. 11. Fehling, Handwörterbuch II. 622. De; 
Beilstein, org. Chemie II. 1795. Berzelius, Jahresbericht S. 13. 299, 4, 
Museum Museorum S. 402. Annalen d. Chemie u. Pharm. Bd. III- 147. 


Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 4. Heft, 16 


242 A. Baur: Ueber Opoponax. 


Er war dickflüssig, von braungelber Farbe, wenig trübe und 
reagierte schwach sauer. 


Sein Geruch war angenehm aromatisch und erinnerte an den- 
jenigen der Koniferenharze, wie dies auch Schweinfurth angiebt 
der Geschmack war bitterlich kratzend und etwas brennend. Der 
Balsam war löslich: klar in Aether, Aether-Alkohol, Aceton und 
Essigsäure, trübe in Alkohol, Petroläther, Benzol, Chloroform, 
Toluol, ebenso in Schwefelkohlenstoff, wobei sich oben eine braun- 
gelbe Schicht abschied. 


Da eine Trennung des ätherischen Oeles vom Harz durch Lösungs- 
mittel nicht zu erreichen war, wurde der Mekkabalsam der Destillation 
mit Wasserdämpfen unterworfen, wobei mit dem Wasser eine beträcht- 
liche Menge eines am Anfang farblosen, später gelblich werdenden 
Oeles von aromatischem, an Terpentinöl erinnerndem Geruch und 
hrennendem Geschmack überging, das vom Wasser abgetrennt 
wurde. Dieses Wasser reagierte sauer. Schüttelte man dasselbe 
mit Aether, so hinterlie(s dieser beim Verdampfen Spuren einer un- 
angenehm riechenden Fettsäure, deren Geruch demjenigen der 
Buttersäure zunächst kommt. Leider war es bei der geringen Menge, 
die ich erhielt, nicht möglich, dieselbe näher zu charakterisieren. 
Immerhin beweist ihr Auftreten, dafs auch im Oele des Mekkabalsams 
Ester von Fettsäuren vorkommen, die durch verseifende Mittel, 
wie z. B. Wasserdampf, zerlegt werden. 


Ein Versuch, das Oel durch fraktionierte Destillation in einzelne 
Anteile zu zerlegen, hatte insofern keinen Erfolg, als das Thermo- 
meter zwischen 140 und 170°, wo fast alles Oel übergeht, keinen 
konstanten Siedepunkt zeigte. Jedoch sei bemerkt, dafs der Haupt- 
anteil zwischen 153 u. 1570 (unkorr.) übergeht. Dieser Anteil ist 
farblos, dünnflüssig und besitzt den ausgesprochenen Geruch nach 
Terpentinöl, mit dem es übrigens auch den Siedepunkt (gegen 160°) 
gemein hat. 


Die folgenden Fraktionen nahmen allmählich gelbliche Farbe 
an, wurden etwas dickflüssiger und verloren den Terpentinölgeruch, 
sodals sie bei 160° (unkorr.) z. B. fast geruchlos waren, während 
eine Fraktion zwischen 160 und 170° mehr den Geruch nach gelben 
Rüben zeigte. 


A. Baur: Ueber Opoponax. 243 


Das bei der Destillation des ursprünglichen Balsams mit 
Wasserdampf über dem Harz stehende Wasser hinterlieis beim Ver- 
dampfen einen braunen, schmierigen Rückstand von stark bitterem 
Geschmack. 

Behandelt man das resultierende braunrote Harz in der Wärme 
mit verdünnter Natronlauge, so scheidet sich beim Erkalten ein 
schmieriger, einer Harzseife ähnlicher Körper ab, der an der Luft 
langsam erhärtet. Mit 1Oprozentiger Natronlauge enststeht beim Er- 
wärmen ein dem vorigen ähnlicher, fester Körper; bei einem Ueber- 
schufs’ von Balsam wird dagegen Seife nicht abgeschieden. Beide 
waren löslich in Wasser, Alkohol (daraus weilse Flocken absetzend), 
teilweise in Aether und Petroläther. Mit alkoholischem Kali entsteht 
keine feste Seife, mit Natriumcarbonat wird dieselbe ebenfalls 
schmierig. 

In Ammoniak ist der Balsam nicht vollständig löslich, bildet 
nur teilweise flüssige Seife und setzt einen harzartigen Körper ab. 
Aus den Lösungen der Seifen, die stark schäumen, läfst sich das 
Harz durch Säuren wieder ausfällen. Extrahiert man die Seifen mit 
Aether, so nimmt derselbe ein braunrotes Harz daraus auf, das sich 
mit Alkali nicht zu verbinden und mit den Seifen emulgiert zu sein 
scheint. 

Obiges Verhalten läfst es als wahrscheinlich erscheinen, dafs 
auch beim Mekkabalsam, wie bei den anderen untersuchten Bursera- 
ceenharzen (Opoponax, Myrrha)!) die Harze nicht Ester vorstellen, 
sondern eher in Form einer oder mehrerer Harzsäuren oder Alko- 
hole (Tannole), d. h. dem in Alkalien löslichen Anteil, neben gegen 
Alkali indifferenten Harzen vorhanden sind, welch letzteren ich den 
Namen Resene beigelegt habe. Was mich die Anwesenheit von Harz- 
säuren ebenfalls vermuten läfst, ist die Fälibarkeit der alkoholischen 
Lösungen der aus Alkali mit Säuren abgeschiedenen Harze durch 
Metallverbindungen, wie z. B. Baryumhydroxyd und Bleiacetat. 

Ich war leider durch äufsere Umstände genötigt, diese Arbeit 
vorläufig zu unterbrechen, glaubte aber doch, diese wenigen Re- 
sultate zur Vervollständigung der Kenntnis der Burseraceenharze an- 


führen zu sollen. 


) Köhler: Archiv. d. Pharm. 18%, S. 313. 
16* 


244 A. Baur: Ueber Opoponax. 


II. Botanischer Teil. 
1. Opoponax. 

Es war möglich, eine grölsere Anzahl von Pfianzenresten aus 
der im Handel befindlichen Droge auszulesen. Dieselben bestanden 
aus ziemlich grofsen und bisweilen eine Dicke von 6 mm erreichen- 
den Rindenstücken, die teils mit dem Korke bedeckt, teils von dem- 
selben befreit waren. Daneben fanden sich Korkbänder, teils papier- 
dünn, teils dick und von hornartiger Beschaffenbeit. Auch Holzstücke 
waren darin zu finden. z 

In der Rinde waren lysigene Gummiharzhöhlen zu beobachten. 
Es unterliegt somit keinem Zweifel, dafs das Opoponax ein Produkt 
der Rinde ist. Ob das Gummiharz auch im Holzkörper sich bilden 
kann, ist nicht ganz sicher. An einigen beigemengten Holzstücken 
war die Bildung von mit Gummiharz erfüllten Räumen, die deutlich 
den OÖharakter typischer Gummiharzlücken trugen, aulser Zweifel. 

Die Gefäfse des auffallend dünnwandigen Holzkörpers hatten 
eine Weite von 136—221 « und zeigten sehr starke Thyllenbildung. 

Die Markstrahlen besalsen eine Breite von 2—3 Zellen. Die 
Markstrahlzellen sind auffallend radial gestreckt. Im Holzparenchym 
findet sich Stärke. 

Von den beigemengten Rindenstücken blättert der Kork 
aufserordentlich leicht ab, indem er sich in der Phellogen- 
schicht loslöst. Die Korkzone besteht aus sehr zahlreichen Kork- 
zeilreihen und ist infolge Auftretens von Korktrennungsschichten in 
dünne Lamellen gespalten, so dafs man sie nickt selten in vier und 
mehr dünne Blätter mechanisch zerlegen kann. Die Korkzellen be- 
sitzen eine dünne Suberinlamelle und innerhalb derselben eine breite 
Celluloseauflagerung. Diese Schicht färbt sich daher mit Jod- 
Schwefelsäure blau. Sie ist so stark, dafs oft nur ein spalten- 
förmiges Lumen übrig bleibt. Bisweilen ist noch die haartragende 
Epidermis dem Kork aufsen aufliegend erhalten. 

Innerhalb der Korkschicht folgt die parenchymatische primäre 
Rinde, welche reichlich mit Phlobaphenen erfüllt und daher braun 
gefärbt ist. In zahlreichen Zellen finden sich wohlausgebildete 
klinorhombische Kalkoxalatkrystalle. 

Dann folgt der gemischte Ring, der schon auf dem Lupenbild 
als helle Zone sich zeigt. Er besteht vorwiegend aus stark ver- 


A. Baur: Ueber Opoponax. 245 


dickten Sklereiden, zwischen denen man nur vereinzelte Bastfasern 
erkennt und ist häufig gesprengt und in einzelne Gruppen aufgelöst. 

Die sekundäre Rinde läfst aut dem Querschnitt die mehrere 
Zellen breiten Rindenstrahlen nur undeutlich erkennen, besser an 
mit Schultze’'scher Macerationsflüssigkeit behandelten Präparaten, ist 
aber infolge von Tangentialreihen charakteristischer Sekretbehälter 
tangential gezont. Es wechseln nämlich schmale Phloömparenchym- 
bänder, deren Zellen einen braunen Inhalt führen und zwischen 
welchen man reichlich Sekretbehälter findet, mit sehr breiten Sieb- 
streifen ab, die charakteristische Obliteration der Siebelemente in 
hervorragendem Malse zeigen, so dafs hier neben wenigen, meist 
krystallführenden Phloömparenchymzellen (Phloimparenchymzellen) 
aufserordentlich zahlreiche Keratenehymbänder, d.h. Streifen oblite- 
rierter Siebelemente, angetroffen werden. Auch in diesem Teil der 
Rinde sind die Kalkoxalatkrystalle sehr zahlreich und in weitaus 
der überwiegenden Zahl der Fälle vortrefflich ausgebildet. Sowohl 
auf dem Querschvritt als auch auf dem radialen Längsschnitt sind 
die Keratenchymbänder sehr schön zu sehen und nur in der an das 
Cambium angrenzenden Partie ist die Obliteration der Siebbänder 
noch nicht bemerkbar. Auch in der sekundären Rinde tritt Sklerose 
auf und da und dort beobachtet man Sklereidennester. 


Die Sekretbehälter, deren Entwicklungsgeschichte freilich an 
dem vorliegenden, nur älteren Rinden angehörenden Material nicht 
verfolgt werden konnte, scheinen, soweit man Schlüsse aus dem 
tertigen Zustand ziehen kann, schizogenen Ursprungs zu sein. !) Sie 
sind mehr oder weniger in die Länge gestreckt und zeigen eine 
auffallend breite resinogene Schicht,?) die hier als kontinuierliche 
Schleimmembran entwickelt ist und eine deutliche innere Haut?) als 
Abgrenzung gegen die Kanalmitte hin zeigt und sich bisweilen von 
den sezernierenden Zellen faltig abhebt. Von diesen Sekretbehältern 
scheint die Bildung grofser, demnach schizolysigener*) Sekretlücken 
auszugehen, denn man beobachtet bisweilen, dafs dort, wo die 


l) vergl. auch die Abbildungen von Burseraceengängen in 
Tschirch's angew. Anatomie S. 480, 481, 498. 

2) Tschirch: Pringsh. Jahrb. für wissenschaftl Bot. Bd. XXV 
Heft 3 R. 375. 

3) Tschirch : ebenda S. 375. 

4) Tschirch: Angew. Pflanzenanatomie S. 477. 


246 A. Baur: Ueber Opoponax. 


Sekretbehälter normaler Weise zu suchen wären, d. h. zwischen den 
Keratenchymstreifen, mehr oder weniger grofse Gummiharzlücken, 
deren Randzellen in Auflösung begriffen sind, vorkommen. In 
diesen Gummiharzlücken geht offenbar die Erzeugung des gummi- 
reichen Sekretes vor sich. 

Die Bildung schizolysigener Sekretbehälter ist für die Familien 
der Terebinthinengruppe charakteristisch.!) 

Der ganze Bau dieser aus der Droge ausgelesenen Rinden- 
stücke läfst erkennen, dafs wires keinesfalls mit einer 
Umbellifere hier zuthun haben und macht es mehr wie 
wahrscheinlich, dafs eine Pflanze vorliegt, weche zu den Burseraceen 
und zwar zur Gattung Balsamodendron gehört, wie ja denn 
auch schon Holmes ?), ohne jedoch irgend welche Gründe hierfür 
anzugeben, den jetzt im Handel befindlichen Opoponax von Bal- 
samodendron Kafal ableitet. Zur Erhärtung dieser Ansicht 
sei die Anatomie der Rinde von Balsamodendron geleadense und Bal- 
samodendron (Balsamea) Myrrha beschrieben. 


2. Balsamodendron gileadense. 

Zur Untersuchung lag vor ein sicher bestimmtes Stammstück, 
von Dr. Schweinfurth an Ort und Stelle gesammelt und von ihm mit 
folgender Aufschrift versehen : 

Balsamodendron gileadense Kth. (Amyris Opobalsamum Forsk. 
u. Berg) in Vorbergen des Bebel Schellal am Cap Elba an der 
nubischen Küste. Niedere Bäumchen mit trauerweidenähnlichen 
Rutenzweigen, häufig an der nubischen Küste. 

bega: Ajokt, Ajäb, Majäk, Ssuit, die echte Myrrhe der Alten. 

Das Stück hatte eine Länge von 20 cm und einen Durch- 
messer von 5 cm und war vollständig mit dem leicht ablätternden 
hellgelben Kork bedeckt. Die Rinde besafs einen Durchmesser von 
1l1/; bis 2 mm. 

Der papierdünne, durch zahlreiche Korktrennungsschichten in 
einzelne Blätter sich lösende Kork, der die Oberfläche der Rinde dieser 
Pflanze bedeckt, ist gleich gebaut wie der Kork des oben be- 
schriebenen Balsamodendron Kafal, d. h. er wird gebildet von 
1) W.Sieck: „Untersuchungen über trop. Heilpflanzen“ Archiv 1894. 


S. 309 
2, Pharm. Journ. 1891. S. 838. 


A. Baur: Ueber Opoponax. 247 


Korkzellen mit dünner Suberinlamelle und breiter Celluloseschicht. 
Die Korkschichten sind dünner als bei der Opoponaxpflanze. Die 
Zellen sind auffallend stark tangential gestreckt. Der innerhalb der 
primären Rinde auftretende gemischte Ring ist schmal und besteht 
hauptsächlich aus Sklereiden. Er ist oft gesprengt. 


In der sekundären Rinde beobachtet man zahlreiche Gruppen 
von Bastfasern, die, wie der Tangentialschnitt lehrt, mit einander 
anastomosieren und von Krystallkammerfasern begleitet werden. 
Diese Gruppen sind schon mit blofsem Auge auf dem Querschnitt 
als helle Inseln zu bemerken. 

Auch bei diesem Balsamodendron wechseln schmale, die ovalen, 
wenig gestreckten Sekretbehälter führende Phloömparenchymbänder 
mit braunem Inhalt mit Keratenchymstreifen ab, doch sind beide 
hier schmaler als bei der Opoponaxpflanze. 


Auch hier sind wohlausgebildete Kalkoxalatkrystalle im Phlo&m- 
parenchym sehr häufig. Die Sekretbehälter mit dicker resinogener 
Schicht gleichen denen der Opoponaxpflanze.. Die innere Haut ist 
meist vortrefflich zu sehen. 


Es diente ferner zur Untersuchung ein dünner Zweig mit der 
Aufschrift: Balsamodendron Opobalsamum Kth. (myrıs Opo- 
balsamum 1L.), aus dem Herbar des botanischen Instituts der Uni- 
versität Bern stammend. Der äufsere Habitus stimmte mit dem- 
jenigen des im Berg-Schmidt’schen Atlas abgebildeten Dalsamoden- 
dron Ehrenbergianum Bg = Balsamodendron Gileadense Kth. über- 
ein, ebenso mit den Beschreibungen Schweinfurth's’). 


Die mikroskopische Untersuchung zeigte ebenfalls einen infolge 
zahlreicher Trennungsschichten abblätternden Kork. An der innern 
Grenze der primären Rinde folgt ein schmaler gemischter Ring, bei 
dem Gruppen von Bastzellen und Sklereiden ziemlich regelmälsig 
mit einander abwechseln. Inder sekundären Rinde findet man zahl- 
reiche schizogene Sekretbehälter mit aufserordentlich deutlichem, 
hyalinem resinogenem Beleg, der schon in Wasser quillt. Zahlreiche 
Zellen des Phlöeimparenchyms enthalten die oben erwähnten wohl- 
ausgebildeten Kalkoxalatkrystalle.e Auch Keratenchymbänder sind 
vorhanden. 


7) „Ueber Balsam u. Myırhe“: Ber. d. Pharm. Ges. 1893. S. 218. 


248 A. Baur: Teber Opoponax. 


Dagegen stimmt der Bau der Blätter mit demjenigen der aus 
dem Opoponax ausgelesenen, übrigens viel gröfseren Blattes nicht 
überein, während die Aehnlichkeit im Bau der Rinde von Bals. 
Gilead. und der Opoponaxpflanze in die Augen springend ist. 


3. Balsamodendron Myrrha. 


Der Bau der sekundären Rinde von Balsamea Myrrha ist 
bereits von Tschirch beschrieben und abgebildet.!) 

Mir lagen zur Untersuchung vor: Holz und Rindenstücke, die 
aus der Droge ausgelesen waren und eine Dicke bis zu 6 mm er- 
reichten ; aufserdem einige Korklamellen, ebenfalls aus der Droge 
stammend. 

Der Kork gleicht dem der beiden beschriebenen Pflanzen. 
Die einzeinen Blätter, in welche er sich spaltet, sind sehr dünn. 
Auch an den mir vorliegenden Stücken war innerhalb desunterbrochenen 
Bastzellringes (Anatomie. fig. 399 St.) eine Alternanz von auffallend 
breiten Phloömparenchymbändern, die zwischen je zwei Rinden- 
strahlen in ihrer Mitte je einen Sekretbehälter führen, und relativ 
schmalen Keratenchymbändern deutlich zu beobachten. Auch Borke- 
bildung war nachzuweisen. 


Auf@Grund vorstehender, vergleichend-ana- 
tomischer Untersuchungen ist man berechtigt, 
eine zur Gattung Balsamodendron gehörige Pflanze 
als Stammpflanze desjetztim Handel befindlichen 
Opoponaxanzunehmen. 

Da es mir gelungen war, aufser den oben beschriebenen 
grölseren Stücken auch einige kleinere von jüngeren Sprossen, sowie 
ein Stück eines Blattes mit daransitzendem Blattstiel aus der Droge 
auszulesen, so versuchte ich mit Hilfe derselben eine nähere Identi- 
fizierung der Stammpflanze. 

Durch die Güte des Herrn E. Autran, Konservator des ‚„Herbier 
Barbey-Boissier“ in Genf, stand mir das in jenem Herbar vorhandene 
Materiel an Balsamodendron und verwandten Arten zur Verfügung 
und habe ich dann zum Vergleich folgende Pflanzen herbeigezogen : 

1. Commiphora Opobalsamum, von Schweinfurth gesammelt. Aelteres 

Rindenstück., 


I) Tschirch: Angew. Pflanzenanat. fig. 399. 


A. Baur: Ueber Opoponax. 249 


2. Hemprichia Kataf (Fk.) Schf. Nomen vern.: Kafal. 

3. Balsamodendron Kafal, Kunth ? von Schimper. 

4. Balsamodendron Kafal. Kunth. Kotschyi iter etc. 

5. Hemprichia erythraea Ehrbg. (Balsam. Kafal F.?) Schf. 

6. Balsamodendron abyssinic. Hochst. (B. Kafal, A. Richmon 

Ktlı.), Schimper. 

7. Amvris Opobals. Forsk. A. Deflers: Iter arab. II. 
8. Balsamodendron Opobals. Knuth. 

Bei der mikroskopischen Untersuchung sowohl der jüngeren 
Sprosse als der Blattstiele der aus der Droge ausgelesenen Stücke 
hatte es sich gezeigt, dafs dieselben mit charakteristischen Haaren 
bekleidet waren und suchte ich zuerst, diese beim Vergleichsmaterial 
wiederzufinden. Es zeigte sich aber, dafs nur Hemprichia Kataf 
(No. 2), Balsamodendr. Kafal Kth. (No.4) und Hemprichia erythraea 
(No.5) solche Haare besaf:en, während die andern Arten kahl waren. 

Nachstehend folgen die Beobachtungen an jungen Sprossen 
und Blattstielen : 

No. 1. Ausder Droge ausgelesen: Blattstiel: Nieren- 
förmiges Centralbündel mit fast ringsumlaufendem Bastzellbeleg. 
Im Siebteil keine Sekretbehälter, dagegen liegen aufserhalb des 
Bastzellringes zahlreiche Sekretbehälter, wie es scheint Sekretzellen. 
Gerade und gekrümmte Haare mit sehr stark verdickter Membran, 
50—200 „ lang, ca. 20 « breit. 

Stengel: Strahlenförmiger Holzkörper; in der Rinde grolse 
Sekretgänge und kontinuierlicher, wellenförmig verlaufender Bastzell- 
beleg. Gerade und schwach gekrümmte Haare mit relativ weitem 
Lumen, kegelförmiger oder selten hakenförmig gekrümmter Spitze. 
Kutiknlarwarzen selten oder fehlend. Länge der Haare 8S0—220 u. 
Breite 20 «. 

No.2. Hemprichia Kataf. Blattstiel: Gestreckt nieren- 
förmige Bündel; im Siebteil ca. 11 Sekretbehälter; um das Ganze 
wellenförmig herumlaufend der Bastbeleg. Haare dünnwandig, ohne 
deutliche Kutikularwarzen, gerade oder schwach umgekrümmt, 
65—205 „ lang, 20 « breit. 

Haartragende Sprosse dieser Pflanze standen mir leider nicht 
zur Verfügung. 

No. 4 Balsamodendron Kafal Kunth: Blattstiel: 
sternförmiges Bündel; Mark und Rinde reich an wohlausgebildeten 


250 A. Baur: Ueber Opoponax. 


Kalkoxalatkrystallen. Haare dünnwandig mit deutlichen Kutikular- 
warzen, meist in breitem Bogen stark hakenförmig umgekrümmt, 
85—205 « lang, 20 « breit. 

Sprofs: Bastzellring bogenförmig ringsumlaufend, bereits zer- 
sprengt. Haare dickwandiger als beim Blattstiel, mit sehr deutlichen 
Kutikularwarzen und starker, bogenförmiger Umkrümmung, 85—250 4 
lang, 20 « breit. 


No. 5. Hemprichia erythraea Ehrenbg. Blattstiel: 
Bündel nierenförmig. Im Siebteil in regelmäfsiger Anordnung meist 
acht Sekretbehälter. Um das Ganze wellenförmig herumlaufend der 
Bastzellbeleg. Zahlreiche, sehr lange, oft mehrzellige, dünnwandige 
gerade oder wenig gekrümmte Haare mit sehr zarten Kutikular- 
wärzchen. Länge der Haare 280—510 „, Breite 20 «. 


Sprofs: Sekretbehälter und Bastzellring wie bei No. 4. Haare 
dünnwandig, häufig hakenförmig umgekrümmt, mit deutlichen 
Kutikularwarzen. Epidermis mit den Haaren noch oft erhalten, 
trotzdem darunter schon Kork erzeugt wurde. Länge der Haare 
85—280 «, Breite 20 «. 

Die Querschnitte durch Sprosse und Blattstiele von No. 3 
Balsamodendr. Kafal Kunth? No. 6 Balsamodendr. abyssinic. und 
No. 7 Amyris Opobalsamum Forsk. waren im Typus derjenigen von 
No.22, 4 u. 5. 

Aus dem Vergleich der Anatomie der Blattstiele des aus der 
Droge ausgelesenen Materials mit den Blattstielen von Balsamoden 
dronarten ergiebt sich, dafs die aus der Droge ausgelesenen Blatt 
stiele keinem Balsamodendron angehören können. Die Anatomie 
der ausgelesenen Sprosse dagegen zeigt, dafs wir es in der That 
mit einem Balsamodendron zu thun haben. Mit keinem der oben 
beschriebenen stimmt jedoch der Bau der Haare völlig überein, am 
meisten noch glichen sie No. 4, Balsamodendron Kafal Kunth, so 
dafs also die Vermutung, dals dies die Stammpflanze des gegen- 
wärtig im Handel befindlichen Opoponax sei, auch durch die Anatomie 
einige Unterstützung findet. 

Neuerdings hat Holmes!) statt Balsamodendron Kafal Kunth 
den Namen Commiphora Kataf, unter welchem Engler Amyris, 


Y, Pharmaceutical Journal 1394, S. 521. 


A. Baur: Ueber Opoponax. 251 


Balsamodendron und Balsamophloeos anderer Autoren zusammenfalst, 
gewählt. 

Die Ergebnisse vorliegender Arbeit kurz zusammengefalst, sind 
gestützt auf: 


1. das Ergebnis der botanischen Untersuchung, 
2. die Unverseifbarkeit der Harze, 


3. das Fehlen von Umbelliferon, das Sommer in allen Um- 
belliferenharzen, mit Ausnahme des Ammoniakums, nach- 
gewiesen, 

4. das Fehlen von Schwefel, der ein integrierender Bestand- 
teil der Oele der persischen Umbelliferen zu sein scheint, 

kann behauptet werden, dafs der gegenwärtig im Handel befindliche, 
zur Oeldestillation zu Zwecken der Parfumerie benutzte und auch 
von mir untersuchte Opoponax nicht von einer persischen Umbellifere 
stammt, sondern von einer zu der Familie der Burseraceen ge- 
hörenden Balsamodendron-Art, und zwar wahrscheinlich von 
Balsamodendron Katal. 


Das Burseraceen-Opopanax besteht in der Hauptsache aus 
Gummi mit Verunreinigungen, Harz und ätherischem Oel. Das Harz 
läfst sich in folgende drei Körper zerlegen: 


1. das «-Panax-Resen von der Formel C3, Hz, O,, 

2. das 3-Panax-Resen von der Formel Os; Hzs O;, 

3. das Pana-Resinotannol:! Cy; H;o O3: 

Aus letzterer Formel geht hervor, dafs das Pana-Resinotannol 


nicht zu derjenigen Klasse von Resinotannolen gehört, deren Molekül 
6 C-Atome, resp. ein Multiplum davon enthält.!) 


Beim Vergleich der Formeln untereinander zeigt es sich, dafs 
das $-Resen ein Oxydationsprodukt des a-Resens zu sein scheint. 
Sie unterscheiden sich dadurch, dafs «-Resen in Petroläther löslich, 
#-Resen dagegen darin unlöslich ist. 


Schreibt man die Formel des Panaresinotannols—= C35 H,,; 05. (CH )a, 
so kann dasselbe eventuell als ein Dimethyloxydationsprodukt der 


I) Tschirch: Ueber Sekrete und Sekretbildung. Vortrag, ge- 
halten auf der Naturforscherversammlung. Wien 1894. 


10) 
or 
IN 


A. Baur: Ueber Opoponax. 


beiden andern Körper aufgefalst werden. Es unterscheidet sich von 
denselben durch seine Löslichkeit in Alkalien. 

Die drei Körper stellen keine Ester vor, da es nicht möglich 
war, dieselben durch Einwirkung verseifender Mittel (Alkali, Schwefel- 
säure, gespannter Wasserdampf) zu zerlegen. In we'che Klasse die 
Resene einzureihen sind, ist vorläufig nicht ermittelt, sie scheinen 
keine Säuren oder Alkohole zu sein, da sie sich nicht in Alkalien 
lösen und sich nicht acetylieren lassen. Das Resinotannol zeigt 
Alkoholcharakter. 

Das Oel enthält Ester, die durch verseifende Mittel in Alkohole 
(Oleole) und Fettsäuren (Buttersäure?) zerlegt werden. 

Das Opoponax enthält ferner einen Bitterstoff, der nicht 
krystallisiert oder rein erhalten werden konnte. 

Behandelt man das Opoponax bei ca. 100° mit gespanntem 
Wasserdampf, so wird dadurch das schön krystallisierende Chironol 
gebildet. Aus was dasselbe entsteht, ist nicht bekannt. Möglich ist 
es, dafs es aus dem Oel gebildet wird, da es aus den Harzen nicht 
zu stammen scheint. Sicher ist, dals es ein Zersetzungsprodukt dar- 
stellt, da es aus der Rohdroge ohne Einwirkung von Wasserdampf 
nicht erhalten werden konnte. Es ist ein Alkohol von der Formel 
Cy3 Hj; 0, der sich benzoylieren und acetylieren läfst, dagegen die 
Bildung eines Kalisalzes nicht ermöglichte und durch Oxydation 
mit Permanganat in der Wärme in einen Körper von der Formel 
C;g H,g O, übergeht, der eine Säure zu sein scheint und vorläufig 
den Namen Chironolsäure erhielt. 

Die Verhältnisse liegen somit beim Opoponax (und auch bei 
den andern untersuchten Burseraceengummiharzen) anders, als bei 
den bis dahin im pharmaceutischen Institut untersuchten Harzen. 
Sie bilden die dritte Gruppe der Harze. 


OÖ. Chimani: Bau der \ilchröhren. 253 


Arbeiten aus dem pharmaceutischen Institut der 
Universität Bern. 


Untersuchungen über die Sekrete. 
Mitgeteilt von A. Tschirch. 


13. Untersuchungen über Bau und Anordnung der 
Milchröhren mit besonderer Berücksichtigung der 
Guttapercha und Kautschuk liefernden Pflanzen. 
Von Otto Chimani. 
(Eingegangen den 20. III. 1895.) 

Die Litteratur über Milchsaftgefäfse (bis 1894) habe ich meiner 
im botan. Centralblatt veröffentlichten Arbeit als Einleitung voraus- 
geschickt. Es geschah dies in der Hoffnung, denjenigen einen Dienst 
zu leisten, welche über dies noch wenig aufgeklärte Kapitel der 
Milchsäfte weiter arbeiten wollen. Diese Zusammenstellung uınfalst 
gegen 100 Autoren. Im folgenden gebe ich eine kurze Uebersicht. 
Als Entdecker der Milchsaftgefäfse werden Theophrast und 
M.Lister genannt; M. Malphighi hat dieselben zuerst anatomisch 
dargestellt und N. Grew teilte sie bereits in 4 Gruppen ein. Diese 
„eigentümlichen Gefälse‘“ führten Forscher wie Moldenhauer, 
Treviranus, Zenker und Mayer insofern irre, als dieselben mit 
C. H. Schultz-Schultzenstein mehr oder weniger darin 
übereinstimmten, dafs in ihnen der Lebenssaft der Pflanze enthalten 
sei. Selbst Tr&cul teilte diese Ansicht, während Meyen und 
Unger dieselbe bereits lebhaft bestritten. Hierauf erklärte 
Schleiden den Milchsaft als Inhalt der Interzellularräume, welcher 
später eine eigene Hauterhalte.e. Eine anonyme Verfasserin, 
Mohl und Henfrey nahmen diese Theorie beifällig auf. Andere 
Phytotomen damaliger Zeit wie Schacht, Mirbel und Meyen 
sahen darin „nicht selten verzweigte Bastzellen‘. — David präzisierte 
genauer den Unterschied zwischen gegliederten und ungeglielerten 
Milchröhren, was J. Vesque bestätigte. Vogl sah sie damals 
übereinstimmend mit Hartig als mit Milchsaft gefüllte Siebröhren 
an, was später Schmitz und andere wiederlegten. Zu erwähnen 
sind noch die Untersuchungen von Schmalhausen, welcher die 


254 OÖ. Chimani: Bau der Milchröhren. 


gegliederten Milchröhren mit Pilzhyphen vergleicht, dann die Arbeiten 
von Scott, Nägeli und die interessanten meist physiologischen 
Versuche von M. E. Faivre. Haberlandt suchte den Milch- 
saft in Beziehung mit dem Assimilationsgewebe zu bringen. 
Schullerus erklärte ihn für Bildungssaft, der meist aus den 
Blättern stamme. Pirotta und Marcatili unterschieden je 
nach den Wechselbeziehungen zwischen Milchröhren und Assimila- 
tionssystem zwei Typen. Schwendener glaubt, dafs der Milch- 
saft durch Bildung einer Emulsion einen Ausgleich zwischen den 
leichteren Oeltröpfchen und den schwereren Stärkekörnern herbeiführe. 
Treub schliefst sich dieser Ansicht an. Sachs und de Vries sehen in 
demselben ein Mittel zum Wundverschlufs, was A. Tschirch bei den 
Umbelliferen experimentell bewiesen hat. Mit der Frage, ob der 
Milchsaitt zu den Sekreten oder Exkreten zu rechnen sei, be- 
schäftigten sich aufser den zuletzt genannten Forschern Frank, 
Wieler undA.Leblois. Eine reiche Fundquelle ist auf diesem 
Gebiete De Bary’s „Vergleichende Anatomie“. Er hat auch eine 
Zusammenstellung der Ergebnisse der Untersuchungen bis zum Jahre 
1877 gegeben. Er beschreibt zuerst die Sapotaceen nach eigenen 
Forschungen und denen von K. Wilhelm. Kny beschäftigte 
sich mit der Untersuchung der Milchsafthaare der Cichoriaceen, 
welche vor ihm Tre&cul, Carradori, Delpino und 
Picceioli an Lactucaarten beobachteten. Kny fand diese Er- 
scheinung den Cichoriaceen überhaupt eigentümlich. Das Vorkommen 
von Milchsaft in den Tracheen erklären Höhnel und Micha- 
lowski durch den negativen D:uck der Gefäfsluft. Die Beob- 
tung Tr&cul’s, dafs die Milchsaftgefäfse bei Euphorbiaceen und 
Lobeliaceen mit den Gefäfsen des Holzes in offene Kommunikation 
treten, wiederlegten in einer Preisschrift gleichzeitig Hanstein 
und Dippel. 

Sowohl im Wandbeleg als auch in den Haarzellen zahlreicher 
Apocyneen fand Berthold milchsaftähnliche Tröpfehen. Er 
stimmt mit Schmidt, Kallen und Arth. Meyer zum Teil 
damit überein, dafs der Milchsaft dem Zellsaft entspreche und sich 
in diesem bilde. Mit Faivre und Schullerus erkennt er dem 
Milchsaft eine Rolle im Chemismus der Pflanze zu. Leger hält mit 
Battandier die Fumariaceen-Idioblasten den Milchsaftbehältern der 


O. Chimani: Bau der Milchröhren. 255 


Papaveraceen verwandt, indem sie gleiche Reaktionen zeigen. Zopf fand 
diese Ansicht nicht bestätigt. Physiologisch hat die Papaveraceen zuerst 
Meurisse untersucht. Dehmel suchte aus den anatomischen 
Lagerungsverhältnissen einen Schlufs auf die Funktionen der Milch- 
saftbehälter zu ziehen und sieht mitStahl und Tschirch in dem 
Milchsaft ein Mittel zum Schutze gegen die Feinde der Pflanze und 
zum Wundverschlufs. A. Tschirch fafst in seiner „angewandten 
Anatomie“, gestützt auf die Litteratur und eigene Beobachtungen 
seine Ansicht über die Funktion der Milchröhren in den Worten 
zusammen: „Die Milchröhren mögen leitende Organe sein, sie sind 
aber sicher auch Exkretbehälter. Mehr spricht freilich z. B. da- 
für, dafs sie leitende Organe sind und hierin mag denn wohl ihre 
Hauptfunktion liegen“ (l. c. p. 520). Er bezeichnet den Milchsaft 
als den Sitz vieler Alkaloide. Weils, Istvanffy und Olsen 
haben sich mit den Milchröhren der Pilze beschäftigt. Die Milch- 
saftbehälter schizogenen Ursprungs wurden eingehend von A. B. 
Frank, €. Müller und entwicklungsgeschichtlich von A. 
Tschirch untersucht. 

Was die Litteratur über Kautschuk und Guttapercha liefernde 
Pflanzen betrifft, so habe ich, was bis jetzt bekannt ist, den betreffen- 
den Kapiteln vorausgeschickt. 

Das Untersuchungsmaterial, welches ich benutzte, stammt aus 
der Tschirch’schen Sammlung. 


Die Schnitte wurden anfangs mit Schultze’scher Macerations- 
flüssigkeit behandelt. Da dieses Verfahren nicht für alle Fälle aus- 
reicht, so war mir auch die Aufgabe gestellt worden, eine Tinctions- 
methode für den Milchsaft zu suchen. Nach mühevollen Versuchen 
habe ich in der Alkannin-Essigsäure ein Mittel gefunden, 
um damit den Inhalt der Milchschläuche haltbar zu färben. Die 
Methode besteht darin, dafs das käufliche Extr. Alkannae zuerst 
mit Aether von dem beigemengten braunen Farbstoff gereinigt wird. 
Nach dem Eindampfen der Flüssigkeit bleibt eine schmierige Masse 
zurück, welcher durch 45 prozentige Essigsäure der Farbstoff 
ziemlich rein entzogen werden kann. Nach weiterem mälsigem Kon- 
zentrieren der zuletzt gewonnenen Flüssigkeit ist die Prozedur be- 
endigt und die Schnitte resp. die Inhalte der Milchschläuche können 
nun direkt, unter Beobachtung der Kautelen, die ich in meiner 


256 O0. Chimani: Bau der Milchröhren. 


Arbeit im botanischen Centralblatt, ausführlich erwähnt habe, ge- 
färbt werden. Die Methode bewährte sich nicht allein bei trockenem 
Materiale und bei frischen Pflanzen (nach dem Härten in Alkohol), 
sondern sie ist auch ein vorzügliches Unterscheidungsmittel der oft 
ähnlich gefärbten Gerbstoffschläuche und besonders der Inhalte der 
Siebröhren. 


Von den Guttapercha liefernden Pflanzen wurden fol- 
gende untersucht: Palagwium Gutta, P. oblongifohum, P. borneense, 
P. Treubii, P. argentatum, Bassıa firma, P. rostratum, Payena 
Leeri, Pavena suringiana, Payena rubro-pedicellata, Achras Sapota, 
Sideroxylon Urbani und Mimusops Balata. Diese Arten gehören der 
Familie der Sapotaceen an. Den ersten Bericht über diese 
Familie führt De Bary in seiner Anatomie von K. Wilhelm 
an. Ausführliches ist auch in den Werken von Flückiger, 
Wiesner, Burcek,Tschirch,Beauvisage, Heckel und 
Schlagdenhauffen u. A. zu fnden. Oesterle hat zuletzt 
die Guttapercha eingehender chemisch untersucht. 


Die erzielten Resultate kann ich in folgende Sätze zusammen- 
fassen: 


1. Die Milchröhren derSapotaceen gehören zu den ungegliederten 
Milchröhren. 


2. Die Milchschläuche bilden in den Knoten kurze unregel- 
mäfsige Milchzellreihen neben längeren Gliedern. 


3. Die in gröfseren Intervallen segmentierten Schläuche zeigen 
schiefe Querwände, welche zum Teil nebeneinander verschoben 
sind. Für die Palagquinum und Payena-Arten kann diese Form als 
Typus gelten. 


4. In den Internodien sind auch Schläuche anzutreffen, die in 
gröfseren Zwischenräumen segmentiert sind; sie zeigen horizontale 
Querwände. Die Enden der einzelnen Segmente zeigen Knochenform 
und sind nicht nebeneinander verschoben. 


5. Bei Achras Sapota ist die Querwand der kurzen Milchzell- 
reihen bis auf ein dünnes Häutchen resorbiert; dasselbe zerreilst an 
einer bestimmten Stelle und der Inhalt fliefst zu einer Masse zu- 
sammen. 


O Chimani: Bau der Milchröhren. 257 


6. Die Milchschläuehe zeigen folgende Weite: 


(Sapotaceen) 

Payena Leerii 2 mm dicke Zweigstücke 20 —32,5 u 
5 suringiana 1,5905 fr 3 20 —25 „ 
® rubro-pedicull. 35 „ E = 12,5—15 „ 

Palaquium Gutta er A 2 12,6—39 „ 

R oblongifol. 4 4 N AL 22,5—45 „ 
5 — 75 „ 

E borneense 45 „ 5 R 20 —25 „ 
25 —50 „ 

= Treubii 5 = = 2 25 —40 „ 
A argentatum 9 > = s 22, 95—375 „ 
A rostratum 45 „ B e 20 —25 „ 

Bassia firma BE = > 22,530 „ 

Achras Sapota starre 5 x 33 —50 „ 

Mimusops Balata 9 4 2 32,5—34,5 „ 

Sideroxylon Urbani 2 = = = 25 —30 „ 


Queranastomosen, wie sie Lewschin abgebildet hat, konnte 
ich bei aller Sorgfalt, welche ich seit Beginn meiner Untersuchungen 
gerade dieser Frage widmete, nicht finden. 


Ueber Kautschuk liefernde Pflanzen sind die Schriften von 
Basvyre, De.Bary,. Wiesner, Henriqnes, Seott, 
Calvert, Faraday, Thomson, Schuhmann und Chapel 
zu erwähnen. 

Diese Arbeiten sind teils chemischer, teils physiologischer 
Natur und behandeln nur wenige Arten. Folgende Pflanzen wurden 
von mir untersucht: Familie: Moraceen: Castıloa elastıca, Brosimum 
alicastrum, Fıcus elastıca, F. religiosa, Cecropia peltata. Familie: 
Euphorbiaceen: Flevea guyanensıs, FH. brasiliensis, Fl. spruceana. 
Manihot Glaziovi. Familie: Apocynaceen: Cleghornia sp. ıg., Cl. 
cymosa. Landolphia florrda, L. Heudelotii, L. Kirkii, L. mada- 
gascariensis, L. ovariensis, L. Petersiana u. L. Watsonii. Hancornıa 
speciosa, Parameria glandulifera, Urceola elastıca, Willughbeia 
Jjavanica. 

Die kautschukführenden Pflanzen haben folgendes eigen- 
tümlich : 

1. Die Moraceen, Apocynaceen und Euphorbiaceen haben unge- 
gliederte Milchröhren. 
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bde. 4. Heft. 17 


258 O. Chimani: Bau der Milchröhren. 

2. Die Milchschläuche sind segmentiert. Sie bilden kürzere und 
längere Glieder, deren Enden stets genau aufeinanderpassen, 
manchmal an der Berührungsstelle eingeschnürt sind, aber 
niemals nebeneinander verschoben sind. 

3. Die Landolphia-Arten und Hancornia-Arten zeigen eine partielle 
Obliteration der Milchschläuche. 

4. Die Markscheide zeigt hier grofse, eigentümliche Lücken, um 
welche die obliterierten Milchsaftschläuche sich herumziehen. 

5. Bei Urceola elastica fand eine solche Obliteration durch das 
Auswachsen zweier Steinzellen statt. 

6. In den Haaren von Castiloa elastica, Cecropia peltata und 
Manihot Glaziovii habe ich mittelst meiner Färbemethode 
Milchsafttröpfehen nachgewiesen. 

7. Nachfolgende Zusammenstellung zeigt die Weite der Milch- 
schläuche der hier untersuchten Arten: 

Moraceen: 
Castiloa elastica 12,5 mm dicke Zweigstücke 12,5—25 u 
Brosimum alicastrum EEE > 175—20 u 
Ficus elastica au 5 5 12,5—25 u 
Urostigma Vogelii SHEBIOFN R 17,5—20 u 
Cecropia peltata N: b 20—25 u 
Euphorbiaceen: 
Hevea guyanensis 17 a 5 15—20 x 

5 brasiliensis 89, x 15—17,5 u 

5 spruceana 8 N = 15—17,5 u 

Manihot Glaziovii SR = 12,5—15 u 
Apocynaceen: 

b 2 525 u 
Cleghornia sp. ig. 6, * 5 a 10-12 u 
Cleghornia cymosa 1,5 mm dickes Rindenstück 28,4—35,5 

12,5:40 

Landolphia-florida 3 es „  Zweigst. | 17,5:42 u 
30 

5 Heudeilotii 3 ne 2 2 17,5—10 

» Kirkii 3,9 » » „ 5—7,5—10 2 
NEE madagascariens. 3 58 e a 75 u 

r ovariensis Wital $ N | 33375 u 

1.2125 


*) Wo nur eine Zahl angegeben, ist der längste Durchmesser 


gemeint. 


M. Hoheradel: Ueber das Sagapen. 259 


Landolphia-Petersiana 2 A r I 2,5—5-7,5 u 
" Watsonii S, % g n 15:20 
17,5:55 u 
Hancornia spec. 3 4 e i 25:50 « 
125525, 
Parameria glandulifera 2 a 8 j 15—25 u 
Urceola elastica 4 R R ii 12,5—15 u 
Willughbeia jav. 5 1 FF R 20—22,5—25 u 


Eine von 2 Tafeln begleitete ausführliche Abhandlung über 
diese Untersuchungen erscheint im botanischen Centralblatt. 


Arbeiten aus dem pharmaceutischen Institute 
der Universität Bern. 


Untersuchungen über die Sekrete, 


mitgeteilt von A. Tschirch. 


14. Ueber das Sagapen 
von M. Hohenadel. 
(Eingegangen den 20. III. 1895.) 
Einleitung. 

Zu denjenigen Drogen, die schon im Altertum Verwendung 
fanden, im Mittelalter noch sehr wohl bekannt waren, in unserer Zeit 
aber fast der Vergessenheit anheimgefallen sind, gehört auch das 
Sagapenum. Neben der Bezeichnung Sagapenum findet man in 
älteren Schriften noch Serapinum und Sacopinum. 

Dragendorfft) sagt in seiner Abhandlung über Volksmedizin 
von Turkestan: „Sakbinatsch ist das aus Indien (Persien?) importierte 
Sagapen. Es wirdauch in Arabien und Hindostan so genannt, daneben 
auch Kundel (nach dem Sanser). Schon bei Ebn Baithar ist diese 
Droge erwähnt.“ 

Flückiger?) sagt: „Iayarnvov wird von Dioscorides als aus 
Media (Nordpersien) kommend und zwischen Chalbane und Silphion 
in der Mitte stehend bezeichnet. Auch Plinius führt Sagapenum 


an, wie nicht minder die spätrömischen Aerzte und die Araber z. B. 
Serapion Damascinus und Ebn Baithar, ferner die Schule von Salerno, 


Im mittelalterlichen Handelsverkehr wird Sagapen öfter genannt als 
Asa foetida, aber bei weitem nicht so häufig wie Galbanum. Valerius 
Cordus hob hervor, dals die Benennung Serapinum aus Sagapinum 
verdorben sei.“ 


1) Buchners Repert. d. Pharm. 1873, Bd. XXII, p. 218. 
2) Pharmacognosie d. Pfl., 1891, p. 68. 


> 


250 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 


Ueber die Stammpflanze von Sagapenum haben wir bislang 
keine genau bestimmten Anhaltspunkte. Husemann-Hilger!j 
nennen Ferula Scowitsiana Dec.; ebenso Wiggers?) Daneben findet 
man Ferula persica angegeben; aber ebenso oft wie diese Stammpflanze 
angenommen, wird sie auch in Zweifel gezogen. Flückiger?) 
meint, dals Sagapen möglicherweise auch von einer Ferula 
Persiens abstammen könne. Siller®) erwähnt, dafs wahrscheinlich 
eine Ferulaart die Mutterpflanze sei, dals es jedoch nicht Ferula 
persica sein könne, deren Milchsaft ganz deutlich wie Stinkasant, nicht 
wie Sagapen rieche. Guibourt) giebt ebenfalls zu, dals die Frage 
über die Stammpflanze von Sagapen noch ungelöst sei, wenn er sagt 
„Le Sagapenum a ete attribue par quelques auteurs au ferula persica 
Willd... Mais rien ne prouve que cette ombellifere soit en effet 
l'origine de sagapenum, et dans l’etat actuel de nos connaissances nous 
ne pouvons affirmer rien de positif ä& ce sujet.“ Diesem schliefst 
sich Pelletier®) an mit den Worten: „... on ne connait pas posi- 
tivement la plante qui le produit, on croit cependant que c'est le 
ferula persica.“ Und Hanbury’) sagt kurz: „The botanical origin of 
the drug is unknown.“ Noch deutlicher als in seiner Pharmacognosi. 
spricht sich Wiggers®) an einer anderen Stelle aus: „jedenfalls 
kann Ferula persica nicht das sogenannte Sagapen liefern, wie man in 
neuerer Zeit anzunehmen geneigt war und über dessen Ableitung wir 
also gegenwärtig keinen sicheren Anhaltspunkt mehr haben.“ 

Wenngleich über die Stammpflanze von Sagapen auch nichts 
Genaues angegeben wird, so sind doch sämtliche Autoren darüber einig 
dafs dasStammland der Droge Persien sei. Nach Stoilze und 
Andreas°) wird es in den Gebirgen von Luristaun und Tschähan 
Malles gesammelt und kommt von da wohl hauptsächlich nach Bombay, 
Als zweiten Stapelplatz nennt Göbel!) Petersburg; fügt aber hinzu, 
dals Sagapen nicht als solches nach Rulsland eingeführt werde, sondern 
als Verfälschung dem Galbanum beigefügt sei, so dals unter einer 
Menge von 20—30 Ballen Galbanum oft 3—4 Kolli vorkommen, die 
kein Galbanum, sondern statt dessen Sagapen enthalten. Oft sollen 
Galbanum und Sagapenum in einem Kolli sich zusammenfinden. Des- 
wegen wurden in Petersburg alle Kolii des Galbanums geöffnet und 
dieses vom Sagapen getrennt. 

U. Bd. 1884, p. 967 
2, Pharmacogn. 1864, 462. 
°) Pharmacogn. 1891, 62. 
4) Lehrbuch d. Pharmac. 1850, 641. 
5) Histoire naturelle des Droges simples. Paris 1876, Bd. III, 242. 
6) Bulletin de Pharmaeie, p. 431, Novbre, 1811. 
?) Pharmacographia 1874, p. 291. 
8) Jahresber. über die Fortschritte d. Pharmac. 1861. p. 49. 
°) Flückiger Pharmacogn. p. 62. 
19) Liebigs Annal. Bd. 42, p. 331. 


M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 261 


Während das Sagapen hier also als Verfälschungsmittel dient, 
scheint es in England öfter direkt gefälscht vorzukommenl.) Nach 
Southall (Pharm. Journ. 1843, 722) ist es dort schwer echt zu er- 
halten und man findet dafür eine Komposition aus Asa foetida, Oliba- 
num und Galbanum. 

Welcher Teil der Pflanze zur Gewinnung des Sagapens haupt- 
sächlich verwendet wird, ist nicht definitiv festgestellt. Siller?) sagt: 
„Das Gummiharz soll in ähnlicher Weise wie der Stinkasant aus der 
Wurzel gewonnen werden, was jedoch noch sehr der Bestätigung be- 
darf, da noch kein Beweis gegen die Gewinnung aus dem Stengel vor- 
liegt.“ — Diesem kann ich nur beipflichten. Denn der Umstand, dals 
ch im Rohharz Frucht- und Stengelteile zu finden Gel ogenheit hatte 
läfst vermuten, dals die Wurzel allein nicht zur Harzgewinnung heran- 
gezogen wird. 

Im Handel unterscheidet man hauptsächlich zwei Sorten: 3) 

a) Sagapenum persicum s. in massis. Weiche, zähe, klebrige, braun- 
gelbe Massen, die sich schwer pulvern lassen und mit Wasser sich 
unvollkommen emulgieren. Schmilzt leicht und vollständig und ver- 
brennt mit russender Flamme. Riecht nach Knoblauch und schmeckt 
brennend pfefferartig. 

b) Sagapenum levanticum s. in lacrimis. Hirse- bis nulsgrolse eckige 
oder abgerundete Körner oder daraus zusammengebackene Massen. 
Gewöhnlich gelb oder rotbraun, im Innern heller. Auf dem Bruch 
matt oder wenig glänzend, leicht pulverisierbar; giebt mit Wasser eine 
Emulsion aus der sich ein Teil des Harzes wieder abscheidet. Schmilzt 
unvollständig, riecht schwach nach Knoblauch, schmeckt bitter, etwas 
kratzend, knoblauchartig. 

Die medizinische Verwendung von Sagapen war früher teils 
äufserlich, teilsinnerlich. Aeufserlich gegen „grindige Augbrawen“#) 
gegen Schmerzen des Rückens, des Rückgrats und der Lenden; ferner 
als „Hauptstück eines magnetischen Pflasters, das Pfeile und anderes 
dergleichen aus dem Leib ziehet.“5) Innerlich wurde es gegeben gegen 
Brust- und Lungenkrankheiten, Husten, Milzsucht, Frost und Erkäl- 
tung. Ferner gegen Wassersucht, Zittern der Glieder und Nieren- 
entzündung.6) 

In der Pharmacopoea helvetica vom Jahre 1771 ist es noch in 
die Materia medica eingereiht. Die betreffende Pharmacopoe sagt 
pag. 153 wörtlich folgendes: 


1) Jahresber. d. Pharmac. 1843, p. 180. 

2) Lehrbuch der Pharmacie 1850, p. 641. 

3) Wiggers, Pharmacogn. p. 462. 

4) Theodor Tabers Kräuterbuch, Basel 1664. 

5) Museum Museorum v. M. B. Valentin, Frankfurt a. M. 1704. 

6) Joh. Schröder’s „höchst kostbarer Artzeneyschatz“, Nürn- 
berg 1636. 


262 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 


„Est Gumi-resina modo guttis magnis constant, modo in glebas 
compacta, extus rufescens, intus cornei coloris, mordaci et acri sapore, 
odore viroso et gravi, inter assam foetidam et Galbanum medio. 


Ex Persia et Oriente nobis affertur, sed planta ex qua stillat 
hactenus incognita est. 


Vires aperientes, attenuantes, abstergentes, emmenagogas; in 
affectibus thoracis mucosis, obstructionibus viscerum, morbis nervorum, 
spasimo, tremore, paralysi, malo hysterico etc. commendatur.“ 


Sagapen findet sich noch aufgenommen in folgenden Pharmaco- 
poeen : Pharmacopoea Wirtenbergica 1741; Ph. Borussica 1830; Französ. 
Ph. 1839; Londoner Ph. 1836; Dubliner Ph. 1826; Edinburgh New 
Dispensatory 1813. 


Der erste, der Sagapen näher untersuchte, war J. Pelletier.!) 
Er reinigte das Rohharz durch Extraktion mit Alkohol, nahm aus den 
ungelösten Rückständen das Gummi mit Wasser auf, destillierte das 
ätherische Oel mit Wasserdämpfen ab und erhielt aus 50 g Rohharz: 


HATZ 2. = na a Zee 
Gum 2. ae male 
Unlösl. Körper . . . 0808 
Saur. apfelsauer. Kalk 0208 
Ather WEL. wa. aan 23908 


Eine genauere Untersuchung stellte 1818 Rud. Brandes?) an 
In seiner Einleitung sagt er, dafs auch Braconnot und Neu- 
mann3) denselben Gegenstand bearbeitet hätten. Braudes behandelte 
sowohl das Harz mit Alkohol wie mit Aether und nennt die in Aether 
unlöslichen Anteile: „Halbharz“. In Abteilung C seiner Arbeit erwähnt 
er eine Farbenveränderung durch Salzsäure. Das ätherische Oel 
destillierte er mit Wasser ab und fand 3,73 Proz. Er kommt zu 
folgenden Schlüssen: 


„Das eigentümliche und charakteristische des Sagapens scheint 
hauptsächlich von dem ätherischen Oel herzurühren, denn dieses wirkte 
am ausgezeichnetsten sowohl auf die Geruchs- als Geschmacksorgane.‘‘ 


„Das Harz zeichnet sich vor allen anderen Harzen anf eine sehr 
charakteristische Weise durch sein Verhalten gegen Salzsäure aus. 
In einigen Eigenschaften stimmt es mit dem Guajakharz überein, in 
anderen weicht es davon ab.“ 


„Das Harz ist gegen das Gummi im Sagapen der überwiegende 
Anteil.“ 


1) Bulletin de Pharmacie 1811 Novbre, p. 481. 
2) Trommsdorfs N. Journal d. Pharm. 1818. 
3) Pfaff’s materia medica, Bd. III, p. 297. 


M. Hohenadel: TUeber das Sagapen. 263 


Die Resultate der Untersuchung sind folgende: 
500 Teile Sagapen enthielten: 


ASthern Veen... an ans 719,007 
Eigentümliches Harz . . . 2.2 2.2..2...239,550 
Halbhbarz. . . EN le‘ 
Gummi mit Kalksalzen. De 5 anal, 
Tragant . . „SER 328° 0) ) 
Apfel- und ee Kalk EIN 2, 00 


Phosphorsaurer Kalk mit einerSpur Tragant 1,375 
Apfelsaurer und schwefelsaurer Kalk mit 


etwaseGummıe Terme Ba ER N 2,250 
Wasser . . a ER a de a Fa, 
Fremde ee ae SAN 2 9216730 


James F. W. Johnston!) fand die Zusammensetzung des 

alkohollöslichen Harzes nach folgenden Proportionen: 
6470,03. 70.832 10,78 
H 8551 , 865 8,38 

Er giebt ihm die Formel: C,, Hag O9 

Fr. Przeciszewski?) unterscheidet zwischen indifferentem 
und sauerem Harz. Das dem indifferenten Harze anhattende ätherische 
Oel sucht er durch Fraktionieren im Oelbade, späterhin durch Kochen 
mit Wasser zu entfernen. Sein Oel fing bei 1530 an zu destillieren 
und färbte sich bei 280° grünlich. Jedenfalls war es dem Verfasser 
nicht gelungen, das Harz ölfrei zu erhalten, da er letzteres als 
Schwefel enthaltend angiebt. Durch trockene Destillation des in- 
differenten Harzes erhielt er ein blaues Oel und einen Körper, der in 
büschelförmigen Nadeln sublimierte; er hält ihn für Benzoesäure. — 
Das sauere Harz versuchte er vergeblich krystallinisch zu erhalten. 
Genauere Untersuchungen und Angaben von Mengenverhältnissen 
fehlen vollständig. 

Hirschsohn?) giebt an, dals beim Befeuchten mit Alkohoj 
und Uebergielsen mit konzentrierter Schwefelsäure sich alle Sorten 
von Sagapen mit dunkelbrauner Farbe auflösen; bisweilen wird die 
Lösung an den Rändern karminrot, auf Zusatz von Alkohol geht die 
Farbe in violett, bisweilen in blau über. Salzsäure, den mit Alkohol 
befeuchteten Sagapenproben zugesetzt, bewirkt gelbrote, bisweilen 
rosenrote, in violett, ja selbst in blau übergehende Färbung. Durch 
Destillation mit Wasserdampf erhält er 7,5 Proz. eines schwefelhaltigen 
Oeles. Petroläther löst vom Sagapen mehr als vom Galbanum, das 
Gelöste besteht aus ätherischem Oel und Harz und ist schwefelhaltig. 


1) Phil. Transact, 1840, p. 361. 

2) Inauguraldissertat., Dorpat 1861 

3) Liebig und Kopp, Jahresber. der Chemie 1875, p. 860. — 
Pharmaceut. Zeitschrift tür Rufsland 1875, p. 395. 


264 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 


Die einzelnen Handelssorten will Hirschsohn!) durch 

folgende Reaktionen unterscheiden: 

„Salzsäure färbt den Verdunstungsrückstand des Petroleumäther- 
auszuges gelbrot, Chloralreagens färbt grün: persisches Sagapen. 

„Salzsäure färbt blauviolett, Chloralreagens rosenrot, in Himbeer- 
rot und violett: levantinisches Sagapen.“ 

Vigier?) suchte in seiner Dissertation die offizinellen Gummi- 
harze durch Kochen mit Kalkmilch zu unterscheiden. Dabei bringt 
Sagapen eine weilse Masse hervor, die fade riecht, hineingestelltes 
Silber schwärzt, beim Trocknen unmerklich gefärbten Rückstand hinter- 
lälst und beim Filtrieren ein fast farbloses Filtrat giebt, worin Salz- 
säure einen weilsen Niederschlag erzeugt. 

Flückiger?) giebtan, dals Sagapen Umbelliferon enthält und 
schon in der Kälte sofort blaue Farbe annimmt, wenn auch nur das 
kleinste Splitterchen mit Salzsäure geschüttelt wird. Schwefel enthält 
Sagapen nicht. 

Nach den bisherigen Untersuchungen ist, abgesehen von den 
Reaktionen von Hirschsohn, festgestellt: 

1. Das Harz enthält 3 bis 7 Proz. eines schwefelhaltigen äthe- 
rischen Oeles; 2. 50 bis 65 Proz. Harz; 3. Umbelliferon ; 4. ca. 30 Proz. 
Gummi; 5. ca. 5 Proz. Wasser; 6. 2 bis 5 Proz. Verunreinigungen. — 
Die trockene Destillation liefert blaues Oel und Umbelliferon. 

Wenngleich die Stammpflanze nicht bekannt ist, so ist doch 
sonder Zweifel, dals wir es bei Sagapen mit dem Secret einer per- 
sischen Umbellifere zu thun haben. Die Bildung unseres Harzes erfolgt 
jedenfalls auch in schizogenen Sekretbehältern wie Tschirch‘$) bei 
anderen persischen Umbelliferen nachgewiesen hat. 


I. Chemischer Teil. 
Darstellung des Reinharzes. 


Als Untersuchungsmaterial diente mir Sagapenharz bezogen von 
C. Haaf, Bern. Dasselbe zeigte in dunkelbrauner Grundmasse 
zahlreiche weilsgelbe Mandeln ; die Konsistenz war schwach spröde, 
aber schon durch die Handwärme wurde es geschmeidig und knet- 
bar. Der Geruch erinnerte schwach an Galbanum, näherte sich aber 
bedeutend mehr dem des Asa-foetidaharzes. 

Ein kleiner Teil mit verdünnter Salzsäure übergossen verlieh 
letzterer nach einiger Zeit violette Färbung ; dieselbe trat rascher 

1) Zeitschrift für analyt. Chemie 17, p. 263. 

2) Jahresber. d. Pharmacie, V, 1870, 132. 


3) Pharmakognosie, 1891, p. 68. 
4) Archiv d. Pharmacie 1886, p. 831. 


M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 265 


und deutlicher auf durch Erwärmen und Zusatz von etwas Alkohol. 
Die ätherische Lösung des Harzes, mit Salzsäure versetzt, zeigte 
violett-rötliche Farbe. 

Mit Schwefelsäure erwärmt, löste sich das Harz mit dunkel- 
rotbrauner Farbe. Nach dem Verdünnen mit Wasser zeigte das 
Filtrat durch überschüssiges Ammoniak schön blaue Fluorescenz. 

Ich fand ätherlösliches Harz 56,8 Proz., ätherisches Oel 5,8 Proz., 
Wasser 3,5 Proz., Gummi 23,3 Proz., Verunreinigungen 10,6 Proz. 
Löslich war das Harz in Aether, Alkohol, Schwefelsäure und Alkalien. 
Das Gummi wurde nicht näher untersucht. 

Meine zunächstliegende Aufgabe war, das Harz vom ätherischen 
Oele zu befreien. Ich versuchte eine Trennung mit Petroläther zu- 
erst auf kaltem Wege ohne nennenswerten Erfolg. Auch durch Ex- 
traktion im Soxhlet'schen Apparate kam ich nur langsam und unvoll- 
kommen zum Ziel. Dagegen erwies sich folgende Methode als 
brauchbar: Das Rohharz wurde in Aether gelöst, um von vorn- 
herein gleich das Gummi abzuscheiden, die fitrierte ätherische 
Lösung aber in viel Petroläther gegossen, wiederholt anhaltend damit 
geschüttelt und im Scheidetrichter getrennt. Die Ausschüttelungen 
mit Petroläther wurden so oft wiederholt, bis eine Harzprobe nach 
dem Verdunsten des Aethers geruchlos zu sein schien. Die hierbei 
erhaltene Menge ätherischen Oeles — 19,2 Proz. — liefs vermuten, 
dafs im Oel auch noch Harz gelöst sei, was späterhin bestätigt 
wurde (s. äther. Oel). Aber trotz der wiederholten Behandlung mit 
Petroläther war nach völligem Verdunsten des Aethers doch noch 
ein schwacher Geruch bemerkbar, der für Anwesenheit geringer 
Mengen ätherischen Oeles sprach. Um letzteres vollständig zu ent- 
fernen wurde das Harz in einem Kolben aufs Wasserbad gebracht 
und durch das erweichte Sagapen Wasserdämpfe durchgeleitet. Das 
Destillat zeigte deutlichen Sagapengeruch, reagierte schwach sauer 
und wurde täglich mit Aether ausgeschüttelt. Dadurch erhielt ich 
ca. 2 g eines schmutziggrünen Oeles, das nach längerem Stehen 
braune Farbe annahm. 

Das über dem Harz im Kolben sich sammelnde Wasser 
fluorescierte schwach blau und reagierte ebenfalls sauer; doch war 
der Geruch nicht so intensiv wie beim Destillat. Zur Gewinnung 
der Säure wurde ebenfalls mit Aether geschüttelt, aber kaum ein 


266 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 

Tröpfehen einer braungelben Flüssigkeit, die stark nach Baldrian- 
säure roch, resultierte aus ca. 5 Litern des Kondensationswassers. 
Wahrscheinlich hatte durch das langandauernde Dampfeinleiten eine 
Zersetzung des ätherischen Oeles stattgefunden und die Baldrian- 
säure war wohl ein Spaltungsprodukt desselben. Mit welcher Hart- 
näckigkeit übrigens das Oel dem Harze anhaftete, ist daraus zu 
ersehen, dafs ich fast 4 Wochen lang genötigt war, das Harz mit 
Dampf zu behandeln, bis endlich das Destillat und damit auch das 
Harz völlig geruchlos wurde. 


Das ölfreie Harz war hart und spröde, erweichte leicht 
in heilsem Wasser und liefs sich in weilsglänzende Bänder ausziehen. 
Die Farbe ist gelbbraun, Geruch und Geschmack nicht mehr vor- 
handen. Es löste sich leicht in Aether, Chloroform, Ammoniak, Kali- 
lauge, weniger leicht in Alkohol, gar nicht in Petroläther. Schwefel- 
säure nahm es unter braunroter Farbe auf, die Lösung gab nach 
dem Verdünnen mit Wasser und nach dem Filtrieren auf Zusatz von 
Ammoniak schön blaue Fluorescenz. Der Schmelzpunkt war zwischen 
74 und 76°. Mit Salzsäure übergossen trat keinerlei Violettfärbung 
auf, da diese offenbar wie beim Galbanum!) durch das ätherische 
Oel bedingt ist. Ebenso konnte ich im ölfreien Harz Schwefel 
nicht nachweisen. Zwischen zwei Uhrgläsern erwärmt, sublimierte 
ein Gewirr von langen Nadeln, die sich als Umbelliferon erwiesen. 


Nachweis des freien Umbelliferons. 


Der oben erwähnte Umstand, dafs bei der Dampfeinleitung 
das über dem Harz sich sammelnde Wasser blau fluorescierte, liels 
vermuten, dals auch im Sagapen freies Umbelliferon vorkomme. Zum 
Nachweis desselben wurden 10 g Harz in konzentrierter Natrium- 
salieylatlösung?) (1 +4 1) gelöst und mit Wasser versetzt, 
wobei das Harz gelblich weils ausfiel. Sobald es genügend ausge- 
waschen war, wurden die vereinigten Waschwässer mit verdünnter 
Schwefelsäure versetzt. Die dadurch gefällte Salicylsäure wurde so- 
lange mit kaltem Wasser ausgewaschen, bis das Filtrat auf Zusatz 
von Ammoniak keine blaue Fluorescenz mehr gab. Das saure Filtrat 
wurde nunmehr eingeengt, mit Kalilauge genau neutralisiert und mit 


1) Tschirch und Conrady, Arch. d. Pharm. 1894. 
2) Conrady, Archiv d. Pharm, 1894. 


M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 267 


Alkohol versetzt, teils um das anorganische Salz abzuscheiden, teils um 
das freie Umbelliferon in Lösung zu bringen. Die letzten Reste des 
Kaliumsulfates wurden mit absolutem Alkohol ausgeschieden, das 
freie Umbelliferon mit Tierkohle gereinigt und umkrystallisiert. Ich 
erhielt so 0,11 Proz. Umbelliferon. 

Bringt man einige Krystalle reinen Umbelliferons in konzen- 
trierte Schwefelsäure, so zeigt letztere eine prächtige Fluorescenz, 
die aber gegenüber der mit Ammoniak mehr einen Stich ins Rötlich- 
Violette hat. Fast dieselbe Reaktion tritt auf beim Lösen des Rein- 
harzes in konzentrierter Schwefelsäure. Um zu sehen, ob die 
Fluorescenz durch das freie Umbelliferon hervorgerufen wird, löste 
ich wieder 10 g Harz in Schwefelsäure, gols die Lösung vorsichtig 
in Wasser, filtrierte das in braunen Flocken ausfallende Harz ab 
und wusch gut aus. Das Filtrat wurde ebenfalls genau neutralisiert, 
das Kaliumsalz durch Alkohol gefällt wie vorhin beschrieben. Nach 
dem Umkrystallisieren erhielt ich hier 0,14 Proz. freies Umbelliferon. 

Dafs wirklich Umbelliferon vorlag, zeigte der Schmelzpunkt von 
224°, die prächtig blaue Fluorescenz in ammoniakalischer Lösung und 
die Grünfärbung durch Kochen mit Kalilauge und Zusatz von 
Chloroform.) 


Prüfung aufAldehyde. 


Die nahen Beziehungen des Sagapens zur Asa foetida legten den 
Gedanken nahe, dafs auch in ihm Vanillin enthalten sei, das E. 
Schmidt?) im Stinkasant nachgewiesen hatte. 100 g einer äthe- 
rischen Rohharzlösung wurden mit verdünnter Natronlauge ge- 
schüttelt, die alkalische Flüssigkeit angesäuert und mit Aether be- 
handelt. Nach der Trennung im Scheidetrichter wurde der ätherische 
Auszug mit Natriumbisulfitlösung anhaltend geschüttelt und die 
Sulfitlaugen mit einem Gemisch von 3 Volumteilen konzentrierter 
Schwefelsäure und 5 Volumteilen Wasser versetzt. Die sich ent- 
wickelnde schweflige Säure wurde auf dem Wasserbad vollends aus- 
getrieben, die Lauge aber nach dem Erkalten wiederholt ausge- 
schüttelt — doch konnte ich weder Vanillin noch einen anderen 
Aldehyd nachweisen. 

!) Tschirch und Conrady, Arch. d. Pharm. 1894 


= 2) Archiv d. Parmac. 224, 1886. -—— Jahresber. der Chemie 1885, 
p- 324. 


268 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 


Verseifung des Reiüharzes. 

Die Verwandtschaft des Sagapens zu Galbanum gab mir 
einen Fingerzeig bezüglich der Art der Verseifung. Denn da 
Tschireh und Conrady bei Zerlegung des Galbanums einer- 
seits wässerige und alkoholische Kalilauge, andererseits Salzsäure 
und Natriumäthylat ohne grofsen Erfolg versucht, dagegen Schwefel, 
säure mit befriedigendem Ergebnis verwendet hatten, erhitzte ich eine 
Probe Harz mit Schwefelsäure, und da ganz analoge Erscheinungen 
auftraten, wie bei Verseifung des Galbanums, zögerte ich nicht, auch 
das Sagapenharz mit dieser Säure zu zerlegen, zumal Umbelliferon 
selbst von konzentrierter Schwefelsäure unzersetzt aufgenommen wird. 
Es wurde deshalb das ölfreie Harz mit verdünnter Schwefelsäure 
(1:5) übergossen und über freiem Feuer unter Ergänzung des ver- 
dampften Wassers erhitzt. Schon nach kurzer Zeit nahm das Harz 
dunkelbraune Farbe an. Während es antangs leicht in der heilsen 
Verseifungsflüssigkeit erweichte, geschah dies nach einigen Wochen 
immer erst dann, wenn ein grofser Teil des Wassers abgedampft 
war, die Verseifungsflüssigkeit also eine gewisse Konzentration er- 
reicht hatte. Infolgedessen wurde bei fortschreitender Verseifung 
Schwefelsäure und Wasser im Verhältnis von 1:3 verwendet. Das 
Harz wurde mehr und mehr spröde, ballte sich in der Kälte schliels- 
lich nicht mehr zusammen, sondern bildete leicht zerreibliche Massen, 
die auch in kochendem Wasser nicht mehr zusammenschmolzen. 

Die Verseifungsflüssigkeit nahm stets braunrote Farbe an und 
wurde alle 2 bis 3 Tage erneuert. Das in ihr gelöste Harz wurde 
durch Zusatz von Wasser gefällt, das Filtrat aber auf Umbelliferon 
verarbeitet. Letzteres schied sich nicht in der Menge ab, wie beim 
Galbanum, und auch der gefundene Prozentgehalt — 15,7 — ist bei 
weitem geringer wie bei jenem Harz — allerdings sind die Verluste 
nicht mit inbegriffen. Die Verseifung, die über 4 Monate gedauert 
hatte, wurde für beendet betrachtet, als eine Probe ausgewaschenen 
Harzes in konzentrierter Schwefelsäure gelöst und vorsichtig mit 
Wasser versetzt im Filtrat keine Umbelliferonreaktion mehr gab. 

Umbelliferon. 

Aus der erkalteten Verseifungsflüssigkeit schied sich täglich 
eine grölsere oder geringere Menge von braungefärbten Krystallen 
ab, die sorgfältig gesammelt wurden. Zur Reinigung war wieder- 


M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 269 


holtes Auflösen und Umkrystallisieren vonnöten; schliefslich erhielt 
ich feine weilse Nadeln, die nach dem Trocknen durch ihr wirres 
Durcheinanderliegen dem Ganzen ein verfilztes Aussehen verliehen. 

Um das übrige in der Verseifungsflüssigkeit gelöste Umbelli- 
feron zu erhalten, stumpfte ich erstere mit Kalilauge bis zur schwach 
sauren Reaktion ab, liefs das Kaliumsalz auskrystallisieren, entfernte 
die letzten Reste desselben mit Alkohol und reinigte das mit dem 
Alkohol aufgenommene Umbelliferon durch Umkrystallisieren und Be- 
handeln mit Tierkohle. 

Dals sich Umbelliferon direkt aus dem Harz durch Sublimation 
gewinnen läfst, ist oben schon erwähnt. Ich stellte mir auf diese 
Weise noch eine kleine Menge her; die anfangs gelb sublimierenden 
Krystalle wurden durch zweimaliges Umsublimieren fast völlig weils. 

Das auf diese ganz verschiedene Weise gewonnene Umbelliferon 
zeigte ganz gleiches Verhalten: in wässeriger Lösung gab es auf 
Zusatz von Ammoniak prachtvolle blaue Fluoreszenz; mit Kalilauge 
erhitzt verlieh es zugesetztem Chloroform dunkelgrüne Farbe; der 
Schmelzpunkt lag stets zwischen 224 u. 225°. 

Die Elementaranalyse lieferte folgende Resultate: 


I. Direkt aus dem Harz sublimiertes Umbelliferon über Schwefel- 
säure aufbewahrt: 
0,0471 g Substanz ergaben 0,1150 g CO, und 0,0157 g H,0. 
II. Aus der Verseifungsflüssigkeit gewonnenes Produkt über 
Schwefelsäure getrocknet: 
0,0932 g Substanz ergaben 0,2276 g CO, und 0,0311 g H,O. 


Berechnet für C,H, 03: Gefunden: 
C 66,67 Proz. I. 66,63 II. 66,61 Proz. 
2. 270 Bas. AL, SP 


Die Menge des bei der Verseifung erhaltenen Umbelliferons 
betrug 15,7 Proz., die Verluste nicht mit eingerechnet. 

Beim Auswaschen des verseiften Harzes beobachtete ich, dals 
die letzten Spuren von Umbelliferon schwer zu entfernen waren. Da 
ich aus dem Filtrat weder mit Brom eine Fällung, noch nach dem 
Eindampfen Krystalle erhielt, dagegen immer aut Zusatz von Ammo- 
niak blaue Fluorescenz auftrat, so suchte ich festzustellen, in welcher 
Verdünnung Umbelliferon noch deutlich fluoresciert. Zu diesem 
Zweck löste ich 0,01 g Umbelliferon in 1000,0 Wasser; die Lösung 
Hluorescierte schön blau, auch nach dem Verdünnen auf 1000 000 


270 M. Hohenadel; Weber das Sagapen. 


sah man, namentlich in direktem Sonnenlicht deutliche Fluorescenz. 
Dieselbe trat auf Zusatz von etwas Ammoniak sofort kräftig hervor. 
Bei einer Verdünnung von 1:10000000 war die Fluorescenz nur 
noch bemerkbar in dem mit einer Loupe in die Lösung geworfenen 
Lichtkegel; bei weiterer Verdünnung verschwand die Fluorescenz 
vollständig. 

E. Posen!) giebt eine Methode zur Darstellung von Tribrom- 
umbelliferon. Ich arbeitete genau nach diesen Angaben mit reinem 
Umbelliferon und fand, dafs es mit Brom quantitativ fällbar ist. Der 
Niederschlag nahm bald, wohl infolge eines Ueberschusses von Brom, 
braunrote Farbe an. Zur Reinigung wurde der Körper vom über- 
schüssigen Brom befreit, alsdann aus verdünntem Alkohol wiederholt 
umkrystallisiert. Die alkoholische Lösung zeigte deutlich grünliche 
Fluorescenz. Nach längerem Stehen erhielt ich kleine Nadeln, die 
einen Schmelzpunkt von 194° zeigten. 

In ganz ähnlicher Weise behandelte ich nun auch einen Teil 
meiner Verseifungsflüssigkeit mit Bromwasser. Das Produkt wider- 
setzte sich hartnäckig allen Reinigungsversuchen, so dals ich es 
schliefslich trocknete und der Sublimatien unterwarf. Dabei erhielt 
ich schwach gelb gefärbte Krystalle, in denen nach dem Schmelzen 
mit Kali leicht Brom nachzuweisen war. Da ich hoffte, durch Zer- 
legung des Körpers wieder reines Umbelliferon abspalten zu können, 
aber stets auf Hydroumbellsäure stie[s, nahm ich von einer genaueren 
Untersuchung Abstand. 


Der Harzalkohol. 


Sagaresinotannol. 


Da der bei der Zerlegung mit Schwefelsäure resultierende 
braune Rückstand in der Asche noch Kalk aufwies, löste ich das 
Harz zu seiner weiteren Reinigung wieder in kalter konzentrierter 
Schwefelsäure, fällte vorsichtig mit Wasser, wusch den Niederschlag 
aus ohne aber ein aschefreies Produkt zu erhalten. Auch wieder- 
holtes Auflösen in Kalilauge und fällen mit Salzsäure lieferte kein 
befriedigendes Resultat. Erst nachdem ich nacheinander in Ammo- 
niak und Alkohol gelöst und mit Salzsäure wieder gefällt hatte, er- 
hielt ich den Körper aschefrei. Eine Aenderung der Farbe und der 


1, Berliner Berichte XIV, 2746. 


M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 271 


Lösungsverhältnisse war durch diese Manipulationen nicht eingetreten. 
Der verseifte Harzkörper hatte nach dem Auswaschen und Trocknen 
dunkelbraune Farbe, war leicht zerreiblich zwischen den Fingern 
und reagierte neutral. Er löste sich leicht in Kalilauge, Ammoniak, 
Schwefelsäure und Eisessig, weniger leicht in Alkohol, Aether und 
Aceton, garnicht in Petroläther, Chloroform, Benzol, Schwefelkohlen- 
stoff. Aus seinen Lösungsmitteln fiel er teils durch Verdünnen mit 
Wasser, teils durch Zusatz von etwas Salzsäure in braunen Flocken 
aus. In alkoholischer Lösung erzeugten Eisenchlorid sofort, Kalium- 
bichromat nach einiger Zeit deutliche Fällungen, was auf seine Gerb- 
stoffnatur hinweist. Mit metallischem Natrium geglüht, konnte Stick- 
stoff nicht nachgewiesen werden. Es lag die Vermutung nahe, dafs 
mein Verseifungsprodukt, wie bei der Benzoe, beim Perubalsam und 
Galbanum in die Reihe der Harzalkohole zu stellen sei, die Tschirch!) 
wit dem Namen Resinole belegt. Die Resinotannolreaktion, die 
darin besteht, dals das Resinotannol in alkoholischer Lösung durch 
alkoholische Kalilauge als brauner Niederschlag ausgefällt wird, der 
sich an der Luft schwarz färbt und zerflie[st, wobei sich durch die 
Kohlensäure der Luft wieder freies Resinotannol abspaltet — gab 
mein Harz sehr deutlich und ich nannte es deshalb Sagaresino- 
tannol. Die Elementaranalysen, im Sauerstoffstrom ausgeführt, er- 
gaben folgende Resultate: 


I. 0,1472 g Substanz, über Schwefelsäure getrocknet, ergaben 
0,3918 g CO, und 0,0926 & H,O. 
II. 0,1552 g Substanz ergaben 0,4137 g CO, und 0,1016 g H,O 


IH. 0,1238 »„ 0,3384 g CO, „ 0,0804 g H,O 
IV.0131g „ » 0,3574 g CO, „ 0,0879 g H,O 
V. 0,1468 g » » 0,3912 g CO, „ 0,0951 g H,O 
Gefunden: Berechnet für 
E IE 1727 »Ey: V. C;, Hag 0; 
ee = 7259 72,69 72,49 72,68 72,67 @ PE72272 
HN = 72T ET PTR EI H => 7,07 


Aus diesen Prozentzahlen wurde für das Sagaresinotannol die 
Formel Cs, Ha; O, berechnet. 
Acetylierung des Sagaresinotannols. 
Ausgehend von der Annahme, dafs mein zerlegtes Harz ebenso 
Alkoholnatur besitze, wie andere auf Veranlassung von Professor 


1) Pringsheim’s Jahrb. XXV, H. 3. 


272 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 


Tschirch untersuchte Harze, versuchte ich zuerst die Acety- 
lierung. Zu diesem Zwecke wurde ein Teil des Sagaresinotannols 
in Essigsäureanhydrid gelöst und einige Tage am Rückflufskühler 
erhitzt. Eine Aenderung der Farbe trat hierbei nicht auf. Nach 
dem Eingiefsen in Wasser schied sich ein braunes Pulver aus, das 
gut ausgewaschen und getrocknet wurde. Das Produkt ergab deut- 
liche Kakodylreaktion und lieferte bei der Verseifung Essigsäure, 
wobei Sagaresinotannol sich wieder abschied. Das Präparat löste 
sich leicht in Natronlauge, Schwefelsäure und Chloroform, schwer 
in Alkohol und Aether, gar nicht in Petroläther. 

Die Elementaranalyse des über Schwefelsäure getrockneten 


Körpers ergab folgende Zahlen: 
I. 0,0561 & Substanz ergaben 0,1465 g CO, und 0,0347 g H,O 


II. 0,0058 „ „0,2493 g CO, „ 0,0598 g H,O 
Berechnet für die Formel: Gefunden: 
Q;, Hs, 0; — CH, CO T. IT. 
027° —2277]23 71,22 71,19 
H = 68 6,87 6,95 


Die Zahlen stimmen für eine Monoacetylverbindung des Saga- 
resinotannols nach der Formel C,, Hz, 0, CH; CO. 


Benzoylierung des Sagaresinotannols. 


Dasselbe wurde in verdünnter Kalilauge gelöst und soviel 
Benzoylchlorid zugesetzt, dafs von letzterem ein kleiner Ueberschuls 
vorhanden war. Die Reaktion trat sofort unter Erwärmen ein: die 
klare Lösung trübte sich und nach kurzer Zeit schied sich eine 
braune Masse aus, die sich auf der Flüssigkeit zu einem Kuchen 
vereinigte. Letzterer wurde abgenommen, zerkleinert, mit heilsem 
Wasser erstmals, späterhin mit kaltem ausgewaschen. 

Während der Körper in der Wärme weich, zäh und knetbar 
war, wurde er nach völligem Erkalten hart und spröde. Zur Ent- 
fernung der letzten Spuren von Benzoylchlorid wurde in Alkohol 
gelöst und mit Wasser gefällt. Es fiel ein braungelbes, amorphes 
Pulver, das bis zum Verschwinden der Chlorreaktion ausgewaschen 
wurde. Nach dem Trocknen stellte der Körper ein hellbraunes 
Pulver dar, das sich leicht in Chloroform und Schwefelsäure löste ; 
Natronlauge nahm nur wenig auf, in Alkohol und Aether löste es 


sich langsam. 


M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 273 


Durch Verseifen konnte der Körper leicht in seine Kompo 
nenten gespalten werden: nach dem Erhitzen mit Kalilauge und 
Versetzen mit Salzsäure im Ueberschufs schied sich der Harzalkohol 
wieder ab, während sich aus dem Filtrat nach dem Erkalten kleine 
Krystalle ausschieden, die nach dem Umkrystallisieren und Trocknen 
einen Schmelzpunkt von 121° zeigten. Die Anwesenheit von Benzoe- 
säure konnte ich übrigens schon durch blofses Erwärmen des 
benzoylierten Harzes zwischen 2 Uhrgläsern nachweisen. Nach 
einiger Zeit nämlich bedeckte sich das obere Glas mit feinen weilsen 
Krystallblättchen, die ebenfalls einen Schmelzpunkt von 1219 auf- 
wiesen. 

Die Elementaranalyse des über Schwefelsäure getrockneten 
Körpers ergab folgende Zahlen: 


I. 0,1718 g Substanz ergaben 0,4688 g CO, und 0,0992 g H,O. 
1I. 0,1662 g h. = 0,4535 g CO, „ 0.0953 g H20. 
III. 0,1271 g 4 D 0,3467 g CO, „ 0,0728 g H,0. 


Berechnet für C,, Hz, 0; — C,H; CO. 
C = 74,40 Proz. 
ER 2,640, Broz 


Gefunden: 
il; 18 Tr: 
BZ 73,42 441 14.39 
re 6,37 6,36 


Die Zahlen stimmen für eine Monobenzoylverbindung von der 
Formel C,, Hz, 0,.C;, H,CO. 

Durch den Acetyl- und Benzoylester des Sagaresinotannols ist 
erwiesen, dafs mein Harz ebenfalls Alkoholnatur besitzt und min- 
destens eine Hydroxylgruppe enthält, also ein weiteres Glied der 
„Resinole“ bez. „Resinotannole“!) ist. 


Verhalten gegen Brom und Jod. 


Die Einwirkung dieser beiden Reagentien bot keinerlei auf- 
fallende Erscheinungen. Die Bromierung wurde in der Weise vor- 
genommen, dafs Brom in kleinen Portionen in das mit Wasser auf- 
geschwemmte Sagaresinotannol eingetragen wurde. Das Reaktions- 
produkt war ein amorpher brauner Körper, der gut ausgewaschen 
und getrocknet wurde. Er löste sich in Säuren, Alkalien und 


1) Tschirch, Archiv d. Pharmac. 1893. 
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 4. Heft. 18 


274 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 


Alkohol, fast gar nicht in Aether, Schwefelkohlenstoff und Petrol- 
äther. Die Anwesenheit von Brom war qualitativ leicht nach- 
zuweisen. 

Zur Jodierung stellte ich mir eine alkoholische Harzlösung dar, 
in die Jod eingetragen wurde. Durch Fällen mit Wasser erhielt 
ich wiederum einen amorphen Körper, der nach dem Auswaschen 
mit verdünnter Jodkaliumlösung und nach dem Trocknen dunkel- 
braune Farbe hatte. Als Lösungsmittel erwiesen sich Schwefelsäure, 
Natronlauge, Alkohol brauchbar, dagegen war in Petroläther, Chloroform 
Aether, Benzol, Schwefelkohlenstoff fast nichts löslich. Jod war 
qualitativ nachweisbar. Von einer quantitativen Jod- und Brom- 
bestimmung wurde abgesehen, da bei früheren Untersuchungen von 
Harzverbindungen im pharmac. Institut Bern die Erfahrung gemacht 
wurde, dafs sie meist keine einheitlichen Produkte darstellen. 


Oxydation des Sagaresinotannols. 


Während Tschirch und Lüdyt!) bei der Oxydation des 
Benzoeharzes direkt Pikrinsäure erhalten hatten, stie(senSchwanert?), 
Tscehirch und Conrady°) bei der Oxydation des Galbanums 
auch auf Kamphersäure. Es war nicht ausgeschlossen, dafs auch 
bei meinem Harz Kamphersäure auftreten könnte, deshalb arbeitete 
ich genau nach den Angaben Conrady’s: 40 g Sagapenharz wurden 
mit 700 & Salpetersäure vom spez. Gew. 1,27 auf dem Wasserbade 
so lange erwärmt, bis alles in Lösung gegangen war, was nach 
einigen Tagen der Fall war. Die gelbbraune Lösung wurde ein- 
gedampft, bis sich weilse Dämpfe entwickelten, der Rückstand mit 
Wasser aufgenommen, filtriert, das Filtrat wieder eingeengt und 
dann mit Aether geschüttelt. Nach dem Verdampfen des Aethers 
fanden sich aber keine Krystalle, sondern eine klare 'citronengelbe 
Harzschmiere, die sich in heilsem Wasser mit intensiv gelber Farbe 
löste. Die Lösung wurde wieder mit Salpetersäure versetzt und 
solange erhitzt, bis die Harzschmiere verschwunden war. Es schied 
sich nach einiger Zeit ein zartes schwach gelbes Pulver ab, das sich 
unter dem Mikroskop als krystallinisch erwies. Die Lösung des 
Pulvers hatte bitter adstringierenden Geschmack und glaubte ich 

1) Arch. d. Pharm. 1893. 


2) Annal. d. Chem. u. Pharmac. 128. 122. 
3) Archiv d, Pharmac. 1894. 232, 


M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 275 


anfangs Pikrinsäure vor mir zu haben, zumal auch die Haut dauernd 
gelb gefärbt wurde. Da ich aber niemals mit Cyankalium die 
Isopurpursäurereaktion erhielt, mufste wohl ein anderer Körper vor- 
liegen. Die Krystalle wurden sorgfältig gesammelt und umkrystallisiert, 
sie zeigten einen Schmelzpunkt von 175,50. Letzterer und die oben 
beschriebenen Eigenschaften lassen mit Sicherheit erkennen, dals 
das Oxydationsprodukt Oxypikrinsäure oder Styphnin- 
säure sei. — Kamphersäure scheint sich bei der Oxydation nicht 
zu bilden. 

In dem „Handwörterbuch der reinen und angewandten Chemie?) 
findet sich der Verlauf einer Oxydation von Stinkasant genau so ge- 
schildert, wie ich ihn bei Sagapen zu beobachten Gelegenheit hatte 
und ist dort ferner darauf hingewiesen, dafs diese Säure sich bilde 
durch Einwirkung von Salpetersäure auf verschiedene Gummiharze 
wie Ammoniak, Galbanum, Asa foetida, sowie auf Fernambukextrakt, 
Sandelholz und Gelbholzextrakt. 

Die Styphninsäure C,H (NO,); (OH), ist von Böttger und 
Will 1846 und gleichzeitig von Erdmann rein dargestellt worden ; 
schon 1808 hatte Chevreul sie erhalten und als „künstliches 
Bitter“ bezeichnet, indem er ihre Beziehung zum Welter’schen 
Bitter (Pikrinsäure) erkannte. Will und Böttger nannten die 
Säure Styphninsäure (von origvos) ihres zusammenzichenden herben 
Geschmackes wegen. Erdmann nannte die Säure Oxypikrinsäure, 
weil sie sich als das höhere Glied derjenigen Reihe, welcher die 
Pikrinsäure angehört, betrachten läfst, worauf schon Böttger und 
Will hingewiesen haben. — 

Aus dem Umstande, dafs bei Verseifung des Sagapenharzes 
durch Schwefelsäure auf der einen Seite Umbelliferon, auf der andern 
ein Harzalkohol — das Sagaresinotannol — auftrat, ist man berech- 
tigt den Schlufs zu ziehen, dafs das Harz ein Umbelliferon- 
Sagaresinotannoläther ist. 


Das ätherische Oel. 


Wie schon oben erwähnt, wurde zur Gewinnung des ätherischen 
Oeles die konzentrierte ätherische Harzlösung wiederholt mit Petrol- 
äther geschüttelt und letzterer nach der Trennung auf dem Wasser- 


4) Liebig, Poggendorf und Wöhler 1851. 
18* 


276 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 


bade abgezogen. Das resultierende Oel deutete schon durch seine 
Konsistenz und seine Menge — über 19 Proz. — auf einen Gehalt 
an Harz hin. In der That gelang es mir auch durch wiederholtes 
Schütteln mit Petroläther noch Harz abzuscheiden. Das nunmehr 
gereinigte Oel hatte nach dem Verdunsten des Petroläthers rein gelbe 
Farbe und den charakteristischen Geruch des Sagapens; sein spez. 
Gewicht war 0,980. Der fraktionierten Destillation unterworfen 
zeigte sich folgendes: Die ersten Anteile unter 100 I waren farblos 
und enthielten Petroläther. Zwischen 1000 und 110° ging Wasser 
über von üblem Geruch und saurer Reaktion. Zwischen 110° und 
135° zeigte sich ein hellgelbes ekelhaft riechendes Oel ebenfalls 
sauer reagierend.. Bei 1500 nahm das Oel im Kolben dunklere 
Farbe an, es destillierten einige ccm Oel von grünlicher Farbe über. 
Zwischen 160° und 210° war das Destillat hellblau, die Temperatur 
stieg aber bald bis 270° und schwankte alsdann zwischen 220° und 
2700 selbst bis 300° steigend. Die bei diesen Graden übergehenden 
Anteile hatten ‘schöne kornblumenblaue Farbe ohne den widerlichen 
Geruch des gelben Oeles. Die letzten Anteile waren schmutzigblau. 
Die Destillation mulste unterbrochen werden, weil Krystalle auf- 
traten, die das Abflufsrohr zu verstopfen drohten. Die Krystalle 
erwiesen sich bei näherer Untersuchung als Umbelliferon. Das Oel 
war demnach trotz sorgfältiger Reinigung noch harzhaltig. Dies be- 
stätigte auch der braungrüne Rückstand im Kolben, der nach dem 
Erkalten vollständig erstarrte. 


Da meine Bemühungen ein absolut harz- und wasserfreies Oel 
mit Petroläther zu erhalten ohne Erfolg geblieben waren, wandte 
ich die bekannte Methode der Oelgewinnung mittels Wasserdämpfen 
an. Zu diesem Zweck behandelte ich 100 g gereinigten Harzes mit 
Dampf. Das Destillat war anfangs milchigtrübe, doch trat bald eine 
Trennung und Klärung ein, indem das Oel sich an der Oberfläche 
sammelte. Dasselbe wurde im Scheidetrichter getrennt, mit Chlor- 
caleium entwässert und filtriert. Ich erhielt hier 5,8 g ätherisches 
Oel. Auch den Rest des mit Petroläther gewonnenen harzhaltigen 
Oeles trennte ich auf diese Weise. 

Das harzfreie Oel war von gelber Farbe, aber etwas heller als 
das harzhaltige, zeigte reinen Geruch nach Sagapen, ein spezifisches 
Gewicht von 0,905 und gab mit metallischem Natrium geglüht deut- 


M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 277 


liche Schwefelreaktion. Den Gehalt an Schwefel fand ich zu 9,7 Proz. 
Es löste sich leicht in Aether, Petroläther, Eisessig, Chloroform, 
Benzol, Aceton, weniger leicht in Essigäther und Alkohol. Mit etwas 
Alkohol angeschüttelt zeigte sich auf Zusatz von: 


Salzsäure schön violette Färbung schon in der Kälte. 


Schwefelsäure (verdünnt) anfangs schmutzig violett, nach Erwärmen 
und längerem Stehen purpurrot; es schieden sich weilse 
Flocken ab. 


Schwefelsäure (konzentriert) sofort braunrot, nach längerem Stehen 
tief violett, ohne Flockenabscheidung. 


Salpetersäure (konzentriert) anfangs gelbbraun, später braunrot, in 
dünneren Schichten violett, nach längerem Stehen tief- 
violett. 

Ammoniak gab milchige Trübung, die sich nach dem Erwärmen 
klärte unter Abscheidung weilser Flocken. 

Natronlauge ähnlich wie bei Ammoniak. 


Bei der Fraktionierung dieses harzfreien Oeles traten ganz 
äbnlichke Erscheinungen auf wie bei dem harzhaltigen: zwischen 
1000 und 110° einige Tropfen Wasser, zwischen 115° und 150° gelb- 
grünes, saures Destillat, zwischen 150° und 180° grünes Oel, zwischen 
180° und 210° blaues Oel, zwischen 210° und 240° dunkelblaues Oel, 
zwischen 240° und 270° (300°) tiefblaues dickflüssiges Destillat. Der 
Rückstand war grünbraun, dickflüssig. 

Der zwischen 1500 und 1800 übergegangene Anteil wurde mit 
Chlorcaleium behandelt und mit aller Vorsicht reiraktioniert. Dabei 
erhielt ich einige Tropfen eines hellgelben Oeles von widerlichem 
Geruch, das zwischen 118% und 123% übergegangen war; es reagierte 
neutral und gab mit Salzsäure keine Reaktion. Die Quantität war 
leider zu gering um nähere Untersuchungen anstellen zu können. 


Der Umstand, dafs bei dem mit Wasserdämpfen gewonnenen 
Oele bei der Fraktionierung Umbelliferon nicht auftrat, beweist, dafs 
das bei der Fraktionierung des mit Petroläther extrahierten Oels 
auftretende Umbelliferon in der That einer Verunreinigung dieses 
letzteren Oeles mit Harz seine Entstehung verdankt und dafs Um- 
belliteron also in diesem Falle nicht etwa aus dem Oele abgespalten 
wurde. 


[86] 
-] 
[0 >] 


M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 


Die sauer reagierenden Anteile der Fraktion verdünnte ich mit 
Wasser, setzte Zinkoxyd bis zur Neutralisation zu, erwärmte längere 
Zeit auf dem Wasserbade und setzte die Flüssigkeit nach dem 
Filtrieren zur Krystallisation weg. Aber selbst nach wochenlangem 
Stehen schieden sich keine Krystalle aus. Um doch eventuell zu 
der Säure zu gelangen, erhitzte ich den letzten Rest meines Oeles 
mit Kalilauge am Rückflufskühler mehrere Tage lang, das Oel nahm 
dabei dunkelbraune Farbe an. Nachdem die Verseifung beendet 
schien, wurde mit Wasser versetzt, mit verdünnter Schwefelsäure 
angesäuert und mit Aether ausgeschüttelt. Dabei erhielt ich kaum 
zwei bis drei Tropfen einer gelbbraun gefärbten Flüssigkeit, die 
einen intensiven Geruch nach Valeriansäure hatte. Leider gelang 
es mir auch hier nicht ein Salz darzustellen. Es mögen ganz ähnliche 
Verhältnisse beim Sagapenöl obwalten wie beim -Galbanumöl, bei 
dem Conrady vermutet, dals es ein flüssiger Ester sei, der 
möglicherweise grofsenteils aus Bornylvalerianat besteht, während 
das Terpen darin gelöst enthalten ist. Wir dürften es hier ebenfalls 
mit dem Ester eines Oelalkohols zu thun haben, die Tschirch!) 
mit dem Namen Oleole belegt. 


Es lag nahe, Vergleichungen anzustellen zwischen den hoch- 
siedenden blauen Anteilen des Sagapenöles und denen anderer Oele 
wie Galbanum, Asa foetida, Chamillen etc. Zu diesem Zweck stellte 
ich mir dar: Blauöl von Asa foetida durch trockene Destillation des 
Harzes, ferner solches von Valeriana officinelis und Inula Helenium 
durch Fraktionierung der Handelsöle Zur Verfügung stand mir: 
Blaues Galbanumöl aus der Sammlung des Pharmac. Institutes Bern. 
(Das Oel war gewonnen durch trockene Destillation des Harzes 
und schon über 21 Jahre in zugeschmolzenem Glasrohr aufbewahrt.) 
Sodann blaues japanisches Baldrianöl, Blauöl von Artemisia Absynthium 
und Achrllea Millefolium, die letzteren durch die Güte von Schimme 
& Comp. erhalten. 


Dafs diese blauen Oele in naher Beziehung zu einander stehen, 
ist schon ersichtlich aus den Temperaturen, bei denen sie über- 
destillieren. 


1) Pringsheim’s Jahrb. 1893 No. 373. 


[89 
-ı 
be) 


M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 


Blauöl von Sagapen zwischen 2100 und 2709 
# „ Valerian. office. „ 2100 ,„ 2650 
r „ Asa foetida a 230 „2800 (3000) 
n „ Inula Helen. „ 2100 „ 2600 
2200 „3000 (Küchler) 


e „ Galbanum ni 


Ganz besonders tritt die Verwandtschaft namentlich der rekti- 
fizierten Blauöle zu Tage bei der spektralanalytischen Untersuchung. 
Apparat und Methode wurden angewendet wie sie Tschirch im 
Archiv der Pharmacie 1884 beschrieben hat. 


Da das auf kaltem Wege extrahierte Oel von Sagapen niemals 
die alsbald zu beschreibenden spektralanalytischen Reaktionen giebt, 
so unterliegt es keinem Zweifel, dafs das blaue Oel ein pyrogenes 
Zersetzungsprodukt ist. 


Sämtliche Beobachtungen wurden vorgenommen in direktem 
Sonnenlicht. 


Das blaue Sagapenöl zeigt bei einer Schichtendicke von 
7 mm ein schmales Band in Rot zwischen 4 = 0,645 « und A = 0,660 u, 
ein etwas breiteres verwaschenes Band zwischen 4 = 0,583 « und 
4 = 0,610 «, ein mattes in seiner Lage nicht genau festzustellendes 
bei A = 0,550 und 4 = 0,570 «. Rot, Blau und Violett werden 
durchgelassen. 


Bei 12 mm Schichtendicke erscheint ein neues Band im Rot 
bei 4 = 0,720 « — A = 0,740 «. Das erste oben erwähnte Band 
im Rot ist jetzt dunkel und scharf konturiert und liegt zwischen 
4 = 0,645 „ und A = 0,665 „«. Das Band im Gelb ist mit dem 
Band im Grüngelb verschmolzen und bildet nunmehr ein breites 
gegen Grün verwaschenes, um 4 = 0,600 « am dunkelsten er- 
scheinendes Band zwischen 4 = 0,615 «x und 4 = 0,550 a. Bei 
dieser Schichtendicke wird Rot, Grün, Blau und Violett noch durch- 
gelassen ; im durchfallenden Lichte tiefblau. 


Bei 19 mm Schichtendicke hebt sich das Band im Rot, welches 
nunmehr eine grölsere Breite bekommen hat, kräftiger hervor 
zwischen 4 = 0,720 « und A} = 0,750 «. Das zweite Band im Rot 
ist mit den Bändern im Gelb und Gelbgrün zu einem breiten Band 
verschmolzen, ist gegen grün verwaschen und liegt ungefähr zwischen 


280 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 


, = 0,530 « und 4 = 0,675 «. Rot, Grün, Blau, Violett werden 
noch durchgelassen ; im durchfallenden Lichte tiefblau. 


Bei 28 mm Schichtendicke sieht man aufser dem Bande rechts 
neben Fraunhofer A nur ein breites Absorptionsband zwischen 
4 = 0,690 « und ca. 4 = 0,510 «. Bei höheren Schichtendicken 
verschmilzt auch das Band im Rot zwischen 4 = 0,750 « und 
4 = 0,720 « mit den übrigen Bändern. Bei direkter Sonne wird 
Ultrarot und etwas Blau durchgelassen etwa zwischen 4 = 0,440 u 
and — 0.470. 


Japanisches Baldrianöl (von Schimmel u. Co.) ist 
lichtgraublau, im durchfallenden Lichte grauviolett; zeigt die gleichen 
Bänder an der gleichen Stelle wie Sagapenöl. Bei 55 mm Schichten- 
dieke liegt Band 1 zwischen 4 = 0,720 « und 4 = 0,740 «, Band 2 
zwischen / = 0,645 « und 4 = 0,665 «, Band 3 zwischen 4 = 0,585 « 
und4=0,613 a. Diese drei Bänder sind deutlich und scharf konturiert, 
Band 4 undeutlich begrenzt bei 4 = 0,550 « und 4 = 0,570 «. — 
Bei 115 mm Schichtendicke wird nur Rot durchgelassen zwischen 
) = 0,670 « und 4 = 0,780 «. Band 1 deutlich und scharf. 


Wermutöl (von Schimmel u. Co.) zeigt braungraues Aus- 
sehen mit einem Stich ins Grüne; das Spektrum weniger deutlich: 
Bei 4 mm Schichtendicke zeigt sich Absorption des Violett und 
Blau bis gegen 4 == 0,500 «. Band 1 hebt sich nur undeutlich von 
der Endabsorption des Rot ab. Band 2 zwischen 4 = 0,650 « und 
, = 0,665 „« sehr deutlich. Band 3 undeutlich begrenzt um 
» = 0,600 u. 


Bei 8 mm Schichtendicke erscheint es im durchfallenden Lichte 
orange. Band 1 deutlich, Band 2 und 3 zu einem undeutlich be- 
grenzten Bande zasammengeflossen. Die Endabsorption reicht bis 

= 0,530 «. Band 4 nicht deutlich. Noch dickere Schichten lassen 
nur Ultrarot durch. 


Oleum Millefolii (von Schimmel u. Co.) hat grüngelbe 
Farbe, erscheint im durchfallenden Lichte schön grün. Bei einer 
Schichtendicke von 20 mm hebt sich Band 1 von der Endabsorption 
kaum ab zwischen } = 0,710 « uud A = 0,740 «a. Band 2 zwischen 
4 = 0,645 « bis 4 = 0,665 «a. Band 3 liegt um 4 = 0,600 «, etwa 


M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 281 


zwischen # = 0,580 «= und 4 = 0,605 «. Blau und Violett werden 
bis 4 = 0,460 « absorbiert. 

Auch bei einer Schichtendicke von 30 mm, wobei das Oel iın 
durchfallenden Lichte gelbgrün erscheint, ist Band 4 noch nicht 
deutlich, oder doch nur als ein Schatten von Band 3 gegen das 
stärker gebrochene Spektrumsende hin sichtbar. Band 2 ist mit 
3 verschmolzen, Band 1 relativ scharf konturiert. Die Endabsorption 
ist bis gegen 4 = 0,500 « vorgerückt. Es werden nur grün und 
rot durchgelassen, bei noch höheren Schichten nurmehr rot. 

Blauöl von Asa-foetida, erhalten durch trockene 
Destillation des Harzes und Fraktionierung des Destillationsproduktes. 
Zur Untersuchung wurden verwendet die zwischen 200° und 220° 
übergegangenen Anteile. — Bei einer Schichtendicke von 6 mm zeigt 
das tiefblau gefärbte Oel Band 1 von 4 = 0,720 « bis 4 = 0,750 
deutlich und dunkel, Band 2 von 4 = 0,650 « bis 4 = 0,675 a, gegen 
gelb verwaschen ; Band 3 von 4 = 0,620 « bis = 0,580 «; Band 4 
undeutlich und verwaschen, mit Band 3 verschmolzen und als ein 
Schatten erscheinend etwa bei 4 = 0,560 «, verschmilzt später voll- 
ständig mit 3. Bei dieser Schichtendicke wird violett noch durch- 
gelassen. Bei höherer Schichtendicke verschmilzt zunächst Band 3 
mit 4 und dann auch Band 2 mit 3 und 4. 


Blaues Galbanumöl. Schichtendicke 4 mm, Farbe tief- 
blau. Band 1 von 4 = 0,720 » bis 4 = 0,740 a; Band 2 von 
4 = 0,645 a bis = 6,665 “; Band 3 undeutlich und verwaschen, 
bereits mit Band 4 zu einem breiten Band verschmolzen ungefähr 
zwischen 4 = 0,545 „ und 4 = 0,620 a. Immerhin ist das Band um 
4 = 0,600 „ entschieden dunkler. Dicke Schichten (von 8 mm) lassen 
nur Ultrarot über = 0,750 und Blau zwischen 4 = 0,440 » und 
„= 0,470 » durch, doch hebt sich Band 1 noch gut von dem 
Uebrigen ab. 


Grüngelbes Oel von Inula Helenium. Fraktion 
von 210° bis 260°. Das Oel fluoresziert deutlich blau. Bei einer 
Schichtendicke von 32 mm erscheint das Oel im durchfallenden Lichte 
orange, absorbiert blau und violett bis = 0,490 «, zeigt ein un- 
deutliches, mattes, an den Rändern verwaschenes Band zwischen 
4 = 0,610 und 4 = 0,550 », welches dem Bande 3 und 4 entsprechen 
würde. Von Band I und 2 ist nichts zu sehen. 


282 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 


Blaugrünes Oel von Valeriana officinalis. Fraktion 
zwischen 210° und 265°. Schichtendicke 20 mm. — Band 1 hebt sich 
von der Endabsorption noch nicht deutlich ab, doch ist es zwischen 
4 = 0,720 « und 4 = 0,750 « zu sehen; Band 2 ist dunkel, hebt sich 
gut ab zwischen A = 0,650 « und 4 = 0,670 „a; Band 3 ist gut diffe- 
renziert aber matt zwischen # = 0,590 «x und 4 = 0,610 «. Band 4 
zwischen 7 =0,555 « und y = 575 « sehr matt, undeutlich begrenzt. 
Violett wird absorbiert. Bei einer Schichtendicke von 27 mm reicht 
die Endabsorption des Blau bis 4 = 0,455 «; Band 3 ist mit Band 4 
verschmolzen. Band 1 und 2 treten deutlich und kräftig hervor. 


Blaugrünes Oel von Matricaria Chamomilla. 
(unfraktioniert. Schimmel u. Co.). Bei 4 mm Schichtendicke er- 
scheint ein breites verwaschenes Band zwischen 4 = 0,550 « und 
4 = 0,700 «. Die Endabsorption ist bis 4 = 450 « vorgerückt. Rot 
wird nur wenig durchgelassen; das von der Flüssigkeit durch- 
gelassene Licht ist blaugrün. —, fast nur Blau und Grün werden 
durchgelassen. Das breite Band scheint aus mehreren zusammen- 
geflossen zu sein. — 


Es möge hier angefügt sein das Spektrum des gelben Sagapen- 
öles, das mit Alkohol angeschüttelt und mit einigen Tropfen Salpeter- 
säure versetzt war. Die Farbe ist rein violett. Einige Tropfen 
zeigten ein dunkles gut begrenztes Band zwischen 4 = 0,540 « und 
4 = 0,560 «, welches bei steigender Schichtendicke dunkler und 
breiter wird. Steigert man die Schichtendicke, so liegt dasselbe als 
ein breites schwarzes Band zwischen 4 = 0,538 « und 4 = 0,562 .. 
Das Maximum der Absorption liegt bei A = 0,550 «. Daneben ist 
ein zweites mattes Band erschienen zwischen 4} = 0,590 «x und 
A= 0,610 «. Violett und Blau werden durchgelassen. Bei noch 
höherer Schichtendicke liegt das erstgenannte Band gegen Gelb gut 
abgegrenzt, gegen Grün verwaschen zwischen 4 = 0,568 „ und 
i = 0,530 «. Das zweite Band hat sich ein wenig verbreitert, es 
liegt zwischen 4= 0,588 « und 4 = 0,612 „. Bei noch höherer 
Schichtdicke verschmelzen die beiden Bänder zu einem, welches 
zwischen } = 0,612 «x und 4 = 0,500 a liegt. Die Flüssigkeit er- 
scheint hier im durchfallenden Licht fuchsinrot. Dicke Schichten 
lassen Blau, Blaugrün und Rot durch. 


M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 283 


Zusammenstellung: 


Schichten- rer 3 
Blaues Oel von dicke. Absorptionsbänder. 
Sagapen 12 mm 1A = 0720 x — A = 0,740 u 
2 = 0,685 u — ) = 0,665 12 
34 = 0615 u — 0,550 # 
Japan. Baldrianöl. 55 mm I 2.0202 2 020 
21 = 0,685 u — 1 = 0,665 u 
Be 1 ee 1 77 
4.4 = 0550 I II 
Ol. Millefolii 20 mm 1A — Walz NN a 
2 ı = 0,645 «u — 4 = 0,665 u 
34 = 0,580 «x — A = 0,605 u 
4 undeutlich. 
Asa foetida 6 mm li —0,/20 2a —I W504 
24 = 0,650 « — 4 = 0,675 u 
34 = 0,620 u -- A = 0,580 u 
4 undeutlich. 
Galbanum 4 mm 1A = 0,720 vu — A = 0,740 u 
N — 0,6415 2 1 —- Vom 
3) 2 — 0,545 u — 
4f verwaschen , _ 06% u 
Valeriana 20 mm IT A= 02027 > 00er 
offieinalis 2A = 0,650 u — A = 0,670 u 
= 050 a — 20610 
4A = 0555 « — A = 0,575 matt.. 
Ol. Absynthü 4 mm 1 undeutlich 


24 =0650 u. —-— A = 0665 u 
34 = 0,600 « (ca.) 
4 verwaschen. 


Ueber das blaue Chamillenöl berichtet J. Kachler:), be- 
schreibt die Rektifikation desselben und vergleicht die hochsiedenden 
Anteile desselben mit denen des blauen Galbanumöles, das 
Mössmer?) untersuchte. Kachler findet eine grolse Aehnlichkeit 


1) Bericht der chem. Gesellsch. Bd. IV. 36. 1871. 
2) Annalen der Chemie OXIX. 257. 


284 M. Hohenadel : Ueber das Sagapen. 


bezüglich des Geruches, doch einen beträchtlichen Unterschied was 


ihre Zusammensetzung betrifft: 


Blaues Chamillenöl Blaues Galbanumöl 
281— 2890 289 —290%9 n. Mössmer 

Me = 79,25 83,74 
Mittel H — 10.40 11.43 Mittel 


Auch ©. Wolff!) arbeitete über das blaue Chamillenöl und 
untersuchte dasselbe spektroskopisch. Seine Messungen ergaben für 
die alkoholische Lösung des Oeles für die drei Absorptionsmaxima 
im prismatischen Spektrum: a3lB, B23C—C8D, C60D-—.D. 

K. Hock?) untersuchte ebenfalls verschiedene blaue Oele mit 
dem Spektralapparat und fand, dafs alle die nämlichen Absorptions- 
bänder geben. Ertolgert daraus, dafs alle einen gemeinsamen blauen 
Farbstoff — Azulen — besitzen. Er glaubt ferner, dafs dieser blaue 
Körper manchmal schon in der Pflanze vorgebildet ist, oder doch 
bei der Destillation mit Wasser erzeugt wird, während man ihn in 
anderen Fällen erst durch Zersetzung bei höherer Temperatur er- 
hält. Hock weist dann noch darauf hin, dafs der blaue Farbstoff 
an der Luft sehr unbeständig ist, da die Färbung bald in ein 
schmutziges Braun übergeht. 

Durch meine Untersuchungen dürfte — abgesehen von einer 
genaueren spektralanalytischen Charakterisierung des Azulens — fest- 
gestellt sein, dafs das letztere nicht in den Oelen vorgebildet ist, 
wohl aber ein sehr regelmälfsig bei den verschiedensten Oelen auf- 
tretendes meist pyrogenes oder schon bei der Destillation mit Wasser- 
dampf entstehendes Zersetzungsprodukt einer bisher unbekannten 
Muttersubstanz ist. 


Il. Botanischer Teil. 

Aus der Droge wurden mehrere Stücke ausgelesen, die leicht 
als Stengelorgane erkannt werden konnten. Anatomisch untersucht 
zeigten dieselben einen Bau, wie er bei Umbelliferen häufig vor- 
kommt: Auf eine ziemlich grofszellige Epidermis folgt ein breiter 
Kollenchymring von verschiedener Dicke, in den die zahlreichen 
schizogenen Sekretbehälter halb eingebettet sind. Der Kollenchym- 
panzer ist am dicksten in den Längsleisten, die in dem Stengel vor- 


1) Pharmac. Ztg. No. 82. 1378, 
2 Archiv d. Pharmacie 1883. 17. 


M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 285 


handen sind, und fehlt oft ganz in den Rinnen. Die Sekretbehälter 
erreichen einen aufserordentlichen Durchmesser, sind langgestreckt, 
liegen ziemlich dicht nebeneinander, folgen überhaupt im Bau dem 
Typus der Umbelliferen. Dann folgt ein lockerer Ring grolser 
Gefälsbündel, die aufsen mit einem enormen Bastzellbeleg versehen 
sind, der nicht selten eine Tiefe von 8 Zellen und eine Breite von 
25 Zellen besitzt. Der Siebteil der Bündel ist fast regelmälsig stark 
obliteriert; der Gefäfsteil besteht vornehmlich aus zahlreichen, ziem- 
lich weiten Gefälsen, die grölsten Bündel liegen unter den Längs- 
rippen des Stengels. Hier folgt also aufeinander von aufsen nach 
innen: ein breiter Kollenchymbeleg, ein grofser Sekretgang, Bast- 
beleg, Siebteil und Gefälsteil. Im Innern des Stengels finden sich 
zahlreiche isolierte Gefäfsbündel, von denen die meisten einen zarten 
Bastzellbeleg am Siebteil und rechts und links davon, dem Siebteil 
angelagert, je einen grolsen schizogenen Sekretgang führen. Dieser 
Bau läfst keinen Zweifel darüber, dafs wir es mit dem Stengel einer 
Umbellifere zu thun haben und zwar wahrscheinlich mit einer Ferula.t) 


Aulser den Stengelteilen fanden sich in der Droge auch noch 
einige Früchte, die ebenfalls zweifellos zu einer Umbellifere gehören 
wie sowohl die morphologische als anatomische Untersuchung zeigte. 
Besonders der Bau der Aleuronkörner liefsen einen Zweifel an der 
Zugehörigkeit zu einer Umbellifere nicht aufkommen. 

Das Gleiche gilt von den ebenfalls ausgelesenen Blüthenstand- 
axen. Alle aus der Droge gesammelten Organe sind also sämtlich 
oberirdisch, so dafs eine Gewinnung des Sagapens aus der Wurzel 
nicht wahrscheinlich erscheint. 

Eine vergleichend morphologisch - anatomische Untersuchung 
der aus der Droge ausgelesenen Pflanzenreste mit Herbarmaterial 
von Ferula persica und Ferula Scovitziana aus dem Herbier 
Boissier, Genf, die bezeichnet waren mit „Ferula persica Willd. 
Persia. Dr. Buflse 1847 und Zerula Szovitsiana, Nakitschiwan, 
Szovits — und die ich Herrn Konservator Autrand verdanke — 
ergab als einziges sicheres Resultat, dals die im Sagapen vor- 
kommenden Pflanzenreste zweifellos zu einer Ferula gehören. Der 
Bau der Vegetationsorgane, besonders des Stengels, sowie der Frucht- 


it) Dgl. Tschirch, Angew. Anatomie 478 u. Arch. d, Pharm, 1886. 


286 M. Hohenadel: Ueber das Sagapen. 


schale (besonders der Querzellenschicht) liefsen hierüber keinen 
Zweitel. Jedoch stimmte der Bau des Stengels weder vollständig 
mit dem von Ferula persica nach dem von ZFerula Szovitsiana über- 
ein. Da die aus der Droge ausgelesenen Früchte sämtlich stark 
beschädigt waren, liefs sich nicht mehr entscheiden, ob dieselben 
einen breiten Flügel, der für die Früchte von Ferula Szovıtsiana 
charakteristisch ist, besessen haben, oder nicht. Die Frage, ob 
Ferula Szovıtsiana wirklich die Stammpflanze ist, wäre gelöst, wenn 
sich in der Droge die breitgeflügelten Früchte dieser Pflanze vor- 
fänden. 
Die Ergebnisse vorliegender Arbeit sind folgende: 
Sagapen enthält 56,8 Proz. ätherlösliches Harz 

233°, "Gummi 

35 „ Wasser 

10,6 „ Verunreinigungen, 

5,8 „ ätherisches Oel. 

Im Reinharz fanden sich 
ca. 15,7 Proz. gebundenes Umbelliferon 
0,11—0,15 Proz. freies Umbelliferon 
40 Proz. Sagaresinotannol. Ca, Has O;. 


Im ätherischen Oele konnte ich 9,7 Proz. Schwefel nachweisen. 


Das Harz ist ein Aether und zwar ein Umbelliferon-Sagaresino- 
tannoläther. Denn bei der Verseifung mit Schwefelsäure wurde 
einerseits Umbelliferon frei, das durch Reaktionen, Schmelzpunkt und 
Verbrennungen als solches festgestellt wurde; andererseits resultierte 
das Sagaresinotannol, das Gerbstoffreaktion gab und im Stande war, 
sowohl Benzoyl- als Acetylverbindungen einzugehen. 


Infolge dieser Eigenschaften ist Sagaresinotannol als Alkohol 
anzusehen und seine Verbindung mit Umbelliferon muls äther- 
artig sein. 

Die Behandlung des Sagaresinotannols mit Salpetersäure lieferte 
keine Kampfersäure, sondern Oxypikrinsäure . C; H (NO,); (OH)3. 


Dr. ©. Boettinger: Ueber Kohlenhydrate. 287 


Zur Kenntnis der Glyoxylsäure. 
VI. Abteilung. 


Verhalten gegen Kohlenhydrate. 
Von Dr. Carl Boettinger. 
(Eingegangen den 15. 5. 1895.) 


Vor kurzem habe ich in diesem Archiv 1895, 233. 125 einige 
Andeutungen über das Verhalten der Glyoxylsäure gegen Trauben- 
zucker mitgeteilt. Auf den folgenden Blättern erlaube ich mir 
diesen Bericht zu vervollständigen und weitere Beobachtungen an- 
zuführen, von welchen ich glaube, dafs sie einiges Interesse bean- 
spruchen dürften. Aufser auf Traubenzucker, erstrecken sich die 
Versuche auf Stärke, Rohrzucker, Lävulose und Galactose; andre 
Zuckerarten vermochte ich nicht in den Kreis meiner Untersuchung 
zu ziehen, weil ich dieselben nicht erhalten konnte. 


I. Glyoxylsäure und Stärke. 


(Die invertirende Eigenschaft der Glyoxylsäure). 


Wenn fein zerriebene Stärke mit dem gleichen Gewicht Glyoxyl- 
säure von 1.32 spec. Gew. übergossen wird, so verwandelt sie sich 
in eine ganz schwach gelb gefärbte, durchscheinende, knollige Masse, 
welche auf Zusatz von einigen ccm Wasser in eine weiche, lichtgelbe, 
homogene Gallerte übergeht, auf welcher die wässrige Flüssigkeit 
steht. Wird die Masse nunmehr auf dem Wasserbade erwärmt, so 
löst sich die Gallerte nach kurzer Zeit bis auf einige Häute auf 
und es entsteht eine klare Lösung von löslicher Stärke, welche in 
verdünntem Zustand von Jodlösung blau gefärbt wird. In der 
Lösung findet sich auch eine Zuckerart vor, welche wie der Trauben- 
zucker von Fehling’scher Lösung reduziert wird. Es wirkt also die 
Glyoxylsäure im Sinne einer Mineralsäure auf die Stärke ein. 


Es wurden z. B. 0,5505 g zerriebene Stärke mit 0,4823 g 
Glyoxylsäure von 1,32 spec. Gew. und sechs ccm Wasser auf dem 
schwachdampfenden Wasserbade mit einander erwärmt. Nach Ablauf 
von 15 Minuten war die Stärke aufgelöst und eine Flüssigkeit gebildet, 
welche von einigen Häuten weilslich getrübt war. Es wurde nun 


288 Dr. ©. Boettinger: Ueber Kohlenhydrate. 


noch 3/, Stunden erwärmt, hierauf die Lösung durch Zusatz von 
Wasser auf 100 cem gebracht und mit 50 ccm der weilsen 
opalisierenden Flüssigkeit, welche auf Zusatz von Ammoniak oder 
Natronlauge klar wird, das Reduktionsvermögen von Fehlin g’scher 
Lösung bestimmt. Es wurden gefunden 0,127 g Kupferoxyd, ent- 
sprechend 0,1014 g Kupter. Diese Kupfermenge entspricht nach der 
Tabelle von Alliın 0,0516 g Traubenzucker, welcher aus 0,2752 g 
Stärke unter den angegebenen Bedingungen erzeugt worden ist. 

Ich habe in diesem Falle, wie überhaupt, das Kupferoxydul 
in der Spitze eines gemessenen Filters gesammelt, getrocknet und 
hernach durch längeres Glühen in Kupferoxyd übergeführt. Nach 
Befeuchten des letzteren mit rauchender Salpetersäura und erneuertem 
Glühen fand keine Gewichtsveränderung statt. Es sind also die 
Resultate ebenso genau, als wenn das Kupferoxydul im Asbestülter- 
röhrchen im Wasserstoffstrom zu Kupfer reduziert worden wäre. 

Wenn Stärke mit überschüssiger Glyoxylsäure und ganz 
wenig Wasser auf dem Wasserbade erwärmt wird, so scheint sie 
noch eine weitere Veränderung zu erleiden, denn wenn man die 
Masse dann mit Wasser übergielst und zu der eine ziemliche Menge 
einer weilsen, in Wasser unlöslichen Substanz enthaltenden Flüssig- 
keit Jod setzt, so entsteht keine Färbung. Setzt man aber erst 
überschüssige Natronlauge, dann zur klar gwordenen Lösung Jod und 
hierauf Essigsäure, so stellt sich Violettfärbung ein. Demnach 
dürfte unter diesen Umständen wahrscheinlich ein Ester der Stärke 
gebildet worden sein. 


II. Glyoxylsäure und Rohrzucker. 

Glyoxylsäure von 1,32 spez. Gew. löst schon bei gewöhnlicher 
Temperatur eine beträchtliche Menge gepulverten Rohrzucker auf. 
Wird 1 g Rohrzucker mit 0,7 g Glyoxylsäure der angegebenen 
Concentration übergossen und die Mischung auf dem Wasserbade 
erwärmt, so entsteht nach kurzer Zeit eine farblose, dicke Auflösung, 
die aber jetzt Zucker enthält, welche Fehling’sche Lösung reduzieren. 
In einem besonderen Falle wurde die erwähnte Mischung etwa eine 
Stunde auf dem Wasserbade erwärmt, dann durch Wasserzusatz auf 
100 ccm verdünnt. Von 50 cem der klaren, farblosen Lösung wurde 
mit Fehlingscher Lösung das Reduktionsvermögen bestimmt. Es 
wurden gefunden 0,8378 g Kupferoxyd, was etwa der Invertierung 


Dr. C. Boettinger: Ueber Kohlenhydrate. 289 


von 70 Prozent des Rohrzuckers entspricht. Die Lösung verändert 
sich auf Zusatz von Ammoniak bei gewöhnlicher Temperatur zunächst 
nicht, nimmt aber nach einigem Stehen eine gelbliche Färbung 
an. Die letztere tritt mit rotgelbem Ton in grofser Intensität auf, 
wenn erwärmt wird. 

Bevor ich das Verhalten der Glyoxylsäure gegen T’rauben- 
zucker erörtere, scheint esmir passend an dieser Stelle, einer andern 
Eigenschaft der Glyoxylsäure zu gedenken. 

IH. Die gährungshemmende Eigeuschaft der 
Glyoxylsäure. 

Wie der Formaldehyd ist die Glyoxylsäure, welche ja als 
Carbonsäure dieses Aldehydes betrachtet werden kann, ein starkes 
Gift für Hefe. Nach meinen Beobachtungen beeinträchtigt der 
Zusatz von Glyoxylsäure zu einem wässrigen Gemisch von Prefshefe 
oder von Bierhefe und Traubenzucker die Gährung, vorhindert sie 
aber nicht vollkommen. Wird aber Glyoxylsäure zu einer wässrigen 
Suspension von Hefe gesetzt und nach einer Stunde Traubenzucker 
zugefügt, so wird derselbe so gut wie nicht angegriffen. Nach 
Ablauf von 36 Stunden stellt sich wieder eine geringfügige Zer- 
setzung ein. Da die von einem Bäcker erworbene Prefshefe 
zufälligerweise die Gährung selbst nicht sonderlich förderte, habe 
ich an ihrer statt die vielfach energischer wirkende Bierhefe verwendet. 
Auf Zusatz von Glyoxylsäure zur wässrigen Suspension der Bierhefe 
wird diese niedergeschlagen, so dafs sie lange Zeit hindurch ohne 
jede sichtbare Bewegung auf dem Boden des Gefälses lagert. Von 
den verschiedenen auf den Gegenstand bezüglichen Versuchen sei 
der folgende angeführt. 

Zu 11g Bierhefe wurden um 11 Uhr 31 g destilliertes Wasser , 
und 0,2 g Glyoxylsäure von 1,32 spez. Gew. gesetzt. Um 12 Uhr 
30 Minuten wurden 2 g Traubenzucker eingetragen und die Ver- 
bindung des Zersetzungsgefälses mit abgewognen Auffangapparaten 


hergestellt. 
Nach betrug die 
24 Stunden, Gew:chtszunahme des Kalirohrs 0,0200 g; nach weiteren 
Bun.’ f x & 0,0125 & 
Det y, r L ß 0,0373 g 
as, E n Hi 0,0482 g 
Bee E R 0,0465 & 


oder in 116 Stunden 0,1445 e (Kohlensäure). 
Arch. d. Pharm CCXXXIII. Bd. 4. Heft. 19 


290 Dr. C. Boettinger: Ueber Kohlenhydrate. 


Dieser Versuch zeigt, dals die Glyoxylsäure schon in einer 
Konzentration von 0,5 Proz. ein sehr energisch wirkendes Hefe- 
gitt ist. 

IV. Glyoxylsäure und Traubenzucker. 

Es ist mir nicht gelungen ein krystallinisches Derivat des 
Traubenzuckers zu gewinnen. Dennoch glaube ich über meine Ver- 
suche berichten zu dürfen, da ich ein Reaktionsprodukt habe 
isolieren können, welches konstante Zusammensetzung besitzt. 


5 g Traubenzucker wurden mit ebenpsoviel Glyoxylsäure auf 
dem schwach dampfenden Wasserbade erwärmt, bis vollkommene 
Auflösung erzielt war und der beilsende Geruch des Formaldehyds 
bemerkbar wurde. Hierauf wurde Methylalkohol zugesetzt und aus 
der klaren Lösung durch Zufügen von Aceton weilse, leicht ver- 
schmierende Flocken ausgefällt. Diese wurden abältriert, das Filtrat 
auf dem Wasserbade bis zum dicken Sirup verdunstet, in welchen 
alsdann Aceton eingerührt wurde. Es entstand eine zähe, weilse» 
hygroskopische Abscheidung, welche dreimal mit frischem Aceton 
durchgearbeitet, dann bis zum Vertreiben des anhaftenden Acetons 
aut dem Wasserbade erwärmt wurde. Hierauf wurde der Rückstand 
in der eben erforderlichen Menge kalten Wassers aufgelöst und die 
Lösung im kalten Exsiccator verdunstet. Sie hinterlie/s einen fast farb- 
losen, zähen, in kaltem Wasser sehr leicht löslichen, hygroskopischen 
Sirup, welcher nicht die geringste Tendenz zum Krystallisieren 
wahrnehmen liefs. Die wässrige Lösung desselben reagiert schwach 
sauer. Wird sie auf dem Wasserbade erwärmt, so nimmt die saure 
Reaktion aulserordentlich rasch und stark zu, besonders wenn sie 
hin und wieder durch Eintröpfeln von Ammoniak autgehoben worden 
ist, offenbar weil sich ein in der Flüssigkeit befindlicher Ester in 
seine Komponenten spaltet. Auf Zusatz von Ammoniak färbt sich 
die kalte wässrige Lösung der Substanz zunächst nicht, sie wird 
aber allmählich schwach gelb. Beim Erwärmen tritt eine starke rotgelbe 
Färbung auf. Versuche, die Substanz in salzartige Verbindungen 
von einheitlichem Charakter überzuführen, scheiterten an ihrer Spalt- 
barkeit. Von der Beschreibung der Versuche nehme ich Abstand. 
Den Analysen zufolge kommt dem Sirup die Zusammensetzung 

08,0% +0 = ,H»9, +0%H,0;+H,0 
zu, bei 85° wird er wasserfrei. 


Dr. ©. Boettinger: Ueber Kohlenhydrate. 291 


1. 0,4307 g Substanz verloren bei 850 0,0300 g H,O oder 6,96 Proz. 
0,4007 g entwässerte Subst. lieferten 0,5508 g CO, u. 0,218 gH, 0, 
0,315 g Substanz verloren bei 850 0,0231 g H,O oder 7,26 Proz. 
0,2949 g entwässerte Subst. lieferten 0,4089 g CO; u. 0,1668 g H,O. 
3. 0,3167 g Substanz verloren bei 850 0,0217 g H,O oder 6,85 Proz. 

0,295 g entwässerte Subst. lieferten 0,4095 g CO, u. 0,1643 g H,O. 


15 


Berechnet: Gefunden: 
C,H, 0, + H,0 1: 2. a 
für H,O = 6,61 Proz. 6,96 Proz. 7,26 Proz. 6,85 Proz. 
Berechnet Cg Hy, 09 
0 = 37,79 Proz. 3749. 7. 37,82 „ 37.30.2435 
H= 551 „ ER 6,28 „ 6,19% 


Die aus vorstehenden analytischen Bestimmungen abgeleitete 
Zusammensetzung der Substanz entspricht auch deren Reduktions- 
vermögen gegen Fehling’sche Lösung. 

Es wurden 0,3434 g bei 850 entwässerte Substanz in 100 ccm 
Wasser aufgelöst. 
30ccm Lösung enthaltend 0,10302g Substanz lieferten 0,1715g Kupferoxyd. 
7004 h „0.240388 n „0,3958 h 

Die Resultate ergeben nach der Tabelle von Allihn um- 
gerechnet 67,9 Proz., resp. 69,2 Proz. Traubenzucker, während die 
Zusammensetzung der Substanz Oz H,, Og = 70,9 Proz. Traubenzucker 
verlangt. — 

Die acetonhaltige Mutterlauge von dem beschriebenen Körper 
hinterläfst nach dem Vertreiben des Acetons einen Sirup, dessen 
wässerige Lösung beim Erwärmen mit verdünntem Ammoniak eine 
aulserordentlich intensiv rotgelbe Färbung giebt. Dieser Sirup, 
welcher bei 85° 14,65 Proc. Wasser verlor, mufs der Bereitungs- 
weise entsprechend in 100 Teilen mehr Glyoxylsäure, demnach 
weniger Traubenzucker enthalten, wie die oben erwähnte Substanz, 
deren Menge er bei weitem nicht erreicht, Dies gelangt auch 
bei der Bestimmung des Reduktionsvermögens des bei 85° ent- 
wässerten Sirups zum Ausdruck, denn es lieferten 0,2242 g trockene 
Substanz 0,2401 g Kupferoxyd, welche nach der Tabelle von Allihn 
0,100 g Traubenzucker oder 44,6 Proz. Traubenzucker entsprechen. 
Nun verlangt eine Substanz von der Zusammensetzung 

0; H3;2 0, + 20, H, 0,:55,5 Proz. 
Traubenzucker, eine nach C,H, 0, +30,H, 0, zusammengesstzte 
45,4 Proz. Traubenzucker. 
19* 


292 Dr. ©. Boettinger: Ueber Kohlenhydrate. 


V. Glyoxylsäure und Lävulose und Galaktose. 

Von Lävulose gelangte ein sirupförmiges Präparat für mikros- 
kopische Zwecke der Firma E. Merck zur Verwendung, welches sich 
ohne weiteres mit Glyoxylsäure vermischen liefs. Dabei trat keine 
Temperaturerhöhung ein. Die farblose Mischung blieb auch nach 
monatelangem Stehen flüssig. Sie wurde darum auf dem schwach 
dampfenden Wasserbade längere Zeit erwärmt und schliefslich mit 
Aceton durchgearbeitet, welches einen zähen Stoff zur Abscheidung 
brachte, welcher wiederholt mit frischem Aceton durchgearbeitet wurde. 
Die Abscheidung ist in Wasser leicht löslich. Die Lösung wird beim 
Erwärmen mit Ammoniak gelb, aber erlangt bei weitem nicht die 
Farbenintensität wie die Lösung des Traubenzucker- resp. Galaktose- 
derivats. Auch der in Aceton leicht lösliche Anteil des Produktes 
giebt beim Erwärmen seiner wässerigen Lösung nur eine gelb- 
gefärbte Flüssigkeit. 

Ich habe den von Aceton abgeschiedenen Teil bei 85° getrocknet 
und dann sein Reduktionsvermögen festgestellt. Es lieferten 0,2312 g 
trockene Substanz 0,295 g Kupferoxyd, welche gemäls der Tabelle 
von Allihn 0,1234 g Traubenzucker oder 53,8 Proz. entsprechen. 

Nach diesem Resultat scheint dem getrockneten Lävulose- 
derivat die Zusammensetzung ©, H,s 0, + 2C,H, 0, zuzukommen, 
denn für dieselbe berechnet sich 55,5 Proz. Traubenzucker. 

Die Galaktose ist bei weitem nicht so leicht in Glyoxylsäure 
löslich, wie der Traubenzucker. Erst bei längerem gelinden Er- 
wärmen verwandelte sich die Mischung in einen zähen Sirup, welcher 
beim Einrühren von etwas Methylalkohol dünnflüssig wurde und 
dann bei langem Stehen etwas unveränderte Galaktose auskrystallisieren 
liefs, von welcher die überstehende Lösung abgegossen wurde. Beim 
Einrühren von Aceton in dieselbe erfolgte erst Mischung und dann 
Abscheidung einer in Wasser und Methylalkohol ganz leicht lös- 
lichen teigigen Masse, welche bei andauerndem Durcharbeiten mit 
frischem Aceton fadenziehend wurde. Die Abscheidung löste ich in 
Methylalkohol, filtrierte einige weilse Flocken ab und verdampfte in 
gelinder Wärme. Es hinterblieb ein farbloser, zäher Sirup, welcher 
nicht zum Krystallisieren gebracht werden konnte. Die farblose 
wässerige Lösung desselben erlangt auf Zusatz von Ammoniak schon 
einen schwach gelben Stich und wird beim Erwären intensiv gelb 


a 


Dr. C. Boettinger: Ueber Kohlenhydrate. 293 


gefärbt. Die Stärke dieser Färbung wird noch übertroffen von der, 
welche der Rückstand des Acetonauszuges bei gleicher Behand- 
lung liefert. 
0,2037 g bei 850 entwässerte Substanz lieferten 0,2893 g Kupferoxyd. 
Wenn man der Berechnung die von Soxhlet ermittelten 
Werte zu Grunde legt, nämlich dafs ein Molekül Galaktose bei Ver- 
wendung normaler Fehling'scher Lösung 4,9 Moleküle Kupfer- 
oxyd reduziert, so würde dies aut einen Gehalt von 65,7 Proz. 
Galaktose in der untersuchten Substanz hinweisen, wonach also die 
Substanz in der Zusammensetzung mit dem Traubenzuckerderivat 
übereinstimmen würde. 


Schlufs. 


Gemäls den im Vorstehenden beschriebenen Resultaten müssen 
wir der Glyoxylsäure eine bedeutende Rolle im Haushalte der organi- 
schen Natur zuschreiben. Wir sehen diese Säure der Stärke und 
dem Rohrzucker gegenüber ausgestattet mit dem Charakter einer 
Mineralsäure; aber noch mehr, das Produkt der Invertierung wird 
durch die gährungsfeindliche Eigenschaft derselben Säure vor der 
Zerstörung geschützt und gelangt dank der lösenden Eigenschaft 
der Säure in eine Beschaffenheit, dafs es überall hin mit der gröfsten 
Leichtigkeit transportiert werden kann. Sonach drängt sich die Ver- 
mutung auf, die Glyoxylsäure möchte im Lebensproze[s aus der 
Kohlensäure entstehen. Wir können sie ja auch betrachten als 
Formaldehyd, in welchem ein Wasserstoffatom durch den Carboxylrest 
ersetzt ist, und in der That zerfällt die Säure leicht in Kohlensäure 
und den genannten Aldehyd, welchen ja von Baeyer als das erste 
Reduktionsprodukt der Kohlensäure betrachtet und dessen Konden- 
sationsfähigkeit die Forschungen der letzten Jahre haben erkennen 
lassen. Im Sinne der Hypothese von v. Baeyer würde die Glyoxyl- 
säure das erste Kondensationsprodukt des Formaldehyds mit Kohlen- 
säure sein, die Mesoxalsäure dagegen das zweite Kondensations- 
produkt derselben Faktoren. Dafs aber die Kohlensäure unter Ab- 
gabe von Sauerstoff, vielleicht in der Form von Wasserstoffsuperoxyd, 
in Formaldehyd übergeht, mufs noch ebenso bewiesen werden, wie 
die in folgenden Zeichen versinnlichte Annahme, welche sich keines- 
wegs deckt mit der Vorstellung von Liebig: 


294 P.C. Plugge: Baptitoxin. 


| + H,0 = Oxalsäure und Glykolsäure. 


| 
| 
o 
A 


Darmstadt, 14. Mai 1895. 
Chem. Technisches Laboratorium (Privat). 


Untersuchungen aus dem pharmaceutischen 
Laboratorium der Universität in Gröningen. 


Ueber die Identität von Baptitoxin und Cytisin. 
Von Dr. P. C. Plugge. 
(Eingegangen den 25. Mai 1895). 

Die Baplisia tinctoria R. Br., die nach Dr. v. Schroeder!) das 
vorerwähnte Alkaloid in seiner Wurzel enthält, ist eine perennierende, 
gewürzartige Pflanze aus der Familie der Leguminosae Paptlionaceae, 
Serie der Podalyriae, die in den Vereinigten Staaten Nord-Amerikas 
vorkommt und dort unter dem Namen „wild Indigo“ als Arzneimittel 
angewandt wird. 

Der Teil der in der Arzneikunde verwendeten Pflanze ist die 
Wurzel, die aufser zur Bereitung eines Absuds auch noch zur 
Verfertigung eines Fluid extract of wild Indigo und eines s. 8. 
Concentration-Baptısin benutzt wird. 

Das Fluidextract wird bereitet durch Auszug der Wurzel 
mit 50prozentigem Alkohol und durch Eindünstung zu einer derartigen 
Konzentration, dals 1 cem des Fluidextracts übereinstimmt mit 
1 g Wurzel. 

Das Baptisin gehört zu der Gruppe der Arzneimittel, welche 
namentlich in Amerika unter dem Namen „Concentrations“ bekannt 


1) Revue des Sciences medicales 1886. Chem. Ztg. Oktober 1885. 
Dujardin-Beaumetz et Egalse P. 7. 


P. C. Plugge: ZBaptitoxin. 295 


sind, wozu u.a. das Chimaphilin, Evonymin, Cimifugin 
oder Maerotin, aber auch ein Gelsemin, Aconitin, 
Atropin und viele andere gehören, welche nach einem sehr zu 
mifsbilligendem Gebrauch diese für die Alkaloide und Glukoside 
üblichen Namen führen, trotzdem dafs sie davon in der Zusammen- 
setzung und an pharmacodynamischem Werte sehr verschieden sind. 
Sind doch die „Concentrations“ Mischungen wirksamer und unwirk- 
samer Pflanzenstoffe, welche nicht nur sehr verschieden sind von 
den reinen Prineipia activa der Pflanzen, sondern auch unter dem- 
selben Namen je nach den angewandten Bereitungsweisen, sehr von 
einander abweichen, 

Dujardin - Beaumetz und Egafse!) nennen das 
Baptisin „un remede eclectique dont la composition varie beaucoup 
et: que l’on obtient en precipitant par l’eau la solution alcoolique.“ 
Während diese Bereitungsweise in der That für das amerikanische 
Baptisin angewandt wird, erhielt ich von E. Merck in Darmstadt 
ein Baptisin, über dessen Bereitung er also berichtet: „Die Wurzel 
von Baptisia tinctoria wird mit heilsem Weingeist ausgekocht, der 
Weingeist abdestilliert und das Extrakt mit Wasser verdünnt. Das 
Baptisin wird mit Tannin gefällt, und der Niederschlag mit Bleioxyd 
zersetzt.“ 

Was den therapeutischen Gebrauch dieser Heilmittel betrifft, 
so wird erwähnt, dafs sie — die Wurzel in der Form eines Decoctums 
60—600, das Fluidextract in Gaben von 5—15 Minims und 
das Baptisin in Dosen von 1—4 Gran (0,065—0,260) — sowohl aus-, 
als inwendig als Tonica, Antiseptica, Purgantia, Emetica, Emmena- 
goga etc. mit gutem Erfolg wider viele Krankheiten eingegeben 
sind, als Skarlatia, Febris typhoidea, Dysenterie, Erysipelas, Rheu- 
matismus und Geschwüre. 

Parke, Davis and Co. erwähnen den wilden Indigo in 
folgender Weise in ihrem „Descriptive Catalogue 1894. P. 223: 
Baptisıa tinctoria R. Brown. Purgative, emetic, astringent, antiseptic; 
used principally on account of the latter virtue. Employed in atonic 
diseases, in scarlatina, typhus and all cases where there is a ten- 
dency to septicaemia; externally as a wash, or ointment for ill 
conditioned ulcers.“ 


1) Les plantes medicinales. P. 89, 


296 P.C. Plugge: Baptitoxin. 


Dafs ein so hoch gelobtes Heilmittel auch schon mehrmals 
einer chemischen Untersuchung unterworfen wurde, liegt auf der 
Hand. 

B. L. Smedley!) behauptete, dals er daraus ein Alkaloid 
isoliert habe, dessen Sulfat „yielded perfectly transparent crystals, 
in plates similar to those of potassie chlorate.* Doch J. A. 
Warner,?) der die Untersuchung nach der Beschreibung Smed- 
ley’s wiederholte, kam zu der Folgerung, dafs das krystallinische 
Sulfat des letztgenannten Forschers nur Gips sein könne. Warner 
selbst will ein Alkaloid daraus abgeschieden haben mittels Jodkalium- 
Jodquecksilbers und Schwefelwasserstoff. 

Von Husemann - Hilger wird erwähnt, dafs E. v. Greene?) 
ein Alkaloid aus der Wurzel von 2. tinctoria isoliert hat durch Aus- 
zug der mit Soda befeuchteten Wurzel mittelst Aether, welcher bei 
Verdunstung ein amorphes Alkaloid zurückliefs, löslich in Aether, 
Wasser, Alkohol, unlöslich in Benzol und Chloroform. 

Die jüngste Untersuchung ist, insofern ich habe nachgehen 
können, die schon vorerwähnte Untersuchung Dr. v. Schroeder’s. 
Nach diesem Forscher kommen drei wichtige Bestandteile in der 
Wurzel vor: 

1. Baptisin, ein bitteres, in Wasser lösliches Glukosid, 

2. Baptin, ein in Nädelchen krystallisierendes und in Wasser 
lösliches Glukosid, das schwach purgierende Eigenschaften 
besitzt, und 

3. Baptitoxin, ein giftiges Alkaloid. 

In den zahlreichen Referaten über diese Arbeit v. Schroe- 
der’s, welche ich nachschlagen konnte, habe ich nichts über Be- 
reitung, Eigenschaften und Zusammensetzung der drei genannten 
Stoffe gefunden. Nur fand ich in dem Werk von Dujardin- 
Beaumetz und Egasse folgendes über die Wirkung des 
Alkaloids erwähnt: 

„Baptitoxine, alcaloide toxique m&me ä petites doses, agissant 
sur les grenouilles en abolissant les mouvements respiratoires et 
paralysant, chez les animaux & sang chaud il abaisse la respiration 
et augmente Tirritabilite rellexe de la moelle.“ 

1) G. J. Smedley. Americ. Journ. of Pharmacy 1862, P. 311. 


2) Ino A. Warner, ibid 1871, P. 251. 
3) Francis v. Greene Pharm. Journ. and Trans (3) 60, 534. 


P. C. Plugge: Baptitoxin. 297 


Diese Angabe über die physiologische Wirkung des Alkaloids, 
in Verbindung mit dem Umstande, dals Baptısia lincoria R. Br. 
auch als Podalyria tincloria Mich. und Sophora tinctoria L. bekannt 
ist, lie(s mich vermuten, dafs das sog. Baptitoxin v.Schroeder’s 
wirklich Cytisin (Sophorin) sein würde. 

Da nun im allgemeinen die Samen der Sophora einen grölsern 
Alkaloidgehalt haben als die Wurzeln, beschlofs ich, meine Unter- 
suchung mit erstgenannten Pflanzenteilen anzufangen und bestellte 
dazu bei der Firma Haage und Schmidt in Erfurt kleine 
Quantitäten der Samen von D. tincloria und B. australis. Zur Aus- 
scheidung des Alkaloids wurden 10 g zermahlenen Samens mit 
10 & 12 g frisch gelöschten Kalks gemischt und diese Mischung in 
einem Soxhlet’schen Apparat mit Chloroform ausgezogen. Der 
Rückstand, welcher nach der Abdestillierung des Chloroforms zurück- 
blieb, wurde zur Reinigung vom Fett wiederholt mit Wasser be- 
handelt, die so erhaltene Lösung auf dem Wasserbade verdunstet, 
der trockene Rest in absolutem Alkohol aufgenommen und diese 
Lösung, zu schwach saurer Reaktion, mit starker Salpetersäure ge- 
mischt. Nach einigem Stehen zeigten sich in beiden Auszügen zier- 
liche Krystallbündel, von denen bei näherer Untersuchung sich 
zeigte, dals sie nichts anderes als Cytisinnitrat waren. Wir 
fanden, dafs 

1. das freie Alkaloid leicht löslich ist in Wasser zu 
einer Flüssigkeit, welche Lackmuspapier stark blau, aber 
Phenolphtalein nicht rot färbt, mit 
Eisenchlorid: rotfarbig; 


ID 


3. van de Moers- Reagens (Fe, Ol, und H, O,): positives 
Resultat; 

4. Bromwasser ein anfangs weilses, dann rotes Präzipitat 
wie bei Cytisin. 

5. Dittmars-Reagens: negatives Verhalten, wodurch, 
wie wir früher nachwiesen, das Cytisin sich von sehr vielen 
Alkaloiden unterscheidet. j 

6. Vollkommene Uebereinstimmung im Verhalten dieses Alkaloids 
und des Oytisins gegenüber einer grolsen Anzahl anderer 
Reagentien, wie PtC1,,Au Ol, Jod—KJ, Phosphor- 
wolframsäure, Phosphormolybdänsäureete. 


298 P.C. Plugge: Baptitoxin. 


Durch Fällen einer schwach sauer reagierenden Lösung des 
Alkaloids in Salzsäure mit einer Lösung von Goldchlorid wurde ein 
Doppelsalz erhalten, das in Farbe und Form mit demjenigen des 
Cytisins übereinstimmte und bei der Bestimmung des Goldgehaltes 
das folgende Resultat lieferte: 0,5085 g der bei 100° Celsius zu 
konstantem Gewichte getrockneten Verbindung lieferten durch Ver- 
brennung einen Rest an Gold, der 0,1885 g wog. Deshalb wurden 
gefunden 37,07 Proz. Au in der Doppelverbindung. 

Die berechnete Quantität für die Cytisingoldverbindung 
Cı H}a N; OH Cl, Au Cl], beträgt 37,11 Proz. Au. 

Auch die Resultate einiger Tierversuche (Frösche und Ka- 
ninchen) sprechen für die Identität von Baptitoxin und Oytisin. 
Ebenso wie bei unseren früheren Untersuchungen mit Cytisin und 
Sophorin, sahen wir auch durch dieses Alkaloid, bei Fröschen, fast 
direkte Verlangsamung oder sogar Stillstand der Atemholung und 
die charakteristische, sich von vorn nach hinten fortpflanzende 
Paralysis des zentralen Nervensystems eintreten, während die 
Wirksamkeit des Herzens wenig oder gar nicht gestört wurde. 


In Verbindung mit meinen früheren Untersuchungen über 
Sophorin (Cytisin) genügten mir die erwähnten chemischen und 
physiologischen Reaktionen, um folgern zu können, dafs das Alkaloid 
aus den Samen von Baßtisia tinctoria und Baplisia australis 
Cytisin ist. 

Eine quantitative Bestimmung des Alkaloidgehalts 
in den Samen von Baptısia australis, auf die früher bei Sophorin 
erwähnte Weise, nämlich durch Titrieren mit ”/joo H>SO,, und 
Lackmus als Indikator ausgeführt erwies, dals diese Samen den 
beziehungsweise sehr hohen Gehalt von 2,85 Proz. Cytisin enthalten. 
Von B. tinctoria hatte ich zu wenig Samen erhalten können, um auch 
davon noch eine quantitative Bestimmung ausführen zu können, doch 
das Faktum, dafs die Darstellungen aus gleichen Quantitäten der 
Samen auch ungefähr dieselben Quantitäten Nitrat lieferten, macht 
es höchst wahrscheinlich, dafs auch der Cytisingehalt der Samen 
von B. linctoria von der vorerwähnten Ziffer wenig verschieden 
sein wird. 

Obschon nun die Baptisia-Samen sich als cytisinhaltig er- 
wiesen, mulste auch noch nachgewiesen werden, dafs das Alkaloid 


H. Kiliani: Ueber Digitalinum. 299 


der Wurzel, dem der Name Baptitoxin gegeben war, kein anderes 
als das der Samen ist. 

Mit grofsem Wohlwollen, wofür ich hier nochmals meinen 
herzlichen Dank abstatte, stellte die bekannte Firma Parke, 
Davis & Co. in Detroit Mich. U. S. mir das zu diesem Teil 
meiner Untersuchung erforderliche Material zur Verfügung, d.h. eine 
reichliche Quantität Radır Daptısiae lincloriae, fluid Extract of wild 
Indigo und das Concentration-Baptısin. Weiter bestellte ich noch 
ein Baptisin (Concentration) bei Merck in Darmstadt. 

Die Untersuchung all dieser Stoffe zeigte, dafs sie in der 
That alkaloidhaltig sind, wenn auch in geringerm Mafse als die 
Samen. Weiter wurde noch nachgewiesen, dafs — wie wir schon 
auf Grund der angewandten Bereitungsweisen vermuteten — das 
Baptisin von Merck mehr Alkaloid enthält als das gleichnamige 
Präparat aus Amerika. 

Dafs das Alkaloid aus der Wurzel und der daraus bereiteten 
Präparate in der That Cytisin war und wir also zu dem Urteil, dafs 
das Baptitoxin identisch sei mit Cytisin, berechtigt 
sind, wurde für dieses Alkaloid aut die nämliche Weise nachge- 
wiesen als für das aus den Samen erhaltene. 

Eine nähere Untersuchung der Glukoside, welche nach 
v. Schroeder in dieser Wurzel vorkommen, lag aufserhalb meines 
jetzigen Planes, doch wird dieselbe von meinem Assistenten Herrn 
K. Gorter ausgeführt und später veröffentlicht werden. 


Ueber Digitalinum pur. pulv. germanie. und über 
die Darstellung von Digitalinum verum. 
Von.H. Kylranı. 

(Eingegangen den 9. VI. 1895.) 

Als ich vor nunmehr sieben Jahren die Untersuchung der 
pharmakologisch wichtigen Digitalisstoffe begann, fand ich in den 
früheren Publikationen über diesen Gegenstand äufserst zahlreiche, 
sich gegenseitig widersprechende Angaben vor. Mein ursprüng- 
licher Plan, behufs Isolierung der wirksamen Stoffe im chemisch 
reinen Zustande direkt von den Organen der Pflanze, den Samen 


300 H. Kiliani: Ueber Digitalinum. 


bezw. Blättern, auszugehen, mufste deshalb bald als vorläufig aus- 
sichtslos aufgegeben werden. Vorher war offenbar die enger be- 
grenzte Aufgabe zu lösen, aus den Digitalinsorten des Handels be- 
stimmte chemische Individuen abzuscheiden und deren Eigenschaften 
zu studieren. Erst wenn dies geschehen war, konnte man mit 
besserer Hoffnung auf Erfolg die Erledigung des genannten Haupi- 
problems in Angriff nehmen. Da ferner vorauszusehen war, dals 
bei der Schwierigkeit der Sache die betreffenden Versuche ziemlich 
grolse Quantitäten von Substanz absorbieren würden, wählte ich als 
Ausgangsmaterial das Digitalinum pur. pulv. germanic., 
welches seit langer Zeit fabrikmälsig aus den Samen der 
Digitalis purpurea gewonnen wird, also leicht in grölseren Mengen 
zu beschaffen war. Das Digitalinum pur. pulv., welches ich ver- 
arbeitete, stammte ausschliefslich aus der Fabrik von E. Merck 
in Darmstadt und wurde mir von der Firma C. F. Boehringer 
u. Söhne in Waldhof gütigst zur Verfügung gestellt. Die Unter- 
suchung desselben führte, wie schon früher mitgeteilt wurde !), zur 
Entdeckung der Krystallisierbarkeit des Digitonins und zur Auf- 
findung einer praktisch brauchbaren Methode für die Darstellung 
vonSchmiedeberg'sDigitalin, welches dann vonBoehringer 
unter der Bezeichnung „Digrtalinum verum“ in den Handel gebracht 
wurde. Durch das freundliche Entgegenkommen der genannten 
Firma bin ich jetzt in der Lage, meine gesamte Durchforschung des 
Digitalinum pur. pulv., also der aus Samen gewonnenen Digitalis- 
glykoside, sowie das Lierbei ausgearbeitete Verfahren zur Gewinnung 
von Digitalinum verum zu veröffentlichen. 


Zunächst mufste ich paturgemäfs an die Arbeit vonSchmiede- 
berg?) anknüpfen, welcher ebenfalls von den Samenglykosiden aus- 
gegangen war. Nach Schmiedeberg kann man zur Trennung 
der Glykoside zwei Methoden benutzen: Will man nur das unwirk- 
same Digitonin, den Hauptbestandteil des Rohmaterials gewinnen, 
so wird dasselbe durch gesättigtes Barytwasser als schwer lösliche 
Baryumverbindung gefällt und aus dieser in bekannter Weise 
regeneriert. Handelt es sich aber um die gleichzeitige Gewinnung 
sämtlicher Gemengteile, so soll man das teste Digılalımum Pur. 


1) Ber. chem. Ges. XXIV, 339. — Dieses Archiv Bd. 230. 251. 
2) Archiv experim. Pathologie Bd. 3, 16. 


ee 


H. Kiliani: Ueber Digitalinum. 301 


pulv. zuerst mit Aether und dann mit absolutem Alkohol ausziehen. 
Letzterer nimmt nach Schmiedeberg hauptsächlich nur das 
Digitalöin und das Digitalin auf, während das Digitonin ungelöst 
bleibt. ‚Die gewonnene alkoholische Lösung versetzt man mit 
1/,—!/, ihres Volums Aether, wodurch noch gelöstes Digitonin und 
etwas Digitalöin gefällt werden, während das Digitalin neben reich- 
lichen Mengen von Digitalöin fast vollständig in Lösung bleibt. Nach 
dem Abdestillieren des Aethers scheidet sich aus der alkoholischen 
Lösung, die man vorher mit Wasser versetzen muls, beim Ver- 
dunsten des Alkohols in gelinder Wärme das Digitalin, meist ver- 
unreinigt mit etwas Digitonäin, in Form einer feinflockigen, fast 
gallertartigen Masse aus, die man durch Filtrieren und Auswaschen 
mit Wasser von dem Digital&in befreit.“ 


Schon beim ersten Versuche, die Barytmethode Schmiede- 
berg’s anzuwenden, beobachtete ich, dals die Lösung sich sehr 
rasch stark gelb färbt. Offenbar trat also irgend eine chemische 
Zersetzung ein und ich verliefs deshalb diesen Weg für immer in 
der Ueberzeugung, dafs hier jedes Reagens prinzipiell auszuschliefsen 
sei, welches auch nur die geringste chemische Veränderung des 
Materials bedingen könnte. 


