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Full text of "Archiv der Pharmazie"

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ARCHIV 


PHARMAZIE 


herausgegeben 


vom 
Deutschen Apotheker-Verein 
unter Redaktion von 


E. Schmidt und H. Beckurts. 


Band 244. 


— pa EOTANICAL 
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BERLIN 
Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereins. 
1906. 


herausgegeben 


vom 


" Deutschen Apotheker-Verein 


unter Redaktion von 


E. Schmidt und H. Beckurts. 


Band 244. Heft 1. 


Qo' E 
KIORA RUN 


BERLIN. 


Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereins. 
1906. 


INHALT. 

Rupp, Ueber das Quecksilberoxycyanid . Rh 3 
. Wintgen und 0. Keller, Ueber die Zune en von Be N 
>» Traube und F. Wiuter, Synthese des 3-Methylhypoxanthins . ER, 
. Goelsmann, Ueber die Alkaloide von Anagyris foetida , . | 
. Rosenthaler, Notiz über die beim Mischen von Chloroform und Aether ’E 
eintretende I hat cr > i $ 
. May, Chemisch-pharmakognostische Untersuchung der ‚Früchte von 
Sapindus Rarak DC. \ ER Ä a. 
. Pieverling, Hydrargyrum oxycyanatum ar , 
. Echtermeier, Beiträge zur Kenntnis der Chinasäure . 
Linde, Zur Kenntnis der Verholzung i 
h Kaisner, Beitrag zur Kenntnis der Diffusion der Gase . E 
. Schmidt, Ueber die mydriatisch wirkenden Alkaloide der Daturaarten 
. Scholtz, Ueber die Halogenalkylate des Sparteins ; 
. Frerichs und 0. Rentschler, Ueber die Einwirkung von ‚santhogen- 

sauren Salzen auf Derivate der Moncchloressigsäure “ 


EEmasud o razam 


Eingegangene Beiträge. 


. und HB. Frerichs, Ueber den Nachweis einer Veronalvergiftung. 
. Schulze, Ueber das Aconitin und das Aconin. 


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(Geschlossen den 6. III. 1906.) 


DEUTSTHE DIAMAL-GESELSHIAF Tn.b.H. MÜNCHEN] 


Diastase-u.eiweilshaltiges 


Malzpräparart 
Trocken re oder dickfluss1g. 


‚G!. MALZBONR 
DD: HUSTEN Sc or Ns‘ 


HAMBURGIE 
„LEIPZIG. IE 


A nzeigen. 
, Seite zum Preise von M 50.—; !/a Seite zum Preise von M 30.,—; 4] Seite zum ; 
reise von M 20.—; i, Seite zum Preise von M 10.—. Die Grundschrift ist P tit, 
Beilsge-Gebühr für das Tausend der Auflage — z. 2.4200 — M 10.—. Für Beilagen, welche 
nicht dem Format des „Archiv“ entsprechen, bleibt besondere Ve reinb: rung vorbehal e 


E. Rupp: Quecksilberoxycyanid. 1 


Mitteilungen aus dem pharmazeutisch-chemischen Institut 
der Universität Marburg. 


193. Ueber das Quscksilberoxycyanid. 


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(Eingegangen den 18. XII. 1905.) 


Ein neuerdings mehr und mehr in Aufnahme kommendes Queck- 
silberpräparat scheint das Merkurioxycyanid zu sein. Um dessen Er- 
forschung machten sich in jüngster Zeit besonders die Herren E. und 
K.Holdermann verdient!). Sie ermittelten die günstigsten Darstellungs- 
bedingungen des Präparates, prüften dessen Eigenschaften und Um- 

 setzungsverhältnisse und arbeiteten eine ebenso einfache wie exakte 

 Bestimmungsweise aus, mittelst derer festgestellt wurde, daß die im 

Handel befindlichen Präparate nur teilweise aus Oxycyanid neben meist 
sehr viel Cyanid bestehen. 

{ Es sind damit eine Reihe praktisch wichtiger Resultate gewonnen, 
so daß diese aus dem Laboratorium der Hilda-Apotheke in Karlsruhe 
hervorgegangenen Arbeiten als äußerst erfreulich und dankenswert zu 
begrüßen sind. 

Da die Herren Holdermann ausdrücklich bemerken, daß sie 
ihrerseits die Untersuchung über diesen Körper nun abgeschlossen 
‚haben, möchte ich mir zu bemerken erlauben, daß das von K. Holder- 

R mann beigebrachte experimentelle Material auch in Bezug auf theoretische 
Gesichtspunkte verwertbar ist und jedenfalls von neuem dartut, daß 

nach dieser Richtung noch nicht völlige Klarheit besteht. In erster 
Linie muß die Frage nach der Konstitution des Quecksilberoxycyanids 

' interessieren, nachdem von K. Holdermann von neuem bestätigt 
worden ist, daß demselben die konstante Zusammensetzung HgO -HgCya 
zukommt. Es kann kaum Zweifel darüber herrschen, daß diese F'rage 
nur mit Berücksichtigung der ausgesprochenen Neigung des Quecksilbers 
Komplexionen zu bilden einer befriedigenden Lösung entgegengeführt 
werden kann, 

Die Eigenschaften des Quecksilberoxyeyanids und seine Umsetzungs- 
verhältnisse bleiben großenteils undurchsichtig und unerklärlich, wenn 

man dasselbe als eine „Doppelverbindung* von Quecksilberoxyd und 


1) Archiv 242, 32 u. 243, 600. 
Arch. d. Pharm. COXXXXIV. Bds. 1. Heft. 1 


APR S6=- 1 


Von E. Rupp. NE‘ 
(Vorläufige Mitteilung.) BO’ 


2 E. Rupp: Quecksilberoxycyanid. 


Quecksilbercyanid im althergebrachten Sinne ansieht. Betrachtet man 
hingegen seine Bildungs- und Konstitutionsverhältnisse im Lichte der 
Gleichung: Hs6 
oe 
HgCya + HgO = 09 
so präsentiert sich die Sachlage wesentlich anders. 

Zunächst leuchtet ohne weiteres ein, daß eine solche Verbindung 
keine Merkurikationen in Lösung senden kann — wenigstens nicht 
primär —, sondern das Quecksilber in Form eines zusammengesetzten 
Ions enthält. Bei Umsetzungen des Oxycyanids mit anderen Körpern 
wird der zweiwertige Komplex 


o- Hs = 
Hg — 


bezw. die einwertige Gruppierung 
o- HsCy 
Hg — 


eine Rolle spielen können. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, 
dürfte die Konstitution verschiedener von K.Holdermann gewonnener 
Umsetzungsprodukte sich unschwer deuten lassen. Solches dürfte 
namentlich auch für die Umsetzung des Oxycyanids mit Jodkalium 
zutreffen. Es wird versucht werden einiges experimentelle Material 
hierfür zu beschaffen, welches weiterhin dazu angetan sein soll, die 
Annahme der komplexen Natur des Oxycyanids zu stützen. 

Auf eine solche scheint mir namentlich auch der Widerspruch 
hinzuweisen, welcher zwischen den Eigenschaften und dem Dissoeiations- 
grad des Quecksilberoxycyanids besteht. Das Quecksilbereyanid ist in 
wässeriger Lösung nur zu einem verschwindend geringen Prozentsatze 
in seine Ionen f 

Hg 

gespalten, infolgedessen äußerst reaktionsträge und nach den von 
Paul und Krönig erkannten Beziehungen zwischen Dissociationsgrad 
und antiseptischer Wirkung, nur wenig bakterizid. Das Oxycyanid 
ist wesentlich reaktionsfähiger und außerdem wird ihm — allerdings 
nicht unbestrittenermaßen — eine kräftige antiseptische Wirkung 
nachgerühmt. Beides ließ erwarten, daß der Dissociationsgrad des 
Oxycyanides wesentlich höher sein würde als derjenige des Cyanids. 
K.Holdermann bestimmte denselben und fand ihn wider alles Erwarten 
noch ganz erheblich niedriger als beim Oyanid. Er nimmt darum als 
möglich an, daß hier die Regel nicht zutrifft. Ich möchte dieses Nicht- 
zutreffen dahin auslegen, daß jene Gesetzmäßigkeit hier offenbar gar 
nicht in Frage kommt, weil keine Verbindung des Merkuriions vorliegt, 
und erblicke hierin einen weiteren Beweis für die komplexe Natur des 
Oxycyanides. 


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M. Wintgen u. O. Keller: Leeithin. 3 


Aus dem bygienisch-chemisch-n Laboratorium der 
Kaiser Wilhe!ms-Akademie. 


Ueber die Zusammensetzung von Lecithinen. 
Von M. Wintgen und OÖ. Keller. 
(Eingegangen den 20. XII. 1905.) 


In einer Arbeit über den Lecithingehalt in Pflanzensamen haben 
E. Schulze und E. Steiger!) darauf hingewiesen, daß die für den 
Phosphorgehalt der ätherisch-alkoholischen Extrakte gefundenen Zahlen 
einwurfsfreier sind als jene, welche für den Lecithingehalt hieraus 
durch Berechnung gefunden werden. 

Sie hoben hervor, daß die Lecithinwerte nur unter der Voraus- 
setzung richtig wären, daß das Untersuchungsmaterial außer Lecithin 
keine in Alkohol und Aether lösliche Phosphorverbindungen enthielte. 
Allerdings wären, wie sie einschränkend hinzufügten, außer Leeithin 
derartige Verbindungen bisher nicht nachgewiesen, und auch glyzerin- 
phosphorsaure Salze seien nach Amanbe Hoppe-Seiler’s in Alkohol 
und Aether unlöslich. 

Fast 2 Jahrzehnte sind seit jener Publikation vergangen, und 
zahlreiche Arbeiten, die inzwischen über Lecithine erschienen sind, 
haben unsere Kenntnisse über ihr Vorkommen im Pflanzen- und Tier- 
reiche, über ihre Eigenschaften und ihre Reindarstellung erweitert. 

Hierbei hat sich herausgestellt, daß die Lecithine keineswegs 
einheitlicher Natur sind; ihr abweichendes Verhalten gegenüber einzelnen 
Lösungsmitteln, sowie Verschiedenheiten in Aussehen, Konsistenz und 
chemischer Zusammensetzung weisen darauf hin. 

Diese Unterschiede sind nicht allein bei Lecithinen verschiedenen 
Ursprungs, sondern auch bei solchen Präparaten beobachtet worden, 
die aus dem nämlichen Ausgangsmaterial gewonnen wurden, wie 
Ulpiani°), Laves®) und andere nachgewiesen haben. Gewiß mag in 
manchen Fällen die nicht konstante Zusammensetzung auch durch die 
ungenügende Reinheit der Präparate bedingt gewesen sein, indem nur ein 
Rohleeithin vorgelegen hat, teilweise aber müssen die beobachteten Unter- 


‘4) Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 13, S. 379 u. fi. 

2) Atti R. Accad. dei Lincei Roma (5) 10I. Ref. d. Chem. Central- 
blattes 01, 2, 193. 

8) Vortrag auf der Naturforscherversammlung in Kassel; Ref. i. d. 
Chem.-Ztg. 1903, No. 78, 


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4 M. Wintgen u. O. Keller:" Leecithin. 


schiede, die namentlich im verschiedenen Phosphorgehalt zum Ausdruck 
kamen, auf andere Ursachen zurückgeführt werden. 

So sind gewisse Unterschiede in der Zusammensetzung durch die 
Verschiedenheit der im Lecithin vorkommenden Fettsäuren bedingt, 
indem ähnlich, wie bei den Fetten im Lecithin Fettsäuren verschiedener 
Art verestert sind.- | 

Aber auch andere, größere Schwankungen, als sie durch die ver- 
schiedene Konstitutionsgröße der im Lecithin enthaltenen Fettsäuren 
hervorgerufen sein können, sind beobachtet worden. 

Stocklasa!) isolierte aus Haferkeimen ein Leeithin mit 4,23% 
Phosphor. 

E. Schulze und S. Frankfurt?) haben aus Gerste ein Lecithin 
mit 2,23% P gewonnen und auch im Roggenlecithin einen ähnlichen 
Phosphorgehalt gefunden. Sie sprachen dies Lecithin allerdings als 
ein Rohlecithin an, aber auch bei späteren Untersuchungen fanden 
E. Schulze und E. Winterstein?) in Lupinen und Bohnen Lecithine, 
die nach dem Verfahren von Bergell*) gereinigt waren und nur 
3,1—3,3% P enthielten. Ferner hat E. Koch?) aus Gerste und Malz 
Lecithine mit nur 2,4 und 2,3% P gewonnen. 

Der Phosphorgehalt der hier zusammengestellten Leeithine ist 
also mit einer Ausnahme gegenüber den für Lecithin berechneten 
Werten ein außerordentlich niedriger. Beträgt er doch für dieses, je 
nach dem er auf Distearyl-, Dioleyl- oder Dipalmityl-Lecithin bezogen 
wird, 3,84%, 3,83% und 4,13%. 

Aehnlich stark abweichende Werte im Phosphorgehalt konnten 
wir an Pflanzenlecithin, das wir aus Sojabohnen isoliert hatten, fest- 
stellen. Ebenso erhielten wir mit Lecithin aus Eigelb, das wir teils aus 
dem Handel bezogen und gereinigt, teils selbst hergestellt hatten, Werte, 
die nicht völlig mit obigen, berechneten Werten in Einklang standen. 

Mit Rücksicht hierauf sei zunächst die Darstellung dieser Lecithine 
näher erörtert. 


A. Pflanzenleeithin. 


Zur Gewinnung von Pflanzenlecithin waren wir von der Soja- 
bohne ausgegangen. Wir hatten dieses Ausgangsmaterial gewählt, 
da nach Stocklasa®) der Lecithingehalt mit dem Eiweißgehalt in den 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 37, S. 188. 
2) Landw. Vers.-St. 43, 307—18. 

8) Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 40, S. 101. 
4) Ber. d. d. chem. Ges. 33, S. 2584—86. 

5) Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 37, S. 188. 
6) Ber. d. d. chem. Ges. Bd. 29. ° 


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ORTE 


. M. Wintgen u. O. Keller: Leeithin. 5 


Pfianzen steigt, und somit eine relativ große Ausbeute erwartet werden 
konnte. Verarbeitet wurden 832g schwarze und 787 g braune Soja- 
bohnen. Nach Angabe des Lieferanten waren letztere frisch, erstere 
dagegen mehrere Jahre alt. In der Tat erwiesen sich auch nur die 
braunen Bohnen als keimfähig. 

Die vermahlenen Bohnen wurden im Wassertrockenschrank ge- 
trocknet!), sodann in Soxhlet’schen Apparaten mit Aether extrahiert 
und von den Auszügen der Aether abdestilliert. No.I lieferte — die 
weiteren Zahlenangaben beziehen sich auf wasserfreie Substanz — 
152,8 g = 20,05% Fett von grünlichbrauner Farbe, No. II 165g = 
22,75% Fett von hellbrauner Farbe. 

Die entfetteten Samen wurden nach den Angaben von Schulze 
und Winterstein?) mit Alkohol, zuerst in Soxhlet- Apparaten, 
darauf durch direktes Erwärmen des Pulvers mit 50—60° warmem 
Alkohol von 96% extrahiert. Von den Auszügen wurde die Haupt- 
menge des Alkohols abdestilliert und die Rückstände verarbeitet, wie 
weiter unten angegeben ist. 


I. Aetherextrakt der Sojabohnen. 


Der Extrakt wurde mit absolutem Alkohol mehrfach aus- 
geschüttelt und dann noch unter häufigerem Umschütteln mehrere 
Male mit Alkohol drei Stunden auf dem Wasserbade bei 50—60° 
digeriertt. Von den vereinigten Auszügen wurde der Alkohol großen- 
teils abdestilliert und nach Abscheiden des gelösten Fettes alkoholische 
Kadmiumchloridlösung zugefügt. Es trat nur eine schwache Fällung 
ein, die auch wenig zunahm, als das Gemisch in einer Kältemischung 
auf — 12° abgekühlt wurde. 

Die Leeithinmenge, die hieraus durch Zersetzung der Chlor- 
kadmiumverbindung mit Ammoniumkarbonat gewonnen wurde, betrug 
etwa je 0,5 g. In dem ausgeschüttelten Fett ließen sich nur noch 
Spuren von Phosphorsäure nachweisen, wie die Prüfung einer ver- 
seiften und sodann veraschten Probe ergab. 


II. Alkoholextrakt der Sojabohnen. 


Die alkoholischen Extrakte wurden auf !/; ihres Volumens ein- 
geengt, und das in ihnen gelöste Lecithin als Lecithin-Chlorkadmium 
gefällt. Durch Einstellen in eine Kältemischung trat noch eine weitere 
reichliche Abscheidung ein. Der gewonnene gelblichweiße Niederschlag 
wurde nach dem Auswaschen mit abgekühltem Alkohol und Aether 


1) Ha0-Gehalt der schwarzen Bohnen (I) 8,41%, Ha0-Gehalt der braunen 
Bohnen (II) 7,87%. 
2) loc. cit. 


6 M Wintgen u. O. Keller: Lecithin. 


im Exsikkator getrocknet und, nach Anreiben mit absolutem Alkohol 
auf dem Wasserbade, mit Ammonkarbonat zerlegt. Vom Filtrat wurde 
die Hauptmenge des Alkohols abdestilliert, der Rest bei 50—60° ab- 
gedunstet. Das so erhaltene Lecithin wurde in Aether gelöst, filtriert 
und mit dem 2/sfachen Volumen Aceton von neuem ausgefällt. 
Innerhalb 24 Stunden hatte sich das Lecithin als fester Bodensatz ab- 
geschieden. Dieser wurde noch wiederholt mit kleinen Mengen frischen 
Acetons durchgeknetet, bis eine Probe des letzteren beim Verdunsten 
kaum noch einen Rückstand hinterließ, und sodann im Exsikkator ge- 
trocknet. 
Aus Soja I wurden auf diesem Wege noch 5,5 g, aus Soja II 
noch 7 g reines, in Alkohol und Aether klar lösliches Lecithin ge- 
wonnen, das sich in Konsistenz und Farbe von dem aus Eigelb her- 
gestellten bezw. von gereinigtem Handelslecithin kaum unterschied. 

In beiden Lecithinen wurde der Phosphor- und Stickstoffgehalt 
bestimmt. Die Methoden, nach denen diese Bestimmungen ausgeführt 
. wurden, waren folgende. Etwa 0,3 g Substanz wurden mit der 8 bis 
10Ofachen Menge eines Gemisches von Kaliumnitrat- und Kaliumkarbonat 
allmählich erhitzt, bis die organische Substanz verbrannt und eine 
farblose Schmelze erhalten war. In der Schmelze wurde dann in be- 
kannter Weise die Phosphorsäure, nach vorausgegangener Fällung mit 
Ammoniummolybdat, als Magnesiumpyrophosphat bestimmt. 

Der Stickstoffgehalt wurde nach der Methode von Kjeldahl 
ermittelt. 

Der Gehalt an P und N betrug hiernach 


für Leeithin aus Soja I 2,51% P und 1,84% N, 
” ” ” b>) II 2,96 ” 9 ” 1,9 n n® 


B. Handelslecithin aus Eigelb. 


Das vorliegende Rohmaterial bildete eine braune, salbenartige 
Masse von starkem, fettartigem und zugleich etwas ranzigem Geruch. 
In Alkohol war es völlig löslich. Der Gehalt an Phosphor betrug 
3,49%, der Gehalt an Stickstoff 2,25%. Das Präparat wurde nach 
dem Verfahren von Bergell gereinigt. In der Farbe wurde es 
hierdurch etwas heller; auch unterschied es sich von dem Rohleeithin 
durch seinen schwächeren, nicht unangenehmen Geruch. 

Es löste sich leicht und völlig klar in Alkohol und Aether, 
Methylalkohol und Schwefelkohlenstoff, etwas schwerer in Benzol und 
schwer in Essigäther bei gewöhnlicher Temperatur. 

Durch Zusatz von Aceton zu einer ätherischen Lösung bis zur 
beginnenden Trübung, die mit etwas Alkohol wieder beseitigt wurde, 


as re 


M. Wintgen u. O. Keller: Leeithin. 7 


gelang es, bei langsamem Verdunsten einer kleinen Probe Krystalle zu 
erzielen. Diese besaßen blätterige Form und bildeten büschelartige 
Gruppen. Doch waren nur wenige davon durchsichtig, die meisten 
waren gelb bis braun gefärbt. Bei 115—117° schmolzen sie unter 
starkem Aufschäumen; ein Erweichen trat bereits vorher ein. 

Das gereinigte Lecithin enthielt 3,79% P und 2,37% N. 


C. Selbst hergestelltes Leeithin aus Eigelb. 


Zur Gewinnung von Ei-Lecithin wurden 195 g Eidotter, die von 
12 Eiern herrührten, verarbeitet. 


I. Aetherextrakt. 


Das Eigelb wurde mit % Liter Aether übergossen und einige 
Zeit kräftig durchgeschüttelt. Das Verfahren wurde solange wieder- 
holt, bis der abgegossene Aether farblos war. Von den vereinigten 
Auszügen wurde der Aether abdestilliert. Der Rückstand bestand 
aus tiet orangegelb gefärbtem Oele und einer halbfesten, schmierigen 
Masse. Diese wurde von dem Oele durch Absaugen getrennt, in 
Aether gelöst und mit soviel Aceton versetzt, bis keine weitere 
Fällung mehr erfolgte. Der Niederschlag wurde nach 24 Stunden zur 
Entfernung von zurückgebliebenem Fett und Cholesterin mehrmals 
mit Aceton gewaschen, wieder in Aether gelöst und mit der doppelten 
Menge absolutem Alkohol versetzt. Der kleine, aus weißen Flocken 
bestehende Niederschlag, der nach einiger Zeit auftrat und nach 
Zuelzer!) aus Tripalmitin besteht, wurde abfiltriert, das Filtrat auf 
ein kleines Volumen eingedampft, mit Aether von neuem aufgenommen 
und das Leecithin wiederum mit Aceton gefällt. Das Auswaschen 
bezw. Durchkneten des Niederschlages mit Aceton wurde dann solange 
fortgesetzt, bis dieses farblos abliefe Das so gewonnene Leecithin 
betrug nach dem Trocknen im Exsikkator etwa 7 g. 


II, Alkoholextrakt. 


Das mit Aether extrahierte Eigelb wurde behufs Zersetzung von 
Leeithineiweiß noch dreimal mit absolutem Alkohol je 2 Stunden lang 
auf dem Wasserbade am Rückflußkühler zum Sieden erhitzt. 

Von den vereinigten Auszügen wurde die Hauptmerge des 
Alkohols abdestilliert, und der Rest des Alkohols bei mäßiger Wärme 
verdunstet., Der Rückstand wurde in Aether gelöst und in der vorher 
angegebenen Weise mit Aceton gefällt und ausgewaschen. Die Aus- 
beute betrug ca. 6 g Lecithin. 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 1899, S. 255. 


8 M. Wintgen u. O. Keller: Leecithin. 


Das aus dem ätherischen Auszuge gewonnene Leeithin war stark 
orangegelb gefärbt und besaß eine ziemlich feste, bröcklige Konsistenz; 
das des Alkoholauszuges war hellbraun und salbenartig. Beide Proben 
besaßen einen wenig angenehmen Geruch. In Alkohol und Aether 
waren sie klar löslich. Der Phosphor- und Stickstoffgehalt der beiden 
Lecithine betrug 


im ätherischen Auszuge 3,69% P und 25 % N, 
„ alkoholischen „ Fa be Re DE, 


In folgender Tabelle sind die für Phosphor und Stickstoff bei 
den einzelnen Lecithinen gefundenen Werte nochmals zusammengestellt. 


| Gehalt an Verhältnis 
Art des Lecithins 5 von Stickstoff 
Stickstoff | Phosphor |zu Phosphor 
Berechnet für: 
Distearyl-Leeithin . . . Th 1,73 3,84 1:2,22 
Handelslecithin aus Eigelb AA: 2,25 3,49 1:1,55 
Dasselbe, gereinigt . . 2,37 3,78 1:41,59 
Ei-Leeithinv, selbst hiireitellt % aus 
dem ätherischen Auszuge . . . 2,50 3,69 1:1,48 
Dasselbe, aus dem alkoh. Auszuge 2,51 3,97 1:1,42 
Aus braunen Sojabohnen ar 
Runzup). ur. ©, 1,90 2,96 1:1,56 
Aus schwarzen Sojabohnen (alkoh, 
REN); wife = 1,84 2,51 1:1,27 


Der für Ei-Lecithin gefundene Gehalt an Phosphor stimmt in 
dem gereinigten Handelspräparate mit dem berechneten annähernd 
überein, der des selbst hergestellten Ei-Lecithins bleibt etwas zurück. 
Ob die Ursache hierfür in ungenügender Reinheit zu suchen ist, indem 
das Präparat noch etwas Fett oder Cholesterin enthält, oder, ob sie 
auf kohlenstoffreichere Fettsäureradikale, wie sie von Laves!) im 
Eierlecithin beobachtet wurden, zurückzuführen ist, mag dahingestellt 
bleiben. Immerhin scheint die klare Löslichkeit der. Präparate in 
Alkohol und Aether und die Art der Darstellung — Fällung und 
'Auswaschen mit Aceton — gegen obige Stoffe zu sprechen. 

Im Gegensatz zu dem Gehalt an Phosphor ist der Stickstoff- 
gehalt der vier‘ untersuchten Ei-Lecithine mit 2,25—2,51% zu hoch, da 
er sich für reines Lecithin zu 1,73—1,86% berechnet. 


1) loc. cit. 


M. Wintgen u. O. Keller: Lecithio. ‚ 9 


Auch von anderer Seite scheinen ähnliche Beobachtungen gemacht 
zu sein. So wird in einem Berichte von J. D. Riedel!) zur Prüfung 
der Lecithine bemerkt, daß der Stickstoffgehalt sich zur Bestimmung 
des Lecithins weniger als der Phosphorgehalt eigne, weil auch eine 
geringe Verunreinigung mit Ammoniaksalzen oder anderen stickstoff- 
haltigen Substanzen sehr leicht möglich sei. 

In der Tat könnte es möglich erscheinen, daß bei der Reinigung 
von Leeithin nach dem Verfahren von Bergell, wo das Kadmium- 
doppelsalz des Leeithins durch Ammoniumkarbonat zerlegt wird, bei 
nicht genauer Innehaltung der Vorschrift ein zu hoher Stickstoff- 
gehalt durch in Lösung gegangenes Ammonsalz verursacht wird. Da- 
gegen aber spricht die klare Löslichkeit in Alkohol und Aether, die 
wir bei den nach diesem Verfahren gewonnenen Lecithinpräparaten ° 
feststellen konnten. Weiterhin wurde auch ein zu hoher Stickstoff- 
gehalt bei dem selbst gewonnenen Eierlecithin beobachtet, wo das 
Verfahren von Bergell nicht angewandt worden war. 

Zersetzungsprodukte in Form von anorganischen Ammoniak- 
verbindungen konnten ebenfalls nicht vorliegen, denn die direkte 
Prüfung auf Ammoniakverbindungen durch Aufkochen mit Magnesium- 
oxyd ergab ein negatives Ergebnis. 

Hiernach könnten also nur organische Stickstoffverbindungen, 
die sich den Fällungs- und Lösungsmitteln des Leecithins gegenüber 
analog diesem selbst verhalten, als etwaige Verunreinigungen in Frage 
kommen, und es ist nicht von der Hand zu weisen, daß solche in Form 
von eiweißartigen Verbindungen mit dem Lecithin lose verbunden sind. 

In viel höherem Maße als im Ei-Lecithin weicht in den Pflanzen- 
lecithinen der Phosphorgehalt von den berechneten Werten ab. Ebenso- 
wenig entspricht das Verhältnis von Stickstoff zu Phosphor dem für 
Leeithin berechneten, wie aus obiger Tabelle hervorgeht. 

Die Art der Darstellung und das Verhalten der Präparate den 
verschiedenen Lösungsmitteln gegenüber, schließen die Annahmen aus, 
daß die Präparate als Rohleeithin anzusprechen wären. Wahrscheinlicher 
ist es, daß in diesen Pflanzenlecithinen mit so niedrigem Phosphor- 
gehalt nur lecithinähnliche Verbindungen vorliegen. 

Mit Rücksicht auf diese wechselnde Zusammensetzung der ver- 
schiedenen als Lecithin isolierten Substanzen hat bereits W. Koch?) vor- 
geschlagen, sie unter dem Gruppennamen Lecithane zusammenzufassen. 
Er will hierunter jene wachsartigen, hygroskopischen Substanzen ver- 
standen wissen, zu deren Aufbau ÖOrthophosphorsäure, die höheren 


1) Entnommen d. Apoth.-Ztg. 1905, No. 11. 
2%) Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 37, S. 181—88. 


10 - _ M. Wintgen u. O. Keller: Lecithin. 


gesättigten und ungesättigten Fettsäuren, stickstoffhaltige Gruppen 
und Glyzerin beitragen. 

Diesem Vorschlage ist auch auf Grund unserer Befunde durchaus 
zuzustimmen. 

Die von Schulze und Steiger!) seinerzeit erhobenen Bedenken, 
die alkohol- und ätherlösliche organische Phosphorsäure auf Leeithin 
umzurechnen, erscheint hiernach durchaus berechtigt. In der Praxis 
des Nahrungsmittelchemikers wird dem auch insofern Rechnung ge- 
tragen, als bei entsprechenden Untersuchungen in der Regel der Gehalt 
an alkohol- und ätherlöslicher Phosphorsäure und nicht der hieraus 
berechnete Lecithingehalt angegeben wird. 

Für die seit einiger Zeit im Großbetriebe hergestellten Lecithine, 
welche medizinischen Zwecken dienen, hat Fendler°) vorgeschlagen, den 
Gehalt an reinem Lecithin nach ihrem Phosphor- und Stickstoffgehalt 
zu deklarieren, während in dem Riedel’schen Handelsberichte, wie 
bereits ausgeführt wurde, nur die Bewertung nach dem Gehalte an 
Phosphor empfohlen wird. 

Diese Forderungen werden jedoch nur für das aus Eigelb 
gewonnene Lecithin erhoben werden können. 

Eine sichere Gewähr für ein einheitliches Produkt ist damit 
aber noch nicht gegeben, wie aus den weiteren Ausführungen 
Fendler’s über das Verhalten des von ihm untersuchten Leeithins 
Alkohol und Aether gegenüber hervorgeht. 

Auch darüber gibt der Phosphor- und Stickstoffgehalt der 
Leeithine keinen genügenden Aufschluß, ob das betr. Präparat rein 
in dem Sinne ist, daß es keine Veränderungen erlitten hat. Nun ist 
bekannt, daß Lecithin leicht oxydieren soll, und nach Laves soll dies 
um so leichter erfolgen, je reiner das Präparat ist. Da sich aus 
Lecithin Glyzerinphosphorsäure leicht abspalten läßt, so ist anzunehmen, 
daß auch diese sich als dessen Zersetzungsprodukt zu bilden vermag. 
Entgegen einzelnen in der Literatur vorhandenen Angaben), ist jedoch 
freie Glyzerinphosphorsäure, wie hier angestellte Versuche ergeben 
haben, leicht in Alkohol, etwas schwerer in Aether löslich. Eine Ab- 
nahme des Phosphorgehaltes würde also bei Anwendung der bisher 
gebräuchlichen Bestimmungsmethoden auch in zersetztem Lecithin, das 
freie Glyzerinphosphorsäure abgespalten hat, nicht nachzuweisen sein. 

Man wird daher zur Prüfung der Reinheit von Lecithin sich 
nicht auf die Bestimmung des Phosphor- und Stickstoffgehaltes 


1) loc. eit. 
2) Apoth.-Ztg. 1905, No. 3. 
8) Loebisch, Realenzyklopädie der Pharmazie. 


W. Traube u. F. Winter: 3-Methylhypoxanthin. 11 


beschränken dürfen. Ob die Bestimmung der Jodzahl und freien Fett- 
säuren Anhaltspunkte für die Beurteilung ergibt, darüber wird erst 
naeh weiteren Untersuchungen ein Urteil abgegeben werden können. 

Schlüsse aus dem Phosphor- oder Stickstoffgehalt der Pflanzen- 
lecithine auf ihre Reinheit zu ziehen, erscheint auf Grund unserer 
und älterer Untersuchungen nicht angängig. 

Sollten Pflanzenlecithine für medizinische Zwecke ebenfalls Ver- 
wendung finden, dann würde es sich empfehlen, sie, dem Vorschlage 
von W. Koch entsprechend, als Lecithane zu bezeichnen, und ihr 
Ausgangsmaterial anzugeben; für das aus Eigelb hergestellte Präparat 
dagegen erscheint es angebracht, den Namen Lecithin beizubehalten 
und von Bezeichnungen wie Lecithol und ähnlichen Namen abzusehen. 


Arbeiten aus dem pharmazeutischen Institut der 
Universität Berlin. 
Mitgeteilt von H. Thoms. 


Synthese des 3-Methylhypoxanthins. 
Von Wilhelm Traube und Friedrich Winter. 
(Eingegangen den 21. XII. 1905.) 


Der eine von uns hat vor einigen Jahren!) gezeigt, daß man die 
weitverbreitet im tierischen und pflanzlichen Organismus sich findenden 
Xanthin- oder Purinbasen, welche von E. Fischer durch Umwandlung 
der Harnsäure zuerst künstlich dargestellt worden waren, auch durch 
direkte Synthese von der Essigsäure bezw. Oyanessigsäure aus 
leicht aufbauen kann. 

Durch Kombination von Harnstoff mit Cyanessigsäure erhält man 
das 4-Amino-2, 6-dioxypyrimidin: 


eur age 
| | 
Hi CHa bezw. HO in " 
| 
NH—C=NH N—C.NH,3, 


das auf dem Wege über eine Isonitrosoverbindung ohne Schwierigkeit 
übergeführt werden kann in das 4, 5-Diamino-2, 6-dioxypyrimidin: 


NH-CO N=C-OH 
| | La} 
co Says bezw. HOC C-NBH; 
| I 1 
NH-C-NHz N-C-NH;. 


i) Ber. d. d. chem. Ges. 33, S. 1371 und 3035. 


12 W. Traube u. F. Winter: 3-Methylhypoxanthin. 


Die letztere Base geht sodann beim Behandeln mit starker 
Ameisensäure in Xanthin, 


NH—CO ‘ 
| 

CO €—NH 

[v pie DS 

NH—C——N 


über, indem als Zwischenprodukt ein Formylderivat des Diamins 
entsteht. 2 

Ersetzt man bei dieser Reihenfolge von Reaktionen von vornherein 
den Harnstoff durch Guanidin oder durch methylierte Harnstoffe, so 
erhält man Guanin resp. methylierte Xanthine, wie das 
1,3-Dimethylxanthin oder Theophbyllin und das durch weitere 
Methylierung leicht in Theobromin und Kaffein überführbare 3-Methyl- 
xanthin. 

Es ist etwas später!) gelungen, auf einem ganz ähnlichen Wege 
auch das Hypoxanthin oder Sarkin synthetisch darzustellen und 
zwar unter Verwendung des Schwefelharnstoffes. Man gelangte so 
zunächst nicht zum Hypoxanthin, 


N—00 
| 
NO C-NH\ 
| l CH 
NHIOGsEN Te 


selbst, sondern zu einem schwefelhaltigen Derivat desselben, dem 
2-Thiohypoxanthin, 


N-CO 
SC C-NH 
| | I>CH; 
NEON 


doch ließ sich dieser Schwefelkörper durch Oxydationsmittel wie 
Wasserstoffhyperoxyd oder Salpetersäure leicht in das Hypoxanthin 
überführen. 

Die Methylierung”?) des letzteren läßt sich nach M. Krüger 
direkt ausführen durch Erhitzen der Base in wässerig-alkoholischer 
Lösung mit Jodmethyl und Alkali. Es entsteht auf diesem Wege 
nicht ein einfach methyliertes Produkt, sondern gleich ein Dimethyl- 
hypoxanthin, dessen Konstitution später von E. Fischer als die eines 
1, 7-Dimethylhypoxanthins ermittelt wurde. 

Monomethylierte Hypoxanthine, bei denen das Methyl am 
Stickstoff haftet, sind der Theorie nach vier verschiedene möglich, 
von denen zwei, nämlich das 7- und 9-Methylhypoxanthin bereits 

1) Liebigs Annalen 331, S. 64. 

2) Zeitschr. f. pbysiolog. Chemie 18, S. 434. 


W. Traube u. F. Winter: 3-Methylhypoxanthin. 13 


bekannt sind. Diese Verbindungen, in denen beider das Methyl im 
Glyoxalinring sich befindet, sind von E. Fischer dargestellt worden. 

Er erhielt das 7-Methylhypoxanthin aus dem 7-Methyl-2, 6-dichlor- 
purin durch Behandeln mit Alkali und darauffolgende Reduktion des 
zunächst entstandenen 7-Methyl-6-oxy-2-chlorpurins!). Das 9-Methyl- 
hypoxanthin?) wurde durch Einwirkung von salpetriger Säure auf das 
9-Methyladenin gewonnen. 

Wir haben versucht, einesder nochunbekannteneinfach methylierten 
Hypoxanthine darzustellen, bei denen das Methyl im Pyrimidinkern 
sich befinden mußte. 

Es wurde dafür dieselbe Reaktionsfolge benutzt, die zum Hypo- 
xanthin selbst geführt hatte, nur daß statt des Schwefelharnstoffes 
dessen Monomethylderivat als Ausgangsmaterial diente. 

Der Methylschwefelharnstoff reagiert mit Natriumcyanessigester 
beim Kochen in alkoholischer Lösung unter Alkoholabspaltung und 
Ringschluß. Es bildet sich dabei das in Alkohol schwer lösliche 
Natriumsalz des 3-Methyl-4-amino-6-oxy-2-thiopyrimidins®), das auch 
als 3-Methyl-4-amino-2-thiouracil aufgefaßt werden kann. 


NH3a COOCsHz NH co 
sc - CH, = &HOH-+ 0 CH, bezw. 
NH (CH5) CN N (CH,)—C=NH 
——C (OH) NH: co 
sc CH bezw. sh CH 
No) _UNE, NH) nn, 


In diesem Kondensationsprodukte war die Stellung des Methyls 
zunächst zweifelhaft. 

Je nach der Art, in der sich der Methylschwefelharnstoff an den 
Cyanessigester anlagert, konnte der entstehende Körper entweder an 
erster oder an dritter Stelle methyliert sein. 

Um diese Frage zu entscheiden, wurde der Körper durch wieder- 
holtes Eindampfen mit 3% iger Wasserstoffsuperoxydlösung vom Schwefel 
befreit. Der farblose Rückstand wurde aus Wasser umkrystallisiert 
und erwies sich identisch mit dem von W. Traube) früher dar- 


1) Ber. d. d. chem. Ges. 30, S. 2409. 

2) Ber. d. d. chem. Ges. 31, S. 113. 

3) Streng genommen, läßt sich diese Verbindung nicht auf den Typus 
des Pyrimidins zurückführen; nur um die Analogie mit den entsprechenden 
nichtmethylierten Verbindungen zum Ausdruck zu bringen, ist diese Be- 
zeichnung übernommen. 

4) Ber. d. d. chem. Ges. 33, 3039. 


14 W. Traube u. F. Winter: 3-Methylhypoxanthin. 


Pr 


gestellten 3-Methyl-4-amino-2, 6-dioxypyrimidin, wie aus direkter Ver- 
gleichung beider Körper hervorging. Aus dieser Uebereinstimmung‘ 
ist mit Sicherheit zu schließen, daß auch der schwefelhaltige Körper, 
ebenso wie das aus diesem gewonnene, später zu beschreibende Methyl- 
hypoxanthin, das Methyl an dritter Stelle enthält. 

Salpetrige Säure wirkt in der Kälte, rascher beim schwachen 
Erwärmen, auf das 3-Methyl-4-amino-6-oxy-2-thiopyrimidin ein, unter 
Wasserabspaltung und Entstehung einer gut krystallisierenden Iso- 
nitrosoverbindung, die mit Alkalien tief rot gefärbte Salze bildet. 


NH Or: NIE age 
| | | | 
Be Cr +O0NOH „ — „H0O,178.6 C=NOH 
| | | 
N (CH;)--C=NH N (CH) — C=NH 


Durch Kochen mit gelbem Schwefelammon wird diese Isonitroso- 
verbindung zu einem Diamin, dem 3-Methyl-4, 5-diamino-2-thiouracil, 
oder 3-Methyl-4, 5-diamino-6-oxy-2-thiopyrimidin reduziert. 


No 3 ER 

| | 

sc ART ie bezw. HS—C ie 
| | 
N(CH,)—C—NH; N(CHs)—C—NH3 


Dasselbe wurde zur Ueberführung in ein Monoformylderivat 
mehrere Stunden lang mit konzentrierter Ameisensäure am Rückfluß- 
kühler gekocht. Der Formylkörper schied dabei sich zum Teil schon 
während des Kochens in der Hauptmenge beim Erkalten der Lösung 
als gelber krystallinischer Niederschlag ab. 


N co N. co 
| F | Kia 
HS—C GE +HOOCH = 0 + E C-N<oyo 
| | 
N(CH3)—C—NH3 N(CH,)—C—NB; 


Die Verbindung verlor beim Erhitzen selbst auf hohe Temperatur 
kein Wasser; um die Wasserabspaltung und damit den Ringschluß 
zum Purinderivat zu bewerkstelligen, wurde der Körper zuerst in sein 
Kaliumsalz übergeführt, das beim darauffolgenden Erhitzen bei ca. 250° 
ein Molekül Wasser abgab. 


N——00 = 23 .b = 
I | H | 

HS-C c-NH—C< gr H0 + Be RN 
| | 
N(CH,J)—CNHs N(CH)—C-N 


Aus dem so erhaltenen Kaliumsalze ließ sich das Thiohypoxanthin 
durch verdünnte Säure abscheiden. 


W. Traube u. F. Winter: 3-Metbylhypoxanthin. 15 


Zur Entfernung des Schwefels haben wir den letzteren Körper 
mit 25%,iger Salpetersäure auf dem Wasserbade erwärmt. Dabei wird 
der Schwefel vollständig zu Schwefelsäure oxydiert, und an die Stelle 
der Hydrosulfürgruppe im Tbiohypoxanthin tritt ein Wasserstoffatom. 

Der entstandene schwefelfreie Körper ist das 3-Methylhypoxanthin: 


N co 
I dt 

H-C C-NH_ 
N(CH,)—C— N”, 


3-Methyl-4-amino-6-oxy-2-thiopyrimidin: C;H-N3 OS. 


10 g Methylschwefelharnstoff wurden zu einer Lösung von 2,6g 
Natrium in 65 ccm absolutem Alkohol gegeben und dem Gemisch 
12,6 g Cyanessigester zugefügt. Es entstand eine klare Lösung, die 
am Rückflußkühler ca. vier Stunden lang gekocht wurde. Während 
des Kochens schieden sich an den Wänden des Gefäßes allmählich 
krystallinische Krusten ab, deren Stärke beim Abkühlen der Lösung 
beträchtlich zunahm. Nach dem völligen Erkalten wurde der Alkohol 
von dem Niederschlage abgegossen und auf einem Uhrglase auf dem 
Wasserbade verdampft. Der Abdampfrückstand sowie der Niederschlag 
wurden in Wasser gelöst und mit verdünnter Essigsäure angesäuert. 
Es entstand ein Niederschlag, und schließlich erstarrte die ganze Masse 
zu einem dicken Brei farbloser Krystalle. Diese wurden durch Ab- 
saugen von der Flüssigkeit getrennt, und mit Wasser, Alkohol und 
Aether gewaschen. Aus 10 g Methylschwefelharnstoff wurden ca. 17 g 
des Kondensationsproduktes erhalten. Der Körper löst sich leicht in 
heißem Wasser und krystallisiert daraus in schönen farblosen Nadeln. 
Zur Analyse wurde er bei 150° getrocknet. 


1. 0,2136 g Substanz gaben 0,2999 g COs und 0,088 g Ha0. 


2. 0,1134 „ - „ 26,4 cem N (750 mm, 18°). 
3. 0,2128 „ A „ . 0,3122 g BaSO,. 
Berechnet für C;H-N30S: Gefunden: 
C 38,21 38,28% 
H 445 4,57, 
N 26,75 26,54 „ 
S 20,38 20,15 „. 


3-Methyl-4-imino-5-isonitroso-6-0oxy-2-thiopyrimidin: C; H, N; OsS. 


5 g des Kondensationsproduktes wurden in der berechneten Menge 
Normalnatronlauge gelöst, mit etwas mehr als der berechneten Menge 
Natriumnitrit — 2,4 g NaNO,; — versetzt und zu der Lösung ein 
‚großer Ueberschuß von Essigsäure, etwa das Zehn- bis Zwölffache der 


16 W. Traube u. F. Winter: 3-Methylhypoxanthin. 


berechneten Menge, gegeben. Die Flüssigkeit färbte sich bald tief 
violett, während der beim Säurezusatz entstandene dicke Niederschlag 
anfangs rosa gefärbt war. Erst beim längeren Stehen nahm der Nieder- 
schlag eine violettgrüne Färbung an, die nach dem Trocknen des 
Körpers an die Farbe des Zinkstaubes erinnerte. Gegen Ende der 
Reaktion, deren Dauer zwischen vier und sechs Stunden schwankte, 
wurde das Gemisch auf dem Wasserbade gelinde erwärmt. Stärkeres 
Erwärmen am Anfang des Versuches und größerer Säureüberschuß 
beschleunigten die Reaktion, beeinträchtigten jedock die Ausbeute. 
Bei der angegebenen Versuchsanordnung war die Ausbeute nahezu 
quantitativ. Nach beendeter Reaktion wurde der Isonitrosokörper 
durch Absaugen von der Flüssigkeit getrennt und mit kaltem Wasser 
und darauf mit Alkohol und Aether gewaschen. In viel kochendem 
Wasser löst sich der Körper und krystallisiert beim Erkalten aus der 
Lösung in violettgrünen Nadeln. Er bildet mit Alkalien schön rot 
gefärbte Salze, von denen das Ammoniaksalz verhältnismäßig schwer 
löslich ist. Das Baryumsalz bildet derbe braune Nadeln, die meist 
sternförmig grupviert sind. Zur Analyse wurde der Isonitrosokörper 
mehrfach aus heißem Wasser umkrystallisiert. 


1. 0,1696 g Substanz gaben 0,2018 g COs und 0,051 eg H3s0. 


2. 0,1036 „ E- „272 ccm N (756 mm, 200). 
Berechnet für C5HgN408$: Gefunden: 

+ 0::82,25 32,44% 

H 3,22 8,34 „ 

N 30,10 29,87 .- 


3-Methyl-4, 5-diamino-6-oxy-2-thiopyrimidin: C, Hs N, OS. 


Die zur Reduktion von 10 g des Isonitrosokörpers ungefähr er- 
forderliche Menge gelben Schwetelammons wurde zum Sieden erhitzt 
und der Körper portionenweise in die siedende Flüssigkeit eingetragen. 
Die Lösung färbte sich unter lebhaftem Aufschäumen sofort tiefrot, 
die Farbe schlug aber bald in Gelbbraun um. Während der Dauer der 
Reaktion, die unter beständigem schwachen Kochen ausgeführt wurde, 
prüfte man wiederholt, ob noch genügend Schwefelwasserstoff in der 
Lösung war; erforderlichenfalles mußte noch etwas Schwefelammon 
zugegeben werden. War der Isonitrosokörper vollständig in die 
Flüssigkeit eingetragen, so wurde noch so lange gekocht, bis die 
Hauptmenge des Schwefelwasserstoffs verjagt war, und der Schwefel 
sich in dichten zusammengeballten Massen abgeschieden ‚hatte. Die 
gelbe Flüssigkeit wurde schließlich noch heiß vom Schwefel abgesaugt. 
Beim Erkalten krystallisierte daraus die Diaminobase in derben gelben 
Nadeln, die sich auf dem Boden“des Gefäßes absetzten. Um die Base 


W. Traube u. F. Winter: 3-Methylhypoxanthin. 17 


vom anhaftenden Schwefel zu befreien, wurde sie mehrmals aus heißem 
Wasser umkrystallisiert. Die Krystalle zeigten auch nach dem Be- 
handeln mit Tierkohle eine schwach gelbe Färbung. Im Durchschnitt 
wurden aus 10 g Isonitrosokörper 6—7 g der Diaminobase erhalten. 
Durch Auskochen des abgeschiedenen Schwefels mit Wasser wurde 
noch eine zweite Krystallisation gewonnen. 

Die Base reduziert ammoniakalische Silberlösung schon in der 
Kälte und löst sich leicht wie in Säuren so auch in Alkalien. In 
Alkohol ist sie auch beim längeren Kochen nahezu unlöslich. 


1. 0,2336 g- Substanz gaben 0,2994 g CO3 und 0,0952 g Ha0. 


2. 0,1324 „ . „8380 ccm N (758 mm, 220). 
3. 0,3121 „ F „ 0,4197 g BaS0.. 
Berechnet für C;H3N,0S: Gefunden: 
C 34,88 34,94 9, 
H 4,65 4,53 „ 
N 32,55 32,43 „ 
S 18,60 18,46 „. 


Formylderivat des 3-Methyl-4, 5-diamino-6-0xy-2-thiopyrimidins: 
Os Hz N; Os S. 


5 g des Diamins wurden mit ungefähr der 15fachen Menge 
starker Ameisensäure 2 Stunden lang am KRückflußkühler gekocht. 
Zuerst trat Lösung ein, nach einiger Zeit schied sich in der kochenden 
Lösung ein gelber Niederschlag ab, der sich beim Abkühlen der 
Flüssigkeit beträchtlich vermehrte. Nach dem völligen Erkalten wurde 
die Säure von dem Niederschlage abgegossen und verdampft. Es hinter- 
blieb ein gelber Rückstand, der zu dem Niederschlage gefügt wurde. 
Da der Körper in Wasser und anderen Lösungsmitteln nur sehr wenig 
löslich ist, mußte er durch Umfällen gereinigt werden. Zu diesem 
Zwecke wurde er in Wasser möglichst fein verteilt und durch vor- 
sichtigen Zusatz von Natronlauge in Lösung gebracht. Die Lösung 
wurde mit Tierkohle gekocht, mit Essigsäure versetzt und rasch 
filtriert, worauf sich die Formyiverbindung wieder abschied. Wenn 
der Körper zweimal in der angegebenen Weise behandelt war, bildete 
er vollkommen farblose, feine Nadeln. Aus 5 g Diaminobase wurden 
3 g des reinen Formylkörpers erhalten. 


1. 0,122 g Substanz gaben 0,1602 g CO» und 0,0464 g H30. 


2. 0,1041, . »„ .25,7 ccm N (756 mm, 21°), 
Berechnet für CgHgN403$: Gefunden: 
C 36,00 35,81% 
H 4,00 4,22, 
N 28,00 27,94 „. 


Arch. d. Pharm. UOXXXXIV. Bds. 1. Heft. 2 


18 W. Traube u. F. Winter: 3-Methylbypoxantbin. 


3-Thiohypoxanthin: C,H,N,OS. 


Das Formylderivat selbst spaltet beim Erhitzen kein Wasser ab, 
wohl aber sein Kaliumsalz. Das Natriumsalz erwies sich als hygro- 
skopisch und war infolgedessen nicht zu verwenden. Um das Kalium- 
salz zu isolieren, wurden 3 g des Formylkörpers in der für ein Molekül 
berechneten Menge Normalkalilauge gelöst und die Lösung mit 
ca. 150 ccm absolutem Alkohol versetzt. Dabei scheidet sich das 
Kaliumsalz in langen farblosen Nadeln ab, die nach kurzer Zeit die 
ganze Flüssigkeit zu einem dicken Brei erstarren lassen. Erfolgte 
auf erneuten Alkoholzusatz keine Krystallabscheidung mehr, so wurde 
der Niederschlag durch Absaugen von der Flüssigkeit getrennt, mit 
Alkohol und Aether gewaschen und auf dem Wasserbade getrocknet. 
Hierbei gab das Salz Krystallalkohol ab und verlor beträchtlich an 
Volumen. Man trocknete sodaun den Körper noch einige Zeit bei 
120° und erhitzte ihn schließlich zwei Stunden lang im Luftbade auf 
250°, wobei ein Molekül Wasser entwich. 

3,2476 g Substanz verloren bei 2500 — 0,2535 g Hs. 

Berechnet für C,H; N,SOK + H30: Gefunden: 
Hs0 7,56 7,80%. 

Der nach dem Erhitzen verbleibende Rückstand wurde in wenig 
Wasser gelöst und aus der Lösung das Methylthiohypoxanthin durch 
verdünnte Essigsäure abgeschieden. Das Hypoxanthinderivat ist in 
Alkohol unlöslich und löst sich in Wasser und verdünnten Säuren 
auch beim längeren Kochen nur in sehr geringer Menge auf. Aus 
der heißen wässerigen Lösung krystallisiert es in großen, blätterigen 
Krystallen, die meist rosettenförmig angeordnet sind. In Alkalien ist 
es leicht löslich; durch wiederholtes Fällen aus der alkalischen Lösung 
und Behandeln mit Tierkohle wurde der Körper gereinigt und bildete 
alsdann farblose, mikroskopische Krystalle. 

1. 0,1014 g Substanz gaben 0,1475 g COz und 0,031 g Hs0. 


2. 0,1132 „ 5 „..30,5 ccm N (754 mm, 199). 
3. 0232 „ = „ 0,293 g BaS0,- 
Berechnet für C3H,N40S: Gefunden: 
C 39,56 39,66 % 
H 3,29 339, 
N 30,77 30,71, 
Ss 17,58 17.34.. 


3-Methylhypoxanthin: C,H, N4O. - 


Zur Entfernung des Schwefels aus dem Methylthiohypoxanthin 
wurde 1 g Substanz auf einem Uhrglase mit 5 ccm 25%iger Salpeter- 
säure übergossen und auf dem Wasserbade gelinde erwärmt. Dabei 


W. Traube u. F. Winter: 3-Methylhypoxanthin. 19 


löste sich die Substanz in der Säure, und es trat eine heftige Ent- 
wickelung von Stickstoffdioxyd ein. Solange die lebhafte Gasentwickelung 
anhielt, mußte die Lösung vom Wasserbade entfernt werden. Alsdann 
wurde noch so lange auf dem Wasserbade unter Umrühren erwärmt, 
bis nur noch vereinzelte Gasblasen in der Flüssigkeit aufstiegen. Die 
Lösung wurde filtriert, mit Ammoniak übersättigt, nochmals filtriert 
und auf einem Uhrglase zur Trockne eingedampft. Der Rückstand, 
aus 3-Methylhypoxanthin und Ammoniumsalzen bestehend, war schwach 
gelb gefärbt. Er wurde mit kaltem Wasser ausgezogen und enthielt 
dann keinen Schwefel mehr. Das neue Methylhypoxanthin ist in 
heißem Wasser ziemlich leicht löslich. Bei gewöhnlicher Temperatur 
löst sich ein Teil desselben in ca. 210 Teilen Wasser. Von Alkohol 
wird es auch beim längeren Kochen nur wenig aufgenommen. Zur 
Reinigung wurde es in kochendem absoluten Alkohol suspendiert und 
durch vorsichtigen Wasserzusatz in Lösung gebracht. Beim Erkalten 
schied. sich aus der Lösung das Methylhypoxanthin in feinen Nadeln 

ab, die anfänglich schwach gelb gefärbt waren, aber nach zweimaligem 
| Umkrystallisieren und Behandeln mit Tierkohle vollkommen farblos 
erschienen. Aus 3 g Methylthiohypoxanthin wurden im Durchschnitt 
1,5 g reines Methylhypoxanthin erhalten. 


1. 0,244 g Substanz gaben 0,428 g CO, und 0,0856 g Ha0. 


2. 0,138 „ : „ 441 ccm N (761 mm, 18°). 
3. 0,114 „ n »„ 370 5 nm (758 „ , 199). 
Berechnet für C,H, N40: Gefunden: 

C 48,00 47,82% 

H 4,00 3,89 „ 
36,97 

N 37,33 a 

\ 37,22 „. 


Mit Alkalien bildet das 3-Methylhypoxanthin gut krystallisierende 
Salze. Uebergießt man es mit der berechneten Menge nicht zu ver- 
dünnten Alkalis, so tritt zunächst Lösung ein, nach kurzem Stehen 
jedoch scheiden sich aus der Lösung die Salze krystallinisch ab, so 
das Ammoniaksalz in feinen verästelten Nadeln und das Naätriumsalz 
in langen, seideglänzenden Nadeln. 

Auch in verdünnten Mineralsäuren ist das 3-Methylhypoxanthin 
leicht löslich, jedoch erfolgte selbst nach längerem Stehen aus den 
Lösungen keine Krystallabscheidung. 

Durch Essigsäure wird das 3-Methylbypoxanthin aus alkalischen 
Lösungen in Form mikroskopischer Krystalle ausgefällt. 

Mit Platinchlorid entsteht beim längeren Stehen ein gelber 
Niederschlag säulenförmiger Krystalle. 

I* 


20 G. Goeßmann: Alkaloide von Anagyris foetida. 


Beim Erhitzen auf 280° zersetzt sich das Methylhypoxanthin 
langsam, ohne zu schmelzen. 

Silbernitrat fällt aus der sauren Lösung des Purinkörpers einen 
weißen, krystallinischen Niederschlag, der sich aus heißer, verdünnter 
Salpetersäure leicht umkrystallisieren läßt und unter dem Mikroskop 
in oktaädrischen Formen erscheint. 

Aus einer ammoniakalischen Lösung des Methylhypoxanthins 
scheidet Silbernitrat dagegen eine gallertartige Masse ab. 

Das Methylhypoxanthin zeigt hiernach einer Silberlösung gegen- 
über ein ähnliches Verhalten wie das Hypoxanthin selbst, welches 
bekanntlich mit Silbernitrat in saurer Lösung eine krystallinische, in 
ammoniakalischer Lösung eine amorphe Fällung gibt. 


Ueber die Alkaloide von Anagyris foetida). 
Von Dr. G. Goeßmann. 
(Eingegangen den 3. I. 1906.) 


Von der Firma E. Merck in Darmstadt wurde früher unter 
dem Namen Anagyrinum hydrobromicum ein Alkaloid in den Handel 
gebracht, das sich nach Untersuchungen von Partheil und Spasski 
(l. ec.) als nicht einheitlich erwies, sondern in Cytisin, C}ıH}4Ns0, und 
ein zweites Alkaloid von der Formel N,;Ha3N30 zerlegt werden 
konnte. Jedoch gelang es bisher nicht die letztere Base, auf welche 
sich die Bezeichnung Anagyrin übertrug, in analysierbarem Zustande 
darzustellen, vielmehr wurde die Zusammensetzung derselben nur 
indirekt ermittelt. Es mußte daher immerhin zweifelhaft erscheinen, 
ob das Anagyrin im engeren Sinne wirklich einen einheitlichen Körper 
darstelle oder noch weiter in verschiedenartige Bestandteile zerlegbar 
sei; bezw. wäre es von Interesse, dasselbe in reinem, analysierbarem, 
womöglich krystallisiertem Zustande zu erhalten. Von diesem Gesichts- 
punkte aus wurde es nicht für überflüssig gehalten, die Untersuchung 
des Anagyrins erneut in Angriff zu nehmen. 

Zur Darstellung der Rohalkaloide aus den Anagyrissamen wurde 
nach den Angaben von Partheil und Spasski (l.c.) verfahren. Die 
gereinigte, konzentrierte, schwach essigsaure Lösung der Rohalkaloide 
wurde alkalisch gemacht und wiederholt mit Chloroform ausgeschüttelt. 
Die Chloroformlösung hinterließ nach dem Abdestillieren des Chloro- 


1) Literatur: Partheil und Spasski, Apoth.-Ztg. 1895; Schmidt, 
Litterscheid und Klostermann, Arch. der Pharm. 238 (1900), 184 ff. 


G. Goeßmann: Alkaloide von Anagyris foetida. 21 


forms im Vakuumverdampfapparat das Alkaloidgemisch, COytisin und 
Anagyrin, als zähe, bräunliche Masse. 

Eine Trennung der beiden Basen wurde zunächst durch Destillation 
im Vakuum zu erreichen gesucht. Nach Entfernung geringer Mengen 
Chloroform, die von dem Alkaloidgemisch hartnäckig zurückgehalten 
werden, begann die Destillation bei: 9—10 mm Druck bei etwa 190°, 
indem die Temperatur allmählich bis auf 237° stieg. Der bei letzterer 
Temperatur übergehende Teil wurde getrennt aufgefangen. Beide 
Fraktionen waren zähe, honiggelbe, harzige Massen, die zweite etwas 
härter als die erste. Um zü prüfen, ob und inwieweit eine Trennung 
der beiden Basen gelungen sei, wurde je eine Probe der beiden 
Fraktionen in wenig sehr verdünnter Salzsäure gelöst und mit einigen 
Tropfen Quecksilberchloridlösung versetzt. (Nach Partheil und 
Spasski wird nämlich in schwach salzsaurer Lösung nur Anagyrin 
als Quecksilberdoppelsalz ausgetällt, während Cytisin in Lösung bleibt.) ° 
Da in beiden Anteilen bei gleicher Konzentration ein ziemlich gleich- 
großer Niederschlag entstand, konnte auf eine gelungene Trennung der 
beiden Alkaloide nicht geschlossen werden. Die zweite Fraktion 
wurde sodann nochmals destilliert. Sie ging zwischen 235—238° bei 
10 mm Druck gleichmäßig und anscheinend unverändert über, so daß 
also auch hierdurch eine Trennung richt erzielt werden konnte. 

Nunmehr wurde eine Trennung der beiden Alkaloide nach der 
von Partheil und Spasski angewandten Methode, welche die oben- 
erwähnte, verschiedene Löslichkeit der Quecksilberdoppelsalze in salz- 
säurehaltigem Wasser benutzt, versucht. Es wurde jedoch beobachtet, 
was auch schon Litterscheid (l. c.) feststellte, daß eine Trennung 
auf diesem Wege nicht ohne erhebliche Verluste möglich ist, weil in 
schwach salzsaurer Lösung das Mitfallen von Cytisinquecksilberchlorid 
nicht zu vermeiden ist, in stärker salzsaurer Lösung aber auch Ana- 
gyrinquecksilberchlorid löslich ist. Auch die von Litterscheid 
angewandte Reinigungsmethode durch Einleiten von Chlorwasserstoff 
in die konzentrierte alkoholische Lösung der Alkaloide ist kaum 
geeignet die Verluste zu verringern, da die Chloride der beiden 
Alkaloide nur aus sehr konzentrierter absolut alkoholischer Lösung in 
guter Ausbeute ausfallen, aber auch um so unreiner, je konzentrierter 
die Lösung ist. 

Es wurde nun versucht durch Ueberführung in die Oxyde mittels 
Wasserstoffsuperoxyd eine Trennung herbeizuführen, da Oytisinoxyd 
aus Wasser leicht krystallisiert !), Anagyrinoxydaber nach Litterscheid 


2) M. Freund und A. Friedmann, Ber. d. d. chem. Ges. 34 
(1901), 605. 


22 G. Goeßmann: Alkaloide von Anagyris foetida. 


in Wasser außerordentlich leicht löslich ist. Aber selbst nach wochen- 
langem Stehen der Lösung der Rohalkaloide in 3%igem Wasserstoff- 
superoxyd trat keine Abscheidung von Krystallen ein. 

Schließlich wurde zu der von Litterscheid nur unter Vor- 
behalt empfohlenen Trennungsmethode mittels Phenylsenföl gegriffen, 
und zwar wurden die Rohalkaloide in der gleichen Menge absoluten 
Alkohols gelöst, überschüssiges Phenylsenföl zugesetzt und drei Tage 
lang stehen gelassen. Der ausgeschiedene Phenyleytisinthioharnstoff 
wurde abgesaugt und mit Alkohol ausgewaschen. Das Filtrat wurde 
auf dem Wasserbade im Vakuum eingedampft. Der dabei hinter- 
bleibende Rückstand roch noch stark nach Phenylsenföl. Er wurde 
mit stark verdünnter Salzsäure kurze Zeit auf dem Wasserbade er- 
wärmt, wobei er sich größtenteils auflöste. Der ölige Rückstand schied 
nach dem Erkalten lange, farblose Nadeln ab, die sich als Xanthogen- 
anilid erwiesen (Schmp. 72—74°). Das Oel war überschüssiges Phenyl- 
senföl, das durch Verunreinigungen braun gefärbt war. Das in dem 
Phenyleytisinthioharnstoff enthaltene Cytisin und das in der salzsauren 
Lösung befindliche Rohanagyrin entsprachen zusammen einer Ausbeute 
von etwa 90% des angewandten Rohalkaloidgemisches. 

Die salzsaure Lösung des Rohanagyrins wurde alkalisch gemacht, 
mit Chloroform ausgeschüttelt und die Chloroformlösung im Vakuum 
eingedampft. Der Rückstand wurde im Vakuum bei 30 mm Druck 
destilliert. Schon unterhalb 200° gingen sehr geringe Mengen eines 
Körpers über, der sich in silberglänzenden Krystallschuppen an den 
Wänden der Vorlage ansetzte. Dieser Körper konnte als Diphenyl- 
thioharnstoff identifiziert werden. Die Hauptmasse des Alkaloids ging 
bei über 245° in anscheinend gleichmäßiger Zusammensetzung über. 

Das so gewonnene Alkaloid war eine spröde, honiggelbe, kolophon- 
artige Masse, die sich leicht zu einem gelblichen Pulver zerreiben ließ, 
an der Luft aber sehr schnell feucht und zäh wurde, Die Ausbeute 
an destilliertem Anagyrin betrug etwa 64% des Rohalkaloids. Alle 
Krystallisationsversuche scheiterten. 

Die Analyse des destillierten und im Vakuumexsikkator über 
Schwefelsäure, bezw. in einem Vakuum von 20 mm bei ee; getrockneten 
Alkaloids lieferte folgende Werte: 


1. 0,2004 g' Substanz gaben 0,5299 g COs und 0,1569 g Hs0. 
2. 0,2480 „ h „.1.0,6604 .:,.' 320 


3. 0,1702 ,; - „ 17 ccm feuchten Stickstoff bei 160 und 
762,5 mm eromekirstand. 


4. 0,2010 g Substanz gaben 19,7 ccm {areiiie Stickstoff bei 160 und 
771 mm Barometerstand. 


G. Goeßmann: Alkaloide von Anagyris foetida. 23 


Gefunden: Berechnet für 
K 2. 5 4. (3; Hs Ng0: 
C 72,11 72,62 _ _ 73,17% 
H 8,70 8,66 . = _ 8,94 „ 
N — _ 11,73 11,63 11,38 „. 


Diese Zahlen stehen, wie ersichtlich, nicht im Einklang mit der 
aufgestellten Formel des Anagyrins, lassen aber auch eine andere 
Formel nicht berechnen. Es lag daher die Vermutung nahe, daß das 
Alkaloid noch durch Cytisin verunreinigt sein könnte, indem vielleicht 
die Fällung des Cytisinharnstoffderivats keine vollständige war. Um 
auf Cytisin zu prüfen, wurde eine geringe Menge des Alkaloids in 
Benzol gelöst (in alkoholischer Lösung findet bei kleinen Mengen von 
Cytisin mit Phenylsenföl keine Ausscheidung von Phenylcytisinthio- 
harnstoff statt) und einige Tropfen Phenylsenföl zugesetzt. Ein Nieder- 
schlag trat auch nach längerem Stehen und bisweiligem Umschütteln 
nicht ein, wohl aber auf Zusatz von wenig Cytisin. Demnach mußte 
das Alkaloid als frei von Cytisin betrachtet werden. Ob nun etwa 
ein Gemisch verschiedener tertiärer Basen vorliegt oder ob Ver- 
unreinigungen anderer Natur vorhanden sind, müssen weitere Unter- 
suchungen lehren. Zweifellos dürfte die Phenylsenfölmethode, die von 
Litterscheid wieder verlassen wurde, zur Trennung des Cytisins 
vom Anagyrin sehr geeignet sein, indem sie durchaus befriedigende 
Ausbeuten lieferte und eine exakte Trennung des Cytisins vom 
Anagyrin gestattet. Ihr Wert wird noch durch den Umstand erhöht, 
daß es auch gelang aus dem Phenyleytisinthioharnstoff das Cytisin auf 
einfache Weise wiederzugewinnen. 

Die Zerlegung des Phenylcytisinthioharnstoffs gelang vollständig 
durch fünfstündiges Erhitzen desselben mit konzentrierter Salzsäure 
auf 150° im geschlossenen Rohr. Beim Oeffnen der Bombe machte 
sich ein starker Geruch nach Schwefelwasserstoff bemerkbar. Es hatte 
eine Ausscheidung gelblich weißer Krystallblättchen stattgefunden, die 
sich beim Verdünnen des Bombeninhaltes mit Wasser auflösten. Eine 
geringe Menge ausgeschiedenen Schwefels blieb zurück. In einem Vor- 
versuch ließ sich Anilin und Cytisin nachweisen, indem die salzsaure 
Lösung alkalisch gemacht und zuerst mit Aether, dann mit Chloroform 
ausgeschüttelt wurde. Nach Verdunsten des Aethers durch Eingießen 
in heißes Wasser konnte in letzterem Anilin durch die Chlorkalkreaktion 
nachgewiesen werden. Die Chloroformlösung hinterließ beim Eindunsten 
einen krystallinischen Rückstand, der mit Eisenchlorid eine dunkelrote 
Färbung, mit Bromwasser einen orangefarbigen Niederschlag gab 
(Cytisin). Die Reaktion bei der Aufspaltung des Phenyleytisinthio- 


24 L. Rosenthaler: Chloroform-Aether. 


harnstoffs dürfte wohl nach folgenden Gleichungen vor sich gegangen sein: 
1. OST OH.No + HCI = &H,CNS + HN: Cu H„NO-HOl. 
2. CH; CNS £ 2H30 + HCI = CO; + HS + &Hs-NHz-HCl. 


Aus der Hauptmenge der salzsauren Lösung wurde das Cytisin 
gewonnen, indem das Anilin nach dem Alkalischmachen mit Wasser- 
dämpfen abgetrieben und der Rückstand mit Chloroform ausgeschüttelt 
wurde. Beim Verdunsten des Chlorotorms im Vakuum hinterließ das- 
selbe eine gelblichweiße, krystallinische Masse. Die Ausbeute aus 
10 g Phenyleyiisinthioharnstoff betrug 5 g, entsprechend 86% der 
theoretischen. 

Zur genaueren Prüfung auf Identität und Reinheit wurden 43 g 
dieses Rückstandes zu 100 ccm Wasser gelöst und davon 10 cem nach 
der Jodeosinmethode titriert. Es wurden 22,2 cem */;o HCl zur Neu- 
tralisation verbraucht. Für 4,3 g Cytisin berechnen sich 22,6 ccm. 
Der Rückstand war also ziemlich reines Cytisin, was auch durch das 
optische Drehungsvermögen bestätigt wurde. Dasselbe war [@]p = — 119°, 
Partheil gibt für Cytisin an: [e]p = —119° 57‘. 


Mitteilungen aus dem pharmazeutischen Institut der 
Universität Strassburg i. E. 


Notiz über die beim Mischen von Chloroform und 
Aether eintretende Temperaturerhöhung. 
Von L. Rosenthaler. 
(Eingegangen den 15. I. 1906.) 


Wenn man Chloroform und Aether zusammenmischt, wie es z. B. 
für die Ausführung einiger Alkaloidbestimmungen nach dem Deutschen 
Arzneibuch nötig ist, so tritt in der Flüssigkeit stets eine Temperatur- 
erhöhung ein. Ich zweifle zwar nicht daran, .daß diese Erscheinung 
schon von allen beobachtet worden ist, welche diese Bestimmungen aus- 
geführt haben. In der Literatur scheint jedoch keine derartige Be- 
obachtung wiedergegeben zu sein. Es seien deshalb hier einige 
orientierende Versuche mitgeteilt, die ich über diesen Gegenstand an- 
gestellt habe. Verwendet wurden absolutes Chloroform (Molekular- 
gewicht 119,5) und absoluter Aether (Molekulargewicht 74). 

I. 59,5 g Chloroform und 37,0 g Aether, beide die Temperatur 
+ 15,2 besitzend, wurden mit einander gemischt. Das Thermometer 


O0. May: Sapindus Rarak’ DC. 25 


stieg auf 30,2%. Nachdem die Flüssigkeit wieder auf + 15,2° ab- 
gekühlt war, wurden nochmals 37,0 g Aether (von + 15,2°) hinzu- 
gefügt. Die Temperatur erhöhte sich nochmals auf 18°. 

II. 15,0 g Chloroform und 18,5 g Aether, beide von der Temperatur 
+ 15,1° wurden zusammengemischt. Die Temperatur stieg auf 27,1°. 
Der auf + 15,19 abgekühlten Mischung wurden nochmals 15,0 g 
Chloroform (von derselben Temperatur) hinzugefügt. Die Temperatur 
stieg auf 20,5%. Ein nochmaliger Zusatz derselben Menge Chloroform 
zu der auf + 18° abgekühlten Flüssigkeit ergab nochmals eine 
Temperatursteigerung von 2,2°, 

Bromoform und Aether geben gleichfalls beim Zusammenmischen 
eine kleine Temperaturerhöhung. 

Die Ursache der beobachteten Temperaturerhöhungen hat man 
wohl darin zu suchen, daß Aether mit diesen Körpern zu Verbindungen 
zusammentritt, in denen der Sauerstoff vierwertig ist. So ist folgender 
Vorgang denkbar: 


CaH 
E00. CH GC, — ee 
Chloroform Aether CO; H. 
Zur eingehenden Prüfung dieser Hypothese müßten u. a. genaue 


kalorimetrische Versuche angestellt werden, deren Ausführung ich 
indes gerne anderen überlasse. 


CaHs 


Mitteilungen aus dem pharmazeutischen Institut der 
Universität Strassburg i. E. 


Chemisch-pharmakognostische Untersuchung 
» der Früchte von Sapindus Rarak D(C. 


Von OÖ. May. 
(Auszug einer Inaugural-Dissertation, Straßburg 1905.) 
(Eingegangen den 18. I. 1906.) 

Sapindus Rarak DC. war wegen eines morphologischen -Unter- 
schiedes im Bau der Blüte von den älteren Botanikern aus der Gattung 
Sapindus entfernt worden. Hooker stellte für diese Art die neue 
Gattung Dittelasma auf, während Baillon sie in die Gattung Pancovia 
einreihte. Radlkofer'!) veröffentlichte im Jahre 1878 eine ein- 


gehende Untersuchung der Gattung Sapindus, die er folgendermaßen 
charakterisierte: 


1) Sitzungsber. d. matb.-physik. Klasse d. Kgl. bayer. Akad. 1878. 


26 0. May::’Sapindus Rarak DC. 


„Die Gattung Sapindus läßt sich kurz bestimmen als die Gemein- 
schaft derjenigen Sapindaceen, welche in nicht aufspringende flügellose 
Fruchtknöpfe (cocei) zerfallende, schwachdrupöse, d. h. mit einem 
dünnen Endokarpe aus bandartigen, in mehreren Lagen sich schief 
kreuzenden, sklerenchymatischen Zellen versehene Früchte besitzen 
und im Fleische dieser in größeren Parenchymzellen Saponin ent- 
halten... .. r 

Da Sapindus Rarak DC. sich dieser Charakteristik sehr gut 
unterordnete, reihte Radlkofer die Art wieder in die Gattung 
Sapindus ein, und zwar bildet sie nun mit Sapindus toment. Kurz und 
Pancovia Delawayi Franchet die 4. Sektion „Dittelasma“ der Gattung. 
Das Saponin ist aber bei den Sapindusarten nicht allein auf die Früchte 
beschränkt. Nach Radlkofer enthalten auch die Blätter solches in 
Zellen, die als kleine durchsichtige Punkte sichtbar sind. Ferner darf 
es nun wohl auch als ein regelmäßiger Bestandteil der Rinden an- 
gesehen werden, nachdem Peckolt') in der Rinde von Sapindus 
saponaria L. und ich in der von Sap. Mukorossi G@. Saponin fanden. 

Außer dieser gleichmäßigen Verteilung des Saponins in den 
Früchten, Blättern und Rinden aller Sapindusarten konnte ich in den 
Früchten einen weiteren gemeinsamen Inhaltsstoff feststellen. Sie 
enthalten relativ viel sauer phosphorsaures Salz (wahrscheinlich 
KHsPO,), und zwar konnte ich dies außer für die Früchte von Sap. 
Rarak DC. noch für die von Sap. Mukorossi G. und Sap. trifolatus 
nachweisen, so daß hiermit ein weiterer Beweis, wenn es eines solchen 
überhaupt- noch bedürfte, für die Richtigkeit der von Radlkofer 
betonten Zugehörigkeit von Sap. Rarak DC. zur Gattung Sapindus 
erbracht wäre. Da sich das sauer phosphorsaure Salz in einem 
wässerigen Auszug der Früchte sowohl durch seine stark saure 
Reaktion, als auch durch Magnesiamixtur oder molybdänsaures Ammon 
leicht nachweisen läßt, könnte es zur weiteren Charakteristik der 
Gattung herangezogen werden. In der oben angeführten von 
Radlkofer gegebenen Zusammenfassung der Merkmale der Gattung 
wäre dann hinter dem Worte „Saponin“ einzufügen: „und ein sauer 
phosphorsaures Salz, das durch Lackmus und die gewöhnlichen 
Phosphorsäurereagentien nachweisbar ist, enthalten ..... 

Die vorliegenden Früchte von Sapindus Rarak DC. waren mir 
. durch Vermittelung von Herrn Professor Schaer vom Buitenzorger 
Institut in bekannter Gefälligkeit zur Verfügung gestellt worden. 
Ihr anatomischer Bau ist dem von Radlkofer als typisch für Sapindus- 
früchte aufgestellten Bau der Früchte von Sap. saponar. L. sehr ähnlich. 


1) Ber. d. d. pharm. Ges. 1902, XII, 13. 


O0. May: Sapiodus Rarak DC. 27 


Die auseinandergefallenen drupösen Spaltfrüchte sind an den heller 
gefärbten holzigen Verwachsungsstellen dachförmig abgeplattet. Der 
Samen ist an dem zentralen Winkel der Fruchtschale befestigt und 
besitzt eine glänzend schwarze, steinharte Schale, die mit Ausnahme 
der mit langen weißen Haaren bedeckten Ansatzstelle ebenso wie die 
Fruchtschale gänzlich kahl ist. Der endo- und perispermlose Keim ist 
außerdem noch von einer braunen brüchigen Samenhaut umgeben, die 
oberhalb des Nabels eine taschenförmige Vertiefung bildet, in die das 
Würzelchen des Embryo eingebettet ist. 

Die trockenen Früchte wiegen im Mittel 3,4 g, wovon 2,2 g auf 
die fleischige Fruchtschale und 1,2g auf den Samen entfallen. Sie 
haben einen Durchmesser von 22—25 mm. . 

Die durchschnittlich 2,5 mm dicke Fruchtschale läßt schon 
makroskopisch 4 Teile unterscheiden: 1. ein hautartiges zähes dunkel 
gefärbtes Exokarp, 2. ein den größten Teil des Perikarp ausmachendes 
weiches Mesokarp, 3. ein den inneren Abschluß der Fruchtschale 
bildendes sehr resistentes Endokarp und 4. die holzige, hellbraune 
nicht differenzierte Verwachsungsstelle der Teilfrüchte. 

Das Exokarp besteht zunächst aus einer Lage stark verdickter 
Epidermiszellen, die mit einer dicken Kutikula bedeckt sind. Auf sie 
folgen 7—9 Reihen kollenchymatisch verdickter, tangential gestreckter 
Zellen, die gänzlich mit einer braunen harzartigen Substanz erfüllt sind. 

Das sich an diese Zellen anschließende Meso- oder Sarkokarp 
besteht in den äußeren Schichten gleichfalls aus tangential gestreckten 
Zellen mit stark verdickten Membranen. Nach innen zu wird das 
Lumen auf Kosten der Membran größer und die Gestalt der Zellen 
wird polyedrisch. Diese Zellen sind als der eigentliche Sitz des 
Saponins zu betrachten. Sie gaben mit konzentrierter H,SO, die 
charakteristische Farbenreaktion und zwar nimmt die Intensität der 
Färbung von außen nach innen zu. Einzelne dieser Zellen sind gänzlich 
mit Krystalldrusen oder großen Einzelkrystallen von Caleiumoxalat 
angefüllt. In ihrem Zellsafte ist außer Saponin das oben erwähnte 
sauer phosphorsaure Kalium gelöst, das sich nach Entfernung des 
Saponins mit Magnesiamixtur nachweisen läßt. Der innere Teil des 
Mesokarps ist von einem engen Gitter kollateraler Gefäßbündel durch- 
zogen, die aus meist spiralig, selten ringförmig verdickten Gefäßen und 
polyedrischen Siebröhren bestehen. 

Das Endokarp wird von einer dünnen außerordentlich zähen Haut 
gebildet. Sie besteht aus langgestreckten ring- oder schraubenförmig 
verdickten Sklerenchymzellen, die teilweise ganz mit quadratischen 
Krystallen von Caleiumoxalat angefüllt sind. H,;PO, ist in ihnen nicht 
nachzuweisen, 


28 O0. May: Sapindus Rarak DC. 


Der die Verwachsungsstelle der Fruchtwand bildende Teil läßt 
keine Differenzierung wie die oben beschriebene erkennen. Er besteht 
größtenteils aus langgestreckten verholzten Zellen mit sehr kleinem 
Lumen und wenigen Steinzellen, sowie aus dem Frruchtstiel kommenden 
Gefäßbündeln, die von langen Parenchymzellen begleitet werden. 

Die Epidermis der steinharten Samenschale besteht aus 5 Reihen 
regelmäßig sechskantiger radial gestreckter Säulenzellen mit stark 
verdickten Membranen. Die daran anschließenden Zellen der Mittel- 
schicht, die gleichfalls stark verdickte Membranen haben, sind außen 
wie die Epidermiszellen radial gestreckt und gehen allmählich in 
polyedrische über. Die innerste nur durch ein loses Gewebe mit der 
harten Schale verbundene spröde Samenhaut besteht aus einer Lage 
runder Faserzellen mit relativ großem Lumen und mehreren Reihen 
regelmäßig nebeneinander gelagerter kleiner Parenchymzellen. An dem 
Nabel durchbricht sie auch die äußeren Schichten und nimmt die aus 
dem Fruchtstiel eintretenden Gefäßbündel auf. 

Der Embryo, der kein Nährgewebe besitzt, wird von einer dünnen 
Kutikula umgeben. Die fleischig öligen Kotyledonen bestehen aus 
dünnwandigen, großlumigen polyedrischen Zellen, in denen sich zahl- 
reiche Oeltröpfchen, Stärke und Proteinkörner erkennen lassen. Kon- 
zentrierte H,SO, gibt nur eine schwache Saponinreaktion. 


Darstellung des Saponins aus den Fruchtschalen von Sapindus 
Rarak DC. 


Zu den Schwierigkeiten, die die Reindarstellung von Saponin 
infolge seiner chemisch - physikalischen Eigenschaften schon im all- 
gemeinen zu bereiten pflegen, kamen bei Verarbeitung der Fruchtschalen 
von Sap. Rarak DC. noch zwei weitere hinzu, wodurch die Isolierung 
bezw. Reinigung des darin enthaltenen Saponins außerordentlich er- 
schwert war. 

In erster Linie war die bereits erwähnte Anwesenheit des sauer 
phosphorsauren Salzes sehr störend, da dieses schon bei schwachem 
Erwärmen des Materials partielle Spaltung des Saponins bewirkte. 
Versuche, die harzigen Inhaltsstoffe der Fruchtschalen durch kalte 
Extraktion im Flückiger’schen Extraktionsapparate oder im Perkolator 
durch geeignete Lösungsmittel zu beseitigen, scheiterten an der großen 
Hygroskopität und der damit zusammenhängenden Neigung zum 
Zusammenbacken der gepulverten Droge. Ich war deshalb auf warme 
Extraktion angewiesen, die ich mit 90%igem Alkohol vornahm, nach- 
dem ich vorher durch Zusatz von Magnesiumoxyd die Säure neutralisiert 
hatte. Aus den alkoholischen Auszügen suchte ich nach Möglichkeit 
die harzigen Verunreinigungen durch Schütteln mit Petroläther zu 


0. May: Sapiedus Rarak DC. 29 


entfernen, bevor ich durch Zusatz von Aether das Saponin ausfällte. 
Die zweite der angedeuteten Schwierigkeiten lag. in der verminderten 
Reaktionsfähigkeit des so gewonnenen Rohsaponins gegenüber basischem 
Bleiacetat und Baryumhydroxyd. Ich konnte infolgedessen die auf diesen 
Salzen basierende Blei- resp. Barytmethode nicht zur Reinigung meines 
Saponins anwenden. Versuche, Magnesiumoxyd, Zink- oder Aluminium- 
hydroxyd zur Reinigung heranzuziehen, verliefen resultatlos, dagegen 
gelangte ich durch längeres Kochen alkoholischer Lösungen mit 
neutralem Bleihydroxyd zu einem fast reinen Präparat, das ich durch 
fraktionierte Fällung alkoholischer Lösungen durch Aether vollends 
reinigte. Es gelang mir so, allerdings unter großem Substanzverlust, 
genügende Mengen eines tadellos weißen und, soweit es sich bei Saponin 
beurteilen läßt, analysenreinen Produktes darzustellen. 


Eigenschaften und Reaktionen des Sapindussaponins. 


Das Saponin aus Sap. Rarak DC. ist, wie die meisten bis jetzt 
dargestellten Saponine, amorph und gleicht ihnen auch in seinen 
anderen Eigenschaften. Wässerige Lösungen schäumen in Verdünnungen 
1:10000 noch deutlich. Seine Löslichkeitsverhältnisse sind folgende: 
Wasser in allen Verhältnissen, Methylalkohol 4,61%, Aethylalkohol 
absol. 1,75%, derselbe 96%ig 2,86% (Lösungsvermögen mit H30-Gehalt 
steigend), Amylalkohol (spez. Gew. 0,82) 0,2% Aceton (spez. Gew. 
0,798) 0,17%. In Aether, Petroläther, Essigäther, Chloroform, Benzol 
und Schwefelkohlenstoff ist es völlig unlöslich. ‚ 

Die Untersuchung der physiologischen Wirkung meines Saponins 
hatte Herr Prof. Kobert in freundlichster Weise übernommen, wofür 
ich ihm auch an dieser Stelle bestens danke. Als Grenze der hämo- 
lytischen Wirkung ergibt sich nach seinen Versuchen: 1. für l1%iges 
Hundeblut: für völlige Lösung eine Verdünnung des Saponins 1:15000, 
für teilweise Lösung eine Verdünnung 1:25000; 2. für 1%iges Kaninchen- 
blut: für völlige Lösung eine Verdünnung 1:12000 und für teilweise 
Lösung eine solche von 1:20000. 

Von den Reaktionen meines Saponins sei nur erwähnt, daß 
basisches Bleiacetat und Baryumnydroxyd zwar Niederschläge er- 
zeugen, die aber nicht entfernt quantitativ ausfallen, also weder zur 
Reinigung des Rohsaponins noch zur quantitativen Bestimmung des 
Saponins in der Droge benutzt werden können. Doppeltchromsaures 
Kali spaltet analog dem sauerphosphorsauren Kali Saponinlösungen beim 
Erwärmen, da in beiden Fällen durch Hydrolyse freie Säure entsteht. 
Die übrigen Reaktionen sind den bereits früher für andere Saponin- 
substanzen beschriebenen sehr .ähnlich. 


30 O0. May: Sapindus Rarak DC. 


Elementaranalysen. 


Die Verbrennungen führte ich im Bajonettrohre unter Zuhilfe- 
nahme von Sauerstoff und eines Gemisches von Bleichromat (90%) und 
Kaliumdichromat (10%) nach dem von Rosenthaler!) angegebenen 
Verfahren aus und erhielt folgende Resultate: 

1 0,1878 g Saponin lieferten 0,3455 g COz und 0,1231 g Ha0. 


2. 0,2011 „ E $ 0,3697 „ „ 01837 ,ERS.; 

3. 0,1850 „ $ = 0,3436 „ „ „0 BA Ro, 

4. 0,1616 „ = u 0,2985 5,75 „« "OD 

In 100 Teilen: 

E 2. 3. 4, Mittel: Berechnet für Cs Hsg 010: 
C 5017 50,1 50,64 50,37 50,32 50,53 
H 080 734...807....760 7,57 7,36 
0 42,56 42,56 41,29 42,08 42,11 42,11. 


Acetylierung des Sapindussaponins. 


Zur Einführung von Acetylgruppen erhitzte ich 3 g Saponin 
mit 3 g entwässertem Natriumacetat und 18 g Essigsäureanhydrid 
4 Stunden im Glyzerinbad auf 110° bezw. 120°. Den durch Eingießen 
des Reaktionsgemisches in Wasser abgeschiedenen Ester entfärbte ich 
durch Erhitzen mit Kohle in alkoholischer Lösung am Rückflußkühler 
und filtrierte die alkoholische Lösung dann in mit HCl angesäuertes 
Wasser, wobei der Ester als weißer flockiger Niederschlag ausfiel. 
Den Niederschlag wusch ich auf dem Filter bis zum Verschwinden 
der sauren Reaktion aus, löste ihn in Aether und schüttelte diese 
Lösung mehrmals mit Wasser aus. Nach freiwilligem Verdunsten des 
Aethers blieb der Ester als rein weiße amorphe Masse zurück. In 
- den meisten organischen Lösungsmitteln ist er leicht löslich, doch 
scheidet er sich immer wieder amorph ab. Nur aus einer gesättigten 
Eisessiglösung erhielt ich einzelne schlecht ausgebildete Nädelchen. 
In Wasser ist er völlig unlöslich, Durch Kali-, Natron- und Baryt- 
lauge wird er verseift. 


Elementaranalysen des Acetylesters. 
1. 0,2234 g Substanz lieferten 0,4341 g COa und 0,1321 g Hs0. 


BrIOHHUR, A % 033 
3. 0,1762 „ 5 $ 0,3448:5>'',: yeiDjloBsn, u 
In 100 Teilen: 
i; 2. 8: Mittel: Berechnet für Cjs Hgg Oju (OCCHz)e 
C 52,9 5327 53,31 53,18 53,16 
H 656 6,43 6,64 6,54 6,33 
O0 40,49 40,30 40,05 40,28 40,51. 


1) Dieses Archiv 1905, Heft 7. 


O0. May: Sapindus Rarak DC. 31 


Mafsanalytische Bestimmung der Acetylgruppen. 


Zur Verseifung des Esters erhitzte ich ihn in alkoholischer Lösung 
mit % N.-KOH im Ueberschuß am Rückflußkühler % Stünde auf dem 
Wasserbade und titrierte nach Erkalten unter Benutzung von Phenol- 
phthalein als Indikator mit % N.-HCl zurück. Es verbrauchten: 

1. 0,1984 g Ester 3,9 com %, N.-KOH = 0,1092 KOH, entsprechend 
0,1170 CH, COOH. 

2. 0,2178 g Ester 42 cem % N.-KOH = 0,1174 KOH, entsprechend 
0,126 CH, COOH. 

3. 0,8342 g Ester 16,0 ccm % N.-KOH = 0,448 KOH, entsprechend 
0,48 CH, COOH. 

In Analyse No. 3 bestimmte ich die Essigsäure zur Kontrolle noch 
durch Destillation mit Wasserdampf. Zur Neutralisation des Destillats ver- 
brauchte ich 

4, (0,8342 g Ester) 15,8 ccm 14 N.-KOH = 0,4424 KOH, entsprechend 
0,4732 CHz COOH. 


Unter Zugrundelegung der Formel Cjs Haa 010 (OC CH;3), mit dem 
Molekulargewicht 632 würden darin enthalten sein nach 


1. PA 7 4. Mittel: Berechnet: 
372 365 364 358 364,7 360 Essigsäure. 


Bestimmung der Molekulargröfse des Acetylesters. 


Die Molekulargewichtsbestimmungen führte ich nach der kryo- 
skopischen Methode in Benzollösungen aus. Die angegebenen Daten 
sind jeweils Mittel von drei gut übereinstimmenden Ablesungen. 

Konstante für Benzol K — 5000. 


Ester (p) | Benzol (G) Erniedrg. (E) | M= = = 
1. 0,14i8 g 9,85 g 0,070 1028 

2. 0,2208 „ Di. 0,110 896 
3. 0,772 „ 20,85 „ 0,20 930 


Da eine Differenz von 0,005° schon einen Unterschied von 
nahezu 50 des KResultates bewirkt, sind die scheinbar großen 
Schwankungen zwischen den einzelnen Bestimmungen erklärlich. 
Rosenthaler!) fand für einen aus Gypsophila-Saponin hergestellten 
Ester ganz ähnliche Werte (955, 877, 1003). Als Mittel aus obigen 
drei Bestimmungen ergibt sich M = 951, woraus folgt, daß das Molekül 
des Esters aus dem 1% fachen der aus der Elementaranalyse berechneten 
Formel Cs Haas O1, (OCCH;3);; M = 632 besteht. Ich stellte deshalb 


1) Disses Archiv 1905, Heft 7. 


32 O0. Mai: Sapindus Rarak Di 


für das Saponin aus Sapindus Rarak DC. die Formel O4 H4501; auf, 
in der 9 Hydroxylwasserstoffatome durch Acetyl ersetzbar sind, unter 
Bildung des Esters Ca, H33 01; (OCCH3;);; M = 948. 

Weil!) gibt für sein aus den Früchten von Sap. Mukorossi G, 
hergestelltes Saponin Cj7 Has O,, als Elementarzusammensetzung an. 
“ Kruskal?) hatte für sein aus Sap. saponar. L. dargestelltes Saponin, 
das dem meinigen in physiologischer Beziehung nach Prof. Kobert 
sehr ähnlich ist, zunächst die Formel Oje Hs, O0 aufgestellt, die sich 
nur durch ein Mehr von 1 H von der meinigen unterscheidet. Er 
änderte jedoch später?) unter der Annahme, daß je 2 Mol. Saponin 
noch 1 Mol. HsO gebunden hielten, seine ursprüngliche Formel und 
gab der Formel Cj7 Has 0,0 (resp. 207 Has 010 + H3s0) den Vorzug. 
Die angeführten Analysenresultate meines Saponins und seines Esters 
in Verbindung mit den Molekulargewichtsbestimmungen veranlaßten 
mich an der von mir aufgestellten Formel Os H,O}, festzuhalten, 
wenn es auch keinem Zweifel unterliegen dürfte, daß die drei bis jetzt 
untersuchten Sapindussaponine sowohl physiologisch als auch chemisch 
nahe mit einander verwandt sind, was letzteres wiederum für die 
Zugehörigkeit von Sapindus Rarak DC. zur Gattung Sapindus spricht. 


Die Spaltungsprodukte des Sapindussaponins. 


Ich spaltete mein Saponin durch Erwärmen mit 5%iger HCl 
oder H;SO, am Rückflußkühler, bis im Filtrat des Sapogenins kein 
Zucker mehr nachzuweisen war. Die Menge des Sapogenins betrug 
nach einmaliger Reinigung durch Eingießen der alkoholischen Lösung 
in Wasser im Mittel von mehreren quantitativ ausgeführten Spaltungen 
19,8% des angewandten Saponins. Zur Darstellung eines analysenreinen 
Präparates führte ich das Sapogenin nach Entfärbung mit Tierkohle in 
die Bleiverbindung über und regenerierte es daraus mit Schwefelsäure, 


Elementaranalysen des Sapogenins. 
1. 0,1576 g Substanz lieferten 0,3960 g CO; und 0,1219 g Hs0. 


2. 0,2185 „ * * 0,5, 0,1701 „ r 
3. 0,241 „ r 2 0,6041 „om split, 
In 100 Teilen: 
1; 2, 3. Mittel: Berechnet für C4Bg0: 
C 68,52 68,40 68,32 68,41 68,57 
H 859 864 8,84 8,69 8,57 
0 22,89 22,96 22,84 22,90 22,86. 


1) Beitr. zur Kenntnis der Saponinsubst. u. ihre Verbrtg. Inaug.-Diss. 
Straßburg 1901. 

2) Kruskal, Ueber einige Saponinsubstanzen. Inaug. -Diss, Dorpat 1890. 

8) Arbeiten des pharmakol. Instituts Dorpat. No. VI. Stuttgart 1891. 


OÖ. Mai: Sapindus Rarak DC. 33 - 


Bestimmung der Molekulargröfse des Sapogenins. 


Die Bestimmungen führte ich nach der kryoskopischen Methode 
unter Benutzung von Eisessig als Lösungsmittel aus. 
Konstante für Eisessig 3900. 


| | . 
Sapogerin (p) Eisessig (G) Erriedrg. (EM —= „B:p“ 


| E-G 
| | urTT 
1. 0,1937 22,00 0,14 | 236 
2. 0,1712 13,30 | 0,22 228 
3. 0,2118 18,04 0215 | 212 
Mittel — 225. 


Da die nach der Elementaranalyse berechnete Formel C,H,0 
nur ein Molekulargewicht von 70 hat, kommt dem Sapogenin das 
Dreifache dieser Formel, also Cs H}s O3; M = 210 zu. 

Aus ea. 5 g des bei der Spaltung erhaltenen Zuckers stellte ich 
durch 2stündiges Erwärmen mit 10 g salzsaurem Phenylhydrazin, 15 g 
essigsaurem Natrium und 100 g Wasser die Osazone dar. Ihr Schmelz- 
punkt lag bei 180%. Durch ca. 50maliges Umkrystallisieren teils aus 
Wasser, teils aus verdünntem Weingeist, gelang es mir, daraus zwei 
Osazone zu isolieren, deren Schmelzpunkte bei 160 und 196° lagen, 
also einem Pentosazon und Hexosazon entsprachen. Der normal bei 
205° liegende Schmelzpunkt des Hexosazons ist offenbar durch geringe 
Beimengung von Pentosazon beeinflußt, doch war die Menge der 
Fraktionen am Schlusse so klein geworden, daß ein weiteres Um- 
krystallisieren unmöglich war. 

Zur quantitativen Bestimmung der Pentose benutzte ich die von 
Krüger und Tollens!) angegebene Salzsäure-Phloroglueidmethode. 
Die Hexose bestimmte ich mit dem Lohnstein'schen Gärungs- 
saccharimeter. 


1. 1,263 g Saponin lieferten 0,298 g Phloroglucid, die 0,3313 g oder 
26,23% Arabinose entsprechen. 


2. 1,234 g Saponin lieferten 0,292 g Phloroglucid, die 0,3247 g oder 
26,31% Arabinose entsprechen. 


3. 1,344 g Saponin enthielten 0,41 g oder 30,51% Hexose. 

4. 1.234 g Saponin enthielten 0,3896 g oder 31,49% Hexose. 

Unter Zugrundelegung der Formel Cs, H,0,; berechnen sich 
bei einem Gehalt von je einem Molekül Pentose und Hexose in einem 
Saponinmolekül 26,36% Pentose und 31,58% Hexose, womit die erhaltenen 
Resultate hinreichend übereinstimmen, um die Anwesenheit je eines 


Pentose- und Hexosemoleküls in dem Saponinmolekül als erwiesen zu 
erachten. 


1, Grünhut, Ztschr. f. anal. Chemie 1901, S. 554. 
Arch. d. Pharm. COXXXXIV. Bds. 1. Heft. 3 


34 O0. Mai: Sapindus Rarak DC. 


Quantitative Bestimmung des Saponins und der anorganischen Bestandteile 
der Fruchtschale. 

Drei quantitative Bestimmungen des Saponins, die ich durch 
Ausziehen der Fruchtschalen mit Methylalkohol und Reinigen des 
Rohsaponins nach der Alkoholmethode BUHEN ergaben im Mittel 
einen Gehalt von 13,5%. 

Die Fruchtschalen enthalten 2,3% Asche, in der K, Na, Ca, Mg, 
Spuren von Fe und Mn, ferner HsSO,, H; PO, und Spuren von HCl 
nachzuweisen waren. 

Wegen des für die Sapindusfrüchte charakteristischen Gehaltes 
an sauer phosphorsaurem Salz, bestimmte ich den Phosphorsäuregehalt 
der Asche quantitativ. Sie enthält 22,16%. 


Untersuchung des Oels der Samen von Sapindus Rarak DC. 

Der von der Schale befreite Embryo enthält 26,17% eines gelben, 
nicht trocknenden Oels vom spez. Gew. 0,911 bei 15° C. 

Die Bestimmung der Konstanten und Variabeln ergab folgende 
Werte: 


Säurezahl »s1=.013!5 1% 5,345; Jodzahlusti . OEL id Deigans: 
Verseifungszahl . . . 170,21; Reichert Meißl’sche Zahl 0,7; 
Aetherzahll . . . .. 164,865; Hehner’sche Zahl . . . 80,05. 


Die aus dem Oele isolierten wasserunlöslichen Fettsäuren hatten 
bei 15° ©. eine halbweiche butterartige Konsistenz und waren gelblich- 
braun getärbt. Ihre Neutralisationszahl betrug 189,45, einem mittleren 
Molekulargewichte von 296,8 entsprechend, die Jodzahl des Fettsäure- 
gemisches betrug 73,48, woraus sich auf einen Gehalt von 80,5% Oel- 
säure schließen läßt. Zur Trennung der gesättigten Fettsäuren von 
den ungesättigten benutzte ich die von Farnsteiner!) angegebene 
Methode, die hierzu die verschiedenen Löslichkeitsverhältnisse der 
fettsauren Bleisalze in Benzol verwendet. Die Jodzahl der ungesättigten 
Fettsäure betrug 82,81, ein Beweis, daß außer Oelsäure keine höhere 
ungesättigte Fettsäure vorhanden war, da sich sonst eine höhere Jod- 
zahl ergeben müßte. Die Identität der Oelsäure stellte ich außerdem 
noch durch ihre Ueberführung in Elaidinsäure mittels HNOs und durch 
Analyse ihres Baryumsalzes fest. 1,35 g des Baryumsalzes in Benzol 
gelöst, im Scheidetrichter quantitativ mit verdünnter HCl zersetzt, die 
wässerige Lösung heiß mit Hz SO, versetzt, lieterten 0,5545 BaSO, = 
0,3263 Ba. Das hieraus berechnete Molekulargewicht der Säure von 
284,2 stimmt mit dem theoretischen der Oelsäure (282) hinreichend 
überein, um in Verbindung mit der Jodzahl die Abwesenheit einer 
zweiten ungesättigten Säure neben Oelsäure zu beweisen, 


1) Zeitschrift f. Unters. d. Nahr.- u. Genußm. 1898, S. 394, 


v. Pieverling: Hydrargyrum oxycyanatum. 35 


Der Schmelzpunkt der gesättigten Säuren lag bei 57°. Ihre 
Trennung nahm ich durch fraktionierte Fällung der alkoholischen Fett- 
säurelösung mit Magnesiumacetat vor'), wobei ich nach öfterem Um- 
krystallisieren 2 Fraktionen erhielt, die konstant bei 61,5° und 70,8° 
schmolzen, also aus Palmitin- und Stearinsäure bestanden. Nach 
Benedict-Ulzer?) besteht ein Gemisch aus diesen Säuren vom 
Schmp. 57,50 aus 20% Stearin- und 80% Palmitinsäure. Die wasser- 
unlöslichen Fettsäuren des Samens von Sapindus Rarak DC. bestehen 
demnach aus 80,5% Oelsäure, 15,6% Palmitinsäure und 3,9% Stearinsäure, 


Hyärargyrum ER a 
Von Dr. v. Pieverling. 
(Eingegangen den 19. I. 1906.) 


In der kürzlich erschienenen Abhandlung über den antiseptischen 
Wert des Quecksilberoxycyanids, veröffentlicht im Archiv d. Pharm. 
Bd. 243, S. 673, kommt K. Holdermann, anschließend an eine von 
mir in früheren Jahren der Fachliteratur übergebenen Notiz, welche 
einer verlassenen Versuchsperiode angehört, zu der unzutreffenden 
Annahme, meine Pastili hydrargyri oxycyanati seien zur Erhöhung 
der Löslichkeit unter Zusatz von Natriumchlorid hergestellt. 
K. Holdermann scheint demnach meine Pastillen seit Jahren nicht 
in Händen gehabt und von meinem in der Pharm. Centralhalle 1901, 
XLIL, S. 449 abgedruckten Bericht keine Kenntnis zu haben. Denn 
seit dieser Zeit, und auch schon etwas früher, etwa seit den im Jahre 
1899 von v. Sicherer im hygienischen Institut der Universität 
München durchgeführten Untersuchungen über den antiseptischen 
Wert des Quecksilberoxycyanids, enthalten meine Pastillen Natrium- 
chlorid überhaupt nicht mehr. Die Folgerungen und Bemerkungen, 
die Holdermann seiner verdienstlichen Betrachtung über die Ver- 
wendung von Natriumchlorid zur Darstellung leicht löslicher Oxycyanid- 
pastillen anfügt, sind demnach unter der als irrig bezeichneten Voraus- 
setzung, sofern dieselben auf meine im Umlauf befindlichen Pastillen 
bezogen werden wollten, hinfällig. 

Durch Holdermann’s Ausführungen erscheint im weiteren-der 
Hinweis angeregt, daß nach Chibret (Jahresber. d. Fortschr. d. Med, 
1888, 1390) das Quecksilberoxycyanid sechsmal, nach Merck’s Index 
(1897) zehnmal stärker antiseptisch wirkt als Sublimat. Auch Boer 

1) Heintz, Journal f. prakt. Chemie LXVI, 1. 

2) Benedict-Ulzer, Analyse der Fette u. Wachsarten IV. Aufl., S. 230. 

53* 


36 v. Pieverling: Hydrargyrum oxycyanatum. 


(Med.-chirurg. Rundsch. 1891) u. a. berichten, daß dieses Quecksilber- 
salz als stärkeres Antiseptikum sich erweist als Sublimat. Th. Paul 
und B. Kroenig teilen diese Meinung in Bezug auf die sporentötende 
Kraft desselben nicht. Die Dissertationsschrift Koehler’s, der an- 
scheinend zu ähnlichen Ergebnissen gelangt ist, wie die vorgenannten, 
ist mir nicht bekannt. In der Chem.-Ztg. 1899 habe ich im Anschluß 
an die für mich entscheidenden Untersuchungen v. Sicherer’s hervor- 
gehoben, daß die sporentötende Kraft des Quecksilberoxyeyanids 
geringer ist als die des Sublimats. 

Wenn dieser je nach den Ansprüchen bestehenden Divergenz 
der Meinungen unerachtet die Verwertung des Oxyceyanids als Anti- 
septikum in steter Zunahme begriffen ist und von zahlreichen Chirurgen, 
welche seit Jahren meine Pastillen ausschließlich verwenden, aus 
praktischen Erfahrungen heraus durch die befriedigendsten Urteile 
gefördert wird, so muß angenommen werden, daß nicht die keim- 
tötende Energie allein, wie beim experimentellen Versuch in Bezug 
auf das vergleichsweise erforderliche Zeitmaß, sondern auch andere 
spezifische Eigenschaften des Salzes, so namentlich eine eminent ent- 
wickelungshemmende Kraft für den Wert und den Erfolg 
desselben als Antiseptikum in Betracht kommen, und daß besonders 
mit der letzteren den Anforderungen der Praxis in höherem Maße 
gedient ist. Hierfür spricht u. a. die Tatsache, daß kein Geringerer 
als Lister schon im Jahre 1889 auf die außerordentlich hohe ent- 
wickelungshemmende Energie der Quecksilbercyaniddoppelsalze hin- 
gewiesen und dieselben bei voller Würdigung ihrer geringeren sporen- 
tötenden Eigenschaft gleichwohl als die besten Antiseptika empfohlen 
und verwertet hat. Für das Oxycyanid im besonderen bestätigt 
v. Sicherer (Münch. Med. Wochenschr. No. 29, 1900) diese hervor- 
ragende Eigenschaft durch den zur Vermeidung von Fehlerquellen bei 
vergleichenden Keimversuchen nötigen, nachdrucksamen Hinweis, daß 
Spuren nicht beseitigter Oxycyanidlösung (1:500, ohne Natriumchlorid) 
genügen, um die durch die vorausgegangene Desinfektion in dieser 
Lösung geschwächten Bakterien (Staphylokokken, Milzbrandsporen) 
am Auskeimen im Thermostaten zu verhindern. 

Nach den bisherigen günstigen Erfahrungen vieler Jahre erscheint 
es nicht angezeigt, eine Verstärkung der von Chibret als ausreichend 
bezeichneten Lösung von 1:1000—1500 allgemein zu befürworten. 
Für besondere Zwecke, zur Behandlung von Lues, Blennorrhoea 
ndonatorum, Fisteln u. a. kommen ohnedem beträchtlich stärkere 
Lösungen zur Anwendung. Quecksilbercyanid für sich veranlaßt nach 
vielfältigen Beobachtungen starke Reizerscheinungen und übertrifft 
das basische Oxycyanid erheblich an Giftwirkung. 


P. Echtermeier: Chinasäure. 37 


Mitteilung aus dem pharmazeutischen Institute 
der Herzoglichen technischen Hochschule zu Braunschweig. 
Von H. Beckurts. 


Beiträge zur Kenntnis der Chinasäure. 


Von P. Echtermeier, 
(Eingegangen den 24. I. 1906.) 


Untersuchungen über die Chinasäure liegen in reicher Zahl vor, 
da dieselbe wegen ihrer großen Verbreitung in der Natur schon lange 
das Interesse der Forscher erweckte. Im Jahre 1790 wurde sie von 
Hofmann in den Chinarinden!) entdeckt. Später wurde sie auch in 
den Kaffeebohnen?), im Heidelbeerkraut®), Wiesenheut) und in den 
Blättern der Zuckerrüben’) aufgefunden. 

Mit der Aufklärung und Konstitution der Chinasäure beschäftigten 
sich namentlich Vauquelin®), Liebig und Wöhler’), Baup, 
Hesse°), und diese stellten verschiedene Formeln dafür auf. Aber 
erst in neuerer Zeit gelang es durch die Arbeiten von R. Fittig und 
W.F.Hildebrand°), Erwig und Koenigs'®), sowie von Eykmann!') 
mit Sicherheit die Konstitution der Chinasäure festzustellen. 

Durch Einwirkung von Essigsäureanhydrid auf Chinasäureäthyl- 
ester stellten Fittig und Hildebrand den Tetraacetylchinasäure- 
äthylester?) dar, und später gelang es Erwig und Koenigs die 
freie Tetraacetylchinasäure'?) zu erhalten. Durch genannte Forscher 
wurde festgelegt, daß die Chinasäure außer der Karboxylgruppe noch 
vier alkoholische Hydroxylgruppen enthält. 

Was die Stellung der Hydroxyle anbetrifft, so ergibt sich aus 
der Bildung von Protokatechusäure'*), welche durch Einwirkung von 


1) Crell’s Ann. 2, 314. 

2) Zwenger u. Siebert, Ann. Chem. 1, 77. 
8) Zwenger, Ann. Chem. 115, 108. 

4) Loew, Jr. pr. (2), 19, 310. 

5) v. Lippmann, Ber. 34, 1159 (1901). 

6) Annales de chimie et de physique (1), 59, 162. 
7) Ann. Chem. 51, 146. 

®) Ann. Chem. 110, 336. 

9) Ann. Chem. 193, 194. 

10) Ber. 22, 1461. 

11) Ber. 24, 1297. 

12) Ann. Chem. 193, 194 (1878). 

18) Ber. 22, 1457 (1889). 

14) Ann. Chem. 193, 197, 200, 232, 


38 P. Echtermeier: Chinasäure. 


Bromwasserstoffsäure oder Bromwasser auf Chinasäure unter Ab- 
spaltung von Wasser und Benzoesäure nach folgender Formel entsteht: 
daß sich eine Hydroxylgruppe in y-Stellung zur Karboxylgruppe be- 
finden muß. Eine andere nimmt die Stellung neben der Karboxyl- 
gruppe ein, während die dritte sich zu dieser in Para-Stellung befindet, 
da die Chinasäure die Eigenschaft hat, leicht Kohlensäure abzuspalten, 
sich also wie eine «-Oxysäure verhält und beim Erhitzen mit kon- 
zentrierter Schwefelsäure in Hydrochinondisulfosäure verwandelt wird. 
Nachdem Eykmann!) durch Vergleiche der Leitfähigkeit der China- 
säure mit anderen Oxysäuren festgestellt hat, daß sich die vierte 
Hydroxylgruppe in B-Stellung zur Karboxylgruppe befindet, muß der 
Chinasäure eine der beiden folgenden Formeln zugeschrieben werden: 


1. u. 
CH-OH CH-OH 
Ei EA 
HsC\ JCH-OH OH-HC| CH, 
OH-0-C0OH OH-0-C0OH 


Sie ist demnach die einbasische, fünfwertige Säure des Hexa- 
hydrobenzols, also eine Tetraoxyzyklohexankarbonsäure. 

Da das pharmazeutische Institut eine größere Menge chemisch 
reiner Chinasäure von der hiesigen Chininfabrik erhalten hatte, habe 
ich auf Veranlassung des Herrn Geh. Medizinalrat Professor 
Dr. H. Beckurts eine Untersuchung der Säure angestellt und bei 
dieser Gelegenheit teilweise schon bekannte Derivate einer noch- 
maligen Prüfung unterzogen. 

Die zu den folgenden Versuchen re Säure war aus China- 
rinden gewonnen und, vermutlich über das Caleiumsalz hinweg ge- 
reinigt, in schönen, großen monoklinen Prismen vom Schmp. 162° 
erhalten worden. 

Da die sogenannte Chinarinde außer einem Gerbstoff und der 
Chinasäure verschiedene Basen enthält, die wegen ihrer therapeutischen 
Wirkung große Wichtigkeit erlangt haben und vermutlich in Form 
chinasaurer Salze in der Rinde vorliegen, habe ich einige dieser Salze 
dargestellt. Die chinasauren Alkaloide zeigen große Unterschiede in 
Beziehung auf ihr Krystallisationsvermögen und ihren Wassergehalt. 
Größtenteils bilden sie Sirupe, die manchmal erst nach monatelangem 
Stehen im Exsikkator über Schwefelsäure in fester Form erhalten 
werden konnten. 


1) Ber. 24, 1300 (1891). 


P. Echtermeier: Chinasäure. 39 


Cinchoninsalz der Chinasäure: C,H430g- CH NaO + 10H30. 


Zur Darstellung des Salzes wurden 3 g Cinchonin in Alkohol 
gelöst und zu dieser Lösung 2 g Chinasäure in wässeriger Lösung 
hinzugefügt. Der Alkohol wurde auf dem Wasserbade verdunstet, 
und der Rückstand im Exsikkator der Ruhe überlassen. Nach Verlauf 
einiger Wochen schied sich das Cinchoninsalz in weißen, warzen- 
förmigen Gebilden ab. Es ist leicht löslich in Wasser und Alkohol, 
fast unlöslich in Aether. Gegen 190° färbt es sich braun und schmilzt 
unter Zersetzung bei 195—196° zu einer braunroten Flüssigkeit zu- 


sammen. z 
Analysen: 

0,1428 g des bei 1500 getrockneten Salzes gaben 0,3348 g COg = 
63,95 % C und 0,0814 g H30 = 6,33 % H. 


Berechnet für die Formel Cy,Hz4Na07: Gefunden: 
Cyg = 312 = 64,19% 63,95% 
Hy 5 346,99, 6,33 „ 
Ns = 28==75,7%6 „ E= 
u: ig, Yu 
486 — 99,98%, 


1. 0,3142 g der wasserhaltigen Substanz gaben bei 190 und 765 mm 
Druck 11,8 ccm feuchten N = 433% N. 

2. 0,4373 g gaben bei 160 und 770 mm Druck 15,8 ccm feuchten N = 
427%, N. | 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
[07 Ha4Na 07 + 10 H;0: 1. 2. 
N = 420% 4,33 4,27%. 


Chinidinsalz der Chinasäure: [67 H330s- Oro H>4N3 03 -)- 2Hs0. 


2g Chinasäure und 3,37 g Chinidin wurden in heißem Wasser 
in Lösung gebracht, filtriert und, um eine ölige Abscheidung des Salzes 
zu vermeiden, mit Alkohol versetzt. Nach einiger Zeit schied sich 
das Salz im Exsikkator in Gestalt warzenförmiger Krystalle aus, 
welche bei 178—179° schmolzen. Diese waren leicht löslich in Wasser 
und Alkohol, unlöslich in Aether. 

Analysen: 

1. 4,0478 g Substanz verloren beim Erhitzen auf 1500 0,2722 g H,O = 
6,72% Hs0. 

2. 0,2544 g der wässerhaltigen Substanz gaben bei 190 und 765 mm 
Druck 11 ccm feuchten N = 5,01% N. 


Berechnet für die Formel Gefunden: 
Cr Has Na Og + 2Hs0: 13 2. 
H30 —= 6,52% 6,2% — 


N“ 2507, = Wbotg. 


40 P. Echtermeier: Chinasäure. 


Cinchonidinsalz der Chinasäure: C-H}30g: CıoHaaNaO + 4H50. 


Eine wässerige Lösung der Chinasäure wurde mit der berechneten 
Menge alkoholischer Cinchonidinlösung versetzt. Die Mischung wurde 
heiß filtriert und der Alkohol auf dem Wasserbade verdunstet. Beim 
Erkalten schieden sich perlmutterartig glänzende Nadeln aus, welche 
sich gegen 210° braun färbten und unter Zersetzung bei 216° 
schmolzen. Sie waren leicht löslich in Alkohol und Wasser, schwer 
löslich in Aether. Das chinasaure Cinchönidin unterscheidet sich von 
den im vorhergehenden beschriebenen Alkaloidsalzen wesentlich durch 
sein ausgeprägtes Krystallisationsvermögen, während die anderen Salze 
erst nach längerer Zeit, öfter erst nach monatelangem Stehen im 
Exsikkator über Schwefelsäure nur mühsam zur Krystallisation 
gebracht werden konnten, scheidet sich das chinasaure Cinchonidin 
bereits schon nach Verlauf einiger Stunden in Krystallen aus. 

Analysen: 

1. 0,3246 g Substanz gaben bei 190 und 762 mm Druck 13,5 ccm 
feuchten N = 479% N. 

2. 0,3020 g Substanz gaben bei 140 und 768 mm Druck 12,6 ccm 
feuchten N = 4,96 4% N. 


Berechnet für die Formel Gefunden: 
Cog Hg Na 07 + 4 Hs0: j; 2. 
Co = 312 = 55,91% —_ _ 
Er ER — —: 
Na. 128, — 5,02, 479 4,96% 
On = 176 = 31,54, — _ 

558 = 99,98% 


Chininsalz der Chinasäure: O,H150g: CaoHs4aNa03 + 3H;0. 

Das Chininsalz erhält man leicht, wenn man die berechneten 
Mengen von Chinasäure und Chinin unter Erwärmen in Wasser löst. 
Beim Erkalten der Lösung scheidet sich das Salz nach mehrstündigem 
Stehen aus der braun gefärbten Lösung in Gestalt brauner Blättchen 
ab. Diese wurden aus Wasser unter Zusatz von Tierkohle um- 
krystallisiert und so in weißen sternförmigen Krystallen erhalten. Sie 
schmolzen bei 187—188° zu einer braunen Flüssigkeit zusammen. 

Analysen: 

1. 1,8568 g lufttrockene Substanz verloren beim Erhitzen auf 1400 
0,1726 g H,O = 9,29%. 

2. 0,3988 g lufttrockene Substanz gaben bei 230 und 750 mm Druck 
17 ccm Stickstoff —= 4,73%. 


Berechnet für die Formel Gefunden: 
Cor Hs; N90g E= 3H50: }. 2; 
H50 = 9,47% 929% —_ 


N =49, — 4,739, 


P. Echtermeier: Chinasäure. 41 


Außerdem wurde dargestellt das: 
Strychninsalz der Chinasäure: C,H;30g: Caı HsaNa03 + H30. 


Dieses Salz wurde in derselben Weise wie die vorhergehenden 
dargestellt. Es erstarrt nach längerer Zeit im Exsikkator zu einer 
weißen, steinharten Krystallmasse.. In Alkohol und Wasser ist es 
leicht löslich, unlöslich in Aether. 

Analysen: 

1. 0,2253 g Substanz gaben 0,5071 g COg —= 61,39% C und 0,1349 g H,O 
= 6,65% H. 

2. 0,3636 g Substanz gaben bei 170 und 756 mm Druck 14,8 ccm 
feuchten N = 4,7% N. 


Berechnet für die Formel Gefunden: 
Cog Has Na Og En Hs0: 1. 2. 
Co = 336 —= 61,76% 61,39% _ 
He = 36 = 6,62, 6,65 „ — 
Ns ='28 =' 514, _ 4,7% 
0, = 144 = 26,46 „ _ 2 

544 — 99,989, 


Silbersalz der Chinasäure: (OH), C,H, COO Ag. 


Dasselbe wurde schon früher von Woskresensky, Baup und 
Clemm untersucht und analysiert. Diese haben es durch Umsetzung 
der Säure mit Silberkarbonat erhalten. Ich habe es folgendermaßen 
dargestellt: Eine wässerige Lösung der Chinasäure wurde mit etwas 
mehr als der berechneten Menge frisch gefällten Silberoxyds versetzt 
und unter stetem Umrühren solange auf dem Wasserbade gelinde er- 
wärmt, bis neutrale Reaktion eintrat. Alsdann wurde vom über- 
schüssigen Silberoxyd abfiltriert und die Lösung auf flachen Schalen 
an einem dunkelen Orte der freiwilligen Verdunstung überlassen. Es 
wurde so in weißen, warzenförmigen Gebilden erhalten, die sich am 
Licht bald gelb färbten. (Erwähnt sei noch, daß ich das Natriumsalz 
auch, allerdings erst nach neun Monate langem Stehen im Vakuum- 
exsikkator, fest erhalten habe. Das Kalium- und Ammoniumsalz konnte 
nicht krystallisiert gewonnen werden.) 


Chinasäuremethylester: (OH),C,H7COOCH;. 


Da der Aethylester‘) der Chinasäure einen etwas gelblich ge- 
färbten Sirup bildet, der auch nach monatelangem Stehen im Vakuum- 
exsikkator über Schwefelsäure nicht zur Krystallisation gebracht werden 
konnte und daher nur schwer rein zu erhalten ist, versuchte ich, ob 


1) Hesse, Ann. Chem, 110, 340. 


42 P. Echtermeier: Chinasäure. 


der bisher in der Literatur noch nicht beschriebene Methylester etwa 
Krystallisationsvermögen zeigen würde, Die Darstellung desselben 
geschah durch Umsetzung von chinasaurem Silber und Jodmethyl in 
methylalkoholischer Lösung in folgender Weise: 

20 g chinasaures Silber wurden in ca. 70 g Methylalkohol 
suspendiert und mit 15 g Jodmethyl versetzt. Das Gemisch wurde 
auf dem Wasserbade mehrere Stunden in einem mit Rückflußküblung 
versehenen Kolben erhitzt. Alsdann wurde noch heiß vom abgeschiedenen 
Jodsilber abfiltriert und mehrmals mit heißem Metbylalkohol nach- 
gewaschen. Der Alkohol wurde auf dem Wasserbade verdunstet und 
.der zurückbleibende etwas gelblich gefärbte Sirup im Exsikkator über 
Schwefelsäure zur Krystallisation der Ruhe überlassen. Nach ungefähr 
5 Tagen erstarrte der Rückstand zu einer weißen, strahligen Krystall- ° 
masse. Dieselbe wurde zur Reinigung auf Tonscherben gestrichen und 
nach dem Trocknen aus Methylalkohol unter Zusatz von Tierkohle 
umkrystallisiert. Es resultierten so kleine weiße Nadeln, welche nach 
wiederholtem Umkrystallisieren aus Methylalkohol gegen 126° zu einer 
milchigen Flüssigkeit zusammenschmolzen, die erst bei 142—143° klar 
wurde. Der Methylester ist leicht löslich in Wasser, Methyl- und 
Aethylalkohol, unlöslich in Aether, Benzol und Petroläther. 

Analyse: 

0,1573 g Substanz gaben 0,2681 g CO; = 46,48% C und 0,0975 g H>0 

= 1,07% :H. 


Berechnet für die Formel (OH)4 C,H7 COO CH3: Gefunden: 
GG =% = 46,60% 46,48% 
Bir 14-0680, 7,07 „ 
a Da 15: LE 
206 = 100,00% 


Phenylester der Chinasäure: (OH), 0, Hr COO Cs H;. 


Im allgemeinen lassen sich die Phenylester der aliphatischen 
sowie der aromatischen Säuren leicht nach der Methode von Seifert!) 
durch Erhitzen von 1 Mol. Phosphoroxychlorid auf 3 Mol. der Säure 
und 3 Mol. Phenol auf ca. 125° gewinnen. Trotz zahlreicher Versuche 
bei Innehaltung verschiedener Temperaturen gelang es mir bis jetzt 
noch nicht den Phenylester analysenrein und in guter Ausbeute zu 
erhalten. Als Reaktionsprodukt erhielt ich bei ca. 125° ein gelbes 
Oel, welches beim Erkalten zu einer gelben, harten, glasartigen Masse 
erstarrte. Dieselbe war leicht löslich in Wasser, unlöslich in Aether. 
Beim Kochen mit viel Alkohol ging ein Teil in Lösung, der sich beim 
Versetzen mit Aether als ein weißes, flockiges Pulver abschied. Dasselbe 


1) Jr. pr. Ch. (2) 31, 472. 


P. Echtermeier: Ühinasäure, 43 


wär äußerst hygroskopisch und zersetzte sich bei 122° unter lebhaftem 
Aufschäumen. In kleiner Menge erhielt ich aus der alkoholischen Lösung 
noch einen in schönen, derben Nadeln krystallisierenden Körper, derselbe 
schmolz scharf bei 151—152°. Welcher von beiden der Phenylester 
ist, konnte wegen der geringen Menge nicht entschieden werden. Ich 
hoffe aber demnächst weiteres darüber berichten zu können. Vermutlich 
hat sich außer dem Phenylester der Phosphorsäureester der China- 
säure gebildet. 


Einwirkung von Ammoniak auf Chinasäuremethylester. 


Um das Amid der Chinasäure zu erhalten wurden 5 g Chinasäure- 
methylester in einer Stöpselflasche mit konzentriertem Ammoniak 
mehrere Stunden mittels Schüttelmaschine geschüttelt und alsdann zur 
Seite gestellt. Da sich nach einigen Tagen keine Krystalle abgeschieden 
hatten, wurde die Lösung auf flache Teller gegossen und an einem 
säurefreiem Orte der freiwilligen Verdunstung überlassen. Es hinter- 
blieb ein etwas gelblich getärbter Sirup, der auch beim längeren Stehen 
im Vakuumexsikkator nicht zum Krystallisieren gebracht werden 
konnte. Ich versuchte nun durch Erhitzen des Esters mit Ammoniak, 
sowohl im offenen wie im geschlossenen Gefäß, zum Amid zu gelangen. 
In beiden Fällen resultierte wieder ein nicht krystallisierendes Oel, 
das nicht analysenrein erhalten werden konnte. 


Einwirkung von Hydrazinhydrat auf Chinasäuremethylester. 


Die Einwirkung von Hydrazinhydrat auf den Methylester wurde 
in dem Sinne unternommen, um nach der bekannten Curtius’schen 
Synthese!) über das Säurehydrazid und Azid hinweg die Karboxyl- 
gruppe der Chinasäure durch die Amidogruppe zu ersetzen. Da der 
Methylester in der Kälte, nicht mit Hydrazinhydrat reagierte, wurde 
er in absoluten Alkohol gelöst und mit etwas mehr als der berechneten 
Menge Hydrazinhydrat versetzt und diese Mischung einige Stunden 
auf dem Wasserbade unter Rückflußkühlung erhitzt. Da keine Aus- 
scheidung von Krystallen erfolgte, wurde die Lösung durch Erhitzen 
auf dem Wasserbade vom Alkohol befreit. Es, resultierte ein gelb- 
braun gefärbtes Oel, welches nicht zum Erstarren gebracht werden 
konnte. Beim Schütteln der wässerigen Lösung des Oeles mit Benz- 
aldehyd schied sich ein gelber, flockiger Niederschlag ab, er zeigte 
den Schmp. 93°, bestand also aus Benzalazin. Es hatte folglich keine 
Einwirkung stattgefunden. 


1) Jr. pr. Ch. (2), 50, 275 (189). 


44 P. Echtermeier: Chinasäure. 


Verhalten des Chinasäuremethylesters gegen Phenylhydrazin und Anilin. 


Versuche, welche ich unter verschiedenen Bedingungen anstellte, 
um Phenylhydrazin und Anilin mit dem Chinasäuremethylester in 
Reaktion zu versetzen, verliefen nicht besser als bei der Anwendung 
von Ammoniak und Hydrazinhydrat. In beiden Fällen wurden wieder 
gefärbte Sirupe erhalten, die zwar nach längerer Zeit erstarrten, aber 
durch Umkrystallisieren nicht analysenrein erhalten werden konnten. 

Da die geplanten Umsetzungen mit dem Methylester der China- 
säure erfolglos verlaufen waren, versuchte ich das Chlorid der China- 
säure darzustellen, um aus diesem durch Umsetzung die gewünschten 
Körper zu erhalten. Wie Graebe!) gezeigt hat, wirkt Phosphor- 
pentachlorid zerstörend auf Chinasäure, unter Bildung von Metachlor- 
benzoylchlorid, ein. Es wurde daher zur beabsichtigten Darstellung 
des Chlorides die Methode von Hans Meyer?) angewandt. Diese 
beruht auf der Umsetzung der Säure oder eines Salzes derselben 
mittelst Thionylchlorid und wurde oft mit gutem Erfolg zur Gewinnung 
der Chloride von Oxysäuren angewandt, wo hingegen die Anwendung 
von Phosphorpentachlorid ergebnislos verlief oder zerstörend wirkte. 

Beim mehrstündigen Erhitzen der Chinasäure mit der sechsfachen 
Menge Thionylchlorid trat weder Reaktion noch Lösung der Säure 
ein. Nachdem auch dieser Versuch leider zu einem negativen Resultate 
führte, stellte ich die Tetraacetylchinasäure®), die Erwig und Koenigs 
durch Einwirkung von Chinasäure mit Essigsäureanhydrid bei Gegen- 
wart von Zinkchlorid erhalten hatten, in größerer Menge dar, in der 
Hoffnung aus derselben das Chlorid mittelst Thionylchlorid zu gewinnen 
und daraus durch Umsetzung mit geeigneten Körpern und späterer 
vorsichtiger Verseifung zu den gewünschten Körpern der Chinasäure 
zu gelangen. Bei dieser Gelegenheit habe ich auch die Tetraacetyl- 
chinasäure, sowie deren Derivate einer eingehenden Untersuchung 
unterworfen und bin dabei zu denselben Resultaten wie Erwig und 
Koenigs gelangt. 

Zur Darstellung der Tetraacetylchinasäure verfuhr ich 
nach dem von Erwig und Koenigs angegebenen Verfahren: 5g fein 
gepulver#te Chinasäure wurden mit 20 ccm Essigsäureanhydrid und 
einem erbsengroßen Stück Zinkchlorid erhitzt. Nach ungefähr zehn 
Minuten trat unter heftiger Reaktion Lösung der Chinasäure ein. Die 
Lösung wurde noch !/, Stunde im Sieden erhalten und dann durch 
wiederholtes Abdampfen unter Zusatz von Alkohol vom überschüssigen 


1) Ann. Chem. 138, 197. 
2) Monatsh. Chem. 22, 109. 
8) Ber. 22, 1461. 


P. Echtermeier: Chinasäure. 45 


Essigsäureanhydrid befreit. Es hinterblieb ein dickflüssiger, gelbbraun 
gefärbter Rückstand, derselbe wurde mit Aether aufgenommen und 
mehrmals mit Wasser gewaschen. Die ätherische Lösung wurde mit 
verdünnter Sodalösung bis zum Verschwinden der sauren Reaktion im 
Scheidetrichter geschüttelt und nach Trennung von der ätherischen Schicht 
mit verdünnter Schwefelsäure angesäuert. Das sich abscheidende heligelb 
gefärbte Oel wurde wieder mit Aether aufgenommen und die ätherische 
Lösung nach wiederholtem Waschen mit Wasser über Chlorcaleium ge- 
trocknet. Beim Verdunsten des Aethers im Vakuumexsikkator resultierte 
zunächst ein zähes Oel, welches allmählich krystallisiert erstarrte und nach 
dem Abpressen mittelst Filtrierpapier den Schmp. 132—136° zeigte, 
also mit dem von Erwig und Koenigs für Tetraacetylchinasäure 
gefundenen übereinstimmte. Aus der neutral reagierenden Aether- 
lösung wurde nach Verdampfen des Aethers in geringer Menge ein 
krystallinisches Produkt gewonnen, welches bereits nach einmaligem 
Umkrystallisieren aus Alkohol in schönen krystallinen Nadeln vom 
Schmelzpunkt 132° erhalten wurde, folglich aus Triacetylchinid 
bestand. Zur näheren Charakterisierung wurde noch der Aethyl- 
ester aus tetraacetylchinasaurem Silber und Jodäthyl dargestellt. 
Derselbe wurde in schönen Krystallen aus Aetherlösung erhalten und 
schmolz bei 135—136°, der Schmelzpunkt stimmte demnach mit dem 
von Erwig und Koenigs angegebenen überein. 

Der Methylester der Tetraacetylchinasäure wurde durch Um- 
setzung aus dem Silbersalz mit Methyljodid als ein etwas gelblich 


gefärbter Sirup erhalten, der trotz monatelargem Stehen im Exsikkator 
nicht fest wurde. 


Phenylester der Tetraacetylchinasäure: (C3H3 05), CsH; COO Cs H;. 


Wie schon erwähnt, gelang es nicht den Phenylester der China- 
säure. in befriedigender Ausbeute zu erhalten, da vermutlich die bei 
der Reaktion entstandene Phosphorsäure esterifizierend oder abspaltend 
auf die freien Hydroxylgruppen eingewirkt hatte. Durch Acetylierung 
der Hydroxyle mußte die schädliche Wirkung der Phosphorsäure auf- 
gehoben werden, da nicht anzunehmen war, daß bei der in Betracht 
kommenden Temperatur eine Abspaltung der Acetylgruppen eintreten 
würde. Der Versuch bestätigte diese Annahme. Der Phenylester der 
Tetraacetylchinasäure wurde nach der Methode von Seifert!) auf 
folgende Weise in guter Ausbeute erhalten: 

5 g Tetraacetylchinasäure wurden mit der berechneten Menge 
Phenol in einem Reagensglase im Oelbade auf ca. 125° erhitzt. Das 


1) Jr. pr. Ch. (2), 31, 472. 


46 P. Echtermeier: Chinasäure. 


geschmolzene, etwas rötlich gefärbte Gemisch wurde mit einigen Tropfen 
Phosphoroxychlorid nach und nach versetzt. Es trat sofort Reaktion 
unter Entwickelung von Salzsänredämpfen ein; das Produkt wurde 
noch solange erhitzt, bis keine Salzsäure mehr entwich und dann zur 
Befreiung von gebildeter Phosphorsäure in Wasser gegossen. Das 
sich ‘ausscheidende rötlich gefärbte Oel wurde wiederholt mit Wasser 
gewaschen und dann aus verdünntem Alkohol umkrystallisiert, in 
Gestalt derber, farbloser Krystalle erhalten, diese zeigten den Schmp. 163°. 
Nach dreimaligem Umkrystallisieren schmolzen sie scharf bei 167° und 
waren leicht löslich in heißem Alkohol und Eisessig, unlöslich in kaltem 
Wasser und Aether. 
Analysen: 

1. 0,1349 g Substanz gaben 0,2877 g CO, —= 58,23% C und 0,0572 g H50 
— 471% H 

ir 0,1532 g Substanz gaben 0,3227 g 009 = 57,45% C und 0,0792 g H,O 
= 5,04%H 


Berechnet für die Formel Gefunden: 
(CyHs 03)4 0, Hr 161010107: H;: l- 2, 
(a — 252 = 51,19% 58,23 57,45% 
Hay 24, 560, 4,71. 0,49, 
Op 160) = 36,410, = — 
436 — 99,99% 


Einwirkung von Thionylchlorid auf tetraacetylchinasaures Silber. 


5 g Silbersalz wurden in einem mit Rückflußkühler versehenen 
Kölbchen mit Thionylchlorid versetzt. Es trat sofort lebhafte Reaktion 
und Erhitzung unter Entwickelung von schwefliger Säure und Ab- 
scheidung von Chlorsilber ein. Die Erhitzung wurde durch Kühlung 
gemindert, und das Gemisch nach Beendigung der Hauptreaktion noch 
einige Zeit auf dem Wasserbade erhitzt. Die Flüssigkeit wurde über 
Glaswolle abfiltriert und das überschüssige Thionylchlorid unter Er- 
wärmen auf 40° im Vakuum entfernt. Es hinterblieb eine etwas gelb 
gefärbte, zähe Masse. Es gelang mir aber bis jetzt noch nicht das 
Chlorid näher zu charakterisieren. 


Versuche der Benzoylierung der Chinasäure. 


Um einen weiteren Beweis über die Anwesenheit der vier 
Hydroxylgruppen in der Chinasäure zu liefern, habe ich diese unter 
verschiedenen Bedingungen zu benzoylieren versucht und bin dabei zu 
verschiedenen Resultaten gelangt. Die Benzoylierung wurde 1. nach 
Schotten-Baumann, 2. durch Erhitzen eines Gemisches von 1 Mol. 
Chinasäure mit 4 Mol. Benzoylchlorid auf 130—140°, 3. nach 


P. Echtermeier: Chinasäure. 47 


Denninger') in Pyridinlösung, 4. durch Erhitzen über freier Flamme 
von 1 Mol. Chinasäure und 4 bezw. 6 Mol. Benzoylchlorid bei Gegenwart 
von Zinkchlorid ausgeführt. Letzterer Versuch wurde in der Absicht 
unternommen, daß bei Gegenwart von Salzsäuredämpfen und höherer 
Temperatur Kohlensäureabspaltung stattfände und man vielleicht auf 
diese Weise zu dem noch unbekannten benzoylierten Tetraoxyhexa- 
hydrobenzol gelangen würde, oder sich bei Anwesenheit von Zinkchlorid 
Kondensationsprodukte bilden würden. 


1. Benzoylierung nach Schotten-Baumann. 


Diese Methode erwies sich bei der Benzoylierung der Chinasäure 
nicht für zweckmäßig, da durch die Natronlauge teilweise wieder Ab- 
spaltung der eingetretenen Benzoylgruppen stattfand. 


2. Einwirkung von 4 Mol. Benzoylchlorid auf 1 Mol. 
Chinasäure bei einer Temperatur von 130— 140°, 


15 g feingepulverte Chinasäure wurden in einem mit Rückfluß- 
kühlung versehenen Kolben mit 45 g Benzoylchlorid versetzt und 
zunächst vorsichtig im Oelbade erhitzt. Bei ungefähr 130° trat Ent- 
wickelung von Salzsäuredämpfen ein, die in großer Menge aus dem 
wit einem Chlorcaleiumrohre versehenen Kühlrohre entwichen. Das 
Gemisch wurde häufig umgeschüttelt und nach Beendigung der Haupt- 
reaktion noch solange auf 140° erhitzt, bis sämtliche Chinasäure in 
Lösung gegangen und keine Salzsäureentwickelung mehr auftrat. Im 
oberen Teile des Kolbens, sowie im Kühlrohre hatten sich in geringer 
Menge glänzende, weiße Nadeln abgeschieden, die bei 120—121° 
schmolzen und aus Benzoesäure bestanden. Beim Erkalten erstarrte 
der Kolbeninhalt zu einem weißen porzellanartigen Kuchen. Dieser 
wurde zur Entfernung von noch enthaltender Benzoesäure und Salz- 
säure solange mit Wasser gekocht, bis Silbernitratlösung im Weasch- 
wasser keine Trübung mehr hervorrief. Das schneeweiße, zurück- 
bleibende Produkt wurde in Aether gelöst und die ätherische Lösung 
bis zur neutralen Reaktion mit verdünnter Sodalösung im Scheide- 
trichter. durchgeschüttelt. Es bildeten sich so drei Schichten. Die 
unterste bestand aus einem zähflüssigen Oele, die mittlere enthielt die 
Sodalösung, während die obere Schicht die ätherische Lösung war. 

Das zähflüssige Oel erstarrte nach einiger Zeit zu einer weißen 
Krystallmasse, welche schwer löslich in kaltem Wasser und unlöslich 
in Aether war. Zur Entfernung von etwa beigemengtem benzoesaurem 
Natrium wurde diese wiederholt mit Wasser gewaschen und zur 


1) Ber. 28, 1322 (1895). 


48 P. Echtermeier: Chinasäure. 


weiteren Reinigung von anderen vielleicht beigemengten Produkten 
mit Aether ausgezogen. 

Die Elementaranalyse der bei 90° bis zur Gewichtskonstanz 
getrockneten Substanz ergab folgende Werte: 


0,2483 g Substanz gaben 0,6100 g COg = 67,00% C und 0,1062g Hs0 
—. 44% H: 


Berechnet für die Formel (C7 H5, 09), CsH7CO0O Na: Gefunden: 
C = 66,66% 67,00% 
H.—= A2Br 4,10 „. 


Krystallwasserbestimmungen: 


1. 0,3046 g der lufttrockenen Substanz verloren beim Erhitzen auf 
ca. 900 0,0153 g H50 = 5,02%, H30. 


2. 0,2896 g Substanz verloren 0,0155 g H,O = 5,354, Hs0. 


Berechnet für die Formel Gefunden: 
(Cr H; Oo) CesHr COONa 4 2Hs0: 1: 2. 
Hs0 —= 5,40% 5,02 : 5,359. 
Verseifung: 


Die Verseifung des Natriumsalzes bewirkte ich durch einstündiges 
Kochen einer gewogenen Menge des Salzes mit einem Ueberschuß von 
!/ıo N.-NaOH in wässeriger Lösung und darauffolgendes Zurücktitrieren 
mit '/ıo N.-HCl. Als Indikator wurde Phenolphthalein verwandt. 

0,3719 g getrockneter Substanz brauchten zur Verseifung 24 ccm 
Yo N.-Na0OH = 25,81% NaOH. 


Berechnet für die Formel (C7H, 05) C,H, COONa: Gefunden: 
NaOH = 25,39% 25,81%. 


Aus den gefundenen Werten geht hervor, daß der vorliegende 
Körper das Natriumsalz der Tetrabenzoylchinasäure ist. 

Die mittlere Schicht gab beim Ansäuern mit H,SO, einen weißen, 
flockigen Niederschlag, der nach dem Umkrystallisieren aus verdünntem 
Alkohol bei 120—121° schmolz, folglich aus Benzoesäure bestand. 

Die ätherische Lösung wurde zuerst mit schwefelsäurehaltigem 
Wasser und darauf mit Wasser bis zur neutralen Reaktion gewaschen. 
Nach dem Trocknen des Aethers über Chlorcalcium und darauffolgendem 
Verdunsten desselben, hinterblieb ein fast farbloser Sirup, der nach 
einigen Tagen im Exsikkator fest wurde. Derselbe war löslich "in 
heißem Alkohol und reagierte neutral. Aus der alkoholischen Lösung 
schied er sich stets unter öligen Beimischungen ab. Auf Zusatz von 
Wasser entstand eine milchige Trübung unter Bildung weißer, klebriger 
Klumpen. Aus Eisessig sowie Essigäther erhielt ich denselben in 
geringer Menge in weißen, kleinen krystallinischen Nadeln, welche bei 
90° zusammensinterten und dann bei 107—108°. schmolzen, 


P. Echtermeier: Chinasäure. 49 


Analysen: 
1.0, 1611 g der lufttrockenen Substanz gaben 0,3906 g CO, = 66,10% C 
und 0,0630 g H30 = 4,35% H. 
2. 0,1720 g Substanz gaben 0,4197 g COg — 66,54% C und 0,0744 g H30 


= 481% H. 
Berechnet für die Formel Gefunden: 
CogHag 0g + Hs0: 1. 2. 
C = 66,66% 66,10 66,54% 
ER 435 4,81 ,„. 


Es liegt also vermutlich ein Tribenzoylchinid vor, welches 
1 Mol. Krystallwasser enthält. Leider war es mir wegen der erhaltenen, 
geringen Menge des Körpers nicht möglich eine Krystallwasser- und 
Benzoylbestimmung auszuführen. 

Es sei an dieser Stelle kurz erwähnt, daß ich noch einen Körper 
in kleiner Menge isolierte, welcher aus Eisessig umkrystallisiert bei 174° 
zusammenbackte und bei 150—182° schmolz. Derselbe enthielt 73,3% © 
und 4,34%H. Es gelang mir jedoch nicht ihn näher zu charakterisieren. 


Darstellung der Tetrabenzoylchinasäure: (C,H; 03), CsH7 COOH +2H30. 


Zur Darstellung der Säure wurde das Natriumsalz mit viel Wasser 
in Lösung gebracht. Beim Ansäuern mit verdünnter Schwefelsäure 
schied sich die Säure gallertartig ab. Diese wurde abgesaugt und 
wiederholt mit heißem Wasser nachgewaschen. Sie ist leicht löslich 
in Alkohol und Aether, fast unlöslich in heißem Wasser. Die luft- 
trockene Säure sinterte gegen 116° zusammen und schmolz bei 137—138°. 
Bei 100° getrocknet schmolz sie, ohne vorher zu sintern, bei 137—138°, 

Analysen; 

1. 0,2703 g der lufttrockenen Substanz gaben 0,6444 g CO; = 65,01% C 
und 0,1027 g Hs0 = 4,18% H. 

2. 0,1343 g Substanz gaben 0,3209 g COz = 65,16% C und 0,0478 g 
Eu 3 N 4 HE 

3. 0,1093 g Substanz gaben 0,2616 g 003 = 65,27% C und 0,0457 g 
Hs0 = 4,65% H. 

4. 0,1571 g Substanz gaben 0,3772 g CO; = 65,48% C und 0,0669 g 
H;0 = 4,73% H. 


Berechnet für die Formel Gefunden: 
(CH; 05)4CsH7 COOH 4 2H30: 1. 2 zu 4. 
C= 65,22% 65,01 65,16 65,27 65,48% 
H.— 74964 4,18 .391 465 473. 


Krystallwasserbestimmung: 
1,1217 g der lufttrockenen Substanz verloren beim mehrstündigen Er- 
hitzen auf 95° 0,0325 g H30 —= 2,9% H;0. 
Berechnet für 
(CH50J4CEHCOOH + H50: (CrHzOg4CHH7COOH +2H,;0: Gefunden: 
2,87 5,57% 29% 
Arch. d. Pharm. COXXXXIV. Bds. 1. Heft. 4 


50 P. Echtermeier: Chinasäure. 


Die Säure verliert also beim Erhitzen auf 95° nur 1 Mol. Krystall- 
wasser. Daß dieselbe mit 2 Mol. krystallisiert, geht aus den oben an- 
geführten Analysen hervor. Ein stärkeres Erhitzen auf höhere 
Temperatur war wegen Zersetzung nicht zweckmäßig. 


Verseifung: 
0,3471 g Substanz brauchten 27 ccm 1/ıo N.-Na0OH = 31,57% NaOH. 
Berechnet für die Formel Ca; HggOj0o + 2H30: Gefunden: 
NaOH = 31,05% 31,57 % 


Da bei der Bezoylierung der Chinasäure außer den 4 Benzoaten 
noch verschiedene Nebenprodukte sich bilden können, außerdem die 
durch Verseifung des Benzoylchlorids und der Tetrabenzoylchinasäure 
sich teilweise bildende Benzoesäure eine fast gleiche prozentuale 
Zusammensetzung besitzt, so war es durch die Elementaranalyse allein 
nicht möglich einen sicheren Aufschluß über die Zusammensetzung der 
Säure zu gewinnen. Es wurde deshalb eine Bestimmung der ein- 
getretenen Benzoylgruppen ausgeführt. 

Zu dieceem Zwecke wurde die Methode angewandt, welche von 
R. und H. Meyer!) ausgearbeitet und erst im vorigen Jahre von 
R. Meyer und E. Hartmann?) vervollkommnet wurde Die Methode 
beruht im wesentlichen darauf, daß man eine Menge der Substanz mit 
ca. 5 g reinem Aetznatron und 50 ccm vorher über Pottasche destilliertem 
Methylaikohol einige Stunden unter Rückfluß erhitzt. Nach dem 
Erkalten wird mit 50 cem Phosphorsäure (spez. Gew. 1,104) versetzt 
und die in Freiheit gesetzte Benzoesäure mit Wasserdampf überdestilliert. 
Die Destillation ist beendigt, sobald das Destillat neutrale Reaktion zeigt. 
Das Destillat wird ohne vorheriges Einengen durch Abdampfen direkt 


mit "/ıo N.-Natronlauge oder "/ıo N.-Barytwasser unter Anwendung von 


Phenolphthalein titriert. Zweckmäßig ixt es, dem Wasser, welches den 
Dampf liefert, zur Absorbierung der darin vorhandenen Kohlensäure 
einige Stücke Kalkhydrat hinzuzufügen und die Bestimmung an einem 
mözlichst säurefreien Orte auszuführen. Unter Beobachtung der an- 
geführten Vorsichtsmaßregeln gelingt es leicht den Gehalt an Benzoe- 
säure bis auf 1--2% zu bestimmen. 


Benzoylbestimmung. 
0,2815 g der lufttrockenen Substanz gebrauchten 17,10cem ’/jo N.-Na0H —= 
0,2086 g Benzoesäure — 74,11%. 
Berechnet für die Formel (CH; 03), 08H; COOH + 2H30: Gefunden: 
Benzoesäure — 75,77% 74,11%. 


1) Ber. 28, 2965 (1895). 
2) R. Meyer und E. Hartmann (Dissertation Braunschweig 1905). 


2 ae 


a hen Zen ee 


a ln 0 


P. Echtermeier: Chinasäure. 51 


Silbersalz der Tetrabenzoylchinasäure. 


Zur näheren Charakterisierung der Säure wurde noch das Silber- 
salz dargestellt. Zunächst wurden stets zu hohe Werte gefunden. 
Vor allen Dingen ist es unbedingt notwendig, die Tetrabenzoylchinasäure 
vorher wiederholt mit Wasser zu kochen, um auch die letzten Spuren 
von anhaftender Benzoesäure zu entfernen, da ja die geringsten Mengen 
einen zu hohen Silbergehalt liefern würden. Die so gereinigte Säure 
wurde in Aether gelöst, und die filtrierte Aetherlösung mit einer 
wässerigen Silbernitratlösung versetzt. Auf vorsichtigem Zusatz von 
Ammoniak fällt das Salz als weißer, käsiger Niederschlag aus. Dieser 
wurde abgesaugt und zur Befreiung von noch unveränderter Tetra- 
benzoylchinasäure zuerst wiederholt mit Aether gewaschen und dann 
mit heißem Wasser behandelt. Das Silbersalz ist unlöslich in Wasser 
und in Aether, schwer löslich in heißem Wasser und leicht löslich in 
Alkohol und Ammoniak. Beim längeren Stehen am Licht nimmt es 
eine gelbbraune Färbung an. Wie die Analyse zeigt, krystallisiert es 
mit 3 Mol. Krystallwasser. 

Analysen: 

1. 0,3413 g der bei 1050 getrockneten Substanz gaben 0,0493 g Ag = 
14,44% Ag. 

2. 0,5244 g gaben 0,0803 g Ag —= 15,31% Ag. 


Berechnet für die Formel Gefunden: 
(C7 H5 0314 CgH7z COOAg: 1. 2. 
Ag = 15,10% 14,44 15,31%. 


Krystallwasserbestimmung. 
0,5659 g der lufttrockenen Substanz gaben 0,0415 g Hy0 = 7,33% H;0. 


Berechnet für die Formel (C; H,03)4 C;H7C00 Ag + 3H30: Gefunden: 
H30 = 7,06% 7,33% 


Tetrabenzoylchinasäureäthylester: (C;H;03), C,H, COOCsH;. 


Der Aethylester wurde durch Umsetzung des Silbersalzes mit 
Jodäthyl in alkoholischer Lösung erhalten. Aus verdünntem Alkohol 
umkrystallisiert bildet er ein weißes amorphes Pulver, welches in 
Aether und heißem Alkohol löslich und unlöslich in Wasser ist. Bei 
134° backt der Ester zu einer braunen Masse zusammen. 


Darstellung des Chlorides der Tetrabenzoylchinasäure. 


5 g tetrabenzoylchinasaures Natrium wurden mit der dreifachen 
Menge Thionylchlorid versetzt. Schon in der Kälte tritt lebhafte 
Reaktion unter Abscheidung von Chlornatrium ein. Nach Beendigung 
der Hauptreaktion wurde noch einige Zeit auf dem Wasserbade 

4* 


52 P. Echtermeier: Chinasäure. 


erwärmt. Darauf wurde vom ausgeschiedenen Chlornatrium abfiltriert 
und das überschüssige Thionylchlorid im Vakuum entfernt. Es hinter- 
blieb ein dickflüssiges Oel. Beim Versetzen mit Aethylalkohol trat 
Entwickelung von Salzsäuredämpfen auf, und es schied sich ein weißer, 
flockiger Körper ab. Nach dem Waschen mit Sodalösung und Um- 
krystallisieren aus Alkohol zeigte derselbe neutrale Reaktion und 
schmolz bei 134°, war also mit dem aus dem Silbersalz dargestellten 
Aethylester identisch. Es mußte demnach das Chlorid der Tetra- 
benzoylchinasäure entstanden sein. Leider gelang es mir bis jetzt 
noch nicht, dasselbe in genügender Ausbeute und Reinheit zu erhalten. 


3. Benzoylierung der Chinasäure in Pyridinlösung. 


Um möglichst sämtliche Nebenprodukte, welche sich bei der 
Benzoylierung bilden, zu vermeiden, wurde die Benzoylierung in 
Pyridinlösung nach A. Denninger!) vorgenommen. 

5 g fein gepulverte Chinasäure wurden in der fünffachen Menge 
Pyridin in Lösung gebracht. Unter Abkühlung und Umschütteln der 
Lösung wurden nach und nach 15 g Benzoylchlorid hinzugefügt. Es 
trat lebhafte Erwärmung unter Abscheidung eines weißen Krystall- 


breies ein. Nach einigen Stunden wurde derselbe zur Entfernung des: 


Pyridins mit schwefelsäurehaltigem Wasser gewaschen, in Aether auf- 
genommen und die ätherische Lösung bis zum Verschwinden des 
Pyridingeruches zuerst mit verdünnter H,SO, und dann mit Wasser 
gewaschen. Beim freiwilligen Verdunsteu der mit Chlorcaleium ge- 
trockneten Aetherlösung schied sich in beträchtlicher Menge ein an 
den Gefäßwänden fest anhaftender krystallinischer Körper aus. Dieser 
wurde aus Alkohol umkrystallisiertt und so in schönen glänzenden 
Krystallen vom Schmp. 148° erhalten. Sie waren löslich in Aether 
und heißem Alkohol, unlöslich in kaltem Wasser und Sodalösung und 
zeigten neutrale Reaktion. 
Analysen: 
1. 0,1921 g Substanz gaben 0,4878 g 005 = 69,25% C und 0,0754 g 
H,0 = 4,35% H. 
2. 0,1576 g Substanz gaben 0,4031 g CO, —= 69,73% C und 0,0634 g 
Hs0 = 4,45% H. 
Berechnet für die Formeln: 


0 (GHOg4CHEHCO, . 
(CH5 09)5 GE | rn No Gefunden: 
0 GH,007 1. 2. 
C— 69,13 70,78, 6925 69,73%, 
H= 453 4,49, 4357 A4b,. 


1) Ber. 28, 1322 (1895). 


I ERDE WE EEE WEN E DEBEREREDE 


P. Echtermeier: Cbinasäure. 53 


Da die Elementaranalyse allein nicht genügenden Aufschluß gab, 
ob der betreffende Körper aus Tribenzoylchinid oder einem gemischten 
Anhydrid besteht, wurde zu dessen Charakterisierung Benzoyl- 
bestimmungen, eine Verseifung und eine Molekulargewichtsbestimmung 


ausgeführt. 
Benzoylbestimmungen: 


1. 0,5608 g Substanz gaben 0,4282 g Benzossäure —= 76,35% 
2. 0,4880 „ 4 nahe 5 re 
Verseifung: 

0,4100 g Substanz brauchten zur Verseifung 33,70 cem 1/jo N.-Na0H = 

32,84% NaOH. 
Molekulargewichtsbestimmung: 

0,4205 g Substanz verursachten in 9,1464 g Phenol gelöst eine Gefrier- 

punktserriedrigung von 0,75. Daraus berechnet sich M = 459. 


Berechnet für die Formeln: 
(C,H; O2a0HzCON 
3 (6) 


1) 

C-HrOs)a C,H cl Gefunden: 
BE et RODO CoH,C07 1. 2. 
Benzoesäure — 75,31 84,97% 76,35 77,50% 
NaOH 32.92 33,70 „ 32,84 _ 

M — 486 712 459 _ 


Durch die erhaltenen Werte bei den verschiedenen Bestimmungen 
ist mit Sicherheit bewiesen, daß der betreffende Körper ein Tri- 


16) 
benzoylchinid von der Formel (CH; 02)a rO< | ist. 
(6) 


Es hatte also bei der Benzoylierung in Pyridinlösung eine Wasser- 
abspaltung stattgefunden, und es mußte sich folglich noch Benzoesäure 
gebildet haben. Diese wurde durch Darstellung und Analyse des 
Silbersalzes nachgewiesen. Es wurden 47,23% Silber statt 47,16% der 
theoretisch berechneten Menge gefunden. Außerdem hatte sich in 
geringer Menge Tetrabenzoylchinasäure gebildet. 

Durch die schnelle und leichte Darstellung des Tribenzoylchinids, 
sowie durch sein großes Krystallisationsvermögen und seinem scharfen 
Schmelzpunkt dürfte dieser Körper neben dem Triacetylchinid zum 
Nachweis kleiner Mengen von Chinasäure besonders geeignet sein. 


4. Einwirkung von 4 Mol. Benzoylchlorid auf I Mol. Chinasäure bei 
Gegenwart von Zinkchlorid über freier Flamme. 


Wie schon im vorhergehenden kurz erwähnt, wurde dieser 
Versuch in der Hoffnung unternommen, daß sich bei höherer 
Temperatur Kohlensäure aus der sich bildenden Tetrabenzoylchina- 
säure abspalten würde und man durch darauf folgende Verseifung zu 


54 P. Echtermeier: Chinasäure. 


dem bis jetzt noch unbekannten Tetraoxyhexahydrobenzol gelangen 
könnte. 


10 g gepulverte Chinasäure wurden mit 30 g Benzoylchlorid 


unter Rückfluß zum Sieden erhitzt. Es trat sofort stürmische Ent- 
wickelung von Salzsäure und nach einiger Zeit Aufschäumen des Ge- 
misches unter Entweichen von Kohlensäure auf. Nach Beendigung 
der Reaktion und völliger Lösung der Chinasäure ließ ich die braun 
gefärbte Lösung erkalten. Darauf wurde der Krystallkuchen zur Ent- 
fernung von Benzoesäure, Salzsäure und Zinkchlorid mit Wasser 
gekocht, wiederholt mit Wasser gewaschen und das so gereinigte 
Produkt mit viel Aether behandelt. Ein großer Teil löste sich in 
dem Aether mit brauner Farbe auf, während ein Teil in Form eines 
weißen Pulvers ungelöst blieb. Dieses wurde auf einem Filter ge- 
sammelt und wiederholt mit Aether gewaschen. Aus viel heißem 
Alkohol wurde es in Gestalt feiner seidenglänzender Nadeln erhalten, 
welche bei 199° scharf schmolzen und unlöslich in Aether und Wasser, 
löslich in heißem Alkohol und Eisessig waren und neutrale Reaktion 
zeigten. Nach vielen vergeblichen Versuchen gelang es mir endlich, 
den entstandenen Körper mit Bestimmtheit zu charakterisieren. Er 
besteht aus Dibenzoylhydrochinon. Es war aus der Ühinasäure 
nicht nur, wie erwünscht, Kohlensäure abgespalten, sondern zu gleicher 
Zeit auch Wasser ausgetreten. Da die Kohlensäureabspaltung erst 
nach Auflösung der Chinasäure erfolgte, so ist die Annahme wahr- 
scheinlicher, daß sich zunächst Tetrabenzoylchinasäure gebildet, und 
diese durch die Salzsäuredämpfe und höhere Temperatur in Dibenzoyl- 
hydrochinon, Kohlensäure und 2 Moleküle Benzoesäure zerlegt worden 
ist. Immerhin müßte zur Entstehung Dibenzoylhydrochinons noch 
eine Oxydation erfolgt sein: 
(C H;03)4 CsH, COOH + O= C,H; (Or H;03)a +20; H; COOH + H30. 

Die Elementaranalyse ergab folgende Werte: 

1. 0,1179 g Substanz gaben 0,3261 g CO, = 75,43% C und 0,0491 g H,0 = 
4,62%, H. 

. 2. 0,1216 g Substanz gaben 0,3372 g CO; = 75,62% C und 0,0465 g Hs,0 = 

4,25% H. 

3. 0,1223 g Substanz gaben 0,3421 g COg = 76,28% C und 0,0470 g H,O = 
4,25% H. 


Berechnet für die Formel Gefunden: 
(C, Hz Oa)a 07 B;: L; ‚2. 3. 
Cop = 240 = 75,47% 75,43 75,62 76,28% 
Hu= 14= 44l, 4,62 425 425, 
= 64 — 20.12, _ u. = 


318 — 10,00% 


u en Au, 


P. Echtermeier: Chinasäure. 55 


Da der Körper in Phenol löslich war und daraus wieder 
unverändert auskrystallisierte, wurden zur näheren Charakterisierung 
noch zwei Molekulargewichtsbestimmungen nach Eykmann ausgeführt. 


Molekulargewichtsbestimmungen: 
1. 0,2961 g Substanz verursachten in 8,1889 g Phenol gelöst eine Ge- 
frierpunktserniedrigung von 0,89. M — 302 
2. 0,4031 g Substanz in 8,0147 g Phenol gelöst brachten eine Gefrier- 
punktserniedrigung von 1,26 hervor. M = 299. 


Berechnet für die Formel Gefunden: 
Cap H14 0%: I; 2, 
M = 318 302 299. 


Elementaranalysen und Molekulargewichtsbestimmungen stimmen 
also gut auf die Formel Cs, Hı4 O4- 

Zum Beweise, daß der betreffende Körper wirklich aus Dibenzoyl- 
hydrochinon bestand, wurde nach Schotten-Baumann aus Hydro- 
chinon und Benzoylchlorid Dibenzoylhydrochinon dargestellt. Das so 
erhaltene weiße Pulver wurde aus viel heißem Alkohol umkrystallisiert 
und so in weichen glänzenden Nadeln vom gleichen Schmelzpunkt, 
nämlich 199°, erhalten. Um die Identität der beiden Körper fest- 
zustellen, wurde von einem Gemisch beider der Schmelzpunkt bestimmt, 
dieses schmolz ebenfalls bei 199%. Damit ist mit Sicherheit bewiesen, 
daß der fragliche Körper Dibenzoylhydrochinon ist, da andernfalls der 
Schmelzpunkt herabgedrückt worden wäre. 

Wöhler!) hat bei der trockenen Destillation der Chinasäure 
als Hauptprodukt neben mehreren anderen Körpern und beim Erwärmen 
einer wässerigen Lösung mit Bleisuperoxyd Hydrochinon erhalten. 
Ferner hat Hesse?) bei der Einwirkung von konzentrierter Salzsäure 
auf Chinasäure und Erhitzen des Gemisches im zugeschmolzenen 
Rohre auf 140—150° neben Paraoxybenzoesäure Hydrochinon erhalten. 

Was nun die Entstehung von Dibenzoylhydrochinon bei der 
Benzoylierung der Chinasäure anbetrifft, so dürfte sie wesentlich 
durch die sich bei dem Prozesse entwickelnde Salzsäure bedingt sein. 
Ebenfalls ist auch die Innehaltung einer bestimmten Temperatur von 
Wichtigkeit. Unter 135—140° findet keine Bildung von Dibenzoyl- 
hydrochinon statt, während bei höherer Temperatur dieser Körper in 
beträchtlicher Menge entsteht. Der Zusatz von Zinkchlorid ist nicht 
unbedingt notwendig, begünstigt aber vielleicht eine schnellere Ab- 
spaltung. Da dieser Körper in Aether fast unlöslich ist, sich also 
von den übrigen entstehenden Nebenprodukten, welche sämtlich in 


1) Ann. Chem. 51, 145. 
®) Ann, Chem. 200, 238, 


56 P. Echtermeier: Chinasäure. 


Aether löslich sind, leicht isolieren läßt und schon nach einmaligem 
Umkrystallisieren aus Alkohol bei 198—199° scharf schmilzt, so ergibt 
sich hieraus eine zweckmäßige Methode zum Nachweis von China- 
säure. Da die Entstehung dieses Körpers auch schon bei Anwendung 
kleiner Mengen von Chinasäure gelingt, so dürfte der angegebene 
Nachweis den Vorzug verdienen, vor der bisher üblichen Methode der 
Ueberführung von Chinasäure in Chinon. 


Einwirkung von starker Salpetersäure auf Chinasäure bei eh 
von Phosphorsäureanhydrid. 


In der Literatur findet man bis jetzt keine Angaben über die 
Einwirkung von Salpetersäure auf Chinasäure. Es war daher von 
Interesse, diese zu studieren und zu sehen, ob Chinasäure Nitrierungs- 
oder Oxydationsprodukte liefert, oder ob durch Oxydation eine ein- 
greifende Spaltung derselben eintritt. 

In letzter Zeit haben R. Behrend und H. Osten gute Erfolge 
bei Nitrierungsversuchen von Säuren bei Anwesenheit von Phosphor- 
säureanhydrid!) erzielt, und ich habe mich daher bei der Nitrierung 
der Chinasäure im wesentlichen nach ihren Angaben gerichtet. 

Der Prozeß gestaltete sich folgendermaßen: 

20 ccm starker Salpetersäure (spez. Gew. 1,5) wurden in einer 
Stöpselfiasche unter Eiskochsalzkühlung allmählich mit 8 g Phosphor- 
pentoxyd versetzt. Das so bereitete Gemisch wurde unter häufigem 
Umschütteln noch 1 Stunde stehen gelassen, und dann nach und nach 
mit 10 g fein gepulverter Chinasäure versetzt. Nach einiger Zeit 
war die Säure in Lösung gegangen. Nach weiteren 24 Stunden wurde 
das Gemisch mit Eiswasser versetzt, wobei sich eine weiche, weiße 
Masse abschied. Diese wurde mehrmals mit Eiswasser gewaschen, in 
Aether aufgenommen, und um die letzten Reste von Säure zu ent- 
fernen, im Scheidetrichter wiederholt mit Wasser durchgeschüttelt. 
Die ätherische Lösung wurde mit Chlorcalecium getrocknet, filtriert 
und der Aether auf dem Wasserbade veıtrieben. Es hinterblieb ein 
hellgelbes Oel, welches nach einigen Stunden krystallinisch erstarrte. 
Aus verdünntem Alkohol umkrystallisiert ergab es schöne, weiße, 
seidenglänzende Nadeln, welche unter Zersetzung und Gasentwickelung 
bei 157° schmolzen und saure Reaktion zeigten und stickstoffhaltig waren. 

Am Schlusse dieser Arbeit sei noch kurz erwähnt, daß ich 
versuchte die Chinasäure, sowie die Tetraacetylchinasäure mit Phenolen 
zu kuppeln. Durch Kondensation fetter und aromatischer Säuren mit 


1) R. Behrend und H. Osten, Ueber Nitrierung bei Gegenwart von 
Phosphorsäureanhydrid. Dissertation, Hannover 1905. 


O. Linde: Verholzung. 57 


ein- und mehrwertigen Phenolen bei Gegenwart von Zinkchlorid gelingt 
es meist leicht, wie verschiedene Forscher!) gezeigt haben, Oxyketone 
zu erhalten. 

Beim mehrstündigen Erhitzen von Chinasäure und Phenol mit 
Zinkchlorid auf 155° erhielt ich einen dunkelroten Farbstoff. Dieser 
war unlöslich in Wasser, in Sodalösung und Natronlauge löste er sich 
mit gelber Farbe auf und wurde daraus auf Zusatz von Säuren wieder 
unverändert ausgefällt. Die Tetraacetylchinasäure lieferte einen 
ähnlichen Farbstoff. Ob tatsächlich eine direkte Kuppelung der 
Chinasäure mit Phenol stattgefunden hat, oder aus der Chinasäure 
beim Erhitzen mit Zinkchlorid durch Wasserabspaltung eine neue 
Säure entstanden ist, welche sich mit dem betreffenden Phenol 
kondensiert hat, darüber hoffe ich in nächster Zeit näher zu berichten. 
Ferner gedenke ich den bei der Nitrierung erhaltenen Körper noch 
näher zu charakterisieren, und Oxydationsversuche der Chinasäure mit 
Kaliumpermanganat, Chronisäuremischung und Wasserstoffsuperoxyd 
anzustellen. 


Mitteilung aus dem pharmazeutischen Institute 
der Herzoglichen technischen Hochschule zu Braunschweig. 
Von H. Beckurts. 


Zur Kenntnis der Verholzung. 
Von ©. Linde. 
(Eingegangen den 24. I. 1906.) 


Verholzte Zellwände geben mit Körpern verschiedener Art eine 
ganze Reihe von Farbenreaktionen, von denen manche ihrer Stärke 
wegen geeignet sind, die mehr oder weniger fortgeschrittene Verholzung 
an Schnitten unter dem Mikroskop erkennen zu lassen. Am meisten 
angewendet werden wohl von derartigen Reagentien Phlorogluzin in 
Verbindung mit Salzsäure und Anilinsalze in saurer Lösung. 

Daß auch Schwefelsäure eine solche Farbenreaktion mit ver- 
holzten Zellwänden gibt, scheint noch nicht bekannt zu sein; in der 
von mir daraufhin durchgesehenen Literatur finde ich wenigstens keine 
Angabe darüber, sondern überall ist nur angeführt, daß konzentrierte 
Schwefelsäure die verholzten Membranen löst, und zwar unter 
Schwärzung. Legt man trockene Holzstückchen in konzentrierte 


1) Ber. 6, 1245 (1873). Ber. 230, 43 und 183. Journ. pr. Chem. 23, 
147 (1881). Am. Chem. Journ. 5, 83. Am. Chem. 270, 235. 


58 O0. Linde: Verholzung. 


Schwefelsäure, so nehmen sie braune, dann braunschwarze Farbe an. 
Wird die Schwefelsäure jedoch mäßig verdünnt, so färbt sich manches 
Holz, z. B. Koniferenholz, erst stark gelb, dann grünlichgelb, 
dann grasgrün. Die grüne Farbe behält es in der Säure längere 
Zeit; die Säure selbst bleibt farblos. Am besten eignet sich für diese 
Reaktion eine Schwefelsäure (Ac. sulfur. pur. des Deutschen Arznei- 
buches), die mit 40—50% ihres Gewichtes Wasser verdünnt, also etwa 
63—70%ig ist. Leidlich gut geht die Reaktion noch mit einer 
Schwefelsäure, der 60% Wasser zugemischt sind. Ich bevorzuge 
eine mit 50% Wasser verdünnte Schwefelsäure, die annähernd das 
spez. Gew. 1,56 besitzt, und die im folgenden als 65%ige bezeichnet 
werden mag. 

Die Reaktion mit Schwefelsäure ist nur eine makroskopische; 
für mikroskopische Zwecke ist sie nicht gut verwendbar, weil die 
Färbung hierfür nicht stark genug ist und weil sich die Zellwände 
durch Quellung zu sehr verändern. 

Bringt man Schnitte von Koniferenholz, die in der angegebenen 
Weise grün gefärbt sind, in Wasser, so werden sie zunächst deutlich 
blau, dann blaugrau, dann erst entfärbt. Da nun bei Behandlung 
der Schnitte mit der Schwefelsäure zuerst Gelbfärbung auftritt, die 
darauf folgende Grünfärbung aber in Wasser zunächst einer Blau- 
färbung Platz macht, so darf man wohl schließen, daß das Grün aus 
Gelb und Blau zusammengesetzt ist. 

Auf das im Koniferenholz enthaltene Harz: und ätherische Oel 
ist die Reaktion nicht zurückzuführen; denn Holzschnitte, die durch 
mehrmaliges Auskochen mit Alkohol und Aether von diesen Substanzen 
befreit waren, zeigten die Reaktion ebenso schön, wie andere. 

Die gleichen Erscheinungen treten auf, wenn man an Stelle der 
Schwefelsäure rauchende Salzsäure!) anwendet. Bereits 1834 hatte 
Runge beobachtet, daß Phenol mit Fichtenholz bei Gegenwart von 
Salzsäure eine Reaktion gibt, eine Blaugrünfärbung. Später wurde 
durch Tangl (1874), namentlich aber durch Höhnel (1877) nach- 
gewiesen, daß die anderen Holzarten mit Phenol und Salzsäure gleich- 
falls eine Farberreaktion geben, daß also hier eine „Lignin“-Reaktion: 
vorliegt. Diese ist dınn auf die Gegenwart von Koniferin in den« 
verholzten Membranen zurückgeführt worden. H. Warnecke?) war- 
es, der 18S8 darauf aufmerksam machte, daß Phenol bei dieser Reaktion 


1) Nach V. Grafe (Monatsb. f. Chem. 1904, S. 1029, durch Apoth.-Ztg.- 
1905, S. 602) eignet sich Bromwasserstoffsäure besser für die Reaktion 
als Salzsäure. Ich vermute, daß auch starke Jodwasserstoffsäure mit Holz- 
Grünfärbung gibt. 

2) Pharmaz. Ztg. 1888, S. 574. 


OÖ. Linde: Verholzung. 59 


garnicht notwendig ist, sondern daß starke, und zwar rauchende, Salz- 
säure hierzu allein genügt. Allerdings erhält man damit eine mehr 
grüne Farbe. 

Während offizinelle Salzsäure (spez. Gew. 1,124) für sich auf 
Fichtenholz fast garnicht einwirkt, gibt sie damit Blaugrünfärbung, 
wenn das Holz vorher mit weingeistiger Phenollösung (1:10) durch- 
tränkt war. In rauchender Salzsäure aber zeigen mit Phenollösung 
getränkte Fichtenholzspäne ein Grün, das mehr nach Blau hinneigt, 
als sonst. 

Wie Phenolzusatz bei Verwendung von Salzsäure eine reinere 
Blaufärbung bedingt, so auch bei 65%iger Schwefelsäure. Besonders 
auffallend wird dies, wenn man mit Phenol und Schwefelsäure behandelte 
Schnitte in Wasser bringt und mit solchen vergleicht, die nur mit der 
Säure behandelt wurden. Wendet man neben Schwefelsäure Phenol 
zu der Reaktion an, dann braucht die Säure auch nicht so stark zu 
sein, wie sonst. Mit ihrem gleichen Gewicht Wasser verdünnte, also 
47—49% ige Schwefelsäure, die für sich mit Koniferenholz keine Grün- 
färbung mehr erzeugt, sondern nur schwache Gelbfärbung, färbt bei 
Phenolzusatz das Holz blaugrün, wenn auch nur sehr langsam. 

Bringt man die mit 65%iger Schwefelsäure ohne und mit Phenol- 
zusatz grüngefärbten, dann in Wasser entfärbten Schnitte'), nachdem 
man sie zwischen Fließpapier ausgedrückt, wieder in die Säure, so 
tritt nicht erst Gelbfärbung ein, sondern bei den vorher mit Phenol- 
lösung getränkten Schnitten augenblicklich Blaufärbung, die dann in 
Blaugrün und Grün übergeht, bei den anderen direkt eine blaugrüne, 
dann grüne Färbung. Werden die entfärbten Schnitte aber völlig 
getrocknet, dann werden sie in der Säure sofort grün. Dies läßt sich 
mit den gleichen Schnitten öfter wiederholen. 

Es war nun festzustellen, ob sich andere Hölzer gegen 65 %ige 
Schwefelsäure ebenso verhalten, wie Koniferenholz. Dabei zeigte sich, 
daß dies nicht der Fall ist. Ich habe kaum 2 Hölzer gefunden, die 
in dieser Beziehung genau das gleiche Verhalten zeigten; ja, es scheinen 
sogar Unterschiede vorhanden zu sein zwischen Stamm- und Astholz 
derselben Pflanze. Während einige Hölzer in der Säure fast noch 
schöner grün werden, als Koniferenholz, nehmen andere eine gelbliche 
oder gelbe, dann schmutzig braungrüne Farbe an, und dazwischen 
finden sich alle möglichen Uebergänge. 

Stark gelb, dann gelbgrün, dann grasgrün wird außer 
Koniferenholz (von Pinus silvestris, Picea excelsa, Abies alba, Larix 


1) Die mit Phenol behandelten Schnitte entfärben sich in Wasser’ nicht 
ganz, sondern werden hellrötlich. 


60 O0. Linde: Verholzung. 


decidua, Juniperus communis) das Holz von Lonicera Periclymenum 
(fast noch schneller und schöner), Populus-Arten, Acer platanoides und 
Robinia Pseudacacia. 

Gelblich oder gelb, dann schmutzig braungrün mit allen 
möglichen Abstufungen wird das Holz von Solanum Dulcamara, Tilia 
grandifolia, Betula alba, Quercus pedunculata, Quassia amara, Picrasma 
excelsa, Fagus silvatica, Carpinus Betulus, Guajacum offieinale, und 
von diesen am wenigsten grün, sondern mehr braun, das der letzt- 
genannten drei Pflanzen. 

In der Mitte zwischen diesen beiden Abteilungen steht das 
Holz von Ulmus campestris, Fraxinus excelsior und Platanus occidentalis. 

Auch bei den in der zweiten Gruppe genannten Hölzern, die 
durch 65%ige Schwefelsäure allein nicht grün werden, lassen sich 
grüne Töne erzielen, wenn man die Schnitte vorher mit Phenollösung 
behandelt. 

Werden Späne von Koniferenholz zur Entfernung des Xylans 
mehrmals mit 5%iger Natronlauge ausgekocht, dann geben sie nach 
dem Auswaschen keine Gelb- oder Grünfärbung mehr mit 65%iger 
Schwefelsäure, sondern werden darin nur mißfarbig graubraun oder grau. 


Im Jahre 1904 machten ©. Hartwich und M. Winckel!) die 
Beobachtung, daß die offizinelle Myrrhe mit Vanillin-Salzsäure 
eine Rotfärbung gibt. Sie stellten ferner fest, daß es zwei Be- 
standteile der Myrrhe sind, auf welche diese Reaktion zurückzuführen 
ist, nämlich die mit Bleiacetat nicht fällbare Harzsäure und das 
ätherische Oel. Da man nun in der Literatur die Annahme verbreitet 
findet, daß manche Holzstoffreaktionen, wie die mit FPhlorogluzin, 
darauf beruhen, daß in den verholzten Membranen Vanillin?) in äther- 
artiger Form gebunden vorhanden ist, so schien es mir interessant, 
das Verhalten von Myrrhe zu Holz bei Gegenwart von Salzsäure bezw. 
Schwefelsäure festzustellen. 

Ich benutzte zunächst die offizinelle Myrrhentinktur. Fichten- 
holzspäne wurden damit durchtränkt und nach einiger Zeit halbtrocken 
in Salzsäure (spez. Gew. 1,124) gebracht. Sie färbten sich hierin 
aber nicht rot, wie nach obiger Theorie zu erwarten war, sondern 
schmutzig braunviolett. Besser, als Myrrhentinktur eignet sich das 


1) Archiv der Pharmazie 1904, S. 475. 
2) Daneben auch Koniferin, Brenzkatechin und Methylfurfurol. Vergl, 
Monatshefte für Chemie 1904, S. 1029. 


OÖ. Linde: Verholzung 61 


ätherische Myrrhenöl!) für die Reaktion. Ich durchtränkte 
Fichtenholzspäne mit einer Lösung von 1 T. Myrrhenöl in 50 T. 
Alkohol, ließ sie halbtrocken werden und brachte sie dann in die 
Säure. In rauchender Salzsäure wurden sie augenblicklich stark 
violett, in offizineller Salzsäure (spez. Gew. 1,124) sofort blau- 
violett, in verdünnter Salzsäure (1 + 1) sehr langsam violettblaa. 
Der Farbenton hängt von der Stärke der Säure ab; je dünner diese, 
um so reiner blau ist er. 65%ige Schwefelsäure färbte die mit 
Myrrhenöl behandelten Schnitte rotviolett, mit gleichviel Wasser 
verdünnte Schwefelsäure violett. 

Bringt man die auf diese Weise gefärbten Schnitte in Wasser, 
so werden sie alle zuerst reiner blau, später allmählich entfärbt. Mit 
Alkohol und Aether ausgekochte Fichtenholzspäne verhalten sich 
ebenso. Auffallend ist aber das Verhalten von mit Natronlauge aus- 
gekochten und somit vom Xylan befreiten Fichtenholzspänen gegenüber 
Myrrhenöl-Salzsäure bezw. -Schwefelsäure. Diese färben sich nämlich 
in rauchender Salzsäure augenblicklich und sehr stark rot, in offizineller 
Salzsäure schön rot mit Stich in Violett, in verdünnter Salzsäure 
(1-1) sehr langsam rosa, in 65%iger Schwefelsäure rot mit Stich 
in Gelb, in mit gleichviel Wasser verdünnter Schwefelsäure rot. 

Als ich die Reaktion mit der gleichen Myrrhenöllösung (auf- 
bewahrt in einem weißen Glase und nicht vor Licht geschützt) nach 
einigen Monaten an Fichtenholzspänen vornahm, fiel sie negativ aus. 
-Die Lösung ist also nicht haltbar. Sie hatte auch einen besonderen 
Geruch angenommen, der an den von Spir. Aetheris nitrosi oder Acet- 
aldehyd erinnerte. Die Lösung gab dann mit Vanillin und Salzsäure 
auch keine Rotfärbung mehr, wie es mit der frischen der Fall war. 

Zieht man Fichtenholzspäne mit (möglichst wenig) offizineller 
Salzsäure 4—% Stunde bei gewöhnlicher Temperatür aus und gießt 
die Säure ab, so färbt sie sich auf Zusatz von Myrrhenöl rot (mit 
Phlorogluzin ebenfalls rot, mit Anilinsalzen gelb). Das gleiche ist der 
Fall bei Verwendung von 65%iger Schwefelsäure und solcher, die mit 
gleichviel Wasser verdünnt ist, nicht aber bei verdünnter Salzsäure (1-1). 

Außer Fichtenholz untersuchte ich verschiedene andere Hölzer 
auf ihr Verhalten gegen Myrrhenöl-Salzsäure und fand, daß bei ihnen 
die Reaktion ebenfalls eintrat, aber verschieden schnell und stark. 
Fast augenblicklich und stark blauviolett färbten sich das 
Holz anderer Koniferen, ferner das von Lonicera Periclymenum, Acer 
platanoides, Populus pyramidalis, Ulmus campestris und Tilia grandifolia; 
ziemlich schnell und stark das von Solanum Dulcamara, ferner 


1) Eine chemische Untersuchung des Myrrhenöls ist im Gange. 


- 


Lign. Quassiae surinamense und jamaicense und Lign. Guajaci; schwach 
und langsam das Holz von Alnus glutinosa, Fagus silvatica, Betula 
alba, Quercus pedunculata und Carpinus Betulus; am schwächsten das 
von Robinia Pseudacacia. 


62 O0. Linde: Verholzung. 


Erwärmt man nach Kaiser!) gleiche Raumteile furolfreien Amyl- 
alkohol und konzentrierte Schwefelsäure auf dem Wasserbade auf 
90°, bis geringe Gasentwickelung eintritt, und kühlt das rotgelb 
gefärbte Gemisch ab, so färbt sich darin Holz kräftig indigoblau. 
Reines Filtrierpapier wird rot gefärbt. — An Stelle des gewöhnlichen 
. Amylalkohols kann man auch das offizinelle Amylenhydrat verwenden. 

In dem Säure-Amylalkoholgemisch gehen offenbar beim Erwärmen 
tief greifende Zersetzungen vor sich; darauf deutet die eintretende 
Färbung der sirupdicken Flüssigkeit hin und besonders der Umstand, 
daß sich ein starker Geruch nach Schwefeldioxyd entwickelt. Auf 
welchem der dabei entstehenden Körper die von Kaiser angegebene 
Reaktion beruht, bleibt nocb zu untersuchen. 

Die Rotfärbung von Fließpapier ist nun nicht etwa eine spezifische 
Zellulosereaktion. Asbest, mit dem Reagens getränkt, färbt sich 
ebenfalls rot, ja das Reagens für sich nimmt schon diese Farbe an, 
wenn man es auf einem Uhrglase in dünner Schicht ausstreicht. Die 
Rotfärbung des Reagens selbst, wie des damit getränkten Fließpapiers, 
‚verschwindet bei Zusatz von Wasser. 

Um die Blaufärbung von Holz zu erhalten, läßt man am besten 
das Reagens auf die Schnitte einige Minuten einwirken und behandelt 
diese dann mit offizineller Salzsäure. Bringt man die blau gefärbten 
Schnitte in Wasser, so wird die Färbung heller und verschwindet 
dann langsam. 

Mit Natronlauge ausgekochtes Holz färbt sich in dem Reagens 
schön violettrot, ganz ähnlich wie bei Verwendung von Myrrhenöl- 
Salzsäure. 

Salzsaure Vanillinlösung wird durch Kaiser’s Reagens schön 
rot gefärbt. 


1) Chemiker-Ztg. 1902, S. 335. 


G. Kaßner: Diffusion der Gase, 63 


Mitteilungen aus der pharmazeutischen Abteilung 
des chemischen Instituts der Königlichen Universität 
Münster i. W. 


Beitrag zur Kenntnis der Diffusion der Gase. 


Von Georg Kaßner. 
(Eingegangen den 27. I. 1906.) 


Im Januar des Jahres 1901 war von mir zum Zwecke der 
Uebung in der Gasanalyse und dem der Demonstration der einschlägigen 
Methoden durch Erhitzen von geschmolzenem, also wasserfreiem 
Natriumacetat im Gemisch mit Natronkalk ein Quantum Methan her- 
gestellt worden. 

CH; COONa -1- Na0H = N300; + CH.. 

Bei der Untersuchung erwies sich dies Gas frei von Sauerstoff, 
Kohlendioxyd und Wasserstoff. Dagegen wurde in ihm ein Betrag 
von 0,6% Kohlenoxyd gefunden. 

Die Reinheit des nach Absorption des letzteren verbleibenden 
Gasrestes war durch eine Verbrennungsanalyse in der von Hempel 
empfohlenen Explosionspipette mit Quecksilberfüllung ermittelt worden. 
Es betrug die zur Untersuchung abgemessene Gasprobe (CH,) 7,2 cem, 
hierzu wurde Luft gemischt, so daß ein Gesamtvolum von 98,2 „ 


resultierte, mithin Luft darin = 91,0 cem 


Nach der Explosion betrug das restierende Volumen 83,5 ccm, 
folglich ergab die erste, durch Kondensation von Wasserdampf ent- 
standene Kontraktion 99,2 —83,5 = 14,7 ccm. Nach Hinwegnahme 
der gebildeten Kohlensäure mit Kalilauge verblieben als Resultat 
dieser, der zweiten Kontraktion, 76,5 ccm. Die zweite Kontraktion 
selbst also betrug 83,5 —76,5 = 7,0 ccm. 

Da nun ein Drittel der Summe der ersten und zweiten Kon- 
traktion, d. h. also der Gesamtkontraktion Methan ist, so ergibt sich 
1 x1,7+7=72. 

Angewandt waren. . . 7,2 ccm 
GRGHÄBI, era rate a; a 


folglich war das von Kohlenoxyd befreite Gas reines Methan. 

Von diesem Gase wurden nun drei Proben in verschiedener Weise 
aufbewahrt, um zu sehen, wie sich seine Zusammensetzung im Laufe 
der Zeit gestalten würde. 


64 G. Kaßner: Diffusion der Gase. 


Es wurde ein Teil des Gases in eine mit zwei eingeschliffenen 
und gefetteten Hähnen versehene Gasprobenröhre, sogenannte Schlag- 
wetterröhre eingefüllt. . (Probe A.) 

Ein größseres Quantum wurde in eine mit gut eingeschliffenem 
Glasstöpsel versehene enghalsige Flasche zu ca. 500 cem Inhalt gebracht 
und auch hier durch viskoses Hahnfett gute Dichtung bewirkt. Die 
Flasche wurde außerdem am Stopfen noch mit einem zusammenhängenden 
Paraffinüberzug versehen. (Probe B.) 

Endlich wurde ein Rest von etwa 400 ccm Gas in einem um- 
gekehrt mit dem Halse in ein Becherglas und daselbst in Wasser 
tauchenden Glaskolben aufbewahrt. Der Kolben lag auf dem Rande 
des Becherglases auf, sodaß die Verdunstung von Wasser, dessen ver- 
dampfter Anteil etwa alle Jahre durch vorsichtiges Nachgießen von 
Wasser ergänzt wurde, nur sehr gering war. Das Volumen des 
Gases war im Laufe der Zeit deutlich kleiner geworden, das Sperr- 
wasser zeigte Entwickelung grüner Algen. (Probe ©.) 

Die Höhe der das Gas von der atmosphärischen Luft trennenden 
"Wasserschicht betrug annähernd 20 cm. Wegen des Kolbenhalses aber 
‘war der für die Diffusion der Gase in Betracht kommende Wasserweg 
‚etwa um die Hälfte größer, mochte also anfangs ca. 30 cm betragen haben. 


Untersuchung der Gasproben. 


Probe A. Von dieser war bereits im Jahre 1903 eine Analyse 
ausgeführt worden, welche indes nichts Auffälliges bot, d. h. keine 
wesentliche Abweichung von der im Jahre 1901 gefundenen Zusammen- 
setzung. Das zur Analyse erforderliche Gasquantum wurde damals 
aus der bis dahin ganz gefüllten Schlagwetterröhre durch Verdrängen 
mit Wasser herausgebracht und so kam es, daß der weiter bis zum 
Jahre 1906 liegende Gasrest sich in einem zu ®/,; mit Wasser gefüllten 
Raum befand. Die Untersuchung dieses Restes ergab nun 1906 
folgende Zahlen: 


Abgemesen . . . 8,00 ccm Gas 
Dazu’getilit), “7 HL 
Gesamtvolumen . . 99,00 „. 


Nach bewirkter Explosion betrug der Rückstand 85,4 ccm, somit 
1. Kontraktion 99 — 85,4 = 13,6 cem; nach Hinwegnahme der Kohlen- 
säure verblieben 78,8 ccm, somit 2. Kontraktion 85,4 — 78,8 = 6,6 ccm. 
Aus der Gesamtkontraktion 13,6 + 6,6 = 20,2 berechnet sich, durch 
Multiplikation mit "/s, der Gehalt an CH,. 

Gefunden wurden also 6,73 ccm statt 8 ccm des ursprünglich 
reinen Gases. Die Probe besaß demnach nur den Prozentgehalt von 84,1. 


G. Kaßner: Diffusion der Gase. 65 


15,9% des Gases sind durch Diffusion mit der im Wasser gelösten 
Luft verschwunden, bezw. durch Luft ersetzt worden. 


Probe B. Die nach fünfjährigem ruhigen Stehen im Verschluß 
noch völlig dicht erscheinende Flasche wurde unter Wasser geöffnet 
und eine größere Probe des Gases entnommen, um es zunächst von 
der Spur Kohlenoxyd zu befreien. Das hiervon freie Gas ergab 
folgende Zahlen: 

Abgemessen . . . . 6,4 ccm Gas 
Dazu gefüllt. . . . 888 „ Taf 
Gesamtvolumen mithin 95,2 „. 


Nach bewirkter Explosion betrug der Rückstand 83,2 ccm, somit 
1. Kontraktion 95,2 —83,2 = 12 ccm; nach Hinwegnahme der Kohlen- 
säure verblieben 77 ccm,somit beträgt die2. Kontraktion S3,2—77=6,2ccm. 
Gesamtkontraktion daher 18,2. !/3- 18,2 = 6,07 cem ist also das Volumen 
des noch vorhandenen Methans. 

Es sind hiernach 6,07 statt 6,4 oder noch 94,8% des Gases nach 
fünfjähriger Aufbewahrung in mit Hahnfett dicht gehaltener Flasche 
zefunden worden. 


Probe C. Da hierbei‘ eine weniger gute Haltbarkeit der Gas- 
probe erwartet werden konnte, als in den vorher untersuchten Proben A 
und B, so wurde die hier zur Untersuchung entnommene Probe, ohne 
erst auf etwaigen noch vorhandenen Kohlenoxydgehalt Rücksicht zu 
nehmen, sofort dem Explosionsverfahren ausgesetzt. Es zeigte sich 
indessen, daß die abgemessenen 20,6 ccm des Gases, gemischt mit 
77,9 ecm Luft, nicht ohne weiteres zur Explosion gebracht werden 
konnten, dazu war offenbar der Gehalt an CH, zu gering geworden. 
Erst nach Zumischung von reinem Wasserstoffgas gelang auch hier 
die Verbrennung des Methans. 

Es wurde nun hier nur die sich nach Hinwegnahme der Kohlen- 
säure einstellende Volumverminderung, also die sogenannnte 2. Kon- 
traktion gemessen, und diese gleich 90,4 —85,6 = 4,8 ccm gefunden. 

Da nun das Volumen der gebildeten Kohlensäure infolge der 
Verbrennungsreaktion OH;,+ O3-+ O3 = H3;0 + H3s0 + CO; gleich dem 
Volumen des vorhanden gewesenen Methans ist, so ergibt sich nach 
dieser Methode, freilich etwas weniger genau als aus der Berechnung 
unter Berücksichtigung der Gesamtkontraktion das in 20,6 ccm der 
Probe © gefundene Methan = 4,8 cem. 

Es sind mithin von dieser Probe infolge fünfjährigen Stehens 
über Wasser nur ca. 23,3% übrig geblieben. Der Rest von 76,7% 

Arch. d. Pharm. COXXXXIV. Bds. 1. Heft. 5 


66 E. Schmidt: 'Daturaalkaloide. 


bestebt somit aus Luft, welche durch das Sperrwasser in dieser langen 
Zeit hindurchgewandert ist, während das’ verloren gegangene Methan 
den umgekehrten Weg gemacht hat. 

Daß das Volumen des Gases -der Probe C. im Laufe der Zeit 
geringer geworden ist, hat seinen guten Grund in dem Unterschiede 
der Löslichkeitskoeffizienten von Luft und Methan. Der Koeffizient 
für Methan ist = 0,03498, für Luft dagegen = 0,01704, ist also für 
ersteres Gas etwas über doppelt so groß, sodaß das Verschwinden des 
Methans rascher erfolgen muß, als der Ersatz durch Luft. 

Die hier mitgeteilten Fälle dürften übrigens ein erfreuliches Bild 
von der Diffusionsdichtigkeit der gewöhnlichen Hahnfette ergeben, mit 
denen in der Regel die eingeschliffenen Glasstöpsel und Glashähne 
versehen werden. Auch sind sie ein Belag für den sich geltend 
machenden Einfluß von Wasser als Sperrflüssigkeit auf die Zusammen- 
setzung der über demselben aufbewahrten Gase. 


Mitteilungen aus dem pharmazeutisch-chemischen Institut 
der Universität Marburg. 


194. Ueber die mydriatisch wirkenden Alkaloide 
der Daturaarten. 
Von Ernst Schmidt. 


l. Datura alba. 


Gelegentlich der Untersuchung der Alkaloide einiger mydriatisch 
wirkender Solanaceen, über welche ich vor kurzem im Archiv der 
Pharmazie Mitteilung machte, wies ich auf die eigentümlichen Ver- 
hältnisse hin, die nach den vorliegenden Literaturangaben bezüglich 
der Qualität der Alkaloide in den verschiedenen Organen von Datura 
alba Nees obwalten sollen. Während die Blüten der in China heimischen 
Pflanze nach Browne 0,485, nach Hesse sogar 0,51% Scopolamin 
enthalten, konnten J. Shimoyama und F. Koshima (Apoth.-Ztg. 
1892, 458) aus den Samen der in der Provinz Chibo wild wachsenden 
Datura alba fast ausschließlich nur Hyoscyamin, neben sehr wenig 
Atropin isolieren. 

Nach Dragendorff (Die Heilpflanzen) und anderen : Autoren ist 
Datura alba Nees identisch mit der als Datura fastuosa bezeichneten 
Solanace. Da mir von den Samen letzterer Daturaart, zu Kultur- 
zwecken, von J. ©. Schmidt in Erfurt bezogen, 450 g zur Verfügung 


E. Schmidt: Daturaalkaloide. 67 


standen, erschien es mir, im Anschluß an meine früheren Arbeiten, 
nicht ohne Interesse zu sein, dieselben einer Prüfung zu unterziehen. 
Von diesen Samen war die eine Hälfte als Datura fastuosa, flor. alb. 
plen., die andere Hälfte als Datura fastuosa, flor. coerul. plen. bezeichnet. 
Beide Proben wurden, obschon sie äußerlich keine wesentlichen Ver- 
schiedenheiten zeigten, getrennt untersucht. 

Das zur Isolierung der in diesen Samen enthaltenen Alkaloide 
benutzte Verfahren, war das von mir für die Untersuchung anderer 
Solanaceen verwendete, 

Die grob gepulverten, sehr fettreichen Samen wurden mit Alkohol 
bei 30—40° möglichst extrahiert, die erhaltenen Auszüge bei mäßiger 
Wärme von Alkohol befreit, die Rückstände mit Wasser verdünnt 
und durch Ausschütteln mit Petroleumäther von Fett befreit. Die in 
den Petroleumäther mit übergegangenen Alkaloide wurden demselben 
durch Schütteln mit salzsäurehaltigem Wasser entzogen. 

Um die in den von Fett befreiten Extrakten enthaltenen Basen 
zu isolieren, wurden dieselben mit Natriumbikarbonat alkalisiert und 
alsdann wiederholt mit Aether-Chloroform ausgeschüttelt. Dem Aether- 
Chloroform konnten hierauf die aufgenommenen Alkaloide leicht durch 
Ausschütteln mit salzsäurehaltigem Wasser wieder entzogen werden. 
Die auf diese Weise erhaltenen Alkaloidlösungen waren kaum gefärbt, 
sodaß dieselben direkt zur Fällung mit Goldchlorid verwendet werden 
konnten. 

Die in obiger Weise erschöpften Extrakte wurden alsdann mit 
viel Aether-Chloroform übergossen, hierauf mit konzentrierter Pottasche- 
lösung versetzt und sofort in der Schüttelmaschine ausgeschüttelt. 
Dem Aether-Chloroform wurde dann das noch aufgenommene Alkaloid 
ebenfalls durch salzsäurehaltiges Wasser entzogen und diese Auszüge 
gesondert mit Goldchlorid einer Prüfung unterzogen. Außer einigen 
Kryställchen eines, aus Hyoscyamin- und Atropingoldchlorid bestehenden 
Gemisches, resultierten hier jedoch nur kleine, zur weiteren Unter- 
suchung unzureichende Mengen von amorphen Golddoppelsalzen. 


A. Samen von Datura fastuosa, flor. coerul. plen. 
(230 g.) 

Goldehlorid rief in den Lösungen, welche durch Ausschütteln des 
Petroleumäthers und der Aether-Chloroformauszüge des mit Natrium- 
bikarbonat alkalisierten Extraktes mit salzsäurehaltigem Wasser er- 
halten waren, eine reichliche, krystallinische Fällung hervor. Nach 
zweimaligem Umkrystallisieren aus heißem, salzsäurehaltigem Wasser 
wurden hieraus 1,05 g eines bei 207—209° unter Aufschäumen 
schmelzenden Doppelsalzes erhalten, welches nach seiner charakte- 

5* 


68 E. Schmidt: Daturaalkaloide. 


ristischen Form, dem Schmelzpunkte und dem Goldgehalte aus 
Scopolamingoldchlorid bestand. 
0,346 g enthielten 0,1056 g Au. 
Gefunden: Berechnet für Cy7HgıNO,, HC1-AuQ]: 
Au 30,52 30,57. 

Aus dem Filtrate der direkten Fällung mit Goldchlorid, sowie 
aus den Mutterlaugen des durch Umkrystallisation gereinigten 
Scopolamingoldchlorids schieden sich nach dem Eindampfen und darauf- 
tolgendem freiwilligen Verdunstenlassen zunächst noch einige Kryställchen 
von Scopolamingoldchlorid ab, alsdann erfolgte eine Abscheidung von 
wenig glänzenden, zu kleinen Rosetten gruppierten feinen Krystall- 
flittern. Mit letzterer Krystallisation, bezw. nach derselben, erfolgte 
die Abscheidung eines öligen Goldsalzes in rotgelben, durchscheinenden 
Tröpfchen. Da letztere bei der Aufbewahrung jener Flüssigkeit im 
Eisschranke alsbald erstarrten, so ließen sich dieselben leicht sowohl 
von dem direkt in Rosettenform ausgeschiedenen Golddoppelsalze, als 
auch von der Mutterlauge (M) durch Auslesen trennen. 

Bei der Umkrystallisation aus heißem, salzsäurehaltigem Wasser 
verwandelte sich das zunächst rosettenförmig ausgeschiedene Gold- 
doppelsalz in glänzende, bei 1651—162° schmelzende Blättchen, die nach 
dem Aeußeren, dem Schmelzpunkte und dem Goldgehalte aus Hyoscy- 
amingoldchlorid bestanden. Die Menge dieses Doppelsalzes betrug 
0,170 g. 

0,170 g enthielten 0,05305 g Au. 

Gefunden: Berechnet für Cy7HsgNO;, HC1-Aul]z: 
Au 31,21 31,30. 

Das zunächst ölig ausgeschiedene Golddoppelsalz lieferte, nachdem 
es krystallinisch erstarrt, alsdann in heißem, salzsäurehaltigem Wasser 
gelöst und schließlich die Lösung der freiwilligen Verdunstung über- 
lassen war, zunächst noch eine kleine Menge von Hyoscyamingoldchlorid 
(Schmp. 159—161°), alsdann vereinzelte mattgelbe, knöpfchenartige, 
bei 136—138° schmelzende Gebilde von Atropingoldchlorid. 
Schließlich resultierten noch geringe Mengen von klebrigen Massen, 
welche ebensowenig wie die aus der Mutterlauge (M) ausgeschiedenen 
Produkte ähnlicher Beschaffenheit weiter untersucht wurden, da die 
Gesamtmenge zu gering war. 


B. Samen von Datura fastuosa, flor. alb. plen. 
(220 g.) 
Die Resultate, welche bei der Untersuchung der Samen dieser 
Daturaart erzielt wurden, stimmen im wesentlichen mit denen überein, 
welche sich bei der im vorstehenden eingehender dargelegten Prüfung 


E. Schmidt: Daturaalkaloide. 69 


der Datura fastuosa flor. coerul. plen. ergaben. Die Menge der im 
reinen Zustande isolierten Golddoppelsalze war jedoch etwas geringer, 
als dort. Dagegen war die Quantität der aus den letzten Mutterlaugen 
abgeschiedenen klebrigen, amorphen Golddoppelsalze etwas beträchtlicher, 
als bei den Samen von Datura fastuosa, flor. coerul. plen. 

An reinem Scopolamingoldehlorid vom Schmp. 206—209° 
gewann ich hier 0,91 g. 

0,222 g enthielten 0,0678 g Au. 

Gefunden: Berechnet für C;7Hs3ı NO, HCl-Au Cl: 
30,54. 30,57. 

An reinem Hyoscyamingoldchlorid vom Schmp. 160—162° 
erhielt ich 0,11 g; Atropingoldchlorid beobachtete ich nur in 
vereinzelten kleinen, warzenförmigen Gebilden (Schmp. 134—136°), 

Vergleicht man die Resultate der vorstehenden Untersuchungen 
mit denen, welche Shimoyama und Koshima bei der Prüfung der 
japanischen Samen von Datura alba erzielten, so macht sich qualitativ 
und quantitativ ein großer Unterschied bemerkbar. Genannte Forscher 
erhielten aus 1 kg Samen etwa 0,90 g Hyoscyamingoldchlorid, entsprechend 
einem Gehalte von 0,041% Hyoscyamin, und kaum 0,05g Atropin- 
goldchlorid, wogegen ich aus 230 g der Samen von Datura fastuosa, 
flor. coerul. plen. mehr als 1,05 g Scopolamingoldchlorid, entsprechend 
einem Gehalte von 0,216% Scopolamin, und mehr als 0,170 g Hyos- 
cyamingoldchlorid, entsprechend einem Gehalte von 0,034% Hyoseyamin, 
isolierte. Die Samen von Datura fastuosa, flor. alb. plen. lieferten 
mir 0,20% Scopolamin und 0,023% Hyoscyamin. 

Wie weit die großen Differenzen, welche in den von Shimoyama 
und Koshima erzielten Resultaten im Vergleich zu den von mir 
gemachten Beobachtungen obwalten, auf den Einfluß klimatischer oder 
sonstiger Verhältnisse zurückzuführen sind, vermag ich nicht zu ent- 
scheiden. Daß das Alter der Pflanzen und das Entwickelungsstadium 
derselben einen gewissen Einfluß auf die Qualität und Quantität der 
Mydriatika ausüben, habe ich früher bei Atropa Belladonna bereits 
beobachtet. Aehnliches konnte Herr Dr. A. Kircher bei Datura 
arborea konstatieren, wie aus nachstehender Mitteilung hervorgeht. 


ll. Datura arborea. 
Von Dr. Adolf Kircher. 


Im Anschluß an. die Untersuchungen über die mydriatisch 
wirkenden Alkaloide der Datura arborea (Arch. d. Pharm. Bd. 243, 
S. 323) wurden auch die Samen genannter Pflanze einer diesbezüglichen 
Prüfung unterworfen. 


70 E. Schmidt: Daturaalkaloide. 


Die Isolierungsmethode der Alkaloid-Golddoppelsalze, welche ich 
bei dem, in einer Menge von 50 g vorliegenden Material anwandte, 
habe ich bereits bei der Verarbeitung der Organe von Datura Metel 
eingehend erörtert (Arch. d. Pharm. Bd. 243, S. 311). 


A. Mit Natriumbikarbonat alkalisierter Auszug, 


Die erhaltene, schwach salzsaure Lösung der Pflanzenbasen 
lieferte mit Goldchloridlösung durch fraktionierte Fällung zunächst 
zwei Goldsalze mit Fp. 190° und 154°. Nach dem Umkrystallisieren 
ergab die erste Fraktion die typischen, sägeförmig ausgezackten 
Krystalle des Scopolamingoldchlorids (Fp. 208°), und die zweite die 
charakteristisch kleinen, zu moosähnlicher Form gruppierten Blättchen 
des Hyoscyamingoldchlorids (Fp. 161°). Das Mengenverhältnis beider 
Doppelsalze war etwa 1:3. 


B. Mit Kaliumkarbonat nunmehr stark alkalisierter Auszug. 


Nach der Umwandlung der noch vorhandenen Alkaloide in die 
Hydrochloride erhielt ich durch Goldchloridlösung noch kleine Mengen 
von Hyoscyamingoldchlorid (Fp. 151°, umkrystallisiert 160°) und einige 
ölige Tropfen, vermutlich von Atropingoldchlorid. 

Abgesehen von den kleinen, vielleicht präexistierend vorhandenen 
Mengen Atropins, enthält somit auch der Samen von Datura arborea, 
Scopolamin und Hyoscyamin, jedoch in einem Verhältnis von 
etwa 1:4 und nicht, wie ich nach meinen früheren Untersuchungen 
der übrigen Organe dieser Pflanze erwarten konnte, Scopolamin als 
Hauptalkaloid. 

Bei den früheren Untersuchungen von Datura arborea, welche 
mit einem stattlichen, im hiesigen botanischen Garten kultivierten, 
blühenden Exemplare zur Ausführung gelangten, ergab sich, daß 
dieselbe in allen zur Prüfung gelangten Teilen als Hauptalkaloid das 
Scopolamin enthielt, obschon sich überall auch Hyoscyamin als 
Nebenalkaloid nachweisen ließ. 

Die bemerkenswerten Unterschiede, welche in der Qualität der 
Alkaleide bei den untersuchten Samen, im Vergleich zu den früher 
geprüften sonstigen Organen der Datura arborea obwalten, dürften 
auf die verschiedenen äußeren Verhältnisse zurückzuführen sein, unter 
denen die betreffenden Pflanzen gewachsen waren. Das frühere Unter- 
suchungsmaterial war im hiesigen botanischen Garten kultiviert, wo- 
gegen die jetzt geprüften Samen, welche durch J. ©. Schmidt in 
Erfurt bezogen waren, von ausländischen PAanzen stammten, da die 
hier gezogenen Exemplare unter dem Einflusse der klimatischen Ver- 
hältnisse nicht zur Samenreife gelangen. 


E. Schmidt: Daturaalkaloide. 71 


Um zu sehen, ob auch bei den hier kultivierten Pflanzen das 
Alter und das Entwickelungsstadium einen Einfluß auf die Art der 
vorhandenen Alkaloide ausübt, habe ich 100 g der getrockneten Achse 
und 60 g der Wurzel einer bereits verblüten und zum größten 
Teil entblätterten Datura arborea von neuem auf die Art der vor- 
handenen Pflanzenbasen geprüft. 

Die Untersuchung der Achse ergab als Resultat die Gegenwart 
von relativ viel Hyoscyamin und wahrscheinlich wenig Scopolamin. 
Bei der Gewinnung der Aurochlorate nämlich erhielt ich besonders 
eine zweite Fraktion, die umkrystallisiert sich in seiner typischen 
Form als reines Hyoscyamingoldchlorid erwies (Fp. 162°), Die erste 
Fällung, an Menge sehr gering, gestattete nicht ein Umkrystallisieren, 
jedoch lag, nach dem Aussehen und Schmelzpunkt derselben zu urteilen, 
wohl unreines Scopolamingoldchlorid vor. 

Die Wurzel enthielt nur wenig Hyoscyamin und etwas mehr 
Atropin, welches als Goldsalz zunächst in öligen Tropfen zur Ab- 
scheidung gelangte. 

Die im vorstehenden skizzierten, von den Resultaten meiner früheren 
Untersuchungen abweichenden Befunde können nur durch die ver- 
schiedene Beschaffenheit der untersuchten Pflanzen eine Erklärung finden. 

Die früher von mir untersuchten Organe der Datura arborea: 
Blüten, Blätter, Stamm und Wurzel, stammten, wie bereits erwähnt, 
von einer älteren, etwa 1,5 m hohen, noch in normaler Entwickelung 
begriffenen, blühenden Pflanze, wogegen die jetzt untersuchten Organe: 
Achse und Wurzel, einer jüngeren, bereits verblüten und zum größten 
Teil entblätterten, mehr oder minder im Absterben begriffenen, etwa 
1 m hohen Pflanze angehörten. Da die früher untersuchte und die 
jetzt geprüfte Pflanze sonst unter gleichen Bedingungen im hiesigen 
botanischen Garten kultiviert waren, so kann die Verschiedenheit in 
dem Alkaloidgehalte derselben nur durch die wesentliche Differenz in 
dem Alter und in dem Entwickelungsstadium bedingt sein. 

Daß jedoch eine Datura-Spezies unter gleichen biologischen Ver- 
hältnissen in einem bestimmten Entwickelungsstadium fortgesetzt die 
gleiche Art der Alkaloide erzeugt, zeigt die der Datura arborea ver- 
wandte Datura Metel. Diese Pflanze, welche im hiesigen botanischen 
Garten in den Jahren 1902, 1903, 1904 und 1905 unter gleichen Be- 
dingungen kultiviert worden war, habe ich fortgesetzt in dem gleichen 
Entwickelungsstadium: zur Blütezeit, auf die Art der Alkaloide unter- 
sucht und hierbei meine frühere Beobachtung, daß wir es hier mit 
einer „typischen“ Scopolaminpflanze zu tun haben, nur bestätigt 
gefunden. 


72 M. Scholtz: Spartein. 


Mitteilung aus der pharmazeutischen Abteilung des 
chemischen Instituts in Greifswald. 


Ueber die Halogenalkylate des Sparteins. 
Von M. Scholtz. 
(Eingegangen den 15. II. 1906 ) 


Vor 1% Jahren veröffentlichte ich gemeinsam mit P. Pawlicki 
eine Abhandlung über die Halogenadditionsprodukte des Sparteins'), 
in der wir den Nachweis zu führen suchten, daß durch Addition zweier 
verschiedener Halogenalkyle an Spartein in verschiedener Reihenfolge 
zwei verschiedene Verbindungen erhalten werden, woraus der Schluß 
gezogen wurde, daß die beiden Stickstoffatome des Sparteins in ver- 
schiedener Weise innerhalb des Moleküls gebunden sind. Die Ein- 
wirkung von Halogenalkylen auf Spartein ist inzwischen auch von 
Moureu und Valeur?) untersucht worden, die zu anderen Resultaten 
gelangten, aus denen sie auf eine symmetrische Struktur des Moleküls 
gegenüber den beiden Stickstoffatomen schließen. Ich habe infolge- 
dessen unsere Versuche wiederholt und gefunden, daß die früheren 
Angaben zum Teil irrtümlich sind. Herr Pawlicki, dessen Analysen 
unseren Schlußfolgerungen zu Grunde lagen, ist wenige Monate nach 
Beendigung der Arbeit gestorben. Unter diesen Umständen beschränke 
ich mich auf die Wiedergabe der Resultate meiner erneuten Unter- 
suchung, durch welche die früheren Angaben zu berichtigen sind. 

Daß das Spartein als zweisäurige Base funktioniert, geht aus 
einer Reihe schon früher von Stenhouse?), Mills®) und Bamberger’) 
dargestellter Salzehervor. Trotzdem gelingt es außerordentlich schwierig, 
zwei Halogenalkyle an das Alkaloid anzulagern. Die schon vonMills 
beobachtete Eigentümlichkeit des Sparteins, beim Erhitzen mit Jod- 
äthyl in alkoholischer Lösung nicht das Dijodäthylat Cı; Hase Na(C>s H, J)3 
zu bilden, sondern das jodwasserstoffsaure Monojodäthylat Cıs Has Ns - 
CG,H;,J:- HJ zeigt, daß das Alkaloid leicht zersetzend auf Halogen- 
alkyle wirkt unter Abspaltung von Jodwasserstoff. Diese Neigung, 
Jodwasserstoff abzuspalten, ist so groß, daß manche Halogenalkyle 
beim Erwärmen mit Spartein nur jodwasserstoffsaures Spartein liefern. 


1) Arch. d. Pharm. 242, 513 (1904). 

3) Compt. rendus 140, 1601, 1645; 141, 49, 117, 261 (1905). 
8) Ann. d. Chem. u. Pharm. 78, 15 (1851). 

4) Ann. d. Chem. u. Pharm. 125, 71 (1863). 

5) Ann. d. Chem, u. Pharm. 235, 376 (1886). 


M. Scholtz: Spartein. 73 


Jodäthyl lagert sich bei gewöhnlicher Temperatur langsam, beim 
Erwärmen auf 100° schnell an, erhitzt man aber mit einem Ueberschuß 
von Jodäthyl auf i50°, so entsteht lediglich jodwassersaures Spartein. 
Ebensowenig ist die Anlagerung eines zweiten Halogenalkyls durch 
Erhitzen von Sparteinjodmethylat mit Jodäthyl oder von Spartein- 
jodäthylat mit Jodmethyl zu erreichen, sondern das Sparteinmonojodalkylat 
bleibt bei niederer Temperatur unverändert, während bei höherer 
Temperatur Zersetzung unter Bildung des bei 230° schmelzenden jod- 
wasserstoffsauren Sparteins stattfindet. 

Einige Halogenalkyle sind überhaupt nicht zur Anlagerung an 
Spartein za veranlassen, sondern werden schon vorher unter Jod- 
wasserstoffabspaltung zersetzt. So resultiert beim Behandeln von 
Spartein mit Jodessigsäuremethylester schon in der Kälte, sowie beim 
Erwärmen von Spartein mit Amyljodid auf dem Wasserbade lediglich 
jodwasserstoffsaures Spartein. Wie Methyljodid lagert sich aber 
Benzyljodid leicht bei Zimmertemperatur an, unter Bildung von 
Sparteinjodbenzylat, Cj5 Has Na - C,H, -CHa3J, das, aus Wasser um- 
krystallisiert, farblose Blättchen vom Schmp. 168° bildet. 


0,1435 g Substanz gaben 0,3060 g COa und 0,0909 g Ha0. 


0,1864 „ ni „ 0,0973 „ AgJ. 
Berechnet für Cs Has Ng-C, H7J: Gefunden: 
C 58,4 58,2 
3-05 7,1 
I 281 28,2 


Doch entsteht auch neben diesem Ammoniumjodid eine geringe 
Menge Sparteinjodhydrat. Beim Erwärmen des Jodbenzylats mit 
Jodessigsäuremethylester auf dem Wasserbade entsteht wiederum 
lediglich das jodwasserstoffsaure Salz. Es könnte hiernach scheinen, 
als ob das zweite Stickstoffatom des Sparteins überhaupt nicht fähig 
wäre, Jodalkyl zu addieren, doch lassen sich zwei Verbindungen dar- 
stellen, in denen zweifellos jedes der beiden Stickstoffatome an vier 
organische Radikale und ein Halogenatom gebunden ist. Es ist das 
einmal das in der früheren Abhandlung beschriebene Additionsprodukt 
von ortho-Xylylenbromid an Spartein, C,;HssNa- C,H, (CH3» Br).. 
Zum Beweise, daß sich hier beide Stickstoffatome in fünfwertigem 
Zustande befinden, habe ich die Verbindung in wässeriger Lösung mit 
Silberoxyd behandelt. Das stark alkalisch reagierende Filtrat wurde 
mit Salzsäure angesäuert und mit Platinchlorid versetzt. Das aus- 
fallende, in kaltem Wasser schwer, in Salzsäure leicht lösliche Platin- 
salz wird beim Umkrystallisieren aus heißem Wasser als klein- 
krystallinisches Pulver erhalten, das bei 218° unter Zersetzung 


74 M. Scholtz: Spartein. 


schmilzt. Wie die Platinbestimmung zeigt, entspricht es der/|Zu- 
sammensetzung Cı; Has Na - Ca Hz Cl, - PtC];. 
0,3299 g Substanz gaben 0,0856 g Pt. 


Berechnet für C3Hg4NaPt(Ül;: Gefunden: 
Pt 26,1 26,0. 


Eine andere Diammoniumverbindung des Sparteins haben 
Moureu und Valeur durch Erhitzen des Alkaloids mit über- 
schüssigem Jodmethyl auf 180—190° erhalten. Die hierbei ent- 
stehende, äußerst leicht lösliche und hygroskopische Verbindung haben 
die genannten Autoren nicht genau charakterisiert, schließen aber aus 
der Analyse der aus Alkohol umkrystallisierten Verbindung, daß sie 
das mit 1 Mol. Alkohol krystallisierende Dijodmethylat in Händen 
hatten. Da die Verbindung zur Analyse wenig geeignet ist, so habe 
ich sie, auf demselben Wege dargestellt, ebenfalls mit Silberoxyd be- 
handelt, durch Salzsäure in das Chlorid übergeführt und aus diesem 
das Platinsalz gewonnen. Aus heißem Wasser läßt es sich gut um- 
krystallisieren und stellt dann orangefarbene Nadeln dar, die der Zu- 
sammensetzung Cj; Hs, Na(CH; Ol), PtC], entsprechen. 


0,2862 g Substanz gaben 0,0828 g Pt. 
Berechnet für CyHgssNsPtC];: Gefunden: 
Pt 29,0 28,9. 


Moureu und Valeur haben nun bei der Darstellung des Mono- 
jodmethylats und Monojodäthylats außer den schon bekannten Ver- 
bindungen noch ein zweites Reaktionsprodukt derselben Zusammen- 
setzung erhalten, diese neuen Verbindungen betrachten sie aber nicht 
als Strukturisomere des von Bamberger beschriebenen Jodmethylats 
und Jodäthylats in dem Sinne, daß das Halogenalkyl das eine Mal an 
das eine, das andere Mal an das andere Stickstoffatom getreten ist, 
sondern als Stereoisomere, und zwar aus folgendem Grunde. Den 
beiden Jodmethylaten, die sich durch Löslichkeit und optisches Ver- 
halten unterscheiden, und die sie «- und «a‘-Jodmethylat nennen, ent- 
sprechen zwei jodwasserstoffsaure Jodmethylate, C}5Hss Na - CH3J «HJ 
(a-- und «a’-Verbindung), von denen das erste mit dem von mir früher 
dargestellten identisch ist. Beide Jodmethylat-Jodhydrate geben, auf 
232° erhitzt, Jodmethyl ab, und es hinterbleibt in beiden Fällen 
dasselbe jodwasserstoffsaure Spartein. Ständen die beiden Jodmethylat- 
Jodhydrate zu einander im Verhältnis der Strukturisomerie, wäre also 
in dem einen der Jodwasserstoff an das Stickstoffatom a, das Jodmethyl 
an den Stickstoff b gebunden, in dem anderen aber umgekehrt, so hätten 
bei der Abspaltung des Jodmethyls zwei verschiedene Sparteinjodhydrate 
hinterbleiben müssen, da ja der Jodwasserstoff an verschiedene Stickstoff- 


M. Scholtz: Spartein. 75 


atome gebunden wäre. Den Einwand, daß bei der hohen Temperatur 
von 232% eine Wanderung des Jodwasserstoffes von einem Stickstoff- 
atom an das andere sehr leicht möglich wäre, suchen Moureu und 
Valeur dadurch zu entkräften, daß beim Erhitzen von jodwasserstoff- 
saurem Spartein mit überschüssigem Jodmethyl auf 135° neben dem 
Jodmethylat-Jodhydrat « auch eine geringe Menge der «a‘-Verbindung 
entsteht. Hier war das eine Stickstoffatom von vornherein besetzt, 
das Jodmethyl muß sich also bei beiden Jodmethylat-Jodhydraten an 
demselben Stickstoffatom befinden. Aus diesen Versuchen folgern 
Moureu und Valeur, daß ein durch die Struktur des Sparteins 
bedingter Unterschied zwischen den beiden Stickstoffatomen nicht 
besteht, und daß die von ihnen aufgefundene Isomerie nur sterischer 
Natur sein kann. Diese Beweisführung dürfte indessen kaum genügen, 
um die symmetrische Struktur des Sparteins gegenüber den beiden 
Stickstoffatomen zu beweisen, denn auch die Temperatur von 135° 
schließt eine Wanderung des Jodwasserstoffs von einem Stickstoff zum 
andern nicht aus. 