Aber auch das Alkohol-Aether-Verfahren in der Form, wie es 
Schmiedeberg vorschreibt, ist ganz unzulänglich, einerseits 
weil präzise Angaben über die anzuwendenden Mengenverhältnisse 
fehlen und andererseits ganz besonders deshalb, weil die Rohglykoside, 
wie Schmiedeberg selbst hervorhebt, beim Uebergiefsen mit Aether 
und dann mit absolutem Alkohol begierig Wasser aus der Luft anziehen 
und sich in eine zähe klebrige Masse verwandeln, bei welcher 
natürlich von einer auch nur annähernd vollkommenen Extraktion 
einzelner Bestandteile durch jene Lösungsmittel keine Rede mehr 
sein kann. 


Will man eine glatte Trennung durchführen, so mufs man 
zweifellos den absoluten Alkohol bezw. den Aether in anderer Weise 
zur Anwendung bringen. Vor allem aber war zu erproben, ob es 
nicht doch möglich wäre, den einen oder anderen Bestandteil des 
Rohmaterials direkt in krystallisierter Form abzuscheiden, vielleicht 
durch Benutzung anderer Lösungsmittel. 


302 H. Kiliani: Ueber Digitalinum. 


Zahlreiche Versuche, welche ich in letzterer Richtung anstellte, 
führten anfangs durchweg zu negativen Resultaten, sie wurden aber 
doch von ausschlaggebender Bedeutung für den Erfolg der ganzen 
Arbeit, insoferne sie zur klaren Erkenntnis führten, dafs man bei 
derartigen Substanzen niemals auf eine zufällige Krystallisation bei 
freiwilliger, wenn auch noch so langsamer Verdunstung rechnen 
dürfe, sondern dafs man sich unbedingt von vornherein eine über- 
sättigte Lösung bereiten müsse, welche durch gute Verkorkung des 
Gefälses sowohl vor Verdunstung als vor dem Zutritte von Luft- 
feuchtigkeit zu schützen ist. Uebersättigte Lösungen kann man sich 
aber bei solchen ursprünglich amorphen Gemengen nicht blos auf 
dem allgemein üblichen Wege der EKrhitzung mit möglichst wenig 
Lösungsmittel bereiten, sondern auch dadurch, dafs man jene mit 
letzteren bei gewöhnlicher Temperatur in gut verschlossenem Ge- 
fälse langsam zu einem Syrup zerlaufen lälst; denn die amorphe 
Modifikation einer Substanz ist in einem derartigen Falle immer be- 
deutend leichter löslich, als es die entsprechenden Krystalle sind, 
Hat man dann das richtige Lösungsmittel gefunden, was natürlich 
durch eine ganze Reihe von Parallelversuchen mit demselben trockenen 
Ausgangsmaterial und verschiedenartigen Flüssigkeiten zu ermitteln 
ist, so erfolgt, wenn überhaupt ein krystallisationsfähiger Körper 
vorhanden ist, in der Regel in sehr kurzer Zeit die Krystallbildung. 
Nur durch konsequente Durchführung dieser „Krystallisationsmethode* 
war es möglich, in dem Labyrinte der Digitalisstoffe die richtigen 
Pfade ausfindig zu machen. 

Schliefslich gelang es so, in einem mälfsig verdünnten Alkohol 
dasjenige Lösungsmittel aufzufinden, aus welchem der Hauptbestand- 
teil der Samenglycoside, das Digitonin, krystallisiert erhalten werden 
kann. Die Art und Weise, wie ich zu diesem Resultate gelangte, 
ist nicht uninteressant und mag deshalb hier Erwähnung finden: 


Wiederholt war beobachtet worden, dals einerseits wässrige 
Lösungen des Merck’schen Digitalins mit starkem Alkohol, umgekehrt 
aber auch alkoholische Lösungen mit Wasser Trübungen gaben. 
Ich löste nun einige Deeigramme Digitalinum pur. pulv. in der 
gerade absolut nötigen Menge von Wasser, wovon 2 Gew.-Teile er- 
forderlich waren, und setzte dann tropfenweise absoluten Alkohol 
hinzu, bis eine ganz leichte Trübung entstand. Die verbrauchte 


H. Kiliani: Ueber Digitalinum. 303 


Quantität Alkohol wurde durch genaue Wägung festgestellt. Nach 
12 Stunden fand ich in der Flüssigkeit vereinzelte Krystallnadeln, 
welche sich innerhalb 2 Tagen wesentlich vermehrten, und eine 
einfache Berechnung führte zu dem Resultate, dals Wasser und 
Alkohol genau in dem Verhältnisse 15:85 mit einander vermischt 
worden waren. Nach diesem Befunde brauchte nur noch ermittelt 
zu werden, in welcher Minimalmenge von S85prozentigem Alkohol 
man die Rohglycoside auflösen müsse, um das Maximum der Krystal- 
lisation zu erzielen. Jenes Minimum ergab sich zu 4 Teilen Lösungs- 
mittel auf 1,T. Glycoside und zugleich wurde gefunden, dafs man 
auf diesem einfachen Wege durch eine einzige Operation sofort 
43—45 Prozent des Gesamtmaterials in Form des schön krystalli- 
sierenden, aber nicht zu den Herzgiften gehörigen Digitonins ent- 
fernen könne, wodurch überhaupt der Schlüssel zur Lösung des 
ganzen Problems gegeben war. }) 

Die Mutterlauge jener ersten Krystallisation wurde nun im 
Vacuum völlig eingetrocknet. Der Rückstand erwies sich jetzt als 
so arm an Digitonin, dafs die erneute Auflösung desselben im 
Minimum von kochendem S5prozentigem Alkohol selbst nach An- 
regung mit Kryställchen keine weitere Abscheidung des gleichen 
Glycosids mehr lieferte. Dagegen erhält man noch eine zweite 
Krystallisation von Digitonin, wenn man jenen Rückstand entweder 
in 3 Teilen warmen 85 prozentigen Alkohols löst und dazu nach 
dem Erkalten Cloroform (!/; vom Gewichte der Lösung) giebt oder 
wenn man ihn durch Erhitzen mit der gleichen Gewichtsmenge 
Wasser in einen Syrup verwandelt, dem dann auf 100 Teile 
Wasser 22 Teile Amylalkohol beigemischt werden. Die erste 
Methode ist die bessere, weil die Trennung der Krystalle von 
der Mutterlauge weit besser gelingt als im zweiten Falle. 

Alle Versuche, aus dem Verdunstungsrückstande dieser zweiten 
Mutterlauge irgendwie direkt eine krystallisierte oder wenigstens 


1) Schmiedeberg hat entschieden auch mehrmals das obige 
Verhältnis von Wasser und Alkohol zufällig getroffen; denn in seiner 
Bemerkung (l. c. 8.19.) „wobei sich zuweilen Krystalle von Digitin 
ausscheiden“, ist das Wort „Digitin* sicher durch „Digitonin“ zu er- 
setzen. Letzteres krystallisieri nämlich gerade bei Gegenwart einer 
gewissen Menge von Aether, dessen Anwendung Schmiedeberg 
l. ec. erwähnt, besonders leicht aus 85 Proz. Alkohol. 


304 H. Kiliani: TUeber Digitalinum. 


zweifellos einheitliche Substanz abzuscheiden, blieben erfolglos. Da 
aber beobachtet wurde, dafs das jetzt noch vorliegende Glycosid- 
gemenge sehr reich ist an einer in kaltem absoluten Alkohol 
unlöslichen und überdies sehr stark gefärbten Substanz, wurde 
zur weiteren Trennung dieses Lösungsmittel in der Weise 
zur Anwendung gebracht, dafs das völlig trockene Material 
im Minimum (6 Gew.-Teile) von kochendem absolutem Alkohol 
ganz aufgelöst wurde. Beim Erkalten uud Stehenlassen bildet sich ein 
reichlicher, dunkler, am Boden festklebender Niederschlag I, von 
dem nach 12 Stunden die bedeutend hellere Lösung glatt abgegossen 
werden konnte. Versetzt man diese direkt mit Aether (0,72), so 
entsteht ein fein flockiger Niederschlag, welcher von der Flüssigkeit 
nur durch Filtration getrennt werden konnte, wobei er aber nach 
und nach schmierig wird und infoigedessen teils die Poren des Filters 
verstopft, teils allmählich wieder in Lösung geht. Hier läfst sich 
jedoch leicht helfen: die vom Niederschlag I abgegossene, absolut 
alkoholische Lösung wird gewogen, zuerst mit 4 Proz. ihres Ge- 
wichtes Wasser und dann mit ihrem gleichen Gewichte Aether (0,72) 
versetzt. Die kleine Menge Wasser genügt, um den anfangs flockigen 
Niederschlag II innerhalb 12—24 Stunden am Glase fest zu legen, 
so dals einfaches Abgiefsen möglich wird. Durch dieses Verfahren 
war nun eine sehr günstige Zerlegung der Gemengteile erzielt worden. 
Zunächst gab sich dies schon durch die Beobachtung zu erkennen, 
dafs der Niederschlag I jetzt, nach möglichster Beseitigung der lös- 
lichen Stoffe, selbst in kochendem absolutem Alkohol nahezu unlös- 
lieh geworden war. Der Niederschlag II erwies sich nach dem 
Austrocknen als ziemlich reich an einem in absolutem Alkohol schwer 
löslichen Körper, der Verdunstungsrückstand der alkoholisch-ätheri- 
schen Lösung (III) dagegen wurde vom gleichen Reagens schon bei 
gewöhnlicher Temperatur äufserst leicht aufgenommen. Besonders 
scharfe Unterschiede ergaben aber die von Herrn Prof. Boehm 
in Leipzig gütigst ausgeführten Versuche an Fröschen (Rana 
esculenta): 

I erzeugte selbst zu 10 mg noch nicht die typische Digitalis- 

Vollwirkung; 
II veranlafste Vollwirkung bei Anwendung von 3—5 mg; 


III aber schon bei einer Dosis von nur 1 mg. 


H. Kiliani: Ueber Digitalinum. 305 


Demnach kam für die Gewinnung des wirksamen Glycosids 
nahezu ausschliefslich die Fraktion III in Betracht. Trotzdem wurden 
auch die übrigen untersucht. 

Der Niederschlag I besteht in seiner Hauptmasse aus 
völlig amorphen, in Wasser leicht, in starkem Alkohol sehr wenig 
löslichen Substanzen, höchst wahrscheinlich Zersetzungsprodukten der 
ursprünglichen Glycoside. Nur in minimaler Menge enthält er eine 
krystallisiorbare und vielleicht in pharmakologischer Hinsicht inter- 
essante Substanz. Löst man nämlich den im Vakuum völlig aus- 
getrockneten Niederschlag in der doppelten Menge 50prozentigen 
Wasser-Acetons, so beginnt nach kurzer Zeit die Abscheidung von 
mikroskopischen, aber sehr regelmälsig ausgebildeten, tafelförmigen 
Kryställchen. Die Gesamtmenge derselben bleibt jedoch immer nur 
so gering, dafs man aus 1 kg Digitalinum pur. pulv. vielleicht einige 
Decigramme davon erhält. Die Krystalle sind, sobald ihre Mutter- 
lauge abgetropft ist, in Wasser so gut wie unlöslich; sie enthalten 
neben sehr viel organischer Substanz regelmäfsig Calcium und Ka- 
lium.!) Löst man sie in kochender 50prozentiger Essigsäure, so 
scheidet sich beim Erkalten der gröfste Teil der organischen Sub- 
stanz wieder ab in hübschen, zu Rosetten vereinigten Blättchen, 
während die beiden Metalle als Acetate gelöst bleiben. Für die ur- 
sprünglichen Krystalle, deren Kaliumgehalt allerdings damals noch 
nicht erkannt war, stellte Herr Prof. Boehm bei Fröschen stark 
toxische Eigenschaften fest. Weitere Versuche wurden wegen Mangel 
an Material noch richt ausgeführt. 

Niederschlag II sollte nun hauptsächlich aus Schmiedeberg’s 
Digitalöin, d.h. einem in Wasser leicht löslichen spezifischen Herzgifte 
bestehen. Löst man ihn aber im trockenen Zustande im Minimum 
von kochendem absolutem Alkohol auf, so überzeugt man sich leicht, 
dafs er hierdurch wieder zerlegt werden kann ir einen schwer und 
in einen leicht löslichen Anteil, von denen der erstere in seinen 
Eigenschaften ungefähr der Fraktion I, der letztere aber III ent- 
spricht. Von dem Vorwiegen eines bestimmten chemischen Indi- 
viduums kann keine Rede sein. 


1) Die Digitalis purpwrea scheint überhaupt eine ausgeprägte Kali- 
pflanze zu sein: in den Blättern habe ich sehr gro/se Mengen Chlor- 
kalium gefunden. 


Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 4. Heft. 20 


306 H. Kiliani: Ueber Digitalinum. 


Die Fraktion III enthält dagegen in r:!-hlicher Menge 
einen an und für sich in Wasser schwer löslichen Körper, dessen 
Gegenwart und Ausscheidung vorher nur durch die gleichzeitig vor- 
handenen leicht löslichen Stoffe verdeckt bezw. verhindert wurde. 
Die Gewinnung kleiner Quantitäten dieser Substanz war deshalb 
sofort leicht möglich. Herr Prof. Boehm ermittelte, dafs schon 0,5 
bis 0,7mg des noch nicht völlig reinen Materials bei Rana esculenta 
kompleten systolischen Herzstillstand hervorrufen und demnach 
konnte kein Zweifel mehr bestehen, dals hier die wirksame Substanz 
der Samenglycoside vorlag, während die Eigenschaften derselben alsbald 
die Identität mit Schmiedeberg's Digitalin verrieten. Obwohl 
dieses bisher niemals wirklich krystallisiert erhalten wurde, so besitzt 
es doch wenigstens die charakteristische Eigentümlichkeit, dafs es 
sich aus übersättigten Lösungen in Form von „Körnern“ abscheidet; 
dieser Umstand ermöglichte es, die oben geschilderte „Krystallisations- 
methode‘ auch auf Fraktion III anzuwenden, wobei testgestellt wurde, 
dafs man das Maximum der Körnerausscheidung erzielt, wenn die 
trockene Fraktion III mit der dreifachen Gewichtsmenge 20 prozentigen 
Alkohols angerührt und die so erhaltene konzentrierte Lösung unter 
Schutz vor Verdunstung 24 Stunden stehen gelassen wird. Da aber 
in der Fraktion III aufser dem Digitalin auch noch eine geringe 
Menge eines anderen, in Wasser schwer löslichen, ölig-harzigen 
Körpers steckt, erwies es sich als zweckmälsig, vor Allem den letzteren 
zu beseitigen, was leicht durch Schütteln der bereits von Körnern 
erfüllten Mischung mit Aether zu bewerkstelligen ist. Nach Ent- 
fernung des Aethers bringt man die Körner auf eine relativ grolse 
Nutsche, so dals sie auf derselben nur eine dünne Schicht bilden, 
läfst gut abtropfen und kann hierauf, sobald in dieser Weise die 
Hauptmenge der leicht löslichen Stoffe entfernt ist, ohne nennens- 
werten Verlust das rohe Digitalin zuerst mit 10 prozentigem Alkohol 
und schliefslich mit Wasser auswaschen. Das zunächst auf Thon- 
platten, dann im Vakuum getrocknete Roh-Digitalin läfst sich ohne 
jede Schwierigkeit aus kochendem 95 prozentigem Alkohol, nötigen- 
falls unter Anwendung von Blutkohle „umkrystallisieren“. Die heifs 
gesättigten Lösungen erstarren bald nach dem Erkalten zu einem 
dieken Brei der charakteristischen Körner, zu deren Trennung von 
der Mutterlauge jetzt zweckmälsig Nutsche und Saugapparat benutzt 


-H. Kiliani: Ueber Digitalinum. 307 


werden. Die Eigenschaften des reinen Digılalınum verum wurden 
bereits früher ausführlich beschrieben. 

Trocknet man das Filtrat vom rohen Digitalinum verum im 
Vakuum völlig ein, löst den Rückstand in 3 T. 95prozentigen 
Alkohols und fällt mit dem gleichen Volumen Aether, so lassen sich 
aus der abgegossenen alkoholisch-ätherischen Lösung in ganz gleicher 
Weise wie aus der ursprünglichen Fraktion III noch weitere Mengen 
von Digitalin gewinnen. Diese Beobachtungen, sowie die oben be- 
züglich des Niederschlages II mitgeteilten Thatsachen, lassen es mir 
höchst fraglich erscheinen, ob in den Samenglycosiden wirklich ein 
in Wasser leicht lösliches, besonderes Herzgift, ein Digitalöin, vor- 
handen ist. Ich halte es für wahrscheinlicher, dafs die an ver- 
schiedenen leicht löslichen Präparaten beobachtete Herzwirkung ein- 
fach einem wechselnden Gehalte an Digitalinum verum zuzuschreiben 
ist, dessen letzte Reste aus der grolsen Masse der Nebenstoffe 
naturgemäfs nur unvollständig abzutrennen sind und dessen Löslich- 
keitsverhältnisse in ganz aufsergewöhnlichem Mafse von der Quantität 
der leichtlöslichen Beimengungen beeinflufst werden. 


Die vorstehend beschriebene Methode zur Untersuchung des 
Digitalinum pur. pulv. germanic. führte also zu folgendem End- 
resultate: 

Die aus dem Samen der Digials purpurea ge- 
wonnenen Glycoside bestehen mindestens zur 
Hälfte aus dem leicht krystallisierbaren Digi- 
tonin. Sie enthalten als wesentlichen, für die 
Herzwirkung wahrscheinlich allein in Betracht 
kommenden Bestandteil das Dıigsalnum verum, wäh- 
rend die Existenz des Digitaläöins mindestens 
fraglichist. Aufserdem findetsich in minimaler 
Menge einehübschkrystallisierende organische 
Caleium - Kalium -Verbindung. Digitonin und 
Digitalınum verum sind beide im reinen Zustande in 
Wasser sehr schwer löslich. Die Leichtlöslich- 
keit des gesamten Glycosidgemenges [(Digilahnum 
pur. pub) wird lediglich durch die gleichzeitige 
Gegenwart von schmierigen, absolut amorphen 
Körpern bedingt. Digitogenin wurde im Merck- 

20* 


303 H. Kiliani: Ueber Digitalinum. 


schen Fabrikate niemals aufgefunden. Die 
Krystalle, welche Schmiedeberg für Digitin an- 
sprach, waren sicher nur Digitonin. 

Nachdem über diese Punkte durch die geschilderten umfang- 
reichen Versuche volle Klarheit erlangt war, handelte es sich weiter 
darum, eine praktisch brauchbare und zugleich möglichst ausgiebige 
Methode für die Abscheidung des Digitalınum verum ausfindig zu 
machen. Das obige Verfahren war natürlich hierzu unbrauchbar, 
denn es hätte folgende Operationen bedingt: 

1. Auflösung der Rohglycoside in 4 Gewichtsteilen 85 prozentigen 

Alkohols, 

2. Absaugen des auskrystallisierten Digitonins, 
. Völlige Eintrocknung des Filtrats, 
Auflösung des Trocken-Rückstandes in der sechsfachen Ge- 
wichtsmenge kochenden absoluten Alkohols, 
Fällung der alkoholischen Lösung durch Aether, 
Eintrocknung der alkoholisch-ätherischen Lösung, 
Behandlung des Rückstandes mit der dreifachen Gewichts- 
menge 20prozentigen Alkohols, 

8. Filtration des Rohdigitalins, 

9. „Umkrystallisieren“ desselben. 

Bedenkt man nun, dafs das Merck’sche Digıtalinum pur. 
pulv. germanic., wenigstens zu der Zeit, als ich meine Versuche 
begann, nach gütiger Mitteilung des Herrn Prof. Boehm bei Rana 
esculenta erst nach Applikation von 8—10 mg Vollwirkung hervor- 
rief, während das Digıtalinum verum den gleichen Effekt schon zu 
0,5 mg erzeugt, so folgt, dafs das rohe Glycosidgemenge höchstens 
5,5 Proz. Digitahnum verum enthielt, deren Isolierung aber bei 
jenem komplizierten Verfahren absolut unrentabel gewesen wäre. 

Die Ausarbeitung einer bequemeren und billigeren Methode 
bot jedoch keine Schwierigkeit auf Grund folgender Erwägungen: 


Pr @ 


SEIN 


Das Digitonin und die amorphen Nebenstoffe werden aus ihren 
alkoholischen Lösungen durch Aether leicht gefällt, das erstere 
nahezu quantitativ, die letzteren wenigstens zum grölsten Teile. Das 
Digitalinum verum besitzt zwar an und für sich die gleiche Eigen- 
schaft. Da es aber in den Rohglykosiden nur in einem so geringen 
Prozeutsatze vorkommt, befindet es sich, wenn ursprünglich die 


H. Kiliani: Ueber Digitalinum. 309 


gesamten Rohglykoside in Alkohol gelöst werden, in so stark 
verdünnter alkoholischer Lösung, dals es durch Aether, wenn dieser 
im richtigen Verhältnisse angewendet wird, nicht zur Ausfällung ge- 
langt. Man würde also auf diese Weise sofort eine alkoholisch- 
ätherische Lösung gewinnen, welche der früher besprochenen 
Fraktion III entspricht. War dies richtig, so brauchte nur noch 
die für den Fabrikbetrieb lästige völlige Eintrocknung dieser Lösung 
umgangen zu werden, um ein praktisch brauchbares Verfahren zu 
erhalten. Auch das ist leicht möglich. Bestimmt man nämlich in 
passender einfacher Weise das Gewicht oder das Volumen jener 
alkoholisch - ätherischen Lösung, ermittelt man hierauf in einer 
kleinen abgewogenen oder abgemessenen Probe derselben ihren 
Gehalt an Trockensubstanz, welcher nach Umrechnung auf das Ganze 
mit A (Gramm oder Kilo) bezeichnet werden möge, und macht man 
ferner die Annahme, dafs, falls ursprünglich 96 prozentiger Alkohol 
verwendet wurde, dieser bei der Destillation seinen geringen Wasser- 
gehalt kaum wesentlich ändern wird, so führt eine kurze Be- 
rechnung zu dem Schlusse, dafs man einfach die alkoholisch-ätherische 
Lösung abzudestillieren hat, bis sie noch 1,6.A Gramm oder Kilo 
wiegt, um durch darauffolgende Beimischung von 2,4.A Gramm oder 
Kilo Wasser dafür zu sorgen, dafs auf 1 T. Trockensubstanz gerade 
die dreifache Gewichtsmenge 20 prozentigen Alkohols d. h. das für 
die völlige Abscheidung des Digitalinum verum günstigste Verhält- 
nis dieses Lösungsmittels trifft. Der Versuch bestätigte die Richtig- 
keit dieser Kalkulation und ferner zeigte sich, dafs für die Dar- 
stellung im Grofsen das früher erwähnte Schütteln mit Aether vor 
der Filtration des rohen Digitalinum verum erspart werden kann, 
weil die ölig-harzigen Stoffe, welche sich bei Weglassung des 
Aethers natürlich dem Rohdigitalin beimengen, beim „Umkrystalli- 
sieren“ des letzteren im Alkohol gelöst bleiben. 

So ergab sich denn schliefslich folgende einfache Methode 
zur Darstellung des Digilahnum verum: 


Man löst 1 T. Digitalinum pur. pulv. germanic. in 4 Gew.-T. 
95 prozentigen Alkohols, wozu nur schwache Erwärmung erforderlich 
ist. Nach dem Erkalten fügt man unter Umrühren oder Schütteln 
allmählich 5 Gew.-T. Aether (0,72) hinzu und läfst unter Schutz vor 
Verdunstung 24 Stunden ruhig stehen. Die alkoholisch-ätherische 


310 H. Kiliani: Ueher 3-Digitoxin. 


Lösung wird dann abgehoben oder abgegossen, hierauf gewogen 
oder gemessen und ihr Gehalt an Trockensubstanz (= A) mittels 
einer Probe bestimmt. Sodann destilliert man (am besten im Vakuum) 
den Aether und den gröfsten Teil des Alkohols ab, bis das Gewicht 
des Rückstandes nur mehr gleich ist 1,6.A. Diesen vermischt man 
mit 2,4.A Wasser, läfst 24 Stunden vor Verdunstung geschützt 
stehen, bringt das ausgeschiedene Rohdigitalin in nicht zu dicker 
Schicht auf eine Nutsche, läfst abtropfen, ohne zu saugen, wäscht 
mit 10 prozentigem Alkohol und zum Schlusse mit Wasser aus und 
trocknet endlich das Produkt auf Thon- oder Gips-Platten bezw. im 
Vakuum. Das trockene Rohprodukt wird aus kochendem 95 prozen- 
tigem Alkohol unter Anwendung von Blutkohle „umkrystallisiert.“ 

Höchst wahrscheinlich wird man sogar in der Vereinfachung 
noch einen Schritt weiter gehen können. Bekanntlich werden die 
Rohglykoside aus dem entsprechend vorbereiteten Extrakte der 
Samen durch Gerbsäure gefällt; der gewaschene Niederschlag wird mit 
Bleioxyd oder Zinkoxyd verrieben, das Gemenge getrocknet und mit 
starkem Alkohol extrahiert. Statt nun, wie dies bisher geschah, die 
alkoholische Lösung ganz einzudampfen und die Glykoside erst zu 
trocknen, wird man voraussichtlich auf dieselbe die obige Methode 
der Gehaltsbestimmung anwenden können, sie dann nur soweit ein- 
dampfen, dafs auf 1 T. feste Substanz gerade noch 4 T. Alkohol 
treffen und hierauf direkt mit Aether fällen u. s. w. 

Der Aether - Niederschlag ist natürlich äufserst reich an 
Digitonin und kann sehr leicht auf dieses Glykosid verarbeitet 
werden. 

Die vorstehenden Ausführungen dürften genügend klarlegen, 
dafs die in mehreren neueren Publikationen enthaltene Bemerkung 
„Das Digitahnum verum wird jetzt nach Schmiedeberg'’s 
Verfahren fabrikmäfsig hergestellt“, keineswegs den Thatsachen 
entspricht. 


H. Kiliani: Ueber #-Digitoxin. 311 


Ueber ?-Digitoxin. 
Von H. Kiliani. 
(Eingegangen den 9. VI. 1895.) 


Das reine Digitalinum verum zeichnet sich vor allen bisher 
in den Handel gebrachten Digitalispräparaten nach den Versuchen 
des Herrn Prof. Boehm dadurch aus, dafs es nur die typische 
Wirkung auf das Herz, aber keinerlei schädliche Nebenwirkung ver- 
anlalst. Trotz dieses grolsen Vorzuges vermochte es bisher nicht 
recht Eingang in die ärztliche Praxis zu gewinnen, weil von klinischer 
Seite wiederholt Mitteilungen gemacht wurden, wonach sich mit dem 
Digitalinum verum doch nicht immer die gleichen Heilerfolge er- 
zielen lassen wie mit dem althergebrachten /nfusum Digitalis. Herr 
Prof. Boehm sprach deshalb mir gegenüber die Vermutung aus, 
dafs in den Blättern der Digitalis purpurea noch irgend ein be- 
sonderes Herzgift stecken müsse, und er veranlafste mich, auch die 
pharmakologisch wichtigen Bestandteile der Blätter einer erneuten 
Untersuchung zu unterwerfen, indem er sich zugleich bereit erklärte, 
die nötig werdenden Tierversuche auszuführen. Für diese An- 
regung sowie für die äulserst wertvolle Förderung der Arbeit durch 
zahlreiche pharmakologische Experimente bin ich Herrn Prof. Boehm 
zu lebhattestem Danke verpflichtet, denn die Untersuchung führte 
mehrfach zu sehr überraschenden Ergebnissen, vor allem aber zu 
dem wichtigen Hauptresultate, dafs die aus den 
Blättern gewonnenen Glykoside völlig ver- 
schieden sind vonjenenausden Samen. Das Digi- 
fonin, welches sichin letzteren so reichlich vor- 
tindet, konnte bisher in den Blättern überhaupt 
nichtaufgefunden werden,ebensowenig das Digi- 
talinum verum. Andererseits aber enthalten die in 
üblicher Weise dargestellten Samenglykoside 
kein Digitoxin. 

Heute soll nur über einen Teil der bisher erhaltenen Resultate 
berichtet werden und zwar über die Gewinnung und die Eigenschaften 
eines Herzgiftes, welches entweder identisch oder zum mindesten 
nahe verwandt ist mit Se hmiedeberg'’s Digitoxin. 


312 H. Kiliani: Ueber 2-Digitoxin. 


Da ich von vornherein bei der Untersuchung der Blätter einen 
möglichst vollständigen Ueberblick über alle Extraktivstoffe ge- 
winnen wollte, wurden die grob zerstofsenen Blätter zuerst zweimal 
mit Wasser extrahiert, dann wieder möglichst rasch an der Luft 
getrocknet und hierauf mit 50prozentigem Alkohol ausgezogen. 
Jeder der beiden so gewonnenen Extrakte wurde für sich untersucht. 


Die mit Wasser befeuchteten Blätter besitzen bekanntlich 
aulserst grolse Neigung zur Schimmelbildung; ich habe deshalb an- 
fangs das Wasser vor seiner Verwendung mit Chloroform geschüttelt, 
aber bald gefunden, das dies nicht immer hilft. Dagegen kann jenem 
Uebelstande leicht und sicher dadurch abgeholfen werden, dafs man 
das Wasser mit 5 Proz. seines Gewichtes 95prozentigen Alkohols 
versetzt. Man nimmt auf 1 Teil Blätter 3 Teile dieses Extraktions- 
mittels, sorgt für gleichmälsige Mischung und läfst 12 Stunden unter 
Schutz vor Verdunstung stehen. Selbst bei zweitägiger Digestion 
gehen, wie besondere Versuche lehrten, nicht mehr Extraktiv- 
stoffe in Lösung als innerhalb jener kurzen Zeit. Durch 
Auspressen der Masse wurden aus 1 kg Blätter regelmäfsig 2400 
bis 2500 g rotbraunen Extrakts gewonnen. Der Rückstand wird 
zum zweiten Male mit der gleichen Menge Lösungsmittel behandelt, 
das zweite, äufserst verdünnte Extrakt aber nur zum Ansetzen neuer 
Blätter verwendet. Der erste Extrakt wurde in Flaschen gegossen, 
ca. 3 Stunden ruhig stehen gelassen, damit der beim Eingielsen ent- 
standene starke Schaum verschwindet und nun die Flasche völlig 
mit Aether aufgefüllt. Schüttelt man dann mehrmals um, so findet 
infolge der Absorption von Aether durch das Wasser eine Volumen- 
abnahme statt, welche durch neuen Aetherzusatz wieder ausgeglichen 
wird, und auf diese Weise d. h. durch möglichsten Ausschlufs der 
Luft ist es möglich, die bei Gegenwart von Luft aufserordentlich 
zum Schäumen und zur Emulsion geneigte wässrige Lösung ohne 
Schwierigkeit mit Aether zu extrahieren. Dieser färbt sich tief grün; 
man wiederholt die Operation 3—4 mal, bis der letzte Auszug nur 
mehr schwach grün erscheint. Von der Untersuchung der ver- 
bleibenden wässrigen Lösung wird in einer späteren Abhandlung die 
Rede sein; hier soll nur über den Aether-Auszug berichtet werden. 

Destilliertt man den Aether direkt ab, so erhält man einen 
tiefgrünen Sirup, aus dem auf keinerlei Weise eine Krystallisation 


H. Kiliani: Ueber 3-Digitoxin. 313 


zu erzielen ist. Schüttelt man aber die ätherische Lösung zuvor 
mit sehr verdünnter Sodalösung, so nimmt diese unter starker Rot- 
färbung eine ziemlich grofse Menge von organischer Substanz zu- 
gleich mit dem gröfsten Teile des in den Aether übergegangenen 
Alkohols (aus dem Extraktionsmittel stammend) auf, und läfst man 
dann den Aether nach sorgfältiger Trennung von der alkalischen 
Flüssigkeit 12—24 Stunden im bedeckten Gefälse stehen, so bilden 
sich an den Gefäfswänden, namentlich beim Reiben, kleine grün- 
weilse Wärzchen, welche an und für sich in reinem Aether so gut 
wie unlöslich sind und in den Aetherauszug nur durch die Ver- 
mittlung der grofsen Menge harziger Substanz und des Alkohols 
übergegangen waren. Der von denselben abgegossene Aether wird 
nun destilliert, wobei sich allmählich immer mehr von jener Substanz 
in Krusten ablagert. Die aus 1 kg Blätter gewonnene ätherische 
Lösung wird bis zu einem Volumen von ca. 10 ccm konzentriert, 
dann einige Stunden, geschützt vor Verdunstung, stehen gelassen 
und endlich von der Kruste abgegossen.!) Letztere wäscht man 
zweimal durch Decantieren mit Aether. Aus 1 kg Blätter erhält 
man so regelmäfsig 0,15 g Rohprodukt. In weit reichlicherer Menge 
ist der Körper aus dem mittels 50 prozentigem Alkohol bereiteten 
Extrakte der vorher mit Wasser erschöpften und wieder lufttrocken 
gewordenen Blätter in folgender Weise zu gewinnen: 

Je 1 kg dieses Materials wird mit 3 kg 50 prozent. Alkohol 
12 Stunden digeriert, das abgeprefste stark grüne Extrakt unter 
energischem Umrühren mit 0,4 kg Liquor Plumbi subacet. versetzt 
und nach ca. 2 Stunden filtriert. Der äufserst voluminöse schleimige 
Niederschlag schliefst auch nach vollständigem Abtropfenlassen auf 
dem Filter noch sehr erhebliche Mengen von Extrakt ein, welche 
man leicht durch Abnutschen gewinnen kann, wenn man dabei die 
Niederschlagsschichte auf der Nutsche immer nur mäfsig dick werden 
läfst, d. h. von Zeit zu Zeit den bereits ausgesaugten Niederschlag 
entfernt. Das Filtrat wird nun durch Verdampfung im Vakuum ?) 

!) Diese Mutterlauge enthält minimale Mengen eines zweiten, 
gut krystallisierenden Körpers, dessen Gewinnung aber nur bei Ver- 
arbeitung von mindestens 40 kg Blättern möglich ist. 

2) Zum raschen Eindampfen grölserer Quantitäten von Lösungen, 
welche leicht zersetzliche Substanzen enthalten, eignet sich ganz vor- 


züglich der Apparat von Soxhlet (Chem. Ztg. 1894, I, 721), den ich 
nach vielfältiger Erprobung allen Fachgenossen auf's Wärmste em- 


314 H. Kiliani: Ueber #-Digitoxin. 


vom grölsten Teile des Alkohols befreit, bis das schliefslich auf- 
tretende äulserst starke Schäumen die Fortsetzung der Operation 
unmöglich macht. Die konz. Lösung wird sodann in gleicher Weise 
wie das wässrige Extrakt 3—4 mal mit Aether und dieser behufs 
' Befreiung von Alkohol nur mit Wasser (nicht mit Soda) geschüttelt. 
Die gewonnene ätherische Lösung ist in diesem Falle so reich an 
der krystallisierbaren Substanz, dafs häufig sofort nach ihrer Be- 
handlung mit Wasser die Abscheidung der grünweilsen Krusten be- 
ginnt, ganz besonders wenn man sie niedriger Temperatur aussetzt. 
Man giefst dann ab, destilliert, wobei immer stärkere Krustenbildung 
erfolgt, und läfst die von den Krystallen abgegossene, konzentrierte, 
tief grüne Lösung noch etwas in flacher Schale verdunsten, um 
innerhalb mehrerer Tage eine weitere Krystallisation zu erhalten, 
die allerdings zumeist selbst stark grün gefärbt ist, aber noch ein 
bedeutendes Gewicht repräsentiert, so dafs man auf diesem Wege 
im ganzen aus 1 kg Blättern bei aufeinanderfolgender Behandlung 
derselben mit Wasser und 50 prozentigem Alkohol nahezu 1 g dieser 
leicht krystallisierbaren Substanz gewinnt. 


Nachdem dies festgestellt war, lag es nahe zu versuchen, ob 
man nicht das gleiche Resultat erhalten könnte, wenn man die 
Blätter direkt mit 50 prozentigem Alkohol extrahiert. Dabei stellt 
sich aber, wohl in Folge der grofsen Masse von ölig-harzıgen Stoffen, 
welche sofort in die Lösung und dann in den Aether übergehen 
und in diesem gröfstenteils verbleiben, auch wenn man mit Soda 


pfehlen kann. Namentlich wenn man die Vorlage durch Eis oder 
Kältemischung energisch kühlt, erfolgt die äulserst rasch vorsich- 
gehende Verdampfung nahezu bei Zimmertemperatur. Das von 
Soxhlet benutzte Quecksilbermanometer habe ich an meinem 
Apparate mit Vorteil durch ein direktan der Körting'schen Pumpe 
befestigtes Metallmanometer ersetzt. 


Während man im Allgemeinen bei der Benutzung des Apparates 
die einzudampfende Lösung kontinuierlich in denselben einsaugen lälst, 
in demselben Malse als die Verdampfung fortschreitet, ist dies speziell 
bei den 50 Proz. alkoholischen Digitalisextrakten unmöglich. Sobald 
nämlich deren Alkoholgehalt durch die Destillation unter eine gewisse 
Grenze gesunken ist, beginnt ein so starkes Schäumen, dals ein Flüssig- 
keitsvolumen von ca. 500 ccm einen Raum von 7—8 Litern mit grolsen 
Blasen erfüllt. Man bringt deshalb in diesem besonderen Falle sofort 
mehrere Liter Extrakt in den Kolben, stellt in diesen zur Erleichterung 
der Dampfblasenentwicklung einen feinen Holzstab und destilliert bis 
zu der onen angebenen Grenze. 


H. Kiliani: Ueber 3-Digitoxin. 315 


schüttelt, die Ausbeute wesentlich niedriger, sie beträgt aber immer- 
hin noch ca. 0,5 g pro 1 kg Blätter. 

Zur Reinigung des Rohproduktes kann man zwei Wege ein- 
schlagen : 

Entweder löst man es bei gewöhnlicher Temperatur in einem 
Gemisch gleicher Volumina Methylalkohol und Chloroform (35 Gew.-T. 
Methylalkohol und 65 Gew.-T. Chloroform) und setzt dann Aether 
(0,72) hinzu, bis höchstens ein leichtes Opalisieren, keinenfalls aber 
ein bleibender Niederschlag entsteht, wozu etwa das halbe Gewicht 
des Methylalkohol-Chloroforms genügt. Nach kurzer Zeit beginnen 
sich hübsche kleine Prismen in dichten Krusten abzuscheiden, welche 
in gleicher Weise weiter gereinigt werden können, wobei ein 
Schütteln der ursprünglichen Methylalkohol-Chloroform-Lösurg mit 
Blutkoble sehr förderlich wirkt. 

Oder man verwendet als Lösungsmittel 85 prozentigen Alkohol 
und zwar 5 Gewichts-Teile auf 1 Teil Rohprodukt. Bei anhaltendem 
Kochen erfolgt vollständige Lösung, welche man hier durch Kochen 
mit Blutkohle reinigt. Beim Erkalten bilden sich langsam weilse 
und sobald die Substanz wirklich rein ist, ganz farblose Warzen 
von blättrigen Krystallen. Das Umkrystallisieren mufs nach gleichem 
Prinzip mehrmals wiederholt werden unter allmählicher Steigerung 
der Menge des Lösungsmittels bis auf 10 Gewichts-Teile pro 1 Teil 
lufttrockene Substanz. 

Die aus Methylalkohol-Chloroform gewonnenen Krystalle sind 
wasserfrei, die aus der 85 prozentigen alkoholischen Lösung abge- 
schiedenen enthalten Krystallwasser. Recht merkwürdig ist die Be- 
obachtung, dafs die ersteren bei 240 ° noch fest oder höchstens schwach 
gesintert sind, wogegen die letzteren immer zwischen 145 und 150 0 
erweichen. Durch Auflösung in kochendem 85 prozentigemn Alkohol 
lassen sich aber die wasserfreien Krystalle sofort wieder in wasser- 
haltige von der Erweichungstemperatur 145—150 ° verwandeln. 


In Wasser ist die reine Substanz nur spurenweise löslich. 
Bringt man einige Stäubchen davon in ca. 10 cem englische Schwefel- 
säure, so tritt allmählich eine charakteristische Rotfärbung ein, welche 
man etwa mit der sog. „weinroten“ Färbung der Lackmustinktur 
durch Kohlensäure vergleichen könnte; die Färburg wird durch 
Zusatz eines Tropfens verdünnten Bromwassers verstärkt, steht aber 


316 H. Kiliani: Ueber #-Digitoxin. 


bezüglich ihrer Intensität weit zurück gegen die analoge Farben- 
reaktion des Digitalinum verum. In konz. Salzsäure löst sich die 
Substanz zunächst mit gelber Farbe, dann tritt ein ganz charakteris- 
tisches Opalisieren ein und allmählich wird die Lösung intensiv grün. 

Die Analysen des mittelst 85 prozentigem Alkohol gereinigten 
Materials gaben folgende Werte: 


I. 0,3756 g lufttrockener Substanz verloren im Vakuum sehr rasch 
0,0483 g und dann bei 1050 noch 0,0061 g, im Ganzen 0,0544 & H,O. 


Il. 0,1404 g bei 105° getrockneter Substanz lieferten 0,3195 g 
CO, und 0,1096 g H,O. 


1II. 0,1621 g ebenso 0,3672 g CO, und 0,1230 g H,O. 


Berechnet für Ca Hy, 00» +5 Ha 0: Gefunden: 
H,O 14,24 14,48 
Berechnet für Os H,g On: Gefunden: 
I. BElE 
C 61,99 62,06 61,78 
H 8,49 867 8,43 


Nachdem das gleiche Material S Tage lang an der Luft ge- 
legen hatte, fand ich nurmehr 12,3 Proz. Wasser, es scheint also 
ganz langsame Verwitterung stattzufinden. 


Die beschriebene Substanzist ein Glykosid: 
Erhitzt man sie nur wenige Minuten mit verdünnter Salzsäure in 
kochendem Wasser, so entsteht ein gelbes Harz und die von diesem 
abfiltrierte L'sung verursacht reichliche Reduktion von Fehling's 
Reagens. 

Alle diese Beobachtungen sowie auch die ersten Versuche, 
welche Herr Prof. Boehm (schon im April 1894) mit meinen 
„Krystallen aus Aether“ ausführte, schienen anzudeuten, dafs letztere 
mit keinem der bisher bekannten Digitalisabkömmlinge identisch 
seien. Herr Prof. Boehm schrieb mir am 20. April 1894 sogar 
direkt: „Sie haben also ohne Frage ein neues Digitalisglykosid ent- 
deckt.“ Erst als es mir trotz aller Mühe und Sorgtalt absolut nicht 
gelingen wollte, aus den Blättern einen Körper zu isolieren, welcher 
keinGlykosid war und zugleich die Eigenschaften vonSchmiede- 
berg’s Digitoxin gezeigt hätte, tauchten in jener Richtung Zweifel 
auf. Ich bezog dann von E. Merck in Darmstadt eine kleine 
Quantität Digitoxin, welches laut Mitteilung jener Firma „zwar nach 


H. Kiliani: Ueber #-Digitoxin. 817 


den Angaben Schmiedeberzg's dargestellt ist, dessen Schmelz- 
punkt jedoch nicht damit übereinstimmt“. Zunächst stellte ich fest, 
dafs auch das Merck'sche Präparat beim Erhitzen mit Säure 
Zucker abspaltet; die Erweichungstemperatur wurde ebenso wie bei 
meinen „Krystallen aus Aether‘ zu annähernd 145° gefunden. Gegen 
englische Schwefelsäure verhält sich das Merck’sche Digitoxin 
etwas anders als meine reine Substanz, es giebt nämlich eine sehr 
schmutzige rote Färbung. Jedenfalls aber ist Merck’s Präparat 
noch nicht ganz einheitlich bezw. rein. Denn wenn man esin IOT. 
kochenden S5prozentigen Alkohols auflöst, erhält man eine gelbe 
Flüssigkeit und beim Erkalten scheiden sich deutlich zweierlei 
Krystalle aus, zuerst weilse kleine Wärzchen und dann kommen 
unverkennbar dieselben schönen farblosen Krystallblätter wie bei 
meinen reinen „Krystallen aus Aether“. Ich habe dieses Gemisch 
von weilsen und farblosen Krystallen direkt analysiert und folgende 
Werte erhalten: 

I. 0,4565 g verloren im Vakuum rasch 0,0682 g, dann bei 1059 
noch 0,0056 g, im ganzen 0,0738 g H,O. 

I. 0,1611 g bei 105% getrockneter Substanz gaben 0,373 g CO, 
und 0,1259 g H,O. 


Gefunden : 16,16 Proz. H,0, 63,14 Proz. C, 8,68 Proz. H 
Schmiedeberg fand: — 63:60-'1,. sr Sn De 


Schmiedeberg hatte seine Substanz aus absolutem Alkohol 
bezw. Chloroformalkohol gewonnen, also natürlich wasserfreies Material 
bekommen, was ich ja auch an meinen „Krystallen aus Aether“ be- 
obachtete..e Ueber die Identität von Merck's Präparat mit 
Schmiedeberg's Digitoxin scheint mir nun nach obigem kein 
Zweifel zu bestehen, so dafs jedenfalls die Schlufsfolgerung be- 
rechtigt sein dürfte, dafs auch Schmiedeberg's Digitoxin 
ein Glykosid war. Dagegen läfst sich vorläufig nicht mit voller 
Bestimmtheit behaupten, dafs auch meine „Krystalle aus Aether“ 
identisch sind mit Schmiedeberg’s Digitoxin. Ich vermute 
zwar, dals letzteres ebensowenig wie das Merck'sche Präparat 
eine völlig einheitliche Substanz war. Denn Schmiedeberg's 
Darstellungsmethode, welche sich einfach auf die Schwerlöslichkeit 
des Digitoxins in Wasser gründet, macht die Wahrscheinlichkeit 
der Beimengung anderer schwer löslicher Stoffe jedenfalls weit 


318 M. Kiliani: Ueber 4-Digitoxin. 


grölser als mein Aether-Extraktions-Verfahren, bei welchem nach 
allen meinen Beobachtungen nur dieses eine Glykosid in den 
Aether übergeht. Um aber jede neue Verwirrung in der Digitalis- 
Litteratur zu vermeiden, möchte ich vorschlagen, bis zur späteren 
völligen Aufklärung des Sachverhaltes das Schmiedeberg'sche 
Präparat als «a-Digitoxin, meine „Krystalle aus 
Aether“ dagegen als 3-Digitoxin zu bezeichnen. Stellt 
sich dann in Zukunft heraus, dafs Schmiedeberg's Produkt 
als wesentlichen Bestandteil wirklich nur das von mir dargestellte 
chemische Individuum enthält, so macht es keine Schwierigkeit, die 
Präfixa « und 3 zu beseitigen. Ueber die pharmakologische Unter- 
suchung des #-Digitoxins wird Herr Prof. Boehm selbst be- 
richten. 

Die Spaltung des 4-Digitoxins lälst sich mit Leichtigkeit 
schon bei gewöhnlicher Temperatur bewerkstelligen in 
tolgender Weise: 

Man übergiefst 1 Teil lufttrockenes 3-Digitoxin mit 10 Teilen 
eines Gemisches von 8 Teilen 50 prozentigem Alkohol und 2 Teilen 
konz. Salzsäure (1,19). Bei feifsigem Umschwenken der vor Ver- 
dunstung geschützten Mischung löst sich das Glykosid in 1-2 
Stunden völlig auf. Nach 24 Stunden, innerhalb welcher Zeit 
manchmal ohnedies schon eine geringe Abscheidung von Krystallen 
zu beobachten ist, versetzt man die nur schwach gelbe Flüssigkeit 
mit Wasser bis zum leichten Opalisieren, woraufalsbald eine reichliche 
Krystallisation entsteht. Zur Vollendung derselben läfst man 12 Stunden 
im kalten Raum stehen und saugt dann ab unter Benutzung von 
zuerst 20, dann 10 prozentigem Alkohol als Waschflüssigkeit. Das 
Filtrat wird mit Wasser verdünnt und drei mal mit Chloroform ge- 
schüttelt, bei dessen Verdunstung zunächst ein Sirup verbleibt. 
Dieser verwandelt sich aber durch kurzes Erwärmen mit wenig 
50 prozentigem Alkohol ebenfalls in einen dicken Brei der schon 
erwähnten Krystalle. 


Zur endgiltigen Reinigung des so gewonnenen #-Digitoxi- 
genins genügt einmalige Auflösung in 5 Teilen warmen 95pro- 
zentigen Alkohols, Schütteln der Lösung mit etwas Blutkohle und 
vorsichtige Sättigung des völlig farblosen Filtrates mit Wasser. Man 


H. Kiliani: Ueber #-Digitoxin. 319 


erhält auf diese Weise prächtige, relativ grolse Prismen (sehr häufig 
Durchkreuzungszwillinge). 


Die reinen Krystalle geben keine Farbenreaktion mit Eisen- 
chlorid, ebensowenig mit englischer Schwefelsäure oder mit konz. 
Salzsäure und unterscheiden sich dadurch wesentlich vom #-Digitoxin. 
Sie reagieren neutral und sind unlöslich in Natriumcarbonat. Mischt 
man die Krystalle mit letzterem Reagens und giebt Kaliumpermanganat 
hinzu so erfolgt wenigstens innerhalb kurzer Zeit keine Reduktion. 


Das Digitoxigenin enthält kein Krystallwasser und ist bei 
220° noch fest. 


0,1257 g vakuumtrockene Substanz lieferten 0,3355 g CO, und 
0,1023 g H30. 


Berechnet für C,, Ha» 0;: Gefunden: 
C 72,41 72,68 
H 9,19 9,04 


Die weitere Untersuchung des sowohl chemisch als pharma- 
kologisch interessanten Körpers werde ich möglichst bald in Angriff 
nehmen. 


Zum Nachweise des bei der Spaltung entstandenen Zuckers 
wurde die mit Chloroform extrahierte, ganz farblose wässerige Lösung 
mittelst Silberoxyd von der Salzsäure befreit und im Vakuum über 
Schwefelsäure bis zum Sirup verdunstet. Dieser verwandelte sich 
nach krättigem Umrühren über Nacht in einen dicken Brei von 
relativ grofsen Krystallen, deren ganzer Habitus sofort erkennen 
liefs, dafs keinenialls ein dem allgemeinen Typus C, H,, O, angehöriger 
Zucker vorlag. Zufällig war ich durch andere Arbeiten verhindert» 
die Masse augenblicklich zu verarbeiten und liefs sie deshalb im 
Exsikkator über Schwefelsäure stehen. Alsich sienach ca. 14 Tagen 
wieder vornahm, war zu meiner unliebsamen Ueberraschung ein 
wesentlicher Anteil der Krystalle unter Gelbfärbung schmierig 
geworden; es hatte also eine Zersetzung stattgefunden, deren Grund 
mir bisher unbekannt ist. Durch sofortiges Anrühren mit wenig 
Methylalkohol konnte ich deshalb leider nurmehr einen kleinen 
Teil der ursprünglichen Krystalle retten, was um so bedauerlicher 
ist, als die einzige Elementaranalyse, welche ich aus obigem Grunde 
auszuführen vermochte, ein recht merkwürdiges Resultat ergab. 


320 H. Kiliani: Ueber /-Digitoxin. 


0,1888 g vakuumtrockener Substanz lisferten 0,3386 8 CO, und 
0,1452 g H,0. 


Berechnet für C,H, 0;: Gefunden: 
© 48,65 48,91 
H 8,11 8,54 


Hieraus kann man vorläufig nur schliefsen, dals bei der 
Spaltung des #-Digitoxins ein eigenartiger Zucker, die Digitoxose 
entsteht, deren Formel aber entschieden noch genauer kontrolliert 
werden muls. 

Der Zucker ist in Wasser leicht löslich; ein mittels Wasser 
bereiteter Sirup desselben liefert langsam grofse, schön ausgebildete 
Prismen. Die Digitoxose löst sich reichlich in Aceton; aus ihren 
alkoholischen Lösungen wird sie nur, wenn jene ganz konzentriert 
sind, durch Aether gefällt und zwar regelmälsig direkt als Krystall- 
mehl. Diese Eigenschaften deuten auch schon darauf hin, dafs die 
Digitoxose weniger Sauerstoff enthält als der allgemeinen Formel 
C, Han On entspricht. 

Zum Schlusse sei noch bemerkt, dafs die Untersuchung der 
übrigen aus den Digitalisblättern gewinnbaren Glykoside schon 
ziemlich weit vorgeschritten ist und dafs ich z. B. schon seit einiger 
Zeit im Besitze von gut krystallisierten Glykosiden bin, deren Herz- 
wirkung etwa viermal so stark ist als jene des #-Digitoxins. Ich 
hoffe hierüber in Bälde berichten zu können. 


ARCHIV 
| PHARMACIE 


Deutschen Apotheker-Verein 
unter Redaction von 


E. Sehmidt und H. Beckurts. 
Band 233., Heft 5. 


BERLIN. 


Selbstverlag des Deutschen Apotheker-Vereins. 
1895. 


5. Ausgegeben den 31. Juli 1895. 


> 


INHALT. 


Friedrich August Flückiger, Nekrolog 


Eingegangene Beiträge. B., = 


A. Partheil, Ueber die Bestimmung des Glycerins im Weine etc. 
K. Th. Hallström, Anatomische Studien über den Samen der Myristi- 
caceen und ihre Arillen. 

E. Winterstein, Chemische Zusammensetzung von Pachyma Cocos und 
Mylitta lapidescens. 

. Beckurts, Zur Kenntnis der Angostura-Alcaloide. 

Beckurts und H. Seiler, Ueber Fettuntersuchungen mit dem 
Refractometer. 

Beckurts und F. Oelze, Zur Kenntnis des Hirschtalgs. 

C. Plugge, Ueber das Vorkommen von Cytisin in verschiedenen 
Papilionaceen. 

C. Plugge, Ueber das Matrin, das Alcaloid der Sophora augustifolia. 

Kassner, Untersuchungen über Orthoplumbate der Erdalkalien. 

. Mankiewicz, Ueber eine forensische Strychninuntersuchung. 

. Luz, Ueber das Ammoniacum. 

. Gorter, Ueber die van der Moor'sche Reaction und die Erınittelung 
des Oytisins. 


Ki 


af:lefok: 


nn | (Geschlossen den 20. VII. 1895.) 


lo EEE A Rn De Fa Ra 


_ Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel 
“ monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis 
50 Bogen. Ladenpreis für den Jahrgang Mk. 12,—. 


Alle Beiträge für das „Archiv‘‘ sind an die 
Archiv-Redaction 


Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg (Hessen) 
oder Herın Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig, 
alle die Inserate u. s. w., überhaupt die Archiv-Verwaltung und 
die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den 
Deutschen Apotheker-Verein 
Berlin ©. 22, An der Spandauer Brücke 14 


2 


& einzusenden. 
3 


BRRITTTTTTÄÜTTTTTT FERRTTETTTRRTTTTERRTTRTTTTRTR 


Anzeigen. 


Dieselben werden mit 4o Pfg. für die durchgehende und mit 25; Pfg für die gespaltene‘ . 

© Petitzeile oder deren Raum berechnet. Beilage-Gebühr für das Tausend der Auflage — 
2.2. 3650 — Mk, ıc. Für Beilagen, welche nicht dem Format des „Archiv“ entsprechen, 3 

ER bleibt BEBEPOSEE Vereinbarung vorbehalten ” = > 


Friedrich August Flückiger. 321 


Friedrich August Flückiger. 
(1828—1894.) 

„Et gaudium et solatium in literis, nihilque tam 
laetum, 'quod his laetius, nihil tam triste, quod non 
per has sit minus triste.“  (Plinius, Epist.) 

Das Jahr 1894 hat eine nicht geringe Zahl hervorragender 
Vertreter der Naturwissenschaften, sowie anderer gelehrter Fächer 
dahingerafft; unter den ersteren findet sich mit einer Ausnahme 
(Hermann Helmholtz) keiner, dem auf seinem Gebiete so unbestrittener 
Masfen die erste Stelle zuerkannt werden dürfte, wie derjenige, dem 
dieses Gedenkblatt gewidmet wird und den in später Abendstunde 
des 11. Dezember in der Hauptstadt seiner geliebten schweizerischen 
Heimat der Tod aus einem längeren Leben emsigster Arbeit und 
gewissenhafter Pflichterfüllung abgerufen hat. 

Friedrich August Flückiger, — so werden es in 
allen Landen die Vertreter der Pharmacie dankbar bezeugen, welche 
im Geiste trauernd an seiner frischen Gruft stehen — hat durch 
seine Thätigkeit als Lehrer, Forscher und Schriftsteller neben einer 
Anzahl gleichgesinnter Mitarbeiter mit in erster Linie das Ansehen 
der wissenschaftlichen Pharmacie gehoben und vor allem durch seine 
eigenen Leistungen und die von ihm ausgehenden Anregungen das 
für den praktischen Apotheker so wichtige Fach der Pharmakognosie 
zu der Bedeutung und Würde einer eigenen selbständigen Disziplin 
erhöht, welche in seinem Sinne weiter zu pflegen und zu fördern 
Aufgabe seiner zahlreichen Schüler und Freunde in der ganzen ge- 
bildeten Welt bleiben mufs. 

So durften denn die wissenschaftliche und die praktische Phar- 
macie, die dem Verewigten beide so viel zu danken haben, zumal 
in dem Lande, in dem er die besten und fruchtbringendsten Jahre 
seines Lebens verbracht hat, wohl erwarten, dafs auch in der Zeit- 
schrift, welche die Mehrzahl seiner wissenschaftlichen Abhandlungen 
beherbergt, ein Lebensbildl, — dem hingegangenen Meister und 
Lehrer zum ehrenden Andenken, den Zeitgenossen und Nachkommen 
zur Ermutigung — seine Stelle finden werde. 

Wer sich aber anschickt, dieser schönsten moralischen Pflicht 
dankbarer Pietät nachzukommen und den Nekrolog des verdientesten 

Arch. d. Pharm. CCXXXIM. Bäs. 5. Heft. 21 


322 Friedrich August Flückiger. 


unter den Nestoren der wissenschaftlichen Pharmacie unserer Zeit 
zu schreiben, der wird an der Schwelle solchen Versuches den Kon- 
flikt mit der in pharmaceutischen Kreisen und nicht weniger aulser- 
halb derselben wohlbekannten Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit 
des hingeschiedenen Gelehrten und Lehrers zu bestehen und nach 
bestem Wissen und Gewissen zu schlichten haben. Diese Charakter- 
eigenschaften, keineswegs unvereinbar mit einem tiefinnersten Gefühl 
des Wertes der eigenen Leistungen, über welche bei keinem Anlasse 
das leiseste Selbstlob über seine Lippen kam, waren echt, niemals 
an die Blöfsen jenes bekannten Mantels erinnernd, und mulsten des- 
halb berücksichtigt werden. Wohl konnte sich der Verstorbene ge- 
legentlich über biographische Arbeiten unserer Tage freuen, so u.a. 
über die meisterhaft redigierten Nekrologe, welche ein A. W. von 
Hofmann seinen wissenschaltlichen Freunden, wie Graham, 
Magnus, Dumas, Würtz u. s. w. widmete, oder über treff- 
liche Lebensbilder vaterländischer Gelehrter, wie des Geologen 
Escher v. d. Linth oder des Botanikers Oswald Heer. Er 
bewunderte die ungewöhnlich geschickte Anordnung des Stoffes, den 
höchst anziehenden und anregenden, oft geradezu klassischen Styl, 
er freute sich des bleibenden Ruhmes und der ehrenvollen Würdigung, 
welche jenen Gelehrten in solchen biographischen Denkmälern zu 
teil wurde, wie er ja denn selbst in seinen Aufsätzen über Brun- 
tels, über Scheele, über De Vrij u. A. die biographisch- 
historische Richtung in so gediegener Weise gepflegt hat; — aber 
wie wenig fiel es ihm ein, sich selbst in die Reihen solcher Männer 
stellen zu wollen, wie peinlich vermied er jede Parallele, welche die 
Deutung zugelassen hätte, dals er selbst dereinst gleichbeschaffene, 
grölsere, die persönlicken Erlebnisse von der Wiege bis zum Grabe 
umfassende Nekrologe beanspruche! Wenn dreifsigjährige Bekannt- 
schaft und damit verknüpfter mündlicher und schriftlicher Verkehr 
uns über Anschauungen und Wünsche eines verehrten Freundes be- 
lehren kann, so muls sich der Verfasser dieses Nekrologes sagen, dals 
derselbe, — eine keineswegs leichte Aufgabe — sich der grölsten 
Diskretion und strengsten Sachlichkeit zu befleißsigen hat, um dem 
Sinne und Wunsche des gefeierten Todten zu entsprechen. Diese 
Vorbemerkung möge zugleich andeuten, dals hier mancherlei Beiwerk 
wegzubleiben hat, welches gelegentlich bei Artikeln biographischen 


Friedrich August Flückiger. 323 


Inhaltes eher zur Unterhaltung, als zu historischer Belehrung auf- 
genommen zu werden pflegt. — 


Flückiger's Wiege lag in dem als Oberaargau bezeichneten 
tebiete des Schweizerischen Kantons Bern. Dort wurde er am 
15. Mai 1828 in dem seit jener Zeit kommerziell wie industriell 
mehr und mehr aufblühenden Flecken Langenthal als Sohn des 
Kaufmarns Fıiedrich Flückiger geboren und erhielt in der Taufe 
die Namen Friedrich August, welche dereinst in der ganzen 
pharmaceutischen Welt als „F. A. F.“ so guten Klang bekommen 
sollten. Die Mutter, geborene Anna Maria Gygax, gehörte einer 
seit langer Zeit im Oberaargau ansässigen Familie an, welche, wie 
übrigens auch diejenige des Vaters, noch heute in zahlreichen 
äweigen in diesen Teilen der Schweiz vertreten ist. Wenn dem 
alten spanischen Spruche „Hombre del lugar en que nace muchas 
ordenes hace“ (Der Mensch entnimmt seiner Geburtsstätte manche 
Lebensregel) einige Wahrheit innewohnen sollte, so würde der junge 
Langenthaler Bürger neben ernster Lebensauffassung die in poli- 
tischen wie in religiösen Dingen liberale Richtung und den offenen, 
auf weitere Ziele gerichteten Sinn, wie sie jener Landesgegend 
eigen geblieben sind, als Angebinde für das Leben erhalten haben. 
Nebenbei wurde ihm, den Verhältnissen des elterlichen Hauses ent- 
sprechend, eine gute Erziehung zu tell. Schon frühe zur späteren 
Uebernahme der gutgeführten und prosperierenden väterlichen Eisen- 
handlung bestimmt, sollte Friedrich August zunächst in einer guten 
Schule eine befriedigende Vorbildung erhalten und wurde deshalb 
mit dem 10. Jahre dem schon damals unter ausgezeichneter Leitung 
stehenden Progymnasium des benachbarten, am Ausgange des 
Emmenthales freundlich und reizend gelegenen bernischen Städtchens 
Burgdorf anvertraut. Hier verbrachte er, von seinen Lehrern 
seines gewissenhaften Fleilses und seines redlichen Strebens halber 
hochgeschätzt und bei verschiedenen Anlässen ausgezeichnet, mehrere 
Jahre, bis im Herbst 1843 eine länger andauernde hartnäckige 
Krankheit den lernbegierigen Schüler zwang, den weiteren Besuch 
der Anstalt aufzugeben, deren Unterricht nach einer späteren auto- 
biographischen Notiz die Vorliebe für Studien in ihm geweckt hatte. 
Inzwischen war auch allzu frühzeitig Flückiger's Vater aus dem 


Leben geschieden, und es trat an den Sohn die durch Familien- 
21* 


324 Friedrich August Flückiger. 


verhältnisse und die Pietät gegen die Eltern gebotene Aufgabe 
heran, sich durch geeigneten, baldigen Abschlufs der Ausbildung 
zur späteren Fortsetzung des väterlichen Berufes vorzubereiten. 
Sein Vormund, der bernische Amtsrichter Grim m in Burgdorf, der 
dem jungen Flückiger Jahre lang ein väterlicher Freund blieb, hatte 
zu diesem Zwecke, im Einverständnisse mit den nächsten Ver- 
wandten, die über die Grenzen Deutschlands hinaus wohlbekannte 
Handelslehranstalt von K. Noback in Berlin in Aussicht ge- 
nommen, und als endlich die Gesundheitsverhältnisse die Wieder- 
aufnahme der abgebrochenen Schulstudien gestatteten, siedelte der 
Junge Schweizer im Frühjahr 1845 nach Berlin über, um seine Vor- 
bildung in der genannten Anstalt zu gutem Ende zu führen. Wenn 
nun auch Flückiger in der Folge von der kaufmännischen Lauibahn 
Umgang nahm, um sich jenem Berufe zu widmen, in welchem ihm 
eine Lorbeerkrone winkte, so stellt sich doch dem Biographen der 
Eintritt in die Berliner Lehranstalt wie eine providentielle Fügung 
dar, denn nicht allein wurde damit der trefflich begabte und streb- 
same Schüler nach einem Oentrum geistigen Lebens und vielfältigster 
Anregung versetzt, sondern es stand das genannte Institut, welchem 
hervorragende Gelehrte, wie Alex. vv. Humboldt u. A. ihr 
Interesse zugewandt hatten, mit der Berliner Hochschule wenn auch 
nicht in offizieller, so doch in indirekter Verbindung, insofern 
Dozenten der Universität in der Noback’schen Handelslehranstalt 
Unterricht erteilten. Zu diesen gehörte u. A. auch der bekannte 
Chemiker K. F. Rammelsberg, der damals an der Hochschule 
Berlin als Privatdozent wirkte und noch während Flückigers Au- 
wesenheit zum professor extraordinarius befördert wurde. Dieser 
treffliche Gelehrte und Forscher, dem die Chemie eine Anzahl sehr 
bemerkenswerter Schriften verdankt und dessen Vorträge, wie der 
Verf. dieser Zeilen noch 25 Jabre später bei dem Besuch seiner 
Vorlesungen bezeugen konnte, an Uebersichtlichkeit und Klarheit 
ihres Gleichen suchten, war ganz dazu angethan, gleichzeitig mit 
E. Mitscherlich, dem durch zahlreiche Arbeiten bekannten 
Forscher und Verfasser eines der ersten Lehrbücher der Chemie, 
den wissensdurstigen Zögling der Handelslebranstalt in das Gebiet 
der Chemie einzutühren und damit seinem Geiste jene Richtung zu 
geben, die ihn später, unter Verzichtleistung auf den ursprünglich 


Friedrich August Flückiger. 325 


naheliegenden kommerziellen Beruf, dem mit Chemie so nahe ver- 
wandten Fache der Pharmacie zuführen sollte. Dem einsichtigen 
Leiter der Anstalt konnte weder Flückiger's erheblich über das 
Mittelmals hinausgehende Begabung noch sein ernstliches Streben nach 
Erweiterung seiner Kenntnisse in wissenschaftlicher Richtung entgehen, 
und er nahm deshalb keinen Anstand, ihm in uneigennütziger Weise 
den Uebertritt aus seinem Institute an die Hochschule nahe zu legen. 
Im Einverständnisse mit seiner Familie verliefs Flückiger im Spät- 
herbst 1845 die Noback’sche Anstalt, mit einem sehr gut lautenden Ab- 
gangszeugnisse versehen, , um sich für das Wintersemester 1845/46 
an der Universität immatrikulieren zu lassen und neben den Vor- 
trägen der schon erwähnten Chemiker noch anderweitige Vorlesungen 
naturwissenschaftlichen und philosophisch-historischen Inhaltes anzu- 
hören. Die Persönlichkeiten, mit denen er hier als Schüler in Be- 
ziehung trat, wie Rose, Ehrenberg, Grimm, Lachmann, 
Schelling,Schubart u.a., lassen uns ermessen, welchen Schatz 
an neuem Wissen und vielseitigster Anregung der damals kaum 
18 jährige Jüngling von diesem wenn auch nur kurzen Aufenthalt 
an der Berliner Hochschule mit nach Hause brachte. Er verliels 
die zu jener Zeit noch keineswegs alle Vor- und Nachteile der 
Grolsstadt vereinigende preulsische Kapitale im Frühjahr 1846, um 
sich, nach kurzem Aufenthalt im elterlichen Hause, wo die inter- 
essanten brieflichen Berichte aus Berlin durch mündliche Schilderung 
zu ergänzen waren, an die Berner Hochschule zu begeben und 
dort die begonnenen naturwissenschaftlichen Studien fortzusetzen. 
Die zwei Semester, welche Flückiger daselbst zubrachte, waren in 
noch höherem Malse als die in Berlin verlebte Zeit als ein Arbeits- 
jahr zu betrachten, in welchem er einen ersten solider Grund seiner 
ungewöhnlich vollständigen wissenschaftlichen Bildung legte. In 
dem ruhigeren Geleise einer kleineren Universität sich bewegend, 
konzentrierte er sein Interesse in erster Linie auf chemische und 
geologisch - mineralogische Studien, welch letztere ihn noch für ge- 
raume Zeit ins praktische Leben begleiteten und in manchen 
späteren Publikationen ihren Ausdruck finden. Die Vertreter der 
beiden Disziplinen, alt angesessenen Berner Familien zugehörig, 
hatten in der Wissenschaft einen guten Klang, — ersterer, Carl 
Brunner, ursprünglich Pharmaceut, dann Professor der Chemie, 


326 Friedrich August Flückiger. 


durch seine Methode zur Kaliumbereitung und seine Arbeiten über 
Eisen-, Mangan-, Aluminium- und Silberverbindungen, letzterer, 
Bernhard Studer, durch seine wertvollen Untersuchungen über 
Geologie und physikalische Geographie der Schweiz. Mögen auch 
die Vorlesungen dieser Gelehrten hinsichtlich des demonstrativen 
Teiles heutigen Anforderungen nicht immer entsprochen haben, so 
kann doch kein Zweifel darüber bestehen, dafs beide Lehrer den 
strebsamen und lernbegierigen Studenten wesentlich förderten und 
dals namentlich der Geologe B. Studer, eine expansivere Natur, 
über tiefgründige Kenntnisse in den Hauptgebieten der Naturforschung 
gebietend und mit zahlreichen naturwissenschaftlichen Koryphaeen, 
wie A.w.-Humboldt, Leopold v. Bach, Ch ZEy2BE 
Wöhler, Chevreul, Marignac, A. de Candolle etc. 
persönlich bekannt und befreundet, dem ihm sympathisch gewordenen 
jungen Landsmanne mannigfache Anregung geboten und zu bleibender 
Erweiterung seines Gesichtskreises beigetragen hat. 


In das Berner Universitätsjahr fällt denn auch der für 
Flückiger’s späteren Lebensgang so folgenschwere und wohl kaum 
ohne Bedenken und sorgfältige Erwägungen gefalste, wenn auch von 
den Angehörigen gebilligte Entschlufs, die unter früheren Verhält- 
nissen sich aufdrängende kaufmännische Laufbahn gegen den 
pharmaceutischen Beruf zu vertauschen. Mafsgebend mag bei dieser 
Entschliefsung zunächst die immer fühlbarer gewordene Vorliebe für 
die naturwissenschaftlichen Fächer, wie für die wissenschaftlichen 
Studien überhaupt gewesen sein, sodann auch die Hoffnung, in der 
Pharmacie einen Lebensberuf zu finden, welcher steten Kontakt mit 
einer Anzahl naturwissenschaftlicher Gebiete bedingt, andererseits 
auch, seinem gewerblichen Charakter entsprechend, in höherem 
Malse als manche gelehrte Berufsarten, Aussicht auf gesichertes 
Auskommen gewährt. 

Um dem gesetzlich vorgeschriebenen, wenn auch zu jener Zeit 
wesentlich einfacheren Curriculum pharmaceuticum nachzuleben, trat 
der junge Mann, der schon in so ausgiebiger Weise aus dem Borne 
der Wissenschaft geschöpft hatte, nach Beendigung des zweiten 
Semesters in Bern (Winter 1846—47) an die etwas prosaischere 
Aufgabe der Absolvierung seiner pharmaceutischen Lehrzeit heran, 
welche er im Mai 1847 begann und im Dezember 1849 beendigte. 


Friedrich August Flückiger. 327 


Es war zu diesem Behufe die gut frequentierte und unter trefflicher 
Leitung ihres Besitzers W. Pfaehler stehende Schlangenapotheke 
inSolothurn gewählt worden. Mufsten auch, wie aus den 
noch vorhandenen Briefen Flückigers aus jener Zeit hervor- 
geht, einem Inzipienten, der schon in den Hallen und Hör- 
sälen zweier Hochschulen heimisch geworden war, die mit 
dem Stadium des Apothekerlehrlings unweigerlich verknüpften, 
vielfach in rein mechanischen Geschäften bestehenden Obliegenheiten 
manche Augenblicke der Enttäuschung bereiten, so lag andrerseits 
in der tüchtigen fachmännischen Bildung und dem wissenschaftlichen 
Sinne des Prinzipals eine Gewähr dafür, dafs der angehende 
Pharmaceut iu regelrechter Weise in die verschiedenen Seiten des 
Berufes eingeführt und auch zur Pflege der Hilfswissenschaften, so 
namentlich der Botanik ermuntert wurde. Auch hat Flückiger lange 
Jahre, nachdem er, mit einem sehr günstigen Zeugnisse über seine 
Lehrzeit versehen, Solothurn verlafsen hatte, anlälsliich des früh- 
zeitigen Todes seines Lehrherrn, demselben, gemeinschaftlich mit 
einem andern frühern Lehrlinge, dem bekannten und verdienten 
schweizer. Geologen Franz Lang, einen ehrenden Nachruf 
gewidmet. (s. Anhang.) Während der 21, jährigen Beschäftigung 
mit praktischer Apothekerkunst war in dem geistig regsamen und 
vorwärtsstrebenden Jünger der Pharmacie die alte Sehnsucht nach 
der Pflege der Wissenschaft erwacht, und es wurde beschlossen, 
vor der Fortsetzung der praktischen Laufbahn die erste Hälfte des 
Jahres 1850 in Genf zuzubringen und vorwiegend auf botanische 
Studien zu verwenden, wozu sich die seit langem in dieser Univer- 
sitätsstadt vereinigten grolsen und berühmten Herbarien uud zuge- 
hörigen litterarischen Hilfsmittel in ganz besonderer Weise eigneten, 
ganz abgesehen davon, dals es in dieser Gelehrtenrepublik, in der 
zumal die Botanik durch altangesehene Familiennamen wie De 
Candolle, Boissier, Micheli vertreten ist, an Gelegenheit 
zu verschiedentlicher geistiger Anregung und Förderung nicht fehlen 
konnte. Die späteren Arbeiten des damaligen Pharmaceuten auf 
dem Gebiete der Pharmakognosie lassen keinen Zweifel darüber 
aufkommen, dals er jenes Semester botanischer Studien gewissenhaft 
ausgenützt hat. Allein auch in allgemein menschlicher Beziehung 
brachte ihm diese Zeit insofern Gewinn, als sie, in die glückliche 


328 Friedrich August Flückiger. 


Periode der Jugendfreundschaften fallend, ihn mit gleichstrebenden 
Genossen zusammenführte, welche späterhin Freunde für das Leben 
wurden. 

Durch den Aufenthalt in Genf in sprachlicher Richtung ge- 
nügend vorbereitet, wendete sich Flückiger für die zweite Hälfte 
des Jahres 1850 nach dem Elsafs, um dort in der Storchenapotheke 
in Strafsburg bei Herrn Jannesson (heutiger Besitzer: 
E. Reeb) die pharmaceutische Condition oder sog. Gehülfenzeit zu 
verbringen. 

Wie oft hat er sich später bei gelegentlichen Gesprächen über 
seine Erlebnisse dahin geäufsert, dafs es ihm damals kaum im Traume 
hätte einfallen können, dafs er dereinst in den Räumen der Ecole 
superieure de pharmacie, in denen in jenem Jahre ein Pasteur, 
Bechamp und Oppermann Chemie lehrten, als Direktor des 
pharmaceutischen Institutes der Universität die Stätte einer lang- 
jährigen, und wir dürfen hinzusetzen ruhmvollen und segensreichen 
Wirksamkeit finden würde! 

Zwischen dieser spätern Periode und seinem ersten Aufenthalte 
in der alten Reichsstadt im Elsals lagen allerdings reichlich zwei 
Dezennien, in welche seine Thätigkeit als praktischer Apotheker, 
sowie die erste Zeit seiner intensiveren wissenschaftlichen Bethätigung 
hineinfallen. Zunächst aber haben wir Flückiger nach dem Orte zu 
begleiten, der für die Absolvierung seiner akademischen Studien 
gewählt worden war, nämlich nach Heidelberg. Wenn auch 
diese alte Universitätsstadt, das klassische Urbild einer „alma mater“, 
schon damals wie heute noch unwiderstehliche Anziehungskraft übte 
und überdies durch mälsige Entiernung von der Heimat einen weitern 
Vorteil aufwies, so hat doch, wie der Verstorbene wiederholt bemerkte, 
in erster Linie die damalige vorteffliche Besetzung der für den 
studierenden Pharmaceuten wichtigsten Fächer, namentlich der 
Chemie, und die so ermöglichte nachhaltige Förderung die dankbare 
Erinnerung befestigt, welche Flückiger seiner Studienzeit in Heidelberg 
zeitlebens bewahrte. Im Januar 1851 in der „feinen, an Ehren reichen“ 
Neckarstadt eintreffend, um sich zu orientieren und für den Besuch 
des Sommersemesters vorzubereiten, traf er auf verschiedenen Lehr- 
stühlen hervorragende Dozenten, welche z. Th. schon damals als 
Meister in ihren Fächern anerkannt waren, so die Chemiker Gmelin 


Friedrich August Flückiger. 329 


undDelffs, den Anatomen Henle, den Physiologen Tiedemanr, 
und, als dessen jüngern Fachgenossen, auch Jakob Moleschott, 
der damals noch als Privatdozent wirkte und nach dessen Verzicht- 
leistung auf das Lehramt in Heidelberg, im Jahre 1854, kein 
Geringerer als Hermann Helmholtz auf den Lehrstuhl der 
Physiologie berufen wurde. 


Unter den Hochschullehrern Heidelbergs, zu denen Flückiger 
damals in nähere Beziehung trat, ist vor allem der Professor der 
Chemie Friedr. Wilh. Hermann Delffs (geb. 1812) zu 
nennen, dessen spezieller Schüler und nachheriger Assistent geworden 
zu sein er stets als besonders glückliche Fügung betrachtet hat. 
In der That stimmen die Zeugnisse aller derer, welche diesen 
akademischen Lehrer als Schüler oder Kollegen kennen gelernt haben, 
in dem Urteile überein, dafs diesem Gelehrten sowohl in seinen 
Vorträgen, wie im Laboratoriumsverkehr eine ganz seltene Lehrgabe 
und ein ungewöhnliches Vermögen, die Zuhörer und Schüler anzu- 
regen und zu fesseln, innewohnte. Kein Wunder also, dafs auch 
unser Flückiger, die Gunst des Augenblicks erhaschend, aus solchen 
Eigenschaften den gröfsten Vorteil zu ziehen wulste und bald einer 
der eifrigsten Schüler des Meisters wurde. Deltfs, welcher da- 
mals in den besten Jahren seiner Thätigkeit stand und sich nicht 
allein durch eine Reihe von Arbeiten über seltenere Metalle und 
über organische Verbindungen, sondern überdiefs durch ein s. Z. 
sehr geschätztes kurzes Lehrbuch der reinen Chemie einen Namen 
gemacht hatte, war selbstverständlich bei seinem schweizerischen 
Schüler sehr bald darüber orientiert, wels Geistes Kind er vor sich 
habe, und es ist deshalb nicht zu verwundern, dafs er ihm schon 
im zweiten Semester eine Assistentenstelle übertrug, welche natürlich 
den strebsamen Jünger der Pharmacie in noch nähern geistigen 
Kontakt mit dem ausgezeichneten Lehrer bringen mufste. Auf Ver- 
anlassung des Letzteren hin unternahm er eine Anzahl von Spezial- 
untersuchungen. Zwei derselben finden sich im Jahrgange 1852 der 
Poggendorff’schen Annalen der Physik und Chemie veröffentlicht 
(s. Anhang); die eine über „neutrales molybdänsaures 
Ammoniak“, die andere über „Fluorsalze des Antimons“. 
Letztere Arbeit bildete zugleich den Inhalt seiner Doktor-Disser- 
tation, die bei genauerer Durchsicht unschwer die charakteristische 


330 Friedrich August Flückiger. 


Sorgfalt, Gründlichkeit und Objektivität erkennen läfst, welche die 
späteren Publikationen des Gelehrten kennzeichnen. Die Promotion 
als „doctor philosophiae et magister liberalium artium“ erfolgte 
„examine rigoroso summa cum laude superato“ am 4. Juli 1852. 
Mit dem Sommersemester 1852 schlofs Flückiger sein Studium in 
Heidelberg ab und damit zugleich seine Thätigkeit als chemischer 
Assistent, über welche sich im Nachlasse ein sehr günstig lautendes 
und das ungewöhnliche Talent F. betonendes Attest seines damaligen 
Vorgesetzten und Lehrers vorfindet. 


Nicht zutrieden mit der Erlangung der Doktorwürde, welche 
so Vielen als unwiderruflich letzte Endstation des akademischen 
Studiums vorschwebt, sehnte sich der junge, 24 jährige Gelehrte 
nach einem ergänzenden Abschlusse in einem grölseren Centrum 
des Geisteslebens, ähnlich demjenigen, welches ihm vor Jahren am 
Schlusse seiner Schulzeit geboten worden war. Doch sollte 
es diesmal die französische Hauptstadt sein, welche im Winter 
1852—53 den neu kreierten „Doktor der Philosophie und Magister 
der freien Künste“ in die goldenen Fesseln geistiger Eindrücke der 
verschiedensten Art zu legen vermochte. Wie hätte er auch einen 
Aufenthalt in jenem Paris nicht anstreben sollen, wo sich gerade 
um die Mitte des Jahrhunderts eine Elite von Kapazitäten und 
hervorragenden Lehrern und Forschern sowohl auf naturwissenschatt- 
lichem Gebiete, als in den Geisteswissenschatten zusammenfanden 
und aufserdem Sammlungen und Institute einziger Art dem Bedürf- 
nils nach Belehrung und Vertiefung in Wissenschaften und Künsten 
jede denkbare Unterstützung liehen! Mit guten Empfehlungen 
namentlich seitens schweizerischer Gelehrter wohl versehen, hatte 
Flückiger, als er im Herbst 1852 in Paris einrückte, bald die er- 
wünschten Anknüpfungspunkte gefunden, und eine rationelle Zeit- 
einteilung ermöglichte es ihm, sich ebensowohl mit dem Theater und 
der Oper als mit den übrigen musikalischen Aufführungen, mit den 
grolsen öffentlichen Vorträgen, wie mit den Parlaments-Debatten, mit 
den Kunstsammlungen, wie mit den wissenschaftlichen Anstalten 
bekannt und vertraut zu machen. Seine aus jenem Jahre datierenden 
Briefe an die Verwandten, insbesondere an seine ihm geistig sehr 
nahe stehende Schwester, enthalten eine Fülle von interessanten 
Berichten über Gesehenes und Gehörtes, über Sachen und Personen 


Friedrich August Flückiger. 331 


und dürften, wenn auch selbstverständlich nicht zur Wiedergabe an 
solcher Stelle geeignet, der Objektivität des Beobachters wegen 
manche bemerkenswerte Einblicke gewähren. 

Obwohl aber die Seinestadt nach so verschiedenen Seiten das 
Interesse in Anspruch nehmen mulste, so hatte sich doch Flückiger 
neben dem spezielleren Studium einer Anzahl wissenschaftlich er 
Institute und Sammlungen, wie z. B. derjenigen des „Jardin des 
plantes“, der „Ecole de pharmacie“, des „Conservatoire des arts et 
metiers“, der „Ecole des mines“ etc. noch besondere Zwecke gesetzt, 
vor Allem die weitere Ausbildung in chemischen Arbeiten durch den 
Besuch des chemischen Laboratoriums von Professor Ch. Ad olphe 
Wurtz (geb. 1817) in der Ecole de medecine, welcher neben dem 
späteren Minister und Senator M. Berthelot, dem damals schon 
bejahrten Chevreul undH. St. Claire Deville, dem Freunde 
und Mitarbeiter Wöhlers, sowie J. B. A. Dumas, seinem Amts- 
vorgänger an der Ecole de medecine, als der bedeutendste Chemiker 
Frankreichs geschätzt war. Wer s. Z. die von A. W. v. Hofmann 
verfalste vortreffliche Biographie von Wurtz gelesen hat, wird zu 
würdigen wissen, welcher Gewinn sich aus dem anregenden Um- 
gange mit diesem reichbegabten und vielseitigen Gelehrten ergeben 
mulste, dessen Vaterstadt später der Ort langjähriger fruchtbarer 
Thätigkeit seines Schülers werden sollte. Ohne Zweifel hatte sich 
Flückiger, angeregt durch die genialen Arbeiten von W urtz über 
die substituierten Ammoniake, schon in Paris mit einschlagenden 
Untersuchungen beschäftigt. Eine hierauf bezügliche Mitteilung, 
„Versuche über Thimethaldin und Thiäthaldin, 
zwei künstliche dem Thialdin homologe Basen“, 
welche er später als praktischer Apotheker in Burgdorf im Jahre 
1855 in der Berner naturforschenden Gesellschaft vortrug (s. Anhang), 
schlofs mit der Bemerkung: „Eine Wiederaufnahme dieser unglaub- 
lich mühsamen und zeitraubenden Versuche ist mir leider gegen- 
wärtig versagt, so sehr wünschbar es auch wäre, irgend eine gut 
charakterisierte krystallisierte Verbindung dieser interessanten Basen 
zu bereiten und deren Zusammensetzung analytisch zu verifizieren.“ 
Es darf hieraus doch wohl geschlossen werden, dals in diesem Vor- 
trage die Ergebnisse einer früher im Wurtz’schen Laboratorium in 
Paris ausgeführten Arbeit zusammengefalst wurden. 


332 Friedrich August Flückiger. 


Mit diesem für Flückiger so denkwürdig abgelaufenen Winter- 
semester 1852/53, welchem sich ein kürzerer, später öfters wieder- 
holter Besuch der wichtigsten Sehenswürdigkeiten und wissen- 
schaftlichen Institute Londons anschlofs, war nunmehr die Periode 
des quasi „offiziellen“ Lernens, — denn, wenn je Einer, so ist er 
bis an sein Lebensende bewulster Weise „Schüler“ geblieben — 
zu endgiltigem Abschlusse gekommen, und wir finden ihn im Früh- 
sommer des Jahres 1853 bereits in die praktisch-pharmaceutische 
Laufbahn eingetreten als Besitzer des im Volksmunde als „grolse 
Apotheke“ bekannten Apotheken- und Drogengeschäftes in dem- 
selben Städichen Burgdorf, in dem er 15 Jahre zuvor als 
Schüler in das Progymnasium eingetreten war. Durch Vertrag mit 
dem gleichzeitigen Besitzer und Socius, Friedr. Lüdy, wurde 
vereinbart, dafs das Geschäft vom September dieses Jahres an unter 
der Firma „Flückiger & Comp.“ geführt werden und dabei 
Flückiger die verantwortliche Leitung der Apotheke, dem Mitbesitzer 
aber die Leitung der damit verbundenen Drogenhandlung zukommen 
solle. Diese Malsregel mulste sich in der Folge nach verschiedenen 
Richtungen bewähren und hat wohl das ihrige zur Entwicklung des 
weitern Lebensganges Flückiger's beigetragen; denn schwerlich 
hätte der damals erst 25 Jahre alte, an Kenntnissen zwar reiche, 
aber der praktischen Lebenserfahrungen noch entbehrende Apotheken- 
besitzer bei alleiniger Führung eines ziemlich ausgedehnten Doppel- 
geschäftes noch die nötige Sammlung, Lust und Zeit gefunden, um 
die wissenschaftliche Pharmacie zu pflegen und einschlagende Arbeiten 
auszuführen ! 

Die siebenjährige Periode, welche unser Lehrer und Freund in 
Burgdorf verlebte, wurde für ihn vor allem dadurch zum erfreulichen 
Wendepunkt, dafs er in die Lage kam, im August 1857 seine Lebens- 
gefährtin Luise Frey, die Tochter einer angesehenen Familie der 
zürcherischen Industrie- und Handelsstadt Winterthur, heimzuführen. 
In einem glücklichen, auf gegenseitiger Liebe und Achtung fulsenden 
Ehebunde, der bis zu seinem Tode andauerte, hatte ihm seine Gattin 
3 Söhne und 3 Töchter geschenkt. welche mit den Eltern in 
trautem Familienleben verbunden blieben, wenn auch zum wieder- 
holten Male der Tod eine Lücke rils und das Familienglück zu 
trüben drohte. 


Friedrich August Flückiger. 333 


Dals Flückiger seine Apotheke in gewissenhafter und muster- 
giltiger Weise verwaltete, bedart nach dem schon Gesagten keiner 
besonderen Darlegung; erwähnenswerter und bezeichnend für den 
ihm innewohnenden Forschertrieb und den ihn beherrs chenden Drang, 
die Pharmacie wissenschaftlich zu fördern, ist die Thatsache, dafs 
er, obwohl ohne Verkehr mit einer größseren Zahl von Kollegen 
oder mit einem anderweitigen grölseren Kreise wissenschaftlich Ge- 
bildeter und hinsichtlich litterarischer und sonstiger wissenschaftlicher 
Hilfsmittel auf seine in Entstehung begriffene Priva tbibliothek und 
die Utensilien des Apotheken-Laboratoriums angewies en, doch schon 
in Burgdorf die grofse Reihe seiner wissenscha itlichen Abhandlungeu 
mit nicht weniger als etwa 20 Aufsätzen inaugurierte und nebenbei 
intensive Vorstudien und Vorarbeiten für die späterhin vorzugsweise 
unter seiner Leitung und Mitarbeit geschaffene Pharma ce opoea helvetica 
betrieb. 

Da im weiteren Verlaufe dieses Lebensbildes in erster Linie 
von den wissenschaftlichen Leistungen des geschiedenen Lehrers 
und Forschers die Rede sein wird, so mögen, um allfälligen Mifs- 
deutungen vorzubeugen, an dieser Stelle zwei Bemerkungen voraus- 
geschickt werden. In erster Linie konnte nicht davon die Rede 
sein, in einem für eine Zeitschrift bestimmten Nekrologe neben den 
grölseren, in Buchform erschienenen Schriften sämtliche wissen- 
schaftliche Abhandlungen zu besprechen oder auch nur namhaft zu 
machen; dagegen wurde es für erspriefslich und wünschenswert 
gehalten, im Anhange ein möglichst sorgfältig revidiertes und voll- 
ständiges Verzeichnis der in Fachschriften erschienenen wissen- 
schaftlichen Publikationen Flückiger’s beizugeben und auf diese 
Weise die Benutzung derselben, wie überhaupt die nähere Einsicht 
in dessen grofse litterarische Thätigkeit zu erleichtern. Der ver- 
storbene Autor hat dies selbst dadurch ermöglicht und nahegelegt, 
dafs er der in 7 Bänden vereinigten Sammlung von Sep.-Abdrücken 
der Mehrzahl seiner Abhandlungen und Aufsätze eine durch einen 
Zeitraum von 40 Jahren fortgeführte Liste mit Angabe der Publikations- 
orte beigeheitet hat! 

Sodann ist a priori davon Umgang zu nehmen, in dieser Denk- 
schrift alle in engeren oder weiteren Kreisen bekanuten und nach 
den verschiedensten Richtungen hervorragenden Persönlichkeiten zu 


334 Friedrich August Flückiger. 


nennen, mit denen Flückiger teils in schriftlichem, teils in persönlichem 
Verkehr gestanden hat oder spezieller befreundet gewesen ist. 
Staunend versenkt sich immer wieder der Blick in seine, im Nach- 
lasse vorgefundene Korrespondenz, die sich über reichlich 40 Jahre 
erstreckt und die uns klar macht, wie er, im Interesse der wissen- 
schaftlichen Pharmacie bald fragend und nehmend, bald auch, und 
zwar häufiger, anregend und gebend, allmählich hervorragende 
praktische Apotheker, Besitzer grofser Drogenhandlungen und Import- 
häuser, Leiter weltbekannter chemischer Fabriken, pharmakologisch 
gebildete Aerzte, Konsuln und Staatsbeamte in fremden Ländern, 
vor Allem auch seine Kollegen, die Lehrer der Pharmacie und 
pharmaceutischer Disciplinen, kurz Alle, denen die Förderung seiner 
Lieblingsfächer am Herzen lag, aus allen Weitteilen als Korrespondenten 
heranzuziehen und sich in freundliche, lehrreiche Beziehung mit 
ihnen zu setzen wulste.e Nur in sehr beschränkter Zahl werden 
alle diese Bekannten und Freunde in den nachfolgenden Blättern zu 
nennen sein, wie es sich aus gelegentlicher Besprechung wichtigerer 
Arbeiten und Werke ergiebt, ohne Andere übersehen oder weniger 
würdigen zu wollen. Wer mit dem liebenswürdigen, bescheidenen 
und stets hilfsbereiten Meister der Pharmacie in kürzerem oder 
längerem Verkehr gestanden hat, wird letzteren auch ohne öffent- 
liche Erwähnung zeitlebens als erfreuliche Erinnerung zu schätzen 
wissen ! 

Unter den Arbeiten der Burgdorfer Periode mag in erster 
Linie die Abhandlung: „Ueber das Templinöl“ (Beitrag 
zur Kenntnis der Terebene) hervorgehoben werden, weil dieselbe 
die frühzeitige Beschäftigung des Autors mit dem interessanten 
Gebiete der ätherischen Oele dokumentiert und als Anfangsglied 
einer Reihe späterer experimenteller und historischer Studien über 
diverse flüchtige Oele der materia medica gelten kann. Die mono- 
graphische Behandlung dieses im Kanton Bern früher in grölseren 
Mengen dargestellten und als Panacee geltenden Oeles, welches be- 
züglich seiner Abstammung und seiner physikal.-chemischen Eigen- 
schaften, sowie in verschiedenen seiner Derivate genauer untersucht 
wird, darf wohl im Hinblick auf die vor 40 Jahren (1855) für das 
Studium organischer Verbindungen disponiblen Hilfsmittel als muster- 
giltig bezeichnet werden und erinnert, mutatis mutandis, an die viel 


Ne) 


Friedrich August Flückiger. 335 


w 


späteren klassischen Arbeiten Wallach’s über die Terpene, an 
denen sich Flückiger jeweilen erfreute. Erwähnenswert ist ein am 
Schlufse des Aufsatzes genanntes, aus dem Samen der Weilstanne 
durch Pressen erhaltenes, balsamartiges Sekret, welches damals als 
Surrogat des Copaivabalsams unter dem Namen „oleum seminis 
Abietis pectinatae expressum“ versuchsweise ärztliche Anwendung 
fand. Eine Probe des aus dieser Untersuchung stammenden rekti- 
fizierten Templinöls, in einem Fläschchen mit der denkwürdigen 
Signatur „Flückiger & Komp. in Burgdorf“, ist s. Z. bei dem Um- 
zuge Flückiger's in das pharmaceutische Institut Strafsburg gelangt; 
das nunmehr 40 jährige Oel hat sich inzwischen, wie hier nebenbei 
bemerkt werden mag, reichlich mit ozonisiertem Sauerstoff beladen, 
welcher nach Schönbein's Beobachtungen sehr lange in besonderer 
Bindung mit dem äther. Oele zu bestehen vermag, so dals sieh be- 
sagte Probe vorzüglich zur Demonstration dieser, auch in jener Ab- 
handlung besprochenen Eigenschaft eignet. 


Von weiteren, in Burgdorf abgeschlossenen Studien chemi- 
schen Inhalts verdient, neben einigen kleineren Mitteilungen über 
Kalisesquicarbonat, phosphorsaures Stickoxyd, 
Prüfung der fetten Oele und Prüfung der Milch, 
noch eine Arbeit über Reduktion der Eisenoxydsalze 
Erwähnung, insofern hier zum ersten Male das Verhalten einer 
gröfseren Zahl anorganischer und organischer Substanzen zu den 
wichtigsten Ferrisalzen untersucht und erörtert wird. Es finden sich 
darin u. a. über die Einwirkung des Morphins auf Ferrichlorid und 
auf Ferricyankalium einige Beobachtungen mitgeteilt, welche dem 
Verfasser dieser Zeilen nicht bekannt waren, als er 1894 in Wien 
über eine eingehendere Untersuchung jener Reaktion referierte. Zu 
den dieser ersten Periode angehörenden Abhandlungen chemischen 
Inhalts, welche einem besonderen Interesse für geognostische und 
physikal-geographische Fragen entsprungen sind, gehören die Mit- 
teilung über Bittersalzefflorescenz am Matterhorn, 
die kritischen Erörterungen über Ozonometrie und die Unter- 
suchung von Koprolithen aus Basel-Land. 

Doch auch Flückiger’s späteres Hauptarbeitsgebiet, die wissen- 
schaftliche pharmaceutische Warenkunde, welche wir heute mit dem 
kürzeren Namen „Pharmakognosie“* bezeichnen, hatte schon damals 


336 Friedrich August Flückiger. 


in einigen Mitteilungen über die Droge Pengawar Djambi 
und in einer kleineren Studie über das Antjar-Pfeilgift Be- 
rücksichtigung gefunden, Arbeiten, in denen, wie übrigens auch in 
den erwähnten Bemerkungen über Eisenoxydsalze, in unverkennbarer 
Weise die feine Beobachtungsgabe, der kritische Sinn und das 
Streben nach erschöpfender Behandlung des Gegenstandes her- 
vortreten. 

Endlich sind die Burgdorfer Jahre auch deshalb von be- 
sonderem, wenn auch vielleicht dem Heimatlande Flückiger’s näher 
liegendem Interesse, weil aus mehreren schriftlichen Elaborationen 
jener Zeit, so namentlich aus einem an die eidgenössische Behörde 
gerichteten Gutachten über eine Pharmacopoea helvetica 
die intensive damalige und spätere Beteiligung an der Förderung 
der schweizerischen Pharmacie und speziell an der Ausarbeitung 
der ersten schweizerischen Pharmakopöe hervorgeht. Da aber diese 
Verkältnisse in einem kürzeren Nekrologe') schon eingehender dar- 
gelegt worden sind, so dürfen wir uns in dieser biographischen 
Denkschrift auf wenige Bemerkungen beschränken. 

Das Jahr 1857, in welchem Flückiger seinen Ehebund schlols, 
war zugleich auch dasjenige, in welchem er durch das Vertrauen 
seiner Kollegen zum Präsidenten des Schweizerischen Apotheker- 
vereins gewählt worden war, weiches Amt er, mit einer kürzeren 
Unterbrechung, volle 9 Jahre bekleidete. 

Da es zu jener Zeit in der Schweiz an einer centralen 
Medizinalbehörde fellte, welche erst in den letzten Jahren in Form 
eines vorzugsweise mit hygienischen und statistischen Aufgaben be- 
trauten „Gesundheitsamtes“, doch ohne direkte Vertretung der 
Pharmacie, eingesetzt worden ist, so lag es jenem Fachvereine als 
moralische Pflicht ob, die im Interesse des Berufes und seiner Be- 
ziehungen zur salus publica liegenden Mafsnahmen anzubahnen und 
vorzubereiten. Zu diesen letzteren gehörte unter vielen anderen 
Dingen, welche zum Teil noch ihrer Verwirklichung harren, auch die 
Aufstellung eines einheitlichen schweizerischen Arzneibuches, welches 
in seinen Anfängen auf die Jahre zurückgeht, in denen Flückiger 
noch nicht an der Spitze des Apothekervereins stand. Schon vorher, 
aber insbesondere von letzterem Zeitpunkte an, hatte er sich in 


1) Schweiz. Wochenschr. f. Chem. u. Pharm. 1895 No.7 (15. Febr.). 


Friedrich August Flückiger. 337 


intensiver Weise an der Bearbeitung des Textes beteiligt, und es 
war seinem Eifer und seiner Sachkenntnis, wie auch der Energie 
seines Vorgängers im Amte, Apotheker Roder, vorzugsweise zu 
verdanken, dafs bei seinem Abgange von Burgdorf (1860) der fertige 
Text zur ersten Ausgabe der vom genannten Vereine publizierten 
Pharmacopoea helvetica vorlag, welche allerdings wegen unfreiwilliger 
Verzögerung der Uebertragung in die lateinische Sprache erst 1865 
die Presse verliefs. Wenn bedacht wird, dafs nach einer im Jahre 
1860 beendigten schweiz. pharmaceutischen Statistik des Vorstands- 
mitgliedes Ringk in Schaffhausen während der 50er Jahre in den 
schweizerischen Kantonen noch sechs verschiedene Pharmakopoeen, 
worunter vorwiegend die preufsische, zu Kraft bestanden, während 
in vier Kantonen eine gesetzliche Pharmakopoe überhaupt fehlte, so 
wird klar, dafs der damalige Vorsitzende des Vereins mit etwelcher 
Genugthuung auf diesen ersten Vorläufer einer Landespharmakopoe 
hinblicken durfte, zumal das Werk auch im Auslande Beachtung 
und mehrfache günstige Beurteilung fand. Und doch hatte die Be- 
teiligung an dieser Aufgabe und mehr noch an der Bearbeitung der 
zweiten Auflage, welche in die Jahre 1869—1871 fiel, für Flückiger 
noch eine besondere persönliche Bedeutung; denn in ihr lag nach 
unserer Ueberzeugung die erfolgreichste Anregung zu jener Periode 
intensivster pharmakognostischer Studien des Decenniums 1860—70, 
deren Ergebnisse im „Lehrbuche der Pharmakognosie“ 
und inder späteren „Pharmacographia“ niedergelegt wurden. 
Und dafs auch dem Autor dieser Zusammenhang bewulst war, er- 
hellt wohl aus dem Umstande, dafs das erstgenannte Buch, ein erster 
kühner Wurf, die Widmung trug: „Dem schweizerischen Apotheker- 
Vereine zum Danke für vielfache Anregung von seinem langjährigen 
Präsidenten“, eine Dedikation, die, wie mir wohl bekannt ist, 
keineswegs höflicher Rücksicht, sondern innerem Bedürfnisse ent- 
sprang. 

Doch berühren wir mit dieser Bemerkung ein Faktum, das 
bereits einer späteren Periode angehört. Im Jahre 1859 war in 
Bern der Vorsteher und Verwalter der sogen. „Staatsapotheke“, 
Sprüngli, gestorben und es handelte sich um die Wiederbesetzung 
der Stelle. Zweck des genannten Instituts, welches in anderen 
Teilen der Schweiz auch als „Kantonsapotheke“ bezeichnet wird, ist 

Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 5. Hefis 22 


338 Friedrich August Flückiger. 


die Versorgung der Spitalkliniken, sowie anderer öffentlicher An- 
stalten mit Medikamenten, sowie die Lieferung von Chemikalien an 
Universitätsinstitute; aufserdem war mit dieser Stellung der Sitz in 
dem kantonalen Sanitätskollegium, sowie die Beteiligung an den 
forensischen Analysen und übungsgemäls auch die Mitgliedschaft in 
der pharmaceutischen Prüfungskommission verbunden. Es erforderte 
deshalb dieses Amt einen vollkommen fachkundigen, gewissenhaften, 
möglichst vielseitig gebildeten, gewiegten Apotheker. Bald genug 
richteten sich die Blicke der Behörden und Kollegen auf den Apo- 
theker und Doktor in dem benachbarten Burgdorf; er wurde in An- 
frage gesetzt, entschlols sich nach kürzerer Bedenkzeit zur Ueber- 
nahme der Stellung und erhielt, nachdem er sich für die durch Aus- 
schreibung zu besetzende Stelle gemeldet, seine Ernennung als 
bernischer Staatsapotheker im März d. J. 13860. Die Uebersiedlung 
und Uebernahme der Geschäfte erfolgte in den ersten Tagen des 
Juni; er sollte dieses Amt während der längeren Zeitdauer von nahe- 
zu 13 Jahren versehen. 


Die Motive, welche den Apothekenbesitzer in Burgdorf bewegen 
konnten, seine Stellung mit derjenigen eines Staatsbeamten zu ver- 
tauschen; — das Zurücktreten kommerzieller Bethätigung und direkter 
Beschäftigung in der Apotheke und der daraus sich ergebende Zeit- 
gewinn für Studien und Laboratoriumsarbeiten, die leichtere Möglich- 
keit der Stundeneinteilung, die Gelegenheit zu viel häufigerem Ver- 
kehr mit wissenschaftlich geschulten Vertretern verschiedenster 
Fächer und die Erleichterung der Benutzung der Bibliotheken und 
sonstigen Hilfsmittel der Hochschulanstalten, mögen, in Verbindung 
mit einer instinktiven Erkenntnis der Befähigung zum Lehrberufe, 
den eben in’s Amt getretenen Staatsapotheker auch veranlafst haben 
schon im darauffolgenden Jahre 1861 an der Berner Univer- 
sität um die venia docendi als Privatdozent für pharmaceutische 
Fächer, insbesondere „Pharmakognosie“ nachzusuchen. Er habilitierte 
sich in dieser Stellung noch in demselben Jahre und hat dieselbe 
9 Jahre lang, d. h. bis zu seiner Beförderung zum Professor inne 
gehabt. Mit dem Eifer der Begeisterung für die allmählig zum 
Lieblingsfache und zur Lebensaufgabe heranwachsende Disziplin be- 
treibt der nicht mehr ganz jugendliche, in praktischen Erfahrungen 
schon gereifte Dozent neben seinen Berufspflichten als Leiter der 


Friedrich August Flückiger. 339 


Staatsapotheke die Vorlesungen über Pharmakognosie, und zahlreiche 
spätere schweizerische Apotheker hören bei ihm mit wachsendem 
Interesse dieses in neuem und originellem Gewande vorgetragene 
Fach, zunächst in einem kleineren Raume der Anatomie, später in 
einem geräumigeren Lokale im Gebäude der Staatsapotheke, welches, 
heute noch bestehend, in Kürze der Ausdehnung des Bundesrats- 
hauses wird weichen müssen. Das neben der Offizin gelegene 
Schreibzimmer mit nur einem Fenster und anstofsendem Tisch und 
Stehpult wird zum Studier- und Mikroskopierzimmer, ein dahinter 
gelegener relativ dunkler Raum zum Privatlaboratorium, während im 
Laufe der Jahre im Laboratorium der Apotheke und einem Annexe 
desselben allmählich eine kleinere Zahl von Arbeitsplätzen entstehen, 
welche die Aufnahme einzelner, unter Flückigers Leitung mehr oder 
weniger selbständig arbeitender Schüler ermöglichen, — Alles in 
Allem die ersten primitiven Anfänge eines pharmaceutischen Institutes, 
welches später unter seinem Nachfolger wesentlich erweitert und in 
seiner Ausstattung ergänzt werden konnte, nunmehr aber in eigenen, 
zweckdienlichen und neuen Anforderungen entprechenden Räumen 
nach wesentlich anderem Mafsstabe untergebracht ist. 


Und doch, wie einst in seiner bescheidenen Apothekerküche 
inKöping amMälarse Carl WilhelmScheele alle Büchsen 
und Gläser seines Magazins zu jenen cbemischen Versuchen heran- 
zog; welche den Untergang der von ihm selbst noch festgehaltenen 
Phlogistontheorie anbahnten und andererseits die ersten Schritte einer 
organischen Chemie darstellten, — so haben jene kleinen Arbeits- 
räume an einer stillen Berner-Gasse, dem Hause schräg gegenüber, 
das einst Albrecht von Haller als bernischer Staatsmann be- 
wohnte, eine neue pharmakognostische Schule und als deren Aus- 
gangspunkt und Grundlage ein damals noch bescheiden ausgestattetes 
Buch entstehen sehen, das mit einem Schlage den Ruf seines Ver- 
fassers begründen sollte! 

So mögen denn diesem Werke, dessen spätere, der neueren 
Generation vorwiegend bekannte Auflagen als klassische Er- 
weiterung, Vertiefung und Umarbeitung der ersten, oftmals noch 
tastend vorgehenden Autlage gelten können, an diesem Orte einige 
Worte gewidmet werden. Eine Beschränkung solcher Darlegung 
erscheint um so eher geboten, als schon an anderer Stelle von kom- 

22* 


340 Friedrich August Flückiger. 


petenter Seite der status quo der pharmaceutischen Warenkunde 
geschildert wurde, welcher vor dem Erscheinen der „Pharmakognosie“ 
Flückiger’s bestanden hatte und, bei vollster Anerkennung ver- 
schiedener vortrefflicher und reformatorischer Leistungen, doch auf 
die Dauer weder dem Inhalte noch namentlich der Form nach be- 
friedigen konnte, vielmehr als ein Entwicklungsstadium zu wür- 
digerer Stellung und höheren Aufgaben dieser Disziplin zu be- 
trachten war. 

Der Vorbereitung und Ausarbeitung der ersten Auflage des 
„Lehrbuches“ war die erste Hälfte der Berner Epoche voll und 
ganz gewidmet. Flückiger hatte aber in der stillen Studierstube 
in Burgdorf, ja wohl schon während seiner pharmaceutischen Lehr- 
und Wanderjahre erkannt, dafs erkleckliche Leistungen, intensivere 
Förderung und damit auch gröfserer praktischer Nutzen der Phar- 
makognosie nur dann zu erwarten seien, wenn dieses Fach nicht 
mehr sub titulo „Beschreibung pharmaceutischer oder medizinischer 
Drogen“ oder „pharmaceutische Warenkunde“, wie fast überall in 
Europa, am wenigsten freilich in Deutschland, als eine Art An- 
hängsel, Einschaltung oder Supplement der pharmaceutischen 
Botanik, der pharmaceutischen Chemie oder der sog. Pharmacie be- 
handelt, sondern zum Range einer der wichtigeren angewandten 
Wissenschaften, wie etwa der Geographie oder Geologie erhoben 
werde. Und er erkannte im Weiteren, dals eine Erhöhung der Dignität 
und damit auch der praktischen Tragweite der Pharmakognosie nur 
dadurch zu erreichen sei, dafs im Gegensatze zu einer öfters vor- 
kommenden einseitig chemischen oder botanischen Behandlung oder 
einer Beschränkung auf äufsere, vielfach zufällige Merkmale der 
arzneilichen Rohstoffe eine monographische, alle bedeutsameren 
Gesichtspunkte würdigende, somit auf zahlreichen Hilfsdisziplinen 
fufsende Bearbeitung Platz greife. 


„In hoc signo vinces‘‘ wurde seine wissenschaftliche Parole; — 
erhatgesiegt und zwar namentlich‘auch deshalb gesiegt, weil er, kritisch 
einschneidend woesNotthat, imübrigen jedoch reformierend, revidierend, 
Gegensätze versöhnend, sich auf die Schultern der Vorgänger 
stellte, von da aus weiterbaute, — mit einem Worte — „ex ungue 
leonem !“ — den historischen Zusammenhang der Wissen- 
schaft wahrte. 


Friedrich August Flückiger. 341 


Und dennoch hatte er sich für einen Zeitraum von wenigen 
Jahren eine Riesenaufgabe gestellt. Handelte es sich doch um die 
kritische Durcharbeitung des ganzen Materials über Drogen des 
Pflanzenreiches, um ungezählte Wiederholungen, Verifizierungen 
analytischer Daten, mikroskopischer Beobachtungen und physika- 
lischer Bestimmungen, um zahlreichste Ergänzungen oder meist neue 
Erhebungen auf den beiden ihm besonders am Herzen liegenden 
Gebieten der geographisch-statistischen und geschichtlichen Er- 
örterung der Arzneistoffe.. In diese Periode fallen auch die An- 
fänge jener mehr und mehr ausgedehnten fachwissenschaftlichen 
Correspondenz und jenes allmählich über den Erdkreis sich ver- 
breitenden Verkehrs, welcher Flückigers Lehrbücher der Pharma- 
kognosie in so günstiger Weise beeinflufst und denselben, bei allen 
Unvollkommenheiten menschlicher Werke der Hände oder des 
Geistes, jenen hohen Grad von Gründlichkeit, Vollständigkeit und 
Zuverlässigkeit verliehen hat. Doch würde es ein Irrtum sein, die 
eben erwähnten Eigenschaften ausschlielslich auf die weite Aus- 
dehnung der Hilfsmittel zurückführen zu wollen, denn das gröfsere 
Erstlingswerk verrät in hohem Grade jene in dem kleinen Städtchen 
Burgdorf ermöglichte geistige Sammlung und Konzentration, die der 
Verfasser im Jahre seines Erscheinens in der brieflichen Bemerkung 
andeutet: „Inzwischen sind einfachere Lebensverhältnisse doch auch 
wieder innerlicher Vertiefung und Verständigung günstig und ihr 
Wert stellt sich gewöhnlich später erst recht deutlich heraus, wenn 
man mit gröfserer Reife auch an gröfsere Aufgaben herantritt, sofern 
eben letztere schliefslich noch eine andere als die akademische Reife 
erheischen.“ 


Bei der Ausarbeitung seines Buches verwertete Flückiger neben 
den Mitteilungen zahlreicher Correspondenten namentlich den Rat 
einiger Berner Professoren, wie des scharfsinnigen, vielseitig be- 
lesenen Physiologen Valentin, des Orientalisten Sprenger 
und seines Jugendfreundes, des hochgeachteten Botanikers L. von 
Fischer, der, gleichfalls aus der Pharmacie hervorgegangen, den 
Hingang seines berühmten früheren Fachgenossen betrauert. Er 
versicherte sich aber auch der Hilfe verschiedener Besitzer grölserer 
privater Drogensammlungen, wie der Apotheker Kindt in Bremen, 
Oberdöffer in Hamburg, Dittrich in Prag und verschaffte 


342 Friedrich August Flückiger. 


sich in dem damals so schwierigen und ausgedehnten Kapitel der 
Chinarinden vielfache Belehrung durch die Besitzer und Leiter der 
damaligen Chininfabriken Jobst und Zimmer. 

Das „Lehrbuch der Pharmakognosie des 
Pflanzenreiches“ erschien im Laufe des Jahres 1867 im 
R. Gaertner’schen Verlage in Berlin, und dieses Erscheinen war für 
die im pharmaceutischen Studium so vielfach vernachlässigte und 
zur Seite gedrängte Disziplin eine Art Erlösung, es bedeutete über- 
dies eine entschiedene Erhöhung der Stellung der wissenschaftlichen 
Pharmacie, namentlich auch in den Augen der Medizin, welche ja 
später den Autor wiederholt der Ernennung zum Ehrendoktor ge- 
würdigt hat. Die zwei weiteren Auflagen aber, die wir später an 
ihrem Orte anzuführen haben werden, ohne hier auf den Inhalt 
dieser Werke eingehen zu dürfen, erscheinen uns als eine organische 
Entwicklung und als eine mit bewundernswertem Geschick ausge- 
führte Umarbeitung dieses ersten Lehrbuches, in dem mit fester 
Hand die Grundprinzipien der neuen Pharmakognosie und die 
Grundlinien der Stoffbehandlung für die neueren Lehrbücher dieser 
Wissenschaft niedergelegt waren. 

Der bald genug laut werdenden lobenden Beurteilung antwortete 
damals der Verfasser mit dem bescheidenen Ausdrucke der Hoff- 
nung, das noch lückenhafte Werk später emendieren zu können; so, 
wenn er im November 1867 einem Rezensenten bemerkt: „Der 
Verleger hat mir aus der Bunzlauer Zeitung die Rezension meines 
Buches zukommen lassen, welche mich in ebenso wohlwollender als 
einseitiger Weise ihrem Leserkreise empfiehlt. Ich stehe nicht an, 
Ihnen darüber meine Freude auszudrücken, obwohl gewils niemand 
so sehr auch der Lücken und Mängel des Werkes bewulst ist, als 
ich. Aus der freundlichen Anerkennung, welche dasselbe dennoch 
da und dort gefunden, schöpfe ich den Mut, Schritt für Schritt zu 
bessern und zu vervollständigen, soweit Einsicht und Kraft reichen.“ 
In wie ungeahnter Weise sollte sich im Laufe des nächsten Viertel- 
jahrhunderts diese Hoffnung noch erfüllen ! 

Die denkwürdige Periode der Ausarbeitung des in seiner Art 
klassischen Buches blieb aber keineswegs auf diese litterarische 
Leistung beschränkt; wir finden vielmehr in der pharmaceutischen 
Litteratur der sechziger Jahre eine gröfsere Zahl von Arbeiten, die 


Friedrich August Flückiger. 343 


uns zeigen, dals Flückiger schon in diefer, wie in der späteren Zeit 
nebeneinander pharmakognostische, chemische und historische Themata 
in Behandlung zog und die Pharmacie in mehr denn einer Richtung 
zu fördern suchte. Unter den pharmakognostischen Aufsätzen seien 
als einige der wichtigsten hervorgehoben die Abhandlungen: 
Quillaja Saponaria, Kamala und eine neue Art 
Kamala, Weihrauchbaum, Sesamsamen, zur Ana- 
tomie der Chinarinden, Erdnuf[s und Gummi und 
Bdellium vom Senegal. Mit Kamala hat sich Flückiger 
wiederholt beschäftigt; in der ersten Abhandlung, die als Festgabe 
zur Apotheker-Versammlung in Neuchätel (1864) erschien, lieferte er 
eine der besten monographischen Beschreibungen dieser dazumal 
neuen Droge mit Darlegung der anatomischen und chemischen Ver- 
hältnisse, sowie der Verwechslungen und Verunreinigungen, während 
in der zweiten Mitteilung die mikroskopisch abweichende Droge be- 
schrieben wurde, die sich später als das „Wars“ der Araber heraus- 
stellte und als drüsige Bedeckung auf einer Leguminosenfrucht 
(Flemingia) vorkommt. Verschiedene vollkommen neue Gesichts- 
punkte und Anschauungen, welche treilich im Laufe der Zeit weiter 
modifiziert wurden, brachte die von einer Abbildung begleitete Arbeit 
über den Weihrauch und seine Abstammung, welche bei späterem 
Anlasse durch eine Studie über ein eigentliches Boswellia-Harz, das 
„Luban Mati“ ergänzt wurde, wie denn überhaupt für den 
Förderer der historischen Pharmakognosie die beiden Drogen Weih- 
rauch und Myrrhe von besonderer Anziehungskraft waren und zu 
mehrfachen Untersuchungen Anlals gaben. In dem bemerkens- 
werten Beitrag zur Anatomie der Chinarinden, einer der 
Arbeiten, zu welchen die Redaktion des Lehrbuches speziellere An- 
regung gegeben hatte, wurde die Zellwandsubstanz der China- 
Bastfasern mit der sogen. Glucodrupose der Birmen-Konkretionen 
verglichen und zugleich die wichtige Frage nach dem Sitze der 
Alkaloide in den Chinarinden durch zweckmälsige Versuche geprüft, 
deren Ergebnisse die früher bestrittene, nunmehr allgemein acceptierte 
Ansicht der Einlagerung der Chinabasen in den Zellen des Paren- 
chyms bestätigten. Endlick wurden auch in dem Artikel Gummi 
und Bdellium auf Grund scharfsinniger Erörterungen diverse 
traditionell gewordene irrtümliche Ansichten rektifiziert und nament- 


344 Friedrich August Flückiger. 


lich de Acacia Verek G. u. P. (A. Senegal Willd.) unter Bei- 
gabe einer guten Abbildung als Hauptstammpflanze des gesamten 
afrikanischen Gummis festgestellt. 


Von chemisch interessanten Abhandlungen aus jener Zeit 
mögen nur die Arbeiten über den geologisch merkwürdigen vulkani- 
schen Salzsäurebach Sungi-Pait in Ostjava, über die 
Löslichkeit der Stärke, das Lerp-Amylum, den 
Carragheen-Schleim, ferner über Chininreaktionen, 
den Narcotingehalt desindischen Opiums, über das 
Euphorbon und über das Buxin genannt werden. 


Die erwähnten Arbeiten über Stärke und Schleim gehören zu 
einer gröfseren Reihe von Studien über die Natur der Kohlenhydrate 
in verschiedenen offizinellen und nicht offizinellen Drogen, namentlich 
einigen Manna-Arten, bei welchem‘Anlafse unter Anderm jene eigent- 
tümliche als Lerp-Amylum benannte Stärkemodifikation in einer 
australischen, von Insekten erzeugten sog. Manna aufgefunden wurde. 
In der ebensowohl historischen wie chemischen Studie über Buxin 
wurde auf Grund einläfslicher Vergleichungen die Identität dieser 
Pflanzenbase mit dem Bibirin dercort. Bibiru und demPelosin 
der Rad. Pareirae konstatiert und die weitere Uebereinstimmung 
mit dem Paricin gewisser Chinarinden wahrscheinlich gemacht. 


Bedeutsamer jedoch, als die obigen, nur in ihrer kleinen 
Minderzahl angeführten Publikationen sind vielleicht diejenigen ge- 
schichtlichen Inhalts, wie z. B. die Beiträge zur Geschichte der 
bernischen Pharmacie, sowie zur Geschichte des 
Moschus und zur Geschichte des Kamphers. Be- 
weisen dieselben doch Flückiger’s relativ frühzeitige eingehendere 
Beschäftigung mit Geschichte der Drogen und Geschichte der 
Pharmacie, als mit jenem Gebiete, welches in der Folge mehr und 
mehr zu einem Lieblingsgegenstande seiner Forschung wurde und 
bei dem er auch nach Niederlegung seiner akademischen Thätigkeit 
noch stehen blieb, wohl nicht ohne die Hoffnung, eine letzte speziell 
auf Drogengeschichte bezügliche litterarische Leistung gewisser- 
malsen als letzte Gabe seines unermüdlichen und phänomenalen 
Gelehrtenfleifses bieten zu können. Die ersterwähnte Arbeit, eine 
sorgfältige Zusammenstellung der aus bernischen Archiven über die 


Friedrich August Flückiger. 345 


frühern Zustände des dortigen Medizinalwesens extrahierten Nach- 
richten ist als ein Vorläufer der später zu nennenden „Dokumente“ 
zu betrachten, während die beiden andern Abhandlungen, wenn auch 
mit noch ungenügenden litterarischen Hilfsmitteln bearbeitet, doch 
schon in typischer Weise seine spezifische Anlage zur Quellen- 
forchung verraten und jene historische Vertiefung darlegen, welche 
er der neuern Pharmakognosie beizugeben trachtete. Wir begegnen 
ihren Spuren fast auf jeder Seite seiner „Pharmakognosie“, 'ns- 
besondere in ihren zwei späteren Auflagen, wo er die Quintessenz 
ungezählter, fast alle wichtigeren Drogen betreffender historischer 
Untersuchungen niederlegte, um auf diese Weise zu weiterer 
Forschung anzuregen. 


Unter den litterarischen Erzeugnissen der ersten Berner Periode 
finden wir endlich unter dem Titel „Pharmaceutische Reise- 
eindrücke“ einen gröfsern, vortreftlich redigierten Aufsatz, der 
für seinen Autor noch eine besonders wertvolle persönliche Er- 
innerung einschlofs. Er war im Spätsommer 1867 zunächst nach 
London, von da als schweizerischer Deputierter nach der Pariser 
Weltausstellung und an den dort abgehaltenen internationalen 
pharmaceutischen Kongrels gereist und hatte seine Eindrücke und 
Erfahrungen über die botanischen Sammlungen Englands, wie über 
die Schätze der Pariser-Ausstellung in jenem lehrreichen und an- 
ziehenden Rückblick wiedergegeben. Im erstgenannten Orte, in 
London, hatte er die seit seiner Arbeit über den Weihrauchbaum 
längst erwünschte persönliche Bekanntschaft seines bisherigen 
Correspondenten, des Apothekers Daniel Hanbury, Mitinhabers 
der altbekannten Firma Allen & Hanbury’s in Plough Court, 
Lombard street, gemacht und damit den ersten Knoten zu einer 
Association geschürzt, welcher später die pharmaceutischen Kreise 
des englischen Sprachgebietes die „Pharmacographia“ zu 
verdanken hatten. Dieser Besuch, den der neugewonnene Freund 
bald darauf in Bern erwiderte und der sich später mehrmals wieder- 
holte, fiel in das Jahr der Herausgabe des ‚„Lehrbuches“ und aus 
einem nach der Rückkehr aus London geschriebenen Briefe ergiebt 
sich, dafs damals Verhandlungen mit einem dortigen Verleger über 
eine englische Uebersetzung stattfanden, so dafs wohl ohne Zweifel 
bei jenem Anlasse von den beiden gelehrten Fachgenossen der 


346 Friedrich August Flückiger. 


erste Plan zur Ausarbeitung des englischen Handbuches gefafst 
worden ist. 

Das Jahr 1870 brachte Flückiger die Ernennung zum Professor 
extraordinarius für Pharmacie und Pharmakognosie mit offiziellem 
Lehrauftrage für das letztere Fach an der philosophischen Fakultät, — 
beides wohl eine mittelbare Folge und, nach der Meinung einzelner 
Freunde, etwas verspätete Anerkennung seiner litterarischen Leistungen, 
welehe ihn namentlich aus dem Grunde hoch erfreute, weil durch 
diese Beförderung die Pharmacie als Lehrfach an der Berner Hoch- 
sehule öffentlich anerkannt wurde. Die neue Stellung sollte er freilich 
nur noch während weniger Jahre bekleiden; aber die erhaltene 
Genugthuung mochte ihn zu Erweiterung seiner Lehrthätigkeit und 
zu neuen fachwissenschaftlichen Aufgaben angespornt haben, denn 
es sind uns gerade aus dem Zeitraume 1870 — 1873. zahlreiche 
Arbeiten erhalten. 

In seinem Beitrage zur Kenntnis der Aconit- 
Alkaloide, dessen Inhalt ja selbstverständlich durch die neueren 
Arbeiten mancherlei Modifikationen erfahren mulste, bietet Flückiger 
ein klares, übersichtliches Referat über die Natur der damaligen 
Aconitin-Präparate und führt die erste genauere Vergleichung des 
Aconitins mit dem aus indischen Aconitumkn ollen stammenden „Pseuda- 
conitin“ aus, welches zu so vielfachen Widersprüchen Anlals gegeben 
hatte. Die Beiträge zur Prüfung der Oele enthalten vor 
allem Beobachtungen über die Einwirkung von Säuren und Säure- 
gemischen auf fette und ätherische Oele, mit welchem Gegenstande 
er sich wiederholt einlässlicher beschäftigte; hier finden wir auch die 
erste Erwähnung des verschiedenen Verhaltens der ätherischen Oele 
von Copaifera und Dipterocarpus zu salpetersäurehaltiger Schwefel- 
säure, eine Farbenreaktion, welche nur dann unsichere Resultate 
geben kann, wenn sie ohne Isolierung des Oeles aus den Balsamen 
angestellt wird. Dieselbe wurde zuerst in die Pharmacographia auf- 
genommen, nachdem sie auch von Hanbury!) bestätigt und 
acceptiert worden war. Eine Arbeit von besonderer pbarmakognosti- 


1) Die noch vorhandene briefliche Notiz vom 27. Januar 1874 lautet: 
„I have been much pleased in repeating your remarkable test for 
distinguishing Copaiba from wood oil. Itis quite easy to deteet wood 
oil when mixed with 7, even with 9 volumes of Copaiba, and using 
only one drop of the acid mixture.“ 


Friedrich August Flückiger. 347 


scher Bedeutung und von praktischem Werte für deutsch redende 
Kreise war die in verschiedenen Richtungen erweiterte Uebertragung 
von H. A. Weddell’s „Notes sur les quinguinas“, deren Publi- 
kation in die noch so vielfach verworrene Abstammungsfrage bei 
vielen Rinden Klarheit gebracht hat. Das Verdienst dieser durch 
Flückiger’s Bearbeitung besonders zugänglich gemachten Schrift er- 
hellt aus der Bemerkung im Vorworte des Uebersetzers: „Die Ueber- 
sicht Weddell’s ruht auf der gesamten Masse des bis jetzt angehäuften 
Wissens über die Cinchonen, welches uns, seinem Gehalte nach, 
hier zum ersten Male festgegliedert vollständig entgegentritt. Die 
beigegebenen Bemerkungen enthalten nicht nur die Begründung der 
leitenden Grundsätze, sondern auch zahlreichste Aufschlüsse der 
verschiedensten Art und lassen aufserdem eine Reihe noch uner- 
ledigter Einzelheiten hervortreten, um sie künftiger Forschung zu 
empfehlen.“ Anschliefsend an diese Abhandlung möge, weil gleich- 
falls die Cinchonologie betreffend, die Arbeit: Beiträge zur 
Kenntnis der sogen. falschen Chinarinden Erwäh- 
nung finden, in welcher er, veranlafst durch Mitteilungen von 
O0. Hesse über den Chiningehalt einer ungewöhnlichen Rinde, zu- 
erst (1871) die damals, wie auch schon früher (1857) auf dem Londoner 
Markte erschienene, von ihm als „China cuprea“ bezeichnete 
Droge näher charakterisierte.e Es ist bekannt, dals gerade diese, 
nicht dem Genus Cinchona angehörigse Rinde, deren Chiningehalt 
die lange Zeit dogmatisch festgehaltene Ansicht über die Beschränkung 
der eigentlichen Chinaalkaloide auf die botanisch echten, von jener 
Pflanzengattung gelieferten Rinden umstürzen mulste, in späteren 
Jahren, d. h. 1880—1885 in sehr namhaften Mengen auf Chinin ver- 
arbeitet worden ist. Doch selbst zu dieser Zeit war deren Provenienz 
noch keineswegs aufgeklärt. So schreibt im Februar 1880 der be- 
kannte John Eliot Howard, welchem Flückiger nächst 
Weddell, Markham, De Vry, vanGorkom, Moens 
und den schon genannten Fabrikdirektoren die zuverläfsigsten Daten 
über Chinarinden verdankte, nach Stralsburg: „I have been wishing 
to inform you, that your „china cuprea“ is assuming some commer- 
cial importance. A quantity was sold in the last days at 3 sh. to 
3 sh. 6 p. pound, of which our firm bought some and the German 
houses were eager buyers. From this you will conceive, that the 


348 Friedrich August Flückiger. 


contents in Quinine are satisfactory. I understand besides, that 
300 or 400 serons are coming. I hope to find some pieces with 
epidemis for you and in other ways to obtain some more satisfactory 
information about this curious bark, which Ithink you were 
the first to describe. I wish, we could get atits botanical origin.“ 

Eine interessante Studie über einen Gegenstand, der neben 
Flückiger besonders auch einige englische Forscher beschäftigte, ist 
die Abhandlung „The erystalline principlesin Aloes“, 
in welcher das von ihm in der südafrikanischen Natal-Alo& aufge- 
fundene besondere Aloin (Natal-Aloin) in seinen physikalisch-chemi- 
schen Merkmalen beschrieben und mit dem Aloin der übrigen Aloe- 
sorten von Barbadoes, Sokotra und Zanzibar verglichen wird. Es 
war diese Arbeit zugleich Veranlassung zur Erhebung zuverläfsiger 
Nachrichten über die Produktionsweise und Provenienz der ver- 
schiedenen süd- und ostafrikanischen Alo&arten, welche erstere später 
in der Pharmacographia und in der neuen Auflage der Pharmaco- 
gnosie ihre Verwertung fanden. 

Als eine Frucht der letzten in Bern an die Hand genommenen 
Arbeiten müssen endlich noch mehrere Mitteilungen historischen 
Charakters besonders angeführt werden, weil dieselben, wenigstens 
teilweise, |mit den später in Strafsburg vorgenommenen geschicht- 
lichen Forschungen in Beziehung stehen und uns insoweit wie eine 
Vorahnung seiner bald bevorstehenden Thätigkeit auf dem Boden 
des Deutschen Reiches anmuten. Es sind diefs die Studie: - Zur 
Geschichte des Wortes Apotheke und die Publikation: 
„Die Frankfurter Liste; Beitrag zur mittelalterlichen Ge- 
schichte der Pharmacie, bei Gelegenheit des Erscheinens der Pharma- 
copoea Germanica“. In diesen letzteren, vorzugsweise der Geschichte 
der Drogen gewidmeten und mit Kommentar versehenen Widergabe 
eines interessanten pharmaceutischen Dokumentes können wir von 
neuem die spezifische Begabung des Autors zu geschichtlichen Unter- 
suchungen bestätigen, und wenn wir überdies die beiden ersten im 
jagendlichen Alter von 18—19 Jahren verfafsten Arbeiten!) durch- 


1) I. Mitteilungen über die Geschichte Langenthals und der Um- 
gegend bis zur Reformation von F. A. F. stud. phil. Mitglied des 
histor. Vereins des Kantons Bern. Laugenthal, Juni 1847. II. Ge- 
schichte des Amtes Aarwangen (Umarbeitung des Aufs. I) Abhandlgn. 
d. histor. Ver. d. Kant. Bern 1848 (Nachrichten über die von F. im Langen- 
thaler Hardt untersuchten Grabhügel enthaltend). 


Friedrich August Flückiger. 349 


gehen, welche während seiner pharmaceutischen Lehre gedruckt 
wurden und dem Gebiete der politischen Geschichte angehören, so 
werden wir unwillkürlich zu der Vermutung geführt, dafs Flückiger 
vielleicht als Historiker vom Fach nicht weniger hervorragendes ge- 
leistet haben würde, zumal ihm hinsichtlich des Styles in 
hohem Grade die Gabe fesselnder, leicht fliefsender Diktion 
eigen war. 

Wir stehen bei der Schilderung seines Lebensganges in der 
für die neuere Völkergeschichte so bedeutsamen Epoche der Jahre 
1870—1872, welche auch für sein curriculum vitae einen Wendepunkt 
bringen und ihn aus seinem Vaterlande an eine Hochschule des 
neubegründeten Deutschen Reiches führen sollte. Ende April 1872 
war durch kaiserliches Dekret die Universität Stralsburg im 
Elsafs zum andern Male gegründet worden und die Behörden des 
Reichslandes bemühten sich, an die neue Hochschule, welche a priori 
mit reichen Hilfsmitteln ausgestattet worden war, die besten damals 
erhältlichen Lehrkräfte zu berufen. Nachdem im Herbst 1872 durch 
besondern offiziellen Akt die hisherigen Lehrinstitute „Ecole de 
medecine“ und „Ecole superieure de pharmacie‘“ aufgelöst worden 
waren, in der Meinung, dafs dieselben ihre Fortsetzung in der neuen 
Universität, bezw. in deren medicinischer und mathemat.-naturwissen- 
schaftlicher Fakultät finden sollten, erfolgten im Winter 1872/73 die 
Berufungen für die noch vakanten Lehrstühle Für das Ordinariat 
der Pharmacie (Pharmakognosie und pharmaceutische Chemie), ver- 
bunden mit der Leitung des in den Räumen der trüheren „Ecole 
superieure de pharmacie“ fortzuführenden pharmaceutischen Uni- 
versitätsinstitutes, war sehr bald die Wahl aut den gelehrten 
Pharmaceuten in Bern gefallen, der sich nicht nur durch sein Lehr- 
buch, sondern durch zahlreiche wissenschaftliche Publikationen einen 
Namen erworben hatte. Seine Berufung erfolgte zu Ende des 
Jahres 1872, nachdem Flückiger zuvor auf einer Rückreise von 
London in Strafsburg mit dem ersten Rektor der neuen Hochschule, 
dem Botaniker Anton De Bary und andern Kollegen verhandelt 
hatte. Flückiger erklärte am 22. Januar 1873 die Annahme der 
Berufung, wurde auf Ende des Wintersemesters aus seinen Stellungen 
in Bern unter ehrenvoller Verdankung der langjährigen geleisteten 
Dienste entlassen und begann in den ersten Tagen des Monats Mai 


350 Friedrich August Flückiger. 


1873 seine neue akademische Thätigkeit, die er bekanntlich bis zum 
Sommer-Semester 1892 fortgesetzt hat. 

Eine eingehendere Schilderung der zwanzigjährigen Periode 
seines Wirkens in Strafsburg, in der Flückiger seine andauerndste 
und reichste wissenschaftliche und litterarische Thätigkeit entfaltet 
hat, würde weit über den Rahmen aieser Zeitschrift hinausgehen. 
Dieselbe steht überdies als relativ neuerer Zeitabschnitt mehr im 
Gedächtnisse der Mitlebenden, und wir dürfen uns deshalb darauf 
beschränken, einige der wichtigsten Momente herauszuheben und 
über die Bedeutung des hingegangenen Meisters als pharmaceutischer 
Schriftsteller einige Bemerkungen beizufügen. 


Das die Loslösung von dem Heimatland und von einer bereits 
mit Erfolg gekrönten und durch längere Gewöhnung vertraut ge- 
wordenen Wirksamkeit nicht ohne einen Kampf vor sich gegangen 
war, liegt auf der Hand; mafsgebend für seine Entschliefsung mochte 
wohl in erster Linie die Aussicht gewesen sein, durch Uebernahme 
einer ungeteilten, nicht mehr mit der verantwortungsvollen Leitung 
und Verwaltung einer gröfsern Spitalapotheke verbundenen aka- 
demischen Stellung ireiere Verfügung über seine Zeit und damit 
gröfsern Spielraum für die immer mehr an’s Herz gewachsene 
wissenschaftliche Bethätigung zu erlangen, aufserdem aber auch 
hinsichtlich seiner Lehrthätigkeit in einen gröfssern Wirkungskreis 
einzutreten. In beiden Erwartungen hatte er sich im wesentlichen 
nicht getäuscht. Es ist vielleicht nicht ohne Interesse, zu hören, 
wie er selbst, im 2. Semester der neuen Thätigkeit stehend, die 
Verhältnisse schildert. In einem Briefe vom Dezember 1873 schreibt 
er: „Das Fach ist hier nicht nur äufserlich vollberechtigt hingestellt, 
sondern ich finde auch dafür bei meinen Kollegen von der Physik, 
Botanik, Chemie volles Interesse. Und andererseits habe ich nicht 
nötig, in Gebiete einzugreifen, die mir nicht am Herzen liegen, so 
dals ich mich in meinem Elemente fühle. Der Umgang mit jenen 
Kollegen ist mir in der That von grofsem Werte und ein Ersatz für 
manche angenehme Beziehungen vergangener Zeit. So ist besonders 
De Bary in erster Linie mir nicht nur als Botaniker ersten Ranges 
willkommen, sondern auch durch sein vielseitiges, geistreiches Wesen 
anziehend. ...... Und so giebt es unter den Kollegen überhaupt 
eine gute Zahl trefflicher Männer, mit denen wir ansprechenden Um- 


Friedrich August Flückiger. 351 


gang pflegen. Das pharmaceutische Institut ist nun mit einem guten 
Laboratorium ausgestattet, Sammlung und Bibliothek noch der Um- 
ordnung und Ergänzung harrend, während das Auditorium 27 Zu- 
hörer aufgenommen hat. Als Facit darf ich nur aussprechen, dafs 
ich zufrieden bin, und in mancher Hinsicht ist es mir gerade inter- 
essant, die Zustände erst im Entstehen gefunden zu haben. Doch 
Sie wundern sich mit Recht, mich noch nicht über meine Arbeiten 
sprechen zu hören. Leider fange ich erst jetzt an, zu arbeiten, denn 
eine solche Uebersiedlung wirkt ja auf lange sehr störend. Endlich, 
anfangs dieses Monats, habe ich mir soweit Luft gemacht, dafs ich 
das Studium des Kosins in Angriff nehmen konnte, eines Körpers, 
der sehr bedeutend von Bedall’s Koussin abweicht und erst das 
Kennzeichen eines reinen Körpers an sich trägt.“ 

Derselbe Brief schliefst freilich mit einer pessimistischen Be- 
merkung, die hier noch beigefügt werden mag: „Haben Sie wohl die 
Prognose gelesen, welche Hlasiwetz in der Zeitschrift des 
österr. Apothekervereins vom 20. Dezember der Pharmacie steilt? 
Sie lautet nicht eben ermutigend für uns, die wir dem Berute seine 
wissenschaftliche Haltung nicht nur wahren, sondern sogar mehren 
möchten, und doch ist die Darstellung des trefflichen Chemikers 
teilweise nur zu sehr aus dem Leben gegriffen. Auch manche 
andere Erscheinungen stimmen zu diesem Bilde; wie kommt es z. B., 
dafs mit dem 1. Januar 1874 gleichzeitig Wittstein’s V.J. Schrift 
und Vorwerk's Neues Jahrbuch eingehen? Es ist mir darüber 
nichts näheres bekannt; es mag ein zufälliges Zusammentreffen sein, 
doch hat das sang- und klanglose Aufhören zweier nicht unansehn- 
licher Organe etwas befremdendes. Ueberflufs an Lesern und Zu- 
drang an Mitarbeitern können nicht tötlich gewirkt haben!“ 

Im Hinblick auf die schon so achtunggebietende Zahl seiner 
Arbeiten durfte sich Flückiger damals wohl das Zeugnis geben, 
dafs er an diesen Erscheinungen keine Schuld trage, wie ja denn 
auch in der Zukunft eine Anzahl neuerer, gediegener pharma- 
ceutischer Zeitschriitten den Beweis leisteten, dafs bei jenen Vor- 
kommnissen noch andere Faktoren, als blofse Indifferenz gegenüber 
der wissenschaftlichen Pharmacie mitgewirkt haben müssen. 

Die Befriedigung, welcher der oben excerpierte Brief Aus- 
druck giebt, wurde im Laufe der Jahre auch durch die Thatsache 


352 Friedrich August Flückiger. 

noch vermehrt, dafs nicht allein eine im Vergleich mit früheren Ver- 
hältnissen ansehnliche, wenn auch an und für sich keineswegs über- 
grolse Zahl von Schülern, teils aus dem Reichslande, teils aus Alt- 
deutschland das pharmaceutische Institut frequentierten, sondern dafs 
auch aus anderen Ländern, zum Teil aus weiterer Entfernung, so 
aus den Vereinigten Staaten, England, Belgien, Galizien, Skandi- 
navien, Dänemark, Finnland und Japan absolvierte Pharmaceuten 
zur Ergänzung ihrer Studien, vielfach behufs Ausführung selb- 
ständiger pharmakognostischer oder pharmaceutisch - chemischer Ar- 
beiten sich nach Strafsburg begaben. Manche dahin gehörige 
Namen werden aus dem Verzeichnisse seiner Schriften zu er- 
sehen sein. 


Allen diesen jüngeren oder vorgerückteren Schülern ist Flückiger 
während der zwei Decennien seines Wirkens in Strafsburg nicht nur 
Lehrer, sondern, wofern nicht ostentative Indifferenz jede An- 
näherung überflüssig machte, immer auch väterlicher Freund ge- 
wesen. Im Laufe der Jahre hat sich namentlich in Elsafs - Loth- 
ringen eine stattliche Gemeinde früherer Schüler herangebildet; sie 
würden alle bereit sein, zu bestätigen, in welch gewissenhafter Weise 
der in allen Fächern gleich anregende Lehrer nicht allein seine 
reichen Kenntnisse, sondern auch alle irgendwie zu Gebote stehenden 
mikroskopischen, physikalisch - chemischen und litterarischen Hilfs- 
mittel in weiser Beschränkung zu seinen Zwecken verwendete, ebenso 
sehr in seinen Vorlesungen, in denen der Verzicht auf die Ehre, 
durch Rhetorik als akademischer Lehrer zu glänzen, seine Mit- 
teilungen nicht weniger interessant machte, wie in den pharma- 
ceutisch-chemischen oder pharmakognostischen Uebungen im Labora- 
torium, wo er in sorgfältiger Auswahl der Manipulationen mit be- 
scheidensten Mitteln wichtige Dinge demonstrierte, um seine Schüler 
in diese gerade tür den Pharmaceuten unbezahlbare Kunst ein- 
zuführen. 

Neben solcher Lehrthätigkeit ging aber die eigene Forschung 
und schriftstellerische Thätigkeit Hand in Hand. Wenn wir die 
Periode seiner Wirksamkeit in der Strafsburger Hochschule in zwei 
Decennien, 1873—1882 und 1883—1892 abteilen, in deren Mitte zu- 
gleich die Herausgabe der wesentlich erweiterten 2. Auflage seiner 
Pharmakognosie fällt, so treten uns unter den bemerkenswertesten 


Friedrich August Flückiger. 353 


Publikationen der ersten Jahre zunächst entgegen: die kurze Zeit 
nach dem Amtsantritte erschienenen Grundlagen der pharma- 
ceutischen Warenkunde (Berlin, J. Springer), ein mit treff- 
lichen Holzschnitten, einem kurzen Abrifs über Drogengeschichte 
und einer Uebersicht der litterarischen Hilfsmittel ausgestattetes 
Hilfsbuch zur Einführung in das Studium der Pharmakognosie, 
welches sich allgemein eingebürgert hat und daher einer besonderen 
Besprechung nicht bedarf; ferner die 15 Jahre später von Shi- 
moyama aus Tokio ergänzte Arbeit über die Bukublätter 
und deren anatomische Verhältnisse, welch letztere schon 2 De- 
cennien früher von Oudemans!) einer Untersuchung unterworfen 
worden waren; die Beiträge zur Kenntnis einiger 
Kampherarten,insbesondere des Ngai-Kamphers 
(anter Beteiligung von D. Hanbury), die in Gemeinschaft 
mit Dr. Eugen Buri vorgenommene Untersuchung über das 
Kosin, welche schon oben brieflich erwähnt wird, und die Ab- 
handlung ‚on the chemistry of Elemi“. Die zweitgenannte, wie die 
letzte Arbeit, bewegt sich auf dem von Flückiger mit unverkennbarer 
Vorliebe kultivierten Gebiete der Pflanzensekrete. Während die 
erstere, einer Reihe von Untersuchungen über aetherische Oele zuge- 
hörend, speziellere Daten über einige seltenere Stearoptene vorführt, 
denen sich später ähnliche experimentelle Ergebnisse über ander- 
weitige Kampherarten, wie Safrol, Thymol, Diosphenol, Menthol 
anschlossen, bringt die letztere Abhandlung eine wesentliche Be- 
reicherung und Klärung unserer Kenntnisse über das Elemiharz, in 
welchem als eigentümliche Bestandteile die inder frühern Untersuchung 
des „Arbol a Brea“-harzes durch den waadtländischen Apotheker 
S. Baup signalisierten Substanzen Amyrin und Bryoidin 
festgestellt und näher beschrieben werden. Durch E. Buri sind 
2 Jahre später im Strafsburger Institute einzelne Elemi- Körper, so 
das genannte Amyrin und die Elemisäure auf ihre Zusammensetzung 
und ihre chemischen Beziehungen näher geprüft worden. 


Noch viel näher aber, als die Beschäftigung mit den erwähnten 
und manchen anderen Untersuchungen, lag Flückiger nach seiner 
Uebersiedelung die Förderung der schon mehrere Jahre zuvor mit 


1) Aanteekeningen op de Pharmacopoea Neerlandica. Rotter- 
dam 1854/56. p. 548. 


Arch. d. Pharm. CCXXXIII Bas. 5. Heft. 23 


354 Friedrich August Flückiger. 


dem Freunde Daniel Hanbury geplanten englischen Pharma- 
kognosie, eines Werkes, welches, wie es sein Titel näher besagt eine 
Naturgeschichte der vegetabilischen, in Grofsbritannien und Britisch- 
Indien verwendeten arzneilichen Drogen darstellen sollte, somit der 1867 
erschienenen Pharmakognosie gegenüber einen nicht unwesentlich er- 
weiterten Inhalt bieten mufste. Die Vorarbeiten, bei denen Flückiger 
in erster Linie die chemische und die morphologisch-anatomische 
Charakteristik, Hanbury die übrigen pharmakognostischen Merkmale 
und die geographisch-kommerziellen Hinweisungen, beide Autoren 
gemeinsamdie historischen Darlegungen übernommen hatten, waren noch 
in Bern begonnen worden und fanden hauptsächlich in den Jahren 1873 
und 1874 ihre Erledigung, nachdem in der Zwischenzeit die beiden 
Freunde, vor allem der durch weitverzweigte Geschäftsverbindungen 
n der Weltstadt besonders begünstigte D. Hanbury, in einer 
Korrespondenz von staunenswertem Umfange die zur Klarstellung 
zahlreicher Fragen notwendigen Materialien sich gesichert hatten. 


Eine wesentliche Förderung dieser gemeinsamen Arbeiten 
brachten aber die kürzeren oder längeren Besuche, welche Flückiger 
drei Mal, zuletzt 1873 bei seinem Freunde in London abstattete und 
welche der gemeinsamen Benutzung der Bibliotheken und Samm- 
lungen Londons gewidmet waren. Am besten und anschaulichsten 
hat dies Flückiger selbst in seinem späteren Nachrufe an den vor- 
zeitig geschiedenen Fachgenossen geschildert. Er sagt darin: 

„Hanbury schied 1870 von dem Geschäfte in Plough Court 
und lebte nun fast ausschliefslich dieser gemeinschaftlichen Arbeit. 
Die Sammlungen und Bibliotheken von London, Kew und Paris, die 
Waarenlager der Londoner Docks, was die Auctionen der Drogen- 
makler in der City zur Anschauung gelangen liefsen, wurde von den 
beiden Genossen wiederholt gemeinsam ausgebeutet, besprochen und 
mit den beiderseitigen Erfahrungen und Eindrücken verglichen. 
Belangreiche Hilfsmittel sind hierbei schwerlich übersehen worden: 
war Hanbury schon durch längst erworbene Erfahrung in London 
gut orientiert, so bot er jetzt vollends allen Scharfsinn auf, um immer 
in jedem Punkte die zuverlässigste Belehrung in praktischer, wie 
in litterarischer Hinsicht herbeizuziehen, welche nur irgend in 
dem unerschöpflichen Reichtum der Weltstadt zu finden war. Wie 
weit das oft ging, zeigt der Fall von Sir Robert Talbor, 


Friedrich August Flückiger. 355 


dessen Testament von 1681 im „Will office‘ des Erzbischofs von 
Canterbury in Doctors Commons, unweit St. Pauls, nachgeschlagen 
werden mulste, um genauer bekannt zu werden mit diesem sonder- 
baren, um die Einführung der Chinarinde verdienten Manne, über 
den die sonst überreiche Litteratur der Chinarinden nur mangel- 
hafte Auskunft giebt. So wurde in London und auf dem Continent 
geforscht und gearbeitet und das Werk endlich 1874 abgeschlofsen.“ 


Die Pharmacographia erschien im Herbst des genannten 
Jahres im Verlage von Mac Millan & Co. in London und war, in 
einem weitbekannten Verlage des Centralpunktes des Welthandels 
herausgegeben, wohl dazu angethan, den Namen ihrer Autoren in 
alle Lande zu verbreiten. Dieses Werk, welches im Gegensatze zu 
dem deutschen „Lehrbuche‘ die Drogen an der Hand eines natür- 
lichen Pflanzensystems und nicht in geschlossenen Monographien, 
sondern in übersichtlich geordneten Abschnitten behandelte, fand im 
englischen Sprachgebiete und darüber hinaus!) bald allgemeine 
Anerkennung und erntete damit den wohlverdienten Lohn einer 
gewilsenhaft durchgeführten, tiefgründigen Arbeit. Von Flückiger 
aber durfte man in vollem Malse dasselbe sagen, was er in seinem 
Nekrologe von dem Freunde bemerkt hat: ‚Die Anerkennung, am 
welche er in keiner andern Weise als durch die Leistung der 
Arbeit selbst warb, blieb nicht aus, und in gleichem Malse er- 
weiterten sich die ihm zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen 
Verbindungen und Hilfsmittel.“ 

Leider wurde für ihn die berechtigte Freude an einem glück- 
lich absolvierten Werke wenige Monate später durch den frühzeitigen 
Hinschied (24. März 1875) seines Genossen und Mitarbeiters getrübt. 
Er widmete demselben einen warmempfundenen, gerechten und 
schlichten Nachruf,?) welcher nur dem unvergelslichen Freunde galt 
und dem Verfasser dieses Nekrologs mafsgebend vorgeschwebt hat. 

In die Epoche von 1875—1879, welch letzteres Jahr wiederum 
zwei grölsere litterarische Produktionen aufweist, fallen als wichtigste 

!) Es ist bekannt, dals im Jahre 1878 das Werk unter dem Titel: 
„Histoire des drogues d’origine vegetale“ in einer französischen Bear- 
beitung durch Dr. J. L. de Lanessan herausgegeben und damit der 
neuern Auffassung der Pharmakognosie auch in Frankreich der Weg 


geebnet wurde. 
2) Buchner’s Rep. f. Pharm. XXIV, Heft 6 (1875) p. 363—384. 


23* 


356 Friedrich August Flückiger. 


Arbeiten zunächst die pharmakognostischen Mitteilungen über Luban 
Matiund Olibanum, über de Gewinnung des Peru- 
balsam’s, über dass Drehungsvermögen der äthe- 
rischen Oele und vor allem die, mit einer ungewöhnlichen 
Fülle interessanter Daten und Betrachtungen ausgestattete Pharma- 
kognostische Umschauin der Pariser Ausstellung 
(1878) und in den Londoner Sammlungen. Von Ab- 
handlungen chemischen Inhaltes seien diejenigen über Carvol, 
Irisöl, Safrol, Thymusölund Sarsaparilla-Saponin 
erwähnt; wichtiger jedoch, weil von bleibenderem Werte, sind 
einige historische Arbeiten, welche in diese selbe Periode fallen. Vor 
allem nennen wir de Dokumente zur Geschichte der 
Pharmacie, welchen sich etwas später die Publikation des 
„Nördlinger Registers“, einer Ergänzung der Frank- 
furter Liste anschlofs. Diese ausführlichen, teilweise als Sep.- 
Abdruck publizierten Arbeiten waren die Frucht seiner ausgedehnten 
Nachforschungen über ältere Apotheken-Taxen, Apotheken-Inventare 
und analoge Dokumente in Städten des deutschen Reiches und ver- 
folgten als Hauptziel die Klarstellung der Geschichte wichtigerer 
pharmaceutischer Drogen; den aus jenen archivalischen Materialien 
excerpierten Texten sind in Form von Anmerkungen erläuternde 
Kommentare beigegeben, die ihrerseits wiederum auf einläfslichen 
Studien in der Litteratur der Drogengeschichte fufsen. Die Ergeb- 
nisse dieser „Ausgrabungen“ auf geschichtlichem Gebiete haben be- 
kanntlich später volle Verwertung in der 2. und 3. Auflage der 
Pharmakognosie gefunden und diesen Werken noch auf lange 
Zeit hinaus den Stempel origineller Quellenforschung aufgedrückt. 


In etwas anderer Richtung bewegen sich die beiden biographi- 
schen Abhandlungen über Garcia da Orta, den portugiesischen 
Arzt in Goa, der uns im XVI. Jahrhundert in seinen „Colloquios“ 
eines der ersten Kompendien über ostindische Pflanzenprodukte, 
tierische und mineralische Drogen schenkte, sowie über den Bo- 
taniker und Arzt Otto Brunfels, dessen Schriften auch biblio- 
graphisches Interesse aufweisen und dessen Bedeutung für die 
systematische und medizinische Botanik, wie für die Pharmacie nicht 
zum wenigsten durch Flückiger's sorgfältige Studie der Beachtung 
auf Seite der Historiker etwas näher gerückt worden ist. 


Friedrich August Flückiger. 357 


Nicht unerwähnt darf bei diesem Anlasse ein litterarisches 
Produkt aus seiner Feder bleiben, welches mit einigen analogen 
späteren Arbeiten in besonderem Grade die auffallende schrift- 
stellerische Befähigung unseres Gelehrten darlegt, der Aufsatz 
Österterien in Ligurien, in welchem eine im Frühjahr 
1876 an den sonnigen Gestaden der „Riviera di ponente“ in lehr- 
reicher Beobachtung und wohlthuender Betrachtung verlebte Ferien- 
zeit geschildert und namentlich der botanische Reichtum des berühmt 
gewordenen Gartens des nunmehrigen Commendatore Thomas 
Hanbury (Bruder von D. Hanbury 7) in Mortola bei Ventimiglia 
in ansprechendster Weise und mit zahlreichen historischen Exkursen 
erörtert wird. Bekanntlich hat der Besitzer des „Palazzo Orengo“ 
in Mortola, welcher s. Z. unter der beratenden und thatkräftigen 
Mithilfe seines von ihm hochverehrten Bruders Arznei- und Nutz- 
pflanzen aller Weltteile in seinem Parke vereinigte, vor 2 Jahren 
anlälslich der Kolumbusfeier die Stadt Genua mit einem sehr zweck- 
mälsig ausgestatteten botanischen Museum nebst zugehörigem Be- 
triebsfond bedacht, — ein sprechender Beweis des erfreulichen Ein- 
flusses intensiver wissenschaftlicber Anregung! Aber auch in 
späteren Jahren hat Hanbury’s Freund noch Reiseberichte ähnlichen 
Charakters geliefert, wie z. B. unter dem Titel „Osterferien 
im Süden“, die Beschreibung einer lehr- und genulsreichen Reise 
nach Sicilien, die er im Frühling 1889 mit Familienangehörigen 
unternommen hatte. Auch hier erkennen wir, in fast noch höherem 
Grade als in seinen rein wissenschaftlichen Abhandlungen, den 
Meister des Styls, und wenn der bekannte Ausspruch: „Le style 
c’est ’homme“ mit etwelcher Beschränkung auch auf den sinnlich 
wirksamen Träger desselben angewendet werden darf, so möge, jetzt 
da wir bei Durchsicht des Nachlasses zahlreiche Briefe der beiden 
Freunde vor uns liegen sehen, auch der feinen und deutlichen, oft 
bis zu minutiöser Zierlichkeit sich verkleinernden Handschrift 
Flückiger's gedacht werden, welche ebenso sympathisch berührte, wie 
die kräftigeren, ästhetisch schönen Schriftzüge seines englichen Mit- 
arbeiters. 

In noch höherem Malse als durch die erwähnten Arbeiten war 
aber in den siebziger Jahren Flückigers Interesse durch die Vor- 
bereitung seiner „pharmaceutischen Chemie“ in Anspruch 


398 Friedrich August Flückiger. 


genommen, zu deren Ausarbeitung ihn der Wunsch nach einer 
litterarischen Ergänzung seiner darauf bezüglichen Vorlesungen und 
zugleich die Ueberzeugung geführt hatte, dafs dem studierenden 
Pharmaceuten neben den zur Einführung in die allgemeine Chemie 
dienlichen Vorträgen über Experimentalchemie seitens eines aus dem 
pharmaceutischen Stande hervorgegangenen Fachmannes speziellere 
Darlegungen der offizinellen chemischen Rohstoffe und Präparate, 
namentlich ihrer Bereitungsweise und ihrer Prüfung auf Identität 
und Verfälschungen geboten werden sollen. Die Ueberlegungen, die 
erin dieser Beziehung an seine eigenen Vorträge anknüpfte, verdienen 
es wohl, an dieser Stelle in Form eines Briefauszuges aus dem Jahre 
1874 wiedergegeben zu werden: 


„Oft hätte ich Sie hergewünscht, um manche Fragen zu be- 
sprechen, die uns in gleichem Mafse naheliegen und verschiedener 
Auffassung fähig sind. Ich meine die pharmaceutische 
Chemie, die ich mir hier in gründlicherer Weise zurechtzulegen 
hatte, als ehedem in Bern. Es ist ja freilich nicht leicht, eine Disziplin 
lehren zu sollen, deren Abgrenzung und Inhalt nicht durch innere Gründe 
gegeben ist, die also fortwährend in Gefahr ist, sich in die Unend- 
lichkeit der chemischen Thatsachen und — Spekulationen zu ver- 
lieren oder aber zu versinken — in den stillen Ozean, das richtige 
mare serenitatis oberflächlicher Geschwätzigkeit. Gerade darin liegt 
aber ein grosser Reiz, den wahren befruchtenden Golfstrom aufzu- 
suchen, welcher durch diese Unendlichkeit doch zum Ziele führt. 
Die Beschränkung auf das richtige Mals, die sorgfältige Auswahl 
der Thatsachen und Anschauungen erfordern schon einige Ueber- 
legung, mehr noch dann die Aufgabe, solche Seiten des chemischen 
Wissens und Körnens den Pharmaceuten vorzuführen, welche für sie 
von Wichtigkeit sind, aber von der allgemeinen Chemie nicht be- 
rücksichtigt werden. Dergleichen giebt es ja besonders in der or- 
ganischen Chemie genug. Hier namentlich scheint es mir, lassen 
uns die modernen Ansichten einen prächtigen Spielraum; sie lietern 
den bewundernswerten Rahmen, der sich vor unsern Augen mehr 
und mehr festigt, und unsere pharmaceutische Aufgabe ist es nun, 
in demselben einen würdigen Inbalt anzubringen. Diese Gedanken 
haben mich in der That mit der Zuversicht erfüllt, auf solche Grund- 
sätze ein Haus zu bauen, das sich sehen lassen darf und des Be- 


Friedrich August Flückiger. 359 
suches wert ist..... Sicherlich kann es nur einem aus der Apo- 
theke hervorgegangenen Lehrer gegeben sein, den Stoff so zu be- 
handeln und so zu wählen, wie er mir vorschwebt, und darin liegt, 
wie ich meine, eine hohe Befriedigung für uns, die wir andrerseits 
doch wohl auch gelegentlich fühlen, wie viel kostbare Zeit am 
Rezeptiertische anscheinend verloren geht.“ 


Die pharmaceutische ÖÜhemie erschien im Jahre 1879 
im Verlage von R. Gaertner in Berlin, begleitet von einem kurzen 
Anhang mit gedrängten biographischen Angaben über die namentlich 
in den historischen Bemerkungen zu den einzelnen Uhemikalien ge- 
nannten Chemiker und Pharmaceuten. Vor Ablauf eines Dezenniums, 
im Jahre 1888, wurde eine zweite, mit der bekannten Sorgfalt und 
Gründlichkeit des Autors erweiterte und revidierte Auflage heraus- 
gegeben, welcher der Verleger ein etwas grölseres Format und eine 
noch gewähltere typographische Ausstattung angedeihen liefs. 


Die Frage aber, in wie weit der Verfasser dieser beiden Werke 
den von ihm gefafsten idealen Plänen damit nahe gekommen ist, 
kann in objektiver Weise von den zahlreichen Fachgenossen beant- 
wortet werden, die sich im Besitze jener Kompendien befinden und 
daraus weitere Anregungen geschöpft haben. 


Das Dezennium der achtziger Jahre sollte sich jedoch noch in 
anderen Richtungen als höchst fruchtbar erweisen, nachdem im 
gleichen Jahre mit der pharmaceutischen Chemie auch die zweite 
Auflage der von Flückiger nach dem Tode Hanbury’s allein über- 
arbeiteten und ergänzten Pharmacographia im früheren Lon- 
doner Verlage erschienen war. Als Ergebnis einer seit Herausgabe 
des „Lehrbuches“ im Jahre 1867 während eines Zeitraumes von 
15 Jahren unausgesetztfortbetriebenen Revisions- und Ergänzungsarbeit, 
bei der nicht allein die zahlreichen Resultate eigener experimenteller 
und historischer Forschung, sondern in einziger Weise auch die 
ganze einschlagende Litteratur beiezogen wurde, erfolgte im Jahre 
1883 die Herausgabe der 2. Auflage des früheren „Lehrbuches“ 
unter dem einfachenTitel: Pharmakognosie desPflanzen- 
reiches, bereichert durch einen bibliographisch - biographischen 
Anhang, der eine grofse Reihe quellenmälsig eruierter Nachrichten 
über älteste und ältere Autoren und deren Werke enthält und des- 


360 Friedrich August Flückiger. 


halb mit Recht als eine werthvolle Beigabe dieser wie auch der 
neuesten Auflage (1891) geschätzt wird.!) 

Wenn bei Erwähnung des Lehrbuches von 1867 angedeutet 
werden durfte, dafs dasselbe als wesentliche Stütze der neueren phar- 
makognostischen Schule gelten dürfe und die wissenschaftliche Selb- 
ständigkeit dieser Di:ziplin mitbegründen half, so kann dies in ebenso 
hohem Grade auch noch von diesem Buche gelten; doch mag es der 
Zukunft vorbehalten bleiben, voll und ganz zu ermessen, in welchem 
Grade die drei, in einer Periode von 25 Jahren von unserem Autor 
herausgegebenen Auflagen dieses Werkes epochemachend geworden 
sind! 

Ein Jahr später liefs Flückiger den „Grundrifs der Pharma- 
kognosie erscheinen, ein kleineres, kompendiöses Buch mit dem 
Charakter eines Leitfadens oder Repetitoriums, recht eigentlich aus 
dem Bedürfnisse des akademischen Lehrers hervorgegangen, den 
Zuhörern zur Wiederholung und Befestigung des in den Vorlesungen 
gehörten die Quintessenz des Wissenswerten über jede einzelne 
Droge zu bieten und der Schwierigkeit in der Benützung der 
gröfseren Lehrbücher vorzubeugen. Wenn irgend je, so hatte der 
Verfasser damit einen glücklichen Griff gethan; denn dieses ‚rekti- 
fizierte Destillat“ aus der Hand des Meisters vom Fache sicherte 
letzterem die Dankbarkeit sowohl der Schüler als der Lehrer 
und, fügen wir es bei, — auch derjenigen Examinatoren, welche 
auf gerechte und humane Weise in Pharmakognosie zu prüfen 
bestrebt sind. 

Wie die Bearbeitung der Pharmakognosie von 1883 den Ge- 
danken der Zusammenstellung des Grundrisses nahegelegt 
hatte, so führte sie auch zu dem Wunsche, die inzwischen ver- 
griffenen Grundlagen in einer neuen Auflage durch sorgfältigere, 
dem Standpunkte der neuen Botanik entsprechende Behandlung der 
pflanzenanatomischen Abschnitte noch brauchbarer zu gestalten. Zu 
diesem Ende verband sich Flückiger mit dem damals als eifriger 
jüngerer Botaniker in Berlin lebenden Dr. Alexander Tschirch, 

1) Als eine Ueberarbeitung und Erweiterung des in dieser 2. Auf- 
lage enthaltenen Artikels über Cort. Chinae ist die mit 8 Tafeln ver- 
sehene Schrift „Chinarinden“ zu betrachten, die in demselben 


Jahre erschien und als treftliche Monographie die längst ersehnte Ver- 
einfachung und Klarheit in jenes verworrene Gebiet gebracht hat. 


Friedrich August Flückiger. 361 


dem späteren Verfasser der „Angewandten Pflanzenanatomie“ und 
des „Anatomischen Atlas“; es ist kaum notwendig, hier daran zu 
erinnern, dals derselbe, der ihm anvertrauten Aufgabe durchaus 
gewachsen, sich ihrer so entledigte, dals die 1885 erschienene, in 
den übrigen Teilen von Flückiger revidierte 2. Auflage als ein voll- 
kommen zeitgemälses Hilfsbuch bei pharmakognostischen Studien 
gelten durfte‘). 

Von den in der ersten Hälfte des Dezenniums 1880 —1890 in 
Zeitschriften publizierten Abhandlungen soll hier. aufser den 
historischen Aufsätzen über Alexander Trallianus, über die 
Entstehung des Wortes „Droge“ und einigen kleineren 
chemischen Mitteilungen über das Cananga-Oel, das Mastix- 
Oel und das Senf-Oel, besonders die spezifisch pharmaceutische 
Arbeit über Opiumprüfung genannt werden, an welche sich 
einige Jahre später eine weitere Besprechung anschlofs, welche als 
Bericht an die Pharmacopöe - Kommission des deutschen Apotheker- 
Vereins abgefalst wurde (1885). Wenn auch die hier vorgeschlagene 
Methode der Morphinbestimmung durch Behandlung des Opiumauszuges 
mit Alkohol, Aether und Arcmoniak nicht Aufnahme in die neue Auflage 
des deutschen Arzneibuches gefunden hat, so haben doch die bezüglichen 
Erörterungen zu einläfslicher Diskussion und weiterer Prüfung der 
wichtigen Frage geführt und damit einen relativ befriedigenden Ab- 
schlufs ermöglicht. Wie wenig übrigens der Pharmakognost in 
solchen mehr chemischen Streitfragen sich für unfehlbar hielt, be- 
weist die in der Sammlung seiner Abhandlungen auf dem Artikel des 
Jahres 1879 angebrachte lakonische Notiz: „Ergänzt durch meinen 
späteren Aufsatz (1885) und überholt durch zahlreiche Arbeiten von 
anderer Seite.“ 

Das Jahr 1887 sollte in das im übrigen so glückliche Familien- 
leben Flückiger's einen tiefen Schatten werfen. Im Laufe der Jahre 
hatte sich der Kreis erweitert; mehrere Söhne und Töchter belebten 
das trauliche Heim und umgaben, neben der musikalisch hoch- 

!) Zu dem durch diese gemeinschaftliche litterarische Production 
gegebenen Verhältnisse trat bekanntlich später die weitere Beziehung, 
dafs der Mitarbeiter die s.Z. von Flückiger in Bern innegehabte Pro- 
fessur für Pharmacie übernahm, welche inzwischen während der Haupt- 
periode der Thätigkeit in Stralsburg von dem ailzufrüh aus dem Leben 


geschiedenen Staatsapotheker und Professor Paul Perrenoud 
(7 1889) bekleidet worden war. 


362 Friedrich August Flückiger. 


begabten Mutter das Wirken des Familienhauptes mit Verständnis 
verfolgend, dasselbe mit liebender Sorgfalt, während sein vielseitig 
gebildeter Geist es niemals an Anregungen zum Studium der Kunst- 
und Kulturgeschichte in Schrift und Wort fehlen lies. Nachdem 
schon früher ein liebenswürdiges Töchterchen in jugendlichem Alter 
einer unheilbaren Krankheit erlegen war, raffte der Tod im Herbst 
1887 einen hoffnungsvollen und reichbegabten Sohn dahin, der nach 
absolviertem medizinischen Studium Anwartschaft auf eine geachtete 
Stellung als Arzt beanspruchen durfte. Flückiger hat sich von diesem 
Schieksalsschlage wohl niemals erholt; sein ganzes Leid falste er im 
Oktober jenes Jahres in die wenigen Worte zusammen: „Lieber 
armer Freund nennen Sie mich, und in der That, Liebe bedarf ich 
und ärmer bin ich geworden, wenigstens um eine vollberechtigte 
Hoffnung ärmer. Der Spätherbst — the fall — haust in den 
Blättern und von meinem Lebensbaume fällt vorzeitig die schönste 
Frucht.“ 


Aber auch andere, auf seinen Lebensberuf sich beziehende 
Enttäuschungen sind ihm nicht ganz erspart geblieben. Wenn er 
auch in seinen Anforderungen an die ihm zur Verfügung stehenden 
Räume und Hilfsmittel nie über das Mals der Bescheidenheit hinaus- 
ging und in hohem Grade die Kunst verstand, mit einfachem Hand- 
werkszeuge die Wissenschaft zu fördern, so lag ihm doch zu einer 
Zeit, wo sich um die Hochschule in stattlicher Zahl allmählich die 
ganze Reihe der zugehörigen neuerbauten Anstalten gruppierte, die 
Errichtung eines der Pharmacie würdigen, mit allen nötigen Hilfsmitteln 
ausgestatteten Institutes anı Herzen, umsomehr, als er sich sagen 
mulste, dafs schon zur Zeit der Uebernahme der Lokalitäten der Ecole 
de pharmacie die innere Einrichtung und Ausstattung mit Apparaten 
den neueren Anforderungen nicht mehr konform war und die ganze 
Anstalt auf längere Dauer der Dignität der Universität im ihrem 
neuen Bestande kaum mehr entsprechen konnte. Er sollte eine Er- 
füllung dieses Wunsches nicht mehr erleben. Es ist selbstverständ- 
lich nicht Sache des Biographen und noch weniger des Amts- 
nachfolgers, die Verhältnisse zu ermitteln, welche jenen stetigen Auf- 
schub bedingt haben; wohl aber ist es Pflicht des Sachverständigen, 
in diesem Nachrufe wahrheitsgemäfs anzudeuten, dafs der Strals- 
burger Hochschule ein unersetzlicher Verlust erwachsen ist; denn 


Friedrich August Flückiger. 363 


der langjährige Lehrer der Pharmacie würde bei Gewährung der 
nötigen Räume und Mittel in der Periode seiner besten Jahre in der 
Lage gewesen sein, auf Grund seiner weitverzweigten Verbindungen 
und seines grolsen Ansehens in den pharmaceutischen, industriellen 
und kommerziellen Kreisen des In- und Auslandes ein pharma- 
ceutisches Institut ersten Ranges zu schaffen, dessen Lehrmittel und 
Sammlungen mit denjenigen der entsprechenden Lehranstalten in 
Paris und London hätten verglichen werden dürfen. 

Solcher keineswegs beabsichtigten, weil unverdienten, aber de 
facto bestehenden Zurücksetzung gegenüber hat Flückiger, wie in 
anderem Ungemach des Lebens, stets die vermehrte und vertiefte 
wissenschaftliche Arbeit als Genugthuung und trostreichste Stütze 
empfunden und jenem altklassischen Spruche gehuldigt, welcher, im 
Jahre 1872 auf ein Ehrengeschenk des Schweizer Apotheker-Vereins 
eingegraben, gewissermalsen als Lebensmotto an die Spitze dieser 
Gedenkschrift gesetzt worden ist.!) 

So haben die Jahre 1885—1892, das letzte Stadium seines 
Wirkens in Strafsburg, noch eine ansehnliche Reihe bemerkenswerter 
Arbeiten gezeitigt. Nur einige wenige mögen hier noch Erwähnung 
finden. Vor allem ist neben mehreren historischen Abhandlungen 
über Geschichte der Pharmacie in England und 
Italien, neben pharmaceutisch-chemischen Arbeiten über flores 
Cinae und Santoninbestimmung, über Strychnos- 
Drogen und ihre Bestandteile, sowie über Atropin- und 
Cocain-Reaktionen und sonstige Eigenschaften dieser Basen, 
der in weiten Kreisen beachtete Aufsatz über den pharma- 
ceutischen Unterricht in Deutschland zu nennen, 
dessen auf voller Beherrschung des Stoffes beruhender Inhalt vom 
deutschen Apotheker -Verein in geeigneter Weise Verwertung ge- 
funden hat?), ohne dafs freilich bis jetzt die so berechtigten An- 


1) Die erwähnten Umstände haben F. nicht verhindert, der ihm 
durch langjährigen Aufenthalt, insonderheit auch durch ihre reiche 
Bibliothek liebgewordenen Stätte seiner Wirksamkeit den fachwissen- 
schattlichen Teil seines Nachlasses zuzuwenden. Ueber den Verbleib 
desselben und die zum Andenken Flückiger's in Aussicht genommene 
historische Abteilung der Stralsburger Institutsbibliothek soll an dieser 
Stelle bei späterem Anlasse berichter werden. 

2) Denkschrift des D. A.-V. „Ueber die Notwendigkeit einer 
Reform der pharm. Ausbildung“. (Verf. von Apoth. Th. Pusch und 
1889 dem Reichskanzleramte eingereicht.) 


364 Friedrich August Flückiger. 


regungen jenes Berichtes Verwirklichung in legislatorischer Hinsicht 
gefunden hätten. 

Als ein Dankestribut an den bedeutendsten Apotheker aller 
Jahrhunderte ist die im hundertsten Todesjahre von Carl Wilhelm 
Scheele (+ 1786) verfalste Denkschrift zu betrachten, welche 
eine trefiliche Zusammenstellung der vielen chemischen Uniter- 
suchungen dieses experimentellen Heroen enthält und das Verdienst 
beanspruchen darf, die Aufmerksamkeit pharmaceutischer Kreise, 
namentlich unter den jüngeren Zeitgenossen, von Neuem auf jene 
vorbildliche Erscheinung in unserem Berufe hingelenkt zu haben. 


Unter den chemischen und pharmakognostischen Arbeiten der 
letzten, in Strafsburg verlebten Jahre mögen als typische Repräsen- 
tanten des Charakters seiner Untersuchungen nur zwei Aufsätze ge- 
nannt werden, nämlich derjenige über Arsennachweis und die 
Studie über Weilse Seifenwurzel. Ersterer enthält eine 
mustergültige, auf experimenteller Prüfung fulsende vergleichende 
Kritik wichtigerer Methoden zum Arsennachweis und hat bekannt- 
lich ergeben, dafs die Gutzeit’sche Reaktion die übrigen Verfahren 
an Schärfe zum Teil weit übertrifft und deshalb z. B. für Pharma- 
kopoe-Präparate nicht allgemein verwendbar ist. Die zweitgenannte, 
in die pharmaceutische Botanik einschlagende Arbeit entscheidet, 
auf Gruud frisch gesammelten Materials, welches der Autor auf der 
oben erwähnten Reise in Sicilien beschafft hatte, die bisher durch- 
aus unsichere Abstammung der Rad. Saponar. alb. s. levantic. und 
untersucht die historische Frage des Zusammenhanges des 
„Struthion“ der Alten mit der neueren südeuropäischen und 
kleinasiatischen Seifenwurzel. Mehr und mehr fühlte sich Flückiger 
in den letzten Zeiten seiner litterarischen Thätigkeit zu Unter- 
suchungen aus dem Gebiete der Drogengeschichte oder zu biographi- 
schen Studien über berühmte, in die Pharmacie eingreifende Gelehrte 
älterer Zeit hingezogen, wie denn eine seiner letzten Mitteilungen 
dieser Art sich aut Theophrastus Paracelsus bezieht, der 
bekanntlich in neuerer Zeit Gegenstand einläfßslicher Quellenstudien 
geworden ist. Nicht unerwähnt darf neben den litterarischen 
Leistungen Flückiger’s seine rege Beteiligung an der Redaktion des 
deutschen Arzneibuches gelassen werden. Wie ihm s. Z. die Ueber- 
nahme seiner Stellung in Strafsburg den Vorsitz in der pharmaceu- 


Friedrich August Flückiger. 365 


tischen Prüfungsbehörde für das Reichsland gebracht hatte, so 
führte ihn das Ansehen, das er als Vertreter der wissenschaftlichen 
Pharmacie genois, bald auch in die Pharmakopoe-Kommission des 
deutschen Apothekervereins und in die ständige Reichs-Kommission. 
Als Mitglied derselben hat er in intensiver Weise bei der Aus- 
arbeitung der beiden letzten Ausgaben des Arzneibuches mitgewirkt 
und insbesondere der Redaktion der Rohstoffe und gewisser pharma- 
ceutisch-chemischer Präparate sich gewidmet. Seitens seiner Kollegen 
aber ist ihm später bei dem Rücktritte aus seiner Stellung Aner- 
kennung und freundschaftliche Gesinnung in einem kunstvoll aus- 
gestatteten Dokumente ausgesprochen worden, welches ihm, wie er 
wiederholt versicherte, gröfsere Freude, als manche andere sehr 
wohlgemeinte Ehrungen, bereitet hat. 


Seine schriftstellerische Wirksamkeit in Deutschland endigte 
im Jahre 1892 mit der Publikation der kleinen Schrift „Reak- 
tionen“, welche als eine Art Ergänzung der pharmaceutischen 
Chemie gelten durfte und in kompendiöser Weise, als Ergebnisse 
eigener Beobachtung und Kontrole, die bemerkenswertesten Reak- 
tionen zur Identificierung arzneilicher organischer Substanzen beschreibt. 

Den weitaus wichtigsten Schlufsstein seiner Thätigkeit als 
pharmaceutischer Autor legte er aber im Jahre 1891 durch die 
Herausgabe der dritten Auflage seiner Pharmakognosie. Von 
diesem Werke, in welchem mehr als in allen vorhergehenden die Resul- 
tate eigener Beobachtung, mündlicher und brieflicher Belehrung und 
litterarischer Studien in kaum glaublicher Zahl gehäuft sind und 
welches, weil Quellenangaben enthaltend, auf lange Zeit hinaus den 
Wert eines Quellenwerkes behalter muls, läfst sich nur sagen: Es 
wird dasselberechteigentlich sein, „nonumentum 
aere perennius“ werden und eswürdefür sichallein 
genügen, um seinen Autor alseinen der mächtig- 
stenFördererder Pharmakognosieund damit der 
wissenschaftlichen Pharmacie überhaupt er- 
scheinen zulassen. 

Doch auch bei ihm wollte es allmählich Abend werden! Nach- 
dem er, obwohl nicht von besonders kräftiger Konstitution, doch 
längere Jahre hindurch sich relativ guter Gesundheit erfreut hatte, 
stellte sich, wenn auch keineswegs in der geistigen Sphäre, doch im 


366 Friedrich August Flückiger. 


körperlichen Befinden eine gewisse Debilität ein, die ihn im Beginn 
des Jahres 1892 veranlafste, den Wünschen seiner Angehörigen ent- 
sprechend, auf seinen Rücktritt aus der akademischen Stellung Be- 
dacht zu nehmen und auf den Herbst desselben Jahres um die 
Emeritierung nachzusuchen. Ein nach langjähriger ununterbrochener 
Wirksamkeit an der Hochschule bereitwillig gewährter mehrmonat- 
licher Urlaub schaffte ihm die Möglichkeit, sich im Frühsommer 
1892 nach Bern zurückzuzieben, wo er noch einen mehrjährigen 
Lebensabend in stiller Beschäftigung mitseinenLieblingsstudien erhoffte. 

Wenige Wochen nach seinem Einzuge in Bern wurde ihm in 
einer festlichen Zusammenkunft in seinem Hause, am 9. Juli 1892, 
die freudige Ueberraschung der Ueberreichung der „Flückiger- 
Stiftung“ zu Teil. Uebergabe und Bedeutung der letztern sind da- 
mals in der pharmaceutischen Presse besprochen worden und be- 
dürfen deshalb keiner weiteren Krörterung. 

Dafs Flückiger auch als „professor emeritus“ nicht müssig 
bleiben werde, war a priori zu erwarten, und in der That erschien 
noch in seinem Todesjahre, mit einem im Februar 1894 datierten 
Vorworte, die zweite Auflage seines „arundrisses“. 

Mehr als 40 seit seinem Rücktritte in die Heimat verfalste 
Aufsätze, vornehmlich litterarische Besprechungen, zeugen aulserdem 
dafür, wie er sein „otium cum dignitate“ auffafste. Wir erinnern 
u. a. nur an den anziehend geschriebenen Text zu dem Pracht- 
album der Firma Schimmelu.Comp. in Leipzig, sowie an 
die historischen Artikel: Bernische Beiträge zur Ge- 
schichte der Pharmacie (in der Jubil.-Schrift d. Schweiz. 
Apoth.-Vereins pro 1893) und „Die historisch-pharm. Aus- 
stellung des Apoth. B. Reberin Genf“). 

Einer öfter wiederholten Einladung seines Freundes Dr. E. 
R. Squibb inBrooklyn-N.-York folgend, reiste Flückiger 


1) Diese-beiden Aufsätze mögen speziell genannt sein, um zu- 
gleich einevielleicht bestehende, nicht ganzrichtigeMeinung zu beseitigen. 
Flückiger hat in seinen historischen Arbeiten stets in erster Linie die 
Drogengeschichte, sowie die Klarstellung des Lebens und Wirkens 
bedeutender Persönlichkeiten ins Auge gefalst. Demgemäls hatte er 
zwar für spätere Jahre die eventuelle Herausgabe einer Geschichte 
der pharmaceutischen Drogen, niemals aber diejenige einer sogenannten 
pragmatischen Geschichte der Pharmacie und des Apothekenwesens 
geplant, vielmehr sich letzterer Aufgabe gegenüber stets ablehnend 
verhalten. In dem vieljährigen zwischen ihm und dem Verf. dieser 


Friedrich August Flückiger. 367 


im Mai 1894, von seiner Familie begleitet, nach der neuen Welt 
und kehrte von da, nach einem in jeder Richtung genufsreichen 
Aufenthalt, über den seine Briefe den interessantesten Aufschlufs 
geben, in den ersten Oktobertagen in sein wohnliches Heim in Bern 
zurück. Da trat, nachdem sich schon in Amerika Anzeichen körper- 
licher Störungen eingestellt hatten, eine schrittweise, aber sehr 
rapide Verschlimmerung eines wahrscheinlich seit einiger Zeit 
latenten Unterleibsleidens ein, welchem er, sorgfältigster ärztlicher 
Bemühungen und treuester Pflege durch die Seinigen ungeachtet, 
nach kaum 2 Monaten erlag; in der Nacht des 11. Dezember erlöste 
ibn der Tod von weiteren Leiden. Die Nachmittagsstunde des 
14. Dezember, in der seine sterblichen Ueberreste, unter dem 
Scheidegrulse der Abendsonne und dem Geleite der Verwandten, 
Kollegen, Schüler und Freunde mit akademischen Ehren zur letzten 
Ruhestätte in heimatlicher Erde geführt wurden, war eine Trauer- 
stunde der wissenschaftlichen Pharmacie aller Lande! 


So ist er dahingegangen, der gottbegnadete Meister, treffliche 
Lehrer und edle Mensch, der nicht allein den Seinigen, sondern 
vielen andern väterlicher Freund war, der durch wissenschaftlichen 
Rat und geistige Anregung wohl ebenso viel, wie im offiziellen 
Lehramt gewirkt, der unentwegt, von hervorragenden Geistesgaben 
unterstützt, mit eiserner Beharrlichkeit und rastlosem Fleilse seine 
Lebensaufgabe durchgeführt hat! Er wirkte, so lange es Tag war, 
und wenn auch, seinem bescheidenen Sinne entsprechend, sich nie- 
mals und nirgendwo ein Denkmal von Künstlerhand erheben sollte, 
so würde das klassische Distichon für ihn zutreffen: 


„Saxa premunt Licinum; levat altum fama Catonem, 
Pompejium tituli; — credimus esse deos.“ 


Ihm bleibt die Ehre, zu den gröfsten Förderern seines Berufes 
gezählt zu werden; ihm bleibt der Dank der wissenschaftlichen 
Pharmacie! 

Er ruhe in Frieden! — 


Strafsburg, im März 1895. Ed. Schär. 


Zeilen gepflogenen Austausch von Gedanken und Materialien zur Ge- 
schichte der Pharmacie und der Drogen pflegte er stets diesen Stand- 
punkt zu betonen und an der Vereinbarung festzuhalten, dafs in dem 
schon frühe besprochenen Doppelwerke ihm die Drogengeschichte, 
seinem Korrespondenten die ardere Seite des Gebietes zu speziellerer 
Bearbeitung zufallen solle. Ob die gefafsten Pläne verwirklicht 
werden können, wird von Zeitumständen, Leben und Gesundheit 
abhängen. 


368 


Anhang. 


Friedrich August Flückiger. 


I. Chronologisches Verzeichnis der Abhandlungen und Schriften 
von F. A. Flückiger.') 


Abkürzungen. 


Apotheker-Zeitung, Berlin . 
Archiv der Pharmacie SIETIRERE IR) LS0R, 
Berichte der deutschen chem. Ges., Berlin 
Buchner’s N. Repertorium der Pharmacie 
Fresenius, Ztschr. f. analyt. Chemie . 
Jahresbericht der Chemie . raten ee 
Jahresbericht der Pharmacie (ehemals 
Canstatt;seher Ber.) .-;. 1. =... 
Journal d. Pharmacie von Elsals-Lothringen 
Mittheilungen der naturforschenden Ges. 
in Bern EIERN, SS ERENEREN 
Mittheilungen des Schweizer. Apoth.-Vereins 
Pharmaceutical Journal and Transactions, 
London Killsutnir. 5 
Pharmaceutische Zeitung, Berlin 
Pharmaceutische Zeitung, Handelsblatt 
Poggendorff’s Annalen der Physik u. Chemie 
Schweizer. Wochenschrift {. Pharmacie. 
Schweizer. Zeitschrift f. Pharmacie 
Vorwerk’s Neues Jahrbuch der Pharmacie 
Wittstein’s Vierteljahrsschrift f. prakt. 
Pharmacie \ 


1. Ueber neutrales molybdänsaures Am- 
moniak IE T 
2. Fluorsalze des Antimons, Doktor- 
dissertation, Heidelberg 1852, . 
3. Phosphorsaures Stickoxyd 
Serophularia Hoppi. . . . 
5. Thimethaldin u. Thiaethaldin 


m 


Ap.-Ztg. 
AUSPh. 

Ber. 

Buchner, Rep. 
Fresenius, Z, 
JaBch: 


J- B, Ph: 
J. Ph. E.-L. 


Nat. G. Bern. 
M. Schw. A.-V. 


Ph:.. J;,..& Tr, 
Ph. Z. 

Ph. Z.2H. 
Pogg. Ann. 
Sch.’ W. Ph: 
Schw. Z. Ph. 
N. J. Pharm. 


V. J. S. pr. Ph. 


Pogg. Ann. 86 (1852). 


Pogg. Ann. 87 245 (1852). 

M. Schw. A.-V. 1854, 33—35. 
M. Schw. A.-V. 1854, 145-148. 
Nat. G. Bern, 6. Jan. 1855. 


1) Behufs compendiöseren Druckes dieses Verzeichnisses sind die 
Originaltitel mancher Aufsätze und Abhandlungen hier nicht voll- 


ständig wiedergsgeben, sondern abgekürzt worden. 


Die in Cursiv 


schrift gedruckten Ordnungszahlen beziehen sich nicht auf Original- 
arbeiten, sondern auf grölsere litterarische Besprechungen. DieOrdnungs- 
zahlen entsprechen der von F. selbst aufgestellten Liste, in welcher 
ursprünglich mehrere der grölseren Schriften nicht erwähnt waren. 


(8.) 


39. 


Friedrich August Flückiger. 


Templinöl 


Kalisesquicarbonat 
Bittersalzefflorescenz am Mattarhosi 
Mangostan-Essig . Dr 

Zur Prüfung fetter Oele . 


Pengawar 
Pengawar 


Djambi 
Djambi 


Gefärbte Butter 


Bemerkungen 


und Versuche. über 


Ozonometrie 
Koprolithen aus Basplland \ 
Antjar-Pfeilgift - 
. Pharmacopoea Helvetica . 
Milchprüfung x E 
Statistik des Schw. noeh ne \ 
Troptengewicht 


Reduktion 


der dal 


Löslichkeit der Stärke . 


Praesidialrede 


bei der Jahresver- 


sammlung d. schweiz. A.-V. 
Chinarinden (Chininreaction) 
Cedrela febrifuga Blume (Rinde) . 
Löslichkeit von Harz, Gummi und 


Zucker 


Salzsäurebach er Pait. 


Quillaja Saponaria 


Chinin-Reaktion (nur Fluorescenz) . { 


Beiträga 
Pharm. 


zur ältern Geschichte d. 
in Bern . 


Malzextrakt (Gegen Hoff) 
Mehlprüfung ; 
Anwendung des er 
Vermeintliche Gypskrystalle 


Einwirkung des Schwefels auf Am- 


moniak 
Kamala 


nn Ben a 


Weihrauchbaum 


Storax u. Mastix . r 
Fruktificierendes in ODE 


Arch. d, Pharm. CCXXXIII. Bd. 4. Heft. 


3. ZePh: 


369 


Nat. G. Bern, Juni 1855. 
Schw. Z. Ph. 1856, 6—8. 
Schw. Z. Ph. 1856, 117—120- 
Schw. Z. Ph. 1856, 155— 159. 
Schw. Z. Ph. 1856, 24—27. 
Schw. Z. Ph. 1856, 108—109. 
Schw. W. Ph. 1857, 43. 
Schw. W. Ph. 1858, 56—57 


Nat. G. Bern, Febr. 1857. 

Schw. Z. Ph. 1858, 189—294. 
Schw. Z. Pb. 1859, 31—41. 
Schw. Z. Ph. 1859, 80-84. 
Schw. Z. Ph. 1859, 103—1(:9, 
Ebenda, 115—122. 

Schw. Z. Ph. 1860, 
Schw. Z. Ph. 1860, 
Schw. Z. Ph. 1860, 


48. 
37. 
185. 


Schw. 
Schw. 
Schw. 


„PB: 
PH. 
Eh. 


1860, 
1861, 
1861, 


193. 
65—66. 
124, 

Schw. 


4: Ph, 


Nat. G. Bern 


1861, 233. 
1862, Jan. 
1862, 13—21. 
J. B. Chem. 1863. 611. 
IsBsEh21863,6% 

Schw. Z. Ph. 1862, 28. 
Fresenius Z. I, 373. 


Schw. 


‚Schw. 
Schw. 


Z. Ph. 1862. 


Z. Ph. 1862, 133—135. 
Z. Ph. 1862, 136—137. 
Schw. Z. Ph. 1862, 221 —236. 
Schw. W. Ph. 1863, 57, 60 
u. 65—69. 
Schw. W. Ph. 1863, 173 bis 
177 u. 181—185. 
Schw. W. Ph. 1864, 233. 
Schw. W. Ph. 1864, 33. 
Schw. W. Ph. 1864, 128. 
Schw. W. Ph. 1865, 25—29. 
Schw. W.Ph, 1865, 129—132, 
24 


os 
1 
o© 


39b. Krystalle in. Extr. Secalis cornuti 


Friedrich August Flückiger. 


a J.B.. Ph.”1865, 193.395 
> JS. pr. Ph. XXIV 71885) 


373. 
Conessin (Wrightia antidiyssenterica) Bee Ph. 1865, 173—176. 
Berg, Chinarinden (Recension) .. . Schw. W. Ph. 1865, 76. 
Cornaz, Recension . . 0. „ ‚Schw. W. Ph. 1865, 225. 
. Nekrolog von W. Pfähler. 20 =. Schw:uW. Phr A865 T27 
Renward Cysat, Lebensbild eines 
Schw. Apothekers . . . . . .„ Schw. W. Ph. 1866, 153, 
fSchw. W. Ph. 1866, 283. 
Sesamsamen . . - + - + * *  \V.J.S.pr. Ph. XVI(1867)42. 


Zur Anatomie der Chinarinden . . Schw. W. Ph, 1866, 361. 


[Von Howard übersetzt in: Quinology of the East 
Indian Plantations 1869, Fol. 33 u. 34.] 


Geschichte des Moschus . . . . . Schw. W.Ph. 1867, 37—40 u. 
45—49. 

Copaivabalsam . . . „=, "Sch;2W., Ph Töoy Er 

Indisches Opium, Nereotingehält . . Sch. W. Ph. 1867, 181—182. 

Spez. Gew. des Amylums. . . . . Fresenius Z. V (1866) 302. 

Geschichte des Camphers . . . . Schw. W. Ph. 1867, 301. 


Pharmaceutische Reiseeindrücke . . Schw. W. Ph. 1867, 325. 


. LehrbuchderPharmakognosie 


des Pflanzenreiches . . Berlin, R. Gaertner 1867. 


24. On a new kind of Kamala . . . . Ph. J. & Tr. IX (1867) 279. 
2b. Cypripedium in kaeufl. Senega . . Schw. W. Ph. (1867) No. 50, 


Pag. 392—394. 


Euphorbou . . Yo. 2... WJ.S. pr: PRAVIERBETEE 
Lerp (Stärke: Ay wa e VID pE ERS ee 
161. 
. Copaivabalsam von Trinidad (Copai- Fin. DE. DE 
nz J. B. Ph. (1868) 140. 
Carrageen-Schleim . . . . . . . Schw. W. Ph. 1868, 87. 
Bosendl Hi wit... 2 JMEIDERTFE DI ERBE 
Opium . . - BE: nl u Ph. BTEIEEER 
Strychnos en „2. 2» Nat. Ges. Bern 1869, I. 


(Sitzungsberichte.) 
Z. Gesch. d. südamerik. Chinarinden- 


geschäfts. . - . : 2.2... N. J. Ph. XXXT (1869) 15. 
AuETRIIS, So Pe ın +, Ar Ph II paar 
Notizen über Meipehtin BEE N. J. Ph. XXXI (1869) 73. 
Gummi und Bdellium vom Bönkpal Schw. W. Ph. 1869, 41. 
Zur Geschichte des Buxins.. :. .. :. N. J. Ph. XXXI (1869) 257 

‚bis 276. 


On african Tragacantı . .. . . . Ph. J. & Tr. X (1869) 641. 


64h. Referat 


65. 
66. 


67. 
68. 


69. 
70. 


71. 


72. 


73. 


74. 
75. 
76. 


77. 


-78. 


79. 


82. 


E& 


Friedrich August Flückiger, 


über die Bereitungsvor- 
schriften z. d. chem. Präparaten . 


Ueber die Ratanhia aus Parä . 
Ueber die Pharmakopöa Helvetica . 


Notiz über Ophelia Chirata . - 
Recension von Howard’s Quinology 
of the East Indian Plantations 


Zur Kenntnis der Aconit-Alkaloide . 
Reinigung des Chloralhydrates 


Ueber einige Reaktionen des Wasser- 
glases . 


Zur Prüfung des Bittermandelöls u. 
Nelkenöles Be Da 

Rezension von Miquels „De Cin- 
chonae speciebus ete. . 

Beiträge zur Prüfung der Oele 

Zur Kenntnis der Argemone mexicana 

Uebersichtder Cinchonen. 
(Deutsche Bearbeitung von Wed- 
dell’s „Notes sur les Quinquinas). 


Ueber Stärke und Cellulose . 


Magnificent fluorescence of pepper- 
mint oil 


Ueber schwefelsaures Ammoniak aus 
Losuchtgas . 
Ueber Baumwollsamen . 


Praktische Betrachtungen über das 
Senföl . een 
Nigella seeds or black cummin 


The erystalline principles in Aloes . 
Wild rue or Harmala seed . 


371 


Acta der „Pharmacop. 
Europaea“ 1869, fol. 147 
bis 151. 

Schw. W.Ph. 1869, 227—231, 

Schw. W. Ph. 1869 No. 41 
u. 42. 

A. Ph. 190 (1869) 229. 


V.J.S. pr. Ph. XIX (1870) 
127—133. 

A.Ph. CXCI (1870) 196— 215. 

N. J. B. Ph. XXXIII (1870) 
200— 203, 


Buchner Rep. XIX (1870) 
257 —267. 


Schw. W. Ph, 1870. 196. 


A. Ph. 193 (1870) 88—93. 
Sch. W. Ph. 1870 (34) 261. 
A. Ph. 195 (1871) 51-56. 


Schaffhausen. Brodtmann- 
sche Buchhandlg. 1871. 
A. Ph. 196 (1871) 7—31, auch 

Nat. G. Bern. 1871 p. 4. 


Ph. J. & Tr. 1871, Febr. 682. 
Ph. J. & Tr. 1871, Aug. 714. 
Amer. Journ. Ph. 1871, 164. 
J. B. Ph. 1871, 395. 


Nat. G. Bern. 1871, XV. 
N. J. Pharm. XXXV (1871) 
257-— 272. 


A. Ph. 196 (1871) 214—220. 
Ph. J. & Tr. IL. (1871) 161. 
J. B. Pb. 1871, 100. 


Ph. J. & Tr. IL (1871) 193. 


Ph. J. & Tr. I. (1871) 229 
24* 


883. 


83b. 


89. 


9. 


90h. 
90 e. 
90d. 


90e, 


90 f. 


91. 
92, 


93. 
94. 


9. 
96. 


97. 


97a. 


98. 


Friedrich August Flückiger. 


Chinese peppermintoil . 
Fortschritte der Chinakultur 


Beiträge zur Kenntnis 
falschen Chinarinden 

(Auszug: Nat. G. Bern. 1871, p. XXVD. 

Ueber das Vorkommen des 
catechins in Kino SEE. 

Uebersicht der in der Natur vor- 
kommenden Alkaloide der Papa- 
veraceen und einiger künstlich 
daraus dargestellter Abkömmlinge 

Ueber einige Reaktionen des Chinins 
und des Morphins 


der sogen. 


Pyro- 


Notiz über die Eichenmanna von 
Kurdistan 


Creasote and carbolie acid 

Motherplant of wormseed 

Rezension von „Vogl, Nahrungs- und 
Genussmittel aus dem Pflanzen- 
reiche . 

Rezension von Were Eabrıka- 
tion der ätherischen Oele 

Schweizer Medizinalwesen und die 
Pharmacopoea helvetica . 


Erörterungen zur Pharm. helvetic 
(1. Kamala, Lupulin, Lycopodium) 

Die Koloquinthe als Nährpflanze . 

Notiz über blausaure Alkaloide 

On the occurrence of manganese in 
plants . \ 

Erörterungen zur nn: helv. ca. 
Zimmt) 

Erörterung zur Pharm: haky. (IIT. Ha 
kalium) 


Zucker und Zuckerarten , 


Zur Geschichte des Wortes Apotheke 

Die Frankfurter Liste; Beitrag zur 
mittelalterlichen Geschichte der 
Pharmacie 


1 
Ph. J. & Tr. I. (1871) 32 


N.J. Pharm. XXXVL (1371) 
193— 208. 


N. J. Pharm. XXXVI. (1871) 
291—302. 


Ber. V. (1872) 1. 


Schw. W.Ph. 1872, 93. 


N. J. Pharm. 37 (1872) 136— 
143. 


A. Ph. 200 (1872) 159—164. 
Ph. J. & Tr. June 1872, 1008. 


Ph. J. & Tr. March.1872, 762. 
Schw. W. Ph. 1872, 188. 
Schw. W. Ph. 1872, 203. 


Sonntagsblatt des 
28. Juli 1872. 


„Bund“ 


Schw. W. Ph. 1872, 267. 
A. Ph. 201 (1872) 235—247. 
N. J. Pharm. 38 (1872) 138. 


Ph. J. & Tr. IH. (1872) 208. 


Schw. W. Ph. 1872, 305. 


Schw. W. Ph. 1872, 347. 

Illustr. Schweiz. 1872, No. 
70— 14. 

Schw. W. Ph. 1872, 375. 


A. Ph. 201 (1872) 433—464 
und 508526. 


98a. 


986. 


99. 


100. 


101. 


102. 
103. 


103 b. 


104. 


105. 


106. 
107. 


107 b. 


107. 


108. 


108 b. 


108 c. 
1084. 


109. 
110. 


110b. 


111. 
lila. 


111b. 


Friedrich August Flückiger. 


Rezension von Hager's Kommentar 
zur Pharm. German. 


Inventaire d’une pharmacie de Dijon 
en 1439 


Zur Nachweisung des Curarins 


Erörterungen zur Pharm. helvet. (IV. 
Kreosot und Phenol) : 

Notiz über das krystallisierte Digi- 
talin 

Ueber die Bukublätter . - 

Ueber das Muskatstearopten 

Grundlagenderpharmaceut. 
Warenkunde. 

Harzgewinnung im badisch. a 
walde . 


Bedenken 
German. 


in Betreff der Pharm. 


Zur Prüfung des Pfefferminzöles 

Experiments on some varieties of 
Camphor . : 

Uebersetzung von No. 107 


Ausfuhrprodukte Smyrnas und Syriens 

Beiträge zur Kenntnis des Kosins 

Die Stellung der Warenkunde in der 
Wissenschaft 

Ueber das Bergamottöl i 

Der pharmaceut. Unterricht an Als 
Universität Stralsburg 

Note onProcter's reaction ofgallie BEN 

On a substance called myristiein 


Pharmacographia, mit D. Han- 
bury. (Franz. Bearbtg. von J.L. de 
Lanessan) L. :; Br 


On the Chemistry of Elemi . 

On a new seat of send 
education in Germany. 

Selbstbesprechung der 
graphia“ . : 


„Pharmaco- 


373 


N. J. Pharm. 39 (1873) 57. 


Schw. W. Ph. 1873, 47. 57 
und 67. 

Buchner, Rep. XXII (1873) 
65. 

Schw. W. Ph. 1873, 91—-96. 

N. J. Ph. 39 (1873) 129 —132. 


Schw. W. Ph. 1873, 435. 
Schw. W. Ph. 1873, 437. 


Berlin, J. Springer 1873. 


Buchner Rep. XXII (1873) 
686. 


A. Plı. 203 (1874) 30-43 u. 
97—109. 
Ph. Z. H. 1874. (1. April) 13. 


Ph. J. & Tr. 1874. April 18. 


Buchner Rep. XXIII. (1874) 
325—334. 

A. Ph. 205 (1374) 48-61. 

A. Ph. 205 (1874) 193— 205. 


Ausland 1874 406--408. 
Ph.72. 2ER 91874425. 


Ph. Z. 1874, 447. 
Ph. J. & Tr. 1874, Aug. 83. 
Ph. J. & Tr. V. (1874) 136. 


London, Mac Millan & Co. 
1874. 
Ph. J. & Tr. V. (1874) 142. 


Ph. J. & Tr. V. (1874) 205. 


J. Ph. E. L. 1874. Novbr. 


374 


112. 


115. 


114. 


115. 


1152. 


115c. 


116. 
117: 


118, 
119. 
120. 


121. 


122, 
123. 


124. 


125. 


126. 


Friedrich August Flückiger. 


Referat über Pharmaceutische Bo- 
tanik e 

Artikel für Eehling® Nee Hand. 
wörterbuch der Chemie; Cail-cedra, 
Cajeputöl, Calabar, Castoreum, 
Castorin, Canadabalsam, Canella, 
Canthariden, Cantharidin, Carda- 
mome, Cassia, Cascarilla, Cassave 

Recensionen für Zarncke’s Littera- 
risches Centralblatt: a) Hager, 
Commentar zur Pharm. Germ. 
b) Dragendorff, Wertbestimmung. 
c) Wiggers -Husemann, Jahres- 
bericht d. Pharm. f.1873. d) Fre- 
derking, Geschichte d. Pharm. 


Nekrolog von Daniel Hanbury 
Recension von Markhams Lady Ana 
de Osorio 


Examination of some specimens of 
Opium. : 

Neue Reaktion auf Bruein ! 

Notiz über die Ratanhia von Cearä. 


Ueber Urnenharz . 5 

Review of Planchon’s ‚Trait6 ra 
que de la determination des dro- 
gues simplies“ . 

Notiz über den Meisgueia- Pfeifen 

Notiz über die Löslichkeit des Bitter- 
mandelöles in Wasser . 

Harzgewinnung im Bernischen ns 

Note on Hing of the Bombay Market, 
the so-called „Nauseous Asa- 
foetida*“ 


Dokumente zur Geschichte der 
Pharmacie 


Zersetzung des weilsen Praecipitats 
durch Jod 2 

Bemerkungen über Ehabarbor er 
Rheum offieinale. 


Just’s botan. J. Ber. f. 1874. 


März, April 1875. 


Lit. ©. Bl. 17, (1875) 546, 
707, 708. 
Buchn. Rep. XXIV (1875). 


ne Rep. XXIV (1875) 
178. 


Ph. J. & Tr. 5 (1875) 845. 

A. Ph. 206 (1875) 403, 

Ph. Z. H. No. 39; 23. Juni 
1879,74: 

A. Ph. 207 (1875) 1—7. 


Ph. J. VI (1875) 58. 
Bot. Z. 1875, No.29, p. 481. 


A. Ph. 207 (1875) 103. 
Schw. W. Ph. 1875, 371. 


Ph. J. & Tr. VI. (20. Nov. 
1875) 401. 

A. Ph. 207 (1875) 422—437. 

A. Ph. 207 (1875) 481—512, 

A. Ph, 208 (1876) 52—64. 


Ber. VII. (1875). 


Buchrer Rep. 25 (1876) 
1—13. 


127. 


128. 


129. 


130. 
131. 
131b. 


I3le. 


132. 
133. 


153b. 


133 c. 


134. 


135. 


136. 


137. 


138. 
139. 
140. 
141, 
142. 


143. 
144, 


145. 


Friedrich August Flückiger. 375 


Ueber dieNachweisung freier Mineral- (Buchner Rep. 25 (1876) 


säuren durch Colchiein . . „ . 18—23. 
Ph, Z. 22. Dez. 1875, p. 832. 
Ueber Garcia de Orta. „. . . „ „ Buchner Rep. 25 (1876) 
65—69, 
Benem@arvol 3 HE = 5 2. % gBer. 1876, 468—474. 
{Buchner Rep. 25 (1876) 280. 
Notiz über sog. Holzöl . . . . . A. Ph. 208 (1876) 420. 
Weber das Irisöl . . . . . 2. .' A. Ph. 208 (1876) 481. 


Bearbeitung von „Commercial reports 
from. H.M. Consuls in China 1874 Buchner Rep. XXV (1876) 


EN: 247 — 254. 
Contributions towards the history 


obBoma-druss ;. und). au Tr Juni 24, 1878. 

Notiz. Eher Safrol:9t „"tUpn 4 8 a u 108 RER) ze 
Buchner Rep. 25 (1876) 615. 

Osterferien in Ligurien . . . . Buchner Rep. 25 (1876). 
Artikel „Pharmacie, ee 

Pharmakologie, Pharmakopöe“ in 

d. Meyer’schen Konvers. Lexikon Nov. 1876. 
Recension von Hanbury’s „Science 


Bee en Ph, 2.,.1.2NoY. 18209710: 
Recension des „Pharmacopoeae Hel- 

veticae Supplementum“ . . . . Buchner, Rep. 25 (1376) 630. 
Note on Dikamali Resin . . . . Ph. J. & Tr., Jan. 20, 1877. 


Artikel im Neuen end örterbäch 

der Chemie: Copaiva, Copalchi, 

Cubeben, Curcuma, Dammar . . Jan. 1877. 
Artikel in Meyer's Konversations- 

lexikon über diverse we Gegen- 


stände. . . . . Febr. 1877. 
Nachweisung des Fuchkins in Wein 

und Fruchtsäften . . . . Sch.W.Ph. 16. März 1877, 33. 
Praktische Notizenüber das Den 

vermögen ätherischer Oele. . . A. Ph. 210 (1877) 193—207. 
Berichte über die Chinapflanzungen 

in Britisch-Indien . . . . A. Ph. 210 (1877) 385—398. 
Notizen über das Saponin der rl 

Parilla; nous MON AP ATAETAAIZ IE 
Note on Costus .. . +... 2... Ph. d. (1877 Aug. 18) 121. 
Das Nördlinger Beginiiie silde. zii AsBho21l,(1879:92 118: 
Note sur l’Iris de Verone . . . .„ J. Ph. E.-L. Dez. 1877. 


; A. Ph. (1878) 58. 
Indifferentes Harz aus Gurjunbalsam \p}, J. & Tr. VIIL (1878) 725. 


145a. Notiz über Brunfels . . . . . . Bot. Ztg. 1878, 14. 


376 


146. 


146a. 
147. 


147b, 
148. 


148b. 


149. 
150. 


151. 


152. 


153. 


Friedrich August Flückiger. 


Note on Luban Mati and Olibanum 
(with map.) . 


Anzeige von „Bentley & Trimen, 
Medieinal Plants.“ 


Quiniretin 


Oel von Thymus Serpyllum . 


Otto Brunfels, Fragment zur Ge- 
schichte der Botanik u. Pharm. . 
Gewinnung des Perubalsams 


Rezension von O.Kuntze’s „Cinchona* 
Pharmaceutische Chemie. 


Pharmakognostische Umschau in der 
Pariser Ausstellung und in den 
Londoner Sammlungen 


Copaifera Langsdorffi . 


. Pharmacographia Il. Ed. 


Opium- Prüfung 


. Besprechung von Pickering, Chrono- 


logical history of plants. Boston 
1879 8 


Referat über pharmaceutische und 
technische Botanik . 


Besprechung von Luerssen, Med.- 
PRaxni. Botanik". . . 0% 


über 


21 


Anzeige von A. Poehl’s Schrift 
Pilocarpus (Jaborandi) 


Pharmakognostische Notizen aus 


Alexander Trallianus . Are 
Artikel „Jaborandi* für Fehling’s 
N. H.W.B. der Chemie 5 
The effeet of intense cold on Cherry- 
Laurel. 


Ph. J. VIII Apr. 13 (1878) 
805. 


A. Ph. 212 (1878) 380. 


Ph. J. VIII (1878 May 11) 
885. 
A. Ph. (1878) 488. 


A. Ph. 212 (1878) 493--514. 

Schw. W. Pb. 21. Juni (1878) 
219: 

A. Ph. 213 (1878) 473—480, 

Berlin, Verlag von Rud. 
Gärtner, 1879. 


A. Ph. 214 (1879) 1—43 u. 
97—136. 

Ph. J. IX (1879, March 22d) 
HR 

London, Mac Millan & Co., 
1879. 

Ph. Z. (1879) 431-433, Ph. 
J. & Tr. X (1879) 254 u. 
Yearbook of Ph. 1879. 


Botan. Ztg. 1879, 576 u. 
Botan. J. Ber. 1879, 327. 


Just’s bot. J. Ber. f. 1877. 
A. Ph. 215 (1879) 379—381. 


Ph. Z. 1879, 718. 


‘A. Ph. 216 (1880) 81—90. 


1830. 


Ph.J.& Tr. X (March 1880) 
749. 


159 b. 


160. 


. Deutsche 


Friedrich August Flückiger. 


Erläuterungen zu Meister Diether's 
„des artztes rat der appoteken 
halp“ 


Notes on the essential oil of Buchu 
leaves . ne SE RE, 

Notes on the constituents of 
peppermintoil (mit Dr. Fr. Power) 

Prüfung des Senföles . 

. Notes on Chian Turpentine . 

Ueber das Cananga-Oel oder Tue 
Jlang-Oel Inh it 

Das Glait zu Aarau . ; 

Haarspaltereien zur Pheiekoner 
Revision . 

Prüfung des en leane 


Cortex Chinae der Pharmacopoea 
Germanica 

Geographische 
Sternanis . 

Artikel Kamala, Ka, Gambir, es 
in Fehling’s N. H.W.B. d. Chem. 

Notes on the fruit of Strychnos 
Ignatii (mit Dr. Arthur Meyer) 

Bearbeitung des Auf- 
satzes 170 

Zur Geschichte des ee De 


Ueber das ätherische Oel der Mastiche 
Note on the early history of Canada 
balsam 


Notizen über den 


Referat über „Pharmaceutische und 
technische Botanik“ ; 

Zur Kenntnis des a nen 
Storax . 

Ueber den sneinchen Zune 


Die älteste Pharmakopoe in Deutsch- 
land 


Zur Prüfung der Resina Jalapae . 
. Kaliumcarbonat 


I. Paraffioum liquidum der Phesn. Ger 


manica 


377 


Corresp.-Blatt f. Schweizer 
Aerzte 1830, 313. 


Ph. J. & Tr. XI (1880) 219. 


Ph. J. & Tr. XI (1880) 220. 
Ph. Z. 1889, 460. 
Ph. J. & Tr. XI (1880) 309. 


A. Ph. 218 (1881) 24-30. 
Schw. W. Ph. 1881, 107. 


121. 
222 — 223. 


Ph. Z. 1881, 
Ph. Z. 1881, 


Ph. Z. 1881, 244—245. 


Ph. Z. 1381, 252. 


1881. 
Ph.J. & Tr. XII (1881) 1-6. 


A. Ph. 219 (1881) 402. 
A. Ph 219 (1881) 81-85. 


A. Ph. 219 (1851) 170—171. 


Amer. Journ. Ph. 53 (1881) 
593— 594. 
Ph. J. a. Tr. XII (1881) 544. 


Just’s J. Ber. d. Bot. f. 1878 
und 1379, 309 — 345. 

A, Ph. 220 (1832) 646 

A. Ph. 223 (1832) 835—841. 


Ph. Z. (Beilage) 1833, 49, 
ferner 345. 

Ph.:2.:1883, 21% 

Ber. XVI (1883) 1143. 


Ph. Z. 1883, 221. 


378 


179b. 


180. 


180b. 


180c. 


181. 


181b. 


182. 


182b. 


183. 
184. 


184b. 


184ec. 


185. 


186. 


186b. 


186c. 


187. 


187 b. 


188, 


188b. 


189. 


190. 


Friedrich August Flückiger. 


II. Parafänpräparate der Pharm. Ger- 
manica 

III. Unguentum Parafäni = en 
Fortschritte der P.-Industrie 

Nochmals das Dispensatorium des 
Valerius Cordus . 

Referat über „Pharmaceut und dei 
Botanik“ . . 

Pharmakognosie a. Pen: 
reichs, I. Aufl. 

Chinarinden (VUeberarbeiteter Kade 
zug aus No. 180b) mit 8 Tafeln . 

Rezension von Christy, New. Com- 
merciai plants and drugs 

Rezension von Karsten’s eier 
Flora 

Bemerkungen über Er eh: 
Nomenklatur der Ph. Germ. 

Grundri[s der Pharmakog- 
nosie (Italien. Bearbeitung von 
P. Giacosa) . Stück 

Indische Pharmakognosie. 

Zur Kenntnis des Kümmelöles 

Besprechung von Sigismund „Die 
Aromata“ 


Prüfung des Jodoforms ; 
Die Industrie der ätherischen Oele 
in Grasse 


Bemerkungen über das Phenolphtalein 

Notiz über die Wurmsamenpflanze . 

Rezension von Ficalho, Plantas uteis 
da Africa portugueza, Lisboa 1834 

Referat über „Pharm. und technische 
Botanik“. 

Stammpflanze der Kertakel ; in Near 
Amerika . 


Grolse Kirschlorbeerbäume . 

Der englische er a 
sein Sitz in Edinburg 

Bemerkungen über die Rinden von 
Remijia ; 

Zur Prüfung des bsendls 5 


Ebenda 335. 

Ebenda 391. 

Ph, Z. (Beil.) 1883, 345. 
Just’s bot. J.-Ber. f. 1880. 
Berlin, Heyfelder 1883. 
Berlin, Heyfelder 1883. 
Ph. Z. 1884, 115. 


Litt. C.-Blatt, Leipzig 14, 
VI, 1884. 
A. Ph. 222 (1884) 146. 


Berlin, Heyfelder April1884. 
A. Ph. 222 (1834) 249—268. 
A. Ph. 222 (1884) 361—369. 


Ph. Z. I. Beilage zu No. 44 
(31. Mai 1884) 377 

Ph. Z. No. 47 (11. Juni 1884) 
402. 

A. Ph. 222 (1884) 473. 


A. Ph. 222 (1884) 605. 
A. Ph. 222 (1884) 612. 


Ph. Z. 9. Aug. 1884, Beilage 
zu Nc. 64, p. 553. 
Just, Bot. J. Ber. für 1831. 


Just, Bot. J. Ber. 1884, 400, 
No. 118. 
Schw. W. Ph. No. 40, 
30. Oktober 1884, 329, 
Ph. Z., 3. Dezember 1884. 


A. Ph. 223 (1885) 20. 
A. Ph. 223 (1885) 185. 


191. 
192. 


193. 


194. 


195. 


195 b. 


196. 


196 b. 


197. 


198. 


198 b. 


198 c. 
199. 
200. 


201. 


202. 


203. 


204. 
205. 


206. 


207. 


Friedrich August Flückiger. 


Note sur la Vaseline 

Handbuch der nutzbaren Rohprodukte 
Indiens 

Bestimmung 
Opium 


des a ERRER im 


Der pharmaceutische Unterricht in 
Deutschland 


Grundlagen der Pharma- 
kognosie. II. Aufl. (gemein- 
schäftlich mit Dr. Tschirch in 
Berlin). Ne EN 

Uebersetzung des Aufsatzes 183 
(Matiere medicale des Indes bri- 
tanniques) 


Bemerkungen über a Bier 


Vorträge an der Naturforscher-Ver- 
sammlung zu Stralsburg (Pharma- 
ceutische Sektion, 17. bis 22. Sep- 
tember 1885) 

Referat über nasgrhe ad 
technische Botanik . 

Mit Thymol gefälschte Mentholstifte 

Rezention von H. M. Wilder’s „List 
of tests“ 

Edmund Boissier . 1 

Zur Geschichte der a - 

Umrifs der Geschichte der Pharmacie- 
schule in Stralsburg 


Bestand einer Apotheke in Strafsburg 
im Jahre 1643. : 


Zur Geschichte der Gewürznelken 


Strychnin-Reaktion 


ZurWertbestimmungder Ipecacuanha 
Ueber den Wurmsamen und die quan- 

titative Bestimmung des Santonins 
The tests for atropine . 


Manganese, occurrence in plants. 


379 


J. Ph. E.-L. 1885. 
Ph, Z. 1885, 8. April, No. 28, 
266. 


A. Ph. 223 (1835) 254269 
u. 289299. 


A. Ph. 223 (1885) 321—348, 
361-381, 409426. 


Berlin, J. Springer 1885. 


J. Ph. E. L. 1885, Aug. Sept. 
Groth, Zeitschr. f. Kryst. 
graphie 1885, 266. 


Chem. Z. Köthen 1885, 1405. 


Just’s Bot. J. Ber. f. 1882. 
Ph. A. No: ;81,.747. 
Ph. Z. Beilage No. 84, 807, 


Ph. Z. No. 85, 1885, 811. 
A. Ph. 223 (1885) 865873. 


J. Ph. E. L. Novbr. 1835, 
390—409 


J. Ph. E. L. Novbr. 1885, 
312 —315. 

J. Ph. E. L. Novbr. 1885. 
343—345. 

Ph. Z. 6. Jan. 1886. 


Ph. Z. 13. Jan. 1886, 30. 


A. Ph. 124 (1886) 1—10. 

Ph. J. & Tr. XVI (January 
16, 1886) 601. 

Ph. J. & Tr. XVI (Jan. 23, 
1886) 621. 


380 


207b. 


Friedrich August Flückiger. 


Besprechung von: Fehling’s Neues 
Handwörterbuch der Chemie IV. 
Lieferung 51: (Oxybenzonitrile- 
Palladium- Wasserstoff 


207 e. Hellfrisch's Vaselinpräparate 


208. 


216 b. 


216 c. 


217. 


218. 


218 b. 


La Mortola. Der Garten des Herrn 
Thomas Hanbury 


[Englische Uebersetzung von Mifs 
P. Sharpe.] 


Helene 


Note on Cocaine and Atropine 


Notiz über das erste sauerstofffreie . 
feste Alkaloid und dieArariba Rinde 
Note on Quinine Hy.rate 


Zur Erinnerung an Scheele, ein Jahr- 
hundert nach seinem Ableben . 


. Die Scheelefeier in Köping . 


Gegenwärtiger Stand der eneksch: 
chinesischen Opiumfrage 


. Notiz zur Geschichte des Kamphers 


Referat über pharmaceutische und 
technische Botanik . 


Daspharmaceutische InstitutinZürich 

Zur Geschichte der ältesten Bezieh- 
ungen zwischen Ostasien und dem 
Abenalande . a HE REEENEE 

Rezension von Piugge's „Die wichtig- 
sten Heilmittel“ (übersetzt von 
Ed. Schär) m LER 

Anzeige der a eapden Fennica 
ed IV . 

Rezension von Hirsch’ ‚Uhiverad: 
Pharmacopöe . 


Rezension von Peters: „Aus phar- 
maceutischer Vorzeit in Bild und 
Wort“ . 


Reaktion der Thiosulfate.. 
Rezension von Godfrin & Noel 


Ph. Z. 1886, 102. 
Ph: Z. No. 8, 30. Jan. 1886. 


Stralsburg 1886. 
Deutsche Gartenztg.I (1886) 
345, 356, 367. 


Ph. J & Tr. XVI (1886) 
800. 

Ph. Z. 1886, 7. April, 215. 

Ph. J. & Tr. XVI (1886) 
897. 


A. Ph. 224, 369—392 (417 bis 
444), 
Ph. Z. 9. Juni 1886, 339. 


Ph. Z. 28. Juli 1886, No. 59, 


443, 
A. Ph. 224 (1886) 625. 


Just. Bot. J. Ber. für 1883. 


(Gedruckt 1886.) 
Ph. Z. 30. Okt. 1886, 664. 


A. Ph. 224 (1886) 873—881. 


A. Ph. 224 (1886) 988—991. 
A. Ph. 224 (1886)1078— 1079 


Lit. ©. Blatt, 1886, No. 51, 
11. Dzbr. 1755 —1757. 


Lit. C. Blatt, 1887, 
5. Febr. 180—183. 


No. 6, 


eh. Z Febr 1 


218 c. 


219. 


219b. 


228. 


229. 


230. 


230b. 


231. 


232.. 


Friedrich August Flückiger. 


Rezension von Engler und Prantl: 
„Die natürlichen Pflanzenfamilien“ 
Heft1. 

Bemerkungen 
Cocain 


über das salzsaure 


Rezension von F.v.Hoehnel: „Mikros- 
kopie der technisch verwendeten 
Faserstofie“ . 


Referat über Pharm. u. techn. Botanik 


Zur Geschichte des Tabaschir . 


The distribution of Safrol 


Rezension von Tschirch’s „China- 
rinden und Cinchona“ (Real-Ency- 
elop. d. Pharm.) . 


Contributions to the History of Wars 


Bemerkungen über das Lithiumcar- 
bonät . N ELIA ER 

Nachweisung des Jods in Laminaria 

Couat Ficalhös History of Garcia 
da Orta — and his Time 


Italienische Beiträge zur Geschichte 
der Pharmacie und Botanik 
Strychnos Ignatii (mit Ed. Schär) 


Contributions to the knowledge of 
Catha leaves (mit J. E. Gerock) 


Bemerkungen über die Verbreitung 
des Berketiher : |. 
Ein medizinischer Bundesgenosse der 
Pharmacie Ds re 
Nachweisung des Acetanilids (Anti- 
IR. EEE OR a 2 
Bemerkungen über das Morphinacetat 


381 


Ph. Z. 2. April 1887. 


Zeitsch. d. allg. öster. A.-V. 
No. 11, Wien, 10. April 
1887, 173—175. 


Ph. Z. No. 35, 30. April 1887, 
247. 

Just. J. Ber. 
368 --407. 

Zeitschr. d. allg. öster. A.-V. 
41 (Mai 1887, No. 14 u. 
15) 221—223 u. 237 —239. 

Ph. J. & Tr. XVII (1837) 
989 —9%0. 


Bot. 1854, 


Ph. Z. No. 45, 4. Juni 1837, 
317—318. 

Ph. TriVol: XVII 
Juni 18, 1887. 


A. Ph. 225 (1887) 509-515. 
A. Ph. 225 (1887) 519-522. 


Ph. Z. & Tr. XVIII 1887, 
49—51. 


A. Ph. 225 (1887) 672—689. 

A. Ph. 225 (1887) 765773. 

Th. J. a. Tr. XVII 1887, 
221—224. 

Yearbook of Ph. London 
1887, 430— 441. 


A. Ph. 225 (1887) 841—845. 
Ap.-Ztg. 22. Oct. 1887. 397. 


Ap.-Ztg. 2. Nov. 1887. 409. 
Ph. Z. 9. Nov. 1887. 643. 


382 


233. 


234. 


242 c. 


Friedrich August Flückiger. 


Pharmaceutische Chemie. 
Zweite Auflage. (Italien. Bearbei- 
tung durch T. Gigli) 


Besprechung von J.J. Reins’ „Japan“ 
(Bd. II) 


Bemerkungen über Schinus molle 


Uebercyanwasserstoffsaures Morphin 


Englische Beiträge zur Geschichte 
der Pharmacie und Botanik 
Zur Kenntnis des Lithiumcarbonates 


Referat über „pharmaceut. u. techn. 
Botanik für 1835“ ; 

Ueber Aschenbestimmung . , : 

Illieium verum, der Sternanisbaum . 

Angewandte Pflanzenanatomie von 
Tschirch; Besprechung 


Neue Beiträge zur Geschichte der 
Pharm. in Italien 
Die Insel Socotra. 


Universität oder Fachschulen . 


Besprechung von Bertolotti, Notizie 


e documenti sulla storia della 
Farmacia e dell’empirismoinRoma 


Notiz über die Darstellung der Vul- 
pinsäure und Pulvinsäure 
Nachweis kleinster 
Arsen . 
O’Shaughnessy . 
Strychnos Ignatiü . 


Mengen von 


Ein zweckmälsiger Nxtraktions- 
ADDAaral Dr. 


Zur Kenntnis des Copals , 


Styrax liquidus 
Arsennachweis . 


Berlin, Heyfelder 1888. 


Litterat. Blatt zur Ztschrift 
für wissensch. Geogr. 
Bd. 6. Weimar 1887. 

Ph22 No. Hl-u1885% 


Ph. Z. .No. 48..16. Jam 
1838. 357. 


A. Ph. 226 (1888) 521—529. 
A. Ph. 225 (1888) 543. 


Just. bot. J. Ber. Sept. 1888. 
Fresenius Z. 1888. 637. 
A. Ph. 226 (1338) 893—897. 


Ph. Z. No. 87. 31. Okt. 1888, 
652. 


A.Ph. 226 (1888) 1017—1023. 
A. Ph. 226 (1888) 1024-1027 


Ph. Z. 8. Dez. 1888, No. 98, 
733134. 


Chem. Ztg,, Cöthen 1888, 
No. 90, Nov. 1494. 


Groth.Ztschr.f, Krystallogr. 
XV, 1. 1888, 


A. Ph. 227 (1889) 1—-30. 

Ap.-Ztg. 26. Jan. 1889. 96. 

A. Ph. 227 (1839) 145 bis 
158. 


A. Ph. 227 (1889) 162. 

Ztschr (. allg. östr. A.-V. 
1889. +44, 

Ph. Z. 12°9. N0:.445,)340. 

Ap.-Ztg. No, 55. 8.725, 


249. 


249b. 


249 c. 


250. 


251. 


251b. 


25le. 


2590. 


Friedrich August Flückiger. 383 


Bestimmung des Morphingehaltes des 

Opiums . .'. ,„ WanbarT VB 2PbF227:(1880) 721—732. 
Besprechung der Pharmacographia 

india von Dymock, Hooper 

& Warden I. Teil . . . . . Ph. 2. 1889. No. 72, 547. 
Bestimmung des Morphingehaltes des i 

Opiums (Nachtrag zu No. 249) . A. Pb. 227 (1889) 769—772. 

Le Progres. Genf 1889, 
No. 18, 325—328. 


Jalape und Jalapenharz . . . . . BR T. & De WE dat 
1890) 546. 
Osterierien im Süden . . . . . .„ 4. Ph. 227 (1013—1037) und 


(1057— 1074.) 
Besprechung von Schroff’s histor. 
Studie über Paris quadrifolia . . A. Ph. 227, 1101. 
Besprechung von Kobert's: „Arbeiten 
des pharmacologischen Institutes 
in Dorpat“, Heft III u. historische 
Studien, HetI . . . .... . Chem. Ztg. Cöthen 1889, 
No. 102, 1689 und No, 13 
(1889), 1637. 
Gegenwärtiger Stand unserer Kennt- 
nis des Ourare 


.„ A. Ph 228 (1890) 73—84. 
Zur Kenntnis der ailasıp) Seifen- 


A. Ph. 228 (1890) 193—203. 


wurzel 13, 4 
Besprechung der Pina 

andien, UL TÄAR: ..-.\cr; Ph. Z. 1890 No. 35, 269. 
Aeuflserliche Betrachtungen über en 

Arzneibuch . Ph. Z. 1890 No. 9% 705. 


. Besprechung der Alena {rom 
the Records of the Government 
of India, Revenue & Agricultural 


Departement“, by G. Watt. . . Ap.-Ztg. 1890 No. 102 u. 103. 
. Suberin und die Zellen des Korkes. A. Ph. 228 (1890) 691—-700. 
Cocainreaktion . . . Eh 18979720 


Catalogne des Theses, ae En 
vant l’Ecole sup. de Pharm. de 


Paris 1815—1889 . ... 2... 00» Ph. Z. 1891,73: 
Bemerkungen über Lycopersicum . Chem. Ztg., Cöthen 1891, 
No. 13, 206. 
rt Henry Grovess, -. -. -. ... .. .. -Ap.-Ztg. 11. März 1891, 142, 
ESTER des Aboä..! „gr; A. Ph,.229 (1891) .121., 


Pharmakognosiedes Pflan- I -.I8 
zenreiches, III Aufl. . . . Berlin, H. Hayfelder 1891. 


384 


266. 
267. 


267 b. 
268. 


269. 
270. 


270b. 
271. 


271b. 


2rle. 


271d. 
272, 


5b. Besprechung von er 


Friedrich August Flückiger. 


Besprechung von G. Watt’s „Dictio- 
nary of the Economic Products 
of India“ 

Zur Gene Theophzasks 
Hohenheim (Paracelsus) . 


von 


I. Tho technolögical Museum of New 
South Wales; II. Maiden, useful 
plants of Australia including Tas- 
mania . 


. Friedrich Hosche s heische enden. 


Ba. 1 ER RI ae 2 
„Reaktionen.“ (Englische Be- 
arbeitung durch J. B. Nagelvoort.) 
Bemerkungen über Kamala und Waras 
Schwarzer Phosphor 
Zur Geschichte 
Venedig 


der Phaimacie in 


Be di 

Chimica medico - farmaceutica, 
Parte organica 2 

j Dr. med. William ornark (Nachruf) 

Asche der Kamäla (nachträgliche Be- 
merkung zu No. 263) . 

Jalapurgin and Orizabin . 


Zur Kulturgeschi.hte des a & 


Gummi der Acacia Farnesiana. 
Benutzung von Eisendraht zum Het- 
ten des Papieres. 


Zur Kenntnis des Chinpilins 

Verbreitung der Alkaloide in den 
Strychnos-Arten . en oe 

Besprechung der Festschrift der 


Holländ. Gesellsch. für die Entw. 
d. Pharın. 


Besprechung von C. Hartwich's „Be- 
deutung der Entdeckung von 
Amerika für die Drogenkunde“ 


Javanische Chinarinden } 
Ueber die Einführung und u 
breitung der Maispflanze in Europa 


Ph. Z. No. 59 u. 50, 1891. 


Schw. W. Ph. 1891, No. 37, 
355. 


Ap.-Ztg. 1891, No. 37, 259. 
Ph. Z. No, 6, 1892, 48, 


Berlin, H. Heyfelder, 1892. 
A. Ph. 230 (1892) 2—9, 
A. Ph. 230 (1892) 159—168. 


Ph. Z. 1892, No.31, 245— 247. 


Ap.-Ztg. No. 38, 1892, 243 
Ph. Z. 43, 1892, 336. 


A. Ph. 230 (1892). 

Ph.J.u. Tr. XXII, 1060, 1892. 

Leipz. Ztg. 30. Juni 1892, 
309—312. 

Ap.-Ztg. No. 66, 1892, 415. 


Chem. Ztg.No.66, 1892, 1197. 
Ap.-Ztg. No. 69, 436, 1892. 


A. Ph. 231 (1692) 343—352 
Ap.-Ztg. No. 71, 1892, 441 


bis 443, und No. 72, 450 
bis 451. 


Schw. W. Ph. No. 40, 395, 
1892. 
Chem. Ztg. XVI, 1892, 1470. 


Chem.-Ztg. XVI, 1892, 1559. 


272b. 


275. 


275b. 


280, 


281. 


282. 
283. 


Arch. d. Pharm. CCXXXIII, Bds, 


. „Pflanzen, 


Friedrich August Flückiger. 


I.Pitayo-Chinarinde von Cinchonapita- 
yensis auf Java. II. Zersetzung der 
Oxalsäure-Lösung 

die in Kaiserl. Verord- 

nungen zur Zeit Karl's d. Grol[sen 

genannt werden“. 


Professor Alfonso Corradi (Nachruf) 


Die Alkaloide, hauptsächlich nach der 
Monographie von Guareschi 


. Neue Gummisorten Australiens 


Neue Kino-Sorten in Australien . 
Wintersrinde und Cotorinde 


a) Entstehung des Peer 
(nach Guignard) . N 

b) Alkaloidgehalt des Borken, Java- 
nischer Chinarinden (nach P. van 
Leersum) : 


Eigentümliches Verhalten des Chloro- 
forms . 


. Manna von Myoporum .. 


. Zur Kenntnis der venezianischen Ge- 


sundheitspflege im Mittelalter. 
Spielmann, Jacob Reinboid . 


. Dr. Joh. Eliza de Vrij, C. I. E. zum 


31. Januar 1893 er; 

E. Bretschneider’s „Botanicon Sini- 
eum“ 4 

Uebersetzung des ee ‚Hiher 
fundamentorum Pharmacologiae* 
aus dem X. Jahrhundert; mediz. 
u. pharm. Leistungen der Univer- 
sität Dorpat seit 1802. N 

Besprechung von G. Ch. Sawer, 
Odorographia I. 2 

Der Jahresbericht der Ba = 
Deutschen Apotheker-Vereins . 

Der botanische Garten in Montpellier 

Dragon’s Blood 

4. Heft. 


385 


Ap.-Ztg. No. 92, 1892, 5853. 


Ap.-Ztg. No. 95, 1892, 606. 


Ph. Z3N04100774,, 1892: 
Ap.-Zig. N.103, 1892, 651-653. 
N.105,1892,663-665. 
No. 1, 1893, 4—6. 
Post, Wien, 1892, 


Pharm. 

1237. 
Pharm. Post 1892, 1332. 
Ap.-Ztg. No. 5, 1893, 28. 


Zeitsch.d. österr. A. V.No.36 
(1892) 821. 


Zeitsch. d. österr. A.V. No. 1 
(1893) 1. 

Schw. W. Ph. No. 3, 1893, 
17—18. 

Schw. W. Ph.No. 7, 1893, 57. 

Ap.-Ztg. No. 7, 1893, 39. 


Ph.Post, Wien, No.1,1893,1. 
Allg. deutsche Biogr. 35, 
1893, 171—173. 


Ap.-Ztg. No. 9, 1893, 49. 


&. No. 14, 1893, 80. 


. 1893, No. 
No. 27, 
No. 


152, 
157. 
163. 


„ ’ „ 


„ E33 , 


Pharm. Post No.20(1893) 247. 


Ap.-Ztg. No. 42, 1893, 247.. 

An.-Ztg. 1893, 296. 

Ph. J. & Tr. LIII. (1893) 108 
25 


386 


284. 


285. 


286. 


287. 


288. 


289. 


296.a. 


297. 


297. 


.297b. 


297 c. 


298. 


298 b. 


Friedrich August Flückiger. 


Bernische Beiträge zur Geschichte 


der Pharmacie. . 
(Beit:ag zur Jubil. © Restschriik SL. er 
Apoth. -Vereins.) 


Johan Eliza de Vrij 


(Gallerie hervorragender Therapentiker und Phar- 
makognosten von Apoth. B. Reber in Genf.) 


Besprechung der Schrift von Oskar 


Loew: Kin natürl. System der 
Giftwirkungen . ! 

Die neuePharmacopoe der ve ehe 
Staaten 


Text zu dem Peschlniliem- ‚Die Ce: 
schäfts- und Fabrikstellen von 
Schimmel & Co., Leipzig-Prag und 
Fritzsche BrothersN.York-Garfield 

Ein Blick auf das Dispensatorium des 
Valerius Cordus . 


Zum Fischfange dienliche Pflanzen 
Die Schweizerische Pharmakopoe 


Richard Spruca (Nachruf) 
Rezensionen diverser Schriften 


. Palladino’s Coffearin 


Bruysman’s hortus plantarum dia- 
phoricarum . > 

Joh. Mich. Maisch (Nachruf) 

Tschirch u. Oesterle’s, Anatom. Atlas 
d. Pharmakognosie u. nn 
mittelkunde . R 

Mikroskopische iterschiedes zwi- 
schen Catechu u. Gambir (nach 
E. Gilson) R 

Zur chemischen orenkdapir i 

Zur Geschichte des Chloroforms . 


Bericht und Rezensionen diverser 
Schriften . 


Afrikanische Copaivabäume und das 


Zürich, Orell Füssli 1893. 


1893. Lfg. IX. No.41 195-212. 


Ap.-Ztg. 1893, 408 u, 418. 


Ap.-Ztg. 1893, 425, 


1893. Okt. 


Ap.-Ztg. 1893, 550. 556. 563. 
568. 

Pharm. Post, 
629 —634. 

Ap.-Ztg. 1894, 55—61. 

Ap.-Ztg. 1894, 80. 

Chem. Ztg. Cöthen 1894. 

Ap.-Ztg. 1893, No. 72, 


Wien 1899, 


Ap.-Ztg. 
Ap.-Ztg. 


1893, No. 73. 
1893, 407. 


Ap.-Ztg. 1893, 548. 


Ap.-Ztg. 
Ap.-Ztg. 
Ap.-Ztg. 


1893, 552. 
1893, 587. 


1893, 611. 


Pharm. Post, Wien 1893. 


Pharm. Post, 


Wien 1893, 
No.92, 


französische Kolonialmuseum in 
Marseille . 
Grundri[s der Pharmakog- 


nosie II. Aufl. . VRR 
Bolton’s Bibliographie der Chemie . 


Berlin, H. Heyfelder 1894. 
Ap.-Ztg. 1894, 3. 


299. 


299 a. 


299 b. 


200. 


301. 


301b, 
302. 


303. 
304. 


305. 


306. 
307 a. 


307 b. 


308. 


‘Die historische pharm. — 


Friedrich August Flückiger. 


I. Robert Bentley 

I. E. Strohl f 

Aconitum Srlgskaneih von Tone 
dahl. ; } 

Vanille-Kultur in DR 


medizin. 
Sammlung des Apothekers Burk- 
hard Reber in Genf 


I. Heckel’s Monographie der Globu- 
larien Sagen seine, EURE, 

II. Sawer, Odorographia, second 
series . 


The National en | 
I. Zur Geschichte der Kola. 


II. Neuere Berichte über Theekultur 
in China, Ceylon und Java. 


Der Vater des Chinins 
Englische Arbeiten in Indien 


Anzeige von Lay, Note on the opium 
question etc. 

Australische Manna . 

R. Kobert’s Compendium der a 
tischen Toxikologie. 


Zur Kenntnis der Gerbstoffe; Litt. 
Bespr. von Braemer, Tannoide 
und Trimble, Tannins. (10. Mai 
in Bern verfalst). 


Die Glasmodelle des botanischen 
Museums der Harvard University 
(19. August in Brooklyn 
verfalst). : ABER TEE 


337 


1894, 37. 
1394, 40. 


Ap.-Ztg. 
Ap.-Ztg. 


Ap.-Ztg. 1894, 112. 
„Forschungs- Berichte“. 
München 1894, I. 82/83. 


Ap.-Ztg. 1894. 2839, 297, 305. 
"315, '325. 


Pharm. Post, Wien 15894,133 


Pharm. Post, Wien 1894, 139. 

Ap.-Ztg. 1894. 258. 

„Forschungs - Berichte“. 
(München 1894) 169. 


„Forschungs - Berichte“. 
(München 1894) 196. 

Schw. W. Ph. 1894. 77—78. 

Allg. Ztg. München 1894, 
Beil. 95 und 96. 


Ap.-Ztg. 1894, 354. 
A. Ph. 232 (1894) 311. 
Chem. Ztg. Cöthen 1894, 
No. 57. 


Pharm. Post, Wien 1894, 
Mai, 


Pharm. Rundsch. N.-York 
XII (1894) 202. 

abgedr. in J. Ph. E.L. XXI 
(1894) 421, 


25* 


388 


Friedrich August Flückiger. 


Il. Chronologische Zusammenstellung 


der Ernennungen Flückiger’s zum Ehren-Mitgliede 


1860, 
1864, 
1867, 
1868, 
1868, 
1868, 
1869, 
1871, 
1872, 
1872, 
1872, 
1873, 
1875, 
1876, 
1879, 
1880, 
1881, 


1883, 


1883, 
1854, 


1854, 
1854, 


1884, 


1886, 
1888, 
1888, 
1888, 


1888, 


1890, 
1891, 


verschiedener Gesellschaften ete. 


22. August 
3./15. November 
12. März 
April. 

6. Mai 

11. September 
11. Oktober 
10. August 
Saft > 

17. Oktober 
27. Dezember 
12. August 

7. April. 

15. Januar 

3. Juli 

5. Dezember . 
2. August . 


12. Juli. 


10. September 
15. Februar 


10, März 
Juli 


4. August. 


1. März. 
13. Januar . 
4. Februar 
11. Juni 


13. Juni 


6. September. 
29. Mai. 


Societe medicale de Neuchätel 

Pharmaeeut. Gesellschaft in St. Petersburg. 

Verein studierender Pharmaceuten inMünchen. 

Colegio de farmaceuticos de Madrid. 

Societe de pharmacie A Paris. 

American Pharmaceutical Association. 

Allgem. österreichischer Apothekerverein. 

Massachusetts College of Pharmacy. 

Pharmaceutical Society of Great Britain. 

New-York College of Pharmacy. 

Philadelphia College of Pharmacy. 

Schweizerischer Apothekerverein. 

Societe royale de pharmacie, Bruxelles. 

Naturforschende Gesellschaft in Moskau. 

Naturforschende Gesellschaft in Halle a, S. 

Societe royale de botanique de Belgique. 

Zuerkennung der „Hanbury Medal“ am 
intern. pharm. Kongrel[s in London. 

Societe des sciences me&dicales et naturelles 
de Bruxelles. 

Danmarks Apotheker Forening. 

Apotbeker-Gesellschaft von Galizien in Lem- 
berg. 

Deutscher Apotheker-Verein. 

Akademischer pharmakognostischer Verein, 
Berlin. 

Ernennungzum „doctor medicinae h.c.* 
der Universität Bern. 

Stralsburger Apotheker-Verein. 

Verleihung des Roten Adlerordens IV. Kl. 

Finnländische medizinische Gesellschaft. 


Physikalisch - medizinische Societät zu Er- 
langen. 

Ernennung zum „doctor medicinae 
h. ce.“ der Universität Bologna. 

Schweizerische botanische Gesellschaft, 


Apothekerverein des Kantons Bern. 


Friedrich August Fiückiger. 389 


1892, 17. Februar 


1892, 4. März. 
1892, 12. März 


1892, April. 


1892, 10. Mai. 
1892, 20. August 


1892, 27. August 


1892, 7. September. 


Verleihung des Roten Adlerordens III. Kl. 
mit der Schleife. 

Pharmaceutische Gesellschaft in Warschau. 

Adresse der Pharmakopos-Kommission dass 
Deutschen Reiches. 

Ernennurgzum „doctor philosophiae 
h. ec.“ der Universität Erlangen. 

Pharmaceutische Gesellschaft zu Charkow. 

Nederlandsche Maatschappy tot Bevordering 
der Pharmacie. 

Academie royale de medecine de Bruxelles. 

Oesterreichische pharmaceutische Gesellschaft 
in Wien. 


ZNAGEIV 


DER 


PHARMACIE 


herausgegeben 


vom 


Deutschen Apotheker-Verein 
unter Redaction von 


E. Schmidt und H. Beckurts. 


Band 233. Heft 6. 


BERLIN. 
Selbstverlag des Deutschen Apotheker-Vereins. 
1895. 


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Ausgegeben den 10. September 1895. 


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A. Partheil, Ueber die Bestimmung des Glycerins im Weine ete. 
E. Winterstein, Chemische Zusammensetzung von Pachyma Cocos 
und Mylitta lapidescens. 

H. Beckurts, Zur Kenntnis der Angostura-Alcaloide. 
'H. Beckurts und H. Seiler, Ueber Fettuntersuchungen mit dem 

H 


Refractometer. 423.3 
. Beckurts und F. Oelze, Zur Kenntnis des Hirschtalgs. 429 
P. C. Plugge, Ueber das Vorkommen von Cytisin in verschie- 
denen Papilionaceen. 430 
P. C. Plugge, Ueber das Matrin, das Alcaloid der Sophora augusti- 
folia. 441 
K. Th. Hallström, Anatomische Studien über den Samen der Myristi- 
caceen und ihre Arillen. 443 


Eingegangene Beiträge. 


G. Kassner, Untersuchungen über Orthoplumbate der Erdalkalien. 

Dr. Mankiewicz, Ueber eine forensische Strychninuntersuchung. 

H. Luz, Ueber das Ammoniacum. 

K. Gorter, Ueber die van der Moor’sche Reaction und die Erznittelung 
des Cytisins. 

-B. Grützner u. M. Höhnel, Zur Kenntnis der Metaplumbate der Erd- 
alkalien. 

L. Moeser, Zur Kenntniss der eisensauren Salze. 

A. Pinner, Ueber das Nicotin (II). 

H. Dragendorff, Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 

Dr. Mjöen, Beiträge zur mikroskopischen Kenntniss des Opiums, 


(Geschlossen den 30. VIII. 1895.) 


Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel 
monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis 
50 Bogen. Ladenpreis für den Jahrgang Mk. 12,—. 


Alle Beiträge für das „Archiv‘‘ sind an die 
Archiv-Redaction 

Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg (Hessen) 
oder Herın Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig, 

alle die Inserate u. s. w., überhaupt die Archiv-Verwaltung und 
die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den 

Deutschen Apotheker-Verein 

Berlin ©. 22, An der Spandauer Brücke 14 

einzusenden. 


Petitzeile oder deren Raum RER Beilage-Gebühr für das Tausend der A 
2. Z. 3650 — Mk. ıo. Für Beilagen, welche nicht dem Format des „Archiv“ ent: 
h bleibt besondere Vereinbarung vorbehalten 


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Dr. A. Partheil: Ueber Glycerin. 391 


Mitteilungen aus dem pharmaceutisch-chemischen 
Institute der Universität Marburg. 


59. Ueber die Bestimmung des Glycerins in 


Wein und Bier. 
Von Dr. A. Partheil 
(Eingegangen den 1. Mai 1895.) 


Die allseitig anerkannte Unzulänglichkeit der sogenannten 
Reichsmethode“ zur Bestimmung des Glyceringehaltes in Wein und 
Bier gab die Veranlassung zu einer Reihe von Untersuchungen 
über deren Ergebnisse im Folgenden berichtet werden soll. 

Man muls bei der Glycerinbestimmung in jenen Getränken die 
Isolierung des Glycerins einerseits und die Gewichtsbestimmung 
desselben andererseits auseinanderhalten. Da man bei der Kritik 
der Methoden der Isolierung des Glycerins in der Lage sein muls, 
die Menge desselben bestimmen zu können, so mögen zunächst die 
für den letzteren Zweck bekannten Methoden betrachtet werden. 


Die Reichsmethode schreibt, nach dem Vorgange von 
Reichardt,) Clausnitzer,?) Pasteur?°) und anderen vor, 
das Glycerin als solches zu wägen. Wie schwierig es ist, dals bei 
dieser Operation übereinstimmende Zahlen von Seiten verschiedener 
Untersucher erhalten werden, bedarf nicht erst der Begründung. 

Sehr exakte Resultate liefert dagegen die Methode von 
Legler,* welche auf der Oxydation des Glycerins mittels Kalium- 
dichromat und Schwefelsäure zu Kohlensäure una Wasser, sowie 
Wägung der gebildeten CO, beruht. Leider ist dieselbe jedoch nur 
verwendbar zur Bestimmung von Reinglycerinen ; die gleichzeitige 
Gegenwart fremder organischer Verbindungen schliefst ihre An- 
wendbarkeit aus. Dasselbe gilt für die von Planchon?°) em- 
pfohlene Oxydation des Giycerins mittels Kaliumpermanganat in 
saurer Lösung und Wägung der gebildeten Kohlensäure. 


1) Arch. Pharm. 10, 408, 11, 242. 

2) Zeitschr. f. analyt. Cliem. 20, 58. 

3) Annal. de chim. et de phys. (3), 58, 330. 
4, R-p. der anal. Chem. 6, 631. 

5) Compt. rend. 107, 246. 


Arch. d. Pharm. CCXXXII. Bds. 6. Heft. 26 


392 Dr. A. Partheil: Ueber Glycerin, 


Dietz!) führt das Glycerin nach der Methode von Bau- 
mann?) in ein Gemisch des Di- und Tribenzoats über, welches 
zur Wägung gebracht wird. Das Verhältnis, in dem die beiden 
Glycerinester entstehen, ist indessen bei verschiedenen Konzen- 
trationsverhältnissen ein etwas wechselndes, sodals durch diesen 
Umstand die an sich bestechende Methode ihre Genauigkeit verliert. 
Es liegt auf der Hand, dafs die nach der Benzoylierungsmethode 
erhaltenen Werte dadurch nicht exakter werden können, dafs man, 
nach dem Vorschlage von Suhr,?) die Wägung des Estergemisches 
durch eine Titration ersetzt. Wenn Suhr bei der Titration besser 
stimmende Resultate erhielt, so :st der Grund hierfür mir nicht 
ersichtlich, da doch die Fehlerquelle, die wechselnde Zusammen- 
setzung des Estergemisches, bestehen blieb. 


Die Oxydation des Glycerins mit !/;o N- Chamäleonlösung, 
in siedendheifser, schwefelsaurer Lösung, wie dieselbe vonOlivera 
und Spica*) empfohlen wurde, ist eine wenig angenehme ÖOpe- 
ration, bei welcher überdies die Endreaktion nicht scharf zu er- 
kennen ist. 


Während das Glycerin in schwach alkalischer Lösung von 
Kaliumpermanganat in komplizierter Weise angegriffen wird, verläuft 
die Oxydationin stark alkalischer Lösung glatt nach der Gleichung: 


C; H; O3, + 60 = (0, +H,0+[%H,0,+2H,0] 


Diese, vnFox und Wanklyn?) für die Glycerinbestimmung 
verwertete, vnBenedikt und Zsigmondy?) fürdie Fettanalyse 
empfohlene Reaktion reduziert mithin die Bestimmung des Glycerins 
auf die der Oxalsäure. Namentlich in der von Baumert und 
Schaumann’) angewendeten Form liefert die Methode äulserst exakte 
Resultate, sodafs ich dieselbe angelegentlichst empfehlen kann und 
sie auch für die weiterhin zu beschreibende Bestimmungmethode 
des Glycerins in Wein und Bier zur Anwendung ziehe. 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 11, 472. 

2) Ber. 19, 3221. 

3) Arch. f. Hyg. 14, 305. 

4) Gaz. chim. ital. 20, 777. 

5) Z. f. analyt. Chem. 25, 587. 

6) Chem. Zeitg. 9, 975. 

?) Zeitschr. f. Naturw. 64, 270: dieses Archiv 230, 324. 


Dr. A. Partheil: Ueber Glycerin. 393 


Die refraktometrische Bestimmung des Glycerins, welche 
Skalweit!) empfahl, und für welche Lenz?) bereits früher 
Tabellen ausgearbeitet hatte, scheint wenig Eingang in die Praxis 
gefunden zu haben und setzt auch chemisch reine Glycerinlösungen 
voraus. 

Die Isolierung des Glycerins aus den Getränken kann entweder 
durch Extraktion oder durch Destillation bewerkstelligt werden. 
Für alle Extraktionsmethoden dürfte dasselbe gelten, was kürzlich 
P. Kulisch?) über die Reichsmethode urteilte, welche ebenfalls 
das Glycerin auf dem Wege der Extraktion gewinnen lälst. „Jeder“ 
sagt dieser Forscher, „der dieselbe häufiger zu streng wissenschaft- 
lichen Untersuchungen benutzt hat, wird diese Mängel schmerzlich 
empfunden haben. Ich kann mich jetzt der Ueberzeugung nicht 
mehr verschliefsen, dafs sie hierfür fast gar keinen Wert besitzt; 
auch für praktische Zwecke kann ich ihr nur eine ganz unter- 
geordnete Bedeutung zuerkennen.“ Diesem, allerdings harten Urteil 
muls ich mich voll und ganz anschlielsen. 

Baumert und Schaumann schlagen (l. c.) vor, das Glycerin 
aus dem zuvor unter Zusatz von etwas ÜÖalciumcarbonat entgeisteten 
Bier durch Destillation mit überhitzten Wasserdämpfen zu gewinnen. 
Die günstigen Resultate, welche jene Autoren hierbei erzielten, habe 
ich indessen niemals, selbst nicht bei der Destillation reiner, 
wässeriger Glycerinlösungen erhalten können, obgleich ich sowohl 
hinsichtlich des Apparates, als der Ausführung alle Einzelheiten auf 
das peinlichste berücksichtigte. Stets befanden sich, auch wenn die 
Menge des Destillates auf das fünffache des von Baumert und 
Schaumann vorgeschriebenen Volumens getrieben wurde, noch 
sehr beträchtliche Glycerinmengen im Destillationsgefälse. Es dürfte 
daher ein vollständiges Uebertreiben des Glycerins aus den Wein- 
extrakten mittels überhitzten Wasserdampfes kaum ausführbar sein. 

Das Prinzip, das Glycerin durch Destillation im Vakuum zu 
isolieren, wurde zuerst vom H. v. Törring*) verwendet. Er 
destilliert die glycerinhaltige Flüssigkeit aus einer circa 100 ccm 
fassenden Tubulatretorte, welche in einem passenden kleinen Luft- 

1) Rp. d. analyt. Chem. 1886, 183. 

2) Zeitschr. f. analyt. Chem. 19, 302. 


3) Forschungsberichte über Nahrungsmittel etc. 1894, 280. 
4) Landw. Vers.-Stat. 1889, 89; Zeitschr. für angew. Chemie 1889, 362. 
26* 


394 Dr. A. Partheil: Ueber Glycerin. 


bade aus Eisenblech ruht. Der Retortenhals steht mit Hilfe eines 
kleinen Liebig’schen Kühlers mit einer Saugflasche in Verbindung, 
welche als Vorlage dient und mit Manometer und Luftpumpe in 
Kommunikation steht. Der Tubus der Retorte wird mit einem 
weichen, durchbohrten Kork geschlossen, welcher in der Bohrung 
ein mit Vaselin gefettetes zugespitztes Glasstäbchen trägt. Zunächst 
wird bei gewöhnlichem Luftdruck das Wasser bei i50—1709 Luft- 
badtemperatur überdestilliert, dann möglichst evakuiert und bei 
190--210° das Glycerin übergetrieben. Um im Retortenhalse hängen 
gebliebene Anteile des Glycerins in die Vorlage zu befördern, werden 
schliefslich noch bei gewöhnlichem Luftdruck einige Cubikcentimeter 
Wasser überdestilliert, welche man nach dem Erkalten des Apparates 
durch die Bohrung des Pfroptens eingeführt hat. Bei dieser letzteren 
Operation wird nicht gekühlt. 

Zur Ausführung meiner Untersuchung hatte ich mir zunächst 
eine Lösung hergestellt, welche 17,5919 g reines Glycerin im Liter 
enthält. Der Gehalt des verwendeten Glycerins war durch Be- 
stimmung des spez. Gewichtes und des Brechungsexponenten fest- 
stellt. Das Glycerin zeigte ein spez. Gewicht = 1,2328 g bei 120 

n(n) = 1,45591 g bei 12,50, 
Demnach besals dasselbe einen Gehalt von 86,3 Proz. Von diesem 
Glycerin waren 20,3846 g zum Liter gelöst worden, entsprechend 
17,5919 &g C,H, (OH),. 

Je 10 ccm dieser Lösung, entsprechend 0,1759 g C, H, (OH); 
wurden nach Baumert-Schaumann oxydiert und die gebildete 
Oxalsäure bestimmt. Es wurden gefunden: 

T. TT. III. 

0,1749 ; 0,1761; 0,1752 & C,H, (OH),. 
Folglich liefert die Bestimmung des Glycerins als Oxalsäure in der 
angewendeten Art und Weise sehr gut stimmende Werte. 

Ich unterwarf nunmehr wiederum 10 ccm meiner Glycerin- 
lösung nach der Methode von Törring der Destillation im Vakuum 
in dem von jenem Forscher beschriebenen Apparate. Im Destillat 
wurden gefunden 

0,14328 g C, H, (OH), statt 0,1759 g. 

Ein zweiter Versuch lieferte 0,1317 g Glycerin. In der Re- 

torte war kein Glycerin mehr nachzuweisen, es mufste also der 


Dr. A. Partheil: Ueber Glycerin. 395 


fehlende Teil desselben bei der Operation selbst verloren gegangen 
sein. Da bei Beginn des Evakuierens die auf 150—170° erhitzte 
Retorte mit Dämpfen von wasserhaltigem Glycerin angefüllt sein 
muls, so glaubte ich, dafs durch das Auspumpen selbst jener Verlust 
entstände, indem Anteile dieser Glycerindämpte in die Pumpe ge- 
sogen würden. Diese Vermutung erwies sich als richtig, denn es 
gelang mir, durch eine geringe Abänderung des Destillationsapparates 
und dadurch, dafs ich die Retorte abkühlen liefs, bevor ich die Luft- 
pumpe in Thätigkeit setzte und erst nach Erzielung des Vakuums 
wieder erhitzte, einen Verlust an Glycerin zu vermeiden. Demnach 
verfahre ich nunmehr folgendermalsen : 


50 ccm Wein oder Bier werden nach Zusatz einer Messer- 
spitze voll Caleiumearbonat bis auf 10—15 ccm eingedampft, die 
Flüssigkeit dann durch ein kleines Filter in eine tubulierte, etwa 
100 ecm fassende Retorte a filtriert und das Filtrum mit wenig 
Wasser nachgewaschen. Den Tubus der Retorte verschlieist man 
zweckmäfsig nach v. Törring’s Angabe mit einem weichen Kork, 
durch dessen Bohrung man einen mit etwas Vaselin bestrichenen 
Glasstab schiebt. Die Retorte wird hierauf mit einer Kugelvorlage d, 
in deren zweiter Oeffnung ein Kühler eingepalst ist, luftdicht in 
Verbindung gebracht. Die Retorte plaziert man in ein Luftbadt 
welches aus einem Eisenblech als Boden besteht; die Seitenwände 
werden aus mit Wasserglas zusammengeklebter Asbestpappe gebilde, 
und ein Stück Abestpappe dient als Deckel. Die Vorder- und Rück- 
wand des Luftbades versieht man zweckmälfsig mit Fenstern aus 
Glimmerplatten, die eine Seitenwand mit einem Ausschnitt zur Auf- 
nahme des Retortenhalses. Der Boden der Retorte sei etwa 2—3 cm 
von der Eisenplatte entfernt. In dem abnehmbaren Deckel des Luft- 
bades ist ein Thermometer befestigt. Man destilliert nun zunächst 
bei gewöhnlichem Luftdruck bis fast zur Trockne, indem man das 
Luftbad aut 1200 erhitzt. Steigert man die Temperatur höher, so 
findet leicht ein Ueberspritzen des Retorteninhaltes statt, das ver- 
mieden werden muß. Während der Destillation ist die Vor- 
lage d durch das aus dem Kühler e abfliefsende Wasser zu 
kühlen. Das Kühlwasser fliefst von der Oberfläche von d 
in einen untergesetzten Trichter und wird von diesem aus weg- 
geleitet. 


396 Dr. A. Partheil: Ueber Glycerin. 


Ist die erste Destillation bei 120° beendet, das heilst, das 
Wasser bis auf Spuren übergegangen, so läfst man die Retorte auf 
etwa 60° abkühlen, evakuiert den Apparat durch eine Wasserstrahl- 
luftpumpe, welche mit Manometer m und Rückschlagventil r versehen 
sein sollte. Ist fast bis auf die Tension des Wasserdampfes evakuiert, 
so erhöht man die Temperatur des Luftbades auf 180° C. und 
setzt hierbei, unter einem Druck von 25—-30 mm, die Destillation 
noch 11/, Stunden fort. Hierauf läfst man, unter Aufhebung der 
Druckverminderung abkühlen, bringt durch die Bohrung des Stopfens 
ca. 10 ccm Wasser in die Retorte und destilliert nochmals bei 120° 
und gewöhnlichem Luftdruck soweit als möglich ab. Das Glycerin 
befindet sich alsdann vollständig in der Vorlage d. Sollte das 
Destillat infolge Ueberspritzens gefärbt sein, was bei extraktreicheren 
Flüssigkeiten meist der Fall ist, so ist dasselbe in demselben Appa- 
rate, und zwar unter den gleichen Bedingungen, noch einmal der 
Destillation zu unterwerfen. 

Das glycerinhaltige Destillat wird nunmehr in einen etwa 
1/, Liter fassenden weithalsigen Erlenmeyer’schen Kolben gespült, 
Vorlage und Kühler nachgespült und die gesamte Flüssigkeit auf 
etwa 200 ccm verdünnt. In derselben löst man sodann etwa 8 bis 
10 g festes Natronhydrat, versetzt die kalte Lösung mit Kalium- 
permanganatlösung von 5 Proz., bis die anfänglich grüne Färbung 
in ein bleibendes Blauschwarz übergegangen ist, und erwärmt sodann 
eine Stunde auf dem Wasserbade. Alsdann leitet man in die heifse 
Mischung gasförmiges Schwefligsäureanhydrid eine, bis ein völlig 
wasserklare Lösung erzielt ist. Zur Darstellung des Schwefeldioxyds 
empfiehlt sich ein mit technischer Natriumbisulfitlösung und eng- 
lischer Schwefelsäure beschickter Thiele scher!) Gasentwicklungs- 
apparat. Man fügt nun der mit SO, behandelten Flüssigkeit 20 cem 
Eisessig zu, erhitzt auf dem Wasserbade in einer Porzellanschale 
bis zur vollständigen Verjagung der schwefligen Säure und fällt 
schliefslich die‘ gebildete Oxalsäure mit Chlorcaleiumlösung aus der 
wieder auf ungefähr 200 cem verdünnten essigsauren Flüssigkeit 
aus. Neben dem Calciumoxalat scheiden sich reichliche Mengen 
Calciumsulfat aus. Den gesamten Niederschlag sammelt man nach 
dem Absetzen am besten auf einem Asbestfilter, wäscht aus, bis das 


1) Annal. d. Chem. 


Dr. A. Partheil: Ueber Glycerin. 397 


ablaufende Waschwasser gegen Kaliumpermanganatlösung indifferent 
ist und bestimmt die vorhandene Oxalsäure mit titrierter Chamaseleon- 
lösung (etwa 5: 1000). Zu diesem Zwecke spült man den Trichter 
samt dem Asbest in einen Titrierkolben, löst das Calciumoxalat auf 
dem Wasserbade in verdünnter Schwefelsäure auf und titriert diese 
heilse Lösung mit Kaliumpermanganatlösung (etwa 5 : 1000) von be- 
kanntem Gehalt. 
Nach den beiden Gleichungen : 
C,H, (OH), + 60 = [C,H, 0, + 2H,0] + CO, + H2O0 


92 126 
460 630. 
5[C, H50,+2H,0] + K,Mn,0; + 3H, SO, — K,SO,-+ 2MnSO, 
630 316. 


+10C0,+ 18H, 0 
entsprechen je 316 Teile bei letzterer Titration verbrauchten Kalium- 
permanganats je 460 Teilen Glycerin in den angewendeten 50 ccm 
Wein oder Bier. Die in obiger Weise bei der Oxydation des er- 
zielten Destillates gebildete Oxalsäure entstammt ausschliefslich dem 
vorhandenen Glycerin. Die sonstigen Bestandteile von unter Zusatz 
von Ca CO, entgeistetem Bier und Wein liefern, wie bereits Bau- 
mert und Schaumann (|. c.) nachwiesen, bei 180° keinerlei 
flüchtige Verbindungen, welche durch Kaliumpermanganat in stark 
alkalischer Lösung zu Oxalsäure oxydiert werden. Indirekt ergiebt 
sich letzteres auch aus folgendem Versuche: 50 ccm eines, einer 
hiesigen Handlung entnommenen Weifsweines lieterten, in der an- 
gegebenen Weise behandelt, 0,207 g Glycerin, 


50 ccm desselben Weines lieferten nach Zusatz von 10 ccm 
Glycerinlösung (enthaltend 0,1759 g C,H, (OH);) 0,3822 g Glycerin, 
wogegen 0,3829 g zu erwarten waren. Andererseits beweist dieser 
Versuch, dafs auch der volle Gehalt des Weines an Glycerin zur 
Bestimmung gelangt ist. 

Die Exaktheit der beschriebenen Methode ist somit erwiesen. 
Die Ausführung der letzteren erfordert einige Uebung. Scheinbar 
ist dieselbe für praktische Zwecke zu kompliziert. Aber so lange 
nicht eine einfachere und dabei gleich gute Methode der Glycerin- 
bestimmung bekannt ist, dürfte die von mir angegebene vor den 
sonstigen dennoch den Vorzug verdienen; im grölseren Betriebe fällt 
auch die scheinbar lange Zeit weg, ein Hinderungsgrund für die 


398 E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 


Ausführung der Glycerinbestimmung nach meiner Methode zu sein, 
da die einzelnen Operationen eine fortwährende Beaufsichtigung nicht 
verlangen und ein geübter Analytiker recht wohl mehrere Bestimmungen 
gleichzeitig nebeneinander ausführen kann. 

Nach der gegebenen Vorschrift werden in der Abteilung des 
hiesigen pharmaceutisch-chemischen Instituts für Nahrungsmittel- 
untersuchungen die Glycerinbestimmungen nunmehr seit etwa drei 
Jahren ausgeführt. Von der Mitteilung der analytischen Werte, 
welche bei der Untersuchung von Bieren und \Veinen nach meiner 
Methode erhalten wurden, glaube ich Abstand nehmen zu können, 
da die Mehrzahl der verwendeten Proben billige Handelsmarken, 
bezüglich Flaschenbiere waren. 

Ob bei der Bestimmung des Glycerins nach meiner Methode 
für die Beurteilung der Getränke ein anderes Verhältnis zwischen 
Alkohol und Glycerin, als das bisher übliche anzunehmen ist, läfst 
sich noch nicht sicher beurteilen. Im allgemeinen fallen die Werte 
für das Glycerin etwas niedriger aus, als nach der Reichsmethode. 
Es wird einer gröfseren Zahl von Untersuchungen notorisch reiner 
Weine der verschiedensten Herkunft, sowie regelrecht entnommener 
Fafsbierproben bedürfen, um über die letztberührte Frage ein end- 
gültiges Urteil abgeben zu köunen. 


Marburg a. L., im April 1895. 


Ueber die chemische Zusammensetzung von 


Pachyma Cocos und Mylitia lapidescens. 
Von E. Winterstein. 
(Aus dem agrikultur-chemischen Laboratorium des Polytechnikums 
in Zürich.) 
(Eingegangen d. 11. 6. 1895.) 

Pachyma Cocos ist schon der Gegenstand wiederholter Unter- 
suchungen seitens der Botaniker gewesen, doch herrschen noch in 
manchen Punkten Zweifel über die Natur dieser eigentümlichen, 
knollenförmigen Pilzbildung. Eine Arbeit neueren Datums verdanken 
wir Ed. Fischer.!) Derselbe gelangt auf Grund einer eingehen- 


1) Beiträge zur Kenntnis exotischer Pilze. Hedwigia 1891. Heft 2 
S. 61-79. 


E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 399 


den mikroskopischen Prüfung, die er mit Objekten verschiedener 
Herkunft angestellt hat, zur Ansicht, dass das Pachyma (Cocos eine 
einheitliche Pilzbildung, höchstwahrscheinlich ein Sclerotium darstelle, 
und dass es ein holzzerstörender Parasit sei. Die Resultate dieser 
Untersuchung stimmen mit der Ansicht von Fries,!) welcher sich 
auch Prillieux?) anschliesst, überein. Zu wesentlich anderen Ergeb- 
nissen gelangten Öurrey und Hanbury,?) dieselben halten die licht- 
brechenden Körper, welche die Hauptmasse der Innensubstanz bilden, 
für ein Umwandlungsprodukt der Holzelemente der Wurzeln, auf 
welchen der Pilz wuchert. 

Soweit ich die mir zugängliche Litteratur überblicken konnte, 
liegen nur unvollständige chemische Untersuchungen von Pachyma 
Cocos vor. 

Champignonf) hat wohl zuerst aus Pachyma Cocos eine in 
Wasser und Kupferoxydammoniak unlösliche Substanz isoliert, welche 
beim Behandeln mit Mineralsäuren eine die Fehling’sche Lösung 
reduzierende Substanz liefert; dieselbe ist mit dem Namen Pachy- 
mose?°) belegt worden und soll nach Pellet®) die Formel 
Co Hyg Os; besitzen. Eine Untersuchung über die quantitative Zu- 
sammensetzung von Pachyma ist von L. Keller”) ausgeführt 
worden. Nach S. Gore) soll Pectinsäure der Hauptbestand- 
teil der Pachyma Cocos sein. 

Von Herrn Prof. Ed. Schär in Strassburg auf die Wünsch- 
barkeit einer erneuten Untersuchung dieses Gegenstandes aufmerksam 
gemacht, habe ich zwei Proben von Pachyma Cocos verschiedener 
Herkunft und zugleich auch ein ähnliches Gebilde Mylıtta lapıdescens?) 

1) Vergl. die zitierte Arbeit von Ed. Fischer. 8. 64. 

2 Le Pachyma Cocos en france. Bulletin de la societ& botanique 
de France T. 36 1889 p. 433. 

3) Science papers by D. Hanbury, London 1876 p. 9. 

4) Husemann. Die Pflanzenstoffe Bd. I. p. 285. 

5) Ob die Bezeichnung von Champignon herrührt, habe ich aus 
den Litteraturangaben nicht ersehen können. 

6) Husemann. Die Pflanzenstoffe Bd. I. p. 285. 

?) Chemical examination of Füh. Ling. American Journal of 
Pharmacy 1876 p. 553-—558. 

8) Annual Report of the Board of the Smithsonian Institution 
for the year 1881 p. 687— 701. 

9) Eine kleine Probe von Pachyma Cocos, welche ich nur für die 
quantitative Untersuchung benutzte, wie eine solche von Mylitta 


lapidescens verdanke ich der Freundlichkeit des Herrn Prof. Dr. 
Hartwich in Zürich. 


400 E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 


untersucht. Da Kohlenhydrate die Hauptmenge der genannten 
Untersuchungsobjekte ausmachen, konnte ich, wegen Mangel an 
Material, die stickstoffhaltigen Substanzen nicht in genügenden 
Quantitäten isolieren, um dieselben einer eingehenden Untersuchung 
zu unterziehen. 


Im folgenden teile ich nun zunächst die Resultate mit, welche 
bei der qualitativen Untersuchung von Pachvma Cocos erhalten 
wurden. Eine grössere Quantität (ca. 500 g) des Untersuchungs- 
materials wurde mir in Gestalt einer grossen und mehrerer kleiner 
Knollen von Th. Schuchardt m Görlitz geliefert, dasselbe 
wurde zuvörderst in folgender Weise behandelt. Die Knollen wurden 
von der schwarzen, runzligen, dünnen Rinde befreit, dann mittels 
einer Reibe zerrieben und endlich aut einer Mühle fein gemahlen. 
Dieses Pulver verwendete ich sowohl für die qualitative, als auch 
quantitative Untersuchung. 


Zunächst stellte ich mir die von Champignon aufgefundene 
Pachymose dar und untersuchte die bei Hydrolyse derselben mit 
Schwefelsäure entstehenden Produkte. Ich verfuhr hierbei in folgen- 
der Weise. 100 g des in beschriebener Weise vorbereiteten Pulvers 
wurden, behufs Entfernung der Eiweilsstoffe, mit verdünntem (circa 
1/, proz.) Ammoniak in der Kälte behandelt, der Rückstand nach 
dem Auswaschen des Ammoniaks längere Zeit mit circa 1 1 kalter 
5 proz. Natronlauge digeriert, die alkalische Lösung vom Ungelösten 
durch Glaswolle abfiltriert und in das mit Wasser verdünnte Filtrat 
unter tüchtigem Umschütteln ) Kohlensäure eingeleitet; hierbei 
scheidet sich eine voluminöse, durchsichtige Gallerte aus; dieselbe 
sammelte ich auf einem Filter, wusch zuerst bis zum Verschwinden 
der alkalischen Reaktion mit Wasser und daun, um die Salze voll- 
ständig zu entfernen, mit sehr verdünnter Essigsäure aus; die vom 
Wasser durch Abpressen zwischen Fliesspapier möglichst befreite 
Masse wurde sodann unter absoluten Alkohol gebracht, schliefslich 
mit Aether behandelt und im Exsikkator über konzentrierter Schwetel- 
säure getrocknet. Aut diese Weise erhielt ich eine weilse, amorphe 
in Wasser, kalten verdünnten Säuren und konzentriertem Ammoniak 

1) Durch das Umschütteln vermeidet man die Ausscheidung von 


grossen Knollen, welche nach dem Trocknen hart werden und sehr 
schwer pulverisierbar sind. 


E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 401 


unlösliche Substanz, welche von konzentrierten Säuren und verdünnten 
fixen Alkalien allmählich gelöst wird. Aus der alkalischen Lösung 
wird die Pachymose durch verdünnte Säuren, Alkohol, Chlorcaleium, 
Chlorammonium und Magnesiumphosphat ausgefällt. Durch Be- 
handeln mit Schulze’schem oder Hoffmeister'schen Reagenz 
und darauffolgendem Behandeln mit verdünntem Ammoniak wird die 
Pachymose vollständig zerstört; von Jod oder Jod und Schwefel- 
säure wird sie gelb gefärbt. Ob die alkalische Lösung der Pachymose 
optisch aktiv ist vermochte ich nicht mit Sicherheit festzustellen, 
da eine 5proz. Lösung keine deutliche Ablenkung zeigt und 
Lösungen höherer Konzentration zu stark gefärbt sind, um sie 
untersuchen zu können. 


Die Inversion wurde in folgender Weise ausgeführt: 20g 
Pachymose rührte ich mit 30 cem cirka 70 proz. Schwefelsäure zu 
einem Brei an; nachdem die Masse sich verflüssigt hatte, verdünnte 
ich mit 1!/,1 Wasser und kochte die Flüssigkeit 21/, Sunden am 
Rückflufskühler; die noch warme Lösung wurde hierauf mit pulveri- 
siertem Barythydrat nahezu neutralisiert und vom ausgeschiedenen 
Baryumsulfat abfiltriert. Die tarblose, schwach saure Lösung 
dunstete ich bei gelinder Wärme zum Syrup ein, letzteren extrahierte 
ich mit heifsem Alkohol; die weingeistige Lösung wurde im Ex- 
sikkatorr der Verdunstung überlassen. Nach mehreren Tagen 
hatten sich warzenförmige Krystalle ausgeschieden, welche noch 
einmal aus Methylalkohol umkrystallisiert wurden. Das gewonnene 
Produkt stimmte in seinem Verhalten und seinen Eigenschaften mit 
Traubenzucker (d-Glukose) überein, wie aus folgendem zu ersehen 
ist. Eine wässerige Lösung der Krystalle, welche in 10 cm1g 
Trockensubstanz enthielt, drehte nach 24 stündigem Stehen im 
200 mm Rohr im Solsil-Ventzke’schen Apparat + 30,50; 
daraus berechnet sich (a)p = + 52,76%?) 5g der erhaltenen Krystalle 
wurden mit Salpetersäure vom spez. Gewicht 1,15 nach den Vor- 
schriften von Gans und Tollens°) oxydiert, das Reaktions- 


!) Das Drehungsvermögen war nach dem Auflösen höher, es war 
also Birotation vorhanden. 

2) Nach Tollens (Handbuch der Kohlenhydrate S. 45) beträgt 
das spezif. Drehungsvermögen reinen Traubenzuckers in 1U proz. Lösung 
für («)p = + 52,749. 

3) Ann. d. Chem. u. Pharm. 249, S. 218. 


402 E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 


gemisch mit Kaliumearbonat neutralisiert und das erhaltene Kalium- 
salz in das Silbersalz übergeführt. Die Silberbestimmung im letzteren 
gab folgendes Resultat: 0,1794 g Substanz gaben 0,0918 g Silber. 
Daraus berechnet sich ein Gehalt von 51,15 Proz. Ag. Diese Zahl 
stimmt gut auf zuckersaures Silber; dasselbe enthält 50,94 Proz. Ag. 
Die Glukose liefert also bei der Oxydation Zuckersäure. 


Ich prüfte nun ferner noch das Verhalten des umkrystallisierten 
Produktes gegen Hefe, und zwar nach der von Stone und 
Tollens1!) gegebenen Vorschrift. 0,1 g gaben 18,5 ccm Gas, 
während aus der gleichen Menge Traubenzucker unter gleichen Ver- 
suchsbedingungen 21 ccm erhalten wurden. Schliefslich wurde noch 
das Osazon durch Erhitzen der wässrigen Glukoselösung mit der an- 
gemessenen Menge essigsauren Phenylhydrazins dargestellt; das aus- 
geschiedene gelbe Produkt, nach dem Abfiltrieren, aus kochendem 
S0 proz. Weingeist umkrystallisiert. Dasselbe schmolz bei raschem 
Erhitzen bei 201°. 

Die im Vorigen mitgeteilten Versuchsergebnisse machen es 
zweifellos, dafs bei der Hydrolyse der Pachymose Trauben- 
zucker (d-Glukose) entstanden war. Die Prüfung auf andere 
Glukosen gab ein negatives Resultat. 


Nach diesem Befund schien es noch von Interesse, festzustellen, 
wie viel Glukose die Pachymose bei der Inversion liefert. 


Zu diesem Zweck wurden 2 g aschenfreier Trockensubstanz mit 
6 cem konzentr. Schwefelsäure gelöst; die Lösung auf 200 ccm auf- 
gefüllt und 100 cem dieser Flüssigkeit 6 Stunden lang am Rückflufs- 
kühler gekocht und nach dem Neutralisieren mit Natronlauge die 
Glukose nach Allihn bestimmt. Ich erhielt hierbei folgende Resultate: 
I. 20 cem gaben 0,3660 g Cu = 0,1934 g Dextrose. II. Die gleiche 
Menge Flüssigkeit gab 0,3680 g Cu = 0,1946 g Dextrose. Also 
gaben 100 Teile Pachymose nach sechsstündigem Kochen 97,00 Teile 
Glukose.2) 

Zur Ermittelung der Elementarzusammensetzung der Pachymose, 
verbrannte ich die bei 101—102° im Soxhlet’schen Trocken- 


schrank getrocknete Substanz im beiderseitig offenen Rohr mit 


1) Ann. d. Chem. u. Pharm. 249, S. 259. 

2) Nach den von mir ausgeführten Untersuchungen giebt die 
Baumwollen-Cellulose bei der Inversion 102,67 Proz. Glukose, andere 
in dieser Riehtung untersuchten Kohlenhydrate gaben weniger Glukose. 
Landwirtschaftliche Versuchsstation Bd. 41, p. 375—334. 


E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 403 


Kupferoxyd im Luft-, beziehungsweise Sauerstoffstrom. Ich erhielt 


folgende Resultate: 

1. 0,1300 g Substanz gaben 0,1960 g CO, und 0,0842 g H30. 
2. 0,2256 g Substanz gaben 0,3395 g CO, und 0,1420 g H,O. Aus 
diesen Daten berechnet sich folgender C- und H-Gehalt: 


Il; 2 Mittel 
C 411 41.04 41,07 
15 ae) 6,99 7,09 


Aus den im vorigen mitgeteilten Versuchsergebnissen ist er- 
sichtlich, dafs die Pachymose ein Anhydrid des Traubenzuckers ist; 
sie hat zweifellos Aehnlichkeit mit dem von mir früher beschriebenen 
Paradextran und Paraisodextran;t) von der gewöhnlichen 
Cellulose unterscheidet sie sich dadurch, dafs sie in verdünnten 
Laugen löslich ist und von Jod und Schwefelsäure gelb gefärbt wird. 

Aufser dem durch Lauge in Lösung zu bringenden Kohlen- 
hydrat, der Pachymose, findet sich in Pachyma Cocos ein anderes, 
in Wasser lösliches Kohlenhydrat vor, welches sich bei näherer 
Untersuchung als Traubenzucker erwies. Die Isolierung und Iden- 
tifizierung desselben geschah in folgender Weise. 300 g entfettetes 
Pulver von Pachyma wurden in einer geräumigen Schale mit Wasser 
angerührt und, um die Masse vollständig zu durchfeuchten, auf freier 
Flamme stark gekocht; die Lösung wurde vom Rückstand abfiltriert und 
das Filtrat vorsichtig zu Syrup eingedunstet; nach einiger Zeit 
schieden sich Krystalle aus, welche aus Methylalkohol umkrystallisiert 
wurden. Dieselben besalsen folgende Eigenschaften. Eine wässrige 
Lösung derselben, welche in 10 ccm 0,9280 g enthielt, drehte nach 
24stündigem Stehen im 200 mm Rohr + 27958. V. Daraus be- 
rechnet sich («a)p = + 50,30?) Bei der Gährung gab 0,1 g der 
Substanz 18 ccm Gas, reiner Traubenzucker lieferte unter gleichen 
Versuchsbedingungen 21 cbm. Das in bekannter Weise durch Er- 
hitzen mit essigsaurem Phenylhydrazin dargestellte Osazon schmolz 
bei 204%. Diese Resultate machen es zweifellos, dafs der durch 
Wasser in Lösung gegangene Zucker Dextrose (d-Glukose) war. 


1, Ber. d. Chem. Gesellsch. Bd. 26, S. 3098. Bd. 28, S. 774, 

2) Das spezifische Drehungsvermögen reiner Dextrosa beträgt 
für (a)p + 52,74%. Doch erhält man ganz. reine Dextrose erst nach 
wiederholtem Umkrystallisieren aus Methylalkohol. Wegen der ge- 
ringen Ausbeute an Substanz habe ich aber von einer wiederholten 
Krystallisation absehen müssen. 


404 E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 


Nach J. L. Keller!) enthält Pachyma Cocos nahezu 3 Proz. 
Gummi. 

Als ich einen wässrigen Auszug von Pachyma auf ein kleines 
Volumen eindunstete, schied sich eine weilse, amorphe, klebrige 
Masse aus; eine nähere Untersuchung dieser Substanz habe ich 
wegen der geringen Quantitäten derselben nicht ausgeführt. 


Das Vorhandensein stickstoffhaltiger Stoffe habe ich durch 
Verbrennen einer grölseren Quantität des Pulvers mit Schwefelsäure 
und Abdestillieren des gebildeten Ammoniaks mit Lauge nachweisen 
können; das Destillat gab mit Nessler’schem Reagens eine rot- 
braune Lösung, die Quantität des vorhandenen Stickstoffs war dem- 
nach eine geringe.) Ein wässriger Auszug, welchen ich aus circa 
10 g Material dargestellt hatte, war völlig stickstofffrei. Es dürfte 
also der Stickstoffgehalt auf die Anwesenheit von Proteinstoffen und 
einer dem Ühitin verwandten oder demselben nahestehenden Stoff 
zurückgeführt werden.?) Das letzteres in der That der Fall ist, be- 
weist folgender von mir ausgeführter Versuch. 20 g Pachyma wurden 
mit 80 g Natronhydrat eine Stunde auf 180° erhitzt, das Reaktions- 
produkt nach dem Erkalten mit Wasser verdünnt, der Rückstand 
gut ausgewaschen und dann mit Aether und Alkohol behandelt; 
derselbe war stickstoffhaltig, er löste sich zum Teil in verdünnter 
Salzsäure, diese Lösung gab auf Zusatz von konzentrierter Salz- 
säure eine schwache Trübung. 


1) loc. cit. 

2) Vergl. die Resultate der quant. Untersuchung. 

®2) Nach meinen Untersuchungen sind die aus verschiedenen 
Pilzen nach verschiedenen Methoden dargestellten Pilzcellulosepräparate 
stickstoffhaltig. (Der Stickstoffgehalt schwankte von 0,5— 3,89 Proz. 
Da der Gehalt an Stickstoff nicht auf die Anwesenheit von Protein- 
stoffen, Plastin oder Nuclein zurückzuführen ist und die Pilzcellulose- 
präparate bei der Spaltung mit Salzsäure die gleichen Spaltungsprodukte 
wie das Chitin — nämlich salzsaures Glukosamin und Essig- 
säure liefern, so scheint die Schlulsfolgerung berechtigt, dals die 
Membranen der Pilze einen mit dem Chitin entweder identischen 
oder demselben sehr nahestehenden Körper einschlielsen. Vergl. Ber. 
d. deutsch. chem. Gesellsch. Bd. 27, S. 3113 ebenda Bd. 28, S. 168; 
Bericht d. deutsch. botanischen Gesellsch. Bd. XI, S. 441; ebenda 
Bd. XIII S. 65. 


E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 405 


Extrahiert man Pachyma mit wasserfreiem Aether, so hinter- 
bleibt nach Verdunsten des Aethers eine geringe Menge einer 
weilsen, nahezu geruchlosen Substanz; die Chloroformlösung der- 
selben giebt mit Essigsäureanhydrid und Schwefelsäure eine schwache 
Grünfärbung; es scheint also, dafs der ätherische Auszug geringe 
Quantitäten von Cholesterin einschlols. Eine weitere Prüfung konnte 
wegen der geringen Ausbeute nicht vorgenommen werden. 

Nach den Ergebnissen der oben angeführten Versuche enthält 
Pachyma Cocos folgende Bestandteile: 

Pachymose, Traubenzucker, Gummi, Pilzcellulose, Proteinstoffe, 
Fett, Cholesterin. 

Der Aschengehalt des von mir untersuchten Materials ist 
aulserordentlich gering.!) Mit Hilfe der mikrochemischen Reaktionen 
konnte ich in der Asche die Anwesenheit von Kalium, Natrium, 
Calcium, Magnesium nachweisen; Phosphorsäure, Schwefelsäure 
und Salzsäure liefsen sich makrochemisch in der Asche nachweisen. 

Im Nachfolgenden beschreibe ich nun die bei der quantitativen 
Analyse von Pachyma Cocos und Mylıtta lapidescens angewendeten 
Methoden, und lasse dann am Ende die Resultate dieser Analyse 
folgen. 

Die Trockensubstanz und Asche wurde in bekannter Weise 
durch Trocknen einer abgewogenen Menge Substanz bei 102° im 
Soxhlet’schen Apparat bestimmt und der Rückstand verascht. 
Den Aetherextrakt bestimmte ich durch Extraktion einer grölseren 
Quantität des Pulvers mit wasserfreiem Aether im Soxhlet'’schen 
Apparat, Eindunsten der ätherischen Lösung und Wägen des einige 
Zeit bei 100° getrockneten Rückstandes. 

Um die Menge der Proteinstoffe und die Quantität der in den 
Membranen enthaltenen chitinähnlichen Substanz zu ermitteln, be- 
stimmte ich zunächst den Gesamtstickstoff nach Kjeldahl. Den 
Gehalt an chitinähnlicher Substanz ermittelte ich annähernd in 
folgender Weise: eine abgewogene Menge Substanz digerierte ich 
mit verdünnter (ca. 21/, Proz.) Natronlauge bei ca. 40° einige Zeit 
auf dem Wasserbade, entfernte die Lösung durch Dekantation vom 
Rückstand, wusch denselben auf dem Filter vollständig aus und 
bestimmte den Stickstoffgehalt dieses Rückstandes nach Kjeldahl. 


1) Vergl. die Resultate der quantitativen Analyse. 


406 E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 


Da die Proteinstoffe bei dieser Behandlung gelöst werden, so ist 
die Annahme, dafs der in dieser Weise gefundene Stickstoff auf die 
chitinähnliche Substanz entfällt, wohl berechtigt. Die Menge dieser 
Substanz berechnete ich aus dem Stickstoffgehalt durch Multiplikation 
mit dem Faktor 16,64.) Zieht man vom Gesamtstickstoff die Menge 
des auf Chitin entfallenden Stickstoffs ab, so erhält man den Protein- 
stickstoff; durch Multiplikation der gefundenen Zahl mit dem Faktor 
6,25 erhielt ich die Menge der Proteinstoffe. 

Den Gehalt an Cellulose (Rohfaser) ermittelte ich in folgender 
Weise: Abgewogene Mengen des Pulvers wurden 1, Stunde mit 
11/4 proz. Kalilauge und, nach dem Entfernen der Lauge durch 
Decantation, !/; Stunde mit 11/, proz. Schwefelsäure in der Wärme 
behandelt, der Rückstand auf ein gewogenes und getrocknetes Filter 
gebracht, vollständig durch Auswaschen von der Säure befreit und 
dann mit Alkohol und zuletzt mit Aether übergossen und getrocknet. 

Den Gehalt an Pachymose ermittelte ich wie folgt: Eine ab- 
gewogene Menge Substanz wurde mit kalter 21/, proz. Natronlauge 
übergossen und das Gemisch unter öfterem Umschütteln einige 
Stunden stehen gelassen, darauf wurde mit Wasser verdünnt und 
die alkalische Lösung zuerst durch Decantation und endlich durch 
Filtrieren vom Rückstand getrennt; die alkalische Lösung neutralisierte 
ich sodann mit verdünnter Salzsäure, brachte den Niederschlag auf 
ein Filter, wusch zunächst vollständig mit Wasser, sodann mit Alkohol 
und Aether aus, trocknete und wog. 

Die Menge des Traubenzuckers wurdein folgender Weise bestimmt: 
Eine abgewogene Menge Substanz wurde mit Wasser ausgekocht, 
die Lösung abfiltriert, der Rückstand auf dem Filter ausgewaschen, 
die vereinigten Flüssigkeiten wurden auf ein kleines Volumen ein- 
gedampft und die Glukose in der Lösung nach Allihn bestimmt, 

Im Folgenden gebe ich nun eine Zusammenstellung der bei 
der quantitativen Analyse gefundenen Zahlen?) : 

1) Diesen Factor habe ich unter Zuhilfenahme der von 
Schmiedeberg für das Chitin aufgestellten Formel C,; Hz, Na O;s 
berechnet. Arch. f. experim. Pathologie u. Pharmacologie, Bd. 28, 
S 385. Vergl.auch T. Araki, Zeitschrift f. physiol. Chem., Bd. 20, S. 501. 

2) Die erhaltenen Zahlen ergänzen sich nicht auf 100 Proz.; es 
ist dies wohl darauf zurückzuführen, dals Pachyma Cocos neben den 


aufgeführten Substanzen noch andere nicht bestiimmbare Stoffe in 
geringer Menge enthält. 


E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 407 


Pachyma Cocos TI, 


Proteinstoßi: ii. 49.5474, 2%. 002, 2225 50,56: Po; 
Chitinähnliche Substanz. . . . . 0,60 „ 
Aotheraxtrakt;. 2. 0... 20 Eigen 
AScHaWt?t 2 PRIV SE BREI NE 
WEaSser..i ı Aullklumie- Sinn sietslotsun: 5 
Draubenzucker 4... Isis. lnlene LAUNE 
Beiizeallaloner .. ..'.. 00,1% 72 Sean 
Pachymose . . . . - Da 
Eee Cocos II. 
Proteinstoffe . . . . uk ON Proz: 
Chitinähnliche RR le). ar 
SRRTHEFBZLTART Me. oem 07 lee Maae SATTE 1 
Ascher AUEN WR, Ur, DAERE 02587, 
Wasserisie. wi 50% De ZN 
Praubenancker., Sir sarse ach 2. SI 
BEnlzeelluloseas u FDA: 
BAcHymoSe, 4: =... main USE 
Mylıtta EEE 0) 
Proteinstoffe . . . z m222736#Broz: 
Chitinähnliche en Fe te 
Aetkerextrakb un: Ze, era PilNinE EOTONIE 
ABchHey, AN UNTER HSZRr Ener IE 
Missser tu steel 
„Palzeellulosetits ...n...5 25% 4 2804.E, 
Saceharoceolleide Zu 222 88, gs 


Vergleicht man die erhaltenen Resultate der quantitativen 
Analyse mit den zahlreichen Analysen anderer pflanzlicher Objekte 
so fällt zunächst der aufserordentlich geringe Gehalt an Asche und 
Proteinstoffen auf. Dieser geringe Gehalt an Proteinstoffen bedingt 
aber einen sehr geringen Gehalt an protoplasmatischer Substanz; es 
erscheint daher die schon von Currey und Hanbury ausge- 
sprochene Ansicht wohl nicht ganz unberechtigt, dafs das Pachyma 


1) Mylitta lapidescens enthält kein in verdünnter kalter Lauge 
lösliches Kohlenhydrat; erst nach längerem Digerieren mit warmer 
verdünnter Lauge habe ich aus genanntem Objekt eine schleimige 
Masse isolieren können, welche, soweit ich konstatieren konnte, zu 
denjenigen Kohlenhydraten gerechnet werden darf, welche Tollens 
mit dem Namen Saccharocolloide bezeichnet. Die Quantität 
dieser Substanz habe ich, nach Abzug der in der Pilzcellulose ent- 
haltenen chitinähnlichen Substanz aus der Differenz berechnet. 

Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bäs. 6. Heft. 97 


408 E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 


Cocos keine einheitliche Pilzbildung ist; es wäre denkbar, dafs die 
in so grolser Menge vorhandene Pachymose aus den Wurzeln des 
Substrats durch die Wucherung des Pilzes gebildet ist, wobei aller- 
dings eine tiefgreifende chemische Veränderung eingetreten sein muls. 

In einer in der Chemiker-Zeitung Bd. 15 S. 117 veröffent- 
lichten Untersuchung spricht sich Prof. Hartwich auf Grund 
der mikroskopischen Untersuchung von Pachyma Cocos folgender- 
malsen aus: „Das Vorkommen eines Pilzes in Fuh-ling (Pachyma 
Cocos) ist danach zweifellos, aber ebensowenig zweifelhaft erscheint es 
mir, dafs nicht der ganze Körper aus einem Pilze besteht, sondern 
dafs die Coniterenwurzel an seiner Bildung sehr wesentlich beteiligt 
ist, denn die braunen Stellen sind doch wohl Reste der Rinde und 
ebenso gehören die beschriebenen, an Tragantzellen erinnernden 
Zellen der Wurzel an. Wahrscheinlich sind die grofsen Körner, die 
in Kalilauge löslich sind, ebenfalls solche in Pachymose oder Pectose 
umgewandelten Zellen, worauf auch die in einigen beobachtete 
Höhlung schlielsen läfst. Man wird demnach die Fuh-ling vielleicht 
als eine durch einen Pilz erzeugte kolossale Wucherung der Coni- 
ferenwurzel bezeichnen können. Es sei schliefslich noch darauf hin- 
gewiesen, dals ein sehr reichliches Auftreten von Pectinstoffen 
bezw. Umwandlung von Cellulose in solche auch sonst beobachtet 
ist, so besteht der Tragant zum grolsen Teil aus Pectinsäure. Die 
jetzt von Herrn Prof. Hartwich ausgeführte mikroskopische 
Untersuchung eines Objektes von Pachyma Cocos, welches ich für 
meine Versuche verwendet habe, führten ihn zu gleichen Ergeb- 
nissen. Es stimmt also meine oben ausgesprochene, auf Grund 
chemischer Prüfung gewonnene Ansicht mit der Anschauung über- 
ein, die auf Grund mikroskopischer Untersuchung erhalten worden ist. 


Analytische Belege. 

Vorbemerkung. Das beim Verbrennen mit Schwetelsäure nach 
der Methode von Kjeldahl erhaltene Ammoniak wurde in ver- 
dünnter, titrierter Säure aufgefangen und der Ueberschufs an letzterer 
mit Ammoniak zurücktitriert. 

Pachyma Cocos 1. 

Gesamtstickstoff: a) 2 g Substanz gaben 0,00182 x N (= 1,3 cem 
1/,n Norm NH;,), b) 2 g Substanz gaben 0,00182 g N (= 1,3cem 
I/,ö Norm NH;3). 


E. Winterstein: Ueber Pachyma Cocos. 409 


Stickstoff in chitinähnlicher Substanz a) 5 g Substanz gaben 
0,00252 g N (= 1,8 ccm Y/,, Norm NH3,), b) 5 g Substanz gaben 0,0028 g 
N (= 2 ccm !/,, Norm NB;3). 


Aeth erextrakt 17,116 g gaben 0,06 g Extrakt, 

Asche 1 g Substanz gab 0,0006 g Asche, 

Wasser 1 „ 1 »4 0,1686%;, H20. 

Traubenzucker 2 g Substanz gaben 0,0542 g Cu = 0,028 g 
Dextrose. 

Pilzcellulose a) 2 g Substanz gaben 0,041 g Cellulose, 2) 2 g 
Substanz gaben 0,049 g Cellulose. 


Pachymose 1 g Substanz gab 0,7621 g Pachymose. 


Pachyma Cocos II. 


Gesamtstickstoff a) 1 g Substanz gab 0,0014g N (= 1 ccm 
I/ö Norm NH,), b) 1 g Sulstanz gab 0,00182 g N (= 1,3 ccm 
1/,) Norm NH,3). 

Stickstoff in chitinäh: licher Substanz 2 g Substanz gaben 
0,00126 g N (= 0,9 ccm Y/,, Norm NH;3). 

Aetherextrakt 10 g Substanz gaben 0,042 g Extrakt, 

Asche 1 „ gab 0,0025 „ Asche, 

Wasser 1 gr Substauz gab 0,1209 gr H,O, 

Pilzcellulose 1 g Substanz gab 0,0324 g Cellulose, 

Traubenzucker 1 g Substanz gab 0,0220 g Cu = 0,01132 g Dextrose. 


Myhita lapidescens. 


Gesamtstickstofft 1 g Substanz gab 0,0078 g N (= 2,7 ccm 
1/oö Norm NH,). 


Stickstoff in chitinähnlicher Substanz 2 g Substanz gaben 
0,0011 g N (= 0,8 ccm Y/,, Norm NH;3). 


Aetherextrakt 10 g Substanz gaben 0,010 g Extrakt, 


Asche I 5% = gab 0,0020 „ Asche, 
Wasser 7 2  , 00456 ; 420, 
Pilzcellulose  Enak B- n 0,0280 ,„ Cellulose. 


27% 


410 H. Beckurts: Ueber Angosturaalkaloide, 


Mitteilungen aus dem chem.-pharm. Laboratorium 
der technischen Hochschule in Braunschweig. 


Zur Kenntnis der Angosturaalkaloide. 
Von H. Beckurts. 
(2. Mitteilung.*) 
(Eingegangen den 13. VI. 1895.) 


I. Cusparin. 

Vor kurzem habe ich nachgewiesen, dafs in der Rinde von 
Cusparia trifoliata Engler (Galipea officinalis Hancock), der 
Angosturarinde, mindestens vier Alkaloide enthalten sind, welche 
mit den Namen: Cusparin, Cusparidin, Galipin und 
Galipidin bezeichnet sind. Diese Alkaloide sind in der Rinde 
zum gröfseren Teil im freien Zustande und nur zu einem kleineren 
Teile in Form von Salzen enthalten. Die Isolierung der im freien 
Zustande vorhandenen Alkaloide geschah durch Perkolation mit 
Aether. Dieselbe wurde diesmal auf meinen Wunsch bereitwilligst 
von Herrn E. Dieterich in Helfanberg im Aetherextrakteur aus- 
geführt, welchem ich für diese freundliche Unterstützung auch an 
dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank sage. Das nach dem 
Abdestillieren des Aethers vom ätherischen Auszuge verbleibende 
Extrakt aus 50 kg Angosturarinde wog 2,58 kg und bestand aus 
ätherischem Oel, Harz, Wachs und Alkaloide. Um aus dem grünlich- 
braun gefärbten Extrakt die Basen zu isolieren, wurde dasselbe in 
der doppelten Menge Aether gelöst, und die erhaltene ätherische 
Lösung mit der vielfachen Menge schwefelsäurehaltigen Wassers 
wiederholt ausgeschüttelt, wodurch eine durch Abscheidung eines 
grünlichgelben Salzes getrübte, tiefgelb gefärbte wässerige Lösung 
und eine braune, wesentlich das ätherische Oel enthaltende ätherische 
Schicht erhalten, wurde. Die trübe wässerige Lösung wurde von der 
ätherischen Schicht getrennt, und letztere noch so oft mit schwefel- 
säurehaltigem Wasser ausgeschüttelt, als dies noch gefärbt war. 
Darauf wurden die vereinigten, durch ausgeschiedenes schwefel- 
saures Alkaloid getrübten wässerigen Auszüge auf dem Wasserbade 


*) Vergl. Ueber die Bestandteile der Angostura- 
rinde von H. Beckurts und P. Nehring D. Zeitsch. 1892, 41. 


H, Beckurts: Ueber Angosturaalkaloide. 411 


unter Zusatz der erforderlichen Menge Wasser erwärmt, bis alles 
Salz in Lösung gegangen war. Von dem sich abscheidenden Harz 
und Wachs wurde filtriert, und dadurch die die spätere Krystallisation 
der Alkaloide erschwerenden Verunreinigungen beseitigt. Das aus 
den Filtraten beim Erkalten sich abscheidende Salz wurde abfiltriert, 
die Mutterlaugen wurden eingeengt, und das aus denselben auf diese 
Weise gewonnene Salz mit den erstausgeschiedenen vereinigt. Das 
Alkaloidsalzgemenge wurde durch oftmals wiederholtes Umkrystalli- 
sieren aus Wasser in ein tiefgelb gefärbtes und ein gelblich weilses, 
sowie ein fast rein weilses Salz zerlegt. Die letzten Anteile der 
Mutterlaugen konnten nicht zur Krystallisation gebracht werden, es 
schieden sich aus den concentrierten wässerigen Lösungen nur 
braun gefärbte Oele ab, die in mehr Wasser zu wenig gefärbten 
Flüssigkeiten löslich waren. Aus diesen Lösungen schied sich auf 
Zusatz überschüssiger starker Salzsäure in reichlicher Menge kry- 
stallinisches Hydrochlorid ab. Dieses wurde gesammelt, mit wenig 
Wasser gewaschen und mit Natronlauge zerlegt. Durch Aus- 
schütteln mit Aether wurde jetzt ein in glänzenden Blättchen 
krystallisierendes Alkaloid erhalten, welches nach dem Umkrystalli- 
sieren aus einer Mischung von Petroläther und Ligroin bei 111° 
schmolz und sich mit dem Galipidin als identisch erwies. 


Auch die in oben beschriebener Weise isolierten krystallinischen 
schwefelsauren Salze wurden mit Natronlauge zerlegt, und darauf 
durch Ausschütteln mit Aether die freigemachten Alkaloide dem 
Gemische entzogen. Von den ätherischen Lösungen wurde der 
Aether abdestilliert und der Rückstand aus einer Mischung von 
Petroläther und Ligroin umkrystallisiert. Nach sehr mühsamem Um- 
krystallisieren gelang es, die Alkaloidgemische in die vier Basen: 
Cusparin (Sm. 890), Cusparidin (Sm. 780), Galipin (Sm. 1150) und 
Galipidin (111° C. Sm.) zu zerlegen. Das 

Cusparin 

O2 HNO, 
läfst sich nur schwer von den begleitenden Basen vollständig be- 
freien. Sehr kleine Mengen Galipin haften selbst den glatt bei 89 
schmelzenden Anteilen des Basengemisches hartnäckig an und sind 
nur durch wiederholtes Umkrystallisieren aus einer Mischung von 
‚„ Ligroin-Petroläther in sehr verdünnter Lösung zu entfernen. Das 


412 H. Becekurts: Ueber Angosturaalkaloide. 


Cusparin ist als rein anzusehen, wenn es bei 89° schmilzt und mit 
Säuren vollkommen farblose Salze giebt. 

Aus verdünnten Lösungen in Petroläther-Ligroin krystallisiert 
das Cusparin in kompakten, warzenförmigen Gebilden. Aus kon- 
zentrierten Lösungen krystallisiert es in feinen, federartig oder stern- 
förmig vereinigten Nadeln. Dieselben sind in Alkohol, Aether, 
Chloroform, Aceton und Benzol sehr leicht löslich. Mit Säuren 
liefert das Cusparin in Wasser schwer lösliche farblose Salze. 

Konzentrierte reine Schwefelsäure löst das Alkaloid sofort mit 
schmutzigroter Farbe. Diese geht bald in Kirschrot über und 
gleicht dann der Färbung. welche Veratrin mit Schwefelsäure giebt. 

Rauchende Salpetersäure löst das Alkaloid mit gelber Farbe. 
Verdunstet man die Lösung zur Trockne und durchtränkt den Rück- 
stand mit alkoholischer Kalilauge, so färbt sich die Mischung orange. 

In Fröhde’s Reagens löst sich das Cusparin zunächst mit brauner 
Farbe, welche bald in eineviolette, blaugrüne und schliefslich in eine tief- 
blaueübergeht. Erwärmen beschleunigt die Bildung dertiefblauenLösung. 

Konzentriertes Fröhde’s Reagens löst Cusparin sogleich mit 
prachtvoll tiefblauer Farbe. 

In Titansäure enthaltender Schwefelsäure löst sich die Base mit 
rotbrauner, in Furfurol enthaltenderSchwefelsäure mit braunroter Farbe. 
Zusammensetzung. 

1. 0,1925 g lieferten im offenen Rohr mit Kupferoxyd unter Vor- 
legen reduzierter Kupferspiralen verbrannt 0,5365 g CO, und 
0,0934 g H,O, entsprechend 74,9 Proz. C und 5,3 Proz. H. 

2. 0,1655 g lieferten unter denselben Bedingungen 0,4501 g CO, 
und 0,0863g H,O, entsprechend 74,9 P:oz. C und 5,6 Proz. H. 

3. 0,2366 g lieferten unter denselben Bedingungen 0,6530 g CO, 
und 0,1186g H,O, entsprechend 75,2 Proz. C und 5,6 Proz. H. 

4. 0,4398 g gaben im Kohlensäurestrome mit Kupferoxyd unter 
Vorlegen von reduzierten Kupfersp'ralen verbrannt bei 753 mm 
Druck und bei 200 18 ccm N =4,7 Proz. 

5. 0,4588 g gaben unter denselben Bedingungen bei 754mm Druck 
und bei 20° C. 19 ccm N=4,7 Proz. 

Berechnet für 


die Formel: Gefunden: 

Ca, Hıg NO5 IE IHR III. 18% Wi. 
—= 74,8 74,9 74,9 75,2 _ — 

H= 5,9 5.3 5,6 5,56 — — 

N= 44 Hi = NT 47 

O = 14,9 — = _ — 


H. Beckurts: Ueber Angosturaalkaloide. 413 


Bei der Bestimmung der Oxmethylgruppen nach der 
Methode von Zeisel wurden die folgenden Werthe erhalten. 


a. 0,4055 g des über Schwefelsäure getrockneten Cusparins lieferten 
0,3075 g AgJ. 

b. 0,3545 g des über OOH WEIBLBABTE getrockneten Cusparins lieferten 
0,2685 g Ag). 
Bei dem Vorhandensein einer Oxymethylgruppe (OCH?®) müssten 


0,2968 g bzw. 0,2702 g Ag.J gebildet sein. 


Salze des Cusparins. 
Cusparinhydrochlorid. 
Cao Hıg NO, HCl + 3 H,O. 

Das in kaltem Wasser schwer lösliche Salz wird durch Zusatz 
von Salzsäure zu dem in heilsem Wasser suspendierten fein zer- 
riebenen Cusparin bis zur schwachsauren Reaktion und Kochen bis 
zu vollständiger Lösung und Umkrystallisieren des beim Erkalten 
ausgeschiedenen Reaktionsproduktes aus heilsem Wasser dargestellt. 

Farblose, bitter schmeckende, glänzende Nadeln, dieselben 
sind schwer in Wasser löslich und verlieren bei 100° ihr Krystall- 


wasser. 
Die Analyse des Salzes führte zu den folgenden Ergebnissen. 


Berechnet für Gefunden: 

die Formel O3, Hjg NO, HCI + 3H, O I II 

H,0 = 13,5 Proz. 13,1 — 

HCI=1W2 „ — 105. 
Cusparinhydrobromid. 


Oz, Hıs NO, .H Br. 

Das in analoger Weise wie das Hydrochlorid dargestellte Salz 
bildet lange, farblose, bitter schmeckende Nadeln, welche beim Er- 
hitzen auf 105° kein Krystallwasser verlieren. Die Analyse des in 
Wasser und Alkohol schwer löslichen Salzes führte zu dem folgenden 


Ergebnis. 
Berechnet für 
Ca, Hjg NO,.H. Br. Gefunden : 
H Br = 20,14 Proz. 20,7 Proz. 


Einwirkung vonBrom auf Cusparinhydrobromid. 


Die wässerige Lösung des Cusparinhydrobromids trübt sich 
auf Zusatz von überschüssigem Bromwasser unter Abscheidung eines 
gelben flockigen Niederschlages. 


414 H. Beckurts: Ueber Angosturaalkaloide. 


Derselbe bildet im trocknen Zustande ein hellgelbes, amorphes 
in kaltem Spiritus mit gelber Farbe lösliches Pulver. Dasselbe schmilzt 
ohne Zersetzung bei 171° und gab bei der Analyse die folgenden für 
die Zusammensetzung eines bromwasserstoffsauren Cusparindibromids 
Ca, Hıg NO; HBrBr, stimmenden Werte. 


0,3063 g der bei 70—80°C. getrockneten Substanz geben 0,3057 g 
Ag Br = 42,4 Proz. 


Berechnet für 
C50 H,g NO, H Br Br, Gefunden: 
Br = 42,64 Proz. 42,4 Proz. 

Aus der in mäfsiger Wärme bereiteten alkoholischen Lösung 
scheiden sich nach dem Erkalten harte, gelbe, prismatische Nadeln 
ab, welche bei 236° schmelzen. Die Zusammensetzung der noch 
näher zu untersuchenden Verbindung entspricht derjenigen eines 
Cusparindibromids. 


0,2592 gaben 0,2144 g Ag Br entsprechend 0,091234 g = 35,2 %/, Br. 
0,4102 gaben 0,3365 Ag Br entsprechend 0,14319g — 34,9), Br. 
Die Formel C?° H19 NO3. Br? verlangt 33,30), Br. 


Cusparinsulfat (Cy, H,g NO5): H, SO, + 7H3 0. 
Cusparin wurde fein zerrieben, in heiflsem Wasser suspendiert 
und genau mit verdünnter Schwefelsäure neutralisiert. Der beim 
Erkalten sich ausscheidende Krystallbri wurde abfiltriert, mit wenig 
Wasser gewaschen und aus heilsem Wasser umkrystallisiert. 
Weilse, prismatische, sehr bitter schmeckende harte Nadeln. 
Dieselben waren in Wasser schwer löslich und lieferten bei der 
Analyse die folgenden Werte. 


Gefunden: Berechnet für die Formel 
H3 O= 23,4 Proz. (Cry Hj9 NO,) 2 Ha so, + 7Ha, (0) 
H,S0, = 122 „ H,O = 23,6 Proz. 


H, SO, = 11,5 ” 
Cusparingoldchlorid C,H; NO;.HC1. Au Q];. 


Beim Vermischen einer wässerigen Lösung des Cusparin- 
hydrochlorids mit überschüssigem Goldchlorid schied sich das Gold- 
doppelsalz zunächst als hellbraunes, voluminöses, mikrokrystallinisches 
Pulver ab, welches in reinem Wasser so gut wie unlöslich war. 
Aus mit rauchender Salzsäure stark angesäuertem Alkohol konnte das- 
selbe umkrystallisiertt werden und wurde so das Cusparingoldchlorid 


H. Beckurts: Ueber Angosturaalkaloide. 415 


in Form feiner, gelbroter, glänzaender Nadeln erhalten. Dieselben 
waren wasserfrei und schmolzen bei 190°, 

Die Goldbestimmung des bei 100° getrockneten Doppelsalzes 
ergab die folgenden Werte. 


0,21 g des Salzes lieferten 0,063 g Au = 30,1 Proz. 
Gefunden: Berechnet: 
Au = 30,1 Proz. Au = 29,9 Proz. 


Cusparinplatinchlorid. 
(Cao Hjg NO, H Cl, PtC, +6 H,0. 


Durch Vermischen einer wässerigen Lösung des Cusparin- 
hydrochlorids mit überschüssiger Platinchloridlösung wurde das 
Platindoppelsalz als ein tief gelbes, aus mikrokrystallinischen Nadeln 
bestehendes voluminöses Pulver erhalten. 

Durch Umkrystallisieren desselben aus mit rauchender Salz- 
säure stark angesäuertem Alkohol wurde das Platindoppelsalz in 
gelben, glänzenden Nädelchen erhalten. Dieselben schmelzen bei 
179° und enthalten & Moleküle Krystallwasser. Bei der Analyse 
wurden die folgenden Werte erhalten. 

0,2128 g verloren bei 105° 0,0117 = 8,83 Proz. H,O, 

0,2011 desbei 1050 getrockneten Salzeslieferten 0,0377 g = 18,7%,Pt. 


Berechnet für die Formel 
(Co9 Hy NO; HC], Pt Cy, - 6 H,0 Gefunden: 


H,0. = 9,1 Proz. 8,836 Proz. 
Berechuet für die Formel 
(Ca) Hs NO, HC], Pt C], Gefunden: 
DEE 1887 EroZ 18,7 Proz. 


Einwirkung von Jodmethyl auf Cusparin. 
Cusparinmethyljodid 
Ca, Hıs NO,.. CH, J. 


Fein zerriebenes Cusparin wurde in einer Druckflasche mit 
überschüssigem Jodmethyl übergossen und sechs Stunden im 
kochenden Wasserbade erhitzt. Von dem Inhalt des Fläschchens 
wurde das überschüssige Jodmethyl durch Abdestillieren entfernt, 
und der zurückbleibende mit braunen Jodadditionsprodukten durch- 
setzte gelbe Krystallbrei aus heifsem Wasser, in welchem das 
Jodadditionsprodukt unlöslich war, umkrystallisiert. 


416 H. Beckurts: Ueber Ängosturaalkaloide. 


Das so gewonnene Cusparinmethyljodid bildet gelbe, glänzende 
Nadeln, welche sich am Lichte unter Einflufs der Luft bald dunkler 
färben, wasserfrei sind, intensiv bitter schmecken und bei 186° C. 
schmelzen. 

Die Analyse ergab die folgenden Werte: 

1. 0,249 g der bei 105° getrockneten Substanz gaben 0,129 g 
Jodsilber = 27,3 Proz. Jod. 
0,3518 g der bei 105° getrockneten Substanz gaben 
0,1554 g H,O und 0,6979 g CO, entsprechend 4,9 Proz. H 
und 54,1 Proz. C. 


ww 


Berechnet für die Formel Gefunden: 
Osg H;g NO; CH; J I. TE. 
GE —ZEHE2 — 54,1 Proz. 
ee. - > ie 
37,208 27,3 — 1 


Die Bildung dieses Additionsproduktes beweist den Charakter 
des Cusparins als tertiäre Base. 


Cusparinmethylchlorid 
C;0 Hıs NO, CH; Cl. 

Zur Darstellung dieser Verbindung wurden 3 g des Cusparin- 
methyljodids in heifsem Wasser gelöst, die heifse Lösung mit über- 
schüssigem, frisch gefälltem Chlorsilber versetzt und erwärmt. So- 
bald eine abfiltrierte Probe keine Jodreaktion mehr gab, wurde 
filtriert, und das zurückbleibende Jodsilber und Chlorsilber gut aus- 
gewaschen. Filtrat und Waschwasser wurden auf dem Wasserbade 
eingedampft, bis eine Krystallhaut erschien und die konzentrierte 
Lösung im Exsikkator erkalten gelassen. Das nach zwölf Stunden 
ausgeschiedene hellgelb gefärbte Chlorid wurde abfiltriert, mit wenig 
Wasser ausgewaschen und auf einer Thonplatte getrocknet. 