Die von ihnen angenommene Stereoisomerie stellen Moureu und 
Valeur in Analogie mit der von mir bei dem alkylierten Koniin und 
Konhydrin aufgefundenen!), bei denen es sich gezeigt hatte, daß bei 
der Addition eines Halogenalkyls zwei Formen auftreten, die nur durch 
die stereochemischen Verhältnisse des fünfwertigen Stickstoffs ihre 
Erklärung finden können, und schreiben schließlich, überzeugt von der 
symmetrischen Struktur des Sparteinmoleküls, auf Grund der von 
ihnen erhaltenen Abbauprodukte unter Vorbehalt dem Alkaloid eine 
der beiden folgenden Formeln zu: 


CH CH 
CH, “nn CHa CHs um, CHa 
| | 


] 
CH3| Ne CHa 


N 


oder 
Jet no, 
CH, CH, m CH— CH — CH: m CHs 
| Im 
CHa Is CHa CHa__ bar, CHa 
N Pr 


Hierbei ist indessen übersehen, daß keine dieser beiden Formeln 
die Bedingung erfüllt, welche die durch das fünfwertige Stickstoffatom 
verursachte Stereoisomerie erfordert. Alle bisher bekannten Beispiele 
von dem Auftreten stereoisomerer Formen am fünfwertigen Stickstoff 


1) Ber. d. d. chem. Ges. 37, 3627 (1904), 38, 595 u. 1289 (1905). 


76 M. Scholtz: Spartein. 


haben sich nur beim asymmetrischen Stickstoff gefunden, bei dem 
alle fünf Valenzen in verschiedener Weise gebunden sind, und beim 
alkylierten Koniin und Konhydrin habe ich gezeigt, daß die Isomerie 
nicht auftritt, wenn zwei gleiche Radikale am Stickstoff stehen. Die 
beiden obigen Formeln enthalten aber keinen asymmetrischen Stickstoff, 
von ihnen können sich also auch keine stereoisomeren F'ormen ableiten. 


In Anbetracht des therapeutischen Interesses, welches die 
Halogenalkylate der Alkaloide mehr und mehr gewinnen, habe ich 
Herrn Privatdozent Dr. Hildebrandt in Halle ersucht, einen Vergleich 
der physiologischen Wirkung des Sparteinjodmethylats und -benzylats 
mit der des Sparteins selbst anzustellen. Herr Hildebrandt, dem ich 
auch hier für seine Untersuchung meinen besten Dank sage, teilt hier- 
über folgendes mit: 

„Jodwasserstoffsaures Spartein (Mol.-Gew. 362), Sparteinjod- 
methylat (Mol.-Gew. 376) und Sparteinjodbenzylat (Mol.-Gew. 452) 
zeigen sämtlich bei Fröschen in Mengen von 7,2, bezw. 7,5, bezw. 9,0 mg 
(Verhältnis der Molekulargewichte) die Wirkung, die Fick im Jahre 
1873 beim salzsauren Spartein beobachtet hat: die spontanen Be- 
wegungen hören auf, schließlich tritt völlige motorische Lähmung ein, 
die Nerven reagieren auch auf starke elektrische Ströme nicht und die 
Atmung hört auf, während das Herz noch pulsiert. Immerhin trat 
bei den Halogenalkylaten des Sparteins die Allgemeinwirkung früher 
ein. Hinsichtlich der Wirkung auf das Herz machten sich insofern 
Unterschiede bemerkbar, als im Falle der Halogenalkylate die Intensität 
der Herzschläge stundenlang normal blieb, während beim jodwasserstoff- 
sauren Spartein sehr bald eine beträchtliche Verlangsamung der Herz- 
schläge eintrat, indem sie von 36 auf 12 pro Minute innerhalb einer 
Stunde herabgingen, wobei die einzelnen Zusammenziehungen immer 
weniger kräftig wurden. Diese Wirkung haben im Jahre 1895 
Cushny und Matthews beim Sparteinsulfat beobachtet und als direkte 
Herzwirkung erkannt. Da diese den Herzmuskel schädigende Wirkung 
den Sparteinjodalkylaten nicht zukommt, so war zu erwarten, daß bei 
ihnen eine weitere für das Spartein nachgewiesene Wirkung in höherem 
Grade zum Ausdruck kommen würde. Nach Beibringung von Spartein 
verliert, wie Fick fand, der Herznerv des Frosches seine elektrische 
Erregbarkeit; der durch Muskarin, das die Hemmungszentra in hohem 
Grade erregt, erzeugte Herzstillstand wird durch Spartein ähnlich wie 
durch Atropin beseitigt. Bei den Halogenalkylaten war in der Tat 
die Wirkung noch deutlicher, als Fröschen, denen durch Injektion von 
Muskarin das Herz in diastolischen Zustand versetzt war, 7 bis 9 mg 


H. Frerichs u. O. Rentschler: Xanthogenharnstoffe etc. 77 


injiziert wurden. Es scheint hieraus hervorzugehen, daß für das 
Zustandekommen dieser eigenartigen Wirkung (Lähmung der Herz- 
hemmungsnerven) des Sparteins nicht das Vorhandensein des tertiären 
Stickstoff maßgebend ist, wohl aber durch ihn die schädigende Wirkung 
auf das Herz bedingt ist. Versuche an Kaninchen ergaben. daß die 
dem Spartein eigene Atmungslähmung in gleicher Weise von den 
Halogenalkylaten hervorgerufen wird. 0,3 g Sparteinjodmethylat 
zeigten bei einem Kaninchen von 1100 g Gewicht binnen 40 Minuten 
die gleiche toxische Wirkung, wie 0,3 g des jodwasserstoffsauren 
Salzes. Trotz der an sich günstigen Wirkung der Halogenalkylate 
auf das Herz erscheint wegen der die Atmung schädigenden Wirkung 
ihre therapeutische Verwendung in hohem Grade bedenklich.“ 


Mitteilungen aus dem Pharmazeutischen Institute der 
Herzog]. technischen Hochschule zu Braunschweig. 
Von H. Beckurts. 


Ueber die Einwirkung von xanthogensauren Salzen 


auf Derivate der Monochloressigsäure. 
Von H. Frerichs und OÖ. Rentschler. 


(Eingegangen den 25. II. 1906.) 


Im nachstehenden wollen wir eine Anzahl Verbindungen 
beschreiben, die erhalten wurden durch Einwirkung von methyl-, 
äthyl-, propyl- und benzylxanthogensaurem Kalium bezw. Natrium 
auf Chloracetylharnstoffe und Chloracetylarylamine. Die hierbei er- 
haltenen Verbindungen waren beständig und krystallisierten durchweg 
gut. Namentlich gegen konz. Säuren waren die erhaltenen Körper 
sehr beständig, sie lösten sich z. B. glatt in konz. Schwefelsäure und 
schieden sich beim Verdünnen mit Wasser unverändert ab. Bei der 
Einwirkung von Alkalien traten jedoch tiefgehende Umsetzungen ein, 
es gelang uns jedoch nicht, die entstehenden Produkte zu fassen. Auf 
Zusatz von Säuren zu der Lösung in Alkalien entwickelte sich stets 
Schwefelwasserstoff. Versuche, durch Quecksilberoxyd eine Ent- 
schwefelung herbeizuführen, gelangen nicht. 


Methylxanthogenacetylharnstoff: 
NH3 (0/6) NH 16/6) CH3S CS 16) CH; = C; Hs Na Sa OÖ. 
Gleiche Moleküle Chloracetylharnstoff und methylxanthogensaures 
Kalium wurden in alkoholischer Lösung etwa 5 Minuten im Sieden 


78 H. Frerichs u. O. Rentschler: Xanthogenharnstoffe etc. 


erhalten und darauf das ausgeschiedene Chlorkalium abfiltriert. Aus 
dem Filtrate schieden sich beim Erkalten eine reichliche Menge farb- 
loser Nadeln ab, die aus Alkohol umkrystallisiert bei 170—171° 
schmolzen. Dieselben waren löslich in Alkohol und Eisessig, fast un- 
löslich in Wasser und Aether. 


Analysen: 
1. 0,1022 g Substanz gaben 0,2310 g BaS0, = 31,03% S. 
2. 0,1797, n „ bei 220 und 755mm Druck 21,3 ccm feuchten 
Stickstoff — 13,63% N. 
Berechnet für die Formel C,HgNaS30;: Gefunden: 
3. 0,77 31,03% 
N 13,46 13,63 „. 


Aethylxanthogenacetylharnstoff: 
NH3 10/6) NH co CHa S CS OÖ 169 H; — Os HıoN>a Sa O3. 


Auf dieselbe Weise wie der Methylxanthogenacetylharnstoff 
wurde dieser Körper aus äthylxanthogensaurem Kalium und Chlor- 
acetylharnstoff in Form büschelförmig gruppierter langer Nadeln er- 
halten, die bei 177—178° schmolzen. Gegen Lösungsmittel verhielt 
sich derselbe wie die entsprechende Methylverbindung. | 


Analysen: 
1. 0,1093 g Substanz gaben 0,2320 g BaS0O, —= 29,15% S. 
2. 0,1560 „ h „ bei 220 und 755 mm Druck 17,2 ccm feuchten 
BRAIN, 
Berechnet für die Formel 0,H,oNgS3 03: Gefunden: 
Ss 28,83 29,15% 
N 12,61 12,41 „. 


PropyIxanthogenacetylharnstoff: 
NH; 16/6) NH Co CHa Ss Cs Ö [07 H7 = [07 Hıa Na Sa O:. 


Durch Einwirkung von propylxanthogensaurem Kali auf Chlor- 
acetylharnstoff wurde diese Verbindung in Form langer farbloser 
Nadeln erhalten, die bei 168—169° schmolzen. Dieselben waren 
löslich in Eisessig, schwer löslich in Alkohol, fast unlöslich in Wasser 
und Aether. 


Analysen: 
1. 0,2100 g Substanz gaben 0,4130 g BaS0O, = 27% 8. 
2. 0,1840 „ 5 „ 0,2400 „ CO; = 35,54% C und 0,0825 g H50 
— 4,98% H. 
Berechnet für die Formel C7,HjaNaSg9 03: Gefunden: 
GC 35,59 35,54% 
H 5,08 4,98 „ 


Ss 29712 dns 


H. Frerichs u. O. Rentschler: Xanthogenharnstoffe etc. 79 


Benzylxanthogenacetylharnstoff: 
NH3 co NHCO CHsS Cs Ö CH3 C,H; = Cyı H3s Sa Na O;. 

Zur Darstellung dieses Körpers wurde zunächst benzyl- 
xanthogensaures Natrium dargestellt, welches in der Literatur 
noch nicht beschrieben wurde. Durch Einwirkung von 23,0 metallischem 
Natrium auf 106,0 Benzylalkohol wurde Natriumbenzylalkoholat als 
krystallinische Masse erhalten. Dasselbe wurde mit ca. 200 ccm Aether 
verrieben und unter guter Kühlung nach und nach mit 85,0 Schwefel- 
kohlenstoff versetzt. Das gelbe krystallinische Produkt wurde abgesogen, 
mit Aether gewaschen und über Schwefelsäure getrocknet. Es stellte 
wenig ausgebildete Blättchen dar, die in Wasser und Eisessig leicht, 
schwerer in Alkohol löslich, in Aether und Chloroformfast unlöslich waren. 

Analyse: 

0,2074 g Substanz gaben beim Abrauchen mit konzentrierter Schwefel- 
säure 0,0700 g NagSO, = 10,94% Na. 

Berechnet für die Formel 0gH,SgO Na: Gefunden: 
Na 11,16 10,94 %. 

Beim Erhitzen einer Lösung von 6,0 Chloracetylharnstoff in etwa 
50 ccm Alkohol erstarrte die Flüssigkeit nach Zusatz von 10,0 benzyl- 
xanthogensaurem Natrium alsbald zu einem Krystallbrei. Derselbe wurde 
nach dem Erkalten abgesogen, mit Wasser gewaschen und aus Alkohol 
umkrystallisiertt. Die auf diese Weise erhaltenen farblosen Nadeln 
schmolzen bei 165°, waren schwer löslich in Alkohol, fast unlöslich in 
Aether, Chloroform und Eisessig. 


Analyse: 
0,1131 g Substanz gaben 0,1850 g BaSO, = 22,45% S. 
Berechnet für die Formel C,,H72Sa N30;: Gefunden: 
22,54 22,45%. 


Methylxanthogenacetylmethylharnstoff: 
CH; NHCO NH 16/6) CH; SCSOCH; Sa C; Hıo Na Sa O3. 

15 g methylxanthogensaures Kali wurden in etwa 30 ccm Alkohol 
gelöst und einer siedenden weingeistigen Lösung von 15 g Chloracetyl- 
methylharnstoff zugesetzt und 5 Minuten im Sieden erhalten. Die nach 
dem Erkalten ausgeschiedenen Krystalle wurden aus 90%igem Alkohol 
umkrystallisiert und in Form farbloser Blättchen erhalten, die bei 176° 
schmolzen. 

Dieselben waren schwer löslich in Alkohol und Eisessig, fast 
unlöslich in Wasser und Aether. 


Analysen: 
1. 0,1615 g Substanz gaben 0,3400 g BaS0O, = 28,91% S. 
2. 0,1555 „ 5 „ bei 250 und 760 mm Druck 18ccm feuchten 


N = 1294, N. 


80 H. Frerichs u. OÖ. Rentschler: Xanthogenharnstoffe etc. 
Berechnet für die Formel 0,HjoN3S30;: Gefunden: 

S 28,83 28,91% 

N 12,61 12,9 „. 


AethyIxanthogenacetylmethylharnstoff: 
CH; NH co NH co CHa S 16; so [67 H; 5 [67 Hs Na Sa O3. 

Diese Verbindung wurde der Methylverbindung analog aus äthyl- 
xanthogensaurem Kaliund Chloracetylmethylharnstoff in Form glänzender 
Blättchen erhalten, welche bei 185° schmolzen. Die Löslichkeits- 
verhältnisse waren dieselben wie bei der Methylverbindung. 


Analysen: 
er 0,111 g Substanz gaben 0,1439 g CO; = 35,35% C und 0,052 g H,0 = 
’ “Berechnet für die Formel C;HgNa820;: Gefunden: 
C 35,60 35,35% 
H 5,09 5,20 „. 


Propylxanthogenacetylmethylharnstoff: 
CH; NH co NH 16/6) NH3> S C Ss (6) Oz H; — [67 Hs Na Sa O;. 

Dieser Körper wurde aus propylxanthogensaurem Kali und Chlor- 
acetylmethylharnstoff auf gleiche Weise, wie die entsprechenden Methyl- 
resp. Aethylverbindungen erhalten. Derselbe stellte farblose Nadeln 
dar, die bei 175—176° schmolzen. Sie lösten sich schwer in Alkohol 
und Eisessig, und waren fast unlöslich in Wasser und Aether. 

Analyse: 

0,1268 g Substanz gaben bei 280 und 759 mm Druck 14,5 cem feuchten 
N= 11,61% N. 

Berechnet für die Formel Cz3H44 Na 8905: Gefunden: 
N 11,20 11,61%. 


BenzylxanthogenacetyImethylharnstoff: 
CH; NH Co NH CO CHsa Ss Cs Ö CHa [67 H; Ir [077° Hıs Na Sa O;. 
Diese Verbindung wurde analog dem Benzylxanthogenacetyl- 
harnstoff aus benzylxanthogensaurem Natron und Chloracetylmethy!- 
harnstoff in Form farbloser Nadeln erhalten, die bei 1839— 190° schmolzen. 
Dieselben waren schwer löslich in Alkohol, fast unlöslich in Wasser, 
Chloroform, Aether und Eisessig. 
Analysen: 
1 d 0,067 g Substanz gaben 0,118 g CO, = 48,03%, C und 0,0290 g H,O — 
: £ 2, ON g Substanz gaben bei 28° und 759mm Druck 9,5 ccm feuchten 


Berechnet für die Formel Cjs Hj4 Na Sa Oz: Gefunden: 
C 48,32 48,03% 
H 4,70 ‚80 „ 
N 9,40 er 


(Fortsetzung folgt.) 


4 TE 

Der Erfolg des von uns hergestellten speziellen Schwefelpräparats 
N "viele sogenannte Ersatzmittel hervorgerufen, welche nicht identisch 
“mit unserem Präparat sind und welche obendrein unter sich verschieden 
sind, wofür wir in jedem einzelnen Falle den Beweis antreten können. a 
Da ‚diese angeblichen Ersatzpräparate anscheinend unter Mißbrauch 
_ unserer Markenrechte auch manchmal fälschlicherweise mit 


Be | Ichtihyol SER 
ae oder | 

Ammonium sulfo-ichthyolicum MR 
"gekennzeichnet werden, trotzdem unter dieser Kennzeichnung nur unser | 
> spezielles Erzeugnis, welches einzig und allein allen klinischen Versuchen 


- zugrunde gelegen hat. verstanden wird, so bitten wir um gütige Mit- PAR Kr 
- teilung zwecks gerichtlicher Verfolgung, wenn irgendwo tatsächlich 7 
solche Unterschiebungen stattfinden. FE 
a Ichthyol-Gesellschaft 
BR Cordes, Hermanni & Co. 
Be | HAMBURG. : 


rennen (mm za EEE Me BEL HEBEL ck TE LTE EEE man BEL Sm ar nn Er a 

R ‘= u Bi 7 
REN) . Dährzucker ES 
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2 = Nährpräparat für Kinder u. Er- ih 
ge Nährzucker Kakao, wachsene, Kranke u. Genesende. BY, 
EIER Detailpreis der Büchse von !/, Kilo Inhalt Mk.1.80. Rx 
Far In den meisten Apotheken. LA 
an Be ce 


1 Nährmittelfabrik München, «. m. ». #., in Pasing. 
Was ein Anastigmat leistet. 


Br 5 Viele sind sich über die optische Leistung des Anastigmates nicht im Klaren. Sollen ER: 
- einwandfreie Bilder erzielt werden, muß das Aufnahmeobjektiv zwei Eigenschaften besitzen: De 
- Lichtstärke und Randschärfe. Diese beiden vornehmsten Tugenden vereinigt in sich der AR N 
. Anastigmat. Die anderen Objektive besitzen stets nur eine der Eigenschaften, ist Licht- "BE L 
_ stärke vorhanden, fehlt Randschärfe und umgekehrt. Doch nicht alle Anastigmate sind en ?: 


gleichwertig, ebenso verschiedenartig wie die Konstruktion ist die Leistungsfähigkeit. Der j 
RER erste Anastigmat ist bekanntlich der Doppel- Anastigmat von Goerz, Berlin, gewesen und Zur 
diese Objektive haben Weltruf erlangt, unter den späteren Konstruktionen haben sich uf 
 - Grund ihrer Leistungen die Aristostigmate von Meyer, Görlitz, einen ehrenvollen Platz Ar 
gesichert. Beide Objektiv-Typen werden in die bekannten Union-Cameras der Firma A 
_ .Stöckig & Co., Dresden, Bodenbach, Zürich, ausschließlich montiert und dadurch haben 
sich diese Apparate schon seit Jahren eine führende Stellung auf dem Camera -Markte Y 
ner, Wer sich für Photokunst interessiert, schenke dem Prospekt Beachtung, der 
‚‚uuserem heutigen Blatte beiliegt. 


E. HEUER 


coOTTA-DRESDEN 


empfiehlt als zuverlässigste Anaesthetica 


Aether pro narcosi | | 
Chloroform. puriss, | MakeE-H 


G W) Öriginalprodukte „Heyden“. 


$ Außer anderen Präparaten sind von uns in die Medizin eingeführt; 


Salicylsäure, salicylsaures Natrium, salieylsaures Wismut, 
Salol, Solveol, Creosotal, Duotal, Xeroform, Orphol, Itrol, 
Collargol, Acoin, Salocreol, Calodal, 


Salit billiges, schnell schmerzstillendes Einreibemittel bei rheumatischen 
» Erkrankungen aller Art, 


Unguentum Heyden (Salbe aus Calomelol), 


gegen Syphilis, von Geheimrat Neisser, Breslau, als diskreter Ersatz der 
grauen Salbe empfohlen, auch als diskretes Antiparasitikum, 


Novargan nahezu reizloses Silberpräparat: „Zur Zeit bestes 


Mittel bei akuter Gonorrhöe“. 


Wir fabrizieren ferner Acetylsalicylsäure, in Substanz und als leicht zerfallende 
Tabletten, Guajakol, Benzonaphtol, Hexamethylentetramin, Bismut. subnitr, etc, 


Verkauf durch den Gross - Drogenhandel, 


Chemische Fabrik von Heyden, Radebeul-Dresden. 


NININININININININININS | 


Soeben erschien ein Neudruck der | 


Ergänzungstaxe ER Die geehrten Leser werden 
zur Deutschen Arzneitaxe 906. gebeten bei Bestellungen auf 
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INININININININININIWIN Deren 


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Zu beziehen durch die Medizinal- Drogenhäuser. N 


' Bezug nehmen zu wollen. "WE 


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INHALT. 


H. Frerichs und O. Rentschler, ve ne ae > 
xanthogensauren Salzen auf Derivate der a DER 


(Schluß) 72 Er EL 
G. und H. Frerichs, cher er Nachwä einer Veronalvereiiidne Se 
P. Richter, Zur Kenntnis des Guajakharzes. . . x 90; 
M. Herder, Ueber einige neue allgemeine Kikaloliredssenän BE 
deren mikrochemische Verwendung... re ar 
K. Holdermann, Ueber Quecksilberoxyceyanid . .. 133 
H. Schulze, Ueber das Akonitin und das Akonin aus Acanlkarı 
Napellus ER 136 
L. van Itallie und c. H. Nieuwiand; a. die” Sanen ind er 
das ‚Oel, von‘'Moringa pterygosperma . . 2. 2 en Be 


Eingegangene Beiträge. 


L. van Itallie und C. H. Nieuwland, Ueber den surinamensischen 
Copaivabalsam. 


Dieselben, Ueber die Samen und das Oel der Vogelbeeren. 


H. Schulze, Ueber das Akonitin und Akonin äus Aconitum Napellus.. 


C. Hübner, Beiträge zur Kenntnis der Schweelkohle. S 


L. Vanino und F. Hartl, Ueber einige neue organische Doppelsalze \% 


mit Wismutchlorid. 
L. Rosenthaler,. Nachtrag. 


(Geschlossen den 26. IV, 1906.) 
deskeslesde sasbacleclach sesdeshsdesleslsle sslzshesh sende seckeslesizch snslesde oesdesleskesdeskesdesdesdesdandeske 


Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel 
monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis 
50 Bogen. Ladenpreis für den Jahrgang Mk. I12,—. 


Alle Beiträge für das „Archiv“ sind an die 


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oder Herrn Geh. Med.-Rat Professor Dr. H. Beckurtsin Braunschweig, 
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4 


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18 etit.. “> 


reise von M 20.—; 1/, Seite zum Preise von M 10.—. Die Grundschri 
Beilage-Gebühr für das Tausend der Auflage — z. 2.4200 — M 10.—. Für Beilagen, welche 


nicht dem Format des „Archiv“ entsprechen, bleibt besondere Vereinbarung vorbehalten. 


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Da heil ale un Zn aaa er Ba BE nl a nn 


ne 


H. Frerichs u. OÖ. Rentschler: Xanthogenharnstoffe etc. 81 


Methylxanthogenacetyläthylurethan: 
CaH;0CONHCOCH3:3SCSO CH; = CHH,ı 04 SaN. LIBR 


. 4,0 aus Chloracetylchlorid und Aethylurethan erhaltenes Chlor- YEW 
etylurethan = CsH,OCONHCOCH3C|l wurden in etwa 20 ccm "OTA 
ißem Alkohol gelöst und unter Erwärmen am Rückflußkühler mit 4° 
ner alkoholischen Lösung von 4,0 methylxanthogensaurem Kali ge- 
mischt. Das Reaktionsgemisch wurde etwa 5 Minuten im Sieden 
erhalten und dann noch heiß vom Chlorkalium abfiltriert. Das Filtrat 
wurde bis zur eben entstehenden Trübung mit Wasser verdünnt. Nach 
einiger Zeit schieden sich glänzende Blättchen ab, die aus heißem 
Alkohol umkrystallisiert bei 92—93° schmolzen. Dieselben waren 
löslich in Aether, heißem Alkohol, Eisessig und Chloroform, so gut 
wie unlöslich in Wasser. 


Analyse: 
0,1104 g Substanz gaben 0,217 g BaSO, = 27,17% Schwefel. 
Berechnet für die Formel C7H;ı0483N: Gefunden: 
S 27,00 27,17%. 


Aethyixanthogenacetyläthylurethan: 
C;H,0C0O NHCO CH3S Cs (0) CsH; >>; O3 H,3 0; SaN. 


Die Verbindung wurde ganz analog dem entsprechenden Methyl- 
produkt aus molekularen Mengen äthylxanthogensaurem Kali und Chlor- 
acetyläthylurethan gewonnen, in Form glänzender Nadeln, welche bei 
103—104° schmolzen. Dieselben waren leicht löslich in Aether, Eis- 
essig und Chloroform, schwer löslich in Alkohol, unlöslich in Wasser. 


Analyse: 
0,124 g Substanz gaben 0,2299 g BaSO, = 25,46% Schwefel. 
Berechnet für die Formel C3H1s 04 SaN: Gefunden: 
Ss 25,50 25,46 %. 


Propylxanthogenacetyläthylurethan: 
CG;H;,0CONHCOCH5SCSOC;,H; = C;H,5 0483N. 


Diese Verbindung wurde aus propylxanthogensaurem Kali und 
Chloracetyläthylurethan erhalten und zwar durch Umkrystallisieren 
aus verdünntem Alkohol in Form farbloser Nadeln, welche bei 93—94 
schmolzen. Dieselben waren löslich in heißem Alkohol, Aether, Eis- 
essig und Chloroform, unlöslich in Wasser. 


Analyse: 
0,1064 g Substanz gaben 0,1870 g BaSO, = 24,13% S. 
Berechnet für die Formel CyHj; O4SaN: Gefunden: 
S 24,15 24,13%, 
Arch. d. Pharm. CCXXXXIV. Bds. 2. Heft, 6 


NAY 26 1906 


82 H. Frerichs u. O. Rentschler: Xanthogenharnstoffe etc. 


 Methylxanthogenacetanilid: 
107 H; NH CO CHa SCS OCH3 == Co H,ı NS3 O:. 


Eine alkoholische Lösung von 6,5 g Chloracetanilid wurde nach 
Zusatz von 6,0 g methylxanthogensaurem Kali 5 Minuten im Sieden er- 
halten, wobei sich reichlich Chlorkalium abschied. Letzteres wurde 
durch Filtration entfernt und hierauf Wasser bis zur eben entstehenden 
Trübung hinzugefügt. Beim Erkalten schieden sich lange farblose 
Nadeln ab, welche aus Alkohol umkrystallisiert bei 190—191° schmolzen. 
Dieselben lösten sich in Aether und Chloroform, waren schwer löslich 
in Alkohol und Eisessig, unlöslich in ‘Wasser. 


Analyse: 
0,0440 g Substanz gaben 0,0860 g BaS0, —= 26,84% 8. 
Berechnet für die Formel Cjo Hıı NSg 0a: Gefunden: 
S 26,55 26,84%. 


Aethylxanthogenacetanilid: 
Os H; NH 16/6) CHs Ss CS O0 H; er Cı Hıs NSa Os». 


Dieser Körper wurde auf gleiche Weise wie die entsprechende 
Methylverbindung aus 5,7 g Chloracetanilid und 6 g äthylxanthogen- 
saurem Kali dargestellt und krystallisierte in langen farblosen Nadeln, 
welche bei 98—99° schmolzen. Sie lösten sich in Aether, Essigäther 
und Eisessig, schwerer in Alkohol und waren in Wasser unlöslich. - 


Analyse: 
0,2160 g Substanz gaben 0,400 g BaSO, = 25,42% 8. 
Berechnet für die Formel CyHıs N32 0a: Gefunden: 
Ss 251 25,42%. 


PropylIxanthogenacetanilid: 
Os H, NH [0/0] CH; S Cs [0167 H; Tz Cıa Hs; NSa O2. 


Dieser Körper wurde dem vorhergehenden analog aus propyl- 
xanthogensaurem Kali und Chloracetanilid in Form farbloser schuppen- 
förmiger Blättchen erhalten, die bei 86—-87° schmolzen. Die 
Löslichkeitsverhältnisse waren dieselben wie bei der entsprechenden 
Aethylverbindung. 

Analyse: 

0,146 g Substanz gaben 0,2555 g BaS0, = 24% 8. r 

Berechnet für die Formel C3H1s NSg 03: Gefunden: ” 
Ss 23,79 24%. 


H. Frerichs u. O. Rentschler: Xanthogenharnstoffe etc. 83 


Aethylxanthogenacetmethylanilid: 
CH; NCH, CO CH5S CS 00, H; = C12H15 NSy Or. 


Eine alkoholische Lösung von 5,0 g äthylxanthogensaurem Kali 
wurde nach Zusatz von 7,8 g Chloracetmethylanilid einige Minuten im 
Sieden erhalten, wobei sich reichlich Chlorkalium abschied. Letzteres 
wurde entfernt und die gebildeten büschelförmig gruppierten langen 
Nadeln aus Alkohol umkrystallisiert. Dieselben schmolzen bei 85—86° 
und lösten sich in Aether, Chloroform, Essigäther und Eisessig, 
schwieriger in Alkohol, in Wasser waren sie so gut wie unlöslich. 


Analysen: 
1. 0,1220 g Substanz gaben 0,212 g BaS0, = 23,85% S. 
2. 0,1270 „ n „ bei 290 und 758 mm Druck 6 ccm feuchten 
— 514% N. 
Berechnet für die Formel Cj3H;; NS2 03: Gefunden: 
S 23,80 23,85% 
N 5,20 5,14 „. 


Aethylixanthogenacetbenzylanilin: 
107 H; (Cs H; CH3) N (6/6) CH; sc so Ca H; =3 Ois H;s NSa O3. 


Dieser Körper wurde erhalten durch Einwirkung gleicher 
Moleküle Chloracetbenzylanilin und äthylxanthogensaures Kalium in 
siedendem Alkohol. Das hierbei abgeschiedene Chlorkalium wurde 
durch Filtration entfernt und das warme Filtrat bis zur eben ein- 
tretenden Trübung mit Wasser versetzt. Es schieden sich alsdann 
derbe Krystalle ab, welche nach dem Umkrystallisieren aus verdünntem 
Alkohol bei 65—66° schmolzen. Dieselben lösten sich leicht in Aether, 
Chloroform und Eisessig, schwieriger in Alkohol, nicht in Wasser. 


Analyse: 
0,196 g Substanz gaben 0,2599 g BaS0, = 18,22% S. 
Berechnet für die Formel Cjg Hg NSg Oa: Gefunden: 
Ss 18,55 18,22%. 


Methylxanthogenacet-p-toluidid: 
C H; NH [6/6] CH; S C so CH; = Cu Hıs NS O2. 


Gleiche Moleküle Chloracet-p-toluidid und methylxanthogensaures 
Kali wurden in alkoholischer Lösung einige Minuten im Sieden erhalten 
und dann das abgeschiedene Chlorkalium durch Filtration entfernt. 
Beim Erkalten schieden sich Nadeln ab, die aus Alkohol umkrystallisiert 
bei 164—165° schmolzen. Dieselben waren löslich in Aether, Chloro- 


form und Eisessig, schwer löslich in Alkohol, unlöslich in Wasser. 


84 H. Frerichs u. ©. Rentschler: Xanthogenharnstoffe etc. 


Analyse: 
0,0921 g Substanz gaben 0,170 g BaS0, — 25,35% S. 
Berechnet für die Formel C;ı Hısg NSs O3: Gefunden: 
Ss 25,10 25,35%. 


AethyIxanthogenacet-p-toluidid: 
[67 H7 NH: [6/6] CH3 Ss C so O3 H; Er Oja H;; NS3 Os. 


Dieser Körper wurde auf analoge Weise wie die Methylverbindung 
aus Chloracet-p-toluidid und äthylxanthogensaurem Kali in Form langer 
Nadeln erhalten, welche bei 136° schmolzen und in Chloroform leicht - 
löslich, schwieriger in Alkohol, jedoch fast unlöslich in Aether, Eis- 


essig und Wasser waren. 
Analyse: 


0,1482 g Substanz gaben bei 250 und 757 mm Druck 7,5 ccm feuchten N 
— 561% N. 
Berechnet für die Formel CjaH1; NSg 0a: Gefunden: 
N 5,20 5,61%. 


PropylIxanthogenacet-p-toluidid: 
C H; NH [616] CHa S Ö S16) [07 H; a Oıs Hır NSa Os. 


Diese Verbindung wurde auf gleiche Weise wie vorhergehende 
aus 5,0 g propylxanthogensaurem Kali und 3,8 g Chloracet-p-toluidid 
erhalten. Die aus Alkohol umkrystallisierten glänzenden Nadeln 
schmolzen bei 132—133°. Die Löslichkeitsverhältnisse waren dieselben 
wie bei der entsprechenden Aethylverbindung. 


Analyse: i 
0,1494 g Substanz gaben 0,243 g BaSO, = 22,33% S. 
Berechnet für die Formel Cjs Hı7 NSg O3: Gefunden: 
S 22,61 22,33%. 


AethyIxanthogenacet-m-toluidid: 
[67 H7 NH 16/6) CH; SCS 00a H; = Oja Hıs; NS Os. 


Dieser Körper wurde auf die gleiche Weise wie die p-Toluidid- 
verbindung aus Chloracet-p-toluidid und äthylxanthogensaurem Kali 
erhalten. Derselbe stellte büschelförmig gruppierte Nadeln dar, welche 
bei 82° schmolzen. Die Löslichkeitsverhältnisse waren die gleichen 
wie die der entsprechenden Paraverbindung. 


Analysen: 
1. 0,1173 g Substanz gaben bei 280 und 760 mm Druck 5,7 cem feuchten 
N= 533% N. 
2. 0,1526 g gaben 0,2653 g BaS0, = 23,85% 8. 


H. Frerichs u. 0. Rentschler: Xanthogenharnstoffe etc. 85 


Berechnet für die Formel Ca Hj; NSa Os: Gefunden: 
S 23,80 23,85% 
N 5,20 5,33 „. 


Aethylxanthogenacetdiphenylamin: 
(Os H;)a NCO CHa SCS OCs H; En On H;7 NSa Os». 


Alkoholische Lösungen von 16,0 g äthylxanthogensaurem Kali 
und 24,0 g Chloracetdiphenylamin wurden gemischt und einige Minuten 
im Sieden erhalten. Das vom entstandenen Chlorkalium heiß ab- 
geschiedene Filtrat wurde bis zur eben entstehenden Trübung mit 
Wasser versetzt und zur Krystallisation beiseite gestellt. Das Reaktions- 
produkt wurde aus Alkohol umkrystallisiert, wobei glänzende Blättchen 
mit dem Schmp. 111° erhalten wurden. Dieselben waren leicht löslich 
in Chloroform, schwerer in Alkohol und Eisessig, unlöslich in Wasser 
und Aether. 


Analyse: 
0,1265 g Substanz gaben bei 230 und 756 mm Druck 5,2 ccm feuchten 
N = 460% N. 
Berechnet für die Formel Cy7 Hr NS> 03: Gefunden: 
N 423 4,60%. 


Aethylxanthogenacet-o-anisidid: 
Cs H,(OCH;3) NHCO CHs SCS [0167 H; —— 1076) H;; NSa Os». 


Eine alkoholische Lösung von 7,2 g Chloracet-o-anisidid wurde 
noch heiß mit einer solchen von 3,4 g äthylxanthogensaurem Kali 
gemischt, einige Minuten erhitzt, und das ausgeschiedene Chlorkalium 
durch Filtration entfernt. Das Filtrat wurde mit Wasser bis zur eben 
entstehenden Trübung versetzt, wobei sich ein dunkles Oel absetzte, das 
im Scheidetrichter mit Aether extrahiert wurde. Die ätherische Lösung 
wurde mit Chlorcalcium getrocknet, filtriert und zum Abdunsten beiseite 
gestellt. Es entstand nach einigen Tagen eine feste Krystallmasse, 
welche aus Alkohol umkrystallisiert wurde. Es waren feine Nadeln, 
welche bei 53—54° schmolzen, in Aether, Chloroform und Eisessig sich 
leicht lösten, schwieriger in Alkohol, nicht in Wasser. 


Analyse: 
0,100 g Substanz gaben 0,174 g BaS0, = 0,0239 g S = 23,90% S. 
Berechnet für die Formel C,3H}; NSa O3: Gefunden: 


Ss 23,80 23,90%, 


86 G. u. H. Frerichs: Veronalvergiftung. 


Ueber den Nachweis einer Veronalvergiftung. 
Von G. und H. Frerichs. | 


In der Tages- und Fachpresse ist im Laufe des Sommers 1905 
über einen tödlich verlaufenen Vergiftungsfall berichtet worden, der 
durch die Verwechselung zweier Arzneimittel in einer Apotheke ver- 
anlaßt worden war. Durch das gegen die Anfertiger des Rezeptes, 
einen Apothekergehilfen und -Lehrling durchgeführte gerichtliche Ver- 
fahren, welches mit der Verurteilung des Gehilfen und der Freisprechung 
des Lehrlings endete, ist eine vollständige Klarstellung des Falles nicht 
erfolgt. Der Patient hatte an Stelle der als Bandwurmmittel ver- 
ordneten Kamala ein weißes Pulver erhalten und war kurz nach dem 
Einnehmen des Pulvers in einen tiefen Schlaf verfallen und trotz aller 
ärztlichen Bemühungen nach etwa 65 Stunden verstorben. 

In den uns von der Staatsanwaltschaft übergebenen Leichenteilen 
konnten wir mit Sicherheit Veronal nachweisen, auf welches wir 
besonders deshalb unser Augenmerk richteten, weil die undeutliche 
Schrift des Wortes Kamala uns eine Verwechselung desselben mit 
Veronal als möglich erscheinen ließ. 

Da nun in der Literatur über den Nachweis von Veronal nur 
einige wenige Angaben gemacht worden sind, teilen wir den von uns 
eingeschlagenen Gang der Untersuchung mit. 

Zur Untersuchung waren unter anderem eingeliefert: 

Teile der Leber, Milz und Nieren, Magen und Teile des 
Darmes, 3 Flaschen mit Harn, von denen die eine etwa 10 ccm 
enthielt, die bei der Sektion der Harnblase entnommen waren. 
Der Inhalt der beiden anderen Flaschen betrug 178 und 
270 ccm. 

Nach einer von B. Molle und H. Kleist!) ausgeführten Unter- 
suchung wird in den Körper eingeführtes Veronal zum größten Teil 
durch den Harn unverändert wieder ausgeschieden und kann aus diesem 
durch Ausschütteln mit Aether nach vorausgegangener Konzentration 
durch Eindampfen isoliert werden. 

Auf Grund der Angaben dieser Autoren haben wir die Unter- 
suchung in folgender Weise ausgeführt: 

Es wurde zunächst der bei der Sektion entnommene Harn mehrere 
Male mit je etwa 20 ccm Aether ausg»schüttelt und der Aether auf 
einem Uhrglase verdunstet. Hierbei hinterblieb ein Rückstand, welcher 


1) Diese Zeitschrift 1904, 401. 


G. u. H. Frerichs: Veronalvergiftung. 87 


deutlich krystallinische Struktur zeigte. Die Menge des Rückstandes 
war aber nicht groß genug, um denselben mit Sicherheit als Veronal 
erkennen zu können. 

Es wurde dann die Hälfte der einen der beiden anderen Harn- 
mengen direkt ohne vorheriges Eindampfen so oft mit je etwa 30 bis 
50 ccm Aether ausgeschüttelt, bis eine Probe des Aethers schließlich 
keinen Rückstand n.ehr hinterließ. Beim Verdunsten der Gesamtmenge 
der ätherischen Ausschüttelungen hinterblieb ein bräunlich gefärbter 
krystallinischer Rückstand, welcher in etwa 20 ccm heißem Wasser 
gelöst wurde. Die bräunlich gefärbte Lösung wurde mit einer kleinen 
Menge gereinigter Tierkohle erhitzt, und das farblose Filtrat in einem 
kleinen Glasschälchen durch Abdampfen konzentriert. Beim Erkalten 
schieden sich in reichlicher Menge farblose Krystalle ab, welche ab- 
filtriert, mit wenig Wasser gewaschen und an der Luft getrocknet 
wurden. Die Eigenschaften dieser Krystalle wurden dann mit reinem 
Veronal verglichen. 

1. Die wässerige Lösung einer kleinen Menge der 
Krystalle reagierte deutlich sauer. Ebenso verhält sich eine 
wässerige Lösung von Veronal. 

2. Die Krystalle lösten sich leicht in Ammoniakflüssigkeit 
und in Natronlauge. Aus den so erhaltenen Lösungen schieden 
sich auf Zusatz von verdünnter Salzsäure Krystalle ab. 
Veronal zeigte genau das gleiche Verhalten. 

Die durch Salzsäure aus der alkalischen Lösung ab- 
geschiedenen Krystalle zeigten, unter dem Mikroskop 
betrachtet, die gleiche Krystallform wie die aus Veronal durch 
Auflösen in Natronlauge und Zusatz von Salzsäure erhaltenen 
Krystalle. 

3. Eine wässerige Lösung der Krystalle wurde mit 
einigen Tropfen Quecksilberchloridlösung und darauf mit einem 
Tropfen Natriumkarbonatlösung versetzt. Es entstand ein 
weißer Niederschlag. Das gleiche Verhalten zeigte auch das 
Veronal. 

4. Eine kleine Menge der Krystalle wurde mit etwas 
metallischem Natrium zum Glühen erhitzt, die Schmelze in 
wenig Wasser gelöst und mit Hilfe der Berlinerblaureaktion 
auf Oyanwasserstoff geprüft. Da die Reaktion positiv ausfiel, 
enthielten also die Krystalle Stickstoff und stimmten auch in 
dieser Beziehung mit dem Veronal überein. 

5. Die Krystalle zeigten genan den gleichen Schmelzpunkt 
wie reines Verona. (Das zu der Bestimmung benutzte 
Thermometer zeigte 187—188°.) 


88 G. u. H. Frerichs: Veronalvergiftung. 


Ein Gemisch der Krystalle mit Veronal zeigte ebenfalls 
den gleichen Schmelzpunkt wie reines Veronal. 

6. Beim Erhitzen im Reagensrohre sublimierten die 
Krystalle in gleicher Weise wie reines Veronal. 

Die Krystalle stimmten also in ihren Eigenschaften so voll- 
kommen mit Veronal überein, daß dieselben mit Bestimmtheit als 
Veronal angesprochen werden konnten. Besonders die unter 5. an- 
gegebene Probe, die Bestimmung des Schmelzpunktes des Gemisches 
der Krystalle mit Veronal, schließt jeden Zweifel an der Identität der 
Krystalle mit Veronal aus, da bekanntlich ein Gemisch organischer 
Körper von gleichem Schmelzpunkt einen niedrigeren Schmelzpunkt 
zeigt, wenn die Körper nicht identisch sind, während ein Gemisch 
identischer Körper natürlich keine Schmelzpunktserniedrigung zeigt. 

Nach Erledigung dieser Untersuchung wurden auch die aus dem 
bei der Sektion entnommenen Harn erhaltenen Krystalle, soweit die 
Menge derselben dieses zuließ, in ihren Eigenschaften mit Veronal 
verglichen, und da sie in den unter 1—4 angegebenen Eigenschaften 
mit dem Veronal übereinstimmten, konnte das Vorliegen von Veronal 
auch in diesem Falle als sicher angenommen werden. 

Zur quantitativen Bestimmung des Veronals wurde die zweite 
Hälfte des Harns in gleicher Weise wie beim qualitativen Nachweis 
mit Aether bis zur Erschöpfung ausgeschüttelt. Der beim Verdunsten 
des Aethers hinterbleibende Rückstand wurde in heißem Wasser gelöst, 
und die Lösung mit Tierkohle entfärbt, die vorher mehrere Male mit 
Wasser ausgekocht war. Die farblose Lösung wurde dann auf einem 
gewogenen Uhrglase eingedampft und der Rückstand bis zum gleich- 
bleibenden Gewichte getrocknet. Die Menge des auf diese Weise in 
völlig reinem Zustande erhaltenen Veronals betrug 0,053 g, sodaß also 
in der Gesamtmenge der einen Harnprobe 0,106 g Veronal enthalten war. 

Die zweite Harnprobe wurde direkt der quantitativen Bestimmung 
unterworfen, in gleicher Weise wie die erste. Es wurden in der 
Gesamtmenge 0,089 g farbloser Krystalle ermittelt, die in ihren 
Eigenschaften ebenso mit reinem Veronal übereinstimmten, wie die aus 
der ersten Probe erhaltenen. 

Die Gesamtmenge an reinem Veronal, die in den beiden Harn- 
proben enthalten war, betrug also 0,195 g. 

Der Magen und die Teile des Darmes wurden in erster Linie 
ebenfalls auf das Vorhandensein von Veronal untersucht, gleichzeitig 
wurde dabei aber auch Rücksicht auf das mögliche Vorhandensein 
anderer Gifte genommen. Etwa die Hälfte der 417 g betragenden 
Gesamtmenge wurde zerkleinert und nach Zusatz von Wasser und 
Weinsäure in der üblichen Weise durch Destillation auf das Vorhanden- 


G. u. H. Frerichs: Veronalvergiftung. l 89 


sein flüchtiger Gifte untersucht, wobei sich die Abwesenheit derselben 
ergab. 

Der bei der Destillation verbliebene Rückstand wurde dann durch 
Abdampfen soweit wie möglich vom Wasser befreit und darauf nach 
dem Verfahren von Stas-Otto auf Alkaloide untersucht, wobei etwa 
vorhandenes Veronal auch gefunden werden mußte. Zu diesem Zwecke 
wurde der Rückstand dreimal mit der nötigen Menge siedenden 
Alkohols ausgezogen. Der alkoholische Auszug wurde in der üblichen 
Weise der Reinigung unterworfen und die schließlich resultierende 
wässerige, weinsäurehaltige Flüssigkeit, etwa 15—20 ccm, sechsmal 
mit Aether ausgeschüttelt. Beim Verdunsten des Aethers hinterblieb 
ein krystallinischer Rückstand, der in heißem Wasser gelöst wurde. 
Die nach dem Eindampfen der durch Tierkohle entfärbten Lösung ver- 
bleibenden Krystalle wurden mit wenig Wasser gewaschen, um kleine 
Mengen von Weinsäure zu entfernen, welche beim Ausschütteln der 
weinsauren Flüssigkeit mit in den Aether übergegangen waren. 

Nach dem Trocknen zeigten die Krystalle alle Eigenschaften des 
Veronals. Die Menge war aber erheblich geringer als die des aus dem 
Harn isolierten Veronals. 

Die weitere Untersuchung auf Alkaloide ergab die Abwesenheit 
derselben. Auch die Untersuchung der Rückstände auf metallische 
Gifte ergab das Nichtvorhandensein derselben. 

Aus den Teilen der Leber, Milz und Nieren konnten auf die 
geschilderte Weise kleine Mengen von Veronal isoliert werden. Andere 
Gifte waren auch hier nicht vorhanden. 

Da die chemische Untersuchung das Vorhandensein von Veronal 
mit Sicherheit ergeben hatte, so mußte der Schluß gezogen werden, 
daß der Patient an Stelle der Kamala Veronal erhalten hatte, und 
daß dadurch der Tod verursacht sei. 

Ueber den Vergiftungsfall ist nun von E. Harnack!) vor 
einiger Zeit ein längerer Aufsatz veröffentlicht worden, der uns erst 
jetzt zu Gesicht gekommen ist. Der genannte Autor ist zu dem 
Resultat gekommen, daß gegen den von uns ausgeführten Nachweis 
des Veronals Einwendungen nicht zu machen seien, nur ist er der 
Ansicht, daß es wünschenswert gewesen sei, daß wir eine quantitative 
Analyse des isolierten Veronals, mindestens eine quantitative Stickstoff- 
bestimmung ausgeführt hätten. Dagegen können wir nur einwenden, 
daß wir eine solche quantitative Analyse für absolut überflüssig halten, 
denn die Identität zweier organischer Stoffe läßt sich mit viel größerer 
Sicherheit durch qualitative Reaktionen, natürlich nur, wenn die Stoffe 


1) Münch. med. Wochenschr. 1905, 2269, 


a” “Fr Fa 7 
v > 4 


90 P. Richter: Guajakharz. 


charakteristische Reaktionen zeigen, und durch die Bestimmung des 
Schmelzpunktes, ganz besonders aber durch die Bestimmung des 
Schmelzpunktes eines Gemisches der fraglichen Substanz mit einem 
Testobjekt, nachweisen. Man wird auch niemals eine quantitative 
Analyse eines in gerichtlichen Fällen gefundenen Alkaloides ausführen, 
wenn man die Identität durch qualitative Reaktionen unzweifelhaft 
festgestellt hat. 

Außerdem ist es stets wünschenswert, das gefundene Gift als 
Beweismaterial aufzuheben und nicht zu quantitativen Analysen zu 
verbrauchen. 

Harnack schreibt ferner noch, es könne der Einwand erhoben 
werden, daß im Verhältnis zu der eingenommenen Menge Veronal 
— 10 g —, die im Harn gefundene Menge sehr gering ist, da nach- 
gewiesen sei, daß das Veronal bis zu 70% im Harn unverändert wieder- 
gefunden werden kann und demnach mit Leichtigkeit aus dem Harn 
mehrere Gramm Veronal hätten isoliert werden können. Obgleich dieser 
Punkt mehr medizinisches als chemisches Interesse bietet, wollen wir 
doch darauf aufmerksam machen, daß die geringe Menge des gefundenen 
Veronals in diesem Falle kaum auffällig ist. Dem Patienten ist 
1% Stunde nach dem Einnehmen der Magen ausgepumpt und mit einer 
Lösung von Kaliumpermanganat durchgespült worden. Der Magen- 
inhalt ist leider weggeschüttet worden, sodaß sich die Menge des noch 
im Magen vorhandenen Veronals nicht mehr ermitteln ließ. 

Ferner könnte der Harn erst nach Infusionen von physiologischer 
Kochsalzlösung erhalten werden, sodaß also kein normaler Harn vorlag. 


Mitteilung aus dem chemisch-pharmazeutischen Institut 
der Universität Halle. 


Zur Kenntnis des Guajakharzes. 
Von Paul Richter. 
(Eingegangen den 12. III. 1906.) 


Im Holz und in der Rinde verschiedener Pflanzen häufen sich in 
Harzgängen vegetabilische Sekrete auf, welche man als Harze bezeichnet. 
Sie ergießen sich entweder freiwillig aus entstandenen Spalten oder 
auch aus künstlichen Einschnitten nach außen. Die Harze stellt man 
nur wegen ihrer ähnlichen physikalischen Eigenschaften zusammen, 
denn in chemischer Hinsicht sind die Harzdrogen keine reinen Ver- 
bindungen, sondern Gemenge verschiedener harzartiger Körper. 


P. Richter: Guajakharz. 91 


Nach Tschirch’s!) Untersuchungen finden sich in den Harzen 
als Hauptbestandteile folgende Körper: 


1. Resine (Harzester oder deren Spaltlinge), 
2. Resinolsäuren (Harzsäuren), 
3. Resene (indifferente Körper unbekannter Zusammensetzung). 


Vertreter aller drei Gruppen sollen sich nur in sehr wenigen Harzen 
befinden. 
Das Guajakharz, in welchem nach bisherigen Untersuchungen als 
Harzsäuren die Guajakharzsäure, Guajakonsäure und Guajacinsäure 
enthalten sind, würde somit zur zweiten Gruppe zu rechnen sein. 
Pätzold?) will allerdivgs auch einen resenartigen Körper entdeckt 
haben, welcher von ihm selbst noch nicht näher untersucht worden ist. 
Analytische Untersuchungen über die Harze liegen im allgemeinen 
wenig vor, und man kann sagen, daß das Guajakharz mehr als andere 
Harze Gegenstand vieler Untersuchungen, hauptsächlich in letzteren 
Jahren gewesen ist, ja man kann es wohl zu den besterforschten 
Harzen zählen. 


Die Stammpflanze des Harzes, Guajacum officinale, zu der Familie der 
Zygophylleen gehörend, ist ein auf den westindischen Inseln und in Venezuela 
wachsender, immergrüner Baum. Das Harz ist in dem dunkelgrünen Kernholz 
bis zu 26% enthalten und wird infolge von Einschnitten in den Stamm oder 
durch Ausschmelzen aus dem Stamm gewonnen. Das erstere bildet die 
Handelssorte Resina Guajaci in granis, das zweite führt den Namen Resina 
Guajaci in massis. Es hat eine grünbraune Farbe, schwach aromatischen 
Geruch, kratzenden Geschmack und einen glasglänzenden, muscheligen Bruch 
und ist sehr spröde. In Alkohol, Eisessig, Chloroform ist es leicht löslich, 
zum Teil löslich in Aether, Benzol, unlöslich dagegen in Schwefelkohlenstoff, 
fetten Oelen, Petroläther. 

Das Holz, welches sich durch seine große Härte und Schwere aus- 
zeichnet, wird in Gestalt großer Scheiben oder Blöcke aus Stamm und Aesten 
geschnitten und meistens in St. Domingo und Puerto Cabello verschifitt. Im 
Anfang des 16. Jahrhunderts ist es nach den Angaben von Francesco Delgado 
und Fernandes de Oviedo nach Europa, und zwar zunächst nach Spanien 
eingeführt worden, um gegen die damals in Europa weit verbreitete Syphilis 
als Heilmittel zu dienen, denn als solches war es in Amerika unter den 
Indianern schon längst bekannt. Es wurde dann auch mit diesem Holze in 
kurzer Zeit großer Erfolg erzielt, wie z. B. im Jahre 1517 von Nikolaus 
Poll®8) und 1518 von Leonhard Schmaust). 


1, A. Tschirch: Die Harze und Harzbehälter, Leipzig 1900. 

2) Pätzold: Inaugural-Dissertation, Straßburg 1901. 

8) Nicolaus Poll: De Cura morbi gallici per lignum Guajacum 
libellus 1517. 

4) Leonhard Schmaus: De morbo gallico tractatus Salisburgi 1518. 


92 P. Richter: Guajakharz. 


Im Jahre 1519 wurde sodann von Ulrich von Hutten!) eine hoch- 
interessante Schrift über das Guajakholz und seine Anwendung gegen Syphilis 
veröffentlicht. Die Heilkraft des Guajakholzes wurde hauptsächlich dem in 
ihm enthaltenen Harze zugeschrieben. Das Holz ist auch heute noch in der 
Pharmacopoea germanica als offizinelle Droge aufgeführt, und es hat im 
Jahre 1895 E. Riecke?) die Heilwirkung desselben wieder festgestellt. 

Das Hauptinteresse am Guajakholz resp. -Harz nimmt aber jetzt nicht 
mehr die Medizin, sondern die Chemie für sich in Anspruch, hauptsächlich 
durch die Eigenschaft des Harzes, sowohl unter dem Einfluß der Luft und des 
Lichtes als auch von Oxydationsmitteln wie Eisenchlorid, Chromsäure, Blei- 
superoxyd, Chlor etc. eine charakteristische Blaufärbung zu liefern. 

Ueberblickt man die seither über das Guajakharz gelieferten Arbeiten, 
so erstrecken sie sich hauptsächlich auf die Produkte der trockenen Destillation 
des Harzes, auf die Trennungsmethoden der als Hauptbestandteile im Harze 
enthaltenen Harzsäuren und auf die Ursachen der Blaufärbung derselben. 

Die trockene Destillation des Guajakharzes wurde zuerst von 
Unverdorben?) im Jahre 1826 vorgenommen, wobei er zwei ölige Produkte 
erhielt, von denen er das leichtere und flüchtigere Guajacen benannte, 
während er das schwerere als Guajakbrandsäure bezeichnete. Im Jahre 1854 
stellte Deville®) für das leichtere Produkt, welches zwischen 118—120° 
siedete, die Formel C,H;30 auf, von Völckel5) wurde es dann Guajol 
genannt. v. Gilm®) bestätigte 1858 die Angaben der beiden letzteren 
Forscher über Guajol, und Herzig”?) wies dann 1882 nach, daß es mit dem 
von Lieben und Zeisel®) dargestellten Tiglinaldehyd: 

CH;—CH==C (CH,)—-CHO, 
identisch ist. 

In Uebereinstimmung mit den obigen Beobachtungen erhielten 
O0. Doebner und E. Lücker?) bei der trockenen Destillation des Harzes 
neben noch drei anderen Bestandteilen Tiglinaldehyd und zwar aus 400 g 
Harz 20 g. Letzteren identifizierten sie durch sein Verhalten gegen Phenyl- 
hydrazin, sowie gegen ß-Naphtylamin und Brenztraubensäure 10), 

Das schwerere Destillationsprodukt Unverdorben’s, die Guajak- 
brandsäure, wurde 1843 ebenfalls neben dem leichteren von Sobreroll) bei 


ı) Ulrich de Hutten: De Guajaci medicina et morbo gallico liber 
unus Morguntiae 1519. 

2) E. Riecke: Die Syphilis und der Guajak, Inaugural-Dissertation, 
Halle a. S., 1895. 

8) Unverdorben: Poggendorf’s Annalen, Bd. 7, 316. 

4) Deville: Journ. f. prakt. Chemie, Bd. 33, 316. 

5) Völckel: Liebig’s Anualen, Bd. 89, 348. 

6) von Gilm: Liebig’s Annalen, Bd. 106, 379. 

?) Herzig: Wiener Monatshefte, Bd. 118, 1882. 

8) Lieben und Zeisel: Ber. d. chem. Gesellsch., Bd. 114, 932, 

9) Doebner und E. Lücker: Archiv der Pharm., Bd. 234, 1896. 

19) Doebner: Ber. d. chem. Gesellsch. 27, 2023. 

il) Sobrero: Liebig’s Annalen, Bd. ‘48, 19. 


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u TE Me re 


P. Richter: Guajakharz. 93 


der trockenen Destillation erhalten und von ihm als Pyroguajaksäure, von 
Pelletier und Deville!) als Guajacylwasserstoff bezeichnet, und von 
letzterem als nach der Formel C,H; 03 zusammengesetzt erkannt. Völckel?) 
nannte es Guajakol. Durch Gorup-Besanez?) wurde es als Brenzkatechin- 


Monomethyläther Cs Horn Ha erkannt. 


Weitere Untersuchungen der Destillationsprodukte von Hlasiwetz 
und Nachbauert) ließen neben Guajakol noch das homologe Kreosol 
CH 
CE COCh, erkennen, welches auch späterhin von O0. Doebner und 
OH 


E. Lücker5) nachgewiesen wurde. 

Während von Unverdorben, Sobrero und Völckel nur ölige 
Destillationsprodukte erkannt wurden, erwähnen Pelletier und Deville®) 
eine im Harz vorkommende, krystallinische Substanz. Ebermayer”) nannte 
diesen Körper Pyroguajacin und stellte für ihn die Formel C,4H,405 auf, 
nach der Analyse von Pelletier und Deville berechnete er die Formel 
04 H1 O3. 

Außer Pelletier und Deville und Ebermayer wurde auch von 
Wieser, Herzig und Schiff, O0. Doebner und E. Lücker Pyroguajacin 
nachgewiesen und genauer untersucht. 

Wieser®) gab nach seinen Analysen dem Pyroguajacin die Formel 
CjsHj8 05, stellte ferner Acetyl- und Benzoylverbindungen desselben dar, 
welche beide für zwei Hydroxylgruppen sprachen. Durch Destillation des 
Pyroguajacins mit Zinkstaub erhielt er einen Kohlenwasserstoff von der 
Formel Cj9Hjs, welchen er Guajen nannte. 

Durch Oxydation des Guajens mit Chromsäure stellte er ein Guajen- 
chinon von der Formel CjsH;003 dar. Durch Schmelzen des Pyroguajacins 
mit Kalihydrat gewann er einen krystallinischen Körper, welcher nach seinen 
Analysen der Formel CjgHj3 03 entsprach. Eine Strukturformel für Pyro- 
guajacin aufzustellen, gelang ihm nicht. Das im Jahre 1896 von O. Doebner 
und E. Lücker?) dargestellte und analysierte Pyroguajacin gab andere 
Zahlen, welche zu der von Deville angegebenen Formel C;gHs90; passen. 
1897 wiesen Herzig und Schiff10) im Pyroguajacin eine Methoxylgruppe 
nach, erhielten durch Destillation mit Zinkstaub den schon erwähnten 


1) Pelletier und Deville: Liebig’s Annalen, Bd. 52, 402, 

2) Völckel: Liebig’s Annalen, Bd. 89, 345. 

89) Gorup-Besanez: Liebig’s Annalen, Bd. 143, 166; Bd. 147, 247. 

4) Hlasiwetz und Nachbauer: Liebig’s Annalen, Bd. 106, 339, 382; 
Bd. 119, 277. 

5) OÖ. Doebner und E. Lücker: Arch. d. Pharm., Bd. 234, 518. 

6) Pelletier und Deville: Liebig’s Annalen, Bd. 52, 402. 

?) Ebermayer: Journ. f. prakt. Chem., Bd. 62, 291—29. 

8) Wieser: Wiener Monatshefte 1, 1880. 

9) 0. Doebner und E. Lücker: Arch. d. Pharm., Bd. 234, 606. 

10, Herzig und Schiff: Wiener Monatshefte 18, 714; 19, 95—103. 


94 P. Richter: Guajakharz. 


Kohlenwasserstoff Cj3 Ha und stellten ihren Analysen entsprechend die Formel 
Cys Hy O3 auf. 
Sie halten das Pyroguajacin für ein Monomethoxymonooxyguajen von 


der Formel Canon 


Durch Destillation des Guajakharzes mit Zinkstaub erhielt Bötsch!) 
neben Kreosol, Toluol, Meta- und Para-Xylol, wenig Pseudocumol, auch den 
Kohlenwasserstoff von der Zusammensetzung Cja Hja. 

Mit der Zusammensetzung des Guajakharzes haben sich schon früher 
Thierry?) und Rhigini?) beschäftigt, welche die Guajaksäure in glänzenden 
Nadeln gewannen. Dem Studium des Harzes widmeten sich dann 1841 
Buchner®), Jahnd), Johnston®), Pelletier und Deville”). Nach den 
Analysen der beiden letzteren besitzt die Guajaksäure von Thierry die 
Formel CjaH;s 05. Pelletier®) isolierte eine Substanz, welche er analysierte 
und Guajacin nannte. Riegel?) erwähnt 1847 bei der Analyse des Harzes 
die Untersuchungen von Brande, Pfaff, Jahn, Buchner, Unverdorben, 
Schacht, Sobrero, Deville, Trommsdorf und gibt als von ihm gefundene 
drei Bestandteile an: 1. Guajaksäure, 2. Guajacin und 3. einen gummiartigen 
Extraktivstoff. Jonas!?) nannte ein Produkt, welches er durch die Einwirkung 
von Chlor auf eine weingeistige Lösung des Guajakharzes erzeugte, Guajak- 
harzsäure. 1859 gelang es Hlasiwetz1l) durch Behandlung des Guajakharzes 
mit alkoholischem Kali ein krystallinisches Kalisalz zu gewinnen, aus welchem 
durch Abscheidung mit verdünnter Salzsäure ein krystallinischer Körper mit 
saurem Charakter erhalten wurde. Die Analysen von Dr. von Gilm über 
diesen Körper ließen auf die Formel C4Hz, 0, und auf eine zweibasische 
Säure schließen. Hlasiwetz gab ihr zum Unterschied von der Guajaksäure 
den Namen Guajakharzsäure. Durch trockene Destillation dieser Säure 
erhielt er das schon früher erwähnte Pyroguajacin und Guajakol. 1862 gelang 
es Hadelich12) einige weitere Bestandteile des Harzes zu ermitteln. Beim 
Auskochen des Harzes mit Kalkmilch fand er in der Lösung zunächst die 
von Thierry dargestglite Guajaksäure und einen gelben Farbstoff, das 
Guajakgelb. Das durch Filtrieren von dem Farbstoff getrennte Gemenge 
wurde getrocknet und nach dem Verfahren von Hlasiwetz mit alkoholischem 
Kali die Guajakharzsäure als Kalisalz abgeschieden. Aus der alkoholischen 


1) Bötsch: Wiener Monatshefte 1, 615, 1880. 

2) Thierry: Journ. d. Pharm. 1841, S. 381. 

3) Rhigini: Journ. d. Chimie medicale 1836, S. 355. 

4) Buchner: Buchner’s Repert. N. R., Bd. 25, 370. 

5) Jahn: Weckenroder’s Archiv, Bd. 33, 269. 

6) Johnston: Liebig’s Annalen, Bd. 44, 330. 

?) Pelletier und Deville: Liebig’s Annalen, Bd. 52, 402. 
8) Pelletier: Liebig’s Annalen, Bd. 40, 305. 

9) Riegel: Arch. d. Pharm. 52, 313, 1847. 

10) Jonas: Arch. d. Pharm. 52, 313, 1847. 

ıl) Hlasiwetz: Liebig’s Annalen, Bd. 112, 182; 119, 266; 130, 346. 
22) Hadelich: Journal f. prakt. Chem. 87, 321. 


ee 


P. Richter: Guajakharz. 95 


Mutterlauge gewann er nach dem Verdunsten des Alkohols und nach dem 
Ansäuern mit verdünnter Essigsäure durch Aetherextraktion die in Aether 
lösliche Guajakonsäure und das in demselben unlösliche ß-Harz. 

Für Guajakonsäure stellt er die empirische Formel Cj9Hgo O;,, und für 
das B-Harz Cao Hso O6 auf. 

Nach geraumer Zeit haben sich dann OÖ. Doebner und E. Lücker!) 
wit der Untersuchung des Harzes beschäftigt. Sie benutzten zur Darstellung 
der Harzsäuren das von Hlasiwetz und Hadelich beschriebene Verfahren 
mit geringen Aenderungen und nennen das B-Harz Guajacinsäure: 

O0. Doebner und E. Lücker bestätigen die Gegenwart von Guajak- 
gelb und gewinnen außerdem ein ätherisches Oel, das Guajaköl, Guajaksäure 
können sie dagegen nicht auffinden. Das Guajaköl und Guajakgelb trennen 
sie von den Säuren auf Grund der Tatsache, daß beide in Alkalikarbonaten 
löslich sind. Das Guajaköl wurde wegen Mangel an Substanz nicht näher 
untersucht, vom Guajakgelb konnten sie entgegen den Angaben von Hadelich 
den Nachweis liefern, daß es vollständig stickstofffrei ist. 

Von OÖ. Doebner und Sauer?) wurden ferner die Harzsäuren nach 
einer modifizierten Trennungsmethode dargestellt, welche auf der verschiedenen 
Löslichkeit der Säuren in Lösungsmitteln beruht. Man entzieht dem mit 
Sand gemischten Harze zunächst mittelst Benzol die Guajakharzsäure und 
die Guajakonsäure, Guajacinsäure bleibt, weil in Benzol unlöslich, zurück. 
Aus der Benzollösung wird dann mittelst Petroläther die Guajakonsäure 
gefällt, während die Guajakharzsäure in Lösung bleibt und schließlich durch 
alkoholische Kalilauge als Kalisalz gefällt wird. 

Kurz vor Abschluß meiner Versuche über das Guajakharz wurde noch 
von Pätzold®) in seiner Inaugural-Dissertation eine weitere Trrennungs- 
methode der Harzbestandteile angegeben, welche hier noch erwähnt 
werden soll. 

Durch die Resultate der in der neuesten Zeit publizierten Harz- 
untersuchungen von Tschirch hielt es Pätzold für geboten, gewisse Vor- 
sichtsmaßregeln zu ergreifen, um irgend welche Zersetzung der Harzbestand- 
teile durch angreifende Agentien zu vermeiden. Er läßt zunächst eine Anzahl 
der gebräuchlichsten Lösungsmittel auf das Harz einwirken und hält den 
Aether, in welchem nur das B-Harz unlöslich ist, für das geeignetste. 

Durch Behandlung des Guajakharzes mit Aether erhält er einen in 
Aether löslichen, und einen unlöslichen Teil. Durch Schütteln der ätherischen 
Lösung mit 1% Sodalösung gewinnt er aus der letzteren neben dem Guajak- 
gelb und der Guajaksäure noch Vanillin; durch darauffolgendes Schütteln 
mit Kalilauge entzieht er der ätherischen Lösung Guajakharzsäure und 
Guajakonsäure. Aus der Lösung erhält er dann noch ätherisches Oel und 
einen resenartigen Körper, welcher von ihm nicht näher untersucht wurde. 


1) 0.Doebner und E.Lücker: Arch. d. Pharm., Pd. 234, 1896; desgl. 
E. Lücker: Beiträge zur Erkenntnis des Guajakharzes, Inaugural-Dissert., 
Rostock 1892. 

2) O0. Doebner und Sauer: Arch. d. Pharm., Bd. 234, S. 610. 

8) Pätzold: Inaugural-Dissertation, Straßburg 1901. 


96 P. Richter: Guajakbarz. 


Aus dem in Aether unlöslichen Teil, dem ß-Harz, gewinnt er durch 
Auskochen mit Wasser Saponin. 

Die bei seiner Untersuchung erhaltenen Resultate stellt er, wie folgt, 
zusammen: 

1. Die schon von Hadelich aus dem Harze dargestellten Bestand- 
teile: Guajaksäure, Guajakgelb, Guajakharzsäure, Guajakonsäure und $-Harz, 
sind als solche im Harze enthalten und nicht etwa erst unter der Einwirkung 
der Agentien, die zu ihrer Darstellung benutzt wurden, entstanden. 

2. Als neue Bestandteile wurden aufgefunden: ein ätherisches Oel 
und Vanillin neben einer nicht weiter untersuchten, vielleicht unter den Begriff 
der Resene zu stellenden, vaselinartigen Substanz. 

3. Das Guajakgelb ist ein phenolartiger Körper, dem die Formel 
Cj0Hg03 + Hs0 zukommt. 

4. An der Oxydationsreaktion beteiligt sich auch das ß-Harz. 

5. Es erscheint sehr zweifelhaft, ob die Guajakonsäure als einheitlicher 
Körper aufzufassen ist. 


Experimenteller Teil. 


Auf Veranlassung des Herrn Professor O. Doebner beschäftigte 
ich mich zunächst mit den Produkten der trockenen Destillation des 
Guajakharzes und der Guajakonsäure. Das zu meinen Versuchen ver- 
wendete Guajakharz bezog ich von Oaesar & Loretz zu Halle a. S., 
in fein gepulvertem Zustande. 


Trockene Destillation des Guajak-Harzes. 


Wie schon in der Einleitung erwähnt, wurde die trockene 
Destillation des Harzes von verschiedenen Bearbeitern vorgenommen 
und als Destillationsprodukte des Guajakharzes 1. Tiglinaldehyd, 
2. Guajakol, 3. Kreosol, 4. Pyroguajacin, und 5. bis zu 300° siedende 
Oele von kreosolartigem Geruch gewonnen. Während bisher die 
Destillationen nur unter gewöhnlichem Luftdrucke stattgefunden haben, 


zog ich es vor, um eine möglichst große Ausbeute zu erhalten und. 


um tiefere Zersetzungen des Harzes beim Erhitzen auf höhere 
Temperatur zu vermeiden, die trockene Destillation im Vakuum vor- 
zunehmen. 

Eine 10 Liter fassende, tubulierte Retorte, welche 800 g ge- 
pulvertes Guajakharz enthielt, wurde mit einer Brühl’schen Vorlage 
und einem verkürzten Manometer verbunden und an die Saugpumpe 
angeschlossen. Durch den Tubus der Retorte wurde eine Kapillare, 
welche das Thermometer enthielt, eingefügt, um bei der Vakuum- 
Destillation durch geringe Luftzufuhr das Sieden des Harzes zu er- 
leichtern. Nachdem der Apparat in der geschilderten Weise zusammen- 
gesetzt war, wurde er zunächst auf seine Dichtigkeit geprüft. Als 


P. Richter: Guajakharz. 97 


das Manometer ein konstantes Vakuum von 22 mm Druck anzeigte, 
wurde die Retorte im Luftbade (nicht über freier Flamme) erhitzt. 
Das Harz schmolz zu einer braunen Masse und kam allmählich unter 
starkem Aufblähen zum Kochen. 

Es ist nötig, die Retorte nur bis zu einem Viertel mit Harz an- 
zufüllen und sehr langsam auf höhere 'T'emperatur zu erhitzen, da sonst 
ein Ueberspritzen des Harzes durch sein starkes Aufblähen un- 
vermeidlich ist. 

Von 80° ab ging zunächst ein hellgelbes, leichtflüssiges Oel über, 
bei höherer Temperatur wurden die Destillationsprodukte immer dunkler 
und dickflüssiger, bei 270° ging dann ein großer Teil konstant über, 
welcher im Retortenhals zu einer hellgelben, festen, harzähnlichen, 
durchsichtigen Masse erstarrte.e. Die Bildung brenzlich riechender, 
brauner Dämpfe zeigte dann tiefere Zersetzung und somit das Ende 
der Destillation an. In der Retorte blieb eine poröse, glänzende Kohle 
zurück. Die Menge des Destillates betrug aus 800 g angewendetem 
Harz 485 g. 

Das Destillationsprodukt wurde hierauf mit Wasserdämpfen be- 
handelt, mit welchen 87 g übergingen. Dieser mit Wasserdämpfen 
flüchtige Teil. wurde dann in Aether aufgenommen und die ätherische 
Lösung solange mit verdünnter Natronlauge ausgeschüttelt, bis dieselbe, 
welche sich anfangs dunkelbraun färbte, farblos blieb und auf Zusatz 
von verdünnter Salzsäure keine Trübung mehr eintrat. Die hierauf 
mit Chlorcaleium‘ getrocknete, ätherische Lösung wurde durch 
Destillation vom Aether befreit, und der Rückstand unter gewöhn- 
lichem Drucke fraktioniert. Er destillierte bei 118° über und wurde 
durch sein Verhalten gegen Phenylhydrazin und $-Naphthylamin mit 
Brenztraubensäure als Tiglinaldehyd (13 g) identifiziert. 

Die Analyse ergab folgende Werte: 

1. 0,1320 gaben 0,1136 H3O und 0,3454 CO. 

2. 0122 „ 0105 „„’os72 „ 


Berechnet für Gefunden: 
(5; Hg0: 1: 2. 
C 71,43 71,36 71,36 
H 9,52 9,56 9,57. 


Der in Natronlauge gelöste Teil wurde mittelst Salzsäure ab- 
geschieden, in Aether aufgenommen, der Aether nach vorherigem 
Trocknen mit Chlorcalcium abdestilliert und der Rückstand der 
fraktionierten Destillation bei gewöhnlichem Drucke unterworfen. 
Zwischen 195—220° destillierte die Hauptmenge (60 g), ein anfangs 
farbloses, später gelbliches Oel, über. Die Temperatur stieg dann 
schnell höher und es ging bei 275° eine kleine Menge dickes gelbliches 

Arch. d. Pharm. OOXXXXIV. Bds. 9. Heft. 7 


98 P. Richter: Guajakharz. 


Oel über, welches im Kondensationsrohr der Retorte beim Erkalten 
zu Krystallen erstarrte.e Nach dem Umkrystallisieren aus Alkohol 
und Wasser zeigte es den Schmelzpunkt 183° und wurde als Pyro- 
guajacin erkannt. 

Das Destillat vom Siedepunkt 195—220° wurde noch verschiedene 
Male der fraktionierten Destillation unterworfen, und so zwei Fraktionen 
erhalten, von denen die eine zwischen 202—204°, die andere zwischen 
219— 221° siedete. 

Die erste Fraktion gab mit Eisenchlorid Grünfärbung und re- 
duzierte ammoniakalische Silberlösung. Die Analysen derselben ergaben 
folgende Zahlen: 

1. 0,2002 gaben 0,1204 Hz0 und 0,4965 CO;. 


2..0,2130:, 70322075 „. 0,5285 
Berechnet für Gefunden: 
Cr Hg 0»: 1, 2. 
C 67,74 67,64 67,67 
H 6,45 6,68 6,51. 


Die andere Fraktion vom Siedepunkt 219—221° gab mit Eisen- 
chlorid Blaugrünfärbung und reduzierte ebenfalls ammoniakalische 
Silberlösung. Die Analysen dieser zweiten Fraktion ergaben: 

0,1521 gaben 0,0897 Hz0 und 0,3472 COz. 


Berechnet für C3Hj00s: Gefunden: 
C 62,34 62,26 
H 6,49 6,55. 


Aus diesen Daten ergibt sich die Identität der ersten Fraktion 
mit Guajakol und der zweiten Fraktion mit Kreosol. 

Der mit Wasserdämpfen nicht flüchtige Teil wurde in Aether 
gelöst und hierauf solange mit verdünnter Natronlauge geschüttelt, 
bis dieselbe farblos blieb. Nachdem die ätherische Lösung mit Chior- 
calcium getrocknet, und der Aether verdunstet war, blieb eine dicke 
ölige von Krystallen durchsetzte Masse zurück, welche beim Fraktionieren 
im Vakuum von 14 mm Druck zwischen 180—200° überging. Beim 
Erkalten schieden sich Krystalle aus, welche nach öfterem Um- 
krystallisieren den Schmelzpunkt 183° zeigten und als Pyroguajaecin 
festgestellt wurden. 

Der mit Wasserdämpfen nicht flüchtige aber in verdünnter 
Natronlauge lösliche Teil wurde aus dieser mit verdünnter Salzsäure 
als eine dicke, bräunliche Masse abgeschieden, in Aether aufgenommen, 
mit Chlorcalcium getrocknet und der fraktionierten Destillation im 
Vakuum unterworfen. Bei 24 mm Druck ging zwischen 200—230° 
eine sehr geringe Fraktion über, die Temperatur stieg dann sehr 
schnell auf 275°, und wurde zwischen 275—281° die Hauptmenge auf- 


TE 


P. Richter: Guajakharz. 99 


gefangen. Diese nun nochmals bei 4 mm Druck destilliert, ging 
zwischen 255—260° über. Sie stellte eine hellgelbe, durchsichtige, 
harzähnliche Masse mit muscheligem Bruch dar, aus welcher sich nach 
dreitägigem Stehen nadelförmige Krystalle ausschieden. 

Ich versuchte nun, die Krystalle in reinem Zustande zu ge- 
winnen, was mir auch nach sehr vielen Versuchen mit verschiedenen 
Lösungsmitteln gelang. Ich fand, daß das Auflösen der Substanz in 
Benzol und darauffolgendem Zusatz von Petroläther .bis eben zur 
beginnenden Trübung das geeignetste Mittel zur Gewinnung der 
krystallinischen Substanz war. Bei langsamem Verdansten des 
Lösungsmittels schieden sich weiße, nadelförmige Krystalle in Büscheln 
ab. Als Mutterlauge blieb eine dicke, schmierige, dunkelbraune Masse 
zurück. Durch öfteres Umkrystallisieren des Körpers aus Benzol und 
Petroläther und darauf aus wässerigem Alkohol wurde er in schönen 
Nadeln vollständig rein gewonnen. Bei 80° getrocknet, hat er den 
Schmelzpunkt 107°, ist löslich in Aether, Alkohol, Chloroform, Eis- 
essig, Benzol, Ligroin und heißem Wasser, unlöslich in Petroläther 
und kaltem Wasser. Ferner ist er löslich in Ammoniak und Natron- 
lauge, woraus er durch Kohlensäure wieder abgeschieden wird, ein 
Beweis für seinen phenolartigen Charakter. In kalter, konzentrierter 
Schwefelsäure löst er sich mit violetter, in heißer dagegen mit rot- 
violetter Farbe, ist nicht sublimierbar, und durch chromsaures Kali in 
Eisessig nicht oxydierbar. Mit schmelzendem Kalihydrat im Silber- 
tiegel auf 230° erhitzt, veränderte er sich nicht. 

Wird die Schmelze in Wasser gelöst und Salzsäure im Ueber- 
schuß hinzugefügt, so scheidet sich der Körper wieder in Nadeln vom 
gleichen Schmelzpunkt 107° ab. 

“Die Elementar- Analyse ergab: 

1. 0,1135 gaben 0,0636 Hz0 und 0,2891 COs. 

2. 01242 °, 7 00724 „- „ 03154 ', 


Berechnet für Gefunden: 
Ce Ha 05: r 2. 
C 69,51 69,47 69,25 
H 6,09 6,23 6,48. 


Benzoylverbindung des bei 107° schmelzenden Körpers. 


Die Benzoylierung des Körpers fand nach der Schotten- 
Baumann’schen Reaktion statt. Der Körper wurde in Natronlauge 
gelöst und mit einem Ueberschuß von Benzoylchlorid bei stark 


-alkalischer Reaktion unter Kühlung anhaltend geschüttelt. Nach 


geraumer Zeit bildete sich ein weißer, käsiger Niederschlag, welcher 
nach längerem Schütteln vollständig fest wurde. Nachdem das so 
7* 


100 P. Richter: Guajakharz. 


entstandene Produkt bis zur neutralen Reaktion mit Wasser aus- 
gewaschen war, wurde es aus heißem Alkohol umkrystallisiert. Die 
Benzoylverbindung stellt dann farblose, prismatische, säulenförmige 
Krystalle dar, welche, bei 100° getrocknet, den Schmelzpunkt von 
143° haben. 

Die Elementaranalyse ergab Zahlen, welche für die Formel 
Cjs HısOs (CH, O), stimmen. 

1. 0,1235 gaben 0,0575 H;0 und 0,3326 COs. 

2. 0,1164 „ 00564 „ „.Q847:, 


Berechnet für Gefunden: 
Ce Hs 05(C7 H5 O)s: 1: 2. 
C 73,88 73,45 73,73 
H 5,22 5,17 5,38. 


Die Formel würde also dafür sprechen, daß der krystallinische 
Körper zwei Hydroxylgruppen besitzt. 


Trockene Destillation der Guajakonsäure. 


Die zur trockenen Destillation benutzte Guajakonsäure wurde 
von mir nach dem Verfahren von Hadelich dargestellt. Es wurden 
aus dem angewendeten Harze 71% Guajakonsäure erhalten, neben dieser 
gewann ich noch die Guajakharzsäure, Guajacinsäure und Guajakgelb, 
das Guajaköl konnte nicht erhalten werden. 

Da es mir nur an der Gewinnung der Guajakonsäure lag, ließ 
ich die quantitative Bestimmung der anderen Bestandteile außer acht. 
Die Guajakonsäure erhielt ich durch Lösen in heißem Benzol und 
Eingießen dieser Lösung in Petroläther als weißes, lichtempfindliches 
Pulver, welches im Vakuum getrocknet, den Schmelzpunkt 76—78° 
zeigte. 

Die Produkte der trockenen Destillation der Guajakonsäure sind 
zuerst von Doebner und Lücker untersucht worden. Dieselben 
erhielten aus 100 g Guajakonsäure 36 g Rohdestillat, in welchem sie 
durch Fraktionierung folgende Produkte feststellten: 1. Tiglinaldehyd 
(5 8), 2. Guajakol (8 g) und 3. Pyroguajacin (4 g). In den sich 
entwickelnden Gasen wurde neben Kohlensäure Methan nachgewiesen. 

Die trockene Destillation der Guajakonsäure wurde von mir, 
nicht wie von Doebner und Lücker unter gewöhnlichem, sondern 
wie die des Harzes unter vermindertem Drucke ausgeführt. Sie lieferte 
neben Tiglinaldehyd, Guajakol und Pyroguajacin noch mehrere andere 
Produkte. 

Der Destillationsapparat wurde wie vorher mit einigen Ver- 
besserungen zusammengesetzt. Anstatt der Retorte wurde ein 


P. Richter: Guajakharz. 101 


Claisen’scher Kolben mit möglichst weitem Kondensationsrohr 
benutzt und dieser mit einem Brühl’schen Apparat verbunden, 
zwischen letzterem und dem Manometer wurde noch eine Saugflasche 
eingeschoben, welche gut abgekühlt wurde und den Zweck hatte, 
leichtflüchtige Dämpfe zu kondensieren. Nachdem ein konstantes 
Vakuum von 22 mm erreicht war, wurde der Kolben mit 175g Inhalt 
im Luftbade allmählich erhitzt. 

Die Säure schmolz zu einer rotbraunen Flüssigkeit. Bei 80° 
fing eine hellgelbe Flüssigkeit an überzugehen, als 150° erreicht waren 
— Fraktion I— wurde die Vorlage gewechselt. Das Thermometer 
stieg in kurzer Zeit auf 255° — Fraktion II —, zwischen 255—263° 
— Fraktion III — destillierte eine hellgelbe, zähflüssige Masse über, 
zwischen 263—280° — Fraktion IV — das Endprodukt, eine hell- 
braune, beim Erkalten festwerdende, harzähnliche Substanz. Erhalten 
wurden: 


Fraktion I, 80-1400 . . . .„ 14g 
j II, 140-2550 . 21... 8 
III, 255-2630. or, 02% 

IV, 263—2800 . . . . 16, 


In der Saugflasche hatte sich ein hellgelbes Oel kondensiert, 
welches zum Teil als Tiglinaldebyd zum Teil als Guajakol identifiziert 
wurde. Die erste Fraktion bestand auch zum größten Teil aus 

Tiglinaldehyd und Guajakol. 
Die zweite Fraktion konnte ihrer geringen Menge wegen als 
Zwischenfraktion angesehen werden und wurde nicht näher untersucht. 

In der dritten Fraktion bildeten sich nach eintägigem Stehen 
Krystalle, welche unter dem Mikroskop denselben Habitus zeigten, 
wie die bei der trockenen Destillation des Harzes gewonnenen Krystalle 
vom Schmelzpunkt 107°. Die Substanz wurde nun in Benzol gelöst 
und bis zur beginnenden Trübung mit Petroläther versetzt. Nach 
einigem Stehen bildeten sich dann nadelförmige Krystalle in Büscheln, 
welche nach mehrmaligem Umkrystallisieren denselben Schmelzpunkt 
107° und dieselben Eigenschaften, wie der aus dem Harz erhaltene 
Körper, zeigten. - 

Die Analysen dieses Körpers und auch die der nochmals dar- 
gestellten Benzoylverbindung gaben dieselben Werte: 


Die Elementaranalyse des bei 107° schmelzenden Körpers gab: 


0,1139 gaben 0,0640 Hz0 und 0,2897 CO,. 


“ Berechnet für CjHs0;: Gefunden: 


C 69,51 69,37 
H 6,09 6,24. 


102 ‚P. Richter: Guajakharz. 


Die Analyse der Benzoylverbindung vom Schmelzpunkt 143° gab 
folgende Zahlen: 


0,1206 gaben 0,0594 Hz0 und 0,3255 COz. 


Berechnet für Cyp H;8 05 (C7H5;O)a: Gefunden: 
C 73,88 73,61 
H: .:5,22 5,47. 


Die Mutterlauge des bei 107° schmelzenden Körpers wurde noch- 
mals mit Benzol und Petroläther versetzt und unter allmählichem 
Verdunsten des Lösungsmittels längere Zeit stehen gelassen. Nach 
14 Tagen hatten sich wiederum Krystalle abgeschieden, welche durch 
Auswaschen mit einem Gemisch von Benzol und Petroläther von der 
Mutterlauge befreit wurden. Bei Betrachtung unter dem Mikroskop 
erkannte man, daß es kein einheitlicher Körper, sondern ein Gemisch 
von säulen- und nadelförmigen Krystallen war. 

Es war nun die nächste Aufgabe ein geeignetes Trennungsmittel 
dieser beiden Körper zu finden. 

Da ich in den nadelförmigen Krystallen den schon in der dritten 
Fraktion abgeschiedenen Körper vom Schmelzpunkt 107° vermutete, 
und dieser in heißem Wasser löslich ist, versuchte ieh eine Trennung 
mit kochendem Wasser, welche auch zum Ziele führte. Das Gemisch 
wurde so lange mit Wasser ausgekocht, bis das Filtrat beim Erkalten 
absolut nicht mehr getrübt wurde. Die aus der wässerigen Lösung 
erhaltenen Krystalle wurden bei 80° getrocknet, und zeigten denselben 
Schmelzpunkt, wie die oben gewonnenen, 

Der im Wasser unlösliche Rückstand, welcher sich zu einer festen 
Masse zusammengeballt hatte, wurde mehrmals aus Eisessig unter Zu- 
satz von Wasser bis zur beginnenden Trübung umkrystallisiert, und 
bei 100° getrocknet. 

Er bildet kleine, säulenförmige Krystalle vom Schmelzpunkt 133°, 
ist löslich in Alkohol, Aether, Chloroform, Benzol und Eisessig, 
unlöslich in Wasser und Petroläther. Löslich ist er ferner in Aetz- 
alkalien und Ammoniak, woraus er durch Kohlensäure wieder ab- 
geschieden wird, was für einen phenolartigen Körper spricht. In 
konzentrierter Schwefelsäure löst er sich mit schön violetter Farbe. 

Die Analyse gab nachstehende Werte: 

1. 0,1186 gaben 0,0794 H3O und 0,3216 COs. 

2. 0,1083 ;,...0,0687 U - „...0,2778 


Die Formel CjsH,s0; würde diesen Zahlen entsprechen. 


” 


Berechnet für Gefunden: 
Cs H18 05: ik 2. 
C 74,42 73,95 74,06 


H 6,98 744 7,46. 


EEE 2 


EB 
j 


P. Richter: Guajakharz. 103 


Weitere Versuche mit diesem Körper anzustellen, war der 
geringen Menge wegen leider nicht möglich. 

Das Produkt der vierten Fraktion wurde nochmals bei 22 mm 
Druck fraktioniert, und destillierte die Hauptmenge zwischen 270—273° 
über. Diese Substanz krystallinisch zu bekommen, gelang mir nicht; 
sie bildet eine hellbraune, durchsichtige, harzige Masse, ist in Alkohol, 
Aether, Benzol, Chloroform, Eisessig löslich, unlöslich in Wasser und 
Petroläther. In Aetzalkalien löst sie sich unter Dunkelfärbung auf und 
wird ebenfalls durch Kohlensäure ausgeschieden. 

Durch Oxydationsmittel, wie z. B. Eisenchlorid, Bleisuperoxyd etc. 
wird in den verschiedenen Lösungen dieser Substanz eine intensive 
Blaufärbung hervorgerufen, welche aber sehr wenig beständig ist. 

Die Elementaranalyse,gab folgende Werte: 

1. 0,2031 gaben 0,1260 HsO und 0,5438 CO;. 

2720,2018719, 7 09! "VS, 

Die Zahlen stimmen am besten für die Formel C34 Ha: O-. 


Berechnet für Gefunden: 
Cg4 Has O7: IE 2. 
C 73,12 73,02 72,98 
H 6,81 BEI Te, 


Benzoylverbindung der zwischen 270—273° bei 22 mm Druck 
siedenden Substanz. 


Da sich die Lösung der Substanz, wie vorher erwähnt, in 
Natronlauge nach kurzer Zeit stark dunkel färbt, und ich darin eine 
Oxydation der Substanz vermutete, wurde das Benzoylieren nicht nach 
der Schotten-Baumann’schen Methode sondern nach der von 
A. Einhorn!) vorgenommen. 

Die Substanz (5 g) wurde mit Benzoylchlorid (5 g), worin sie 
sich mit fuchsinroter Farbe löste, vermischt und unter Eiskühlung und 
fortwährendem Umrühren Pyridin (8 g) eingetragen. Nach einigen 
Stunden Stehen wurde die Masse mit verdünnter Schwefelsäure mehr- 
mals behandelt, um das überschüssige Pyridin zu entfernen. Hierauf 
wurde die halbfeste Masse in Aether aufgenommen, mit verdünnter 
Natronlauge zur Beseitigung der etwa entstandenen Benzoesäure ge- 
schüttelt, die ätherische Lösung mit Chlorcalcium getrocknet, der 
Aether verdunstet, und aus Alkohol unter Zusatz von Wasser als 
weißes, voluminöses Pulver, welches den Schmelzpunkt 77—78° zeigt, 
erhalten. In Natronlauge ist die Benzoylverbindung unlöslich, ein 
Beweis für die Benzoylierung sämtlicher Hydroxylgruppen. Die 


1) Einhorn: Liebig’s Annalen Bd. 301, 5, 105. 


104 P. Richter: Guajakharz. 


Analysen lieferten Zablen, welche für eine Tribenzoylverbindung von 
der Formel C3,H3;0; (C-H;O); sprechen. 


1. 0,1442 gaben 0,0800 Hz0 und 0,3992 CO;. 
2. 01864 ,; 01008 „ :„ 0,5160 „ 


Berechnet für Gefunden: 
Cg; Hg5 07 (Cr H5; O)e: h 2, 
C 75,86 75,50 75,49 
HL 5,75 ioig 6,16 6,01. 


Eine zweite Vakuumdestillation der Guajakorsäure lieferte zum 
Teil andere Destillationsprodukte, als die erstere. Den Grund für die 
Bildung der verschiedenen Produkte glaube ich auf die Ausführung 
der Destillation zurückführen zu können. Während die erste 
Destillation, welche unter sehr langsamen. Erhitzen der Säure auf 
höhere Temperatur stattfand und 7 Stunden in Anspruch nahm, haupt- 
sächlich größere Mengen niedrigsiedender Produkte lieferte, entstanden 
bei der zweiten Destillation, welche von Anfang an unter sehr starkem 
Erhitzen vorgenommen wurde und binnen 4 Stunden volauyer war, 
zum großen Teil sehr hochsiedende Produkte. 

250 g Guajakonsäure lieferten bei einem Vakuum von 22 mm 
Druck folgende Fraktionen: 


(Destillationszeit 4 Stunden.) 


I. Fraktion, 80-1200 . . . 8g 
I. r 120—1600° . . . 40, 
II. e 160—200° . . . 20, 
IV. 3. 200—2500 „", 723, 
V, > 250-2800 . . . 90, 


In der Vorlage und in der I. Fraktion waren Tiglinaldehyd und 
Guajakol vorhanden. Tiglinaldehyd wurde durch seinen Siedepunkt 
118° und durch sein Verhalten gegen Phenylbydrazin, sowie gegen 
ß-Naphthylamin und Brenztraubensäure identifiziert. 

Guajakol, vom Siedepunkt 204°, wurde durch die Eigenschaft 
mit Eisenchlorid grün gefärbt zu werden und ammoniakalisches Silber 
in der Kälte zu metallischem Silber zu reduzieren, als solches erkannt. 
Auch zeigt die Analyse Werte, welche für die Formel C,H; 05 
stimmen. 


0,2208 gaben 0,1316 H3O und 0,5470 CO». 


Berechnet für C7 Hg 03: Gefunden: 
C 67,74 67,56 
H 6,45 6,63. 


In der zweiten Fraktion bildeten sich nach 3tägigem Stehen in 
geringer Menge Krystalle, welche mittelst Benzol von der Mutterlauge 
getrennt wurden. Der krystallinische Körper war in Benzol schwer 


P. Richter: Guajakharz. 105 


löslich und wurde aus diesem umkrystallisiert und bei 100° getrocknet. 
Er bildet säulenförmige Krystalle vom Schmelzpunkt 203°, ist löslich 
in Alkohol, Aether, Chloroform, Eisessig, unlöslich in Petroläther. 

Durch weiteres Fraktionieren der dritten Fraktion wurde ein 
hellbraunes, dickflüssiges Oel gewonnen, welches bei 22 mm Druck 
zwischen 170—174° übergeht. Es hat einen kreosolartigen Geruch, 
färbt sich beim Stehen an der Luft vollständig dunkel, gibt mit 
Eisenchlorid in alkoholischer Lösung eine schöne grüne Färbung und 
löst sich in Aetzalkalien unter sofortiger Dunkelfärbung. 


Die Elementaranalyse gab folgende Werte: 


1. 0,2206 gaben 0,1314 H30 und 0,5454 CO;. 
2. 0297 „ 01369 „ „05628 „ 


Berechnet für Gefunden: 

C7 Hg 07 oder (Ca Hs 0,): ik 2. 
C_ 67,74 67,42 67,41 
H 6,45 6,62 6,68. 


Benzoylverbindung der zwischen 170—174° bei 22 mm Druck 
& übergehenden Substanz. 


Die Benzoylverbindung wurde, wie die der bei 270—273° siedenden 
Substanz der vorhergehenden Destillation, nach dem Verfahren von 
Einhorn dargestellt. Das Oel löste sich in Benzoylchlorid mit 
smaragdgrüner Farbe. Die erhaltene Benzoylverbindung, aus Alkohol 
umkrystallisiert, bildete kleine, säulenförmige Krystalle, welche, bei 
80° getrocknet, den Schmelzpunkt 103° haben. 

Die Analyse gab Zahlen, welche für die Formel O,H703 (C,H;0) 
oder C,4H1404 (C;H;O)z sprechen. 


1. 0,1840 gaben 0,0916 H30 und 0,4952 COs. 
8, 0,1801, .543.,00806 nt 04862, 


Berechnet für Gefunden: 

C Hr Os (Cr H; 0) oder Cu Hy 0% (Cr H; O)a: 1. 2. 
73,68 73,40 73,62 
H 527 5,53 5,50. 


Aus der vierten Fraktion, welche nur 5 g betrug, schieden sich 
nach dreiwöchentlichem Stehen blättchenförmige Krystalle ab, welche 
den Schmelzpunkt 183° hatten und sich als Pyroguajacin erwiesen. 

Die fünfte Fraktion, nochmals einer Destillation bei 22 mm Druck 
unterworfen, lieferte ein Produkt, welches zwischen 270—273° übergeht 
und mit dem Destillationsprodukte von demselben Siedepunkt der ersten 
Destillation identisch ist. Sowohl die Analyse der reinen Substanz, 
als auch die der Benzoylverbindung zeigen dieselben Zahlen. 


106 P. Richter: Guajakharz. 


Die Analyse der Substanz gab: 
0,2005 gaben 0,1278 HsO und 0,5372 CO;. 


Berechnet für Cg4 Ha, 0;: Gefunden: 
C 3,12 73,07 
H..,681 . 7,08. 


Die Analyse der Benzoylverbindung gab: 
0,1212 gaben 0,0642 H,O und 0,3353 CO. 


Berechnet für Ca, Ha; 07 (CH; O)>: Gefunden: 
C 75,86 75,45 
H:; 6,5 5,88. 


Ueber die Guajakonsäure. 


Auf weitere Veranlassung des Herrn Prof. O. Doebner stellte 
ich noch Versuche über die Natur der Guajakonsäure und ihre Be- 
ziehungen zu dem Guajakblau an. 

Es lag mir nun zunächst daran, eine möglichst reine Guajakon- 
säure zu erhalten. Bei der sehr leichten Oxydierbarkeit der nach den 
bisherigen Methoden dargestellten Guajakonsäure mußte ich mein 
Augenmerk hauptsächlich auf die seither zur Isoligrung dieser Säure 
aus dem Harze angewendeten Agentien richten. Um sämtliche Agentien 
fern zu halten, welche irgend eine Einwirkung auf die Guajakonsäure 
haben konnten, verwarf ich die Trennungsmethoden von Hadelich 
und Herzig und Schiff, und bevorzugte die modifizierte Trrennungs- 
methode von Doebner, bei welcher nur indifferente Agentien zur 
Verwendung kommen, und welche darauf beruht, daß Guajacinsäure 
in heißem Benzol unlöslich, Guajakonsäure und Guajakharzsäure darin 
löslich sind, und daß aus der Benzollösung durch Petroläther nur die 
_ Guajakonsäure gefällt wird, während die Guajakharzsäure gelöst bleibt. 

Die mir nach Abschluß meiner Arbeit bekannt gewordene 
Trennungsmethode von Pätzold!) halte ich, trotzdem er mit sehr 
verdünnten Lösungen .von Aetzalkalien arbeitete, wegen der außer- 
ordentlichen Empfindlichkeit. der Guajakonsäure, für nicht ganz ein- 
wandfrei. 

Da mir vor allen Dingen an der Gewinnung der Guajakonsäure 
lag, legte ich auf Reindarstellung der Guajakharzsäure, Guajacinsäure 
und der anderen Nebenbestandteile keinen Wert. 

500 g gepulvertes Harz wurden mit der fünffachen Menge Seesand 
vermischt, die Mischung so oft in einem Kolben mit Rückflußkühler 
mit heißem Benzol extrahiert, bis vom Benzol nichts mehr aufgenommen 
wurde. Die Guajakonsäure und Guajakharzsäure lösten sich in Benzol, 


1) Pätzold: Inaugural-Dissertation, Straßburg 1901. 


0 EL WERE ETW 


P. Richter: Guajakharz. 107 


während die Guajacinsäure ungelöst zurückblieb. Beim Erkalten der 
Benzollösung schied sich ein Teil der Guajakonsäure aus, welcher 
abfiltriert wurde. Nachdem von den vereinigten Filtraten ?/; des 
Benzols abdestilliert waren, wurde die Lösung zur Trennung der 
Guajakonsäure von der Guajakharzsäure mit der genügenden Menge 
Petroläther versetzt, wodurch die in Petroläther unlösliche Guajakon- 
säure vollständig ausgefällt wurde, während die Guajakharzsäure in 
Lösung blieb. Die Guajakonsäure wurde dann von der Mutterlauge 
abfiltriert. 


Zur Reinigung der Guajakonsäure von der noch etwa anhaftenden 
Guajaeinsäure und Guajakharzsäure, wurde sie zunächst zur Befreiung 
von der Guajaeinsäure mit der fünffachen Menge Seesand gemischt, 
und im Extraktionsapparat solange mit Aether behandelt bis vom 
Aether nichts mehr gelöst wurde. Hierauf wurde die ätherische 
Lösung, um die Guajakharzsäure vollständig zu entfernen, in Petrol- 
äther unter fortwährendem Umrühren eingegossen, wodurch die 
Guajakonsäure als weißes, amorphes, sehr lichtempfindliches Pulver 
erhalten wurde. 


Eine Probe mit alkoholischem Kali auf Guajakharzsäure geprüft, 
erwies, daß noch Spuren von derselben vorhanden waren, und wurde 
deshalb die erhaltene Guajakonsäure nochmals ausgefällt und so voll- 
ständig rein erhalten. Sie wurde im Vakuum getrocknet und zeigte 
den Schmelzpunkt 70—73°. Ein Trocknen bei höherer Temperatur 
hielt ich nicht für angebracht, da sich die Säure schon bei 40° blau- 
grün färbte, also offenbar eine Oxydation stattfand. 


Bei der Reindarstellung der Säure bemerkte ich, wie schon 
Pätzold, daß je reiner die Säure wurde, sich die Löslichkeitsverhält- 
nisse änderten, so brachte ich bei dem letzten Reinigungsversuche die 
Säure mit Aether allein nicht in Lösung, sondern mußte ein Gemisch 
von Aether und Chloroform verwenden. Das Eingießen der ätherischen 
Lösung in den Petroläther darf nur in feinem Strahl stattfinden, da 
sonst die Säure schmierig wird, auch ist es im Sommer notwendig, 
den Petroläther durch Eis gut abzukühlen. Sämtliche Versuche müssen 
wegen der Lichtempfindlichkeit der Säure in einem dunklen Raume 
ausgeführt werden. 


Die Guajakonsäure in diesem Zustande der Reinheit der 
Elementaranalyse zu unterwerfen, hielt ich nicht für maßgebend, denn 
die von verschiedenen Autoren ausgeführten Untersuchungen derselben 
zeigen sowohl in den analytischen Prozentzahlen, wie im Schmelzpunkt 
erhebliche Abweichungen, sodaß sehr wahrscheinlich kein einheitlicher 
Körper vorliegt. Von dieser Voraussetzung ging ich aus, und war 


108 P. Richter: Guajakharz. 


es mein Bestreben, durch Behandeln mit Lösungsmitteln eine Trennung 
herbeizuführen. 

Je 10 g der Guajakonsäure wurden in verschiedenen Lösungs- 
mitteln, wie Alkohol, Aether, Benzol, Chloroform, Eisessig, ferner in 
Gemischen von Alkohol und Aether, Benzol und Petroläther, Eisessig 
und Wasser etc. gelöst, und diese Lösungen an einem dunklen Orte 
längere Zeit sich selbst überlassen. Um die Lösungsmittel nicht allzu 
schnell verdunsten zu lassen, wurden die Lösungen in Bechergläser 
getan und mit Uhrgläsern bedeckt. 

An den ersten vier Tagen konnte an den sämtlichen Lösungen 
nichts Besonderes bemerkt werden; am fünften Tage hatte sich die 
Benzollösung, welche jetzt durch Verdunsten des Benzols sirupartig 
geworden war, getrübt. Eine kleine Probe auf dem Uhrglase unter dem 
Mikroskop betrachtet, ließ kleine, rhomboedrische Krystalle erkennen. 
In den sämtlichen anderen Lösungen waren keine Krystalle zu ent- 
decken, größtenteils hatte sich die Guajakonsäure harzig abgeschieden. 

Zunächst löste ich eine größere Menge Guajakonsäure in Benzol 
und ließ die Lösung 14 Tage an einem dunkelen Orte stehen. Während 
dieser Zeit hatten sich in der Lösung eine ziemliche Menge Krystalle 
abgeschieden, von denen sich der größte Teil am Boden des Becher- 
glases festgesetzt hatte. Zur Trennung der Krystalle von der Mutter- 
lauge versetzte ich die dickflüssige Lösung mit wenig Benzol, saugte 
dann dieselbe auf der Saugplatte ab, und wusch sie mit Benzol nach. 
In das Filtrat wurde nochmals Benzol gegossen-und acht Tage stehen 
gelassen, innerhalb welcher Zeit sich wiederum Krystalle, aber diesmal 
nur in geringer Menge, gebildet hatten. Dieselben wurden wie vorher 
von der Mutterlauge getrennt, und zur letzteren zum dritten Male 
Benzol gegeben und wiederum sich 14 Tage selbst überlassen. Irgend 
welche Abscheidung von Krystallen hatte nicht mehr stattgefunden, 
auch nachdem die Lösung noch 14 Tage gestanden hatte. Die Mutter- 
lauge hielt ich nun für vollständig von der krystallinischen Substanz 
befreit. Nachdem das Benzol verjagt war, blieb eine braune, harzige, 
durchsichtige Substanz, die ich als a-Guajakonsäure bezeichnen will, 
zurück. Dieselbe in krystallinischen Zustand überzuführen, gelang mir 
trotz vieler Versuche nicht. Ich löste sie nun in einem Gemisch von 
Aether und Chloroform, und goß sie unter fortwährendem Umrühren 
in gut abgekühlten Petroläther ein, wobei sie als weißes, sehr licht- 
empfindliches Pulver erhalten wurde. 

Die «-Guajakonsäure bei höherer Temperatur zu trocknen, war 
nicht möglich, da sie sich bei 40° schon blau färbte. Längere Zeit 
im Vakuum getrocknet, behielt sie ihre weiße Farbe bei. Beim Er- 
hitzen im Schmelzröhrchen schmolz sie bei 73° mit grüner Farbe, 


en 


P. Richter: Guajakharz. 109 


welche bei 101° in Braun überging. Sie löst sich leicht in Alkohol, 
Eisessig, Chloroform, schwer löslich ist sie dagegen in Aether, Benzol, 
unlöslich in Petroläther und Wasser. In konzentrierter Schwefelsäure 
löst sie sich mit schmutzigroter Farbe, welche auf Zusatz von Wasser 
schmutziggrün wird. Unter dem Einfluß von Oxydationsmitteln gibt 
sie die bekannte Blaureaktion, welche sehr intensiv auftritt, und sich 
gegen die mit der früheren dargestellten Guajakonsäure erzeugte 
Bläuung durch ihre lange Haltbarkeit auszeichnet, 


Weitere Untersuchungen über die «-Guajakonsäure und die Dar- 
stellung des Guajakblaus und die bei denselben erhaltenen Resultate, 
werde ich in einem späteren Teile meiner Abhandlung mitteilen. 


Den aus der Guajakonsäure abgeschiedenen krystallinischen Körper 
will ich mit dem Namen ß-Guajakonsäure bezeichnen. Um diese von 
der noch anhaftenden «-Guajakonsäure zu befreien, wurde sie zunächst 
aus heißem Benzol umkrystallisiert, und hierauf aus heißem, absoluten 
Alkohol. Das Umkrystallisieren mußte solange fortgesetzt werden, 
bis die Mutterlauge mit Eisenchloridlösung nicht mehr die geringste 
Blaufärbung hervorrief. 

Die 8-Guajakonsäure krystallisiert in kleinen Rhomboedern und 
hat, bei 100° getrocknet, den Schmelzpunkt 127°. Sie ist unlöslich in 
Wasser und Petroläther, schwer löslich in Benzol, Aether, Alkohol, 
leicht löslich in Chloroform und Eisessig. In konzentrierter Schwefel- 
säure löst sie sich mit schön kirschroter Farbe, welche auf Zusatz 
von Wasser unter Abscheidung derselben als weißes Pulver vollständig 
verschwindet. Direkte oder indirekte Oxydationsmittel, wie Mangan- 
und Bleisuperoxyd, salpetrige Säure, Chlor, Brom, Jod, Kalium- 
permanganat, Eisenchlorid, Chromsäure, als auch aktiver, gasförmiger 
Sauerstoff, wirken auf den Körper nicht ein, bringen eine Blaufärbung 
nicht hervor. 


Durch die vorstehend beschriebene Art der Gewinnung der 
B-Guajakonsäure halte ich es für erwiesen, daß dieselbe nicht erst 
durch Einwirkung der Agentien entstanden, sondern im Harze prä- 
formiert vorhanden ist. 


Doebner und Lücker bezeichnen unter Vorbehalt die Guajakon- 
säure als einheitlichen Körper, während späterhin Pätzold die 
chemische Individualität mit Recht anzweifelte.e Denn vorstehende 
Untersuchungen haben den definitiven Beweis ergeben, daß die Säure 
kein einheitlicher Körper ist, sondern sich durch Lösungsmittel in 
zwei Körper trennen läßt, von denen der eine leicht oxydierbar 
ist, der andere aber gegen sämtliche Oxydationsmittel sich indifferent 
verhält. 


or AIR STE Te 
Se Ur “ FM 


110 P. Richter: Guajakharz. 


Die Analyse der $-Guajakonsäure ergab folgende Werte: 


1. 0,1328 gaben 0,0887 H,O und 0,3419 CO; 
2. 01377 „ 0086 „ „0343 „. 


Diese Zahlen stimmen zur Formel Cs; Has O;. 


Berechnet für Gefunden: 
Ca Has O5: % 2. 
6.0.7039 70,22 70,14 

H 7,26 7,42 7,42. 


Benzoylverbindung der ß-Guajakonsäure. 


Das Benzoylieren fand nach der Schotten-Baumann’schen 
Methode statt. Durch häufiges Umkrystallisieren aus absolutem 
Alkohol wurde der Körper vollständig rein gewonnen. Er bildet 
säulenförmige Krystalle, welche bei 100° getrocknet, den Schmelzpunkt 
138° haben. Er ist unlöslich in Wasser, Alkalien und Petroläther, 
fast unlöslich in Aether, leicht löslich in Alkohol, Chloroform und 
Eisessig. Die Unlöslichkeit in Alkalien zeigt die Benzoylierung sämt- 
licher Hydroxylgruppen an. h 

Die Analysen gaben Zahlen, welche für eine Dibenzoylverbindung 
von der Formel Cs; H,O; (C;H;O); sprechen. 

1. 0,1195 gaben 0,0656 Hs0 und 0,3264 CO». 

2. 0,1261 . „ 0,0681 „ „ 0,3427 „ 


Berechnet für Gefunden: 
Ca1 H34 05 (C; Hz, O)a: 1 2. 
C 74,20 74,49 74,12 
H 6,00 6,10 6,00. 


Vergleicht man die von Doebner dargestellten Kondensations- 
produkte von Tiglinaldehyd mit Guajakol, Kreosol und Pyrogallol- 
dimethyläther mit der ß-Guajakonsäure, so zeigt sich, daß die letztere 
mit diesen Produkten drei Eigenschaften teilt: 

l. sich in konzentrierter Schwefelsäure mit blutroter Farbe zu 

lösen, 

2. die Bläuung durch Oxydationsmittel nicht zu zeigen, 

3. zwei freie Hydroxylgruppen zu besitzen. 

Der Formel Ca; Hs, 0; entsprechend, könnte man die B-Guajakon- 
säure als ein Kondensationsprodukt von Tiglinaldehyd mit Kreosol 
und Pyrogalloldimethyläther ansehen und nachstehende Struktur- 
Formel aufstellen: 


| CH; | 1 
je CE ns HOCH, 
BED REI? G OH 
CH=O-08V OH 
C, HOCH, 
NOCH, 


Birne a 


P. Richter: Guajakharz. 111 


Durch trockene Destillation der ß-Guajakonsäure wurde Tiglin- 
aldehyd und ein zwischen 200—300° siedendes, kreosolartig riechendes 
Oel erhalten. Die Destillationsprodukte näher zu identifizieren, mußte 
ich leider unterlassen, da die Ausbeute sehr gering war. 


a-Guajakonsäure. 
Die Analysen der «-Guajakonsäure lieferten folgende Zahlen: 


1. 0,1138 gaben 0,0648 H30 und 0,2862 COz. 
2. 01126 „ 0062 „ „0,2832 


OR 0030, a a 
Berechnet für Gefunden: 
CaHy 076 Ca Hy Og ‘ 3% 2. 3 
C 68,75 68,40 68,59 68,59 68,59 
H 6,25 6,73 6,33 6,33 6,35. 


Eine zweite Probe, welche auf dieselbe Weise dargestellt war 
und längere Zeit gestanden hatte, gab dieselben Zahlen: 


1. 0,1606 gaben 0,0920 Ha0 und 0,4036 COz. 
2. 0,1541 „ 00904 „ „0,3890 „ 


Gefunden: 
C 68,53 68,88 
H 6,863 6,51. 


Behandlung der a-Guajakonsäure mit schwefliger Säure. 


Die Säure wurde eine halbe Stunde mit wässeriger, schwefliger 
Säure gekocht, dann durch Auswaschen von der schwefligen Säure 
befreit, getrocknet, in einer Mischung von Aether und Chloroform 
gelöst, und durch Eingießen dieser Lösung in Petroläther als weißes 
Pulver erhalten. Diese Säure im Vakuum getrocknet, schmilzt bei 
101° zu einer braunen Masse, ohne vorher bei 71° die Grünfärbüng 
anzunehmen, besitzt aber noch die starke Lichtempfindlichkeit. 

Die Analysen gaben fast genau dieselben Zahlen, und läßt sich 
daraus schließen, daß die schweflige Säure auf die elementare Zu- 
sammensetzung der «a-Guajakonsäure keine Einwirkung hat. 


1. 0,1526 gaben 0,0868 H30 und 0,3860 CO;. 
2. 01470 , 00834 „ „03696 „ 


Gefunden: 


C 68,98 68,57 
H 632 6,30, 


112 P. Richter: Guajakharz. 


Benzoylverbindung der @-Guajakonsäure, 


Die «-Guajakonsäure wurde in Benzoylchlorid gelöst und all- 
mählich unter Eiskühlung und Umrühren Pyridin eingetragen. Nach 
zweistündigem Stehen wurde das Gemisch zur Entfernung des Pyridins 
mit verdünnter Schwefelsäure behandelt, dann in Aether aufgenommen 
und mit verdünnter Natronlauge zur Beseitigung entstandener Benzoe- 
säure geschüttelt. Nachdem die ätherische Lösung getrocknet und der 
Aether verdunstet war, wurde die entstandene Benzoylverbindung in 
heißem, absolutem Alkohol gelöst, bis zur beginnenden Trübung 
Wasser zugesetzt und durch Erkaltenlassen in Eis- und Salzmischung 
als weißes Pulver erhalten. Bei 100° getrocknet hat die Benzoyl- 
verbindung den Schmelzpunkt 133—135° und den Geruch nach ranziger 
Butter. Sie ist unlöslich in Wasser, Alkalien, fast unlöslich in Aether, 
schwer löslich in Benzol, Alkohol, leicht löslich in Eisessig und 
Chloroform. 

Die Analysen gaben Zahlen, welche auf eine Tribenzoylverbindung 
schließen lassen. 

1. 0,1190 gaben 0,0562 Hz0 und 0,3236 CO;. 

2..0,1158 7: „1.0.0553. 05:4, OBllezz 


Berechnet für Gefunden: 
[0PP) Haa Og (Cr H; O)s: 1. 2, 
C 73,90 74,16 74,19 
H 5,44 ’ 5,25 5,30. 


Elementaranalysen der a-Guajakonsäure. 


a-Guajakonsäure a-Guajakonsäure a-Guajakonsäure 
I. Probe II. Probe mit SOg behandelt 
Gefunden: 
1. 2. 3. t. 2. 1. 2. Mittel 
C 68,59 6859 68,59 68,53 68,88 68,98 68,57 68,68 
H- 63 63 635 6,36 6,51 6,32 6,30. 6,36 


0 25,08 25,08 25,06 25,11 24,61 24,70 25,13 24,96 


Berechnet für 
Ca H940g: _ CaaHsg Os: 


C 68,75 68,40 

H 6,25 6,73 

O0 25,00 24,87 

Benzoylverbindung der Guajakonsäure 
Gefunden: Berechnet für 
% 2. Mittel Ca Has Og (Cr H; O)g: 

C 7416 74,19 74,18 73,90 
H x5,95°2:530 5,37 5,44 


0 20,59 2051 20,45 20,66 


. P. Richter: Guajakharz. 113 


Ueber das Guajakblau. 


Wie in der Einleitung erwähnt, hat das Guajakharz durch seine 
Eigenschaft, mit Oxydationsmitteln eine charakteristische Blaufärbung 
zu liefern, das Interesse verschiedener Chemiker in hohem Maße auf 
sich gelenkt. 

Zunächst war es Schönbein, welcher sich eingehender mit der 
Blaureaktion des Guajakharzes beschäftigte. Vor ihm war schon 
bekannt, daß die Bläuung des Harzes durch Einwirkung von Chlor 
erzielt wird. Nach den Erfahrungen von Schönbein!) haben die 
gleiche Wirkung Brom und Jod. Durch die große Aehnlichkeit der 
chemischen Wirkungsweise, welche Chlor, Brom und Jod mit dem von 
ihm entdeckten Ozon zeigten, kam er nach mehreren Versuchen zu 
dem Resultate, daß auch durch Ozon die Bläuung hervorgerufen wird. 


- Da er das Ozon ebenso wie de la Rive und Berzelius für aktiven 


Sauerstoff hielt, so nahm er an, daß die gebläute Guajaktinktur eine 
lose Verbindung des Guajaks mit aktivem Sauerstoff enthalte, und 
bezeichnete einen derartigen Körper als Ozonid. 

Ferner ist von Schönbein gezeigt worden, daß dieses Vermögen 
der Blaufärbung in einem ausgezeichneten Grade neben Chlor, Brom, 
Jod und Ozon, den Superoxyden des Mangans, Bleis und Silbers, dem 
übermangansauren Kalium, dem chromsauren Kalium, den unterchlorig- 
sauren Alkalien, dem Eisenchlorid, dem Kupferchlorid und auch dem 
fein verteilten Platin zukommt. . 

Hadelich?) und auchSchaer?) stellten fest, daß die Guajakonsäure 
der die Blaufärbung liefernde Körper ist. Schaer°) berichtet über die. 
Blaureaktion in seiner Monographie über die Anwendung der Guajakharz- 
lösung als Reagens und faßt die Agentien, welche die alkoholische Guajakon- 
säurelösung in Blau überzuführen vermögen, in zwei Gruppen zusammen: 

1. Ozon und solche Verbindungen, welche die Reaktionen des’ 
Ozons geben, z. B. salpetrige Säure, Hypochloride, Superoxyde 
und die Salze des Eisens und des Kupfers. 

2. Diejenigen Agentien, die auf Ozonübertragung beruhen. 

Doebner) teilt die Agentien in zwei Kategorien: 

1. Direkte oder indirekte Oxydationsmitte], 

2. aktiver, gasförmiger Sauerstoff (Ozon) beziehungsweise gewöhn- 
licher Sauerstoff unter Mitwirkung von Substanzen, welche ihn 
in den aktiven, ozonisierten Zustand verwandeln. 

1) Schönbein: Poggendorf’s Annalen Bd. 67, 73 und 75. 

2) Hadelich: Journ. f. prakt. Chem. Bd. 37. 

8) Schaer: Forschungsberichte über Lebensmittel und ihre Be- 

ziehungen zur Hygiene etc., Jahrgang 189. 
4) Doebner: Arch. d. Pharm. Bd. 234, 1896. 


Arch. d. Pharm. COXXXXIV. Bds. 2. Heft. 8 


114 P. Richter: Guajakharz. - 


Doebner stellte ein Guajakblau aus Guajakonsäure und ver- 
dünnter Eisenchloridlösung dar, welches von ihm analysiert wurde und 
für welches mit Reserve die Formel C»Hs00, aufgestellt wurde. 


Das von der Guajakonsäure aufgenommene Sauerstoffatom hält 
er in ähnlicher Weise wie das eine Sauerstoffatom im Wasserstoff- 
superoxyd für außerordentlich lose gebunden. 


Nachdem es mir gelungen ist, die Guajakonsäure, welche bisher 
zur Darstellung des Blaus benutzt wurde, in zwei Körper zu trennen, 
von denen der eine — «a-Guajakonsäure — die Eigenschaft der Blau- 
färbung besitzt, während der andere — ß-Guajakonsäure — gegen 
Oxydationsmittel vollständig indifferent ist, will ich im nachstehenden 
über einige Versuche der Oxydation der «-Guajakonsäure und en 
Beobachtungen berichten. 


Es gelang mir nach vielen Versuchen mit den verschiedensten 
Oxydationsmitteln und Lösungsmitteln eine Methode zu finden, welche 
mir für die Oxydationszwecke die besten Resultate lieferte. Es sei 
noch bemerkt, daß Pätzold das von ihm dargestellte Blau fast nach 
derselben Methode gewann, doch sind die Abweichungen in der elemen- 
taren Zusammensetzung beider Präparate sehr bedeutende. 


Zur Oxydation der «-Guajakonsäure wurde dieselbe in Chloro- 
form gelöst und mit Bleisuperoxyd längere Zeit geschüttelt. Der 
Zusatz von Bleisuperoxyd geschah in kleinen Portionen, und zwar so 
lange, bis eine intensive, tief dunkelblaue Färbung der Lösung erreicht 
war. Der höchste Grad der Blaufärbung ließ sich auch erkennen, in- 
dem man Tropfen der Flüssigkeit auf Filtrierpapier brachte. Ein 
Ueberschuß von Bleisuperoxyd und zu langes Schütteln oder Stehen, 
rief eine Blaugrünfärbung der Lösung hervor. Es mußte somit eine 
weitere Oxydation oder auch Reduktion vor sich gehen. Dieselbe 
Erscheinung wurde auch bei zu konzentrierten Lösungen wahrgenommen. 
Es eignet sich am besten zu diesem Versuche eine Lösung der 
a-Guajakonsäure in Chloroform, im Verhältnis 1:20. Die nach 
Schütteln mit Bleisuperoxyd und nachherigem Filtrieren erhaltene 
Chloroformlösung des Blaus hielt die Farbe acht Tage lang, auch 
beim Erhitzen blieb die Farbe bestehen. Die Lösung wurde dann 
nach öfterem Filtrieren unter fortwährendem Umrühren in Aether ein- 
gegossen, wobei sich das Blau zum Teil als feines, tief dunkelblaues 
Pulver abschied, welches abfiltriert wurde, und nach gutem Auswaschen 
mit Aether auf dem Filter im evakuierten Exsikkator von braunem 
Glas über Chlorcalcium getrocknet wurde. Hierbei nahm das im 
feuchten Zustande intensiv dunkelblaue Pulver eine etwas hellere 
Farbe an. 


P. Richter: Guajakharz. 115 


Der Farbstoff lieferte beim Analysieren am ersten Tage folgende 
Zahlen: 

1. 0,1174 gaben 0,0623 H30 und 0,2810 CO. 

2. 0122 „ 0063 „, 08040 „ 


Gefunden: 
C 65,28 65,18 
H 5,89 5,87. 


Nach eintägigem Stehen lieferten die Analysen Werte mit 
höherem Kohlenstoffgehalt: 


1. 0,1264 gaben 0,0650 H30 und 0,3085 CO3. 
2. 0102 „ 00554 5 028 „ 


Gefunden: 
C 66,56 66,17 
H 57 5,91. 


Am dritten Tage lieferte der Farbstoff, welcher etwas verblaßt 
war, wieder andere Zahlen: 

1. 0,1034 gaben 0,0563 H30 und 0,2559 CO,. 

2. 0103 „ 00554 .„ „..02616 „ 


Gefunden: 
C 67,49 68,40 
H 6,05 5,90. 


Wie aus den ausgeführten Analysen zu ersehen ist, nimmt der 
Sauerstoff des Blaus von Tag zu Tag unter Verblassung ab, es ist 
also das von der a-Guajakonsäure aufgenommene Sauerstoffatom sehr 
lose gebunden. Ich hielt es nun nicht für ausgeschlossen, daß die 
Methode des Ausfällens durch Aether und die Form, in welcher das 
Blau erhalten wurde, irgend welchen Eirfluß auf den Farbstoff haben 
könnten. Ich oxydierte deshalb nochmals «-Guajakonsäure nach der 
vorher beschriebenen Methode und fällte den gelösten Farbstoff nicht 
durch Eingießen in Aether aus, sondern ließ das Chloroform im 
Vakuum verdunsten. Es blieb so der Farbstoff als feste, tiefblaue 
Masse mit Metallglanz zurück, welche zu Pulver zerrieben, und im 
braunen Exsikkator über Chlorcaleium getrocknet wurde. Beim Ver- 
dunsten des Chloroforms auf dem Wasserbade oder an der Luft ging 
die blaue Farbe allmählich in eine grüne über. 

Die Elementaranalyse gab nachstehende Werte: 

1. 0,1402 gaben 0,0707 H3O und 0,3108 CO;. 

2. 0,1543 ° „00789 „ „0342 „ 

1. Gefunden: 9 


C 60,46 60,84 
H 5,60 5,68. 


116 P. Richter: Guajakharz. 


Nach mehrtägigem Stehen im Vakuum behielt es dieselben 
Werte bei: 


1. 0,1214 gaben 0,0593 HsO und 0,2700 CO.». 
2. 0,1386; :„-. .0,0696. 08) Da zE 


Gefunden: 
C 60,66 60,67 
H 5,43 5,58. 


Einen weiteren Versuch machte ich noch mit dem durch Fällung 
gewonnenen Guajakblau, indem ich es in Chloroform löste, nochmals 
mit Bleisuperoxyd behandelte, und dann aus der filtrierten Lösung das 
Chloroform: im Vakuum verdunstete. Zu Pulver zerrieben, und im 
Vakuum getrocknet gab es Werte, welche mit denen des durch Ver- 
dunsten des Chloroforms erhaltenen Blaus übereinstimmten: 

1. 0,1394 gaben 0,0703 H,O und 0,3112 CO;. 

2. 0,1469. „. 00745 „., 03275, 


Gefunden: 
C 60,88 60,80 
H- 5,63 5,63. 


Die Resultate der drei letzten Elementaranalysen lassen mit 
Bestimmtheit erkennen: 

1. daß das Fällen des Blaus durch Aether irgend einen Einfluß 
auf dasselbe haben muß, 

2. daß das durch Verdunsten des Chloroforms erhaltene Blau 
der reine Farbstoff ist, 

3. daß die «a-Guajakonsäure sich vollständig an der Oxydation 
beteiligt und nicht noch durch andere, nicht oxydable Körper 
verunreinigt ist. 


Reduktion des Guajakblau. 


Das feinpulverisiertte Guajakblau wurde längere Zeit mit 
wässeriger, schwefliger Säure bei 50° geschüttelt. Das Blau wurde 
zu einem hellbraunen Pulver reduziert. Nachdem das Reduktions- 
produkt von der schwefligen Säure getrennt und gut ausgewaschen 
war, wurde es in einer Mischung von Chloroform und Aether auf- 
genommen, die Lösung durch Chlorcalcium getrocknet und hierauf in 
Petroläther eingegossen, wobei es sich als weißes, lichtempfindliches 
Pulver abschied, welches im Vakuum getrocknet bei 99—101° zu 
einer braunen Masse schmolz. Ebenso wie die mit SOs behandelte 
a-Guajakonsäure zeigt es beim Erhitzen im Schmelzröhrchen die Grün- 
färbung bei 72° nicht. Mit konzentrierter Schwefelsäure übergossen 
löst es sich mit schmutzigroter Farbe, welche auf Zusatz von Wasser 


P. Richter: Guajakharz. 117 


schmutziggrün wird. Die Analysen stimmen mit denen der reinen 
«@-Guajakonsäure und denen der mit SOg behandelten vollständig 
überein: 

1. 0,1632 gaben 0,0920 HzO und 0,4096 CO,. 

2, 01598 „ 00866 „ „0,3838 „ 


Gefunden: 
C 68,45 68,50 
H 626 6,30. 


Das Reduktionsprodukt wieder durch Behandlung mit Bleisuper- 
oxyd zu Blau oxydiert, lieferte folgende Zahlen: 

0,1427 gaben 0,0711 H,O und 0,3187 CO%. 

Gefunden: 
C 60,91 
H: ’ 5,53. 2 

Sämtliche Analysen mußten bei der schweren Verbrennbarkeit 
der Substanz im offenen Rohre im Sauerstoffstrom ausgeführt werden. 

Durch die Reduktion des Farbstoffes zu einem Produkt, welches 
dieselbe elementare Zusammensetzung als die a-Guajakonsäure hat, 
und durch Oxydation wieder ein Blau lieferte, welches in der Analyse 
dieselben Zahlen, wie das direkt aus der «-Guajakonsäure gewonnene 
zeigt, ist wohl ein zweiter deutlicher Beweis erbracht, daß die von 
mir dargestellte a-Guajakonsäure die das Blau liefernde Substanz in 
chemisch reinem Zustande ist. 

Das Guajakblau bis auf 100° erhitzt gab Sauerstoff ab, schmolz 
zu einer hellbraunen, durchsichtigen Masse, welche zu Pulver zerrieben, 
den Schmelzpunkt 85° hatte, und beim Behandeln mit Oxydations- 
mitteln wieder in Blau übergeführt werden konnte. 

Die Analysen gaben folgende Zahlen: 

1. 0,1742 gaben 0,0947 H3O und 0,4196 CO;. 

2. 01824 „ 0104 „ „ 0416 „ 


Gefunden: 
C 65,69 66,02 
H 6,04 6,35. 


Beim Erhitzen auf 120° wurde ebenfalls eine hellbraune, durch- 
sichtige Masse erhalten, welche die Blaureaktion lieferte und deren 
Elementaranalyse den Zahlen der «a-Guajakonsäure entsprachen: 

1. 0,1467 gaben 0,0863 HsO0 und 0,3711 CO2. 

2. 01504 „ 0084 „ „ 037% „ 

Gefunden: 


C 68,99 68,82 
H 654 6,53. 


118 P. Richter: Guajakharz. 


Am Schluß meiner Arbeit sei es mir gestattet, mit aller Reserve 
eine Formel für die Guajakonsäure aufzustellen. Der empirischen 
Formel Cag Hsg OÖ, könnte entsprechen die Formel: 


CH OH, es 
ca=6_ca/| OH 


| | 
CH=(-—-CH > 00068; 
BA 
OCHz 
Hz 
OCHz 
Es ist dann nicht ausgeschlossen, daß dem Guajakblau folgende 
Formel zukommt: 


CH, CH 


a Dei 
ra 


Beim Erhitzen auf 100° gab das Blau unter Entfärbung Sauer- 
stoff ab, und zeigte die Analyse Werte, welche für die Strukturformel 


stimmen würden. 

Erhitzen auf 120° bewirkte dann die Abspaltung des letzten 
aufgenommenen Sauerstoffatoms, und die zurückbleibende Substanz 
entsprach der empirischen Formel der a-Guajakonsäure Css Ha, Os. 


119 


00'°8 | 00'883 | u 00'°3 | vE'gE | ) 
939 | 00'9 ar | 989 Ä ag'q H 
ne a 1: | — <1'89 117°19 h) 
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120 M. Herder: Mikrochemischer Alkaloidnachweis. 


Mitteilungen aus dem pharmazeutischen Institut der 
Universität Strassburg. 


Ueber einige neue allgemeine Alkaloidreagentien 


und deren mikrochemische Verwendung. 
Von M. Herder. 
(Auszug aus der Inauguraldissertation Straßburg 1905.) 
(Eingegangen den 13. III. 1906 ) 


Schon seit einigen Jahrzehnten ist man bestrebt, Mittel und Wege 
zu finden, die es ermöglichen, den Sitz der Alkaloide innerhalb der 
Pflanzengewebe festzustellen. 

Die erste eingehendere Arbeit über diesen Punkt ist die von 
Errera, Maistriau und Clautriau: „Premieres recherches sur la 
localisation et la signification des alcaloides dans les plantes“. Auch 
vor und nach dieser Arbeit findet man solche, die sich teils mit 
einzelnen Pflanzen und deren Alkaloiden beschäftigen, teils im all- 
gemeinen von dem mikrochemischen Nachweise der Alkaloide in den 
Pflanzen handeln. 

In diesen Arbeiten wurden die Alkaloide entweder dadurch nach- 
gewiesen, daß durch geeignete Reagentien Niederschläge mit denselben 
hervorgerufen wurden, oder aber daß durch Farbenreaktionen deren 
Sitz ermittelt wurde. 

Die Niederschläge werden teils durch Flüssigkeiten, teils durch 
Dämpfe erzeugt. Die meisten Methoden sind aber nicht absolut zu- 
verlässig, da teilweise auch noch andere Stoffe mit denselben Reagentien 
Niederschläge geben, teilweise auch amorphe oder wenig sichtbare 
Niederschläge entstehen, so daß eine genaue Bestimmung unmöglich wird. 

Ebenso ist der Nachweis durch Farbenreaktionen ein sehr 
schwieriger, da hierzu meist konzentrierte Säuren, wie Schwefelsäure 
oder Salzsäure etc., angewandt werden. 

Die Unsicherheit in den Methoden äußert sich auch schon darin, 
daß die angegebenen Resultate oft nicht- übereinstimmen, ja sich 
manchmal direkt widersprechen. 

Eine Verbesserung, eventuell die Auffindung einer neuen Methode 
war daher der Zweck vorliegender Arbeit. 

Um einen gewissen Fortschritt zu ermöglichen, mußte ich mich 
zunächst eingehender mit dem Verhalten der einzelnen reinen Alkaloide 
zu verschiedenen Reagentien beschäftigen und ebenso mit dem physika- 
lischen Verhalten der so entstandenen Alkaloidniederschläge. 


M. Herder: Mikrochemischer Alkaloidnachweis. 121 


Die Resultate dieser Untersuchungen schicke ich in einem all- 
gemeinen Teile dem speziellen Teile voraus, der sich mit dem Nachweise 
von Alkaloiden in einigen Pflanzen beschäftigt. 


Allgemeiner Teil. 


In den ersten drei Abschnitten des allgemeinen Teiles der Ab- 
handlung wird das Verhalten der Alkaloide zu Aluminiumsulfat, 
Kobalt- und Nickel-Kaliumeyanid, sowie zu den Kadmiumdoppel- 
verbindungen behandelt. Durch diese Reagentien jedoch werden die 
meisten Alkaloide nur in konzentrierten Lösungen gefällt, weshalb 
diese Verbindungen zum mikrochemischen Nachweise der Alkaloide 
nicht zu verwenden sind. 

Im vierten Abschnitte werden sodann die Niederschläge von 
Alkaloiden mit Kaliumquecksilberjodid und diesen analogen Quecksilber- 
verbindungen behandelt. 


A. Niederschläge in wässeriger Lösung. 


Eines der empfindlichsten Reagentien auf viele Alkaloide ist das 
Mayer’sche Reagens: Kaliumquecksilberjodid. Doch läßt sich dasselbe 
zum mikrochemischen Nachweise von Alkaloiden innerhalb der Gewebe 
nur schwer gebrauchen, da dasselbe meist nur amorphe Niederschläge 
liefert und außerdem auch leicht auf Eiweißstoffe, Peptone etc. wirkt. 
Das Wässern der Schnitte und nachheriges Behandeln mit Schwefel- 
wasserstoff, wie es Gerock und Skippari!) angeben, ist sehr um- 
ständlich und liefert, wie auch schon Barth?) angibt, bei dunkel 
gefärbten Schnitten keine zuverlässigen Resultate. 

Obwohl vorauszusehen war, daß auch die analogen Verbindungen, 
in denen an Stelle von Kalium die entsprechenden Alkalien oder Erd- 
alkalien gesetzt wurden, wie Rubidium-, Caesium-, Caleium-, Strontium- 
und Baryum-Quecksilberjodid, keine krystallinischen Niederschläge 
liefern, so versuchte ich doch, mit denselben einige Reaktionen, und 
zwar zunächst mit reinen Alkaloiden, vorzunehmen. In der Literatur 
hatte ich bisher noch nirgends Angaben darüber gefunden, und ich 
will daher hier etwas genauer meine Resultate mitteilen, besonders da 
sich hierbei die Tatsache herausstellte, daß die Schwerlöslichkeit der 
Niederschläge sowohl bei den Alkali- als auch bei den Erdalkali- 
verbindungen mit dem Atomgewichte des betreffenden Alkali resp. 
Erdalkalimetalles wuchs. Diese Zunahme der Schwerlöslichkeit mit 
der Zunahme des Atomgewichtes will ich an zwei Alkaloiden von 
verschiedener Empfindlichkeit nachweisen. Zur Vervollständigung der 

1) Jahresberichte der Pharmazie 1892. 


2) Barth, Dissertation 1898, „Studien über den mikrochemischen 
Nachweis von Alkaloiden in pharmazeutisch verwendeten Drogen“. 


122 M. Herder: Mikrochemischer Alkaloidnachweis. 


Uebersicht habe ich auch noch die entsprechenden Lithium-, Ammonium- 
und Natriumverbindungen aufgenommen. Außerdem habe ich jedesmal 
zu dem betreffenden Reagens das abgerundete Atomgewicht des be- 
treffenden Alkali- resp. Erdalkalimetalles gesetzt: 


l. Aconitinum hydrochloricum. 


Lithiumquecksilberjodid . . . „. Li = 7 1:29000 
Ammoniumquecksilberjodid . . .:NH4,= 18 1:33000 
Natriumquecksilberjodid . . . . Na = 23 1:36000 
Kaliumquecksilberjodidd . . . . K = 39 1:40000 
Rubidiumquecksilberjodid. . . . Rb = 85 1:60000 
Caesiumquecksilberjodid . . . . Cs =133 1:80000 
Calciumquecksilberjodidd . . . . Ca = 40 1:45000 
Strontiumquecksilberjodid . . . Sr = 87 1:60000 
Baryumquecksilberjodidd . . . . Ba =137 1:82000 


Bei der Untersuchung muß genau darauf geachtet werden, daß 
man sofort beobachtet und möglichst gleich intensive Trübungen als 
Grenze annimmt. Fast genauer und besser sieht man bei Akonitin 
die Zunahme der Unlöslichkeit in einer Lösung 1:3000. Man versetzt 
am besten gleiche Mengen, z. B. je 5 ccm dieser Lösung in gleich- 
weiten Reagensgläsern mit je einem Tropfen des betreffenden Reagens. 
Man erhält dadurch eine ganz deutlich abgestufte Skala. Die Intensität 
der Trübung resp. des Niederschlages wächst vom Lithium bis zum 
Caesium und dann wieder vom Calcium bis zum Baryum. So ruft 
die Lithiumlösung nur eine leichte, die Ammonium- und Natrium- 
verbindungen stärkere Trübungen hervor, während die Kalium- 
verbindung schon einen sehr schwachen, die Rubidium- und Caesium- 
verbindungen deutliche Niederschläge hervorrufen. Die Calcium- 
verbindung bewirkt ebenfalls nur einen sehr schwachen, während 
Strontium und Baryum einen starken Niederschlag liefert. Doch ist 
auch hier ein sofortiges Beobachten nötig, da die Trübungen und 
Niederschläge stark zunehmen und dann die Uebersicht leidet. 


2. Strychninum nitricum. 


Lithiumquecksilberjodid.. . . . Li = 7 1: 50000 
Ammoniumquecksilberjodid. . . NH,= 18 1: 63000 
Natriumquecksilberjodid. . . . Na = 23 1: 80000 
Kaliumquecksilberjodid . -. . . K = 39 1:120000 
Rubidiumquecksilberjodid . . . Rb = 85 1:145000 
Caesiumquecksilberjodid. . . . Cs =133 1:200000 
Caleiumquecksilberjodid. . . . Ca = 40 1:150000 
Strontiumquecksilberjodidd - . . Sr = 87 1:185000 

1: 220000 


Baryumquecksilberjodid ... . . Ba = 137 


M. Herder: Mikrochemischer Alkaloidnachweis. 123 


Untersucht wurden außerdem noch eine Reihe von Alkaloiden 
aus möglichst vielen Pflanzenfamilien. Die Empfindlichkeit zeigt 
hierbei sehr große Differenzen, so z. B. wird Berberin mit Baryum- 
quecksilberjodid noch in einer Verdünnung von 1:500000 deutlich 
getrübt, während Colchicin auch in einer* Lösung 1:1000 nur eine 
ganz schwache Trübung zeigt. Der größte Teil der Alkaloide weist 
jedoch eine reichlich starke Empfindlichkeit besonders gegen Oaesium- 
und Baryumquecksilberjodid auf, sodaß gerade diese beiden sehr wohl 
zum mikrochemischen Nachweise der Alkaloide in den Pflanzen benutzt 
werden können. 

Die meisten Niederschläge sehen bei sofortiger Betrachtung 
unter dem Mikroskop amoıph aus oder weisen doch keine besonders 
charakteristische oder gar krystallinische Formen auf. Läßt man sie 
dagegen 24 Stunden stehen, dann gehen viele in die krystallinische 
Form über. 

Bevor ich nun zu weiteren Untersuchungen schritt, versuchte 
ich die erhaltenen Niederschläge qualitativ und quantitativ zu unter- 
suchen. Denn im allgemeinen hat man die mit Kaliumquecksilberjodid 
erhaltenen Niederschläge als Doppelverbindungen von Alkaloidjodid 
(Alkaloidhydrojodat) mit Quecksilberjodid betrachtet; danach würde 
also das Alkali- resp. Erdalkalimetall keinen Einfluß auf die Zusammen- 
setzung des Niederschlages haben. Man sollte daher auch bei all 
diesen Reagentien dieselbe Empfindlichkeit erwarten. Ob nun das 
Alkali- resp. Erdalkalijodid doch einen Bestandteil des Niederschlages 
ausmacht, oder ob die Schwerlöslichkeit in den verschiedenen Salz- 
lösungen eine verschiedene ist, konnte nicht entschieden werden, da 
einerseits kein konstant zusammengesetzter Niederschlag zu erhalten 
war, andererseits der Niederschlag schon beim Auswaschen sich wieder 
zersetzte. 

Dieses Verhalten hätte auf die Verwendung der angeführten 
Reagenslösungen beim mikrochemischen Nachweise der Alkaloide in 
den Drogen keinen Einfluß gehabt. Weniger angenehm war jedoch 
die Tatsache, daß fast sämtliche Niederschläge zunächst nur amorph 
ausfielen, wodurch ein sicherer Nachweis immer erschwert wird, da 
diese amorphen Niederschläge sehr schwer in den Geweben zu erkennen 
sind. Ich versuchte nun, ob. die Verhältnisse vielleicht durch Ver- 
wendung anderer Lösungsmittel als Wasser bessere würden. 


B. Niederschläge in alkoholischer Lösung. 


In alkoholischer Lösung war die Empfindlichkeit der Reagentien 
eine zu geringe, sodaß an eine Verwendung zu mikrochemischen Unter- 
suchungen nicht zu denken war. 


124 M. Herder: Mikrochemischer Alkaloidnachweis. 


C. Niederschläge in Chloralhydratlösung. 


Da ich nun von der Annahme ausging, daß wohl auch die 
amorphen Niederschläge gut zu verwenden wären, wenn sonst der 
Schnitt durch geeignete Mittel aufgehellt wurde, so untersuchte ich 
das Verhalten der Niederschläge zu Chloralhydratlösung, die be- 
kanntlich zum Aufhellen von Schnitten verwendet wird. Dabei ergab 
sich die eigentümliche Tatsache, daß all diese Niederschläge relativ 
schwer löslich sind. Wie schon Mauch!) nachgewiesen hat, lösen 
sich alle reinen Alkaloide, wie alle Alkaloidsalze ziemlich leicht in 
Chloralhydratlösung auf. Andererseits kann man auch sehr leicht die 
angeführten Reagentien ebensogut wie in Wasser in Chloralhydrat- 
lösung von beliebiger Konzentration lösen. Ich prüfte nun alle die 
schon früher aufgeführten Alkaloide, indem ich dieselben nach der 
Reihe in 3N%iger, A0%iger, 60%iger und 80%iger Chloralhydratlösung 
löste, mit den Reagenslösungen, die jedesmal mit der gleichen Chloral- 
hydratlösung von gleicher Konzentration hergestellt waren, auf ihre 
Empfindlichkeit. Hierbei fand ich, daß in 30%iger und 40%iger 
Chloralhydratlösung sehr viele Niederschläge noch in ausreichend 
verdünnten Lösungen entstehen, sodaß danach die Anwendung von 
wenigstens 30% Chloralhydrat auch zum mikrochemischen Nachweise 
der Alkaloide innerhalb der Gewebe möglich ist. Die Niederschläge 
wurden auch wieder unter dem Mikroskop betrachtet, und ich kam 
hierbei zu dem merkwürdigen Resultate, daß fast sämtliche Nieder- 
schläge sofort krystallinisch ausfielen. Daß diese beiden Tatsachen, 
sowohl die relativ schwere Löslichkeit der meisten Niederschläge, als 
auch die sofortige Krystallbildung dieser Niederschläge, von ganz 
hervorragender Bedeutung waren, liegt auf der Hand. Denn einerseits 
wird durch die Anwendung von Chloralhydrat der Schnitt aufgehellt, 
andererseits hat die Chloralhydratlösung die Fähigkeit, alle Gewebe 
sehr schnell zu durchdringen, wodurch wieder das in ihr enthaltene 
Reagens sehr schnell nach allen Teilen der Gewebe gelangt. Infolge 
der Schwerlöslichkeit der Alkaloidniederschläge in der Chloralhydrat- 
lösung entsteht aber dann beim Zusammentreffen der in der Pflanze 
enthaltenen Alkaloide und den Reagenslösungen sofort an Ort und 
Stelle der Alkaloide ein Niederschlag. Auf diese Weise wird ein 
Diffundieren des Alkaloides verhindert, und sind somit falsche Schlüsse 
weit eher ausgeschlossen. Außerdem ist in den meisten Fällen der 
krystallinische Niederschlag in dem sonst aufgehellten Gewebe sehr 
gut zu erkennen. 

1) Mauch, Dissertation 1898, „Ueber physikalisch-chemische Eigen- 


schaften des Chloralbydrates und deren Verwertung in pharmazeutisch- 
chemischer Richtung“. 


M. Herder: Mikrochemischer Alkaloidnachweis. 125 


Nähere Angaben über die Anwendung dieser Methode werde ich 
in der Einleitung des speziellen Teiles meiner Arbeit machen. 

Da in 30%iger Chloralhydratlösung manche Alkaloide noch fast 
quantitativ ausfielen, so hoffte ich auf diese Art eventuell quantitative 
Methoden zur Alkaloidbestimmung in Drogen darauf aufbauen zu 
können. Die diesbezüglichen Versuche, die übrigens nicht die 
gewünschten Resultate lieferten, sind in der Originalarbeit eingehender 
beschrieben. 

Spezieller Teil. 


Bevor ich zur Untersuchung der einzelnen Drogen übergehe, 
möchte ich im allgemeinen einige Worte über die Anwendung der 
Reagentien sagen. Angewandt wurden als empfindlichste Lösungen 
immer Caesiumquecksilberjodid nnd Baryumquecksilberjodid. Bei 
letzterem könnte man mir die Einwendung machen, daß das Baryum 
in vielen Fällen mit den in den Drogen enthaltenen Säuren Nieder- 
schläge geben möchte, wodurch dann sehr leicht Trugschlüsse entstehen 
könnten. Gegen solche Trugschlüsse habe ich mich auf verschiedene 
Weise gesichert. Erstens untersuchte ich die Drogen niemals allein 
mit Baryumquecksilberjodid, sondern verwendete immer nebenher noch 
das Caesiumquecksilberjodid, welches ja keine schwer löslichen Salze 
geben kann. Außerdem zog ich einen Teil der Schnitte, wie es 
Erröra!) vorschlägt und wie es auch Barth?) machte, mit Alkohol, 
dem 5% Weinsäure zugesetzt war, aus. Auf diese Weise konnte ich 
immer alkaloidfreie und alkaloidhaltige Schnitte miteinander vergleichen. 
War ein Niederschlag nur in den alkaloidhaltigen Schnitten erhalten 
worden, während die alkaloidfreien einen solchen nicht aufwiesen, so 
konnte ich wohl mit Sicherheit einen Irrtum für ausgeschlossen halten. 
Trotzdem prüfte ich das Verhalten meiner Erdalkalireagentien zu den 
verschiedensten Salzlösungen, die in den Pflanzen vorhanden sein 
können, so z. B. die Salze der Oxalsäure, Weinsäure, Kohlensäure, - 
Salzsäure, Schwefelsäure, Gerbsäure, Chinagerbsäure etc. Es wurden 
natürlich nur sehr verdünnte Lösungen zu den Versuchen verwendet, 
um möglicht dieselben Verhältnisse wie in der Pflanze zu erhalten. 
Ein Teil dieser Salze gibt wohl in wässeriger Lösung einen Nieder- 
schlag, der aber durch 30%ige Chloralhydratlösung wieder gelöst 
wurde. Direkt unlöslich waren hiervon nur die Oxalate, die auch in 
Chloralhydratlösung von höher als 30%iger Stärke nicht gelöst wurden. 
Da aber, wie bekannt, die Oxalate meist nur als oxalsaurer Kalk in 


1) Annales de la societe belge de microscopie 1891. Err&ra: „Sur la 
distinction microchimique des alcaloides et des matieres prote'ques“. 
2) Barth, Dissertation 1898. £ 


126 M. Herder: Mikrochemischer Alkaloidnachweis. 


den Pflanzen vorkommen, und da immer auf einzelne besondere Zellen 
beschränkt sind, so braucht man gegen die Anwendung der Erdalkali- 
reagentien in diesem Falle anch kein Bedenken zu tragen, da die Oxal- 
säure hier schon an ein Erdalkali gebunden ist; außerdem ist eine 
Umsetzung nicht möglich, da der oxalsaure Kalk auch durch eine höhere 
als 30%ige Lösung von Chloralhydrat nicht in Lösung gebracht wird. 

Um Wiederholungen zu vermeiden, möchte ich den Gang der 
mikrochemischen Untersuchungen im großen und ganzen kurz voraus- 
schicken. Bei den einzelnen Drogen werde ich dann jeweils auf 
spezielle Untersuchungen eingehen. 

Die Schnitte wurden nicht allzu dünn hergestellt, damit immer 
noch wenigstens eine Zelllage mit vollständig erhaltenen Wandungen 
vorhanden war. Dies ist nötig, da aus Zelltrümmern die sich bildenden 
Krystalle sehr leicht herausgeschwemmt werden, besonders beim 
Bedecken mit dem Deckglas. Die Schnitte wurden dann in einen 
Tropfen der betreffenden Reagenslösung eingelegt, und zwar legte ich 
immer mehrere Schnitte in einen Tropfen, um im Verhältnis zur Anzahl 
der Zellen eine möglichst kleine Menge Reagenslösung zu erhalten. 
Auf diese Weise erreichte ich die größtmögliche Empfindlichkeit, was 
ohne weiteres klar ist. Die Reagenslösungen waren jedesmal möglichst 
frisch bereitet, und zwar verwandte ich als Lösungsmittel statt Wasser 
eine 30%ige Chloralhydratlösung. Sobald die Schnitte in die Reagens- 
lösung eingelegt waren, wurden sie mit einem Deckglase bedeckt. Um 
ein Verdunsten der Flüssigkeit zu verhindern und eine längere Auf- 
bewahrung zu ermöglichen, wurde das Deckgläschen am Rande mit 
Canadabalsam umgeben, der die Schnitte mitsamt der Flüssigkeit voll- 
ständig luftdicht nach außen hin abschloß. Zu gleicher Zeit wurden 
vom Alkaloid befreite (sogenannte negative Schnitte), wie ich schon 
früher angegeben habe, auf genau dieselbe Art behandelt und auf 
diese Weise ein Vergleich zwischen alkaloidhaltigen und alkaloidfreien 
Schnitten ermöglicht. Beobachtet muß längere Zeit werden, da öfters 
die Niederschläge erst nach einigem Stehen eintreten. Ich habe alle 
Schnitte wenigstens 24 Stunden stehen lassen und während dieser Zeit 
häufig nachgesehen. Meist nehmen während dieser Zeit die Krystalle 
auch an Größe zu. Außerdem wird durch das längere Einwirken der 
30%igen Chloralhydratlösung auf den übrigen Zellinhalt letzterer in 
den meisten Fällen gelöst oder doch so weit aufgehellt, daß ein Erkennen. 
des Niederschlages bedeutend erleichtert wird. 

In einigen Fällen, wo die Krystallbildung gar nicht oder doch nur 
schwer zu erkennen war, benutzte ich weitere Reagentien, indem ich 
das erste Reagens zunächst mit Wasser auswusch und dann das zweite: 
auf den’zuerst gebildeten Niederschlag einwirken ließ. Ein zu langes 


% 


M. Herder: Mikrochemischer Alkaloidnach weis. 127 


Auswaschen der Schnitte ist zu vermeiden, da sonst auch leicht die 
zuerst entstandenen Niederschläge mit ausgewaschen werden. Näheres 
über diese Anwendung weiterer Reagentien findet sich jeweils unter 
den betreffenden Abschnitten. Um die Krystallbildung eventuell unter 
dem Mikroskop sehen zu können, was besonders bei alkaloidreichen 
Drogen möglich ist, z. B. bei Cinchona, änderte ich die Methode in- 
sofern, als ich die Schnitte zunächst in einen Tropfen Wasser brachte, 
mit dem Deckglas bedeckte und dann von der Seite einen Tropfen 
Reagenslösung zufließen ließ. Auf der anderen Seite saugte ich durch 
Filtrierpapier das Wasser ab, sodaß nun die Reagenslösung an dessen 
Stelle trat. Wohl sieht man hierbei die Krystallbildung, aber zur 
Feststellung der Lokalisation eignet sich diese Anwendung der Methode 
nicht, da durch das Absaugen eine Strömung in der Flüssigkeit ent- 
steht, welche die doch immerhin kleinen Kryställchen mit sich fort- 
reißt, soweit dieselben nicht in den Zellen noch eingeschlossen sind. 


I. Fibraurea chloroleuca. 


a) Reaktionen mit reinem Berberin: Das Berberin gibt in 
wässeriger Lösung mit Oaesium- und Baryumquecksilberjodid einen 
Niederschlag, der, sofort betrachtet, ohne besondere Form ist, käsig 
zusammengeballt aus sehr kleinen Teilchen bestehend, schön goldgelb. 
Bei längerem Stehen geht der Niederschlag in Kryställchen von 
drusenartiger bis federförmiger Gestalt über. Hier und da findet 
man vereinzelte kleine Nädelchen. 

Mit 30%iger Chloralhydratlösung ist der Niederschlag fast sofort 
krystallinisch. 

Empfindlichkeitsgrenze: 


a) in wässeriger Lösung: 


1. mit Caesiumquecksilberjodid . . . . 1:300000 

2. mit Baryumquecksiberjodid . . . . 1:500000 
b) in 30%iger Chloralhydratlösung: 

1. mit Caesiumquecksilberjodid . . . . 1:65000 

2. mit Baryumquecksilberjodid . . . . 1:80000 


b) Reaktionen mit der Pflanze: Die Pflanze hatte ich aus 
Java erhalten. Von derselben stand mir das Rhizom mit den kleinen 
Wurzeln zur Verfügung. 

Die mikrochemische Untersuchung des berberinhaltigen Rhizoms 
mit Wurzel zeigte, daß hier das Berberin hauptsächlich in den 
Wandungen der die Gefäße begleitenden Sklerenchymfasern abgelagert 
war; gegen die Gefäße hin nahm es an Menge zu, und sehr oft fund 
es sich in den Gefäßwandungen und von diesen in das Lumen hinein- 
krystallisierend.. Aber auch im Parenchymgewebe fand sich dıs 


128 M. Herder: Mikrochemischer Alkaloidnachweis. 


Berberin in einzelnen Zellen, hier allerdings im Zellinhalte und nicht 
in den Zellwandungen. Die Berberinkrystalle waren schön drusenartig 
ausgebildet und von gelber Farbe, stimmten auch mit denen im 
Reagensglase erhaltenen überein. Die vom Alkaloid befreiten Schnitte 
gaben keine Reaktion. 

2. Hydrastis canadensis. 


a) Reaktionen mit den reinen Alkaloiden: Reaktionen 
mit reinem Berberin sind dieselben wie die unter Fibraurea chloroleuca 
angegebenen. 

Reaktionen mit Hydrastin: Hydrastin gibt in wässeriger Lösung 
mit Caesium- und Baryumquecksilberjodid einen Niederschlag, der, 
sofort betrachtet, aus kleinen staubartigen Pünktchen besteht. Nach 
längerem Stehen erkennt man etwas größere Körperchen, die aber 
auch nicht ausgesprochen krystallinisch sind. 

In 30%iger Chloralhydratlösung erscheint der Niederschlag sofort 
in größeren Körperchen und scheinbar krystallinisch. Derselbe ist 
weiß gefärbt, sodaß er sehr leicht vom Berberinniederschlag zu unter- 


scheiden ist. 
Empfindlichkeitsgrenze: 


a) in wässeriger Lösung: 

1. mit Caesiumquecksilberjodiid . . . . 1:30000 
2. mit Baryumquecksilberjodiid . . . . 1:38000 

b) in 30%iger Chloralhydratlösung: 

1. mit Caesiumquecksilberjodidd . . . . 1:2000 
2. mit Baryumquecksilberjodiid . . . . 1:2400 

Canadin verhält sich fast genau wie Hydrastin und ist durch die 
Form des Niederschlages nicht davon zu unterscheiden. 

b) Reaktionen mit der Droge: Von dieser Droge, die mir 
von B.idgefort, Ala, zugeschickt worden war, stand mir das 
Rhizom mit den anhaftenden Wurzeln zur Verfügung. 

Bei Rhizom und Wurzel wurden die Alkaloide nur im Parenchym- 
gewebe aufgefunden, während die übrigen Gewebeteile von Alkaloiden 
frei zu sein scheinen. Die hier und da in den Gefäßteilen auftretenden 
Kryställchen waren jedenfalls durch Bedecken der Schnitte mit dem 
Deckglase dorthin geschwemmt worden. Es gelang mir auch sehr gut 
Berberin neben den beiden anderen Alkaloiden nachzuweisen infolge 
des verschiedenen Aussehens der Niederschläge. Eine besondere 
Lokalisation des einen oder anderen Alkaloides war jedoch nicht zu 
erkennen. 

3. Strychnos nux vomica. 

a) Reaktionen mit den reinen Alkaloiden: Reaktionen 

mit Strychnin: Das Strychnin gibt in wässeriger Lösung mit Caesium- 


aß 


M. Herder: Mikrochemischer Alkaloidnachweis. . 129 


und Baryumquecksilberjodid einen Niederschlag, der zunächst aus kleinen, 
federartigen, zierlichen Körperchen besteht, welche bei längerem Stehen 
an Größe zunehmen. In 30%iger Chloralhydratlösung erhält man teil- 
weise dieselben Formen, aber es finden sich auch schöne stäbchen- 
förmige Einzelkrystalle, welche oft zu Rosetten zusammengelagert sind. 
In großer Verdünnung findet man oft sehr schöne kantige Einzelkrystalle. 


Empfindlichkeitsgrenze: 
a) in wässeriger Lösung: 


1. mit Caesiumquecksilberjodid . . . . 1:200000 

2. mit Baryumquecksilberjodid . . . . 1:220000 
b) in 30% iger Chloralhydratlösung: 

1. mit Caesinmquecksilberjodid . . . . 1:40000 

2. mit Baryumquecksilberjodid . . . . 1:43000 


Reaktionen mit Brucin: Das Brucin gibt in wässeriger Lösung 
mit Caesinm- und Baryumquecksilberjodidlösung einen Niederschlag von 
kleinen Flitterchen ohne besondere charakteristische Form; bei längerem 
Stehen gehen dieselben in hakenförmig gekrümmte, bandförmige Kry- 
ställchen über, die aber auch noch sehr klein sind. In Chloralhydrat 
erhält man dieselbe Form, wie eben angegeben, auch sehr klein. 


Empfindlichkeitsgrenze: 

a) in wässeriger Lösung: 

1. mit Caesiumquecksilberjodid . . . . 1:40000 
2. mit Baryumquecksilberjodidd . . . „. 1:41000 

b) in 30%iger Chloralhydratlösung: 

1. mit Caesiumquecksilberjodid . . . . 1:10000 
2. mit Baryumquecksilberjodid . . . . 1:11000 

b) Reaktionen mit der Pflanze: Diese Pflanze hatte ich 
ebenfalls von Java erhalten, und zwar standen mir die Wurzel, die 
Stammrinde und die Blätter zur Verfügung. 

Wurzel: Bei Behandlung mit meinen Reagentien Aut in 
folgenden Gewebeteilen ein Niederschlag, der aber sehr schwer zu er- 
kennen war: im Korkgewebe, dann im ganzen Parenchym der Rinde, 
in den Markstrahlen und den sie verbindenden Brückchen. Da nun 
der Niederschlag sehr undeutlich war, behandelte ich die Schnitte, die 
zunächst in dem Reagens längere Zeit gelegen hatten, nach mehrmaligem 
Auswaschen mit Wasser, mit chromsäurehaltiger Schwefelsäure resp. 
mit Salpetersäure. Ich erhielt auf diese Art deutliche Farbenreaktionen, 
sowohl die bekannte Violettfärbung mit der chromsäurehaltigen Schwefel- 
säure, als auch mit der Salpetersäure die bekannte Rotfärbung. Die 
Brucinreaktion war am deutlichsten im Kork und dem darunter liegenden 
Parenchym, also in der Rinde, während die Strychninre *ion am 

Arch. d. Pharm. CCOXXXXIV. Bds. 2. Heft. 9 


. 


132 M. Herder: Mikrochemischer Alkaloidnachweis. 


Empfindlichkeitsgrenze: 
a) in wässeriger Lösung: 


1. mit Caesiumquecksilberjodid . . . .. 1:1300 

2. mit Baryumquecksilberjodiid . . . . 1:1300 
b) in 30%iger Chloralhydratlösung: 

1. mit Caesiumquecksilberjodid . . . . } unter 

2. mit Baryumquecksilberjodiid . . . .„J1:1000 


b) Reaktionen mit Conium-Früchten: Obwohl die 
Empfindlichkeit in Chloralhydrat sehr gering ist, versuchte ich doch wie 
bisher in den Schnitten die Alkaloide nachzuweisen, doch konnte ich 
einen Niederschlag nicht erhalten. Nun legte ich die Schnitte zunächst 
in wässerige Reagenslösung, die immerhin empfindlicher ist als die 
Chloralbydratlösung. Auch hierbei konnte ich keinen Niederschlag 
erkennen, obwohl Barth angibt, daß er mit Kaliumquecksilberjodid 
einen weißen Niederschlag, der aus Tröpfchen besteht, erhalten habe. 
Ich habe daher, wie ich schon früher angegeben, nach einer Methode 
gesucht, die mir eventuell den Niederschlag deutlicher hervortreten 
lassen konnte. Ich ließ zunächst die Schnitte in wässeriger Baryum- 
quecksilberjodidlösung einige Stunden liegen, wusch sie dann kurz mit 
Wasser aus und brachte sie dann in eine 0,5%ige, mit ein paar Tropfen 
Salzsäure angesäuerte Kalibichromatlösung, die mit 30%iger Chloral- 
hydratlösung hergestellt war. Ein direkter Niederschlag war auch 
diesmal nicht zu erkennen. Es trat aber an einigen Stellen eine 
deutlich gelbe, an manchen Stellen sogar braungelbe Färbung ein, 
während das übrige Gewebe sozusagen farblos blieb. Am stärksten 
trat diese braunrote Färbung in den beiden letzten Zellreihen der 
Fruchtwand auf. Weiter trat eine, wenn auch nur gelbe Färbung in 
der Parenchymschicht, welche die Gefäßbündel nach außen umschließt, 
auf, dann auch in den Siebteilen, die zu beiden Seiten der Gefäße 
liegen. Die Epidermis und die zunächst darunter liegende Parenchym- 
zellenreihe, ebenso die Gefäße und Holzfasern blieben ungefärbt. Auch 
das übrige Parenchym und das Endospermgewebe des Samens mit dem 
Embryo färbten sich nicht. Da nun diese Färbungen in alkaloidfreien 
Schnitten nicht eintraten, muß ich annehmen, daß die Färbung den 
Sitz des Alkaloides anzeigt. Jedenfalls wurde durch die wässerige 
Reagenslösung doch ein, wenn auch nur sehr geringer Niederschlag 
erzeugt, der dem Auge aber erst sichtbar wurde, nachdem er sich mit 
Kaliumbichromat umgesetzt hatte. Wenn man in Betracht zieht, daß 
sich danach das Alkaloid nur auf sehr wenige Zellen beschränkt, so 
ist es erklärlich, daß in diesen sich das Alkaloid in sehr konzentrierter 
Form befindet und daher noch einen schwachen Niederschlag liefern 
kann, der dann erst durch das zweite Reagens sichtbar wird. 


u 


K. Holdermann: Qnecksilberoxycyanid. 133 


Ueber Quecksilberoxycyanid. 


Von Dr. ing. Karl Holdermann. 
(Eingegangen den 22. III. 1906.) 


Es sei mir gestattet, nochmals zu diesem Thema das Wort zu 
ergreifen, teils, weil ich mir zu den im letzten Heft dieses Archivs 
erschienenen Mitteilungen von E. Rupp und v. Pieverling einige 
Bemerkungen erlauben möchte, teils um einige neue Tatsachen mit- 
zuteilen, die ich durch gelegentliche Versuche aufgefunden habe. 

Ueber die Frage der Konstitution des Quecksilberoxycyanids 
habe ich mich in meiner früheren Abhandlung nicht weiter geäußert; 
ich habe dieselbe offen gelassen und in den Reaktionsgleichungen die 
empirische Formel HgO-Hg(CN); benützt, weil, wie E. Rupp 
richtig bemerkt, zu ihrer Aufklärung eine Reihe von Versuchen nötig 
ist, zu deren Ausführung mir die Zeit fehlte. Sehr wahrscheinlich 
ist für das feste Salz die Konstitution CON— Hg— O0 — Hg—CN, die 
auch in Roscoe-Schorlemmer’s ausführlichem Lehrbuch der 
Chemie, II. Band, 1879, S. 328, aufgenommen ist. Um die Umsetzungen 
des gelösten Salzes mit Hilfe der Ionentheorie deuten zu können, ist es 
erforderlich, die Art der gebildeten Ionen aufzuklären. Wenn nun 
E. Rupp annimmt, daß das Salz CN-HgOHg-CN sich spaltet in 
(CN-HgOHg-)' und CN’, bezw. (-HgOHg-)'' und 2CN’, so kann 
ich mich dieser Anschauung nicht anschließen. Denn wie die Um- 
setzungen des Salzes zeigen, reagiert in den Lösungen nicht das Oyanion 
(es gibt z. B. mit Silbernitrat so wenig wie Quecksilbercyanid einen 
Niederschlag), sondern es reagiert, wie schon die alkalische Reaktion 
seiner Lösung zeigt, mit OH‘-Ionen. Diese sind es ebenfalls, welche 
beim Zusatz der Halogenalkalien die stark alkalische Reaktion ver- 
ursachen, die man mit Hilfe der von Rupp angenommenen Ionen- 
spaltung nicht erklären könnte. Die Formel CON-HgOHg:-CN kommt 
also wahrscheinlich nur dem festen Salz zu, für die sie durch vor- 
züglich stimmende Analysen und durch folgende interessante Reaktion 
bewiesen ist: Erhitzt man nämlich eine innige Mischung aus den 
berechneten Mengen von trockenem gelben Quecksilberoxyd und Queck- 
silbercyanid, so erfolgt bei einer bestimmten Temperatur plötzlich eine 
Verpuffung von gleicher Art, wie sie reines Oxycyanid. veranlaßt. 
Wasser ist also bei der Bildung des Doppelsalzes nicht beteiligt. 
Anders muß man die Konstitution des gelösten Salzes annehmen. Da 


134 K. Holdermann: Qaecksilberoxycyanid. 


dieses Hydroxylionen bildet, muß es aus dem genannten Salz unter 
Wasseraufnahme entstanden sein und folgende Konstitution besitzen. 


Hg-CN vv CN 
Dieses ist zu einem geringen Betrag dissociiert in Hydroxylion 
und das komplexe Ion HgCN‘. 
He<on 2 —z (HgoN)’ + CM“. 
Diese Annahme hat sich durch die Molekulargewichtsbestimmung 
bestätigt. 
Für das Molekulargewicht des Oxycyanids wurden in 


wässeriger Lösung bei verschiedenen Konzentrationen mittelst der 
Beckmann’schen Gefriermethode folgende Resultate erhalten. 


Konzentration Erniedrigung Molekulargewicht 
0,625 0,0640 181 
0,76 0,0700 201 
0,975 0,086 ° 210 
1,22 0,1020 217 
1,31 0,1080 225 


Das berechnete Molekulargewicht für HgsO (CN), ist 468, für 
Hg(OH)(CN)= 243. Für letzteres ist die Uebereinstimmung mit den 
gefundenen Werten, besonders bei den höheren Konzentrationen, wo 
die Versuchsfehler geringer sind, eine gute. 

Die Zusammensetzung der Umsetzungsprodukte, deren Erforschung 
Herr Professor Rupp dankenswerterweise in Aussicht gestellt hat, 
wird ergeben, ob meine Schlußfolgerungen richtig sind. Ueber die 
Beschaffenheit der elektrolytischen Spaltprodukte könnte allerdings nur 
die Hittorf’sche Ueberführungsmethode einen sicheren Aufschluß 
geben. Auf jeden Fall ist die Bildung eines komplexen Ions sehr 
wahrscheinlich, und die antiseptische Wirkung wird, wie Rupp am 
Schlusse seiner interessanten Betrachtungen anführt, weniger von den 
Quecksilberionen, deren Menge infolge der Komplexbildung ver- 
schwindend gering ist, als vielmehr von den Eigenschaften des 
komplexen Ions abhängen. Ueber diese läßt sich von vornherein 
nichts aussagen, wie ja der Vergleich des Cyanions mit: dem Ferro- 
cyanion in treffender Weise zeigt. Die geringe antiseptische Wirk- 
samkeit von Quecksilbercyanidlösungen, in denen infolge der Spaltung 
HgCN; =» (HgCN)'’—+ CN’ ebenfalls das Komplexion (HgCN)' an- 
zunehmen ist, spricht jedoch nicht für besondere antiseptische Eigen- 
schaften dieses Komplexions, Ich möchte dabei nochmals darauf 


K. Holdermann: Quecksilberoxycyanid. 135 


hinweisen, daß den Untersuchungen, welche für das Präparat günstig 
lauter, in der Tat Resultate aus experimentellen Arbeiten und aus der 
Praxis gegenüberstehen, welche dahin lauten, den hohen Desinfektions- 
wert nicht als unbestritten hinzunehmen, sondern in der Anwendung 
des Präparats sehr vorsichtig zu sein. Welche von den beiden Be- 
urteilungen die richtige ist, kann ich nicht entscheiden; ich möchte 
nur darauf hinweisen, daß die Zunahme der Verwendung und das 
Ausbleiben einer Infektion für die Wirksamkeit des Präparats durchaus 
nicht beweisend ist. 

Daß die Zubereitung der v. Pieverling’schen Pastillen eine 
Aenderung erfahren hat, ist mir allerdings leider entgangen; die Ver- 
wendung der neutralen Tartrate zur Erhöhung der Löslichkeit ist 
sehr interessant, da eine Umsetzung, wie beim Natriumchlorid, hier 
nicht (wenigstens nur spurenweise) stattfindet, die Löslichkeitserhöhung 
also nicht leicht erklärlich ist. Eine Erhöhung des Wirkungswertes 
dürfte jedoch hier nicht zu erwarten sein, nachdem die Wirkung des 
Chlornatriums aufgeklärt ist. — 

Bei Durchsicht der Literatur über die Molekulargewichts- 
bestimmung von Quecksilbereyanid fand ich zufällig in einer Arbeit 
von L. Prussia!) eine Notiz, daß beim Versetzen einer wässerigen 
Lösung der Doppelverbindung Merkuricyanid-Merkuriacetat mit Natron- 
lauge ein krystallinischer Niederschlag von Quecksilberoxycyanid er- 
halten wird. Ich habe diese Reaktion untersucht, um daraus eine 
einfache 

Darstellungsmethode des Quecksilberoxycyanids 


auszuarbeiten. 

Denn wenn es auch gelungen ist, die Ausbeuten bei der Dar- 
stellung aus Quecksilberceyanid und gelbem Quecksilberoxyd befriedigend 
zu gestalten, so ist die Darstellung der Verbindung immer noch um- 
ständlich, da ein Teil des Oxyds stets in fast kolloidale Verteilung 
übergeht und die klare Filtration außerordentlich erschwert. Schon 
früher habe ich deshalb versucht, das Cyanid mit Oxyd „in statu 
. nascendi“ zu vereinigen und habe zu diesem Zweck eine heiße Lösung 
von äquivalenten Mengen Quecksilbercyanid und Quecksilberchlorid 
mit der berechneten Menge Normalkalilauge versetzt. Die Versuche 
mißglückten, neben einem Niederschlag von Quecksilberoxyd wurde ein 
Produkt erhalten, welches aus gelben Nadeln (wahrscheinlich Oxy- 
chlorid) und weißen Prismen (wahrscheinlich Hg(CN)s2KC|) bestand. 
Die Wahl des Merkuriacetats ist deshalb eine glückliche, weil Doppel- 
verbindungen mit Acetaten sehr unbeständig sind, so daß die Bildung 


1) Gazz. chim. ital. 28, II (1898), 116. 


136 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


des Oxycyanids nicht gestört wird; sie verläuft, wie ich mich über- 
zeugte, sehr glatt und liefert ein reines Produkt in fast theoretischer 
Ausbeute bei leichter Arbeitsweise. Man muß jedoch darauf achten, 
daß das Merkuriacetat frei von Merkurosalz ist, was wegen der Ver- 
unreinigungen der Essigsäure nicht immer zutrifft; Merkuroacetat 
veranlaßt die Entstehung dunkler, unbrauchbarer Produkte. 

Um das Oxycyanid nach dieser Methode herzustellen, löst man 
125 g Merkuriacetat und 105 g Merkuricyanid in etwa 11 fast kochendem 
Wasser, filtriert, wenn nötig und fügt nun unter fortwährendem Um- 
rühren etwa normale Natronlauge hinzu, bis ein Tropfen der Lösung 
Phenolphtaleinpapier rötet. Man verbraucht etwa 800 cem der Lauge. 
Die Nähe des Endpunktes des Zusatzes gibt sich durch die plötzliche 
Krystallisation des Oxycyanids zu erkennen. Man läßt nun erkalten, 
saugt nach eintägigem Stehen ab, wäscht mit kaltem Wasser nach 
und trocknet an der Luft. Die Mutterlauge kann noch einmal zur 
Auflösung derselben Mengen der Quecksilbersalze dienen, wodurch die 
Ausbeute erhöht wird. Das so erhaltene Oxycyanid ist ein ganz 
reines lockeres Produkt, das allerdings meist etwas gefärbt ist. 

Ich habe mich nach meinem ausdrücklichen Verzicht auf dieses 
Thema nur deshalb zu vorliegender Mitteilung entschlossen, weil ich 
annehmen darf, daß diese Angaben, speziell die neue Darstellungs- 
methode, für die Ausführung weiterer Untersuchungen sich als 
förderlich erweisen werden. 


Mitteilungen aus dem pharmazeutisch-chemischen Institut 
der Universität Marburg. 
Von Ernst Schmidt. 


195. Ueber das Akonitin und das Akonin aus 


Aconitum Napellus. 


Von Dr. Heinrich Schulze. 
(Eingegangen den 1. III. 1906.) 

Die blau blühenden Arten des Genus Aconitum waren schon im 
Altertum und den arabischen Aerzten des Mittelalters als starke Gift- 
pflanzen bekannt und haben bis heute teils als Heilmittel, teils als 
Gifte eine große Rolle gespielt; so wird Aconitum ferox bei einigen 
indischen Bergvölkern!), Aconitum Fisheri?) bei den Aino in Japan 
noch jetzt als Pfeilgift verwendet. 


1) Flückiger und Hanbury, Pharmakographia 12. 
2) Mitteilung von Dr. K. Makoschi, Tokio. 


H. Schulze: Akonitin und Akonir. 137 


Es kann daher nicht wundernehmer, daß sich die Aufmerksamkeit 
der Chemiker schon frühzeitig diesen Drogen zugewendet hat; daß 
dabei Aconitum Napellus zuerst in Frage kam, ist bei dem häufigen 
Vorkommen der Pflanze, die überdies auch im großen kultiviert wird, 
natürlich. 


Verhältnismäßig kurze Zeit nach der Entdeckung des ersten Alkaloides, 
des Morphins, durch Sertürner, stellte der Genfer Apotheker Peschier im 
Jahre 1820 nach derselben Methode, die jenen zur Auffindung des Morphins 
geführt hatte, aus den Blättern von Aconitum Napellus ein Alkaloid dar, das 
er Akonitin!) nannte, ohne jedoch eine nähere Beschreibung desselben zu 
liefern. 

Ebenfalls aus den Blättern haben dann Geiger und Hesse?) im Jahre 
1833 das Alkaloid isoliert. Sie erhielten es in derselben Weise, in welcher 
sie kurz vorher auch das Atropin bereitet hatten: sie extrahierten die Blätter 
mit Alkohol, versetzten mit Schwefelsäure, filtrierten vom ausgeschiedenen 
Gips ab und destillierten den Alkohol ab. Den Rückstand versetzten sie mit 
Wasser und fällten mit Pottasche die unreine Base, die sie wieder in Alkohol 
lösten und mit Tierkohle behandelten. Das Filtrat wurde eingedampft, der 
Rückstand mit Schwefelsäure aufgenommen, dann mit Kalkmilch alkalisch 
gemacht und mit Aether ausgeschüttelt. 

Sie erhielten so das Alkaloid als weiße, körnige, glasglänzende, amorphe 
Masse von bitterem, dann scharfem und kratzerdem Geschmack. Die 
„Schärfe“ sehen sie als Verunreinigung an, die dem Akonitin innig anhafte, 
und welche nur durch wiederholtes Binden an Säuren und Zerlegen mit Basen 
zu entfernen sei. Das von Schärfe fast ganz befreite Akonitin sei sehr giftig, 
ebenso giftig wie das scharfe. 

Eine Analyse der so erhaltenen Base haben diese Forscher nicht aus- 
geführt. 

Zwei Jahre später beschrieb O. Henry?) ein Verfahren zur Darstellung 
von Alkaloiden, das auf Fällung derselben mit Gerbsäure beruht. Nach 
dieser Methode hat er auch aus einem wässerigen Extrakte von Akonit- 
blättern ein amorphes, bitteres Alkaloid isoliert, das er als Akonitin ansieht. 
Im gleichen Jahre berichtete dann Brandes®) über die Arbeit von Geiger 
und Hesse und teilte eine Verbesserung der Darstellungsmethode des 
Akonitins mit. Weitere Bereitungsweisen des Alkaloides, welche alle dasselbe 
aus dem Kraute gewinnen, und deren Beschreibung zu weit führen würde, 
teilten Turnbulld), dann Berth&emot®) mit. 

Während aber diese Autoren sämtlich sicherlich kein reines Akonitin, 
sondern, wie aus ihren Beschreibungen hervorgeht, ein Gemenge von viel 


1) Trommsdorfi’s N. Journ. d. Pharm. 5, St. I, 9. 
2) Annalen 7, 276. 

8) Journ. de Pharm. 1835, 213—231; C. 35, 448. 

4) Annalen 9, 122—129; C. 35, 85—86. 

5) Summarium 5, 485; C. 37, 718. 

6) Bull. de therap. I, 13, 28—32; C. 37, 733. 


138 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


Pikrakonitin mit wenig Akonitin in den Händen gehabt haben, stellte 
J. Morson!) zum ersten Male krystallisiertes Akonitin dar. Zu diesem 
Zwecke zog er die Wurzeln mit Alkohol aus, behandelte das Extrakt mit 
verdünnter Schwefelsäure, um ein fettes Oel abzuscheiden, fällte dann die 
saure Lösung mit Ammoniak, krystallisierte den Niederschlag aus Aether um 
und behandelte dann nochmals mit Tierkohle. Das so dargestellte Akonitin 
brachte er später als englisches Akonitin in den Handel. 

Wenn diese Bereitungsart auch keine ideale Darstellungsmethode des 
Akonitins ist, so hat sie doch vor den vor ihr benutzten den großen Vorzug 
der Einfachheit voraus und gerade dadurch und durch das Vermeiden der 
Anwendung von ätzenden Alkalien führte sie zu einem krystallisierten Produkt. 
Es ist sehr zu bedauern, daß diese Methode seitens der deutschen Chemiker 
gänzlich unbeachtet geblieben ist, sonst hätte eine derartige Verwirrung, wie 
sie in der Folge sich in den Anschauungen über das Akonitin breit machte, 
wohl kaum Platz greifen können. Hierbei darf freilich nicht verschwiegen 
werden, daß in späterer Zeit auch ein amorphes Produkt als englisches 
Akonitin in den Handel kam, und daß zur Fabrikation desselben zuweilen 
wohl auch Bishknollen (von Aconitum ferox), die kein Akonitin, sondern 
Pseudoakonitin enthalten, verwendet wurden?); immer aber zeichnete sich das 
englische Akonitin vor anderen Präparaten durch seine große Wirksamkeit aus. 

Wie schon vorher bemerkt, hatten Geiger und Hesse eine Analyse 
ihres Akonitins nicht ausgeführt, im Jahre 1850 suchte dann v. Planta®) in 
seiner Arbeit: „Untersuchungen über die Zusammensetzung einiger natürlich 
vorkommender Salzbasen“, diese Lücke auszufüllen und stellte dabei die 
erste Formel für das Akonitin auf: CgoH47 NO44, Mol.-Gew. 533,66 (0 —= 8); 
nach heutiger Schreibweise Cga H4, NO,, die er auf die Analyse des aus dem 
Kraute dargestellten und nach einem ziemlich umständlichen Verfahren 
gereinigten amorphen Akonitins und auf die des Goldsalzes der Base gründete. 
Er gibt weiter an, daß auf 100° erhitztes Akonitin beim Ueberleiten von 
Salzsäuregas zwei Aequivalente HCl auf ein Aequivalent Akonitin aufnähme, 
daß demnach dabei ein saures Salz entstünde. Von seinen Angaben über das 
Verhalten des Akonitins gegen Reagentien ist bemerkenswert, daß er findet, 
daß in den Lösungen der Salze Ammoniumkarbonat und Natriumbikarbonat 
keinen Niederschlag hervorrufen; Angaben, welche auf reines Akonitin nicht 
zutreffend sind. 

Im Jahre 1851 stellte dann Bley‘) aus den Wurzeln Akonitin in 
geringer Menge dar und gab einige Reaktionen desselben an. 

Die nun folgende Periode in der Geschichte unseres Alkaloides ist 
dadurch gekennzeichnet, daß sich in ihr eine große Unsicherheit in den An- 
schauungen über das Akonitin geltend machte, die hauptsächlich wohl dadurch 
verursacht wurde, daß man die pharmakologische Seite der Frage allzusehr 


1) Poggend. Annalen 6, 175; Arch. Pharm. [2] 18, 87—88 (1839). 

2) E. Schmidt, Pharm. Chemie 2, 1315; vergleiche dagegen auch 
Flückiger, Arch. Pharm. [3] 141, 196; C. 70, 210. 

8) Annalen 74, 247; C. 50, 561. 

4) Arch. Pharm. [2] 67, 129—133, 


H. Schulze: Akonitin und Akoönin. 139 


betontel), die chemische Seite derselben dagegen mehr in den Hintergrund 
treten ließ. Vor allem hatte man nicht erkannt, daß man bei der Darstellung 
des Akonitins ätzende Alkalien und erhöhte Temperaturen vermeiden müsse, 
und man betrachtete die nach unzweckmäßigen Methoden gewonnenen amorphen 
und daher mehr oder weniger unreinen Alkaloidgemische, die zum Teil wohl 
nur wenig Akonitin enthielten, und die demgemäß auch sehr große Unter- 
schiede in ihrer physiologischen Wirkung zeigten, als reine Akonitine und 
schloß daraus auf eine chemische Verschiedenheit derselben. Außer dem 
englischen unterschied man ein deutsches und ein schweizerisches Akonitin 
und war geneigt, sie als ebensoviele chemische Individuen zu betrachten. 
Dabei stimmten aber dis einzelnen Marken der verschiedenen Akonitinsorten 
in ihrer Wirksamkeit durchaus nicht überein. Die zahlreichen Veröffent- 
lichungen von Fr. Hübschmann?), der als Fabrikant von Akonitin sich in 
dieser Frage eines besonderen Ansehens erfreute, haben wohl auch ein gutes 
Teil dazu beigetragen, die ohnehin schon herrschende Verwirrung noch zu 
vermehren. 

Von den Arbeiten chemischen Inhaltes ist zunächst die von Liegois 
und Hottot3) zu erwähnen, die im Jahre 1863 ein Akonitin in folgender 
Weise darstellten: Sie zogen Akonitknollen mit 85%igem Alkohol, der mit 
Schwefelsäure angesäuert war, aus, befreiten dann den Auszug auf dem 
Wasserbade von Alkohol und schüttelten den Rückstand mit Aether aus, um 
ein Oel zu entfernen. Nach dem Verjagen des Aethers machten sie die 
wässerige Lösung mit Magnesia aikalisch und schüttelten abermals mit Aether 
aus. Das nach dem Verdunsten des Aethers hinterbliebene Rohakonitin lösten 
sie in Schwefelsäure, entfärbten mit Tierkohle und fällten fraktioniert mit 
Ammoniak. So erhielten sie das Alkaloid als einen rein weißen Niederschlag; 
daß sie aber in diesem Präparate immer noch kein reines Akonitin in den 
Händen gehabt haben, geht aus ihrer Beschreibung desselben hervor. Nach 
ihren Angaben enthält das Akonitin, dessen Schmelzpunkt sie als 85° an- 
geben, und welches sie nicht krystallisiert erhalten konnten, 25% Hydrat- 
wasser. Sie nehmen im Aconitum Napellus die Existenz zweier Alkaloide 
an, ihr amorphes Produkt, das weit giftiger ist, und das krystallinische (?) 
Produkt des Handels. Nach einem Berichte Boudetst) über die Arbeit 
Hottots, in dem er auch eine von Hottot angegebene Modifikation der 
oben mitgeteilten Darstellungsvorschrift beschreibt, hat Stahlschmidt eine 
Analyse dieses Akonitins ausgeführt und die Formel zu CggH47011 Na bestimmt. 

Th. Groves5) gewann im Jahre 1868 die Base dadurch, daß er die 
Knollen mit salzsaurem Alkohol extrahierte, den Weingeist aus dem Auszuge 


1) v. Schroff, Arch. Pharm. [2] 81, 53; N. Repert. d. Pharm, 20, 705; 
C. 72, 136; Buchn. n. Repert. 3, 115 etc. 

2) Schweiz. Wchschr. f. Pharm. 2, No.5; Arch. Pharm. 1858, Ergänzungs- 
heft; Wittstein’s Vierteljhrschr. 14, 101; C. 65, 655; Schweiz. Wchschr. für 
Pharm. 68, 26; Arch. Pharm. [2] 135, 266. 

8) Journ. de Chim. et de Pharm. 1863, 130; C. 64, 558. 

4) Journ. de Chim. et de Pharm. 45, 305. 

5) Pharm. Journ. Transact: II. ser. 8. vol., No.3; Arch. Pharm. [2] 134, 128. 


140 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


abdestillierte und das ausgeschiedene Fett entfernte. Aus dem klaren Filtrate 
wurde durch Quecksilberjodidjodkali das Alkaloid ausgefällt, der Niederschlag 
in Alkohol gelöst, mit Silbernitrat umgesetzt und aus dem Filtrate das Queck- 
siiber durch Schwefelwasserstoft entfernt. Aus der so erhaltenen Lösung 
schied er durch Pottasche das unreine Akonitin ab, aus dem er durch Auf- 
lösen in verdünnter Salpetersäure bei der freiwilligen Verdunstung des 
Lösungsmittels krystallisiertes Akonitinnitrat gewann. Aus dem Nitrat 
wurde durch Ammoniak die freie Base in Freiheit gesetzt und aus Alkohol 
krystallisiert erhalten. 

Zwei Jahre später stellte dann Flückiger!) in einer vergleichenden 
Studie die Verschiedenheit des von v. Schroff aufgefundenen und fälschlich 
als englisches Akonitin bezeichneten Alkaloides, für welches er die Be- 
zeichnung Pseudakonitin vorschlägt, von dem Akonitin aus Aconitum Napellus 
fest. Nach ihm ist das im Handel vorkommende englische Akonitin stets 
aus Aconitum Napellus dargestellt. Es ist übrigens zweifelhaft, ob die Base, 
die Flückiger als Pseudakonitin bezeichnet, mit dem Alkaloid identisch 
ist, das wir heute so bezeichnen?). 

Im folgeuden Jahre berichtete Th. Husemann über die Geschichte 
der verschiedenen Akonitalkaloide®), und H. Duquesnelt) teilte seine 
Darsteilungsmethode des Akonitins mit, die deshalb von besonderem Interesse 
ist, weil nach ihr zuerst zweifellos krystallisiertes Akonitin dargestellt wurde, 
und weil fast alle späteren Vorschriften zur Akonitinbereitung, auch die des 
Verfassers, auf ihr beruhen. 

Duquesnel läßt die Knollen mit starkem Alkohol, dem 1% Wein- 
säure zugesetzt ist, ausziehen und den größten Teil des Weingeistes unter 
Abschluß der Luft bei einer 60° nicht übersteigenden Temperatur ab- 
destiliieren. Die wässerige Lösung des Rückstandes wird mit Aether vom 
Farbstoffe befreit, mit Bikarbonat gesättigt und mit Aether ausgeschüttelt. 
Aus diesen ätherischen, mit Petroläther versetzten Lösungen krystallisiert 
das Alkaloid beim Verdunsten in farblosen rhombischen oder hexagonalen 
Tafeln, deren Zersetzungspunkt er bei 1300 findet. Als empirische Formel 
gibt er Cu HyoNOn an (O —= 8; nach heutiger Schreibweise Cy H„NO5o). 
Nach seinen Angaben ist die Base linksdrehend; aus den Lösungen ihrer 
Salze wird sie als sehr leichtes amorphes Produkt gefällt, das ein Hydrat 
des Akonitins darstellt. Das Hydratwasser entweicht bei 100%, ohne daß 
das Pulver sein Aussehen ändert. 

Das so dargestellte Akonitin, das trotz des zu niedrigen Schmelz- 
punktes doch wohl ziemlich rein war, wurde in der Folge als französisches 
Akonitin in den Handel gebracht. 

Einen wesentlichen Fortschritt in der Kenntnis des Akonitins ver- 
danken wir den zahlreichen Arbeiten von C. R, Alder Wright), von 


1) Arch. Pharm. [3] 141, 196; C. 70, 210. 

2) Mandelin. Arch. Pharm. 13] 23, 97—102; Ber. 18, R. 637. 

3) N. Jahrb. d. Pharm. 34, 79; C. 71, 626. 

4) Compt. rend. 73, 207; C. 7, 483; Amblis 160, 341. 

5) Becket u. Wright, Chem. News 82, 231; Ber. 8, 1466; C. 76, 54; 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 141 


welchen ich allerdings nur diejenigen unten anführe, die sich auf die 
Alkaloide des Aconitum Napellus beziehen. 

Ohne auf die einzelnen Arbeiten näher einzugehen, möchte ich doch 
zusammenfassend über die endgültigen Resultate dieser Forschungen, die an 
die von Th. Groves anknüpfen, berichten. 

Wright fand zunächst, daß bei der Darstellung von Akonitin aus 
den Wurzeln die Methode von Duquesnel die besten Resultate liefere, 
daß aber alle früheren Forscher, auch Duquesnel, kein völlig reines 
Akonitin in den Händen gehabt hätten, und daß es durch mehrfaches Um- 
krystallisieren aus Aether nicht gelingt, die Base ganz rein darzustellen. Er 
erreicht die Reinigung durch Ueberführung des annähernd gereinigten 
Alkaloides in ein Salz (HBr) und nachheriges Freimachen derselben. Die 
Formel bestimmt er zu Ca Hy NOj;a. 

Außer dem krystallisierten Alkaloid, für welches Wright den Namen 
Akonitin reserviert wissen will, kommen noch zwei andere im Aconitum 
Napellus vor, ein amorphes, stark bitteres, nicht giftiges, dessen Salze 
krystallisierbar sind, und dem die Formel C, Ha NO,9 zukommt, und welches 
er Pikrakonitin nennt, und ein weiteres amorphes, dessen Salze ebenfalls 
nicht krystallisieren. Bezüglich dieser amorphen Alkaloide spricht er die 
Vermutung aus, daß sich diese vielleicht erst im Gange des Ausziehungs- 
verfahrens aus dem Akonitin bilden. 

Wright war auch der erste, der sich mit der Konstitution des 
Akonitins beschäftigt hat. Beim Behandeln mit Säuren, am besten mit Wein- 
säure, geht nach ihm das Akonitin unter Verlust von Wasser in Apoakonitin 
über, eine Base, deren Eigenschaften denen des Akonitins sehr ähnlich sind. 

Aetzalkalien spalten das Akonitin in Benzoesäure und Akonin, das er 
als amorphe Base, deren Salze ebenfalls nicht krystallisierbar sind, beschreibt. 

Bei der Behandlung mit wasserfreier Benzoe- bezw. Essigsäure geht 
das Akonitin in Benzoyl- bezw. Acetylapoakonitin über, von denen das 
Benzoylapoakonitin auch aus _Akonin durch Behandeln mit Benzoesäure- 
anhydrid entsteht. 

Die Beziehungen zwischen diesen Derivaten erläutert er durch folgendes 
Schema: 


2 Abspaltung von HgO —0 
Cas Hg; NO; OH Akonitin ®—> (CyH3;NO, 2 —OH Apoakonitin 
[7 OCOCH; —OCOCH; 
| Hydrolyse liefert Benzoesäure und 
Y or Benzoesäureanhydrid —;, 
Cg Hz; NO, OH Akonin = —> (3sH3sNO, 2 —OCO C,H; 
VDibenzoylapoakonin 
= Benzoylapoakonitin. 


Wright, Pharm. Journ. & Transact. III. ser, No. 326. Ber. 9, 1803; 
Wright, Journ. chem. soc. 31, I, 143; C. 77, 39; Wright u. Luff, Jourr. 
chem. soc. 33, 338; C. 78, 633; Wright, Pharm. Journ. & Transact. II. ser., 
No. 533, 217; Arch. Pharm. [3] 18, 234. 


142 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


Wenn auch in der Folgezeit ein Teil dieser Resultate sich als irrig 
erwiesen hat, so ist es doch unstreitig das Verdienst Wright’s, die Ver- 
schiedenheit des Akonitins vom Pseudoakonitin bewiesen und festgestelit zu 
haben, daß die Hydrolyse des Akonitins Benzoesäure liefert, während bei 
der des Pseudoakonitins Veratrumsäure (3, 4-Dimethoxybenzoesäure) entsteht. 


Das folgende Jahrzehnt hat nur wenige Resultate gezeitigt, welche 
unsere Kenntnis der Konstitution des Akonitins wesentlich gefördert hätten, 
dagegen haben einige Medizinalvergiftungen, die durch Verwechselung des 
sogenannten englischen Akonitins mit dem sogenannten deutschen verursacht 
waren, den Anstoß zu zahlreichen Arbeiten gegeben, welche die einzelnen 
Handelspräparate einer vergleichenden Untersuchung unterwarfen. 


Von diesen ist zunächst die Arbeit von A. Schneider!) zu nennen, 
der nach verschiedenen Methoden Akonitin dargestellt und das Verhalten 
seiner Präparate gegen eine Reihe von Alkaloidreagentien studiert hat. Wenig 
später veröffentlichte P. C. Plugge?) vergleichende physiologische Versuche 
über die giftige Wirkung verschiedener Akonitinpräparate. Im Jahre 1884 
berichtete dann Th. Husemann?) über Akonitin und Akonitpräparate, und 
im gleichen Jahre teilten Laborde und Duquesnelf) gelegentlich einer 
pharmakologischen Studie über Akonitinpräparate einige Eigenschaften des 
Akonitins mit. Ebenfalls in das Jahr 1884 fallen die Forschungen von 
J. Buntzen und H. P. Madsen), die eine größere Anzahl von Handels- 
präparaten des Akonitins, krystallisierte und amorphe sowie solche, die von 
H. P. Madsen aus Akonitwurzeln verschiedener Herkunft dargestellt waren, 
auf ihre physiologische Wirkung geprüft haben und dabei als erste die Ueber- 
zeugung aussprachen, daß die Unterschiede in der Wirksamkeit der ver- 
schiedenen Akonritinsorten nur durch die größere oder geringere Reinheit 
derselben bedingt sei. 


Zu dem Resultate, daß im Aconztum Napellus, unerachtet der klimatischen 
und Bodenverhältnisse nur ein krystaliisiertes Alkaloid vorhanden sei, kam 
auch K. F. Mandelin®) in einer interessanten chemisch -pharmakologischen 
Studie, in der er auch die Literatur über den Gegenstand eingehend 
behandelt. 


Seiner Bemerkung, daß es für das reine Akonitin keine Farbenreaktion 
gäbe, und daß der gerichtlich-chemische Nachweis desselben wegen seiner 
leichten Zersetzlichkeit und bei dem Mangel an charakteristischen Spezial- 
reaktionen nur ausnahmsweise in den günstigsten Fällen gelingen könne, wird 
man wohl zustimmen dürfen, dagegen dürfte seine Angabe, daß Japakonitin 
mit Akonitin identisch sei, zum mindesten zweifelhaft sein. 


1) Arch. Pharm. [3] 19, 401—415. r 

2) Arch. Pharm. [3] 20, 20—37. 

8) Pharm. Zig. 29, 185 —186. 

4) Deutsche Med.-Ztg. 4, 781; C. 84, 62. 

5) Coinpte rendu du congres international des sciences medicales 
Kopenhagen 1885. 

6) Arch. Pharm. [3] 23, 97—102, 129—141, 161—177; Ber. 18, R. 637. 


Hilbhalker Akonitin und!Allörin.i 143 


Eine Arbeit rein chemischen Inhalts lieferte im folgenden Jahre 
A. Jürgens!), der Akoritin aus den Knollen von Aconitum Napellus nach 
einer Methode darstellt, welche sich von der von Duquesnel wesentlich nur 
dadurch unterscheidet, daß er ohne Weinsäurezusatz auszieht, und die 
alkoholischen Extrakte unter vermindertem Drucke einengt. Er erhielt so 
krystallinisches Akonitin in einer Ausbeute von 0,2%; einen Schmelzpunkt 
seines Präparates gibt er nicht an. Die empirische Formel, die er aus der 
Analyse der freien Base und ihres Goldsalzes ableitet, stellt er als Osg Hyr NOya 
auf. Außer dem Goldsalze, das er nur undentlich krystallinisch erhielt, stellte 
er noch das bromwasserstoffsauere Cs Hyr NOjaHBr + 2% aq, das salzsauere 
Ca Hyr NO;aHCI + 3% aq, und das jodwasserstoffsauere Salz, Ca; Hy, NO7sHJ + 
. 3%, aq, krystallisiert dar, von denen er das letztgenaunte, wegen seiner Schwer- 
löslichkeit, zum mikrochemischen Nachweis des Akonitins in toxikologischen 
Fällen vorschlug. Bei der Einwirkung von Jod auf die Base erhielt er eine 
krystallisierte Verbindung, Ca Hy; NOja Je, die er als das Hydrojodid eines 
jodierten Akonitins, CggH4s JNO]HJ, auffaßte; eine analoge Verbindung erhielt 
er mit Brom. 

Von seinen Ausführungen über die amorphen Basen, die sich in den 
Akonitknollen finden, möchte ich nur anführen, daß er es für unwahrscheinlich 
hält, daß das von Groves und Wright aufgefundene Pikrakonitin in den 
Knollen präexistiere. 

Kurz vor der Arbeit von Jürgens hatte übrigens C. F. Bender?) 
eine Darstellungsmethode unserer Base angegeben, die sich mit der von 
Wright völlig deckt. 

Ueber die Resultate von Jürgens berichtete G. Dragendorff auf 
der 60. Naturforscherversammlung in Wiesbaden und teilte dabei weiter mit, 
daß Akonitin bei der Hydrolyse in Benzoesäure und Pikrakonitin gespalten 
werde, welches letztere weiter in Methylalkohol und Akonin zerfalle; Angaben, 
die sich in der Folge als nicht zutreffend erwiesen haben. 

In demselben Jahre publizierte J. Williams?) eine neue Art der Akonitin- 
bereitung, bei der er die Knollen mit Amylalkohol extrahiert, diesem Auszuge 
durch Ausschütteln mit Schwefelsäure die Base entzieht und diese mit Soda- 
lösung fällt. Sonderbarerweise teilt er mit, daß das aus 33% Alkohol in 
feinen Nadeln krystallisierende Akonitin ein Hydrat darstelle, ebenso sei das 
amorphe, durch Ammoniak gefälite Alkaloid ein Hydrat. 

Eine weitere Studie über Handelspräparate des Akonitins wurde 1888 
von Thudichum®) veröffentlicht. 

Während man so bis zum Ende der achtziger Jahre nur wenig über 
die Resultate von Wright herausgekommen war, hat das letzte Jahrzehnt des 
vorigen Jahrhunderts durch eine Fülle von Arbeiten über die Chemie des 
Akonitins ziemlich Klarheit in diese verworrene und schwierige Materie gebracht. 


1) Pharm. Ztg. für Rußland 24, 721—725, 745—752, 762—769, 778—785, 
794—800; Ber. 19, R. 351. 

2) Pharm. Centralhalle 26, 433; Ber. 19, R. 170. 

8) Pharm. Journal & Transact. [3] 18, 238; Liebigs Jahresber. 87. 

4) Pharm. Post. 21, 186; C. 83, 610. 


144 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


Nach der Methode von J. Williams stellten 1891 E. Richards und 
Ashley Roger!) Akonitin aus frischen und getrockneten Knollen dar, von 
denen die frischen 0,71%, die getrockneten 0,14% der Base lieferten. Die 
Krystallformen derselben erklären sie für hexagonal und sprechen die Ver- 
mutung aus, daß das Alkaloid aus zwei Körpern «a-Akonitin, Schmp. 182—184? 
und ß-Akonitin, Schmp. 178—180° bestehe; von diesen sei die B-Form sechsmal 
toxischer, als die «-Form. Die späteren Forschungen haben diese Angabe 
nicht bestätigt. 

Das Jahr 1891 ist für die Geschichte des Akonitins auch deshalb 
bemerkenswert, weil in ihm eine Arbeit von W. R. Dunstan erschien, welche 
die erste in einer langen Reihe von Experimentaluntersuchungen bildet, die 
dieser Forscher mit seinen Schülern auf dem Gebiete der Akonitalkaloide 
ausgeführt hat. 

Wenn ich über diese Arbeiten nicht, wie über die von Wright, im 
Zusammenhange und mit Ausscheidung dessen, was später von ihm selbst als 
irrtümlich erkannt wurde, berichte, so geschieht dies einerseits des historischen 
Interesses halber, andererseits um zu zeigen, mit welchen Schwierigkeiten 
selbst ein so erfahrener Forscher auf diesem schwierigen Gebiete zu kämpfen 
hatte; es liegt mir dabei aber vollständig fern, die Verdienste, die er sich um 
die Klärung der Akonitinfrage unstreitig erworben hat, irgendwie verkleinern 
zu wollen. 

In Gemeinschaft mit W. H. Ince?) analysierte Dunstan die Rohbase 
aus Aconitum Näpellus und fand mit der Wrightschen Formel Cz, H43 NO;3g 
übereinstimmende Werte; nachdem aber die Base durch Ueberführung in das 
bromwasserstoffsauere Salz und Regenerierung gereinigt war, erhielt er sie in 
rhombischen Tafeln, Schmp. 188,5°, die von A. E. Tutton?) gemessen wurden. 
Als Formel stellt er eine von der Wrightschen nicht sehr abweichende: 
Ca: H45s NOJs auf; er beschreibt ferner ein normales Goldsalz, Ca Hy; NOjHAuC],, 
Schmp. 135,50 und ein basisches Doppelsalz Cg3 Hy, NO;3 AuCl,, Schmp. 1290, 
Beim Erhitzen für sich oder unter Druck spaltet sich das Akonitin in Benzoe- 
sänre und eine amorphe Base, das Akonin Ca, Hg NO;, dessen Goldsalz die 
Formel Ca, HB, NO], HAuC], besitzt. Beim Erhitzen mit gesättigter Weinsäure- 
lösung findet er ebenso wie Wright, daß dabei Akonitin in Dehydro-Apo- 
akonitin übergehe. Diese Base, die bei 186,50 schmilzt, bildet drei Goldsalze, 
Ca Ha NO, ı H Au 101 7 Schmp. 1410, ein Salz Ca, Ha NO, H Au Cl; +1 24. das 
mit dem Akonitinaurichloride isomer sei und leicht in dieses übergehe, und 
ein basisches Salz Ca; Hy NO„1 AuCl,, Schmp. 147,50, 

Mit J. C. Umneyt%) stellte Dunstan im folgenden Jahre Akonitin aus 
frischen Wurzeln dar. Sie erschöpften diese mit Amylalkohol, schüttelten 
die amylalkoholischen Lösungen mit 10%, Schwefelsäure aus, machten dann 
die sauere Lösung, die sie vorher zur Entfernung der Harze mit Chloroform 
behandelt hatten, mit Ammoniak alkalisch und schüttelten mit Aether aus. 


!) Chemiker-Ztg. 15, Repert. 18; C. 91 I, 804. 

2) Journ. chem. soc, 59, 271—287; C. 91 I, 803. 
®) Journ. chem. soc. 59, 288—290; C. 91 I, 829. 
4) Journ. chem. soc. 61, 385—394; C. 92 II, 632. 


H:. Schulze: Akonitin und Akonin. 145 


Dieser nahm die Hauptmenge der Alkaloide auf, ließ aber noch einen Teil 
in Lösung, aus der man ihn durch Ausschütteln mit Chloroform gewinnen 
konnte, und der als Akonin amwgesehen wurde. Der in Aether leicht lösliche 
Teil war gummiartig und konnte nicht direkt krystallisiert erhalten werden. 
Durch Ueberführung in das Hydrobromid gelang es jedoch, ihn in einen kry- 
stallinischen Teil, Akonitinhydrobromid, und ein nicht krystallisierendes Salz, 
dessen Base, als Napellin bezeichnet, gummiartig und von bitterem Geschmacke 
ist, zu zeriegen. Das Napeilin sieht er als verschieden an von dem Pikra- 
konitin von Wright. 

Im Anschlusse an diess mehr präparative Arbeit studierte Dunstan 
mit F. W. Passmorel) die Hydrolyse unseres Alkaloides, wobei er feststellt, 
daß die Angaben von Dragendorff hierüber nicht zutreffend sind. Beim 
Erhitzen von Akonitin mit Wasser auf 1500 entstehe weder Pikrakonitin noch 
Methylalkohol, sondern neben unverändertern Akonitin finde sich im Reaktions- 
produkt Benzoesäure und Akonin: 

CH NOja + H30 = Ca Hy NO + CsH5CO>H. 

Die Versuche durch Einwirkung von Benzoesäureanhydrid auf Akohin 
Akonitin zu syrthetisieren, führten nicht zum Ziel, dagegen gelang es an- 
geblich durch Behandeln von Akonin mit Benzoesäureester bei 1300 Apo- 
akonitin zu erhalten, das leicht in Akonitin übergehe. Vom Akonin, das 
bisher weder selbst, noch in Form feiner Salze krystallisiert erhalten worden 
war, bekamen sie das Chlor-, Brom- und Jodhydrat, sowie das Sulfat (?) in 
krystallisiertem Zustande; die freie Base stellten sie aus dem Sulfate mit 
Aetzbaryt als hygroskopische gummiartige Masse, Schmp. 130°, deren 
wässerige Lösung rechts dreht, dar. Die Lösungen der Salze sind dagegen 
linksdrehend. Bei der Oxydation mit Kaliumpermanganat erhielten sie Oxal- 
säure; ein Jodmetbylat des Akonins konnten sie nicht erhalten, dagegen 
reagiere das Akoritin mit Jodmethyl unter Bildung von Ca Has NO]nCH3J; 
eine Angabe, welche Dunstan später selbst als irrtümlich erkannt hat. 

Wenig später teilten A. Ehrenberg und C. Purfürst?) die Resultate 
ihrer Untersuchungen über das Akonitin mit. Sie stellten fest, daß man 
beim Umkrystallisieren dieses Alkaloides aus Aether leicht durch minimale 
Mengen eines Zersetzungsproduktes, das die Krystalle wie ein Lack .überzieht, 
verunreinigte, aber anscheinend völlig reine Krystalle erhalte, und daß dieses 
Zwischenprodukt sich auch bei der Reinigung durch Darstellung eines Salzes 
und Regenerierung aus demselben bilden könne. Für ihr ganz reines 
Akonitin finden sie Schmp. 193—194° und teilen ihm die Formel Ca HaNO, 
zu. Mit Hilfe der Zeisel’schen Methode weisen sie in ihm vier Methoxyl- 
gruppen nach. Bei der Hydrolyse der Base durch Wasser und durch Alkalien 
entsteht zuerst Benzoesäure und Pikrakonitin, welches weiter unter Wasser- 
aufnahme in Methylalkohoi und Napellin zerfällt, das endlich unter noch- 
maliger Wasseraufnahme in Essigsäure und Akonin übergeht. 

Ca HaNO, + E30 = (3, Hg NO + C7He0g 
Akonitin. Pikrakonitin. 


1) Journ. chem. soc. 61, 395—404; C. 92 I, 713. 
2) Journ. für praktische Chemie 45, 604—613; C. 92 II, 219. 
Arch. d. Pharm. UCXXXXIV. Bds. 2, Heft. 10 


146 H. Schulze: Akonitin und Akorin. 


05; H3gNO)n—+ H30 = C4 Hy NO + CH3OH 


Pikrakonitin. Napellin. 
(4; Hy NO) + H30 = Ca5Hg5 NO, + CaH4 05 
Napellin. Akonin. 


Diese Formulierung des Vorganges hat sich freilich als nicht zutreffend 
erwiesen, immerhin bleibt es das Verdienst dieser Forscher, unter den 
Produkten der Hydrolyse des Akonitins Essigsäure nachgewiesen zu haben. 
Bei der Destillation des Akonins mit Aetzbaryt erhielten sie neben Kohlen- 
wasserstoffen Methylamin und eine Base, von welcher sie nicht entscheiden 
konnten, ob in ihr Chinolin oder Tetrabydrochinolin vorliege. Diese letztere 
Angabe dürfte etwas zweifelhaft sein, zumal da sie ein Nitrosamin dieser 
Base erhalten haben wollen, dessen Bildung sich doch kaum mit dem Vor- 
liegen von Chinolin vereinigen ließe. 

Das nächste Jahr (1893) brachte wieder einige Veröffentlichungen von 
W. R. Dunstan. In Gemeinschaft mit C. F. Harrison!) unterwarf er das 
neben dem Akonitin in den Akonitknollen vorhandene und als Napellin be- 
zeichnete Alkaloid einer Untersuchung. Nach dieser kommt das Napellin in 
den Wurzeln in ebenso großer Menge, manchmal sogar in größerer, vor als 
das Akonitin, von dem es sich durch seine leichtere Löslichkeit in Aether 
leicht trennen läßt. Die so erhaltene Rohbase kann durch Lösen in Chloro- 
form, in dem sie leicht löslich ist, von den meisten Verunreinigungen befreit 
werden und wird dann leicht in Form eines Salzes rein erhalten. Sie 
bezeichnen die Base, die sie als isomer mit dem Akonitin betrachten, als 
Isakonitin. Das Alkaloid selbst ist amorph und in alkoholischer Lösung rechts- 
drehend. Von den Salzen steliten sie das salzsauere Salz, Cg Ha NO;sHCI + 
1 aq, das Hydrobromid, Ca, H4; NO;sHBr, und das Hydrojodid Ca By; NO, HJ; 
krystallisiert dar. Die Lösungen der Salze schmecken ebenso wie die freie 
Base, stark bitter und sind linksdrehend. Es gelang ihnen nicht, ein normales 
Goldsalz der Base zu erhalten; der durch Fällen der salzsaueren Lösung der 
Base mit Goldchlorid erhaltene gelbe amorphe Niederschlag wurde beim 
Umkrystallisieren aus Alkohol in fast farblosen Krystallen erhalten und 
besaß die Zusammensetzung eines Aurichlorisakonitins, Cg3 H44(AuCls) NOje- 
Bei der Hydrolyse zerfällt Isakonitin in Benzoesäure und Akonin, liefert also 
dieselben Spaltungsprodukte, wie das Akonitin, von dem es sich aber auch 
durch seine weit geringere Giftigkeit unterscheidet. 

Os Hs; NO + H30 = Ca Hg NO + 07H 0%. 

Im Anschluß an diese Arbeit berichteten W. R. Dunstan und 
F. Carr?) über die Untersuchung einer Reihe von Handelssorten des 
Akonitins und wenig später?) teilten sie ihre Versuche über die Umwandelung 
von Akonitin in Isakonitin mit. Es’ gelang ihnen, Akonitin durch längeres 
Kochen des bromwässerstoffsaueren Salzes oder durch Erhitzen desselben im 
Rohr auf 110—115° in das isomere Isakonitin zu verwandeln; noch besser 
gelinge die Umwandelung bei Gegenwart von 2% Bromwasserstoff, sei dagegen 


1) Chem. News. 67, 106-107; C. 93 I, 655. 


2) Chem. News 67, 107; C. 931, 655. 
8) Journ. chem. soc. 63, 991—994; C. 93 IL, 586. 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 147 


bei Anwendung konzentrierter Bromwasserstofisäure oder anderer Akonitin- 
salze nicht ausführbar. Sie sprechen daher die Vermutung aus, daß 
möglicherweise das Isakonitin aus den Spaltungsprodukten des Akonitins, 
dem Akonin und Benzoesäure durch die Einwirkung des Bromwasserstoffes 
gebildet werde. Der Versuch, die Bildung von Isakonitin bei der Verseifung 
von Akonitin mittelst Alkalien als erstes Umwandlungsprodukt nachzuweisen, 
mißlang. 

Unmittelbar auf diese Mitteilung folgte eine weitere Studie über die 
Aurichloride des Akonitins, die Dunstan in Gemeinschaft mit H. Jowett!) 
ausgeführt bat. Fällt man eine salzsauere Lösung von Akonitin mit Gold- 
chlorid, so entsteht ein gelber amorpher Niederschlag, der bei 1370 schmilzt. 
Das amorphe Salz kann in drei krystallisierte Modifikationen übergehen, die 
chemisch identisch, ohne Krystallwasser, nach der Formel Ca, Hy, NOjgH AuCh 
zusammengesetzt sind, die sich aber durch ihren Schmelzpunkt und ihre 
Krystallform voneinander unterscheiden. Durch Krystallisation aus Alkohol 
oder Aceton und Wasser, oder aus Chloroform und Aether entstehen gelbe 
Nadeln vom Schmp. 135,5%, «a-Modifikation. Durch Lösen des amorphen 
Salzes, oder der «-Form in absolutem Alkohole entsteht die B-Form, Schmelz- 
punkt 1520, deren Krystallform der der a-Form ähnlich, aber nicht mit ihr 
identisch ist, und welche durch Krystallisation aus verdünntem Aceton wieder 
in diese zurückverwandelt wird. Aus der Lösung des B-Akonitinaurichlorids 
in Chloroform erhielten sie die y-Form, derbe Säulen, Schmp. 1760, durch 
Schichten mit Aether. Bei der Krystallisation aus verdünntem Aceton geht 
die y-Form in die «-Form, aus absolutem Alkohol in die B-Form über. 

Einen wesentlichen Fortschritt in der Kenntnis der Alkaloide des 
Aconitum Napellus brachte dann das folgende Jabr (1894). 

Zunächst wiesen W. R. Dunstan und C. F. Harrison?) durch 
Vergleich der von Groves dargestellten Originalpräparate des Pikrakonitins 
mit ihrem Isakonitin nach, daß das erstere nur nicht ganz reines Isakonitin 
gewesen sei, daß demnach beide Alkaloide identisch seien. Außerdem glauben 
sie im Aconitum Napellus noch eine weitere omorphe Base, die krystallisierte 
Salze bildet, in geringer Menge nachgewiesen zu haben und nennen diese 
Homoisakonitin. Demnach kämen im Sturmhut Akonitin, Isakonitir, Homo- 
isakonitin, Akonin und eine beträchtliche Menge einer Base, die weder selbst 
krystallisiert, noch krystallisierte Salze liefert, vor. 

Zu wesentlich anderen Resultaten als Dunstan und seine Mitarbeiter 
kamen M. Freund und P. Beck?) in ihrer ersten Mitteilung über das 
Akonitin, für das sie die Formel C4HyaNO,, oder C4 Hy, NO, aufstellen. 
Für die Hydrolyse desselben geben sie folgende Deutung des Reaktions- 
verlaufes. Beim mehrstündigen Kochen mit Wasser wird das Akonitin zer- 
setzt, wobei das Benzoat des Isakonitins, Akonin und Essigsäure auftreten. 
Das Isakonitin und die Benzoesäure bilden sich dabei nach den folgenden 
Gleichungen: 

1) Journ. chem. soc. 63, 994—999; C. 93 II, 587. 

2) Journ. chem. soc. 65, 174-176; C. 94 I, 470. 

3) Ber. 27 I, 433—436, 


10* 


148 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


CzaHy NOu + H30 = CH,COOH + Ca HNO 


Akonitin. Isakonitin. 
C4H4rNOyı + Ha0 = CH; COOH + Cr Ha NO 
Akonitin. Acetylakonitin. 


Den Körper Ca} Ha NOjo konnten sie nicht isolieren, da er leicht unter 
Wasseraufnahme in Essigsäure und Akonin zerfällt, welches letztere auch 
durch Verseifung des Isakonitins mit alkoholischer Kalilauge entsteht: 

CH; NO, + Hs0 = GH,COOH + CyH4NO, 
Isakonitin. Akonin. 

Das Isakonitin erkennen auch sie gleichfalls als identisch mit dem 
Pikrakonitin von Wright und schlagen, wegen des bitteren Geschmackes 
der Base, vor, diesen Namen wieder aufzunehmen, zumal da es sich ja gezeigt 
habe, daß sie kein Isomeres des Akonitins sei, und somit der Name Isakonitin 
seine Berechtigung verloren habe. Diese Gründe sind als berechtigt an- 
zuerkennen, und der Verfasser wird sich daher in der Folge des Namens 
konn für diese Base bedienen, wenn auch W. R. Dunstan für sie 
später den Namen Benzakonin vorgeschlagen hat. 