Das so erhaltene Cusparinmethylchlorid bildete in Wasser und 
Alkohol leicht lösliche eitronengelbe Nadeln. Dieselben sind wasser- 
rei und schmelzen bei 190°. 

Analyse. 
0,3820 g der bei 100° getrockneten Substanz gaben 0,1445 g Ag Cl 
— 9,36 Proz. Cl. 
Berechnet für 
Cy9g Hıg NO, . CH, Cl Gefunden: 
C1:=: 9,55 ‚Proz. Cl = 9,36 Proz. 


H. Beckurts: Ueber Angosturaalkaloide. 417 


Aus den Mutterlaugen der zuerst erhaltenen Krystalle schied 
sich auf Zusatz concentrierter Salzsäure ein dicker, gelber Krystall- 
brei aus. Da die Vermutung nahe lag, dafs derselbe ein Additions- 
produkt von Cusparinmethylchlorid und Salzsäure enthielt, so wurde 
derselbe abfiltriert, mit wenig Wasser gewaschen und zuerst auf einer 
Thonplatte, dann über Schwefelsäure getrocknet. 

0,4578 g dieses Körpers gaben bei der Analyse 

0,1752 g AgCl= 9,44%, Cl. 

Da die Verbindung C2° H!? NO®CH3Cl 9.45°/, Cl enthält, so 
fand die obige Annahme somit ihre Bestätigung nicht. 


Platindoppelsalz des Cusparinmethylchlorids. 
(C2 H19 NO®. CH3CI, PtCi%. 

Dasselbe wurde aus der wässerigen Lösung des Cusparinmethyl- 

chlorids durch Fällen mit Platinchloridlösung im Ueberschuss darge- 

stellt. Der sich ausscheidende gelbe flockige Niederschlag wurde 

abfiltriert und ausgewaschen und sodann aus stark salzsäurehaltigem 

Weingeist umkrystallisiert. 

Das so gewonnene Salz bildete goldgelbe, leichte glänzende 
Nadeln, welche bei 2100 schmelzen. 

Analyse. 
Berechnet: Gefunden: 

Pt—18,10%, Pt=18.0% 
Golddoppelsalz des Cusparin methylchlorids. 
C®H2 NOS:CH3Au CE. 

Der durch Vermischen wässeriger Lösungen des Cusparin- 
methylchlorids mit Goldchloridlösung erhaltene rotbraune voluminöse 
Niederschlag wurde aus stark Salzsäure enthaltenden Weingeist um- 
krystallisiert. Das so dargestellte Golddoppelsalz bildete rotbraune, 
wollige Nadeln, welche bei 152—153° schmelzen. 

Analyse. 
Berechnet: Gefunden: 
Au= 28.70, Au=28.90%/,. 
Cusparinwethylammoniumhydroxyd. 
(20. H2.N0?.CH3:OH. 

Cuspariummethyljodid wurde in so viel heissem Wasser gelöst, 
dass die auf etwa 500 abgekühlte wässerige Lösung noch nichts ab- 
schied, und zu derselben so viel feuchtes Silberoxyd gefügt, bis eine 


418 H. Beekurts: Ueber Angosturaalkaloide. 


abfiltrierte Probe keine Reaktion auf Jod mehr gab. Dann wurde 
von dem Silberoxyd und dem gebildeten Jodsilber filtriert, der Rück- 
stand auf dem Filter gut ausgewaschen und das Filtrat nebst Wasch- 
wasser bei mässiger Temperatur im Wasserbade auf einkleines Volumen 
eingedunstet. Die dann in den Essiccator überSchwefelsäure gebrachte 
Lösung trocknete allmählich vomRandeauszu einerviolettund schliesslich 
bräunlich getärbten Masse ein, aus welcher auch durch Behandlung 
mit Aceton, Spiritus oder Chloroform die Ammoniumbase nicht iso- 
liert werden konnte. Es wurden nur farblose, glänzende Blättchen 
erhalten, welche sich bei der näheren Untersuchung nicht als das 
gewünschte Cusparinmethylhydroxyd, sondern als Methyleusparin 
erwiesen. Dasselbe ist nach der Formel 
C® H1 (CH3) NO®+'Y H2 O 
zusammengesetzt und aus dem Cusparinmethylhydroxyd unter Ab- 
spaltung von Wasser gebildet: 
6% H23 NO° CH3 OH =H20 + 0% H% (CH3) NO! 

Die Krystalle schmolzen bei 190° und gaben bei der Analyse 
die folgenden Werte: 

0,3180 g der über Schwefelsäure getrockneten Substanz gaben 


0,1751.8 H,;0 und 0,8512 g CO, entsprechend 73,0 Proz. C und 
6,1 Proz. H. 


Berechnet für die Formel 


Ca = Se NO; + Y, H,O Gefunden: 
— 79,2 Proz. 73,0 Proz. 
= = 6,4 ”„ 6,1 E23} 
Methylcusparin. 


O2 His (CH) NO, + 1/7, H50. 

Das Cusparinmethyljodid zeigt ein analoges Verhalten, wie 
das Hydrastinäthyljodidd und -methyljodid, welche sich, wie E. 
Schmidt gezeigt hat, durch eine äquivalente Menge Kalihydrat 
unter Abscheidung von Jodkalium und Bildung neuer Basen, 
Methyl bezw. Aethylhydrastin zersetzen. 

Zur Darstellung des Methylcusparins wurden 5 g ÜCusparin- 
methyljodid in heilsem Wasser gelöst, und diese Lösung mit Normal- 
Kalilauge bis zur schwach alkalischen Reaktion versetzt. Dabei 
wurde die gelbe Lösung entfärbt und getrübt, die sich anfangs ölig, 
später pulvrig abscheidende Masse wurde gesammelt, mit Wasser 


H. Becekurts: Ueber Angosturaalkaloide, 419 


bis zum Verschwinden der alkalischen Reaktion im Waschwasser 
gewaschen und aus verdünntem Alkohol umkrystallisiert. 

Das Produkt bildete weilse, bei 190° schmelzende Nadeln, 
welche sich leicht in Alkohol, Essigäther und Aether, schwer in 
Wasser lösen. Aus Wasser krystallisiert es in weilsen perlmutter- 
glänzenden Blättchen. 

Die Bildung des Methylcusparins ist im Sinne der Gleichung: 
Cyo Hı9 NO, CH, J + NaOH = NaJ + H,O + C„H;s (CH,) NO, 
erfolgt. 

Die Analyse führte zu den folgenden Ergebnissen : 

1. 0,3877 g gaben bei der Verbrennung 1,0362 g CO, und 0,2129 g 
H,O entsprechend 72,9 Proz. C und 6,1 Proz. H. 

2. 0,2429 g gaben 0,6505 g CO, und 0,1355 g H,O entsprechend 
73,0 Proz. C und 6,2 Proz. H,O. 


Berechnet für die Formel 


C.9H;s (CH,) NO, + !/, H,O Gefunden: 
L; 2. 

C = 73,2 Proz. 72,9 73,0 

5 6,1 6,2 


Bromwasserstoffsaures Methylcusparin 
C’9, H,s (CH,)NO,.HBr + 10 H,O. 

Das Salz wird durch Neutralisation von Methyleusparin mit 
Bromwasserstoffsäure erhalten. Aus Wasser umkrystallisiert bildet 
es nicht schwer lösliche gelblichgrünliche, feine glänzende Blättchen. 

0,2204 g des lufttrockenen Salzes verloren bei 1050 0,069 g 
H;0 = 31,0 Proz. 

Die Formel O,, H,s (CH;) NO;,. HBr + 10 H,O verlangt 30,3 Proz. H,O. 

0,2222 g des bei 105° getrockneten Salzes gaben (0,0992 g 
Ag Br = 19,0 Proz. Br. 

Berechnet für die Formel 
C;0 Hıs (CH,) NO, HBr Gefunden: 
Br = 19,2 Proz. 19,0 Proz. 


Methylcusparinhydrochlorid 
C»H;s(CH,) NO,.HC1 + 2,5 H,O. 
Durch Neutralisation des Methyleusparins mit Salzsäure er- 


halten. 
Feine weifse Nadeln, welche in Wasser leicht löslich sind. 


Aus verdünnten wässerigen Lösungen bildet es harte, sternförmig 
vereinigte Nadeln. 


420 H. Beckurts: Ueber Angosturaalkaloide. 


1. 0,3508 g verloren bei 1020 0,039 g = 11,12 Proz. H,O. 

Die Formel Cy%, Hjg {CH;) NO,. HCl + 2,5 H,O verlangt 10,9 Proz. H,O. 

2. 0,2919 g des bei 102° getrockneten Salzes lieferten O,ll g 

AsCl — 9,31 Proz. Cl. 

Das durch Fällen der wässerigen Lösung des Hydrochlorids 
mit überschüssigem Platinchlorid und Umkrystallisieren des volumi- 
nösen gelblichweilsen Niederschlages aus salzsäurehaltigem Wein- 
geist erhaltene Methylcusparin platinchlorid, 

(Ca, Hy (CH,) NO, HCl, HC, 
bildet goldgelbe, glänzende Nadeln und Blättchen, die bei 210° 
schmelzen. 


Einwirkung von Jodmethyl auf Methylcusparin. 
Methylcusparinmethyljodid. 


Cyo Hıs (CH,) NO,. CH3 J. 


Um die Frage zu entscheiden, ob dem Methylcusparin der 
Charakter einer primären, sekundären oder tertiären Base zukommt, 
wurden 2 g des Methylcusparins in einer Druckflasche mit über- 
schüssigem Jodmethyl vier Stunden lang im Wasserbade erhitzt. 
Nach dieser Zeit wurde vom Inhalt des Fläschchens das überschüssige 
Jodmethyl abdestilliert, und die zurückbleibende gelbe krystallinische 
Masse aus heilsem Wasser umkrystallisiert. 

Es schied sich der gebildete Körper in feinen, gelben glänzenden 
Nadeln ab. Dieselben färben sich am Lichte dunkler, schmecken 
intensiv bitter, sind schwer in Wasser, leicht in Spiritus löslich. 
Der Schmelzpunkt der wassertreien Verbindung liegt bei 185°. 

Die Elementaranalyse der bei 100° getrockneten Substanz führte 
zu folgenden Zahlen: 


0,2542 g lieferten 0,5132 g CO, und 0,1110 g H,O entsprechend 
55,1 Proz. C und 4,9 Proz. H. 


Berechnet für die Formel Gefunden: 
Cy H;s (CH,) NO,.CH;. 
C = 55,3 Proz. C = 55,1 Proz. 
Wera Hs Ag 


Darnach ist das Methylcusparin analog dem Cusparin als eine 
tertiäre Base anzusehen, wenn gleich es auch hier nicht gelungen 
ist, die dem Methyleusparinmethyljodid entsprechende Ammoniumhase 
rein darzustellen. 


H Beckurts: DÜeber Angosturaalkalcide, 421 


Einwirkung von Jodäthyl auf Cusparin. 
Cusparinäthyljodid. 
Cu H,N0,.0, HJ. 


Zur Darstellung dieser Verbindung wurden 10 g fein zer- 
riebenes Cusparin mit überschüssigem Jodäthyl in einer Druck- 
flasche im Wasserbade während vier Stunden erhitzt. Der Ueber- 
schuls an Jodäthyl wurde abdestilliert, und das Reaktionsprodukt 
aus heilsem Wasser umkrystallisiert. 

Das auf diese Weise erhaltene und durch wiederholtes Um- 
krystallisieren aus Wasser gereinigte Cusparinäthyljodid bildet gelbe, 
glänzende Nadeln, welche schwer in heilsem Wasser mit gelber 
Farbe, fast gar nicht in kaltem Wasser, leicht in Weingeist löslich 
sind. Sie färbten sich an der Luft dunkler und schmolzen bei 
201°. Sie enthalten kein Krystallwasser. 

Analyse. 
0,2394 g des bei 1050 getrockneten Salzes gaben bei der Ver- 


brennung mit Bleichromat im Sauerstoffstrom 0,4823g CO, und 0,109 g 
H20 entsprechend 55 Proz. C und 5 Proz. H. 


Berechnet für die Formel: Gefunden: 
CH,3N0;C5H,J 
er 55.3/Ero2! 55,0 Proz. 
Hi —,33.0'Broz 5,0 Proz. 


Cusparinaethylchlorid. 
Ca, Hıs NO; C, H, Cl. 

Um Cusparinaethylchlorid darzustellen, wurden 2 g des Cusparin- 
aethyljodids in heilsem Wasser gelöst, die Lösung wurde mit über- 
schüssigem Chlorsilber versetzt und erwärmt, bis eine abfiltrierte Probe 
keine Jodreaktion mehr gab. Nun wurde filtriert, und das zurück- 
bleibende Chlor- und Jodsilber gut ausgewaschen. Filtrat und 
Waschwasser wurden auf ein kleines Volumen eingedampft. Die 
sich nun ausscheidenden Krystalle wurden gesammelt, mit wenig 
Wasser gewaschen und auf der Thonplatte an der Luft getrocknet. 

Das so gewonnene Cusparinaethylchlorid bildet citronengelbe, in 
Wasser und Alkohol leicht lösliche Nadeln, welche kein Krystall- 


wasser enthalten und bei 1560 schmelzen. 
Berechnet für die Formel: Gefunden: 
Ca, H;9g NO, C, H, Cl 
Cl= 9,2 Proz. 9,0 Proz. 


422 H. Beekurts: Ueber Angosturaalkaloide, 


Platindoppelsalz des Cusparinaethylcehlorids. 
(Cao Hıg NO; C, H, Cl), Pt Cl, 

Die bei der Darstellung des Cusparinaethylchlorids gewonnenen 
Mutterlaugen wurden mit überschüssiger Platinchloridlösung versetzt. 
Der entstandene voluminöse, hellgelbe Niederschlag wurde aus stark 
salzsäurehaltigem Weingeist umkrystallisiertt. Das so gewonnene 
Salz bildete goldgelbe, derbe, sternförmig vereinigte rhombische 
Prismen, welche bei 1780 schmelzen. 


Analyse. 
Berechnet für die Formel: Gefunden: 
(Ca9 Hıg NO; C, H, Cl), Pt Cl, 
Pt = 20.4 Proz. 20. 1 Proz. 


Cusparinaethylammoniumhydroxyd. 
Ca, Hıs NO, C, H, OH. 

2,3 g Cusparinaethyljodid wurden in viel heissem Wasser ge 
löst, die auf etwa 500 abgekühlte Lösung wurde mit so viel feuchtem 
Silberoxyd nach und nach versetzt, bis eine abfiltrierte Probe keine 
Reaction auf Jod mehr galı. Darauf wurde von dem Jodsilber und 
Silberoxyd abfiltriert, letztere gut ausgewaschen und Filtrat und 
Waschwasser bei niederer Temperatur auf dem Wasserbade auf 
ein kleines Volumen eingedampft. Hierbei schieden sich sehr volu- 
minöse, glänzende Krystallblättchen ab. Dieselben schmolzen be 
114—1150 C. und waren identisch mit dem Aethylcusparinhydrat 
C;0 Hıs (Ca H,) NO; H,0. Die von diesen abtiltrierte Flüssigkeit wurde 
in den Exsiccator über Schwefelsäure gestellt. Hier schieden sich 
eine geringe Menge farbloser harter rhombischer Prismen ab, dieselben 
schmolzen bei 190—1910 C. und dürften wohl Aethylcusparin 
repräsentieren, während die Hauptmenge der Flüssigkeit zu einer 
rotvioletten Masse eintrocknete. 

Aethylcusparin 
Co Hs (C> H,) NO;. 

Nachdem es sich gezeigt hatte, dafs Cusparinmethyljodid durch 
Einwirkung von 1 Aeg. Aetznatron unter Bildung von Methyleus- 
parin zersetzt wird, hatte es Interesse zu erfahren, ob das Cusparin- 
äthyljodid eine analoge Zersetzung unter Bildung von Methyleusparin 


erleidet. 


H. Becekurts: Ueber Fettuntersuchungen. 423 


Der Versuch hat gelehrt, dals auch Cusparinäthyljodid eine 
Zersetzung gemäls der Gleichung: 

Cy, H;9s NO; C,H, J + NaOH = NaJ + H,O + Cap Hıs (0, H,) NO, 
d. h. unter Bildung von Aethylcurparin erleidet. 3 g Cusparin- 
äthyljodid wurden in heilsem Wasser gelöst, und diese Lösung mit 
6,4 ccm Normal-Natronlauge bis zur eben alkalischen Reaktion ver- 
setzt. Die gelbe wässerige Lösung wurde entfärbt und gleichzeitig 
getrübt. Die in der Ruhe sich absetzende anfangs ölige, später 
pulverige Masse wurde abfiltriert, mit Wasser gewaschen und aus 
Spiritus umkrystallisiert. 


Das Produkt bestand aus weilsen, durchsichtigen, prismatischen 
Krystallen dieselben schmolzen bei 190—191° und gaben bei der 
Analyse die folgenden auf Aethyleusparin stimmenden Werte. 


Berechnet für die Formel; 


CH Hjs (Ca H,) NO, Gefunden ° 
Ce 2736 Ce 3 
H= 66 Ice — 23055 


(Fortsetzung folgt.) 


Ueber Fettuntersuchungen mit dem Refraktometer. 
Von H. Beckurts und H. Heiler. 


(Eingegangen den 13. VI. 1895.) 


Seitdem die lichtbrechenden Eigenschaft verschiedener Körper 
durch Einführung des aufserordentlich einfach eingerichteten und 
bequemzuhandhaben den Z ei [s ’schen Butterrefraktometer verhältnis- 
mässig leicht in der Analyse benutzt werden kann, ist dieselbe zur 
Prüfung der Butter und anderer Fette auf Reinheit mehrfach be- 
nutzt worden. — Wir verdanken Wollny, unter dessen Mit- 
wirkung der Apparat entstanden ist, ferner Mansfeld)!, Hetel- 
mann?) und Halenke?) Mitteilungen über die Erfahrungen, 


I) XII. Vers. Bayer. Vertreter der angew. Chemie 1893, 21. 
2) Pharm. Centraihalle 1894, 467. 
3) XIII. Vers. Bayer. Vertreter der angew. Chemie 1894, 44. 


Arch. d, Pharm. CCXXXIII. Bds. 6. Heft. 28 


424 H. Beckurts: Ueber Fettuntersuchungen. 


welche bei dem Gebrauche des Zei[s’schen Retractometers ge- 
macht sind. 

Der Umstand, dafs die bisher vorliegenden Angaben über die 
Bedeutung des Apparates noch vielfach abweichende sind, und es 
wünschenswert sein muls, möglichst zahlreiche Beobachtungen und 
Untersuchungen kennen zu lernen, ist die Veranlassung die nach- 
stehend aufgezeichneten Beobachtungen schon jetzt bekannt zu 


geben. 2 
Der Apparat besteht bekanntlich aus zwei durch Bajonett- 
verschluls zusammendrückbaren Prismen, zwischen welchen einige 
Tropfen des flüssigen oder geschmolzenen Fettes gebracht werden 
Umgeben sind die Prismen von einer Warmwasserheizvorrichtung 
deren Temperatur geregelt und an einem Thermometer abgelesen werden 
kann. Diese Warmwasserheizvorrichtung ist die charakteristische 
Eigentümlichkeit des Zei[s'schen Refraktometer, wodurch sich der- 
selbe von anderen früheren Instrumenten unterscheidet, und welche 
ermöglicht auch die Untersuchung fester Fette vornehmen zu können. 
Auf die Prismen gelangt durch einen Spiegel der Lichtstrahl und er- 
leidet hier je nach der Natur der Fette eine Ablenkung, wodurch die 
Grenzlinie der totalen Reflektion eine Verschiebung erieidet, welche 
an einer in 100 Teile geteilten Mikrometerscala durch ein Okular ab- 
gelesen und gleichzeitig die Beschaffenheit der Grenzlinie beobachtet 
werden kann, welche infolge der Konstruktion der Prismen je nach 
dem Dispensionsvermögen der Fette für Butter farblos, für Fetts mit 
grölserem Lichtbrechungsvermögen blau, für solche mit geringerem 
Brechungsvermögen rotgelb erscheint. Somit ist das Auftreten eines 
blauen Randes an sich schon geeignet, Margarine von Naturbutter zu 
unterscheiden, da erstere ein grölseres Lichtbrechungsvermögen wie 
Butter besitzt. 


Wir haben zunächst den Einflufs der Temperatur auf 
das Brechungsvermögen verschiedener fester und flüssiger Fette 
festgestellt und Untersuchungen über den Parallelismus zwischen 
Refractionund Gehaltan flüchtigen Säurenund zwischen 
Refraetion und Jodadditionsvermögen ausgeführt, 
deren Ergebnisse in dem Folgenden kurz mitgeteilt werden sollen. 


Von grösster Bedeutung ist der Einflufs der Temperatur auf 
die Ablenkung der verschiedenen Fette. Die Differenz der Re- 
fraction für reines Butterfett wird von Wollny, Mansfeld, 
Halenke u.a. für 19 Temperaturerhöhung auf 0,53, für Margarine 
auf 0,56 Scalenteile angegeben. 


H. Beckurts: Ueber Fettuntersuchungen. 425 


Nach unseren sehr zahlreichen Beobachtungen dürfte eine Ver- 
schiebung der Grenzlinie nach links bei einer Naturbutter durch- 
schnittiich um 0,54-0,58 Scalenteile stattfinden. Von kürzlich 
untersuchten 17 Butterproben zeigten nämlich nur zwei Proben eine 
Differenz von 0,52 Skalentheilen. Die Differenz war um so grösser, 
je höher die Reichert-Meifsel’sche Zahl war. So betrug z. B.: 


Die Verschiebung der Grenzlinie 
bei der Differenz von 5 zu 5°C. 
Skalenteile: 

2,6 27 

2,65 28,5 
75 29,59 
29,3 
6 29,4 
7 29,5 


und die Reichert-Meihsel’sche 
Zahl 


“ 
—1 


8 30,86 
85 31,6 
‚9 31,8 
9 31,8 
9 31,2 


Für Margarine fanden wir die Differenz für 1°C zu 
0,56 Skalenteile in Uebereinstimmung mit Wollny und abweichen- 
den Mansfeld u. Halenke, welche die Differenz nur zu 
0,52 Skalenteilen ermittelten. 


Das Aussehen der Grenzlinie wurde auch bei reiner Butter 
nicht immer farblos gefunden. Bei niederer Temperatur ist bei 
hochbrechenden Fetten die Grenzlinie bisweilen blau, so dafs 
das Auftreten einer blauen Grenzlinie nicht ohne weiteres auf 
Margarin hinweist. 


Drei Butterproben, welche bei 25° eine Refraktion von 52,7, 
52,8 und 53 Skalenteilen besalsen, zeigten eine blaue Grenzlinie, wie 
Margarine, bestanden aber nach Ausfall der chemischen Untersuchung 
aus reiner Naturbutter. 


Für Olivenöl, Sesamöl, Baumwollensamenöl, Erdnufsöl, Mandelöl, 
Aprikosenkernöl, Pfirsichkernöl, Sonnenblumensamenöl wurden die 
folgenden Ablenkungen und Differenzen für je 1° C. gefunden 
(s. Tabelle). 

28* 


426 H. Beekurts: Ueber Fettuntersuchungen. 
Olivenöl Sesamöl Baumwollen- Erdnuflsöl 
= samenöl 
8 
8 R 5 2 : 
SEE Differenz pt Differenz ah Difarenz: & Differenz 
=] für 19. für 19. für 19. für 10, 
fan lenk- | Spaten- |1e0E- | Skalen. |1OE- | Seaten- | RE | Sealen- 
ung.| "teile RE teile "Er teile re 
30 59,0 _ 65,6 65,0 _ 63,3 —— 
29 59,6 0.6 66,3 0,7 65,5 0,5 63,9 0,6 
23 | 6002| 06 | 8670| 07 66,1 06 I 6425| 086 
27 60,8 0,6 67,7 0,7 66,6 0,5 65,2 0,7 
26 61,4 0,6 68,3 0,6 67,2 0,6 65,9 0,7 
25 62,0 0,6 69,0 0,7 | 67,8 | 0,6 66,5 0,6 
% Mandelöl Aprikosenöl Pfirsichkernöl Sonnenblumen- 
3 samenöl 
E Differenz Differenz Differenz | Differenz 
& Ab- für 10 N) Ab- für 10 B für 10 
8 |lenk- | Skaten- |lenk-| Skaten. |1enk- | Skaten. |1RE- | Sralen- 
Uns teile Rn teile anB teile Lu teile 
30 62,2 — 62,6 — 63,11 _- | 69,5 — 
29 |627| 05 6332| 04 63,7| 086 7001 05 
28 63,2 0,5 63,8 0,6 64,3 0,6 70,5 0,5 
27 63,8 0,6 64,4 0,6 64,9 0,6 alsı! 0,6 
26 64,3 0,5 65 0,6 65,5 0,6 71,6 0,5 
25 64,8 0,5 65,6 0,6 | 66,1 0,6 72.2 0,6 


Mansteld (l. c.) fand für unzweifelhaft echte Butterproben 
eine mittlere Ablenkung von 51 Skalenteilen und die Schwankungen 
zwischen 49,6 und 52,4 bei 25%. Wir fanden: 
für reine Butterproben Ablenkungen bis zu 53 Skalentheilen, und 
zwar waren dies solche Butterproben, welche hohe Reichert-Meiss’sche 
Zahlen von 31.79, 31.85, 31.6 gaben. Auch Halenke (I. c.) fand 
einige wenige Butterproben, welche bei der Refraktion zwischen 
51.5—53 Skalenteile zeigen, die eine normale Reichert-Meiss’sche 
Zahl lieferten, doch erreicht keine dieser Butterproben die Refraktion 
von 53 Skalentheilen. 

Ein Parallelismus zwischen der Refraktion 
und Reichert-Meissl’scher Zahl wurde auch von uns 


H. Beckurts: Ueber Fettuntersuchungen. 427 


nicht beobachtet. Zwanzig von uns auf dem Markt zu verschiedenen 
Zeiten aufgekaufte Butterproben ergaben in dieser Beziehung die 
folgenden Werte: 


No. Refraktometerzahl Reichert-Meissl'sche 
bei 250 C. Zahl 
1 48.1 27 
2 48.8 30.86 
3 49.8 31.8 
4 49.9 30.42 
5 49.8 30.25 
6 49.9 29.59 
7 49.8 29.48 
8 49.6 30.26 
9 49.6 28.60 
10 50.0 30.36 
1l 50 30,8 
12 50,3 31,2 
13 51 26,0 
14 3155 27,0 
15 50,1 29,3 
16 50 29,4 
17 532.7 31,79 
18 52,8 31,85 
19 52,6 24,0 
20 53,0 31,6 


Die Refraction für Olivenöl wurde bei 25% C. zu 620 ge- 
funden. Die zur Verfälschung des Olivenöls dienenden Oele zeigten 
alle eine höhere Refraction, so dafs durch Zusatz solcher zu 
Olivenöl die Refraction erhöht wird. 


Es betrug die Rerraction bei 250 C. 


für SERBEABES. alt, So. 0000008 
„Baumwollssmenöh .,.. .. : .-.„.. 648 
„ (Brdamlinaben. -ı8 -ernermun. v2 
an. VERNEREUE ORT ER PT. ES EEE NEBEN SEITEN ESG 
„. Aprikasenkernölly 3X. 20412707 21656 
„’ PersphErraas ar Be. 20802 
su: Mir a a ee: Soda Bar 
„ Sonnenblamenskmmt in, 1, 8 722 


Die bei Untersuchung des Olivenöls und einiger seiner 
Verfälschungen beobachtete Ablenkung und gefundenen Jodzahlen 


428 H. Beckurts: Ueber Fettuntersuchungen. 


zeigen einen gewissen Parallelismus der Refraction mit dem 
Jodadditionsvermögen, indem die Refraction mit dem 
Jodadditionsvermögen steigt. Es wurden gefunden: 


Refraktion b. 250 C. Jodzahl. 


1: OBTEBSIN ET IB 83 
2. Mandel" 7. „=. "7648 98 
3. Pfirsichkernöl . . . 66.1 99.5 
4. Aprikosenkernöl . . 65.6 100.1 
5: Branulsole 2... P= 1 669 101 
6. Baumwollesamenöl . 67,8 103 
VRESCHEN te re ne 106 
8-Mahräl 25: 2 #22 92 133 
9. Sonnenblumensamenöl 72.2 134 


Analog verhielten sich einige feste Fette, es wurden nämlich 


gefunden: 
Refraction b. 40° C. Jodzahl. 


ISKokonoler. 7.2207 78335 9 
2. Palmkernöl”. . .. . 365 12.3 
3:3Butterge Em. u... 408 33 
4 Tale E Bean: 2 38 
5. Schweinefett . . . 50 53 
6. Margarine . . . . 504 59 


Giebt somit die Refraction in alle den untersuchten Fetten gleich 
der Jodzahl als ein Maas für den Gehalt an ungesättigten Fettsäuren 
ab, so trifft dies bei einem anderen Fette, dem Hirschtalg nicht 
zu, welcher fast das gleiche Refractionsvermögen, wie Rinder- und 
Hammeltalg zeigt, aber nur eine Jodzahl besitzt, welche halb so grols 
ist, wie diejenige des Rinder- und Hammeltalgs. 


Die Verwendbarkeit des Refractometers für Butter, Schmalz 
und Olivenöl steht für viele Fälle, peinlichste Berücksichtigung der 
Temperatur vorausgesetzt, aulser allem Zweifel. Abschliefsende 
Urteile über die Grenzen der Verwendbarkeit können aber erst auf 
Grund weiterer Untersuchungen, über welche demnächst berichtet 
werden soll, gefällt werden. 


H. Beckurts: Zur Kenntnis des Hirschtalgs. 429 


Zur Kenntnis des Hirschtalgs. 
Von H. Beckurts und F. Oelze. 
(Eingegaugen den 13. VI. 1895.) 

Vor kurzem hatten wir Gelegenheit, echtes Hirschtalg, welches 
uns durch die Herren Dr. Weppen und Lüders in Blanken- 
burg a. H. zugestellt war, zu untersuchen. Es wurde dabei ge- 
funden, dafs Hirschtalg von dem Rinder- und Hammeltalg 
in einigen seiner Eigenschaften wesentliche Verschiedenheiten zeigt, 
auf die bisher noch nicht aufmerksam gemacht ist. 


Zunächst liegen die Schmelzpunkte und Erstarrungs- 
punkte des Fettes und der Fettsäuren höher als bei Rinder- und 
Hammeltalg. 

Während nämlich Rindertalg nach unseren Untersuchungen 
bei 43 —44,50 schmilzt, bei 37% erstarrt, Hammeltalg bei 44 bis 
45,50 schmilzt und bei 32—36° erstarrt, liegt der Schmelzpunkt des 
Hirschtalges bei 49—49,5°, der Erstarrungspunkt bei 48°. 


Die aus dem Rindertalg abgeschiedenen Fettsäuren 
schmelzen nach unseren Beobachtungen bei 44,5—46°, diejenigen 
des Hammeltalgs bei 45—470, während die aus dem Hirschtalg ab- 
geschiedenen Fettsäuren erst bei 49,50 schmelzen. 

Der wesentlichste Unterschied liegt aber in der Höhe der 
Jodzahl. 

Die Jodzahl wurde für Rindertalg zu 40 (Hübl), 43,3 
bis 44 (Wilson), 35,4 —36,4 (Filsinger), 35,6—38,9 (Dieterich) er- 
mittelt, und fürrHammeltalg auf 45,2—-46,2 (Wilson), 34,8—37,7 
(Dieterich), 32,7 (Thörner) festgestellt. 

Wir fanden nach zahlreichen Untersuchungen die Jodzahl für 
Rindertalg im Durchschnitt = 38, diejenige des Hammeltalgs = 36. 
Auffallender Weise aber für Hirschtalg erheblich niedriger, 
nämlich zu 

7 Lu. HEN V. VI. 
19,8 20,7 20,57 20,8 21,0° 20,73 
Es ist dies ein Umstand, auf welchen hingewiesen zu werden 
verdient, und der durch Untersuchung der Fettsäuren des Hirsch- 
talges noch aufgeklärt werden soll. 


430 Dr. P. C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin. 


Im Zeiss’schen Refraktometer wurde zwischen den 
drei Talgsorten nur ein geringfügiger Unterschied bemerkt. Der 
Brechungsexponent betrug bei 40° für Rindertalg 45, für Hammel- 
talg 46 und für Hirschtalg 44,5 Skalenteille.e Es ist dies um so 
bemerkenswerter, weil nach Hefelmann *) ein Parallelismus 
zwischen Refraktion und Jodadditionsvermögen vorhanden ist, so 
dals wie die Hübl’sche Jodzahl auch die Refraktion der Fette ein 
Mafs für den Gehalt an ungesättigten Fettsäuren abgeben kann. 
Dies trifft nach unseren Untersuchungen an den Talgsorten nicht zu, 
welche bei annähernd gleicher Refraktion ein sehr verschiedenes 
Jodadditionsvermögen besitzen. 


Untersuchungen aus dem pharmaceutischen 
Laboratorium der Reichsuniversität zu Gröningen. 


Ueber das Vorkommen 


von Cytisin in verschiedenen Papilionaceae. 
Von Dr. P. C. Plugge. 
(Eingegangen den 19. Juni 1895). 


Untersuchungen der letzten Zeit haben gelehrt, dafs das Oytisin, 
aulser im Goldregen und in vielen anderen Arten des Geschlechtes 
Cytisus auch in einigen Arten der Geschlechter Genısia, Ulex, 
Sophora und Baptisia vorkommt. Es schien mir in mehr als einer 
Hinsicht interessant, die Untersuchung nach dem Vorkommen und 
der Verbreitung dieses Alkaloids in der Familie der Papilionaceae 
fortzusetzen. Von pharmacologischem und toxikologischem Interesse 
ist eine derartige Untersuchung, weil sie Licht verbreitet über die 
Ursache des einigen noch wenig bekannten Papilionaceae zuerkannten 
bedeutenden pharmacodynamischen Wertes resp. giftiger Wirkung. 
Wahrscheinlich ist sie auch in botanischer Hinsicht einigermalsen 
von Interesse. Wenn wir nämlich in Betracht ziehen, dafs, abgesehen 
von verschiedenen Ausnahmen, bestimmte Pflanzenstoffe, wie Alka- 
loide, Glukoside, ätherische Oele, Harze u. s. w., namentlich oder 


*) Pharm. Centralh. 1894, 467. 


Dr. P. C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin. 431 


sogar ausschlie(slich in Pflanzen einer bestimmten Familie sich vor- 
finden,’ fist es nicht zu leugnen, dafs bei Pflanzen mit überein- 
stimmenden morphologischen Kennzeichen auch bestimmte physiolo- 
gische Beziehungen vorhanden sind, oder dafs zwischen der Form 
der, !Pflanzen, welche ihre systematische Stellung oder Einteilung 
bestimmte, und dem Chemismus derselben irgend welcher Zusammen- 
hang bestehen muls. 


Dem Botaniker müssen wir es überlassen, auszumachen, ob 
innigerer morphologischer Verband nachweislich sei zwischen den 
Andromedotoxin-haltigen Ericaceae, wie: Andromeda, Ca/sandra, 
Aszalea, Rhododendron, Kalmia und Pieris einerseits und den Andro- 
medotoxin-freien Geschlechtern wie: Zrica, Calluna, Arbutus, Ledum, 
Gaultheria, Chimaphila und Clethra andererseits, ihm müssen wir die 
Antwort auf die Frage überlassen, ob die Ausnahme, welche das 
Andromedotoxin-freie Rhododendron hirsictum unter allen übrigen 
Andromedotoxin-haltigen Species dieses Geschlechtes macht, auch 
begleitet ist von bestimmten morphologischen oder anatomischen 
Abweichungen. So entsteht hier auch die Frage, stehen die vor- 
genannten Geschlechter der Papilionaceae, worin Cytisin gefunden 
ist, auch in systematischer Hinsicht sich nicht näher, als man blofs 
auf Grund morphologischer Kennzeichen angenommen hat? Mufs die 
Baptısia tinctoria R. Br. nicht mit grölserem Recht mit ihrem früheren 
Namen Sophora tinctoria L. bezeichnet werden? Weicht die gift- 
freie, glukosidbildende Sophora japonica Dec. (Styphnolobium) nicht 
mehr ab von den cytisinbildenden Arten, wie Sophora lomentosa 


S. speciosa ete., als diese untereinander und von den Baptısıa’s 
verschieden sind ? 


Die Thatsache, dafs die 7empletonia glauca Sims sehr giftig 
ist, während die 7empletonia retusa R. Br. (syn. Rafnia Vent.) fast 
nicht giftig ist, dafs weiter die Sophora japonıca vollkommen un- 
schuldig ist, während die Sophora secundiflora Lagasca (Vırgılia 
secundiflora Cav.) staık giftig wirkt, hat auch schon Cornevin:) 
zur Frage veranlafst: „pourquoi cette difference de venosite entre 
deux especes aussi voisines?“ Cornevin beantwortet diese Frage 
mit den Worten: „Je ne saurais, pour mon compte, apporter le 


1) L. Henry. Revue borticole Paris 1893. 402. 


432 Dr. P. C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin. 


moindre element & la solution de ce probleme, mais il m’a paru in- 
teressant de la signaler & l’attention des chercheurs.“ 

In der That ist die Antwort auf derartige Fragen, bei dem 
noch so mangelhaften Zustand unserer Kenntnis des Chemismus in 
der Pflanze, höchst schwer oder selbst noch unmöglich, doch es will 
mich bedünken, dals diese Fragen sich uns stets mehr aufnötigen 
und dafs die Untersuchung nach der Verbreitung charakteristischer 
chemischer Pflanzenbestandteile innerhalb einer bestimmten Pflanzen- 
familie eins der Mittel ist, zu einer eventuellen Beantwortung der- 
artiger Fragen kommen zu können. 

Diese Erwägung war einer der Gründe, infolge welcher ich 
mich zu einer fortgesetzten Untersuchung der Verbreitung des Cytisins 
in der Familie der Papilionaceae entschlofs. Bis jetzt wurden fol- 
gende Pflanzen untersucht: 


I® Sophora speciosa. Benth. 


Die Untersuchung dieser in Texas und Mexico vorkom- 
menden Giftpflanze, deren schön rote Samen unter dem Namen 
„poison beans“ bekannt sind, interessierte mich besonders, weil 
Wood gerade aus diesen Samen das Alkaloid bereitete, das er mit dem 
Namen Sophorin bezeichnete. Ich hatte nämlich bei einer früher 
mitgeteilten Untersuchung 1) der Samen von Sophora tomentosa L. 
gefunden, dafs diese Cytisin enthalten und, einstweilen annehmend, 
dals Sophora lomentosa und Sophora speciosa dasselbe Alkaloid, 
Wood’s Sophorin, enthalten sollten, kam ich zum Urteil, dafs „S o- 
phorin und Cytisinindentisch sind.“ 

Obgleich für diese vorausgesetzte Aehnlichkeit der Basen sehr 
viele Gründe anzuführen waren, so konnte dennoch das vorhin er 
wähnte Urteil erst dann als vollkommen berechtigt betrachtet werden, 
wenn nachgewiesen war, dafs auch das Alkaloid von Sophora spe- 
ciosa in der That Cytisin ist. 

Durch di6 freundliche Vermittlung der Herren Parke, Da- 
vis& Co. zu Detroit, Mich. U. S., denen ich dafür meinen 
herzlichen Dank abstatte, empfing ich eine geringe Quantität Samen 
von Sophora speciosa. Auf die früher, bei Sophorin, erwähnte Weise, 
nämlich durch Ausziehung einer Mischung des Pulvers der Samen 


1) P.C. Plugge. Archiv der Pharm. 1884. 444, 


Dr. P. C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin. 433 


und frisch gelöschten Kalks in einem Soxhlet’schen Apparat mit 
Chloroform, isolierte ich die giftige Basis, 

Sowohl aus der chemischen, als auch der toxikologischen Unter- 
suchung, welche ich zur Vermeidung von Wiederholungen hier nicht 
näher beschreiben werde, ergab sich, dals auch diese Basis Cytisin 
ist und deshalb das Urteil: „Sophorin und Cytisin sind 
identisch“ vollkommen berechtigt ist. 


Die quantitative Bestimmung des Alkaloidgehaltes zeigte, dafs 
diese Samen 3,23 pCt. Cytisin enthalten. Dieser hohe Cytisingehalt 
erklärt denn auch die grolse Giftigkeit dieser Pflanzen. 


Dujardin-Beaumetz und Egalse!) erwähnen, dafs 
eine halbe Bohne Delirien und darnach tiefen Schlaf verursucht, und 
dafs eine einzige Bohne genügen würde, einen Menschen zu töten. 
Eine einzige Bohne enthält 26,97 Mgrm. Cytisin, wie aus dem ge- 
fundenen Prozentgehalt Cytisin = 3,23 und dem durchschnittlichen 
Gewicht einer Bohne oder eines Samens = 0,835 g. berechnet 
werden kann. 


Da die Wirkung des Jnfus der Samen und die desCyti- 
sins völlig mit einander übereinstimmen, ist das Vorkommen eines 
zweiten Giftes in den Samen von Sophora speciosa nicht wahrscheinlich. 


20 Sophora secundiflora Lagasca (Virgilia secundıflora Cad.) 


Von dieser Pflanze gab The pharmacentical Journal 
1892/93, P. 264 folgende, dem Kew Bulletin LXIX, 216 ent- 
nommene Beschreibung: „The Sophora secundiflora is a 
small tree or shrub of Matagorda Bay, Texas and forms dense thik- 
kets on the borders of streams. Its wood is heavy, hard, close- 
grained, and of an orange colour, streaked with red. The leaves and 
seeds are said so produce tetanus in animals eating them, and a 
whole pod to be sufficient to killa man. The seeds which are 
stated to contain an exceedingly poisonous alkaloid, sophorin, are 
used by Indians in the neighbourhood of San Antonio to pro- 
duce intoxication, half a seed producing exhilaration, which is folle- 
wed by sleep lasting two or three days.“ 


l) Dujardin-Beaumetz und Egalse. Lesplantes medi- 
einales. P. 678. 


434 Dr. P.C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin. 


Eins bedeutende Quantität der Samen dieser Pflanze verdanke 
ich wiederum dem Wohlwollen der Herren Parke, Davisund Co. 
Die Trennung und die Untersuchung des Alkaloids geschahen auf 
die schon beschriebene Weise; dieselben bewiesen, dals auch dieses 
Alkaloid Cytisin ist. Die quantitative Bestimmung lehrte, dafs 
diese Samen 3,47 pCt. Cytisin enthalten, bezüglich bei einem durch- 
schnittlichen Gewicht von 0,795 für einen Samen, 27,58 Mgrm. pro 
Samen, der an Farbe und äufserer Erscheinung dem der Sophora 
speciosa vollkommen gleicht. 


Ob die zwei hier erwähnten Species in der That verschiedene 
Arten sind, oder ob unter S. specrosa und S. secundiflora ein und 
dieselbe Pflanze verstanden werden mufs, scheint mir nicht fest aus- 
gemacht. Von einer Identität dieser zwei Arten zeugen u. a. die 
vollkommen übereinstimmenden Angaben über die Gegend, wo sie 
wächst, den Habitus der Pflanze und die Giftigkeit der Samen, die, 
wie wir schon bemerkten, auch an Farbe, Form und Gröfse gänz- 
lich gleich sind. Auch hinsichtlich des feineren Baus stimmen diese 
Samen, wie mein Kollege Prof. Moll so freundlich war zu kon- 
statieren, vollständig überein. Da Prof. Moll von beiden Samen- 
arten einige aussäen liels, werden wir später wahrscheinlich die 
Gelegenheit haben, diese botanische Frage näher zu beleuchten. 


30 Sophora Japonica De. (Styphnolobium). 


Diese Pflanze, deren Blätter nach einigen Angaben pur- 
gierend wirken, und die nach Dr. Greshoffs „Eerste Ver- 
slag P. 27“, in ihrer Heimat wider Kolik und Diarrhoea angewandt 
wird, ist als nicht giftig bekannt. 


Ihre Blumen enthalten einen gelben Farbstoff: mai-fa der 
Chinesen. P. Foerster (Ber. 1882 P. 214) hat aus dieser Pflanze 
ein Glukosid erhalten, dem er den Namen Sophorin gab, und das 
sich bei Behandlung mit verdünnter Schwefelsäure in 57,56 Pzt. 
Isoduleit und 46,84 Pzt. Sophoretin spaltet. _ Letztge- 
nannter Stoff zeigt grolse Aehnlichkeit mit Quercetin, dennoch 
ist er damit, nach Foerster, nicht identisch, wie mit Unrecht 
von Stein (Journ. f. prakt. Chemie 58, 399; 85, 351; 88, 280) 
behauptet worden ist. 


Dr. P. C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin. 435 


Wie wir schon früher mitteilten, erwies sich, dafs die Samen 
dieser Pflanze kein Cytisin enthielten. 

Nunder Name Sophorin für das Alkaloid von Wood weg- 
fällt, kann also der Name für das Glukosid von Foerster er- 
halten bleiben.t) 

40 Sophora japonıca pendula. 


Die Samen dieser Pflanze lieferten uns kein Cytisin. 


50 Sophora affınıs. 


Es zeigte sich, dafs diese, ebenso wie die vorige, cytisinfreie, 
Samen enthielt. 
6. Sophora tomentosa. 
Die Untersuchung dieser Pflanze, die 2,065 Pzt. Cytisin in 
ihrem Samen enthielt, haben wir schon ausführlich beschrieben. 


Euchresta Horsfieldii Benn. 


Ueber diese zu den Leguminosae-Paptlionaceae, tribus Dal- 
bergicae gehörige Pflanze, und besonders über ihre schwarzen, ein- 
samigen Früchte, werden viele Einzelheiten von Dr. W.G.Boorsma 
in seinem neulich erschienenen: „Eerste resultaten van 
hetonderzoek naar deplantenstoffen van Neder- 
landsch-Indie.Batavia’s Gravenhage 1894.“ mitgeteilt 
Nach seiner Beschreibung besitzt man in diesen Früchten das hoch- 
gerühmte javanische Heilmittel, dem die Eingeborenen den Namen 
„Pränädjiwä“ d. bh. Trost der Seele gegeben haben, 
einen Namen, mit dem man aber auch die zur Familie der 
Sterculiaceen gehörigen Sterculia Javanıca R. Br. bezeichnet. 

Schon vor einiger Jahren wurde mir von einem aus Ost-Indien 
zurückgekehrten Offizier eine Quantität — der Angabe nach von. 
Euchresta Horsfieldii herkom mende — Samen zugeschickt, mit der 
Bitte, dieses unfehlbare Mittel gegen Phthisis zu untersuchen. 
Meine Untersuchung wies nach, dafs die Samen keine Alkaloid oder 


1) Nach neueren Untersuchungen von Ed. Schunck (Journ. 
chem. Fol. 1095, 1. 30—32) ist das GlucosidvonSophora Japonica, 
entgegen der Annahme Foersters, identisch mit den Rutin, dem 
Glucosid der Gartenraute. (Ber. 1895 Ref. 302). 

Der Name Sophorin kann also auch für das Glueosid weg- 
fallen. 


436 Dr. P.C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin. 


Glukosid enthielten, dafs sie so ziemlich geschmacklos waren 
und bei Versuchen an Tieren nicht die geringste Wirkung hervor- 
brachten. Ich antwortete dem Absender denn auch, dafs diese 
Samen vielleicht nach Art der Ervalenta oder Revalenta einige Be- 
deutung haben könnten, dafs die Untersuchung aber keinen einzigen 
Beweis für die angeblich heilkräftige Wirkung ermittelt habe. 


Die heute erschienene Mitteilung von Dr. Boorsma macht 
es nun höchst wahrscheinlich, dafs wir damals die unechten 
Pränädjiwä, die Samen der Sterculia javanıca zugeschickt 
worden sind. Jedenfalls stimmten sie nicht überein mit den mir 
jetzt von Boorsma zugeschickten echten Pränädjiwä, den 
Samen von Zuchiesta Horsfeldii. 

Letzterwähnte Samen, die einen bittern Geschmack haben, enthalten 
nach Boorsmamehrals 1,5 Pzt. Alkaloid, das er aus den von Fett 
befreitenSamendurch Ausziehung mit Spiritus Aufnahme des spirituosen 
Extrakts mit Wasser, Reinigung mit basischem Bleiacetat u. s. w., und 
schliefslichem Ausschütteln mit Chloroform isolierte. Die Beschreibung, 
welche Boorsma von diesem Euchresta-Alkaloid gab, lautet wie 
folgt: „Das Alkaloid ist in Wasser leicht löslich zu einer alkalischen 
Flüssigkeit. Der Geschmack ist widerlich bitter. Mit starken Säuren 
erhält man keine spezifischen Reaktionen; Salpetersäure: schwach 
gelb, Schwefelsäure und Salzsäure: schwach rotgelb, Schwefelsäure 
mit Kaliumbichromat oder mit molybd. Ammon.: nichts besonderes.“ 
Weiter erwähnt er noch das Verhalten dieser Basis gegenüber all- 
gemeinen Alkaloidreagentien, nebst einigen wenigen Versuchen an 
Kröten und Hühnern. Elementar-Analysen und Bestimmungen des 
Molekulargewichts wurden nicht ausgeführt, sodals die Art und Zu- 
sammensetzung dieses Alkaloids, dem der Verfasser denn auch keinen 
besonderen Namen gab, im Dunkeln blieben. Ein Teil dieses Alka- 
loids wurde mir von Dr. Boorsma zum Studium seiner physiolo- 
gischen Wirkung zugeschickt. Er bestand aus (11,62 g) einer grün- 
braun gefärbten alkoholischen Lösung, worin nach der Angabe ca. 
4 g Alkaloid enthalten war. Mit dieser Flüssigkeit führte ich fol- 
gende Untersuchung aus: 

1%. Durch Eindunstung und Erhitzung des trockenen Restes 
fand vollkommene Verbrennung statt: die Flüssigkeit enthielt des- 
halb keine anorganischen, unverbrennbaren Stoffe. 


Dr. P. C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin. 437 


2°, Ein wenig von der alkoholischen Lösung färbte, nach 
Verdünnung mit Wasser, Lackmus blau, liefs aber die Phenolphtalein- 
lösung unverändert (Kennzeichen von Alkaloiden). 


30, In verschiedenen Uhrgläsern wurden kleine Quantitäten 
der alkoholischen Flüssigkeit mit ein wenig Säure gemischt (HNO®, 
H? SO#, C2 H* O? oder H Cl und dann in einen Exsicator gesetzt. 
Bald zeigten sich schöne Krystallbündel eines Nitrats, feine Nadeln 
von Acetat und Salzsäureverbindung, während die mit Schwefelsäure 
vermischte Lösung amorph blieb. 


4%. Durch Vermischung der alkoholischen Flüssigkeit mit 
Chloroform präzipitierte sich allmälich ein wenig von einer weilsen 
krystallinischen Masse, jedoch zu wenig für eine nähere Unter- 
suchung. 

5%, Die Flüssigkeit, welche von dem sub 4° erwähnten Stoff 
durch Filtration befreit worden war, wurde nun auf dem Wasserbad 
verdunstet, der Rest wiederum in stark sauer gemachtem Wasser 
aufgenommen, durch Natronlauge alkalisch gemacht und nun mit 
Chloroform ausgeschüttelt. Mit dem Verdunstungsrückstande der so 
erhaltenen Lösung in Chloroform wurden folgende Versuche angestellt: 


a. konzent. Schwefelsäure färbt einen Rest schwach gelb. 


b. 5 ® und Kaliumbichromat: 
nichts Besonderes. 

c. ” - e molybd. Ammon: nichts 
Besonderes. 

d. = ® Er vanadins Ammon. 
nichts Besonderes. 

e. x a R Ceriumoxydul: färbt 


einen Rest vorübergehend 
schwach pfirsichblüterot. 
f. 3 E x Kaliumpermanganat 
giebt eine schön violettrote 
Farbe, die allmählich mehr 
violett bis blau wird. 
g- ri » - Ba (U H)2, KC103, K$ Fe? 
Cy!2, Rohbrzucker oder 
Furfurol geben nichts. 
h. Die Lösung in sauergemachtem Wasser wird präzipitiert durch die 
allgemeinen Alkaloid-Reagentien Jodjodkalium, Jodkalium- 
Jodquecksilber, Jodkalium-Jodwismut,Phosphor 
molybdänsäure, Phosphorwolframsäure u.s. w. 


438 Dr. P.C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin. 


i. Dittmar’s Reagens (Chlorjod) präzipitierte diese Lösung nicht. 

J- Konzent. Salpetersäure färbt einen Rest schwach gelb. 

k. Eisenchloridlösung färbt einen Rest blutrot. 

l. van de Moers Reagens (Fe? C1# + H?O? und danach NH3 und 
verdünnt H? SO%) gab mit diesem Euchresta-Alkaloid vollkommen 
gleichen Farbenwechsel, wie mit Cytisin. 

Die Löslichkeit des Alkaloids in Wasser, demzufolge die Nicht- 
fällbarkeit durch Alkalien, das negative Verhalten gegen Ditt- 
mar’s Reagens, die Rotfärbung mit Eisenchlorid und vor Allem 
das Verhalten gegen v.d. Moers’schen Reagens, deuten darauf, 
dafs das Euchresta-Alkaloid Cytisin ist. 


Wenn dies wirklich der Fall war, so mulste aber auch 
das Alkaloid des Goldregens — was früher nicht probiert war — 
mit konzent. Schwefelsäure und Kaliumpermanga- 
nat die oben beschriebene Farbereaktion geben. Bei Wieder- 
holung dieses Versuchs mit reinem Cytisin zeigte sich, dals dies in 
der That der Fall war, so dafs wir durch die Untersuchung des 
Euchresta-Alkaloids nun auch eine neue Reaktion auf Oytisin ge- 
funden hatten. 

m. Einige Versuche an Fröschen (Rana temporaria) lieterten 
Resultate, welche vollkommen übereinstimmten mit denen, welche wir 
bei Cytisin wahrgenommen hatten. 

Nachdem durch diese qualitativen chemischen und physiologischen 
Versuche mit grofser Wahrscheinlichkeit ermittelt war, dafs das 
Euchresta-Alkaloid Cytisin ist, werden jetzt auch einige quantitative 
Bestimmungen ausgeführt. Dazu wurde ein Teil der Lösung in 
Chloroform verdunstet, der Rest in Wasser, das durch Salzsäure 
sauer gemacht war, aufgenommen, die so erhaltene schwach saure 
Lösung in zwei Teile (I und II) geteilt und (IT) mit Goldchlorid und 
(II) Platinchlorid präzipitiert. Die so erhaltenen Gold- und Platin- 
doppelverbindungen wurden zu constantem Gewicht getrocknet und 
dann darin durch Verbrennung einer abgewogenen Quantität, der Gold- 
resp. Platingehalt bestimmt. Dabei erzielte ich folgende Resultate: 


I. Goldbestimmung. 
a. 0.250 g Golddoppelverbindung lieferte 0.091 g oder 36.40 Pzt. Au. 
BEUABSEZ" ", A c L 0.129 „ „’ SI@u ZUR 
während die Berechnung fordert für: 
CU H“UN2O. HAuCc# 37.11 „ „ 


Dr. P. C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin. 439 


I. Platinbestimmung. 
0.140 g Platindoppelverbindung lieferte 0.026 g oder 25.00 Pzt. Pt. 
während die Berechnung fordert für: 
(CH! H14 N2 O)2H2Pr Cl6 24.64 „ „ 

Auch die quantitativen Bestimmungen deuten entschieden auf 
Cytisin hin, und wir stehen daher auch auf Grund dieser Unter- 
suchungen nicht an, zu folgern, dafs das Alkaloid der Samen 
von Euchresta Horsfieldii Benn. Cytisin ist. 


Auf Grund der vorerwähnten Untersuchungen in Verbindung 
mit andern, hat sich bezüglich des Vorkommens von Cytisin in der 


Familie der Papilionaceae Folgendes herausgestellt. 
A. Cytisinhaltig sind: 

1. Cytisus LaburnumZL(Laburnum vulgare Grisebach), 
nachgewiesen von Husemann & Marm&, 

2. Cytisusalpinus Mill, 3. C.supinus Jacq., nachgewiesen 
von Husemann & Marm&, 

4. Cytisuselongatus W.u. K,5.C. Weldinii Vis, nach- 
gewiesen von Husemann & Marme&, 

6. Cytisus sessifoliusL,., 7.C. hirsutus ZL., nachgewiesen 
von Husemann & Marme, 

8 CytisusbiflorusL'her., 9. C. Alschingeri Vis, nachge- 
wiesen von Cornevin, 

10. CytisusnigricansL,11l. C.proliferus ZL.fil., nachge- 
wiesen von Cornevin, 

12. Cytisus Adami Poit., 13. C. ratisbonensis 3 minor 
Schäf. nachgewiesen von Radziwillowicz, 

14. Cytisus ratisbonensis Schäf. 15 C. polytrichus 
M. B., nachgewiesen von Radziwillowicz, 

16. Genistaracemosus Marnoch, 14.G. ramosissimus Ten, nach- 
gewiesen von van de Moer, 

18. Genista Spicatusl), nachgewiesen von van de Moer, 

19. Ulexeuropaeus_L. (Ulexin von Gerrard), nachge- 
wiesen von van de Moer, Partheil, 

20. Sophora speciosa (Sophorin von Wood), nachge- 
wiesen von Plugge, 

21. Sophoratomentosa,22.S.secundiflora Lagasca, nach- 
gewiesen von Plugge, 

23. Baptisia tinctoria R. Br. (Baptitoxin von 
v.Schroeder), nachgewiesen von Plugge, 


1, Die unter 16, 17 und 18 erwähnten Genista's werden auch 
wohl als Cytisus species erwähnt. 


Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 6. Heft. 29 


440 Dr. P. C. Plugge: Ueber das Vorkommen von Cytisin. 


N) 
rm 


Baptisia australis, nachgewiesen von Plugge, 
EuchrestaHorsfieldii Benn., nachgewiesen von Plugge. 


ID 
er 


B. Als Cytisinfreierwiesen sich: 


1. Cytisus nigricans!), nachgewiesen von Husemann& 

Marme6, 

Cytisussessilifolius_L,3.C.argenteus L. nachge- 

wiesen von Cornevin, 

Cytisus capitatus Jacq,, nachgewiesen von Cornevin, 

4. Genistatinctoria L,5. G. pilosa L., nachgewiesen von 
vandeMoer, 

6. Genistaanglical.,7.G.germanica, nachgewiesen von 
vandeMoer, 

8 SophorajaponicaDec,9. S.japonicapendula, nach- 
gewiesen von Plugge, 

9. Sophora affinis, nachgewiesen von Plugge. 


I) 


= 


Aus dem Mitgeteilten erhellt, dafs das Cytisin in vielen Pflanzen 
der Familie der Papilionaceae vorkommt. Namentlich das Faktum, 
dafs unter diesen Pflanzen einige vorkommen, die entweder in Nord- 
Amerika oder in Ost-Indien zu den wertvollsten Heilmitteln gerechnet 
werden, machte es unseres Erachtens erwünscht, die Aufmerksamkeit 
der Therapeuten auf das Oytisin zu lenken. 

Von der Sophora, dem „Pharmacum magnum“ sagt Dr. 
Greshoffin seinem mehr genannten „Eerste Verslag“: „Es giebt 
wenig indische Pflanzen, die als Arzneimittel sich einer so grolsen 
Berühmtheit erfreut haben als die Sophora.“ 

Dals die Zuchresta Horsfieldi Benn, die „Pränädjiwa“ oder 
„Trost der Seele“ nicht weniger hoch geschätzt sind, als die vorige 
Pflanze, kann man aus den „Mededeelingen“ von Dr. Boorsma 
erfahren. Dafs endlich die Baptısıa tincloria R. Br. noch in ver- 
schiedenen Formen in Amerika Anwendung findet, habe ich schon in 
einer vorigen Mitteilung erwähnt. 

Da nun einige der angeblichen therapeutischen Effekte dieser 
Pflanzen sehr wohl übereinstimmen mit den erzielten Resultaten der 
physiologischen Untersuchung über Cytisin, ist es meines Erachtens 
auch empfehlenswert, dieses nun leicht zu erhaltende Alkaloid noch 
einmal einer genauen therapeutischen Untersuchung zu unterwerfen. 
Den de Moer ermittelte in Uebereinstimmung mit 


Cornevin, also abweichend von Husemann & Marme, Cytisin 
in Oytisus nigricans. 


Dr. P. C. Plugge: Ueber Matrin. 441 


Wir beabsichtigen die Untersuchung über das Vorkommen und 
die Verbreitung von Cytisin in giftigen Papilionaceen fortzusetzen. 
Diejenigen, welche uns möglicherweise dazu (wenigstens 10 Gramm) 
Samen noch nicht untersuchter Papilionaceen zusenden können, würden 
uns dadurch zu besonderm Dank verpflichten. 


Matrin, das Alkaloid von Sophora angustifolia. 
Von Dr. P. C. Plugge. 
(Eingegangen den 6. VII. 1895.) 


Im Verfolg meiner vorigen Mitteilung über verschiedene Sophora- 
species möchte ich hier noch etwas über Sophora angustifohla mit- 
teilen. 

Die sehr bitter schmeckende Wurzel dieser Pflanze, welche 
in Chiva unter den Namen Kusham oder Kuisiu, in Japan 
unter den von Maiari bekannt ist, wird in den genannten Ländern 
als Heilmittel gebraucht. 

Zutolge einer kurzen Mitteilung vonDujardin-Beaumetz 
und E gasse wurde die Wurzel schon von Petit untersucht, der 
nach seiner Behauptung darin ein neues Alkaloid nachwies, mit 
welchem aber von ihm nicht weiter experimentiert ist. Um zu unter- 
suchen, ob das Alkaloid auch Sophorin (Cytisin) sein könnte, 
bemühte ich mich, die Wurzel oder auch den Samen aus Japan zu 
erhalten. Gerade als ich meine vorige Mitteilung über das Vor- 
kommen von Cytisin in verschiedenen Papilionaceen an die Redaktion 
dieses Archivs gesandt hatte, empfing ich Bericht aus Japan, dals 
dort Prof. Nagai sich mit der Untersuchung dieser Wurzel be- 
schäftigt und ein Alkaloid daraus abgeschieden hätte, welchem er 
den Namen: Matrin gab. 


Prof. Nagai hatte die grofse Freundlichkeit, wofür ich ihm 
meinen herzlichen Dank abstatte, mir ein wenig von dem gut 
krystallisierten Alkaloid, zusammen mit einer japanisch gedruckten 
Abhandlung über die Pflanzenbasis zuzusenden. Zu meinem grolsen 
Bedauern mufs der Inhalt dieser japanischen Abhandlung zum 
grölsten Teil ein Geheimnis für mich bleiben. Nur die zwischen 
dem Text vorkommenden Formeln konnten mich belehren, dafs das 

29* 


442 Dr. P.C. Plugge: Ueber Matrin. 


durch Prof. Nagai mit dem Namen Matrin bezeichnete Alkaloid 
bestimmt verschieden ist von dem Sophorin (Cytisin. NachNagai 
ist Matrin eine bei + 800 ©. schmelzende Basis von der Zusammen- 
setzung : O4; H3, Nz0 = 248, deren Gold- und Platindoppelverbindungen, 
gemäls der gelieferten Menge Au (33,39 Proz.) und Pt (29,85 Proz.) 
die folgende Zusammensetzungen haben: Cj; Hs, NsO,H AuCl, und 
C,; Hz, Ns0 , H, Pt C1e. %) 


Obgleich aus diesen und mehreren anderen Formeln in der 
Brochüre von Nagai schon deutlich hervorging, dafs Matrin 
und Cytisin von einander verschieden sind, habe ich doch das 
mir zugeschickte Matrin für einige vorläufige Versuche benutzt, wo- 
durch die Uebereinstimmung oder Verschiedenheit auch in den 
Eigenschaften und in der Wirkung dieses Alkaloids und des Oytisins 
konnte bewiesen werden. Ich fand dabei folgendes: 


Matrin ist leicht löslich in Wasser, zu einer alkalisch reagieren- 
den Solution, welche die Polarisationsebene nach rechts dreht. 
Die durch Salzsäure sauer gemachte Lösung wird von den ver- 
schiedenen allgemeinen Alkaloidreagentien und auch durch Brom- 
wasser, Quecksilberchlorid, Goldchlorid und gelbes Blutlaugensalz, 
zu vielfach schön krystallisierten Verbindungen präzipitiert. 


Von den zwei letztgenannten Verbindungen wurden grölsere 
Mengen bereitet, vollkommen abgewaschen, bei 110°C. zu konstantem 
Gewichte getrocknet und danach zu quantitativen Bestimmungen ver- 
wendet. 

0,3312 g Golddoppelverbindung lieferte bei Verbrennung 0,1117 g 
Rückstand, was auf einen Goldgehalt der Verbindung weist von 
33,12 Proz. 

Für die Formel: O,, Hs, N,O, H Au Cl, berechnen wir 33,44 Proz. Au. 

Durch Verbrennen des ferrocyanwasserstoffsauren Matrins er- 
hielten wir das folgende Resultat: 

0,714 g lieferte 0,115 g oder 16,1 Proz. Eisenoxyd. Für die 


Formel (C,; Hy, N50),H,FeCy;, berechnen wir 11,26 Proz. und für 
[077 H;, N;0, H, Fe Oy 11:31 Proz. Fe O5. 


1) Oyusin O4, H,4N50 = 190, hat ein Schmelzpunkt von 152 bis 
1530 C., bildet eine Golddoppelverbindung Cy, H4N;0,H AuCl, mit 
37.11 Proz. Au, und zwei Platindoppelverbindungen (C,, H,4 Na0), H, Pt Cl, 
und C,, Hı4 NO, Hz Pt Cl, mit 24,64 resp. 32,44 Proz. Pt. 


K. T. Hallström: Myristicaceen. 443 


Aus der Lösung des Matrins in absolatem Alkohol wird durch 
Salpetersäure kein Nitrat abgeschieden, wogegen ÖOytisin unter diesen 
Umständen beinahe vollkommen präzipitiert wird. 

Auch einige Versuche an Fröschen bewiesen, dafs die physio- 
logischen Wirkungen des Matrins und Cytisins verschieden 
sind, dafs in quantitativer Hinsicht, d. h. im Mafse der Giftigkeit, 
Cytisin weit über dem Matrin steht. 

Da Prof. Nagai die Güte hatte, mir mehr Material für eine 
vollständigere physiologische Untersuchung zuzusagen, so werde ich 
wahrscheinlich später darüber ausführlicher berichten. 

Jetzt war nur der Zweck dieser Untersuchung, festzustellen, ob 
Sophora angustifolia, ebenso wie viele andere Sophora-Spezies, 
Cytisin enthält. Der Beweis ist geliefert, dafs das Alkaloid aus der 
Wurzel von Kusham eine andere Basis ist. 


Arbeiten aus dem pharmazeutischen Institute der 
Universität Bern. 


Indische Fragmente 
Mitgeteilt von A. Tschirch. 


2. Vergleichend- anatomische Studien über 
die Samen der NMyristicaceen und ihre Arillen. 
Von K. Th. Hallström. 


(Eingegangen am 3. Mai 1895.) 


Schon seit langer Zeit ist der Muskatbaum als Heil- und Nutz- 
pflanze bekannt. Unsicher ist, ob die Römer die Muskatnüsse und die 
Macis kannten. Der mit Maecis ähnlich klingende Ausdruck Macin, 
. den Plinius.d.Ä, in seiner „historia naturalis“ erwähnt, bezeichnet 
„die dunkelgelbe oder rötliche stark riechende Rinde der grossen Wurzeln 
eines gleichnamigen Baumes, ua'yns des Dioscorides; er findet sich noch 
jetzt auf der Malabarküste und heilst dort „macre.“ VonMasu- 
dis Zeiten an (900-957 n. Ch.) kannten die Araber die Heimat der 
Muskatnu[ls und der Macis, welche erstgenannte als ein beliebtes 
Räuchermittel gebraucht wurde; und in Mesue des Jüngeren 
(gest.1057n.Ch.) Antidotarium medicaminum compositum 


1) Beren des, Die Pharmacie bei den alten Kulturvölkern II S. 42 


444 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


oder Grabaddin werden beide als Bestandteile der Electuarien er- 
wähnt.!) — Am Ende des 12. und im Anfang des 13. Jahrhunderts 
wendet man schon in Deutschland und im Norden die Muskatnüsse 
zu pbarmaceutischen und kosmetischen Zwecken an. Doch erst nach 
der Entdeckung des Seeweges nach Indien erhält man nähere Notizen 
über den Muskatbaum. Die traurige Rolle, die derselbe wie auch der 
Gewürznelkenbaum in den blutigen Grausamkeiten, den schreienden 
Ungerechtigkeiten und dem Vandalismus, die die ostindische Handels- 
compagnie an den Eingeborenen im 17. und 18. Jahrhundert aus- 
übte, gespielt hat, sind allzu bekannt, um hier näher erwähnt zu werden.2) 
Eigentlich erst von dieser Zeit an werden die Muskatnüsse und die 
Macis geschätzte Handelsartikel und kommen immer mehr in Gebrauch, 
sowohl als Arzneimittel als auch als Gewürze. Auch findet man sie 
nunmehr regelmälsig in Kräuterbüchern dieser Zeit erwähnt. 


Je nachdem die Kommunikationen zwischen Europa und Indien 
lebhafter und die Nachfrage nach den Produkten des Orients grösser 
wurden, musste selbstverständlich die Zufuhr von den nachgefragten 
Waaren vermehrt werden, um dem Bedürfnis zu entsprechen. Aller 
tyranischen Malsregeln ungeachtet, die den Muskatbaum wie auch 
den Gewürznelkenbaum auf ein kleines Gebiet zu beschränken beab- 
sichtigten, um eine strenge Kontrole zu Frommen des Monopolhandels 
ausüben und die Ueberproduktion und das darauf folgende Fallen der 
Preise verhindern zu können, sorgten einige Taubenarten, die die Ver- 
bote ungestraft übertreten durften, für die Verbreitung der Samen. In 
solcher Weise wurden die gewinngierigen Anstrengungen vernichtet 
und neue Muskatbäume wuchsen auf Inseln auf, wo man schon glaubte 
die Bäume ausgerottet zu haben. 


Auch die strengste Ueberwachung konnte nicht das Ueberbringen 
der Muskatbäume aus ihrer engbegrenzten Heimat, den Bandainseln 
und den südlich gelegenen Ceram, Damme und Nila nach fernen 
Ländern verhindern. So gelang es z. B. Poivre im Jahre 1769 
die Muskatpflanze nach Mauritius und Bourbon?) und nach den Antillen 
zu bringen, von wo sie sich nach Guyana) verbreitete. Während 
der englischen Okkupation der Molucken im Jahre 1795 wurden siv 
nach den englischen Besitzungen aufSumatra übergeführt. 1883 hatte man 
Plantagen aulserhalb der Molucken auf Java, Sumatra, Malacca, Penang, 
Singapore, Borneo und in Bengalen, dazunoch in Westindien, Guyana, 


l) Berendes,a.a.O. II.S, 144. — Vergleiche auch Flückiger, 
Pharmakognosie des Pflanzenreichs S. 137—140. 

2) Vergl. Semler Tropische Agrikultur 1886, vanGorkom, 
de ostindische Cultures 1884, Tschirch Indische Heil- und Nutz- 
Pflanzen 1892. 

3) Flückiger, Pharmakognosie S. 1040, 2 u. 3. 

4) Tschirch, Indische Heil- und Nutzpflanzen S. 106. 


K. T. Hallström: Myristicaceen. 445 


S.O.-Afrika, Reunion, Brasilien und Birma.) Auf den nördlichen 
Molucken, Ternate, Halmabeira und Batjan, wo der Muskatbaum noch 
in wildem Zustande anzutreffen ist, werden die Früchte von wild- 
wachsenden Bäumen gesammelt, sonst erhält man die Handels- 
ware aus Plantagen, von welchen die auf den Bandainseln die besten 
Produkte liefern. — Aulserhalb den Molucken ist die Muskatkultur 
ohne grölsere Bedeutung. 

In den ältesten Arbeiten, die über die Muskatnüsse 
geschrieben sind, werden diese fast ausschlielslich aus dem 
Gesichtspunkte des Handels erwähnt. Später aber, je mehr die 
Muskatnuls nicht nur als Gewürz geschätzt wurde, sondern auch als 
Droge eine weitere Verwendung fand, erschienen auch mehr oder weniger 
ausführliche Beschreibungen, in denen diese aus botanischen Gesichts- 
punkten betrachtet wurde, woueben alle ihre Eigenschaften und 
Wirkungen als Heilmittel eine möglichst eingehende Darstellung 
erfuhren. 

Obgleich alle diese Notizen hauptsächlich die noch heute wichtigste 
echte Muskatnul[s angehen, werden doch daneben auch andere Arten 
erwähnt. Die unvollständige Kenntnis der Stammpflanzen der 
verschiedenen Arten und ihrer Produkte verursachte schon früh 
Schwierigkeiten und Verwechselungen beim Unterscheiden der echten 
und unechten, als Gewürze und zu medizinischen Zwecken nicht verwend- 
baren Nüsse. Jenachdem neue Artenin den Handel gekommen sind, in 
dem gleichen Mafse ist auch die Gelegenheit zur Verwechselung der- 
selben gröfser geworden, und der Käufer ist gezwungen worden, Mittel 
und Wege zu suchen, um den richtigen Wert der Ware bestimmen 
zu können und sich so gegen Ankauf von absichtlich oder unab- 
sichtlich gefälsehter Ware zu schützen. 

Es ist nicht immer genügend den Wert der Handelsware auf 
Grund der äulseren Kennzeichen zu beurtheilen, sie muls in zweifel- 
haften Fällen einer eingreifenderen Untersuchung unterworfen werden. 
in der mikrochemischen und mikroskopischen Untersuchung hat 
der praktische Pharmazeut Hilfsmittel erhalten, mit welchen er 
im Standeist, auch schwerzu erkennendeVerfälschungen zu entdecken. Um 
diese Hülfsmittel benutzen zu können, ist aber eine genaue Kenntnis des 
anatomischen Baus nicht nur der echten Droge sondern auch ihrer 
Vertälschungen nötig. 

Von den vielen nutzbaren Früchten der Myristicaceen sind bis jetzt 
nur einige anatomisch näher untersucht, in erster Linie natürlich Myr. 
fragrans schon von Berg?). 

In seiner 1885 publizierten Dissertation beschreibt Alb. Voigt 
„den Bau und die Entwickelung des Samens und des Samenmantels von 


1) ebenda. 
2) Berg anatomischer Atlas der pharmaz. Warenkunde Taf. 48. 


446 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


Myr. fragrans Houtt. und 1880 hat J. Moeller!) eine genaue 
Beschreibung des Baues des Samens der Myr. offieinalis Mart. 
Myr. sebifera, Sw., Mur. tomentosa Thbg., und Myr. punctata 
Spruce gegeben. Fritz Müller beschrieb die Keimung der 
Bieuibaa) — Tschirch?) hat Myr. surinamensis beschrieben 
und den Nachweis geführt, dals die Inhaltskörper der 
Arillen von Myristica fragrans aus Amylodextrinstärke bestehen.3) Der- 
selbe hat dann auch die Keimungsgeschichte der Muskatnuls studirt.4) 
O0. Warburgs Arbeit „Ueber die nutzbaren Muskatnüsse“5) ist noch 
von Aufsätzen späterer Zeit zu nennen. Obgleich er nur im Vorbei- 
gehen die Anatomie einiger Muskatnüsse berührt, ist der Aufsatz zur 
Kenntnis derselben von grosser Bedeutung. Von Warburg, dem 
besten Kenner der Myristicaceen, erscheint demnächst eine Monogra- 
graphie der Familiee Warburg hat auch die nutzbaren von 
den keine Handelsbedeutung besitzenden getrennt. Als nutzbar sind 
jetzt zu nennen: Aufser Myristica fragrans. Myr. fatua, Myr. subalu- 
lata, Myr. malabarica, Virola surinamensis, V. sebifera, V. guatemalensis 
Y. Bicuhyba. In den letzten Jahren ist die Aufmerksamkeit hauptsäch- 
lich auf die Untersuchung der echten und der als Verfälschung be- 
nützten unechten Macis bes. der Bombay-Macis6), gerichtet gewesen. 


Die vorliegende Arbeit, die auf Veranlassung von Herrn Prof. 
Dr. Tschirch gemacht ist, will ein kleiner Beitrag zur Kenntnis der 
Reproduktionsorgane der Myristicaceen, namentlich mit Rücksicht 
auf die Samenschale und den Arillus, sein. 


Das Untersuchungsmaterial verdanke ich HerrnProf.Tschirch, 
der mir sowohl seine reiche Sammlung, die er teils selbst aus Java 
mitgebracht, teils aus den Sammlungen in Berlin, Wien und Graz 
zusammengebracht, als auch seine mikroskopischen Präparate und 
an Ort und Stelle gesammelten Beobachtungen zur Verfügung stellte. 


1) J. Moeller. Ueber Muscatnüsse. Pharm. Centralhalle 1880 
No. 51—53. 

13) F. Müller Berichte d. deutsch. bot. Ges. 1887. S. 465. 

2) Tschirch Archiv der Pharmacie 1887. S. 619. 

3) Tschirch, Berichte der deutsch. bot. Ges. 1888. S.138. vergl. 
auch Tageblatt der Strafsburger Naturforscherversammlung 1885. 
Seite 88. 

4 Tschirch Berichte der pharmazeut. Ges. 1894. S. 360. & 

5) Warburg Ber. d. pharmaz. Ges. 1892. S. 211. Dort auch die 
ältere Literatur. Vergl. auch die Abbildungen in G. E. Rumpfii 
Herbarium amboinense (1743). II Taf. IV und in Blume’s Rumphia 
(1835). Tat. 55—64. 

6) Die erste Notiz über diese Macis findet sich bei Tschirch 
Pharm. Zeit. 1881 No. 74, die spätere Litteratur siehe weiter unten, 


K. T. Hallström: Mypyristicaceen. 447 


Die etwa hundert Baumarten, die die Familieder Myristicaceae bilden 
gehören dem tropischen Asien und Amerika an. Nur einige Arten 
sind auf Madagascar und eine in Australien einheimisch. — Sie 
sind Bäumel), seltener Sträucher mit 2-zeiligen, kurz gestielten, ganz- 
randigen, ungeteilten, lederartigen, fiedernervigen Blättern ohne Neben- 
blätter oder Scheiden. — Die dioecischen Blüten sind einfach, ver- 
wachsenblättrig, dieklederartig, meist 3-lappig. Die Blütenstände ent- 
springen zuweilen etwas oberhalb der Achsel, sind selten endständig, 
die männlichen Blüten zu wenigblütigen, gestielten Trauben oder 
Trugdolden vereinigt, im Allgemeinen reicher verzweigt als die weib- 
lichen, deren Inflorescenzen oft einblütig, sehr selten 3-blütig sind. — 
Die Staubgefälse, 3—18, sind mit einander zu einer Säule verwachsen, 
die Antheren nach aussen in Längsspalten aufspringend.. — Der 
oberständige Stempel ist fast so lang als das Perigon. Der Frucht, 
knoten l-fächerig, mit einer grundständigen anatropen Samenknospe, 
Griffel sehr kurz mit schwach 2-lappiger Narbe. — Die Frucht ist etwa 
birnenförmig, wirl feischig und springt an Rücken- und Bauchlinie 
auf, wenn der hartschalige Same, von einem fleischigen, geteilten oder 
ungeteilten Arillus umgeben, sichtbar wird. 

Der Samenkern — die Muskatnuls des Handels — ist durch Ein- 
stülpungen der innersten Schicht der Samenschale und des Nucellus 
zerklüftet und hat ein marmorirtes Aussehen. Der Embryo liegt dicht 
am Nabel mit kurzem, dem Nabel zugekehrten Würzelchen uud zwei 
dünnen, becherartig zerschlitzten und krausrandigen Cotyledonar-. 
lappen.?) 

I. Anatomie der männlichen Blüte. 


a) Corolle. Die äulsere Epidermis ist von kleinen isodia- 
metrischen Zellen, bei denen die Aussenwand wie auch die Seiten- 
wände ungefähr in gleichem Mafse, die inneren Wände dagegen 
weniger verdickt sind, zusammengesetzt. Die Zwischenwände der 
subepidermalen Zellen sind auch etwas verdickt, übrigens gehen sie 
indasdünnwandige, die übrige Corollebiläendeparenchymatische Gewebe 
über. Die äus[ere Epidermis geht allmälich am inneren Rande des 
Perigons in die innere über. Diese besteht aus bedeutend grölseren 
Zellen, bei denen nur die Aufsenwände verdickt sind. (Fig. 1.) 
Nebst den meistens zarten Gefäfsbündeln (mit feinen Spiral- und 
Ringgefälsen) verlaufen in dem Parenchymgewebe in allen Richtungen 

1) Exemplare von Myristica fragrans sind abgebildetinTschirch 
Indische Heil- und Nutzpflanzen Taf. 63—65, 

2), Vergl. bes. Berg und Schmidt, Atlas und die Arbeit 


Tschirch's über die Keimungsgeschichte von Myristica fragrans 
Houtt. Ber. der pharmaz. Ges. 1894. 


448 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


milchröhrenartige Sekretbehälter, (Mi. Fig. 1) die teilsleer, teils mit homo- 
genem oder körnigem Inhalt gefüllt sind. Diese sind oft reich ver- 
zweigt, anastomosiren aber niemals. Der Inhalt dieser Sekretbehälter 
läfst sich mit Alkanna-Tinktur nicht färben; sie sind also keine echten 
Milchröhren 1). Chloroform, Alkohol und Aether lösen den Inhalt 
kaum. Hie und da kommen auch runde Oelzellen vor. Die Wände 
derSekretbehälter wie auch der Oelzellen sind gegen konc. Schwefel- 
säure resistent. — An der äulseren Seite des Perigons befinden sich 
Astrosclereiden einzeln oder gruppenweis vereinigt. (Fig. 1. scl.) Die 
Wände dieser Sclereiden sind nicht besonders dick, die Schichtung 
ist undeutlich, die Poren rund oder oval. — Der Inhalt der langen 
Sekretbehälter wie auch die Membranen des gesamten Gewebes, 
geben mit Fe, Ol, und K, Cr, OÖ, eine deutliche Gerbsäurereaktion. 


b)Stamina. Wie schon oben gesagt, sind die Staubgefälse unter 
sich zu einer mittelständigen, keulenförmigen Säule verwachsen. Im 
Querschnitt sieht man die zu jedem Filament gehörenden Ge- 
fäfsbündel — ich habe 8—10 gefunden — und innerhalb des Sieb- 
teils wie auch aulserhalb desselben findet man lange, verzweigte, nicht 
anastomosierende, milchröhrenartige Sekretbehälter wie in der Corolle 
(Fig. 2.) — Die Pollenkörner sind kugelig und mit einer Längsspalte 
versehen. 


c) Blütenstiel. Die Epidermiszellen sind in radialer Richtung 
etwas gestreckt, die Aufsenwände sind stark, die Zwischenwände 
weniger verdickt. Die Parenchymzellen sind in der Längsrichtung 
des Blütenstiels langgestreckt, an der Peripherie kleiner, nach innen 
gröfser, ziemlich dickwandig, lückenlos mit einander vereinigt, da- 
gegen in dem Mark mit Intercellularen versehen. (Fig. 3.) Die 
rings um das Mark gestellten Gefäfsbündel bestehen aus Ring- und 
Spiralgefäfsen. Auch hier findet man die langen Sekretbehälter wie 
auch in dem Parenchym Oelzellen mit körnigem Inhalt. Aufserhalb 
jedes Siebteils befindet sich eine Gruppe kollenchymatisch verdickter 
Zellen. Die Astrosclereiden kommen auch hier reichlich, in den 
peripherischen Teilen meist einzeln, in dem Mark gruppenweise vor 


i) Aehnliche Sekret führende Zellen, wenn auch kürzer und un’ 
verkorkt, findet man in der Rhiz. Curcumae und in Rhiz. Zingiberis, 
wo sie die Gefässe begleiten. (Vergl: Tschirch und Oesterle, 
Anat. Atlas S. 101 und 110.) 


K. T. Hallström: Myristicaceen. 449 


Sie sind mehr verdickt und deutlicher geschichtet, als die des Peri- 
gons und mit langen und stellenweise verzweigten Porenkanälen ver- 
sehen. — In der Epidermis und den nächstfolgenden Zelllagen sind 
viel Calciumoxalat-Krystalle zu finden. Sie sind von verschiedener 
Form; auch kommen Drusen, die grölser sind, als die übrigen, vor, 


I. Anatomie der weiblichen Blüte. 


a) Corolle. Ist in allen Teilen mit der Anatomie der Corolle 
der männlichen Blüte übereinstimmend. 


b) Gynaeceum. 

Der Fruchtknoten enthält ein einziges, beinahe basal inseriertes 
anatropes Ovulum, das am Chalazaende etwas zugespitzt ist. In 
einer geschlossenen Blüte zeigt das Ovulum folgendes Aussehen. 
Die beiden Integumente sind ungefähr 'gleich dick. Das äufsere 
Integument, dessen Insertion sich dicht an der Chalaza befindet, 
umschliefst das Ovulum völlig und liegt locker dem innern Integu- 
ment resp. demNucellus an. Die Insertion des inneren Integumentes befin- 
det sich dagegen in halber Höhe zwischen Chalaza und Mikropyle. 
Von der kegelförmig zugespitzten Nucellusspitze abgesehen, ist das 
innere Integument mit dem Nucellus verwachsen. Weil die 
beiden Integumente in gleicher Höhe abschlielsen, ist die Mikro- 
pyle nur von dem inneren Integumente gebildet. Das äufsere Inte- 
gument ist an der Rapheseite mit dem Funiculus nicht bis zum 
Exostom verwachsen, sondern umfalst das Endostom frei. Der Em- 
bryosack ist in dem Nucellusoberteil gelegen und schliefst nach unten 
in der Höhe der Insertion des inneren Integumentes ab. Das ihn 
seitwärts und aufwärts umgebende Gewebe ist ungefähr ebenso dick wie 
das innere Integument. — Das Embryosack ist ringsum von Dauer- 
gewebe umgeben. Der Nucellusunterteil, von Chalaza an bis unter- 
halb der Insertion des inneren Integumentes, besteht, mit Ausnahme 
von einer Dauergewebsschicht aufsen, die ungefähr die Stärke des 
inneren Integumentes hat, aus Meristem. Dieses findst sich auch, 
in Verbindung mit dem Meristem des Nucellusunterteils stehend, sowohl 
an der Innenseite des inneren Integumentes als auch an der Aussen- 
seite des Nucellusoberteils in Form einer dünnen sich schnell aus- 
keilenden Schicht. An der Chalaza geht das Meristem allmählich in 
das Raphegefäfsbündel über. — Das unverzweigte Raphebündel be- 


450 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


steht aus ganz jungen Gefäfsen und ist von milchröhrenartigen 
Sekretbehältern mit braunem Inhalt begleitet. 


II. Entwickelungsgeschichte der Früchte und 
Samen von Myristica fragrans Houtt. 


Voigt hat schon eingehend die Entwickelung der Samen der 
Myristica fragrans Houtt. untersucht und beschrieben.!) Obgleich 
meine Beobachtungen im ganzen mit den seinigen übereinstimmen, 
werde ich doch eine kurze Uebersicht von meinen Untersuchungen 
geben, besonders weil es dadurch leichter wird, den Bau der Samen- 
schale dieser Art zu verstehen. Denn mit dieser bis jetzt am ge- 
nauesten untersuchten Art sollen in dieser Arbeit die neu unter- 
suchten Arten verglichen werden. 


Wenn wir aus dem unter „Gynaeceum“ beschriebenen Ent- 
wickelungsstadium ausgehen und den Zuwachs des Samens und die 
davon abhängende Verwandlung der verschiedenen Teile desselben 
verfolgen, finden wir, wie im gleichen Mafse mit dem Zuwachs des 
Nucellus der Funiculus und die Integumente mehr und mehr gegen 
den Nucellus zurücktreten. Der Nucellusoberteil und das innere 
Integument wachsen mehr in der Quer- als in der Längsrichtung, 
so dals die kegelförmig zugespitzte Nucellusspitze stumpfer, später, 
einer Anschwellung des inneren Integumentes entsprechend, etwas 
eingeschnürt wird. Der Nucellusunterteil dagegen wächst in allen 
Richtungen ziemlich stark, mehr in der Längs- als in der Querrichtung. 
Der Nucellusoberteil ist dadurch im reifen Samen auf ein äulserst kleines 
Gebiet an seiner Spitze beschränkt. — Dieses ist an einem Ovulum 
von etwa 1,5—2,0 mm Durchmesser sehr auffällig bemerkbar. 


Der Embryosack resorbiert die ihm benachbarten Zellen und 
wächst, dem Zuwachs des Nucellus folgend, in den verschiedenen 
Richtungen ungleich stark. „An der Spitze des Nucellusoberteils 
findet die Resorption der Zellen zwar äulserst langsam, doch stetig 
statt, und es wird daher, da hier kein Meristem für die Ersetzung 
der resorbierten Zellen sorgt, das den Embryosack vom inneren 

l) Alb. Voigt: DÜUeber den Bau und die Entwicke- 
lung des Samens und des Samenmantels von Myr. fragrans, und 
Alb. Voigt: Untersuchung über Bau u. Entw. von Samen mit 


ruminiertem Endosperm a. d. Fam. der Palmen, Myristicaceen u. 
Anonaceen. Annal. d. Jardin de Buitenzorg 1837, VII, S. 151. 


K. T. Hallström: Myristicaceen. 451 


Integumente trennende Gewebe, bis auf geringe, fast unkenntliche 
Reste aufgezehrt. Weiter abwärts im Nucellus-Oberteil sowohl, als 
auch im ganzen Nucellusunterteil, wird das Gewebe nicht vermin- 
dert, sondern beträchtlich vermehrt, indem die Meristem-Schicht 
nach aufsen und nach innen stets neues Dauergewebe erzeugt. Das 
nach aufsen abgegebene bleibt erhalten, während das andere successiv 
vom wachsenden Embryosack resorbiert wird.“ (Voigt a. a. O.) 


Nun bildet also das Meristem im Nucellusunterteil eine dünne 
Schicht zwischen dem Embryosack und dem Integument, parallel mit 
diesem verlaufend. Schon in einem Ovulum von 2 mm Durchmesser 
beobachtet man von dieser Meristem-Schicht gebildete und gegen 
den Embryosack gerichtete flache und wellenförmige Einstülpungen 
die den ersten Anfang der später das Endosperm zerklüftenden 
Platten bilden. Die das äulsere Integument bekleidende Epidermis 
ist durch die Streckung der Zellen in radialer Richtung deutlich 
erkennbar und der des reifen Samens (Fig. 9.6 ep.) ähnlich, nur sind 
die Zellen weniger verdickt. (Fig. 4.e). Die subepidermalen Zellen 
sind in tangentialer Richtung gestreckt. Die die Spalte zwischen 
dem äufseren Integument und dem inneren Integument bekleidenden 
Epidermen bestehen aus prismatischen, in radialer Richtung 
etwas gestreckten Zellen. Die subepidermalen Zellreihen der beiden 
Epidermen unterscheiden sich auch von dem umgebenden Gewebe 
durch ibre mehr kubische Form. Von den Gefäfsbündeln ist nur 
das Raphebündel vollständig entwickelt; in den übrigen Gefäls- 
bündeln, sowohl in den des äufseren Integuments, als in dem, den 
Einstülpungen entsprechenden, sind die Gefäfse noch nicht deutlich 
differenziert ; die Bündel sind mehr als Procambiumstränge anzusehen. 
Die langen Sekretbehälter kommen im äufseren Integument vor, be- 
sonders ist das Raphebündel von vielen derselben umgeben. 

Während der fortschreitenden Entwickelung des Samens 
werden allmählich die drei verschiedenen, die Testa bildenden Ge- 
websschichten des äufseren Integuments in folgender Weise 
bestimmter differenziert. 

Die Aufsenschicht wird am wenigsten verändert. Sie wird 
aus dem äufseren Integument, ausgenommen dessen innere Epider- 
mis nebst ihrer subepidermalen Zelischicht (Fig. 4. 3 u. 4), gebildet, 
also aus den Schichten 5 und 6 (Fig. 4).- Die Epidermiszellen sind 


452 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


polygonal oder platt. Nach innen wird die Aufsenschicht von einer 
Reihe lückenlos mit einander vereinigter, etwas in radialer Richtung 
gestreckter, prismatischer Zellen begrenzt. Das zwischenliegende, 
lockere Gewebe ist aus gewöhnlichen parenchymatischen, tangential 
gestreckten Elementen zusammengesetzt. Die Zellen sind entweder 
mit einem braunen Inhalt oder mit einfachen Stärkekörnern erfüllt. 
Das stark entwickelte Raphebündel ausgenommen, sind die Gefäls- 
bündel ziemlich klein und können deutlich auf der Aufsenseite des 
Samens als ein helleres Netzwerk bemerkt werden. 


An der Bildung der Mittelschicht sind die subepider- 
male Zelllage der inneren Seite des äufseren Integumentes (Fig. 4.4) 
die innere Epidermis der äulseren (Fig. 4,3) und die äufsere Epidermis 
des inneren Integumentes bezw. Nucellus (Fig. 4.2), wie auch auf 
einem kleinen begrenzten Gebiete rings um die Chalaza die sube- 
pidermale Zelllage des Nucellus beteiligt. 


Diese Gewebe entwickeln sich zu drei ganz verschiedenen 
Lagen. Die subepidermalen Zellen der inneren Epidermis des 
äulseren Integumentes bilden lange dünnwandige, gleich verdickte 
und dicht aneinander stehende Palissaden: die Aulsenpalissaden 
(Voigt’s Nebenpalissaden. Fig. 5—9 ap.), die der Regel nach nur 
eine Zelle hoch sind. Stellenweise stehen aber zwei oder mehrere 
kürzere über einander; diese sind durch Entwickelung von zwei oder 
mehreren Zellen, die einer subepidermalen Zelle entsprechen, ent- 
standen. An dem inneren Rande dieser Zellen sieht man ungleich 
weit von einander unregelmälsige, wellenförmige Vertiefungen, die 
von den entsprechenden Erhebungen der anstolsenden Lage aus- 
gefüllt sind. In diesen vertieften Stellen sind die Aufsenpalissaden 
kürzer und gewöhnlich mit braunem Zellinhalt erfüllt (Fig. 8 u. 9). 


Die mittlere Schicht, die Innenpalissaden (Voigt’s 
Hauptpalissaden. Fig. 5—9 ip.), wird von der inneren Epidermis 
des äulseren Integumentes (Fig. 4.3) gebildete und besteht aus 
einer Reihe langer prismatischer, dicht zusammengedrängter Zellen. 
Die Zellwände sind stark verholzt, gelbbraun, sehr erheblich und 
ungleich verdickt. so dafs von ihrem Lumen meistens nur ein schmaler 
and enger Kanal mit Erweiterungen an den beiden Enden übrig ist 
Diese umschliefsen grolse Caleiumozalat-Krystalle (Fig. 9 Kr). 


K. T. Hallström: Myristicaceen, 453 


An die Aulsenpalissaden schliesst sich nach innen die Quer- 
faserschicht (Voigt’s Faserlage. Fig. 9.2 qfs), die von einer 
Reihe tangential zusammengedrückter Bastzellen gebildet wird. Die 
Zellen schliefsen lückenlos an einander. Die Wände sind stark ver- 
dickt und mit Poren oder mit gegen das Zelllumen sich erweiternden 
Porenkanälen versehen. Die Form ist wechselnd, sie geht von lang- 
gestreckten Bastzellen in unregelmälsige und polygonale Formen 
über (Fig. 10). Diese Lage (Fig. 9.2 qfs) wird von der äuferen Epi- 
dermis des inneren Integuments bezw. der den Nucellus bekleidenden 
Epidermis (Fig. 4.2 qfs) gebildet. — In einer begrenzten, die Chalaza 
unmittelbar umgebenden Zone werden die epidermalen Elemente 
nicht in oben beschriebener Weise entwickelt, sondern bilden den 
Innenpalissaden ähnliche Zellen, woneben die subepidermale Zell- 
schicht derselben Zone in vollständig entwickeltem Zustande eine 
grolse Aehnlichkeit mit den Aufsenpalissaden hat. — Oben gegen 
den Nucellus werden diese Zellen kürzer. Die erstgenannten gehen 
ziemlich rasch in die Querfaserschicht, die letzteren in die sub- 
epidermalen Zellen, die nicht mehr an der Bildung der Mittelschicht 
teilnehmen, über. 

An der Chalaza und der Nucellusspitze ist die harte Mittel- 
schicht durchbrochen. Die kreisrunde Oeffnung an der Chalaza 
ist von dem aus der Raphe in den Nucellus eintretenden Gefäls- 
bündel ausgefüllt. An der Nucellusspitze liegt in der Innenpalissaden- 
schicht ein feiner runder Kanal, der später dem keimenden Embryo 
als Ausführgang dient.*) 


Die Entwickelung dieser epidermalen und subepidermalen Zellen 
gehtnicht gleich schnellanallen Stellen desSamensvor sich. Am frühesten 
fängt sie an der Chalaza, am spätesten an der Samenspitze an. Die volle 
Entwickelung erreichen zuerst von allen die Aufsenpalissaden. In einem 
Ovulum von etwa 4 mm im Durchmesser kaun man schon eine beginnende 
Längsstreckung der die Palissaden bildenden Zellen beobachten. — Ein 
Unterschied zwischen den Aulsen- und Innenpalissaden ist anfangs 
gar nicht zu bemerken. (Fig. 5.) Erst nachdem der Same gröfser 
geworden ist, wachsen die Innenpalissaden verhältnismälsig 
viel schneller als die Aufsenpalissaden (Fig. 5—8 ap. ip.), 


*) Vergl. Tschirch, Keimungsgeschichte von Myristica fra- 
grans. a. a. 0. 


454 K. T. Hallström: Myristicaceen, 


woneben eine gleichmälsige und feine, wellenförmige Anschwellung 
in den noch ganz dünnen Wänden der Innenpalissaden bemerkbar 
wird. (Fig. 7, ip). Hierauf fängt die Verdickung der Wände durch 
Bildung von Leisten und localen Vorsprüngen an. (Fig. 8.) Bei 
fortgesetztem Zuwachs stofsen diese zusammen und verschmelzen in 
der Mitte der Zellen. So werden die oben besprochenen langen und 
schmalen Canäle wie auch die grofsen, die Calciumoxalat-Krystalle 
umschliefsenden Erweiterungen (Fig. 9) gebildet. 

Zuletzt von allen erreichen die Bastzellen der Querfaserschicht 
ihre schliefsliche Form. 

Die Entwickelung der verschiedenen Gewebe der Mittelschicht 
steht in keinem bestimmten Verhältnis zur Gröfse des Ovulums. In 
einem kleineren Ovulum können diese viel mehr fortgeschritten sein 
als in einem grölseren. Und dazu kann man in einem Samen viele 
verschiedene Entwickelungsstadien desselben Gewebes beobachten. 


Das innere Integument bzw. der Nucellus bildet die innerste 
Lage der Samenschale: die Innenschicht. Diese besteht aus 
einer äulseren sekundären und einer inneren primären Dauergewebs- 
schicht. Beide sind zu verschiedenen Zeiten durch Zuwachs 
nach aufsen aus der Meristemschicht, die in dem jungen Ovulum 
zwischen den Embryosack und das Integument eingeschoben ist, 
entstanden. Auch nach innen bildet diese Meristemschicht Dauer- 
gewebe, das jedoch allmählich von dem Embryosack resorbirt wird. 
Die äufsere Lage besteht aus verhältnismälsig gro[sen, zusammen- 
gedrückten ungefärbten oder braungefärbten parenchymatischen Zellen 
und ist von Gefäfsbündeln frei. Die innere unterscheidet sich von 
der äusseren durch ihren viel dichteren Bau und durch die An- 
wesenheit zahlreicher, in tangentialer Richtung verlaufender Gefäfs- 
bündel. — Durch localen Zuwachs entstehen aus dieser Lage nach 
innen gerichtete Vorsprünge (sog. Samenhautfalten.) In diese senden 
die in dem basalen Teil befindlichen Gefäfsbündel Zweige hinein. 
Beiderseits von diesen Zweigen sind, in das kleinzellige Gewebe 
grolse, runde, mit aetherischem Oele gefüllte Oelzellen eingebettet. 
(Fig. 29 oez.) Wenn der Same reif wird, und das Endosperm sich ent- 
wickelt, wird das Gewebe zwischen den Oelzellen zusammengedrückt, 
so dafs in einem ganz reifen Samen zwischen diesen nur ein stark 
obliteriertes Zellengewebe übrig ist. 


K. T. Hallström: Myristicaceen. 455 


In einem kleinen Gebiete an der Samenspitze fehlen diese Vor- 
sprünge vollständig, weil hier kein Meristem vorhanden war. Die 
innere Lage der Innenschicht wird hier aus’ dem inneren Integu- 
mente und zu einem geringen Teil aus der Nucellusspitze gebildet. 
Die Gefässbündel, die in der inneren Lage verlaufen, gehen hier in 
das innere Integument über. 


Wenn diese Vorsprünge vollständig ausgebildet sind, hört das 
Meristem auf Dauergewebe nach innen zu bilden und der Embryo- 
sack dasselbe zu resorbieren. In einem reifen Samen sind die Reste 
des Dauergewebes zwischen den „Samenhautfalten“ und dem 
Endosperm als eine dünne, stark obliterierte Zellschicht, die mit 
dem Endosperm fest zusammengewachsen ist, zu sehen. 


Die Oelzellen in den ‚„Samenhautfalten‘‘ werden verhältnismälsig 
früh ausgebildet. In einer jungen Samenanlage von etwa 8 mm im 
Querdurchmesser sind sie schon vollständig ausgebildet und ent- 
halten Oel. Sie sind echte Oelzellen mit verkorkten Wänden. 


In einem unreifen Samen von ungefähr 20 mm im Querdurch- 
messer sieht man den kleinen fleischigen Keimling auf dem dicken 
polstrigen inneren Integumente. Die Innenpalissaden sind jetzt bei 
weitem noch nicht vollständig ausgebildet und erstrecken sich bei 
der Mikropyle noch nicht bis an einander heran, sondern lassen 
zwischen sich eine Oeffnung übrig. Da später mit dem fort- 
schreitenden Reifwerden die Innenpalissaden länger und fester 
werden, wird auch diese Oeffnung kleiner, die Ränder schliefsen 
sich dicht aneinander, so dafs sie schlie(slich nur einen sehr schmalen 
Kanal bilden. In demselben Verbältnis wächst das Endosperm, das 
innere Integument verliert seine Bedeutung als „Nährschicht“ !) und 
obliteriert. In einem reifen Samen liegt der Keimling also dicht an 
der harten Samenschale und an der Mündung des Kanals. Beim 
Keimen dringt die Radicula in diesen Kanal hinein; der Kanal er- 
weitert sich, den Keimling hermetisch umschliefsend, was für einen 
so langfam keimenden Samen, wie den des Muskatbaumes, von Be- 
deutung ist. ?) 


1) Tschirch, Angewandte Pflanzenanatomie. S. 459, 
2) Vergl. Tschirch, der Keimungsgeschichte von Myristica 
fragrans in Ber. d. pharmac. Ges. 1394 S. 260. 


Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 6. Heft. 30 


456 K.T. Hallström: Myristicaceen. 


In demselben Verhältnis verändert auch der Keimling seine 
Gestalt. Die dicken Cotyledonen vereinigen sich zu einem zweige- 
teilten becherförmigen Gebilde, während ihre Ränder dünner und 
krausrandig werden. Später teilen sich diese in zahlreiche schmale 
Lappen, die als Saugorgan fungieren. !) 

Die Entwickelung des Endosperms fängt erst an, wenn die 
Ruminationsvorsprünge ihre vollständige Ausbildung erreicht haben. 
In einem fast reifen Samen ist es noch milchig oder geleeartig, erst 
in ganz reifen Samen bekommt es seine volle Festigkeit. Dieses 
erhärtete Endosperm, die Muskatnufs des Handels, hat in reifem Zu- 
stande eine braun-graue Farbe und ein durch die eindringenden 
„Samenhautfalten“ marmoriertes Aussehen. Mit blofsem Auge sind hier 
hellere Ringe und geschlängelte Linien, die in einiger Entfernung die 
Samenhautzapfen begleiten, zu sehen. In diesen sog. „Leitbahnen‘“,) 
die schon beim ruhenden Samen zu erkennen sind, dringen die zu 
Saugorganen ausgebildeten Cotyledonarzapfen durch den Samen bis 
an dessen anderes Ende vor. Die Zellen in diesen Ringen und 
Linien führen vornehmlich Stärke, selten Fett und Aleuron. — 


Während die Cotyledonarzapfen vorwärts in den Leitbahnen 
wachsen, benutzen sie die dort aufgespeicherten Stoffe für ihre Nah- 
rung, die entleerten Zellen weichen auf die Seite und obliterieren. 
— Erst wenn sie in dieser Weise den ganzen Samen durchwachsen 
haben, fängt die Auflösung und Entleerung der in den übrigen 
Teilen des Samens befindlichen Reservestoffe an. 

Schon im ruhenden Samen dringen die Cotyledonarzapfen in 
das Endosperm auf den Leitbahnen ein Stück weit vor, d. h. die 
allerersten Stadien des Keimungsprozesses beginnen schon während 
die Frucht am Baume hängt. 

Die Bildung der Reservestoffe in dem Endosperm fängt erst an, 
nachdem der Same in jeder Beziehung seine volle Ausbildung er- 
reicht hat. Am frühesten wird die Stärke, die erst die Zellen 
aufserhalb und später innerhalb der Leitbahnen füllt, gebildet. — 
Das Fett und die Aleuronkörner werden später gebildet. Die 
Aleuronkörner enthalten oft alle typischen Bestandteilegleichzeitig. Die 
Krystalloide werden bei Myristica fragrans nicht so gut ausgebildet, 


1) Tschirch, ebenda S. 261. 
2, Tschirch, ebenda S. 262. 


K. T. Hallström: Mpyristicaceen. 457 


sind auch nicht so zahlreich wie z. B. bei den Aleuronkörnern der 
Myr. surinamensis. Die am besten ausgebildeten wurden von mir 
in einem keimenden Samen gefunden, den Prof. Tschirch aus Java 
mitgebracht hatte. 

Wie in vielen anderen tropischen Samen kommt Gerbstoff auch 
bei Myr. fragrans in der Fruchtschale, den „Samenhautzapfen“ und 
der Samenschale vor. In allen Entwickelungsstadien vom Frucht- 
knoten an bis zur reifen Frucht bekommt man die Gerbstoffreaktion. 
Auch der Inhalt der langen Sekretbehälter giebt diese Reaktion. — 
Ohne Zweifel wirkt der Gerbstoff wie auch das ätherische Oel in 
den Samenhautzapfen wie ein Antiseptikum und sichert gewisser- 
malsen die Keimung des Samens, die sonst in den warmen und 
feuchten Tropen durch Fäulnisprozesse leicht gestört werden 
könnte.*) 

Der Arillus tritt schon in einer ungeöffneten Blume, also 
ehe die Befruchtung eirgetreten ist, als eine äulserliche Gewebsan- 
schwellung zwischen Hilum und 'Exostom hervor. Der hintere 
Exostomrand ist diek und abgerundet, der vordere ist dünn. Diese 
Anschwellung verbreitet sich dann sowohl um das Hilum als um den 
jungen Exostomrand herum und bildet später erst an der hinteren 
Seite, dann ringsum einen die Spitze der Samenknospe umschlielsen- 
den Mantel. — In einem Ovulum von 2 mm im Querdurchmesser 
sieht man den Rand dieses bis zur halben Höhe des Ovulums 
reichenden Mantels in lange Lappen zerschlitz. In einem etwas 
grölseren Ovulum — von etwa 2,5 mm — treffen die Lappen schon an 
der Chalaza zusammen und der Arillus hat fast das gleiche Aussehen 
wie im reifen Zustande. Die Exostomöffnung wächst allmälich zu- 
sammen, so dals im reifen Zustande nur eine flache längliche Höhle 
sichtbar ist. 

In dem ein Ovulum von 3,0—3,5 mm im Durchmesser umgeben- 
den Arillus sind sowohl die Oelzellen als die Gefässbündel schon 
fertig ausgebildet. In etwas späterem Entwickelungsstadium waren, 
wenn auch ziemlich spärlich, wohlausgebildete Caleiumoxalatkrystalle 
sichtbar. 

*) Vergl. Osenbrüg über d. Entwickelung des Samens von 
Areca Catechu ete. Dissertation Marburg 1894. Tschirch, Ber. d. 


pharmac. Ges. 1894, S. 263, und Annales du jardin botanique de 
Buitenzorg IX, 1891, S. 143. 


30* 


458 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


Der fertige Arillus wird im Zusammenhang mit den anderen 
Arillen weiter unten näher behandelt werden. 

Die Fruchtschale zeigt in allen Entwickelungsstadien 
fast dasselbe Aussehen. Auswendig ist sie mit Sternhaaren besetzt, 
Das Fruchtfleisch ist dicht von Gefässbündeln und milchröhren- 
ähnlichen Sekretbehältern durchzogen und führt reichlich dünn- 
wandige Oelzellen, die meist einen Oeltropfen enthalten. (Fig. 4.) 
Die resinogene Schicht der Oelzellen!) ist teilweise aulfser- 
ordentlich gut entwickelt. Dicht unter die Epidermis findet man zu 
Gruppen vereinigte Astrosclereiden. — Die Fruchtschale giebt 
Gerbsäurereaktion. 


IV. Vergleichende Anatomie der Samenschalen 
der Myristicaceen. 


Myristica fatua Houtt. 
(Abbild. bei Warburg. Fig. 1—3.) 


(Alkoholmaterial a. d. Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten 
in Buitenzorg.) 

Ausser der Myristica fragrans waren schon früh auch andere 
Arten bekannt und werden in den ältesten Arbeiten, in welchen die 
Muskatnufs behandelt wird, neben der Myr. fragrans erwähnt. So 
werden besonders zwei verschiedene Nussarten, runde und aromatische 
— die echte Nuls — und längliche, weniger aromatische beschrieben. 
Diese letztere Art kommt in wissenschaftlichen Arbeiten im 17. Jahr- 
hundert unter dem Namen Nux myristica mas, Pala metsiri?) 
s. nux mas und Nux fructu oblongo vor. Die unzureichende 
Kenntnis der Stammpflanzen dieser verschiedenen Arten und die 
Ähnlichkeit der „länglichen“ Nüsse mit gleichgestalteten der 
Myristica fragrans?) und ihrer Varietäten, verursachten viele Ver- 
wechslungen, die sich durchaus nicht durch die Einteilung der 
Muskatnüsse von Rumphius auf Grund ihrer Form verminderten. 
„Er unterscheidet mehrere Varietäten oder besser gesagt wohl ab- 
norme Formen‘), die er als männliche Muskat der rundfrüchtigen, 

1) Vergl. Tschirch in Ber. d. Deutsch. botan. Ges. 1893. 
* Ei Vergl. Warburg. a.a. 0.8.8. 


3) Vo: dieser Art giebt es sowohl runde als längliche Nüsse. 
4) Von Myr. fragrans. 


K. T. Hallström: Myristicaceen. 459 


weiblichen gegenüber stellt; über den Namen langfrüchtige Nüsse 
macht er keine Angabe, doch stellt er die ganze Species wieder 
der eigentlichen männlichen Muskat (unsere Myr. fatua Houtt) 


. .. “ıi 
gegenüber.“ !) 


Wenn dann die Nüsse der Myr. argentea Warb., die auch 
länglich sind, im Handel erschienen, wurde die Konfusion noch 
grölser, besonders weil diese im Handel unter dem Namen „long 
nutmeg“, der mit dem ähnlich klingenden „nux fructu oblongo“ ver- 
wechselt wurde, vorkamen. Diese männliche Muskatnufs der alten 
Schriftsteller ist identisch mit unserer Myr. fatua Houtt. 


Was die Heimat der Myr. fatua betrifft, so sind die Angaben 
von einander abweichend gewesen. So ist z. B. Borneo ganz falsch 
als die Heimat dieser Art angegeben worden und auch Brasilien als 
ein Land, wo sie kultiviert werden soll, erwähnt. Dafs M. fatua 
nicht in Borneo, sondern auf den Molucken heimisch ist und dafs sie 
nicht in Brasilien kultiviert wird, sondern Buitenzorg der einzige Ort 
zu sein scheint, wo M. /atua im bot. Garten angepflanzt ist, soll nach 
Warburg aulser Zweifel sein. 


Die Früchte der Myristica fatua Houtt (Synon. Myr. tomentosa, 
Thunb. = Myr. macrophylla, Roxb. = Myr. spadicea Bl.) sind rost- 
rot behaart, 55 mm lang, 32—35 mm breit. Das Pericarpium ist dick. 
Der Arillus, der in einige breitere Lacinien geteilt ist, bedeckt den 
Samen gröfstenteils. Zwischen den unbedeckten Stellen sieht man 
die dunkelbraune, glänzende, sehr harte und dicke (1—1,5 mm) Samen- 
schale. — Der Same ist eckig und an den beiden Enden stumpf. — 
Die Raphefurche ist durch eine tiefe Rinne zwischen Hilum und 
Chalaza bezeichnet. — Die Arillusfurchen sind breit und aufserordent- 
lich tief. — Bemerkenswert ist noch der Höcker unweit der Spitze 
an der Chalaza. Am Samenkern ist eine Vertiefung, der in der 
Samenschale verlaufenden Rinne entsprechend, sichtbar. Das 
Endosperm zeigt im Querschnitte viele dünne Ruminationsstreifen 
und ist von sehr schwachem Geruch, oft geruchlos. 


1) Warburga.a. 0.8.8. — Über den Namen „männliche 
Muskatnu[s“ siehe auch Tschirch: Ind. Heil- u. Nutzpfl. S. 111 und 
Warburg 8.7. 


460 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


Die äulserste Lage der Samenschale stimmt in ihrem Bau mit 
den entsprechenden Teilen der Myr. fragrans überein. Die fest- 
sitzende Epidermis ist verhältnismäfsig sehr verdickt, besonders die 
äufseren und inneren Wände. In der folgenden dünnwandigen 
Parenchymschicht, deren Zellen nach innen in eine mehr prismatische 
Form übergehen (Fig. 19), sind die letzteren teils mit kleinen und 
runden Stärkekörnern, teils mit rotbraunem Sekret gefüllt. Daneben 
folgen die langen Sekretbehälter bald den Gefälsbündeln, bald ver- 
laufen sie allein. Auch die Aussen- und Innenpalissaden zeigen in 
ihrem Bau eine fast vollständige Uebereinstimmung mit den ent- 
sprechenden Teilen der Myr. fragrans. Die Aufsenpalissaden 
(Fig. 19 ap.) sind lang, dünnwandig, prismatisch zusammengedrückt 
(Länge — 0,162—0,216 mm), die Innenpalissaden (Fig. 19 ip.) sehr 
stark verdickt, so dals stellenweise kein Lumen übrig ist, und gelb 
gefärbt (Länge = 0,94—1,16 mm). :. Auch bei dieser Art ist das 
Verhältnis der Aufsen- und Innenpalissaden dasselbe, wie bei 
Myr. fragrans, d. h. wo jene kürzer sind, sind diese länger. Also 
zeigt sich die Grenze zwischen beiden Palissadenlagen als eine 
wellenförmig gebogene Linie. — Die die Querfaserschicht (Fig. 19 qfs.) 
bildenden kleinen, langgestreckten oder polygonalen, mit Vorsprüngen 
versehenen, getüpfelten Bastzellen sind denen der Myr. fragrans 
sehr ähnlich (Fig. 20). 

Um die Löslichkeit des Sekrets zu prüfen, wurden Schnitte 
in Alkohol-Ammoniak (Liquor amm. caust. duplex + Alcoh. 
absol. gleiche Teile), Ammoniak, Aether, Alk.-Aether, 
Kalilauge(15 Proz.und 7 Proz., AlkoholundAlkohol-Kali 
eingelegt. — Nach 48 Stunden war der Inhalt von Aether und Alkohol- 
Aether ein wenig, schon nach 24 Stunden von den übrigen besser 
gelöst. Von diesen Lösungsmitteln waren Ammoniak und Kalilauge 
die besten, dann der Alkohol. Kochen in Wasser löste gar nichts. 
— Eisenchlorid und Kaliumbichromat geben die Gerb- 
säurereaktion. — Konz. H,SO, löst den Farbstoff in den Samen- 
hautzapfen mit roter Farbe. 

Das Endosperm ist reich an Fett, Stärke und Aleuron. Die 
Stärkekörner (0,013—0,027 mm) sind denjenigen der Myr. fragrans 
gleich und bestehen aus runden und zusammengesetzten Körnern 
mit einer runden oder länglichen Spalte in der Mitte des Korns. 


K. T. Hallström: Myristicaceen. 461 


Die gröfseren Aleuronkörner (0,054—0,067 mm) bestehen aus gut 
ausgebildeten Krystalloiden, Globoide und Calciumoxalatkrystalle 
fand ich nicht. Die kleineren (0,008—0,027 mm) sind mehr scheiben- 
förmig. — Wie in Myr. fragrans giebt es auch hier „Leitbahnen“ 
für die Cotyledonarzapfen. Der Keimungsprozel[s ist auch in beiden 
übereinstimmend. ') 


In seinem Aufsatze „Ueber Muskatnüsse“ hat J. Möller 
unter anderem Myristica tomentosa Thbg. beschrieben, die also mit 
dem oben beschriebenen M. fatua identisch sein mülste. Dafs hier 
aller Wahrscheinlichkeit nach eine Verwechselung vorliegt, und dafs 
die von Möller untersuchte Muskatnuls ein Same der Myristica 
argentea war, geht aus einer Vergleichung von Möller’'s Be- 
schreibung mit der hier oben gegebenen Darstellung der 
Myr. fatua und der unten folgenden von Myr. argentea und mit 
dem, was Warburg von diesen beiden Arten angeführt hat, her- 
vor. So fehlt Möller’s Myr. tomentosa und der von mir unter- 
suchten Myr. argentea die Querfaserschicht völlig, die bei allen an- 
deren Arten vorkommt. Der Bau der äufseren Partien der 
Samenschale ist bei beiden in allem übereinstimmend, aulserdem 
scheinen die Nüsse der Form und dem äuferen Aussehen nach einander 
völlig gleich zu sein. Dafs Möller’s Myr. tomentosa wirklich 
Myr. argentea gewesen ist, wird aufserdem durch das folgende be- 
stätigt. „Jetzt findet man“, sagt Warburg, „diese Nuls (Myr. 
argentea Warb.) in allen Museen Europas unter den verschiedensten 


Damen als... ...: >. ‚ meist aber, als Myr. fatua Houtt. Dies 
letztere nun hat folgende Bewandtnis: ........ dafs im Jahre 
1797 von Banda die Myristica tomentosa (...... = M.fatua 


Houtt), unter dem Namen Neu-Guinea- oder lange Mus- 
kat eingesandt wurde. Also die nicht von Neu-Guinea stammende, 
nicht nutzbare M. fatua wurde als Neu -Guinea-Muskat 
(oder long nutmeg = M. argentea) eingehandelt; und so wurde 
denn von jener Zeit an auch umgekehrt stets die aromatische 
„long nutmeg“ mit M. tomentosa Thbg. — M. fatua Houtt 
identifiziert und als solche bezeichnet.‘ ‘2) 

ı) Vergl.: Techirch: Die Keimungsgeschichte von Myr. fragrans 


Houtt. Ber. d. deutsch. pharm. Ges. 1894, S. 264. 
2\\Warbiurg, 312. 0/8UB: 


462 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


Myristica malabarica Lam. 
(Abbildung bei Warburg Fig. 4—7.) 


(A. d. pharm. Sammlung in Wien und Bern.) 


Das zur Untersuchung vorliegende Material besteht nur aus 
dem Samenkern. Die äufserste und die sklerenchymatisch verdickte 
Lage der Samenschale fehlen ganz, die innere Lage ist nur teil- 
weise da. — Die die Nufs umgebende Testa ist hart. Bemerkens- 
wert sind die vielen sehr schmalen und scharf abgegrenzten tiefen 
Arillarfurchen und die kurze, schon nahe der Mitte des Samens in 
der Chalaza endende Raphefurche.t) — Der dunkelbraunrote Arillus 
ist in viele lange und schmale Lappen, die oft sehr eng an einander 
gedrückt sind, zerschlitzt. An der Spitze der Nufs sind die Arillar- 
streifen zu einem konischen Gebilde verschlungen. Innen liegt ein 
dünnes Häutchen, das dem offiecinellen wie auch anderen Arillen 
fehlt, an. 


Der 33 mm lange und 18 mm breite Samenkern wird gegen 
die beiden Enden gleichmäfsig schmäler. Einige Längsfurchen und 
Querrunzeln machen den Samen uneben. Zwischen der Chalaza und 
dem Hilum, die fast diametral entgegengesetzt an den beiden Enden 
des Samens liegen, verläuft eine der Raphefurche entsprechende 
rinnenförmige Vertiefung. — Die Ruminationsstreifen, die stellen- 
weise sehr tief in das Endosperm dringen, sind in dem unteren Teil 
geringer an Zahl und regelmälsiger als nahe der Spitze, wo sie zart 
und unregelmäfsig sind. — Die grau-braune Farbe des gar nicht 
aromatischen Endosperms wird von den reichlich in den 
Endospermzellen vorkommenden Gerbstoffklumpen verursacht. Diese 
werden von konc. H, SO, rot-braun gefärbt, welche Farbe allmälich 
in eine violette übergeht. 


Wie bei Mr. fragrans und fatua sind auch in dieser Nuls 
„Leitbahnen“ für die eindringenden Cotyledonarzapfen vorhanden. 
Der Same keimt auch in derselben Weise wie die der beiden 
anderen. Betrachtet man die Schnitte des Endosperms im Wasser, 
so sieht man die Leitbahnen als helle Zonen, die beim Zufliefsen von 
Jod hellblau gefärbt werden. Die Zellen hier sind verhältnis- 
mälsig arm an Stärke. Die anderen Zellen enthalten viel mehr 


1) Warburg,a.a. O.S. 18 (228). 


K. T. Hallström: Myristicaceen. 463 


Stärke und werden dunkler blau gefärbt, während die gelbbraunen 
Gerbsäureklumpen, die nicht innerhalb der Leitbahnen, auch nicht 
in den dieselben umgebenden Zellen zu finden sind, eine rotbraune 
Farbe bekommen. — Fe, Cl, und K, Cr, O, geben in den Samen- 
hautzapfen, in den mit dem Kerne zusammenhängenden Resten der 
Samenschale wie auch in den oben erwähnten gelbbraunen Klumpen 
des Endosperms eine deutliche Gerbstoffreaktion. — Die Stärke- 
körner sind rund, sie kommen meistens in aus 2—7 Einzelkörnern zu- 
sammengesetzten Körnern vor. — Aleuronkörner findet man sehr 
spärlich, sie sind klein und bestehen nur aus Krystalloiden. 

Die Oelzellen in den Samenhautzapfen sind mit gelbem, ver- 
harzten Oele gefüllt. Sie sind den Oelzellen und ihrem Inhalt in der 
Bombay-Macis ganz gleich. KOH und Chloralhydrat lösen 
den gelben Zellinhalt mit orangeroter, konc. H,SO, mit 
roter bis rotgelber Farbe Alkohol löst in Form kleiner 
Tröpfchen den Inhalt mit gelber Farbe, die allmälich sich in 
grün verändert. 


Myristica argentea Warb. 
(Abbild. bei Warburg Fig 8—10.) 
(A. d. pharm. Sammlung in Bern und von Dr. Warburg.) 


Diese Art wurde wahrscheinlich im Jahre 1666 zum ersten 
Male beobachtet und stammt von holländisch Neu-Guinea. Der 
Baum zeichnet sich durch seine grossen, unterseits silberfarbigen 
Blätter aus, wovon er seinen Namen hat. — Schon seit der Mitte 
des 18. Jahrhunderts war die Nufs in Ostasien eine Handelsware, 
kam später sogar als Handelsartikel nach Europa und wurde der 
wichtigste Exportartikel Neu-Guineas. 

Die Nufs der Myristica argentea kommt in den Museen Europas 
unter vielen verschiedenen Namen, wie Wild nutmeg, wild 
Papua nutmeg, long nutmeg, Nootmoschat von 
Nieuw-Guinea, wild nutmeg from the Gold-coast, 
Spice from Malacca vor. Die gewöhnlichste Benennung ist 
jedoch Myr. fatua Houtt, ein Irrtum, der durch die Aehnlichkeit des 
alten Namens der Myr. fatua „nux oblonga“ mit dem späteren 
Handelsnamen der Myr. argentea; „long nutmeg“ verursacht wurde.!) 


1) O0. Warburg. Ueber die nutzbaren Muskatnüsse S. 212—217. 


464 K. T. Hallström: Myristicaeeen. 


Diese Nufs ist ohne Zweifel nach der der Myr. fragrans die wich- 
tigste Art und diejenige, die die beste Zukunft hat. 

Der Export aus der Landschaft Onin an der Westküste Neu- 
Guineas ging früher über Banda, wo die Nüsse wie die echten be- 
handelt, sogar zuweilen als Verfälschung gebraucht wurden. Gegen- 
wärtig werden sie meistens direkt nach Macassar gebracht, wo sie 
wie die echten geschätzt und mit Kalk behandelt werden. (Warburg!) 


Früher wurde die Nufs namentlich wegen der Billigkeit nur 
von den Eingeborenen im malayischen Archipel, auf der malayischen 
Halbinsel und auf den Philippinen gebraucht und kam nur aus- 
nahmsweise nach England und Holland. Jetzt werden sie über 
Amsterdam unter dem Namen Papua noten und Mannetjes 
noten van Nieuw-Guinea importiert; in England kommen 
sie im Handel unter dem Namen long nutmeg, in Deutschland 
als Pferdemuskat und Neu-Guinea-Muskat vor. — 
Obgleich das Aroma, das sich sehr lange hält, nicht so fein ist, wie 
das der echten Nüsse, wird die Nuls doch gegenwärtig z. B. in 
England von der ärmeren Bevölkerung gebraucht. 

Die Frucht ist 45—65 mm lang, 45—55 breit und fast kahl, 
das Perikarpium ist sehr dick (”—12 mm). — Der Arillus, der ge- 
wöhnlich aus 4-5 breiteren Streifen besteht, ist oben und unten 
zusammengewachsen und hat eine schmutzig graue oder braunrote 
Farbe. — Die Nufs unterscheidet sich von der echten durch ihre 
längere und schmälere Form (35—45 mm lang, 20—25 mm breit) 
und durch die seichten Arillusfurchen. Sie ist an der Basis 
am breitesten ; aufsen, wenn frisch, glänzend rotbraun, im Handel 
aber meist abgerieben und dann fein punktiert und gelbbraun 
(Warburg). — Von dem Chalazaende verlaufen einige deutlich sicht- 
bare Gefälsbündel gegen die Samenspitze. — Die Aufsenseite der 
Samenschale, die hart und dick (1,0—1,7 mm) ist, ist feinhöckerig. 
Dieses ist, wie aus dem Vergleichen der succedanen Flächenschnitte 
hervorgeht, von der verschiedenen Länge der Innenpalissaden ver- 
ursacht. 

Bei den Samen, die zur Untersuchung vorlagen, war 
der Kern gröfstenteils verdorben ; ein übersichtliches Bild des 


1) Herrn Dr. Warburg verdanke ich zahlreiche Bestimmungen 
zweifelhaften Materiales, Herrn Prof. Vogl gutes Material. Tschirch. 


K. T. Hallström: Mypyristicaceen. 465 


Endosperms war deshalb nicht zu erhalten. „Das Endosperm“, 
sagt Warburg, „enthält viel Stärke und die braunen Ruminations- 
streifen, die allein das Aroma enthalten, sind mehr zerstreut und 
gröber als bei der echten Nufs. Die Cotyledonen sind zu einer 
5 mm im Durchmesser besitzenden am Rande gewellten Scheibe 
zusammengewachsen. Zu uns kommen meist nur die gekalkten 
Samenkerne, die häufig recht viel kleiner (manchmal nur 2 cm lang) 
und meist sehr abgerieben sind, wodurch sie eine etwas höckerige 
Oberfläche erhalten, doch zeigen auch diese noch die cylindrische 
oder cylindrisch-konische Form ziemlich deutlich“.!) 


Wie oben erwähnt, ist die Samenschale der Myr. argentea 
sehr hart, so dafs Schnitte sehr schwer zu erhalten sind. Die flache 
Epidermis ist von dünnwandigen polygonalen Zellen gebildet; die 
Aufsenwand ist stark verdickt, die Innen- und Seitenwände unver- 
diekt, die Spaltöffnungen etwas unter das Niveau der Epidermis 
gedrückt. Die 2—3 subepidermalen Zelllagen ausgenommen, die aus 
ziemlich grofsen parenchymatischen Zellen mit grofsen Interzellularen 
bestehen, ist der äufsere Teil der Samenschale aus zusammenge- 
drückten kleinen parenchymatischen Zellen, die teils mit braunem In- 
halt gefüllt sind, aufgebaut. Hier findet man die langen Sekretbehälter, 
bald allein, bald die Gefäfsbündel begleitend. — Die dünnwandigen, lan- 
gen, prismatischen Aufsenpalissaden gleichen denen der Myr. fragrans. 
Hie und da kommen in dieser Zelllage Lücken vor, die durch das 
Auseinanderweichen benachbarter Zellen entstanden sind. (Fig. 21 
ap). Ohne Kenntnis der vorhandenen Entwickelungsstadien des 
Samens ist es unmöglich zu sagen, ob diese Lücken durch Schrumpfen 
des äufseren Teils der Samenschale entstanden, oder ob sie für den 
Bau dieser Zelllagen eigentümlich sind. — Die stark verdickten 
Innenpalissaden bestehen aus ungleich langen Zellen; kleine Gruppen 
von diesen bilden nämlich stellenweise spitzige Erhebungen, die der 
Aulsenseite des getrockneten Samens das schon erwähnte höcker- 
artige Aussehen verleihen. 


Durch das Fehlen der Querfaserschicht unterscheiden sich die 
Samen der Myr. argentea von allen untersuchten Myrıstica- 


l) Warburga.a.O.S. 216. 


466 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


Samen!). Dagegen schlielst sich direkt an die Palissaden eine 
2—3 Reihen starke Lage von weitlumigen parenchymatischen Zellen 
(Fig. 21,,) und an diese dünnwandige, mit hellgelbem Inhalt gefüllte, 
in radialer Richtung zusammengefallene Zellen an, die die innerste 
Schicht der Samenschale bilden. 

Das Endosperm ist dem der Myr. fragrans ähnlich. Die 
Stärke kommt hier nicht nur in der Form kleiner Körner (0,005 bis 
0,040 mm) vor, sondern auch als eine homogene, gallertartige Masse, 
die durch Jod blaugefärbt wird. — Die farblosen Aleuronkörner 
sind meist rund, doch kommen auch birnenförmige und längliche vor. 
Die gröfseren Körner haben ein rundes Globoid, selten zwei, die 
kleineren keines. ÜOalciumoxalatkrystalle fand ich nicht. 


Myristica corticosa. Hook f. et Thoms. 
(Alkoholmaterial a. d. Tschirch’schen Sammlung a. d. bot. Garten 


Buitenzorg und der Sammlung in Bern.) 


Die leberbraune Frucht ist grofs und länglichrund, 65 mm lang 
40 mm breit. Das Pericarpium ist diek und kahl. — Der hellbraune, 
glatte, aromatisch riechende Arillus bedeckt ungefähr ein Drittel des 
Samens; an der Basis teilt er sich in 6—7 Lappen, die sich noch- 
mals teilen und an der Spitze sich vereinigen, ohne dieselbe zu 
decken. 

Der Same ist 50 mm lang, 19 mm breit, lang und schmal mit 
deutlichen Arillusfurchen. Die Farbe ist kastanienbraun mit dunkleren 
Streifen. Die Samenschale ist weich und lälst sich leicht biegen, 
ohne zu brechen. Die Epidermis, deren äufsere Wand sehr verdickt 
ist, löst sich leicht. Die folgenden Zellreihen sind in rad. Richtung 
zusammengedrückt, die nahe an den Innenpalissaden stehenden 
Zellen sind prismatisch (nicht langgestreckt und schmal wie die ent- 
sprechenden Aufsenpalissaden der Myr. fragrans), reichlich mit 
braunem Inhalt gefüllt. Milchröhren ähnliche Sekretbehälter sind 
selten. — Die Innenpalissaden sind nicht gleich lang (0,45—0,54 mm); 
Im Gegensatz zu den Samen der Myr. fragrans, falua und argentea 
ist bei dieser Art der innereRand der gesamten Palissadenschicht 
wellenförmig gebogen. — Die Bastzellen der Querfaserschicht (Fig. 


1) Vergl.: Möller, Ueber Muskatnüsse, Separatabdruck a. d. 
Ph. Centralhalle 1880 S. 7 und oben bei Myr. fatua. 


K. T. Hallström: Myristicaceen. 457 


23) sind von zwei verschiedenen Formen: lange, gerade oder etwas 
gebogene (0.297—0,540 mm lang) und kurze und breite (0,162—0,216 
mm lang) beide mit linksschiefen Tüpfeln. Die lange Form ist 
zahlreicher vertreten. 

Fe, Cl, und K, Cr, O, geben die Gerbsäurereaktion. H, SO, 
löst fast sogleich den Zellinhalt mit schöner purpurrother Farbe. 
Ammoniak und KOÖH färben die Samenhautzapfen und die 
äufseren Partien der Samenschale orangerot-schwarz, KOH 
löst nur äulserst wenig. Nach dem Kochen der Schnitte 
mit Wasser giebt H, SO, eine kirschrote und KOH eine braunrote 
Färbung. Stärke fehlt der Samenschale. 

Das Endosperm ist weich und locker und schrumpft sehr 
schnell, — sehr wahrscheinlich war der untersuchte Same noch 
nicht reif. Die Ruminationsstreifen sind kurz und nicht besonders 
zahlreich. In den Endospermzellen beobachtet man kleine runde 
ebenso wie grölsere runde und ovale, farblose Körner, die sich als 
Stärke und Aleuron erweisen. Globoide und Calciumoxalatkrystalle 
sind nicht zu sehen, 


Myristica cahyba (Ucuhuba?). 
(Trockenes Material a. d. pharm. Sammlungen in Wien und Bern.) 


Der Same ist 21 mm lang, 17—19 mm breit, von den Seiten 
etwas zugedrückt. Die Chalaza, die durch eine 2—3 mm hohe und 
5 mm breite warzenförmige Erhebung ausgezeichnet ist, be- 
findet sich auf der einen Längsseite des Samens. Das Hilum ist 
als eine ovale Erhebung mit grauen Rändern zu bemerken. — Die 
Samenschale, die keine Arillusfurchen hat, ist von der Farbe einer 
Eichel. Die in der äusseren Schicht der Samenschale verlaufenden 
Gefäfsbündel sind als hellere Streifen sichtbar. 


Die Samenschale ist hart und 0,7—1,5 mm, an der Chalaza 
bis an 25 mm dick. — Der anatomische Bau bietet nichts Be- 
merkenswertes dar. — Die Innenpalissaden sind 0,62=2,065 mm 
lang. Die Bastzellen der Querfaserschicht sind 0,189—=0,378 mm 
lang, im Querschnitt rund (0,027=0,04 mm), stark verdickt und mit 
weiten Spaltentüpfeln versehen. 

Das Endosperm ist hier ungleichmässig ruminiert; meist sind 
die Ruminationsstreifen klein, nicht selten aber reichen die Falten bis 


468 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


an die gegenüberliegende Seite. Besonders grofse Streifen gehen von 


der Raphe aus. — Die braungraue Farbe des Endosperms ist von 
der Menge der Gerbstoffklumpen, die nebst dem Fett und Aleuron 
die Zellen ausfüllen, verursacht. — Das Fett ist teilweise krystal- 


linisch; erwärmt man einen Schnitt, so schmilzt es mit unange- 
nehmem Geruch. Alkohol löst es leicht. Die Aleuronkörner sind 
sehr grofs und wohl ausgebildet und enthalten alle typischen Bestand- 
teile.!) — Stärke fehlt meist. Fe, Cl; und K, Cra O, zeigen wie bei 
allen anderen Nüssen das Vorhandensein von Gerbstoff an. 


Myristica Bicuiba Schott. 
(Trockenes Material a. d. pharm. Sammlungen in Graz und Bern.) 


Stimmt mit der vorhergehenden überein. Eine sehr schwache 
Stärkereaktion wurde jedoch erhalten. 

Die Keimungsgeschichte der Myr. Bicuiba unterscheidet sich von 
derjenigen der Myr. fragrans, jatua nnd malabarıca Sie ist von 
Fritz Müller festgestellt worden.?) 


Virola surinamensis (Rol.) Warb. (Myristica surina- 
mensis Rol.) (Abbildung bei Warburg Fig. 15). 


(Trockenes Material a. d. pharm. Sammlung in Bern.) 


Diese auf der Insel Cariba in Surinam einheimische Art ist 
von Tschirch?) beschrieben, besonders mit Rücksicht auf die 
aufserordentlich schön ausgebildeten Aleuronkörner. Doch mag der 
Bau der Samenschale kurz erwähnt werden, besonders weil diese 
Art durch die die Querfaserschicht bildenden Bastzellen sich von 
den übrigen hier erwähnten Arten unterscheidet. Die äufsere Schicht 
der Samenschale ist dünn und spröde und löst sich leichtab. Aufser 
der dickwandigen, platten Epidermis besteht sie aus 4—6 Reihen dünn- 
wandiger parenchymatischerZellen mit tangentialer Streckung (Fig. 17,;). 
Die Aufsenpalissaden sind kurz, dünnwandig, prismatisch, fast ohne 
Ausnahme mit braunem, zu Klumpen erhärtetem Inhalt gefüllt. 
Anstatt einer Zelle stehen oft zwei kürzere über einander (Fig. 17 ap). 
° ) Vergl.: Tschirch. Archiv d, Pharmacie 1887 S. 628. 

2) F. Müller, Keimung der Bicuiba. Ber. d. d. bot. Gesellsch. 
1887 V. S. 468. 


3) Archiv der Pharmacie 1887 $8. 619 und Angew. Pflanzenanatomie 
Fig. 37. 


K. T. Hallström: Myristicaceen. 469 


— Die Hauptmasse der Testa wird aus den langen (0,945 mm) 
Innenpalissaden und der Querfaserschicht gebildet. Die Bastzellen 
dieser Schicht sind entweder spiralig verdickt mit linksschiefen 
Tüpfeln (Länge 0,594 mm) oder kurz und netzartig verdickt 
(0,229—0,405 mm) (Fig. 18). — Stärke fehlt. 


Virola guatemalensis. (Hemsl.) Warb. (Abbildung bei 


Warburg Fig. 14). (Trockenes Material a. d. pharm. Sammlung in 
Bern und von Dr. Warburg.) 


Im Handel kommt diese Art, wie auch Virola surinamensis 
(Rol.) Warb. unter dem Namen „African oil nut“ vor, welcher Name 
eigentlich der letzteren Art zukommt, und wird in ihrer Heimat 
Guatemala zur Bereitung von Fett benutzt. Das Pericarpium ist 
wie bei den amerikanischen Virola-Arten überhaupt dünn und also 
unbrauchbar. 


Der Same, 20 mm lang, 14—15 mm breit, ist fast eiförmig, 
kaum gefurcht. Der kaum erhabene Chalazafleck in der Mitte der 
einen Längsseite ist auffallend grofs. Wo die äulserste Lage der 
papierdünnen und spröden Samenschale, die sich leicht in dünnen 
Splittern löst, nicht mehr erhalten ist, sieht man den harten Teil 
als eine schwarzbraune, glänzende Fläche mit wenigen kurzen, schief- 
längsverlaufenden Erhebungen. — Die innere Seite der harten 
Samenschale ist von einem graubraunen Beleg bedeckt. Sie löst 
sich leicht beim Kratzen ab und besteht aus der Querfaserschicht 
und einigen Zellreihen der Samenhaut, deren gröfster Teil mit dem 
blosliegenden Samenkern vereinigt ist. 


Der Bau der Samenschale bietet nichts bemerkenswertes dar. 
Die Calciumoxalatkrystalle in den Palissaden sind ungewöhnlich 
gro[s (0,027 —0,032 mm) (Fig. 25 Kr.), die Palissaden selbst sind 
ungleich lang (0,459—0,513 mm), so dafs der innere Rand derselben 
eine wellenförmige Linie bildet. — Die Bastzellen der Querfaser- 
schicht dagegen treten im Querschnitt durch ihre unregelmälsige 
rechteckige Form mit abgerundeten Ecken und durch ihre weiten 
Lumina (0,027—0,067 mm) hervor (Fig. 25 qfs). Isoliert sind sie 
von verschiedener Grölse (0,216—0,945 mm) (Fig. 26). 


470 K. T. Hallström: Mypyristicaceen. 


Der Samenkern ist braungrau, von den Seiten etwas zu- 
sammengedrückt. Die Chalaza wird durch einen grofsen dunkel- 
braunen Fleck bezeichnet. 


Von dem unteren Rande der Chalaza verläuft gegen das 
Hilum, an dessen Rande mit einer Erhebung aufhörend, eine rinnen- 
förmige Vertiefung. -—— Die Ruminationsstreifen sind teilweise grols und 
dringen in das Endosperm bis weit über die Hälfte des Samens vor. 


Das Endosperm, dem der aromatische Geruch fehlt, besteht 
aus polygonalen Zellen. Schon beim ersten Anblick setzt die so- 
wohl in amorpher als in krystallinischer Form vorkommende 
Fettmasse, welche die Zellen füllt, in Erstaunen. Das Fett löst sich 
leicht in Alkohol. In das Fett eingebettet, bisweilen die ganze Zelle 
füllend, sind gröfsere und kleinere braungelbe und gelbe Klumpen 
verschiedener Form, die, wie auch die Membranen der Samenhaut- 
zapfen, mit Fe, Cl; und K, Cr, O, die Gerbsäurereaktion geben. — 
Stärke fehlt. 


Die Aleuronkörner sind aufserordentlich wohl ausgebildet. 
Neben den kleinen Körnern kommen auch grolse vor, die, wie in 
Myristica surinamensis Hüllmembran, Hüllmasse und Einschlüsse 
haben und die mit denen der Myristica surinamensis gut vergleich- 
bar sind. Dazu kommen hie und da in den Zellen isolierte oder 
mehrere zu Gruppen vereinigte Globoide mit eingeschlossenen 
Krystallen vor. 


Virola sebifera Aubl. (Myristica sebifera Sw.) 
(Abbildung bei Warburg Fig. 12). 


Der vorliegende Same(aus der pharm. Sammlung in Wien) hat kein 
Pericarpium, ist eirund und sowohl in Grölse als Farbe dem des Lor- 
beers ähnlich, 12—14 mm lang, 10—12 mm breit. Wo die Epidermis 
noch vorhanden ist, ist die Farbe graubraun mit längslaufenden 
helleren Streifen, den Gefälsbündeln ; wo sie dagegen zerstört ist, 
tritt die ebenholzgefärbte harte Palissadenlage hervor. Die Aufsen- 
fläche ist von meridional verlaufenden langen Runzeln und Erheb- 
ungen uneben. Die Raphefurche ist als eine seichte und schmale 
Rinne zwischen Hilum und der Samenspitze, wo sie mit einem 
spitzigen Höcker aufhört, sichtbar. 

Fortsetzung im Heft VIl. 


ARCHIV 


DER 


—_ PHARMACIE 7° 


herausgegeben 


» di 


vom 


Deutschen Apotheker-Verein 


unter Redaction von 


E. Sehmidt und H. Beckurts. 


Band 233. Heft 7. 


BERLIN. re 
Selbstverlag des Deutschen Apotheker-Vereins, 
1895. = 


1895. 


E 


-K. Th. Hallström, Anatomische Studien über den ne der M 

caceen und ihre Arillen.. . . = Zah 

G. Kassner, Untersuchungen über Orthoplumbate nr Erdalkalien. 

Dr. Mankiewicz, Ueber eine forensische Strychninuntersuchung. 

Br. Grützner u. M. Höhnel, Zur Kenntnis der Metaplumbate der 
Erdalkalien.. . . 

L. Moeser, Zur Kenntnis der eisensauren Be 

K. Gorter, Ueber die van de Moer'sche Reaction und die Erzaitte- 
lung des Cytisins. . . . 2 er. 

Dr. Mjöen, Beiträge zur nikenskopechrn Kon des Opiuzie 

Era, TVeber das’ Ainmoniacum ;* ;.. ... u. Sr Ieene 


Eingegangene Beiträge. 


Pinner, Ueber das Nicotin (II). 

Dragendorff, Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 

Gadamer, Ueber das Thiosinamin. 

Virchow, Ueber Bau und Nervatur der Blattzähne und Blattspitzen 


(Geschlossen den 19. IX 1895.) 


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Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel 
monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis 
50 Bogen. Ladenpreis für den Jahrgang Mk. 12,—. 


Alle Beiträge für das „Archiv‘‘ sind an die 
Archiv-Redaction 


Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg (ea 
- oder Herm Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig, 


alle die Inserate u. s. w., überhaupt die Archiv-Verwaltung ze 
die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den 


Deutschen Apotheker-Verein 
Berlin ©. 22, An der Spandauer Brücke 14 


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K. T. Hallström: Myristicaceen. 471 


Der Samenkern ist der Haselnufs täuschend ähnlich. Er ist 
fast kugelförmig mit einer tiefen Aushöhlung an der Chalaza; die 
Oberfläche ist grobrunzelig. 

Die Testa ist papierdünn. Weil die äufsere Schicht der 
Samenschale stark geschrumpft und teilweise zerstört ist, ist eine 
Übersicht davon unmöglich zu erhalten. Möller sagt!): „An 
nicht vollkommen ausgereiften Samen ist sie (die Oberhaut) erhalten 
und diese Samen sind hellbraun, glatt und glänzend. Die Anord- 
nung der Schichten der Samenschale und die Ausbildung ihrer 
Elemente zeigt eine grolse Übereinstimmung mit Myr. officinalis?). 
Als Unterschiede sind hervorzuheben die unregelmäfsig polygonalen 
Plattenzellen der Epidermis und die unterhalb der Palissadenschicht 
gelegene einfache Reihe von Sclerenchym.* Die Zelllage nach 
aulsen von den Palissaden — die Aufsenpalissadenschicht der Myr. 
fragrans — besteht aus langgestreckten prismatischen, mit braunem 
Inhalt erfüllten Zellen (Fig. 27 ap.) Die Innenpalissaden sind kurz 
(0,27—0,32 mm). Die grolsen scheibenförmigen Caleiumoxalatkrystalle 
befinden sich fast ohne Ausnahme in einer Reihe in der Mitte der 
Zellen und nicht wie gewöhnlich bei den anderen in den Erweiter- 
ungen der beiden Enden (Fig. 27 Kr.) Die Bastzellen der Quer- 
faserschicht unterscheiden sich im Querschnitt von denjenigen aller 
anderen Arten durch ihre rechteckige Form (Fig. 27 qfs) und durch 
die Streckung in radialer Richtung, wie auch durch ihre grofsen 
Lumina. Höhe : 0,067—0,081 mm, Breite : 0,021—-0,031 mm. Isoliert 
treten zwei verschiedene Typen hervor (Fig. 28): kurze fast 
quadratische (0,04—0,08 mm breit und 0,21—0,37 mm lang) und 
sehr lange und schmale (1,21—1,75 mm lang, 0,067—0,108 mm 
breit), die hier praevalieren. Zwischen diesen giebt es auch Über- 
gangsformen. 

Das Endosperm ist geschmack- und geruchlos, weich wie Wachs 
Die Ruminationsstreifen sind kurz und ziemlich weit von einander 
entfernt. Manchmal kommen gröfsere Samenhautzapfen, die von 
der Raphe ausgehend durch den ganzen Samenkern dringen, vor. 
Die Endospermzellen sind mit scholligen Fettklumpen gefüllt; 
innerhalb dieser sind grölsere und kleinere gelbgefärbte Klumpen 


ı) Über Muskatnüsse S. 4. 
2) Über Muskatnüsse Vergl. Myr. officinalis Mart. 


Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 7. Heft 31 


472 K. T. Hallström; Myristicaceen. 


zu sehen, die von Jod citronengelb gefärbt werden: Aleuronkörner. 
Daneben bekommt man eine schwache Stärkereaktion, man sieht 
spärliche, sehr kleine, fast unme(sbare Körner, daneben hie und da 
eine blaugefärbte gel&eartige Masse. 

In einem Schnitt, bei dem das Fett durch Kochen mit Wasser 
geschmolzen worden ist, verursacht Alkohol keine Veränderungen. 
Läfst man aber Alkohol ohne vorhergehendes Aufwärmen zuflielsen, 
so löst sich das Fett teilweise, der ungelöste Teil bekommt 
eine unbestimmte krystallinische Struktur. — KOH und 
Na OH verursachen keine Veränderungen. — Fe, Öl, und 
K, Cr; O, geben die Gerbsäurereaktion in der Samenschale und den 
Ruminationsstreifen. 

Die Aleuronkörner bestehen aus gröfseren Krystalloiden und 
kleineren runden Körnern. Sie bieten sonst nichts bemerkens- 
wertes dar. 

Der Same aus der pharm. Sammlung in Graz war viel grölser 
(Länge 18 mm, Breite 15 mm) und mehr kugelrund als der oben 
genannte, sonst mit demselben übereinstimmend. 

Ein Same (Virola sebifera Aubl.) aus der Sammlung Dr. War- 
burg’s ist viel kleiner als die beiden vorhergehenden, mit dem kaum 
1 mm dünnen Pericarpium 13 mm lang, 11 mm breit. Der ana- 
tomische Bau ist wie bei den anderen; in der Querfaserschicht 
wurden nur lange Bastzellen beobachtet. In den Endospermzellen 
wurde keine Stärkereaktion erhalten. 


Horsfieldia spec. ign. (wahrscheinlich glabra. 
(Bl.) Warb.) 

(In Buitenzorg bezeichnet mit Myriıstica glabra.) 
(Alkoholmaterial aus der Tschirch’schen Sammlung a. d. bot. Garten 
in Buitenzorg.) 

Die chokoladbraune Frucht ist 35—40 mm lang, 25—30 mm 
breit, eiförmig. — Das Pericarpium ist 3—5mm dick und ziemlich locker. 
Der gelb-braune Arillus umhüllt die ganze Frucht sackförmig; nur 
rings um die Samenspitze ist er etwas offen, so dafs der Same sicht- 
bar wird, und in einige sehr kurze Lappen geteilt. 

Der Same, der nur an der Chalaza einige seichte Arillus- 
furchen hat, ist übrigens ganz glatt, eitörmig und an dem Chalaza- 


K. T. Hallström: Myristicaceen. 473 


ende spitzig. Die Grundfarbe ist braun, der Farbe einer Eichel sehr 
ähnlich, mit helleren, fast gelben Striemen, die unregelmälsig zwischen 
Hilum und Chalaza verlaufen. Die Epidermis, wie auch die ganze 
Aufsenschicht, die die Dicke einer Karte hat, löst sich leicht ab. 


Die flache Epidermis ist aus polygonalen dünnwandigen Zellen, 
deren Ecken mehr oder weniger verdickt sind, zusammengesetzt. 
Die zahlreichen Spaltöffnungen sind ziemlich grofs. — Die folgenden 
20—25 Zelllagen sind in radialer Richtung zusammengedrückt, zum Teil 
mit braunem Inhalt gefüllt. Im Flächenschnitt sieht man die par- 
enchymatischen Zellen mit grofsen Intercellularen versehen, im Quer- 
schnitt dagegen zeigen sie sich ganz anders, die Zellwände sind 
scheinbar von Löchern durchgebohrt. (Fig. 11.) In dieser Schicht ver- 
laufen die Gefäfsbündel und die langen Sekretbehälter, deren Inhalt 
ebenso wenig wie der der parenchymatischen Zellen und der den 
Palissaden benachbarten Zellen sich in Alkohol, Aether, Chloroform 
oder Benzol löst. Die den Aufsenpalissaden der Myr. fragrans 
entsprechenden Zellen sind ein wenig in radialer Richtung gestreckt, 
zum Teil mit braunem Inhalt gefüllt. Hier und da enthalten sie gut 
ausgebildete Calciumoxalatdrusen. (Fig. 11 ap.) 

Die sehr harten Innenpalissaden sind wie bei anderen Arten 
gebaut. Die der Querfaserschicht zugehörenden Zellen bestehen aus- 
schliefslich aus sclerenchymatisch verdickten Bastzellen mit links- 
schiefen Tüpfeln und abgerundeten oder schief abgeschnittenen 
Enden. (Fig. I1qgfs und 12, Fig. 13 im Querschnitt.) — Zwischen 
diesen beiden Zelllagen kommen hie und da einzelne Gruppen von 
ungleich langen und dickwandigen Sklereiden, die fast wie aus den 
Palissaden abgeschnitten zu sein scheinen, vor. Wo diese Gruppen 
sich finden, sind die Palissaden kürzer. Ganz gleiche findet man bei 
Horsfieldia Iryaghedhi. — Die Innenschicht der Samenschale ist sehr 
stark obliteriert. Der mittlere Teil derselben ist aus ganz gleichen, 
mit Intercellularen versehenen Zellen, wie die der Aufsenschicht, 
aufgebaut. 

Das fettreiche Endosperm besteht aus unregelmälsig polygo- 
nalen Zellen, deren Wände mit Poren versehen eind. Das Fett zeigt 
sich als aufgeschwollene, amorphe Masse, die die Zellen vollständig 
ausfüllt. Das durch Erwärmen geschmolzene Fett bildet nach Zu- 
fliefsen von Alkohol Fettsäurekrystallgruppen, die Fettklumpen werden 

31* 


474 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


von sehr feinen und zarten Krystallnadeln umgeben. — Die Aleuron- 
körner bestehen nur aus Krystalloiden und Hüllmembran und sind 
von wechselnder Gröfse und Form (0,013—0,085 im Durchmesser), 
-— Kleine Stärkekörner kommen sehr spärlich vor. 


Horsfieldia Iryaghedhi, Wark. 
(Alkoholmaterial aus der Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten 
in Buitenzorg.) 

Die dunkel chokoladenbraune Frucht ist 40 mm lang und 30 
mm breit, besonders an der Basis steifhaarig. Auch der Fruchtstiel 
ist haarig. Die Fruchtschale ist ziemlich fest und 4--7 mm dick. — 
Der ungeteilte, kastanienbraune Arillus schlie[st sich dieht an den 
Samen, so dafs er ganz eben, ohne Runzeln oder Faltungen ist. An 
der Spitze ist er wie eine Düte zusammengelegt. — Der Same ist 283 mm 
lang, 19 mm breit, gleichförmig oval, kastanienbraun. Die Aulfsen- 
seite, deren Epidermis sich sehr leicht löst, ist, kleine warzen- 
förmige Erhebungen ausgenommen, ganz eben; nur an der Spitze sind 
einige seichte Arillusfurchen zu shen. — Die Samenschale ist 
dünn und zerbrechlich. — Der Samenkern zeigt tiefe zwischen Cha- 
laza und Hilum verlaufende Furchen mit kleineren seitwärts gehen- 
den Verzweigungen, die durch die tief in das Endosperm eindringen- 
den Samenhauttalten entstanden sind. 

Die Epidermis ist aus polygonalen Plattenzellen zusammenge- 
setzt. Die Aufsenwand und die Ecken sind stark, die Seitenwände 
nicht verdickt (Fig. 15 ep). Die subepidermalen und die weiter 
nach innen folgenden Zelllagen bestehen aus ziemlich grofsen und 
unregelmäfsigen, mit Vorsprüngen versehenen parenchymatischen 
Zellen. (Fig. 16.) Näher den Palissaden (0,44—0,95 mm lang) 
werden diese regelmälsiger rund oder oval und haben Intercellularen. 
Die den Aufsenpalissaden entsprechenden Zellen sind in radialer Rich- 
tung etwas gestreckt, prismatisch, die Seitenwände mit Poren ver- 
sehen. (Fig.15 ap). Auch hier zeigen sich scheinbar Löcher in den 
Zellwänden. In der Aufsenschicht sind die Zellen sehr reichlich mit 
braunem Inhalt, der in den den Palissaden benachbarten Zellen harte 
Klumpen bildet, erfüllt. Die Bastzellen der Querfaserschicht sind 
derjenigen der oben beschriebenen Horsfieldia gleich. Auch hier 
kommen zwischen diesen beiden Gewebsschichten gleiche Gruppen 


K. T. Hallström: Myristicaceen. 475 


von sklerenchymatisch verdickten Zellen, wie bei Horsfieldia spec. 
ign. vor. 

In den die Palissaden umgebenden Geweben sind die Zellen 
sehr stark mit braunem Inhalt oder mit harten Sekretklumpen erfüllt. 
Dazu finden sich in den Epidermiszellen reichlich Chromatophoren 
in Form brauner oder rotbrauner gelappter Scheiben und kleinerer 
oder grölserer Körner, die besonders in Flächenschnitte deutlich 
sichtbar sind. In den subepidermalen Zellen findet man kleine farb- 
lose Körner, runde, ovale, nierenförmige, die mit Jod eine deut- 
liche Stärkereaktion geben. Um die Löslichkeit des Zelleninhaltes 
zu untersuchen, wurden Schnitte auf dem Objektträger mit Alkohol- 
Chloroform, Aether und Alkohol - Aether (gl. Teile) behandelt, doch 
ohne Resultat. Nach 2 Tagen war eine Lösung der Inhaltsbestand- 
teile kaum bemerkbar, die Lösungsmittel aber waren (besonders der 
Alkohol) deutlich rotgetärbt. Durch Kochen der Schnitte mit den 
Lösungsmitteln wurde die Löslichkeit nicht grölser. — Nach längerer 
Zeit vermag jedoch der Alkohol viel zu lösen, denn der Alkohol, in 
welchem das Material viele Monate nach einander aufbewahrt worden 
war, war tiefrot gefärbt. Lie(s man etwas von diesem abdunsten, so blieb 
eine spröde, harzartige und blättrige Masse übrig. Kam dieser 
gefärbte Alkohol in Berührung mit Wasser, so wurden braungraue 
klebrige Ballen gebildet. — KOH löst die Chromotophoren mit 
schöner, orangeroter Farbe, H, SO, löst dieselben mit dunkel- 
orangerother-braunroter Farbe. 

Das Endosperm ist wie bei der vorigen Art gebaut. Die Zellen 
sind von krystallinischem Fett erfüllt. Dasdurch Kochen in Wasser 
geschmolzene Fett krystallisiert beim Zufliefsen von Alkohol. Daneben 
findet man Aleuronkörner und länrgliche und runde Stärkekörner 
(0,005—0,032 mm lang und 0,005—0,013 mm breit.) — KOH ver- 
seift das Fett und bildet Krystallnadeln. Der Farbstoff in den 
Samenhautzapfen wird mit bronzeroter Farbe gelöst. — H,SO, giebt die- 
selbe Reaktion wie KOH, nur krystallisiert das Fett nicht so deutlich. 