Das vorläufige Resultat ihrer Arbeitn fassen M. Freund und P. Beck 


dahin zusammen, daß das Akonitin als Acetyibenzoylakonin CE NO 


aufzufassen sei; gleichzeitig bemerken sie, daß damit die Angaben von 
Dunstan und Passmore, die aus dem Akonin durch Benzoylierung Apo- 
akonitin dargestellt haben wollten, unwahrscheinlich geworden seien. 

Fast gleichzeitig, vielleicht etwas früher (auf den Streit, der sich um 
die Priorität dieser Entdeckung erhobl), möchte ich hier nicht näher ein- 
gehen), kamen W. R. Dunstan und F. Carr?) gleichfalls zu der Ansicht, 
daß das Akonitin bei der Hydrolyse ein Molekül Essigsäure abspalte, 

Sie fanden, daß es beim längeren Erhitzen auf seinen Schmelzpunkt 
188—190° etwa 10% seines Gewichtes an Essigsäure verliere und dabei in 
eine neue Base, das Pyrakonitin, übergehe. 

O3 Hy NO12 = CaH403 + Ca Ha NO 
Akonitin. Pyrakonitin. 

Ebenso verlaufe die Reaktion bei Anwendung von Salzen des Akonitins; 
dagegen konnte eine Bildung von Pyrakonitin bei der Erhitzung von Isakonitin 
oder von Akonin nicht beobachtet werden. Das Pyrakonitin stelle einen nicht 
giftigen, optisch inaktiven Firmis dar, der selbst nicht zur Krystallisation 
gebracht werden könne, wohl aber krystallisierte Salze bilde, von denen sie 
das Hydrobromid Cy Hy NOJHBr, Schmp. 2800, «ap = —46047', das salz- 
sauere, Schmp. 2490, und das jodwasserstoffsaure Salz, Schmp. 220,50, be- 
schreiben. Die Lösungen dieser Salze schmecken stark bitter. 

Beim Erhitzen der neuen Base mit Wasser oder verdünnten Säuren 
unter Druck zerfällt sie unter Aufnahme der Elemente des Wassers in 
Benzoesäure und eine neue Base, das Pyrakonin. 


1) Siehe hierüber W. R. Dunstan, Ber. 27, 664; M. Freund, 
Ber. 27, 732; Ber. 28, 192—19; Dunstan und Carr, Ber. 28, 1379. 
2) Chem. News 69, 70; C. 94 I, 555. 


H. Schulze: Akonitin und Akonin, 149 


Cz Hu NOjo + H30 = Cy4HgNOg + CrHaOs 
Pyrakonitin. Pyrakonrin. 

Die gleiche Reaktion gehe sehr leicht, selbst in der Kälte, mit Aetz- 
alkalien von statten, verlaufe dagegen schwer bei Anwendung von Ammoniak; 
ein Resultat, das nicht sehr verwunderlich ist. 

Das Pyrakonin wird als eine amorphe Base, deren Eigenschaften denen 
des Akonins sehr ähnlich sind, beschrieben. Von krystallisierten Salzen 
stellten sie das in Würfeln krystallisierende salzzaure Pyrakonin CgH37 NO, 
HCI + H,O, Schmp. 159%, «np = — 1020 7° dar. 

Im Anschlusse an diese Mitteilung berichteten sie über ihre Unter- 
suchungen über die Hydrolyse des Akonitins!), 

Schon früher hatten sie gezeigt, daß beim Kochen schwach angesäuerter | 
Akonitinsalzlösungen die Salze langsam in solche des Isakonitins (Pikrakonitins) 
übergingen. Sie fanden jetzt, daß dieses Resultat weit schneller und voll- 
ständiger durch Erhitzen der neutralen Lösung auf 120—130% erzielt werde. 
Sie erkennen das Pikrakonitin als erstes Zwischenprodukt der Umwandelung 
des Akonitins in Akonin, wobei es sowohl bei der Spaltung mit verdünnten 
Säuren, als auch bei der mit Wasser allein primär gebildet wird, dagegen 
gelang ihnen der Nachweis der Entstenung desselben bei der Verseifung des 
Akonitins mit Aetzkalien nicht, da unter diesen Umständen die Reaktion zu 
schnell zu Ende geht. 

Einen sehr wichtigen Beitrag zur Kenntnis unseres Alkaloides brachte 
die ausführliche Mitteilung der Versuche von M. Freund und P. Beck?). 
Durch eine große Reihe von Analysen der Base, auch solcher, die sie aus 
dem Bromid und aus dem Goldchloriddoppelsalze regeneriert hatten, und 
einiger ihrer Salze, stellten sie die Formel zu C4Hy7NO,, fest, gegenüber 
der von Dunstan angegebenen Formel C33; Hy; NOja. Die doppelte Molekular- 
formel, die Paul und Kingzett dem Japakonitin zuschreiben, schließen sie 
durch eine Molekulargewichtsbestimmung nach der Gefrierpunktsmethode aus 
und beweisen die Identität ihres. Alkaloides mit dem von Dunstan, dessen 
Akonitinkrystalle Tutton gemessen hatte, durch die von H. Traube aus- 
geführte Messung der Krystalle ihrer Base, welche die krystallographische 
Identität beider Präparate ergab. Den Schmelzpurkt finden sie höher als 
Dunstan bei 194--1950. 

Nach ihren Versuchen existiert das Apoakonitin, dessen von Wright 
aufgestellter Formel ihre Analysenresultate am nächsten kommen, überhaupt 
nieht, sondern ist identisch mit Akonitin. 

Freund und Beck haben ferner eine Reihe von Salzen des Akonitins, 
das Hydrobromid, das Nitrat und die «a- und die B-Modifikation der von 
Dunstan und Jowett beschriebenen drei isomeren Goldsalze dargestellt, 
von denen sie die erstgenannten, mit Ausnahme der Aenderungen, die durch 
ihre abweichende Akonitinformel bedingt sind, mit den früheren Angaben 
übereinstimmend zusammengesetzt finden. Von den Goldsalzen stellen sie 
fest, daß die ß-Form mit einem Molekül Krystallalkobol nach der Formel 


1) Chem. News 69, 70; C. 94 I, 556. 
2) Ber. 27, 720—733. 


150 | H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


Ca H47 NO1HAuCh + CgHg 0 krystallisiere, und daß die «-Form drei Moleküle 
Krystallwasser, entsprechend der Formel C,H, NO,,HAuCl, + 3aq besitze; 
Dunstan hatte diese Salze als krystallwasserfrei betrachtet. 

Beim längeren Kochen mit Wasser geht das Akoritin in Lösung und 
zerfällt dabei, wobei Essigsäure frei wird. Die erste aus der Lösung aus- 
krystallisierende Verbindung ist Pikrakonitinbenzoat, C33H45 NO70 CH; COOH, 
Schmp. 203—204%. Das aus diesem darstellbare Pikrakonitin ist eine amorphe 
Base, die gegen 1250 schmilzt, es ist identisch mit dem Napellin von Ehren- 
berg und Purfürst und mit dem Isakonitin von Dunstan. Es enthält 
ebenso wie das Akonitin noch vier Methoxylgruppen, die nach der Methode 
von Zeisel bestimmt wurden. Von den Salzen wurde das Hydrobromid, 
(35H; NOpnHBr, Schmp. 282°, das Chlorhydrat, CaH,;NO,HCI, das in zwei 
Formen auftritt, die bei 217 bezw. 2700 schmelzen und das Hydrojodid 
krystallisiert erhalten. Der Schmelzpunkt des letzteren liegt bei 204—205°; 
Dunstan und Harrison hatten 246° angegeben. Das Goldchloriddoppel- 
salz der Base konnten sie nur als gelbes amorphes Pulver, das zwischen 125 
und 155° schmolz und normale Zusammensetzung zeigte, erhalten, dagegen 
mißlang der Versuch, dis von Dunstan und Harrison beschriebene farb- 
lose Aurichlorverbindung vom Schmp: 2040 darzustellen. 

Nach dem Pikrakonitinbenzoat krystallisiert aus dem Reaktionsgemenge 
das Acetat der Base aus. In dieser Fraktion wurde die Gegenwart von 
Essigsäure durch die Darstellung des Silberacetats nachgewiesen. 

Aus dem Rückstande, aus dem sie vorher noch etwas unverändertes 
Akonitin und Pikrakonitin entfernt hatten, konnten sie noch Akoninchlorhydrat, 
das die ihm von Dunstan und Passmore zugeschriebenen Eigenschaften 
besitzt, isolieren. Während diese aber dem getrockneten Salze die Formel 
Oz, Hyı NO, HC! zuschreiben, führten ihre Analysen zu der Formel 
C5;H4N0;HCI. Auch im Akonin wiesen sie nach Zeisels Methode vier 
Methoxylgruppen nach. 

Akonin entsteht ebenfalls bei der Verseifung von Pikrakonitin mit 
alkoholischer Kalilauge. 

Beim Behandeln von Pikrakonritin mit Essigsäureanhydrid erhielten sie 
eine bei 255—256° schmelzende Verbiudung, die sie als ein Monoacetylderivat 
ansprechen. 

Ebenfalls im Jahre 1894 berichteten W.R. Dunstan und H. Jowett!) 
über die Einwirkung von Jod auf Akonitin. Zunächst untersuchten sie das 
zuerst von Jürgens durch Einwirkung von Jod auf Akonitin in ätherischer 
Lösung erhaltene krystallinische Produkt, das dieser als das jodwasser- 
stoffsauere Salz eines Jodakonitins CO Ha JNOJnHJ aufgefaßt hatte, und aus 
dem er durch Behandeln mit Ammoniak Jodakonitin als braunes amorphes 
Pulver dargestellt zu haben glaubte. Sie wiesen nach, daß diese Krystalle 
ein unbeständiges Akonitinperjodid darstellten, das nur unter Jodverlust 
umkrystallisiert werden könne. Aus den braunen Krystallen steliten sie durch 
mehrfaches Umkrystallisieren, wobei-die Farbe immer heller wurde, farbloses 
Akonitinhydrojodid her, aus dem sie reines Akonitin darstellen konnten. Bei 


1) Chem. News 69, 239; C. 94 I, 1154. 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 151 


der Einwirkung von Jod auf Lösungen von Akonitin in verschiedenen Lösungs- 
mitteln erhielten sie dagegen ein Gemisch von Akoninjodhydrat, Akonitin- 
perjodid und einer amorphen neutralen Substanz, die ihnen Jodakonitin zu 
sein scheint, aber nicht gut charakterisiert werden konnte. Die Bildung dieser 
Verbindungen erfolgt nach den Gleichungen: 
2 O3 H45 NO1a + Ja = CH; NO13HJ + Ca Hy INOna. 
Cs Has NO,HJ En x Ja = Cs Has NOya HJ x Ja. 

Das Jodakonitin, das sie nicht krystallisiert erhalten konnten, beschreiben 
sie als ein graues, undeutlich bei 2080 schmelzendes Pulver, das der Formel 
Cg3 Hy JNOj;g entsprechend zusammengesetzt sei und keine basischen Eigen- 
schaften mehr besitze. 

Gleichzeitig berichtigen sie eine frühere irrtümliche Angabe von 
Dunstan und Passmore, die bei der Einwirkung von Jodmethyl auf 
Akonitin einen Körper erhalten hatten, den sie für Akonitinjodmethylat bielten. 
Bei näherer Untersuchung stellte es sich jetzt heraus, daß dieser Körper, 
der nach dem Umkrystallisieren Schmp. 2260 zeigte, identisch sei mit.dem 
Akonitinhydrojodid. Sie vermuten, daß die Einwirkung von Jodmethyl auf 
Akonitin nach folgender Gleichung verlaufe: 

2 CH, NO + CHgJ = Ce Hy, (CH3) NO4a + CH; NOJaHJ. 

Das hiernach zu erwartende Methylakonitin konnten sie jedoch nicht 
isolieren. Sie erhielten eine unreine Base, die ein bei 2180 schmelzendes 
Hydrobromid liefere, das sich aber schnell unter Bildung von Akonitin zersetze. 

Im folgenden Jahre (1895) publizierte Dunstan mit F. Carr!) 
eine Studie über die Acestylderivate des Akonitins und des Benzakonins 
(Pikrakonitins), die hauptsächlich in der Absicht ausgeführt wurde, das 
Pikrakonitin durch Acetylierung in Akonitin überzuführen und so eine partielle 
Synthese desselben zu bewirken. Diese Versuche schlugen fehl, jedoch 
stellten sie dabei eine Anzahl von Acetylderivaten der beiden Basen dar, 
deren Analysen ihnen eine weitere Bestätigung der von Dunstan vor- 
geschlagenen Formeln (5; H, NO;, (Pikrakonitin) und Ca, Hy; NO;s (Akonitin) 
bilden, die aber mit den von Freund und Beck aufgestellten im Wider- 
spruche ständen. Sie finden weiter, daß Essigsäureanhydrid auf Akonitin 
nicht einwirkt; durch kurze Einwirkung von Acetylchlorid auf die Base er- 
hielten sie ein Diacetylakonitin CgaH;3 NOjJCHZ CO), Schmp. 148%, durch 
längere (24 Stunden) Behandlung mit Acetylchlorid erhielten sie ein Triacetyl- 
akonitin Schmp. 206— 2070, Caa Hs (CH, CO),NO%. 

Als sie Essigsäureanhydrid auf eine Lösung von Pikrakonitin in 
Chloroform einwirken ließen, bekamen sie eine amorphe Base, deren Salze 
krystallisierbar sind; das Hydrobromid schmilzt bei 265%. Beim Erhitzen mit 
Wasser im Einschlußrohr zerfällt die Base wieder in Pikrakonitin und 
Essigsäure. 

Zu einem höher acetylierten Produkte, einem Triacetylpikrakonitin 
Cy Hjo(CH; CO) NO, gelangten sie, als sie Essigsäureanhydrid bei 1000 oder 
nach der Liebermann’schen Methode auf Pikrakonitin reagieren ließen. 
Diese bei 255—2560 schmelzende krystallisierte Base scheint ihnen mit dem 


1) Journ. chem soc. 67, 459—467;; C. 95 I, 69. 


152 H. Schulze: Akoritin und Akorin. 


von Freund dargestellten Acetylderivat des Pikrakonitins identisch zu sein, 
das dieser als Monoacetylprodukt aufgefaßt hatte. 

Ein mit dieser Base isomeres Produkt stellten sie dadurch her, daß sie 
eine Lösung von Pikrakonitin in Chloroform mit Acetylchlorid in der Kälte 
zusammenbrachten. Dieses Triacetylpikrakoritin Schmp. 1620 krystallisiert 
selbst und gibt krystallisierte Salze, darunter ein Aurichlorid. Bei weiterer 
Einwirkung von Acetylchlorid auf die Base entsteht ein bei 2110 schmelzendes 
Tetraacety!pikrakonitin Cgı Hgg (CHz CO), NO7,, das ein farbloses Goldsalz vom 
Schmp. 2250 liefert. Diese Base ist nicht identisch mit dem oben beschriebenen 
Triacetylakonitiv, sondern isomer. Von ihr unterscheidet sie sich durch ihre 
geringere Giftigkeit und durch die Krystallform. 

Aus Pyrakonitin erhielten sie bei der Behandlung mit Acetylchlorid 
ein krystallisiertes Triacetylpyrakonitin Schmp. 2030. 

Die neue Formel für das Benzakonin (Pikrakonitin), Caı Hg NO,,, stützen 
sie hauptsächlich darauf, daß bei der Entstehung des Körpers aus dem Akonitin 
aus diesem ein Molekül Essigsäure abgespalten wird. Sie wenden sich dann 
gegen dis Angaben von Freund, welcher kein farbloses Aurichlorderivat des 
Pikrakonitius, sondern nur ein normales gelbgefärbtes amorphes Aurichlorid 
erhalten konnte und bestätigen ihre frühere Angabe, daß diese farblose Ver- 
bindung ohne Schwierigkeit und auch krystallisiert erhalten werden könne. 
Den Goldgehalt der Verbindung finden sie der von ihnen angenommenen 
Formel Cz} Hys (Au Cia) NO;; entsprechend. 

Im Anschluß an diese Arbeit untersuchten W. R. Dunstan und 
H. Jowett!) nochmals die früher von ihnen dargestellten Akonitinaurichloride. 
Im "Gegensatz zu den Angaben von M. Freund und P. Beck, welche die 
a-Modifikation Schmp. 1350 mit 3H,0 krystallisierend finden, stellen sie die 
Richtigkeit ihrer früheren Angabe, daß das Salz krystallwasserfrei sei, fest, 
auch die Angabe Freunds, daß die B-Form mit einem Molekül Krystallalkohol 
krystallisiere, finden sie nicht bestätigt. 

Ueber Versuche, durch Berzoylierung vos Akonin zum Pikrakonitin 
zu gelangen, berichteten W.R. Dunstan und F. Carr?) am Ende des Jahres. 
Wie ich vorausschicken möchte, gelang ihnen diese Synthese nicht, dagegen 
stellten sie einige neue Derivate des Akonins dar. 

Werden äquimolekulare Mengen von Benzoesäureanhydrid und Akonin 
in Chloroform gelöst zusammengebracht, so bildet sich bei gewöhnlicher 
Temperatur Dibenzoylakonin C4Hg(CeH; CO), NOp, Schmp. 2650, dessen 
Hydrobromid Schmp. 2610 und dessen Goldsalz, gelbe Tafeln vom Schmp. 212° 
krystallisiert erhalten wurden. Bei der Hydrolyse der Base erhielten sie neben 
Akonin die berechnete Menge Benzoesäure. Die Einwirkung eines großen 
Ueberschusses von Benzoesäureanhydrid führt zu einer krystallisierten Base 
Schmp. 1900, die nicht untersucht wurde. Benzoylchlorid, mit Chloroform 
verdünnt, reagiert auch beim Erwärmen nicht auf Akonin. 

Beim längeren Stehen von Akonin mit Acetylchlorid bei gewöhnlicher 
Temperatur wird eine in kleineren Prismen vom Schmp. 1960 krystallisierende 


1) Chem. News 71, 99; C. 95 I, 694. 
2) Chem. News 72, 729; C. 96 I, 208. 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 153 


Verbindung gebildet, die bei der Verseifung eine der Formel Ca4 Hg, (CHR CO)J4NO1o 
entsprechende Menge von Essigsäure liefert, demnach also ein Tetraacetyl- 
akonin darstellt. 

Das nächste Jahr (1896) brachte die letzte rein chemische Arbeit 
Dunstans über das Akonitin (solche pharmakologischen Inhaltes hat er über 
Akonitin noch 1898 mit Th. Cash, Proc. Royal Soc. 62, 338—347 und eben- 
falls mit Th. Cash, 1900, Proc. Royal. Soc. 68, 384—389 veröffentlicht). Mit 
Th. Tickle und D. H. Jackson!) studierte er die Einwirkung von Methyl- 
alkohol auf Akonitin. Wird dieses, oder eines seiner Salze mit Methylalkohol 
im Rohr auf 120—130° erhitzt, so wird ein Molekül Essigsäure abgespalten 
und eine Methylgruppe aufgenommen, wobei Methylbenzakonin (Methylpikra- 
akonitin) entsteht. 

Ca Has; NO;a + CH,OH = CHZ3COOH + Ca Ag NOn. 

Die Zusammensetzung der neuen Base stellten sie durch Analyse, 
Bestimmung der abgespaltenen Essigsäure und Methoxylbestimmung fest. 
Die neue Base, Schmp. 210—211°, krystallisiert selbst und gibt krystallisierte 
Salze, von denen sie das Hydrochlorid und das Hydrobromid darstellten, ohne 
sie näher zu beschreiben. Bei der Verseifung spaltet sie Benzoesäure ab 
und geht in einen Körper über, der Methylakonin zu sein scheint, aber nicht 
weiter untersucht wurde. 


Zum Schlusse dieser historischen Ausführungen möchte ich kurz 
das zusammenfassen, was bis jetzt an sicheren Resultaten über die 
Konstitution des Akonitins bekannt geworden ist. 

Zunächst ist durch die Untersuchungen von M. Freund und 
P. Beck und die von Dunstan und seinen Schülern sichergestellt, 
daß Akonitin Acetylbenzoylakonin ist, und daß es bei der Hydrolyse 
unter intermediärer Bildung von Pikrakonitin i. e. Benzoylakonin in 
Essigsäure, Benzoesäure und Akonin zerfällt. Ferner hatten Ehren- 
berg und Purfürst und später Freund und Beck gezeigt, daß im 
Akonitin und Pikrakonitin vier Methoxylgruppen vorhanden sind; 
außerdem war es bekannt, daß im Akonitin, außer den durch Essig- 
säure und Benzoesäure veresterten Hydroxylgruppen, noch freie vor- 
handen sind, jedoch war über die Anzahl derselben nichts Genaueres 
bekannt. 

Während also über die Beziehungen des Akonitins zu seinen 
Spaltungsprodukten Klarheit herrscht, ist dies hinsichtlich seiner 
empirischen Formel durchaus nicht der Fall. 

Von den vielen für dasselbe vorgeschlagenen Formeln, jeder 
Forscher hatte ja bisher eine andere Zusammensetzung für die Base 
gefunden, kommen nur die von M. Freund und P. Beck aufgestellte 
Formel C4,H4,NO,:, neben der sie auch die Formel C;;,H4;NO,ı als 
möglich hingestellt hatten, und die von W. R. Dunstan verteidigte 


1) Chem. News 74, 120; ©. 96 II, 791. 


154 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


Formel O3; H4; NOjs, die ihrerseits von der von Wright gefundenen 
Formel C33;H43 NOja nur wenig abweicht, in Frage. 

Um nun in dieser Beziehung Klarheit zu schaffen, habe ich, ehe 
ich an meine eigentliche Aufgabe, die Untersuchung des Akonins, 
heranging, eine ziemlich große Anzahl von Analysen des Akonitins 
und seiner Salze ausgeführt. Das hierzu benutzte Material habe ich, 
um von zweifellos aus Aconitum Napellus stammenden Materiale aus- 
zugehen, zum kleineren Teile selbst dargestellt, zum größeren Teile 
von E. Merck-Darmstadt bezogen. Das letztere Material wurde vor 
der Verwendung aus Methylalkohol umkrystallisiert und zeigte dann 
Schmelzpunkt 197—198°, ebenso wie das von mir selbst dargestellte 
Material. Die krystallographische Untersuchung von beiden Präparaten 
ergab Werte, die mit denen, die A. E. Tutton bei der Messung der 
Akonitinkrystalle Dunstans gefunden hatte, völlig übereinstimmen. 
Die Identität der beiden Präparate ist demnach zweifellos. 

Aus den bei der Analyse der freien Base, des Hydrobromides 
und des a-Aurichlorides gefundenen Resultaten geht mit Sicherheit 
hervor, daß für die Formel des Akonitins nur die von Freund vor- 
geschlagene C3,H,, NO;,ı, oder die um zwei Weasserstoffatome ärmere 
Formel Cz,H,; NO, in Frage kommen kann. 

Eine Entscheidung darüber, welche der beiden Formeln die tat- 
sächlich richtige ist, möchte ich wegen der geringen Differenz in ihrer 
prozentischen Zusammensetzung zurzeit noch nicht treffen, jedenfalls 
steht es aber fest, daß die von Dunstan vorgeschlagene Formel der 
tatsächlichen Zusammensetzung des Akonitins nicht entspricht. Der 
bei der Analyse des Akonitins festgestellte Befund wurde durch die 
Resultate der Analyse des Akonins, des Methylpikrakonitins und des 
Aethylpikrakonitins weiter bestätigt. 

Bezüglich der Salze des Akonitins, die ich für diesen Zweck 
dargestellt hatte, möchte ich bemerken, daß ich das Hydrobromid, 
außer in der schon seit Jürgens bekannten Form mit 2?/s aq, auch 
aus Alkoholäther in kleinen Krystallen erhalten habe, die '/saq ent- 
halten. Von den Goldsalzen habe ich nur die «-Form dargestellt und 
fand, daß diese in Uebereinstimmung mit den Angaben von Freund 
und Beck drei Moleküle Krystallwasser enthält, während Dunstan 
sie als krystallwasserfrei angesehen und diese Angabe auch dem 
Befunde Freunds gegenüber aufrecht erhalten hatte. 

Bekanntlich zerfällt das Akonitin bei tagelangem Kochen mit 
Wasser, oder beim Erhitzen damit im Einschlußrohr auf 150—160°, 
in Benzoesäure, Essigsäure und Akonin. In weit glatterer Weise 
erreicht man die vollständige Hydrolyse des Alkaloides, wenn man 
statt im Einschlußrohr die Base im Dampftopfe bei 6—-7 Atmosphären 


H. Schulze: Akonitio und Akonin. 155 


Druck spaltet. Die Ausbeute wird dadurch so verbessert, daß über 
85% der theoretischen Menge an krystallisiertem Akoninchlorhydrat 
gewonnen wurden. 

Das Akonin selbst konnte nicht krystallisiert erhalten werden, 
dagegen wurden das Chlorhydrat, Cs H3,NO;,HCI +2 aq, bezw. 
Ca; H4 NOgHCI + 2 aq, Schmelzpunkt 175—176°, und das Bromhydrat 
Schmelzpunkt 225°, das 1'/saq enthält, krystallisiert erhalten. Das 
Sulfat krystallisiert, entgegen den Angaben von Dunstan und 
Passmore, nicht. 

Wie schon M. Freund und P. Beck gefunden haben, enthält das 
Akonin vier Methoxylgruppen, die nach der Methode von Zeisel durch 
Jodwasserstoff abgespalten werden können. Diese Angabe kann ich 
bestätigen, außer diesen vier Methoxylgruppen enthält aber die Base 
noch eine an Stickstoff gebundene Methylgruppe, deren Vorhandensein 
nach der Methode von Herzig und Hans Meyer nachgewiesen wurde. 
Auffallenderweise gelingt die Abspaltung des N-Methyls aus dem 
Akonin nur schwierig und nicht ganz vollständig; ein Verhalten, das 
an das des Yohimbins!) erinnert. 

Salpetrige Säure wirkt nicht, oder doch nur oxydierend auf den 
Körper ein; jedenfalls konnte ein Nitrosamin des Akonins auf keine 
Weise dargestellt werden. 

Das Akonin ist daher eine tertiäre Base, die eine Methylgruppe 
an Stickstoff enthält. 

Bekanntlich reagieren tertiäre Basen in der Regel in der Weise 
mit Jodmethyl, daß dieses, unter Bildung eines jodwasserstoffsauren 
Salzes einer Ammoniumbase, an den Stickstoff der Base angelagert 
wird. Trotz mannigfach variierter Versuchsbedingungen konnte aber 
ein derartiges Additionsprodukt nicht erhalten werden. Dieses Ver- 
halten des Akonitins steht übrigens nicht allein da, auch sonst sind 
schon eine ganze Reihe von tertiären Basen bekannt geworden, die 
ebenfalls nicht mit Jodmethyl reagieren?). 

Auch gegen Wasserstoffsuperoxyd, mit dem sonst tertiäre Basen, 
deren Stickstoff an drei verschiedene Kohlenstoffe gebunden ist, was 
ja in unserem Falle zutrifft, leicht Aminoxyde liefern®), verhält sich 
das Akonin negativ. Worauf diese Indifferenz der Base zurückzuführen 
ist, darüber lassen sich zur Zeit Vermutungen noch nicht anstellen. 

Außer der Einwirkung des Jodmethyls wurde auch die des 
Methylsulfates auf das Akonin studiert, einesteils weil dieses Reagens 
in manchen Fällen, in welchen die Darstellung eines Jodmethylates 

1) Spiegel, Ber. 38, 2828. 

2) Decker, Ber. 24, 1945; Ber. 35, 1144 ff. 

8) Freund, Ber. 37, 1946. 


156 H, Schulze: Akonitin und Akonin. 


direkt nicht gelingt, doch auf dem Umwege über das methylschwefel- 
sauere Salz der quartären Base die Darstellung des Methyljodid- 
additionsproduktes ermöglicht'), und andererseits weil es etwa vor- 
handene Hydroxylgruppen phenolartigen Charakters leicht in die ent- 
sprechenden Methoxylgruppen überführt?). Auch hierbei gelang es 
trotz aller Bemühungen nicht ein am Stickstoff methyliertes Akonin 
zu erhalten; auch die Einführung weiterer Methoxylgruppen in die 
Base konnte nicht erzielt werden, so daß das Vorhandensein von 
phenolartigen Hydroxylgruppen im Akonin wohl als ausgeschlossen zu 
betrachten ist. 

Was die Rolle der neun Sauerstoffe im Akonin anbelangt, so 
sind, wie schon mehrfach bemerkt wurde, vier derselben in Form von 
Methoxylgruppen vorhanden. Phenylhydrazin und Hydroxylamin 
wirken auf die Base nicht ein; demnach war die Anwesenheit von 
Aldehyd oder Ketongruppen schon an sich unwahrscheinlich geworden, 
und es hat sich gezeigt, daß die übrigen fünf Sauerstoffatome des 
Akonins in ihm als Hydroxylgruppen vorhanden sind, und zwar liegen 
diese, wie aus ihrem Verhalten gegen Methylsulfat mit ziemlicher 
Sicherheit hervorgeht, als alkoholische Hydroxylgruppen vor. 

Zwar gelang es bisher nicht in das Akonin mehr als vier Acetyl- 
gruppen einzuführen. Das Tetraacetylakonin C33H,NO;s bezw. 
Os3H4 NO;js, Schmelzpunkt 231—232°, das durch Behandeln von 
Akonin mit Acetylchlorid oder nach der Liebermann’schen Methode 
erhalten wurde, hat sich durch seine leichte Bildungsweise und seine 
gute Krystallisationsfähigkeit als recht geeignet zur Identifizierung 
des Akonins erwiesen. Denn da das Akoninchlorhydrat schon durch 
geringe Verunreinigungen an der Krystallisation verhindert wird, so 
ist es in vielen Fällen nur darch die Darstellung des Tetraacetyl- 
akonins gelungen, das Vorliegen von unverändertem Akonin einwandfrei 
nackzuweisen. Ob übrigens das von Dunstan und Carr beschriebene 
Tetraacetylakonin, Schmelzpunkt 196°, wit dem von mir erhaltenen 
identisch ist, mag bei der großen Differenz im Schmelzpunkte dahin- 
gestellt bleiben. 

Daß aber auch das letzte Sauerstoffatom im Akonin ebenfalls 
als Hydroxyl vorhanden ist, geht aus dem Verhalten des Akonitins 
und des Pikrakonitins, die ja Acetylbenzoyl bezw. Benzoylakonin 
sind, hervor. 

Bei der Behandlung von Akonitin bezw. von Pikrakonitin mit 
Acetylchlorid hatte Dunstan ein Triacetylakonitin, Schmp. 206—207°, 

1) Decker, Ber. 38, 1144. 

2) Ullmann, Ber. 33, 2476; Annalen 327, 104. 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 157 


und ein Tetraacetylpikrakonitin, Schmp. 211°, erhalten. Diese Ver- 
bindungen, von denen er hervorhob, daß sie isomer, nicht identisch 
seien, betrachtete er als Stütze seiner Akonitinformel, die ja um ein 
Sauerstoffatom reicher ist, als die Freunds. Und in der Tat hätte 
sich wohl das Vorliegen zweier isomerer Tetraacetylbenzoylakonine 
ungezwungen nur schwer mit der Formel von Freund erklären lassen, 
es hat sich aber bei der Nachprüfung der Angaben Dunstans gezeigt, 
daß bei der Behandlunze von Akonitin und von Pikrakonitin mit 
Acetylchlorid zwar Tetraacetylbenzoylakonine entstehen, daß aber die 
so erhaltenen Produkte nicht isomer, sondern zweifellos identisch sind. 
Das Tetraacetylpikrakonitin = Triacetylakonitin CH; NO, bezw. 
C,oH5ı NO, Schmp. 207—208°, gibt ein amorphes Goldsalz von 
normaler Zusammensetzung; das farblose Aurichlorderivat des Tetra- 
acetylpikrakonitins, Schmp. 225°, das Dunstan beschrieben hat, habe 
ich nicht erhalten können. 

Während beim Erhitzen des Akonitins mit Wasser eine voll- 
ständige Aufspaltung der Base erfolgt, geht die Reaktion beim Ersatz 
des Wassers durch Alkohole in etwas anderer Weise vor sich. Erhitzt 
man Akonitin mit Methylalkohol zwei Stunden im Rohr auf 120 bis 
130°, so wird Essigsäure abgespalten, und an die Stelle derselben tritt 
ein Methoxylrest. 

Ca4Hg7 NO; + CHZOH = CH, COOH + Ca Hgr NOGo- 

Daß in der Base, die selbst krystallisiert und krystallisierte 
Salze bildet, eine Methoxylgruppe mehr enthalten ist, geht daraus 
hervor, daß sowohl bei der Methoxylbestimmung in der freien Base, 
als auch im Bromhydrat, fünf Methoxylgruppen gefunden wurden. Da 
das Bromhydrat, das mit drei Molekülen Krystallwasser krystallisiert 
und Schmp. 188—189°® zeigt, vor der Analyse mehrfach aus Wasser 
umkrystallisiert wurde, so ist es ausgeschlossen, daß etwa durch das 
Vorliegen von Krystallalkohol eine Täuschung verursacht sein könnte. 
Auch das Chlorhydrat der Base, Schmp. 190°, enthält drei Moleküle H>O. 

Die analoge Reaktion wie mit Methylalkohol geht, wenn auch 
mit geringerer Ausbeute, mit Aethylalkohol vor sich, scheint also 
allgemein zu sein. 

Ca4H47 NO, + CaH,OH = CH;COOH + CH NOo- 


Ebenso auffällig, wie die Bildungsweise des Methylpikrakonitins, 
ist das Verhalten desselben bei der Hydrolyse. 

Erhitzt man nämlich die Base in essigsaurer Lösung mit einem 
großen Ueberschusse von Wasser 24 Stunden auf 150—160°, so zerfällt 
sie unter Bildung von Benzoesäure, Methylalkohol und Akonin. 


Cg Hy NO) + 2H30 = (gH; COOH + CHzOH + C3 Hy NO. 


158 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


Sehr bemerkenswert ist dabei die Beständigkeit der Base gegen- 
über dem Akonitin, das schon bei sechsstündigem Erhitzen auf 150 bis 
160° vollständig in seine Komponenten zerfällt, während das Methyl- 
pikrakonitin, das an Stelle des Essigsäurerestes des Akonitins einen 
Methoxylrest enthält, nach . 24stündigem Erhitzen auf die gleiche 
Temperatur noch nicht völlig zerfallen ist. Diese große Beständigkeit, 
vereint mit der Tatsache, daß bei der Hydrolyse gleichzeitig mit dem 
Benzoylrest auch der Methoxylrest abgespalten wird, scheinen auf eine , 
enge Beziehung der Acetylgruppe zur Benzoylgruppe im Akonitin, 
vielleicht auf eine benachbarte Stellung derselben, hinzuweisen. 

Bei der Einwirkung von Brom auf Akonin wird nur ein Per- 
bromid gebildet; eine Substitution durch das Halogen oder eine Addition 
desselben findet nicht statt. 

Diese Indifferenz gegen Brom weist schon auf einen gesättigten 
Charakter des Akonins hin, der durch das Verhalten der schwefel- 
sauren Lösung der Base gegen Permanganat sichergestellt wird. 

Wie nämlich Willstätter!) gefunden hat, läßt sich die 
v. Baeyer’sche Permanganatprobe auf Doppelbindungen auch zur 
Prüfung der Alkaloide verwenden, sofern man nicht in neutraler, 
sondern in schwefelsaurer Lösung arbeite. Das Akonitin erweist 
sich bei Ausführung dieser Probe beständig gegen Permanganat; 
Doppelbindungen im Sinne A. v. Baeyer’s sind also in ihm nicht 
enthalten. Auch das Akonitin und das Tetraacetylakonitin sind 
übrigens gegen Permanganat beständig. 

Wesentlich anders, als in schwefelsaurer Lösung, verhält sich 
Akonin in alkalischer Lösung gegen Permanganat. Hierbei wirkt es 
energisch reduzierend auf dasselbe ein; interessant ist dabei, daß bei 
dieser Oxydation reichlich Acetaldehyd entsteht. Das Hauptprodukt 
der Oxydation stellte eine amorphe Masse dar, die noch Alkaloid- 
reaktionen gab, aber trotz aller Mühe nicht in krystallisierter Form 
erhalten werden konnte. Nebenbei entstand eine geringe Menge von 
Oxalsäure. 

Ein etwas günstigeres Resultat wurde bei der Oxydation mit 
Chromsäure erzielt. Auch hierbei wurde das Auftreten von Acet- 
aldehyd, allerdings in weit geringerem Maße, und von Methylamin 
beobachtet. Aus dem Reaktionsprodukte ließ sich ein kleinerer Teil 
abscheiden, der basische Eigenschaften besitzt, während dem größeren 
Anteile gleichzeitig basische und saure Eigenschaften zuzukommen 
scheinen. Aus diesem letzteren Anteile, der übrigens nicht einheitlich 
ist, konnte bisher noch nichts Krystallisiertes abgeschieden werden. 


1) Ber. 28, 2279; Ber. 37, 2353. 


L. van Itallie und C. H. Nieuwland: Moringasamen. 159 


Aus dem basischen Anteile konnte ein Chlorhydrat vom Schmp. 213° 
krystallisiert erhalten werden. Als Formel dieses Salzes ergab sich 
(4 Hg NOgHCI -1- 3 ad bezw. Ca Hg; NOgHCI + 3 2a; 

die letztere Formel ist die wahrscheinlichere. 

Die Base, die diesem Salze zugrunde liegt, bezeichne ich vorläufig 
als Oxydationsprodukt Ia. 

Aus den Mutterlaugen des Salzes vom Schmp. 213° krystallisierte 
bei sehr langem Stehen ein von diesem verschiedenes Chlorhydrat in 
geringer Menge aus, das aber noch nicht untersucht werden konnte. 

Die Bildung des Oxydationsproduktes Ia findet nach folgender 
Gleichung statt: 

05 H4uNO5 +20, = C03+3H30 + CaaHs5;NOs. 

Das nach dieser Gleichung abgespaltene Kohlenstoffatom war im 
Akonin als Methoxylgruppe vorhanden, denn bei der Methoxylbestimmung 
in der neuen Base ergab sich, daß diese von den ursprünglich im 
Akonin enthaltenen vier Methoxylgruppen nur noch drei enthält, 
dagegen ist die Methylimidgruppe in ihr noch enthalten. 

Eine nähere Unterhaltung dieses Oxydationsproduktes konnte 
bisher, wegen der geringen Menge der erhaltenen Substanz nicht statt- 
finden, es hat sich aber bei der Untersuchung des Verhaltens der Base 
gegen Permanganat in schwefelsaurer Lösung die interessante Tatsache 
ergeben, daß die neue Base gegen Permanganat unbeständig ist, aus 
dem gesättigten Akonin entsteht also bei der Oxydation eine un- 


gesättigte Verbindung. 
(Fortsetzung folgt.) 


Kleinere pharmakognostische Mitteilungen 
aus dem Chemisch-pharmazeutischen Laboratorium 
der Reichs-Tierarzneischule zu Utrecht. 


Von L. van Itallie und ©. H. Nieuwland. 
(Eingegangen den 11. IV. 1906.) 


I. Ueber die Samen und das Oel von 
Moringa pterygosperma. 


Behensamen und Behenöl sind in den letzten Jahren mehrmals 
untersucht worden. So von Lewkowitsch (Analyst 28, 1903, S. 343). 
Es möge gestattet sein auch hier einige unserer Ergebnisse mitzuteilen. 

Die Samenschale beträgt 30%, der Samenkern 70% vom Gewichte 
der Samen. Aus den Kernen konnte mittels Petroläthers 36,4% fettes 
Oel erhalten werden. 


158 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


Sehr bemerkenswert ist dabei die Beständigkeit der Base gegen- 
über dem Akonitin, das schon bei sechsstündigem Erhitzen auf 150 bis 
160° vollständig in seine Komponenten zerfällt, während das Methyl- 
pikrakonitin, das an Stelle des Essigsäurerestes des Akonitins einen 
Methoxylrest enthält, nach . 24stündigem Erhitzen auf die gleiche 
Temperatur noch nicht völlig zerfallen ist. Diese große Beständigkeit, 
vereint mit der Tatsache, daß bei der Hydrolyse gleichzeitig mit dem 
Benzoylrest auch der Methoxylrest abgespalten wird, scheinen auf eine, 
enge Beziehung der Acetylgruppe zur Benzoylgruppe im Akonitin, 
vielleicht auf eine benachbarte Stellung derselben, hinzuweisen. 

Bei der Einwirkung von Brom auf Akonin wird nur ein Per- 
bromid gebildet; eine Substitution durch das Halogen oder eine Addition 
desselben findet nicht statt. 

Diese Indifferenz gegen Brom weist schon auf einen gesättigten 
Charakter des Akonins hin, der durch das Verhalten der schwefel- 
sauren Lösung der Base gegen Permanganat sichergestellt wird. 

Wie nämlich Willstätter!) ‘gefunden hat, läßt sich die 
v. Baeyer’sche Permanganatprobe auf Doppelbindungen auch zur 
Prüfung der Alkaloide verwenden, sofern man nicht in neutraler, 
sondern in schwefelsaurer Lösung arbeitet. Das Akonitin erweist 
sich bei Ausführung dieser Probe beständig gegen Permanganat; 
Doppelbindungen im Sinne A. v. Baeyer’s sind also in ihm nicht 
enthalten. Auch das Akonitin und das Tetraacetylakonitin sind 
übrigens gegen Permanganat beständig. 

Wesentlich anders, als in schwefelsaurer Lösung, verhält sich 
Akonin in alkalischer Lösung gegen Permanganat. Hierbei wirkt es 
energisch reduzierend auf dasselbe ein; interessant ist dabei, daß bei 
dieser Oxydation reichlich Acetaldehyd entsteht. Das Hauptprodukt 
der Oxydation stellte eine amorphe Masse dar, die noch Alkaloid- 
reaktionen gab, aber trotz aller Mühe nicht in krystallisierter Form 
erhalten werden konnte. Nebenbei entstand eine geringe Menge von 
ÖOxalsäure. 

Ein etwas günstigeres Resultat wurde bei der Oxydation mit 
Chromsäure erzielt. Auch hierbei wurde das Auftreten von Acet- 
aldehyd, allerdings in weit geringerem Maße, und von Methylamin 
beobachtet. Aus dem Reaktionsprodukte ließ sich ein kleinerer Teil 
abscheiden, der basische Eigenschaften besitzt, während dem größeren 
Anteile gleichzeitig basische und saure Eigenschaften zuzukommen 
scheinen. Aus diesem letzteren Anteile, der übrigens nicht einheitlich 
ist, konnte bisher noch nichts Krystallisiertes abgeschieden werden. 


1) Ber. 28, 2279; Ber. 37, 2353. 


L. van Itallie und C. H. Nieuwland: Moringasamen. 159 


Aus dem basischen Anteile konnte ein Chlorhydrat vom Schmp. 213° 
krystallisiert erhalten werden. Als Formel dieses Salzes ergab sich 
C4HpNOgHCI+3aq bezw. Cy Hg NOgHCI + 3ag; 

die letztere Formel ist die wahrscheinlichere. 

Die Base, die diesem Salze zugrunde liegt, bezeichne ich vorläufig 
als Oxydationsprodukt Ia. 

Aus den Mutterlaugen des Salzes vom Schmp. 213° krystallisierte 
bei sehr langem Stehen ein von diesem verschiedenes Chlorhydrat in 
geringer Menge aus, das aber noch nicht untersucht werden konnte. 

Die Bildung des Oxydationsproduktes Ia findet nach folgender 
Gleichung statt: 

CHuNO5+ 20, = C0,+3H,0 + Cy4Hgs NO;. 

Das nach dieser Gleichung abgespaltene Kohlenstoffatom war im 
Akonin als Methoxylgruppe vorhanden, denn bei der Methoxylbestimmung 
in der neuen Base ergab sich, daß diese von den ursprünglich im 
Akonin enthaltenen vier Methoxylgruppen nur noch drei enthält, 
dagegen ist die Methylimidgruppe in ihr noch enthalten. 

Eine nähere Unterhaltung dieses Oxydationsproduktes konnte 
bisher, wegen der geringen Menge der erhaltenen Substanz nicht statt- 
finden, es hat sich aber bei der Untersuchung des Verhaltens der Base 
gegen Permanganat in schwefelsaurer Lösung die interessante Tatsache 
ergeben, daß die neue Base gegen Permanganat unbeständig ist; aus 
dem gesättigten Akonin entsteht also bei der Oxydation eine un- 


gesättigte Verbindung. 
(Fortsetzung folgt.) 


Kleinere pharmakognostische Mitteilungen 
aus dem Chemisch-pharmazeutischen Laboratorium 
der Reichs-Tierarzneischule zu Utrecht. 


Von L. van Itallie und ©. H. Nieuwland. 
(Eingegangen den 11. IV. 1906.) 


I Ueber die Samen und das Oel von 
Moringa pterygosperma. 


Behensamen und Behenöl sind in den letzten Jahren mehrmals 
untersucht worden. So von Lewkowitsch (Analyst 28, 1903, S. 343). 
Es möge gestattet sein auch hier einige unserer Ergebnisse mitzuteilen. 

Die Samenschale beträgt 30%, der Samenkern 70% vom Gewichte 
der Samen. Aus den Kernen konnte mittels Petroläthers 36,4% fettes 
Oel erhalten werden. 


160 L. van Itallie und C. H Nieuwland: Moringasamen. 


Die entölten Kerne ergaben folgende zahlen: 


Wasser . 6,08% 
Stickstoff . al. P. 008 
Eiweiß (N xX6 2): Ta 
Zellulose . 5,45 „ 
Asche ‚5,05 „ 


Ein Teil des Eiweißes ist wahrscheinlich als ein Nuclein zugegen, 
welches mit 2% HCl enthaltenden Wassers extrahiert werden kann. 
Auch konnten Spuren eines Alkaloids mit scharfem Geschmacke nach- 
gewiesen werden. Auch Hooper und Greshoff haben früher auf 
die Anwesenheit eines Alkaloids hingewiesen. 


Das Behenöl lieferte folgende Zahlen: 


Spezifisches Gewicht (15) 0,9120 
Säurezahl 13,5 
Freie Säure (als O: Bank be 
rechnet) . 6,8% 
Verseifungszaki 187 
Esterzabl . 173,5 
Jodzahl Erg ; 72,4 
Reichert- Meißlsche Zahl 0,49 
Hehaersche Zahl. 95,2. 


Von den in Wasser nicht löslichen Fettsäuren bestanden 71,1% 
aus Oelsäure. Die Jodzahl der abgeschipfenten Oelsäure betrug 86,4, 
die Refraktion (25°) 1,4586. 

Das Behenöl scheidet, wie bekannt, bei 10—12° einen festen Teil 
aus. Das von diesem abgegossene Oel lieferte folgende Zahlen, wobei 
auch die von Lewkowitsch erhaltenen Zahlen Erwähnung finden mögen. 


van Itallie Lewkowitsch 

und Nieuwland & b 
Spezifisches Gewicht (15°) 0,9129 0,914 0,9124 
Säurezall . £ 9,9 8,7 7,2 
Freie Säure (als Ollsatre)! 4,9% 4,4% 3,6% 
Verseifungszahl . 187,4 189,2 196,3 
Esterzahl ah ie er 173,9 187,6 
adzahlı. "vr. ',. ME Seen 70,7 70,1. 


Die aus Behenöl abgeschiedene Oelsäure lieferte bei der Oxydation 
nach Hazura Dioxystearinsäure. 
Das aus dem Oel erhaltene Phytosterin besaß den Schmp. 134—135°. 


en zu aeg und die Eeliee hiervon war, daß viel billige, 
> minderwertige Apparate gekauft wurden, sehr zum Schaden der Photo-Kunst. Seit jedoch 
einige Großfirmen den Verkauf selbst der besten Apparate gegen monatliche Zahlungen in 
die Hand genommen haben, ist ein erfreulicher Umschwung eingetreten. Die billige Camera 
verschwindet mehr und mehr. Wie sehr die neue Verkaufsmethode, die natürlich eine 
besondere Organisation und große Kapitalkraft verlangt, einem Bedürfnis entgegengekommen 
ist, beweist die enorme Entwicklung der in Frage kommenden Firmen, Tonangebend für den 
Verkauf gegen erleichterte Zahlung ist der Camera-Großvertrieb Union, Hugo Stöckig & Co., 


dessen Vertriebsgebiet drei-Länder umfaßt: Deutschland mit Sitz Dresden, Oesterreich- 
- ‚Ungarn mit Sitz Bodenbach und die Schweiz mit Sitz Zürich. Diese Firma liefert seit 
zwei Jahren ihre bekannten Union-Cameras ausschließlich mit Anastigmaten der Weltfirmen 
-  Göerz-Berlin, sowie Meyer-Görlitz und zwar zu Bedingungen, wie sie entgegenkommender 
"nicht denkbar sind. Der neueste Camera -Prospekt liegt unserem heutigen Blatte bei, 


. AICHTHYOL. 


Der Erfolg des von uns hergestellten speziellen Schwefelpräparats 
hat viele sogenannte Ersatzmittel hervorgerufen, welche nicht identisch 
mit unserem Präparat sind und welche obendrein unter sich verschieden 
sind, wofür wir in jedem einzelnen Falle den Beweis antreten können. 

Da diese angeblichen Ersatzpräparate anscheinend unter Mißbrauch 
- unserer Markenrechte auch manchmal fälschlicherweise mit 


Ichthyol 
oder 
Ammonium sulfo=-ichthyolicum 


gekennzeichnet werden, trotzdem unter dieser Kennzeichnung nur unser 

spezielles Erzeugnis, welches einzig und allein allen klinischen Versuchen 
zugrunde gelegen hat, verstanden wird, so bitten wir um gütige Mit- 
teilung zwecks gerichtlicher Verfolgung, wenn irgendwo "tatsächlich 
solche Unterschicbungen stattfinden. 


Ichthyol- Geseilschäle 


Cordes, Hermanni & Co. 
HAMBURG. 


Dr. Ernst Kraft, 
| Winke für die Ausführung chemisch - bakteriologischer 
| Arbeiten auf dem Gebiete der Harn-, Sputum-, Faeces- etc. 
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Bestellungen sind zu richten an den 
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Berlin O.2. 
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Außer anderen Präparaten sind von uns in die Medizin eingeführt: - 


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Collargol, Acoin, Salocreol, Calodal, 


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| PHARMAZIE | 


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herausgegeben 5 


eg, - vom 


_ Deutschen Apotheker-Verein 


: unter Redaktion von # R 
E. Schmidt und H. Beekurts. ER 
Band 244. Heft 3. F 


o 


HORARUM:. 


& 


30, 2, BERLIN. 
_ Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereins. 
1906. 


ö 


ER ‚Ausgegeben den 25. Mai 1906. 


N peflis. (Schluß) . a 
ce Hübner, ne zur Kenntnis, der Schweelkohle. =S 


= besonderer ee des Ba EI E 
H. Haehn, Eine neue Bildungsweise der Ketone a we = 
- L. Rosenthaler, Nachtrag . er Bee 
 E. Schmidt, Ueber die Umwandlung ans Ephedrins in 1 Psoudo 
ephedrin . N ee 


Eingegangene Beiträge, 


u. Binde, Ueber Ephedrin und Pseudoephedrin. re 
 Derselbe, ‚Ueber Styrylaminbasen und deren Beziehung ; zum. ‚Ephe 
0. und Pseudoephedrin. | 


‚50 Bogen: Ladenpreis für den Jahrgang Mk. 12, — 7 3> 


Alle Beiträge für ra „Archiv“ sind an die - 


Archiv- Redaktion 


' Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg (Hessen 
oder Herrn Geh. Med.-Rat Professor Dr. H. Beckurts in Braunschwe 
alle die Anzeigen u. s. w., überhaupt die Ar ER 
die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den 
Deutschen Apotheker-Verein Br 

Berlin C. 2, Neue Friedrichstr. a8; 75 Fr 


- einzusenden. . 


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d., 4lı Seite zum Preise von M 50.—; , Seite zum Preise von M 30.—; de 
Te Preise von M 20.—; 1!/, Seite zum | Feige von M.10.—, Die Geundschrift” ‚is! 
Beilage-Gebühr für das Tausend der Auflage — z. 2.4200 — M 10.—. Für Beilagen, 
nicht dem Format des „Archiv“ entsprechen, bleibt besondere Vereinbarung vorb 


_L. van Itallie u. C. H. Nieuwland: Copaivabalsam. 161 


Kleinere pharmakognostische“Mitteilungen 
aus dem Chemisch-pharmazeutischen Laboratorium 


der Reichs-Tierarzneischule in Utrecht. LIBRA! 
Von L. van Itallie und ©. H. Nieuwland. Bi; Ye 
SOTANI 


(Eingegangen den 11. IV. 1906.) 


II. Ueber den surinamensischen Copaivabalsam. 


In einem früheren Bande dieser Zeitschrift (242, 1904, S. 539 
bis 546) brachten wir einige Mitteilungen über den surinamensischen 
Copaivabalsam, wobei Mitteilungen über den Harzkörper für später in 
Aussicht gestellt wurden. Die bei der fortgesetzten Untersuchung 
erhaltenen Ergebnisse haben jedoch nicht unseren Erwartungen ent- 
sprochen, so daß durch die hier folgenden Mitteilungen unsere Kenntnis 
dieses Körpers nur wenig gefördert wird. 

Wie wir in der genannten Abhandlung schon mitgeteilt haben, 
wurde der Balsam in Aether gelöst und die Lösung erst mit einer 
5%igen Ammoniumkarbonatlösung, dann mit einer 5%igen Natrium- 
karbonatlösung ausgeschüttelt. In der ätherischen Lösung blieben also 
das ätherische Oel und die Resene, welche, nach Entfernung des 
Aethers, durch Destillation mit Wasserdampf geschieden wurden. Aus 
der Lösung in Ammoniumkarbonat wurden durch verdünnte Säure nur 
Spuren eines Harzkörpers abgeschieden. Die Hauptmenge des Harzes 
war in die Natriumkarbonatlösung übergegangen. 


Harz. 


Aus der Natriumkarbonatlösung wurden die Harzsäuren mittels 
verdünnter Schwefelsäure als eine schneeweiße Masse abgeschieden, 
welche sich als ein weicher Bodensatz in der Schale absetzte. Die 
Masse wurde einige Male mit heißem Wasser ausgewaschen, dann mit 
dem gleichen Volum Spiritus gemischt und im Wasserbade getrocknet. 
Der zurückbleibende Rest war spröde und hatte eine gelbbraune Farbe. 

Das Harz war im Verhältnis 1: 1000 ganz löslich in Aether, 
Chloroform, Benzol, Amylacetat und Petroläther; löslich bis auf 

«Wenige Flocken in Spiritus (von 95 Vol.-pCt.), absolutem Alkohol, 
Methylalkohol und Eisessig; in N.-Kalilauge war das Harz nicht, in 
"T%iger Kalilauge aber.leicht löslich. 

bau‘ Die Säurezahl dieses Harzes betrug 171, die Verseifungszahl 
9175, so daß fast keine Harzester anwesend waren. Wir haben ver- 
= Arch. d. Pharın. COXXXXIV. Eds. 8. Heft. 11 


- 


3 
“ 


GARD 


& 


162 L. van Itallie u. C. H. Nieuwland: Copaivabalsam. 


sucht durch fraktionierte Fällung verdünnter Lösungen der Harzsäuren 
in schwacher Kalilauge, mittels Baryum-, Blei- und Silbersalzen eine 
Trennung in verschiedene Säuren zu erzielen, jedoch ohne Erfolg; 
ebenso wenig gelang es durch Lösung in verschiedenen Lösungsmitteln 
und darauffolgende langsame Verdampfung einen krystallisierten Körper 
zu erhalten; bei den zuletzt genannten Versuchen schieden sich sirup- 
artige Produkte ab, gemischt mit wenigen kleinen Krystallen, welche 
nicht rein zu erhalten waren, und welche wahrscheinlich (auf Grund 
von der krystallographischen Untersuchung) identisch sind mit dem 
unten genannten Sesquiterpenalkohol; endlich haben wir noch versucht 
mit Dimethylsulfat eine krystallisierte Methylverbindung zu erhalten, 
jedoch verlief auch dieser Versuch erfolglos. Vorläufig haben wir 
daher die Untersuchung des Harzes eingestellt. 


Resene. 


Die Resene bildeten anfänglich eine hellbraune, klare, schwach 
grün-fluoreszierende, zähe Masse, welche nach einigen Wochen trübe 
geworden war durch die Ausscheidung kleiner Krystalle. 

Nachdem augenscheinlich eine Vermehrung dieser Krystalle nicht 
mehr eintrat, haben wir die Resene mit Spiritus ausgekocht, die 
Lösung von dem nicht gelösten Teile getrennt und: durch Eindampfen 
konzentriert. Die konzentrierte Lösung schied nach einiger Zeit wieder 
kleine Krystalle ab. Da es nicht gelang, die eigentlichen Resene 
zur Krystallisation zu bringen, so wurde auch von der näheren Unter- 
suchung dieser Körper abgesehen. 


Sesquiterpenalkohol. 


Die erhaltenen Krystalle wurden einige Male aus einer Mischung 
von Aether und Alkohol umkrystallisiert. Sie waren dann farb- und 
geruchlos und schmolzen bei 114—115°. Den Cholestolreaktionen 
gegenüber verhielten sie sich als die Verbindung, welche wir aus dem 
ätherischen Oel des surinamensischen Oopaivabalsams erhalten hatten 
(Arch. d. Pharm. 242, S. 542), mit welcher sie auch den Schmelz- 
punkt gemein haben. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir beide 
Körper als identisch betrachten. 

Zwar ließ die kleine Menge der Krystalle, welche uns zur Ver- 
fügung stand, nicht zu, das Studium des Sesquiterpenalkohols weiter 
zu verfolgen. Wir haben aber doch aus dem Alkohol das Sesquiterpen 
mittelst wasserfreier Ameisensäure abgespalten. 

Dieses Sesquiterpen bildet frisch bereitet eine sehr schwach 
gelbe und fast geruchlose Flüssigkeit. Sie besitzt fast nicht den 


L. van Itallie u. C. H. Nieuwland: Copaivabalsam. 163 


typischen Copaivabalsamgeruch. Der Luft ausgesetzt, geht das an- 
fänglich dünnflüssige Sesquiterpen sehr bald in einen festen harzartigen 
Körper über. 

Daß es sich hier wirklich um ein Sesquiterpen handelte, geht 
hervor aus den folgenden Daten. 


Spezifisches Gewicht (150%) . . 0,952 
Siedepunkt (759 mm) . . . . 2529 
Optische Drehung an . . . . — 61,70 
Refraktion (15%). . . . . . 1,5189 


Bei der Molekulargrößebestimmung nach Beckmann mit 
Benzol als Lösungsmittel wurde als Siedepunktserhöhung gefunden, 
bei Anwendung von 270 mg Substanz und respekt. 9 und 13,4 ccm 
des Lösungsmittels, 0,4700 und 0,310°, woraus sich die Molekular- 
gewichte 204,3 und 207 berechnen. 

Die Formel C;;Hs, verlangt 204, sodaß die erhaltenen Zahlen 
mehr als befriedigend sind. 


Farbenreaktionen des Gopaivabalsams. 


Als eine sehr charakteristische Reaktion für den surinamischen 
Copaivabalsam wurde von uns bezeichnet (Arch. der Pharm. 242, 
S. 541) die Blaufärbung, welche hervortritt, wenn zu der Lösung 
eines Tropfens Balsam in 1 ccm Kssigsäureanhydrid ein kleiner Tropfen 
Schwefelsäure gebracht wird. 

Verschiedene andere Sorten Copaivabalsam, welche der eine von 
uns inzwischen untersucht hat, gaben diese Reaktion nicht. 

Der April-Bericht (1905) von Schimmel & Co. enthielt einige 
Mitteilungen über Para-, Bahia- und Angostura-Copaivabalsam, welche 
genannte Firma aus erster Hand bekommen hatte. Man darf also 
annehmen, daß diese Balsame noch nicht mit Kolophonium gefälscht 
worden sind. 

Die Firma Schimmel & Co. hatte die Güte, uns eine kleine 
Quantität dieser Balsame zur Verfügung zu stellen. Wir haben mit 
diesen die Schwefelsäure- Essigsäureanhydrid-Reaktion angestellt und 
erhielten die folgenden Resultate: 


Köskiilene Reaktion mit Schwefelsäure- 
Essigsäureanhydrid 


| 


Para-Copaivabalsam. ...| ziemlich flüssig dunkles Blaugrün, später 
dunkles Blauviolett 

Bahia-Copaivabalsam ... dünnflüssig blau 

Angostura-Copaivabalsam | ziemlich dickflüssig dunkelviolett 


11* 


164 L. van Itallie u. ©. H. Nieuwland: Vogelbeeren. 


Der Bahiabalsam, welcher auch in anderer Hinsicht (Gehalt an 
ätherischem Oel 61,93%; spez. Gew. 0,9603; Säurezahl 57,90; Ver- 
seifungszahl 67,40) mit dem Surinamschen Balsam viel übereinstimmt, 
nähert sich diesen auch in Betreff der genannten Farbenreaktion 


am meisten. 


II. Ueber die Samen und das Oel der Vogelbeeren. 


Aus den Samen von Sorbus Aucuparia kann mittels Petroläthers 
21,9% eines fetten Oeles erhalten werden. 


Der entölte Samen ergab bei der Analyse folgende Zahlen: 


Wasserunnse UL Jaltakısf sy 
Stickstoff . . 5 Su Den 
Eiweiß (N x 6,25) . rn PRRBERIE 
Zellulose un ss nei 
Asche‘; is career 
Kohlehydrate ar Binköge be- 
rechnet) . „9°. su HOT. Buy. 


Vogelbeerenöl bildet eine süßschmeckende, dünnflüssige, schwach 
gelbbraune Flüssigkeit, welche an der Luft schnell trocknet. Sie ergab 
bei der Untersuchung folgende Zahlen: 


Spezifisches Gewicht ig . 0,917 


Refraktion (150%). . . . 1,4753 
Säurezahl - „u ." „er „all! 2,85 
Verseifungszahl . . . . . 208,0 
Esterzahl ,. + 4. +» Kae Burn TeD,G 
Jodsahl. , u./0 5 .. 
Jodzahl der Fettsäuren zB 


Säurezahl der Fettsäuren . 230,2. 


Aus 10 g Pulver der entölten Samen konnten nach Digestion 
und darauf folgender Destillation mit Wasser 7,29 mg Blausäure 


erhalten werden. 


Utrecht, April 1906. 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 165 


Mitteilungen aus dem pharmazeutisch-chemischen Institut 
der Universität Marburg. 
Von Ernst Schmidt. 


Ueber das Akonitin und das Akonin aus Aconitum 
Napellus. 


Von Dr. Heinrich Schulze. 
(Eingegangen den 1. III. 1906.) 


(Schluß.) 
Experimenteller Teil. 


Darstellung von Akonitin aus Akonitknollen. 


10 kg Tub. Aconiti plv. gr. wurden mit 121 95%igem Alkohol 
übergossen und, unter häufigem Umrühren, eine Woche stehen gelassen. 
Dann wurde die tüberstehende Flüssigkeit abgelassen, der Rückstand 
ausgepreßt, und der so erhaltene alkoholische Auszug nach dem Filtrieren 
im Vakuum bei ca. 50 mm Druck zur Sirupdicke eingedampft. Der 
abdestillierte Alkohol konnte zur weiteren Extraktion der Akonit- 
knollen benutzt werden. Im ganzen wurden diese viermal ausgezogen; 
die beiden letzten Male unter Zusatz von etwas Weinsäure; die beiden 
letzten Auszüge lieferten aber nur noch geringe Mengen von Akonitin, 
so daß zur Darstellung des Akonitins eine zweimalige Extraktion 
vollständig ausreichend ist. Die im Vakuum eingedickten Extrakte 
vereinigte man und verdünnte sie, zur Abscheidung von Fett und 
Harz, mit dem gleichen Volumen Wasser. Nach eintägigem Stehen 
hatte sich die Flüssigkeit fast vollständig geklärt und wurde dann, 
zur Trennung von ausgeschiedenem Harz und Fett, durch ein an- 
gefeuchtetes Filter filtriert und das klare Filtrat so lange mit Petrol- 
äther ausgeschüttelt, als derselbe noch gefärbt wurde. Der hierzu 
gebrauchte Petroläther diente zur Auflösung des abfiltrierten Rück- 
standes, da in diesen Fett- und Harzmassen noch eine beträchtliche 
Menge von Akonitin enthalten ist. (Die so erhaltene ätherische Lösung 
wurde später auf dieses Alkaloid verarbeitet.) ° 

Die vom Fett und Harz befreite, bräunlich gefärbte wässerige 
Lösung wurde mit starker Sodalösung so lange versetzt, als noch 
ein Niederschlag entstand. Die Hauptmenge des Alkaloides schied 
sich dabei als gelblichweißer Niederschlag aus, der anfangs amorph 
war, allmählich aber krystallinische Struktur annahm. Nach dem Ab- 
saugen, Auswaschen mit wenig Wasser und Trocknen stellte er ein 
gelblichweißes, mikrokrystallinisches Pulver dar. Durch Lösen in 


166 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


Methylalkohol und freiwilliges Verdunstenlassen der Lösung ließ sich 
das Akonitin in noch etwas gefärbten, gut ausgebildeten Krystallen 
erhalten, deren Menge 16 g betrug. 

Durch mehrfaches Umkrystallisieren aus Methylalkohol konnte 
das Alkaloid in ganz schwach gelblich gefärbten, schön ausgebildeten 
Krystallen vom Schmp. 197° erhalten werden. Zur weiteren Reinigung 
wurde das Alkaloid in das bromwasserstoffsaure Salz übergeführt, das 
gut krystallisiert, und aus diesem durch Ammoniak wieder in Freiheit 
gesetzt. Das so erhaltene Akonitin war farblos und schmolz bei 
197— 198°. 

Die .vom Alkaloidniederschlage abfiltrierte Lösung wurde vier- 
mal je eine Stunde mit dem gleichen Volumen Aether auf der Schüttel- 
‚maschine geschüttelt. Den schwach gelblich gefärbten ätherischen 
Auszug schüttelte man zur Isolierung des aufgenommenen Alkaloids 
mit sehr verdünnnter Salzsäure aus, befreite die ‚salzsaure Lösung 
durch Erwärmen vom Aether und versetzte mit Sodalösung im Ueber- 
schuß. Der entstandene Niederschlag wurde mit wenig Wasser 
gewaschen, in möglichst wenig Essigsäure gelöst, und die essigsaure 
Lösung dann durch vorsichtigen Zusatz von Sodalösung fraktioniert 
gefällt. Die zuerst ausgefällten Anteile, die die Hauptmenge der 
färbenden Stoffe enthalten, wurden gesondert verarbeitet; die später 
erhaltenen Anteile waren nur wenig gefärbt. Diese wurden nach 
dem Absaugen und Auswaschen getrocknet und in Methylalkohol 
gelöst. Beim Verdunsten der methylalkoholischen Lösung hinterblieb 
eine bräunlich gefärbte, amorphe Masse, die wahrscheinlich zum größten 
Teile aus Pikrakonitin bestand. Durch weiteres Ausschütteln mit 
Aether ließ sich den Mutterlaugen noch eine weitere Menge dieser 
amorphen Basen entziehen. 

Durch Ueberführung in das bromwasserstoffsaure Salz konnte 
aus diesem amorphen Gemisch noch eine kleine Menge von bromwasser- 
stoffsaurem Akonitin gewonnen werden. Die hinterbliebene Menge 
von amorphen Basen gab zwar bei der hydrolytischen Spaltung 
beträchtliche Mengen von Benzoesäure, es gelang aber, trotz vieler 
Bemühungen, nicht aus ihnen Akoninchlorhydrat in krystallisierter 
Form zu erhalten. Daß aber in dem erhaltenen Sirup Akonin ent- 
halten ist, geht daraus hervor, daß aus ihm durch Behandeln mit 
Acetylchlorid Tetraacetylakonin, wenn auch nicht in guter Ausbeute, 
erhalten wurde. 

Die mit Aether erschöpften Mutterlaugen wurden dann wieder- 
holt mit Chloroform ausgezogen. Aus dieser Lösung ließ sich durch 
Ausschütteln mit verdünnter Salzsäure noch eine beträchliche Menge 
eines amorphen, wasserlöslichen Alkaloides isolieren. Auch hier gelang 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 167 


es nicht, aus diesem Basengemisch krystallisiertes Akoninchlorhydrat 
zu erhalten, dagegen gelang es aus diesen Basen durch Behandeln mit 
Acetylchlorid Tetraacetylakonin in geringer Menge darzustellen. 

Eine nicht unbedeutende Menge von Akonitin war noch in den 
Harz- und Fettmassen, die aus den zur Darstellung der Hauptmenge 
des Akonitins dienenden Extrakten durch Wasser ausgefällt waren, 
enthalten. Zur Reindarstellung derselben wurde die Lösung dieser 
Massen in Petroläther mehrmals mit 1% Salzsäure ausgeschüttelt, und 
die schwach bräunlich gefärbte salzsaure Lösung dann vorsichtig mit 
Soda übersättigt, wodurch ein fast weißer mikrokrystallinischer Nieder- 
schlag ausfiel, der sich als schon ziemlich reines Akonitin erwies. 
Nach dem Umkrystallisieren betrug die Menge desselben 3 g. 

Das so erhaltene Akonitin zeigte die von Freund und Beck!) 
beschriebenen Eigenschaften, insbesondere auch den Schmp. 197—198°. 
Zufügen möchte ich nur, daß Holzgeist sich als sehr geeignetes 
Krystallisationsmittel erwiesen hat. Als identisch mit dem selbst dar- 
gestellten Akonitin erwies sich nach dem Umkrystallisieren aus Methyl- 
alkohol des Aconitin. eryst. Merck ex Aconito Napello, so daß die für 
die weitere Untersuchung erforderlichen größeren Mengen der Base von 
der Firma E. Merck, Darmstadt, bezogen werden konnten. Die Identität 
der beiden Präparate wurde, außer durch die Mischprobe, die den 
unveränderten Schmp. 197—198° zeigte, durch die Darstellung einiger 
Salze, die völlig übereinstimmten, sichergestellt. 

Die Analyse ergab: 


1. Angew. Subst. 0,2371, gef. 0,5462 CO,, 0,1512 H50 = 62,86%, C, 7,13%, H. 
By „02284 , 0,5263. „ 01452 „ —= 6284, „ ln, 
SR „02366 „ 0,5452 „ 01489 „ — 62,85, „ 7,04, „ 
pr „ 02042 „ 042 „ 01086 „ —=6320, „ 7,06, , 
Rt „ 023 „ 0510 „ 01430 „ = 6286, „ 713, , 


Die Analysen 1—5 wurden im Schiffehen im offenen Rohr ver- 
brannt, während die späteren Analysen durchweg im geschlossenen 
Rohr mit Kupferoxyd gemischt ausgeführt wurden. No. 1 und 2 wurden 
mit Akonitin Merck, das den Schmp. 193° zeigte, ausgeführt, zu 
No. 3—5 Akonitin Merck, zweimal umkrystallisiert, Schmp. 197—198°, 
benutzt. 


6. Angew. Subst. 0,1895, gef. 0,4386 CO,, 0,1248 H,O — 63,12% C, 7,37%, H. 


BKL, „. 02022. „. 0,1676 ?.01083) ) zn 710, 
Be, „ 01893 „ 0439 „ 01266 „ =6330, „ 7,48, , 
Be 02190: 05074, Oldb „ — 83.19;5% RBB E 
RR 0 „ 0,1899 „ 04400 „ 01856 „ —=6319, „ 740, „ 


1) Ber. 27 I, 433. 


2. ei 
en I 
PT a BR?" 


168 H. Schulze: Akonitin und Akonin. - 


No. 6—9 wurden mit selbst dargestelltem Akonitin, No. 10 mit 
Akonitin Merck, die beide Schmp. 197—198° zeigten, ausgeführt. Der 
Güte des Herrn Geheimrat E. Schmidt-Marburg verdanke ich die 
Resultate einiger Analysen, die er im Jahre 1883 mit von ihm selbst 
dargestellten, aus Holzgeist krystallisiertem Akonitin erhielt. Das 
Präparat zeigte Schmp. 195—196°. 

1. Gefunden: 63,15%, C, 7,09% H. 
2. . 35,5 2, 
3. f 62,99, „ 7,10, „ 

Diese Daten stimmen gut mit den von mir erhaltenen Analysen- 

resultaten überein und bilden eine sehr willkommene Bestätigung 


derselben. 
Berechnet für O4 HyNOy: 63,22%, C, 7,34% H. 


n „ CuHsNOn: 6341, „ 705, „ 
” „ C3eH5NO;e: 61,17, „ 700, „ 

Eine Bestimmung des Molekulargewichtes des Akonitins nach der 
kryoskopischen Methode ist bereits von M. Freund und P. Beck 
(l. c.) ausgeführt, ich habe mich daher, um genauere Werte zu erhalten, 
der Titration zur Ermittelung der Molekulargröße bedient. Hierzu 
wurden bekannte Mengen von Akonitin in überschüssiger (150 ccm), 
annähernd "/joo Schwefelsäure gelöst, auf 250 ccm aufgefüllt, und in je 
50 ccm der Lösung, die nicht zur Bindung des Alkaloides verbrauchte 
Menge der Schwefelsäure durch Rücktitration mit ”/joo Kalilauge er- 
mittelt. Als Indikator diente Jodeosin in ätherischer Lösung. Der 
Gehalt der annähernd ”/ıoo Schwefelsäure wurde in je 200 cem der 
Säure auf gravimetrischem Wege bestimmt. Aus drei gut überein- 
stimmenden Analysen ergab sich der Gehalt derselben als 0,511505 g 
H;SO, im Liter. Die "/joo Kalilauge wurde, mit Jodeosin als Indikator, 
so eingestellt, daß je 20 cem der "/joo Schwefelsäure 20 cem der ”/;oo Kali- 
lauge bis zur eben sichtbaren Rotfärbung verbrauchten!). Aus der zur 
Bindung des Alkaloides erforderlichen Menge Schwefelsäure wurde dann, 
unter der Annahme, daß ein Molekül der Base ein Aequivalent der 
Säure bindet, die Molekulargröße berechnet. 

1. Angewandt je 0,11322 g Akonitin. 

Verbraucht zur Bindung der Base: 1. 16,85 ccm "/;oo HaSOy,, 
2. 16,825 ccm, 3. 16,85 ccm. 

Gefundenes Molekulargewicht: 1. 644,18, 2. 645,13, 3. 644,18. 

2. Angewandt je 0,10698 g Akonitin. 

Verbraucht zur Bindung der Base: 1. 16,0 ccm,. 2. 15,95 ccm, 
3. 16,05 ccm. 

Gefundenes Molekulargewicht: 1. 641,01, 2. 643,02, 3. 639,01. 


1) Wegen der zweckmäßigsten Art der Ausführung der Titration siehe 
Feldhaus, Dissertation. Marburg 1903, 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 169 


Berechnet MolJ.-Gew. für Cu Hr NO,1: 645,397 
O4 HaNO;,: 643,382 
Csa Has NO5s: 647,382. 


» » n 


” n n 


Die Herren Privatdozent Dr. A. Schwantke undK.Schwantke- 
Marburg hatten die Liebenswürdigkeit, die von mir selbst dargestellten 
Akonitinkrystalle, die aus deutscher Akonitwurzel dargestellt und aus 
Methylalkohol krystallisiert waren, einer eingehenden Messung zu 
unterwerfen. Diese Herren, denen ich auch an dieser Stelle hierfür 
bestens danken möchte, teilten mir über das Resultat ihrer Unter- 
suchungen das Nachstehende mit: 


Beobachtungen von Tutton: 


Gemessen Berechnet Grenzen 
b/p = 010:110 6116 6123 60 43—62 21 
p/a = 110:100 2844 28 37 27 06—29 21 
b/p’ = 010:120 4253 42 30 _ 

b/o = 010:121 5742 —_ 56 36—58 23 
o/m = 121:101 3218 3217 31 24—32 49 
Achsenverhältnis: 0,5456 :1: 0,3885. 
Beobachtungen von Schwantke: 

Gemessen Berechnet Grenzen 
6129 6125 60 23—62 19 
28 28 2835 27 25—29 25 
42 23 42 32 41 43—42 58 
5739 _ 57 02—58 05 
32 21% 32 21 31 42—32 53 


Achsenverhältnis: 0,54492:1:0,38917. 


Aus diesen Resultaten geht mit Sicherheit hervor, 
daß das von Dunstan aus englischer Akonitwurzel dar- 
gestellte Akonitin, das den Messungen von A. E. Tutton 
zu Grunde gelegen hat, nicht nur chemisch, sondern 
auch krystallographisch mitdeutschem krystallisiertem 
Akonitiu völlig identisch ist. Damit ist der in jüngster 
Zeit von Dunstan!) aufgestellten Behauptung, daß sein 
englisches Akonitin von dem deutschenkrystallisierten 
Akonitin, dem auch er jetzt die Formel C,H,,NO,ı bez. 
CH, N0,ı zuerteilt, verschieden sei, wohl endgültig der 
Boden entzogen worden. 


1) Journ. chem. soc, 87, 1650—53, C. 1905, II, 1802. 


170 H. Schulze: Akonitin und Akorin. , 


Akonitinhydrobromid. 


Dieses Salz stellte ich durch Neutralisation einer methyl- 
alkoholischen Lösung von Akonitin mit verdünnter wässeriger Brom- 
wasserstoffeäure dar. Die Lösung wurde zuerst der freiwilligen Ver- 
dunstung überlassen, dann der letzte Rest des Wassers im Exsikkator 
über Schwefelsäure entfernt. Der aus feinen Nädelchen bestehende 
Rückstand wurde in wenig absolutem Alkohol gelöst, und die alko- 
holische Lösung vorsichtig mit absolutem Aether überschichtet. Ich 
erhielt so wasserklare, derbe, zu sägeförmigen Aggregaten vereinigte 
Nädelchen, die bei 206—207° unter Aufschäumen schmelzen. Aus der 
Analyse geht hervor, daß diese Modifikation des Akonitinhydrobromids 
!/a Molekül Krystallwasser enthält. Diese Modifikation des Salzes, die 
noch nicht beschrieben ist, verliert ihr Krystallwasser beim Trocknen 
bei 110°, 

Angew. Substanz 0,4052, gef. Verlust 0,0051 = 1,25% Ha0. 


i „‚vo52 „ en 
Berechnet für C4 Hy NO HBr + % ag: 1,22% Ha 0. 
» » CuHsNO,HBr + %aqg: 128, „ 


Durch Lösen des Salzes in Wasser erhält man bei der frei- 
willigen Verdunstung desselben das Akonitinhydrobomid in schönen, 
sechsseitigen, tafelförmigen Kryställchen, deren Schmelzpunkt nach dem 
Trocknen bei 115—120°, ebenfalls bei 206 bis 207° gefunden wurde. 
Die wasserhaltige Substanz zeigt keinen scharfen Schmelzpunkt; es 
beginnt bei ca. 160° an zu sintern, schmilzt aber erst gegen 200° voll- 
ständig. Es enthält 2'!/, Molekül Krystallwasser. 

Angew. Substanz 0,5267, gef. Verlust 0,0311 = 5,90% Hs0. 
Berechnet für C4 Hy, NO,,HBr +24% aq: 5,84% Hs0. 
» 5 uH@NO„HBr +2% ag: 585, „ 

Die Elementaranalysen wurden mit bis zur Konstanz getrocknetem 
Materiale ausgeführt. 

1. Angew. Subst. 0,2374, gef. AgBr 0,0610 — 10,92% Br. 


A „ 02375, „ 0,4845 CO,, 0,1484 H50 = 55,64%, C, 6,99%, H. 
EEE „ 02140, „ 033°) 01331 ea 
Pe „ 02522, „ 05020 „ 0,1468 „ = 5584, „ 6,70, „ 


Die Analysen 1—3 wurden mit aus Akonitin Merck, No. 4 
wurde mit aus selbst bereitetem Akonitin dargestelltem Hydrobromid 
ausgeführt. Die aus den beiden Ausgangsmaterialien erhaltenen Salze 
erwiesen sich durch Krystallform und Schmelzpunkt der getrockneten 
Salze, sowie durch die Mischprobe als völlig übereinstimmend. 

Berechnet für C,H, NO,,HBr: 56,17% C, 6,66% H, 11,01% Br. 

£ „ C4uHsNO„HBr: 56,33, „ 6,40, „ 11,04, „ 
Er » CH; NOaHBr: 54,37, ” 6,36 „ » 10,98 „ n 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 171 


Akonitinaurichlorid. 


Durch die Arbeiten von W. R. Dunstan und H. Jowett!), 
sowie von M. Freund und P. Beck sind mehrere Modifikationen 
dieses Salzes bekannt zeworden. Da es für die Zwecke der vor- 
liegenden Arbeit nur darauf ankam, die Identität des käuflichen 
Akonitins Merck ex Aconito Napello mit sicher aus Aconitum 
Napellus dargestelltem Alkaloid nachzuweisen, sowie darum die 
empirische Zusammensetzung des Akonitins zu ermitteln, so be- 
schränkte ich mich darauf, die sogenannte a-Modifikation des Akonitin- 
aurichlorids darzustellen. 

Eine Lösung von Akonitin in Aceton wurde mit einem sehr 
geringen Ueberschusse von Salzsäure versetzt und etwas mehr als die 
berechnete Menge von Goldchloridlösung zugegeben. Beim freiwilligen 
Eindunsten der Lösung schieden sich lange, goldgelbe Nädelchen ab, 
die bei 136,5° schmelzen. Entgegen den Angaben von Dunstan und 
in Uebereinstimmung mit den Angaben von Freund enthält das Salz 
drei Moleküle Krystallwasser, die es langsam bei 115° abgibt. 

Auch hier erwiesen sich die aus selbst dargestelltem Akonitin 
erhaltenen Präparate und die, die aus Akonitin Merck bereitet waren, 
als völlig übereinstimmenad. 


1. Angew. Subst. 0,3196, gef. Verlust 0,0160 = 5,06% Hs0. 
ae » 0388, »  » 01-492, „ 
3. n » 0,3945, „ n 0,0201 = 5,09, „ 
Berechnet für C4Hn NO HAuC], En 3 aq: 5,20% Ha 0. 
“ „ CuHsNO0,HAuC, +3aq: 521, „ 
Für die Elementaranalysen wurde bei 115° bis zur Konstanz 
getrocknetes Material verwendet. 


4. Angew. Subst. 0,2380, gef. 0,0474 Au = 19,91% Au. 


Bias „ 0,2334, „ 0,0468 „ — 20,05, „ 
Billa, „ 02248, „ 0,0450 „ = 20,06, „ 
IE 3 „ 02653, „ 0,3992 CO,, 0,1244 H30 = 41,04%, C, 5,25% H. 
re „. 03036, „ 0,4600 „ 0,1408 „ —=4132, „519, „ 
ze »...08496,. „.:03713 .. 01087 ,„.-— 4137, „49.00 


- Die Analysen No. 3 und No. 9 wurden mit aus selbst dar- 
gestelltem Akonitin bereitetem Aurichlorderivat ausgeführt. 
Berechnet für C,H, NO„,HAuC];: 41,40% C, 4,90% H, 20,01% Au. 
. „ CsHsNOHAuC!;: 41,49, „ 471, „ 20,05, „ 
Pr - Cas Hy; NOjs HAulI;: 40,11, P 4,69, Pi 19,97, » 


1) Journ. chem. soc. London 63, 994—998 und London chem. Soc. 7II, 
9; C. 93 II, 587; C. 95 I, 69. 


172 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


Akoninchlorhydrat. 


Anfänglich wurde zur hydrolytischen Spaltung des Akonitins das 
Verfahren von Dunstan und Passmore!) benutzt. Als weit zweck- 
mäßiger hat sich jedoch folgende Abänderung des Verfahrens derselben 
erwiesen. ; 

20 g Akonitin wurden in Portionen von je 5g im Porzellanbecher 
abgewogen, dazu die zwanzigfache Menge Wasser gegeben, und das 
Alkaloid in diesem möglichst fein verteilt. Die so hergerichteten 
Becher wurden im Dampftopf 5—6 Stunden lang auf einen Druck von 
6—7 Atmosphären (160—170°) erhitzt. Nach dem Erkalten war der 
Inhalt der Becher nur schwach gelblich gefärbt; am Boden hatte sich 
eine geringe Menge einer teerartigen Masse abgesetzt. Die Inhalte der 
vier Becher wurden vereinigt, mit 40 ccm "/1 Salzsäure versetzt und 
eingedampft. 

Beim Erkalten der auf ein kleines Volumen eingeengten Lösung 
krystallisierte Benzoezäure aus, von der ich die Flüssigkeit durch 
mehrfaches Ausschütteln mit Aether befreite. Nachdem dann der 
gelöste Aether durch einen Luftstrom verjagt war, wurde mit wenig 
Tierkohle aufgekocht und filtriert. Die so erhaltene Lösung, die fast 
farblos war, hinterließ beim Eindampfen einen nur sehr wenig ge- 
färbten Sirup, aus dem beim Erkalten schön glänzende, ziemlich große 
Krystalle des Akoninchlorhydrates auskrystallisierten. 

Ausbeute an krystallisiertem Salz 15—15,5 g = 85—88% der 
theoretischen Ausbeute. 

Diese Abänderung der Methode von Dunstan und Passmore 
vermeidet einerseits die Unbequemlichkeit des Arbeitens mit Einschluß- 
röhren und gestattet gleichzeitig, größere Mengen von Akonitin auf 
einmal zu verarbeiten, andererseits liefert sie weit weniger gefärbte 
Lösungen und deshalb bessere Ausbeuten. 

Das salzsaure Akonin ist leicht löslich in Wasser und Alkohol, 
der Schmelzpunkt liegt bei 175—176°. 

Das Akoninchlorhydrat enthält zwei Moleküle Krystallwasser, die 
selbst bei 115—120° noch nicht völlig entweichen. Das bei dieser 
Temperatur bis zur Konstanz getrocknete Salz gibt Werte, die zwischen 
1!/a—2 aq liegen?). 

Angew. Subst. 0,3398, gef. Verlust 0,0201 = 5,5 % Hs0. 
r „ : 04152, „ ä 0,0228 —= 5,49, 5 

Auch die Elementaranalyse des so getrockneten Salzes gab etwas 

zu geringe Werte für Kohlenstoff. 


1) Journ. chem. soc. 1892 I, 3%. 
2) M. Freund und P. Beck, Ber. 27, 732. 


En 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 173 


Angew. Subst. 0,2077, gef. 0,4244 (03!) = 55,73% C. 

Angew. Subst. 0,1912, gef. 0,3906 COs, 0,1348 H3,0 —= 55,72% C, 
7,89% H. 

Leicht und vollständig verliert dagegen das Salz sein Krystall- 
wasser beim Erhitzen auf 100° im Vakuum. 
1. Angew. Subst. 0,4723, gef. Verlust 0,0288 — 6,09% Ha0. 


2. . Pa ı 71, Sg „si970,0879:59,607, ; 
3. R PERS EIN 1 7. 4 | PoRapR nu 00803 = 697. 5 
Berechnet für C3y H, NO,HCI + 11%, aq: 4,80% Hy0. 

” ” Ca; Hgo NO,HCI + 11% ag: 4,82 »» 

e: „ CH NOgHCI + 2aqg: 630, „ 

. „ C5HgNO,HCI + 2aqg: 6,32, „ 
4. Angew. Subst. 0,2230, gef. 0,4580 CO,, 0,1532 Hz0 — 56,02% C, 7,68% H. 
5. ” I EBERBET SEELEN ETAGE, o, — DESR u U 
6. n SEE 7 uBl, . Oluee. „ . — 0018. 2 ER m 
7. „ „ 02208, „ 04538 „ 0158, =5605, „ 789,5; 
8. > „ 0,254, „ 0,0668 AgCl = 6,49% Cl. 
9. $ u a al al) 


Das Akonin enthält vier Methoxylgruppen, die sich durch 
siedenden Jodwasserstoff nach der Methode von Zeisel abspalten lassen. 
10. Angew. Subst. 0,3547, gef. 0,6047 AgJ —= 22,51% CHz0 —= 10,89%, CH;z. 
11. ” a LER TR nr. in „om KU0R 50m 


Bei manchen am Stickstoff alkylierten Basen?) läßt sich das 
N-Alkyl schon bei längerem Kochen mit Jodwasserstoffsäure als Jod- 
methylabspalten. Es wurde daher Akoninchlorhydrat im Zeisel'schen 
Apparat in üblicher Weise mit Jodwasserstoff gekocht. Nachdem sich 
die Silberlösung geklärt hatte, was nach ca. zwei Stunden der Fall 
war, legte ich mit frischer Silberlösung beschickte Kölbchen vor und 
kochte weitere sieben Stunden mit Jodwasserstoff. Es trat während 
dieser Zeit nicht die geringste Trübung auf, auch beim Verdünnen der 
Silberlösung mit Wasser trübte sich diese nicht. 

12. Angew. Subst. 0,3488, gef. 0,6090 AgJ = 22,72% CH30. 


Als aber im Apparat von Herzig und H. Meyer das Akonin- 
chlorhydrat der Prüfung auf Methylimidgruppen unterworfen wurde, 
zeigte sich, daß außer den vier Methoxylgruppen noch eine Methylimid- 
gruppe in ihm vorhanden ist. 
13. Angew. Subst. 0,3466, gef. 0,7009 AgJ = 12,92% Gesamtmethyl. 
däst. . „ 03782, „ 0,6540 „ und 0,1366 AgJ = 22,85%, CH,O 
OR. und 2,31% N.-Methyl. 

1) Die Wasserbestimmung ging verloren. 


2) M. Busch, Ber. 35, 1563; Goldschmidt und Hönigschmidt, 
Ber. 36, 1850; Decker, Ber. 36, 261, 2895. 


174 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


Ber. für C3 H,, NO,HCl: 55,99% C, 7,90% H, 6,62% Cl, 23,16% CH;0, 
2,8% N-CH,, 14,01% Gesamtmethyl. 

Ber. für C3 Hz, NO,HCI: 56,20% C, 7,55% H, 6,64% Cl, 23,25% CH;0, 
2,81% N-CH;z, 14,07% Gesamtmethyl. 

Ber. für C, Hz; NOnHC1: 53,55% C, 7,49% O, 6,59% Cl, 23,08% CH;0, 
2,79% NCH;, 13,96% Gesamtmethyl. 


Akonin (freie Base). 


Zur Darstellung von freiem Akonin wurde Akoninchlorhydrat in 
möglichst wenig Wasser gelöst, gesättigte Sodalösung im Ueberschuß 
zugegeben, und die klare Lösung oftmals (12—15 mal) mit Chloroform 
ausgeschüttel. Die Lösungen der Base in Chloroform wurden mit 
Natriumsulfat entwässert, filtriert und jede für sich, um eine eventuelle 
Bildung von Akoninchlorhydrat zu vermeiden, bei gelinder Wärme bis 
auf ein Drittel abdestilliert. Den Rückstand überließ ich der frei- 
willigen Verdunstung und trocknete ihn dann im Vakuum über 
Schwefelsäure. Die Base stellt dann einen nur wenig gefärbten 
Firnis dar, der zerrieben ein weißes, lockeres, ziemlich hygroskopisches 
Pulver gibt, das anfangs süßlichen, dann bitteren Geschmack besitzt. 
Infolge ihrer amorphen Beschaffenheit zeigt die Base einen von der 
Schnelligkeit des Erhitzens im hohen Maße abhängigen Schmelzpunkt, 
der bei schneller Erhitzung gegen 130° liegt. Das Akonin ist leicht 
löslich in Wasser und Alkohol, ziemlich leicht löslich auch in Chloro- 
form, etwas löslich in Benzol, fast unlöslich in Aether und Petroläther. 


Salze des Akonins. 


Zur Darstellung des Akoninhydrobromids wurde freies Akonin 
in Wasser gelöst und mit verdünnter Bromwasserstoffsäure neutralisiert. 
Aus der auf ein kleines Volumen eingeengten Lösung schieden sich 
nach dem Erkalten bei der freiwilligen weiteren Verdunstung des 
Wassers glänzende, ziemlich große, derbe Krystalle aus, die denen des 
Chlorhydrates sehr ähnlich sind. Das Salz enthält, wie es scheint, 
1'/s Moleküle Krystallwasser, die es bei 100° im Vakuum abgibt. 
Das bis zur Konstanz getrocknete Salz schmilzt unscharf unter Auf- 
schäumen gegen 225°. 

Angew. Subst. 0,3190, gef. Verlust 0,0144 = 4,51% H30. 
„03292, „  » 0046 —44, „ 
Be für C,H, NOgHBr + 114, aq: 4,45% Hs0. 
z » CsHBNOpHBr+1% ag: 446, 5 
Die Br-Bestimmung im getrockneten Salze ergab: 
Angew. Subst. 0,2948, gef. 0,0954 AgBr — 13,77% Br. 
Berechnet für C,H, NO,gHBr: 13,78% Br. 
» n Cg5 Hgg NO, HBr: 13,83 „ Pr 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 175 


Das Akoninnitrat wurde in der Weise dargestellt, daß ich eine 
wässerige Lösung von Akoninchlorhydrat so lange mit neutraler Silber- 
nitratlösung versetzte, bis ein weiterer Zusatz keine Trübung mehr 
erzeugte. Aus der filtrierten Lösung wurde der geringe Ueberschuß 
von Silber durch Schwefelwasserstoff entfernt, vom Schwefelsilber ab- 
filtriert, und die klare Lösung eingedampft. Es hinterblieb eine 
schwach gelblich gefärbte, dickzähflüssige Masse, die auch bei langem 
Stehen (drei Monate) keine Abscheidung von Krystallen zeigte, auch 
durch Lösen der Masse in absolutem Alkohol und vorsichtiges Ueber- 
schichten mit Aether gelang es nicht, das Salz in krystallisierter Form 
zu erhalten. 

Das Sulfat wurde auf analoge Weise aus Akoninchlorhydrat und 
Silbersulfat bereitet. Auch hier gelang es nicht, den schwach gelblichen, 
dickflüssigen Rückstand zur Krystallisation zu bringen. W. R. Dunstan 
und F. W. Passmore!) haben bei der Darstellung dieses Salzes das 
Auftreten von feinen Nädelchen beobachtet, die sie als Krystalle des 
Akoninsulfates ansprechen; eine Analyse derselben haben sie nicht aus- 
geführt. Ich habe das Salz mehrfach in Mengen von je 10g dar- 
gestellt, da ich dasselbe zu Oxydationen verwendet habe. Bei einigen 
Darstellungen wurde ebenfalls die Krystallisation von sehr geringen 
Mengen feiner weißer Nädelchen beobachtet, die sich jedoch als 
Caleciumsulfat erwiesen. Dieser geringe Kalkgehalt, der 0,01 g aus 
10 g Sulfat nicht überstieg, dürfte wohl aus dem Glase und der Glasur 
der benutzten Gefäße stammen. 

Das Akoninaurichlorid fällt aus konzentrierteren Lösungen des 
salzsauren Salzes als gelber amorpher Niederschlag aus, der in Wasser 
schwer, in Alkohol und Aceton leicht löslich ist, sich aber aus diesen 
Lösungsmitteln nur in amorpher Form abschied. 

Weitere Salze des Akonins wurden, da sie ein größeres Interesse 
nicht besitzen, nicht dargestellt. 


Einwirkung von Hydroxylamin und von Phenylhydrazin auf Akonin. 


] g Akoninchlorhydrat wurde in wenig Wasser gelöst, 0,13 g 
Hydroxylaminchlorhydrat und 0,5 g krystallisierte Soda zugegeben, und 
die Mischung 2 Stunden im Reagenzglase im Wasserbade erhitzt. 
Beim Eindampfen der Lösung auf ein kleines Volumen schied sich ein 
gelbliches (fast farbloses) Oel aus, das beim Erkalten wieder in Lösung 
ging. Die erkaltete Lösung trübte sich beim Erwärmen sofort wieder. 
Nach dem Abkühlen wurde die Mischung mit Aether ausgezogen, und 
die ätherische Lösung dann mit sehr verdünnter Salzsäure aus- 


1) Jouro. chem, soc. 1892, I, 39. 


176 H. Schulze: Akonitin’und Akonin. 


geschüttelt. Die so erhaltene wässerige Schicht hinterließ nach dem 
Eindunsten eine geringe Menge von Akoninchlorhydrat, das durch 
Krystallform und Schmp. 175,5° identifiziert wurde. Die ätherische 
Schicht war ohne Rückstand flüchtig. Der mit Aether extrahierten 
Lösung ließ sich durch mehrfaches Ausschütteln mit Chloroform und 
nachfolgendes Ausschütteln der Chlorotormschicht mit verdünnter Salz- 
säure eine beträchtliche Menge von Akoninchlorhydrat entziehen. Die 
Bildung eines Oxims findet demnach unter den angegebenen Bedingungen 
nicht statt. 

Zur weiteren Prüfung auf Ketongruppen wurde Akoninchlor- 
hydrat und die entsprechende Menge entwässerten Natriumacetates in 
Eisessig gelöst, Phenylhydrazin zugegeben und einige Zeit gekocht. 
Eine Einwirkung ließ sich jedoch nicht wahrnehmen; bei Wasserzusatz 
blieb die Mischung vollständig klar. | 

Ebenso verlief der Versuch als Wasser an Stelle von Eisessig 
als Lösungsmittel angewandt wurde. Auch hier ließ sich, selbst bei 
längerem Erwärmen, eine Einwirkung nicht feststellen. 


Einwirkung von salpetriger Säure auf Akonin. 


0,2g Akoninchlorhydrat wurden in Wasser gelöst, mit einigen 
Tropfen 10%iger Salzsäure versetzt, und zu der stark abgekühlten 
Lösung einige Körnchen Kaliumnitrit zugegeben. Nach zwölfstündigem 
Stehen in der Kälte wurde erst mit Aether, dann mit Chloroform aus- 
geschüttelt. Beide Lösungsmittel hinterließen beim freiwilligen Ver- 
dunsten nur einen sehr geringen Rückstand, der die Liebermann’sche 
Reaktion nicht gab. Die mit Aether und Chloroform ausgezogene 
Lösung wurde bei gelinder Wärme abgedunstet, und der Rückstand 
mit absolutem Alkohol ausgezogen. Beim Verdunsten der alkoholischen 
Lösung hinterblieb ein gelblich gefärbter, sirupartiger Rückstand, der 
aber ebenfalls die Nitrosoreaktion nicht gab. 

Die Bildung eines Nitrosamins findet demnach nicht statt. 


Einwirkung von Phenylisocyanat auf freies Akonin. 


1 g Akonin löste ich in 80 ccm über Na getrocknetem Benzol 
und gab 1,5 g Phenylisocyanat hinzu. 

Nach eintägigem Stehen wurde bei gelinder Wärme der größere 
Teil des Benzols abdestilliert, und die noch warme Lösung mit Petrol- 
äther bis zur eben beginnenden Trübung versetzt. Beim Erkalten 
schied sich ein scheinbar krystallinischer Niederschlag aus, der zuerst 
mit einer Mischung von Petroläther und Benzol, dann mit Petroläther 
ausgewaschen wurde. Dieser scheinbar krystallinische Niederschlag 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 177 


erwies sich aber unter dem Mikroskop als aus kleinen Kügelchen 
bestehend; auch bei Krystallisationsversuchen aus Petroläther -+- Benzol 
schieden sich immer wieder die erstarrten, amorphen Tröpfchen ab. 
Die bei verschiedenen Darstellungen dieses Körpers erhaltenen Zahlen 
für Stickstoff schwankten sehr; auch als Akonin mit Phenylisocyanat 
im geschlossenen Rohre auf 100° erhitzt und der als Nebenprodukt 
gebildete Diphenylharnstoff möglichst sorgfältig entfernt wurde, gelang 
es nicht, zu einem Produkt von konstanter Zusammensetzung zu 
gelangen, ebensowenig führte Erhitzen auf 120—130° zum Ziel. 

Da ihre amorphe Beschaffenheit die weitere Untersuchung dieser 
Reaktionsprodukte als aussichtslos erscheinen ließ, so wurden die Ver- 
suche damit abgebrochen. 


Tetraacetylakonin. 


Zwei Gramm Akoninchlorhydrat wurden in einem reichlichen 
Ueberschusse von Acetylchlorid gelöst, und die Lösung 36 Stunden im 
zugeschmolzenen Rohr bei Zimmertemperatur stehen gelassen. Dann 
brachte ich den Röhreninhalt in ein Schälchen und ließ das über- 
schüssige Acetylchlorid im Vakuumexsikkator verdunsten. Die zurück- 
bleibende Masse wurde im Scheidetrichter in wenig Wasser gelöst, mit 
Soda alkalisch gemacht und mehrmals mit Aether ausgeschüttelt. Beim 
freiwilligen Verdunsten der ätherischen Lösung blieb eine weiße 
Krystallmasse zurück, die durch mehrmaliges Umkrystallisieren aus 
Alkohol gereinigt wurde. Ausbeute 1,5g. Aus Alkohol krystallisiert, 
stellt der Körper ziemlich lange, weiße, seidenglänzende Nadeln dar, 
die bei 231—232° unter Zersetzung schmelzen. Die neue Base ist 
löslich in Alkohol, Aether, Chloroform, Essigester und Benzol, schwer 
löslich in Ligroin. 

Die zur Trockne gebrachten Mutterlaugen lieferten bei noch- 
maliger Behandlung mit Acetylchlorid weitere Mengen dieses Körpers. 
Größere Mengen davon wurden aus den Mutterlaugen von der Dar- 
stellung des Akoninchlorhydrates, aus denen dieses Salz nicht mehr 
krystallisiert erhalten werden konnte, dargestellt. Das so erhaltene 
Produkt läßt sich durch mehrmaliges Umkrystallisieren aus Alkohol 
leicht rein erhalten; auf diese Weise lassen sich die sonst kaum ver- 
wertbaren Reste von der Akonindarstellung mit Vorteil ausnutzen. 

Zur Bestimmung der Acetylreste wurde ca. 0,3 des Körpers im 
Rundkolben mit 30 ccm frisch bereiteter, kohlensäurefreier, annähernd 
normaler Kalilauge verseift, die erkaltete Lösung mit Phosphorsäure 
angesäuert und im Wasserdampfstrom, der aus ausgekochtem Wasser 
entwickelt wurde, und unter Anwendung eines Stutzer’schen Aufsatzes 
die abgespaltene Essigsäure abdestilliert. Im Destillate wurde durch 

Arch. d. Pharm. COXXXXIV. Bds. 3. Heft. 12 


178 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


Titration mit "/,o Kalilauge, unter Verwendung von Phenolphthalein als 
Indikator, die Menge der Essigsäure bestimmt. 

Die Analyse ergab: 

Angew. Subst. 0,2197, gef. 0,4774 COs, 0,1388 Hs0 —= 59,26% C, 7,07% H. 

Angew. Subst. 0,2162, gef. 0,2960 AgJ = 18,09% Methoxyl. 

Angew. Subst. 0,2894, verbraucht zur Titration der abgespaltenen 
Essigsäure 17,5 ccm "/io KOH = 0,10475 C3H,03 — 36,2% Essigsäure. 

Angew. Subst. 0,3122, verbraucht 18,7 ccm "/io KOH = 0,1127 CsH,0sa 
— 3585% Essigsäure. 

Berechnet für CggHyNOss: 59,34% C, 7,40% H, 18,6% Methoxyl, 
35,98% Essigsäure. 

Berechnet für CssH4NO1: 59,52%, C, 7,11%, H, 18,65%, Methoxyl, 
36,09% Essigsäure. 

Berechnet für CH NO: 57,36% C, 7,07% H, 18,54% Methoxyl, 
35,87% Essigsäure. 

In der Hoffnung, nach der Liebermann’schen Methode zu einem 
höher acetylierten Produkte zu kommen, wurden 1,0 salzsaures Akonin 
mit 2 g frisch geschmolzenem Natriumacetat und 10 cem Essigsäure- 
anhydrid 1 Stunde am Rückflußkühler erhitzt. Während des Erhitzens 
schied sich etwas Chlornatrium aus. Dann befreite ich das Reaktions- 
produkt auf dem Wasserbade von überschüssigem Essigsäureanhydrid 
und löste den gelblichen, zähen Rückstand in wenig Wasser. Die 
Lösung wurde im Scheidetrichter mit Aether überschichtet, Sodalösung 
zugegeben und sofort ausgeschüttet. Das Ausziehen mit Aether 
setzte ich solange fort, als beim Abdunsten einer Probe des Aethers 
noch ein Rückstand hinterblieb. Die getrockneten ätherischen Lösungen 
wurden der freiwilligen Verdunstung überlassen. Es hinterblieb eine 
nur wenig gefärbte, firnisartige Masse, aus der sich einige Krystall- 
drusen ausschieden. Beim Befeuchten mit Alkohol erstarrte das 
Produkt zum größten Teile in aus feinen Nädelchen zusammengesetzten 
halbkugeligen Krystallaggregaten. Die von wenig Oel durchtränkten 
Krystallmassen wurden durch Aufstreichen auf Ton und Waschen mit 
wenig Alkohol gereinigt. Nach dem Umkrystallisieren aus verdünntem 
Alkohol schmolz die Substanz bei 231—232°. Ausbeute etwas über 
0,6 g. Der Körper ist identisch mit Tetraacetylakonin. Die Be- 
stimmung der gebundenen Essigsäure, die in der oben angeführten 
Weise vorgenommen wurde, ergab: 

Angew. Subst. 0,4000 g, verbraucht zur Titration 24 ccm Ali KOH = 
gef. 0,14366 Essigsäure —= 35,91 %. 

Es ließ sich also auch nach der Liebermann’schen Acetylierungs- 
methode, die häufig höher acetylierte Derivate ergibt, als sie durch 
Anwendung von Acetylchlorid erhalten werden können, ein solches 
nicht darstellen. 


HB. Behulse: -Akonitin und Akonin. 179 


Versetzt man die salzsaure Lösung der Base mit Goldchlorid, so 
fällt ein amorpher, in Wasser schwer löslicher, hellgelber Niederschlag 
aus, der das Tetraacetylakoninaurichlorid darstellt. Das Salz ist leicht 
löslich in Alkohol und Aceton, scheidet sich aber aus diesen Lösungs- 
mitteln beim freiwilligen Verdunsten derselben in öliger Form ab. 

Das platinichlorwasserstoffsaure Salz der Base, das ebenfalls 
nicht krystallisiert erhalten werden konnte, ist in Wasser ziemlich 
leicht löslich. 


Einwirkung von Chloracetylchlorid auf Akoninchlorhydrat. 


Die Einwirkung von Chloracetylcblorid auf Akonin wurde haupt- 
sächlich deshalb studiert, um durch eine Halogenbestimmung des 
erhaltenen Produktes in einfacher und genauer Weise Aufschluß über 
die Anzahl der im Akonin enthaltenen acylierbaren Hydroxylgruppen 
zu erhalten. Es wurden 1 g Akoninchlorhydrat mit einem reichlichen 
Ueberschusse von Säurechlorid drei Tage im zugeschmolzenen Rohre 
stehen gelassen, der ungefärbte Röhreninhalt durch Erwärmen auf 
dem Wasserbade von überschüssigem Chloracetylchlorid befreit, und 
der Rückstand in Wasser gelöst. Aus der filtrierten Lösung fiel durch 
Sodalösung ein weißer, amorpher Niederschlag aus, der abgesogen, mit 
wenig Wasser nachgewaschen und auf Ton getrocknet wurde. Der 
Körper ist sehr leicht zersetzlich, schon durch Erwärmen mit Alkohol 
wird er verändert. Aus Petroläther und Benzol, sowie aus Essigäther- 
Petroläther wurde der Körper nur in amorphen Flocken erhalten. 
Beim Stehen an der Luft zerfließt der ursprünglich in Wasser nicht 
lösliche Körper zu einer amorphen, schmierigen Masse, die dann zum 
größten Teile in Wasser löslich ist. Eine Analyse war daher nicht 


ausführbar. 
Triacetylakonitin. 


4 g Akonitin wurden mit 20 cem Acetylchlorid drei Tage im 
geschlossenen Rohr bei gewöhnlicher Temperatur stehen gelassen. 
Nach dem Oeffnen des Rohres brachte ich ihren Inhalt in eine Schale 
und erwärmte diese auf dem Wasserbade bis zum Verschwinden des 
Geruches nach Acetylchlorid. Der im Rohre verbliebene Teil wurde 
ebenfalls zur Verjagung des Acetylchlorids erwärmt, wobei ein Luft- 
strom durch das Rohr gesogen wurde. Der farblose, zähe Rückstand 
wurde in Wasser gelöst, die klare Lösung im geringen Ueberschusse 
mit Natriumkarbonat übersättigt, und der so erhaltene weiße amorphe 
Niederschlag auf einem Saugfilter gesammelt, abgesogen und mit 
Wasser ausgewaschen. Nach dem Trocknen wurde der neue Körper 
aus Alkohol bis zur Konstanz des Schmelzpunktes umkrystallisiert. 
Ausbeute über 3 g. 

12* 


180 H. 8 chulze: Akonitin und Akonin. 


Aus Alkohol krystallisiert die Base in feinen zu Kugeln vereinigten 
weißen Nädelchen vom Schmp. 207—208°, 

Der Körper ist löslich in Alkohol, Benzol, Chloroform, Essigester, 
nicht besonders löslich in Aether, nicht löslich in Wasser, Petroläther 
und Ligroin. 

Aus den zur Trockne gebrachten Mutterlaugen, sowie aus dem 
Ausschüttelungsrückstand der mit Chloroform ausgezogenen Wasch- 
flüssigkeiten von der Darstellung des Körpers, ließen sich durch Be- 
handeln mit Acetylchlorid weitere Mengen der Base erhalten. 

Da bei der geringen Differenz in der prozentischen Zusammen- 
setzung der beiden in Frage kommenden Körper, des Diacetyl- bezw. 
Triacetylakonitins, die Elementaranalyse nicht zur Entscheidung darüber 
dienen konnte, ob der eine oder der andere Körper vorliege, so habe 
ich mich darauf beschränkt, die Bestimmung der abgespaltenen Säure 
vorzunehmen. Zur Bestimmung derselben wurde in der beim Tetra- 
acetylakonin angegebenen Weise verfahren, nur wurde, wegen der 
schweren Löslichkeit des Körpers, die Verseifung unter Druck bei 
130° vorgenommen. Die Bestimmung der Essigsäure + Benzoesäure 


ergab: 
Angew. Subst.: 1. 0,4022 g. 2. 0,4075 g. 3. 0,4714 g. 


Verbraucht zur Titration der Säuren: 

1. 24,9 ccm 2/i KOH. 2. 25,5 ccm "/io KOH. 3. 30,8 ccm "/jo KOH. 
Ber. Verbrauch für Triacetylakonitin: 1. 26,1ccm. 2. 26,5ccm. 3. 30,6 ccm. 
= % „ Diacetylakonitin: 1. 221 „ 2. 22,4 „ 3.259 „ 

In einem Falle versuchte ich auch eine Trennung der Essigsäure 
von der Benzoesäure. Das Destillat wurde oftmals mit größeren 
Mengen von Ligroin ausgeschüttelt, und die wässerige Lösung dann 
titriert. Die Trennung gelingt offenbar nur unvollkommen, denn der 
gefundene Wert für Essigsäure ist zu hoch. 

Angew. Subst. 0,3651. Verbraucht zur Titration der Essigsäure 19,7 ccm 
n/)o KOH = 0,11792 g Essigsäure = 32,309, Essigsäure. 

Berechnet für CyH;zg NO, 31,12% Essigsäure. 
” ” CoH5ı NO, 31,20 „ n 

Daß in dem Körper Triacetylakonitin vorliege, wird ferner durch 
die Analyse seines Goldchloriddoppelsalzes bestätigt. Dieses 
wurde durch Zutropfenlassen einer salzsauren Lösung der Base zu 
überschüssiger Goldchloridlösung als amorpher, gelber Niederschlag 
erhalten, der abgesogen und mit möglichst wenig Wasser nachgewaschen 
wurde. Nach dem Trocknen stellt das Salz ein amorphes, kanarien- 
gelbes Pulver dar, das in Alkohol und Aceton leicht löslich ist. Es 
gelang nicht, das Salz krystallisiert zu erhalten; aus Alkohol und aus 
Aceton scheidet sich der Körper beim freiwilligen Verdunsten des 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 181 


Lösungsmittels als amorphe, ölig-harzige Masse aus. Beim Erhitzen 
verändert es von 125° an die Farbe und sintert zwischen 140 und 145° 
zu einer dunkelfarbigen Masse zusammen, ohne jedoch einen eigentlichen 
Schmelzpunkt zu zeigen. 

Der Goldgehalt, der bei zwei Präparaten verschiedener Dar- 
stellung vermittelt wurde, gab für Substanz, die im Vakuum über 
Schwefelsäure bei gewöhnlicher Temperatur bis zur Konstanz getrocknet 
war, folgende Werte. (Beim Trocknen bei 100° verändert die Substanz 
unter Abgabe von Salzsäure die Farbe, und Gewichtskonstanz wird 
nicht erreicht.) 

Angew. Subst. 0,3822, gef. Au 0,0671 = 17,55% Au. 
e „03132, „ „ 00554 —= 1768, „ 
Berechnet für Triacetylakonitinaurichlorid Ca HsNO,;,HAuCl, 17,74% Au. 
n ” CyHsı NO4 HAu CO E70 » 
n > Barslekonluinsunchlerid C;g Hz; NO; HAuC), 1844, „ 
„ » » Ca, Hy NO, HAuC), 18,47 „ » 

Das Platinchloriddoppelsalz des Triacetylakonitins wird beim 
Fällen einer etwas konzentrierteren Lösung des Chlorhydrates der 
Base mit Platinchlorid als fleischfarbener amorpher Niederschlag 
erhalten, der in Wasser nicht unbeträchtlich, in Alkohol und Aceton 
leicht löslich ist. Beim Trocknen im Vakuum über Schwefelsäure 
gab es schon bei gewöhnlicher Temperatur Salzsäure ab, und gab 
daher bei der Analyse einen zu hohen Gehalt an Platin. 


Tetraacetylpikrakonitin. 


Das zur Darstellung des Tetraacetylpikrakonitins verwendete 
Pikrakonitinhydrobromid stellte ich in folgender Weise dar: 5 g 
Akonitin wurden mit der zwanzigfachen Menge Wasser im Autoklaven 
2!/; Stunde auf zwei Atmosphären Druck erhitzt. Es war dann voll- 
kommene Lösung des Akonitins eingetreten. Den Inhalt des Porzellan- 
bechers versetzte ich dann mit etwas mehr als der berechneten Menge 
Salzsäure und dampfte auf ein kleines Volumen ein. Die konzentrierte 
Lösung wurde nach dem Erkalten einmal mit Aether ausgeschüttelt, 
um die geringe Menge der abgespaltenen Benzoesäure zu entfernen, 
dann mit Soda alkalisch gemacht und mehrmals mit Aether ausgezogen. 
Die ätherischen Lösungen, die das Pikrakonitin enthalten, wurden 
vereinigt, filtriert und der freiwilligen Verdunstung überlassen. Das 
Pikrakonitin hinterblieb als wenig gefärbter, in Wasser unlöslicher 
Firnis, der in verdünnter Bromwasserstoffsäure gelöst wurde. Aus 
der eingeengten Lösung krystallisierten farblose, derbe Prismen des 
Salzes aus. Schmp. 232°; bei einer zweiten Darstellung wurde eben- 
falls Schmp. 232° bemerkt. 


182 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


Ausbeute etwas über vier Gramm des Hydrobromids. 

Der mit Aether ausgezogene Rückstand enthält noch etwas 
Akonin, das als Akoninchlorhydrat gewönnen werden konnte 2,5 g 
des so gewonnenen Pikrakonitinhydrobromids wurden mit einem reich- 
lichen Ueberschusse von Acetylchlorid im geschlossenen Rohre vier 
Tage bei gewöhnlicher Temperatur stehen gelassen. Beim Oeffnen 
des Rohres zeigte sich nur wenig Druck. Den fast farblosen Röhren- 
inhalt befreite ich durch mäßiges Erwärmen auf dem Wasserbade vom 
überschüssigen Acetylchlorid und löste den schwach gelblich gefärbten 
Rückstand in Wasser. Durch vorsichtigen Zusatz von Sodalösung 
wurde die klare Lösung alkalisch gemacht, und der entstandene weiße 
Niederschlag mit Chloroform ausgeschüttelt; die Extraktion mit 
Chloroform wurde noch mehrmals wiederholt. Die Chloroformschichten, 
die das Acetylderivat enthalten, trocknete ich mit Natriumsulfat, 
destillierte dann von dem klaren Filtrate den größten Teil des Chloro- 
forms ab und überließ den Rückstand der freiwilligen Verdunstung. 
Es hinterblieb eine weiße Krystallmasse, die aus Alkohol umkrystallisiert 
wurde. Feine weiße Kryställchen, die bei 207—208° schmelzen, der 
Schmelzpunkt ändert sich bei weiterem Krystallisieren aus Alkohol nicht. 

Ausbeute 1.9 g umkrystallisiertes Produkt. 

Das Tetraacetylpikrakonitin zeigt in seinen Eigenschaften und 
Aussehen die allergrößte Aehnlichkeit mit dem Triacetylakonitin. Als 
gleiche Mengen von Triacetylakonitin und von Tetraacetylpikrakonitin 
aus Alkohol zusammenkrystallisiert wurden, zeigten das Gemisch der 
beiden Körper, reines Triacetylakonitin und reines Tetraacetyl- 
pikrakonitin gleichzeitig neben einander am gleichen Thermometer 
erhitzt, den gleichen Schmp. 207—208°. Die beiden Verbindungen 
sind demnach identisch, nicht wie W. R. Dunstan und F. Carr!) 
angegeben, isomer. 

Die Analyse ergab: 

Angew. Subst. 0,3000, gef. 0,3609 AgJ = 15,89% Methoxyl. 

„0,4328, verbraucht zur Titration der abgespaltenen 
en 275 ccm A/ıo KOH. 
Berechnet für CyoHss NO44: 16,08% Methoxyl. 
„ CyHs NO: 16,13, % 
Barcchiefes Verbrauch an "/jo KOH 28,1 ccm. 

Die Bestimmung der Essigsäure + Benzoesäure erfolgte in der- 
selben Weise, wie beim Triacetylakonitin. 

Zum weiteren Vergleich der beiden Körper wurden 05 g Tetra- 
acetylpikrakonitin in der eben ausreichenden Menge Salzsäure gelöst 


1) Journ. chem. soc. London, 67, 459—467. 


H. Sehulze: Akonitin und Akonin. 183 


und in überschüssige Goldchloridlösung eingetropft, der entstandene 
gelbe Niederschlag abgesogen und mit wenig Wasser gewaschen. Nach 
dem Trocknen stellte das Salz ein kanariengelbes, nicht wie von 
Dunstan (l. e.) angegeben weißes, amorphes Pulver dar, das unscharf 
gegen 140° schmilzt. In seinem Aussehen und in seinen Eigenschaften 
gleicht es dem Triacetylakonitinaurichlorid, das unscharf zwischen 
140 bis 145° schmilzt, durchaus. Dunstan gibt (]. c.) für sein farb- 
loses „Aurichlorderivat“ des Triacetylakonitin den Schmelzpunkt 225° 
an. Ein derartiges Salz konnte nicht erhalten werden. Zur Gold- 
bestimmung wurde das Präparat im Vakuum über Schwefelsäure bis 
zur Konstanz getrocknet. 


Angew. Subst. 0,3542, gef. 0,0638 Au = 18,01% Au. 


Berechnet für CyHssON],HAuCk: 17,74% Au. 
Pr n Co Hzı N0,,HAuQ];: 17,76 » 


Einwirkung von Brom auf freies Akonin. 


2 g Akonin wurden in 50 ccm Chloroform gelöst, und eine 
5%ige Lösung von Brom in Chloroform !) in kleinen Portionen zu- 
gesetzt. Verbraucht wurden bis zum deutlichen Ueberschuß an Brom 
ungefähr 14 g der Lösung. Beim Einfallen der ersten Tropfen färbte 
sich die Flüssigkeit rötlich, bei weiterem Zusatz schied sich an den 
Gefäßwandungen eine gelbliche harzige Masse ab, und die Lösung 
färbte sich unter Trübung orangefarbig. Eine Entwicklung von Brom- 
wasserstoff war nicht zu bemerken. Nach längerem Stehen klärte 
sich die Flüssigkeit fast vollständig und war dann nur wenig gefärbt. 
Die gelben Harzmassen löste ich in Alkohol und vereinigte sie mit 
dem geringen Rückstande, der beim Verdunsten des Chloroforms 
zurückblieb. In diese Lösung wurde, nach dem Verdünnen mit Wasser, 
Schwefelwasserstoff eingeleitet, wobei unter Abscheidung von Schwefel 
Entfärbung eintrat. Die filtrierte farblose Lösung wurde bei mäßiger 
Wärme auf ein kleines Volumen eingedampft; sie färbte sich dabei 
schwach bräunlich. Nach wochenlangem Stehen begann der Sirup zu 
krystallisieren und erstarrte allmählich zu einem Brei von Kryställchen, 
die auf Ton abgesogen und dann aus Wasser umkrystallisiert wurden. 
Es ließen sich so glänzende derbe Kryställchen erhalten, die dem 
bromwasserstoffsauren Akonin durchaus glichen. Menge 0,7—0,8 g. 

Die Analyse des noch nicht ganz reinen Salzes ergab das Vor- 
"liegen von Akoninhydrobromid. 


> 


1) Das benutzte Chloroform war mehrmals mit Wasser ausgeschüttelt 
und dann über frisch ausgeglühtem Natriumsulfat getrocknet worden. 


184 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


Angew. Subst. 0,2636. Verlust beim Trocknen bei 1000 im Vakuum 
0,0130 = 4,93% Ha0. 
Angew. Subst. (getrocknet) 0,2447, gef. 0,0826 AgBr — 14,369, Br. 


Berechnet für C,H, NOgHBr +14, aq: 4,45% Ha0. 


n » Cs; Hs, NO, HBr — 1% » 4,46 » n 
ir „ CH NO,HBr: 13,78 „ Br. 
” n Ca5 H;g NOg HBr: 13,83 nn» 


Die Mutterlaugen des Salzes, die nicht mehr zur Krystallisation 
zu bringen waren, wurden durch Behandeln mit Chlorsilber in das 
salzsaure Salz übergeführt und zur Trockne gebracht. Der Rück- 
stand konnte in der beim Tetraacetylakonin beschriebenen Weise in 
das Acetylderivat verwandelt werden. Menge des erhaltenen Produktes 
0,3 g. Der Körper krystallisierte in weißen Nädelchen, die bei 231° 
schmolzen und sich als frei von Halogen erwiesen. Die Analyse 
zeigte, daß in ihm Tetraacetylakonin vorliege. 


Angew. Subst. 0,3974. Verbraucht zur Titration der abgespaltenen 
Essigsäure 24,3 ccm "/jg KOH = 0,1454 g Essigsäure — 36,61%. 

(Dies etwas zu hohe Resultat wurde dadurch verursacht, daß zur Ver- 
seifung des Acetylderivates kohlensäurehaltige Kalilauge verwendet worden war.) 


Einwirkung von Methylsulfat auf Akonin. 


Zunächst wurde der Versuch gemacht, das Akonin mit Methyl- 
sulfat nach Art der Schotten-Baumann’schen Methode in Reaktion 
zu bringen. Hierzu löste ich 2g Akonin in wenig Wasser und setzte 
10 g 10%ige Natronlauge (eine Lauge höherer Konzentration scheidet 
die Base aus konzentrierter Lösung aus) hinzu. Die alkalische Flüssig- 
keit wurde mit 8 g Methylsulfat versetzt und unter häufigem Um- 
schütteln zwei Stunden stehen gelassen. Nach dieser Zeit war die 
alkalische Reaktion des Gemisches verschwunden, und es war noch 
eine beträchtliche Menge von unverbrauchtem Methylsulfat vorhanden. 
Es wurde daher wenig Natronlauge zugegeben und weiter geschüttelt; 
der Zusatz von Natronlauge wurde beim Verschwinden der alkalischen 
Reaktion wiederholt und mit dieser Behandlung fortgefahren, bis das 
Methylsulfat völlig verschwunden war. Zu der klaren Lösung setzte 
ich Sodalösung bis zur stark alkalischen Reaktion zu und extrahierte 
im Scheidetrichter zwölfmal mit Chloroform. Die beim Verdunsten der 
Chloroformlösung hinterbliebene Masse wurde in Wasser gelöst und 


mit l1%iger Salzsäure neutralisiert. Da das so dargestellte Salz beim 


Eindampfen nur ‘geringe Neigung zur Krystallisation zeigte, so führte 
ich es in der beim Tetraacetylakonin beschriebenen Weise in das 
Acetylderivat über. 


| 
| 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 185 


Das erhaltene Produkt schmolz bei 231—232°; die Analyse 
bestätigte das Vorliegen von Tetraacetylakonin. 

Angew. Subst. 0,3722, gef. Essigsäure 0,13528 g = 35,35%, 
Berechnet für Ca, Hy NOjs: 36, 5% Essigsäure. 
n n Cgg Hy NOss: 35,98 „ ” 

Da demnach auf diese Weise eine Methylierung nicht erzielt 
werden konnte, so wurden 2 g Akonin in 20 cem absolutem Methyl- 
alkohol gelöst und eine erkaltete Lösung von 0,5 metallischem Natrium 
in 10 ccm Methylalkohol, sowie 2,8 g Methylsulfat hinzugegeben. Nach 
einiger Zeit schied sich allmählich ein geringer fiockiger Niederschlag 
aus. Nach mehrtägigem Stehen wurde die Mischung in einer flachen 
Schale der freiwilligen Verdunstung überlassen. Hierbei schieden sich 
tafelförmige Krystalle ab, die wohl aus einem Gemenge von methyl- 
schwefelsaurem und schwefelsaurem Natrium bestanden, denn nach dem 
Veraschen auf dem Platinblech gab der Rückstand starke Schwefel- 
säurereaktion. Der Verdunstungsrückstand wurde mit Wasser auf- 
genommen, alkalisch gemacht und vielfach mit Chloroform ausgeschüttelt. 

Beim Verdunsten des Chloroforms verblieb auch hier eine firnis- 
artige Masse, die mit 1%iger Salzsäure genau neutralisiert wurde. 

Die mit wenig Tierkohle behandelte Lösung gab nach dem Ein- 
dampfen schöne große Krystalle, die bei 175—176° schmolzen. Der 
Körper erwies sich als Akoninchlorhydrat. 

Angew. Subst. 0,5734, gef. Verlust 0,0361 = 6,29% Hsa0. 

Die Chlorbestimmung im bei 100° im Vakuum getrockneten Salz 

MR 
Be Angew. Subst. 0,3106, gef. 0,0838 AgCl = 6,87% Cl. 

Die Methoxylbestimmung im krystallwasserhaltigen Salz ergab: 
Angew. Subst. 0,3118, gef. 0,5028 AgJ = 21,31% Methoxyl. 

Ber. für Cs, H4 NO,HCI + 2aq: 6,30% Hg, 21,70% Methoxyl. 
n „ &5H»N0,HCl +2 „ 632, 21,78 „ ” 
„rn %H4uNO,HCI 6,62, CI. 
» CH NO;HCI 6,64, „ 

Zuletzt wurde noch die direkte Einwirkung des Methylsulfates 
auf Akonin studiert. 1 g Akonin wurde im zugeschmolzenen Rohr 
mit einem Ueberschusse von Methylsultat 48 Stunden bei gewöhnlicher 
Temperatur stehen gelassen und dann noch eine halbe Stunde im Wasser- 
bade erwärmt. Hierbei färbte sich das Gemisch bräunlich, gleichzeitig 
trat eine schön dunkelgrüne Fluoreszenz auf; offenbar war damit eine 
tiefergreifende Zersetzung des Körpers verbunden. Das in dem 
Reaktionsprodukte noch vorhandene Methylsulfat zersetzte ich durch 
vorsichtigen Zusatz von 1l0%iger Natronlauge und erschöpfte die 
Flüssigkeit mit Chloroform vollständig. 


186 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


Die beim Verdunsten der Chloroformlösung hinterbliebene, gelb- 
bräunliche, firnisartige Masse wurde in das Chlorhydrat verwandelt, 
das aber nicht krystallisiert erhalten werden konnte. Es wurde daher 
versucht, es in der bekannten Weise als Acetylderivat zu isolieren. 
In dem erhaltenen Produkte zeigte sich auch eine geringe Menge von 
Kryställchen, es gelang jedoch bisher nicht, diese von den hartnäckig 
anhaftenden firnisartigen Verunreinigungen zu trennen. 


Einwirkung von Jodmethyl auf Akonin. 


In mannigfach variierter Weise versuchte ich das Akonin durch 
Jodmethyl zu alkylieren. Zunächst wurden 0,1 Akonin in 38 ccm 
Chloroform gelöst und etwas mehr als die berechnete Menge Jodmethyl 
zugegeben. Da auch nach zwölfstündigem Stehen im geschlossenen 
Gefäß eine Einwirkung nicht zu bemerken war, so wurde das Gemisch 
eine halbe Stunde auf dem Wasserbade unter Rückflußkühlung erhitzt. 
Auch hierbei trat keine Reaktion ein, denn nach dem Verjagen des 
‚Jodmethyls und des Chloroforms erwies sich der Rückstand als Akonin. 

Da auf diese Weise eine Alkylierung nicht erreicht werden 
konnte, wurden eine Lösung von 1 g Akonin in 3 ccm Methylalkohol 
und ein reichlicher Ueberschuß von Jodmethyl im zugeschmolzenen 
Rohr drei Stunden auf 100° erhitzt. Beim Erkalten teilte sich der 
schwach gelblich gefärbte Röhreninhalt in zwei Schichten, von denen 
die untere nur sehr wenig gefärbt war. Der Inhalt der Röhre, die 
beim Oeffnen nur wenig Druck zeigte, wurde in eine Schale gespült 
und mit Methylalkohol nachgewaschen. Beim freiwilligen Verdunsten 
im Dunkeln hinterblieb eine gelbliche firnisartige Masse, die in Alkohol 
sehr leicht löslich war. (Die Jodide von Ammoniumbasen sind ge- 
wöhnlich in Alkohol sehr schwer löslich.) Da das Produkt nicht 
krystallisiert erhalten werden konnte, so führte ich es durch Schütteln 
der wässerigen Lösung mit Chlorsilber in das salzsaure Salz über. 
Dieses hinterblieb beim Verdunsten des Lösungsmittels als schwach 
gelblich gefärbter Sirup, der auch bei längerem Stehen nicht 
krystallisierte.e. Er wurde daher im Vakuum über Schwefelsäure zur 
Trockene gebracht, und der weiße hygroskopische Rückstand in der 
üblichen Weise auf das Acetylderivat verarbeitet. Das so erhaltene 
Produkt erwies sich durch Krystallform und Schmelzpunkt 231—232°, 
sowie durch Analyse als Tetraacetylakonin. 


Angew. Subst. 0,3268, verbraucht zur Titration der abgespaltenen Essig- 
säure 19,8 ccm ”/o KOH = 36,26%, Essigsäure. 
Berechnet für Ca Hy NOss: 35,98% Essigsäure. 
” ” Cs H47 NOje: 36,09 ” ” 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 187 


Demnach hatte sich nur das jodwasserstoffsaure Salz des Akonins 
gebildet. Da möglicherweise die Reaktion bei Ausschluß eines Lösungs- 
mittels in anderer Weise verlaufen konnte, so erhitzte ich 1 g Akonin 
und 5 ccm Jodmethyl im geschlossenen Rohr eine Stunde auf 100°. 
Beim Erwärmen löste sich das Akonin im Jodmethyl auf, nach Verlauf 
einer Stunde aber hatten sich zwei Schichten gebildet, von denen die 
obere, gelblich gefärbte, beim Erkalten zu einer amorphen Masse er- 
starrte, die alkalische Reaktion zeigte und sich als Akonin erwies. 
Es wurde deshalb eine gleiche Mischung im Bombenrohr eine Stunde 
auf 120—130° erhitzt. Beim Oeffnen des Rohres zeigte sich nur wenig 
Druck; neben einer nur schwach gelblich gefärbten Flüssigkeit hatte 
sich eine schwach bräunliche harzartige Masse abgeschieden. Das Jod- 
methyl wurde durch Verdunstenlassen entfernt und der Rückstand in 
Wasser gelöst. Diese Lösung zeigte saure Reaktion, in ihr waren 
einige, anscheinend von Perjodiden herrührende Flöckchen suspensiert, 
zu deren Zersetzung sie mit einigen Blasen Schwefelwasserstoff be- 
handelt wurde. Der nach dem Filtrieren und Eindampfen erhaltene 
Rückstand zeigte auch bei langem Stehen keine Neigung zur 
Krystallisation und wurde deshalb durch Umsetzung mit Chlorsilber 
in das salzsaure Salz verwandelt. Auch dieses krystallisierte selbst 
bei wochenlangem Stehen nicht; nach dem Behandeln mit Acetyl- 
chlorid in der beim Tetraacetylakonin beschriebenen Weise gelang es, 
neben etwas firnisartiger, spröder Masse eine reichliche Menge von 
Tetraacetylakonin, Schmp. 231°, zu erhalten. Als gleiche Teile des 
so erhaltenen Produktes und reinen Tetraacetylakonins zusammen aus 
Alkohol krystallisiert wurden, zeigte das so erhaltene Gemisch keine 
Depression des Schmelzpunktes. 


Methylpikrakonitin. 


Da es von Interesse schien, zu untersuchen, ob beim Erhitzen 
von Akonitin mit Methylalkohol auf höhere Temperatur die gleiche 
Aufspaltung eintrete, wie beim Erhitzen mit Wasser, wurden 4 g 
Akonitin mit 30 ccm Methylalkohol im geschlossenen Rohr 2 Stunden 
auf 120—130° erhitzt. Den nur wenig gefärbten Röhreninhalt befreite 
ich durch freiwillige Verdunstung von überschüssigem Methylakohol 
und nahm den schwach bräunlich gefärbten, nach Benzoesäureester 
riechenden Rückstand unter Zugabe von einigen Tropfen Essigsäure 
mit Wasser auf. Die trübe Lösung wurde nach längerem Stehen 
filtriert, und das Filtrat mit Sodalösung im geringen Ueberschusse 
versetzt. Die dadurch entstandene Fällung wurde mit Aether aus- 
geschüttelt, der bei der freiwilligen Verdunstung des Aethers hinter- 
bliebene Rückstand in wenig absolutem Aether gelöst und mit 


188 H. Schulze: Akonitin und Akonin, 


Petroläther überschichtet. Die so erhaltene Krystallmasse (3 g) wurde 
bis zur Konstanz des Schmelzpunktes umkrystallisiert. Schmp. 210 
bis 211°, 

Es ist nicht ganz leicht, in dieser Weise den Körper krystallisiert 
zu erhalten. Besser kommt man zum Ziel, wenn man nach der 
folgenden Methode, die es beim Aethylpikrakonitin allein ermöglicht, 
die Base in krystallisierter Form darzustellen, arbeitet. 

Nimmt man die Fällung der Base aus der essigsauren Lösung 
in der Weise vor, daß man auf dem Wasserbade erwärmt, Sodalösung 
im geringen Ueberschusse zugibt und die entstandene Fällung in der 
Flüssigkeit noch einige Zeit erwärmt, so nimmt das Produkt direkt 
krystallinisches Gefüge an. Die ausgewaschene und getrocknete Roh- 
base kann direkt aus Methylalkohol umkrystallisiert werden. 

Das Methylpikrakonitin krystallisiert aus Aether-Petroläther in 
farblosen, rechtwinkligen Täfelchen, die zu kugelförmigen Aggregaten 
vereinigt sind, aus Methylalkohol Wasser in derben, stark glänzenden 
Prismen. Löslich in Aether, Alkohol, Methylalkohol, Chloroform, 
Essigester und Benzol, nicht löslich in Petroläther und Wasser. Die 
Analyse ergab: 

Angew. Subst. 0,2308, gef. 0,5415 COg,, 0,1615 H30 = 63,99% C, 7,83% H. 

s = 0,2224, : „0,5224. , 0,1560 SE BE ERBE 

02110 „ 04960 „ 0154 „ =6411, „ 797,» 
b,] 


: ; 0,2754 0,5188 AgJ — 24,89% Methoxyl. 
- it DATE, 5 Ber 4 
Berechnet für C3 Hy, NOj:- 64,14% C, 7,67% H, 25,12% Methoxyl. 
ai „ CaHsNO,: 64,35, „ 7,37, „ 25,20, is 
» „ CaHsNOu: 62,00, „ 7,32, „ 25,04, A 


Salze des Methylpikrakonitins. 


Das salzsaure Salz wurde durch Neutralisation der freien Base 
mit Salzsäure erhalten. Aus der eingeengten Lösung krystallisierten 
bei längerem Stehen ziemlich derbe, glänzende, rechtwinklige Täfelchen 
des gesuchten Salzes aus. Es enthält drei Moleküle Krystallwasser, 
die es beim Liegen an der Luft nicht abgibt, beim Trocknen im Vakuum 
bei 100° aber leicht verliert. Schmelzpunkt des getrockneten Salzes 
bei 190° unscharf unter Zersetzung. Das Salz schmeckt, ebenso wie 
das Hydrobromid, außerordentlich bitter. 

Angew. Subst. 0,3038, gef. Verlust 0,0228 — 7,50% H30. 
L „ 0549 „ „ 07-78, % 
Angew. Subst. (getr.) 0,2717, gef. 0,0594 AgCl — 5,40% Cl. 
03251 „ 0070 „—54, „ 
0,2350 ,„ 0,5200 COs, 0,1630 H30 = 60,35% COs, 7,76% H. 


” n ) 


n n ” 


H. Sehulze: Akonitin und Akonin. 189 


Berechnet für Ca Hy, NOpHCI + 3aq: 7,63% Ha0. 
ö „ CaHsNOnHCIl +3 „ 765, „ 
Berechnet für CaH, NOnHCI: 60,57% C, 7,39% H, 5,2% Cl. 
- ” Ca H5; NO„HCI: 60,75 „ " 7,11 »» 5,43 n'n 


Das bromwasserstofisaure Salz wurde auf analoge Weise, wie 
das Hydrochlorid, erhalten. Aus Wasser kleine, derbe, rechtwinklige 
Täfelchen, die mit denen des salzsauren Salzes isomorph sind. Auch 
dieses Salz enthält drei Moleküle Krystallwasser, die es beim Stehen 
an der Luft nicht verliert, wohl aber in Vakuum bei 100° leicht ab- 
gibt. Schmelzpunkt des getrockneten Salzes bei 188—189° unscharf 
unter Zersetzung. 

Angew. Subst. 0,5127, gef. Verlust 0,0366 = 7,13% Ha0. 
P „ 05459 „ 4: "a0 708, >, 
Angew. Subst. (getr.) 0,4276, gef. 0,1159 AgBr = 11,53% Br. 


2 2» 02234 „ 0,4630 CO, 0,1436 H30 — 56,52% C, 7,19% H. 
j =» 03310 „ 0,5546 Ag] — 22,14% Methoxyl. 

3 DT RE - ARE an. 

: v2, 2 a OBEOE EL sihe 


Ber. für Cg Hr NO„HBr + 3ag: 7,18% H30. 
» » CsHsNOn,HBr +3 „ 720, „ 
» n CgHnNOWHBr: 56,71% C, 6,92% H, 11,45% Br, 22,21% Methoxyl. 
2 0. H„NOnHBr: 5687, „ 665, , 1149, , BMI... m 


Das Goldchloriddoppelsalz des Methylpikrakonitins, das durch 
Fällen der salzsauren Lösung der Base mit Goldchlorid erhalten wurde, 
ist ein hellgelbes amorphes Pulver, das in Wasser schwer, in Alkohol 
und Aceton leicht löslich ist, das aber aus diesen Lösungsmitteln nicht 
krystallisiert erhalten werden konnte. 

Das Platinchloriddoppelsalz ist in Wasser ziemlich leicht löslich, 
so daß man aus verdünnteren Lösungen der Base durch Platinchlorid 
überhaupt keinen Niederschlag erhält. 


Spaltung des Methylpikrakonitins. 


Die hydrolytische Spaltung des Methylpikrakonitins ist mit 
ziemlichen Schwierigkeiten verbunden. Nach mehreren vergeblichen 
Versuchen, bei denen der größte Teil des Ausgangsmaterials un- 
verändert zurückerhalten wurde, gelang es auf folgende Weise eine 
Spaltung der Base durchzuführen. 4g Methylpikrakonitin wurden mit 
‚wenig Wasser fein zerrieben, soviel Essigsäure zugegeben, daß eben 
Lösung eintrat, und mit 200 ccm Wasser in Porzellanbechern 20 Stunden 
im Dampftopf auf 6—7 Atmosphären Druck erhitzt. Nach dem Er- 


190 H. Schulze: Akonitin und Akonin, 


kalten wurde der Inhalt der Becher mit 40 ccm */, Salzsäure versetzt 
und auf ein mäßiges Volumen eingedampft. Der erkalteten Flüssigkeit 
entzog ich durch Ausschütteln mit Aether die Benzoesäure und ver- 
setzte den Rückstand nach dem Verjagen des gelösten Aethers noch 
warm mit Sodalösung. Es entstand ein geringer flockiger Niederschlag 
von unverändertem Methylpikrakonitin, das bei längerem Stehen auf 
dem Wasserbade krystallinische Form annahm. Hiervon wurde ab- 
filtriert, und das Filtrat nach dem Erkalten mit Aether durch- 
geschüttelt, um die letzten Anteile des Ausgangsmaterials zu entfernen. 
Die alkalische Lösung machte ich dann schwach sauer und dampfte 
fast zur Trockne ein. Der Rückstand wurde mit reinem geglühten 
Sande verrieben, die Mischung etwas angefeuchtet und mit trockener 
Sode vermischt, die bröcklige Masse im Vakuumexsikkator getrocknet 
und dann im Soxleth’schen Apparate mit Chloroform extrahiert. 
Nach dem Verdunsten des Chloroforms hinterblieb eine rötlich 
gefärbte firnisartige Masse, die sich fast vollständig mit alkalischer- 
Reaktion in Wasser löste. Die wässerige Lösung der Base wurde 
vorsichtig mit 1%iger Salzsäure schwach sauer gemacht, mit wenig 
Tierkohle behandelt und zum Sirup eingedampft. Es krystallisierten 
beim längeren Stehen derbe, glänzende, rhomboedrische Kryställchen 
aus, die bei 175° unter Aufschäumen schmolzen. Ausbeute 3 g 
krystallisiertes Salz. Die Analyse ergab das Vorliegen von Akonin- 
chlorhydrat. 


Argew. Subst. 0,5954, gef. Verlust 0,0366 — 6,14% H30. 


= „ (getrocknet) 0,2460, gef. 0,4340 AgJ = 23,31% Methoxyl. 
5 s 5 0,2918,. 0 BHRIT Zu h 
Berechnet für Cs Hy, NO,HCI + 2aq: 6,30% Hs. 
5 „ Cs5HsNO,HCI + 2aq: 6,32, 
E „ C35H;,ıN0,HCl: 6,62% Cl, 23,16% CH;O. 
5 „ C5HgNO,HCI: 664, „ 2325, 


Zur weiteren Identifizierung wurde der Rest des so erhaltenen 
Akoninchlorhydrates, von dem die Ausbeute im ganzen 3 g betragen 
hatte, in der üblichen Weise mit Acetylchlorid in das Tetraacetyl- 
akonin übergeführt, dessen Schmelzpunkt bei 231° gefunden wurde. 
Die Analyse bestätigte das Vorliegen dieses Körpers. 

Angew. Subst. 0,3294, gef. 0,4509 AgJ = 18,09% Methoxyl. 

Angew. Subst. 0,4262, verbraucht zur Titration der abgespaltenen Essig- 
säure 25,22 ccm "/jp KOH = 35,57 % Essigsäure. 


Es wird also auffallenderweise bei der Hydrolyse des Methyl- 
pikrakonitins nicht nur der Benzoylrest, sondern auch der an die Stelle 
des Acetylrestes getretene Methoxylrest abgespalten. 


BT 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 191 


Aethyipikrakonitin. 


Die Darstellung dieser Base geschah in ähnlicher Weise wie die 
des Methylpikrakonitins. Akonitin (4 g) erhitzte ich mit der zehn- 
fachen Menge absolütön Alkohols zwei Stunden im Rohr auf 120—130°, 
befreite nach dem Erkalten den schwach bräunlich gefärbten Röhren- 
inhalt bei mäßiger Wärme vom überschüssigen Alkohol und löste den 
bräunlichen, firnisartigen, nach Benzoesäureester riechenden Rückstand 
mit Hilfe von wenig Essigsäure in Wasser. 

Nach einigem Stehen wurde die etwas trübe Lösung filtriert und 
mit Sodalösung im geringen Ueberschusse versetzt. Der hierdurch 
entstandene Niederschlag wurde abgesogen, mit Wasser gewaschen und 
getrocknet. 

Das Aethylpikrakoritin ist nur schwierig in krystallisierter 
Form zu erhalten, es gelang dies jedoch auf folgende Weise. Die 
rohe Base wurde in wenig Salzsäure enthaltendem Wasser gelöst und 
mit wenig Tierkohle behandelt. Nach dem Filtrieren wurde die noch 
warme Lösung mit Soda gefällt, und der entstandene Niederschlag noch 
einige Zeit in der Flüssigkeit erwärmt. Hierbei ballte er sich zu- 
sammen und nahm ein krystallinisches Gefüge an. Der Niederschlag 
wurde dann gesammelt, ausgewaschen und auf Ton abgepreßt, die 
getrocknete Rohbase, die noch gelblich gefärbt war, in Aether gelöst 
und soviel Petroläther zugegeben, daß ein Teil der Base ausgefällt 
wurde. Der ausgefällte Anteil riß den größten Teil der färbenden 
Verunreinigungen mit, so daß der in Lösung verbleibende Rest nach 
dem Verdunsten des Lösungsmittels als farbloser Firnis zurückblieb. 
Dieser wurde in salzsäurehaltigem Wasser gelöst und abermals in der 
Wärme durch Sodalösung gefällt. Das so erhaltene krystallinische 
Produkt konnte nun aus Methylalkohol umkrystallisiert werden. 
Der Körper wurde so in derben, farblosen, stark glänzenden, flächen- 
reichen Kryställchen vom Schmelzpunkt 188° erhalten. Er ist leicht 
löslich in den gebräuchlichen organischen Lösungsmitteln, nicht löslich 
in Petroläther und Wasser. Die Analyse gab folgende Werte: 


Angew. Subst. 0,2030, gef. 0,4780 COs, 0,1412 H,0 = 64,22%, C, 7,96% H. 


: a, OR OR a Bee ea 
Berechnet für CH NOpo: 64,62% C, 1,82% H. 
n B) C4HaNOjo: 64,81 2») 7,52, n 


Einwirkung von Hydroperoxyd auf Akonin. 


Nach mehreren Versuchen, bei denen infolge von Anwendung 
höherer als Zimmertemperatur nur braungefärbte, nicht krystallisier- 
bare Produkte erhalten waren, verfuhr ich in folgender Weise. 


192 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


1 g Akonin wurde in 10 ccm Wasser gelöst, und 10 ccm einer 
30%igen Wasserstoffsuperoxydlösung zugegeben. Es trat sofort eine 
Gasentwicklung auf, die nach einer Woche ihr Ende noch nicht erreicht 
hatte. Die Flüssigkeit wurde dann bei Zimmertemperatur über Aetz- 
kalk verdunstet, da Trocknen, selbst bei nur mäßig erhöhter 
Temperatur, eine Braunfärbung und Verschmierung des Rückstandes 
bewirkt. Hierbei trocknete sie zu einem farblosen Firnis ein, der 
alkalische Reaktion zeigte, und der daher in wenig Wasser gelöst, mit 
Salzsäure im geringen Ueberschusse versetzt und abermals über Aetz- 
kalk eingeengt wurde. Es hinterblieb ein farbloser zäher Rückstand, 
der von undeutlichen Kryställchen durchsetzt war. Durch Abpressen 
auf Ton gelang es, eine geringe Menge eines weißen, undeutlich 
krystallinischen Salzes zu erhalten, das unscharf gegen 165° unter 
Dunkelfärbung schmolz. Dasselbe schied weder aus Jodkalium Jod 
aus, noch rief es in einem klaren Gemisch von schwefliger Säure und 
Chlorbaryumlöung eine Trübung hervor; demnach liegt sicher in dem 
Körper kein Oxyd vor. Ein Umkrystallisieren war wegen der geringen 
Menge des Salzes nicht möglich. 

Zur Prüfung, ob in dem Reaktionsprodukt überhaupt noch un- 
verändertes Akonin vorhanden sei, wurden die Tonplatten, die zum 
Abpressen des Körpers gedient hatten, mit Wasser ausgezogen, die 
wässerige Lösung über Kalk verdunstet, und der zurückgebliebene, 
zähe Rückstand dann noch im Vakuum über Schwefelsäure getrocknet. 
Die so erhaltene stark hygroskopische Masse wurde mit der geringen 
Menge des krystallinischen Produktes vereinigt und in der üblichen 
Weise mit Acetylchlorid behandelt. Bei der Aufarbeitung des 
Reaktionsproduktes wurden 0,2 g Tetraacetylakonin erhalten, das durch 
den Schmelzpunkt 231— 232° identifiziert wurde. Ein zusammen- 
krystallisiertes Gemisch von gleichen Teilen desselben mit notorisch 
reinem Tetraacetylakonin zeigte den gleichen Schmelzpunkt. 


Oxydation von Akonin mit Permanganat. 


Akonin verhält sich gegen Permanganat in schwefelsaurer Lösung 
sehr resistent. Als eine Lösung von 0,1 g Akonin in Wasser mit 
Schwefelsäure angesäuert und einige Tropfen */io KMnO, zugegeben 
wurden, nahm die Rotfärbung der Flüssigkeit erst nach 5 Minuten 
merklich ab, und erst nach 15 Minuten war sie fast verschwunden. 

Ganz anders verhält sich Akonin in alkalischer Lösung gegen 
Permanganat, wobei ich in folgender Weise verfuhr. Das aus 2 g 
Akoninchlorhydrat dargestellte Akoninsulfat wurde in Wasser gelöst 
und Barytwasser bis zur alkalischen Reaktion zugegeben. Das Filtrat 
versetzte ich allmählich mit 2%iger Baryumpermanganatlösung in 


ae 
Br F 
nz 


kleinen Portionen. Es fand momentan Abscheidung von Braunstein 
statt, gleichzeitig trat ein intensiver Geruch nach Acetaldehyd auf. 
Als eine längere Zeit beständige Rotfärbung der Flüssigkeit erreicht 
war, wurde von dem aus BaSO, und Mn Os bestehenden Niederschlage 
abfiltriert, der Rückstand zur Zersetzung des Braunsteins mit schwefliger 
Säure behandelt, und das einen dünnen Brei darstellende Gemisch mit 
einem Tropfen konzentrierter Schwefelsäure eingedampft, Aus dem 
hinterbleibenden Gemenge von Mangansulfat und Baryumsulfat ließ 
sich durch Extrahieren mit Aether eine geringe Menge von Oxalsäure 
isolieren, die durch Schmelzpunkt und Reaktion mit Chlorcalcium in 
essigsaurer Lösung identifiziert werden konnte. 

Aus dem Filtrate, das das Hauptreaktionsprodukt enthält, wurde 
das Baryum durch Schwefelsäure ausgefällt und eingedampft. Der 
Rückstand trocknete beim freiwilligen Verdunsten zu einer amorphen, 
gelblichen Masse ein, in der einige wenige nadelförmige Kryställchen 
eingebettet waren. Diese erwiesen sich als Kaliumsulfat, da das 
benutzte Baryumpermanganat nicht völlig frei von Alkali war. Da 
die Hauptmenge nicht zum Krystallisieren gebracht werden Konnte, 
wurde sie durch Umsetzung mit Chlorbaryum in das salzsaure Salz 
übergeführt. Da auch dieses nicht krystallisiert erhalten werden 
konnte, so wurde versucht, das Oxydationsprodukt, das noch Alkaloid- 
reaktionen gab, in Form des Acetylderivates rein darzustellen. Das 
salzsaure Salz wurde deshalb mit einem Ueberschusse von Acetyl- 
chlorid 24 Stunden im zugeschmolzenen Rohr stehen gelassen und dann 
in derselben Weise, wie beim Tetraacetylakonin, weiter verfahren. 
Beim freiwilligen Verdunsten der ätherischen Lösung des Reaktions- 
produktes hinterblieb ein schwach gelblich gefärbter Körper, der zu 
einer harten, spröden, glänzenden Masse eintrocknete. Trotz vieler 
Versuche gelang es nicht, den Körper in krystallisierter Form zu 
erhalten; auch das Goldsalz desselben krystallisiert nicht. 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 193 


Oxydation des Akonins mit Chromsäure. 


Nach einigen Vorversuchen gab eine Methode, die derjenigen, 
die Merling bei der Oxydation des Tropins benutzt hatte, nachgebildet 
war, zufriedenstellende Resultate. 2 g Akoninchlorhydrat wurden in 
das Sulfat verwandelt, dieses unter Zugabe von 1,5 g Schwefelsäure 
in 100 cem Wasser gelöst und 1 g Chromsäure hinzugegeben. Die 
anfangs schön rotgelbe Flüssigkeit färbte sich beim Stehen auf dem 
Wasserbade .allmählich grünlich, gleichzeitig trat ein, wenn auch 
schwacher, so doch unverkennbarer Geruch nach Acetaldehyd auf. 
Nach Verlauf einer Stunde war die Oxydation vollendet, und die 
Lösung im durchfallenden Lichte in diinner Schicht rein grün gefärbt. 

Arch. d. Pbarm. CCXXXXIV. Bds. 3. Heft. 13 


194 H. Schulze: Akonitin und Akonin. 


Es wurde dann stark verdünnt und das Chrom und die Schwefelsäure 
durch vorsichtigen Zusatz von Barytwasser vollständig ausgefällt. Der 
aus Baryumsulfat und Chromhydroxyd bestehende Niederschlag wurde 
abgesogen und mit heißem Wasser ausgewaschen. Das schwach 
alkalische, gelblich gefärbte Filtrat säuerte ich wieder, weil die 
alkalische Flüssigkeit sich beim Eindampfen zu stark färben würde, 
mit Schwefelsäure an und dampfte ein kleines Volumen ein. Nach 
dem Erkalten wurde die braungefärbte Lösung mit Aetzbaryt wieder 
alkalisch gemacht, wobei der charakteristische Geruch des Methylamins 


auftrat, der entstandene Niederschlag abgesogen, ausgewaschen, und 


das braungefärbte alkalische Filtrat fünfzehnmal mit reichlichen Mengen 
von Chloroform ausgeschüttelt. Die vereinigten und getrockneten 
Chloroformlösungen hinterließen beim Verdunsten eine braune, firnis- 
artige Masse, die in Wasser mit alkalischer Reaktion löslich ist. Die 
so erhaltene Masse, die ein Gemenge von mindestens zwei verschiedenen 
Basen enthält, wurde als Oxydationsprodukt I, der nicht in Chloroform 
übergehende Anteil, der noch in dem wässerigen Rückstande von der 
Ausschüttelung enthalten ist, als Oxydationsprodukt II bezeichnet. 

Die alkalische Lösung des Oxydationsproduktes I wurde mit 
Salzsäure neutralisiert, mit wenig Tierkohle behandelt und eingedampft. 
Beim Stehen krystallisierten aus dem braungefärbten Sirupe winzige 
Nädelchen aus, die in absolutem Alkohol schwer löslich sind. Die 
Masse wurde daher mit Alkohol, dem etwas Aether zugesetzt war, 
verrieben und das Ungelöste, das aus feinen, etwas bräunlich gefärbten 
Nädelchen bestand, abfiltriertt und mit Alkoholäther ausgewaschen, 
Oxydationsprodukt la. 

Der in Alkohol leichter lösliche Anteil des Oxydationsproduktes I, 
den ich als Oxydationsprodukt Ib bezeichnen möchte, stellt einen in 
Wasser sehr leicht löslichen, stark braun gefärbten Sirup dar, der 
Alkaloidreaktionen gibt; bei längerem Stehen scheiden sich auch aus 
ihm kleine derbe Kryställchen aus, jedoch gelang es bisher infolge der 
sehr leichten Löslichkeit dieses Salzes nicht, es in reiner Form dar- 
zustellen. Hoffentlich wird die weitergeführte Untersuchung Klarheit 
über die Natur dieses Körpers schaffen. 

Der Rückstand von der Ausschüttelung mit Chloroform 
(Oxydationsprodukt II) wurde mit Schwefelsäure vorsichtig schwach 
sauer gemacht, vom entstandenen Baryumsulfat abfiltriert und bei 
gelinder Wärme auf ein kleines Volumen eingedampft. Durch Aether 
und durch Chloroform läßt sich dem Rückstande, der noch Alkaloid- 
reaktionen gibt, nur sehr wenig entziehen. Durch Lösen in Alkohol 
und Zugabe von Aether gelang es auch dieses Produkt in zwei Teile 
zu zerlegen, von denen das erste, Oxydationsprodukt Ila, in diesem 


‘ang 
Ir 
eH 
>-i# 


Lösungsmittel nicht löslich, das zweite, Oxydationsprodukt IIb, dagegen 
löslich ist. 
Mit der Untersuchung dieser Produkte bin ich noch beschäftigt, 


H. Schulze: Akonitin und Akonin. 195 


Oxydationsprodukt la. 


Das in der im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen Weise 
gewonnene Oxydationsprodukt Ia, das in Form des salzsauren Salzes 
vorliegt, wurde in einer Menge von 5% des in Arbeit genommenen 
Akoninchlorhydrates gewonnen. Durch Lösen in der eben aus- 
reichenden Menge Wasser, Versetzen mit dem mehrfachen Volumen 
absoluten Alkohols und Schichten der klaren Mischung mit Aether 
gelang es, das Salz in feinen weißen Nädelchen vom Schmp. 213° zu 
erhalten. Nach dem Trocknen bei 100° im Vakuum schmilzt es gegen 
220° unter Aufschäumen. Das Salz ist leicht löslich in Wasser, 
schwer in absolutem Alkohol. Es enthält drei Moleküle Krystallwasser, 
die es bei 100° im Vakuum leicht abgibt. 

Angew. Subst. 0,4496, gef. Verlust 0,0454 = 10,03% Hs0. 
7 „05786, „ „ 0,0582 = 10,16, „ 
5 „05188, 05-0056 = 10, „ 
Berechnet für C4yH7 NOgHCI + 3aq: 9,69% HsO. 
n » C34 Ha; NO,HCI — 3 „" 9,73 »» 
Angew. Subst. (getr.) 0,2752, gef. 0,0788 Ag Ci — 7,08% C. 


h $ „ 02216, „ 0,064 „ =7,07, , 
S £ „ 0,1822, „ 0,3822 CO,, 0,1248 H,0 = 57,21%, C, 7,66% H 
r n „ 0,199, „ 04204 „,01328 „ =57,50, „, 7,45, „ 
Ä f „ 02100, „ 0,4430 „,0,1436 „ = 57,52, 2 765 m 


Die Methoxylbestimmung nach Zeisel ergab, daß in dem Körper 
nur noch drei Methoxylgruppen vorhanden sind. 
Angew. Subst. (getr.) 0,2548, gef. 0,3506 g AgJ = 18,18% Methoxyl. 


Nach der Methode von Herzig und H. Meyer ergab sich, daß, 
außer den drei Methoxylgruppen noch die am Stickstoff gebundene 
Methylgruppe des Akonins erhalten geblieben ist. 

Angew. Subst. 0,2304, gef. 0,3160 AgJ = 18,12% Methoxyl und gef. 
0,0616 AgJ = 1,71% an Stickstoff gebundenes Methyl. 

Wenn diese letztere Bestimmung auch nur nicht ganz zwei 
Drittel der berechneten Menge an Methylimid gab, so ist doch, 
wenigstens qualitativ, der sichere Nachweis einer Methylimidgruppe 
in diesem Oxydationsprodukte geliefert. 

Berechnet für C4Hg7NOgHC]: 57,17% C, 7,60% H, 7,04% Cl, 18,47% 
Methoxy), 2,98% N.-Methyl. 

Berechnet für C,H, NO,HC1: 57,40% C, 7,23% H, 7,06% Cl, 18,55% 
Methoxyl, 2,99% N.-CHz. 

13* 


196 C. Hübner: Schweelkohle. 


Der Körper bildet mit Goldchlorid ein leicht lösliches Doppelsalz. 
Die freie Base, die aus dem Chlorhydrat durch Alkali in Freiheit 
gesetzt und mit Chloroform ausgeschüttelt wurde, stellt einen farb- 
losen, in Wasser löslichen Firnis dar, der bisher nicht krystallisiert 
erhalten wurde. | 

Versuche, die Konstitution dieses Oxydationsproduktes näher zu 
erforschen, konnten wegen der schweren Zugänglichkeit des Körpers 
bisher noch nicht angestellt werden, nur das Verhalten gegen Per- 
manganat wurde geprüft. Hierzu wurde ca. 0,05 g des Körpers mit 
Silbersulfat in das schwefelsaure Salz verwandelt, das überschüssige 
Silber durch Schwefelwasserstoff entfernt, dieser dann völlig verjagt 
und nach Zusatz von einigen Tropfen Schwefelsäure auf einige Kubik- 
zentimeter eingedampft. Die so erhaltene Lösung zeigte gegen ver- 
dünnte Permanganatlösung energische Reduktionswirkung; demnach 
sind in der neuen Base Doppelbindungen im Sinne A. v. Baeyer’s 
anzunehmen. 


Die vorliegende Arbeit wurde in den Jahren 1904 und 1905 im 
pharmazeutisch-chemischen Institut der Univertität Marburg ausgeführt. 

Es ist mir eine angenehme Pflicht, dem Direktor desselben, Herrn 
Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. E. Schmidt, für die vielfache Anregung 
und Förderung, die er mir in dieser Zeit hat zuteil werden lassen, 
auch an dieser Stelle herzlichst zu danken. 


Aus dem chemischen Institut der Universität Halle. 
Mitgeteilt von OÖ. Doebner. 


Beiträge zur Kenntnis der Schweelkohle. 
Von Ourt Hübner. 
(Eingegangen den 10. IV. 1906.) 


Unter Schweelkohle!) versteht man eine erdige Braunkohle, die 
sich sehr wesentlich von einer anderen Art Braunkohle, der Feuerkohle, 
unterscheidet. Sie ist eine bitumenhaltige Kohle, die in Schweelereien 
trocken destilliert wird, und bildet so das Hauptausgangsmaterial für 
die jetzt hochentwickelte Mineralölindustrie. Was ihr Vorkommen 


1) Bei der Abfassung dieses Teiles der Arbeit dienten in der Hauptsache 
als Führer: Dr. W. Scheithauer, Die Fabrikation der Mineralöle u. s. w. 
und Max Vollert, Der Braunkohlenbergbau im Oberbergamtsbezirk Halle 
und in den angrenzenden Staaten. 


C. Hübner: Schweelkohle. 197 


anbetrifft, so wird bei weitem der größte Teil in der Provinz Sachsen 
gefördert, und zwar befinden sich die Hauptlagerungsstätten bei 
Halle a. S., Halberstadt und Aschersleben und vor allem in der Gegend 
zwischen Weißenfels und Zeitz und in der Umgebung der Mansfelder 
Seen bei Eisleben. Meist trifft man sie dort nur in geringen Tiefen 
an. Ueber die Entstehung der Schweelkohle sind verschiedene Hypo- 
thesen aufgestellt worden. Als die wichtigste und wohl auch die 
richtigste erscheint diejenige v. Fritsch’s!), welcher nach umfassenden 
Untersuchungen zu der Ansicht gekommen ist, daß die Schweelkohle 
das Produkt von Harzen der Nadelbäume und Laubgewächse sei, 
während die Feuerkohle ein Umwandlungsprodukt der eigentlichen 
Holzsubstanz der Bäume vorstelle. Der Behauptung einiger Forscher, 
daß die Schweelkohle an der Stelle, wo sie gefunden wird, auch ge- 
bildet sei, tritt v. Fritsch?) mit der Begründung entgegen, daß 
Braunkohle und Schweelkohle nie zusammen auftreten, was nach obiger 
Annahme doch der Fall sein müßte. Man muß vielmehr annehmen, 
daß die harzigen Ausgangsprodukte der Schweelkohle erst durch das 
Wasser dorthin zusammengeschwemmt sind, wo sie jetzt gefördert wird. 

Die Schweelkohle bildet in grubenfeuchtem Zustande eine mehr 
oder minder plastische, teilweise auch schmierige und sich fettig an- 
tühlende Masse. Die Menge der durch Destillation aus ihr entstehenden 
Kohlenwasserstoffe, welche sie allein zu Schweelereizwecken tauglich 
macht, ist eine äußerst wechselnde, und werden durch Abnahme der- 
selben mehr oder weniger scharfe Uebergänge zur Feuerkohle gebildet. 
Das spezifische Gewicht der Schweelkohle ist ungefähr 1,0, die besseren 
Sorten haben ein solches von 0,9. Die beste Schweelkohle, deren 
spezifisches Gewicht noch unter 0,9 liegt, bezeichnet man als Pyropyssit. 
Zu bemerken ist jedoch, daß von anderen Forschern für den Pyropyssit 
auch höhere Zahlen des spezifischen Gewichtes gefunden worden sind; 
so von Grotowsky?) 1,004, von Bischof*) 1,25, von Wackenroder’°) 
und von E. Riebeck®) 1,112; dazu mögen das mehr oder weniger 
verschiedene Material und die verschiedenen Bestimmungsmethoden 
der Anlaß gewesen sein. Der Pyropyssit wurde früher in der Gegend 
von Granschütz und Gerstewitz in größeren Mengen gewonnen, ist aber 


1) Ueber die Entstehung der Braunkohle, bes. der Schweelkohle, Ver- 
handlungen des IV. allgemeinen Bergmanntages zu Halle a. S. 1889. 

2) M. Vollert, Der Braunkohlenbergbau im Oberbergamtsbezirk 
Halle a. S. und in den angrenzenden Staaten, S. 6. 

8) Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen 24, 354. 

4) Bischof, Lehrbuch der phys. und chem. Geologie. 

5) Archiv der Pharm. (2) 60, 14. 

6) Inaugural-Dissertation, Freiburg i. Br. 1880. 


24 Er  B 


198 C. Hübner: Schweelkohle. E 


jetzt so gut wie abgebaut. Im trockenen Zustande hat die Schweel- 
kohle je nach ihrer Reinheit, gelbe bis weißliche Farbe und zeigt 
erdigen Bruch und matten Glanz. Sie schmilzt bei 150—200°, eine 
Eigenschaft, wodurch sie sich sehr von der Feuerkohle unterscheidet, 
die beim Erhitzen an der Luft, ohne vorher zu schmelzen, brennt. 
Ein ferneres Unterscheidungsmerkmal zwischen Schweelkohle und 
Feuerkohle ist, daß beim Behandeln der Feuerkohle mit konzentrierter 
Salpetersäure Pflanzenteile abgeschieden werden, während dies bei der 
Schweelkohle nicht der Fall ist. 


Um die Zusammensetzung der Schweelkohle resp. des Pyropyssits zu 
ergründen, sind mehrfache Forschungen neo worden; Scheithauer!) 
schreibt darüber: 

„Die ersten Untersuchungen über die Bestandteile des Pyropyssits sind 
von Wackenroder?) und später im Jahre 1852 von. Brückner?®) aus- 
geführt; sie haben durch nach einander folgende Extraktionen mit Aether 
und Alkohol und sich daran anschließende Destillationen eine ganze Reihe 
von Wachs- oder Harzprodukten gefunden, die sie als eigene isolierte Körper 
angesehen und ihnen besonlere Namen und Formeln beigelegt haben. So 
unterscheidet Brückner Leukepetrin mit der Formel C,H,50,; und ferner 
noch fünf andere hochmolekulare Verbindungen; darauf weiter einzugehen 
halten wir für unnötig, da spätere Forscher, wie Schwartz und E. Riebeck, 
festgestellt haben, daß der Pyropyssit aus einem Gemenge von verschiedenen 
Substanzen besteht, aus denen einzelne zu isolieren sehr schwer ist. 
Schwartz) stellte eine Säure, Oxycerotinsäure CH;,0,, daraus dar, 
während es Riebeck®) nicht möglich war, trotz sorgfältiger Untersuchung 
das Resultat von Schwartz zu bestätigen und einen einheitlichen Körper 
zu erhalten. Beide haben den Pyropyssit analysiert und fanden: 


Schwartz E. Riebeck 


Hygroskopisches Wasser . . . . 20,86 4,4 

Organische Substanz . . . . . 68,26 83,97 

Asche“ 2 + ‚mente Mr 11,63 
Auf wasserfreie Substanz berechnet: 

Organische Substanz . . . ... . 86,2 87,8 

NT 121 


Daraus geht zweifellos hervor, daß beide dasselbe Material in den 
Händen gehabt haben, und daß es Schwartz nur vor der Analyse nicht so 
scharf als E. Riebeck getrocknet hatte. 


!) Scheithauer, Die Fabrikation der Mineralöle u. s. W. 

2) Arch. d. Pharm. (2), 60, 14. 

8) Journ. f. prakt. Chem. 57, 1. 

4) Dingl. polyt. Journ. 232, 465476, 

5) Inaugural-Dissertation, Freiburg i. Br. 1880. Beiträge zur Kenntnis 
des Pyropyssits. E 


C. Hübner: Schweelkohle, 199 


Die Elementaranalyse ergab nach: 
Grotowsky!) Teuchert?) E. Riebeck Karsten®) Brückner Schwartz 


C.... 66,24 61,72 63,60 68,92 79,24 74,19 
H... 1055 9,54 10,76 10,30 13,13 11,46 
ee GUE 1,14 = — —_ u 
0... 13,34 8,87 13,54 20,78 7,31 14,35 
Asche 9,86 18,73 12,10 -- _ u 


Durch Digestion des Pyropyssits mit ätzenden Alkalien entsteht eine 
tiefbraune Lösung, aus der durch Salzsäure ein schwarzer Körper ausfällt, 
der von Wackenroder Huminsäure genannt wurde, und von dem er 22,56% 
und E. Riebeck 29,32% fand. Die Huminsubstanz der Braunkohle besteht 
aus 62,3—66,5% Kohlenstoff und 3,7—4,6% Wasserstofft). 

Durch Extraktion des Pyropyssits mit Aether, Ligroin oder Alkohol 
erhält man wachsartige Körper, die man wohl als Harzsäuren anzusehen hat. 
Nach E. Riebeck ist er ein Gemenge verschiedener Oxydationsprodukte oder 
besser gesagt, ein Gemenge verschieden weit gediehener Oxydationen, die 
entweder von einem oder wahrscheinlicher von mehreren Kohlenwasserstoffen 
derivieren. Schweelt man den durch Extraktion mit Ligroin erhaltenen 
Körper, so gewinnt man einen Teer, der etwa 19% Paraffin von 520 Schmelz- 
punkt enthält>).“ 

Aus diesen Ausführungen ist zu ersehen, daß, trotz verschiedener 
Forschungen, die Ansichten über die eigentliche Zusammensetzung der Schweel- 
kohle ziemlich stark auseinandergehen. Das eine steht jedenfalls fest, daß 
es nicht leicht ist, aus dem Gemenge der verschiedenen Bestandteile einzelne 
zu isolieren und genau zu charakterisieren. Durch meine Untersuchungen, 
welche ich später ausführlicher beschreiben werde, glaube ich immerhin einige 
Berechtigung zu der Annahme zu haben, daß nicht, wie E. Riebeck meint, 
in den Bestandteilen der Schweelkohle ein Gemenge verschiedener Oxydations- 
produkte eines oder mehrerer Kohlenwasserstoffe zu sehen ist, sondern daß 
man es hier in der Hauptsache mit einer Reihe in ihren Eigenschaften sehr 
ähnlicher, möglicherweise ketonartiger Körper zu tun hat, deren Ursprung 
wahrscheinlich in den Fetten resp. Fettsäuren der Laub- und Nadelbäume, 
aus denen, unserer Annahme nach, die Schweelkohle entstanden ist, zu 


suchen ist. 
Experimenteller Teil. 


Um einen Einblick in die Bestandteile der Schweelkohle zu 
gewinnen, wurden folgende, aus Schweelkohle hergestellte Produkte) 
einer näheren Untersuchung unterzogen: 


1) Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen 24, 356. 

2) Boltze, Zeitschrift für die gesamte Naturwissenschaft 1877, 1. 

8) Zincken, Die geologischen Horizonte der fossilen Kohlen, S. 107. 

4) M. Conrad und M. Gutzeit, Berl. Ber. 1886, S. 2844. 

5) Scheithauer, Jahresbericht des Techniker-Vereins der sächs.-thür. 
Mineralöl-Industrie 1889, S. 11. 

Es sei mir gestattet, Herr Dr. Krey, Direktor der Fabrik Webau 
der A. Riebeck’schen Montanwerke, weicher mir diese in Webau her- 
gestellten Produkte in ausgiebigstem Maße zur Verfügung stellte, an dieser 
Stelle bestens dafür zu danken. 


200 C. Hübner: Schweelkohle, 


I. In Benzol löslicher Teil der Schweelkohle. 
II. In Benzol unlöslicher Teil der Schweelkohle. 
III. In Aether löslicher Teil einer zuvor mit Benzol erschöpften 
Schweelkohle. 


I. In Benzol löslicher Teil der Schweelkohle. 


A. Destillation desselben. 


Zunächst wurde der Benzolextrakt einer weniger reinen Schweel- 
kohle untersucht. Dieser bildet eine schwarze, in trockenem Zustande 
spröde Masse und erwies sich als unlöslich in Natronlauge, Natrium- 
karbonat und Salzsäure, während er sich in Aether teilweise löste. 

Es lag die Vermutung vor, man könne auf dem Wege der frak- 
tionierten Destillation unter vermindertem Druck einige Körper aus 
diesem Benzolextrakt isolieren und von diesen aus einen Rückschluß 
auf die eigentliche Zusammensetzung der Schweelkohle selbst ziehen. 
Im nachstehenden wird gezeigt werden, daß dieser Versuch als wiß- 
lungen betrachtet werden muß. 

In einer geräumigen Retorte mit aufgesetztem Thermometer wurde 
der obige Benzolextrakt der fraktionierten Destillation zunächst bei ge- 
wöhnlichem Druck unterworfen. Es wurden zwei Fraktionen gesammelt: 

a) bis 300° eine flüssige Fraktion von dunkelbrauner Farbe und 
stechendem Geruch; 

b) über 300° eine zunächst gelbe, später dunklere, zum Erstarren 
neigende Fraktion von stechendem Geruch. Diese letztere Fraktion 
war in Benzol, Schwefelkohlenstoff, Chloroform und. Aether in der 
Kälte vollständig, in Eisessig und Aceton zum Teil in der Kälte löslich; 
in kaltem Alkohol löste sie sich so gut wie gar nicht, während sie in 
warmem Alkohol vollständig löslich war. 

Diese beiden Fraktionen wurden nunmehr unter vermindertem 
Druck destilliert und lieferten dabei folgende acht neuen Fraktionen: 


Fraktion | Siedepunkte Druck Farbe Aggregat-Zustand 
1 20—1000 | 50—15 mm | hellgrün flüssig 
2 100—1300 | 15—12 „ grün e 
3 130—150° | 12—10 „ | dunkelgrün n 
B 150-1750 | 10—8 „ braun 3 
(Abscheidung y. Krystallen) 
5 175—2200 | 10—8 „ R fest 
6 220—2400 | 10—8 „ n „24 
7 240—260° | 10— 8 „ 4 N 
8 260—2800' | 10-8 „ h 


D) 


GC. Hübner: Schweelkohle. 201 


Wie aus dieser Tabelle ersichtlich, geht die Farbe der einzelnen 
Fraktionen mit steigendem Siedepunkt von Hellgrün zu Braun über; 
die bis 150° bei ca. 10 mm Druck siedenden Bestandteile sind noch ganz 
flüssig, während in der Fraktion 150—175° sich bereits krystallinische 
Körper bemerkbar machen; oberhalb von 175° sind die Destillations- 
produkte sämtlich fest. 

Es war interessant, festzustellen, ob die erhaltenen Fraktionen 
schwefel- oder stickstoffhaltig seien. Zu diesem Zwecke wurden die 
einzelnen Fraktionen mit metallischem Natrium geschmolzen und in 
diesen Schmelzen auf Schwefel und Stickstoff in bekannter Weise geprüft. 

Dabei ergaben sich folgende Resultate: 


Fraktion Siedepunkt Schwefel Stickstoff 


20—100° S wor 
100—130° _ _ 
130—1500 — 
150—1750 
175—2200 
220— 2400 
240— 260° 
260—280 0 


Diese Tabelle zeigt, daß Stickstoff sich in keiner der acht 
Fraktionen nachweisen ließ, während es gelang, Schwefel in den von 
20—100° und von 175—280° siedenden Anteilen festzustellen. Die 
Fraktionen von 100—175° waren schwefelfrei. 

Von weiteren Untersuchungen dieser einzelnen Fraktionen wurde 
nunmehr abgesehen, da anzunehmen war, daß der beigemengte Schwefel 
stets störend wirken würde. Es wurde vielmehr zu den weiteren Ver- 
suchen ein Benzolextrakt einer sehr reinen Schweelkohle herangezogen. 
Auch dieser bildete eine schwarze, spröde Masse, welche etwas löslich 
in Aether, aber unlöslich in Natriumkarbonat, Natronlauge und Salz- 
säure war. 


n[nC m wm" | 
nunmnı | 
| 


Destillation des Benzolextraktes einer sehr reinen 
Schweelkohle. 


250 g dieses Benzolextraktes wurden bei gewöhnlichem Druck 
aus einer Retorte destilliert und lieferten dabei 175 g Destillat, welches 
zum Teil flüssig war, während es zum Teil zum Erstarren neigte. Es 
war von gelber Farbe und unterschied sich demnach schon dadurch 
von dem Destillationsprodukt des Benzolextraktes einer weniger reinen 
Schweelkohle, welches dunkelbraune Farbe hatte, Zur Entfernung des 


202 G. Hübner: Schweelkohle. 


beigemengten Wassers wurde das Destillat in Aether aufgenommen 
und die ätherische Lösung längere Zeit über Chlorcaleium getrocknet. 
Es sei erwähnt,- daß sich hierbei ein in weißen Blättchen krystalli- 
sierender Körper ausschied, der jedoch, nur in geringen Mengen ge- 
bildet, sich aus der ätherischen Lösung nicht isolieren ließ. Nachdem 
der Aether abdestilliert war, wurde das nunmehr von Wasser befreite 
Destillat der fraktionierten Destillation im Vakuum unterworfen. 
Zunächst wurden folgende sechs Fraktionen gesammelt: 


Fraktion Siedepunkt | Druck Aggregat-Zustand 
1 30—1100 58—38 mm flüssig 
2 110—1500 38 mm « 
3 150—1750 sg”, R 
4 175—1839 33 ; 5 
5 183—1950 2 „ flüssig, teils fest 
6 195 — 2200 20 „ fest 


Ehe diese Fraktionen weiter fraktioniert wurden, wurden sie auf 
etwa vorhandene Phenole und Säuren geprüft, und zwar geschah diese 
Untersuchung in der folgenden Weise: 

Eine geringe Menge der zu prüfenden Fraktion wurde im 
Scheidetrichter mit verdünnter Natronlauge versetzt und längere Zeit 
gut durchgeschüttelt, wobei etwa vorhandene Säuren oder Phenole 
sich in der Natronlauge lösen mußten. Darauf wurde Aether zugesetzt 
und nochmals geschüttelt. Hierbei gehen nur die vorhandenen Kohlen- 
wasserstoffe in den Aether, während etwaige Phenole und Säuren in 
der Natronlauge gelöst bleiben. Wird nun die Natronlauge aus dem 
Scheidetrichter abgelassen, so müssen, wenn man dieselbe mit ver- 
dünnter Salzsäure bis zur sauren Reaktion versetzt, die vorhandenen 
Säuren und Phenole ausfallen. Es gaben, auf diese Weise behandelt, 


Fraktion 1 mit Salzsäure keine Fällung 


er ; Fällung 

” 3 n n BD) 

» a » ” ” 

in Bi n Trübung 

53% 6 " schwache Trübung. 


Während demnach in den Fraktionen 2—4 Phenole oder Säuren 
mit Bestimmtheit sich nachweisen ließen, waren in Fraktion 1 gar 
keine und in Fraktion 5 und 6 nur geringe Spuren vorhanden. Es 
wurden nunmehr die fünf ersten Fraktionen systematisch im Vakuum 
weiter fraktioniert. 


C. Hübner: Schweelkohle. 203 


Im folgenden seien von den dadurch erhaltenen Fraktionen die- 
jenigen zusammengestellt, welche einigermaßen genaue Siedepunkte 
aufweisen: Aggregat-Zustand 


A. 115-1200 bei 33 mm Druck flüssig 
B. 120-1250 „ 40 „ # y 
C. 125—1300 „ 37 „ 4 % 
D. 180-1350 „ 36 5 y n 
E. 140-1450 „ 40-39 mm Druck „ 
F. 145—1500 „ 39-37 „ ’ 
G. 150—1550 „ 37 mm Druck r 
H. 130-1350 „ 12 „ = - 
L 155-1650 „ 12 „ N > 
K. 160-1650 „ 12 „ > “ 
L. 190-2000 121), 4 fest. 


Wie oben bereits bemerkt, war Fraktion 6, 195—220° bei 
20 mm Druck, nicht weiter im Vakuum fraktioniert worden; da 
Alkohol als das geeignetste Krystallisationsmittel sich erwies, wurde 
sie sofort aus Alkohol umkrystallisiert. Sie krystallisierte daraus in 
feinen, weißen Nädelchen, die nach mehrmaligem Umkrystallisieren den 
konstanten Schmelzpunkt 52—53° zeigten. 

Die Elementaranalyse dieses Körpers gab folgende Resultate: 

1. 0,1330 g Substanz gaben 0,4142 g COs und 0,1794 g Ha0. 


2. 0,1340 „ 5 DEPDANTD or rar ABLE ia. 
Gefunden: 
1 2 


C 8493 8491 
H 15,12 15,17. 

War aus diesen Zahlen schon zu ersehen, daß der Körper ein 
Kohlenwasserstoff von der allgemeinen Formel CnaHz»n-+2, also ein 
Paraffin sei, so wurden noch zur Feststellung der Molekularformel 
dieses Körpers zwei Molekulargewichtsbestimmungen ausgeführt und 
zwar mittels der Methode der Gefrierpunktserniedrigung in Benzol. 

Es wurden als Molekulargewicht die Werte 296,2 und 301,3 
gefunden. 

Nimmt man von den bei diesen beiden Molekulargewichts- 
bestimmungen erhaltenen Werten das Mittel, so findet man das 
Molekulargewicht des Kohlenwasserstoffes 

M = 301,3. 

Dieses Resultat würde einigermaßen auf die Formel Css His 

stimmen, welcher das Molekulargewicht M = 310 entspricht. 


Berechnet für Gefunden: 
Caa His: R. = 2. 
C 85,16 841,93 84,91 


H 14,84 15,12 15,17. 


204 G. Hübner: Schweelkohle. 


Ein Kohlenwasserstoff von solcher Zusammensetzung ist das 
Docosan. Krafft!) hat dieses aus einem Keton Cg3 H40, welches er 
durch Erhitzen von palmitinsaurem und heptylsaurem Baryum erhielt, 
synthetisch durch Behandeln mit Phosphorpentachlorid und einer 
Mischung von Jodwasserstoffsäure und Phosphor dargestellt. Der 
Siedepunkt des so gewonnenen Paraffins Cag Hys liegt bei 224,5° bei 
15 mm Druck, sein Schmelzpunkt bei 44,4%. Den gleichen Schmelz- 
punkt hat der von Krafft?) durch fraktionierte Vakuumdestillation 
von Rohparaffin erhaltene Kohlenwasserstoff CagHss. Das hier durch 
Vakuumdestillation des Benzolextraktes einer sehr reinen Schweelkohle 
isolierte Paraffin zeigt jedoch, wie oben bereits angegeben, den Schmelz- 
punkt 53°. Demnach ist anzunehmen, daß man hier einen dem Docosan 
isomeren Kohlenwasserstoff vor sich hat. Eine nähere Untersuchung 
mußte aus Mangel an Material unterbleiben. 

Von den flüssigen Destillationsprodukten des Benzolextraktes 
einer sehr reinen Schweelkohle, die nach Prüfung ihrer Natrium- 
schmelzen sich übrigens sämtlich als schwefel- und stickstofffrei er- 
wiesen, im scharfen Gegensatz zu den Destillationsprodukten des 
Benzolextraktes einer weniger reinen Schweelkohle, wurde nunmehr 
Fraktion H, deren Siedepunkt bei 12 mm Druck bei 130—135° lag, 
der Elementaranalyse unterworfen: 


1. 0,1452 g Substanz gaben 0,4522 g COg und 0,1748 g Hs. 


2. 0,1063 „ = „. 0,3282. 5 Jergiiais Re 
Gefunden: 
ie 2: 


C 831,93 84,20 
H 1349 13,86. 


Aus den Resultaten dieser Analysen war zu ersehen, daß die 
analysierte Fraktion außer Kohlenstoff und Wasserstoff noch Sauer- 
stoff enthielt; zur Entfernung der in Spuren beigemengten sauerstoff- 
haltigen, wahrscheinlich phenolartigen Körper, wurde die Fraktion H 
im Scheidetrichter längere Zeit mit verdünnter Kalilauge geschüttelt. 
Darauf wurde Aether zugesetzt und nochmals geschüttelt, wobei die 
Kohlenwasserstoffe in den Aether gingen, während die sauerstoff- 
haltigen Körper in der verdünnten Kalilauge gelöst blieben. Diese 
Operation wurde mit stets neuer Kalilauge so lange fortgesetzt, bis 
eine Probe der dem Schütteltrichter entnommenen Kalilauge auf 
Zusatz von verdünnter Salzsäure sich nicht mehr trübte. Danach 
wurden die beiden Schichten getrennt und die ätherische über 


1) Ber. dtsch. chem. Ges. 15, 1711. 
2) Berl. Ber. 1888, S. 2256. 


C. Hübner: Schweelkohle, 205 


geschmolzenem Chlorcaleium getrocknet. Nach dem Trocknen wurde 
der Aether abdestilliert und der Rückstand — eine gelbe Flüssigkeit 
von eigentümlichem Geruch — nunmehr nochmals im Vakuum destilliert. 
Die Hauptmenge des Destillates ging bei 26 mm Druck bei 130— 150° 
über, ohne daß auch nur einen Augenblick ein Stillstand des T'hermo- 
meters hätte beobachtet werden können. Von einer weiteren Analyse 
dieser Fraktion wurde abgesehen, da man es auch hier anscheinend 
mit einer Mischung mehrerer Kohlenwasserstoffe zu tun hatte. 

. Veberhaupt wurde nunmehr Abstand genommen von dem Versuch, 
aus den Destillationsprodukten des Benzolextraktes einer reinen 
Schweelkohle Aufschluß zu erhalten über die Zusammensetzung der 
Schweelkohle selbst. Feststellen ließ sich auf Grund der ausgeführten 
Untersuchungen nur, daß bei der Destillation des Benzolextraktes 
einer reinen Schweelkohle in großer Menge Kohlenwasserstoffe von 
der allgemeinen Formel Cn H:n +2 gebildet werden. 

Ohne Zweifel befinden sich jedoch auch sauerstoffhaltige Körper 
unter den Destillationsprodukten dieses Extraktes. 


B. Behandlung des Benzolextraktes mit Lösungsmitteln. 


Wie bereits oben mitgeteilt, hatte es sich bei einem dies- 
bezüglichen Versuche gezeigt, daß der Benzolextrakt zum Teil löslich 
in Aether war. Auf diese Erfahrung stützen sich in der Hauptsache 
die nunmehr mit dem Benzolextrakt angestellten Untersuchungen. 

100 g des Benzolextraktes einer sehr reinen Schweelkohle 
wurden in einem Soxhlet’schen Extraktionsapparat mit Aether voll- 
ständig erschöpft, was ungefähr S—10 Stunden in Anspruch nahm. 
Dabei ergab sich, daß der Aether ca. 50 g des Benzolextraktes auf- 
genommen hatte. 


a) In Aether lösliche Anteile des Benzolextraktes. 


Der nach dem Abdestillieren des Aethers zurückbleibende 
Extrakt bildete eine schwarze, zähe Masse. Er erwies sich als leicht 
löslich in Benzol, Aceton und Essigester, während er sich in Petrol- 
äther nur wenig löste. In Weingeist war er in der Kälte etwas, in 
der Wärme mehr löslich. Dieses Lösungsmittel schien nach den an- 
gestellten Versuchen das beste Krystallisationsmittel zu sein, denn es 
wurde bei einer geringen Menge des Extraktes festgestellt, daß derselbe, 
aus Weingeist umkrystallisiert, sich als ziemlich hellbrauner Körper 
ausschied, der unter dem Mikroskop betrachtet, in feinen Nädelchen 
krystallisierte. 

So wurde denn der gesamte, in Aether lösliche Teil des Benzol- 
extraktes in einem geräumigen Kolben mehrmals hintereinander mit 


206 C. Hübner: Schweelkohle. 


einer genügenden Menge Weingeist auf dem Wasserbade erwärmt und 
die jedesmal erhaltene Lösung heiß filtriert. Beim Erkalten der 
Lösungen schied sich ein hellbrauner Körper aus, welcher abgesaugt 
und noch etwas mit Weingeist ausgewaschen wurde. Er wurde 
nunmehr noch verschiedene Male aus heißem Weingeist umkrystallisiert, 
bis sein Schmelzpunkt sich nicht mehr änderte. Derselbe lag jetzt 
konstant bei 77—78,5°. Der Körper krystallisierte in fast weißen, 
mikroskopisch feinen Nädelchen, die, unter dem Mikroskop betrachtet, 
einen durchaus einheitlichen Eindruck machten. 

Eine Prüfung der Natriumschmelze dieses Körpers auf Schwefel 
und Stickstoff ergab, daß er frei von diesen beiden Elementen war. 

Zur gänzlichen Verjagung des Weingeistes, aus dem der Körper 
umkrystallisiertt war, wurde er bei ca. 105° einige Zeitlang ge- 
schmolzen und darauf analysiert. Beifolgend die Resultate der Analysen: 

1. 0,1233 g Substanz gaben 0,3640 g CO; und 0,1501 g H;0. 


2. 0,1562 „ r »:.20,4580 „51, noch EA 
Berechnet für Gefunden: 
Cs HB30: 1. 2. 
C 80,00 80,18 79,98 
u 135 13,59 13,34 
0 6,67 E= _ 


Die Analyse führte, wie ersichtlich, zu der Formel Cs H30. 
Es wurde nunmehr versucht, den Körper etwas näher zu 
charakterisieren, und seien diese Versuche im folgenden wiedergegeben. 


Einwirkung von Brom auf den Körper 0,H%0. 


Eine geringe Menge dieses Körpers wurde in einem Reagensglas 
in wenig Chloroform gelöst und zu dieser Lösung mehrere Tropfen 
einer Lösung von wenig Brom in Chloroform gegeben. Die rote 
Farbe der Bromlösung veränderte sich nicht, ein Zeichen dafür, daß 
der Körper Cs Hss0 kein Brom addierte. Durch diesen Versuch 
wurde festgestellt, daß er der Reihe der gesättigten Verbindungen an- 
gehört. 

Es lag zunächst die Möglichkeit vor, daß der obige Körper ein 
Alkohol wäre. Wenn dies in der Tat der Fall gewesen wäre, so 
hätte er mit Benzoylchlorid eine Benzoylverbindung liefern und bei 
der Oxydation mit Chromsäure zu einer Säure oxydiert werden müssen. 
Beide Versuche ergaben negative Resultate, wie aus dem nachstehenden 
zu ersehen ist. 


Einwirkung von Benzoylchlorid. 


5 g der Substanz wurden in einem kleinen Kölbcehen mit über- 
schüssigem Benzoylchlorid ca. 3 Stunden lang im Oelbade auf etwa 


TEE 


0. Hübner: Schweelkohle. 207 


105° erhitzt. Das gebildete Produkt wurde darauf in Wasser ge- 
gossen, an der Saugpumpe abgesaugt, auf einem Tonteller getrocknet 
und fein zerrieben. Danach wurde es zur Entfernung des über- 
schüssigen Benzoylchlorids im Scheidetrichter hinlänglich mit Natrium- 
karbonatlösung ausgeschüttell. Nochmals abgesaugt und gut mit 
destilliertem Wasser ausgewaschen, wurde es nunmehr aus absolutem 
Alkohol so lange umkrystallisiert, bis der Schmelzpunkt ein konstanter 
war. Derselbe lag bei 64—65°. Der Körper destillierte, ohne einen 
Rückstand zu hinterlassen. Die Elementaranalyse lieferte folgendes 
Resultat: 
0,1273 g Substanz gaben 0,3748 g COg und 0,1482 g H30. 

Gefunden: 

C 80,29 

H 13,05. 

Hieraus war zu ersehen, daß die bei der Analyse des vermeint- 
lichen Benzoylierungsproduktes gefundenen Werte durchaus mit denen 
der Analyse des Ausgangsproduktes übereinstimmten. Es konnte also 
keine Benzoylierung stattgefunden haben. Schien hiernach die 
Annahme schon berechtigt, daß der Körper Ce H33,0 kein Alkohol 
sei, so wurde dieselbe noch bestärkt durch das vollkommen negative 
Resultat, welches die Oxydation des Körpers mit Chromsäure lieferte. 


Oxydationsversuch. 


5 g der Substanz wurden in einem Kölbchen in heißem Eisessig 
gelöst und zu dieser Lösung allmählich eine ebenfalls heiße Lösung 
von Chromsäure in Eisessig hinzugesetzt. Es fand eine lebhafte Oxy- 
dation statt. War genügend Chromsäurelösung hinzugesetzt worden, 
so wurde diese Mischung nunmehr zur Vollendung der Operation 
ca. eine halbe Stunde am Rückflußkühler gekocht. Nachdem sodann 
bei absteigendem Kühler ein großer Teil des Eisessigs abdestilliert 
war, wurde der Rest mit Natronlauge abgestumpft. Darauf wurde 
die Flüssigkeit mit Ammoniak alkalisch gemacht, einige Zeit gekocht 
und das ausgeschiedene Chromihydroxyd abfiltriert. Zur Entfernung 
der noch vorhandenen Chromsäure wurde das Filtrat jetzt mit ver- 
dünnter Schwefelsäure angesäuert und mit Alkohol gekocht, bis die 
Flüssigkeit eine grüne Farbe angenommen hatte, ein Zeichen dafür, 
daß die Reduktion der Chromsäure vollendet war. Nun wurde noch- 
mals mit Ammoniak versetzt bis zur alkalischen Reaktion, aufgekocht 
und das ausgefällte Chromihydroxyd abfiltrier. Das ammoniakalische 
Filtrat wurde darauf mit verdünnter Salzsäure angesäuert, um die 
etwa gebildete Säure auszufällen. Es gab jedoch keinen Niederschlag, 
auch beim Schütteln der Flüssigkeit mit Aether wurde von diesem 


208 C. Hübner: Schweelkohle. 


nichts aufgenommen. Der Körper Cs Hz50 wurde demnach durch die 
Oxydation mit Chromsäure nicht in eine Säure übergeführt, vielmehr 
wahrscheinlich in Kohlensäure und Wasser zersetzt. 

Die Oxydation der Substanz mit konzentrierter Salpetersäure 
führte ebenfalls zu keinem greifbaren Resultate. Folgte aus diesen 
Versuchen, daß der Körper kein Alkohol sein konnte, so ergab sich 
aus seiner absoluten Unlöslichkeit in Alkalien mit Bestimmtheit, daß 
in ihm keine Säure vorlag. 

Danach wurde die Frage aufgeworfen, ob man ihn vielleicht als 
den Ester einer Säure anzusehen hätte. Um dies festzustellen, wurde 
versucht, den Körper unter Druck mit konzentrierter Salzsäure auf- 
zuspalten, was im folgenden beschrieben sei. 


Spaltungsversuch mit konzentrierter Salzsäure. 


2g des Körpers Oje H33 0 wurden mit 20 cem reiner, konzentrierter 
Salzsäure in ein Bombenrohr eingeschlossen und dieses ca. 5—6 Stunden 
im Schießofen auf 110—120° erhitzt. Das Rohr wurde nach dem 
Erkalten geöffnet und das Reaktionsprodukt in Wasser gegeben, an 
der Saugpumpe abfiltriert und mit destilliertem Wasser gründlich aus- 
gewaschen. Wenn der angewandte Körper in der Tat ein Ester war, 
so mußte er beim Erhitzen mit konzentrierter Salzsäure unter Druck 
in eine Säure und einen Alkohol gespalten worden sein. Das Reaktions- 
produkt mußte demnach teilweise in Natriumkarbonatlösung löslich 
sein. Es erwies sich jedoch bei einer Probe darauf als gänzlich un- 
löslich in Alkalien. War hierdurch schon so gut wie festgestellt, daß 
der Körper kein Ester war, so wurde auch noch durch den Schmelz- 
punkt, welchen das Reaktionsprodukt nach einmaligem Umkrystallisieren 
sus Weingeist zeigte — er lag bei 75° — nachgewiesen, daß es mit 
dem Ausgangsprodukt identisch war. 

Es steht nach diesen Versuchen somit fest, daß der Körper 
Cs H320, der der Reihe der gesättigten Verbindungen angehört, weder 
als eine Säure, noch als ein Alkohol, noch als ein Säureester an- 
zusprechen ist. Er muß vielmehr wahrscheinlich als ein Keton an- 
gesehen werden. 

Diese Annahme gewinnt an Wahrscheinlichkeit durch die Tat- 
sache, daß er beim Erhitzen lebhaft Kohlenoxyd abspaltet. Es wurde 
dies folgendermaßen festgestellt: 

Eine geringe Menge des Körpers wurde im Reagensglas vorsichtig 
über seinen Schmelzpunkt erhitzt, wobei eine lebhafte Gasentwickelung 
stattfand. Durch nachstehende Proben wurde das entweichende Gas 
als Kohlenoxyd erkannt: 


C., Hübner: Schweelkohle. 209 


1. Das Gas brannte mit blauer, für Kohlenoxyd sehr charakte- 
ristischer Flamme; 

2. Beim Einleiten des entweichenden Gases in eine wässerige 
Lösung von Palladiumchlorür wurde schwarzes Palladium abgeschieden; 
ebenfalls, wie bekannt, eine sehr charakteristische Reaktion auf 
Kohlenoxyd. 

Es war nunmehr interessant, die Zusammensetzung .des neben 
. Kohlenoxyd entstehenden Destillationsproduktes festzustellen. 


Destillation des Körpers 0,H30. 

5 g des Körpers wurden in einem kleinen Destillierkölbchen mit 
aufgesetztem Thermometer der Destillation bei gewöhnlichem Druck 
unterworfen. Oberhalb von 300° ging ein in der Wärme flüssiges, in 
der Kälte festes Destillat über, welches mehrmals aus Weingeist um- 
krystallisiert wurde. Es nahm dabei ziemlich weiße Farbe an, doch 
konnte der Schmelzpunkt nur zwischen 50 und 60° liegend festgestellt 
werden. Bei der Destillation verblieb in dem Kölbchen ein geringer, 
kohlenartiger Rückstand. Das Destillationsprodukt addierte kein Brom 
und lieferte bei der Elementaranalyse folgendes Resultat: 

0,1130 g Substanz gaben 0,3458 g COs und 0,1440 g Ha0. 

Gefunden: 
C 83,46 
H 14,28. 

Hieraus erhellt, daß bei der Destillation des Körpers Cs H33 0, 
welche unter Kohlenoxydabspaltung vor sich geht, ein Körper entsteht, 
der seiner Zusammensetzung nach noch nicht als reiner Kohlenwasserstoff 
anzusehen ist, sondern noch Spuren Sauerstoff enthält, wenn auch die 
Annahme naheliegt, daß dieser Sauerstoff nur von einem bei der 
Destillation gebildeten Nebenprodukt herrührt, und daß in der Haupt- 
sache ein paraffinartiger Kohlenwasserstoff gebildet wird, 


b) in Aether unlösliche Anteile des Benzolextraktes. 


Die in Aether unlöslichen Teile des Benzolextraktes bildeten 
eine schwarzbraune, körnige Masse, welche sich als vollständig unlöslich 
in Alkalien erwies. 20 g dieses Produktes wurden in einem kleinen 
Kolben mit ca. 100 g Eisessig ausgekocht und die Flüssigkeit heiß 
durch ein doppeltes Filter filtriert. Beim Erkalten schied sich im 
Filtrat ein anscheinend in Nädelchen krystallisierender Körper aus von 
schmutzig weißer Farbe, der abgesaugt und auf dem Tonteller getrocknet, 
den Schmp. 85—86° zeigte. Zurück blieb eine schwarze, in der Hitze 
flüssige, in der Kälte feste Masse, die noch mehrmals mit Eisessig 
ausgekocht wurde, wobei aus dem Filtrat wieder der obige Körper 
gewonnen wurde. Dieser war in warmem Aceton nur wenig löslich 

Arch. d. Pharm. CCXXXXIV. Bds. 3. Heft, 14 


a ae 


210 C. Hübner: Schweelkohle. 


und fiel beim Erkalten der Lösung wieder als weißer, voluminöser 


Niederschlag aus. In Chloroform löste er sich leicht, krystallisierte 
aber gleichfalls undeutlich. Am besten krystallisierte er aus Eisessig. 
Die in Aether unlöslichen Anteile des Benzolextraktes wurden infolge- 
dessen nach obigem Verfahren mit Eisessig behandelt und das zunächst 
gewonnene Rohprodukt dann mehrmals aus Eisessig bis zum konstanten 
Schmelzpunkt umkrystallisiert. 

Man erhielt auf diese Weise einen fast weißen, in mikroskopisch 
feinen Nädelchen krystallisierenden Körper, dessen Schmelzpunkt bei 
82—83° lag. Eine Prüfung der Natriumschmelze des Körpers auf 
Schwefel und Stickstoff ergab, daß er schwefel- und stickstofffrei war. 
Im folgenden seien die Resultate wiedergegeben, welche die Elementar- 
analyse lieferte: 

1. 0,1366 g Substanz gaben 0,3919 g COa und 0,1570 g Hs0. 


2. 0,1077 „ = »..08100 5: 5, OB 
Berechnet für Gefunden: 
CjaHya0: 1: 2. 
C 78,26 78,24 78,50 
H 13,04 12,88 13,14 
0 8,70 _ _ 


Es ist augenscheinlich, daß man es hier mit einem, dem früher 
beschriebenen Körper sehr ähnlichen zu tun hat, deren Haupt- 
unterscheidungsmerkmal nur das ist, daß der erstere in Aether leicht, 
der zweite darin absolut unlöslich ist. Er lieferte ebenfalls keine 
Bromverbindung und ließ sich auch nicht oxydieren usw., genau wie 
der in Aether lösliche Körper. In Alkalien war er gleichfalls unlöslich. 

Ob nun die Formeln Cs H330 und C5Hs,0 als die richtigen 
gelten müssen, oder ob man ein Mehrfaches derselben annehmen mag, 
muß dahingestellt bleiben, da durch die ungenügende Löslichkeit der 
Körper in den verschiedensten Lösungsmitteln die Molekulargewichts- 
bestimmungen, welche nach der Methode der Gefrierpunktserniedrigung 
ausgeführt wurden, keine greifbaren Resultate lieferten. 

Der Extrakt, aus dem die beiden Körper Cs HssO und Cs H,O 
gewonnen waren, war im Jahre 1902 in der Fabrik Webau der 
A. Riebeck’schen Montanwerke aus reiner Schweelkohle dargestellt 
worden. Später wurde noch einmal ein Benzolextrakt einer reinen 
Schweelkohle, der ebenda im Jahre 1903 gewonnen war, genau wie 
der frühere durch Extraktion mit Aether weiter behandelt. Auch 
hier erhielt man: 

a) einen in Aether löslichen Körper, dessen Schmelzpunkt nach 
mehrmaligem Umkrystallisieren aus Weingeist konstant bei 76—77° 
lag; nachstehend die Resultate der Elementaranalyse: 


C. Hübner: Schweelkohle. 211 


1. 0,1232 g Substanz gaben 0,3654 g CO und 0,1490 g Ha0. 
20100 5 OB OB 
Gefunden: 
L 2. 
80,89 80,94 
1355 13,63. 

ß) einen in Aether unlöslichen Körper, der, mehrmals aus Eis- 
essig umkrystallisiert, den konstanten Schmp. 82—83° zeigte; die 
Elementaranalyse lieferte folgendes Resultat: 

1. 0,1165 g Substanz gaben 0,3390 g COs und 0,1386 g Ha 0. 

a 1 WEB 7.2 0EREO 

Gefunden: 
1. 2. 
7936 78,91 
13,33 13,40. 

Beide Körper waren ebenfalls mikrokrystallinisch. 

Wie ersichtlich, enthalten die beiden Körper des zweiten Benzol- 
extraktes je ca. 1% Kohlenstoff mehr als die aus dem ersten Benzol- 
extrakt gewonnenen. Da sie in genau gleicher Weise dargestellt 
wurden, wie die ersteren Körper, und da sie auch dieselben Eigen- 
schaften aufwiesen wie diese, so ist anzunehmen, daß die kleine 
Differenz im Kohlenstoffgehalt nur darauf zurückzuführen ist, daß die 
Körper bei der Elementaranalyse beide Male in verschiedenen Graden 
der Reinheit vorgelegen haben. Es ist somit wahrscheinlich, daß die 
Körper des ersten Benzolextraktes identisch mit denen des zweiten sind. 

Jedenfalls steht nach den angestellten Untersuchungen fest, daß 
der Benzolextrakt einer reinen Schweelkohle und damit die reine 
Schweelkohle selbst einige Körper enthält, denen die allgemeine 
Formel Ca H»nO zukommt, und die bei der Destillation des Benzol- 
extraktes wahrscheinlich unter Kohlenoxydabspaltung sich an der 
Bildung der Paraffine beteiligen. Wie man sich diese Körper, die, wie 
früher bereits bemerkt, wahrscheinlich als Ketone anzusehen sind, 
entstanden denken muß, darüber können natürlich nur Vermutungen 
laut werden. Schließen wir uns der Ansicht v. Fritsch’s!) an, daß 
die Schweelkoble aus dem Harz der Bäume, und zwar sowohl der 
Nadelhölzer wie der Laubgewächse der Tertiärzeit — von letzteren 
wiederum der zu jener Zeit üppig gedeihenden Palmen, Wachsbäume 
(Myrica-Arten), Feigen und anderen harzreichen Gewächse dieser 
Gattung — entstanden ist, so liegt die Vermutung nahe, daß obige 
Körper aus den in den Pflanzen enthaltenen Fetten bezw. Fettsäuren 


1) Ueber die Entstehung der Braunkohle, besonders der Schweelkohle. 
Verhandlungen des vierten allgemeinen Bergmanntages zu Halle a. S. 1889. 


14* 


212 C. Hübner: Schweelkohle. 


bei der innerhalb von Jahrtausenden vor sich gegangenen Umwandlung 
der Pflanzen zur Schweelkohle gebildet sind. 


Il. In Benzol unlöslicher Teil der Schweelkohle. 


Der in Benzol unlösliche Rückstand bildete eine braune, körnige 
Masse, die sich etwas in Natriumkarbonat- und Natriumhydroxydlösung 
mit brauner Farbe löste. Auf Zusatz von Salzsäure fiel aus diesen 
Lösungen ein braunschwarzer, flockiger Niederschlag aus, der demnach 
als Säure angesprochen werden mußte. Um zur näheren Untersuchung 
diese Säure in größerem Maße zu gewinnen, wurde folgendermaßen 
verfahren: 

500 g des in Benzol unlöslichen Teiles der Schweelkohle wurden 
dreimal hintereinander mit je 1Y/a1 10%iger Natriumkarbonatlösung in 
einem geräumigen Kolben ca. 3 Stunden lang auf dem Wasserbade 
erwärmt. Nach dem Erkalten wurde von Ungelöstem abfiltriert und 
die vollständig klare Lösung nunmehr mit verdünnter Salzsäure bis 
zur sauren Reaktion versetzt. Die hierdurch ausgefällte Säure wurde 
an der Saugpumpe abfiltriert und solange mit kaltem, destillierten 
Wasser ausgewaschen, bis das Filtrat mit Silbernitrat und Salpeter- 
säure keinen Chlorsilberniederschlag mehr gab. Darauf wurde sie in 
einer Porzellanschale auf dem Wasserbade getrocknet. Auf diese 
Weise wurden ca. 30 g Säure erhalten. Die Prüfung der Natrium- 
schmelze der Säure auf Schwefel und Stickstoff ergab eine ziemlich 
starke Schwefelreaktion, während Stickstoff nicht nachgewiesen werden 
konnte. Ehe die Säure analysiert wurde, wurde sie nochmals in 
Natriumkarbonatlösung gelöst, die Lösung filtriert und aus dem Filtrat 
mit verdünnter Salzsäure die Säure wieder ausgefäll. Nachdem sie 
abgesaugt und gut mit destilliertem Wasser ausgewaschen war, wurde 
sie in gleicher Weise wie vorher getrocknet. Bei dem Versuche, sie 
auf dem Platinblech zu verbrennen, zeigte sich, daß sie nicht voll- 
ständig verbrannte, sondern einen kleinen Kohlerückstand hinterließ. 
Sie wurde nunmehr im Rose’schen Tiegel im Sauerstoffstrome verbrannt. 
Dabei hinterblieb nicht der geringste Rückstand. Als eine wesentliche 
Eigenschaft der Säure wurde festgestellt, daß sie stark hygroskopisch 
war. Sie -wurde deshalb vor einer jeden Elementaranalyse sorgfältig 
bei 105° bis zum konstanten Gewicht getrocknet. 


Nachstehend die Resultate, welche die Analyse!) ergab: 


1. 0,1240 g Substanz gaben 0,2742 g COg und 0,0508 g Hg0. 
2. 0,1490 „ e BA EEE 
3. 0,1432 „ % »... 03150, nu: Oisenı 5 


1) Die Säure wurde mit Bleichromat im Sauerstoffstrome verbrannt. 


ea du 14 
er 


OPERETTE VE 
Pi 


GC. Hübner: Schweelkohle. 213 
Gefunden: 
1 2 3 


C 60,31 59,72 59,99 
H 459 443 4,48. 


Die Schwefelbestimmungen in der vorliegenden Säure wurden 
nach der Methode von Carius im Bombenrohr mit rauchender Salpeter- 
säure ausgeführt und führten zu folgendem Ergebnis: 

1. 0,1640 g Substanz gaben 0,0972 g BaSO,. 

2. 0,1034 „ „ ur TOOBE RE, 

Gefunden: 
2. 2. 
Ss 814 8,55. 


Nimmt man von sämtlichen Kohlenstoff-, Weasserstoff- und 
Schwefelbestimmungen das Mittel, so findet man die Zusammensetzung 
der Säure: 

C 60,00 
H 4,48 
Ss 8,34 
0 27,18. 


Wollte man hiernach für die Säure eine Formel aufstellen, so 
würde dieselbe Os Hz4 Sa Oıg lauten müssen. Dafür berechnen sich 
nämlich Kohlenstoff, Wasserstoff, Schwefel und Sauerstoff folgender- 
maßen: 

C 59,84 
H 4,46 
8.. 839 
O 27,31. 


Ueber die Eigenschaften der Säure läßt sich folgendes sagen: 

Sie bildet im trockenen Zustande eine braunschwarze, körnige 
Masse, die sich spielend leicht in Ammoniak und Natriumkarbonat- 
lösung, etwas schwerer in Natronlauge löst. In Aether, Petroläther 
und Benzol ist sie unlöslich, während sie sich in heißem Wasser wenig, 
in Alkohol etwas mehr löst. 

Im Reagensglas erhitzt, schmilzt sie nicht. Ihrer ganzen Be- 
schaffenheit nach ist die Säure anscheinend unter die Huminsäuren zu 
rechnen. Sie ist wie diese unkrystallisierbar, doch unterscheidet sie 
sich von den aus der Braun- bezw. Schweelkohle bisher isolierten 
Humissäuren durch ihren Schwefelgehalt. Scheithauer') gibt an, 
daß man durch Digestion des Pyropyssits mit ätzenden Alkalien eine 
tiefbraune Lösung erhält, aus der durch Salzsäure ein schwarzer 


1) Die Fabrikation der Mineralöle usw. 


214 C. Hübner: Schweelkohle. 


Körper ausfällt, der von Wackenroder Huminsäure genannt wurde; 
die Huminsubstanz der Braunkohle soll aus 62,3—66,5 % Kohlenstoff 
und 3,7—4,6% Wasserstoff!) bestehen. Ferner stellte Hoppe?) aus 
Braunkohle eine Huminsäure Ca HagO,n dar, deren Baryumsalz der 
Formel BaC3Hs5s0;ı entsprach. Beide Male ist von einem Schwefel- 
gehalt der Huminsäure nicht die Rede, und war derselbe im vorliegenden 
Falle — 8,39% — doch ein ziemlich beträchtlicher. 


Destillation der Säure mit Kalk. 


5 g der Säure wurden, mit 25 g fein pulverisiertem Aetzkalk 
innig gemischt, der Destillation bei gewöhnlichem Druck unterworfen. 
Hierbei ging eine hellgelbe Flüssigkeit von stechendem Geruch über. 
Zur Entfernung des beigemengten Wassers wurde dieselbe in Aether 
aufgenommen und die ätherische Lösung über Chlorcaleium getrocknet. 
Nach dem Verdunsten des Aethers blieben ca. 2 Tropfen einer stark 
merkaptanartig riechenden, braunen Flüssigkeit zurück. In der Natrium- 
schmelze dieses Destillates konnte mit Bestimmtheit Schwefel nach- 
gewiesen werden, während Stickstoff nicht vorhanden war. Schien 
somit schon durch den Geruch sowie durch den Schwefelgehalt die 
Annahme nicht unberechtigt, daß das entstandene Destillationsprodukt 
merkaptanartige Körper enthalte, so gewann diese noch mehr an 
Boden dadurch, daß das Destillat, mit alkoholischer Sublimatlösung 
versetzt, einen weißen Niederschlag gab, der für Merkaptane sehr 
charakteristisch ist. 

Bekannt ist nun, daß Merkaptane neben anderen schwefelhaltigen 
Körpern unter den Destillationsprodukten der Braunkohle vorkommen. 
Demnach geht man wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß diese 

schwefelhaltigen Körper sich von einer oder mehreren solchen ge- 
schwefelten Säuren ableiten, wie die oben beschriebene. 


Ill. In Aether löslicher Teil einer zuvor mit Benzol erschöpften 
Schweelkohle. 


Zum Schluß wurde noch ein Aetherextrakt einer zuvor mit 
Benzol erschöpften Schweelkohle etwas näher untersucht. Die Unter- 
suchungen können, was ich vorausschicke, nicht als abgeschlossen be- 
trachtet werden, da der untersuchte Extrakt nur in geringer Menge vorlag. 

Der Aetherextrakt bildete eine rotbraune, amorphe Masse vom 
Schmelzpunkt 55—60°. 


1) M. Conrad und M. Gutzeit, Berl. Ber. 1886, S. 2844. 
2) H. 13, 108. 


GC. Hübner: Schweelkoble. 215 


Er war in heißem Eisessig und Alkohol fast vollständig löslich 
und schied sich aus dem Filtrat nach dem Erkalten amorph wieder 
aus. Im Reagensglas erhitzt, spaltete er lebhaft Kohlenoxyd ab. In 
Natriumkarbonatlösung und in Natronlauge löste er sich etwas mit 
brauner Farbe. Die klare, filtrierte Lösung gab mit verdünnter Salz- 
säure einen Niederschlag, der seiner Bildungsweise nach als Säure an- 
gesehen werden mußte. Um diese Säure zu isolieren, wurde die ganze, 
ca. 7 g betragende Menge des Aetherextraktes, zwei bis drei Stunden 
lang in einem Kolben mit einer hinreichenden Menge 10%iger Natrium- 
karbonatlösung auf dem Wasserbade erwärmt, die Lösung nach dem 
Erkalten filtriert und das klare Filtrat mit verdünnter Salzsäure bis 
zur sauren Reaktion versetzt. Die so ausgefällte Säure wurde an 
der Saugpumpe abgesaugt, gut mit destilliertem Wasser ausgewaschen 
und in einer Porzellanschale auf dem Wasserbade getrocknet. Auf 
diese Weise wurden ca. 0,5 g der Säure, die eine braune, amorphe 
Masse bildete, gewonnen. 

Versuche, die Säure umzukrystallisieren, mißlangen vollständig. 
Von der früher beschriebenen Säure unterschied sie sich vor allem 
durch ihre Löslichkeitsverhältnisse; sie löste sich nämlich sehr leicht 
schon in der Kälte in sämtlichen gebräuchlichen Lösungsmitteln als 
Aether, Alkohol, Eisessig, Petroläther, Chloroform, Aceton und Essig- 
äther. Auch war sie im Gegenteil zu der oben beschriebenen Säure 
schwefelfrei; Stickstoff enthielt sie nicht. Ihrem Charakter nach ist 
sie wohl auch als Huminsäure anzusehen. Bei 70° fing sie an zu 
sintern und war bei ca. 100° erst geschmolzen. In Ammoniak, 
Natronlauge und Natriumkarbonatlösung löste sie sich leicht in der 
Kälte. Von einer Elementaranalyse mußte der geringen Menge wegen, 
in der sie gewonnen war, abgesehen werden. 


x 


216 L. Vanino u. F. Hart!: Wi-mutchloriddoppelesalze. 


Mitteilung aus dem chemischen Laboratorium der 
Königlichen Akademie der Wissenschaften zu München. 


Ueber einige neue organische Doppelsalze 


mit Wismutchlorid. 
Von L. Vanino und F. Hartl. 


(Eingegangen den 15. IV. 1906.) 


Im Anschluß an frühere Arbeiten eines der Verfasser!) wurden 
weitere Versuche angestellt über die Bildung von Doppelsalzen zwischen 
organischen Verbindungen mit Wismutchlorid.. Zur Darstellung der 
Doppelsalze wurde wie früher das Wismutchlorid (Kahlbaum) je nach 
der Löslichkeit des betreffenden organischen Körpers in möglichst 
wenig Aceton, Alkohol oder Aether gelöst und durch wenige Tropfen 
konzentrierter Salzsäure vollkommen klar gemacht. Die filtrierten 
Lösungen wurden noch heiß zu der konzentrierten Lösung der or- 
ganischen Base tropfenweise und unter stetem Umschütteln gegeben 
und zwar in einfachem Verhältnis der Molekulargewichte. Die Salze, 
die dabei ausfallen, enthalten die beiden Bestandteile meist nicht mehr 
im gleichen Verhältnis, doch wurde zunächst davon abgesehen, durch 
Aenderung des ursprünglichen Verhältnisses neue Verbindungen dar- 
zustellen. Meist erfolgt die Bildung des Niederschlages momentan 
beim Zusammengießen, außerdem aber beim Abktihlen auf gewöhnliche 
Temperatur. Die Niederschläge wurden abgesaugt und auf Ton ge- 
trocknet. Das Wismut wurde als Sulfid bestimmt. 


I. Diphenylaminwismutchlorid. 


Diphenylamin und Wismutchlorid wurden im einfachen Verhältnis 
der Molekulargewichte in möglichst wenig Aceton gelöst, und das 
Wismutchlorid heiß zur Diphenylaminlösung gegeben. Es entsteht 
sofort ein sehr reichlicher, weißer Niederschlag mit einem ganz 
schwachen Stich ins Bläuliche. Das getrocknete Präparat wird bei 
längerem Stehen an der Luft zuerst gelb, dann grün. Mit NOsH, 
NO;H und H30, entsteht Blaufärbung. In Aceton, Alkohol, Aether, 
Chloroform ist der Körper unlöslich, dagegen in konzentrierter Salz- 
oder Salpetersäure leicht löslich; im Exsikkator läßt sich die Substanz 
leicht aufbewahren. Beim Kochen mit Wasser wird sie nicht zersetzt, 


1) Ber. d. d. chem. Ges. 33, 2271 ff; 34, 416—20 und 406; 35, 663—66 
und 36, 3682 ff. Ferner Ztschr, f. anorg. Chem. 28, 219 u. ff. 


L Vanino u. F. Hartl: Wismutchloriddoppelsalze. 217 


dagegen setzt sie sich mit Jodkalium zu einer rotgelben Substanz um. 
Beim Uebergießen mit Schwefelwasserstoffwasser wird das Salz sofort 
schwarz gefärbt. Durch Kochen mit Formaldehyd und Kalilauge wird 
das Wismutchlorid äußerst lebhaft reduziert zu Bi (auch das Jodsalz); 
ebenso scheidet unterphosphorige Säure Bi ab, das sich wie ein Silber- 
spiegel an das Glas anlegt. Kochen mit Kalilauge zersetzt das Salz 
nur teilweise unter Abscheidung von gelbem Bia0;. Es sind schön 
ausgebildete Krystalle des monoklinen Systems. 


Berechnet auf Gefunden: 
NH (CeH3)aBi lg: 1. 2. & 4, 
Bi 43,03% 43,26% 43,28% 43,35% 43,28% 
C 2981, 30,01 „ _ _ B 
N 289, 2,71, _ _ _ 
H 227, 2b, = = 


2. p-Nitrosodiphenylaminwismutchlorid. 


10 g Nitrosodiphenylamin wurden in Aceton gelöst und kalt zu 
einer Lösung von 15,8 g Wismutchlorid in Aceton gegeben. Es ent- 
steht ein dicker Krystallbrei von schwarzer Farbe, unlöslich in 
Aceton, Alkohol und Aether, dagegen leicht löslich in konzentrierter 
Salzsäure. Es entsteht dabei eine tief blaue Lösung, aus der beim 
Verdünnen mit Wasser ein starker flockiger Nieterschlag ausfällt. 
Die Flüssigkeit wandelt dabei ihre Farbe in Rotviolett um. Durch 
erneutes Behandeln mit konzentrierter Salzsäure geht der Niederschlag 
nicht wieder in Lösung; beim Einleiten von SHa3 geht er aber allmählich 
in Bigz$S; über. Auf Gooch filtriert, gibt der Niederschlag an das 
Waschwasser, besonders an Alkohol tiefrote Färbung ab, und es hinter- 
bleibt reines BigsS;. Beim Kochen mit Wasser gibt es an das Wasser 
eine rotviolette Färbung ab. Jodkalium bewirkt auch beim Kochen 
keine Umsetzung, auch Kalilauge scheidet kein BisO; ab. Mit HCOH 
und KOH tritt leicht Reduktion ein, während unterphosphorige Säure 
nicht einwirkt. Die Krystalle sind sehr glänzende Nadeln des rhom- 
bischen Systems. 


Berechnet auf Gefunden: 
(CaH;)aN-NO-Billz: Ir 2. 

E Bi 40,59% 40,48% 40,46% 
C 2812, 28,22 „ _ 
: EB RE ER, En 

N 546, 543, 5,56%. 


3. 2-Nitrosodimethylanilin-3-Wismutchlorid. 


10 g Nitrosodimethylanilin wurden in Aceton gelöst und zur 
Auflösung von 21 g BiCl; gegeben. Es scheidet sich sofort ein dicker 


218 L. Vanino u. F. Hartl: Wismutchloriddoppelsalze. 


gelbbrauner Niederschlag ab, unlöslich in Aceton, Alkohol, Aether, 
Benzol und Chloroform, löslich in Salzsäure und Salpetersäure. Er 
wird beim Kochen mit Wasser nicht zerlegt, reagiert dagegen mit 
Jodkalium unter Bildung eines tiefrot gefärbten Niederschlages. Mit 


SH; wird er sofort schwarz gefärbt, mit Kalilauge wird er nicht 


zerlegt. Mit HCOH und KOH tritt beim Kochen Reduktion ein. 
In unterphosphoriger Säure löst er sich erst vollständig auf, dann wird 
er reduziert. Er ist ein mikrokrystallinisches Pulver. 


Berechnet auf Gefunden: 
20,H4-NO-N (CH3)a-3Billz: 1; 2. 3. 4. 
Bi 50,20%, 49,94% 49,84% 49,92% 49,96% 
C 15,44, Se, — = 
N 450, nr Bi _ _ _ 
H 1,60, 1,51 „ _ _ _ 


4. Aldehydammoniakwismutchlorid. 


Beim Zusammengießen einer Acetonlösung von Aldehydammoniak 
mit Wismutchlorid, gleichviel in welchen Mengenverhältnissen, entsteht 
ein hellbrauner Niederschlag, der sich selbst in verdünnter Salz- und 
Salpetersäure leicht: löst, gegen die organischen Solventien aber be- 
ständig ist. Kochen mit Wasser oder Kalilauge verändert den Körper 
nicht, mit Jodkalium färbt sich der Niederschlag sofort braunrot. 
Kalilauge und Formaldehyd bewirken unter lebhafter Gasentwickelung 
Reduktion zu metallischem Wismut, ebenso unterphosphorige Säure. 
Mit schwefelwasserstoffhaltigem Wasser übergossen, tritt sofort 
Schwarzfärbung ein. Der Körper ist anscheinend nach dem regulären 
System krystallisiert. Wie sich bei der Analyse herausstellte, enthält 
der Körper jedenfalls nicht das gewöhnliche Aldehydammoniak, sondern 
die polymerisierte, wasserfreie Form (CH;-CH-NH), d. h. ein 
polymeres Aethylidenimin. 


Berechnet auf Gefunden: 
(CHg-CH- NH)g-3 BiCle: 1. 2. u, 
Bi 58,29% 58,32% 58,24% 58,48%, 
07 601 5 6,45 „ _ u 
5 TG Fr JR 1,58 „ _ _ 
N. 381, 3,92 „ _ _ 


5. Methylaminchlorhydratwismutchlorid. 


2,5 g Methylaminchlorhydrat wurden in absolutem Alkohol gelöst 
und mit einer alkoholischen Lösung von 11,6 g BiCl; versetzt. Es 
bildet sich ein sehr schön krystallisierter, glänzend weißer Niederschlag, 
der mit Alkohol ausgewaschen und auf Ton getrocknet wurde. Das 


u a 


L Vanino u. F. Hart!: Wismutchloriddoppelsalze. 219 


Salz wird durch Wasser zerlegt, wobei BiOCI1 ausfällt; mit Jodkalium 
entstehen gelbe Krystalle. Schwefelwasserstoff bewirkt sofort Schwarz- 
färbung. Durch Kalilauge wird es leicht zerlegt unter Abscheidung 
von BigO;. Formaldehyd und Kalilauge reduzieren das BiÜl; zum 
metallischen Bi. In unterphosphoriger Säure löst sich das Salz erst 
auf, dann tritt Reduktion ein. Die Krystalle sind lange, biegsame, 
eng verfilzte Nadeln des hexagonalen Systems. 


Berechnet auf Gefunden: 
3CHs,-NH;3-CIH-2BiCl;: 4: 2. & 4. 
Bi 50,06 50,40% 49,74% 49,87% 49,98% 
6: 43 4,28 „ _ —_ -- 
N 5,05 497, 4,90% u —_ 
H 216 2,35 „ _ n -- 


6. Rheumatinwismutchlorid. 


Das Rheumatin (C,H, OHCOO : Ca, Ha3 Na O - Cs H,OHCOOH) gibt 
in Aceton oder Alkohol gelöst, mit Wismutchlorid einen weißen, 
krystallinischen Niederschlag. In Alkohol, Aether, Aceton, Benzol usw. 
ist er unlöslich, dagegen in Salzsäure und Salpetersäure leicht löslich. 
Beim Kochen in Wasser oder Kalilauge ist der Körper beständig. 
Kalilauge und Formaldehyd scheiden Wismut ab. In unterphosphoriger 
Säure löst sich der Körper erst auf, bei längerem Kochen tritt Reduktion 
ein. Mit Jodkalium reagiert der Körper ebenfalls erst beim Kochen 
unter Bildung eines orangeroten Niederschlages.. Beim Uebergießen 
mit Schwefelwasserstoff tritt Schwarzfärbung ein. Die Krystalle er- 
scheinen als kleine, dicht verfilzte Nadeln. 


Berechnet auf Gefunden: 
(34 Hz4* Na: 07 -2BiCle: 5 2. a 4. 5. 
Bi 34,36 34,34% 34,71% 34,56% 34,58% 34,29% 
C 33,69 33,39 „ _ E= — E 
H 2,80 2,99 „ _ _ — — 
N 231 2,37 „ _ —_ — E= 


7. Chinapheninwismutchlorid. 


Chinaphenin, ein braunrotes Pulver von der Formel 
co ee gibt, in Aceton gelöst, beim Zusammen- 
gießen mit einer Wismutchloridacetonlösung einen starken gelben Nieder- 
schlag, der zuerst zu Klumpen geballt ist. sich aber bei leichtem 
Schütteln zu einem feinen Pulver verteilt. Dieses ist unlöslich in 
Alkohol, Aceton u. s. w., löst sich aber leicht in Salz- und Salpeter- 
säure. Der Niederschlag, der nachher mit Schwefelwasserstoff ent- 


220 L. Vanino u. F. Hartl: Wismutchloriddoppelsalze. 


steht, muß sehr stark mit Schwefelkohlenstoff ausgewaschen werden, 
da sich sehr viel Schwefel abscheidet. Wasser- und Kalilauge 
zersetzen den Körper nur teilweise, mit Jodkalium gibt er einen 
gelben Niederschlag. Kalilauge und Formaldehyd scheiden Wismut 
ab, ebenso unterphosphorige Säure, in der sich der Körper zuerst 
vollständig löst. Schwefelwasserstoff färbt ihn sofort schwarz. Die 
Krystalle erscheinen als dicke, unvollkommen ausgebildete Täfelchen. 
Wie die Analysen ergaben, spaltet das Chinaphenin bei der Ver- 
einigung mit Wismutchlorid unter dem Einfluß der wenigen Tropfen 
konzentrierter Salzsäure jedenfalls Alkohol ab. 


Berechnet auf Gefunden: 
200,0 dBiCh: i: 2. 8. 
Bi 42,31%, 42,499, 42319, 42,539, 
C 26,36, 26,74 , 3° — => 
#T.Ar2 36, 26; rt 
N 342, 3,52 Ra 


8. Piperazinwismutchlorid. 


Das Piperazin wurde ebenfalls in Aceton gelöst, und mit Wismut- 
chlorid versetzt. Der entstehende Niederschlag fällt zuerst, in Klumpen 
zusammengeballt, aus, läßt sich aber leicht verschütteln zu einem feinen 
weißen Pulver, das in den organischen Lösungsmitteln unlöslich ist, 
sich aber in verdünnter Salzsäure leicht löst. Durch Kochen mit 
Wasser wird BiOC]1 abgeschieden, durch Kochen mit Kalilauge Bis O;. 
Mit Jodkaliumlösung bildet sich sofort ein orangefarbiger Niederschlag, 
mit SHz entsteht sofort Schwarzfärbung. In unterphosphoriger Säure 
löst sich der Körper auf, dann tritt Reduktion ein; ebenso reduziert 
Kalilauge und Formaldehyd. Der Körper besteht aus kleinen 
quadratischen Krystallen. 


Berechnet auf Gefunden: 
SNH<CH CH NH-3BiCh: 1. 2. 3. 
Bi 55,96% 55,11% 55,16% . 55,17% 
C 8,60, 825, _ _ 
A 179% 2,00 „eis = = 
N 5,02, 4,87 „ _ _ 


Noch bemerken möchten wir, daß bis jetzt über diese Körper 
keine physiologischen Versuche angestellt wurden. 


ih 


x 


H. Weiß: Aegiceras majus G. 221 


Mitteilungen aus dem pharmazeutischen Institut der 
Universität Strassburg i. E, 


Pharmakognostische 
und phytochemische Untersuchung der Rinde und 
der Früchte von Aegiceras majus G. mit besonderer 
Berücksichtigung des Saponins. 


Von H. Weiß. 
(Auszug aus der Inauguraldissertation Straßburg 1906.) 
(Eingegangen den 27. IV. 1906.) 


Unter den zahlreichen Fischfangpflanzen, deren betäubende oder 
tötende Wirkung einem der darin vorhandenen Saponinstoffe zu- 
zuschreiben ist, mag hier als eine der eigenartigsten die Myrsinacee 
Aegiceras majus @. genannt werden. Schon Rumphius!) erwähnt die 
fischtötende Eigenschaft des Rindenpulvers von Aegiceras minus, einer 
Art derselben Gattung. Spätere botanische Schriftsteller sagen dasselbe 
von Aegiceras majus G., unter welchem Namen dann auch von 
Hooker die verschiedenen Abarten zusammengefaßt worden sind. 
Von einer ähnlichen Wirkung der Früchte von Aegiceras ist hier 
dagegen nirgendwo die Rede. 

Als typisches Glied der Mangrove, jener nur den Tropen zu- 
kommenden Küstenformation, ist der Strauch auf der östlichen 
Hemisphäre überall da anzutreffen, wo die Küste seichte Beschaffenheit 
besitzt, also hauptsächlich an den Flußmündungen und im Mündungs- 
delta der großen Ströme. Das mir durch freundliche Vermittelung 
von Herrn Prof. Ed. Schaer aus Brit. Indien zur Verfügung stehende 
Material, Rinde und Früchte, entstammte den Mangrovewäldern des 
Gangesdelta in der Provinz Bengalen. 

Die botanischen Beschreibungen von Aegiceras, die mir sowohl 
vonRumphius und Rheede?), als auch von botanischen Schriftstellern?) 
der neueren Zeit vorlagen, befassen sich neben allgemeinen Merkmalen 
hauptsächlich mit den charakteristischen anatomischen Eigentümlichkeiten, 
die durch Anpassung der Pflanze an ihr Substrat bedingt sind. Nach 
diesen Gesichtspunkten kann dann auch manche Beobachtung erklärt 
werden, die mir bei Ausführung der pharmakognostischen Untersuchung 
der Rinde und der Früchte besonders auffel. 

1) Rumphius, Herbarium amboinense Bd. III, S. 124. 

2) Rheede, Hortus Malabaricus lib. VI, S. 65. 


8) Karsten, G., Bibliotheca botanica Heft 22 (1891). Goebel, K., 
Pflanzenbiologische Schilderungen, 1. Teil, II. 


222 H. Weiß: Aegiceras majus G. 
Pharmakognostischer Teil. 


I. Untersuchung der Rinde. 


Die mir vorliegende Rinde bestand teils aus jüngeren röhren- 
förmig aufgerollten Stücken mit silbergrauem mattglänzendem Korke, 
teils aus älteren Rindenstücken, welche wegen der schon eingetretenen 
Borkenbildung ein graubraunes muscheliges Aussehen zeigten. Die 
Innenseite war von rotbrauner Farbe und zart längsgestrichelt. Der 
Bruch war kurz und spröde. Auf der Bruchfläche gewahrte man 
glänzende weiße Punkte, die aus Oalciumoxalatkrystallen bestanden. 

Das Lupenbild des Querschnittes (Fig. 1) zeigt eine ziemlich 
breite braune Korkschicht und hieran anschließend die primäre Rinde 
mit einzelnen darin eingestreut liegenden Steinzellgruppen, sogenannten 
Nestern. Eine dichte Reihe von solchen Steinzellnestern bildet die 
Grenze zwischen primärer und sekundärer Rinde. Hier endigen auch 
die letztere durchziehenden Markstrahlen. 

Auf einem Querschnitt durch die primäre Rinde (Fig. 2) bemerkt 
man zunächst das dunkle Korkgewebe, bestehend aus typischen Kork- 
zellen, die aus einem Phellogen hervorgegangen sind. Nach innen zu 
folgt normales Parenchymgewebe, angefüllt mit einem rotbraunen 
Inhalt. Dieser setzt sich hauptsächlich aus den Phlobaphenen, den 
Oxydationsprodukten des Gerbstoffs zusammen. Die durch ihre Größe 
auffallenden Steinzellen (Fig. 4) besitzen stark verdickte, getüpfelte 
Wände, wodurch der Rinde eine große Widerstandsfähigkeit verliehen 
wird. Begleitet sind die Gruppen von einem dichten Kranz von 
Krystallkammerfasern. Diese finden sich zwischen den einzelnen 
Steinzellen oder ziehen in langer Reihe über dieselben hinweg. Die 
Markstrahlen der sekundären Rinde (Fig. 3) sind teilweise einreihig, 
bestehen jedoch meist aus zwei Zellreihen. In ihrer Nähe sieht man 
einzelne kleine Bündel von PBastfasern, die auf dem Längsschnitt 
(Fig. 5) an den verdickten und verholzten Wänden mit zahlreichen 
Tüpfeln und dem schmalen Lumen kenntlich sind. In der primären 
Rinde sind typische Bastfasern schwer zu entdecken; letztere sind den 
benachbarten Steinzellen sehr ähnlich und scheinen hier einen Ueber- 
gang zwischen den beiden Sklerenchymelementen zu bilden. Auch die 
Bastfasern werden allseitig in dichter Reihenfolge von Krystallkammer- 
fasern umsäumt. 

Als wichtigster Bestandteil der Rinde kommt zunächst das 
Saponin in Betracht. Nach Bancroft!) soll es in großer Menge in 


1) J. H. Maiden, Indigenous vegetable drugs Dep. of Agric. Sidney, 
Misc. Public. No. 256 (1899). 


. 
5 
A 


2 H. Weiß: Aegiceras majus 6. 223 


der Rinde vorhanden sein, welche Behauptung jedoch nach dem 
Ausfall der quantitativen Bestimmung (s. d.) hinfällig geworden ist. 
Der Sitz des Saponins in der Rinde ließ sich durch eine der bekannten 
Reaktionen mit Sicherheit nicht feststellen, da die sonst auftretenden 
charakteristischen Färbungen durch den anwesenden Farbstoff zu sehr 
beeinträchtigt wurden. Außerdem ist Stärke in Form von zusammen- 
gesetzten Körnern im Parenchymgewebe reichlich vertreten. 


2. Untersuchung der Früchte. 


Die hakenförmig gebogenen Früchte besitzen eine zähe leder- 
artige Fruchtschale, die an ihrer Basis noch die Reste der Kelch- 
blätter und ein kurzes rundes Stielchen trägt. Das Innere der heller 
oder dunkler braun gefärbten Fruchtschale füllt der große, lose darin 
liegende Keimling vollständig aus. Außen ist er schwarzbraun, innen 
gelblichweiß oder durch Chlorophyll vielfach noch grün gefärbt. Der 
Embryo setzt sich zusammen aus dem stark entwickelten hypokotylen 
Gliede und den beiden dünnen Keimblättern. Am spitzen Ende sitzt 
ihm noch der Rest der Samenschale als dünne braune Haut mützchen- 
artig auf. Damit verwachsen läuft an der konkaven Seite der ver- 
längerte Teil der Placenta als langer dünner Strang bandartig herab. 
Näheres in Bezug auf botanische Einzelheiten findet sich in dem oben 
schon zitierten Werk von Goebel und bei Schimper'). 

Das Lupenbild des durch den oberen spitzen Teil der Frucht 
geführten Querschnittes zeigt als äußere Umhüllung die Fruchtwand, 
darunter die Samenschale und die beiden flach gegen einander liegenden 
Kotyledonen. Der in der Mitte liegende Spalt wird weiter unten 
durch das hypokotyle Glied ausgefüllt. 

Der mikroskopische Querschnitt durch die Fruchtwand zeigt 
zunächst unter der Cuticula eine kleinzellige, dickwandige Epidermis. 
Auf diese folgt eine Schicht sklerenchymatischer Elemente, die sich 
auf dem Längsschnitt als typische Fasern erwiesen. Die Parenchym- 
zellen sind diekwandig, durch Tüpfel mit einander verbunden und von 
kleinen Interzellularräumen unterbrochen. In der Mitte der Parenchym- 
schicht erblickt man einzelne, im Umkreise der Fruchtwand gleich- 
mäßig verteilte Gefäßbündelquerschnitte. Sie besitzen kollateralen 
Bau und bestehen aus einer Anzahl kleiner Gefäße mit nach außen 
vorgelagertem Siebteil. Eine Reihe dickwandiger Elemente, die sog. 
innere Epidermis schließt die Fruchtwand nach innen ab. 


| 1) Schimper, A. W.F. Die indo-malayische Strandflora. Mitteilungen 
aus den Tropen Heft 3, 1891. 


224 H. Weiß: Aegiceras majus G. 


Auf einem durch den oberen spitzen Teil des Embryo geführten 
Querschnitt bemerkt man zunächst als äußere Schicht die dünne 
Samenschale, bestehend aus zwei Reihen dünnwandiger kleiner Zellen 
und einer dritten dunkelbraunen F'arbstoffschicht. Die Kotyledonen 
besitzen unter der kleinzelligen Epidermis ein aus zarten Parenchym- 
zellen gebildetes Gewebe, welches mit großen Mengen Stärke voll- 
gepfropft ist. Der zwischen den Kotyledonen befindliche Spalt ist 
mit Schleim angefüllt, den die am Grunde des Spaltes sichtbaren 
Drüsenhaare absondern. Es sind dieses gestielte, ein- bis mehrzellige 
Drüsenköpfchen. Das hypokotyle Glied zeigt denselben zartwandigen 
Zellenbau; es ist gleichfalls -mit Stärke dicht gefüllt und durch 
Chlorophyll grünlich gefärbt. Die Stärkekörner sind sehr klein, mit 
einem Spalt in der Mitte, meistens einzeln, zuweilen auch zu Klumpen 
zusammengeballt. 


Phytochemischer Teil. 
I. Der in CHCI, lösliche Anteil der Rinde. 


Bevor ich zur Hauptaufgabe meiner Arbeit, der Darstellung des 
Saponins schritt, benutzte ich einen kleinen Teil der gepulverten Rinde 
zu einer Voruntersuchung auf weitere darin noch vorkommende 
wichtige Inhaltsstoffe, z. B. Alkaloide. Zu diesem Zwecke zog ich 
das Rindenpulver nacheinander mit Petroläther, Aether, Chloroform, 
Weingeist, Wasser, angesäuertem Wasser und 5%iger Natronlauge 
aus. Außer Saponin, welches durch Weingeist und Wasser heraus- 
gelöst wurde, waren durch die übrigen Lösungsmittel keine weiteren 
wichtigen Inhaltsstoffe, wie Glykoside und Alkaloide ausgezogen 
worden. 

Nur das Chloroform hatte einen Körper aufgenommen, der beim 
Verdunsten des Lösungsmittels als dunkle harz- oder kautschukähnliche 
Masse hinterblieb. Zur Gewinnung größerer Mengen dieser Substanz 
extrabierte ich das gesamte Rindenpulver im Flückiger’schen 
Extraktionsapparate so lange, bis das Chloroform ungefärbt abtropfte. 
Die beim Verdunsten des Lösungsmittels zurückbleibende spröde, 
grünlich-braune Substanz enthielt als hauptsächlich färbenden Bestand- 
teil das Chlorophyll. Durch Behandeln des gepulverten Rückstandes 
mit 70%igem Weingeist in der Kälte wurde es zum größten Teile 
entfernt. Siedender absoluter Alkohol zerlegte die Substanz in einen 
darin löslichen und einen unlöslichen Teil. Beim Erkalten der 
alkoholischen Lösung fiel eine gelbe voluminöse Masse aus, die sich 
nach dem Entfernen des anhängenden Alkohols und Trocknen im 
Vakuum über Schwefelsäure leicht zerreiben ließ. Das gelbe Pulver 
wurde durch Kochen der alkoholischen Lösung mit Tierkohle und 


“ 
“. 


nA 


Querschnitt durch die ı | 


3 Querschnittes. 


st 


Parenchym. 


1% 


k = Korkgewebe. 


sekundäre Rinde. 


Markstrahlen. 


m = 


en. 


Fig. 4. 


214:1. 
Fig. 1 
Lupenbild des Querschnittes. 


Eine Steinzellengruppe mit Oxalatkrystallen o. 


86:1. 


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| B 
\ k>} 
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x 
SH 
k = Korkgewebe 


NEE 


en 
en 


Caleiumoxalatkrystalle. 


sR = sekundäre Rinde. 


m —= Markstrahlen. 


k = Kork. pR = primäre Rinde. 


st = Steinzellengruppen. 


Längsschnitt einer Bastfasergruppe 


214 :1: 


Krystallkammerfasern. 


(radial). 


0) 


Fig. 3. 


> nun 


A EEE 


N N Ne. FT 7 Ne 


Längsschnitt einer Bastfasergruppe 


|. 


86 


Querschnitt durch die sekundäre Rinde. 


214:1. 


(radial). 


Bastfasern. 


sk 


Steinzellen. 


st 
Caleiumoxalatkrystalle. 


Markstrahlen, 


Parenchym. m 


p 


Krystallkammerfasern. 


o 


o 


H. Weiß: Aegiceras majus G. 225 


mehrmaliges Umkrystallisieren aus Benzol weiter gereinigt. Der 
hierbei resultierende, gelblichweiße Körper zeigte jedoch noch keinen 
konstanten Schmelzpunkt. Durch Anflösen in heißem Chloroform 
erzielte ich nochmals eine Trennung, da schon beim Erkalten ein Teil 
abgeschieden wurde, Die davon getrennte Lösung überließ ich der 
freien Verduustung, wobei sich nach und nach kleine Büschel aus- 
schieden, die durch strahlenförmige Vereinigung kleiner spitzer 
Nädelchen entstanden waren. 

Nachdem aus Chloroform mehrfach umkrystallisiert war, erhielt 
ich ein rein weißes, leichtes Produkt, dessen Schmelzpurkt bei 83 bis 
84° lag. Es löst sich vollkommen in kaltem Chloroform, in der Wärme 
auch in Benzol, absolutem Alkohol, Eisessig und Schwefelkohlenstoff, 
fällt aber beim Erkalten zum Teil wieder aus. Unlöslich ist es auch 
beim Erhitzen in Aether, Petroläther, Aceton, Wasser und wässerigen 
Alkalien. 

Die mit dem über Schwefelsäure im Vakuum getrockneten 
Präparate ausgeführten Elementaranalysen ergaben folgende Resultate: 


1. 0,1655 g Substanz ergab 0,4697 g CO, und 0,196 g H30. 


2. 0,1027 „ { n» 02988, „ 01106 ,„ „ 
3. 0,1105 „ R HE03138 55V, „ 01288, „ 
Gefunden: Berechnet für 
: 2. 3. Im Mittel Ca Ha 0a: 
C 77,41 7776 77,45 77,54 77,7% 
H 13,27 13,06 13,07 13,13 129, 
0 — _ —_ 9,33 9,4 „. 


Um das Vorhandensein von alkoholischen Hydroxylgruppen fest- 
zustellen, versuchte ich durch Erhitzen der Substanz mit Essigsäure- 
anhydrid und entwässertem Natriumacetat ein Acetylderivat dar- 
zustellen. Eine Anlagerung von Acetylgruppen war jedoch nicht ein- 
getreten, da alkoholische Kalilauge ohne Einwirkung blieb. 

Tschirch und O. Müller!) haben mit den aus Kautschuk und 
Guttapercha isolierten Estern und Harzalkoholen dem Phytosterin 
ähnliche Reaktionen erhalten. Die mit der vorliegenden Substanz 
nach dieser Richtung hin ausgeführten Versuche blieben ohne wesent- 
lichen Erfolg. 

Weitere orientierende Untersuchungen über die nähere Kon- 
stitution, d. h. über die Frage, in welche Körperklasse vorliegende 
Substanz einzureihen ist, konnten wegen Mangel an genügend reinem 
‚Material nicht ausgeführt werden. 


1) Tschirch und O. Müller, dieses Archiv Bd. 243, H. 2, S.'129. 
Arch. d. Pharm. COXXXXIV. Bds. 3. Heft. 15 


226 H. Weiß: Aegiceras majus 6. 


2. Das Rinden-Saponin. 


Die Voruntersuchung hatte die leichte Löslichkeit des Saponins 
in verdünntem Weingeist ergeben. Zur Darstellung größerer Mengen 
wurde die zuvor von den kautschukartigen Stoffen befreite Rinde mit 
70%igem Weingeist bis zur Erschöpfung extrahiert. Das dickflüssige, 
dunkelbraun gefärbte alkoholische Extrakt wurde vom Alkohol durch 
Destillation befreit, zur Trockne eingedampft und dann in absolutem 
Alkohol gelöst. Aus dieser Lösung wurde durch überschüssigen 
Aether das Rohsaponin als dunkle, schmierige Masse ausgefällt. 
Durch mehrmaliges Wiederauflösen in Weingeist und fraktionierte 
Fällung mit Aether wurden immer noch mehr oder minder braun 
gefärbte Niederschläge von Rohsaponin erhalten. Zur weiteren 
Reinigung versuchte ich mehrere der bekannten Methoden, meistens 
jedoch ohne Erfolg, in Anwendung zu bringen. Zuerst benutzte ich 
die von Kobert'!) empfohlene Bleimethode, die deshalb von Wichtigkeit 
ist, weil sie gestattet bei Auwesenheit zweier Saponinsubstanzen eine 
Trennung derselben in die Saponinsäure und das neutrale Sapotoxin 
vorzunehmen. Ich stellte dabei fest, daß ich es hier nur mit einer 
einheitlichen Substanz, einem neutralen Saponin zu tun hatte. Eine 
wirkliche Befreiung von den verunreinigenden Bestandteilen vermochte 
ich sowohl mit dieser Methode, als auch mit der von Rosenthaler?) 
angewandten Bleihydroxydmethode nicht zu erzielen. Die Baryt- 
methode von Rochleder?) ließ sich deshalb nicht verwenden, weil 
nur ein Teil des Saponins durch Barytwasser gefällt wurde. 

Die günstigsten Resultate lieferte mir die von Greene‘) zuerst 
in Anwendung gebrachte Magnesiamethode, wenngleich auch hierbei 
die vollständige Entfernung der Gerb- und Farbstoffe nicht vollkommen 
gelang. Beim Eindampfen der wässerigen und alkoholischen, noch 
wenig gefärbten Saponinlösungen trat eine auffallend dunklere Ver- 
färbung ein, die höchstwahrscheinlich auf spontane Oxydation durch 
den Sauerstoff der Luft zurückzuführen ist. Auf diese Erscheinung 
von Herrn Prof. Schaer aufmerksam gemacht, machte ich mit einem 
wässerigen, schwach alkoholischen Auszuge der Rinde einige be- 
stätigende Versuche gegenüber einigen stärker und schwächer alkalisch 
reagierenden Substanzen (anorganischen und organischen Salzen, sowie 


1) Kobert, Arch. f. experiment. Pathologie u. Pharmakologie 1887, 
Bd. 23, S. 233. 

2) Rosenthaler, Phytochem. Untersuchung der Fischfangpflanze 
Verbascum sinuat. Inaug.-Dissert. Straßburg 1901. 

8) Wiener Akad. Ber.: Rochleder u. Schwarz, Bd. 11, S. 335; 
Rochleder u. Payr Bd. 45, S. 7. 

4) Greene, Americ. Journ. of Pharm. vol. 50 (4. Reihe, Bd. 8), S. 250. 


H. Weiß:)lAegiceras majus G. 227 


Alkaloiden). Schon die geringsten Spuren dieser Stoffe verursachten, 
besonders bei gleichzeitiger Erwärmung auf dem Wasserbade, eine 
auffallend dunklere Färbung der Flüssigkeit. 

Durch öfteres Auflösen in absolutem Alkohol und Fällen mit 
Aether erhielt ich nach und nach ein reineres Produkt, welches nach 
dem Trocknen im Vakuum über Schwefelsäure und nachfolgendem 
Zerreiben ein gelblichweißes Pulver lieferte. Es zeigt alle dem Saponin 
zukommenden charakteristischen Eigenschaften. Die wässerige Lösung 
schäumt sehr stark, selbst noch bei Anwesenheit minimalster Mengen. 
Sie besitzt die Eigenschaft, fein gepulverte Körper, z. B. Bleisulfid 
und Kohle in Suspension zu halten. Auf dieses Verhalten ist auch 
die Fähigkeit zurückzuführen, Terpentinöl zu emulgieren und Queck- 
silber zu töten. Fehling’sche Lösung wird nach dem Spalten mit 
Salzsäure reduziert. 

Von neutraler Bleiacetatlösung wird das Aegiceras-Saponin nicht 
gefällt, von gesättigter Barythydratlösung nur unvollständig, dagegen 
bewirkt Bleiessig eine vollkommene Fällung. Dieses Verhalten beweist 
neben der neutralen Reaktion der wässerigen Saponinlösung, daß hier 
nur ein einheitlicher Körper, ein neutrales Saponin vorliegen kann. 

Aegiceras-Saponin ist leicht löslich in Wasser, verdünntem 
Alkohol jeder Stärke und in Methylalkohol. In absolutem Alkohol 
löst es sich in der Wärme vollständig, fällt jedoch aus konzentrierten 
Lösungen bei genügender Kälte wieder aus. In anderen Lösungs- 
mitteln, wie Amylalkohol, Aceton ist es schwer löslich, in Aether, 
Petroläther, Chloroform, Benzol und Schwefelkohlenstoff unlöslich. 

In konzentrierte Schwefelsäure gestreut, gibt das vorliegende 
Produkt eine den meisten Saponinen zukommende Farbenreaktion. In 
der Umgebung der einzelnen Teilchen färbt sich die Schwefelsäure 
zuerst gelbrot, wird vom Rande fortschreitend allmählich kirschrot bis 
violett, welche Färbung sich später der ganzen Flüssigkeit mitteilt 
und einige Zeit bestehen bleibt. 


Elementaranalysen. 


Die Verbrennungen wurden im Bajonettrohr mit vorgelegtem 
Kupferoxyd nach der von Rosenthaler!) angegebenen Methode aus- 
geführt. Verwendet wurde bei 110—120° bis zum konstanten Gewicht 
getrocknete Substanz. Ich erhielt dabei als Mittel aus drei Elementar- 


analysen folgende prozentische Zusammensetzung: 


C=4,7% H=73% 0= 4,89%, 
Der im Verhältnis zum Wasserstoff zu niedrig gefundene Kohlen- 
stoffgehalt zeigt im Vergleich zu allen früher analysierten Saponinen 
1) Rosenthaler, ds. Archiv 1905, Bd. 24, H. 7. 
15* 


228 H. Weiß: Aegiceras majus G. 


an, daß das Analysenmaterial ein noch nicht völlig reines Produkt 
sein konnte. 

Da die vollständige Beseitigung der verunreinigenden Bestandteile 
des Saponins nach den bisher gebräuchlichen Methoden wenig Aussicht 
auf Erfolg hatte, versuchte ich durch Darstellung des Acetylderivates 
näheren Aufschluß über die Konstitution des Saponins zu erhalten. 
Die Acetylverbindung kann leichter in genügender Reinheit dargestellt 
werden und durch Ausführung der Elementaranalyse, Bestimmung der 
Molekulargröße, Verseifung des Esters auf die Zusammensetzung des 
reinen Saponins geschlossen werden. Die Acetylierung geschah in 
folgender Weise: 

2 g Saponin wurden mit 2 g entwässertem Natriumacetat und 
12 g Essigsäureanhydrid drei Stunden im Glyzerinbade bei 110°, zuletzt 
bei 120° erhitzt. Der in Wasser unlösliche, bräunlich gefärbte Ester 
wurde bis zur neutralen Reaktion ausgewaschen, in Alkohol gelöst 
und durch Kochen mit Kohle entfärbt. Die entfärbte Lösung wurde 
nach den Angaben von Stütz!) in viel mit Salzsäure angesäuertes 
Wasser filtriert, wobei sich der Ester leicht in weißen Flocken absetzte. 
Auf einem Filter gesammelt, wurde er so lange mit Wasser aus- 
gewaschen, bis das Ablaufende nicht mehr sauer reagierte. Der Filter- 
rückstand endlich wurde in Aether gelöst und die ätherische Lösung 
so lange mit Wasser geschüttelt, bis auch dieses keine saure Reaktion 
mehr zeigte. Nach dem Verdunsten des Lösungsmittels hinterblieb 
das Acetylsaponin als eine fast weiße amorphe Substanz, welche sich 
in Aether, Essigäther und Alkohol leicht löste. Mit dem über Schwefel- 
säure im Vakuum getrockneten Präparate wurden bei der Elementar- 
analyse folgende Werte erhalten: 


1. 0,1728 g Substanz ergab 0,3628 g COga und 0,1036 g H30. 


2. 0,1730 „ * „7.086256 zog 0,1030 „Ana 
3. 0,1643 „ r 5.034331, ie re 
Gefunden: Berechnet für 
3; 2. 3. Im Mittel Cga Has 016: 
C 57,27 57,15 56,99 57,14 57,30% 
+ 902 667 7 6,84 6,75 „ 
0° — _ — 36,02 36,96 „. 


Das Molekulargewicht wurde durch Gefrierpunktserniedrigung 
nach der Methode von Raoul im Beckmannschen Apparate mit der 
Benzollösung des Esters bestimmt. Es wurde berechnet nach der Formel: 
k-p 
n A-G 


1) Stütz, Ann. d. Chem. Bd. 217, 1883. 


M= 


H. Weiß: Aegiceras majus G. 229 


worink = 5000 die Konstante für Benzol, 

p = 0,2853 g das Gewicht der Substanz, 

A = 0,0550?) die Gefrierpunktserniedrigung und 

G = 12,859 g, das Gewicht des Lösungsmittels bedeutet, also 

5000 - 0,2853 
— 0,055 . 12,589 8, 

Das gefundene Molekulargewicht ist mithin das dreifache der 

berechneten einfachen Formel: Cy4H4s 01 = 712. Sie muß lauten: 
Cjoa Hısı Oss = 2136. 

Bei der Verseifung von 0,4070 g Ester mit alkoholischer % N.- 
Kalilauge und Rücktitration mit % N.-Schwefelsäure wurden 6,95 ccm 
% N.-Kalilauge verbraucht. Diese 6,95 ccm entsprechen einem Gehalt 
von 0,1946 g KOH, welche von 0,1495 g CH,;3CO gebunden werden. 
0,4070 g Ester enthalten 0,1495 g CH; CO, 712 g mithin: 

0,4070: 0,1495 = T12:x 
x = 261,4 g. 
a = 6,06 = 6 Acetyl- 
gruppen auf, oder bei dreifacher Molekulargröße 18. 

Nach Abzug dieser 18 Acetylgruppen von der Molekularformel 
des Acetylsaponins gelangt man zu der des Saponins, welche einem 
reinen Ausgangsprodukt entsprechen würde: 


Cyoa Hıss Oss 
— CO 36H 3 013 
= C g5Hıos O0 oder Cs Hyo 012 (OH)ıs, 


was einer einfachen Molekularformel von Oag Has O10 oder Cag Hz0 O4 (OH)s 
entspricht. 


Die Acetylverbindung weist demnach 


Spaltungen des Aegiceras-Saponins. 

Vorversuche hatten die leichte Spaltbarkeit des Saponins durch 
verdünnte Säuren ergeben. Eine abgewogene Menge Substanz wurde 
mit 2% iger Schwefelsäure durch längeres Erhitzen zuerst auf dem 
Wasserbade, später im Glyzerinbade bei 120° in ihre Komponenten 
Sapogenin und Zucker gespalten. Die hierbei erhaltene Menge Roh- 
sapogenin betrug im Mittel aus zwei Bestimmungen 20,4%. Der 
Versuch, das braun gefärbte Spaltungsprodukt durch Kochen der 
alkoholischen Lösung mit Tierkohle zu entfärben, gelang nur un- 
vollkommen. Auch die vielfach bewährte Reinigungsmethode durch 
Fällen des Sapogenins mit Kaliumhydroxyd in absolut alkoholischer 
Lösung war hier nicht von dem gewünschten Erfolge begleitet. Mit 


1) Mittel aus 4 Bestimmungen, 


230 H. Weiß: Aegiceras majus G. 


den geringen bei diesen Reinigungsmethoden schließlich zurück- 
bleibenden Mengen war es nicht mehr möglich Elementaranalysen 
auszuführen. 

Bei dem zweiten Spaltungsprodukte, dem Zucker, haben neuere 
Untersuchungen von Plzäck!) am Cyclamin, von Rosenthaler?) an 
einer größeren Anzahl von Saponinen gezeigt, daß sich darin neben 
Hexosen auch Pentosen befinden können. Beim Aegiceras-Saponin ließ 
sich durch nachstehende charakteristische Reaktion ebenfalls das Vor- 
handensein von Pentosen nachweisen. Wurde der Auflösung einiger 
Kryställchen Orcin in überschüssiger rauchender Salzsäure etwas 
neutralisierte Zuckerlösung zugegeben und die Mischung einige Zeit 
im Sieden erhalten, so trat zuerst eine rosa, nachher gelbgrüne Färbung 
ein, schließlich erfolgte Abscheidung von blaugrünen Flocken, die sich 
in Amylenhydrat mit blaugrüner Farbe klar auflösten. Die quantitative 
Bestimmung der Pentosen durch Anwendung des von Tollens und 
seinen Mitarbeitern?) ausgearbeiteten Phloroglucidverfahrens ergab die 
Anwesenheit von 12,96% Pentosen. 

Von den Hexosen ließ sich mit Sicherheit nur das Vorhandensein 
von Galaktose nachweisen. Bei der Oxydation der Galaktose durch 
Salpetersäure nach der Vorschrift von Tollens*®) bildete sich Schleim- 
säure, charakterisiert durch ihren Schmelzpunkt bei 212° und die beim 
Erhitzen des schleimsauren Ammoniums auftretenden Pyrroldämpfe. 
Letztere wurden gekennzeichnet durch die Rotfärbung eines mit Salz- 
säure befeuchteten Fichtenspans. 

Weiter stellte ich aus einem Teile des Zuckers Osazone dar. 
Durch häufige Umkrystallisation der gelb gefärbten Substanzen aus 
verdünntem Alkohol gelangte ich zu einem Osazon, welches bei 193 bis 
194° konstanten Schmelzpunkt zeigte. Es mußte sich also hier um 
ein Galaktosazon handeln, welches bei dieser Temperatur schmilzt. 
Eine quantitative Bestimmung der Hexosen konnte aus Mangel an 
genügendem Ausgangsmaterial nicht ausgeführt werden. 


Quantitative Bestimmung des Saponins in der Rinde. 


Die quantitative Bestimmung des Rindensaponins wurde in ganz 
ähnlicher Weise ausgeführt, wie es schon früher bei der qualitativen 
Darstellung beschrieben worden ist. Die dabei erhaltenen Resultate 
können jedoch wegen der schwierigen Reinigung nur auf annähernde 


1) Plzäck, Ber. d. d. chem. Ges. 1903, S. 1761. 

2) Rosenthaler, ds. Archiv, Bd. 243, H. 4, S. 247. 
8) Ber. d. d. chem. Ges. 24 (1891) III, S. 3581. 

4) Tollens, Ann. d. Chem. 232 (1886), S. 186. 


H. Weiß: Aegiceras majus G. 231 


Werte Anspruch machen. 100 g Rinde lieferten bei der 


1. Bestimmung 0,92 g Saponin = 0,92% 
2. a 0,85 „ - = (0,85 „ 
8. z 1,10 „ . = 1,10, 


Also ist im Durchschnitt der Saponingehalt der Rinde mit 
0,94—1% anzunehmen, ein Ergebnis, welches mit. den Angaben 
Bancrofts (s. Pharmakognost. Teil) stark in Widerspruch steht. 


3. Das Samen-Saponin, _ 


Wie schon am Eingang erwähnt wurde, fanden sich in der mir 
zugänglichen Literatur nirgendwo Angaben über ein Vorhandensein 
des Saponins in den Früchten. Es war daher anschließend an die 
Untersuchung der Rinde von Interesse zu erfahren, ob auch den 
Früchten ein Gehalt an Saponin zukommt. Bei einer Voruntersuchung 
stellte sich heraus, daß nur die Samen diesen Stoff enthalten, während 
die Fruchtschale gänzlich frei davon ist. 

Die Darstellung des Rohsaponins aus den Samen wurde wie bei 
der Rinde durch Ausziehen mit verdünntem Weingeist und Fällen mit 
Aether vorgenommen. Das Rohsaponin wurde dann weiter nach der 
Magnesiamethode gereinigt, was hier bei weitem nicht die Schwierigkeit 
bot, wie die Reinigung des Rindensaponins. Das nahezu rein weiße 
Produkt, welches hierbei erhalten wurde, trocknete ich bis zur Gewichts- 
konstanz bei 110° und führte damit einige Elementaranalysen und 
Aschebestimmungen aus. Die Analysenresultate wiesen jedoch in 
Uebereinstimmung mit den Elementaranalysen des Rindensaponins im 
Verhältnis zum Wasserstoff zu niedrige Mengen Kohlenstoff auf. Es 
waren also auch hier Verunreinigungen mit organischen Verbindungen 
von niedrigerem Kohlenstoffgehalte vorhanden. Eine Befreiung davon 
war nach den beim Rindensaponin gemachten Erfahrungen nur durch 
Ueberführung in die Acetylverbindung zu erwarten. 

Aus einer größeren Menge frischer Früchte, die ich inzwischen 
durch freundliche Vermittelung von Herrn Prof. Schaer aus Calcutta 
erhalten hatte, stellte ich mir wiederum ein Rohsaponin dar. Zur 
Trennung von beigemengten Kohlehydraten bediente ich mich mit 
Erfolg der früher schon erwähnten Bleimethode. Auch die wässerige 
Lösung des Samensaponins wurde nur durch Bleiessig gefällt, ein 
Beweis dafür, daß hier ebenfalls ein neutrales Saponin vorlag. Das 
durch Zerlegen der Bleiverbindung mit verdünnter Schwefelsäure 
erhaltene gelbe Produkt wurde durch Auflösen in Weingeist und 
Fällen mit Aether weiter gereinigt. Ich erhielt dann nach dem 


232 H. Weiß: Aegiceras majus G. 


Trocknen im Vakuum über Schwefelsäure ein gelblichweißes Pulver, 
von dem der größte Teil zur Darstellung des Acetylderivates Ver- 
wendung fand. Die Ausführung der Acetylierung geschah genau so 
wie beim Rindensaponin angegeben ist. Der gebildete Ester blieb nach 
dem Verdunsten des Lösungsmittels als weiße amorphe Substanz zurück, 
die über Schwefelsäure getrocknet wurde. Die Elementaranalyse zeigte 
folgende Werte: 


1. 0,1775 g Substanz ergab 0,3733 g COg und 0,1110 g H30. 


2. 0,2037 „ 5 n  WA297 2, v Oe 
3. 0,2087 „ EB 743D,4420:,2 0,2013, 5 
Gefunden: Berechnet für 
HL. 2. >. Im Mittel Ca H48 016: 
C_ 57,35 57,53 57,60 57,49 57,30% 
HB 2700 002° 7024 7,08 6,75, 
0° — — 35,43 30,95 „i 


Die Molekulargewichtsbestimmung, mit der Benzollösung des 
Esters ausgeführt, hatte folgendes Ergebnis: 


Nach der Formel: 
_k:p 
oa 
berechnet sich nach Einsetzung der verschiedenen Werte (kf. S. 229) 
das Molekulargewicht zu: 
M- 5000 - 0,6493 


0,08').18,7132 


Der gefundene Wert ist also auch hier der dreifache der 
berschneten einfachen Formel C34H4s 01 = 712. Diese muß demnach 
lauten: C1oaHı4 Oys = 2136. 

Die Bestimmung der Acetylzahl geschah in doppelter Ausführung. 
Unter Zusatz von je 10 ccm !/s N. alkoholischer Kalilauge wurde der 
Ester durch halbstündiges Erwärmen auf dem Wasserbade verseift und 
dann der Ueberschuß an Alkali durch Titration mit "/a N.-Salzsäure 
bestimmt (die in Klammern stehenden Zahlen beziehen sich auf die 
zweite Bestimmung): 

0,5445 g (0,5897 g) Ester verbrauchten 9,05 (9,85) ccm "/s N.- 
Kalilauge. Darin sind enthalten 0,252 (0,2758) g KOH, welche von 
0,1945 (0,2117) g CH,CO gebunden werden. 0,5445 (0,5897) g Ester 
entsprechen demnach 0,1945 (0,2117) g CH,;CO. 712 g also 

0,5445 (0,5897) :0,1945 (0,2117) = 712:x 
x = 254,5 (255,8) g CH, CO, 


= 2168. 


1) Mittel aus 4 Bestimmungen. 


H. Weiß: Aegiceras majus G. 233 


254,5 (255,8 
a) 
= 5,92—6 Acetylgruppen auf oder bei der dreifachen Molekularformel 
18 Acetylgruppen. 

Nach Abzug dieser 18 Acetylgruppen von der ermittelten 
Molekularformel des Esters gelangt man zu einem Saponin von der 
Zusammensetzung: 


Die Acetylverbindung weist demnach 


CyoaHıss Oss 
— C 36H 38018 


=C 66 Hıog Oso oder Cas Hg 012 (OH)ıs, 


was einer einfachen Molekularformel von Oga Has O10 oder Cag Hz, 0, (OH)s 
entspricht. 

Werden die oben erhaltenen Resultate mit denen verglichen, 
welche die Acetylverbindung des Rinden-Saponins lieferte, so fällt 
sofort die fast völlige Uebereinstimmung ins Auge. Die Abweichungen 
in den Elementaranalysen bewegen sich in solchen Grenzen, daß eine 
Berechnung für die gleiche Formel Cag Hz, 0,0 erfolgen konnte. Die 
Unterschiede der durch Gefrierpunktserniedrigung bestimmten Molekular- 
gewichte und ebenso diejenigen, welche die bei der Verseifung des 
Esters erhaltener Werte zeigen, bewegen sich in engen Grenzen. 

Die Annahme, daß das Saponin der Rinde mit dem Saponin der 
Samen identisch sei, erscheint, da beide gleiche Zusammensetzung be- 
sitzen, hiernach wohl berechtigt. 

In der physiologischen Wirkung zeigen beide Saponine jedoch 
einige Unterschiede. Herr Prof. Kobert in Rostock, dem ich die 
nachstehenden Angaben verdanke, hatte die Liebenswürdigkeit mit 
beiden Saponinen einige vergleichende Versuche in Bezug auf ihre 
Wirksamkeit anzustellen. Das in physiologischer Kochsalzlösung 
schwer lösliche Samen-Saponin wirkt auf die roten Blutkörperchen 
zehnmal stärker lösend ein, als das in physiologischer Kochsalzlösung 
leicht lögliche Rinden-Saponin. 

Aut Fische üben beide Substanzen in gleicher Weise typische 
Saponinwirkung aus. Noch bei einer Auflösung von 1:50000 in Wasser 
trat der Tod ein. Dagegen übten kleine Dosen auf Frösche und 
Warmblüter keine Wirkung aus. 


234 H. Haehn: Ketone. 


Arbeiten aus dem pharmazeutisch-chemischen Laboratorium 
der Universität Königsberg i. Pr. 
Mitgeteilt von A. Partheil. 


Eine neue Bildungsweise der Ketone. 
Von Dr. Hugo Haehn. 
(Eingegangen den 2. V. 1206.) 


Die Liebig-Dumas’sche Kalksalzdestillation führt bekanntlich 
bei Anwendung eines einheitlichen Kalksalzes zu Ketonen. Essigsaures 


Calcium liefert z. B. Aceton: 
CH3 - CO 0 
CH3-C007° 
Spaltet man aus Karbonsäuren gleichzeitig Wasser und Kohlen- 
säure ab, so kann man auch zu dieser Stoffklasse gelangen. Caleium- 
karbid, in einem Reagensglase mit einer wasserfreien fetten Mono- 
karbonsäure übergossen, erzeugt schon in der Kälte eine lebhafte Gas- 
entwickelung. Beim Erwärmen wird die Einwirkung stärker und das 
entweichende Gas gibt, in ammoniakalische Silberlösung geleitet, einen 
weißen Niederschlag, der in trockenem Zustande beim Erwärmen heftig 
explodiert und sich als Acetylensilber erweist. 
Leitet man die Dämpfe von Monokarbonsäuren über. erhitztes 
Caleiumkarbid, so erhält man neben anderen Produkten Ketone. Die 


Ca = CH;-C0-CH, + CaC0;. 


Das Rohketon sammelt sich als bräunliche, fluoreszierende 
Flüssigkeit in der Vorlage an, und das Wasser erzeugt mit dem 
Caleciumkarbid Acetylen und Calciumoxyd, beziehungsweise Valcium- 
hydroxyd. 

Es liegt die Vermutung nahe, daß die entstandene Oalciumbasis 
mit den Säuredämpfen unter Salzbildung reagiere, und das Entstehen 
der Ketone fortan als Produkt der Liebig-Dumas’schen Kalksalz- 
destillation anzusehen ist. Jedoch ist es nicht so. Ich nehme aus 
Gründen, die ich später anführen werde, an, daß das Oalciumkarbid 
aus zwei Molekülen Säure Wasser abspaltet 


H R CO 
et So 
R: COOH R:007 


H. Haehn: Ketone, 235 


und das Anhydrid der Säure bildet, welches nun bei der gegebenen 
Temperatur durch neues Caleiumkarbid katalytisch in Kohlensäure 
und das entsprechende Keton zerlegt wird 


R-CO\ 


0 = (09 -+R:CO-R. 
R-C0/ e 


Als Stützpunkt für diese Theorie führe ich zunächst das Ver- 
halten des Essigsäureanhydrids gegen erhitztes Calciumkarbid an. Es 
bildet sich in beträchtlichen Mengen Aceton. Auch glühender Zink- 
staub gibt diese Reaktion, wie Jahn!) gezeigt hat. 

Eine fernere Tatsache, die gegen eine intermediäre Salzbildung 
bei der Karbiddestillation spricht, ist die, daß die Ketonbildung in 
unserem Fall bei viel niedrigerer Temperatur stattfindet als bei der 
trockenen Destillation der Kalksalze. Bei der Buttersäure wurden 
diese Verhältnisse genauer untersucht, und es stellte sich heraus, daß 
bereits bei 285° Dipropylketon entsteht. Der buttersaure Kalk 
hingegen fängt erst bei 320° an zu schmelzen, bei 330° kann man 
etwas Keton nachweisen und bei 350° ist etwa ein Drittel des Salzes 
noch unzersetzt. 

Das Verhalten der Isovaleriansäure spricht ebenfalls dafür, daß 
wir es hier mit einer anderen Reaktion zu tun haben. E. Schmidt?) 
hat konstatiert, daß sich bei der trockenen Destillation von isovalerian- 
saurem Kalk vorzugsweise Valeral neben wenig Valeron bildet. Auch 
Dilthey°®) fand in neuerer Zeit ein ähnliches Resultat. Bei der 
Caleiumkarbiddestillation hingegen ist dieses Verhältnis gerade um- 
gekehrt: wenig Valeraldehyd und viel Valeron. Anfangs ist das Roh- 
keton frei von Aldehyden, erst später lassen sich kleine Menger nach- 
weisen. Das hat wahrscheinlich seinen Grund in dem entstandenen 
Caleiumoxyd, das die Aldehyibildung bedingt. E. Schmidt?) hat 
bereits den günstigen Einfluß dieser Basis bei der Aldehydsynthese 
aus fettsauren Salzen beobachtet. 

Endlich möchte ich noch auf die Resultate Jahn’s°) hinweisen, 
der die Einwirkung von Zinkstaub auf Essigsäure und Buttersäure 
untersuchte. Auch er erhielt Ketone und kommt zu dem Schlusse, 
daß diese Reaktion nicht als Zinksalzdestillation aufzufassen sei, sondern 
daß es sich um eine Kontaktwirkung des Zinkstaubes handele. 


1) Ber. d. chem. Goes. 13, II, 2107. 

2) Ber. d. chem. Ges. 5, 600. 

8)_ Ber. d. chem. Ges. 34, II, 2115 (1901). 
4) loc. eit. 

5)_loc._cit. 


ER 


236 : H. Haehn: Ketone. 


Die praktische Ausführung der Calcinmkarbiddestillation gestaltet 
sich folgendermaßen: 

Ein Verbrennungs- oder Porzellanrohr wird mit erbsengroßen 
Stücken von Calciumkarbid gefüllt. Damit durch dasselbe nach der 
Zersetzung keine Verstopfung des Rohres eintritt, legt man in kleinen 
Abständen, die nach der Vorlage zu größer werden können, lose 
Asbestpfropfen dazwischen. Dort, wo die Säure durch einen Tropf- 
trichter in das Rohr eintritt, muß die Asbestwatte im Ueberschuß 
sein. Mittelst Vorstoß befestigt man am Ende des Rohres eine Saug- 
flasche als Vorlage. Man läßt nun etwas Säure in die Asbestwatte 
einsaugen und erwärmt das Rohr auf einem nach der Vorlage zu 
etwas geneigten Verbrennungsofen. An der Stelle, wo die Säure mit 
dem Karbid zunächst in Berührung kommt, lasse man das Rohr so 
lange kalt, bis der übrige Teil des Ofens die gewünschte Temperatur 
hat. Alsdann erwärme man mit kleinen Flammen, worauf die Reaktion 
beginnt. Das Destillat ist gelb bis schwach braun gefärbt und reagiert 
gegen Lackmus neutral. Wenn Säure auftritt, so geht die Destillation 
zu schnell oder das Karbid ist nicht genügend hoch erhitzt. Um die 
Tropfen der ausfließenden Säure zählen zu können, setzt man auf den 
Scheidetrichter einen Stopfen mit Glasrohr. Die Spitze desselben 
taucht in die Flüssigkeit und die eintretenden Luftblasen geben das 
Maß der Ausflußgeschwindigkeit der Säure an. Die Hauptmenge des 
.Karbids wird nicht zersetzt. Sie reagiert noch mit Wasser, aber 
langsam. Auf Zusatz von etwas Salzsäure wird die Reaktion sofort 
lebhaft. 

Beispiele: 
Ameisensäure. 


Wird Ameisensäure über schwach erhitztes Calciumkarbid geleitet, 
so tritt ein äußerst lebhafter Zerfall beider Stoffe ein. In der stark 
abgekühlten Vorlage sammelt sich kein Destillat an, da die Ameisen- 
säure in Wasser und Kohlenoxyd zerfällt 

H-CO0OH = 0 +C0. 

Die entweichenden Gase wurden in stark verdünntes Blut geleitet, 
das, spektroskopisch untersucht, noch auf Zusatz von Schwefelammon 
das charakteristische Absorptionsspektrum zeigte. 


Essigsäure. 


Essigsäure liefert bei der Karbiddestillation eine schwach gelb 
gefärbte, eigentümlich riechende, leicht bewegliche Flüssigkeit. . Wird 
sie destilliert, so geht zur Hauptsache ein bei 62° konstant siedendes 
Gemisch von Aceton und einem primären Alkohol, wahrscheinlich 
Methylalkohol, über. 


H. Haehn: Ketone. 237 


Mit dieser Fraktion konnten sämtliche Acetonreaktionen erhalten 
werden. Aus o-Nitrobenzaldehyd und wenig Natronlauge bildete sich 
Indigo. Die Natriumnitroprussidreaktion sowie die Reynold’sche 
Probe traten ebenfalls prompt ein. Mit Jod und Kalilauge schied sich 
Jodoform ab, allerdings nur in geringer Menge. Aceton entsteht nach 
folgender Gleichung: 

2CH3-COOH = CH;-CO -CH, + H30 + CO,. 

Zum Nachweis des primären Alkohols wurde die Substanz mit 
amorphem Phosphor und Jod behandelt. Das entstandene Halogen- 
alkyl führte ich mit Silbernitrit in die Nitroverbindung über, die sich 
mit salpetriger Säure in die charakteristische Nitrolsäure verwandelte. 


- Propionsäure. 


Das Diäthylketon wird in reichlicher Menge erhalten, wenn man 
über mäßig erhitztes Karbid die Dämpfe von Propionsäure leitet 

2C3H5:COOH = CgH5-CO-C3H5 + H,O + CO; 

Das Rohdestillat nimmt man in Aether auf und schüttelt zur 
Entfernung der geringen Säuremenge mit Sodalösung oder 2% iger 
Natronlauge. Alsdann wäscht man mit Wasser bis zur neutralen 
Reaktion aus, trocknet mit Chlorcalcium und destilliert, nachdem der 
Aether verjagt worden ist. Bei 103° siedet das reine Keton. 

Aus 50 g Säure erhielt ich 28g Rohketon, (die Theorie fordert 
29 g) woraus durch mehrmalige Destillation 10 g reines Diäthylketon 
erhalten werden konnten. Es ist eine wasserhelle Flüssigkeit von keton- 


artigem Geruch. 
Analyse. 
0,1990 g Substanz mit CuO verbrannt, gaben 0,5074 g COs und 
0,2090 g H30. 


Berechnet für C;H,0: Gefunden: 
C 69,76 . 6953 
H 11,62 11,66. 


Zur weiteren Identifizierung des Ketons stellte ich mit Hilfe von 
Thiele’s Semikarbazidlösung das Semikarbazon dar 


Fü Kite 

+ H3N—NH-CO-NH=H:s0-+ C:N—NH-CO-NHa 
| 

CaH; CaH; 


Zu Hydrazinsulfat gibt man die berechnete Menge Soda und 
Kaliumeyanat in Wasser gelöst, und wenn das Diäthylketon in ver- 
dünnter alkoholischer Lösung zugefügt wird, scheidet sich nach einiger 
Zeit das Semikarbazon in weißen Krystallen ab. Aus Alkohol bekommt 
man silberglänzende Blättchen, die den von Dilthey angegebenen 
Schmelzpunkt von 139° zeigen. 


238 H. Haehn: Ketone. 


n-Buttersäure. 


Das Dipropylketon C;H; - CO - C,H, erhält man ganz analog wie 
das Diäthylketon. Die Ausbeute beträgt 30%. Es siedet zwischen 
144—145°. Es konnte auch durch sein Semikarbazon, das bei 133° 
schmilzt, charakterisiert werden. Die Zersetzungstemperatur der Butter- 
säure wurde als 285° gefunden, und zwar im elektrischen Röhrenofen. 
Das Thermoelement befand sich zwischen Glasrohr und Ofen. 

Analyse. 


0,1604 g Substanz mit CuO verbrannt, gaben 0,4340 g COs und 
0,1762 g Hs 0. 


Berechnet für 7 H40: Gefunden: 
C 73,68 a 
H 12,28 12,20. 


Isovaleriansäure. 


Aus 50 g Säure bekommt man 20 g Destillat. Dasselbe ist braun 
gefärbt, fluoresziert grünlich und reagiert gewöhnlich schwach sauer. 
Zu Beginn der Reaktion ist es frei von Aldehyden, später lassen sich 
kleinere Mengen nachweisen. Die ätherische Lösung wird öfters mit 
Natronlauge geschüttelt und mit Wasser gewaschen. 15g Rohketon 
destilliert, gaben folgende Fraktionen: 


60— 850 — ca. 0,1 g 
85—1200—=1 g 
120—1450 — 25 „ 
15-100 =5 „ 
Kolbenrückstand =6 %„. 


Die Fraktion 85—120° ist eine milchige Flüssigkeit, die Valer- 
aldehyd (Sdp. 92°) enthält. Fuchsinschweflige Säure wird sofort gerötet. 
Nach Dilthey!) befindet sich Valeron in der Fraktion 145—180° des 
Rohketons, das er aus isovaleriansaurem Kalk erhalten hat. Meine 
entsprechende Fraktion zeigt dieselben Eigenschaften, die Dilthey von 
seiner Substanz angibt. Das Semikarbazon ist leicht erhältlich, schmilzt 
bei 95°, und ist demnach ein Gemisch der beiden isomeren Semikarbazone 
des Valerons. 

Benzoesäure. 


Bei dunkler Rotglut reagiert Calciumkarbid auch mit Benzoe- 
säure unter Bildung von Benzophenon. Um die Ausbeute zu erhöhen, 
wendet man ein Vakuum von ca. 20 mm an. Es resultiert ein braunes 
Oel, das beim Impfen mit Benzophenon sofort erstarrt. Aus Alkohol 
erhält man zolllange Nadeln vom Schmp. 49°, 


1) loc. cit. 


E. Schmidt: Ephedrin und Pseudoephedrin. 239 


Wird das Benzophenon mit salzsaurem Hydroxylamin in alko- 
holischer Lösung mehrere Stunden auf dem Wasserbade erhitzt, so 
entsteht sein Oxim 

C,H5-C0-CgHg + NHg- OH = HgO + CeH5:C -CyH; 


NOH. 
Der Schmp. 140° stimmt mit dem in der Literatur angegebenen 
überein. 
Die Ausbeuten hängen wesentlich von der Reaktionstemperatur 
ab. Aus diesem Grunde sollen künftig die Karbiddestillationen mit 
konstanter Heizquelle ausgeführt werden. 


Nachtrag. 
Von L. Rosenthaler. 


Im Anschluß an meine Veröffentlichung über die beim Mischen 
von Chloroform und Aether eintretende Temperaturerhöhung werde 
ich von mehreren Seiten in dankenswerter Weise darauf aufmerksam 
gemacht, daß diese Erscheinung schon wiederholt beobachtet, aber auch 
beschrieben worden ist und zwar, wie es scheint, zuerst von Bussy 
und Buignet (Journal de Pharm. et de Chim. 1864, t. 46, III ser. 
p. 404). 


Mitteilungen aus dem pharmazeutisch-chemischen Institut 
der Universität Marburg. 


196. Veber die Umwandlung des Ephedrins in 
Pseudoephedrin. 


Von Ernst Schmidt. 
(Eingegangen den 2. V.,1906.) 


Vor einiger Zeit machte ich in dieser Zeitschrift (1904) die 
Mitteilung, daß es mir, im Verein mit Herrn Dr. F. Flaecher, 
gelungen sei, das Ephedrin: CuoH1,NO, in das damit isomere 
Pseudoephedrin zu verwandeln und zugleich auch letztere Base mit 
dem Nagai’schen Isoephedrin zu identifizieren. Die Umwandlung 
des Ephedrins wurde damals durch fünfstündiges Erhitzen von Ephedrin- 
hydrochlorid mit der zehnfachen Menge Salzsäure von 5% auf 170 bis 
180° bewirkt. Unter diesen Versuchsbedingungen ist jedoch die Aus- 


240 E. Schmidt: Ephedrin und Pseudoephedrin. 


beute an Pseudoephedrin nur eine wenig befriedigende, da hierbei ein 
Teil des Ausgangsmaterials, unter Bildung von öligen, benzylchlorid- 
artig riechenden Produkten, eine tiefer greifende Zersetzung erleidet. 
Ich habe mich daher bemüht ein Verfahren zu finden, welches die 
Darstellung von Pseudoephedrin aus Ephedrin in glatterer Weise 
ermöglicht. Dieses Ziel wurde dadurch erreicht, daß Ephedrinhydro- 
chlorid mit der zehnfachen Menge Salzsäure von 25% 12 Stunden 
lang im Wasserbade erhitzt wurde. Das kaum gefärbte, klare 
Reaktionsprodukt lieferte alsdann ohne erhebliche Schwierigkeiten, 
neben unverändert gebliebenem Ephedrin, reichliche Mengen von 
Pseudoephedrin. 

Eine vollständige Umwandlung des Ephedrins in Pseudoephedrin 
gelang jedoch auch unter diesen Versuchsbedingungen nicht. Das 
Resultat war auch im wesentlichen das gleiche, als die Einwirkungs- 
dauer der Salzsäure von 12 auf 24 Stunden ausgedehnt wurde. Es 
scheint bei diesem Umwandlungsprozesse ein Gleichgewichtszustand 
zwischen dem angewendeten Ephedrin- und dem gebildeten Pseudo- 
ephedrin-Hydrochlorid einzutreten. Wurde das zurückgewonnene 
Ephedrinhydrochlorid, welches in seinen chemischen und optischen 
Eigenschaften noch vollständig mit dem naturellen Hydrochlorid über- 
einstimmte, von neuem mit Salzsäure in obiger Weise erhitzt, so 
wiederholte sich der gleiche Vorgang, indem neben unverändertem 
Ephedrinhydrochlorid abermals beträchtliche Mengen von Pseudo- 
ephedrinhydrochlorid resultierten. 

Das auf diese Weise gewonnene Pseudoephedrin ist 
chemisch, optisch und krystallographisch, identisch mit 
der naturellen Base, wie die Versuche, welche Herr H. Emde 
auf meine Veranlassung in größerem Umfange ausführte, lehrten. 

Bei dieser Umlagerung ist es nicht allein bemerkenswert, daß 
eine stark linksdrehende Base (Ephedrin) in eine noch stärker 
rechtsdrehende (Pseudoephedrin) verwandelt wird, sondern daß auch 
zugleich eine Verschiebung in der Stellung der OH-Gruppe in der 
Seitenkette eintritt. Die durch erschöpfende Methylierung aus Ephedrin 
und Pseudoephedrin erhaltenen ungesättigten Alkohole C,H,-OH 
differieren in ihren Siedepunkten sehr beträchtlich, so daß es sich bei 
der Isomerie dieser beiden Alkaloide wohl nur um Strukturisomerie 
handeln dürfte. 

Herr H. Emde, welcher sich auch mit diesen und verschiedenen 
anderen, hierzu in Beziehung stehenden Versuchen beschäftigte, wird 
demnächst hierüber in dieser Zeitschrift eingehend berichten. 


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zugrunde gelegen hat, verstanden wird, so bitten wir um gütige Mit- 


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PHARMAZIE | 


herausgegeben 


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vom 


Deutschen Apotheker-Verein 


unter Redaktion von 


E. Schmidt una H. Beckurts. 


"Band 244. Heft 4 


| BERLIN. 
_ Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereins. 
ar 71906. 


Ausgegeben den 11. August 1906. 


E Günzel, Ueber Sie Alkaloide der Oolumbownrzei “ 
HB. Emde, Ueber Styrylaminbasen und deren Beziehungen zum 
und Pseudoephedrin ot 

x 6. Mai und C. Rath, Kolorimetzisehn Banane kleinen Mensen Mörphtn N 
Sg; Tröger und F. Schaub, Ueber die Einwirkung en Säure auf fe 
Diazo-m-toluolchlorid bezw. -sulfat. . . . Ko 
1. aröyer und M. Franke, Ueber die Einwirkung von schwetliger Säure vr 


“auf Diazobenzolsulfat lee 

.d. Tröger, G. Warnecke und F. Schaub, Diener de vermalliehb Kon: “ 
. stitutionsformel der bei der Einwirkung von SOg auf Diazo-m-toluol 
entstehenden Sulfonsäure, CH N4S0, . . .. . . . 


Eingegangene Beiträge. 


j. Tröger, H. Berlin und M. Franke, Konstitutionsformel der hei) er Ein- 
rue von SOsa auf Diazobenzolsalz Sn Sulfosäuren. 


(Geschlossen den &n "Vu. SR 


EN EFEREE 


er monatlich einmal) in einem jährlichen Umfahge von [ty bi 
\ 50 Bogen. Ladenpreis für den Jahrgang Mk. 12,—. 


Alle Beiträge für das „Archiv“ sind an de 1 
Archiv- Redaktion neo 


Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg an) 
oder Herrn Geh. Med.-Rat Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig, 
alle die Anzeigen u. s. w., überhaupt die Archiv-Verwaltung und 
die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den 


Deutschen Apotheker-Verein 
Berlin C. 2, Neue a. .. 


ee 


Kr Stan "Seite zum Preise von M 50.—; 1 Seite zum Preise von M 30.—; 
' BEBIr®, von M ja 1/, Seite zum Preise von M 10.—. Die Grundschrift i 


H Emde: Ephedrin und Pseudoephedrin. 241 


Mitteilungen aus dem pharmazeutisch-chemischen Institut 
der Universität Marburg. 
Von Ernst Schmidt. 


197. Beiträge zur Kenntnis des Ephedrins und 


Pseudoephedrins. NEW Yoı 
Von Dr. Hermann Emde. BOT ANIC; 
(Eingegangen den 12. V. 1906.) GARDEN 


a) Umwandlung des Ephedrins in Pseudoephedrin. 


Sowohl Nagai'), als auch E. Schmidt und Flaecher?) erhielten 
bei der Darstellung von Iso- bezw. Pseudoephedrin aus Ephedrin durch 
Erhitzen mit Salzsäure von 5% auf 180°, infolge des Auftretens von 
Produkten tiefergreifender Zersetzung, besonders eines dickflüssigen, 
benzylchloridähnlich riechenden Oeles, nur wenig Pseudoephedrin. 
Später beobachtete jedoch E. Schmidt?), daß, wenn man Ephedrin 
mit Salzsäure von 25% längere Zeit im Wasserbade erhitzt, keine 
derartige ölige Abscheidung erfolgt, also anscheinend keine tiefer- 
greifende Zersetzung stattfindet. Wurde die so erhaltene Lösung nach 
dem Eindanıpfen mit Natriumkarbonat übersättigt, so entstand zunächst 
eine milchige Trübung und beim Stehen in der Kälte schließlich eine 
reichliche Ausscheidung von krystallisiertem Pseudoephedrin; Ephedrin- 
chlorhydrat gibt nur in sehr konzentrierter Lösung eine ölige, in 
Wasser leicht lösliche Abscheidung. 

Bei den Versuchen, die ich auf Veranlassung von Herrn Geheimrat 
Prof. Dr. E. Schmidt in der angedeuteten Richtung in größerem 
Umfange anstellte, ergab sich ein verhältnismäßig einfaches Verfahren, 
nach dem sich Ephedrin zu Pseudoephedrin umlagern läßt, ohne daß 
dabei eine nennenswerte Menge sekundär zersetzt wird. Ich verwandte 
zu diesen Versuchen ein von E. Merck in Darmstadt bezogenes 
Ephedrinchlorhydrat, das nach wiederholtem Umkrystallisieren aus 
Alkohol den Schmp. 216° besaß. Zur Umlagerung desselben verfuhr 
ich in folgender Weise: 

Je 10 g salzsaures Ephedrin und 100 g Salzsäure von 25% 
erhitzte ich in einer Volhardschen Röhre 24 Stunden lang im 
Wasserbade. Die Flüssigkeit erschien dann meist gelblich gefärbt. 
Beim Erkalten schied sich aus ihr nichts ab; dagegen verblieb beim. 


1) Chem.-Ztg. 1890, I, 441. 
2) Arch. d. Pharm. 1904, 380. 
8) Ibidem 1906, 239. 


Arch. d. Pharm. COXXXXIV. Bds. 4. Heft. 16 


No 
= 
op) 


AUG 301] 


242 H. Emde: Ephedrin und Pseudoephedrin. 


Verdampfen derselben auf dem Wasserbade ein gelblicher, krystallinischer 
Rückstand. Zerreibt man dieses Reaktionsprodukt fein und spült es 
mit Aceton auf ein Filter, so braucht man nur mit wenig Aceton 
nachzuwaschen, um dasselbe rein weiß zu erhalten. Beim Verdunsten 
des Acetons hinterbleibt wenig eines braunen Oeles von scharfem 
Geruch, sowie eine geringe Menge krystallisiertes Pseudoephedrin- 
chlorhydrat, das nach dem Abpressen zwischen Filtrierpapier mit der 
Hauptmenge des in nachstehender Weise isolierten Pseudoephedrins 
verarbeitet werden kann. Die in Aceton unlösliche Masse besteht aus 
den Chloriden des Ephedrins und des Pseudoephedrins. Zur Trennung 
dieser beiden Basen löst man sie in der nur eben hinreichenden Menge 
heißen Alkohols von 96% und läßt die Lösung langsam erkalten. 
Hierbei scheidet sich zunächst unverändert gebliebenes salzsaures 
Ephedrin ab. Häufig ist ihm jedoch bereits etwas salzsaures Pseudo- 
ephedrin beigemischt, was man daran erkennt, daß eine Probe, in 
Wasser gelöst, sich mit gesättigter Natriumkarbonatlösung trübt oder 
ölige Tröpfchen abscheidet. In diesem Falle löst man am besten 
das Gemisch in etwas mehr Alkohol und läßt nochmals krystallisieren. 
Die alkoholische Mutterlauge bringt man alsdann zur Trockne, löst 
den Rückstand in wenig Wasser und setzt gesättigte Natriumkarbonat- 
lösung in starkem Ueberschusse zu. Es scheidet sich dabei das Pseudo- 
ephedrin zunächst als gelbes bis bräunliches Oel von angenehmem 
Geruche in der Flüssigkeit ab. Nach einigem Stehen an kühlem Orte 
erstarrt diese Ausscheidung krystallinisch und zwar um so schneller, 
je weniger Ephedrin ihr beigemischt ist; aus ganz reinem Pseudo- 
ephedrinchlorhydrat scheidet sich die Base auf Zusatz von Soda sofort 
in Form zarter filziger Nadeln aus. Nach dem Abfiltrieren des Pseudo- 
ephedrins schüttelt man die wässerige Lösung dreimal mit dem gleichen 
Volum Aether aus; derselbe hinterläßt dann beim Verdunsten, außer 
mehr oder weniger zähflüssigem Ephedrin, krystallisiertes Pseudo- 
ephedrin, das man zusammen mit dem von der Sodalösung abfiltrierten 
schließlich aus Aether umkrystallisiert. In den letzten ätherischen 
Mutterlaugen ist meist ein Gemisch von Ephedrin und Pseudoephedrin 
enthalten, aus dem keine krystallinischen Abscheidungen mehr zu 
erzielen sind; man behandelt dieses Gemisch am besten zusammen mit 
dem unverändert zurückgewonnenen oder mit einer weiteren Menge 
Ephedrinchlorhydrat von neuem mit Salzsäure. . 

Aus 10 g salzsauren Ephedrins erhielt ich auf diese Weise in 
einer Operation 3—4 g reines Pseudoephedrin. Durch wiederholte 
Behandlung mit Salzsäure kann man jedoch das unverändert gebliebene 
Ephedrin successive zum größten Teil noch in Pseudoephedrin ver- 
wandeln. 


H. Emde: Ephedrin und Pseudoephedrin. 243 


Das auf diese Weise erhaltene künstliche Pseudoephedrin besitzt 
ebenso wie die naturelle Base den Schmp. 117,5; das zunächst un- 
verändert zurückgewonnene Ephedrinchlorhydrat läßt sich durch 
Umkrystallisieren aus Alkohol leicht in glashelle, säulenförmige Krystalle 
vom Schmp. 216° überführen. 

Um weiter festzustellen, daß es sich bei beiden Produkten in der 
Tat nur um diese Verbindungen handelt, verglich ich die spezifische 
Drehung derselben mit der von Flaecher!) für Pseudoephedrin und 
von Miller?) für Ephedrin bestimmten. Ich benutzte dazu den 
Landolt-Lippichschen Polarisationsapparat und ein Rohr von 
200 mm Länge; bei der Herstellung der Lösungen, sowie beim 
Beobachten des Drehungswinkels hielt ich die Temperatur von 20° 
ein. In möglichster Annäherung an die von Flaecher angewandten 
Mengenverhältnisse löste ich jedesmal 0,1250 g Substanz in einem 
Pyknometer, das bei 20° 24,9255 g Wasser faßte. 

I. Freies, aus Ephedrin umgelagertes Pseudoephedrin bewirkte, 
in absolutem Alkohol gelöst (Gewicht der Lösung 20,0670 g) eine 
Ablenkung von + 5,13°; hieraus berechnet sich [a]n =+51,24°. 
Flaecher beobachtete an der naturellen Base eine Ablenkung von 
+ 4,728° und berechnete [«a]p = + 49,83%. 

II. Die zu dieser Bestimmung benutzte Base neutralisierte ich 
mit verdünnter Salzsäure und überließ die Lösung der Krystallisation. 
Ich erhielt lange farblose Nadeln vom F.-P. 180,5°. Von E. Merck 
in Darmstadt bezogenes Pseudoephedrinchlorhydrat zeigte nach wieder- 
holtem Umkrystallisieren aus absolutem Alkohol denselben Schmelz- 
punkt. Ich beobachtete für das durch Umlagerung erhaltene Pseudo- 
ephedrinchlorhydrat in wässeriger Lösung (Gewicht der Lösung 
25,1287 g) eine Ablenkung von + 6,18°; hieraus berechnet sich 
[al = + 61,73%. Flaecher beobachtete + 5,95° und berechnete 
[«]p = + 62,05°. 

III. Bei dem unverändert zurückgewonnenen Epbedrinchlorhydrat, 
das nach dem Umkrystallisieren aus Alkohol bei 216° schmolz, 
beobachtete ich in wässeriger Lösung (Gewicht der Lösung 25,1294 g) 
eine Ablenkung von —3,50°; daraus berechnet: sich le] = —34,96°, 
Miller beobachtete bei ähnlicher Konzentration im 100 mm-Rohr: 
— 1,833° und berechnete [a] = —36,66°. 

Ergibt sich schon aus diesen Resultaten die Identität der ver- 
glichenen Körper, so lieferte die krystallographische Untersuchung 
einen weiteren Beweis dafür, daß das aus Ephedrin umgelagerte 
Pseudoephedrin identisch ist mit dem naturellen. 

1) Arch. d. Pharm. 1904, 382. 

2) Arch. d. Pharm. 1902, 485. 


16* 


244 H. Emde: Ephedrin und Pseudoepbedrin. 


Zur Erzielung meßbarer Krystalle löste ich das durch Umlagerung 
erhaltene Pseudoephedrin und die naturelle, von E. Merck bezogene 
Base in Aether und ließ diese Lösungen in kleinen mit Uhrgläsern 
bedeckten Bechergläsern freiwillig verdunsten. Ich erhielt auf diese 
Weise prächtig ausgebildete Krystalle. 

Herr K. Schwantke hatte die Liebenswürdigkeit, diese 
Krystalle miteinander zu vergleichen. Es sei mir gestattet, Herrn 
K. Schwantke auch an dieser Stelle bestens für seine Mühewaltung 
zu danken. Herr Schwantke wird über diese Untersuchungen an 
anderem Orte ausführlich berichten; er teilt mir als Hauptergebnis 
folgendes mit: 

„Die mit „Pseudoephedrin, Umlagerungsprodukt“ bezeichneten 
Krystalle gehören dem rhombischen System an. Sie zeigen die 
Kombinationen: 


(001) OP, 
(101) P%, 
(011) Po, 


(012) ! Pa. 

Die Basis (001) ist in der Regel vorherrschend ausgebildet, sodaß 
die Krystalle mehr oder weniger dick tafelförmig sind. Doch sind an 
kleineren Individuen auch die Domen (101) und (011) ziemlich groß, 
namentlich auf der oberen Hälfte, wenn die Krystalle auf der Basis- 
fläche liegend gewachsen sind, sodaß dann die Flächen (001) auf beiden 
Seiten verschieden groß ausgebildet sind. Die Messung der Krystalle 
wird erschwert durch den Umstand, daß sie außerordentliche Plastizität 
besitzen und sich bei leisestem Druck schon stark verbiegen. Aus den 
Mitteln der gemessenen Winkel von (001):(101) und (001):(O11) ergab 
sich das Achsenverhältnis a:b:c = 0,84142:1:1,8563. 

Die mit „Pseudoephedrin, naturelle Base“ bezeichneten Krystalle 
stimmen in der Form vollkommen mit dem Umlagerungsprodukt 
überein, ebenso in der Plastizität. Die Winkelmessungen ergaben 
innerhalb der Fehlergrenzen dieselben Werte; das Achsenverhältnis ist 
0,84492:1:1,8598. An der Identität der beiden Substanzen ist 
krystallographisch nicht zu zweifeln.“ 

Die vorstehend wiedergegebenen Beobachtungen liefern den Beweis, 
daß durch die angegebene Behandlungsweise das linksdrehende Ephedrin 
zu einem sehr beträchtlichen Teile in das rechtsdrehende Pseudoephedrin 
umgewandelt wird. Pseudoephedrin kann jedoch nicht als optische 
Antipode des Ephedrins betrachtet werden, da — abgesehen von 
anderen Gründen — seine Drehung nach rechts erheblich stärker ist 
als die des Ephedrins nach links, und weiter bei der Umlagerung keine 
Racemkörper gebildet werden. Vielmehr müssen die beiden Alkaloide 


H. Emde: Ephedrin und Pseudoephedrin. 245 


strukturell von einander verschieden sein; es ist anzunehmen, daß in 
ihnen, bei sonst gleicher Konfiguration, die Hydroxylgruppe an nicht 
korrespondierenden Kohlenstoffatomen steht. 

Das Ephedrin erfährt nicht nur eine Veränderung, wenn es mit 
Salzsäure erwärmt wird, sondern auch beim Erwärmen für sich und 
mit Alkalien. 

Als ich von festem Ephedrin, daß ich durch Soda aus Ephedrin- 
chlorhydrat-Merck abgeschieden hatte, den Schmelzpunkt bestimmte, 
beobachtete ich, daß im Schmelzröhrchen der weitaus größte Teil sich 
bei 38° zu einem durchsichtigen gelblichen Oele verflüssigte, dagegen 
einige zarte Krystallblättchen erst gegen 100° schmolzen. Auf Grund 
dieser Beobachtung erwärmte ich 2g krystallisierten Ephedrins dreimal 
12 Stunden lang in einem trockenen, verkorkten Reagensglase im 
Wasserbade. Während die Hauptmenge sich fast sofort verflüssigte, 
blieben auch diesmal einige feine Krystallblättchen fest; ihre Menge 
schien bei längerem Erwärmen zuzunehmen. Nach dem Erkalten 
zeigte sich, daß sich die zähflüssige Hauptmenge, ebensowenig wie die 
Krystalle in kaltem Wasser löste, während sich freies Ephedrin 
leicht in Wasser löst. Nachdem ich durch Zusatz von wenig Alkoho! 
und Erwärmen Lösung herbeigeführt hatte, ließ ich verdunsten. Hierbei 
schied sich ein öliger Körper ab, der sich bei längerem Stehen an der 
Luft zum großen Teile in breite Krystallnadeln verwandelte, die jedoch 
im Exsikkator schnell wieder zu einem öligen Liquidum zusammenflossen. 

Versetzt man ferner eine nicht zu konzentrierte wässerige Lösung 
von Ephedrinchlorhydrat mit überschüssiger gesättigter Natrium- 
karbonatlösung, so erfolgt klare Mischung. Erwärmt man aber das 
Gemisch einige Zeit auf dem Wasserbade, so scheiden sich ölige 
Tropfen ab, die sich beim Erkalten nicht wieder lösen. Durch Aether 
kann man sie der Flüssigkeit entziehen; beim Verdunsten des Aethers 
hinterbleibt ein öliger Rückstand, der sich in Wasser beim Erwärmen 
löst. Läßt man diese Lösung freiwillig verdunsten, so scheiden sich 
aus ihr feine weiße Nadeln vom F.-P. 78° ab; ihre Menge ist im 
Verhältnis zu der des angewandten Ephedrinchlorhydrats gering. Die 
von diesen Krystallen abfiltrierte wässerige Flüssigkeit gibt mit Kali- 
lauge eine starke milchige Trübung; erwärmt man das Gemisch einige 
Zeit im verschlossenen Kolben auf dem Wasserbade, so scheiden sich 
ölige Tropfen in der Flüssigkeit ab, die sich bei monatelangem Stehen 
wohl abplatten und eigenartige Formen annehmen, aber nicht fest 
werden. 

Welcher Art die Veränderungen sind, die das Ephedrin nach 
den eben beschriebenen Versuchen beim Erwärmen für sich und mit 
Alkalien erfährt, wird der Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. 


246 H. Emde: Ephedrin und Pseudoephedrin. 


b) Einwirkung von Jodmethyl auf Pseudoephedrin. 


War die Annahme richtig, daß die Verschiedenheit zwischen 
Ephedrin und Pseudoephedrin auf der Stellung der Hydroxylgruppe 
beruht, so mußte das Pseudoephedrin bei der Methylierung, die ja nur 
am Stickstoffatom erfolgt, andere Derivate liefern, als das Ephedrin, 
vorausgesetzt, daß hierbei nicht eine ähnliche, nur rückläufge Um- 
lagerung erfolgt wie beim Behandeln des Ephedrins mit Salzsäure. 

Das Verhalten des Ephedrins gegen Jodmethyl ist schon von 
E. Merck!) und später von E. Miller?) eingehend studiert worden; 
über die Methylierung des Pseudoephedrins liegen dagegen bis jetzt 
keine Versuche vor. - 

Methylpseudoephedrin. 

Um den Verlauf der Reaktion zwischen Pseudoephedrin und 
Jodmethyl kennen zu lernen, löste ich etwa 2 g naturelles Pseudo- 
ephedrin (Merck) in reinem Methylalkohol, fügte 10 g Jodmethyl 
hinzu und erwärmte das Gemisch gelinde auf dem Wasserbade. Es 
erfolgte hierbei bald eine stürmische Reaktion, bei der die Flüssigkeit 
ins Sieden geriet. Nachdem ich das Gemisch noch !/, Stunde auf dem 
Wasserbade erwärmt hatte, überließ ich es der Verdunstung. Es 
hinterblieb ein klebriger Rückstand. 

Die eine Hälfte dieses Rückstandes löste ich zur weiteren 
Charakterisierung in Wasser und digerierte die Lösung solange mit 
frisch gefälltem Chlorsilber, bis sich kein Jod mehr in ihr nachweisen 
ließ. Einen Teil der vom Halogensilber abfiltrierten Lösung versetzte 
ich hierauf solange mit Goldchloridlösung, bis keine Fällung- mehr 
eintrat. Der hierdurch ausgeschiedene krystallinische Niederschlag 
ließ sich durch Umkrystallisieren aus salzsäurehaltigem Wasser leicht 
in goldgelbe Blättchen verwandeln. Sie erweichten bei 119° und 
schmolzen bei 123°. Goldbestimmung und Elementaranalyse ergaben, 
daß diese Krystalle aus dem Aurichlorat des Methylpseudoephedrins 
bestanden: C,H, (CH;)NO, HCl, AuCl;. 


1. 0,2614 g hinterließen beim Glühen 0,0993 g Au. 
2. 0,2134 g lieferten 0,1997 g COs und 0,0710 g Hs0. 


Analysen: 
Tkeorie: 1. Fer 3. 
C,ı = 132,00 25,42 _ 25,52 
Hs = 18,14 ’ iB. 3, 
Ve 3.08 — —_ 
N = 14,04 2,70 —_ — 
Ch = 14181 27,31 — — 
Au = 197,20 37,98 37,99 _ 
519,19 99,98 


1) Mercks Bericht 1893, Darmstadt. 
2) Arch. d. Pharm. 1902, 490. 


H. Emde: Ephedrin und Pseudoephedrin. 247 


Aus der Mutterlauge resultierte zunächst das nämliche Goldsalz, 
dann schieden sich dunklere warzenförmige Krystalle vom F.-P. 126 
bis 128° ab. 

0,1969 g davon enthielten 0,0763 g Au = 38,79%; sie bestanden also 
aus dem Aurichlorat des unveränderten Pseudoephedrins, denn es berechnen 
sich für CyHss NO, HCl, Au Olg: 39,04 y/ Au. 

Aus einem anderen Teile der mit Chlorsilber behandelten Lösung 
stellte ich durch Zusatz von Natriumkarbonatlösung und Ausäthern 
die freien Basen dar. Es resultierten hierbei Tafeln vom F.-P. 116 
bis 117°, die den charakteristischen, angenehmen Geruch des Pseudo- 
ephedrins besaßen, und ein dickflüssiges öliges Liquidum von blumen- 
artigem Geruche. Die Krystalle bestanden nach Form, Schmelzpunkt 
und sonstigem Verhalten aus unverändert gebliebenem Pseudoephedrin; 
das Oel vermutlich aus Methylpseudoephedrin. Dies letztere scheint 
nur sehr schwierig zu krystallisieren. Ich habe später gelegentlich 
der Darstellung des Methylpseudoephedrinmethylammoniumhydroxyds 
wiederholt freies Methylpseudoephedrin erhalten, aber stets nur als 
öliges Liquidum von ähnlichem Geruche wie das Pseudoephedrin. 


Methylpseudoephedrinmethyljodid. 


Aus der zweiten Hälfte des klebrigen Reaktionsproduktes, das 
ich durch Behandeln von Pseudoephedrin mit Jodmethyl erhalten hatte, 
stellte ich in derselben Weise wie vorher die freien Basen dar. Ich 
erhielt auch hier mehr krystallisiertes Pseudoephedrin als öliges 
Methylpseudoephedrin. Die methylalkoholische Lösung der Basen 
erwärmte ich alsdann mit 5g Jodmethyl 2 Stunden lang am Rückfluß- 
kühler auf dem Wasserbade. Nach dem Verdunsten der Lösung 
hinterblieb ein etwas bräunlicher, durchweg krystallinischer Rückstand; 
beim Umkrystallisieren aus Methylalkohol resultierten durchsichtige, 
vielflächige, derbe Krystalle vom F.-P. 205°. Im Vakuumexsikkator 
wurden sie undurchsichtig, ohne zu zerfallen. 


0,2233 g Substanz lieferten 0,1635 g AgJ. 

Gefunden: Berechnet für CjoH44(CHz)NO, CH3J: 
J = 39,52 39,56%, 

Aus dem Filtrate vom Jodsilber stellte ich, nachdem ich das 
überschüssige Silber durch Salzsäure ausgefällt und die Flüssigkeit 
auf ein mäßiges Volum eingedampft hatte, das Golddoppelsalz dar. 
Es krystallisierte aus viel Wasser in glänzend goldgelben, nadelförmigen, 
oft fächerartig gruppierten Krystallen von F.-P. 194—195°, 

0,2325 g Substanz lieferten 0,0853 g Au. 

Gefunden: Berechnet für CjoH14/CH3) NO, CH3 Cl, Au]: 
Au = 36,69 36,98%, 


248 H. Emde: Ephedrin und Pseudoephedrin. 


Nach diesen Vorversuchen habe ich das Methylpseudoephedrin- 
methyljodid aus 8 g Pseudoephedrin, das ich durch Umlagerung aus 
Ephedrin erhalten hatte, dargestellt. Hierbei zeigte sich, daß beim 
Behandeln von Pseudoephedrin mit Jodmethyl neben dem quaternären 
Jodid stets auch beträchtliche Mengen der tertiären Verbindung ge- 
bildet werden, selbst wenn Jodmethyl in großem Ueberschusse mehrere 
Stunden lang bei Wasserbadtemperatur einwirkt. 

Um die tertiäre von der quaternären Verbindung zu trennen, 
löst man die Jodide in etwa der zehnfachen Menge Wasser und setzt 
sie mit feuchtem Silberoxyd um. Hierbei scheidet sich die tertiäre 
Base zum großen Teile aus und ballt sich mit dem Jodsilber zu einer 
schmierigen, zähklebrigen Masse zusammen, die sich an die Gefäß- 
wandung anlegt. Von Aether wird die tertiäre Base aufgenommen; 
‚durch Ausschütteln mit Aether kann man sie daher leicht isolieren, 
während die quaternäre Base in der wässerigen Lösung verbleibt. 
Die durch Verdunsten des Aethers erhaltene Base von blumenartigem 
Geruche läßt sich alsdann durch erneute Behandlung mit Jodmethyl 
in die quaternäre Verbindung überführen. 

Aus den beschriebenen Versuchen geht hervor, daß die Ein- 
wirkung von Jodmethyl auf Pseudoephedrin in ähnlichem Sinne ver- 
läuft wie die auf Ephedrin, indem in das Molekül des Pseudoephedrins 
gleichzeitig sowohl eine als auch zwei Methylgruppen eingeführt 
werden können. 


- 


c) Vergleich der aus Ephedrin und Pseudoephedrin durch Methylierung 
erhaltenen Verbindungen. 


Der Schmelzpunkt des Methylpseudoephedrinmethyljodids und der 
des entsprechenden Golddoppelsalzes (205° bezw. 194—195°) liegt dem 
von Merck und von Miller (l. c.) für die entsprechenden Verbindungen 
des Ephedrins ermittelten (203° bezw. 190—191°) sehr nahe; der von 
Miller für das Golddoppelsalz des Metbylephedrins angegebene Schmelz- 
punkt deckt sich sogar annähernd mit dem, welchen ich für das ent- 
sprechende Pseudoephedrindoppelsalz gefunden habe. Da es bei dieser 
Sachlage nicht ausgeschlossen erschien, daß Pseudoephedrin bei der 
Methylierung dieselben Verbindungen liefert wie das Ephedrin, so 
habe ich die schon von E. Merck und von Miller durchgeführte 
Methylierung des Ephedrins wiederholt, um die hierbei erhaltenen 
Verbindungen mit denen zu vergleichen, die aus dem Pseudoephedrin 
entstehen. Es ergab sich dabei, daß die Verschiedenheit, die 
zwischen den beiden isomeren Alkaloiden besteht, durch 
den Eintritt von Methylgruppen nicht aufgehoben wird. 


H. Emde: Ephedrin und Pseudoephedrin. 249 


Ephedrin Pseudoephedrin 
Golddoppelsalze der tertiären | Gelbe Blättchen und Gelbe Blättchen, 
Verbindung: Nadeln, F.-P. 126° F.-P. 1230 
CjoHu(CH;) NO, HCl, Au Os, 
Quaternäre Jodide: ı Derbe Krystalle, Derbe Krystalle, 
Cy H44(CH;) NO, CH; J | F.-P. 1990 F.-P. 2050 
Quaternäre Golddoppelsalze: Breite, mäßig schwer | Form und Löslichkeit 
CyoH4s(CH,3)NO,CH3 01, AuCl, | lösliche Nadeln, wie nebenstehend, 
|  F.-P. 190—1910 F.-P. 1940 


Qaaternäre Platindoppelsalze: | Mäßig schwer lösliche, | Kleine rötliche Nadeln, 

[CyoHıs(CHs)NO,CHgC1],,PtCl; | rötliche Nadeln von | beträchtlich leichter 
mehreren Zentimetern |lösl. als nebenstehend, 
' Länge, F.-P. 2500 F.-P. 204—205° 


Aus vorstehender Tabelle geht hervor, daß der Unterschied im 
Schmelzpunkt besonders groß ist bei den quaternären Platindoppelsalzen; 
er beträgt mehr als 40°. Weiter ist das Platindoppelsalz des Methyl- 
pseudoephedrinmethylchlorids wesentlich leichter löslich als das des 
Methylephedrinmethylchlorids und besitzt keine so hohe Krystallisations- 
fähigkeit wie dieses. 

Zu dem gleichen Resultate wie der im vorstehenden dargelegte 
Vergleich führte auch die krystallographische Untersuchung der 
quaternären Jodide, die Herr K. Schwantke auszuführen die Güte 
hatte. Ich verdanke Herrn Schwantke die Mitteilung, daß das 
Methylpseudoephedrinmethyljodid im rhombischen System krystallisiert. 
Die Kombination ist die Form eines Oblongoktaeders, gebildet aus 
einem Vertikalprisma (110) und Brachydoma (011); das Achsenverhältnis 
ist 0,64227:1:1,2088. Das Methylephedrinmethyljodid zeigt Formen 
des rhombisch sphenoidisch (tetraedrisch) hemiedrischen Systems. Die 
gewöhnliche Kombination ist eine kurz prismatische Ausbildung durch 
zwei Vertikalprismen, die an den beiden Enden vorherrschend durch 
Sphenoid (Tetraeder) begrenzt werden; das Achsenverhältnis ist 
0,97926 : 1: 0,76088. 

Um zu entscheiden, cb die krystallographisch zwischen den beiden 
quaternären Jodiden bestehende Verschiedenheit auch bei den Jodiden 
der ursprünglichen Basen zu konstatieren ist, habe ich Pseudoephedrin- 
und Ephedrinjodhydrat in gut ausgebildeten Krystallen dargestellt. 
Das erstere schmilzt bei 172°, das letztere bei 155—156°, nachdem es 
sich bereits bei etwa 140° zusammengezogen hat und allmählich durch- 
sichtig geworden ist. Das Pseudoephedrinjodid ist rhombisch-holoedrisch, 
das Achsenverhältnis ist 0,60282:1:1,3722; das Ephedrinjodid ist 
rhombisch-hemiedrisch, das Achsenverhältnis ist 0,73703 :1:0,28643, 


250 H. Emde: Ephedrin und Pseudoephedrin. 


Wie schon erwähnt, wird Herr K. Schwantke seine krystallo- 
graphischen Untersuchungen später an anderem Orte ausführlich ver- 
öffentlichen; es sei mir gestattet, ihm auch an dieser Stelle für seine 
Mitteilungen bestens zu danken. 


d) Spaltung des Methylpseudoephedrinmethylhydroxyds. 


War die Vermutung richtig, daß das Pseudoephedrin die Hydroxyl- 
gruppe an einem anderen Kohlenstoffatome enthält als das Ephedrin, 
so mußte die quaternäre aus dem Pseudoephedrin gewonnene Ammonium- 
base bei der Spaltung im Sinne der Reaktion von A. W. Hofmann 
einen anderen Alkohol liefern als die entsprechende Ephedrinammonium- 
base. Der Versuch hat diese Annahme bestätigt. 

Die für diesen Spaltungsversuch erforderliche Ammoniumbase 
bereitete ich durch Umsetzen von reinem Methylpseudoephedrinmethyl- 
jodid mit feuchtem Silberoxyd. Hierbei trat bereits deutlicher Geruch 
nach Trimethylamin auf; Aether entzog der wässerigen Lösung wenig 
eines rötlichen Oeles, das angenehm aromatisch roch, jedoch verschieden 
von dem später bei der Spaltung erhaltenen Alkohol. 

Vorversuche zeigten, daß die Spaltung der Ammoniumbase des 
Pseudoephedrins im Sinne der A. W. Hofmann’'schen Reaktion, ebenso 
wie bei dem Ephedrin, schon durch wiederholte Destillation der 
wässerigen Lösung erzielt werden kann; auch hier erfolgt die Spaltung 
um so glatter, je konzentrierter die wässerige Lösung ist, die zur 
Destillation gelangt. Schon die ersten übergehenden Tropfen waren 
milchig getrübt; sie rochen nach Trimethylamin und reagierten alkalisch. 
Im Destillat zeigten sich bald Oeltröpfchen. Als die Lösung bis auf 
einen geringen Rest abdestilliert war, setzte ich wenig Wasser zu und 
destillierte von neuem bis fast zur Trockne.. Diese Operationen 
wiederholte ich etwa zehn- bis zwölfmal. Die Dämpfe reagierten 
dann nicht mehr alkalisch und zeigten nicht mehr den Geruch nach 
Trimethylamin. Der Destillationsrückstand war braun gefärbt; auf 
Zusatz von Wismutjodidkalium, nach dem Ansäuern, lieferte er nur 
noch eine Trübung, keine Fällung. Die Spalturg konnte daher als 
beendet betrachtet werden. Um auch noch die an den Wandungen 
des Kolbens haftenden Anteile des Alkohols zu gewinnen, destiilierte 
ich schließlich noch einige Zeit mit Wasserdämpfen. 

Um das Trimethylamin von dem entstandenen Alkohol zu trennen, 
machte ich das gesamte Destillat mit Salzsäure schwach sauer und 
schüttelte es hierauf wiederholt mit Aether aus, der die zahlreichen 
Oeltröpfchen des Alkohols leicht aufnahm. 

Die wässerige Lösung lieferte, nachdem sie auf ein mäßiges 
Volum eingedampft und dann mit Platinchloridlösung versetzt war, 


H. Emde: Ephedrin und Pseudoephedrin. 251 


bei der freiwilligen Verdunstung nur die charakteristischen Oktaeder 
des Trimethylaminplatinchlorids: 

0,2246 g Substanz lieferten 0,0826 g Pt. 

Gefunden: Berechnet für [N (CHg)s HCl]a PtC];: 
Pt = 36,78 36,91%. 

Die ätherische Lösung entwässerte ich zunächst mit frisch ge- 
glühter Pottasche und destillierte dann den Aether ab. Bei der 
weiteren direkten Destillation stieg das Thermometer nicht über 196°. 
Im Kölbchen blieb eine schmierige, braune Masse zurück, da der 
Alkohol sich teilweise bereits beim Destillieren zersetzt. Nach vier- 
maliger Destillation erhielt ich schließlich nicht ganz 1g einer hellen, 
wenig gelben Flüssigkeit von eigenartigem, etwas scharfen Geruch. 
Den Siedepunkt dieser Flüssigkeit bestimmte ich, da die beim 
Fraktionieren erhaltenen Werte wegen der kleinen Menge un- 
zuverlässig erschienen, nach der Methode von Siwolobow'); derselbe 
lag bei 197—199°., 

0,1270 g Substanz lieferten 0,3748 g COs und 0,0857 g Hs0. 


Theorie: Analyse: 
(g = 108,00 80,55 80,49 
Hi = 10,08 7,52 7,55 
056, 9 11,96 (Differenz). 
134,08 100,00 


In Chloroform gelöst, absorbierte der Alkohol reichlich Brom; 
dieses Additionsprodukt erstarrte jedoch weder bei längerem Stehen 
über Aetzkalk, noch in einer Kältemischung. 

Nach der Elementaranalyse und nach dem Verhalten gegen Brom 
ist der bei der Spaltung des Methylpseudoephedrinmethylhydroxyds 
erhaltene Alkohol als isomer mit dem Zimmtalkohol anzusehen, ebenso 
wie das entsprechende Spaltungsprodukt des Ephedrins. 

Die Vorgänge bei der Spaltung des durch erschöpfende 
Methylierung des Pseudoephedrins erhaltenen Dimethylpseudoephedrin- 
ammoniumhydroxyds lassen sich durch die Gleichung zum Ausdruck 
bringen: 167 Hy (OH)N (CH3)a :OH = CO, Hs - OH -1- H,O 1 N (CH3)s- 


e) Spaltung des Methylephedrinmethylhydroxyds. 


Um einesteils den bei der Spaltung der Pseudoephedrinammonium- 
base erhaltenen Alkohol direkt mit dem vergleichen zu können, der 
unter den gleichen Bedingungen aus dem Ephedrin gebildet wird, 
anderenteils, um die Natur der Base aufzuklären, die Miller neben 
Trimethylamin bei der Spaltung des Methylephedrinmethylhydroxyds 


I) Ber. d. d. chem. Ges. 19, 79. 


252 H. Emde: Ephedrin und Pseudoephedrin. 


erhielt, habe ich die bereits von Miller!) beschriebene Methylierung 
und Spaltung des Ephedrins nochmals durchgeführt. Ich verfuhr 
hierbei genau wie beim Pseudoephedrin, wobei ich die Beobachtung 
Miller's im wesentlichen bestätigen konnte. Ebenso wie bei dem 
Pseudoephedrin erhielt ich jedoch an stickstoffhaltigen Spaltungs- 
produkten nur Trimethylamin, das ich durch sein Platindoppelsalz 
charakterisierte. Letzteres schmolz bei 216° unter Zersetzung. 


0,2377 g Substanz enthielt 0,0876 g Pt. 
Gefunden: Berechnet für [N (CH5)s HCl] Pt C];: 
Pt 36,85 36,91%. 

Miller erhielt bei der Spaltung des Methylephedrinmethyl- 
hydroxyds außer Trimethylamin noch zwei andere Basen, von denen 
die eine im Platingehalt ihres Doppelsalzes mit dem Methylephedrin- 
methylplatinchlorid übereinstimmte, jedoch nicht bei 248°, sondern bei 
216—226° schmolz. Der Platingehalt des Doppelsalzes der zweiten 
Base deutete auf ein Doppelsalz der ersteren Base mit Trimethyl- 
amin hin. 

Miller sagt von diesen Basen: „Daim allgemeinen die Ammonium- 
basen sich nicht unzersetzt mit den Wasserdämpfen verflüchtigen, so 
mag es zunächst dahingestellt bleiben, welcher Art-die in jenem 
Platinsalze enthaltene Base ist. Bemerkt sei nur, daß ein Ueber- 
spritzen bei der Destillation ausgeschlossen war.“ 

Von vornherein erschien es wahrscheinlich, das es sich bei der 
fraglichen Base nicht um die quaternäre, sondern nur um die tertiäre 
Verbindung des Ephedrins handeln konnte. Miller hat selbst nach- 
gewiesen, daß sich aus Ephedrin und Jodmethyl zwar in der Haupt- 
menge Dimethylephedrinjodid, stets aber, wenn auch in bescheidenem 
Umfange, Methylephedrinjodhydrat bildet. Ferner hat Miller an- 
gegeben, daß sich die entsprechenden freien Basen durch Ausschütteln 
der wässerigen Lösung mit Aether leicht von einander trennen lassen. 
Dagegen beobachtete er bei der Darstellung der zur Spaltung ver- 
wandten Ammoniumbase, daß dieselbe von dem Jodsilber hartnäckig 
festgehalten wurde, sodaß letzteres nach wiederholter Digestion mit 
Wasser und Alkohol immer noch alkalische Reaktion und einen eigen- 
artigen alkalischen Geruch besaß. 

Nach den Erfahrungen, die ich bei der Darstellung des Dimethyl- 
pseudoephedrinhydroxyds gemacht habe, ist anzunehmen, daß die „vom 
Jodsilber hartnäckig festgehaltene“ Base nicht die quaternäre, sondern 
die bei der Methylierung des Ephedrins gleichzeitig gebildete tertiäre, 
nämlich Methylephedrin, war. Zur Prüfung dieser Annahme habe ich 


1) Arch. d. Pharm. 1902, 494 ff. 


H. Emde: Ephedrin und Pseudoephedrin. \ 253 


die durch Umsetzen von Methylephedrinmethyljodid mit feuchtem 
Silberoxyd erhaltene Lösung, sowie das dabei gebildete Jodsilber 
sorgfältig mit Aether ausgeschüttelt. Das Jodsilber zeigte nach dieser 
Behandlung keinen Geruch mehr, dagegen besaß es noch eine alkalische 
Reaktion, die aber in der Gegenwart von überschüssigem Silberoxyd 
ungezwungen eine Erklärung findet. Die Aetherauszüge schüttelte 
ich wiederholt mit salzsäurehaltigem Wasser aus, um sie alsdann durch 
Destillation vom Aether zu befreien. Es hinterblieb hierbei nur eine 
geringe Menge eines bräunlichen Oeles von angeuehmem Geruch. Da- 
gegen hinterließ die Ausschüttelung mit salzsäurehaltigem Wasser 
nach dem Eindunsten eine beträchtliche Menge eines fast weißen, 
krystallinischen Rückstandes. 

Die wässerige Lösung desselben setzte ich mit Silberoxyd um 
und destillierte alsdann die filtrierte Flüssigkeit in derselben Weise, 
wie ich es bei den quaternären, aus dem Pseudoephedrin und dem 
Ephedrin dargestellten Basen ausgeführt hatte. Die ersten Tropfen 
des Destillats zeigten bereits einen blumenartigen Geruch, ohne daß 
jedoch das Auftreten von Trimethylamin oder die Abscheidung von 
Oeltröpfchen eines Alkohols zu konstatieren war. Letzteres war auch 
dann nicht der Fall, als die Flüssigkeit bis fast zur Trockne ab- 
destilliert wurde. Der Destillationsrückstand, der ölige Beschaffenheit 
zeigte, wurde nach jedesmaliger Verdünnung mit wenig Wasser noch 
sechsmal der Destillation unterworfen. 

An Aether gab das mit Salzsäure angesäuerte Destillat kaum 
etwas ab, dagegen lieferte es schön krystallisierende Gold- und Platin- 
doppelsalze. 

Das Goldsalz krystallisierte in derben Nadeln und Säulen vom 
F.-P. 126°; Miller gibt für das Goldsalz des Methylephedrins 121° 
bis 123° an. 

0,1845 g Substanz lieferten 0,0703 g Au. 

Gefunden: Berechnet für C;oH,4(CH,)ON, HCl, Au Cl;: 
Au = 38,10 37,98%. 

Das entsprechende Platinsalz resultierte bei freiwilliger Ver- 
dunstung der Lösung in feinen Nadeln, die je nach der Dicke hellgelb 
bis orangerot gefärbt waren. Dieses Doppelsalz begann bei etwa 160° 
zu erweichen, wobei die Färbung dunkler wurde; bei 180—182° 
wurde es durchsichtig, um sich bei 187—189° aufzublähen. Das Ver- 
halten dieses Doppelsalzes zeigt eine gewisse Aehnlichkeit mit dem, 
das Miller an dem Platindoppelsalze des Methylephedrins beobachtete. 
Da dieses Doppelsalz bei der Analyse einen für Methylephedrinplatin- 
chlorid zu niedrigen Platingehalt (22,3%) ergab, so krystallisierte ich 
dasselbe unter Zusatz von Platinchlorid und der Mutterlauge nochmals 


254 H. Emde: Ephedrin und Pseudoephedrin. 


um. Hierbei resultierten orangerot gefärbte, gut ausgebildete Nadeln, 
die durchaus nicht mehr wie die früher erhaltenen das von Miller 
für das Platindoppelsalz des Methylephedrins angegebene eigentümliche 
Verhalten beim Erhitzen zeigte, sondern scharf bei 198° unter Auf- 
blähen schmolzen, nachdem sich die Masse kurz vorher zusammen- 
gezogen hatte. 

0,1569 g Substanz enthielten 0,0402 g Pt. 

Gefunden: Berechnet für [CjoH14CH3NO, HCI]PtCI;: 
Pr = 25063 25,37 %. 

Aus diesen Versuchen geht einerseits hervor, daß sich das 
Methylephedrin von dem Dimethylephedrinhydroxyd durch obige Be- 
handlungsweise trennen läßt; andererseits, daß es, wenn auch nicht 
gerade leicht, mit Wasserdämpfen flüchtig ist. Berücksichtigt man, 
daß Miller die zur Spaltung benutzte Ammoniumbase anscheinend 
nicht von Methylephedrin durch Ausschütteln mit Aether vollständig 
befreit hat, so dürfte es sich bei den fraglichen Pladindoppelsalzen 
nicht um die der quaternären Base, sondern wohl nur um die des 
Methylephedrinchlorhydrates, gemischt mit mehr oder weniger 
Trimethylaminplatinchlorid, gehandelt haben. - 

Die Angaben, die Miller über die Eigenschaften des durch 
Spaltung des Methylephedrinmethylhydroxyds erhaltenen Alkohols 
macht, kann ich nur bestätigen. Den Siedepunkt des Alkohols fand 
ich nach der Methode von Siwolobow!) zwischen 212° und 216°, 
im Mittel also bei 214°. Der Geruch des Alkohols war nicht 
wesentlich verschieden von dem desjenigen, welcher aus dem Pseudo- 
ephedrin erhalten wurde. In Aether gelöst, absorbierten beide reichlich 
Brom, jedoch gelang es bei der geringen Menge nicht, ein Brom- 
additionsprodukt in krystallisierter Form zu erhalten. Das Gleiche 
war der Fall bei dem Chlorid, das ich aus dem Bromadditionsprodukt 
des Alkohols, den ich aus Ephedrin erhalten hatte, durch Behandeln 
mit gasförmigem Chlorwasserstoff herstellte.e Auch bei längerem Auf- 
bewahren über Aetzkalk trat keine Krystallisation ein: 

Obschon ich den fraglichen Alkohol bisher noch nicht weiter 
identifizieren konnte, so deutet doch der Siedepunkt desselben darauf 
hin, daß es sich dabei um a-Phenylallylalkohol C,H,-CH(OH)- 
CH = CH; handelt. Dieser Alkohol, den Herr Professor A. Klages?) 
synthetisch dargestellt hat, siedet nach einer gütigen Privatmitteilung 
bei 214° unter 746 mm Druck, also bei derselben Temperatur, die ich 
im Mittel bei dem Alkohol aus dem Ephedrin beobachtete. Dieser 
synthetisch dargestellte Alkohol, welchen Herr Professor Klages in 

1) Ber. d. d. chem. Ges. 19, 79. 

2) Sitzungsber. d. chem, Ges. z. Heidelberg vom 18. XI. 1905. 


J. Gadamer: Alkaloide der Columbowurzel. 205 


liebenswürdigster Weise zur Verfügung stellte, weicht allerdings im 
Geruche von dem ab, den ich aus Ephedrin isolierte. 

Sollte sich bei der weiteren Untersuchung die Identität dieser 
beiden Alkohole ergeben, so müßte die Hydroxylgruppe im Ephedrin 
an dem Kohlenstoffatom der Seitenkette stehen, das dem Benzolkern 
benachbart ist. Aus dem zweiten Teile der vorliegenden Arbeit ergibt 
sich ferner, daß die Base C,H; CH(OH)CH3CH3N (CH;,);- OH nicht 
identisch ist mit der quaternären Ammoniumbase des Ephedrins oder 
des Pseudoephedrins. Hierdurch wird es wahrscheinlich gemacht, daß 
die Methylimidgruppe im Ephedrin nicht wie bei der synthetisch dar- 
gestellten Base endständig sein kann. Ob jedoch die Struktur des 
Ephedrins durch die Formel 

C;H;,-CH-CH- CH; 


| 
OH N<CH, 


zum Ausdruck gelangt, sollen erst die weiteren Untersuchnngen lehren, 
die nach diesen Beobachtungen in Angriff genommen sind. 


Mitteilungen aus dem pharmazeutischen Institut der 
Universität Breslau. 


6. Ueber die Alkaloide der Columbovrurzel. 
2. Mitteilung. 


Von J. Gadamer. 
(Eingegangen den 30. V. 1906.) 


In einer vorläufigen Mitteilung habe ich im Jahre 1902!) gezeigt, 
daß die Angaben Gordin’s, nach welchen, entgegen den bisherigen 
Annahmen, die Columbowurzel kein Berberin enthalte, richtig seien und 
die Ergebnisse meiner kurzen Studie in folgenden Sätzen zusammengefaßt: 

1. Die Columbowurzel enthält mindestens zwei berberinartige, 
mit Berberin nicht identische Alkaloide. 

2. Die Columboalkaloide sind gelb gefärbt und gehen bei der 
Reduktion in farblose Hydroverbindungen über, die sich im Gegensatz 
zum Ausgangsmaterial mit Aether ausschütteln lassen. 

3. Berberin selbst ist in Radix Columbo nicht enthalten, und 

4. die Columboalkaloide sind, wie das Berberin, quartäre Basen, 
die bei der Reduktion in tertiäre Hydroverbindungen übergehen. 


1) Dieses Archiv 240, 450. 


256 J. Gadamer: Alkaloide der Columbowurzel. 


Mit dem eingehenden Studium der Verhältnisse habe ich sodann 
vor einigen Jahren Herrn Apotheker Günzel betraut. Die Ergebnisse 
seiner Arbeit sind keine endgültigen, da Herr Günzel aus Gründen 
privater Natur seine Arbeit plötzlich abbrechen mußte. Die Fort- 
setzung der interessanten Studien hat dann vor einiger Zeit Herr 
Dr. Feist übernommen, der zu gegebener Zeit selbst über die Resultate 
seiner Forschungen berichten wird. 

Sind demnach die Resultate Günzel’s noch durchaus 
fragmentarisch, so halte ich es doch für geboten, sie jetzt schon der 
Oeffentlichkeit zu übergeben, da sie trotz der großen Lücken das 
Interesse der Fachgenossen erwecken dürften. 

Meine früher ausgesprochene Anschauung hat durch die Arbeiten 
Günzel’s vollständige Bestätigung erfahren und — ich darf darin wohl 
vorgreifen — in noch höherem Maße durch die von K. Feist. Die 
Columboalkaloide sind in der Tat vollständige Analoge des Berberins, 
so vollständig, daß die Verschiedenheiten, soweit es sich bis jetzt 
übersehen läßt, nur auf die Anzahl der Hydroxylgruppen, die Art 
ihrer Verätherung und ev. ihre Stellung zurückzuführen sird, während 
der Kern derselbe wie im Berberin sein dürfte. Diese Annahme war 
auch in praktischer Beziehung fruchtbringend.. Die Trennung der 
einzelnen Alkaloide — wir kennen jetzt bereits drei — ist mit großen 
Schwierigkeiten verknüpft, da die freien Basen, ähnlich wie beim 
Berberin, schwer zugänglich sind. Man ist daher auf die Isolierung 
durch immer und immer wiederholtes Umkrystallisieren der Salze 
angewiesen, eine sehr mühselige und wenig lohnende Beschäftigung, 
da bei der Aehnlichkeit der Basen unter sich auf diese Weise eine 
wirklich vollkommene Trennung von einander kaum zu erreichen ist. 
Die Ergebnisse der Analysen weichen daher z. T. nicht unerheblich 
von den berechneten Werten ab, derart, daß z. B. die Formel für das 
Alkaloid A nach den Analysen des Jodides eher zu CoHsNO;-J als 
zu Os, Has NO, -J angenommen werden müßte. Die Tatsache aber, daß 
bei fünf Sauerstoffatomen in der Molekel 4 Methoxglgruppen vorhanden 
sind, ließ die erstere Formel ausgeschlossen erscheiten und zu Gunsten 
der zweiten entscheiden. Die weitere Untersuchung hat dann auch 
die Richtigkeit dieses Schlusses bewiesen. 

Auf die näheren Beziehungen der Oolamhonietaiie zu einander 
und zum Berberin jetzt schon einzugehen, erscheint nicht angemessen. 
Ich hoffe jedoch, binnen kurzem an anderer Stelle darüber Mitteilung 
machen zu können, während die ausführliche Publikation K. Feist's 
seiner Zeit in diesem Archiv einen Platz finden wird. 


E. Günzel: Alkaloide der Columbowurzel. 257 


Ueber die Alkaloide der Columbowrurzel. 
Von E. Günzel. 


Die Wurzel der ostafrikanischen Menispermacee „Jateorrhiza 
palmata“ ist bisher, trotzdem sie. in die neuesten Arzneibücher als 
heilkräftige Droge aufgenommen ist, nur von wenigen Forschern 
eingehend untersucht worden, zum Teil wohl auch, weil die von 
C. Bödeker im Jahre 1849 in den Annalen der Pharmazie!) ver- 
öffentlichte Arbeit: „Chemisch-physiologische Untersuchung einiger 
Stoffe aus der Familie der Menispermeen“ alles bisher über die 
Columbowurzel bekannte zusammenfaßt und fehlende wichtige Angaben 
ziemlich erschöpfend ergänzt. 

Zuerst bekannt und Gegenstand näherer Untersuchung war der 
von Wittstock?) aufgefundene Bitterstoff: „Das Columbin“, welches 
von Gustav Rose?) und Liebig*), von ersterem in physikalischer, 
von letzterem in chemischer Beziehung, untersucht wurde. Bödeker 
bestätigte durch seine Analysen den Befund Liebig’s, konnte jedoch 
nicht eine sichere Formel für das Columbin aufstellen, da seine Be- 
strebungen das Molekulargewicht dieses Körpers zu ermitteln zu 
keinem Resultat führten. Aus verschiedenen Elementaranalysen 
berechnete er die Formel Caı HııO-,, indessen hielt er sich durch 
Analogieschlüsse auf andere in der Columbowurzel enthaltene Körper 
für berechtigt, diese Formel zu verdoppeln, also zu O,aHss 014 fest- 
zusetzen (nach jetziger Schreibweise: Ca} H3s07). Außer diesem 
Columbin fand Bödeker noch einen zweiten stickstofffreien Körper, 
welcher allerdings nur in amorphem Zustande isoliert werden konnte; 
er zeigte die Eigenschaften einer schwachen Säure, und wurde darum 
mit dem Namen: „Columbosäure“ belegt. 

Im Vordergrunde des Interesses steht ein dritter stickstoff haltiger 
Körper, den Bödeker ebenfalls in nicht unerheblichen Mengen aus 
der Columbowurzel isolierte, und welchen er als identisch mit Berberin 
ansah. In der Tat sind die aus der Columbowurzel isolierten Basen 
dem Berberin sehr ähnlich; auch lieferten die Elementaranalysen 
Bödeker’s auffallend übereinstimmende Resultate mit den von Fleit- 
mann?) ausgeführten Elementaranalysen des Berberins. Da nun das 


I) Ann. 69, 37. 

%) Poggendorf’s Ann. 19, 298. 
8, Ibid. 9, 441. 

4) Ibid. 21, 30. 

5) Ann. 59, 160 ff. [1846]. 


Arch. d. Pharm. CCOXXXXIV., Bds. 4. Heft. 17 


258 E. Günzel: Alkaloide der Columbowurzel. 


Berberin ein ziemlich verbreitetes Alkaloid ist, und außerdem die 
Berberideen den Menispermeen sehr nahe stehen, so erschien das Vor- 
handensein des Berberins in der Columbowurzel als sehr wahrscheinlich, 
und bis vor wenigen Jahren rechnete man Jateorrhiza palmata zu den 
Berberin führenden Pflanzen. Da erschien im Frühjahr 1902 im 
Archiv der Pharmazie (Band 240, Seite 146) eine Mitteilung von 


H. M. Gordin in Cincinnati über das Vorkommen und den Nachweis 


des Berberins in Pflanzen. Gordin prüfte die in der Literatur als 
berberinhaltig angegebenen Pflanzen nach einem von ihm gefundenen 
Verfahren, und fand hierbei, daß verschiedene Pflanzen zu Unrecht 
für berberinhaltig galten; zu diesen gehörte unter anderen auch 
Jateorrhiza palmata. Diese Tatsache wurde durch Gadamer (Archiv 
der Pharmazie, Band 240, Seite 450) bestätigt. Er kam zu dem 
Schlusse, daß die Columbowurzel mindestens zwei, zwar dem Berberin 
ähnliche, aber nicht mit Berberin identische Alkaloide enthalte. Diese 
Tatsachen mußten größeres Interesse erregen, da bisher Berberin das 
einzige Alkaloid seiner Art war, welches in der Natur beobachtet 
worden ist, während allerdings eine Anzahl von Alkaloiden (tertiäre 
Basen) bekannt sind, die zum Berberin in mehr oder weniger naher 
Beziehung stehen. Ich unterzog mich daher auf Veranlassung von 
Herrn Prof. Gadamer gern der Aufgabe, unsere Kenntnisse über die 
Columboalkaloide zu erweitern. 


Darstellung der Columboalkaloide. 


Um eine genügende Menge Untersuchungsmaterial zu erhalten, 
verarbeitete ich zunächst 20 kg von der Firma J. D. Riedel, Berlin, 
gelieferte Radix Colombo. Die in Querscheiben geschnittene Droge 
wurde zunächst grob gepulvert und darauf im Christ'schen Extraktions- 
apparat mit 96%igem Alkohol ausgezogen, die angewendete Menge 
lieferte 2,6 kg dickes Extrakt. Dieses Extrakt wurde auf dem 
Wasserbade in einer Mischung aus je 2,6 kg Wasser und 96 %igem 
Alkohol gelöst, und die erkaltete Lösung mit 20 kg Alkohol und 
darauf mit 2,6 kg Aether gemischt. Nach Zusatz des Aethers schied 
sich eine dextrinartige, klebrige Substanz ab, welche sich fest an den 
Boden des Gefäßes ansetzte, so daß man die überstehende Extrakt- 
lösung klar abgießen konnte. 

Von dieser Lösung wurden 20 kg abdestilliert, der Rückstand 
mit einer zur vollkommenen Lösung hinreichenden Menge Wassers 
aufgenommen und die wässerige Lösung einmal mit Aether aus- 
geschüttelt. Neben Fettsubstanzen nahm der Aether vornehmlich das 
Columbin aus der wässerigen Lösung auf. Letztere wurde in ein“ 


a nn 


a. are 


a EV 


E. Günzel: Alkaloide der Columbowurzel. 259 


geräumige Porzellanschale abgelassen und durch Erwärmen auf dem 
Wasserbade vollständig von Alkohol und Aether befreit, darauf mit 
Kieselgur geklärt und filtriert. Aus dem klaren Filtrat fällte ich 
die Colombobasen mit 25%iger Jodkaliumlösung; der erhaltene Nieder- 
schlag wog im lufttrockenen Zustand 90,0 g. Er bestand aus einer 
dunkelbraunen, von vielen gelben Partikelchen durchsetzten, krümeligen 
Masse. Zur Reinigung wurde derselbe zweimal mit ungefähr %1 
Alkohol am Rückflußkühler auf dem Woasserbade eine Stunde lang 
ausgekocht, und darauf durch Filtration die tiefbraune Lösung von 
dem ungelösten, orangefarbenen, krystallinischen Pulver getrennt. Im 
lufttrockenen Zustand wog dieses 59,0 g. Zur weiteren Reinigung 
wurde dasselbe mehrfach aus heißem Alkohol umkrystallisiert, bis sich 
schließlich ein goldgelber Körper in wohlausgebildeten, nadelförmigen 
Krystallen abschied. Im lufttrockenen Zustand lag sein Schmelzpunkt 
bei + 224° ©., nachdem etwa bei + 180° C. Schwärzung eingetreten 
war. Die Base dieses Jodides erhielt den Namen: Columbamin. 

Aus der dunkelbraunen alkoholischen Lösung schieden sich ebenfalls 
allmählich Krystalle ab; dieselben waren jedoch wesentlich dunkler, 
ihr Schmelzpunkt lag im lufttrockenen Zustand bei + 210° C.; offenbar 
repräsentierten sie das Jodid einer anderen Base: des Alkaloides „B*. 

Zunächst nahm ich die Untersuchung des Columbamins in Angriff. 
Da mir nun die aus 20 kg Wurzel erhaltene Ausbeute für die zur 
Erforschung der Konstitution voraussichtlich vielen Versuche und 
Analysen bei weitem nicht ausreichend erschien, galt es zunächst eine 
genügende Menge Ausgangsmaterial herzustellen. Um den mit der 
Extraktion der Rohdroge verbundenen großen Zeitverlust zu ver- 
meiden, wurden 5 kg trockenes weingeistiges Columboextrakt von der 
Firma Wolfrun in Augsburg und je 1kg wässeriges und wein- 
geistiges Extrakt von J. D. Riedel, Berlin, bezogen. Bei einem mit 
je 20,0 g Extrakt angestellten Vorversuch zeigte das wässerige Extrakt 
einen Alkaloidgehalt von 3,6% und das weingeistige einen solchen von 
5,4% Die Verarbeitung geschah nun in der gleichen Weise, wie 
vorhin angegeben, die Ausbeute an Rohalkaloiden betrug 235,08. Zum 
Zweck der Reinigung wurde das Jodid der Base B ebenfalls durch 
Kochen mit wenig Alkohol in Lösung gebracht, und der hauptsächlich 
aus Columbaminjodid bestehende Rückstand aus heißem Alkohol um- 
krystallisiert. Um das in den Mutterlaugen gelöste Columbaminjodid 
zu erhalten, destillierte ich die Hälfte des Alkohols ab, indessen 
krystallisierte auch während mehrerer Tage nur eine geringe Menge 
aus, anscheinend wurde das Alkaloidsalz durch gelöste harzige Ver- 
unreinigungen am Auskrystallisieren gehindert. Deshalb destillierte 
ich den Alkohol völlig ab und nahm die zurückbleibende schmierige 

1 Yie 


260 E. Günzel: Alkaloide der Columbowurzel. 


Masse mit heißem Eisessig auf. Nach einigen Tagen hatten sich an- 
sehnliche Krystallmassen abgeschieden; diese wurden aus heißem 
Alkohol umkrystallisiert und mit Krystallen von gleichem Schmelz- 
punkt vereinigt. Auch Essigäther, Aceton und Methylalkohol eignen 
sich zum Umkrystallisieren des Columbaminjodids. 

Bemerkt sei noch, daß Bödeker einen wesentlich anderen Weg 
einschlug, um aus dem Columboextrakt die Alkaloide zu gewinnen. 
Er löste das Extrakt in heißem Kalkwasser und filtrierte die heiße 
Lösung. Das Filtrat wurde dann mit Salzsäure neutralisiert und nach 
abermaliger Filtration mit Salzsäure übersäuert; es sollte dann nach 
einigen Tagen ein reichlicher, krystallinischer Niederschlag des 
Alkaloidsalzes eintreten. Indessen hatte ein nach seinen Angaben 
geleiteter Versuch nicht den angegebenen Erfolg, auch nach mehr- 
tägigem Stehen trat keine krystallinische Ausscheidung ein; es wurde 
darum von einer Ausführung dieser Methode in größerem Maßstabe 
Abstand genommen. 

Jodid des Columbamins. 


Das nach angegebenem Verfahren erhaltene Columbaminjodid 
bildet orangefarbene Krystallnadeln von durchdringend bitterem 
Geschmack und intensivem Färbungsvermögen. In Wasser ist es schwer 
löslich, erteilt ihm aber eine gelbbraune Farbe, in kaltem Aethyl- und 
Methylalkohol löst es sich nur wenig, reichlicher in heißem Alkohol und 
Eisessig, beim Erkalten scheiden die heißgesättigten Lösungen den 
größten Teil des Salzes in schön ausgebildeten Krystallnadeln wieder ab. 

Der Schmelzpunkt liegt, wie bereits erwähnt, bei + 224° ©. 
nachdem bei ca. + 180° C. Schwärzung eintritt. Die Analysen 
lieferten folgende Resultate: 

. 0,1840 g verloren bei 1000 0,001 g = 0,5% Hs0. 
0199, 5» 100 0,002 „—0,1, , 
. 0409, , „ 100° 002 „05, „ 
0,2341 „ gaben 0,4237 g COg und 0,1018 g H30. 
04 neh. DAOBBE, wre. er 
0,2391 „ „ 72 ccm feuchten Stickstoff T = 23°, B — 755 mm. 
0,195, „ 62cm „ nm, „aM, 
0,2080 „ lieferten 0,1010 g Ag). 
U.3790 "0 Nana 

Gefunden: Berechnet für 
ı. 2 3.04 5 6 7 & 9 (yHaN0,J;MG— 483,18: 


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Gele suis au gel meulsiuhbe 49,8 
mw isch Rees 4,6 
Built deal 7 Bebresrich 2,9 
nie ahesfiokhluäeueeih Tre 26,3, 


ee 2 „7 24 ug Ws 


£. Günzel: Alkaloide der Colambowurzel. 261 


Die Jodbestimmungen wurden im Bombenrohr ausgeführt, ein 
Versuch das Jod aus der wässerigen Lösung des Jodides mit AgNOs 
zu fällen mißlang, da die Abscheidung von Ag.J nicht quantitativ 
eintrat. Diese Daten weisen zunächst darauf hin, daß das Jodid, wie 
das des Berberins, wasserfrei krystallisiert, und führen zur Formel 
CoHaNO0;J. Wir werden jedoch sehen, daß diese Formel wenig 
wahrscheinlich ist, und vermutlich Csı Haa NO; J der Wahrheit entspricht. 
(Die Differenz dürfte von einem Gehalt an Base B herrühren.) 

Um einen Einblick in die Konstitution des Moleküls zu gewinnen, 
führte ich einige Methoxylbestimmungen nach Zeisel aus. Dieselben 
ergaben folgendes: 


2) 0,3376 g = 0,4173g Ag) = 33,1% OCH;. 
b) 0,1989, = 0349, „ = 29, n 
c) 0,2107, = 03647, „ =29, » 


Berechnet man für die Formel Co Hs NO, J vier OCH;-Gruppen, 
so entspräche dies 25,7% OCH,, nimmt man aber 40CH; im Molekül 
des Columbaminjodides an, und behält gleichzeitig die Vorstellung bei, 
daß das Columbamin dem Berberin sehr nahe steht, und nur viel- 
leicht durch Variation der Seitenketten sich von letzterem unter- 
scheidet, so muß dem Columbamiojodid die Formel Cs; Has NO; J zu- 
kommen, auf diese Formel berechnet entsprechen vier OCH;-Gruppen 
25,0% OCH;. 

Die immerhin auch hier noch erhebliche Differenz zwischen den 
berechneten und gefundenen Prozenten an OCH3-Gruppen, konnte 
vielleicht darin ihren Grund haben, daß im Molekül des Columbamins 
tatsächlich nur drei OCH3-Gruppen neben einer Methylimidgruppe ent- 
halten sind, welche bei der Bestimmung nach Zeisel auch teilweise 
abgespalten wird; daher führte ich auch eine N.-Methylbestimmung 
nach Herzig und Meyer aus, dieselbe verlief aber völlig negativ. 
Die wenig genauen Resultate, welche die Analyse des Jodides lieferte, 
mögen wohl dadurch bedingt sein, daß das angewandte Salz noch nicht 
völlig analysenrein war. Das Jodid des Columbamins erwies sich 
nämlich, wie ein nachträglich angestellter Versuch lehrte, als schwach 
perjodidhaltig, so wurde z. B. eine wässerige Lösung des Columbamin- 
jodides durch reduzierende Agentien (Schwefelwasserstof) merklich 
heller gefärbt. Dadurch läßt sich auch der für die Formel Ca Has NO; J 
zu hoch gefundene Jodgehalt, und. teilweise auch der zu niedrig 
gefundene C-Gehalt erklären. Hauptsächlich dürften jedoch diese 
Differenzen auf einen Gehalt an Base B zurückzuführen sein. 
Günstigere Resultate lieferte die Analyse des Chlorides und des 
saueren Sulfates. 


262 E. Günzel: Alkaloide der Columbowurzelk 


Columbaminchlorid. 

Durch Digestion eines Grammes Columbaminjodid mit feuchtem 
Silberchlorid und einer zur Lösung des Alkaloides hinreichenden Menge 
Wassers erhielt ich nach erfolgter Filtration eine wässerige Lösung 
des Columbaminchlorides. Diese Lösung wurde zur Krystallisation 
eingedampft und die abgeschiedenen gelbbraunen Krystalie in wenig 
Alkohol gelöst und die alkoholische Lösung mit Aether überschichtet. 

Im Laufe eines Tages schieden sich wohlausgebildete, gelbe 
Krystallnadeln ab; diese wurden abgesaugt und schmolzen im luft- 
trockenen Zustand bei + 198° C. (unscharf). Um ausreichendes 
Analysenmaterial zu erhalten, führte ich nun weitere 10,0 g Columbamin- 
jodid in das Chlorid über. Da das Jodid perjodidhaltig war, löste ich 
es in heißem Wasser und leitete, in die heiße Lösung einige Blasen 
Schwefelwasserstoff, um die Perjodide zu reduzieren. Der überschüssige 
Schwefelwasserstoff wurde durch Kohlensäure verdrängt und darauf 
die wässerige Lösung nach Zugabe von 8,0 g feuchten Chlorsilbers 
einige Stunden auf dem Dampfbade erwärmt. Die Reaktion verlief 
quantitativ, denn eine abfiltrierte Probe mit Chlorsilber: digeriert und 
wiederum abfiltriert, hinterließ einen in Ammoniak völlig löslichen 
Rückstand, auch gab ein Tropfen des Filtrates mit Goldehlorid nur 
eine Gelbfärbung; bei Gegenwart von unzersetztem Jodid hätte eine 
Abscheidung von Jod eintreten müssen. Die gesamte Chloridlösung 
wurde von dem ausgeschiedenen Jodsilber abfiltriert und zur Kry- 

stallisation gebracht. Das Chlorid krystallisierte in zwei verschiedenen 
 Krystallformen, nämlich in dunkelbraunen Säulen und orangefarbenen, 
zu Drusen vereinigten Nadeln. Eine Trennung der verschiedenen 
Krystalle ließ sich auf mechanischem Wege leicht ausführen. Die 
säulenförmigen Krystalle schmolzen lufttrocken bei + 184° C., die 
orangefarbenen Nadeln bei + 194° C., in beiden Fällen trat zwischen 
160 und 170° Schwärzung ein. Ein Teil der säulenförmigen Krystalle 
wurde durch Lösen in Alkohol und Ueberschichten mit Aether um- 
krystallisiert, es schieden sich nun feine. gelbe Nadeln aus, deren 
Schmelzpunkt bei + 196° C. lag. Diese Krystallnadeln waren aller- 
dings etwas heller, als die anfangs aus der wässerigen Lösung aus- 
geschiedenen, indessen ließen die gleiche Krystallform und der nahezu 
gleiche Schmelzpunkt eine Identität beider Körper nicht ausgeschlossen 
erscheinen. Die Verschiedenheit der aus der wässerigen Lösung aus- 
geschiedenen Krystalle beruhte auscheinend nur auf einem verschiedenen 
Wassergehalt derselben, wie ja auch das Berberinchlorid in zwei 
Formen, nämlich mit 2 und 4 Molekülen Wasser krystallisiert. Daß 
hier tatsächlich ähnliche Verhältnisse vorliegen, zeigte die Wasser- 
bestimmung. 


in 


E. Günzel: Alkaloide der Columbowurzel. 263 


I. Gelbe Krystallnadeln. 

a) Aus Wasser krystallisiert: 0,1788 g verloren 0,0194 g = 10,8% Ha0. 

b) Aus Alkohol-Aether krystallisiert: 0,9104 g verloren 0,1000 g 
= 10,9% H30. 

II. Braune, säulenförmige Krystalle. 
a) 0,2072 g verloren 0,0322 g = 15,5% Hs0. 
b) 0,5422 „ „0,0856 „u 158 4 
Berechnet für 
Cs; Ha NO,Cl -H 2% Hs0: Cgı H-3 NO, Cl + 4H,0: 
H30 — 10,04 15,2:%. 

Demnach besitzen die gelben, nadelförmigen Krystalle 214 Mol. und 
die braunen, säulenförmigen 4 Mol. Krystallwasser. Die Chlorbestimmungen 
im lufttrockenen Chlorid unterstützen dieses Resultat: 

a) Gelbe Nadeln mit 10,8% H30: 0,1954 g = 0,0647 g AgCl = 82 % Cl, 

berechnet für Ca} Hs3 NO, Cl + 21% Hs0 = {is PT 

b) Braune Säulen mit 15,5% Hs30: 0,1685 g — 0,0508g AgCl = 7,45, „, 

berechnet für Ca; Hg NO, Cl + 4Ha = 7,45 „ » 

Im wasserfreien Zustand ist der Chlorgehalt in beiden Krystalltormen 
der gleiche. 

a) Gelbe Nadeln bei 1000 getrocknet: 0,1569 g = 0,0551 g Ag0l=8,7% Cl, 

b) Braune Säulen „ 1000 r 0,1642 „—0,0570, „ =86, » 

berechnet für C; H3N0;C1=88, y 

Die Elementaranalyse des Chlorides lieferte folgende Werte: 

0,1292 g = 0,2945 g 00a = 62,2% C 
> 0123 „EU — 5.0 H 
Berechnet für Ca} Hg NO0,Cl: 62,4% C und 5,5% H. 


Das Goldsalz des Columbamins 


entstand nach Zugabe einiger Tropfen Goldchloridlösung zu einer 
wässerigen Columbaminchloridlösung als ein amorpher, an Eisenhydroxyd 
erinnernder Niederschlag. Es ist in Wasser unlöslich, in Alkohol 
äußerst schwer löslich, aus der heiß bereiteten alkoholischen Lösung 
scheidet es sich kleinkrystallinisch ab. 


Das Platinsalz des Columbamins 


entstand als amorpher, gallertartiger Niederschlag nach Zugabe einiger 
Tropfen Platinchloridlösung zu einer wässerigen Columbaminchlorid- 
lösung; beim Erwärmen wurde es krystallinisch. 


Das Columbaminnitrat 


erhielt ich in hellbraunen, wohlausgebildeten Krystalldrusen durch 
Eindampfen des Filtrates einer mit Silbernitratlösung versetzten 
wässerigen Columbaminjodidlösung nach Entfernung des Silber- 
überschusses durch Schwefelwasserstoff. 


BE Ark 


264 E. Günzel: Alkaloide der Columbowurzel. 


Das saure Sulfat des Columbamins. 


Zur Darstellung des sauren Sulfats digerierte ich 10,0 g 
Columbaminjodid mit einer wässerigen Silbersulfatlösung, löste das 
gebildete Sulfat in warmem Wasser und filtrierte die Sulfatlösung 
vom ausgeschiedenen Jodsilber ab. Im Filtrat wurde das überschüssige 
Silber durch Einleiten von Schwefelwasserstoff beseitigt, und das 
Filtrat vom Silbersulfidniederschlag bis zur völligen Vertreibung des 
Schwefelwasserstoffs erwärmt. Von der erhaltenen Lösung dampfte 
ich ein Drittel zur Krystallisation ein, den übrigen Teil verwendete 
ich zu einem später zu erwähnenden Versuche. Die ausgeschiedenen 
Krystalle wurden aus Alkohol umkrystallisiert und stellten dann gut- 
ausgebildete, gelbe Krystalltäfelchen dar, welche zwischen + 220° und 
222° 0. schmolzen. Das Sulfat ist anscheinend wasserfrei; die Wasser- 
bestimmung lieferte folgendes Ergebnis: 

0,8569 g verloren: 0,0159 g = 1,85%. 

Für die Formel: Ca; Hgg NO-.-HSO, berechnet, entspricht 1 Mol. Krystall- 
wasser 3,7% Hs0. 

Die Elementaranalyse lieferte folgendes Resultat: 

a) 0,2704 g — 0,5416 g COs + 0,1408 g Ha0 —= 54,6%, C und 5,8% H. 

b) 0,2374°, — 04727, , 101215... mE er Bu 

Berechnet für Ca Hs, NO, HSO, = 54.2, SIE 9 5,0, „ 

Die Schwefelsäurebestimmung gelang nicht durch Ausfällen der 
Schwefelsäure aus der wässerigen Salzlösung mittelst Baryumchlorid, da 
ganz erhebliche Mengen Baryumsulfat gelöst bleiben. So erhielt ich von: 
0,3346 g Substanz nur 0,0394 g BaS0, = 11,1% SO,. 

Die Bestimmung nach Carius ergab folgendes: 

0,2082 g = 0,0997 g BaS0, = 19,7 % SO,. 
Berechnet für C3, Ha NO;,-HSO, = 20,65 „ 


n 


Columbaminpentasulfid. 


Im Archiv der Pharmazie, Band 228, S. 631, berichtet Schreiber 
über die Einwirkung des gelben Schwefelammoniums auf Berberinjodid. 
Nach seinen Angaben behandelte ich auch das Columbaminjodid. 
Nachdem ich mich durch einen Vorversuch überzeugt hatte, daß durch 
Einwirkung von gelbem Schwefelammonium auf ammoniakalische 
Columbaminjodidlösung ein Sulfid des Columbamins entsteht, löste ich 
ein Gramm Columbaminjodid in Ammoniak und gab zu dieser Lösung 
gelbes Schwefelammonium im Ueberschuß. Die während eines Tages 
ausgeschiedenen grünschwarzen Krystalle wurden abgesaugt und mit 
Alkohol und Aether ausgewaschen, bis letzterer farblos ablief. Ein 
Versuch, den erhaltenen Körper aus Alkohol umzukrystallisieren, 
mißlang, es trat hierbei Zersetzung ein unter Ausscheidung von 
Schwefel. Das übrige Material wurde zwischen Filtrierpapier 


P E. Günzel: Alkaloide der Columbowurzel. 265 
| getrocknet und, nachdem der Schmelzpunkt der Krystalle bei + 139° ©. 
ermittelt war, sofort der Analyse unterworfen. 
Es wurden zwei Schwefelbestimmungen nach Carius ausgeführt: 
1. 0,2072 g Substanz = 0,2601 g BaS0, = 172% S. 
IL. 02008 „0, 086, el, , 
Berechnet für [Ca Hg NO;)JS; = 17,9, „ 


Es hatte sich also Columbaminpentasulfid gebildet; auch das 
Berberin bildet nach Schreiber unter den gleichen Versuchsbedingungen 
Polysulfidee Um zu erfahren, welcher Art die beim Behandeln des 
Columbaminpentasulfides mit Alkohol eingetretene Zersetzung war, 
wurde der Alkohol bei mäßiger Wärme größtenteils abgedunstet. Es 
schieden sich gelbe bis gelbrote Krystallnadeln aus. Unter der Lupe 
konnte man neben diesen Krystallen deutlich weiße Oktaeder beobachten, 
die durch das Mikroskop ausschließlich als Schwefel identifiziert 
wurden. Der Schmelzpunkt der gelbroten Krystalle lag bei + 196° ©. 
Um zu erfahren, ob in ihnen überhaupt noch eine Schwefelverbindung 
vorlag, wurde ein Teil derselben auf einem Uhrglase mit einigen 
Tropfen verdünnter Schwefelsäure befeuchtet, mit einem zweiten Uhr- 
glase, an: dessen Innenseite ein kleiner Streifen Bleipapier befestigt 
war, bedeckt und gelinde erwärmt. Eine schwache Bräunung des 
Bleipapieres trat nun an einer Kante desselben auf, wahrscheinlich von 
dem beigemengten elementaren Schwefel herrührend. Eine Schwefel- 
verbindung repräsentierten demnach diese Krystalle nicht. Es lag aber 
auch in ihnen keine Jodverbindung vor, denn eine schwach salpetersaure 
Lösung derselben gab auf Zusatz von Silbernitrat nur eine geringe 
Ausscheidung von Schwefelsilber. Die Lösung nahm eine rotbraune 
Farbe an, wahrscheinlich durch einen Oxydationsvorgang. 


Die reduzierte Base (Tetrahydrocolumbamin). 


Gadamer hatte durch Reduktion des Columbaminnitrates mit 
Zink und Schwefelsäure, Uebersättigen des Reduktionsproduktes mit 
Ammoniak und Ausäthern desselben, eine in Alkohol leicht lösliche, 
farblose Base erhalten vom Schmp. + 137—138°C. Auf dieselbe 
Weise versuchte ich aus dem Columbaminjodid die reduzierte Base zu 
gewinnen. Zu diesem Zwecke wurden 2,0 g Columbaminjodid in 
heißem Wasser gelöst, und die Lösung mit Zink und Schwefelsäure 
auf dem Wasserbade bis zur fast völligen Entfärbung erwärmt. Da 
sich beim Erkalten das Jodid der reduzierten Base in weißen Kristallen 
abschied, wurde die Lösung noch heiß filtriert, das Filtrat mit Ammoniak 
übersättigt und ausgeäthert. Die ätherische Lösung der reduzierten 
Base wurde mit wasserfreiem Natriumsulfat entwässert und darauf die 


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. 


266 E. Günzel: Alkaloide der Columbowurzel. 


Hauptmenge des Aethers abdestilliert. Aus dem Rückstand krystallisierte 
die reduzierte Base in gelblichweißen, sehr licht- und luftempfindlichen 
Krystallen aus. Die an den Wandungen der Krystallisierschale 
haftenden Krystalle färbten sich bald gelb bis braunrot. Um aus- 
reichendes Analysenmaterial zu erhalten, behandelte ich 10,0 g 
Columbaminjodid in der gleichen Weise. Die ausgeschiedenen 
Krystalle wurden auf mechanischem Wege von dunkel gefärbten 
Anteilen befreit und zunächst aus Aethylalkohol und darauf aus 
Methylalkohol umkrystallisiertt. Aus den rotgefärbten Mutterlaugen 
gelang es durch Eindampfen und Zugabe eines gleichen Volumen 
Wasser eine weitere Abscheidung von Krystallen zu bewirken, welche 
ebenfalls noch einmal aus Methylalkohol umkrystallisiert wurden. Die 
so erhaltene reduzierte Base krystallisierte in weißen, durchsichtigen 
Krystallschuppen, ihr Schmelzpunkt lag bei +142°C. Die Wasser- 
bestimmung zeigte, daß die reduzierte Base wasserfrei krystallisiert: 
0,8162 g Substanz verloren bei 100° 0,0045 g = 0,55% Hs0. 
I. Die Elementaranalyse lieferte folgendes Resultat: 
a) 0,2102 g = 0,5346 g COa und 0,1289 g H50 = 69,49%, C und 6,9% H. 
b).:i0,2325 5: 0,6056, 7° „13,710,1460 Zi neeB9 BEE ED 
Berechnet für Cs} Hs; NO, = 371,23 — 67,9, 5 „ 685 „ 
I. Die Methoxylbestimmung ergab: 
a) 0,2687 g = 0,7032 g AgJ = 34,6% OCH;. 
Berechnet für 4 OCH;3-Gruppen = 33,4% OCH;. 


Auffällig ist der zu hohe Befund an Kohlenstoff, der durch 
Analysenfehler bei der guten Uebereinstimmung der Resultate nicht 
zu erklären sein dürfte. 

In dem Rückstand der Methoxylbestimmung schieden sich gelbe 
Krystalle ab; diese wurden abgesaugt und aus Wasser umkrystallisiert. 
Es schied sich ein hellgrauer krystallinischer Körper aus, der sich aber 
bald durch Sauerstoffaufnahme dunkler färbte, ebenso nahm auch die 
anfangs hellbraune Mutterlauge schnell einen dunkleren Farbenton an. 
Aus der wässerigen Lösung dieses Jodides schieden Kalilauge und 
Ammoniak die freie Base als hellgrauen Niederschlag aus, welcher sich 
im Ueberschuß des Fällungsmittels leicht löste. Beim Umschütteln wurde 
die Lösung dunkelgrün. Ein Teil der ammoniakalischen Lösung wurde 
auf einem Uhrglase im Vakuumexsikkator verdunstet, auch hier färbte 
sich die Lösung durch Oxydation dunkelgrün, eine Krystallisation war 
nicht zu bemerken. Einen Teil der Jodidlösung führte ich mittelst 
feuchten Chlorsilbers in das Chlorid über. Die Chloridlösung reduzierte 
Goldehlorid unter Grünfärbung schon in der Kälte nahezu momentan, 
Platinchlorid wurde erst beim Erwärmen reduziert, Versuche, aus der 


Be 
Re 


} 


E. Günzel: Alkaloide der Columbowurzel. 267 


wässerigen Chloridlösung Krystalle zu erhalten, mißglückten, da sowohl 
beim Eindampfen, wie auch beim Verdunsten im Vakuumexsikkator 
durch Oxydation die Lösung intensiv braun gefärbt wurde. 


Das Chlorid des reduzierten Columbamins 


krystallisierte aus der salzsauren Lösung der reduzierten Base 
in weißen Krystallnadeln aus; diese sind in kaltem Wasser nahezu 
unlöslich und scheiden sich aus der heiß bereiteten wässerigen Lösung 
beim Erkalten fast vollständig wieder aus. Natronlauge scheidet aus 
dem salzsauren Salz die freie Base ab, ein Ueberschuß von Natronlauge 
schien den Niederschlag wieder teilweise zu lögen. Um dies sicher 
festzustellen, wurde eine mit Natronlauge übersättigte Lösung des 
reduzierten salzsauren Columbamins in zwei Teile geteilt, der eine 
wurde mit Ammoniumchlorid versetzt, und darauf beide Teile mit 
Aether ausgeschüttelt. Aus der mit Ammoniumchlorid versetzten Probe 
gelangten weiße Krystalle zur Ausscheidung, welche bei + 142° C. 
schmolzen, also mit der reduzierten Base identisch waren, die Aus- 
schüttelung des anderen Teils lieferte beim Verdunsten nur ein dünnes, 
weißes Salzhäutchen. Die Base scheint also eine freie Phenolhydroxyl- 
gruppe zu enthalten. 


Das Goldsalz der reduzierten Base. 


Goldchlorid bewirkt in der wässerigen Lösung der salzsauren 
reduzierten Base einen fleischfarbigen, amorphen Niederschlag, welcher 
in Wasser unlöslich, in Alkohol hingegen löslich ist. Beim Verdunsten 
der alkoholischen Lösung scheidet sich das Goldsalz in schönen, tafel- 
förmigen Krystallen ab, ohne Beimengung von Goldflittern. Der 
Schmelzpunkt des Goldsalzes liegt bei + 201° C. Beim Kochen mit 
Wasser zersetzt sich das Goldsalz unter Abscheidung eines Goldspiegels. 


Das Platinsalz der reduzierten Base. 


Platinchlorid bewirkt in der warmen, wässerigen Lösung des 
reduzierten Columbaminchlorides einen gelblich-weißen, aus mikro- 
skopischen Krystallrosetten bestehenden Niederschlag, welcher in Alkohol 
sehr schwer löslich ist. In einer unterkühlten Lösung des reduzierten 
salzsauren Columbamins entsteht durch Platinchlorid ein amorpher 
Niederschlag. In der kaltgesättigten Lösung des salzsauren reduzierten 
Columbamins ruft Platinchlorid nur eine Opalescenz hervor. Um das 
Platinsalz in analysenreiner Form zu erhalten, wurde eine warme, 
wässerige, filtriertte Lösung von 0,5 g des salzsauren reduzierten 
Columbamins mit einer filtrierten Platinchloridlösung vereinigt, und 


268 E. Günzel: Alkaloide der Columbowurzel. 


der entstandene Niederschlag abgesaugt und getrocknet. Das trockene 
Platinsalz ist ein feines, orangefarbenes Krystallpulver, sein Schmelz- 
punkt liegt bei + 228° C., es krystallisiert wasserfrei. 


(0,3874 g Substanz verloren 0,0032 g = 0,83% Hs0. 
Platinbestimmung: 
0,3769 g Substanz ergaben 0,0607 g Pt = 16,1%. 
Berechnet für [Cza, Hz NO,]3H>PtCl, = 1151, 978 —= 16,9%, Pt. 
Der zu niedrige Platingehalt dürfte durch mit niedergerissenes 
Chlorhydrat zu erklären sein. 


Versuch einer elektrolytischen Reduktion des sauren Golumbaminsulfates. 


Die Hauptmenge der durch Umsetzen des Columbaminchlorides 
mit Silbersulfat erhaltenen Sulfatlösung diente zu diesem Versuch. 

Die Versuchsanordnung war folgende: Die mit Schwefelsäure 
angesäuerte Sulfatlösung umgab in einem großen Becherglas eine mit 
verdünnter Schwefelsäure gefüllte Tonzelle, in welche die Anode ein- 
tauchte, die Kathode befand sich in der Alkaloidsalzlösung und bestand 
aus einem großen, die ganze Tonzelle umfassenden Platindrahtnetz. 
Die Elektrolyse wurde mit einem Strom von 3,5 Ampere ausgetührt. 
Zuerst entstand auf der Alkaloidsalzlösung ein gelber Schaum, später 
ein gelber Niederschlag, welcher nach etwa tünfstündiger Elektrolyse 
abgesaugt wurde. In dem Filtrat wurde die Elektrolyse noch einen 
Tag lang ununterbrochen fortgesetzt, eine Abscheidung trat jetzt nur 
noch in geringem Maße ein. Den abgesaugten, gelben Körper kry- 
stallisierte ich aus Wasser um. Im lufttrockenen Zustand schmolz er 
bei + 240° C. Ein Salz der reduzierten Base repräsentierte er an- 
scheinend nicht, denn durch Ammoniak konnte die freie Base nicht 
abgeschieden werden. 

Platinchlorid bewirkte einen amorphen Niederschlag, der allmählich 
krystallinisch wurde. Der Schmelzpunkt dieses Platinsalzes lag bei 
+ 228° C. 

I. Die Wasserbestimmung lieferte folgendes Resultat: 

0,4936 g Substanz verloren 0,0206 g = 4,2% Hs0. 

II. Die Elementaranalyse: 

a) 0,2554 g — 0,4687 g COg und 0,1270 g H50 = 50,1% C und 5,6% H. 

b) 0,2162, — 0,398, »„ » 0104, „ =49,» n Dis» 

Leider reichte das Material zu weiteren Bestimmungen nicht aus, 
die gefundenen Werte gestatten keinerlei Schlüsse auf die Natur der 
Substanz. 

Die elektrolysierte Alkaloidsalzlösung wurde mit Wasser ver- 
dünnt und erwärmt, um ausgeschiedene Teilchen wieder in Lösung zu 


RS 


H. Emde: Styrylaminbasen. 269 


bringen. In einem Teil der Lösung wurde die überschüssige Schwefel- 
säure mit Baryumkarbonat neutralisiert und die vom ausgeschiedenen 
Baryumsulfat abfiltrierte Lösung zur Krystallisation gebracht; es 
bildeten sjch gelbe Krystalldrusen. In dem Rest der Lösung wurde 
das Alkaloid durch Jodkaliumlösung als Jodid gefällt und letzteres 
aus heißem Alkohol umkrystallisiert. Das so erhaltene Jodid schmolz 
unscharf bei + 220° C. 
I. Die Wasserbestimmung derselben ergab: 
0,4938 g Substanz verloren 0,0070 g = 1,4% Ha. 
II. Die Elementaranalyse: 

0,2344 g = 0,4254 g COs und 0,0988 g Hs0 = 49,5% C und 4,79%, H. 

Die Elementaranalyse stimmt für das Columbaminjodid, ebenso 
wie für ein Dihydrocolumbaminjodid, da ja der geringe Unterschied 
dieser beiden Körper durch eine Elementaranalyse kaum zum Ausdruck 
kommt. 

Leider konnte ich diese Frage nicht mehr in gewünschter Weise 
lösen, da mich persönliche Verhältnisse zwangen, diese Arbeit plötzlich 
abzubrechen. . 


Mitteilungen aus dem pharmazeutisch-chemischen Institut 
der Universität Marburg. 


Von Ernst Schmidt. 


198. Ueber Styrylaminbasen und deren Beziehungen 
zum Ephedrin und Pseudoephedrin. 


Von Dr. Hermann Emde. 


Im Anschlusse an die von E. Miller und von F. Flaecher (l. c.) 
ausgeführten Untersuchungen über das Ephedrin und das Pseudoephedrin 
hat bereits E. Schmidt!) synthetische Versuche angestellt, um zu 
Basen zu gelangen, welche in Beziehung zu jenen Alkaloiden stehen. 
Als Ausgangsmaterial diente für diese Zwecke das Styrylchlorid 
G,H;-CH:CH:-CH3:-Cl, welches glatt Trimethylamin addiert. Dieses 
Additionsprodukt wurde weiter, zur Aufhebung der Doppelbindung, 
mit Brom in Reaktion versetzt, das auf diese Weise gewonnene 
Dibromid alsdann durch Kochen mit Wasser in ein Bromhydrin ver- 
wandelt und dieses schließlich durch nascierenden Wasserstoff von 
Brom befreit: 


I) Arch. d. Pharm. 1905, 73—73,. 


270 H. Emde: Styrylaminbasen. 


CsH;-CH: CH-CHa- N (CH3)g- Cl, Styryltrimethylaminchlorid. 

CgH;-CHBr-CHBr-CHg-N (CH3)3 Ci, Dibromid. 

C, Hz: CH(OH)-CHBr: CHg- N (CH3)g Ci, Bromhydrin. 

CsH5-CH(OH)-CHg-CHa-N(OHs)pCl, Reduktionsprodukt. 

Dieses Reduktionsprodukt wurde in Gestalt; seines Golddoppel- 
salzes isoliert. Es glich im Aeußeren und in den Löslichkeits- 
verhältnissen dem Golddoppelsalze, welches E. R. Miller seinerzeit 
aus dem Methylephedrinmethylchlorid erhalten hatte, nur lag der 
Schmelzpunkt etwas niedriger (170°) als der der Millerschen Ver- 
bindung. - 

Da 100 g Styryltrimethylaminchlorid nur etwa 3 g reinen Gold- 
salzes lieferten, habe ich auf Veranlassung von Herrn Geheimrat 
E. Schmidt versucht, auf andere Weise zu .dieser Verbindung zu 
gelangen. Diese Versuche hatten besonderes Interesse, nachdem ich 
beim Pseudoephedrin, wie Miller beim Ephedrin, die erschöpfende 
Methylierung durchgeführt und bei der Spaltung des Methylpseudo- 
ephedrinmethylhydroxyds einen Alkohol erhalten hatte, der noch 
niedriger siedet (198°) als der aus dem Ephedrin gewonnene. 

Ich habe zu diesem Zwecke zunächst Styrylamin, Styrylmethyl- 
amin, Styryltrimethylamin und Styrylpyridin in Form der betreffenden 
Chloride, sowie einige Derivate und Doppelsalze davon dargestellt. 
Dabei hat sich ergeben, daß zum Isolieren und Charakterisieren dieser 
Basen in erster Linie die Platin- und Golddoppelsalze geeignet sind, 
weniger die Quecksilberdoppelsalze. Ferner habe ich untersucht, wie 
sich die Doppelbindung des Styrylrestes C,H; - CH : CH - CHa— in diesen 
basischen Körpern bei Anlagerungsversuchen verhält. Namentlich 
versuchte ich die Doppelbindung in den Styrylaminbasen durch Addition 
von unterchloriger Säure aufzuheben und die auf diese Weise erhaltenen 
Chlorhydrine hierauf durch nascierenden Wasserstoff vom Chlor zu 
befreien, z. B.: 

C,H;-CH:CH-CHa-N (CH3);, Cl, Styryltrimethylaminchlorid. 

(08H; -CH(OH)-CHC!1-CHga-N (CH,), Cl, Chlorhydrin. 

Ce HBs- CH (OH) . CHa S CHa -N (CHa)a Cl, Reduktionsprodukt. 


Styrylchlorid C, H,- CH: CH- CHaCl. 
Nach @. Ramdohr!?) erhält man das Styrylchlorid durch Ein- 
wirkung von trockenem Chlorwasserstoffgas auf krystallisierten Zimmt- 


alkohol. Im Anschlusse an diese Angaben verfuhr ich zur Gewinnung 
des Chlorids wie folgt: 


In einem Rundkolben ließ ich auf 100 g krystallisierten, von 
Kahlbaum bezogenen Zimmtalkohol zunächst in der Kälte trockenes 


1) Liebigs Jahresberichte 1858, 446. 


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H. Emdie: Styrylaminbasen. 271 


Chlorwasserstoffgas einwirken, wobei sich der Zimmtalkohol verflüssigte 
und Rotweinfarbe annahm. Sobald die Hauptmenge des angewandten 
Zimmtalkohols in ein öliges Liquidum verwandelt war, führte ich das 
unten sich verjüngende Zuleitungsrohr bis auf den Boden des Kolbens 
ein. Nachdem der Chlorwasserstoff einige Stunden lang in der Kälte 
auf den Zimmtalkohol eingewirkt hatte, erhitzte ich das Reaktions- 
produkt unter stetem Einleiten von Chlorwasserstoffgas solange auf dem 
Wasserbade, bis eine Gewichtszunahme um nahezu 30 g erreicht war. 
Es bildeten sich hierbei allmählich zwei Schichten: eine untere, milchig 
getrübte, und eine obere, bei weitem größere, klar rotweinfarbige. Nach 
Beseitigung der unteren Schicht im Scheidetrichter wusch ich das 
zurückbleibende Styrylchlorid zur Entfernung gelöster Salzsäure 
wiederholt mit gesättigter Kochsalzlösung, in der ich etwas Soda 
aufgelöst hatte. Das Ausschütteln mit verdünnter Sodalösung oder 
mit Wasser allein empfiehlt sich nicht, da Styrylchlorid mit diesen 
Flüssigkeiten beim Schütteln Emulsionen bildet, die sich häufig nur 
schwer trennen. Man trocknet schließlich mit Chlorcaleium und erhält 
so das Styrylchlorid als klare, tiefrote Flüssigkeit von eigenartigem, 
etwas scharfem Geruch. 

Bei der Darstellung des Styrylchlorids ist besonderer Wert 
darauf zu legen, daß dasselbe keinen unveränderten Zimmtalkohol mehr 
enthält, da dieser die Isolierung der mit Hilfe des Styrylchlorids 
dargestellten Verbindungen wesentlich erschwert. 


Additionsprodukte aus Styrylchlorid mit Ammoniak und Aminbasen. 
I. Styrylamin C,H; -CH: CH-CB;: NH;. 


Ramdohr!) gibt an, daß Ammoniak in wasserfreier, alkoholischer 
Lösung auf Styrylchlorid bei gewöhnlicher Temperatur nicht einwirkt. 
Dagegen resultierte Styrylamin, als Styrylchlorid mit der zehnfachen 
Menge alkoholischen Ammoniaks drei Tage lang erhitzt wurde. Nach 
Th. Posner?) ist jedoch unter diesen Bedingungen die Ausbeute an 
dieser Base außerordentlich schlecht, da hierbei im wesentlichen 
Di- und Tristyrylamin gebildet werden. Im Gegensatze zu den 
Beobachtungen Ramdohr’s fand E. Schmidt?), daß sich Styrylamin 
in befriedigender Ausbeute erhalten läßt, wenn Styrylchlorid S Tage 
lang mit der zehnfachen Menge alkoholichen Ammoniaks bei gewöhnlicher 
Temperatur in Berührung bleibt. 


1) Liebigs Jahresberichte 1858, 448. 
%) Berichte der deutschen chem. Geselisch. 26, 1858. 
8) Arch. d. Pharm. 1905, 78. 


272 H. Emde: Styrylaminbasen. 


Zur Darstellung des Styrylamins ließ ich Styrylchlorid nach den 
Angaben von E. Schmidt 8 Tage mit der zehnfachen Menge 
alkoholischen Ammoniaks von 10% in einer Glasstöpselflasche bei 
gewöhnlicher "Temperatur stehen, verjagte dann das überschüssige 
Ammoniak durch Erwärmen, säuerte hierauf die Flüssigkeit mit wenig 
Salzsäure an und destillierte den Alkohol ab. Zur Isolierung des 
gebildeten Styrylamins schüttelte ich den krystallinischen, nur wenig 
klebrigen Rückstand nach den Angaben Posner’s (l. c.) in einem 
geräumigen Scheidetrichter längere Zeit mit gleichen Teilen kalten 
Wassers und Aethers. Dabei löste der Aether die klebrigen Bestand- 
teile, das Wasser das Styrylaminchlorhydrat; Di- und Tristyrylamin- 
chlorid schwimmen dagegen ungelöst als weiße Krystallmasse zwischen 
den beiden Flüssigkeiten. 

Nach dem Eindampfen hinterläßt die wässerige Lösung das 
Styrylaminchlorhydrat als fast weißen, krystallinischen Rückstand, der 
sich aus salzsäurehaltigem Wasser oder aus Alkohol-Aether leicht 
umkrystallisieren läßt. Die Mutterlaugen enthalten stets etwas Chlor- 
ammonium; man behandelt sie daher zur Gewinnung des darin ent- 
haltenen Styrylamius am besten mit festem Aetzkali, wobei Ammoniak 
entweicht und sich freies Styrylamin als Oel auf der Oberfläche 
sammelt. Man trennt letzteres hierauf durch Ausäthern und ver- 
wandelt es schließlich in das Chlorhydrat zurück. 

Aus 50 g Styrylchlorid erhält man auf diese Weise bis zu 15 g 
reinen Styrylaminchlorhydrates. 

Th. Posner gibt (l.c.) als Schmelzpunkt des Styrylaminchlorids 
210° an; ich fand ihn stets höher, nämlich bei 236°; vor dem Schmelzen 
zieht sich Styrylaminchlorhydrat unter Bräunung zusammen. 

1. 0,1860 g Substanz lieferten 0,1571 g AgCl. 


2. 0,2636 „ 2 R aus einer anderen Darstellung 0,2236 g. 
Gefunden: Berechnet für 
1: 2. 0, HaNCl: 
Cl 20,88 20,84 20,90%. 


Das Platindoppelsalz des Styrylamins ist bereits von Ramdohr 
und von Posner dargestellt; es besitzt nach dem Umkrystallisieren 
aus Wasser den Schmp. 217—218°. 

Das Golddoppelsalz des Styrylamins konnte ich zunächst nicht 
in krystallisiertem Zustande erhalten. Dampfte ich verdünnte Lösungen 
des Styrylaminchlorhydrates nach Zusatz von Goldchloridlösung ein 
oder überließ das Gemisch der freiwilligen Verdunstung, so regultierte,. 
wenn die Lösung eine genügende Konzentration erlangt hatte, stets 
nur ein Goldsalz in öliger Form. Als ich jedoch eine kalt gesättigte 
Lösung des Chlorhydrates in salzsäurehaltigem Wasser tropfenweise 


ad 


H. Emde: Styrylaminbasen. 273 


mit Goldchloridlösung versetzte, verursachte jeder Tropfen eine hell- 
gelbe, anscheinend amorphe Fällung, die sich jedoch in wenigen 
Augenblicken, besonders schnell beim Schütteln oder Reiben, in tief 
ziegelrote Blättehen von oft ansehnlicher Größe verwandelte. Hat 
man genügend Goldchloridlösung zugesetzt, so wird die über den 
Blättchen befindliche Flüssigkeit völlig klar und erleidet auch auf 
weiteren Zusatz von Goldchlorid keine Veränderung. 

Das Styrylamingoldchlorid schmilzt bei 138—139° zu einer hell- 
gelben Flüssigkeit, die von abgeschiedenem Golde getrübt ist. Bei 
mehrstündigem Trocknen im Wassertrockenschranke fließt es zu einer 
graugelben undurchsichtigen Masse zusammen, ohne dabei erheblich an 
Gewicht zu verlieren. 


0,2469 g Substanz lieferten 0,1025 g Au. 
Gefunden: Berechnet für CgHjs NCl, Au: 
Au 41,52 41,68%. 


Quecksilberdoppelsalz des Styrylamins. Versetzt man eine 
nicht zu verdünnte Lösung des Styrylaminchlorhydrates mit Queck- 
silberchloridlösung, so entsteht eine starke milchige Trübung, die beim 
Schütteln krystallinisch wird. Aus heißem Wasser umkrystallisiert, 
bildet dieses Quecksilberdoppelsalz weiße, filzige Nadeln und Blättchen, 
die bei 189° schmelzen. Die Analysenwerte führen zu der Formel: 
(CH; .-CH:CH- CHa NHsH Cl)aHgOls: 


1. 0,3699 g Substanz lieferten 0,3460 g AgCl. 


2. 0,1846 „ e z 0,0714 g HgS und 0,1752 g AgCl. 
Gefunden: Berechnet für 
Hi; 2 Cs Ha Na Cy Hg: 
Hg — 33,32 32,78%. 
Cl 23,13 23,47 23,25 „ 


Styrylacetamid C,H;,-CH:CH- CH; NHCOCH;.. 

Zur Darstellung dieses Amids fügte ich zunächst zu 1 g freien, 
in Aether gelösten Styrylamin unter Kühlung allmählich 0,6 g Acetyl- 
chlorid. Beim Einfallen jedes Tropfens erfolgte lebhafte Reaktion, 
die jedoch bei weiterem Zusatze nachließ; es bildeten sich hierbei 
direkt weiße Nadeln, sodaß schließlich der Inhalt des Glases erstarrte. 

Das Reaktionsprodukt löste ich, nachdem ich den Aether hatte 
verdunsten lassen, in absolutem Alkohol und überschichtete diese 
Lösung mit Aether. Auf diese Weise erhielt ich weiße, seiden- 
glänzende, chlorhaltige Blättchen, die bei etwa 200° zu erweichen 
begannen und bei 238° unter Bräunung schmolzen. 

0,1870 g lieferten 0,1527 g AgCl, entsprechend 20,19% Cl. Styrylamin- 
chlorhydrat enthält 20,90% Cl. 

Arch. d. Pharm. CCXXXXIV. Bds. 4. Heft. 18 


274 H. Emde: Styrylaminbasen. 


Da nach diesem Analysenbefunde unter obigen Bedingungen keine 
Acetylverbindung entstanden war, erwärmte ich den durch Verdampfen 
der Mutterlaugen erhaltenen krystallinischen Rückstand 2 Stunden 
lang mit einem reichlichen Ueberschuß von Acetylchlorid am Rückfluß- 
kühler auf dem Wasserbade. Nach dem Verjagen des Acetylchlorids 
resultierte ein braunes öliges Liquidum, welches jedoch nach einigen 
Stunden krystallinisch erstarrte.. Durch Umkrystallisieren aus Alkohol 
von etwa 60% ließ sich dieses Produkt in lange chlorfreie Nadeln 
verwandeln, welche bei 87,5° schmolzen. Die Elementaranalyse ergab 
Werte, die mit dem Styrylacetamid O,H,;- CH:CH-CH3 NHCOCH; 
in Einklang stehen. 

0,1875 g Substanz lieferten 0,5179 g COs und 0,1258 g Ha. 


Gefunden: Berechnet für C4HON: 
0..033 75,37% 
3 7/51 7,48 „ 


Styrylbenzamid 0,H,-CH:CH- CH3- NH- COC,H;. 

Posner!) hat diese Verbindung durch Einwirkung von Benzoyl- 
chlorid auf Styrylaminhydrochlorid, bei Gegenwart von Natronlauge, 
in Form von Oeltröpfehen erhalten, die bei längerem Stehen in der 
Kälte erstarrten. Durch Umkrystallisieren aus absolutem Alkohol 
resultierte dieses Amid in Nadeln vom F.-P. 94—95°, 

Ich habe das Styrylbenzamid durch direkte Einwirkung von 
Benzoylchlorid auf freies Styrylamin dargestellt; aus Alkohol von 80% 
wurde es in Form von breiten glänzenden Blättchen erhalten, die den 
von Posner angegebenen Schmelzpunkt besaßen. 

Auch diese Verbindung neigt ebenso wie das Styrylacetamid 
beim Umkrystallisieren zu öliger Abscheidung. 


Einwirkung von Jodmethyl auf Styrylamin. 


Zur Methylierung versetzte ich freies Styrylamin in methyl- 
alkoholischer Lösung unter Kühlung mit der gleichen Menge Jodmethyl 
und ließ das Gemisch hierauf mehrere Tage bei gewöhnlicher Temperatur 
stehen. Als ich alsdann das Reaktionsprodukt der Verdunstung über- 
ließ, erhielt ich gelbliche Krystallblättchen. Zur weiteren Reinigung 
löste ich dieselben in absolutem Alkohol und überschichtete diese 
Lösung mit Aether. Die hierdurch ausgeschiedenen weißen Nadeln 
schmolzen bei 178°; ihr Jodgehalt stimmte auf die Formel O,H;- 
CH: CH: CH3; N(CH3)3J: 

0,1728 g Substanz lieferten 0,1335 g Ag). 

Gefunden: Berechnet für CjaH1sNJ: 
J 48,61 41,74%. 


1) Berichte der deutschen chem. Gesellsch. 26, 1860. 


H. Emde: Styrylaminbasen. 275 


Aus dem Filtrate vom Jodsilber stellte ich ein Gold- und ein 
Platindoppelsaiz dar, nachdem ich vorher das überschüssige Silber 
durch Salzsäure ausgefällt hatte. Das Golddoppelsalz bildete schöne 
gelbe Fiederblättchen, welche bei 185° schmolzen, das entsprechende 
Platindoppelsalz krystallisierte in feinen, rötlichen Nadeln, die bei 
232—234° unter Zersetzung schmolzen. 


0,1256 g dieses Platindoppelsalzes lieferten 0,0387 g Pt. 
Gefunden: Berechnet für (C,H;-CH : CH-CHaN (CH), Ch), PtC];: 

Pt 25,36 25,649, 

Nach den vorstehenden Analysenresultaten bestand das durch 
Methylieren des Styrylamins gebildete krystallisierte Reaktionsprodukt 
aus Styryltrimethylaminjodid. Um zu konstatieren, ob außer diesem 
quaternären Jodid noch weitere Methylderivate des Styrylamins ge- 
bildet waren, führte ich die in der Mutterlauge des Styryltrimethyl- 
aminjodids noch enthaltenen Produkte durch frisch gefälltes Chlor- 
silber in die Chloride über und versetzte alsdann die eine Hälfte der 
vom Halogensilber abfiltrierten Flüssigkeit mit Platin-, die andere mit 
Goldchloridlösung. In beiden Fällen entstanden krystallinische Nieder- 
schläge, die ich aus Wasser umkrystallisierte. 

Das Golddoppelsalz stimmte in Aussehen, Schmelzpunkt und 
Goldgehalt überein mit dem aus dem Filtrate der quantitativen Jod- 
bestimmung erhaltenen: 


0,1219 g Substanz enthielten 0,0466 g Au. 
Gefunden: Berechnet für CjaH;s NCl, Au: 
Au 38,23 38,28%. 


Die Menge dieses krystallisierten Golddoppelsalzes war jedoch 
nur gering im Verhältnis zu der des Platindoppelsalzes, welches aus 
der anderen Hälfte obiger Flüssigkeit resultierte. Erst als die Mutter- 
lauge desselben fast völlig verdunstet war, schied sich noch ein öliges 
Goldsalz in ansehnlicher Menge ab. Alle Versuche, dasselbe in die 
krystallisierte Form überzuführen, mißlangen; es ist anzunehmen, daß 
dies ölige Goldsalz im wesentlichen das des bei der Methylierung un- 
verändert gebliebenen Styrylamins war. 

Das entsprechende Platindoppelsalz bestand nach dem Um- 
kıystallisieren aus kleinen rötlichweißen Krystallplättchen von wenig 
einheitlichem Aussehen, die bei 223—225° unter Zersetzung schmolzen. 
Ein nochmaliges Umkrystallisieren änderte weder das Aussehen noch 
den Schmelzpunkt dieses Produktes. 


0,2254 g Substanz lieferten 0,0632 g Pt. 
Gefunden: Berechnet für Cs Ha NaCl, Pt: 
Pt 28,10 28,79%. 


18* 


276 H. Emde: Styrylaminbasen. 


Auch hier lag also im wesentlichen das Doppelsalz des un- 
veränderten Styrylaminchlorhydrates vor, gemischt mit wenig Styryl- 
trimethylaminplatinchlorid. 

Unter den angegebenen Bedingungen hat sich somit ein beträcht- 
licher Teil des Styrylamins der Methylierung entzogen. Das hierbei 
durch Einwirkung von Jodmethyl auf Styrylamin gebildete Produkt 
bestand nur aus Styryltrimethylaminjodid, dem Jodid derselben Base, 
deren Chlorid als Additionsprodukt von Styrylchlorid und Trimethyl- 
amin resultiert. 


II. Styryltrimethylaminchlorid C,H;-CH:CH-CHsN (CH;);, Cl. 


Zur Darstellung dieser Verbindung löste ich nach den Angaben 
von E. Schmidt!) 50 g Styrylchlorid in ebensoviel absolutem Alkohol, 
fügte 70 g einer 33%igen absolutalkoholischen Trimethylaminlösung zu, 
wobei Erwärmung eintrat, und überließ dann das Gemisch 48 Stunden 
sich selbst. Da eine Probe des Reaktionsproduktes nach dieser Zeit 
sich noch trübe in salzsäurehaltigem Wasser löste, so schüttelte ich 
dasselbe zur weiteren Reinigung, nachdem das ungebundene Trimethyl- 
amin und der Alkohol abdestilliert war, mit schwach salzsäurehaltigem 
Wasser und Aether aus. Der Aether nahm hierbei einige Gramm 
eines roten Oeles vom Geruche des Styrylchlorids auf. Aus der 
wässerigen Flüssigkeit erhielt ich dagegen durch Eindunsten einen 
fast farblosen Sirup, der bei längerem Stehen über Aetzkalk zu einer 
weißen Masse von strahlig-krystallinischem Gefüge erstarrte. Da dieses 
Reaktionsprodukt so hygroskopisch war, daß es an der Luft in kurzer 
Zeit zerfloß, so verwandelte ich einen Teil davon zur Identifizierung 
in das Golddoppelsalz, das nach dem Umkrystallisieren aus 
heißem Wasser in Form glänzender, häufig farnwedelartig gruppierter 
Nadeln und Blättchen resultierte.e Der Schmelzpunkt desselben lag 
bei 185°; EB. Schmidt und F. Flaecher geben 181° an. 

0,2762 g Substanz lieferten 0,1053 g Au. 

Gefunden: Berechnet für Cj;5H7s NChk Au: 
Au 38,13 38.289, 

Das Platindoppelsalz des Styryltrimethylaminchlorids ist 
ebenso wie das Goldsalz bereits von E. Schmidt und F. Flaecher 
dargestellt; ich fand den Schmelzpunkt desselben bei 228—230°, bei 
welcher Temperatur es sich unter Schwärzung und Zersetzung aufblähte. 

Das Quecksilberdoppelsalz des Styryltrimethylaminchlorids 
scheidet sich auf Zusatz von einer Quecksilberchloridlösung zu einer 
Lösung desselben, die ziemlich verdünnt sein kann, zunächst ölig aus, 


1) Arch. d. Pharm. 1905, 75. 


H. Emde: Styrylaminbasen. 277 


wird jedoch bald, besonders beim Schütteln, krystallinischh Beim 
Umkrystallisieren aus heißem Wasser erhält man es in großen, zarten, 
am Rande oft gefaserten Blättchen von weißer Farbe; es schmilzt 
bei 171°. 

Die analytischen Resultate würden auf die Formel (C,H; - 
CH:CH- CHa - N(CH3)3 Ol)a Hg Cla + % Hg Ola führen: 


1. 0,6999 g Substanz lieferten 0,2946 g HgS und 0,6038 g Ag(l. 


2. 0,2557 „ u & En m EIG nu 
3. 0,2794 „ 5 ir 0,1184 „ „ aa 6 
Gefunden: Berechnet für 
E 2. ds Cs Hrg N; Cl, Hps: 
Hg 36,27 35,40 36,51 36,17% 
CI 21,33 21,22 21,35 21.38 5 


Das Pikrat des Styryltrimethylaminchlorids fällt sofort körnig 
aus, wenn die wässerige Lösung desselben mit Pikrinsäure versetzt 
wird; aus heißem Wasser krystallisiert es in prächtigen gelben Nadeln. 
Es schmilzt bei 159°. 


II. Styrylmethylamiuchlorid C5H;- CH: CH- CH3- NH(CH;), HCl. 


Das Styrylmethylaminchlorid beansprucht insofern besonderes 
Interesse, als es die Möglichkeit bietet, bei Aufhebung der Doppel- 
bindung durch Anlagerung von Wasser, zu einem Isomeren des Ephedrins 
und Pseudoephedrins zu gelangen. 

Zur Darstellung dieser Verbindung mischte ich unter Kühlung 
25 g Styrylchlorid mit 75 g 33%iger absolut alkoholischer Methyl- 
aminlösung. Nachdem ich das Gemisch 8 Tage lang sich selbst über- 
lassen hatte, destillierte ich das ungebundene Methylamin auf dem 
Wasserbade in einem trockenen, kohlensäurefreien Luftstrom ab; dabei 
begannen sich, als sich die Flüssigkeit bis etwa auf die Hälfte ver- 
ringert hatte, Krystalle abzuscheiden, und die Flüssigkeit fing an heftig 
zu stoßen, sodaß es zweckmäßig schien, die Destillation abzubrechen. 
Nach dem Abdunsten des Alkohols hinterblieb ein krystallinischer, 
mit unverändertem Styrylchlorid durchsetzter Rückstand. Zur Ent- 
fernung des Styrylchlorids schüttelte ich die Masse in einem ge- 
räumigen Scheidetrichter mit viel Wasser und der gleichen Menge 
Aether, wobei nichts ungelöst blieb. Es resultierte hierbei eine rötlich 
gefärbte wässerige und eine ätherische Lösung von gelblicher Farbe. 
Zur Isolierung des etwa gebildeten Styrylmethylaminchlorhydrates 
dampfte ich die wässerige Lösung auf dem Wasserbade bis zum 
Krystallhäutchen ein und ließ sie dann langsam erkalten. Hierbei 
erstarrte die Flüssigkeit zu einer dunkelroten, dicklichen Masse, in 


278 H. Emde: Styrylaminbasen. 


welcher zahlreiche weiße, glänzende Blättchen zu bemerken waren. 
Durch scharfes Absaugen mit der Wasserstrahlpumpe und Abpressen 
der restierenden bräunlichen Krystallmasse zwischen Tonplatten 
konnten diese Blättchen von nahezu weißer Farbe erhalten werden. 
Dieses Produkt kann dann entweder aus viel Aceton oder aus Alkohol 
und Aether in der Weise umkrystallisiert werden, daß man eg in der 
‘Wärme in einer eben hinreichenden Menge absoluten Alkohols löst, 
hierauf noch das gleiche Volum erwärmten absoluten Alkohols zusetzt, 
filtriert und dem noch warmen Filtrate schließlich soviel Aether in 
kleinen Anteilen zumischt, bis die ersten Krystallblättchen sich ab- 
zuscheiden beginnen; beim Stehen erfüllt sich dann rasch die ganze 
Flüssigkeit mit zarten, gekrümmten, weißen Blättchen. 

Die Mutterlaugen verarbeitet man, nachdem sie durch Eindampfen 
konzentriert worden sind, in ähnlicher Weise. Dieselben mischen sich 
schließlich mit Wasser nur‘ dann noch klar, wenn die zugefügte 
Wassermenge gering ist, wogegen auf Zusatz von viel Wasser eine 
starke milchig-ölige Trübung entsteht. Dieser ölige Bestandteil, der 
eine gewisse Aehnlichkeit mit Styrylchlorid besitzt, läßt sich durch 
Ausschütteln mit Aether nur unvollkommen entfernen. 

Aus 25 g Styrylchlorid habe ich nach obigen Angaben etwa 
10 g reines Styrylmethylaminchlorid gewonnen; etwa ebensoviel un- 
verändertes Styrylchlorid erhielt ich dabei zurück. 

Ein Distyrylmethylaminchlorid scheint bei der Einwirkung von 
Methylamin auf Styrylchlorid unter den angegebenen Bedingungen 
nicht gebildet zu werden. 

Reines Styrylmethylaminchlorid schmilzt bei 151,5°. Dasselbe 
ist nur wenig hygroskopisch. 


1. 0,4773 g Substanz lieferten 0,3747 g AgCl. 


2. 0,1880 „ n eh 0,4479 g CO, und 0,1309 g H30. 
3. 0,1489 „ R n; 0,3565, „ „ Ommsa., 
5 Analyse: 
I heorie: 1. 9, 3, 

C,g 120,00 65,36 — 65,02 65,31 

H,, 14,10 7,68 — 7,69 8,00 

N 14,04 7,65 — —_ — 

Cl 35,45 19,31 1941 — _ 

183,60 100,00 


Das Platindoppelsalz des Styrylmethylaminchlorids kry- 
stallisiert auch aus ziemlich unreinen Lösungen gut in rötlich-gelben 
Nadeln; es ist in Wasser mäßig schwer löslich. Es schmilzt bei 212° 
unter lebhaftem Aufblähen, nachdem es sich vorher geschwärzt hat. 


B 


H. Emde: Styrylaminbasen. 279 
1. 0,2084 g Substanz lieferten 0,0573 g Pt. 
2. 0,2243 „ 5 5 0,2825 g COg und 0,0799 g Ha0. 
Berechnet für CgoHsgNaCh Pt = 
Gefunden: (CgH5-CH:CH-CH3NH (CHg) HCH)gPtCk: 

1. Pt 27,50 27,68%, 

9, 5C 34,35 34,10 „ 

"Am 39 4,01 ,. 


Das Golddoppelsalz des Styrylmethylaminchlorids scheidet 
sich, besonders aus konzentrierten Lösungen, leicht ölig ab. Verwendet 
man jedoch zu der Herstellung desselben reines Styrylmethylamin- 
chlorid in so verdünnter Lösung, daß auf Zusatz von Goldchloridlösung 
keine Fällung entsteht, so erhält man das Doppelsalz beim Verdunsten- 
lassen der Lösung in Form tief goldgelber glänzender Blättchen vom 
F.-P. 103°. 

0,2492 g Substanz lieferten 0,1002 g Au. 

Berechnet für 


Gefunden: C,H,-CH:CH- CH, NH(CH;), HC1, Aul, = 
Cy Hy NC, Au: 
Au 40,21 40,464, 


Das Quecksilberdoppelsalz des Styrylmethylaminchlorids 
scheidet sich gleichfalls leicht ölig ab; durch vorsichtiges Um- 
krystallisieren aus Wasser läßt es sich jedoch in Form weißer Nadeln 
erhalten, die oft sternförmig gruppiert sind; der Schmelzpunkt desselben 
liegt bei 166%. Die analytischen Daten führen zu der Formel: 
Os H;-CH . CH:CHs3-NH (CH;) H 0, Hg Ola. 

0,3956 g Substanz lieferten 0,2031 g HgS und 0,3706 g AgCl. 


Gefunden: Berechnet für CyoH;4NCl,Hg: 
Hg 44,24 44,00% 
Cl 23,17 23,40 „. 


Aus dem Fitrate von obiger Chlorsilberbestimmung stellte ich, 
nach dem Ausfällen des überschüssigen Silbers mittelst Salzsäure, ein 
Platindoppelsalz dar, das in Aussehen, Schmelzpunkt und Platingehalt 
mit dem oben beschriebenen Platindoppelsalze des Styrylmethylamin- 
chlorids übereinstimmte. 

0,2000 g Substanz lieferten 0,0547 g Pt. 

Gefunden: Berechnet für CrgHsgNa Cl, Pt: 
Pt 27,35 27,68%. 

Die unter ziemlich gleichen Bedingungen hergestellten Queck- 
silberdoppelsalze des Styrylamins, Styryltrimethylamins und Styryl- 
methylamins sind, wie aus vorstehendem hervorgeht, nicht analog 
zusammengesetzt, während die entsprechenden Platin- und Golddoppel- 
salze analoge Zusammensetzung aufweisen. 


EZB 


280 H. Emde: Styrylaminbasen. 


Das Pikrat des Styrylmethylaminchlorids fällt auf Zusatz von 
Pikrinsäure zu einer wässerigen Lösung desselben zunächst ölig, teil- 
weise auch flockig aus; durch Umkrystallisieren aus heißem Wasser 
jedoch, in dem es mäßig schwer löslich ist, resultiert es in gelben 
Blättchen vom F.-P. 147°. 


z 
IV. Styrylpyridinchlorid C, H;-CH:CH-CH3;-N C,H, Cl. 


Zur Darstellung dieser Verbindung mischte ich 4 g Styrylchlorid 
unter Kühlung mit 2,5 g Pyridin. Da sich die anfangs klare Mischung 
nach einiger Zeit trübte und sich allmählich darin zwei Schichten 
bildeten, erwärmte ich das Ganze wohl verschlossen 4 Stunden lang 
auf dem Woasserbade, wobei ich häufig kräftig schüttelte. Die so 
entstandene trübe, dickliche Flüssigkeit entmischte sich beim Stehen 
nicht; in Wasser löste sie sich zum großen Teile. Zur näheren 
Charakterisierung des Reaktionsproduktes stellte ich aus einer filtrierten 
wässerigen Lösung desselben Platin- und Golddoppelsalze dar. 

Das Platindoppelsalz fiel auf Zusatz von PJatinchlorid zu 
obiger Lösung direkt körnig aus; durch Umkrystallisieren aus viel 
heißem Wasser resultierte es in ansehnlichen orangefarbenen Nadeln 
und Blättchen, die bei 220—222° unter Aufblähen schmolzen, nach- 
dem sie sich vorher geschwärzt hatten. 


0,2107 g Substanz lieferten 0,0508 g Pt. 
{ Berechnet für (C,H;-CH:CH-CHg3-NC,H;,-Cl)PtCh, = 
Gefunden: Cog Hg NaClgPt: 
Pt 24,11 24,36 %,. 


Das Golddoppelsalz des demnach gebildeten Styrylpyridin- 
chlorids ist noch schwerer in Wasser löslich als das Platindoppelsalz 
Es schied sich auf Zusatz von Goldchlorid zu einem anderen Teile 
obiger Lösung in fester Form ab und wurde durch Umkrystallisieren 
aus viel heißem Wasser, in dem es, bevor es sich löste, zu einem roten 
Liquidum zerfloß, bei langsamem Erkalten der Lösung in Form zarter 
glänzender Blättchen vom F.-P. 101,50 erhalten. 


0,2648 g Substanz lieferten 0,0970 g Au. 
REIN: Berechnet für C;,H5;-CH:CH-CH>NC,H,C1, Aut; = 
EASIEBERN C4H4NC, Au: 
Au 36,63 36,85% 


Das Quecksilberdoppelsalz des Styrylpyridinchlorids fiel auf 
Zusatz von Quecksilberchlorid zu einer Lösung desselben milchig ölig 
aus und setzte sich bald in zähen, weißlich trüben Tropfen ab. Es 
erwies sich als in Alkohol leicht löslich; in kaltem Wasser löste es 
sich schwer, besser in heißem, das stark mit Salzsäure_angesäuert 


} 


H. Emde: Styrylaminbasen. 281 


war, jedoch gelang es mir nicht, es durch Umkrystallisieren aus einem 
dieser Lösungsmittel in die krystallisierte Form überzuführen. 

Wenn auch das Pikrat des Styrylpyridinchlorids wie das Queck- 
silberdoppelsalz zunächst ölig ausfällt und sich nach dem Lösen in 
viel heißem Wasser leicht ölig abscheidet, so läßt es sich doch aus 
Wasser, dem etwa 10% Alkohol zugesetzt sind, in Form kleiner gelber 
Nadeln vom F.-P. 146° erhalten. 

Das Styrylpyridinchlorid selbst habe ich aus seinem Gold- 
salze in der üblichen Weise nach Abscheiden des Goldes mittels 
Schwefelwasserstoff in Form eines wenig gelb gefärbten Liquidums 
erhalten, das bei monatelangem Stehen über Aetzkalk wohl zähe, aber 
nicht krystallinisch wurde. 

Da das Styrylpyridinchlorid für den engeren Zweck der vor- 
liegenden Arbeit zunächst nicht in Frage kommt, so habe ich mit 
dieser Verbindung vorläufig keine weiteren Versuche angestellt, sondern 
mich damit begnügt, im vorstehenden die Bildung desselben aus Pyridin 
und Styrylchlorid bewiesen zu haben. 


Ueber das Verhalten der Styrylaminbasen gegen Halogenwasserstoff, 
Wasserstoff und unterchlorige Säure. 


Denkt man sich die Doppelbindung im Styrylamin, Styrylmethyl- 
amin und Styryltrimethylamin durch Anlagerung von Wasser gelöst, 
so gelangt man zu Aminoalkoholen, die in naher Beziehung zum 
Ephedrin und zum Pseudoephedrin stehen. Nicht nur aus diesem 
Grunde, sondern auch an und für sich erschien es daher von Interesse, 
die Reaktionsfähigkeit der Doppelbindung in den drei genannten Basen 
kennen zu lernen. 

Die Reaktionsfähigkeit der Doppelbindung im Styrylreste C,H, - 
CH: CH - CHs— ist an Verbindungen, in welchen derselbe sich mit 
Gruppen elektronegativen Charakters verknüpft findet, vielfach eingehend 
studiert worden, vornehmlich an der Zimmtsäure C,H; CH:CH- COOH. 
Es hat sich dabei ergeben, daß die Doppelbindung in der Zimmtsäure 
leicht durch Anlagerung der verschiedensten Atome und Atomgruppen 
gelöst wird. Richter’s Lehrbuch der organischen Chemie!) sagt 
hierüber: „Als ungesättigte Säure addiert sie leicht Wasserstoff, Brom-, 
Jodwasserstoff, Brom, Chlor und unterchlorige Säure unter Bildung 
von Hydrozimmtsäure, ß-Brom-, ß-Jodhydrozimmtsäure, Phenyl-e, 
ß-dichlor-, -a, B-dibrompropionsäure oder Zimmtsäuredichlorid, Zimmt- 
säuredibromid und ß-Phenyl-«a-chlormilchsäure“. Dahingegen ist bisher 
kaum untersucht worden, ob die Doppelbindung im Styrylreste dann, 


1) Zehnte Auflage 1905, 355. 


282 H. Emde: Styrylaminbasen. \ 


wenn derselbe mit elektropositiven Gruppen verknüpft ist, eine ähnliche 
Reaktionsfähigkeit besitzt. Posner!) hat bei seinen Versuchen, an 
Styrylamin Jod- oder Bromwasserstoff anzulagern, stets nur ölige 
Produkte erhalten, aus denen sich keine krystallisierenden Körper 
isolieren ließen. E. Schmidt?) hat das Dibromadditionsprodukt des 
Styryltrimethylaminchlorids dargestellt. 

Auf Veranlassung von Herrn Geheimrat Prof. Dr. E. Schmidt 
habe ich nun Untersuchungen über die Reaktionsfähigkeit der Doppel- 
bindung an den drei oben erwähnten Basen angestellt, und zwar vor- 
nehmlich am Styryltrimethylaminchlorid, weil einesteils diese Base 
leicht rein zu erhalten ist, anderenteils die Gold- und Platindoppelsalze 
derselben sich durch große Krystallisationsfähigkeit auszeichnen. Bei 
diesen Versuchen hat sich jedoch herausgestellt, daß es bei dem Styryl- 
trimethylaminchlorid entweder garnicht oder doch nur in sehr un- 
vollkommener Weise gelingt, Brom- oder Jodwasserstoff an die durch 
Doppelbindung vereinigten Kohlenstoffatome anzulagern; Wasserstoff, 
aus Natriumamalgam entwickelt, wurde von dem Styrylaminhydrochlorid 
sogar überhaupt nicht addiert. Das Styryltrimethylaminchlorid tritt 
zwar mit Wasserstoff in Reaktion, jedoch bleibt dabei die Doppel- 
bindung erhalten, indem das Styryltrimethylaminchlorid als solches direkt 
eine Spaltung erfährt. Nur mit unterchloriger Säure lieferte Styryl- 
trimethylaminchlorid in größerem Umfange ein Additionsprodukt, welches 
in Gestalt seines Gold- und Platindoppelsalzes isoliert werden konnte. 


I. Anlagerungsversuche mit Bromwasserstoff. 


Fittig und Binder?) erhielten durch Einwirkung von rauchender 
Brom- und Jodwasserstoffsäure auf Zimmtsäure Brom- bezgl. Jod- 
hydrozimmtsäure, die beide durch siedendes Wasser in Phenylmilch- 
säure C,H; - CH(OH)CH3 COOH übergeführt wurden. Im Hinblick 
auf diese Ergebnisse versuchte ich zunächst, Bromwasserstoff an 
Styryltrimethylaminchlorid bei gewöhnlicher Temperatur anzulagern. 

Zu diesem Zwecke wurden 5 g Styryltrimethylaminchlorid unter 
Eiskühlung in einer braunen Glasstöpselflasche mit ungefähr 10 ccm 
bei 0° gesättigter Bromwasserstoffsäure gemischt, darauf die klare 
Flüssigkeit unter weiterer Kühlung mit gasförmigem Bromwasserstoff 
gesättigt und alsdann das Gemisch acht Wochen lang sich selbst über- 
lassen. Nach dieser Zeit wurde das Reaktionsprodukt, das eine 
dickliche schwarze Flüssigkeit bildete, auf deren Oberfläche ölige 


1) Ber. d. d. chem. Ges. 26, 1863. 
2) Arch. d. Pharm. 1905, 76. 
8) Ann. d. Chem. u. Pharm. 195, 131 ff. 


H Emde: Styrylaminbasen. 283 


Tröpfchen zu bemerken waren, bei gelinder Wärme auf dem Wasser- 
bade eingedampft und dann eine Probe davon solange mit feuchtem 
Chlorsilber digeriert, bis das Filtrat mit Goldchlorid keine Brom- 
reaktion mehr gab. Aus dem Filtrate wurden alsdann Gold- und 
Platindoppelsalze dargestellt, indem die betreffenden Reagentien solange 
zugesetzt wurden, bis keine Fällung mehr eintrat. Die krystallinischen 
Niederschläge wurden darauf abgesogen, im braunen Vakuumexsikkator 
zur Trockge gebracht und darauf analysiert; die Mutterlaugen wurden 
der freiwilligen Verdunstung überlassen. 

Das so erhaltene, nicht umkrystallisierte Golddoppelsalz schmolz 
unscharf etwas über 170°. 


0,2200 g Substanz lieferten 0,0810 g Au. 
Berechnet für 
Gefunden: Cya Ho NCh Br Au: Cya Hjs NC, Au: 
Au 36,83 33,08 38,28%. 


Aus der Mutterlauge dieses Golddoppelsalzes schied sich fast 
nur Styryltrimethylamingoldchlorid ab. Außer letzterer Verbindung 
resultierte noch eine geringe Menge tiefroter Nadeln vom F.-P. 155°, 
die jedoch zu einer Goldbestimmung nicht hinreichten, da es mir nicht 
gelang dieses Produkt in größerer Menge zu erhalten. 

Das nicht umkrystallisierte Platindoppelsalz schmolz unter Zer- 
setzung und Aufblähen bei 225—228°., 


0,1915 g Substanz lieferten 0,0476 g Pt. 
Berechnet für 
Ca Has Na Ole BrPt: [0Py1 Hze Na Ole Pi: 
Pt 24,86 21,13 25,64%, 

Aus der Mutterlauge dieses Platindoppelsalzes schieden sich 
wenige Nadeln von Aussehen und Schmelzpunkt des Styryltrimethyl- 
aminplatinchlorids ab. 

Aus diesen Resultaten geht hervor, daß unter den angegebenen 
Bedingungen eine wesentliche Anlagerung von Bromwasserstoff an 
Styryltrimethyiaminchlorid nicht eingetreten war. 

Um zu entscheiden, ob bei Anwendung höherer Temperatur das 
Ergebnis ein anderes wäre, wurde 1 g Styryltrimethylaminchlorid mit 
ungefähr 10 ccm ebenso konzentrierter Bromwasserstoffsäure wie beim 
ersten Versuche in ein Rohr eingeschlossen und das Gemisch 2 Stunden 
lang im Wasserbade erwärmt. Das Reaktionsprodukt zeigte nach 
dieser Behandlung dasselbe Aussehen wie das vorige; nach längerem 
Aufbewahren über Aetzkalk bildete es eine tiefdunkle, zäh-dickliche 
Masse, auf der sich wohl eine Haut bildete, ohne daß aber Kry- 
stallisation eintrat. Gold- und Platindoppelsalz wurden davon in 


Gefunden: 


284 . Emde: Styrylaminbasen. 


derselben Weise dargestellt wie beim ersten Versuche; die Menge 
beider war gering. 


0,0799 g des Platinsalzes enthielten 0,0193 g Pt. 


Gefunden: Berechnet für Cg4 Hgg Na Cl, Pt: 
Pt 25,42 25.619, 


Das entsprechende Golddoppelsalz resultierte nach dem Um- 
krystallisieren aus Wasser in gelben Blättchen von Aussehen und 
Schmelzpunkt des Styryltrimethylamingoldchlorids.. Letzterem waren 
ebenfalls wenige derbere, rote Krystalle beigemischt, die sich jedoch 
nicht scharf genug mechanisch trennen ließen, um eine genaue Be- 
stimmung des Schmelzpunktes zu ermöglichen. 

Styryltrimethylaminchlorid addiert somit unter den angegebenen 
Bedingungen, weder bei gewöhnlicher Temperatur, noch bei der des 
Wasserbades, Bromwasserstoff in nennenswertem Umfange, vielmehr 
entstehen zum größten Teile harzige Zersetzungsprodukte, während 
ein Teil des Ausgangsmaterials unverändert bleibt. Nur das in 
geringer Menge erhaltene rote Golddoppelsalz vom F.-P. 155° deutet 
darauf hin, daß in bescheidenem Maße ein Additionsprodukt gebildet 
wird, wolür folgender. Versuch als weiterer Beleg dienen kann: 
Filtrierte wässerige Lösungen des Reaktionsproduktes aus beiden 
Versuchen wurden hei gewöhnlicher Temperatur solange mit Silber- 
nitratlösung versetzt, bis sich kein Halogensilber mehr abschied; als 
darauf nach dem Filtrieren von neuem Silbernitrat hinzugefügt wurde, 
blieben die Flüssigkeiten zunächst klar, dagegen schied sich beim 
Erwärmen auf dem Wasserbade aus beiden Lösungen allmählich von 
neuem Bromsilber‘, allerdings nur in geringer Menge, ab. Dies zuletzt 
ausgeschiedene Bromsilber dürfte durch den addierten 1romwasserstoff 
gebildet sein. 


II. Anlagerungsversuche mit Jodwasserstofl. 


Um das Verhalten der Doppelbindung im Styryltrimethylamin- 
chlorid g’ gen Jodwasserstoff kennen zu lernen, brachte ich 5 g Styryl- 
trimethy] .minchlorid unter Kühlung mit 15 g Jodwasserstoffsäure 
(spez. Gew. 1,27) zusammen und überließ das Gemisch 8 Tage lang 
sich selbst. Das Reaktionsprodukt, das im Aussehen dem bei den 
Versuchen mit Bromwasserstoff erhaltenen glich, wurde darauf durch 
Erwärmen auf dem Wasserbade möglichst von überschüssigem Jod- 
wasserstoff befreit. Beim Aufbewahren über Aetzkalk erstarrte das 
Reaktionsprodukt zum größten Teile zu glänzenden, tiefschwarzen 
Krystallplättchen, die von einem dicklichen schwarzen Oele durchsetzt 
waren. 


H. Emde: Styrylaminbasen. 285 


Zur näheren Charakterisierung des Reaktionsproduktes wurde 
eine Probe nach dem Abpressen zwischen Tonplatten in Alkohol 
gelöst, die dunkelgefärbte Lösung durch vorsichtigen Zusatz von 
schwefliger Säure entfärbt und nach Hinzufügung eines gleichen 
Volums Wasser der freiwilligen Verdunstung überlassen. Als die 
Lösung hinreichende Konzentration erlangt hatte, schieden sich aus 
ihr weiße Drusen aus, die bei 178° schmolzan, ein Schmelzpunkt, der 
darauf hinwies, daß diese Krystalle identisch waren mit dem durch 
Methylierung von Styrylamin erhaltenen Styryltrimethylaminjodid. In 
der Tat lieferten sie nach dem Umsetzen mit Chlorsilber ein Goldsalz 
vom Aussehen und Schmelzpunkt des Styryltrimethylamingoldchlorids. 

Andere krystallisierbare Bestandteile konnten aus den obigen 
schwarzen Krystallen nicht isoliert werden; es gelang weder dieselben aus 
Alkohol, noch aus wässeriger Jodwasserstoffsäure umzukrystallisieren. 

Um einen Anhaltspunkt dafür zu gewinnen, ob überhaupt Jod- 
wasserstoff an die durch Doppelbindung vereinigten Kohlenstoffatome 
addiert worden war, behändelte ich eine Probe des Reaktionsgemisches 
nach dem Lösen in verdünntem Alkohol, ebenso wie es bei dem durch 
Einwirkung von Bromwasserstoff erhaltenen Reaktionsprodukt zur 
Ausführung gelangte, zunächst in der Kälte, dann, nach dem Filtrieren, 
in der Wärme mit Silbernitratlösung. Es schied dabei auch hier in 
der Wärme von neuem Halogensilber in zwar bescheidener, aber doch 
anscheinend größerer Menge ab, als dies bei den mit Bromwasserstoff 
behandelten Proben der Fall war. Die von Silber befreite Lösung 
lieferte ein Goldsalz, das sich aus Wasser zunächst ölig abschied, 
jedoch aus verdünntem Alkohol in Form großer, blätteriger Krystalle 
vom Schmp. 104° resultiertte. Da dieser Schmelzpunkt mit dem des 
Golddoppelsalzes übereinstimmt, welches das Reduktionsprodukt des 
Styryltrimethylaminchlorhydrins liefert (s. später), so führte ich in 
der angegebenen Weise die Gesamtmenge der schwarzn Krystalle in 
ein Golddoppelsalz über. Dieses erweichte bei 106°, um jedoch erst 
bei 140° klar zu schmelzen. Durch häufiges Umkrystallisieren ließ 
sich daraus ein leichter löslicher Anteil in gut ausgebildeten Nadeln 
isolieren, die konstant bei 151° schmolzen. 

Der Goldgehalt dieses letzteren Doppelsalzes führt zu der Formel 
(gH;-CH(OH)-CHa-CHg-N (CH3), C), Au Ch;. 

0,1989 g Substanz enthielten 0,0733 g Au. 

Gefunden: Berechnet für Ca H»ONC Au: 
Au 36,85 36,98%. 


Den schwerer löslichen Anteil des Golddoppelsalzes konnte ich 
bei der geringen Menge, über die ich verfügte, vorläufig nicht rein 


286 H. Emde: Styrylaminbasen. 


erhalten; der Schmelzpunkt desselben liegt wesentlich tiefer als der 
des leichter löslichen Anteils. / 

Aus äußeren Gründen habe ich die Versuche mit Styryltrimethyl- 
aminchlorid und Jodwasserstoff nicht fortgesetzt; dies wird jedoch von 
anderer Seite geschehen. 


III. Anlagerungsversuche mit Wasserstoff. 


Nachdem sich ergeben hatte, daß sich die Doppelbindung im 
Styryltrimethylaminchlorid gegen Brom- und Jodwasserstoff wesentlich 
weniger reaktionsfähig erweist, als dies in der Zimmtsäure der Fall ist, 
führte ich im Hinblicke darauf, daß, wie Erlenmeyer und Alexejew') 
gezeigt haben, die Doppeibindung in der Zimmtsäure leicht durch An- 
lagerung von Wasserstoff in alkalischer Lösung gelöst wird, ent- 
sprechende Anlagerungsversuche zunächst am Styrylamin aus, 

Zu diesem Zvrecke fügte ich zu einer möglichst konzentrierten 
wässerigen Lösung von 1 g Styrylaminchlorid nach und nach unter 
ständigem Umschütteln 50 g 2%igen Natriumamalgams. Da sich hierbei 
bald ein bräunlicher, öliger Körper abschied, setzte ich darauf soviel 
Alkohol zu, bis sich derselbe wieder löste, trug nochmals 50 g Natrium- 
amalgam in kleinen Anteilen ein und erwärmte zum Schlusse das Ganze 
noch einige Zeit gelinde auf dem Wasserbade. Die vom Quecksilber 
abgegossene Flüssigkeit engte ich nach dem Ansäuern mit Salzsäure 
auf dem Wasserbade ein und zog den durch Trocknen in Vakuum- 
exsikkator erhaltenen krystallinischen Rückstand wiederholt mit heißem 
absolutem Alkohol aus. Hierbei blieb Chlornatrium ungelöst, wogegen 
die alkoholische Lösung nach dem Verdunsten weiße Krystalle hinter- 
ließ, die wie das Styrylaminchlorhydrat bei 236—238° unter Bräunung 
schmolzen. Die aus diesem Produkt dargestellten Gold- und Platin- 
doppelsalze bewiesen weiter, daß diese Krystalle nur aus unverändertem 
Styrylaminchlorhydrat bestanden. 

Das Golddoppelsalz bildete rote Lamellen und Fiederblättchen; 
es schmolz bei 138°, wobei es sich unter Abscheidung von Gold- 
partikelchen trübte. 

0,1769 g Substanz lieferten 0,0740 g Au. 

Gefunden: Berechnet für CgHjs3 N Ch Au: 
Au 41,83 41,68%, 

Das Platindoppelsalz bestand aus eigelben kleinen Nadeln und 
schmolz bei 218—220°, indem es sich unter Schwärzung aufblähte. 

0,2492 g Substanz lieferten 0,0714 g Pt. 

Gefunden: Berechnet für CjgHs4 NaCl, Pt: 
Pt 28,75 28,83 %. 


1) Annalen d. Chem. u. Pharm. 121, 375. 


H. Emde: Styrylaminbasen. 287 


Nach diesem negativen Ergebnis wiederholte ich den Reduktions- 
versuch in der Weise, daß ich zu einer wässerigen Lösung von 1,5 g 
Styrylaminchlorbydrat von vornherein soviel Alkohol hinzufügte, daß 
die Abscheidung eines öligen Körpers überhaupt nicht erfolgte. Auch 
bei diesem Versuche gewann ich jedoch nur das unveränderte 
Ausgangsmaterial zurück. 

0,2535 g des mit Natriumamalgam behandelten Styrylaminchlorhydrates 
lieferten 0,2167 g AgQl. 

Gefunden: Berechnet für CyHjNCl: 
Cl 21,14 20,90%, 

Das unveränderte Vorhandensein der Doppelbindung wies ich in 
dem Reaktionsprodukte in folgender Weise nach: 

Als zu einer mit Schwefelsäure angesäuerten Lösung dieses 
Chlorhydrates einige Tropfen stark verdünnter Kaliumpermanganat- 
lösung hinzugefügt wurden, trat sofortige Entfärbung ein; ebenso 
verhielt sich ursprüngliches Styrylaminchlorhydrat. Weiter absorbierte 
die freie Base, welche aus dem mit Natriumamalgam behandelten Chlor- 
hydrat nach Versetzen der wässerigen Lösung mit Kalilauge und 
Ausschütteln mit Chloroform gewonnen wurde, reichlich Brom; das 
dabei gebildete Bromadditionsprodukt resultierte durch Umkrystallisieren 
aus Alkohol in Form glänzend weißer Krystalle, die bei 162° schmolzen. 
Das auf dieselbe Weise aus ursprünglichem Styrylaminchlorhydrat 
dargestellte Bromadditionsprodukt hatte dasselbe Aussehen und schmolz 
bei 164°, 

Damit dürfte erwiesen sein, daß Styrylaminchlorhydrat unter den 
angegebenen Bedingungen Wasserstoff uicht addiert. 

Versuche, die ich in ähnlicher Weise am Styryltfimethyl- 
aminchlorid anstellte, lieferten dagegen ein anderes Resultat. 

Nach einigen Vorversuchen trug ich in eine Lösung von 5 g 
Styryltrimethylaminchlorid in ca. 20 ccm Wasser unter Eiskühlung im 
Verlaufe von 2 Stunden 100 g 2%igen Natriumamalgams ein, wobei 
ich durch die Flüssigkeit, um sie möglichst neutral zu halten, nicht 
nur ständig einen starken Kohlensäurestrom hindurchleitete, sondern 
auch von Zeit zu Zeit einige Tropfen verdünnte Schwefelsäure hinzu- 
fügte. Eine Wasserstoffentwickelung war erst nach einiger Zeit zu 
bemerken, obschon sich das Natriumamalgam von Anfang an rasch 
verflüssigte.. Bei diesem Reduktionsversuche schied sich ein öliger 
Körper aus, und zwar anfangs milchig verteilt, dann in erheblicher 
Menge als Schicht auf der Oberfläche. Dabei trat ein Geruch auf, 
welcher an den des Zimmtalkohols erinnerte. 

Von der vom Quecksilber abgegossenen Flüssigkeit wurde zunächst 
der ölige Bestandteil möglichst im Scheidetrichter getrennt; durch 


288 H. Emde: Styrylaminbasen. 


Ausschütteln mit Aether konnte noch eine geringe Menge desselben 
Produktes gewonnen werden. Da dieses Reaktionsprodukt reichlich 
Brom absorbierte, so wurde zu dessen Identifizierung zu einer 
ätherischen Lösung desselben soviel ätherische Bromlösung hinzugefügt, 
bis eine schwache Gelbfärbung bestehen blieb» Nach dem Verdunsten 
des Aethers resultierten gelbliche Nadeln, die sich durch Um- 
krystallisieren aus Alkohol von 80%, obwohl leicht ölige Abscheidung 
erfolgte, in Form gut ausgebildeter, weißer Nadeln vom F.-P. 67° 
erhalten ließen. 

Cariusbestimmung und Elementaranalyse ergaben Werte, die zu der 
Formel CgH,-CHBr-CHBr-CH;z führten: 

1. 0,2025 g Substanz lieferten 0,2716 g AgBr. 


2. 0158, , ER BANTE De 
he „02738 g CO, und 0,0691 g Hs0. 
Theorie: 1. re Ho 3, 
C, 108,000 38,85 ee 
Hı 10,076 3,62 ‚be 
Bra 159,920 57,53 57,08 57,42 


277,996 100,00 

Die Zusammensetzung, der Schmelzpunkt und die sonstigen 
Eigenschaften des analysierten Bromids stimmen mit denen des Dibrom- 
additionsproduktes des a-Phenylpropylens vollkommen überein, dessen 
Schmelzpunkt von Perkin!) bei 67° getunden wurde. Der bei der 
Behandlung von Styryltrimetbylaminchlorid mit Natriumamalgam 
gebildete ölige Körper ist somit nichts anderes als «a-Phenyl- 
propylen, der dem Zimmtalkohol zugrunde liegende Kohlenwasserstoff 
Os H; - CH: CH . CH;. 

Um auch die in der wässerigen, vom Quecksilber abgegossenen 
Lösung enthaltenen Reaktionsprodukte zu identifizieren, stellte ich aus 
derselben Gold- und Platindoppelsalze her. 

Das Golddoppelsalz schied sich auf Zusatz von Goldchlorid zu 
der angesäuerten, wässerigen Lösung als hellgelber, krystallinischer 
Niederschlag ab; durch Umkrystallisieren aus salzsäurehaltigem Wasser 
resultierte es in kompakten, tiefgelben Nadeln und Blättchen, die bei 
241—243° unter Zersetzung schmolzen und beim Uebergießen mit 
Kalilauge einen intensiven Geruch nach Trimethylamin entwickelten. 
Der Goldgehalt steht ebenfalls mit dem des a 
im Einklang. 

0,3224 g Substanz lieferten 0,1591 g Au. 

Gefunden: Berechnet für N (CH3)g, HCI + AuClz: 
Au 49,35 49,419, 


1) Jahresber. über die Fortschritte der Chemie 1877, 382. 


H. Emde: Styrylaminbasen. 289 


Aus der Mutterlauge des analysierten Golddoppelsalzes schied 
sich beim Verdunstenlassen nur noch eine geringe Menge derselben 
Verbindung ab. 

Das entsprechende Platindoppelsalz resultierte in Form von tief- 
roten glänzenden Oktaedern, die bei 222—224° unter Schwärzung und 
Zersetzung schmolzen. Die Analyse ergab folgende Werte: 


0,2874 g Substanz lieferten 0,1058 g Pt. . 
Gefunden: Berechnet für (N (CHg)g, HC1)a Pt C];: 
Pt 36,81 36,91%. 


Nach diesen Beobachtungen verläuft die Reaktion zwischen 
Styryltrimethylaminchlorid und Wasserstoff nicht, wie man erwarten 
sollte, nach der Gleichung: 

CsH3;-CH:CH-CH3-N(CH;)3 Cl _ Ha P= CeH3;-CHa- CHs-CHa-N(CH;3)s3 Cl, 
sondern es tritt unter Anlagerung von Wasserstoff eine Spaltung des 
Ausgangsmateriales ein, die sich durch folgende Gleichung ver- 
anschaulichen läßt: 
C,H; -CH:CH- CHa . N (CH3)s Cl — Ha = 
C;H;:CH:CH-CH; + N (CH;),, HCl. 

Diese Spaltung erfolgt so glatt, daß man sie mit Vorteil ver- 
werten kann, um mit Hilfe derselben «--Phenylpropylen darzustellen. 
Die obige Reaktion erinnert in gewissem Sinne an die Spaltung 
quaternärer Ammoniumbasen nach A. W. Hofmann, wie dieselbe von 
E. R. Miller bei dem Methylephedrinmethylhydroxyd und von mir bei 
dem Methylpseudoephedrinmethylhydroxyd durchgeführt wurde. 

Um zu konstatieren, ob die Styrylbasen als solche etwa zu einer 
direkten Spaltung neigen, habe ich unter den gleichen Bedingungen 
sowohl die Chloride der quaternären Ammoniumbasen des Ephedrins 
und Pseudoephedrins, als auch das Chlorhydrin des Styryltrimethyl- 
aminchlorids mit Natriumamalgam behandelt, ohne jedoch eine analoge 
Spaltung zu beobachten. Es scheint daher, als ob das Eintreten 
derselben an das Vorhandensein der Doppelbindung geknüpft ist, obschon 
dieselbe dabei unverändert bleibt. 