Horsfieldia macrosoma (Mig.) Warb. 
(Alkoholmaterial a. d. Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten in 
Buitenzorg). 

Die Frucht ist 40 mm lang, 27 mm breit, graubraun, ganz 
glatt. Das Pericarpium 5—7 mm dick und test. — Der hellbraune, 


476 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


28 mm lange und 13 mm breite Samen ist von einem ungeteilten, 
den Samen sackartig umgebenden, leberbraunen Arillus umschlossen. 

Der Bau der Samenschale ist in seinen einzelnen Teilen dem 
der Horsfieldia spec. ign. sehr ähnlich. Die Palissaden sind 
0,37—0,43 mm lang. An der Rapheseite ist nach innen von den 
Palissaden eine zweite Palissadenschicht zu finden. Die Zellen in 
dieser inneren Schicht sind ganz gleich und fast überall auch gleich 
lang, wie in der äusseren Schicht und mit Calciumoxalatkrystallen 
versehen. 

Die Endospermzellen sind mit scholligen Fettklumpen gefüllt. 
— Die Samenhautzapfen sind meistens kurz und an Zahl gering, 
doch kommen auch einzelne grölsere, die sich sehr mächtig in dem 
Endosperm ausbreiten, vor. — Die Stärkekörner sind klein, rund 
oder oval (0,002—0,018 mm), die Aleuronkörner klein und wenig 
entwickelte. KOH und Ammoniak verursachen eine Rotfärbung 
in dem Inhalt der Zellen, in der Samenschale und in den Samen- 
hautzapfen. — H, SO, löst den Inhalt mit tief orangeroter Farbe. 
— Fe, Cl; und K: Cr, O, geben Gerbstoffreaktion. 


Horsfieldia glabra. (Bl.) Warb. 
(Alkoholmaterial a. d. Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten 
in Buitenzorg). 

Die Frucht ist 32 mm lang, 20 mm breit, dunkel rotbraun, 
Das Pericarp ist dünn. Der blafs-graubraune Arillus ist an der 
Spitze in zwei Hauptlappen geteilt; grölstenteils ist der Same von 
demselben sackartig umgeben. Der Same ist 28 mm lang, 19 mm 
breit. Die Farbe ist etwas heller als die der Frucht. 

Die Epidermis der Samenschale ist aus regelmäfsigen, im 
Querschnitt fast quadratischen, kleinen Zellen, die mit äufserst 
kleinen Stärkekörnern erfüllt sind, aufgebaut. Sonst ist die Aulsen- 
schicht wie bei Horsfieldia spec. ign. Die Zellen führen reichlich 
Calciumoxalatdrusen. Gruppen aus sklerenchymatisch verdickten, den 
Palissaden ähnlichen Zellen, wie bei Horsfieldia spec. ign. und 
A. Iryyghedhı kommen zwischen der Querfaserschicht und der 
Innenschicht vor. Fe, Cl, und K, Cr, O,, KOH und Ammoniak 
geben dieselben Reaktionen wie bei der vorigen. 

Im Endosperm sind die Stärkekörner sehr klein; die Aleuron- 
körner sind nicht gut entwickelt und bestehen nur aus Krystalloiden. 


K. T. Hallström: Myristicaceen. 477 


Knemaintermedia (Bl) Warb. 
(Alkoholmaterial a. d. Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten 
in Buitenzorg). 


Die eirunde Frucht ist 23—30 mm lang, 18 mm breit, choko- 
ladebraun und feinfilzig. Das Pericarp ist 3—5 mm dick und 
ziemlich fest. Der Arillus, von derselben Farbe wie die Frucht, ist 
grölstenteils ungeteilt und umschliefst den Samen sackartig. Die 
Arillarlappen, die kaum bis zur Hälfte des Samens sich er- 
strecken, schlie[sen sich dicht aneinander, so dafs der Same vollständig 
davon bedeckt ist. Der Same ist ohne Arillus 19 mm lang und 12 
mm breit, gegen die Spitze sich stark verschmälernd. Die Farbe 
erinnert sehr an die der Haselnufs. Die dünne, kaum 0,5 mm 
dicke Samenschale ist ganz glatt, nur an der Chalaza sind einige 
flache Erhabungen sichtbar. Die hellbraune Aufsenfläche ist von 
dunkleren Striemen — Gefäfsbündeln — in kleine unregelmäfsige 
Felder geteilt. 

Die Epidermis ist grolfszellig und ziemlich diekwandig. Inder 
Aufsenschicht, die nichts bemerkenswertes darbietet, kommen die 
langen Sekretbehälter nebst den Gefäfsbündeln vor. Besonders die 
innersten Zellreihen sind mit braunem Inhalt gefüllt. Die Innen- 
palissaden sind 0,37—0,45 mm lang. Im Längsschnitt der Querfaser- 
schicht sieht man hauptsächlich Janggestreckte Bastzellen. Isoliert 
man sie, so findet man zwei verschiedene Hauptformen, beide klein. 
Die langgestreckten sind überwiegend, die kurzen und breiteren 
seltener (Fig. 22). 

Die Stärkekörner sind klein und rund und füllen besonders 
die subepidermalen Zellen fast ganz. Fe,Cl;, und K,Cr,0O, 
geben Gerbsäurereaktion. KOH und H, SO, lösen weder noch 
färben sie. 

Das Endosperm ist spröd und zerfällt sehr leicht beim Schneiden. 
Das beim Kochen im Wasser geschmolzene Fett bildet beim Zu- 
fliefsen von Alkohol entweder lange, spitze Nadeln oder Klumpen, 
die von kleinen spitzen Krystallnadeln umgeben sind. Sonst ist das 
Endosperm sehr reich an Stärke und Aleuron, die die Zellen neben 
dem Fett ganz ausfüllen. 

Die Stärkekörner sind wie in der Samenschale klein und rund, 
die Aleuronkörner führen nur selten Hüllmasse und Membran. 


478 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


Globoide und Krystalle fand ich nicht. Die Krystalloide sind von 
KARTEN 

verschiedener Gröfse (0,005—0,031 mm lang, 0,005—0,021 mm breit) 
und meistens regelmälsig ausgebildet. 


Knema glauca (Bl.) Warb. 
(Alkoholmaterial a. d. Tschirch’schen Sammlung). 


Die fast eirunde Frucht ist 32—34 mm lang, 20—22 mm breit, 
Pericarpium ist hart und dünn, rostbraun und dicht mit Stern- 
haaren, die der Frucht ein feinfilziges Aussehen geben, besetzt. — 
Der früher den Samen sackartig umhüllende Arillus ist jetzt in zwei 
gleiche Teile geteilt, sehr dünn, an der Spitze mit einigen Zotten 
versehen und von rotbrauner Farbe. Bei durchfallendem Licht 
sieht man die parallel verlaufenden Gefäfsbündel als dunkle braune 
Striemen. Auf der Aufsenseite sind diese auch als leistenförmige 
Erhebungen sichtbar. 

Der Same ist 23 mm lang, 18—20 mm breit. Die Samen- 
schale ist dünn und hellbraun. Der Samenkern hat an der Chalaza 
ein tiefes Grübchen, das einer Einstülpung der Samenschale ent- 
spricht. 

In der Aufsenschicht der Samenschale sind die verschiedenen 
Gewebe den entsprechenden Teilen der Änema intermedia ganz ähn- 
lich, nur die subepidermale Zellschicht ausgenommen, die wie bei 
Horsfieldia Jryaghedhı gebaut ist (Fig. 16). — Die Stärke besteht 
aus kleinen runden und länglichen Körnern. Die Palissaden sind 
0,62 mm lang. 

Die zur Querfaserschicht gehörenden Zellen unterscheiden sich 
von allen anderen durch ihre kurze und breite, drei- und viereckige 
Form (Fig. 24) (Länge 0,067—0,216 mm, Breite 0,027—0,067 mm). 
Auch kommen spärlich etwas längere Bastzellen vor. Aber alle sind 
sie wie bei Myristica surinamensis spiralig und netzartig ver- 
dickte Fasern (Vergl. Fig. 18). — Fe Ol; und K, Cr; O0, geben 
eine schwache Gerbsäurereaktiin. KOH und H, SO, lösen nach 
kurzer Zeit ein wenig. Beim Behandeln mit H, SO, ist gleichzeitig 
eine Färbung des Inhalts bemerkbar. Sie geht von einer karmin- 
roten in eine violette und grüne Farbe über. Die grüne bleibt am 
längsten bis auch diese verschwindet, und der Zellinhalt bekommt 
dann eine fast schmutzigbraune Farbe. 


K. T. Hallström: Myristicaceen. 479 


Das Endosperm ist reich an Fett und weich. Die Ruminations- 
streifen liegen dicht neben einander und dringen tief in das Endo- 
sperm ein. — Die Stärke hat dieselbe Form wie bei Änema_ inter- 
media. Aleuronkörner fand ich nicht. 


Mondora-Myristica. (Kalabassen Muskatuf/s). 
(Trockenes Material a. d. pharm. Sammlung in Wien.) 


Ueber Mondora-Myristica habe ich nur eine kurze Notiz ge- 
funden. Döbereiner!) sagt nämlich: „Mondora Myristica 
Dan. liefert die sogenannten amerikanischen oder jamaikanischen 
Muskatnüsse und werden dieselben dort häufig angewandt.“ Ob diese 
Benennung eine oder mehrere Arten umfalst, ist unmöglich zu sagen, 
wie auch ob die zur Untersuchung vorliegende Mondora Myristica 
mit der von Döbereiner erwähnten identisch, ob sie überhaupt 
eine Myristica-Nuls ist. Denn so sehr ist sie in Form und Aus- 
sehen, wie auch im anatomischen Bau den anderen Muskatnüssen un- 
ähnlich, dafs man letzteres kaum annehmen kann. 

Der Same ist länglich, 20 mm lang, 10—12 mm breit, von 
den Seiten platt zusammengedrückt und etwas schief. Das eine Ende 
des Samens ist abgerundet, das andere ist schmäler und endigt in 
einer Spitze. Längs den schmalen Längsseiten verlaufen Wulste, die 
durch eine seichte, in dem abgerundeten Ende des Samens deutlich 
sichtbare rinnentörmige Vertiefung in die breitere Seite des Samens 
übergehen. Diese Wulste werden, wie der Querschnitt zeigt, von 
einer Verdickung in der sonst papierdünnen Texta verursacht. 

Die innere Seite der Samenschale sendet in das Endosperm 
zahlreiche dünne, farblose Lamellen, die dasselbe in kleine Zapfen 
teilen. Das Endosperm, das also ruminiert ist, löst sich leicht aus 
der Samenschale und die Lamellen bleiben dabei fast unzerbrochen 
mit der Samenschale vereinigt. 

Die Epidermis ist von platten, unregelmälsigen Zellen gebildet. 
Auf diese folgt eine Lage ungleich grolser, wenig verdickter und 
mit Spaltentüpfeln versehener Bastzellen, die in der Längsrichtung 
des Samens verlaufen. Die folgende Schicht ist auch aus Bastzellen 
zusammengesetzt, die jedoch schmäler und länger sind und eine den 


l) Deutsches Apothekerbuch von Dr, J. W. Döbereiner 
und Dr. Franz Döbereiner. I. Stuttgart 1842, 3, 550. 


480 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


vorigen entgegengesetzte Richtung haben. Nach innen ist die Samen- 
schale von einer dünnen — 1—2 Zellreihen starken — Schicht fast 
isodiametrischer, stark getüpfelter, parenchymatischer Zellen bekleidet. 
Hie und da sieht man im Querschnitt die I—2 innersten Zellreihen 
mit braunem Inhalt erfüllt. Diese erinnern etwas an die Innen- 
schicht der übrigen Myristica-Arten. Wo in der Samenschale die 
wulstigen Verdickungen sich finden, ist zwischen den beiden Bast- 
zellschichten eine dicke Lage parenchymatischer Zellen, die den in- 
wendig die Samenschale bekleidenden Zellen gleichen, eingeschoben, 
— DieLamellen sind aus den zwei innerstenSchichten, den inneren Bast- 
zellen und den parenchymatischen Zellen aufgebaut. Die Bastzellen, die 
hier ausserordentlich lang und schmal sind, sind nicht lückenlos mit ein- 
ander vereinigt, sondern lassen zwischen sich grofse leere Räume, die 
von den parenchymatischen Zellen ausgefüllt sind. Nur ausnahmsweise 
sind in den Lamellen die Bastzellen, die sich in allen Richtungen 
verschlingen, mit Poren versehen. — In der Samenschale sind keine 
Getäfsbündel, Sekretbehälter oder Oelzellen zu finden. 

In dem Endosperm, das deutlich nach Elemi riecht, sind die 
Zapfen am meisten an den Rändern, aber auch nach innen reichlich 
mit runden Oelzellen, die mit braun-gelbem Oel gefüllt sind, besetzt. 
Diese verursachen die braune Farbe der Zapfen. Die ziemlich dick- 
wandigen, unregelmäfsigen Endospermzellen sind mit Fett, das sich 
leicht in Ammoniak löst, gefüllt. KOH und Ammoniak geben 
in den Oelzellen keine Reaktionen. — Jod färbt den Inhalt etwas 
brauner. H, SO, löst denselben mit dunkel-orangeroter 
fast rotbrauner Farbe. Die übrigen Reagentien lassen den In- 
halt unverändert. 


Myristica subalulata. Mig. 
(Trockenes Material a. d. Sammlung von Dr. Warburg.) 


Die Frucht ist schmutzig hellbraun, nicht haarig, 25 mm lang, 
15 mm breit. — Die Samenschale ist von hellziegelbrauner Farbe, 
sehr uneben, mit Leisten zwischen den tiefen Arillusfurchen ; dazu 
(wie auch der rotbraune Arillus) mit warzenähnlichen Erhebungen 
dicht besetzt, die sich leicht beim Berühren lösen. Eine glatte 
Furche, die an der Chalaza mit einer sehr deutlichen Erhebung auf- 
hört, bezeichnet den Verlauf des Raphebündels. 


K. T. Hallström: Myristicaceen. 481 


Im Querschnitte zeigt die Samenschale denselben Bau wie bei 
Myr. fragrans, d. h. die Aufsenpalissaden sind zu dünnwandigen, 
langen prismatischen Zellen ausgewachsen. — Das Endosperm ist 
zerstört wie auch die innerste Schicht der Samenschale. 

Die warzenähnlichen Erhebungen scheinen aus langen nadel- 
förmigen Fettkrystallen zu bestehen. 


Myristica Teysmanni Mig. 
(Alkoholmaterial a. d. Tschirch’schen Sammlung vom bot. Gart. in 
Buitenzorg.) 


Die Frucht ist feinflzig und chokoladebraun, 50 mm lang, 
45 mm breit. — Der Arillus ist im Vergleich mit dem der anderen 
Arten besonders an der Basis aufserordentlich dick, bis 5 mm im 
Querdurchmesser. Er besteht aus 5 Hauptstreifen, die sich in viele 
dünnere zerschlitzen und sich um einander verschlingend die Spitze 
der Nufs bedecken. Der Geruch ist schwach aromatisch, die Farbe 
chokoladebraun. Die Schnittfläche ist ziegelrot und im Querschnitt 
sind die mächtig entwickelten, mittelständigen Gefäfsbündel schon 
mit blofsem Auge sichtbar. 

Der regelmäfsig ovale Same, 38—40 mm lang, 30—33 mm 
breit, ist glänzend chokoladebraun, etwas dunkler als der Arillus 
von sehr tiefen Arillusfurchen eingekerbt. Die Samenschale ist 
meistens zerstört. Sie zeigt einen mit Myr. fragrans im allgemeinen 
übereinstimmenden Bau mit gut entwickelten Aufsenpalissaden. — 
Der Samenkern war zerstört. 


Der Bau der Fruchtschale der gesamten untersuchten 
Myristicaceen stimmt im grofsen und ganzen überein. Einige Früchte 
sind von, mit mehr oder weniger gegliedertem Stiel versehenen, 
Sternhaaren besetzt, andere sind kahl. Alle haben sie die langen 
Sekretbehälter und Oelzellen ebenso wie die Astrosklereiden, alle 
enthalten Gerbstoffe im Parenchym. 


V. Vergleichende Anatomie der Arillen 

der Myristicaceen. 

Ehe ich den anatomischen Bau der Arillen der verschiedenen 
Myristicaceen beschreibe, will ich eine kurze Übersicht der hauptsäch- 
lichsten Litteratur geben, die die zwei bis jetzt untersuchten Myristica- 
arillen, die Banda- und Bombay-Macis, sowohl aus .anatomischen 


482 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


Gesichtspunkten als auch mit Rücksicht auf die chemischen Identitäts- 
Reaktionen behandelt. 

Zuerst sei erwähnt, dals bereits Bergl) die Banda-Macis gut 
und richtig beschreibt, dann ist die Untersuchung über Bombay-Maeis von 
Tschirch?) zu erwähnen. Er giebt eine genaue, von Abbildungen 
begleitete Beschreibung des anatomischen Baus und erwähnt „die 
mannigfach gestalteten Körner“, die von Jodjodkalium und Chlor- 
zinkjod violettbraun gefärbt werden und mit denen die Zellen 
des Parenchyms angefüllt sind. — Einige Jahre später teilen 
R. Frühling und J. Schultz?) zwei zweckmälsige, durch viele 
Versuche erprobte Vorprüfungen mit, welche sie gebraucht haben 
beim Untersuchen der verfälschten pulverisierten Macis. Die eine 
beruht auf der Thatsache, dals die echte Macis niemals Stärke enthält, 
die andere berücksichtigt die Abwesenheit eines bestimmten in Alkohol 
löslichen Farbstoffes. Wird echtes Macispulver mit Alkohol geschüttelt, 
so bekommt man ein gelbgefärbtes Filtrat, dessen Farbstoff nicht von 
dem Flie/spapier aufgenommen wird. Ein mit Curcuma und Bombay- 
Macis gemischtes Macispulver giebt dagegen ein das Flie[spapier 
dauernd gelbfärbendes Filtrat. Wird dann das getrocknete gelbge- 
färbte Flie[fspapier mit KOH geprüft, so ist an einer Braunfärbung 
Curcuma, an einer blutroten Färbung Bombay-Macis zu erkennen. 

Im Jahre 1837 behandelt T.F. Hanausekt) die unechte Macis, 
dieer für identisch mit dervon Tschirch beschriebenen Bombay-Maeis, 
welchenachTschirch,DymockundWarburg von Myr. malabarica 
Lam. abstammt, hält. Als bemerkenswert erwähnt er das Verhalten des 
Inhaltes der grolsen blasenartigen Zellen zu Laugen und Säuren, 
Seiner Verımutungnach enthalten dieseZellen nebst ätherischem Oel einen 
Farbstoff, der wenigstens zum Teil die Eigenschaften des Curcuma- 
Farbstoffes besitzt. In einer Mitteilung über falsche Macis?) fügt er 
bei, dafs der Mangel an jedem Aroma die Ableitung der Bombay-Macis 
von Myr. fatua Houtt., Myr. officinalis Mart. oder Myr. sylvestris Houtt. 
ausschlielst. 

Tschirch$) beschreibt alsdann die Inhaltsstoffe der Zellen des 
Arillus von Myr. fragrans Houtt. und das Vorkommen von Amylo- 
dextrinstärke in Banda-Maecis, dessen eigentümliche Körnchen er auch in 
der Angewandten Anatomie (S. 100) abbildet. 


1) Anatomischer Atlas. 
2) Pharm. Zeitung 1831 S. 556. 
3) Chemiker-Zeitung 1886 No. 34. 


4) Jahresberichte der WienerHandelsakademie 
(Referat im Jahresber. der Pharmacognosie, Pharmacie und Toxi- 
cologie 1887. S. 109.) 


5) Pharm. Zeitung 1886 S. 61—62, 
6) Ber. d.d. bot. Gesellschaft. 1883. Band VI. Heft. 


K. T. Hallström: NMyristicaceen. 433 


Als das beste Kennzeichen für unechte Maeis bält T. F. Hanau- 
se kl)die Reaktionserscheinungen des Inhaltsstoffes der grolsen Oelzellen. 
Diese enthalten einen harzigen Körper. derin Alkohol mitsaffrangelber oder 
grüngelblicher Farbe sich löst,einkleinerTeil bleibt in Gestalt molekularer 
Körnchen (Tröpfchen ?) ungelöst. Tschirch hält diese Körnchen 
für den Rest der resinogenen Schicht. 

Ein Jahr nachher erwäbnt Hefelmann?) Bleiessig als ein 
Reagens, mit dem er geringe Mengen beigemengter Bombay-Macis bei 
grolsem Ueberschu[s echter Macis noch erkennen konnte. Ein mit 
kochendem Alkohol hergestellter Auszug der echten Macis färbt beim 
Filtrieren das Papier schwach gelb, und giebt mit Bleiessig eine 
milchig weisse Trübung, der Bombay-Macis-Auszug färbt das 
Fliefspapier rot und giebt mit Bleiessig einen flockigen 
rothen Niederschlag. 

Waage hatdanach die obenerwähnten Reagentien mit einander 
verglichen und ihre Anwendbarkeit beim Untersuchen der verfälschten 
Macis?) beurteilt. Was besondersdie „Böhm’sche Reaktion“, „wodurch 
der durch ein reinweilses Filter filtrierte alkoholische Auszug das 
Papier nur schwach gelb färben und durch namentlich vom Rande her 
beim Abtrocknen auftretende Rötung Bombay-Macis anzeigen sollte“ 
und Hefelmann's Methode betrifft, so geben diese nach dem ge- 
nannten Autor sehr oft zweifelhafte Resultate. Es giebt nämlich 
hellere, gelbe und dunklere, braune Bombay-Macis, weshalb es irre- 
führend ist, eine dunkle Macisprobe sofort für verdächtig anzusehen. 
Mit brauner Bombay-Macis gelingt die Hefelmann'sche Reaktion 
gut. Anders verhält sich die geibe, deren Sekretzellen zumeist einen 
eitronengelben Inhalt zeigen. Wenige erscheinen gelbrot, manche Quer- 
schnitte sind sogar ganz frei von letzteren. Bei solcher Ware lälst 
uns die Böh m’sche Reaktion im Zweifelund mitderHefelmann- 
schen Reaktion geht jeder charakteristische Unterschied verloren 
wenn man etwas Banda-Macis hinzusetzt.— Warburg'st) Angabe dals 
Bombay-Macis mitHCl1 od. H, SO,einegrünliche Färbung geben soll, fand 
Waage weder bei dunkler, noch bei heiler Bombay-Macis zutreffend 
‘Als dassicherste Reagens empfiehlt erKaliumchromat. Der aeth. 
Auszug der Bombay-Macis giebt auf Zusatz von Kaliumchromat eine 


1) Zeitschr. f£ Nahrungsmittel - Untersuchung 
und Hygiene 189%. No. 4. S. 77. 

2) Pharm. Zeitung 1891. S. 122. 

3) Ber. d. pharm. Gesellsch. 1892 S. 229 und 1893 
S. 164 und Pharm. Centralhalle 1892, S. 372. 

4) Ueber die nutzbaren Muskatnüsss S. 14 (224). Auch 
mikroskopisch-anatomisch ist der Arillus leicht zu erkennen, nament- 
lich aber durch Schwefelsäure. „indem die Bombay-Macis beim 
Betupfen derselben mit der Säure eins grünliche Färbung annimmt.“ 


184 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


dunkelrotbraune Färbung, Banda-Macis nur eine Gelb- 
färbung. 

Jüngst hat Hanausekl) die Einwirkungen dieser und mehrerer 
anderer Reagentien auf Alkoholauszüge der Banda- und Bombay-Maeis 
genauer verglichen. 

Der Farbstoff der Bombay-Macis ist dann von Hilger?) 
dargestellt und untersucht worden. Eine dieser Arbeit beigegebene 
Tabelle giebt zahlreiche vergleichende Reactionen der Farbstoffe der 
Banda-Macis und der Bombay -Macis. Das Fett der Bombay - Macis 
ist nach Hilger ein Gemisch von Stearinsäure, Palmitinsäure und Oel= 
säure-Glycerinester. Dasselbe stimmt also qualitativ mit dem Fette 
der Banda-Macis überein, für welches Tschirch den Nachweis ge- 
führt hat, dals es die gleichen Ester enthält. 

Amylodextrinstärke ist bei den Myristicaceen bisher nur bei 
dem Arillus der Myr. fragrans bekannt. Schon Henry beobachtete 
dafs Macis „eine stärke- und gummiartige, durch Jodtinktur purpur- 
farbig werdende Substanz enthält.“ Da diese Tatsache einige Zeit in 
Vergessenheit geraten war, wurden die Körner wieder zur Unter- 
suchung herangezogen (Vogl. Moeller), doch ohne Resultat, bis 
Tschirch sie als Amylodextrinstärke erkannte.3) Inde/sen hatte 
schon C. Nägeli undnach ihm einige andere in verschiedenen Pflanzen 
und Pflanzenteilen Stärkekörner, die sich mit Jod rot färbten, ge- 
funden. Heut zu Tage sind diese Fälle nicht mehr allzu selten. Nach 
A. Meyer) sind sie in den folgenden Familien gefunden: Iridaceae, 
Gramineae, Orchidaceae, Papaveraceae, Aceraceae, Ericaceae, Gentiana- 
ceae und Myristicaceae (Banda-Macis). Dazu kommt die Familie der 
Crueiferae, wo Tschirch?) sie in keimenden, stärkefreien Samen der 
Sinapis alba gefunden hat. 


Myristica fragrans Houtt. 
Banda-Macis. 


An den beiden Seiten ist der Arillus von einer einschichtigen 
Epidermis bedeckt. (Fig. 31). Nur bisweilen beobachtet man Hypo- 
dermbildung. Die Aufsenwand ist sehr stark, die Innen- und Seiten- 
wände weniger verdickt. In der dicken Aufsenwand, die aussen von 
einer Cuticula bedeckt ist, beobachtet man oft Schichtung. In heilsem 


1) Zeitschr. für Nahrungsmittelunters. 1894, Nr. 1. 
2) Forschungsberichte über Nahrungsmittel etc. 1394, S. 136. 
3) Vergl. Döbereiner Deutsch. Apothekerbuch S. 512 und 
Tschirch, Pharm. Zeitung 1881 S. 556. 
4) Ueber Stärkekörner, welche sich mit Jod rot färben. Ber. 
d. d. bot. Ges. 1886 S. 337. 
5) Angewandte Pflanzenanatomie S. 100. 


K. T. Hallström: Myristicaceen, 485 


Wasser quillt sie sehr stark. Die Epidermiszellen sind lang und 
parallelwandig, durch schiefe Querwände von einander geschieden. 
Tüpfel an den Seitenwänden sind selten. 

Das Gewebe zwischen den Epidermen besteht aus dünn- 
wandigen, fast isodiametrischen, parenchymatischen Zellen. Rings 
um die zahlreichen und kleinen Gefäfsbündel sind die Zellen 
gegen die Bündel hin etwas gestreckt. Aufser dem Fett, das in 
Alkohol und Aether leicht löslich ist, enthalten die Zellen sehr viel 
Amylodextrinstärke, die sich durch Jod rot färbt. Die Körner sind 
etwa 0,002 —0,010 mm grols, meistens knochen- und stäbchenförmig, 
wulstigverbogen!.) 

Die zahlreichen runden Oelzellen kommen überall in dem 
Gewebe vor. Diese sind etwa 0,062—0,069 mm weit, mit einer 
verkorkten Membran versehen und mit gelbem oder gelbbräunlichem 
Oel, das in der Droge eine ölige und harzartige Masse bildet, mehr 
oder weniger vollständig erfüllt. Die resinogene Schicht?) dieser Oel- 
zellen ist oft sehr schön auch in der Droge enthalten. Der in diesen 
Zellen neben dem aeth. Oele vorkommende gelbe oder gelbbräunliche 
Farbstoff wird von Alkohol mit gelber Farbe gelöst. — Stärke 
fehlt. Ammoniak färbt die resinogene Schicht, wo sie erhalten 
ist, und den Inhalt der Oelzellen rotbraun, (NH,) CO, und 
Na,CO, gelbbraun, KOH löst den Inhalt der Oelzellen 
mit gelber Farbe, die nicht von Filtrirpapier aufgenommen wird, die 
resinogene Schicht wird dabei rotbraun gefärbt. K,CrO, färbt 
anfangs gar nicht; betupft man aber vorher den Schnitt mit einem 
Tropfen Alkohol, so färbt sich der Inhalt und die resinogene Schicht 
ein wenig dunkler. — K,Cr,0,, HCl, Chromalaun, 
Fe3Cl;,, Ba (NO,)s,, H,SO,, und Bleiacetat veranlassen 
keine Reaktionen. 

Westindische Macis. 
(Trocknes Material aus Tschirch’s Sammlung.) 


Sie gleicht vollständig der echten Banda-Macis. Der Geruch 
und Geschmack ist aber nicht ganz so aromatisch wie bei der echten. 
Sie besitzt einen etwas bitterlich-unangenehmen Nachgeschmack. 

1) Vergl. Tschirch, Angew. Anat. S. 100. 


2) Tschirch Ber. d. d. bot. Ges. 1893.S. 201 und Anatomischer 
Atlas, Tafel: Kalmus. 


486 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


Der anatomische Bau ist ganz wie bei der Banda-Macis, so auch die 
Amylodextrinstärkekörner. Die mehr runden sind 0,008—0,016 mm, 
die längeren 0,005—0,021 mm grofs. Ammoniak und KÖOH 
lösen den Inhalt der Oelzellen mit orangegelber Farbe. H,SO, 
löst nur hie und da mit orangeroter Farbe. 


Myristica malabarica Lam. 


(Bombay-Macis. Trocknes Material aus der Berner 
Sammlung.) 


Bombay-Macis unterscheidet sich schon habituell von anderen 
Arillen durch die reich zerschlitzten, dünnen Arillarstreifen und 
durch ihre dunkelbraunrote Farbe. Bei anatomischer Untersuchung 
beobachtet man vor allem die hohen, dickwandigen Epidermiszellen 
mit bald fast rechteckigem, bald (meistens) ungleich verengtem, 
schiefem Lumen (Fig. 32 ep). Die stark quellungsfähige Epidermis 
ist einschichtig, hie und da kommt eine Hypodermbildung vor, die 
Aulsenwand ist mit dünner Cuticula versehen. Die Epidermiszellen 
sind sehr lang und nicht so regelmälsig wie bei der Banda - Macis. 
Sie sind mit den zugespitzten Enden in einander eingefügt. (Fig. 39). 

Nicht weniger bemerkenswert ist der aufserordentliche Reich- 
tum an grolsen, meist ovalen, mit verkorkten Membranen versehenen 
Oelzellen, die bandartig oder gruppenweise zusammensto/send an der 
Aulsen- und Innenseite des Arillus im Parenchym zerstreut sind, die 
Mittelschicht dagegen fast ganz frei lassen. Sie sind mit einem 
dunkelgelben, fast braungelben, meist; verharzten Oel, das die braun- 
rote Farbe des Arillus verursacht, erfüllt. 

Das dünnwandige Parenchym ist braun gefärbt, mit Fett und 
mannigfach gestalteten Körnern erfüllt. — Jod färbt diese 
Körner rotbraun, mit Wasser behandelt verändert sich die Farbe 
in rotviolet. Es ist also Amylodextrinstärke. Siesind 
wie bei der Banda-Macis von mannigfaltiger Form und 0,005—0,018 mm 


grols. — Stärke fehlt. — Wenn Ammoniak in Berührung mit 
dem Inhalt der Oelzellen kommt, wird derselbe sogleich orange- 
rot gefärbt. Aber allmälic wird der Inhalt, Tropfen 


oder eine körnige Masse bildend, mit grüner, schliefslich gras- 
grüner Farbe, gelöst. Gleichzeitig löst sich das Fett in den 
parenchymatischen Zellen und fliefst zu Tropfen zusammen. _ Die- 


K. T. Hallström: Myristicaceen. 487 


selben Reaktionen bekommt man mit Ammoniak von verschiedener 
Stärke, nur wirkt das verdünnte Ammoniak langsamer. Na, 00, 
und (NH,), CO, geben nach einer längeren Zeit eine schwache orange- 
rote Färbung. — KOH löst sogleich mit schöner orangeroter 
Farbe; das Fliefspapier wird von dem gelösten Farbstoft braunrot 
wie bei „Kamala“ gefärbt. Diese Farbe geht mit Säuren sogleich in 
eine gelbe über. Die Oelzellen werden bei dieser Behandlung ganz 
leer. — Konc. H, SO, färbt den Inhalt tief orangerot. Das 
umgebende Gewebe wird mit orangegelber Farbe, die allmälich 
dunkler wird, gelöst. — Fe, Ol; färbt nach einer längeren Zeit die 
Ränder der verharzten Oelklumpen schbwachrotbraun. K, CrO, 
allein färbt kaum. Wird aber der Schnitt erst mit Alkohol be- 
tupft, so löst sich das Sekret ein wenig und wird dann gleich beim 
Zufliefsen von K, Cr O0, dunkel braunrot, fast braun- 
schwarz gefärbt. — Ba (NO,), färbt nach längerer Zeit und nur 
theilweise den Inhalt schwach blutrot. 

„Macis sylvestris“ aus d. pharmacol. Sammlung in Wien, 
erwiels sich als Bombay-Macis. 


Myristica Teysmanni Miq. 
(Alkoholmaterial aus der Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten 
in Buitenzorg.) 

Wie schon früher erwähnt, sieht man im Querschnitt schon 
mit blofsen Augen die grolsen, in eine Reihe gestellten, gut ent- 
wickelten Gefälsbündel. Sie haben einen central gestellten Gefälsteil, 
der von einem reichhaltigen Siebteil, der oft aus 3—4 von einander 
getrennten Partien besteht, nahezu vollständig umgeben ist (Fig. 37 
gtb.). Die verhältnismäfsig kleinen Parenchymzellen sind dünnwandig, 
gelb-braun gefärbt und mit Fett und Amylodextrinstärke erfüllt. In 
diesem Gewebe finden sich die ziemlich grofsen, meist in radialer 
Richtung gestreckt ovalen Oelzellen, die fast ohne Ausnahme leer 
sind, überall zerstreut. (Fig. 37 oez.). Sie sind mit einer verkorkten 
Membran versehen. In die Augen fallend ist die ungewöhnlich 
mächtig ausgebildete Hypodermbildung, die oft bis 4 Zellreihen in 
Anspruch nimmt. Die Zellen sind hier von sehr verschiedener Gröfse 
und unregelmäfsig. Das gleiche gilt von den langen Epidermiszellen, 
deren äussere und innere Wand sehr erheblich, deren Seitenwände 
viel weniger verdickt sind. 

Arch, d. Pharm. COXXXIII. Bas. 7. Heft 32 


488 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


Jod giebt eine deutliche Amylodextrinstärkereaktion. 
Die Körner sind fast ohne Ausnahme rundlich, scheibenförmig. — 


Stärke fehlt. — Ammoniak färbt die gelbbraunen Zellmembranen 
tief orangerot. — N3,CO, und (NH,)» CO, geben dieselbe 
Reaktion, nur schwächer. — KOH löst den von den Zellmembranen 


aufgespeicherten Farbstoff mit derselben tieforangeroten 
Farbe wie Ammoniak. —- Verd. KOH wirkt in derselben Weise. 
H, SO, löst und färbt mit tieforangeroter Farbe. — Fe, U], färbt 
alle Zellmembranen dunkelbraun, K,0r30, mehr gelbbraun. 
K, Cr O0, färbt die Zellmembraven rotbraun; in den Oelzellen, 
wo der Inhalt erhalten ist, wird dieser und besonders die Membranen 
dunkelbraun gefärbt. — Ba(NO,), färbt die Zellmembranen ein 
wenig dunkler. 
Myristicascortüco0sar) (9 
(Alkoholmaterial aus der Tschirch'’schen Sammlung vom bot. Garten 
in Buitenzorg.) 

Auch bei dieser Art finden wir im Vergleich mit den früher 
erwähnten Arillen einen Unterschied hauptsächlich im Bau der 
Epidermis. Die beiden Epidermen sind ungleich. Die äulsere be- 
steht aus verhältnismälsig gleichverdickten, im Querschnitt hohen 
Zellen, die direkt in Verbindung mit dem Parenchym stehen. 
(Fig. 35 aep.). Dagegen ist zwischen der inneren Epidermis (iep) und 
dem Parenchym ein mehrschichtiges, nicht besonders diekwandiges 
Hypoderm zu finden. Ausserdem sind die Epidermiszellen (iep) hier 
viel höher und grölser als die der äulseren Epidermis. Die Oelzellen 
sind leer, oval oder rundlich und mit einer verkorkten Membran 
versehen. Meistens begleiten sie die beiden Epidermen und kommen 
nnr selten in der Mitte des ziemlich kleinzelligen und dünnwandigen 
Parenchyms vor. 

Jod giebt eine sehr undeutliche Amylodextrinstärkereaktion. 
Die Körner sind nur hie und da zu sehen, aber kommen doch sicher 
vor. Die Zellinhaltsbestandteile scheinen noch nicht vollständig ent- 
wickelt zu sein. Der untersuchte Arillus ebenso wie der Same 
(siehe oben) hatte die volle Reife noch nicht erreicht. Stärke fehlt. 
Ammoniak, KOH, (NH,) CO, und Na, CO, verursachen 
keine, jedenfalls nur sehr undeutliche Reaktionen. Konc. H, SO, 
löst den Farbstoff der Zellmembranen mit schwacher weinroter 


K. T. Hallström: Myristicaceen. 45) 


Farbe. K;, Cr O, Fe; Cl, K, Cr, O, und Ba (N O,) rea- 


gieren nicht. 
Myristica fatua Houtt. 


(Alkoholmaterial aus der Tsschirch’schen Sammlung vom bot. Garten 
in Buitenzorg). 


Der anatomische Bau des Arillus der Myr. fatua zeigt eine 
grofse Ähnlichkeit mit dem der Myr. glabra (Fig. 34). Der Samen- 
mantel von Myr. tomentosa Thbg. (Myr. fatua Houtt), den Moeller 
beschreibt, scheint die gleichen anatomischen Eigenschaften, wie der 
von mir untersuchte von Myr. falua zu besitzen. Die unregelmälsig 
gestalteten, den grolsen Intercellularen gleichenden Ölzellen sind 
bei den beiden ganz ähnlich. Dazu kommt, dafs die die Gefäis- 
bündel umgebenden Parenchymzellen gegen diese sehr langgestreckt 
und strahlig angeordnet sind. (Doch findet man die Gefäfsbündel 
auch wie bei Myr. fragrans Fig. 31). Die in das Parenchym ein- 
dringenden Epidermalfaltungen, die Moeller bei Myr. lomentosa 
gefunden hat, sind von keiner diagnostischen Bedeutung. Diese 
findet man hie und da auch bei anderen Arillen. Mit dem Arillus 
der Myr. argentea haben Myr. fatua und glabra die unregelmälsigen 
Ölzellen gemeinsam, dagegen sind bei Myr. argentea die Parenchym- 
Zellen viel diekwandiger, die Zellen rings um die Gefälsbündel nicht 
strahlig angeordnet und die Epidermis mehrschichtig. (Vergl. Figg. 
33 und 34). Wie ist es wohl zu verstehen, dafs der Arillus der 
von Moeller beschriebenen Myr. tomentosa, dessen anatomischer 
Bau mit dem von mir untersuchten Arillus der Myr. fatua Houtt. 
übereinstimmt, zu einem Samen gehört, der mit aller Wahrschein- 
lichkeit als der Same der Myr. argentea Warb. anzusehen ist? 
(Vergl. oben, Myr. argentea, Seite 463). 

Jod giebt eine deutliche Amylodextrinstärkereaktion. Die 
Körner sind teils scheibenförmig mit unregelmäfsigen Rändern wis 
bei Myr. glabra (Fig. 40); meistens sind sie jedoch ganz rund oder 
etwas eckig. Nur ausnahmsweise findet man längliche Körner (Fig. 
43). Diese sind verhältnismälsig grofs (0,008—0,024 mm), Stärke 
fellt. Ammoniak und KOH lösen den hellgelben Inhalt der 
Ölzellen mit orangegelber, H,S O, mit orangeroter-rotbrauner Farbe. 
Die übrigen Reagentien geben keine deutlichen Reaktionen. 


490 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


Myristica glabra. 
(Trocknes Material aus der Tschirch’schen Sammlung.) 

Die Farbe ist etwas heller als die der Banda-Maeis, an die 
sie übrigens sehr erinnert, der Arillus hat keinen aromatischen 
Geruch oder Geschmack. Die innere Seite ist fettglänzend. Die 
Arillarstreifen sind teilweise ziemlich breit, an der Spitze des Samens 
in viele dünne und schmale in einander sich verschlingende, die 
Samenspitze bedeckende Streifen geteilt. 

Die Zellen der einschichtigen Epidermis sind plattgedrückt 
und besitzen besonders aulsen sehr erheblich verdickte Wände. In der 
Flächenansicht sind die Epidermiszellen lange nicht so langgestreckt 
wie bei Myr. fragrans und malabarıca, sie sind mit schiefen und 
horizontalen Querwänden versehen. In dem zartwandigen Paren- 
chymgewebe sind die unregelmälsig gestalteten, mit verkorkten 
Membranen versehenen Ölzellen in allen Teilen des Gewebes zer- 
streut, meistens kommen sie jedoch längs der Ränder vor. Bei dem 
ersten Anblick scheinen sie mehr grofse Intercellularen oder Ölzellen 
zu sein. Rings um die Gefäfsbündel sind die pareuchymatischen 
Zellen strahlig angeordnet mit der Längsrichtung gegen die Gefäls- 
bündel (Fig. 34). Die Oelzellen sind leer. 

Jod zeigt Amylodextrinstärke an. Die Körner sind meistens 
rundlich, von unregelmälsigem Umrifs oder buckeliger Form (0,005 — 
0,018 mm); selten kommen krugförmige oder Zwillingskörner vor. 
Sonst wie bei Myr. fatua. Stärke fehlt. 


Myristica argentea. Warb. 
(Trocknes Material aus der Warburg’schen Sammlung). 


Das Parenchym bei diesem Arillus unterscheidet sich von dem 
der übrigen durch die verhältnismälsig grolse Dicke der Zellwände 
(Fig. 33). Die Ölzellen kommen spärlicher vor als gewöhnlich und 
sind, wie bei dem Arillus der Myr. glabra mehr grolsen Intercellularen 
als Ölzellen ähnlich. Sie sind unregelmäßig im Umrils, mit 
scharfen Einbuchtungen (Fig. 33 oez). Die Epidermen bestehen aus 
kleinen unregelmäfsigen Zellen. Die innere Epidermis, deren Aufsen- 
wand sehr stark verdickt ist, grenzt nachinnen an ein einschichtiges 
Hypoderm, die äufsere ist etwas weniger verdickt, hat aber ein 
mehrschichtiges Hypoderm. Die Gefäfsbündel sind klein. 


K. T. Hallström: Myristicaceen, 491 


Die Amylodextrinstärkekörner sind meistens knochenförmig, 
auch kommen runde und vicreckige vor (0,005— 0,013 mm). Die 
Reaktionen mit KOH, Ammoniak und H, SO, sind sehr undeutlich. 
Stärke fehlt. 


Horstieldia Iryaghedhi.(Gärtn.) Warb. 
(Alkoholmaterial aus der Tsschirch’schen Sammlung vom bot. Garten 
in Buitenzorg.) 


In ihrem anatomischen Bau zeigt diese Art einen weitgehenden 
Unterschied von allen bisher erwähnten Arillen der Myristicaceen. 
So besteht z. B. die Hauptmasse des Arillus aus radialgestreckten, 
ziemlich dickwandigen, mit Fett gefüllten Parenchymzellen, die 2 bis 
5 Zellschichten dick nach aufsen und innen die beiden Flächen be- 
grnzen (Fig. 36). Die mittlere Schicht dagegen besteht aus ganz 
dünnwandigen, ziemlich kleinzelligen parenchymatischen Elementen. 
Hier verlaufen die meist zarten Gefälsbündel, auch führen die Zellen 
nicht selten Fett in Form von die Zellen ausfüllenden harten, amorphen 
Klumpen. Diese Schicht ist sehr reichlich mit ungleich grolsen, 
rundlichen und sowohl radial gestreckten, wie zusammengedrückten 
Oelzellen erfüllt (Fig. 36 oez). — Die Membran der Oelzellen ist 
verkorkt. Die Zellen selbst sind mit verharztem Oele erfüllt. Schon 
mikroskopisch ist diese stark obliterierte Mittelschicht im Querschnitt 
von dem umgebenden Gewebe zu unterscheiden, indem sie sich als 
ein rötliches Band darstellt. Eine eigentliche Epidermis fehlt ganz; 
dagegen sind die Aufsenwände der Randzellen stärker verdickt und 
mit einer OCuticula versehen. Wie in der Epidermis der Aufsen- 
schicht der Samenschale sind auch hier die den beiden Aufsenpartien 
zugehörenden Zellen des Arillusgewebes reich mit roten, eckigen Farb- 
stofikörpern erfüllt. 

Mit Ausnahme der lockeren Mittelschicht enthalten die Zellen 
Amylodextrinstärke (0,005—0,013 mm). — Beim Zufliefsen von 
Ammoniak quillt die obliterierte Mittelschicht auf, der gelbbraune 
‚Inhalt der Oelzellen wird teils orangerot gefärbt, teils aufgelöst, wie 
auch die Zellmembranen in dieser Schicht mit derselben Farbe ge- 
färbt werden. Ebenso werden die Farbstoftkörper in den äulseren 
Zellen (wenn auch unvollständig) mit orangeroter Farbe gelöst. Der 
ganze Schnitt hat alsbald diese Farbe angenommen. Das Fett in 


492 K. T. Hallström: Mpyristicacsen. 


der Mittelschicht wird von Ammoniak aufgelöst und flie(st in Tropfen 
aus. — KOH giebt dieselbe Reaktion, löst aber mehr. (NH,), CO; 
und Na, CO, lösen fast nichts. Ks, Cr O, zeigt eine rotbraune 
Färbung der mittleren Schicht. Fe, Cl, und K, Cr, O, eine sehr 
schwache Braunfärbung. H, SO, löst allmälich mit klarer, wein- 
roter Farbe. Stärke fehlt. 


Horsfieldia macrosoma (NMig.) Warb. 
(Alkoholmaterial aus der Tschirch’schen Sammlung. 


Der Arillus dieser Art zeigt in seinem Bau eine vollständige 
Uebereinstimnmung mit dem Arillus der Horsfieldia Iryaghedhi, 
doch fehlen die Chromatophoren ebenso wie in der Samenschale. 
— Nur H, SO, löst den Farbstoff der mittleren Schicht mit wein- 
rother Farbe. Die anderen Reagentien geben keine Reaktionen. — 
Amylodextrinstärke und Stärke fehlt. 


Horsfieldia glabra (Bl.) Warb. 
(Alkoholmaterial aus der Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten 
in Buitenzorg.) 

Der Arillus ist wie der der Myristica-Arten gebaut. DieEpidermis 
ist sehr unregelmäfsig, die Zellen sind bald hoch, bald sehr breit 
und platt, meistens klein. Das Parenchym ist sehr dünnwandig. 
Die Oelzellen, mit hellgelbem, verharzten Oele gefüllt, sind am meisten 
längs der äusseren, die Gefälsbündel dagegen längs der inneren 
Seite angeordnet. — Die Amylodextrinstärkekörner sind ausserordent- 
lich klein. Stärke fehlt. — Der Inhalt der Oelzellen wird von 
H,SO, mit gelbroter Farbe gelöst. Die übrigen Reagentien ver- 
ursachen keine Reaktionen. 

Horsfieldia spec. ign. 
(Alkoholmaterial aus der Tschirch'’schen Sammlung). 

Der Bau dieses Arillus ist dem der /orsf. glabra sehr ähnlich. 
Er ist von sehr weicher Consistenz. Das Hauptgewebe ist aus sehr 
dünnwandigen parenchymatischen Zellen gebildet, das Ganze sieht 

‚aus wie Gelee. Die hellgelbes, tast farbloses, verharztes Oel ent- 
haltenden Oelzellen liegen überall dicht bei einander, doch vielleicht 
etwas reichlicher an der nach aussen gewandten Seite. — Die 
Epidermis ist einschichtig, die Zellen gleichen sehr denen des 
Arillus der Myr. malabarica Lam. Die äussere Epidermis besteht 


K. T. Hallström: Myristicaceen, 493 


aus langgestreckten Zellen. — Jod giebt keine Stärke- und 
Amylodextrinstärkereaktion. — Durch Ammoniak schwellen die 
Oelzellen etwas auf, zeigen aber sonst keine Veränderungen. — 
KOH zeigt nur hie und da eine schwache orangegelbe Färbung 
des Inhalts der Oelzellen. — Andere Reaktionen sind nicht zu 


erhalten. 
Knema glauca (Bl) Warb. 


(Alkoholmaterial aus der Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten 
in Buitenzorg.) 

Die äussere Epidermis zeigt im Querschnitt eine sehr grolse 
Aehnlichkeit mit der der Bombay-Maecis, die innere ist aus 
grolsen platten Zellen zusammengesetzt. Die Aussenwand der 
Epidermiszellen ist sehr erheblich verdickt; beiderseits ist eine 
starke Hypodermbildung zu finden. Der Arillus ist aus grofsen 
dünnwandigen und unregelmälsigen Zellen, die sebr geschrumpft sind, 
aufgebaut. — Bei dem vorliegenden Material scheint er nicht voll- 
ständig reif zu sein. — Die Oelzellen sind anfangs nicht zu finden; 
erst nach der Behandlung mit KOH treten hie und da einige 
Zellen, die sich von den umgebenden parenchymatischen Zellen nicht 
unterscheiden und die teilweise einen fast farblosen Inhalt haben, 
hervor. — Jod giebt keine Amylodextrinstärkereaktion. — Von den 
übrigen Reagentien geben nur Fe,Cl, und K;Cr, OÖ, eine sehr 
schwache Gerbsäurereaktion. Stärke fehlt. 


Knema intermedia. (Bl) Warb. 
(Alkoholmaterial aus der Tschirch’schen Sammlung vom bot. Garten 
in Buitenzorg.) 

Die äussere Epidermis besteht aus kleinen Zellen, deren 
Aussenwand sehr stark, die Zwischenwände weniger verdickt sind. 
Im Querschnitt sind sie fast wie bei der Vorigen. Die inneren 
Epidermiszellen sind grofs, platt, mit 2—3 reihigem Hypoderm ver- 
sehen. — Die unregelmäfsigen, runden, leeren Oelzellen sind längs 
der äusseren Seite angeordnet, die grolsen, mit reichhaltigem Sieb- 
teil versehenen Gefälsbündel folgen der inneren Seite. Sonst ist der 
Arillus sehr locker, die parenchymatischen Zellen sind sehr dünnwandig 
und in radialer Richtung gestreckt. Sie enthalten viel Caleiumoxalat- 
krystalle— Amylodextrinstärke und Stärke fehlt. — Andere Reaktionen 
sind nicht zu erhalten. 


Mvristicaceen. 


DISER ans om 


KR 


494 


Uebersicht der Reaktionen bei 


rLLL— es EEE EEE 


diem Am lalkom: 


ER Myristica 
Myristica 5 M an 43 Hors- 
fragrans A Myristica er Myristica Myristioa  Mistiea fieldia 
(Banda- mer Hatum AarICa [argentea. corticosa. J°° Iryaghed- 
: Maeis. (Bombay manni 2 
Macis.) Macs) hi. 
= ., |Löst den :In-|Löst den In-|Färbt sofort. 2 : 
Färbt die halt der Oel-halt der Oel-den Inh. der Färbtden In- Färbt den In- Löst en 
resinogene : E halt der Oelz. wenig und 
Am- Schicht zellen ein zellen ein Oelz. orange- söhr a halt und den) +. .pt mit 
moniak. wenig mit | wenig mit rot. Löst all- ” Schnitt tief| 5 
schwach SE $ schwach : orangeroter 
ohren orangegelb. |orangegelb.| mälig mit en orangerot. Farbe 
Be Farbe. Farbe. |grünerFarbe. ES x 
Ei | Löst den Inh. | 
en um der Oelz. mit = 
. Oelz. mit Bee Löst den In- 
Nar fe) FR n 
Be ber abe, Löst den In: Löst den In-| Farbe. Das = u = a Fee Löst den In- 
Kali- : „8 halt der Oelz.!halt der Oelz, Fliefspapier | "na Ce! halt d. Oelz. 
Flie(spapier a B ; ; = 5 | Oelzellen — stoffdesZell- ., 
lauge. | jcht, die | Mit orange- mit orange- |wird wis bei } h mernbr. mit | Mit orange- 
Sa gelber Farbe. gelber Farbe.|,Kamala“ge-"hwach rot- "© roter Farbe. 
resinugene farht Drwoh braun. orangeroter 
Sch. schwaclhı Sinren ud Farbe. 
zolbraun, d. Farbe gelb. 
Löst den In- 
halt d. Oelz.|Löst den In- Löst den In- 
mit heller, |haltder Oelz./Löst den In-/halt der Oelz., Lö 
» : | er öst und en m 
orangeroter Mur hie und halt der mit tief Ferkt mi Löst und | Löst all- 
Kone. Farbe, die da mit |Oelzellen mitorangeroter heraeh färbt mit | mälig mit 
Schwefel. „halten jorangeroter| schwach | Farbe, die 2 Be Er tief orange-klarer, wein- 
Saure Ljeibt: Farbe: sonst|orangeroter| allmälich Wr roter Farbe.roter Farbe. 
bleibt; geht“ > Farbe. 
nicht m [mit orange-| Farbe. rotbraun 
rotbraun gelber. wird. 
über. | 


495 


Uebersicht der Reaktionen bei den Arillen., 


Myristicaceen. 


T. Hallström 


RB: 


‚Myristica Myristioa FR Hors- 
en Be dische Myristica ae Myristica Myristica Ton fieldia 
(Bombay argentea. corbticosa, „anni. Pu 
% Mais.) j 
Färbt die Färbt lang- 
Ammon. | resinog. sam d. Inh. Färbt Färbt 
| Schicht der Oelz. schwach schwach 
| ch schwach n= orangerot. | orangerot, 
ı gelbbraun. orangerot. 
Natr. Car- do, do. 
bonat. do. 
a | Ailm. eine färbt die 
er mem | schw. blutr. — Zellmembr. = 
a Färbung. etw. dklbr. 
SE. | Färbt d. Inh. Färbt die | Färbt sehr 
ori d.Oelz. schw. _ Zellmembr. | schwach 
aa rotbraun. dunkelbr, braun. 
m. | Färbt die | Färbt die 
Kalium u — Zellmembr. | Zellmembr. 


bichromat. 


Färbt die 
Kalium- | resinogene 
chromat. Schicht etw. 


Färbt nach 
Betupfen mit 
Alkohol den 
Inh. d. Oelz. 
dunkelrotbr, 
OhneBetupf. 
kaum eine 


Färbung. 


etw. gelbbr. 


Färbt die 
Zellmembr. 
rotbraun. 


schw. braun. 


Färbt die 
Mittel- 
schicht rot- 
braun. 


496 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


Stellen wir die Beobachtungen zusammen, so finden wir: 
I)derBauderFruchtschale der untersuchten Myristica- 
ceen ist nahezu übereinstimmend derselbe. 


2) Die Aufsenschicht der Samenschale ist bei den 
Myristicaarten gleich gebaut; die Horsfieldia- und Knemaarten zeigen 
eine unter sich übereinstimmende, von den Myristicaarten ab- 
weichende Bauart. 

3) Die langen, aneinander gedrückten prismatischen und gleich- 
verdickten Au[lsenpalissaden kommen bei Myristica fragrans, 
-fatua, -argentea, -subalulata und - Teysmanni vor. — Etwas kürzere 
— eine Zwischenform — hat Virola sebifera. Den übrigen fehlen sie. 


4) Die Innenpalissaden sind beiallen gleich oder doch 
ähnlich und führen Caleiumoxalatkrystalle an den beiden Enden. Nur 
Virola sebifera hat sie in einer Reihe in der Mitte der Palissaden. 

5) Die die Querfaserschicht bildenden Bastzellen 
zeigen eine sehr mannigfaltige Form. Alle sind sie jedoch entweder 
spiralig oder netzartig verdickte Bastfasern mit linksschiefen Tüpfeln. 
— Durch die Abwesenheit dieser Schicht unterscheidet sich Myr. 
argentea von allen anderen. Am meisten von einander abweichend 
und für die Art bezeichnend sind sie bei Virola sebifera (Fig. 28), 
Virola guatemalensis (Fig. 26) Knema glauca (Fig. 24) und Virola 
surinamensis (Fig. 17). 

6) Die Innenschicht ist bei allen gleich gebaut. 

7) Stärke kommt bei den meisten im Endosperm vor. Ganz fehlt 
sie denSamen von Myr.Cahyba, Virola surinamensis (meist) und V. guate- 
malensıs und der Mondora. Myristica,; sehr spärlich kommt sie in den 
Samen der Myr. Bicuiba, Virola sebifera und Horsfieldia spec ign. vore 
Die übrigen führen mehr oder weniger Stärke. 

8) Die Aleuronkörner sind besonders gut in Virola 
surinamensis und gualemalensıs entwickelt. In den anderen sind sie 
mehr oder weniger gut entwickelt, sie fehlen ganz der Anema glauca 
und Mondora Myristica. 

9) Die „Leitbahnen“ (Tschirch’s) findet man in Endosperm 
der Myr. fragrans, --fatua und -malabarica. Diese Samen keimen auch 
in derselben Weise. 

10) Milchröhrenartige Sekretbehälter, reich 
verzweigt, niemals anastomosierend, sind zu finden: in dem Frucht- 


K. T. Hallström: Mpyristicaceen. 497 


fleisch, in der Audsenschicht der Samenschale, in den Cotyledonen, 
in der Corolle der männl. und weibl. Blüte und in dem Blütenstiel. 
Der braune Inhalt ist sehr schwer löslich, fast unlöslich in Chloro- 
form und Aether, besser, wenn auch langsam, in Alkohol und Al- 
kalien. Mit Fe, Cl, und K,Cr, O, giebt er die Gerbsäurereaktion. 

11) Der gelbbraune-braunrote Inhalt der Zellen 
der Innen- und Aufsenschicht zeigt fast gleiche Lösungsverhältnisse 
wie der der Sekretbehälter und giebt, wie auch die braunrot ge- 
färbten Zellmembranen die Gerbsäurereaktion. Gerbsäure kommt 
in allen Pflanzenteilen, sogar im Endosperm einiger Samen (Myr. 
malabarıca, -Cahyba, Virola surinamensis) vor. — Konz. Schwefel- 
säure, Kalilauge und Ammoniak verursachen in dem Zell- 
inhalt und in den Zellmembranen, die den Inhalt absorbiert haben, 
durchgehend hellere oder dunklere orangerote Färbungen. Wo der 
Inhalt der Oelzellen in den Samenhautzapfen noch vorhanden ist, 
geben auch sie diese Reaktionen. 

12) DieArillen der untersuchten Myristicaceen zeigen zwei 
verschiedene Haupttypen. Entweder umschlielst der Arillus den Sarnen 
gänzlich, sackartig denselben umgebend und ist dann entweder voll- 
ständig ungeteilt (Horsjfieldia Iryaghedhi) oder nur an der Spitze in 
wenige kurze Lappen geteilt (Aorsfieldia spec. ign., — macrosoma, 
— glabra, Knema intermedia und — glauca), oder derselbe ist schon 
von der Basis an in mehrere grössere oder kleinere Lappen, die siclı 
nicht überall dieht an einander schliessen, sondern Lücken zwischen 
sich lassen, gespalten. 

Auch in dem anatomischen Baue dieser Arillen sind zwei Formen 
zu unterscheiden. Die meisten sind nach aussen und innen von einer 
mit oder ohne Hypodermbildung versehenen Epidermis begrenzt. 
In dem zwischenliegenden parenchymatischen Gewebe sind die dünn- 
wandigen, runden oder etwas gestreckten, mit verkorkten Membranen 
versehenen Oelzellen idioblastenartig überall zerstreut, oder treten 
längs den beiden Epidermen bandartig oder gruppenweise einander 
genähert auf (BDombay-Macis). Die Gefäfsbündel verlaufen in der 
Mitte des Arillus, nur bei Änema intermedia sind die Oelzellen mehr 
längs der äusseren, die Gefälsbündel längs der inneren Seite an- 
geordnet. — Diesem Bau gegenüber zeigen Horsfieldia Iryaghedhi 
und — smacrosoma Abweichungen. Diesen fehlt die Epidermis. Die 


498 K. T. Hallström: Myristicaceen. 


Hauptmasse ist aus dickwandigen parenchymatischen Zellen, die 2 
bis 5 Zellschichten tief nach aussen und innen die beiden Flächen 
begrenzen, gebildet. In die sehr dünnwandige Mittelschicht sind die 
Oelzellen und Gefäfsbündel eingebettet. 


13. Die Amylodextrinstärkekörner sind — die 
Arillen der Horsfieldia macrosoma, Knema glauca und — ıntermedıa 
ausgenommen — in den Arillen aller Myristicaceen gefunden worden. 
Ihre Grölse schwankt zwischen 0,002 und 0,021 mm im Querdurch- 
messer. — Stärke fehlt den Arillen ganz. 


Um zu prüfen, wie verwendbar die durch Kalilauge, Ammoniak 
und konc. Schwetelsäure erhältlichen Reaktionen beim Untersuchen 
von pulverförmigen Mischungen verschiedener-Macisarten sind, machte 
ich mir Mischungen von Banda-Maeis und Bombay-Macis, sowie von den 
Arillen der Myr. Teysmannı und Horsfieldia Iryaghedhı, d.h. von den 
dunkel gefärbten Arillen, die die Rotfärbung mit obengenannten Rea- 
gentien deutlich gaben. 

Da ich nur sehr kleine Mengen von jeder zur Verfügung hatte 
kann ich keine bestimmten Prozentzahlen des Geha'tes der Banda- 
Macis an diesen Beimischungen angeben. Jedenfalls waren sie nicht 
grofs. Nach mehreren Proben fand ich, dafs nach dem Zufliessen 
von H, SO,, KOH und NH, die Beimischungen durch das lösende 
und färbende Vermögen dieser Reagentien sofort sichtbar wurden. 
Von diesen Reagentien ist KOH das beste, da es nicht nur färbt, sondern 
auch löst, sowohl den Inhalt der Oelzellen als auch den Farbstoff der 
Zeilmembranen, nicht wie H, SO, die ganzen Pulverfragmente. 


Was diese Reaktionen anbetrifft, so will ich noch hinzufügen, 
dafs ich nur eine helle Banda-Maeis und eine ziemlich dunkle Bom- 
bay-Macis zur Verfügung hatte, sowie auch, dafs mein Unter- 
suchungsmaterial im ganzen teils aus altem, trockenen Sammlungs- 
material, teils aus Samen und Früchten, die eine längere Zeit und 
gleich nach dem Pflücken in Alkohol bez. Alkoholdampf eingelegt 
waren, bestand. 

Schliesslich mag erwähnt werden, dafs die Reaktionen mit 
KOH, NH, und verd. H, SO, den entsprechenden bei Rhiz. Curen- 
mae sehr ähnlich sind (siehe Tschirch und Oesterle: Ana- 
tomischer Atlas S. 93). 


6. 


K. T. Hallström: Myristicaseen. 499 


Verzeichnis der Figuren und der benutzten 
Abkürzungen auf Taf. 1—3. 


- Querschnitt der Corolle der männlichen Blüte von Myr. frag- 


rans Houtt. 
Längsschnitt durch die Staubgefälsröhre der Myr. fragrans 
Houtt. 


. Querschnitt des Blumenstiels v. Myr. fragrans Houtt. 
. Querschnitt der Fruchtschale und des Ovulums von Myr. frag- 


rans Houtt. 


5. Querschnitt aus einer Samenanlage d. Myr. fragrans Houtt., 


Frucht: 14 mm in Querdurchmesser. 


7. 8. Querschnitte aus älteren Samenanlagen d.Myr. fragrans 
Houtt. 


. Querschnitt der Samenschale eines reifen Samens d. Myr. frag- 


rans Houtt. 


). Isolierte Zellen aus d. Querfaserschicht d. Myr. fragrans 


Houtt. 


I. Radialer Längsschnitt der Samenschale d.Horsfieldiaspec.ign. 
2. Isolierte Zellen d. Querfaserschicht d.. Horstieldia spec. ign. 
3. Aus dem Querschnitt d. Samenschale d. Horsfieldia spec. ign. 
. Aus dem Querschnitt d. Samenschale d. Horsfieldia Iryag- 


hedhi (Gärtn.) Warb. 


. Radialer Längsschnitt d. Samenschale d. Horsfieldia Iryag- 


hedhi (Gärtn.) Warb. 

Bei den Figuren 15, 17, 19, 21, 25 sind die Innenpalissaden aus 
Raumersparniss nicht ausgezeichnet, sondern nur das äulsere 
und innere Ende angegeben. 


. Subepidermale Zellen der Aussenschicht der Samenschale d. 


HorsfieldiaIryaghedhi (Gärtn). Warb. 


. Radialer Längsschnitt der Samenschale d. Virola surina- 


mensis. 


. Isolierte Zellen d. Querfaserschicht d.Virola surinamensis. 
. Aus dem radialen Längsschnitt d.Samenschale d.Myr.fatua Houtt. 
. Isolierte Zellen d. Querfaserschicht d. Myr. fatua Houtt. 

. Querschnitt d. Samenschale d. Myr. argentea Warb. 

. Isolierte Zeilen d. Querfaserschicht d.. Knema intermedia 


(Bl.) Warb. 


. Isolierte Zellen d. Querfaserschicht d. Myr. corticosa. 
. Isolierte Zellen d. Querfaserschichtd.Knema glauca (Bl.) Warb. 


. Aus dem Querschnitt d.Samenschale d..Virola guatemalensis 


(Hemsl) Warb. 


. Isolierte Zellen d. Querfaserschichtd. Virola guatemalensis 


(Hemsl) Wa.b. 


500 K. T. Ha llström: Myristicaceen. 


27. Aus dem Querschnitt d. Samenschale d. Virola sebifera Sw. 

28. Isolierte Zellen d. Queifaserschicht d. Virola sebifera Sw. 

29. Ein Samerhautzapfen einer Samenanlage, Frucht: 9mm im Durch- 
messer, von Myr. fragrans Houtt. 

30. Aleuronkörner von Myr. fragrans Houtt. 

31. Querschnitt d. Arillus d. Myr. fragrans Houtt. 


32. 5, Pr d.Myr. malabarica Lam. 

33. 8 Er d.Myr.argentea Warb. 

34, 5 ” dy/Myr' ea bxra. 

39. 3 9 d. My cortieosa, 

36. y; h> d.Horsfieidialryaghedhi (Gärin). 
Warb. 


37. Querschnitt d. Anillusd.Myr. Teysmanni. 

38. Epidermis in Flächenansicht d. Arillus d. Myr. fragrans 
Houtt. 

39. Epider mis in Flächenansicht d. Arillusd.Myr. malabarica Lam. 

40. Amylodextrinstärke d. Myr. glabra. 


41. rn d.Myr. malabarica Lam. 
42. n d.Myr. argentea Warb. 
43. b5 d. Myr. fatua Houtt. 


ap. = Aeussere Palissaden. chro. = Chromatophoren. cut. = Outi- 
cula. ep. = Epidermis. Frs. = Fruchtschale Gfb. —= Gefälsbündel. 


ia. = Aeusseres Iutegument. ii = Inneres Integument. ip. = Innere 
Palissaden. m = Mark, Mi. = Milchröhrenartigs Sekretbehälter. 
Oez. = Oelzelle. par. = Parenchym. qfs. = Querfaserschicht. rsg. 
= Resinogene Schicht, sb. = Siebtheil. scl. = Sclereiden. 1. = Pa- 
renchym d. inn. Integuments. 2, = Aeuss. Epidermis des inn. Inte- 
gumente. 3. = Inn. Epidermis d. äuss. Integuments. 4. = Subepider- 


male Zellen d. inn. Seite d. äuss. Integuments, 5. = Parenchymzellen 
d. Suss. Integuments. 


G. Kassner: Orthoplumbate der Erdalkalien. 501 


Mittheilungen ‘aus der pharmaceutischen Abteilung 
des chemischen Instituts der Akademie Münster i. W. 


Untersuchungen über die Orthoplumbate der 
Erdalkalien (Il). 
Von Georg Kalsner. 
(Eingegangen am 7. Juli 1895). 

Die in meiner letzten Abhandlung im Archiv der Pharmacie 
(Band 232 Heft 5, S. 375—387) beschriebenen neuen Verbindungen, 
nämlich das krystallwasserhaltige Caleiumorthoplumbat (Ca, PbO, 
+4 H,;0) und das Calciumdiplumbat (Ca H, Pb, O,), sind inzwischen 
weiter von mir studiert worden. 

Dabei hat es sich gezeigt, dafs man aus beiden Körpern durch 
verhältnismälsig einfache Behandlung leicht zu zwei neuen Körpern 
gelangen kann. 

Bei Gelegenheit der Bestimmung des Wassergehaltes in der 
Verbindung Ca, PbO, + 4 H,O nahm ich wahr, dafs sich das Präparat 
während des Erhitzens tief braun färbte, sodafs ich ursprünglich auf 
den Gedanken kam, es finde eine Abspaltung von Bleisuperoxyd 
statt auf Grund einer ganz eigenartigen Konstitution dieser krystall- 
wasserhaltigen Verbindung. Das ist jedoch, wie unten gezeigt wird, 
nicht der Fall. 

Die dunkelbraune Färbung tritt übrigens nur während der 
ersten Hälfte des Erhitzens auf und ist daher nur bei vorsichtiger 
Steigerung der Temperatur sichtbar. Bei stärkerer Erhitzung ver- 
schwindet die Farbe wieder und es bleibt alsdann das wasserfreie 
Calciumorthoplumbat von seinem natürlichen, fleischfarbenen Aus- 
sehen zurück. 

Dieses Verhalten bestimmte mich, die Art der Wasserab- 
spaltung bei diesem Präparate etwas näher zu studieren. Zu diesem 
Zwecke wurden abgewogene Mengen der Verbindung, welche aus 
97 prozentigem Orthoplumbat hergestellt worden war, in einem zu 
einer Kugel ausgezogenen Glühröhrchen und innerhalb eines Luit- 
trockenkastens von Nickel *) langsam einer allmälig gesteigerten 


®) Derselbe war von der Firma Desaga in Heidelberg bezogen 
worden. 


502 G. Kassner: ÖOrthoplumbate der Erdalkalien. 


Temperatur unterworfen. Zum Messen der letzteren bediente ich 
mich eines mit komprimirter Kohlensäure über der Quecksilbertfüllung 
versehenen Thermometers, mit welchem Temperaturen bis zu 5609 
ermittelt werden können. 

In gewissen Intervallen wurde alsdann der Wasserverlust 
durch Wägen der im Exsiccator erkalteten Röhrchen bestimmt. Die 
Glühröhrchen wurden übrigens während der Erhitzung im Luftbade 
mit einem lose aufgesetzten Asbestpfropfen verschlossen, um mög- 
liehst das Eindringen kohlensäurehaltiger Luft zu verhüten, gegen 
welche das krystallwasserhaltige Ca, Pb O, sehr empfindlich ist; der 
Austritt des verdampfenden Wassers wird durch den losen Verschlufs 
dagegen nicht verhindert. 

Wie ich schon früher!) bemerkt habe, ist bis zu 145° C ein 
Wasserverlust nicht zu konstatieren ; deutliche Mengen von Wasser 
gehen erst bei 1600 C und darüber hinweg. Die Erhitzung wurde 
bis 2509 © gesteigert und circa 10 Stunden um diese Temperatur 
herum (240—250) erhalten, bis eine weitere Gewichtsabnahme nicht 
mehr konstatiert werden konnte. 

1,201 gr Substanz hatten verloren 014 H0 = 3% 


1,9034 „ £ N e 023 „ AilLzN 
151129, e F ’ 0,1267... =ABR 


im Mittel 11,8 °/, Verlust. 

Da nun der Wassergehalt des reinen krystallisierten Ortho- 
plumbats 17,02 0/, beträgt, der des mit 3 °/, unverbundener Stoffe 
(Kalk und Bleioxyd) verunreinigten sich auf 16,5 °/, berechnet — 
ich fand früher?) 16,42 %/, — so ersieht man, dafs rund drei Viertel 
des Krystallwassers aus der Verbindung Ca,PbO, + 4 H,O beim 
Erhitzen derselben auf 250 0 C ausgetrieben worden sind. 

Gefunden 11,8 % 
Berechnet für Y7prozentiges Präparat 12,36 9, 
3 „ chemisch reines = 12,75 9%, 

Das vierte Molekül Wasser ist somit noch in dem erhaltenen 
Produkt verblieben, welches einen Körper von lockerer Beschaffen- 
heit und zimmtbrauner Farbe darstellt. Indessen erwies sich derselbe 
als keine einheitliche Substanz. 


1) Archiv d. Ph. Bd. 232 S. 378. 
an due: 


G. Kassner: ÖOrthoplumbate der Erdalkalien. 503 


Schon die Besichtigung unter dem Mikroskop zeigte, dals ein 
Gemenge zweier verschiedener Körper vorlag. Zwischen den brau- 
nen Partikelchen der Grundsubstanz lagen zahlreiche kleine, farblose 
Körnchen zerstreut. Wurde das Präparat zwischen gekreuzte Nicols 
gebracht, so leuchteten lediglich diese farblosen Körnchen hell auf. 

Ihre Natur ergab die nachträgliche Behandlung mit kohlen- 
säurefreiem destilliertem Wasser, welches dieselben zur völligen 
Lösung und zum Verschwinden brachte, sodafs sich alsdann die 
braune Masse völlig gleichmässig zeigte. Das Wasser nahm stark 
alkalische Reaktion an und trübte sich beim Einblasen von Kohlen- 


säure. 
Die farblosen Gebilde waren somit nichts anderes als Calcium- 


hydrat, dessen Wassergehalt erst bei höherer Temperatur vertrieben 
werden kann. 

Um die Menge des durch das Erhitzen des Ca, PbO,.4H,O auf 
2500 C. gebildeten Calciumhydrats zu bestimmen, wurden abge- 
wogene (Quantitäten des erhitzten Präparats mit einem gemessenen 
und hinreichenden Volumen kohlensäurefreien destillierten Wassers 
geschüttelt und im Filtrat das gelöste Ca(OH), durch Titrieren 


bestimmt. 
1. für das Filtrat (in Summa 200 ccm) von 0,9862 gr. Substanz ver- 


brauchte ich 60,5 cem = n. HCl, entsprechend 
also 0,169 gr. CaO = 17,1%, 

2. für das Filtrat (200 ccm) von 0,4185 gr. Substanz verbrauchte ich 
25,5 ccm = n. HCl, entsprechend 0,0712 gr. CaO = 17 %, 
Gefunden also im Mittel 17,05°%, Caleiumhydrat. 

Berechnet für die Zusammensetzung Ca PbO, + Ca (OH),: 17,6%, 

Das Filtrat enthielt übrigens bei der Prüfung mit Schwefel- 
wasserstoffwasser auch nicht die geringste Spur von Blei. 

Es ist somit durch das blolse Erhitzen auf 2500 C. das kry- 
stallisierte Orthoplumbat gespalten worden in das bisher unbekannte 
Caleiummetaplumbat und in Calciumhydrat, sowie in sich verflüch- 
tigendes Wasser. 

Ca, Pb0O,..4H,0 = Ca PbO, + Ca (OH, + 3 H,0. 

Die etwaige Annahme, dals die Zersetzung erfolgt wäre unter 
Bildung einer Verbindung von PbO, mit Ca, PbO, etwa im Sinne 
der Gleichung 

Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 7. Heit. 35 


504 G. Kassner: Orthoplumbate der Erdalkalien. 


2 (Ca, PbO,.4H,0) = 2 Ca (OH, + hier + 6H,0 


muss als der Ausdruck einer sehr unwahrscheinlichen Reaktion von 
vornherein ausgeschlossen werden. 


Es bleibt daher nur obige Erklärung und es ist sehr inter- 
essant zu sehen, dafs bei niederen Temperaturen Calciummetaplum- 
hat (Ca PbO,) neben freiem Aetzkalk bez. Ca (OH), bestehen kann, 
während bei höheren Hitzegraden (500° C, und darüber) die An- 
lagerung des freien Kalks zu Orthoplumbat erfolgt. 


OH 
Ca PbO, + Ca I0H) — H,0-+Ca,PbO,. 


Diese Reaktion ist der Gruud, dals man über 5000 C. durch 
direkte Oxydation eines Gemisches von Aetzkalk und Bleioxyd an 
der Luft kein Metaplumbat erhält. Dagegen ist es nicht unwahr- 
scheinlich, dafs man unterhalb 5000C. bei geeigneterBehandlung beider 
Componenten des Calciummetaplumbat direkt aus den Componenten 
Bleioxyd und Calciumoxyd unter Mitwirkung des Luftsauerstoffes 
erzeugen kann. 

Versuche in dieser Richtung sollen darüber demnächst ange- 
stellt werden; auch über die Erzeugung des Metaplumbats auf nassem 
Wege, die, wie mir verschiedene Beobachtungen ergaben, durch Be- 
handlung des Orthoplumbats mit Alkali erfolgreich sein dürfte. 

Das von überschüssigem Calciumbydrat befreite Calciummeta- 
plumbat nimmt bei längerem Stehen mit destilliertem Wasser solches 
unter Hellerwerden in sein Molekül auf (siehe unten) und stellt 
alsdann nach dem Trocknen bei gelinder Wärme ein lockeres, zartes 
Pulver von zimtbrauner Farbe dar. In Wasser ist das OaPbO, un- 
löslich und wird beim Glühen zerlegt nach der Gleichung 

2 Ca PbO,;, = Ca, PbO, + PrO + 0. 

Um die prozentische Zusammensetzung des Körpers festzu- 
stellen, an der ja nach Obigem kein Zweifel sein kann, schlug ich 
folgendes rasch ausführbare Verfahren ein. 

Es wurden 0,2708 g des mit Wasser gut gewaschenen und über 
Schwefelsäure getrockneten Körpers mit verdünnter Essigsäure über- 


gossen und mit Hilfe von reinem Wasserstoffsuperoxyd zur Lösung 
gebracht. 


Durch Einleiten von H,S wurde jetzt das Blei als PbS abge- 
schieden und alscann nach dem Auflösen in Salpetersäure direkt mit 


G. Kassner: Orthoplumbate der Erdalkalien. 505 


Schwefelsäure in einer tarirten Platinschale abgeraucht, desgleichen das 
Filtrat von Schwefelblei, welches nur Calciumacetat enthielt. 

Ich erhielt 0,2465 PbSO, = 0,1943 PbO, = 71,74%/, 

und 0,1068 CaSO, = 0,0439 CaO = 16,210, 
zur Bestimmung des Wassergehaltes wurden 0,7480 g der Verbindung 
längere Zeit bis zur Gewichtsconstanz auf 300° ©. erhitzt, wobei 0,0836 g 


Wasser abgegeben wurden = 11,1/,. 
Gefunden in Prozenten Berechnet für 
Analyse I Analyso II CaPbO, + H,O 
PbO, 71,74 — 72,1 Proz. 
CaO 16,21 _ 16,9 Proz. 
H,0 — 11,1 10,8 Proz. 


Das durch Erhitzen bis 300 0 C. wasserfrei erhaltene Oalcium- 
metaplumbat ist ein Körper von hell chocoladenbrauner Farbe, also 
etwas dunkler als die wasserhaltige Verbindung Ca PbO,.;3H,0. — 

Im Anschuls an vorstehende Mitteilung über das Metaplumbat 
möchte ich noch des auffallenden Umstandes gedenken, dafs das inı 
Gemisch mit dem CaPbO, abgeschiedene Calciumhydrat sich im 
Polarisations - Mikroskope doppelt brechend zeigte, während das 
früher (Seite 379 — Bd. 232) durch Druckerhitzung im wässrigen 
Brei bei 1500 C. abgespaltene Calciumhydrat bei gekreuzten Nicols 
dunkel blieb. Sollte hier nur die besondere Lage (etwa die 
Parallelität der Hauptaxe mit den Lichtstrahlen) der tafelförmig aus- 
gebildeten Krystalle die optische Inaktivität bedingt haben ? — 

Die in Obigem zur Benützung gelangte Methode, den Weggang 
des gebundenen Wassers bei gesteigerter Temperatur zu verfolgen, 
wurde nun auch auf das früher (Bd. 232 Seite 380 u. 386) be- 
schriebene Caleiumdiplumbat angewendet. 

Dabei zeigte es sich, dals das in diesem Körper enthaltens 
Wasser hartnäckig zurückgehalten wird und vollständig erst bei 
circa 4000 C. fortgeht. Doch sind hier zwei Phasen der Wasser- 
abspaltung zu unterscheiden. In der ersten Phase wird genau di» 
Hälfte des gebundenen Wassers und zwar bei Temperaturen bis 
310V ©. abgegeben, wobei es bemerkenswert ist, dafs dies ohne 
erhebliche Farbenänderung stattfindet; höchstens färbt sich dabei 
das gelblich olivgrüne CaH,Pb,O, einen Stich dunkler. 

Wird indefs die zweite Hälfte des Wassers aus der Verbindung 
abgetreten, was vollständig etwa zwischen 380—4000 C. der Fall 
ist, so nimmt das Präpara‘ eine aschgraubraune Farbe an. 


33% 


505 G. Kassner: Orthoplumbate der Erdalkalien. 


1. 0,6973 gr. CaH,Pb,0, verloren 
a) bis 315° C. 0,0112 gr. H,O = 1,6 Proz. 
b) „ 4000 CC. (berechnet aus dem Gesamtverlust von 
3109APLOZ) ee ee BEER 1,49 Proz. 


zusammen also 3,09 Proz. 
2. 0,7076 gr CaH,Pb,O, verloren 
a) bis 3220 C 0,0120 = 1,69 Proz. 
b) „. 390%’/C’noch 0.0122 1,71 Proz 


zusammen 3,4 Proz. 
Nach Erhitzen auf 5500 C. wurde das Präparat fleischfarben und betrug 
alsdann der Gesammtverlust (H,O +0) = 0,0408 gr = 5,76 %,. 
3. 0,8167 gr. CaH,Pb, O, verloren 
a) bis 3000 ©. 0,0125 = 1,5%,- 
b) = — e— 
Gefunden also im Mittel a) 1,57 %/,, 
b) 1,60 9. 


zusammen 3,17 %9. 
Berechnet a) für 20aH,Pb,0, = H,0 + C,H, Pb, 0,;, = 16% 
b) für Ca, H, Pb, O, = H;0 + Ca, Pbs On = 16% 
zusammen 3,2 0/,. 

Es zeigt sich also, dafs beim Erhitzen eine Kondensation des 
Diplumbats unter Wasserverlust eintritt, indem sich zunächst wasser- 
haltiges Tetraplumbat abspaltet, welches erst bei stärkerer Erhitzung 
sein Wasser verliert. Eine andere Erklärung dürfte sich für die 
beobachtete Erscheinung kaum finden lassen. 

Das Caleiumtet:aplumbat Ca;H,Pb, O,, bildet ein dem Diplumbat 
ähnliches lockeres Pulver von gelblicher Farbe und ist ein durchaus 
einheitlicher Körper, sodafs an seiner Individualität nicht zu zweifeln 
ist. Seine Konstitution läfst sich am besten wie folgt ausdrücken, 
indem man annimmt, dafs 2 Moleküle Calciumdiplumbat unter Aus- 
tritt von einem Molekül Wasser mit einander verbunden sind: 


OH 
OH 
PRO 
0 No No PrLo, 
SPpri09/ 6) OFFICE 
Nph/0/ 
OH = 
Bun x 0 
X / 
PRO P® 
07 No “oa 07 NoNo 
NoH NoH 


Caleiumdiplumbat. Calciumtetraplumbat. 


G. Kassner: Orthoplambate der Erdalkalien. 507 


Es wäre somit der Beweis geliefert, dafs sich auch auf trockenem 
Wege Üondensationsprodukte der Plumbate bilden lassen, deren 
Entstehung bisher nur auf nassem Wege unter Mitwirkung von 
Säuren von mir beobachtet wurde. 

Wenn nun bereits das gelbliche mit einem Stich ins Dunkle 
erhaltene I’rodukt ein Tetraplumbat darstellt, so läfst sich annehmen, 
dafs die mit Säuren aus dem Diplumbat erhaltenen dunkelbraunen, 
fast schwarzen Körper die Salze noch complexerer Säuren darstellen. 
Ebenso dürfte dies mit dem vollständig wasserfreien, aschgrau- 
braunem Körper (Ca, Pb, O,,) der Fall sein, welcher daher wohl auch 
nur (Cag Pb, O,,) X zuschreibenist, worin X eineganze Zahl oder eine Zah]. 
mit einem Bruch bedeuten kann 

Uebrigens möchte ich erwähnen, dafs ich bei Behandlung des 
aschgraubraunen Körpers (Ca; Pb, O,,) mit kohlensäurefreiem Wasser 
in einem Versuche nur einen geringen Betrag an Üaleiumoxyd, 
nämlich nur 0,90/, auswaschen konnte, während sich der Gesamt- 
betrag des Körpers daran auf 10,3%, beläuft. 

Von einer Zerlegung des Tetraplumbats im Sinne der des 
krystallisierten Orthoplumbats (Casa PbO, + 4H,O), wie sie oben erörtert 
wurde, kann daher nicht die Rede sein; der Kalk bleibt gebunden 
und das Produkt der Erhitzung stellt daher wohl eher ein weiteres 
Kondensationsprodukt als ein blofs wasserfreies Teetraplumbat dar. 
Sicheren Schlufs über die Existenz und die Constitution der über das 
Tetraplumbat hinausgehenden complexen Verbindungen dürften wohl 
nur genaue thermochemische und anders subtile Bestimmungen 
physikalischer Natur gestatten. 

Ich fasse die Ergebnisse vorstehender Untersuchungen dahin 
zusammen: 

Die sorgsame Bestimmung der aus den Plumbaten beim Er- 
hitzen abgegebenen Wassermengen und die Beantwortung der Frage, 
wieviel von diesem Wasser bei jeweiligen Temperaturen abgespalten 
wird, bildet ein wichtiges Hiltsmittel für die Erkennung der Natur 
der gebildeten Körper. Diese Methode hat in vorliegendem Falls 
dazu geführt, zwei neue Verbindungen aufzufinden. Diese sind das 

Calciummetaplumbat Ca PbO, bez. 
Ca PbO,. ,H,O und das 
wasserhaltige, d. i. saure Caleiumtetraplumbat 
Ca; H; Pb, O,.- 


508 Dr. Mankiewicz: Strychnin-Untersuchung. 


Ueber eine forensische Strychnin - Untersuchung. 


Von Med, Assessor Dr. Mankiewicz in Posen. 
(Eingegangen den 16. VI. 1895.) 


Die folgenden Mitteilungen sind für Gerichts - Chemiker von 
besonderem Interesse, und da ich direkt aufgefordert wurde, über 
diesen Streitfall ausführlich zu berichten, so komme ich dieser Auf- 
forderung um so eher nach, als der Prozefs nun endgültig entschie- 
den und kein Bedenken mehr vorliegt, den Thatbestand zu veröffent- 
lichen. 

Im Oktober 1892 verstarb der Rittergutsbes. R. in O., nachdem 
er sich einige Jahre vorher mit 30,000 Mk. bei der Lebensversiche- 
rungsgesellschaft Janus in Hamburg versichert hatte. Der plötz- 
liche Tod erregte Aufsehen, und die Gesellschaft stellte im Novem- 
ber 1892 bei dem Amtsgericht zu S. den Antrag, die Leiche exhu- 
mieren und eine chemische Untersuchung der inneren Organe 
vornehmen zu lassen. Diesem Antrage wurde stattgegeben, und ich 
wohnte persönlich am 24. November 1892 der Sektion bei. Die 
Leiche hatte fast schon 5 Wochen in der Erde gelegen, die Fäul- 
nis war deshalb eine sehr erhebliche; aie Leichenteile wurden mir 
persönlich übergeben. Glaskrause No. I. enthielt Magen, Zwölt- 
fingerdarm, Mageninhalt und Speisesöhre, Glaskrause No. II. Teile 
der Milz, Nieren und Leber. 

Das Ergebnis der chemischen Untersuchung war nach den bis- 
her bekannten und bewährten Untersuchungsmethoden, dafs Strych- 
nin mit Sicherheit nachgewiesen werden konnte. Zur Bestätigung 
wurden darauf physiologische Versuche unter Mitwirkung des Medi- 
zinalrathes Dr. K. bei Fröschen ausgeführt und zwar durch subeu- 
tane Applikation. 

Allerdings zeigten sich erst nach ca. 30 Minuten deutlich teta- 
nische Wirkungen, nach mehreren Stunden trat erst der Tod ein. 
Der leiseste Reiz der Hautnerven indes, der unter normalen Ver- 
hältnissen noch keine Bewegung erzeugt, verbreitete reflektorische 
Zuckungen über den ganzen Körper. Auch bei dem Versuchsfrosch 
trat erst nach !/,; Stunde die tetanische Einwirkung ein, nachdem 
diesem Strychninsubcutaninjiziert war. Eswaren sehr grolse Frösche von 
ınindestens 50 Gramm Gewicht und lälst sich die langsame Wirkung 


Dr. Mankiewicz: Strychnin-Untersuchung. 509 


dadurch erklären, dafs die Frösche im Winter (es war im Monat 
Dezember) eine Art Winterschlaf durchmachen, also weniger 
empfindlich sind. 

Einige Uhrgläschen mit durch Ausschüttelung gewonnenem In- 
halt der verschiedenen Organe überreichte ich zu den Akten. Auf 
Veranlassung und auf Antrag des gegnerischen Anwalts U. wurden 
ein Jahr später einige Uhrgläschen dem Prof. Dr. L. in B. über- 
geben, um zu konstatieren, ob das gefundene Resultat des Experten 
richtig sei. Am 3. Dezember 1893 erstattete Prof. Dr. L. das Gut- 
achten: 1. dafs die übersandte Masse frei von Strychnin sei, 2. dals 
die wichtigste Schwefelsäure - Chromreaktion nicht eintrat, 3. dafs 
der Froschversuch, doppelt angestellt, absolut negativ ausfiel, 
4. dals ein bitterer Geschmack nicht vorhanden war. 


Das Gutachten wurde mirzur Kenntnisnahmemitgeteilt. Ich unter- 
nahm sofort im Vereinmit Apotheker A. W.neue Untersuchungen mitnoch 
vorhandenenUhrgläschen undstellte dieThatsache fest,da[salle früher aus- 
geführten Reaktionen auch jetzt nach einem Jahre prompt eintraten. 
Ich führte in der Replik aus: 1. dafs die charakteristischen chemi- 
schen Reaktionen mit aller Bestimmtheit eintraten, 2. dals die phy- 
siologischen Versuche bei Fröschen die Thatsachen bestätigten, 
3. dals der behandelnde Arzt sich unserem Gutachten völlig ange- 
schlossen und die beobachteten Krampfsymptome sich nach Ermit- 
telung des Giftes erst erklären konnte. 

In Folge meiner Erklärung beschlofs das Landgericht zu P. 
darauf am 1. März 1894, um diesen Zwiespalt aufzuklären, die noch 
vorhandenen Uhrgläschen dem chemischen Institut der k. Universität 
in Berlin zur Untersuchung mit dem Auftrage zu übergeben, die 
Herren M. A. Dr. M. und Prof. Dr. L., die beiden Sachverständigen 
zur Ausführung der Untersuchungen auf Strychnin zuzuziehen. 

Diese Prüfung des Inhalts der Uhrgläschen fand am 13. Oktober 
1894 in Berlin statt und erstattete das chemische Institut nachfolgen- 
des Gutachten, das ich vollständig hiermit mitteile: 

„Nach den Resultaten der ausgeführten Prüfungen kann kein 
Zweifel obwalten, dafs in dem Präparate, welches vorgelegen hatte, 
Strychnin enthalten ist. 

Nicht nur die Kaliumdichromatprobe, sondern auch die charak- 
teristische Reaktion mit Ceroxyd hatten die Gegenwart dieses Kör- 


510 Dr. Mankiewicz: Strychnin-Untersuchung. 


pers dargethan, und es war demzufolge überflüssig, noch einen 
Froschvergiftungsversuch vorzunehmen. 

Es handelt sich nunmehr um Aufklärung über it: Meuche 
weshalb bei der früher von Herrn Dr. M. ausgeführten Untersuchung 
sowie bei der jetzt vorgenommenen Strychnin nachgewiesen werden 
konnte, während dies Prof. L. nicht gelungen war. Ueber diese 
Frage dürften vielleicht folgende Punkte Aufschlufs geben: 

Laut Obduktions-Protokoll vom 24. November 1892 wurden die 
der Leiche entnommenen Organe in zwei verschiedene Glaskrausen 
verteilt. Krause I enthielt den Magen, einen Teil des Dünndarms, 
den Inhalt des oberen Teiles des Dieckdarms und die Speiseröhre. 
In Krause II waren Milz, Leber und die Nieren gebracht worden. 
Bei der von Herrn Dr. M. ausgeführten Untersuchung hat derselbe 
zuerst den Inhalt der Glaskrause No. I in Arbeit genommen. Be- 
hufs Prüfung auf Alkaloide waren die nach bekannten Methoden 
Jargestellten Chloroformauszüge auf eine Anzahl von Uhrgläschen 
verdunsten gelassen worden, von welchen einige zu den Reaktionen 
dienten, während zwei reserviert und dem Gerichte übergeben 
wurden. In gleicher Weise verfuhr Dr. M. mit dem Inhalte der 
Glaskrause No. II; auch hier sind von den Uhrgläsern mit den 
Rückständen der Chloroform-Auszüge einige direkt zu den Proben 
verwandt und zwei reserviert worden. Die im Ganzen zu den Akten 
gegebenen vier Uhrgläschen hatten aber, wie es scheint, keine Be- 
zeichnung erhalten, welche erkennen liefs, ob sie von der Unter- 
suchung der Leichenteile aus Glaskrause No. I oder II herstammten. 


Wenigstens besalsen die 2 Uhrgläser, die den mir zugestellten 
Akten beigelegen hatten, und von welchen eins zu der am 13. Ok- 
tober d. J. vorgenommenen gemeinschaftlichen Prüfung diente, kein 
solches Merkmal. 

Herr M. A. Dr. M. hatte nun bei der von ihm vorgenommenen 
Untersuchung auf Alkaloide das Vorhandensein von Strychnin er- 
kennen können, und zwar durch die bekannten Proben mit Kalium- 
dichromat und Schwefelsäure, sowie Kaliumpermanganat und Schwe- 
felsäure. Er erhielt aber insofern abweichende Resultate, wie Fol. 
59 bemerkt, als die Präparate aus Krause II die Reaktionen auf 
Strychnin noch viel deutlicher und intensiver gaben, als diejenigen 
aus Krause I. 


0 Dr. Mankiewicz: Strychnin-Untersuchung. 5ll 


FEER von den verschiedenen Uhrgläschen Prof. L.zuseinerspäteren 
Untersuchung erhalten hat, läfst sich nicht feststellen. In seinem 
Gutachten vom 3. Dezember 1893 schliefst er auf Abwesenheit von 
Strychnin, sagtaber: „Mit Schwefelsäure und Kaliumdichromat geprüft, 
ergab sich nach 4— 5 Minuten ein bei gutem Willen als rosafarben 
zu deutender farbiger AnfiuginderLösung. Beiderbetreffenden Reaktion 
tritt nun, wenn Strychnin vorhanden, zunächst die charakteristische 
blau-violette Färbung auf, aber dieselbe geht nachundnachin 
rosa über, welche Farbe sich längere Zeit erhält, und zuletzt in 
gelb umschlägt. Wenn Dr. L. in seinem Gutachten bemerkt, dafs 
sehr viele Stoffe pflanzlicher oder tierischer Herkunft eine Rosa- 
färbung geben, so ist dagegen zu bedenken, dafs die 
meisten solcher Körper, wie alle Eiweilsstoffe, nicht in Chloroform 
löslich sind, was in dem vorliegenden Falle erforderlich wäre, und 
uns über diesen Punkt zu wenige Erfahrungen vorliegen. 

Es liegt nun die Vermutung nahe, dafs Prof. L. ein Präparat 
in die Hände bekommen hat, welches von den Leichenteilen aus 
Krause I stammte, und also zu denjenigen gehörte, die schon von 
Dr. M. als die schwächer reagierenden erkannt worden waren. 

Das Präparat soll ferner aus einer gelben Schmiere bestanden 
haben, es war also nicht rein, und demzufolge ist es sehr wohl 
möglich, dafs die Kaliumdichromat-Reaktion kein klares Bild 
geben konnte. 

Die Probe mit Ceroxyd, welche auch in unreinen strychnin- 
haltigen Massen die Gegenwart des Alkaloids bestimmt erkennen 
läfst, ist von Herrn Dr. L. nicht vorgenommen worden. 

Bei der am 13. Oktober c. von mir in Gemeinschaft mit den 
Herren Dr. L. und M. vorgenommenen Prüfung wurde ein Uhrglas 
angewendet, welches eine feste klare, in dickeren Schichten schwach 
gelbliche Masse enthielt. Das Präparat besafs keine Anzeichen von 
Unreinheit und gab, wie erwähnt, sofort alle Reaktionen auf 
Stryehnin. Möglicherweise stammte es von dem Inhalte der Krause IT. 

Somit darf die Vermutung aufgestellt werden, dafs bei der 
früher von Dr. L. vorgenommenen Prüfung und der jetzt ausge- 
führten verschiedene Präparate vorgelesen haben und dafs hieraus 
die Abweichung in den Resultaten sich erklärt. 


— 


512 B. Grützneru. M. Höhnel: Ueber © 


ki I 
Mitteilung aus dem pharmaceutischen a +; der 
Universität Breslau. de 


Zur Kenntnis der Metaplıumbate der Erdalkalien. 
Von B. Grützner und M. Höhnel. 
(Eingegangen den 27. VII. 1895.) 

Das Bleisuperoxyd wurde lange Zeit analog dem Mangansuper- 
oxyd als indifferentes Oxyd betrachtet, bis Fremy!) zeigte, dals 
das Bleisuperoxyd mit Kali und Natron krystallisierbare Verbindungen 
bildet. Nach der Analyse des Kaliumsalzes kommt demselben die 
Formel K,PbO, +3 H,O zu. Er nannte daher auch das Bleisuper- 
oxyd Bleisäure (acide plombique) und die Verbindungen desselben mit 
Metalloxyden Plumbate (plombates).. Nach Fremy soll die Dar- 
stellung bleisaurer Salze durch mälsiges Glühen von Bleioxyd mit 
anderen Metalloxyden, besonders leicht beim Erhitzen von Bleioxyd 
mit Kalk oder Baryt vor sich gehen, indem das Bleioxyd lebhaft 
Sauerstoff aufnimmt. Nähere Angaben über das chemische und 
physikalische Verhalten der Verbindungen, sowie Analysenresultate 
tehlen indefs. In seiner Inaugural-Dissertation: Ueber einige Ver- 
bindungen des Bleisuperoxyds (der Bileisäure), Breslau 1878, sagt 
Otto Seidel, dafs bei der Darstellung bleisaurer Salze nach den 
Angaben von Fremy das Einhalten einer sehr constanten Tempe- 
ratur erforderlich scheine, wie das z. B. bei der Darstellung der 
Mennige der Fall ist, denn beim Erhitzen bis zur schwachen Rotglut 
eines innigen Gemenges von Bleioxyd mit reiner Magnesia wurde kein 
Sauerstoff aufgenommen. Die Mengenverhältnisse waren so gewählt, 
dals in dem einen Falle auf eine Molekel Bleioxyd zwei Molekeln 
Magnesia und bsi einem zweiten Versuch gleiche Molekeln Bleioxyd 
und Magnesia gemischt und bis zur schwachen Rotglut erhitzt wur- 
den. Die beiden Gemenge änderten wohl die Farbe von der 
schmutziggelben zu einer schönen hellgelben, auf Zusatz von Salz- 
säure trat jedoch keine Chlor-Entwickelung ein. Es war also kein 
bleisaures Salz entstanden oder, und das scheint nach der von 
Seidel gemachten Beobachtung, dafs bleisaures Magnesium (durch 

1) Ann.d. Chim. et de Phys. 3me Serie 12,490. Jou:n. de Phara. 
(3) 3,30 Compt. rend. 15 1109. 


B. Grützner u. M. Höhnel: Ueber Erdalkalimetaplumbate. 513 


Koche _ von Magnesia mit bleisaurem Kali erhalten) bei schwacher 
Rotglut Sauerstoff entwickelt, das wahrscheinlichere, die zuerst ge- 
bildete Verbindung war durch zu hohe Temperatur wieder zerlegt 
worden. Versuche, durch Erhitzen von Bleioxyd mit Kalk oder Baryt 
zu den entsprechenden Salzen zu gelangen, scheint Seidel 
nicht angestellt zu haben, wenigstens finden sich hierüber iu 
seiner Arbeit keine Angaben. Er erhielt jedoch durch Kochen 
von bleisaurem Kali mit in Kali unlöslichen Verbindungen wie Kalk, 
Baryt und Magnesia Verbindungen, welche er als bleisaure Salze 
anzusprechen sich berechtigt sah, da Salpetersäure leicht Bleisuper- 
oxyd abspaltete, während die Oxyd. in Lösung gingen. Nach seinen 
eigenen Angaben ergaben die Analysen jedoch nicht die Resultate, 
welche einer chemisch reinen Verbindung entsprochen hätten. Nach 
unseren Versuchen muls Seidel, wie es auch durch die Art der 
Darstellung hervorgeht, saure Verbindungen unter den Händen ge- 
habt haben. So erhält man z. B. ein graues, scheinbar saures 
Baryumplumbat, welches alls Reaktionen der Plumbate giebt, wenn 
man Baryumsuperoxyd mit Bleioxyd unter Wasserzusatz mälsig er- 
wärmt; analysenrein konnte indessen diese Verbindung nicht er- 
halten werden. Seidel erwähnt nur, dals die Verbindung von 
Bleisäure und Kalk als ein gelbbraunes, die Barytverbindung als 
ein graues und diejenige mit Magnesia als ein braunes Pulver er- 
halten wurden und dafs annähernd 1 Mol. Bleisäure an 1 Mol. Kalk 
oder Magnesia gebunden war. 


In xeuerer Zeit gelang es G. Kassner!) durch Erhitzen 
der Carbonate oder Oxyde der Erdalkalien mit Bleioxyd bleisaure 
Salze der Erdalkalien darzustellen, welche ihrer Zusammensetzung 
nach aufzufassen sind als Derivate der Orth o bleisäure (Pb(OH),), 
in welcher die vier Wasserstoffatome der Hydroxylgruppen durch 
zwei Atome Calcium, Strontium oder Baryum ausgewechselt sind, 
mithin den Verbindungen die Formeln Ca, PbO,, Srz, PbO, und Ba, PbO, 
zukommen. Die Verbindungen der Metableisäure (H, PbO,) mit 
den Erdalkalien scheinen jedoch in reinem Zustande noch nicht dar- 
gestellt worden zu sein, denn abgesehen von den oben erwälnten 
Bemerkungen von Fremy und von Seidel konnien wir in der 


1) Diese Zeitschr. 1390 Band 223. pag. 109. 


514 B Grützneru. M. Höhnel: Ueber Erdalka ime 


uns zugänglichen Litteratur keine weiteren diesbezüglichen An; 
finden. gg 

Es gelang uns nun von dem Calciumorthoplumbat ausgehend 
durch Einwirkung von Natriumsuperoxyd oder Kalilauge das Oalcium- 
metaplumbat zu erhalten. 


Darstellung des Caleciummetaplumbates. 


Öalciumorthopiumbat, nach dem Verfahren von G. Kassner 
dargestellt, wurde durch Müllerseide gebeutelt, in einem Mörser mit 
Wasser angerührt und unter Umrühren in Portionen von 3—5 Gramm 
solange Natriumsuperoxyd zugesetzt, bis eine Probe des Breies, mit 
Wasser versetzt, einen rein weilsen Niederschlag gab. Hierauf 
wurde in einen Kolben gespült und bis zur neutralen Reaktion 
des Waschwassers durch Dekantieren ausgewaschen. In letzterem 
konnten nur Spuren Blei, hingegen erhebliche Mengen Kalk nach- 
gewiesen werden. Der ausgewaschene Niederschlag enthielt noch 
kleine Mengen eines rötlich- gelben Körpers, vermutlich von nicht 
umgesetztem Orthoplumbat herrührend, der inde/s durch Schlemmen 
init Wasser leicht zu trennen war. Nach dem Absaugen mit der 
Wasserstrahlpumpe wurde auf Thontellern, schliefslich über Schwefel- 
säure im Exsiccator getrocknet. Das auf diese Weise erhaltene 
Pulver war rein weils, unter dem Mikroskop deutlich würfelförmig 


krystallisiert. 


Chemisches Verhalten des Calciummeta- 

plumbates. 

Eine Probe mit Wasser angeschüttelt und mit Essigsäure ver- 
setzt, giebt nach dem Ausfällen des Bleis mit Schwefelwasserstoff 
ein Filtrat, welches nur Calcium und kein Natrium enthält. Kohlen- 
säure war nur in Spuren vorhanden. Beim Erhitzen im Glühröhr- 
chen macht sich Abscheidung von Wasser und Entwickelung von 
Sauerstoff bemerkbar. Der Rückstand ist gelb bis braun gefärbt. 
Durch Trocknen bei 1200 tritt kaum eine Gewichtsabnahme ein, es 
zeigt sich jedoch der Beginn der Zersetzung durch schwache Gelb- 
färbung an. Mit Salzsäure entwickelt sich reichlich Chlor unter 
Abscheidung von Chlorblei. Weder durch kaltes noch durch warmes 
Wasser war eine Veränderung des Präparates wahrzunehmen und 
unterscheidet sich hierdurch das Caleiumsalz vorteilhaft von dem 


B. Grützner u, M. Höhnel: Ueber Erda.kalimetaplumbate. 515 


Natriammetaplumbat. Wird dagegen dem Wasser etwas kohlen- 
saures Alkali zugesetzt, so scheidet sich beim Erwärmen Bleisuper- 
oxyd ab. Konzentrierte Schwefelsäure bewirkt Sauerstoffentwickelung 
unter Bildung von Bleisultfat. Verdünnte Essigsäure scheidet beim 
Kochen alles Blei als Superoxyd ab, im Filtrat ist nach sofortigem 
Filtrieren keine Spur Blei durch Schwetelwasserstoff, dagegen sind 
grolse Mengen von Kalk durch Ammonuvxalat nachweisbar. Salpeter- 
säure, sowie verdünnte Schwefelsäure bewirken die gleiche Um- 
setzung. Kohlensäure wirkt in der Kälte wenig, rascher beim Er- 
wärmen unter Bildung von Bleisuparoxyd ein. 


Quantitative Bestimmung des Calciummeta- 
plumbates. 

Die quantitative Analyse wurde in folgender Weise ausgeführt. 
Eine abgewogene Menge Substanz wurde mit Wasser übergossen, 
mit Essigsäure im Ueberschufs erwärmt und durch anhaltendes Ein- 
leiten von Schwefelwasserstoffgas alles Bleisuperoxyd in Schwefel- 
blei übergeführt. Das abfiltrierte und mit schwefelwasserstoffhal- 
tisem Wasser ausgewaschene Bleisulfid wurde nach dem Trocknen 
unter Beobachtung der notwendigen Vorsichtsmalsregeln im Porzellan- 
tiegel in Bleisulfat übergeführt und gewogen. Im Filtrat vom Blei- 
sulfid wurde Calcium als Oxalat gefällt und als Oxyd gewogen. Die 
Menge des Wassers aus dem Glühverluste zu berechnen, ist nicht 
angängig, da Versuche zeigten, dafs durch anhaltendes Erhitzen bei 
60—70° 0,26, bei 1150 nur 1,01 Proz. Wasser fortgehen und bei 
höherer Temperatur Zersetzung der Substanz eintritt. Es wurde 
daher der Wassergehalt durch direkte Wägung des Wassers be- 
stimmt. Ein ca. 50 cm langes schwerschmelzbares Rohr wurde am 
Linteren Ende mit einem Reinigungs- und Trockenapparat, am vor- 
deren Ende mit einem Chlorcalciumrohr zur Absorption des Wassers, 
sowie mit einem zweiten Chlorcaleiumrohr zum Schutz des ersteren 
vor Feuchtigkeit der Atmosphäre verbunden, dann das Schiff- 
chen mit der Substanz hineingeschoben und das Rohr unter 
Ueberleiten von Sauerstoff in einem kurzen Verbrennungsofen nach 
Art einer Elementaranalyse erhitzt. Es zeigte sich hierbei, dals 
nach Ende der Operation das Schiffehen soviel an Gewicht verloren, 
als das Chlorcalcium-Rohr zugenommen hattte. Demnach konnte die 


516 B. Grützner u. M. Höhnel: Ueber Erdalkalimetaplumbate. 


Substanz nur Wasser verloren haben. Der Inhalt des Schiffehens 
nach dem Glühen war braun. Die Bestimmung der geringen Menge 
Kohlensäure, welche das Präparat als Caleinmcarbonat enthielt, 
wurde gewichtsanalytisch im Apparat von Fresenius vorge- 
nommen und die gefundene Kohlensäure auf Caleiumcarbonat um- 


gerechnet. 
0,7627 g. Subst. gaben 0,6243 g. PhSO, = 0,4924 g. PbO, = 64,56°%/, PbO, 
0,5929 „ cr Br ABDE, * n =. 0,3806, ...... — Gase 
0,3689 „ R 2 0,7081 „ = — 05989 „. —6r2g „ 

0,7627 g. Subst. gabeı 0,1323 g. CaO = 17,41%, CaO 

0,8504 „ n & 0,1462 „ ne em > 

EYE ee _ 

045092, , „b 0,0808 „ EL0: 2 79,08 

0,5548 „ n 4 0,0987 „ sera e 

0,5564, „ „ 250087, pe 

0,9234 „ 5 a 0,0055 „ CO, = 0,596, C0, 


— 1,350), CaCO, 
Gef, im Mittel: 64,33 0, PbO, 
16,52 .,.Ca0 
1,355 „ CaCO, 
14,83. 150 
auf Caleciumcarbonat freie Verbindung umgerechnet: 
gef. 65,19%/, PbO, 
16,75 ,„ CaO 
18,07... :H,0 
berechnet für Ca PbO, + 4 H,O : 65,07 0/, PbO, 
19:27, CaO 
19,64 „ H>0 
Aus den gefundenen Werten ergiebt sich ohne Zweifel, dals 
die vorliegende Verbindung aus Calciummetaplumbat bestand, 
welches wie das Natriummetaplambat!) mit 4 Mol. Krystallwasser 
krystallisiert und beim Trocknen im Vacuum bereits etwas Wasser 


verloren hatte. 


2. Art der Darstellung von Calcium- 
metaplumbat. 

Wir versuchten nun, ob es nicht möglich wäre, schon durch 
Einwirkung von Aetzalkalien ohne Anwendung des Natriumsuper- 
oxydes das Orthoplumbat in das Metaplumbat überzuführen, indem 
wir Caleiumorthoplumbat, mit cr. 330%, Lauge erst bei gewöhnlicher 


I) Diese Zeitschrift 1594, 224. 


B. Grützner u. M. Höhnel: Ueber Erdalkalimetaplumbate. 517 


Temperatur, dann in der Wärme des Wasserbades digerirten, jedoclı 
ohne Erfolg. Es war selbst nach mehrtägigem Erhitzen 
keine wahrnehmbar Veränderung eingetreten. Aber auch gegen 
Natriumsuperoxyd zeigte sich dieses, sowie ein zweites für 
diesen Versuch verwendetes Orthoplumbat wenig reaktionsfähig. 
Das Reaktionsprodukt war grau und mit viel unverändertem Ortho- 
plumbat vermischt. Von der Annalıme ausgehend, dafs durch zu 
starkes Glühen das Orthoplumbat in seiner Reaktionsfähigkeit ge- 
schwächt worden sei, wiederholten wir dıe Versuche mit einem nur 
bei mälsiger Rotglut dargestelltsm Caleiumorthoplumbat. Der Erfolg 
war ein überraschender. Schon nach wenigen Minuten des Digerirens 
mit Kalilauge bei gewöhnlicher Temperatur begann der Niederschlag 
voluminös und bald darauf krystallinisch zu werden, gleichzeitig 
ging die Farbe in eine weilse über, welche nach dem Auswaschen und 
Trocknen des Präparates kaum einen Stich ins Gelbe zeigte. 

Gestützt auf obige Versuche, möchten wir uns der Ansicht zu- 
neigen, dafs für die gute Umsetzungsfähigkeit des Orthoplumbates 
zu hohe Temperatur bei der Darstellung zu vermeiden ist. 

Analyse des durch Digestiin mit Kalilauge erhaltenen 
Calciummetaplumbates. 

Die Bleibestimmung wurde hier folgendermalsen ausgeführt 
Das mit Wasser angeschlemmte Calciummetaplumbat wurde mit 
verdünnter Essigsäure übersäuert und bis zum Aufkochen erhitzt. 
Das abgeschiedene Bleisuperoxyd wurde sofort abfiltriert und nach 
dem Trocknen bei 1100 gewogen. Im Filtrat war Blei nicht mehr 
nachzuweisen. 

Gefunden: 
64,02 Proz. PbO,, 17,68 Proz. CaO, 16,88 Proz. H,0, 0,28 Proz. CO, 
64,05 „ apa 12. Des apnue Meg 
Nach Umrechnung der Kohlensäure auf Caleiumcarbonat ergeben 
sich folgende Werte: 
i. M. 64,03 Proz. PbO, 
else CaO 
063 „ CaCO, 
16,95 -„.ı H,O 
für CaCO; freie Verbindung berechnet sich: 
64,44 Proz. PbO, 
1.49 8..7,2:630 
14,06%. 5e0 HsO 


” ” 


518 B. Grützner u. M. Höhnel: Ueber Erdalkalimetaplumbate, 


CaPbO, + 4 H,O verlangt: 
65,07 Proz. PbO, 
15.972 020 
19,6kr7y 4 80) 

Nach dengefundenen Werten liegt auch hier das mit 4 Mol. Wasser 
krystallisirte Metaplumbat des Calciums vor. Der nach beiden 
Darstellungsmethoden etwas zu hohe Kalkgehalt des Präparates 
läfst sich vielleicht durch die Annahme erklären, dals das Calcium- 
metaplumbat in frisch bereitetem Zustande Calciumoxyd gewisser- 
malsen fixirt, so dals letzteres nur sehr schwer durch Auswaschen 
vollständig entfernt werden kann. 


Silbersalz der Metableisäure., 


Digeriert man gebeuteltes und mit Wasser angeschlemmtes 
metableisaures Calcium bei gewöhnlicher Temperatur mit über- 
schüssiger Silbernitrat-Lösung, so bemerkt man schon nach kurzer 
Zeit eine Veränderung. Das ursprünglich weilse Pulver wird bald 
milsfarbig, grau schliefsliich sammetschwarz und krystallinisch. Im 
Filtrat sind neben dem überschüssigen Silber beträchtliche Mengen 
Kalk, aber kein Blei nachzuweisen. Nach dem vollständigen Aus- 
waschen des Reaktionsproduktes mittels kaltem Wasser wurde ab- 
gesaugt und auf Thonplatten im Schwefelsäure-Exsiccator getrocknet. 
Das mikroskopische Bild zeigte deutlich würfelförmig ausgebildete 
Krystalle und war vollständig einheitlich. Mit Salpetersäure über- 
gossen schied sich Bleisuperoxyd ab, während im Filtrat neben 
Silber geringe Spuren Blei und wenig Kalk enthalten waren. Bei- 
dem Behandeln des Präparates mit Säuren konnte auch etwas 
Kohlensäure, die in Form von Caleiumcarbonat das Silbersalz ver- 
unreinigte, nachgewiesen werden. Bei 1200 getrocknet, verlor das 
Silbersalz 1,29 0/, HsO und nahm eine stahlgraue Farbe an. 


Analyse des Silbersalzes. 


Zur quantitativen Bestimmung wurde das bei 1200 getrocknete 
Präparat benutzt. Die Silberbestimmung wurde in der Weise aus- 
geführt, ‘dafs das mit Wasser angeschüttelte Pulver mit Salzsäure 
erwärmt wurde, wobei unter Chlor-Entwickelung sich Chlorsilber ab- 
schied, welches sich auch bald durch geringen Zusatz von Salpeter- 
säure zusammenballte und klar absetzte. Das mit kochendem Wasser 
ausgzewaschene Chlorsilber wurde in üblicher Weise als solches 


B. Grützner u. M. Hölhnel: Ueber Erdalkalimetaplumbate. 519 


bestimmt. Im Filtrat wurde Blei durch Schwefelwasserstoff gefällt 
und in Bleisulfat übergeführt. Zur Kalkbestimmung wurden 
2—3 Gramm Substanz in Arbeit genommen und nach Entfernung 
des Silbers und des Bleies durch Ammonoxalat gefällt. Der ge- 
tundene Kalk wurde auf Caleiumcarbonat umgerechnet. 

Gefunden: 53,340/, Ag,0, 42,830/, PbO,, 2,810, CaCO, 

9arların r re 3.10% er, 

im Mittel: 53,231,5 10,5 A303, 2,05:5,, 9 

berechnet auf CaCO, freie Verbindung: 

53,29 0%/, Ag50, 44,71%, PbO,. 
für metableisaures Silber (Ag,PbO,) berechnet sich! 
49,31 Proz. Ag,O und 50,69 Proz. PbO,. 

Es konnte demnach ein Salz obiger Zusammensetzung nicht 
vorliegen. Auffallend ist der hohe Silbergehalt der Verbindung. 
Es wurde daher nochmals und zwar etwas abweichend von der oben 
angegebenen Methode die Silberbestimmung vorgenommen. Statt 
mit Salzsäure wurde das Silbersalz mit Salpetersäure bis zum Sieden 
erhitzt und im Filtrat vom abgeschiedenen Bleisuperoxyd die Fällung 
des Silbers mit Chlornatrium vorgenommen. Wie zu erwarten, erwies 
sich das Chlorsilber vollständig bleifrei. Die gefundene Menge 
betrug 53,06 Prvz. auf Ag,O berechnet, während durch Zersetzung 
mit Salzsäure im Mittel 53,23 Proz. AggO gefunden wurde. Er- 
mittelt man durch Division mit den Molekulargewichten das einfachste 
Verhältnis von Silberoxyd zu Bleisuperoxyd, so gelangt man zu den 
Zahlen 0,237 Ag»O zu 0,187 PbO, oder 1,27Ags0 zu 1 PbO,, vervier- 
facht 5 AgO zu 4PbO, Es gewinnt den Anschein, als ob hier der 
seltene Fali eines basischen Silbersalzes vorliegt, dessen Zusammen- 
setzung sich vielleicht durch die Formel (Ag5Pb0,),Ag,0 zum Aus- 
druck bringen lielse. 


Hierfür berechnet sich: gefunden: 
54,71 Proz. Ag,O 59,29 Proz. Ag,O 
45,28 ..;» 1..EbO, an 51h 


Ein Salz von der Zusammensetzung (Ag, PbO,),Ag,0 enthält 
10,94 Proz. Ag,O, welches nicht an Blei gebunden ist. Bei einem 
Versuch, durch Digerieren mit annähernd 5 Proz. Ammoniak diesen 
Gehalt an Silberoxyd zu bestimmen, wurden, auf caleiumcarbonatfreie 
Verbindung berechnet, 13,30 Proz. Ag30 gefunden. Allerdings waren 
hierbei auch kleine Mengen von bleisaurem Silber in Lösung gegangen, 

Arch. d. Pharm. CCXXXIM. Bds. 7. Heft 34 


520 B. Grützuer u. M. Höhnel: Ueber Erdalkalimetaplumbate, 


wie Reaktionen auf Blei erkennen liefsen. Es erklärt sich hierdurch 
der zu hoch gefundene Silberoxydgehalt. Der Rückstand vom 
Digerieren mit Ammoniak zeigte nach dem Trocknen eine rein 
graue Farbe und unter dem Mikroskop deutlich würfelförmige 
Krystalle. Er bestand aus reinem metableisaurem Silber. 


(Ag, Pb O;). 

Bei den Versuchen nach oben beschriebenen Methoden Strontium- 
und Baryummetaplumbat darzustellen, zeigte es sich, dals die 
Orthoplumbate selbst nach wochenlangem Digerieren mit Kalilauge 
sich nicht umsetzen. Natriumsuperoxyd wirkte wohl ein, jedoch un- 
gleich schwerer als bei der Kalkverbindung. Es blieb immer noch 
ein nicht unbeträchtlicher Teil des Orthoplumbates dem Reaktions- 
produkt beigemischt und dieser konnte selbst durch wiederholtes 
Schlemmen nicht vollkommen getrennt werden. Bei dem Auswaschen 
des durch Umsetzung erhaltenen weilsen Bodensatzes mit Wasser 
macht sich alsbald eine Zersetzung durch Gelb- oder Orangefärbung 
bemerkbar, die auch nicht verhindert wird, wenn ein ca. 50 procentiger 
Alkohol als Waschflüssigkeit angewendet wird. Das Endprodukt war 
stets ein Gemisch, keine einheitliche Substanz. Das Blei war als 
Oxyd und als Superoxyd in wechselnden Mengen vorhanden. Es er- 
scheint daher ausgeschlossen, auf diesem Wege zu Verbindungen des 
Strontiums und Baryums zu gelangen, welche dem Metaplumbat des 
Caleiums entsprechen. 


Durch Einwirkung von Baryumsuperoxyd auf Bleioxyd wurde 
ein graues Baryumplumbat erhalten; infolge der Zersetzbarkeit durch 
Wasser gelang es jedoch nicht, die Verbindung in reinem Zustande 
zu erhalten. Bleisuperoxyd und Baryumhydroxyd in wässeriger 
Lösung geben selbst bei längerem Kochen keine Veränderung. 
Wurde jedoch der Versuch unter Zusatz von Lauge ausgeführt, so 
verschwand das Bleisuperoxyd, und es entstand ein weilser Nieder- 
schlag, aus welchem sich beim Auswaschen mit Wasser kleine 
orangegelbe Krystalle ausschieden. Diese gelben Krystalle zeigten 
alle Reaktionen eines Plumbates, waren jedoch in kleiner Menge mit 
einem weilsen Körper gemischt, von dem sie nicht getrennt werden 
konnten. Dieselbe Reaktion mit Strontiumhydroxyd ausgeführt, führte 
zu keinem befriedigenden Resnltat. 


Ludwig Moeser: Zur Kenntnis der eisensauren Salze. 521 


Wenn es uns auch nicht gelungen ist, die Metaplumbate des 
Strontiums und Baryums zu erhalten, so glaubten wir doch von der 
Mitteilung dieser negativen Resultate umsoweniger Abstand nehmen 
zu müssen, als daraus hervorgeht, dafs die einfache Methode der 
Darstellung für das Calciumsalz nicht für die ihm so nahestehenden 
Verbindungen des Strontiums und Baryums zu verallgemeinern geht. 


Mitteilung aus dem Universitätslaboratorium 
des Prof. Alex Naumann zu Giessen. 


Zur Kenntnis der eisensauren Naize. 
Von Ludwig Moeser. 
(Eingegangen den 1. VIII. 1895.) 


Schon um 17021) war die Thatsache bekannt, dals man beim 
Erhitzen von Eisenpulver mit Salpeter eine Schmelze erhält, welche 
sich in Wasser mit dunkelroter Farbe löst. Dafs die rote Farbe 
dieser Lösung von einem höheren Oxyde des Eisens, der Eisen- 
säure, herrührt, wurde zuerst von Fremy?) erkannt. Derselbe be- 
schäftigte sich eingehender mit der Untersuchung der Ferrate und 
zeigte, dals das denselben zu Grunde liegende Oxyd, Eisentrioxyd 
Fe O, ist. Diese Formel wurde durch wiederholte Untersuchungen 
von Rose°), Smith* und Mollins°) bestätigt. Die Eisensäure 
und ihr Anhydrid sind in freiem Zustande nicht bekannt, da sie bei 
einem Versuche zur Isolierung sofort in Sauerstoff und Eisenoxyd, 
bezw. Eisenhydroxyd zerfallen. Von ihren Salzen sind bisher nur 
eisensaures Kalium, Natrium und Baryum erhalten worden. 

Kaliumferrat kann auf verschiedene Weise dargestellt 
werden. Die seither bekannten Methoden zu seiner Darstellung sind 
in Folgendem kurz abgehandelt. 

1) Eisensaures Kalium entsteht beim Erhitzen von 1 Teil 
Eisenfeile mit 2 Teilen Salpeter®. Das Eisen verbrennt hierbei 


1) Kopp’s Gesch. d. Chem. 1, 192. 

2) Compt. rend. 1840—44, 12, 23; 14, 442; 15. 1106; 16, 187, 
3) Pogg. Ann. 1843, 59, 321. 

%) Phil. Mag. 1843, 23. 217. 

5) Ber. deutsch. chem. Ges. 1871, 4, 626. 

6) J. pr. Chem. 1845, 34, 101. 


34* 


u 


522 Ludwig Moeser: Zur Kenntnis der eisensauren Salze. 


unter lebhaftem Erglühen teils zu Eisenoxyd, teils oxydiert es sich 
höher unter Bildung von Kaliumferrat. Die Lösung der Schmelze 
in Wasser ist sehr unbeständig und zersetzt sich infolge ihres Ge- 
haltes an Kaliumnitrit um so rascher, je concentrierter sie ist. 

2) Kaliumferrat bildet sich ferner beim starken, anhaltenden 
Glühen von Eisenoxyd mit Aetzkali unter Luftzutritt oder im Sauer- 
stofistrom!). Das Eisenoxyd löst sich zunächst in dem geschmolzenen 
Aetzkali auf, unter Bildung von Kaliumferrit, wobei die rote Farbe 
des ersteren in die hellgrüne des letzteren übergeht. Das Ferrit 
wird durch das bei stärkerem Glühen des Kaliumhydroxyds an der 
Luft gebildete Kaliumsuperoxyd zu Ferrat oxydiert. 

3) Sehr leicht erhält man eisensaures Kalium durch Erhitzen 
von 1 Teil Eisenoxyd mit 2 Teilen Kaliumsuperoxyd bis zum 
Schmelzen?.. Beim Auflösen in Wasser zersetzt sich das Produkt 
grölstenteils wieder, indem das Ferrat und das überschüssige Super- 
oxyd sich gegenseitig reducieren. Diese Bildungsweise erklärt auch 
das Entstehen von eisensaurem Salz beim Verbrennen von Kaliun- 
oder Natriummetall in eisernen Gefäfsen. 

4) Durch Elektrolyse erhält man Kaliumferrat, wenn 
man den elektrischen Strom durch concentrierte Kalilauge gehen lässt 
und als Anode eine Eisenplatte verwendet?°). 

5) Leitet man Chlorgas in concentrierte Kalilauge, welche 
Eisenhydroxyd suspendiert enthält, so bildet sich eine dunkelrote 
Lösung von eisensaurem Kali. Nach Merz) bringt man zu 26 
Teilen concentrierter Kalilauge (5:8) 5 Teile zwischen Fliefispapier 
abgepresstes Eisenhydroxyd, oder man vermischt Kalilauge (5:8) 
mit 1/, ihres Volumens an Eisenchloridlösung von 1,13 spec. Gewicht 
und leitet in die Flüssigkeit einen mäfsig starken Chlorstrom. Die 
so erhaltene Lösung ist viel beständiger als die auf anderem Wege 
dargestellte. Um das Ferrat in fester Foım und in reinem Zustande 
zu erhalten, sättigte Fremy’) diese Lösung mit festem Aetzkali, 
wodurch das Kaliumferrat als schwarzrotes Pulver ausgeschieden 
wurde. Um dasselbe von gleichzeitig ausgeschiedenem Kaliumehlorid 


1) J. pr. Chem. 1845, 34, 101. 

2) J. pr. Chem. 1845, 34, 102. 

3) Pogg. Ann. 1841, 54, 373; 1843, 59, 315. 
4) J. pr. Chem. 1866, 101, 268. 

©, Ann. chim phys. (3) 1844, 12, 369. 


{ 


Ludwig Moeser: Zur Kenntnis der eisensauren Salze. 523 


und Kaliumchlorat zu trennen, löste er es wieder in Wasser und 
fällte es durch Sättigen mit festem Aetskali wieder aus; es gelang 
jedoch nicht, das Ferrat von diesen Beimengungen zu trennen. Zur 
Aufbewahrung trocknete er das erhaltene Präparat auf porösem 
Porzellan und schmolz es in eine Glasröhre ein. Es stellt ein 
erystallinisches, schwarzrotes Pulver dar, das sich in Wasser leicht 
mit dunkelroter Farbe löst und an der Luft rasch unter vollständiger 
Zersetzung zerflielst. 

6. Ganz analog der letztgenannten Bildungsweise entsteht 
Kaliumferrat, wenn man Bromdampf in Eisenhydroxyd enthaltende 
konzentrierte Kalilauge einleitet oder wenn Eisenhydroxyd mit kon- 
zentrierter Kalilauge und Kaliumhypobromitlösung schwach erwärmt 
wird.!) 

Natriumferrat bildet sich analog dem Kaliumsalz nach 
Bildungsweise 3, 4, 5 und 6, jedoch nicht nach 1 und 2, was in der 
weniger grolsen Glühbeständigkeit seine Ursache haben mag. Es 
verhält sich im allgemeinen wie die Kaliumverbindung und unter- 
scheidet sich von dieser nur durch seine Nichtfällbarkeit beim Sättigen 
seiner Lösung mit Aetznatron. 

Baryumferrat erhält man als dunkelroten amorphen Nieder- 
schlag, wenn man die Lösung von Kalium- oder Natriumterrat mit 
Chlorbaryum versetzt. 

Die vonFremy°’, Trommsdorff?), Wackenrodert) 
u. a. vorgeschlagenen Verfahren zur Kaliumferratdarstellung durch 
Verpuffen von Eisenfeile mit Salpeter leiden an dem Uebelstande, dafs 
man nur mit kleinen Portionen gute Resultate erhält, bei Anwendung 
grölserer Mengen dagegen infolge Ueberhitzung zersetztes Produkt. 
Um dies zu vermeiden und um ein gleichmälsiges, gehaltreiches 
Produkt zu erhalten, empfiehlt es sich, das innige Gemenge von 1 Teil 
feiner Eisenfeile mit 1,8 Teilen Salpeter auf eine Eisenplatte in 1 bis 
2 cm hoher Schicht aufzutragen und dieselbe mit Hilfe einer am 
einen Ende angefügten Mischung von Eisenfeile mit wenig Salpeter 
anzuzünden. Die Glüherscheinung setzt sich unter Bildung dicker, 
weilser Dämpfe von verfiüchtigtem Kali von einem Ende zum andern 

1) Bar. deutsch. chem. Ges, 1879, 12, 346; 1886, 19, 742. 

2) J. pr. Chem. 1845, 34, 103. 


3) Arch. Pharm. 1842, 29, 103. 
*) Arch. Pharm. 1843, 33, 41. 


524 Ludwig Moeser: Zur Kenntnis der eisensauren Salze. 


fort und es hinterbleibt eine schwarze geschmolzene Masse, die reichlich 
eisensaures Kalium enthält. 


Zur Darstellung von möglichst reinem, mangan- 
freiem eisensaurem Kalium wurde folgendes auf Bildungs- 
weise 6 beruhende Verfahren ausgearbeitet: 

80—90 g abgeprefstes, manganfreies Eisenhydroxyd wurden 
mit 80 g Wasser und 50 g gereinigtem festem Aetzkali angerührt; in 
Sie erkaltete Mischung wurden nach und nach 50 g Brom eingetragen, 
hierauf unter guter Kühlung festes Ätzkali bis zur Sättigung aufge- 
löst; nach nochmaligem Zusatz von etwa 20 g Kalihydrat wurde die 
Masse vorsichtig auf 60° erwärmt und nach einer halben Stunde er- 
kalten lassen. Erwärmen auf mindestens 50° ist zur vollständigen 
Umsetzung erforderlich, Erwärmen über 60° ist dagegen zu vermeiden, 
da sonst wieder Zersetzung des entstandenen Ferrates eintritt. 

Die Umsetzung des Eisenhydroxyds in Kaliumferrat geht bei 
diesem Verfahren fast quantitativ vor sich, was man daran erkennt, 
dals eine Probe der schwarzen Masse in Wasser sich völlig klar 
aufiöst und innerhalb 5 Minuten keine Eisenhydroxydabscheidung 
erkennen lälst. 

Nach dem Erkalten der Masse schöpft man das infolge an- 
hängender Gasbläschen meist an der Oberfläche ausgeschiedene 
eisensaure Kali auf poröse Porzellanplatten und läfst trocknen. Das 
erhaltene Präparat ist mit Aetzkali, Bromkalium und Kaliumbromat 
verunreinigt. Erstere Beimengung läfst sich durch Decantieren mit 
96 prozentigem Alkokol leicht entfernen. Das ätzkalifreie Produkt 
kann durch weiteres Auswaschen mit Alkohol von Bromkalium nicht 
befreit werden. Die Trennung von Brormkalium gelingt, wenn man 
das mittelst Aether ausgewaschene und getrocknete eisensaure Kalium 
wieder in Wasser löst (50 g in 100-200 Wasser) und es aus der 
Lösung durch Eingiefsen derselben in überschüssigen 85 prozentigen 
Alkohol (etwa 3 Liter) wieder ausfällt, wobei das Bromkalium in dem 
verdünnten Alkohol vollständig gelöst bleibt. 

Das so dargestellte, nur noch etwas Kaliumbromat enthaltende 
Kaliumferrat ist ein schwarzrotes, wenig hygroskopisches Pulver. In 
Wasser ist dasselbe leicht löslich; die konzentrierte Lösung erscheint 
undurchsichtig, rötlich schwarz, die verdünnte tief dunkelrot und zum 
Unterschied von Permanganatlösung ohne violetten Schein. Die kon- 


Ludwig Moeser: Zur Kenntnis der eisensauren Salze. 525 


zentrierte Lösung zersetzt sich äusserst rasch unter lebhafter Sauer- 
stoffentwickelung, während die stark verdünnte sich stundenlang un- 
zersetzt hält. In Aether, Chloroform und starkem Alkohol ist das 
Ferrat unlöslich und wird bei Abwesenheit von Wasser davon nicht 
zersetzt; stark verdünnter Alkohol wird sofort unter Bildung von 
Aldehyd oxydiert. Beim Erhitzen auf etwa 250° zerfällt das nach 
obiger Vorschrift dargestellte eisensaure Kalium unter Entwickelung 
von Sauerstoff und Hinterlassung eines blassgrünen Rückstandes von 
Kaliumferrit; dieser Rückstand zerflielst sehr bald an der Luft unter 
Braunwerden, indem das Kaliumferrit durch den Einflufs des Wassers 
in Kalihydrat und Ferrihydroxyd zerlegt wird. 

Sofortige Zersetzung des eisensauren Kalis bewirken alle 
Säuren, auch Kohlensäure, ferner alle sauer reagierenden Salze, 
Ammoniak, Ammoniumsalze und Wasserstoffsuperoxyd.. Auch 
Schwefelwasserstoff wird sofort oxydiert unter Abscheidung von 
Schwefeleisen und Schwefel; bei Gegenwart von Aetzalkalien findet 
diese Zersetzung nicht statt, sondern man erhält eine nach dem 
Verdünnen mit Wasser tiefgrüne Lösung, die unzersetzt filtrierbar 
ist und selbst beim Kochen kein Schwefeleisen abscheidet. Beim 
Verdunsten dieser Lösung findet Zersetzung statt, es konnten daher 
bis jetzt keine Krystalle erhalten werden. Sehr wahrscheinlich liegt 
bier eine dem Kaliumferrat entsprechende Schwetelverbindung, das 
sulfoeisensaure Kalium, vor. 


In der Lösung des reinen eisensauren Kalis bewirkt neutrales 
Silbernitrat einen anfangs tiefschwarzen Niederschlag von wahrschein- 
lich Silberferrit, wobei gleichzeitig Sauerstoff entwickelt wird. Der- 
selbe wird sehr bald grau und zerfällt dabei in seine Bestandteile, 
Silberoxyd und Eisenoxyd, bezw. Eisenhydroxyd. 


Eisensauren Baryt erhält man durch Versetzen von 
Kaliumferratlösung mit Chlorbaryum als ziegelrotes bis dunkelcarmoisin- 
rotes amorphes Pulver. Dasselbe ist nach der seither gewöhnlichen 
Bereitungsweise mit mehr oder weniger iremden Körpern, besonders 
mit Baryumcarbonat, Baryumsulfat und Eisenhydroxyd verunreinigt. 
Zur Darstellung von reinem, eisensaurem Baryt ist ein Kaliumferrat 
erforderlich, welches keine durch Chlorbaryum fällbaren Salze ent- 
hält, wozu sich das mit Kaliumhypobromit dargestellte, von Aetzkali 


526 Ludwig Moeser: Zur Kenntnis der eissnsauren Salze. 


befreite Kaliumferrat eignet. Dasselbe wird mit überschüssiger 
Chlorbaryumlösung zusammengerieben, abfiltriert und ausgewaschen, 
bis eine Probe, in Salpetersäure gelöst, keine Bromreaktion mehr 
gibt, hierauf erst auf porösem Porzellan, dann im Luftbade bei 500 
gatrocknet. 

Der eisensaure Baryt lässt sich auch ohne Zuhilfenahme des 
Kaliumsalzes direkt erhalten. Er bildet sich, wenn Eisenhydroxyd 
bei Gegenwart von überschüssiger Baryumhydroxydlösung mit ge- 
eigneten Oxydationsmitteln behandelt wird, wie mit unterchlorigsauren 
oder unterbromigsauren Salzen. 

Erhitzt man reines, frisch dargestelltes Eisenhydroxyd mit 
Barytwasser und Baryumhypochloritlösung bis nahe zum Sieden, so 
geht die anfangs gelbbraune Farbe des Eisenhydroxyds durch grau 
und schwarz in dunkelrot über, unter Bildung von Baryumferrat. 
Das Baryumhypochlorit lässt sich mit Vorteil durch Natrium- oder 
Kaliumhypochlorit ersetzen ; letztere müssen frei von Carbonat sein. 
Die Reaktion verläuft dann meist, wenn auch weniger glatt und voll- 
ständig, schon in der Kälte. 


Der reine eisensaure Baryt ist ein dunkelearmoisinretes, 
amorphes, in Wasser unlösliches Pulver. In trocknem Zustande ist 
es beständig, unter Wasser zersetzt es sich langsam. Lässt man 
Baryumferrat einen Tag unter ausgekochtem destilliertem Wasser 
stehen und schüttelt es dann auf, so entweichen in beträchtlicher 
Menge Sauerstoffbläschen. Beim Erhitzen auf 200—300° zersetzt es 
sich grölstenteils, bei stärkerem Erhitzen vollständig unter Sauer- 
stoffentwickelung und Wasserabgabe mit Hinterlassung eines grün- 
lichen Rückstandes von Baryumferrit. Befeuchtet man diesen Rück- 
stand mit Wasser, so wird er braun, indem Zersetzung in Baryum- 
und Eisenhydroxyd eintritt. Durch Säuren wird der eisensaure Baryt 
sofort unter stürmischer Sauerstoffentwickelung zerstört unter Bildung 
von Baryum- und Ferrisalz; der entweichende Sauerstoff ist bei An- 
wendung von Salpetersäure oder Schwefelsäure stark ozonhaltig. 
Letztere wirkt nur wenig auf den eisensauren Baryt ein, weil das 
oberflächlich gebildete Baryumsulfat die fernere Einwirkung der 
Schwefelsäure hindert. Mit Essigsäure geht die Zersetzung weniger 
lebhaft vor sich, verläuft jedoch in ganz analoger Weise. Fr&emy’s 
Angabe, dafs das Baryumferrat in verdünnter Essigsäure ohne Zer- 


[11 
19 
=! 


K. Gorter: Ueber Ermittelung des Cytisins. 


setzung mit dunkelroter Farbe löslich seil), konnte nicht bestätigt 
werden und dürfte wohl auf die Gegenwart von Mangan zurückzu- 
führen sein. 

Erwärmt man Baryumferrat mit konzentrierter Alkalicarbonat- 
oder Alkalihydroxydlösung, so findet eine Umsetzung statt, indem 
eisensaures Alkali in Lösung geht und Baryumcarbonat oder Baryum- 
hydroxyd als Rückstand bleibt. Am vorteilhaftesten wirkt eine 
Mischung von konzentrierter Aetzlauge mit einer zur Umsetzung 
hinreichenden Menge von konzentrierter Carbonatlösung. Auf diese 
Weise können ausser Kalium- und Natriumferrat auch Rubidium- 
und Cäsiumferrat in Lösung erhalten werden. Sie werden mit 
Ausnahme von Natriumferrat durch Zusatz von überschüssigem 
absoluteın Alkohol als dunkelrote, mit Carbonat verunreinigte Pulver 
ausgefällt. 

Andere eisensaure Salze konnten bis jetzt noch nicht darge- 
stellt werden. Die Angabe eines Forschers®), dafs eine rote Lösung 
von eisensaurem Calcium entstehe, wenn man Chlorkalk mit Wasser 
und etwas Eisenlösung kocht, beruht auf Irrtum und ist durch die 
Gegenwart von Mangan bedingt, denn bei Anwendung manganfreier 
Materialien tritt diese Rotfärbung niemals auf.?) 


Veber die van de Moer’sche Reaktion und die 


Ermittelung des Cytisins. 
Von K. Gorter, 
Assistent am pharmaceut. Laboratorium der Universität Groningen. 
(Eingegangen den 10. VII. 1895). 

Noch vor Kurzem, das heilst vor dem Erscheinen der van 
de Moer’schen Dissertation 1890: „Over cytisine het vergitt 
van den Goudenregen en over de identiteit van cytisine en ulexine“, 
war es, in Ermangelung einer charakteristischen Farbenreaktion, sehr 
schwer, Cytisin nachzuweisen. 


1) Ann, chim. phys. (3) 1844, 12, 374. 

2) Ber. deutsch. chem. Ges. 1886, 19, 742. 

3) Vergl.: Chem. Repert. 1893, 17, 117. Die Rosalärbung von 
Caleiumchloratflüssigkeit. 


528 K. Gorter: Ueber Ermittelung des Oytisins. 


Es gebührt van de Moer das Verdienst, eine Farben- 
reaktion für das Cytisin angegeben zu haben, welche es ermöglicht, 
dieses Alkaloid mitunter in sehr kleinen Quantitäten darzuthun. 
Er sagt darüber folgendes: 

„Uebergielst man das freie Alkaloid oder eines seiner Salze 
mit einer Ferrisalzlösung, so entsteht eine rote Färbung. Fügt man 
dem rot gefärbten Cytisin einige Tropfen einer Wasserstoffsuper- 
oxydlösung hinzu, so verschwindet die Farbe und wird die Lösung 
beim Erwärmen auf dem Wasserbade blau. Mit Hilfe dieser 
Reaktion kann !/s, Milligr. Cytisin noch dargethan werden.“ 


Er fügt noch hinzu, dafs die blaue Lösung durch kaustisches 
Ammon rotviolett und dann durch Säurezusatz wieder blau gefärbt 
wird. Durch Kali- oder Natronlauge verschwindet dagegen die 
Blaufärbung und wird dieselbe durch Säuren nicht wieder her- 
gestellt. 

Hinsichtlich der Beschaffenheit des gebildeten Farbstoffes ist 
die Meinung van de Moers die folgende: 

„Es scheint, die hier auftretende Farbe komme einem Oxy- 
dationsprodukte des ÜOytisins zu, denn auch nach Erwärmen des 
Cytisins mit Chlor-, Brom- oder Jodwasser wird dieses Alkaloid durch 
Ferrisalze (jedoch weniger intensiv) blau gefärbt.“ 

Es stellte sich weiter heraus, dafs die folgenden Alkaloide, 
welche Benzol der alkalisch gemachten Flüssigkeit entzieht, die 
Reaktion nicht zeigen, nämlich: Strychnin, Brucin, Emetin, Chinin, 
Cinchonin, Atropin, Hyoscyamin, Physostigmin, Aconitin, Delphinin, 
Veratrin, Codein, Thebain und Narcein. 

Auch die durch Chloroform oder Amylalkohol der alkalischen 
Lösung entzogenen Stoffe: Morfin, Solanin, Saponin und Salicin 
gaben keine Blaufärbung. 

Zur Ermittelung des Öytisins schüttelt van de Moer die 
mit Salzsäure sauer gemachte Lösung nach Dragendortf nach- 
einander mit Petroleumäther, Benzol und Chloroform aus. Es ent- 
ziehe der sauren Lösung weder Benzol, noch Chloroform Alkaloid, 
dieses werde erst spurenweis von Benzol aus der alkalischen 
Flüssigkeit aufgenommen, leichter jedoch von Chlorotorm. 

Eigner Erfahrung gemäfs erhält man durch Ausschütteln der 
sauren Lösung, es sei denn, dals diese durch eine anorganische 


K. Gorter: Ueber Ermittelung des Cytisins. 529 


Säure (Schwefelsäure) oder durch eine organische Säure (Weinsäure) 
angesäuert ist, mit Chloroform schon Cytisin in Lösung. Wenn 
die Untersuchung lehrt, man habe mutmalslich Cytisin 
durch Verdampfen dieser Chloroformlösung als Rückstand erhalten, 
so empfiehlt es sich, die alkalische Flüssigkeit nochmals mit Chloro- 
form auszuschütteln. 

Ueber die van de Moer sche Farbenreaktion sagt Par- 
theil (Dr. A. Partheil. Ueber Cytisin und Ulexin. Arch. d. 
Pharmacie. Bd. 230. S. 461)... . „Indessen darf man nur sehr 
gelinde erwärmen, andernfalls verschwindet die Blaufärbung wieder 
oder bleibt gar ganz aus. Ich mufs mich daher Magelhaes’ 
Urteil über diese van de Moer’sche Cytisin - Reaktion an- 
schliefsen, dafs die Reaktion nicht sehr scharf ist“. 

Van de Moer selbst behauptet, er könnte mit seiner Re- 
aktion noch !/;, Milligr. Cytisin darthun. Jedoch aus folgendem von 
ihm Gesagten ist ersichtlich, dafs bei solchen kleinen Quantitäten 
die Reaktion auch fehlschlagen kann: 

„Handelt es sich darum, Spuren von Cytisin darzuthun, so ist 
es notwendig, nur wenig der Ferrisalzlösung hinzuzufügen, da sonst 
die Blaufärbung leicht durch den Ueberschufs an Ferriverbindung 
in grün verwandelt oder ganz verdeckt wird.“ Weiter sagt er in 
seiner Dissertation: 

„Wenn die Quantität Oytisin sehr klein ist und man zu viel 
Wasserstoffsuperoxydlösung hinzugefügt hat, so kann die Blau- 
färbung sich nur momentan zeigen, um augenblicklich wisder zu 
verschwinden.“ 

Sowohl aus dem Urteil vonMagelhaesundvon Partheil, 
sowie aus den Angaben von van de Moer selbst über diese Re- 
aktion geht hervor, dafs für das Zustandekommen derselben gewisse 
Bedingungen einzuhalten sind, welche bisher nicht genügend be- 
kannt sind. Ich habe daher diese Reaktion näher studiert, um 
diese Bedingungen näher kennen zu lernen und das blaue Produkt 
für die chemische Untersuchung darzustellen. Zweifelsohne würde 
ein solches, für Cytisin characteristisches Produkt etwas beitragen 
können zur Kenntnis der Struktur dieses Alkaloids. 

Mischte ich Cytisin, Eisenchlorid und \WVasserstoffsuperoxyd 
in verschiedenen Verhältnissen in Lösung mit einander und er- 


550 K. Gorter: Ueber Ermittelung des Cytisins. 


wärmte, so stellte sich bald heraus, dals die angewendeten Mengen- 
verhältnisse die Reaktion beeinflussen : zuviel Eisenchlorid, im Ver- 
gleich zu den andern Stoffen, kann das Auftreten der blauen Farbe 
hindern ; ebenso kann sie durch ein Uebermafs an Wasserstoff- 
superoxyd nur momentan erscheinen, um bald wieder zu ver- 
schwinden. 
Einige Beispiele dürften diese Erscheinung erklären: 
I. 1cc. Cytisinlösung + 0,2ccF&U],Jlösung-+ 0,5cc H,0,-Lösung. 
Isalee: 5 + 0,2cc n + 1,öce 5 
II rec, A + 0,2cc = + Dee R 
Diese drei Mischungen wurden zu gleicher Zeit in dem- 
selben Wasserbade erwärmt. In I. wurde die Farbe gelbbraun, 
ohne jede Spur einer Blaufärbung, II und III zeigten schöne Blau- 
färbung und zwar III am intensivsten. Zahlreiche Versuche 
lehrten, dafs die Reaktion am stärksten auftritt, wenn man das 
unter III erörterte Verhältnis anwendet. 


Die oben erwähnten Lösungen enthielten: 


Oytisinlösung ». 2... 0.2000 Lee; = 7,74 Millier. Cr 1E3m 
Eisenchloridlösung . . . . 2.50%, FeaCl;, 
Wasserstoffsuperoxydlösung . . 0,05%, Hz20;. 


Wurde der Alkaloidlösung zuvor eine Säure zugesetzt und dann 
Eisenchlorid und Wasserstofisuperoxyd, so zeigte sich, dals solches 
einen sehr störenden Einflufs auf die Reaktion ausübt, und dafs für 
anorganische Säuren dieser Einfuls gröfser ist als für organische. 


Nachdem ich das gegenseitige Verhältnis der Stoffe in wäss- 
riger Lösung festgestellt hatte, reagierte ich noch mit Cytisinresten, 
welche durch Verdampfen einer Oytisinlösung in Chloroform er- 
halten waren. Ich konnte dabei bestätigen, dafs mit der van de 
Moer'schen Reaktion '/o Milligr. Cytisin, noch deutlich dargethan 
werden.kann, und dafs die Farbe auch beim Verdunsten der Lösung 
bestehen bleibt, wenn man für die Reagentien das geeignete Ver- 
hältnils gewählt hat. Ist dies jedoch nicht ungefähr der Fall, so 
schlägt die Reaktion fehl oder zeigt sich nur momentan und ver- 
schwindet bald. Dies giebt zugleich eine Erklärung der Angaben 
von Magelhaes und von Partheil, dafs die Reaktion nicht 
sehr scharf sei. Magelhaes fand eine neue Reaktion auf, näm- 
lich Erwärmen des Cytisins mit konzentrierter Schwefelsäure und 


K. Gorter: Ueber Ermittelung des COytisins. 531 


Thymol, wobei nacheinander gelbe, rote und bordeauxrote Farbe 
auftreten sollen. Diese Reaktion tritt jedoch, ebensowohl olıne, als 
auch mit Cytisin ein. 

Aus den oben festgestellten Verhältnissen ist zu folgern: 
l ccm Cytisinlösung (= 7,74 mg Öytisin) bedarf 0,2 ccm Eisenchlorid- 
lösung (= 3,45 mg Fe.) und 5 ccm Wasserstoffsuperoxydlösung 
(= 1,2 mg. OÖ), oder ein Molekül Cytisin CuH4NsO (= 190) 1,5 
Atome Fe und 1,5 Atome OÖ. Es wurde hiernach wahrscheinlich, dafs 
ein Molekül Cytisin ein Atom Eisen und zwei Atome Sauerstoff 
für das Entstehen der kräftigsten Farbenreaktion bedürfen würde, 
was auch durch zahlreiche Versuche mit folgenden verdünnten Lö- 
sungen von genau bekannter Konzentration als richtig erkannt 


wurde. 
1 ccm Cytieinlösung —= 19 mg Üytisin 
1 cem Eisenchloridlösung — 5,6 mg Fe. 
l ccm Wasserstoffsuperoxydlösung —= 1,6 mg O 


(oder 3,4 mg H,0;) 

Was den Farbstoff selbst anbelangt, so kann ich schon jetzt 
darüber mitteilen, dals die Lösung desselben durch Ammon violettrot 
wird, ohne jede Spur einer Trübung. Wendete ich mehr Eisen- 
chloridlösung an, als einem Atom Eisen auf ein Molekül Oytisin 
entsprach, so trübte sich die Lösung durch Ammon deutlich. Die 
violettrote Lösung wurde durch Säurezusatz von neuem blau gefärbt, 
durch ein grolses Uebermals verschwand jedoch die Farbe. Nach 
van de Moer verliert die blaue Lösung durch Kali- oder Natron- 
lauge ihre Farbe, welche dann auch durch Säuren nicht wieder her- 
gestellt werden kann. Es hat sich jedoch gezeigt, dals letzteres 
unrichtig ist; im Gegentheil, Natronlauge verhält sich wie Ammon: 
die violettrote Lösung wird also durch Säuren wieder blau gefärbt. 
Wie Natronlauge und Ammon verhält sich auch Kalkwasser. 


Durch Natriumacetatlösung verschwand die blaue Farbe auch 
augenblicklich und wurde violettrot, jedoch durch wenig ver- 
dünnte Schwefelsäure wieder blau. Kochte ich jedoch die blaue 
Lösung mit einer Natriumacetatlösung, so wurde das Eisen 
als basisches essigsaures Eisenoxyd praecipitiert. Das vollkommen 
farblose Filtrat wurde alsdann durch Schwefelsäure nicht im geringsten 
wieder blau gefärbt. Eine geringe Menge Eisenchlorid genügte 


532 K. Gorter: Ueber Ermittelung des Cytisins. 


jedoch für die Entstehung der Blaufärbung. Das Eisen befand sich 
nur allein als Ferriverbindung in der Lösung. 

Aus allem Gesagten scheint mir der blaue Farbstoff eine 
Ferriverbindung eines Oxydationsproduktes des Cytisins zu sein. 
Ich habe dargethan, dafs das geeignetste Verhältnis für das Zustande- 
kommen der Blaufärbung ein Molekül Cytisin auf ein Atom 
Eisen und zwei Atome Sauerstoff (zwei Moleküle Wasserstoffsuper- 
oxyd) ist. Es wäre daher möglich, dafs der Farbstoff ein Derivat 
eines Oxydationsproduktes C,H}, N; O0; des Cytisins wäre. Die 
Sauerstoffatome dürften alle als Hydroxylgruppen anwesend sein, 
weil dann drei Wasserstoffatome des Oxydationsproduktes eines 
Cytisinmoleküls durch Metali vertretbar sein würden. Die Grund- 
substanz wäre daun C,H}; Ns (OH), und der Farbstoff selbst (Cu 
H,ı N: O;)s Fe,. Das eine Cytisin-Sauerstoffatom mülste dann aber 
als OH. gebunden sein. Es gelang Partheil(Dr. A. Partheil 
Ueber Cytisin und Ulexin, Arch. d. Pharmacie. Bd. 230 S. 491) 
jedoch nicht, Methyleytisin zu acetylieren; dies macht die Existenz 
der OH-Gruppe unwahrscheinlich. Natürlich sollen weitere Unter- 
suchungen dieses Farbstoffes, worüber ich in Bälde zu berichten 
gedenke, lehren, ob diese oder eine ähnliche Betrachtung 
richtig sei. 

Eigner Erfahrung gemäfs ist die van de Moer'sche Re- 
aktion für Cytisin charakteristisch. Jedoch will ich bemerken, dafs 
nach Plugge (Dr. P. C. Plugge. Nederl. Tydschr. vor 
Pharm. 1894. Seite 291; Arch. d. Pharm. 1894. S. 444.) auch die 
methylierte Basis eben so gut die Reaktion giebt wie die ursprüng- 
liche. Mit folgenden Stoffen, welche alle durch Chloroform schon der 
sauren Flüssigkeit entzogen werden, habe ich die Reaktion nicht er- 
halten können: Theobromin, Narcein, Narcotin, Papaverin, Cinchonin, 
Hydrastin, Aspidospermin, Chelidonin, Brucin, Physostigmin, Veratrin, 
Berberin, Pikrotoxin, Digitalin, Saponin und Delphinin. 

Zum Schlufs über die Ausmittelung des Cytisins noch Folgendes: 
Die Alkaloidreste, die darch Verdampfen des Chloroforms, welches 
mit der sauren Flüssigkeit geschüttelt ist, erhalten werden, geben 
mit einer Lösung von Kaliumpermanganat in konzentrierter Schwetel- 
säure Violettfärbung, eine Reaktion, welche Cytisin mit vielen anderen 
Stoffen teilt. Zeigt es sich jedoch, dafs diese Reste weder mit kon- 


Dr. Mjöen: Opium. 533 


zentrierter Schwefelsäure, noch mit Erdmann's Reagens eine 
Färbung geben, so ist man auf 4 Alkaloide angewiesen, nämlich 
Cytisin, Theobromin, Aspidospermin und Cinchonin. Färbt Eisen- 
chlorid nun einen dieser Alkaloidreste rot, so liegt mutmaßslich 
Cytisin vor, was danach mit der van de Moer'’'schen Reaktion 
bestimmt nachgewiesen wird. — 


Arbeiten aus dem pharmaceutischen Institute 
der Universität Bern. 


Untersuchungen über die Sekrete 
mitgeteilt von A. Tschirch. 


16. Beiträge zur mikroskopischen Kenntnis 
des Opiums. 
Von Dr. Mjöen. 
(Eingegangen den 29. 3. 1395.) 

In seinem Anatomischen Atlas der Pharmakognosie und Nah- 
rupgsmittelkunde macht Tschirch*) darauf aufmerksam, dafs bei 
der Gewinnung von Opium „durch das Abkratzen der Tropfen von 
der jungen, sehr weichen Kapsel fast immer ein kleines Stück der 
Fruchtschalepidermis von den Wundrändern mit abgerissen wird“. 
„Diese Fetzen der Fruchtschalepidermis“, sagt er weiter, „finden sich 
denn auch stets im Opium und sind selbst im Opiumpulver noch ohne 
Schwierigkeit aufzufinden. Sie bilden das charakteristische Element 
derselben.“ Dievon Tschirch untersuchten Opiumsorten stammten 
sämtlich aus Kleinasien. 

Da dieses Vorhandezsein von Fetzen der Fruchtschalepidermis 
auf die Art und Weise der Gewinnung des Opiums zurückzuführen 
ist, und die Gewinnungsart von Opium z. B. in Persien und Indien 
von der in Kleinasien gebräuchlichen etwas verschieden ist, — so 
geschieht beispielsweise das Anschneiden der Mohnkapseln in Persien 
und Indien durch einen senkrechten Schnitt, während in Kleinasien 
der Schnitt rings um die Kapsel geführt wird — war es von Inter- 
esse, zu untersuchen, ob man diese Fetzen der Fruchtschalepidermis 
auch bei indischen, persischen und andern Opiumsorten findet. 


*) Anatomischer Atlas der Pharmakognosie und Nahrungsmittel- 
kunde von A. Tschirch und O. Oesterle. S. 65, Taf. 17. 


534 Dr. Mjöen: Opium. 


Um die Fruchtwandreste zu finden, zieht man — nach Flückiger 
— eine Probe erst mit Weingeist und dann mit Wasser aus und 
legt den Rückstand in einer gesättigten, wässrigen Lösung von 
Chloralhydrat unter das Mikroskop. Diese Methode bietet kaum Vor- 
teile gegenüber der einfacheren: direkt auf dem Objektträger mit 
Chloralhydratlösungzubehandeln und, wennnötig, schwach zu erwärmen. 

Beide Methoden wurden gebraucht, doch gebe ich der letzteren 
den Vorzug. 

Stärke wurde in der üblichen Weise mit einer äufserst geringen 
Spur von Jodlösung nachgewiesen. 

Stärke ist vorhanden als Verfälschung, —- sie kommt im Opium 
selbst nicht vor — und dieses Verfälschung wird, wie es scheint, mit 
der Stärke der Cerealien (Fig. 4) und vielleicht ebenso oft mit Legumi- 
nosen-Stärke ausgeführt (Fig.5). Dafs diese Vertälschung einen ge- 
ringeren Gehalt von Morphin zur Folge hat, ist selbstverständlich. 
Sie verleilit aber auchdem Pulver ein helleres Aussehen, welches bei einer 
von den von mir untersuchten Proben so auffallend war, dafs man beim 
blofsen Ansehen schon vermuten mulste, dafs Stärke beigemengt war. 

Krystalle von Alkaloiden (Fig. 6) oder richtiger deren schwefel- 
sauren und mekonsauren Salzen sind in persischem Opium häufig ge- 
funden worden. 

Die Fruchtwandreste haben in älteren Stadien eine Form, die in 
Fig. 1 dargestellt ist, in jüngeren Stadien mehr wie Fig. 2, aber auch 
alle Zwischenstufen finden sich. 


. Fruchtwandepidermis, 
. Jüngeres Stadium der Fruchtwandepidermis, 


.r Stärke aus persischem Opium. 


[> AS 0, a4 SuZ. 


2 Krystalle der Alkaloidsalze. 


Dr. Mjöen: Opium. 5835 


Die Opiumsorten lassen sich dem mikroskopischen Befunde 
nach in 3 Gruppen einteilen: 


1. Gruppe: Reste der Fruchtwandepidermis sind 


vorhanden — ca. 5 oder mehr im Hi 1 
Gesichtsfelde — in einer Probe mehr, \ an a Aue 
in ei : Saloniki, 
in einer anderen weniger. 

Clermont 


Keine Stärke. 


2. Gruppe: Entweder keine oder sehr selten 
Reste der Fruchtwandepidermis. | Persische Sorten. 
Viel Stärke. 


Malva 


3. Gruppe: Keine Fruchtwandreste. | Patna [adidas 
Keine Stärke. Benares | Sorten. 
Punjab 


Aus dieser Tabelle geht also hervor, dals wir kleinasiatische, 
persische und indische Opiumsorten mit Leichtigkeit bestimmen 
können nach dem Vorhandensein oder Fehlen von Fruchtwandresten 
und Stärke. Sind Reste der Fruchtwandepidermis zahlreich vor- 
handen, so können wir mit grofser Bestimmtheit sagen, dafs die 
Opiumsorte aus Kleinasien stammt. Fehlen diese Fruchtwandreste 
oder sind sie nur als Ausnahme da (zum Beispiel einzelne Fetzen in 
einer Probe) und ist gleichzeitig das Opium mit Stärke verfälscht, 
so kann man schlie(sen, dafs die Sorten aus Persien stammen. Es 
schien mir jedoch bedenklich, aus den 16 Sorten der Tschirch- 
schen Sammlung allein meine Schlüsse zu ziehen und so beschlofs 
ich, eine gröfsere Anzahl von ÖOpiumproben der mikroskopischen 
Analyse zu unterwerfen. Durch die Güte des Herrn Dieterich in 
Helfenberg wurden mir 43 weitere Opiumsorten, welche aus der 
pharmakologischen Sammlung des Professor Vo gl in Wien stammten 
zur Verfügung gestellt. Diese sind von Herrn Dieterich mor- 
phiumetrisch bestimmt worden *) und ich füge seine Zahlen bei. 


*) Helfenberger Annalen 1894. S. 34. 
Arch. d. Pharm. CCXXXII. Bäs. 7. Heft. 35 


536 Dr. Mjöen: Opium. 


Opium aus der pharmakognostischen Sammlung 
des pharmaceutischen Institutes Bern. 


Reste der 
\ Frucht- |; Kry- | Andere mikroskopische 
No. Sort Stärke & 
> BER wand- stalle, Befunde, Aussehen etc. 
epidermis 
mn nn nn nn m rs a nn nn m nn nn nn an au nn m mn m m en 
1 Smyrna- Viele | Keine| Keine In Brodten. 
Opium 
2 | Konstantinopel- * kg ch sn e re 
Opium | 
3 | Salonici-Opium R s f 3 3; 
4 Geiva-Opium f > "e > ; 
5 ı Konstantinopel- = > % R. 2 
Opium 
6 Arachsas- ” ”» ” „ ” 
Opium 
7 Persisches Keine Viel | Viele 
Opium 
8 Persisches ö P A 
(1869) 
Opium 
9 Persisches , “ ». In Stengeln. 
Opium 
10 Persisches Ein ein-' „ 5 Sehr helles Pulver 
Opium zelnes gemengt mit Extrakt. 
Stück ge- Konische Kuchen 
funden in 
3 Proben 
11 Persisches Keine = Fr Kleine rote oder brauna 
Opium Blattreste beigemengt. 
12 | Hilles of Kulu = Keine| Keine Hellgelbes Pulver mit 
Punjab anorganischen Bestand- 
teilen gemengt. 
13 Malva a ” ” 
| 
14 Patua ” ” ” 
15 Benares 4 n 2 Unter dem Mikroskope 
| dicke zähe Klumpen. 
16 Malva, N = 2 Kugeln. 
eben angekommen | | 
(Ende Juli 1895) 


Dr. Mjöen: Opium. 
Opiumproben 
ausderSammlungdespharmacologischen Instituts 
in Wien. 


5 ; 
ne orapıe 3 = S = ei 
No. Sorte |Fruchtwand-, & 7) Fr Befund 
idermis | @ RS u 
> nd z Aussehen etc. 
17 Angora Viele Keine Keine) 10.57 Rotbraun, Körnig 
18 5 | 2 er EEE „ .: 
19 2 2 & »@|10.45,| 5 3 
20 x z >. „ 110.42 | Etwas dunkler rotbr. 
21 3 2 & „ 110.51 | Viele Gefässbündelr. 
22 > Nichtsoviele „ ERS SLOSIOMS| 
23 Koniah 
Nigde Viele > n 7.43 
24! Koniah, | 
25 |Nigde Bour- 
dour Seltener a = 9.73 Dunkler 
Be al Wale 3 ae 3) 
26 Koniah : = 7 983 
27 4 | & E ss 9.26 
28 e 2 4 n 9.25 
29 | Houdaven- Mehr gummiartig, 
dighiar 5 ve = .1.12.95 nicht so körnig. 
30 ı Houdaven- 
dighiar 
Kutahye & = „ |1126 | Körnig, rothbraun. 
31 | Houdaven- 
dighiar 
Simav € = ge Mehr gummiartig. 
32 | Houdaven- 
dighiar 
Orschak = * „  , 11.80 es 2 
33 | Houdaven- 
dighiar 
Orschak . = » | 1159 = 
34 | Houdaven- 
Kara Hissar, 
Sahib & r * 9.07 ” i 
35 Se Tuggreger - “ OT 2 - 
36 Aidin Seltener is MAN T217. 
37 Ismit, 
Gheive Viele . s2l11.23 
38 | Environs 
d’Ismit & 
39 Sivas Keine Viel en 4.15 | Ganz helles Pulver. 
40 | Diarbekir & Keine 6.37 
41 Pizren Sehr selten| „. „11438 
42 3 £ Bi » KIL22 Mehr gummiartig. 
43 Sivas A ei 1.68 


35* 


538 Dr. Mjöen: Opium. 
S | 
| Reste der | o = = 
| Br S SIE=| 
No Sorte Fruchtwand- & 2 & Ei 
. . > [o} 
epidermis | a © = 
44 | Persisches Keine Viel |Keine 5.60 
Opium 
45 | Persisches 2 Sehr 5 4,47 
Opium wenig 
46 | Persisches = Wenig | „ 9.77 
Opium Stärke 
47 | Persisches . Keine Viele 
Opium in 
Stangen 
48| Bagdad a Etwas |Keine 
Stärke 
49| Indisches = Keine „ 3.80 
Opium, Be- 
nares 
50| Indisches E 2 5, PT 
Opium, 
Kugeltorm 
51| Flüssiges : ” 3 8.47 
Opium ein- 
getrocknet. 
Hongkong. 
52 |Chinesisches = e e 0.45 
Opium, 
Tschandu 


Ausserdem wurden untersucht: 
päische, zwei unbekannte und zwei 


pharmaceutischen Institute in Bern: 


Andere 
mikroskopische 
Befunde, 
Aussehen etc. 


Dicke Klumpen 


Gefälsbündelreste 


Wie ein Extrakt 


Dunkel. Tschandu ist 
ein gerösteter, aufge- 
löster und dann ein- 


gedampfter Saft 


eine abnormale, einige euro- 
ägyptische Sorten aus dem 


| Reste der | © = Re Andere 
| Fi & NS 2 3 
No Sorte Fruchtwand- & 5 An mikroskopische 
epidermis | & Sn = Befunde 
Se) 
53 | Unbekannt Viele Keine|Keine 
54 m Keine Viel “ 
55 | Deutsches 4 Keine) „ 
Opium 
56 |Französisch.| Wenige 5 n Gefälsbündelreste 
Opium von 
Clermont 
57 | Bernisches Keine 5 R 
Opium 
58 | Asgyptisch. Viele 


Opium 


Dr. Mjöen: Opium. 539 


| | © 

| Reste dr 2 5 s3 Andere 

No. Sorte ‚Fruchtwand- 4 © 2 = | mikroskopische 
| epidermis RK | a Befunde 

59| Assinti | Viele | Viel Keine 6%, | 


60/Aus Bagdad. Keine Keine „ 
Wie ein Ex- | 
trakt. | 
Es löst sich | 
beinahe alles | 
|in Wasser. | 

Wenn wir die Opiumsorten aus der letzten Tabelle, welche 
auf dem Handelsmarkt keine Rolle spielen, ausser Acht lassen, finden 
wir unter 33 Opiumsorten aus Kleinasien nur 2, wo die Fruchtwandreste 
fehlen. Diese 2Sortenstammen derSignaturnach ausSiwasund Diarbekir. 

Diarbekir liegt so nahe an der persischen Grenze wie z.B. auch 
Bagdad, dafs man ganz gut annehmen kann, dals die persische Ge- 
winnungsart und Verfälschungsmanier sich auf diese Distrikte über- 
tragen hat oder von vornherein schon vorhanden war. Was die 
Probe signiert „Siwas“ anbetrifft, so spricht die Tatsache, dafs gleich- 
zeitig Stärke vorhanden ist, für die Annahme, dafs hier eine Ver- 
wechslung oder Verfälschung vorliegt. Der abnorm niedrige Morphin- 
gehalt deutet auch darauf. 

Es hat sich bei der Untersuchung von einem grölseren Material 
auch bestätigt, dafs den persischen Opiumsorten fast immer etwas 
und sehr häufig viel Stärke beigemengt ist, da aber in einigen Sorten 
gar keine Stärke nachgewiesen werden konnte, war es nicht möglich, 
in dieser Weise ein analytisches Merkmal zwischen persischen und 
indischen Sorten aufzustellen. Was man als Resultat dieser Unter- 
suchungen (wenn wir die europäischen und ägyptischen Opium- 
sorten ausser Acht lassen) aufstellen kann, ist: 

1. Sind Fruchtiandreste vorhanden, so hat man kleinasiatisches 

Opium vor sich, 

2. sind keine Fruchtwandreste und viel Stärke nachweisbar, 
so stammt die Sorte aus Persien, 

3. sind keine Fruchtwandreste und auch keine Stärke vorhanden, 
so haben wir es wahrscheinlich mit indischen oder chinesischen 


Sorten zu thun. 


| 
| 
| 


540 Tschirch und Luz: Ammoniacum. 


Das Vorhandensein der Fruchtwandreste im kleinasiatischen 
Opium und die Abwesenheit oder das seltene Auftreten derselben im 
persischen und indischen Opium lässt sich leicht aus der Gewinnungs- 
weise des Opiums erklären. In Kleinasien wird die Mohnkapsel 
ringsum angeschnitten und um den ausgeflossenen und einge- 
trockneten Saft gewinnen zu können, mufs man mit einem 
Schabeisen ebenfalls ringsum (die „Furche“ entlang) fahren. Dafs 
bei dieser Manipulation von der äufseren Epidermis der Kapsel leicht 
kleine Stücke mitgerissen werden, ist einleuchtend. 

In Persien und Indien werden die Mohnkapseln senkrecht an- 
geschnitten. Der noch halbflüssige Saft wird in Pfannen ge- 
sammelt und eingedampft, dann entweder in Kapseln geknetet (Indien) 
oder auf Bretter gestrichen und weiter an der Sonne getrocknet 
(Persien). Bei dieser Behandlung (senkrechter Schnitt) fliesst der 
Milchsaft zu einem Tropfen am unteren Ende des Schnittes zu- 
sammen und kann ohne Kratzen abgetrennt werden; besonders, da 
er nicht, wie in Kleinasien, solange an der Kapsel selbst gelassen 
wird, bis er hart ist, sondern im halbflüssigen Zustand gesammelt 
wird. Bei dieser Manipulation kann nur ausnahmsweise etwas von 
der Fruchtwand mitgerissen werden. 


Arbeiten aus dem pharmazeutischen Institut der 
Universität Bern. 


Untersuchungen über die Sekreite. 
Mitgeteilt von A. Tschirch. 


15. Ueber das Ammoniacum. 
von H. Luz. 
(Eingegangen am 12, VII. 1895). 
Wie beim Galbanum, so wissen wir auch hier über das Ge- 
schichtliche wenig Sicheres und Zuverlässiges. 

Martiny berichtet, dafs die erste Erwähnung des Ammoniaks 
bei Hippokratessich finde, während Borscow und Hamburg 
dem Dioscarides die erste Erwähnung des Ammoniaks zuschreiben. 
Dioscorides und Plinius erwähnen beide zwei Sorten des Am- 
moniaks; die bessere sei dem Olibanum ähnlich, rieche wie Castoreum, 
schmecke bitter und werde zu Räucheruugen gebraucht, die geringere 
und gewöhnliche:e Sorte habe ein harziges Ansehen und werde mit 
Steinen und Erde verfälscht. 


Tschirch und Luz: Ammoniacum. 541 


Nach Plinius stammt der Name Ammoniacum von dem Wort 
„Sand“, so benannt von dem sandigen Boden. auf dem die Mutterpflanze 
wächst. Auch wird behauptet, das Wort Ammoniacum sei mitunter 
Armeniacum geschrieben worden, was vielleicht auf Armenien als 
Vaterland oder Stapelplatz der Ware hindeuten könne. 


Bezüglich der Abstammung meint Dioscorides, dals das 
Ammoniak von einer Ferulaart abstamme, mit Namen Agasyllis, welche 
bei Kyrene in Afrika wachse. Plinius dagegen nennt die Pflanze 
Metopion und giebt an, dals sie in Afrika in der Gegend des Jupiter- 
Ammontempels vorkommen soll. 


Chardin, welcher sich von 1666 —1677 in Persien aufhielt, 
behauptet, dals die Pflanze, von den Persern Ouchay genannt, massen- 
weise an den südlichen Grenzen Partiens, d. h. südlich von Ispahan 
anzutreffen sei. Chaw und Jakson fanden die Mutterpflanze des 
Ammoniak im Kyrenischen Lybien und verglichen sie mit einer 
Fenchelart, die arabisch Feshook heilst. 


Sichere Nachrichten über die Abstammung des Gummiharzes 
verdankt man Johnston, Hart und Wright). Johnston 
fand die Ammoniakpflanzs in gro/ser Menge in der Nähe von Isdekhast 
in steinigen Ebenen, während Hart die Pflanze in der Nähe von 
Jorda, Kaust und Kumischa in der Provinz Vauk antraf. 


Der Engländer Don beschrieb zuerst im Jahre 1829 ausführlich 
eine der Ammoniakpflanzen, die von Lieutenant Wright in der 
persischen Provinz Irau-Adschani gesammelt worden waren und belegte 
sie mit dem Namen Dorema Ammoniacum. 


Das von Karelin und Kirilow in der Songarei entdeckte 
Dorema paniculatum ist vach Borszcow identisch mit Dorema Am- 
moniacum. Dasselbe gilt von Dorema aureum. 


Ausserdem werden noch zwei in Persien einheimische Arten 
gefunden; nämlich Dorema glabrum Fischer und Dorema Aucheri; doch 
kommen diese Sorten nicht in den Handel. 


Nach Tschirch?2) fliefst das Ammoniacum als ein starker 
Strom von Milchsaft beim Verwunden der Sprosse hervor. Die Ver- 
wundung geschieht durch Insekten, welche bis jetzt nicht näher 
festgestellt werden konnten, und ist eine so gewaltige, dals 
Stamm und Blattstiele oft über und über mit Wundstellen bedeckt 
sind. Jeder Stich hat einen reichlichen Erguss von Milchsaft 
zur Folge. Der austretendo Milchsafttropfen vergrölsert sich durch 
Nachfluf[s-allmählich zu einer etwa erbsengrolsen Masse, erhärtet am 
Stamm selbst und verstopft wie ein Wundbalsam die Wunden. 


1) Hirschsohn , Pharmaz. Zeitschr. für Rulsl. XIV. Jahrgang No.8. 
2) Tschirch: Archiv d. Pharmac. 1836 S,. 834. 


542 Tschirch und Luz: Ammoniacum. 


Nach Flückiger!) wird das Gummi Ammoniacum in der 
Weise gewonnen, dafs man die freiwillig oder infolge von Insekten- 
stichen aus dem Stengel und den dicken Blattstielen der Ammoniacum- 
pflanzen, Dorema Ammoniacum Don und andern Doremaarten austreten- 
den und dort zu Gummiharz erhärtenden Milchsafttropfen (Ammoniacum 
in granis) oder aber das am Wurzelschopfe hervorquellende und er- 
härtende Gummiharz (Ammoniacum in massis) sammelt. Eine Bear- 
beitung (An- oder Durchschneiden) des Stengels oder der Wurzeln 
findet nicht statt. 

Gewonnen wird das Gummiharz nach Janson?) durch Ein- 
schnitte in die Pflanze. welche selten die Höhe von 6-7‘, doch auch 
nicht unter 3‘ erreicht. 

Johnston dagegen meint, dals der Stengel der Pflanze von 
einem Käfer durchbohrt werde und dals aus den so entstandenen 
Bohrlöchern das Gummiharz hervortrete und erhärte. 

Nach Borszcow sind die jungen Wurzeln äulserst reich an 
Milchsaft, welcher bei anhaltender Glut des Bodens durch die in der 
Rinde entstandenen Risse in grolsen Tropfen ausfliefst und den um- 
gebenden Sand tränkt. Beim Erstarren entstehen sehr feste, braun- 
graue Massen, welche beim Ausgraben der Wurzeln oft zu Tage treten. 
Eine sehr reichliche Ausschwitzung des Saftes findet auch zwischen 
den Bastbündeln der Coma statt und dieses ist die braune, schlechtere, 
stark mit Sand verunreinigte Sorte des Ammoniaks, das sogenannte 
Gummi Ammoniacum in massis. Das in den Achseln der blumen- 
tragenden Aeste und an der Basis der kleinen Dolden, wie auch das 
am Stengel ausgeschwitzte Gummiharz ist milchweils, wachsweich und 
bildet gewöhnlich erbsen- bis nulsgrolse Tropfen, oft sogar Klümpchen. 
Längere Zeit der Luft ausgesetzt überziehen sich die Tropfen mit 
einer gelben, spröden Kruste. 

Als Handelssorten unterscheidet man: Afrikanisches und Per- 
sisches Ammoniak, welch letzteres gegenwärtig nur im europäischen 
Handel erscheint. 

Das Persische Ammoniak wird eingeteilt in: 

a) Ammoniacum in granis, s. lacrimis, s. amygdaloides, 
Ammoniak in Körnern, Trähnen. 

Es besteht aus einzelnen, hirsen- bis wallnulsgrolsen 
Stücken, die äulserlich eine blalsgelbe bis bräunlichgelbe 
Farbe zeigen. Sie sind mattglänzend, opalartig. Der 
Bruch ist weils bis bläulich-weils, an den Kanten durch- 
scheinend. Ein Sammlungsmuster des pharmazeutischen 
Instituts in Bern bildete einzelne Körner von verschiede- 


1) Flückiger, Pharmakognosie. Dort und in der Pharmacographia 
die Literatur.| 
2) Pharmaz. Zeitschr. für Rulsl. XIV. Jahrg. No. 3. 


Tschirch und Luz: Ammoniacum. 543 


ner Grölse:; äulserlich hellgelb bis bräunlich, auf dem 
Bruch weils bis bläulichweils, opalartig, ähnlich denjenigen, 
wie sie von Hirschsohn!) beschrieben wurden. 

b) Ammoniacum in massis, 8. placentis, 3. panibus, Ammoniak 
in Massen, Kuchen oder Broten. Eine mehr oder weniger 
gleichförmige Masse bildend, mit eingesprengten Körnern, 
häufig vermischt mit Resten des Stengels oder der Früchte, 
von schmutzig duukelbrauner Farbe. 

Das afrikanische Ammoniak, Ammoniacum Africanum, ist nach 
Lindley’'s Ansicht das von Ferula tingitana?) stammende Gummi- 
harz und bildet eine hellbräunliche, rötliche, stellenweise selbst bläu- 
liche Masse, die weich, nur leicht an den Fingern klebend, einen von 
dem persischen Ammoniak verschiedenen Geruch besitzt. Derselbe 
erinnert mehr an Aepfel und Lavendel. Dasselbe ist erst zweimal auf 
dem Londoner Markt erschienen. Die Zufuhr kam aus Mogadar, 
Aegypten und Arabien. 

Die ersten chemischen Untersuchungen, und zwar des persischen 
Ammoniak, stammen von Carthäuser, Neumann und Löseke. 
Auch haben Braconnot, Buchholz, Calmeyer und Hagen 
sich chemisch mit dieser Droge beschäftigt. Sie fanden das Gummi- 
harz zusammengesetzt aus: Harz, Gummi, gummiartigen, in Wasser 
und Alkohol unlöslichen Stoffen und ätherischem Oel. Nach all diesen 
Autoren ist das Harz rötlich und schmilzt bei 45-54 ©. Es riecht 
wie das Gummibarz und ist geschmacklos. 

Johnston fand das Harz zusammengesetzt nach der Formel 
C4Hz0;. Hlasiwetz und Barth?) behandelten das Ammoniacum, wie so 
viele audere Harze, mit schmelzendem Aetzkali und erhielten als Re- 
sultat dieser Kalischmelze neben einer wässrigen, nach flüchtigen 
Fettsäuren riechenden Flüssigkeit ein öliges, dickliches Produkt, aus 
welchem sich Krystalle ausschieden, die nach wiederholter Reinigung 
sich als Resorcin erwiesen. 

Guido Goldschmidt?) nahm ebenfalls mit dem Harz einer 
aus Marokko bezegenen Handelssorte eine Kalischmelze vor und fand 
neben Resorcin einen Körper, welcher unter dem Mikroskop regel- 
mälsige, octaödrische Formen zeigte, dessen Schmelzpunkt unter Gas- 
entwicklung und Schwä g bei 265° lag, sehr schwer in kaltem 
Wasser sich löste, leichter dagegen in kochendem Alkohol und in 
Aether. Ausgezeichnet ist dieser Körper durch die prachtvoli rote 
(einen Stich ins violette zeigende) Farbe seiner wässrigen Lösung, 
wenn sie mit Eisenchlorid versetzt wird. Auf Zusatz von kohlen- 

!) Pharmaz. Zeitschr. für Rufsl. XIV. Jahrg. No, 8. 

2) Die Sekretgänge dieser Pflanze hatTschirch (Arch. d. Pharm. 
1886) beschrieben 


3) Annal. d. Chemie in Pharm. COXXX. 
4) Berl. Ber. 1878. 850. 


544 Tschireh und Luz: Ammoniacum. 


saurem Natrium wird dieselbe mehr weinrot, Salzsäure entfärbt 
sie. Die ausgeführten Analysen stimmten auf die Formel C,H; O,. 

Schwanert!) liefs auf Ammoniacum Salpetersäure einwirken 
und erhielt Styphninsäure und Camphresinsäure, welch letztere später 
als ein Gemisch von Kamphersäure und Kamphoronsäure erkannt wurde. 

Will und Böttger?) erhielten bei Einwirkung von Salpeter- 
säure von 1,20 spez. Gew. auf Ammoniakgummi reichliche Mengen von 
Styphninsäure, ohne dals ein anderes Produkt, wie z. B. Pikrinsäure, 
Benzoösäure, Oxalsäure gleichzeitig mit aufgetreten wäre. 

Nach einem Bericht in den Phil. Transact.®) ergab das mit Alkohol 
aus dem Ammoniakgummi ausgezogene Harz analysiert: 


2 II. 
Kohlenstoff: 71.78 72,07 
Wasserstoff: 7.93 1,63 
Sauerstoff: 20,67 20,3) 


weiche Zahlen der Formel C,, Ha, O entsprechen würden. 

Pluggei) verwendete als Reaktion auf Ammoniacum eine 
Natriumhypobromidlösung und verwertete diese Reaktion zum quanti- 
tativen Nachweis von Ammoniacum. Aufserdem fand er, dals weder 
das Gummi, noch das ätherische Oel diese Reaktion gaben, sondern 
allein das Harz. Ebenso konstatierte er, dals die anderen Umbelli- 
ferenharze diese Reaktion nicht gaben. 

Hirschsohn) fand bei Untersuchung des Amınoniacum, Jdals 
dasselbe enthält: ätherisches Oel, verschiedene Harze, Gummi, Zucker, 
Dextrin und Bassorin ähnliche Materien. Bei afrikanischem Ammoniak 
fand er Umbelliteron, bei dem persischen einen phloridzinartigen 
Körper; ebenso wird persisches Ammoniakgummi durch Chlorkalk- 
lösung orange gefärbt; afrikanisches bleibt ungefärbt. 

Ciamician®) führte eine Kalischmelze aus und erhielt eben- 
falls Resorein. 

Eine Zinkstaubreduktion wi: dem vom Gummi befreiten Harze 
ausgeführt, ergab aus 1 kg guinmifreien Harzes ungefähr 450 ccm 
eines braunen, aromatisch-äthrerisch riechenden Oeles, das aus einem 
Gemenge von aromatischen Kohlenwasserstoffen und einem sauerstoff- 
haltigen Körper bestand. Du:ch Destillation mit Wasserdampf wurden 
drei Fraktionen erhalten, wovon die mittlere zum grölsten Teil den 
sauerstoffhaltigen Körper enthielt, währemd#die beiden andern vor- 
nehmlich aus Kohlenwasserstoffen bestanden. Die mittlere Fraktion, 
welche zwischen 1800—200° ©. aufgefangen wurde, ergab eine geringe 


1) Annalen d. Chem. und Pharm. 128. 122. 
2) Annalen der Chem. und Pharm. 58. 272. 
3) Philos. Transact. 1840. 350. 

4) Archiv d. Pharm. 1883, 211. Band. 

5) Jahresbericht der Chemie 1875, 859. 

6) Berl. Ber. 12, 1658. 


Tschirch und Luz: Ammoniacum. 545 


Menge Flüssigkeit, die bei der Analyse die Formel C,H,O ergab. 
Diese Substanz wurde mit Kaliumhydroxyd verschmolzen, nach 
beendigter Operation die Flüssigkeit neutralisiert und mit Aether 
ausgeschüttelt. Aus diesem Aetherauszug wurden sehr geringe Mengen 
einer Säure erhalten, welche an Reaktionen und Schmelzpunkt als 
Salicylsäure erkannt werden konnten. Wird die Reaktion zu früh 
unterbrochen, so erhält man einen phenolartigen Körper, welcher nach 
gemachter Analyse die Formel C,H,,O ergab. 

Die erste Fraktion ist ein Kohlenwasserstoft von der Formel 
C;H,, und gielt bei der Oxydation ein Gemenge von Iso- und 
Terephtalsäure. 

Die höher siedende Fraktion hat die Formel C,H,, und giebt 
bei der Oxydation Isophtalsäure. 

Die letzte Fraktion besitzt die Formel C,H, und giebt bei 
Oxydation mit chromsaurem Kali und Schwefelsäure neben harzigen 
Substanzen eine geringe Menge Benzoösäure, Essigsäure und vielleicht 
auch etwas Propionsäure. 

Flückiger!) fand im Ammoniacum bis zu 70 Proz. Harz, 
welches, der trockenen Destillation unterworfen, braune Oele lieferte, 
die bei 2500 ungefähr zu sieden beginnen, bei der Rektifikation jedoch 
keinen blaugefärbten Anteil geben. Umbelliferon wurde nicht er- 
halten, mit Kalihydrat verschmolzen lieferte das Harz Resorein, der 
Zinkstaubdestillation unterworfen 40 Proz. aromatisches Oel. Neben 
dem Harz findet sich Gummi, sowie !/, Proz. ätherischen Oeles, kein 
Schwefel. 

Preiszewski?) iand bei einer Untersuchung des Ammoniacum 
ein saures, hellbraunes Harz, ein indifferentes, schwarzbraun getärbtes 
schwefelhaltiges Harz, ein rötlich gefärbtes, nicht schwefelhaltiges 
ätherisches Oel und Gummi. 

Kurz zusammengefalst wären die seitherigen Angaben über 
Ammoniacum und seine Bestandteile die Folgenden: 

I. Das Harz enthält: !/, bis 3 Proz. eines ätherischen Oeles, das 
schweielfrei ist und keinen blauen Anteil liefert. 

II. Der Harzgehalt beträgt 60—70 Proz., das Harz spaltet sich 
in ein saures, schwefelfreies und in ein indifferentes, schwefelhaltiges. 

III. Gummi. 

Die trockene D ion liefert braungefärbie Oele, welche 
bei 250% zu sieden beginnen und keinen blaugetärbten Anteil liefern; 
die Kalischmelze : neben Fettsäuren Resorecin, die Oxydation mit Salpeter- 
säure führt zu Styphninsäure, Kampher- und Kamphororsäure; die 
Zinkstaubreduktion ergiebt aus den höhersiedenden Partien des Roh- 
destillates einen hochinolekularen Kohlenwasserstoff der Benzolreihe 


1, Pharmak. Ill. 
2) Inaugur. Disr. Dorpat. 1892, 66. 


546 Tschirch und Luz: Ammoniacum. 


aus der mittleren Fraktion nach vollständigem Schmelzen mit Kalium- 
hydroxyd Salicylsäure, bei unvollständigem einen phenolartigen Körper, 


Ichhabe nun dasAmmoniacum einer erneutenUntersuchung, nament- 
lich mit Rücksicht auf etwaig vorhandene Salicylsäure, unterworfen. 
Ich knüpfte dabei an Untersuchungen an, die schon vor längerer Zeit 
im pharmaceutischen Institut der Universität Bern von den Herren 
Dr. Oesterle und Lüdy begonnen und schon ein beträchtliches 
Stück gefördert waren. Die bis dahin erzielten Ergebnisse wurden 
mir von Herrn Dr. Oesterle auf das Entgegenkommendste zur 
Verfügung gestellt und spreche ich ihm an dieser Stelle meinen 
besten Dank aus. 

I. Chemischer Teil. 


Quantitative Untersuchung desAmmoniacum. 


Als Untersuchungsmaterial benutzte ich ein von der Firma 
Dieterich in Helfenberg bezogenes Gummi Ammoniacum. Es 
stellte schwach durchscheinende Körner dar, von weilser, aussen 
hräunlicher oder gelber Farbe, wachsglänzend, in der Kälte spröde, 
beim Erwärmen in der Hand zusammenklebend, zwischen den 
Fingern erweichend, mit Wasser angerieben, eine Emulsion gebend. 

i00 g dieses Gummi Ammoniacum wurden, nachdem es vorher 
möglichst fein zerrieben worden war, mit Aether übergossen, gut 
durchschüttelt und unter ötterem Umschütteln einen Tag bei Seite 
gestellt. Alsdann wurde der Aether abgegossen und der Rückstand 
wiederholt solange mit Aether behandelt, als derselbe noch eine gelbe 
Färbung zeigte. Nach vollständiger Erschöpfung wurden die Aether- 
auszüge, welche eine gelbrötliche Färbung zeigten und sauer reagier- 
ten, vereinigt, filtriert und das klare Filtrat auf dem Dampfbade ab- 
destilliert. Im Rückstand blieb ein schön goldgelb bis rötlichgelb 
gefärbtes Harz, dessen Ausbeute 69 °/, betrug. Dieses dickflielsende, 
zähe Harz löste sich in der doppelten ae Schwefelkohlenstoff, 
in Chloroform und Eisessig vollständig auf, in alkalischen Laugen 
sowie Ammoniak nur unvollständig. Mit Aetznatronlauge und Chlor- 
kalklösung befeuchtet, trat eine schön gelbe Farbe auf. Ein Teil 
der alkoholischen Lösung des Harzes mit Bromnatriumlauge (dar- 
gestellt aus 15,0 NaOH in Wasser, 10,0 Brom und mit Wasser 
verdünnt bis zu 500,0) versetzt, ergab eine schön rote Farbe. Eben- 
so entstand bei Zusatz von Natriumhypochloridlösung zu einem 


Tschirch und Luz: Ammoniacum. 547 


anderen Teil des alkoholischen Harzes eine schön violettrote Farbe, 
welche jedoch nicht beständig war und bald wieder verschwand. Auf 
Zusatz von Chlorwasser, Chromsäure und Salpetersäure trat keine 
Aenderung der alkoholischen Lösung ein. Mit Bleizucker und essig- 
saurem Kupfer entstanden Praecipitate. Mit Eisenchlorid versetzt 
trat in der alkoholischen Lösung eine rotviolette, mit Chlorkalklösung 
eine orangegelbe Färbung auf. Mit Wasser gekocht gab das Harz 
eine gelblich gefärbte Flüssigkeit, welche schwach sauer reagierte 
und mit Eisenchlorid violett wurde. Weder durch trockene Destil- 
lation, noch durch Behandeln mit Salzsäure konnte ich aus dem 
Harz Umbelliferon erhalten (Unterschied von Galbanum), ebensowenig 
ergab der alkoholische Auszug des Ammoniakgummi mit einigen 
Tropfen Natronlauge versetzt eine Fluorescenz. Bei der trockenen 
Destillation gingen braungefärbte Oele bei ungefähr 230— 2500 über. 
Diese zeigten einen stechenden Geruch, saure Reaktion, aber keinen 
blaugefärbten Anteil. Mit Eisenchlorid versetzt trat auch in 
sehr starker Verdünnung noch eine rote Farbe auf. Der in Aether 
ungelöst gebliebene Rückstand, welcher 26 gr. betrug, wurde nun so- 
lange wiederholt mit Wasser ausgeschüttelt, als das wässrige Fil- 
trat beim Abdampfen einer geringen Menge auf dem Wasserbade 
einen Rückstand hinterliefs. Alsdaun wurden die wässrigen Aus- 
züge vereinigt und filtriert. Das Filtrat zeigte eine schwach gelb- 
liche Farbe und hinterliefs nach dem Abdampfen eine Mucilago 
ähnliche, dicke Flüssigkeit von zäher Konsistenz und schwach saurer 
Reaktion. Diese zähe Flüssigkeit wurde alsdann in Wasser noch- 
mals gelöst, mit einigen Tropfen Salzsäure angesäuert und aus dieser 
Lösung das Gummi als teigartig zähe, gelblich-weilse Masse durch 
Alkohol ausgefällt. Diese Masse färbte sich an der Luft dunkler 
und hinterliefs beim Erhitzen auf dem Platinblech wenig Asche. 
Ein Teil des wässrige jauszuges gab auf Zusatz von Eisen- 
ehlorid eine gallertarti scheidung, aber keine Fällung. 

Der in Aether und Wasser ungelöst gebliebene Rückstand 
wurde alsdann getrocınet und ergab nach vollständigem Trocknen 
ein Gewicht von 3,525 gr. Auf dem Platinblech erhitzt, verbrannte er mit 
starkrulsenderFlammeundunterHinterlassung einer grofsenMengeAsche. 


Zur Bestimmung des Wassergehaltes wurden 2,0 Ammoniacum fein 
zerrieben und bis zum konstanten Gewicht im Exsiccator getrocknet. 


548 Tschirch und Luz: Ammoniacum. 


Nach ungefähr 3 Wochen betrug der Gewichtsverlust 0,390, somit 
betrug der Wassergehalt 4,45 ®/,. 

Zusammengestellt ergab die quantitative Untersuchung folgen- 
des Resultat: 


a ar RN: 
In Wasser lösliche Substanz 22:675 
In Wasser unlösliche Substanz 3,525 
Wassers. mu Dr 7 BAAR 7 6ART EEE) 
99,650 


Zum Vergleich möchte ich hier noch einige andere Analysen- 


resultate*) anführen: 
Hirschsohn Plugge DBraconnot Moss Buchholz 


Aetherisches Oel: 1,43—6,68 1,27 \og \ 
Wasser: 0,81 3,27, 5,10 1,2 ; 4 
Asche: 2,0216,88 2,00 J j 
Harz: 47,12—69,22 65,55 70,0 68,6 72,0 
Gummi: 11,85— 25,74 26,10 18,4 19,3 22,4 
Zucker: 1,61—4,49 - _- — _ 
Rest: 0,81—3,09 4,4 7,0 1,6 


Dieser Rest wird von den einen als Bassorin, von den andern 
als Extractivstoff oder leimartige Stoffe bezeichnet. 


Untersuchung auf freie Säure. 


Zur Untersuchung auf etwaig vorhandene freie Säuren wurden 
verschiedene Methoden angewandt, von denen nur eine ein be- 
friedigendes Resultat ergab, und zwar die folgende: 

Da das Ammoniacum feingepulvert und mit Wasser zerrieben 
trotz wiederholten Filtrierens keine klare Lösung gab, sondern 
milchig trüb und undurchsichtig blieb, so wurde längere Zeit mit 
Filtrierpapier geschüttelt und stehengelassen, olıne dafs jedoch eine 
Klärung erzielt werden konnte. Auch auf Zusatz von wenigen 
Tropfen Salzsäure oder Alkohol trat keine Aenderung ein. Ich be- 
handelte daher den feinzerkleinerten A 


gummi so lange mit 
Wasserdämpfen, als das übergehende, ach sauer reagierende 
Destillat einen Geruch nach ätherischem Öel ‘erkennen liefs. Die 
über dem Ammoniakgummi stehende, wässrige Flüssigkeit war von 
weilser, milchigtrüber Farbe, zeigte stark saure Reaktion und gab 
mit Eisenchloridlösung behandelt, eine tief stahlgraue Färbung, mit 
Kaliumpermanganat erwärmt, trat keine Reaktion ein. Diese trübe, 


*) Arch. d. Pharm. 1883, 21. 


ann. 


Tschirch und Luz: Ammoniacum. 549 


wässrige Flüssigkeit wurde nun von dem zusammengebackenen 
Ammoniakgummi abgegossen, mit Aether gut durchschüttelt und 
einige Stunden bei Seite gestellt. Da weder nach dieser Zeit, noch 
auf weiteren Zusatz von Aether eine klare und deutliche Trennung 
zweier Schichten erfolgte, so machte ich mit Alkohol einen 
Versuch. Bald konnten zwei klar sich abscheidende Schichten er- 
kannt werden. Im Scheidetrichter wurde die obenstehende, rot- 
bräunlich gefärbte Aetherschicht von der Muceilago ähnlichen, trüb grau ge- 
tärbten, wässrigen Schicht getrennt. Der Aether wurde alsdann ab- 
destilliert und im Rückstand blieb eine geringe Menge eines rötlich- 
gelben Harzes von zäher Konsistenz und saurer Reaktion. Das Harz 
wurde nun wiederholt solange mit kochendem Wasser ausgewaschen, 
als das letztere saure Reaktion und, mit Eisenchlorid versetzt, violette 
Färbung zeigte. Die vereinigten wässrigen Auszüge wurden mit 
30/, Natriumcarbonatlösung neutralisiert und auf dem \WVasserbade ein- 
gedampft. Trotz wiederholten Auflösens in Wasser und Ein- 
dampfens konnte der Verdampfungsrückstand nicht vollständig farb- 
los erhalten werden. Denselben neutralisierte ich sodann mit ver- 
dünnter Schwefelsäure und schüttelte das Filtrat mit Aether aus. 
Nach Abdestillierung des Aethers blieben einige gelbgefärbte 
Tropfen zurück, aus welchen sich nach kurzer Zeit wenige Krystalle 
in Form langer Nadeln ausschieden. Durch wiederholtes Um- 
krystallisieren aus Alkohol und kochendem Wasser wurden dieselben 
zuletzt als weilse, seidenglänzende Nadeln erhalten, deren Schmelzpunkt 
nach vollständigem Trocknen bei 157°lag und welche, mit Eisenchlorid 
versetzt, die für Salicylsäure charakteristische Reaktion gaben. Die 
Ausbeute war jedoch zu gering, um eine Verbrennung machen zu können. 


Somit war sowohl durch den Schmelzpunkt, ala auch durch 
die Eisenchloridreaktioggedi 
säure erkannt worde 


vorhandene freie Säure als Salieyl- 


Das wässrige, riechende Destillat, sowie die wässrige, 
mit Aether ausgeschü Gummilösung wurden bei Untersuchung des 
ätherischen Oeles, sowie bei derjenigen des Gummis weiter be- 
rücksichtigt. 

Prüfung auf Aldehyde. 

Etwa 50 g des konz. Aetherauszuges von 1 Kilo Ammoniak- 

gummi schüttelte ich mit 100 cem konzentr. Natriumbisulfitlösung 


550 Tschirch und Luz: Ammoniacum. 


während !/, Stunde im Scheidetrichter und versetzte nach Abzug der 
wässrigen Lauge den restierenden Aether nochmals mit 100 ccm 
Natriumbisulitlösung. Die vereinigten, wässrigen Laugen behandelte 
ich alsdann mit kalter, verdünnter Schwefelsäure (bestehend aus 
3 T. konz. Schwefelsäure und 5 T. Wasser) und zwar mit soviel, 
dals auf 100 ccm Sulfitlösung 150 cem obiger, verdünnter Schwefel- 
säure kamen. Nachher wurde filtriert und das Filtrat zur Verjagung 
der schwefligen Säure auf dem Wasserbade erwärmt. Die voll- 
ständig erkaltete, saure Lösung wurde im Scheidetrichter 2—3 mal 
mit Aether ausgeschüttelt. Da der Aetherauszug keine Reaktion auf 
Aldehyde ergab, so wurde nach vollständigem Verjagen des Aethers 
der harzartige Rückstand der Destillation mit Wasserdämpfen unter- 
worfen, zeigte jedoch mit Silbernitrat keine Aldehydreaktion. 

Ein anderes, von Gehe in Dresden bezogenes Gummi Ammo- 
niacum ergab, auf dieselbe Weise untersucht, ebenfalls keine Reaktion. 


Das sogenannte indifferente Harz. 

Die ätherischen Auszüge des Ammoniacum, welche von gelblich- 
roter Farbe waren, klebrige Beschaffenheit und schwach saure 
Reaktion zeigten, wurden filtriert und das Filtrat solange mit 5 proz. 
Kalilauge versetzt, bis sich nach gutem Durchschütteln deutlich zwei 
klare Schichten erkennen liefsen. Im Scheidetrichter getrennt zeigte 
die untenstehende, wässrige Schicht eine tief dunkelrote Farbe, die 
obere ätherische eine gelbrote. Um das Harz aus dem Aetherauszuge 
möglichst zu entfernen, werde derselbe solange mit 5 proz. Kali- 
lauge ausgeschüttelt, bis letztere keine gelbe Färbung mehr erkennen 
liefs und auf Zusatz von verdünnter Schwefelsäure nur noch schwache 
Opalisirung eintrat. Alsdann destillierte ich den Aether ab und im 
Rückstand blieb eine dickflielsende, aromatisch riechende und nicht 
sauer reagierende Masse von tiei dunkelbrauner Farbe. Diese wurde 
t, als das übergehende 


ı 


zunächst solange mit Wasserdämpfen 
Destillat einen Geruch von ätherisch rkennen liefs. Trotz 
wochenlangen Einleitens von Wasserd konnte kein festes 
Harz erzielt werden, sondern die Konsistenz blieb immer zäh und 
schmierig. Von dem anhängenden Wasser befreit, wurde diese 
zähflie(sende Masse einer näheren Untersuchung unterzogen. Die 
Farbe war tiefbraun mit einem Stich ins Grüre. Auf dem Platin- 


blech erhitzt, verbrannte sie mit stark rulsender Flamme, ohne Rück- 
Fortsetzung im Heft Vili, 


ARCHIV 


PHARMACIE | 


herausgegeben | Be 


vom = 
Deutschen Apotheker-Verein _ 
unter Redaction von Be = 


E. Schmidt und H. Beekurts. 


Band 233. Heft 8. 


BERLIN. 


‚Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereins. 


INHALT. 


Seite 


H. Luz, Ueber das Ammoniacum . . . . 2 2 m. ud. 551 
A. Pinner, Ueber das Nicotin (ID. . . . - ES 
G. Dragendorff, Beiträge zur gerichtlichen Ohahas 2 


| Eingegangene Beiträge. 


J. Gadamer, Ueber das Thiosinamin. 

W. Göhlich, Ueber Morphin und Morphinhydrochlorid. 

O0. Hesse, Ueber die Bestandteile von Aristolochia argentea. 

G. Dragendorff, Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 

H. Virchow, Ueber Bau und Nervatur der Blattzähne und Blatt- 
spitzen. 


(Geschlossen den 24. Oktober 1895. 


Anzeigen. 


Dieselben werden mit 4o Pfg. für die durchgehende und mit 2;Pfg für die gespaltene 

Petitzeile oder deren Raum berechnet. Beilage-Gebühr für das Tausend der Auflage — 

z.Z. 3650 — Mk. ıo. Für Beilagen, welche nicht dem Format des „Archiv“ entsprechen, 
bleibt besondere Vereinbarung vorbehalten x 


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Apotheker-Zeitung 


für das II. Semester 1895 werden noch durch jede Post- 
anstalt angenommen und die bereits erschienenen 
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Die Expedition der Apotheker- -Zeitung | 


Berlin C. 22, An der ee Brücke 14. 


El 


Tschireh und Luz: Ammoniacum. 551 


stand zu hinterlassen. In konz. Kalilauge löste sich das Harz 
auch beim Erwärmen nur wenig auf mit schwach gelber 
Farbe, in kohlensauren Alkalien sowie in Ammoniak war 
keine Lösung zu erzielen, in konz. Schwefelsäure löste sich das Harz 
mit schön braunroter Farbe und wurde durch viel Wasser aus dieser 
Lösung wieder gefällt. In Salzsäure und Essigsäure löste es sich 
weder in der Kälte noch beim Erwärmen, leichter und klar in 
Aceton, Benzol, Chloroform, Schwefelkohlenstoff, Alkohol, Aether und 
Eisessig. Aus seinen Lösungen mit salzsäurehaltigem Wasser aus- 
getällt, schied sich weder ein fester oder pulverförmiger Körper ab, 
sondern dieselbe schmierige Masse von etwas hellerer Farbe. Ein 
Teil der alkoholischen Harzlösung mit Bromnatriumlauge (nach der 
oben erwähnten Methode dargestellt) versetzt, ergab keine Rot- 
färbung, sondern eine milchig trübe Flüssigkeit von weilser Farbe, 
aus welcher sich das Harz mit bräunlich-gelber Farbe ausschied. 


Einen Teil dieses Harzes unterwarf ich der trockenen Destillation. 
Nachdem zuerst unter starkem Zischen und Schäumen etwas Wasser 
übergegangen war, destillierten zwischen 200—240° braungefärbte 
Oeltropfen, welche stark sauer reagierten und einen durchdringenden, 
säuerlich stechenden Geruch besalsen. Das übergehende Destillat 
untersuchte ich wiederholt mit einem in Bleinitrat getauchten Papier- 
streifen, konnte aber während der ganzen Destillation keinen Schwefel- 
gehalt nachweisen. Bei höherer Temperatur blähte sich die Masse 
unter Entwicklung weilslich-gelber Dämpfe auf und hinterliefs nach 
beendigter Destillation einen schwarzen, porösen Rückstand, der nach 
dem Erkalten sehr hart und glänzend war. Derselbe war jedenfalls 
zum grölsten Teil verkohlt und verbrannte auf dem Platinblech 
mit stark rufsender Flamme. Einen Teil der bei 2400 
übergegangenen braunen Oele behandelte ich, zur Unter- 
suchung auf etwaig vorhandenen Schwefel längere Zeit mit 
kochender Salpetersäure; die Einwirkung war anfangs stark, 
später weniger energisch. Nach beendigter Einwirkung wurde die 
sauer reagierende, syrupdicke Flüssigkeit mit Wasser durchschüttelt, 
filtriert und das Filtrat mit Chlorbaryumlösung versetzt, wodurch 
weder eine Trübung, noch Fällung erfolgte. Es war also auch 
hierbei keine aus etwa vorhandenem Schwefel gebildete Schwefel- 
säure nachzuweisen. 

Arch. d. Pharm. COXXXII. Bds. 8. Heft. 36 


552 Tschirch und Luz: Ammoniacum. 


Um sicher zu sein, unterzog ich das Harz selbst einer 
Prüfung auf Schwefel. Zu diesem Behufe dampfte ich das Harz 
möglichst vorsichtig zur Trockene ein, glühte den trockenen Rück- 
stand in einem Reagensrohr mit metallischem Natrium. Der Glüh- 
rückstand in Wasser aufgenommen, filtriert und mit Nitroprussid- 
natrium versetzt, ergab nicht die charakteristische Reaktion auf 
Schwefel. 

Die übergegangenen, braunen Oele wurden nochmals rectificiert, 
ohne dafs hierbei ein blauer Anteil wahrgenommen werden konnte, 
und alsdann mit 30, Natriumcarbonatlösung neutralisiert. Mit 
Aether ausgeschüttelt und im Scheidetrichter getrennt, wurde die 
schwach gelb gefärbte Lauge mit verdünnter Schwefelsäure neutra- 
lisirt, filtriert und das Filtrat mit Aether ausgeschüttelt. Nach 
Trennung und Abdestillierung des Aethers blieben wenige gelbe Oel- 
tropfen im Rückstand, welche saure Reaktion besafsen und sich 
gegen Eisenchlorid indifferent verhielten. Zur Krystallisation bei 
Seite gestellt, erfolgte keine Ausscheidung. 


Dasätherische Oel. 

Die das aetherische Oel enthaltenden, wässrigen Destillate 
wurden wiederholt mit Aether ausgeschüttelt und der grünlich-gelb 
gefärbte Aetherauszug im Scheidetrichter von der klaren, farblosen 
Schicht getrennt. Nach Abdestillieren des Aethers blieben 5 gr. eines 
ätherischen Oeles von rotgelber Farbe und saurer Reaktion zurück. 
Zunächst untersuchte ich nach der oben angegebenen Weise mit 
Natriumcarbonatlösung, erhielt aber aus der mit Schwefelsäure ange- 
säuerten Lösung nach Ausschütteln mit Aether keine Krystallaus- 
scheidung. 

Das ätherische Oel wurde nun durch Trocknen über Chlor- 
calcium möglichst von dem anhängenden Wasser befreit und als- 
dann der Fraktion unterworfen. Zwischen 155—1700 singen Tropfen 
eines schön goldgelben ätherischen Oeles über, während bei ge- 
steigerter Temperatur, bei etwa 2400 ein braunrotes Oel überging 
das einen stechend sauren Geruch besals. Das zwischen 155 —170° 
erhaltene Oel wurde nochmals fraktioniert und bei 1650 ein Oel er- 
halten von gelblich-grüner, an der Luft schnell gelbrot werdender 
Farbe. Der Geruch dieses Oeles war scharf aromatisch, der Ge- 
schmack bitter und stark brennend. Ein blauer Anteil konnte 


Tschirch und Luz: Ammoniacum. 553 


während der ganzen Destillation nicht wahrgenommen werden, mit 
Weingeist verdünntes Eisenchlorid zugefügt, wurde durch das 
Ammoniacumöl braunrot gefärbt. Mit dem hundertfachen Gewicht 
Schwefelkohlenstoff verdünnt, ergab 1 gr. Ammoniacumöl mit konz. 
Schwefelsäure oder rauchender Salpetersäure versetzt, eine nur 
schwach gelbliche Färbung, durch Bromdampf trat keine Veränderung 
ein. Ein Teil des ätherischen Oeles, mit Bromnatriumlauge (nach 
der bereits erwähnten Methode dargestellt) versetzt, gab keine vio- 
lettrote Färbung. 


Ein weiterer Teil des Oeles nach Oxydation mit Salpetersäure 
auf Schwefelgehalt untersucht, ergab auf Zusatz von Chlorbaryum 
weder eine Trübung, noch einen Niederschlag. Das ätherische Oel, 
welches sich nur in geringer Menge vorfindet, ist somit frei von 
Schwefel und liefert fraktioniert keinen blauen Anteil. Eine Aus- 
scheidung von Terpenkrystallen war nicht za bekommen. 


Verseifung des Harzes. 


Die wässrige Kalilauge, welche, wie früher erwähnt, aus dem 
ätherischen Auszug des Ammoniakgummi durch Trennung im Scheide- 
trichter erhalten worden war, zeigte eine tief braunrote Farbe. Zur 
vollständigen Entfernung von etwa noch vorhandenem ätherischen 
Oel, schüttelte ich die Lauge wiederholt solange mit Aether aus, bis 
derselbe keinen Geruch, noch gelbe Färbung mehr erkennen liels. 
Nachdem der anhaftende Aether durch Abdampfen auf dem Dampf- 
bade verjagt war, wurde die Lauge filtriert und das Filtrat mit 
Salzsäure angesäuert. Unter ziemlich starkem Aufblähen fiel ein 
gelbrötliches Harz aus, welches sich an der Luft etwas dunkler 
färbte. Die obenstehende saure Flüssigkeit wurde von dem ausge- 
schiedenen Harz vorsichtig abgegossen und filtriert. Das Filtrat war 
von gelbroter Farbe und wurde mit Aether wiederholt solange aus- 
geschüttelt, bis letzterer keine gelbe Färbung mehr zeigte. Von den 
vereinigten Aetherauszügen wurde dann der Aether abdestilliert und 
im Rückstand blieb eine ölige, tief dunkelbraune Masse von saurer 
Reaktion und einem starken, an Baldriansäure erinnernden Geruch. 
Mit Eisenchlorid versetzt trat eine schwarzblaue Färbung ein, welche 
in sehr starker Verdünnung violettrot wurde. Nachdem der Aether 
vollständig abgedunstet war, schieden sich aus der ölartigen, zähen 

36* 


554 Tschirch und Luz: Ammoniacum. 


Flüssigkeit braungefärbte Krystalle in langen Nadeln und Spielsen 
an den Wandungen des Becherglases aus. 

Das Harz wurde nun öfters mit Wasser ausgewaschen, von 
neuem in 20%, Kalilauge gelöst und die Verseifung solange fort- 
gesetzt, bis aus der angesäuerten Lösung, nach Ausschütteln mit 
Aether und Abdestillieren desselben, keine Krystallausscheidung mehr 
erfolgte. Diese Methode des Fällens mit Salzsäure und Wiederauf- 
lösens in Kalilauge, wurde während 3 Monaten täglich, später 3mal 
in der Woche ausgeführt. Erst nach 6 Monaten war eine völlige 
Verseifung eingetreten. 


Die erhaltenen, gelb gefärbten Nadeln krystallisierte ich 
wiederholt aus Aether und Alkohol um und befreite sie möglichst 
von der anhängenden Mutterlauge durch vorsichtiges Pressen zwischen 
Filtrierpapier. Zur vollständigen Reinigung löste ich die Krystalle 
in kochendem Wasser unter Anwendung von Tierkohle und filtrierte 
noch heifs. Aus der noch warmen Lösung schossen nach kurzer 
Zeit rein weilse, seidenglänzende Nadeln an, während die oben- 
stehende Mutterlauge klar und farblos war. Die Krystalle sammelte 
ich auf einem Trichter und brachte sie lufttrocken im Exsiccator über 
Schwefelsäure. 

Der Schmelzpunkt lag bei 156°. 

Die Elementaranalyse, im Sauerstoffstrom ausgeführt, ergab beim 
Verbrennen folgende Resultate: 


I. 0,168 g Substanz ergaben 0,352 g CO, und 0,074 g H,O. 


11.50,1637, ” “ 0,341, 37 2°... 9 KOT 
III. 0,145 „ 3 N 0.300225 „',. 0,0bo ms 
IV. 0.181, 4 e W379: 295, SOSE 
Berechnet für Formel: Gefunden: 
C,H,0;,+1/,H, 0 T. 1I. III. IV. 
C = 57,14 Proz. ; 57,14 Proz, 57,05 Proz., 57,36 Proz., 57,11 Proz. 
H= 476 „ 4,89 „ 4,83 „ AT 08 BB. 


Da die Analysen auf Salieylsäure + 1/; H,O stimmen würden, 
so stellte ich die weiteren Verbrennungen ein und sublimierte den 
Rest der gereinigten Krystalle. 


Die erste Verbrennungsanalyse führte zu demselben Resultate, 
wie die vorhergehenden, ich sublimierte daher nochmals mit möglichst 
kleiner Flamme. Nach dem Trocknen im Exsiecator lag der Schmelz- 
punkt bei 157%. Die Verbrennung lieferte folgende Resultate: 


or 


Tschirch und Luz: Ammoniacum. 55 


I. 0,181 g Substanz ergaben 0,400 g CO, und 0,033 H,O 


II. 0,271 g S he 0,5050 Ti, ) DATO 
Ill. 0,357 g & r DTIL.E u u u 06 5 
IV. 000g „ OR GE TE AUTLIENT 
Berechnet für Formel: Gefunden 
C,H,03 I II. III. IV. 


C 60,87 Proz. 60,60 Proz. 60,10 Proz. 60,41 Proz. 60,68 Proz. 
H AS „ AD. 452, 454 „ 4,16 „ 

Diese Zahlen stimmen somit auf Salicylsäure, ebenso die 
Reaktionen. Die Krystalle lösten sich in 500 T. kochenden Wassers 
und schieden sich beim Abkühlen der Lösung wieder aus. Leicht 
und schnell trat Lösung ein in Aether, Alkohol und Chloroform, von 
Schwefelkohlenstoff wurden sie nur spärlich gelöst. Auf Zusatz von 
Ferrichloridlösung trat bei sehr starker Verdünnung Violettfärbung 
ein, mit Kupfersulfat zeigte sich eine grüne Farbe. In Ammoniak 
gelöst, gaben die Krystalle auf Zusatz von Bromwasser keine Färbung. 

Salpetersäure von 1,185 spez. Gewicht wirkte in der Kälte 
nicht auf die Krystalle ein, gelinde erwärmt trat eine Rotfärbung 
ein. Gekocht ging die Farbe in blafsgelb über und es schieden sich nach 
dem Erkalten wenige, gelbliche Nadeln von Nitrosalicylsäure aus, 
welche von Ammoniak mit roter Farbe aufgenommen wurden. Mit 
Ferrichloridlösung versetzt, gab die Nitrosalicylsäure keine violette, 
sondern eine weinrote Färbung. Die wässrige, gesättigte Lösung 
der Krystalle mischte sich ohne Färbung mit neutralem Bleiacetat, 
durch Bleiessig trat eine starke Fällung ein. 

0,05 der Krystalle wurden mit 0,01 Natriumnitrit versetzt und 
mit 1 ccm Schwefelsäure übergossen. Nach ungefähr 3 Stunden 
trat eine rote Färbung ein, welche immer deutlicher hervortrat. 

Die Krystalle bestanden demnach aus Salicylsäure. 


Die flüchtigen Säuren. 


Die bei der Verseifung erhaltenen und keine Krystalle mehr 
abscheidenden Mutterlaugen, welche von tief braunschwarzer Farbe 
und saurer Reaktion waren, wurden AÄlltriert und das Filtrat mehrere 
Tage hindurch so lange mit Wasserdämpfen behandelt, als das 
übergehende Destillat, welches einen angenehm aromatischen Geruch 
besafs, sauer reagierte. Im Rückstand blieb nach beendigter 
Destillation eine schwarze harzige Masse, welche beim Erhitzen auf 
dem Platinblech mit stark russender Flamme verbrannte und be- 


556 Tschireh und Luz: Ammoniacum. 


trächtlichen Aschengehalt hinterliefs. Diese Masse wurde in Kali- 
lauge gelöst und weiter verseift. 


Das erhaltene wässrige Destillat war grünlichgelb gefärbt und 
zeigte an seiner Oberfläche ebensolche Oeltropfen. Gut mit Aether 
ausgeschüttelt, blieb nach Trennung im Scheidetrichter und nach 
Abdestillieren des Aethers eine schön rotgelbe, klare Flüssigkeit 
zurück von saurer Reaktion und einem stark an Baldrian- und 
Buttersäure erinnernden Geruch. Mit Eisenchloridlösung versetzt, 
trat keine Reaktion ein. 

Einen Teil der gebildeten flüchtigen Säuren verwendete ich 
zur Darstellung der betreffenden Kalksalze, den andern zur Dar- 
stellung der Ester. 

Die Eigenschaften der flüchtigen Fettsäuren und ihrer Kalk- 
salze stelle ich vorher hier systematisch zusammen : 

Essigsäure: In Wasser löslich, ebenso das Kalksalz. 


Propionsäure: In Wasser in allen Verhältnissen löslich, ebenso das 
Kalksalz in Wasser löslich. 


Buttersäure: In Wasser löslich, wird durch Chlorcaleium wieder 
(normal) ausgeschieden, Kalksalz in Wasser löslich, bei 30° sich 
ausscheidend. 
Buttersäure: In Wasser weniger löslich, Kalksalz leicht löslich in 
(iso) Wasser. 
Valeriansäure: In Wasser leicht löslich, Kalksalz in Wasser löslich» 
(normal) bei 70° sich wieder ausscheidend. 
Valeriansäure: In 23 Teilen Wasser von 20° löslich, wird durch 
(iso) Chlorcaleium wieder ausgeschieden. 
Capronsäure: In Wasser unlöslich. 
(normal) 


Die flüchtigen Säuren wurden nun zunächst mit Wasser aus- 
geschüttelt, die sich am Boden ausscheidenden, braungefärbten 
Harztropfen im Scheidetrichter abgezogen und letztere solange mit 
Wasser ausgewaschen, als dasselbe saure Reaktion und gelbe 
Färbung zeigte. 

Die vereinigten, wässrigen Auszüge, an deren Oberfläche gelbe 
Oeltropfen schwammen, wurden mit 3 proz. Natriumcarbonatlösung 
alkalısch gemacht, die gelbrote Lauge etwas eingedampft und das 
Filtrat mit verdünnter Schwefelsäure angesäuert. Nach Ausschütteln 
der sauren Lösung mit Aether und Abdestillieren desselben blieb 
eine klare, goldgelbe Flüssigkeit im Rückstand von stark saurer 


Tschirch und Luz: Ammoniacum. 557 


Reaktion. Diese wurde mit Kalkmilch im Ueberschufs versetzt und 
längere Zeit bei mälsiger Temperatur damit digeriert. Von dem 
abgeschiedenen Kalkhydrat wurde abfiltriert, mit Wasser von 15° 
gut nachgewaschen, die vereinigten und filtrierten, gelben Flüssig- 
keiten etwas eingedampft. Die Flüssigkeit, welche nach dem Er- 
kalten völlig klar blieb, wurde nun während einer halben Stunde 
auf dem Wasserbade bei 300 erwärmt, bald trat eine starke Färbung 
und nur geringe Ausscheidung eines weilsen Bodensatzes ein. 
Krystalle konnten daraus nicht erhalten werden. Die von dem ge- 
bildeten Bodensatz abfiltrierte Flüssigkeit wurde nun bis 70° er- 
wärmt, auch hier erfolgte eine starke Ausscheidung, aber keine Krystall- 
bildung. Wenn auch keine Krystallbildung erfolgte, so war doch 
die bei 30% und 700 C. erfolgte Ausscheidung ein Beweis für das 
Vorhandensein von Normal-Buttersäure und Normal-Baldriansäure. 

Zur Darstellung der Ester wurde nun der andere Teil 
der flüchtigen Säuren mit der zehnfachen Menge absoluten 
Alkohols vermischt und in diese alkoholische Lösung solange Chlor- 
wasserstoffgas, das vorher durch Schwefelsäure und Chlorcaleium ge- 
trocknet war, eingeleitet, bis kein Gas mehr absorbiert wurde. Die 
Gaseinleitung hatte etwas über 2 Stunden in Anspruch genommen. 
Die gebildeten Aethylester, welche eine gelbrote Farbe zeigten, 
wurden mit Natriumcarbonatlösung entsäuert und die Lauge mit 
Aether gut durchschüttelt. Nach erfolgter Trennung im Scheide- 
trichter und Abdestillieren des Aethers blieb eine angenehm aroma- 
tisch riechende Flüssigkeit von neutraler Reaktion zurück. Nach dem 
Trocknen über Chlorcalcium wurde dieselbe der fraktionierten Destil- 
lation unterworfen und nach wiederholtem Rektifizieren folgendes 


Resultat erhalten: 

I. Fraktion: bis 80°, grünlich gefärbt, etwa 3,0 einer hauptsächlich aus 
Alkoholund Aether bestehenden, aromatischenFlüssigkeit. 

II. Fraktior : bis 1100, beinahe farblos, wenige Tropfen einer aroma- 
tisch riechenden Flüssigkeit. 

IIl. Fraktion: 110-1150, wenige, grüngefärbte Tropfen, die den charakt. 
Geruch des Euttersäureaethylesters besalsen. 

IV, Fraktion: 115—1350, wenige Tropfen eines gelblich gefärbten 
Destillats, welches den Geruch des Baldriansäureaethyl- 
esters zeigte. 

V. Fraktion: über 1350, bräunlich gefärbte Tropfen von stechendem, 
an Zersetzung erinnernden Geruch. 


558 Tschirceh und Luz: Ammoniacum. 


Dieser Geruch war während der ganzen Destillation zu beob- 
achten und trat besonders deutlich bei Zunahme der Temperatur 
auf, so dafs der Geruch der gebildeten Ester dadurch etwas beein- 
Hufst wurde. Doch war die Bildung von Baldrian- und Buttersäure- 
aethylester auch durch den Siedepunkt erwiesen, welcher bei Butter- 
säureaethylester nach Kopp bei 115°, (nach Fittig bei 119%, nach 
Linnemann bei 1210) liegt, während Baldriansäureaethylester bei 
1340 siedet. 

Noch deutlicher als durch die Ausscheidung der obenbe- 
schriebenen Kalksalze war somit durch die Bestimmung des Siede- 
punktes der Ester, der für den gebildeten Buttersäureaethylester bei 
1150C. für den gebildeten Baldriansäureaethylester bei 1340 C. lag, er- 
wiesen, dals die vorhandenen flüchtigen Säuren aus Butter- und Baldrian- 
säure bestehen. Der während der ganzen Destillation und besonders 
gegen den Schlufs stark hervortretende, scharfe Geruch lälst aufser- 
dem auf entstandene Zersetzungsprodukte schliefsen. Die beiden 
Säuren sind wahrscheinlich durch die langdauernde Einwirkung der 
Kalilauge auf das Harz entstanden. 


Der Harzalkohol|. 

Den völlig säurefreien Rückstand der monatelangen, durch die 
tägliche Abscheidung, die mit Salzsäure erfolgte, sehr zeit- 
raubenden Verseifung mit Kalilauge, sammelte ich auf einem 
Colatorium und wusch ihn wiederholt solange mit Wasser aus, 
als derselbe sauer reagierte und mit Silbernitratlösung eine 
Trübung eintrat. Alsdann trocknete ich den Körper, der eine 
pulverige Beschaffenheit und gelbbräunliche Farbe besals, bei 
1000. Die nach dem Erkalten spröde, tief braunrote Masse 
wurde nochmals verrieben, mit Wasser ausgewaschen und 
getrocknet. Eine Probe des Pulvers auf seinen Aschengehalt auf 
dem Platinblech untersucht, verbrannte mit leuchtender und rulsender 
Flamme unter Hinterlassung eines beträchtlichen Aschengehaltes. 

Letzterer mit Ammoniumoxalat auf Kalk untersucht ergab nur 
eine schwache Trübung, bei der Flammenreaktion trat eine violette 
Färbung auf. Um einen analysenreinen Körper zu erhalten, 
löste ich den Harzalkohol zunächst in Ammoniak und fällte 
mit verdünnter Schwefelsäure wieder aus. Da nach wiederholtem 
Auflösen und Fällen kein aschefreier Körper zu bekommen war, 


Tschirceh und Luz: Ammoniacum. 559 


löste ich den gut ausgewaschenen Körper in Alkohol, filtrierte und 
fällte das Filtrat mit salzsäurehaltigem Wasser wieder aus. Je reiner 
der Körper wurde, desto heller wurde seine Farbe beim Eingielsen 
der alkoholischen Lösung in Wasser und um so weniger leicht ertolgte 
die Ausscheidung des in der Lösung suspendierten, hellgelben Pulvers. 
Um dasselbe vollständig auszuscheiden, mufste schwach erwärmt 
werden, worauf es sich als gelbrötliche, zusammenhängende Masse 
abschied. Nach dreimaligem Autlösen und Ausfällen hinterblieb 
beim Glühen kein Rückstand mehr. Den bei 100° getrockneten, 
fein zerriebenen Harzalkohol prüfte ich auf sein allgemeines 
Verhalten. 


Seine Eigenschaften sind folgende: ein chocoladebraunes, 
geschmack- und geruchloses Pulver, an der Luft feucht 
werdend und sich dunkler färbend, von neutraler Reaktion 
und beim Reiben stark elektrisch. In kochendem Wasser 
sinkt es zu Boden und schmilzt nicht zusammen, hat somit den 
Charakter des Harzes verloren. Es löst sich mit braunroter Farbe 
klar und vollständig in Alkalien, Ammoniak, Aceton, Eisessig und 
Alkohol. Bei starkem Verdünnen mit Wasser fällt es aus letzteren 
Lösungen wieder aus. Spurenweise löst es sich in Aether, Chloro- 
form, Toluol undSchwefelkohlenstoff, garnicht in Petroläther und Benzol. 
Aus keinem dieser Lösungsmittel konnte es krystallinisch erhalten 
werden. In konz. Schwefelsäure löste es sich mit klarer, rotbrauner 
Farbe; beim Verdünnen mit Wasser schieden sich daraus braune 
Flocken ab, welche in Aether gelöst wurden. In konz. Salpeter- 
säure löste es sich beim Erwärmen unter Entwicklung von Stick- 
oxyddämpfen zu einer gelbroten, klaren Flüssigkeit. Mit konz. Salz- 
säure färbte es sich tief schwarz. Seine Gerbstoffnatur zeigte sich 
aulserdem bei tolgenden Reaktionen: Mit Eisenchlorid entstand in 
der alkoholischen Lösung, welche bis zur eintretenden Trübung mit 
Wasser versetzt war, ein rotbrauner flockiger Niederschlag, mit Blei- 
essig ein gelblichweilser, mit Kaliumpermanganat versetzt, bildete 
sich nach längerer Zeit ein geringer, brauner Bodensatz. Beim Er- 
hitzen sinterte es zusammen und zersetzte sich, so dals keine 
Schmelzpunktbestimmung ausgeführt werden konnte. Die Elementar- 
analyse des über Schwefelsäure bis zum konstanten Gewicht ge- 
trockneten Körpers ergab folgende Zahlen: 


560 Tschirch und Luz: Ammoniacum. 


I. 0,318 g Substanz ergaben 0,854 g CO, m. 0,261 g H,O 


II. 0,249 g : " 0,6688... », D2lägız 
Im ers ge, 2 ODE . 6 
IV. 0,178 g 2 5 04798 „ „ Vs 
V. 0,173 g n © 0,164 5 „NOTE 
VI. 0,143 g A 2 0,384 g „0,126 Bi 
Berechnet für Formel Gefunden: 
C;H,0 I II III IV V VL 


C = 73,46 Y,; 73,24 0/9; 73,16 0/9; 73,38 V4; 73,39%; 73,15 %/,; 73,23 0, 
Be 710,207, 967... il „ 981, Geb, Ba 
Obige Zahlen stimmen aut die Formel C,H,,0. Das Ammo- 
resinotannol zeigt also die gleiche proz. Zusammensetzung wie Galba- 
resinotanno].”) 
Einwirkung von Hydroxylamin. 


Ammoresinotannol wurde in Alkohol gelöst und mit der dop- 
pelten Menge salzsauren Hydroxylamins am Rückflufskühler unter 
Zugabe von etwas Natronlauge mehrere Stunden erhitzt. Nach dem 
Erkalten in Wasser gegossen, wurde ein brauner Niederschlag er- 
halten, der gut gewaschen und getrocknet, nach dem Trocknen mit 
metallischem Natrium geglüht, keine Stickstoffreaktion gab. Es 
hatte somit keine Oximbildung stattgefunden. 


Einwirkung von Phenylhydrazin. 


In verdünntem Alkohol gelöster Harzalkohol wurde mit salz- 
saurem Phenylhydrazin unter Zufügung von Natriumacetat in der 
Wärme behandelt. Der Kolbeninhalt wurde in Wasser gegossen, 
wodurch ein brauner Körper ausfiel, der jedoch keinen Stickstoff 
enthielt. 

Verhalten von Ammoresinotannol gegen 

Salpetersäure. 


Ammoresinotannol wurde in einer Retorte mit Salpetersäure von 
1,27 spez. Gew. unter häufigem Umschütteln auf dem Wasserbade 
erwärmt. Unter Entwicklung von roten Stickstoffoxyden löste sich 
der Harzalkohol nach mehreren Tagen zu einer gelben Flüssigkeit 
auf. Diese wurde auf dem Wasserbade ziemlich stark eingedampft, 
der Rückstand in Wasser aufgenommen, worin er sich leicht und 
klar löste, sodann wieder eingedampft und dieses so lange wiederholt, 


*) Tschirch u. Conrady: Archiv d. Pharm. 1894. 


Tschirch und Luz: Ammoniacum. 561 


bis alle freie Säure abgedampft war. Dann wurde in Wasser gelöst, 
die citronengelbe Flüssigkeit filtriert und etwas eingedampft. 

Da die Färbung der Lösung auf Pikrin- oder Styphninsäure 
schliefsen lies, so wurde zunächst daraufhin untersucht. Die saure 
Lösung zeigte keinen bitteren, sondern stark adstringierenden Ge- 
schmack. Wolle und Seide wurden durch die Lösung nicht gelb 
gefärbt, ebenso trat bei Zusatz von Cyankaliumlösung (1:2) und 
nach dem Abdampfen keine Rotfärbung ein, von isopurpursaurem 
Kalium herrührend. 

Zur Untersuchung auf Oxalsäure wurde die ammoniakalische 
Lösung mit Chlorcaleium versetzt, ohne dafs eine Ausscheidung 
oder Trübung erfolgte. 

Zur Untersuchung, ob Stickstoff eingetreten war, wurde ein 
Teil der eingedampften Lösung mit metallischem Natrium geglüht, der 
Glührückstand mit Wasser ausgezogen, filtriert und das Filtrat mit 
einer Lösung von Eisenvitriol in Eisenchlorid und wenig freier Salzsäure 
versetzt. Da sich hierbei ein blauer Niederschlag bildete, so war das 
Vorhandensein von Stickstoff erwiesen. 


Die Lösung, welche weder Pikrin- noch Oxalsäure enthielt, 
wurde nun mit Aether ausgeschüttelt. Nach Abdestillieren desselben 
blieb eine schmierige Masse zurück, aus welcher sich keine Krystalle 
ausschieden. Um daraus Krystalle zu erhalten, löste ich diese dicke 
Masse in einer ziemlich grofsen Menge Wassers, erhitzte zum Sieden 
und setzte solange kohlensaures Kali hinzu, als ein Aufbrausen statt- 
fand. Nach erfolgter Filtration wurde verdampft und zur 
Krystallisation bei Seite gestellt. Das sich ausscheidende, schwer 
lösliche Kaliumsalz wurde von der Mutterlauge möglichst befreit und 
unter Anwendung von Tierkohle wiederholt umkrystallisiert. Das so 
gereinigte Kalisalz wurde in wenig Wasser gelöst, zum Sieden er- 
hitzt und Salpetersäure zugesetzt. Die Säure fiel nun in Gestalt 
eines gelben Pulvers aus. Nochmals aus Alkohol umkrystallisiert 
wurden dünne Blättchen erhalten, welche unter dem Mikroskop als 
hexagonale Prismen erkannt wurden. 

Leider war die Ausbeute zu gering, um den Schmelzpunkt be- 
stimmen zu können. Diese Blättehen vorsichtig auf dem Platinblech 
erhitzt, schmolzen und erstarrten nach dem Erkalten zu einer strahlig 
krystallischen Masse. Bei stärkerem Erhitzen wurden Dämpfe aus- 


562 Tschirch und Luz: Ammoniacum. 


gestossen, welche sich bei Annäherung eines brennenden Körpers 
leicht entzündeten. Stärker erhitzt verbrannten sie mit heller Flamme, 
deren Saum orange gefärbt war. 

Eine weingeistige Lösung der Blättchen mit Schwefelammo- 
nium erwärmt, veränderte die hellgelbe Farbe sogleich in eine 
dunkelrote. 

Alle diese Reaktionen, sowie die erhaltene Krystallform, stimmen 
auf Styphninsäure. 


Einwirkung von schmelzendem Kali 
auf Ammoresinotannol. 


100,0 Kalihydrat wurden in einer Nickelschale unter Zugabe 
einer Kleinigkeit Wasser im Oelbade (bei 200°) geschmolzen. In 
diese Lösung wurden nach und nach unter Umrühren und in kleinen 
Portionen 10,0 gepulvertes Ammoresinotannol vorsichtig eingetragen, 
wobei die Mischung sich stark aufblähte und eine braune Farbe an- 
nahm. Die Temperatur wurde nun solange bei 2000 gehalten bis 
eine homogene Masse entstanden war und dann die Schmelze noch 
eine halbe Stunde in ruhigem Flusse erhalten. Nach dem Erkalten 
wurde dieselbe in Wasser gelöst, filtriert und das Filtrat mit ver- 
dünnter Schwefelsäure versetzt, wodurch sich eine geringe Menge 
einer schwarzen, schmierigen Masse abschied. Diese, sowie die saure 
braungefärbte Lösung wurden mit Aether ausgeschüttelt und der 
Aetherauszug zur Krystallisation bei Seite gestellt. Aus der braun- 
roten Mutterlauge schieden sich Krystalle aus, welche wiederholt 
aus Weingeist und dann aus Wasser umkrystallisiert wurden, unter 
Anwendung von Tierkohle. Im Exsiccator getrocknet, ergaben sie 
einen Schmelzpunkt von 110°. Um eine Verbrennung zu machen, 
war die Ausbeute zu gering. Die Krystalle waren Resorcin. Sie 
lösten sich leicht in Wasser, Alkohol und Aether; Chloroform und 
Schwefelkohlenstoff nahmen nur wenig davon auf. Auf Zusatz von 
Kalkwasser entstand eine blafslila Farbe, welche bald in hellgrün 
überging. Die Lösung in Natronlauge war anfangs lila, wurde aber bald 
grün. Ferrichlorid rief in der wässrigen Lösung eine Aunkelviolette 
Färbung hervor. Eine ganz geringe Menge mit wenig Natronlauge 
zusammengebracht, gab eine rosenrote Lösung. Auf Zusatz von 
Chloroform und Erwärmen auf 50%, nahm die Mischung eine feuer- 
rote Farbe an, auf Zusatz von Salpetersäure trat Entfärbung ein. 


Tschireh und Luz: Ammoniacum. 563 


Die wässrige Lösung wurde weder durch Ferrosultat, noch 
durch neutrales Bleiacetat verändert (Unterschied von Pyrogallol), 
durch Bleiessig aber gefällt. In wenig Wasser gelöst und vorsichtig 
mit Bromwasser versetzt, schied sich bald ein geringer breiartiger 
Niederschlag ab, ebenso wurden ammoniakalische Silberlösung, sowie 
Fehling'sche Lösung reduziert (Unterschied von Protocatechusäure). 
Der Schmelzpunkt, sowie die angeführten Reaktionen stimmen somit 
auf Resorcin. 


Acetylierung des Ammoresinotannols. 


Da die Vermutung nahe lag, dafs das Ammoresinotannol ein 
alkoholartiger Körper sei, so wurde die Acetylierung desselben vor- 
genommen. 

Das Ammoresinotannol wurde feingepulvert, in Eisessig gelöst 
und unter Zugabe von einigen Stücken entwässerten Natriumacetats 
während mehrerer Tage am Rückflufskühler gekocht. Die anfangs 
braune Flüssigkeit wurde immer heller und zeigte nach beendigter 
Reaktion eine braungelbe Farbe. Nach dem Verdünnen mit Wasser 
schied sich ein braunes Pulver ab, das solange mit Alkohol aus- 
gewaschen wurde, bis keine Essigsäure mehr im Filtrat nachzuweisen 
war und alsdann im Exsiccator getrocknet. 


Das Acetylderivat stellte ein braunes, elektrisch werdendes 
Pulver dar, das durch Verseifung einerseits Essigsäure lieferte, welche 
durch die gewöhnlichen Reaktionen (Kakodylreaktion, Essigäther- 
reaktion) nachgewiesen wurde, andererseits Ammoresinotannol ab- 
schied. Es löste sich nicht in Aether und kaltem Alkohol, teilweise 
in Benzol, leicht dagegen in Aceton, Chloroform, Eisessig und Essig- 
äther. Aus keinem dieser Lösungsmittel konnte es krystallisiert er- 
halten werden. Mit konz. Salzsäure gab es nicht die schwarze 
Färbung des Ammoresinotannols, d. h. die beim Harzalkohol erwähnte 
Gerbstoffnatur des Ammoresinotannols wurde durch den Eintritt der 
Acetylgruppe aufgehoben. Auch auf Zusatz von Eisenchlorid entstand 
keine Reaktion. 

Die Elementaranalyse des über Schwefelsäure getrockneten 
Körpers ergab folgendes Resultat: 


I. 0,294 g Substanz ergaben 0,767 g CO, und 0,243 H,O 
II. 0253 g 2 2 0,662 g CO, und 2,212 H,O 


564 Tschirch und Luz‘ Ammoniacum. 


Berechnet für Gefunden 
Cs Ha9g O; CH, CO I ie 
C = 71,42 Proz. aalomBxoz: 711,36 Proz. 
IHR, 20:52% 922, , 980728 


Die vorstehend ausgeführten Analysen deuten darauf, dafs die 
Formel des Ammoresinotannols C; H,, O0 zu verdreifachen ist und 
dafs der Körper eine Hydroxylgruppe enthält: Cjg Hz9 O2 (OH), was 
gleichfalls mit dem Galbaresinotannol übereinstimmen würde. 


Benzoylierung des Ammoresinotannols. 


Zum weiteren Nachweis, dafs das Ammoresinotannol ein Alkohol 
ist, wurde auch die auf Bildung von Benzoesäureester beruhende 
Reaktion angewandt. Zu diesem Zweck wurde das Ammoresinotannol 
in verdünnter Kalilauge gelöst, filtriert und das Filtrat vorsichtig 
und unter Umschütteln mit einem ganz geringen Ueberschuss von 
Benzoylchlorid versetzt, so dafs das Gemisch nur schwach sauer re- 
agierte. Die Einwirkung war eine momentane; schon beim Zugielsen 
des Benzoylchlorids trat eine starke Erwärmung ein; die klare Lösung 
trübte sich sofort und bald schied sich eine braune zähe Masse ab, 
während die darüberstehende Flüssigkeit klar und farblos wurde. 
Nach der Filtration wurde der Niederschlag mit Alkohol, dann mit 
Wasser von nicht über 60° wiederholt ausgewaschen, um das Benzoyl- 
chlorid bez. die Benzoesäure zu entfernen und einen aschefreien 
Körper zu erhalten. Zur vollständigen Entfernung des erstern wurde 
die harzartige Masse nochmals in Alkohol gelöst und mit Wasser 
ausgefällt, worauf sich ein bräunlich gelbes, amorphes Pulver ab- 
schied, welches solange mit Wasser ausgewaschen wurde, bis 
Silbernitrat keine Trübung mehr ergab. Das Pulver welches an der 
Luft eine dunkle Farbe annahm und wieder zu einer zähen Masse 
zusammenflols, wurde im Exsiccator getrocknet und alsdann weiter 
untersucht. 

Das Benzoylderivat stellte ein gelbbraunes, beim Reiben 
elektrisch werdendes Pulver dar, welches sich im Gegensatz zum 
Harzalkohol nicht mehr in kalter, sondern nur noch in heisser, konz, 
Kali- und Natronlauge löste und zwar mit tief braunroter Farbe, wie 
Harz. Beim Erhitzen mit konz. Kalilauge am Rückflulskühler schied 
sich das Ammoresinotannol wieder unverändert ab. Aus der heils- 
filtrierten Lösung fielen kleine weisse Krystallblättchen nach dem 


Tschirch und Luz: Ammoniacum. 565 


Erkalten aus. Dieselben wurden gesammelt, ausgewaschen und nach 
dem Trocknen zwischen zwei Uhrgläsern}sublimiert. Der Geruch liels 
Benzoesäure vermuten, der Schmelzpunkt ergab, dafs sie Benzoesäure 
waren, derselbe lag bei 121°. Mit konz. Salzsäure zeigte es nicht die 
schwarze Färbung wie das Ammoresinotannol d.h. die Gerbstoffnatur 
wird durch den Eintritt der Benzoylgruppe maskiert. In kaltem und 
heilsem Alkohol, sowie in Aether trat keine Lösung ein, leicht löste 
es sich in Aceton und Eisessig mit brauner Farbe, konnte aber aus 
keiner seiner Lösungen krystallinisch erhalten werden. 

Der Schmelzpunkt des über Schwefelsäure getrockneten Körpers 


lag bei 70%. Die Elementaranalyse ergab folgende Zahlen: 


I. 0,132 g ergaben 0,366 CO, und 0,098 H,O, 
II. 0,174 g n 0,460 CO, „ 0,134 H,O. 


Berechnet für Gefunden : 
C,g Hay O3; (C; H, CO). i 
[6 75,37 Proz. 27354 Proz. . ..1ı9.28. Proz: 
H= 854 Proz. 8,24 Proz. 8,55 Proz. 


Auch diese Analysen deuten darauf hin, dafs der Körper eine 
Hydroxylgruppe enthält: C,g Hsg Oz (OH), was wiederum mit dem 
Galbaresinotannol übereinstimmen würde. 

Verhalten von Ammoresinotannol 
gegen Brom. 

In eine Lösung von Ammoresinotannol in Essigsäure, der einige 
Tropfen Wasser zugefügt wurden, wurde Brom eingetragen, wodurch 
eine starke Erwärmung der Mischung unter Entwicklung von 
Bromwasserstoff eintrat. Es wurde nun noch soviel Brom zugefügt, 
bis nach gehörigem Umschütteln die Bromdämpfe über der Flüssig- 
keit nicht mehr absorbiert wurden. Dann wurde auf dem Wasser- 
bade bis zur Trockene eingedampft, der Rückstand mit heifsem Alko- 
hol aufgenommen, filtriert und das Filtrat in Wasser gegossen Es 
schied sich ein braungelber Niederschlag aus, der gut ausgewaschen 
und getrocknet ein braungelbes Pulver bildete, welches sich voll- 
ständig in Alkohol und Chloroform, nur teilweise in Aceton, Aether 
und Essigsäure löste. Krystallisiert konnte der Körper nicht er- 
halten werden. Nach dem Glühen mit chlorfreiem Kalk konnte 
durch Silbernitrat ein starker Gehalt an Brom nachgewiesen werden. 

Reduktionsversuche desAmmoresinotannols. 

Ammoresinotannol wurde in Essigsäure unter Zugabe einiger 

Tropfen konz. Salzsäure gelöst und auf dem Wasserbade am Rück- 


566 Tschirch und Luz‘ Ammoniacum. 


Hufskühler erwärmt, indem von Zeit zu Zeit Zinkstaub eingetragen 
wurde. Nach einigen Tagen trat eine kaum merkliche, hellere 
Färbung der anfangs braunen Flüssigkeit ein, indem sich am Boden 
der unzersetzte Zinkstaub, sowie eine zgelblich-braune Masse ab- 
schied. Der Rückstand wurde mit Wasser ausgelaugt, um das ge- 
bildete Zinkacetat zu entfernen, in Alkohol gelöst und von dem un- 
angegriffenen Zinkstaub abfiltriert. Auf Zusatz von Wasser zum 
Filtrat fielen gelbe Flocken aus, welche abfiltriert und ausgewaschen, 
keine Gerbstoftreaktion mehr gaben. Durch nochmaliges Auflösen 
und Fällen mit salzsäurehaltigem Wasser suchte ich den Körper 
aschefrei zu erhalten, wobei er sich jedoch immer dunkler färbte, 
ein Zeichen, dals wohl eine Reduktion eingetreten war, durch den 
Sauerstoff der Luft aber auch wieder eine Reoxydation. 


Das Gummi desGummi-Ammoniacunm. 

Da die Verseifung sehr lange Zeit (6 Monate) in Anspruch 
nahm, so unterzog ich inzwischen das Gummi einer näheren Prüfung. 
Vollständig harzfrei erhielt ich dasselbe durch mehrwöchentliches 
Ausziehen des Gummiharzes mit Alkohol in einem grolsen Soxhlet-, 
Apparat, wie ein solcher zu derartigen Versuchen in grolsem Styl 
im pharmaz. Institut in Bern in Benutzung ist. Als der Alkohol nichts 
mehr aufnahm, und der ausgezogene Rückstand nicht mehr klebrig 
anzufühlen war, wurde derselbe durch Erwärmen auf dem Wasser- 
bade von dem noch anhängenden Alkohol befreit. Die zurückge- 
bliebene, grobpulverige und graugefärbte Masse wurde nun solange 
mit Wasser erschöpft, als dasselbe beim Verdunsten noch einen 
Rückstand hinterliefs. Die erhaltenen wässrigen Auszüge, welche 
von Mucilago ähnlicher Farbe und Konsistenz waren, wurden filtriert 
und auf ihr Verhalten gegen Alkohol geprüft. Auf Zusatz desselben 
nahm die vorher vollständig klare Flüssigkeit eine milchig-weilse, 
undurchsichtige Beschaffenheit an, aus welcher sich im Verlauf 
einiger Tage ein gelbgefärbter, dicker Bodensatz abschied. Die 
über dem Bodensatze stehende milchig-trübe Flüssigkeit wurde nun 
mittels des Hebers abgezogen. Um eine vollständige Trennung und 
Klärung der milchig-trüben Flüssigkeit zu erzielen, wurden ver- 
schiedene Methoden angewandt. Mit Bleiessig trat in der 
alkoholischen Lösung nach kurzer Zeit eine Klärung ein unter Ab- 
scheidung eines starken Niederschlages, ebenso bei Zusatz weniger 


Tschirch und Luz: Ammoniacum. 567 


Tropfen Salzsäure. Versuche mit Benzol, Aceton, Chloroform und 
Petroläther bewirkten eine langsame Ausscheidung und keine voll- 
ständige Klärung. Auf Zusatz weniger Tropfen einer konz. Chlor- 
natriumlösung trat wohl eine Klärung, aber keine Abscheidung ein. 
Aether bewirkte, in beträchtlicher Menge zugesetzt, eine Klärung, in- 
dem das Gummi sich als klebrige Masse am Boden ansetzte.. Um 
die Beimischung von Säuren oder Salzlösungen zu vermeiden, zog 
ich die Methode mit Aether vor. 

Die gesammelten Bodensätze löste ich nach vorsichtigem Ab- 
heben der alkoholisch-ätherischen Flüssigkeit in einer möglichst ge- 
ringen Menge Wasser und dampfte das braungefärbte Filtrat auf 
dem Wasserbade zur Trockene ein. Der Rückstand war von gelber 
bis röthlicher Farbe und spröder harter Konsistenz ; zerrieben stellte 
er ein feines hellgeibes Pulver dar. 

Zunächst untersuchte ich dasselbe au? Kalk und Magnesia. 
Die wässrige, filtrierte Gummilösung machte ich mit Ammoniak 
schwach alkalisch und versetzte dann mit Ammoniumoxalatlösung, 
wodurch sich alsbald ein beträchtlicher Niederschlag von oxalsaurem 
Kalk bildete. Nach Absetzen und Filtrieren wurde das kalkfreie 
Filtrat mit phosphorsaurer Ammoniaknatronlösung auf Magnesia ge- 
prüft ohne dafs jedoch eine Trübung oder Ausscheidung erfolgte. 


Zur Bestimmung des Aschen- und Kalkgehaltes trocknete ich 
nun einen Teil des ausgefällten Gummis bis zum konstanten Gewicht 
im Exsiecator, während ich den übrigen Teil wieder in wenig Wasser 
löste und aus dieser Lösung das Gummi wieder mit Alkohol und 
Aether ausfällte. Einen Teil dieser zweiten Fällung brachte ich 
wieder in den Exsiccator, den andern löste ich nochmals in Wasser, 
fällte nochmals mit Alkohol und Aether aus und brachte diese 
dritte Fällung ebenfalls in den Exsiceator. 

Getrocknet, wurde das Gummi in einem Piatintiegel vorsichtig 
so lange geglüht, bis die Asche rein weils geworden war und das Ge- 
wicht des Tiegels nach dem Trocknen ein konstantes blieb. 

Zur Bestimmung des Kalkgehaltes in der Asche löste ich diese 
in verdünnter Salzsäure, filtrierte und ergänzte das Filtrat auf 
100 ccm Wasser. Die klare Flüssigkeit machte ich nun mit Am- 
moniak schwach alkalisch, erwärmte beinahe bis zum Kochen und 


fügte anfangs tropfenweise und unter Umrühren Ammoniumoxalat 
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bäs. 8. Heft. 37 


568 Tschirch und Luz Ammoniacum. 


in geringem Ueberschufs zu. Der Niederschlag fiel als schweres 
Pulver aus, die darüberstehende Flüssigkeit wurde nach einigen 
Stunden völlig klar. Nach Filtrieren und Auswaschen des Nieder- 
schlags brachte ich diesen ohne vorheriges Trocknen in einen ge- 
wogenen und unbedeckten Platintiegel und führte ihn unter vorsich- 
tigem Glühen zuerst in Calciumkarbonat und dann in Calcium- 
oxyd über. Nachdem die Entwicklung der Dämpfe aufgehört hatte, 
und die Kohle vollständig verbrannt war, wurde der weilse Rück- 
stand über dem Gebläse bis zum konstanten Gewicht geglüht, als- 
dann der Tiegel gut bedeckt, rasch in den Exsiccator gebracht und 
nach dem Trocknen bedeckt gewogen. 

I. Der Aschen- und Kalkgehalt der ersten Fällung betrug 
bei 5,011 g angew. Gummis: 3,41 pCt. Asche; 1,16 pCt. Calciumoxyd. 

II. Der Aschen- und Kalkgehalt der zweiten Fällung betrug 
bei 2,600 g angew. Gummis; 3,53 pCt. Asche: 1,23 pCt. Caleiumoxyd. 

III. Der Aschen- und Kalkgehalt der dritten Fällung betrug 
bei 4,990 g angew. Gummis: 3,36 pCt. Asche; 1,14 pCt. Calciumoxyd. 

Aus diesen Analysen ist ersichtlich, dafs der Aschen- und 
Kalkgehalt des Gummis durch die verschiedenen Fällungs- und 
Lösungsversuche keine wesentliche Aenderung erfahren hat. 

Neben der Kalkbestimmung aus der Asche führte ich noch 
eine Kalkbestimmung direkt aus dem Gummi aus. 

5,0 des aus der ersten Fällung erhaltenen Gummis löste ich zu 
diesem Zwecke in etwa 50,0 Wasser auf und versetzte das alkalisch 
gemachte Filtrat nach der bereits angegebenen Weise mit Am- 
moniumoxalat in geringem Ueberschufs. Trotz langen Stehens und 
Erwärmens war die über dem gebildeten Niederschlag stehende 
Flüssigkeit nicht klar zu bekommen. Der auf einem gewogenen 
Filter gesammelte Niederschlag wurde gut mit Wasser ausgewaschen 
und durch Glühen im Platintiegel in Caleiumoxyd übergeführt. 

Die Analyse ergab 

aus5 gr Gummi 0,94%, Caleiumoxyd. 

Die Differenz zwischen der Kalkbestimmung aus dem Gummi 
und derjenigen aus der Asche rührt wohl daher, dafs die Gummi- 
lösung noch etwas Kalk zurückhielt, somit die Ausscheidung des 
Calciumoxalates keine vollständige war. Vergleicht man den ge- 
fundenen Aschen- und Kalkgehalt der einzelnen Fraktionen unter- 
einander, so ersieht man, dals weder der eine noch der andere eine 


Bd 


Tschirch und Luz: Ammoniacum. 569 


wesentliche Aenderung erfahren hat und dafs somit das (wahrschein- 
lich) arabinsaure Kalksalz eine einheitliche und geschlossene Ver- 
bindung ist, genau so wie das im Gummi arabicum sich findende 
saure Caleiumarabinat, dessen proc. Aschen- und Kalkgehalt nach 
Neubauer!) 2,7—4°/, (Asche) und 1,90/, (Calcium) beträgt. Dafs bei 
dem Gummi aus Ammoniacum weniger Kalk gefunden wurde, dürfte 
darauf beruhen, dafs neben dem Calciumarabinat auch noch andere 
Arabinate zugegen sind. 
IH. Botanischer Teil. 

In der Droge fanden sich zahlreiche Früchte. Dieselben wurden 
ausgelesen, mit Wasser- und Alkohol von dem anhängenden Gummi- 
harz befreit und in diesem Stadium zur Untersuchung heran- 
gezogen. 

Das Schizocarpium zerfällt sehr leicht in die beiden Meri- 
carpien und findet man oft noch an der Berührungsfläche derselben 
das Carpophor, dem einen Mericarp ansitzend, in Form eines fädigen 
Anhängsels. Das Mericarp ist beiderseits schwach geflügelt, sehr 
flach, 1 mm dick und wird auf der Rückenfläche von drei Costalrippen 
durchzogen, die als zarte Leisten auch äufserlich hervortreten. An der 
Grenze des Flügels verläuft ebenfalls ein Bündel und in dem Flügel 
selbst ein oder zwei weitere, die nicht hervortreten, so dafs also 
auf der Rückenseite der Frucht 5 deutliche Costalrippen sich nach- 
weisen lassen, abgesehen von den Flügelbündeln. 

Die Epidermis der Frucht ist ausserordentlich stark an der 
Aussenwand verdickt und besteht, von der Fläche gesehen, aus 
etwas gestreckten, polyedrischen Zellen. Die Cuticula ist schwach 
wellig gefaltet. Spaltöffnungen sind selten und mit eigentümlichen 
Anhängseln versehen. Das subepidermale Gewebe der Fruchtschale 
ist ein reich durchlüftetes Parenchym. Die beiden inneren Schichten 
der Fruchtschale sind von den übrigen differenziert und zwar in 
der Weise, dals die am weitesten gegen den Samen hin liegende 
Schicht aus auffallend grofsen, im Querschnitt quadratischen Zellen 
besteht, die in der tangentialen Flächenansicht das bekannte Bild 
der Querzellenschicht zeigen. ?) Die äufsere Schicht besteht aus im 
Querschnitt stark tangential gestreckten Zellen. Eingebettet in das 


1) Annalen d. Chemie 1557. S. 105. 
2) Tschirch u. Oesterle, Anatom. Atlas, Tafel 14, Fig. S und 16, 


37* 


570 Tschirch und Luz: Ammoniacum. 


Aurchlüftete Parenchym der dünnen Fruchtschale findet man zunächst 
die oben erwähnten 3 Oostalbündel. Dieselben führen in ihrem 
Siebteil einen grofsen, schizogenen Secretgang, der das Bündel be- 
gleitet und bei dem man noch häufig die resinogene Schicht am 
Secernirungsepithel bemerkt. Im Gefäfsbündel finden sich zarte 
Spiralgefäfse. 

Auch in den Partien, welche zwischen den Costalbündeln 
liegen, findet man einen oder mehrere schizogene Sekretstränge, zum 
Mindesten einen zwischen je zwei Costalbündeln. Auch auf der 
Commissuralseite finden sich meist 4—6 schizogene Gänge, je 2—3 
beiderseits an der Ansatzstelle des Carpophors. Die Samenschale 
ist nur an der Commissuralseite mehrschichtig, an der Rückenseite 
besteht sie, abgesehen vou einer inneren, obliterirten Zone aus der 
stark gebräunten Epidermis des Integumentes. Die Zellen dieser 
Epidermis sind in der Richtung der Costalbündel gestreckt, an der 
Kommissuralfäche verläuft das Raphebündel. Das Endosperm ist 
erfült von den für die Umbelliferen charakteristischen Aleuron- 
körnern mit Kalkoxalatdrusen als Einschlüssen. Der Flügel der 
Frucht besteht aus ziemlich vielen sclerenchymatisch verdickten 
Zellen. 

Vergleicht man die aus der Droge ausgelesenen Früchte mit 
sicher bestimmtem Sammlungsmaterial!), so stellt sich heraus, dafs 
im Allgemeinen der Bau übereinstimmt. Auch bei den in Deutsch- 
land erzogenen Früchten liegen auf der Rückenseite 3 Oostalbündel 
und zwischen den Rippen je ein grofser schizogener Gang. Auch 
hier führen die Costalbündel in ihrem Siebteil schizogene Gänge, die 
jedoch nicht die erhebliche Gröfse erreichen, wie bei dem aus der 
Droge ausgelesenen Material. Auch bei den in Baden-Baden er- 
zogenen Früchten sind in dem Flügel mehrere Bündel wahrzunehmen, 
von denen das eine oder andere sogar einen schizogenen Gang führt. 
Die Querzellenschicht ist bei dem Material aus Baden-Baden niedri- 
ger, die Zellen kleiner, als bei dem aus der Droge ausgelesenen 
Material. Auch auf dem tangentialen Flächenschnitt erscheinen die 
Querzellen nicht unerheblich kleiner. Trotz dieser übrigens geringen 


!), Mir stand sicher bestimmtes Material von Früchten von Do- 
rema Ammoniacum aus der Sammlung des pharm. Iustitutes zur Ver- 
fügung, welche Früchte 1890 von Leichtlin in Baden-Baden erzielt 
wurden. 


Tschirch und Luz: Ammoniacum. 571 


Differenzen dürfte wohl kaum ein Zweifel darüber bestehen, dafs 
die aus der Droge ausgelesenen Früchte zu Dorema Am- 
moniacum gehören. 

Stengel. 

Die aus der Droge ausgelesenen Stengelreste zeigten in den 
Rippen die bekannten grofsen Collenchymbündel, in die von Innen 
her ein Kranz äufserer Sekretgänge eingebettet ist, sie scheinen 
regellos in das dünnwandige Grundparenchym eingebettet. Die Ge- 
fälsbündel zeigen einen breiten Bastzellenbeleg auf der Aulsenseite, 
einen schmalen, sichelförmigen Siebteil und, dem Holzteil eingelagert, 
1—5 schizogene Sekretbehälter oder einen mechanischen Beleg}). 

Diese Anordnung ist von Tschirchals fürrDorema Am- 
moniacum charakteristisch erkannt worden, so dals also ebenfalls 
kein Zweifel darüber besteht, dals auch die aus der Droge ausgelesenen 
Stengelteille zuDorema Ammoniacum gehören. Die Blattstiele, 
welche Herbarmaterial entstammten, das ich dem Flückiger’schen Her- 
barium im Botanischen Garten der Universität Bern verdanke, zeigten 
eine regellose Verteilung der zahlreichen Gefäfsbündel. Die Sekretbe- 
hälter lagen im Grundparenchym und waren auffallend klein. Ihre 
Lage zeigte gleichfalls Beziehungen zum Gefäfsteil, doch waren sie 
demselben nicht direkt eingelagert und auch in der Nähe der Sieb- 
teile fand sich da und dort ein Gang. Das Gummiharz entsteht, 
wie bereits Tschirch nachgewiesen hat, in den schizogenen 
Gängen und tritt wahrscheinlich infolge einer Verwundung aus. 

Wurzelreste wurden in der Droge nicht ge- 
funden. 

Ergebnisse der vorliegenden Arbeit: 


Das Gummiharz besteht aus Harz, Gummi und ätherischem 
Oel. Daneben enthält es ca. 3,5 Proz. eines in Wasser und Alkohol 
unlöslichen Rückstandes. Der in Alkohol und Aether lösliche Teil 
des Ammoniacum ist ein Gemenge eines sog. „sauren“ und eines 
„indifferenten“ Harzes und beträgt 69 Proz., beide Harze sind schwefel 
frei, im Gegensatze zuPrciszewski, welcher letzteres als schwefel- 
haltig bezeichnet. Bei der Verseifung des sog. „sauren“ Harzes, 
erhielt ich Salicylsäure von der Zusammensetzung 0, H, OH CO OH 


1) Tschirch, Archiv d. Pharmac. 1886. S. 137. Daselbst ist das 
Weitere nachzusehen. 


502 A. Pinner: Ueber Nicotin. 


und C,H,OH COOH + !/; H,O. Daneben flüchtige Säuren, be- 
stehend aus Baldrian- und Buttersäure, sowie einen Alkohol, der in 
die Reihe der Resinotannole gehört und dieselbe Formel besitzt 
wie das Galbaresinotannol: C,;, H,, ©. (resp. CjsH3003). Das Harz 
ist also ein Salicylsäure-Resinotannolester. 

Ich habe von dem Resinotannol dargestellt: 

Ein Acetylderivat von der Formel: Cj; Hay O3 CH, CO. 

Ein Benzoylderivat von der Formel: Cjg Hay 03 C,H, CO. 

Aus beiden ergiebt sich, dals die Formel des Am- 
moresinotannols: C,H,,O zu verdreifachen ist und dafs der 
Körper eine Hydroxylgruppe enthält C,; Hz94 Oz (OH), was gleichfalls 
mit dem Galbaresinotannol übereinstimmen würde. 

Bei der Oxydation dieses Resinotannols mit Salpetersäure 
resultierte Styphninsäure, bei der Kalischmelze Resorein. Aetheri- 
sches Oel fand ich im Ammoniacum nur in geringer Menge. Das- 
selbe enthält kein Umbelliferon und ist frei von Schwefel. Aus dem 
rohen Ammoniacum erbielt ich Spuren einer freien Säure 
deren Schmelzpunkt sowie Eisenchloridreaktion auf Salicylsäure 
C,H,OH (COOH) hinweisen. 

Das Gummi enthält: 

circa 3,5 Proz. Asche 
E12 „ Caleiumoxyd 
und ist wahrscheinlich als ein dem Gummi Arabicum verwandtes, 
saures Calciumarabinat zu betrachten. 


Ueber Nicotin. 
Von A, Pinner. 
II. Mitteilung. 

Vor zwei Jahren habe ich im „Archiv“ eine grölsere Abhand- 
lung unter dem gleichen Titel veröffentlicht), in welcher auf Grund 
zahlreicher Versuche für das Alkaloid eine neue Konstitutionstormel 
aufgestellt wurde. Da ich jetzt meine Untersuchung über das Nicotin 
zu einem vorläufigen Abschlufs gebracht habe, möchte ich die 
weiteren Erfahrungen, welche ich über das chemische Verhalten 
dieser so interessanten Base zu sammeln Gelegenheit gehabt 
habe, hier mitteilen. Dabei will ich gleich vorausschicken, 
dafs alle neu aufgefundenen Thatsachen mit meiner damals aus- 


1) Archiv, Bd. 231. 


A. Pinner: Tjeber Nicotin. 573 


gesprochenen Auffassung der Konstitution des Nicotins im besten 
Einklang sich befinden, so dafs auf Grundlage unserer heutigen An- 
schauungen über die Verkettung der Atome unter einander das 
Nicotin C,, Hıı Na fast mit Sicherheit als 2. Pyridyl-Methyl- 
pyrrolidin 


H 
C 
AN 
HC C—CH-cCH, 
j n.* 
HHNCHE RU AH: 
Par“ 
N  cH,CB: 


anzusprechen ist. 
Meine weiteren Untersuchungen galten vornehmlich der Auf- 


klärung einiger früher beobachteten und damals nicht weiter ver- 
folgten eigentümlichen Reaktionen des Nicotins, namentlich der Um- 
änderungen, welche das Alkaloid unter dem Einflufs von Wasser- 
stoffsuperoxyd und von Benzoylchlorid erleidet. Und hier hat die 
wissenschaftliche Diskussion wesentlich zur Förderung der Erkenntnis 
beigetragen. Denn nach dem Erscheinen meiner Arbeiten hat Herr 
Etard, welcher bereits früher namentlich in Gemeinschaft mit 
Cahours sich mit der Untersuchung des Nicotins eingehend be- 
schäftigt hat, in den Comptes Rendus zwei kurze Abhandlungen 
veröffentlicht, in welchen er seine frühere Auffassung der Konstitution 
des Nicotins 


als ein (dem Naphtalin ähnlich) aus Pyridin und äthyliertem Hexahy- 
dropyridin zusammengeschweilstes Gebilde aufrecht zu erhalten und 
durch neue Thatsachen zu stützen versuchte. 

Nach dieser Auffassung nämlich würde im Nicotin das eine der 
beiden Stickstoffatome noch mit Wasserstoff verbunden, als „Jmid“ 
im Molekül vorhanden sein, während alle bisher aufgetundenen, sicher 
ermittelten Thatsachen darauf hinweisen, dafs beide Stickstoffatome 
lediglich mit Kohlenstoff verbunden, in Nitrilform, vorhanden sind. 


574 A. Pinner: TUeber Nicotin. 


Herr Etard glaubte nun neuerdings aus dem Nicotin eine Acetyl- 
und eine Benzoylverbindung gewonnen zu haben. Da aber nur Jmid- 
nicht aber Nitrilstickstoff noch Säureradikale aufzunehmen vermögen, 
so würde diese Thatsache, falls sie sich bestätigt hätte, die früher 
von mir aufgestellte Konstitutionstormel des Nicotins sehr zweifelhaft 
gemacht haben, wenn auch die von Rtard vertheidigte Formel da- 
durch noch nicht bewiesen worden wäre. Denn der Auffassung von 
Etard steht vor allen Dingen entgegen, dals bei der Oxydation 
des Nicotins mit Kaliumpermanganat glatt und in fast: berechneter 
Ausbeute Nicotinsäure C,H,N.CO,H, d. h. Pyridincarbonsäure 
entsteht. Bei Annahme der Etard’schen Formel aber mülste 
Öxynicotincarbonsäure C,H, (OH)N. CO,;,H, oder allenfalls Amido- 
nicotincarbonsäure entstehen. Immerhin aber würde durch die Dar- 
stellbarkeit des Acetylnicotins und des Benzoylnicotins die Jmidnatur 
des einen Stickstoffatoms so gut wie erwiesen gewesen sein. Dem 
aber stand wiederum entgegen, dafs wie ich früher nachgewiesen 
habe und wie dann durch andere Forscher (Blau, Herzig) be- 
stätigt werden konnte, das eine der beiden Stickstoffatome mit Methyl 
verbunden ist. Folglich hätte dieses N als NHCH, im Nicotin 
vorhanden sein müssen, denn das andere Stickstoffatom mulste bei 
dem leichten Uebergang des Nicotins in Pyridincarbonsäure noth- 
wendig, ebenso wie im Pyridin, in Nitrilform vorhanden sein. Dem 
widersprechen aber die meisten übrigen Reaktionen des Nicotins. 
Nun waren aber die vermeintlichen Acetyl- und Benzoylver- 
bindungen entweder zu wenig charakterisirt oder in zu eigentüm- 
licher Weise dargestellt, um ohne Weiteres als genügendes Beweis- 
material zu irgend welcher Schlufsfolgerung dienen zu können. Ich 
habe deshalb die Etard’schen Versuche wiederholt, habe dieselben 
Erscheinungen beobachten können, wie er, habe aber bei genauerem 
Eingehen feststellen können, dals die vermeintlichen Acetyl-undBenzoyl- 
verbindungen gar nicht Verbindungen des Nicotins sind, sondern 
einer neuen, aus diesem entstehenden und mit ihm isomeren Base, welche 
ich als Metanicotin bezeichnet habe. Gerade die Versuche von 
Etard dienten schliefslich zurBestätigungmeiner Annahme. 
Etard hat zur Darstellung des sog. Acetylnicotins!) Nicotin 
mit Essigsäureanhydrid auf 1500 erhitzt, das Reaktionsprodukt ent- 


1) Compt. rend. Bd. 117. 8. 170. 


A. Pinner: Ueber Nicotin. 575 


weder mit Soda neutralisiert oder im Vacuum destilliert und dann 
mit Platinchlorid fractioniert gefällt. So erhielt er amorphe Nieder- 
schläge, die er analysierte und deren Zusammensetzung er als 
C,H! N50;. HCl. PtCı, annahm. Eine derartige Zusammensetzung 
kannaberein einheitlicher aus Nicotin und Essigsäureanhydrid 
entstehender Körper gar nicht besitzen. Denn abgesehen davon, 
dafs alle Platindoppelsalze 2HÜl. PtCl, enthalten, kein einziges aber 
bekannt ist, welches HC1l.PtC], enthielte, würde die Base C,,H8,1NsO; 
sich zusammensetzen aus C,,H14N» (Nicotin) + C,H,O, (Essigsäure- 
anhydrid) + H. Derartige Reaktionen sind einfach unmöglich. Die 
Platinniederschläge, welche Etard untersuchte, waren mithin Ge- 
menge von irgend welchen Substanzen und somit zum Beweisen 
irgend einer Annahme durchaus nicht geeignet. Dazu kam, dals 
ich selbst bereits vor Jahren Essigsäureanhydrid auf Nicotin habe 
einwirken lassen und damals keine fafsbaren einheitlichen Verbin- 
dungen zu isolieren vermochte, sondern stets Gemenge erhielt, aus 
deren Analysen kein Schluls auf den Verlauf der Reaktion zu 
ziehen war. Ich habe deshalb damals diese Versuche in meinen 
Publikationen überhaupt nicht erwähnt. Somit brauchte ich diese 
Mitteilung von Etard nicht weiter zu berücksichtigen. 

Allein kurz darauf erschien eine zweite Mitteilung!) von Etard, 
nach welcher durch Erhitzen von Nicotin mit Benzoylchlorid 
bis zum Kochen (also bis ca. 200°) Salzsäure sich abspaltet und 
„Benzoylnicotin“ von der Zusammensetzung C,,H13NsC-H,O entsteht, 
von welchem Etard freilich nur das Platinsalz analysierte. Aber 
dieses Platinsalz war als krystallinischer Niederschlag erhalten 
worden und gab in mehreren Analysen gut übereinstimmende Zahlen. 
Es konnte demnach an der richtigen Zusammensetzung des sog. 
Benzoylnicotins kaum gezweifelt werden. 


Nun hatte ich bereits früher Benzoylchlorid auf Nicotin ein- 
wirken lassen und dabei eine Verbindung beider erhalten 
C,0H14Na. C,H,0C1, welche nicht etwa als salzsaures Benzoylnicotin 
(CoH13N:. C,H;0). HCl aufzufassen war, weil dieselbe durch 
Basen in der Kälte nicht zersetzt wurde und mit an- 
deren Säuren Salze gab, in denen die volle Verbindung 


1) Compt. rend. Bd. 117. S. 278. 


576 A. Pinner: DUeber Nicotin. 


C,0H14Na. C;H,0C1 enthalten war.) Es lag deshalb die Vermutung 
nahe, dafs die von Etard erhaltene Verbindung das Zersetzungs- 
produkt der von mir früher dargestellten Substanz sei, und es stellte 
sich somit die Nothwendigkeit heraus, diese Reaktion eingehend zu 
studieren. 

Das Ergebnis dieser Untersuchung war, dafs thatsächlich das 
sog. Benzoylnicotin das Zersetzungsprodukt des Additionsprodukts 
von Benzoylchlorid und Nicotin ist, dals aber das Nicotin durch 
Benzoylchlorid in der Weise verändert wird, dafs der Pyrrolidin- 
ring aufgespalten wird und bei der Abspaltung von Salzsäure, welche 
sowohl durch starkes Erhitzen, als auch durch Kochen mit Alkalien 
bewirkt werden kann, nicht wieder Ringschlielsung erfolgt, sondern 
ein Körper entsteht, welcher als Pyridyl-Methyl-Butylenamin zu be- 
zeichnen wäre, den ich kurz Metanicotin (d. h. verändertes 
Nicotin) genannt habe, wie aus folgenden Formeln hervorgeht: 

Durch Anlagerung von Benzoylchlorid zum Nicotin bildet sich 
die Verbindung 
Be! .CH,.CH,-CH,-N (CH,): C, H, O=C,HuN, + C;H,0C1 
x 
indem die Bindung zwischen CH und NCH, des Pyrrolidinringes 
gesprengt wird: 


Ne CH-CH? /N_CHCI--CH, 
Oz Ind ICH, 
NG CHE ie abe BR 
NN CH: = N N—CH;, 
LER 
CH; CH, C,H,0 


Wird nun aus dieser Verbindung Salzsäure abgespalten, so 
entsteht unter doppelter Bindung der beiden ersten C das Ben- 
zoyl-Metanicotin: 


( Bien: 
| 
N | 
C,H,0 
Aus diesem Benzoyl-Metanicotin läfst sich nun durch Er- 
hitzen mit Salzsäure leicht die Benzoylgruppe abspalten und durch 


1) Vergl. Archiv a. a. O. S. 388. 


A. Pinner: Teber Nicotin. 577 


Wasserstoff ersetzen, man erhält so das Metanicotin selbst, 
welchem die Konstitution zukommt 


/N—-CH-CH: CH,-CH,- NHCH, 
nf 


Wenn man dagegen aus dem Additionsprodukt von Nicotin 
und Benzoylchlorid zuerst die Benzoylgruppe abspaltet, was leicht 
auch hier durch Erhitzen wässeriger mit Salzsäure gelingt, so entsteht 
zunächst die Verbindung 

“N -CHC1-CH, 


N 
7 Pe 
N HN--CH, 
CH; 


diese aber ist nicht beständig, sondern spaltet jetzt sogleich 
auch HC] ab, indem das H des NHCH, mit dem Cl des CHÜl sich 
vereinigt, und nun entsteht wieder Nicotin: 


NICH "CH, 
| >>CB, 
Da 
N - 
CH, 


Alle diese Reaktionen erfolgen leicht und quantitativ und sind, 
wie man sieht, ausgezeichnet zu erklären, wenn man die von mir 
aufgestellte Konstitutionstormel zu Grunde legt. 

Aber noch mehr. Nach diesen Formeln ist das Metanicotin 
eine tertiär-sekundäre Base, im Gegensatz zu dem bitertiären Nicotin, 
enthält aulserdem am Stickstoff noch das Methyl und besitzt endlich 
eine doppelte Bindung in der Seitenkette. Alle diese Thatsachen 
sinddurch die verschiedenen Versuche im vollsten Mafse bestätigtworden. 

Die sekundäre Natur des Metanicotins konnte konstatiert 
werden 1. durch Darstellung der Benzoylverbindung desselben 
mittels der Schotten-Baumann’schen Methode. Während das Nicotin 
in alkalischer Lösung mft Benzoylchlorid behandelt, keine Spur einer 
Benzoylverbindung liefert, giebt das Metanicotin bei gleicher Be- 
handlung sofort das Benzoylmetanicotin wieder, aus welchem es er- 
halten worden ist. Ferner vereinigt sich 2. das Nicotin mit 2. Mol. 
Jodmethyl zu einem quaternären Jodmethylat, dagegen reagiert das 
Metanicotin schon bei gewöhnlicher Temperatur mit Jodmethyl in 


578 A. Pinner: Ueber Nicotin. 


der Weise, dafs sich erst Methylmetanicotin bildet und dieses mit 2 Mol. 
Jodmethyl zu einem Jodmethylat zusammentritt: 
CoHuNs + 3CH, I = CoHnCH,N,.2CH,J 13 
man erhält stets ein Jodmethylat von der Zusammensetzung: 
Ci Hay N, J>. 

Dafs im Metanicotin das eins Stickstoffatom ebenso wie im 
Nicotin mit Methyl verbunden ist, konnte nicht nur nach der 
Herzig’schen Methode durch Abspaltung von Jodmethyl aus dem 
jodwasserstoffsauren Salz dargethan werden, sondern auch dadurch, 
dafs das Metanicotin im Gegensatz zum Nicotin verhältnismäfsig 
leicht Methylamin abzuspalten geneigt ist. Das ist aber zugleich 
ein Beweis dafür, dafs im Metanicotin das NCH; gleichsam expo- 
nierter, leichter durch chemische Agentien angreifbar sich befindet, 
als im Nicotin, was durch die obigen Formeln des Nicotins und des 
Metanicotins leicht seine Erklärung findet. 

Das Vorhandensein einer doppelten Bindung im Metanicotin 
an einer Stelle, wo im Nicotin nur einfache Bindung ist, ist auf zwei 
völlig von einander verschiedenen Wegen dargethan worden. Durch 
den Vergleich der physikalischen Eigenschaften des Nicotins und 
des Metanicotins, welchen Herr Brühl vorzunehmen die Güte hatte, 
ist erwiesen, dals im Nicotin drei doppelte Bindungen (im Pyridin- 
ring) vorhanden sind, dagegen muls das Metanicotin mehr doppelte 
Bindungen besitzen, wie aus seinem spezifischen Gewicht und seinem 
Lichtbrechungsvermögen hervorgeht. 

Ferner liefert das Nicotin mit Brom lediglich Substitutions- 
produkte, welche einen energischen Eingriff des Broms in das 
Molekül der Base voraussetzen und deshalb auch nur ganz allmählich 
entstehen. Dagegen vereinigt sich das Metanicotin sofort mit Brom 
zu einem Additionsprodukt genau in derselben Weise, wie irgend 
ein anderer ungesättigter Körper. 

So ist die früher nicht erklärbare Bildung eines durch Basen 
in der Kälte nicht zersetzbaren Additiomsprodukts von Benzoyl- 
chlorid und Nicotin gerade durch die Entstehung von Benzoylmeta- 
nicotin aus demselben unter Annahme meiner Nicotinformel leicht 
erklärbar geworden. 

Nachdem durch das Studium dieser Reaktion ein Einblick in 
die Art der Veränderung des Nicotins gewonnen war, konnte mit 


A. Pinner: TDeber Nicotin. 579 


Leichtigkeit durch Einwirkung von Essigsäureanhydrid auf Nicotin 
eine Acetylverbindung dargestellt und isoliert, zugleich aber gezeigt 
werden, dafs diese Verbindung Acetyl-Metanicotin ist. 


Noch ein zweiter dunkler Punkt ist mit ziemlicher Sicherheit 
aufgeklärt worden, nämlich die Art der Wirkung : von Wasserstoff- 
superoxyd auf Nicotin. Wie in der ersten Mitteilung gezeigt worden 
ist, bildet sich beim Stehenlassen einer Mischung von Nicotin mit 
Wasserstoffsuperoxyd allmählich eine beim Verdampten der Lösung 
hinterbleibende, schwer krystallisierende, hygroskopische Substanz 
welche Oxynicotin genannt worden ist und sich als CH, ‚NO: 
zusammengesetzt erwies. Diese Substanz zeigte höchst eigentümliche 
Reaktionen. Durch Erhitzen mit Salzsäure verwandelte sie sich in 
eine isomere Verbindung, welche sich dadurch von ihr unterschied, 
dals sie mit Wasserdämpfen flüchtig sich erwies, nicht wie jene 
ammoniakalische Silberlösung reduzierte, auch stark basische Reaktion 
besafs, bei der Destillation tür sich unter Abspaltung von Wasser 
in C,oH1,N, überging und als Pseudonicotinoxyd vorläufig 
bezeichnet wurde Beim Erhitzen mit Barythydrat wurde das 
ÖOxynicotin ebenfalls zersetzt, hierbei aber damals lediglich Nicotin 
gewonnen. Beide Reaktionen waren damals in hohem Mafse auf- 
fallend, und es wurde auch beim Fehlen jeglicher Unterlage gar kein 
Erklärungsversuch gemacht, vielmehr lediglich die Thatsache mitgeteilt. 

Etwas später zeigte Wolffenstein!) in einer schönen Unter-. 
suchung über die Einwirkung von Wasserstoffsuperoxyd auf 
Piperidin, dafs hierbei Amidovaleraldehyd entstehe, indem die 
Bindung zwischen NH und CH, des Piperidinringes gelöst und unter 
Addition von Wasser bei gleichzeitiger Oxydation der Aldehyd 
entstehe:: 


CH, CH, H, 

en AN C 
or id aaa Fellage Tl AREA ET 

Herde Dar Ran ah WA 7 ne 
H,O CH, BO (CHOMe a 

a cC cCHo 

NH SH, 

H; 


Da nun durch die früheren Untersuchungen es sehr wahr- 
scheinlich gemacht worden war, dafs das Nicotin Pyridyl-Methyl- 


1) Berichte d. d. ch. G. 25. 2776. 


580 A. Pinner: DUeber Nicotin. 


Pyrrolidin ist, da ferner das Pyrrolidin sich dem Piperidin sehr 

ähnlich verhält, so lag es nahe, anzunehmen, dafs die Wirkung des 

Wasserstoffsuperoxyds auch beim Nicotin darin bestehe, dafs unter 

Sprengung des Pyrrolidinringes sich ein Amidoaldehyd bilde. Als- 

dann konnten auch die Reaktionen des Oxynicotins leicht erklärt 

werden, wie aus folgenden Ueberlegungen sich ergiebt: 

Das Nicotin 

/N_CH—CH,—CH, 

Mies ee 

N CH | 

wird durch Wasserstoffsuperoxyd zunächst in die Verbindung (I) 


e CH. -0H,-08, 
RR | 
\Y NH CH (OH), 
NICH, 
D) 
übergeführt, welche unter Abspaltung von Wasser in Oxynicotin 
A SECH VCH; 
| 
er 
\yY MH CHO 
N A 
übergeht. A 
Allein durch die Wirkung der Salzsäure bei hoher Temperatur 
kann die Wasserabspaltung auch in der Weise erfolgen, dals das 
H des NHCH; mit einem der beiden OH des CH (OH), sich ver- 


einigt und somit wieder Ringschlielsung eintritt ; 


© 04 GH2 CH, esse sie 

rl) | | | | H;0 
RAUNE CHOH, \\/ N—CHOH IE; 
N CH; R CH; 


So würde denn ein Alkohol von der Zusammensetzung 
C,,H14Ns0 entstehen, welcher selbstverständlich stark basische 
Eigenschaften besitzt. Dieser Alkohol spaltet aber bei der trockenen 
Destillation nochmals Wasser ab, indem das OH mit einem H des 
benachbarten CH; sich vereinigt, so dafs die Verbindung 


ä Ron ou 
| | | 
u £ 
N N 
N — CH 


A. Pinner: Ueber Nicotin. 581 


Co Hja N» entsteht, welche als Dehydronicotin bezeichnet 
worden ist. 

Die Einwirkung von Barythydrat aber auf das Oxynicotin 
mulste in derselben Weise erfolgen wie auf alle Aldehyde, d. h. es 
mulste der Aldehyd zersetzt werden zur Hälfte in Alkohol, zur 
anderen Hälfte in Säure. Beispielsweise liefert Benzaldehyd beim 
Erwärmen mit Kali Benzylalkohol und Benzoösäure: 

2C,H, CHO + H,0 = C,H, CH, OH + C,H, COOH. 

So mulste auch das Oxynicotin zur Hälfte den zugehörigen 

Alkohol, zur anderen Hälfte die Säure liefern: 


BER 
7° or cn.-chH, CH OR: 
Br | ae | + 
N, NH CHO N NH CH, OH 
CH, CH, 

© SCH CH, on, 

rd | 

N NH  cCoOH 

CH, 


Der Alkohol mulste sofort unter Abspaltung von Wasser aus 
dem H des NHCH, und dem OH des CH, OH übergehen in 
Nicotin selbst: 


a Ps 


—CH—CH,-—-CH, —CH—CH,—CH, 
a ai oa | I +30, 
N NH CH,0H BEN BE 
CH; CH, 


Die Säure aber konnte entweder für sich bestehen oder auch in 
gleicher Weise unter Abspaltung von Wasser sich verwandeln in 


Co H, N;0 5 
Reg bEeen, (N=2eH_enjlch, 
a Be | 
N NH COOH N N === -—- 06 
CH, CH, 


Dieses letztere würde aber identisch sein mit dem früher ander- 
weitig dargestellten Cotinin. Es handelte sich also darum, entweder 
die Säure C,, Hıı Na Oz oder das Ootinin Cjo Hz NO unter den Reak- 
tiousprodukten des Barythydrats auf das Oxynicotin aufzufinden. Es 


582 A. Pinner: DUeber Nicotin. _ 


wurde deshalb diese Reaktion nochmals aufgenommen, dabei aber, 
wie hier gleich erwähnt sein mag, weder die Säure Cjo Hıs Na O3, 
noch das Cotinin Co Hı2 NO, noch eine dem Cotinin isomere Base 
isoliert. Gleichwohl aber gab die Untersuchung, welche aufser- 
ordentlich langwierig sich gestaltete, recht interessante Resultate. 


Zunächst wurde nämlich konstatiert, dals beim Stehenlassen 
von Wasserstoffsuperoxyd mit Nicotin thatsächlich ein im Wasser 
leicht löslicher, bisher daraus in unverändertem Zustande nicht 
isolierbarer aldehydartiger Körper entsteht, welcher mit 
Wasserdämpfen leicht sich verflüchtigt, stark reduzierende Eigen- 
schaften besitzt, mit ammoniakalischer Silberlösung einen schönen 
Silberspiegel giebt, mit Phenylhydrazin in essigsaurer Lösung ein 
öliges Hydrazid liefert u. s. f£ Dieser Aldehyd ist äulserst em- 
pfindlich gegen Säuren. Seine Lösung wird durch verdünnte Salz- 
säure sofort gelb gefärbt, und dampft man die angesäuerte Lösung 
ein, so erhält man neben etwas hygroskopischem und sehr leicht 
löslichem, salzsauren Nicotin lediglich rotbraune, unlösliche, amorphe, 
nicht analysierbare Massen. 

Verdampft man die Lösung des Aldehyds vorsichtig, so bleibt 
das bereits in der ersten Mitteilung beschriebene Produkt zurück, 
welches als Polymerisationsprodukt des Aldehyds zu betrachten ist, 
da es mit Wasserdämpfen nicht mehr flüchtig ist. Bei versuchter 
Destillation zersetzt es sich auch im Vacuum bei ca. 1500 in eine 
grofse Zahl von Produkten, welche beim Aufbewahren sich schnell 
dunkel färben und nicht weiter untersucht worden sind. 

Durch Erhitzen mit Bariumhydrat wurde wieder wie früher 
Nicotin erhalten, aufserdem aber, wenn auch in kleiner Menge, das 
dem ÖOxynicotin isomere Pseudonicotinoxyd CoH„Nz0, endlich 
eine Substanz, welche im Rohzustande analysiert werden mulste 
und Zahlen lieferte, welche zur Formel C,, H;, Na O2 passen. 
Diese Substanz zersetzte sich bei der Destillation im Vacuum 
bei ca. 1650 und lieferte ein zweites Isomeres des 
Oxynicotins, also Ci, Hıı Na 0, welches durch seine ohne Zersetzung 
erfolgende Destillierbarkeit sich leicht unterscheiden läfst von 
Oxynicotin und Pseudonicotinoxyd. Die Entstehung einer derartigen 
Verbindung lälst sich leicht erklären, wenn auch strikte Beweise für 
die hier zu entwickelnde Anschauung nicht geliefert werden können. 


A. Pinner: Ueber Nicotin. 583 


Wie man aus der Einwirkung von Benzoylchlorid und Essig- 
säureanhydrid auf Nicotin erkennt, kann der Pyrrolidinring leicht 
zwischen dem am Pyridin befindlichen Kohlenstoff und dem Stick- 
stoff aufgespalten werden. Andererseits kann aber, wie aus der 
Aldehydnatur des Oxynicotins erkennbar ist, der Pyrrolidin- 
ring auch zwischen dem Stickstoff und dem vierten Kohlen 
stoffatom gelöst werden; so dafs also im Nicotin zwei angreif- 
bare Stellen sich befinden, welche durch Punktierung erkenntlich 
gemacht sind. 

7 \—CH-CH,-CH, 
\/ N—— CH, 


Wenn man nun annimmt, dafs bei der hohen Temperatur das 
Bariumhydrat auf das Oxynicotin zum Teil analog wirkt wie Salz- 
säure und Pseudonicotinoxyd erzeugt, wie es ja thatsächlich der Fall 
ist und durch den Versuch nachgewiesen werden konnte, und dafs 
alsdann das Pseudonicotinoxyd in statu nascente zum Teil sofort unter 
Wiederaufspaltung des Ringes die Elemente des Wassers addiert, 
so würden die durch folgende Gleichungen anschaulich gemachten 
Vorgänge sich abspielen: 


z nn e N_CH-CH2_CH? 
\yY NH | geht über in ee | 
N ı CHO N N-CH0H 
CH; | 
CH, 
{N-CH-CH,-CH, A Ee 
3 | | | ern | | 
BE ST: | 
a N CHOH 
) | 
nn HNCH; 


Letztere Substanz, Co Hıs O,, würde die beim Erhitzen mit 
Bariumhydrat zunächst entstehende Verbindung sein. Bei der 
Destillation spaltete sie aber Wasser ab, indem die beiden OH auf 
einander reagieren und das übrig bleibende O die Bindung zwischen 
den beiden Kohlenstotfen übernimmt: 


Arch. d. Pharm. CCXXXII. Bds. S. Heft 38 


584 A. Pinner: Ueber Nicotin. 


Zen lcH2äcH, /N—CH-CH2 CH: 
in aaa "aut | 
4 YOH a re Wa 
N HOCH N | 
| NHCH, 
NHCH, 


Es mag nicht unerwähnt bleiben, dafs vergebens versucht 
wurde, durch Zusatz von Benzoylchlorid zu einer alkalischen 
Lösung von Oxynicotin und von dieser Isomeren eine 
Benzoylverbindung darzustellen, da bei der Jmidnatur beider 
die leichtte Bildung einer solchen zu erwarten war. In 
gleicher Weise lieferte die Einwirkung von Jodmethyl auf Oxynicotin 
kein falsbares Resultat, es wurden lediglich braune Schmieren erhalten, 
aus denen keine analysierbare Substanz zu isolieren war. Jodmethylate 
der neuen Isomeren aber darzustellen war unmöglich, weil dieselbe 
stets mit Nicotin verunreinigt erhalten wurde und nur durch die 
verschiedene Löslichkeit der Pikrate von Nicotin getrennt werden 
konnte. 

Der Annahme, das Nicotin sei die Pyridinverbindung eines 
Methylpyrrolidins, konnte vielleicht entgegengehalten werden, dafs 
bislang Pyrrolidin — oder Methylpyrrolidinderivate unter den 
Pflanzenstoffen noch nicht aufgefunden worden seien. Auch dieser Ein- 
wurf ist in letzter Zeit beseitigt worden, da Liebermann gezeigt 
hat, dafs das sog. niedrig siedende Hygrin (aus den Nebenalkaloiden 
des Cocains) bei der Oxydation die Carbonsäure des Methylpyrroli- 
dins liefert, dals also diese Nebenalkaloide jedenfalls Abkömmlinge 
des Methylpyrrolidins sind. 


Völlig unzweifelhaft ist endlich die von mir aufgestellte Kon- 
stitutionsformel geworden durch die schönen soeben veröffentlichten 
Untersuchungen von Am& Pictet, welcher gefunden hat, dafs das 
Jodmethylat des Pyridyl-Methylpyrrols, welches er synthetisch dar- 
gestellt hat, identisch ist mit dem Jodmethylat des durch Oxydation 
mittels Ferricyankalium etc. aus dem Nicotin gewonn:nen und ur- 
sprünglich als „Isodipyridin“ C,oHioNa, jetzt als „Nicotyrin“ be- 
zeichneten Produkts. 

Auf den folgenden Seiten sollen zunächst das Metanicotia und 
seine Derivate, dann die Produkte der Zersetzung des Oxynicotins 
beschrieben werden. 


A. Pinner: TDÜeber Nicotin. 585 


Metanicotin. 

Das Metanicotin kann nach drei Methoden gewonnen werden, 
aus Acetylmetanicotin, aus Benzoylchloridnicotin und aus Benzoyl- 
metanicotin. 

Acetylmetanicotin. Man erhitzt Nicotin mit etwa der 
fünffachen Menge Essigsäureanhydrid 10—12 Stunden lang auf 1700, 
entfernt aus der dunkelbraunen Reaktionsmasse den gröfsten Teil des 
überschüssigen Anhydrids durch Destillation im Vakuum, versetzt den 
Rückstand mit etwas Wasser und fügt vorsichtig konzentrierte Pott- 
aschelösungbis zur alkalischen Reaktion hinzu. Alsdann schüttelt man 
die Flüssigkeit mit Aether aus. Das bei der Reaktion entstandene 
Acetylmetanicotin ist zwar schwer in Aether löslich, und man muls 
10—12 mal die Ausschüttelung wiederholen, um alle Acetylverbin- 
dung in die ätherische Lösung zu bringen. Aber gleichwohl ist 
diese Methode für die Reinigung der Verbindung ganz ausgezeichnet, 
weil hier ebenso wie bei der Benzoylverbindung die durch tiefgreitende 
Zersetzung entstandenen schwarzen schmierigen Massen in Aether 
tast vollkommen unlöslich sind und somit entfernt werden können. 
Ueberhaupt hat sich bei vielen Nicotinderivaten die Lösung in 
Aether als vorzügliche Reinigungsmethode bewährt. 

Nach dem Verdampfen des Aethers hinterbleibt die Acetyl- 
verbindung als dicker, gelber Honig, der keine Neigung zum 
Krystallisieren besitzt. Sie wurde ohne weitere Reinigung analysiert. 

0,1592 & Substanz gaben 0,4064 g CO, und 0,1240 g H,O. 

0,1658 g Substanz gaben 20,1 cem N bei 220 C. und 743 mm Bar. 


Berechnet für C,, Hı3 N,. C, H,0: Gefunden: 
= =n059 69,62 Proz. 
3 — 11,84 8.65 
N = 13.12 13.51.74, 


Auf Zusatz von Pikrinsäure zur wässerigen Lösung erhält 
man einen öligen, langsam zu amorphen Kügelchen erstarrenden 
gelben Niederschlag, der auch aus Lösungsmitteln (heilses Wasser, 
Alkohol) nicht krystallisiert erhalten werden konnte. Ebenso erhält 
man anf Zusatz von Platinchlorid zur salzsauren Lösung einen 
amorphen Niederschlag. Durch Erhitzen mit Salzsäure auf 100° 
oder mit Barytwasser auf 140° wird die Acetylverbindung nur 
schwer und unvollständig verseift. Dafs aber bei der Verseifung 
nicht Nicotin, sondern Metanicotin entsteht, wurde mit Sicherheit 

38* 


586 A. Pinner: TDeber Nicotin. 


durch das später zu erwähnende charakteristische Pikrat nachge- 
wiesen. 

Benzoylcehlorid-Nicotin C,, Hı4 Na. C, H, OCI. Diese 
schon in der ersten Mitteilung beschriebene Verbindung erhält man 
leicht, wenn man Nicotin mit ca. 2 Mol. frisch destilliertem Benzoyl- 
chlorid eine Viertelstunde auf dem Wasserbad erwärmt, das mit 
etwas Salzsäure versetzte Reaktionsprodukt mehrere Male mit Aether 
ausschüttelt, um das überschüssige Benzoylchlorid zu entfernen, die 
von Benzoylchlorid befreite saure wässerige Lösung mit verdünnter 
Natronlauge eben alkalisch macht und zur Sicherheit, um Spuren 
unveränderten Nicotins zu binden, mit einigen Tropfen Essigsäure 
schwach ansäuert und wiederholt mit Aether ausschüttelt. Beim 
Verdampfen der ätherischen Lösung hinterbleibt das Benzoylchlorid- 
Nieotin als etwas bräunliche, dieke, kaum noch fliefsende Masse, 
die unlöslich ist in Wasser, leicht löslich in Alkohol und in Mineral- 
säuren, schwer löslich in verdünnter Essigsäure und in Aether. Die 
salpetersaure Lösung bleibt auf Zusatz von Silbernitrat klar, es liegt 
also durchaus kein salzsaures Salz vor. Wird dagegen die Substanz 
mit Kalk geglüht, so giebt mit der nun zersetzten Masse nach dem 
Lösen in Salpetersäure Silbernitrat einen starken Niederschlag. 

Die alkoholische Lösung polarisiert schwach nach links. 

A) 0,948 g zu 10 cem in Alkohol gelöst gab eine Ablenkung 
von — 0,40. 

B) 1,0780 g zu lO ccm in Alkohol gelöst gab eine Ablenkung 
von — (0,50. 

Also an=&A) — 4,75, B) — 4,64, im Mittel — 4,70. 

Erhitzt man das Nicotin-Benzoylchlorid 6—8 Stunden mit kon- 
zentrierter Salzsäure im geschlossenen Rohr auf 100°, so wird es 
vollständig verseift. Der Röhreninhalt besteht nach dem Erkalten 
aus ausgeschiedener Benzoesäure und der salzsauren Lösung des 
Nicotins. Filtriert man die saure Flüssigkeit von der Benzoe- 
säure ab, verdampft sie, um den grofsen Überschuls von Salzsäure 
zu entfernen, und stellt aus dem Rückstand durch Auflösen in, Wasser 
und Versetzen mit Pikrinsäure das Pikrat dar, so erhält man das 
charakteristische, bei 2180 schmelzende Nicotinpikrat. 

Bei der Zersetzung durch Salzsäure wird aus dem Benzoyl- 
chlorid-Nicotin, welchem die Konstitution 

C,;H,N. CHCI. CH,. CH,. CH,. N (CH;). C, H,O 


A. Pinner: TDUeber Nicotin. 587 


zukommt, zunächst die Benzoylgruppe abgespalten. Es entsteht 
also das Zwischenprodukt 
C, H,N. CHCI. CH, CH, CH,. NH CH,, 
welches aber sofort Salzsäure abspaltet und in 
0, H,N. CH. CH,. CH,. CH,. NCH,, 

d. h. Nicotin, übergeht. 

Kocht man das Benzoylchlorid am Rückflufskühler mit Natrium- 
alkoholat, so spaltet es nur Salzsäure ab und es entsteht Benzoyl- 
metanicotin, aus welchem dann das Metanicotin selbst ge- 


wonnen werden kann. 

Man verdampft die alkoholische Lösung, nimmt den Rückstand 
in verdünnter Salzsäure auf und versetzt mit Pikrinsäure, wodurch 
das gleich zu erwähnende Benzoylmetanicotinpikrat, welches bei 
1280 schmilzt, als Niederschlag erhalten wird. Zum Überflufs ist in 
diesem Pikrat noch der Stickstoffgehalt bestimmt worden. 

0,1284 x Subst. gaben 16,0 cem N bei 190 und 4758 mm Br. 

Berechnet für C,Hj3N2. C,H,O. C,H; N; O;: Gefunden: 
N = 14,14. 14,28 Proz. 

Benzoylmetanicotin C„HjsN;. C,H,0. Das Ben- 
zoylmetanicotin ist zuerst von Etard dargestellt worden, ohne von 
ihm erkannt zu werden. Die von Etard angegebene Methode 
namentlich der Reinigung der Substanz ist wenig zweckmälsig, es 
sei deshalb die Bereitung hier genauer angegeben. 

Um das Nicotin in das Benzoylmetanicotin überzuführen, ist 
ein grölserer Überschufs von Benzoylchlorid erforderlich, sonst er- 
hält man nichts als schwarzes Pech. Man fügt zu in einem lang- 
halsigen, geräumigen Kolben befindlichem Nicotin die doppelte Ge- 
wichtsmenge Beuzoylchlorid und erhitzt die Masse über freiem Feuer. 
Bei etwa dem Kochpunkte des Benzoylchlorids tritt in der inzwischen 
tiefschwarz gewordenen Flüssigkeit unter Entweichen von Salzsäure- 
dämpfen ein Aufschäumen ein. Zur Vollendung der Reaktion erhitzt 
man noch etwa 15 Minuten, so dafs die Flüssigkeit in gelindem 
Sieden bleibt, läfst dann erkalten, übergielst das Produkt zur Ent- 
fernung von Benzoylchlorid mit Aether und fügt zu der dicken, 
schwarzen, theerähnlichen Masse etwa l5prozentige Salzsäure. In 
dieser ziemlich konzentrierten Salzsäure löst sich das Benzoylmeta- 
nicotin ziemlich leicht, während das Benzoylchlorid und seine etwa 


588 A. Pinner: Ueber Niecotin. 


schon entstandenen Zersetzungsprodukte (Benzoesäure, Benzoesäure- 
anhydrid) in dem Aether gelöst bleiben. Nach Entfernung des 
Aethers schüttelt man noch einmal die saure Flüssigkeit mit Aether 
aus. 

Die so von den nicht basischen Stoffen befreite Lösung ist 
tiefschwarz gefärbt, kann aber leicht gereinigt werden, weil bei der 
Verdünnung und bei fraktionierter Neutralisation zuerst die pech- 
artigen Verunreinigungen niederfallen und durch Filtration der 
Lösung völlig entfernt werden können. 

Man erspart so die von Etard benutzte unzweckmälsige Reini- 
gung der stark sauren Flüssigkeit mit Tierkoble. Man verdünnt 
deshalb die saure, vom Aether getrennte Lösung mit etwa dem 
doppelten Volum Wasser, filtriert vom abgeschiedenen Peach und fügt 
zum Filtrat vorsichtig und in kleinen Anteilen Natronlauge so lange 
hinzu, als noch schwarze, pechartige Fällungen dadurch hervorge- 
bracht werden. Sobald die Fällungen hellbraun werden, filtriert man 
wieder und setzt nun so lange Natronlauge hinzu, bis die Flüssig- 
keit nur noch schw.ch sauer reagiert oder neutral ist. Dadurch 
fällt das schwach basische Benzoyimetanicotin als honiggelbes, dickes 
Oel nieder und kann leicht im Scheidetrichter, in welehem zweck- 
mälsig diese Fällung vorgenommen wird, von der darüber stehenden 
dünnen Salzlösung getrennt werden. Es ist ein honiggelbes, dickes 
Oel, schwerer als Wasser und kaum löslich darin, schwer löslich in 
Aether, sehr leicht löslich in Alkohol und Aceton. Es besitzt nur 
schwach basische Eigenschaften, löst sich deshalb nur in etwas 
stärkerer Salzsäure und wird daraus so gut wie vollständig durch 
Alkalien gefällt, während die Flüssigkeit noch sauer bleibt. 

Die Reinigung wird beschleunigt und die Ausbeute an reinem 
Material wesentlich vergrölsert, wenn man die von den nicht basi- 
schen Stoffen befreite stark saure Lösung mit der 4—5 fachen Menge 
Wasser verdünnt, von den pechartig ausgeschiedenen Stoffen filtriert, 
mit Aether überschichtet und vorsichtig mit Natronlauge abstumpft, 
so lange nach dem Umschütteln lediglich pechartige Massen sich 
abscheiden. Die Flüssigkeit wird abgegossen, der Aether von der 
wässerigen Lösung getrennt, die letztere wiederum mit Aether über- 
schichtet und mit Natronlauge abgestumpft und dieses Verfahren 
wiederholt, bis die Flüssigkeit kaum noch sauer reagiert. Aus den 


A. Pinner: Ueber Nieotin. 589 


ätherischen Lösungen, welche das Benzoylmetanicotin in fast reinem 
Zustande zurücklassen, wird der Aether abdestilliert und wieder 
benutzt. Das Benzoylmetanicotin ist zwar, wie erwähnt, in Aether 
schwer löslich, da aber die pechartigen Verunreinigungen so gut wie 
unlöslich darin sind, wird dadurch eine vorzügliche Reinigung erzielt 

Das Benzoylmetanicotin ist auch im Vacuum nicht ohne Zer- 
setzung destillierbar. Es ist optisch inaktiv. 

Um ein gut krystallisierendes Salz daraus zu gewinnen, habe 
ich nicht wie Etard das Platinsalz gewählt, sondern das Pikrat, weil 
die Platinsalze für Nicotin und dessen nächste Derivate weniger 
charakteristisch sind als die Pikrate. 

Setzt man zur salzsauren Lösung des Benzoylinetanicotins eine 
kalte Pikrinsäurelösung, so fällt eiu gelbes, allmählich erstarrendes 
Oel nieder. Aus verdünntem Alkohol umkrystallisiert bildet das 
Benzoylmetanieotinpikrat CjoHısN2 . C7H;0 . C5H;3N30, zu Warzen ver- 
einigte, dünne flache Prismen, die bei 1230 schmelzen und kaum in 
kaltem, sehr schwer unter Schmelzung in heilsem Wasser, ziemlich 
leicht in Alkohol löslich sind. 

0,2032 g Subst. gaben 0,4098 & CO, und 0,0823 g H,O 
0,1529 g Subst. gaben 19,2 ccm N bei 19% C. und 757 mm Bar. 


Berechnet für C3H3,,N,05: Gefunden: 
0255418 55,00 Proz. 
el pi 4,52 = 
N = 1414 14,38 „ 


Verseifung des Benzoylmetanicotins. 


Zur Zerlegung der Benzoylverbindung wird dieselbe mit der 
4—5fachen Menge konzentrierter (25 proz.) Salzsäure in geschlossenem 
Rohr 12—24 Stunden lang auf 100° erhitzt. Das Reaktionsprodukt 
wird mit etwas Wasser verdünnt von der abgeschiedenen Benzo&- 
säure abgesaugt, verdampft und der dunkel gefärbte syrupöse Rück- 
stand mit Natronlauge alkalisch gemacht und mit Wasserdämpfen die 
treie Base übergetrieben. Da aber die Base nur äufßserst langsam 
übergeht (zum Uebertreiben von einigen Gramm muls man mehrere 
Tage destillieren), so kann man auch in folgender Weise verfahren. 
Man fügt einen groflsen Ueberschufs konzentrierter 
Natronlauge hinzu und schüttelt die Basc mit grofsen Mengen 
Aether aus. 


590 A. Pinner: DUeber Niecotin. 


Auch hier bewirkt der Aether gleichzeitig eine teilweise Reini- 
gung der Substanz, indem schwarze schmierige Produkte ungelöst 
bleiben. Der Zusatz eines grolsen Ueberschusses konzentrierter 
Natronlauge ist notwendig, weil die Base alsdann ölig sich abscheidet 
und leichter durch Aether aufgenommen werden kann. Sie ist nämlich 
äufserst leicht in Wasser, schwer in Aether, sehr schwer in konzen- 
trierter Natronlauge löslich, so dafs Aether einer wässerigen Lösung 
die Base kaum zu entziehen vermag. 


Die nach Verjagung des Aethers erhaltene Rohbase wird am 
besten erst im Vacuum, dann bei gewöhnlichem Luftdruck de- 
stilliert. 

Sie ist eine farblose ölige Flüssigkeit von schwachem, an Nieotin 
erinnernden, aber dock davon verschiedenen Geruch, siedet bei 2750 
(uncorr.), entwickelt beim Erhitzen stark zum Husten reizende Dämpfe, 
ist giftig, doch nicht so stark wie das Nicotin, bringt aber alle 
charakteristischen physiologischen Wirkungen des Nicotins hervor. 
Die physiologischen Eigenschaften der Base hat Herr Prof. Falek in 
Kiel auf meine Bitte durch Herrn Ringhardtz feststellen lassen 
(s. unten). 


0,1830 g Subst. gaben 0,4934 g CO, und 0,1532 g H,0. 
0,1770 g Subst. gaben 26,3 ccm N bei 170 C. und 766 mm. Bar. 


Berechnet für C,, Hy Na: Gefunden: 
C = 74,07 Proz. 173,33 Proz. 
H= 8,70 = 9,30 = 
N=.17.28, , rien 


Das Chlorhydrat, Ci Hı Na. 2HC1, wird durch Auflösen 
der Base in Salzsäure, Verdampfen der Lösung auf dem Wasserbad, 
Lösen des eingedampften und im Trockenraum allmählich erstarrten 
Rückstandes in wenig kaltem absolutem Alkohol und Fällen mit 
Aether dargestellt. Es ist eine weisse, hygroskopische, äusserst 
leicht in Wasser, leicht in Alkohol, nicht in Aether lösliche Krystall- 
masse. 

0,1740 g Subst. gaben 0,2114 g AgCl. 

Berechnet für 0,9, H44Ns.2H Cl: Gefunden: 

Cl = 30,21 30,06 Proz. 

Platindoppelsalz, CoHıuN:.H,PtCl;,. Setzt man zur 
wässrigen Lösung des Chlorhydrats Platinchlorid, so entsteht eine 
Trübung, welche beim Umrühren sich löst und nach kurzer Zeit 


A. Pinner: TDeber Nicotin. 591 


schöne, stark glänzende, dicke, flache, gelbrote Prismen aus- 
krystallisieren läfst. Das Salz ist wenig in Wasser löslich, be- 
ginnt oberhalb 2300 sich dunkler zu färben und zersetzt sich bei 


ca. 255° unter starkem Aufblähen und unter teilweiser Schmelzung. 
0,1722 g Subst. gaben 0,1332 &g CO, und 0,049 g H,0, 


200. „ 0,0686 g Pt, 
0,1529 g a „. 0,0921 e Et. 
Berechnet für CO, Hy Na - H, Pt Q];: Gefunden: 
C = 21,00 Proz. 21,09 Proz. 
280 316 „ 
Pi 34,210) 34,12 „ 34,07 Proz. 


Zum Vergleich wurde auch das Platindoppelsalz des Nicotins 
dargestellt und auf sein Verhalten in der Hitze untersucht. Selbst- 
verständlich befanden sich beide Platinsalze an demselben Thermo- 
meter. Das Platindoppelsalz des Nicotins bildet auch gelbe Prismen, 
aber von anderem Aussehen, es beginnt erst bei 2550 sich dunkler 
zu färben und bei 275° unter Zersetzung zu schmelzen. Seine Rein- 


heit wurde durch eine Platinbestimmung festgestellt. 
0,1252 g Subst. gaben 0,0426 g Pt. 
Berechnet für Co Hya Ns: H, Pt O];: Gefunden: 
Pt = 34,21 Proz. 34,03 Proz. 


Das Golddoppelsalz, CoHwuNs.2HAuC],, scheidet 
sich zunächst ölig, allmählich zu gelben kurzen, breiten, flachen Prismen 
erstarrend auf Zusatz von Goldchlorid zur wässrigen Lösung des Chlor- 
hydrats aus. Es ist schwer in Wasser löslich, leichter in heilsem Wasser 
und scheidet sich aus heilsem Wasser ebenfalls zunächst ölig ab. Es 
schmilzt glatt bei 1600 und zersetzt sich je nach schnellerem oder 
langsamerem Erhitzen bei 175—185. 

0,1295 g Subst. gaben 0.0602 g Au. 

Berechnet für O9 Ha Na -2 HAuQ]j;: Gefunden: 

Au=46,79 Proz. 46,38 Proz. 

Da das Golddoppelsalz des Niecotins noch nicht be- 
schrieben ist, so sei hier erwähnt, dafs dasselbe nicht ölig fällt, 
sondern einen hellgeiben, kaum krystallinischen Niederschlag dar- 
stellt, der in heilsem Wasser sich löst und daraus in kleinen un- 
ansehnlichen Warzen krystallisiert (nicht zuerst ölig sich abscheidet). 
Es färbt sich beim Erhitzen oberhalb 150° dunkler, wird allmählich 
ganz schwarz, und zersetzt sich oberhalb 180° unter teilweiser 
Schmelzung. 


593 A. Pinner: TDUeber Nicotin. 


0,1348 g Subst. gaben 0.0642 g Au. 
Berechnet für Co H4Na-2H AuQ];; Gefunden: 
46,79 Proz. 47,63 Proz. 

Metanicotinpikrat CjH4uN.s 2 C;H;3N,O;. Setzt man zur 
salzsauren Lösung des Metanicotins eine kalt gesättigte Pikrinsäure- 
lösung, so scheidet sich das Pikrat ölig aus. Allmählich erstarrt es 
zu grofsen Warzen, während zugleich aus der Mutterlauge lange, 
sehr dünne tadenförmige, in einander verschlungene Nadeln, die wie 
Alsenfäden aussehen, auskrystallisieren. In heilsem Wasser, noch 
mehr in heifsem Alkohol leicht löslich, zeigt es beim Erkalten 
namentlich der wässrigen Lösung dieselbe Erscheinung der erst 
öligen Abscheidung und nachherigen fadenförmigen Krystallisation. 
Es enthält 1 Mol. Wasser, welches es bei 80—80° verliert. Beim 
Erhitzen schmilzt das wasserhaltige Salz bei 114°, erstarrt allmählich, 
wenn man die Temperatur nicht schnell steigert, weil es Wasser 
verliert, und schmilzt dann erst bei 163%. Die eigentümliche 
Krystallform und das Verhalten beim Erhitzen sind sehr cha- 
rakteristisch für das Metanicotin. 

Das Salz wurde nach dem Trocknen im Exsiccator analysiert: 
g Subst. gaben 0,2942 g CO, und 0,067 g H,O 
g Subst. gaben 0,2383 & CO, und 0,0612 g H,O 
0,1815 g Subst. gaben 27,0 com N bei 170 C und 76+ mm Bar. 
0,1903 g Subst. gaben 28,2 ccm N bei 130 C und 764 mm Bar. 
0,5376 g Subst. verloren bei 90° 0,0156 g H,O. 


je) 
ar 
DD 
DD 
He 
je 


Berechnet für C;oH4sNs- 2C5H3N;0;. H30: Gefunden: 
C = 41,38 Proz. 41.70 Proz. 41,70 Proz. 
Er — WIR IR; 3 asier So 
= ES 17,36: 14,06:005; 
EI 2,90 


Das Metanicotin ist eine tertiär-sekundäre Base. Es vermag 
leicht ein Säureradikal aufzunehmen. So läßst es sich mit Leichtig- 
keit in de Benzoylverbindung überführen. 

Wird das Metanicotin in Natronlauge gelöst und Benzoylchlorid 
hinzugefügt, so scheidet sich beim tüchtigen Durchschütteln unter 
beträchtlicher Erwärmung das Benzoylmetanicotin, Cj9HısNa . C-H;0, 
als dickes Oel ab. Zur Reinigung wurde es von der Lauge getrennt, 
mit Salzsäure versetzt und mit Aether geschüttelt, um beigemengtes 
Benzoösäureanhydrid zu entfernen, alsdann die saure Flüssigkeit 


A. Pinner. Ueber Nieotin. 593 


alkalisch gemacht, das abgeschiedene Oel in vielem Aether, in 
welchem es schwer löslich ist, aufgenommen und nach Verjagung 
des Aethers in Salzsäure wieder gelöst und in das Pikrat überge- 
führt. Es ist identisch mit dem aus dem Nicotin bereiteten, oben 
beschriebenen Benzoylkörper. Denn das Pikrat zeigte alle Eigen- 
schaften, welche die oben beschriebene Verbiudunsr besitzt. Es fiel 
zunächst ölig, erstarrte sehr langsam zu den charakteristischen Warzen, 
schmolz bei 128°, verhielt sich genau wie jenes inbezug auf seine 
Löslichkeit in Wasser und Alkohol und lieferte bei der Analyse 
recht gut stimmende Zahlen. 
0,1770 g Substanz gaben 0,3615 g CO, und 0,0726 g H,O. 