IV. Anlagerungsversuche mit unterchloriger Säure. 


Die nachstehenden Versuche gelangten an der Hand der Angaben 
zur Ausführung, welche in der Literatur über das Verhalten der 
Zimmtsäure gegen unterchlorige Säure vorliegen. Glaser!) wies zuerst 
nach, daß Zimmtsäure die Elemente der unterchlorigen Säure direkt 
addiert; Erlenmeyer und Lipp°) haben dann später das Glaser’sche 


1) Annalen d. Chemie und Pharmazie 147, 80. 
2) Ibidem 219, 183. 


Arch. d. Pharu. CCXXXXIV. Bda. 4. Heft. 19 


290 H. Emde: Styrylaminbasen. 


Verfahren abgeändert und zugleich nachgewiesen, daß Zimmtsäure bei 
der Behandlung mit unterchloriger Säure zum größten Teile Phenyl- 
chlormilchsäure C,H;-CH(OH)-CHC1- COOH liefert, während ein 
anderer Teil unverändert bleibt und eine weitere Menge unter Bildung 
von Chlorstyrol zersetzt wird. 

Um das Verhalten der Styrylaminbasen gegen unterchlorige Säure 
kennen zu lernen, stellte ich zunächst Versuche mit dem einfachsten 
Repräsentanten derselben, dem Styrylamin, an. 

Zur Orientierung über den Reaktionsverlauf löste ich 1 g Styryl- 
aminchlorhydrat in 5 ccm Wasser und fügte unter Kühlung allmählich 
20 ccm einer Unterchlorigsäurelösung zu, die nach Erlenmeyer und 
Lipp (l. c.) durch Einleiten von Chlor in eine mit Eiswasser gekühlte 
Lösung von 143 g krystallisierter Soda in 1 1 Wasser unter Licht- 
abschluß hergestellt war. Dabei trat starke milchige Trübung ein, 
nach zwölfstündigem Stehen im Eisschranke klärte sich die Flüssigkeit 
unter Abscheidung öliger Tröpfchen, die nach Chlorstyrol rochen, 
während die wässerige Flüssigkeit nur noch schwachen Geruch nach 
unterchloriger Säure besaß. 

Zur Charakterisierung der entstandenen Reaktionsprodukte wurde 
die abgegossene wässerige Flüssigkeit mit Gold- und Platinchlorid 
versetzt, wobei im ersteren Falle eine leichte Trübung, im zweiten 
eine starke krystallinische Fällung entstand. 

Aus einer Probe des mit Goldchlorid versetzten Teiles schieden 
sich beim Verdunstenlassen ziegelrote, breite Nadeln und Blättchen 
ab, die bei 138° schmolzen; beim Verdunsten der Hauptmenge jedoch 
resultierte nur ein öliges Goldsalz, das sich trotz mannigfacher 
Versuche nicht in die krystallisierte Form überführen ließ. Nach 
diesem Verhalten dürfte es sich bei dem vorliegenden Produkte wohl 
nur um das schon mehrfach beschriebene Styrylamingoldchlorid 
gehandelt haben. 

Das entsprechende Platindoppelsalz bildete nach dem Um- 
krystallisieren aus Wasser helle Plättchen, die in Aussehen, Schmelz- 
punkt und Platingehalt mit Styrylaminplatinchlorid übereinstimmten. 

0,2348 g Substanz lieferten 0,0667 g Pt. 


Berechnet für 
fi : 
Refundan CeHgNaClgPt: CjgHsg OgNgQlgPt: 
Pt 2841 28,83 24,95%, 


Die Mutterlauge dieses Platindoppelsalzes lieferte beim Ver- 
dunstenlassen gleichfalls nur Styrylaminplatinchlorid. 

Aus diesen Ergebnissen ging hervor, daß das Styrylaminchlorid 
bei der Einwirkung der unterchlorigen Säure zum größten Teile an- 
scheinend unter Bildung von Chlorstyrol tiefergreifend zersetzt worden 


H. Emde: Styrylaminbasen. 291 


war. Der Rest desselben war unverändert geblieben, da eine Addition 
von unterchloriger Säure nicht konstatiert werden konnte. 

Dasselbe Resultat hatte ein zweiter Versuch, welcher unter An- 
wendung konzentrierter, im Ueberschuß befindlicher unterchloriger 
Säure zur Ausführung gelangte. Bei diesem Versuche wurde direkt 
in 25 cem frisch bereiteter Unterchlorigsäurelösung unter Kühlung 
1 g Styrylaminchlorhydrat gelöst, wobei sofort eine starke milchige 
Trübung eintrat, die sich wie beim ersten Versuche nach einigem 
Stehen zu Oeltröpfchen verdichtete. Zu der abgegossenen wässerigen 
Flüssigkeit, die stark nach unterchloriger Säure roch, wurde soviel 
schweflige Säure zugefügt, bis dieser Geruch verschwunden war. Zur 
Charakterisierung der unter diesen Bedingungen entstandenen Reaktions- 
produkte wurde auch hier die eine Hälfte der Lösung mit Platin- 
chlorid, die andere mit Goldchlorid versetzt, wodurch im ersteren 
Falle eine starke Fällung eintrat, während im zweiten die Lösung 
klar blieb. 

Das nicht umkrystallisierte Platindoppelsalz bestand aus Styryl- 
aminplatinchlorid: 


0,1511 g Substanz lieferten 0,0433 g Pt. 
Gefunden: Berechnet für Cjg Hs Na Cl, Pt: 
Pt 28,66 28,83%. 
Das Golddoppelsalz schied sich beim Verdunsten der Lösung in 


roten Blättchen ab, die in Aussehen, Schmelzpunkt und Goldgehalt 
mit Styrylamingoldchlorid übereinstimmten. 

0,0559 g Substanz lieferten 0,0231 g Au. 

Gefunden: Berechnet für C,gHja N Cl, Au: 
Au 41,32 41,68%. 

Es war demnach auch unter diesen Versuchsbedingungen keine 
Addition von unterchloriger Säure an das Styrylaminchlorid eingetreten. 
Wesentlich anders als das Styrylaminchlorid verhielt sich das Styryl- 
trimethylaminchlorid, auf welches ich in ähnlicher Weise unter- 
chlorige Säure einwirken ließ. 

Als 2 g Styryltrimethylaminchlorid unter Kühlung mit 50 ccm 
Unterchlorigsäurelösung geschüttelt wurden, trat in der Lösung nur 
eine schwache Trübung auf, die beim Stehen im Eisschranke unter 
Bildung eines schwachen öligen Bodenbelags nach einigen Stunden 
verschwand. Die Lösung selbst roch nach dieser Zeit nur noch 
schwach nach unterchloriger Säure. 

Zur Charakterisierung der gebildeten Reaktionsprodukte wurde 
ein Teil der Lösung mit soviel Platinchloridlösung versetzt, daß nichts 
mehr ausfiel, die rötliche krystallinische Fällung wurde hierauf ab- 

19* 


a; 
292 H. Emde: Styrylaminbasen, 


gesogen, mit wenig Wasser ausgewaschen und nach dem Trocknen im 
Vakuumexsikkator analysiert. Beim Erhitzen erweichte das auf diese 
Weise erhaltene Platindoppelsalz bei etwa 200° und nahm eine feurig- 
rote Färbung an, um bei 210—212° unter lebhaftem Aufblähen zu 
schmelzen. Hierbei blieb die Färbung zunächst bestehen, um dann 
durch Braun in Schwarz überzugehen. Das Platindoppelsalz des 
unveränderten Styryltrimethylaminchlorids schwärzt sich dagegen schon 
vor dem Schmelzen. 


0,3869 g Substanz lieferten 0,0855 g Pt. 


Gefunden: Berechnet für C44 Hg N; 03 Cl; Pt: 
Pt 22,11 22,53%. 


Aus der Mutterlauge dieses Platindoppelsalzes schieden sich beim 
Verdunsten rote derbe Warzen ab, die bei 212° schmolzen und sich * 
dabei wie das zuerst erhaltene Platindoppelsalz verhielten; auch im 
Platingehalt stimmte dieses Doppelsalz mit ersterem überein. 


0,2369 g Substanz lieferten 0,0536 g Pt. 

Gefunden: Berechnet für Ca) Hzg Na 03 ClgPt: 
Pt 22,67 22,53%. 

Das entsprechende Golddoppelsalz schied sich zunächst ölig ab; 
durch vorsichtiges Umkrystallisieren aus salzsäurehaltigem Wasser ließ 
es sich jedoch in Form goldgelber Blättchen und Nadeln erhalten, die 
bei 130—132° schmolzen. 


1. 0,2215 g Substanz lieferten 0,0767 g Au. 


2. 0,1613 „ = = 0,1509 g COs und 0,0484 g H,O. 
Gefunden: - Berechnet für Ca H7 NO CI, Au: 
1. Au 34,47 34,74% 
o, C 25,52 25,36 „ 
:: 3,36 3,37. 


Nach diesen Resultaten konnte es nicht zweifelhaft sein, daß 
sich bei der Einwirkung von unterchloriger Säure auf Styryltrimethyl- 
aminchlorid das Chlorhydrin des letzteren gebildet hatte. Da aus 
Zimmtsäure undHOCI nur Phenyl-a-chlor-8-milchsäure: Cs H,- CH(OH)- 
CHCI-COOH, nicht aber Phenyl-$-chlor-“-oxypropionsäure OsH;- 
CHCI-CH(OH)-COOH entsteht, so dürfte dem Additionsprodukt 
aus Styryltrimethylaminchlorid und unterchloriger Säure wohl die 
folgende Formel zukommen: C;H;- CH(OH)-CHC1-CH3N (CH3;), Cl. 
Jedenfalls erfolgt auch hier die Addition von HOCI, ebenso wie bei 
der Zimmtsäure nur in einem Sinne, da stets nur eine Art von 
Platin-, bez. Golddoppelsalzen beobachtet werden konnte. 

Als später größere Mengen von Styryltrimethylaminchlorid mit 
unterchloriger Säure in Reaktion versetzt wurden, ergab sich, daß 


H. Emde: Styrylaminbasen. 293 


auch hier, ähnlich wie bei der Bildung von Phenylchlormilchsäure aus 
Zimmtsäure und unterchloriger Säure, stets ein nicht unbeträchtlicher 
Teil des Ausgangsmaterials unverändert bleibt, auch wenn ein Ueber- 
schuß von unterchloriger Säure angewandt wurde, Als z.B. 10 g 
Styryltrimethylaminchlorid unter Kühlung in 100 ccm frisch bereiteter 
Unterchlorigsäurelösung gelöst wurden, lieferte eine Probe der deutlich 
nach unterchloriger Säure riechenden Lösung mit Platinchlorid ein 
Doppelsalz, welches sich der Hauptmenge nach in heißem Wasser löste, 
nachdem es vorher ölig zusammengeflossen war. Eine kleine Menge 
des Doppelsalzes blieb dagegen beim Kochen mit Wasser fest und 
ging nur schwer in Lösung. Der leichter lösliche Anteil konnte durch 
Umkrystallisieren aus Wasser leicht rein in Form roter Warzen und 
Krusten gewonnen werden, die nach Schmelzpunkt und Platingehalt 
aus dem Doppelsalze des Chlorhydrins bestanden: 

0,2763 g Substanz enthielten 0,0603 g Pt. 

Gefunden: Berechnet für C54 Has Na 03 ClgPt: 
Pt 22,56 22,53%. 

Der schwerer lösliche Anteil des Platindoppelsalze wurde durch 
wiederholtes Umkrystallisieren aus heißem Wasser in die Form von 
Nadeln, welche das Aussehen und den Schmelzpunkt des Styryltrimethyl- 
aminplatinchlorids besaßen, übergeführt. 

Die Versuche, auch ein Additionsprodukt aus Styrylmethyl- 
aminchlorid und unterchloriger Säure darzustellen, verliefen resultatlos. 
Beim Zusammenbringen der beiden Komponenten wurde anscheinend 
die ganze Menge des Styrylmethylaminchlorids unter Abscheidung 
eines öligen Körpers zersetzt, obschon die Versuchsbedingungen 
mannigfach geändert wurden. Dieser ölige Körper erwies sich, im 
Gegensatze zu dem bei der Einwirkung von Styrylaminchlorid auf 
unterchlorige Säure erhaltenen, als geruchlos. Versuche, denselben in 
krystallisierter Form zu erhalten, waren bisher ohne Resultat, sodaß 
ich vorläufig über die Natur dieses Produktes keine Angaben machen kann. 

Aus der von dem öligen Körper abfiltrierten wässerigen Lösung 
konnten nur geringe Mengen zähflüssiger Platindoppelsalze gewonnen 
werden, die nicht in eine krystallisierte Form übergeführt werden 
konnten. Ebensowenig ließ sich daraus das Platindoppelsalz von etwa 
unverändert gebliebenen Styrylmethylaminchlorids isolieren, obschon 
sich dasselbe durch große Krystallisationsfähigkeit auszeichnet. Nur 
einmal wurde durch Fällung mit absolutem Alkohol ein krystallisiertes 
Platindoppelsalz erhalten in Form von glänzenden, rötlich gelben 
Kryställchen, die bei 222° unter Schwärzung und Zersetzung schmolzen. 
Die Analyse ergab, daß dieses Doppelsalz aus Methylaminplatinchlorid 
bestand. 


294 H. Emde: Styrylaminbasen. | 
0,2840 g Substanz lieferten 0,1170 g Pt. 
Gefunden: Berechnet für (NH3 NH;, HCl)» PtC];: 
Pt 41,20 41,304, 


Auch bei Anwendung von reiner unterchloriger Säure in 
wässeriger Lösung ergab sich kein besseres Resultat. 


Reduktion des Chlorhydrins des Styryltrimethylaminchlorids. 


Im Hinblick auf die Möglichkeit, von dem Additionsprodukt des 
Styryltrimethylaminchlorids und der unterchlorigen Säure durch Ersatz 
des organisch gebundenen Chlors durch Wasserstoff zu einem Isomeren 
des Methylephedrin- bezgl. Methylpseudoephedrinmethylchlorids zu 
gelangen, versuchte ich dieses Chlorhydrin zunächst mittelst Wasserstoff 
zu reduzieren, der aus Zink und Schwefelsäure entwickelt wurde. 

Zu diesem Zwecke gab ich zu einer Lösung von Styryltrimethyl- 
aminchlorid in der berechneten Menge wässeriger, unterchloriger Säure 
granuliertes, mit Platinchlorid angeätztes Zink und tropfenweise soviel 
verdünnte Schwefelsäure, daß 1 Stunde lang lebhaft Wasserstoff ent- 
wickelt wurde. Dabei überzog sich die Oberfläche der Flüssigkeit 
mit einem dünnen, schillernden Häutchen, gleichzeitig trübte sie sich 
etwas und nahm einen angenehmen Geruch an; durch Ausschütteln 
mit Aether wurden jedoch nur Spuren dieses angenehm riechenden 
Körpers gewonnen. N 

Als zur Charakterisierung der Reaktionsprodukte ein Teil der 
filtrierten, wässerigen Lösung mit Goldchlorid versetzt wurde, schieden 
sich tiefgelbe Flocken in reichlicher Menge ab, die sich durch Um- 
krystallisieren aus heißem Wasser, obwohl sie sich leicht ölig abschieden, 
in Form glänzender, zarter Blättchen umkrystallisieren ließen. Da 
jedoch beim Umkrystallisieren dieses Golddoppelsalzes aus heißem 
Wasser leicht Zersetzung unter Abscheidung von metallischem Gold 
eintrat, erschien es angebracht, dieses Golddoppelsalz ohne Anwendung 
von Wärme in der Weise umzukrystallisieren, daß die konzentrierte, 
alkoholische Lösung desselben mit einer reichlichen Menge Wasser 
versetzt wurde, worauf sich das Goldsalz in glänzenden, zarten Blättcher 
abschied, die nach dem Trocknen im Vakuumexsikkator bei 174—176° 
schmolzen. 

1. 0,1917 g Substanz lieferten 0,0717 g Au. 

2. 0,2270 „ ” 0,0849 „ 

Nach a Unkrreallisieren aus Alkohol lag der Schmelzpunkt 
bei 176—1800, 

3. 0,1696 g Substanz lieferten 0,0641 g Au. 

Gefunden: Berechnet für 
1. 2. 3. Cya Hao ONC, Au: 
Au 3740 3740 37,79 36,98%. 


H. Emde: Styrylaminbasen. 295 


Aus den alkoholhaltigen Mutterlaugen dieses unter 1., 2. und 3. 
analysierten Golddoppelsalzes schieden sich beim Verdunsten goldgelbe 
Nadeln aus, die in dem Aussehen, Schmelzpunkt (132—134°) und 
Goldgehalt mit dem Chlorbydringolddoppelsalze übereinstimmten: 

4. 0,2115 g Substanz lieferten 0,0737 g Au. 


Gefunden: Berechnet für CygH;g ON Cl, Au: 
Au 34,85 34,74 9. 


Auch die zinkhaltige, von der ursprünglichen Fällung des Gold- 
doppelsalzes abfiltrierte Mutterlauge lieferte beim Verdunsten lediglich 
das Golddoppelsalz des Chlorhydrins: 

5. 0,1582 g Substanz enthielten 0,0554 g Au = 35,10%. 


Wenn es sich auch bei den unter 4. und 5. analysierten Gold- 
doppelsalzen nur um das Goldsalz des unveränderten Chlorhydrins 
handelte, so deutete doch bei den unter 1., 2. und 3. analysierten 
Golddoppelsalzen der mit dem Umkrystallisieren steigende Schmelzpunkt 
und Goldgehalt daraufhin, daß hier ein Gemisch von Styryltrimethyl- 
amingoldchlorid mit dem ersteren Golddoppelsalze vorlag. Obschon das 
Golddoppelsalz des Styryltrimethylaminchlorids etwas schwerer löslich 
ist als dasjenige des Chlorhydrins, so sind doch die Unterschiede in 
der Löslichkeit so gering, daß eine exakte Trennung ber beiden Gold- 
doppelsalze bei kleinen Mengen durch Krystallisation kaum möglich ist. 

Wenn demnach überhaupt bei dem geschilderten Versuche eine 
Einwirkung des Wasserstoffs stattgefunden hatte, worauf die 
Abscheidung des angenehm riechenden, öligen Nebenproduktes hinweist, 
so war dies doch nur in geringem Umfange der Fall. 

Ich wiederholte daher obigen Versuch, ließ aber diesmal den 
Wasserstoff 3 Tage lang einwirken; die durch Ausäthern erhaltene 
Menge des öligen Zersetzungsproduktes war hierbei kaum größer als 
beim ersten Versuche. 

Die wässerige, zinkhaltige Flüssigkeit wurde hierauf mit hin- 


'reichend Platinchlorid gefällt und das ausgeschiedene, krystallinische 


Platindoppelsalz alsdann in soviel salzsäurehaltigem Wasser in der 
Wärme gelöst, daß sich beim Erkalten nur wenig abschied. Diese 
erste Abscheidung bestand nach dem Aussehen, Schmelzpunkt und 
Platingehalt aus Styryltrimethylaminplatinchlorid: 
0,2510 g Substanz lieferten 0,0636 g Pt. 
Gefunden: Berechnet für Co Hgg Na Cl, Pt: 
Pt 25,34 25,64%. 
Aus der Mutterlauge wurden nach dem Eindampfen derbe rote 
Nadeln erhalten, die bei 214—216° unter Schwärzung und Aufblähen 
schmolzen. 


296 H. Emde: Styrylaminbasen. 
\ 
1. 0,2729 g Substanz lieferten 0,3441 g COg und 0,1198 g H30. 


2. 0,2677 „ n 2 0,3582, 54.2: 7ytı OR 
Gefunden: Berechnet für: 
1, 2. 1. Chlorhydrin. 2. Reduktionsprod. 3. Ausgangsmat. 
C 34,38 34,46% 33,30 36,19 37,90 
H 491 490, 4,43 5,06 4,77 


Nach vorstehenden Daten dürfte das analysierte Salz ein Gemisch 
gewesen sein aus dem Platindoppelsalz des Styryltrimethylaminchlorids 
und demjenigen des Chlorhydrins. Die zinkhaltige Mutterlauge der 
ursprünglichen Fällung lieferte beim Verdunsten nur letzteres: 

0,3202 g Substanz enthielten 0,0722 g Pt. 

Gefunden: Berechnet für Ca, Hg 0a Na C!sPt: 
Pt 22,55 22,539, 

Auch dieser Reduktionsversuch, bei dem Wasserstoff in saurer 
Lösung 3 Tage lang einwirkte, hatte somit nur negativen Erfolg. Das 
Gleiche war der Fall, als das reine Platindoppelsalz des Chlorhydrins 
mehrere Stunden lang mit Zink und verdünnter Schwefelsäure behandelt 
wurde Durch Zusatz von Goldchlorid und Umkrystallisieren der 
entstandenen öligen Abscheidung konnte lediglich das Goldsalz des un- 
veränderten Chlorhydrins gewonnen werden. 

Wenn auch durch Wasserstoff, der aus Zink und Schwefelsäure 
entwickelt wurde, im Chlorhydrin des Styryltrimethylaminchlorids das 
organisch gebundene Chlor nicht zu eliminieren war, so war dies dech 
mit Wasserstoff, der aus Natriumamalgam entwickelt wurde, der Fall. 

Zu diesen Reduktionsversuchen wurde zunächst aus 4 g Styryl- 
trimethylaminchlorid und der berechneten Menge reiner, wässeriger, 
unterchloriger Säure von 7% eine Lösung des Chlorhydrins und daraus 
alsdann dessen Platindoppelsalz dargestellt. 

0,2658 g Substanz dieses Platindoppelsalzes lieferten 0,0595 g Pt. 

Gefunden: Berechnet für Ca, Hg Og3Na0lg Pt: 
Pt 22,39 22,539, 

Zur Orientierung über den Reaktionsverlauf wurden etwa 0,5 g 
dieses reinen Platindoppelsalzes in Wasser gelöst und diese Lösung 
nach und nach mit soviel 2%igem Natriumamalgams versetzt, daß 
3—4 Stunden lang lebhaft Wasserstoff entwickelt wurde. Hierbei trat 
weder ein Geruch noch die Abscheidung eines öligen Körpers auf. 

Zur Charakterisierung der Reaktionsprodukte wurde alsdann die 
eine Hälfte der vom Quecksilber abgegossenen, mit Salzsäure an- 
gesäuerten Flüssigkeit mit Goldchlorid-, die andere mit Platinchlorid- 
lösung versetzt. 

Auf Zusatz von Goldchlorid erfolgte zunächst eine ölige Ab- 
scheidung, die jedoch durch vorsichtiges Umkrystallisieren aus heißem 


H. Emde: Styrylaminbasen. 297 


Wasser in zarte, faserige Blättchen vom F.-P. 103° übergeführt 
werden konnte. 
0,1736 g Substanz lieferten 0,0642 g Au. 


. Gefunden: Berechnet für Ci H9ON Cl, Au: 
Au 36,98 36,98%. 


Auf Zusatz von Platinchlorid entstand keine Fällung, jedoch 
schieden sich beim Verdunsten der Lösung rote Drusen ab, die bei 
216— 218° unter Schwärzung und Zersetzung schmolzen. 


0,1552 g Substanz lieferten 0,0382 g Pt. 

Gefunden: Berechnet für CH 03 NaCl, Pt: 
Pt 24,52 24,48%. 

Aus diesen analytischen Daten geht hervor, daß durch Ein- 
wirkung von Natriumamalgam auf das Platindoppelsalz des Chlor- 
hydrins das organisch gebundene Chlor durch Wasserstoff ersetzt 
worden war. Dem so erhaltenen Körper dürfte, entsprechend der auf 
ähnliche Weise aus Phenylchlormilchsäure entstehenden Phenylmilch- 
säure !), die. Formel: 


C,H; CH (OH) CH, CH3 N (CH;);: OH 
zukommen. 

Es ist jedoch, wie weitere Versuche ergaben, nicht nötig, zur 
Darstellung dieses Reduktionsproduktes das reine Platindoppelsalz des 
Chlorhydrins zu verwenden, vielmehr kann man direkt eine Lösung 
von Styryltrimethylaminchlorid in wässeriger unterchloriger Säure, 
obschon dieselbe außer dem Chlorhydrin stets noch eine beträchtliche 
Menge unveränderten Styryltrimethylaminchlorids enthält, unmittelbar, 
ohne Isolierung des Chlorhydrins, der Einwirkung von Natrium- 
amalgam unterwerfen. Dabei wird das unveränderte Styryltrimethyl- 
aminchlorid gespalten in «-Phenylpropylen und Trimethylamin, Produkte, 
die sich leicht entfernen lassen, sodaß folgender Weg zur Darstellung 
des Reduktionsproduktes eingeschlagen werden kann. 

Styryltrimethylaminchlorid bringt man unter Kühlung mit der 
berechneten Menge unterchloriger Säure in wässeriger Lösung 
zusammen, läßt die Mischung 12 Stunden im Eisschranke stehen, 
filtriert hierauf durch ein angefeuchtetes Filter und schüttelt sie als- 
dann in einer verschlossenen Flasche mit Natriumamalgam von 2%, 
von dem man nach und nach soviel zusetzt, daß schließlich mindestens 
1 Stunde lang eine lebhafte Wasserstoffentwickelung stattfindet. Anfangs 
verflüssigt sich hierbei das Amalgam, ohne daß Wasserstoffbläschen auf- 
steigen. Man schüttelt darauf die vom Quecksilber abgegossene 


1) Glaser, Annalen der Chemie und Pharmazie 147, 86. 


298 H. Emde: Styrylaminbasen. 


wässerige Lösung mit Aether, der das «a-Phenylpropylen aufnimmt, 
aus und leitet dann durch die Flüssigkeit so lange einen Luftstrom, 
bis nur noch ein schwacher Geruch nach Trimethylamin zu bemerken 
ist. Säuert man hierauf die wässerige Lösung mit Salzsäure an und 
versetzt sie darauf mit Platinchlorid, so erhält man beim Verdunsten- 
lassen ein rotes körniges Platindoppelsalz, das in Wasser ziemlich 
leicht löslich ist und durch mehrmaliges Umkrystallisieren aus Wasser 
in Form roter Warzen und Drusen, die bei 219° unter Zersetzung 
schmelzen, rein erhalten werden kann. 

Aus 4 g Styryltrimethylaminchlorid erhielt ich auf diese Weise 
nahezu 1,5 g des reinen Platindoppelsalzes. . 


1. 0,2204 g Substanz lieferten 0,0539 g Pt. 


2. 0,2565 „ 4 E 0,3383 g COa und 0,1162 g H.«O. 
Gefunden: Berechnet für C4yHa03 NaCl, Pt: 
1. Pt 24,44 24,47% 
9 C 35,97 36,19 „ 
} m. 8 5,06 „. 


Beim Bestimmen des Platingehaltes dieses Doppelsalzes durch 
Glühen fiel mir auf, daß sich während einer bestimmten Phase der 
Analyse ein angenehmer Geruch entwickelte, der lebhaft an den der 
Alkohole erinnerte, die durch Spaltung der quaternären Ammonium- 
basen des Ephedrins und Pseudoephedrins erhalten worden waren. 
Auf der Innenseite des Tiegeldeckels waren gleichzeitig wasserhelle 
Tröpfchen auf teerartigem Untergrund zu bemerken, denen ah an- 
genehme Geruch zuzukommen schien. 

Ein ganz ähnlicher Geruch trat auch auf, als die aus einer kleinen 
Menge des Platindoppelsalzes mittels Silberoxyd dargestellte freie Base 
in wässeriger Lösung der Destillation unterworfen wurde; allerdings 
trat hier dieser Geruch erst hervor, als das im Destillat vorhandene 
Trimethylamin durch Salzsäure gebunden worden war. Außerdem 
waren in den letzten übergehenden Anteilen kleine Oeltröpfchen zu 
bemerken. 

Es scheint also das Reduktionsprodukt des Chlorhydrins als freie 
Base durch Destillation in wässeriger Lösung in ähnlicher Weise 
gespalten zu werden, wie die mit ihr isomeren quaternären Ammonium- 
basen des Ephedrins und Pseudoephedrins. Dieses Reduktionsprodukt 
ist jedoch mit den entsprechenden Ammoniumbasen des Ephedrins und 
Pseudoephedrins nicht identisch, sondern nur isomer, und 
zwar dürfte die Verschiedenheit dieser Basen auf verschiedene Struktur 


zurückzuführen sein. Aus den in der nachfolgenden Tabelle 
a 


H. Emde: Styrylaminbasen. 299 


| Synthetische Quaternäre Ammoniumbase 
; des 

| Bm | des Ephedrins Pseudoephedrins 
Golddoppelsalz |Faserige, glänzende| Breite, ziemlich Form und Löslich- 
CiHgpONC,Au | hellgelbe | schwer lösliche | keit wie neben- 

| Blättchen Nadeln stehend 

| F.-P. 1030 F.-P. 190—1910 F.-P. 1940 
Platindoppelsalz | Rote ziemlich | Rote, mäßigschwer | Kleinere, leichter 
C4H40gNsCl, Pt leicht lösliche lösliche Nadeln von | lösliche Nadeln wie 

Drusen bedeutender Größe nebenstehend 

F.-P. 216—2180 F.-P. 2500, F.-P. 204—2050 


zusammengestellten Daten ergeben sich zwischen den Gold- und Platin- 
doppelsalzen der synthetiseh dargestellten Base und den entsprechenden 
Doppelsalzen des Ephedrins und Pseudoephedrins, besonders im Schmelz- 
punkte, so große Differenzen, daß dieselben nicht nur durch optische 
Aktivität bez. Inaktivität bedingt sein können. Es dürfte daher wohl 
anzunehmen sein, daß die Formel 


C,H; : CH(OH)- CHz- CHs-NH- CH; 


weder dem Ephedrin noch dem Pseudoephedrin zukommt. Die weiteren 
Versuche, welche in dieser Richtung bereits in Angriff genommen 
sind, werden hierfür wohl noch mehr Anhaltspunkte liefern. 

Die vorliegende Arbeit wurde in den letzten Semestern im 
pharmazeutisch-chemischen Institut der Universität Marburg ausgeführt. 
Es ist mir eine angenehme Pflicht, dem Direktor desselben, Herrn 
Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. E. Schmidt, unter dessen Leitung die Arbeit 
entstand, auch an dieser Stelle für die gütige Unterstützung und das 
Wohlwollen, das er mir während des Studiums bewiesen, ehrerbietigen 
Dank auszusprechen. 


300 C. Mai u. C. Rath: Morphinbestimmung. 


Kolorimetrische Bestimmung kleiner Mengen Morphin. 


Vorläufige Mitteilung aus dem Laboratorium für 
angewandte Chemie an der Kg]. Universität München. 
Von ©. Mai und C. Rath. 

(Eingegangen den 5. VII. 1906.) 


Seit längerer Zeit mit einer Untersuchung über den Morphin- 
gehalt der Mohnkapseln beschäftigt, hatte sich uns der Mangel eines 
Verfahrens fühlbar gemacht, das die quantitative Bestimmung sehr 
kleiner Morphinmengen, d. h. Mengen von weniger als 1 mg, in ver- 
hältnismäßig einfacher und hinreichend sicherer Weise gestattet. 

Da ein solches Verfahren insbesondere auch für die gerichtlich- 
chemische Praxis von Bedeutung sein würde, versuchten wir die ver- 
schiedenen Farbenreaktionen des Morphins zu benutzen, um durch 
kolorimetrischen Vergleich der damit erhaltenen Färbungen mit solchen 
an Lösungen von bekanntem Morphingehalte vielleicht zu einem gang- 
baren Wege zu gelangen. 

Wenn unsere diesbezüglichen Versucheauchnochnicht abgeschlossen 
sind, so sehen wir uns doch mit Rücksicht auf eine inzwischen erfolgte 
Veröffentlichung von Georges und Gascard'), die einen ähnlichen 
Gedanken wie wir verfolgten, veranlaßt, die bisher erhaltenen Er- 
gebnisse schon jetzt mitzuteilen. 

Es wurden zunächst drei Reaktionen des Morphins in Betracht 
gezogen, nämlich seine Einwirkung auf Jodsäure, sowie sein Verhalten 
gegen das Fröhde’sche Reagens und gegen Formaldehyd-Schwefelsäure. 

Aus wässeriger Jodsäurelösung wird durch Morphin bekanntlich 
Jod frei gemacht; wir hofften diese Reaktion nun in der Weise für 
den beabsichtigten Zweck verwerten zu können, daß entweder die 
durch das ausgeschiedene Jod verursachte Färbung direkt kolorimetrisch 
vergleichbar sein würde, oder daß durch Ausschütteln des Jodes mit 
Schwefelkohlenstoff oder Chloroform oder auch durch Anwendung von 
Stärkelösung kolorimetrisch vergleichbar gefärbte Flüssigkeiten zu 
erhalten wären. 

Diese Annahmen erwiesen sich indessen als nicht ohne weiteres 
zutreffend. : 

Die Färbung durch das abgeschiedene Jod ist bei stark verdünnten 
Lösungen viel zu gering, um direkt vergleichbare Werte zu ergeben. 


1) Journ. Pharm. Chim. 1906, 23, 513. 


C. Mai u. C. Rath: Morphinbestimmung. 301 


Sie setzt außerdem ganz reine Morphinlösungen voraus, die in der 
Praxis nicht immer vorliegen, da jede färbende Verunreinigung das 
Ergebnis naturgemäß mehr oder weniger stark beeinflußt. Beachtung 
verdient vielleicht der von Georges und Gascard!) vorgeschlagene 
Zusatz von Ammoniak, wodurch die Färbung an Tiefe beträchtlich 
zunimmt. 

Die Versuche, das Jod durch Ausschütteln mit Chloroform, 
Schwetelkohlenstoff usw. anzureichern, führten bisher ebenfalls nicht 
zu befriedigenden Erfolgen, ebenso diejenigen, die auf die Bildung von 
Jodstärke hinzielten; wir gedenken die Versuche in dieser Richtung 
indessen noch fortzusetzen. 

Die zweite von uns in Betracht gezogene Reaktion, die bekannte 
Violettfärbung des Morphins mit Fröhde’s Reagens, einer Lösung 
von 1—50 mg Ammoniummolybdänat in 1 ccm Schwefelsäure, führte 
gleichfalls nicht zu einem praktisch verwertbaren Befunde. Die dabei 
auftretende Färbung ist zwar sehr tief, sie verträgt aber keine 
Verdünnung. 

Einen besseren Erfolg ergab dagegen die dritte in Anwendung 
gezogene Reaktion, nämlich die Violettfärbung des Morphins mit einer 
Mischung von etwa 2 Tropfen 40%iger Formaldehydlösung mit 3 ccm 
Schwefelsäure, die als Marquis’sches Reagens bekannt ist. 

Es wurde in der Weise verfahren, daß l ccm einer wässerigen 
Morphinchlorhydratlösung 1:1000 in einem kleinen halbkugeligen Glas- 
schälchen auf dem Wasserbade verdampft, der Rückstand mit 1 ccm 
des Reagenses verrührt, die tief violett gefärbte Flüssigkeit in kleine 
Röhrchen von etwa 10 mm Weite übergeführt und darin unter Nachspülen 
des Schälchens mit 4 cem Schwefelsäure verdünnt wurde. Bei An- 
wendung von 1 mg Morphinchlorhydrat entsteht so eine fast un- 
durchsichtige, violettblaue Flüssigkeit, während bei geringeren Morphin- 
mengen die Tiefe der Färbung in deutlich erkennbarem und kolorimetrisch 
leicht vergleichbarem Grade abnimmt. Die Grenze der Empfindlich- 
keit dürfte mit etwa 0,00003 g Morphin erreicht sein, mit welcher 
Menge eine eben noch vergleichbare Blaufärbung entsteht. Noch 
geringere Morphinmengen sind zwar mit Hilfe dieser Reaktion noch 
qualitativ erkennbar, doch vertragen die dabei auftretenden Färbungen 
keine Verdünnung mehr und sind daher nicht mehr vergleichbar. Wir 
glauben, daß durch Herstellung geeigneter Normallösungen sich auf 
diese Weise die Bestimmung von Milligrammbruchteilen von Morphin 
ermöglichen läßt, behalten uns weitere Mitteilungen darüber indessen 
noch vor. 


1) 2.2.0. 


r rc RE 
\ 2 


302 J. Tröger u. F. Schaub: Diazo-m-toluolderivate. 


Mitteilung aus dem pharmazeutisch-chemischen Laboratorium 
der Herzogl. technischen Hochschule zu Braunschweig. 


Ueber die Einwirkung von schwefliger Säure auf 


Diazo-m-toluolchlorid bezw. -sulfat. 
Von J. Tröger und F. Schaub. 


(Eingegangen den 20. VII. 1906.) 


In früheren Mitteilungen!) ist gezeigt worden, daß beim Einleiten 
von SO>-Gas in eine aus m-Toluidin bereitete Diazolösung eine blut- 
rote Sulfonsäure gebildet wird, für die auf Grund ihres Verhaltens 
die folgende Konstitutionsformel C-H-N:N- C;HgNH-NH-SO3H an- 
genommen wurde. Da diese Sulfonsäure außerordentlich voluminös 
bei ihrer Bildung sich abscheidet, so schließt sie trotz guten Absaugens 
und Nachwaschens mit Wasser immer anorganische und organische 
Produkte ein, die bei manchen Umsetzungen, welche mit der Sulfonsäure 
ausgeführt wurden, sich sehr unliebsam bemerkbar machten, so daß wir 
schließlich auf Grund umfassender Versuche uns genötigt sahen, bei 
allen Reaktionen, die mit der Sulfonsäure ausgeführt werden sollten, 
von einem analysenreinen Material auszugehen. Es sind nun in den 
früheren Mitteilungen schon die Wege angegeben, die man zur Reinigung 
der Sulfonsäure einschlagen kann. Weitere Reinigungsversuche, bei 
denen relativ große Sulfonsäuremengen verarbeitet wurden, haben uns 
belehrt, daß bei diesen früher beschriebenen Reinigungsverfahren gewisse 
Vorsichtsmaßregeln einzuhalten sind, wenn man ein analysenreines 
Material erhalten will. Die Analyse kann einzig und allein über die 
Reinheit der Sulfonsäure entscheiden. Wir haben deshalb zur Kontrolle 
früherer Angaben bereits schon früher beschriebene Salze der Sulfon- 
säure aus unreinem und gereinigtem Material dargestellt und führen 
außer den schon bekannten Salzen, die mit anorganischen Basen bereitet 
sind, auch solche an, bei denen wir die Sulfonsäure mit organischen 
Basen zur Umsetzung brachten. 

Bereits in der ersten Mitteilung über diesen Gegenstand ist ver- 
merkt, daß man die Sulfonsäure durch wiederholtes Auskochen mit 
Wasser oder über ihr Kaliumsalz reinigen kann. Zur Darstellung des 
letzteren ließen wir die freie Sulfonsäure auf eine wässerige Lösung 


1) Journ. prakt. Chem. (2) 68, 297 u. 72, 511. 


J. Tröger u. F. Schaub: Diazo-m-toluolderivate, 303 


von essigsaurem Kalium einwirken, die Sulfonsäure ist eine stärkere 
Säure als die Essigsäure, treibt letztere aus dem Kaliumsalz aus und 
man braucht das gebildete Kaliumsalz der Sulfonsäure nur durch Um- 
krystallisieren aus Wasser zu reinigen. Durch Eintragen des trockenen 
Kaliumsalzes in verdünnte Mineralsäure erhält man schließlich die 
krystallisierte Sulfonsäure, die durch Auswaschen und Trocknen im 
Vakuumexsikkator analysenrein sein müßte. Daß dies aber nicht immer 
so ist, zeigt nachstehender Fall. Die Sulfonsäure war in der an- 
gedeuteten Weise bereitet und lieferte folgende Analysenwerte: 
C = 54,82, 54,32, 54,38, 54,37%; H = 5,43, 5,59, 5,5, 5,2%; S = 7,44 
und 7,24%. 

Da die reine Sulfonsäure der Formel C4HN4SO; = CrH;- 
N:N-C,H;,-NH-NH:SO3zH entspricht und für ©, H und S sich die 
Werte 52,5, 5,0 und 10,0% berechnen, so lag mithin kein reines 
Material vor und der niedrige S-Gehalt spricht für eine partielle Ab- 
spaltung der SO;H-Gruppe, die eine Erniedrigung im Gehalte des S 
und eine Erhöhung im C-Gehalte zur Folge haben mußte. Es liegt 
also, wenn man größere Mengen der Sulfonsäure über das Kaliumsalz 
reinigt, die Gefahr vor, daß, wenn man beim Umkrystallisieren des 
Salzes zu lange erhitzen muß, eine hydrolytische Spaltung im Sinne 
der Gleichung 
CHrN :N-C7He-NH-NH-SO;H + Hs0 = H3S0, + CaH7N : N: C7Hg-NH-NH3 
eintritt. Daß aber die nur abgesaugte und gut ausgewaschene Sulfon- 
säure nach dem Trocknen im Vakuumexsikkator über Schwefelsäure 
nicht rein ist, bestätigen die nachstehenden Analysen, die 50,85% C 
und 6,44% H sowie 50,50% C und 6,45% H ergaben. Die Sulfonsäure 
ist also durch eine C-ärmere und H-reichere Verbindung verunreinigt. 
Daß aber diese Beimengung sich nach dem anderen, schon früher 
beschriebenen Verfahren, d. h. durch Auskochen des Roh- 
produktes mit Wasser beseitigen läßt, zeigen die folgenden 
Analysen, die mit Sulfonsäure verschiedener Herkunft ausgeführt sind. 


Analysen. 

1. 0,0284 g Substanz gaben 0,0545 g COg und 0,0130 g H30, entsprechend 
52,35% C und 5,06% H. 

2. 0,0855 g Substanz gaben 0,1635 g COg und 0,0399 g Ha0, entsprechend 
52,04% C und 5,05% H. 

3. 0,1240 g Substanz gaben 0,2366 g COz und 0,0601 g H30, entsprechend 
52,04% C und 5,42% H. 

4. 0,1414 g Substanz gaben 0,1094 g BaSO,, entsprechend 10,63% S. 

5. 0,1463 g Substanz gaben 0,1104 g BaSO,, entsprechend 10,35% S. 

6. 0,1444 g Substanz gaben 21,8ccm N bei 190 und 764 mm, entsprechend 
17,36 % N. 


\ Bu 
304 J. Tröger u. F. Schaub: Diazo-m-toluolderivate. 
Berechnet für die Formel Gefunden: 
CH N, S0;: 1. 8; 3. 4, 5. 6. 

C 525% 52,35 52,04 2,4 — _ _ 
A. 506 505 54 — _ _ 
N 475, _ _ _ _ — 17,36 
S 100, — = — 1,8 1035 — 


Wie schon oben betont, ist es notwendig, daß man zu weiteren 
Umsetzungen eine Sulfonsäure verwertet, deren Reinheit man durch 
die Analyse festgestellt hat, da, wie oben gezeigt, eine über das Kalium- 
salz hergestellte Sulfonsäure nicht analysenrein zu sein braucht. 


„Es empfiehlt sich daher, behufs Gewinnung einer 
reinen Sulfonsäure vonder Zusammensetzung O,4HjsN,SO; 
die Reinigung des Rohproduktes, wie solches bei Ein- 
wirkung von SO, auf Diazo-m-toluolsalz in wässeriger 
Lösung entsteht, durch Auskochen mit Wasser zu be- 
werkstelligen unddasso gereinigteProdukt im Vakuunm- 
exsikkatorüber SchwefelsäurebiszurGewichtskonstanz 
zu trocknen.“ 


Im nachstehenden sind außer den früher schon beschriebenen 
Salzen (K, Na, NH,) noch einige Salze der Sulfonsäure mit Anilin, 
p-Toluidin und p-Xylidin beschrieben, die behufs Kontrolle der für 
die Sulfonsäure aufgestellten Formel C,H, N4SO, dargestellt und 
analysiert sind. 

Kaliumsalz der Sulfonsäure C,4H;ısN,SO;. Zur Darstellung 
dieses Salzes gibt man die feste Sulfonsäure zu einer konzentrierten 
wässerigen Lösung von essigsaurem Kalium und krystallisiert das in 
der Kälte bereits sich bildende Kaliumsalz aus der mit Wasser hin- 
reichend verdünnten Reaktionsflüssigkeit um. Da die Essigsäure in 
der vorliegenden Verdünnung auf das Kaliumsalz nicht reagiert, so 
braucht man das Kaliumsalz nicht erst abzusaugen. Würde man zur 
Bereitung des Kaliumsalzes Kaliumkarbonat wählen, so wäre die Ab- 
spaltung der SO,3H-Gruppe noch eher zu befürchten sein, als wenn 
man das betreffende Salz mit Kaliumacetat bereitet, in welchem Falle 
die Essigsäure eher günstig als nachteilig wirkt. Daß aber auch mit 
Kaliumacetat eine gewisse Vorsicht zu beachten ist, lehrt das obige 
Beispiel. 

Das in obiger Weise aus reiner Sulfonsäure bereitete Kalium- 
salz C,H; N4(SO,zK) gab nach dem Trocknen bei 105° und Ab- 
rauchen mit H,SO, einen Gehalt von 10,91 bezw. 10,92% K (die Formel 
des wasserfreien Salzes verlangt 10,89% K). Ein aus einer (über das 
Kaliumsalz bereiteten) S-ärmeren Sulfonsäure dargestelltes Kaliumsalz 


J. Tröger u. F. Schaub: Diazo-m-toluolderivate. 305 


gab 10,44 bezw. 10,48% K, ein Beweis dafür, daß es schwierig ist, 
von einer partiell gespaltenen Sulfonsäure zu reinen Derivaten zu 
gelangen. 

. Natriumsalz der Sulfonsäure. Das mit essigsaurem 
Natrium analog der Kaliumverbindung aus der analysenreinen Sulfon- 
säure gewonnene Natriumsalz C,,H,;SO;Na lieferte bei der Analyse 
folgende Werte 6,65, 6,47 und 6,85% Na. Obige Formel verlangt 
6,72% Na. Bei einer früher beschriebenen Darstellungsweise dieses 
Salzes war Nasa CO, benutzt. Dieses ersetzt man zweckmäßiger durch 
Natriumacetat. 


Ammoniumsalz der Sulfonsäure. An Stelle des früher 
zu diesem Zwecke verwendeten wässerigen Ammoniaks bedient man 
sich vorteilhafter einer Lösung von essigsaurem Ammonium, die man 
durch Neutralisieren von Ammoniak mit verdünnter Essigsäure bereitet. 
Ein kleiner Ueberschuß von Essigsäure ist ohne Nachteil. Das gut 
krystallisierende Ammoniumsalz, C,H, N,SO,;,NH,, scheidet sich 
aus der heißen vorher mit Wasser hinreichend verdünnten Reaktions- 
flüssigkeit aus. Bei der Analyse gab es 9,40 und 9,42% S, während 
obiger Formel ein S-Gehalt von 9,49% entspricht. 


Anilinsalz der Sulfonsäure, C4uH,N4SO;H (C,H, NB;5). 
Anilin, in Wasser suspendiert, wird bis zum Verschwinden des ersteren 
mit verdünnter Essigsäure versetzt, in diese Lösung von essigsaurem 
Anilin trägt man die rote Sulfonsäure ein und krystallisiert nach Zufügen 
einer ausreichenden Menge Alkohol um. Es ist so viel Alkohol hinzu- 
zufügen, daß das Anilinsalz beim Erwärmen in Lösung geht. Die 
filtrierte heiße Flüssigkeit scheidet beim Abkühlen das Anilinsalz in 
bräunlichen Krystallen ab, die bei 151—152° schmelzen. Zur Be- 
seitigung etwa anhaftenden essigsauren Anilins wäscht man die 
gesammelten Krystalle mit wenig Wasser nach. 


Analysen. 


1. 0,0670 g Substanz gaben 0,1417 g CO und 0,0320 g Ha0, entsprechend 
57,7% C und 5,3% H. 

2. 0,0651 g Substanz gaben 9,ö5ccm N bei 190 und 756 mm, entsprechend 
16,66% N. 

3. 0,0636 g Sabstanz gaben 9,22ccm N bei 130 und 755 mm, entsprechend 
16,93% N. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
Ca HaN; S0;: ar 2, 3. 
C 5811% 57,70 — _ 
H 1195” 53 — _ 
N 169 „ — 16,66 16,99 


Arch. d. Pharm. CCXXXXIV. Eds. 4. Heft. 20 


306 J. Troeger u. F. Schaub: Diazo-m-toluolderivate. 


p-Toluidinsalz der Sulfonsäure, O,4Hı;N4SO3H (C-H7NB;3). 
Zur Bereitung dieses Salzes schmilzt man p-Toluidin unter etwas 
Wasser, neutralisiert mit Essigsäure und verfäbrt im übrigen wie 
beim Anilinsalz beschrieben. Das Salz erhält man in dunkelgelben 
blätterigen Krystallen, deren Schmelzpunkt bei 154° lag. Zuweilen 
findet man diesen Schmelzpunkt, da beim Schmelzen Zersetzung ein- 
tritt, auch etwas höher oder etwas niedriger. 


Analysen. 


1. 0,1605 g Substanz gaben 0,3473 g CO3 und 0,0863 g H,O, entsprechend 
59,01% C und 5,97% H. 

2. 0,1147 g Substanz gaben 16,3 ccm N bei 230 und 760 mm, entsprechend 
16,01% N. 

3. 0,0676 g Substanz gaben 9,4 ccm N bei 170 und 757 mm, entsprechend 
16,04%, N. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
Ca Has N; S0;5: Y, 2. 3. 
C 59,02% 5901 — —_ 
H 5,3, 597° — _ 
N 164 „ — 16,01 16,04 


p-Xylidinsalz der Sulfonsäure, C,4Hı5N4SO;3H (05H; NB;). 
Das den obigen Salzen analog bereitete p-Xylidinsalz bildet hellbraune 
bei 165° schmelzende Krystalle. 


Analysen: 

1. 0,0664 g Substanz gaben 0,1471 g CO, und 0,0351 g H30, entsprechend 
60,41% C und 5,9% H. 

2. 0,0865 g Substanz gaben 11,8 ccm N bei 13,750 und 746 mm, ent- 
sprechend 15,76 % N. 

3. 0,0801 g Substanz gaben 10,9 ccm N bei 13° und 751 mm, entsprechend 
15,88% N. 

4. 0,0694 g Substanz gaben 9,3 ccm N bei 17,50 und 752 mm, entsprechend 
15,53 % N. 

5. 0,0788 g Substanz gaben 0,0418 g BaSO,, entsprechend 7,28% S. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 

Csg Hy N4 S0;: 1; 2. 8: 4. b. 
G.599% Bl — _ — — 
Bıro@ln, 5,9 _ _ _ - 
3.726} _ _ _ — 7128 
N 15,87, — 15,76 15,88 15,53 


Durch all die angeführten Salze wird aber die schon früher auf- 
gestellte unitäre Formel für die Sulfonsäure, C44Hıs N, SO;, bestätigt. 
Es sind eben nur, um eine analysenreine, für weitere Umsetzungen 


J. Tröger u. M. Franke: Diazobenzolsulfat. 307 


brauchbare Säure zu erhalten, die oben angeführten Versuchsbedingungen 
einzuhalten. Zum Schluß sei erwähnt, daß wir auch auf andere Weise 
eine Reingewinnung der Sulfonsäure versuchten, indem wir von vorn- 
herein eine Beimengung anorganischer Salze, die von der stark 
voluminösen Sulfonsäure leicht eingeschlossen werden können, zu ver- 
meiden suchten. Dies glaubten wir dadurch zu erreichen, daß wir 
festes Diazo-m-toluolsulfat in Eisessiglösung mit Amylnitrit diazotierten 
und die mit Eiswasser verdünnte Diazolösung mit SOg-Gas behandelten. 
Man vermeidet zwar hierdurch anorganische Beimengungen, doch ist 
auch hier zur weiteren Reinigung der Sulfonsäure ein Auskochen mit 
Wasser nötig. In Anbetracht dieser nicht vereinfachten Darstellungs- 
weise dürfte sich daher der oben angegebene Weg zur Reinigung der 
Sulfonsäure empfehlen. 


Mitteilung aus dem pharmazeutisch-chemischen Laboratorium 
der Herzogl. technischen Hochschule zu Braunschweig. 


Usher die Einwirkung von schwefliger Säure auf 


Diazobenzolsulfat. 
Von J. Tröger und M. Franke. 
(Eingegangen den 20. VII. 1906.) 


In einer früheren Mitteilung!) ist die Gewinnung einer blutroten 
Sulfonsäure C,H, N4SO, beschrieben. Dieselbe entsteht, wenn 
man SO3-Gas in eine wässerige Lösung von Diazobenzolsulfat bezw. 
-chlorid einleitet. Bereits nach kurzem Einleiten tritt Rotfärbung der 
Reaktionsflüssigkeit ein, und nach mehrstündigem Stehen der mit SO3 
gesättigten Flüssigkeit ist das ganze Gefäß mit der stark voluminösen 
blutroten Sulfonsäure erfüllt, deren Menge beim scharfen Absaugen 
mittelst der Saugpumpe sich scheinbar stark vermindert. Das auf- 
fallende an dieser roten Sulfonsäure ist ihre Bildung, die von gewissen 
Versuchsbedingungen abhängig ist. Bekanntlich leitet man ja nach 
der Gattermann’schen Sulfinsäuresynthese in Diazolösungen, die aus 
aromatischen Aminen bereitet sind, SOs-Gas in großer Menge ein, 
ohne hierbei eine Abscheidung eines derartig gefärbten, wasserschwer- 
bezw. unlöslichen Produktes zu beobachten. Daß bei dieser bekannten 
Synthese, z. B. bei der Darstellung von Benzolsulfinsäure, beim Ein- 
leiten von SO3 in Diazobenzolsulfatlösung keine derartige Abscheidung 


1) Journ. prakt. Chem. (2), 72, 529. 
20* 


308 J. Tröger u. M. Franke: Diazobenzolsulfat. 


erfolgt, dürfte wohl seinen Grund darin haben, daß die bei diesem 
Prozesse angewandte Säuremenge eine größere ist, als bei dem von 
uns eingeschlagenen Verfahren. Gattermann verwendet z. B. auf 
10 g Anilin im ganzen 60 g konzentrierte H,SO,, während wir etwa 
auf die gleiche Menge Anilin die Hälfte Säure benutzen. Nach 
Gattermann erhalten wir beim Einleiten von SO, in die Diazolösung 
einfach ein wasserlösliches schwefligsaures Diazosalz, während der von 
uns eingeschlagene Weg zu einer so gut wie in Wasser unlöslichen 
gefärbten Sulfonsäure führt. Trotzdem sind diese beiden genannten 
Reaktionsprodukte nicht die einzigen möglichen Produkte, die bei der 
Einwirkung von SO, auf Diazobenzolsaiz entstehen können, sondern 
schon W. Koenigs!) erhielt bei dieser Reaktion ein sogenanntes 
Sulfazid, CH; NH-NH-SO,C,H;, einen weißen Körper, dessen 
Konstitution von E. Fischer aufgeklärt wurde. Zu diesem gleichen _ 
weißen Sulfazide gelangten wir gelegentlich unserer Versuchsreihen, 
als wir zu einer Diazobenzolsulfatlösung, die beim Einleiten von SOs- 
Gas die blutrote Sulfonsäure abschied, eine gesättigte wässerige Lösung 
von schwefliger Säure zufügten. Dieses weiße Sulfazid ist aber keines- 
wegs ein Zwischenprodukt bei der Gewinnung der roten Sulfonsäure, 
höchstens ein Nebenprodukt, denn es läßt sich auf keinerlei Weise in die 
blutrote Sulfonsäure überführen. Es gibt deshalb für die Bildung der roten 
Sulfonsäure nur eine Erklärung, nämlich, daß sie sich nur bei gewissen 
Konzentrationsverhältnissen der wässerigen Diazolösung bildet, bei 
größerer Verdünnung erhält man das Sulfazid, während bei Anwesenheit 
von viel überschüssiger Säure, wie es nach der Gattermann’schen 
Synthese geschieht, nur schwefligsaures Diazosalz sich bildet. Es 
muß daher bei einer gewissen Konzentration Neigung zur Bildung des 
Sulfazids, bei einer anderen Neigung zur Bildung der Sulfonsäure vor- 
handen sein. Daß bei großer Verdünnung die Bildung der Sulfon- 
säure ausgeschlossen ist, lehrte ein Versuch, bei dem auf etwa 15 g 
Base 2 Liter wässerige Diazolösung mit SOs-Gas behandelt wurden. 
Daß bei größerer Verdünnung mehr Neigung zur Bildung des Sulfazides 
vorliegt, beweist die obige Angabe, daß beim Einleiten von SOa in 
eine Diazobenzolsalzlösung die rote Sulfonsäure entstand, während ein 
anderer Anteil der gleichen Diazolösung, der mit einer wässerigen 
Lösung von schwefliger Säure versetzt war, das weiße Sulfazid ab- 
schied. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, haben wir daher bei 
der Darstellung der Sulfonsäure möglichst konzentrierte Diazolösungen 
gewählt und sind hierbei zu annähernd reiner Sulfonsäure in relativ 
guter Ausbeute gelangt. 

nn * 


1) Ber. 10, 1531. 


J. Tröger u. M. Franke: Diazobenzolsulfat. 309 


Vorläufig glauben wir uns die Entstehung der roten Sulfonsäure 
so erklären zu können, daß wir annehmen, SOs wirke auf die Diazo- 
lösung reduzierend und sulfurierend ein, und die hierbei gebildete 
Hydrazinsulfonsäure C,H; NH-NH-SO;H kuppelt sich mit noch nicht 
umgesetzter Diazolösung zur Sulfonsäure C;H;N:N-C;,H,NH-NH- 
SO;H. 

Besonders auffallend ist, daß von den von uns bisher geprüften 
Aminen, die wir diazotierten und deren Diazolösungen wir mit SOs-Gas 
behandelten, nur m-Toluidin und Anilin unter Bildung von solchen 
rotgefärbten Sulfonsäuren reagierten. Ob auch noch außer diesen 
beiden andere Amine unter abgeänderten Versuchsbedingungen analog 
reagieren, soll durch spätere Versuche noch entschieden werden. 

Darstellung der Sulfonsäure: CjsH13aN,SO;=C;H;N:N- 
CsH4-NH-NH-SO,;H. Werden 15g Anilin in Gegenwart von 3—500 g 
Wasser und 50 g konzentrierter H3SO, in der üblichen Weise diazotiert, 
so fällt beim nachherigen Einleiten von SOs-Gas in die gut ge- 
kühlte Diazolösung die blutrote Sulfonsäure aus, die nach längerem 
Stehen das ganze Gefäß als voluminöse Masse erfüllt. Nach mehr- 
stündigem Stehen saugt und preßt man die Sulfonsäure ab und wäscht 
möglichst wenig mit Wasser nach, da diese Sulfonsäure in Wasser 
leichter löslich ist als die analoge Sulfonsäure, die aus m-Toluidin sich 
gewinnen läßt. 

Reinigung der rohen Sulfonsäure. Da die Sulfonsäure 
stark voluminös ausfällt, so schließt sie selbstredend von der 
Diazotierung herrührende Alkalisalze ein, von denen sie nicht, wie 
es bei der analogen, aus m-Toluidin bereiteten Sulfonsäure geschah, 
durch Auskochen mit Wasser befreit werden kann, da sie ja schon 
von kaltem Wasser etwas gelöst wird. Andererseits enthält aber das 
Rohprodukt noch mehr oder weniger organische Nebenprodukte, von 
denen man es befreien muß, wenn man die Sulfonsäure für anderweitige 
Umsetzungen in analysenreinem Zustande erhalten will. Das Roh- 
produkt kann daher außer den anorganischen Salzen das als Nebenprodukt 
zuweilen gebildete Sulfazid C,H;-NH-NHSO;C,H; enthalten, eventuell 
auch phenolartige Körper, die beim Stehen der Reaktionsflüssigkeit 
aus nicht zur Umsetzung gelangter Diazolösung sich bilden können. 
Wir haben schließlich nach verschiedenen Versuchen die Reinigung 
der Sulfonsäure über ihr Ammoniumsalz als besten Weg erkannt. Zu 
diesem Zwecke trägt man die rohe Sulfonsäure in eine aus Essigsäure 
und wässerigem Ammoniak bereitete Lösung von essigsaurem Ammon 
ein und krystallisiert nach Zusatz einer hinreichenden Menge Wasser 
das Ammoniumsalz um. Auch hier ist es vorteilhaft, das Um- 
krystallisieren ohne vorherige Trennung des Reaktionsproduktes von 


310 J. Tröger u. M. Franke: Diazobenzolsulfat. 


der Ammoniumacetatlösung auszuführen. Sofort nach dem Filtrieren 
der heißen- wässerigen Lösung scheidet sich ds Ammoniumsalz in 
braunen glänzenden Krystallblättchen ab. Will man direkt die Sulfon- 
säure haben, so empfiehlt es sich, die heiße Lösung des Ammonium- 
salzes bei beginnender Krystallisation mit verdünnter Schwefelsäure 
zu versetzen. Die auf diese Weise zur Abscheidung gelangende 
Sulfonsäure ist nicht so voluminös und läßt sich daher besser durch 
Absaugen von der anhaftenden Flüssigkeit trennen. Da die Sulfonsäure 
kein langes Auswaschen verträgt, so muß man sie scharf absaugen und 
abpressen, und höchstens ganz zuletzt darf man mit etwas Wasser die 
gut abgesaugte Sulfonsäure nachwaschen. Die schließlich im Vakuum- 
exsikkator über Schwefelsäure getrocknete Sulfonsäure gab bei der 
Analyse einen Schwefelgehalt von 10,5%, während die Formel O,3H}aN4SO; 
einen S-Gehalt von 10,96% verlangt. 

Die auf die beschriebene Art bereitete und gereinigte Säure 
erwies sich für alle Umsetzungen als genügend rein, doch wurden zur 
Kontrolle der früher aufgestellten Formel noch die nachstehenden Salze 
dargestellt und analysiert. 


Ammoniumsalz der Sulfonsäure, CH, N,SO,NH.. 
Das in der oben angedeuteten Weise gewonnene Salz krystallisiert in 
bräunlichen Krystallblättchen und eignet sich, wie schon erwähnt, wegen 
seiner Krystallisationsfähigkeit zur Reinigung der mit Sulfazid und 
anderen Beimengungen verunreinigten Sulfonsäure. 


Analysen. 
1. 0,1202 g Substanz gaben 24,1 ccm N bei 170 und 744 mm, entsprechend 
22,77% N. 
2. 0,1154 g Substanz gaben 0,0868 g BaSO,, entsprechend 10,33% S. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
CH N; 505: B> 2. 

S 10,36% — 1033 
N 22,65, 22,77 _ 


Anilinsalz der Sulfonsäure, CjsHı N,SO,;H (C,H; NH;3). 
Trägt man die feste Sulfonsäure in eine wässerige Lösung von essig- 
saurem Anilin ein, das man durch vorsichtigen Zusatz von verdünnter 
Essigsäure zu Anilin, das in Wasser suspendiert ist, bereitet, so erhält 
man das gelbgefärbte Anilinsalz. Gibt man jetzt so viel Alkohol zu 
der Reaktionsflüssigkeit, daß beim Erhitzen das Salz gerade gelöst 
wird, so scheidet sich beim Filtrieren der heißen Lösung das Anilinsalz 
in schönen großen goldglänzenden Blättern ab, die bei etwa 165° unter 
Zersetzung schmelzen. 


J. Tröger u. M. Franke: Diazobenzolsulfat. all 


Analysen. 
1. 0,1328 g Substanz gaben 0,2734 g COs und 0,0586 g Ha 0, entsprechend 
56,14% C und 4,9% H. 
2. 0,1025 g Substanz gaben 16,6 ccm N bei 21° und 764 mm, entsprechend 
18,44% N. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
CieHje N; >07 ’ A 2. 
C 56,1% 56,14 _ 
H134,9:; 4,9 .- 

N 182, _ 18,44 


p-Toluidinsalz der Sulfonsäure, C}3Hıı N4 503 H (Cr H-NB;3). 
Das analog dem Anilinsalz bereitete p-Toluidinsalz bildet orangefarbene 
glänzende Kryställchen, die bei etwa 172° unter Zersetzung schmelzen. 
Wir fanden den Zersetzungspunkt zuweilen auch wohl etwas niedriger, 


z. B. bei 166°. 
Analysen. 


1. 0,1458 g Substanz gaben 0,3072 g CO3 und 0,0686 g Ha0, entsprechend 
57,46% C und 5,22%, H. 


2. 0,1276 g Substanz gaben 20,2 ccm N bei 16° und 748 mm, entsprechend 
18,07% N. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
Cie Hsı N; S0;: 7 .2. 
C 57,14% 57,46 -— 
HAB, 5,22 — 

N 17,54, — 18,07 


p-Xylidinsalz der Sulfonsäure, CjsH,ı N,SO;H (0; H;NH;3). 
Das mittelst essigsaurem p-Xylidin bereitete p-Xylidinsalz bildet nach 
dem Umkrystallisieren eine leichte, goldgelbe, wollige Krystallmasse, 
deren Schmelz- und Zersetzungspunkt bei etwa 177° liegt. 


Analysen. 
1. 0,1270 g Substanz gaben 0,2721 g COa und 0,0544 g Ha0, entsprechend 
58,43% C und 5,61% H. 
2. 0,1040 g Substanz gaben 15,3 ccm N bei 170 und 744 mm, entsprechend 
16,62% N. 
3. 0,1774 g Substanz gaben 26,6 ccm N bei 190 und 763 mm, entsprechend 
17,18% N. - 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
x Coo Hag N5 SO: F 2. 3. 
6.58.17 58,43 —_ _ 
H 5,9 n 5,61 ne — 


N 16,9, =) HR 77 


z tm = 
I Me 


312 J. Tröger, G. Warnecke u. F. Schaub: Diazo-m-toluolsulfosäure. 


Wir haben auch noch versucht, eine Reinigung der Sulfonsäure 
Cı2Hıa N,SO, dadurch zu umgehen, daß wir frisch bereitetes Anilin- 
sulfat in Eisessiglösung mit Amylnitrit diazotierten und die mit Eiswasser 
verdünnte Diazolösung mit SO, sättigten. Die hierbei resultierende 
Sulfonsäure enthielt aber gleichfalls Sulfazid C,H; NH-NH:S0,0,H, 
beigemengt, muß also trotzdem über ihr Ammonsalz gereinigt werden. 
Daß nach dieser Methode die Beimengung anorganischer Salze ver- 
mieden wird, ist von Vorteil. Vollkommen würde diese Methode erst 
sein, wenn man Versuchsbedingungen ermitteln kann, bei denen 
Sulfazidbilduug ganz vermieden wird, doch dürfte hierzu eine größere 
Versuchsreihe noch notwendig sein. 


Mitteilung aus dem pharmazeutisch-chemischen Laboratorium 
der Herzoglichen technischen Hochschule zu Braunschweig. 


Veber die vermutliche Konstitutionsformel 
der bei der Einwirkung von S0, auf Diazo-m-toluol 
entstehenden Sulfonsäure, 0, H.,N,80,. 


Von J. Tröger, G. Warnecke und F. Schaub. 
(Eingegangen den 28. VII. 1906.) 


In einer vorangegangenen Mitteilung!) über den gleichen Gegen- 
stand hat der eine von uns in Gemeinschaft mit W. Hille und 
P. Vasterling gezeigt, daß die blutrote, wasserunlösliche Sulfon- 
säure, C}4 Hıs8 Ns SO,, die beim Einleiten von SO, in eine Diazo- 
m-toluollösung sich bildet, durch Oxydation ihre Alkalisalze mit frisch 
gefälltem HgO ihren Farbstoffeharakter verliert, diesen äber wieder 
erhält, wenn man mit Schwefelwasserstoff oder Schwefelammon das 
Oxydationsprodukt behandelt. Wir haben hier einen außergewöhnlichen 
Fall, daß durch Anlagerung von 2 H-Atomen der Farbstoffcharakter 
erzeugt wird, während er nach Wegnahme derselben wieder ver- 
schwindet. Auf Grund dieses Verhaltens haben wir für die rote 
Sulfonsäure die Konstitutionsformel 

C-H-N:N:-C, He NH: NH.S0O;H 
gewählt. Mit dieser Konstitutionsformel steht im Einklang, daß die 
Alkalisalze der Sulfonsäure beim Erhitzen mit HgO Salze einer um 
2 H-Atome ärmeren Säure 
ee Ei au nn O,H-N:N-C;Hg3N:N-S0;H 
1) Journ. prakt. Chem. (2) 72, 5il. 


J. Tıöger, G. Warnecke u. F. Schaub: Diazo-m-toluolsulfosäure. 313 


lieferten, und daß man bei der Reduktion der Alkalisalze der letzt- 
genannten Säure mittels Schwefelammon die Salze der ursprüng- 
lichen Sulfonsäure wieder gewinnt. Auch die leichte Abspaltbarkeit 
der (SO,3H)-Gruppe, die sich zuweilen bei der Reinigung des Roh- 
materials unliebsam bemerkbar machen kann, läßt sich durch obige 
Formel leicht erklären. Ferner wird hierdurch die Bildung des früher 


‚N 
beschriebenen Azids C-H-N:N-C, HoN< | verständlich, welches bei 
N 


Einwirkung von salpetriger Säure unter gleichzeitiger Abspaltung der 
(SO;H)-Gruppe entsteht. 

Am besten aber wird der Hydrazincharakter der blutroten Sulfon- 
säure durch das reduzierende Verhalten derselben gegen ammoniakalische 
Silberlösung, sowie durch ihr Verhalten gegen aromatische Aldehyde 
erklärt. 

Einwirkung von ammoniakalischer Silberlösung auf 
die Sulfonsäure C,4HjN,;,SO,. Trägt man die rote Sulfonsäure 
in eine ammoniakalisch gemachte Silberlösung ein, so tritt entweder 
schon in der Kälte oder beim gelinden Erwärmen Silberspiegelbildung 
ein, und das Gefäß sowie alle Gegenstände, die mit der Reaktions- 
flüssigkeit in Berührung kommen, erscheinen mit einem ziemlich fest- 
haftenden prächtigen Silberspiegel überzogen. Neben dem metallischen 
Silber entsteht als Reaktionsprodukt ein ockergelber Körper, der sich 
von dem Silber durch Behandeln mit verdünnter warmer Salpetersäure 
befreien läßt. Für den Fall, daß Silber und Reaktionsprodukt sich gut 
abgeschieden haben, was jedoch durchweg nur selten der Fall ist, genügt 
es auch, das mit dem Silber abfiltrierte Reaktionsprodukt mit heißem, 
verdünntem Alkohol auszuziehen. Aus dem heißen Filtrate scheiden 
sich dann die hellgelben Krystalle eines Silbersalzes von der 
Zusammensetzung C;H;N:NC-H,N-N -SO;3 Ag ab. 


Analyse. 
0,2134 g Substanz gaben 0,0552 g Ag, entsprechend 25,86 % Ag. 
Berechnet auf die Formel (44H N4S03 Ag: Gefunden: 
Ag 25,41% 25,86. 


Dieses erhaltene Silbersalz ist identisch mit dem früher!) be- 
schriebenen Salze, das man erhält, wenn man ein Alkalisalz der roten 
Sulfonsäure mit frisch bereitetem HgO oxydiert, und das hierbei 
resultierende Alkalisalz C-H-N:N-C;H,N:N-SO,;M mit Silbernitrat 
in wässeriger Lösung fällt. Das in der ammoniakalischen Silberlösung 
enthaltene Ag3O spielt die gleiche Rolle wie in dem genannten Falle 
das HgO, d. h. oxydiert die beiden H-Atome der Hydrazingruppe, 


!) Journ. prakt. Chem. (2) 72, 516, 


314 J Tröger, &. Warnecke u. F. Schaub: Diazo-m-toluolsulfosäure. 


das überschüssige NH; führt diese oxydierte Sulfonsäure in ihr NH;- 
Salz über, das mit Silberlösung sich zum Silbersalz umsetzt. 
Einwirkung von ammoniakalischer Kupferlösung auf 
die Sulfonsäure, Cs Hıs N SO3. Gibt man die feste rote Sulfonsäure 
zu einer mit überschüssigem Ammoniak versetzten Kupfersulfatlösung, 
so scheidet sich beim gelinden Erwärmen ein lockerer ledergelber 
Niederschlag aus. Filtriertt man diesen ab und süßt den Rückstard 
auf dem Filter mit heißem Wasser aus, so geht der Rückstand all- 
mählich in Lösung und aus dem tieforangegelb gefärbten Filtrate 
scheidet sich ds Ammoniumsalz, O,H,N:N-C, Hs, N:N-SO;,NH, 
in Form von dunkelgelben Kryställchen ab. Auffallend ist hierbei, 
daß man in der Kupferlösung keine Kupferabscheidung beobachtet, 
auch beobachtet man keine Abscheidung von Cus(OH), bezw. CugO, 
es sei denn, daß der ledergelbe Salzniederschlag das CuaO einschließt. 
Daß aber das in der ammoniakalischen Kupferlösung enthaltene CuO 
die H-Atome der Hydrazingruppe beseitigt hat, geht daraus hervor, 
daß das gebildete Ammoniumsalz mit HCl keine blutrote Sulfonsäure 
liefert: Erwärmt man jedoch das Ammoniumsalz mit Schwefelammon 
und säuert dann mit Mineralsäure an, so gelangt man wieder zu der 
roten Sulfonsäure. Das Schwefelammon hat die vom CuO wegoxydierten 


H-Atome wieder angelagert. 
Analyse. 


0,1070 g Substanz gaben 19,8 ccm N bei 260 unr 765 mm, entsprechend 
20,7% N. 
Berechnet auf die Formel 0,4 H17 Ns SO5: Gefunden: 
N 20,9% 20,7. 


Versuch, die Sulfonsäure, H;,N:N-C,H,N:N- SO,;H 
zu isolieren. Zu diesem Zwecke wurde das Kaliumsalz der Sulfon- 
säure ,H-N:N- C,H, NH-NH:.SO,;,H mit frisch gefälltem HgO 
oxydiert. Das heiße wässerige Filtrat lieferte beim Abkühlen orange- 
rote, perlmutterglänzende Blättchen des Kaliumsalzes, O,H,N:N- 
C-H3N:N-SO;3K. Um aus diesem Salze die freie Sulfonsäure zu 
isolieren, wurde die Lösung desselben nach dem Versetzen mit HzSO, 
wiederholt mit Aether ausgeschütteltl. Die getrocknete ätherische 
Lösung hinterließ nach dem Abblasen des Aethers ein Oel, das beim 
Aufbewahren im Vakuumexsikkator fest wurde, sich aber stark färbte. Es 
wurde deshalb von einer weiteren Untersuchung dieser Sulfonsäure 
Abstand genommen und nur ein Teil des noch nicht fest gewordenen 
Oeles mit Nag CO, aufgekocht und heiß filtriert. Das aus dem Filtrat 
beim Abkühlen in orangegelben Blättchen abgeschiedene Natrium- 
salz C,H;N:N-C,HgN:N-SO;Na ist dunkler gefärbt als das ent- 
sprechende Kaliumsalz. 0 


J. Tröger, G. Warnecke u. F. Schaub: Diazo-m-toluolsulfosäure 315 


Analyse. 
0,0972 g des bei 105° getrockneten Na-Salzes gaben 0,0212 g NagS0,, 
entsprechend 7,06% Na. 
Berechnet auf die Formel C,;H,3 N4SO, Na: Gefunden: 
Na 6,77% 7,06. 


Kondensationsversuche der Sulfonsäure O,4H,N4S03 
mit aromatischen Aldehyden. Die reduzierenden Eigenschaften, 
welche die Sulfonsäure der ammoniakalischen Silberlösung sowie dem 
HgO gegenüber zeigte, ließen in uns die Vermutung aufkommen, daß 
wir es in der Sulfonsäure mit einer Hydrazinsulfonsäure von nach- 
stehender Konstitutionsformel C-H-N:N- C,H,NH: NH: SO;,H zu 
tun haben. Am einfachsten hätte sich die von uns aufgestellte Formel 
experimentell beweisen lassen, wenn wir entweder unter Abspaltung 
der SO;H-Gruppe zu dem Hydrazin O-H-N:N- C,H, NH - NHa gelangt 
wären, oder wenn der synthetische Aufbau sich hätte erreichen lassen. 
In gewissem Sinne scheinen unsere diesbezüglichen Experimente für 
unsere Annahme zu sprechen, doch sind diese Versuche noch nicht 
vollständig abgeschlossen, so daß wir vorläufig nicht auf dieselben ein- 
gehen wollen. So einfach der Fall der Abspaltung der SO;H-Gruppe 
auch scheint, so schwierig gestaltet er sich in der Praxis. Abgespalten 
wird die SO,H-Gruppe wohl sehr leicht, aber ebenso leicht kann auch 
eine weitere Zerstörung des Hydrazins eintreten. Erhitzt man z. B. 
die Sulfonsäure im Rohr mit Wasser oder ganz stark verdünnten 
Mineralsäuren, so verkohlt die bei der Abspaltung der Sulfonsäure- 
gruppe auftretende HsSO, die organische Substanz und man erhält 
statt des Hydrazinsalzes einen kohlehaltigen Rückstand. 

Wir haben schließlich vorläufig auf die Reingewinnung des 
Hydrazins verzichtet und haben uns zunächst damit begnügt, daß wir 
das bei der Spaltung gebildete Hydrazin gleich mit aromatischen 
Aldehyden zur Umsetzung brachten und die Konstitution der hierbei 
entstehenden Kondensationsprodukte aufzuklären versuchten. Bei diesen 
Kondensationen haben wir die Abspaltung der Sulfonsäure entweder in 
alkoholischer Suspension mit Eisessig oder etwas konzentrierter HzSO,, 
oder in Eisessig allein bewerkstelligt. Während Eisessig allein uns 
bei der analogen Umsetzung der aus Diazobenzolsalz mit SO3 bereiteten 
Sulfonsäure C}jaH;sN,SO; mit aromatischen Aldehyden vorzügliche 
Dienste leistete, wie an anderer Stelle gezeigt werden wird, bewährte 
sich dieses Verfahren nicht immer bei der aus Diazo-m-toluolsalz be- 
reiteten Sulfonsäure, da es ab und zu vorkam, daß das Reaktions- 
produkt noch unangegriffene rote Sulfonsäure einschloß. Man tut daher 
meist besser, wenn man die fein zerriebene Sulfonsäure in Alkohol 
suspendiert, etwas konzentrierte H,SO, zugibt und dann nach Zufügen 


Be; Bid? be 2.6 


316 J. Tröger, @. Warnecke u. F. Schaub: Diazo-m-toluolsulfosäure. 


des Aldehydes auf dem Wasserbade erwärmt. Hierbei tritt bei be- 
ginnender Reaktion immer eine schöne blauviolette oder tiefblaue 
Färbung ein und je nach der größeren oder geringeren Löslichkeit des 
Reaktionsproduktes scheidet sich dasselbe entweder schon während des 
Erwärmens oder erst nach dem Erkalten der Reaktionsflüssigkeit ab. 
Unveränderte rote Sulfonsäure darf nirgends mehr zu sehen sein, wenn 
die Reaktion richtig verlaufen ist. 

Zaweilen leistete auch das Erhitzen der Sulfonsäure mit dem 
Aldehyde in einer Suspension von Alkohol und Eisessig gute Dienste. 
Hierbei ist zu beachten, daß, falls beim Erwärmen die violette Färbung 
der Reaktionsflüssigkeit ausbliebe, es an Eisessig fehlt. Die violette 
Farbe rührt von der Lösung einer schwefelsauren Verbindung her, ein 
Farbenumschlag weist auf die durch den Alkohol bedingte Abspaltung 
der HsSO, hin. Am besten beobachtet man diesen Zersetzungsvorgang, 
wenn man ein fertiges stahlblaues oder kantharidengrünes Reaktions- 
produkt absaugt, und die abgesaugte tiefblau oder violett gefärbte 
Flüssigkeit mit Wasser oder Alkohol zusammentrifft. So prächtig die 
unten zu beschreibenden Körper auch sind, so hat die Aufklärung 
ihrer Konstitution eine Unsumme von Arbeit und Analysenmaterial 
erheischt. Das Arbeiten wurde zur reinen Gefühlssache, eine Unzahl 
von Kleinigkeiten war fortwährend zu berücksichtigen bei der Bildung, 
Reinigung und Analyse dieser Verbindungen, Kleinigkeiten, die, als 
sie unberücksichtigt blieben, uns viele Irrwege gehen ließen. So haben 
wir anfangs bei den Aldehydkondensationen die hydrolytische Spaltung 
der Sulfonsäure durch Alkohol und Schwefelsäure ausgeführt, glaubten 
dann im Eisessig, der uns bei der aus Diazobenzol gewonnenen Sulfon- 
säure CjgaH;a N,SO,;, so gute Dienste geleistet, ein besseres Vehikel 
gefunden zu haben und sind doch schließlich wieder nach vielen Ent- 
täuschungen zu Alkohol und Schwefelsäure zurückgekehrt, indem wir 
nur ab und zu die Schwefelsäure durch Eisessig ersetzten. 

Am meisten irre geleitet haben uns aber die Analysen, besonders 
die N-Bestimmungen, die in vielen Fällen einzig und allein bei der 
Frage nach der Konstitution dieser Verbindungen Aufschluß geben 
konnten, und deren Ausführung uns gerade außergewöhnliche Schwierig- 
keiten bereitete. Vor allem aber ist bei allen den angeführten Ver- 
bindungen notwendig, daß man sich durch eine vollständige Elementar- 
analyse von der Reinheit der in Arbeitzu nehmenden Sulfonsäure überzeugt 
hat, deren Reinigung in der vorhergehenden Arbeit beschrieben ist. 

Kondensationder Sulfonsäure O4H,N4SO; mit Benz- 
aldehyd. Uebergießt man die reine, fein zerriebene Sulfonsäure 
mit etwas Alkohol, fügt etwas konzentrierte HsSO, zu und erwärmt 
nach Zusatz von Benzaldehyd auf dem Wasserbade, so tritt Violett- 


J. Tröger, G. Warnecke u. F. Schaub: Diazo-m-toluolsulfosäure. 317 


färbung der Reaktionsflüssigkeit ein, die Sulfonsäure verschwindet und 
an ihrer Stelle beginnt die Abscheidung des Reaktionsproduktes, das, 
je nach den Bedingungen, in Form violettblauer Kryställchen oder 
auch wohl in Form grünblauer bis schwärzlicher metallisch glänzender 
Blättchen erhalten wird. Arbeitet man mit Eisessig als Vehikel, so 
erscheint das Reaktionsprodukt metallisch und grünschwarz gefärbt, 
während man es in Alkohol und Eisessig von violetter Farbe erhält. 

Ein solches in Eisessigsuspension erhaltenes H3SO,-Produkt 
bildete grünschwarze metallisch glänzende Blättchen und gab bei der 
Analyse einen Prozentgehalt an HzSO,, der auf eine H,SO,-Ver- 
bindung eines Hydrazons stimmt. Unseres Wissens sind Säureadditions- 
produkte von Hydrazonen nicht bekannt, selbst, wenn man in einem 
solchen H,SO,-Additionsprodukte nur eine lose Bindung zwischen dem 
Hydrazon und der angelagerten H,SO, annimmt, so bleibt trotzdem 
noch die auffallende Färbung solcher Additionsprodukte auffallend und 
könnte nur ihre Erklärung in dem an die Hydrazongruppe gebundenen 
Azoreste finden. 


Analyse. 
0,0948 g Substanz gaben 0,0516 g BaSO,, entsprechend 22,9% H,SOQ,. 
Berechnet auf die Formel Ca} Ho Ng4:HgS0;: Gefunden: 
HsS0, 23,0% 22,9. 


Diese Analyse stimmt also sehr gut auf eine HsSO,-Ver- 
bindung eines Hydrazons, &gH;CH:N-NH-C,H,N:NC-H;-H3S0, 
und steht im Einklang mit den Analysenwerten, die wir mit dem 
freien Hydrazon erhielten, welches aus dieser Hs SO,-Verbindung durch 
Umsetzung mit wässerigem Ammoniak erhalten wird. 

Wird die oben genannte H,SO,-Verbindung mit wässerigem NH; 
übergossen, so verwandelt sich das schwarzgrüne Produkt momentan 
in einen orangefarbenen Körper, der aus Alkohol krystallisiert in 
orangeroten glänzenden Krystallen erhalten wird, die bei 159—160° 
schmelzen. Es liegt, wie eine große Zahl von Analysen beweisen, ein 
Hydrazon von der Formel C;H;CH:N-NH-C,H,N:NC-H- vor. 

Analysen. 

1. 0,0684 g Substanz gaben 0,1940 g COg und 0,0436 g H,O, entsprechend 
77,35% C und 7,08%, H. 

2. 0,0588 g Substanz gaben 0,1653 g COs und 0,0330 g Hs0, entsprechend 
76,66% C und 6,23% H. 

3. 0,0500 g Substanz gaben 0,1416 g CO, und 0,0296 g H,O, entsprechend 
77,20% C und 6,57% H. 

4. 0,0486 g Substanz gaben 0,1378 g CO, und 0,0273 g H30, entsprechend 
77,32% C und 6,22% H. 

5. 0,0474 g Substanz gaben 0,1346 g COs, entsprechend 77,44% C. 

6. 0,0516 g Substanz gaben 0,1462 g CO, entsprechend 77,26% C. 


u »Dense K a, 


318 J. Tröger, G. Warnecke u. F. Schaub: Diazo-m-toluolsulfosäure. 


7. 0,0922 g Substanz gaben 0,2620 g CO3 und 0,0534 g HsO, entsprechend 
77,48% C und 6,43%, H. 

8. 0,0661 g Substanz gaben 0,1848 g COg und 0,0366 g H30, entsprechend 
76,24% C und 6,15%, H. 

9. 0,0646 g Substanz gaben 10 ccm N bei 21° und 761 mm, entsprechend 


17,5% M: 

Berechnet auf die Formel Gefunden: 
Co HaoN;: ıW 2. 3, 4, 5. 6. T; Start: 
C 76,83% 77,35 76,66 77,20 77,32 77,44 77,26 77,49 76,24 — 
13 2 7,08 6,23 6,57 62 — — 643 615 — 
N 1707 -— -.-.-..-.-—-..-.— 175 


Wie aus dem Nachstehenden ersichtlich wird, erfolgt die Kon- 
densation zwischen Benzaldehyd und der Sulfonsäure nicht immer in der 
Weise, daß unter Spaltung der Hydrazinsulfonsäure C-H-N:N-O,H; NH: 
NH-S0;H in Hydrazin O,H-N:N-C,H,NH-NH3 und H3S0, 1 Mol. 
des gebildeten Hydrazins sich mit 1 Mol. Benzaldehyd zum Benzyliden- 
hydrazon C,H; CH:N-NH:C,HeN:NC-,H, umsetzt, sondern es kann 
auch, wie schon früher von dem einen von uns am Salicylaldehyd ge- 
zeigt worden ist, eine Kondensation eintreten, bei der 1 Mol. Aldehyd 
und 2 Mol. Hydrazin zur Umsetzung gelangen, so daß also die Reaktion 
im Sinne der nachstehenden Gleichung erfolgt. 

C;H;,COH +2C,H7N:N:C7HsNH- NH-SO,H + 2H,0 = 
2H3SO, + H30 + CH, CH (Cs Hı5 Ny)a. 

Da bei allen unseren Umsetzungen Benzaldehyd immer im Ueber- 
schuß vorhanden war, so können die bei dieser Reaktion in Betracht 
kommenden Mengen von Aldehyd und Sulfonsäure nicht ausschlag- 
gebend sein und der verschiedene Verlauf der Reaktion muß von Be- 
dingungen herrühren, die wir trotz vieler Versuche, die zu diesem 
Zwecke ausgeführt sind, bislang noch nicht ermitteln konnten. Da 
nun, wenn 2 Mol. Hydrazin mit 1 Mol. Aldehyd reagieren, man zu 
einer Verbindung vom Molekulargewicht 568 kommen mußte, während 
ein aus 1 Mol. Aldehyd und 1 Mol. Hydrazin entstehendes Hydrazon 
das Molekulargewicht 328 besitzt, so wurde zur weiteren Kontrolle 
der obigen analytischen Daten Molekulargewichtsbestimmungen auf 
ebullioskopischem und kryoskopischem Wege mit dem vermeintlichen 
Hydrazon ausgeführt. 


Angewandte Substanz. . . .» 2. ...0126 g 
Lösungsmittel (Benzol) . . . . . . .14,4023 „ 
Siedepunktserhöhung . . . » . ....008 
Konstante...» . = % 2.9, =. De Fo 

Gef. Mol.-Gew. . . . 2. une. 7: 


Eine auf kryoskopischem Wege ausgeführte Molekulargewichts- 
bestimmung führte zu einem etwas niedrigeren Werte, zeigt aber 
gleichfalls, daß nur das Hydrazon vorliegen kann. 


FE 
N 


J. Tröger, 6. Warnecke u. F. Schaub: Diazo-m-toluolsulfosäure. 319 


Angewandte Substanz. . . » . . . . 0,0892 g 
Lösungsmittel (Benzol) . . » » ...13771 „, 
Depression im Erstarrungspunkt . . . 0,125 
san ieönalıe. 0, Decker Fa 
BHMalBew RUHE NE ZZ: 


Nachstehend sollen die Analysen von zwei Produkten verzeichnet 
sein, die von verschiedenen Herstellungsweisen herrührten und erkennen 
lassen, daß nicht die H3SO,-Verbindung des oben genannten Hydrazons, 
sondern eine HsSO,-Verbindung von einem Kondensationsprodukte 
Ca; Has Ns vorliegt. 

Analysen. 

1. 0,1609 g Substanz gaben 0,0593 g BaSO,, entsprechend 15,5% HgS0O,. 

2. 0,0849 g Substanz gaben 0,1945 g COz und 0,0503 g Ha0, entsprechend 
62,47% C und 6,58%, H. 

3. 0,0752 g Substanz gaben 0,1754 g CO und 0,0366 g Ha0, entsprechend 
63,6% C und 5,4% H. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
O5 Hgg N8 50%: 1 2. 3. 
C 61% _ 62,47 63,6 
H DIE — 6,58 5,4 
H3S0O, 14,71, 15,5 _ _ 


Wenn die Analysen auch kleine Differenzen aufweisen, so scheint 
doch daraus hervorzugehen, daß die H, SO,-Verbindung des Hydrazons 
nicht vorlag. Aeußerlich unterschied sich das analysierte Kondensations- 
produkt kaum von der H3SO,-Verbindung des Hydrazons, sodaß also 
einzig und allein die Analyse Aufschluß geben kann, in welchem Sinne 
die Kondensation erfolgt ist. 

Weiter oben baben wir eine H,S0, Bestimmung einer H3S0;- 
Verbindung des Hydrazons angegeben, die 22,9% H;zSO, ergeben hatte, 
während die Formel GH;CH:N-NH:C,H,N:N-C,Hr-H3SO, 23% 
H>SO, verlangt. 

Nachstehend soll noch die Elementaranalyse einer solchen H,S0;- 
Verbindung folgen, bei der die Kondensation in Eisessig ausgeführt 
war und ein grünes metallisch glänzendes Produkt ergeben hatte. Die 
Analyse stammt von einem Produkte einer anderen Darstellung. 

Analysen. 

1. 0,0658 g Substanz gaben 0,1416 g COs und 0,252 g H30, entsprechend 
58,7% C und 4,39%, H. 

2. 0,0616 g Substanz gaben 0,1336 g CO und 0,0218 g Hg30, entsprechend 
59,1% C und 3,93% H. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
Ca, Ha N4S0;: 1. 2. 
6,591% 58,7 59,1 


H.'B4, 43 3,98. 


320  J. Tröger, G. Warnecke u. F. Schaub: Diazo-m-toluolsulfosäure. 


Abgesehen vom zu niedrig gefundenen Wasserstoff stimmen die 
Analysen auf die HsSO,-Verbindung eines Kondensationsproduktes 
C,H; CH (C,H; N4)2. 

Das Auffallende an diesen Kondensationen ist, daß verschiedene 
H>SO,-Verbindungen entstehen können, wofür sowohl die HsSO,;- 
Bestimmungen als auch die Elementaranalysen von Produkten ver- 
schiedener Darstellung sprechen. Trotzdem haben wir bei den mit 
Ammoniak erhaltenen HsSO,-freien Umsetzungsprodukten bei unseren 
Versuchen scheinbar immer das obige Hydrazon unter den Händen 
gehabt. Ob sich auch das Kondensationsprodukt mit höherem Molekular- 
gewicht aus seiner HzSO,-Verbinudung in reinem Zustande fassen läßt, 
müssen weitere Versuchsreihen entscheiden. 

Kondensation der Sulfonsäure Oj4Hı8 N4SO3 mit m-Nitro- 
benzaldehyd. Läßt man die rote Sulfonsäure auf m-Nitrobenzaldehyd 
in einer Suspension von Alkohol und wenig konzentrierter Schwefel- 
säure bei Wasserbadwärme reagieren, so erhält man ein dunkeles 
HsSO,-Produkt, dessen Analyse wir nicht ausführten. Setzt man 
dieses Produkt mit wässerigem Ammoniak um, so resultiert ein dunkel- 
braunroter Körper, der, nach dem Waschen und Trocknen aus Benzol 
umkrystallisiert, schöne Kryställchen von gleicher Färbung lieferte. 

Daß in dem so gereinigten Produkte ein Hydrazon von der 
Zusammensetzung OsH4(NO;)CH:N-NH-C7,H,N:NC,H, vorliegt, 
beweisen die folgenden Analysen. 


Analysen. 
1. 0,1208 g Substanz gaben 0,3004 g COs und 0,0556 g Ha0, entsprechend 
67,82% C und 5,11% H. 
2. 0,1121 g Substanz gaben 0,2784 g COg und 0,0490 g H30, entsprechend 
67,73% C und 4,9% H. 
3. 0,0578 g Substanz gaben 0,1443 g COg und 0,0309 g H30, entsprechend 
68,08% C und 5,93%, H. 


: 4. 0,1659 g Substanz gaben 27,5 ccm N bei 21° und 758 mm, entsprechend 
18,81%, N. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
Ca H;e N; Os: 1. 2. 3. 4. 
C 67,56% 67,82 67,73 68,08 _ 
Hure 5,11 4,9 5,93 _ 
NUT , _ _ —_ 18,81 


Ob in diesem Falle in dem bei 177° schmelzenden Produkte ein 
Hydrazon von der Formel O,H4,(NO:)CH:N-NHC,H,N:NC-H, 
vorliegt oder ein Kondensationsprodukt von der Zusammensetzung 
C,H, (NO;) CH (C44H1;N,)e, vermochte mit Sicherheit nur die 
N-Bestimmung zu entscheiden, da die Schwankungen im C- und H-Gehalte, 
wenn man mit eventuellen Unregelmäßigkeiten bei der Verbrennung eines 
Nitroproduktes rechnet, nicht allzu groß sind. (Fortsetzung folgt.) 


” 
: 
fr 


+ 
de 


gekennzeichnet werden, trotzdem unter dieser Kennzeichnung nur unser. 
spezielles Erzeugnis, welches einzig und allein allen klinischen Versuchen ° 
zugrunde gelegen hat, verstanden wird, so bitten wir um gütige Mit- 


ey u & U 2 
gr 


us e_ 4 
EN 
. Fe W 


onruvor. 


Der Erfolg des von uns hergestellten speziellen Schwefelpräparats 
hat viele sogenannte Ersatzmittel hervorgerufen, welche nicht identisch 


- mit unserem Präparat sind und welche obendrein unter sich verschieden 
sind, wofür wir in jedem einzelnen Falle den Beweis antreten können. 
Da diese angeblichen Ersatzpräparate anscheinend unter Mißbrauch. 
unserer Markenrechte auch manchmal fälschlicherweise mit 


Ichihyol 


oder 
Ammonium sulfo=-ichthyolicum 


teilung zwecks gerichtlicher Verfolgung, wenn irgendwo tatsächlich 


solche Unterschiebungen stattfinden. 


Ichthyol-Gesellschaft 
Cordes, Hermanni & Co. 


HAMBURG. 


Nur noch 'Anastigmate! 


Obwohl seit der Erfindung des ersten Doppel-Anastigmates, des Goerz’schen, 
eine Unmenge Anastigmat-Typen aufgetaucht sind, gilt das Goerz-Fabrikat noch heute 
als bestes, ihm fast ebenbürtig werden die Fabrikate der optischen Anstalt Meyer, Görlitz, 
bezeichnet. Die Anastigmate beider Weltfirmen werden schon seit Jahren ausschließlich 


in die Union-Cameras der Firma Stöckig & Co. montiert und dadurch, sowie die gediegene P 


Konstruktion der Apparate, haben die Union-Cameras eine enorme Verbreitung gefunden 


und z. B. die Kodaks fast verdrängt. Viel zu der großen Verbreitung haben auch die _ 


günstigen Zahlungsbedingungen, welche die Firma Stöckig gewährt, beigetragen. Es lassen 
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Heyden. 


x © Außer anderen Präparaten sind von uns in die Medizin eingeführt: i 
Be ersäure, salicylsaures Natrium, salicylsaures Wismut, | 3 
| Salol, Solveol, Creosotal, Duotal, Xeroform, Orphol, Itrol, | 

el, Collargol, Acoin, Salocreal; Calodal, ST PR 


3 | Salit, beste Einreibung bei Rheumatosen, 


- Unguentum Heyden (Salbe aus Galbmeihl 


diskreter Ersatz der Ba Salbe (Neisser), 


|Novargan, „Zur Zeit bestes Mittel bei akuter BEN BATE 


Fi 10Omorol neues, völlig reizloses Sifberpeateiuaks zur lokalen Behandlung Bi 


, von Diphtherie etc., ER 
2 L Blenal, Kohlensäureverbindung des Santalols, Antigonorrhoieum, 
A: Injektion Hirsch, Bismut. bisalicyl., Bismut. bitannic. _ 


Zn, BE ! Wir fabrizieren ferner Acetylsalicylsäure, in Substanz und als leicht zeit 
Rn Tabletten, Guajakol, Benzonaphtol, Hexamethylentetramin, Bismut. Mulne 
ME: Verkauf durch den Gross - Drogenhandel. 


5 a © 
Chemische Fabrik von Heyden, Radebeul- Dresden. er 


Soeben erschien die dritte verbesserte und vermehrte Auflage der Broschüre: 


ZZ | Erklärung der 


MB technischen Prüfungsmethoden 


des 
Deutschen Arzneibuches IV. 
Von 
Prof. Dr. Georg Heyl, Obermedizinalrat in Darmstadt. 
Preis 60 Pf. portofrei. 


Zu Deren vom 
Deutschen Apotheker -Verein, Berlin C. ER 


Druck von Denter & Nicolas, Berlin C., Neue Friedrichstrasse 48. 27 
. Pr RN, 


x Bern 
‚ 
4 


ARCHIV 


DER 


PHARMAZIE. 


herausgegeben 


Deutschen Apotheker-Verein 
unter Redaktion von 


E. Schmidt und H. Beckurts. 


Band 244. Heft 5. 


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HORA RUM. 


NE 


BERLIN. 


Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereins. 
1906. 


Ausgegeben den 22. September 1906. 


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er dıe vermu 

etiintionleföriiel der "bei der Einwirkung v von SOg auf Di / 

entstehenden Sulfonsäure, CıaHıs Na, S03 (Sebluß) 

J. Tröger, H. Berlin und M. Franke, Ueber die email Konslikäl 

formel der bei der Einwirkung von SOg auf Diazobenzolsalz ent- 

=; "stehenden Sulfonsäure, CysH1gN4SOg .» - » 2. 2. 0 2. 38 

-F. Kraft, Ueber das Mutterkorn . . . A 
Mm. Wintgen, Ueber den Solaningehalt Be Kartoffeln a he K 

L. Rosenthaler, Alkalische Quecksilberjodidlösung. als Rengens, ER 


Hydroxylgruppen . . . EBEN 373 5 3 
- Ame Pictet, Untersuchungen über die Alkaloide des Tabaks SR IT 
es Derselbe, Ueber die Bildungsweise der Alkaloide in den Pflanzen . . a ‚2 


W. Greshoff, Ueber die Verteilung der Blausäure in dem Pflanzenreiche KR 


WE 
J 


Eingegangene Beiträge. 


E:# Erurts, Ueber den Kakao. 

K&. Gorter, Baptisiaglykoside. a 

-E. Rupp, Weitere Anwendung der jodometrischen Bestimmungsmethoden. 
I. Thoms, Ueber das Myrrhenöl. Be... 


7 dr (Geschlossen den 14. IX. 1906.) 
= Sal | 
; 3 Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel = 


monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis 
50 Bogen. Ladenpreis für den Jahrgang Mk. 12,—. 


Alle Beiträge für das „Archiv“ sind an die EN 


Archiv-BRedaktion 


Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg Blasen) 
_ oder Herrn Geh. Med.-Rat Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig, 
‚alle die Anzeigen u. s. w., überhaupt die Archiv-Verwaltung m 
die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den 
Deutschen Apotheker-Verein 


Berlin C. 2, Neue Friedrichstr. ER 


einzusenden. } 
Neem 
Anzeigen. L 3 
4), Seite zum Preise von M 50.—; !/, Seite zum Preise von M 30.-; 1 Seite zum ar 


Preise von M 20.—; 1; Seite zum Preise von M 10.—. Die Grundschrift ist Petit. ” oo 
"Beilage-Gebühr für das Tausend der Auflage — z. Z.4300 — M 10.—. Für Beilagen, welche 
might dem Format des „Archiv“ entsprechen, bleibt besondere Vereinbarung vorbehalten. as E 


J. Tröger, G. Warnecke u. F. Schaub: Diazo-m-toluolsulfosäure. 321 


Kondensation der Sulfonsäure C44Hıs N4SO,; mit p-Nitro- 
benzaldehyd. Dieser Versuch hat uns am meisten Schwierigkeiten 


bereitet. Glatt verläuft die genannte Kondensation sowie auch die 
Umsetzung des hierbei entstehenden Hs SO,-Produktes mit wässerigem 
NH;. Sowie man aber an das Umkrystallisieren dieses mit NH; er- 


haltenen H,SO,-freien Produktes geht, da treten zuweilen unerwartete 
Schwierigkeiten ein und das ziemlich gut aussehende Rohprodukt 
gibt beim Reinigen meist unerquickliche Körper. Diese Reinigungs- 
versuche haben wir recht oft wiederholt und scheint noch der beste 
Weg zur Reinigung darin zu bestehen, daß man die Lösung des 
Rohproduktes in Benzol langsam verdunsten läßt. Auf diese Weise 
konnten wir tief rotbraun gefärbte, glänzende Blättchen erhalten, die 
bei 160—161° schmolzen und deren N-Bestimmung für ein Hydrazon 
Os H, (NO3) CH:N-NH [07 H; N . NO, H7 spricht. 
Analyse, 

0,1294 g Substanz gaben 21,8 ccm N bei 28% und 763 mm, entsprechend 
18,6% N. 

Berechnet auf die Formel Cgı HıgN5 Os: Gefunden: 
N 188% 18,6. 

Die ursprüngliche Hz SO,-Verbindung war zwar krystallinisch, 
doch zeichnete sie sich nicht durch besondere Krystallisationsfähigkeit 
aus. In einer Suspension von Alkohol und Eisessig bereitet, bildete 
diese HzSO,-Verbindung ein blaugrünes feinkrystallinisches Produkt, 
dessen Ha SO,-Gehalt uns Aufschluß hätte geben können. Wir haben 
jedoch von dieser Analyse Abstand genommen, nachdem uns bei einer 


solchen Bestimmung nach Carius das Rohr beim Aufblasen nach dem 


Erkalten explodierte. 


Kondensation der Sulfonsäure C4HıN,SO; mit 
Salicylaldehyd. Ueber diesen Kondensationsversuch ist schon 
früher!) berichtet worden. Wir waren gelegentlich unserer früheren 
Versuche, die wir in Alkoholsuspension in Gegenwart von wenig kon- 
zentrierter Schwefelsäure ausführten, zu einem grünlichschwarzen 
krystallinischen Reaktionsprodukte gelangt, dessen Analyse auf die 
Formel C,H,(OH)(C44H1; N4)a- Ha SO, zu stimmen schien. Es wäre 
demnach ein Kondensationsprodukt aus 1 Molekül Salicylaldehyd und 
2 Molekülen Hydrazin entstanden. Als wir neuerdings unter scheinbar 
den gleichen Bedingungen den Versuch wiederholten, d.h. die Sulfonsäure 
in Alkoholsuspension in Gegenwart von wenig konzentrierter Schwefel- 
säure mit Salicylaldehyd bei Wasserbadwärme reagieren ließen, erhieltem 


1) J. prakt. Chem. [2], 72, 520. 
Arch. d. Pharm. CCXXXXIV. Bds. 5. Heft. al 


322 J. Tröger, G. Warnecke u. F. Schaub: Diazo-m-toluolsulfosäure. 


wir ein grünschimmerndes krystallinisches Reaktionsprodukt, dessen 
Analyse Werte gab, die auf die H,SO,-Verbindung eines Hydrazons 


stimmten. 
Analysen. 


1. 0,0933 g Substanz gaben 0,1943 g CO; und 0,0465 gHa0, entsprechend 
56,8% C und 5,589, H. 


2. 0,0645 g Substanz gaben 0,1351 g CO, und 0,0289 g H,O, entsprechend 
57,12% C und 4,97% H. 


Diese Zahlen sowie eine H, SO,- Bestimmung, bei der infolge 
geringer Verluste statt 22,17% H,SO, nur 20,2% H,SO, gefunden 
wurden, sprachen aber entschieden für die H, SO,-Verbindung des 
Hydrazons, CH,(OH)CH:N-NH-C, Hs N: NC,H; -H,SO, - und 
nicht für die H,SO,-Verbindung von der Zusammensetzung 0; H, (OH) 
(Ch Hıs Ns). -H2 SO,, auf welche unsere früheren Analysenwerte 
stimmten. Da das früher beschriebene Kondensationsprodukt aus 
einem einheitlichen gut krystallisierten Produkte bestand, so liegt nur 
die eine Möglichkeit vor, daß die Reaktion in zweierlei Sinne ver- 
laufen ist. 


Berechnet auf die Formeln Frühere und jetzige Analysen: 
Ca; Hag N, SO;: Ca; Hgg N8 SO;: 
C 57,01% 61,58%, 61,16 60,87 61,36 2,01 — — |568 57,12 
H 4%, 6,57, 485 526 499 517 — — 5,58 4,97 
HsSO, 22,17, 14,37 „ -— 0... B8 B6 | — — 


Unter welchen Bedingungen sich aber das eine oder andere 
Kondensationsprodukt zu bilden vermag, können wir vorläufig nicht 
entscheiden. Weitere Versuchsreihen, mit denen wir uns demnächst 
befassen werden, sollen diese noch offene Frage klären. 


Kondensation der Sulfonsäure C4H„N4SO, mit Zimmt- 
aldehyd. Die mit Zimmtaldehyd in Eisessig bei Wasserbadwärme zur . 
Reaktion gebrachte Sulfonsäure lieferte kleine blaugrüne Krystalle 
einer H, SO,-Verbindung, deren Analysen nicht auf die H, SO,-Ver- 
bindung des Hydrazons, sondern vielmehr auf eine H, SO,-Verbindung 
eines aus 1 Mol. Aldehyd und 2 Mol. Hydrazin entstandenen Reaktions- 
produktes stimmen. Es scheint sonach ein analoger Fall, wie beim 
Salicylaldehyd eingetreten zu sein. 


Analysen. 
1. 0,0878 g Substanz gaben 0,2052 g COa und 0,0432 g H30, entsprechend 
63,74% C und 5,47% H. 


2. 0,0948 g Substanz gaben 0,2235 g CO 3 und 0,0487 g Ha 0, entsprechend 
64,29% C und 5,7% H. 


J. Tröger, G. Warnecke “ F. Schaub: Diazo-m-toluolsulfosäure. 323 


3. 0,0962 g Substanz gaben 0,2256 g COs, entsprechend 63,9% C, 
Wasserstoffbestimmung verunglückt. 

4. 0,1107 g Substanz gaben 0,0366 g BaSO,, entsprechend 13,89% 
HB3SO,. 

5. 0,1508 g Substanz gaben 0,0501 g BaSO,, entsprechend 13,93% Ha SO,. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
CH Ns so, . 1, 2. 3. 4, b. 
C 64,16% 63,74 64,29 89 — 
H 5,78, 549 57 — _ _ 
H>sSO, 14,16, —- ..—..-— 1389 13,93 


Hiernach scheint also ein Kondensationsprodukt in Form 
einer HaSO,-Verbindung vorzuliegen von der Formel 
Os H; CH:CH-CH (Cha Hıs N;)2 - Hr SO... 
Hiermit steht auch die Analyse der H, SO,-freien Verbindung 
im Einklang, die man aus obigem H, SO,-Produkt durch Umsetzung 
mit kaltem wässerigen Ammoniak erhält. Wird dieses gelbrote Produkt 
durch Umkrystallisieren aus Alkohol gereinigt, so erhält man ein 
gelbrotes, kleinkrystallinisches, bei 124° schmelzendes Pulver. 


Analyse. 


0,0597 g Substanz gaben 0,1639 g CO; und 0,0353 g Hy0, entsprechend 
74,8% C und 6,57% H. 


Berechnet auf die Formel O3, HgsNs: Gefunden: 
C 74,74% 74,8 
B..64'. 6,57 


Auf Grund der angeführten Analysen glauben wir wohl berechtigt 
zu sein zu der Annahme, daß Zimmtaldehyd und die Sulfonsäure eine 
H,SO,-Verbindung eines Kondensationsproduktes O0,H,CH: 
CH-CH(C,4Hı5 N.) ergeben haben. 


Kondensation der Sulfonsäure C,,Hı6s N,SO; mit m-Brom- 
benzaldehyd. Da die Versuche mit Salicylaldehyd und mit Zimmt- 
aldehyd nicht immer normal verliefen, so glaubten wir am besten die 
Frage, ob 1 Mol. Aldehyd mit 1 oder mit 2 Molekülen in Reaktion 
tritt, dadurch entscheiden zu können, daß wir zur Kondensation einen 
halogensubstituierten Aldehyd wählten und in dem mit der Sulfonsäure 
resultierenden Kondensationsprodukte den Halogengehalt ermittelten. 
Zu diesem Zwecke wählten wir m-Brombenzaldehyd und bereiteten 
diesen, indem wir m-Nitrobenzaldehyd mit SnÜCl, reduzierten, das 
Reduktionsprodukt diazotierten, die Diazolösung in siedende Ou: Br;- 
Lösung eintrugen und den gebildeten m-Brombenzaldehyd mit Wasser- 
dampf übertrieben. Der so erhaltene Brombenzaldehyd bildet ein 
dunkelgelbes bis bräunlichgelb gefärbtes Oel. 


21* 


324 J. Tröger, G. Warnecke u. F. Schaub: Diazo-m-toluolsulfosäure. 


Als wir diesen Aldehyd mit der Sulfonsäure in Alkohol-Eisessig- 
suspension bei Wasserbadwärme erhitzten, entstand ein grünschimmerndes 
krystallinisches Reaktionsprodukt von kantharidengrüner Farbe. 

In diesem prachtvollen Reaktionsprodukte liegt eine H, SO,- 
Verbindung vor, doch vermögen wir vorläufig weder aus den H, SO,- 
Bestimmungen noch aus der Elementaranalyse uns ein Bild über die 
Konstitution dieses Körpers zu machen. 


Analysen. 
1. 0,1572 g Substanz gaben 0,3012 g CO, und 0,0728 g H30, entsprechend 
52,25% C und 5,15% H. 
2. 0,1314 g Substanz gaben 0,2520 g COa und 0,0614 g H30, entsprechend 
52,30% C und 5,19% H. 
3. 0,1542 g Substanz gaben 0,0512 g BaS0O,, entsprechend 13,94%, HaSO,. 


Es liegt hier weder die H; SO,-Verbindung eines Hydrazons 
CH; Br-CH:N-NH-C, H, N:NC,H, noch die H, SO,-Verbindung 
von einem Kondensationsprodukte Cs H, BrCH (C,H; N,): vor. Um 
mit Sicherheit die Frage nach der Konstitution dieser prachtvoll 
krystallisierten Hz SO,-Verbindung entscheiden zu können, sind weitere 
Versuche im Gange, über die demnächst berichtet werden soll. Setzt 
man nun dieses erwähnte H, SO,-Produkt mit wässerigem NH; in der 
Kälte um, so erhält man einen orangeroten Körper, der zweimal aus 
Alkohol krystallisiert, orangefarbene glänzende Blättchen vom 
Schmp. 137° lieferte. Wir haben diesen Körper wiederholt dargestellt 
und gelangten immer zu dem gleichen Ergebnis. 


Analysen. 

1. 0,0586 g Substanz gaben 0,1328 g COa und 0,0280 g H30, entsprechend 
61,80% C und 5,30% H. 

2. 0,0756 g Substanz gaben 0,1729 g COs und 0,0366 g Ha0, entsprechend 
62,37%, C und 5,37% H. 

3. 0,0847 g Substanz gaben 0,0370 g AgBr, entsprechend 18,58%, Br. 

4. 0,0479 g Substanz gaben 0,0204 g AgBr, entsprechend 18,12% Br. 

5. 0,0923 g Substanz gaben 0,0405 g AgBr, entsprechend 18,67% Br. 

6. 0,0622 g Substanz gaben 0,0270 g AgBr, entsprechend 18,47%, Br. 


Die vorstehenden Analysen, die mit Produkten verschiedener 
Herkunft ausgeführt sind, lassen ebensowenig wie diejenigen des 
H, SO,-Produktes einen sicheren Schluß auf die Zusammensetzung 
des Bromkörpers zu. Die Elementaranalysen des bei 137° schmelzenden 
Produktes stimmen wohl auf ein Hydrazon von der Formel 
0 H,BrCH:N-NH-C;, HH N:NC,H,, nicht aber stehen hiermit im 
Einklang die Brombestimmungen, bei denen doch Produkte verschiedener 
Herkunft zur Analyse gelangten. Wir vermögen daher vorläufig noch 


J. Tröger, @. Warnecke u. F. Schaub: Diazo-m-toluolsulfosäure.. 325 


keine bestimmte Formel für dieses bei 137° schmelzende Produkt auf- 
zustellen. Vielleicht ist es nicht ausgeschlossen, daß dieser Körper 
mit !/s Mol. Krystallalkohol krystallisiert, doch sind das nur Ver- 
mutungen, solange wir unsere Annahme nicht experimentell bestätigt 
haben, was bei der Fortführung unserer Versuche geschehen soll. 


Berechnet auf die Formeln 


CgH4BrCH: N-NH-G, HBgN: N CzH;: Ca, HjoN,Br + % Cal, 0: 
C 61,91% 6A, 
H 466, 5,12, 
Br 19,6 „ 185 „ 


Zusammenfassung. 


1. Die bei Einwirkung von SO,-Gas auf Diazo-m-toluolsalzlösung 
gewonnene Sulfonsäure C,4Hı6s NıSOs besitzt den Charakter einer 
Hydrazinverbindung und kommt ihr vermutlich die Konstitutions- 
formel GC H; N:N- C, Hs NH-NH:- SO; H zu. 

2. Ammoniakalische Silberlösung führt die Sulfonsäure über in 
das Silbersalz, OH; N:N-C, H,N:N- SO; Ag. 

3. Ammoniakalische Kupferlösung gibt mit der Sulfonsäure das 
Ammoniumsalz, & H;N:N-C, H,N:N-SO; NH.. 

4. Oxydiert man das Kaliumsalz der Sulfonsäure mit HgO, so 
resultiert das orangerote Kaliumsalz, C,H, N:N-C; H3N:N-SO;K; 
aus diesem fällt Mineralsäure keine gefärbte Sulfonsäure, Aether ent- 
zieht aber eine ölige, allmählich fest werdende, aber nicht rein zu 
erhaltende Sulfonsäure, die ins Natriumsalz, ©, H,N:N-C,H,N: 
N-SO,Na übergeführt wurde. 

5. Die Sulfonsäure spaltet beim Erhitzen mit aromatischen 
Aldehyden in einer Suspension von Eisessig oder von Alkohol und 
wenig konzentrierter Schwefelsäure bezw. Alkohol und Eisessig die 
SO;H-Gruppe ab und gibt mit dem bei der Spaltung auftretenden 
Hydrazin Hydrazone bezw. anders konstituierte Kondensationsprodukte 
in Form von stahlblau oder kantharidengrün gefärbten krystallisierten 
Verbindungen, aus denen wässeriges Ammoniak die angelagerte H, SO, 
abspaltet. Untersucht sind in dieser Hinsicht Benzaldehyd, p- und 
m-Nitrobenzaldehyd, Salicylaldehyd, Zimmtaldehyd und m-Brom- 
benzaldehyd. 

6. Analog verhalten sich alle Aldehyde sowie Körper mit Keton- 
oder Aldehydgruppen. 


326 J. Tröger, H. Berlin u. M. Franke: Sulfonsäure CjsH1aN4SO;. 


Mitteilung aus dem pharmazeutisch-chemischen Laboratorium 
der Herzoglich technischen Hochschule zu Braunschweig. 


Ueber die vermutliche Konstitutionsformel 
der bei der Einwirkung von S0, auf Diazobenzolsalz 
entstehenden Sulfonsäure, C,H.N,S0,. 


Von J. Tröger, H. Berlin und M. Franke. 
(Eingegangen den 2. VIII. 1906.) 


Die aus Diazobenzolsalz und SO, bereitete Sulfonsäure!) 
C2Hı2N,SO; dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach die Konstitutions- 
formel GH; N:N-CsH,NH-NH-SO;H besitzen. Hierfür spricht 
wenigstens das früher?) schon beschriebene Verhalten gegen HgO und 
gegen salpetrige Säure. In nachstehendem sollen weitere Versuche 
beschrieben werden, durch welche die früher schon aufgestellte 
Konstitutionsformel gestützt wird. Bei allen nachstehend verzeichneten 
Versuchen ist immer eine analysenreine Sulfonsäure verwendet worden, 
deren Reinigung nach den in der vorangegangenen Abhandlung ge- 
machten Angaben erfolgte. Die Reinheit der Sulfonsäure wurde 
jedesmal durch eine vollständige Elementaranalyse festgestellt. 

Einwirkung von ammoniakalischer Silberlösung 
auf die Sulfonsäure O,.H1N,SO;:. Trägt man in eine, mit 
NH; im Ueberschuß versetzte wässerige Silbernitratlösung die blutrote 
Sulfonsäure ein, so erfolgt entweder schon in der Kälte oder beim 
gelinden Erwärmen auf dem Wasserbade eine prachtvolle Silberspiegel- 
bildung und die Abscheidung eines durch metallisches Silber stark 
verunreinigten dunkelgelben Silbersalzes. Da die Flüssigkeit trüb 
durch das Filter geht, so löst man zunächst am besten durch Erwärmen 
mit etwas konzentrierter Salpetersäure das fein verteilte Silber und 
krystallisiert schließlich das ungelöst bleibende Silbersalz aus wässerigem 
Alkohol. Man gelangt auf diese Weise zu einem aus bräunlich-gelben 
Krystallen bestehenden Silbersalze, CGHs N:N-GH,N:N-S80; Ag. 

Analyse. 
0,1644 g Substanz gaben 0,0446 g Ag, entsprechend 27,12% Ag. 
Berechnet auf die Formel CjgHgN4SOg Ag: Gefunden: 
Ag 27,2% 27,12. 

1) Vergl. Journ. prakt. Chem. (2), 72, 5li und die vorhergehenden 
Abhandlungen. 

2) loc. cit, 


J. Tröger, H. Berlin u. M. Franke: Sulfonsäure CjsHjsN4SO,. 327 


Dieses Silbersalz ist identisch mit demjenigen, welches man 
erhält, wenn man das Kaliumsalz der Sulfonsäure, OsHsN:N- 
C,H, NH-NH-SO;K, mit frisch bereitettem HgO in wässeriger 
Lösung oxydiert und das hierbei entstehende Kaliumsalz, CH; N:N- 
CGH,N:N-SO;K, in wässeriger Lösung mit AgNO; umsetzt. Die 
ammoniakalische Silberlösung hat daher die beiden H-Atome der 
Hydrazingruppe in der roten Sulfonsäure entzogen und über das NH;- 
Salz dieser oxydierten Sulfonsäure hat sich das analoge Ag-Salz ge- 
bildet. 

Einwirkung von ammoniakalischer Kupferlösung 
auf die Sulfonsäure, C,.H,N,SO;,. Trägt man in eine mit 
überschüssigem Ammoniak versetzte Kupfersulfatlösung die rote 
Sulfonsäure ein, so verschwindet deren rote Farbe und beim Erwärmen 
bleibt ein ledergelber Niederschlag in der Flüssigkeit suspendiert. 
Sammelt man denselben nach dem Erkalten der Flüssigkeit auf dem Filter 
und zieht ihn dann mit siedend heißem Wasser aus, so scheidet sich aus 
dem erkaltenden stark gefärbten Filtrate das in ledergelben feinen 
Nadeln krystallisierende Ammoniumsalz der oxydierten Sulfonsäure 
ab. Daß diesem Salze die Formel C,H; N:N-C,H,N:N-SO; NH, 
entspricht, beweist die nachstehende Stickstoffbestimmung. 


Analyse. 
0,0944 g Substanz gaben 19,1 ccm N bei 22° und 761,5 mm, entsprechend 
22,97% N. 
Berechnet auf die Formel CjaH;s N; S0;: Gefunden: 
N 22,8% 22,97. 


Daß das NH,-Salz der oxydierten Sulfonsäure vorliegt, erkennt 
man daran, daß aus der Lösung dieses Salzes Mineralsäure keine ge- 
färbte Verbindung abscheidet, während man die ursprüngliche blutrote 
Sulfonsäure erhält, wenn man vor dem Ansäuern das Ammoniumsalz 
mit Schwefelammon reduziert hat. 


Kondensationsversuche der Sulfonsäure, C,2Hı: N,SO; 
mit aromatischen Aldehyden. Läßt man auf die in Eisessig 
suspendierte Sulfonsäure bei Wasserbadwärme die rote Sulfonsäure 
einwirken, so erfolgt die Abspaltung der SO;H-Gruppe und das aus 
dem gebildeten Hydrazin und dem Aldehyd entstehende Kondensations- 
produkt vereinigt sich mit der aus der SO;H-Gruppe entstehenden 
H;,SO, zu einem stahlblauen, violetten oder kantharidengrünen kry- 
stallinischen H2»SO,-Produkte. Diese H, SO,-Produkte krystallisieren 
durchweg vorzüglich und sind nach dem Absaugen und Trocknen an 
der Luft oder über Schwefelsäure sehr beständig. In trockenem Zu- 
stande werden alle durch NH;3-Gas oder wässeriges Ammoniak in 


328 J. Tröger, H. Berlin u. M. Franke: Sulfonsäure CjsH4aN3SO;. 


orangegelbe bezw. rote H,SO,-freie Verbindungen verwandelt. In 
einzelnen Fällen erreicht man die vollständige Abspaltung der H»S0, 
auch schon durch Kochen mit Wasser. 

Um reine Kondensationsprodukte zu erhalten, ist vor allem not- 
wendig, von einer absolut reinen Sulfonsäure auszugehen, d. h. deren 
Reinheit analytisch festzustellen. 


Kondensation der Sulfonsäure C2»H.N,SO,; mit 
Benzaldehyd. Wird die mit Eisessig übergossene und mit Benz- 
aldehyd versetzte Sulfonsäure auf dem Wasserbade erwärmt, so tritt 
eine schöne blauviolette Färbung der Reaktionsflüssigkeit ein und 
entweder schon während des Erwärmens oder nach dem Erkalten 
scheiden sich schöne stahlblaue Nädelchen einer H, SO,-Verbindung 
ab. Diese Verbindung wird nach dem Absaugen mit wenig Eisessig 
nachgewaschen und erst an der Luft, schließlich im Vakuumexsikkator 
über Schwefelsäure getrocknet. 

Uebergießt man diese stahlblaue H,SO,-Verbindung mit wässerigem 
Ammoniak, so geht sie fast momentan in ein orangegelbes Produkt 
über, während die farblos bleibende Ammoniakflüssigkeit die H,SO, 
als Ammonsulfat enthält. Das durch Umsetzung mit NH; erhaltene 
Produkt saugt man ab, wäscht mit wässerigem NH, nach und trocknet 
es über Aetzkali. Nach dem Trocknen, aus Benzol umkrystallisiert, 
erhält man das Reaktionsprodukt in glänzenden rotgelben blätterigen 
Krystallen, deren Schmelzpunkt bei 168,5—169® liegt. 

Die Analyse spricht für die Bildung eines Hydrazones, 
CH; N:N: GG HANH-N:CH- Cs 3:. 

Analysen. 

1. 0,0591 g Substanz gaben 0,1647 g CO, und 0,0294 g H50, entsprechend 
76,0% C und 5,53% H. 

2. 0,1104 g Substanz gaben 0,3097 g COs und 0,0486 g Ha0, entsprechend 
76,5% C und 4,9% H. 

3. 0,0906 g Substanz gaben 15,7ccm N bei 260 und 764 mm, entsprechend 
19,33% N. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
Co Hıs N4 : 3; 2. 3. 
C 76,00% 76,00 76,5 — 
H.;5,33„ 5,53 4,9 — 
N 18867, == — 19,33. 


Frage nach der Konstitution des ursprünglichen, 
aus der Sulfonsäure CR.H,ıN,SO; und Benzaldehyd ent- 
stehenden Kondensationsproduktes. Da wir anfangs beim 
Reinigen des mit NH; aus dem genannten Kondensationsprodukte 
entstehenden Körpers (Schmp. 168,5°), den wir später als ein Hydrazon 


u u 


J. Tröger, H. Berlin u. M. Franke; Sulfonsäure CjgH,gNgSO,. 329 


erkannten, auf mancherlei Schwierigkeiten stießen, so suchten wir die 
Frage nach der Konstitution der genannten Verbindung durch eine 
vollständige Analyse der H, SO,-Verbindung zu entscheiden. Mußte 
doch aus der H, SO,-Menge das Molekulargewicht sich ermitteln lassen. 
So wunderbar diese H»SO,-Verbindung aber auch krystallisiert er- 
halten wird, so daß es außer allen Zweifel ist, daß wir es hier mit 
einem einheitlichen chemischen Individuum zu tun haben, so sind wir 
doch bei den fortgesetzten Analysen, die wir mit Produkten verschiedener 
Herkunft ausführten, in unseren Erwartungen stark enttäuscht worden. 
Anfangs mochte es wohl seinen Grund darin haben, daß wir wohl von 
einer über das Kaliumsalz gereinigten Sulfonsäure ausgingen, daß wir 
aber uns nicht von der wirklichen Reinheit dieser Sulfonsäure durch 
eine vollständige Analyse überzeugt hatten. 

Wie schwankend die Analysenwerte sein können, mögen nach- 
stehende H,SO,-Bestimmungen lehren, die mit prächtig krystallisierten 
Kondensationsprodukten verschiedener Herkunft ausgeführt sind. Diese 
Bestimmungen haben wir einerseits so ausgeführt, daß wir das stahl- 
blaue Kondensationsprodukt, in dem bekanntlich eine H,SO,;-Verbindung 
vorliegt, nach dem Uebergießen mit NH; einige Zeit stehen ließen und 
nach dem Abfiltrieren und Nachwaschen des hierbei gebildeten Hydrazons 
in dem mit HCl angesäuerten Filtrate die H;SO, mittelst BaC]; fällten. 
Da möglicherweise sich etwas H3SO, bei dieser Analysierweise der 
Bestimmung hätte entziehen können, so haben wir ferner nach Carius 
mit HNO, im Rohr die organische Substanz zerstört und dann die 
H>sSO, in bekannter Weise gefällt. Ein und dasselbe Produkt nach 
beiden Methoden analysiert, gab die gleichen Resultate, ein Beweis, 
daß der ersten Methode, wenn man sie bei diesem Körper!) anwendet, 
ebenso zuverlässige Resultate gibt wie die zweite. In einigen Fällen 
fiel es auf, daß bei Zusatz des BaCls nicht sofort, sondern erst nach 
einigem Kochen die BaSO,-Fällung entstand, während meist diese 
Fällung ganz normal verlief. Man könnte hiernach glauben, die SO;H- 
Gruppe sei bei der Kondensation überhaupt nicht abgespalten worden. 
Dem ist aber nicht so, denn sonst könnte die geringste Spur von NH3 
nicht derartig rasch auf diese fragliche Verbindung reagieren. Daß 
NH; aber nicht salzbildend, sondern HzSO, abspaltend wirkt, lehrt 
einerseits die Analyse des mit NH, erhaltenen S-freien Produktes, 
andererseits der Umstand, daß Pyridin denselben Körper liefert 
wie NH;. 


1) Nicht bei allen H3SO,-Verbindungen läßt sich dieses Verfahren an- 
wenden, da bei manchen die ammoniakalische Flüssigkeit außer Ammonsulfat 
auch organische Stoffe gelöst enthält. 


330 J. Tröger, H. Berlin u. M. Franke: Sulfonsäure C;gH,gN4SO;. 


Bei H3SO,-Bestimmungen erhielten wir im Laufe unserer Unter- 
suchungen folgende Werte: 21,1, 23,7, 22,9, 20,9, 20,99, 21,17, 19,47, 
20,05, 21,9, 22,9, 20,47, 23,7 und 23,83% HzSO,. Die Elementar- 
analyse ergab, an einigen Produkten ausgeführt, folgende Zahlen: 
58,63% C, 4,82% H, 58,37% C, 4,67% H, 56,43% C, 4,7% H, 56,48% C, 
5,13% H, 58,49% C, 4,67% H, 57,32% C, 4,97% H. Die Analysen, 
die mit ein und demselben Produkte ausgeführt sind, stimmen gut 
überein, es kann also nicht an der Art des Analysierens liegen, 
sondern nur an dem Körper selbst, wenn unsere Analysen so wenig 
befriedigend ausfielen. Der anfangs zu niedrig gefundene H3SO,-Gehalt 
könnte für eine partielle Abspaltung der angelagerten Säure sprechen. 
Dies ist aber so gut wie ausgeschlossen, da mit einer solchen Ab- 
spaltung ein deutlich wahrnehmbarer Farbenumschlag hätte verbunden 
sein müssen. Es scheint daher, daß die Schwankungen in den Analysen- 
werten doch von geringen Verunreinigungen herzurühren scheinen, die 
entweder von einer nicht genügend reinen Sulfonsäure oder von einer 
bei der Kondensation auftretenden sekundären Reaktion stammen. Auch 
die N-Bestimmungen ließen viel zu wünschen übrig und gaben meist 
etwas zu hohe Werte. 


Bezüglich der Konstitution der H3SO;-Verbindung sind vielerlei 
Möglichkeiten denkbar, doch scheint es uns in Anbetracht der Analysen- 
zahlen, die wir bei analog dargestellten Produkten erhielten, als das 
Wahrscheinlichste, daß in den stahlblauen Nädelchen die H3S0,;- 
Verbindung des Hydrazons, (OH; N:N-QC,H,NH-N:CH-OsH,)- 
H;SO, vorliegt. Eine solche Verbindung verlangt: 24,6% H,SO,, 
57,3% C und 4,52% H. 

Auf diese Zahlen stimmen einige Hz SO,-Bestimmungen sowie 
auch die Elementaranalyse eines scheinbar besonders reinen Produktes. 
Da ein derartiges H,SO,-Produkt sich nicht, ohne daß es zersetzt 
wird, reinigen läßt, so haben wir schließlich das zeitraubende 
Analysieren aufgegeben, hoffen aber gelegentlich einer späteren 
Untersuchung noch einmal auf diesen Punkt zurückzukommen. Denn 
auffallend ist entschieden, daß ein Hydrazon, dem doch eigentlich gar 
kein basischer Charakter zukommen kann, mit Mineralsäuren derartige 
gefärbte Additionsprodukte zu bilden vermag. 


Kondensation der Sulfonsäure CaH»N,SO; mit 
m-Nitrobenzaldehyd. Zur Gewinnung dieses Kondensations- 
produktes wurde die analysenreine Sulfonsäure in Eisessig, dem einige 
Tropfen Alkohol zugesetzt waren, suspendiert und das Ganze nach 
weiterem Zusatz von m-Nitrobenzaldehyd auf dem Wasserbade erwärmt. 
Man erhält so nach dem Erkalten bezw. schon während des Erwärmens 


J. Tröger, H. Berlin u. M. Franke: Sulfonsäure C;gH,gN4S0,. 331 


stahlblaue Krystallnadeln, in denen die Hs,SO,-Verbindung eines 
Hydrazons, OsH,(NO,)CH:N-NH-C,;H,N:NOsH;,:H5SO, vorliegt. 
Analysen. 

1. 0,0512 g Substanz gaben 0,0270 g BaSO,, entsprechend 22,07 % H3SO,. 

2. 0,0794 g Substanz gaben 0,1512 g COs und 0,0305 g Hs0, entsprechend 
51,93% C und 4,26% H. 

3. 0,0747 g Substanz gaben 0,1420 g COy und 0,0280 g H30, entsprechend 
51,84% C und 4,16% H. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
Co Hy N; SO: z. 2. 3. 
C 514% — 519 51,84 
H 3,84 „ _ 426 4,16 
H3S0, 22,12, 2,07 — _ 


Uebergießt man das trockene H3SO,-Produkt mit wässerigem 
NH;,, so erhält man, ohne daß die ammoniakalische Flüssigkeit irgend 
welche Färbung annimmt, ein orangerotes Reaktionsprodukt, das nach 
dem Trocknen über Aetzkali oder Chlorcaleium, aus Benzol um- 
krystallisiert, tief rote Nadeln liefert, die bei 198—199° schmelzen. 
In diesem Produkte liegt, wie die Analyse zeigt, das Hydrazon 
CGsH:NO:CH:N NH-GsH,N:N-OsH5 VOr. 


Analyse. 
0,1088 g Substanz gaben 19,6 ccm N bei 26° und 763 mm, entsprechend 
20,1% N. 
Berechnet auf die Formel Cj9Hıs N5 O3: Gefunden: 
N 203% 20,1. 


Kondensation der Sulfonsäure C.aH.N,SO, mit 
p-Nitrobenzaldehyd. Läßt man auf die in Eisessig suspendierte 
Sulfonsäure den genannten Aldehyd bei Wasserbadtemperatur reagieren, 
so gelangt man zu einem blauschwarzen H,SO,-Produkt, das nach 
dem Absaugen und Nachwaschen mit wenig Eisessig mit wässerigem 
NH; umgesetzt wurde. Hierbei resultierte ein rotgelbes Produkt, 
das aus Benzol in prächtigen tiefroten Nadeln vom Schmp. 173° 
erhalten wird. 

Daß in dem erhaltenen Produkte das Hydrazon, OsH,(NO,)CH: 
N-NH-CsH,N:NCsH; vorliegt, bestätigen die nachstehenden Analysen. 


Analysen. 


1. 0,1830 g Substanz gaben 0,4446 g CO, und 0,0728 g H30, entsprechend 
66,25% C und 4,40% H. 

2. 0,1719 g Substanz gaben 0,4188 g CO, und 0,0688 g Hs0, entsprechend 
66,45% C und 4,40% H. 

3. 0,0992 g Substanz gaben 17,7 ccm bei 26° und 763 mm, entsprechend 
19,9% N. 


332 J. Tröger, H. Berlin u. M. Franke: Sulfonsäure CjgHjaN4SOs. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
Cy Hys N; Os: 1: 2. 3. 
C 66,01% 66,25 6645 — 
H 4,06, 440 440 — 
N 203 „ _ — 199. 


Kondensation der Sulfonsäure C2»H.N,SO; mit 
Salicylaldehyd. Läßt man auf die in Eisessig suspendierte 
Sulfonsäure bei Wasserbadwärme Salicylaldehyd einwirken, so gelangt 
man zu einem kantharidengrünen krystallinischen H23SO,4-Produkte. 
Letzteres, mit wässerigem Ammoniak umgesetzt, bildet einen orange- 
gelben Körper, der nach dem Trocknen über Aetzkali aus Benzol 
gereinigt wurde. Hierbei erhält man goldgelbe Blättchen vom 
Schmp. 205—206°. 

Daß in diesem Produkte ein Hydrazon von der Zusammen- 
setzung CsH,(OH)CH:N-NH-0sH,N:NCO,H, vorliegt, bestätigen 
nachstehende Analysen. 

Analysen. 

1. 0,0816 g Substanz gaben 0,2150 g CO3a und 0,0399 g Hs0, entsprechend 
71,86% C und 5,43% H. 

2. 0,0855 g Substanz gaben 0,2259 g CO und 0,0397 g Hg0, entsprechend 
72,05% C und 5,15% H. 

3. 0,0718 g Substanz gaben 0,1910 g COs und 0,0380 g Hg0, entsprechend 
72,54% C und 5,88% H. 

4. 0,0823 g Substanz gaben 0,2177 g COs und 0,0355 g Hs0, entsprechend 
72,14%, C und 4,8% H. 

5. 0,0766 g Substanz gaben 0,2048 g COs, entsprechend 72,39% C, 
H-Bestimmung verunglückt. 

6. 0,0408 g Substanz gaben 6,6 ccm N bei 23° und 761 mm, entsprechend 
18,16% N. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
Co H;s N; O0: dr 2. 3: 4. 5. 6. 
C 72,15% 71,86 72,05 72,54 7214 239 — 
HB 55,06, 5.43 .515.:.5,8 748 _ — 
N 17,72, — _ u _ — 18,16. 


Da bei unseren Versuchen, die wir mit der analogen Sulfonsäure 
der m-Toluolreihe ausgeführt haben, die Kondensation nicht immer 
unter Bildung eines Hydrazons von statten geht und unsere Analysen 
des vorgenannten Reaktionsproduktes zuweilen auch zu ganz anderen 
analytischen Daten geführt hatten, so haben wir, da genannter Körper 
relativ leicht in Benzol löslich war, das Molekulargewicht durch 
Siedepunktserhöhung ermittelt. 


J. Tröger, H. Berlin u. M. Franke: Sulfonsäure CjaHys3N4S0,. 333 


I. II. 
Angewandte Substanz . . 0,1155 g 0,095 g 
Lösungsmittel (Benzol). . 17,83 „ 19,07.: 
Konstante für Benzol . . 26,7 26,7 
Siedepunktserhöhung . . 0,05 0,04 
Mol.-Gew. 346 332,5. 


Der Formel CioHıs N4O entspricht das Mol.-Gew. 316. Es liegt 
somit ein Hydrazon vor. 

Kondensation der Sulfonsäure C,H, N4SO; mit Anis- 
aldehyd. Läßt man auf die in Eisessig suspendierte Sulfonsäure bei 
Wasserbadtemperatur Anisaldehyd reagieren, so erhält man nach 
vollendeter Reaktion beim Erkalten der Reaktionsflüssigkeit stahlblaue 
Nädelchen des Kondensationsproduktes. Dasselbe besteht, wie die 
nachstehenden Analysen beweisen, aus der HzS0O,-Verbindung 
des Hydrazons, CgH,(OCH,)CH:N-NH-OgH,-N:N- OsH;-H3SQ,. 

Analysen. 

1. 0,1146 g Substanz gaben 0,2340 g CO, und 0,0614 g Hg, entsprechend 
55,7% C und 5,9% H. 

2. 0,1250 g Substanz gaben 0,0686 g BaSO,, entsprechend 23,04% HaSO,. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
CyoHHN4SO;: ik, 2. 
C 56,07% 55,7 E= 
H 3 AR 5,9 _ 
HsS0, 229 „ _ 23,04. 


Abgesehen vom H,, der bei der Verbrennung nach Dennstedt 
etwas zu hoch ausfiel, stimmt die Analyse auf die oben erwähnte 
Verbindung. Setzt man diese H, SO,-Verbinduug mit wässerigem 
Ammoniak in der Kälte um, so gelangt man zum freien Hydrazon, 
Os H, (OCH;) CH :N-NH. Os H, N:N- Os HB;. Dasselbe bildet ein 
orangegelbes Produkt und wird aus wässerigem Alkohol in Form 
eines gelben krystallinischen Produktes vom Schmp. 132° erhalten. 

Analysen. 

1. 0,0682 g Substanz gaben 10,4 ccm N bei 24° und 760 mm, entsprechend 
17,1% N. 

2. 0,0550 g Substanz gaben 0,1418 g COs und 0,0296 g H30, entsprechend 
70,31% C und 5,97% H. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
Co H,sN,0 s 1, 2. 
C 70,27% —_ 70,31 
H- 549, _ 5,97 
N 16,97, Arche 


In dem H,SO,-Produkte des obigen Hydrazons ist die H,SO, 
verhältnismäßig schwach gebunden. Kocht man z. B. die H,SO;- 
Verbindung kurze Zeit mit Wasser, so läßt sich im sauer reagierenden 


Bar 
ET 


334 J. Tröger, H. Berlin u. M. Franke: Sulfonsäure C1gHj5N4SO;. 


Wasser die Schwefelsäure nachweisen und an Stelle der ursprünglich 
stahlblauen Nädelchen erhält man ein dunkelgelbes H.,SO,-freies 
Produkt. Auffallend ist, daß die abgespaltene H2,SO, bei dieser 
Verdünnung ohne Reaktion ist. Gibt man jetzt zu der sauren 
Flüssigkeit etwas stärkere Säure, z. B. die übliche verdünnte HCl 
(12,5%), so erhält man wieder ein tief blau gefärbtes Additionsprodukt, 
dessen nähere Untersuchung erst später fortgesetzt wird, wenn wir 
auch andere Mineralsäuren an die angeführten Hydrazone anlagern werden. 

Kondensationder Sulfonsäure OH, N,SO; mit Zimmt- 
aldehyd. Läßt man auf die in Eisessig suspendierte Sulfonsäure 
den genannten Aldehyd bei Wasserbadwärme reagieren, so gelangt 
man zu einem kantharidengrünen krystallinischen Hs SO,-Produkte, 
in dem die H3SO,-Verbindung eines Hydrazons vorliegt. Zwei mit 
dem krystallisierten Rohprodukte ausgeführte Hs SO,-Bestimmungen 
gaben Werte, die, wenn sie auch nicht sehr scharf stimmen, doch 
deutlich erkennen lassen, daß es sich um eine HsSO,-Verbindung 
des Hydrazons, &H;CH:CH-CH:N-NH- 0, H,N:NO,H, - H3S0, 


handelt. Analysen. 
1. 0,1290 g Substanz gaben 0,0684 g BaSO,, entsprechend 22,3% H3SO,. 
2. 0,1230 g Substanz gaben 0,0650 g BaSO,, entsprechend 22,3% H3S0Q,. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
Cor Hso N S0:: ® 2. 
H3S0, 231% 22,3 22,3. 


Setzt man das kantharidengrüne Reaktionsprodukt mit wässerigem 
Ammoniak um, so gelangt man zu einem rotgelben H3SO,-freien 
Produkte, das aus Alkohol in rotgelben glänzenden blätterigen oder 
nadelförmigen Krystallen erhalten wird, die bei 167° schmelzen. 

Analysen. 

1. 0,0796 g Substanz gaben 12,4 ccm N bei 27° und 764 mm, entsprechend 
17,29% N. 

2. 0,0811 g Substanz gaben 0,2290 g COs und 0,0385 g H,O, entsprechend 
77,0% C und 5,27% H. 


Berechnet auf die Formel Gefunden: 
Car HysN«: A: 2. 

3% u 77,0 

DH. -053, _ 5,27 

N 1718, 17,29 _ 


Wir haben schließlich noch weitere Aldehyde mit der Sulfonsäure 
kondensiert und sind immer zu tiefblau oder kantharidengrün gefärbten 
Hs SO,-Verbindungen gelangt, die mit Ammoniak H, SO,-freie orange- 
gelbe bezw. rote Hydrazone liefern. In dieser Hinsicht noch geprüft sind 
m-Brombenzaldehyd, Cuminol und Piperonal. Auch Ketone 
der aromatischen Reihe reagieren in analoger Weise. Da aber nicht 


J. Tröger, H. Berlin u. M. Franke: Sulfonsäure CjgHısN4SOs. 335 


bloß H,.SO, mit den Hydrazonen dunkelgefärbte Additionsprodukte 
liefert, sondern auch andere Mineralsäuren wie HCl und HNO, mit 
den freien Hydrazonen derartig dunkelgefärbte Produkte geben, so 
werden wir vor allem bei der Fortsetzung unserer Versuche unser 
Hauptaugenmerk auf die mit HCl und HNO; entstehenden Additions- 
verbindungen zu lenken haben. 


Zusammenfassung. 


1. Einwirkung von SOs auf Diazobenzolsalzlösung gibt eine 
blutrote Sulfonsäure C}2 Hı2 NıSO; neben wenig Sulfazid, C;H,;-NH- 
NH-SO,C,H;. Der über das Ammoniumsalz gereinigten Säure scheint 
die Konstitutionsformel OsHsN:N - CH, -NH-NH.-SOsH zuzukommen. 

2. Mit ammoniakalischer Silberlösung liefert obige Sulfonsäure 
unter Silberspiegelbildung das Silbersalz von der Zusammensetzung 
GH; N:N-CsH,N:N-SO; Ag. Dieses Silbersalz ist identisch mit 
demjenigen, welches man erhält, wenn man ein mit HgO oxydiertes 
Alkalisalz der Sulfonsäure mit Silbernitrat umsetzt. 

3. Erhitzt man obige Sulfonsäure mit ammoniakalischer Kupfer- 
sulfatlösung, so resultiert das Ammoniumsalz, CHs N:N-CsH,N:N- 
SO; NH.. 

Alle bisher untersuchten aromatischen Aldehyde geben mit der 
in Eisessig suspendierten Sulfonsäure beim Erwärmen auf dem Wasser- 
bade tiefblau- bis blauviolettgefärbte Reaktionsflüssigkeiten, aus denen 
sich, je nach der Löslichkeit in der Wärme bezw. beim Abkühlen 
tiefblaue bis kantharidengrüne H, SO,-Verbindungen abscheiden. Diese 
gut krystallisierenden H, SO,-Verbindungen scheinen H, SO,-Additions- 
produkte von Hydrazonen zu sein. Letztere bilden sich aus dem bei 
der Spaltung der Hydrazinsulfonsäure entstehenden Hydrazin und dem 
zur Reaktion gelangenden Aldehyde. In trockenem Zustande sind 
diese H, SO,-Verbindungen sehr beständig, zuweilen sogar gegen Wasser 
in der Kälte, heißes Wasser zerlegt sie mehr oder weniger leicht 
unter Abspaltung von H»SO,. Die aus den H, SO,-Verbindungen mit 
wässerigem NH; erhaltenen freien Hydrazone sind orange, gelb oder rot 
gefärbt, krystallisieren gut aus Benzol oder Alkohol und geben mit 
allen starken Mineralsäuren blaue oder grüngefärbte Additionsprodukte. 
Von derartigen Hydrazonen sind diejenigen von Benzaldehyd, p- und 
m-Nitrobenzaldehyd, Salicylaldehyd, Anisaldehyd und 
Zimmtaldehyd dargestellt und analysiert worden. Ferner sind 
dargestellt, jedoch noch nicht analysiert, analoge Hydrazone des m-Brom- 
benzaldehyds, des Cuminols und des Piperonals. 

5. Alle aromatischen Ketonverbindungen geben mit der Sulfon- 
säure analoge Hydrazone, deren Untersuchung fortgesetzt wird. 


336 F. Kraft: Mutterkorn. 


Ueber das Mutterkorn. 
Von Dr. F. Kraft, 
Privatlaboratorium in Brugg. 


(Eingegangen den 3. VIII. 1906.) 


Unter der beschränkten Zahl der heute noch bei der wissen- 
schaftlichen Heilkunde in Ansehen stehenden Drogen hat sich das 
Mutterkorn eine bervorragende Stellung zu erhalten gewußt. Desto 
auffälliger ist es, daß die chemische Erforschung der Droge mit den 
Forderungen der Jetztzeit durchaus nicht Stand gehalten hat. Es 
erhellt diese Unzulänglichkeit recht schlagend aus dem Umstande, 
daß die neuen Pharmakopöen noch keine quantitativen Wertbestimmungs- 
methoden des doch zu den Separanden zählenden Mutterkornes auf- 
genommen haben. Nicht daß es zwar an einer ganz brauchbaren Be- 
stimmungsmethode der Alkaloide des Mutterkornes, der Keller’schen!), 
fehlte, dagegen erachteten es die pharmazeutischen Gesetzgeber mit 
gutem Rechte als durchaus noch nicht erwiesen, daß die Mutterkorn- 
alkaloide die Träger der spezifischen Heilwirkung desselben bilden; 
ebensowenig konnten die bis vor kurzem bekannten übrigen Mutterkorn- 
körper dieses Zutrauen für sich beanspruchen. 

Die durch die Namen Ergotsäure, Sclerotinsäure, Sphacelinsäure, 
Pikrosclerotin, Ekbolin, Ergotin etc. repräsentierten älteren Arbeiten 
führten nur zu durchaus unbefriedigenden Rohsubstanzen, weshalb 
sich uns eine Besprechung derselben erübrigt. 

Im Jahre 1875 gelang es Tanret?) aus dem Mutterkorn ein 
krystallisiertes Alkaloid, das Ergotinin, zu erhalten; später fand er 
dann noch eine zweite, krystallisierte, spezifische Mutterkornsubstanz, 
das Ergosterin, eine Art Phytosterin. Tanret glaubte im Ergotinin 
auch den Heilkörper der Droge gefunden zu haben, indessen war er 
nicht imstande, dieser Annahme Geltung zu verschaffen; in chemischer 
Richtung dagegen sind Tanret’s Arbeiten durchaus zuverlässiger Art. 

Im Jahre 1884 veröffentlichte Kobert?) die Entdeckung dreier 
neuer Mutterkornkörper: Ergotinsäure, Sphacelinsäure und 
Cornutin. Diese sind jedoch nach des Autors eigenen Angaben nicht 
chemische Reinkörper, sondern bloß physiologisch reine Präparate; sie 
sollten angeblich wohl charakterisierte und konstante physiologische 


1) Schweiz. Wochenschrift f. Chemie u. Pharm. 1894. 
2) Compt. rend. 1875, S. 896. 
8) Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 18, S. 316. 


F. Kraft: Mutterkorn. 337 


Wirkung zeigen. In der harzartigen Sphacelinsäure glaubte Kobert 
das die zur Geburt nötigen Kontraktionen des Uterus auslösende 
Agens gefunden zu haben, während er das Alkaloid Cornutin als ein 
stark krampferregendes, nachher lähmendes Gift erklärte, das nicht 
der eigentlich wehentreibende Bestandteil des Mutterkornes sei. Wie 
weit es mit dieser physiologischen Reinheit bestellt war, zeigte am 
besten Kobert’s eigene Fortsetzung seiner Untersuchungen!) in denen 
er eher zum entgegengesetzten Schlusse gelangte; von jetzt ab erklärte 
er das Cornutin als den die medizinische Mutterkornwirkung hervor- 
zurufenden Körper. Dieser auffällige Wechsel in der Beurteilung 
entspringt eben dem Umstande, daß diese weder durch Darstellungs- 
weise noch durch Eigenschaften genügend charakterisierten Präparate 
einfach Gemische von wechselnder Zusammensetzung waren. Später 
beschränkt sich dann Kobert auf die erweiterte Ansicht, daß ein 
Alkaloid der Träger der therapeutischen Mutterkornwirkung sei. 

Ausgehend von der zweiten Veröffentlichung Kobert’s arbeitete 
1896 Keller?) eine Darstellungsmethode und eine quantitative Be- 
stimmungsmethode des Mutterkornalkaloides aus, kam aber hierbei zur 
Einsicht, - daß sein reines Alkaloid, das er zugleich als das einzige 
des Mutterkornes erklärte, identisch sei mit dem Ergotinin Tanret, 
welches hinwiederum schon früher von Kobert als unwirksam 
bezeichnet worden war. Ferner halten sowohl Keller als Tanret 
das Kobert’sche Cornutin für teilweise zersetztes Ergotinin. Trotz 
diesen nicht aufgeklärten Widersprüchen behielt Keller für das reine 
Alkaloid den Namen Cornutin bei und betrachtete es weiterhin als 
Träger der Mutterkornwirkung. 

Im Jahre 1902 unterwarf dann Santesson?) die Keller'schen 
Originalpräparate einer pharmakologischen Prüfung und kam zum 
Schlusse, daß Cornutin Keller nicht die fruchtabtreibende Wirkung 
des Secale cornutum bedingen könne; dagegen zeigten die Präparate 
eine sonstige zwar nicht sehr starke Giftwirkung. 

Im Jahre 1897 erschien eine Arbeit „Ueber den spezifisch 
wirksamen Bestandteil des Mutterkorns von Jakobj“*). 
Gleichwie vordem Kobert baut Jakobj vornehmlich auf Grundlage 
des pharmakologischen Experimentes auf und findet, daß nicht ein 
Alkaloid sondern eine stickstofffreie Substanz phenolartiger Natur die 
Wirkung in sich berge; diese seine wirksame Substanz, das Sphacelo- 
toxin, ist mehr hypothetischer Natur. Zufolge ihrer Zersetzlichkeit 

1) Centralblatt f. Gynäkolog. 1886, No. 20. 

2) Keller, Schweiz. Wchschr. f. Chem. u. Pharm. 1896, S. 65. 

8) Santesson, Skandinav. Arch. f. Physiologie, Bd. XIII, 1902. 

4) Jakobj, Arch. f. exp. Path. u. Pharmakologie, Bd. 39, S. 85. 

Arch. d. Pharm. COXXXXIV. Bds. 5. Heft. 22 


338 F. Kraft: Mutterkorn. 


konnte er sie in freiem Zustande ohne teilweise Zersetzung nicht 
gewinnen und überhaupt nur jeweilen Spuren derselben erhalten. 
Sphacelotoxin soll jedoch die Eigenschaft besitzen, sich sowohl an 
Basen wie an Säuren des Mutterkornes, anzulagern. Eine solche Ver- 
bindung mit einer Säure ist das Chrysotoxin und eine ebensolche 
mit einem Alkaloide das Secalintoxin. Bei der Reinigung verliert 
das Secalintoxin seine Wirksamkeit; in reinem Zustande heißt es 
Secalin, was aber nichts anderes ist als Ergotinin. Die Mehrzahl 
seiner physiologischen Versuche hat Jakobj mit dem Chrysotoxin 
ausgeführt. Dieses wird einfach durch fraktionierte Petrolätherfällung 
des Aetherauszuges des Mutterkornes erhalten. Vom chemischen 
Standpunkte aus betrachtet lassen sich an Jakobj’s Arbeit viele 
Einwendungen machen. 

Unter Zusammenfassung der bisherigen Resultate ergibt sich 
also, daß das von Tanret dargestellte Alkaloid Ergotinin bis jetzt 
der einzige aus dem Mutterkorn ausgeschiedene aktive spezifische 
Reinkörper war, und daß die Ansichten der 'Pharmakologen über die 
Materie sehr auseinandergehen und überdies recht unsicher sind, da 
ihnen die vor allem erst nötige sichere chemische Grundlage. zu ihren 
Hypothesen noch mangelte. 


Zur Ausführung meiner eigenen Untersuchungen bediente ich 
mich russischen Mutterkornes der Jahrgänge 1901—1905, jeweilen 
frisch geliefert als Pulver IIIT—IV durch die Firma Caesar & Loretz 
in Halle. 

Nach den bisherigen Arbeiten über Mutterkorn war anzunehmen, 
daß die wirksame Substanz in den Aetherauszug übergehe, und es 
wurde daher in erster Linie dieser in Untersuchung genommen. 

Das Mutterkorn enthält ca. ein Drittel seines Gewichtes an 
fettem Oel, und um diesen lästigen Ballast zuerst zu entfernen, wurde 
früher gewöhnlich die gepulverte Droge erst mit Petroläther entfettet. 
(Die helle Färbung des ausgezogenen Oeles bietet hierbei ein Kriterium 
für die frische Qualität der Droge.) Ich machte jedoch die Erfahrung, 
die mir von Caesar & Loretz bestätigt wurde, daß auch bei sorg- 
fältigster Extraktion immer mindestens 5% Oel zurückblieben; um 
vollständige Entfettung zu erzielen, mußte das erschöpfte Pulver 
mehrmals neu gepulvert und wieder ausgezogen werden. Unter diesen 
Umständen zog ich vor, das Oel erst aus dem Aetherextrakte aus- 
zuscheiden. Auch der vollständigen Aetherextraktion bietet das Pulver 
zähen Widerstand. Selbst kleine Mengen kann man kaum im Soxhlet- 
apparate in einigen Tagen erschöpfen, und größere Quantitäten kann 


F. Kraft: Mutterkorn. 339 


man im Perkolator mehrere Wochen lang mit tiber dreißigfacher Menge 
Aether perkolieren ohne ans Ziel zu gelangen. Am besten bewährte 
sich die von Keller bei der Mutterkornanalyse im kleinen angewandte 
Schüttelmethode. 

In einer tubulierten Flasche von 10 Litern Inhalt werden 3 kg 
Mutterkornpulver mit 800 g Wasser und 4,5 kg Aether eine Stunde 
lang geschüttelt, dann die Einfüllöffnung mit einem Stück Gaze über- 
bunden, der Tubulus ebenfalls geöffnet und die Flasche auf einen 
Perkolator umgestülpt, der als Filtriermaterial eine mehrere Zentimeter 
hohe Schicht von grobem Bimssteinpulver enthält. Die Aetherlösung 
läuft blank und glatt in einigen Stunden ab. Das in der Flasche 
verbliebene feuchte Pulver wird noch zehnmal mit je 2,5 kg Aether 
(ohne weiteren Wasserzusatz) in derselben Weise behandelt und ist 
dann nahezu völlig erschöpft. Die Auszüge werden, zur Vermeidung 
des Stoßens, unter Zusatz von einigen kleinen Stücken gebrannten 
Tones abdestilliert und die ölige Lösung am Vakuum im Wasserbade 
unter beständigem Umschwenken des Rundkolbens von Aether möglichst 
befreit. Der ca. 1,2 kg betragende Auszug wird gewogen und mit 
der 2,5fachen Gewichtsmenge Petroläther versetzt, wodurch reichlich 
hellgrüngelbe flockige Ausscheidung entsteht. Man läßt zwei Tage 
lang absitzen, hebert die klare Oellösung möglichst ab und filtriert 
den Rest durch eine Hülse von Filtrierpapier von 3 cm Durchmesser 
und 30 cm Länge, die man in ein passendes unten ausgezogenes Glas- 
rohr hineinlegt; der Brei wird unter Umrühren mit einem Glasstabe 
so oft mit Petroläther ausgewaschenr, bis dieser farblos bleibt und 
auch bei längerem Daranstehenlassen kein Fett mehr aufnimmt, und 
dann im Vakuum getrocknet. 

Das durch Abdestillieren der Petrolätherlösung erhaltene Oel 
erwies sich bei der Prüfung am Tier als unwirksam, und es ließ sich aus 
demselben nur eine kleine Menge derselben Alkaloide gewinnen, die sich 
in der Fällung befinden, sodaß also auf diese Art das Oel in befriedigender 
Weise von den übrigen Körpern des Aetherauszuges abgetrennt wird. 

Der in einer Ansbeute von ca. 5°/oo durch die Petrolätherfällung 
erhaltene „entfettete Aetherauszug“ bildet ein goldgelbes, trockenes, 
nicht mehr fettiges Pulver. Entgegen den Angaben Jakobj’s ist er 
in Aether sehr schwer löslich; 15 g desselben mußten im Soxhlet- 
apparate 10 Tage lang mit Aether behandelt werden, bis dieser keine 
Gelbfärbung mehr annahm. Jeden Tag wurde die Substanz aus der 
Patrone genommen, getrocknet und fein verrieben; auch der Aether 
wurde zur Vermeidung von Zersetzung jeden Tag gewechselt. Schließlich 
verblieben in der Patrone 1,5 g einer grauschwarzen Substanz, 
Die Aetherlösungen wurden vereinigt und auf 1 kg abdestilliert, und 

22* 


340 F. Kraft: Mutterkorn. 


gaben beim Abkühlen und Stehen flockige Ausscheidung, welche 
abfiltriert und mit etwas Aether gewaschen 1,0 g betrug. 

Aetherunlösliche und aus Aether abgeschiedene Substanz ent- 
halten denselben Körper, nämlich dasvon Tanret entdeckte Ergosterin, 
begleitet von etwas Alkaloid.. Durch wiederholtes Umkrystallisieren 
aus Methylalkohol wird esrein erhalten. Die heiß dargestellten Lösungen 
desselben in verschiedenen Medien zeigen die Eigentümlichkeit, beim 
Erkalten zu gelatinieren, ein Verhalten, das sich bei vielen Versuchen 
zur Analysierung der Grundsubstanz unangenehm bemerkbar machte. 

Zur weiteren Verarbeitung wurde die Aetherlösung nun mit 
1% iger Weinsäurelösung erschöpfend ausgeschüttelt, wozu ca. 15 Aus- 
züge mit je 200—-100 g Säurelösung nötig waren. Bei der ersten 
Ausschüttelung tritt gerne etwas Emulsion auf, hervorgerufen durch 
nochmalige Ausscheidung von Ergosterin, nachher trennen sich die 
Schichten gut. Die filtrierten, völlig klaren Weinsäureauszüge wurden 
mit 500 g Aether überschichtet, mit Soda übersättigt, ausgeschüttelt 
und die Lauge mit weiteren Portionen Aether erschöpft. Die ätherische 
Alkaloidlösung ist ziemlich gelb gefärbt; sie wurde mit Natriumsulfat 
getrocknet, abdestilliert und hinterließ hierbei 5,5 g zitronengelb 
gefärbtes Alkaloid. Ein kleiner Teil der Alkaloide ging gewöhnlich 
nicht in die Aetherlösung über, sondern schwimmt ausgeschieden 
zwischen Lauge und Aetherschicht; durch Abfiltrieren abgetrennt er- 
wies er sich als Ergotinin, ca. 0,5 g. 

Die ausgeätherten Weinsäureauszüge waren noch recht gelb; 
säuerte man dieselben wieder an und ätherte sie nun nochmals aus, 30 
gaben sie an den Aether ca. 0O,1g einer orangegelben harzigen 
Substanz ab. A. 

Die ursprüngliche, von Alkaloiden befreite Aetherlösung wurde 
nun mit Natriumsulfat getrocknet und abdestilliert auf 15 g, wobei 
sich 0,5 g eines gelben Körpers ausschieden. B. 

Hiervon abfiltriert wurde die Aetherlösung weiter auf 10 g ab- 
destilliert und mit ganz niedrig siedendem Petroläther so lange ver- 
setzt, als noch Fällung entstand. 

Die abgegossene Petrolätherlösung hinterließ 2,7 g braungelbes, 
halbfestes Oel. Dasselbe löst sich in jedem Verhältnis in Petrol- 
äther und ist nichts anderes als fettes Mutterkornöl, das bei der 
ersten Petrolätherfällung mitgerissen worden war und sich auch durch 
Auswaschen nicht hatte entfernen lassen. 

Die gelbe Petrolätherfällung betrug 234g. C. 

Die Fraktionen A, B und C sind stickstofffreie, gelbe 
Körper sauerer Natur, die sich in Soda lösen und, wie wir später 
sehen werden, in genetischem Zusammenhange stehen. 


F. Kraft: Mutterkorn. 341 


Die Säure A ist wasserlöslich, aber amorph und nicht in 
analysierbare Form zu bringen. 

Fraktion B läßt sich durch Auskochen mit wenig Methylalkohol 
in zwei Säuren zerlegen. Die Methylalkohollösung gibt beim Erkalten 
noch ein wenig Ergosterinausscheidung und enthält im übrigen eine 
wasserunlösliche, gelbe, amorphe Säure. Der größere Teil 
jedoch von Fraktion B bleibt vom Methylalkohol ungelöst als krystalli- 
nisches gelbes Pulver zurück. Diese Säure kann durch Umkrystallisieren 
aus Chloroform rein erhalten werden und soll Secalonsäure genannt 
werden. 

Fraktion © läßt sich durch Methylalkohol ebenfalls in Secalon- 
säure und in die wasserunlösliche, gelbe, amorphe Säure trennen. 

Hiermit war der „entfettete Aetherauszug“ vollständig 
zerlegt und hatte dabei geliefert: 


Ergosterin . . . . . 16,6% 
Renlaide... 6% 1 All — 
Gelbe Mutterkornsäuren 20 „ 
Mutterkornöl. .... 18 „ 


Der entfettete Aetherauszug wurde noch auf verschiedene 
andere Arten in Angriff genommen; in relativ glatter Weise läßt sich 
eine Trennung des Gemisches auch folgendermaßen erreichen: 


10 g entfetteter Aetherauszug werden mit 30 g Eisessig ver- 
rieben bis zur feinen Verteilung, durch ein gehärtetes Filter abfiltriert 
in 450 g Wasser hinein, der Filterinhalt mehrmals mit kleinen 
Portionen Eisessig (zusammen 20 g) nachgewaschen und scharf ab- 
gesaugt. In Eisessig unlöslich verbleiben 1,75g. 1. 

Die Eisessiglösung wird beim Eintropfen in Wasser teilweise 
gefällt, so daß man eine stark milchig trübe Mischung von 10% Essig- 
säuregehalt erhält; auf Zusatz von 10 g Natriumacetat erfolgt jedoch 
Ausflockung und der Niederschlag kann dann glatt und schnell ab- 
filtriert werden; er wird auf gehärtetem Filter ausgewaschen, abgesaugt 
und über Schwefelsäure im Vakuum getrocknet: Wasserfällung. 

Die essigsaure Lösung wird mit Ammoniak übersättigt, die 
Fällung abfiltriert, ausgewaschen und getrocknet, und gab so 2,758 
Alkaloid. I. 

Durch diese einmalige Behandlung wird aber durchaus keine 
vollständige Abtrennung der Alkaloide bewirkt; die Wasserfällung 
ist immer noch ein dem Ausgangskörper ähnliches Gemisch; sie wird 
in gleicher Weise mit Eisessig behandelt und gibt hierbei ab: 


in Eisessig unlöslichen Rückstand 0,2g Is, 
Alkaloid 0,8g Il. 


342 F. Kraft: Mutterkorn. 


Eine dritte gleiche Bearbeitung ergibt: 


in Eisessig unlöslichen Rückstand 0,3g ];, 
Alkaloid 0,2g II;. 


Die vierte Bearbeitung gibt: 


in Eisessig unlöslichen Rückstand O,1g L. 
Alkaloid 0,05g Il,, 


womit also nahezu Erschöpfung eingetreten ist; die Wasserfällung 
selbst ist immer noch ganz beträchtlich. 

Die ammoniakalischen Mutterlaugen der Alkaloidfällungen halten 
immer eine Spur Alkaloid zurück, wie durch Mayer’sches Reagens 
verraten wird; dasselbe läßt sich aber auch durch Aether nicht völlig 
aus den großen Flüssigkeitsmengen herausbekommen. Ueberdies sind 
die Laugen noch gelb gefärbt; sie werden daher wieder angesäuert 
und ausgeäthert. Der Aether gibt beim Abdestillieren einen Rückstand 
von gelber, amorpher Säure, 0,05g. II. 

Die Wasserfällung wird zur weiteren Aufarbeitung im 
Soxhletapparate mit leichtsiedendem Petroläther ausgezogen, welcher 
1,7 g Mutterkornöl aufnimmt. IV. 

In Petroläther unlöslich verbleiben 1,7 g. Diese lösen sick ohne 
Rückstand in 7,5 g Eisessig, geben aber beim Eingießen in Wasser 
wieder O,lg Alkaloid ab. II;.. 

Um nun auch die Mutterkornsäuren auszulösen, wird die Eisessig- 
lösung künftighin abwechselnd in Wasser und in überschüssiges 2%iges 
Ammoniak hineingetropft. Auch durch Ammoniak fällt, gleichwie 
vordem durch Wasser, die Hauptmenge wieder aus, ein beträchtlicher 
Teil der Säuren aber bleibt in dem verdünnten Ammoniak gelöst und 
wird aus diesem teils durch Salzsäure in Flocken ausgeschieden, teils 
noch durch Ausäthern erhalten, 0,7 g gelbe Säure. Ill. 

Die weiteren Auszüge geben abwechselnd: 


Gelbe Säure . . . . 0,15 Ill 
Alkaloid . . . . . 015 IR 
Gelbe Säure. . . . 0,05 II, 
Alkaloid . . . . . 0,05 II 
Gelbe Säure . . . . 0,02 Illz 
Alkalid . . .. . 0031 


Bei fortgesetztem Ausziehen erfolgen zwar keine festen Aus- 
scheidungen mehr, dagegen sind die ammoniakalischen Auszüge immer 
noch gelb und die sauren geben noch Reaktion mit Mayer’schem 
Reagens. Von der Ausgangssubstanz sind noch 0,2 g vorhanden; diese 
ist ganz schwarz geworden, enthält aber immer nochä#Stickstoff und 
somit noch Alkaloid. 


F. Kraft: Mutterkorn. 313 


Auszüge I, und Is sind Ergosterin; sie geben mit kochendem 
Methylalkohol eine nicht gelb gefärbte Lösung, die beim Erkalten 
gelatiniert. 

Auszug I; besteht zum Teil aus Ergosterin, das sich in heißem 
Methylalkohol löst, zum Teil aus Secalonsäure, die als gelbes 
krystallinisches Pulver vom Methylalkohol ungelöst verbleibt. 

Auszug I, besteht ganz aus Secalonsäure. 

Die Auszüge II, sind Alkaloidgemenge von strohgelber Farbe. 

Die Auszüge III,-, sind gelbe amorphe Säuren, teils wasser- 
löslich, teils wasserunlöslich. 


Das Gesamtergebnis ist folgendes: 


Ergosterin . . . . 2. 20 
Alkaloide. . . . 2 ..413 
Secalonsäure 


0,35 
097 | = 10 g entfetteter 


A lb 

BERGEARR a r Säuren .ı7 Aetherauszug. 
Unzerlegter Rückstand. 023 

ORIRE  e 2°. 7° 0,08 


Wie aus dem Angeführten ersichtlich, ist dieser Aetherauszug 
ein kompliziertes Gemenge, dessen Zerlegung eine recht langwierige 
Aufgabe darstellte, vorab durch den Gehalt an Ergosterin mit seiner 
Eigenschaft, gelatinierende Lösungen zu geben und seiner mehr kolloid- 
als krystalloidartigen Natur. Aber auch die Alkaloide und Säuren 
sind größtenteils amorph und in ihrem chemischen Charakter wenig 
ausgeprägt, die Säuren ganz schwach und die Alkaloide sowohl mit 
basischen als mit phenolartigen Gruppen ausgerüstet. Diese chemisch 
trägen Kolloidkörper nebst Fett schließen sich durch Flächenanziehung 
zu recht zähen Verbindungen zusammen. Daß hier nicht chemische 
Bindungen vorliegen, beweist gerade das Verhalten bei der Trennung 
vermittelst der Eisessigmethode. Wirklich chemische Bindungen müßten 
bei dem zur Verwendung kommenden großen Ueberschuß von 10% 
Essigsäure oder von 2% Ammoniak gelöst werden und gelöst bleiben, 
während hier die einen ausfallenden Kolloide immer erhebliche Mengen 
der anderen aus der Lösung wieder mitreißen. Behandelt man ferner 
nur mit einem einzigen Lösungsmittel, z. B. mit Säure, so kann man 
anscheinend zu völliger Erschöpfung der Alkaloide gelangen, entfernt 
man dann aber zwischen hinein eine andere Gruppe, z. B. das Fett, so 
lassen sich nachher wieder neue Mengen Alkaloide entziehen. 

Mit bloßen Lösungsmitteln und mit fraktionierten Fällungen ist 
dem Gemenge nicht beizukommen und daher liegen in den zahlreichen 
Jakobj’schen Mutterkornkörpern bloße Gemische vor. 


344 F. Kraft: Mutterkorn. 


Ein stickstofffreies Phenol konnte ich in dem Aetherrohkörper 
nicht entdecken, dagegen täuscht der Umstand, daß die Alkaloide 
freie Hydroxylgruppen besitzen, sich in Laugen leicht lösen, ferner 
aus den sauren Lösungen schon durch bloß teilweise Absättigung der 
Säure ausgeschieden werden, gerne ein solches vor. Auch enthalten 
die Rohalkaloidlösungen stets etwas der gelben Säuren, die sich bei 
der Ausscheidung den Alkaloiden anhängen. 

Zur Darstellung und Untersuchung der Säuren und Alkaloide 
wählt man statt der geschilderten allgemeinen Methode besser Spezialwege. 


Secalonsäure und ihre Derivate. 


Infolge ihrer Schwerlöslichkeit geht diese nur unvollständig in 
den Aetherauszug über; sie wird dem Mutterkorn besser durch Chloro- 
form entzogen. Man behandelt gut entfettetes Mutterkornpulver im 
Perkolator mit Chloroform, wobei aber zur Erschöpfung von 3 kg 
Mutterkorn immerhin etwa 14 Tage nötig sind. Man destilliert die 
Auszüge ab, entfernt das Chloroform möglichst aus dem öligen Rück- 
stande durch Erwärmen am Vakuum und behandelt mit Petroläther, 
bis ein trockenes graugrünes Pulver hinterbleibt. Dieses verreibt man 
mit der 2,5fachen Menge kaltem Eisessig, filtriert den dünnen Brei 
ab, wäscht mehrmals mit kleinen Mengen Eisessig aus und saugt 
scharf ab. Von der auf dem Filter verbleibenden zitronengelben Masse 
läßt man den Eisessig abdunsten, kocht sie mehrmals mit wenig Methyl- 
alkohol aus zur Entfernung von Ergosterin und krystallisiert dann aus 
der 50fachen Menge Chloroform so oft um, bis der Schmelzpunkt 
konstant bleibt. Die Ausbeute beträgt ca. 2%/00 Secalonsäure. 

Die Secalonsäure bildet mikroskopisch feine, zitronengelbe Nadeln 
vom Schmp. 244°; sie ist unlöslich in Wasser und in Petroläther, 
fast unlöslich in Schwefelkohlenstoff, Tetrachlorkohlenstoff, sehr schwer 
löslich in Methylalkohol und Aether, ziemlich löslich in Essigäther; 
sie löst sich in 160 T. kochendem und ca. 200 T. kaltem Alkohol, 
ferner in 100 T. kochendem Benzol und in 50 T. kochendem Eisessig, 
beim Erkalten scheidet sie sich größtenteils wieder aus. Zum Um- 
krystallisieren eignen sich am besten Chloroform oder Aceton; von 
beiden bedarf sie bei Siedetemperatur ca. 50 T. zur Lösung. Die 
Chloroformlösung muß im Heißwassertrichter filtriert werden, da sie 
unter Wiederausscheidung von 90% der Säure schnell zu einem dicken 
Brei der zitronengelben Nädelchen gesteht; die Acetonlösung scheidet 
langsam und weniger vollständig goldgelbe Prismen aus, welche 
beträchtliche Größe erreichen können. Mit solchen, fein verrieben und 
bei 110° getrocknet, wurde die Elementaranalyse ausgeführt, 


F. Kraft: Mutterkorn. 345 
1. 0,1585 g Substanz lieferten 0,3501 g COs und 0,0712 g Ha0. 


2. 0,1506 „ * u 03501 44% :.n: :00682 , m 
3. 0,1528 „ a x OBBII 21 m cn 
Berechnet für Gefunden: 
C44H14086: E 2. 3. 
C 60,40% 60,24 60,39 60,54 
H 5,07, 5,02 5,06 5,07. 


Die Secalonsäure löst sich leicht in Alkalien und in Soda unter 
Kohlensäureentwickelung, dagegen nicht in Kalkwasser oder in Magnesia- 
aufschwemmung; es sind also bloß ihre Alkalisalze wasserlöslich. Die 
alkoholische Lösung reagiert gegen Lackmus schwach sauer; mit Eisen- 
chlorid gibt sie rotbraune Färbung, keine Fällung, mit Silbernitrat 
ebenfalls keine Fällung und beim Kochen unter Ammoniakzusatz wird 
Silbernitrat nicht reduziert. Die Salze sind also sehr leicht löslich in 
Säure, ebenso wie in einem Ueberschuß von Ammoniak. Stellt man 
eine neutrale Ammonsalzlösung her, indem man eine sehr verdünnte 
Ammoniaklösung mit einem Ueberschuß der Säure verreibt und von 
der ungelösten Säure abfiltriert, so gibt diese Lösung wohl mit den 
verschiedensten Salzen Fällungen, die besonders untersuchten Silber- 
und Erdalkalisalze wiesen aber keinen konstanter Gehalt an Base auf. 
Die amorphen, gelatinösen Salze werden schon beim Auswaschen mit 
Wasser dissoziiert und gehen milchig durch das Filter, ferner tritt 
mit der Secalonsäure selbst durch das Ammoniak eine Veränderung 
ein. Aus der frisch bereiteten Alkalilösung kann die Secalonsäure in 
der Hauptmenge unversehrt und noch krystallisationsfähig wieder mit 
Mineralsäure ausgefällt werden (immerhin löst sich diese ausgefällte 
Säure teilweise in Magnesiawasser); bei kurzem Stehen aber färbt 
sich die Kalilösung orange und beim Kochen intensiv rotbraun und es 
wird nun durch Salzsäure nur noch aus der konzentrierten Lösung 
ein braunes, nicht krystallisierbares Harz gefällt, in der verdünnten 
Lösung entsteht keine Fällung mehr. 

Von schön zitronen- bis goldgelber Farbe kann diese neue 
wasserlösliche Säure erhalten werden, wenn man 1 g Secalon- 
säure in 25 g Sodalösung 20% 10—14 Tage lang bei einer Temperatur 
von ca. 20° stehen läßt. Diese Lösung behält dann ihre hellgelbe 
Farbe bei; beim Ansäuern gibt sie nur noch ganz schwache Fällung 
und aus dem Filtrate hiervon kann die neue Säure mit Aether aus- 
gezogen und durch Abdestillieren der Aetherlösung im Vakuum ge- 
wonnen werden. Ein Geruch nach weiteren Zersetzungsprodukten 
läßt sich bei dieser Umwandlung nicht beobachten. Auch diese helle 
Modifikation läßt sich nicht krystallisiert erhalten; sie ist in kaltem 
Wasser schwer löslich, ziemlich leicht in heißem und scheidet sich 


346 F. Kraft: Mutterkorn. 


beim Erkalten amorph aus; sehr leicht löst sie sich in Alkohol und 
in Aether, dagegen fast garnicht in Chloroform und in Benzol. Die 
Säure schmilzt unscharf bei 200°; längere Zeit über 100° erhitzt 
verliert sie an Gewicht und wird wieder wasserunlöslich, hierbei bildet 
sich eine kleine Menge der aus Chloroform krystallisierbaren Secalon- 
säure zurück, die Hauptmenge aber bleibt in Chloroform unlöslich, 
sodaß also bei dieser Gewichtsabnahme zwei Reaktionen zusammen- 
wirken. Salze von konstantem Gehalte konnten auch von dieser Säure 
nicht erhalten werden, doch war der Metallgehalt größer als bei den 
entsprechenden Secalonsäuresalzen. 

Das Verhalten zwischen der Secalonsäure und 
ihrem wasserlöslichen Derivate ist ganz dasjenige eines 
Laktons und der zugehörigen Oxysäure, und zwar weist die 
leichte Wasseraufnahme schon durch Soda bei gewöhnlicher Temperatur 
auf die Gegenwart einer ö-Laktonbindung hin. 

Eine weitere charakteristische Reaktion der Secalonsäure bildet 
die Abgabe von Wasser und Kohlensäure bei längerem Erhitzen über 
den Schmelzpunkt. In einem starken weiten Reagensglase, das in 
dem doppelt durchbohrten Abschlußkorke ein Gaszu- und ein Ab- 
leitungsrohr trug, wurde die Säure durch ein Schwefelsäurebad 
mehrere Stunden lang bei 255—60° geschmolzen gehalten, während 
ein kohlensäurefreier, trockener Luftstrom langsam darüber weg in 
eine Vorlage mit Baryumhydratlösung geleitet wurde. Die Substanz 
bläht sich unter Abgabe von Gasblasen auf, im Ableitungsrohr setzen 
sich Tropfen von Wasser ab und die Barytlösung wird kräftig getrübt. 
Die braune Schmelze wird nach Aufhören der Gasentwickelung er- 
kalten gelassen; sie fällt etwas heller aus, wenn das Erhitzen im 
Vakuum bei etwas niederer Temperatur statt im Luftstrome geschieht. 
Die Schmelze ist nicht einheitlicher Natur, die Hauptmenge aber löst 
sich in heißem Benzol und scheidet sich beim Erkalten reichlich mit 
zitronengelber Farbe wieder aus; der in dem Benzol verbliebene 
Anteil wird durch Petroläther ausgefällt. 

Auch dieses zweite Derivat der Secalonsäure ist nicht Krystallisiert 
zu erhalten. Das zitronen- bis orangegelbe Pulver löst sich in warmem 
Methyl- oder Aethylalkohol und scheidet sich beim Erkalten in 
Kügelchen wieder aus, ferner löst es sich sehr leicht in Chloroform; 
in Wasser ist es unlöslich. Mit 10% Sodalösung fein verrieben und 
geschüttelt, bleibt die Substanz ungelöst, beim Kochen aber geht sie 
langsam nach und nach in Lösung; Alkalien lösen sie leicht ohne 
Erwärmen und aus dieser Lösung kann sie unverändert durch Salz- 
säure wieder ausgefällt werden. Erwärmt man dagegen die alkalische 
Lösung kurze Zeit auf dem Wasserbade, so fällt durch Salzsäure ein 


F. Kraft: Mutterkorn. 347 


neuer gelber Körper aus, der sich nun leicht in Soda löst und also 
wieder eine richtige Säure darstellt, während der vorhergehende seine 
Löslichkeit in Laugen wohl nur einer Hydroxylgruppe verdankte. 

Nach den Untersuchungen von Fittig!) geben Laktonsäuren 
bei der trockenen Destillation Kohlensäure ab, eine solche dürfte daber 
auch hier vorliegen. Die gleichzeitige Abspaltung von Wasser deutet 
auf eine in ß-Stellung zu diesem Karboxyl befindliche Hydroxylgruppe 
hin, die sich zugleich ausscheidet unter Entstehung einer Doppelbindung. 
Hiernach wäre die Secalonsäure C, ıH,4s0s eine Oxylactonsäure, die B-Oxy- 
säure eines Laktons, aus welcher durch Behandeln mit Soda eine Dioxy- 
dikarbonsäure (wasserlösliche Secalonsäure) entsteht. Durch Erhitzen 
bildet sich das reine Lakton, das endlich durch Erwärmen mit Lauge in 
die zugehörige einfache Oxysäure übergeht. Das sechste bei diesen 
Ausführungen noch nicht berücksichtigte Sauerstoffatom der Secalon- 
säure ist ebenfalls in Hydroxylform vorhanden und zwar als Phenol- 
hydroxyl, es bewirkt die Löslichkeit des einfachen Laktons in Alkalien. 

Identisch mit diesen Derivaten der Secalonsäure sind die im 
Mutterkorn gefundenen gelben amorphen Säuren, ja sie dürften in der 
Hauptsache wohl erst bei der Verarbeitung aus dieser entstanden sein; 
immerhin bildet die wasserlösliche Dioxydikarbonsäure einen normalen 
Bestandteil der Droge, wie aus dem Umstande hervorgeht, daß ein 
ätherischer Mutterkornauszug beim Ausschütteln mit verdünnter Wein- 
säure neben Alkaloid immer ein wenig dieser Säure abgibt. 

Der Secalonsäure ähnlich konstituierte Säuren, teils auch von 
gelber Farbe, wurden in der naheverwandten Gruppe der Flechten, 
deren Pilze ja gleich wie das Mutterkorn der Familie der Ascomyceten 
angehören, schon mehrere gefunden, so die Vulpinsäure von Spiegel?). 
Es läßt sich daraus der Schluß ziehen, daß auch in den Flechten 
der Pilz und nicht die Alge der Erzeuger dieser 
charakteristischen Flechtensäuren ist. 


Alkaloide. 


Zur Darstellung dieser Körperklasse empfiehlt es sich, die 
Aetherauszüge nicht erst abzudestillieren und das Oel abzutrennen, 
da die Wiederauflösung des Rohkörpers große Mühe bereitet, sondern 
man schüttelt direkt aus. 

Bei seiner Alkaloidbestimmungsmethode verwendet Keller ent- 
fettetes Mutterkorn, schließt dasselbe erst durch Magnesia auf und 


1) Annal. Bd. 255, 1. 
2) Annal. Bd. 219. 


348 F. Kraft: Mutterkorn. 


zieht es dann mit Aether aus; vergleichende Versuche zeigten mir 
aber, daß man ebensogut von nichtentfettetem Mutterkorn ausgehen 
kann, und daß der Aether auch ohne vorangehende Magnesiabehandlung 
die gleiche Menge Alkaloid aufnimmt, was darauf hinweist, daß die 
Alkaloide in freiem Zustande vorliegen. 

Man extrahiert also die Droge in der oben geschilderten Weise 
mit Aether, läßt den ersten Auszug unversehrt, destilliert dagegen 
die weiteren zusammen auf dasselbe Gewicht ab, mischt die beiden 
und schüttelt sie bis zur Erschöpfung mit Mengen von je %—-4 1 
%%iger Weinsäurelösung aus. Wenn die Aetherauszüge völlig blank 
sind, so geht das Ausschütteln ganz glatt von statten, muß aber bis 
zur völligen Erschöpfung sehr oft wiederholt werden. Als Lösungs- 
mittel eignet sich am besten Weinsäure, da sie mit diesen Alkaloiden 
leichtlösliche Salze bildet; die Salze der anorganischen Säuren dagegen 
sind alle schwerlöslich, „sie scheiden sich in den Ausschüttelungen aus 
und bilden Schlicker oder geben wenigstens Anlaß zu Verlusten. 

Die völlig klar filtrierten Ausschüttelungen werden vorweg mit 
Soda übersättigt, das ausgeschiedene Alkaloid auf einem Filter ge- 
sammelt, ausgewaschen, abgesaugt und über Schwefelsäure getrocknet. 
Ein gutes Mutterkorn liefert eine Ausbeute von 2-2,5°0 an 
Rohalkaloid. Obschon dasselbe so gut wie unlöslich ist in Wasser, 
so halten dennoch die großen Mengen Flüssigkeit, aus denen es aus- 
gefällt wurde, nicht unerheblich Alkaloid zurück. Durch Ausäthern 
kann es zwar vollständiger gewonnen werden, die Ausschüttelungen 
nehmen aber immer auch etwas gelbe Säure auf, die dann mit in den 
Aether geht und ein intensiv gelb gefärbtes Alkaloid liefert. Ich 
glaubte aus diesem Grunde auch längere Zeit an die Existenz eines 
gelben Alkaloides, bis sich herausstellte, daß diese Farbe nur der 
hartnäckigen Verunreinigung durch Säure zuzuschreiben sei. 

Aus dem Rohalkaloid läßt sich durch Krystallisation aus Methyl- 
oder Aethylalkohol leicht das bekannte Ergotinin gewinnen, daneben 
verbleibt aber der größere Teil amorph. Die früheren Bearbeiter 
Tanret und Keller, hielten dieses amorphe Alkaloid für identisch 
mit dem krystallisierten, bloß für weniger rein oder teilweise zersetzt. 
Die Salze der beiden Modifikationen zeigen keine durchgreifende Ver- 
schiedenheit, leicht löslich sind die Acetate, Tartrate und Citrate, sehr 
schwer löslich die Oxalate und die Salze der anorganischen Säuren. 
Sie wurden gewöhnlich dargestellt durch Lösen der Alkaloide in 
Aether und Fällen dieser Lösung mit den gasförmigen oder in Alkohol 
gelösten Säuren; es sind aber sehr unerquickliche Körper, durch den 
Säureüberschuß verschmieren sie leicht und beim Trocknen geben sie 
die Säure größtenteils wieder ab, sodaß auch die leicht löslichen Salze 


u er a A} 


F. Kraft: Mutterkorn. 349 » 


teils unlöslich werden. Durch direkte Behandlung mit verdünnten 
Säuren werden die Alkaloide schwer angegriffen. Eine glatte Lösung 
läßt sich nur durch Verreiben mit 3—5 T. Eisessig erhalten und 
diese kann man dann nach Belieben mit Wasser verdünnen und klar 
filtrieren, nötigenfalls unter Zusatz von etwas Infusorienerde. An 
Hand dieser Lösung zeigte es sich nun, daß in der Löslichkeit der 
Sulfate ein gradueller Unterschied besteht, der eine Trennung und 
Reindarstellung ermöglicht und beweist, daß wir es mit zwei ver- 
schiedenen Alkaloiden zu tun haben. 

1 T. trockenes Rohalkaloid wird kalt gelöst in 3 T. Eisessig 
und mit Wasser auf 300 T. verdünnt. Die Lösung ist gewöhnlich 
durch suspendierte geringe Mengen von Alkaloidzersetzungsprodukten 
schwach dunkel milchig getrübt und muß geklärt werden durch 
Filtration durch ein dichtes Filter unter Zusatz von einer Messerspitze 
voll Kieselgur. Das Filter wird mit Wasser nachgewaschen, bis das 
Filtrat 400 T. beträgt und dieses mit einer filtrierten Lösung von 
1 T. wasserfreiem Natriumsulfat in 100 T. Wasser versetzt, worauf 
sofort Ausscheidung des Sulfates des amorphen Alkaloides erfolgt, 
während dasjenige des Ergotinins in Lösung bleibt. Nach etwa zwei- 
stündigem Stehen wird der Niederschlag durch ein gehärtetes Filter 
abfiltriert und zuletzt scharf abgesaugt. Der Niederschlag ist von 
gelatinöser Beschaffenheit und filtriert daher langsam aber immerhin 
glatt. Das Absaugen muß erst zuletzt, dann aber sehr gründlich unter 
Zusammendrücken des Niederschlages geschehen, da man nicht gut 
auswaschen kann. Das noch feuchte Sulfat wird wieder mit etwas 
Wasser verrührt, reichlich Aether und die eben zur Zersetzung nötige 
Menge Soda zugegeben und bis zur Lösung geschüttelt, die Aether- 
lösung abgezogen, mit Natriumsulfat entwässert und am Vakuum ohne 
Erwärmen abdestilliert. Bei sorgfältigem Arbeiten hinterbleibt das 
amorphe Alkaloid rein und farblos. 

Die vom ausgeschiedenen Sulfat abfiltrierte Lauge wird mit Soda 
ausgefällt, das Alkaloid abgesaugt, ausgewaschen und über Schwefel- 
säure getrocknet; dann schüttelt man es in einem kleinen Erlenmeyer 
mit 1,5 T. Methylalkohol, worin es größtenteils unlöslich ist, läßt eine 
Stunde kühl stehen, gießt die Lauge ab und wäscht die Krystalle mit 
wenig Methylalkohol ab. Durch Umkrystallisieren aus Methylalkohol 
erhält man das reine Ergotinin. Die abgegossene Methylalkohol- 
lösung enthält noch eine Mischung der beiden Alkaloide. Sie wird 
ohne Erwärmen am Vakuum abgedunstet und kann von neuem der- 
selben Trennung unterworfen werden. Sie wurde natürlich auch auf 
verschiedene Weise weiter zu fraktionieren versucht, es konnte aber 
kein anderes Alkaloid darin gefunden werden. 


« 350 F. Kraft: Mutterkorn. 


Das amorphe Alkaloid bleibt also auch in reinem Zustande 
amorph, dagegen beweist gerade die Art seiner Darstellung, daß es 
ein vom Ergotinin verschiedenes, chemisches Individuum ist. Mit zu- 
nehmender Reinheit eines Körpers pflegt seine Löslichkeit abzunehmen; 
bei Ausscheidung von Salzen aus Lösungen scheiden sich stets zuerst 
die reinsten Fraktionen aus, während Verunreinigungen und Gemische 
in Lösung bleiben. Wäre das Rohalkaloid bloß ein einziger, wegen 
ungenügender Reinheit noch teilweise amorpher Körper, also Roh- 
ergotinin, so müßte das erstausgeschiedene Sulfat die reinste Fraktion 
bilden, daher das daraus gewonnene Alkaloid am schwierigsten löslich 
und am reinsten sein und am leichtesten krystallisieren.. Da nun aber 
gerade das Umgekehrte der Fall ist, indem das Alkaloid der ersten 
Fraktion leicht löslich ist und nicht krystallisiert, dasjenige der Mutter- 
lauge aber krystallisiert und. die leichter löslichen Salze bildet, so 
kann das erstausgeschiedene nicht amorphes Ergotinin sein, sondern 
muß einen besonderen chemischen Körper repräsentieren, den ich 
Hydroergotinin benennen will. 


Ergotinin. 


Nach dem Rechte der Priorität gebührt dem krystallisierten 
Alkaloide der von Tanret gewählte Name Ergotinin; Tanret hat 
sein Alkaloid früher und sofort in reinem Zustande dargestellt, was 
beim Cornutin anfänglich durchaus nicht der Fall war. Ueberdies 
knüpfen sich an den Namen Cornutin mehrere nicht bewährte Hypothesen, 
sodaß ich dem allerdings weniger gut gewählten Namen Ergotinin den 
Vorzug gebe. Zu den bereits bekannten Eigenschaften kann ich noch 
folgendes beifügen: Ergotinin fängt bei 210° an sich zu bräunen und 
zu sintern und schmilzt bei 219°. Reines Ergotinin, ebenso wie das 
amorphe Alkaloid, besitzen nicht die ihnen zugeschriebene Licht- 
empfindlichkeit und es geht durch Licht ebensowenig wie durch Hitze 
das krystallisierte in das amorphe über. In trockenem Zustande sind 
beide ganz beständig, dagegen werden sie durch Erhitzen oder durch 
chemische Agentien sehr leicht in schwarze oder grünschwarze amorphe 
Zersetzungsprodukte umgewandelt; jedes Lösen in Eisessig und Wieder- 
ausfällen durch Soda oder Ammoniak ist von etwas Zersetzung begleitet. 


Hydroergotinin 
ist ein farbloses, trockenes, amorphes Pulver, in denselben Medien, 
jedoch leichter löslich als Ergotinin. Ergotinin bedarf zur Lösung 
60 resp. 80 T. kochenden Aethyl- oder Methylalkohol, und beim Erkalten 
scheidet sich die Hauptmenge wieder aus, Hydroergotinin löst sich in 
jedem Verhältnis in kalten Alkoholen. Zum Zeichen der Reinheit 


F. Kraft:, Mutterkorn. 351 


darf die Lösung in 2 T. kaltem Methylalkohol bei mehr- 
tägigem Stehen keine Krystallausscheidung geben und sich 
nicht grün färben von zersetztem Alkaloid. Ergotinin löst sich in 
150 T. kochenden Benzols, Hydroergotinin schon in 5 T. und scheidet 
sich beim Erkalten schnell wieder ab, jedoch nur amorph. Beim 
Schütteln in Handwärme löst es sich in 25 T. Benzol und auch diese 
Lösung gibt beim Abkühlen sofort Abscheidung aber nur in Form 
von Kügelchen; auch wenn man die hiervon abgegossene gesättigte 
Lösung freiwillig im Kühlen abdunsten läßt, so bilden sich nur amorphe 
und teilweise zersetzte Ausscheidungen. Die mit Hilfe von 3 T. Eis- 
essig bereitete wässerige Lösung wird bei einem Verhältnis von 1:5000 
noch von gleichviel Natriumsulfat, gelöst in 100 T. Wasser, sofort 
gefällt; eine Lösung im Verhältnis von 1:7000 trübt sich erst nach 
und nach. Das Sulfat des Hydroergotinins braucht also ca. 8000 T. 
Wasser zur Lösung, das Sulfat des Ergotinins unter gleichen Ver- 
hältnissen nur 500 T. 

Die beiden Alkaloide zeigen also ganz ausgeprägt verschiedene 
Eigenschaften, dagegen besteht zwischen ihnen eine nahe Verwandt- 
schaft. Wie erwähnt, gibt die konzentrierte Methylalkohollösung des 
Hydroergotinins bei tagelangem Stehen in der Kälte keine Krystallisation, 
erhitzt man aber einen Moment zum Sieden, so krystallisiert beim 
Abkühlen sofort reichlich Ergotinin aus; durch mehrstündiges Kochen 
am Rückflußkühler erfolgt die Umwandlung vollständig ohne anderweitige 
Zersetzung. Dieselbe tritt auch ein, wenn man die essigsaure Lösung 
des Hydroergotinins einige Zeit kocht, das entstehende Ergotinin wird 
hier aber von Zersetzungsprodukten begleitet. Auch die entgegen- 
gesetzte Umwandlung läßt sich erzielen. Man löst 1 T. Ergotinin in 
3 T. Eisessig und verdünnt mit Wasser auf 100 T. 

10 g dieser frisch bereiteten 1%igen Lösung mit 30 g Wasser 
verdünnt geben mit 10 g 1%iger Natriumsulfatlösung keine Fällung. 

Nach eintägigem Stehen gibt die 1%ige Lösung bei derselben 
Prüfung sofort Trübung und nach einigen Minuten ziemliche Aus- 
scheidung. 

Nach zehntägigem Stehen erfolgt bei der Prüfung sofort 
kräftige Fällung von Hydroergotininsulfat. 

Diese gegenseitige Ueberführbarkeit der beiden Alkaloide deutet 
darauf hin, daß das amorphe jedenfalls das Hydrat des krystallisierten 
ist. Durch die Analyse läßt sich diese Annahme bei der amorphen 
Natur und dem hohen Molekulargewicht der Substanz nicht kon- 
trollieren. Ein krystallisiertes Platindoppelsalz oder ein Pikrat sind 
vom Hydroergotinin ebensowenig wie vom Ergotinin erhältlich, die 
Körper sind zu schwache Basen und zu zersetzlich. 


352 F. Kraft: Mutterkorn. 


Wasserlösliche Basen. 


Außer den spezifischen Alkaloiden finden sich im Mutterkorn 
noch wasserlösliche Basen, wie das von Brieger nachgewiesene Cholin 
und Trimethylamin. Beim Stehen an einem feuchten Orte strömt jedes 
Mutterkornpulver sehr bald intensiven Methylamingeruch aus, der 
einer Spaltung von Betain seinen Ursprung verdanken dürfte. Die 
Droge wurde auch auf diese wasserlöslichen Basen einer erneuten 
Untersuchung unterworfen und hierzu die von Jahns!) besonders 
ausgearbeitete und warm empfohlene Jodkaliumwismutmethode benutzt. 

3 kg mit Chloroform erschöpftes Mutterkorn wurden mehrmals 
mit durch Schwefelsäure leicht angesäuertem Wasser durchgeknetet 
und abgepreßt, die vereinigten Auszüge mit einem Ueberschuß von 
Bleiessig versetzt, mit Soda leicht alkalisch gemacht und die Blei- 
fällung abkoliert und abgepreßt. Aus der Lösung wurde der Blei- 
überschuß mit Natriumphosphat gefällt, das Filtrat mit Schwefelsäure 
leicht angesäuert, durch Abdampfen stark konzentriert, filtriert, mit 
Schwefelsäure stark angesäuert, mit Kraut’scher Jodkaliumwismut- 
lösung gefällt und acht Tage stehen gelassen. Die Flüssigkeit blieb 
ziegelrot und milchig getrübt, am Boden des Gefäßes aber hatte sich 
ein dunkelroter krystallinischer Absatz in ziemlicher Menge gebildet, 
der sich glatt abfiltrieren und auswaschen ließ. Er wurde mit frisch 
gefälltem feuchtem Silberkarbonat verrieben bis zum Verschwinden 
der Rotfärbung, der gelbe Brei abgesaugt, ausgewaschen, die bräunlich 
gelbe Lösung mit Salzsäure leicht angesäuert, auf dem Wasserbade 
zum Sirup verdampft und über Schwefelsäure gestellt, wo sich nach 
längerem Stehen reichlich farblose große Krystalle ausschieden. Aus 
80%igem Alkohol mehrmals umkrystallisiert, bilden sie schöne große 
Prismen vom Schmp. 227°; die sehr konzentrierte wässerige Lösung 
dagegen läßt monokline Tafeln auskrystallisieren. Es liegt ein salz- 
saures Salz vor, das nach Schmelzpunkt identisch ist mit salzsaurem 
Betain, wie auch durch das Platindoppelsalz bestätigt wurde. Auf 
Zusatz von Platinchlorid zu einer konzentrierten Lösung des Salzes 
entstand keine Fällung, erst durch Zusatz von Alkohol gestand die 
Mischung zu einem Brei hellgelber, feiner Nädelchen. Diese wurden 
nochmals in wenig warmem Wasser gelöst und mit Alkohol gefällt 
und dann die wässerige Lösung über Schwefelsäure krystallisieren - 
gelassen, worauf schöne Tafeln des Platindoppelsalzes auskrystallisierten 
mit dem Schmp. 242°, 

0,2170 g Platindoppelsalz gaben 0,0657 g Pt = 30,27%, berechnet für 
Betainplatinchlorid (C;H,ı NOg-HCl)aPtCl, = 30,26% Pt. 


!) Arch. d. Pharm, Bd. 235, 152. 


F. Kraft: Mutterkorn. 353 


Die von der Betainkrystallisation abfiltrierte Mutterlauge wurde 
im Exsikkator völlig zur Trockne gebracht und dann mit kaltem 
absolutem Alkohol behandelt, wobei noch etwas Betainchlorhydrat 
ungelöst blieb. Die alkoholische Lösung gab bei langem Stehen im 
schwach evakuierten Exsikkator an der Gefäßwandung schöne 
"Kırystallisation von zu weißen Drusen vereinigten Prismen. Einmal 
ausgeschieden sind sie in absolutem Alkohol nicht mehr löslich wohl aber 
in heißem verdünnntem Alkohol; auch diese Lösung krystallisiert 
erst bei längerem Stehen im Vakuum. Durch Krystallisation aus 
wenig Wasser im Vakuum wird der Körper dann völlig gereinigt; er 
bildet farblose Prismen vom Schmp. 200°, die an der Luft Wasser 
anziehen und zerfließen und sehr sauer reagieren. Ein salzsaures 
Salz liegt nicht vor, sondern eine wirkliche Säure, offenbar die der 
Kobert’schen Ergotinsäure zu Grunde liegende, die ich bei direkter 
Darstellung nicht hatte rein erhalten können. Ihre weitere Unter- 
suchung erfolgt im nächsten Abschnitte. 

In der absolut alkoholischen Mutterlauge fand sich dann noch 
nach den Angaben von Brieger!) salzsaures Cholin; weitere Basen 
konnte ich darin nicht entdecken. 


Secaleamidosulfonsäure. 


Unter den von Kobert?) dargestellten Mutterkornsubstanzen 
befindet sich eine wasserlösliche Säure von sehr eigentümlichen Eigen- 
schaften, die Ergotinsäure. Sie ist ebenfalls eine nur physiologisch, 
nicht chemisch reine Substanz; als Säure bekundet sie sich durch 
ihre intensiv saure Reaktion, sie soll aber zugleich ein Glykosid sein, 
indem sie bei der Hydrolyse zerfällt in ein dextrinartiges Kohlehydrat 
und ein amorphes Alkaloid; (was bei dieser Zersetzung aus der sauren 
Gruppe wird, darüber erhalten wir keine Auskunft). 

Zur Nachprüfung wurde mit Aether erschöpftes Mutterkorn- 
pulver unter Digestion mehrmals mit Wasser ausgezogen; die Auszüge 
wurden durch Zusatz von Bleiacetat gereinigt und im Filtrate die 
Ergotinsäure durch Bleiessig und Ammoniak ausgefällt.e Vom ab- 
gesetzten Niederschlag wurde die Lauge abgehebert, derselbe mehr- 
mals mit Wasser angesüßt, dann abkoliert, etwas ausgewaschen und 
intensiv abgepreßt. Der Bleiniederschlag wurde in Wasser zerteilt, 
die Aufschwemmung auf dem Wasserbade erwärmt und durch Ein- 
leiten von Schwefelwasserstoff zerlegt, das Filtrat unter Einleiten von 
Schwefelwasserstoff abgedampft, im Vakuum zur Sirupsdicke gebracht 


1) Brieger, Ueber Ptomaine, 1887, III. T. 
2) Kobert, Arch, f. exp. Path. u. Pharm., Bd. 18. 


Arch. d. Pharm. CCXXXXIV. Bds. 5. Heft. 23 


354 F. Kraft: Mutterkorn. 


und mit Alkohol ausgefällt, gewaschen und über Schwefelsäure ge- 
trocknet. 

Die so nach Kobert’s Angaben erhaltene hell bräunlichgelbe, 
hygroskopische Masse macht durchaus den Eindruck eines Rohkörpers, 
was sie auch nach Maßgabe ihres einfachen Darstellungsprozesses sein 
muß. Sie schmeckt etwas süß und reduziert Fehling’sche Lösung 
intensiv, schon ohne vorhergehendes Kochen mit Säure; Zucker ist 
also von vornherein darin enthalten, wie denn Zuckerarten überhaupt 
durch Bleiessig und Ammoniak gefällt werden. 

Auskochungen mit Alkohol gaben beim Erkalten weiße 
krystallinische Ausscheidung. Durch wiederholtes Lösen in wenig 
Wasser und fraktionierte Fällung konnte diese gereinigt und zuletzt 
durch Krystallisieren aus Wasser in großen rhombischen Prismen vom 
Schmp. 166° rein erhalten werden. Dieselben sind Mannit, der 
schon früher im Mutterkorn gefunden wurde. Ebensolcher dürfte auch 
das dextrinartige Kohlenhydrat gewesen sein, das Kobert durch an- 
haltendes Behandeln mit Kohle, oder durch fraktionierte oft wieder- 
holte Fällungen erst mit ammoniakalischem Bleiessig und dann mit 
Alkohol aus der Ergotinsäure erhielt. Diese Operation, ebenso wie 
die vermeintliche Hydrolyse sind keine Zersetzung, sondern einfache 
Zerlegung in die schon vorhandenen Bestandteile gewesen. 

Die Masse reagiert wirklich intensiv sauer und da sich im 
analytischen Gange keine der gewöhnlichen anorganischen oder 
organischen Säuren nachweisen ließ, so muß sie eine spezifische neue 
Säure enthalten, die sich auf folgende Weise isolieren ließ: Die Roh- 
substanz wurde in Wasser gelöst und mit frisch gefälltem Bleikarbonat 
12 Stunden lang auf dem Wasserbade digeriert, wodurch unter Kohlen- 
säureentwickelung Blei in Lösung ging. Dann wurde vom ungelösten 
Bleikarbonat abfiltriert, das Filtrat durch Ammoniak gefällt, das 
Bleisalz abfiltriert und ausgewaschen, mit Schwefelwasserstoff wieder 
zerlegt, die Lösung der Säure unter Einleiten von Kohlensäure fast 
zur Trockne verdampft und mit Alkohol fraktioniert gefällt. Die 
ersten. Fraktionen sind dunkelbraunss Harz, die späteren zwar schön 
hell, dunkeln aber beim Trocknen nach und sind amorph und sehr 
hygroskopisch. Die Säure enthält Stickstoff und organisch gebundenen 
Schwefel, sie ist in organischen Solventien unlöslich, ihre Salze sind 
in Wasser leicht löslich. Eine weitere Reinigung wollte nicht gelingen, 
bis sich mir bei der Darstellung der wasserlöslichen Mutterkornbasen 
nach der Jodkaliumwismutmethode dieselbe Säure in schön reiner Form 
darbot. Wie dort erwähnt, bildet sie farblose Prismen vom Schmelz- 
punkte 200°, leicht löslich in Wasser mit intensiv saurer Reaktion; 
mit Silbernitrat unter Zusatz von etwas Ammoniak entsteht eine weiße 


F. Kraft: Mutterkorn. 355 


Fällung, die sich beim Kochen nicht reduziert. Die Säure gibt als 
solche keine Schwefelsäurereaktion, wohl aber nach dem Verschmelzen 
mit Soda und Salpeter; ihre Kalischmelze gibt sowohl Schwefelsäure- 
als Schwefligsäurereaktion, der Schwefel ist also in Form einer Sulfo- 
gruppe in dem Körper enthalten, die ihm wohl auch seine intensiv 
saure Reaktion verleiht. Durch die Glühprobe mit metallischem Kalium 
läßt sich ferner Stickstoff nachweisen. Beim Diazotieren entsteht kein 
mit R-Salz sich kuppelnder Diazokörper, wohl aber tritt hierbei 
Stickstoffentwickelung ein, der Stickstoff ist also als aliphatische 
Amidogruppe vorhanden. 

Die exsikkatortrockene Substanz zeigt beim Erhitzen auf 130° 
keine Gewichtsabnahme. Die Analysen, welche wegen Mangel an 
Substanz nur je einfach ausgeführt werden konnten, lieferten folgende 
Zahlen: 

0,1985 Substanz mit Bleichromat verbrannt gaben 0,2406 CO; und 
0,0950 H30. 

0,1070 Substanz mit Soda und Salpeter verschmolzen gaben 0,0460 BaSO,. 

0,1182 Substanz mit verdünnter Schwefelsäure und Kaliumnitrit erwärmt 
gaben 2,8 ccm N bei 16° und 738 mm. 

Die letztere Untersuchung erfolgte nach der Bestimmungsmethode für 
aliphatische Amingruppen, in Dr. Hans Meyer’s Anleit. z. quant. Bestimmung 


der organ. Atomgruppen, S. 81. 
Gefunden: 


C:, 33,05% 
ER2 nn. 
: u SEN ERT 
N 267, 
0 53,03 „ 
welche Zahlen zu der Formel führen: 
NH 
C,;H3aSNO,s oder O,;Ha, 01<g0,H 


wonach ich die Substanz Secaleamidosulfonsäure benennen möchte. 


Da wir uns nicht nur die chemische Untersuchung des Mutter- 
korns zur Aufgabe gemacht hatten, sonder& auch die Entscheidung 
der Frage nach dem medizinisch wirkenden Bestandteile, so wurden 
die isolierten Präparate einer pharmakologischen Prüfung unterworfen, 
welche auszuführen Herr Prof. Dr. A. Jaquetin Basel die Güte hatte.') 

Der durch Ausziehen mit Aether und Fällen mit Petroläther 
erhaltene und dem Jacobj’schen Chrysotoxin entsprechende entfettete 


1) Ich spreche Herrn Prof. Jaquet auch an dieser Stelle meinen 
verbindlichsten Dank für seine gefällige Mitwirkung aus. 
23* 


356 F. Kraft: Mutterkorn. 


Aetherauszug zeigt in gewissem Grade die charakteristische Wirkung 
auf den Uterus, aber nur bei bestimmter Art der Anwendung. Als 
Pulver oder in öliger Verreibung per os dem Hahn oder trächtigen 
Tieren beigebracht, ist er ganz unwirksam, verreibt man ihn aber mit: 
etwas verdünnter Natronlauge und benutzt das Filtrat zur Subkutan- 
injektion, so tritt beim trächtigen Meerschweinchen Abort und beim 
Hahn Blaufärbung des Kammes ein, jedoch sind zur Auslösung der 
Wirkung beim Meerschweinchen 0,25 g Rohsubstanz (=50 g Mutter- 
korn) nötig. Auch durch Fällung der Aetherlösung der Rohsubstanz 
mit gasförmigem Ammoniak oder mit weingeistigem Kaliumhydrat 
wurden etwas aktive Präparate erhalten, die Wirkung ist aber unsicher 
und überdies sind diese Fällungen ebenfalls wieder komplexer Natur, 
da sowohl die Säuren als die Alkaloide des Mutterkorns mit Alkalien 
Verbindungen eingehen. 


Bei den aus diesem Rohprodukt isolierten Reinkörpern ist die 
abortive Wirkung ganz verschwunden. 

Die Secalonsäure und ihre Derivate sind vollständig physiologisch 
inaktive Körper. 


Den Alkaloiden Ergotinin und Hydroergotinin wandten wir ent- 
sprechend den von unseren Vorgängern an sie geknüpften Hypothesen 
unsere besondere Aufmerksamkeit zu. Sie kamen subkutan zur An- 
wendung und es wurden zu diesem Zwecke die absolut reinen 
Alkaloide sowohl durch Säure als durch Lauge in Lösung gebracht. 
Man löst dieselben in Eisessig und verdünnt entweder_mit Wasser oder 
übersättigt leicht mit Lauge; die alkalische Lösung scheint die promptere 
Wirkung zu haben. Folgendes sind einige der charakteristischsten 
Protokolle: 

0,02 g Ergotinin in möglichst wenig Eisessig gelöst, mit Wasser 
verdünnt einem trächtigen Meerschweinchen injiziert: Tod nach 24 Std. 
an aufsteigender Lähmung, kein Abort. 

Ein gleicher Versuch an einem zweiten trächtigen Meerschweinchen 
zeigt dieselbe Wirkung, Tod nach 36 Std., kein Abort. 


0,018 Hydroergotinin gelöst in 2 Tropfen Eisessig und 4 ccm 
Hs0, und 4 Tropfen 10% NaOH zugefügt, einem jungen Hahn injiziert: 
Piept beständig, Kamm blaurot, zuweilen Zittern der Beine, am 
anderen Tage tot. 


0,01 Hydroergotinin wie vorher einem jungen Hahn injiziert: 
Piept beständig, Zittern des Kopfes und der Flügel, Zuckungen des 
Schwanzes, zuweilen heftiges Schütteln des Kopfes, Kamm dunkel 
blaurot, Gang etwas ataktisch. Erholt sich mit Ausnahme der Kamm- 
spitzen, die schwarz bleiben. 


F. Kraft: Mutterkorn. 357 


0,01 Hydroergotinin einem trächtigen Meerschweinchen bei- 
gebracht. Sofort nach der Injektion einige lebhafte Konvulsionen; 
berubigt sich dann wieder. Es treten dann wieder kurze Zuckungen 
des Kopfes und der Beine ein, Uterus sehr empfindlich auf Palpation, 
Am anderen Tage haben die Zuckungen aufgehört, das Tier erscheint 
normal. Nach weiteren 2 Tagen 0,025 Hydroergotinin, keine Wirkungen 
außer Zuckungen und Unruhe; erst 4 Tage später wirft das Tier 
4 unreife tote Junge. 

0,05 Hydroergotinin gelöst wie oben, einem trächtigen Meer- 
schweinchen injiziert: schreit bei der Injektion, Zuckungen und klonische 
Krämpfe, hat den ganzen Nachmittag heftige Wehen, Uterus schmerz- 
haft auf Palpation. Am anderen Tage tot, im Bauche 4 tote reife Junge. 

0,04 Hydroergotinin einem trächtigen Kaninchen beigebracht, 
schreit und zappelt bei der Injektion; erhält am zweiten Tage nochmals 
0,05; stirbt am dritten Tage an Lungenentzündung ohne geworfen 
zu haben. 

Ergotinin, Meerschweinchen, trächtig, erhält 11 Uhr 0,05 in 
0,25 g Eisessig und 5 g Wasser gelöst, schreit und reagiert heftig bei 
der Injektion. 4 Uhr: Tier ist krank, jammert periodisch, gleichzeitig 
fühlt sich der Bauch hart an und ist auf Druck empfindlich. 8 Uhr: 
Tier liegt auf der Seite, atmet schwach und langsam, schreit von Zeit 
zu Zeit, Herzschläge kaum zu fühlen, Schnauze zyanotisch, auf Palpation 
des Bauches schwache Reaktion. Stirbt ohne geworfen zu haben; im 
Uterus fünf unreife Föten. 

Außer den reinen Alkaloiden wurde auch das Alkaloidrohgemenge 
einer wiederholten Prüfung unterzogen. Die unter sehr schonenden 
Umständen ausgeführte Darstellung des Rohalkaloides (Ausziehen des 
Mutterkorns mit Aether, Ausschütteln der Auszüge mit schwacher 
Weinsäurelösung und Ausfällen mit Soda) schließt eine Zersetzung aus, 
und wenn ein weiteres Mutterkornalkaloid meiner Aufmerksamkeit 
entgangen wäre, so müßte es doch in diesem Rohalkaloid enthalten 
sein. Dasselbe unterscheidet sich aber nicht in seiner Wirkung von 
den Reinalkaloiden; 0,01 g bewirkten beim trächtigen Meerschweinchen 
klonische Konvulsionen ohne Abort und 0,02—0,03 g führten den Tod 
herbei ebenfalls ohne Abort. 

Aus diesen Tierexperimenten geht in unzweideutiger 
Weise hervor, daß den Alkaloiden die therapeutisch 
verwertete Wirkung des Mutterkornes, den Uterus zu 
Kontraktionen anzuregen und dadurch abortiv und 
hämostyptisch auf denselben einzuwirken, durchaus abgeht. 
Dagegen sind die beiden nahe verwandten Alkaloide 
Krampfgifte, welche in mäßiger Dosis den Tod der 


358 F. Kraft: Mutterkorn. 


Versuchstiere durch Lähmung verursachen. Auch diein 
toxikologischer Richtung so wichtige und interessante 
gangränbildende Wirkung ist auf die Alkaloide, speziell 


das Hydroergotinin (Ergotinin wurde auf diese Eigenschaft 


nicht geprüft) zurückgeführt, sodaß die Alkaloide also 
gerade nur die schädlichen und unerwünschten Neben- 
wirkungen des Mutterkornes bedingen. Als besonders 
wichtiges Resultat muß noch hervorgehoben werden, daß 
die abortive Wirkung einerseits und die Krampf und 
Gangrän erzeugende andererseits Funktionen von ganz 
verschiedenen Mutterkornbestandteilen sind, während 
man dieselben bisher mit einander eng verbunden hielt, 


sodaß z. B. Jakobj insbesondere nach der Fähigkeit 


Gangrän zu bilden die Wirksamkeit seiner Präparate 
bewertete. 

Unsere Befunde stehen in scheinbarem Widerspruch mit den 
Ergebnissen früherer Mutterkornforscher, in Wirklichkeit liegt der 
Unterschied aber nur in der Auslegung derselben. Kobert und 
Jacobj glaubten ihre Tierexperimente mit Reinkörpern auszuführen, 
während es, wie ich im Laufe meiner Arbeit zeigte, nur die ihrer 
Zerlegung äußerst zähen Widerstand entgegensetzenden Rohkörper 
waren. Am entfetteten Aetherextrakte konnten auch wir, gleich jenen 
beiden Forschern, eine abortive Wirkung wahrnehmen, jedoch nur 
eine verhältnismäßig recht schwache und oft schwankende. Diese 
beiden Eigenschaften weisen darauf hin, daß die ursprüngliche sich 
bei der Weiterverarbeitung verlierende Wirksamkeit nur einer quantitativ 
geringfügigen quasi Verunreinigung zuzuschreiben ist. Die andere 
Möglichkeit, daß nämlich der wirksame Körper bei der Verarbeitung 
zerstört worden sei, glauben wir dadurch ausgeschlossen zu haben, daß 
wir den Rohkörper auf mehrfach variierte Weise in Angriff nahmen 
und auch die Zwischenstufen am Tiere prüften. Dank ihrer wenig 
positiven Eigenschaften muß sich die kleine Menge des Aktivkörpers 
bei der Verarbeitung stets in den wässerigen Mutterlaugen verloren 
haben; es muß eine wasserlösliche, durch Aether nicht entziehbare, 
weder eigentlichen Basen- noch Säure- noch Phenolcharakter besitzende 
Substanz sein. 

Als wir eben zu dieser Einsicht vorgeschritten waren, meldete 
Professor E. Vahlen!) die Entdeckung eines neuen krystallisierten 
Mutterkornkörpers, des Clavin, das die typische Mutterkornwirkung 
besitzt. Damit war die Weiterführung unserer Arbeit erübrigt; ihre 


1) E. Vahlen, Deutsche medizin. Wochenschrift 1905, S. 1263. 


ia) 


F. Kraft: Mutterkorn. 359 


Veröffentlichung wird aber gerade jetzt eine willkommene Ergänzung 
derjenigen von Vahlen sein'). 


Zusammenfassung der Resultate: 


Als spezifische Stotfe finden sich im Mutterkorn: 

das Ergosterin (Tanret); 

zwei Alkaloide: 
das krystallisierte Ergotinin (Tanret), 
das amorphe Hydroergotinin; 

eine Gruppe gelbgefärbter Lactonsäuren: 
die Secalonsäyre und ihre amorphen Ver- 

wandten; 

eine weiße, von der Secalonsäure unabhängige Säure: 
die Secaleamidosulfonsäure; 

ferner die auch sonst verbreiteten Stoffe: 
Betain, 
Cholin, 
Mannit. 

Die Alkaloide sind Krampf und Gangrän erzeugende Gifte, nicht 
aber die Träger der spezifischen, Uteruskontraktionen hervorrufenden 
Mutterkornwirkung. 

Die Mutterkornkörper von Kobert und von Jakobj sind keine 
chemischen Individuen, sondern Gemenge veränderlicher Natur der 
obigen Reinsubstauzen, die ihre physiologische Wirksamkeit sämtlich 
den Alkaloiden, hauptsächlich dem Hydroergotinin, verdanken. Das 
Cornutin Keller’s und das Secalin Jakobj’s sind identisch mit 
Ergotinin; der Ergotinsäure liegt die Secaleamidosulfonsäure zu Grunde. 


1) Die Darstellung der zahlreichen Ergotine und Secaleextrakte des 
Handels gründet sich meistens auf die Annahme, daß die Mutterkornalkaloide 
die therapeutische Wirkung bedingen, und es ist vielen dieser Präparate eine 
ganz gute Wirkung zuzuerkennen. Dieser Umstand ist aber von keiner 
Beweiskraft zu Gunsten der Alkaloide, und andererseits werden diese 
Präparate nur indirekt von meiner Beweisführung betroffen. 

Die Ergotine sind wässerige oder alkoholische Extrakte, aus denen 
die Ballastsubstanzen, wie Fett, Farbstoffe und Schleim möglichst entfernt 
wurden. Das Reinigungsverfahren ist also ein negatives, und es muß dabei 
eine Substanz von den Eigenschaften des Clavins noch weit eher in dem 
Extrakte verbleiben als die Alkaloide. Im Gegenteil sind die Alkaloide 
wohl oft ohne Willen und Wissen größtenteils ausgeschieden worden, z.B. 
aus dem Mutterkornextrakte der Ph. Helvetic. III durch die Behandlung mit 
Salzsäure, in anderen Fällen durch ihre Eigenschaft, sich anderen ausfallenden 
Kolloiden anzulagern. Nach meinen Ausführungen werden die Darsteller gut 
tun, diese Alkaloide noch sorgfältiger zu entfernen. 


360 M. Wintgen: Solaningehalt der Kartoffeln. 


Ueber den Solaningehalt der Kartoffeln. 


Von Dr. M. Wintgen. 


Die Bedeutung, welche der Kartoffel als einem der wichtigsten 
Nahrungsmittel bei den meisten Kulturvölkern zukommt, läßt es 
begreiflich erscheinen, daß frühzeitig die Aufmerksamkeit des Chemikers 
und des Arztes auf einen in ihr enthaltenen Bestandteil gelenkt wurde, 
der in größeren Mengen für den menschlichen Organismus giftige 
Eigenschaften besitzt, das Solanin. 

Dieses im Jahre 1820 von Defosses!) in re nigrum 
entdeckte Glykosid wurde wenige Jahre später von Baup?) auch aus 
Kartoffelkeimen isoliert- In den vierziger Jahren des vorigen Jahr- 
hunderts hat dann Wackenroder?°) als erster das Solanin in der 
Kartoffel quantitativ zu bestimmen gesucht und 5 mg aus 1kg Kartoffeln 
erhalten. 

Zahlreiche Untersuchungen sind dieser ersten im Laufe der 
folgenden Jahrzehnte gefolgt. Nach einer Zusammenstellung, die 
G. Meyer‘) in einer Arbeit „Ueber Vergiftungen durch Kartoffeln“ 
über den Solaningehalt bringt, sind 3 1 kg Kartoffeln 5—680 mg 
Solanin gefunden worden. 

Der Gehalt an Solanin ist nach diesen Werten ein außerordentlich 
verschiedener, doch wird man nicht fehlgehen in der Annahme, daß 
die Methodik der Gewinnung der leichten Zersetzlichkeit des Glykosides 
nicht immer völlig Rechnung getragen haben dürfte, sodaß Verluste 
entstanden sind, und daß andererseits das gewonnene Solanin nicht 
stets völlig rein gewesen ist, sodaß der Solaningehalt zu hoch ge- 
funden wurde. 

Immerhin würde auch bei erheblicher Reduktion jener beobachteten 
Höchstwerte der Solaningehalt ausreichend erscheinen, um mehrfach 
beobachtete Erkrankungen, die auf Kartoffelgenuß zurückgeführt werden 
mußten, mit ihrem Solaningehalt in Verbindung bringen zu können. 

Massenerkrankungen, die in den Jahren 1892 und 1893 im Elsaß 
unter den Mannschaften verschiedener Truppenteile auftraten und auf 
den Genuß von Kartoffeln zurückgeführt wurden, gaben Schmiedeberg 
und Meyer’) Anlaß, eingehende Untersuchungen über den Solanin- 


1) Journ. de Pharmacie Paris 1820, 4. 

2) Annales de chimie et de physique Paris 1826, 31. 
8) Archiv der Pharmazie, 33. 

4) Archiv f. experim. Pathol. u. Pharmakol., 36. 

5) Militärärztl. Zeitschrift 1904. 


M. Wintgen: Solaningehalt der Kartoffeln. 361 


gehalt in Kartoffeln anzustellen. Meyer arbeitete mehrere quantitative 
Gewinnungsmethoden für Solanin aus und untersuchte hiernach: 


1. gesunde Kartoffeln nach verschieden langer Lagerzeit; 
2. kranke und gefaulte Kartoffeln. 


Erhebliche Unterschiede im Solaningehait wurden hierbei von 
neuem beobachiet. 

In anscheinend gesunden, ungeschälten und rohen Kartoffeln 
wurden 42 bis 206 mg') Solanin, in noch nicht völlig ausgereiften 
Frühkartoffeln 236 mg gefunden. Während der Keimung, in den 
Monaten März bis Juli, wurde eine kleine Zunahme an Solanin von 
90 auf 112 mg trotz Entfernung der Keime beobachtet, duch geht aus 
der Arbeit nicht mit Sicherheit hervor, daß immer von derselben 
Lieferung Kartcffeln zur Verfügung standen. 

In geschälten Kartoffeln wurde durchschnittlich nur halb so viel 
Solanin als in ungeschälten gefunden. 

Kranke Kartoffeln schließlich enthielten, wenn sie ganz faulig 
waren, kein Solanin mehr, und in fleckigen, teils holzig harten, teils 
weichen, sowie eingeschrumpften Kartoffeln, schwankte der Gehalt 
innerhalb der auch bei gesunden Proben gefundenen Werte. Nur in 
zwei Proben wurde der außerordentlich hohe Gehalt von 520, ja sogar 
von 1340 mg Solanin festgestellt. Beide Proben waren anormal. 
Erstere bestand aus Keimknollen, das sind kleine Knollen, die sich 
beim Lagern aus ausgetriebenen, alten Kartoffeln am Ende der Keime 
im Frühjahr zu bilden vermögen, letztere bestand aus vorjährigen, 
14—16 Monate alten Kartoffeln, welche stark eingeschrumpfit waren, 
und in schwarzen unter der Schale liegenden Stellen Pilzwucherungen 
aufwiesen. Die Befunde gaben zu der Vermutung Anlaß, daß der 
hohe Solaningehalt auf bakterielle Ursachen zurückzuführen sei. 
Versuche, auf gesunde Kartoffeln das infizierte Gewebe überzuimpfen, 
gelangen nur unvollständig. Immerhin ließ sich nach einigen Monaten 
bei einem solchen Versuch eine Zunahme von Solanin nachweisen. 

Die Vermutung, daß durch Bakterien oder durch Pilze eine 
Erhöhung des. Solaningehaltes verursacht werde, erhielt anscheinend 
eine weitere Bestätigung durch mehrere Veröffentlichungen von 
Schnell?). Dieser hatte 1898 in geschälten, rohen Kartoffeln, deren 
Genuß Erkrankungen verursacht hatte, 380 mg Solanin und nach ihrer 
Abkochung noch 240 mg Solanin gefunden. Sodann ermittelte er 
durch eine Reihe weiterer Untersuchungen von Kartoffeln, welche 
Fleckbildung unter der Schale zeigten, daß diese kranken Gewebsteile 


1) Die angegebenen Werte beziehen sich stets auf 1 kg Kartoffeln. 
2) Apotheker-Zeitung 1898, 13, 775 und 1900, 15, 133. 


362 M. Wintgen: Solaningehalt der Kartoffeln. 


im Durchschnitt 33% mehr Solanin enthielten, als die weißen, anscheinend 
noch gesunden Teile der gleichen Knollen. Die betreffenden Werte 
waren allerdings viel kleiner, als die erst gefundenen; sie betrugen in 
6 Bestimmungen 32—96 mg in den verfärbten, und 28—64 mg in den: 
weiß erscheinenden Stellen. Schnell folgerte aus seinen Befunden, 
daß die Fleckbildung mit dem erhöhten Solaningehalt in ursächlichem 
Zusammenhang stehe, ließ es jedoch unentschieden, ob Bakterien oder 
Pilze die Solaninbildner seien. 

Eine Entscheidung in dieser Frage glaubte bald darauf Weil!) 
bringen zu können, der auf Veranlassung von Schnell sich mit dem 
Studium der die Fleckbildung verursachenden Erreger beschäftigt hat. 
Aus seiner Veröffentlichung geht hervor, daß er 13, anscheinend bisher 
nicht bekannte Bakterien aus kranken Gewebsteilen der Kartoffeln 
isolieren konnte, von denen 2 Solanin bilden sollten. Er bezeichnete 
sie als Bacterium solaniferum non colorabile und Bacterium solaniferum 
colorabil°. Weil kommt auf Grund seiner Untersuchungsergebnisse 
zu dem Schluß, daß das Vorkommen von Solanin in Kartoffeln lediglich 
durch Bakterieneinwirkung hervorgerufen werde. 

Im Auftrage der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums hat 
sich bald darauf auch das Laboratorium der Kaiser Wilhelms- Akademie 
mit der Untersuchung von Kartoffeln auf ihren Solaningehalt beschäftigt, 
und ist hierbei auch eine Nachprüfung der Arbeiten letztgenannter 
Autoren erfolgt. 

Die Gesichtspunkte für die Arbeit waren folgende: 

1. Ist in guten, anscheinend gesunden Kartoffeln der Solanin- 
gehalt bei den einzelnen Sorten gleichmäßig, und nimmt er 
beim Lagern, zumal zur Keimzeit, zu? 

2. Welchen Einfluß üben Krankheiten auf den Solaningehalt der 
Kartoffeln aus? 

3. Wird durch die von Weil als Solaninbildner bezeichneten 
Bakterien Solanin wirklich gebildet? 

Bevor mit diesen Untersuchungen begonnen wurde, erschien es 
vorerst nötig, festzustellen, ob die zur Isolierung des Solanins in Aus- 
sicht genommenen Methoden seine quantitative Gewinnung gewähr- 
leisteten, und ob ferner die Prüfungsmethoden zu sicheren Schlüssen 
auf die Reinheit des Solanins berechtigen. 

In kurzen Zügen möchte ich die beiden Verfahren, die zur Ge- 
winnung des Solanins angewandt wurden, und von denen das nächst- 
beschriebene von Meyer?) veröffentlicht und empfohlen worden ist, 
angeben. 

I) Archiv f. Hygiene 1900, 38, 330. 

2) Militärärztl. Zeitschrift 1904. 


M. Wintgen: Solaningehalt der Kartoffeln. 363 


Die zerriebenen Kartoffeln werden abgepreßt, der Preßsaft fast 
zur Trockene eingedampft, nachdem seine sauere Reaktion zuvor durch 
Ammoniak abgestumpft worden ist, und ebenso wie der Preßrückstand 
wiederholt mit heißem Alkohol extrahiert. Die vereinigten alkoholischen 
Auszüge werden nach dem Eindampfen mit schwefelsäurehaltigem 
Wasser aufgenommen und hieraus durch Ueberzättigen mit Ammoniak 
das Solanin gefällt. Das abfiltrierte, gut ausgewaschene Solanin wird 
von neuem in Alkohol gelöst, filtriert und in einem Schälchen nach dem 
Verdunsten des Alkohols bei mäßiger Wärme zur Wägung gebracht. 

Nach der zweiten Methode wurden die Kartoffeln ebenfalls zer- 
rieben und abgepreßt, nur wurde der Preßrückstand mit kaltem Alkohol 
der mit !/s°/, Eisessig angesäuert war, im Perkolator bis zur Er- 
schöpfung extrahiert. Das Perkolat wurde nach dem Neutralisieren 
mit Ammoniak mit dem alkoholischen Auszuge des eingedickten Preß- 
saftes vereinigt, der Alkohol abgedampft und der Rückstand nach 
Methode I weiter verarbeitet. 

Die Genauigkeit beider Methoden wurde in der Weise nach- 
geprüft, daß zwei Kartoffelproben von je 500 g nebeneinander ver- 
arbeitet, und der einen 0,05 g Solanin zugesetzt wurden, das bei 100° 
getrocknet war. Die Differenz zwischen dem gefundenen Solaningehalt 
beider Proben betrug 5l mg. Ein gleich gutes Ergebnis wurde nach 
der Methode II erzielt, wo nur 20 mg Solanin der einen Kartoffel- 
probe beim Verarbeiten zugesetzt wurden. Auch hier betrug die 
Differenz beider Bestimmungen 21 mg Solanin. 

Die Versuche, die Reinheit des Solanins nicht lediglich durch 
Farbreaktionen, sowie auf Grund seiner äußeren Beschaffenheit fest- 
zustellen, sondern auch auf andere Weise Kriterien für die Reinheit 
zu gewinnen, haben zu keinem Ergebnis geführt. Er gelang mir und 
meinen Mitarbeitern weder durch Lösen des Solanins in Säure von 
bekanntem Gehalt und Feststellung des Säureverbrauchs durch Rück- 
titration, unter Verwendung der verschiedensten Indikatoren, eine 
brauchbare Bestimmungsmethode zu erhalten, noch lieferten andere 
Versuche, durch die eine quantitative Ueberführung des Solanins in 
Solanidin angestrebt wurde, ein brauchbares Ergebnis. Schließlich 
will ich hervorheben, daß auch die Bestimmung des Schmelzpunktes 
als sicheres Kriterium für die Reinheit des Solanins nicht heran- 
gezogen werden konnte, da die Angaben hierüber keineswegs über- 
einstimmen und nach unseren Versuchen eine Zersetzung, ohne daß 
ein scharfer Schmelzpunkt beobachtet wurde, erfolgte. 

Es mußte daher genügen, das Solanin möglichst farblos zu gewinnen 
und seine Identität durch eine Reihe von Farbreaktionen nachzuweisen. 
Hierzu wurde Selen-, Tellur- und Aethyl-Schwefelsäure benutzt. 


364 M. Wintgen: Solaningehalt der Kartoffeln. 


Das Solanin wurde teils in krystallinischer, teils in amorpher 
Form zur Wägung gebracht. War dasselbe etwas gefärbt, so wurde 
es durch Lösen in schwefelsäurehaltigem Wasser, Ausfällen mit 
Ammoniak und Aufnahme des abfiltrierten Solanins in Alkohol gereinigt. 
Namentlich aus kranken Kartoffeln gelang es nicht, in allen Fällen 
sofort das Solanin weiß zu erhalten. Bei diesen war das erst er- 
haltene Solanin in der Rege) durch organische Zersetzungsprodukte 
verunreinigt und braun gefärbt und gab die Identitätsreaktionen nur 
unscharf. In schwefelsäurehaltigem Wasser löste es sich nur un- 
vollkommen unter Zurücklassen eines harzigen Rückstandes, in dem 
Solanidin nicht nachweisbar war. Erst nach ein- bis mehrmaliger 
Reinigung in der oben geschilderten Weise wurde es gelblichweiß bis 
weiß erhalten. 


I. Solaningehalt in gesunden Kartoffeln. 


Untersucht wurden Kartoffeln 1898er und 1899er Ernte. Neben 
zwei in Berlin gehandelten Marken „Edelsteiner“ und „Rote Dabersche*, 
von denen für die fortlaufenden Untersuchungen größere Mengen gekauft 
wurden, verdankte das Laboratorium weitere Proben teils guter, teils 
kranker Kartoffeln Herrn Prof. v. Eckenbrecher, dem Leiter der 
Deutschen Kartoffelkulturstation in Berlin, dem ich auch an dieser 
Stelle meinen Dank für seine Unterstützung aussprechen möchte. 

In der Regel wurden !/s—1 kg Kartoffeln für die einzelnen 
Untersuchungen verwendet und kamen, von einem Versuch abgesehen, 
nur rohe Kartoffeln zur Prüfung. Hatten die Kartoffeln bereits Keime 
getrieben, so wurden diese vor der Verarbeitung sorgfältig entfernt. 
Nur in einzelnen Fällen wurden Bestimmungen in geschälten Kartoffeln 
ausgeführt, dann aber stets der Gehalt der Schalen an Solanin mit- 
bestimmt; denn der Solaningehalt geschälter Kartoffeln ist nicht ver- 
gleichbar, da die äußeren Schichten solaninreicher sind, ein gleich- 
mäßiges Schälen aber infolge der verschiedenen Gestalt und dem je 
nach der Länge der Lagerzeit mehr oder weniger weit fortgeschrittenen 
Schrumpfungszustande nicht durchführbar ist. 

In Tabelle I sind die in guten Kartoffeln gefundenen Solanin- 
mengen zusammengestellt. 

„Edelsteiner“ und „Rote Dabersche“ hatten demnach bereits im 
Oktober, also kurz nach der Ernte, den relativ hohen Gehalt von 
83 bezw. 86 mg, Solanin. Eine Zunahme des Solaningehaltes während 
der neun und elf Monate langen Lagerung wurde trotz starken Aus- 
keimens nicht beobachtet. Er betrug bei „Edelsteiner“ im August 1899 
73 mg gegenüber 83 mg im Oktober 1898; bei „Rote Dabersche“ 89 mg 
im Juni 1899, dagegen 86 mg im Jahre vorher. 


M. Wintgen: Solaningehalt der Kartoffeln. 365 
Tabelle I. 
Kartoffeln 1898er Ernte. 

8 ARTEN PREF 

> | Bezeichnung der | Zeit der 2 FR: | Aeußere Beschaffenheit EEicke 

2 Kartoffelsorte | En der Kartoffeln nmsä 

‘suchung [3 5* 

No. e | wohne hen 
1. Weiße Edelsteiner |Oktober98| 500 | gesund, Schnittfläche normal | 0,0832 
2 Ion n ee | 500 desgl. 0,0888 
Are: \. = Novbr. 98| 500 desgl. 0,0892 
lg $ 4 500 desgl. 0,0880 
ls h Anfang | 500 |etwas geschrumpft und zu | 0,0724 

März 99 | keimen anfangend 
6| „ > Ende 500 desgl. 0,0688 
März 99 
7 8 < April 99 500 | stark geschrumpft und viele | 0,0720 
| Keime zeigend 
IWO0, Rt Juli 99 500 |sehr stark geschrumpft mit | 0,0730 
| sehr viel Keimen 
ERIE- In in August 98 500 desgl. 0,0733 
10, Rote Dabersche |Oktober98 500 | gesund, Schnittfläche normal | 0,0860 
BET. a April 99 500 | geschrumpft, viele Keime | 0,0940 
| | zeigend 
12| , R Juni 99 | 500 desgl. 0,0890 

13 | Richter’sImperator|| April 99 | 1000 | gesund, nur winzige Keime | 0,0228 

| zeigend 

14 | Prof. Oehmicher \Anf.Mai99 1000 | ohne Keime 0,0444 

15 Richters Edel- | Mitte 1000 | wenige kleine Keime 0,0180 

| steiner Mai 99 
16 Ruhm von Haiger |EndeMai99 1000 | schwach gekeimt 0,0172 
Kartoffeln 1899er Ernte. 

17 | Malta-Kartoffeln Juni 99 | 500 | normal 0,0260 

18 Frühkartoffeln ' Juli 99 | 500 | desgl. 0,0250 

| (weiße Nieren) | 

19 Prof. Orth 'Novbr. 99 | 1000 | desgl. 0,1059 

20 Weiße Riesen | „ 500 | desgl. 0,0406 

21| Domäne Dalem ‚Januar 00 | 750 |stark geschrumpft, schwach | 0,0620 

| | gekeimt 

22| Edelsteiner ‚Februar00) 500 |schwach gekeimt 0,0600 

23 2 ' Anfang | 500 | gekeimt, sonst normal 0,0550 

| | März U0 | 

24 |Rote Dabersche Üktober99 1000 | normal 0,0935 

BE a ülnE 'Dezbr. 99 | 500 | desgl. 0,0924 

26 „ % ‚Januar 00 | 500 | desgl. 0,0800 

27| „ & ‚Februar00| 500 | hatten gekeimt 0,0660 

28 e ı März 00 | 500 desgl. 0,0900 


366 M. Wintgen: Solaningehalt der Kartoffeln. 


Beträchtlich weniger Solanin wurde in vier anderen Kartoffel- 
sorten gefunden, die im April 1899 aus frisch geöffneten Mieten ent- 
nommen waren. Diese Kartoffeln sahen sehr frisch aus, zeigten keine 
oder nur sehr geringe Keimbildung und enthielten 17—44 mg Solanin. - 

Aehnlicher Art waren die Untersuchungsergebnisse von Kartoffeln 
der nächstfolgenden Ernte, wo Malta-Kartoffeln, eine Sorte Früh- 
kartoffeln und fünf Sorten Spätkartoffeln, darunter wiederum „Edel- 
steiner“ und „Rote Dabersche“, auf ihren Solaningehalt geprüft wurden. 
In den Malta- und Frühkartoffeln wurde 25 und 26 mg Solanin ge- 
funden, während als Maximalgehalt in der Spätkartoffel „Prof. Orth“ 
107 mg ermittelt wurden. Weiterhin ergaben Lagerungsversuche, die 
mit der Marke „Rote Dabersche“ von Oktober 1899 bis März 1900 
angestellt wurden, keine Zunahme von Solanin, obwohl Keimung der 
Kartoffeln in den letzten Monaten eingetreten war. Die Befunde 
waren 93 mg im Oktober und 90 mg im darauffolgenden März. 

Also auch hier wiederum große Schwankungen im Solaningehalt 
zwischen den einzelnen Sorten und keine Beobachtung einer Zunahme 
des Solanins beim Lagern. 


Il. Solaningehalt in kranken Kartoffeln. 


Es hatte ursprünglich der Plan bestanden, mit Unterstützung des 
inzwischen verstorbenen Herrn Geh. Reg.-Rates Prof. Frank die 
Krankheitsform der betreffenden Kartoffeln festzustellen und möglichst 
nur Sorten mit einheitlichen Krankheitserscheinungen auf ihren Solanin- 
gehalt zu prüfen. Ferner sollten neben diesen kranken Kartoffeln 
auch gesunde, welche von demselben Felde stammten, mituntersucht 
werden. 

Auch hierfür hatte sich unser Laboratorium der Unterstützung 
der Kartoffelkulturstation zu erfreuen. Diese sandte im Frühjahr 1899 
aus frisch geöffneten Mieten von vier verschiedenen Kartoffelsorten 
gesunde und kranke Proben ein; ebenso erhielten wir im Herbst des- 
selben Jahres mehrere frisch geerntete Proben von mehreren anderen 
Sorten zugeschickt. 

Eine einheitliche, auf den gleichen Erreger zurückzuführende 
Krankheit lag aber, wie von Frank festgestellt wurde, weder bei den 
eingemietet gewesenen, noch bei den frisch geernteten Kartoffeln vor. 
Die Krankheitserscheinungen wiesen vielmehr auf Mischinfektion hin 
und waren zum Teil ziemlich weit fortgeschritten. Graue Flecken 
unter der Schale, wie sie mit der Vermehrung des Solaningehaltes in 
ursächlichem Zusammenhang gebracht werden, wurden hin und wider 
bemerkt, doch ließen sich Pilzwucherungen, wie sie Schnell beobachtete, 
nicht darin feststellen. ? 


M. Wintgen: Solaningehalt der Kartoffeln. 367 


Bakteriologische Untersuchungen, die anfangs mit infizierten 
Gewebsteilen angestellt wurden, ergaben weiterhin auf Kartoffelgelatine 
ein so reiches Wachstum der verschiedensten Bakterienarten, daß es 
nicht möglich erschien, sie alle zu isolieren und auf die Fähigkeit, 
Solanin zu bilden, zu prüfen. Die Kartoffeln wurden daher nur 
chemisch auf ihren Solaningehalt untersucht. Wie aus Tabelle II 
hervorgeht, wurde bei den eingemietet gewesenen kranken Kartoffeln 
der 1898er Ernte nur in einem Falle ein um 7 mg höherer Solanin- 
gehalt als in gesunden Kartoffeln gefunden, bei den anderen Proben 
dagegen eine Abnahme des Solaningehaltes gegenüber gesunden 


Kartoffeln beobachtet. 
Tabelle II. 


Kartoffeln 1898er Ernte. 


| I zeit der Solaningehalt 
Bezeichnung der | Unt Beschaffenheit herachnat. auf 
No. ' Unter- 
Kartoffel der kranken Kartoffeln 1 kg 
' suchung 
| krank |gesund 


1| Richter’sImperator | April 99 |die kranken Teile sind‘ 0,0220 | 0,0228 
l teilweise zusammenge-, 
schrumpft, das Parenchym 
| | braunundteilweiseerweicht 
2| Prof. Oehmicher Anfang [sehr stark gefault und zu- 0,0204 0,0444 
Mai 99 sammengeschrumpft,weißes | 
N Pilamycel unter der Schale | | 
3 Richter’s Edel- Mitte Kartoffeln zeigen viele ‚0,0250 | 0,0180 
' steiner | Mai 99 schwarze Stellen. Letztere | 
| I sind weich, faul und nicht | | 
| I tief ins Innere eindringend | 
4 Ruhm von Haiger | Ende |braunschwarz, schmierig 0,0120 0,0172 
| Mai 99 und stark zusammenge- | 
schrumpft; fast völlig ver- 
dorben 


Kartoffeln 1899er Ernte. 


Iaghhenener Weiße | IOeREbe, 99 | wenige graue Flecke unter |0,0636 | — 
' der Schale zeigend 


| 


a 


6 Weiße Riesen "Oktober 99| wurden als naßfaul be- I 
| zeichnet 
7. Rote Dabersche ‚Dezemb.99 trockenfaul, in den äußeren ‚0,0660 
| | Sehichten krank | 0,0800 
BR. 4 Januar 00 | wie im Dezember 100373 | 


9 Weiße Kartoffeln | Januar 00 | teilweise angefault, zeigten 0,1025 0,0620 
I | ' Pilzwucherungen unter der, 

| | | Schale 
Von Kartoffeln der 1899 er Ernte waren infolge des trockenen 


Sommers nur wenig kranke Proben erhalten worden. Bei diesen 


368 M. Wintgen: Solaningehalt der Kartoffeln. 


Untersuchungen wurde der Solaningehalt teils in den gesunden, teils in 
den kranken Kartoffeln höher gefunden. Irgendwelche sichere Schlüsse 
auf einen Zusammenhang zwischen Krankheit und Solaningehalt lassen 
sich hieraus jedoch nicht ziehen, da seitens der Kartoffelkulturstation- 
mitgeteilt wurde, es sei infolge des seltenen Vorkommens kranker 
Kartoffeln in dem betreffenden Sommer zweifelhaft, ob die gelieferten 
Kartoffeln einer Sorte immer von den gleichen Feldern herrührten. 
Ein Einfluß des Bodens aber erscheint nicht ausgeschlossen. 

Um so wertvoller für die Beurteilung mußte daher die Unter- 
suchung von Kartoffeln erscheinen, welche im Sommer 1900 aus dem 
Elsaß übersendet wurden und nach einer Mitteilung Schnell’s jene 
grauen Flecke besaßen, die einen höheren Solaningehalt bedingen sollen. 
Die Kartoffeln stammten von der 1899er Ernte und waren teilweise 
bereits angefault. Sie wurden geschält und die weichfaulen Stellen 
sorgfältig ausgeschnitten. Graufleckige Stellen in noch harten Gewebs- 
teilen wurden nur in einem Teil der Kartoffeln vorgefunden. Sie 
saßen dicht unter der Schale und drangen in der Regel wenig tief in 
das Innere ein. Von diesen Kartoffeln wurden die Schalen, die weich- 
faulen Teile, die feckigen Stellen und die gesund erscheinenden Stellen 
gewogen und für sich auf Solanin untersucht. 

Die Ergebnisse gibt Tabelle III wieder. In den fauligen Stellen 
waren nur Spuren von Solanin nachweisbar. Die graufleckigen Stellen 
enthielten, auf 1 kg berechnet, 18 mg Solanin, die gesunden Teile 
12 mg, während die Hauptmenge in den Schalen saß. 


Tabelle II. 


| 5 “83 s Solanin, 
N arz28 Gefunden berechnet Aussehen 
ji E22 | Solanin |auf 1 kg des Solanins 
as” Substanz 
faulen Stellen . . . . , 184 g| Spuren _ — 
gesunden weißen Teilen. 1924 „' 0,0230 ; 0,0119 | weiß krystallinisch 
grauen Flecken. . . . | 385 „ 0,0070 . 0,0182 | weiß amorph 
Schalen. . . . ..... | 398 „; 0,0535 | 0,1344 | teilweise krystallinisch 
der vollständigenKartoffel |2891 „ 0,0835 | 0,0289 —_ 


Wenn somit zwar die Angaben Schnell’s, daß die grau- 
fleckigen Stellen mehr Solanin als die gesunden Teile der Kartoffel 
enthielten, ihre Bestätigung fanden, so kann doch der hieraus gezogenen 
Folgerung, der höhere Solaningehalt sei auf Solaninbildner zurück- 
zuführen, nicht zugestimmt werden. Ich glaube ihn viel ungezwungener 
auf die ungleiche Verteilung des Solanins in der Kartoffel zurück- 


M. Wintgen: Solaningehalt der Kartoffeln. 369 


führen zu sollen. Nach Angaben der Literatur soll etwa die Hälfte 
des Solanins in den Schalen sitzen. Bei diesen Kartoffeln betrug der 
Solaningehalt der Schalen sogar 64% des Gesamtgehaltes. In zwei 
anderen Kartoffelproben entfielen rund 60 und 75% des Solanins auf 
die Schalen. Aber auch nach deren Entfernung ist der Solaningehalt 
kein gleichmäßig verteilter. Geschälte Kartoffeln, die zum zweiten 
Male geschält wurden, enthielten in dieser zweiten Schale wiederum 
mehr Solanin als im Kern. 

Es ist somit erwiesen, daß das Solanin vornehmlich in den 
peripheren Schichten sitzt und nach innen zu abnimmt. 


Ill. Versuche, Solaninbildung auf künstlichem Nährboden durch Bakterien 
zu erzeugen. 


Wie ich bereits vorher erwähnte, hatte Schnell’s Annahme, 
daß durch bakterielle Einwirkung eine Steigerung des Solaningehaltes 
der Kartoffeln eintrete, durch die Arbeiten Weil’s anscheinend eine 
Bestätigung erfahren. Weil hatte zwar nicht auf der lebenden 
Kartoffel, wohl aber auf steriler Kartoffelbrühe durch Impfung mit 
zwei von ihm aus kranken Kartoffeln isolierten Bakterien, die er 
Bacterium solaniferum non colorabile und Bacterium solaniferum 
colorabile genannt hatte, Solaninbildung beobachtet. 

Ich gebe seine Versuchsmethodik kurz an: Kartoffeln wurden 
zerrieben, mit Wasser zu einem dünnen Brei angerührt, abgepreßt und 
mit soviel Wasser nachgewaschen, daß aus 500 g Kartoffeln 11 Brühe 
erhalten wurde. Nach dem Absitzen der Stärke wurde die kolierte 
Flüssigkeit in Literkolben abgespült und eine Stunde lang bei 120° 
sterilisiert; biernach soll stets eine klare Brühe erhalten worden sein. 
Die Kolben wurden sodann mit den Bakterienkulturen teilweise geimpft 
und ihr Inhalt von Zeit zu Zeit nach Eindampfen der Flüssigkeit nach 
der Methode von Meyer auf Solanin untersucht. Ungeimpft gebliebene 
Kolben dienten als Kontrollproben. Weil hatte nach dieser Methode 
in,je 6 1 Brühe, die 3 kg Kartoffeln entsprachen, und mit dem erst- 
genannten Bakterium (I) geimpft waren, 41 mg, in den mit Bakterium II 
geimpften 73 mg Solanin gefunden; kein Solanin dagegen in den 
ungeimpft gebliebenen Kontrollproben. 

Diese Bakterienkulturen ließen wir uns kommen, und haben mit 
dem als dem stärkeren Solaninbildner bezeichneten Bacterium solani- 
ferum colorabile in einer Reihe von Versuchen die Prüfung auf Solanin- 
bildung wiederholt. 

Im Gegensatz zu obigen Befunden wurde in der ungeimpften 
Brühe stets Solanin gefunden und ein Unterschied im Solaningehalt 
zwischen den geimpften und ungeimpft gebliebenen Nährböden nicht 

Arch. d. Pharm. COXXXXIV. Bds. 5. Heft. 24 


370 M. Wintgen: Solaningehalt der Kartoffeln. 


festgestellt. Wohl wurde zuweilen, wie aus der Zusammenstellung in 
Tabelle IV hervorgeht, in derselben Versuchsreihe ein kleiner, bis 
mehrere Milligramm betragender Unterschied im Solaningehalt zwischen 
den einzelnen Nährböden beobachtet, aber es fehlte jede Gesetzmäßigkeit. 

Bald war in dem geimpften, bald in dem ungeimpften Kolben der 
Solaningehalt etwas höher und dürften diese Unterschiede als kleine 
Versuchsfehler anzusprechen sein. 

Ungleich größer war die Verschiedenheit im Solaningehalt 
zwischen den einzelnen Versuchsreihen, da im Laufe der sich mehrere 
Monate hinziehenden Untersuchungen jedesmal frisch gekaufte Kartoffeln 
verwendet wurden. 

Eine Erklärung für die Ergebnisse der Weil’schen Arbeit ver- 
mag ich nicht sicher zu geben. Weil scheint bei der Art seiner 
Versuchsausführung von der Annahme ausgegangen zu sein, daß Solanin 
in dem Preßsafte der Kartoffeln nicht vorhanden und in unlöslicher 
Form in der Kartoffel enthalten ist. Dies ist jedoch unrichtig. Solanin 
ist auch als reines Glykosid in Wasser nicht völlig unlöslich, in der 
Kartoffel aber liegt es überhaupt nicht frei, sondern an eine organische 
Säure gebunden vor, ist also infolgedessen noch löslicher. Berücksichtigt 
man dann weiter, daß der Preßsaft schwach sauere Reaktion besitzt, 
so ist von vornherein anzunehmen, daß Solanin darin enthalten sein 
wird. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, daß beim Eindampfen 
des Preßsaftes, sofern die sauere Reaktion nicht mit Ammoniak ab- 
gestumpft wird, Zersetzungen des Solanins eintreten und in Alkohol 
fast unlösliches Solanidin gebildet wird. Diesen Zusatz von Ammoniak 
scheint Weil unterlassen zu haben, wenigstens berichtet er in “seiner 
Arbeit hierüber nichts. Aber auch hiermit würde nur ein Teil der 
Weil’schen Ergebnisse seine Erklärung finden. 

Auf Grund unserer Uutersuchungsergebnisse kann eine Solanin- 
bildung durch das Bacterium solaniferum colorabile als wahrscheinlich 
oder gar erwiesen nicht mehr angesehen werden. 

Damit fällt aber auch die weitere Folgerung, welche Weil aus 
seinen Versuchsergebnissen glaubte ziehen zu sollen, nämlich, daß das 
Vorkommen von Solanin lediglich auf bakterielle Ursachen zurück- 
zuführen sei. Diese Annahme mußte schon mit Rücksicht darauf, daß 
Solanin in einer ganzen Reihe von Vertretern einer bestimmten Pflanzen- 
familie regelmäßig vorkommt, daß es bei diesen in den verschiedensten 
Teilen, insbesondere in den Samen und Früchten, auftritt, daß es ferner 
bei der Kartoffel gerade in der Keimzeit als intermediäres Produkt in 
jungen Keimen selbst in großen Mengen vorkommt, der Gehalt hieran 
bei weiterem Wachstum aber wieder zurückgeht, als mindestens gewagt 
erscheinen. 


37 


halt der Kartoffeln. 


Solaninge 


M. Wintgen 


| | 
— - Be = = 02100 | 9220'0 duo TI ZI 
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— _— = — a 600 | 07200 ydweduın | +7 ‘eg 
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a: 


372 M. Wintgen: Solaningehalt der Kartoffeln. 


Weiter würde es auch befremden, warum so relativ selten Solanin- 
vergiftungen durch Genuß von Kartoffeln beobachtet werden, da ja 
alle Kartoffeln Solanin enthalten, mithin nach Weil durch die spezifischen 
Erreger infiziert wären. 

Ich bin mit meinen Ausführungen zu Ende und möchte die Er- 
gebnisse der Arbeit in folgenden Sätzen zusammenfassen: 


1. Der Solaningehalt der Kartoffeln ist bei den einzelnen Sorten 
durchaus verschieden, im allgemeinen aber beträchtlich kleiner als nach 
den Durchschnittszahlen in der Literatur zu erwarten wäre. 


2. Eine Zunahme des Solanins bei längerem Lagern wurde auch 
in gekeimten Kartoffeln, wenn die Keime sorgfältig entfernt wurden, 
nicht beobachtet. 

3. Ein durch Erkrankung bedingter höherer Solaningehalt gegen- 
über gesunden Kartoffeln hat sich nicht sicher feststellen lassen. 


4. Solaninbildung durch Bakterien auf Kartoffelnährböden nach 
dem Verfahren von Weil ist nicht bestätigt worden. 


Bezüglich der Frage über das Vorliegen einer Solaninvergiftung 
möchte ich zum Schluß darauf hinweisen, daß die Wahrscheinlichkeit _ 
von Solaninvergiftungen, wie sie in früherer Zeit mehrfach beobachtet 
wurden, durch die Ergebnisse dieser Arbeit in keiner Weise gestützt 
werden. Die gefundenen Solaninmengen waren in keinem einzigen Falle 
auch nur annähernd so groß, daß sie akute Krankheitserscheinungen, 
selbst beim Genuß von 1 kg Kartoffeln, hervorzurufen vermocht hätten. 
Dagegen sei erwähnt, daß Massenerkrankungen, die sicher auf den Genuß 
von Kartoffeln zurückzuführen waren, in letzter Zeit mehrfach nicht 
mit dem sehr gering gefundenen Solaningehalt in Zusammenhang ge- 
bracht werden konnten. Neuerdings hat Dieudonne bei einer Massen- 
erkrankung im Jahre 1904 als Ursache der Vergiftungserscheinungen, 
welche durch Kartoffelsalat verursacht waren, Bacterium Proteus, bezw. 
seine Stoffwechselprodukte festgestellt und im Anschluß hieran die 
Vermutung ausgesprochen, daß auch manche früher beobachtete Massen- 
erkrankungen nicht immer eine Solaninvergiftung gewesen ist: 


L. Rosenthaler: Erkennung von Hydroxylgruppen. 373 


Mitteilung aus dem pharmazeutischen Institut der 
Universität Strassburg i. E, 


Alkalische Quecksilberjodidlösung als Reagens auf 
Hyäroxylgruppen. 
Von L. Rosenthaler. 
(Eingegangen den 15. VIII. 1906.) 


Bei Versuchen, mit denen ich das Verhalten von Neßler’s 
Reagens gegen einige Glykoside und Kohlenhydrate prüfte!), war mir 
aufgefallen, daß auch diejenigen unter ihnen, welche alkalische Kupfer- 
lösung nicht reduzierten, doch leicht durch Neßler’s Reagens an- 
gegriffen wurden: Beim Erwärmen wurde letzteres sehr bald reduziert. 
Zur Erklärung dieser Tatsache kamen zwei Möglichkeiten in Betracht: 
1. Neßler's Reagens wirkt stärker spaltend als alkalische Kupfer- 
lösang. 2. Neßler's Reagens bringt Oxydationen in den nicht 
hydrolysierten Glykosiden hervor. War letzteres richtig, dann mußten 
es die Hydroxylgruppen der Glykoside und Kohlenhydrate sein, die 
der Oxydation unterlagen, und dann war es wahrscheinlich, daß auch 
andere hydroxylhaltige Körper mit Neßler’s Reagens dieselben 
Erscheinungen zeigten. Ich habe infolgedessen eine Anzahl derartiger 
Körper auf ihr Verhalten gegen Neßler’s Reagens untersucht. 

Die Versuche wurden so vorgenommen, daß die zu prüfenden 
Körper mit Neßler’s Reagens erhitzt wurden. Nach dem Eintreten 
des Siedens wurde noch 1 Minute mit dem Erhitzen fortgefahren. 
Auf diese Weise wurden zunächst folgerde Körper?) untersucht: 

A. Einwertige Alkohole. 

1. Primäre Alkohole: Methyl- und Aethylalkohol, Aethylen- 
chlorhydrin, Allyl-, Dibrompropyl-, normaler Butyl-, Isobutyl]-, 
normaler Oktyl- und Oetylalkohol; ferner Benzyl- und Zimmt- 
alkohol. 

2. Sekundäre Alkohole: Trichlorisopropylalkohol, sek. Butyl- 
alkohol, Benzhydrol und Menthol. 

8. Tertiäre Alkohole: Tert. Butylalkohol, Amylenhydrat, 
Dimethylphenyl- und Triphenylkarbinol. 

B. Mehrwertige Alkohole: Glykol, Propylenglykol, Glyzerin, 
Pentaerythrit, Mannit, Pinakon. 


1) Pharm. Centralhalle 1906, S. 581. 
2) Für die freundliche Ueberlassung eines großen Teils der aufgezählten 
Körper bin ich Herrn Prof. Dr. Thiele sehr zu Dank verpflichtet. 


374 L. Rosenthaler: Erkennung von Hydroxylgrupper. 


C. Oxysäuren (mit alkoholischem Hydroxyl): Milchsäure, Wein- 
stein- und Zitronensäure; Chinasäure. 
D. Phenole. 
1. Einwertige Phenole: Phenol, o-, m- und p-Xylenol, Guajakol, 
Kreosol und Tbyinol. 
2. Mehrwertige Phenole: Resorcin, Brenzkatechin, Hydrochinon, 
Orein und Phloroglucin. 
E. Phenolsäuren: Salicylsäure und Gallussäure. 

Außerdem a-Dichlorhydrin, Milchsäure- und Trichlormilchsäure- 
äthylester. 

Von den meisten dieser Körper wird Neßler’sches Reagens 
unter den oben geschilderten Versuchsbedingungen reduziert, und 
zwar von allen Körpern mit primär- oder sekundär- 
alkoholischer Hydroxylgruppe mit Ausnahme von Benz- 
hydrol, Oktyl- und Cetylalkohol. Wenn man aber die drei letzten 
Körper einige Stunden mit Neßler'’s Reagens am Rückflußkühler 
erhitzt, so werden sie gleichfalls oxydiert, am wenigsten der 
Cetylalkohol. Offenbar werden diese Körper um so schwerer an- 
gegriffen, je schwerer sie in Wasser (und wässeriger Alkalilauge) 
löslich sind. Bei den leichtlöslichen Alkoholen, Methyl- und Aethyl- 
alkohol, Glyzerin u. a. findet die Einwirkung schon in der Kälte sehr 
rasch statt. 

Die Körper mit tertiär-alkoholischem Hydroxyl reduzieren 
Neßler’s Reagens nicht. Tertiärer Butylalkohol und Amylenhydrat 
geben unter den von mir eingehaltenen Versuchsbedingungen lediglich 
gelbe Niederschläge, und auch als Amylenhydrat mit Neßler'’s Reagens 
drei Stunden lang am Rückflußkühler erhitzt wurde, waren nur Spuren 
von metallischem Quecksilber zu sehen. 

Das Verhalten, welches die phenolische Gruppen besitzenden 
Körper gegen Neßler’s Reagens zeigen, ist weniger übersichtlich als 
das der Alkohole. Keine Reduktion bewirken Phenol, Salicylsäure 
Guajakol, Thymol, Resorein, Phloroglucin und Orcin. Die anderen 
Phenole wirken reduzierend, doch so, daß bei den Xylenolen und ganz 
besonders bei der o- und p-Verbindung die Reduktion nur äußerst 
schwach und auch bei Kreosol nicht sehr bedeutend ist, während 
Hydrochinon, Brenzkatechin und Gallussäure stark reduzierend wirken. 
(Brenzkatechin gibt in der Kälte zunächst mit Neßler’s Reagens 
eine starke Grünfärbung.) 

Aehnlich wie Neßler’s Reagens verhält sich auch eine andere 
alkalische Quecksilberjodidlösung, die Sachsse’sche Flüssigkeit, nicht 
dagegen die nach Knapp genannte alkalische Quecksilbereyanidlösung. 
Man kann zwar auch mit ihr alkoholische Körper oxydieren, aber ihre 


A. Pictet: Alkaloide des Tabaks. 375 


Einwirkung ist eine viel weniger energische, und man kann sie z. B. 
mit Aethylalkohol lange am Rückflußkühler erhitzen, ohne mehr als 
ganz schwache Ausscheidungen von (uecksilber zu erhalten. 

Was aus allen diesen Körpern unter dem Einfluß der alkalischen 
Quecksilberjodidlösungen wird, bedarf noch weiterer Untersuchung. 
Die primären Alkohole werden wohl zunächst zu Aldehyden oxydiert 
werden, die dann durch das Alkali weiter verändert werden; dagegen 
dürfte es möglich sein, Ketone aus sekundären Alkoholen mit Hilfe 
von Neßler'’s Reagens zu gewinnen, da dieses durch einige Ketone, 
z.B. Aceton, Diäthyl- und Methyläthylketon, wenigstens beim Reagens- 
glasversuch, nicht reduziert wird!). Jedenfalls läßt sich das Neßler’sche 
Reagens zur Prüfung auf primär- und sekundär-alkoholische Hydroxyl- 
gruppen anwenden und zur Unterscheidung dieser von tertiären. 
Handelt es sich um einen Oxyaldehyd, dessen Aldehydgruppe ja 
gleichfalls auf Neßler’s Reagens reduzierend wirkt, so muß diese, 
ehe man auf Alkoholgruppen prüft, aut bekannte Weise oxydiert werden. 

Als weitere Nutzanwendungen aus den beschriebenen Reaktionen 
kommen in Betracht: die Prüfung des Amylenhydrats auf Gärungs- 
amylalkohol und die der Zitronensäure auf Weinsteinsäure. Ferner 
mahnt das Verhalten alkalischer Quecksilberjodidlösungen gegen 
hydroxylhaltige Körper zur Vorsicht bei ihrer Verwendung zum 
Nachweis und zur Bestimmung des Zuckers in der Harnanalyse. 


Untersuchungen über die Alkaloide des Tabaks. 


Von Ame Pictet. 


Bei Betrachtung der zahlreichen Arbeiten, deren Gegenstand der 
Tabak gewesen ist, möchte es scheinen, daß seine chemische Zusammen- 
setzung jetzt bis in die kleinsten Details bekannt sein müßte. Indessen 
ist dies durchaus nicht der Fall. Zwar besitzen wir zur Genüge genaue 
Angaben über die mineralischen Bestandteile und die in dem Tabak 
enthaltenen organischen Säuren, sowie über das hauptsächliche Alkaloid 
desselben, das Nikotin, wogegen wir über die sonstigen basischen 
Bestandteile sehr wenig wissen. Ueber die in dem Tabak enthaltenen 
Harze, Terpene oder Kampfer, denen zwar keine physiologische Wirkung 
zukommt, auf die jedoch das Aroma zum Teil zurückzuführen ist, ist 


1) Auch auf doppelte Bindung ist, wie aus dem Verhalten gegen Zimmt- 
säure zu entnehmen, Neßler’s Reagens ohne Einfluß. 


376 A. Pictet: Alkaloide des Tabaks. 


fast nichts bekannt. Weiter sind wir noch nicht genau orientiert über 
die Veränderungen, denen diese verschiedenen Substanzen bei der Ver- 
brennung des Tabaks unterliegen, sowie über die Produkte, welche 
hierbei einen guten oder schlechten Einfluß auf den Raucher ausüben. 
Ueber alle diese Punkte haben die bisher ausgeführten Untersuchungen 
nur unvollständige und sich häufig widersprechende Resultate geliefert. 
Die Ursache hiervon liegt zunächst in dem Umstande, daß die aus 
dem Tabak isolierten Substanzen meistens flüssig oder nicht krystalli- 
sierbar sind, und weiter auch darin, daß sich dieselben an der Luft 
leicht oxydieren, infolgedessen verharzen und Eigenschaften annehmen, 
die die weitere Untersuchung sehr erschweren. 

Die Widersprüche, welche über die Natur und Beschaffenheit 
der Tabakbestandteile obwalten, werden nach meiner Ansicht auch 
dadurch bedingt, daß die Zusammensetzung des Tabaks von einer Art 
zur anderen eine viel wechselndere ist, als man denkt, einer Tatsache, 
welche viele Autoren vernachlässigt haben Rechnung zu tragen. 

Ich habe leider keine neuen Mitteilungen über die neutralen oder 
saueren Bestandteile des Tabaks zu machen. Ich werde mich daher 
nur an die Alkaloide desselben halten, welche mich von verschiedenen 
Gesichtspunkten aus in den. letzten Jahren beschäftigt haben. Die 
Resultate, zu denen ich hierbei gelangt bin, sind bisher nur in frag- 
mentarischer Gestalt veröffentlicht worden; sie finden sich dem Maße, 
wie dieselben erhalten wurden, zerstreut in verschiedenen Zeitschriften). 

Als Ganzes, vervollständigt durch einige bisher nicht veröffentlichte 
Beobachtungen, habe ich diese Untersuchungen zum ersten Male in 
einem Vortrage dargelegt, welchen ich am 2. Juni in der chemischen 
Gesellschaft zu Paris gehalten habe, dessen Inhalt im nachstehenden 
zur Kenntnis der Leser dieser Zeitschrift gebracht werden soll. 

Das Nikotin, welches bereits im Jahre 1809 von Vauquelin 
beobachtet und 20 Jahre später von Posselt und Reimann isoliert 
wurde, hat lange Zeit als das einzige Alkaloid des Tabaks gegolten. 
Es war dies eine bemerkenswerte Tatsache, da die Pflanzen, welche 
Alkaloide produzieren, im allgemeinen mehrere Alkaloide erzeugen, 
die häufig infolge ihrer Aehnlichkeit in den chemischen Eigenschaften 
nur schwierig von einander zu trennen sind. Heute wissen wir jedoch, 
daß der Tabak in dieser Beziehung keine Ausnahme von der Regel 
macht, da derselbe, im Einklang mit anderen Vegetabilien, neben dem 


1) Compt. rend. 132, 971; 137, 860. — Arch. des Sc. phys. et nat. 
(4. periode) 4, 313; 5, 113; 7, 15; 12, 209; 17, 401; 19, 429. — D. chem. Ges. 
28, 1904; 30, 2118; 31, 2018; 33, 2353 u. 2355; 34, 696; 37, 1225 u. 2792; 
38, 1946 u. 1951. 


A. Pictet: Alkaloide des Tabak. 377 


Nikotin noch eine ganze Reihe von anderen organischen Basen, wenn 
auch nur in relativ kleiner Menge enthält. 

Den ersten Anhalt, welcher uns in dieser Richtung geliefert 
wurde, verdanken wir Etard, der in einem, dem Nikotin in dem 
Wurtz’schen Diktionär gewidmeten Artikel auf die Tatsache hinweist, 
daß bei der Destillation des Rohnikotins gegen Ende des Versuchs 
stets eine Erhöhung der Temperatur zu konstatieren ist, die die Gegen- 
wart eines anderen Alkaloids in dem Tabak anzuzeigen scheint. 

Ein ‘wenig später hat A. Gautier!) angezeigt, daß er aus dem 
Tabak von Lot mehrerer Alkaloide isoliert habe, von denen die einen 
sauerstoffhaltig, die anderen sauerstofifrei waren, und zwar unter 
letzteren eine Base, der die Formel eines Homologen des Nikotins 
zukam. Jedoch sah Gautier sich auf diese eine Mitteilung beschränkt; 
es ist sehr bedauerlich, daß er, wenigstens soweit meine Kenntnis 
reicht, seine Erfahrungen nicht weiter verfolgt hat. Ich habe mich 
für berechtigt gehalten, dieselben wieder aufzunehmen. Da ich für 
meine Arbeiten eine sehr große Menge von Nikotin darzustellen hatte, 
so habe ich diese Gelegenheit benutzt, um die Nebenprodukte dieser 
Darstellung einer Prüfung zu unterwerfen und die darin enthaltenen 
Nebenalkaloide aufzusuchen. Den größten Teil dieser Untersuchungen 
habe ich gemeinsam mit Herrn A. Rotschy ausgeführt, beendet habe 
ich dieselben neuerdings mit Herrn G. Court. 

Das Ausgangsmaterial, dessen wir uns für diese Arbeiten be- 
dienten, war nicht der Tabak selbst. Wir haben uns einen Teil der 
Extraktionsarbeit dadurch erspart, daß wir den konzentrierten Saft 
der Zigarrenfabrik von Ormond in Vevey benutzten. Diese Säfte 
werden dadurch erhalten, daß man trockene Tabakblätter (in diesem 
besonderen Falle aus Kentucky stammend) sehr kurze Zeit in lau- 
warmem Wasser mazerieren läßt und den Auszug dann im Vakuum 
bis zu 40° B. eindampft. Dieses Extrakt enthält ungefähr 10% Nikotin. 
Wir isolierten dasselbe durch ein sehr einfaches Verfahren, indem wir 
es durch Zusatz von Soda frei machten und dann durch Wasserdämpfe 
abdestillierten. 

Bei der Aufsuchung der Nebenalkaloide haben wir unser 
Augenmerk einesteils auf das so erhaltene Rohnikotin gerichtet, 
anderenteils aber auch auf die alkalische, als Rückstand verbleibende 
Flüssigkeit. Indem wir letztere mit Aether auszogen, konnten wir 
daraus zwei Basen isolieren, welche wir weiter durch fraktionierte 
Destillation trennten. Von diesen Basen ist die erste flüssig und 
besitzt die Zusammensetzung CjoHı1aNs, enthält also zwei Atome 


1) Compt. rend. 115, 993; Bull. de la soc. chim. 7, 468. 


378 A. Pictet: Alkaloide des Tabaks. 


Wasserstoff weniger als das Nikotin; wir bezeichneten dieselbe als 
Nikotein; die zweite fest, entsprechend der Formel CjoHsNs>, 
Nikotellin genannt. 

Bei der Rektifikation des Rohnikotins konnten wir zwei Neben- 
fraktionen isolieren, von denen die eine schon unter 100°, die andere 
etwas höher als das Nikotin überging. Die erste dieser Fraktionen 
enthält eine Base der Formel O,H,N, die zweite ein Isomeres des 
Nikotins, welchem wir den Namen Nikotimin gegeben haben. 

Die Menge, in welcher diese vier neuen Alkaloide sich in dem 
Tabaksafte finden, ist eine geringe; auf je 100 g Nikotin haben wir 
ungefähr erhalten: 


Nikotein;.. (ya Tegin ek 
Nikotimin;:;, yuo «in men. 
Base :C4HsN.- ur. Sun O2 
Nikotellin 45.505 4.144/0. Dokus 


Das Gesamtgewicht der Nebenalkaloide überstieg in dem Tabak- 
safte, welchen wir untersuchten, nicht 3% von dem Gewicht des Nikotins. 

Ich habe jedoch den Eindruck gewonnen, daß die Zahl der 
Alkaloide des Tabaks keineswegs durch diese ersten Untersuchungen 
erschöpft ist. Nicht allein der Tabak von Kentucky scheint mir noch 
gewisse Basen zu enthalten, welche dem von uns angewendeten 
Extraktionsverfahren entgangen sind, sondern ich glaube auch, daß 
man noch andere Alkaloide entdecken wird, wenn man sich nicht an 
eine einzige Art des Tabaks hält, vielmehr die verschiedenen 
Varietäten desselben mit berücksichtigt. Zu dieser Kategorie von 
Basen dürften ohne Zweifel die Alkaloide gehören, welche Gautier 
aus französischem Tabak erhalten hat. Letztere Untersuchung könnte 
jedoch nur dann vun Erfolg und Nutzen sein, wenn dieselbe im großen 
und mit umfangreicheren Hilfsmitteln zur Ausführung gelangte, als 
die sind, welche im Laboratorium zur Verfügung stehen. Dieselbe 
würde z. B. leicht zu realisieren sein, wenn jemals das Nikotin oder 
eines seiner Derivate eine therapeutische Anwendung finden sollte, 
die seine Extraktion durch ein industrielles Verfahren erforderlich machte. 

Von Eigenschaften der Tabakalkaloide sind die des Nikotins 
in physikalischer und physiologischer Beziehung so bekannt, daß ich 
mich auf das beschränke, was auf seine chemische Konstitution 
Bezug hat. 


Konstitution des Nikotins. 


Aus den zahlreichen Arbeiten, welche ausgeführt sind, um die 
Konstitution des Nikonitins festzustellen, scheinen mir drei Haupt- 
resultate hervorgegangen zu sein, welche fast allein genügen, um 


A. Pictet: Alkaloide des Tabaks. 379 


dieses Problem zu lösen. Wie in vielen ähnlichen Fällen ist es die 
Oxydation, welche dieselben geliefert hat: 

1. Oxydation mit Chromsäure (Huber)'); 

2. Oxydation durch Ferricyankalium (Cahours und Etard)?); 

3. Oxydation durch die successive Einwirkung von Brom und 
Barytwasser (Pinner)?). 

Bei der Behandlung des Nikotins mit Chromsäure erhielt Huber 
im Jahre 1867 eine Säure der Formel C;H;NOs, welche er Nikotin- 
säure nannte, und welche später von Hoogewerff und van Dorp®) 
als Pyridin-B-Karbonsäure erkannt wurde: 

CH 
HC ID C.C0-0H 


Be 


Aus diesen Beobachtungen folgt, daß das Nikotin ein Derivat 
des Pyridins ist, in welchem ein Atom Wasserstoff durch das Radikal 
C;H;oN ersetzt ist: CH 


HOT. C-C;HjoN 


HOl_ n CH 

Dieses Radikal hat die Zusammensetzung des Piperidins; man 
betrachtete das Nikotin daher ziemlich allgemein als ein Piperidyl- 
Pyridin oder als ein hexahydrogenisiertes Dipyridyl. Unter den drei 
theoretisch möglichen Formeln gab man aus verschiedenen Gründen 
der folgenden den Vorzug: 


a | 
Be 0-80 2 CHa 
u 


Die weniger energische Oxydation mit Ferricyankalium bewirkt 
nur eine Abspaltung von vier Atomen Wasserstoff aus dem Nikotin, 
unter Bildung einer Base CjoHıoNa, welche Cahours und Etard als 
ein dihydrogenisiertes Dipyridyl betrachteten und als Isodipyridin 
bezeichneten, zum Unterschied mit dem damit isomeren Dipydrin, 
welches Anderson beim Erhitzen von Pyridin mit Natrium erhalten 


1) Ann. d. Chem. 141, 271. 

2) Bull. de la soc. chim. 34, 452. 

8) Ber. d. d. chem. Ges. 26, 292. 

4) Rec. des Pays-Bas 1, 1 und 107. 


Dt A 


380 A. Pictet: Alkaloide des Tabaks. 


hatte. Das Isodipyridin unterscheidet sich merkwürdigerweise von 
dem Nikotin durch seine optische Inaktivität und durch seinen 
Charakter als einsäurige Base. Der Verlust von vier Atomen Wasser- 
stoff hebt somit die Asymetrie eines Kohlenstoffatomes und die 
Basizität eines Stickstoffatomes auf. 

Bei der Oxydation des Nikotins mit Brom- und Barytwasser 
gelangte Pinner zu einem nicht minder interessanten Resultate. 
Hierbei erfolgte eine Spaltung des Nikotinmoleküls in drei Teile, unter 
Bildung von Nikotinsäure, Malonsäure und Methylamin. Hieraus: kanı 
man schließen, daß von den fünf Kohlenstoffatomen der Gruppe C;HjoN 
vier durch eine normale Kette zu einem Pyrrolkern vereinigt sind, 
während das fünfte Kohlenstoffatom als Methylgruppe an das Stickstoff- 
atom gebunden ist. Diese Tatsache, welche die Möglichkeit des 
Vorhandenseins eines Piperidinkerns in dem Molekül des Nikotins aus- 
schließt, veranlaßte Pinner die folgende Formel für dieses Alkaloid 
vorzuschlagen, in welcher das Piperidinradikal durch das des N-Methyl- 


pyrrolidins ersetzt ist: e CHz. | CH, 
HC -T>c-——-cHQ [CH 
| N: CH;z 


no on 


Diese neue Interpretation steht mit der Mehrzahl der beobachteten 
Tatsachen im Einklang; sie bringt besonders die optische Inaktivität 
und den einbasischen Charakter des Isodipyridins zum Ausdruck, indem 
letzteres hiernach als eier BR All ae anzusprechen ist: 


CH 
2 | (a 
HC. il la 
Es; a CH, 
HC\___CH 
N 


Auf Grund dieses Schlusses schlug Blau!) vor, den Namen Iso- 
dipyridin durch Nikotyrin zu ersetzen. 

. Die von Pinner dem Nikotin zuerteilte Formel ist zwar sehr 
wahrscheinlich, aber sie war noch nicht absolut sicher bewiesen. Dieselbe 
wurde daher noch ziemlich lebhaft diskutiert. Besonders machten 
Etard und Blau ernste Einwendungen und erwarteten die GSRRIKNS 
Bewahrheitung erst durch die Erfahrung. 

Dies geschah, als ich mich anschickte, auf dem Wege der Synthese 
zu einer Entscheidung dieser Frage zu gelangen. Es erschien auf den 
ersten Blick nicht schwierig, die durch die Pinner’sche Formel ver- 


1) Ber. d. chem. Ges. 27, 2536. 


A. Pictet: Alkaloide des Tabaks. 381 


anschaulichte Atomgruppierung künstlich zu reproduzieren und durch 
das dabei erzielte Resultat die Frage zu lösen. 

Ich muß heute bekennen, daß das Unternehmen, welchem ich mich 
gewidmet habe, sich als viel schwieriger herausgestellt hat, als ich er- 
wartete. Abgebrochen und mehrfach wieder aufgenommen, hat mich 
dasselbe acht Jahre lang beschäftigt, und wenn ich diese Untersuchungen 
zu einem guten Abschluß bringen konnte, so ist dies der intelligenten 
und ausdauernden Hilfe meiner beiden ausgezeichneten Mitarbeiter, 
Herrn Pierre Cr&pieux und Herrn Arnold Rotschy zu verdanken. 

Es liegt nicht in meiner Absicht an dieser Stelle alle die successiven 
Operationen dieser langen Synthese darzulegen oder die hierzu er- 
forderlichen 14 Zwischenprodukte zu beschreiben. Ich möchte nur in 
großen Zügen die Ideen, welche uns geleitet haben, hier erörtern. 


Synthese des Nikotins. 


Unsere Arbeit ist in drei Teile zerfallen: 

1. Die Synthese des Nikotyrins, 

2. die Umwandlung des Nikotyrins in inaktives Nikotin durch 
Reduktion, 

3. die Spaltung des inaktiven Nikotins. 

Der erste Teil dieser Arbeit ist unter Mitwirkung von Herrn 
Cre&pieux, der dritte Teil unter der von Herrn Rotschy erledigt 
worden. 

Um die Synthese des Nikotyrins zu realisieren, handelt es sich 
' nicht allein um die Einfügung eines Pyridinkerns in einen Pyrrolkern, 
sondern auch um die Einfügung an der gewünschten Stelle, d. h., daß 
sich der Anlagerungspunkt im Pyridinkern in der ß-Stellung, in dem 
Pyrrolkern in der a-Stellung befand. Die erste dieser Bedingungen 
konnte dadurch erfüllt werden, daß wir als Ausgangsmaterial ein 
B-Derivat des Pyridins wählten, und zwar die Nikotinsäure. Zur 
Realisierung der zweiten Bedingung haben wir eine Beobachtung von 
Ciamician und Magnaghi!') verwertet. Diese Forscher haben 
gezeigt, daß beim Erhitzen des N-Acetyl-Pyrrols auf 280° eine 
molekulare Umlagerung eintritt, indem die Acetylgruppe sich von dem 
Stickstoffatom loslöst, um an dem benachbarten Kohlenstoffatom ein- 


zutreten: pe PSsCH HC———7CH 
| | I 
HC DJ CH Bol | C-C0—CHz 
N-C0O—CH; NH 


Wir haben unsererseits gefunden, daß die Radikale Methyl, Phenyl, 
Naphthyl etc. unter den gleichen Bedingungen einer ganz ähnlichen 


ı) Ber. d. chem. Ges. 18, 1828. 


382 A. Pictet: Alkaloide des Tabaks. 


Wanderung fähig sind. Wir konnten daher hoffen, daß das Gleiche 
auch bei dem Radikal Pyridyl der Fall sein würde, eine Reaktion, 
welche gestatten würde ausgehend von dem N-Pyridyl-Pyrrol (I) zu 
dem «a-Pyridyl-Pyrrol (II) zu gelangen. 

HC 


CH HC — CH 
cH HC ch 2a Br: 
HC I Igk 08 
L. no Se N 1. tr 
HC. 
HC! __!cH a 
N 


Wir haben den ersten dieser Stoffe dadurch dargestellt, daß wir 
die Nikotinsäure (I) mit Hilfe der Hofmann'’schen Reaktion in 
8-Amidopyridin (II) verwandelten: 


CH CH 
HC c.c0-0H HC c.NHs 
I. | 11. 
HC\___CH HC\__- Be: 
N N 


und dieses mit Schleimsäure, entsprechend dem allgemeinen Verfahren 
zur Darstellung von Pyrro! nach Schwanert!) der Destillation uater- 
warfen (A). 

Nachdem wir diese Verbindung erhalten hatten, haben wir 
dieselbe durch ein bis zur schwachen Rotglut erhitztes Glasrohr 
destilliert. Hierbei konstatierten wir die fast vollständige Umlagerung 
(B) zu einem Isomeren, welches unter anderem dadurch charakterisiert 
war, daß es ein Kalium:alz lieferte, das nach Analogie nur ein Salz 
des a-Pyridyl-Pyrrols sein konnte: 


CcO-OH 
CH-OH HC_CH 
a | 5450 Es er 
HC-”Sc.NH, CH-OH r En 
A. + | = 2 C 2 = I \ 
HC\__'CH CH-OH HOW: ner SeH 
N | N 
CH-OH 
| 
C0-0H 
B-Amidopyridin. Schleimsäure. N-Pyridyl-Pyrrol. 
H HC—— CH 
Me. 
3 BO cn | + HC a 
HC S CH HC CH HC. A CH 
N-Pyridyl-Pyrrol. a-Pyridyl-Pyrrol. 


1) Ann. d. Chem. 116, 278. 


A. Pictet: Alkaloide des Tabaks, 383 


Betrachtet man die Formel des a-Pyridyl-Pyrrols, so findet man, 
daß sie sich von der des Nikotyrins nur durch das Vorhandensein der 
Gruppe NH an Stelle der Gruppe N-COH, unterscheidet. Es blieb 
daher nur noch übrig diese Base, zur Umwandlung in Nikotyrin, am 
Stickstoffatom des Pyrrolkerns zu methylieren, was durch Einwirkung 
von Jodmethyl auf das Kaliumsalz derselben realisiert wurde. 

Zur Umwandlung des Nikotyrins in Nikotin bedurfte es weiter 
der Addition von vier Atomen Wasserstoff am Pyrrolkern, und zwar 
derartig, daß der Pyridinkern nicht gleichzeitig angegriffen wurde. 
Diese Reduktion der einen Hälfte des Nikotyrinmoleküls bot einige 
Schwierigkeiten; dieselbe gelang, indem ich zunächst ein Atom Halogen 
in dasselbe einführte. Dieses Halogenatom tritt in den Pyrrolkern ein 
und macht denselben leichter zugänglich für die Reduktion, und zwar 
derartig, daß bei der Einwirkung von Zinn und Salzsäure nur der 
Pyrrolkern allein angegriffen wird. Man erhält indessen dabei nicht 
direkt ein Tetrahydroprodukt, welches das Nikotin darstellen würde, 
vielmehr werden nur zwei Atome Wasserstoff addiert unter Bildung 
einer Base der Formel CjoHıaNa: Dihydronikotyrin. 

Um die Reduktion zu beenden, muß die Operation wiederholt 
werden, indem das Dihydronikotyrin zunächst abermals mit Brom be- 
handelt und dann von neuem mit Zinn und Salzsäure reduziert wird. 
Das auf diese Weise schließlich erhaltene Produkt besitzt die Zusammen- 
setzung und alle Eigenschaften des naturellen Nikotins, mit einziger 
Ausnahme des optischen Drehungsvermögens. Dasselbe stellt das 
optisch inaktive Nikotin dar, sodaß um die Synthese zu vollenden 
noch übrig blieb, diese Base in ihre beiden optischen Modifikationen 
zu zerlegen. 

Dieser letzte Teil unserer Arbeit erforderte, als der nicht am 
wenigsten delikate, eine genügend große Menge von Substanz, deren 
Herstellung auf dem beschriebenen Wege der Synthese zu lange Zeit 
in Anspruch genommen haben würde. Wir waren daher gezwungen, 
einen vorteilhafteren Weg zur Erlangung des inaktiven Nikotins aus- 
findig zu machen. 

Herr Rotschy und ich fanden, daß, wenn man eine wässerige 
Lösung des Hydrochlorids oder besser noch des Sulfats des naturellen 
Nikotins etwa 40 Stunden lang auf 200° erhitzt, die optische Aktivität 
vollständig verloren geht. Die Base, welche wir auf diese Weise er- 
hielten, erwies sich in jeder Beziehung als identisch mit dem synthetisch 
dargestellter, optisch inaktiven Nikotin. Wir haben dieselbe daher 
benutzt für unsere weiteren Spaltungsversuche. 

Das Verfahren, welches wir hierzu nach einigen Vorversuchen 
anwendeten, war dasselbe, das von Ladenburg zur Spaltung des 


384 A. Pictet: Alkaloide des Tabaks. 


synthetisch dargestellten Coniins benutzt wurde, die fraktionierte 
Krystallisation der Bitartrate. Mischt man das inaktive Nikotin mit 
einer sehr konzentrierten wässerigen Lösung von Rechts-Weinsäure 
im Verhältnis von einem Molekül der Base mit zwei Molekülen der. 
Säure und überläßt die Mischung sich selbst, so scheiden sich bald 
Krystalle aus. Dieselben wurden durch wiederholte Krystallisation 
aus Wasser gereinigt, und zwar so lange, bis ihr Schmelzpunkt und 
ihr Drehungsvermögen konstant waren. Die Krystalle sind dextrogyr; 
sie bestehen aus dem Rechts-Bitartrat des Links-Nikotins. Bei der 
Zerlegung durch ein Alkali lieferten sie eine linksdrehende Base, 
welche ein Drehungsvermögen besitzt, das sich dem des naturellen 
Nikotins außerordentlich nähert: — 161° anstatt — 166°. Die voll- 
ständige Synthese des Nikotins war hiermit realisiert, 
unter Bestätigung der Formel, die demselben von Pinner zuerteilt 
worden war. 

Wir haben diese Gelegenheit benutzt, um auch das Rechts- 
Nikotin darzustellen. Dasselbe mußte sich in der wässerigen Mutter- 
lauge des Bitartrats der Links-Base vorfinden. Wir haben indessen 
daraus kein krystallisierbares Salz abscheiden können; die Base, welche 
wir auf Zusatz von Alkali daraus erhielten, war nur schwach rechts- 
drehend. Es ist uns jedoch gelungen das gesteckte Ziel unter An- 
wendung eines Verfahrens zu erreichen, welches von Marckwald!) 
in einem ähnlichen Falle benutzt worden war. Indem wir diese schwach 
rechtsdrehende Base mit Links-Weinsäure verbanden, erhielten wir 
ein Links-Bitartrat des Rechts-Nikotins, welches absolut in allen seinen 
Eigenschaften dem zuerst gewonnenen Bitartrat glich, auch das gleiche 
Drehungsvermögen besaß, nur im entgegengesetzten Sinne. Bei der 
Zerlegung dieses Salzes durch ein Alkali resultierte Rechts-Nikotin 
mit einem Drehungsvermögen von + 163°, 

Es war interessant, diese neue Base vom physiologischen Gesichts- 
punkte aus einer Prüfung zu unterziehen, da man bisher nur eine sehr 
. geringe Zahl von Angaben findet über die Wirkung, welche die ver- 
schiedenen optischen Modifikationen ein und derselben Substanz auf 
den tierischen Organismus ausüben. Chabrie*) hat beobachtet, daß 
die Links-Weinsäure nahezu zweimal so stark toxisch für das Meer- 
schweinchen ist, als die Rechts-Weinsäure. Piutti®) hat eine 
Differenz in dem Geschmack des Rechts- und des Links-Asparagins 
bemerkt. Ein ähnliches Faktum ist von Menozzi und Appiani?) 

1) Ber. d. chem. Ges. 29, 43. 

2) Compt. rend. 116, 1410. 

8) Gazz. chim. ital. 17, 126 u. 182. 

4) Acc. dei Lincei 1893 (2), 421. 


A. Pictet: Alkaloide des Tabaks. 385 


für die beiden Formen der Glutaminsäure konstatiert. Ganz neuer- 
dings hat endlich Cushny°) von dem gleichen Gesichtspunkte aus 
die beiden optischen Modifikationen des Hyoscyamins und deren Racem- 
form, das Atropin, studiert. Cushny fand dabei erhebliche Unter- 
schiede in der physiologischen Wirkung, und zwar stand die des 
Atropins in der Mitte von den beiden anderen Basen, dem + und — 
Hyoscyamin. 

Die vergleichende Prüfung der beiden optisch aktiven Nikotine, 
welche von Herrn Professor Mayor in Genf ausgeführt wurde, hat 
am Meerschweinchen und am Kaninchen in gleicher Weise sehr 
bemerkenswerte Verschiedenheiten in der Wirkung ergeben, und zwar 
nicht allein in der Giftigkeit (das Rechts-Nikotin ist ungefähr zweimal 
weniger giftig als das Links-Nikotin), sondern auch in den bei der 
Einspritzung hervorgerufenen Symptomen. Die Details dieser Unter- 
suchungen sind an anderer Stelle veröffentlicht®). Dieselben bestätigen, 
das was bereits bekannt war, und zeigen, daß in gleicher Weise sich 
die niederen Organismen und gewisse Zellen der höheren Tiere ver- 
schieden verhalten gegen die stereochemischen Isomeren derselben Ver- 
bindung. 

Nikotein: C,oHıaNa>. 


Das Nikotein ist ebenso wie das Nikotin eine farblose, stark 
alkalische Flüssigkeit, die sich in jedem Verhältnis mit Wasser mischt 
und bei — 30° in einer Mischung von fester Kohlensäure und Aether 
noch nicht fest wird. Das Nikotein unterscheidet sich indessen von 
dem Nikotin durch seinen Siedepunkt, welcher 20° höher liegt (266 bis 
267°), durch sein höheres spez. Gew. (1,077 bei 12°), durch seinen 
Geruch, welcher an den der Petersilie erinnert, und endlich durch sein 
Drehungsvermögen, welches ungefähr viermal schwächer ist (— 46° 
bei 17°). Während die Salze des Nikotins den polarisierten Licht- 
strahl nach rechts ablenken, sind die des Nikoteins, ebenso wie die 
Base selbst, linksdrehend. 

Was die Konstitution des Nikoteins anbetrifftt, so haben die 
ersten Beobachtungen, die ich mit Herrn Rotschy machte, ergeben, 
daß es, ebenso wie das Nikotin, einen Pyridinkern und einen Pyrrol- 
kern enthält. Die beiden Alkaloide dürften somit einander sehr nahe 
stehen. Da das Nikotein in schwefelsaurer Lösung Kaliumpermanganat 
sofort entfärbt, was bei dem Nikotin nicht der Fall ist, so glaubten 
wir, daß dasselbe ein Nikotin sein könnte, dessen Pyrrolkern nicht 
vollständig reduziert ist. 


5) Journ. of Physiol. 30, 176. 
6) Archives des sc. phys. et nat. 17, 418. 


Arch. d. Pharm. OCOXXXXIV. Bds. 5. Heft. 25 


1 


386 A. Pictet: Alkaloide des Tabaks. 


Wenn in der Tat zwischen dem Nikotein und dem Nikotin die 
angegebene Beziehung obwaltete, so müßten beide Basen bei mäßiger 
Oxydation dasselbe Nikotyrin liefern. Zur Prüfung dieses Verhaltens 
habe ich die wässerige Lösung des Nikoteins mit Silberoxyd erhitzt. 
Ich war dabei überrascht, daß selbst nach mehrstündigem Erhitzen 
die Bildung eines Silberspiegels nicht eintrat, während dies bei dem 
Nikotin bereits nach wenigen Augenblicken der Fall ist. Es hatte 
sich somit keine Oxydation vollzogen. Indessen war eine Veränderung 
des Nikoteins eingetreten. Als ich die wässerige, von dem Silberoxyd 
abfiltrierte Lösung einer Prüfung unterzog, fand ich nicht mehr das 
Nikotein, sondern eine andere Base vor, die ich mit dem Dihydro- 
nikotyrin identifizieren konnte, welches ich als erstes Reduktions- 
produkt des Nikotyrins erhalten hatte. Es war somit unter dem 
Einfluß des Silberoxyds, welches vermutlich ähnlich wie ein Alkali 
gewirkt hatte, eine Isomerisation des Nikoteins eingetreten. Diese 
Isomerisation erfolgt durch die Verschiebung einer doppelten Bindung; 
sie ist analog z. B. der Umwandlung des Eugenols in das Isoeugeno|. 

Theoretisch existieren drei Isomere der Formel Co Hıa Na, welche 
entstehen, wenn zwei Atome Wasserstoff aus dem Pyrrolkern des 
Nikotins austreten: 


on #078 Beh er 
Ho 7 —C Pe IE HC f q c——HC \ er Ei 
HO\__-CH "21 aov. HOAN2IM GB di 
A II. 42 
CH HC DR 2] CH 
HC Mi "> c— HC = Er an 
Ho! __IcH | ar 
oma 


In meiner ersten Mitteilung über das Nikotein glaubte ich dieser 
Base die Formel III zuerteilen zu sollen, die Formel I für das syn- 
thetisch dargestellte Dihydronikotyrin vorbehaltend.. Bei näherer 
Prüfung der Frage habe ich jedoch meine Meinung über diesen Punkt 
geändert. Es ist bekannt, daß die Reduktion der Gruppe 

— CH=CH—CH=CH— 
immer die Gruppe —CH3s— CH=CH—CHs— liefert. 
Nun aber existiert die erste dieser Gruppen in dem Nikotyrin. 
Die Hydrogenisation dieser Base dürfte daher eine Verbindung von 


der Formel III liefern. Dies würde infolgedessen diejenige sein, welche 


dem Dihydronikotyrin zukommt. Dem Nikotein des Tabaks ist somit 


A. Pictet: Alkaloide des Tabaks. 387 


eine der beiden anderen Formeln zuzuerteilen. Die einzig mögliche 
Formel, welche der optischen Aktivität des Alkaloids Rechnung trägt, 
ist jedoch die Formel II, welche ein asymetrisches Kohlenstoffatom 
enihält. Die Isomerisation des Nikoteins erfolgt unter dem Einfluß 
des Silberoxyds daher dadurch, daß die Form A? in die Form 4® übergeht. 

Diese Unbeständigkeit des Nikoteins bedingt, daß man dasselbe 
weder durch Oxydation des Nikotins, noch durch Reduktion des 
Nikotyrins erhalten kann, ebenso ist dieselbe ein ernstes Hindernis 
für die synthetische Darstellung dieser Base. 

Die physiologischen Eigenschaften des Nikoteins sind von Herrn 
Dr. Veyrassat!) zum Gegenstande einiger Untersuchungen gemacht 
worden. Aus denselben geht hervor, daß das Nikotein sich in seiner 
Wirkung auf den Organismus sehr dem Nikotin nähert. Es unter- 
scheidet sich jedoch durch die Giftigkeit, welche ein wenig stärker 
ist, und durch einige sekundäre Symptome, wie das Fehlen des Phänomens 
der Zusammenziehung und des Erkalten der Extremitäten. 

Bezüglich der übrigen Alkaloide des Tabaks kann ich mich nur 
kurz fassen, da die geringe Menge, welche wir bisher davon in Händen 
hatten, ein eingehenderes Studium derselben nicht gestattete. 


Nikotimin Co Hı4 Na. 


Das Nikotimin, ein Isomeres des Nikotins, gleicht dem Nikotin 
viel mehr als das Nikotein. Sein Siedepunkt ist nur um wenige Grade 
höher, auch sein Geruch und seine physikalischen Eigenschaften sind 
dem Nikotin sehr ähnlich. Das Nikotimin unterscheidet sich jedoch 
davon durch seinen chemischen Charakter, indem es eine sekundäre 
Base ist. 

Letztere Tatsache hat es uns allein ermöglicht, diese Base zu 
isolieren. Bei der Annäherung der beiderseitigen Siedepunkte läßt - 
sich eine Treänung des Nikotins und Nikotimins durch fraktionierte 
Destillation nicht bewirken. Wir konnten dieselbe nur realisieren 
durch Behandlung des Rohnikotins, bezw. der höher siedenden Fraktionen 
desselben, mit salpetriger Säure oder mit Benzoylchlorid, bei Gegenwart 
von Soda. Hierbei entsteht ein Nitrosamin, bezw. ein Benzoylderivat, 
aus denen man die sekundäre Base durch Verseifung im reinen Zu- 
stande gewinnen kann. 

Das Nitrosamin und das Benzoylderivat des Nikotimins besitzen 
noch basische Eigenschaften. Dies beweist, daß das Nikotimin neben 
der NH-Gruppe noch ein zweites, tertiäres Stickstoffatom enthält. 


I) Archives des sc. phys. et nat. (4) 12, 220. 


388 A. Pictet: Alkaloide des Tabaks. 


Das Nikotimin scheint einen Pyrrolkern nicht zu enthalten. 
Seine sauren Lösungen nehmen keine Rosafärbung an, wenn man die- 
selben verdampft, ebensowenig zersetzen sich die Salze bei hoher 
Temperatur unter Entwickelung von Dämpfen, die einen Fichtenholzspan 
rot färben (Pyrrolreaktion). Diese Tatsachen veranlassen mich, zu 
glauben. daß die Isomerie des Nikotins und des Nikotimins durch die 
folgenden Formeln zum Ausdruck gelangt: 


CHs 
ee HsC en: CHa eier HC. CH, 
Bo“ ei allge ebene er Sera, 
HCL___-CH Kaya Hc|__/cH er 
i Nikotin. x Nikotimin. 


Das Nikotimin würde somit die Konstitution besitzen, welche 
man früher dem Nikotin zuschrieb. 


Nikotellin Co HB; Na. 


Das Nikotellin ist in jeder Beziehung sehr verschieden von den 
drei im vorstehenden besprochenen Tabakalkaloiden. Es ist fest und 
krystallisiert in kleinen prismatischen Nadeln von rein weißer Farbe. 
Es schmilzt bei 147—148° zu einem farblosen Liquidum, welches ohne 
Zersetzung einige Grade über 300° siedet. Es ist wenig löslich in 
Wasser und in Aether. Seine wässerige Lösung ist neutral gegen 
Lackmus; die sauren Lösungen röten sich nicht beim Eindampfen. In 
überschüssiger verdünnter Schwefelsäure gelöst, entfärbt es Kalium- 
permanganat nicht. Unter den Tabakalkaloiden liefert es allein ein in 
Wasser wenig lösliches Bichromat. 

Alle diese Eigenschaften weisen dem Nikotellin einen besonderen 
Platz an in der Gruppe der Alkaloide, welche uns beschäftigt. Sie 
zeigen, daß es, trotz seines geringen Wasserstoffgehaltes, keine doppelten 
Aethylenbindungen besitzt und keinen Pyrrolkern enthält. Es nähert 
sich durch viele seiner Eigenschaften den Dipyridinen, deren Zusammen- 
setzung es auch besitzt. Es ist jedoch, wie es scheint, nicht identisch 
mit einem der bis jetzt bekannten vier Dipyridine, von denen theoretisch 
sechs existieren. 

Base C,H35N. 


Wenn man das Rohnikotin der Destillation unterwirft, so 
beobachtet man, daß die Flüssigkeit bei 80° anfängt zu sieden. 
Zwischen dieser Temperatur und 90° geht ein farbloses, sehr beweg- 
liches, stark alkalisch reagierendes Liquidum über von einem penetranten, 
an Piperidin erinnernden Geruche. Bei dem Studium dieser Base 


A. Pictet: Bildungsweise der Alkaloide. 389 


habe ich dieselbe, im Verein mit Herrn Court, mit dem Pyrrolidin 
identifizieren können: 
Hat foates JOH 
H5C ___ CH 
NH 

Auf die Gegenwart dieser sehr flüchtigen Base ist der un- 
angenehme, ammoniakalische Geruch des Rohnikotins zurückzuführen, 
der sich vollständig durch die Rektifikation verliert. 

Man muß sich fragen, ob das Pyrrolidin in dem Tabak präexistiert 
oder ob dasselbe sich erst durch Zersetzung des Nikotins unter dem 
Einfluß der verschiedenen Extraktionsmethoden gebildet hat. Es ist 
nicht leicht, diese Frage bestimmt zu beantworten. Ich habe mich 
jedoch überzeugt, daß das reine Nikotin bei siebenstündigem Kochen mit 
einer 20%igen Aetznatronlösung kein Pyrrolidin liefert. Es ist daher 
wenig wahrscheinlich, daß eine solche eintreten kann bei der Destillation 
des Tabaksaftes mit verdünnter Sodalösung. Noch weniger wahrschein- 
lich erscheint es mir, daß es sich bei der Konzentration des sauren 
Tabaksaftes, die bei einer niedrigen Temperatur im Vakuum stattfand, 
bildet. Ich betrachte daher vorläufig das Pyrrolidin als präexistierend 
in den Tabakblättern. 

Wenn sich dieses Faktum bestätigt, so würde das Pyrrolidin das 
einfachste vegetabilische Alkaloid sein, sowohl nach Zusammensetzung, 
als auch nach Konstitution, welches wir gegenwärtig kennen, 


Ueber die 


Bildungsweise der Alkaloide in den Pflanzen. 
‚Von Ame Pictet. 


Die Beobachtungen, welche in der vorstehenden Abhandlung 
niedergelegt sind, stellen zwar nicht die Konstitution aller Alkaloide 
des Tabaks fest, immerhin die der beiden hauptsächlichsten, des 
Nikotins und des Nikoteins. Sie lehren, daß das Molekül dieser 
Basen durch Vereinigung von zwei Kernen, einem Pyridinkern und 
einem Pyrrolkern, von denen der erstere normal, der andere ganz oder 
teilweise reduziert und am Stickstoffatom methyliert ist, gebildet ist. 
Diese beiden Kerne sind durch eine einfache Bindung zusammengefügt, 
welche das «a-Kohlenstoffatom des einen mit einem ß-Kohlenstoffatom 
des anderen vereinigt. Durch diese Konstellation wird in bemerkenswerter 
Weise eine asymetrische Struktur des Gesamtmoleküls herbeigeführt. 


390 A. Pictet: Bildungsweise der Alkaloide. 


Es liegt die Frage nahe: durch welchen Prozeß haffsich ein 
solcher Atomkomplex in der vegetabilischen Zelle aufbauen können? 
Diese Frage knüpft an das viel allgemeinere Problem der Entstehung 
der Alkaloide in den Pflanzen an, ein Problem, welches die Chemiker 
und Physiologen bereits mehrfach beschäftigt hat, aber, in Ermangelung 
von genügenden experimentellen Unterlagen, noch weit entfernt von 
seiner Lösung ist. 

Ich möchte über diese Frage hier einige Ideen entwickeln, welche 
mir auf eine einfache Weise die Bildung der Tabakalkaloide zum 
Ausdruck zu bringen scheinen. 

Man nimmt jetzt allgemein wohl an, daß die Alkaloide, nicht, 
wie man früher glaubte, als Assimilationsprodukte der Pflanze an- 
zusprechen sind, welche dieselbe aus sehr einfachen Materialien bildet, 
um sie alsdann weiter zum Aufbau komplizierter Verbindungen, wie 
der Eiweißstoffe, des Chlorophylis etc. zu verwenden, Stoffe, die vom 
biologischen Gesichtspunkte aus die wesentlichen Bestandteile. ihrer 
Gewebe ausmachen. Alles drängt vielmehr zu der Annahme, daß. die 
Alkaloide, gerade im Gegenteil, nur Ausscheidungs- bez. Desassimilations- 
produkte sind, welche durch teilweise Zerstörung dieser komplizierten 
Materialien im Laufe des Stoffwechsels und der Respiration der Pflanze 
gebildet werden. Sie sind stickstoffhaltige Abfallprodukte zellularer 
Umwandlung. Sie entsprechen dem, was im animalischen Organismus 
der Harnstoff, die Harnsäure, die Hippursäure, das Glykokoll, die 
Gallenpigmente etc. sind. 

Diese Anschauung beruht in erster Linie auf der Beobachtung, 
daß die Alkaloide in denjenigen Geweben entstehen, in denen sich die 
größte vegetative Tätigkeit entfaltet und wo infolgedessen die Eiweiß- 
stoffe der schnellsten Zerstörung unterliegen. Sie steht auch im 
Einklang mit der Tatsache, daß alle bekannten Alkaloide, mit wenigen 
Ausnahmen, zyklische Verbindungen sind, welche den Stickstoff in 
sehr beständigen, geschlossenen Ketten enthalten. Es ist verständlich, 
daß bei dem Zerfall der Eiweißsubstanzen, welche bekanntlich stickstoff- 
haltige Kerne einschließen, diejenigen sich in dem Rückstand dieser 
Zersetzung befinden werden, welche am längsten widerstandsfähig sind. 

Dieser Punkt gestattet einen Schritt weiterzugehen und die Frage 
aufzuwerfen, welches ist für jede besondere Gruppe der Alkaloide die 
ursprüngliche Substanz, aus der dieselbe hervorgeht. Bei dieser Unter- 
suchung könnte die Natur des stickstoffhaltigen Kerns nützliche 
Anhaltspunkte liefern. Es erscheint z. B. wahrscheinlich, daß das 
Koffein und seine Verwandten, welche durch den doppelten Purinkern 
charakterisiert sind, als Abkömmlinge der Nukleine, die denselben 
Kern enthalten, anzusehen sind. Diese Basen würden so einen 


A. Pictet: Bildungsweise der Alkaloide. 391 


ähnlichen Ursprung haben, wie der, den man der Harnsäure und den 
Xanthinbasen des tierischen Organismus zuschreibt. 

Man könnte ebenso in dem Strychnin und Brucin, welche Derivate 
des Indols sind, Reste der Tryptophangruppe der Eiweißstoffe erblicken. 

Für die viel größere Zahl von Alkaloiden, welche den Pyrroikern 
enthalten, würde man die Wahl zwischen zwei Hypothesen haben. Die 
bemerkenswerten Arbeiten von Emil Fischer, von Nencki und von 
Küster haben die Existenz dieses Kerns in zwei, in dem Pflanzen- 
reiche sehr verbreiteten Substanzen, den Albuminen und dem Chlorophyll 
dargetan. Die eine oder die andere dieser Substanzen könnte durch 
ihren Zerfall die pyrrolhaltigen Alkaloide erzeugen. Ich stehe nicht 
an bei dieser Alternative den Albuminen den Vorzug zu geben. Aus 
der konstanten Bildung von «a-Pyrrolidinkarbonsäure, welche bei der 
Hydrolyse von allen Albuminen erfolgt, geht hervor, daß dieselben 
einen vollständig reduzierten, mit einer in der «a-Stellung befindlichen 
Seitenkette versehenen Pyrrolkern enthalten. Im Gegensatz hierzu 
scheint mir der im Chlorophyll enthaltene Pyrrolkern nicht reduziert 
und mit zwei, in der Stellung 8 und $‘ befindlichen Seitenketten ver- 
sehen zu sein. Nun enthalten aber alle gegenwärtig bekannten Pyrrol- 
Alkaloide (Nikotin, Hygrin, Kokain, Atropin etc.) einen reduzierten 
Pyrrolkern, der stets von einer in der a-Stellung befindlichen Seitenkette 
begleitet ist. Ihre Ableitung von den Albuminen scheint mir daher 
nicht zweifelhaft zu sein. 

Es bleiben noch die Alkaloide übrig, die einen Pyridinkern ent- 
halten. Dieses sind die zahlreichsten und zugleich die nicht am 
wenigsten wichtigen, da dieselben die Alkaloide des Opiums, der 
Chinarinde, des Pfeffers, des Schierlings, der Arekanuß, der Granat- 
rinde etc. umfassen. Welcher Ursprung ist denselben zuzuschreiben’? 
Hier befinden wir uns gegenwärtig in einer großen Schwierigkeit. Der 
Pyridinkern existiert weder in den Albuminen, noch in dem Chlorophyll, 
noch in den Nukleinen, Lecithinen oder einer anderen komplexen 
vegetabilischen Substanz. Wo können daher die zahlreichen, den 
Pyridinkern enthaltenden Alkaloide herstammen? 

Ich glaube, daß man die Entstehung dieser Alkaloide erklären 
kann, indem man annimmt, daß sie nicht, wie die Pyrrol-Alkaloide, 
die direkten 'Ueberbleibsel des Zerfalls komplizierterer Substanzen 
repräsentieren, sondern erst aus diesen Ueberbleibseln durch sekundäre 
Phänomene entstehen, welche erst nachträglich die Natur ihres Kernes 
modifizieren. 

Diese Hypothese stützt sich auf eine gewisse Zahl von 
Beobachtungen oder Erfahrungen, von denen hier einige angeführt 
sein mögen! 


392 A. Pictet: Bildungsweise der Alkaloide. 


1. Das gleichzeitige Auftreten von Basen mit Pyridinkern und mit 
Pyrrolkern in gewissen Vegetabilien, wie Koka, Tabak, Mohrrüben'); 
2. die Konstitution von mehreren Alkaloiden, wie Atropin, 


Kokain, Nikotin, bei welchen wir einen Pyridinkern vereinigt mit einem 


Pyrrolkern in demselben Molekül finden; 

3. die große Analogie, welche zwischen gewissen Alkaloiden, 
welche verschiedenen Pflanzen angehören, wie dem Hygrin und dem 
Conhydrin einerseits und dem Tropin und Pseudopelletierin anderer- 
seits, obwalten, Basen, die nur darin differieren, daß der Pyrrolkern 
der einen durch einen Pyridinkern bei der anderen ersetzt ist, während 
der Rest des Moleküls sonst nahezu der gleiche geblieben ist. 

Diese Tatsachen scheinen mir eine scharfe biochemische Beziehung 
zwischen den beiden Kernen zu enthüllen. 

Die Arbeiten, welche in der Pyrrolreihe und in der seiner 
Derivate ausgeführt sind, lehren weiter, daß es eine der bemerkens- 
wertesten Eigenschaften dieser Verbindungen ist, sich dadurch in 
Pyridinderivate umzuwandeln, daß sie in ihren Kern ein fünftes 
Kohlenstoffatom einfügen. Das erste Beispiel dieser Tatsache ist 
bereits im Jahre 1881 durch Ciamician und Dennstedt?) bekannt 
geworden, indem es gelang, Pyrrolkalium durch Behandlung mit 
Chloroform in B-Chlorpyridin zu verwandeln. Später haben zahlreiche 
Beobachtungen dieser Forscher und ihrer Schüler, sowohl in der 
Pyrrolreihe, als auch in der des Indols, gelehrt, daß es sich hierbei 
um eine allgemeine Reaktion handelt. Ich habe selbst?) konstatiert, 
daß die methylierten Pyrrole schon durch die alleinige Einwirkung von 
Wärme sich in Pyridinderivate verwandeln. Das «-Methyl-Pyrrol 
lagert sich zu Pyridin, das «-Methyl-Indol zu Chinolin, das Methy]- 
Phthalimidin in Isochinolin, das Methylkarbazol in Phenanthridin um. 
In allen diesen Fällen öffnet sich der Pyrrolkern an der Stelle einer 
Doppelbindung und läßt das ergänzende Kohlenstoffatem sich zwischen 
den a- und $-Kohlenstoffatomen der ursprünglichen Kette einschieben: 


CH 
HC. 708 Ho = CR 
I a | 
HC, 0-CH;R HC CH 
a-Methyl-Pyrrol. Pyridin. 


I) Herr Court und ich haben aus den Blättern der Mohrrüben zwei 
fiüchtige Basen isoliert, von denen die eine N-Methylpyrrolidin, die 
andere Piperidin zu sein scheint. 

2) Ber. d. chem. Ges. 14, 1153. 

8) Arch. des sc. pbys. et nat. (4), 19, 429. 


A. Picetet: Bildungsweise der Alkaloide. 393 


Ich möchte hinzufügen, daß in der jüngsten Zeit ein ähnliches 
Phänomen in dem tierischen Organismus beobachtet worden ist. 
Ellinger!) hat gezeigt, daß das Tryptophan (Skatolamidoessigsäure) 
nach der Einführung in den Magen des Hundes sich im Harn in der 
Form von Kynurensäure (7-Oxy-Chinolin-B-Karbonsäure) wiederfindet. 
Ich glaube, daß man den Mechanismus dieser Umwandlung derartig 
interpretieren muß, daß man annimmt, daß das Tryptophan sich zunächst 
durch Oxydation in Skatolkarbonsäure verwandelt, die dann eine ganz 
ähnliche intramolekulare Umlagerung erleidet, wie wir dieselben 
in vitro herbeiführen können: 


CH CH 


no > 00H cu N Bo TS 00H; 00:08 
wald eo "ch 
Ben 0 > HC___-< CH 
CH NH CH NH 
Tryptophar, 
CH C.OH 
HEN C0-C0-0H 
CN N 
Kynurensäure. 


Wir finden daher auch im tierischen Organismus die Tendenz, 
welche die Pyrrolderivate zeigen, sich durch eine Art der Erweiterung 
ihres Kerns in Pyridinderivate umzulagern, sobald ihnen das zu dieser 
Umwandlung erforderliche Kohlenstoffatom geliefert ist. Diese Neigung 
zur Umlagerung dürfte sich auch in dem pflanzlichen Organismus 
bemerkbar machen und hierdurch der Ursprung der Pyridin- Alkaloide 
eine Erklärung finden. Dieselben dürften sich von den Pyrrol-Alkaloiden, 
dem ersten Zerfallprodukte der Albumine, ableiten, und zwar durch 
eine spätere Erweiterung ihres Kernes. Es bleibt nur noch übrig 
diejenige Substanz zu finden, welche in der Pflanze jenes Ergänzungs- 
Kohlenstoffatom liefert. 

Man hat schon seit langer Zeit bemerkt, daß die Alkaloide einer 
und derselben Pfianze in vielen Fällen, wenn man nur ihre empirischen 
Formeln ins Auge faßt, als Glieder einer homologen Reihe erscheinen. 
In jedem Falle, wo man sich Rechenschaft über die Ursache dieser 
Homologie geben konnte, fand man, daß ein oder mehrere Atome 
Wasserstoff des einfachsten Alkaloids durch Methylgruppen ersetzt 
waren, sei es, daß dieselben in Hydroxyl-:OH, oder in Imidgruppen: NH, 
eingetreten waren. 


1) Ber. d. chem. Ges. 37, 1801. 


394 A. Pictet: Bildungsweise der Alkaloide. 


Diese Beziehung findet sich fast in allen Gruppen der Alkaloide 
wieder. Man beobachtet dieselbe bei den Alkaloiden des Schierlings, 
dem Coniin und Methylconiin, den Alkaloiden der Arekanuß, dem 
Arekaidin und dem Arekolin, bei den Kokabasen, dem Benzoylecgonin 
und den: Kokain, bei den Chinaalkaloiden, dem Cuprein und dem 
Chinin, bei den Opiumbasen, dem Morphin und dem Codein, sowie dem 
Laudanin und dem Laudanosin, bei den Basen des Kaffees, dem Xanthin, 
Theobromin und Koffein etc. 

Das bemerkenswerte ist dabei, daß das Radikal Methyl das einzige 
ist, welches sich auf diese Weise in den Alkaloiden findet, sei es, daß 
dasselbe an Sauerstoff oder an Stickstoff gebunden ist. Niemals hat man 
bisher in einer Pflanzenbase das Radikal Aethyl oder ein kohlenstoff- 
reicheres Alkyl gefunden. 

Da das Radikal Methyl sich weder in den Produkten des Zerfalls 
des tierischen Organismus, noch unter den Zersetzungsprodukten der 
Proteinsubstanzen, erhalten durch rein chemische Agentien, findet, so 
muß man annehmen, daß es erst nachträglich in das Molekül der 
Abfallprodukte des pflanzlichen Organismus eingeführt ist. Nachdem 
die Alkaloide einmal in den Geweben der Pflanze abgelagert sind, 
befinden sie sich unter dem Einfluß eines methylierend wirkenden 
Agens. Welches ist nun dieses Agens? Ich kann kein anderes er- 
blicken, als den Formaldehyd. 

Nach der Baeyer’schen, später von Bach entwickelten Theorie, 
welche gegenwärtig allgemein angenommen ist, bildet der Formaldehyd 
das erste Assimilationsprodukt des Kohlenstoffs in der Pflanze. Es ist 
dasjenige, welches sich zuerst in den Blättern der Pflanze durch 
Reduktion der Kohlensäure bildet. Wenn man dasselbe nicht in den 
vegetabilischen Geweben wiederfindet, so liegt die Ursache hiervon in 
dem Umstande, daß der Formaldehyd sich dort sofort polemerisiert und 
hierdurch die Bildung von Zucker und Stärke veranlaßt. 

Ich sehe jedoch keinen Grund, daß dieser Formaldehyd sich nur 
mit sich selbst kondensiert, und daß er sich nicht auch mit anderen 
Substanzen, die ihm in den Geweben begegnen, besonders mit den 
Phenolen und den sekundären Basen, verbinden soll, unter Bildung von 
Anisolen oder von tertiären methylierten Basen. 

Diese Methylierung durch den Formaldehyd ist nicht nur eine 
einfache Behauptung. Sie vollzieht sich in vitro. Eschweiler!) 
hat konstatiert, daß der Formaldehyd in 40% wässeriger Lösung bei 
120—140° auf die Salze des Ammoniaks und der primären und sekundären 
Amine reagiert, unter Bildung der entsprechenden Methylderivate; 


1, Ber. d. chem. Ges. 38, 880. 


A. Pictet: Bildungsweise der Alkaloide. 395 


gleichzeitig tritt hierbei eine Bildung von Wasser und von Kohlensäure- 
anhydrid auf: 


2R>NH +3CH20 = 27,>N-CH,+ 00: + Ha0. 


Tollens!) hat ferner schon vor langer Zeit gezeigt, daß der 
Formaldehyd sich bei Gegenwart von Aetzkalk, Aetzbaryt oder einigen 
ihrer Salze in Methylalkohol und in Ameisensäure verwandelt. Ich 
habe ferner kürzlich im Verein mit Herrn Breslauer?) beobachtet, 
daß diese Reaktion sich auch bei Gegenwart eines Phenols vollzieht, 
indem dabei eine gewisse Menge des entsprechenden Anisols gebildet wird. 

Ich erachte daher, daß man mit Recht in dem Formaldehyd das 
methylierend wirkende Agens der Pflanze erblickt, so daß es sich 
erklärt, warum das Radikal Methyl das einzige ist, dem man begegnet, 
und zwar nicht allein bei den Alkaloiden, sondern auch bei anderen 
vegetabilischen Produkten, mit Ausschluß jeden anderen Alkyls. 

Ich gehe noch weiter, indem ich glaube, daß der Formaldehyd 
auch diejenige Substanz ist, welche in Pyrrolderivaten das erforderliche 
Kohlenstoffatom liefert, um sie in Pyridinderivate umzuwandeln, die 
vielleicht weniger giftig für die Pflanzen sind oder in Anbetracht ihrer 
basischen Eigenschaften als Salze leichter diffundieren. 

Durch eine ähnliche Reaktion dürfte die Indolgruppe der Albumine 
den Chinolinkern der Chinaalkaloide erzeugen und vielleicht kann man 
in dem Chlorophyll, welches nach den letzten Küster’schen Arbeiten 
einen Isoindolkern einzuschließen scheint, die Quelle erblicken, aus der 
die Alkaloide mit Isochinolinkern, wie die des Opiums, stammen. 

Was den Mechanismus dieser Reaktion anbetrifft, so kann man 
entweder die intermediäre Bildung eines Methylderivates oder noch 
einfacher die eines Methylenderivates annehmen. In dem speziellen 
Falle der Tabakalkaloide würde nach meiner Ansicht diese letztere 
Hypothese auf die befriedigendste Weise die Bildung des asymetrischen 
Kohlenstoffkerns erklären. In der Tat, wenn auf der einen Seite das 
Pyrrol, auf der anderen Seite der Formaldehyd gegeben sind, so kann 
durch gegenseitige Einwirkung dieser Substanzen, wenn meine 
Annahmen richtig sind, nur ein Produkt mit asymetrischer Struktur 
resultieren. 

Man weiß, daß die Aldehyde beim Zusammenbringen mit Pyrrol 
oder seinen Derivaten nicht auf die Gruppe NH, sondern auf eine der 
Gruppen CH des Kerns einwirken. Wenn der Angriff in der «-Stellung 
erfolgt, was keineswegs unwahrscheinlich ist, muß der Formaldehyd 


1) Ber. d. chem. Ges. 16, 919. 
2) Noch nicht veröffentlichte Beobachtung. 


396 A. Pietet: Bildungsweise der Alkaloide. 
ein Methylen-Pyrrol der folgenden Formel liefern: 


BHO - za ER —— CH 

| 

HC Je CEO) KT2CH 
„NEE 


Setzen wir jetzt den Fall, daß diese Verbindung der Umwandlung 
in ein Pyridinderivat unterliegt, so kann dieselbe sich nur in einem 
der Kerne vollziehen, so daß der andere intakt bleibt. Es muß dann 
‚ein Pyridylpyrrol entstehen; und wenn der Eintritt des Methylen- 
Kohlenstoffatoms, wie in den anderen Fällen, zwischen dem Kohlenstoff- 
atom in der «a- und B-Stellung des Kerns erfolgt, so muß ein B-Pyridyl- 
pyrrol gebildet werden: 


ae, - 
a | | 
EC ann Gem nee 
een 


Bei dieser Reaktion tritt eine Abspaltung von zwei Atomen 
Wasserstoff ein, welche vielleicht am Pyrrolkern gebunden werden. 
Nehmen wir noch eine durch Formaldehyd bewirkte Methylierung, 
welche diesmal am Stickstoffatom stattfindet, da wir es- jetzt mit einem 
basischen Pyrrolin zu tun haben, an, so gelangen wir zu 2 Formel, 
wenn nicht des Nikotins, so doch des Nikoteins. 

Es liegt nahe, diese Reihe von Annahmen durch den Versuch zu 
bewahrheiten; ich habe zu diesem Zwecke mit Herrn Aug. Billiet 
mit dem Studium der Einwirkung des Formaldehyds' auf das Pyrrol 
begonnen. Wir sind jedoch dabei von vornherein, welches auch die 
getroffenen Vorsichtsmaßregeln waren, auf eine Schwierigkeit gestoßen, 
welche in der Bildung von viel komplizierteren Kondensationsprodukten, 
als es das Methylen-Pyrrol ist, bestehen. Indessen haben wir bei der 
Destillation dieser Produkte über Zinkstaub die Bildung von «a-Picolin 
konstatiert. Dieses bereits bei dem ersten Versuche erzielte Resultat 
zeigt immerhin, daß es möglich ist, eine Pyridinbase zu erhalten, wenn 
man von dem Pyrrol und dem F'ormaldehyd ausgeht. 

In der allerjüngsten Zeit ist es uns auf eine andere Weise ge- 
lungen, das Methylen-Pyrrol zu erhalten, und zwar durch Behandlung 
des Pyrrolkaliums mit Methylenchlorid. Wir hoffen dasselbe durch 
Einwirkung von Hitze in Pyridyl-Pyrrol umlagern zu können und so 
zu der ersten Bestätigung der im vorstehenden dargelegten Hypothese 
zu gelangen. 


Fam. 


Fam. 


Fam. 


Fam. : 


Fam. 


Fan. 


Fam. 


Fam. 5 


Ei 


W. Greshoff: Blausäurevorkommen. 397 


Ueber die Verteilung 


der Blausäure in dem Pflanzenreiche. 


Von Dr. W. Greshoff, 


Direktor des Kolonial-Museums in Harlem. 


Dicotyl. Polypetal. Fam. 1—90. 


Ranunculaceae. 

Aquilegia vulgaris (—, Jorissen 1884), A. chrysantha (n.B., 
Greshoff 1906). 

Thalictrum aquilegifolium (A., v. Itallie 1905). 

Cruciferae. 

Lepidium sativam (—, Schulze 1860). 

Bixaceae (n.B.)). 
subf. Pangieae („Hydrocyaniferae“). 

Gynocardia olorata (Greshoff 1890). 

Hydnocarpus inebrians, H. alpinus (Greshoff 1890), 
H. anthelminthicus (Power 1905). 

Kiggelaria africana (Wefers Bettink 1891). 

Pangium edule, P. ceramense (Greshoff 1889). 

Ryparosa caesia, R. longepedunculata (Greshoff 1891). 

Taraktogenos blumei (Greshoff 1892), T. kurzii (Power 1904) 

Trichadenia zeylanica (Greshotf 1890). 

Sterculiaceae. 

Stereulia (Pteroceymbium) sp. (n.B., v. Romburgh 1897). 

Tiliaceae. 

Echinocarpus (Sloanea) sigun (B., Greshoff 1892). 

Linaceae. 

Linum usitatissimum, L. perenne (A., Jorissen 1884). 

Rutaceae. 

? Citrus medica. 

Dichopetalaceae. 

Chailletia cymosa (Dunstan 1903). 

Olacaceae. 

Ximenia americana (B., Ernst 1887), X. elliptica (B). 

Celastraceae. 

Kurrimia zeylanica (n.B., v. Romburgh 1897). 


398 


Fan. : 


Fam. ! 


Fam. 


Fam. 


Fam. 


66. 


ot 
or 


W. Greshoff: Blausäurevorkommen. 


Rhamnaceae. 
Rhamnus frangula (—, Lehmann 1874). 


Sapindaceae. 

Cupania sp. (n.B., v. Romburgh 1897). 

Schleichera trijuga (B., Thümmel 1889). 

Anacardiaceae. 

Corynocarpus laevigatus (B., Easterfield 1903). 

Leguminosae-Papilionaceae. 

Lotus arabicus, L. australis (Dunstan-Henry 1900). 

Indigofera galegoides (B., v. Romburgh 1893). 

Phaseolus lunatus (A., Davidson 1884). 

Vieia sativa (B., Ritthausen 1870), V. angustifolia, V. 
canadensis, V. hirsuta (—, Bruyning-v. d. Harst 1899), 
V. macrocarpa (—, Guignard 1906). 

Rosaceae (B.)). 
subf. Pomoideae. 

Amelanchier vulgaris (Wicke 1851), A. canadensis, A 
alnifolia (Greshoff 1896). 

Chamaemeles sp. 

Cotoneaster integerrima (Wicke 1851), C. microphylla 
(Greshoff 1896). 

Crataegus oxyacantha (Wicke 1851), ©. orientalis (Gres- 
hoff 1896). 

Eriobotrya japonica (Wicke 1851). 

Nuttalia cerasiformis. 

ÖOsteomeles sp. 

Photinia (Heteromeles) arbutifolia (Lustig 1882). 

Pyrus (Cydonia, Malus, Mespilus, Sorbus), sp. div.: P. aria, 
P. aucuparia, P. cydonia, P. japonica, P. malus, P. 
mespilus, P. pinnatifida P. torminalis (+ 1850), P. 
spectabilis, P. ringo (Greshoff 1896). 

subf. Prunoideae. 


Prunus amygdalus, P. laurocerasus (Schrader 1803), P. 
armeniaca, P. persica (Vauquelin 1803), P. padus (Berge- 
mann 1812), P. avium, P. cerasus, P. domestica, P. 
occidentalis, P. pennsylvanica, P. spinosa, P. undulata 
(+ 1850), P. seronita (Perot 1852), P. lusitanica 
(Flückiger 1879), P. virginiana (Schimmel 1890), P. 
alleghaniensis, P. bessiei, P. divaricata, P. paniculata, 
P. pendula (Greshoff 1896), P. subhirtella (v. d. Ven 1898), 
P. adenopoda, P. javanica (v. Romburgb 1898). 


Fam. 


Fam. 


Fam. 


Fam. 


Fam. 


Fam. 


Fam. 


Fam. 


Fam. 


Fam. 


Fam. 


Fam. 


Fam. 


67. 


91. 


92. 


96. 


100. 


116. 


122. 


129. 


W. Greshoff: Blausäurevorkommen. 399 


Pygeum africanum (Welwitsch 1860), P. parviflorum, 
P. latifolium (Greshoff 1890). 
subf. Spiraeeae. 
Spiraea aruncus, S. sorbifolia, S. japonica (Wicke 1851), 
S. kneiffii (Greshoff 1906). 


Saxifragaceae. 

Ribes aureum (—, Jorissen 1884), R. nigrum, R. rubrum 
(—, Hebert 1898), R. grossularia (—, Guignard 1905). 

Combretaceae. 

? Combretum constrictum (7 B.). 


Myrtaceae. 

? Psidium montanum (? B.). 

Melastomaceae. 

Memecylon sp. div. (B., v. Romburgh 1899). 

Samydaceae. 

Homalium (Blackwellia) sp. div. (B., v. Romburgh 1899). 


Passifloraceae. 

Passiflora quadrangularis, P. laurifolia, P. princeps (n.B, 
v. Romburgh 1897). 

Tacsonia sp. (n.B., v. Romburgh 1898). 


Dicotyl. Gamopet. Fam. 91—136. 


Caprifoliaceae. 

Sambucus nigra, S. ebulus (B., Guignard-Bourquelot 1905). 
Rubiaceae, 

Plectronia dicocca -(B., v. Romburgh 1898). 


Compositae. 
Chardinia xeranthemoides (—, Eichler 1862). 
Xeranthemum annuum (B., Greshoff 1899). 


Sapotaceae. 

? Isonandra (Bassia) mottleyana (? B.). 

Lucuma bonplandia (B., Altamirano 1876), L. mammosa (B.). 

? Payena latifolia (? B.). 

Asclepiadaceae. 

Gymnema latifolium (B., Greshoff 1890). 

Convolvulaceae. 

Ipomoea dissecta (B., Prestoe 1874), I. sinuata (B.. 
v. Romburgh 1894). 

Bignoniaceae. 

? Osmohydrophora nocturna (? B.). 


400 


Fam. 


. 160. 


. 198. 


W. Greshoff: Blausäurevorkommen. 


Dicotyl. Monochlamyd. Fam. 137—172. 


Euphorbiaceae. 
Bridelia ovata (—, v. Romburgh 1899). 
Elateriospermum tapos (—, v. Romburgh 1899). 


Hevea brasiliensis, H. spruceana (A., v. Romburgh 1893). 

Jatropha angustidens (A., Heyl 1902). 

Manihot utilissima (A., Henry 1830), M. bankensis, 
M. glaziovii (A., Greshoff 1892). 

Ricinus communis (—, Ritthausen 1870). 


2. Urticaceae. 


Sponia virgata (—, v. Romburgh 1899). 


Monocotyl. Fam. 173—207. 
Araceae. ; 
Arum maculatum (n.B., Jorissen 1884). 
Colocasia gigantea (n.B., v. Romburgh 1897). 
Cyrtosperma lasioides, C. merkusii (n.B., Greshoff 1890). 
Lasia aculeata, L. zollingeri (n.B., Greshoff 1890). 


. Gramineae. 


Glyceria aquatica (—, Jorissen 1884). 

Panicum sp. div. (B., Brünnich 1903). 

Sorghum vulgare (B*., Dunstan-Henry 1902). 
Stipa hystrieina, S. leptostachya (—, Hebert 1904). 


Gymnospermae. Fam. 208—210. 


Uryptogamae. Fam. 211— 
Fungi. 
? Hygrophorus agathosmus, H. cerasinus (? B.). 
Marasmius oreades (B., Loesecke 1871). 
? Pholiota radicosa (? B.). 
? Russula foetens (? B.). 


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ICHTHYOL. 
Der Erfolg des von uns hergestellten speziellen Schwefelpräparats 
hat viele sogenannte Ersatzmittel hervorgerufen, welche nicht identisch 
mit unserem ‚Präparat sind und welche obendrein unter sich verschieden 
sind, wofür wir in jedem einzelnen Falle den Beweis antre*en können. 


Da "diese angeblichen Ersatzpräparate anscheinend unter Mißbrauch 
. unserer Markenrechte auch manchmal fälschlicherweise mit 


Be Ichthyol 
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Ammonium sulfo-ichthyolicum 
gekennzeichnet werden, trotzdem unter dieser Kennzeichnung nur unser 


spezielles Erzeugnis, welches einzig und allein allen klinischen Versuchen 


zugrunde gelegen hat, verstanden wird, so bitten wir um gütige Mit- 


teilung zwecks gerichtlicher Verfolgung, wenn irgendwo tatsächlich 


solche Unterschiebungen stattfinden. 


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herausgegeben 


vom 


Deutschen Apotheker-Verein 
unter Redaktion von 


E. Schmidt und H. Beckurts 


Band 244. Heft 6. 


HORA RUM. 


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BERLIN. 
Selbstverlag des Deutschen Apotheker-Vereins. 
1906. 


Ausgegeben den 27. Oktober 1906. 


%) G. Barzer und H. Dale, die Mutterkornalkaloide. 


K. Gorter, Die Baptisia-Giy osid | 
ie Bes 


E. Rupp und M. Horn, Üebar' eine vo J 
bei Gegenwart von Chlor- und BromToilen| DENE I BR RR 
K. Lewinsohn, Ueber das Myrrheröl . . . 2. 2 22.2. 
0. Gaebel, Ueber das Hordenin . . . . . 2 2 2... 
H. Telle, Ueber Kamala und Rottlerin . Er 
0. Simon, Ueber Cetrarsäure . . BEE NOS EN ERET: 
MW. Wollenweher, Ueber Filzgechdute RE DER AN REDEN 


Eingegangene Beiträge. 


L. Rosenthaler und F. Türck, Ueber die absorbierenden Eigenschaften. 
schiedener Kohlesorten. ae, 

L. Rosenthaler, Bemerkungen zu vorstehender Abhandlung. 
 E. Rupp, Gehaltsbestimmung von galenischen Präparaten des Aue 
A. Jolles, Ueber Lävulosurie und über den Nachweis der Lävulose im Harn. N 
K. . Beta Untersuchungen über die Bestandteile der Blätter von Carpinus “ 
etulus. i 

„ Luther, Ueber Methylenverbindungen und einige andere. Derivate der 
m-Dioxybenzole. 

M. Scholtz, Ueber die Alkaloide der Pareirawurzel. | 
A. Heiduschka, Ueber das Verhalten einiger Körper bei tiefen Tem eraturen. 
E. Rupp und M. Horn, Ueber die Titration von Ferrosalzen mit Alkali BRojodil: 


(Geschlossen den 20. X. 1906.) 
| STHHENEINEREINFNERKERETENKENERRERREREERERRE a 
| Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel | 


monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis 3 
50 Bogen. Ladenpreis für den Jahrgang Mk... 3 


Alle Beiträge für das „Archiv“ sind an die 


Archiv- Bedaktion 


. Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt i in Marburg (Hana) 
oder Herrn Geh. Med.-Rat Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig, 
alle die Anzeigen u. s. w., überhaupt die Be a und E- 
die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den 

Deutschen Apotheker-Verein 
Berlin C. 2, Neue Friedrichstr. 43 


einzusenden. 


Da aan 
Anzeigen. 


ı/, Seite zum Preise von M 50.--; !/, Seite zum Preise von M 80.—; 1]; Seite: zum 
Preise von M 20.—; !/; Seite zum Preise von M 10.—. Die Grundschrift ist Petit. 
Beilage-Gebühr für das Tausend der Auflage — z. Z.4300 — M 10.—. Für Beilagen, welche 
nicht dem Format des „Archiv“ entsprechen, bleibt besondere VeroichiA UNE vorbehalten. 


K. Gorter: Baptisia-Glykoside. 401 


IBR 


Die Baptisia-Glykoside. En 


x YvY 


Von Dr. K. Gorter. BOTANICAL 
e (Eingegangen den 28. VIIT. 1906.) BARDEN 


Bei der Verarbeitung der Wurzel von Baptisia tinctoria RBr. 
habe ich damals zwei Glykoside abgeschieden, welche ich als Baptisin 
und Baptin beschrieben habe!). Das Baptisin wurde in größerer 
Ausbeute erhalten, während vom Baptin nur geringe Spuren auf- 
gefunden wurden. Das nämliche Glykosid fand ich in einer „Kon- 
zentration“ von Merck, welche auch unter dem Namen Baptisin in 
den Handel kommt. 

Als ich später wieder einmal Baptisia-Konzentration von Merck 
untersuchte, fand ich darin ein ganz anderes Glykosid, das ich Pseudo- 
baptisin?) genannt habe. Zur Erklärung dieser Tatsache zog ich 
damals die Möglichkeit heran, daß vielleicht zwei verschiedene Baptisia- 
Spezies als Baptisia tinctoria in den Handel kämen. Man hat ja in 
verschiedenen Sorten derselben Gattung wohl oftmals ganz verschieden 
zusammengesetzte Substanzen beobachtet. Ich nenne hier z. B. Datura 
Metel, die 1.-Scopolamin und Datura Stramonium, die der Hauptsache 
nach Hyoscyamin enthält; in Papaver Rhoeas fand man das Alkaloid 
Rhoeadin, dagegen fand Pavesi?) diese Substanz nicht in Papaver 
dubium, wohl aber ein anderes Alkaloid, das er Aporhein nannte. 

Ich bin jetzt in der Lage gewesen, aus einer Wurzel, die an- 
geblich von Baptisia tinctoria RBr. stammte, das Pseudobaptisin 
abzuscheiden. 4!/; kg gemahlene Wurzel wurde mehrmals mit 93% 
Alkohol heiß extraxiert. Der Alkohol wurde abdestilliert. Aus dem 
rückständigen braunen Sirup krystallisierte nach längerem Stehen das 
Glykosid aus. Die Wurzel wurde danach noch mit 50% Weingeist 
extrahiert, dieser gleichfalls abdestilliertt und der Rückstand zur 
Krystallisation bei seite gestellt. Die vereinigten Krystallisationen 
wurden mehrmals aus verdünntem Alkohol umkrystallisiert. Die Aus- 
beute war etwa 40 g reines Pseudobaptisin. 

Die Mutterlauge des Pseudobaptisins schied bei Verdünnung mit 
Wasser 150 g eines: zähen braunen Harzes aus, das mit heißem Wasser 
ausgeknetet und dann erst an der Luft, später über Schwefelsäure 
1. = IRRE: 


S I) Arch. d. Pharm., Bd. 235, 30. 
eo 2) Arch. d. Pharm., Bd. 235, 494. 
„u 9 Ch. Centr.-Bl. 1905, Bd. I, S. 26. 


> Arch. d. Pharm. COXXXXIV. Bds. 6. Heft, 26 


402 K. Gorter: Baptisia-Glykoside. 


getrocknet wurde. Es konnte dann leicht zu einem braunen Pulver 
zerrieben werden. 

Auch wurde noch Andeutung eines anderen Glykosides erhalten, 
das aus dem Filtrat des Harzes nach Reinigung desselben mit Blei- 
zuckerlösung durch Bleiessig und Ammoniak niedergeschlagen wurde. 
Cytisin fand sich auch in Spuren vor und wurde in gleicher Weise 
dargetan, wie ich es früher beschrieben habe. 

Das Pseudobaptisin krystalliiiertt aus verdünntem Alkohol 
gewöhnlich mit 4 Mol. Wasser. Ueber Schwefelsäure verliert es hier- 
von 2'/, Mol. 


5,5190 g verlieren im Exsikkator 0,3750 g. 
Gefunden: Berechnet für CyH30014 + 4Ha0: 
Hs0 6,79% 2% Hs0 6,92%. 
Die exsikkatortrockene Substanz lieferte bei der Elementaranalyse 
folgende Zahlen: 


129,9 mg gaben 60,0 mg H,O und 253,9 mg COs». 


Gefunden: Berechnet für CyH304+ 1%Ha0: 
C 53,20% . 
I 7EROLT 5,45 „. 


In Methylalkohol löste sich die Substanz leicht auf. Nach 
12stündigem Stehen hatten sich Krystalle abgesetzt, die zwischen 
Fließpapier getrocknet, bei 125° C. keine Gewichtsabnahme zeigten 
und also aus wasserfreiem Pseudobaptisin bestanden. 

Früher!) habe ich gemeint, diese Substanz habe die Zusammen- 
setzung Car H390:ı4 + 1Y/aH3O + CH,OH, wobei es mir auffallend 
war, daß sie schon über Schwefelsäure sowohl den Methylalkohol, als 
auch das Wasser verlor. In der Verbindung Ca H300;4 + 1V/aH30 ist 
das Wasser aber sehr fest gebunden und wird erst bei 125° abgegeben. 

Ich habe jetzt gefunden, daß das wasserfreie Pseudobaptisin sich 
viel schwerer in Methylalkohol löst wie das wasserhaltige; daher ist 
die gesättigte Lösung dieses metastabil in Bezug auf jenes, und erklärt 
es sich, daß dieses sich in jenes umwandeln kann. Bei dieser Sach- 
lage war es a priori wahrscheinlich, daß das wasserfreie Pseudobaptisin 
sich unter geeigneten Umständen auch aus anderen Lösungen ab- 
scheiden würde. In der Tat fand ich, daß eine bei 50° gesättigte 
Lösung des wasserhaltigen Pseudobaptisins allmählich die anhydrische 
Substanz abschied, wenn sie mit dieser geimpft wurde. In heißem 
Wasser löste sich das wasserhaltige Pseudobaptisin zuerst beinahe 
ganz auf, dann entstand aber in kurzer Zeit eine schwerlösliche 
krystallinische Fällung von wasserfreiem Pseudobaptisin. eE 


1) Arch. d. Pharm, Bi. 235, 497. 


K. Gorter: Baptisia-Glykoside. 403 


Das anhydrische Pseudobaptisin löst sich nicht in Aceton und 
Tetrachlorkohlenstoff. Mit verdünntem Alkohol gekocht, löst es sich 
langsam auf; in Methylalkohol ist es schwer löslich. Heißes Nitro- 
benzol und 5% Natronlauge lösen es leicht auf. Aus letztgenannter 
Lösung wird es durch Kochsalz nicht gefällt. (Unterschied von dem 
Spaltungsprodukt Pseudobaptigenin.. Beim Erhitzen im Vakuum in 
einem Bad von siedendem Resorcin zersetzte sich die Substanz all- 
mählich. Es resultierte ein wenig eines gelben sirupförmigen Destillates 
und Pseudobaptigenin, das sich nicht verflüchtigte, und an seinem 
Schmelzpunkte und dem Verhalten Natronlauge gegenüber charakterisiert 
wurde. 

Pseudobaptisin wird durch Säuren und auch durch Emulsin 
hydrolisiert!). Es scheidet sich dabei Pseudobaptigenin aus. Dieses 
löst sich nicht in Wasser, Essigester und Tetrachlorkohlenstoff, dagegen 
schwer in siedendem 96% Alkohol. Auch löst es sich beim Erwärmen 
in Eisessig und Nitrobenzol. Aus Nitrobenzol wurde es in Nädelchen 
krystallisiert erhalten vom Schmp. 298°. Wird diese Substanz einige 
Zeit mit Alkohol und wenig Schwefelsäure gekocht, dann erhöht sich 
der Schmelzpunkt auf 303—304°. 

Das Pseudobaptigenin löst sich leicht in verdünnter Natronlauge; 
aus dieser Lösung wird durch Kochsalz eine Natriumverbindung aus- 
gesalzen als Büschel von Krystallnadeln. Diese wurden abgesogen, 
mit Kochsalzlösung sorgfältig gewaschen und bei 95° getrocknet. Die 
Substanz, ein Gemenge von Pseudobaptigenin-Natron und Chlornatrium, 
wurde wie folgt analysiert. 

100 bis 200 mg wurden mit wenig Wasser übergossen und mit 
2/oo Salzsäure titriert (Methylorange als Indikator). Das hierbei ab- 
geschiedene Pseudobaptigenin wurde abfiltriert und mit Wasser aus- 
gewaschen. Im Filtrat bestimmte ich nach Hinzufügen von etwas 
Magnesiumoxyd das Chlornatrium maßanalytisch. Von der gefundenen 
Menge Chlornatrium wurde die der zugefügten Salzsäure äquivalente 
Menge abgezogen. In dieser Weise wurde das Kochsalz in der an- 
gewandten Mischung bestimmt, die Differenz gab die Menge reines 
Pseudobaptigenin an. Aus der verbrauchten Zahl der Kubikzentimeter 
®'so Säure wurde der Natriumgehalt berechnet. Es wurden folgende 
Daten erhalten. 


I. 109,4 mg Pseudobaptigenin-Natron verbrauchten 6,66 ccm n/sn Salzsäure 


II. 1671 „ 5 y F' 10,10 „ "fo fi 
Gefunden: Berechnet für C;H}068Na + Ha0: 
Na I. 700% IL 6,9% 7,01% 


1) Siehe Arch. d. Pharm. Bd. 235, 490. 
26* 


404 K. Gorter: Baptisia-Glykoside. 


Bei 125° verloren 160,0 mg 8,5 mg an Gewicht. 
Gefunden: Berechnet für Ci; H} 0g8Na + Ha0: 
Hs0 5,31% 5,449. 
Die bei 1250 getrocknete Substanz gab folgende Zahlen bei der Analyse 
140,0 mg verbrauchten 0,92 ccm "/so Salzsäure. 
Gefunden: Berechnet für Cj5;H;ı 06Na: 
Na 7,29% 7,42%. 


Pseudobaptigenin-Natron löst sich infolge hydrolytischer 
Dissoziation in Wasser nicht klar auf; hinzugefügtes Phenolphthalein 
wird rot gefärbt; durch Alkohol wird die Dissoziation zurückgedrängt 
und die Flüssigkeit entfärbt. Es löst sich leicht in verdünnter Natron- 
lauge. Aus dieser Lösung wird das Pseudobaptigenin durch Säuren, 
selbst durch Kohlensäure, gefällt. Aus Alkohol krystallisiert, zeigte 
es den Schmp. 303—304°., 

Das Molekulargewicht des Pseudobaptigenins läßt sich durch 
Titrieren mit "/s, Natronlauge und Phenolphthalein als Indikator ziemlich 
genau verifizieren. 


249,5 mg wurden mit 30 ccm 96% Alkohol übergossen, wenig Phenol- 
phthaleia hinzugesetzt und bei gelindem Erwärmen "/gu Natronlauge zugeträufelt, 
bis zu eben bleibender Rotfärbung. Es wurden 18,74 ccm verbraucht. 

Gefunden: Berechnet für C45Hj0 05: 

Mol.-Gew. 266 270. 


Auch Ammoniak löst das Pseudobaptigenin bei gelinder Er- 
wärmung. Es scheidet sich nach 12stündigem Stehen in langen farb- 
losen Nadeln vom Schmp. 304° wieder aus. 

Das Pseudobaptigenin reduziert die Fehling’sche Lösung nicht, 
ammoniakalische Silberlösung zeigte nach längerer Zeit nur schwache 
Reduktion. 

Es gelang nicht durch Einwirkung von Phenylhydrazin ein 
Hydrazon zu erzielen. Dazu wurde die Substanz in alkoholischer 
Lösung mit salzsaurem Phenylhydrazin und essigsaurem Natron 
erwärmt; auch wurde der gleiche Zweck ohne Erfolg in Eisessiglösung 
angestrebt. 

Weiter habe ich noch versucht, das Pseudobaptigenin-Natron mit 
Jodäthyl zu einem Aethyl-Pseudobaptigenin umzusetzen. Dazu wurden 
diese Substanzen in molekularen Mengen mit etwas absolutem Aethyl- 
alkohol im zugeschmolzenen Rohre während zweier Stunden auf 150° 
erhitzt. Der Rohrinhalt war nach dem Erkalten teilweise in Nadeln 
krystalliiiertt. Beim Umkrystallisieren resultierte Pseudobaptigenin, 
das sich in Alkohol schwer, und ein neuer Körper, der sich in heißem 
Alkohol leicht löste und in Nadeln krystallisierte. Die Ausbeute war 


E. Rupp u. M. Horn: Bestimmung von Jodiden. 405 


etwa 25% vom Ausgangsmaterial. Im Vakuum konnte die Substanz 
unzersetzt destilliert werden. Der Schmelzpunkt wurde bei 169° 
gefunden. Eisenchlorid gab mit der Acetonlösung keine Färbung. 
Die Elementar- Analyse gab folgende Zahlen: 
86,3 mg gaben 225,6 mg (Os und 38,3 mg Ha0. 
Gefunden: 

C 71,31%, 

H 49,. 

Hieraus geht hervor, daß jedenfalls das erwartete Aethyl-Pseudo- 
baptigenin nicht entstanden ist. Ob die Substanz die Zusammensetzung 
C2H,ı00; hat, worauf diese Analyse hinweist, wäre noch weiter zu 
prüfen. Ich hoffe in nächster Zeit dieser Reaktion noch näher zu 
treten und darüber und auch über anderweitige Versuche in dieser 
Zeitschrift zu berichten. 


Buitenzorg (Java), Juli 1906. 


Mitteilungen aus dem pharmazeutisch-chemischen Institut 
der Universität Marburg. 


199. Ueber eine volumetrische Bestimmung von 
Jodiden bei Gegenwart von Chlor- und Brom-Ionen. 


Von E. Rupp und M. Horn. 
(Eingegangen den 2. IX. 1906.) 


Die bevorzugte Methode der titrimetrischen Bestimmung von 
Jodionen bei Gegenwart von Cl‘ und Br’ bedient sich der Zersetzlichkeit 
der Jodide durch Ferrisalze im Sinne der Gleichung 

Fe + J’= Fe" + J. 

Das abgespaltene Jod wird in Jodkaliumlösung übergetrieben 
und mit Thiosulfat gemessen. 

Für Zwecke dieses Destillationsverfahrens findet man in einer 
Reihe von Lehrbüchern Eisenchlorid als geeignetes Ferrisalz aufgeführt, 
obwohl schon von Mohr!) darauf hingewiesen wird, daß bei Anwendung 
von Ferrichlorid die letzten Spuren von Jod nur sehr schwer über- 
treibbar sind und Ferrisulfat den Vorzug verdient. 

Dieses wird praktischerweise in Form des Eisenalauns ver- 
wendet, wie dies von Treadwell?) vorgeschrieben wird. 


1) Titriermethoden VI. Aufl., S. 297. 
2) Quant. Anal. 3 Aufl., S. 481. 


406 E. Rupp u. M. Horn: Bestimmung von Jodiden. 


Vergleichsweise mögen hier einige Destillationsproben aufgeführt 
werden, die wir mit einer 5,92%igen Lösung reinsten Jodkaliums 
ausführten. 

Da 1KJ=1J= 1Thiosulfat, so entsprechen 0,0166 g KJ=1 cem 
n/jo Th., und 0,296 g KJ=5ccm der Lösung = 17,62 ccm Th/o. 


1. Mit Eisenchlorid: 


5 ccm KJ-Lösung + 20 ccm offizinellen Eisenliquor + 20 cem 
verdünnte Salzsäure. Destillat = 17,1—17,3 cem "/;, Thioslft. = 97,05 
bis 98,2%. 

Dasselbe ohne Säurezusatz. Destillat = 16,8—17,2 cem ?/;, Thioslft. 
= 95,35— 97,62%. 

Sämtliche Proben mußten annähernd bis zur Trockene abdestilliert 
werden, da bis zuletzt andauernd Jod abgegeben wird. Dies hart- 
näckige Festhalten von Jod, besonders in ungesäuerter Lösung, und 
die beim Erhitzen sich bald einstellende Trübung nebst den schwankenden 
und unterwertigen Resultaten, lassen vermuten, daß es sich hier um 
eine teilweise Bildung schwer zersetzlicher Oxychloridjodide handelt. 
Jedenfalls ist die Anwendung von Eisenchlorid keineswegs zu be- 
fürworten. 

2. Mit Eisenalaun: 

5 cem KJ-Lösung + 5 g Eisenammonalaun in konzentrierter 
Lösung + 5 cem verdünnte Schwefelsäure. Destillat = 17,5 bis 
17,6 ccm *, Thiosulfat = 99,32—99,89 %. 

Die Resultate sind weit konstanter und genau. Für ein weit- 
gehendes Abdestillieren ist auch hier Sorge zu tragen, da sonst 
wiederum Fehlbeträge bis zu einigen Prozenten zu gewärtigen sind. 
Zwecks rascherer und vollständiger Austreibung des Jods, empfiehlt 
es sich, die Destillation in einem durch den Verschlußstopfen des 
Siedekolbens zugeleiteten Kohlensäurestrom vorzunehmen. 

Um nun von der eine Methode stets komplizierenden Destillations- 
notwendigkeit loszukommen, emanzipierten wir uns vollständig von den 
Ferrisalzen und suchten Permanganat in saurer Lösung zur Verwendung 
heranzuziehen: 

2KMnO, + 10KJ + 8H3S0, = 2MnS0, + 6KsaS0, + 8H,0 + 10J. 


Das momentan sich ausscheidende Jod sollte alsdann im Reaktions- 
gemische mit Thiosulfat gemessen werden. 
1KJ = 1J = 1 Thioslft., 0,0127 g J = 0,0166 g KJ = 1 cem ”/, Thioslft. 
Erforderlich hierzu war es das im Ueberschuß angewandte Per- 
manganat vor der Titration vollkommen zu zerstören. Dies ist durch 
einen reichlichen Oxalsäurezusatz mit Sicherheit erreichbar, wie die 
unter den verschiedensten Bedingungen in Bezug auf Permanganat- 


E. Rupp u. M. Horn: Bestimmung von Jodiden. 407 


konzentration und die Reihenfolge der Ägentienzusätze angestellten 
Proben erwiesen. 

Als Versuchsobjekt diente oben verwendete Jodkaliumlösung 
5 ccm = 0,296 ge KJ = 17,62 ecm "/ıo Thiosulfat. Das Kaliumper- 
manganat wurde als 1%ige Lösung erstellt. Nach Berechnung erfordert 
1g KJ = 0,194 g KMnO,, also rund ", seines Gewichtes zur Um- 
setzung (5 cem KJ-Lösung = 6 cem Permanganatlösung). 

Die aus Jodid, saurer Permanganatlösurg und Oxalsäure 
bestehenden Reaktionsproben wurden nach der Mischung verschieden 
lange Zeiträume sich selbst überlassen, schließlich wurde zur Lösung 
des ausgeschiedenen Jods etwas Jodkalium zugesetzt und mit ”/o Thio- 
sulfat austitriert. 

I. Zur verdünnten sauren Permanganatlösung das Jodid und 
zuletzt die Oxalsäure gefügt. 


10 ccm Pgt + 25 ccm Hs0 + 25 ccm verd. HsS0O, +5 ccm KJ +3 g 0x 
nach 1 Std. 17,67 ccm Th/o. 


„RIOTEC y 
Rh „ 
„a @orEi66 5 Y 
Ba Et A» a Ä 
ta, Su aZGE $ 


ll. Zur verdünnten sauren Permanganatlösung die Oxalsäure 
und zuletzt die Jodidlösung gefügt. 
10 ccm Pgt + 25 ccm H30 + 25 ccm verd. HBSO, +3 g Ox-+5ccemKJ 
nach 3 Std. 17,7 ccm Thyo. 
u. 8 Samt GbO. in 2 
arilb® tes 2 7 
Be AIEE ..w, 
III. Zur neutralen verdünnten Permanganatlösung das Jodid, 
dann Oxalsäure und schließlich Schwefelsäure gefügt. 
Nach 3 Std. 17,6 ccm ao Th. 
IV. Die verdünnte Jodidlösung gesäuert, die Oxalsäure und 
zuletzt das Permanganat zugefügt. 


Nach 1 Std. 17,68 ccm Th/jo. 
17,78 


Ss 


3 
SINDOoOoODDyHr m 
Ss 3 yrumy 3 3 wg 
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408 E. Rupp u. M. Horn: Bestimmung von Jodiden. 


V. Die unverdünnte saure Permanganatlösung mit dem ‚Jodid 
und schließlich der Oxalsäure versetzt. 


10 cem Pgt + 25 ccm verd. SO, +5 ccm KJ+3g Ox 
nach 2 Std. 19,1 ccm Th/yo. 
» 5 n 21,0 ” » 


vI.—VI. Bis zum fünffachen Ueberschuß große Permanganat- 
mengen angewandt. 
Pgt +25 ccm H30 + 25 cem verd. HsS0, +3g Ox +5 ccem KJ 
10 ccm Pgt nach 6 Std. 17,62 ccm Thy;o. 
10 j 15 „ 17,62 


n n n n 
10 5 gi a re, 
0 cn ee ee 
DB aber: Tann Ken ae In Zu 
I nigint ) anüyue@rn„. 087, BazESehe 
30 ” ” 2) 6 „ 17,53 ” ” 


5cem KJ+25 ccm H50 + 25 cem verd. HsS0, +3g Ox + Pgt 
10 ccm 3 Std. 17,61 ccm Thyyo 
35 „Ale 
35,2 „ 2A 
5 „ 5 sad3b An 

VIIL—X. Mit Salzsäure gesäuert. 

10 ccm Pgt +25 cem H30 + 25 ccm verd. HCl +5 ccm KJ+3g 0x 

nach 10 Std. 16,07 ccm Th/;o- 

10 ccm Pgt +25 cem H3,0 +5 ccem KJ +25 cem verd. HOI1+3g 0x 

nach 3 Std. 17,70 ccm Th/jo. 

10 ccm Pgt +25 ccm HHO +5 cem KJ+3 g 0x +25 ccm verd. HCl 

nach 3 Std. 17,70 ccm Thyyo. 

Die Versuchsreihen I—VII besagen, daß Schwefelsäure das 
geeignetere Säuerungsmittel ist. Versuchsreihe V lehrt, daß man in 
verdünnten Lösungen zu arbeiten hat. 

Die Reihenfolge der Agentienzusätze ist belanglos. Zur 
Kontrollierung der Permanganatmenge möchten wir vorschlagen, dieses 
zuletzt zuzufügen. Die Reaktionsdauer mit reichlichem Oxalsäure- 
zusatz belaufe sich auf ca. 3 Stunden. 

Es würde demnach die Arbeitsweise zur Bestimmung von Jodiden 
folgende sein: 

Eine geeignete Substanzmenge wird in einer Glasstöpselflasche 
in ca. 50 ccm Wasser gelöst, mit etwa 25 ccm verdünnter Schwefel- 
säure angesäuert und ca. 3g Oxalsäure in Substanz zugesetzt, ohne 
weiter auf deren Lösung zu achten. Nun bringt man soviel ca. l1%ige 
Kaliumpermanganatlösung hinzu, bis die beim Umschwenken an der 
Flaschenwandung hochsteigenden Schichten deutliche violette Färbung 


E. Rupp u. M. Horn: Bestimmung von Jodiden. 409 


zeigen. Das Reaktionsgemisch läßt man nun ca. 3 Stunden stehen, 
wobei zur Beförderung der Lösung abgeschiedenen Mangansuperoxyd- 
hydrates zuweilen umgeschüttelt werden kann. Alsdann setzt man 
ca. 1g Jodkalium zu und titriert das freie Jod mit "/jo Thiosulfat. 


0,0127 g J = 1 ccm "/ıo Thiosulfat. 


Bei einem zu erwartenden Thiosulfatverbrauch von etwa 
8—25 ccm wird man ohne weiteres 10 ccm der l1%igen Permanganat- 
lösung in Anwendung bringen. Es entspricht dies bei den gebräuch- 
lichsten Jodiden einer anzuwendenden Substanzmenge von etwa 
0,2— 0,4 g. 

Es war nun weiterhin zu erweisen, daß diese Bestimmungsweise 
von Jodionen auch durchführbar ist bei Anwesenheit von Chlor- 
und Bromionen trotz der Verwertung von Permanganat. 

Es erhellt dies aus nachstehenden Versuchsreihen, bei denen 
5 cem obiger Jodidlösung = 17,62 ccm "/ıo Thiosulfat mit einer drei- 
fachen Menge von Chlorid bezw. Bromid und einer sechsfachen Menge 
an Chlorid + Bromid gemischt, zur Reaktion gebracht wurden. 


1. Bei Gegenwart von Cl. 


5ccem KJ+0,5g NaCl+25cem Hs0O +25 ccm verd. H3S0O,+3g 0x 


+ 10ccm KMnO, 
nach 16 Std. 17,59 ccm Th/yo- 


5cem KJ+1g NaCl + 25ccm Hs0 + 25 ccm verd. H3S0O, + 10 ccm 
KMnO, +3g 0x 
nach 3 Std. 17,55 ccm Th/jo. 
n 4 n 17,62 » » 
„uoat zuteil. , 
10 ccm KMnO, + 25 ccm H30 + 25 ccm verd. H3S0, + 3g Ox + 


(5 cem KJ+1g NaCl) 
nach 4 Std. 17,55 ccm Th/yn. 


2. Bei Gegenwart von Br‘. 
5ccm KJ+05. KBr + 25 ccm H30 + 25 ccm verd. H3S0, + 
3g 0x + 10 ccm KMnO0, 
nach 3 Std. 17,60 ccm Thyıo. 
5cem KJ + 1g KBr +25 ccm H30 + 25 ccm verd. H3sS0O,;, + 
3g 0x + 10 ccm KMnO, 


nach 1 Std. 17,80 ccm Th/yo 


Sn RT 
n 3.7760, 
u BD ARE2T „nor; 
4050. u 
wo Are 


u 


410 E. Rupp u. M. Horn: Bestimmung von Jodiden. 


10 com KMnO, + 25 cem H30 + 25 ccm verd. H3S0, + 38 0x + 
(5 ccm KJ +1 gKBr) 
nach 16 Std. 17,62 ccm Th/;o 
„h Vs, UT % 


3. Bei Gegenwart von Cl’ + Br‘. 
5cem KJ-+ 1g NaCl + 1g KBr + 25 ccm H30 + 25 ccm verd. 
H550, + 3 g 0x + 25 ccm KMn(, 
nach 6 Std. 17,44 ccm Th/yo 
Mitar DEsuen 1° 7 ar R 
30 com KMnO, + 25 ccm H30 + 25 ccm verd. HsS0, +3g 0x + 
(5 cem + 1 g NaCl + 1 g KBr) 
nach 6 Std. 17,24 ccm Th/jo. 


5 ccm KJ+ 1g NaCl + 1g NaBr + 25 ccm H5s0 + 25 cem verd. 
HsS0, + 3 g Ox + 10 ccm Pgt 
nach 2 Std. 17,70 ccm Th/jo 
»„ 3 „ 1760 „ „ 
n 3 ” 17,55 b) ” 
un an a " 


Das Aussehen der Reaktionsgemische ist hier ein wesentlich 
anderes. Das abgespaltene Jod hält sich mehr oder weniger in der 
chlor- bezw. bromwasserstoffsauren Flüssigkeit gelöst. Diese bleibt 
daher dauernd jodbraun gefärbt. Ferner ist von einer auch nur vor- 
übergehenden Violettfärbung durch überschüssige Chamäleonlösung 
nichts zu bemerken, so daß dieser Anhaltspunkt für die Permanganat- 
bemessung verloren geht. Entbundenes Brom wird durch die Oxalsäure 
in Ionenform zurückgeführt. 

Man verfährt daher bei stark chlorid- bezw. bromidhaltigen 
Untersuchungsobjekten wie folgt: 


Ca. 0,25—0,5 g Substanz werden zu ca. 50 ccm in Wasser gelöst 
und mit ca. 25 ccm verdünnter Schwefelsäure nebst 3 g Oxalsäure 
versetzt. Zuletzt fügt man 10 ccm 1%ige Chamäleonlösung zu. Nach 
ca. 3 Stunden Stehens setzt man ca. 1 g Jodkalium zu und titriert 
mit "/;o Thiosulfat. Bei einem Titrationsverbrauch von erheblich weniger 
als 10 ccm wiederholt man den Versuch mit entsprechend mehr Substanz 
oder weniger Permanganat, ohne im übrigen die Versuchsbedingungen 
zu ändern. 

Es läßt sich mit Einbeziehung dieses Verfahrens eine einfache 
titrimetrische Trennung von J‘ und C/‘, J‘ und Br‘, J’ und Br’ + C!‘ 
zur Durchführung bringen, indem man zunächst eine Bestimmung des 
Gesamthalogens nach Volhard und weiterhin eine Titration des 


E. Rupp u. M. Horn: Bestimmung von Jodiden. 411 


Jodids im Sinne der beschriebenen Methode vornimmt. Aus der 
Differenz beider Resultate ist alsdann das Resthalogen berechenbar. 
lccm n/oAgNO,; = 0,003545 g CI’ 
Be ee Fr —= 0,007996 „ Br‘ 
1, %p ” = 0,0127 „)J‘ 
1 „ "ho Thioslft. = 0,0127 „J". 


Der Vollständigkeit wegen sollen auch hierzu einige der ge- 
fandenen Versuchswerte angefügt werden: 

J’ +Cl: Argentometrischer Summenwert von 10 ccm "/io KJ + 10 cem 
2/;o NaCl, berechnet 20 ccm "/jn Ag = 100%; gefunden 20,04 ccm = 
100,2 %. 

2/0 Thiosulfatwert für J‘ bei denselben Substanzmengen be- 
rechnet 10 ccm = 100%; gefunden 10,03 ccm = 100,3 %. 


J‘ + Br‘: Argentometrischer Summenwert von 10cem ?/io KJ+ 10 cem 
2/o K Br, berechnet 20 cem "/jo Ag = 100%; gefunden 20,05 ccm = 
100,25 %. 

2/0 Thiosulfatwert für J‘ bei den gleichen Substanzmengen 
berechnet 10 cem = 100%; gefunden 10,04 ccm = 100,4 %. 


‘+ (Br‘+CN: Argentometrischer Summenwert von 10cem "/o KIJI+ 
10 ecm */io NaCl + 10 cem "/io KBr, berechnet 30 cem "/jo Ag = 
100 %; gefunden 30,07 cem = 100,25 %. 
2/0 Thiosulfatwert für dasselbe Salzgemisch berechnet 10ccm = 
100 %; gefunden 10,05 ccm = 100,5 %. 

Bei der argentometrischen Bestimmung jodidhaltiger Salzgemische 
hat man dem stark zu Einhüllungserscheinungen neigendem Silberjodid 
derart Sorge zu tragen, daß man die Salzlösung in einer Glasstöpsel- 
flasche auf mindestens 100 ccm mit Wasser verdünnt, dann säuerten 
wir mit wenig verdünnter Salpetersäure an und setzten unter lebhaftem 
Umschwenken die überschüssige Silberlösung zu. Nun wird solange 
kräftig geschüttelt, bis das Halogensilber sich ballt und die Lösung 
klar übersteht. Die Ag-Rücktitration mittels Rhodanlösung nach Zusatz 
von Eisenalaun und hinreichend Salpetersäure erfolgt direkt im Reaktions- 
gemische. 

Die Jodidbestimmung wurde genau nach der für Cl‘ resp. 
Br’-haltige Salzgemische gegebenen Vorschrift ausgeführt. 


412 K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 


Arbeiten aus dem pharmazeutischen Institut der 
Universität Berlin. 


Mitgeteilt von H. Thoms. 


Ueber das Myrrhenöl. 
Von Dr. Kurt Lewinsohn. 
(Eingegangen den 7. IX. 1906.) 


Das destillierte Myrrhenöl war bereits Walter Ryff (1545), 
Valerius Cordus (1540) und Conrad Gesner (1555) bekannt. 
Beobachtungen über die Gewinnungsweise und Ausbeuten des Oeles 
machten im 18. und 19. Jahrhundert Fr. Hoffmann, Caspar 
Neumann, J. R. Spielmann, Thielebein, Braconnot, Pelletier 
und Rudolf Brandes'). Das Oel wurde in stark wechselnder Aus- 
beute erhalten, und zwar in Schwankungen von 2,5—10%. Welche 
Umstände hierbei in Frage kommen, soll weiter unten erörtert werden. 

Von den Bestandteilen des ätherischen Oeles der Herabolmyrrhe 
ist bisher keiner isoliert und erkannt worden, und die wenigen Autoren, 
die sich mit der Untersuchung des Herabolmyrrhenöls befaßt haben, 
beschränken sich darauf, die physikalischen Eigenschaften zu be- 
schreiben und stimmen in ihren Angaben durchaus nicht überein. Die 
mannigfachen Abweichungen bei der Beobachtung der physikalischen 
Konstanten sind nach Gildemeister und Hoffmann „vielleicht darauf 
zurückzuführen, daß bei der Darstellung im kleinen die schweren An- 
teile leicht im Harze verbleiben und nur das spezifisch leichtere Oel 
übergeht“, andererseits auch darauf, daß die Herkunft des Oeles eine 
so verschiedene ist, und schließlich kommt auch das jeweilige 
Destillationsverfahren der Fabriken dabei wesentlich in Betracht. 

Myrrhenöl siedet nach Köhler?) von 220° bis 325° nach 
Tucholka®) von 260° bis 280° und hat einen Drehangswinkel von 
[alp = —67° 54. Gladstone*) fand eine Drehung von — 136°, 
Ruickholdt?’) untersuchte 1845 das Myrrhenöl und fand durch die 
Analyse Zahlen, die annähernd auf C,oH,,O0 stimmten. Hierdurch 


1) Vergl. E. Gildemeister u. Fr. Hoffmann: Die ätherischen Oale, 
Berlin 1899. Verlag von J. Springer. 

2) Arch. d. Pharm. 228, 291. 

8) Arch. d. Pharm. 235, 298. 

4) Journ. chem. Soc. 17, 1. 

5) Arch. d. Pharm. 91, 10. 


K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl 413 


veranlaßt, untersuchte Flückiger!) 1876 das Oel auf Carvon und 
fand, daß dieser Körper im Myrrhenöle nicht vorhanden ist. 

Es ist als Fehler bei den bisherigen Untersuchungen zu bezeichnen, 
daß die Autoren das Rohöl stets direkt der fraktionierten Destillation 
bei gewöhnlichem Drucke unterworfen haben, ohne Rücksicht auf 
durch einfache Reagenzien zuvor leicht abscheidbare Bestandteile 
genommen zu haben. Auch wurde von keinem der bisherigen 
Bearbeiter des Oeles eine fraktionierte Destillation der Kohlenwasser- 
stoffe über metallischem Natrium unter vermindertem Drucke versucht. 

Meine Arbeiten über das Myrrhenöl, welche ich auf Anregung 
und unter Leitung des Herrn Prof. Dr. Thoms im Pharmazeutischen 
Institut der Universität Berlin ausgeführt habe, lieferten Ergebnisse, 
die geeignet sind, die Zusammensetzung verschiedener Handelspräparate 
Myrrhenöl und eines aus Herabolmyrrhe selbst destillierten Oeles 
aufzudecken. 

Myrrhenöl I. 


Dieses von der Firma Schimmel & Co. in Miltitz bezogene Oel 
war dickflüssig, gelbbraun, roch angenehm nach Myrrhe und zugleich 
terpentinartig. Es siedete bei 12 mm zwischen 56° und 190° und 
reagierte sauer. Das spezifische Gewicht war 1,015 bei 19° und 
betrug [@]p = — 40,3° bei 19°. 

Das längere Zeit in ein Kältegemisch gestellte Oel schied ganz 
geringe Mengen winzig kleiner Krystalle ab, die aber zur Untersuchung 
nicht ausreichten. 

1. 0,15 g Substanz: 0,456 g CO, und 0,1296 g Hs0. 

2. 0,2005 g Substanz: 0,6072 g COg und 0,1685 g Hs0. 

1 2 


C 82,9 82,63%, 
H 96 9,33 „. 

Aus dem hohen Sauerstoffgehalte konnte geschlossen werden, 
daß außer Terpenen noch andere Körper vorhanden sein müssen, an 
deren Isolierung mir vor allem lag. Ich stellte infolgedessen mit einer 
geringen Menge des Oeles einige Versuche an, und auf Grund der 
hierbei gemachten Beobachtungen behandelte ich dann die Gesamtmenge 
wie folgt: 

Der Aldehyd. 

300 g Myrrhenöl wurden mit dem doppelten Volumen Aether 
versetzt und im Scheidetrichter mit einer der Gesamtlösung gleichen 
Menge konzentrierter Natriumbisulfitlösung 8 Tage lang unter Licht- 
abschluß und möglichster Vermeidung von Luftzutritt vorsichtig 


1) Berichte 9, 471. 


414 K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 


geschüttelt. Unmittelbar beim Zusatze der Natriumbisulfitlösung 
bemerkte ich das Ausfallen von krystallisierenden Flocken, die sich 
reichlich vermehrten. Sie wurden gesammelt, mit Natronlauge zerlegt 
und das Gemisch mit Aether ausgeschüttelt, der beim Verdampfen 
ein aromatisch riechendes, gelbbraunes, zähflüssiges Oel von stark 
reduzierender Wirkung hinterließ. 

Ich vermutete in diesem Körper einen Aldehyd. 

1. 0,1774 g Substanz: 0,3515 g COs und 0,951 g H;0. 

2. 0,2255 g Substanz: 0,6701 g CO, und 0,1702 g Hs0. 


Gefunden: Berechnet für CjoHıa0: 
C 81,65 81,22 81,08% 
H 589 841 8,11 „. 


Bei 12 mm Druck siedete der Körper bei 116°, ohne sich zu 
zersetzen. 

Zusammensetzung und Verhalten des Körpers machen die An- 
nahme wahrscheinlich, daß es sich hier um Cuminaldehyd oder 
Cuminol von der Formel O,0oHıs0 handelt. Daß dieser Aldehyd 
tatsächlich vorliegt, konnte durch Darstellung seines Oxydations- 
produktes, der Cuminsäure, sowie durch die Untersuchung seines Oxims 
und Semikarbazons sicher gestellt werden. 


Oxydation des Aldehyds. 


1 g Aldehyd schüttelte ich mit einer Lösung von 0,8 g Kalium- 
permanganat in 200 g Wasser, bis die Färbung des Permanganats 
völlig verschwunden war. Gleichzeitig verschwand auch der starke 
Geruch des Aldehyds. Die vom Manganschlamme abfiltrierte Flüssig- 
keit säuerte ich mit Schwefelsäure an, es entstand ein weißlicher, 
reichlicher Niederschlag, den ich mit Aether aufnahm. Nach dem 
teilweisen Verdunsten des letzteren krystallisierte ein Körper in 
schönen, farblosen, prismatischen Nadeln heraus. Nach mehrmaligem 
Umkrystallisieren aus viel Aether und unverdünntem Alkohol erhielt 
ich glänzende Krystalle, die bei 114°—115° schmolzen. 

Die Analyse lieferte Werte, die auf die Formel CjoHıa Os 
(Cuminsäure) sich beziehen lassen: 

0,151 g Substanz: 0,4041 g COs und 0,105 g H;0. 


Gefunden: Berechnet für CyoH1s Os: 
C 72,98 73,2% 
H 739 1B5- 


Um mich davon zu überzeugen, daß der vorliegende Körper in 
der Tat Cuminsäure ist, isolierte ich Cuminaldehyd aus römischem 
Kümmelöl, unterwarf den so gewonnenen Cuminaldehyd der Oxydation 
mit Kaliumpermanganat und vermischte die auf solche Weise dar- 


K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 415 


gestellte und mehrmals für sich umkrystallisierte Cuminsäure mit 
der vorher erhaltenen. Der Schmelzpunkt dieser Mischung lag bei 
1130°—114°, sodaß dadurch die Identität beider Körper bewiesen war. 


Das Oxim. 


Zur weiteren Identifizierung des Cuminaldehyds stellte ich nach 
der von V. Meyer!) angegebenen Methode das Oxim dar mit dem 
Unterschiede, daß ich, da es sich um einen im Wasser unlöslichen 
Aldehyd handelte, iu wässrig-alkoholischer Lösung arbeitete. Nach 
dreimaligem Umkrystallisieren des Reaktionsproduktes aus Alkohol 
hatte dieses den Schmp. 56° und gab mit dem aus römischem Kümmelöl 
in analoger Weise hergestellten Aldoxim vom Schmp. 58° eine ganz 
unbedeutende Schmelzpunkterniedrigung, was nicht zu verwundern ist, 
da die Angaben über den Schmelzpunkt des Aldoxims in der Literatur 
Abweichungen zeigen, je nach dem Material, von dem man aus- 
gegangen ist. 

Eine Stickstoffbestimmung des Oxims lieferte folgende Werte: 
0,1611 g Substanz: 11,8 ccm N bei 764 mm Barometer und 20°. 
Gefunden: Berechnet für CyoH3NO: 

8,48 8,65% 


Das Semicarbazon. 


Zur weiteren Charakterisierung des Cuminaldehyds stellte ich 
ein Semicarbazon nach dem von Zelinsky°) ausgearbeiteten Ver- 
fahren dar. Nach zweimaligem Umkrystallisieren des Reaktions- 
produktes aus heißem Alkohol wurden perlmuttartig schillernde Blättchen 
vom Schmp. 201° erhalten. 

0,1763 g Substanz: 10,8 ccm N bei 762 mm Barometer und 20°, 

Gefunden: Berechnet für C,H ON:: 
N 701 6,834, 

Ein Gemisch der Semikarbazone des Cuminaldehyds aus Myrrhenöl 
und aus römischem Kümmelöl wies den gleichen Schmelzpunkt auf, 
sodaß hierdurch die Identität beider bewiesen ist. 

Cuminaldehyd ist bisher nur im römischen Kümmelöl, im Oele 
von Cicuta virosa und neuerdings im Ceylon-Zimmetöl®) aufgefunden 
worden. 

Der Cuminaldehyd ist leicht veränderlich. Er wird bei Luft- 
zutritt schnell braun und verharzt. Hieraus erklärt es sich wohl auch, 
daß früheren Untersuchern, welche das Myrrhenöl nicht im Vakuum 


1) Berichte d. d. chem. Ges. 15, 2783. 
®2) Berichte d. d. chem. Ges. 30, 1541. 
8) Journ. pr. Chem. 66, 55. 


416 K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 


destillierten, sondern bei normalem Luftdruck, die Anwesenheit des 
Cuminaldehyds im Myrrhenöl entgangen ist, da bei der hohen Temperatur 
eine Zersetzung des leicht veränderlichen Aldehydes eintrat. 

Schon Gerhardt und Cahours haben gelegentlich der Unter- 
suchung des römischen Kümmelöles die Beobachtung gemacht, daß der 
Cuminaldehyd sich nur bei Luftabschluß unverändert destillieren läßt 
und teilweise verharzt, wenn man ihn längere Zeit bei Luftzutritt im 
Sieden erhält. 

Die Säuren. 

Zur Isolierung der freien Säuren schüttelte ich die vom Aldehyd 
befreite und mit Wasser gewaschene ätherische Lösung des Oeles 
mehrere Male mit 5%iger Sodalösung gut aus. Die gereinigten 
wässerigen Ausschüttelungen wurden mit verdünnter Schwefelsäure 
angesäuert, wobei sich ein gelblicher flockiger Niederschlag abschied. 
Er wurde mit Aether aufgenommen, der Aether mit Wasser gewaschen 
' und im luftverdünnten Raume bei ganz geringer Erwärmung abdestilliert: 
Es hinterblieben die Säuren als ein dunkelbrauner, dickflüssiger Rück- 
stand von etwa 3 g, d. h. 1% des Oeles, der in einer Kältemischung 
teilweise erstarrte. Der Geruch erinnerte an Fettsäuren, hatte aber 
gleichzeitig ein starkes Aroma. 


Flüchtige Säuren. 


Den Säurerückstand schüttelte ich mit Wasser an und unterwarf 
ihn solange der Destillation mit Wasserdämpfen, bis die zuletzt über- 
gehenden Anteile keine saure Reaktion mehr zeigten. Das Destillat 
wurde mit Sodalösung genau neutralisiert und auf dem Wasserbade 
zur Trockne verdampft. Das zurückbleibende Natriumsalz wurde mit 
Alkohol aufgenommen, die Lösung filtriert und eingedampft. Der 
hinterbleibende Rückstand wurde in 50 g Wasser gelöst und mit 
Silbernitratlösung im Ueberschuß versetzt. Es entstand ein weißer, 
bald grau werdender flockiger, käsiger Niederschlag, der sich zusammen- 
ballte und am Boden festsetzte. Er wurde abfiltriert, mit Wasser gut 
nachgewaschen und im Vakuumexsikkator unter Lichtabschluß getrocknet. 
Er betrug etwa 1,2 g und bildete trocken ein amorphes Pulver. 

Um die Säure näher zu charakterisieren, nahm ich eine Silber- 
bestimmung vor, die folgende Resultate gab: 

1. 0,1754 g Substanz: 0,1104 g Ag, d. s. 62,99% Ag. 

2. 0,1912 g Substanz: 0,1200 g Ag, d. s. 62,76% Ag. 

Essigsaures Silber enthält 64,67% Ag, propionsaures Silber 59,66% Ag, 
buttersaures Silber 55,37% Ag. 


Es läßt sich aus den erhaltenen Zahlen kein sicherer Schluß 
auf die Art der vorliegenden Säure ziehen. Es ist wahrscheinlich, 


K., Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 417 


daß hier ein Gemisch verschiedener Säuren vorliegt. Ich kochte 
daher, um eine etwaige Trennung der Säuren vorzunehmen, den Körper 
mit Wasser, worin er sich bis auf einen kleinen Rückstand löste. Das 
Filtrat dunstete ich ein und erhielt beim Erkalten kleine, silberglänzende 
Krystalle, die schnell abgesaugt und im Vakuumexsikkator bei Licht- 
abschluß getrocknet wurden. 

1. O,i111 g Substanz: 0,0719 g Ag, d. h. 64,71% Ag. 

2. 0,1511 „ Substanz: 0,0981 g Ag, d. h. 64,92 „ Ag. 

Berechnet für CH; COOAg: 64,67% Ag. Beim Uebergießen des 
Rückstandes mit verdünnter Schwefelsäure machte sich bei gelindem 
Erwärmen der charakteristische Geruch nach Essigsäure bemerkbar. 
Die übrig gebliebene Menge des Silbersalzes war so gering, daß eine 
C- und H-Bestimmung sich nicht mehr ermöglichen ließ. Mit Sicherheit 
konnte nur erwiesen werden, daß die isolierte Säure des Myrrhenöles 
mit Essigsäure identisch ist, und zwar wurden 0,143% freie Essig- 
säure aufgefunden. 

Nicht flüchtige Säuren. 

Der bei der Destillation mit Wasserdämpfen verbliebene Rück- 
stand wurde mit Aether aufgenommen und die ätherische Lösung zur 
Bindung der Säuren mit einer 2%igen Ammoniaklösung ausgeschüttelt. 

Die gelbbraune Lösung wurde durch vorsichtiges Erhitzen und 
anhaltendes Durchleiten eines Luftstromes von Ammoniak befreit und 
mit Bleiacetatlösung versetzt. Es entstand ein hellbrauner Niederschlag, 
welcher abgesaugt und bei gelinder Wärme getrocknet wurde. Es 
hinterblieben 3,2 g Bleisalz als gelbbraunes, staubiges Pulver. 


Trennung der gesättigten und ungesättigten Säuren. 


Die Bleisalze werden mit etwa 125 ccm wasserfreiem Aether 
einige Tage lang digeriert, das im Aether ungelöst gebliebene Bleisalz 
abfiltriert, mehrere Male mit Aether nachgewaschen und mit 25 %iger 
Salzsäure 10 Minuten lang auf dem Wasserbade erwärmt. 

Die so isolierte Säure wurde als gelblicher, krystallinischer Rück- 
stand erhalten, der nach mehrmaligem Umkrystallisieren aus Aether 
und Alkohol weiße, glänzende, schuppige Blättchen lieferte, die bei 
629 schmolzen. 

0,2221 g Substanz: 0,6083 g COs und 0,2521 g Hz0. 


Gefunden: Berechnet für Cjg Hga O3: 
C 74,69 74,93% 
H 12,61 12,58 „. 


Ein Gemisch der aus Myrrhenöl isolierten Säure mit Palmitin- 
säure zeigte keine Depression des Schmelzpunktes, sodaß dadurch die 
Identität beider bewiesen war. 

Arch. d. Pharm. UCXXXXIV. Bds. 6. Heft. 27 


418 K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 


Die ungesättigte Säure. 


Das in Aether unlösliche Bleisalz wurde mit Salzsäure zerlegt 


und die ätherische Lösung der in Freiheit gesetzten Säure verdunstet. . 


Es hinterblieb ein geringfügiger, klebriger, dicker, gelber, moschusartig 
riechender Rückstand, den weiter zu verarbeiten die geringe Menge 
nicht zuließ. Nur soviel konnte festgestellt werden, daß Kalium- 
permanganatlösung schon in der Kälte stark reduziert wurde. 


Die Phenole. 


Die von Aldehyd und den Säuren befreite ätherische Lösung des 
Oeles wurde mehrere Male mit destilliertem Wasser gewaschen und 
dann mit dem gleichen Volumen 2%iger Kalilauge gut ausgeschüttelt. 
Die vereinigten alkalischen Ausschüttelungen wurden mit Aether 
gewaschen und mit verdünnter Schwefelsäure angesäuert. Die Flüssigkeit 
trübte sich stark und entwickelte kresolartigen Geruch. Die Phenole 
wurden mit Aether ausgeschüttelt, die ätherische Lösung mit Wasser 
gewaschen und mit entwässertem Natriumsulfat getrocknet. Nach 
Abdunsten des Aethers bei gewöhnlicher Temperatur im Vakuum 
hinterblieb ein gelbrotbrauner, dickflüssiger Rückstand von etwa 3 g, 
der kresolartig roch und im Kältegemisch teilweise erstarrte. Zur 
näheren Charakterisierung führte ich den Körper in die Benzoyl- 
verbindung über. 


Benzoylverbindung des Phenols. 


Die Benzoylverbindung schied sich als dunkelbraune, plastische 
Masse ab; sie wurde unter Wasser geknetet und auf eine Tonplatte 
gestrichen. Dei auf dieser verbleibende Rückstand löste sich in Ligroin 
vollkommen auf, und nach zweimaligem Umkrystallisieren aus Ligroin 
wurden reinweiße, große Krystalle erhalten, die nach mehrmaligem 
Umkrystallisieren aus verdünntem Alkohol derbe, rhombische Krystalle 
vom Schmp. 69° bildeten. 

Die Analyse derselben lieferte Werte, die auf Benzoyl-Eugenol 
bezogen werden konnten: 


0,1336 g Substanz: 0,3701 g COs und 0,0727 g Hs0. 


Gefunden: Berechnet für 077 Hi8 03: 
C 75,65 76,1% 
H 6,05 6,0 „. 


Mit gleichen Teilen reinen Benzoyleugenols vermischt, zeigte der 
Körper keine Schmelzpunktdepression. 

Es ist somit nachgewiesen, daß die Hauptmenge des in dem 
Myrrhenöle enthaltenen Phenols Eugenol ist. 


en m 


u Lu 


Da. due 5 a 


K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 419 


Der vorher beobachtete Kresolgeruch ließ die Vermutung auf- 
kommen, daß neben dem Eugenol noch Kresol vorhanden ist. Aller 
Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um m-Kresol, denn während 
die Benzoylverbindung von o- und p-Kresol feste Körper bilden, gibt 
m-Kresol eine flüssige Benzoylverbindung, die in den Tonteller ge- 
drungen war und das völlige Erhärten der ursprünglichen Benzoyl- 
verbindung verhindert hatte. Mangel an Material verhinderte mich, 
das Kresol mit voller Sicherheit als m-Kresol zu kennzeichnen. Die 
gewonnene Menge Benzoyleugenol betrug etwa 1g, was einem Gehalte 
von 0,23% freiem Eugenol im Myrrhenöl entspricht. 


Weitere Aufarbeitung des von Aldehyd, Säuren und Phenolen 
befreiten Oeles. 


Die mit Natriumbisulfitlösung, Sodalösung und Kalilauge aus- 
geschüttelte ätherische Lösung des Myrrhenöles wurde mit Wasser 
gewaschen, mit trockenem Natriumsulfat entwässert und durch gelindes 
Erwärmen im Vakuum vom anhaftenden Aether befreit. Es hatte 
sich sowohl der Geruch, wie die Farbe, die Konsistenz und die 
prozentuale Zusammensetzung des Oeles verändert. Die Analyse ergab 
jetzt folgende Werte: 

0,1624 g Substanz: 0,4623 g CO, und 0,1327 g Hs0. 


Gefunden: Ursprüngliches Oel: 
C_ 77,69 82,9% 
H , 908 96, 
0 13,23 75 .- 


Durch den hohen Sauerstoffgehalt des balsamartig fließenden Oeles 
veranlaßt, fahndete ich auf etwa anwesende Ketone, welche an Bisulfit 
vielleicht nicht bindbar waren, und suchte durch längeres Einstellen 
in eine Kältemischung eine krystallinische Abscheidung zu erhalten, 
was aber nicht gelang. Ebenso gaben die Versuche, aus dem Oel ein 
Oxim, Hydrazon und Semikarbazon darzustellen, ein negatives Resultat. 
Carvon, welches Ruickholdt im Myrrhenöl nachgewiesen haben 
wollte, war also in dem mir vorliegenden Oele sicher nicht vorhanden. 


Prüfung auf Ester. 


Zum Nachweise, ob veresterte Alkohole oder Phenole vorliegen, 
kochte ich 5 g des Oeles mit 25 g 2%iger alkoholischer Kalilauge 


‘ mehrere Stunden am Rückflußkühler und destillierte den Alkohol auf 


dem Wasserbade ab. Der Destillationsrückstand wurde mit Wasser 
verdünnt, mit Aether von anhängendem Oel befreit, die klare, wässerige 
Flüssigkeit mit Schwefelsäure angesäuert und mit Aether ausgeschüttelt. 
Nach dem Verdunsten des Aethers im Vakuum blieben nur Spuren 
einer harzartigen klebrigen Substanz’ zurück. Nennenswerte Mengen 
Ester waren hiernach in dem Oele nicht vorhanden. 

27* 


420 K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 


Verhalten des Oeles zu Petroläther. 


Um das Oel weiter zu charakterisieren, behandelte ich es mit 
Petroläther und machte dabei die Beobachtung, daß dadurch eine 
Trennung des Oeles von einem festen Körper erzielt werden konnte. 
Etwa 125 g des vorliegenden, balsamartigen Oeles verrieb ich nach 
und nach in einem geräumigen Mörser mit 500 g Petroläther. Es 
fielen gelbbraune Flocken aus, die ich, da sie Neigung zum Verharzen 
zeigten, so schnell wie möglich absaugte und solange . mit Petroläther 
nachwusch, bis ein hellgelbes, stäubendes amorphes Pulver zurückblieb. 
Der im Vakuumexsikkator getrocknete Körper, etwa 30% des Oeles 
ausmachend, gab bei der Analyse die folgenden Werte: 

0,115 g Substanz: 0,3045 g CO; und 0,082 g H30. 

Gefunden: 
C 72,22%, 
H +, 708... 

Im Reagenzglase erhitzt, zersetzte sich der Körper unter Ver- 
breitung eines brenzligen Geruches. Mit Natronlauge und Sodalösung 
gekocht, löst er sich langsam auf und wird durch verdünnte Schwefel- 
säure unverändert wieder gefällt. Er ist unlöslich in Aether, Toluol, 
Benzol, löslich in Alkohol, Eisessig, Chloroform. 

Auf Grund einer Arbeit Tschirchs!) „Untersuchungen über 
die Sekrete“, in der er sich besonders mit der Herabol-Myrrhe befaßt, 
muß angenommen werden, daß bei der Myrrhe die Harzkörper aus 
dem Oele hervorgegangen sind, und diese Annahme gewinnt noch an 
Wahrscheinlichkeit, wenn man bedenkt, daß kein Oel so leicht und so 
rasch verharzt wie das Myrrhenöl. Während früher ganz allgemein 
angenommen wurde, daß alle Harze aus den Oelen hervorgehen, hat 
Tschirch die Theorie aufgestellt und sie durch Versuche gestützt, 
daß eine solche Umwandlung nur in beschränktem Maße stattfindet. 
Die Harzsäuren stehen zwar zu den Terpenen in Beziehung, können 
aber nicht als aus ihnen durch einfache Autoxydation hervorgegangen 
betrachtet werden. Hier bei der Myrrhe liegen, wie es scheint, die 
Dinge anders. 

Ich habe nun, wie weiter unten ausgeführt ist, die gleiche 
Erfahrung einer Autoxydation des Myrrhenöles zu einem Harzkörper 
gemacht, wie Tschirch, und zwar habe ich gefunden, daß sich vor- 
nehmlich die hochsiedenden Sesquiterpene an dieser Harzbildung be- 
teiligen, da ein sesquiterpenfreies Myrrhenöl, wie ich es selbst durch 
Hindurchleiten gespannter Wasserdämpfe durch das gut zerkleinerte 
Harz darstellen konnte, mit Petroläther keinen Harzkörper abschied. 


1) Arch. d. Pharm. 1905, 641. 


ku A en 5 


K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl, 421 


Um den Harzkörper näher zu charakterisieren, stellte ich einige 
Versuche an: Die alkoholische Lösung reagierte schwach sauer und 
wurde mit Bleiacetat gelb gefällt. Meine Vermutung, daß ich es mit 
einem der von Tschirch als Myrrhole und Myrrholole bezeichneten 
Körper zu tun habe, bestätigte sich nicht, da der Körper bei 105° zu 
sintern beginnt und bei 115° geschmolzen ist, während die von 
Tschirch bearbeiteten Körper erst bei einer 100° höher liegenden 
Temperatur schmelzen. 

Reduktionsversuch. 


Von der Annahme ausgehend, daß in dem Harzkörper das 
Oxydationsprodukt eines Kohlenwasserstoffs vorliegt, versuchte ich 
durch Sauerstoffentziehung zu einem Kohlenwasserstoff zurückzu- 
gelangen. 

Ich löste zu dem Zwecke 6 g des Körpers in 30 g Amylalkohol - 
auf, gab solange metallisches Natrium hinzu, bis keine Gasentwickelung 
mehr stattfand und erwärmte einige Zeit. Nach dem Erkalten wurde 
mit verdünnter Schwefelsäure zerlegt und mit Aether ausgeschüttelt. 
Die ätherisch-amylalkoholische Lösung, die dunkelgelb gefärbt war, 
trennte ich von der wässerigen im Scheidetrichter, trocknete sie über 
Natriumsulfat und dunstete den Aether im Vakuum bei gewöhnlicher 
Temperatur ab; den Amylalkohol verjagte ich bei 15 mm Druck und 
49°. Der Kolbeninhalt wurde beim weiteren Erhitzen immer dicker 
und dunkler und, da ich ein vollständiges Verharzen befürchtete, hörte 
ich bei 135° und 13 mm Druck mit dem Erhitzen auf. Die gelbbraune, 
dicke Flüssigkeit roch schön aromatisch nach Oedernholz und wurde, 
um sie von harzigen Bestandteilen zu befreien, mit Wasserdampf 
destilliert. Auf dem Destillate schwamm eine gelbe Oelschicht, die 
ebenfalls aromatisch, cedernholzartig roch und ausgeäthert wurde. 
Die ätherische Lösung wurde mit Natriumsulfat entwässert und im 
Vakuum vom Aether befreit. Der Rückstand war eine durch Spuren 
Wasser getrübte Flüssigkeit, die nach dem Erhitzen bald klar und 
bernsteingelb wurde. 

Das spezifische Gewicht der öligen Flüssigkeit, im 1 ccm Pykno- 
meter festgestellt, war 0,923 bei 19°, 

1. 0,1872 g Substanz: 0,5844 g COsa und 0,194 g Hs0. 

2. 0,1312 g Substanz: 0,4084 g COz und 0,1336 g Hs0. 

Gefunden: 
RR i; II. 
C 8,14 84,88% 
H 1159 11,31,. 

Hieraus geht hervor, daß durch die Einwirkung des Natriums 
in amylalkoholischer Lösung eine starke Sauerstoffentziehung statt- 


422 K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 


gefunden hatte, die allerdings nicht soweit vorgeschritten war, daß als 
Endprodukt nur ein Kohlenwasserstoff erhalten wurde. 

Der Siedepunkt des Oels spricht indes dafür, daß im wesentlichen 
ein Sesquiterpen vorliegt. 

Es war möglich, durch die Darstellung eines gut krystallisierenden 
Salzsäureanlagerungsproduktes einen weiteren Beweis für das Vor- 
handensein eines Sesquiterpens zu erbringen. 

0,0986 g Substanz: 0,099 g AgCl. 

Gefunden: Berechnet für C,; H42HCl: 
Cl 25,01 25,64, 

Der Schmelzpunkt des Salzsäureanlagerungsproduktes liegt bei 
115—117°, übereinstimmend mit demjenigen, welcher für das Cadinen- 
dihydrochlorid beobachtet worden ist, so daß die Wahrscheinlichkeit 
nahe liegt, daß es sich hier um Oadinen handelt. Diese Annahme 
erscheint um so mehr berechtigt, als aus einem Myrrenöle des Handels 
(siehe später) ein Sesquiterpen isoliert werden konnte, welches hin- 
sichtlich seiner Eigenschaften dem Cadinen sehr nahe steht, und dessen 
Salzsäureanlagerungsprodukt, mit dem aus reinem Oadinen dargestellten 
vermischt, eine nur unbedeutende Schmelzpunktserniedrigung zeigte. 


Das entharzte Oel. 

Das im Petroläther gelöst gebliebene Oel befreite ich von seinem 
Lösungsmittel durch Abdunsten desselben im Vakuum. Das vorher 
dunkle, balsamartige Oel bildete nunmehr eine leicht bewegliche, hell- 
gelbe Flüssigkeit, die zwischen 40 und 90° bei 15 mm siedete. 

0,1582 g Substanz: 0,4737 g COz und 0,1323 g HsO. 

Gefunden: 
C 81,66% 
H 932, 


Fraktionierte Destillation über Natrium. 


Ich unterwarf 25 g des noch von Spuren Petroläthers ver- 
unreinigten Oeles der Destillation über Natrium im Vakuum, und 
nachdem ich es durch wiederholtes Erhitzen von den letzten Teilen 
anhaftenden Petroläthers befreit hatte, erhielt ich nach oftmaligem 
mühsamen Fraktionieren bei 15 mm Druck folgende Fraktionen: 

1. Von 56—66° etwa 15 g einer farblosen, charakteristisch 
riechenden, leicht beweglichen Flüssigkeit, deren Analyse auf die 
Formel CjoHıs stimmende Resultate ergab: 

0,2122 g Substanz: 0,6842 g COs und 0,2272 g HsO. 

Gefunden: Berechnet für CyoHje: 
C 87,94 88,29, 
H 11,89 11,8 „. 


i 
i 


Keen re ee v 


er u 2 2 


; 


SE 


riechenden, 


K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 


2, Von 70—80°, etwa 7,5 g einer farblosen, 
leicht beweglichen Flüssigkeit, 
ergab, die ebenfalls auf die Formel C,oHıs sich beziehen ließen: 


0,1551 g Substanz: 0,5004 g COg und 0,1675 g Ha0. 


Gefunden: Berechnet für CjoHje: 
C 87,09 88,2% 
H 12,07 EL: 


terpentinartig 
deren Analyse Werte 


Fraktion I. 


Der Versuch, Cineol in dieser Fraktion nachzuweisen, lieferte 
ein negatives Resultat. Ebenso wenig gelang es, ein Nitrosochlorid 
oder ein Nitrosit zu erhalten. Die Fraktion wurde nochmals durch 
Uebertreiben mit Wasserdämpfen gereinigt. Das so erhaltene Terpen- 
gemisch — denn um ein solches handelte es sich augenscheinlich — 
zeigte bei 20° eine Rechtsdrehung von [a |p = 52,5°. 

Nach langem mühsamen Fraktionieren des Terpengemisches im 
Vakuum über Natrium erhielt ich folgende Fraktionen bei konstantem 
Siedepunkte: 


Terpen | Druck | Temperatur | Aussehen | Drehung Geruch 
1 | 20 mm 54—560 farblos — 27,75 terpentinartig 
2 | 20 „ 73—760 gelblich inaktiv zitronenartig 
3 rigen 78—800 farblos + 80 terpentinartig 
Terpen 1. 


Farblos, von terpentinartigem Geruch und Siedepunkt bei 20 mm 
Druck zwischen 54 und 56°. Spez. Gew. 0,845 bei 19°. Nach der 
Vorschrift von Wallach!) stellte ich das Nitrosochlorid dar, was gut 
gelang. Der Schmelzpunkt desselben lag bei 103°. 

1. 0,1812 g Substauz: 0,1309 g AgCl. 

2. 0,222 g Substanz: 0,1602 g AgCl. 


Gefunden: Berechnet für 
1. 2. CH, NOC1: 
Ci 1709 17,75 17,59 %. 


Die Stickstoff bestimmung lieferte folgende Werte: 
0,1268 g Substanz: 7 ccm N bei 765 Barometer und 20°, 
Gefunden: Berechnet für C„H;, NOCH: 
N 6,7 6,45 %. 
Zur Erhärtung, daß das vorliegende Terpen mit Pinen identisch 
ist, wurden noch das Nitrolbenzylamin und das Nitrolpiperidin in 
bekannter Weise dargestellt. 


1) Liebig’s Annalen 245, 251. 


424 K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 


Terpen 2. 


Flüssigkeit von schwachgelber Farbe, zitronenartigem Geruche 
und Siedepunkt bei 20 mm Druck zwischen 73 und 76°. Spez. Gew. 0,847 
bei 17°. Das Terpen ist optisch inaktiv. ‘Von den bekannten Teerpenen 
konnte es sich daher nur um Dipenten, Oarvestren oder Terpinen handeln. 


Das Tetrabromid. 


Nach vielfach wiederholten Versuchen gelang es mir nach dem 
von Baeyer und Villiger'!) modifizierten Verfahren ein Bromid zu 
erhalten. Ich verdünnte das Terpen mit dem gleichen Volumen Amyl- 
alkohol, fügte das doppelte Volumen Aether hinzu und tropfte unter 
starkem Abkühlen ganz allmählich Brom ein. 

Die rotbraune Flüssigkeit schied nach 24 Stunden Krystalle ab, 
die sich nach mehrtägigem Stehen in dem Maße wie der Aether ver- 
dunstete, vermehrten. Die Krystalle wurden schnell abgesaugt, im 
Vakuumexsikkator auf dem Tonteller getrocknet und zeigten nach 
häufigem Umkrystallisieren aus Essigäther den Schmp. 124°, 

Die Brombestimmung lieferte folgende Resultate: 

1. 0,153 g Substanz: 0,255 g AgBr. 

2. 0,1771 g Substanz: 0,2949 g AgBr. 

3. 0,2111 g Substanz: 0,3521 g AgBr. 


Gefunden: Berechnet für 
1% 2. 3. CjoHjs Br;: 
70,51 70,46 70,57 70,17%. 


Es steht daher mit Sicherheit fest, daß das vorliegende Terpen 
Dipenten ist. 

Trotz vielfacher Versuche gelang es nicht, das Nitrosochlorid 
und Dichlorhydrat des Dipentens in brauchbarer Form darzustellen, 
wahrscheinlich weil, wie Wallach?) hervorhebt, hierzu von einem 
ganz reinen Dipenten ausgegangen werden muß. 


Terpen 3. 


Dieses bildete eine farblose Flüssigkeit von terpentinartigem 
Geruche und siedete bei 20 mm Druck zwischen 78 und 80°. Spez. 
Gew. 0,847 bei 20°. Der Drehungswinkel betrug [«a]p = + 80° bei 20°. 

Von der Erfahrung ausgehend, daß Limonen sehr häufig mit 
Dipenten gleichzeitig in ätherischen Oelen angetroffen wird, außerdem 
durch die starke Drehung und den Siedepunkt veranlaßt, der ebenfalls 
auf Limonen hindeutete, fahndete ich auf dieses Terpen und stellte 
das Tetrabromid nach Wallachs Angaben her. Beim Bromieren der 


1) Berichte 27, 448. 
3) Liebig’s Annalen 245, 267. 


K. Lewinsohn: Ueber das Myrrberö!. 425 


gutgekühlten Lösung schied sich sofort ein Bromprodukt in reichlicher 
Menge aus. Nach dem Absaugen und mehrmaligen Umkrystallisieren 
aus Essigäther zeigte der Körper den Schmp. 115°. Er bildet 
rhombische Krystalle. 

Die Brombestimmung ergab, daß vier Atome Brom eingetreten waren. 


1. 0,231 g Substanz: 0,3871 g AgBr. 
2. 0,153 g Substanz: 0,2559 g AgBr. 


Gefunden: - Berechnet für 
E >» CyoHssBri: 
a a wi 


Limonentetrabromid schmilzt bei 103°, Dipententetrabromid bei 125°. 

Es kann demnach das vorliegende Terpen weder Limonen noch 
Dipenten sein. Denn Dipenten ist stets optisch inaktiv, das Limonen- 
tetrabromid hat einen um 12° niedrigeren Schmelzpunkt. 

Es ist aber aus der Leichtigkeit, mit der sich das Tetrabromid 
darstellen läßt, ferner aus dem Siedepunkte, der ungefähr mit dem des 
Limonens zusammenfällt, zu ersehen, daß das vorliegende Terpen Oo Hıs 
zur Gruppe des Limonens gehört. 

Dafür spricht auch 


das Salzsäureadditionsprodukt. 


Ich verdünnte das Terpen mit kaltem Petroläther, den ich mit 
metallischem Natrium völlig entwässert hatte, stellte die Lösung in ein 
Kältegemisch und leitete langsam trockenes Salzsäuregas ein, bis die 
Flüssigkeit vollkommen gesättigt war, was etwa 7 Stunden in Anspruch 
nahm. Ich vermied dabei jedes Erwärmen, dunstete sodann den Petrol- 
äther im Vakuum ab und behielt einen hellbraunen-Krystallbrei zurück, 
den ich, um ihn von freier Salzsäure zu befreien, zehnmal mit ent- 
wässertem Petroläther aufnahm, und immer wieder durch Abdunsten 
im Vakuum reinigte, bis er in durchsichtigen, hellbraunen, großen 
Krystallen zurückblieb, die ebenfalls bei 6° zu einem dicken, stark 
nach Muskat riechenden Oele schmolzen. 

Aus der Analyse ersah ich, daß eine Salzsäureanlagerung statt- 
gefunden hatte: 


1. 0,174 g Substanz: 0,1412 g AgCl. 
2. 0,1555 g Substanz: 0,128 g AgCl. 


Gefunden: Berechnet für 
z 2. CyoHis HCl: 
Cl 20,05 20,35 20,58 %. 


Der niedrige Schmelzpunkt dieses Chlorhydrats bestätigte, daß 
das Terpen mit keinem der bekannten identifiziert werden konnte. 


426 K. Lewinsohn: Weber das Myrrhenö!. 


Das Nitrosochlorid. 


Nach dem bei „Terpen 1“ angegebenen Verfahren stellte ich das 
Nitrosochlorid dieser Fraktion dar. Es bildete ein dunkelrotes dickes 
Oel von angenehm aromatischem Geruche. Die Analyse lieferte folgende 
Werte: 

0,1301 g Substanz: 0,0945 g AgCl. 

Gefunden: Berechnet für CjoHıs NOCH: 
cl 1791 . 17,59 9. 


Dies Nitrosochlorid zersetzte sich schon nach kurzer Zeit und 
bestätigte durch seine ölige Beschaffenheit die Annahme, daß das vor- 
liegende Terpen mit einem der bekannten nicht identisch ist, da die 
Nitrosochloride der bekannten zur Limonengruppe gehörigen Terpene 
krystallisierte Körper ergeben. 


Der in so reichlicher Menge mit Petroläther fällbare Körper und 
das Fehlen von hochsiedenden Anteilen in dem von mir untersuchten 
Myrrhenöl läßt die Frage berechtigt erscheinen, ob zwischen diesen 
beiden auffälligen Tatsachen irgend welche Beziehungen bestehen 
könnten. Es ist bekannt, daß die hochsiedenden Anteile ätherischer 
Oele sich häufig polymerisieren oder in Harze übergehen. Es erschien 
deshalb erforderlich, auch Myrrhenöle anderer Provenienz auf ihre Zu- 
sammensetzung zu untersuchen. Zu dem Zweck führte ich Kontroll- 
versuche an zwei fabrikmäßig hergestellten und einem selbst destillierten 
Myrrhenöle aus, deren Ergebnisse ich weiter unten zusammenstellen 
werde. 

Da Myrrhenöl ein wenig gangbarer Artikel ist und nur von einer 
beschränkten Anzahl von Fabriken überhaupt geführt wird, konnte 
ich nicht erfahren, wie lange Zeit seit der Destillation der jeweiligen 
Oele verstrichen war. 


Myrrhenöl Il. . 


Das von der Firma F. Sachsse in Leipzig bezogene Myrrhenöl 
bildete eine gelbbraune, zähfließende, angenehm nach Myrrhe riechende 
Flüssigkeit vom spez. Gew. 1,007 bei 19°. Das Oel siedete bei 15 mm 
zwischen 52° und 200°. Die polarimetrische Drehung betrug bei 18° 
[ea]lp = —51,25°. Reaktion des Oeles schwach sauer. 

Die Analyse ergab folgendes Resultat: 

0,1714 g Substanz: 0,1555 g H3O und 0,3889 g CO». 

C 82,584, 
H 95. 

Nach dem vorstehend erörterten Verfahren konnten aus dem Oele 

gegen 1% Cuminaldehyd, 0,9% Palmitinsäure, geringe Mengen Essig- 


K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl, 427 


säure, 0,4% Eugenol und unbedeutende Mengen m-Kresol isoliert werden. 
Mit Hilfe von Petroläther gelang es mir, einen hellgelben, amorphen 
Harzkörper zu isolieren, jedoch in wesentlich geringerer Menge, als 
es bei dem ersten Oele der Fall war, nämlich etwa 3%, während die 
Menge bei dem ersten Oele etwa 32% betrug. 
0,081 g Substanz: 0,2096 g CO, und 0,0574 g Ha0. 
C 67,97%, 
H 758 ,„. 


Die Terpene. 

Das vom Petroläther befreite Oel trieb ich mit gespannten Wasser- 
dämpfen bis auf etwa 6% harzigen Rückstand über und isolierte durch 
mehrmalige Destillation über Natrium im Vakuum folgende Terpene: 

I. Von 50—53° bei 15 mm Druck etwa 3%; 

II. Von 70—74° bei 15 mm Druck etwa 7%. 

Der Siedepunkt und das spezifische Gewicht von Terpen 1 
(0,8601 bei 21°) charakterisierte dieses als Pinen. Die optische 
Inaktivität, der Siedepunkt und das spezifische Gewicht von Terpen 2 
(0,849 bei 19°) ließen dieses als Dipenten erkennen. 


Das Sesqniterpen. 


Beim weiteren Fraktionieren gelang es mir bei 15 mm Druck 
zwischen 151° und 154° eine dicke, fast farblose Flüssigkeit konstant 
überzutreiben, die etwa 24% des Oeles ausmachte, sehr leicht verharzte, 
dabei gelbe Farbe annahm und aromatisch nach Cedernholz und 
patschuliartig roch. Spez. Gew. 0,911 bei 21°. 

Der Ausfall der Elementaranalyse sprach dafür, daß es sich um 
ein Sesquiterpen handelte. 

0,194 g Substanz: 0,618 g COa und 0,2111 g H30. 


Gefunden: Berechnet für Cj; Hg: 
C 86,5 88,24% 
H 11,41 11,76 „. 


Die Analyse stimmte nicht gut, da während des Wägens und 
Einfüllens eine Sauerstoffaufnahme stattgefunden hatte. 

Nach abermaligem Behandeln mit metallischem Natrium gab die 
Analyse bessere Resultate: 

0,137 g Substanz: 0,4391 g COa und 0,142 g H30. 


Gefunden: Berechnet für Cj; Hs: 
C 886 884 9% 
H 11,61 18,70 „: 


Das Sesquiterpen war optisch aktiv. Die polarimetrische Drehung 
betrug [a]p = +30,4°, Eine nähere Charakterisierung des Sesqui- 
terpens ließ sich trotz vielfacher Bemühungen nicht ermöglichen. 


428 K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 


Das hochsiedende Oel. 


Der hochsiedende Rückstand des von dem bis 160° bei 12 mm 
Druck übergehenden Anteilen befreiten Oeles besteht aus verschiedenen, _ 
mehr oder minder sauerstoffreichen Körpern, die sich nicht unzersetzt 
destillieren lassen. Die Menge dieser bis 195° bei 12 mm Druck über- 
getriebenen dickflüssigen Anteile betrug etwa 10%. 


Der letzte Rückstand. 


Etwa der dritte Teil des verwandten Oeles blieb als dickes, 
schwarzes Harz, das an der Luft erhärtete, glänzendes Aussehen hatte 
und leicht zerreiblich war, zurück. Es löste sich leicht in Aether, 
Eisessig, Aceton, Schwefelkohlenstoff, Benzol, Chloroform, schwer in 
Alkohol, garnicht in Ligroin. 


Myrrhenöl Ill. 


Das von der Firma H. Hänsel in Pirna in Sachsen bezogene 
Myrrhenöl bildete eine rotbraune, dicke, stark nach Myrrhe riechende 
Flüssigkeit vom spez. Gew. 1,0145 bei 19°, 

Siedepunkt bei 15 mm zwischen 55° und 212°. 

Die polarimetrische Drehung betrug bei 18° [«Jlp = — 69,5°. 
Reaktion schwach sauer. 


0,1301 g Substanz: 0,1068 g H30 und 0,3889 g COs. 
C 81,58% 
#13:08,21,, 


Cuminaldehyd ließ sich in diesem Oel nicht nachweisen, wohl 
aber wurden erhalten neben geringen Mengen Essigsäure 0,6% Palmitin- 
säure, kleine Mengen Eugenol und gegen 1% m-Kresol. 

Auch bei diesem Oele betrug die Menge des mit Petroläther 
isolierten, gelben, amorphen Harzkörpers nur etwa 7,5%. 

0,1868 g Substanz: 0,4111 g COa und 0,1501 g H30. 

C 73,6% 
Br73 


Die Terpene. 

Das im Vakuum von Petroläther befreite Oel trieb ich mit ge- 
spannten Wasserdämpfen bis auf etwa 12% harzigen Rückstand über 
und isolierte durch mehrmalige fraktionierte Destillation über Natrium 
im Vakuum folgende Terpene: 

I. Bei 60° und 15 mm Druck etwa 1%, 
U. Von 76—80° bei 15 mm Druck etwa 11%. 


Terpen I erwies sich als Pinen, Terpen II als Dipenten, 


K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 429 


Ob das Dipenten aber als solches in dieser Menge von vornherein 
in dem Oele vorhanden war oder erst durch das fortgesetzte Erhitzen 
aus dem Pinen!) entstanden ist, läßt sich nicht mit Bestimmtheit be- 
haupten, doch hat man ähnliche Wahrnehmungen bei vielen ätherischen 
Oelen gemacht. 

Das von den Terpenen befreite Oel nahm eine ziemlich dicke 
Konsistenz an und wurde infolge der trotz des angewandten Vakuums 
unvermeidlichen Aufnahme von Sauerstoff aus der Luft beim Unter- 
brechen der Destillation rotbraun. 

Ich ließ das Oel daher 24 Stunden über metallischem Natrium 
stehen und unterwarf es dann der weiteren Destillation. 


Das Sesquiterpen. 


Durch fortgesetztes Fraktionieren gelang es mir bei 12 mm 
Druck zwischen 163° und 168° eine hellgelbe, dicke, an der Luft 
dunkel werdende, angenehm aromatisch riechende und sehr leicht ver- 
harzende Flüssigkeit überzutreiben. 

Ihre physikalischen Eigenschaften berechtigten zu der Annahme, 
daß es sich um ein Sesquiterpen handle. Das spezifische Gewicht, im 
1 cem-Pyknometer bestimmt, war 0,926 bei 20°. l[alp = + 22,75 
bei 20°, 

Es war mir nicht möglich, das Sesquiterpen so schnell zur 
Wägung zu bringen, daß eine Sauerstoffaufnahme aus der Luft voll- 
kommen verhindert wurde, doch ging aus den bei der Analyse ge- 
fundenen Zahlen deutlich hervor, daß sich meine Vermutung, es liege 
ein Sesquiterpen der Formel C,; Hs, vor, bestätigte. 


0,2101 g Substanz: 0,551 g COa und 0,8492 g Hy0. 


Gefunden: Berechnet für (45H: 
C 87,45 88,24% 
H 11,02 11,76 „. 


Einwirkung von Salzsäure. 


Zur Darstellung eines Salzsäureadditionsproduktes arbeitete ich 
in Eisessiglösung. Die lilafarbene Flüssigkeit stellte ich einige Tage 
in Eismischung beiseite und erhielt nach dem Absaugen der anhaftenden 
Lauge und nach öfterem Waschen mit Alkohol aus beiden Lösungen 
schöne, weiße Krystalle, die nach mehrmaligem Umkrystallisieren aus 
Essigäther bis 1,5 cm lange, glänzende farblose Nadeln vom Schmelz- 
punkte 115—117° bildeten. 

1. 0,1432 g Substanz: 0,1471 g AgCl. 

2. 0,2015 g Substanz: 0,206 g AgCl. 


1) Liebig’s Annalen 227, 300/301. 


430 K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 


Gefunden: Berechnet für 
1; 2. Cy5 Hag Clg: 
Ci. 25,14. 25,11 25,6% 


Der Versuch, Wasser an das Sesquiterpen anzulagern, mißlang. 
Nachfolgend sind die Konstanten verschiedener Sesquiterpene 
tabellarisch zusammengestellt: 


Siede- Spez. Brom- |Salzsäure- | Wasser- 
Dreh | | 
punkt "wuns Gew. | produkt | produkt | anlager. 
Oedineni ıalelBT- 2700 — 98,56 | 0,918 | Nadeln | Prismen | — 
| Schmp. ' Schmp. 
| 1250 1180, 1310 
Caryophylien. .| 258—2600| Be 0,9085 | flüssig | flüssig | festes Pr. 
| Sm. 950 
Cloven...... 261—2630|  — 0,930 _ = 
Humulen ... .,263—2660| — 0,9001 _ = ze 
Cedren :.:.:. „| 261— 2620| — 60°, _ Br == = 
| 479,54 
Cubeben...... 255— 260° _ _ — 2 19: 
1 7 22 BE | 2550 | 22 6 2 e- 
Patchoulen ....\254—2560 — 0,939 pe Pi je 
Gusjen .. =... 124-1380 — 01 | — rt 2 
beil3mm 
Santalen ....| 2600 | — — nn = ri 
1. Sesquiterpen | 163—165°0 + 22,75 | 0,926 E= Nadeln _ 
aus Myrrhenöl | bei 12mm | Schmp. 
| | | | 115-1170 
2. Sesquiterpen | 151—1540| — | 091 PR er: > 


aus Myrrhenöl bei 1} mm | 


Das Sesquiterpen des Myrrhenöls, dessen Salzsäureanlagerungs- 
produkt sehr schön krystallisiert und den Schmp. 115—117° besitzt, 
zeigt zwar ein dem Cadinen ähnliches Verhalten, jedoch bin ich auf 
Grund der von mir erhaltenen Konstanten nicht in der Lage, die 
Idertität dieses Sesquiterpens mit dem Cadinen mit Sicherheit zu 
behaupten. 

Das hochsiedende Oel. 

Obgleich ich beim weiteren Destillieren nicht über 175° bei 
12 mm Druck erhitzte, zersetzte sich das Oel unter teilweiser Ab- 
spaltung von Wasser. Eine Weiterverarbeitung, Reinigung und 
Trennung der erhaltenen Produkte versprach kein Resultat. Die bis 
205° bei 12 mm Druck übergehenden, trüben zähflüssigen Anteile 
machten etwa 16% aus. Nahezu die Hälfte des verwandten Oeles 
bildete ein unangenehm, nach Zersetzungsprodukten brenzlig riechendes, 
sprödes Harz von schwarzgrüner Farbe, das in den meisten organischen 
Lösungsmitteln löslich war. 


K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 431 


IV. Selbstdargestelltes Myrrhenöl. 


Da die vorher untersuchten drei Oele in ihrer Zusammensetzung 
nicht übereinstimmten und das jeweilige Alter des Oeles dieselbe 
offenbar wesentlich beeinflußt, so lag es mir daran, noch ein frisch 
destilliertes, nicht fabrikmäßig hergestelltes Oel zum Vergleiche heran- 
zuziehen. Ich stellte daher das Myrrhenöl selbst wie folgt dar: 

1 kg gut zerstoßene Myrrhe, die ich durch die Bromreaktion als 
Herabol-Myrrhe charakterisiert hatte, wurde. in einem Mörser mit 
reinem Seesand vermischt, mit der vierfachen Menge Wasser in einem 
Glaskolben übergossen und mit gespannten Wasserdämpfen der 
Destillation unterworfen, was vier Tage in Anspruch nahm. Mit den 
Wasserdämpfen ging ein farbloses, erst später hellgelb werdendes Oel 
über. Dem wässerigen Destillate wurde das Oel mit Aether entzogen, 
der schwach weingelb gefärbte Aether im Scheidetrichter abgehoben, 
mit Chlorcaleium entwässert und über Natriumsulfat 24 Stunden lang 
stehen gelassen. Der Aether wurde im Vakuum schnell abgedunstet, 
wobei ich eine Erhitzung über 10° in Anbetracht des überaus leicht 
oxydablen Oeles vermied. 

Das resultierende Oel war von weingelber Farbe, roch sehr 
angenehm und wurde in einer Ausbeute von 28g, d. h. 2,8% erhalten. 
Da aber Verluste unvermeidlich sind und bei der Destillation im kleinen 
erfahrungsgemäß Spuren Oeles immer noch im Harze verbleiben, darf 
wohl ein größerer Gehalt in der vorliegenden Myrrhe angenommen 
werden. 

Spez. Gew. 1,001 bei 15° und 0,997 bei 20° [en = — 70,25°. 
Reaktion neutral. 


1. 0,122 g Substanz: 0,1038 g Hs0. 
2. 0,1568 g Substanz: 0,1353 g H30 und 0,484 g COs. 


1. 2. 
is 84,28%, 
H 85 8,62 „. 


Es ist zu bemerken, daß die drei älteren Oele saure Reaktion 
zeigten, während das frisch destillierte Oel neutral reagierte. Wie 
ein mit einer Probe ausgeführter Vorversuch lehrte, enthielt das frisch 
destillierte Oel zwar keine freien Säuren, hingegen in reichlicher Menge 
veresterte, sodaß als ziemlich sicher anzunehmen ist, daß sich die 
freien Säuren erst bei der Aufbewahrung bilden. 

Ferner ist die Dichte bei dem selbst dargestellten Oele eine 
geringere als die der anderen fabrikmäßig erzeugten.„-E. Gildemeister 
und Fr. Hoffmann führen dies darauf zurück, daß bei der Darstellung 
im kleinen die schwereren Anteile leicht im Harze verbleiben und nur 


432 K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 


das spezifisch leichtere Oel über geht, eine Beobachtung, die an einer 
ganzen Reihe von Oelen, zumal: bei solchen, die aus Harzen gewonnen 
werden, gemacht worden ist. 

Zuletzt hat Tschirch!) festgestellt, daß „neben einem mit Dampf 
übertreibbaren Anteile des Oeles noch ein zweiter Anteil vorhanden 
ist, der erst beim Destillieren mit Alkali übergeht. Es ist dies offenbar 
der verharzte, also wohl polymerisierte Teil des Oeles, der durch das 
Destillieren mit Alkalien wieder „entharzt“, depolymerisiert wird“. 

Es ist nicht unmöglich, daß die,Fabriken zur Erzielung größerer 
Ausbeuten, sobald mit Wasserdampf nichts mehr übergeht, zu dem 
Rückstande im Destillationskolben 1°/ou Kaliumhydroxyd fügen, weiter 
destillieren und so neue Mengen ätherischen Oeles erhalten. 

Daraus, daß ich nur das mit Wasserdämpfen flüchtige Oel aus 
dem Harze gewann und auf das sekundäre Oel verzichtete, erklären 
sich dann auch die übrigen Verschiedenheiten, die sich im Laufe der 
Arbeit ergaben, so z. B. die geringere Ausbeute, das Verhalten zu 
Petroläther, die niedrige Siedetemperatur, das Fehlen der Sesquiterpene, 
das niedrige spezifische Gewicht. 

Aus dem selbst destillierten Oele vermochte ich 0,5% Cumin- 
aldehyd, 0,5% Eugenol, kleine Mengen m-Kresol, hingegen keine 
freie Säure zu isolieren. Da ich aus einem Vorversuche gesehen hatte, 
daß sich bei der Verseifung des Oeles harzartige Produkte bilden, so 
suchte ich vorher sein Verhalten zu Petroläther festzustellen und ver- 
setzte das Oel daher mit dem doppelten Volumen Petroläther. Während 
aber aus den anderen Oelen ein gelbes Pulver in reichlicher Menge 
ausfiel, löste sich das von mir selbst destillierte Oel, das übrigens seine 
hellgelbe Farbe beibehalten hatte, klar in Petroläther auf, ein Zeichen, 
daß der aus den älteren Oelen ausgefällte Harzkörper nicht von vorn- 
herein in denselben als solcher vorhanden ist, sondern sich erst durch 
das Alter und im Laufe der Arbeit bildet. 


Verseifung des Oeles. 


Nachdem das Oel vom Petroläther durch Abdunsten im Vakuum 
völlig befreit worden war, hinterblieben noch 23 g, von denen !1 g 
wie folgt verseift wurden: 

Das hellgelbe Oel wurde mit der dreifachen Menge 5%iger 
alkoholischer Kalilauge 12 Stunden auf dem Wasserbade am Rückfluß- 
kühler gekocht. Die Flüssigkeit wurde dunkler und nahm braune Farbe 
an. Der Alkohol wurde sodann mit Hilfe eines Linnemann’schen 
Aufsatzes, dessen drei Kugeln mit Glasperlen gefüllt waren, abdestilliert 


1) Arch. d. Pharm. 1905, 645. 


K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 433 


und dabei beobachtet, daß der abdestillierte Alkohol ein wenig terpen- 
artig roch und auf Zusatz von Wasser opalisierte. Es waren also 
geringe Mengen von Terpen mit destilliert, die aber zu unbedeutend 
waren, um berücksichtigt zu werden. Der dunkel gefärbte Destillations- 
rückstand wurde nach dem Erkalten dreimal mit destilliertem Wasser 
ausgeschüttelt und mit Aether vom Oele befreit. Die klare, wässerige 
Flüssigkeit untersuchte ich näher auf folgende Weise: Eine Probe 
der wässerigen Lösung wurde mit Kohlensäure gesättigt, um etwa 
gelöste Phenole abzuscheiden, und mit Aether geschüttelt. Nach dem 
Verdunsten des letzteren blieb ein so geringfügiger, gelbroter Rückstand 
von phenolartigem Geruche, daß ich auf Phenolester keine Rücksicht 
zu nehmen brauchte. Die wässerige Lösung gab, mit verdünnter 
Schwefelsäure versetzt, eine starke, milchige Trübung. Ich säuerte 
daher die Gesamtmenge mit verdünnter Schwefelsäure an und unterwarf 
sie zur Ermittelung der flüchtigen Säuren solange der Destillation mit 
Wasserdämpfen, bis das Destillat kaum mehr sauer reagierte. Der 
zuerst übergehende Teil des Destillates war trübe und ließ Oeltröpfchen 
erkennen, die als gelbliche Flocken auf und in der wässerigen Flüssigkeit 
umherschwammen. Es war in kleinen Mengen eine krystallisierte 
Säure, welche sich als Palmitinsäure erwies, mit den Wasserdämpfen 
übergegangen. Die Hauptmenge der Palmitinsäure wurde mit Aether 
aus dem Destillationsrückstande ausgezogen. 

Die von der Palmitinsäure abfiltrierte Flüssigkeit wurde genau 
neutralisiert und daraus das Silbersalz dargestellt. Die feinen glänzenden 
Krystalle erwiesen sich als Silberacetat. Denn mit gleichen Teilen 
arseniger Säure gemischt und im Glühröhrchen erhitzt, entwickelten 
sie den widerlichen Geruch nach Kakodyl. Die zweite veresterte 
Säure war demnach Essigsäure. Das Oel enthielt etwa 1% derselben. 

Die aus der wässerigen Seifenlösung durch Aether ausgeschüttelten 
unverseifbaren Anteile wurden zur Reinigung wiederholt mit Wasser 
gewaschen und über entwässertem Glaubersalz getrocknet. Das nach 
dem Verdunsten des Aethers im Vakuum gewonnene dunkelbraune 
Oel wurde zur Entfernung des verharzten Anteiles mit Wasserdampf 
übergetrieben, ausgeäthert, getrocknet und vom Aether befreit. Es 
hinterblieben etwa 3 g eines hellgelben terpentinartig riechenden Oeles, 
dessen Menge aber zum fraktionierten Destillieren nicht ausreichte. 
Immerhin konnte ich feststellen, daß zwei verschiedene Terpene vor- 
lagen, deren Siedepunkte bei 13mm Druck zwischen 50° und 62° liegen. 


Die Terpene. 


Da die Säuren nur etwa 2% ausmachten, unterwarf ich den 
zweiten Teil des von Petroläther befreiten Oeles der fraktionierten 
Arch, d. Pharm. COXXXXIV. Bds. 6. Heft. 28 


ae ee nr 
E 
3 


Destillation, ohne es vorher zu verseifen, um so die Bildung harzartiger 
Produkte nicht zu begünstigen. Der Vorlauf enthielt noch Spuren 
Petroläthers.. Zwischen 52° und 62° bei 13 mm Druck ging die 
Hauptmenge als eine fast farblose Flüssigkeit über, deren Geruch 
lebhaft an Zitronenöl erinnerte. Durch sorgfältiges Destillieren gelang 
es mir, diese Fraktion in einen von 52—54° und einen von 58—62° 
siedenden Bestandteil zu zerlegen. 

Das niedrig siedende Terpen charakterisierte sich durch sein 
spezifisches Gewicht (0,86 bei 19°), seinen Siedepunkt und sein sonstiges 
Verhalten als Pinen. 

Das zweite Terpen war optisch aktiv ([f«a] = + 34,6°). Es konnte 
sich daher nicht um Dipenten handeln. 

Das Dipenten unterscheidet sich vom Rechts-Limonen aber nur 
in seinen physikalichen Eigenschaften. Außerdem durch den Siedepunkt 
und den ausgesprochenen zitronenartigen Geruch auf Limonen gewiesen, 
versuchte ich das Terpen näher zu charakterisieren und stellte nach 
dem Verfahren von Wallach das Tetrabromid dar, dessen Schmelz- 
punkt nach dem Umkrystallisieren aus Essigäther bei 104° lag. Limonen- 
tetrabromid schmilzt bei 104—105°. Es ist somit bewiesen, daß das 
vorliegende Terpen mit Rechts-Limonen identisch ist. 


434 K. Lewinsohn: Ueber das Myrrhenöl. 


Zusammenfassung der Untersuchungsresultate. 


1. Die Zusammensetzung des Myrrhenöles ist eine wechselnde, 
bedingt durch die Herkunft des Myrrhenharzes, die Darstellungsweise 
des Oeles und das Alter desselben. 

2. In drei von den vier zur Untersuchung vorliegenden Myrrhen- 
ölen ist Cuminaldehyd bis zu 1% gefunden und mit Natriumbisulfit- 
lösung isoliert worden. 

3. Eugenol und geringe Menge m-Kresol ist in allen vier Oelen 
angetroffen und durch Ausschütteln mit Kalilauge dem Oele ent- 
zogen worden. 

4. Aeltere Oele zeigen saure Reaktion infolge Anwesenheit von 
freier Essigsäure und Palmitinsäure.. Diese Säuren sind im frisch 
destillierten Oele in veresterter Form vorhanden. 

5. Mit Petroläther läßt sich aus älteren Oelen ein Harz isolieren. 
Letzeres kann durch Reduktion in einen Kohlenwasserstoff übergeführt 
werden. welcher ein krystallisierendes Salzsäureanlagerungsprodukt 
liefert, das vermutlich mit Cadinendihydrochlorid identisch ist. 

6. Durch fortgesetztes Fraktionieren über Natrium im Vakuum 
lassen sich verschiedene Kohlenwasserstoffe von der Zusammensetzung 
CjoHıs isolieren. Pinen, Dipenten und Limonen sind als solche 
identifiziert worden. Der vierte Kohlenwasserstoff der Formel Co His 


TE U U EEE WE 


G. O0. Gaebel: Hordenin. 435 


gehört zur Limonengruppe, zeigt eine polarimetrische Drehung von 
+ 80° und gibt ein krystallisiertes Tetrabromid und Salzäure- 
additionsprodukt. 

7. Es läßt sich nicht mit Bestimmtheit behaupten, ob das Dipenten 
als solches von vornherein in dem Myrrhenöle vorhanden ist oder ob 
es sich erst aus den Pinen, bezw. Limonen bildet und ob das neue 
Terpen C,oHıs nicht eine Uebergangsstufe von Limonen zum Dipenten 
ist. Immerhin hat diese Annahme eine große Wahrscheinlichkeit. 

8. Zwei Sesquiterpene der Formel C,;Hs,; vom spez. Gew. 0,926 
bezw. 0,911, die bei 163° und 12 mm bezw. 151° und 15 mm siedeten, 
konnten mit bekannten Sesquiterpenen mit Sicherheit nicht identifiziert 
werden. Es hat allerdings den Anschein, daß das eine Sesquiterpen, 
welches ein gut krystallisierendes Salzsäureanlagerungsprodukt liefert, 
dem Cadinen nahe steht, bezw. mit ihm identisch ist. 


Mitteilung aus dem pharmazeutischen Institut der 
Universität Breslau. 


7. Ueber das Hordenin. 
1. Vorläufige Mitteilung. 


Von Dr. G. Otto Gaebel. 


Anfang dieses Jahres war es Leger!) gelungen, aus den bei der 
Gerstenmalzfabrikation abfallenden Malzkeimen des Handels einen 
alkaloidähnliehen Stoff zu isolieren, den er Hordenin nannte. 

Leger hatte den Stoff nach dem Stas’schen Verfahren mittels 
Aether gewonnen. Näheres über die Isolierungsmethode hatte er nicht 
angegeben. Auch war es nicht ersichtlich, in welcher relativen Menge 
sich der Stoff isolieren ließ. Bei der chemischen und physikalischen 
Untersuchung des Hordenins hatte Leger im wesentlichen folgendes 
festgestellt. 

Das Hordenin stellt farblose, nahezu geschmacklose Prismen dar, 
schmilzt bei 117,8° (korr.) und sublimiert ohne merkliche Zersetzung. 
Es ist leicht löslich in Alkohol, Aether und Chloroform. In Wasser 
löst es sich gleichfalls ziemlich reichlich. In alkoholischer Lösung ist 
es optisch inaktiv. Hordenin ist eine starke, einsäurige, tertiäre Base 


1) Compt. rendus 142, 108—110. 
28* 


436 G. O0. Gaebel: Hordenin. 


mit ausgeprägtem Phenolcharakter und löst sich dementsprechend in 
Alkalien und Säuren. Auch ist es zur Bildung gut krystallisierender 
Salze und anderer Derivate befähigt. Es rötet in wässeriger Lösung 
Phenolphthalein, wird von schmelzendem Kali kaum angegriffen und. 
reduziert Kaliumpermanganat schon in der Kälte. Zusammensetzung 
und Molekulargröße entsprechen der Formel C,,H1; NO. 

Die Entdeckung des Hordenins interessiert vornehmlich in 
zweierlei Hinsicht. 

Da es in den Malzkeimen enthalten ist, d. h. in den nach dem 
Darren des Braumalzes beim sogenannten Putzen desselben losgelösten 
Wurzelkeimen des Keimpflänzchens, so ist es nicht ausgeschlossen, daß 
es sich auch in den im fertigen Malz befindlichen Blattkeimen vor- 
findet. Von forensischem Interesse ist es also, zu wissen, ob sich die 
alkaloidähnliche Base auch im Malz selbst und in den verbreiteten 
Malzpräparaten, wie Malzextrakt, Malzkaffee, schließlich auch im 
Bier nachweisen läßt. 

Ferner regte die Entdeckung des Hordenins die Frage an, in 
welcher Beziehung es zu den übrigen in keimenden Samen bereits 
vorgefundenen Stoffwechselprodukten stehe. -Ehe man jedoch daran 
denken konnte, mit einiger Aussicht auf Erfolg an die Lösung dieser 
Fragen heranzugehen, war es notwendig die Kenntnisse über die neue 
Base zu erweitern. . 

Ich habe es daher zunächst unternommen, die Konstitution des 
Hordenins zu ermitteln. 

Die Möglichkeit der Ausführung bot mir Herr Professor 
Dr. Gadamer, der mir die Mittel des hiesigen pharmazeutischen 
Institutes in liebenswürdiger Weise zur Verfügung stellte, wofür ich 
ihm auch an dieser Stelle meinen besten Dank ausspreche. 


Gewinnung des Hordenins. 