0,1384 g R S 16,7 cem N bei 120 und 762 mm Bar. 
Berechnet für Co His N, 8 C, H,O e 07 HB, N; 07 3 Gefunden 7 
072-25554757Pr0Z 55.10, Proz 
1 2 eye ne 7 De AROO NER 
Nie ee 14.356..8, 


Die Entstehung der beschriebenen Benzoylverbindung auf dem 
hier angegebenen Wege ist ein vollgültiger Beweis nicht nur für die 
Imidnatur des Metanicotins gegenüber dem Nicotin, aus welchem bei 
gewöhnlicher Temperatur eine Benzoylverbindung in keiner Weise 
zu erhalten ist, sondern auch dafür, dals die bei 2000 aus Nicotin 
und Benzoylchlorid entstehende Verbindung nicht etwa Benzoyl- 
nicotin ist, welches bei der Zersetzung mit Salzsäure eine Ver- 
änderung erleidet, sondern Benzoylmetanieotin. 


Wie man aus allen diesen Thatsachen erkennen kann, unter- 
scheidet sich das Matanicotin vom Nicotin hauptsächlich dürch seinen 
weit höhern Siedepunkt, durch seine weit geringere Flüchtigkeit mit 
Wasserdämpfen und seine geringere Löslichkeit in Aether. Zumeist 
aber dadurch, dals es eine sekundäre Base ist, denn es lälst sich, 
im Gegensatz zum Nicotin, in alkalischen Flüssigkeiten mittels 
Benzoylchlorid äufserst leicht in die Benzoylverbindung überführen. 
Dann ist sein Pikrat sehr leicht von dem des Nicotins zu unter- 
scheiden. Dasselbe kann bequem zur Charaktcrisierung der Base 
benutzt werden. Auch das Golddoppelsalz ist recht verschieden von 
dem des Nicotins. Der besseren Uebersicht wegen mögen die 
charakteristischen Unterschiede zwischen Nicotin und Metanicotin in 
einer kleinen Tabelle zusammengestellt sein. 


A. Pinner: 


Ueber Nicotin. 


Niecotin 


Metanicotin 


1. Freie Base, | Bei 2450 siedendes Oel, in 


Bei 275-2780 siedendes Oel, 


CoHuNs. |reinem Wasser sehr leicht in reinem Wasser sehr leicht 
löslich, durch starke Lauge | löslich, durch starke Laugen 
aus wässriger Lösung ab- | aus wässriger Lösung ab- 
scheidbar, eigentümlich rie- | scheidbar, riecht schwächer 
chend, aus stark alkalischer | als Nicotin, aus stark alka- 
Flüssigkeit mit Aether leicht |lischer Flüssigkeit mit 
ausschüttelbar, mit Wasser- Aether sehr schwer aus- 
dämpfen ziemlich leicht |schüttelbar. mit Wasser- 
flüchtig, sehr stark links- | dämpfen sehr schwer flüch- 
drehend, liefert nach der tig, opisch inaktiv, lälst 
Schotten - Baumann’schen | sich nach der Methode von 
Methode keine Benzoylver- | Schotten - Baumann sehr 
bindung. | leicht benzoylieren. 

2. Chlor- |Zertlie[slicheKrystallmasse, | Zerflielsliche Krystallmasse, 

hydrat, die beim Eindampfen ihrer | die beim Abdampfen ihrer 
CH Na. Lösung unter Zerfall in die | Lösung sich nicht zu ver- 
2 HCl. | Komponenten sich zum Teil | Hüchtigen scheint. 
verflüchtigt. 

3. Platin- | Gelbe Prismen, die bei 2500 | Gelbrote Hache Prismen von 
doppelsalz, |sich dunkler zu färben be- | ganz anderem Habitus, fär- 

CoHıuNs - ginnen und bei ca. 2750| ben sich schon bei ca. 2350 
H, Pt C],. | unter Schmelzung sich zer- | dunkler und blähen sich bei 
setzen. ca. 2550 unter teilweiser 

Schmelzung stark auf. 

4. Gold- Kaum krystallinischer, hell- | Kurze dicke Prismen, tiefer 
doppelsalz, | geiber Niederschlag, beginnt | gelb gefärbt, schmilzt glatt 
10 Hı4 Na - bei ca. 165° sich dunkler zu | bei 1600 zu einer gelbroten 

2HAuCl], |färben und zersetzt sich | Flüssigkeit und zersetzt 

unter teilweiser Schmelzung | sich bei ca. 1850 unter Auf- 
bei ca. 1900. schäumen. 

5. Pikrat, |Gelbe, stark glänzende| Lange, fadenartig ge- 

CoHuN:. kurze Prismen, wasserfrei, krümmte Nadeln, enthält 
20,H;N,0,. [schmilzt glatt bei 2180.)1H,0, schmilzt wasser- 
Scheidet sich sofort auch | kaltigbei 1140, wasserfrei bei 


aus heilsen Lösungen kry- 
stallinisch ab. 


1630, scheidet sich aus heilser 
Lösung zunächst ölig ab. 


Methylmetanicotin-Jodmethylat, 
Co Hız Na. CH, .2 CH, J. 


Setzt man Jodmethyl zu Metanicotin, so findet eine üulserst 
heftige Reaktion statt. Dagegen erhält man leicht isolierbare Pro- 


dukte, wenn man das Metanicotin mit etwa dem dreifachen Gewicht 
Holzgeist verdünnt, Jodmethyl (wenigstens je drei Moleküle auf 
1 Mol. Metanicotin) hinzufügt und nach mehrtägigem Stehen die 


klare Flüssigkeit im Vacuum verdunsten läfst. 


Es krystallisiert das 


A. Pinner: Teber Nicotin. 595 


Jodmethylat und kann bequem aus absolutem Alkohol umkrystalli- 
siert werden. 

Man erhält dieselbe Verbindung, wenn man Metanicotin in me- 
thylalkoholischer Lösung mit Jodmethyl in geschlossenen Röhren 
24 Stunden lang auf 100° erhitzt. 

Das Jodmethylat bildet farblose Nadeln, die nicht hygroskopisch 
sind, sehr leicht in Wasser, ziemlich schwer in kaltem Alkohol, 
nicht in Aether sich lösen und bei 1890 schmelzen. Seine Zusammen- 
setzung ist (Co Hıs N: . CH,) . 2CH3J. 

0,1346 g Subst. gaben 0,1668 g CO, und 0,0756 g H,O 
0,236 g Subst. gaben 0,2422 g AgJ 
0.2038 g Subst. gaben 0,2076 g AgJ 


Berechnet für C,3 Has Na J5: Gefunden: 
C = 33,91 Proz. 33,80 Proz. 
RE 624, 
1 595,46 „ 55,05 Proz. 


Wie man sieht, entsteht sogleich das Jodid der quaternären 
Base: 


Der Nachweis, dafs im Metanicotin eine doppelte Bindung ent- 
halten ist, welche sich gänzlich verschieden von den Doppelbindungen 
im Pyridinkern des Nicotins verhält, wurde durch die Art der Ein- 
wirkung von Brom auf die Base erbracht. 

Einwirkung von Brom auf Metanicotin. 

Wie nämlich trüher gezeigt worden ist!), entsteht bei der 
Einwirkung von Brom auf Nicotin in eisessigsaurer Lösung bei ge- 
wöhnlicher Temperatur das Perbromid des Dibrom- 
cotinins, C,, Hj, Bra N;O . HBr. Br,, und in bromwasserstoffsaurer 
Lösung bei 100° das Bromhydratdes Dibromticonins, 
Co H; Bra N, O,.HBr. Beide Verbindungen entstehen nur langsam. 
Fügt man hingegen Brom zu eisessigsaurer Lösung des Metanicotins, 
so scheidet sich unter starker Erwärmung ein gelbrotes, langsam 
krystallisierendes Oel ab, desgleichen wenn man zu einer brom- 
wasserstoffsauren Lösung der Base Brom hinzufügt. Setzt man aber 
zu dem Reakiionsprodukt einen Krystallsplitter der bereits erstarrten 
Substanz hinzu, so findet augenblicklich unter Erwärmung Krystalli- 


1) Archiv a. a. O. S. 400. 


"596 A. Pinner: Ueber Nicotin. 


sation des Oe!s statt. Die Krystalle sind das Perbromid einer 
sauerstofffreien Base. 


Die Krystalle, gelbrote Nadeln, sind sehwer in Wasser lös- 
lich, schmelzen bei 1700 zu einer dunkelroten Flüssigkeit und 
gleichen in ihrem Verhalten dem Perbromid des Dibromeotinins. 
Sie haben die Zusammensetzung Co Hıı Bra N, 2HBr. Br. 


Da es bei der Analyse der durch Einwirkung von Brom aut 
Nicotin und dessen Derivate entstehenden gebromten Produkte zu- 
meist darauf ankommt, die Form, in welcher das Brom in der Sub- 
stanz vorhanden ist, mit Sicherheit festzustellen, ob es nämlich als 
HBr, oder als leicht zu HBr reduzierbares Br im Perbromid, oder 
endlich als integrierender Bestandteil der gebromten Base selbst ent- 
halten ist, habe ich, wie bereits in der ersten Mitteilung ausein- 
andergesetztist, mich dreier Methoden zurBestimmung desBroms bedient: 


1. Reduzieren mit schwefliger Säure von bekanntem Gehalt 
an SO,, um das als Perbromid vorhandene Brom zu bestimmen, 


2. Fällen der reduzierten Substanz mit Silbernitrat, um die 
Menge des als HBr und als Perbromid vorhandenen Broms zu ermitteln, 


3. Glühen der Substanz mit Kalk und Fällen der in Salpeter- 
säure aufgenommenen Masse mit Silbernitrat, um die Gesammtmenge 
des Broms zu bestimmen.*) 


*) Anmerkung. Wie notwendig eine derartige genauereBestimmung 
des Broms iu den t’rodukten der Einwirkung von Brom auf Nicotin 
und dessen Derivate ist, zeigte aufs Klarste eine vor Kurzem er- 
schienene Abhaudlung von Oliveri ın Gazzetta chimica 
XXV,59 u. f. „Su!la costruzione della nicotina“, in welcher unter 
andereu bereits von anderen Forschern ausgeführten Versuchen auch 
die Einwirkung von Brom auf Nicotin von Neuem studiert worden ist. 

Herr Oliveri hat das Brom abweichend von früheren For-<chern 
in der Weise auf Nicotin einwirken lassen, dals er Brom zu ge- 
trocknetem bromwasserstoffsauren Nicotin hinzufügte, um wie er 
glaubte, dadurch die Umwandlung des Nicotins in sauerstoffhaltiga 
Derivate (Dibromcotinin und Dibromticonin) zu umgehen. 

Gewogene Menge: Nicotin wurden iu das bromwasserstoffsaur® 
‚Salz verwandelt, das Salz getrocknet und dann entweder mit je 
2 Atomen Brom oder mir 4 atomen versetzt (auf l Teil Nicotin 1 oder 
2 T. Brom). Im ersten Fall soll ohne Gasentwicklung eine rotbraune 
Masse entstehen, welche nach 5 Tagen zu rotbraunen Nadeln kry- 
stallisiert war. Die Krystalle ergaben 65.78 Proz. Brom, folglich, so 
schlielst Herr Oliveri, waren sie Co H4: Ns. HBr.HBr; zusammen- 
gesetzt, denn diese Formei entspricht eiuer Substanz mit 66,1 Proz. 
Brom. Herr Oliveri glaubt aus einer einzigen Brombestimmung 
die Zusammensetzung dieser komplizierten und so schwer in reinem 


A. Pinner: Ueber Nicotin. 597 


1. 0,6070 g Substanz brauchten so viel schwetflige Säure zur 
Entfärbung, als 19,9 ccm 1/,, Normal-Jodlösung entspricht = 0,1592 g Br. 

2. 0,503 g Substauz wurden mittels SO, in Lösung gebracht und 
mit Silbernitrat gefällt. Erhalten 0,5954 g AgBr. 

3. 0,1314 g Substanz mit Kalk geglüht etc. gaben 0,2295 g AgBr 


Berechnet für C,, Hı4 Bra Na. 2 H Br. Brz: Gefunden: 
Br als Perbromid — 24,84 Proz. 26,23 Proz, 
Br als HBr + Perbrowid = 49,68 „, 50,37 
Br überhaupt —un 25 PR 14,422 „ 


Das bromwasserstoffsaure Metanicotinbromid selbst 
welches bei der Reduktion des Perbromics wit schwefliger Säure 
entsteht, die Zusammensetzung CH, BraNs.2HBr besitzt und 
im Gegensatz zum Dibromcotinin zweibasisch ist, ist wegen seiner 
Leichtlöslichkeit in analysierbarem Zustande nicht erhalten worden. 
Setzt man zu der Lösung des Salzes verdünnte Natronlauge, so 
scheidet sich ein mit Aether ausschüttelbares Oel ab, welches nicht 
destillierbar ist und sich schon beim Verdunsten des Aethers dunkel 
färbt. Um es zu analysieren, wurde es in das Pikrat übergeführt. 
Dabei stellte sich heraus, dafs durch die Natronlauge aus dem 
Dibromid ein Molekül HBr abgespalten wird und das Monobrom- 


Zustande zu gewinnenden Substanzeu erschlielseu zu können. Bei- 
läufig sei erwähnt. dals denselben Bromgehalt Cahoursund Eta: , 
aulserdem Laiblin gefunden haben, trotzdem, wie ich früher nach- 
gewiesen habe, die ersteren unreines Dibromeotininperbromid, der 
letztere ein Gemisch dieses Körpers mit bro. wasserstoffsaurem 
Dibromticonin in Händen gehabt haben. Aber noch mehr. Diese 
Krystalle werden in zwei Teile geteilr, der eine Teil mitAmmoniak 
zersetzt, mit Aether ausgezogen und der Auszug destilliert und als un- 
verändertes Nicotin erkannt. Der zweite Teil wird erst auf 700 er- 
hitzt, dann mit verdünnter Kalilauge zersetzt (warum nicht 
mit Ammoniak ?), dabei ein öliger Nie iierschlag erhalten, der mit Wasser 
gewaschen, ın Salzsäure gelöst und mit Pikrinsäure gefällt wurde. 
Diese Fällung ist eine rorbraune Masse, also amorph. bei 1030 
schmelzend, aus deren Brom- und Stickstoffbvestimmung Herr Oliveri 
die Zusammensetzung CHjsBr Ng.C,H,N,;0, erschliefst. Folglich 
würde nach Oliveri «urch das Erkitzen aut 70° zunächst dia Ver- 
bindung O5, Hj4 Bra Ng.2 H Br entstanden sein, welche durch Kalilauge 
Bromwasserstoff abspaltet und in O9 H,; BrN, übergeht. Es fällt so- 
fort aut, dafs dieses vermeintliche Bromnicotin nur mit einem Mol. 
Pikrinsäure verbunden ist, während das Nıcotin, das Metanicotin und 
das gebromte Metauicotin zweisäurige Basen sind. Aber aus der ein- 
maligen, nicht einmal vollständigen Analyse einer nicht reinen Sub- 
stanz (das Pıkrat war ja augeuscheinlich nicht rein) derartige Seulüsse 
zu ziehen, war mehr als gewagt. 

Bei einer Wiederholung dieser Versuche habe ich auch that- 
sächlich andere Resultate erhaitev. Wenn man 2 Atome Brom zu gut 


598 A. Pinner: Ueber Nicotin. 


metanicotin, Ca H;3 BrN,, sich bildet: Cj, Hıı Bra N—HBr = C,, 
H,3 BrN,. 

Das Pikrat C,H, BrN;,.20,H;,N; O, fällt als langsam er- 
starrender öliger Niederschlag, der aus heilsem Wasser, worin er 
ziemlich leicht löslich ist, bequem umkrystallisiert werden kann und 
dann gut ausgebildete, durchsichtige, bei 1900 unter Zersetzung 
schmelzende Prismen bildet. In Alkohol ist das Salz leicht löslich. 

0,1540 g Subst. gaben 0,2144 g CO, und 0,0456 g H,O. 

0,1320 g Subst. gaber 18,9 ccm N bei 200C. und 754 mm Bar. 

0,2070 g Subst. mit Kalk verbrannt gaben 0,0558 g Ag Br. 


Berechnet für Co Hı43 BrN3.20,H,N, O,: Gefunden; 
CH S717 Proe 37,97 Proz. 
ie NR 3,29 „ 
N, 16:02. 16 2300 
Br=114 „ 1147 MR 


Es war von hohem Interesse, zu untersuchen, ob dieses. 
Monobromprodukt ein Derivat des Nicotins oder Metanicotins 
sei, denn es konnte das Brom sowohl mit Wasserstoff aus dem 
NHCH, als auch aus dem benachbarten CH Br als Bromwasserstoff 
austreten: 


getrocknetem bromwasserstoffsauren Nicotin setzt, erhält man keine 
flüssige Masse, wie Herr Oliveri angiebt, sondern nur ein Teil des 
schnell gepulverten Salzes, welches bekanntlich äulserst hygroscopisch 
ist, bildet mit dem Brom eine dicke dunkelbraune halbflüssige Masse, 
während ein sehr erheblicher Teil fest bleibt und augenscheinlich an 
der Reaktion sich gar nicht beteiligt. Dieser Zustand ändert sich bei 
gewöhnlicher Temperatur nur wenig. Dagegen beobachtet man etwas 
Bromwasserstoffentwicklung, wenn das Reaktionsgefäls geöffnet wird. 
Die Bromwasserstoffentwicklung wird stärker, wenn das Gefäls in 
70 Grad heilses Wasser eingesetzt wird. Ich habe diese Temperatur 
etwa 12—15 Stunden erhalten. Nach dem Erkalten ist die Masse fast 
fest und besteht aus einer von amorpher dunkler Substanz durch- 
setzten Krystallmasse, welche uuter der Lupe meist farblose Nadeln 
(bromwasserstoffsaures Nicotin) erkennen läfst Setzt man Wasser zu 
dieser Substanz, so bleibt eine dickflüssige, dunkelbraune Masse un- 
gelöst. Diese liefert beim Schütteln mit 5 proz. Natronlauge oder etwa 
10 proz. Pottaschelösung ein kaum lösliches Harz, welches sehr viel 
Dibromcotinin enthält. und eine Flüssigkeit, die beim Ausäthern 
ein dunkles Oel liefert, das beim Stehen teilweise zu farblosen Nadeln 
erstarrt. Das Oel ist ein Gemisch von Nicotin und Dibromeotinin, 
CH Bra N;0. Mach meinen Erfahrungen verläuft also die Reaktion 
zwischen Brom und Nicotin unter diesen Umständen genau So, wie 
wenn eine wässrige oder eisessigsaure Lösung von Nicotin oder dessen 
Bromhydrat angewendet wird. Nur bleibt bei der zu geringen Menge 
von Brom der grölste Teil des Nicotins unverändert. Aber infolge 
der ungünstigen Bedingungen verharzt ein Teil der Substanz und er- 


A. Pinner; Ueber Nicotin. 599 


C;H,N.CHBr.CHBr 
CH, 


CH,. NH — CH, 
konnte geben entweder 


C,H,N.CH— CHEr C,„H,N.CH=(CBr 
a: oder CH; 
CH, . N—— CH, CH,. NH — CH, 


im ersten Falle mufste Bromnicotin, im zweiten Brommetanicotin 
entstehen, die Entscheidung war mit Sicherheit durch Entbromung 
mittels Zink und Salzsäure herbeizuführen, im ersten Falle mufste 
Nicotin, im zweiten Metanicotin entstehen. Das Experiment entschied 
für den zweiten Fall. Wird das Brommetanicotin in Salzsäure ge- 
löst und Zinkstaub eingetragen, schwach erwärmt und das Filtrat in 
das Pikrat übergeführt, so erhält man das so charakteristische 
Pikrat des Metanicotins, keine Spur von Nicotin. 

Endlich wurde noch versucht, ob vielleicht aus dem Meta- 
nicotindibromid C,, Hı, Bra N; durch Behandlung mit Zink und Salz- 
säure das Dihydrometanicotin C,, Hıs Na gewonnen werden könnte. 


schwert die Reinigung. Soweit aus meinen Versuchen Schlüsse zu 
ziehen erlaubt ist, ist es mehr als zweifelhaft, ob durch das Erhitzen 
auf 70 Grad die Bildung des Dibromeotinins erfolgt, vielmehr scheint 
zunächst ledigiich Nicotinperbromid zu entstehen und erst durch den 
Zusatz verdünnter Natronlauge zu dem Nicotinperbromid. also durch 
die Entstehung des unterbromigsauren Salzes, die Reaktion zwischen 
Brom und Nicotin zu erfolgen. Ich habe nämlich gefunden, dafs, 
weun man das Rohmaterial mit Wasser zunächst auslaugt, um un- 
verändertes bromwasserstoffsaures Nicotin zu entfernen, dann die 
braunschwarze, dickflüssige Masse, welche usgelöst bleibt, in 2 Teile 
teilt, den einen erst mit schwefliger Säure versetzt, um das Perbromid 
zu reduzieren, und darn alkalisch macht, den andereu dagegen direkt 
mit ver‘ünnter Natronlauge alkalisch macht, man im ersten Teil ledig- 
lich Nicotin erhält, im zweiten Teil dagegen neben Nicotin das 
Dibromeotirin. Aber auch wenn man Nicotinbromhydrat, trocken oder 
in Lösung, mit Brom versetzt einige Zeit stehen lälst ohne zu er- 
hitzen, erhält man dieselben Resultate. Das würde auch im Einklang 
sich befinden mit den von mir früher beobachteten Erscheinungen, 
welche bei der Einwirkung von Brom auf Nicotin stattfinden. Zur 
Konstatierung der Produkte habe ich auch die pikrinsauren Salze an- 
gewendet, habe aber nicht aus Alkohol, sondern aus Wasser oder 
ganz verdünntem Spiritus wiederholt umkrystallisiert und dadurch die 
Verharzungsprodukte entfernt. Die bei verschiedenen Versuchen 
gewonnenen Pikrate schmolzen bei 178—180 Grad und besalsen aulser 
dem Schmelzpunkt die Krystallform, die Löslichkeit und endlich die 
Zusammensetzung des Dibromcotininpikrats. 


Arch. d. Pharm. CCXXXIIL Bds. 8. Heft. 39 


600 A. Pinner: TDUeber Nicotin. 


Es wurde deshalb das durch schweflige Säure reduzierte Perbromid 
direkt mit Zink und Salzsäure längere Zeit bei gewöhnlicher Tem- 
peratur in Berührung gelassen, hierbei aber ebentalls ausschliefslich 
Metanicotin erhalten, wie durch das Pikrat und das Goldsalz fest- 
gestellt werden konnte. 

Zersetzung des Metanicotins. Bei der Darstellung 
einer etwas grölseren Menge Metanicotin, wobei in der Weise ver- 
fahren wurde, dafs Benzoylmetanicotin mit starker Salzsäure bei 
100% zersetzt, die von der abgeschiedenen Benzo&@säure abfiltrierte 
Lösung verdampft und der Rückstand zur Sicherheit, dafs sämtliche 
Benzoylverbindung zerlegt sei, einige Zeit mit Natronlauge gekocht 
und mit Aether ausgeschüttelt wurde, konnte die Beobachtung ge- 
macht werden, dals das nach dem Verjagen des Aethers verbleibende 
Oel nur zum gröfseren Teil bei 2750 destillierte und einen nicht 
ohne völlige Zersetzung bei weit höherer Temperatur destillierenden 
Rückstand lies. Auch als ein anderer Teil zuerst im Vakuum 


1. 0,0993 g Subst. gaben 11,0 ccm N bei 220 ©. und 761.3 mm Bar. 
0,1405 g Subst. gaben 0,0958 g Ag Br. 

2. Von einer andern Darstellung gaben 
0,1493 g Subst. 16,7 ccmN bei ?2° C. und 752 mm Bar. 
0,1946 g Subst. — 0,1335 g Ag Br. 
0,1169 g Subst. — 0,0788 & Ag Br. 


Berechnet für C,, Hıo Bra N>0. C,H, N; 0,: Gefunden: 
N = 12,43 Proz. 12,56 Proz. 12,53 Proz. 
Br = 2842 29,01 „  .29,19—28,68 Proz. 


Dann hat Herr Oliveri trockenes Nicotinbromhydrat mit 
4 Atomen Brom versetzt und die halbflüssige dunkelrotbraune Masse 
nach l4tägigem Stehen mit Schwefelkohlenstoff gewaschen und eine 
Brombestimmung ausgeführt Aus dieser Brombestimmung der halb- 
tlüssigen schmierigen Masse berechnet Herr Oliveri eine Formel 
CoHıNsBr,. HBr.HBır,, obwohl eine solche Verbindung etwa 
1,4 Proz. Brom mehr enthältals er gefunden. Woraus Herr Oliveri 
schlielst, dals ein einheitliches Produkt vorliegt und dals die 6 Atome 
Brom in der Verteilung sich befinden. wie durch die Formel ange- 
deutet ist, wird nicht mitgeteilt. Diese Masse zersetzt Herr Oliveri 
mit alkoholischer Kalilauge, also wieder in anderer Weise als vorher, 
ohne Begründung, warum die Abänderung der Versuche erfolgt, und 
findet, dafs ein grolser Teil verharzt, und nur von einem sehr kleinen 
Teil bereitet er ein Platinsalz, bestimmt den Platingehalt und glaubt 
nun, er hätte das Platinsalz des Dibromticonins in Händen. So viel 
aus der kurzen Beschreibung zu ersehen ist, scheint es das Platinsalz 
des Dibromeotinins gewesen zu sein, womit die einzige mitgeteilte 
Platinbestimmung auch vorzüglich übereinstimmt. 

Es braucht kaum erwähntzu werden, dals die vonOliveri ge- 
wählten Bedingungen für die Gewinnung chemisch reiner Produkte so 
ungünstig wie möglich sind. 


u I u. 


A. Pinner: DUeber Nicotin. 601 


destilliert wurde, hinterblieb ein solcher Rückstand, der zwar in 
Salzsäure, nicht aber in Wasser leicht löslich war. Es wurde ver- 
sucht, diesen Rückstand mit Quecksilberchlorid zu reinigen, wodurch 
zwar die färbenden Beimengungen entfernt, aber keine einheitliche 
Substanz gewonnen werden konnte. Bei der Analyse mehrerer 
solcher Rückstände wurde mehr Kohlenstoff und weniger Stickstoff 
und Wasserstoff gefunden, als Metanicotin enthält. 

1. 0,1470 g Substanz gaben 18,0 ccm N bei 220 C und 764 mm Bar. 


0,1620 g > „ 0,4502 g CO, und 0,119 g H,O. 
2. 0,1250 g S A 14,0 cem N bei 210 C und 758 mm Bar 
Berechnet für O,, Hıs Na: Gefunden: 
T. 2. 
Ns 1.17.:28° Proz; 13,95 Proz. 12,72 Proz. 
U Ze N40T, 193138, ©; 
Eure: 816, = 


Aber zugleich wurde beobachtet, dafs das zuerst übergehende 
Metanicotin ammoniakalisch roch, während reines Metanicotin ohne 
jede Zersetzung destilliert. Es wurde deshalb mit Erfolg versucht, 
das Metanicotin durch Erhitzen mit Basen zu zersetzen, und zwar 
wurde auch hier heils gesättigtes Barytwasser genommen und 10 bis 
12 Stunden mit dem Alkaloid auf 1700 erhitzt. Dabei scheidet sich 
ein gelbes dickes Oel ab, während die Flüssigkeit deutlich den Ge- 
ruch nach flüchtigen Aminbasen annimmt. Man destilliert den Röhren- 
inhalt, um die Aminbasen zu entfernen und fängt das Destillat in 
Salzsäure auf. 

Beim Abdampfen der salzsauren Lösung des Destillats hinter- 
bleibt ein in Alkohol leicht lösliches Salz, welches durch sein 
charakteristisches, bei ca. 2200 schmelzendes Platinsalz mit Sicher- 
heit als Methylaminsalz erkannt werden konnte. Der Destillations- 
rückstand wird ausgeäthert, die ätherische Lösung zur Entfernung 
von unverändertem Metanicotin mehrere Male mit stark verdünnter 
Essigsäure ausgeschüttelt und nach dem Trocknen verdampft. Es 
hinterbleibt eine durchsichtige, gelb gefärbte, beim Erwärmen leicht 
flüssig werdende Masse, welche wenig in Wasser sich löst, auch in 
stark verdürnter Essigsäure schwer, leicht in Salzsäure löslich 
ist. Die Substanz wurde direkt analysiert und gab Zahlen, 
aus denen sich die Formel C, H, N berechnen läfst, aber sie 
scheint etwas fest gebundenes Wasser (ca. 2 Proz.), vielleicht als 

39* 


602 A. Pinner: Ueber Nicotin. 


C, H,, NO, zu enthalten. Dagegen gab das Pikrat gut stimmende 
Zahlen. 
1. 0,1430 g Subst. gaben 13,3 ccm. N bei 240 C. und 760 mm Bar. 
0,1340 g Subst. gaben 0,3954 g CO, und 0,0890 g H,O. 
Substanz anderer Darstellung. 
2. 0,1660 g Subst. gaben 15,1 ccm N bei 22° C. und 757 mm Bar. 
0,1364 g Subst. gaben 0,4010 g CO, und 0,090 & H,O. 


Berechnet für CyH,N: Gefunden: 
1. 2. 
N = 10,68 Proz. 10,43 Proz 10,26 Proz. 
BT —US2MaN 80,47 „, 80,17 
ug 1381... 1,3% 


Die Substanz war vor der Analyse bei ca. 90% getrocknet worden 
Wenn die Verbindung ca. 20 Proz. CgH,,NO enthielte, würde sie 
80,2 Proz. C, 7,0 Proz. H. und 10,4 Proz. N verlangen. 

Das Pikrat, C,H,N. C,H3N;0,, erhält man, wenn man zu der 
warmen Lösung der Base in sehr verdünnter Salzsäure eine warme 
Pikrinsäurelösung setzt und sogleich von dem ausgeschiedenen Harz 
filtriert. Aus dem Filtrat scheiden sich allmählich kleine gelbe Warzen 
aus, welche kaum in kaltem, ziemlich leicht in heifsem Wasser und 
in Spiritus sich lösen und glatt bei 1510 schmelzen. 


0,1202 g Subst. gaben 16,6 ccm N bei 270 C. und 763 mm Bar. 
0,2178 g Subst. gaben 0.4018 g CO, und 0,00738 g H,O. 


Berechnet für C,H,N . C5H3N 30; : Gefunden: 
N = 15,55 Proz. 15,30 Proz. 
C 30:00: ; 50,3115'% 
150 1 2} 5 ep 3u0n1% 


Wie man aus dem Verhalten der Base gegen Essigsäure er- 
sieht, besitzt die Verbindung C;H;N nur schwach basische Eigen- 
schaften. Ihre physikalische Beschaffenheit zwingt zu der An- 
nahme, dafs ihr Molekül ein mehrfaches von C3H;N, vielleicht CjsH,sNa 
u. 8. w. ist. 


Durch die Einwirkung von Alkalien zerfällt also das Metanicotin 
leicht in Methylamin und ein dem Styrol entsprechendes Pyridinderivat, 
welches unter den Bedingungen seiner Bildung sich polymerisiert und 
deshalb dem Distyrol vergleichbar ist. Unter gleichen Bedingungen 
ist Nieotin von Basen vollständig unangreifbar, wie Vergleichsver- 
suche mit Nicotin und Metanicotin ergeben haben. Es muls dem- 


A. P inner: Ueber Nicotin. 603 


nach im Metanicotin die ebenso wie im Nicotin vorhandene CH,- 
Gruppe gleichsam exponierter sich befinden, als in der isomeren 
Base. Das ist auch leicht verständlich, wenn das Metanicotin als 
C,H,N.CH=CH-CH,—CH,. NHCH, aufgefafst wird. Durch 
die Wirkung der Alkalien würde, ebenso wie bei den ungesättigten 
Fettsäuren mit Sicherheit nachgewiesen ist, die doppelte Bindung 
bis zum letzten Kohlenstoffatom vorrücken und nun kann leicht durch 
Abspaltung von Methylamin ringförmige Bindung eintreten, so dals 
dem polymeren C,H, N die Konstitution 


C,H,N.CH,.CH—CH=CH 
| | zuzuschreiben wäre. 
C,;,H,N.CH,.CH— CH-CH 


Im Anschlufs an die Besprechung der chemischen Umwand 
lungen des Metanicotins seierwähnt, dafs Herr Brühl das Brechungs- 
vermögen des Metanicotins neben dem des Nicotins zu untersuchen 
die Güte hatte und über das Ergebnis seiner Untersuchung Folgen- 
des mitteilt: 


Nicotir: 
1. Präparat eigener Sammlung: 
— Ma DMixa My— Vie 
159,7 48,65 48,97 1,87 
2. Präparat von Pinner: 
160,3 49.02 49,36 1,88 
CH 
N HC CH» 
berechnet für | ah z 
Bea N CH, 
N CH, 
— 48,77 49,24 1,83 


Die Uebereinstimmung aller Konstanten ist eine so gute, dals 
die obige Strukturformel als optisch durchaus bestätigt gelten kann. 


Metanicotin. 


P 
ade Ma Mxa M,Nie 
161,8 51,45 51,92 2,13 


Die Konstanten sind also viel grölser als die enigen des Nicotins; 
während für die eventuelle, früher dem Nicotin selbst zugeschriebene 
Struktur 


604 A. Pinner: Ueber Nicotin. 
CH CH(C,H,) 
HC L N ev N CH» 
| | annähernd dieselben Konstanten zu erwarten wären, 
HC er CH, 
Y NER 


wie für die obige Konstitutionsformel des Nicotins. Keine derselben 
entspricht also dem spektrometrischen Verhalten des Metanicotins. 
Für die wahrscheinlichste Struktur dieses Körpers 


/N.CH:CH.CH,.CH,.NH.CH, 


we) 
INKL 
N 
lassen sich die optischen Konstanten gegenwärtig nicht genau, sondern 
nur näherungsweis berechnen ; sie müssen nämlich, wegen der Nach- 
barschaft einer Aethylengruppe und des Pyridinkerns, etwas grölser 
sein als die Werte: 
Ma Mina M,— Ma 
50,29 50,60 2,01 
welche einem Körper von der Struktur 


Ver sun en 


ee 

N 
zukommen würden. In der That sind die gefundenen Konstanten des 
Metanicotins etwas grölser und damit ist die Pinner sche Struktur- 
formel optisch bestätigt. 

Die Gegenwart eines Doppelringes im Nicotin, und eines ein- 
fachen mit Aethylenbindung in der Seitenkette beim Metanicotin, wird 
auch durch das Molekularvolumen = angezeigt. Denn da erfahrungsge- 
mä/s das Molekularvolum durch Ringschliefsung infolge von Wasser- 
stoffabspaltung mehr abnimmt als bei stawtfindender Aethylenbindung 
so muls das Molekularvolum des Nicotins kleiner sein als dasjenige 
des Metanicotins, wenu die resp. Strukturformeln von Pinner zu- 
treffen. Thatsächlich ist auch das Molecularvolum des Nicotins das 
Kleinere. 

Somit finden jene Formeln durch das gesamte physikalische Ver- 
haiten eine Bestätigung. Insbesondere ist aber die Gegenwart einer 
Aethylenbindung in der Seitenkette des Metanicotins als vollkommen 
sichergestellt zu bezeichnen, 

Schlie(slich seien noch die Resultate erwähnt, welche Dr. 
Ringhardtz bei seinen auf Veranlassung des Herrn Prof. Falck 
an Tieren ausgeführten Versuchen mit Metanicotin gewonnen hat. 


Die Wirkung des Metanicotins ist an Fröschen, an Hunden und an 


A. Pinner: DUÜeber Nicotin. 605 


Tauben studiert worden. Herr Ringhardtz falst die Ergebnisse 
seiner Versuche in folgenden Sätzen zusammen : 

1. Wirkung auf Frösche: 

„Kleinste Mengen des Giftes wirken in der Weise auf das Tier 
ein, dals es nur schwer zum Sprunge veranlalst werden kann. Etwas 
grölsere Gaben lassen die Zeichen der Schwäche schon deutlicher 
hervortreten, bewirken aber fast gleichzeitig in der Haltung der Tiere 
eine auffallende Aenderuug: Die Tiere sitzen meist mit stark nach 
oben gerichtetem Kopfe unbeweglich da; sieht man genau zu, so be- 
merkt man, dals die Hinterbeine fast ruckweise stärker und stärker 
an den Körper derart herangezogen werden, dals die Enden der Unter- 
schenkel sich in der Mittellinie des Rückens mehr und mehr nähern 
und über einander geschlagen werden. Die Arme sind über der Brust 
gekreuzt. Werden in diesem Stadium die Beine von dem Körper ab- 
gezogen, was nicht sehr leicht ausführbar, so werden sie sofort wieder 
nach dem Nachlafls der Kraft in die vorhergehende Stellung zurück- 
gebracht. Nach einiger Zeit bleiben aber die Beine von dem Körper 
ab liegen und werden erst später herangezogen; doch auch dies ge- 
schieht nicht immer. Die Tiere liegen schlaff da. Auf den Rücken 
gelegt, bemerkt man, dals die Arme längere Zeit, in jede beliebige 
Stellung gebracht, steif in dieser verharren. 

Ist die Gabe grols genug gewesen, dann treten an dem sonst lang 
gestreckt liegenden Tiere jetzt krampfige Bewegungen hervor, Streck- 
ungen, die mehriach dem Öpisthotonus entsprachen, auch wie der 
Strychnintetanus wiederholt spoutan, resp. nach Reizen hervortraten. 
Dann aber macht die krampfige Erscheinung der Lähmung Platz: 
Die Tiere liegen völlig regungs- und reaktionslos da. Der Herz- 
schlag ist zunächst noch durch die Brustwand wahrnehmbar, später 
ergiebt die Oefinung der Brust starke Verlangsamung und schlielslich 
Stillstand, meist in stark kontrahiertem Zustande, während die Nerven 
und auch die Muskeln direkt gereizt sich noch erregbar erwiesen. 

Vergleicht man das vorstehend Mitgeteilte mit den zahlreichen 
Angaben, die in der Litteratur über die Nicotinwirkuug gemacht wor- 
den sind, dann kommt man mehr und mehr zu der Ueberzeugung, dals 
die Wirkung des Metanicotins mit der Wirkung seiner Muttersubstanz 
qualitativ übereinstimmt. Ganz besonders tritt dieses gleiche Verhalten 
hervor bezüglich der typischen Körperhaltung des nicotinisierten 
Frosches, wie sie schon 1848 von Falck geschildert worden ist, sowie 
der Katalepsie der Vorderarme, auf die zuerst vonAnrep 1879 beson- 
ders aufmerksam gemacht hat. Auch die erwähnten Krämpfe und 
tlimmernden Zuckungen in der Beinmuskulatur sind mehrfach bei 
Nicotin vergifteten Fröschen beobachtet worden. 

Wie oben bereits erwähnt, trat bei der grolsen Zahl der Frösche 
von einer bestimmten Gabe an ein tetanusähnlicher Krampf auf, teta- 


606 A. Pinner: TUeber Niecotin. 


nische Streckungen der Hinterbeine, die gro/se Aehnlichkeit mit der 
entsprechenden Wirkung des Strychnins hatten.“ 


„Vergleicht man das, was wir an den Säugetieren feststellen 
konnten, mit den in der Litteratur niedergelegten Angaben über die 
Wirkung des Nicotin, dan kommt man zu der Ueberzeugung, dafs 
beide Gifte im grofsen und ganzen in der gleichen Weise einwirken ; 
die Hypersekretionen, die klorischen Krämpfe, die mit tonischen 
wechseln, die beobachtete Myose, all das wurde auch oft genug 
während des Verlaufes der Nicotinwirkung beobachtet.“ 


Wirkung auf Tauben: 


„Kleinste, eben noch wirksame Gaben des Giftes brachten bald 
nach der Applikation eine ziemlich erhebliche Beschleunigung der 
tmungszahl, sowie Zeichen der Schwäche (schlaffes Herabhängen des 
Kopfes, unsicheres Stehen, Einnahme der sitzenden Stellung). — Eine 
geringe Steigerung der Gabe füste dann zu diesen Erscheinungen den 
typischen Brechanfall hinzu, der bei verschiedenen Versuchen vielfach 
sogar beobachtet werden konnte. Inzwischen hat die Wirkung des 
Metanicotin auch noch derart eine Steigerung erlitten. dafs die Tiere 
zeitweilig auf Hals und Kopf gelagert und unfähig waren, zu dem 
Brechakt sich aufzurichten. Erst eine erhebliche Vergrölserung der 
Giftmenge fügte krampfige Affektionen dem Symptomenkomplex zu. 
Die krampfigen Bewegungen wurden ganz besonders stark an dem 
Hinterteil des Körpers, an den Beinen wahrgenommen, die krampfig 
steif nach hinten gestreckt, somit dem Willen des Tieres entzogen 
waren, während die Brust- und Flügelmuskulatur noch regelrecht zum 
Fluge gebraucht werden konnte. 


Mit Benutzung der Tötungsgabe traten zu diesem sogenannten 
Beinkrampf noch andere krampfige Bewegungen des Körpers hinzu, 
bauptsächlich gegen Ende der Vergiftung ; meist konnte nachgewiesen 
werden, dafs die krampfigen Bewegungen, Flügelschlagen, Zuckungen 
des Schwanzes, gleichzeitig erfolgten mit den sehr verlangsamten und 
erschwerten Inspirationen. — Dem Tode girg meist ein etwas stärkerer 
Krampf kurz vorher. Auffallend war der ungemein rasche Eintritt de 
Totenstarre. 

Vergleichen wir das hier Mitgeteilte mit dem, was uns über die 
Einwirkung des Nicotin auf die Taube von anderen Experimentatoren 
angegeben wird, so finden wir, dals beide Gifte in gleichem Mafse 
durch kleinste Gaben nur Atembeschleunigung hervorrufen, dafs dann 
zu den Zeichen der Schwäche, sowie zu dem Erbrechen der Beinkrampf 
sich hinzugesellt und dafs schliefslich dem Leben des Tieres durch 
Stillstaud der Atmung ein Ende gesetzt wird.* 

In Bezug auf die Intensität der Wirkung äufsert sich Herr 


Ringshardtz: 


A. Pinuner: Ueber Nicotin. 607 


„Bei der früher mitgeteilten Versuchsweisse wurde ge- 
funden, dals 4,58 mg Nicotin genügen, um für 1000 g Körper- 
gewicht der Taube subceutan beizebracht, das Tier in ca. 12 bis 
131/, Minuten zu töten. Wir fanden jetzt, dafs man von dem 
Metanicotin entsprechend 37,4705 mg beibringen mul[s, und dafs 
alsdann der Tod in 20 Min. später erfolgte. Beide Werte in 
Vergleich gestellt ergeben, dafs das Nicotin 8,185 mal so 
stark wirkt,alsdas Metanicotin. 

Das Ergebnis aller Versuche ist, dafs das Metanicotin 
qualitativ genau so wirkt, wie seine Mutter- 
substanz,da[sesaber quantitativ ganz erheblich 


hinterder Wirkung des Nieotins zurücksteht“ 


Vom chemischen Standpunkt aus würde also der Schlufs er- 
laubt sein, dafs durch die Oeffnung des Pyrrolidinringes im Nicotin 
zwar die charakteristische physiologische Wirkung des Alkaloids noch 
erhalten bleibt, aber doch erheblich abgeschwächt wird. 


Zersetzung des Oxynicotins. 


Zur Zersetzung des Oxynicotins mittels Barythydrats erhitzt 
man dasselbe mit aus zwei Teilen Hydrat bereitetem heils gesättigtem 
Barytwasser S—10 Stunden auf 140°, destilliert alsdann das Re- 
aktionsprodukt mit Wasserdampf, so lange noch das Destillat basisch 
reagiert, und fällt aus der zurückbleibenden dunkelbraunen Flüssig- 
keit das Barium mit Kohlensäure aus. Das Filtrat wird zum Trocknen 
verdampft, der schwarze schmierige Rückstand in möglichst wenig 
absolutem Alkohol gelöst, wobei in geringer Menge ein organisches 
Bariumsalz zurückbleibt, und die Lösung mit etwa der achtfachen 
Menge Aether versetzt. Dadurch werden die schmierigen Verunreini- 
gungen zum grölsten Teil gefällt. Die ätherische Lösung hinterläfst 
einen etwas gelb gefärbten geruchlosen Syrup, welcher direct analysiert 
wurde. Er gab Zahlen, aus welchen sich die Zusammensetzung 
Co Hıs Na O; berechnen liefs: 

0,1448 g Subst. gaben 0,3028 g CO, und 0,1060 g H,O. 


or „ „ 12,3 ccm N bei 170 C. und 762 mm Bar. 
Berechnet für O,, His Na O3: Ä Gefunden: 
C = 56,08 Proz. 57,03 Proz. 
Tepe Pr 8.1972 


N—=1308 8 12,717 4, 


608 A. Piuner: Ueber Nicotin. 


Die Substanz konnte sowohl C,,Hıs N 02 + Hz 0 als auch 
CoHuN0O+ 2 H, O zusammengesetzt sein. Dafs jedoch that- 
sächlich das Erstere der Fall ist, beweist die Geruchlosigkeit des 
Syrups, die Leichtlöslichkeit des Pikrats und die vollständig neu- 
trale Reaktion derselben. Erhitzt man aber die Substanz im 
Vacuum, so tritt bei ca. 1650 (unter 50 mm Druck) Zersetzung 
ein, die Masse schäumt stark auf und anscheinend unter Selbsterhitzung 
geht bei 180—200% ein nach Pyridinbasen intensiv riechendes 
Oel über, welches in Wasser leicht löslich ist und stark basisch reagiert. 

Dieses Oel konnte nun auch bei gewöhnlichem Luftdruck ohne 
Zersetzung destilliert werden und sott bei ca. 253%. Da die Menge zur 
Reinigung mittels fraktionierter Destillation zu gering war, wurde zu- 
nächst das destillierte Oel direct analysiert und folgende Zahlen erhalten: 

0,145 g Subst. gaben 21,6 ccm N bei 21.600. und 760 mm Bar. 


01372 8. % „..21,5 cem N bei 200 C. und 764 mm Bar. 
DLTIE En, »„ 27.7 ccm N bei 190 CO. und 752 mm "Bar. 
022608 „ „ 0,586 g CO, und 0,1772 g H,O. 

0,1830 „ »„ 04722 g CO, und 0, 1446 8 H,O. 

0.2426 g 0,631 g CO, und 0,1876 g en 


Bei einer en Darstelluag wurden im destillierten Rohöl 
folgende Mengenverhältnisse der Bestandteile gefunden: 


0,1412 g Subst. gaben 21,0 cem N bei 240 C. und 756 mm Bar. 
IS Fu „ 0,3440 g CO, und 0.0796 g H,O. 


Daraus berechnen sich die Prozentzahlen: 


C = 70,71 Proz. 70,38 Proz. 70,93 Proz. 71,07 Proz. 
He 12870, 8:07.77, 8.58.1005 6.20.1053 
N ne 13:02 .% 17510: ,-05 16.60 28 


Aus diesen Analysen lie[s sich schlielsen, dafs das Substanzen- 
gemisch zwar sauerstoffhaltig war, jedoch das Atomverhältnis C:H: 
N=5:7:1, d.h. dasselbe wie im Nicotin selbst war. Da eine 
Trennung des Gemisches durch teilweise Neutralisation mit Salz- 
säure und Ausziehen des frei gebliebenen basischen Anteils mit 
Aether zu keinem brauchbaren Resultat führte, wurde eine Trennung 
der Pikrate mit Erfolg durchgeführt. Im Gegensatz nämlich zu 
dem nicht destillierten Oel, welches auf Zusatz von Pikrinsäure 
völlig klar bleibt, giebt das destillierte Oel mit der Säure einen 
starken Niederschlag, der durch heilses Wasser sehr leicht in zwei 
verschiedene Verbindungen zerlegt werden konnte. In heilsem 
Wasser ist nämlich das Pikrat der einen recht leicht, das der anderen 
recht schwer löslich. Es wurde deshalb das Basengemenge in sehr 


A. Pinner: Teber Nicotin. 609 


verdünnter Essigsäure gelöst und zur heilsen Lösung in einzelnen 
Anteilen Pikrinsäure hinzugefügt, sofort filtriert, bis auf weiteren 
Zusatz der Säure keine Fällung eintrat. Das letzte Filtrat lieferte 
beim Erkalten gelbe Warzen, welche sich sofort als verschieden von 
den schönen Prismen, in welchen das andere Pikrat krystallisierte, 
zu erkennen gaben. Es wurden sowohl die verschiedenen Fällungen 
als auch die letzte Krystallisation wiederholt umkrystallisiert und 
sehr bald konstante Schmelzpunkte erreicht, die durch weiteres Um- 
krystallisieren nicht mehr verändert wurden. 

Das schwer lösliche Pikrat zeigte sich durch seinen Schmelz- 
punkt (2180), durch sein Aussehen und sein ganzes Verhalten iden- 
tisch mit Nicotinpikrat. 

Das leichter lösliche Pikrat ist ziemlich schwer in kaltem, 
ziemlich leicht in heilsem Wasser löslich, bildet kleine charakteristische 
Wärzchen und schmilzt bei 184°, 

Präparate zweier verschiedener Darstellungen gaben Zahlen, 
welche nur auf ein Pikrat der Zusainmensetzung 0), H14Na30.2C,H; N30, 
gedeutet werden können. 


1. 0,1544 g Substanz gaben 0,2366 g CO, und 0,0582 g H,O 
2. 0,2354 g Bi „0,3584 g CO, und 0,0786 g H,O 
3. 0,1620 £ R » 0,2480 g CO, und 0,0510 g ER 
4. 0,1604 g 5 5 24,4 ccm N bei 190°C. und 760 mm Bar. 
5. 0,1563. 8 E % 23,3 ccm N bei 180 C. und 760 mm Bar. 
6. 0,1480 g x 22,4 ccm N bei 170 ©. und 771 mu Bar. 
Berechnet für 0, Hy NO. C,H;,N3;0;: Gefunden: 
027 7.41.90 Proz 41,755 41,79 41,52 Proz. 
ir DR as] AU: 4,18 3,71 3 iur e 
Non ÜiBLinr 17,49: 17, 53915 NAB2 un 


Diese Verbindung ist die dritte Isomere, welche direkt oder 
indirekt aus dem Nicotin bisher erhalten worden ist. Sie ist mit 
Sicherheit, wie unten in der Tabelle angegeben, von dem Oxynicotin 
und Pseudonicotinoxyd zu unterscheiden. 

Das bei der Einwirkung von Baryt aut Oxynicotin entstehende 
Nieotin wird, wie oben erwähnt, aus der alkalischen Lösung durch 
Wasserdampf abgetrieben. Säuert man das Destillat mit Salzsäure 
an und verdampft völlig zur Trockne, so zerflieist beim Stehen an 
der Luft das Nicotinsalz in kurzer Zeit. Hierbei kann man mit 
Leichtigkeit beobachten, dals ein Teil des Salzes, schöne, lange, 
farblose Nadeln, nicht zerfliefsen, wenn man nicht zu lange stehen 
läfst. Dieser Teil ist das Chlorhydrat des Pseudonicotin- 


610 A. Pinner: DUeber Nicotin, 


oxyds. Er wurde von dem zerflossenen Nicotinchlorhydrat scharf 
abgesaugt und abgeprefst und aus absolutem Alkohol umkrystallisiert. 
Nun zeigte das Salz den früher angegebenen Schmelzpunkt des 
Chlorhydrats dieser Base (192%, ebenso schmolz das daraus darge- 
stellte Quecksilbersalz bei 212°, endlich wurde noch der Chlorgehalt 
des Salzes bestimmt. 


0,1056 g Substanz gaben 0,1212 g AgCl. 

Berechnet für C,0H44N50. 2HC1: Gefunden: 

Cl = 28,29 Proz. 28,39 Proz. 

Da also unzweifelhaft jetzt drei gleich zusammengesetzte und 
auseinander entstehende Verbindungen C,,H,,Nz0 bekannt sind, 
deren Konstitution ebenfalls, wenn auch nicht mit aller Sicherheit, 
erschlossen ist, so mögen sie wenigstens vorläufig unterscheidende 
Das ÖOxynicotin, welches ein Aldehyd ist, 
heilfse Nicotal, das Pseudonicotinoxyd, welches ein Alkohol ist, 


Nicotol, das jetzt beschriebene dritte Isomere, welches äthylen- 


Benennungen erhalten. 


oxydartig gebundenen Sauerstoff enthält, heifse Nicoton: 


@ SCH CH, /N-CHcH /N—-CH--CH, 
tal | | | | | | 
NINE CH, U EN CH; A Si 
N | N | N j | 
CH, CHO N——CH (OH) 0O—-CH 
| | 
CE; NHOH;, 
Nicotal (Oxynicotin.) Nicotol Nicoton. 


(Pseudonicotinoxyd.) 


Der gröfseren Uebersichtlichkeit wegen mögen die Eigen- 
schaften der drei Isomeren in folgender kleinen Tabelle nebeneinander 


gestellt werden: 


Oxynicotin: 


Fest, an der Luft 
leicht zerflie[slich, zer- 
zetzt sich bei 1500 in 
eine grolse Zahl von 
Produkten ; besitzt 
schwach basische Ei- 
genschaften, reduziert 
ammoniakalische Sil- 
berlösung, giebt ein 
schwer lösliches, bei 
1540 schmelzendes Pi- 
kr il. 


Pseudonicotin- | 


oxyd: 

Farbloses Oel, inrei- 
nem Wasser leicht lös- 
lich, durch starke 
Lauge aus der Lösung 
abscheidbar, zersetzt 
sich bei der Destilla- 
tion oberhalb 2500 
unter Abspaltung von 
Wasser in Dehydro- 
nicotin, besitzt stark 
basische Eigenschaf- 
ten, reduziert nicht, 
giebt kein schwer lös- 
liches Pikrat. 


Nicoton: 


Farbloses Oel, in rei- 
nem Wasser leicht lös- 
lich, durch starke 
Lauge aus der Lösung 
abscheidbar, destilliert 
ohn= Zersetzung bei 
ca. 2530, besitzt stark 
basische Eigenschat- 
ten, reduziert nicht, 
giebt ein in der Kälte 
schwer, in der Hitze 
leicht lösliches, bei 
1840 schmelzendes Pi- 
krat. 


A. Pinner: Ueber Nicotin. 611 


Zum Schlufs seien noch einige Versuche erwähnt, welche nicht 
zu reinen Produkten geführt haben, jedoch wegen der unglatten 
Reaktion nicht weiter verfolgt werden konnten. 

Das Cotinin C,oHıs N, O ist, wie in der ersten Mitteilung 
angegeben ist, 

C,H, N—CH—CH— CB 
Me ul gg 
CH, 
konstituiert. Durch energische Hydrierung konnte dasselbe entweder 
inC,H,N.CH.CH3.CH,.CO.NHCH; oder in 
C;H,oN.CH.CH,.CH,.CHOH.NHCH, 

übergehen. Es wurde deshalb in kochender alkoholischer Lösung 
mit Natrium behandelt. Hierbei zeigte sich, dafs Ammoniak, nicht 
Methylamin, wie durch besondere Versuche konstatiert wurde, ent- 
wich. Es wird also ein Teil der Substanz völlig zerstört. Nach 
Beendigung der Reduktion wurde die Masse mit etwas Wasser ver- 
setzt, der Alkohol aus dem Wasserbad abdestilliert, das Destillat, 
welches durch seinen Geruch die Gegenwart von Ammoniak verriet, 
mit Salzsäure angesäuert, verdampft, und der Rückstand in das Pla- 
tindoppelsalz verwandelt. De: Niederschlag besals das charakte- 
ristische Aussehen des Platinsalmiaks und gab 43,67 Proz. Platin, 
statt der berechneten 43,85 Proz. (0,1708 g Subst. gaben 0,0746 g Pt). 
Die nach Verjagung des Alkohols hinterbleibende wässerige Lauge 
wurde mit Chloroform ausgezogen, der Auszug verdampft und der 
Rückstand im Vacuum destilliert. Dabei zersetzte er sich ziemlich 
stark, indem er zum grölsten Teil bei ca. 2200 (bei 50 mm. Druck) 
überging. Das Destillat ist ein dicker in Wasser löslicher Syrup 
von eigentümlichem Geruch, von welchem analysirbare Salze nicht 
erhalten wurden. Das salzsaure Salz ist eine harzige Masse, das 
Platinsalz ein amorpher Niederschlag. Es wurde deshalb die Base 
direkt analysiert und dabei Zahlen erhalten, welche auf eine Zu- 
sammensetzung Co Hısg NO hindeuten. 


0,1872 g Subst. gaben 0,4461 g CU, und 0,1624 g H,O. 
0,2060 g Subst. gaben 26,5 cem N bei 200 C. und 753 mm Bar. 


Berechnet für Cj9 Hjg N50: Gefunden: 
C= 65,93 Proz. 64,99 Proz. 
H—,9887774 9,03, 


Ni 15,88H\" 7, 14,58 


» 


612 G. Dragendorfif: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 


Die Ausbeute ist recht mangelhaft. 

Dann wurde aus dem ÖOctohydronicotin Cjg Ha Na durch Brom 
das Perbromid dargestellt. Es bildet sich sofort, wenn Brom zur 
bromwasserstoffsauren Lösung der Base hinzugefügt wird und 
krystallisiert in roten körnigen Massen. Es ist C,H2Ns.2HBr; 
zusammengesetzt. 

Durch schweflige Säuren reduzierbares Brom gefunden 48,3 
und 49,9 Proz., berechnet für 4 Br 49,2 Proz. 

Beim Liegen an der Luft hauchen die Krystalle sehr langsam 
Brom aus und werden gelb. Es scheint nur die Hälfte der 4 Br 
fortzugehen. Beim Erhitzen auf 1000 im geschlossenen Rohr scheint 
das Brom substituierend oder oxydierend zu wirken. Es wurden 
jedoch keine fafsbaren Produkte erhalten. f 


Berlin, Juli 1895. 


Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 
Von G. Dragendorff£f. 
(Eingegangen den 27. Juli 1895.) 


Den in früheren Jahren unter obigem Titel veröffentlichten 
Mitteilungen über den Nachweis organischer Gifte!) lasse ich eine 
neue Serie solcher Untersuchungen folgen, welche ich durch meine 
Schüler in den letzten Jahren ausführen liefs und deren Ergebnisse 
ich kurz bei Abfassung der vierten Auflage meiner „Ermittelung 
von Giften“ verwertet habe.) Hier möge etwas ausführlicher wie 
dort über die betr. Arbeiten referiert werden. Dieselben hatten 
einmal die Aufgabe, für eine Reihe neu in den Arzneischatz einge- 
führter starkwirkender Medikamente, neu entdeckter Pflanzengifte, 
Alkaloide etc. den Modus der Isolierung aus komplizierteren Misch- 
ungen — Speisebrei, Körperteilen, Blut, Harn ete. — festzustellen 
— dann aber auch den Nachweis derselben durch Kontrole schon 
bekannter, durch Aufsuchung neuer Reaktionen möglichst sicher zu 


1) Vergl. Beitr. z. ger. Chem. einzelner org. Gifte. 1872, Vanden- 
hoeck & Ruprecht, Göttingen, ferner Pharm. Ztschr. f. Rulsland, Jg. 
1882, 1884 und 1886. 

2) Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1895. 


G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 613 


machen. Zu letzterem Zweck habe ich besonders darauf Gewicht 
gelegt, dals bei den besseren Farbenreaktionen, die mit Hilfe des 
Spektroskopes erkennbaren Eigentümlichkeiten untersucht wurden, 
deren Ausnutzung in dem Sinne, dals 


1. das Spektrum der besonders charakteristischen Färbung und 


2. die allmählich bei Farbenübergängen eintretenten Veränder- 
ungen des Spektrums Berücksichtigung finden, 
für den Nachweis organischer Gifte von bedeutendem praktischen 
Wert ist. 

Indem ich den Gang der Untersuchung auf organische Gifte 
so wie ich ihn eingeführt habe — die Art der Vorbereitung kom- 
plizierter Mischungen, das Ausschütteln mit Petroläther, Benzol, 
Chloroform, Amylalkohol etc. -— als bekannt voraussetze, resp. in- 
betreff derselben auf meine „Ermittelung von Giften“ verweise), 
bemerke ich, dals bei Bearbeitung von Mischungen von Giften ete. 
mit Speisebrei, Blut, Harn etc. im Allgemeinen nach Anleitung dieser 
verfahren wurde, dals ich deshalb in Folgendem nur dort auf solche 
Operationen eingehen werde, wo sich eine Abweichung von dem 
gewöhnlichen Modus als notwendig herausstellte. Die Ausdrücke 
„Ausschüttelung aus saurer, aus alkalischer, wässriger Lösung“ werde 
ich im Hinblick auf obiges Werk und meine früheren Publikationen 
wohl nicht weiter zu erklären brauchen; nur darauf sei auch bei 
dieser Gelegenheit hingewiesen, dafs das Ansäuern der dem Aus- 
schüttelprozeis zu unterwerfenden Mischungen stets mit verd. 
Schwefelsäure, das Alkalischmachen derselben stets mit Ammoniak 
erfolgte. 


Esterdes Guajakols, Naphthols, Kresols etc.) 


Die Mehrzahl dieser Verbindungen ist in den letzten Jahren 
als Medikament empfohlen. Ihr Nachweis in Organen, Körperteilen 
etc. macht, so lange sie unzersetzt sind, keine grolsen Schwierig- 
keiten, da sie, wenn sie in saurer, wässriger Flüssigkeit verteilt oder 
gelöst vorliegen, meistens schon durch Petroläther und noch leichter 
durch Benzol ausgeschüttelt werden können. Unbequem ist, dafs 

ı) Vierte Aufl. pag. 149—153. 
®, Die Mehrzahl dieser Substanzen sind von Dr. Melch. Leuziunger 


bearbeitet, vergl. dessen Dissertation „Beitr. z. ger. chem. Nachw. 
neuerer Arzneimittel“, Dorpat, 1894. 


614 G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 


die Mehrzahl dieser Verbindungen in säurehalt. Wasser schwer 
löslich ist. Wenn nun auch bei gerichtlich chemischen Analysen 
aus Organen etc. nach meiner Methode immer wohl ein Teil dieser 
Ester ausgezogen und später isoliert wird, so mag es doch in sol- 
chen Fällen, in denen man die betr. Substanz möglichst vollständig 
ausscheiden will, besser sein, wie ich es für die Untersuchung von 
Blut, Leber, Faecalsubstanz etc. empfohlen habe, zu verfahren ı, 
d. h. gleich nach dem Zerkleinern und Ansäuern mit verd. Schwefel- 
säure mit 4—5 Raumteilen Alkohol zu mischen, 12—24 Stunden da- 
mit zu mazerieren, dann zu filtrieren und den Alkohol wieder durch 
Destillation zu entfernen. Der Destillationsrückstand ist vor dem 
Ausschüttelnnichtnochmals zu filtrieren. Ueber die einzelnen hier- 
her gehörigen Substanzen wäre Folgendes zu sagen: 


Benzosol (Benzoylguajakol, Guajakolbenzoat), das neuer- 
dings als milde wirkender Ersatz von Guajakol u. a. auch bei Dia- 
betes mellitus angewendet wurde, wird durch den Magensaft lang- 
sam in Guajakol und Benzoesäure zerlegt ?), leichter durch Alkalien, 
am besten in Alkohollösung in analoger Weise gespalten. Nach 
einer Gabe von 2,5 g wurde bei einem Diabetiker von v. Jaksch 
Medizinalvergiftung — Diarrhoe, Ikterus, Herzschwäche, Beschleuni- 
gung des Pulses ete. — beobachtet, bei welcher grofse Mengen von 
Sulfosäuren neben Hippursäure durch den Harn ausgeschieden wur- 
den. Letzterer kann noch die Reaktion des Guajakols geben, er 
wirkt nach Jolles linksdrehend (Benzosol ist opt. inaktiv.). 

Benzosol ist nach Bongartz fast unlöslich in Wasser; es löst 
sich aber leicht in warmem Alkohol, in Aether und Chloroform. 
Nach Leuzinger lälst es sich leicht durch Petroläther aus saurer 
wässriger Flüssigkeit ausschütteln.. Die farblosen Krystalle des 
B. schmelzen bei 59 (Thoms). 

Reaktionen: Benzosol giebt nach dem Durchfeuchten mit SO*H? 
bei Einwirkung von Acetondämpfen oder von einer Mischung aus 
Aceton und Alkohol prachtvoll kirsch- bis purpurrote Färbung, die 
noch bei Anwendung von 1 Milligramm erkannt wird (Salol giebt 
nur Gelbfärbung). 


1) Vergl. „Ermittel. v. G.“, 4. Aufl. p. 149 Anmerk. 
2) Nach Einführung von Benzosol per os kann schon nach etwa 
!/, Stunde Gwajakol im Harn und Speichel aufgefunden werden. 


G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 615 


Die Mischung des B. mit SO*H? wird mit Eisenchloridlösung 
violett, grün und blau gestreift, sie wird nach Zugabe einer Spur 
NHO, orange und grün, nach Zusatz von Kaliumnitrit grün, violett 
und gelb, von Amylnitrit in Alkohollösung grün. Rohr- und Trauben- 
zucker färben die Mischung mit SO, H, hochrot. Fröhde’s Reagens 
nimmt anfangs mit violetter, dann roter Färbung auf, später wird 
die Mischung grün (1: 60 000). 

Vanadinschwefelsäure wird mit B. grün, setzt man das Reagens 
zu einer Mischung von B. mit SO, Hs, so entstehen violette, grüne 
und blaue Streifen (1: 90 000). 

Guajakolsalol (Guajakolsalicylat), bei Phtisikern und zur 
Desinfektion des Darmes angewendet, wird nach Bovet besonders 
im Darm und in Fänlnisgemengen in Guajakol und Salicylsäure ge- 
spalten. Auch durch alkoholische Kalilauge wird es in seine Kom- 
ponenten zerlegt. 

Es bildet farblose, nadelföürmige Krystalle, geschmack- und 
geruchlos, in Wasser schwer, in Alkohol, Aether, Chloroform leicht 
löslich ; in Petroläther und Benzol geht es aus saurer Wassermischung 
leicht über. Es schmilzt bei 65 °. 

Reaktionen: In Alkohollösung wird G. durch Eisenchlorid 
violett gefärbt, durch nicht zu viel konz. SO, H, hellrot. Giebt man zu 
dieser SO, H»-Mischung NHO,, so wird sie grün, dann violett und 
weinrot. Auch mit Alkohol verdünntes Amylnitrit macht die mit 
SO,H: gemischte Alkohol - Solution rötlich und später bleibend 

Mischt man gepulvertes G. mit SO,H,, so bewirkt ein Zusatz 
von Kaliumnitrit grüne, blaue, dann rot werdende Streifen und 
allmählich wird die ganze Mischung weinrot (1:60000). Aceton- 
dampf oder Alkohol-Aceton-Mischung machen das mit SO,H, durch- 
teuchtete @. hochrot (1:7200); also auch hier wie beim Benzosol 
ein Unterschied mit Salol. 

Vanadinschwefelsäure giebt beim Mischen mit gepulvertem G. 
grüne, dann blauschwarze Färbung, Fröhde’s Reagens giebt anfangs 
violette Streifungen, die später einer smaragdgrünen Färbung weichen 
(1:80000). Mengt man zur alkoholischen Lösung des G. Vanadin- 
schwefelsäure, so tritt grüne, später bläulichke Färbung ein 
(1: 180.000). 


Arch. dä. Pharm. CCXXXIII. Bds. 8. Hefi 40 


616 G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 


Styrakol (Cinnamylguajakol, Guajakoleinnamat) wurde als 
Antiseptikum, innerlich bei Blasenkatarrh, Gonorrhoe, Tuberkulose, 
empfohlen. Beim Durchgang durch den Körper wird es, wenigstens 
teilweise, zersetzt; nach Anwendung von 0,5 g St. konnte aus dem 
Harn reichlich Guajakol gewonnen werden. 

Styrakol geht bedeutend schwerer wie Benzosol und Guajakol- 
salol aus saurer wässriger Mischung in Petroläther über. Leicht 
und vollständig läfst es sich durch Benzol ausschütteln. In Wasser 
ist es sehr schwer löslich ; seine farblosen nadelförmigen Krystalle 
schmelzen bei 130°. 

Reaktionen: Konz. SO, H, löst reines St. mit gelber 
Farbe; diese Mischung wird auf Zusatz von NO,H orange, mit 
Kaliumnitrit violett und grün gestreift. Auch mit Acetondampf 
resp. Aceton-Alkohol wird sie violett gestreift. 

Ebenso bewirkt St. in Vanadinschwefelsäure und Fröhde’s 
Reagens violette und grüne Streifungen. 

Zum Unterschied von Benzosol und Guajakolsalol kann neben 
dem Verhalten gegen Petroläther namentlich dasjenige gegen warme 
Natronlauge und Hypermanganat benutzt werden. Der Geruch nach 
Bittermandelöl konnte mit 0,05 g Styrakol erlangt werden. 


Da die drei bisher besprochenen Ester im Körper grölsere 
oder geringere Mengen von Guajakol als Zersetzurgsprodukt 
liefern, so mag es nicht überflüssig sein, hier einige Worte 
über den Nachweis desselben anzuschliefsen. Bekanntlich ist 
dieses G. im Handel in verschiedenen Graden der Reinheit zu- 
gänglich: während das reinste, synthetisch erhaltene, Präparat farblose 
Krystalle bildet, kommt daneben ein zwar als „absolut rein“ be- 
zeichnetes G. vor, das aber flüssig ist und in der That oft an 
50 Proz. fremde Substarzen (Kreosol etc.) enthält. Je nachdem das 
eine oder andere Präparat bei Anfertigung von Estern verbraucht 
wurde, mufs das im Körper entstehende Guajakol gleichfalls in einem 
Falle rein, im andern mit Kreosol etc. verunreinigt erhalten werden. 
Da nun beide Produkte in ihren Eigenschaften verschieden sind, 
mögen diese hier neben einander "vorgeführt werden. Zunächst 
sei nur noch bemerkt, dals beide Handelssorten aus saurer wässriger 
Lösung durch Petrolaether ausgeschüttelt werden. 


@. Dragendorff: 


Schwefelsäure 


Schwefelsäure + 
wenig NO,H 


Schwefelsäure + 
einer Spur Kalium- 
nitrit 
Schwefelsäure + 
Eisenchlorid 
Schwefelsäure (140) + 
selensaurem Kali (,) 
Vanadinschwefelsäure 


Fröhde’s Reagens 


Eisenchlorid (in alkoh. 
Lös.d. G.angewendet) 


Wenig HCl und Ka- 
liumhypermanganat 
iu Wasserlösung d.G.) 


Kıyst. Guajakol. 
löst farblos 


löst rot, beim Er- 
hitzen braun 


geben violette und 
grüne Streifungen 


geben grüne, blaue, 
violette Streifen 
lösen grün (Styrakol 
gelb) 
giebt blaue, grüne 
und violette Strei- 
fungen 
giebt anfangs grüne 
und violette Streif., 
dann blau-grüne 
Mischung 
färbt bei Spuren von 
Fe,Cl, blau und 
smaragdgrün, beimmehr 
gleich schön grün 
(Thoms) 
färbt kirschrot, dann 
bräunlich (Thoms) 


Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 617 


Flüssiges Guajakol. 
löst anfangs blals 
purpurfarben oder 
gelb 
löst tiefbraun, dann 
rotbraun (bei mehr 
NO,;H orange) 
wie das krystallisierte 


ebenso 
lösen schmutzig grün- 


braun, dann violett 
löst olivengrün 


anfangs violette und 
grüne Zonen, dann 
schön violetteFärbung 


wie das krystallisierte 


färben gleich 
bräunlich. 


In Wasserlösung wird Guajakol durch Eisenchlorid gleichfalls 


grün und man kann dann nach Untersuchung meines Schülers Mesing 
spektroskopisch eine Absorption in Roth und Orange von 654—610 „, 
eine schwache Beschattung bei 595 « und geringe Absorption in 
Violett und Indigo bis 450 « nachweisen. 


ist bei Abdominal- 
Es scheint im 


Alphol (Salicylsäure- « Naphtylester) 
typhus, Dysenterie und Cholera empfohlen worden. 
Körper z. T. zu « Naphtol resp. Sulfosäure desselben umgesetzt zu 
werden, von denen ersteres stärker antiseptisch und weniger giftig 
wie # Naphtol sein soll. 

Alphol ist farblos krystallinisch, in Wasser schwer, in Alkohol 
leichter löslich. Es kann aus sauren wässerigen Mischungen mit 

40* 


618 G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 


Petroläther ausgeschüttelt werden; aus Harn- und Blutmischungen 
liefs es sich nach meinem Untersuchungsverfahren leicht abscheiden. 

Reaktionen: Konz. SO,H, löst mit gelber Farbe (1: 60 000). 
NO?H oder Salpeter machen diese Lösung blau, dann sofort grün (bei 
sehr kleinen Mengen — 1:120000 — gleich grün). Später wird 
die grüne Mischung von einem roten Hof umgeben und geht endlich 
in braun über. Auch mit Kaliumnitrit erhält man in ähnlicher 
Weise schöne Grüntärbung (1:120000). Diese Reaktion kann auch 
umgekehrt zum Nachweis von Salpetersäure und salpetriger Säure 
benutzt werden. Als Leuzinger einige Tropfen 1 prozent. alkohol 
Lösung von Alphol zu einer wässrigen Sol. von NO;H oder KNO, 
setzte und mit reiner konz. SO, H, unterschichtete, trat schöne grüne 
Zonenfärbung ein und das Reagens erwies sich als fast noch einmal 
so empfindlich als Brucin. Im Spektrum der Mischung mit SO,H, 
und NO,;,H oder KNO, sah v. Bunge!) Absorption von Violett bis 
Grün (500 «) und ein Band in Rot (680—650 u). 

In der Mischung des A. mit konz. SO®H? tritt nach Zusatz 
von Furfurolwasser (2 Tropfen Furfurol auf 1 ccm Wasser) Purpur- 
Violettfärbung ein. Das Spektrum zeigt dabei einen Streifen in 
Gelbgrün (570—540 «, oder bei gröfserer Konzentration 570—500 ; 
dann ein Dunkelheitsmaximum von 560—540 «). Setzt man zu der 
Mischung mit SO,H, Rohrzucker, so sieht man schön kirschrote Färb- 
ung?), verfolgt man den Eintritt derselben mittelst des Spektroskopes, 
so zeigt sich anfangs in Gelborange ein Band (590—565 «), nach 1 bis 
2 Minuten ein zweiter schwächerer Streifen in Gelb (550—535 «), 
das sich später mit ersterem vereinigt (600—530 «). Giebt man zu 
der Zuckermischung Ammoniak, so wird sie blau und die Spektral- 
Streifen schwinden. 

Eisenchlorid macht die Mischung des Alphols mit SO,H, 
smaragdgrün, dann oliven- und hellgrün, Acetondampf färbt sie gelb. 
Erhitzt man A. mit SO4 Hs und Jodoform, so sieht man die Mischung 
in grün fluorescieren. Fröhde’s Reagens färbt sich mit A grün 
(1:80 000). Das Spektrum der Mischung gleicht dem derjenigen 
mit SO,H, und NO,H. Vanadinschwefelsäure wird durch A. grün, 
dann olivengrün und nach Zusatz von wenig Wasser rotbraun.. 


1) Beitr. z. Spektroskopie einzelner Gifte: Diss. Dorpat 1894. 
2) Traubenzucker und Lactose machen viol-tt. 


G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 619 


Schwefelsäure (2 cem) + uransaures Ammon (0,1 g) werden durch 
A. grün, beim Erwärmen graubraun (s. später beim Beto]). 


Alkoholische Lösung von A. wird mit verd. Lösung von Eisenchlorid 
violett (1:2000), mit alkohol. Natronlauge und Chloroform färbt sie 
sich erst beim Erwärmen blau. 


Betol(Salieylsäure-# Naphthylesther, Naphthalol, Salinaphthol) 
wird bei Ischias, Blasenkatarrhen, gonorrhoischer Oystitis und als 
Ersatz des Salols empfohlen. Es wird wie dieses durch den Pan- 
kreas aber auch durch Fermente der Dünndarm- und oberen Dick- 
darmschleimhaut in seine Komponenten zerlegt (Kobert). Da 
#Naphtol besser vom Darm vertragen wird wie das Phenol, so be- 
fürwortet Kobert den Gebrauch des Betols anstatt den des Salols. 
Im Harn findet man nach innerlichem Gebrauch von Betol Salieyl- 
und Salicylursäure neben Naphtylschwefelsäure, welche letztere 
durch Erhitzen mit verd. Säuren zu Naphtol und SO,H, zerfällt. 
Betol bildet gleichfalls farblose Krystalle, die selbst in heifsem 
Wasser schwerlöslich sind, die aber von warmem Alkohol, von 
Aether und Benzol leicht gelöst werden und sich durch Petrolaether 
aus saurer wässriger Mischung ausschütteln lassen. Die Isolierung 
nach meiner Methode aus Harn, Blut ete. macht keine Schwierigkeiten. 
Für den Nachweis sind namentlich folgende Reactionen zu 
beachten: 

Konz. SO, H, löst gelb, diese Mischung wird mit wenig NO,H 
olivengrün (Salol nicht). 


Wenn nach Flückiger eine Mischung von SO,H, (2 ccm.) mit 
Betol (0,2) und Chloralhydrat (0,1) beim Schütteln sich braunrot 
färbt, so läfst sich diese Reaction nach Leuziger dadurch verbessern, 
dafs man erst Betol in SO,H; löst, dann ein Krystall von Chloral- 
hydrat zusetzt; die Mischung wird nach einander orange, dann rot- 
violett und rot mit grüner Fluorescenz (1:1500). Im Spektrum der 
Orange-Mischung findet sich, wie von Bunge feststellte, ein Streiten 
in Grün (520—490 «der auch nach dem Uebergang in violett und rot 
bleibt). Bromalhydrat färbt ziegelrot, dann violett. Furfurolwasser 
erzeugt in der Mischung von B. mit SO,H; rosa, dann rot, rot-vio- 
lette, endlich schöne Violetttärbung (1:12000). Auch Rohrzucker 
wacht die Mischung rot und violett und auch hier zeigt sich im 


620 G. Dragendortfft: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 


Spektrum der Streifen in Grün (520—490 „). Auch Lactose giebt die 
Violettfärbung (Traubenzucker schmutzig-violette, später grüne). 


Eisenchlorid macht die Mischung m't SO, H, violett, dann rot- 
braun (im Spektrum nur ein Schatten in Blau (500—490 „). Natrium- 
nitrit färbt sie, wie schon Flückiger sah, rotbraun und beim Erwär- 
men violett. Macht man erst die Mischung mit SO,H, warm (Grün- 
färbung) und mischt zur wiedererkalteten Flüssigkeit Nitrit, so 
sieht man blutrote Färbung und allmälich verschieden gefärbte 
— rosa, gelbe — Ringe. Erwärmt man die Mischung mit 
SO,H, mit einer Spur Jodoform, so wird die später erkaltete 
Flüssigkeit grün. 

Vanadinschwetelsäure, zur SO, H,-Mischung des Betols gesetzt, 
verursacht grüne, blaue, auch violette Streifen (0,00005 g). 

Nach dem Kochen von Betol mit konzentrierter Kalilauge 
färbt Chloroform schön blau. In alkoholischer Lösung giebt Betol 
mit Eisenchlorid violette Färbung. 

Benzonaphthol (Benzoesäure - 3- Naphtholesther) soll 
eben so stark antiseptisch wie #-Naphthol wirken, aber nicht die 
unangenehmen Nebenwirkungen dieses besitzen. Man empfiehlt es, 
da es stark diuretisch wirkt, wo man bei antiseptischer Behandlung 
des Darmes zugleich Diurese erzielen will. Im Darme zerfällt auch 
dieser Ester in seine Komponenten, von denen die Benzoäsäure als 
Hippursäure durch den Harn ausgeschieden wird. Behauptet wird, 
dafs das Naphthol im Darm verbleibe, was wohl nur für einen Teil 
desselben gelten kann, da andere Naphthylester nach der Darm- 
spaltung Naphthylschwefelsäure in den Harn liefern. Beim Kochen 
mit Kalilauge zerfällt Benzonaphthol zu Kaliumbenzoat und #-Naphtol. 
Benzonaphthol bildet farblose Krystalle, deren Löslichkeitsverhältnisse 
denen des Betols gleichen. Wie dieses kann es aus saurer wässriger 
Flüssigkeit durch Petrolaether ausgeschüttelt werden. 

Reaktionen: Von konz. SO,Hs wird Benzonaphthol gelb, 
beim Erwärmen violett gelöst, wobei Fluorescenz in Grün be- 
obachtet wird. 

In der Mischung mit SO,H, bewirken Salpeter oder NO;3H 
schwarzbraune, Kaliumnitrit violette, später in Rot und Blau über- 
gehende Färbung. Eisenchlorid macht sie violett, dann rot (1:30 000), 
Zusatz von Ammoniummolybdat blauviolett, rot, dann grün und blau 


G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 621 


(1:60000). Auch Fröhde's Reagens färbt die Lösung in SO,H, 
violett (1:20 000) und Vanadinschwefelsäure macht dieselbe violett. 
dann rot, später blau (1:30000). Chloralhydrat färbt die Lösung 
in SO,H, grünlich, dann orange (1:60 000), Bromalhydrat gleich 
orange. 

Giebt man zu der Schwefelsäuremischung Furfurolwasser, so 
tritt Purpur-, später Violettfärbung ein (1:1000). Rohrzucker macht 
die Mischung mit SO,H, rotviolett, Traubenzucker violett, später 
blau. Giebt man zu der Mischung mit SO,)Hs eine 20 prozentige, 
alkoholische Acetonlösuug, so tritt Gelbfärbung ein. Benzonaphthol 
giebt, erst nachdem es mit alkoholischer Natronlauge erhitzt wurde, 
mit Chloroform Blaufärbung (3-Naphtol!), auch ohne dafs erhitzt 
wurde. 

83 Naphtholcarbonat (Kohlensäure-# Naphthylester) wird 
als Darmantiseptikum empfohlen, welches weniger reizend als das 
3 Naphthol wirkt. Im Darm wird es zu CO? und Naphthol 
zerlegt. 

3 Naphtholearbonat bildet glänzende Krystallblättchen, bei 
1760 schmelzend, in Wasser schwer, in heilsem Alkohol leichter 
löslich ; von Petrolaether wird es schwer, leicht aber von Benzol 
aus saurer wässriger Mischung aufgenommen. Mittelst Benzol kann 
es bei Bearbeitung nach meiner Methode aus Harn, Blut etc. isoliert 
werden. 

Reaktionen: Nach dem Lösen in konz, SO? H? färben Salpeter 
oder NO®H gelb, Kaliumnitrit violett (nach Wasserzusatz braunrot), 
Vanadinschwefelsäure?) hellviolett, bald rotbraun, Fröhde’s 
Reagens®) violett, dann schwarzblau (nach Wasserzusatz grün), 
Chloralhydrat schmutzig gelbbraun mit grüner Fluorescenz, Jodotorm 
(nochmals erhitzen) grün, gleichfalls mit starker Fluorescenz in 
Grün, Furfurolwasser rosarot, Rohrzucker (gelinde erwärmen) grün; 
Traubenzucker veranlalst carmoisinrote und grüne Streifungen, dann 


I) Freies 3#-Naphthol erkennt man auch an derkirschroten Färbung, 
welche eine mit gl. Vol, NO®H versetzte Alkohollösung mit Queck- 
silbernitrat annimmt. 


?®) Die hier und in vielen Fällen besser tropfenweise zur Mischung 
mit SO4 H? zugesetzt wird. 
3) Ebenso. 


622 G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 


olivengrüne Mischung und nach neuem Erhitzen smaragdgrüne 
Färbung, Lactose braune, beim Erwärmen olivengrüne Färbung. 

Erwärmt man mit alkoh. Natronlauge, so zeigt sielı Fluorescenz in 
Blau, giebt man dann nach Verdünnen mit Wasser Chloroform hinzu, 
so tritt mitunter eine grünblaue Färbung ein. Will man die inten- 
sive Blautärbung mit Chloroform haben, wie sie 3 Naphthol geben 
soll, so mufs man mit starker Kalilauge das Naphtholkarbonat kochen, 
nach dem Ahkühlen Chloroform zusetzen und nun nochmals etwas 
erwärmen. 

Da die zuletzt besprochenen Ester im Körper zu Naphthol 
zersetzt werden, so wird es mitunter nicht möglich sein, erstere 
selber nachzuweisen !), sondern man wird sich bequemen müssen, 
das Naphthol resp. (im Harn) Naphtholschwefelsäure oder Naphtol- 
glycuronsäure aufzusuchen. Letztere werden durch Kochen des 
betr. Harnes mit Salzsäure zerlegt und es kann dann das Naphthol 
durch Aether oder Petroläther ausgeschüttelt werden. Zur Unter- 
scheidung des « und #3 Naphthols kann man folgende Reaktionen 
verwenden: 

aNaphthol färbt sich in ca. löprozentiger alkoholischer- 
Lösung nach Zusatz von etwas Rohzucker mit 2 Vol. 
SO®H? tief violett, es giebt mit einem Tropfen einer 
Mischung aus 1 Th. K2CrO„ 10 T. Wasser und 1 T. 
konzentriert NO®H schwarzen Niederschlag (Aymonier), es wird 
in Lösung mit verdünnter Natronlauge (0,04 Naphthol, 0,5 cem 
Normalnatron, 1—2 ccm Wasser) durch Zusatz einer Mischung aus 
0,05 Sulfanilsäure, gelöst in 5 ccm Normalnatron, sowie 0,02 Natrium- 
nitrit, gelöst in 5 cem Normalschwefelsäure, dunkelblutrot und nach 
Zugabe von mehr verdünnter SO,H, braun (Richardson). Endlich 
soll «-Naphthol nach Flückiger, wenn 0,2 g des Naphthols mit 0,2 g 
HgCl,, 0,1 g NaNO,;, und 10 ccm Wasser bei 100° zusammen- 
geschüttelt werden, nur geringe Menge eines scharlachroten Absatzes 
liefern. 

5#-Naphthol teilt die Reaktion mit Zucker und SO,H, und 
K;, Cr, 0, + NO;H nicht, es giebt bei der Probe Richardsons nur 
eine rötlichgelbe Färbung, die aber auch nach Zusatz verdünnter 


1) Namentlich wenn sie bereits den Magen, in dem sie unzersetzt 
bleiben, passiert haben. 


G. Dragendortff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 623 


SO, H; bleibt; bei der Flückiger’'schen Reaktion giebt es reichliche 
Mengen eines amorphen rotbraunen Absatzes. Es liefert endlich bei 
schwachem Erwärmen mit starker Kalilauge und Chloroform oder 
Chloralhydrat die bekannte Blaufärbung, auf welche Lustgarten zuerst 
aufmerksam machte (0,016 g). 


Kresolsalole. Alle drei Kresolsalole sind neuerdings 
dargestellt und zu medizinischem Gebrauch empfohlen. Meta- und 
Parakresolsalol sollen nach Bircher bei der Wundbehandlung als 
ungiftiger und geruchloser Ersatz des Jodoforms gute Dienste leisten, 
Orthokresolsalol wurde von Neisse als Ersatz des Natriumsalieylates 
und als Antiseptikum für den Darmkanal und die Harnwege 
empfohlen. 


Alle drei Verbindungen sind farblos, krystallinisch, in Wasser 
schwer, in Alkohol und Aether leichter löslich. Durch Petroläther 
können sie aus saurer wässriger Mischung leicht ausgeschüttelt 
werden. Alle drei werden durch Kochen mit Natronlauge in Salicyl 
säure und das entsprechende Kresol zerlegt; auch im Darme er- 
fahren sie eine analoge Spaltung. Orthokresolsalol schmilzt bei 350, 
Metakresolsalol bei 73—74°, Parakresolsalol bei 390. Beim stärkeren 
Erhitzen ihrer Lösungen in Petroläther sollen die Ortho- und Para- 
verbindung, die auch beim Verdunsten leicht etwas Lösungsmittel 
zurückhalten und flüssig bleiben, teilweise zersetzt werden. 


Reaktionen: Alle drei Kresolsalole werden in Alkohollösung 
durch wenig Eisenchlorid violett gefärbt (1: 10000); Zusatz von HCl 
hebt die Färbung auf. 


Metakresalol soll nach dem Schmelzen und Zersetzen 
mit Natronlauge beim Erwärmen mit NH; und Einwirkung von Brom- 
dampf Grün- und Blaufärbung zeigen. 


Das in SO, Ha gelöste M. wird durch Kaliumnitrit orange, braun 
und grün gefärbt. Im Spektrum sieht man einen Streifen in Orange 
von 650—620 «. 

Fröhde’s Reagens soll das M. mit blauer, später grüner, zu- 
letzt blauschwarzer Farbe lösen. In der grün gewordenen Mischung 
sah v. Bunge ein Spektralband in Orange (640—600 «) und eine 
Endabsorption etwa bis 500 «. Auch nach Zusatz von Vanadin- 
schwefelsäure zur Lösung in SO,H; tritt blaue, grüne, endlich grün- 


624 G. Dragendortff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 


braune Färbung ein (im Spektr. Absorpt. in Rot von 700-650 « und 
bedeutende Verdunkelung am violetten Ende). 


Parakresalol wirdnach dem Verteilen in konz. SO,H» durch 
NO,H rotbraun, dann kirschrot, durch Salpeter gelb, durch Kaliumnitrit 
rotbraun, dann grün, durch K,Cr, 0, grün, durch F urfurolwasser orange, 
durch Vanadinschwefelsäure grün, dann blau und rotviolett (1:50000), 
durch Fröhde’s Reagens blau, dann violett, zuletzt rotbraun (1 : 6000) 
gefärbt. 

Bei diesen Reaktionen sieht man, wie von Bunge festgestellt 
hat, folgende Spektra. Bei SO,H, und KNO, erst nach Eintritt der 
Grünfärbung einen Streifen in Rot von 700-660 „und Absorption von 
Violett ete. bis 480, bei Vanadinschwefelsäure, erst nachdem die 
kirschrote Färbung eingetreten, Band in Grün von 530—490 «, mit 
Fröhde’s Reagens anfangs einen ähnlichen Streifen ‚später einen zweiten 
in Orange von 650—600 «, dann Verdunkelung des ganzen Spek- 
trums namentlich von Violett aus, mit Furfurol Streifen in Grün von 
490-475 «, nicht charakteristisch, da auch Furfurol mit SO,H, 
allein ein ähnliches Band giebt. 


Orthokresalol, in SO,H, gelöst, giebt mit NO;H hell- 
gelbe, dann schöne grüne und endlich orange Färbung, mit Kalium- 
nitrit rotbraune, dann smaragdgrüne, weiter blaue, später rosa oder 
violett gerandete Färbung, mit Fröhde’s Reagens wird obige Misch- 
ung violett gestreift, dann blaugrün, endlich smaragdgrün, mit 
Vanadinschwefelsäure olivengrün, auch mit SO,H, und K,Crs0, orange 
und olivengrün. Furfurolwasser macht in der SO,Hs,-Mischung 
orange und heilviolett. Nur die Mischung mit Kaliumnitrit giebt 
ein charakteristisches Spektrum — Band in Rot vorn 700—650 «. 


Bei Untersuchung des aus Harn- und Blutmischungen isolierten 
Orthokresalols sind diese Farbenreaktionen durch Beimengungen 
etwas gestört. 


Benzoparakresol! (Benzoesäure -p-Kresylester) soll 
gleichfalls antiseptisch wirken. 


Es bildet farblose Krystalle, die bei 70—71° schmelzen, in 
Wasser sehr schwer löslich, in heilsem Alkohol, Aether, Chloroform 
leicht löslich sind und aus saurer wässriger Mischung durch Petrol- 
aether und Benzol isoliert werden können. 


G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 625 


Reaktionen: In Mischung mit SO,H, wird B. durch NO,H 
oder Salpeter orange (1:1000), durch Kaliumnitrit dunkelrotbraun, 
später kirschrot gefärbt (1:6000), durch Ammoniummolybdat grün, 
blau und violett gestreift, später längere Zeit gleichmälsig blau. 
Auch Fröhde's Reagens färbt sich mit B. intensiv blau, dann grün 
und zuletzt braun (1:30000), während Vanadinschwefelsäure rosa- 
violette, schnell in rotbraun übergehende Tinktion erzeugt. 


Methylsalol (Parakresotinsäure-Phenylester) wird als Er- 
satz des Salols empfohlen. Es bildet farblose Nadeln, fast unlöslich 
in Wasser, leicht löslich in heilsem Alkohol, in Aether, Benzol und 
Chloroform. Auch dieser Ester kann durch Petrolaether aus saueren 
Wassermischungen gewonnen werden. Er läfst sich nach meiner 
Methode gut isolieren. 


Reaktionen: In Mischung mit SO,H, wird M. durch NO;H 
orange gefärbt (1:5000), durch Zusatz von wenig Kaliumnitrit rot- 
braun, dann smaragdgrün, später dunkelblau mit rosa und ziegelroter 
Umrandung, endlich tritt violett und blutrote Färbung her- 
vor, die durch Zusatz von etwas Wasser schneller erlangt werden 
kann (1 : 3000). Giebt man zu der Mischung mit SO,H» eine Spur 
Ammoniummolybdat so erhält man schön himmelblaue Färbung 
(1:12000). Fröhde's Reagens löst mit blauer Farbe, schnell in 
olivengrün übergehend (1:60000). Vanadinschwefelsäure färbt die 
Mischung mit SO, H; violett, dann olivengrün (1: 100000), selensaures 
Kali (1:140) macht sie gelb, später schön grün, selenige Säure aber 
macht die Mischung mit SO, H, violett und (beim Erhitzen) rotbraun. 
Ammoniumsulfuranat !) löst mit grünblauer Farbe. 


In Alkohollösung wird M. durch wenig Fe]; violett ge- 
färbt (1: 4000). 

Salacetol (Acetosalicylsäureester) ist gleichfalls als Ersatz 
des Salols in Vorschlag gekommen, dessen Giftigkeit es nicht be- 
sitzt und dessen Wirkung im Darm und bei Krankheiten der Harn- 
wege es teilen soll. Nach innerlichem Gebrauch wird es im Darme 
zerlegt und die dabei abgespaltene Salicylsäure kann im Harn nach- 
gewiesen werden. Auch durch Einwirkung verdünnter Alkalilösungen 
wird es zu Salieylsäure und Acetonalkohol zerlegt. 


1) Vergl. beim Alphol. 


626 G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 


S. krystallisiert in feinen Nadeln, die bei 710 schmelzen, auch 
in heilsem Wasser schwer löslich, in heifsem Alkohol, Aether, Petrol- 
äther, Benzol, Chloroform, Schwetelkohlenstoff aber leicht löslich 
sind. Durch Petroläther kann er aus sauren wässrigen Mischungen 
gut ausgeschüttelt werden. 

Reaktionen: In SO,H; gelöst, wirdS. durch Kaliumnitrit car- 
moisinrot gefärbt (1:4000), mit Ammoniummolybdat schön lasurblau. 
Fröhde’s Reagens löst violett, später rötlich werdend (1: 6000), 
Vanadinschwefelsäure smaragdgrün (1:100000), SO, Hs + K, Cr 0; 
braun, dann grün, Ammoniumsulfuranat rosa, beim Erwärmen violett. 
Resorein färbt in Lösung mit SO,H, orange (1: 15000). 

In Alkohollösung wird S. durch Fe Cl; violett (1:30000); 
HCl entfärbt die Mischung. 

Salacetol reduziert nach dem Lösen in verdünnter Natronlauge 
Fehling’sche Solution. 


Amidische Verbindungen. 


Salophen (Acetylparamidophenolsalicylsäureester, Salicyl- 
acetylparamidophenol) soll bei Gelenkrheumatismus vor dem Salol 
den Vorteil haben, geschmacklos und weniger giftig zu sein. Auch 
bei Cephalalgie, Hemicranie und verwandten Neurosen soll es Nutzen 
gewähren. Zu bemerken ist, dafs S., welches zwar im Körper durch 
Pancreasferment in Salicylsäure und Acetylparamidophenol gespalten 
wird und dessen Komponenten dann im Harn nachweisbar sind, teil- 
weise auch unzersetzt durch die Haut und mit dem Schweifs den 
Körper verläfst. 

Salophen bildet farblose Krystallblättchen, neutralreagierend, 
schwer löslich in Wasser, leicht löslich in Alkohol und Aether. Durch 
Petroläther wird es nicht, leicht aber durch Benzol aus saurer 
wässriger Mischung nach meiner Methode ausgeschüttelt. Es schmilzt 
bei 187—1880, 

Reaktionen: Salophen wird schon in der Kälte von Alkali- 
lauge aufgelöst; kocht man es mit Natronlauge?), so färbt sich diese 
anfangs blau, dann gelbrot. Schüttelt man diese erkaltete Lösung 
mit Luft, so wird sie wieder dunkelblau, versetzt man sie mit Jod- 
jodkalum. Bromwasser oder Chlorkalksolution, so färbt sie sich grün 


1) Auch beim Kochen mit Barytwasser tritt Blaufärbung ein. 


G. Dragenäorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 627 


1:330) oder bei wenig Chlorkalk (kaltbereitete Lösung in Natron) 
violett. 

In alkoholischer Lösung des S. bewirkt Fe, Ol, Violettfärbung 
(1:15 000), dagegen Salophen (in wenig Alkohol gelöst) in wässe- 
riger Lösung von Fe, Cl, gelbe Färbung. 

Kocht man S. mit HCl, so entsteht nach dem Erkalten durch 
wenig Phenol und frisch filtrierte Chlorkalklösung rote, nach Zusatz 
von NH, blaue Färbung (Indopheno)). 

Kocht man S. mit wenig Alkohol und einigen Tropfen SO,H,, 
so bemerkt man den Geruch nach Essigäther. 

S. löst sich in konz. SO,H, farblos, beim Erwärmen rotbraun. 
Giebt man zur wieder erkalteten Lösung Bromwasser, so scheiden 
sich Krystalle aus. K, Cr, O, macht grün. Mischt man SO,H, 
mit wenig Kaliumchlorat und setzt Salophen hinzu, so sieht man 
Braunfärbung und grüne Streifungen in der Mischung. 


Salocoll (Phenocollsalieylat) soll in sich die Wirkungen des 
Phenocolls und der Salicylsäure vereinigen; es hat vor ersterem den 
Vorzug, leichter löslich zu sein. Bei seiner Anwendung als Anti- 
pyreticum sollen schädliche Nebenwirkungen nicht eintreten; als 
Antineuralgiecum soll es nach Cohnheim weniger wertvoll sein. 
Grofs ist nach Balzer der Einfluls des Mittels auf die Stickstoffaus- 
scheidung, die es bedeutend vermehrt. 

Salocoll ist in kaltem Wasser schwer, in warmem Wasser 
leicht löslich ; es krystallisiert aus letzterer Lösung in Prismen und 
Nadeln. Sehr beachtenswert ist es, dafs Salocoll in Wasserlösung 
auch durch verdünnte Säuren schon zersetzt wird zu Salicylsäure 
und Phenocoll. Man wird also im Körper — und zwar schon im 
Mageninhalte -— das Präparat meistens nicht mehr unzersetzt 
antreffen, sondern sich mit dem Nachweis seiner Komponenten 
begnügen müssen. Von diesen wird Salicylsäure bekanntlich 
aus saurer, wässeriger Mischung durch Petroläther und besser durch 
Benzol ausgeschüttelt, während Phenocoll erst aus den ammoniakalisch 
gemachten Flüssigkeiten durch Petroläther und reichlicher durch 
Benzol zu gewinnen ist. Nur wenn der Mageninhalt sehr wenig 
treie Säure enthielte, könnte sich in ihm Salocoll unzersetzt finden. 
Dann sollteman bei der Vorbereitung für die Ausschüttelungen jeden 
Zusatz von SO,Hs vermeiden. Nach der Vorbereitung mit Alkohol 


6285 G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 


etc. würde man Salocoll durch Petroläther nicht ausschütteln können. 
In Benzol und leichter noch in Chloroform geht es aus neutraler, 
wässeriger Lösung über. 

Reaktionen: S. giebtin alkoholischer und wässriger Lösung 
die Salicylsäurereaktion mit Eisenchlorid (1:80 000), aber mit Kupfer- 
sulfat keine Grünfärbung. Mit Bromwasser giebt die wässrige 
Solution des S. weilsen Niederschlag ; das Filtrat von demselben 
wird mit NH, braun unter Abscheidung nadelförmiger Krystalle. 
Nach Zusatz von Phenol wird die wässrige Lösung des S. mit 
Kaliumhypochlorit blau oder violett (später grün. Mit dem 
Hypochlorit allein wird die Lösung des S. rot (mit Ueberschufs des 
ersteren farblos und dann mit NH, orange). 

Die Mischung des S. mit SOsH, färbt sich mit Salpeter rot, 
dann orange und gelbgrün, mit Kaliumnitrit rot, mit Ammonium- 
molybdat orange, grün und blau. 

Verreibt man S. mit Fröhde’s Reagens, so färbt sich dieses 
orange (auch mit Phenocoll allein — Salicylsäure würde dunkel- 
violett und später blau machen) In der anfangs orange Mischung 
bilden sich dann nach ca. 1 Stunde grüne und blaue Ringe und zu- 
letzt wird die ganze Mischung schön grün. 

Vanadinschwefelsäure giebt mit der Mischung des S. mit 
SO,H, rote, gelbe, grüne und blaue Färbung. 


Tolysal (Tolypyrinsalicylat) soll als Antirheumaticum und 
Antipyreticum auch als Antisepticum brauchbar sein. 

Es bildet farblose Krystalle, bei 101—-102° schmelzend, in 
Wasser wenig, in Alkohol und in Essigäther leicht löslich. Durch 
Petroläther kann esnicht, durch Benzol wohl ausgeschüttelt werden. 
Aber auch hier hat man zu bemerken, dafs Tolysal durch verdünnte 
Säuren zu Tolypyrinsulfat und Salicylsäure zersetzt wird — wenn 
es auch nicht so leicht und vollständig wie das Salocoll in seine 
Komponenten zerfällt. Es ist demnach möglich, dafs bei Unter- 
suchung eines Mageninhaltes das Tolysal zum Teil noch unzersetzt 
wieder isoliert wird, daneben wird man aber doch auch schon 
Tolypyrin und Salicylsäure antreffen und diese werden in anderen 
Organen allein oder doch vorzugsweise erkannt werden. Jedenfalls 
empfiehlt es sich auch hier, bei der Abscheidung aus Körperteilen 
die beim Salocoll angegebenen Modifikationen meines Verfahrens 


G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 629 


eintreten zu lassen. Tolysal wird am Besten durch Benzol aus 
wenig saurer Mischung ausgeschüttelt, Tolypyrin wird erst aus 
ammoniakalisch gemachter Solution durch Benzol, Salicylsäure, 
wie schon gesagt, aus saurer Mischung durch Petroläther und besser 
Benzol isoliert. 

Reaktionen: Eisenchlorid bewirktin wässriger und alkoholi- 
scher Lösung des T. violette Färbung!), die auf Zusatz von SO,H, 
schwindet (1:30 000). Tolypyrin selbst wird durch Fe,C], rot. 


Jodjodkalium giebt rotgelben Niederschlag, löslich beim Er- 
wärmen und in NH,. Kaliumquecksilberjodid, Quecksilberchlorid, 
Zinnchlorür und Tannin fällen gelbweilse oder weilse Niederschläge. 


Erhitzt man mit 25 prozentiger NO, H, so tritt weinrote, nach 
Zusatz vonNH, gelbeFärbungein (ebenso beiAntipyrin und Tolypyrin). 
Im Spektrum sieht man bei allen 3 Absorptionen in Grün von 580 
bis 490 u. 

Erwärmt man mit konzentrierterer NO, H auf dem Uhrgläschen, 
so ist die Färbung blutrot (1:3000) und nach dem Verdampfen blau 
(Antipyrin gelb). Der Rückstand wird durch NH, gelb, durch Natron 
braunrot. 

Salpetrige Säure (2—3 Tropfen starke Salpetersäure mit wenig 
As,0,;, oder Kaliumnitrit + Essigsäure) färbt sich mit T. grün 
(1:2000) und nach Zusatz von mehr rauchender Säure blutrot unter 
Abscheidung einer purpurfarbenen, in Chloroform löslichen Masse 
(Antipyrin und Tolypyrin ebenso). Spektroskopiert man die grüne 
Mischung, so sieht man, wie Brasche?) schon beim Artipyrin und 
v. Bunge auch beim Tolypyrin und Orthotolypyrin beobachteten, bei 
geringer Konzentration nur eine Verdunkelung in Violett etc. bis 
429 „, bei stärkerer einen intensiven Streifen in Orange von 650 bis 
580 „. In Mischung mit SO, H, bewirkt Kaliumnitrit orange Färbung 
(1:2000), die durch NH, noch verdunkelt wird (ebenso Antipyrin und 
Tolypyrin). 

Vanadinschwefelsäure färbt sich mit T. olivengrün (1:60 000), 
ohne dals ein charakteristisches Spektrum beobachtet würde. Auch 


1) Bei dieser Reaktion der Salicylsäure wird ein charakteristisches 


Spektrum nicht beobachtet. 
2) Verwendbarkeit d. Spektroskopiez. Untersch. d,Farbenreaktionen 


d. Gifte ete. Diss. Dorpar 1891. 


630 G. Dragendorff: Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 


mit Fröhde’s Reagens und Furfurolschwefelsäure wurden von v. Bunge 
keine charakterische Spektra erhalten. 


Agathin (Salicylaldehyd - Methylphenylhydracin) soll als 
Antineuralgicum von Nutzen sein und dabei die so sehr unangenehmen 
Wirkungen des Phenylhydracins und einiger aus ihm hergestellter 
Kombinationen (Antithermin und Pyrodin) nicht teilen. 


Es ist in Wasser kaum, in Alkohol, Aether, Benzol ziemlich 
leicht löslich. Seine farblosen Krystalle schmelzen bei 74°. Durch 
Kochen mit HCl wird es zersetzt. Durch Petroläther wird es aus 
saurer wässriger Flüssigkeit leicht ausgeschüttelt und aus Harn, Blut 
ete. kann es nach meiner Methode abgeschieden werden. 


Reaktion. Konz. SO, H, löst A. mitrotgelber Farbe, Zusatz 
einer Spur NO,;H macht blau und dann grün (1:20000, kein 
charakt. Spektr.), Wasserstoffsuperoxyd (1:240 000), Natriumsuper- 
oxyd (1:500000), Fröhde’s Reagens (1:60 000), Vanadinschwefel- 
(1:150 000), Kaliumbichromat (1:400000) und Kaliumnitrit 
(1:60000) färben alle die Mischung mit SO,H, violett und 
überall zeigt das Spektroskop ein Band in Grün von 550 
510 «. Giebt man zur Mischung mit SO, H, Resorein oder 
Pyrogallol, so tritt schöne ÖOrangefärbung ein, ebenso mit 
Brenzcatechin und ÖOrcin, bei welchen beiden letzteren später 
eine mehr rote Färbung beobachtet wurde. In allen jenen Orange- 
Mischungen sieht man ein ähnliches Band wie bei den früher er- 
wähnten violetten, nur scheint dasselbe (die Ränder sind sehr ver- 
waschen) etwas mehr nach Blau gerückt. Giebt man Agathin zu 
einer Lösung von Orcin oder Phlorogluein in Salzsäure, so entsteht 
bei ersterem, namentlich beim Erwärmen, Rotfärbung (1:20 000), 
bei letzterem Orangefärbung. Thymol bewirkt in der Schwefel- 
säurelösung des A. purpurrote Färbungen (bis 1: 300 000), während 
Ammoniumsulfuranat (1 g Ammonuranat in 20 CC SO,H,) A. zu 
blutroter, beim Erwärmen grüngestreifter Lösung aufnimmt. 


a 


ARGHIW: 


DER 


PHARMACIE 


herausgegeben 


vom 


| - Deutschen Apotheker-Verein 


unter Redaction von 


E. Sehmidt und H. Beekurts. 


Ve 
x 


Band 233. Heft 9. 
(Schluss des Bandes.) 


BERLIN. 
Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereir 
RER 10050 


INHALT. 


'W. Göhlich, Ueber Morphin und Morphinhydrochlorid.. . . . 631 
J. Gadamer, Ueber das Thiosinamin. . . a: 
O. Hesse, Ueber die Bestandteile von Aristelochien ronahe „7 BO 
H. Kiliani, Zur Kenntnis des Digitalinum verum. . . . 2... 6% ; 
kannusverzeichnis . .. - .. „2... 20... 02 Deo 


Eingegangene Beiträge. 


G. Dragendorff, Beiträge zur gerichtlichen Chemie. 

H. Virchow, Ueber Bau und Nervyatur der Blattzähne und Blatt- 
spitzen. 

J. Gadamer, Ueber das Thiosinamin II. e 

C. Boettinger, Ueber einige Abkömmlinge der Sulfometabrombenzo&- 
säure. 


(Geschlossen den 25. XI, 1895. 


Anzeigen. 


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Die Expedition der Apotheker - Zeitung 
Bern: C. 22, An der Ri: Brücke 14. 


ERNST 


— 3 


Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 631 


Mitteilungen aus dem pharmaceutisch-chemischen 
Institut der Universität Marburg 


von Ernst Schmidt. 


60. Ueber den Krystallwassergehalt des Morphin- 


hydrochlorids und des Morphins 


von Dr. Wilhelm Göhlich. 
(Eingegangen am 1. VIII. 1895.) 

Die Veranlassung zur vorliegenden Arbeit bildete die Aufgabe 
mit welcher mich vor längerer Zeit Herr Geheimrat Prof. Dr. E. 
Schmidt betraute, die in der Sammlung des Instituts vorhandenen 
Sorten des Morphinhydrochlorids einer Untersuchung bezüglich ihres 
Verhaltens gegen reine konzentrierte Schwefelsäure und ihres Krystall- 
wassergehaltes zu unterwerfen. Als Kriterium grölster Reinheit des 
salzsauren Morphins hat, wie bekannt, das Deutsche Reichs- 
arzneibuch das Verhalten gegen reine konz. Schwefelsäure aut- 
genommen. Ein reines Präparat soll durch die konz. Schwefelsäure 
nicht verändert werden und beim Zusammenreiben mit derselben 
auch diese nicht färben. Von dem Krystallwassergehalte sagt das 
Deutsche Arzneibuch, dafs Morphinum hydrochloricum durch Trocknen 
bei 100° 14,5 Proz. an Gewicht verlieren solle. Regnault*) 
ist einer der ersten gewesen, welcher sich mit der Untersuchung des 
Morphins sowohl, als auch mit der des salzsauren Salzes dieser Base 
beschäftigte. Das von ihm untersuchte Hydrochlorid schildert er 
als in sehr weilsen, seidenartigen Fasern krystallisiert. Zur Be- 
stimmung des Krystallwassergehalts trocknete er das zerriebene 
Salz bei 130°; es erlitt dabei einen Verlust von 14,23 Proz.; ein 
weiteres Steigern der Temperatur bis auf 160° vermehrte diesen 
Verlust nicht mehr. Die Formel des Morphinhydrochlorids C,H1NO;, 
HC1-+ 3H,;0 verlangt einen Wassergehalt von 14,38 Proz. Die 
französische Pharmacopoe hat diesen theoretischen 
Krystallwassergehalt acceptiert; ein ihren Anforderungen entsprechen- 
des Salz soll durch Trocknen bei 130 ® 14,38 Proz. an Gewicht einbülsen, 
während die amerikanischePharmacopoe bei derselben 


*), Regnault. Annalen der Chemie u. Pharm. 26, 24. 
Arch. d. Pharm. CCXXXIH. Bds. 9. Heft. 41 


632 Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 


Temperatur einSchwanken des Verlusteszwischen 14,5 Proz. und 15 Proz. 
gestattet. Die Pharm.Germ. ed. II hatte den Krystallwassergehalt 
gleichfalls auf 14,5—15 Proz. normiert, liefs denselben aber durch 
Trocknen bei 100° ermitteln. 

In der Sammlung des pharm. chem. Instituts zu Marburg be- 
finden sich zwei mit eingeriebenen Glasstöpseln verschliefsbare Ge- 
fälse für Morphinhydrochlorid, von denen das eine das Salz in 
Würfeln, in der im Handel jetzt eingebürgerten Form, das andere 
feines Pulver, aus Würfeln durch Zerreiben dargestellt, für Vorle- 
sungszwecke enthält, Bei der Untersuchung der beiden Präparate 
machte ich die Beobachtung, dafs dieselben beim Zusammenreiben 
mit reiner absolut salpetersäurefreier konzentrierter Schwefelsäure !) 
oder beim Daraufstreuen auf die Säure unter Aufbrausen von ent- 
weichender Salzsäure Färbungen in der konzentrierten Schwetelsäure 
erzeugten, und zwar erschien zuerst ein rötlicher Farbenton, welcher 
am besten beim Aufstreuen des Morphinsalzes auf die Schwefelsäure 
als Zone wahrnehmbar war und der allmählich verblafste, um einem 
schmutzigen Violett, welches sich dann durch die ganze Säuremenge 
hinzog, Platz zu machen. Diese letztere Farbe war ziemlich be- 
ständig, noch nach 10—12 Stunden war sie mit einem Stich ins 
Rötliche deutlich zu sehen. Diese Beobachtung der Farben- 
erscheinungen beim Zusammenbringen des Morphinhydrochlorids mit 
konzentrierter reiner Schwefelsäure steht im Einklang mit den An- 
gaben, welche sich schon in der Litteratur darüber vorfinden, so im 
Handelsbericht von Gehe 1891 und in der Pharm. COentralhalle: 
32. Jahrgang S. 231, G. Vulpius „Zur Prüfung des Morphins“. 
Die Anforderungen des Deutschen Reichsarzneibuches bezüglich dieser 
Probe vermochten beide obige Präparate demnach nicht zu erfüllen. 

Zur Bestimmung des Krystallwassergehaltes wurde eine kleine 
Menge der vorliegenden Würfel frisch zerrieben ; 0,3555 g des er- 
haltenen Pulvers verloren durch lang anhaltendes Trocknen bei 1009 
0,048 g Wasser = 13,50 Proz.; 0,3612 g der schan vor damals 
ca. !/, Jahre zerriebenen und als Pulver in der Sammlung auf- 
bewahrten früheren Würfel verloren bei 100° 0,0471 g Wasser 
—= 13,04 Proz. Beide Proben hatten durch das Trocknen einen 


1) Die bei all den beschriebenen Reaktionen angewendete konz, 
Schwefelsäure war mit Diphenylamin auf Salpetersäure geprüft worden. 


Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 633 


Stich ins Gelbe angenommen. (regen den berechneten, bezw. von 
dem Deutschen Arzneibuche geforderten Krystallwassergehalt, 
blieben die gefundenen um 1 bezüglich um 1,5 Proz. zurück. 
Wegen des zu niedrig erhaltenen Krystallwassergehaltes bestimmte ich 
in dem als Pulver vorrätig gehaltenen Präparate den Gehalt an Chlor 
und zwar sowohl im wasserhaltigen, als auch im wasser- 
freien. Bei dieser und den später folgenden Chlorbestimmungen der 
Handelspräparate verfuhr ich in der folgenden Weise. Die be- 
treffende Menge des salzsauren Morphins wurde im 200 ccm Mals- 
kolben gelöst und 100 ccm dieser Lösung gelangten direkt unter 
Zusatz von Kaliumchromatlösung als Indikator zur Titration. In den 
anderen 100 cem der Lösung wurde dasChlor nach der Volhard’schen 
Chlorbestimmungsmethode in der Weise ermittelt, dafs zu den 
100 em Lösung ein überschüssiges Volumen Y,, N. Silberlösung zu- 
gegeben und der Ueberschufs der Silberlösung nach dem Ansäuern 
mit Salpetersäure und Zusatz von Eisenalaun als Indikator durch 
Rücktitration mit Y/,, N. Rhodankaliumlösung ermittelt wurde. Ich 
bin bei diesen doppelten Bestimmungsarten zu sehr gut überein- 
stimmenden Zahlen gelangt. Die durch direkte oder indirekte 
Titration ermittelten Mengen der Y/,, N. Silberlösung stimmten meist 
völlig miteinander überein, nur in seltenen Fällen differierten sie um 
1/j) ecem. Bei der direkten Titration war der Farbenumschlag und so- 
mit die Endreaktion nicht gerade leicht zu erkennen, da die Lö- 
sungen meist etwas gelb gefärbt erschienen, wenn durch das 
Trocknen bei 130 % gelb gewordene Morphinhydrochloride zur Titration 
gelangten. 


I. 0,6025 g des zerrieben vorrätig gehaltenen Sammlungs-Prä- 
parates erforderten zur Bindung des Chlors 16,6 ccm !/,„ N. Silberlösung 
= 9,78 Proz. Cl. Berechnet wäre für Chlor, die gefundene Wasser- 
menge von 13,04 Proz. hierbei zu Grunde gelegt, 9,58 Proz. Cl. 


II. 0,2456 g desselben bei 100° getrockneten Präparates ver- 
brauchten 7,6 ccm Y,, N. Silberlösung = 10,98 Proz. Cl. Die Formel 
des wasserfreien Morphinhydrochlorids C,H NO;, HC1l verlangt 
Cl = 11,04 Proz. 

Man sollte vermuten, dafs bei der aufserordentlichen Schwer- 
löslichkeit des freien Morphins in Wasser (1: 5000) eine Bestimmung 
der Säuren in den Salzen dieser Base durch direkte Titration mit 
1/jö oder Yo N. Kalilauge zu sehr guten Resultaten führen müsse 


41* 


634 Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 


Doch ist dem nicht so. Ich versuchte Lösungen, die je 0,1709 g 
krystallisierten Morphinhydrochlorids enthielten, mit !/„ N. Kalilauge, 
sowohl unter Zusatz von Rosolsäure (des käuflichen Korallins), als 
auch nach Zusatz von Phenolphtalein als Indikatoren zu titrieren. 
Bei Anwendung von Rosolsäure brauchte ich nur 0,2 cem !y N. 
Kalilauge, um eine bleibende Rotfärbung der Flüssigkeit zu erzielen; 
bei Benutzung des Phenolphtaleins als Indikator 2,8 cem Yo N. 
Kalilauge, eine Menge, welche einem Gehalt von 5,81 Proz. Chlor 
entsprechen würde, während die Formel 
C;, Hıg NO,, HCl + 3H,;0 

9,45 Proz. Chlor verlangt. 

Die oben mitgeteilten zu niedrig gefundenen Krystallwasser- 
werte der Sammlungspräparate konnten ihren Grund in einer Ver- 
witterung der betreffenden Morphinhydrochloride haben; um diese 
Möglichkeit zu beseitigen und um ferner möglichst die die konz. 
Schwefelsäure färbenden Verunreinigungen zu entfernen, krystalli- 
sierte ich zu einer neuen Untersuchung eine beliebige Menge des 
zerriebenen Präparates wiederholt aus 50 Proz. Alkohol um, saugte 
die rein weilsen seidenglänzenden, zarten Nadeln ab und bestimmte, 
nachdem dieselben lufttrocken geworden waren, den Krystallwasser- 
gehalt zunächst durch Trocknen bei 100%. 0,6861 g verloren 0,0918 g 
Wasser = 13,38 Proz. ; nach weiterem Trocknen bis 1300 betrug der 
schliefsliche Gesamtverlust 0,0932 g = 13,58 Proz. Das Verhalten 
des zerriebenen Salzes gegen reine konzentrierte Schwefelsäure war 
das gleiche geblieben. Aus diesem Grunde und da auch hier trotz 
der angewandten Reinigungsmetode zu niedrige Werte gefunden 
worden waren, löste ich eine neue Menge des Sammlungspräparates 
diesmal in Wasser und schied das Salz zur Entfernung aller die 
Färbung der Schwefelsäure bedingenden Beimengungen durch Zusatz 
von rauchender Salzsäure aus. Die gebildeten feinen Nadeln wurden 
dann mehrmals aus Wasser umkrystallisiert und schliefslich, wie 
schon oben geschildert, behandelt. 1,0348 g der zerriebenen Nadeln 
verloren bei 1000 0,1370 g = 13,23 Proz. Wasser; bei 1300 ins- 
gesamt 0,1392 g = 13,45 Proz. Diese Probe erlitt wegen Spuren 
noch oberflächlich den Krystallen anhattender Salzsäure beim Trocknen 
eine bedeutend stärkere Gelbfärbung, als die beiden vorigen. Auf 
konzentrierte Schwetelsäure gestreut, erzeugte eine kleine Menge der 


Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 635 


Substanz dieselben Färbungen, wie das ursprüngliche Sammlungs- 
präparat. Letzteres wurde zu einem weiteren Versuche nunmehr 
nur mehrmals aus Wasser umkrystallisiert und bei der Untersuchung 
dieser Proben wurden günstigere Werte gefunden, als bei allen 
vorhergehenden. 0,6993 g verloren bei 1000 0,0990 g Wasser — 
14,14 Proz. und 0,4226 g erlitten einen Verlust von 0,0592 g be- 
1000 — 14,00 Proz. Beide Proben waren sehr lange im Wasser- 
dampftrockenschranke getrocknet, und erlitten bei weiterem Trocknen 
bei 1300 einen Verlust nicht mehr. In dem Verhalten gegen 
konzentrierte Schwefelsäure war eine Veränderung nicht zu kon- 
statieren. 

Zur Selbstdarstellung von absolut reinem salzsauren Morphin 
wurde mir von Herrn Geheimrat Schmidt „chemisch“ reines 
Morphin in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt. Die 
Base selbst stammte aus einer bekannten deutschen Alkaloidfabrik 
und stellte weilsliche, ziemlich derbe Nadeln dar. Um mich von 
ihrer Reinheit zu überzeugen, bestimmte ich den Krystallwasserge- 
halt, den Schmelzpunkt des wasserfreien Präparates und beobachtete 
das Verhalten der zerriebenen Krystalle gegen reine konzentrierte 
Schwefelsäure. Beim Trocknen bei 100° machte ich die Beob- 
achtung, dafs hierdurch die formelgemälse Krystallwassermenge 
(1 Molekül = 5,94 Proz.) nicht zu entfernen war. 5,3937 g ver- 
loren bei 1000 nämlich nur 0,1368 g Wasser — 2,53 Proz. und erst 
beim Trocknen bei 1200 trat unter oberflächlicher, gelblichbrauner 
Färbung der Substanz ein Verlust von 0,3188 g = 5,91 Proz. 
Wasser ein. 


Diese Wahrnehmung steht im Widerspruche zu den Be- 
obachtungen, welche D.A. Dott (Pharm. Journal. Transact. Ser. III 
Nr. 722. p. 900 durch Arch. für Pharmacie 1888, p. 325) mitteilt 
und welche Dieterich (Helfenberger Annalen 1888) bestätigt. 
Dott giebt an, dafs Morphin, sowohl mit Ammoniak aus. Morphin- 
salzen gefälltes, als auch aus Alkohol umkrystallisiertes schon 
unter 1000 (bei 900) sein Gesamtkrystallwasser verlieren solle und 
dafs bei 1200 bei 10 von ihm untersuchten Proben im Mittel ein 
Verlust von 6,56 Proz. eingetreten sei; Dieterich fand bei zwei 
mehrmals aus Alkohol umkrystallisierten und zuvor 8 Tage bei 
25—30° getrockneten Proben einen Wasserverlust nach zwölfstündigem 


636 Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 


Trocknen bis 100° von 6,19 Proz. und nach fünfzehnstündigem 
Trocknen bei 120° einen solchen von insgesamt 6,39 Proz., wogegen 
Hesse (Pharm. Zeitung 1888, S. 478) bei Wiederholung seiner 
Versuche zu dem Resultat gelangte, dafs nach 48 stündigem Trocknen 
bei 110° sein Uatersuchungsobjekt nur 5,99 Proz. und bei 
48 stündigem Trocknen bei 120° nur 5,91 Proz. Verlust an Krystall- 
wasser erlitt. Ich bin auch dieser durch die widersprechenden 
Angaben der zitierten Autoren immer noch offenen Frage näher ge- 
treten, indem ich den Krystallwassergehalt des unter verschiedenen 
Bedingungen erhaltenen Morphins bestimmte. Da Dott in seiner 
Arbeit die Meinung vertritt, dafs das Morphin zum Zwecke der 
Wasserbestimmung nicht zerrieben werden dürfe, da die durch das 
Zerreiben erzeugte Wärme durch Verdunsten den Wassergehalt 
herabdrücken könne, Hesse undDieterich dagegen bezweifeln, 
dals die Reibungswärme eine solche Höhe erreichen könne, chemisch 
gebundenes Wasser zum Verdampfen zu bringen, so habe ich von 
demselben käuflichen Morphin, von dem oben die Rede war, ungefähr 
ein Jahr nach der ersten Untersuchung eine Wasserbestimmung, 
sowohl im unzerriebenen, als auch im zerriebenen Zustande aus- 
geführt. 0,5741 g des käuflichen in derben Krystallen vorliegenden 
Präparates verloren nach einstündigem Trocknen bei 100° 0,001 g 
Wasser, eine Vermehrung dieses Verlustes war auch nach weiterem 
vierzehnstündigen Trocknen bei 100° nicht zu konstatieren. Der 
Verlust würde auf Prozente berechnet 0,17 Proz. betragen. Beim 
Trocknen bei 110° betrug nach Verlauf von zwei Tagen der Ge- 
samtverlust 0,0358 g = 6,23 Proz. und nach abermaligem zwei- 
tägigem Trocknen bei 120° 0,0360 g = 6,27 Proz. 0,4362 g desselben 
nur zerriebenen Präparates bei 100° eine Stunde getrocknet, hatten 
0,0808 g an Gewicht — 0,18 Proz. verloren, eine weitere Abnahme 
trat auch nach 14 stündigem Trocknen nicht mehr ein. Nach zwei- 
tägigem Trocknen bei 110° verlor obige Menge 0,0242 g Wasser 
gleich 5,54 Proz. und nach weiterem zweitägigen Trocknen bei 
1200 0,0257 g = 5,89 Proz. Die Wasserabgabe des Präparates beim 
Trocknen bei 100° war demnach wesentlich geringer geworden, 
(0,17—0,18 Proz), als vor Jahresfrist (2,53 Proz.), und bei 120° hatte 
die nicht zerriebene Substanz mehr Wasser verloren (6,27 Proz.), 
als die zerriebene (5,89 Proz.). Zur weiteren Untersuchung wurde 


Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 637 


eine beliebige Menge salzsauren käuflichen Morphins in Wasser 
gelöst und die treie Base durch vorsichtigen Zusatz von NH, ab- 
geschieden. Nach zweitägigem Stehen war der anfangs amorphe 
Niederschlag krystallinisch geworden ; er wurde abgesaugt, gut mit 
Wasser ausgewaschen, vollständig lufttrocken werden gelassen, zer- 
rieben und von der Substanz 0,3034 g bei 1000 bis zum konstanten 
Gewicht getrocknet; der Verlust betrug 0,0024 g = 0,79 Proz. 
Nach weiterem Trocknen bei 120° bis zum konstanten Gewicht hatte 
die obige Menge 0,0192 g = 6,34 Proz. verloren. Das nicht zur 
Wasserbestimmung verwendete Morphin wurde wiederum in’s Hydro- 
chlorid verwandelt und abermals mit Ammoniak ausgefällt und, wie 
oben geschildert, weiter behandelt. 0,3682 g verloren bei 1009 
0,0034 g = 0,89 Proz. und bei 1200 0,0228 g = 6,19 Proz. Dieses 
zweimal mit Ammoniak ausgeschiedene Morphin wurde zu einem 
neuen Versuche mehrmals aus Alkohol umkrystallisiert. Von den 
zerriebenen Krystallen verloren 0,4308 g bei 100° 0,0012 g = 0,27 Proz. 
und bei 120° 0,0268 & = 6,21 Proz. an Gewicht, 

Diese von mir gemachten und soeben beschriebenen Be- 
obachtungen stehen mit keiner der Angaben der genannten Autoren 
im Einklange; am allerwenigsten mit derjenigen von Dott 
(I. e), dafs das Morphin schon beim Trocknen unter 100° sein Ge- 
sammtkrystallwasser verlieren solle. Nach meinen Beobachtungen 
findet eine vollständige Entwässerung des Morphins erst bei 
120° statt. 

Der Schmelzpunkt der wasserfreien käuflichen Base lag bei 230°. 
Beim Aufstreuen der zerriebenen lufttrockenen Krystalle auf konz. reine 
Schwefelsäuretraten auch hierbei die Farbenreaktionen auf, von welchen 
schon oben die Rede war. Zur Darstellung des salzsauren Salzes wurde 
die fein zerriebene freie Base mit Salzsäure genau neutralisiert und 
die Lösung zur Krystallisation eingedampft. Die erhaltenen Kry- 
stalle wurden mehrfach aus Wasser umkrystallisiert, schliefslich ab- 
gesaugt und aus der lufttrockenen Substanz nach dem Zerreiben der 
Krystaliwassergehalt bestimmt. 0,7144 g des salzsauren Salzes ver- 
loren bei 100° 0,1020 g Wasser (Trocknen im Wasserdampftrocken- 
schrank) = 14,27%, und 0,3983 g des Salzes einer anderen Dar- 
stellung unter denselben Bedingungen 0,0562 g Wasser = 14,11%. 
Ein weiterer Verlust von Wasser durch Trocknen bei 130° wurde 


638 Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlerid. 


nicht mehr konstatiert. Da das Verhalten des salzsauren Salzes 
gegen konzentrierte reine Schwefelsäure ein anderes immer noch 
nicht geworden war, unternahm ich es, die freie Base durch mehr- 
faches Umkrystallisieren aus heilsem 96%/, Alkohol einer Reinigung 
zu unterwerfen und erst nach derselben durch genaues Neutrali- 
sieren mit reiner Salzsäure das salzsaure Morphin darzustellen. Das 
erhaltene Hydrochlorid wurde dann noch zweimal aus Wasser um- 
krystallisiert. 0,4486 g desselben verloren bei 100% 0,0628 g Wasser 
gleich 13,99%, und bei 130° insgesamt 0,0632 g = 14,09%). Eine 
zweite Menge verlor bei 100° 0,0516 & = 13,91%), und bei 1300 
0,0518 g = 13,97°/, an Gewicht. Das Verhalten gegen konz. Schwefel- 
säure war bei dieser Probe in so fern anders, als die Substanz beim 
Aufstreuen auf Schwefelsäure eine nicht mehr so stark rötliche 
Färbung erzeugte, wie die vorher geschilderten Proben. Die Resul- 
tate der Krystallwasserbestimmungen mufsten einigermafsen über- 
raschen, da die zur Untersuchung gelangten Salze in sorgfältig ge- 
reinigtem Zustande vorlagen und doch gleichwohl der berechnete 
Krystallwassergehalt von 14,35°/, nicht gefunden wurde. 


Prof. Plugge in Groningen veröffentlichte im Archiv der 
Pharmacie 1887, pag. 348 ein Verfahren, um Morphin von allen 
anderen im Opium gleichfalls vorkommenden Basen quantitativ zu 
trennen, welches demnach ermöglichen mufste, zu einem wirklich 
chemisch reinen Morphin zu gelangen. Diese Methode 
wandte auch ich an, da die Färbungen, welche konzentrierte 
Schwefelsäure beim Zusammenbringen mit den untersuchten Morphin- 
hydrochloriden annahm, von geringen Mengen den Morphinsalzen 
beigemengter anderer Opiumalkaloide (Codein, Narkotin) herrühren 
konnten. Zum Zwecke der Reinigung des Morphinhydrochlorids 
nach dem Plugge’schen Verfahren löste ich eine gröfsere Menge des 
käuflichen Präparates in Wasser auf und versetzte diese Lösung mit 
einer der Konzentration der angewendeten Morphinlösung entsprechend 
starken Rhodankaliumlösung und liefs dann die gemischten Flüssig- 
keiten einige Tage lang bei gewöhnlicher Temperatur stehen. Bei 
Gegenwart von Codein in Morphinsalzlösungen scheidet sich nach 
Plugge bei der befolgten Behandlungsweise erstere Base in Gestalt 
ihres gut krystallisierenden rhodanwasserstoffsauren Salzes aus, 
während Morphin nahezu quantitativ in Lösung bleibt. In dem vor- 


Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 639 


liegenden Falle schieden sich Krystalle nicht ab, noch trübte sich die 
Lösung überhaupt durch irgend welche Ausscheidungen, obwohl ich 
mich bezüglich der Konzentration derselben an die Angaben von 
Plugge gehalten hatte. Aus der vollständig klar gebliebenen 
Lösung, welche nach dem genannten Forscher immerhin noch 
kleinste Mengen von Codein erhalten konnte, gelangte das 
Morphin als freie Base so zur Abscheidung, dafs die betreffende 
Lösung mit Ammoniak in geringem Ueberschusse versetzt und die 
Flüssigkeit zum Abdunsten des Ammoniaks in einem nur lose be- 
deckten, geräumigen Becherglase ruhig stehen gelassen wurde. Die 
sogleich durch den Ammoniakzusatz bewirkte amorphe Ausscheidung 
des Morphins hatte sich nach der Verflüchtigung des Ammoniaks 
bedeutend vermehrt und war zudem krystallinisch geworden. Aus 
diesen Krystallen wurde darauf nach dem Absaugen, Abwaschen, 
Trocknen und Zerreiben derselben durch genaue Sättigung mit Salz- 
säure reines salzsauresMorphin dargestellt und dieses nach mehrmaligem 
Umkrystallisieren aus Wasser der Untersuchung unterzogen. In dem 
Verhalten gegen konzentrierte reine Schwefelsäure zeigte dieses Salz 
schwächere Farbentönungen, als die früher untersuchten Präparate. 
Die Bestimmung des Krystallwassers ergab folgendes Resultat: 
0,7243 g verloren im Dampftrockenschrank 0,0962 g Wasser und bei 
130° noch 0,0028 g, zusammen also 0,0990 g; demnach in Prozenten 
bei 1000 13,28 und bei 1300 13,68. Wegen dieses unerwarteten 
Befundes wurde das Hydrochlorid nochmals aus Wasser und Alkohol 
umkrystallisiert. 0,3228 g der erhaltenen zerriebenen Krystalle ver- 
loren bei 100° 0,0412 = 12,76 Proz. und bei 130° insgesamt 
0,0440 = 13,63. Proz. Wasser. Der Krystallwasserverlust war also 
bei diesem Präparate bei 1000 sogar noch um 0,5 Proz. geringer 
ausgefallen, während er bei 1300 annähernd der gleiche geblieben 
war, wie bei dem vorigen. Ich löste daher die Gesamtmenge des 
vorhandenen salzsauren Salzes noch einmal in Wasser und schied die 
freie Base wiederum durch vorsichtigen Zusatz von Ammoniak aus, 
um nach dem Verdunsten des Ammoniaks von neuem aus ersterer 
mit Hülfe von Salzsäure das Hydrochlorid zu erzeugen. Nach mebhr- 
maligem Umkrystallisieren aus Wasser wurden von den lufttrockenen, 
zerriebenen Krystallen 0,5658 g zur Wasserbestimmung verwendet. 
Bei 100° verloren dieselben 0,0752 g an Gewicht = 13,29 Proz., bei 


640 Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 


1300 im Ganzen 0,0780g = 13,78 Proz., trotzdeseingeschlagenen neuen 
Reinigungsweges annähernd die gleichen Prozentzahlen, wie ich die- 
selben schon oben erhalten hatte, gegen den theoretisch berechneten 
Wassergehalt um ca. 0,54 Proz. zurückbleibend. Ich krystallisierte 
nunmehr das obige Hydrochlorid nochmals aus stark salzsäurehaltigem 
und schliefslich wohl zehn- bis zwölfmal aus reinem Wasser um. Die 
mit den auf diese Weise gewonnenen Krystallen ausgeführten Wasser- 
bestimmungen lieferten folgende Daten: I. 0,9374 g des Salzes einer 
ersten Krystallisation verloren im Wasserdampftrockenschrank 0,1236 
Wasser = 13,180/, und bei 130°, im Ganzen 0,1279 g= 13,64 %,. 
II. 0,8225 g des Salzes einer anderen Krystallisation verloren bei 
1000 0,1080 g= 13,13 %/, und bei 130 ® insgesamt 0,1090 g = 13,24 %/, 
Wasser. III. 0,5194 g des Hydrochlorids einer dritten Krystallisa- 
tion erlitten bei 100 0 einen Verlust von 0,0683 g= 13,14 °/, und 
bei 1300 0,0723 g=13,920%/, Wasser. Auch gegen konzentrierte, 
reine Schwefelsäure zeigten die Salze dieser drei Krystallisationen 
annähernd das gleiche schon oben erwähnte Verhalten. 


Um nun endlich noch einen letzten Versuch zu machen, schied 
ich noch einmal das schon mehrfach nach der Plugge’schen 
Methode gereinigte Morphinhydrochlorid mit rauchender Salzsäure 
aus seiner Lösung aus und krystallisierte die gewonnenen Krystalle 
so lange aus Alkohol und Wasser um, bis dieselben, auf angefeuch- 
tetes, aulserordentlich empfindliches Lacmuspapier gelegt, keine 
Spur einer sauren Reaktion mehr zeigten; im Ganzen war hierzu 
ein zwölf- bis fünfzehnmaliges Umkrystallisieren erforderlich. Die 
so erhaltenen Krystalle zeigten mit reiner konz. Schwetelsäure zu- 
sammengebracht nur noch Spuren von Färbungen, namentlich war 
die zuerst auftretende Rotfärbung sehr schwach, oft kaum bemerk- 
bar, dagegen trat das schmutzige Violett nach zwei- bis dreistündi- 
gem Stehen noch immer deutlich auf. Bei der Bestimmung des 
Wassergehaltes verloren 0,6668 g der fein zerriebenen Krystall- 
nadeln im Wasserdampftrockenschrank 0,0878 g= 13,160, und bei 
1300 0,0894 g= 13,40 %/, Wasser, das bedeutet gegen die be- 
rechnete Menge von 14,38%, eine Differenz bei 100° von 
1,220/, und bei 130° eine solche von 0,98°%,. Welche Ursache 
diese anormalen Befunde bei einem so sorgfältig gereinigten und 
behandelten Präparate haben mögen, bin ich nicht im Stande, zu 


Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 641 


erklären ; jedenfalls stehen dieselben im Widerspruch mit allen mir 
bekannten Litteraturangaben über den Wassergehalt des Morphin- 
hydrochlorids. Nach E. Schmidt, Lehrbuch für pharmazeutische 
Chemie, II. Band, Organische Chemie, II. Auflage Seite 1213 soll 
Morphinhydrochlorid bei 1000 bis zum konstanten Gewicht getrock- 
net höchstens 14,50 0/, Wasserverlust erleiden, das getrocknete 
Salz soll auch bei 1300 eine Färbung nicht annehmen. Flückiger 
sagt in seiner pharmazeutischen Chemie 1879, S. 380 vom Morphinum 
hydrochloricum : „seine weilsen Krystallnadeln geben erst bei 1309 
ihren Wassergehalt vollständig ab“ und Tausch (Archiv der 
Pharmazie 1880, 287), welcher sich gleichfalls eingehend mit der 
Untersuchung des salzsauren Morphins beschäftigt hat, stellt gerade- 
zu die Behauptung auf. dafs „bei anhaltendem Trocknen bis 
zu 100° das salzsaure Morphin nicht nur mechanisch anhaftende 
Salzsäure, sondern auch sein gesamtes Krystallwasser, also 
14,38 %/,, verlöre“ und fordert ferner, dafs „das reine Präparat bei 
130 0 eine Veränderung bezüglich der Farbe überhaupt nicht erleide.“ 
Dem Letzteren gegenüber mufs ich einwenden, dafs auch diejenigen 
von mir untersuchten, vorher mehrfach nach den beschriebenen 
Methoden gereinigten und vieltach umkrystallisierten Präparate bei 
130 stets, wenn auch nur einen schwachen Stich ins Gelbliche an- 
genommen haben. 


Dafs ein oberflächliches Verwittern der Morphinhydrochlorid- 
krystalle nicht etwa die Ursache des stets zu gering gefundenen 
Krystallwassergehaltes sei, wie man am ersten wohl annehmen 
konnte, habe ich in folgender Weise zu beweisen versucht. Morphin- 
hydrochloride verschiedener eigenen Darstellungsmethoden und auch 
eines aus dem Handel wurden in zerriebenem Zustande in gewöhn- 
liche Porzellantiegel gebracht und vor Staub geschützt in dem grolsen 
Wägezimmer des hiesigen Instituts in dem oberen Gefach eines 
Schrankes über ein Jahr lang bei ziemlich gleicher Temperatur 
(15—20 %) und, wegen der Aufbewahrung in den nur lose verschlos- 
senen Porzellantiegeln unter günstigen Verwitterungsbedingungen 
stehen gelassen. Während dieser ganzen Zeit verlor Probe I. 
0,6261 g nur 0,0003 g an Gewicht = 0,05 %/,, Probe II. 0,5815 g 
ebenfalls 0,0003 g = 0,06 %/, und Probe II. 0,7973 g 0,0006 g= 
0,08%, an Gewicht. Angesichts dieser Daten erscheint die 


642 Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 


Annahme einer Verwitterung hinfällig; ob ein anderes das 
Morphinhydrochlorid verunreinigendes Alkaloid, welches auch die 
Schuld an den auftretenden Färbungen der konzentrierten Schwefel- 
säure tragen mülste, den Krystallwassergehalt des salzsauren 
Morphins um 1—1,5 Proz. herunterzudrücken vermag, weil das 
Hydrochlorid des beigemengten Alkaloids einen erheblich niedrigeren 
Wassergehalt besitzt, kann ich nicht für wahrscheinlich halten; es 
müfste bei den vielfach von mir eingeschlagenen Reinigungsmethoden 
das verunreinigende Alkaloid entweder entfernt oder mir zu Gesicht 
gekommen sein. Nach der erfolgten Reinigung des Morphins mulste 
dann der Wassergehalt des sogleich dargestellten Hydrochlorids der 
normale geworden sein; indessen thun aber gerade die zuletzt ge- 
fundenen Zahlen dar, dafs auch nach den verschiedenen Reinigungs- 
prozessen der Krystallwassergehalt zu gering erhalten wurde. 
Schliefslich erübrigt es noch auf die Möglichkeit hinzuweisen, 
dafs das Morphinhydrochlorid in zwei in ihrem Krystallwassergehalte 
verschiedenen Modifikationen krystallisiere, vielleicht in einer solchen 
mit zwei und einer anderen mit drei Molekülen Krystallwasser. Das 
Morphinhydrobromid krystallisiert nach E. Schmidt!) mit nur 
zwei Molekülen Wasser, während das Morphinhydrojodid nach An- 
gabe von H. R. Bauer?) drei Moleküle Wasser enthalten soll 
E.Schmidt?) fand dagegen bei Morphinhydrojodiden verschiedener 
Darstellungen entgegen obigen Angaben stets nur zwei Moleküle 
Wasser, so dafs, die Richtigkeit der Bauer schen Angaben voraus- 
gesetzt, die Annahme gerechtfertigt erscheint, dafs das Morphin- 
hydrojodid je nach der Verschiedenheit der Darstellungsbe- 
dingungen mit zwei oder drei Molekülen Wasser zu krystallisieren 
vermag. 

Die Formel für salzsaures Morphin C,7 H;g NO, HCl + 2H,0 
verlangt 10,06 Proz. Wasser, während dieselbe mit 3 H,O, wie schon 
erwähnt, 14,38 Proz. Wasser erfordert. Nach der in obigem an- 
gedeuteten Annahme mülste dann das mit nur zwei Molekülen Wasser 
krystallisierende Hydrochlorid stets mit dem drei Moleküle Wasser 
enthaltenden zusammen krystallisiert sein und das erstere wegen 


1) E. Schmidt, dieses Archiv 211, S. 42. 
2), H. R. Bauer, dieses Archiv 205, S. 303. 
3) E. Schmidt, dieses Archiv 211, S. 42 u. £. 


Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 643 


seines geringeren Wassergehaltes auch den Wassergehalt des krystall- 
wasserreicheren herabgedrückt haben. 


Da eine Vergleichung der von mir ermittelten Wassergehalts- 
prozentzahlen mit dem Wassergehalte der im Handel befindlichen 
Sorten des Morphinum hydrochloricum interessant erschien, so habe 
ich, soweit mir nur irgend erreichbar, Morphinhydrochloride des 
Handels gleichfalls untersucht. Unter denselben dürften sich wohl 
Repräsentanten der Mehrzahl der in Deutschland und England dar- 
gestellten Präparate befinden. Letztere stammen aus Apotheken und 
Drogenhandlungen aller Gegenden Deutschlands, und ich verdanke 
die verschiedenen Sorten zum Teil der Güte der betreffenden Herren 
Geschäftsbesitzer, zum Teil der Liebenswürdigkeit der Herren 
Kommilitonen, welche in vorigen Semestern im hiesigen Institute 
gearbeitet haben und welche mir die Präparate durch ihre früheren 
Beziehungen zu Apotheken besorgen konnten. An dieser Stelle 
möchte ich nochmals allen jenen Herren, welche mich mit 
Untersuchungsmaterial unterstützten, meinen besten Dank aus- 
sprechen. 

In dem Verhalten gegen reine konzentrierte Schwefelsäure 
waren sämtliche Handelspräparate, die zur Untersuchung kamen, 
gleich. Beim Aufstreuen des feinen Pulvers auf dieselbe trat unter 
Aufbrausen der Salzsäure ein schwach rötlicher Schaum auf, der 
nach dem Zusammenfallen einen ebenso rötlichen Ring hinterliels, 
welcher allmählich erblafste. 


Nach zwei bis drei Stunden langem Stehen hatte die dann ent- 
stehende zuerst schwache, dann stärker werdende schmutzig 
violette Farbe ihren Intensitätspunkt erreicht und begann dann 
in eine schmutzig rot-violette und dann rötliche Färbung über- 
zugehen. 

Die beifolgende Tabelle giebt in den einzelnen Rubriken 
die Resultate der ausgeführten Untersuchungen in laufenden 
Nummern an. 


Die Formel C,, H;g NO,, HCl + 3H,O erfordert H,O : 14,38 Proz; 
Cl: 9,45 Proz. 


Die Formel C,, H;s NO;, HCI erfordert Cl: 11,04 Proz. 


644 Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 


Wie lange 


Lan. | das Morph, Wasserverlust Farbe | Chlorgehalt in Prozent 

as hydrochl. in Prozenten |nach dem berechnet auf 

ze ano bei Trock- | wasserhaltige | wasserfreie 

- | aufbewahrt nen. 
ne 1000 1300 Substanz 
1 ? 13,03 13,03 gelb 9,42 11,01 
2 | Frisch zer- 

rieben 14,20 14,20 % 9,38 10,98 
3 1/, Jahr 14,19 14,19 | gelblich 9,47 11,05 
4 IE 12,98 13,23 ® 9,53 11,12 
B) ZU 0, 13,10 13510 & 9,52 11,04 
BR. 13,39 13,39 ß 9,36 11,10 
TE ne 13,46 13,46 5 9,39 11,10 
8 10 Tage 13,58 13,64 , 9,52 11,02 
9 | 5 Wochen 13,24 13,87 gelb 9.45 11,07 
10 | 14 Tage 13,25 13,25 t 9,60 11,01 
Malle spp 13,67 | 13,78 a 9,58 10,99 
12 Sim 13,46 13,67 gelblich 9,41 10,92 
13 1 Jahr 13,54 13.54 3 9,57 11,13 
14 ? 12,99 13,23 ” 9,63 11,12 
15 8 Tage 13,80 14,01 ” 9,43 10,96 
16 ? 13,49 13,68 gelb 9,61 11,21 
17 2 Jahr 14,02 14,02 gelblich 9,62 11,18 
18 6 Monate 13,83 13,92 u 9,56 10,99 
19 1!1/, Jahr 13,86 13,86 n 9,48 11,06 
20 | 11a Jahr | 13,43 13,86 gelb 9,68 11,21 
21 1 Tag 13,72 14,22 „ 9,40 10,92 
22 | 3/, Jahr 13,39 13,88 & 9,45 10,98 
23 1 Woche 13,91 13,97 „ 9,57 11,10 
24 2 Wochen 13,43 13,75 = 9,53 11,10 
25 ? 13,99 14,15 gelblich 9,69 11,26 
26 4 Wochen 13,41 13,68 = 9,26 10,70 
27 8 5 13,72 13,92 5 9,43 10,98 
28 1 Jahr 13,38 13,80 B 9,58 11,02 
29 4 Monate 13,94 14,21 n 9,45 11,00 
30 11/, Jahr 14,02 14,11 n 9,43 10,99 
si | 12, Jahr | , 13,00 13,29 a 9,57 11,18 
Sp an » 13,71 14,08 S 9,62 11,21 
33 oil, 13,98 13,98 gelb 9,72 11,14 
34 ? 14,17 14,35 ü 9,44 10,99 
35 2 Jahre 13,39 13,77 e 9,68 11,03 
36 1 Woche 13,23 13,57 2 9,72 ‚hab 
37 6 Wochen 14,02 14,12 | gelblich 9,04 10,42 
38 ? 13,40 13,90 = 9,26 10,83 
39 ? 13,29 13,74 » 9,56 11,11 
40 4 Wochen 13,95 14,07 gelb 9,65 11,02 
41 ? 14,05 14,14 | gelblich 9,36 10,97 
42 21/, Jahre 13,67 14,03 5 9,28 10,89 
43 ? 14,16 14,16 = 9,46 10,90 
44 6 Wochen 13,07 13,56 2 9,72 11,31 
45 1!/, Jahre 13,04 13,63 gelb 9,35 10,87 
46 US, 13,.1° 1.13.93 > 9,27 10,73 


Dr. Wilhelm Göhlich: Ueber Morphinhydrochlorid. 645 


Wie lange Wasserverlust Chlorgehalt in 
Lau- | das Morph i Farbe 
fende | hydrochl. wer) in Prozenten a Proz.,berechnet auf 
Is rieben aufbe- bei Trock wasserhalt, | wasserfreie 
No. | wahrt wurde 1000 1300 ge = Substanz 
47 14 Tage 13,40 13,85 gelb 9,32 11,11 
48 3 Monate 13,54 14,06 gelblich 9,30 10,84 
49 | 21, Jahre | 13.13 13,77 h 9,54 10,78 
50 Us 14,05 14,20 3 9,43 11,08 
Sl er 13,18 SH gelb 9,38 11,01 
52 7 13,32 13,67 stark gelb 0,46 12,12 


Von den zur Untersuchung gelangten 52 Präparaten des 
Handels erreicht nur eins (Nr. 34) den nach der Formel berechneten 
Wassergehalt, allerdings erst nach dem Trocknen bei 1300. Sechs- 
zehn Präparate weisen den Gehalt von 14 Proz. Wasser auf be- 
ziehungsweise überschreiten denselben, während 35 Präparate zum 
Teil mit bis zu 1,3 Proz. unter dem ertorderlichen Wassergehalte 
zurückbleiben. Die letzte Nummer zeigt insofern noch besondere 
Eigenschaften, dafs einmal das Präparat sich beim Trocknen auf- 
fallend stark gelb färbte und sein Chlorgehalt ein anormal hoher war. 
Ich vermute, dafs dieses Morphinhydrochlorid aus seiner wässrigen 
Lösung mit rauchender Salzsäure ausgeschieden und dann nicht häufig 
genug umkrystallisiert wurde, um die letzten anhaftenden Spuren der 
treien Salzsäure zu entfernen. 

Diese letzten Untersuchungen beweisen, dafs die Handels- 
präparate den Anforderungen des deutschen Arzneibuches be- 
züglich ihres Verhaltens gegen reine konzentrierte Schwefelsäure 
nicht gerecht zu werden vermögen, und dals der vom Arzneibuch 
vorgeschriebene Krystallwassergehalt nur in den seltensten Fällen 
von denselben ‘erreicht wird. 

Eine bündige Erklärung dieses sonderbaren Verhaltens des 
Morphinhydrochlorids zu geben bin ich, wie ich schon oben ausein- 
andersetzte, trotz der ausgeführten eigenen Untersuchungen leider 
nicht im Stande, vielmehr mu/s ich mich mit der Feststellung der 
Thatsache begnügen. 


646 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 


Mitteilungen aus dem pharmaceutisch-chemischen 
Institut der Universität Marburg 


von Ernst Schmidt. 


61. Ueber das Thiosinamin und seine Halogen- 
additionsprodukte 


von Dr. J. Gadamer. 


(Eingegangen den 2. August 1895.) 


Nachdem das Thiosinamin zuerst von Dumas und Pelouze 
durch Einwirkung von starkem Ammoniak auf Senföl dargestellt 
worden war, wurde dasselbe Gegenstand einer Reihe von Arbeiten, 
die sich teils mit seinen Verbindungen, teils mit der Ergründung 
seiner Konstitution beschäftigten. Dumas und Pelouze!) selbst 
scheinen sich nicht eingehender mit dem neuentdeckten Körper be- 
schäftigt zu haben, da sie sich eines endgültigen Urteils über seine 
Eigenschaften enthalten und denselben nach seinen Komponenten 
einfach als Senfölammoniak bezeichnen. Will kam dann auf 
Grund seiner Analysen zu der Bezeichnung Thiosinamin, da seiner 
Ansicht nach diese Verbindung in jeder Hinsicht als organische 
Base zu betrachten ist. Er wurde hierzu durch den Umstand ge- 
führt, dafs das „Thiosinamin“ mit gewissen Metallchloriden und gas- 
förmiger Salzsäure Verbindungen eingeht. ?) 

Aschoff?°) machte alsdann die Wahrnehmung, dafs Thiosinamin 
auf Zusatz von Brom e’nen weilsen Niederschlag lieferte, während 
die von Brom herrührende B:aunfärbung gleichzeitig verschwand. 

Diese Angabe wird von Malyt) in der Weise berichtigt, dals 
reinem Thiosinamin diese Reaktion nicht zukomme, dals aber 
allerdings Brom addiert werde unter Bildung eines Körpers, den er 


7) Ann. f. Ch. u. Phy. 53, 181. 
2) Ann. f. Ch. u. Pharm. 52, 9. 
3) Journ. f. pr. Chem. 4, 314. 

4) Zeitschr. f. Chem. 1867, 42. 


Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 647 


Thiosinamindibromür nennt. Maly weist dabei auf die Verschieden- 
heit der beiden addierten Bromatome hin und charakterisiert die 
Verbindung als ein bromwasserstoffsaures Salz. Derselbe Forscher 
berichtet zwei Jahre später über die entsprechende Jodverbindung..) 


Das auffällige Verhalten der beiden Bromatome, sowie der Um- 
stand, dafs man inzwischen das Thiosinamin als Allylthioharnstoff 
charkterisiert hatte, veranlalsten Falke, die Konstitution des 
Thiosinamins auf Anregung von Herrn Prof. E. Schmidt näher 
zu studieren. 

Für den Thioharnstoff sind zwei Formeln, eine symmetrische 
NR, NE 
os und eine unsymmetrische ds H, aufgestellt, und nach den Reak- 
I 


| | 
NH, NH, 


tionen und Verbindungen, welche derselbe zu liefern imstande ist, 
mu[s man annehmen, dafs ihm beide Formeln zukommen, dals er 
also ein Beispiel der Tautomerie sei.?) Es war daher zu erwarten, 
dafs bei dem Allylderivate des Thioharnstoffs, dem Thilosinamin, 
ähnliche Verhältnisse vorliegen würden.) 


Der Umstand ferner, dafs das Thiosinamin mit rauchender 
Salzsäure erhitzt einen isomeren Körper, den Propylen » thioharnstoff 
Gabriel’s?) liefert, legt es nahe, die Maly’sche Additions- 
produkte mit ersterem zu vergleichen, und zu konstatieren, ob den 
beiden Körpern dieselbe Konstitution zukomme, oder ob auch hier 
Verschiedenheiten vorlägen. Seine Untersuchungen hierüber hat 
Falke in seiner 1893 erschienenen Dissertationsschrift niedergelegt. 
Da jedoch Falke’s Arbeit noch so manches unentschieden lälst, 
anderes von Wichtigkeit überhaupt nicht behandelt, so unternahm 
ich es auf Veranlassung von Herrn Geheimrat Professor 
Dr. E Schmidt, die Arbeit Falke’s fortzusetzen und zu er- 
gänzen. Die Aufgabe zerfällt, wie aus Obigem erhellt, in zwei 
Hauptpunkte:: 

1. Untersuchungen über die Konstitution des Thiosinamin’s, 


1) Zeitschr. f. Chem. 1869, 258. 
2\ Maly, Monatsb. f. Chem. XI. 277; Storch, ebendaselbst 458; 
Rathke, Ber. 1884, I., 297. 
3) Ber. 1889, 2986. 
Arch. d. Pharm. CCXXXI. Bas. 9. Heft. 49 


648 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 


2. Untersuchungen über die Konstitution des Maly’schen 
Brom- und Jodadditionsproduktes. 


il 
In seinen Untersuchungen über die Konstitution des Thiosin- 
amins kommt Falke zu dem Schlußs, dafs auch diesem 
Allylderivat des Thioharnstoffs die beiden tautomeren Struktur- 


formeln : 
NH, NH 
| l 
OS und CSH 
| | 
NHC,H, NH 


zuzuschreiben seien. Für die erstere sprächen vor allem die 
Additionsprodukte des Thiosinamins mit salpetersaurem Silber und 
mit Chlorsilber, sowie das Verhalten gegen Quecksilber- und Blei- 
oxyd (eintretende Entschwefelung); für die letztere hingegen die 
Doppelsalze mit Kupfer- und Platinchlorid. 

Um zu konstatieren, ob die Ansicht Falke’s den Thatsachen 
entsprächen, stellte ich sowohl die oben genannten Verbindungen, 
wie auch einige neue dar, und studierte deren Verhalten. 


Einwirkung von Silbernitrat auf Thiosinamin. 


Loewig und Weidmann!) haben durch Einwirkung 
von konzentrierter wässeriger Silbernitratlösung auf eine ebensolche 
Thiosinaminlösung ein Thiosinaminsilbernitrat erhalten, in welchem 
ein Molekül Silbernitrat mit einem Molekül Thiosinamin verbunden 
ist. Nach den Angaben Falke’s giebt auch eine nicht allzu- 
konzentrierte alkoholische Thiosinaminlösung, mit Silbernitrat im 
Ueberschu/s versetzt, ein weilses, voluminöses Salz, das sich an der 
Luft mit einer grauen Schicht überzieht. Dieses Präparat enthielt 
38,8 Proz. Silber. In der That erhält man nach Falke's Vor- 
schrift ein derartiges Präparat, wie meine bezüglichen Versuche 
lehrten ; die Zusammensetzung dieses Doppelsalzes entspricht jedoch 
nicht der von Falke irrtümlich angegebenen Kormel C,H; NS 
+ 2 AgNO,;, sondern vielmehr einer Verbindung von gleichen Mole- 
külen Thiosinamin und Silbernitrat, welche 37,76 Proz. Ag. verlangt. 
Somit ist der von Falke aus mälsig konzentrierter alkoholischer 


1) Journ. f. pr. Chem. 19,218. 


Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 649 


Lösung dargestellte Körper identisch mit dem von Loewig und 
Weidmann beschriebenen. 

Verschiedene, in veränderter Konzentration gefällte Salze (nach 
Falke'’s Vorschrift) hatten einen Gehalt von 39,2 und 41,2 Proz. 
Silber, so dafs dieselben wohl als ein Gemisch der Verbindungen 
C,H; N S+AgNO,und C,H; N,;S +2 Ag NO; in wechselndem Ver- 
hältnis aufzufassen sein dürften. Aufserdem zeichnen sich diese 
Präparate nicht durch grofse Beständigkeit aus, vielmehr erleiden 
dieselben schon bei der Darstellung, anscheinend infolge Bildung 
von Schwefelsilber, eine Graufärbung. 


Hingegen gelang es mir eine reine, haltbare Verbindung von 
der Formel C,H, S-+2 AgNO, auf folgende Weise zu erhalten: 


Eine Lösung von 1 g Thiosinamin in 10 g Wasser versetzte 
ich mit einem Tropfen Salpetersäure und fügte dann so lange zehn- 
prozentige wässerige Silbernitratlösung zu, bis der zuerst entstehende 
Niederschlag sich wieder auflöste und überhaupt ein Ueberschufs an 
Silbernitrat vorhanden war. Die klare Flüssigkeit schied nach etwa 
halbstündigem Stehen eine reichliche Menge grauglänzender, derber, 
nadelförmiger Krystalle aus, welche ich durch Absaugen von der 
Mutterlauge trennte und mit wenig salpetersaurem Wasser nachwusch. 

Den Silbergehalt bestimmte ich durch direktes Glühen, schliels- 


lich im Wasserstoffstrome. Selbst bei vorsichtigem Erhitzen verpuffte 
die Verbindung, und es blieb sofort rein weilses Silber zurück. 


0,2808 g hinterliefsen 0,1332 g Silber = 47,43 Proz. Silber, wäh- 
rend 47,37 Proz. für 0,H,N,S+2AgNO, berechnet sind. 

Da in dieser Verbindung Schwefel und Silber in äquivalenten 
Mengen vorhanden sind, so mulste auch folgender Versuch zu einem 
brauchbaren Resultate führen: Ich versetzte eine gewogene Menge 
mit Ammoniak und erwärmte einige Minuten. Das dabei sich ab- 
scheidende Schwefelsilber wurde gesammelt und im Wasserstoffstrom 
geglüht. Ich fand auf diese Weise 46,97 Proz. Das Filtrat vom 
Schwefelsilber teilte ich in zwei Teile und erwärmte den einen mit 
ammoniakalischer Silberlösung; es fand keine Abscheidung von 
As,S statt; den andern prüfte ich mit Salzsäure auf Silbernitrat. 
Da auch hier kein Niederschlag entstand, mu/ste auch das Silber 
vollständig ausgefallen und somit Silber und Schwefel in den 
berechneten Mengen vorhanden sein. 

42* 


650 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 


Es gelang mir ferner auch, aus alkoholischer Lösung eine Ver- 
bindung von gleicher Zusammensetzung zu erhalten. Eine alkoho- 
lische Lösung von Thiosinamin, etwa 1:400, säuerte ich mit einem 
Tropten Salpetersäure an und setzte dazu tropfenweise eine wässerige 
Silbernitratlösung. Es entstand auch hier zunächst eine milchige 
Trübung, welche bei weiterem Zusatz wieder verschwand. Beim 
ruhigen Stehen schieden sich seidenglänzende, weilse Flocken ab, 
die sich von dem aus wässeriger Lösung dargestellten Präparat durch 
die weilsere Farbe und geringere Derbheit unterschieden. Die Ana- 
lyse ergab jedoch, dafs ich es mit derselben Verbindung zu thun 
hatte. 

0,1581 g hinterliefsen beim Glühen im Wasserstoffstrome 

0,0749 g Silber = 47,375 Proz., berechnet für 0, H, NS + 

2 Ag NO, = 47,37. 

Das in derben Krystallen aus wässeriger Lösung erhaltene 
Präparat versuchte ich durch Umkrystallisieren aus heilsem Wasser 
zu reinigen. Loewig und Weidmann berichten von ihrem 
Präparat, dafs es getrocknet von grünlich-weilser Farbe und ziemlich 
lichtbeständig sei. Beim Umkrystallisieren aus lauwarmem Wasser 
sei es unverändert geblieben, durch heilses oder kochendes Wasser 
habe es sich unter Bildung von Ag,S zersetzt. Letztere Wahr- 
nehmung konnte ich auch an meinem Präparat bestätigen, jedoch 
wurde eine weitere Zersetzung durch Zusatz von einem Tropfen 
Salpetersäure verhindert. Beim Erkalten schied sich aus dem 
Filtrat eine weilse, aus langen, seidenartigglänzenden Krystallnadeln 
bestehende Masse aus, die nach dem Absaugen und Trocknen einen 
Gehalt von 38,13 Proz. Silber aufwies. 

0,2536 g hinterlie[sen beim Glühen 0,0967 g 
Gef. Ber. für C,H, NS + AgNO, 

Ag. 38,13 37,76. 

Ein anderes, ebenfalls aus Wasser umkrystallisiertes Präparat, 
welches sich im Pharm.-chem. Institut zu Marburg vorfand, enthielt 


38,42 Proz. Ag. 
0,2634 g hinterliefsen beim Glühen 0,1012 g. 


Hieraus ist ersichtlich, dafs die ursprünglich mit zwei Mole- 
külen Silbernitrat krystallisierte Verbindung des Thiosinamins durch 
Umkrystallisieren in die mit einem Molekül AgNO, übergegangen 
ist. Um zu konstatieren, ob diese Veränderung durch die teilweise 


Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 651 


Zersetzung bedingt worden sei, versuchte ich eine andere Menge 
des derb krystallisierten Körpers aus’heilsem Wasser, welches mit 
einem Tropfen Salpetersäure angesäuert war, umzukrystallisieren. 
Die Lösung ging ohne Schwefelsilberabscheidung von statten und 
war beinahe völlig beendet, als plötzlich die gesamte Flüssigkeit 
zu einem Krystallbrei erstarrte, der erst auf Zusatz von viel heilsem 
Wasser sich wieder auflöste. Das beim Erkalten auskrystallisierte 
Präparat erwies sich bei der Analyse als die Verbindung von 
gleichen Molekülen Thiosinamin und Silbernitrat. 


Ein Versuch, aus ganz verdünnter alkoholischer Lösung 
(1:2000) die Silberverbindung darzustellen, mifslang, da in dieser 
Verdünnung der zunächst entstehende voluminöse Niederschlag sich 
sofort schwärzte. 

Aus alledem scheint mit Sicherheit hervorzugehen, dafs für die 
Gewinnung der Verbindung C,H; NS +2 AgNO; nicht die Art und 
die Konzentration des Lösungsmittels in Betracht kommen, sondern 
vor allem die Gegenwart geringer Mengen freier Salpetersäure, 
sowie ferner ein Ueberschu(s an Silbernitrat und endlich die Tem- 
peraturr. Ob die von Loewig und Weidmann dargestellte 
Verbindung, in welcher sie 36,58 Proz. Silber fanden, nicht doch 
ursprünglich die silberreichere gewesen ist, welche durch Um- 
krystallisieren in die silberärmere übergegangen, vermag ich nicht 
zu konstatieren, da die Verfasser nicht angeben, welches Präparat 
sie der Analyse unterworfen haben. 


Einwirkung von Quecksilberchlorid auf 
Thiosinamin. 


Nach Will!) entsteht beim Versetzen einer salzsauren Lösung 
des Thiosinamins mit Quecksilberchlorid ein weilser, käsiger, in 
Essigsäure löslicher Niederschlag, der, zur Vermeidung einer Zer- 
setzung, nur mit wenig kaltem Wasser ausgewaschen werden darf. 
Die Zusammensetzung dieser Verbindung soll der Formel C,H3N5S 
+ 2HgCl, entsprechen. Ich benutzte zur Darstellung dieser Ver- 
bindung zunächst eine wässerige, nicht salzsaure Lösung des Thiosin- 
amins; auf Zusatz von fünfprozentiger Quecksilberchloridlösung 
entstand aus konzentrierter Lösung ein durchsichtiger, zäher, in 


l) Ann. f. Chem. u. Pharm. 52, 13. 


652 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 


allen Lösungsmitteln unlöslicher Körper, der zur weiteren Unter- 
suchung nicht geeignet war; aus verdünnter Lösung erhielt ich da- 
gegen einen weilsen, käsigen Niederschlag, den ich, nach dem Ab- 
saugen, bei gewöhnlicher Temperatur trocknete und darauf unter- 
suchte. 

In verdünnter Essigsäure war die Verbindung unlöslich, löslich 
hingegen nach längerem Kochen in Eisessig. Eine derartige essig- 
saure Lösung benutzte ich zur Analyse, indem ich das Queck- 
silber als Schwefelquecksilber durch H35S fällte. 

Gef. Ber. für 0,H;N,S + 2HgOl, 
Hg 60,67 60,8. 

Das Filtrat vom abgeschiedenen HgS sollte zur Bestimmung 
des Chlorgehaltes dienen, erwies sich aber als untauglich hierzu, da 
es mit grolser Hartnäckigkeit Schwefelwasserstoff zurückhielt. Des- 
halb glühte ich eine neue Menge des Präparates mit entwässertem, 
chlorfreiem Natriumearbonat uud fällte aus der zuvor Äfiltrierten und 
salpetersauren Lösung das Chlor mit Silbernitrat. 

0,7210 g lieferten hierbei 0,6277 g AgCl. 
Gef.: Ber. tür C,H,3N:S + 2HgÜC], 
6421,53 21,58. 

Ich habe demnach durch Fällen mit Quecksilberchlorid aus 
verdünnter wässeriger Lösung des Thiosinamin’s dieselbe Verbindung 
erhalten, die Will aus salzsaurer Lösung dargestellt hat. Die 
Gegenwart der freien Säure ist somit für das Zustandekommen der 
Verbindung nicht von Belang. 


Einwirkung von Quecksilberchlorür auf 
Thiosinamin. 

Verreibt man Thiosinamin in wässeriger Lösung mitpräzipitiertem 
Calomel und erwärmt nach 24 Stunden, so scheiden sich nach dem 
Erkalten im Filtrat weilse Krystalle aus. Auf dem Filter ver- 
bleibt etwas Schwefelquecksilber und metallisches Quecksilber. Das 
Filtrat reagiert alkalisch. Auf tropfenweisen Zusatz von Salzsäure 
entsteht ein Niederschlag, der sich aber immer wieder auflöst, bis 
bei weiterem Zusatz eine flockige Abscheidung stattfindet. Auf 
Zusatz von Ammoniak entsteht ebenfalls eine weifse Fällung, die 
aber im Ueberschufs des Fällungsmittels nicht wieder löslich ist. 
Die Mutterlaugen scheiden beim längeren Stehen noch weitere 


Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 653 


Mengen schön ausgebildeter, grölserer Krystalle aus, die die Eigen- 
tümlichkeit zeigen, dals in scharfer Abgrenzung die eine Hälfte voll- 
ständig klar und durchsichtig, die andere hingegen trübe ist. Die 
Grenze liegt anscheinend ungefähr in der Längsaxe. 

Die Verbindung ist krystallwasserfrei und zersetzt sich schon 
im Wassertrockenschranke. 

1. 0,3782 g, mit Ammoniak erwärmt, schieden 0,1412 g HgS ab; 
das Filtrat enthielt kein Quecksilber mehr. 

2. 0,6105 g gaben 0,2870 g Ag Cl. 

Zieht man aus den für Hg und Cl. gefundenen Werten die 
Quotienten, so findet man, dafs Hg:Cl im Verhältnis 1:2 steht, dals 


also eine Oxydverbindung vorliegt. 
Die Formel berechnet sich auf (C,H, N.S), HgÜl, 


Gef. Ber. 

I IE 
Hg 32,18 — 3219 
Er BES 11.47 


Zu einer Verbindung von demselben Aeulsern gelangte ich 
beim Erwärmen der Verbindung C,H;3NS-+2HgCl, mit über- 
schüssiger Thiosinaminlösung. Es resultierte dabei eine klare Lösung, 
dieselbe reagierte alkalisch und zeigte dieselben Eigenschaften, wie 
das Filtrat obigen Einwirkungsproduktes von Quecksilberchlorür aut 
Thiosinamin. Beim Erkalten krystallisierte eine Verbindung von 
genau derselben Form aus. Zum Nachweis der Identität bestimmte 
ich den Queksilbergehalt, 

0,375 g des über Schwefelsäure getrockneten Salzes, mit Ammoniak 
gekocht, gaben 0,1405 g HgS, entsprechend 32,29 Proz. Hg; berechnet 
sind 32,15 Proz. 

Einwirkungvon Quecksilbercyanid auf 

Thiosinamin. 

Eine wässerige Thiosinaminlösung nimmt, versetzt mit einer 
Lösung von Quecksilbereyanid, alkalische Reaktion an. Nach mehr- 
stündigem Stehen scheiden sich prachtvoll glänzende, weilse Krystalle 
von bedeutender Gröfse aus, die in ihrer Krystallform der des 
Quecksilbercyanids ähneln. Aufserdem aber entstehen noch grau- 
getärbte, kleinkrystallinische Massen. Die gut ausgebildeten, weilsen 
Krystalle wurden ausgelesen und analysiert. Bei 1000 getrocknet, 
zersetzten sie sich unter Schwarzfärbung ; über Schwefelsäure ge- 
trocknet, gaben sie nichts ab, waren also wasserfrei. 


654 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosiaamin. 


0,3305 g wurden in Wasser gelöst und mit Ammoniak gekocht, 
und das ausgeschiedene Schwefelquecksilber auf einem gewogenen 
Filter gesammelt. Das Filtrat vom HgS wurde mit Silbernitrat ver- 
setzt, um den überschüssigen Schwefel zu bestimmen, und gekocht. 
Das ausgeschiedene Schwefelsilber wurde gesammelt und im Wasser- 
stoffstrome geglüht. Im Filtrat endlich von Schwefelsilber wurde 
Cyan, nach dem Ansäuren mit Salpetersäure, durch Silbernitrat aus- 
gefällt und das ausgeschiedene Cyansilber im Weasserstoffstrome 
geglüht. 

0,3395 g gaben 1. 0,0918 HgS = 23,94 Hg 
2 & 
2 BlRE AR uns 
3. 0,0727 gAg = 4,26 Cy. 

Diese Daten lassen sich auf keine Formel vereinigen. Denn 

während der für Hg gefundene Wert auf eine Formel 

(C, H; N, 8), Hg Cy 
hinweisen würde, setzt der ermittelte Schwefelgehalt eine Ver- 
bindung von der Formel (C,H; N; S);, + HgCy, voraus. Der für 
Cy gefundene Wert endlich würde der ersten Formel entsprechen, 
wenn man eine Oyanürverbindung annehmen würde, da die tür Hg 
und Cy berechneten Quotienten sich wie 1:1 verhalten. 

Bei weiterer Prütung stellte sich jedoch heraus, dafs sich im 
Filtrat von Cyansilber sowohl Hg. als auch Cy noch nachweisen 
liefs, obwohl ich bei deren Bestimmung die betreffenden Reagen- 
tien im starken Ueberschuls angewandt hatte. 


Nach dem Gegebenen schien es mir erforderlich, den Gehalt an 
Hg und S erst nach Zerstörung der organischen Substanz zu be- 
stimmen. Zu diesem Zweck erhitzte ich 0,1835 g mit Salpetersäure- 
hydrat drei Stunden im zugeschmolzenen Rohr auf 180°. In dem 
stark verdünnten Reaktionsprodukt wurde Hg als HgS und S als 
Baryumsulfat bestimmt. 0,1835 g lieferten 0,08785 g HgS und 0,1731 g 
Ba SO,. 


Gef. Ber. für (C,H; N, S), Hg (CN), 
Hg ALaTı% 41,32 
S 13,42 13,23. 


Einwirkung von Kupferchlorür auf Thiosinamin. 


Durch Fällen einer konzentrierten Thiosinaminlösung mit mög- 
lichst neutraler Kupferchloridlösung erhielt Falke eine weilse, 
unlösliche Verbindung, der er auf Grund seiner Analysen die em- 
pirische Formel C,H; N;S- Cu Cl + 1/; H,O zuschreibt. 


Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 655 


Aus den Mutterlaugen hat Falke keine anders zusammenge- 
setzten Verbindungen erhalten; trotzdem hat er nie die quantitative 
Ausbeute erhalten, und er erklärt dies durch eine Gleichung, welche 
er, analog der von Rathkel) für die entsprechende Thioharnstoff- 
verbindung angegebenen Formel, aufstellt: 

I. 2CSN,H, C,H, + Cu Cl,— CSN,H,C, H;-Cu Cl + CSN, HB, C,H,-Cl. 
IL 2CSN,H, C,H, CI=CSN,H,G,H, +CN,H0C,A,+S+2HCL 

Im Anschlufs hieran habe ich folgende Beobachtungen ge- 
macht: 

Verreibt man fein verteiltes Kupferchlorür (dargestellt durch 
Fällen einer salzsauren Lösung durch viel Wasser) mit Thiosin- 
aminlösung, so entsteht eine voluminöse Verbindung (A). Mit dem 
Zusatz von Thiosinamin mufs man so lange fortfahren, 
bis die über dem Niederschlage stehende Flüssigkeit eine schwach- 
blaue Färbung behält, Saugt man den Niederschlag alsdann ab, so 
scheiden sich im Filtrat nach einigem Stehen weilse, gläuzende 
Krystalle aus. In reichlichen Mengen erhält man dieselben, wenn 
man den Niederschlag mit Thiosinaminlösung nachwäscht oder von 
vornherein einen Ueberschufs des letzteren zum Kupferchlorür zu- 
zetzt. Wie ich unten nachweisen werde, sind diese beiden Körper 
verschieden zusammengesetzt. Einen mit letzterer Verbindung identi- 
schen Körper (B) erhielt ich durch Verreiben völlig neutralen Kupfer- 
chlorürs mit überschüssigem Thiosinamin. Das Kupferchlorür löst 
sich dabei nahezu vollständig auf, das Filtrat reagiert alkalisch und 
giebt, mit Salzsäure tropfenweise versetzt, einen sich immer wieder 
auflösenden Niederschlag. Hört man mit weiterem Zusatz von Salz- 
säure auf, sobald der entstehende Niederschlag sich nur noch schwierig 
auflöst, so scheiden sich nach etwa viertelstündigem Stehen 
reichliche Mengen kleiner, glänzender Krystalle aus. Durch gleiches 
Behandeln können in dem Filtrat weitere Krystallisationen erzielt 
werden. Bleiben diese Krystalle längere Zeit mit den Mutterlaugen 
in Berührung, so verwandeln sie sich allmählich in zähe durch- 
scheinende Massen, die aber allmählich wieder krystallinisch erhärten. 
Nicht unerwähnt soll bleiben, dafs obige, alkalisch reagierende 
Lösung von Kupferchlorür in Thiosinamin auch mit Ammoniak einen 
weilsen Niederschlag giebt, der sich aber nicht wisder auflöst. 


1) Ber. 1884, 297 ff. 


656 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 


Der erstere, in Wasser unlösliche Körper (A) war nach dem 
Trocknen schwach blau gefärbt. 

0,4956 & verloren weder im Exsiccator über Schwefelsäure, noch 
bei 1000, noch endlich bei 105° getrocknet etwas an Gewicht. Diese 
Menge im Wasserstoffstrome mit Schwefel geglüht hinterliels 0,1845 g 
Cu,S, was einem Gehalt von 29,6%, Cu entsprechen würde. 

Falke fand 28,2 und 28,60%, Cu und berechnete hieraus die 
Formel (C,H; N; S), Cu; Cl, + H,O. Dafs der von mir dargestellte 
Körper identisch mit dem Falke’s ist, unterliegt bei den sonst 
völlig gleichen Eigenschatten keinem Zweifel. Der Umstand, dals 
ich ca. 10/, Cu mehr gefunden habe, konnte seinen Grund darin 
haben, dafs dem Thiosinaminkupferchlorür eine geringe Menge un- 
verändertes Kupferchlorür beigemengt war. Da aber andererseits 
der von mir für Kupfer gefundene Wert genau mit dem auf die 
wasserfreie Verbindung berechneten übereinstimmt (gef. 29,6 — ber. 
29,53), so liegt die Vermutung nahe, dafs der von Falke durch 
Einwirkung von Kupterchlorid- auf Thiosinaminlösung dargestellte 
Körper kein einheitlicher gewesen, sondern ein Gemenge aus wasser- 
ireiem Thiosinaminkupferchlorür und der durch Einwirkung über- 
schüssigen Thiosinamins auf Thiosinaminkupferchlorür entstandenen 
Verbindung, deren Beschreibung und Analysen folgen, gewesen sei. 
Um dies zu konstatieren, stellte ich mir eine Quantität obiger Ver- 
bindung genau nach den Angaben Falke’s dar und bestimmte 
darin den Kupfer-, Chlor- und Schwefelgehalt. 


1. 0,3346 g der bei 1000 getrockneten Substanz hinterlielsen beim 
Glüben mit Schwefel im Wasserstoffstrome 0,1160 g. 

2. : 0.5785 g lieferten 0,3529 g AgCl. 

3. 0,3245 g, mit Salpetersäurehydrat drei Stunden auf 2200 er- 
hitzt, gaben 0,3496 g Baryumsulfat. 


Gef. Falke 
I II 1881 
Cu 27,66 _ — 28,2— 28,6 
[01 — 15,09 — 15,2 
Se 2 14,79 14,1 


Wenn die für Ca und Cl gefundenen Werte auch annähernd 
mit den von Falke gefundenen übereinstimmen und somit die An- 
nahme Falke’s zu bestätigen scheinen, weist doch der von mir 
für Schwefel gefundene Wert mit Notwendigkeit auf eine wasser- 
freie Verbindung hin, die mit der weiter unten beschriebenen thio- 


Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 657 


sinaminreicheren Verbindung (B) verunreinigt ist. Dafs letztere sich 
leicht wird beimengen können, kann man aus Folgendem entnehmen: 

Bei der Darstellung des Thiosinaminkupferchlorürs wird Thio- 
sinamin im Ueberschufs angewandt. Dasselbe wird also leicht die 
in Wasser lösliche thiosinaminreichere Verbindung (B) liefern können. 
Gleichzeitig wird bei der Einwirkung von Thiosinamin auf Kupfer- 
chlorid freie Salzsäure abgespalten. Letztere scheidet aber, wie 
oben erwähnt, die thiosinaminreichere Verbindung zum Teil aus ihren 
Lösungen ab. 

War diese Annahme richtig, so mulste durch Versetzen einer 
Kupferchloridlösung mit ungenügendem Thiosinamin eine von diesem 
Körper freie Verbindung entstehen. Ein in dieser Weise dagestelltes 
Salz zeigte in der That vollständig dieselben Eigenschaften, wie das 
Falke's, erwies sich aber als wasserfrei. 

0,3452g gaben nach dem Trocknen über Schwefelsäure weder bei 100 
noch bei 1100 etwas ab. Das durch Ammoniak abgeschiedense mit S 
im Wasserstofistrom geglühte Cu,S wog 0,1261 g = 29,15 Proz. Be- 
rechnet sind für (C,H, N,S.CuCl), 29,53 Proz. 

Das obige, gut krystallisierte Salz B war von rein weilser 
Farbe und veränderte sich selbst nach wochenlangem Liegen an der 
Luft nicht im geringsten. Es verlor ebenfalls, weder über Schwefel- 
säure, noch bei 100° und 1050 getrocknet, etwas an Gewicht, so dals 
es also frei von Krystallwasser zu bezeichnen ist. 

1. 0,3956 g hinterlielsen 0,1167 & CuaS. 

2. 0,2937 g, bei 105—110° getrocknet, verloren 0,0009 g an Gewicht. 

3. 0,2928 g wurden mit Ammoniak gekocht. Das abgeschiedene 
Schwefelkupfer betrug nach dem Glühen im Wasserstoffstrome mit 
Schwetel 0,0843. 

4. Das Filtrat von Analyse 3 wurde mit Silbernitrat gekocht. 
Der Niederschlag von Ag, S, im Wasserstoffstrom geglüht, hinterliefs 
0,2114 g Ag. 

Aus Analyse 2 und 4 berechnet sich der Gesamtgehalt an 
Schwetel. 

5. 0,328 g lieferten 0,1724 g AgCl. 

Berechnet für 


Gef. (C, H; N, S)z Cu, Cl 
I II III IV V 
Cu 2354 — 23,32 — _ 23,18 
EEE Tr REES DEREN Ö 
Ser Bil ya 16,51 17.6 


Cl —_— — — — 13,0 13,02 


658 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 


Der zu geringe Befund an Schwefel erklärt sich daraus, dals 
eine kleine Menge, bei Analyse 3, als CuS mit Ammoniak ausfällt, 
welche nachher als Cu,S zur Wägung kommt. 

Diese Verbindung stellt sich in der Zusammensetzung der aus 


Thiosinamin und Quecksilberchlorür dargestellten Quecksilberverbin- 
dung zur Seite. Bemerkenswert ist jedoch die verschiedenartige 
Wirkung, welche das Thiosinamin auf die Chlorverbindungen dieser 
beiden so nahe verwandten Metalle ausübt. Denn während die Oxy- 
dulverbindung des Quecksilbers durch Thiosinamin unter Abschei- 
dung von metallischem Quecksilber in die Oxydverbindung überge- 
führt wird, verwandelt sich umgekehrt die Oxydverbindung des 
Kupfers durch Einwirkung von Tbhiosinamin unter Salzsäureabspal- 
tung in die Oxydulverbindung. 


Verhalten der Thiosinamin-Schwermetallsalz- 
Verbindungen gegen Reagentien. 

Alle vorher beschriebenen Metallsalzverbindungen des Thio- 
sinamins zeigen ein wesentlich anderes Verhalten, als das Thiosinamin 
selbst. Während Thiosinaminlösungen vollständig neutral reagieren 
und auf Zusatz von Pikrinsäure, Phosphomolybdän- und Phospho- 
woltramsäure keine Niederschläge geben, wohl aber mit den übrigen 
sogenannten allgemeinen Alkaloidreagentien, mit Ausnahme der Gerb- 
säure, reagieren die Metallsalzverbindungen, soweit sie wasserlöslich 
sind, schwach alkalisch auf Lackmus und geben, selbst in den grölsten 
Verdünnungen, mit allen Alkaloidreagentien, mit Ausnahme der 
Gerbsäure, voluminöse Niederschläge. Durch eine einfache Doppel- 
salzbildung dürfte sich dieses eigentümliche Verhalten kaum er- 
klären lassen. 

Von Wert für die Erkennung der Konstitution der im Vor- 
stehenden beschriebenen Verbindungen scheint mir ferner das Ver- 
halten derselben gegen Schwefelwasserstoff zu sein. 

Loewig und Weidmann!) berichten hierüber folgendes: 

„Wird die in Wasser verteilte Verbindung des Thiosinamin- 
silbernitrats durch Schwefelwasserstoff zersetzt, so enthält die von 
Schwefelsilber getrennte Flüssigkeit Salpetersäure und Senf- 
ölammoniak aufgelöst. Wird die saure Lösung mit Natriumkarbonat 
gesättigt und dann eingedampft, so bleibt ein salzartiger Rückstand, 


1) Journ. f. pr. Chem. 19, 220. 


Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 659 


aus welchem Aether unverändertes Senfölammoniak auszieht. Wird 
jedoch die saure Flüssigkeit ohne vorhergegangene Neutralisation 
abgedampft, so bleibt eine gelbliche, zerfliefsliche Masse zurück, 
welche durch zersetzende Wirkung der Salpetersäure auf das Senf- 
ölammoniak entstanden ist.“ Meine Versuche hierüber haben fol- 
gende Thatsachen ergeben: 

Schwefelwasserstoff scheidet allerdings aus den Metallsalz- 
verbindungen Schwefelmetall ab, jedoch gelingt es selbst durch 
tagelanges Einleiten von HzS nicht, sämtliches Metall zu elimi- 
nieren, vielmehr verbleibt immer eine metallhaltige, wasserhelle 
Flüssigkeit, die auf Zusatz von Pikrinsäure, Phosphomolybdän- und 
Phosphowolframsäure Niederschläge giebt, also nicht blos aus Thio- 
sinaminlösung bestehen kann. Dabei konnte ich bemerken, dals 
z. B. aus Thiosinaminchlorsilber ausgeschiedenes Schwetfelsilber 
heim Erwärmen (um das Schwefelsilber kompakter zu machen) sich 
wieder auflöste; dafs das Quecksilber aus seinen Verbindungen 
als schwarzes Schwefelquecksilber äusfällt, beim weiteren Einleiten 
von Schwefelwasserstoff allmählich braun, schliefslich zinnoberrot 
wird; dafs das mit Schwefelwasserstoff gesättigte, farblose Filtrat 
von Thiosinamin-Kupferchlorür auf Zusatz von destilliertem 
Wasser sich bräunt, also eine weitere Menge von Schwefelkupfer 
abscheidet. In allen Fällen aber bleibt, wie schon gesagt, Metall 
in Lösung und kann erst durch Zusatz von Schwefelammonium bis 
zur alkalischen Reaktion abgeschieden werden. 

Beim Eindampfen der so metallfrei dargestellten Lösung aus 
Thiosinaminkupferchlorür schieden sich weilse, glänzende Krystalle 
aus, deren Schmelzpunkt, nach dem Trocknen über Schwefelsäure 
bei 69—700 lag. Die aus Alkohol umkrystallisierte Verbindung 
schmolz bei 72°, difterierte also mit dem in der Litteratur ange- 
“ gebenen Schmelzpunkt um 2%. Dafs aber der erhaltene Körper mit 
Thiosinamin identisch war, ersah ich aus dem Verhalten gegen Blei- 
und Quecksilberoxyd. Durch letztere Agentien wurde nämlich der 
Verbindung beim Kochen, unter Bildung von Schwefelmetall, der 
Schwefel entzogen, das Filtrat reagierte alkalisch, gab mit Pikrin- 
säure Fällungen und bestand aus Allylcyanamid. Zum Vergleich 
wurde auch gleichzeitig der Schmelzpunkt von reinem Thiosinamin 
bestimmt. Beide Substanzen schmolzen genau bei derselben 


660 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 


Temperatur, bei 720. Auch das Verhalten gegen Pikrinsäure, 
Phosphomolybdän- und Phosphowolframsäure war vollständig gleich. 

Es bestätigt sich somit die Angabe Loewig und Weid- 
mann's, dals durch Schwefelwasserstoff Thiosinamin zurückge- 
wonnen werden kann, nur ist eben dabei die Kautele zu beachten, 
dafs nach dem Einleiten von Schwefelwasserstoff noch Schwefel- 
ammonium zugesetzt werden muls. Loewig und Weidmann 
haben dasselbe Resultat durch den Zusatz von Natriumcarbonat er- 
reicht. Durch selbiges ist jedenfalls das noch in Lösung befindliche 
Silber ebenfalls abgeschieden worden. 


Die Konstitution der Metallsalzverbindungen 
des Thiosinaminse. 

Die verhältnismäfsig grofse Schwierigkeit, welche es bietet, 
sämtliches Metall aus den Verbindungen zu eliminieren, legt, wie 
Rathket!) bei den analogen Thioharnstoffmetallverbindungen aus- 
führt, die Annahme nahe, dafs das Metall direkt an den Schwefel 
des Thiosinamins gebunden ist; denn naturgemäls wird dasselbe, 
bereits an Schwefel gebunden, keine allzugrofse Neigung haben, sich 
von einem Schwefelatom loszureilsen, um mit einem andern in Ver- 
bindung zu treten. Den Beweis für diese Annahme führte Rathke 
in der Weise, dafs er auf die Silberverbindung Jodaethyl einwirken 
lies. Dadurch erhielt Rathke eine Verbindung, welche das Metall 
gegen Aethyl ausgetauscht hat. 

Ganz analog verhält sich auch das Thiosinamin. Behandelt 
man Thiosinaminchlorsilber mit überschüssigem Jodaethyl in einer 
Druckflasche bei 100°, so erhält man eine gelbgefärbte Verbindung, 
die in allen Lösungsmitteln unlöslich ist und aller Wahrscheinlichkeit 
nach ebenso zusammengesetzt ist, als dasnach Rathke intermediär 
entstehende 

CSNH, AgJ + CSNH,.%H,Cl; 
es unterscheidet sich von letzterem jedoch dadurch, dafs man das 
Thiosinaminaethylcehlorid nicht zu isolieren vermag. Dals aber die 
Einwirkung in dem angegebenen Sinne stattfindet, dafür spricht das 
Verhalten von Thiosinaminjodaethyl gegen Chlorsilber. Es resultiert 
dabei eine Verbindung, die vollständig identisch mit der durch Ein- 
wirkung von Jodaethyl auf Thiosinaminchlorsilber entstandenen ist. 
Das Thiosinaminjodaethyl entsteht beim Verdunsten einer alkoholischen 


1) Ber 1884, I. 308. 


Dr. J). Gadamer: Ueber Thiosinamin. 661 


Thiosinaminlösung mit überschüssigem Jodaethyl in weilsen, grolsen 
Krystallen, die in Wasser und Alkohol äufserst leicht löslich sind. 
0,4140 g verbrauchten 15,29 ccm !/,, N. Silberlösung. 
Gefunden: Ber. für 0,H,;,N5S.C,H,J 
J = 46,63 46,68. 
Der Verlauf bei Bildung der Metallverbindungen dürfte dem- 
nach etwa folgender sein: 


NH | NH 
( I TR 

CSH +M= CSM ıH 
| | 

NHC,H, NHO.H, 


Der dabei frei werdende Wasserstoff kann sich nun entweder 
mit dem vom Metall abgespaltenen Säureradikal zu einer Säure ver- 
einigen, welch’ letztere dann mit der metallhaltigen Base eine salz- 
artige Verbindung eingeht, wie es Rathke für die Thioharnstoff- 
metallverbindungen annimmt, oder aber man kann, nach dem Vor- 
gange von Falke, den Reaktionsverlauf dadurch erklären, dafs, bei 
der Einwirkung von Metallsalzen, das Schwefelatom des Thiosinamins 
aus der Zweiwertigkeit in die Vierwertigkeit übergeht, und dafs die 
beiden Komponenten des Metallsalzes sich direkt an den Schwefel 
nach folgendem Schema anlegen: 


NH NH 

| Erz 

| DB Yan: 

CB EMR- CigNn 
I 

| | N: 

NHC;H, NHC,H,. 


I I 
M bedeutet ein einwertiges Metall, R ein einwertiges Säureradikal. 


Für letztere Annahme spricht vor allem der Umstand, dafs 
sämtliche Metallsalzverbindungen schwach alkalisch reagieren, was 
sich kaum durch die Annahme einer Salzbildung nach Rathke er- 
klären lälst, um so weniger, da das Thiosinamin selbst keine Salze 
zu bilden vermag, und die Harnstoffsalze von saurer Reaktion sind. 
Dals der Eintritt [des Metalles für Wasserstoff die Basieität in 
dem Mafse erhöhen sollte, dafs die Salze schwach alkalisch rea- 
gieren, ist, wenn auch möglich, doch an sich nicht recht wahrschein- 
lich; man mülste denn annehmen, dafs die Neutralität des Thiosin- 
amins durch eine Sättigung der basischen Stickstoffgruppen gegen die 


662 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 


Säurecharakter tragende SH-Gruppe bedingt sei, durch Sättigung 
der elektronegativen SH-Gruppe mit Metall aber die Basicität der 
NH- resp. NHC,H,-Gruppe wieder zur Geltung kommen. Erstere 
könnte dann durch die Säure des Metallsalzes gesättigt werden, 
während der schwach basische Charakter der Verbindungen seine 
Erklärung in der Gruppe NH.C,H, finden würde. 

Erklärlich wird diese Hypothese durch folgende Thatsachen: 


1. Der Harnstoff ist trotz seiner zwei Amidgruppen eine 
schwache einsäurige Base und geht mit einbasischen Säuren salz- 
artige Verbindungen von saurer Reaktion ein. Die Einsäurigkeit ist 
bedingt durch Sättigung einer Amidgruppe durch die Carbonyl- 
gruppe. 

2. Der Aliylthioharnstoff ist neutral und ist nicht imstande, 
mit Säuren salzartige Verbindungen zu liefern. Der basische Charakter 
der beiden Stickstoffgruppen wird neutralisiert durch die elektro- 
negative SH-Gruppe. Wird nun die SH-Gruppe durch Metall ge- 
sättigt, so gelangen die beiden Stickstoffgruppen, wie oben erörtert, 
in ihrem basischen Charakter wieder zur Geltung, und es resultiert 
eine Verbindung, die als schwache Base aufzufassen ist. 

Unterstützt wird die Annahme salzartiger Verbindungen durch 
das Verhalten vorbeschriebener Körper gegen Pikrinsäure und die 
Zusammensetzung dieser Pikrate. Näher untersucht habe ich die 
Reaktionsprodukte von Pikrinsäure auf die beiden Thiosinaminsilber- 
nitrate. 

Eine stark verdünnte Lösung der Verbindung C4H3N:S 
+ 2AgNO, wurde mit wässeriger Pikrinsäurelösung versetzt. Dadurch 
entstand ein flockiger Niederschlag, der sich anfänglich immer wieder 
auflöste, bis er auf weiteren Zusatz von Pikrinsäure bestehen blieb. 
Nach eintägigem Stehen war der zunächst amorph erscheinende 
Niederschlag zum gröfsten Teil in schön gelbe, glänzende Nadeln 
übergegangen. ‘Aus heilsem Wasser liefs sich die Verbindung nicht 
umkrystallisieren. 

Die über Schwefelsäure getrocknete und zerriebene Substanz 
wurde zunächst für sich, dann im Wasserstoffstrome bis zum kon- 
stanten Gewicht geglüht. Die Substanz mus anfänglich sehr vor- 
sichtig erhitzt werden, da sonst durch die eintretende schwache 
Verpuffung metallisches Silber mit fortgerissen wird. 


Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 663 


1. 0,2568 g hinterlielsen 0,0888 g mı«tallisches Silber. 
2. 0,11068 derselben Substanz lieferten 0,0383 g. 


Gef. Ber. für C0,H,N,S Ag. C,H, OH (NO,); + AgNO, 
I. II. 
Ag 34,58 34,63 34,72. 


Eine sehr verdünnte Lösung der Verbindung C,H,N,;S+ 
AgNO;, mit Hilfe einiger Tropfen Salpetersäure in lauwarmem 
Wasser hergestellt, verhielt sich auf Zusatz wälsriger Pikrinsäure 
ebenso, wie vorige Verbindung, nur ging sie auch nach tagelangem 
Stehen nicht in eine krystallisierte Form über, vielmehr resultierte 
sie als grünlichgelbe Krusten, die nach dem Zerreiben und Trocknen 
über Schwefelsäure in gleicher Weise, wie vorige Verbindung, ana- 
lysiert wurden. 


1. 0,3587 g hinterlielsen beim Glühen 0,0841 g 
2. 0,2058 g lieferten 0,0486 g Ag. 


Gef. Ber. für C,H, N,SAg. C,H, OH (NO,), 
1. I 
Ag 2345 23,62 23,89. 


Hieraus geht hervor, dafs erstere Verbindung als Doppelsalz 
von Thiosinaminsilberpikrat und Silbernitrat, letztere als Thiosin- 
aminsilberpikrat aufzufassen ist. In beiden Fällen tritt Pikrin- 
säure unter Abspaltung eines Moleküles Salpetersäure in die Ver- 
bindung ein. Ferner folgt daraus, dafs die Verbindung von einem 
Molekül Thiosinamin mit zwei Molekülen Silbernitrat eine Doppel- 
verbindung von Thiosinaminsilbernitrat mit Silbernitrat ist. Dafür 
spricht auch der Umstand, dals diese Verbindung sehr labiler Natur 
ist, indem sie bereits beim Erwärmen in diese beiden Komponenten 
zerfällt. 

Die Abspaltung von Salpetersäure durch Pikrinsäure lälst, 
wie bereits angedeutet, die Konstitution der Verbindung nach 


Rathke wahrscheinlich erscheinen: 
NH NH 


I I 


NH 0, H,, HNO, HC,H,, C,H, (NO,), OH. 
Jedoch läfst sich diese Abspaltung auch mit der von Falke 
vorgeschlagenen Konstitutionsformel vereinigen. Der Reaktions- 


verlauf würde dann durch folgende Gleichung seinen Ausdruck 
finden: 


Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 9. H: ft. 43 


664 Dr. J, Gadamer: Ueber Thiosinamin. 


NH H NH H 

I I 

| IR NO, | 5 0C;H; (NO,);. 
NH C,H, NHC, H, 


Demnach würden sich für die in der Arbeit näher be- 
schriebenen Verbindungen, sowie für das von Will!) und Falke?) 
dargestellte Thiosinaminchlorsilber folgende Formeln aufstellen lassen: 


1. yH, NS + AgNO, 


NH NH ‚H 
| 1 
a) CS Ag b) CS-Ag 
| N 
NH C,H,, HNO, DS NO, 
NH C,H, 
2. C,H, N,8S + Ag0l 
NH NH H 
| 1 
a) OS Ag b) CS—Ag 
| 
NHC,H,,HCl | Naı 
3. C,H, N,8 +2 AgNO,. 
NH er en 
l 19 
a) COSAg AgNO;. b) COSAg.AgNO, 
- “NV 
NH 0, H,, HNO, NHC,H, 
4, 2C,H,S+4HgCl.. 
NH HN 
ll ll 
a) | O—S—Hg—S—C (Hg Clo)g 


NHC,H, H,C,.HN,2HCl 


NH EH HN 
b) | C-8—-Hg -8—-C |(Hg Cly; 
PERS nr 
INHC,H, H,C,HN 


1) Ann. f. Chem. n. Pharm. 52, 14. 
2) Falke, Disserta’ ionsschrift 14. 


Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin, 665 


5. (C,H, N, S), Hg Cl, 
"NH HN 
Il II 
a) A C,‚H,N, 8 
NHC,H, H,C,NH,2HCl 


NH pH HN 

In“: 

nI0S— Hg — SCI, MN; 
| Na c/ 

NHC,H, H,GH 


6. (C,H, N, 8), Hg (CN). 


NH HN 
ee re Se 
NHC, H, H, C, HN, 2HCN Be N ar 
7. (C4 H, N, 8), Cu; C],. 
NH BIN \ HH ie 
a)C—S— Cu—Cu— SC p) CE —8 — Cu— CuI—Ü 
0,H. #,0,HN2Ho0l | en re 
8. (C,H, N, 8), Cu, C},. 
NH HN 
a) ea en C,H,N,& 
NHO,H, H,C, HN,2HC1 
SE. = 
b) RR > C,H,N,8 
| Naı a7 


NHC,H, H,O; a 
Diese Verbindungen lassen se wie man aus obigem leicht 
ersehen kann, leicht in drei Gruppen einteilen: 


1. Verbindungen von äquivalenten Mengen Thiosinamin und 
Metallsalz. Hierzu gehören die sub 1, 2,6 und 7 Mar ee 
Dieselben sind in Wasser ziemlich schwer löslich. 


43* 


666 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 


3. Verbindungen von Thiosinamin mit überschülfsigem Metall- 
salz. 3 u. 4. Sie sind nahezu unlöslich in allen Lösungsmitteln. 

3. Verbindungen von überschüssigem Thiosinamin mit Metall- 
salz. 5 u. 8. Sie lösen sich verhältnifsmälsig leicht in Wasser. 


Einwirkung von metallischem Quecksilber, 
Silberund Kupfer auf Thiosinamin. 

Die grolse Reaktionstähigkeit des Thiosinamins mit Metall- 
salzen legte es nahe, zu untersuchen, ob und inwiefern Tbiosinamin 
auf die Metalle selbst einwirke. 

Verreibt man Thiosinamin mit metallischem Quecksilber unter 
Zusatz einiger Tropfen Alkohol, so bemerkt man schon nach kurzer 
Zeit, dals das Reaktionsgemisch alkalische Reaktion annimmt und 
Schwefelquecksilber abscheidet. Ein wässeriger Auszug giebt mit 
Pikrinsäure einen Niederschlag und läfst beim Erwärmen mit Am- 
moniak reichliche Mengen von Schwefelquecksilber erkennen. Beim 
weiteren Verreiben wird die Masse allmählich zähe, und sie verliert 
die Fähigkeit, sich leicht in Alkohol oder Wasser zu lösen. Nach 
mehrwöchentlicher Einwirkung wurde dieselbe mit heilsem ver- 
dünnten Alkohol extrahiert. Das Filtrat von stark alkalischer 
Reaktion schied beim freiwilligen Verdunsten reichliche Krystall- 
mengen aus, die sich durch ihren Schmelzpunkt als unverändertes 
Thiosinamin erwiesen. 

Gleichzeitig hinterblieb eine schwachgelbliche, firnilsartige 
Masse, die ich von anhaftendem Thiosinamin durch Abwaschen mit 
kaltem verdünnten Alkohol, worin die zähe Masse nur wenig löslich 
war, möglichst befreite. Beim Trocknen über Schwefelsäure wurde 
die Masse fest und spröde, ohne ihre Durchsichtigkeit zu verlieren. 
Die fein zerriebene Verbindung schmilzt bei 79—800 und schwärzt 
sich bei weiterem Erwärmen infolge Abscheidung von Schwefel- 
quecksilber. In Wasser und Alkohol i-t sie unlöslich. Zur Er- 


mittelung der Zusammensetzung bestimmte ich den Gehalt an Queck- 
silber und Schwefel. 

1. 0,3119 g, nach Carius 3 Stunden auf 1800 erhitzt, zeigten, 
dafs noch richt sämtlicher Schwefel oxydiert war, da beim Lösen in 
Wasser ein gelber, amorpher Rückstand blieb. 

Das Filtrat gab 0,1093 g HgS und 0,361 g Ba SO,. 

2. 0,2219 g, nach Carius3 Stunden auf 200—2100 erhitzt, waren 
vollständig oxydiert und lieferten 0,0602 g HgS und 0,2840 g Ba SO,. 


Dr. J.. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 667 


I II 
Hg 30,21 31,08 
BramS 17,51. 


Berechnet man aus diesen Werten die Quotienten, so findet 
man für Quecksilber und Schwefel das Verhältnis 2:7. Eine Ver- 
bindung von 2 Atomen Quecksilber mit 7 Molekülen Thiosinamin 
würde jedoch einen bei weitem höheren Quecksilber- und Schwetel- 
gehalt erfordern, nämlich 33 Proz. Hg und 18,48 Proz. S. 

Nun scheidet sich aber, wie oben erwähnt, beim Verreiben 
des Thiosinamins mit Quecksilber Schwefelquecksilber ab, es findet 
also eine teilweise Entschwefelung statt; ferner giebt die analysierte 
Verbindung beim gelinden Erwärmen mit verdünnter Salzsäure 
Schwefelwasserstoff ab, eine Eigenschaft, die dem Thiosinamin 
nicht zukommt; endlich passen die für Hg und S gefundenen 
Werte auf eine Verbindung von 2 Atomen Quecksilber mit 8 Mole- 
külen Thiosinamin minus einem Molekül H> S. Diese drei Momente legen 
die Vermutung nahe, dafs fragliche Verbindung vielleicht aus 2 At. 
Quecksilber, 6 Mol. Thiosinamin und einer aus 2 Mol. Thiosinamin 
durch H,S-Abspaltung entstandenen neuen Verbindung bestehe. 


Gef. Ber. 

T. 1. 
Hg 30,21 31,08 30,89 
S 17,51 17,31 


Allerdings ist eine Entwickelung von Wasserstoff nicht wahr- 
nehmbar, jedoch ist dies bei dem langsamen Verlauf der Reaktion 
nicht zu verwundern. Andererseits kann die Verbindung kaum aus 
Thiosinamin und einer Quecksilberverbindung des Allyleyanamids be- 
stehen, da nach der Analyse auf 2 Atome Quecksilber nur 1 Mol. 
Allylceyanamid kommen würde. Versuche, mit Allyleyanamid und 
met. Quecksilber ausgeführt, haben insofern kein Resultat geliefert, 
als es mir nicht gelungen ist, ein von Thiosinamin freies Allyleyanamid 
zu erhalten. 

Ebenso wie das Quecksilber verbindet sich auch fein ver- 
teiltes, sogenanntes molekulares Silber und fein verteiltes Kupfer, 
erhalten durch Fällung einer Kupfersulfatlösung mit met. Eisen, schon 
bei gewöhnlicher Temperatur, durch einfaches Zusammenreiben, bei 
Gegenwart von Alkohol oder Wasser, zu alkalisch reagierenden 
Körpern, unter gleichzeitiger Bildung von Schwetfelmetall. 


668 Dr. J. Gadamer: TDUeber Thiosinamin. 


Die Silberverbindung, mit heifsem verdünnten Alkohol extrahiert, 
schied beim Verdunsten über Schwefelsäure zunächst Krystalle von 
unverändertem Thiosinamin ab. Die letzten Mutterlaugen wurden 
allmählich sirupförmig und erstarrten dann zu einer fast farblosen 
Krystallmasse. Dieselbe war ziemlich weich und liels sich daher 
nicht zerreiben. Ich beschränkte mich daher auf eine Bestimmung 
des Silbergehaltes. 

0,3003 g, im Wasserstoffstrome geglüht, hinterliefsen 0,0151 g 
met. Silber, entsprechend einem Gehalt von 5,03 Proz. Eine Formel 
läfst sich für diesen Körper nicht aufstellen; jedenfalls besteht er 
in der Hauptsache aus unverändertem Thiosinamin und Allyleyanamid. 
Dafs aber ein obiger Quecksilberverbindung nahestehender Körper 
entstanden, läfst sich aus dem völlig gleichen Verhalten gegen Pikrin- 
säure und verdünnte Salzsäure schlielsen. 

Die Kupferverbindung war, selbst nach monatelangem Stehen 
über Schwefelsäure, nicht krystallinisch erstarrt; vielmehr resultierte 
sie als ein schwach bräunlicher, vollkommen klarer, dicker Sirup. 
Eine Ausscheidung von unverändertem Thiosinamin war nicht wahr- 
zunehmen. Im übrigen verhielt sie sich in derselben Weise, wie 
die Quecksilber- und Silberverbindung. 

0,761 g, mit Ammoniak längere Zeit zum Kochen erhitzt, schieden 
schwarzes Schwefelkupfer ab. Nach dem Glühen im Wasserstoff- 
strome, unter Zusatz von Schwefel, betrug dasselbe 0,0152 g CuzS, ent- 
sprechend 1,653 Proz. Cu. 

Alle in vorstehendem beschriebenen Verbindungen weisen, 
meiner Ansicht nach, auf die unsymmetrische Formel des Thiosin- 
amins hin. Auch die Entschwefelung mit Quecksilber- und Blei- 
oxyd spricht ebensowohl für die unsymmetrische Formel, wie für die 
symmetrische. Die Einwirkung des Quecksilberoxyds z. B. lälst 
sich von der unsymmetrischen Formel ebenso ungezw ungen ableiten. 


‘NH NH 
ÖsH 1 H80 — 60H + HgS 
NHc:H, NHOH, 

NH N 

ob# — N + H,0 


Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinauin. 669 


oder 
NH, NH, 
cs CHg0= 60 + HgS 
| 
NHC,H, NHC,H, 
NH, N 
Ill 
co = Ö + H,0 


NHC,H, NHC,H, 

Da auf Grund dieser Versuche keine endgiltige Entscheidung 
getroffen werden kann, welcher von beiden Formeln der Vorzug zu 
geben sei, so mulste ein anderer Weg gesucht werden. Derselbe 
ergab sich aus der Bildungsweise des Tbiosinamins selbst. Das 
Thiosinamin entsteht durch direkte Vereinigung von Allylsenföl mit 
Ammoniak. Die drei Wasserstoffatome des Ammoniaks sind offenbar 
gleichwertig; ebenso auch die Wasserstoffatome des Thioharnstoffs 
und seiner Derivate, so lange wir demselben die symmetrische Formel 
zuschreiben. Da nun die Wasserstoffatome des Ammoniaks sich 
durch Alkyle ersetzen lassen, und die daraus entstehenden Ver- 
bindungen dieselben basischen Eisenschaften, wie das Ammoniak, 
besitzen, so werden diese Aminbasen mit Allylsenföl alkylierte 
Thiosinamine liefern müssen, und zwar die primären und sekundären 
Aminbasen ohne weiteres, ob nun dem Thiosinamin die symmetrische 
Formel oder nicht zukommt, die tertiären aber voraussichtlich nur 
dann, wenn das Thiosinamin auch die symmetrische Konstitution be- 
sitzen kann, da nur in diesem Falle die drei vertretbaren H-Atome 
an Stickstoff gebunden sind. Es mulste daher meine Aufgabe sein, 
die Einwirkungsprodukte von primären, sekundären und tertiären 
Monaminen auf Allylsenföl zu untersuchen. Ueber solche primärer 
und sekundärer Monamine finden sich in der Litteratur zahlreiche 
Angaben, nicht jedoch über die tertiärer Monamine. Ich wählte die 
Methylamine zur Anstellung meiner Versuche, da von diesen bisher 
nur die Einwirkung der primären Base untersucht ist. 


Monomethylthiosinamin. 


Das Monomethylthiosinamin ist bereits von Avenarius!) 
dargestellt. 


1) Ber. 1891, 261. 


670 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 


Werden 10 g Allylsenföl mit 10 g absolutem Alkohol ver- 
dünnt und mit 10 g einer 33prozentigen Methylaminlösung in 
Alkohol versetzt, so verschwindet unter lebhafter FEr- 
wärmung der Geruch nach Senföül; es findet Addition statt, 
indem sich Methylthiosinamin, neben geringen Mengen von 
rhodanwasserstoffsaurem Methylamin, bildet. Beim Erkalten 
scheiden sich keine Krystalle ab, erst nach längerem Stehen 
über Schwefelsäure erstarrt die ganze Masse krystallinisch. Ein Ver- 
such, die Verbindung aus Ligroin, unter Zusatz von Alkohol umzu- 
krystallisieren, milslang, da sich das Methylthiosinamin aus diesem 
Lösungsmittel beim Erkalten als öliges Liquidum abschied, welches 
erst durch Zusatz eines Krystalles des Rohproduktes erstarrte. Ich 
begnügte mich daher damit, das ursprüngliche Einwirkungsprodukt 
durch Abpressen zwischen Fliefspapier zu reinigen. Dafs ich da- 
durch ein hinreichend reines Produkt erhalten hatte, bewies mir der 
Schmelzpunkt, der, übereinstimmend mit dem von Avenarius an- 
gegebenen, bei 460lag. Das Methylthiosinamin ist in Wasser schwer, 
in Alkohol und Aether leicht löslich. 


Einwirkung von Brom auf Methylthio- 
sinamin. 


Auf eine alkoholische Lösung des Methylthiosinamins liefs ich 
unter Abkühlung mit dem gleichen Vol. Alkohol verdünntes Brom 
tropfenweise einwirken. Dasselbe wurde sofort absorbiert, bis end- 
lich eine schwache Gelbfärbung bestehen blieb. Beim freiwilligen 
Verdunsten schieden sich völlig weilse, gro[fse Krystalle aus, deren 
Schmelzpunkt bei 145—146° lag. Mit Pikrinsäure versetzt, gab die 
wässerige Lösung einen Niederschlag, der sich beim Erwärmen löste, 
beim Erkalten krystallinisch wieder ausschied. Der Schmelzpunkt 
der Pikrates lag bei 181—182%. In Wasser ist die Verbindung 
leicht löslich. 

Die Analysen, welche ich von diesem Körper ausführt», lieferten 
folgende Daten: 

1. 0,1852 g lieferten 0,1377 g CO, und 0,0604 g H30. 

2. 0,3312 gaben (,2482 g CO, und 0,1018 g H,O. 


3, 0,6765 g, mit überschüssigem Silbernitrat in wässeriger Lösung 
erhitzt, schieden 0,575 g Bromsilber ab. 


Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 671 


Gef. Ber. für 0, H,, N,S Br, 
I I III 

020982 20,68 

a. 3,01. 3,45 

DE 16 8, 101] 55,04 55,17 


Hieraus ergiebt sich, dafs das Bromid durch Adäition zweier 
Bromatome in analoger Weise entstanden ist, wie Maly’'s Thiosin- 
aminbromid. Durch Erhitzen mit Silbernitrat war es mir gelungen, 
sämtliches Brom als Bromsilber zu eliminieren. Es war nun die 
Frage, wie sich das Methylthiosinaminbromid in der Kälte gegen 
Silbernitrat verhalten würde. 

1. 0,6655 g, mit überschüssigem Silbernitrat nur in der Kälte 
behandelt, lieferten nach dreitägigem Stehen 0,5837 g Ag Br. 

2. 0,5509 g, in derselben Weise zwei Tage behandelt, gaben 
0,4111 g AgBı. 

Gef. Ber. für 1 Atom Brom 
E II 
Br22737:32. 31575 27,59 

Hieraus kann man entnehmen, dafs in der Kälte zunächst nur 
ein Atom Brom eliminiert wird, dafs aber, je nach der Einwirkungs- 
dauer, auch mehr oder weniger des zweiten Atoms ausgeschieden 
wird. 

Einwirkung von Chlorsilber auf das Methyl- 
thiosinaminbromid. 


Beim Behandeln einer wässerigen Lösung des Methylthiosinamin- 
bromids mit Chlorsilber geht ersteres ebenso, wie das Thiosinamin- 
bromid, durch Austausch eines Atomes Brom gegen Chlor in das 
Bromochlorid über. Dasselbe ist in Wasser leicht löslich und 
krystallisiert aus demselben erst nach dem völligen Verdunsten. 


Der Schmelzpunkt des über Schwefelsäure getrockneten Salzes liegt 
bei 120—23 °, 

Zur Bestimmung des Chlorgehaltes löste ich 0,579 g zu 50 cem 
auf. 20 cem dieser Lösung versetzte ich mit Kaliumchromat als Indi- 
kator und titrierte mit 1/,, N.Silberlösung. Es trat bald eine Schwärz- 
ung des abgeschiedenen Chlorsilbers ein, so dafs die Endreaktion nicht 
zu erkennen war. Weitere 20 ccm säuerte ich mit einiger Tropfen 
Salpetersäure an, setzte 20 cem 1/,, N.Silberlösung zu und titrierte 
den Ueberschuls mit Rhodanammonlösung, unter Zusatz von Eisen- 
alaun, zurück. Bis zur eintretenden Rotfärbung (die Endreaktion ist 
scharf, verschwindet aber nach einigen Augenblicken) wurden 10,7 ccm 


672 Dr. J. Gadamer: Ueber Tbiosinamin. 


Rhodanlösung verbraucht, so dals zur Abscheidung des Chlors 9,3 ccm 
Silberlösung erforderlich gewesen wären 
Gef. Ber. 
Cl. 14,25 14,05 
Aulserdem stellte ich noch das Gold- und Platinsalz der Ver- 
bindung dar. Als ich die wässerige, mit Salzsäure angesäuerte Lösung 
des Bromochlorids mit Platinchlorid versetzte, schieden sich zunächst 
nur geringe Mengen eines gelben, amorphen Salzes aus, das offenbar 
von einer Verunreinigung herrührte. Im Filtrat schied sich nach 
einiger Zeit über Schwefelsäure das Platinsalz in grolfsen, gelbroten, 
warzenförmigen Krystallmassen ab. Dieselben wurden bei 100° ge- 
trocknet und der Analyse unterworten. 
0,2882 g hinterlielsen beim Glühen 0,0687 g Pt. 
Gef. Ber. für [C,H,N,SBr-H Cl, PıC,, 
Pt. 23,83 23,50 
Das Goldsalz krystallisiert und ist schwer löslich; es schmilzt 
bei 80°. 
0,2393 g hinterlielsen beim Glühen 0,0861 g Au. 
Gef. Ber. für C,H,BrN;S-HCl.AuCl], 
Au 35,98 35,83 


Dimethylthiosinamin. 


In derselben Weise, wie das Methylthiosinamin, stellte ich auch 
die Dimethylverbindung dar. 10 g Senföl, mit dem gleichen Vol. 
absoluten Alkohols verdünnt, versetzte ich allmählich mit 14 g 
33 0/,iger alkoholischer Dimethylaminlösung. Die Einwirkung war 
eine so heftige, dafs sich die Flüssigkeit bis zum Sieden erhitzte. 
Das Reaktionsgemisch liefs ich über Schwefelsäure verdunsten, aber 
selbst nach Monaten fand keine Krystallisation statt, vielmehr ver- 
blieb ein dünner, schwach braun gefärbter Sirup, der ebenfalls eine 
deutliche Rhodanreaktion gab. In einer Kältemischung (feste Kohlen- 
säure und Aether) erstarrte allmählich die ganze Masse zu gut aus- 
gebildeten Krystallen, die sich aber bei gewöhnlicher Temperatur 
wieder zu einem Sirup verflüssigten. Das Dimethylthiosinamin ist 
also bei gewöhnlicher Temperatur flüssig. 


Einwirkung von Brom auf Dimethylthiosinamin. 


Ich löste nun einen Teil obigen Präparates in Alkohol und 
tröpfelte unter Kühlung ein Gemisch aus gleichen Teilen Brom und 


Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 673 


Alkohol zu, bis eine schwache Gelbfärbung bestehen blieb. Beim 
ruhigen Stehen krystallisierte die grölste Menge des gebildeten 
Bromadditionsproduktes schon nach einigen Stunden aus, ohne dals 
es erforderlich gewesen wäre, die Lösung zu konzentrieren. Die 
Krystalle waren vollkommen weils und erwiesen sich als derbe, ca, 
5—8 mm lange Nadeln vom Schmelzpunkt 207,5—208°, die sofort 
analysenrein waren. In Wasser ist die Verbindung leicht löslich, 
schwerer in Alkohol. 

Ich beschränkte mich auf eine Bestimmung des Bromgehaltes, 
iv dem ich Silbernitratlösung sowohl in der Kälte als auch in der Siede- 
hitze einwirken liels. 

0,4084 g, mit überschüssigem Silbernitrat einige Tage in der 
Kälte behandelt, schieden 0,259 g AgBr ab. 

Gef. Ber. für den Austritt 1. At. Brom 
Br 26,99 26,32 

Es war also nur ein Atom Brom durch Silbernitrat eliminiert 
worden. 

0,361 g, mit überschüssigem Silbernitrat unter Zusatz einiger 
T:opten Salpetersäure gekocht, gaben 0,4453 g Ag Br. 

Gef. Ber. für C,H, NS Br, 
Br 52,48 52,63. 


Einwirkung von Chlorsilber auf das 
Dimethylthiosinaminbromid. 


Auch aus dem Dimethylthiosinaminbromid wird durch Chlor- 
silber ein Atom Brom gegen Chlor ausgetauscht. Das vom Brom- 
silber abfiltrierte Bromochlorid krystallisiert über Schwefelsäure in 
rein weilsen, durchsichtigen, grofsen Krystallen, die in Wasser leicht 
löslich sind. Ihr Schmelzpunkt liegt bei 191—192°. Den Gehalt an 
Chlor bestimmte ich durch direkte Titration. 

0,6325 g wurden zu 50 ccm aufgelöst. Davon wurden 20 ccm mit 
1/o N -Silberlösung, unter Zusatz von Kaliumchromat als Indikator, 
titriertt. Bis zum Eintritt der Endreaktion wurden 9,9 ccm verbraucht. 
Weitere 20 ccm, in derselben Weise behandelt, erforderten 9,85 ccm. 
Die Endreaktion ist scharf zu sehen, verschwindet aber ziemlich rasch, 
indem allmählich auch ein Teil des Brom in Reaktion tritt. Eine 
Verdeckung der Endreaktion durch Schwärzung des Chlorsilbers trat 
hierbei nicht ein. 

Gef. Ber. für CO, H,ı Br N;3S.HOCI 
I II 
' C113,88 13,82 13,68. 


674 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 


Zur weiteren Charakterisierung der Verbindung stellte ich das 
Gold- und Platinsalz dar. 

Das Goldsalz ist schwer löslich und mu([s aus sehr verdünnten 
Lösungen abgeschieden werden, da es sich sonst als rote, ölige 
Flüssigkeit zu Boden setzt, die beim Umkrystallisieren aus warmem 
Wasser Gold abscheidet. Ich versetzte daher eine stark verdünnte, 
wässerige Lösung nach dem Ansäuern mit Salzsäure, mit Goldchlorid, 
es trat sofort eine Trübung ein. Beim Stehen über Schwefelsäure 
schied sich dann nach kurzer Zeit das Goldsalz in strahligen Krystall- 
aggregaten ab, die nach dem Trocknen über Schwetelsäure bei 70° 
schmolzen. 

0,503 dieses Salzes hinterlie[sen beim Glühen 0,1762 g Au. 

Gef. Ber. für C,H,,BrN,;,S.HCl. AuCl, 
Au 34,69 34,93 

Dieselbe Verbindung erhielt ich, als ich das silberfreie Filtrat 
des mit Silbernitrat in der Kälte behandelten Dimethylthiosinamin- 
bromids mit Goldchlorid versetzte. Der Schmelzpunkt der lutt- 
trocknen Substanz lag auch hier bei 70%. Der Goldgehalt betrug 
34,78 Proz. 

Das Platinsalz ist ziemlich leicht löslich und scheidet sich beim 
Verdunsten über Schwefelsäure in schönen, glänzenden, orangegelben 
Nadeln von ca. 4—5 mm Länge ab. 

0,179 g hinterliefsen beim Glühen 0,0405 g Pt. 
Gef. Ber. für (0, H,, BrN,S. HCi), PtCl, 
Pt 22,62 22,73. 
Einwirkung von alkoholischer Trimethylamin- 
lösung auf Allylsenföl. 


Während Mono- und Dimethylamin mit aufserordentlicher 
Heftigkeit auf Allylsenföl einwirken, unter Bildung von Methyl- resp. 
Dimethylthiosinamin, wirkt Trimethylamin weder in der Kälte, noch 
beim Erwärmen im Dampfbade ein. Es kann diese Verschiedenheit 
nur seinen Grund in der Konstitution des Thiosinamins haben. Es 
schien mir aber von Wichtigkeit zu sein, zu ergründen, ob das 
Trimethylamin überhaupt nicht auf Allylsenföl addierend einzuwirken 
vermöchte; ich brachte infolgedessen die Base unter Druck mit dem 
Senföl zusammen. 

Allylsenföl wurde mit überschüssiger 30°/,iger alkoholischer 
Trimethylaminlösung in einer Druckflasche mehrere Stunden auf 


Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 675 


1000 erhitzt. Die Flüssigkeit färbte sich dadurch intensiv dunkel- 
braun, so dafs sie das Licht nicht mehr durchfallen liefs. Der Geruch 
nach Senföl war fast völlig verschwunden und hatte einem un- 
angenehm lauchartigen Platz gemacht. Mit viel Wasser versetzt, 
schied sich eine schwarze, ölige Flüssigkeit ab; das Wasser selbst 
blieb fast farblos und gab eine starke Rhodanreaktion. Die ölige 
Flüssigkeit war so dunkel gefärbt, dafs ich sie zu weiteren Versuchen 
für unbrauchbar hielt. 


Besseren Erfolg hatte ich beim Erhitzen im zugeschmolzenen 
Glasrohr auf 150— 160°: 

Einige Gramm Senföl wurden in einem starkwandigen Kaliglas- 
rohr mit Trimethylamin im Ueberschufs versetzt, so dafs die Flüssig- 
keit reichlich ein Drittel des Rohres einnahm, und nach dem Zu- 
schmelzen im Bombenofen auf etwa 1500 zwei Stunden lang erhitzt. 
Der Röhreninhalt bestand nach dem Erkalten aus gut ausgebildeten, 
grolsen Krystallen, die in eine hellbraune, klare Flüssigkeit einge- 
bettet waren. Beim Oeffnen des Rohres entwichen brennbare Dämpfe, 
die anfangs deutlich den Geruch nach Schwefelkohlenstoff erkennen 
liefsen, bald aber nur noch einen sehr intensiven, unangenehmen 
Geruch zeigten, der an den des Phosphorwasserstoffs erinnerte. Die 
Krystalle wurden von der braunen Flüssigkeit durch Filtrieren ge- 
trennt und zwischen Fliefspapier geprelst. Sie waren völlig weils, 
geruchlos und leicht löslich in Wasser; bei 240° schmolzen sie noch 
nicht, roch auch veränderten sie ihre Farbe. Mit Natronlauge er- 
wärmt, entwickelte sich ein deutlicher Geruch nach Trimethylamin. 
Mit Eisenchlorid gaben sie eine intensive Rhodanreaktion. Die 
Krystalle waren demnach als rhodanwasserstoffsaures Trimethylamin 
anzusprechen. 

Die alkoholische Flüssigkeit des Röhreninhalts versetzte ich 
mit viel Wasser ; es schieden sich dabei einige Tropfen eines bräun- 
lichen Oeles aus, welche durch mehrmaliges Ausschütteln mit Wasser 
von beigemengtem Trimethylaminrhodanid befreitund schliefslich mit 
Aether aufgenommen wurden. Die nach dem Verdunsten des Aethers 
hinterbleibende, ölige Flüssigkeit roch eigentümlich, aber nicht un- 
angenehm, lauchartig. 

Eine alkoholische Lösung derselben versetzte ich tropfenweise 
mit Brom, welches sofort absorbiert wurde, bis Brom im geringen 


676 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 


Ueberschufs vorhanden war, und dampfte dann dieselbe bei mälsiger 
Wärme auf ein kleines Volum ein. Da zunächst keine Ausscheidung 
eines festen Körpers zu bemerken war, verdünnte ich mit Wasser. 
Die dadurch entstehende Trübung verschwand auf Zusatz von Alko- 
hol. Letztere Lösung in verdünntem Alkohol wurde mit Chlorsilber 
behandelt, und das Filtrat mit Platinchlorid versetzt. Es schied sich 
sofort ein hellgelbes, amorphes Platinsalz in solchen Mengen aus, 
dafs ich davon eine Platin- und eine Brom-Chlorbestimmung aus- 
führen konnte. 
l. 0,1885 g hinterlie[sen beim Glühen 0,036 Proz. 


2. 0,3609 g gaben 0,536 g Chlor- und Bromsilber, 0,4623 g davon 
verloren beim schwachen Glühen im Chlorstrom 0,0523 g. 


Gef. Ber. für 
I 74 [C5 Hja NS Br,. HCl, PtC1, 
Pt 19,09 — 18,60 
ie eos 20,37 
Br — 30,22 30,61 


Diese Werte führen zu der Annahme, dafs der analy- 
sierte Körper das Platinsalz eines Trimethylthiosinaminbromid 
gewesen ist. Man sieht ferner daraus, dafs Chlorsilber 
dem Bromadditionsprodukt des Trimethylthiosinamis kein Brom zu 
entziehen vermag, dals sich also hier nicht, wie beim Thiosinamin, 
Methyl- und Dimethylthiosinamin, durch Abspaltung von Brom- 
wasserstoff und Ringschliefsung, ein bromwasserstoffsaures Salz 
bildet, sondern dafs Brom durch Aufhebung der doppelten Bindung 
in der Allylgruppe ein einfaches Additionsprodukt liefert: 

C, H,, NaS + 2 Br = C, H,, NS Br;. 

Um jedoch das Trimethyl-Thiosinaminbromid selbst in seinen 
Eigenschaften studieren, respektive den exakten Identitätsnachweis 
liefern zu können, stellte ich nun grölsere Mengen Trimethylthiosin- 
amin nach der oben angegebenen Methode dar. Die in der näm- 
lichen Weise gereinigte Verbindung wurde in Alkohol gelöst, mit 
Brom gesättigt und über Schwefelsäure verdunstet. Nach längerem 
Stehen schied sich ein etwas bräunlich gefärbter, fester Körper aus, 
der jedoch keine scharfen Krystallformen erkennen liefs, sondern 
von ungleichmälsigen Konturen begrenzt war. Die ausgeschiedene 
und abgepreiste Verbindung war nunmehr in Alkohol fast unlöslich. 


Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 677 


Bei 230 Grad schmolz dieselbe nicht, sondern färbte sich nur 
dunkler. 

Eine Analyse des direkten Ausscheidungsproduktes gab un- 
genügende Resultate, da dasselbe offenbar durch anhaftende Mutter- 
lauge, welche viel Bromwasserstoff enthielt, verunreinigt war. Ich 
fand hierbei 52,29 Proz. Brom. Ich benutzte daher die Schwer- 
löslichkeit des Körpers in Alkohol, um ihn von den beigemengten 
Verunreinigungen zu befreien, indem ich ihn so lange mit Alkohol 
auswusch, bis er nur noch schwach gefärbt war. Eine Analyse des 
gereinigten, bei 100 Grad getrockneten Präparates gab folgende Daten: 

0,2353 g lieferten nach Carius 0,2766 g AgBr und 0,1717 g Ba SO,. 


Gef. Ber. für C, H., Br, N,S 
Br 50,02 50,31 
S 10,02 10,07. 


Somit war es gelungen, das Trimethylthiosinamin, resp. dessen 
Bromid darzustellen. Wie erwartet, wird dem Brom-Additionsprodukt 
durch Chlorsilber kein Brom entzogen. 


Die Konstitution des Thiosinamins und seiner 
homologen Verbindungen. 

Nimmt man die von Falke für das Thiosinamin aufgestellten 
beiden Formeln (s. S. 648) an, so wird man nicht zweifeln können, 
dafs dem Thiosinamin für gewöhnlich die unsymmetrische Form zu- 
kommt. Denn nur so läfst es sich erklären, dafs die Bromadditions- 
produkte des Thiosinamins, des Methyl- und Dimethylthiosinamins 
durch Abspaltung von Bromwasserstoff unter Ringbildung in brom- 
wasserstoffsaure Salze übergehen, wie es Falke in seiner Disser- 
tation für das Thiosinaminbromid ausführt. Dem Trimetbylthiosinamin 
jedoch werden wir, bei Acceptierung der Falke’schen Formeln, 
nur die symmetrische zuerkennen können. Die schwierige Dar- 
stellung desselben würde darauf hinweisen, dafs dem Thiosinamin 
nur unter besonderen Verhältnissen die letztere Konstitution eigen- 
tümlich sei. 

Bei Annahme der Falke’schen Formeln mufste der Vorgang 
der Thiosinaminbildung sich folgendermalsen abspielen: 


| 
NH--C;H, 


678 Dr. J. Gadamer: Teber Thiosinamin. 


c=S NH, 
II. || + NH, = | 
N—C;, 5 C = Ss 
| 
NHC3H,. 


Weiter dürfte jedoch die Bildung des Tbiosinamins auch durch 
folgende Gleichung zum Ausdruck kommen : 


IT. | Bi Pe N 
N C,H, ' 
NO,H; 


Das Resultat dieser Gleichung ist ebenfalls eine unsymmetrische 
Formel; alle Verbindungen. welche bisher erwähnt sind, finden durch 
dieselbe ihre Erklärung ebenso gut, wie durch die Falke’sche un- 
symmetrische Formel. 

Gegen obige Thiosinaminformel (III) spricht jedoch erstens der 
Umstand, dals Falke durch Einwirkung von Salpetrigsäureanhydrid 
auf Thiosinaminbromochlorid eine Nitrosoverbindung erhalten hat. 
Da jedoch diese Verbindung in keine analysierbare Form zu bringen 
war, die Zusammensetzung somit unbekannt geblieben ist, so möchte 
ich dem nicht allzuviel Wert beimessen ; denn bei der leichten Zer- 
setzbarkeit des Thiosinamins kann durch Einwirkung eines so stark 
reagierenden Körpers, wie das Salpetrigsäureanhydrid, leicht eine 
Umlagerung eintreten. 

Schwerer dürfte das Verhalten des Thiosinamins gegen Queck- 
silber- und BJeioxyd in’s Gewicht fallen, da bei Abnahme der 
Formel III dem durch Schwefelwasserstoffabspaltung gebildeten 
Allyleyanamid, wenn man von einer hierbei eintretenden molekularen 
Umlagerung absieht, nicht die Formel 


N NH 

Il 

Ü sondern C 

| I 
H—N—C;zH, N—C;H, 


zukommen mülste. Nun existiert allerdings das Cyanamid in zwei 
isomeren rezp. tautomeren Former, welche obigen beiden Formeln 
entsprechen. 

In ähnlicher Weise verhält sich auch der von Gabriel dar- 
gestellte Propylen „ thioharnstof. Auch diesem Körper kommen 
zwei verschiedene Konstitutionsformeln zu, je nachdem, ob von dem- 


Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 679 


selben alkylsubstituierte Verbindungen durch Einwirkung von Jodalkyl 
auf die freie Base, oder durch Umlagerung substituierter Thiosin- 
amine dargestellt werden. Im ersteren Falle kommt dem Propylen 
y thioharnstoff die Formel!) 


CH, . CH—S\ 
| SO—NEH, 
in 7 
CH,—NR 
im letzteren hingegen die Formel ?) 
CH,.CH—S 
| \C-NHR 
CH,—N 


zu, wo R ein Alkohol-Radikal bedeutet. Erstere Verbindung würde 
sich leicht von dem unsymmetrischen Thiosinamin Falke’s (D, 
letztere von der unsymmetrischen Thiosinaminformel ableiten, die ich 
oben als III. aufgestellt habe. Prager leitet allerdings letztere 
Verbindung von einem symmetrischen alkylsubstituierten Thiosinamin 
ab; jedoch erscheint mir seine Ableitung gezwungen und weniger 
natürlich als die meine. Zum Vergleich stelle ich die beiden Re- 
aktionsgleichungen neben einander: 


1. Nach Prager. 


NHC,H, NHC,H, 
| 
6=3 Hor=7607—25 
| | 
NH—CH,—CH = CH, NH—CH,—CHCl—CH, 
NHC,H, 
= (0-5 + HCl 
Ii...258 
2. nach Formel III NCH, . CH—CH, 
NHC,H, ee 
C—S—H + HCi= C0-S-H 
I I 
N—CH,—CH = CH, NCH,—CHCI—CH, 
NH—C,H, 
= 0-5 + HCl 


Nom. CH-—-CH, 


I) Gabriel, Ber. 1889, II 2984 ff. 
2) Prager, Ber. 1889, II 2991 ff. 
Arch. d. Pharm. CCXXXIII. Bds. 9. Heft. 


680 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 


Auf Grund vorstehender Thatsachen möchte ich den Schlufs 
für gerechtfertigt halten, dafs dem Thiosinamin bei obigen Reaktionen 
immer eine unsymmetrische Formel zukommt, und zwar bald die von 
Falke (I), bald die von mir aufgestellte (III). Die symmetrische 
möchte ich für ausgeschlossen halten, denn selbst das Trimethyl- 
thiosinamin kann sich von der von mir aufgestellten unsymmetrischen 
Formel ableiten. 


N(CH;3), 
C=S N(CH;), | 
I + | = 0SCH, 
NC;H, CH; | 
NC,H; 


Dadurch findet, meiner Ansicht nach, der Umstand seine Er- 
klärung, dafs es verhältnismäfsig schwer fällt, diese Verbindung 
darzustellen. Allerdings könnte dies auch dadurch bedingt sein (bei 
Annalıme einer symmetrischen Formel), dafs die Methylpruppen un- 
gleich fester am Stickstoff sitzen, als die Wasserstoffatome. 

Eine weitere Stütze für die unsymmetrische Formel 


liefert das Verhalten des Dimethylthiosinamins beim Erhitzen mit 
konzentrierten Säuren auf hohe Temperatur unter Druck, und das 
Verhalten gegen Schwermetallsalze. 

Beim Erhitzen von Bromthiosinamin mit konzentrierter H Br 
spaltet dasselbe aus 2 Molekülen ein Molekül NH, ab. Ich schlofs 
daraus, wie ich weiter unten zeigen werde, dafs sich dasselbe vom 
symmetrischen Thiosinamin ableiten müsse. Ferner ist durch die 
Arbeiten von Avenarius!) erwiesen, dals bei dem Diaethylthiosi- 
amin die beiden Aethylgruppen an dasselbe Stickstoffatom gebunden 
sind. Durch Umlagerung mit konzentrieter Salzsäure liefert dasselbe 
einen Diaethyl - # Methyläthylen - y -Thioharnstoff. Trotzdem legt 
Avenarius diesem Diaethylthiosinamin die symmetrische Formel 
zu Grunde und nimmt an, dafs die unsymmetrische Form erst beim 
Erhitzen mit Salzsäure gebildet werde. 

Das Dimethylthiosinamin wird zweifellos dem Diaethylthiosin- 
amin analog konstituiert sein. Hingegen kann ich mich der Ansicht, 


1) Ber. 24. 1. 264. 


Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 681 


dals demselben die symmetrische Formel zukomme, keineswegs 
unbedingt anschliefsen. 

In diesem Falle würde zu erwarten sein, dafs es sich beim Er- 
hitzen mit Säuren analog dem Bromthiosinamin verhalten und aus 
zwei Molekülen ein Molekül Trimethylamin abspalten werde. Meine 
Versuche haben aber ergeben, dafs dies nicht der Fall ist, sondern 
dafs, wie beim Diaethylthiosinamin eine Umlagerung nach Gabriel 
stattfindet. 


Das Dimethylthiosinamin wurde mit HC] auf 160 und 2000 und 
mit konzentrierter Schwefelsäure auf 1000 erhitzt. In allen 3 Fällen 
ging beim Destillieren mit Natronlauge eine alkalische Flüssigkeit 
über, die nach dem Neutralisieren mit Salzsäure mit Platinchlorid 
ein schön krystallisierendes Doppelsalz lieterte.e Die davon ausge- 
führten Platinbestimmungen haben folgende Resultate ergeben: 


1. 0,1594 g hinterlielsen 0,0442 g Pt. 


2. 0,2380 g ” 0,0664 g Pt. 
3. 0,1698 g " 0,0472 g Pt. 
Gef. Ber. für 
I II III (C,H) NS. HC1, Pt Ci, 
Pb 22,23 22.90 27,80 27,89 Proz. 


Trimethylamin konnte in keirem Falle nachgewiesen werden. 
Glatt und leicht läfst sich dies aus der unsymmetrischen 
Formel 
N(CH;), 


erklären. 

Allerdings könnte durch Einwirkung der konzentrierten Säuren 
bei hoher Temperatur eine Umlagerung stattfinden, wie sie 
Avenarius annimmt, doch veranlaist mich das Verhalten des 
Dimethylthiosinamins gegen Silbernitrat und andere Metallsalze an- 
zunehmen, dafsihm von vornherein die obige unsymmetrische Formel 
zukommt. Das Dimethylthiosinamin liefert nämlich bereits in der 
Kälte mit Silbernitrat eine Doppelverbindung, die in schönen Nadeln 
krystallisiiert und sich in allen Eigenschaften durchaus dem 
Thiosinaminsilbernitrat zur Seite stellt. Sie besteht aus gleichen 
Molekülen Dimethylthiosinamin und Silbernitrat, scheidet beim Er- 

44* 


682 Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 


wärmen mit Ammoniak Schwefelsilber ab und giebt mit Pikrinsäure 
eine schön krystallisierende schwerlösliche Verbindung, ein Beweis, 
dafs nicht ein einfaches Doppelsalz, sondern eine salzartige Verbindung 
vorliegt (cfr. Thiosinamin). Das Dimethylthiosinamin selbst giebt 
ebensowenig wie das Thiosinamin mit Pikrinsäure einen Niederschlag. 

0,3337 g des Silbersalzes hinterlie[sen beim Glühen im Wasser- 
stoffstrome 0,1148 g Silber. 

Gef. Ber. für C,H» N;5S. Ag NO, 
Ag 34,40 34,40 

Auch mit Kupferchlorür verbindet sich das Dimethylthiosinamin 
in ganz analoger Weise, wie das Thiosinamin. Versetzt man eine 
verdünnt alkoholische Lösung desselben mit wässriger Kupferchlorid- 
lösung, so entsteht zunächst eine intensiv violettrote Farbe, 
die aber sofort wieder verschwindet. Beim weiteren Zusatz wieder- 
holen sich diese Farbenerscheinungen, bis eine genügende Menge 
Kupferchlorid zugesetzt ist; alsdann scheidet sich das Dimethyl- 
thiosinamin-Kupferchlorür in sehr schwach bräunlich gefärbten, kleinen 
Krystallen aus. Die Mutterlauge reagiert infolge der Abspaltung 
von Salzsäure stark sauer. Das getrocknete Salz löst sich in Am- 
moniak fast farblos auf (Cupro-Verb.) und scheidet beim Erwärmen 
erst nach längerer Zeit Schwefelkupfer aus, unterscheidet sich also 
‚hierin wesentlich von der Thiosinamin-Verbindung. Doch ist dieses 
verschiedene Verhalten durchaus nicht zu verwundern, wenn man 
bedenkt, dafs sich beim Dimethylthiosinamin kein Allyleyanamid- 
derivat bilden kann. 

Gegen Schwetelwasserstoff ist das Verhalten insofern etwas 
abweichend, als das Dimethylthiosinamin-Kupferchlorür leicht den 
gesamten Kupfergehalt abgiebt. Dafs trotzdem die Verbindung 
entsprechend dem Thiosinamin-Kupferchlorür zusammengesetzt ist, 
lehrt die Bestimmung des Kupfergehaltes : 

0,4182 g hinterliefsen beim Glühen mit Schwefel im Wasserstoff. 
strome 0,1377 g CusS. 

Gef. Ber. für C,H,5NsS Cu Ol 
Cu 26,27 26,04. 

Quecksilberchlorid verursacht in der verdünnt - alkoholischen 
Lösung des Dimethylthiosinamins ebenfalls zunächst eine weilse 
Fällung, die sich aber anfänglich immer wieder auflöst, wie dies auch 
beim Thiosinamin der Fall ist. Bei genügendem Zusatz entsteht, je 


Dr. J. Gadamer: Ueber Thiosinamin. 683 


nach der Konzentration, eine zähe weilse Masse oder ein teiner, 
voluminöser Niederschlag. (cfr. Thiosinamin.) 

Diese Angaben mögen genügen, um die analoge Konstitution 
des Dimethylthiosinamins und des Thiosinamins in ihren Metallsalzen 
zu beweisen. Wie ich bei den .Metallsalzen des letzteren ausein- 
andergesetzt habe, erklären sich dieselben nur aus der unsym- 
metrischen Formel, sei es nun die von Falke oder die von mir 
aufgestellte. Beim Dimethylthiosinamin hingegen bleibt nur die 
zweite, von mir aufgestellte Formel übrig. 

Wenn es somit keinem Zweifel unterliegen kann, wie die 
Thiosinamine in ihren salzartigen Verbindungen konstituiert sind 
kann. die Frage für die Thiosinamine selbst nicht unbedingt gelöst 
erscheinen. Denn nach der Theorie vonHeinrich Goldschmidt 
und Aloys Meissler!) erklärt sich deren Zustandekommen sehr 
gut aus der symmetrischen Formel. Obige Forscher stellen das 
Gesetz auf, dafs die Tautomerie stickstoffhaltiger Verbindungen durch 
die auf sie in Lösung einwirkenden Verbindungen hervorgerufen 
würde, welche nicht als solche, sondern als freie Jonen auf die- 
selben einwirkten. 

Danach würde sich für das Silbersalz folgende Gleichung auf- 
stellen lassen : 


CH 
ad ae] [na a 
C=S + Ag = C-SAz 
|} NO, \ 
NH C,H, NC, H,, HNO,. 


Für das Thiosinamin jedoch glaubte ich, wegen seiner Fähig- 
keit metallisches Quecksilber aufzulösen, annehmen zu müssen, dafs 
es eine SH Gruppe enthalte. Denn nur einem merkaptanartigen 
Körper kann man von vornherein eine derartige Eigenschaft zu- 
schreiben. Enthielt das Dimethylthiosinamin gleichfalls eine SH- 
Gruppe, so durfte man von ihm die gleiche Fähigkeit erwarten. 
Diese Erwartung hat durch das Experiment ihre volle Bestätigung 
gefunden: Durch Baryumsulfat fein verteiltes Quecksilber wurde 
mit Dimethylthiosinamin unter Zusatz von etwas Alkohol etwa eine 


1) Ber. 23, 257. 


684 O. Hesse: TUeber Aristolochia argentina. 


halbe Stunde lang verrieben. Es machte sich dabei eine geringe 
Bildung von Schwefelquecksilber bemerklich; in dem Filtrat war 
Quecksilber sowohl durch Schwefelwasserstofft und Zinnchlorür in 
stark saurer Lösung, als durch das Verhalten auf einer Goldmünze 
unzweifelhaft nachzuweisen. 

Ich halte es daher für im hoben Grade wahrscheinlich, dafs 
dem Dimethylthiosinamin die unsymmetrische Formel 


zukommt. 


Ueber die Wurzel von Aristolochia argentina. 
Von O. Hesse. 
(Eingegangen den 21. Oktober 1895.) 

Mehrere Aristolochiaarten sind bis vor etwa 20 Jahren chemisch 
untersucht worden, ohne dafs eine gut definierbare Substanz dabei 
zu Tage gefördert wurde. In der Regel handelte es sich um ein 
gelbes, bitter oder kratzend schmeckendes, amorphes Harz und um 
den Namen. So hat Walz!) verschiedenen Bestandteilen der Wurzel 
von Aristolochia Clematıtis Namen gegeben, ohne sie rein dargestellt 
oder einigermalsen näher untersucht zu haben, wie z. B. die 
Aristolochinsäure, welche nach C,H, 0; und des 
Clematitin, das nach C,H,, 0, zusammengesetzt sein soll. 
Letzteres ist vielleicht mit dem Serpentarin oder Aristo- 
lochiun von Chevallier?) identisch, welches dieser Chemiker 
aus der Wurzel von Aristolochia Serpentaria darstellte und die 
toxische Wirkung dieser Wurzel bedingen soll. Späterhin gelang es 
allerdings Friekinger°), aus den jungen unterirdischen Trieben 
der Aristolochia Clematitis eine Substanz in kleinen bernstein- 
gelben Nadeln zu gewinnen, welche als Aristolochiagelbange- 
sprochen wurden, allein die betreffenden Angaben lassen es unent- 


1) Jahrbuch für praktische Pharmacie 24, 65; 26, 65. 
2) Journal de Pharmacie (II) 5. 565. 
3) Repertorium für Pharmacie (3) 7, 1. 


O0. Hesse: Ueber Aristolochia argentina. 685 


schieden, ob in diesen Nadeln wirklich eine reine Substanz vorlag. 
Unlängst haben dann Dymock und Warden!) die Aristolochia 
indica untersucht und in dieser Pflanze aulser gelblichen oder 
braunen Harzen eine Substanz von basischem Charakter gefunden. 


Die Mitteilung von Dymock und Warden war es nun 
welche mich ?2) bestimmte, sofort meine Untersuchung über die 
Wurzel von Aristolochia argentina bekannt zu geben, so weit die 
kleine Probe dieser Droge, welche ich Herrn Th. Stuckert in 
Cordöba, Argentinien, verdankte, überhaupt eine Untersuchung ge- 
stattete. Diese Untersuchung ergab 1. einen Ester, wahrscheinlich 
Palmitylphytosterin, 2. ein Alkaloid und 3. einen gelben, 
krystallisierten Körper. Das Alkaloid wurde von mir Aristo- 
lochin, letzterer Körper Aristin genannt. Kurz vorher war 
jedoch, was mir leider entging, von Pohl?) eine Mitteilung über 
eine Untersuchung verschiedener Species des Genus Aristolochia er- 
schienen, in welcher eine hübsch krystallisierte gelbe Substanz unter 
dem Namen Aristolochin beschrieben wurde. Jedoch sagt 
Pohl, dafs er diesen Namen aus nebensächlichen Gründen für 
diese Substanz gewählt habe, anstatt der sonst näher liegenden 
Bezeichnung „Aristolochiasäure“. Da sich aber diese Substanz 
thatsächlich wie eine Säure verhält, so dürfte es sich empfehlen, 
dieselbe auch Aristolochiasäure zu nennen, um so eine 
Verwechselung mit dem Alkaloid Aristolochin auszu- 
schlie[sen. 


Inzwischen war es mir möglich, diese Untersuchung mit 
grölseren Mengen Material vorzunehmen, und erlaube ich mir nun, 
das Resultat derselben im Folgenden mitzuteilen. 


1. Aristoloehin. 


Wird die zerkleinerte Wurzel mit Aether ausgezogen, so gehen 
Spuren von dem basischen Aristolochin in diesen über, welche dem- 
selben durch Weinsäure entzogen werden können. Die Hauptmenge 


1) Pharmaceutical Journal and Transactions (3) 22,245. 
2) Daselbst (3) 22, 551. 
Ze FE, Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie 


686 O0. Hesse: Ueber Aristolochia argentina. 


des Alkaloids bleibt aber in der Wurzel zurück. Man behandelt 
diese nun mit genügend Soda und unterwirft die Wurzel einer 
neuen Extraktion mit Aether, oder zieht dieselbe direkt mit heilsem 
Alkohol aus. Im letzteren Falle hinterbleibt nach der Destillation 
des Alkohols ein bedeutender Rückstand eines braunen Harzes, 
das man alsdann mit einer konzentrierten Lösung von kohlensaurem 
Natron tüchtig bearbeitet und hierauf mit Aether extrahiert. Letzterer 
giebt dann an verdünnte Salzsäure oder Schwefelsäure, besser Wein- 
säure, dasAlkaloid ab. Die saure Lösung ist gelb gefärbt, jedochlälst sie 
sich bei einiger Vorsicht mit Tierkohle entfärben, ohne einen er- 
heblichen Verlust an Alkaloid befürchten zu müssen. Die Auf- 
lösungen des Aristolochins in verdünnter Säure zeigen weder Farbe 
noch Fluoreszens; sie geben mit Ammoniak, Kalilauge oder Soda 
weilse flockige Niederschläge von Aristolochin, das sich wenig in 
Petroläther, leicht in Alkohol, Chloroform, Benzol und Aether löst. 
Die letztere Lösung giebt beim langsamen Verdunsten einen farb- 
losen Rückstand, der deutlich Neigung zum Krystallisieren zeigt. 
Das Aristolochin bläut in alkoholischer Lösung rotes Lackmuspapier 
und neutralisiert Salzsäure und Schwefelsäure vollständig, jedoch 
wurden die mit den genannten Säuren erhaltenen Salze nur amorph, 
firnisartig, erhalten. Setzt man zur Auflösung des salzsauren 
Aristolochins Jodkaliumsolution oder Rhodankaliumlösung, so wird 
im ersteren Falle das jodwasserstoffsaure, im anderen das rhodan- 
wasserstoffsaure Aristolochin in Form von amorphen Flocken er- 
halten. Auch das Platinsalz ist amorph und wird als ein blafsgelber 
flockiger Niederschlag erhalten. 


Von konzentrierter Schwefelsäure wird das Aristolochin dunkel- 
grün gelöst; die Farbe wird blaugrün, wenn ganz wenig Eisenchlorid 
hinzugebracht wird. 


Das Aristolochin schmeckt sowohl für sich bitter, wie in seinen 
Auflösungen in verdünnten Säuren. 


Leider mufste ich von einer Analyse und weiteren Unter- 
suchung des Aristolochins absehen, da dasselbe irrtümlich mit einer 
anderen Substanz vermengt wurde, deren vollständige Beseitigung 
aus der geringen Menge Aristolochin, welche überhaupt erhalten 
wurde, mir nicht gelang. 


O0. Hesse: Ueber Aristolochia argentina. 687 


2. Indifferente Stoffe. 


Wird die zerkleinerte Wurzel mit Aether ausgezogen und durch 
diese Lösung ammoniakhaltige Luft!) geleitet, so erfolgt zunächst 
gelbe Trübung der Lösung und dann die Abscheidung einer roten 
krystallinischen Masse. Nachdem eine Vermehrung dieser Ab- 
scheidung nicht mehr bemerkt wird, behandelt man den vom Nieder- 
schlag getrennten Aether mit einer Säure, um das überschüssig vor- 
handene Ammoniak sowohl, wie etwa Spuren von Aristolochin weg- 
zunehmen, und destilliert hierauf den Aether ab. Hierbei bleibt 
eine ölige grünlichbraune Masse zurück, aus welcher sich beim 
starken Abkühlen eine reichliche Krystallisation von indifferenten 
Körpern abscheidet, die nach einiger Zeit gesammelt wird. Die 
nunmehrige ölige Mutterlauge scheidet bei ihrer Abkühlung auf etwa 
6% kaum noch etwas ab. Dieselbe giebt, der Destillation unter- 
worfen, zunächst etwas Alkohol ab, der offenbar vom angewandten 
Aether herrührt, dann geht aber bei ziemlich hoher Temperatur ein 
stark lichtbrechendes, farbloses Oel über, das einen eigentümlichen, 
höchst unangenehmen Geruch besitzt. 


Die oben erwähnte Krystallisation von indifferenten Stoffen 
wurde wiederholt zwischen Fliefspapier ausgebreitet, um die ihr 
hartnäckig anhaftende Mutterlaugs möglichst zu beseitigen und dann 
aus heifsem Alkohol umkrystallisiert, wobei eine krümliche Masse 
erhalten wurde, während harzige, grünlichbraun gefärbte Substanzen 
gelöst blieben. Durch wiederholte Krystallisation dieser Masse aus 
heifsem Alkohol, unter Zusatz von etwas Tierkohle, wurde dieselbe 
schlie(slich farblos erhalten und bestand dann in der Hauptsache 
aus farblosen kleinen Schuppen, die sich lösten, als die Masse in 
der Kälte mit Petroläther behandelt wurde. Durch Verdunsten der 
Petrolätherlösung wurde diese Substanz zurückerhalten, die nun nach 
einmaligem Umkrystallisieren aus heifsem Alkohol vollkommen rein 
war. Diese Substanz ist nun nichts anderes als Palmityl- 
phytosterin. 


0,1735 g bei 1100 geschmolzen gaben 0,522 CO, und 0,1915 H,O 


I) Erhalten in der Art, dafs die Luft, ehe sie den Aether passiert, 
durch starkes Ammoniak geleitet wird. 


688 O0. Hesse: Ueber Aristolochia argentina. 


Berechnet für Gefunden 
CaH,03 

C 82,62 82,05 

H 1213 12,26 


Dasselbe bildet kleine weilse Schuppen, welche bei 820 
(nicht 84%, wie früher irrtümlich angegeben wurde) schmelzen. 

In höherer Temperatur verflüchtigt es sich unzersetzt. 

In Chloroform gelöst zeigt es Linksdrehung und zwar betrug 
bei p=3, t= 15° [alp = — 15,80. 

Dieser Ester löst sich leicht in Aether, Chloroform, Petroläther 
und heilsem Alkohol, wenig dagegen in kaltem Alkohol, nicht in 
Kalilauge oder Kaliumcarbonat. Wird derselbe mit alkoholischer 
Kalilösung erwärmt, so erfolgt rasch Spaltung desselben in Palmitin- 
säure und Phytosterin. Dafs diese Spaltungssäure thatsächlich Pal- 
mitinsäure war, wurde nicht nur an ihrer Eigenschaft erkannt, 
sondern auch durch die Analyse. 

0,1433 g Säure gaben 0,3945 CO, und 0,1615 H,O = 75,08 Proz. C 
und 12,51 Proz. H, während Palmitinsäure Cjg Hz O, 75,00 Proz. C und 
12,50 Proz. H verlangt. 

Das zweite Spaltungsprodukt erwies sich nach seinen Eigen- 
schaften als identisch mit dem Phytosterin. Zum Ueberflusse wurde 
noch der Essigsäureester davon dargestellt, der in hübschen atlas- 
glänzenden Blättchen krystallisierte. 

0,0762 g gaben 0,2275 CO, und 0,0795 H,O. 


Berechnet für Gefunden. 
C2g H43 (0, H30) O 
C 81,15 81,42 
H nl 11,57 


Das Palmitylphytosterin wird in der obengenannten Krystall- 
masse von einem Körper begleitet, der in Petroläther sich sehr 
schwer löst und daher leicht getrennt werden kann. Zu seiner 
Reinigung genügt ein zweimaliges Umkrystallisieren desselben aus 
heilsem Alkohol. Dieser Körper wird in solcher Art in weilsen, 
aus mikroskopisch kleinen Nadeln bestehenden kugligen Aggregaten 
erhalten. Derselbe löst sich kaum in kaltem Alkohol, nicht in kaltem 
Petroläther, leicht in Aether und heilsem Alkohol, etwas in warmem 
Petroläther. Auch in heifser Natronlauge löst er sich etwas und 
krystallisiert daraus unverändert beim Erkalten. In Wasser ist der- 
selbe unlöslich, ebenso in konzentrierter Schwefelsäure; beim Er- 


O0. Hesse: Ueber Aristolochia argentina. 689 


hitzen färbt er aber diese Säure dunkel, während er selbst als eine 
geschmolzene Masse auf derselben schwimmt. Sein Schmelzpunkt 
liegt bei 265°, bei welcher Temperatur zugleich Schwärzung der 
Substanz eintritt. 

Durch alkoholische Kalilösung wird dieser Körper beim Kochen 
nicht verändert; allein beim Schmelzen mit Kalihydrat entwickeln sich 
kleine Mengen von Ammoniak. Der Körper enthäit somit Stickstoff, 
dessen Menge (0,66 Proz. N) indels so gering ist, dals derselbe nur 
einer Beimengung zukommen kann. Bei der Analyse wurde daher 
die obenbezeichnete Menge N in Abzug gebracht. Darnach gaben 


0,1433 g bis 1000 getrocknete Substanz 0,3665 CO, und 0,141 H,O. 
Hieraus folgt für diesen Körper die Formel C,; Hag O;. 


Berechnet: Gefunden: 
C 70,31 69,75 
150 10,93 10,93. 


Ich schlage vor, diesen Körper Aristolin zu nennen. Der- 
selbe dürfte ein Alkohol sein, jedoch war es mir wegen Mangel an 
Material nicht möglich, diesen Punkt noch aufzuklären. 


3. Aristinsäure. 


Dieselbe wird aus der Aetherlösung durch Ammoniak (siehe 
S. 683) in Form des Ammoniumsalzes, gemengt mit aristidinsaurem und 
aristolsaurem Ammonium, als ein roter Niederschlag erhalten, in 
welchem das aristinsaure Ammonium den Hauptanteil ausmacht. Löst 
man dieses Gemenge in kochendem Eisessig, so krystallisiert beim 
Erkalten die Aristinsäure, während die beiden anderen Säuren vor- 
zugsweise in der Mutterlauge bleiben. Durch wiederholte Krystalli- 
sation der ausgeschiedenen Säure aus heilsem Eisessig lälst sie sich 
rein erhalten. Zweckmälsig hat sich im Laufe der Untersuchung 
die Reindarstellung der fraglichen Säure mittelst ihres Kaliumsalzes 
erwiesen. Zu dem Zwecke wird die rote Masse in verdünnter Kali- 
lauge gelöst, die Lösung klar filtriert und in der Wärme mit einem 
kleinen Ueberschufs von Kalilauge versetzt, wobei nun das aristin- 
saure Kalium ausfält, während die Kaliumsalze der beiden 
andern Säuren gelöst bleiben. Zur schliefslichen Reinigung 
wird das aristinsaure Kalium noch in wenig heifsem Wasser 
gelöst, die Lösung erkalten gelassen, nach 24 Stunden die Mutter- 
lauge abgesaugt und die zurückbleibende Krystallmasse im Saug- 


690 O0. Hesee: Ueber Aristolochia argentina. 


apparat mit wenig starkem Alkohol nachgewaschen. Dieses Um- 
krystallisieren ete. wird, wenn es sich um das absolut reine Kalium- 
salz handelt, zwei oder drei Mal wiederholt, während zur Darstellung 
der Aristinsäure es schon genügt, das Kaliumsalz einmal aus Wasser 
umzukrystallisieren. Das fragliche Salz wird alsdann in heilsem 
Wasser gelöst, mit Salz- oder Essigsäure die Säure ausgefällt, gut: 
mit Wasser ausgewaschen und schliefslich aus kochendem Eisessig 
umkrystallisiert. 

Die Aristinsäure enthält Stickstoff und krystallisiert wasser- 
frei; ihre Analyse bietet insofern besondere Schwierigkeiten dar, als 
sich diese Substanz im Sauerstoffstrome fast explosionsartig zersetzt. 
Verfährt man aber in der Art, dafs man zunächst in einem Luft- 
strome erhitzt und dann erst Sauerstoff hinzutreten läfst, wenn die 
Verpuffung vorüber ist, so gelingt die Verbrennung auch im offenen 
Rohre. Die Substanz wurde vor der Analyse bei 100— 1200 getrocknet. 


I. 0,2015 g Substanz gaben 0,4445 CO, und 0,066 H,O. 
IH. 0,2390 g 5 „ 0,5308 CO, ,„ 0,0765 H50. 


II. 0,305 g Y „  0,0105583 N. 
IV. 0,3575 g 3 „  0,0122046 N. 
V. 0,2955 g 2 „ 0,011385 N. 


Mit Bezng auf die nachfolgenden Bestimmungen leite ich für die 
Aristinsäure aus diesen Resultaten die Formel C,; H, NO, ab. 


Berechnet Gefunden 
m nenn 
ji II III IV V 
6) 60,34 60,16 60,57 — == — 
H 3,66 3083 — _ — 
N 3,94 — — 3,46 3,41 3,85. 


Die Aristinsäure bildet, aus Eisessig krystallisiert, kleine grün- 
lichgelbe Blättchen und Nadeln, welche bei etwa 2750 unter Zer- 
setzung schmelzen. Letztere geht bei einer nur wenig höheren 
Temperatur rasch von statten, wobei sich gelbe Dämpfe bilden. 
welche sich an kälteren Stellen zu einem gelben Sublimat verdichten. 
Die Säure schmeckt ekelbaft bitter und rötet in alkoholischer Lösung 
deutlich blaues Lakmuspapier.!) In Aether, Chloroform, Benzin und 
heifsem Alkohol löst sie sich wenig und scheidet sich daraus in 


li) Diese Reaktion, welche man erst an dem getrockneten Lak- 
muspapier scharf bemerkt, wurde durch die Gelbfärbung. welche das 
Lakmuspapier zunächst annimmt, früher übersehen, die Substanz 
als neutral reagierend angesehen und in Folge dessen Aristin 
genannt. 


O0. Hesse Ueber Aristolochia argentina. 691 


Krystallen ab. In Ammoniak, verdünnter Kali- oder Natronlauge, 
sowie in den wässerigen Lösungen der kohlensauren Alkalien löst 
sie sich mit gelbbrauner Farbe, welche beim Verdünnen mit Wasser 
in Hellgelb übergeht. Salzsäure, Schwefelsäure oder Essigsäure er- 
zeugen in diesen Lösungen gelbe flockige Niederschläge, welche 
bald krystallinisch werden. namentlich wenn die Fällung in der 
Wärme stattfand. In kaltem Wasser ist die Säure fast unlöslich, 
sehr wenig löslich in kochendem Wasser, wenig löslich in kochender 
-konzentrierter Salpetersäure, aus welcher sie sich beim Erkalten in 
‘gelben, kurzen Prismen anscheinend unverändert wieder abscheidet. 
Konzentrierte Schwefelsäure läst sie allmählich mit schön grüner 
Farbe; wird die Lösung schwach erwärmt, so färbt sich dieselbe 
alsbald prächtig dunkelgrün. Letztere Reaktion tritt rascher ein, 
wenn anstatt reiner Schwefelsäure eisenoxyd- oder molybdänsäure- 
haltige Säure angewandt wird. 


Wird die Säure mit konzentrierter Kalilauge gekocht, so ent- 
wickelt sich keine Spur von Ammoniak. In dem Mafse aber als 
diese Lösung konzentrierter wird, scheidet sich das Kaliumsalz als 
eine carmoisinrote Masse ab. Erst dann, wenn die Temperatur auf 
die von schmelzendem Kalihydrat kommt, entwickelt sich unter 
Braunfärbung Ammoniak. Wird andernfalls die konzentrierte Lösung 
12 Stunden lang im geschlossenen Rohr auf 140° erhitzt, so ist die 
Masse zwar dunkelbraunrot geworden und scheidet auf Zusatz von 
Säuren braune Flocken ab, allein diese Flocken enthalten noch ge- 
wisse Mengen von unveränderter Aristinsäure, welche durch Aether 
“derselben entzogen werden kann. 


Aristinsäure verwandelt sich beim Erhitzen mit Essigsäure- 
anhydrid in eine braune, amorphe Masse, welche nicht näher unter- 
sucht wurde. Wird in die Eisessiglösung der Säure Zinkstaub ein- 
getragen, so entfärbt sich zwar die Lösung etwas, allein eine voll- 
kommene Entfärbung war nicht zu erzielen. Die hellgelbe Lösung 
schied beim Verdunsten einen gelblichen amorphen Körper ab. Bei 
der Behandlung mit Jodwasserstoffsäure von 1,7 spez. Gew. nach 
Zeisel’s Verfahren bilden sich nur kleine Mengen von AgJ, 
welche einem Gehalt der Säure an Methoxyl bis zu 1,5 Proz. ent- 
sprechen, welche wohl von einer Beimengung bedingt sind, die nach 


692 O. Hesse: Ueber Aristolochia argentina. 


obigem Verfahren der Darstellung nicht beseitigt werden konnte. 
Indefs liefs sich irgend welche Beimengung unter dem Mikroskop 
nicht nachweisen. 

Die Aristinsäure, obgleich eine schwache Säure, bildet gleich- 
wohl zwei Reihen von Salzen, nämlich neutrale und basische ; letztere 
konnten inde(s nicht rein erhalten werden. Die neutralen Salze ver- 
ändern weder rotes noch blaues Lakmuspapier. 

Als Ausgangspunkt für die Darstellung der neutralen Salze 
diente das Kaliumsalz, dessen Darstellung schon oben ange- 
führt wurde. Dasselbe bildet kleine morgenrote Nadeln, welche 
beim Erhitzen auf 100—120° unter Verlust des Krystallwassers gelb 
werden. Beim Erhitzen in höherer Temperatur verpufft es bisweilen, 
häufiger bildet es jedoch momentan lange wurmförmige Gebilde. 

I. 0,2155 g lufttrockene Subst. gaben bei 1200 0,0175 H,O, 


sowie beim Verbrennen 0,0435 SO, K 
II. 0,2045 g lufttrockene Subst. gaben bei 1200 0,0165 H,O, 
sowie beim Verbrennen 0,0400 SO, Ka 
III. 0,2085 g lufttrockene Subst. gaben bei 1200 0.0180 H,O, 
sowie beim Verbrennen 0,0405 SO, Ka 
Berechnet für Gefunden: 
C,H; NO,K + 2H,0 I IL 0 
K 9,13 9,07 8,79 8,73 
2H,0 8,38 8,12 8,06 8,63, 


Das Natriumsalz durch Auflösen der Säure in verdünnter 
Natronlauge erhalten krystallisiert in kleinen, morgenroten Nadeln, 
die sich ziemlich leicht in Wasser, wenig in Natronlauge lösen. 


Das Ammoniumsalz wird in schönen, roten Nadeln er- 
halten, wenn in die ätherische Lösung der Säure Ammoniakgas ge- 
leitet wird. 

Das Baryumsalz wird durch Wechselzersetzung von 
Kaliumsalz und Chlorbaryum in heifser wässeriger Lösung in kleinen 
orangefarbenen Nadeln erhalten, welche sich wenig in Wasser 


lösen und bei 1200 unter Gelbfärbung ihr Krystallwasser verlieren. 
0, 2162 g lufttrockene Subst. gaben bei 120% 0,0086 H,O 


und beim Verbrennen 0,056 SO, Ba 
0,1875 g lufttrockene Subst. gaben bei 1200 0,0078 H,O 
und beim Verbrennen 0,0492 SO, Ba 


Das Baryumsalz ist somit nach (Cjg Hs NO,)a, Ba + 2H;0 zu- 
sammengesetzt. 


O0. Hesse: Ueber Aristolochia argentina. 693 


Berechnet: Gefunden: 
Ba 15,55 15,22 15,32 
2H,0 4,08 3,83 4,16 


Das Calciumsalz, in ähnlicher Weise dargestellt wie das 
Baryumsalz, bildet ebenfalls kleine, orangefarbene Nadeln, welche 
sich sehr schwer in Wasser lösen und bei 120° gelb werden. 


0,309 g Subst. gaben bei 1200 0,0245 H,O und beim Verbrennen 
0,0492 SO, Ca. 


Berechnet für Gefunden: 
(Cyg Hıa NO,)z Ca + 4 H,O 
Ca 4,37 4,68 
4H,0 8,71 7,91 


Das Kupfersalz, in analoger Art wie die beiden vorge- 
nannten Salze erhalten, ist ein grünlich gelber, amorpher Niederschlag, 
welcher sich bald in kleine Nadeln umsetzt. Es ist unlöslich in 
Wasser und färbt sich bei 130 9 gelbbraun. 

0,3142 g gaben bei 130° 0,0195 H,O und beim Verbrennen 0,0307 CuO. 


Seine Zusammensetzung entspricht demnach der Formel 
(C,H45N0,),Cu En 3H30. 


Berechnet: Gefunden: 
CuO 9,62 Gr 
3H,0 6,54 6,20 


Das Bleisalz, ebenfalls durch Doppelzersetzung erhalten, 
ist ein orangefarbener, aus kleinen Nadeln bestehender Niederschlag, 
unlöslich in Wasser. Bei 120° verliert es sein Krystallwasser und 
wird dabei gelb. 


0,3415 g gaben bei 1200 0,013 H,O und beim Verbrennen 0,1125 SO,Pb. 
BB it 50,007 ©: 
0,1635 g 2 * „ 0,0065 H,O. 


Formel: (C,H NO,), Pb + 2H,0 


Berechnet: Gefunden: 
Pb 21,76 9950 4. — Be 
2H,0 3,78 3,71 3,36 3,97 


Das Silbersalz, in ähnlicher Art gewonnen, ist ein mennig- 
roter, krystallinischer Niederschlag, der kein Krystallwasser enthält 
und ziemlich lichtempfindlich ist. 

0,3137 g bei 120° getrocknet gaben 0.0724 Ag. 
Berechnet für Gefunden: 
05H NO7Ag 

Ag 23,16 23,08 


694 OÖ. Hesse: Ueber Aristolochia argentina. 


Der Methyläther wird durch Behandlung des Silbersalzes 
mit Jodmethyl erhalten und krystallisiert aus kochendem Eisessig, 
worin er sich sehr schwer löst, in zarten gelben Nadeln, welche 
gegen 250 schmelzen. 

Während aber die vorgenannten Salze beim Erhitzen mehr oder 
weniger stark, namentlich im Sauerstoff, verpuffen, verbrennt der 


Methyläther ganz ruhig. 
0,1611 g bei 100° getrocknet gaben 0,3605 CO, und 0,0555 HO. 


Berechnet für . Gefunden: 
C,sH173NO,CH; 

0) 61,78 61,03 

H 4,06 3,83 


Die Methoxylbestimmung ergab 11,2 Proz. OCH,, während 
8,73 Proz. verlangt werden. Dieses Mehr dürfte zum Teil dadurch 
bedingt sein, dafs die angewandte Aristinsäure selbst etwas OCH, ent- 
hält, worauf die betreffenden Versuche, wie oben angeführt, hindeuten. 


4, Aristidinsäure. 


Diese Säure bleibt teils in der essigsauren Mutterlauge, wenn 
die Roh-Aristinsäure in heilsem Eisessig gelöst wird, theils in der 
alkalischen Lösung, aus welcher das aristinsaure Kalium gefällt 
wurde. Durch weiteren Zusatz von Kalilauge wird dann das 
aristidinsaure Kalium abgeschieden. Die aus der essigsauren Mutter- 
lauge erhaltene Rohsubstanz wird ebenfalls in Kalilauge gelöst und 
mit Kalilauge fraktioniert, wobei zuerst etwas aristinsaures Kalium, 
dann das aristidinsaure Salz ausfällt. Das Rohsalz wird dann in 
wässeriger Lösung nochmals durch Kalilauge fraktioniert, wobei 
die ersten Fällungen, so lange sie noch Krystallpartien 
(aristinsaures Kalium) zeigen, beseitigt werden. Von dem Punkte 
ab, dafs die Fällungen amorph sind und es auch bleiben, 
werden dieselben für sich gesammelt, dann in heilsem Weingeist ge- 
löst und wird nun aus der klar filtrierten Lösung die Aristidinsäure 
durch Essigsäure ausgefällt, welche als ein gelber, krystallinischer, 
Hlockiger Niederschlag resultiert. Durch Umkrystallisieren aus 
kochendem Eisessig wird dieselbe in kleinen, grünlich gelben Nadeln 
erhalten, die sich gegen 230° zu schwärzen beginnen, aber erst be 
etwa 260° schmelzen. Wird diese Säure höher erhitzt, so zersetzt sie 
sich eben so rasch wie die Aristinsäure. 


O. Hesse: Ueber Aristolochia argentina. 695 


0,210 g bei 120° getrocknet gaben 0,4705 CO, und 0,076 H,O. 
0,215 g „. 120 a „ 0.007828 N. 
Die Aristidinsäure hat somit dieselbe prozentische Zusammen- 
setzung wie die Aristinsäure und kommt ihr ohne Zweifel dieselbe 
empirische Formel zu, nämlich C,s H,; NO,. 


Berechnet: Gefunden: 
C 60,54 60.81 

H. 366 4,00 

N 3,94 3,64 


Dagegen enthält die Aristidinsäure eine Methoxylgruppe, indem 
0,140 g bei 120° getrocknet nach Zeisel’s Methode 0,0665 AgJ 
entsprechend 6,26 Proz. OCH, gaben. Dieser Befund bleibt zwar 
gegen die Berechnung (8,73 Proz.) etwas zurück, allein dies dürfte 
darauf zurückzuführen sein, dafs es nach der angegebenen Art der 
Trennung nicht gelingen dürfte, einen Rückhalt von Aristinsäure ganz 
zu beseitigen. 

Die Aristidinsäure löst sich etwas leichter in heilsem Eisessig 
und in heilsem Alkohol als die Aristinsäure; letztere Lösung reagiert 
deutlich sauer. In Aether löst sie sich ziemlich leicht und 
krystallisiert daraus in kleinen Nadeln. Von konzentrierter Schwetel- 
säure wird sie beim schwachen Erwärmen mit dunkelgrüner Farbe 
gelöst. 

In verdünnter Kalilauge löst sich die Aristinsäure mit gelb- 
brauner Farbe, welche Lösung auf Zusatz von konzentrierter Kali- 
lauge das Kaliumsalz als eine dunkelrote, amorphe Fällung giebt 
Die wässrige Lösung des Kaliumsalzes giebt mit Chlorbaryum, Chlor 
ealcium, Kupfersulfat und Silbernitrat orangefarbene, flockige, 
amorphe Niederschläge, welche jedoch nicht weiter untersucht 
wurden. 

5. Aristolsäure. 


Aus der alkalischen Lösung, aus welcher die Kaliumsalze der 
Aristinsäure und Aristidinsäure durch Kalilauge möglichst vollständig 
ausgefällt worden sind, wird durch Salzsäure ein gelber, flockiger 
Niederschlag abgeschieden, welcher mit Aether ausgeschüttelt wird. 
Bei der Destillation des Aethers bleibt dann ein dunkelgelber, 
krystallinischer Rückstand, welcher zur Beseitigung eines etwaigen 
Rückhaltes von Aristia- und Aristidinsäure mit Kalkmilch erwärmt 
wird, wobei eine dunkelrote Lösung resultiert. Dieselbe wird filtriert, 

Arch. d. Pharm. CCXXXIIl. Bds. 9. Heft 45 


696 O. Hesse: Ueber Aristolochia argentina. 


mit Salzsäure übersättigt und ausgeäthert. Bei der Destillation des 
Aethers hinterbleibt nun ein orangeroter krystallinischer Rückstand, 
welcher in heilsem Alkohol gelöst, beim Erkalten kleine, orangerote 
Nadeln giebt. Dieselben enthalten kein Krystallwasser, färben sich 
bei 2200 dunkel, schmelzen aber erst zwischen 260 und 2700, Beim 
Erhitzen auf höherer Temperatur findet keine Verpuffung statt. 


Die Aristolsäure, wie ich diese Substanz nennen möchte, löst 
sich leicht in heifsem Alkohol und erteilt demselben saure Reaktion. 
In heifsem Eisessig löst sie sich leicht, auch gut in Aether. In ver- 
dünnter Kali- oder Natronlauge löst sie sich mit dunkelroter Farbe, ohne 
daraus durch konzentrierte Lauge gefällt zu werden. Mit der gleichen 
Farbe löst sie sich auch in Baryt-, Strontian- oder Kalkwasser. 
Wird die Auflösung in Barytwasser bei mäfsiger Temperatur kon- 
zentriert, so hinterbleibt ein amorpher dunkelroter Rückstand, In 
konzentrierter Schwefelsäure löst sie sich beim schwachen Erwärmen 
gleich wie die Aristin- und Aristidinsäure mit dunkelgrüner Farbe. 

0,1124 g bei 100° gaben 0,2315 CO, und 0,0395 H,O. 
0,130 00, 0,005730 N. 

Diese Werte lassen es unentschieden, ob der Aristolsäure die 
Formel C,;H,ı NO, oder C,;, H,; NO, zukommt. 

Berechnet für Gefunden: 
CH N0, CH NO, 


C 56,78 56,44 56,17 
H 3,47 4,08 3,91 
N 14,41 4,37 4,39 


Aus dem Mitgeteilten ist nun ersichtlich, dafs das Aristolochin 
und die Aristin-, Aristidin- und Aristolsäure durchgehends mit kon- 
zentrierter Schwefelsäure dunkelgrüne Lösungen geben und dadurch 
nicht nur ihre chemische Beziehung zu einander erkennen lassen, 
sondern auch zu der Aristolochiasäure oder dem Aristolochin von 
Pohl, welche Substanz das gleiche Verhalten zeigt. Am meisten 
nähert sich aber die Aristolochiasäure der Aristin- und Aristidin- 
säure. Nimmt man für die Aristolochiasäure anstatt der Formel 
C3; Hz, NO,,, welche ohne jede Kontrolle Pohl dafür aufstellte, die 
Formel C;, H,ı NO, an, zu welcher die von Pohl erhaltenen Werte 
mindestens recht gut passen, wie aus Folgendem ersichtlich ist: 


O. Hesse: Ueber Aristolochia argentina. 697 


Berechnet für Pohl fand 

— ——— 
C,H, NO, I II III IV 
C 59,82 60,25 59,94 59,93 59,32 
EB 392 358: 348. 384 _— 
N 21 4,39 4,35 423 — 


so würden sich diese drei Säuren wie folgt aneinanderreihen: 
Aristinsäure CO, H,; NO, 
Aristolochiasäure C,, H,ı NO, 
Aristidinsäure C,, H,o (CH;) NO,. 

Aristolochiasäure würde danach zu Aristinsäure homolog, 
Aristidinsäure Methylaristolochiasäure sein. 

Es ist sehr wahrscheinlich, dals das Clematitin von Walz 
und das Aristolochin oder Serpentarin von Chevallier nichts 
anderes als unreine Aristolochiasäure waren, dagegen dürfte das 
krystallisierte Aristolochiagelb von Frickinger- 
welches bernsteingelbe Prismen bildete, verschieden davon 
sein, wie auch von den obigen Säuren da dieselben intensiver gelb 
gefärbt sind, als der Bezeichnung „bernsteingelb“ entspricht. 

Wie ich an anderem Orte schon angeführt habe, enthält die 
Wurzel von Artstolochha argentina eine erhebliche Menge 
Stärkemehl, sodals die Bestandteile derselben, welche von mir 
darin nachgewiesen wurden, folgende sind: Stärkemehl, Harz 
(in gröfseren Mengen, wurde aber nicht weiter untersucht), hoch- 
siedendes ätherisches Oel (ebenfalls nicht weiter untersucht), Palmityl- 
phytosterin CO, H,; O,, Aristolin C,; Has O,;, Aristin- und Aristidin- 
säure C,s H;; NO,, Aristolsäure C,, H,, NO, oder C,;H,; NO, und 
das Alkaloid Aristolochin. Man wird wohl annehmen können, dals 
sich diese Körper mehr oder weniger noch in anderen Arten des 
artenreichen Genus Aristolochia vorfinden und habe ich dies bezüglich 
des Aristolochins und der Aristinsäure schon früher!) für Aristolochia in- 
dica als sehr wahrscheinlich bezeichnet. Von besonderem Interesse war 
für mich, dieses Alkaloid noch in anderen Aristolochiaarten aufzu- 
suchen und habe ich dazu zunächst die mir leicht zugängliche 
Wurzel von Arıistolochra longa gewählt, jedoch in dieser Wurzel 
weder das Alkaloid Aristolochin noch sonst ein Alkaloid auffinden 
können, noch Aristin-, Aristidin- oder Aristolsäure. 


1) Pharmaceutical-Journal and Transactions (3) 22, 551. 


45* 


698 H. Kiliani: Ueber Digitalinum verum. 


Zur Kenntnis des Digitalinum verum 
Von H.-Kılıanı 
(Eingegangen am 11. XI. 1895.) 


Die charakteristische Eigentümlichkeit des Digitalinum verum, 
sich aus gesättigten Lösungen in „Körnern“ abzuscheiden, hatte in 
mir schon längst Jie Ueberzeugung gefestigt, dafs diesem Glycoside 
die Krystallisationsfähigkeit unmöglich vollständig fehlen könne. Da 
jene „Körner“, welche in der Regel aus Alkohol oder Wasser- 
Alkohol gewonnen werden, beim Trocknen aulserordentlich an Gewicht 
und Volumen verlieren, also grolse Mengen jener Lösungsmittel ein- 
schlie(sen, schien der nächstliegende Weg zur Gewinnung von 
krystallisiertem Material darin zu bestehen, dals man ein anderes 
passendes Lösungsmittel zur Anwendung bringt, welches keine 
Neigung besitzt, dem Glycosid so hartnäckig anzuhaften. Alle Ver- 
suche nach dieser Richtung fielen aber negativ aus. Dagegen ge- 
lingt es ohne Schwierigkeit, das Digitalinum verum in krystallisierter 
Form zu erhalten, wenn man dessen Abscheidung bei höherer 
Temperatur eintreten läfst, wodurch die mechanische Bindung von 
Alkohol bezw. Wasser verhindert wird. Als bestes Lösungsmittel 
hierfür erwies sich 85 prozentiger Methylalkohol. Man nimmt auf 
1 Teil völlig oder nahezu reines Digitalinum verum 2 Teile von 
jenem, erzeugt durch Kochen am Rückflufskühler im Wasserbade 
vollständige Lösung, läfst dann die Temperatur des Bades langsam 
auf 450 sinken und erhält sie schliefslich mehrere Stunden lang auf 
dieser Höhe. Hierbei scheiden sich (scheinbar in reichlicher Menge) 
hübsche weilse Nädelchen, teils isoliert, teils zu Wärzchen vereinigt 
ab. Während- nun die gleiche Methode bei der Reinigung des 
Digitonins vortreffliche Dienste leistet!), erweist sie sich beim 
Digitalinum verum in praktischer Beziehung leider als bedeutungslos. 
Denn 1. beträgt die Gesamtmenge des so abgeschiedenen Glycosids 
im günstigsten Falle !/; des in Lösung gebrachten Materials, 2. ge- 
sellen sich bei weiterer Abkühlung zu den Krystallen wieder die 
bekannten „Körner“, 3. verwandeln sich die Krystalle selbst bei ge- 


!) Dieses Archiv 1893. 460. 


H. Kiliani: Ueber Digitalinum verum. 699 


wöhnlicher Temperatur durch Aufsaugung von Alkohol aus der 
Mutterlauge in „Körner“, 4. werden sie beim 'Absaugen oder 
Filtrieren durch Wasseranziehung äufserst rasch klebrig und end- 
lich 5. gelingt bei unreinem Material die Krystallisation überhaupt 
schlecht.) 

Bereitet man sich eine weit verdünntere Lösung, indem 1 Teil 
reines Glycosid in 10 Teilen kochendem 85 prozentigen Methylalkohol 
gelöst wird, so bildet sich bei langsamer Abkühlung auf gewöhnliche 
Temperatur ebenfalls eine sehr hübsche Krystallisation, welche hier 
ausschliefslich aus Wärzchen (sternförmig gruppierten Nadeln) be- 
steht. Aber die Menge derselben ist eine verschwindend geringe 
und kann auch durch Einstellen der Lösung in eine Kältemischung 
nicht wesentlich vermehrt werden. Sättigt man aber eine solche 
Lösung mit Aether, so erhält man nur „Körner“, und freiwillige 
Verdunstung führt zu einem Gemenge von krystallisierter und amorpher 
Substanz. 

Für die Reinigung des rohen Digitalinum verum muls also 
die frühere Methode der Auflösung im Minimum von kochendem 
95 prozentigen Alkohol beibehalten werden. Immerhin ist aber die 
Thatsache von Interesse, dals das Glycosid unter bestimmten Be- 
dingungen eine ausgesprochene Krystallisationsfähigkeit besitzt. 

2) Die Beobachtung unter 3. erscheint insofern wichtig, als sie 


deutlich beweist, dals nicht etwa ein Gemenge von krystallisierbarer 
und amorpher Substanz vorliegt. 


Verzeichnis 
über Band 233 des Archivs der Pharmacie (Jahrgang 1895). 


l. Autorenverzeichnis. 


A. 
Autenrieth, W. Einwirkung 
von Phosphorpentachlorid auf 
aromatische Aether 26. 


— Ein neuer Indikator: Luteol 
43. 

B. 
Baur, A., Burseraceen-Opoponax 
209. 


Siehe Tschirch, A. 
Beckurts, H., Angostura-Alka- 
loide 410, 
Derselbe u.Heiler, H.,Fett- 
untersuchungen mit dem Refrac- 
tometer 423. 
Derselbeu.Oelze,F., Hirsch- 
talg 429, 
Boettinger, C., Zur Kenntnis 
der Glyoxylsäure III 100. 
— Zur Kenntnis der Glyoxyl- 


säure IV 113 
— ÖOsazone des Zuckers aus 
Sumarh und Vallonen 125. 


— Zur Kenntnis der Glyoxylsäure 


199, 287. 
Brunner, H., Siehe Koch, F. 
240. 

©. 


Chimani, O., Bau der Milch- 
röhren, bes. der Kautschuk und 
Guttapercha liefernden Pflanzen 

258. 
Siehe Tschirch, A. 


D. 


Dragendorff, G. Beiträge zur 
gerichtlichen Chemie 612. 


&. 


Gadamer, J., Thiosinamin und 
seine Halogenadditions - Pro- 
dukte 646. 

Gildemeister,E., Aetherische 
Oele von Citrus Limetta und 
ÖOriganum smyrn. 174. 

Goehlich, W.. Krystallwasser- 
gehalt des Morphinbydrochlorids 
und des Morphins 631. 

Gorter, K, Die v.d. Moer’sche 
Reaktion und die Ermittelung 
des Cytisins 527. 

Grützner, B, DUeber einen 
krystallisierten Bestandteil der 
Basanacantha spinosa var ferox 


1% 
Derselbe u Höhnel’M, 
Metaplumbate der Erdalkalien 


512. 

H. 
Hallstroem, K. Th, Samen 
der Myristicaceen und ihre 
Arillen 443. 


Siehe auch Tschirch, A. 
Hartwich, C. Falsche Senega 
118. 
Heiler, H., Siehe Beckurts, H. 
u. Heiler, H. 
Helm, O., Gedanit, Suceinit und 
mürber Bernstein 191. 
Hesse, O., Ueber die Wurzel 
von Aristolochia argentina 684. 
Hoehnel, M. Siehe Grützner B. 
und Hoehnel, N. 
Hohenadel, M., Sagapen 259. 
Siehe Tschirch, A 


Autorenverzeichnis. 701 


K. 

Kassner, G. Untersuchungen 
über die Orthoplumbate der Erd- 
alkalien 501. 

Kiliani, H., Digitalinum pur. 
pulv. germanic. und Digitalinam 
verum 299. 

— #-Digitoxin Sl. 

— Digitalinum verum. 698. 

Koch, F.,PhytochemischeStudien. 
Mitteleuropäische Galläpfel. 
Serophularia nodosa 48. 


— Nachtrag dazu 240. 
L. 
Luz, H, Ammoniacum 540. 
Siehe Tschirch, A. 
M. 
Mankiewicz, torensische 


Strychnin- Untersuchung 508. 
Mjöen, Mikroskopische Kennt- 


nis des Opiums 533. 
Siehe Tschirch, A. 
Moeser, L. Eisensaure Salze 


521. 


R. 
Naumann, A. Siehe Moeser, L. 


0. 


Oelze, F., Siehe Beckurts, H. u. 
Oelze, F. 


P. 


Partheil, A., Bestimmung des 
Glycerins in Wein und Bier 391. 


Pinner, A., Nicotin (II) 572. 
Plugge, P. C.. Identität von 
Baptitoxin und Oytisin 294. 


— Vorkommen von Cytisin in ver- 
schiedenen Papilionaceen 430. 
— Matrin, das Alkaloid von So- 


phora angustifolia 441. 

Pommerehue, H. Alkaloide 

von Berberis aquifolium 127. 
R. 


Roessler, O. Kultivierung von 
Crenothrix polyspora auf festem 
Nährboden 189, 


S. 
Schaer, E, Verflüssigung des 
Chloralhydrates mit Phenol und 
Stearoptenen, sowie der letzteren 


unter sich >. 
— F. A Flückiger, Nekrolog 321. 


Schmidt, E, Siehe Pomme- 
rehne, H., 127. Partheil, A., 391. 
Goehlich, W., 631. Gadamer, J. 

646. 


T. 
Tschirch, A., Untersuchungen 


über die Secrete 209, 253, 259, 
533, 540. 

— Indische Fragmente 443. 
Siehe auch Baur, A. Chimani, 


O. Hohenadel, M. Mjöen. Lenz, H. 
Hallstroem, K, Th. 


W. 
Winterstein. E. Zusammen- 
setzung von Pachyma Cocos und 
Mylitta lapidescens 398. 


2. 
Zenetti, P., Vorkommen von 
Hesperidin in Folia Bucco und 
seine Krystallform 104. 


Sachverzeichnis. 


II. Sachverzeichnis. 


702 
A. 
Acetosalicylsäureester 
625. 
Acetylammoresinotannol 
563 
Acetylluteol 48. 
Acetylmetanicotin 585. 


Acetylparaamidophenol- 
salicylsäureester 626. 
Aether, aromatische, Verhalten 
gegen Phosphorpentachlorid 26. 
Avthoxychlordiphenyl- 
chinoxalin 43. 
Aethoxydiphenylchin- 
oxalin 43. 
Aethoxytrichlorchinoxa- 


lin 38. 
Aethylcusparin 422. 
Agathin 630. 


Alkaloid von Sophora angusti- 


folia (Matrin) 441. 
Alkaloide aus Berberis aqui- 
folium 127. 
— der Angosturarinde 410. 


— der Papilionaceen, Vorkommen 
von Cytisin in denselben 430. 
Ammoniacum 540. Quantita- 
tive Untersuchung 546. Unter- 
suchung auf freie Säure 548. 
Prüfung auf Aldehyde 549. Das 
sog. indiffereute Harz 550. Das 
ätherische Oel 552. Verseifung 
des Harzes 553. Die flüchtigen 
Säuren 555. Der Harzalkohol, 
Ammoresinotannol 558. Ver- 
halten desselben gegen Hydr 
oxylamin, Phenylhydrazin u. Sal- 
petersäure 560. Einwirkung von 
 schmelzendem Kali auf Ammo- 
resinotannol 562. Acetylammo- 
resinotannol 563. Benzoylammo- 
resinotannol 564. Verhalten des 
Ammoresinotannols gegen Brom 
und Reduktionsmittel 565. Dis 
Gummi des Ammoniacum 566. 
Botanischer Teil 569. 
Ammoresinotannol 
Siehe auch Ammoniacum. 
Angosturaalkaloide 410. 
Siebe auch Cusparin. 
Anhydroditolylglycol- 
säure 116. 


558. 


Aristidinsäure 694. 
Aristinsäure 689. 
Aristolin 639. 


Aristolochia argentina 
Wurzel derselben 684. Aristo- 
lochin 685. Indifferente Stoffe 
687.  Palmitylphytosterin 687, 
Aristolin 689. Aristinsäure 689. 
Kaliumsalz 692. Natriumsalz 692. 
Ammoniumsalz 69. Baryum- 
salz 692. Caleiumsalz 693. Kupfer- 
salz 693. Bleisalz 693. Silber- 
salz 693. Methyläther 694. Aris- 
tidinsäure 694. Aristolsäure 69. 


Aristolsäure 695. 
B. 
Baptitoxin, Identität des- 

selben mit Oytisin 294. 


Basanacantha spinosa, krys- 
tallisiert-r Bestandteil derselb-n 
1. Mannit 3. Eigenschaften des 
Mannits 4, 
Benzoösäure-p-Kresyl- 
ester 624. 
Benzoäösäure-#-Naphtol- 
ester 620. 
Benzoäösäure - o - Chlor- 


phenylester 41. 
Benzoösäure - p- Chlor- 
phenylester 41. 
Benzolsulfonsäure - p- 
Chlorphenylester 42, 
Benzonaphthol 620. 
Benzoparakresol 624. 
Benzosol 614. 


Benzoylammoresinotan- 
nol 964 
Benzoylchloridnikotin 


586. 
Benzoylguajakol 614. 
Benzoylluteol 47. 


Benzoylmetanikotin 58. 

Berbamin 156. Siehe auch Ber- 
beris aquifolium. 

Berberin 158. Siehe auch Ber- 
beris aquifolium. 

Berberis aquifolium, Bei- 
träge zur Kenntnis der Alkaloide 
derselben 127. Darstellung der 
Alkaloide 129. Oxyacanthin 131. 


Sachverzeichnis. 


Salzsaures Oxyacanthin 131. Hy- 
drobromid 135. Hydrojodid 135. 
Sulfat 137. Nitrat 139. Platin- 
salz 140. Oxyacanthingoldchlo- 
rid 142. Freie Base 143. Ver- 
halten des Oxyacanthins gegen 
Acetylchlorid 148, gegen Essig- 
säureanhydrid 149, gegen Ben- 
zoylchlorid 149. Platin-und Gold- 
doppelsalzee des Beuzoyloxya- 
canthins 159. Methoxylbestim- 
mungen im ÖOxyacanthin 151. 
Verhalten gegen Jodmethyl 152. 
Platin- und Goldsalz des Jod- 
methylates 154. Drehungsver- 
mögen des Oxyacanthins 155. 
Berbamin 156. Salzsaures Ber- 
bamin 156. DBerbaminplatin- 
chlorid 157. Berberin 158. Neu- 
trales Berberinsulfat 153. Saures 
Berberincarbonat 160. Cyan- 
wasserstoffsaures Berberin 161. 
Verhalten des Berberins gegen 
Jodalkyle 165. Jodmethyi und 
Berberin 165. Jodmethyl und 
kohlensaures Berberin 163. Jod- 
aethyl und Berberin 169. Jod- 
aethyl und Berberincarbonat 171. 
Jodamyl und Berberin 171. 


Bernstein, mürber 191. 
Burseraceen-Opoponax 
209. Chemischer Teil 213. Die 
Harze 214. Darstellung und 


Untersuchung der Reinharze 214. 
a - Panax - Resen 217. 3- Panax- 
Resen 218. Pana-Resinotannol 
219. Reduktionsversuche 220. 
Verhalten gegen konz. Salpeter- 
säure und gegen schmelzendes 
Kali221. Acetylierungs- und Ben- 
zoylierungs -Versuch 222. Unter- 
suchung der Rückstände der Oel- 
destillaiion 223 Chironol 224, 
Acetylchironol 226. Benzoyl- 
chironol 227. Ve:such zur Dar- 
stellung einer Kaliumverbindung 
227. Reduktionsversuch 228. 
Bromierungsversuch 229. Oxy- 
dationsversuch: Chironolsäure 
229; 231. Verhalten gegen 
schmelzendes Kali 231. Dar- 
stellung der Resene und des 
Resinotanxuols 232. Darstellung 
des Chironols aus der Rohdroge 
234. Das ätherische Oel 235. 


703 


Der Bitterstoff 239. Das Gummi 
239. Meccabalsam 240. Bota- 
nischer Teil 244. Opoponax 244. 
Balsamodendron gil»adense 246. 
Balsamodendron Myrrhu 248. 


C. 
Calciummetaplumbat 503, 
514. 
Calciumtetraplumbav 506. 
Carvacro] aus ÖOrganumöl 


1883. Carvacrole verschiedener 
Herkunft, physikalische Con- 
stanten 139. 
Chironol 224. 
Chironolsäure 2,31. 


Chloralhydrat, Verflüssigung 
desselben mit Phenol und mit 
Stearoptenen, sowie der letzteren 
unter sich 5. Verhalten des 
Chloralhydrates und Chloral- 
alkoholates zu Stearoptenen und 
Phenol 6. Verhalten der 
Stearoptene unter sich 14. Ver- 
halten der Stearoptene zu Phe- 
no! 17. Verhalten gegen Cyanin- 
lösungen 23. 

p-Chloranisol 31. 

a-Chlorbenzoäösäure-?- 
Naphtolester 36. 

a-Chlor-3-Naphtol 34. 

a-Chlor-3-Naphtolmethyl- 
äther 34 


p-Chlorphenetol 33. 
Cinnamylguajakol 616. 
Crenothrix polyspora, 


Kultivierung auf festem Nähr- 
boden 189. 
Cusparin 410, 411. Cusparin- 
hydrochlorid 413. Hydrobromid 
413. Einwirkung von Brom auf 
das Hydrobromid 413. Cusparin- 
sulfat 414. Cusparingoldchiorid 
414. Cusparinplatinchlorid 415. 
Cusparinmethyljodid 415. Cus- 
parinmethylchlorid 416. Pilatin- 
und Golddoppelsalz desselben 
417. Cusparinmethylammonium- 
hydroxyd 417. Methylcusparin 
418. Bromwasserstoffsaures Me- 
thylcusparin 419. Hydrochlorid 
desselben 419. Methylcusparin- 
methyljodid 420. Cusparinäthyl- 
jodid 421. Cusparinäthylchlorid 
421. Platindoppelsalz des Cus- 


704 


parinäthylchlorids 422. Cusparin- 
äthylammoniumhydroxyd 422. 
Aethyleusparin 422. 
Cyanin, Verhalten seiner Lösung 
gegen Chloralkampher 23. 
Cytisin, Identität mit Bapti- 
toxin 294. Vorkommen in ver- 
schiedenen Papilionaceen 430. 
Ermittelung desselben 527. v.d. 
Moer’sche Reaktion 527. 


D, 
Digitalinum pur. pulv. ger- 
manic. und die Darstellung von 
Digitalinum verum 299, 698. 


8-Digitoxigenin 318. 
8-Digitoxin 311. 
Digitoxose 320. 


Dimethylthiosinamin 672. 


Diphenylglycolid 115. 
Ditolylglycolid 116. 
Ditolylsäure 116. 
E. 
Eisensaure Salze 521. Ka- 
liumferrat 524. Baryumferrat 


525. Rubidiumferrat 527. Cae- 


siumferrat 527. 

Erdalkalien, Orthoplumbate 

derselben 501. 

— Metaplumbate 512, 
F. 


Fettuntersuchungen mit 
dem Refraktometer 423. 
Flückiger, Friedrich August. 


Nekrolog 321. 
Folia Bucco, Vorkommen von 
Hesperidin 104. 
Fragmente, indische 443. 


mer 


&. 


Galläpfel, Beiträge zur Kennt- 
nis der mitteleuropäischen, so- 
wie der Scrofularia nodosa 48, 
240. Galläpfel 48. Bestimmung 
der Feuchtigkeit 52, der Roh- 
faser 52, des Stickstoffgehaltes 
53, des Aschegehaltes 54, Zu- 
sammensetzung der Asche 55. 
Bestimmung des Zuckers 56, 
der Gerbsäure 57. Nachweis 
von Dextrose 68. Gallocerin 68. 


Sachverzeichnis. 


Verhalten gegen Brom 71. Ace- 
tylierungs- und Benzoylierungs- 
versuche 72. Verhalten gegen 
Alkalien 72. Aethyläther 74. 
Verhalten gegen Phosphorpenta- 
chlorid, Hydroxylamin, Salpeter- 
säure 75, gegen Zinkstaub und 
Jodwasserstoff 76. Scrofularia 
nodosa 17 
Gallocerin, siehe Galläpfel. 


Gedanit, Suceinit und eine 
Abart desselben, der sog. mürbe 
Bernstein 198: 

Gerichtliche Chemie, Bei- 
träge zu derselben 612. Ester 
des Guajakols, Naphtols, Kre- 
sols etc. 613. Benzosol 6l4. 
Guajakolsalol 615. Styrakol 616. 
Guajakol 616. Alphol 617. Betol 
619. Benzonaphtol 620. 3-Naph- 
tolcarbonat 621. «-Naphtol 
622. #-Naphtol 622. Kresol- 
salole 623. Metakresalol 623. 
Parakresalol 624. Orthokresalol 
624. Benzoparakresol 624. Me- 


thylsalol 625. Salacetol 625. 
Amidische Verbindungen 626. 
Salophen 626. Salocoll 627. 
Tolysal 628. Agathin 630 


Glycerin, Bestimmung dessel- 
| ben in Wein und Bier 391 
Glyoxylsäure, zur Kenntnis 
derselben 100, 111, 199, 287. Ver- 
halten gegen Paratoluidin 100. 
p - Toluidinessigsäureparatoluid 
102. p- Toluidinessigsäure 103. 
p -Toluyl-p-methylimesatin 103. 
Kondensation mit aromatischen 
Kohlenwasserstoffen 111. Di- 
phenylglycolid 115. Ditolylgly- 
colid 116. Ditolylsäure oder An- 
hydroditolylglycolsäure 116. Ver- 
halten gegen Traubenzucker 126. 
Kondensation mit Amidosäuren 
199. Glyoxylsäure und Anthra- 
nilsäure 203. Glyoxylsäure und 
Paraamidobenzoesäure 206. Gly- 
oxylsäure und Metaamidobenzoe- 
säure 208. Verhalten gegen 
Kohlenhydrate 287. Glyoxyl- 
säure und Stärke 287. Glyoxyl- 
und Rohrzucker 288. Gährungs- 
hemmende Eigenschaft der Gly- 
oxylsäure 289. Glyoxylsäure und 
Traubenzucker 290. 


Sachverzeichnis. 705 


Glukosazon aus Sumach und 


Vallonen 125. 
Guajakolbenzoat 614 
Guajakolcinnamat 616 
Guajakolsalicylat 615. 
Guajakolsalol 615. 


H. 
Hesperidin, Vorkommen in 
Folia Bucco und seine Krystall- 
iorm 104. 
Hirschtalg, zur Kenntnis des- 


selben 429, 
I. 

Indikator, ein neuer 43. Lu- 

teol 43. Aethoxychlordiphenyl- 


chinoxalin 43. Aethoxydiphenyl- 
chinoxalin 43. Oxychlordiphenyl: 
chinoxalin (Luteol) 44. Benzoyl- 
luteol 47. Acetylluteol 48. 
Indische Fragmente 443 


K. 
Kaffeegerbsäure, Nachweis 
in Strofularia nodosa 89 
Kohlensäure-3-Naphtyl- 
ester 621 
Kresolsalole 623. 
Krystallwassergehaltdes 
Morphinhydrochlorids und des 
Morphins 631 


L. 
Limettöl 174 Rechts-Limonen 


179. Links -Linalool 179, 180. 
Links-Linalylacetat 181. 
Limonen aus Limettöl 179. 


Linalool aus Limettöl 179, aus 
Origanumöl 186. Eigenschaften 
der Linaloole verschiedener Her- 
kunft 187. 

Linalylacetat aus Limettöl 

131. 

Luteol, ein neuer Indikator 43 


M. 
Mannit aus Basanacantha spi- 
nosa 3 
Matrin, das Älkaloid von So- 


phora angustifolia 441. 
Meccabalsam 240. 
Metakresalo] 623. 


Metanicotin 585. Siehe auch 
Nieotin. 

Metaplumbate der Erdalka- 
lien 512. Darstellung des Cal- 
ciummetaplumbates 514. Che- 
misches Verhalten desselben 514. 
Quantitative Bestimmung des- 
selben 515. Art der Darstellung 
desselben 516. Silbersalz der 
Metableisäure 518 

Methylcusparin 418. Siehe 
auch Cusparin. 

Methylmetanicotinjod- 
methylat 594. 

Methylsalol 625. 

Milchröhren, Bau u. Anord- 
nung der elben, besonders bei 
den Kautschuk und Guttapercha 
liefernden Pflanzen 253 

v. de Moer’sche Reaktion und 
Ermittelung des Cytisins 527. 

Monomethylthiosinamin 

669 


Morphinhydrochlorid,Kry- 


stallwassergehalt desselben und 
des Morphins 631. 
Mylitta lapidescens, Zu- 
Saumensetzung 398, 407. 
Myristicaceen, Samen und 
Arillen derselben 443. Anatomie 
der männlichen Blüte 447. Der 
weiblichen Blüte 449. Entwick- 
lungsgeschichte der Früchte und 
Samen der Myr. fragrans 450. 
Vergleichende Anatomie der 
Samenschalen der Myristicaceen 
458. Vergleichende Anatcmie 
der Arillen der Myristicaceen 
481. Uebersicht der Reaktionen 
bei den Arillen 494. 


N. 


Nährboden, fester zur Kulti- 
vierung von Crenothrixpolyspora 


189. 

Naphtalol 619. 
a-Naphtol 622. 
#Naphtol 622. 
8Naphtolcarbonat 621. 
Nicotin II. Mitteilung 572. 
Metavicotin 585. Acetylmeta- 
nicotin 585. Benzoylchlorid- 


Nicotin 586. Benzoylmetanicotin 
587. Verseifung desselben 589, 
Eigenschaften und Wirkung des 


106 


Metanicotins 590. Salzsaures 
Metanicotin 590. Metanicotin- 
platinchlorid 590. Metanicotin- 
goldeblorid 591. Niecotingold- 
chlorid 591. Metanicotinpikrat 
592. Benzoylmetanicotin 592. 
Unterschiede zwischen Nicotin 
und Metanicotin 594. Methyl- 
metanicotinjodmethylat 594. Ein- 
wirkung von Brom auf Meta- 
nicotin 595. Perbromid des brom- 
wasserstoffsauren Metanicotin- 
bromids 597. Bromwasserstoff- 
saures Metanicotinbromid 597. 
Monobrommetanicotin 597. Pik- 
rat desselben 599. Versuch zur 
Darstellung von Dihydrometa- 
nicotin 599. Zersetzung des 
Metanicotins 600. Metbylamin 
601. Base C,H,N 601. Pıkrat 
derselben 602. Brechungsver- 
mögen des Nicotins und Meta- 
nicotins 603. Physiologische 
Wirkung des Metanicotins 604 
Zersetzung des Oxynicotins 607 
Unterschiede von ÖOxynicotin, 
Pseudonieotinoxyd und Nicotin 
610. Hydrirung des Cotinins 611. 
Perbromid des Octohydronico- 


ins 612 
Nicotal 610. 
Nicotol 610. 
Nicoton 610. 


®. 
O el, ätherisches aus Burseraceen- 
Opoponax 235, aus Sagapen 275. 
Oele, ätherische, Beiträge zur 
Kenntnis derselben 174. Limett- 


öl 174. Smyrnaer Origauumöl 
182. 

— blaugefärbte 279. 
Opium, Beiträge zur mikros- 
kopischen Kenntnis derselben 
933. 

Opoponax. Siehe Burseraceen- 
Opoponax 209. 


Origanumöl, Smyrnaer 182. 
Cymol 186. Linalool 186. Car- 
vacrol 188. 

Orthokresalol 624. 

Orthoplumbate der Erdal- 


kalien 501. Calciummetaplum- 
bat 503. Calciumtetraplumbat 
506. 


Sachverzeichnis. 


Oxyacanthin 131. Siehe auch 
Berberis aquifolium. 


Oxycehlordiphenylchin- 
oxalin (Luteol) +t 


Oxynicotin 607, 610. 


OÖxytrichlorchinoxalin 
39. 


P. 


Pachyma Cocosu.Mylitta 
lapidescens, chemische Zu- 
sammensetzung derselben 398. 
Pachyma Cocos 400. Darstellung 
der Pachymose 400. Inversion 
derselben 401. Traubenzucker 
aus Pachymose 402. Trauben- 
‚ucker aus Pachyma Cocos 403. 
Gummi, Pilizcellulose, Protein- 
stoffe 404. Fett, Cholesterin 405. 
Methoden der Quantitativen 
Untersuchung 405. Zusammen- 
setzung von Pachyma Cocos 
und Mylitta lapidescens 407. 
Bildung von Pachyma .Cocos 
407. Analytische Belege 408. 


Pachymose 400. 
Palmitylphytosterin 697. 
a-Pana-Resen 217. 


8-Pana-Resen 218. 
Pana-Resinotannol 219. 
Parakresalol 624. 
Parakresotinsäure- 
phenylester 625. 


Paratoluidin, Verhalten gegen 
Glyoxylsäure 10 
Phenocollsalicylat 627. 
Phenol, Verhalten gegen Chlo- 
ralhydrat 6. 

Phosphorpentachlorid, 

Einwirkung auf aromatische 
Aether 26. p-Chloranisol 31. 
Stellungsnachweis des Chlors 32. 
p-Chlorphenetol 33. «-Chlor-3- 
Naphtolmethyläther 34. a-Chlor- 
#Naphtol 34. a-Chlor-Benzo&- 
säure3-Naphtolester36. Aetboxy- 
trichlorchinoxalin 38. Oxytri- 
chlorchinoxalin 39. Benzo&- 
säure-p-Chlorphenylester41. Ben- 
zo&ösäure-o-Chlorphenylester #1. 
Benzolsulfonsäure - p - Chlorpbe- 
nylester 42. 


Pseudonicotinoxyd 6M. 


Sachverzeichn is. 


BR. 


Refraktometer, 
suchungen mit demselben 


Fettunter- 
423. 


S. 


Sagapen 259. Chemischer Teil 
264. Darstellung des Reinharzes 
264. Nachweis von freiem Um- 
belliferon 266. Prüfung auf 
Aldehyde 267. Verseifung des 
Reinharzes 268. Umbelliferon 
268. Der Harzalkohol: Sagıre- 
sinotannol 270. Acetylierung des- 
selben 271. Benzoylierung 272. 
Verhalten gegen Brom und Jod 
273. Oxydation desselb-n 274. 
Das ätherische Oel 275. Ver- 
gleich blaugefärbter ätherischer 
Oele 279. Botanischer Teil 284, 

Sagaresinotannol. Siehe 
Sagapen. 

Salacetol 625. 

Salicylacetylparamido- 
phenol 626. 

Salicylaldehyd -Methyl- 
pheuylhydrazin 630. 

Salicylsäure-a- uatrT 


ester 617 
Salicylsäure- ß- Nanly 

ester 619. 
BE inaphtoi 619. 
Salocoll 627. 
Salophen 626. 
Serofularia nodosa 77; 

240. Asche 80. Untersuchung 


des alkoholischen Auszuges 81. 
Untersuchung der Chlorotorm- 
schicht 81. Zimmtsäure 82; 83. 
Untersuchung der wässerigen 
Schicht 84. Cholin 84. Leeithin 
86. Zucker 87. Abwesenheit 
von Zitronensäure, Weinsäure, 
Aepfelsäure 88. Untersuchung 
des Gerbstoffs 88. Kaffvegerb- 
säure 89. Kupfersalz, Bleisalz 
90. Spaltung der Kaffeegerb- 
säure 90. Spaltung mit »alz- 
säure 93. Einwirkung von Brom 
auf Kaffeegerbsäure 93. Ein- 
wirkung von salpetriger Säure 
94. Untersuchung des wässe- 
rigen und ätherischen Auszuges 
96. Buttersäure 96. Palmitin- 
säure 97. Oelsäure 98. 


707 


Secrete, Untersuchungen über 
dieselben 209: 253 ; 259; 533 ; 540. 

Senegawurzel, neue Ver- 
fälschung derselben 118. Trios- 
tein 124. 

Stearoptene, Verhalten gegen 
Chloralhydrat 6. Verhalten der- 
selben unter sich 14. Verhalten 
zu Phenol 17. 


Strychnin-Untersuchun , fo- 
rensische 908. 
Suceinit 191. 


Sumach,Glycosazon daraus 125. 


T. 
Thiosinamin und seine Halo- 
genadditionsprodukte 646. Unter- 
suchungen über die Konstitu- 
tion des Thiosinamins 648. Ein- 
wirkung von Silbernitrat auf 
Thiosinamin 648. Einwirkung 
von Quecksilberchlorid auf Thio- 
sinamin 651. Einwirkung von 
Quecksilberchlorür auf Thios.n- 
amin 652. Einwirkung von 
Quecksilberceyanid auf dasselve 
653. Eiuwirkung von Kupfter- 
chlorür auf Thiosinamin 654. 
Verhalten der Thio>inamin- 
Schwermetallsalz -Verbindungen 
gegen Reagentien 658. Konsti- 
tution der Metallsalzverbiun- 
dungen des Thiosinamins 660. 
Einwirkung von metallischem 
Quecksilber, Silber und Kupfer 
auf Thiosinamin 666. 
Monomethylthiosinamin 669 Ein- 
wirkung von Brom auf Methyl- 
thiosinamin 670. Einwirkung 
von Chlorsilber auf das Methyl- 
thiosinaminbromid 671. Platin- u. 
Goldsalz des Bromchlorids 672. 
Dimethylthiosinamin 672. Ein- 
wirkung von Brom aut dasselbe 
672. Einwirkung von Chlor- 
silber auf das Dimethylthiosin- 
aminbromid 673. Gold- und 
Platinsalz des Dimethylthiosin- 
aminchlorobromids 674. Einwir- 
kung von alkoholischer Tri- 
merhylaminlösung aut Allyl- 
senföl 674. Rhodanwasserstoff- 
saures Trimetbylamin 675. 
Trimethylthiosinaminbromid 676. 
Platinsalz desselben 676. Kon- 


5 % 
Ei 
SL Ylkır 
KAge 


De - ı erg >> n 
ENVSEr 
£ 


seiner homologen en 
677 

p-Toluidin, Verhalten gegen 
Glyoxylsäure 100. 
p-Toluidinessigsäure 103 
p-Toluidinessigsäure- 
paratoluid 102. 
p - Toluyl-p - methylime- 


satin 103. 
3 Tolypyrinsalicylat 628. 
F Tolysal 628. 


Traubenzuckeraus Pachyma 
Cocos 403. Als Produkt der 

: Inversion von Pachymose 402. 
; Trimethylthiosinamin- 
bromid 676. 
Triostein 124, 


stitution des Thiosinamins und | - es 
 Umbelliferon 206; be 


v. 
Vallonen, Glukosazon dar 


WW. 


Wurzel von Aristolochia argen- 
tina 634. 
SieheauchAristolochiaargentina. 


Z. 


Zimmtsäure, Nachweis 
Serotularia nodosa 


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