Nach einigen Vorversuchen führte ich die Gewinnung des 
Hordenins in folgender Weise aus. Drei Kilogramm lufttrockne Malz- 
keime wurden zwei Tage lang im Christ’schen Extraktionsapparat 
mit 96 %igem Alkohol ausgezogen. Den heiß abgelassenen, schwarz: 
braunen Extrakt ließ ich einen Tag stehen, filtrierte die abgeschiedenen 
Stoffe ab und dickte das Filtrat auf dem Wasserbade bis zur Sirup- 
konsistenz ein. Den stark sauer reagierenden Rückstand versetzte ich 
mit etwa einem Liter Wasser. Nach eintägigem Stehen wurde wieder 
abfiltrier. Das klare Filtrat wurde im Scheidetrichter mit Kalium- 
karbonat alkalisch gemacht und wiederholt mit Aether ausgeschüttelt. 
Wie ich aus Vorversuchen ersehen konnte, nimmt die erste Aether- 


X 
#, 


ELLE ETBEERELWERBEL NEE u 


G. O0. Gaebel: Hordenin. 437 


ausschüttelung den größten Teil einer färbenden Substanz auf, die bei 
der späteren Abscheidung und Reinigung des Hordenins störend wirkt. 
Ich befreite daher die zu extrahierende Flüssigkeit zum größten Teil 
von dieser Substanz zunächst durch einmaliges Ausschütteln mit wenig 
Aether. Darauf schüttelte ich etwa zehnmal mit größeren Mengen 
Aether aus. Die auf etwa 300 ccm eingeengten Aetherausschüttelungen 
wurden mit frisch ausgeglühtem Kaliumkarbonat getrocknet und 
schließlich bis zur Trockne abgedampft. Der braune Rückstand, der 
bald krystallinisch erstarrte, wurde mit absolutem Aether wiederholt 
ausgekocht, wobei eine braune Verunreinigung ungelöst blieb. Die 
noch schwach gelb gefärbte, ätherische Lösung wurde noch mit frisch 
geglühter Tierkohle behandelt. Aus dem farblosen Filtrat schied sich 
beim Einengen das Hordenin in weißen Krystallen ab, die scharf 
bei 117,5 (unkorr.) schmolzen. 

Die Ausbeute betrug etwa 6 g, entsprechend 0,2% der luft- 
trockenen Keime. Sie kann jedoch sicher noch erhöht werden, denn 
es zeigte sich, daß die alkalische Lösung durch das zehnmalige Aus- 
schütteln mit Aether noch nicht erschöpft war. 


Bestimmung der Konstitution des Hordenins. 


Entsprechend den Angaben Leger’'s, daß Hordenin eine tertiäre 
Base mit ausgesprochenem Phenolcharakter sei, löste es sich leicht in 
Alkalien und Säuren und gab sowohl mit Millon’s Reagens schon in 
der Kälte starke Rötung, als auch intensive WViolettfärbung bei 
Anstellung der Piria’schen Reaktion. Mit den üblichen Alkaloid- 
reagentien entstanden starke Fällungen. 

Da das Hordenin nach Leger die empirische Formel Co Hı; NO, 
Phenolcharakter und die Eigenschaften einer tertiären Base besitzt, 
so lag die Vermutung sehr nahe, daß man es in ihm mit einem 
Phenol zu tun habe, das in o-, m-, oder p-Stellung zur Hydroxylgruppe 
eine Seitenkette besitze, in der sich das tertiäre Stickstoffatom befinde. 
Ein Versuch, diese Seitenkette zur Karboxylgruppe zu oxydieren und 
damit das Hordenin in eine Oxybenzoesäure überzuführen, mußte ohne 
weiteres zeigen, ob diese Vermutung richtig sei. 

Zur Ausführung dieses Versuches wurde zunächst eine geringe 
Menge des Hordenins der Kalischmelze unterworfen. In Ueberein- 
stimmung mit der Beobachtung Leger’s griff jedoch schmelzendes 
Kali die Base nicht nachweisbar an. Sie konnte zum größten Teil 
unverändert ausgeäthert werden. 

Wie voraus zu sehen war, führte auch Kaliumpermanganatlösung 
nicht ohne weiteres zum Ziel. Ein Gramm der Base erforderte zur 


438 G. O0. Gaebel: Hordenin. 


Oxydation etwa 10 & KMn(,;; sie war also vollständig verbrannt. 
Es konnte nur eine minimale Menge eines bei 95° schmelzenden Stoffes 
isoliert werden. 

Die Hydroxylgruppe mußte offenbar geschützt werden. Nach 
verschiedenen Vorversuchen geschah dies durch Methylieren mit 
Dimethylsulfat unter Anlehnung an die Schotten-Baumann'’sche 
Methode. 

1,5 g der Base wurde in wenig Kalilauge gelöst und längere 
Zeit mit einem Ueberschuß von Dimethylsulfat geschüttelt. Nachdem 
durch Erwärmen das übrig gebliebene Dimethylsulfat zerstört worden 
war, wurde das Reaktionsgemisch, woraus sich mit Aether nur Spuren 
eines Stoffes ausziehen ließen, direkt, ohne das entstandene Methy- 
lierungsprodukt zu isolieren, der Oxydation mit KMnO,-Lösung unter- 
worfen. Die Oxydation geschah in alkalischer Lösung in Wasserbad- 
wärme unter allmählichem Zutropfen einer gesättigten KMnO,-Lösung. 
Es wurden etwa 4 g KMnO, verbraucht. Nach dem Entfärben des 
überschüssigen Kaliumpermanganats mit Alkohol wurde vom aus- 
geschiedenen Braunstein abfiltriert. Das farblose Filtrat wurde etwas 
eingeengt, wobei sich Kaliumsulfat abschied, und mit Salzsäure ver- 
setzt. Es schieden sich in reichlicher Menge Flocken aus, die mit 
Aether aufgenommen wurden. Die abfiltrierte ätherische Aus- 
schüttelung hinterließ beim Abdampfen ein nach Anis und Fenchel 
riechendes, gelbliches Oel, das bald krystallinisch erstarrte, in einer 
Menge von etwa 0,4 g. Beim Versuch, das erhaltene Produkt aus 
Alkohol-Wasser umzukrystallisieren, machte sich ein ölförmiger Körper 
störend bemerkbar, den ich für ein unvollständiges Oxydationsprodukt 
hielt. Ich brachte daher die alkoholisch-wässerige Lösung zur Trockne 
und oxydierte den Rückstand nochmals vorsichtig mit KMnO,, das 
Oxydationsprodukt wurde nun wieder wie zuerst gewonnen. Aus 
heißem Wasser umkrystallisiertt, konnte es leicht mit der wohl- 
bekannten Anissäure identifiziert werden. Wie Anissäure rötet es 
sich in der Wärme mit Millon’s Reagens, ist leicht löslich in Alkohol 
nnd krystallisiert aus heißem Wasser, worin es ziemlich leicht löslich 
ist, in schneeweißen, geruchlosen Nadeln aus, die scharf den Schmelz- 
punkt 184° zeigten. Am selben Thermometer schmolz, der Instituts- 
sammlung entnomınene, frisch umkrystallisierte Anissäure gleichfalls 
bei 184°; ebenso war dies mit einem Gemisch des von mir erhaltenen 
Körpers mit Anissäure der Fall. 

Mit der Isolierung dieser p-Methoxybenzoesäure war die Kon- 
stitution des Hordenins soweit festgelegt, daß man es als ein in Para- 
stellung zur Hydroxylgruppe substituiertes Phenol ansprechen konnte, 
dessen Seitenkette neben dem N-Atom noch 4 C-Atome und 10 H-Atome 


G. 0. Gaebel: Hordenin. 439 


enthielt. Da das Hordenin optisch inaktiv ist, kommen nur zwei 
Formeln in. Betracht: 


OH OH 
ng 
L | | und IL. | 
Nuss TR s 
CH N<ch® OHa— CH, . N<CH® 


wovon die erste aus Gründen allgemeiner Natur geringere Wahr- 

scheinlichkeit für sich hatte. Die Entscheidung hierüber brachte das 

Ergebnis des Hofmann’schen Abbaus. Außer anderen Produkten 
„CBs 

entstand hierbei nicht N-CH; , sondern N(CH);, die Ausführung 
NGEH; 

geschah in folgender Weise: 

2 g Hordenin wurden in wenig Methylalkohol gelöst und mit 
Methyljodid im Ueberschuß am Steigrohr auf dem Wasserbade erhitzt. 
Beim allmählichen Verdunsten schieden sich schon in der Wärme 
schneeweiße, wohlausgebildete Krystalle ab. Dieselben wurden noch 
mit Aether, worin sie unlöslich sind, gewaschen. Die Ausbeute war 
bei der Annahme, daß ein Molekül CH; .J addiert würde, quantitativ. 
— 2,5 g dieses Hordeninmethyljodids wurden in Wasser gelöst und 
mit frisch gefälltem Silberoxyd versetzt. Die stark alkalische, nach 
Trimethylamin riechende Flüssigkeit wurde abfiltriert. Das Filtrat 
wurde in einem Siedekölbchen bis zur Trockne abdestilliertt und der 
Rückstand schließlich vorsichtig der trockenen Destillation unterworfen. 
Die Destillationsprodukte wurden in vorgelegter Salzsäure aufgefangen. 
An der Wandung blieb schließlich ein in der Kälte erstarrender 
Körper (X) zurück. Dieser löste sich leicht in Kalilauge und wurde 
durch Salzsäure in gallertartiger Form wieder ausgeschieden. Er gab 
mit Millon Rotfärbung. Er wurde nicht weiter untersucht. In der 
Vorlage hatten sich einige Oeltropfen (Y) angesammelt, die mit Aether 
ausgeschüttelt werden konnten. Auch dieses Produkt wurde nicht 
näher untersucht. Während der Destillation konnte deutlich die 
Absorption eines Gases beobachtet werden, das stark nach Trimethyl- 
amin roch. Die von den Oeltropfen befreite, vorgelegte salzsaure 
Flüssigkeit hinterließ beim Abdampfen eine weiße, strahlig 
krystallinische Masse. Sie wurde in wenig Wasser gelöst und mit 
Goldchlorid versetzt, worauf ein dicker orangegelber Niederschlag 
entstand. Aus Wasser umkrystallisiert, schied sich das Goldsalz in 
den charakteristischen, farnkrautähnlichen Krystallen des Trimethylamin- 
goldchlorids aus. Eine Goldbestimmung ergab 49,2%, berechnet für 
Trimethylamingoldchlorid: 49,4%. 


5 
s 


440 G. O0. Gaebel:. Hordenin. 


Aus meinen Versuchen geht also mit großer Wahrscheinlichkeit 
hervor, daß dem Hordenin die Formel 


OH 
a 


Ai 


—e 
CHa—CHaN (CH;)a 
zukommt. 

Kurz nach Beendigung dieser Versuche erhielt ich Kenntnis von 
weiteren Untersuchungen Leger’s!) zwecks Konstitutionsermittelung 
des Hordenins. Auch Leger hatte den Hofmann’schen Abbau 
ausgeführt, wobei er, genau übereinstimmend mit meinen Ergebnissen, 
Trimethylamin und die Stoffe X und Y erhalten hatte. Die Resultate 
meiner Versuche sind somit als gute Bestätigung der seinigen an- 
zusehen. Auch auf dem Wege der Oxydation hatte Leger die Kon- 
stitution des Hordenins aufzuklären versucht. Jedoch war es ihm, da er 
seine Base direkt mit Salpetersäure behandelt hatte, nur gelungen, 
Oxalsäure und Pikrinsäure zu isolieren, sodaß hiermit nur wenig 
erreicht war. Obwohl nun seine Vermutung, daß Hordenin als 
p-Oxyphenyldimethyläthylamin aufzufassen sei, richtig ist, so kann 
doch erst die von mir erhaltene Anissäure als vollgültiges Beweismittel 
hierfür angesehen werden. 

Auf Grund der durch Leger’s und meine Versuche ermittelten 
Kenntnis der Konstitution des Hordenins ist es nun auch möglich, zu 
einer Vorstellung von der Entstehung dieser Base und ihrer Beziehung 
zu den übrigen, in keimenden Samen gefundenen Stoffen zu gelangen. 
In dieser vorläufigen Mitteilung möchte ich darüber nur bemerken, 
daß ich es nicht für wahrscheinlich halte, daß die Base als ein stick- 
stofthaltiges Endprodukt der Zelltätigkeit der jungen Pflanze an- 
zusehen ist. Vielmehr bin ich der Ansicht, daß das Hordenin unter die 
Zahl der mit dem Keimungsvorgang verbundenen Eiweißspaltungs- 
produkte aufzunehmen ist, die besonders durch die Arbeiten E. Schulze's 
zu Tage gefördert worden sind. Ueberzeugend hat dieser Autor nach- 
gewiesen, daß das im ungekeimten Samen enthaltene Eiweiß beim 
Keimen der Samen zum Zweck der Translokation dieselbe Zersetzung 
erfährt, wie bei der Hydrolyse durch verdünnte Säuren, nämlich’ zu 
Amidosäuren. Diese primär krystallinischen Amidosäuren erfahren 
bei ihrer Verwendung zur Regeneration des Eiweißes im jungen Keim- 
pflänzchen mannigfaltige Umwandlungen zu sekundären Produkten. 
Ist es nun auch noch nicht gelungen, unter diesen sekundären Produkten 
ähnlich konstituierte Basen wie das Hordenin zu finden, so ist doch 


1) Chem. Centralbl. 1906, II, 889. 


H. Telle: Kamala und Rottlerir. 441 


die Möglichkeit der normalen Bildung solcher Basen aus den ent- 
sprechenden Amidosäuren in der Pflanze nicht ausgeschlossen, wie die 
Entstehung des Oxyphenyläthylamins aus Tyrosin durch Bakterien, 
Pankreasautolyse oder Erhitzen auf 270° lehrt. Ein solches sekundäres 
Produkt des Stoffwechsels könnte das Hordenin sein. Als Mutter- 
substanz des Hordenins wäre demnach eine @-Dimethylamido-B-Oxy- 
phenylpropionsäure anzusehen, die nichts anderes als Dimethyltyrosin 
vorstellte. Ist diese hypothetische Säure überhaupt existenzfähig, 
wovon ich mich durch einen Versuch, sie zu synthetisieren, überzeugen 
will, so ließe sie sich vielleicht in einem bestimmten Stadium keimender 
Gerste nachweisen. Ich denke in nächster Zeit an die entsprechenden 
Versuche herantreten zu können. 


Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Leipzig. 


Ueber Kamala und Rottlerin. 
Von Dr. Hans Telle, 
Korps-Stabsapotheker beim XIX. Armee-Korps. 
(Eingegangen den 25. IX. 1906.) 


Die Kamala ist schon mehrfach auf ihre chemischen Bestandteile 
untersucht worden; dennoch erschien es wünschenswert, die neueren 
Angaben und Resultate eingehender zu prüfen und besonders das 
genauere Studium des Rottlerins, eines der Hauptbestandteile dieser 
Droge, und seiner Spaltungsprodukte ins Auge zu fassen. Gern 
nahm ich deshalb auf Anregung des Herrn Professor Dr. R. Boehm 
die Untersuchungen auf, über deren Ergebnis ich nachstehendes 
berichte. 

Zuvor sei es mir zur Einführung in diese Materie gestattet, 
einiges über die Untersuchungsresultate früherer Forscher und über 
die Kamala selbst anzuführen. 

Die offizinelle Kamala hat als Stammpflanze den immer grünen 
dioecischen Baum bez. Strauch Mallotus philippinensis Müller Arg. 
(Croton philippinense Lamarck, Echinus philippinensis Baillon, von 
Roxburgh zu Ehren des 1749 zu Straßburg geborenen Missionärs 
Rottler „Rottlera tinctoria“ genannt), welcher zur Familie der 


442 H. Teile: Kamala und Rottlerin. 


Euphorbiaceae, Abteilung Crotaceae gehört und in Oeylon, Indien, 
China und Australien einheimisch ist. 

Die Droge bildet ein leichtes, nicht klebendes, rotes Pulver. 
Es besteht aus roten unregelmäßig kugeligen Drüsen und gelblichgrau 
aussehenden, meistens ein- seltener mehrzelligen luftführenden Haaren, 
Emergenzen der Fruchtepidermis. Die ein rotes Sekret tührenden 
Drüsen besetzen die 3fächrige S—10 mm große Frucht ziemlich dicht 
und kommen auch vereinzelt an den Blütenstielen und auf der unteren 
Blattseite vor. Durch die Art und Weise der Gewinnung kommen 
auch kleine Pflanzenbruchstücke,. Staub und Sand in die Droge. 
Dieselbe wird entweder einfach von den Früchten abgeschlagen oder, 
wie aus Cuttack!) berichtet wird, durch starkes Schütteln der von 
den Rispen abgestreiften Früchte in Körben, unter die ein Tuch aus- 
gebreitet ist, gewonnen. Aus den Samen der Kamalafrtichte preßt 
man nachher ein fettes Oel, welches teils zum Brennen, teils als Ab- 
führmittel benutzt wird. 

Nach dem deutschen Arzneibuche darf die Kamala höchstens 
6% Glührückstand hinterlassen. Flückiger und Hanbury°) halten 
aber schon eine Kamala mit über 3% Asche für verfälscht. In wie 
hohem Grade Verfälschungen vorkommen, geht aus den Angaben von 
A. Perkin?) hervor, der einen Aschegehalt von 46—56% fand. Die 
Droge ist geschmack- und geruchlos, nur beim Erwärmen tritt ein 
eigenartiger aromatischer Geruch auf. 

An Aether, Alkohol, Eisessig und Schwefelkohlenstoff gibt 
Kamala ungefähr 80% Harz ab; in siedendem Wasser löst sich 
fast nichts. 

Schon im 5. Jahrhundert v. Ch. wird dem Kamalabaum, den 
man nach dem ritualistischen Werke Kausitaki-Sutra „Kampila“ 
nannte und in Indien zu gottesdienstlichen Zwecken verwandte, Er- 
wähnung getan). In Indien und China benutzte man die Drüsen 
schon sehr frühzeitig entweder direkt oder auch in Verbindung mit 
Soda, Alaun, zum Orangefärben von Seide. Der englische Arzt 
Irvine®) machte zuerst 1841 auf seine wurmtreibende Wirkung auf- 
merksam; erst später gebrauchte man die Drüsen in Form von Pasten 
auch gegen Flechten (Herpes eircinatus) mit Erfolg. 

So kam es, daß die Kamala 1864 in die englische und 1882 
schließlich in die deutsche Pharmacopöe Aufnahme fand. 


1) Catalogue of the contributions from India to the London exhibition, 
Calcutta 1862, pag. 118, No. 2087. 

2) Flückiger, Pharmakognosie des Pflanzenreichs, S, 261. 

8) Journal of the Chemical Society 1893, Bd. 63. 

4) Flückiger (I. c.). 


RE 


H. Telle: Kamala und Rottlerin. 443 


Die erste chemische Untersuchung der Kamala führte Anderson!) im 
Jahre 1855 aus und fand, daß der konzentrierte Aetherauszug eine gelbe, 
seidenglänzende, krystallinische Masse von der Zusammensetzung Cjı Hjo0s 
absetzte, die er Rottlerin nannte. Dieser Körper löst sich schwer in kaltem 
Alkohol, leicht hingegen in Aether und wurde in Alkalien zu einer tiefroten 
Flüssigkeit aufgenommen. Mit Brom gab die Substanz unter rascher Ent- 
färbung ein nicht krystallisierbares Substitutionsprodukt; mit Salpetersäure 
entstand zuerst ein gelbliches Harz, schließlich Oxalsäure. Aus dem mit 
siedendem Alkohol bereiteten Auszug isolierte Anderson ein Harz vom 
Schmp. 1000 und ein fast farbloses Wachs. Leube?) und Oettingen?) 
hingegen glückte es nicht, bei ihren Untersuchungen aus Kamala einen 
krystallinischen Stoff zu erhalten. Der erste beschreibt zwei amorphe Harze, 
von denen das eine bei 800, das andere bei 1910 schmilzt. Auf eine kurze 
Notiz von A. G. Perkint) hin veröffentlichte im Jahre 1887 L. Jawein?) 
seine Untersuchungen; dieselben bestätigen Anderson’s Angaben hinsichtlich 
des Rottlerins, nur findet Jawein bei der Elementaranalyse 70% C und 
5,36% H, die Anderson’sche Formel C}}Hı0o0, verlangt aber nur 69,47%, C 
und 5,26% H. Dieser Forscher stellte das Rottlerin durch Extraktion mit 
Schwefelkohlenstoff' oder Benzol im Soxhletapparat her. Das aus der 
Extraktionsflüssigkeit beim Erkalten abgeschiedene Harz löste er in möglichst 
wenig des Lösungsmittels in der Wärme auf, ließ erkalten, absetzen, löste 
wieder und sofort, bis endlich nach wiederholtem Umkrystallisieren aus 
Schwefelkohlenstoff oder Benzol, darauf aus Alkohol und Essigäther und 
zuletzt nochmals aus Benzol, ein krystallinischer, stark glänzender ockergelber 
Körper resultierte, der den Schmelzpunkt bei 200° hatte. — Die eingehendsten 
Untersuchungen über Kamala und seine Zersetzungsprodukte bewerkstelligte 
aber A. G. Perkin®) in den Jahren 1893 und 1895. Derselbe konnte aus 
dem dunkelbraunen Harz, welches bei der Extraktion der Kamala mit Aether 
resultierte, sechs verschiedenartige Körper isolieren und zwar Rottlerin, von 
ihm Mallotoxin genannt, Isorottlerin, Homorottlerin, ein Wachs und zwei 
Harze. Ferner fand er bei der Wasserdampfdestillation der Kamala geringe 
Mengen eines ätherischen Oeles und beim Auskochen mit Wasser, Eindampfen 
und weiterem Behandeln des Rückstandes einen zuckerähnlichen Körper, 
welcher Fehling’sche Lösung reduzierte. Zur Darstellung des Rottlerins 
digerierte Perkin die Kamala mit der sechsfachen Menge kalten Schwefel- 
kohlenstoffes 24 Stunden lang unter öfterem Umschütteln, filtrierte ab und 
destillierte Schwefelkohlenstoff soweit über, bis sich auf der Flüssigkeit eine 
rotbraune, unter dem Mikroskope krystallinisch erscheinende Masse abschied. 
Dieselbe wurde gesammelt, mit Schwefelkohlenstoff gewaschen und stellte so 
das noch durch Krystallisation zu reinigende Rohrottlerin dar. Aus dem 


1) Jahresberichte der Chemie 1855, S. 669. 

2) Jahresberichte der Chemie 1860, S. 562. 

8) Dissertation (St. Petersburg 1862, in russischer Sprache). 
4) Berliner Berichte 19, II, S. 3109. 

5) Berliner Berichte 20, I, S. 182. 

6) Journ. of the Chemical Society 1893, Bd. 63; 1895, Bd. 67. 


444 H. Teile: Kamala und Rottlerin. 


sirapdicken Filtrate setzten sich nach längerem Stehen gallertartige Bestand- 
teile ab, die beim Umkrystallisieren weiteres Rohrottlerin ergaben. Versetzte 
man nun das durch Erwärmen auf dem Wasserbade ganz vom Schwefel- 
kohlenstoff befreite Residuum mit überschüssigem Methylalkohol, so fiel ein 
anfangs gelber, durch mehrfache Krystallisation fast weißer Körper von 
krystallinischer Struktur aus, für den Perkin die Formel C;,H,,03 und den- 
Schmp. 82° festsetzte (Perkin’s Wachs). Um noch mehr Rottlerin und die 
beiden oben erwähnten Bestandteile zu gewinnen, kochte Perkin die einmal 
kalt mit Schwefelkohlenstoff ausgezogene Droge mehrmals mit demselben 
Lösungsmittel aus und verarbeitete das Produkt wie bereits angegeben. Die 
vollkommen mit Schwefelkohlenstoff erschöpfte Kamala zog man nun wieder- 
holt mit Aether aus, destillierte das Lösungsmittel ab und versetzte das 
Residuum mit dem sechsfachen Volumen Chioroform. Diese Mischung setzte 
beim längeren Stehen Krystalle ab, welche aus Chloroform und Aether um- 
krystallisiert, das Isorottlerin —= (CjsHja0; ergaben. Aus der Mutterlauge, 
der das Isorottlerin entzogen war, destillierte man das Chloroform ab, 
extrahierte den Rückstand mit Benzol und schlug aus den gesammelten 
Benzolauszügen das gelbe schwerschmelzende Harz mit Petroläther nieder. 
Bei der Krystallisation des Rohrottlerins aus Toluol blieb in diesem Lösungs- 
mittel unlöslich das Homorottlerin — Cg;,H3s0; in ganz geringen Mengen als 
geibe krystallinische Masse zurück. 

Für meine Arbeiten ist das Rottlerin der wichtigste Körper, und deshalb 
will ich auch etwas eingehender über die Perkin’schen Untersuchungs- 
resultate berichten. 

Perkin krystallisiertte das oben erwähnte Rohrottlerin 2—3mal aus 
Chloroform, Toluol und Benzol unter Anwendung von Tierkohle und beschrieb 
das reine Präparat als einen matt glänzenden, fleischfarbigen Körper, welcher 
aus dünnen, durchsichtiger Plättchen besteht. In Aether, Chloroform, Toluol 
und Benzol ist das Rottierin leicht löslich, nur spärlich löst es sich in 
Schwefelkohlenstoff und Eisessig, aus welchem es aber in schönen Gruppen gut 
ausgebildeter Nadeln auskrystallisiert. Als Schmelzpunkt ergab sich 191—191,5 0; 
als Formel Cj}Hj003. Bei der Destillation mit Zinkstaub und Natronkalk 
lieferte es eine geringe Menge eines nach Dibenzyl riechenden Oeles. Bottlerin 
wird leicht durch eine kalte Brom-Schwefelkohlenstofflösung angegriffen; 
Alkalikarbonate und -Hydrate lösen es in der Wärme zu einer orangefarbenen 
Lösung auf, die beim Kochen einen Geruch von Benzaldehyd abgibt. Eisen- 
chlorid färbt eine alkoholische Rottlerinlösung braun. Bei der Einwirkung 
von kochendem Essigsäureanhydrid auf Rottlerin, Jangsamen Eindampfen der 
Flüssigkeit auf dem Oelbade und darauffolgenden Eingießen in kaltes Wasser 
resultierte eine gelbe harzige Masse, die nach dreimaliger Krystallisation aus 
Methylalkohol den Schmelzpunkt von 130—135° hatte. Perkin spricht diesen 
Körper als Diacetylrottlerin von der Formel C,;H}40; oder C}1Hg05(CaH30)g 
an. Beim Schmelzen mit Pottasche und weiterem Behandeln des Reaktions- 
produktes stellte Perkin als Zersetzungsprodukte Essigsäure und Benzoe- 
säure fest; bei der Kalischmelze zeigte sich als Endprodukt neben den zwei 
erstgenannten Säuren Phloroglucin. Bei der Oxydation mit Wasserstoffsuper- 
oxyd in Aetznatronlösung lieferte Rottlerin neben Essigsäure und Benzoe- 


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H. Telle: Kamala und Rottlerin. 445 


säure auch Benzaldehyd. Perkin nimmt an, daß letzteres eines der ersten 
Oxydationsprodukte zur Benzoesäure ist. Bei der Einwirkung von kalter und 
warmer Salpetersäure auf das Ausgangsprodukt waren Perkin in seinen 
ersten Versuchen Fehler unterlaufen, indem er die erhaltenen drei Säuren 
als stickstofffreie angesprochen hatte; er selbst wies aber in seinen späteren 
Untersuchungen nach, daß sämtliche Säuren stickstoffhaltig und zwar Nitro- 
säuren sind. Er fand 1. die bei 2820 schmelzende als p-Nitrozimmtsäure, 
2. die bei 2260 schmelzende als o-Nitrozimmtsäure, welche er aber nicht 
ganz rein erhalten konnte, und schließlich 3. die bei 2320 schmelzende als 
p-Nitrobenzoesäure. Aus den Mutterlaugen der zwei ersten Säuren isolierte 
er noch einen Körper, der bei 1050 schmolz und offenbar aus p-Nitrobenz- 
aldehyd bestand. Die p-Nitrobenzoesäure konnte auch bei der Einwirkung 
kochender Salpetersäure auf die beiden oben beschriebenen Harze und Iso- 
rottierin erhalten werden. 

Durch die Siedepunktsbestimmung (Rottlerin-Chloroformlösung) erhielt 
Perkin für das Molekulargewicht des Rottlerins den Wert 485. Die Analyse 
der Rottlerinsalze, von denen das Natriumsalz gut krystallisiert, stützte 
dagegen die Annahme, daß Rottlerin eine einbasische Säure der Formel 
Oz H:009 (Mol.-Gew. 570) ist. Die ältere Formel C„,H,00z muß biernach 
verdreifacht werden, und in dem oben erwähnten Acetylrottlerin wären dann 
6 Acetyle anzunehmen. 

P. Bartolloti!) hat sich ebenfalls mit der Untersuchung der Kamala 
beschäftigt. Er hält das Anderson’sche Rottlerin, das Perkin’sche 
Mallotoxin, das Jawein’sche und das von der Firma Merck in den Handel 
gebrachte Kamalin für identisch. Durch Schütteln einer Lösung von Rottlerin 
in überschüssigem Natronkarbonat mit Benzoylchlorid, wiederholtes Lösen 
des anfangs öligen, später krystallinischen Reaktionsgemisches in Benzol und 
Fällen mittelst Petroläther, erhielt er ein Dibenzylrottlerin von der Formel 
C,ıH30z(C7H;0). Bei der Oxydation des Rottlerins mit Kaliumpermanganat 
in der Kälte resultierten Benzoesäure und Oxalsäure. Mit Jodwasserstoff 
und amorphem Phosphor im Rohr bei 210—220° erhitzt gab Rottlerin ca. 30% 
vom Ausgangsmaterial eines angenehm riechenden Oeles, welches aus einem 
Gemisch von Kohlenwasserstoffen bestand. Die Fraktionen von 140—1500 
und 230—240° hatten ungefähr die gleiche Zusammensetzung von der Formel 
CoHis oder Ca Hjs- ES 


Die Kamala, welche ich zu meinen Untersuchungen verwandte, 
stammte von der Firma Caesar & Loretz, Halle. Sie entsprach in 
allen Punkten den Anforderungen des deutschen Arzneibuches, das von 
dieser Droge einen Aschegehalt von höchstens 6% fordert. Zuerst 
stellte ich eine kleine Portion Rottlerin nach der Perkin’schen 
Methode her, deren Unzweckmäßigkeit aber sehr bald an den Tag 
kam. Dieselbe ist nicht nur durch das wiederholte Auskochen der 
Droge mit Schwefelkohlenstoff, dem ein kaltes Ausziehen mit letzterem 


1) Gazetta chim. 1894, 24 und Atti d. R. ac. d. Lincei 1895 1/571—576. 


446 H. Telle: Kamala und Rottlerin. 


vorausgehen muß, umständlich, sondern auch gefährlich und teuer. 
Aus diesen Gründen nahm ich zur Darstellung des Rottlerins das 
Anderson’sche Verfahren wieder auf und modifizierte es wie tolgt. 

In Portionen von zirka 1!/; kg zog man die Kamala im 
Mohr’schen Apparat solange mit Aether aus, bis das ablaufende 
Lösungsmittel nur noch gelblich gefärbt erschien. Das konzentrierte 
Aetherextrakt setzte bald einen rotbraunen glänzenden Körper ab, der 
auf dem Filter ein wenig mit Aether gewaschen, hauptsächlich aus 
Rottlerin bestand. Das so gewonnene Präparat war stark mit 
anhaftenden Harzen verunreinigt und mußte deshalb wiederholt aus 
Benzol oder Chloroform umkrystallisiert werden, bis es als rein und 
harzfrei angesprochen werden konnte. Die filtrierte ätherische Extrak- 
tionsflüssigkeit wurde durch Abdestillieren vom Aether befreit und 
auf dem Wasserbade zum Extrakt eingedampft. 

Das dunkelbraun aussehende Residuum hatte muscheligen Bruch, 
löste sich vollkommen in Chloroform und Alkohol, in Schwefelkohlenstoff 
und Benzol rur teilweise. Es bestand der Hauptsache nach aus 
amorphen Harzen, die bei meinen weiteren Unternehmungen nicht 
berücksichtigt wurden. 

Aus der mit Aether ausgezogenen Kamala wurde nun die Haupt- 
menge Rottlerin dadurch gewonnen, daß man die jetzt hellgelb aus- 
sehende Droge 2—3 mal mit Benzol auskochte,. Durch Abdestillieren 
des Lösungsmittels engte man die erhaltene Flüssigkeit auf die Hälfte 
ein und ließ nun das Rottlerin auskrystallisieren, wobei es verhältnis- 
mäßig rein sich abschied, sodaß es nur 2—3mal aus Benzol, Chloro- 
form oder Toluol, was unstreitig die besten Krystallisationsmittel sind, 
umkrystallisiert zu werden brauchte, um ein analysenreines Präparat 
zu liefern. Nach obenstehender Methode habe ich aus 1 kg Kamala 
zirka 715,0 g Extrakt und 100,0—120,0 g Rottlerin erhalten. 

Das so gewonnene Rottlerin ist ein lachsfarbener Körper, der 
aus konzentrierten Lösungen in feinen Nadeln, aus verdünnten in 
Platten, am besten aus Benzol auskrystallisiert. Sein Schmelzpunkt 
konnte nach wiederholtem Reinigen auf 203°—204° festgesetzt werden. 
Perkin gibt den Schmelzpunkt zu 191°, Jawein zu 200° C. an. 

Das Präparat löste sich vollständig und leicht in Aether, Chloro- 
form, Alkohol, Benzol, Essigäther, schwer in Eisessig, aus welchem es 
aber in recht schönen Nadelbüscheln auskrystallisierte.. Vollkommen 
reines, bei 100° C©. getrocknetes Rottlerin ergab bei der Elementar- 
analyse folgende Werte: : 


1. 0,1900 g gaben 0,0942 g H30 und 0,4850 g CO, 
2. 01876 5,» 0089, 5 0, m 


H. Telle: Kamala und Rottlerin. 447 


Gefunden: Berechnet für 
r 2. Cu Hyo Og: 
C 6962 69,61 69,47 
H 5,51 5,02 5,26. 


Bestimmung des Molekulargewichtes des Rottlerins. 


Da Perkin vermutet, daß durch häufigeres Kochen einer Chloro- 
form-Rottlerinlösung Zersetzung des Moleküls eintritt, bestimmte ich 
das Molekulargewicht nach der Baumann und Fromm’schen Versuchs- 
anordnung'!) und fand folgende Werte: 

1. 0,2346 g in 10,0 g Naphtalin gelöst, erniedrigten den Erstarrungs- 
punkt um 0,340 C, entsprechend dem Molekulargewicht 483. 

2. 0,1958 g in 10,0 g Naphtalin gelöst, erniedrigten den Erstarrungs- 
punkt um 0,280 C., entsprechend dem Molekulargewicht 489,5. 

Der Mittelwert dieser Bestimmung ist 486. 

Nach der Zusammensetzung der von Perkin sorgfältig unter- 
suchten Salze des Rottlerins müßte das Molekulargewicht desselben 
570 betragen. Wie schon erwähnt, erhielt Perkin nach der 
Beckmann’schen Methode (Bestimmung des Siedepunktes in Chloro- 
form) das Molekulargewicht 485, also das nämliche Resultat, das ich 
nach der Fromm’schen Methode erhielt. Es muß vorläufig dahin- 
gestellt bleiben, wie diese Differenzen zu erklären sind. Jedenfalls 
kann zur Zeit die Perkin’sche Rottlerinformel O;3H3,05 noch nicht 
als ganz sicher begründet angesehen werden. 

Nachdem verschiedene Vorversuche gezeigt hatten, daß sich aus 
Rottlerin teils durch Behandlung mit Barythydrat, teils durch die 
Natronlauge-Zinkstaubmethode, welche zum Aufschluß der Konstitution 
der Filixkörper führte, wenn auch in geringerer Ausbeute Phenole der 
Phloroglucinreihe gewinnen lassen, habe ich die Einwirkung von Alkalien 
auf Rottlerin unter verschiedenen Bedingungen genauer studiert. 

Die Ergebnisse waren je nach der Methode der Bearbeitung ver- 
schieden. Eine glatte Zersetzung des Rottlerinmoleküls gelang auf 
keine Weise. 

Zunächst möchte ich die Resultate derjenigen Versuche dar- 
legen, in welchem ich Baryumhydroxyd ohne gleichzeitig anwesende 
Reduktionsmittel auf Rottlerin einwirken ließ. 

Das Hauptergebnis war, daß sich auf diese Weise nur Methyl- 
phloroglucin aus Rottlerin abtrennen läßt, daneben aber ein dem 
Ausgangsmaterial noch sehr ähnlicher roter krystallinischer Körper ent- 
steht. Das Hauptprodukt der Reaktion wird von amorphen Harzen gebildet, 
aus welchen chemisch definierbare Körper nicht mehr zu erhalten waren. 


1) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 24, 1432, 


448 H. Telle: Kamala und Rottlerin. 


Spaltung des Rottlerins mittelst Barythydrat. 


25,0 g reines Rottlerin wurden im Mörser mit kaltgesättigtem 
Barytwasser angerieben und in letzterem gelöst, die Lösung in einen 
geräumigen Kolben filtriert und die klare Flüssigkeit 10 Minuten im 
Kochen erhalten. Bei dieser Manipulation trat alsbald ein starker 
Geruch nach Benzaldehyd auf. Anfangs sieht die Rottlerin-Baryt- 
lösung klar rotbraun aus, bei etwa 60°C. trübt sie sich und setzt bei 
80—90° C. einen gelbbraunen amorphen Niederschlag ab, den man 
nach dem Auswaschen mit Wasser auf einem Tonteller zur Trockne 
brachte. Das braun aussehende Filtrat kochte man nun *!/s Stunde 
lang und ließ es, mit Salzsäure stark angesäuert, 24 Stunden stehen. 
Hierauf filtrierte ich das abgeschiedene Harz ab, wusch ein wenig mit 
Wasser nach und schüttelte das mit Natriumkarbonat bis zur stark 
alkalischen Reaktion versetzte Filtrat 5—6 mal mit Aether aus. Aus 
dem Destillationsrückstand des Aethers erhielt ich nach wiederholtem 
Auskochen desselben mit Benzol zum Zwecke der Beseitigung harz- 
artiger Verunreinigungen, Auflösen des Rückstandes in Essigäther und 
fraktionierter Fällung dieser Lösung mit Xylol reines Methylphloro- 
glucin. Die Ausbeute betrug 10—15% der angewandten Rottlerin- 
menge; es schmolz bei 214° und gab bei der Elementaranalyse nach- 
stehende Zahlen: 


1. 0,1656 g gaben 0,0817 g H50 und 0,3670 g CO; 
2. 0,1481, 0,0785), 1sıls--DBeb he 


Gefunden: Berechnet für 
‚a 2. C7Hg O5: 

C 60,44 60,12 " 60,00 

H 5,48 5,88 5,70. 


Der beim Kochen der Barytlösung in dieser entstandene Nieder- 
schlag wurde im Soxhletapparat mit Aether ausgezogen. Aus der 
ätherischen Lösung schied sich alsbald ein rotbrauner Körper ab. 
Nach Beendigung der Aetherextraktion sammelte ich diese Abscheidung 
auf einem Filter. Nach dem Verdunsten des anhaftenden Aethers löste 
sich die rotbraune trockene Substanz verhältnismäßig leicht in Chloro- 
form und auf vorsichtigen Zusatz von absolutem Alkohol zu dieser 
Lösung schieden sich langsam prachtvolle, violettbraune wohlaus- 
gebildete vielfach zu Drusen vereinigte Rhomboeder ab. Auf zu 
reichlichem Alkoholzusatz fällt aus der Chloroformlösung gelbes nicht 
krystallisierbares Harz aus. 

Weitere aber nicht bedeutende Mengen des gleichen Körpers 
gewann ich noch durch nachträgliches Auskochen des bereits mit 


Aether erschöpften Barytniederschlags mit Essigäther. — Die erwähnten 
) 


H. Telle: Kamala und Rottlerin. 449 


Krystalle verbrannten ohne Rückstand auf dem Platinblech, waren 
also frei von Baryum; sie schmolzen bei 235° C. und gaben bei der 
Elementaranalyse folgende Resultate: 


1. 0,1883 g gaben 0,0889 g H30 und 0,4812 g COs 
res ande, 088, 


Gefunden: Berechnet auf die Formel 
1. 2. (C1H1o03)s: 

C 69,69 69,27 69,47 

H 5,24 5,48 5,26 


Das Ergebnis der vorstehenden Versuche kann dahin zusammen- 
getaßt werden, daß durch Einwirkung von Barythydrat auf Rottlerin 

1. Methylphloroglucin im Betrage von 10—15% abgespalten 
wird. Andere Homologe der Phloroglucinreihe waren unter den 
Spaltungsprodukten sicher nicht vorhanden; 

2. ein Teil des Rottlerins wird in einen krystallisierten Körper 
von gleicher Zusammensetzung, aber anderer Krystallform und anderem 
Schmelzpunkt übergeführt, den ich als d-Rottlerin bezeichne. — 

In einer zweiten Reihe von Versuchen unterwarf ich das Rottlerin 
dem gleichen Verfahren, das bei der Untersuchung der Stoffe der 
Filixgruppe früher von R. Boehm!) ausgearbeitet worden ist. Auch 
bei der Untersuchung des Rottlerins hat es sich bewährt, insofern es 
die Auffindung einiger weiterer krystallisierbarer Spaltungsprodukte 
des Rottlerins gestattete und über die Konstitution wenigstens eines 
großen Teiles des Moleküls dieser Substanz Aufschluß gab. 


Starke Natronlauge-Zinkstaub-Spaltung. 


50,0 g feingepulvertes Rottlerin werden innig mit 100,0 g Zink- 
staub gemischt, darauf in einem geräumigen Kolben 250,0 g 15% iger 
Natronlauge versetzt und dieses Gemisch 10 Stunden auf dem kochenden 
Wasserbad unter öfterem Umschütteln am Rückflußkühler erhitzt. Um 
die Reaktion, d. h. die Wasserstoffentwickelung rascher einzuleiten, 
tut man gut, obigem Gemenge 2—3 Tropfen Platinchloridlösung hinzu- 
zufügen. Nach 1lOstündiger Dauer unterbrach ich die Digestion, da 
wiederholte Beobachtung ergeben hatte, daß bei längerer Dauer die 
Ausbeute an krystallisierbaren Abbauprodukten sich eher verringerte 
als vermehrte. 

Das Reaktionsprodukt, nach dem Absetzen des Zinkstaubes eine 
klare, rotbraune, eigentümlich aromatisch riechende Flüssigkeit, filtrierte 
ich nach vorheriger Verdünnung mit warmem Wasser in verdünnte 
Schwefelsäure (1:3) hinein und wusch den Zinkstaub auf dem Filter 


1) Liebigs Annalen der Chemie 1893 [302], S. 171. 
Arch. d. Pharm. COXXXXIV, Bds. 6. Heft. 29 


450 H. Telle: Kamala und Rottlerin. 


bis zum Verschwinden der alkalischen Reaktion im Filtrat mit 
warmem Wasser aus. Die gesammelten, in verdünnte Schwefelsäure 
aufgefangenen Filtrate, in welchem sich alsbald ein voluminöser gelb- 
licher Niederschlag abschied, blieben über Nacht sich selbst überlassen. 
Hierauf wurde vom Niederschlag abfiltriert, über dessen weitere 
Behandlung später berichtet werden wird. 

Das mit Soda alkalisch gemachte Filtrat lieferte nach 6—8 
maligem Ausschütteln mit Aether und Abdestillieren desselben eine 
harzige dunkelbraune Masse, die bei der Spaltung entstandenen 
Phenole. Aus der bei alkalischer Reaktion durch Ausschütteln mit 
Aether erschöpften Flüssigkeit, die außer den Phenolen auch etwaige 
bei der Spaltung entstandene in Woassser lösliche Säuren enthalten 
mußte, wurde zunächst durch einen Luftstrom aller Aether verjagt, 
dieselbe hierauf mit verdünnter Schwefelsäure angesäuert und die 
saure Flüssigkeit der Destillation mit Wasserdampf unterworfen, so 
lange das Destillat sauer reagierte. Die nicht mit Wasserdämpfen 
flüchtigen Stoffe erhielt ich endlich noch durch Ausschütteln der 
sauren Flüssigkeit mit Aether nach beendeter Wasserdampfdestillation. 

Nach vorstehend beschriebenem Verfahren wurden aus 50,0 g 
Rottlerin folgende Produkte erhalten: 

1. Harz, 18,0—20,0 g, abgeschieden durch Filtration der 
Zn-Na-Spaltung in verdünnte Schwefelsäure. 

2. Phenolgemenge, 15,0—16,0g, erhalten durch Ausschütteln 
mit Aether des Filtrats von 1 in alkalischer Lösung. 

3. Wasserdampfdestillat durch Wasserdampfdestillation 
der vom Aether befreiten und mit Schwefelsäure angesäuerten 
Flüssigkeit von 2. 

4. Harz der sauren Ausschüttelung 11,0—12,0g, durch 
Aetherausschüttelung des Destillationsrückstandes von 3. 

Die weitere Bearbeitung des durch Filtration der Zink-Natron- 
Spaltung in verdünnte Schwefelsäure erhaltenen voluminösen gelblichen 
Harzes (1) gestaltete sich nicht zu einer einfachen. Es gelang trotz 
vieler Versuche nicht, das Harz direkt zum Krystallisieren zu bringen, 
da es in Alkohol, Aether und Chloroform leicht, in Wasser kaum 
löslich war. Aehnlich verhielt sich auch das Harzgemenge der sauren 
Ausschüttelung (4). Durch wiederholtes Auskochen beider Produkte 
mit Wasser, Einengen des Filtrates auf ein Minimum, resultierte in 
kaum 0,2% Ausbeute ein anfangs grau aussehender, in feinen, zu 
Büscheln vereinigten Nadeln krystallisierender Körper. Beim Aus- 
kochen trat ein aromatisch riechender, die Schleimhäute reizender 
Geruch auf. Da die Krystallisation aus Wasser der zu geringen, aus 
Alkohol, Aether oder Chloroform der zu leichten Löslichkeit wegen 


H. Telle: Kamala und Rottlerin. 451 


nicht geignet war, löste ich die unreinen Krystallmassen in der aus- 
reichenden Menge Alkohol und setzte der filtrierten gelben Flüssigkeit 
vorsichtig Wasser hinzu. Durch dieses Verfahren erhielt man ein 
vollkommen weißes, stark seidenglänzendes Produkt, welches sich leicht 
in Aether, Alkohol, Benzol, Chloroform, schwer hingegen in Wasser 
lötte und nach 2—3maligen Umkrystallisieren bei 185—185,5° C. 
schmolz. Beim Zerreiben wurde der Körper sehr elektrisch; derselbe 
gab bei der Elementaranalyse folgende Werte: 

1. 0,1374 g gaben: 0,0783 g Hg0, entsprechend 6,33%, H und 0,3643 g 
CO3, entsprechend 72,31% C. 

2. 0,1580 g gaben: 0,0935 g H30 entsprechend 6,57% H und 0,4199 g 
CO,, entsprechend 72,47%, C. 

Die wässerige Lösung dieses Körpers reagierte stark sauer, gab 

auf Zusatz von Eisenchlorid eine schwache Trübung. Silbernitrat, 
Schwefelsäure und Baryumchlorid riefen sowohl in ursprünglicher als 
auch in ammoniakalischer Lösung keine Fällung hervor. Auf Zusatz 
von essigsaurem Blei entstand ein weißer, flockiger Niederschlag. Der 
Körper erzeugte weder in einer ammoniakalischen Silbernitratlösung 
einen Silberspiegel, noch reduzierte derselbe Fehling’sche Lösung. 
Uebergießt man eine kleine Menge des weißen Pulvers mit konzentrierter 
Schwefelsäure, so färbt sich dieselbe unter Auflösung des Körpers. 
bräunlich, beim Erhitzen dieses Gemisches entstanden die Schleim- 
häute stark reizende Dämpfe. Kaliumpermanganat trat ebenfalls 
nicht in Reaktion. — 
Die Isolierung der Phloroglucine aus dem amorphen Gemenge 
von Phenolen und harzähnlichen Stoffen (2) war mit sehr großen 
Schwierigkeiten verbunden. Das Rohprodukt hatte einen sehr 
penetranten, lange anhaftenden, eigentümlich aromatischen Geruch 
und zeichnete sich stets durch eine starke Fichtenspanreaktion aus. 

Durch Behandlung mit Wasser ließen sich zwar die krystallisier- 
baren Phenole leicht von einem großen Teil amorpher harziger Massen 
trennen, das Wasser nahm aber hierbei unvermeidlich zugleich eine 
so reichliche Menge harzartiger, klebriger Stoffe auf, daß die Phenole 
aus der wässerigen Lösung auch nicht ohne weiteres rein zu gewinnen 
waren. 

Es wurde gewöhnlich so verfahren, daß man den in Wasser 
gelösten und von dem unlöslichen Harz abfiltrierten Teil des Roh- 
produktes von neuem aus alkalischer Lösung mit Aether ausschüttelte, 
den zuweilen, aber durchaus nicht immer schon krystallisierten 
Destillationsrückstand des Aethers dann häufig wiederholt 6—10 mal 
mit kleinen Mengen Benzol auskochte, bis letzteres nichts Erhebliches 
mehr aufnahm. 

29* 


452 H. Telle: Kamala und Rottlerin. 


Die Benzolauskochungen blieben gesondert ca. 24 Stunden in 
der Kälte stehen. Dabei schieden sich an den Gefäßwänden langsam 
in schmierigen Massen eingebettete Krystalle ab. Die davon ab- 
gegossenen Benzollösungen wurden vereinigt, das Benzol davon wieder 
abdestilliert und die Rückstände sodann abermals durch wiederholtes 
Auskochen mit Benzol in darin leicht resp. schwieriger löslichen An- 
teile getrennt. Die aus den heißen Benzollösungen auskrystallisierten 
Massen digeriert man zweckmäßig einzeln nochmals mit wenig heißem 
Benzol, gießt letzteres ab und nimmt dann den an der Gefäßwand 
anhaftenden Rückstand in möglichst wenig heißem Benzol auf. Aus 
diesem scheidet sich dann langsam in gut ausgebildeten Krystallen 
mehr oder weniger farbloses Dimethylphloroglucin aus. Zur 
definitiven Reinigung für die Analyse wird es zweckmäßig in Essig- 
äther gelöst und aus dieser Lösung durch fraktionierte Fällung mit 
Xylol zuletzt in analysenreiner Form gewonnen. Das beschriebene 
Verfahren ist deshalb außerordentlich zeitraubend und mit enormen 
Verlusten verbunden, weil den Phenolen eine amorphe harzartige 
Substanz äußerst hartnäckig anhaftet, die in allen Lösungsmitteln fast 
ebenso wie die Phenole selbst löslich ist. Die Ausbeute an Dimethyl- 
phloroglucin war eine relativ gute, obwohl die rein erhaltene Menge 
sicher kaum den 10. Teil des wirklich vorhandenen Phenols ausmachte. 
Es schmolz bei 162° und gab die charakteristische Reaktion mit 
Eisenchlorid. 

Methylphloroglucin, welches in kochendem Benzol zwar außer- 
ordentlich wenig, aber doch etwas löslich ist, wird bei obigem Ver- 
fahren sukzessive durch die wiederholte Benzolbehandlung als un- 
löslicher Anteil beseitigt. Seine Hauptmenge findet sich in dem vom 
Benzol nicht gelösten Anteil des Rohphenolgemenges. Um es daraus 
in reiner Form zu erhalten — durch die häufige Benzolbehandlung 
hat die Substanz allmählich ihre harzig-klebrige Eigenschaft verloren 
— löst man das Pulver in Wasser, filtriert, schüttelt aus alkalischer 
Lösung nochmals mit Aether aus, behandelt den Aetherrückstand 
nochmals einige Male mit heißem Benzol und gewinnt dann Methyl- 
phloroglucin annähernd rein durch fraktionierte Fällung seiner Essig- 
ätherlösung mit Xylol. Geringfügige Beimengungen von Dimethyl- 
phlöroglucin sind zuweilen auf keine Weise mehr zu entfernen. 

Es ist kaum zu bezweifeln, daß das Rohphenolgemenge auch 
Trimethylphlorogluecin enthält. Es spricht dafür die stets vor- 
handene charakteristische Reaktion mit Ferrichlorid. —: Die Abtrennung 
des Trimethylphlorogucins aus dem Rohgemenge in Krystallisierter 
Form gelang aber nur in so winzigem Maßstabe, daß weder Schmelz- 
punktbestimmung noch Analyse möglich waren. 


H. Telle: Kamala und Rottlerin. 453 


So ist es also zunächst nur gelungen, Mono: und’ Dimethyl- 
phloroglucin als Spaltungsprodukte des Rottlerins einwandfrei nach- 
zuweisen. Normales Phlorogluein konnte nicht aufgefunden 
werden. 

Auffallend war der Umstand, daß die ölige harzige amorphe 
Substanz, welche die Phenole stets begleitete, in kaltem Wasser nur 
wenig, in heißem Wasser aber reichlich löslich war und immer eine 
milchige emulsionsartige Trübung aller Lösungen bedingte, auch nach 
Abtrennung der krystallisierbaren Phloroglucine immer noch eine sehr 
starke Fichtenspanreaktion gab und sich auch sehr eigentümlich gegen 
Eisenchlorid verhielt. Die Lösung färbte sich auf Zusatz von einem 


Tropfen erst schön dunkelblau — sofort aber verschwand diese 
Färbung wieder unter Abscheidung eines fast farblosen sehr voluminösen 
Niederschlags. 


Wenn es auch sehr wahrscheinlich ist, daß diese amorphe, in 
relativ großer Menge bei der Rottlerinspaltung gebildete Substanz 
ein Phloroglucinderivat ist, so ist es doch trotz vielfacher Be- 
mühungen nicht gelungen, den Stoff in eine analysierbare Form 
zu bringen. 

Die bei der Elementaranalyse gefundenen Zahlen sind folgende: 


a) Für das Methylphloroglucin. 
0,1592 g gaben 0,0781 g Hs0 und 0,3522 g CO,. 


Gefunden: Berechnet für C7H30;: 
C 60,33 60,00 
H 5,45 5,70. 


b) Für das Dimethylphloroglucin. 


1. 0,1633 g gaben 0,0983 g H30 und 0,3733 g CO; 
2 ACT TE Bee ee 


Gefunden: Berechnet für 
1. 2. CgHy O2: 
C 62,34 62,26 62,3 
H 6,68 6,78 6,5. 


Das durch Wasserdampfdestillation aus der durch Ausschütteln 
mit Aether in alkalischer Lösung von Phenolen befreiten und mit 
Schwefelsäure wieder angesäuerten Flüssigkeit erhaltene. Säuregemenge 
wurde mit verdünnter Natronlauge schwach alkalisch gemacht und 
hierauf bis zur beginnenden Krystallisation auf dem Wasserbade ein- 
gedampft. Aus der Lösung des Rückstandes in möglichst wenig 
Wasser schied sich auf vorsichtigen Zusatz von Schwefelsäure unter 
Entwickelung von Kohlensäure und Auftreten eines starken Geruches 


454 H. Telle: Kamala und Rottlerin. 


nach Fettsäuren ein Oel ab, das nach längerem Stehen in der Kälte 
krystallinisch erstarrte. Die Krystalle wurden von der Flüssigkeit ab- 
filtriert, zwischen Fließpapier abgepreßt und 1—2 mal aus heißem Wasser 
umkrystallisier. Aus konzentrierter Lösung schied sich die Säure 
zunächst auch wieder in öliger Form ab, aus verdünnteren Lösungen 
krystallisierten gut ausgebildete schneeweiße Nadeln aus. Die Lösung 
reagierte sauer. Die trockenen Krystalle schmolzen bei 48—49°, Nach 
dem Schmelzpunkt und dem Ergebnis der Elementaranalyse schien 
Hydrozimmtsäure vorzulegen. 


1. 0,1805 g gaben 0,1075 g H30 und 0,4785 g (Oz. 
2. 0153 „ „ 01006, 5» 0A, „ 


Gefunden: Berechnet für 

1% 2. Cg H;, CH, CH3, COOH: 
C 7229. 72,27 72,00 
H 6,81 7,06 6,66. 


Die Annahme, daß es sich um Hydrozimmtsäure handelt, wurde 
durch die Analyse des Silbersalzes und die titrimetrische Bestimmung 
des Molekulargewichts bestätigt. Das Silbersalz erhielt ich durch 
Fällung der mit Ammoniak versetzten wässerigen Lösung mit Silber- 
nitrat. Der mit Wasser gewaschene Niederschlag wurde aus heißem 
Wasser umkrystallisiert. 


1. 0,0988 g Silbersalz gaben 0,0415 g Ag. 


2. 0,0850 „ > u. 200368. 4 
Gefunden: Berechnet für 
1. 2 C,H, CH3 CHa COOAg: 
Ag 42,00 41,11 42,02. 


Eine abgewogene Menge der reinen krystallisierten Säure wurde 
in überschüssiger '/ıon-Kalilauge gelöst und mit !/;on-Salzsäure zurück- 
titriert. Als Indikator diente Phenolphtalein, der Umschlag war 
sehr scharf. 


1. 0,1661 g Säure verbrauchten 0,0621 g KOH entsprechend dem 
Molekulargewicht 149,78. 

2. 0,2485 g Säure verbrauchten 0,0924 g KOH entsprechend dem 
Molekulargewicht 150,6. 


Nach obigen Daten ist die gefundene Säure mit Hydrozimmt- 
säure identisch. 

Das von der Hydrozimmtsäure möglichst befreite Filtrat reagierte 
noch stark-sauer und roch nach Essigsäure. Um die noch neben den 
Fettsäuren in Lösung befindliche Hydrozimmtsäure vollends zu be- 
seitigen, unterwarf ich die Flüssigkeit abermals der Wasserdampf- 
destillation. Die zuerst überdestillierten 400 ccm dampfte ich nach 


H. Telle: Kamala und Rottlerin. 455 


dem Neutralisieren mit Natronlauge wiederum fast zur 'Trockne ein 
und behandelte den Salzrückstand wie oben. Nach dem Abtrennen 
der letzten öligen Abscheidungen der Hydrozimmtsäure mit Hilfe 
eines Scheidetrichters wurde dann die klare saure Flüssigkeit nochmals 
mit Wasserdampf destilliert und die Destillate zu je 60 ccm in mehreren 
Fraktionen getrennt aufgefangen. Es ergab sich, daß nur eine einzige 
Fettsänre, nämlich Essigsäure vorlag. Zur Analyse diente das Silber- 
salz, das aus den mit Ammoniak versetzten Destillaten durch Fällen 
mit Silbernitrat und Umkrystallisieren des Niederschlages aus kochendem 
Wasser rein gewonnen wurde. 


1. 0,1045 g Silbersalz gaben 0,0670 g Ag. 


2. 0,1268 „ 3 „ EOS, 
3. 0,2500 „ 4 5 OLCHO 5; 
Gefunden: Berechnet für 
1. 2. 3. CH, COOAg: 
Ag 6411 64,51 64,40 64,64. 


Durch die Digestion des Rottlerins mit 15% Natronlauge und 
Zinkstaub sind also als Spaltungsprodukte folgende Körper erhalten 


worden: 
1. Methylphloroglucin, 


2. Dimethylphlorogluein, 

3. eine nur in sehr kleinen Mengen erhältliche krystallisierte 
Säure vom Schmelzpunkt 185—185,5° C. von noch unbekannter 
Konstitution, 

4. reichliche Menge von Hydrozimmtsäure, 

ö. Essigsäure. 


Spaltung mit 2% Natronlauge und Zinkstaub. 


Da das Auftreten von Trimethylphloroglucin bei der Spaltung 
nach der im vorstehenden beschriebenen Methode zwar als sehr wahr- 
scheinlich angesehen, aber nicht einwandfrei bewiesen werden konnte, 
wurde versucht, durch Modifikation des Spaltungsverfahrens zu einem 
besseren Ergebnis zu gelangen. 

Vorversuche lehrten, daß die Phenole aus dem Rottlerinmoleküle 
schon durch Einwirkung von schwacher Natronlauge in der Siedehitze 
abgetrennt werden. Es gelang denn auch auf diesem freilich sehr zeit- 
raubenden Wege schließlich auch noch das Trimethylphlorogluein 
krystallinisch und in für die Analyse ausreichender Menge aus den 
Spaltungsprodukten zu isolieren. Zugleich trat unter diesen Versuchs- 
bedingungen, allerdings nur in minimalen Mengen, ein weiteres neues 
flüchtiges Spaltungsprodukt auf. 


456 H. Telle: Kamala und Rottlerin. 


10,0 g fein gepulvertes Rottlerin wurde innig mit 100,0 g Zink- 
staub gemengt und in einem geräumigen Kolben mit einer Mischung 
von 150 ccm 15%iger Natronlauge und 1200,0 g Wasser 8—9 Stunden 
am KRückflußkühler auf freiem Feuer vorsichtig erhitzt. Hierbei 
bemerkte man, daß die aus dem anfangs stark schäumenden Reaktions- 
gemisch emporsteigenden Dämpfe sich zu einer milchigen, nach 
Kampfer riechenden Flüssigkeit im Rückflußkühler verdichteten. Unter 
dem Mikroskop zeigten sich in diesem Verdichtungsprodukte zierliche 
farnwedelähnliche Krystallgebilde. Um nun diesen neuauftretenden 
flüchtigen Körper zu gewinnen, verband man den Spaltungskolben 
durch ein gebogenes Rohr mit dem abwärts gerichteten Kühler, der 
seinerseits an seinem Ausflußende eine Vorlage hatte. Beim Kochen 
konnten somit die Dämpfe entweichen, wurden im Kühler verdichtet 
und der Ablauf in dem Vorlagekolben aufgefangen. Das aus dem 
Spaltungsgemisch als Dampf entweichende Wasser ersetzte ich aus 
einem am Kolben angebrachten Scheidetrichter. Nach einiger Zeit 
schieden sich in dem als Vorlage dienenden Kolben geringe Mengen 
von weißen Krystallen ab; die überstehende Flüssigkeit roch stark 
nach Kampfer. Die wenigen Krystalle sammelte man durch vor- 
sichtiges Abgießen der Flüssigkeit und zuletzt durch Filtrieren, die- 
selben ergaben einen Schmelzpunkt von 170—172° C. Um aus dem 
Destillat noch mehr von dem flüchtigen Körper zu gewinnen, wurde 
die Flüssigkeit mehrmals mit Aether ausgeschüttelt; der Destillations- 
rückstand des Aethers war ein aromatisch nach Kampfer riechendes 
Krystallgemenge, was aber zur Analyse nicht ausreichte. Der Geruch 
nach Kampfer war aber so charakteristisch und auch die Krystallform 
und der Schmelzpunkt demjenigen des Kampfers so ähnlich, daß das 
Auftreten dieses Körpers als Spaltungsprodukt des Rottlerins immer- 
hin eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Trotz mannig- 
faltiger Modifikation des Verfahrens wollte es leider bis jetzt nicht 
gelingen, bezüglich dieses Punktes zu besseren Resultaten zu gelangen. 
Auch fehlt es zur Zeit noch an Methoden, um kleine Kampfermengen 
mit Sicherheit zu identifizieren. 

Nach 8—9stündiger Dauer unterbrach man den Spaltungsversuch, 
verdünnte die Flüssigkeit mit viel warmem Wasser und filtrierte nach 
dem Absetzen des Zinkstaubes in verdünnte Schwefelsäure (1:5) 
hinein. Da es bei diesem Versuche nur noch auf die Gewinnung der 
Phloroglueine ankam, wurde das saure, vom ausgeschiedenen Harz 
befreite Filtrat direkt 6—8mal mit Aether ausgeschüttelt; als 
Destillationsrückstand der Aetherausschüttelung resultierte ein braun- 
grünliches harzähnliches, sirupdickes Phenolgemenge. In dasselbe war 
bei der Aetherausschüttelung auch die entstandene Hydrozimmtsäure 


H. Telle: Kamala und Rottlerin. 457 


hineingekommen; um diese zu entfernen, nahm man das Phenolgemisch 
mit schwefelsäurehaltigem Wasser auf und unterwart dasselbe bis zur 
schwachsauren Reaktion des Destillats einer Wasserdampfdestillation. 
Die so von der Hydrozimmtsäure befreiten Phloroglucine wurden 
schließlich dem alkalisch gemachten Rückstand durch Ausschütteln 
mit Aether entzogen. 

Bei der Verarbeitung des Rohphenolgemenges wurde in der 
Hauptsache in der bereits oben ausführlich dargelegten Weise ver- 
fahren. Das von allen Gliedern der Phloroglucinreihe in kleinen 
Mengen am schwierigsten zu reinigende Trimethylphloroglucin findet 
sich, da es in heißem Benzol leichter als die übrigen Homologen 
löslich ist, in den ersten Benzoldekokten des Phenolgemenges. 

Man läßt dieselben längere Zeit in der Kälte stehen, bis nichts 
mehr an den Wänden auskrystallisiert, preßt hierauf das Benzol ab 
und löst die von letzterem sorgfältig durch gelindes Erwärmen 
befreiten Krystallisationen in möglichst wenig heißem Wasser. Aus 
der, wo nötig zur Beseitigung von Schmieren mit wenig Tierkohle 
behandelten Lösung krystallisieren dann die charakteristischen granat- 
roten Nadeln des Trimethylphloroglucinhydrats aus, denen aber mehr 
oder weniger Dimethylphloroglucin äußerst hartnäckig anhaftet. Die 
Krystalle müssen daher wiederholt und so lange aus heißem Wasser 
umkrystallisiertt werden, bis die Lösung keine Fichtenspanreaktion 
mehr gibt. 

Die Ausbeute an reinem Phenol ist infolgedessen sehr gering, 
während sein einwandfreier qualitativer Nachweis mit Hilfe der 
charakteristischen Farbe und Form der Krystalle sehr leicht geführt 
werden kann. Sowohl die Krystallwasserbestimmung als auch die 
Eiementaranalyse des Trimethylphloroglueins, das getrocknet bei 
184° schmolz, ergaben folgende mit den berechneten gut überein- 
stimmende Zahlen. 


0,2152 g lufttrocken, verloren über Schwefelsäure 0,0520 g Hs0. 


Gefunden: Berechnet für CgH;s0g + 3H30: 
Hs0 24,4 24,32. 
Elementaranalyse. 
0,1589 g, krystallwasserfrei, gaben 0,1036 g Hz30 und 0,3735 g CO. 
Gefunden: Berechnet für C9Hj20;: 
C 64,10 64,28 
H 7,24 7,14. 


Durch die im vorstehenden angegebenen Untersuchungen ist der 
Nachweis erbracht, daß bei der Spaltung des Rottlerins drei Homologe 
des Phloroglucins: Methyl-, Dimethyl-, und Trimethylphloroglucin auf- 


458 H. Telle: Kamala und Rottlerin. 


treten, daß außerdem Hydrozimmtsäure und Essigsäure gebildet wird. 
Die anderweitigen Spaltungsprodukte konnten mit Sicherheit noch 
nicht charakterisiert werden. Doch erscheint die Möglichkeit nicht 
ausgeschlossen, daß das Rottlerin auch einen zur Kampfergruppe ge- 
hörigen Molekularkomplex enthält. 

Trotz aller äußerlichen Verschiedenheit schließt sich sonach das 
Rottlerin seinem Verhalten nach eng an die Körper der Filixsäure- 
reihe an, der es ebenso wie die Bestandteile der Kosoblüten und des 
Pannarhizoms nicht bloß hinsichtlich seiner pharmakologischen Eigen- 
schaften als Bandwurmmittel, sondern auch nach dem Aufbau 
seines Moleküls angehört. 

Das gleichzeitige Auftreten der drei Homologen dürfte analog 
wie bei den Filixkörpern!) auf die Verkettung eines Mono- und 
Dimethylphloroglucinmoleküls durch eine Methylengruppe zurück- 
zuführen sein. 


CHs CHs 
| 
Ö C 
HOC Fa re): 
Ydakalı 
Bine 2a 
' CH. a 
| 
ÖH OH 


Buttersäure tritt bei der Rottlerinspaltung nicht auf. Legt man 
für Rottlerin die Formel O33H35,0, zugrunde, so bleiben nach Abzug 
der in den beiden durch Methylen verbundenen Phloroglucinringen 
enthaltenen 16 Kohlenstoffatome noch 17 Kohlenstoffatome übrig. 
Davon gehören sicher 9 weitere einem dritten Benzolring an, der als 
Zimmtsäurerest in dem Molekül vorhanden ist, über dessen Ver- 
bindung mit der Phloroglucingruppe aber noch nichts ausgesagt 
werden kann. 

Es kann so also vorläufig über 25 Kohlenstoffatome disponiert 
werden, da man nicht entscheiden kann, ob die gefundene Essigsäure 
nicht einer sekundären Zersetzung ihre Entstehung verdankt. 


1) R. Boehm, Liebig’s Annalen 318, S. 260. 


O0. Simon: Cetrarsäure. 459 


Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Leipzig. 


Ueber Cetrarsäure. 
(II. Mitteilung.) 
Von Dr. O. Simon. 
(Eingegangen den 25. IX. 1906.) 


Da ich infolge Ausscheidens aus meiner Stellung als Assistent 
des Leipziger pharmakologischen Instituts verhindert bin, die Unter- 
suchungen über Cetrarsäure weiter fortzusetzen, sei es mir gestattet, 
einige nach dem Erscheinen meiner ersten Abhandlung über diesen 
Gegenstand!) gewonnene Ergebnisse hier mitzuteilen. 

Durch meine früheren Untersuchungen ist für Cetrarsäure die 
Formel CsoHıs O9 sichergestellt, außerdem ein Carbonyl und ein 
Methoxyl nachgewiesen. Bei Berücksichtigung aller sonstigen von mir 
früher mitgeteilten Tatsachen muß man es wenigstens als wahrscheinlich 
bezeichnen, daß die Substanz der Monomethylester einer Dicarbon- 
säure ist. 

Bei den Versuchen, die Konstitution der Säure durch ihren Ab- 
bau aufzuklären, hat trotz vieler anderweitiger Bemühungen nach wie 
vor nur die Methode der Spaltung mit Natronlauge und Zinkstaub 
greifbare Resultate geliefert. 

Daß man auf diesem Wege Orcin aus Cetrarsäure in beträcht- 
licher Menge erhält, ist schon in der früheren Abhandlung?) 
mitgeteilt. Bei der sorgfältigeren Aufarbeitung des bei der Spaltung 
gewonnenen und von anderweitigen Stoffen befreiten Phenolrohgemenges 
gelang es nun fernerhin, noch ein zweites Phenol aufzufinden, 
das sich bei genauerer Untersuchung als ein Homologes 
des Orcins und zwar als 1-2-Dimethyl 3-5-Dioxybenzol 
erwies. Ich erhielt es durch wiederholtes Auskochen des bereits von 
der Hauptmenge des Orecins und der später zu beschreibenden Ketone 
befreiten Rückstandes des Phenolgemenges?) mit Benzol. 

Beim Erkalten der Benzoldekokte scheiden sich zuerst harzige 
Massen ab, von denen wiederholt abgegossen wird. Aus den klaren 
Lösungen kommen dann beim allmählichen Verdunsten langsam gut aus- 


1) Dieses Archiv 240, 521 (1902). 

2) 1. c. S. 547 ff. a 

8) Bezüglich der Einzelheiten der Bearbeitung vergl. die I. Mitteilung 
Le. 83587: 


460 O. Simon: Cetrarsäure. 


gebildete Krystalle. Man reinigt sie durch Digestion mit Wasser und 
etwas Tierkohle und erhältnach wiederholtem Umkrystallisieren aus wenig 
heißem Wasser schließlich bis 5 cm lange, glänzende farblose sechsseitige _ 
Prismen. Beim Trockner über Schwefelsäure verlieren sie den Glanz 
und schmelzen dann konstant bei 135—136°. Die wässerige Lösung 
gibt eine sehr schwache bläuliche Fichtenspanreaktion; ein Tropfen 
Ferrichlorid färbt sie momentan indigblau, welche Färbung aber 
unter Abscheidung eines grauweißen Niederschlages rach abblaßt. 
Ammoniakflüssigkeit färbt die wässerige Lösung allmählich rot; beim 
Erwärmen letzterer mit Natronlauge und Chloroform erhält man eine 
gute Homofluoresceinreaktion (grüne Fluorescenz). Chlorkalklösung 
ruft nach einiger Zeit Rotfärbung hervor; ammoniakalische Silber- 
lösung wird in der Kälte reduziert. 

0,1467 g gaben 0,3757 CO., entsprechend 0,1025 C und 0,0987 Hs0, 
entsprechend 0,0109 H. 


Berechnet für C3H;0 03: Gefunden: 
C 69,56 69,85 
H.11:7:25 7,48. 


Das Benzoylderivat des Phenols (durch Schütteln seiner Lösung 
in 20%iger Sodalösung mit Benzoylchlorid erhalten) schmolz nach 
dem Umkrystallisieren aus Alkohol bei 101—102°C. 

0,1194 g gaben 0,3337 COs, entsprechend 0,0910 C und 0,0598 Hs0, 
entsprechend 0,0066 H. 


Berechnet für CgHg(CO Ce H3)a 03: Gefunden: 
C 76,30 76,22 
H.-: 5,20 5,56. 


Die vorstehenden Befunde lehren, daß das fragliche Phenol 
identisch ist mit demjenigen Homologen des ÖOrcins, welches ich 
künstlich durch die Spaltung von Methylenbisorein mit Natronlauge 
und Zinkstaub dargestellt, in einer besonderen Abhandlung!) genauer 
beschrieben und als (1-2) Dimethylphendiol (3.5) charakterisiert habe. 


un 
CH SCH 
HOC L. l _—_C0OH 


H 


Aus dem synthetisch aus Methylenbisorcin dargestellten Phenol 
hatte ich früher durch Einwirkung von überschüssigem Brom in Eisessig 
das Ketobromid CgHgBr;0s (Schmp. 128—129° gewonnen?). Das 


I) Liebig’s Annalen 329, 301. 
2) Liebig’s Annalen ]. c. 329, 307. 


O0. Simon: Cetrarsäure. 461 


aus Cetrarsäure erhaltene 1-2 Dimethylphendiol (3-5) lieferte 
zunächst bei vorsichtiger Bromierung zwei niederere Bromierungs- 
stufen des Phenols. 

0,4 g wurden in Chloroform suspendiert mit 1,1 g Brom (4 Mol.) 
versetzt. Nach dem freiwilligen Verdunsten des Lösungsmittels blieb 
ein krystallinischer Rückstand, großenteils löslich in Benzol. Davon 
ungelöst blieben Krystalle (Schmp. nach dem Umkrystallisieren 112°), 
deren Bromgehalt dem Tribrom-1-2-Dimethylphendiol (3-5) 
entsprach: 


0,1570 g gaben 0,2357 AgBr, entsprechend 0,1003 Br. 


Berechnet für C3H7Br, 05: Gefunden: 
Br 64,00 63,88. 


Die abfiltrierte Benzollösung wurde mit Ligroin vermischt; 
während des Verdunstens auf einer Wärmeplatte schieden sich farb- 
lose Nadeln (Schmp. 98°) ab, deren Zusammensetzung einem Dibrom- 
derivat entsprach. 


1. 0,1576 g gaben 0,1842 CO,, entsprechend 0,0502 C und 0,0425 Hs0, 


entsprechend 0,0047 H. 
2. 0,0913 g gaben 0,1188 AgBr, entsprechend 0,0506 Br. 


Berechnet für CgHgBra 03: Gefunden: 
C 32,43 31,88 
H 2,70 2,99 
Br 54,05 55,37. 


Durch weiteres Bromieren dieser Krystalle mit überschüssigem 
Brom in Eisessig erhielt ich endlich große vielflächige Krystalle (nach 
dem Umkrystallisieren aus heißem Eisessig Schmp. 127°) des oben 
erwähnten Ketobromids CO; Hs, Br; Os. 


0,0702 g gaben 0,1162 AgBr, entsprechend 0,0494 Br. 


Berechnet für C3HgBr4 0a: Gefunden: 
Br 70,48 70,44. 


Schon in meiner ersten Mitteilung’) habe ich kurz zwei weitere 
krystallisiertte Substanzen erwähnt, die bei der Spaltung von 
Cetrarsäure mit Natronlauge und Zinkstaub entstehen. Zahlreiche 
spätere Versuche lehrten, daß diese Spaltungsprodukte konstant auf- 
treten. Ich konnte aber kein Verfahren ausfindig machen, um die 
sehr spärliche Ausbeute zu verbessern und war daher auch nicht im 
Stande, die Konstitution dieser zu dem sehr zersetzlichen Produkte 
endgültig festzustellen. 


1. c. 8. 548. 


462 O0. Simon: Cetrarsäure. 


Der eine der beiden fraglichen Körper, den ich vorläufig als 
Spaltungsprodukt A bezeichne, befindet sich in dem harzartigen 
Niederschlage, der nach der Einwirkung von Natronlauge und Zink- - 
staub auf Cetrarsäure beim Einfließen des alkalischen Filtrats in ver- 
dünnte Schwefelsäure sich abscheidet. Man erhält ihn durch wieder- 
holtes Auskochen dieses Harzes mit Wasser, wobei ein Teil als braune, 
unter siedendem Wasser schmelzende Masse ungelöst bleibt, während 
sich aus dem gelbgefärbten Filtrate feine, geruchlose hellgelbe, brennend 
schmeckende Nadeln abscheiden; zunächst aus kochendem Wasser um- 
krystallisiert, schmolz die Substanz unscharf bei 125—130°. Durch 
weiteres Umkrystallisieren aus Xylol oder verdünntem Alkohol, Auf- 
lösen der Krystalle in Sodalösung und Ausschütteln dieser alkalischen, 
intensiv gelben und die Haut färbenden Lösung mit Aether, erzielte 
ich schließlich schön gelbgefärbte Nadeln vom Schmp. 129—132° 
(Exrstarrungspunkt 121°), leicht sublimierbar in zitronengelben Nadeln, 
und leicht löslich in organischen Lösungsmitteln, mit Ausnahme von 
Benzol und Petroläther, schwierig löslich in heißem Wasser. Von 
Lösungen der Alkalien und Alkalikarbonate werden die Krystalle 
leicht unter gelber Färbung der Lösung aufgenommen. Ferrichlorid 
färbt die wässerige Lösung grün. Der Körper ist methoxylfrei und 
krystallisiert ohne Krystallwasser. 

Bei der Elementaranalyse erhielt ich Resultate, die, bei Berück- 
sichtigung des kryoskopisch ermittelten Molekulargewichtes von 180, 
die Autstellung einer sicheren Bruttoformel nicht gestatteten. Für die 
aus später anzugebenden Gründen wahrscheinlichste Formel Oj0H130g 
wurde um 1% zu wenig Kohlenstoff gefunden. 


1. 0,1760 g gaben 0,4230 COs, entsprechend 0,1154 C und 0,0948 HsO, 
entsprechend 0,0105 Hs0. 

2. 0,2017 g gaben 0,4844 COs, entsprechend 0,1321 C und 0,1150 H3O, 
entsprechend 0,0127 H. 

3. 0,1571 g erniedrigten den Erstarrungspunkt von 10,0 Naphthalin um 
0,610, entsprechend dem Mol.-Gew. 180. 


Berechnet für Gefunden: 
CjoHıa O3: 1. 2. 
C 66,66 65,55 65,49 
H 6,66 5,98 6,33 

Mol.-Gew. 180 180. 


Anilid. Aus der alkoholischen Lösung der reinen Krystalle 
(0,6 g) schieden sich auf Zusatz von 15 Tropfen Anilin langsam 
schön rot gefärbte glänzende Nadeln aus, die nach dem Absaugen und 
Abwaschen mit etwas Alkohol bei 184°. unter Zersetzung schmolzen, 
und in organischen Lösungsmitteln mit intensiv gelber Farbe sich 


O0. Simon: Cetrarsäure. 463 


lösten. Durch Umkrystallisieren aus Ligroin wird der Schmelzpunkt 
nicht geändert, sodaß es bei der ohnehin schlechten Ausbeute (aus 
0,6 g 0,3 g Anilid) ratsam ist, das Umkrystallisieren zu unterlassen. 

Die Analysen dieses Körpers stützen ziemlich gut die Formel 
CoHı0 0: :- Cs H; NH.. 

1. 0,1459 g gaben 0,4029 CO,, entsprechend 0,1099 C und 0,0848 H30, 
entsprechend 0,0094 H. 

2. 0,0630 g gaben 0,1756 COg, entsprechend 0,0479 C und 0,0382 H,O, 
entsprechend 0,0042 H. 

3. 0,0926 g gaben bei 22°C. und 752,5 mm Druck 5 ccm Stickgas, 
entsprechend 0,00565 N. 


Berechnet für Gefunden: 
CjoH1o Os: Cg H; NH3: T: 2. 3. 
C 75,29 75,31 7601 — 
H 6,66 65 63° — 
N 5,48 -- — 6,10. 


Aus dem bisher Mitgeteilten läßt sich nur entnehmen, daß das 
Spaltungsprodukt A ein Karbonyl enthält und wahrscheinlich ein 
Keton ist; einen Schritt weiter führten die folgenden Versuche. 

Bei der Einwirkung von Brom in großem Ueberschuß auf 
die in Eisessig verteilten Krystalle entstand ein in derben Rhomben 
krystallisierendes Bromid, das in der Kälte von Sodalösung nicht an- 
gegriffen wurde und durch Abwaschen damit gut gereinigt werden 
konnte; nach dem Umkrystallisieren aus Ligroin schmolz es bei 129° 
unter Zersetzung. 

1. 0,1340 g gaben 0,1061 CO, entsprechend 0,0289 C und 0,0206 HsO, 
entsprechend 0,0023 H. 

2. 0,1615 g gaben 0,2702 AgBr, entsprechend 0,1149 Br. 

- 3. 0,1301 g gaben 0,2182 AgBr, entsprechend 0,0928 Br. 

4. 0,1790 g gaben 0,1396 COs, entsprechend 0,0381 C und 0,0210 Hs0, 
entsprechend 0,0023 H. 

5. 0,1762 g gaben 0,2954 AgBr, entsprechend 0,1257 Br. 

6. 0,1616 g erniedrigten den Erstarrungspunkt von 10,0 Naphthalin um 
0,260, entsprechend dem Mol.-Gew. 435. 

Aus der Formel C}oHıa03 läßt sich direkt kein Bromid ableiten, 
dessen Zusammensetzung den obigen Werten entspräche; sie passen 
hingegen befriedigend zu der Formel C3H,Br405s, die dem oben er- 
wähnten Ketobromid des 1-2-Dimethylphendiols (3-5) zukommt. 


Berechnet für Gefunden: 

107 He Br; Os : 1. 2. 3. 4, 5; 
C 21,15 21,59 — — . 21,265 — 
H 1,32 169 °— —_ 130 — 
Br 70,48 — 7119 7087 — 71,33 


Mol.-Gew. 454 435. 


464 O0. Simon: Cetrarsäure. 


Da auch der Schmelzpunkt des Bromids (129°) und sein sonstiges 
Verhalten mit den Eigenschaften des bezeichneten Ketobromids 
übereinstimmen, darf man die Identität beider Körper zum mindesten 
als wahrscheinlich ansehen. Das Spaltungsprodukt A (C,oHı20;) 
könnte dann vom 1-2-Dimethylphendiol3-5 (C;zH;00s) durch Ersatz 
eines H durch die Ketongruppe —CO-CH;, abgeleitet werden, welch 
letztere bei der Einwirkung von Brom im Ueberschuß — analog wie 
es beim Filieinsäurebutanon der Fall ist!) — abgespalten würde. 


CH; CH; 
€ C 
CH,“ 3 CH BCC—SN CBra 
HOC\__-CHO ocl_ 00 
) Ü 
CO-CHz Bra 


Ein zweiter, dem soeben beschriebenen ähnlicher krystallinischer 
Körper findet sich in dem Stoffgemenge, das aus dem Spaltungsprodukte 
der Cetrarsäure nach Abscheidung der durch Säure fällbaren harzigen 
Stoffe, durch Ausschütteln mit Aether in alkalischer Lösung gewonnen 
wird (Phenolgemenge). Nimmt man dieses Gemenge in heißem Wasser 
auf, so scheiden sich aus dem Filtrate nach dem Erkalten feine gelbe 
Nadeln ab. Die Reinigung dieses Stoffes war mit großen Schwierig- 
keiten verbunden, und ich kann nur sehr wenig über ihn aussagen. 
Vielleicht können indessen doch die wenigen Daten späteren Unter- 
suchern von einigem Nutzen sein. Nach  wiederholtem Ausschütteln 
aus alkalischer Lösung mit Aether, Umkrystallisieren aus Ligroin, 
heißem Wasser und zuletzt aus Xylol schmolz die über Schwefelsäure 
getrocknete Substanz bei 119—121°. Obwohl ich keine Formel auf- 
stellen kann, seien die Ergebnisse der Elementaranalyse und Molekular- 
gewichtsbestimmung mitgeteilt. 


1. 0,1093 g gaben 0,2547 COs, entsprechend 0,0694 C und 0,0602 Hs0, 
entsprechend 0,0067 H (63,55% C, 6,119 H). 

2. 0,1622 g gaben 0,3788 COs, entsprechend 0,1033 C und 0,0820 Hs0, 
entsprechend 0,0091 H (63,69% C, 5,61% H). 

3. 0,1626 g gaben 0,3760 CO., entsprechend 0,1025 C und 0,0828 Hs0, 
entsprechend 0,0092 H (63,06% C, 5,65% H). 

4. 0,1780 g erniedrigten den Erstarrungspunkt von 10,0 Naphthalin um 
0,760, entsprechend dem Mol.-Gew. 164. 


Durch Einwirkung von Anilin auf die in Alkohol gelösten 
Krystalle in der Kälte erhielt ich ein Anilid, das in orangegelben 
Prismen krystallisierte und unter Zersetzung bei 189—190° schmolz. 


1) Vergl. Liebig’s Annalen 318, 235. 


O0. Simon: Cetrarsäure. 465 


1. 0,1849 g gaben 0,4974 CO,, entsprechend 0,1356 C und 0,1020 H30, 
entsprechend 0,0113 H (73,36% C, 6,13% H). 

2. 0,1674 g gaben 0,4513 COg, entsprechend 0,1231 C und 0,0916 H,O, 
entsprechend 0,0102 H (73,52%, C, 6,08% H). 

3. 0,2080 g gaben bei 130 C. und 754 mm Druck 13,45 ccm Stickgas, 
entsprechend 0,01583 g (7,61%) N. 

4. 0,1511 g gaben bei 119 C. und 742 mm Druck 8,35 ccm Stickgas, 
entsprechend 0,00976 g (6,46%) N. 


Bei der Behandlung mit Brom im Ueberschuß unter Eisessig 
entstand auch aus diesem Körper ein sodaunlösliches Bromid (derbe 
Rhomben vom Schmp. 116—121°). 


1. 0,1844 g gaben 0,1182 CO,, entsprechend 0,0322 C und 0,0307 H30, 
entsprechend 0,0034 H (17,48% C, 1,85% H). 
2. 0,1589 g gaben 0,2860 AgBr, entsprechend 0,1217 (76, ‚o8%) Br. 


Verhalten der reinen Cetrarsäure gegen Brom. Läßt 
man Brom im Ueberschuß auf fein pulverisierte Cetrarsäure entweder 
direkt oder nach vorheriger feiner Verteilung der Substanz in Eisessig 
oder Chloroform einwirken, so findet sehr langsam Reaktion statt. 
Das Gemenge verwandelt sich allmählich (nach mehreren Stunden) in 
einen Brei nadelförmiger Krystalle, die nach dem Umkrystallisieren 
aus heißem Eisessig oder absolutem Alkohol bei 181—185° schmelzen. 
Das Bromid ist in allen Lösungsmitteln sehr schwierig löslich, in 
Sodalösung langsam unter sehr träger Kohlensäureentwickelung. 
Zahlreiche Analysen, die ich mit Präparaten verschiedener Darstellung 
ausführte, gaben nicht immer übereinstimmende Resultate und lassen 
vermuten, daß Cetrarsäure zunächst zwei Atome Brom aufnimmt, und 
dieses Bromid dann, besonders beim Umkrystallisieren aus heißen 
Lösungsmitteln, allmählich Kohlensäure abspalte. Das Bromderivat 
ist noch methoxylhaltig, gibt aber nicht mehr die für Cetrarsäure 
charakteristische Blaufärbung mit alkoholischer Salzsäure. 


1. 0,1260 g gaben 0,2047 CO,, entsprechend 0,0558 C und 0,0463 H3s0, 
entsprechend 0,0051 H. 

2. 0,1732 g gaben 0,2816 CO3, ee 0,0768 C und 0,0565 Hs0, 
entsprechend 0,0063 H. 

3. 0,1817 g gaben 0,2925 CO,, entsprechend 0,0798 C und 0,0556 H3s0O, 
entsprechend 0,0062 H. 

4. 0,1616 g gaben 0,2590 CO3, entsprechend 0,0706 C und 0,0522 H,O, 
entsprechend 0,0058 H. 

5. 0,1395 g gaben 0,0946 AgBr, entsprechend 0,0403 Br. 

6. 0,1845 g gaben 0,1234 AgBr, entsprechend 0,0525 Br. 

7. 0,2299 g gaben 0,1512 AgBr, entsprechend 0,0643 Br. 

8. 0,2437 g gaben 0,1787 AgBr, entsprechend 0,0760 Br. 

9. 0,2795 g gaben 0,2013 AgBr, entsprechend 0,0857 Br. 


Arch. d. Pharm. CCXXXXIV. Bds. 6. Heft. SU 


466 W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 


10. 0,1486 g gaben 0,0997 AgBr, entsprechend 0,0424 Br. 
11. 0,2504 g gaben 0,0989 AgJ, entsprechend 0,0130 Methoxyl. 
12. 0,1747 g gaben 0,0755 AgJ, entsprechend 0,00997 Methoxyl. 


Berechnet für 


CoH;s Bra Og: Cjo H;s Bra Or: 

GC 0285 44,42 

H 2,85 3,10 

Br 28,50 31,00 

OCH, 5,5 6,0 
Gefunden: 


mosigs5asgtadig: 5, IB EFT U 7 7 
C 44.30 434 430 371 — --El=BiE gm Mae ao 
H 407: 3,63 339, 359...—ns —0 Sei oe Ber 
Br = 0-00 238,85 28,46 27,98 31,20 30,64 8,54 — — 
OCHE „.ır — u. SrurTi San en ah RR learn Oder u 5.70 


Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Leipzig. 


Ueber Filixgerbsäure. 
(II. Mitteilung.) 

Von Dr. W. Wollenweber. 

(Eingegangen den 25. IX. 1906.) 


Von den chemischen Bestandteilen des offizinellen Filixrhizoms 
haben in erster Linie diejenigen praktisches Interesse, welchen die 
Droge und das aus ihr hergestellte galenische Präparat, das ätherische 
Extrakt, ihre Wirksamkeit und ihre Anwendung als Wurmmittel ver- 
dankt. Es sind dies die zahlreichen Glieder der Filixsäuregruppe, 
deren Darstellung und chemische Untersuchung innerhalb der letzten 
zehn Jahre durch die Arbeiten von R. Boehm!) zu einem gewissen 
Abschluß gekommen ist, und die nicht den eigentlichen Gegenstand 
der vorliegenden Arbeit bilden, obwohl an einzelnen Stellen derselben 
auf sie Rücksicht zu nehmen sein wird. 

Durch die histiologische Untersuchung der Filicineenrhizome?) 
ist man zu dem Ergebnis gekommen, daß diese im gewissen Sinne 
spezifischen Stoffe in den eigentümlichen inneren Drüsen entstehen, 
welche im Grundgewebe der. unterirdischen Stämme und der Basen 


1) Liebigs Annalen 302, 171; 307, 250; 318, 230. 
2) Vergl. Anatom. Atlas der Pharmakognosie. Dr. A. Tschirch und 
Dr. Oesterle. 


W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 467 


der Blattstiele nicht bloß von Aspidium filix mas, dem eigentlichen 
Wurmfarn, sondern auch von Aspidium atamanthicum (Rhizoma 
Pannae), Aspidium marginale, Aspidium rigidum und Athyrium filix 
femina, sowie von Polystichum spinolosum nachgewiesen worden sind. 
In der Tat sind auch allen diesen Farrenkräutern wurmtreibende 
Wirkungen eigentümlich, wenn auch bis jetzt nur aus Aspidium filix 
mas, Athyr. filix femina, Polystisch, spinolosum und Aspid. atamanthie. 
die verschiedenen Körper der Filixsäuregruppe in reinem Zustande 
isoliert worden sind. 

Die Berücksichtigung der außer diesen wurmtreibenden Stoffen 
in den verschiedenen Farrenkräutern und besonders in Aspidium filix 
mas enthaltenen chemischen Bestandteile bietet zunächst weniger 
praktisch - pharmazeutisches als phytochemisches Interesse. Eine 
Anzahl in dieser Richtung von mir angestellter Beobachtungen sollen 
in den vorliegenden Blättern mitgeteilt werden. 

Wenn man zunächst wieder an die histiologischen Befunde bei 
Rhizoma filicis anknüpft, so ergeben sich als sichtbare Bestandteile vor 
allem reichliche Mengen von Amylum in Form kleiner, aber gut aus- 
gebildeter Stärkekörner und fein verteilte Fetttröpfchen. Ueber den 
verhältnismäßig hohen Fettgehalt der Rhizome gibt am besten das 
offizinelle ätherische Extrakt Aufschluß, das zu 70-—75% aus fettem 
Oel besteht. Legt man für die Ausbeute an ätherischem Extrakt, 
wie sie aus trokenem, gutem Herbstrhizom erhalten wird, einen 
Durchschnittswert von 6% zu Grunde, so würde sich der Fettgehalt 
des trockenen Rhizoms auf ca. 4—4,5 % belaufen. 

Der hohe Gehalt des Wurmfarns (sowie auch vieler anderer 
Filieineendrogen) an Gerbstoff ist lange schon bekannt. Ein blankes 
Messer hinterläßt beim Durchschneiden frischer Farrenblätter oder 
-Stämme dunkelgrünschwarze Spuren auf den Schnittflächen und be- 
schlägt sich selbst mit einer schwärzlich grünen Schicht. Vorsichtig 
hergestellte mikroskopische Schnitte durch Blattstiele oder Rhizome 
von Filix mas lassen farblosen Zelleninhalt erkennen, während nach 
längerem Liegen an der Luft sowohl wie nach längerer Aufbewahrung 
in Spiritus die Zellmembranen sich mehr oder weniger dunkelbraun 
färben. Diese Färbung rührt von einer Imbibition der Zellhäute 
mit Gerbstoff her, der in der frischen Pflanze im Zellsafte farblos 
aufgelöst ist. (N.B. Rasch getrocknetes und gepulvertes Filixrhizom 
weist noch größtenteils farblose Zellmembranen auf.) 

Mit der genaueren Untersuchung der Filixgerbsäure hat sich zuerst 
Luck, später Malin und zuletzt Reich im hiesigen pharmakologischen 
Institut beschäftigt. Ich werde später noch auf die Resultate dieser 
Autoren zurückkommen. Einige später von Herrn Professor 

30* 


468 W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 


R. Boehm gemachte Beobachtungen veranlaßten ihn, mir die noch- 
malige Untersuchung der Filixgerbsäure vorzuschlagen. 


Zur Lösung dieser Aufgabe erschien es erforderlich, an frischem _ 


und getroeknetem Material Vorversuche, besonders über das Verhalten 
gegen verschiedene Lösungsmittel anzustellen. Hierüber möchte ich 
zuerst berichten. 

Befeuchtet man mit dem Saft eines eben durchschnittenen frischen 
Filixrhizoms einen Fichtenspan und übergießt ihn hierauf mit 
rauchender Salzsäure, so tritt allmählich eine mehr oder weniger 
intensive Rotfärbung auf, wie sie auch durch verschiedene Phenole 
und durch Pyrroldampf hervorgerufen wird. 

Herr ProfessorR.Boehm, welcher die Fichtenspanreaktion 
frischer Filixrhizome (auch Aspidium marginale und rigidum geben die 
gleiche Färbung) zuerst beobachtet hat, ermächtigt mich zu der 
Mitteilung, daß es ihm niemals gelungen ist, auch nur Spuren von 
Phlorogluein oder Homologen desselben in wässerigen oder weingeistigen 
Auszügen von Farrenrhizomen nachzuweisen. Die Reaktion muß daher 
von anderweitigen Bestandteilen herrühren. 

Ein großes frisches Filixrhizom mit den Blattbasen, möglichst 
von Erde gesäubert, wurde fein zerschnitten, in einer Hackmaschine 
zermahlen, zum dicken Brei mit Brunnenwasser aufgerührt, 24 Stunden 
stehen gelassen und hierauf durch ein Colatorium gepreßt. Die trübe 
Colatur färbte den mit HCl befeuchteten Fichtenspan langsam und 
nicht sehr intensiv rot. Das klare Filtrat dieser noch feine Gewebe- 
reste enthaltenden Colatur gab die Spanreaktion garnicht, wohl aber 
auf Zusatz von Eisenchlorid eine rasch nach braun umschlagende 
Grünfärbung. 

Die Hälfte der Colatur wurde mit Alkohol gefällt, das Alkohol- 
filtrat eingedampft, bis er sich milchig trübte. Nun gab die Flüssig- 
keit eine sehr intensive Spanreaktion. Der die letztere verursachende 
Stoff ist also zunächst in Wasser weniger als in Alkohol löslich. 

Bereits mit Aether behufs fabrikmäßiger Darstellung von 
ätherischen Filixextrakt erschöpftes Pulver von Filixrhizomen, wovon 
dem pharmakologischen Institut von der Firma Caesar & Loretz 
in Halle eine größere Menge zur Verfügung gestellt wurde, gab an 
kaltes Wasser bei längerer Maceration damit nur sehr unbedeutende 
Mengen von Gerbstoff ab. Nachdem eine Quantität dieses Pulvers 
mehrere Tage mit heißem Wasser digeriert worden war, verwandelte 
sich eine vorher in Wasser gequollene und durch Kalkbehandlung 
enthaarte Kaninchenhaut, die in einem geeigneten Gefäße mehrere 
Tage lang mit dem wieder erkalteten wässerigen Brei des Pulvers in 
Berührung gebracht war, in Leder. Da es sich, wie ich hier vor- 


W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 469 


greifend bemerkte, im späteren Verlaufe der Untersuchung heraus- 
gestellt hat, daß der natürliche Gerbstoff des Filixrhizoms fast in 
allen Verhältnissen (kaum weniger als Tannin) in kaltem Wasser 
löslich ist, ist der Umstand, daß sowohl frisches als getrocknetes Rhizom 
an kaltes Wasser nur sehr wenig Gerbstoff abgibt, bemerkenswert 
und läßt vermuten, daß im Zellsafte die Gerbsäure mit irgend einem 
anderen Stoffe in schwerlöslicher Form verbunden ist. 

Die Behandlung des Rhizoms mit Wasser oder sehr verdünntem 
Weingeist verbot sich übrigens, weil die so erhaltenen Auszüge infolge 
der reichlich vorhandenen Stärke schleimig und unfiltrierbar werden. 

Ich lasse nun zunächst die Resultate einiger Versuche folgen, 
welche über das Verhalten des trockenen Filixrhizompulvers zu ver- 
schiedenen Lösungsmitteln Aufschluß geben. 

Es war nicht ohne praktisches Interesse, genauer festzustellen, 
wieviel luft- oder exsikkatortrockenes Filixpulver an Aether, Benzol 
und Petroläther abgibt, und wie lange Zeit zur völligen Erschöpfung 
des Pulvers erforderlich ist. 

Die Versuche wurden mit je 60,0 g luft- resp. exsikkatortrockenem 
Filixrhizompulver im Soxhlet’schen Apparat ausgeführt. Die 
Extraktionsflüssigkeit, in welcher sich gewöhnlich nach dem voll- 
ständigen Erkalten ein geringer Niederschlag absetzte, wurde von 
diesem abfiltriert, das Filter mit Aether resp. mit den anderen Lösungs- 
mitteln nachgewaschen und schließlich nach dem Abdestillieren des 
Lösungsmittels die Extraktmenge gewogen. 

Ueber die Resultate gibt nachstehende tabellarische Zusammen- 
stellung Aufschluß: 


Lösungsmittel: 


Dauer 


1. Aether | 2. Benzol | 3 Petroläther 
der wi 
Ex-  Extraktmenge aus Extraktmenge aus Extraktmenge aus 

$raktion 60 g Rhizom 60 g Filixrhizom 60 g Filixrhizom 
__ | exsikkator- ' exsikkator- R | exsikkator- 
lufttrocken | tioekon lufttrocken | trocken lufttrocken | Gebcheil 
3 Std. | 49g 47 8 488g | 428g 41g | 42 g 
6 n 6,0 n I 5,4 n 5,6 n | 5,5 n 6,0 n 5,8 n 
8 6,0 „ 53, _ _ _ | — 
Be Spez. Gew. | Spez. Gew. 
0,732 | 0,732 
"608g | 59g = = ei | = 
Iris ie usa 578 | 57g 598 | 588 


> Wege Bu Be u TR aielne ; 569%;M pdazig 


470 W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 


Durch 6 stündige Extraktion werden also dem Filixpulver so- 
wohl durch Aether wie Benzol und Petroläther ziemlich gleiche 
Mengen von ca. 10 % Extrakt entzogen. Durch langdauernde 
Extraktion bis zu 24 Stunden wird die Extraktausbeute nicht mehr 
gesteigert. 

Die mit Aether spez. Gew. 0,732 hergestellten Extrakte waren 
etwas trübe, alle übrigen klar und durchsichtig; erstere bildeten nach 
langem Stehen einen Bodensatz, in welchem Filixsäurekrystalle zu 
erkennen waren. 

Alkohol. 

Alkoholisches Filixextrakt ist bekanntlich im Handel käuflich. 
Reich hat es teilweise als Material für die Darstellung seiner Filix- 
gerbsäure benutzt. 

Ich habe gefunden, daß die Beschaffenheit und die Bestandteile 
‚des Extraktes verschieden sind, je nach dem Wassergehalt des ver- 
wendeten Alkohols und je nach der Temperatur, bei welcher die 
Extraktion vorgenommen wird. 

1. 300,0 g Rhizompulver wurden mehrere Tage lang in der 
Kälte mit Weingeist von 50 Vol.-pCt. maceriert, wobei das Pulver 
sehr stark aufquoll. Die abgepreßte und schließlich klar filtrierte 
Tinktur hinterließ nach dem Abdestillieren des Alkohols und Ein- 
dampfen auf dem Wasserbad ein nicht trocknendes, dickes, klebriges 
Extrakt von zugleich süßem und adstringierendem Geschmack, trübe 
löslich in Wasser und nur teilweise in Alkohol. 

Der in heißem Weingeist lösliche Teil bestand größtenteils aus 
Rohrzucker, enthielt außerdem eisengrünenden Gerbstoff, aber keine 
Spur von Phloroglucin, obwohl die Flüssigkeit intensiv den mit Salz- 
säure befeuchteten Fichtenspan rötete. 

Von weiteren Versuchen mit schwachem Alkohol wurde ab- 
gesehen, weil die Trennung der verschiedenen Stoffe aus dem Extrakt 
mit zu großen Schwierigkeiten verbunden war. 

2. 300,0 g Rhizompulver wurden auf dem Wasserbad mehrere 
Tage lang mit 10 Teilen Alkohol von 96° digeriert. Die Ausbeute 
an Extrakt betrug 50 g. Das Extrakt ist von braungrünlicher Farbe 
und stark adstringierendem Geschmack, in Wasser nur teilweise unter 
starker Trübung löslich. 

Durch Aceton (ca. 10 T.) ließ sich aus dem Extrakt ein amorphes, 
fast farbloses Pulver abscheiden, welches, wie die spätere Untersuchung 
ergab, aus viel Rohrzucker und wenig Gerbstoff bestand. 

Vom Filtrate wurde das Aceton völlig abdestilliert und der 
grünbraune dicke Rückstand mit Aether aufgenommen. Dabei blieben 
reichliche Mengen eines rotgelblichen amorphen Pulvers ungelöst, das 


W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 471 


nach dem Abwaschen mit Aether die Eigenschaften der von Reich 
beschriebenen Filixgerbsäure zeigte und wie diese in kaltem Wasser 
nahezu unlöslich war. Die von diesem Pulver getrennte ätherische 
Lösung hinterließ nach dem Abdestillieren des Aethers ein fettiges, 
dem offizinellen ähnliches Extrakt. Durch Verreibung mit gebrannter 
Magnesia konnten daraus Rohfilixin und aus diesem Filixsäure etc. 
isoliert werden. 

Durch Behandlung mit heißem Alkohol werden dem Filixrhizom 
also Zucker, Gerbsäure und jedenfalls ein großer Teil des Fettes und 
der Filixsäure-Körper entzogen. Die Trennung dieser Bestandteile 
gelingt befriedigend durch Aceton und nachher Aether. 

Durch 96° Weingeist erhält man nur einen Teil des reichlich 
im Rhizom enthaltenen Rohrzuckers. Annähernd vollständig gewinnt 
man letzeren bei Anwendung von Weingeist 90°. 

3. 100,0 g gut getrocknetes Rhizompulver wurde bei Wasserbad- 
temperatur mit Weingeist von 90° erschöpft, und die Tinkturen zur 
Extraktdicke gebracht. Die Ausbeute betrug hier 20 g Extrakt. 
Daraus isoliert 7,5 g (oder % Rohrzucker, 2,6 g Gerbstoff, 10 g 
ätherlösliche Stoffe (Filixsäure etc., Fette). Um zu erfahren, in wie- 
weit die letzteren Substanzen — die Hauptbestandteile des offizinellen 
ätherischen Extraktes — bei der Digestion mit 90° Weingeist gelöst 
werden, habe ich 64,0 g des bereits mit heißem 90° Weingeist 
erschöpften Pulvers nach dem Trocknen im Soxhlet’schen Apparat 
noch mit Aether erschöpft, und erhielt so nur noch 0,4 g Extrakt. 
Es scheint demnach, als ob diese Stoffe dem Rhizom durch heißen 
Alkohol eher noch vollständiger als durch Aether entzogen werden. 


Der Zuckergehalt des Filixrhizoms. 


Ueber den Zuckergehalt des Filixrhizoms hat zuerst in den 
20er Jahren des vorigen Jahrhunderts Gebhard!) gearbeitet und 
beschreibt einen süßen Extraktivstoff ohne jede nähere Angabe. 
Später veröffentlichte Bock?) in einer längeren Abhandlung über die 
off. Filixwurzel einen Befund von 11% Rohrzucker, den er nicht weiter 
charakterisiert und den er auf sehr umständliche Weise von der Gerb- 
säure getrennt hatte. 

Die jüngsten Mitteilungen über den Filixzucker stammen aus 
dem Pharmakologischen Institut der Universität Christiania, wo 
Andersen?) über das Vorkommen von Zucker bei Kryptogamen 


1) Pfaffs System der Materia medica. 
2) Archiv d. Pharm. 1851, S. 271—272. 
3) Landwirtschaftliche Versuchsstationen Bd. 34, S. 408. 


472 W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 


arbeitete. Dieser Autor, dem es nur darauf ankam, den Zucker als 
Saccharose zu identifizieren, gibt nichts über den Prozentgehalt an; 
nur bezeichnet er die von Bock angegebenen 11% „als wahrscheinlich 
viel zu hoch“. Andersen wandte zur Gewinnung des Rohrzuckers 
ein von E. Schulz!) beschriebenes Verfahren durch Fällung mit 
Strontiumhydrat an, mit dem auch ich gute Erfolge erzielt habe. Zur 
Charakterisierung seines Rohrzuckers dient ihm nur das spezifische 
Drehungsvermögen, das bekanntlich [«Jp = + 66,5 ist. Die Polari- 
sationen wurden mit 5 und 10%igen Lösungen ausgeführt. 

Außer durch seine Krystallform, seinen süßen Geschmack und 
sein spezifisches Drehungsvermögen, für dasich [a]p + 66,6 und 66,42 
fand, habe ich den von mir gewonnenen Zucker noch durch sein Ver- 
halten zu Fehling’scher Lösung vor und nach dem Invertieren mit 
verdünnter Salzsäure als Rohrzucker nachgewiesen. Auch habe ich 
die umständlichen Methoden zu seiner Isolierung verlassen und bin 
auf einfachere Weise zu einer quantitativen Bestimmung gelangt. 

Aus heißbereiteten alkoholischen Auszügen des vorher mit 
Aether erschöpften Rhizompulvers lassen sich leicht reichliche Mengen 
krystallisierter Saccharose gewinnen, wenn man die durch Destillation 
eingeengte Tinktur längere Zeit in der Kälte stehen läßt. Dabei 
krystallisiert aber natürlich nur ein Teil des Zuckers aus. Um den 
Rest zu gewinnen, verjagt man den Alkohol vollständig, behandelt 
das rückständige Extrakt solange mit Aceton, bis der darin unlösliche 
Teil pulvrig geworden ist, und läßt das Pulver dann unter Eisessig 
stehen. Hierbei geht es langsam in krystallisierten Rohrzucker über. 
Die Ausbeuten schwankten zwischen 7,5 und 7,8% auf trockenes 
Rbizompulver bezogen. 


Die natürliche Filix-Gerbsäure. 


Bei den verschiedenen zahlreichen Versuchen, das spirituöse 
Filixextrakt in seine einzelnen Bestandteile zu zerlegen, war es auf- 
gefallen, daß der gerbstoffähnliche Anteil in seinen Eigenschaften Ver- 
schiedenheiten aufwies. Das spirituöse Extrakt war, wie oben bemerkt, 
zunächst durch Acetonfällung von der Hauptmenge des Rohrzuckers 
befreit worden. Der in Aceton lösliche Anteil gab nach dem Ab- 
destillieren des Acetons Fett und die Stoffe der Filixsäuregruppe an 
Aether ab, während hierbei der Gerbstoff als mehr oder weniger 
rotgefärbte pulvrige Masse ungelöst zurückblieb. Diese möglichst 
von ätherlöslichen Stoffen befreite amorphe Masse verhielt sich in 
den einzelnen Versuchen, namentlich hinsichtlich ihrer Löslichkeit in 


1) Zeitschrift für Physiologische Chemie 1902, 


W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 473 


Wasser verschieden. Wiederholt war sie darin nahezu unlöslich und 
stimmte dann auch in den sonstigen Eigenschaften mit der von Reich 
beschriebenen Filixgerbsäure überein. In anderen Fällen aber wurden 
von Wasser schon in der Kälte erhebliche Mengen aufgenommen, und 
die wässrige Lösung gab dann außer der Ferrichloridreaktion (Grün- 
färbung) gewöhnlich auch eine mehr oder weniger starke Span- und 
Vanillinsalzsäurereaktion. Aus diesen Beobachtungen durfte der 
Schluß gezogen werden, daß die bisher bekannte, von Luck, Malin 
und Reich beschriebene wasserunlösliche Gerbsäure jedenfalls nicht die 
einzige Form ist, in welcher Gerbstoff im Filixrhizom vorkommt. 

Es war nun meine Aufgabe, den Ursachen der beobachteten 
Verschiedenheiten nachzuforschen und den Gerbstoff oder die Gerb- 
stoffe — denn es war immerhin ja nicht ausgeschlossen, daß mehrere 
vorhanden waren — einwandsfrei rein darzustellen. 

Ehe ich meine eigenen weiteren Resultate mitteilte, ist es wohl 
zweckmäßig, kurz über die Darstellungsmethoden zu referieren, nach 
welchen Luck, Malin und Reich die Filixgerbsäure erhielten. 


Luckt) stellte die Gerbsäure, die er Tannaspidsäure nannte, 1851 aus 
dem spirituösen Filixextrakt dar. Er versetzte den weingeistigen Auszug 
nach dem Abdestillieren eines Teils des Alkohols mit Wasser, etwas Salz- 
säure und Glaubersalz. Die hierdurch abgeschiedenen Massen sammelte er 
auf Spitzbeuteln, wusch mit Glaubersalzlösung aus, verteilte dann den ab- 
gepreßten Niederschlag nochmals in Wasser und digerierte ihn unter Luft- 
abschluß ca. % Stunde mit Wasser und Salzsäure. Dann wurde der Nieder- 
schlag sorgfältig ausgewaschen, getrocknet und endlich so lange mit Aether 
extrahiert, bis dieser nichts mehr aufnahm. Luck bemerkt ausdrücklich, 
daß die so gewonnene „Tannaspidsäure“ in Wasser unlöslich sei. Wie Reich 
gezeigt hat, stimmt sie in ihren wichtigsten Eigenschaften mit der von ihm 
selbst gewonnenen Filixgerbsäure überein. 

Malin?2), der unter Hlasiwetz arbeitete, kam es mehr darauf an, 
die Zersetzungsprodukte der Filixgerbsäure kennen zu lernen. Auf ihre 
Reindarstellung hat er weniger Arbeit verwendet. Die Methode der Dar- 
stellung bestand bei ihm darin, daß er den wässerigen Auszug des Filix- 
rhizoms mit Bleizucker fällte, den Bleiniederschlag durch Schwefelwasserstoff 
zerlegte und das Filtrat vom Schwefelblei auf dem Wasserbad verdampfte. 
Das jedenfalls unreine Produkt war ein braunes, hygroskopisches Pulver, das 
mit Wasser eine trübe Lösung gab. 

Reich gewann die Filixgerbsäure als zweifellos einheitlichen Körper, 
nachdem er verschiedene Verfahren auf ihre Brauchbarkeit hin geprüft hatte, 
ausschließlich durch fraktionierende Fällung des in 10% Weingeist aufgelösten 
spirituösen Extraktes mit Bleizucker. Die sorgfältig mit Wasser aus- 
gewaschenen Niederschläge zersetzte er unter 30% Weingeist mit Schwefel- 


I) Annal. 54, 119 und Jahrb. f. prakt. Pharm. 22, 159. 
2) Annal. 143, 276. 


474 W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 


wasserstoff. Die Filtrate vom Schwefelblei lieferten schließlich durch vor- 
sichtiges Eindampfen und einige hier nicht wiederzugebende Reinigungs- 
methoden den Körper als amorphes zimmtbraunes Pulver. Reich selbst 
bezeichnet es als in Wasser in der Kälte sehr wenig, beim Kochen etwas 
mehr lösliches Pulver, welche Angaben ich an den noch im Pharmakologischen 
Institut vorhandenen Präparaten bestätigen konnte. Eine Spanreaktion war 
mit Reich’scher Filixgerbsäure auf keine Weise zu erhalten. Auf die 
sonstigen Resultate der Reich’schen Untersuchungen werde ich später 
zurückkommen. 


Aus dem Mitgeteilten ist ersichtlich, daß diejenigen beiden 
Autoren, welche sich bisher ıwit der Reindarstellung des Filixgerbstoffes 
beschäftigten, Luck und Reich, diesen als in Wasser nahezu un- 
löslichen Körper erhielten. 

Bei meinen Voruntersuchungen war ich zu der Einsicht gekommen, 
daß, wenn die Bleifällung bei der Gerbstoffdarstelluong umgangen 
werden sollte, ein Extraktionsmittel angewandt werden mußte, das den 
Gerbstoff leicht und vollständig aufnahm, zugleich aber möglichst 
wenig von dem so reichlich vorhandenen Rohrzucker auflöste. Als 
solches konnte nur absoluter Alkohol in Frage kommen. Außerdem 
mußte, um möglichst wenig Zucker zu lösen, bei der Extraktion eine 
höhere Temperatur vermieden werden. Das Verfahren, das zu dem 
gewünschten Ziele führte, war folgendes: 


Gut getrocknetes Filixrhizompulver wurde in einem Perkolator 
mit absolutem Alkohol bis zur Erschöpfung extrahiert, die alkoholischen 
Tinkturen in kleinen Portionen von höchstens 100 ccm im luft- 
verdünnten Raume und bei möglichst niederer Temperatur abdestilliert 
und die bei der Destillation der einzelnen Portionen verbliebenen 
Extrakte gesammelt. 

Beläßt man das bei den einzelnen Destillationen erhaltene Extrakt 
im Destillierkolben und füllt successive auf das Extrakt neue Portionen 
von Tinktur nach, so daß also das Extrakt wiederholt und längere Zeit 
der Destillationstemperatur ausgesetzt wird, so kann, wie ich beobachtet 
habe, der Gerbstoff auch bei diesem Verfahren in mehr oder weniger 
unlöslicher Form resultieren. 

Die vereinigten Extraktportionen übergießt man dann mit viel 
reinem Aether. Nach gutem Durchschütteln setzt sich am Boden des 
Gefäßes der Gerbstoff als dichte Masse von der grün gefärbten 
ätherischen Lösung ab. Letztere läßt sich nach einiger Zeit gut und 
klar von dem Bodensatz abgießen und liefert nach dem Abdestillieren 
des Aethers einen fettigen Rückstand, der im wesentlichen nur die 
Bestandteile des ätherischen Filixextraktes enthält und wie dieses 
bequem nach der Magnesiamethode auf die Körper der Filixsäuregruppe 


W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 475 


verarbeitet werden kann. Der ätherunlösliche Bodensatz wird noch 
wiederholt mit kleineren Mengen Aether abgewaschen und läßt sich 
dann leicht in zusammenhängenden, nicht klebrigen Klumpen aus dem 
Gefäß herausnehmen. In diesem Stadium ist der Gerbstoff zwar leicht 
in kaltem Wasser löslich; die wässerige Lösung ist aber infolge des 
Vorhandenseins von noch etwas Fett und anderen ätherlöslichen 
Stoffen milchig getrübt, gibt jedoch eine starke Spanreaktion. Um 
den Gerbstoff weiter zu reinigen, extrahiert man ihn längere Zeit im 
Soxhlet’schen Apparat so lange mit Aether, bis dieser nichts mehr 
aufnimmt. Hiernach gibt er dann mit Wasser eine klare Lösung. Ich 
habe endlich das so gewonnene Prbdukt, ein hell rötlichgelbes trockenes 
Pulver, nochmals in kaltem Wasser gelöst, die wässerige Lösung 
filtriert und in flachen Schalen auf dem Wasserbad zur Trockne ein- 
gedampft. Der Verdampfungsrückstand, eine leicht zu Pulver 
zerreibliche, absolut nicht klebrige Masse ist reine Filixgerbsäure. Das 
Pulver muß völlig klar und in jedem Verhältnis in kaltem Wasser 
löslich sein, und die 1% wässerige Lösung darf im Polarisationsapparate 
keine Rechtsdrehung erkennen lassen. Eine solche zeigt, wenn vor- 
handen, die Verunreinigung mit kleinen Mengen von Rohrzucker an. 
Das Pulver hinterließ bei der Veraschung keine wägbaren Mengen von 
Mineralbestandteilen. Die Ausbeute ist eine sehr gute. Ich erhielt 
wiederholt 7,8% (auf trockenes Rhizompulver berechnet) reine, wasser- 
lösliche Gerbsäure, während Reich nur 2,7% erhielt. 

Die von mir isolierte Gerbsäure ist nun aber ganz bestimmt 
nicht identisch mit dem von Reich dargestellten und analysierten 
Produkte. Sie unterscheidet sich vor allem darin, daß sie fast un- 
begrenzt in kaltem Wasser löslich ist, und daß die wässerige Lösung 
den mit Salzsäure befeuchteten Fichtenspan ebenso rötet, wie es der 
Zellsaft des frischen Filixrhizoms tut. Da, wie meine weiteren Unter- 
suchungen ergaben, ein zweiter Gerbstoff in der Droge nicht vorhanden 
ist und ferner gezeigt werden wird, daßsich die lösliche Filixgerbsäure 
leicht in die von Reich beschriebene unlösliche Form überführen 
läßt, so ist die Annahme berechtigt, daß der von mir isolierte Stoff 
der natürlichen Filixgerbsäure, der von Reich beschriebene aber 
einem durch die Darstellungsmethode entstandenen Umwandlungs- 
produkte derselben entspricht. Nur in einem Punkte glaube ich, daß 
auch meine Filixgerbsäure nicht mehr ganz vollständig ihrem ur- 
sprünglichen natürlichen Zustande entspricht, nämlich in der Farbe. 
Der im frischen Rhizom enthaltene Gerbstoff ist bestimmt farblos, wie 
ich bereits bemerkte. Meine Präparate waren stets von rötlichgelber 
Farbe, die beim Eindampfen wässeriger Lösungen immer noch erheblich 
nachdunkelte. Durch Versuche in kleinem Maßstabe habe ich mich 


476 W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 


aber überzeugt, daß es wohl möglich sein dürfte, bei vollständiger 
Vermeidung des Luftzutritts und höheren Temperaturen — also beim 
Einengen aller Lösungen in Vakuum — die Gerbsäure auch noch in 
ganz in farblosem Zustande herzustellen. Sie hat die Eigenschaft, 
sich unter dem Einfluß des Luftsauerstoffes und der Wärme rasch 
rötlich bis rot zu färben. 

Der Mitteilung der analytischen Resultate seien noch einige 
weitere Notizen über die Eigenschaften der löslichen Filixgerbsäure 
vorangeschickt. ; 

Sie ist stickstoffhaltig. Ihre Löslichkeit in Wasser entspricht 
etwa derjenigen des Tannins. In absolutem Alkohol ist sie in ganz 
reinem Zustande in der Kälte etwas weniger leicht löslich, in allen 
Verhältnissen aber in 90% Alkohol. Es sei hier nochmals auf den 
etwas auffallenden Umstand hingewiesen, daß aus der Wurzel direkt 
— gleichviel ob frisch oder trocken — Wasser den Gerbstoff nur 
ganz spärlich aufnimmt. Gegen Methylalkohol verhält sich die Gerb- 
säure ähnlich wie gegen Aethylalkohol. Von Essigäther und reinem 
Aceton wird nur wenig gelöst, während ein Gemenge von Aceton 
und Alkohol große Mengen auflöst. In Aether, Benzol, Petroläther, 
Schwefelkohlenstoff und Chloroform ist die lösliche ebenso wie die 
wasserunlösliche Filixgerbsäure fast unlöslich. Glyzerin und Eisessig 
lösen sie beide nicht sehr reichlich; von Alkalien und Alkalikarbonaten 
werden sie leicht und mit rotbrauner Farbe aufgenommen. Wässerige 
Lösungen haben auch noch in ziemlicher Verdünnung die Eigen- 
tümlichkeit, stark zu schäumen wie Seifenlösungen. Säuren erzeugen, 
der wässrigen Lösung tropfenweise zugesetzt, in derselben voluminöse 
Niederschläge, was bekanntlich auch bei Tanninlösungen der Fall ist. 
Die Ferrichloridreaktion der wasserlöslichen Filixgerbsäure hat die 
Eigentümlichkeit, daß die Grünfärbung sehr vergänglich ist und rasch 
in eine bräunliche Mißfärbung übergeht. 

Charakteristische Reaktionen gibt die verdünnte wässerige Lösung 
mit Barythydrat und Chlorkalk; Zusatz des ersteren bewirkt zunächst 
ganz ähnlich wie bei einer Tanninlösung eine himmelblaue Fällung, 
wobei aber die blaue Farbe bald in eine hellrote übergeht. Versetzt 
man die wässerige Lösung tropfenweise mit Chlorokalklösung, so ent- 
steht ein dunkelbrauner bis schwarzgrüner Niederschlag, der sich nach 
Zusatz der ersten Tropfen beim Umschütteln unter gelbroter Färbung 
der Flüssigkeit wieder auflöst, auf weiteren Zusatz des Reagens aber 
bestehen bleibt und bei einem gewissen Ueberschuß des letzteren sich 
bis zitronengelb aufhellt!. Die wässerige Lösung gibt außerdem eine 
starke Lieben’sche Jodoformreaktion. In Filixgerbsäurelösung gelegte 
Stücke durch Wasser- und Kalkbehandlung gequollener und ent- 


W. Wollenweber: Filixgerbsäure. re 


haarter Kaninchenhaut nehmen den Gerbstoff rasch auf und verwandeln 
sich in einigen Tagen in elastisches Leder, genau wie in einer 
Tanninlösung. 

Leim- und Eiweißlösungen, ebenso die Lösungen der Salze des 
Strychnins und Chinins werden voluminös gefällt. 

Fehling’sche Lösung und ammoniakalische Silberlösung werden 
beim Erwärmen reduziert, indem sich bei der Silberlösung ein Silber- 
spiegel bildet. Der Geschmack des Fulvers und der wässerigen Lösung 
ist stark zusammenziehend, aber nicht bitter. 

Beim Erhitzen der Gerbsäure auf 100° findet Wasserabgabe statt, 
bei 112° tritt unter starkem Aufblähen der Substanz ein Erweichungs- 
punkt ein, während erst bei 250° eine langsame tiefergreifende Zer- 
setzung eintritt, die schließlich mit Verkohlung endet. Durch Ein- 
dampfen wässeriger Lösungen auf dem Wasserbad wie durch Erhitzen 
der trockenen Substanz im Trockenschrank auf 100° C. werden die 
oben beschriebenen Eigenschaften der löslichen Filixgerbsäure, ins- 
besondere ihre Wasserlöslichkeit nicht verändert. 

Zum Zwecke der Analyse wurde reine luft- und exsikkator- 
trockene Substauz bei 100° bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. 
Dabei verloren von Präparaten verschiedener Darstellung: 


1. 0,8575 g 0,0297 H3O, entsprechend 3,46%. 
2. 0,5715 „ 00191 „ ; 3,34 „ 
3. 0,9150 „ 0,0245 „ S 3,23 „ 
4. 0,8090 „ 0,0245 „ R 3,64 „ 
5. 0,9260 „ 0,0310 „ = 3,35 ; 
6. 0,8120 „ 0,0300 „ 3,69 „ 


Im Mittel: 3,45 „ H3O. 


Bei der Elementaranalyse der bei 100° bis zur Gewichtskonstanz 
erhitzten Substanz gaben: 


0,3126 g bei 752 mm u. 150 4,1 ccm Stickgas, entsprechend 0,0048 g N. 
0,5465 5, „ 758 „ „155072 „ r Pr 0,0083 „ „ 
0,4518, „ 758 „ „155052 „ - " 0,0061 „ „ 
0,4451 „ „ 758 „ „ 150 61 „ “ % 0,0071, „ 


0,1259 g 0,2505 CO, und 0,0605 Ha0. 
0,1259 „ 0,2505 „ „ 0053 „ 
0,1212 „ 0,2420 „ „ 00570 „ 
0,2310 „ 0,4650 „ „ 01102 „ 


In Prozenten: 


2ER 


17 as 1: m 6. 7. 8. 
0 DE _ _ 6496 Bit Be 5 
ae er Zn a 
N 152° 13 15 10 — ai wu ae 


478 ! W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 


Vorstehende Daten entsprechen, wenn man die Zahl der Kohlen- 
stoffatome in der von Reich begründeten Filixgerbsäure-Formel bei- 
behält, befriedigend der Formel: C,H4aNOg + 2H30. 


Berechnet für Gefunden: 
Ca Ba NOss + 2 Ha 0: im Mittel 
C 54,55 54,45 
H 4,88 5,16 ' 
N. : 1,55 1,55 
H5s0 3,84 3,45 


Wird die bei 100° getrocknete, noch vollständig wasserlösliche 
Gerbsäure im Trockenschranke successive auf höhere Temperaturen 
erhitzt, so nimnıt sie allmählich eine viel dunklere Färbung an und 
verliert mehr und mehr die Wasserlöslichkeit. Ich fand, daß die bei 
125° C. bis zur abermaligen Gewichtskonstanz getrocknete Substanz 
in ihrer Zusammensetzung der Reich’schen Gerbsäure entspricht, und 
daß die in dem Temperaturintervall von 100—125° weiter abgegebene 
Wassermenge annähernd genau vier Molekülen entspricht. 

Vier Präparate verschiedener Darstellung, vorher bei 100° 
konstant, verloren beim Erhitzen auf 125° 

1. a) 0,5770 g 0,0389 Hs0, entsprechend 6,75%. 


b) 0,4225 „ 0,030 „ £ 7,58 „, 
2. a) 0,5100 „ 0,0364 „ I 7,14 „ 
b) 0,4412 „ 0,0324 „ ; 7,34 „ 
3. a) 0,7315 „ 0,052 „ x 7,41 , 
b) 0,7500 „ 0,0525 h 7,00 „, 
4. a) 0,5440 „0,0455 „ x 7,99 „ 
b) 1,0520 „ 0,0900 „ i 8,55 „ 


Im Mittel: 7,47 „ 
Berechnet: 7,98 „ 

Zu nachstehenden Analysen wurde die im Schiffehen bei 100° 
vorher bis zur Konstanz getrocknete Substanz verwendet und nochmals 
der beim Erhitzen bis auf 125° eintretende Wasserverlust bestimmt. 

1. 0,1500 g verloren bei 125° 0,0115 Hs0, entsprechend 7,66%; die 
rückständigen 0,1385 g gaben: 0,2986 COs, entsprechend 0,0814 g C und 
0,0548 Ha0, entsprechend 0,0061 H. 

2. 0,3845 g verloren bei 125° 0,0293 H30, entsprechend 7,64%; die 
rückständigen 0,3552 g gaben bei 762 mm und 180 5,18 ccm Stickgas, ent- 
sprechend 1,69 N. 


Berechnet für Gefunden: 
Ca Hge NO + 4H50: 1: 2. 
C 59,27 58,80 —_ 
H 433 4,40 —_ 

N 1,2 — 1,69 


Hs0 7,98 7,66 7,64 


W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 479 


Bei den weiter folgenden Analysen wurde die bei 125° bis zur 
Gewichtskonstanz getrocknete Substanz verbrannt: 


3. 0,4135 gaben bei 752 mm und 200 6,7 ccm Stickgas, entsprechend 
0,0076 N. 

4. 0,3563 gaben bei 752 mm und 20° 5,20 ccm Stickgas, entsprechend 
0,0059 N. 

5. 0,2390 gaben 0,5181 COs und 0,0912 H30. 

6. 0,2135 „ 04662 „ „. 0,0804 


n 


Berechnet für Gefunden: 
Cu Hes NOses: 1, 2. 3. 4. 
C 59,27 _ — 5912 59,53 
H 433 —_ — 424 4,18 
N 1,68 1,83 1,65 _ _ 


Eine mit der Reich’schen Filixgerbsäure in der Zusammensetzung 
und in den äußeren Eigenschaften gleiche Substanz entsteht also aus 
der von mir dargestellten wasserlöslichen Gerbsäure schon durch ein- 
faches Erhitzen auf 125°. Ich konnte ferner nachweisen, daß man 
von der wasserlöslichen Gerbsäure zu dem Reich’schen Präparate 
auch auf dem Wege der Bleifällung gelangen kann. Ich benutzte 
reine wasserlösliche Substanz und verfuhr genau nach der von Reich 
(a. a. O.) angegebenen Methode der Bleitällung und der Isolierung des 
Gerbstoffes aus dem Bleiniederschlag. Die exsikkatortrockene Substanz, 
die nach Reich bei 100° noch Wasser verliert, wurde nach dem 
Erhitzen auf 100° bis zur Gewichtskonstanz verbrannt. 


1. 0,3041 g verloren 0,0072 Hs0, entsprechend 2,37%, 

2. 0,1805 „ ” 0,0045 „ = 2,49 „ 

3. 0,2412 „ ö 0,0058 „ 4 2,41, 

4. 0,5002 g gaben bei 752 mm und 210 8,10 ccm Stickgas, entsprechend 
0,0091 N. 

5. 0,3871 g gaben bei 752 mm und 21° 5,70 ccm Stickgas, entsprechend 
0,0064 N. 

6. 0,1200 g gaben 0,2603 COs und 0,0468 Hs0. 

7. 0,3483. ,, „7 Oel 2 el 1443 


n 


Berechnet für Gefunden: 
Cu Hgs NOjs + Ha0: im Mittel 
C 5927 59,33 
HH 43 4,46 
N 168 1,74 
HO3 2,12 2,42 


Auch die bei 125° getrocknete oder die nach dem Verfahren 
von Reich dargestellte Filixgerbsäure gibt bei Temperaturen über 125° 


480 W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 


noch Wasser ab. Ich erhitzte auf 148°, bis von neuem sich Gewichts- 
konstanz eingestellt hatten. So verloren: 

1. 0,1583 g 0,0065 Hs0, entsprechend 4,31% und gaben: 0,1518 g 
0,3420 COs, entsprechend 0,0933 C und 0,0568 Hg0, entsprechend 0,0063 H; 
es verloren ferner: 

2. 0,3681 g 0,0160 Hs0, entspechend 4,349, und gaben: 0,3821 g bei 
762 mm und 180 6,00 ccm Stickgas, entsprechend 0,007 g N. 


Diese Resultate sprechen dafür, daß noch 2 Mol. Wasser aus 
C;ı Hase NOJg ausgetreten sind. 


Berechnet für Gefunden: 
Cu HgaNO;s + 2H3a0: Eu 2. 
C 61,97 61,46 _ 

H 4,03 4,17 _ 

N 1,76 —_ 1,82 

Hs0 4,37 4,31 4,34 


Aus dem Mitgeteilten ergibt sich, daß die Gerbsäure des Filix- 
rhizoms in hohem Maße zur Anhydridbildung befähigt ist. Die von 
mir nachgewiesenen Hydrationsstufen und Anhydryde sind folgende: 

1. Natürliche Filixgerbsäure — zweckmälig vielleicht als 
Proto-Filixgerbsäure zu bezeichnen, sehr leicht löslich in 
Wasser; entspricht lufttrocken der Formel C,ı His NO;, und gibt 
bei 100°, ohne ihre Löslichkeit im Wasser zu verlieren, zwei Moleküle 
Wasser ab: Oa Ha NOss + 2Hs0 

2. Filix-Gerbsäureanhydrid: — Reich’s Filixgerb- 
säure, in kaltem Wasser sehr wenig löslich, entsteht aus Proto- 
Filixgerbsäure durch Erhitzen auf 125° oder durch Bleitällung, durch 
Abgabe von vier Molekülen Wasser: Ca Ha NOga=Cyu Ha 
NO] +4H3 O 

3. Zweites Filix-Gerbsäureanhydrid,in Wasser unlös- 
lich, entsteht aus dem vorhergehenden bei 148° durch Abgabe von zwei 
weiteren Molekülen Wasser: Osı Haze NO1s = Caı Haa NOj8 + 2 H3 OÖ 
Im ganzen gibt also reine lufttrockene Protofilixgerbsäure 
beim Erhitzen bis auf 148° acht Moleküle Wasser ab. Einen dieser 
Annahme entsprechenden Gewichtsverlust erhielt ich auch in zwei 
Versuchen, in welchen exsikkatortrockene Protofilixgerbsäure 
auf 140° bis zur Konstanz das Gewichtes getrocknet wurde. 


1. 0,8575 g verloren 0,1343 HgO, entsprechend 15,66%. 


2. 0,5715 „ = 0,0896 „' - 15,72 „ 
Berechnet für Gefunden: 
Ca Hgg NOss + 8 Hs0: 4, 2. 
Hs0 15,3 15,6 15,7 


(F r'me*"ung folgt.) 


ed Er DE vr - ge 1 . 
ICHTHYOL. 
Der Erfolg des von uns hergestellten speziellen Schwefelpräparats 

hat viele sogenannte Ersatzmittel hervorgerufen, welche nicht identisch 
mit unserem räparat sind und welche obendrein unter sich verschieden 
sind, wofür wir in jedem einzelnen Falle den Beweis antreten können. 


Da diese angeblichen Ersatzpräparate anscheinend unter Mißbrauch 
unserer Markenrechte auch manchmal fälschlicherweise mit 


Ichthyol 
oder 
Ammonium sulfo-ichthyolicum 


gekennzeichnet werden, trotzdem unter dieser Kennzeichnung nur unser 
spezielles Erzeugnis, welches einzig und allein allen klinischen Versuchen 
zugrunde ;elegen hat, verstanden wird, so bitten wir um gütige Mit- 


teilung zwecks gerichtlicher Verfolgung, wenn irgendwo tatsächlich 


solche Unterschiebungen stattfinden. 


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FRE To 0a Se SEE 1 7 rn Re GL EWT n a 
RE EEE Er 5 


ARCHIV 


DER 


PHARMAZIE 


herausgegeben 


vom 


Deutschen Apotheker-Verein 
unter Redaktion von 


E. Schmidt und H. Beekurts. 


Band 244. Heft 7. 


\\ 


HORA RUM 


| BERLIN. 


Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereins. 


Ausgegeben den 15. November 1906. 


23 
| 
== 
Er 
er 

= 


verschiedener Koblensortan 


L. Rosenthaler, Bemerkungen zur Gore ne Athandlucie = 
E. Rupp, Ueber DIN von galenischen Präparaten. des 


Arzneibuches: ; ° ..-; == SS er DE NE er 


A. Jolles, Ueber Lävulosurie cd Che den N allein der hans im Harn 
G. Barger und H. H. Dale, Die Mutterkornalkaloide . . . 2... 
M. Ssholtz, Ueber die Alkaloide der Pareirawurzel . 


W. Fühner, Beitrag zur Kenntnis der Thalleiochinreaktion. _ EEE 
 _E. Wedekind, Beiträge zur Kenntnis des Santonins, en 
ss H. Thoms, Ueber das Rottlerin. 


% 
: 


AG 


Eingegangene Beiträge. 


(Geschlossen den 8. XI. 1906.) 


FIHHNENNARERNAUNERNENRRFERREHRRREREHEETFERN.G 


Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in der Regel 
monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 bis 
50 Bogen. Ladenpreis für den Jahrgang Mk. I2,—. 


Alle Beiträge für das „Archiv“ sind an die 


Archiv-BRedaktion 


Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg (Hessen) 
oder Herrn Geh. Med.-Rat Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig, 
alle die Anzeigen u. s. w., überhaupt die Archiv-Verwaltung und 
die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den 


Deutschen Apotheker-Verein 
‘ Berlin C. 2, Neue Friedrichstr. 43° = 2 
einzusenden. - TE 


2% 

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il, Seite zum Preise von M 50.—; !/ Seite zum Preise von M 30.—;. a Seite zum 
Preise von M 20.—; !/; Seite zum Preise von M 10.—. Die Grundschritt ist. Petit. 


Beilage-Gebühr für das Tausend der Auflage — z. 2.4300 — M 10.—. Für Beilagen, welche 2 


nicht dem Format des „Archiv“ entsprechen, bleibt besondere Vereinbarung vorbehalten. _ ö 


oO 


W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 481 


Bestimmung des Molekulargewichts der Filixgerbsäure. 


Aus der Elementaranalyse berechnet sich für die lösliche natür- 
liche Filixgerbsäure nach der Formel C,ı Hs NOga + 2Hz O das 
einfachste Molekulargewicht 938, während es für das von Reich 
beschriebene Anhydrid C,, Hs, NO,s + HaO 848 beträgt. 

Eine direkte Molekulargewichtsbestimmung nach der Beckmann- 
schen Gefrier- oder Siedepunktsmethode konnte Reich mit seinem 
Produkte nicht ausführen, da es ihm am geeigreten Lösungsmittel 
fehlte. Ich habe nun Molekulargewichtsbestimmungen nach der 
Beckmann’schen Gefrierpunktsmethode ausgeführt, indem ich als 
Lösungsmittel Wasser verwandte: 


Filixgerbsäure C,H4NOsg + 2Hs0 Mol.-Gew. — 938. 


I 
| 


Wasser Substanz Gefrierpunkts- Mol.-Gew. 
& g '  Erriedrigung (scheinbares) 
20 0,5247 0,101 490 
20 1,0760 0,208 481 
20 0,4993 | 0,100 461 
20 1,1000 0,220 463 
20 0,2430 0,050 450 
20 0,1215 0,028 460 


Im Mittel wurde also das Molekulargewicht = 467 gefunden, was 
ziemlich genau der Hälfte des berechneten einfachsten Molekular- 
gewichts entspricht. Ich habe auch noch Bestimmungen in kon- 
zentrierteren Lösungen ausgeführt, ohne wesentlich andere Resultate 
zu erhalten; mit sehr stark verdünnten Lösungen zu arbeiten, verbot 
sich übrigens wegen der Unsicherheit der Ablesung bei der geringen 
Depression. 

Um eventuell noch anderweitige Anhaltspunkte für die Molekular- 
größe der Filixgerbsäure zu gewinnen, wurden vergleichende Unter- 
suchungen mit dem Kolloid- Tannin angestellt; ich verglich die 
Fähigkeit reinen Tannins und reiner Proto-Filixgerbsäure, durch 
Pergamentpapier zu diffundieren. Ganz entscheidend konnten diese 
Versuche natürlich schon deshalb nicht sein, weil bekanntlich auch 
die Molekulargröße des Tannins nicht ganz sicher feststeht. Immerhin 
mußte der Vergleich einiges Interesse bieten. Es ergab sich, daß 
Filixgerbsäure ganz bedeutend rascher diffundierte als Tannin. 

Die Versuche wurden in der Weise ausgeführt, daß wässerige 


» Lösungen von Tannin und Filixgerbsäure von bekannter Konzentration 
= 


Ye) 
un 
Ze 


in je eine Hülse aus Pergamentpapier eingefüllt und diese Hülse 
Arch. d. Pharm. COXXXXIV. Bds. 7. Heft. 31 


482 W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 


wiederum in ein mit Wasser gefülltes Becherglas eingehängt wurde. 
Das Wasser wurde nach je 24 Stunden erneuert und die wässerige 
Lösung eingedampft. Durch Wägung des Rückstandes der Außen- 
flüssigkeit ließ sich leicht die diffundierte Menge berechnen, ebenso 
zur Kontrolle der Rückstand der in der Hülse zurückgebliebenen Lösung. 


Tannin. 
Im Dialysator 15 ccm einer 5% igen Lösung. 


Tannin im Dialysat. in Gramm 


fs De 
Nach 4h . 22... Freien 00 
ER - 


Lösliche Filixgerbsäure. 
Im Dialysator 10 ccm einer 5%igen Lösung. 


Gerbsäure im Dialysat. in Gramm 


— 


? 2. 3. %% 
Nah 4h . . . .. . 01000 0,1009 0,1009 0,1005 
„48, ..K 0199 019er 01 
man >22. 02903 0,2892 0,2903 0,2900 


Es waren also aus der Tanninlösung binnen 192 Stunden 
4,6 bis 4,7% des vorhandenen Tannins, aus der Lösung der Filixgerb- 
säure aber innerhalb 72 h schon 58% der gelösten Substanz durch die 
Membran diffundiert. 

Filixgerbsäure diffundiert also mindestens ca. llmal so rasch 
durch Pergamentpapier als Tannin, dessen Molekulargewicht man nach 
Walden'!) und Kraft?) zu ca. 1600 anzunehmen hätte. Das 
Molekulargewicht der Filixgerbsäure muß also erheblich niedriger sein. 

Uebrigens liefeıte der Diffundierversuch noch ein weiteres 
Kriterium für die Einheitlichkeit des Stoffes, indem die Rückstände 
der Außenflüssigkeit sowohl wie der Innenflüssigkeit gleiche charakte- 
ristische Reaktionen gaben und die Stickstoffbestimmungen fast gleiche 


Werte lieferten. j 
1. In der Außenflüssigkeit: 


0,3822 g Substanz bei 752 mm Bar. 210° — 49 ccm N = 0,W5g N = 
1,44% N. 
2. In der Innenflüssigkeit: 
0,3625 g Substanz bei 752 mm Bar. 210 = 5,0 ccm N = 0,0056 g N= 
1,54% N. 


1) Ber. 31, 3169. 
2) Ber. 32, 1613. 


W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 483 


Die Basicität der Filixgerbsäure. 


Da die Bestimmung der Basieität der Proto-Filixgerbsäure durch 
Titrieren wegen der intensiven Färbung der Lösungen nicht gut aus- 
führbar war, versuchte ich sie durch die Analyse eines Salzes zu 
bewerkstelligen. Die Alkalisalze konnten wegen ihrer leichten Lös- 
lichkeit in Wasser hierzu nicht verwendet werden. Als geeignet 
erschien das Baryumsalz, das aus der mit Ammoniak versetzten 
wässerigen Lösung des Gerbstoffs auf Zusatz von Baryumchlorid als 
amorpher rotbrauner Niederschlag ausfällt. 

Dieser Niederschlag wurde durch Abpressen, häufiges Dekan- 
tieren mit Wasser und Nachwaschen mit Wasser bis zum Verschwinden 
der Chlorreaktion gereinigt. Das getrocknete Salz ist ein rotbraunes, 
amorphes Pulver, das sich in sämtlichen gebräuchlichen Solventien 
nicht löst und von verdünnten Mineralsäuren kaum angegriffen wird. 

Zur quantitativen Bestimmung wurde das bei 100° konstant 
gemachte Salz im Platintiegel vorsichtig verascht, der Rückstand in 
verdünnter Salzsäure aufgenommen, die filtrierte Lösung mit Schwefel- 
säure ausgefällt und das Baryumsulfat in Rechnung gebracht. 


1. 0,3046 g Salz gaben 0,1052 g BaSO, = 0,0616 g Ba. 
2. 0,3617 „ % ® Din A195 — 0,0728 „ > 


1. 2. Im Mittel: 
20,22 20,13 20,18%. 

Wenn schon die äußeren Eigenschaften darauf hinwiesen, daß 
ein dem von Reich erhaltenen Baryumsalz ähnlicher Körper ent- 
standen war, so wurde dieses durch die Analysen noch mehr bestätigt, 
da Reich einen dem vorstehenden fast gleichen Prozentgehalt an 
Baryum gefunden hatte (19,71% Ba). 

Es ist hiernach anzunehmen, daß schon bei der Bildung der 
Baryumverbindung die labilere Form der Protofilixgerbsäure unter 
Wasseraustritt in das stabilere Anhydrid übergeht, analog wie es ja 
auch bei der Bleitällung der Fall zu sein scheint. Das von mir 
erhaltene Baryumsalz kann daher über die Basicität der Protofilixgerb- 
säure keinen Aufschluß geben. Es entspricht lediglich der schon von 
Reich genauer untersuchten Verbindung des Anhydrid Cs, Hz NO1s 
(C4ı Has NO 1s)2 Ba3, wo 6 durch Metalle ersetzbare Weasserstoff- 
atome durch 3 Baryumatome substituiert sind. 


Berechnet für Gefunden 
(Ca Hag NOjs)a Bag im Mittel: 
Ba 19,90 20,17. 


Einwirkung von Brom auf Filixgerbsäure. 
Reich hat ein Bromderivat der Filixgerbsäure (CO, Has NO1s) 
isoliert und ihren Bromgehalt bestimmt. Er fügte zu einer Lösung 
31* 


484 W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 


der Säure in 2% Kalilauge tropfenweise unter Umrühren Brom im 
Ueberschuß und erhielt einen orangeroten Niederschlag, den er ab- 
saugte und nach reichlichem Waschen mit Wasser auf Ton trocknete. 
Reich schreibt ausdrücklich, daß er nur in alkalischer Lösung ein 
einheitliches Produkt erhalten hätte. Mir ist es nun gelungen, aus 
Protofilixgerbsäure direkt ein Bromderivat zu erhalten, indem ich 
lösliche Säure in möglichst wenig Wasser aufnahm und mit Brom im 
Ueberschuß verrührte. Unter starker Erwärmung und unter spontaner 
Entwicklung reichlicher Mengen weißer Bromwasserstoffnebel resultierte 
ein orangerotes Pulver, das nach gutem Auswaschen mit Wasser auf 
Ton getrocknet wurde. Das amorphe Pulver besaß einen schwachen 
eigenartigen Geruch und war in kaltem Wasser wenig, in heißem 
Wasser etwas reichlicher löslich. Aether, Chloroform, Benzol, Eis- 
essig lösten es nicht oder doch nur sehr wenig, während Alkohol und 
Aceton es mit gelbbrauner Farbe vollständig aufnahmen. Salpeter- 
saures Silber verursachte in alkoholischer Lösung keinen Niederschlag, 
während Eisenchlorid mit schwarzgrüner Farbe reagierte. Beim Lösen 
in Alkalien und wieder Ausfällen mit verdünnten Säuren scheidet sich 
die Verbindung unverändert aus. Rauchende Salpetersäure zersetzt 
bei gelindem Wärmen das Pulver vollständig. 

Ich habe Produkte nach der Reich’schen Methode und durch 
direktes Bromieren analysiert und in beiden Fällen übereinstimmende 
Resultate erhalten. Die Brombestimmungen wurden mit über Kalk 
getrockneter Substanz nach der Methode von Carius ausgeführt. 


A. 
Analysen der Bromverbindung nach Reich in alkalischer Lösung 
bereitet. 
1. 0,2946 g Substanz gaben 0,2832 g AgBr entsprechend 0,1205 g Br. 
2. 0,2867 „ e „ROBTRO FE 4 OT; 
3. 0,1862 „ 4 „ 0,2141 „ CO, und 0,0446 g H30. 
Gefunden: 
E: 2. imMittel 3. 
Br 40,90 41,09 41,00 _ 
CE — _ - 31,36 
H — -- = 2,63. 
B. 


Analysen der Bromverbindung durch direktes Bromieren in wässeriger 
Lösung bereitet. 
1. 0,3185 g Substanz gaben 0,3102 g AgBr entsprechend 0,1320 g Br. 
2. 0,2815 „ A 4. ORTOLT TE 5 O4... 
3. 0,1982 „ 4 „. 0,2273 „ COg und 0,0504 g H30. 


W. Wollenweber: Filixgerbsäure. 485 


Gefunden: 
1, 2. imMittel 3. 
Br 41,44 40,82 41,13 _ 
2 = er 
H — _ _ 2,81. 


Meine Analysen ergaben erheblich höhere Bromwerte, als sie von 
Reich gefunden worden, der für sein Bromderivat die Formel 
Cs Hsı BriaNa O3; aufstellte, die halbiert (Cs Haz Bre NOJ9) entspricht 
Reich ist bei der Aufstellung dieser Formel nicht von dem Anhydrid 
Cs Has NO;s, sondern von dessen Hydrat CO; Hz, NO,s+-H30 aus- 
gegangen und seine Formel könnte auch geschrieben werden 
Cu H» Bre NO,s+2 H>0. 

Meine analytischen Ergebnisse führen auf das höchste Hydrat 
der Protofilixgerbsäure Cu Hs NO9a +2 Ha0 = Cu, H4 NO 5, bezogen 
zu der Formel 

Ca HuoBrs NO oder O4 Has Bra NO 18 + 2 H30, 
wobei ich es, da das Präparat nicht bei 100° getrocknet werden 
konnte, unentschieden lassen muß, welcher der beiden Ausdrücke den 
Vorzug verdient. Auf »alle Fälle ist ersichtlich, daß Protofilixgerb- 
säure zwei Atome Brom mehr aufnimmt als das Anhydrid. 

Die Spaltungsmethode mit Zinkstaub und Natronlauge, gab 
Reich bei Filixgerbsäure nur spärliche Kesultate, doch konnte 
er Phlorogluein und Protocatechusäure nachweisen. Mir kam es mehr 
darauf an zu untersuchen, wie das Stickstoffatom im Filixgerbsäure- 
molekül gebunden ist. Ich habe verschiedene Spaltungen versucht und 
gelangte schließlich zu Resultaten, die der Annahme nicht ungünstig 
gegenüberstehen, daß das Stickstoffatom in einem Pyrrolring gebunden 
ist. Zu diesen Spaltungen stellte ich mir zunächst eine große Mengs 
Filixgerbsäureäthyläther her, der sich stets als stickstoffhaltig erwies 
und mischte 1 Teil mit 2 Teilen Natronkalk und 4 Teilen Zinkstaub, 
Das vorsichtig verriebene Gemisch füllte ich in eine Röhre und erhitzte 
es, indem ich einen Wasserstoffstrom durchleitete. In der Vorlage, die 
aus einem leeren Gefäß und aus einem dahintergeschalteten Gefäß mit 
angesäuertem Wasser bestand, sammelten sich aus 25 g Filixrot einige 
Tropfen und aus 160 g ca. 2 g einer anfangs hellgelben rasch sich 
bräunenden Flüssigkeit von stark alkalischer Reaktion und starker 
Spanreaktion. Die des öfteren mit Aether gereinigte Flüssigkeit roch 
charakteristisch nach Pyrrol und war wie dieses mit Wasserdämpfen 
flüchtig. In Wasser und verdünnten wässerigen Alkalien war sie 
unlöslich, in Aether dagegen leicht löslich. Mit verdünnten Säuren 
schied sich aus der Lösung nach längerem Kochen ein rotes Pulver 
ab (Pyrrolrot). Mit Chinon und verdünnter Schwefelsäure bildeten 


486 H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 


sich gefärbte Produkte. Wie ich schon erwähnte, färbte sich ein mit 
Salzsäure befeuchteter Fichtenspan anfangs blaßrot, dann rasch karmin- 
rot. Diese Reaktion, die noch bis vor kurzem als Identitätsreaktion _ 
auf Pyrrol galt, ist allerdings nach neuen Untersuchungen von 
C. Neumann!) für Pyrrol nicht beweisend. 

Eine Stickstoffbestimmnng mit der noch wahrscheinlich sehr 
unreinen Flüssigkeit ergab 16,93% N gegenüber dem berechneten 
Gehalt von 20,89% N. 

Die sichere Identifizierung des erhaltenen Produktes als Pyrrol 
ist mir demnach und auch mit Hilfe von Pikrinsäure nicht gelungen. 
Wenn auch nach den übrigen Reaktionen eine große Wahrscheinlichkeit 
dafür vorhanden ist, so ist doch zu bedenken, daß auch für den Fall, 
daß wirklich Pyrrol vorliegen sollte, dieses auch einer sekundären 
Reaktion seine Entstehung verdanken könnte. 


Mitteilungen aus dem pharmazeutischen Institut der 
Herzog]. technischen Hochschule zu Braunschweig. 


‚ Veber Rakao und Schokolade. 


Von H. Beckurts. 


Nachdem fast zehn Jahre vergangen sind, seit die Verein- 
barungen zur einheitlichen Untersuchung und Beurteilung 
von Kakao und Schokolade nach den Beschlüssen der auf An- 
regung des Kaiserlichen Gesundheitsamtes einberufenen Kommission 
Deutscher Nahrungsmittel-Chemiker?) festgestellt sind, dürfte der Zeit- 
punkt für eine kritische Durchsicht derselben und die Ausarbeitung 
eines neuen Entwurfes für dieselben nicht zu früh gewählt sein, be- 
sonders, wenn man berücksichtigt, daß gerade in den letzten 5 Jahren 
die Literatur über Kakao und Schokolade sehr angeschwollen ist, 
und Kakao sowie Schokolade eine immer größere Bedeutung als 
Nahrungs- und Genußmittel gewonnen haben. Auf Veranlassung des 
Ausschusses der Freien Vereinigung Deutscher Nahrungsmittel- 
Chemiker habe ich unter sorgfältiger Berücksichtigung der Interessen 
der Hygiene, des konsumierenden Publikums, aber auch der berechtigten 


1) Zeitschrift f. physikal.. Chem. 31, 574. Centralbl. 1901, I., 763. 
Centralbl. 1904, II, 1435. 

2) Vereinbarungen zur einheitlichen Untersuchung und Beurteilung von 
Nahrungs- und Genußmitteln. Berlin. Verlag v. J. Springer, Heft I—-IIl. 


H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 487 


Interessen der Industrie neue Leitsätze für die Untersuchung und Be- 
urteilung von Kakao und Schokolade aufgestellt, welche der dies- 
jährigen Versammlung der Freien Vereinigung Deutscher Nahrungs- 
mittel-Chemiker in Nürnberg zur Kenntnisnahme und Beurteilung vor- 
gelegt und mit ihrer Begründung in der Zeitschrift für Untersuchung 
von Nahrungs- und Genußmitteln, Band 12, Heft 1 und 2, abgedruckt 
worden sind. Bei dem hohen Interesse, welches die Schokoladen- und 
Kakaowaren für die Pharmazie besitzen, dürften die nachstehenden 
Ausführungen auch für die Leser dieser Zeitschrift von Interesse sein. 

Ueber den Verkehr mit Kakao und Schokolade bestehen zur 
Zeit außer den„Vereinbarungen“nachdie Verkehrsbestimmungen 
Deutscher Nahrungsmittelfabrikanten, welche im Deutschen 
Nahrungsmittelbuch') niedergelegt sind, und die Verbands- 
bestimmungen deutscher Schokoladefabrikanten, welchen 
beiden aber, ebenso wie die „Vereinbarungen“ die gesetzliche 
Autorität noch mangelt. Bei den nachfolgenden Ausführungen sind 
die in diesen Bestimmungen niedergelegten Grundsätze verglichen, und 
versucht in dem Entwurfe zu den neuen Vereinbarungen solche 
Bestimmungen zu bieten, welche allen berechtigten Interessen gerecht 
zu werden versuchen. 


T: 
A. Begriffsbestimmungen und Beurteilungsgrundsätze. 


I. Kakaomasse. 


„Kakaomasse ist das Produkt, welches durch Mahlen und 
Formen der gerösteten und entschälten Kakaobohnen gewonnen wird“, 
so lautet die Festsetzung im Deutschen Nahrungsmittelbuch. 
Nach $ 1 Absatz b der Verbandsbestimmungen ist Kakaomasse 
„das in Formen gebrachte Mahlprodukt der gerösteten und enthülsten 
Kakaobohnen, während ich Ihnen vorschlage: 

„Kakaomasse ist ein durch Erwärmen und Verreiben aus den 
gerösteten und enthülsten Kakaobohnen ohne Entnahme von Fett 
und ohne irgend einen Zusatz hergestelltes und in Formen ge- 
brachtes Produkt.“ 

Demnach decken sich alle drei Definitionen ihrem Inhalte nach, 
weshalb Sie wohl auch Ihr Einverständnis damit ausdrücken werden, 
wenn ich für die Beurteilung vorschlage: 

„Kakaomasse darf keinerlei fremde pflanzliche Beimengungen 
(Stärke aller Art, Mehl), keine fremden Mineralstoffe und kein 


1) Herausgegeben vom Bunde Deutscher Nahrungsmittelfabrikanten und 
-Händler. Heidelberg 1905. C. Winter’s Universitätsbuchhandlung. 


488 H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 


fremdes Fett enthalten. Die Reinigung von Kakaoschalen (Kakao- 
staub und Kakaokeime) ist so weit zu treiben, als nach dem Stande 
der Maschinentechnik möglich ist. 

Kakaomasse hinterläßt 3 bis 5% Asche und enthält 52 bis 
56% Fett.“ 

Erläuternd möchte ich bemerken: In den bisherigen „Verein- 
barungen* ist der Gehalt an Mineralstoffen in Kakaomasse zu 
2bis5% angegeben. Mit Recht hat, wie ich glaube, zuerst Welmans 
getadelt, daß die Grenzen etwas weit gezogen sind, da sowohl nach 
den in König’s Chemie der menschlichen Nahrungsmittel 4. Aufl., 
Bd. I, S. 1025 angeführten Analysen, wie auch nach seinen eigenen 
Untersuchungen und auch den meinigen unter 3% Asche in gerösteten 
Kakaobohnen und in Kakaomasse nicht gefunden wurde. Die wenigen 
sich in der Literatur findenden Angaben über einen geringeren Gehalt 
an Asche in rohen, ungeschälten Bohnen können nicht in Betracht 
kommen, weil sich einmal beim Rösten der Gehalt an Mineralstoffen 
etwas erhöht, zumal durch Abnutzung der Reibflächen in den Zer- 
kleinerungsmaschinen Mineralstoffe aufgenommen werden können, und 
endlich weil Bohnen mit geringerem Aschengehalt niemals für sich 
allein, sondern stets mit solchen von höherem Aschengehalt verarbeitet 
werden dürften. Deshalb tut man gut, als untersten Gehalt der 
Bohnen an Asche 3% festzusetzen. 

Obwohl mit 5% der Höchstgehalt an Asche etwas hoch angesetzt 
ist — vergl. die Tabelle aus König —, so ist es meines Erachtens 
richtiger an dieser Zahl nichts zu ändern. 

Der Gehalt an Fett ist in den „Vereinbarungen“ bisher zu 
48—54% angegeben; der Durchschnittsgehalt ist zu 50% angenommen. 
Nach den Feststellungen von P. Welmans!) ist der Durchschnitts- 
gehalt an Fett mit 50% bisher zu niedrig angegeben; er beträgt 
55,35 % der Mindestgehalt an Fett wurde zu 54, der Höchstgehalt zu 
56,26% gefunden. Die früher erhaltenen niedrigen Werte haben ihre 
Ursache darin, daß es bei dem Zerkleinern der Bohnen zwecks Fett- 
bestimmung nur selten gelingt, das Fett so bloß zu legen, daß es voll- 
ständig zur Extraktion gelangen kann, weil viele Zellen dem Zerrissen- 
werden entgehen, und weil die Extraktionsmittel nicht durch die Zell- 
haut dringen können. Sollten aber wirklich einmal Kakaobohnen mit 
niedrigen Fettgehalten vorkommen, dann ist die Annahme eines Durch- 
schnittsgehaltes von 55 % Fett statt wie bisher 50 % auch unbedenklich, 
weil, wie Welmans richtig austührt, wohl kaum eine Sorte Bohnen 
für sich allein, sondern stets Gemische derselben verarbeitet werden. 


1) Zeitschr. öffentl. Chem. 1903, 9. 206. 


H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 489 


Auch S. H. Davies und B. G. Me Lellan') fanden unabhängig 
von Welmans den Fettgehalt der Kakaomasse im Durchschnitt zu 
54,44% und glauben, daß in der ungenügenden mechanischen Zer- 
trümmerung der Zellwände die Ursache der trüher, namentlich von 
Zipperer, erhaltenen geringeren Werte zu suchen sei. 


II. Kakaopulver. 


„Kakaopulver, entölter (auch löslicher Kakao) ist mehr 
oder minder entölte Kakaomasse in Pulverform. Mit Alkalien be- 
handelte Kakaopulver dürfen nicht über 9,5 % Mineralbestandteile 
(Asche) enthalten“; so lauten die Festsetzungen im Deutschen 
Nahrungsmittelbuch. 

Nach $ 1 Absatz ce der Verbandsbestimmungen Deutscher 
Schokoladenfabrikanten ist „Kakaopulver das durch teilweises 
Abpressen der in der gerösteten und enthülsten Kakaobohne enthaltenen 
Kakaobutter gewonnene Erzeugnis“. 

Nach den „Vereinbarungen“ sind „entölter Kakao, 
Kakaopnlver, löslicher Kakao, aufgeschlossener Kakao fast 
gleichbedeutende Bezeichnungen für eine in Pulverform gebrachte 
Kakaomasse, nachdem dieser durch Auspressen bei gelinder Wärme 
ungefähr die Hälfte des ursprünglichen Fettgehaltes entzogen wurde. 
Kakaopulver enthält wechselnde, d. h. willkürliche Mengen Fett und 
es wird daher, je nachdem mehr oder weniger Fett entzogen wurde, 
der Aschengehalt größer oder kleiner sein. Deshalb ist der gefundene 
Aschengehalt auf Kakaomasse mit 50 % Fett oder auf fettfreie Kakao- 
masse umzurechnen, und wird daher der Aschengehalt nach dieser 
Umrechnung, 

a) bei nicht mit Alkalien aufgeschlossenem Kakaopulver 
derselbe sein müssen, wie bei Kakaomasse, 

b) bei mit kohlensauren Alkalien aufgeschlossenem Kakao ein 
größerer sein, doch darf die Zunahme 2% des entölten Pulvers 
nicht übersteigen.“ 

Somit bestehen wesentliche Unterschiede in den Anforderungen, 
welche an Kakaopulver zu stellen sind. 

Ich schlage für die neuen Vereinbarungen die folgende kurz ge- 
faßte Begriffserklärung vor: 

„Kakaopulver, entölter Kakao, löslicher Kakao, auf- 
geschlossener Kakao sind gleichbedeutende Bezeichnungen für eine 
in Pulverform gebrachte Kakaomasse, nachdem diese durch Aus- 
pressen bei gelinder Wärme von einem Teil des ursprünglichen 
Fettgehaltes befreit und in der Regel einer Behandlung unter 


1) Journ. Soc. Chem. Ind. 1904, 23, 480—482. 


490 H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 


Zusatz von Kalium- bezw. Natriumkarbonat oder Ammonium- 
bezw. Magnesiumkarbonat unterworfen bezw. einem starken Dampf- 
druck ausgesetzt worden ist.“ 

Diese Begriffserklärung deckt sich inhaltlich mit derjenigen im 
Deutschen Nahrungsmittelbuch und mit den Verbandsbestimmungen. 
Dagegen gehen die von mir formulierten Anforderungen bei der 
Beurteilung des Kakaopulvers weit über die seither sonst gestellten 
Forderungen hinaus. 

„Kakaopulver, entölter Kakao, löslicher Kakao, aufge- 
schlossener Kakao darf keinerlei fremde pflanzliche Beimengungen 
(Stärke aller Art, Mehl ete.) und kein fremdes Fett enthalten, 
muß auch, soweit es maschinentechnisch möglich ist, von Kakao- 
schalen befreit sein. 

Die Feststellung eines Mindestfettgehaltes ist erwünscht, bleibt 
aber vorbehalten. 

Bei nur gepulvertem Kakao und bei mit Ammoniumkarbonat 
behandeltem bezw. starkem Dampfdruck ausgesetztem Kakaopulver 
ist der Gehalt an Asche, je nachdem mehr oder weniger Fett 
entzogen wurde, größer oder kleiner; er muß auf Kakaomasse mit 

%» Fett umgerechnet, der gleiche sein wie bei Kakaomasse. 

Das mit kohlensauren Alkalien (Holländisches Verfahren) bezw. 
Magnesiumkarbonat aufgeschlossene Kakaopulver darf, auf Kakao- 
masse mit 55% Fett umgerechnet, nicht mehr als 8% Asche 
hinterlassen. Der Gehalt an Wasser darf 6% nicht übersteigen.“ 

Der Aschengehalt ist abhängig von dem benutzten Aufschließungs- 
verfahren und dem Grade der Entölung. 

Es ist bestimmt worden, daß bei dem nicht mit kohlensauren 
Alkalien aufgeschlossenen Kakaopulver der Aschengehalt auf Kakao- 
masse mit 55% Fett umgerechnet werden soll, weil, wie ich eingangs 
schon erwähnte, dies der Durchschnittsgehalt der Kakaomasse an Fett 
ist. Bei dem mit kohlensauren Akalien aufgeschlossenen Kakaopulver 
darf nach den „Vereinbarungen“ die Zunahme der Aschenmenge 2% 
des entölten Pulvers nicht übersteigen. Diese Forderung steht im 
Widerspruch mit der Bestimmung der Zollverwaltung in $ 1 Absatz a 
der Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetz, betreffend die Vergütung 
des Kakaozolles bei der Ausfuhr von Kakaowaren vom 22. April 1892, 
wonach Kakaopulver bis zu 3% Alkalien enthalten darf. Diese 
Bestimmung ist mit Rücksicht darauf, daß Kakaoasche bereits eine 
natürliche Alkalität, entstanden aus der Umwandlung der organisch 
snuren Alkalien in Karbonate bein Glühen, besitzt, durch Bundesrats- 
beschluß vom 3. November 1898 in bis zu 3% bei der Herstellung 
zugesetzten Alkalien umgewandelt worden. 


H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 491 


Ob infolge dieser zollamtlichen Bestimmungen, oder weil die in 
den „Vereinbarungen“ festgelegte Menge Alkali zu gering bemessen 
ist, muß dahingestellt bleiben, jedenfalls enthalten selbst die Kakao- 
pulver angesehener deutscher Schokoladenfabriken nicht unbeträchtlich 
mehr Kaliumkarbonat, als in den „Vereinbarungen“ vorgesehen ist. 
Schon Zipperer!) gibt an, daß die Menge des Kaliumkarbonats so 
zu berechnen ist, daß 1,5—2, höchstens 3 Teile auf 100 Teile des zu 
präparierenden entfetteten Präparats treffen. Filsinger?) hat deshalb 
die Meinung vertreten, man solle die bundesrätlich für Exporteure 
zugelassenen 3% zugesetzter Alkalien für Kakaopulver gestatten. In 
dem neuen Entwurfe ist vorgeschlagen worden, daß mit kohlensauren 
Alkalien aufgeschlossene Kakaopulver, umgerechnet auf Kakaomasse 
mit 55% Fett, nicht mehr als 8% Asche hinterlassen dürfen. 

Die Menge des zugesetzten Alkalis erfährt man unter Berück- 
sichtigung der natürlichen Alkalität und der in der Asche vorhandenen 
Alkaliphosphate durch Ermittelung der Alkalität der wässerigen 
Lösung der Asche. Uebermäßig alkalische Kakaopulver verraten sich 
durch alkalischen Geschmack und Verringerung des natürlichen Aromas. 

Die natürliche Alkalität, welche Filsinger zu 0,75% Kalium- 
karbonat berechnete, fand P. Welmans?), auf Kaliumkarbonat berechnet, 

a) in ungeschälten, gerösteten Bohnen zu 0,596—1,125%, 
b) in geschälten, gerösteten Bohnen zu 0,323—0,872%, 
c) auf Puderkakao mit 33'/;% Fett, bei Annahme von 55% 

Fett in den Bohnen, bezogen, zu 0,478—1,292%, während Lührig 

noch etwas höhere Werte fand. 

Selbstverständlich übersteigt der in Wasser unlösliche Teil der 
Asche bei den nicht mit kohlensauren Alkalien behandelten Kakao- 
pulver wesentlich den in Wasser löslichen Teil, während bei dem mit 
Alkalikarbonat präparierten Kakao das Verhältnis umgekehrt ist. 

Des weiteren ist als oberste Grenze für Feuchtigkeit ein Gehalt 
von 6% festgesetzt. Der Wassergehalt ist vom Grade der Entfettung, 
der Feinheit des Pulvers, der Luftfeuchtigkeit und der Verpackungs- 
weise abhängig. Nach dem „Deutschen Nahrungsmittelbuch“ ist zwar 
von der Aufstellung von Grenzzahlen für den Gehalt an Feuchtigkeit 
abzusehen, da dieser in erheblichem Grade von Dauer und Art der 
Aufbewahrung abhängig ist. 

Eine obere Grenze festzusetzen scheint aber doch notwendig, weil 
nach den vorliegenden Untersuchungen häufig größere Mengen von 

i) Paul Zipperer, Die Schokoladenfabrikation. Berlin, G. Fischer’s 
Verlag. 

2) Zeitschr. öffentl. Chem. 1905, 11, 8. 

8) Zeitschr. öffentl. Chem. 1903, 9, 211. 


492 H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 


Feuchtigkeit im Kakaopulver sich finden. Darin liegt aber nicht nur 
ein Betrug, sondern auch der Nachteil, daß feuchte Pulver, da sie für 
Pilzwucherungen einen guten Nährboden darstellen, leichter zum - 
Verderben neigen, als solche mit normalem, 5% betragendem Wassergehalt. 

Endlich stellt eine neue Forderung für Kakaopulver die Fest- 
setzung eines Mindestgehaltes an Fett dar. 

Die Veranlassung zur Aufstellung dieser Forderung ist die Tat- 
sache gewesen, daß neuerdings Kakaopulver, welche unter starker 
Fettabpressung hergestellt sind, in den Handel gebracht werden, und 
weil es bedenklich erscheint, fettarme Kakaopulver unbeanstandet im 
Verkehr zu belassen. Vermutlich hängt diese neuerdings eingeführte 
erhebliche Fettabpressung damit zusammen, daß das Kakaofett eine 
außerordentliche Preissteigerung erfahren hat, weil sein Verbraüch, 
namentlich zur Herstellung von überfetteter Schokolade erheblich 
zugenommen hat. 

Selbstverständlich ist zur Darstellung von Kakaopulver eine teil- 
weise Entfettung der Kakaomasse unerläßlich, was ja auch schon in 
den Begriffserklärungen der „Vereinbarungen“ zum Ausdruck gekommen 
ist. Unter Entölen des Kakao verstand man aber früher nur die Ent- 
fernung von so viel Fett, als zur Herstellung eines pulverförmigen 
Präparates nötig ist. Die neuerdings auftretenden Bestrebungen suchen 
unter wörtlicher Auslegung des Ausdruckes „Entölen‘‘ die Vorstellung 
zu wecken, als ob die vollständige Entfernung des Fettes das anzu- 
strebende Ziel bei Herstellung von Kakaopulver sei. 

Nach J. König') wurde bei der Untersuchung von 58 Kakao- 
proben in- und ausländischen Ursprunges ermittelt: 


Fett: Mehr als. . . 2...:25% 20-25% : 13-15% 
Zahl der Proben . . .. .. 47 9 2 
— % der Gesamtproben . . 81,0 15,5 3,5% 


A. Juckenack?), welcher die Frage, ob Kakao mit einem 
höheren Fettgehalt oder Kakao mit einem niederen Fettgehalt den 
Vorzug verdient, zuerst und zwar vor Jahr:sfrist ia der Versammlung 
der Vereinigung deutscher Nahrungsmitteichemiker in Dresden auf- 
rollte, hat durch weitere Untersuchung von 30 Kakaopulvern deutschen 
und holländischen Ursprunges dargetan, daß von 24 deutschen 
Fabrikaten enthielten: 


Fett. 2 22200002000. 25—35% 20—25% 13-15% 
Zahl der Proben . . . 19 1 4 
= % der Gesamtproben 19 4 17% 


1) J. König, Die menschlichen Nahrungs- und Genußmittel, 4. Aufl., 
Bd. I, S. 1028. 
2) Ztschr. f. Unterl. d. Nähr- u. Genußm. 1905, 10, 41. 


H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 493 


urd bei 6 holländischen Fabrikaten in 4 Fällen mehr als 29%, in 
2 Fällen 20 bis 25% Fett vorhanden waren. 

Der gegen früher außergewöhnlich häufig beobachtete geringe 
Fettgehalt des Kakaopulvers findet seine Illustrierung in den An- 
preisungen eines Fabrikates „Doppelkakao“, bis auf 15% vom Kakao- 
öl befreit, welcher, weil der Wert des Kakaopulvers nur in den fett- 
freien Kakaobestandteilen liege, an hohem Nährwert und leichter 
Verdaulichkeit alle anderen Kakaopulver übertreffen soll. 

Ein Kakaopulver ist um so billiger, je fettärmer es ist! 

Zum Entziehen von etwa 85% Fett ist ein außerordentlich hoher 
Druck, sowie läugere Einwirkung desselben nötig, womit eine wesent- 
liche Temperatursteigerung verbunden ist. Infolgedessen sind, wie 
A. Juckenack ausführt, Veränderungen in der Zusammensetzung 
der Bestandteile des Kakaopulvers unausbleiblich, wodurch der Geruch 
und der Geschmack nachteilig beeinflußt werden. Schon Zipperer hatte 
früher auf den strobigen Geschmack aufmerksam gemacht, welchen 
stark ausgepreßter Kakao annimmt, und Welmans sowie Hueppe 
haben neuerdings hervorgehoben, daß die starke Entfettung von außer- 
ordentlich ungünstiger Wirkung auf den Geschmack des Kakaopulvers 
ist, auch deshalb, weil mit dem Fett auch die aromatischen Bestand- 
teile eine Abnahme erfahren. 

Neben dem ungünstigen Einfluß, welchen zu starke Entfettung 
auf Geruch und Geschmack ausübt, sind aber auch andere Nachteile 
zu verzeichnen. Zunächst stellte R. ©. Neumann fest, daß die 
Suspensionsfähigkeit der fettarmen Kakaopulver — Reichardt’s 
„Pfeunig-Kakao“ mit 12,4% Fett und „Monarch“ mit 13,5% Fett —, 
obwohl diese am feinsten pulverisiert waren, im fertigen Getränk am 
ungünstigsten war. Fettreichere Kakaopulver mit 27—33% Fett 
erhielten sich fast zehnmal so lange in homogener Suspension. 

Durch die zu starke Entiettung wird ferner das natürliche Ver- 
hältnis der Bestandteile zueinander, welches für die gesamte Wirkung 
entscheidend ist, ungünstig beeinflußt und statt einer Verbesserung 
des Präparates wird trotz relativer Erhöhung des Eiweißgehaltes eine 
unverkennbare Verschlechterung herbeigeführt. Auch scheint es nach 
Beobachtungen von A. Juckenack, daß durch starke Entziehung von 
Fett das Kakaopulver hygroskopisch wird. 

Der wichtigste Nachteil besteht aber wohl darin, daß durch die 
starke Entfettung mit dem Fett ein wertvoller Nährstoff entfernt, 
mithin .der Nährwert von Kakaopulver erheblich vermindert wird, 
denn das Fett müssen wir als den wertvollsten Bestandteil des Kakaos 
bezeichnen, da weder die Proteinstoffe noch die Stärke des Kakaos 
die gleiche Bedeutung wie 50% Kakaobutter besitzen. Juckenack 


494 H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 


hat berechnet, daß durch die Entfettung von 30% auf 14,3% der Nähr- 
wert um mehr als 25% herabgesetzt wird. F. Hueppe führt in seiner 
beachtenswerten Schrift über Untersuchungen von Kakao!) aus, daß 
der Nährwert eines bis auf 15% entfetteten Kakaopulvers gegenüber 
einem 30% Fett enthaltenden Kakaopulver ganz bedeutend abgenommen 
hat, nämlich im Verhältnis von 357 : 254. 

Neuerdings hat R. O. Neumann’) eingehende Stoffwechsel- 
versuche mit fettreichem und fettarmem Kakao, auch mit reiner Kakao- 
butter am Menschen angestellt. Aus der zur Zeit erst im Auszuge 
vorliegenden Arbeit ist zu entnehmen, daß bei alleiniger Kakaozufuhr die 
Ausnutzbarkeit des Kakao-Eiweißes das Minimum von 45 %erreicht, daß 
bei gemischter Kost die Gesamtausnutzbarkeit des Nahrungs-Eiweißes 
durch Kakaozufuhr herabgesetzt wird, daß ferner aber auch die Eiweiß- 
ausnutzung der gemischten Nahrung von dem Fettgehalte des Kakao 
abhängt. Je mehr Fett dem Kakao abgepreßt wird, desto mehr sinkt 
die Eiweißausnutzung. 100 g Kakao mit 34,2% Fett ergaben 45%, 
100 g Kakao mit 14,2% Fett 24,3% Ausnutzung. 

Im reinen Zustande wird nach R. 0. Neumann das Kakaofett 
genau so verwertet, wie das Fett der Normalnahrung, nämlich zu 95%, 
im Kakao selbst ist die Ausnutzung geringer. Gibt man Kakao allein, 
so werden 87,1%, bei gemischter Nahrung und Kakao aber 89,6% aus- 
genutzt. Je größer der Fettgehalt des Kakao, desto besser ist die 
Ausnutzung des Fettes der Gesamtnahrung. 

R. OÖ. Neumann schlägt vor, den Mindestgehalt von Fett im 
Kakao zu 30% festzusetzen, während Hueppe 20% als den Minimal- 
gehalt: anerkennen will und Juckenack im Einvernehmen mit der 
vorigjährigen Versammlung unserer Vereinigung einen Fettgehalt von 
25% für normale Ware fordert. 

Dagegen wird von seiten der Fabrikanten fettarmer Kakaopulver 
geltend gemacht, daß die Herstellung solcher tatsächlich einen Vorteil 
gegenüber der früher ausschließlich möglichen Gewinnung fettreicherer 
Kakaopulver und eine technische Errungenschaft bedeute, gegenüber 
der die deutschen Kakaofabrikanten in ihrer Mehrheit rückständig 
seien. Auch sprechen sich Fr. Schmidt?) ebenso wie E. Harnack, 
letzterer ohne sich auf experimentelle Grundlage stützen zu können, 
zugunsten der Herstellung fettarmer Kakaopulver aus. 


1) Untersuchurgen über Kakao mit besonderer Berücksichtigung der 
holländischen Aufschließungsmethode von Prof. Dr. F.Hueppe,. Berlin 1905. 
A. Hirschwald. ; 

2) Münch. med. Wochenschr. 1906, 481; vergl. auch Ztschr. f. Unters. 
d. Nahr.- u. Genußm. 1906, 12, 101. 

8) Zeitschr. öffentl. Chem. 1905, 11, 291. 


H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 495 


Da aber die Ergebnisse aller Versuche dafür zu sprechen scheinen, 
daß ein Kakaopulver mit höherem Fettgehalte dem stark abgepreßten 
vorzuziehen ist, und da ich der Ansicht bin, daß ein Kakao nur soweit 
entfettet werden sollte, als zur Erzielung eines Kakaopulvers un- 
bedingt nötig ist, so erachte ich grundsätzlich die Festsetzung eines 
Minimalfettgehaltes für unbedingt erforderlich, die Festsetzung der 
Grenzzahl selbst aber sollte meines Erachtens so lange unterbleiben, 
bis weitere Untersuchungen vorliegen. 

Was endlich die Frage des Würzens anlangt, so sind wohl die 
aufgeschlossenen Kakaopulver meist leicht gewürzt. Das Würzen 
dürfte aber wohl in der Regel als eine Fälschung nicht angesehen 
werden, ebenso wenig wie das Würzen der Schokolade, das aus- 
drücklich erlaubt ist, da es sich auch wohl bei Kakaopulver um Ver- 
leihung eines typischen Aromas für bestimmte Handelssorten, dagegen 
wohl nicht um die Verleihung des Scheines besserer Beschaffenheit 
bei minderwertiger Ware handelt. 


III. Schokolade. 


Nach dem „Deutschen Nahrungsmittelbuch“ darf die 
Bezeichnung Schokolade nur Fabrikaten gegeben werden, welche aus 
geröstetem und enthülstem Kakao und Zucker, mit oder ohne Zusatz 
von Kakaobutter, Vanille, Vanillin, Zimmt, Nelken oder anderen 
Gewürzen hergestellt sind. 

Der Gehalt an Zucker darf in der Schokolade nicht mehr als 
70%, und wenn zulässige andere Stoffe zugesetzt sind, dann darf die 
Summe dieser und des Zuckers nicht mehr als 70% ausmachen. 

Für Speiseschokolade, Schokolade zum Rohessen gelten dieselben 
Grundsätze wie für Schokolade, nur daß in ihnen noch Zusätze von 
Wal- oder Haselnüssen, Mandeln bis zu 5% sowie von Milchstoffen 
zulässig sind. 

Die Verbandsvorschriften besagen, daß unter dem Namen 
Schokolade nur feilgehalten und verkauft werden darf: eine Mischung 
von geröstetem und enthülstem Kakao und Rohrzucker, auch mit einem 
Zusatz von Kakaobutter, Vanille, Vanillin, Zimmt, Nelken und anderen 
Gewürzen. 

Nach den „Vereinbarungen“ enthalten Schokoladen wechselnde 
Mengen von Zucker und Fett, und soll der Aschengehalt nicht unter 
1% und nicht über 2,5%, Zucker- und Fettgehalt zusammen nicht mehr 
als 85% betragen. 

In den weiter unten ahgedrucktiih Leitsätzen ist gesagt worden: 

„Schokolade ist eine Mischung von Kakaomasse mit Rohr- 
oder Rübenzucker nebst einem entsprechenden Zusatz von Gewürzen 


A u Te ae 


496 H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 


(Vanille, Vanillin, Zimmt, Nelken). Manche Schokoladen enthalten 

außerdem einen Zusatz von Kakaofett; Speise- und Dessert- 

schokoladen bisweilen Zusätze von Mandeln und Nüssen. Milch- 

schokolade ist unter Zusatz von Milch bezw. Rahm hergestellt. 

Schokoladenmehle sind Mischungen aus Kakaopulver und Zucker“, 
und hinsichtlich der Beurteilung: 

„Schokoladen dürfen außer einem entsprechenden Zusatz von 
Gewürzen keinerlei fremde pflanzliche Beimengungen (Stärke aller 
Art, Mehl etec.), kein fremdes Fett und keine fremden Mineral- 
bestandteile enthalten und müssen, soweit es maschinentechnisch 
möglich ist, von Kakaoschalen befreit sein. 

Die ohne Deklaration zu verkaufende Schokolade besteht aus 
33,9—50% Kakaomasse bezw. einer Mischung von Kakaomasse 
und Fett und 66,5—50% Zucker, sodaß in derselben Zucker und 
Fett nicht mehr als 85% betragen. 

Schokoladen mit einem höheren Gehalte an Zucker als 66,5% 
sind als „stark gezuckerte“ zu deklarieren, doch darf auch in- 
diesen der Zuckergehalt 70% nicht übersteigen. 

Schokoladen, welche Mehle enthalten, müssen mit einer diesen . 
Zusatz anzeigenden, deutlich erkennbaren Bezeichnung versehen 
sein, doch darf die Summe des Mehlzusatzes und des Zuckers 
nicht mehr als 70% betragen. 

Der Gehalt an Asche muß mindestens 1% und darf nicht 
mehr als 3% betragen.“ 

Bei dieser Feststellung ist angenommen worden, daß Kakaomasse 
bis zu 55% Fett enthalten kann. Mit Rücksicht darauf, daß fett- 
reiche Schokoladen immer mehr dem Geschmack des Publikums ent- 
sprechen, ist die vorgeschlagene Aenderung getroffen worden und 
durch die Begrenzung des Gehaltes an Zucker und Fett eine Garantie 
geschaffen, daß der Gehalt an fettfreier Kakaomasse nicht unter einem 
bestimmten Mindestgehalt (d. i. etwa 15%) sinkt. 

Mehr als 66,5% Zucker kann man der Schokolade nur zusetzen, 
wenn man größere Mengen von Fett zufügt und die fettfreie Kakao- 
masse entsprechend verringert. Solche Schokoladen mit erhöhtem 
Zuckergehalt unter Zusatz von Kakaofett entsprechen einem Bedürfnisse 
des Publikums. Es würde sich nicht rechtfertigen, die Herstellung 
solcher Schokoladen zu verbieten. Wohl aber ist man berechtigt, für 
derartige Schokoladen den Deklarationszwang zu fordern unter gleich- 
zeitiger Beschränkung der Höhe des Zuckerzusatzes durch Festsetzung 
einer oberen Grenze für diese. Diese Bestimmung ist zum ersten Male 
im „Deutschen Nahrungsmittelbuch“, allerdings ohne Deklaration, 
festgelegt worden, daher empfehle ich in der Vorlage, daß 


H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 497 


Schokoladen mit einem höheren Gehalt an Zucker als 65,5 % als „stark 
gezuckert“ zu deklarieren sind, doch auch dann der Zuckergehalt 
70% nicht übersteigen darf. 

Demnach unterliegen schon Schokoladen mit mehr als 66,5% Zucker- 
gehalt der Deklarationspflicht. Ich glaube, daß durch die vor- 
geschlagenen Festsetzungen die gegen die Bestimmungen der „Verein- 
barungen“ mit Recht erhobenen Beschwerden eine der Praxis ent- 
sprechende Berücksichtigung gefunden haben.!) 

Des weiteren ist gefordert worden, daß der Gehalt an Asche 
mindestens 1% und nicht mehr als 3% betrage. Den Mindestgehalt 
an Asche aut 1% festzusetzen empfiehlt sich, nachdem für Kakaomasse 
der Mindestaschengehalt auf 3% angenommen ist. Bei der früheren 
Annahme eines Minimalgehaltes von 2% Asche hätte für Schokolade 
ein Mindestgehalt von 0,6 % an Mineralbestandteilen festgesetzt werden 
müssen. Der Höchstgehalt der Schokolade hat aber von 2,5 % auf 
3% erhöht werden müssen, nachdem der Höchstgehalt an Asche für 
Kakaomasse zu 5% festgesetzt war. 

Obwohl das „Deutsche Nahrungsmittelbuch“ wie auch die Ver- 
bandsvorschriften über den zulässigen Aschengehalt Vorschriften nicht 
geben, sind solche von mir aufgenommen worden. Dies rechtfertigt 
sich wohl mit Rücksicht auf die Bestimmung, daß in Schokoladen 
fremde Mineralbestandteile nicht vorkommen sollen. 

Daß bei Schokoladen, welche Mehl enthalten, dieser Zusatz 
deklariert werden muß, bedarf keiner Erläuterung, auch nicht die 
Forderung, daß die Summe des Mehlzusatzes und des Zuckers nicht 
mehr als 70 % betragen soll. 

Die Begrenzung des Gewürzzusatzes „bis zu 1%“ ist gestrichen 
worden, schon weil es an Methoden fehlt, den Gewürzgehalt 
zu bestimmen. 

IV. Schokoladenpulver. 


Schokoladenpulver ist nach dem „Deutschen Nahrungs- 
mittelbuch“ eine Zusammensetzung von Kakaomasse oder Kakao- 
pulver mit höchstens 70% Zucker und einem Gehalt an Gewürzen wie 
bei Schokolade. 

Die Verbandsvorschriften Deutscher Schokoladen- 
fabrikanten enthalten über Schokoladenpulver nichts, ebenso 
wenig die „Vereinbarungen“. Es erscheint notwendig, den Begriff 
„Schokoladenpulver“ festzulegen, doch genügt die im „Deutschen 
Nahrungsmittelbuch“ aufgenommene Feststellung durchaus nicht. In 
demselben wird zu der oben angeführten Bestimmung in einer An- 


1) Vergl. Zeitschr. öffentl. Chem. 1904, 10, 7, 
Arch. d. Pharm. CCXXXXIV. Bas. 7. Heft. 32 


498 H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 


merkung auf S. 110 gesagt, daß Schokoladenpulver gleichbedeutend 
mit gepulverter Schokolade sei. Das ist auch meine Ansicht. In den 
Ausführungen im Nahrungsmittelbuch liegt also offenbar ein Wider- 
spruch, da doch Schokolade nicht aus Kakaopulver, sondern aus 
Kakaomasse hergestellt wird. Daneben sind auch wohl die Bedenken 
nicht von der Hand zu weisen, daß eine bloße Mischung von Kakao- 
pulver mit 70% Zucker in Bezug auf Fettgehalt von sehr ver- 
schiedener Zusammensetzung, physiologischer Wirkung und Geldwert 
sein muß, da wie ja schon ausgeführt, der Fettgehalt der Kakao- 
pulver zur Zeit in sehr weiten Grenzen schwankt. 

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer eindeutigen Fest- 
legung des Begriffes „Schokoladenpulver“. Zweifellos kann es sich 
bei Herstellung von Schokoladenpulver nur um Mischungen aus 
Kakaomasse mit Zucker handeln in demselben Mengenverhältnis, wie 
es geformte Schokolade zeigt. 

Daher darfich wohl auf Zustimmung rechnen, wenn ich vorschlage: 


„Schokoladenpulver ist gleichbedeutend mit ge- 
pulverter Schokolade und wie diese zu beurteilen.“ 


Uebereinstimmen können wir mit den weiteren Ausführungen im 
„Deutschen Nahrungsmittelbuch“, daß Schokoladenpulver von dem 
kakaohaltigen sogenannten Suppenpulver zu unterscheiden ist. 
Suppenpulver und ähnliche Fabrikate können beliebige für die Er- 
nährung geeignete Stoffe enthalten, sie sind jedoch nicht als Schokoladen- 
waren anzusehen, wenn sie auch Bestandteile der Kakaobohnen ent- 
halten, sie dürfen deshalb auch nicht unter Bezeichnungen feilgehalten, 
verkauft oder sonst in Verkehr gebracht werden, die geeignet er- 
scheinen, den Eindruck auf den Käufer oder Konsumenten zu machen, 
als handle es sich bei ihnen um Kakaowaren. 

Dagegen betrachte ich die sogenannten Schokoladenmehle 
als Mischungen von Kakaopulver mit Zucker, über deren Verhältnis 
zueinander mangels geeigneter Erfahrungen heute keine Mitteilungen 
gemacht werden könren. 


V. Kuvertüre, Speiseschokolade etc. 


Kuvertüre oder Ueberzugsmasse ist in den „Verein- 
barungen“ wie die Schokolade behandelt, ohne irgend welche Rück- 
sicht auf Zusätze zu nehmen, dagegen sollen nach dem „Deutschen 
Nahrungsmittelbuch“ für Kuvertüre ebenso wie für Speise- und 
Dessertschokolade wohl dieselben Grundsätze wie für Schokolade 
gelten, nur daß in ihnen noch Zusätze von Wal- oder Haselnüssen, 
Mandeln etc. bis zu 5% für zulässig erachtet werden. Die Vorschriften 
des Verbandes Deutscher Schokoladenfabrikanten lauten ebenso. Daß 


H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 499 


Kuvertüre wie Speiseschokolade behandelt werden muß, unterliegt 
wohl keinem Zweifel. 

Ich schlage deshalb die gleiche Fassung wie im „Deutschen 
Nahrungsmittelbuch“ vor. Da häufig gerade die Kuvertüren auf 
fremde Fette zu prüfen sind, so erscheint der Hinweis gerechtfertigt, 
daß durch die Erlaubnis eines begrenzten Zusatzes von Nüssen und 
Mandeln durch das in diesen vorkommende Fett auch die chemischen 
und physikalischen Konstanten beeinflußt werden können. 

Milchstoffe finden sich in der Kuvertüre nicht, wohl aber in der 
Milchschokolade. Deshalb finden Sie die Definition: Milchschokolade 
ist unter Verwendung eines Zusatzes von Milch oder Rahm her- 
gestellt. Eine obere Grenze für diesen Zusatz vorzuschreiben, muß 
vorläufig in Ermangelung geeigneten Materials unterbleiben. 

Die Bestimmung, daß Zusätze von Stoffen zu diätetischen 
und medizinischen Zwecken zulässig sind, daß die Summe 
dieser Zusätze und des Zuckers nicht mehr als 70% ausmachen darf, 
deckt sich mit den Festsetzungen im „Deutschen Nahrungsmittelbuch“ 
und bedarf wohl keiner Begründung. 


B. Untersuchungsverfahren. 


Im übrigen möchte ich zu den bei den verschiedenen Kakao- 
präparaten gleichmäßig gestellten Forderungen sowie über die vor- 
geschlagenen Untersuchungsverfahren noch folgendes bemerken: 


I. Fettbestimmung. 


Als Extraktionsmittel für Fett ist Aether beibehalten, 
Petroläther dürfte auch wohl trotz der entgegenstehenden Aeußerungen 
von S. H. Davies und B. G. Mc. Lellan!) endgültig aufgegeben 
sein, wenn dieser auch Theobromin nicht löst; denn selbst niedrig- 
siedender Petroleumäther enthält immer noch Spuren hochsiedender 
Körper, welche sehr fest dem Fett anhaften und erst bei 150° flüchtig 
sind. Die geringen Mengen Theobromin, welche mitgelöst werden, 
können unberücksichtigt bleiben. Wenn es sich um genaue Ermitte- - 
lungen des Fettgehaltes handelt, ist auf ein sehr sorgfältiges Zer- 
reiben der Kakaomasse besonders Bedacht zu nehmen. Nötigenfalls ist 
die einmal schon extrahierte Substanz nochmals zu verreiben und 
wiederholt zu extrahieren. 

Darüber, daß Beimengungen fremder Fette zu den Kakao- 
präparaten, weil sie minderwertig und leichter dem Verderben aus- 
gesetzt sind und daher die Haltbarkeit, ferner den Wohlgeschmack der 


1) Journ. Soc. Chem. Ind. 1904, 23, 480—482. 
32* 


500 H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 


Kakaopräparate beeinträchtigen, unzulässig sind, besteht wohl kein 
Zweifel. Die Bestimmung der Jodzahl und Verseifungszahl, des 
Schmelzpunktes und des Brechungsindex, des weiteren die Baudouin-. 
sche Reaktion, welche für die Prüfung der Reinheit des Kakaofettes 
vorgeschlagen sind, genügen wohl für diesen Zweck. 

Auch sind keine Tatsachen bekannt geworden, welche eine 
Aenderung in der Festsetzung der physikalischen und chemischen 
Konstanten des Fettes erwünscht erscheinen lassen. Zwar beobachtete 
F. Strube!) bei langsamem Erkalten größerer Blöcke von „Samana“- 
Kakaobutter leichtflüssige Fraktionen des Fettes, welche sich durch 
eine ungewöhnlich hohe Jodzahl, 53,06—58,3 statt 34—838, sowie 
durch die Refraktometeranzeige im Zeiß’schen Butterrefraktometer 
(46—47,8) beträchtlich von normalem Kakaofett unterschieden. Diese 
Beobachtungen bieten aber keine Veranlassung zu einer Veränderung 
der Konstanten, da der Nahrungsmittel-Chemiker wohl kaum auf solche 
Zahlen stoßen wird, zumal die von Strube untersuchten Anteile 
Ausscheidungen aus einer größeren Menge Kakaofett mit normaler 
Jodzahl und normaler Refraktometeranzeige waren. 

Nach den „Vereinbarungen“ soll bei zuckerreichen Kakaowaren 
der Zucker zweckmäßig zuvor auf einem Filter durch Auswaschen 
mit Wasser beseitigt, der Inhalt des Filters nach dem Trocknen mit 
dem Filter in die Patrone gegeben und zwecks Fettbestimmung mit 
Aether ausgezogen werden. Demgegenüber hebt Welmans hervor, 
daß beim Auswaschen der Schokolade auf einem Filter mit Wasser 
Fettverluste zu befürchten sind, und daß der Filterinhalt beim Trocknen 
derart zusammenbackt, daß er sich nachher nur schwer pulverisieren 
läßt, weshalb die Fettextraktion nur unvollkommen gelingt. Da nun 
der Zuckergehalt der Fettextraktion nicht hinderlich ist, so ist in den 
neuen Vorschlägen die obige Bestimmung in Wegfall gekommen. 

Bei der Untersuchung von Kakaomasse sollte man aber niemals 
versäumen, den Aetherextrakt auf Geruch und Geschmack zu 
prüfen. Kakaopräparate, welche aus minderwertigen Kakaobohnen 
(havarierter oder verdorbener Ware) hergestellt sind, geben einen 
übel riechenden und’ unangenehm schmeckenden Aetherextrakt. In 
dem fertigen Kakaopräparat kann man infolge künstlicher Parfümierung 
oft die Herkunft nicht erkennen. 


II. Zuckerbestimmung. 


Was die polarimetrische Bestimmung des Zuckers in 
der Schokolade anlangt, so läßt sich der bei dem in den „Verein- 
barungen“ vorgeschlagenen Verfahren in der Nichtberücksichtigung 


1) Zeitschr. öffentl. Chemie 1905, 11, 215. 


H. Bockurts: Kakao und Schokolade. 501 


des Volums des Bleiessigniederschlages liegende Fehler vermeiden, 
wenn man nach dem Verfahren von Woy') arbeitet, bei welchem zur 
Vermeidung langwierigen Filtrierens und Auswaschens bei unbekanntem 
Volumen eines unlöslichen Teiles durch Auffüllung zu zwei ver- 
schiedenen Volumen das Volumen des unlöslichen Teiles genau 
bestimmt und danach das Ergebnis korrigiert wird. 


III. Gehalt an Kakaoschalen. 


In den Leitsätzen kehrt für alle Kakaopräparate die Forderung 
wieder, daß dieselben frei von Kakaoschalen sein müssen, soweit 
dies maschinentechnisch möglich ist. Mehr kann nicht verlangt 
werden, denn es ist ja bekanntlich technisch nicht möglich, die Schalen 
vollkommen von den Kernen zu befreien. Ob mehr oder weniger 
Schalenreste bei den Kernen verbleiben, hängt von der Konstruktion 
der Kakaoschälmaschinen, den Bohnensorten, der Art des Röstens und 
von dem mehr oder weniger starken Anhaften der Schalen an den 
Kernen ab. 

Nach Zipperer?) enthalten die Kakaobohnen durchschnittlich 
15,34% Schalen. König gibt den Höchstgehalt zu 20,09, den Niedrigst- 
gehalt zu 12,28 und das Mittel zu 15,45% an. Welmans fand in den 
gereinigten Rohbohnen 13,30, in den gerüsteten Bohnen 12,4% im Mittel. 

Den unvermeidlichen Gehalt an Schalen gibt Welmans zu 1 bis 
2%, der sich im Puderkakao infolge der Entfettung um so mehr erhöht, 
je stärker die Entfettung ist. Danach ist es verständlich, daß mit 
dem bloßen Nachweis der für Kakaoschalen charakteristischen Gewebs- 
elemente, worauf die mikroskopische Untersuchung hinweist, eigentlich 
nicht viel zu machen ist. Einzelne bei der mikroskopischen Unter- 
suchung gefundene Schalenteilchen geben noch nicht das Recht, einen 
Kakao wegen Schalengehaltes zu beanstanden. Notwendig ist, die 
Menge der gefundenen Schalenteilchen festzustellen oder abzuschätzen. 
Man kann dabei an die Herstellang von Vergleichsproben mit 
bestimmtem Schalengehalt denken und danach den Gehalt an Schalen 
abschätzen; doch ist dieser Weg wegen der geringen äußeren Form- 
verschiedenheit der Kakaokerne und Kakaoschalen schwer ausführbar. 

Nun hat Filsinger°) zuerst darauf hingewiesen, daß die Ver- 
schiedenheit der spezifischen Gewichte der Kakaoschalen und Kakao- 
kerne eine Trennung dieser durch Schwemmen mit Wasser gestattet. 


1) Zeitschr. öffentl. Chemie 1898, 4, 255. 
2) Untersuchungen über Kakao und dessen Präparate. L. Voß, Hamburg- 
Berlin. 


8, Zeitschr. öffentl. Chemie 1899, 5, 27. 


502 H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 


Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Schalen bis zu 
25% wasserlösliche Bestandteile enthalten, welche mithin bei dem 
Schlämmverfahren verloren gehen, sodaß statt 100 nur 75 Teile - 
gefunden werden, und daß daher der gefundene Schalengehalt um !/, 
vermehrt werden muß, fanden Filsinger und auch Welmans?) statt 
10% zugefügter Kakaoschalen davon 9,3—9,6% wieder. 

Paul Drawe?) gab zur Ausführung eines solchen Schlämm- 
verfahrens die folgende Vorschrift: 

2 g Kakaopulver werden in einer Porzellanschale mit 100 g 
Wasser angerührt, worauf unter beständigem Umrühren mit einem 
Glasstabe gekocht -wird, bis vollständige Benetzung des Pulvers statt- 
gefunden hat und bis der Schaum, der von der am Pulver haftenden 
Luft herrührt, sich auf der Oberfläche gesammelt hat und schließlich 
vergangen ist. Der Brei wird dann fünf Minuten der Ruhe überlassen, 
worauf man die obere Hälfte abgießt, die Schale wieder mit Wasser 
füllt, umrührt, nach einigen Minuten wieder abgießt, und diese Be- 
handlung so oft wiederholt, bis das Schlämmwasser klar ist und man 
die zurückgebliebenen schweren Teile des Kakaopulvers getrennt im 
Wasser schwimmen und sich auf dem Boden der Porzellanschale ab- 
setzen sieht. Ist diese Erscheinung eingetreten, so bringt man den 
Inhalt der Schale durch Rühren in kreisende Bewegung, wartet, bis 
Ruhe eingetreten ist, und gießt das Wasser vom Bodensatze ab. 
Dieses Verfahren wird solange wiederholt, bis das Wasser keine 
schwimmenden Teile mehr enthält, worauf der Bodensatz in einen 
getrockneten und gewogenen Gooch-Tiegel gebracht, getrocknet und 
gewogen wird. Drawe multipliziert das so erhaltene Schalengewicht 
mit 1,43, weil nach seiner Berechnung Kakaoschalen bei der be- 
schriebenen Behandlung etwa 30% ihres Gewichtes durch Lösung und 
Wegschlämmen ihrer Bestandteile verlieren. Selbstverständlich ist die 
mikroskopische Untersuchung des Bodensatzes unerläßlich. 

Wenn nun auch durch das Schlämmverfahren unter Berück- 
sichtigung des Verlustes an wasserlöslichen Bestandteilen 95% der 
Schalen wieder gewonnen werden können, so liegt die Sache doch 
wesentlich anders, wenn die Kakaoschalen, was jetzt häufig geschieht, 
sehr fein gepulvert dem Kakao beigemengt werden. Dann versagt 
das Schlämmverfahren vollständig, indem die fein gepulverten Kakao- 
schalen mit der Kernsubstanz abgeschlämmt werden. In solchen Fällen 
kann unter Umständen der Aschengehalt zum Nachweise der Kakao- 
schalen dienen, der durch Schalenzusatz erhöht wird. Märcker fand 
1) Zeitschr. öffentl. Chemie 1899, 5, 479. 

2) Zeitschr. öffentl. Chemie 1903, 9, 161. 


H. Beckurts: Kakao und Schokolade, 503 


in den Schalen 6,383—7,92% Welmans 8,52—8,74% Asche, während 
die Kerne etwa 5% Asche liefern. Lührig!) konnte bei der Be- 
stimmung der Schalenasche an selbst entschälten Bohnen erhebliche 
Schwankungen feststellen. In einigen Fällen waren die Aschengehalte 
der Schalen sogar niedriger als bei den Bohnen der gleichen Sorte, 
während in anderen Fällen wahrscheinlich infolge des Rottens erheblich 
höhere Aschenwerte erhalten wurden. 

Infolge dieser Schwankungen im Aschengehalte, eignet sich dieser 
nur wenig zum Nachweise von Schalen im Kakao und ist derselbe nur 
mit großer Vorsicht hierzu zu verwenden. Es erscheint möglich, daß 
die Alkalität der Asche, wenigstens bei den von Alkalizusatz freien 
Schokoladen, brauchbare Ergebnisse zum Nachweise der Schalen 
ergibt; die seither von Lührig gemachten Erfahrungen gestatten aber 
eine sichere Verwertung trotz der nachgewiesenen höheren wasser- 
löslichen Alkalität der Schalenasche zur Zeit noch nicht. 

Aus dem Rohfasergehalt wollte L. Legler?) schon 1883 eine Bei- 
mischung von Schalen zum Kakao erkennen können, wobei er mit 
Henreberg und Stohmann annahm, daß die Schalen 10,23—16,16%, 
die Kerne 2,14—3,09% Rohfaser enthalten. Doch mußte er sich bald 
überzeugen, daß der Bestimmung große Unsicherheit anhaftet, wenn 
es sich um den Nachweis eines geringen Schalenzusatzes handelt. Auch 
Lührig, welcher den Durchschnittsgehalt der Schalen an Rohfaser 
zu 13% feststellte, während sich in König’s Nahrungsmittelchemie 
17,1% als Durchschnittswert findet, erkannte beiden großen Schwankungen 
die Unzulässigkeit der Bestimmung der Rohfaser zum Nachweise der 
Schalen. 

Auch fehlt es an zuverlässigen Angaben über den Rohfaser- 
gehalt der Bohnen und Schalen. Die in der Literatur sich findenden 
Angaben sind nach unbekannten oder verschiedenen Methoden aus- 
geführt, worauf schon Filsinger?) aufmerksam machte. Derselbe 
brachte auch zuerst zuverlässige Angaben über Bestimmungen der 
Rohfaser, welche nach dem neuen Verfahren von J. König‘) aus- 
geführt sind. 

In den „Vereinbarungen“ müssen unter den Untersuchungs- 
verfahren die Methoden zur Bestimmung der Rohfaser ohne Zweifel 
durch Aufnahme des von König angegebenen Verfahrens vervollständigt 
werden, nachdem einwandsfrei nachgewiesen ist, daß die nach dem bisher 
empfohlenen Verfahren erhaltene Rohfaser nicht pentosanfrei ist. 


1) Ztschr. f. Unters. d. Nahr.- u. Genußm. 1905, 9, 263. 
2\ Repert. analyt. Chemie 1884, 36%. 

8) Zeitschr. öffentl. Chemie 1900, 6, 223. 

4) Ztschr. f. Unters. d. Nahr.- u. Genußm, 1698, 1, 3. 


504 H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 


Auch Jodzahl und Säurezahl des Kakaofettes hat man versucht 
zum Nachweise von Kakaoschalen dienstbar zu machen. Nach 
Welmans sind die Jodzahlen des Fettes der Kakaoschalen 45,25 bis - 
48,06, also erheblich höher als diejenigen des Fettes der Kakaokerne, 
ebenso die Säuregrade nach Burstyn, welche Welmanns für Schalen- 
fett zu 16,97—37,8 fand, während sie für reines Kakaofett 9—10,56 
betrugen. Doch dürften auch diese Zahlen von sehr untergeordneter 
Bedeutung sein und nur als Verdachtsmomente in Frage kommen, 
weil bei einem Schalenzusatz von nur 10% die Erhöhung der Jodzahl 
und Säurezahl selten so groß sein dürfte, um mit Bestimmtheit auf 
Schalenzusatz schließen zu können. 

Auch die Erniedrigung des Proteingehaltes durch Schalenzusatz 
kann für den Nachweis desselben in Betracht kommen, da der Protein- 
gehalt auf fettfreie Trockensubstanz berechnet, bei Kernen 30—32%, 
bei Schalen 15—16% ausmacht. 

Die größte Aussicht auf praktische Verwertung scheint bisher 
noch die Bestimmung der Furfurolzahl bezw. der Gehalt an 
Pentosanen zu haben. 

Warnier!) bestimmte zuerst den Gehalt an Pentosanen in Java- 
Kakaobohnen zu 2,49 % und zu 2,68% in van Houten’s Kakaopulver. 
Dekker?) nahm diese Bestimmungen wieder auf und gab eine Methode 
zur Bestimmung der Pentosane auf Grund der Furfurol-Phloroglucin- 
reaktion. Nach ihm schwankt der Pentosangehalt der Kerne zwischen 
2,17 und 2,41%, derjenige der Schalen zwischen 8,18 und 9,63%. Er 
folgert daraus, daß es durch die Pentosanbestimmung mithin möglich 
ist, eine Beimischung von 10% Schalen im Kakao bestimmt nach- 
zuweisen, da diese den Pentosangehalt auf 3% erhöht, eine Zahl, welche 
reine Kotyledonen nicht erreichen. Den Angaben Dekker’s wider- 
sprechen solche von R. Jaeger?), welcher in Gemeinschaft mit 
E. Unger schon früher‘) Pentosanbestimmungen auch in Kakao aus- 
geführt hat. Nach diesen Forschern geben auch Hexosen bei der 
Destillation mit 12 %iger Salzsäure Fällungen mit Phloroglucin, welche 
nicht durch Furfurol veranlaßt werden, diese Fällungen entstehen 
aber nicht mit Barbitursäure, die daher den Vorzug vor dem Phloro- 
glucin verdiene. Aber bei Anwesenheit von Hexosen neben Pento- 
sanen müsse auch bei Anwendung von Barbitursäure eine Trennung 
beider Zuckerarten vor der Destillation vorgenommen werden. Wenn 


1) Rec. Trav. Chim. d. Pay-Bas 1899, 17, 377. 

2) Pharm. Centralh. 1905, 46, 863. 

8) Zeitschr. f. Unters. d. Nahr.- u. Genußm. 1905, 10, 761. 

4) Ber. Deutsch. Chem. Gesellsch. 1902, 35, 4440 und 1903, 36, 2222. 


H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 505 


die Pentosanmenge nicht größer als 1,3% bei normalem Fettgehalt von 
25% im Kakaopulver ist, ist nach Jaeger die Gegenwart von Schalen 
nicht anzunehmen, wohl aber, wenn sie größer als 1,8% ist. Dann ist 
es notwendig, erst völlig zu entfetten und darauf die Bestimmung aus- 
zuführen, deren Werte 2,3% nicht übersteigen dürfen. 

Das ist in kurzen Umrissen der augenblickliche Stand unserer 
Kenntnisse über den Nachweis und die Gehaltsbestimmung von Kakao- 
schalen in Kakao und Schokolade. Die Angaben lauten noch zu 
widersprechend, um der Aufnahme eives bestimmten Verfahrens das 
Wort reden zu können. Die Ermittelung des Schalengehaltes in 
Kakao und Schokolade ist eben noch nicht in unbedingt einwandfreier 
Weise gelungen. Bei dem großen Interesse, welches dieser Frage zu- 
gewandt wird, — ich erinnere nur an das Preisausschreiben des 
Verbandes Deutscher Schokoladenfabrikanten vom Jahre 1904 — darf 
erwartet werden, daß vielleicht schon in Jahresfrist, wenn über 
diese Vorschläge zu den „Vereinbarungen“ in der Versammlung deutscher 
Nahrungsmittelchemiker abgestimmt wird, auch eine einwandfreie 
Methode zur Ermittelung des Schalengehaltes in Kakaopräparaten sich 
finden wird. Allen darauf bezüglichen Bestrebungen ist im Interesse 
der Sache ein voller Erfolg zu wünschen. Für jetzt habe ich mich 
darauf beschränkt, die mikroskopische Untersuchung namentlich mit 
Bezug auf den Nachweis von Schalenteilchen etwas zu vervollständigen. 


IV. Bestimmung der Xanthinbasen. 


Zur Bestimmung der Xanthinbasen war in den „Verein- 
barungen“ an erster Stelle das Verfahren von Eminger und Hilger!) 
vorgeschlagen worden. Das Verfahren gibt infolge der vorherigen 
Entfettung und auch wohl infolge des zersetzenden Einflusses des beim 
Neutralisieren der Schwefelsäure stets angewandten, wenn auch nur 
kleinen Ueberschusses, von Barythydrat auf Theobromin zu niedrige 
Werte. Die Verfahren, welche zur quantitativen Bestimmung der 
Xanthinbasen empfohlen worden sind, sind sehr zahlreich. Sie wurden 
neuerdings von J. Dekker?) einer kritischen Durcharbeitung unter- 
zogen. Dabei hat sich ergeben, daß wohl allen Methoden gewisse 
Mängel anhaften, welche in Umständlichkeit der Ausführung, zeit- 
raubender Extraktion, Unreinheit der zur Wägung gebrachten Basen 
bestehen. Von den durch Dekker geprüften Verfahren sind es 
zweifellos die Verfahren von Mulder, Süß und Beckurts, die in 
erster Linie Beachtung verdienen. Das Mulder’sche Verfahren ist 


1) Forschungsberichte über Lebensmittel 1894, 1, 292, 
2) Schweizerische Wochenschr. f. Chem. u. Pharm. 1902, 40, No. 45, 46, 47. 


506 H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 


auf stärkemehlhaltige Präparate nicht anwendbar, bei dem Süß’schen 
Verfahren bedingt das vorherige Entfetten einen, wenn auch kleinen, 
doch immerhin bemerkenswerten Fehler. Das Beckurts’sche Ver- 
fahren ist, wenn es auch reine Basen liefert, in seiner Ausführung 
etwas umständlich. An dem Dekker'’schen Verfahren haben Welmans!) 
und Fromme?) Kritik geübt. 

Das Auswaschen des mit gebrannter Magnesia gekochten Kakaos 
ist nicht durchführbar. Schon beim erstmaligen Abfiltrieren der 
Flüssigkeit wird diese eher kalt, als sie vom Rückstande getrennt 
werden könnte. Bei wiederholter Kochung wird die Flüssigkeit 
schleimig. Die vorgeschriebene Wassermenge und ebenso die vor- 
geschriebene Menge Magnesia sind zu gering bemessen; die erhaltenen 
Basen sind nicht aschenfrei. 

Welmans hat einige wichtige Abänderungen an den Dekker’schen 
Verfahren vorgeschlagen. Aber auch in dieser Form haften dem 
Verfahren noch verschiedene Mängel an. Zunächst ist die zur 
Extraktion vorgeschriebene, später abzudampfende Wassermenge unnötig 
groß, auch verursacht das Auswaschen des Kakaos häufig Schwierig- 
keiten. Sobald Stärke und Zucker zugegen sind, ist auf eine quanti- 
tative Filtration der Kakao-Magnesia- Abkochung überhaupt nicht mehr 
zu rechnen. Wenn Zucker gegenwärtig ist, so hinterbleibt beim 
Verdunsten des wässerigen Filtrats auch mit Sand eine so zähe und 
hygroskopische Masse, daß behufs Pulverung selbst ein heißer Mörser 
nur schwer über diese Schwierigkeit hinweg hilft. Endlich muß nach 
diesem Verfahren stets der Aschengehalt der Basen bestimmt werden, 
weil fein zerriebener Quarzsand nur zu leicht mit durchs Filter geht. 

In den Entwurf ist ein von mir und Fromme ausgearbeitetes 
Verfahren aufgenommen worden, welches verhältnismäßig einfach ist, 
auch bei stärke- und zuckerhaltigen Kakaos brauchbar ist und reine 
Xanthinbasen liefert. Bei diesem Verfahren wird durch Kochen mit 
verdünnter Schwefelsäure jedweder störende Einfluß der Stärke auf- 
gehoben, und werden die Xanthinbasen schnell aus ihren Ver- 
bindungen frei gemacht und an Schwefelsäure gebunden. Darauf tritt 
eine Behandlung mit überschüssiger gebrannter Magnesia in genügend 
aber nicht überflüssig verdünnter wässeriger Lösung ein, wodurch die 
Basen in Freiheit gesetzt werden, der Farbstoff zur Abscheidung 
gelangt und das Fett unschädlich gemacht wird. Ein Auswaschen des 
hierbei verbliebenen Rückstandes wird dadurch umgangen, daß nur 
ein gewisser Teil des kalten Filtrates verwendet wird. Das die freien 


1) Pharm. Ztg. 1902, 47, 798 und 858. 
2) Apoth.-Ztg. 1903, 18, 59. 


H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 507 


Basen enthaltende, nur ganz schwach gelbliche Filtrat hinterläßt einen 
Verdunstungsrückstand, welcher in Wasser aufgenommen, die Basen 
an Chloroform durch Ausschütteln, Extraktion oder Perforation 
ieicht abgibt. 


V. Sonstige Untersuchungsverfahren. 


Unerwähnt blieben unter den Untersuchungsverfahren der Nach- 
weis von Farbstoffen und von sogenannten Fettsparern, was 
Ihre Billigung finden dürfte. 

Als Fälschung von Kakaowaren ist selbstverständlich das 
Färben derselben zu betrachten. Von Farben sind braune und rötliche 
Teerfarben und Sandelholz, auch Eisenocker und roter Bolus gefunden 
worden. Das Färben geschieht, um der Ware ein gefälligeres Aus- 
sehen zu geben, und um bessere Ware vorzutäuschen, als in Wirklich- 
keit vorliegt. Was den Nachweis von Teerfarben anlangt, so fand 
Schmitz-Dumont!) einen Unterschied zwischen braunen Teer- 
farben und Kakaofarben darin, daß die Fällung des 70 %igen alkoho- 
lischen Auszuges mit Bleiessig bei reinem Kakao grüngrau bis gelb- 
grüngrau, die darüber stehende Flüssigkeit farblos ist, während bei 
Anwesenheit von Teerfarbstoffen die über dem Niederschlage stehende 
Flüssigkeit stets gefärbt ist. 

Nach Riechelmann und Leuscher?) ist der absolut alkoho- 
lische Auszug bei reinem Kakaopulver farblos, höchstens mit einem 
schwachen Stiche ins Gelbliche; dagegen wird bei mit Sandelholz 
gefärbten Kakao ein gefärbter Auszug erhalten, welcher sich auf 
Zusatz von Eisenchlorid violett färbt, während reiner Kakaoauszug 
hierbei unverändert bleibt. Die Reaktion tritt etwas verschieden auf, 
je nachdem extrahiertes oder unextrahiertes Sandelholz vorliegt. Bei 
Gegenwart des letzteren entsteht auf Zusatz eines Tropfens verdünnter 
Eisenchloridlösung sofort eine tief violette Färbung, welche längere 
Zeit erhalten bleibt, während, um extrahiertes Sandelholz nach- 
zuweisen, der Tropfen Eisenchloridlösung vorsichtig auf die Oberfläche 
des alkoholischen Auszuges geschichtet werden muß, um dem charakte- 
ristischen yioletten Ring zu erhalten. Beim Mischen entstehen un- 
definierbare Verfärbungen. 

Sehr große Verbreitung findet neuerdings die sogenannte „Ueber- 
füllung“ der Schokoladen mit Zucker, zu welchem Zwecke ein Zu- 
satz von Kakaobutter zu der Schokolade gemacht werden muß. Neuer- 
dings hat nun Welmans darauf hingewiesen, daß gewisse Körper, 
wie Dextrin, Gelatine, namentlich aber Traganth in den kleinsten 


1) Zeitschr. öffentl. Chemie 1903, 9, 313. 
2) Zeitschr. öffentl. Chemie 1902, 8, 203. 


508 H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 


Mengen die Schokolade befähigen, größere Mengen von Zucker aufzu- 
nehmen, was sonst nur durch Erhöhung der Kakaofettmenge möglich 
ist. Der Zusatz von Traganth u. dergl. ist aber billiger, weshalb für 
diese Mittel die Bezeichnung „Fettsparer“ eingeführt ist. 

Der Nachweis des Traganths, welcher hauptsächlich als Fett- 
sparer Verwendung zu finden scheint, ist nicht leicht, zumal nur außer- 
ordentlich geringe Mengen desselben zur Erreichung des beabsichtigten 
Zweckes notwendig sind. Abgesehen von der höchst geringen Menge 
des Zusatzes besteht die Schwierigkeit des Nachweises desselben 
darin, daß die Körner der Traganthstärke der Kakaostärke ähnlich 
sind und die übrigen Bestandteile des Traganths charakteristische _ 
Reaktionen nicht geben. Von Filsinger!) ist folgendes Verfahren 
zum Nachweise der Traganths angegeben worden: 

Man reibt 10—20 g der vollkommen entfetteten Schokolade mit 
Wasser an, spült in einem 100 cem-Zylinder und überläßt zur 
Quellung 24 Stunden der Ruhe. Nach dieser Zeit wird vom Boden- 
satze abgegossen und dieser mehrere Male mit Wasser ausgewaschen. 
Bei dem Durchmustern des so behandelten Rückstandes mit einer 
starken Lupe treten die Traganthpartikel als farblose, schwach 
getrübte, sagoähnliche Kügelchen auf, welche weder chemisch noch 
mikroskopisch bemerkenswerte Eigenschatten darbieten und an der 
Luft zu sehr kleinen, gelblich gefärbten Schüppchen eintrocknen. 

In traganthhaltigem Kakaopulver findet man meist einen geringeren 
Gehalt an Fett und größere Mengen Feuchtigkeit. 


II. 
Leitsätze. 


A. Vorbemerkungen. 


1. Die Kakaobohnen sind die Samen des Kakaobaumes (Theo- 
broma Oacao L.). Sie liegen in einer gurkenähnlichen, 10—20 cm 
langen und 5—7 cm dicken Frucht zu etwa 25 in einem rötlich gelben 
Fruchtmuse eingebettet, sind im frischen Zustande weiß und werden 
beim Trocknen braun. Die vom Fruchtfleische befreiten Bohnen 
werden entweder direkt an der Sonne getrocknet (ungerotteter oder 
Sonnen-Kakao) oder zuvor in Haufen, auch in Butten, aufeinander- 
geschichtet oder in die Erde gegraben, einer Gärung, dem sogenannten 
Rotten, unterworfen und dann an der Sonne oder bei gelinder Feuer- 
hitze getrocknet (gerotteter Kakao). 

Durch das Rotten wird aus dem in der frisch farblosen Kakao- 
bohne enthaltender Glykosid durch Einwirkung eines diastatischen 


1) Zeitschr. öffentl. Chemie 1903, 9, 9. 


H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 509 


Fermentes Kakaorot gebildet, welches auf Aroma und Geschmack der 
Kakaobohne von erheblichem Einfluß ist. Die nur getrockneten Bohnen 
besitzen einen etwas herben und bitteren Geschmack, während der 
Geschmack der zuvor gerotteten Bohnen ein milder, aromatischer ist. 

Zu den wichtigsten Bestandteilen der Kakaobohnen gehören: 
Theobromin, Koffein, Kakaofett, Stärke, Gerbstoff, Farbstoff, Mineral- 
bestandteile, Eiweißkörper. 

Farbstoff (Kakaorot), Theobromin und Koffein dürften nicht 
präexistierend in den Kakaobohnen vorhanden sein, sondern aus einem 
Glykoside beim Rotten und weiterhin beim Rösten der Bohnen ent- 
stehen, welches dabei durch Mitwirkung eines diastatischen Fermentes 
in Glykose, Kakaorot und ein Gemenge von Theobromin und Koffein 
gespalten wird. Ueber die Zusammensetzung der Kakaobohnen gibt 
nachstehende Tabelle von Weigmann Aufschluß: 


In der Trocken- 


= \ 2o| 
I Suse | | sa| „ substanz 
z.1o5| 8 Tr 2.82 |,.S © Kr 
maızste|ı State ebelas |, n 
E 8, je a1. | > 3|2= == 2 s5|l|353| 
Kakaobohnen | & |25|73 ı2 2828| 312 18£|e8$8 
| ea| | o£-|5 seele 
| IR = | BER 38 | 
1 za 2 
| j I 
| 0 01, | o o 0 o 
| % | % u) o!'n [)) ni 03 % I» % 
] 


Rohe, ungeschälte | 7,93 14,19 1,49] 45,57] 5,85) 17,07| 4,78 461 15,41 1,62149,49 


Geröstete, ungeschälte || 6,79] 14,13 1,58 46,19) 6,09] 18,04, 4,63 14,16 | 15,56, 1,69149,56 
„ geschälte | 5,58) 14,13] 1,55 50,09) 8,77|13,91| 3,93 13,59 | 14,96 1,64:53,04 
Verknetete Masse || 4,16) 13,97 1,56) 53,03, 9,02] 12,79) 3,40 13,63 14,88| 1,66/56,08 


Kakaoschalen 11,19] 13,61[0,76, 4,21] 43,191) |17,16 9,882] 15,32| 0,85! 4,74 


2. Kakaomasse ist ein durch Erwärmen und Verreiben aus 
‚den gerösteten und enthülsten Kakaobohnen ohne Entnahme von Fett 
und ohne irgend einen Zusatz hergestelltes und in Formen gebrachtes 
Produkt. 

3. Kakaopulver, entölter Kakao, löslicher Kakao, auf- 
‚geschlossener Kakao sind gleichbedeutende Bezeichnungen für eine 
in Pulverform gebrachte Kakaomasse, nachdem diese durch Auspressen 
bei gelinder Wärme von einem Teile des ursprünglichen Fettgehaltes 
befreit und in der Regel einer Behandlung unter Zusatz von Kalium- 
bezw. Natriumkarbonat oder Ammonium- bezw. Magnesiumkarbonat 
unterworfen bezw. einem starken Dampfdruck ausgesetzt worden ist. 

Kakaopulver kommt nur ausnahmsweise unverändert in den 
‚Handel. Fast alle Kakaofabriken verreiben die Masse unter Zugabe 


1) Mit 8,73% in Zucker überführbaren Stoffen. 
2) Mit 4,06% Sand. 


510 H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 


von Natrium- oder Kaliumkarbonat (holländisches Verfahren) oder 
verwenden Ammoniak, Ammoniumkarbonat oder ein Gemenge dieser 
verschiedenen Alkalien oder endlich Magnesiumkarbonat. Hierdurch _ 
wird eine Aenderung der mechanischen Struktur des Kakaos bewirkt; 
es setzen nach dem Uebergießen des Kakaopulvers mit kochendem 
Wasser die unlöslichen Bestandteile sich nicht so schnell zu Boden, 
als ohne jede Behandlung mit Alkalien, und wird diese veränderte 
Eigenschaft des Kakaos von den Fabrikanten als „Löslichkeit“ be- 
-zeichnet. Statt „löslicher Kakao“ wäre wohl richtiger „aufgeschlossener 
Kakao“ zu sagen. Einzelne Fabriken setzen die Kakaomasse einem 
hohen Dampfdrucke aus und bewirken hierdurch nicht nur eine bessere 
Löslichkeit in dem soeben erwähnten Sinne, sondern es werden die 
Nährstoffe dadurch auch tatsächlich zum Teil in eine löslichere Form 
übergeführt. 

4. Schokolade ist eine Mischung von Kakaomasse mit Rohr- 
oder Rübenzucker nebst einem entsprechenden Zusatz von Gewürzen 
(Vanille, Vanillin, Zimmt, Nelken etc.). Manche Schokoladen enthalten 
außerdem einen Zusatz von Kakaofett (Kakaobutter), Speise- und 
Dessert-Schokoladen bisweilen Zusätze von Mandeln und Nüssen. 
Milch-Schokolade ist unter Verwendung eines Zusatzes von Milch 
bezw. Rahm hergestellt. Schokoladenmehle sind Mischungen aus 
Kakaopulver und Zucker. 

5. Kakaobutter ist das durch Abpressen aus der Kakaomasse: 
gewonnene Fett. 


B. Beimengungen und Verfälschungen. 


Verfälschungen von Kakao und Schokolade kommen häufiger vor; 

sie können bestehen: 

1. in dem Zusatze von Mehl und Stärke aller Art; 

2.in dem Zusatze von Mineralstoffen (Eisenoxyd, Bolus, 
roter Ocker); 

3. in dem Zusatze von Farbstoffen (Teerfarbstoffe, Sandelholz); 

4. in dem Zusatze von fein zerriebenen Kakaoschalen und. 
Kakaokeimen; 

5. in der übermäßigen Entziehung von Fett; 

6. in dem Ersatze von Kakaofett durch billigere Fette pflanz- 
lichen und tierischen Ursprungs (Rindstalg, Dikafett [von 
Mangifera gabonensis], Kokosfett, Kakaoline [von flüssigen 
Glyceriden befreites Kokosfett], Nukoine [Gemisch von Palm- 
kern- und Kokosfett], künstliche Kakaobutter [durch Kochen. 
von Paraffin und minderwertigem Fett mit Kakaoschalen her- 
gestellt], Sesamöl, Margarine); 


H. Beckurts: Kakao und Schokolade. bil 


7. in dem Zusatze von sog. Fettsparern, wie z. B. Traganth, 
Gelatine, Dextrin. 

8. Schokoladen können unter Zuhilfenahme von Kakaobutter 
durch Zusatz eines übermäßigen Zuckerzusatzes gefälscht 
werden, auch anderen Zucker als Rohr- bezw. Rübenzucker 
enthalten. 


C. Untersuchungsverfahren. 


Die Probeentnahme hat an verschiedenen Stellen oder von 
verschiedenen Stücken bezw. aus dem Inhalt verschiedener Gefäße 
des Vorrats so zu erfolgen, daß die entnommene Probe einem guten 
Durchschnitt entspricht. Die Verpackung geschieht in kleinen Papp- 
schachteln oder Gläsern mit Korkstöpseln, sodaß während des Versandes 
und der Aufbewahrung weder Wasserverlust eintreten, noch Feuchtig- 
keit angezogen werden kann, 


I. Chemische Untersuchung. 


Die chemische Untersuchung wird sich zumeist erstrecken auf 
die Bestimmung des Gehaltes an Wasser, Asche, Fett und dessen 
Reinheit, Stärke, unter Umständen auch Zucker und fremde Farb- 
stoffe. Diesen Bestimmungen werden sich nur von Fall zu Fall die 
Feststellungen des Gehaltes an Theobromin (Koffein) und an Rohfaser, 
sowie die mikroskopische Untersuchung anreihen. 

Die für die chemische Untersuchung bestimmten Proben sind 
möglichst fein zu pulvern. 


a) Bestimmung des Wassers. 

5 g der Substanz werden nach hinreichender Zerkleinerung in 
einem Trockenschranke bei 100—105° bis zum konstanten Gewicht 
getrocknet. 

b) Bestimmung der Asche. 


5 g Substanz werden in einer ausgeglühten und gewogenen 
Platinschale durch eine mäßig starke Flamme verkohlt. Die nach 
mäßigem Erhitzen noch vorhandene Kohle wird darauf mit heißem 
Wasser ausgelaugt, das Ganze durch ein Filter von bekanntem Aschen- 
gehalt in ein kleines Becherglas filtriert und mit möglichst wenig 
Wasser nachgewaschen. Das Filter mit dem Rückstande wird alsdann 
in der Platinschale getrocknet und vollständig verascht, bis keine 
Kohle mehr sichtbar ist. Nach dem Erkalten der Schale wird das 
Filtrat hinzugegeben, auf dem Wasserbade eingedampft und nochmals 
schwach geglüht, nachdem der Inhalt der Schale mit wenig Ammonium- 
karbonat befeuchtet ist. 


512 H. Beckurts: Kakao und Schokolade, 


Wenn außer der Bestimmung der Gesamtasche auch eine solche 
der in Wasser löslichen und unlöslichen Anteile der Asche erforder- 
lich ist, so erwärmt man die Gesamtasche in der Platinschale auf dem 
Wasserbade mit Wasser, filtriert das Unlösliche ab, wäscht es mit 
Wasser nach, glüht und wägt. 

Zur analytischen Alkalitätsbestimmung ist die Titration in 
füiltrierter Lösung vorzunehmen, also nur die wasserlösliche Alkalität 
zu bestimmen. 


c) Bestimmung des Fettes. 


5 2 Kakaopulver bezw. 10 g Schokolade werden mit gleichen 
Teilen reinen Quarzsandes verrieben, das Gemenge wird in eine aus 
entfettetem Filtrierpapier hergestellte Papierhülse gebracht und in 
einem geeigneten Extraktionsapparate bis zur Erschöpfung (18 Stunden) 
mit Aether ausgezogen. Nach Vollendung der Extraktion wird der 
Aether aus dem Extraktionskölbchen abdestilliert, der Rückstand eine 
Stunde im Wassertrockenschranke getrocknet, im Exsikkator erkalten 
gelassen und gewogen. Die geringen Mengen Theobromin, welche durch 
den Aether gelöst werden, bleiben unberücksichtigt. 

An die Bestimmung der Fettmenge hat sich in allen Fällen seine 
Untersuchung auf Reinheit anzuschließen. Diese erstreckt sich auf: 


1. Bestimmung des Schmelzpunktes. Reines Kakaofett 
schmilzt bei 32—34°. (Die mit dem Kakaofett gefüllte Kapillare 
muß mindestens 24 Stunden vor der Schmelzpunktbestimmung an einem 
kühlen Orte aufbewahrt sein.) 

2. Bestimmung des Brechungsindex. Der Brechungsindex 
liegt bei 40° zwischen 46 und 47,8. 

3. Bestimmung der Jodzahl. Die Jodzahl beträgt 34—38°. 


4. Bestimmung der Verseifungszahl. Die Verseifungszahl 
beträgt 190—204. 


5. Der Nachweis von Sesamöl geschieht mit Hilfe der 
Baudouin’schen Reaktion (vergl. Heft I, S. 102 der „Verein- 
barungen‘“). | 

Unter Umständen leisten auch gute Dienste: 

1. Die Björklund’sche Aetherprobe. 3g Fett werden mit 6 g 
Aether in einem verschlossenen Reagenzglase auf 18° C. erwärmt. 
Bei Gegenwart von Wachs entsteht eine trübe Lösung. Ist die 
Lösung klar, so stellt man das Röhrchen in Wasser von 0° und 
beobachtet die Zeit, nach welcher eine Trübung eintritt. Bei Gegen- 
wart von Rindstalg tritt bereits vor Ablauf von 10 Minuten eine 
deutliche Trübung ein, während bei reinem Kakaofett erst nach 


H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 513 


10—15 Minuten eine Trübung zu beobachten ist. Beim Erwärmen 
auf 18—20° verschwindet dieselbe wieder. 

2. Die Filsinger'sche Alkohol-Aetherprobe: 2 g Fett 
werden in einem graduierten Röbrehen geschmolzen und mit 6 ccm 
einer Mischung aus 4 Teilen Aether und 1 Teil Alkohol geschüttelt 
und bei Zimmertemperatur beiseite gestellt. Reines Kakaofett liefert 
eine klarbleibende Lösung. 


d) Bestimmung der Stärke. 


In 5 g Kakao, bezw. 10 g Schokolade, welche durch Aether von 
Fett und durch verdünnten, 70 volumprozentigen Alkohol von Zucker 
befreit worden sind, wird die Stärke nach den bei den allgemeinen 
Untersuchungsmethoden angegebenen Verfahren bestimmt (vergl. Heft I, 
S. 14 der „Vereinbarungen“). 


e) Bestimmung der Rohfaser. 


5 g Kakao bezw. 10 g Schokolade werden entfettet und in dem 
entfetteten Pulver wird nach den bei den allgemeinen Untersuchungs- 
methoden angegebenen Verfahren (vergl. Heft I, S. 16, der „Verein- 
barungen“) oder nach dem von J. König!) angegebenen Verfahren die 
Rohfaser bestimmt. 


f) Bestimmung des Theobromins und Koffeins. 


Das Koffein, welches nur in sehr geringer Menge vorhanden 
ist, kann bei der Bestimmung des Theobromingehaltes in der Regel 
vernachlässigt werden, wie überhaupt die Bestimmung dieser beiden 
Körper nur dann zu erfolgen hat, wenn bei der Bestimmung von 
Wasser, Fett, Asche, Stärke, Zucker etc. der Verdacht einer Ver- 
fälschung oder Abweichung von der normalen Beschaffenheit des 
Kakaos oder der Kakaopräparate hervortritt, oder wenn ein bestimmter 
Gehalt an Theobromin ausbedungen ist. 

a) Zur Bestimmung des Theobromins einschließlich 
des Koffeins empfiehlt sich das folgende Verfahren: 

6 g gepulverter Kakao bezw. 12 g gepulverte Schokolade werden 
mit 200 g einer Mischung von 197 g Wasser und 3 g verdünnter 
Schwefelsäure in einem tarierten (1 Liter-) Kolben am Rückfluß- 
kühler !/a Stunde lang gekocht. Hierauf fügt man weitere 400 g 
Wasser und 8 g damit verriebener Magnesia hinzu und kocht noch 
eine Stunde. Nach dem Erkalten wird das verdunstete Wasser genau 
ergänzt. Man läßt darauf kurze Zeit absitzen und filtriert 500 g, 
entsprechend 5 g Kakao bezw. 10 g Schokolade, ab unı verdunstet 


1) Zeitschr. f. Unters. d. Nabr.- u. Genußm. 1898, 1,3. 
Arch. d. Pharm. CCXXXXIV. Bds. 7. Heft. 33 


514 H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 


das Filtrat für sich oder in einer Schale, deren Boden mit Quarzsand 
belegt ist, zur Trockne. 

Sofern das Filtrat ohne Quarzsand verdunstet wurde, wird der . 
Rückstand mit einigen Tropfen Wasser verrieben, mit 10 cem Wasser 
in einen Schüttelzylinder gebracht und achtmal mit je 50 ‘ccm 
heißem Chloroform ausgeschüttelt. Das Chloroform wird durch ein 
trockenes Filter in ein tariertes Kölbchen filtriert, das Filtrat durch 
Destillation von Chloroform befreit, der Rückstand (= Theobromin 
+ Koffein) bei 100° bis zur Gewichtskonstanz getrocknet und 
gewogen. 

Man kann auch den Rückstand mit etwas Wasser verreiben 
und mit 25 ccm Wasser in einem geeigneten Perforator auf Chloro- 
form schichten und mit letzterem 6—10 Stunden perforieren. 

Ist das Filtrat, über Quarzsand geschichtet, zur Verdunstung 
gebracht, so kann man den fein verriebenen Rückstand in einem 
geeigneten Fettextraktionsapparate mit Chloroform bis zur Erschöpfung 
ausziehen. 

ß) Zur getrennten Bestimmung von Theobromin und 
Koffein übergießft man den Verdunstungsrückstand des Chloroforms 
mit 100 g Tetrachlorkohlenstoff, läßt eine Stunde bei Zimmertemperatur 
unter zeitweiligem Umschütteln stehen und filtriert. Die filtrierte 
Lösung wird durch Destillation von Tetrachlorkohlenstoff befreit, der 
Rückstand wiederholt mit Wasser ausgekocht, die wässerige Lösung in 
einer gewogenen Schale eingedampft und bei 100° bis zur Gewichts- 
konstanz getrocknet (Koffein). Das im Kolben ungelöst gebliebene 
Theobromin, ferner das Filter, werden ebenfalls mit Wasser wieder- 
holt ausgekocht, dieses verdampft und der Rückstand bei 100° 
getrocknet und gewogen (Theobromin). | 


g) Bestimmung des Zuckers. 


Die Bestimmung des Zuckers in-der Schokolade kann auf 
polarimetrischem und auf gewichtsanalytischem Wege geschehen. 

1. Die polarimetrische Bestimmung wird nach dem Ver- 
fahren von Woy!) ausgeführt, welches den durch das Volumen des 
Bleiessigniederschlages entstehenden Fehler vermeidet. 

2. Zur Ausführung der gewichtsanalytischen Bestimmung 
entfettet man eine abgewogene Menge (5 g) Schokolade ‚mit Aether, 
extrahiert sodann den Zucker mit verdünntem Alkohol und wägt den 
nach dem WVerjagen des Alkohols verbleibenden Rückstand vom 
alkoholischen Auszuge, um danach eine annähernde 1%ige Lösung 


1) Zeitschr. f. öffentl. Chem. 1898, 4, 5. 


H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 515 


herzustellen. Ein Teil dieser Lösung wird nach Heft I, S. 7 der 
„Vereinbarungen“ invertiert, mit Bleiessig entfärbt, durch Natriumsulfat 
entbleit, und der Invertzucker nach Allihn bestimmt. Bezüglich der 
Bestimmung des gärungsfähigen Zuckers neben Saccharose in der 
Schokolade wird auf das Gesetz vom 27. Mai 1596 bezw. 6 Januar 1903, 
betr. die Besteuerung des Zuckers, nebst den vom Bundesrat erlassenen 
Ausführungsbestimmungen zum Zuckersteuergesetze vom 27. Mai 1896 
und 18. Juni 1903 (Anlage E.)!) Anleitung zur Ermittelung des 
Zuckergehaltes der zuckerhaltigen Fabrikate hingewiesen. 


II. Mikroskopische Untersuchung. 


Kakao ist anatomisch nur schlecht charakterisiert. Bei der 
mikroskopischen Untersuchung ist hauptsächlich auf die Fett, 
Aleuron und Stärke führenden Parenchymzellen, sowie die Pigment- 
zellen und die Trichome bezw. deren Bruchstücke zu achten. Ebenso 
ist die Epidermis mit ihren Farbstoffkörnern charakteristisch. 

Schalenteilchen, wenn nicht zu sehr zerkleinert, sind zu erkennen 
an ihren eigentümlichen Epidermiszellen und Skleroiden. 

Die Entfettung der Proben mit Aether - Alkohol vor der 
mikroskopischen Untersuchung ist zu empfehlen. 

Zur Erkennung fremder Stärke, soweit diese nicht verkleistert 
ist, ist der mikroskopische Nachweis geeignet. Ein Vergleich mit 
Zählpräparaten kann eine annähernde Schätzung der Menge der Stärke 
ermöglichen. 

D. Anhaltspunkte zur Beurteilung. 


1. Kakaomasse darf keinerlei fremde pflanzliche Beimengungen 
(Stärke aller Art, Mehle etc.), keine fremden Mineralstoffe und kein 
fremdes Fett enthalten. Die Reinigung von Kakaoschalen (Kakao- 
staub, Kakaokeime) ist so weit zu treiben, als es nach dem Stande 
der Maschinentechnik möglich ist. Kakaomasse hinterläßt 3—5 % Asche 
und enthält 52—56 % Fett. 

2. Kakaopulver, entölter Kakao, löslicher Kakao, 
aufgeschlossener Kakao darf keinerlei fremde pflanzliche Bei- 
mengungen (Stärke aller Art, Mehl etc.) und kein fremdes Fett 
enthalten, muß auch, soweit es maschinentechnisch möglich ist, von 
Kakaoschalen befreit sein. 

Die Festsetzung eines Mindestfettgehaltes ist erwünscht, bleibt 
aber vorbehalten. 

Bei nur gepulvertem Kakao und bei mit Ammoniumkarbonat 
behandeltem, bezw. starkem Dampfdruck ausgesetztem Kakaopulver 


1) Zeitschr. f. Unters. d. Nahr.- u. Genußm. 1903, 6, 1077. 
33* 


516 H. Beckurts: Kakao und Schokolade. 


ist der Gehalt an Asche, je nachdem mehr oder weniger Fett entzogen 
wurde, größer oder kleiner; er muß, auf Kakaomasse mit 55% Fett 
umgerechnet, der gleiche sein wie bei Kakaomasse. 

Das mit kohlensauren Alkalien (Holländisches Verfahren) 
bezw. Magnesiumkarbonat aufgeschlossene Kakaopulver darf, auf 
Kakaomassen mit 55 % Fett umgerechnet, nicht mehr als 8% Asche 
hinterlassen. Der Gehalt an Wasser darf 6% nicht übersteigen. 

3. Schokoladen dürfen außer einem entsprechenden Zusatz 
von Gewürzen keinerlei fremde pflanzliche Beimengungen (Stärke aller 
Art, Mehl etc.), kein fremdes Fett und keine fremden Mineralbestand- 
teile enthalten und müssen, soweit es maschinentechnisch möglich ist, 
von Kakaoschalen befreit sein. 

Die ohne Deklaration zu verkaufende ‚Schokolade besteht aus 
33,5—50% Kakaomasse bezw. einer Mischung von Kakaomasse mit 
Fett und 66,5—50 % Zucker, sodaß in derselben Zucker und Fett nicht 
mehr als 85 % betragen. 

Schokoladen mit einem höheren Gehalt an Zucker als 66,5 % sind 
als „stark gezuckerte“ zu deklarieren, doch darf auch in diesen der 
Zuckergehalt 70% nicht übersteigen. 

Schokoladen, welche Mehl enthalten, müssen mit einer diesen 
Zusatz anzeigenden, deutlich erkennbaren Bezeichnung versehen sein, 
doch darf die Summe des Mehlzusatzes und des Zuckers nicht mehr 
als 70% betragen. 

Der Gehalt an Asche darf 2,5% nicht übersteigen. 

4. Schokoladenpulver ist gleichbedeutend mit gepulverter 
Schokolade und wie diese zu beurteilen. 

5. Kuvertüre oder Ueberzugsmasse, ebenso Speise- und 
Dessertschokolade müssen den an Schokolade gestellten 
Anforderungen genügen, dürfen aber Zusätze von Nüssen und Mandeln 
bis zu 5% enthalten. 

6. Zusatz von Stoffen zu diätetischen oder medizinischen 
Zwecken zu Schokolade ist zulässig, doch darf die Summe dieses 
Zusatzes und des Zuckers nicht mehr als 70% ausmachen. 


L. Rosenthaler u. F. Türk: Kohlenadsorbtion. 517 


Mitteilung aus dem pharmazeutischen Institut 
der Universität Strassburg i. E. 


Ueber die adsorbierenden Eigenschaften verschiedener 


Kohlensorten. 
Von L. Rosenthaler und F. Türk.') 
(Eingegangen den 26. IX. 1906 ) 


Zur Entfärbung und Reinigung von Chemikalien bedient man 
sich mit Vorliebe der Kohle, trotz der manchmal nicht unbeträcht- 
lichen Verluste, die mit dieser Operation verknüpft sind und die man 
gewöhnlich auf Rechnung der Verunreinigungen schreibt. Es ist indes 
bekannt, daß Kohle auch andere Stoffe als Farbstoffe za adsorbieren 
vermag. Ueber die Größe der Adsorption fehlen exakte Angaben, 
ganz besonders für solche Stoffe, die für die Pfanzenchemie in Betracht 
kommen. Wir haben deshalb mit der vorliegenden Studie versucht, 
diese Lücke auszufüllen. Um Resultate zu erhalten, die für die 
Praxis von Beachtung sind, haben wir die adsorbierenden Eigenschaften 
mehrerer Kohlensorten unter den zur Entfärbung gewöhnlich ein- 
gehaltenen Bedingungen geprüft und die Versuche durch Anwendung 
verschiedener Lösungsmittel weiter variiert. 


Die Kohlensorten. 


Folgende Kohlensorten gelangen zur Verwendung: 


1. Tierkoble (Knochenkohle), 2. Fleischkohle, 3. Pflanzenblut- 
kohle, 4. Blutkohle, 5. Lindenkohle, 6. Schwammkohle. 

Sämtliche Präparate waren, mit Ausnahme von Blutkohle, feine 
Pulver und gaben an die zur Anwendung kommenden Lösungsmittel 
mehr oder minder viel ab. Als zu unrein, um direkt zu den Ver- 
suchen dienen zu können, erwiesen sich Pflanzenblutkohle, Blutkohle 
und Schwammkohle. Zur Reinigung wurden sie in bedeckten Tiegeln 
geglüht, dann mit Salzsäure und zuletzt mit Wasser ausgewaschen. 
Von alle Kohlen wurde der Aschengehalt bestimmt und die Asche 
qualitativ untersucht, da die Aschenbestandteile vielleicht für die 


1) Vergl. F. Türk: Ueber die adsorbierenden Eigenschaften ver- 
schiedener Kohlensorter, Inauguraldissertation; dort auch Literaturangaben. 


518 L. Rosenthaler u. F. Türk: Kohlenadsorbtion. 


Erklärung einiger Erscheinungen herangezogen werden mußten. 
Es enthielten: 


Tierkohle 7,7% Asche, bestehend aus SiO3, Fe, Spuren von Ca und Mg. 
Fleischkohle 9,35% Asche, bestehend aus SiO3 Fe und Spuren von Ca. 
Pflanzenblutkohle 19,5% Asche, bestehend aus SiOg und Fe. 
Blutkohle 7,1% Asche mit Fe. 

Lindenkoble 3,00% Asche, bestehend aus SiO,, Fe, Ca und Spuren 


ey» wm m 


von Mg. 

6. Schwammkohble 25,4% Asche mit SiOga, Fe und Ca. 

Für Pflanzenblut-, Biut- und Schwammkohle beziehen sich vor- 
stehende Angaben auf die gereinigten und wieder getrockneten Präparate. 

Da die Adsorptionsversuche meist auf gewichtsanalytische Weise 
vorgenommen wurden, so war es nötig zu bestimmen, wieviel jede 
Kohle unter den eingehaltenen Versuchsbedingungen an die Lösungs- 
mittel abgab. Zu diesem Zwecke wurden 2,5 g Kohle mit 50 g 
Lösungsmittel eine Stunde am Rückflußkühler auf dem Dampfbade 
erhitzt, dann abfiltriertt und mit 100 ccm desselben Lösungsmittels 
ausgewaschen; Filtrat und Waschflüssigkeit wurden zusammen im 
gewogenen Kölbchen oder Porzellanschälchen verdunstet, und der Rück- 
stand (= 1. Auskochung in der Tabelle) bis zum konstanten Gewicht 
im Dampfschrank bei 70° getrocknet. Die auf dem Filter verbliebene 
Kohle wurde dann nochmals mit 100 g desselben Lösungsmittels erhitzt 
und der in Lösung gegangene Anteil (= 2. Auskochung) in der 
gleichen Weise bestimmt. Nur bei Wasser unterblieb die zweite 
Auskochung, weil sie für die späteren Versuche unnötig war.!) Ueber 
die gefundenen Werte (inGramm), die nachher stets in Abzug gebracht 
wurden, gibt die folgende Tabelle Aufschluß: 


| e \ Rleisch- | Pflanzen- Linden- | Schwamm - 
Baer kohle | bintkohle | Bintkohle | Tone | kohle 
Wasser . . 0.0098 0,0140 | 0,0175 | 0,0090 | 0,0170 | 0,0010 


ist . Auskochung ' 0.0065 0,0070 | 0,0070 | 0,0050 | 0,0080 | 0,0055 


Weingei \ 0,0030 0.0045 |, 0,0040 | 0,0045 | 0,0030 | 0,0040 
ne: in Auskochung | 0.0075 , 0,0045 | 0.0040 | 0,0035 | 0,0065 | 0.0030 
2. 0.0020 , 0.0030 | 0.0030 | 0,0625 | 0.0025 | 0,0030 
Essiräther j1. Ausköchung 0,0035 0,0065 | 0,0060 | 0,0045 | 0,0065: | 0.0025 
8 12 0.0020 | 0.0035 | 0,0045 0,0035 | 0.0040 \0,0010 
en Me Auskochung 0.0025 | 0,0010 | 0.0040 , 0.0020 0.0035 | 0,0015 
0 » 0,0025 0,0020 | 0,0020 | 0,0030 | 0,0015 | 0,0010 


1) Es hatte sich bereits bei den ersten Adsorptionsversuchen gezeigt, 
daß die zweite wässerige Auskochung nur minimale Mergen der aus 
wässeriger Lösung adsorbierten Substanzen in Lösung bringen konnte; sie 
wurde deshalb unterlassen. 


L. Rosenthaler u. F. Türk: Kohlenadsorbtion. 519 


Allgemeines über die Versuche. 


Die Versuche wurden u.a. mit folgenden, soweit nötig, bei 100° bis zur 
Gewichtskonstanz getrockneten Körpern, als Typen der wichtigsten 
Pflanzenstoffe vorgenommen: Codein und Öoffein, Salicin, Pikrotoxin, 
Gallusgerbsäure, Gallussäure und Oxalsäure, oxalsaures Kalium, Indigo, 
Dextrose.. Sie wurden, wenn möglich, in 1%iger Lösung angewendet. 
Die mit ihnen in Berührung gebrachte Kohlenmenge betrug immer 
fünfmal so viel als die in der Lösung vorhandene Substanzmenge. 
Die Versuche wurden für die sechs ersten Körper mit 50 g Lösung 
in der Weise ausgeführt, die oben für die Bestimmung der aus den 
Kohlen herauslösbaren Anteile beschrieben wurde, mit Ausnahme der 
wässerigen Kodein- und Koffeinlösungen, aus denen die Basen mit 
Chloroform ausgeschüttelt wurden. Oxalsäure, oxalsaures Kalium und 
Indigo wurden mit Permanganat, Dextrose mit Fehling’scher Lösung 
in der üblichen Weise bestimmt, nachdem die eventuell angewandten 
nichtwässerigen Lösungsmittel abdestilliertt und die Rückstände mit 
Wasser aufgenommen waren. Die ermittelten Resultate sind in 
folgenden Tabellen enthalten: 


I. Kodein. 


a) In Wasser: 


| Adsorbierte Durch zweite Aus- 
Hl A . I ) 
Kohlensorte | 208 | he Menge '  kochung gelöst 
2 | ‚ absolut | in Proz. | absolut | in Proz.l) 
Tierkohle | 0,5040 ' 0,0050 | 0,5035 | 99,9 en = 
Fleischkoblle | 05105 | 0,0035 ' 0,5070 99,3 E— = 
Pflanzenblutkohle | 0,5190 | 0,1710 | 0,3480 | 67,0 _ _ 
Biutkohle ' 0,5210 | 0,5010 “ 0,0200 338 I — _ 
Lirdenkoblle | 05170 | 05155 ' 0,0015 | 031. — _ 
Schwammkohle | 0,4940 | 0,4630 0,0310 | 6,3 _ 


b) In Weingeist: 


Tierkohle " 0,4900 0,715 | 03185 | 650 | 00550 | 1783 
Fleischkohlle 05000 0.2465 | 02535 | 507 | 00565 | 223 
Pflanzenblutkoble | 0,4770 , 04115 | 0,0655 | 137 | 0.0200 | 305 
Blutkohle ' 05335 | 05120 | 00115 22 00080 , 876 
Lindenkoblle | 0,5165 | 0,5165 | au | ei — »lloruek 
Schwammkohle | 0,5255 | 0,5105 | 0,0150 28 | 0080 | 1 


1) Die in dieser Rubrik aufgeführten Zahlen beziehen sich auf die 
adsorbierte Menge. 


= 


520 L. Rosenthaler u. F. Türk: Kohlenadsorption. 
c) In Essigäther: 
| Adsorbierte Durch zweite Aus- 
A Eh: 
Kohlensorte Ku | FREE Menge kochung gelöst 
x absolut | in Proz. | absolut | in Proz. 
T 
Tierkohle 0,4970 | 0,2335 | 0,2635 53,0 0,0365 13,8 
Fleischkohle ' 0,5030 | 0,2940 | 0,2090 41,6 0,0265 12,7 
Pflanzenblutkohle | 0,5025 | 0,4300 | 0,0725 14,4 0,0155 21,4 
Blutkohle 0,5000 | 0,4990 | 0,0010 0,2 _ - 
Lindenkohlle | 0,4980 | 0,4980 |. — = _ 2 
Schwammkohle | . 0,5130 0,5130 — _ — —_ 
d) In Aceton: 
| | 
Tierkohle \ 0,4940 | 0,2395 | 0,2545 51,5 0,0380 14,9 
Fleischkohle | 0,4965 | 0,3205 | 0,1760 35,4 0.0435 24,7 
Pflanzenblutkohle | 0,4940 | 0,4330 | 0,0610 12,3 0,0185 30,3 
Blutkohle \ 0,4845 0,4845 _ _ _ _ 
Lindenkoble ı 0,5100 | 0,5100 _ = — — 
Schwammkohle | 0,5010 | 0,5010 —_ _ Er 
e) In Chloroform: 
Tierkohle | 0,4980 | 0,4320 | 0.0660 13,3 0,0220 | 33,3 
Fleischkohle | 0,5000 | 0,4230 | 0,0770 15,4 0,0070 91 
Pflanzenblutkohle | 0,4890 | 0,4830 | 0,0060 1,2 0,0020 33,3 
Biutkohle ı 0,4785 | 049785 | — _ _ — 
Lindenkohle | 0,5025 | 0505 | — = Fr = 
Schwammkohle | 0,4990 | 0490 — — la re 
| | 
II. Koffein!). 
a) In Wasser 
Mm | | I | | 
Tierkohle | -0,5085%) -— —02):-0,80250h-10001@ 6 — = 
Fleischkolle | 0,4970 _ 0,0190 | 0,4780 2 — | = 
Pfanzenblutkohle | 0,4350 | 02115 | 0285| 53 — ..— 
Blutkohle \ 0,4975 | 0,4720 0,0855 | 51 — se 
Lindenkohle ' 0,5140 | 0,4%5 | 0,0185 | 3,6 _ — 
Schwammkohle | 0,5055 | 0,4610 | 0,0445 8,8 I SBTZUTE 65 
b) In Weingeist. 
I! 
Tierkoble | 0,5290 | 0,1100 | 0,4190 | 79,2 | 0,1180 28,2 
Fleischkohlle | 0,5075 | 0,2580 | 0,2495 | 49,2 | 0,0585 23,4 
Pflanzenblutkohle | 0,4960 | 0,3935 | 0,1025 | 20,7 0,0355 34,6 
Blutkoble ' 0,5095 | 0,5080 | 0,0015 | 0,3 0,0015 100 
Lindenkoblle | 0,4955 | 0,4870 | 0,0115 | 2,3 0,0050 43,5 
Schwammkoble | 0,5115 | 0,4955 0,0160 | 3,1 0,016 100 


1) Die Koffeinrückstände wurden im Dampftrockenschrank (bei 60— 700) 
bis zum konstanten Gewicht getrocknet. Dabei war eine Gewichtsabnahme 
durch Verflüchtigung des Koffeins entgegen anderen Angaben in keinem 
Falle festzustellen. ! 


L. Rosenthaler u. F. Türk: Kohlenadsorbtion. 


c) In Essigäther. 


521 


Adsorbierte 


| Durch zweite Aus- 
| I | 
Kohlensorte | ee: | ae | Menge kochung gelöst 
l Pa | j absolut ‚in Proz. | absolut | in Proz. 
Tierkohle ' 0,5220 | 0,1730 | 0,3490 , 66,9 | 0,1350 38,7 
Fleischkohle | 0,5155 | 0,3655 , 0.1500. 291 0,0550 36,7 
Pflanzenblutkohle | 0,5060 | 0,4510 | 0,0550 10,9 | 0,0330 60,0 
Blutkohle \ 0,5070 | 000 |  — -BRUAO. (a | alda ai 
Lindenkohlle | 04915 | 0,4670 0,0245 50 | 0,0085 | 143 
Schwammkohle | 0,5010 | 0,4860 00150 30 | 0,015 100 
d). In Chloroform. 
Tierkohle 0,5190 | 0,4655 | 0,0535 | 103 | 0,0090 116,8 
Fleischkohle 0,4995 | 04800 | 00195 39 | 0.0060 | 308 
Pflanzenblutkohle 0,5005 ' 0,4815 ' 0,0190 | 3,8 0,0080 44,4 
Blutkohle 0,4900 | 0,4900 = = en _ 
Lindenkohle 05015. 0,4680 | 0,0335 67 0,0045 13,4 
Schwammkohle 0,5045 | 0,4970 | 0,005 1,5 | 0,0075 ' 100 
III. Salicin. 
a) In Wasser. 
Tierkohle | 04965 | 0,0075 | 0,4890 | 28,5 en s= 
Fleischkohle | 0,5310 0,0400 | 0,4910 | 92,5 _ = 
Pflanzenblutkohle | 0,5170 | 03465 | 0,1705 33,0 > = 
Blutkohle | 0,4905 | 0,4830 , 0,0095 | 15 a N 
Lindenkoble 0,5500 0,5500 ı _ _ el Wien. 
Schwammkohle | 051855 | 0 — | —_ _ 10 
2: b) In Weingeist. 
Tierkohle | 0,495 | 0,3750 | 0,1195 | 242 0,0510 42,7 
Fleischkohle | 0,5315 | 0,4540 | 0,0775 146 | 0.0395 51,0 
Pflanzenblutkohle | 0,5130 | 0,4960 |, 0,0170 | 33 ', 9,0110 64,7 
Blutkohle \: 0,5010 | 0,4960 0,0050 ° 1,0, 0,0050 100° 
Lindenkohlle | 0520| 0550| — , 17 
Schwammkohle | 0,5080 | 060 |°—- 1-1 — = 
IV. Pikrotoxin. 
a) In Wasser. 
Tierkohle 0,2635 | 0,0020 | 02615 | 992 b ac _ 
Fleischkohle | 0.2555 | 0,0065 | 0.2490 ı 975 2a _ 
Pilanzenblutkohle 0,2480 | 0,1465 | 0,1015 40,9 _ —_ 
Blutkohle ' 0,2460 0,2365 | 0,0095 3,9 =; Teldo 
Lindenkohlle | 0,2840 | 0,2840 en er a ab 
Schwammkohle | 0,2855 | 0,2840 | 0,0015 0,5 + - 


| 
} 


522 L. Rosenthaler u. F. Türk: Kohlenadsorbtion. 


b) In Weingeist. 


|  Adsorbierte Durch zweite Aus- 
A 2 I 
. Kohlensorte ae u, Menge '  kochung gelöst 
er absolut in Proz. absolut | in Proz. 
Tierkohle 0,4815 0,4680 0,0135 2,8 0,0095 70,4 
Fleischkohle 0,4980 0,4865 0,0115 2,3 0,0075 65,2 
Pflanzenblutkohle | 0,4940 0,4940 —_ _ —_ | — 
Blutkohle | 0,5030-| 05030 _ — — — 
Lindenkoble | 0,5450 | 0,5450 Ri ae = _ 
Schwammkohle | 0,5130 | 0,5130 0 _ —_ 
c) In Essigäther. 
Tierkohle 0,5035 | 0,4975 | 0,0060 1,2. | 0,0025 | 41,7 
Fleischkohle ‘0,4975 | 0,4910 0,0065 1,3 0,0020 30,8 
Pflanzenblutkohle | 0,5235 | 0,5205 ' 0,0030 0,6 —_ — 
Biutkohle | 0,4850 | 0,4850 —_ _ _ 
Lindenkohle 0,5160 0.5160 — E= —_ — 
Schwammkohle | 0,4945 | 0,4945 _ — —_ _ 


d) In Aceton. 
Die Versuche mit Aceton ergaben ein auffallendes Resultat. Von 
allen Kohlen wurde nicht das Geringste adsorbiert. 


V. Gallusgerbsäure. 
a) In Wasser. 


| 
Tierkohle | 0,5240 | 00110 | 0,5130 | 97,8 » au 
Fleischkohle | 04970 | 0.0065 | 0,4905 | 98,7 2 ET 
Pilanzenblutkohle | 0,5065 | 0,0805 0,4260 84,1 _ _ 
Biutkohle | 05085 | 04360 | 00785 | 143 $ 7 
Lindenkohlle |, 0,5060 | 0,4720 | 0,0340 6,7 = a2 
Schwammkohle | 05515 | 0,4840 | 0,0675 | 122 x a% 


b) In Weingeist. 


Tierkohle 0,5610 | 0,1010 | 0,4600 82, 


0 0,0195 4,2 
Fleischkohle 0,5205 | 0,0995 0,4210 80,9 0,0240 5,7 
Pflanzenblutkohle | 0,5110 | 0,3535 0,1575 30,8 0,0220 14,0 
Biutkohle | 0,5115 | 0,4920 0,0195 3,8 0,0025 12,8 
Lindenkohle 0,5110 | 0,4930 0,0180 3,5 0,0040 22,2 
Schwammkohle | 0,5285 | 0,5215 0,0070 1,3 0,0030 42,9 

ec) In Essigäther. 
Tierkohle 0,5030 | 0,0730 0,4300 | 85,5 0,0200 | 4,6 
Fleischkohlle | 0,5120 0,0845 | 0,4275 83,5 0,019 | 4,6 
Pflanzenblutkohle | 0,5150 0,3770 0,1380 26,8 0,0200 14,5 
Biutkohle 0,5220 0,4835 0,0385 7,4 0,0025 6,5 
Lindenkohle ' 0,4975 0,4705 0,0270 5,4 0,0030 11,1 
Schwammkohle | 0,5185 0,4970 0,0215 | 4,2 0,0045 21,0 


L. Rosenthaler u. F. Türk: Koblenadsorbtion. 


d) In Aceton. 


en ————————Ä 


523 


er er | Adsorbierte Durch zweite Aus- 
Kohlensorte ir Filtrat Menge kochung gelöst 
Pre 5 abs olut | in Proz. absolut . in Proz. 
Tierkohle 0,5140 | 0,1100 ' 0,4040 78,6 0,0350 8,7 
Fleischkohle 0,4920 | 0,1470 0,3450 70,1 0,0195 5,6 
Pflanzenblutkohle 0,5165 0,4120 | 0,1045 20,2 0,0195 18.7 
Blutkoble 0,5105 0,5055 | 0,0U50 1,0 0,0025 50,0 
Lindenkohle 0,5105 ' 0,5015 ' 0,0090 1,8 0,0040 44.4 
Schwammkohle | 0,5730 | 0,5575 | 0,0155 2,7 0,0025 16,1 
VI. Gallussäure. 
a) In Wasser. 
Tierkohle 0,4985 | 0,0035 0,4950 99,3 - — 
Fleischkohle 05320 | 0,0620 | 0,4700 88,3 - - 
Pflanzenblutkohle | 0,5195 | 0,2245 0,2950 56,8 = = 
Blutkohle ‚05135 | 0,4770 , 0,0365 7,1 EB 
Lindenkoble 0,4960 | 0,4950 0,0010 0,2 ne 
Schwammkohle 0,5265 0,4935 0,0330 | 6,3 u 
b) In v mei 
Tierkohle 04785 | 03140 | 01645 | 344 | 00800 | 207 
Fleischkohlle | 0,5020 0.3500 ' 0,1520 30,3 0,0265 17,4 
Pilanzenblutkohle | 0,5000 0,4435 0,0565 11,3 0,0280 49,6 
Blutkohle 0,5065 0.5000 0,0065 1,3 0,0040 61,5 
Lindenkohle 05280 >O.Ba80. [er SEraiganue = I: 
Schwammkohle | 0,5095 | 0,5000 | 0,0095 1,9 0,0070 73,7 
c) In Essigäther. 
| 
Tierkohle 0,4810 | 0,2395 | 0,2415 | 50,2 0,0490 20,3 
Fleischkohlle | 0,5175 | 0,3650 0,1525 1. 29,5 0.0400 26,2 
Pflanzenblutkohle | 0,5230 0,4665 | 0,0565 ' 10,8 0,0240 42,5 
Blutkohle 0,5140 | 0,4995 | 0,0145 | 2,8 0.0080 55,2 
Lindenkolle | 0.509 | 05080 | 00015 ' 03 Atos 
Schwammkohle | 0,5020 | 0,4995 0,0025 0,5 _ _ 
d) In Aceton. 
Tierkohle | 0,5495 | 0,3915 | 0,1580 | 28,7 0,0365 23,1 
Fleischkohlle | 0,5005 0.3635 ' 0,1370 27,4 0,0320 23,4 
Pflanzenblutkohle 0,5055 | 0,4645 | 0,0400 | 7,9 0,0185 46,2 
Blutkohle 0,5220 | 0,5165 | 0,0055 1,0 0,0055 | 100 
Lindenkohle 0,5130 ' 0,5120 | 0,0010 0,2 _ 
Schwammkohle | 0,4975 | 0,4945 0,0030 0,6 = — 


524 L. Rosenthaler u. F. Türk: Kohlenadsorbtion. 
VII. Oxaisäure. 
In Wasser. 
h | Angew. | u | Adsorbierte Durch zweite Aus-' 
Kohlensorte vi Menge kochung gelöst 
Menge | Filtrat | kam s 
| absolut | in Proz. | absolut in Proz. 
1 | | 2 | 
Tierkoble ' 0,5280 | 03949 | 0,1331 25,2 | 
Fleischkoble | 0,5155 | 0,3994 0,1161!’ 225 io — 
Pfanzenblutkohle | 0,5005 | 0,4299 | 0,0706 | 14,1 _ | _ 
VII. Kaliumoxalat. 
In Wasser. 
Tierkohle 05335 | 05053-! VooBB2ı 53 | — Mr 
Fleischkoble 05270 | 04867 00403 7,6 _ —_ 
Pflanzenblutkohle | 0,5120 | 0,4698 0,0422 82 _ = 


Die nun folgenden Versuche mit Indigo und Dextrose unter- 
scheiden sich von den vorhergehenden in der Weise, daß das Aus- 
waschen und die zweite Auskochung unterblieb. Beim Indigo wurde 
beispielsweise folgendermaßen verfahren: 10 ccm der mit Schwefel- 
säure hergestellten wässerigen Lösung (entsprechend 0,03987 Indigo) 
wurden mit Wasser auf 100 ccm verdünnt, die Lösung mit 0,2 g 
Kohle (wiederum das fünffache) versetzt und unter Vermeidung eines 
Wasserverlustes eine Stunde auf dem Dampfbade erwärmt. 50 ccm 
des Filtrats wurden dann mit Permanganat titriert. In entsprechender 
Weise wurde auch bei Dextrose verfahren. Die Endtitration wuıde, 
wie erforderlich, in ca. 1%iger Lösung vorgenommen.') 


IX. Indigo. 
In Wasser: 


| Angewandte { Adsorbiert 
Kohlensorte | Menge | Im Filtrat absolut | in Prozent. 

I 
Tierkoble ........  0,03987 _ ' 0,03987 100 
Fleischkoble ...... '  0,03987 0,00174 | 0,03813 95,6 
Pfianzenblutkohle ... '  0,03987 0,02958 0,01029 25,8 
Bäutkohle .- ..; u: 0,03987 0,03886 0,00101 2,5 
Lindenkoble ...... 0,03987 | 0,0394 | 0,00043 11 
Schwammkohle..... ' 0,03987 0,03828 0,0015 4,0 


1) In beiden Fällen wurde durch Kontrollversuche das Verhalten der 
wässerigen Kohlenauszüge gegen Kaliumpermanganat und Fehling’sche Lösung 
festgestellt. Fehling’sche Lösung wurde nicht reduziert; dagegen war ein 
kleiner Permanganatverbrauch (1—2 Tropfen der benutzten Lösung) vor- 
handen, der hier, wie übrigens schon bei den Versuchen mit Oxalsäure, in 
Abzug gebracht ist. 


L. Rosenthaler u, F. Türk: Kohlenadsorbtion. 525 
X. Dextrose. 
a) In Wasser: 
Angewandte | k : ET 
Kohlensorte Menge | Im Filtrat | - absolnt an en 
- T T 
Tierköhle .;.. . EN. 0,5200 0,3060 0,2140 41,2 
Fleischkohle ...... 0,5215 0,3357 0,1858 35,6 
Pflanzenblutkoble ... 0,4930 0,3836 0,1094 | 22,2 
BIBIEBNIE. Tv. 0,5255 0,5142 0,0113 2,2 
Lindenkohle ...... 0,5140 0,5035 0,0105 2,0 
Schwammkohle ...... \ 0,5135 0,5035 0,0100 2,0 
b) In Methylalkohol: 
Tierkohle ........ 0,5190 04648 | 002 | 104 
Fleischkohle ...... 0,5175 0,4648 ' .. 0,0527 | 10,2 
Pflanzenblutkohle ... 0,5025 0,4648 | 00377 | 7,5 
Blutkoble ........ 0,5070 0,4935; | 0.0137..-| 2,7 
Lindenkoble ...... 0,5190 051422 | 0,0048 | 0,9 
Schwammkoble..... 0,5060 |... .0,505 0,0025 0,5 


Weitere Versuche bezweckten einen Einblick zu gewinnen einer- 
seits in den zeitlichen Verlauf des Adsorptionsvorganges und anderer- 
seits in das Verhältnis zwischen Konzentration und Adsorption. Die 
zunächst aufgeführten Versuche mit Kodein, Gallussäure, Oxalsäure 
und Kaliumoxalat wurden in derselben Weise vorgenommen, wie die 
seither beschriebenen nur mit dem Unterschied, daß die Einwirkungs- 
dauer der Kohle statt 1 Stunde nur 5 Minuten betrug. 


Fünf Minuten-Versuche. 
I. Kodein. 


a) In Wasser. 


| 


Angewandte . Adsorbiert 
Kohlensorte \ Menge Im Filtrat | absolut | in Prozent. 

u l 

Tierkanle ; ...„aerın. 0,4945 0,0030 0,4915 99,4 
Fleischkoble ...... 0,4979 0,0220 0 4750 95,6 
Pflanzenblutkohle ... | 0,4985 0,2130 0,2855 57,3 

b) In Weingeist. 
| | 

Tierkoble ........ 0,4965 03605 0,1360 | 27,4 
Fleischkoble ...... 0,4985 0,3840 0,1145 23,0 
Pflanzenblutkohle .. 0,5010 0,4560 0,0450 9,0 


526 L. Rosenthaler u. F. Türk: Kohlenadsorbtion. 


c) In Essigäther. 


' Angewandte | Adsorbiert 
Koblensorte ' Menge | Im Filtrat | absolut ji Prozent. 


Tierkohle . ....... ' 05060 | 0,4150 0,0910 18,0 
Fleischkohle ...... \ 05020 0,3920 0,1100 21,9 
Pflanzenblutkohle ... 0,4905 0,4350 | 0,0550 112 
‘ d) In Aceton. 
Tierkoble ........ | 0,5165 | 0,3675 | 0,1490 28,6 
Fleischkohle ....... 0,4870 | 0,3755 | 0,1115 22.9 
Pflanzenblutkohle ...|ı 04800 0,4220 | 0,0580 12,1 
e) In Chloroform. 
Tierkohle . ....... | 0,5030 | 0,4895 0,0135 2,7 
Fleischkohle ...... | 0,5040 0,4550 0,0490 9,7 
Pflanzenblutkohle .... 0,5185 | 04920 | 0,0215 41 
II. Gallussäure. 
a) In Wasser. - 
m | 
Tierkohle ........ | 05050 | 0,0075 | 0,4975 98,5 
Fleischkohle . ... ... | 0,5125 0.0595 0,4530 88,4 
Pflanzenblutkohle .... 0,5055 0,2875 | 0,2180 431 
b) In Weingeist. 
Tierkohle ........ \ 0,5035 | 0,3605 0,1430 28,4 
Fleischkohle ......, 05ld5 | 0,3800 0,1345 26,1 
Pflanzenblutkohle ... 0519 | 0,4865 0,0330 6,3 
l 
ec) In Essigäther. 
Tierkoble ........ \ 0,5245 | 0,3525 | 0,1720 32,8 
Fleischkohle ...... \ 0,4900 0,3545 0,1355 27,6 
Pflanzenblutkohle ... | 05040 | 0,4860 0,0180 3 
d) In Aceton: 
| 
Tierkohle . 2... | 0509 | 0,3330 0,1765 34,6 
Fleischkoble .. .... 05085 | 0,3900 0.1185 23,3 
Pflanzenblutkohle ... 0,5260 | 0,4980 0,0280 5,3 
III. Oxalsäure. 
In Wasser: 
Tierkohle ........ ' 05470 0,4380 | 0,1090 19, 
Fleischkohle ....... \ 05280 | 0,4487 0,0793 15,0 


Pflanzenblutkohle ... 0,5410 | 0,4900 0,0510 94 


L: Rosenthaler u. F. Türk: Kohlenadsorbtion. 527 


IV. Kaliumoxalat. 
In Wasser: 


f 


‚Anrewandte 


F Adsorbiert 
Kohlensorte Menge‘ | Im Filtrat u 
—n u —— ——— — m me — m — m mn nn —— — — — .. n — 
TMorEöble . . . sr | 0,5070 | 0,4935 0,0135 | 2,7 
Fleischkoble ...... 0,5330 | 0,5137 0,0193 3,6 
Pflanzenblutkohle ... 0,4835 0,4597 0,0238 | 4,9 


Konzentrations-Versuche. 


Zu den Konzentrationsversuchen wurde in erster Linie Koffein 
benutzt. Die Lösungsmittel waren teils ein Gemenge von 75 Volum- 
teilen Weingeist und 25 Volumteilen Chloroform, teils reines Chloro- 
torm. Je 50 cem der Lösungen wurden mit 2,5 g Tier-, Fleisch- oder 
Pflanzenblutkohle versetzt und 1. % eventuell 1 Stunde in der Kälte, 
2, % Stunde auf dem Dampfbade, 3. sechs Stunden auf dem Dampf- 
bade unter oft wiederholtem Umschütteln stehen gelassen. Die 
Kölbchen, in denen die Versuche angestellt wurden, waren samt Inhalt 
genau gewogen und wurden am Rückflußkühler so vorsichtig erhitzt, 
daß, obgleich die Flüssigkeiten ins Sieden kamen, die Verdunstungs- 
verluste, die überdies nach dem Erkalten ersetzt wurden, höchstens 
0,5 g betrugen, sodaß eine wesentliche Konzentrationsänderung durch 
Verdunstung nicht eintrat. Von den wiederum unter möglichster 
Vermeidung von Verdunstung erhaltenen Filtraten wurden je 20 ccm 
im gewogenen Kölbchen abdestilliert und die Rückstände bis zum 
konstanten Gewicht getrocknet. Von.den so gefundenen Zahlen 
wurden die Mengen löslicher Substanzen, welche die Kohlen unter 
diesen Versuchsbedingungen an die Lösungsmittel abgaben, abgezogen. 
Sie betrugen für 20 ccm des Weingeist-Chloroformg&misches bei Tier- 
kohle 2 mg, bei Fleischkohle 3,5 mg und bei Pflanzenblutkohle 5,5 mg, 
für 20 ccm Chloroform bei denselben Kohlen resp. 1,5, 1,5 und 8 mg. 


Cotfein. 
I. Versuche in Weingeist-Chloroform-Mischung. 
1. Mit Tierkohle. 
a) 0,5%ige Lösung. 


Adsorbiert 


. Angewandte i 
Versuchsbedingung Menge Im Filtrat skädiet:. iD 
Kenn) mm | me | Aaaıı 0 mB 
% , auf Dampfbad 0,1000: 00805 | 0065 | 695 
i I 


L. Rosenthaler u. F. Türk: Kohlenadsorbtion. 


528 
b) 1%ige Lösung. 
Versuchsbedingung | Angewandte Im Filtrat | Adsorbiert | 
I Menge | absolut | in Prozent. 
34 Std. bei 200..... 0,2000 | 0,0845 0,1155 | 57.75 
Yiaay 200 „10 wer 0,2000 | 0,0850 0,1150 57,5 
% „ auf Dampfbad 0,2000 0,0810 0,1190 59,5 
ce) 2.494 %ige Lösung. 
1, Std. bei 20°..... \ 0,4988 0,3040 | 0,1948 39,05 
Tigi85 BOB: | 0,4988 0,3040 | 0,1948 39,05 
% „ auf Dampfbad 0,4988 0,2980 | 0,2008 40,25 
d) 4,9575% ige Lösung. | 
3, Std. bei 200..... | 0,9975 0,7460 0,2515 25,22 
1 2HH3ünnTc, \" 0,9975 0,740 | 0,2485 24, 91 
% , auf Dampfbad | 0,9975 0,7070 | 0,2905 29, 12 
2. Mit Fleischkohle. 
a) 0,503%ige Lösung. 
| 
1, Std. bei 200... ... \ 0,1006 | 0,0430 | 0,0576 57,26 
% „ auf Dampfbad | 0,1006 |  .0,039 0,0611 60, 74 
Bea : "0,1006 0,0400 0,0606 60,24 
b) 1.002%ige Lösung. 
1, Std. bei 200. .... 0,2004 | 0,1095 0,0909 45,36 
% ,„ auf Dampfbad | 0,2004 0,1065 0,0939 46,85 
die 5 0,2004 0,1050 0,0954 47,6 
c) 2.496 %ige Lösung. 
1, Std. bei 200..... | 0,4992 0,3520 | 0,1472 29,49 
% „ auf Dampfbad | 0,4992 0345 | 01517 3039 
Ba i 0,4992 0,3465 | ‚0,1527 30,59 
d) 4,8615%ige Lösung. 
1%, Std. bei 20°. ....ı 0,9723 0,7970 0,1753 18,03 
% „ auf Dampfbad | 0,9723 | 0,7845 0,1878 19,32 
a d 0,9723 | 0,7730 0,1993 20,5 
3. Mit Pflanzenblutkohle. 
a) 0,5095 %ige Lösung. 
1, Std. bei 200... .. 0,1019 0,0825 0,0194 19,04 
% ,„ auf Dampfbad 0,1019 0,0795 0,0224 21 98 
6er 5 0,1019 | 0,0785 0,0234 22,97 


L. Rosenthaler u. F. Türk: Kohlenadsorbtion, 


b) 0,9995 Yige Bspung- 


529 


. ee andis 1 Adsorbiert 
Versuchsbedingung Menge Im Filtrat AP SBREEa. 
—— = T 
% Std. bei 200..... | : 0,1998 0,1720 | 0,0279 13,96 
% „ auf Dampfbad 0,199 | 01710 | 0,0289 14,45 
0 77298 n' ' 0,1999 | 0,1670 0,0329 16,46 
c) 2,5 bige Lösung. 3 £ fl 
1, Std. bei 200. 0,5000 0,4620 | 0,0380 7,6 
% „. auf Dampfbad 0,5000 0,4380 | 0,0620 12,4 
en 7 0,5000 0,4490 0,0511 10,22 
d) 4,9955 ige Lösung. 
1, Std. bei 200..... | 0,9991 0,9485 0,0506 5,06 
% „ auf Dampfbad | 0,9991 0,939 0,0596 5.97 
BE A | 0,9991 0,9365 0,0626 6,27 
U. Versuche mit Chloroform. 
1. Mit Tierkohle. 
a) 0,4985 ige Lösung. 
1, Std. bei 200, k 0,0997 0,0655 | 0,0342 34,3 
1.: 8 200,.2P.0,0 0,0997 0,0655 0,0342 34,3 
%; auf Dampfbad 0,0997 | 0,0655 0,0342 343 
b) 1,907 %ige Lösung. 
1, Std. bei 200..... 0,2014 0,1485 0,0529 26,27 
Kan 209 74 0,2014 0,1480 0,0534 26,51 
% » auf Dampfbad 0,2014 0,1485 0,0529 26,27 
c) 2,5035 ,ige Lösung. 
14 Std. bei 200..... 0,5007 0,4125 0,0882 17,62 
ur 200 au» 0,5007 0,4150 0,0857 17, 12 
% » auf Dampfbad 0,5007 0,4150 0,0857 17, 12 
h d) 4,9935 %ige Lösung. 
14 Std. bei 200.....| 0,9987 0,8820 0,1167 11,71 
zone, 200.....| 0,9987 0,8790 0, 1197 11,99 
% „ auf Dampf bad 0,9987 0,8750 0,1237 12,39 
2. Mit Fleischkohle. 
a) 0,5030%ige Lösung. 
1, Std. bei 200..... | 0,1006 0,0745 0,0261 w 25,95 
% „.auf Dampfbad 0,1006 0,0715 0,0291 28,93 
er ph 0,1006 0,0725 0.0281 27,93 
Arch. d. Pharm. OCXXXXIV. Bds. 7. Heft. 34 


530 L. Rosenthaler u. F. Türk: Kohlenadsorbtion. 
b) 1,010%ige Lösung. 
2 Angewandte . Adsorbiert 
Versuchsbedingung enge Im Filtrat ahssler ee 
1 Std. bei 200... .. 0,2020 0,1605 0,0415 20,55 
% ,„ auf Dampfbad 0,2020 0,1585 0,0435 21,54 
a » 0,2020 0,1590 0,0430 21,29 
c) 2,496% ige Lösung. 
1, Std. bei 200..... 0,4992 0,4360 0,0632 12,66 
% „ auf Dampfbad 0,4992 0,4375 0,0617 12,36 
BE MERe ACHBSE 0,4992 0,4370 0,0622 12,46 
d) 4,9925 %ige, Lösung. 
| 
1, Std. bei 20°... .., \" 0,9985 0,9175 0,0810 811 
% ,„ auf Dampfbad | 0,9985 0 9135 0,0850 851 
| 5 ' 0,9985 0,9115 0,0870 8,71 
3. Mit Pflanzenbluikohle. 
a) 0,5010%ige Lösung. 
1, Std. bei 200..... 0,1002 0,0900 0,0102 10,2 
% „ auf 00 | 0,1002 0,0910 0.0092 8,2 
6 3 0,1002 0,0875 0.0127 12,7 
b) 1,0025%ige Lösung. 
% Std. bei 200..... ' 0,2005 0,1870 0,0135 | 6,73 
% „ auf Dampfbad ı 0,2005 0,1855 0.0150 7,48 
Fed Mr | 0,2005 | 0,1855 0,0150 | 7,48 
c) 2,496 Lige Lösung. 
14 Std. bei 20°. , 0,4992 | 0,4775 0,0217 4,35 
% ,„ auf Dampf bad 0,4992 0,4775 0,0217 4,35 
Bes ® 0,4992 0,4760 0,0232 4,65 
d) 4,987%ige Lösung. 
1% Std. bei 200..... | 0,9974 0,9780 0,0194 1,95 
An auf er bad | 0,9974 0,9740 0,0234 2,35 
Be 0,9974 0,9720 0,0254 2,55 


Zu Konzentrationsversuchen in wässeriger Lösung, für die Koffein 
sich wegen seiner Schwerlöslichkeit nicht eignete, wurde Dextrose 
genommen, und zwar wurden je 50 ccm der Flüssigkeit mit 2,5 g 
Tierkohle eine Stunde unter öfterem Umschütteln stehen gelassen. 


L. Rosenthaler u. F. Türk: Kohlenadsorbtion. 531 


Dexirose. 
eg Angewandte Th en x norklent en 
Kar Menge absolut | in Prozent. 
0,524 0,2620 0,1365 0,1255 | 479 
1,044 0,5220 0,3139 0,2081 39,9 
2,557 1,2785 0,9296 0,3489 27,3 
5,028 2,514 2,0142 0,4998 19,9 
| | 


Eine andere Reihe von Versuchen wurde zur Aufklärung der 
Frage unternommen, inwieweit die Anwendung von Kohle als 
Reinigungsmittel gefärbter Pflanzenauszüge zulässig ist, d. h. in 
welcher Weise die Ausbeute an den darin enthaltenen wirksamen 
Stoffen durch Adsorptionsverluste beeinträchtigt wird. Gleichzeitig 
sollte das Adsorptionsvermögen mit dem Entfärbungsvermögen ver- 
glichen werden und außerdem ermittelt werden, ob das Entfärbungs- 
vermögen der Kohlen zur Vereinfachung von Alkaloidbestimmungen 
und dergleichen herangezogen werden könnte. Die Versuche wurden 
so ausgeführt, daß Alkaloidbestimmungen in Drogen in vergleichender 
Weise mit und ohne Kohle durchgeführt wurden. Zur Entscheidung 
obiger Frage konnten dann u. a. die Gewichtsmenge und die Färbung 
des jeweils resultierenden Alkaloidrückstands herangezogen werden. 
Versuche mit Opium und Chinafluidextrakt, über deren Einzelheiten 
die Inauguraldissertation von F. Türk Auskunft gibt, zeigten, daß 
Adsorptions- und Entfärbungsvermögen der verschiedenen Kohlen 
ungefähr Hand in Hand mit einander gehen und daß, wie von vorn- 
herein zu erwarten war, eine Anwendung der Kohlen zu Alkaloid- 
bestimmungen und dergleichen in allen Fällen nicht in Betracht kommt, 
wo wässerige Flüssigkeiten entfärbt werden müssen. Dagegen schien 
eine derartige Anwendung bei Koffeinbestimmungen möglich, da hier 
die Entfärbung in Chloroformlösung vorgenommen wird und in dieser, 
wie die früheren Versuche zeigten, eine Adsorption so gut wie nicht 
eintritt. Um dies auch für die Bedingungen sicher zu stellen, unter 
denen die Bestimmungen nachher ausgeführt wurden, machten wir 
folgenden Versuch: 0,4745 g Koffein wurden mit etwa 5 g reinem 
Seesand vermischt, im Flückiger’schen Extraktionsapparat über 
eine Mischung von 2,5 g Tierkohle und 10 g Seesand geschichtet und 
6 Stunden mit Chloroform extrahiert. Das so wiedergewonnene Koffein 
wog 0,4740 g. Wir führten die Koffeinbestimmungen demgemäß in 
folgender Weise aus: 5 g der Droge (Tee, Pasta Guarana, gebrannter 
Kaffee) wurden mit gewaschenem Seesand gemischt, mit Wasser in 

34* 


532 L. Rosenthaler u. F. Türk: Kohlenadsorbtion. 


einer Porzellanschale gut durchfeuchtet!) und auf dem Dampfbade 
so lange erwärmt, bis das Gemisch eben noch feucht war. Dann 
wurde es in einem Flückiger’schen Extraktionsapparat, dessen 
Abflußrohre mit einem Wattebausch verstopft war, über ein Gemenge 
von 2,5 g Kohle und 10 g Seesand geschichtet und 6 Stunden mit 
Chloroform extrahiert. Die nach dem Verdunsten des Chloroforms 
bleibenden Rückstände, die bei Anwendung von Tier- und Fleischkohle 
nahezu farblos waren, wurden in etwa 20 ccm heißem Wasser gelöst. 
Die Lösung wurde dann durch Erhitzen vollends von Chloroform 
befreit, analog dem empfehlenswerten Katz’schen Verfahren mit 
weißem Wachs (0,2 bis 0,5 g) versetzt und nachdem dieses geschmolzen 
war, unter kräftigem Schütteln abgekühlt. Die Filtrate wurden zuletzt 
in gewogenen Schälchen abgedampft, die Rückstände bis zum konstanten 
Gewicht getrocknet. Die Resultate waren bei Anwendung der ver- 
schiedenen Kohlensorten die folgenden: 


a) Pasta Guarana. 


e ' Koffeingehalt Farbe des Farbe 

Kohlensorte N Prozent Chloroformauszugs| des Koffeins 
Tierkohle,;,10E.x458 . zw 3:39 fast farblos fast weiß 
Fleischkoble ........ N 3,33 a er 
Pflanzenblutkohle ..... 3,41 schwach gelb | schwach gelb 
Biutkohle noJossuuriad . 3,49  rötlichbraun | stark gelb 
Lindenrkohle. ...:.... | 3,59 | 3 | . 
Schwammkoble....... 3,47 5 2 
Ohne Kohle nach Methode Katz || 3,27 iQ schwach gelb 

| l | . 
b) Tee. 

Tierkoble .......55 ra 3,29 farblos schwach gelblich 
Fleischkohlle ........ | 3,31 fast farblos gelblich 
Pflanzenblutkohle ..... | 3,37 ' gelblich grün r 
Blutkohle -.,.\.\..« . aus 3,71 dunkelgrün hellgrün 
Lindenkoble......... | 3,61 | 2 2. 
Schwammkohle....... | 3.67 3 
Ohne Kohle nach Methode Katz | 2,95 grün schwach gelblich 


Die Koffeinbestimmung in gebranntem Kaffee ergab sowohl 
nach der beschriebenen Methode, als der von Katz 1,51%. Das dabei 
erhaltene Koffein war indes schon bei Verwendung von Tierkohle 
gelblich gefärbt, sodaß Vergleichsversuche mit den übrigen Kohlen 
unterlassen wurden. 


1) Ein Zusatz von Alkalien ergab, wie Kontrollversuche zeigten, keine 
erhöhte Ausbeute. 


L. Rosenthaler u. F. Türk: Kohlenadsorbtion. 533 


Versuche, die nach einer der geschilderten im Prinzip gleichen 
Methode, bei der jedoch Alkalien zur Anwendung kamen, mit China- 
rinde und Strychnossamen angestellt wurden, ergaben kein günstiges 
Resultat. 

Die Schlüsse, die aus unseren Versuchen gezogen werden können, 
sind folgende: 

1. Die von uns benutzten Kohlensorten zerfallen bezüglich ihres 
Adsorptionsvermögens in zwei Gruppen, in eine stark und eine 
wenig oder garnicht adsorbierende. In die erste gehören Tier-, 
Fleisch- und Pflanzenblutkohle, in die zweite Blut-, Linden- und 
Schwammkohle. Am stärksten adsorbiert die Tierkohle, etwas 
weniger die Fleischkohle, beträchtlich weniger die Pflanzenblut- 
kohle. 

2. Die Adsorption ist für eine und dieselbe Kohle abhängig von dem 
Lösungsmittel der zu adsorbierenden Substanz. Sie ist am stärksten 
für die wässerige Lösung, geringer für Weingeist, Methylalkohol, 
Essigäther, Aceton, am geringsten für Chloroform. 


3. Die Geschwindigkeit, mit der die Adsorption vor sich geht, ist 
abhängig von den Umständen, welche die Größe der Adsorption 
nach 1 und 2 beeinflussen. Sie ist demgemäß am größten für 
Tierkohle und die wässerige Lösung der zu adsorbierenden Substanz. 
Sie ist wenig abhängig von der Temperatur. 


4. Aus konzentrierten Lösungen wird relativ weniger adsorbiert als 
aus verdünnten. 


5. Alle Umstände, welche die Adsorption begünstigen, wirken in 
in demselben Maße hindernd, wenn man versucht, die adsorbierten 
Substanzen wieder in Lösung zu bringen!). 


6. Das Entfärbungsvermögen der Kohlen ist abhängig von ihrem 
Adsorptionsvermögen. 
Für die Anwendung der Kohlen als Entfärbungsmittel ergibt sich: 


I. Die Kohlen müssen vor ihrer Verwendung sorgfältig gereinigt 
werden und zwar entweder durch wiederholtes Auskochen 
mit dem zu benutzenden Lösungsmittel oder durch Ausglühen 
und darauffolgendem Auswaschen mit Säuren und Wasser. 


1) Wie schwer adsorbierte Substanzen wieder in Lösung zu bringen 
sind, zeigt auch folgender Versuch: 2,5 g Tierkohle, die aus einer wässerigen 
Lösung 0,5040 g Kodein adsorbiert hatten, wurden mit 100 g einer 1%igen 
wässerigen Salzsäure ausgekocht. In Lösung gingen 0,0150 g Kodein. Eine 
zweite Auskochung mit 100 g einprozentiger alkoholischer Salzsäure entzog 
0,2670 g, sodaß mit diesen zwei Auskochungen erst 55,95% des festgehaltenen 
Kodeins gewonnen wurden. 


534 L. Rosenthaler u. F. Türk: Kohlenadsorbtion. 


II. Man wende möglichst wenig Kohle an. 

III. Zur Erzielung einer Entfärbung ist es nicht notwendig, die 
zu entfärbende Flüssigkeit mit Kohle zusammen zu erwärmen; 
es genügt, mehrere Stunden bei gewöhnlicher Temperatur 
stehen zu lassen?). i 

IV. Die Entfärbung ist am besten nicht in wässeriger Lösung 
vorzunehmen, weil in dieser die Verluste am größten sind. 
Die Lösung sei möglichst konzentriert (s. 4). 

V. Leicht oxydable Stoffe sollen nicht mit Tierkohle entfärbt 
werden, weil sie dadurch gleichzeitig teilweise oxydiert werden 
können?). 

VI. Tierkohle und Fleischkohle lassen sich zu einer einfachen 
Koffein-Bestimmungsmethode verwenden. 

VII. Bei quantitativen Bestimmungen z. B. der des Zuckers in 
Wein und anderen Flüssigkeiten darf eine Entfärbung mit 
Kohle nicht stattfinden, außer, wenn nachgewiesen ist, daß 
eine Adsorption der zu bestimmenden Substanz unter den 
Versuchsbedingungen nicht stattfindet. 


1) Man kann zu Entfärbungen auch ein ähnliches Verfahren anwenden, 
wie wir es zu den Koffeinbestimmungen verwendet haben und wie es bereits 
von Rochleder empfohlen wurde. 

2) Auf die oxydierende Wirkung der Kohlen, über die bereits einige 
Literaturangaben vorliegen, wurden wir durch das Aussehen der Rückstände 
aufmerksam, die bei den meist gewichtsanalytisch durchgeführten Versuchen 
zur Wägung gelangten. Sie waren, obgleich immer reine Substanzen an- 
gewendet wurden, und die Kohlen keine färbenden Substanzen ergaben, häufig 
stark gefärbt. Wir haben darauf die Wirkung der Kohlen auf Guajakon- 
säure, Aloin, Jodkalium, Benzkatechin, Pyrogallol u. dergl. geprüft. Am 
stärksten oxydiert Blutkohle, die selbst Jodkalium oxydiert, die einzige nicht 
oxydierende ist die Lindenkohle. Freie Basen befördern, wie nach den von 
Prof. Schär früher ausgeführten Versuchen zu erwarten war, auch hier die 
Oxydation. Kodein z. B. war stets mehr gefärbt als Kodeinphosphat. Bei 
oxydablen Alkaioiden wendet man deshalb zur Entfärbung besser die Salze 
als die freien Basen an. 


L. Rosenthaler: Bemerkungen zur vorhergehenden Abhandlung. 535 


Bemerkungen zur vorhergehenden Abhandlung. 
Von L. Rosenthaler. 
(Eingegangen den 26. IX. 1906.) 


Diejenige Kohle müßte ohne Zweifel als Entfärbungsmittel am 
geeignetsten sein, die zwar stark entfärbt, aber möglichst wenig ad- 
sorbiert. Eine solche Kohle findet sich unter den untersuchten nicht 
und dürfte wohl auch kaum existieren, da, wie die Versuche zeigen, 
diejenigen Kohlen, die stark entfärben, auch stark adsorbieren und 
umgekehrt. Das Entfärbungsvermögen ist von dem Adsorptions- 
vermögen abhängig. Damit ist indes nicht erklärt, warum, nach all- 
gemeiner Annahme, die Kohle gerade für entfärbende Substanzen 
ein besonderes hohes Adsorptionsvermögen besitzt, und warum, wie 
dem Praktiker nur zu wohl bekannt, die Kohle manchmal als Ent- 
färbungsmittel völlig versagt. Zur Erklärung des ersten Umstandes 
ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die färbenden Substanzen in der 
Regel in geringerer Konzentration vorhanden sein werden, als 
die zu entfärbenden, und daß infolgedessen die ersteren in relativ 
höherem Maße adsorbiert werden. Wichtiger noch ist der Umstand, 
daß das Adsorptionsvermögen der Kohlen gegenüber verschiedenartigen 
organischen Körpern (nur von diesen soll hier die Rede sein) ein sehr 
verschiedenes ist. Als Beispiel dienen folgende Tabellen; die erste 
gibt an, welche Adsorption die aufgeführten Stoffe in 1%iger 
wässeriger, die zweite, welche sie in l1%iger weingeistiger Lösung 
erleiden, wenn sie mit der 5fachen Menge Tierkohle bis zum Ein- 
treten des Gleichgewichtszustandes in Berührung gebracht werden. 


1. Adsorption aus wässeriger Lösung. 


| 
Angewandte, Adsorbiert 
Substanz | 
BITSOIE IT RT 18 ee absolut | in Prozent 
Harnstof 2222220. | 0,501 0098 | 1856 
Dralsäure’t. Sinmer. rt 0,5280 0,1331. | 25,20 
Doaxziröse;,. «or. Kain 0,5200 02140 | 41,16 
Balosa..; .... „ee I . 0,5726 04718 | 82,40 
2. Adsorption aus weingeistiger Lösung. 
Angewandte Adsorbiert FR 
Substanz & | 
| Menge absolut in Prozent 
Resorzin. 222.2... 0,4903 0,1246 | 25,4 
Hydrochinon ...... | 042 | 01247 25,23 
Acetanilid........ | 0495 02142 | 43,32 
Cholesterin ....... 108176 1990,5176 | 100 


536 E. Rupp: Gehaltsbestimmungen von galenischen Präparaten. 


Diese Beispiele (und ähnliche lassen sich aus den in der vor- 
hergehenden Abhandlung mitgeteilten Tabellen entnehmen) zeigen, daß 
ein Zusammenhang zwischen dem Molekulargewicht der Körper und . 
ihrer Adsorbierbarkeit besteht. Je größer das erstere ist, desto mehr 
wird in der Regel adsorbiert.e. Die Befreiung einer Substanz von 
einem sie begleitenden färbenden Körper wird demgemäß um so leichter 
eintreten, je größer das Molekulargewicht des färbenden, je kleiner 
das des zu entfärbenden isf. Da die Farbstoffe vielfach ein beträchtlich 
größeres Molekül besitzen werden, als die durch sie verunreinigten 
Körper, so wird auch meist durch Kohle eine Entfärbung eintreten. 
Liegen die Dinge umgekehrt oder ist das Molekulargewicht des 
färbenden Körpers nur wenig größer als das des zu entfärbenden, so 
wird die Kohle eine Entfärbung nicht hervorbringen. Es ist indes 
nicht ausgeschlossen, daß diese Regeln Ausnahmen erleiden, wenn sehr 
hochmolekulare Körper, z. B. Eiweißstoffe, vorliegen. Bestände 
zwischen der Adsorbierbarkeit der Körper und ihrem Molekulargewicht 
eine strenge Proportionalität, so wäre damit das Prinzip für eine neue 
Methode der Molekulargewichtsbestiimmung gegeben. Es weist indes 
nur ein Teil der Resultate auf eine derartige Proportionalität hin, so 
daß ich es vorläufig unentschieden lassen muß, ob die in Frage 
stehenden Beziehungen nur für nahe verwandte Körper gelten oder 
ob anstelle des Molekulargewichts nicht eine davon abhängige Größe 
(es ist an das Molekularvolum zu denken) in die Rechnung eingeführt 
werden muß. 


Mitteilungen aus dem pharmazeutisch-chemischen Institut 
der Universität Marburg. 


200. Ueber Gehaltsbestimmungen von galenischen 
Präparaten des Arzneibuches. 
Von E. Rupp. 
1. Mitteilung. 
(Eingegangen den 3. X. 06.) 


Die Herstellung von galenischen Präparaten im Apotheken- 
laboratorium ist erfahrungsgemäß in steigender Abnahme begriffen. 
Es mag darum wünschenswert erscheinen, der praktischen Parmazie 
mit Methoden zur Hand zu gehen, welche in einfacher Weise die 
Vorschriftsmäßigkeit bezogener Präparate zu kontrollieren gestatten. 


E. Rupp: Gehaltsbestimmungen von galenischen Präparaten. 537 


Ich möchte in einer Reihe von Mitteilungen über diesbezügliche 
Gehaltsbestimmungen berichten, bei denen mit Beschränkung auf das 
verfügbare Reagentienmaterial im Sinne der Vorrede des Arzneibuches 
möglichst allgemein die Maßanalyse benutzt werden wird. 

Nachstehend sollen des ausführlicheren die offizinellen Zu- 
bereitungen des Quecksilbers behandelt werden, über die ich 
in einem kurzen Referate auf der 78. Versammlung deutscher Natur- 
forscher und Aerzte zu Stuttgart berichtet hatte. 

Die Bestimmungen betreffen die quantitative Ermittelung von 
metallischem Quecksilber in Emplastrum Hydrargyri und Unguentum 
Hydrargyri cinereum, von Quecksilberoxyd in Unguentum Hydrargyri 
rubrum, von weißem Präzipitat in Unguentum Hydrargyri album und 
von Quecksilberchlorid in den Sublimatpastillen nebst Verbandstoffen. 
Die ersteren drei Präparate werden vorteilhaft nach der mit L. Krauß 
veröffentlichten Methode!) bestimmt, die auf der Titration chlorionen- 
freier Merkurinitratlösungen mit ”/,s Rhodanlösung beruht. Für die 
letzteren Präparate kommt die Bestimmung des metallisch abgeschiedenen 
Quecksilbers mit "/jo Jodlösung in Betracht, eine Methode, die seit 
meiner ersten Publikation?) hierüber noch weiter vereinfacht werden 


konnte. 
Emplastrum Hydrargyri. 


3 g einer in erbsengroße Stückchen zerkleinerten Durchschnitts- 
pr>be werden mit 20 ccm chlorfreier Salpetersäure vom spez. Gew. 1,4°) 
in einem weithalsigen Erlenmeyerkölbchen auf schwach siedendem 
Wasserbade ca. 10 Minuten erhitzt. Damit sich kein Quecksilber ver- 
flüchtigt, bedeckt man die Kolbenmündung mit einem wassergefüllten 
Uhrglase oder Porzellanschälchen. Nachdem man sich überzeugt hat, 
daß in dem sandig abgesessenen Bleinitrat keine dunkleren Quecksilber- 
teilchen mehr. wahrnehmbar sind, verdünnt man, den Deckschalen- 
boden abspülend, mit ca. 25 ccm Wasser, schwenkt um und erhitzt 
nochmals einige Minuten, bis das Fett klar aufgeschichtet ist. Nun 
läßt män völlig erkalten, so daß die Fettmasse zu einer Scheibe 
erstarrt. Von dieser wird die Lösung durch ein Flöckchen Watte 
in einen 100 ccm-Kolben abgegossen, dann zerstückt man die Fett- 
scheibe und spült 4—5mal mit ca. 5 com Wasser ab, die Lösung 


1) Beri. Ber. 35, 2016. 

2) Archiv 243, 300. 

8) Wofern die 65%ige Säure des Handels nicht vorrätig ist, verwendet 
man ein Gemisch von 15 ccm Acidum nitricum pur. und 5 ccm Acidum 
nitricum fum. Bei Anwendung von nur 25%iger Säure gewinnt das Queck- 
silber Zeit sich zu Kugeln zu vereinigen und der Lösungsprozeß dauert als- 
dann erheblich länger. 


538 E. Rupp: Gehaltsbestimmungen von galenischen Präparaten. 


jedesmal in den Maßkolben verbringend bis ca. 75 ccm Flüssigkeit 
resultieren!). Dieser setzt man zur Oxydation von salpetriger Säure 
und etwa vorhandenem Mercurosalz körnchenweise soviel Kalium- 
permanganat (ca. 0,5 g oder ca. 10 cem einer 5%igen Lösung) zu bis 
dauernde Rotfärbung bezw. Abscheidung von Mangansuperoxydhydrat 
auftritt. Zu deren Entfernung setzt man eine Messerspitze voll Ferro- 
sulfatpulver zu und schüttelt kräftig um, worauf der Braunstein sehr 
bald in Lösung geht?). Die so geklärte Flüssigkeit wird nun mit 
Wasser auf 100 ccm ergänzt, durchmischt und filtriert, ohne eine durch- 
gehende Trübung von Bleisulfat weiter zu beachten. Die Filtration ist 
an und für sich überflüssig, um ein Verfetten der Pipetten zu ver- 
meiden jedoch empfehlenswert. 

25 ccm Filtrat werden in einem Erlenmeyerkolben mit 1—2 ccm 
Eisenalaunlösung ev. zur Zurückdrängung der durch Hydrolyse des 
Eisensalzes hervorgerufenen Gelbfärbung auch noch mit Salpetersäure 
versetzt und mit */;o Rhodanlösung auf deutliche Braunrotfärbung 
titriert. 

Sollverbrauch für 25 cem Filtrat = 15 ccm "0 Rhod. = 0,15 g 
Hg = 20%. 


Berechnung: 
Hg" + 2CyS‘ = Hg(CyS); 
200 g Hg = 2 Rhodan 
TEN = !/io „ = 1000 ccm */ıo Lösung 
BOle, = lcem "io Rhod. 


Merkurosalze setzen sich mit Rhodanion in folgender Weise um: 

2Hg’ + 2CyS‘ = Hg(CyS)? + Hg. 

Es wird also metallisches Quecksilber abgeschieden, das sich 
durch eine schmutzig graue Anfärbung des Titrationsgemisches zu 
erkennen gibt, während in reinen Merkurilösungen farbloses Rhodanid 
abgeschieden wird. 


Unguentum Hydrargyri cinereum. 


Man verfährt in durchaus derselben Weise wie bei Emplastrum 
Hydrargyri angegeben. 


1) Es konnte nach diesem Waschprozesse niemals mehr Quecksilber 
in der Fettmasse mit Schwefelwasserstoffwasser nachgewiesen werden. 

2) Es ist nicht angängig die Lösung vom Braunsteinhydrat abzufiltrieren, 
da letzteres Quecksilber zurückhält, vermutlich in Form von Manganiten. 
Ozalsäure als Permanganatzerstörer ist nicht zulässig, von wegen der 
Bildungsmöglichkeit unlöslichen Quecksilberoxalats. Bei Weinsäure wurde 
die Beobachtung gemacht, daß sie in großem Ueberschusse und im Kontakt 
mit MnOs eine Wiederreduktion von Merkurisalz berbeiführen kann. 


E. Rupp: Gehaltsbestimmungen von galenischen Präparaten. 539 


Dem höheren Quecksilbergehalte dieses Präparates entsprechend 
genügt es, von 2 g gut durchmischten Materiales auszugehen, das auf 
einem Stückchen Pergamentpapier abgewogen und samt letzterem in 
den Lösungskolben verbracht wird. Bei einem normalen Gehalte von 
33% Hg erfordern alsdann berechneterweise 25 ccm der auf 100 ccm 
ergänzten Lösungsflüssigkeit bei der Titration 16,65 ccm "/ıo Rhodan 
= 0,1665 g Hg. 


Unguentum Hydrargyri rubrum. 


5 g einer Durchschnittsprobe werden mit 25 g offizineller 
25%iger Salpetersäure in einem Erlenmeyerkölbchen auf dem Wasser- 
bade erhitzt, bis die Fettmasse sich völlig entfärbt. Nachdem dies 
durch öfteres Umschwenken sehr rasch erreicht ist, vermischt man 
mit ca. 20 ccm Wasser, erwärmt noch etwas nach und läßt alsdann 
in Ruhe erkalten. Die Lösung wird mit Hilfe eines kleinen Trichters 
durch ein Wattestöpfchen in einen 100 ccm-Kolben abgegossen, die 
Paraffinsalbe 3—4mal mit ca. 10 ccm Wasser mittels Glasstabes etwas 
durchgeknetet und die Lösung jedesmal durch den Wattestopfen mit 
der Hauptflüssigkeit vereinigt. Man setzt nun etwas Permanganat- 
lösung zu, nimmt die Rotfärbung nach 1—2 Minuten durch etwas 
Eisenvitriol wieder weg und komplettiert mit Wasser auf 100 cem?). 
Zur Titration werden 50 cem mit 1—2 ccm Eisenalaunlösung versetzt 
und mit "/ıö Rhodanlösung auf Umschlag titriert. Sollverbrauch 
23,1 ccm = 0,25 g HgO = 10%. 

l ccm ”/ıo Rhod. = 0,0108 g HgO. 


Unguentum Hydrargyri album. 


5 g Durchschnittsmaterial werden in einem Erlenmeyerkölbchen 
mit 25 g verdünnter Salzsäure unter öfterem Umschwenken im Wasser- 
bade erwärmt. Nach etwa 10 Minuten ist aller Präzipitat in Lösung 
gegangen. Man. vermischt mit ca. 30 ccm Wasser, läßt im Wasserbad 
aufschichten und stellt alsdann zur Erkaltung bei Seite. Die Lösung 
wird in einen 100 cem-Kolben abgegossen und die Fettmasse des 
öfteren mit Wasser abgespült bis das Flüssigkeitsvolum auf 100 ccm 
ergänzt ist. 


1) Nach Vorschrift mit ausschließlicher Anwendung von Paraffinen 
hergestellte Präparate erfordern keine Spur von Permanganat, und ließe sich 
die Titration selbst ohne vorherige Absonderung des Fettes durchführen. 
Da man jedoch ev. mit einem Gehalt an organischen Fetten zu rechnen haben 
wird, welche die Bildung nitroser Gase veranlassen, so ist eine Permanganat- 
probe unter allen Umständen angezeigt. 


540 E. Rupp: Gehaltsbestimmungen von galenischen Präparaten.' 


Vom Filtrate werden 25 ccm in einer etwa 100 ccm fassenden 
Glasstöpsellasche mit 0,5—1 g Jodkalium versetzt, wobei der erst 
entstehende Niederschlag von Quecksilberjodid als Quecksilberjodid- 
jodkalium in Lösung geht. Diese wird mit 15—20 ccm offizineller 
Natron- oder Kalilauge alkalisch gemacht und hierauf mit einem 
Gemisch von 2—3 ccm Formaldehyd und 10 cem Wasser versetzt, 
worauf momentane Reduktion zu metallischem Quecksilber erfolgt. 
Nach nunmehriger Säuerung mit ca. 25ccm verdünnter Esssigsäure (30%) 
gibt man 20 cem "/jo Jodlösung zu und schwenkt häufig um. Hat 
man sich nach einigen Minuten überzeugt, daß alles Quecksilber in 
Lösung gegangen ist, so wird der Jodüberschuß mit oder ohne An- 
wendung von Stärkelösung als Indikator durch */,. Thiosulfatlösung 
zurücktitriert. Nach der Berechnung sollen hierzu 10,05 ccm erforderlich 
sein, was einem */;o Jodverbrauch von 9,95 ccm entspricht = 0,125 g 
Hg-NH3-Cl = 10%. 


Vorgang: 
Hg +29 -+2KJ = KaHgJ,. 
1HgNH,Cl =1Hg = 2J 
0,01257 g f = 1 ccm "/ıo Jod. 


Pastilli Hydrargyri bichlorati. 


Die Bestimmung beruht auf derselben Grundlage wie diejenige 
des Präzipitats. Nach der früher gegebenen Vorschrift!) bedurfte es 
einer viertelstündigen Reduktionsdauer in der Siedehitze. Bei vor- 
heriger Ueberführung des Sublimats in Quecksilberjodidjodkalium 
vereinfacht sich das Verfahren wie folgt: 


1 Pastille zu 1 g HgCls-Sollgehalt wird zu 100 ccm in Wasser 
gelöst, bei Durchschnittsproben 5 Pastillen = 500 ccm. 20 ccm dieser 
Lösung werden in einem Glasstöpselglase mit ca. 1 g Jodkalium ver- 
setzt und die klare Lösung mit etwa 10 ccm offizineller Lauge alkalisch 
gemacht. Nach Zusatz einer Mischung von 2—3 cem. Formaldehyd 
und ca. 10 ccm Wasser wird nach Verlauf von etwa 1 Minute mit 
ca. 25 cem verdünnter Essigsäure angesäuert. Hernach bringt man 
das metallische Quecksilber durch Zusatz von 25 ccm "Jo. Jod 
in Lösung und titriert den Ueberschuß hieran mit */ıo Thiosulfat 
zurück. 
Sollverbrauch bei 1 g-Pastillen: 10,25 ecm T#/ıo = 14,75 cem "ho 
= 0,2 g HgCls = 100%. 0,01355 g HgCls = 1 ccm "In. 


1) Archiv 243, 300, 


E. Rupp: Gehaltsbestimmungen von galenischen Präparaten. 541 
Sublimat -Verbandstoffe. 


Die Reduktionsmethode ist von Utz!) mit gutem Erfolge auf 
die Bestimmung von Sublimat in Verbandwatten etc. ausgedehnt 
worden. Die Vorschrift lautet: „5 g des zu untersuchenden Verband- 
stoffes bringt man in einen Glasstöpsel-Erlenmeyerkolben und übergießt 
mit destilliertem Wasser, sodaß der Verbandstoff vollständig damit 
durchtränkt und bedeckt ist. Hierzu gibt man unter Umschwenken 
10 ccm eines Gemisches gleicher Teile offizineller Kali- oder Natron- 
lauge und erwärmt dann "/;, Stunde auf dem Wasserbade. Nach dem 
Erkalten setzt man 5 ccm Eisessig hinzu, ferner 5 ccm "/ıo Jod, ver- 
schließt den Kolben und stellt einige Zeit beiseite; die Flasche schüttelt 
man öfters um. Dann titriert man unter Anwendung von Stärkelösung 
als Indikator den Ueberschuß an Jod mit Thiosulfat zurück. Gegen 
das Ende der Titration muß man nach jedesmaligem Thiosulfatzusatz 
den Kolben verschließen und kräftig durchschütteln.“ (1 ccm "o = 
0,01355 g HgClz.) 

Die Bestimmung ist an Einfachheit wohl kaum zu übertreffen. 
Es wird dadurch sowohl die unverändert gebliebene als auch die in 
wasserunlöslicher Form auf der Faser fixierte Sublimatmenge angezeigt. 
Da nun kaum ein Zweifel sein kann, daß die antiseptische Wirkung 
der Watte je nach der Bindungsform des Quecksilber eine quantitativ 
verschiedene ist, so wird sicherlich von mancher Seite immer noch 
vorgezogen, allein den wasserlöslichen Sublimatanteil zu bestimmen, 
die Watte also nach dem Denner’schen Extraktionsverfahren?) vor- 
zubehandeln. Die Arbeitsweise ist alsdann folgende: „20 g Sublimat- 
watte werden in einem Zylinder oder Becherglase mit 500 ccm Wasser 
etwa zwei Stunden hindurch, während welcher Zeit man den Verband- 
stoff von Zeit zu Zeit mit einem Glasstab durcharbeitet, ausgezogen. 
Alsdann wird die Watte ausgepreßt und die Flüssigkeit filtriert“. 
250 ccm Filtrat werden mit ca. 1g Jodkalium und alsdann mit 10 ccm 
offizineller Natronlauge versetzt. Zur klaren Lösung fügt man ein 
Gemisch aus 3 ccm Formaldehyd und 10 ccm Wasser. Fünf Minuten 
hernach wird mit 25 ccm verdünnter Essigsäure angesäuert und mit 
5 ccm "jo Jodlösung nebst ca. 5 cem Chloroform tüchtig durch- 
geschüttelt. In der jodreichen Chloroformschicht geht das am Boden 


1 Pharm. Post 1905, No. 35. 

2) Es kann hierfür die im Ergänzungsbuche III, S. 172 gegebene 
Fassung beibehalten werden, da entsprechende Kontroliversuche ergeben 
haben, daß ähnlich voluminöse und verdünnte Auszüge mit guter Genauigkeit 
nach der Reduktionsmethode bestimmbar sind. 


542 A. Jolles: Lävulosurie. 


sitzende Quecksilber rasch in Lösung!). Ist von solchem nichts mehr 
zu bemerken, so wird der Jodüberschuß zurückbestimmt, — am 
genauesten mit "/,, oder */ioo Thiosulfatlösung. 

Verbrauchte Kubikzentimeter /;o J X 0,1355 = Prozente Hg Cl;. 

Es wäre speziell vom kriegschirurgischen Standpunkte aus wohl 
nicht uninteressant, während einer längeren Versuchsdauer mit Proben 
derselben Sublimatwatte, oder für diesen Zweck wohl praktischer 
Sublimatgaze, vierteljahrsweise beide Bestimmungsweisen (Gesamt-Hg- 
Gehalt, HgCls-Gehalt) durchzuführen und an Schalenkulturen gleich- 
zeitig den Abfall des desinfektorischen Effektes zu ermitteln. 


Ueber Lävulosurie und 


über den Nachvreis der Lävulose im Harn. ?) 
Von Adolf Jolles-Wien. 


(Eingegangen den 4. X. 1906.) 


Zum Nachweis von Zucker im Harn bedienen wir uns der 
Reduktionsproben, der Gärungsprobe und der Polarisation. Auch die 
Phenylhydrazinprobe, durch welche die Glykosazone mit charak- 
teristischen Krystallen nnd konstantem Schmelzpunkte von 204—206° 
gebildet werden, ist in zweifelhaften Fällen geeignet, die Anwesenheit 
von Zucker im Harne sicher zu stellen. In der Regel wird Dextrose 
ausgeschieden, bei welcher bekanntlich die Polarisation eine Rechts- 
drehung ergibt. Es kommen aber auch Fälle vor, bei welchen die 
Polarisation des Harnes infolge der Ausscheidung von Fruchtzucker 
(Lävulose) eine Linksdrehung ergibt. Bei kombinierter Ausscheidung 
von Dextrose und Lävulose ergeben naturgemäß die Titrations- und 
gewichtsanalytischen Methoden, sowie die Gärungsprobe höhere Werte, 
als die Polarisation. Es kann aber auch der Fall eintreten, und einen 
solchen Fall habe ich selbst zu beobachten Gelegenheit gehabt, daß die 


1) Während nach der ursprünglichen Methode, bei der das Quecksilber 
in dichterer Form niederfällt, der Chloroformzusatz stets erforderlich war, 
ist er bei der Fällung aus jodkaliumhaltiger Lösung zumeist entbehrlich. Der 
feinst verteilte Quecksilberschleier geht in der Regel schon beim Zufließen- 
lassen der Jodflüssigkeit in Lösung. 

2) Nach einem am 16. September 1906 in der Abteilung für Pharmazie 
auf der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Stuttgart 
gehaltenen Vortrage. 


A. Jolles: Lävulosurie, 543 


Polarisation nur eine minimale, auf etwa 0,1% Zucker hinweisende 
Drehung ergibt, während die Gärung und die Reduktion 1,2% Zucker 
anzeigte. 

Lion hat sogar in der Münchener med. Wochenschrift (No. 26, 
1903) einen Fall beschrieben, bei welchem der Harn trotz starker 
Gärung und starker Reduktion ein optisch inaktives Verhalten ge- 
zeigt hat. Es ist klar, daß hier zufällig solche Mengenverhältnisse 
vorlagen, daß die Rechtsdrehung infolge des Dextrosegehaltes gerade 
gleich und entgegengesetzt war der Linksdrehung infolge des Lävulose- 
gehaltes, was bei einem Mischungsverhältnisse von etwa 1 Teil Dextrose 
auf 1,8 Teile Lävulose annähernd zutrifft. 

Das Resultat der polarimetrischen Untersuchung bei Gegenwart 
von Dextrose kann außer Lävulose die linksdrehende B-Oxybutter- 
säure und die gepaarten Glykuronsäuren beeinflussen. Der störende 
Einfluß von Albumin kommt nicht in Betracht, da die polarimetrische 
Untersuchung in dem enteiweißten Harne vorgenommen werden 
soll. Was nun die gepaarten Glykuronsäuren betrifft, so 
können dieselben in pathologischen Harnen, namentlich in Fieber- 
harnen, zuweilen in relativ erheblichen Mengen auftreten und unter 
Umständen die Rechtsdrehung sehr geringer Traubenzuckermengen 
aufheben oder vermindern. Nach der Vergärung müßte aber ein 
solcher Harn deutliche Linksdrehung und nach Trommer eine Reduktion 
zeigen, was ich in dem von mir erwähnten Falle nicht konstatieren 
konnte. Die B-Oxybuttersäure kommt bekanntlich bei schweren Fällen 
von Diabetes vor und zwar gleichzeitig mit Aceton und Acetessig- 
säure, was ebenfalls bei meinem Falle auszuschließen war. Auch bei 
Gegenwart von ß-Oxybuttersäure zeigt der vergorene Harn eine 
Linksdrehung. 

Die Tatsache, daß die polarimetrische Methode zur Bestimmung 
des Traubenzuckers im Harn vielfache Anwendung findet, macht die 
Differenzen erklärlich, die nicht selten bei der Zuckerbestimmung eines- 
und desselben Harnes — in verschiedenen Laboratorien ausgeführt — 
konstatiert werden. Es wird eben in einem Institute die polarimetrische, 
in einem anderen die titrimetrische Methode mit Fehling’scher 
Lösung oder die Gärungsprobe durchgeführt, wobei auf etwaige 
Fehler, welche durch normale oder pathologische Harnbestandteile 
bewirkt, oder auf Fehler, welche durch Arzneistoffe bedingt werden, 
keine Rücksicht genommen wird. Wenn wir absehen von den Fehler- 
quellen der angewendeten Methoden, so ist zu berücksichtigen, daß- 
auf die Resultate der polarimetrischen Methode namentlich die 
Anwesenheit von Lävulose und von gepaarten Glykuronsäuren, auf 
die Ergebnisse der Reduktionsmethoden vor allem die Anwesenheit 


5414 A. Jolles: Lävulosurie. 


von Harnsäure und Kreatinin einen mehr oder minder. störenden 
Einfluß ausüben können. Dazu kommt der nicht zu unterschätzende 
Fehler durch Arzneimittel, welcher bekanntlich die Resultate aller . 
Zuckermethoden mehr oder weniger beeinflußt. Ich erinnere bei dieser 
Gelegenheit an eine von mir bereits im Jahre 1893 gemachte 
Beobachtung!), derzufolge nach Einnahme von Benzosol im Harne 
eine Verbindung von komplizierter Zusammensetzung auftritt, welche 
links dreht. Auf Grund der polarimetrischen Untersuchung hat der 
behandelnde Arzt in einem solchen Falle beträchtliche Zuckermengen 
übersehen. In jüngster Zeit habe ich ebenfalls einen Harn unter- 
sucht, der Linksdrehung zeigte, trotz Abwesenheit von Lävulose und 
gepaarten Glykuronsäuren. Gärungsprobe und Titration lieferten 
0,6% Traubenzucker. Die nähere Prüfung ergab, daß der betreffende 
Patient infolge Gonorrhöe durch längere Zeit Sandelöl in. Kapseln 
eingenommen hat, welches Präparat bekanntlich eine erhebliche Links- 
drehung zeigt. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß 
die Linksdrehung des Harnes mit der Medikation in diesem Falle im 
Zusammenhange steht. — Aber abgesehen von dem störenden Einflusse 
durch Arzneimittel war ich wiederholt in der Lage, in Harnen von 
Diabetikern Differenzen zwischen der polarimetrischen und titrimetrischen 
Methode bezw. der Gärungsprobe festzustellen, die auf Traubenzucker 
berechnet 0,2 bis 0,9% betragen. In allen diesen Fällen war B-Oxybutter- 
säure nicht nachweisbar. Gepaarte Glykuronsäuren waren nurin minimalen 
Mengen vorhanden, da die Harne beim Kochen mit Orecin und Salz- 
säure oder mit Bial’schem Reagens keine Spur einer Reaktion zeigten. 
Auch zeigten die Harne nach der Vergärung keine Drehung und 
nur in einzelnen Fällen konnte eine geringe Reduktion konstatiert 
werden. — Eiweiß war wohl in drei Fällen vorhanden, konnte aber 
auf die Drehung keinen Einfluß ausüben, da die Bestimmungen im 
enteiweißten Harne vorgenommen wurden. Hingegen lieferten diese 
Harne beim Erhitzen mit etwas Resorcin und Salzsäure sofort die 
charakteristische Rotfärbung. Nach dem Vergären fiel die 
Seliwanoff’sche Reaktion negativ aus. 

Nach diesen Ereignissen konnte wohl auf die gleichzeitige An- 
wesenheit von Dextrose und Lävulose geschlossen werden. Ueber 
die Anwesenheit von Lävulose in Zuckerharnen ist schon wiederholt 
in der Literatur berichtet worden. Von besonderem Interesse. sind 
die Mitteilungen von Rosin und Laband (Z. f. klin. Medizin Bd. 47, 
182 bis 197), welche in 16 Fällen bei Diabetikern neben der Dextrose 
auch Lävulose konstatieren konnten. Es gelang den Verfassern auch 
Fruktose im Blute nachzuweisen. 

1) Wiener medizin. Presse No. 9, 1893. 


A. Jolles: Lävulosurie, 545 


Außer in diabetischen Harnen war ich zweimal in der Lage, im 
Harne nur die Anwesenheit von geringen Mengen von Lävulose zu 
konstatieren. Der behandelnde Arzt vermutete in dem jeweiligen 
Falle Traubenzucker, weil die Trommer’sche Probe eine starke 
Reduktion gab. Die polarimetrische Untersuchung ergab eine Drehung 
von —2,6° V bezw. —1,8° V. Die titrinetrische Untersuchung ergab 
auf Lävulose berechnet 0,24% bezw. 0,16%. Polarisatien und Reduktions- 
werte stimmten also für Lävulose. Die Seliwanoff’sche Reaktion 
war in beiden Fällen stark positiv. Nach der Vergärung war in 
beiden Fällen die Drehung 0. Nachdem jedoch linksdrehende ver- 
gärende Körper mit Seliwanoff’scher Reaktion außer Lävulose 
nicht bekannt sind, so dürften diese beiden Fälle nach dem Harn- 
befunde als reine Lävulosurie aufzufassen sein. Ob es sich nur 
um eine vorübergehende bezw. alimentäre Lävulosurie handelt, ent- 
zieht sich meiner Beurteilung, da ich nicht mehr Gelegenheit hatte, 
die Harne dieser beiden Patienten zu untersuchen. 

In der Literatur sind auch Fälle von sogenannten Frucht- 
zucker-Diabetes von W. Schlesinger (Deutsches Archiv für klinische 
Medicin 76, 233—289) und H. Rosin (Salkowski-Festschrift 105—124) 
veröffentlicht worden. Schließlich sei noch erwähnt, daß H. Strauß 
(Deutsche med. Wochenschrift 1901, No. 44 und 45) die Lävulosurie 
als diagnostisches Merkmal für das Bestehen einer Leberkrankheit 
verwertet hat, indem nach seinen Erfahrungen an Leberkranken 
besonders leicht Lävulosurie zu erzeugen war. Jedenfalls hat in 
jüngster Zeit das Auftreten und der Nachweis der Lävulose im Harn 
ein erhöhtes Interesse gewonnen, welcher Umstand mich veranlaßt 
hat, mich mit den Methoden der Lävulose-Bestimmung im Harn etwas 
eingehender zu befassen. 

Bezüglich der qualitativen Reaktion von Seliwanoff muß ich 
auf Grund meiner Erfahrungen bemerken, daß die Probe nicht als 
einwandfrei bezeichnet werden kann, da ich in hochkonzentrierten, 
urobilinreichen Harnen eine Rotfärbung erhielt, die auf die Anwesen- 
heit von Lävulose hindeutete, trotzdem die nähere Prüfung ein 
negatives Resultat lieferte. In solchen Fällen. gibt der von Rosin 
vorgeschlagene spektroskopische Nachweis in dem mit kohlensaurem 
Natron neutralisierten und mit Amylalkohol ausgeschüttelten Harne 
ebenfalls keine Entscheidung, weil durch das Erhitzen mit Salzsäure 
Farbstoffe resultieren, die in Amylalkohol übergehen und die spektro- 
skopische Untersuchung sehr störend beeinflussen. Ich habe versucht, 
die Seliwanoff’sche Reaktion zu modifizieren, um den störenden Ein- 
fluß des längeren Kochens und der Konzentration der Säure zu 
eliminieren. Allein in allen Fällen entsteht schon durch die Ein- 

Arch. d. Pharm. UCXXXXIV. Bds. 7. Heft. s 35 


546 A. Jolles: Lävulosurie. 


wirkung der HC] auf den Harn eine Rotfärbung, die eine eventuelle 
Lävulose-Resorein-Reaktion vortäuschen würde. Ob es sich möglicher- 
weise auch um hydrolytische Einwirkungen auf normale kohlehydrat- 
artige Komplexe, vielleicht Polysaccharide, handelt, bleibt einer 
späteren Untersuchung vorbehalten. Jedenfalls ist es relativ noch am 
zweckmäfßigsten, die Seliwanoff’sche Reaktion in der Weise aus- 
zuführen, daß man 10 ccm Harn mit einer Messerspitze Resorcein und 
etwa 3 ccm 10%iger Salzsäure bis zum Kochen erhitzt. Eine beim 
Kochen sofort auftretende Rotfärbung weist auf Lävulose hin. 
In Kombination mit der polarimetrischen Methode und der Gärungs- 
probe gibt diese Reaktion sicherlich wertvolle Anhaltspunkte. Was 
nun die quantitative Lävulose-Bestimmung im Harne betrifft, so habe 
ich zunächst die üblichen titrimetrischen Methoden einer Prüfung 
unterzogen. Zu diesem Zwecke habe ich verschiedene Mengen von 
chemisch reiner Lävulose (Merk) abgewogen und in je 100 ccm 
normaler Harne gelöst. Alsdann wurden jedesmal 10 ccm Fehling’sche 
Lösung mit 50 ccm einer Natronlauge von ca. 20° Be. in einer Porzellan- 
schale zum Sieden erhitzt und aus einer Bürette die zu untersuchenden 
Harne so lange zufließen lassen, bis die Blaufärbung verschwunden 
ist, und die gelbe Farbe des Harnes erkennbar ist. 

Nur muß die Titration kontinuierlich unter Kochen und Um- 
rühren erfolgen, bis der Farbenübergang erreicht ist, alsdann ist die 
Titration als beendet anzus®hen. Die in manchen Handbüchern für 
Harnanalysen angeführten Reaktionen zur Prüfung auf noch vor- 
handenes Kupfer sind in praxi bei Harnen nicht durchführbar, weil 
selbst bei überschüssigem Zusatze von Harn Kupfer bei Unterbrechung 
des Kochens noch nachweisbar ist, was man übrigens an der grünen 
Färbung der Flüssigkeit schon erkennen kann. Wird jetzt das 
Kochen fortgesetzt, dann verschwindet die grüne F'arbe und es resultiert 
wieder die gelbe Harnfarbe. 

Wahrscheinlich wird durch die Einwirkung der Lauge aus dem Harn- 
stoff Ammoniak frei gemacht, welches die bekannten komplexen Kupfer- 
salze gibt. Ich lasse die Ergebnisse der Titration nachstehend folgen: 


Abgewogene Verbrauchte | A ER 3 ehlingieche 
Lävulose Kubikzentimeter Anligrammn‘ 
in 100 ccm Harn dieses Harnes Lävulose 
0,1086 & 36,9 | 4,0 mg 
0,2262 „ 19,9 45 „ 
0,3747 „ 14,7 55 
0,4656 „ 11,4 5,3 
0,6036 „ 85 51 „ 
0,80828 „, 7,3 5,9. „ 


A. Jolles: Lävulosurie. 547 


Aus diesen Zahlen geht hervor, daß die titrimetrische Methode 
in dieser Ausführungsart für Harn ungeeignet ist. 

Von den gewichtsanalytischen Methoden liefert das Verfahren von 
Allihn innerhalb der vorgeschriebenen Kochdauer von zwei Minuten 
im Harne keine übereinstimmenden Resultate. 

Hingegen sind die Ergebnisse im allgemeinen genügend be- 
friedigend bei einer Kochdauer von vier bis fünf Minuten. Nur bei 
sehr hochgestellten, stark uratreichen Harnen treten etwas größere 
Differenzen auf. 

Am besten hat sich für die quantitative Bestimmung der Lävulose 
im Harne die Methode von Ost (Ber. 23, 3003 und Chemiker-Zeitung 
XIX, S. 1784) bewährt. Ost verwendete eine Kupferkaliumkarbonat- 
lösung, welche im Liter enthält: 

17,5 g CuSO, +5Hg0 
250 ,„KgCOp 
100 „KHCO;. 


Zur Herstellung der Lösung trägt man die Kupfersulfatlösung 
in die Lösung der chemisch reinen Kaliumkarbonate langsam ein, 
damit möglichst wenig Kohlensäure entweichen kann. Die fertige 
Lösung wird über ein Schleicher Filter filtriert. Zur Ausführung 
der Bestimmung werden je 100 ccm der Kupferlösung mit 50 ccm Zucker- 
lösung in einem geräumigen Kolben auf einem Drahtnetze rasch zum 
Sieden erhitzt, 10 Minuten gekocht, rasch abgekühlt und mit der 
Strahlpumpe durch ein Asbestfilter filtriert. Man wäscht den Nieder- 
schlag zunächst mit etwas Kaliumkarbonatlösung aus zur schnelleren 
Entfernung des im Niederschlage noch vorhandenen Kupfersulfatss, 
dann mit heißem destillierten Wasser, zuletzt mit Alkohol, trocknet gut, 
erhitzt zum Glühen und reduziert im H-Strome. Die Methode gibt gute 
Resultate in Harnen, von welchen 50 ccm etwa 400 mg Kupfer reduzieren. 

Aus diesem Grunde müssen Lävulose-Harne, die mehr als circa 
0,2% Lävulose enthalten, entsprechend verdünnt werden. 

Ein Vorzug der Methode besteht darin, daß die durch einen Teil 
Zucker gefällte Kupfermenge das 1’ bis 2fache von der durch 
Fehling’sche Lösung abgeschiedenen beträgt, auch beeinflußt die 
Kochdauer das Ergebnis weniger als bei der Fehling’schen Lösung. 

Beispiel: 

0,5840 g krystallisierte Lävulose von Merck wurden in 100 ccm eines 
Harnes vom spez. Gewicht 1,022 gelöst und hiervon 25 ccm zur Bestimmung 
verwendet. 

Gewogen 437 mg Ca, entsprechend 148 mg Laevulose. 
Gefunden 0,5880 g Lävulose. 
Vorhanden 0,5840; Fehler 0,7%. 


548 A. Jolles: Lävulosurie, 


Die Ost’sche Methode gibt auch sehr befriedigende Resultate 
bei der quantitativen Bestimmung der Dextroge im Harn. Bei gleich- 
zeitiger Anwesenheit von Dextrose und Lävulose empfiehlt es sich, 
die erhaltenen Reduktionswerte auf Dextrose zu berechnen. ' Nachdem 
die Differenzen zwischen den Faktoren für Lävulose und Dextrose 
nach Ost ca. 5% betragen, so ist der Fehler für praktische Zwecke 
bedeutungslos; immerhin kann man ja bei hohem Lävuiosegehalt das 
Mittel der Faktoren von Lävulose und Dextrose bezw. bei über- 
wiegender Lävulose den Faktor der reinen Lävulose nehmen. Die 
Berechnungsart bleibt die gleiche, nur wird natürlich der Wert für 
den Gesamtzucker dadurch etwas modifiziert. 

Nach dem Reduktionswerte erhält manx Dextrose+ y Lävulose=m. 

Die Polarisation ergibt eine Drehung =D. 

Bezeichnet man mit a und b das Drehungsvermögen von Dextrose 
und Lävulose, bezogen auf 1 %ige Lösung, so ist: 

xatyb=D. 

Andererseits ist x-+ y = m, wobei m die Zuckermenge bedeutet, 
die sich aus der Tabelle auf Grund der Ou-Bestimmung ergibt, somit 
istx=m-—y 

also (m—yJa+-yb=D 
mm+ay+tby=D 
ma+y(b—-a) =D 
Al du un Ze zu) ,‚ wobei bedeuten: 
a—b 
D = Drehung des Gemisches, 
m = Zuckermenge auf Dextrose berechnet, 
a und b = spezif. Drehungsvermögen der beiden Zuckerarten. 
x=m-y. 
Wenn man mit einem Apparate von Ventzke arbeitet, 


so entspricht 
1% Dextrose = + 3,06° V 
1% Lävulose = — 1,61° V. 
Beispiel: 
Ein Harn gab durch Bestimmung des Zuckers nach Ost einen Zucker- 
gebalt von 2% und dreht nach Ventzke um + 4°. 


N ma —D m-3,06 —D 
Wir haben also y = —— ee ZZ, 


a —b 4,67 
m ==.2 
D=+ 4°. 


6120 — 40 212 
re Bee 5: in 
4,670 4,67 


x=m—y=2 045 = 155, 


Also y = 


A. Jolles: Lävulosurie. 549 


In Kreisgraden ausgedrückt, entspricht 
1° V = 0,3448 Kreisgrade, 
also 1% Dextrose = + 1,075° 
:1% Lävulose = — 0,493°. 

Bei Apparaten, welche direkt Prozente Dextrose angeben, sind die 
Ablesungen auf Bogengrade zu reduzieren durch Multiplikation mit 
0,931. — Um im Harne die Polarisation vornehmen zu können, muß mit 
Bleiessig geklärt werden. 

Gegen diese Arbeitsweise werden zuweilen Einwendungen erhoben 
und behauptet, daß hierbei Lävulose mitgefällt wird. 

Ich habe daher die Fällbarkeit der Lävulose in Harnen durch 
Zusatz reiner Lävulose, Fällung mit neutralem Bleiacetat und dar- 
auf folgender gewichtsanalytischer und polarimetrischer Analyse 
untersucht, und bin in Uebereinstimmung mit den älteren Angaben von 
Külz (Zeitschr. f. Biolog. 27, 235 |1890]) zu dem Resultate gelangt, 
daß nrutrale Bleiacetatlösung, in üblicher Weise angewendet, keine 
Verluste verursacht. Ich lasse einige Beleganalysen folgen: 


A. Polarimetrische Bestimmung. 


1. Auf gleiches Flüssigkeitsvolumen bezo.en, zeigte eine wässerige 
Lävuloselösung eine Drehung von —4,7° V. Dieselbe Lävulosemenge 
in Harn gelöst und mit neutraler Bleiacetatlösung gefällt eine Drehung 
von —4,71° V. 

2. In wässeriger Lösung —12,07° V; Harnlösung geklärt: 
—12,09° V. 

B. Gewichtsanalytische Bestimmung nach Ost. 

1. 0,2204 g Lävulose auf 100 ccm verdünnt; hiervon ergeben 
25 ccm bei der Bestimmung nach Ost 195 mg Cu. 

0,2204 g Lävulose in 100 ccm Harn, vom spez. Gewicht 1,022, 
gelöst, mit 10 ccm neutraler Bleiacetatlösung versetzt und filtriert. In 
55 cem (= der Hälfte der ursprünglichen Lävulosemenge) wurde das 
Blei mit 5 ccm Natriumphosphat gefällt, filtriert und mit 30 ccm 
Filtrat (= dem vierten Teile der ursprünglich angewendeten Lävulose) 
die Bestimmung vorgenommen. 


Menge des Kupfers » 2 2. me en04.192 mg Cu 
0,3136 .. . .. 
ni g Lävulose geklärt 420,0 mg Cu, ungeklärt: 421,0 „ „ 
0,5840 PL 
8. Be . en SEE] "uni u. 5AB.D. Naäcn 


Hieraus ersieht man, daß die Abweichungen innerhalb der 
Versuchsfehler fallen und die Bleiacetatfällung bei der Lävulose- 
Bestimmung im Harn zulässig ist. 


550 G. Barger u. H. H. Dale: Mutterkornalkaloide. 


Mitteilung aus „The Wellcome Physiological Research 
Laboratories“ zu Herne Hill, London. 


Die Mutterkornalkaloide. 
Von G. Barger und H.H. Dale. 
(Eingegangen den 16. X. 1906.) 


Da wir uns schon seit einigen Jahren mit der Untersuchung des 
Mutterkorns beschäftigt haben, und an zwei Veröffentlichungen darüber 
beteiligt gewesen sind, haben wir mit besonderem Interesse die wert- 
volle Mitteilung gelesen, welche Herr Dr. F. Kraft im Heft V dieses 
Archivs!) über Mutterkorn gemacht hat. 

In der ersten?) unserer zwei Veröffentlichungen wurden einige 
eigenartige physiologische Reaktionen beschrieben, welche mit sehr 
verschiedener Intensität von fast allen Mutterkornpräparaten gezeigt 
werden. In der zweiten Mitteilung®), welche. nur eine vorläufige war, 
hat der eine von uns, gemeinschaftlich mit F. H. Carr, das Prinzip, 
welches diese Reaktionen verursacht, als ein dem Ergotinin nahe ver- 
wandtes Alkaloid beschrieben, das krystallinische Salze liefert und 
daher rein erhalten werden kann. Für dieses Alkaloid haben wir, 
beim Mangel an unzweideutiger Kenntnis seiner Beziehung zum 
Ergotinin, den Namen Ergotoxin vorgeschlagen. 

Offenbar ist Herr Kraft beim Studium der Mutterkornalkaloide 
unabhängig von uns zu Ergelnissen gekommen, die zum Teil mit dem, 
was wir schon veröffentlicht haben, in Einklang stehen, zum Teil auch 
mit dem, was wir erst später zu publizieren beabsichtigten, sich decken. 
Herr Kraft stimmt darin mit uns überein, daß er im Mutterkorn das 
Vorkommen von zwei nahe verwandten Alkaloiden annimmt: 1. das 
Ergotinin (nach Tanret = Sekalin, Jacobj), und 2. das Ergo- 
toxin (in dem amorphen Ergotinin von Tanret enthalten), das Herr 
Kraft Hydroergotinin nennt. 

Mit seiner Auffassung der Beziehung zwischen diesen zwei 
Alkaloiden können wir uns dagegen nicht einverstanden erklären. 

Wie schon in der zweiten unserer Mitteilungen erwähnt, ist die 
Formel des Ergotinins wahrscheinlich 

Ca Hz: N; O4, 
und nicht O3, Ho N Og, wie von Tanret angegeben wurde. 
I) Dieses Archiv 244, 336. 


2) Dale, Journal of Physiology, 1906, 34, 163. 
83) Barger und Carr, Chemical News, 24. August, 1906, 89. 


G. Barger u. H. H. Dale: Mutterkornalkaloide. 5öl 


Vom Ergotoxin haben wir mehrere. krystallinische Salze dar- 
gestellt. So haben wir das Chlorid, Bromid, Sulfat, Nitrat, Phosphat, 
Oxalat und Tartrat durch Umkrystallisieren rein erhalten. Aus den 
bisher gemachten Analysen dieser Salze leiten wir für das Ergotoxin 
die Formel Cog Ha Na O3 oder Os H3>N, Os ab. 

Die beschränkte Menge des Materials, die Schwierigkeiten der 
vollständigen Reindarstellung, sowie auch der Verbrennung, machen 
es ziemlich mühsam, die Formel für das Ergotoxin ganz bestimmt zu 
ermitteln. Mit weiteren Analysen, die jetzt im Gange sind, hoffen 
wir die Anzahl der C- und H-Atome genauer zu bestimmen. Es 
steht aber schon fest, daß das Ergotoxinmolekül eben so viele N- Atome 
wie das des Ergotinins enthält, jedoch um ein O-Atom ärmer ist. 
Falls die Formel Cag Hz, N403 richtig wäre, würde das Ergotinin ein 
Acetylderivat des Ergotoxins sein. Wir glauben sogar aus dem reinsten 
Ergotoxin durch Acetylieren Ergotinin erhalten zu haben, freilich bisher 
nur in geringer Ausbeute. Wir glauben auch durch Behandlung des 
Ergotinins mit Säuren die umgekehrte Umwandlung in das Ergotoxin 
erzielt zu haben. 

Unsere chemischen Untersuchungen waren bis zu diesem Punkte 
fortgeschritten, als die Mitteilung von Herrn Kraft erschien. Unsere 
Freude, so viele unserer Ergebnisse durch die Beobachtungen von 
einem unabhängigen Forscher bestätigt zu sehen, war mit Verwunderung 
gemischt über die Folgerungen, welche er über die Beziehung des 
zweiten Alkaloids zum Ergotinin gezogen hatte. Hätten die analytischen 
Zahlen Herrn Kraft zur Verfügung gestanden, so würde er ihnen 
einen größeren Wert zugeschrieben haben, als den Versuchen, auf 
welche er seine Hypothese gründet. Wir können die Resultate unserer 
Analysen nicht mit seiner Auffassung des Ergotoxins als eines Hydrats 
des Ergotinins in Einklang bringen, denn die Formel Cs Hz, N4 0; 
würde einen Fehler von 2 bis 3% C und 0,7% N in unseren Analysen 
der Ergotoxinsalze bedingen. Die Schlußfolgerung von Herrn Kraft, 
daß „das amorphe Alkaloid jedenfalls das Hydrat des krystallisierten“ 
sei, zieht er scheinbar hauptsächlich aus der angeblichen Bildung von 
Ergotinin durch bloßes Kochen des amorphen Alkaloids mit Alkohol. 
Wir haben diesen Versuch mit aus dem krystallinischen Chlorid dar- 
gestellten Ergotoxin wiederholt, leider ohne diesen wichtigen Befund 
bestätigen zu können. Naturgemäß hängt der ganze Wert dieses 
Versuches von der Reinheit des benutzten amorphen Alkaloids ab, 
d. h. es muß ergotininfrei sein. Wir bezweifeln, ob eine Methode der 
fraktionierten Fällung für die Einheitlichkeit des „Hydroergotinins“ 
Gewähr leistet. 

Unserer Meinung nach ist also der Name „Hydroergotinin“ zu 


552 G. Barger u. H. H. Dale: Mutterkornalkaloide. 


verwerfen, nicht nur weil wir das amorphe Alkaloid, mit seinen 
krystallinischen Salzen, zufällig einen Monat früher als Ergotoxin 
beschrieben haben, sondern auch weil wir glauben, daß der Name 
„Hydroergotinin* auf eine irrtümliche Auffassung der Beziehung 
zwischen den Mutterkornalkaloiden gegründet ist. 

Kürzlich hat der eine von uns eine Reihe physiologischer Vor- 
gänge beschrieben, die durch intravenöse Einspritzung verschiedener 
Mutterkornpräparate erzeugt werden. Mit der Sphacelinsäure und 
dem Cornutin Kobert’s, mit dem Chrysotoxin und Secalinatoxin 
Jacobj’s, und auch mit käuflichen Ergotininsalzen beobachtet man, 
bei einem künstlich atmenden Tier, dessen Gehirn und verlängertes 
Mark zerstört worden sind, ein starkes Steigen des Carotisdruckes 
und eine Kontraktion des Uterus des Sphincter iridis, und der Harn- 
blase — also eine weitausgebreitete Reizung der glatten Muskel. 
Darauf folgt eine eigenartige Lähmung der motorischen Elemente im 
Bauchsympathicus, während weder die inhibitorischen Elemente desselben, 
noch der craniale und sacrale Teil des autonomen Systems angegriffen 
werden. Als Beispiel dieser Wirkung kann man die Blutdruck- 
erniedrigung anführen, die nach derartiger Mutterkornvergiftung von 
Nebennierenextrakt, Nikotin oder Splanchnicusreizung, anstatt der 
normalen Erhöhung bewirkt wird — ein Phänomen, das wir als 
„peripherische vasomotorische Umkehrung“ bezeichnen können. 

Das Auftreten dieser Wirkung mit so vielen angeblich ver- 
schiedenen Präparaten deutete auf die Anwesenheit eines aktiven 
Prinzipes oder vielleicht zweier eng verbundener aktiven Prinzipe in 
alle denselben hin. Mittels dieser Erscheinung führten wir die 
physiologische Wirksamkeit bald auf die alkaloidischen Bestandteile 
zurück. Aus Präparaten wie Sphacelinsäure und Chrysotoxin wurden 
stark wirksame Alkaloide ziemlich leicht erhalten, während die nicht- 
basischen Rückstände nur Spuren dieser Wirksamkeit behalten hatten. 
Freilich hat Jacobj selbst eine solche Trennung durchgeführt, 
merkwürdigerweise ohne die Bedeutung seiner Beobachtungen zu 
erkennen. 

Kobert, der ein von Tanret bezogenes Originalpräparat unter- 
suchte, fand das krystallinische Ergotinin ganz inaktiv. Aus einer 
Untersuchung des reinen umkrystallisierten Ergotinins mittels der 
oben erwähnten Blutdruck-Methode folgerten wir, daß auch in dieser 
Hinsicht seine Wirksamkeit zu vernachlässigen ist. Freilich ist die 
physiologische Prüfung des Ergotinins mit besonderen Schwierigkeiten 
verbunden. Gelöst in einem indifferenten Mittel, wie Alkohol, fällt 
das Alkaloid unmittelbar im unlöslichen Zustande aus, wenn die ein- 
respritzte Lösung mit dem Blut in Berübrung kommt. Wenn man 


G. Barger u. H. H. Dale: Mutterkornalkaloide. 553 


dagegen chemische Lösungsmittel, wie Alkalien oder organische Säuren, 
gebraucht, mit welcher das Alkaloid seinen Bestimmungsort noch im 
gelösten Zustande erreichen soll, so kann man nicht, wie auch aus 
Kratft’s Beobachtungen hervorgeht, die Bildung vom Ergotoxin aus- 
schließen. Man kann nur sagen, daß Ergotinin, in einer solchen Lösung 
eingespritzt, nur soviel Wirksamkeit entfaltet, als man der un- 
vermeidlichen Verunreinigung mit Ergotoxin zuschreiben kann. 

Es folgt also, daß die reinen Ergotoxinsalze die schon be- 
schriebene Wirksamkeit in hohem Grade besitzen müssen. Dieses ist 
wirklich der Fall. So z. B. werden durch die intravenöse Einspritzung 
von 0,0005g eines Ergotoxinsalzes in eine Katze eine sehr bedeutende und 
anhaltende Erhöhung des Blutdruckes, von größeren Gaben bis zu 
0,002 g, eine erhebliche Kontraktion des Uterus, der Augenpupillen 
und der Harnblase bewirkt. 0,001 bis 0,002 g ruft in der Katze die 
oben beschriebene „peripherische vasomotorische Umkehrung“ hervor. 
Wie in der früheren Mitteilung erwähnt, sind die Nagetiere gegen das 
Ergotoxin viel weniger empfindlich als die Fleischfresser. 

Es wurde nun auch versucht, wie weit dem Ergotoxin die 
anderen Wirkungen zukommen, welche den verschiedenen Mutterkorn- 
präparaten zugeschrieben worden sind. Dabei kam hauptächlich die 
gangränerzeugende Wirkung der Sphacelinsäure (und des Chrysotoxins) 
und die Krampfwirkung des Cornutins in Betracht. Intravenöse oder 
subkutane Einspritzung von in Wasser gelösten Ergotoxinsalzen ruft 
in einem Hahn!), in Gaben von 0,002 bis 0,005 g, Ataxie, Zittern, 
Dyspnoe, Speichelfluß, violette Verfärbung des Kammes und flüssigen 
Durchfall hervor. Nach 24 Stunden erholt sich das Tier, meist ohne 
bleibende Aenderung des Kammes. Mehrere solche Gaben verursachten 
auch Darmentzündung und Tod. 0,01 g in gleicher Weise auf einmal 
verabreicht rufen die akuten Symptome mit größerer Heftigkeit hervor 
und führen bald durch Krampfanfälle zum Tod. 

Subkutane Applikation von 0,01 g des reinen Alkaloids in 
Alkohol gelöst, um langsame Resorption des in den Geweben gefällten 
Alkaloids zu erzielen, verursacht nur ziemlich schwache, aber länger 
andauernde allgemeine Symptome. Die violette Verfärbung des Kammes 
jedoch ist sehr intensiv. Nach 24—48 Stunden ist der Kamm wieder 
rot, mit Ausnahme der Spitzen, die alle schwarz sind und eintrocknen. 
Eine weitere Gabe von 0,02 g in Alkohol ruft eine noch länger 
dauernde Intoxikation und danach ein ausgedehntes wahres Gangrän 
des Kammes hervor. 


1) Für diese Versuche am Hahn sind wir unserem Kollegen Herrn 
Symons verpflichtet. 


554 G. Barger u. H. H. Dale: Mutterkornalkaloide. 


Offenbar kann das Ergotoxin sowohl das Bild der Cornutin-, 
wie auch der Sphacelinsäure- Vergiftung Kobert’s erzeugen, ersteres 
wenn es schnell, letzteres wenn es langsam resorbiert wird, was mit 
dem größeren Ergotoxingehalt des Cornutins zusammenhängt. Die 
von Kobert nach äußerst kleinen Cornutingaben am Frosch 
beobachteten Krämpfe haben wir mit Ergotoxin nicht erzeugen 
können; dagegen erfolgt nach einer Gabe von "/so bis !/ıo mg nur eine 
vorübergehende veratrinähnliche Flexorenlähmung, nach größeren Gaben 
eine allgemeine Lähmung und schließlich der Tod. 

0,003 g Ergotoxin, als in Wasser gelöstes Salz, in die Ohrvene 
eines Kaninchens eingespritzt, ruft Zittern, Zuckungen, Speichelfluß 
und schließlich den Tod durch Erstickung hervor. 

0,005 g eines Ergotoxinsalzes in die Oberschenkelmuskeln einer 
Katze eingespritzt, bewirkt Erbrechen, Ataxie, Schläfrigkeit, Speichel- 
fluß, Lähmung des Sphincter ani, erhebliche Pupillenkontraktion und 
nach mehreren Stunden den Tod mit Lungenkongestion. 

0,003 g einer trächtigen Katze in ähnlicher Weise eingespritzt, 
brachte ähnliche allgemeine Symptome mit dauernder Uteruskontraktion 
hervor. In derselben Nacht warf das Tier drei fast ausgetragene 
tote Junge. 

Ergotoxin ruft also sowohl im intakten wie auch im narkoti- 
sierten oder gehirnlosen Tier eine kräftige Kontraktion des Uterus 
und, im ersten Fall, später auch Abort hervor. Es ist zu bedauern, 
daß Herr Kraft die therapeutische Unbrauchbarkeit des amorphen 
Alkaloids aus drei_ mit seinem „Hydroergotinin“ an Nagetieren 
gemachten Versuchen folgert, weil, wie schon erwähnt, die Glatt- 
muskulatur dieser Tiere gegen Ergotoxin besonders unempfindlich ist. 
Nichtsdestoweniger hat er in einem der drei Fälle „heftige Wehen“, 
und in einem anderen schließlich doch Abort beobachtet. Ueberdies 
können wir nicht mit Herrn Kraft übereinstimmen, wenn er vom 
therapeutischen wirksamen Bestandteil des Mutterkorns verlangt, daß 
er zu irgend welcher Periode der Schwangerschaft mit Sicherheit 
Abort erzeugen soll. Freilich ist Ergotoxin, wie auch der Name 
andeutet, in größeren Gaben ein Gift. Zur therapeutischen Anwendung 
kommen aber nur äußerst kleine Mengen in Betracht, um Kontraktion 
der Gebärmutter nach der Geburtsarbeit zu verursachen oder zu 
begünstigen. Obne die Möglichkeit des Vorkommens anderer 
therapeutisch anwendbarer Bestandteile des Mutterkorns zu verneinen, 
glauben wir, im Ergotoxin einen Körper gefunden zu haben, der zu 
diesem Zweck sehr geeignet ist. 

Vielleicht möchte man im Ergotoxin nur ein gereinigtes Cornutin 
sehen. Man muß aber bedenken, daß Kobert die Namen Sphacelin- 


M. Scholtz: Pareiraalkaloide, 555 


säure und Cornutin seinen Präparaten gab, nur weil sie nach seiner 
Meinung physiologisch rein waren. Gerade in physiologischer Hinsicht 
aber erinnert Ergotoxin noch stärker an die Sphacelinsäure als an 
das Cornutin, sodaß wir für dieses neue chemische Individuum einen 
neuen Namen wählen mußten. 

Die ausführliche Beschreibung unserer Versuche, welche noch 
im Gange sind, wird hoffentlich bald in einer englischen Zeitschrift 
folgen. Hier beabsichtigen wir hauptsächlich einer Verwirrung vor- 
zubeugen, die durch zweierlei Benennungen desselben Körpers leicht 
entstehen könnte. 


Mitteilung aus der pharmazeutischen Abteilung 
des chemischen Instituts der Universität Greifswald. 


Veber die Alkaloide der Pareirawurzel. 
Von M. Scholtz. 
(Eingegangen den 9. X. 1906.) 


Vor mehreren Jahren!) zeigte ich, daß das aus der käuflichen 
Pareirawurzel, Radix Pareirae bravae, gewonnene Bebeerin, das bis 
dahin nur in amorphem Zustande bekannt war, durch Behandeln mit 
Methylalkohol zur Krystallisation gebracht werden kann, daß das 
krystallisierte Alkaloid aber beim Umlösen aus anderen Lösungsmitteln, 
ausgenommen Aethylalkohol, wieder in den amorphen Zustand über- 
geht. Das amorphe Alkaloid schmilzt unscharf bei 180°, das 
krystallisierte bei 214°. Ferner läßt sich die Formel der Verbindung, 


OH 
CısHaı NO;, auflösen in Ce H,O <O-CH, und zwar ist die OH-Gruppe 
N-CH;3 
ein Phenolhydroxyl. Es wurde damals auch das Jodmethylat und 
einige Oxydationsprodukte, sowie das Acetylbebeerin und das Benzoyl- 
bebeerin beschrieben und gezeigt, daß bei der Destillation mit Zink- 
staub Methylamin und ortho-Kresol entstehen. 


1) Archiv der Pharmazie 236, 530 (1898) und 237, 199 (1899). Dort ist 
auch die ältere Literatur über Bebeerin angegeben. 


556 M. Scholtz: Pareiraalkaloide. 


Ich habe neuerdings die Untersuchung der alkaloidartigen 
Bestandteile der Pareirawurzel wieder aufgenommen und bin hierbei 
einerseits von einer von Gehe & Co. bezogenen Radix Pareirae bravae, 
andererseits von dem von E. Merck in den Handel gebrachten 
Bebeerinum purum ausgegangen, das, wie mir die genannte Firma 
mitteilte, ebenfalls aus Radix Pareirae gewonnen wird. Die Alkaloid- 
masse, die man bei der Extraktion der gepulverten Pareirawurzel mit 
verdünnter Schwefelsäure und Versetzen des Filtrats mit Sodalösung 
erhält, besteht nur zum kleinsten Teil aus Bebeerin. Man erhält eine 
braune Substanz, aus der man das Alkaloid durch längere Zeit fort- 
gesetzte Extraktion mit Aether als amorphes, gelbes Pulver isolieren 
kann, während die Hauptmenge als in Aether völlig unlösliche, vor- 
läufig noch undefinierbare, amorphe alkaloid- aber gleichzeitig harzartige 
Masse zurückbleibt. Ebenso verhält es sich mit dem käuflichen 
Bebeerin. Auch dieses enthält etwa 10% durch Aetherextraktion zu 
gewinnendes Bebeerin, der Rest besteht aus den eben genannten 
Substanzen. Die tertiäre Natur der Base hatte ich früher durch die 
glatte Addition von Jodmethyl erwiesen. Ich habe jetzt auch das 
Jodbenzylat dargestellt. Wird die Lösung des Bebeerins in Chloro- 
form mit der berechneten Menge Benzyljodid versetzt, so tritt nach 
wenigen Minuten Trübung ein, und nach 24 Stunden hat sich eine 
feste Masse ausgeschieden, die in Aether unlöslich, in Wasser sehr 
wenig, in Aethyl- und Methylalkohol sehr leicht löslich ist. Beim 
Verdunsten der methylalkoholischen Lösung hinterbleibt das Jodbenzylat 
als schwach gelbe, krystallinische Masse, die bei 225° schmilzt. 

0,1682 g Substanz gaben 0,3600 eg CO3 und 0,0860 g Hs0. 


Berechnet für Cjg Hyı NOz-C7 HJ: Gefunden: 
C 58,0 58,3 
H 54 5,7. 


Bei den Versuchen, über die Natur der bei der Aetherextraktion 
zurückbleibenden alkaloidartigen Substanzen Aufklärung zu gewinnen, 
gelang es nach zahlreichen erfolglosen Versuchen, die unter Anwendung 
der verschiedensten Lösungsmittel angestellt wurden, schließlich durch 
Extraktion mit Pyridin und Fällung der Pyridinlösung durch Methyl- 
alkohol, eine gelbe, feinpulverige Base in geringer Menge zu isolieren, 
die durch fortgesetzes Waschen mit Methylalkohol als nahezu weißes, 
lockeres Pulver erhalten wurde. Diese Base besitzt in chemischer 
Hinsicht ganz dieselben Eigenschaften, wie das Bebeerin, sie löst sich 
in Säuren und Laugen, nicht aber in kohlensauren Alkalien, und wird 
aus der alkalischen Lösung durch Chlorammonium wieder abgeschieden. 
Sie besitzt ferner dieselbe Empfindlichkeit gegen Oxydationsmittel, 
unterscheidet sich aber vom Bebeerin durch den höheren Schmelzpunkt, 


M. Scholtz: Pareiraalkaloide. 557 


der bei 300° liegt und durch gänzlich abweichende Löslichkeits- 
verhältnisse. In den üblichen organischen Lösungsmitteln ist sie 
nahezu unlöslich, nur im Pyridin löst sie sich mit Leichtigkeit auf, 
um beim Verdunsten des Pyridins als harzartige Masse zurück- 
zubleiben. Durch Fällung mit Methylalkohol kann sie aber, wie schon 
erwähnt, aus der Pyridinlösung rein abgeschieden werden. Die Analyse 
ergab, daß das neue Alkaloid in der Zusammensetzung mit dem 
Bebeerin übereinstimmt: 


1. 0,1975 g Substanz gaben 0,5208 g COs und 0,1238 g Ha0. 
2. 0,2371 g Substanz gaben 0,6247 g COg und 0,1429 g H30. 
3. 0,3186 g Substanz gaben 13,2 ccm Stickstoff bei 17° und 766 mm 


4. 0,2516 g Substanz gaben 10,2 cem Stickstoff bei 17% und 767 mm 
Druck. 
Berechnet für Gefunden: 
Cs Haı NO5: 1. 2 3. 4, 
C. 32,2 71,9 71,9 _ _ 
H 70 7,0 6,7 _ —_ 
N 47 _ _ 4,9 4,8, 


Zur weiteren Aufklärung der Natur der Base wurde die 
Methoxyl- und die n-Methylbestimmung nach Herzig und Meyer 
ausgeführt. 


0.5532 g Substanz gaben 0,4306 O-AgJ und 0,4202 N-AgJ, mithin ent- 
halten 100 g der Base 4,97 g an Sauerstoff gebundenes und 4,85 g an Stick- 
stoff gebundenes Methyl. Der theoretische Wert für eine Methylgruppe 
beträgt 5,02. 


Es ergab sich also auch hier kein Unterschied gegenüber dem 
Bebeerin. Welcher Natur das neue Alkaloid ist, klärte sich aber 
auf, als ich das optische Drehungsvermögen der neuerdings aus Radix 
Pareirae isolierten krystallisierten Base vom Schmelzpunkt 214° 
prüfte. Bei der vor mehreren Jahren ausgeführten Untersuchung 
hatte es sich ergeben, daß das Alkaloid stark linksdrehend ist und 
zwar betrug [a]) = —298°. Die jetzt an dem neuen Präparat vor- 
genommene Prüfung ergab aber eine ebenso starke Rechtsdrehung, 
und zwar beträgt die Drehung, die, wie früher, in 1,6% absolut 
‚alkoholischer Lösung vorgenommen wurde, im Dezimeterrohr bei 
25° + 3,8°, mithin ist [a]5 = + 297°. Dieses optische Verhalten 
zeigte sowohl das aus Radix Pareirae gewonnene, wie auch das aus 
dem käuflichen Bebeerin isolierte Alkaloid. Ein von der früheren 
Untersuchung noch vorhandenes Präparat zeigte bei einer Kontroll- 


558 M. Scholtz: Pareiraalkaloide. 


prüfung die früher beobachtete Linksdrehung. Im übrigen waren die 
beiden Alkaloide vollständig identisch. Der Sehmelzpunkt liegt bei 
beiden bei 214°, die Analyse ergab auch für die rechtsdrehende Base 
die Zusammensetzung Cs Hgı NO3: 


0,2034 g Substanz gaben 0,5363 g COs und 0,1306 g Hs0. 


Berechnet für Cjg Hgı NOg: Gefunden: 
CC 22 71,9 
E.2HQUD 72 


und auch in Bezug auf chemisches Verhalten und Löslichkeitsverhält- 
nisse zeigten sich keine Unterschiede. Daß es sich hier nicht um 
Verbindungen von verschiedener Konstitution, sondern um optische 
Antipoden handelt, wurde aber sofort klar, als ich den Schmelzpunkt 
des Gemisches beider Basen prüfte. Mischt man gleiche Mengen 
beider innig miteinander, so liegt der Schmelzpunkt wesentlich höher, 
wie der der Einzelsubstanzen, erst wenig unter 300° beginnt das 
Gemisch zu erweichen, um bald darauf zu schmelzen. Dies ließ schon 
die Vermutung aufkommen, daß in der oben erwähnten Base vom 
Schmelzpunkt 300° die racemische Form vorliegen könnte. Das wurde 
zur Gewißheit, als es durch Vermischen der Chloroformlösungen der 
beiden optisch aktiven Basen gelang, eine Verbindung zu erhalten, die: 
mit derjenigen vom Schmelzpunkt 300° vollständig übereinstimmt. 
Löst man gleiche Mengen rechts- und linksdrehender Base in wenig 
Chloroform und gießt die Lösungen zusammen, so entsteht nach 
wenigen Minuten eine Trübung und bald beginnt die Ausscheidung 
eines starken Niederschlages. Dieser zeigte nach dem Auswaschen 
mit Methylalkohol den Schmelzpunkt 300°, und auch das Gemisch 
dieses Niederschlages mit der aus Radix Pareirae isolierten Base, vom. 
Schmelzpunkt 300°, schmilzt bei derselben Temperatur. Daraus folgt, 
daß diese Base nichts anderes ist, wie racemisches Bebeerin. Es 
ergibt sich hieraus, daß die Pflanze, sowohl die linksdrehende, wie die 
rechtsdrehende Form des Alkaloids erzeugt, und daß bald die eine, 
bald die andere Form überwiegt, sodaß die Wurzel neben der 
racemischen Form ebensowohl rechtsdrehende, wie linksdrehende Base 
enthalten kann. Aehnliches ist beim Coniin der Fall, da das käufliche 
Präparat neben dem in der Regel die Hauptmenge bildenden d-Coniin 
nicht selten l-Coniin enthält, das sogar überwiegen kann.!) Es wäre 
noch an die Möglichkeit zu denken, daß die Racemverbindung nicht 

1) Auf der Naturforscher-Versammlung in Stuttgart, wo diese Unter- 
suchungen zuerst mitgeteilt wurden, machte Herr Prof. Schaer darauf auf- 
merksam, daß die Abstammung der Pareirawurzel keineswegs sichergestellt 


M. Scholtz: Pareiraalkaloide. 559 


in der Pflanze vorhanden ist, sondern bei der Isolierung des Alkaloids 
durch Racemisierung entsteht. Das könnte entweder durch den Ein- 
fluß der Temperatur oder durch Chemikalien herbeigeführt werden. 

Die höchste Temperatur, die bei der Isolierung der Racem- 
verbindung zur Anwendung kam, ist die Siedetemperatur des Pyridins. 
Ein Versuch hat indessen gezeigt, daß die aktive Form des Bebeerins 
in siedendem Pyridin nicht racemisiert wird. Auch ein racemisierender 
Finfluß der Chemikalien ist nicht vorhanden. Es kamen bei der 
Isolierung der Alkaloide nur 5%ige Schwefelsäure und Soda zur 
Anwendung, und ein Kontrollversuch mit aktivem Bebeerin zeigte, 
daß es bei wiederholtem Lösen in verdünnter Schwefelsäure und Aus- 
fällen durch Soda stets unverändert in aktiver Form erhalten wurde. 

Der Hauptunterschied zwischen dem racemischen Bebeerin und 
den aktiven Formen liegt außer im Schmelzpunkt in den ganz ver- 
schiedenen Löslichkeitsverhältnissen. Die Racemverbindung ist in allen 
Lösungsmitteln die schwerer lösliche. Die folgende Gegenüberstellung 
zeigt die Löslichkeit in Methylalkohol, Aethylalkohol und Aether 
bei 20°, 

100 ccm Methylalkohol lösen 0,092 g aktives Bebeerin 

400) ;, 0,024 g racemisches Bebeerin 


n ” 
100 „ Aethylakohol „ 0,415 g aktives Bebeerin 
1007, e „ 0,023 g racemisches Bebeerin 
im;, Aether „ 0,058 g aktives Bebeerin 
200”",, = „ 0,000 g racemisches Bebeerin. 


Am auffallendsten ist der Unterschied der Löslichkeit in Chloro- 
form und Aceton, in denen sich die aktiven Basen sehr leicht lösen, 
während die Racemverbindung in beiden Lösungsmitteln so gut wie 
unlöslich ist. 

Da schon mehrfach beobachtet worden ist, daß optische Antipoden 
verschiedene physiologische Wirkungen ausüben, und da hier der 
seltene Fall vorliegt, ein Alkaloid in beiden aktiven Formen und in 
der Racemform zur Untersuchung gelangen zu lassen, so ersuchte ich 


sei, und daß wohl die Möglichkeit vorliege, daß die zu verschiedenen Zeiten 
untersuchten Wurzeln von verschiedener Herkunft sein könnten. Das ist 
zweifellos möglich, doch wird die Fähigkeit ein und derselben Pflanze, beide 
aktiven Formen zu produzieren, durch das Vorkommen der racemischen 
Form bewiesen. Nach der mikroskopischen Untersuchung stammt die mir 
von Gehe u. Co. gelieferte Wurzel zweifellos von Chondrodendron tornen- 
torum. Dieselbe Wurzel findet sich in der hiesigen pharmakognostischen 
Sammlung noch als von Cissampelos Pareira herrührend bezeichnet, die aber 
dia falsche Wurzel liefert. 


560 M. Scholtz: Pareiraalkaloide. 


Herrn Privatdocenten Dr. Hildebrandt in Halle, das physiologische 
Verhalten der verschiedenen Verbindungen zu prüfen. Auch das 
Jodmethylat gelangte mit zur Untersuchung. Ferner war es von . 
Interesse, das amorphe und das krystallisierte Bebeerin, die sich so 
auffallend in ihren physikalischen Eigenschaften unterscheiden, auch 
in physiologischer Hinsicht zu vergleichen. Das Resultat war, daß 
die Wirkung auf das Herz bei Ueberführung der Base in eine quaternäre 
Ammoniumverbindung verschwindet, wie das auch bei anderen Alkaloiden 
beobachtet wurde. An Kaninchen und an weißen Mäusen ausgeführte 
Untersuchungen ergaben ferner, daß die rechtsdrehende Modifikation 
bei weitem stärker wirksam ist, wie die linksdrehende. Besonders 
auffallend ist aber, daß auch in der Wirkung der amorphen und der 
krystallisierten Base ein auffallender Unterschied besteht. So waren 
0,45 g der krystallisierten Rechtsbase bei subkutaner Injektion bei 
Kaninchen noch ohne Wirkung, während die amorphe Substanz in 
derselben Dosis den Tod herbeiführte. Da das amorphe Produkt aus 
reiner krystallisierter Base dargestellt worden war, so bleibt nur die 
Möglichkeit als Erklärung, daß die krystallisierte Modifikation schwerer 
zur Resorption gelangt. Ein ausführlicher Bericht über diese Unter- 
suchungen wird von Herrn Dr. Hildebrandt an anderer Stelle ver- 
öffentlicht werden. 


2 DR" a 
ns “ a 1er» ie N 
2% . 2 : i 
v7 Ey RER 4,9 ö - ie: SL we er 
ee N y 4 


> Der Erfolg des von uns hergestellten speziellen Schwefelpräparats 

hat viele sogenannte Ersatzmittel hervorgerufen, welche nicht identisch 

- mit unserem Präparat sind und welche obendrein unter sich verschieden 

sind, wofür wir in jedem einzelnen Falle den Beweis antreten können. 
Da diese angeblichen Ersatzpräparate anscheinend unter Mißbrauch 
‚unserer Markenrechte auch manchmal fälschlicherweise mit 


BEN. Ichthyol 


oder 
Ammonium suifo-ichthyolicum 


- 


- gekennzeichnet werden, trotzdem unter dieser Kennzeichnung nur unser 

spezielles Erzeugnis, welches einzig und allein allen klinischen Versuchen. 

zugrunde gelegen hat, verstanden wird, so bitten wir um gütige Mit- 
teilung zwecks gerichtlicher Verfolgung, wenn irgendwo tatsächlich _ 


solehe Unterschiebungen stattfinden. 


Ichthyol-Gesellschaft 


Be; Cordes, Hermanni & Co. 


HAMBURGC. 


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‚Band 244. Heft 8. 


Selbstverlag des Deutschen ae -Vereins. a 
ERENOR. 90 STE 


Ausgegeben den 22. Dezember 1906. 


A. ee "Teher Methylenverbindungen. und einii 
der m- “Dioxybenzole U RSTEREN 

A. Heiduschka, Ueber das Verhalten. einiger "Stoff i tiefen Tem 

-E. Rupp und M. Horn, Ueber die Titration von ‚Ferrosalzen mit 


hypojodit 
K. Alpers, Untersuchungen: über die Bestandteile der Blätter von 
Carpinus Betulus L. . Ve PEN RETER 
H. Fühner, Beitrag zur Kenntnis der Toalleipcinirerilion NEE ON 
! 5 Wedekind, Beiträge zur Kenntnis des Santonins DER HERE EEG REN 
cz 


. MROn, Ueber das Rottlerin . ... . a. Se; 10 


Eingegangene Beiträge. 8: = 


C. Thomae, Ueber Keton- Ammoniakverbindangen. VERHENW BR ee 
M. Greshoff, Ueber die Verteilung der Blausäure im Pflanzenreiche. Al, 
‘A. Tschirch und M. Wolff, Weitere Studien über den Sandarak. si 
Dieselben, Ueber das Vorkommen der Abietinsäure im Harzöl. 
E. Rupp und J. Mielck, Ueber die Bestimmung superoxydischer Verbindungen 
mit Alkalihypojodit. 
A. Simmer, Ueber das Verhalten der Alkaloidsalze und anderer organischer s 
h "Substanzen zu den Lösungsmitteln der Perforationsmethode, insbesondere 
"Chloroform, sowie über Reduktionswirkungen der Alkaloide. 
HE Feder, -Eine Quecksilberlösung als Reagens auf Aldehyde, insbesondere 
"Formaldehyd. en 
- .. H. Kunz-Krause und R. Richter, Ueber einige Te und das . 
ea.e.. ... Verhalten .der Cyklogallipharsäure gegen Eisenchlorid. 


HR, ® 


EU (Geschlossen den 6. XIT. 1906.) 
BE PFOHERENERENNFERNERRRNEREREERRE 


Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in er Regel 
monatlich einmal) in einem jährlichen: Umfange von 40 bis | 
50 Boyen, Ladenpreis für den Jahrgang .- 12,—. ie 8 


wis Er, + . “ 
N a EL ITN, 
N a ee a a I z 


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BER OR 
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Alle Beiträge für das „Archiv“ sind an die 


Archiv- Redaktion 


Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. P. Schmidt in Marburg (Hessen) (ei 
oder Herrn Geh. Med.-Rat Professor Dr. H. Beckurts in Braunschweig, |x- 
alle die Anzeigen u. s. w., überhaupt die Archiv VERaardne, und I& 
die Mitg'iederliste betreffenden Mitteilungen an den pe 


Deutschen Apotheker -Verein iR 
Berlin C. 2, Neue Friedrichstr. 43 
einzusenden. 


Anzeigen. 


ij, Seite zum Preise von M 50.—; !/, Seite zum Preise von M 30. IR Sei = zum 
Preise von M 20.—; !/; Seite zunı Preise von M 10,—. Die Grundschrift ist a ät,, 
Beilage-Gebühr für das Tausend der Auflage —z.: ' ""„M 10.— ur a el “ il A, 


nicht dem Format des „Archiv“ entsprechen, bleibt b... 


A. Luther: Methylenverbindungen der m-Dioxybenzole. 561 


Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Leipzig. 


Ueber Methylenverbindungen und einige andere 


Derivate der m-Dioxybenzole. LiB 


Von Dr. A. Luther. 
(Eingegangen den 8. X. 1906.) 


Die Methylenverbindungen der Phloroglucine und des Orcins 
lassen sich, wie R. Boehm!) und O. Simon?) gezeigt haben, durch 
Natronlauge und Zinkstaub in homologe Phenole zerlegen; man kann 
auf diesem Wege vom Phloroglucin bis zum 1-3-5-Trimethylphloro- 
glucin und vom Orcin bis zum 1-2-3-Trimethylphendiol (4-6) gelangen. 

Es bot einiges Interesse, nach dieser Richtung auch Methylen- 
bisresorein und einzelne andere leichter zugängliche Derivate von Meta- 
dioxybenzolen zu untersuchen. 

Im Methylenbisresorcin wird das Brückenmethylen in o-Stellung 
zu je einem Hydroxyl des Resorcinmoleküls angenommen. Unter 
dieser — soweit aus der Literatur ersichtlich ist — noch nicht direkt 
bewiesenen Voraussetzung ist bei der Spaltung der Verbindung neben 
Resorein Kresorcin [1l-Methylphendiol (2-4-)] zu erwarten. 

Es stellte sich zunächst heraus, daß Methylenbisresorein von 
Natronlauge und Zinkstaub auch bei Wasserbadtemperatur wenig an- 
gegriffen wird; nur durch länger fortgesetztes Kochen mit den ge- 
nannten Agentien und unter reichlicher Entstehung anderweitiger Zer- 
setzungsprodukte konnte es so zerlegt werden, daß ca. 20% der an- 
gewandten Menge an homologen Phenolen gewonnen wurden. 

Um etwa vorhandenes Kresorein zu identifizieren, war es nötig 
dieses Phenol genauer kennen zu lernen. Es ist bekanntlich zuerst von 
Knecht?) dargestellt; Dinitro-, Dinitrosokresorcin- und Kresorcin- 
carbonsäure sind von Kostanecki‘), ein Dithioderivat von Klason°) 
beschrieben. 

Bei der Darstellung größerer Mengen von Kresorein ging ich 
vom Paratoluidin aus und befolgte im wesentlichen die von 


1) Annal. 329, 269. 
2) Ibid. 329, 301. 


> 8) Annal. 215, 9. 

— 4, Ber. 20, 3135, 18, 3203. 

2 5) Ber. 20, 355. 

”{ Arch. d. Pharm. COXXXXIV. Bde. 3. Heft. 36 


662 A. Luther: Methylenverbindungen der m-Dioxybenzole. 


Nölting und Collin!) und von Wallach?) gegebenen Vorschriften; 
das Rohphenol wurde durch Vakuumdestillation gereinigt. 

In seinem Verhalten gegen Benzoylchlorid zeigte Kresorein die 
Eigentümlichkeit, daß es beim Benzoylieren in Sodalösung ein gut 
krystallisierendes Monobenzoat (Schmp. 115—116°) bildet, das in 
Alkalilauge noch löslich ist und bei erneuter Einwirkung von Benzoyl- 
chlorid in Natronlauge in das alkaliunlösliche Dibenzoat (Schmp. 83°) 
übergeht. 

Diacetylkresorein ist eine nicht erstarrende ölige Flüssigkeit. 
(Sdp. 293—295°.) 

Bei der Einwirkung von Brom, resp. Chlor im Ueberschuß, ent- 
stehen aus Kresorcin als höchsthalogenierte Derivate Tetrabrom- 
kresorcin (Schmp. 99—100°%) resp. Tetrachlorkresorcin 
(Schmp. 69— 70°), beide in Sodalösung unlöslich. Tetrachlorkresorcin 
ist durch Zinnchlorür und Salzsäure leicht zu Dichlorkresorecin 
(Schmp. 78-79°) zu reduzieren. Durch vorsichtiges Bromieren in 
Chloroform erhält man ein Dibromid (Schmp. 86--87°). 

Durch Digestion der alkoholischen Lösung mit 2% Mol. 
Diazoamidobenzol entsteht Kresorcindisazobenzol (Schmp. 211°). 

In dem aus Methylenbisresorein erhaltenen Phenolgemenge war 
Resorein leicht nachzuweisen; die Identifizierung des zweiten Phenols 
als Kresorcin [-1- Methylphendiol (2-4)] gelang nur mit Hilfe der 
Dinitroverbindungen beider Phenole. Nachdem von Fitz?) für Resorein 
angegebenen Verfahren verwandelte ich das Phenolgemenge in die 
Dinitrosoverbindungen und oxydierte letztere in Aethersuspension 
durch Schütteln mit Salpetersäure vom spez. Gew. 1,3. Die beiden 
Nitroprodukte sind durch ihre verschiedene Löslichkeit in Wasser 
leicht von einander zu trennen, zuerst schied sich aus der Lösung 
Dinitroresorcin (Schmp. 142°) ab, dann Dinitrokresorecin in 
feinen Nadeln (Schmp. 90°). Die Produkte wurden durch die Elementar- 
analyse identifiziert. 

Aus Kresorein erhält man mit Formaldehyd leicht und fast 
quantitativ Methylenbiskresorcin (Schmp. 195—200°, unter 
Zersetzung), meistens mikrokristallinisch, zuweilen auch in Form 
größerer Prismen. Bei der Spaltung mit Natronlauge und Zinkstaub 
zerfällt es in Xylorcin [1-3-Dimethylphendiol (4-6)] (Schmp. 124 
bis 1250) und Kresorcin. Methylen tritt also auch bei der Kor.densation 
von Kresorein mit Formaldehyd in O-Stellung zu je einem Hydroxyl 
in beiden Molekülen. 

1) Ber. 17, 263. 

2) Annal. 234, 3. 

8) Ber. 8, 631. 


A."Luther:”* Methylenverbindungen der m-Dioxybenzole. 563 


Xylorein wurde zwecks Identifizierung nach dem Verfahren von 
Pfaff!) synthetisch dargestellt. Neu wurde bei dieser Gelegenheit 
beobachtet, daß das Phenol aus wässerigen Lösungen, je nach deren 
Konzentration wasserfrei in derben polygonalen Platten, oder mit 
1 Mol. H,O in großen langen Prismen auskrystallisiert. Mit Eisen- 
chlorid färbt sich die wässerige Lösung rasch vorübergehend blau. 

Xylorcindibenzoat, farblose Prismen, schmilzt bei 155°. 
Bei der Einwirkung von Brom in Chloroform entstand ein Monobrom- 
derivat (Schmp. 119—120). Mit Diazoamidobenzol kuppelt Xylorcin 
nicht. 

Das mit Hilfe von Formaldehyd in quantitativer Ausbeute er- 
hältliche Methylenbisxylorcin krystallisiert aus verdünntem Alkohol 
gut in sechsseitigen Tafeln mit 1 Mol. Krystallwasser. Wasserfrei 
schmilzt es bei 251°. Durch Natronlauge und Zinkstaub wird diese 
Methylenverbindung auch in der Kochhitze nicht angegriffen; ihre 
Konstitution läßt sich also auf diesem Wege nicht ermitteln. Einen 
Fingerzeig bietet aber in dieser Beziehung, daß Methylenbisxylorein 
mit Diazoamidobenzol kuppelt. Das Brückenmethylen könnte in der 
Verbindung die Stelle zwischen zwei Kernmethylen oder zwei Hydro- 
xylen einnehmen; im ersteren Falle wären zwei Methine in o-Stellung, 
im letzteren in m-Stellung zu Hydroxyl frei; da nach der bisherigen 
Erfahrung der Eintritt des Azorestes in m-Stellung zu Hydroxyl 
höchst unwahrscheinlich ist, wird wohl die erstere Konstitution zu- 
treffend sein. Das bei der Spaltung dieser Verbindung theoretisch zu 
erwartende 1-2-3-Trimetbylphendiol (4-6) ist von ©. Simon (l. c.) 
aus Methylenbisorcin dargestellt worden. Ich konute konstatieren, 
daß es in sehr guter Ausbeute mit Formaldehyd die entsprechende 
Methylenverbindung liefert, daß aber auch diese von Natronlauge und 
Zinkstaub nicht mehr angegriffen wird, somit die Darstellung von 
Tetramethylphendiol auf diesem Wege nicht möglich ist. 


Experimenteller Teil. 
Trennung der Phenole nach der Spaltung des Methylenbisresorein. 


Die auf 0° abgekühlte Lösung von 10 g des Phenolgemenges in 
500 g Wasser wurde mit 12 g Essigsäure und hierauf einer konzen- 
trierten Lösung von 14 g Natriumnitrit versetzt, das Gemisch nach 
'% Stunde in 100 g verdünnter Schwefelsäure gegossen un& der hierbei 
entstandene Niederschlag nach einer Stunde abfiltriert. Die Dinitroso- 
produkte oxydiert man, ohne weitere vorherige Reinigung, nach dem 
Trocknen, indem man die fein zerriebenen, in Aether suspendierten 


1) Ber. 16, 1138. 
36* 


564 A. Luther: Methylenverbindungen der m-Dioxybenzole. 


Krystalle durch Schütteln mit Salpetersäure (spez. Gew. 1,3) im 
Scheidetrichter in Lösung bringt; den Aether wäscht man zweimal 
mit Wasser und läßt ihn dann abdunsten; die so erhaltenen Dinitro- 
phenole trennt man durch fraktionierte Krystallisation aus Wasser; 
Dinitrokresorcin bleibt als das leichter lösliche in der Mutterlauge, 
und krystallisiert schließlick in feinen langen Nadeln, die sich leicht 
von den zuerst abgeschiedenen gelben Blättchen des Dinitroresoreins 
unterscheiden lassen. 


Dinitrokresorcin. Schmp. 90°. 


1. 0,1108 g gaben bei 20° und 752 mm 13,05 ccm Stickgas, entsprechend 
0,01477 N. 

2. 0,0979 g gaben bei 20% und 752 mm 11,57 ccm Stickgas, entsprechend 
0,01309 N. 

3. 0,1434 g gaben 0,2057 .COs und 0,0398 Hs0. 


Berechnet für Gefunden: 

C7Hs Na Os: 1) 2. 3. 
C.:39,25 — _ 39,08 
H 2,80 _ _ 3,10 
N 13,08 13,33 13,37 . 


Dinitroresorein. Schmp. 142°, 

1. 0,1656 g gaben 0,2163 COg und 0,0337 Hg0. 

2. 0,1224 g gaben bei 16° und 754 mm 18,08 ccm Stickgas, entsprechend 
0,0174 N. 


Berechnet für Gefunden: 

Cs H, Na 07 ’ Ir: ie, 2. 
C 36,00 35,62 — 
H 2,00 2,29 _ 
N 14,00 — 14,25. 


Dibromkresorein (Schmp. 86—87°) C,H, Br30,. Ein Mol. 
in Chloroform suspendiertes Kresorcin wird successive mit 3 Mol. 
Brom versetzt. Der nach dem Abdunsten verbleibende Rückstand 
wird durch Abpressen zwischen Fließpapier und Umkrystallisieren 
aus heißem Wasser gereinigt. Lange weiße Nadeln, leicht löslich in 
Alkohol und heißem Wasser. Ausbeute ca. 90 %. 

1. 0,1869 g gaben 0,2501 AgBr, entsprechend 0,1064 Br. 

2. 0,1975 g gaben 0,2635 AgBr, entsprechend 0,1121 Br. 

3. 0,3200 g gaben 0,3533 COg und 0,0680 Hs0. 


Berechnet für Gefunden: 

Cr Ag Bra 0g: I. 2. 3. 
C 29,83 _ _ 30,10 
E. 2213 _ _ 2,50 


Br 57,09 56,93 56,76 = 


A. Luther: Methylenverbindungen der m-Dioxybenzole. 565 


Tetrabromkresorein (Schmp. 99—100°) C7H,Br,02. 2,08 
Kresorein in 20 T. Wasser gelöst, werden nach und nach einer 
Mischung von 14 g Brom und 400 g Wasser unter kräftigem Um- 
schütteln zugegeben. Das Reaktionsprodukt abgesaugt, getrocknet, 
einmal aus Schwefelkohlenstoff, dann zweimal aus Ligroin um- 
krystallisiert. Rhombische Tafeln, leicht löslich in Alkohol, unlöslich 
in Sodalösung, aus Jodkaliumlösung Jod abscheidend; in Natronlauge 
unter Auftreten von Bromoformgeruch und Zersetzung löslich. 

1. 0,2053 g gaben 0,3483 AgBr. 

2. 0,2095 g gaben 0,3560 AgBr. 

3. 0,5170 g gaben 0,3619 COs und 0,0509 Ha0. 

4. 0,5000 g gaben 0,3504 CO, und 0,0443 H30. 


Berechnet für Gefunden: 

C, H,Bry, 0a: 1. 2. 3. 4 
C 1954 _ _ 19,08 19,10 
HB 090 —_ _ 1,1 0,98 
Br 72,72 72,18 72,30 _ —_ 


Tetrachlorkresorein (Schmp. 69—70°) C-H,C],05. Man 
übergießt 1 T. Kresorein mit der 6fachen Menge alkoholfreien 
Chloroforms und leitet unter Kühlung trockenes Chlorgas ein, 
(Kresorein geht allmälich in Lösung) bis Chlor im Ueberschuß vorhanden 
ist. Das Tetrachlorderivat scheidet sich teils schon von selbst in 
großen Krystallen aus der Lösung ab, der Rest wird durch Ver- 
dunstenlassen des Chloroforms erhalten. Nach dem Umkrystallisieren 
aus Schwefelkohlenstoff und dann aus Ligroin rhombische Tafeln, leicht 
löslich in Alkohol und Aether, unlöslich in Sodalösung. Ausbeute 
70% der Theorie. 

1. 0,3459 g gaben 0,4083 COs und 0,0492 H30. 

2. 0,3451 g gaben 0,4034 CO, und 0,0349 Ha0. 

3. 0,1332 g gaben 0,2919 AgCıl. 

4. 0,1242 g gaben 0,2709 AgQl. 


Berechnet für Gefunden: 
C, Hs Cla Og: L 2. 3 4, 
C 32,08 32,18 32,15 = — 
a: 7885 1,59 1,14 -- -- 
Cl 54,16 _ _ 54,19 53,94. 


Dichlorkresorcin (Schmp. 78—79°) C;H,C1s03. Tetra- 
chlorkresorcin wird mit Zinnchlorür und Salzsäure gekocht; nach dem 
Erkalten scheidet sich Dichlorkresorcin in feinen Nadeln sehr voluminös 
ab; die getrockneten Krystalle werden aus Ligroin umkrystallisiert, 

1. 0,1511 g gaben 0,2218 AgCI. 

2. 0,1422 g gaben 0,2093 AgCl. 

3. 0,1854 g’gaben 0,2938 CO, und 0,0585 Hs; 0. 


566 A. Luther: Metbyleuverbindungen der m-Dioxybenzole. 


Berechnet für Gefunden: 

C7 HgCla0s: 1. 2; 3; 
C..43,54 _ _ 43,21 
H_311 ik 2% 3,53 
C! 36,85 36,31 36,39 2 


Monobenzoylkresorein (Schmp. 115—116°) C,4Hıa0;. Die 
Lösung von 1,2 g Kresorcin in 20 % Sodalösung wurde mit 2g Benzoyl- 
chlorid geschüttelt; die dabei abgeschiedene zähe Masse erhärtete 
unter Wasser und wurde nach dem Trocknen über Schwefelsäure aus 
Ligroin umkrystallisiert; farblose Tafeln, leicht löslich in Alkohol 
und Aether, langsam löslich in Natronlauge. 

1. 0,1793 g gaben 0,4822 CO, und 0,0817 H,O. 

2. 0,1734 g gaben 0,4978 COsa und 0,0788 H30. 


Berechnet für Gefunden: 

Cu Hya O3: 1 2. 
C 73,68 =! 73,56 
HH 926 5,09 5,08. 


Dibenzoylkresorcein (Schmp. 83°) Ca} Hıs 04. Kresorein, 
in 15% Natronlauge gelöst, wurde mit überschüssigem Benzoyl- 
chlorid geschüttelt; das alkaliunlösliche unter Wasser erhärtete und 
hierauf getrocknete Reaktionsprodukt aus Petroläther umkrystallisiert; 
farblose Platten. 


1. 0,1800 g gaben 0,4980 CO, und 0,0760 Ha0. 
2. 0,1830 g gaben 0,5078 CO, und 0,0807 Hs0. 


Berechnet für Gefunden: 
Ca Hıs 0: 1: 2. 
C 75,90 75,14 75,66 
H 485 4,72 4,90. 


Diacetylkresorcin (Sdp. 293—295°%) CuHn»0. 1 T. 
Kresorein wird mit8T. Essigsäureanhydrid unter Rückfluß 1 Stunde lang 
gekocht; das Acetylprodukt durch Vakuumdestillation gereinigt; wasser- 
helle ölige Flüssigkeit, die in einem Kältegemisch nicht krystallinisch 
erstarrte. 

1. 0,1525 g gaben 0,3535 CO, und 0,0839 Hz. 

2. 0,1424 g gaben 0,3297 CO, und 0,0767 Ha0. 


Berechnet für Gefunden: 
Cu Ha 0:4: ar 2. 
C 63,46 63,21 63,14 
H. 5,76 6,15 6,02. 


Kresoreindisazobenzol (Schmp. 211—212°%) CjsHısN4 Os. 
Die alkoholische Lösung von 1 Mol. Kresorein wird mit derjenigen 
von 2% Mol. Diazoamidobenzol % Stunde auf dem Wasserbade digiriert, 
das als voluminöser roter Niederschlag abgeschiedene Azoprodukt nach 


A. Luther: Methylenverbindungen der m-Dioxybenzole. 567 


dem Absaugen in Chloroform gelöst und daraus durch Petroläther in 
Form scharlachroter Nadeln abgeschieden. 


1. 0,0838 g gaben bei 110 und 750 mm 12,1 ccm Stickgas, entsprechend 
0,0142 N. & 

2. 0,0905 g gaben bei 110 und 750 mm 12,58 ccm Stickgas, entsprechend 
0,0148 N, 

3. 0,1200 g gaben 0,3011 COg und 0,0550 Hg0. 


Berechnet für Gefunden: 

Cp His N; Og B l. 2. 3. 
C 68,67 _ _ 68,41 
H 48 _ _ 5,11 
N 16,86 16,87 16,36 _ 


Spaltung des Methylenbiskresorcin mit Natronlauge und 
Zinkstaub. Das bei der Spaltung entstandene Phenolgemenge, gewonnen 
durch Ausschütteln des mit Soda alkalisch gemachten Filtrats der 
mit verdünnter Schwefelsäure neutralisierten Reaktionsflüssigkeit, ließ 
sich bequem durch fraktionierte Krystallisation aus heißem Benzol in 
Xylorein und Kresorcin trennen. Aus der heißen Benzollösung schied 
sich ersteres in Form dünner farbloser Blättchen ab, die nach dem 
Umkrystallisieren bei 124—125° schmolzen. 

1. 0,1331 g gaben 0,3403 COsa und 0,0886 H30. 

2. 0,1271 g gaben 0,3252 COg und 0,0832 Hz0. 


Berechnet für Gefunden: 
Ca Hyo Os: hr 2. 
C 69,56 69,71 69,77 
H 724 7,44 132. 


Dibenzoylxylorein (Schmp. 154—155°) CaaHıs 04, in der 
üblichen Weise hergestellte farblose Prismen, unlöslich in Natronlauge. 
0,1555 g gaben 0,4340 CO, und 0,0773 Ha0. 


Berechnet für C9Hjg 04: Gefunden: 
C 76,30 76,11 
H 520 _ 5,56, 


Synthetisch (nach Pfaff) dargestelltes Xylorcin schmolz bei 
124—125°; aus Wasser krystallisierte es mit 1 Mol. HsO. 


1. 0,2019 g verloren 0,0233 Hz0 bei 100°, 
2. 0,2145 g verloren 0,0240 HsO bei 100°, 


Berechnet für Gefunden: 
CgH;00a E= Hs0: 15 2. 
Hs0 11,39 11,54 11,21. 


Das aus dem synthetisch dargestellten Xylorein gewonnene 
Dibenzoat zeigte die gleichen Eigenschaften wie das oben beschriebene. 
(Schmp. 155°.) 


568 A. Luther: Methylenverbindungen der m-Dioxybenzole. 


Methylenbisxylorcin (Schmp. 251°) Cr H200;. 1 g Xylorein, 
ca. 60 g Schwefelsäure von 24% gelöst, mit 3,3 g Formaldehyd 
(käuflich) versetzt; nach 6 Stunden die abgeschiedenen Krystalle - 
abgesaugt und aus verdünntem Alkohol umkrystallisiert: sechseckige 
Tafeln, leicht löslich in Alkohol und Aether. 


1. 0,1424 g verloren bei 100° 0,0089 H30. 
2. 0,1429 g verloren bei 100° 0,0092 Hs0. 


Berechnet für Gefunden: 
Cız Ho ori + H50: 1: 2. 
Hs0 5,88 5,75 6,4. 


Bei der Analyse der krystallwasserfreien Substanz gaben: 


1. 0,1335 g 0,3466 CO, und 0,0876 H30. 
2. 0,1337 g 0,3467 COa und 0,0846 H30. 


Berechnet für Gefunden: 
Cy Ho %: ir 2. 
C 70,83 70,79 70,71 
1, 7,26 7,06. 


Monobromxylorein (Schmp. 119—120°%) CsH,BrO5. In 
Chloroform verteiltes Xylorcin wird mit Brom in Chloroformlösung 
versetzt, der nach dem Verdunsten des liösungsmittels bleibende 
Rückstand zwischen Filtrierpapier abgepreßt und nach dem Trocknen 
aus Petroläther umkrystallisiert: feine Nadeln. 

1. 0,1621 g gaben 0,1398 AgBr. 

2. 0,1421 g gaben 0,1216 AgBr. 

3. 0,2189 g gaben 0,3553 CO, und 0,0792 Hg0. 


Berechnet für Gefunden: 
CsHgBr Os: 1. 2. 3: 
C 44,24 — _ 44,26 
H 4,15 —_ _ 4,49 
Br 36,86 36,69 36,41 _ 


Methylen-bis-trimethylphendiol (Schmp. 228%). Aus 
1 g des 1-2-3-Trimethylphendiol (4-6) (Schmp. 163—164°) mittels 
Formaldehyd und 1lOprozentiger Schwefelsäure hergestellt, und durch 
Ausfällen der alkoholischen Lösung mit Wasser gereinigt: farblose 
Nadein. 
0,1074 g gaben 0,2848 COs und 0,0724 Ha0. 
Berechnet für Cjg Hy 0;: Gefunden: 
C 72,12 72,31 
H 7,59 7,54. 


A. Heiduschka: Einflaß tiefer Temperatur, 569 


Mitteilung aus dem Laboratorium für angewandte Chemie 
an der K. Universität München. 


Ueber das Verhalten einiger Stoffe bei tiefen 
Temperaturen. 
Von A. Heiduschka. 
(Eingegangen den 12. X. 1906.) 


Anläßlich von Konstitutionsaufklärungen kam ich in die Lage, 
bei einer Reihe von Farbstoffen und anderen Körpern den Einfluß 
tiefer Temperaturen beobachten zu können. Da es mir in der nächsten 
Zeit nicht möglich sein wird, diese Versuche weiter fortzusetzen, so 
möchte ich wenigstens in Kürze die gemachten Beobachtungen mitteilen. 

Schmidtlin!) veröffentlichte 1904 eine Arbeit über die Ein- 
wirkung tiefer Temperaturen auf die Farbstoffe und verwandte zu 
seinen Versuchen die flüssige Luft. Ebenso setzte E. L. Nichols?) 
eine große Reihe von chemischen Individuen dem Temperatureinfluß 
der flüssigen Luft aus. Er stellte nun unter anderem eine Liste 
derjenigen Körper auf, die bei —186° nicht flucrescieren, in 
dieser Liste befindet sich auch der Indigo. Kühlt man nämlich den 
Indigo in Substanz auf —186° ab, so tritt nicht die geringste 
Veränderung ein, ebensowenig verändern sich Lösungen des Indigos 
in Nitrobenzol oder Chloroform bei niederen Temperaturen. Nimmt 
man aber dagegen die nach Fresenius?) hergestellte Indigolösung, 
also Indigblauschwefelsäure, und verdünnt diese stark mit absolutem 
Alkohol und läßt sie durch flüssige Luft abkühlen, so tritt eine rot- 
braune Fluorescenz auf. 

Thioindigorot®) B in Teig, von der Firma Kalle & Co., das 
sich in geringer Menge in Alkohol löst, zeigt in dieser Lösung bei 
der Abkühlung eine schwache gelbliche Fluorescenz. 

Von einigen Schwefelfarbstoffen, deren konzentrierte wässerige, 
mittels Schwefelnatrium hergestellte Lösungen sich mit Alkohol 
mischen lassen, wurden diese stark verdünnten alkoholischen Lösungen 
mit flüssiger Luft auf niedere Temperatur gebracht, und zwar zeigte 


1) C. r. d. P’Acad. des Sciences 139, 731—32. 

2) Jahrbuch d. Radioaktiv. u. Elektronik II, Nichols u. Meritt, 
Phys. Rev. 18, 355. 

8) Fresenius, Qualitat. Analyse. 

4) Ztschr. f. Farbenindustrie 5, 185—88, Berl. Ber. 39, 1060-66. 


570 A. Heiduschka: Einfluß tiefer Temperatur. 


Thiogengelb GG Höchst eine schwache grünliche Fluorescenz, 
Thiogenblau B Höchst, das sich mit rötlichblauer Farbe löste, 
verlor das Rotstichige vollkommen und verwandelte sich in ein schönes 
grünstichiges Blau, ebenso verhielt sich Immedialindogen GCL conc. 
Cas. Bei Schwefelgelb R extra Berlin ließ sich eine Veränderung 
nicht bemerken. 

Die alkoholischen Lösungen von den Azofarbstoffen Chrysoidin, 
Bismarckbraun, Biebricher Scharlach zeigten bei der Temperatur der 
flüssigen Luft keine Veränderung. 

Chinolingelb blieb ebenfalls unverändert. 

Aurin und Pikrinsäure in alkoholischer Lösung nahmen an 
Intensität bei der Abkühlung bedeutend ab. Pikrirsäure in Substanz 
wurde in flüssiger Luft nahezu weiß. Diese Beobachtungen in Bezug 
auf die Pikrinsäure sind ähnlicher Natur, als die schon von 
G. v. Georgievics!) gemachten. Er stellte nämlich fest, daß die 
Intensität der wässerigen Pikrinsäurelösung beim Erhitzen stärker 
wird, und Pikrinsäure in Substanz beim Liegen an der Luft eine 
dunklere Farbe annimmt. 

Eine alkoholische Jodeosinlösung wird in der Kälte gelb. 

Nach J. Formanek) zeigt kein Körper Fluorescenz, sobald er 
in Anilin gelöst ist. Um nun den Einfluß des Anilins auf bei niederen 
Temperaturen fluorescierende, alkoholische Lösungen zu prüfen, wurde 
einer solchen Lösung von Methylviolett BB (chem. rein) Höchst nach 
und nach bis zu 50% Anilin zugesetzt, doch konnte eine Abnahme 
der Fluorescenz nicht konstatiert werden. Die Lösung des Farbstoffes 
im reinen Anilin fluorescierte auch in der Kälte nicht. 

Gertrud Woker?) führt in ihrer Arbeit: „Ueber die Theorie 
der Fluorescenz“ an, daß fluorescierende Lösungen ihr Fluorescenz- 
vermögen einbüßen, wenn ihnen ein Farbstoff zugesetzt wir. Um nun 
zu sehen, wie sich eine fluorescierende Farbstofflösung auf Zusatz 
einer nicht fluorescierenden Farbstofflösung verhält, wurde eine 
stark verdünnte alkoholische Lösung von Methylenviolett RRA 
Höchst, die schon bei gewöhnlicher Temperatur fluoresciert, nach und 
nach mit einer alkoholischen Chrysoidinlösung versetzt, die Fluorescenz 
nahm mehr und mehr ab, bis sie mit dem Auge nicht mehr bemerkbar 
war, beim Abkühlen mit flüssiger Luft zeigte sie sich jedoch deutlich 
wieder, wenn auch in abgeschwächtem Maße. 

Von anorganischer Farbstoffen blieben die Ultramarine (blau, rot, 
grün, gelb, violett), Berliner Blau, Turnbull’s Blau, Thenard’s Blau, 

1) Berl. Berichte 1906, 1536. 

%) Ztschr. f. Farbenindustrie 5, 142—46 und 164—69. 

8) The Journ. of Physical. Chem. 10, 370—91. 


E. Rupp u. M. Horn: Titration von Ferrosalzer. byi 


Cadmiumsulfid, Kupferkarbonat vollständig unverändert, dagegen ver- 
wandelte sich das an sich gelbstichige Schweinfurter Grün in ein 
schönes blaustichiges Grün. 

Außer diesen Farbstoffen wurden noch einige kolloidale Lösungen 
der Temperatur der flüssigen Luft ausgesetzt, und zwar wurden 
einige Versuche, die N. N. Ljubavin') schon bei —19° bezügl. —20° 
ausgeführt hat, wiederholt. Er stellte fest, daß kolloidale Lösungen 
von Eisenoxyd, welche durch Dialyse von basischem Eisenchlorid 
erhalten werden, beim Gefrieren nicht in allen Fällen, selbst nicht bei 
—19°, ferner das Hühnereiweiß nicht bei —20° koaguliert, und daß 
auch Milch beim Gefrieren und nachherigen Auftauen keinen Nieder- 
schlag ausscheidet. Es zeigte sich, daß diese Versuche, auch bei 
— 186° ausgeführt, dasselbe Resultat gaben. Weder war das Eisen- 
oxyd noch das Eiweiß koaguliert, noch hatte die Milch sich verändert. 
Zu diesem Versuche wurde der Liquor Feerri oxydati dialysati genommen, 
wie er gewöhnlich für pharmazeutischen Gebrauch hergestellt wird. 
Liquor Aluminii acet. und eine l%ige Protargollösung wurden auch 
nach dem Abkühlen auf —186° wieder vollständig klar. 

Zum Schluß seien noch die Veränderungen zweier Stoffe in der 
Kälte, die bei diesen Versuchen zufällig beobachtet wurden, erwähnt. 
Eine Lösung von Ferricyankalium wird beim Abkühlen mit flüssiger 
Luft hellgelb, und die schön zitronengelben Krystalle von Jodblei 
ändern ihre Farbe in ein fahles Gelb um. 


Mitteilung aus dem pharmazeutisch-chemischen Institut 
der Universität Marburg. 


201. Ueber die Titration von Ferrosalzen mit 
Alkalihypojodit. 


Von E. Rupp und M. Horn. 
(Eingegangen den 16. X. 1906.) 


In den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft?) beschrieb 
der eine von uns eine Titrationsmethode für Ferrosalze auf jodo- 
metrischer Grundlage. Das Verfahren war folgendes: Die Ferrosalz- 
lösung wird mit einem Ueberschusse von natriumkaliumtartrathaltiger 

1) Journ. d. russ. phys. chem. Ges. 21, 1, 397—407, 1889, Ref, Ztschr. 
f, Chem. u. Industrie der Kolloide 1906, 2, 53, 

2) Berl. Ber. 36, 164. 


572 E. Rupp u M. Horn: Titration von Ferrosalzen. 


»/jo Jodlösung in Reaktion versetzt und nach erfolgter Oxydation der 
Jodrest mit Thiosulfat zurückgenommen. Die Reaktionsdauer war 
dabei auf drei Stunden zu bemessen, ebenso wie bei dem Verfahren 
von Topf!) in Natriumacetatlösung. 

Wir haben nun gefunden, daß mit Anwendung von Aetzalkali 
an Stelle von Seignettesalz als jodwasserstoffbindendem Agens, also 
mit einer ex tempore bereiteten Alkalihypojoditlösung die Oxydations- 
geschwindigkeit sich in solchem Grade steigern läßt, daß die Ueber- 
führung des Ferroions in die Ferriform momentan abläuft. Die 
Bestimmung erfordert so nicht viel mehr Zeit als die Permanganat- 
methode und wird nicht wie diese durch Chlorionen störend beeinflußt. 

Als Untersuchungsmaterial diente eine schwach saure Ferro- 
sulfatlösung, welche mittels Permanganat bestimmt 12,942 g Fe’ im 
Liter enthielt. 

Entsprechend bemessene Volumina dieser Lösung wurden zu 
einem Ueberschuß von "/ı, Jodlösung gegeben, und hierauf unter Um- 
schwenken mit Normallauge alkalisch gemacht. Das Ferrosalz schied 
sich alsbald in Form von Ferrihydroxyd ab. 

Es vollziehen sich die Prozesse: 

Js + 2Na0H = NaJO + NaJ + 0 
Fe" + 2Na0H = Fe(OH) + 2Na” 
2Fe(OH)s + NaJO + H30 = 2Fe(OH); + NaJ. 


Es entsprechen also: 


2Fe" = 1NaJO = 2J 
ER 
5,588 g Fe = 1/0J 1000 ccm »/jo Jod 


0,005588 g Fe — 1 cem Aıo Jod. 


Um nun den Ueberschuß von Hypojodit bezw. Jod zurück- 

zubestimmen, ist ersteres durch Säuerung zu zerstören, 
NaJO + NaJ +2H = 2J +2Na' + Hy0. 

Es konnten hierfür nur schwach dissoziierte Säuren in Betracht 
kommen, deren Wasserstoffionenkonzentration wohl hinreicht das 
Hypojodit zu zersetzen, ohne jedoch eine Umkehrung der Gleich- 
gewichtsreaktion 

Fr + IR Fer + 
herbeizuführen bezw. ohne eine Wiederreduktion von Ferrisalz durch 
Jodwasserstoff (aus KJ von "Jo J) einzuleiten. Als dem genügend 
erwiesen sich Essigsäure und Oxalsäure. 

Dieselben vermögen überschüssiges Hypojodit quantitativ zu 
zersetzen und führen das Ferrihydroxyd in Lösung, so daß das klare 


1) Zeitschr. f. analyt. Chem. 26, 300. ° 


E. Rupp u. M. Horn: Titration von Ferrosalzen. 573 


Gemisch schließlich ohne Schwierigkeit mit Thiosulfat nebst Stärke- 
lösung als Indikator titrierbar ist. Die Resultate sind sehr scharfe 
und schwanken die Titrationswerte nur innerhalb weniger Hundertstel- 
Kubikzentimeter. 

Die angestellten Versuche waren die folgenden: 

25 ccm "io Jod wurden mit etwas Wasser in eine Stöpselflasche 
gespült, hierzu 5 ccm obiger Ferrosulfatlösung und zuletzt unter Um- 
schwenken 10 ccm Normallauge gefügt, eine Menge, die ausreicht um 
alles Jod zu entfärben und deutliche alkalische Reaktionen hervor- 
zubringen. Nach einigen’Minuten Stehens wurde mit verschieden groß 
pemessenen Mengen Essigsäure bezw. Oxalsäure angesäuert, nach 
5—10 Minuten mit ca. 50 ccm Wasser verdünnt und das ausgeschiedene 
Jod zurückgemessen: 


2/jo Jodverbrauch. 


Säuerungsmittel Säuerungsdauer | Berechnet 
11,57 ccm = 100% 
10 cem Eisessig 5 Minuten 11,55 cem 
10 „ u BL 5 11.hL: = 
2 4 gap 1152 . 
30, 3 BUT IE5% ", 
ı01,, 5 zu eh 11,52°°, 
1070, “ run 11,54 „ 
ur‘: 5 8310, 11,55 „ 
20 „ B Don 11,56 „ 
20 5 * 10.7155 11,58 „ 
20 „ a Wı.n % 11,57 5 
2 g Oxalsäure Du 11,53 
2 - AR 11,52 „ 
2, ü ung 11,56: „ 
y „zanıay 10 71985 11,54 „ 
b, P- Di 11,58 „ 
5, Y Silorig 11,59 „ 
b,„ 5 403 ./°5 11,56 „ 
je we Ir —= 11,65, 


Der Tabelle entsprechend ist eine kräftige Säuerung empfehlens- 
wert. Ferner bemesse man die Säuerungsdauer auf mindestens 
5 Minuten, da die Hypojoditzerlegung durch schwache Säuren eine 
Zeitreaktion darstellt. 

Die essigsauren Proben erscheinen nach der Titration hell- 
rotbraun, die mit Oxalsäure versetzten blaßgrün. In letzterem Falle 
ist naturgemäß der Indikatorumschlag mit größerer Schärfe erkennbar. 

In einer weiteren Versuchsreihe wurden unter sonst den obigen 
gleichenden Verhältnissen die Alkalimengen variiert. Die Konstanz 


574 E. Rupp u. M. Horn: Titration von Ferrosalzen. 


der Resultate blieb dabei durchaus erhalten, besondere Vorsichts- 
maßregeln sind hierbei also nicht von nöten. 


Angewandte Säuerungsmittel n/o Jodverbrauch. 
N-KOH-Menge mit 10 Min. Wartezeit Berechnet 11,57 ccm 
5 ccm 5 ccm Eisessig 11,54 ccm 

D-®= 2 g Oxalsäure 11,93” 5 
10, 10 cem Eisessig 11,56 „ 
1 3 g Oxalsäure 11,58 „ 
20 „ 20 cem Eisessig ° 11,56 „ 
20 „ 5 g Oxalsäure 5155 


Die Arbeitsvorschrift lautet somit in Zusammenfassung wie folgt: 
Eine abgemessene Menge der neutralen oder mäßig sauren Eisensalz- 
lösung- verbringt man zu einem reichlich bemessenen Volumen von 
”/o Jodlösung, spült mit Wasser nach und gibt schließlich unter Um- 
schwenken soviel ca. normale, bezw. 5%ige Kali- oder Natronlauge zu, 
daß die Mischung deutlich alkalisch reagiert, d. h. etwa !/; des an- 
gewandten ”/;o Jod-Volums. Nach einigen Minuten säuert man mit 
Essigsäure oder Oxalsäure gut an und verwende hierzu etwa ein 
ebensogroßes Volumen Eisessig oder entsprechend viel verdünnte Essig- 
säure als N.-Lauge angewandt worden. war. An ÖOxalsäure, welche 
vorzuziehen ist, genügt die halbe Grammmenge. Nach 5—10 Minuten 
Wartens wird mit Wasser auf ca. 100 ccın verdünnt und mit "/o Thio- 
sulfat nebst Stärkelösung austitriert. Es darf nicht. sofort Wieder- 
bläuung auftreten, andernfalls läßt man noch 1—2 Tropfen Thiosulfat 
nachfließen. Die Reihenfolge der Reagentienzusätze ist genau einzuhalten. 

1 cem ”/j0 Jod = 0,005588 g Fe’. 


Bei Gegenwart von Ferriionen wird die Bestimmung in ganz 
derselben Weise ausgeführt. 

Zur Bestimmung von Gemischen aus Ferro- und Ferrisalzen 
wäre das Ferroion wie oben zu bestimmen, und in einem weiteren 
Lösungsanteile, wie früher angegeben!), das Gesamteisen nach Duflos- 
Mohr mit mineralsaurer Jodkaliumlösung zur ermitteln. Es entfällt 
alsdann der Differenz-Jodwert auf Ferrisalz. Nicht angängig ist der 
Versuch, die austitrierten Proben der Fe"-Bestimmung etwa mineral- 
sauer zu machen und nunmehr das Gesamteisen aus der dabei ent- 
bundenen Jodmenge Er a 


zu berechnen. Oxalat- und Acetationen verhindern eine quantitative 
Reduktion. 


1) Ber). Bar. 36, 164. 


K. Alp’ers:] Carpinus! Betulus‘ L. 575 


Endlich wurde noch festgestellt, daß die jodometrische Ferro- 
salztitration auch bei Gegenwart von Mangan’ durchführbar ist. 

Versetzt man Manganosalze mit alkalischer Jodlösung, so fällt das 
Mangan als Mangansuperoxydhydrat, wird also oxydiert. Nichtsdesto- 
weniger wird aber nach dem Ansäuern mit anorganischen wie 
organischen Säuren das gesamte Jod wieder abgespalten, indem das 
Oxydhydrat des vierwertigen Mangans als Manganoion in Lösung geht. 
Es verhält sich also das Mangan’ in letzter Linie völlig inaktiv, wie 
aus folgenden Versuchen erhellt: 

50 ccm Jodlösung wurden mit 5 ccm Ferrosulfat = 11,3 ccm 
2/,oJ und 10 cem einer 0,3%igen Manganosulfatlösung versetzt. Nach 
der Alkalisierung wurde essigsauer gemacht, bis zur völligen Lösung 
der Niederschläge umgeschwenkt, und schließlich mit Thiosulfat titriert. 
Verbrauch 11,31—11,32 cem ?’/10. 

Es wird versucht werden die leichte Oxydierbarkeit von Mangano- 
salzen und anderer superoxydbildender Schwermetalle durch Alkali- 
hypojodit an Hand entsprechender Versuchsbedingungen einer ein- 
fachen Bestimmung dieser Metalle nutzbar zu machen. 

Durchweg erforderlich bei Titrationen mit alkalischer Jodlösung 
ist die Abwesenheit von Ammonsalzen, da diese ebenfalls auf Hypo- 
jodite einwirken. 


Mitteilung aus der pharmazeutischen Abteilung 
des chemischen Instituts der Königlichen Universität 
Münster i. W. 

Von G. Kaßner. 

(Eingegangen den 7. X. 1906.) 


Untersuchungen über die Bestandteile der Blätter von 
Carpinus Betulus L. 


(Ein Beitrag zur Kenntnis der Ellagsäure und der Gerbsäuren.) 
Von Karl Alpers. 


Vorbemerkungen. 


Die Anregung zu der vorliegenden Arbeit verdanke ich meinem 
verehrten Chef, Herrn Professor Dr. G. Kaßner, der, aufmerksam 
gemacht durch den Geschmack der Hainbuchenblätter, eine eingehende 
Untersuchung derselben für lohnend hielt. 


576 K. Alpers:Carpinus Betulus L. 


Die Literatur hat keine Angaben über die chemischen Bestand- 
teile der Hainbuche aufzuweisen; eine vorläufige Mitteilung über meine 


Untersuchungen habe ich iu der „Allgemeinen Chemiker-Zeitung 1905, 


S. 42“ veröffentlicht. 


Prüfung auf Glykoside und Alkaloide. 


Dieselbe, ausgeführt nach den gebräuchlichen Methoden für die 
Darstellung von Glykosiden und Alkaloiden, war in jeder Beziehung, 
auch bei Verarbeitung größerer Mengen Blätter, erfolglos. 


Prüfung auf andere krystallisierbare Bestandteile. 


Aus größeren Mengen junger Blätter stellte ich mit ungefähr 
40%igem Weingeist einen Auszug her und destillierte von letzterem 
den Alkohol zum großen Teile ab. Der anfangs hellgelbe Auszug 
war dabei braun geworden und zeigte einen sehr geringen Bodensatz, 
welcher sich unter dem Mikroskop als aus sehr schön ausgebildeten, 
anscheinend rhombischen Prismen bestehend, erwies. 


Vorprüfung des erhaltenen Körpers. 


Da die erhaltene Menge Substanz einige Zentigramme nicht 
überstieg, konnte ich nur einige Reaktionen anstellen, die mir aber 
keinen nennenswerten Aufschluß über seine Natur gaben; es sei nur 
gesagt, daß er auf dem Platinbleche vollständig verbrannte; ein 
anorganisches Salz lag also nicht vor. 


Gewinnung, Reinigung und weitere Untersuchung des fraglichen Körpers. 


Da ich zur Darstellung einiger Gramme Substanz sehr große 
Mengen Blätter nötig hatte, stellte ich zunächst fest, ob auch aus den 
älteren und den getrockneten Blättern der Körper in der oben 
geschilderten Weise erhalten werden konnte. Es zeigte sich, daß 
sowohl die ganz jungen, eben aufbrechenden Knospen als auch die zu 
verschiedenen Zeiten im Verlaufe des Sommers gesammelten jungen 
Sprosse und fertig ausgebildeten Blätter, ja sogar das welkende Laub 
(20. Oktober) dieselben Krystalle gaben. Ferner war es ohne Einfluß, 
ob die Blätter frisch oder getrocknet verwendet wurden. Auch 
versuchte ich, ob das schon einmal extrahierte Laub nach einer zweiten 
Behandlung mit verdünntem Weingeist eine weitere Ausbeute gab; in 
diesem zweiten Auszuge war jedoch nicht die geringste Krystall- 
bildung nach Abdestillieren des Alkohols zu bemerken. 

Um mir Aufschluß über die Ausbeuten der fraglichen Substanz 
zu geben, stellte ich einige quantitative Versuche an. 


e\N 


K. Alpers: Carpinus Betulus L. 577 


1750 g bei Münster i. W. an Hecken gesammelte, trockene, 
junge Blätter ohne Aestchen, entsprechend 4,5 kg frischem Material, 
wurden mit 26 Litern verdünntem Alkohol von 45 Volumprozent drei 
Wochen lang ausgezogen und dann abgepreßt. Beim Abdestillieren des 
Weingeistes erhielt ich rund 30 g noch stark verunreinigte Rohsubstanz. 

Die Versuche, die Krystalle völlig rein zu erhalten, stießen auf 
große Schwierigkeiten; es zeigte sich, daß der Körper in fast allen 
gebräuchlichen Lösungsmitteln völlig unlöslich oder nur sehr schwer- 
löslich war und den meisten Reagentien gegenüber sich indifferent 
verhielt. 

So stellte ich durch Vorversuche fest, daß ihn nur konzentrierte 
Salpetersäure und große Mengen konzentrierter Schwefelsäure beim 
Erwärmen angriffen oder lösten; auch Bromwasser schien von kräftiger 
Einwirkung zu sein; in Kalilauge, Natronlauge und Ammoniak quollen 
die Krystalle sozusagen auf und schienen eine Veränderung zu 
erleiden: starke Salzsäure, verdünnte Salpetersäure, Milchsäure usw. 
wirkten auf die Krystalle nicht im geringsten ein. Da ich durch 
Vorversuche keine größeren Mengen der Substanz zu opfern wagte, 
ließ ich es mir angelegen sein, durch Umkrystallisieren aus einem 
möglichst guten Lösungsmittel geringe Mengen reiner Substanz zu 
gewinzen, um einige Elementaranalysen anzustellen. 

Als Lösungsmittel versuchte ich zunächst Weingeist und kochte 
die erhaltenen Krystalle mit 96%igem Alkohol am Rückflußkühler 
einige Zeit, wobei ich eine stark gelbgefärbte Lösung erhielt, die 
heiß filtriert wurde; nach dem Erkalten schieden sich geringe Mengen 
derselben prismatischen Krystalle ab, die jetzt etwas heller waren. 
Nach dem Abdestillieren des Weingeistes zeigte sich jedoch, daß die 
Löslichkeit in diesem eine sehr geringe war; durch einen weiteren 
Versuch stellte ich fest, daß absoluter Alkohol ein etwas größeres 
Lösungsvermögen besaß. 

4 g noch etwas verunreinigte Substanz hinterlie?, mit 6 Litern 
96%igem Weingeist in drei Portionen am Rückflußkühler gekocht, 
0,5 g Rückstand, der unter dem Mikroskop noch Krystalle erkennen 
ließ. Durch weiteres mehrmaliges Umkrystallisieren aus Weingeist 
konnte ich die Krystalle wohl bedeutend heller, aber nicht farblos 
erhalten. Es hatte auch den Anschein, als ob durch das mehrmalige 
Umkrystallisieren die Substanz schwerer löslich wurde, ohne die 
Krystallform zu verändern. 

Tierkohle erwies sich zum Entfärben ungeeignet; sie adsorbierte 
einen großen Teil der Substanz. 

Alle diese Schwierigkeiten ließen mich nach einem anderen 
geeigneten Lösungsmittel suchen, dabei stellte ich fest, daß Wasser, 

Arch. d. Pharm. CCXXXXIV. Bd». 8. Heft. 37 


- 


578 K. Alpers: Carpinus Betulus L. 


Schwefelkohlenstoff, Tetrachlorkohlenstof, Phenol, Toluol, Xylol, 
Tbymol, Glyzerin, Naphthalin, Pyridin, Anilin, flüssiges Paraffin gar _ 
kein oder nur ein äußerst geringes Lösungsvermögen besaßen. Mit 
Chloroform, Aether, Aceton, Essigäther, Benzin, Methyl- und Amyl- 
alkohol sowie Eisessig stellte ich genauere quantitative Lösungsversuche 
an und benutzte hierzu die schon aus Weingeist umkrystallisierte 
Substanz. 

Ein Liter Benzin, ein Liter Chloroform, 500 ccm Aether nahmen 
beim Kochen am Rückfiußkühler nicht einmal Spuren der Substanz 
auf; ein Liter Eisessig und ein Liter Benzol lösten einige Milligramme, 
200 ccm Essigäther ebenfalls Spuren. 

Methylalkohol und Aceton lösten mindestens ebenso gut wie 
Aethylalkohol von 96%, während von mehreren Litern Amylalkohol 
selbst bei längerem Erhitzen nur Spuren aufgenommen wurden. 

Nach diesen Versuchen mußte ich mich also auf den Methyl- 
und Aethylalkohol sowie das Aceton beschränken, um die Substanz 
umzukrystallisieren. 

Um die färbenden Bestandteile möglichst zu entfernen, behandelte 
ich die Rohsubstanz nacheinander mit Benzin, Wasser und Chloroform. 
Ersteres und letzteres nahmen große Mengen Chlorophyll auf, sodaß 
ich schön grün gefärbte Lösungen erhielt; Wasser entfernte ebenfalls 
größere Mengen der Verunreinigungen; nach diesen Operationen 
blieben von 30 g Rohsubstanz nur 19,4 g vorgereinigte Substanz 
übrig. Das Chlorophyll wurde hartnäckig zurückgehalten. Diese 
immer noch stark dunkel gefärbte Substanz löste ich in 96%igem 
Alkohol und nahm eine Reihe von Entfärbungsversuchen vor. Blei- 
acetat und Bleikarbonat entfärbten vollständig, fällten aber zugleich 
auch die Substanz. Als geeigneteres Mittel erwies sich frisch gefälltes 
Aluminiumhydroxyd; dieses entfärbte ausgezeichnet, riß aber auch die 
Substanz zum größten Teil mit nieder; es gelang mir aber, aus der 
nach dem Filtrieren erhaltenen Flüssigkeit, die nur schwach gefärbt 
war, geringe Mengen hellgelber Krystalle zu erhalten. Diese letzteren 
konnten auch nach 5—6maligem weiteren Umkrystallisieren nicht völlig 
farblos erhalten werden; ich mußte deshalb annehmen, daß die geringe 
Gelbfärbung der Substanz eigentümlich war. Wenn auch das 
Aluminiumhydroxyd einen Teil der Substanz fällte, so erleichterte es 
mir die Reinigung doch wesentlich; in geringen Mengen der stark 
gefärbten weingeistigen Lösung hinzugesetzt, blieben immerhin noch 
einige Zehntelgramme Substanz in 2% Litern Alkohol gelöst. Mittels 
dieses Verfahrens gelang es mir, eine kleine Menge reiner Substanz 
zu gewinnen, die aus Alkohol nochmals mehrere Male umkrystallisiert 
wurde. 


K. Alpers: Carpinus Betulus L. 579 


Aus dem abfiltrierten Aluminiumhydratniederschlage konnte ich in 
folgender Weise die mitgerissene Substanz wiedergewinnen, wobei die 
Verunreinigungen zum größten Teil entfernt wurden. Ich behandelte 
.den Niederschlag mit Salzsäure oder verdünnter Schwefelsäure, um 
das Aluminiumhydrat zu lösen und wusch durch Dekantieren mit 
destilliertem Wasser bis zum Verschwinden der Chlor- resp. Schwefel- 
säurereaktion aus. Es hinterblieb ein amorpher, grauer Körper, der in 
Weingeist gelöst wurde; nach dem Abdestillieren des letzteren erhielt 
ich dieselben rhombischen Prismen wieder, die weiterhin bis zur 
völligen Reinheit umkrystallisiert wurden. 

Ich versuchte, den Schmelzpunkt der reinen Substanz zu 
bestimmen, stellte jedoch fest, daß der Körper im Schwefelsäurebade 
erhitzt, noch bei 292° völlig intakt blieb und Krystallform erkennen 
ließ; bei 340° im Paraffinbade schien ebenfalls keine größere 
Veränderung vorzugehen; erst in geschmolzenem Kalisalpeter bei 
450° veränderte sich die Substanz merklich; bei 480° war sie braun- 
schwarz geworden, ohne jedoch zu schmelzen. 

Bei einer Prüfung auf Stickstoff, nach üblichem Verfahren, erwies 
sich die Substanz frei von diesem Blemente; da es jedoch vorgekommen 
ist, daß geringe Mengen Stickstoff in organischen Verbindungen über- 
sehen worden sind, prüfte ich die Substanz noch nach der Dumas’schen 
Methode; ich erhielt aus 0,320 g keinen gasförmigen Stickstoff, wodurch 
einwandsfrei die Abwesenheit des letzteren bestimmt wurde. 

Die Elementaranalysen von auf verschiedenem Wege gereinigten 
Substanzen ergaben folgende Resultate: 

1. Substanz aus Alkohol (96%) sechsmal umkrystallisiert. 

0,1493 g ergaben 0,2849 COa und 0,0298 H30,. 

Gefunden: 
C 52.049, 
H 228 „ 

2. Substanz nur zweimal aus Alkohol umkrystallisiert, aber nichts- 
destoweniger sehr rein, da die Verunreinigungen durch häufiges Kochen mit 
Alkohol entfernt waren. Drei Analysen mit derselben Substanz, 

a) 0,2565 g lieferten 0,4869 g COg und 0,0686 g Ha O0 

b) 0,1374 g lieferten 0,2658 g COs und 0,0392 g 11,0 

c) 0,1597 g lieferten 0,3105 g COa und 0,0403 g Ha0. 

Gefunden: 

B 51,77% C und 2,99% H 
b) 52,76 „ C und 3,19, H 
c) 53,02 „ C und 2,82, H 
3. Substanz aus Methylalkohol umkrystallisiert. 
0,1294 g lieferten 0,2519 g COg und 0,0265 g Ha0. 
Gefunden: 
C 53,09% 
H 229, 


37* 


580 K. Alpers: Carpinus Betulus L. 


4. Substanz erhalten aus dem beim Entfärben erhaltenen Aluminium- 
niederschlag. Bei 1000 getrocknet. 

0,1053 g lieferten 0,2128 g COg und 0,0210 H50. 

Gefunden: 

C 55,11%, 

H 223, 
5. Substanz siebenmal umkrysteallisiert und bei 1000 getrocknet. 
0.0999 g lieferten 0,2104 g COg und 0,0140 g Ha0. 

Gefunden: 

c 55,114 

H 223, 

Die Substanzen 1—3 weisen einen wesentlich niedrigeren Kohlen- 
stoffgehalt auf als No. 4 und 5; es rührt dies jedenfalls daher, daß 
die Proben 1—3 lufttrocken, oder bei gelinder Temperatur getrocknet, 
verbrannt wurden, wogegen ich 4 und 5 bei 100° längere Zeit 
getrocknet hatte. Auch wurden einige Proben mit feinem Kupferoxyd 
vermischt verbrannt, worauf der etwas höhere Wasserstoffgehalt zu 
schieben ist. (Die Substanz schien etwas hygroskopisch zu sein). 

Diese Analysen boten mir ungenügende Anhaltspunkte für die 
Natur der Verbindung; auch Versuche, mit absolutem Methylalkohol 
als Lösungsmittel nach der Siedemethode das Molekulargewicht fest- 
zustellen, waren wegen der geringen Löslichkeit des Körpers völlig 
erfolglos; ich stellte deshalb Versuche an, welche die Darstellung von 
Spaltungsprodukten, bezw. Derivaten bezweckten. 

Brom und konzentrierte Salpetersäure oxydierten die Substanz 
zu CO, und H5s0. 

Mit Jodwasserstoffsäure fünf Stunden bei 180—200° im Bomben- 
rohr erhitzt, blieb die Substanz fast unverändert; jedenfalls war kein 
Jod ins Molekül eingetreten. 

Die Kalischmelze gab mir keinen Aufschluß, da ich nur geringe 
Mengen Substanz wegen der äußerst mühsamen Darstellung derselben 
zu opfern wagte. 

In heißer konzentrierter Schwefelsäure gelöst, erhielt ich beim 
Eingießen der Lösung in Wasser die Substanz unverändert wieder. 

0,657 g Substanz mit 5 ccm Benzoylchlorid im Bombenrohr bei 
150° einige Stunden erhitzt, gaben ein krystallinisches Derivat; das 
Reaktionsprodukt wurde in Wasser eingegossen und von. Benzoesäure 
durch Waschen mit Wasser und Weingeist völlig befreit. Ich erhielt 
1,1 g eines fast farblosen Körpers, der in Methyl- und Aethylalkohol 
sowie Essigäther völlig unlöslich war. 

Die Elementaranalyse ergab folgende Resultate: 

1. 0,2959 Benzoylderivat lieferten 0,7555 COg und 0,0936 H3O. 

2. 0,1980 Benzoylderivat lieferten 0,5070 COs und 0,0584 Hg. 


K. Alpers: Carpinus Betulus L. 581 


Gefunden: 
1. 2. 
C 69,63 69,70% 
H 3,50 3,30 „ 


0,785 g Substanz wurden mit 5 cem Acetylchlorid im Bomben- 
rohr mehrere Stunden auf 150° erhitzt; das in Wasser eingegossene 
Reaktionsprodukt ergab ein fast farbloses krystallinisches Derivat, 
das nach dem Waschen mit Wasser und Alkohol 1,02 g im Gewichte 
betrug. Daneben hatten sich geringe Mengen eines dunkel gefärbten 
Produktes gebildet, welches beim Waschen entfernt wurde. In Wasser, 
Weingeist, Methylalkohol und Essigäther war das Produkt unlöslich 
oder fast unlöslich. Von einer eingehenden Untersuchung dieses 
Derivates sah ich ab, da dieselbe im Verlaufe meiner weiteren Arbeiten 
überflüssig wurde. 

Im Autoklaven mit Wasser mehrere Stunden auf 150—160° 
erhitzt, erlitt die Substanz keine Veränderung. 

Ich stellte noch eine Anzahl Versuche an, die aber, weil ohne 
bemerkenswertes Resultat, hier nicht angegeben werden sollen. 

Da mir inzwischen die Substanz ausgegangen und die weitere 
Beschaffung von reinem Untersuchungsmaterial mit großen Verlusten 
ar Zeit verknüpft war, hatte ich einige Vorversuche mit der 
anscheinend reichlich vorhandenen Gerbsäure angestellt. 

Aus der nach dem Abdestillieren des Weingeistes erhaltenen 
filtrierten Flüssigkeit, fällte ich die Farbstoffe, Gerbsäuren etc. mit 
überschüssigem Bleiacetat; es entstand ein sehr reichlicher hellgelber 
Niederschlag, der durch Dekantieren mit destilliertem Wasser aus- 
gewaschen und auf einem Filter gesammelt wurde. Ich rührte den- 
selben mit Wasser an, brachte den dünnen Brei in eine starke Flasche 
und zersetzte den Niederschlag mit Schwefelwasserstoff unter Druck. 
Die von dem Schwefelblei abfiltrierte Flüssigkeit war gelb gefärbt; 
zur Entfernung des Schwefelwasserstoffs wurde dieselbe auf dem 
Wasserbade erhitzt. Eisenchlorid rief in der verdünnten Lösung eine 
stark blauschwarze Fällung hervor; die Flüssigkeit enthielt also 
reichlich Gerbsäure. Ich dampfte die Lösung nun mit etwas verdünnter 
Schwefelsäure auf dem Wasserbade ein, um mir einigen Aufschluß 
über die Art der Spaltungsprodukte des vorhandenen Gerbstoffes zu 
verschaffen. Bei dieser Operation entstande in körniger, rostbraungefärbter 
Niederschlag, der sich unter dem Mikroskop als krystallinisch erwies; 
die Kryställchen bildeten rhombische, fast so lange wie breite Prismen. 
Dieselben zeigten in chemischer Beziehung ganz analoge Eigenschaften, 
wie der bereits-oben beschriebene schwer lösliche Körper; durch 
Umkrystallisieren aus Weingeist erhielt ich auch die gleichen 


582 K. Alpers: Carpinus Betulus L. 


rhombischen Prismen, konnte aber durch weiteres Umkrystallisieren 
nur sehr schwer zu reinem Produkte gelangen. 2 


Identifizierung des Körpers mit der Ellagsäure. 


Orientiert durch die Literatur vermutete ich in dem Körper 
Ellagsäure; in der Tat deckten sich die bisherigen Resultate mit den 
Angaben der Zeitschriften über die Ellagsäure. Im weiteren Verlauf 
meiner Untersuchungen erwies sich ferner das krystallinische Spaltungs- 
produkt der Carpinus Betulus-Gerbsäure als identisch mit den frei- 
willig beim Einengen des weingeistigen Auszuges erhaltenen Krystallen. 

Es mögen jetzt hier die Reaktionen und sonstigen Beweise für 
die Identität des von mir aufgefundenen krystallinischen Körpers mit 
der Ellagsäure sowie einige zusammenfassende Bemerkungen und neue 
Beobachtungen über diesen Körper Platz finden. 

Die Ellagsäure ist durch die Griesmayer’sche Reaktion 
gekennzeichnet. (Ann. d. Chem. u. Pharm. 160, S. 50 ff.) Eine 
geringe Menge der fraglichen Krystalle in ein Reagenzglas gebracht 
und mit einem Kubikzentimeter rauchender Salpetersäure einen Augen- 
blick geschüttelt, gab beim Verdünnen mit Wasser eine schön blut- 
rote Färbung, die einige Zeit bestehen blieb. 

Die längere Zeit bei 100° getrocknete Ellagsäure hat die 
Zusammensetzung C}4Hg05 (Archiv der Pharmazie 229, 1881, S. 132); 
für diese Formel berechnet sich der Kohlenstoff- und Wasserstoffgehalt 
zu 55,6% © und 1,99% H. Die oben angegebenen Resultate der mit 
der bei 100° getrockneten Substanz angestellten Elementaranalysen 
stimmen mit dieser Formel überein. 

Die bei 100° getrocknete Ellagsäure nimmt jedoch aus der Luft 
nach und nach ihren Krystallwassergehalt wieder auf, ohne ihr Aus- 
sehen zu verändern. Nach Zölffel und anderen Forschern (Archiv 
der Pharmazie 1891, S. 132) hat die lufttrockene Ellagsäure die 
Zusammensetzung C}4Hg03 + 2H30. Nach dieser Formel beträgt 
der Gehalt an Kohlenstoff 52,2% und an Wasserstoff 3,1%. Hiermit 
stimmen die angegebenen Analysen lufttrockener Substanz No. 1, 2 
und 3 überein. (Siehe S. 579.) 

Goldschmiedt und Jahoda (Monatshefte für Chemie 13, 1892, 
S. 49—57) stellten sorgfältige Untersuchungen über das Benzoyl- und 
Acetylderivat der Ellagsäure an und fanden, daß A Benzoylreste in 
ein Molekül Ellagsäure eintreten können. Obgleich ich das Benzoyl- 
derivat in anderer Weise gewonnen hatte, wie die genannten Forscher 
erhielt ich doch aus der Elementaranalyse Resultate, die sich mi 
denen Goldschmiedt’s und Jahoda’s deckten. 


K. Alpers: Carpinus Betulus L. 583 


Durch diese Untersuchungen war die Substanz schon ziemlich 
sicher als Ellagsäure identifiziert; um jedoch vergleichende Prüfungen 
mit einer Substanz anderer Herkunft anzustellen und einige von den 
verschiedenen Forschern erhaltenen ungleichen Resultate von neuem zu 
prüfen, stellte ich mir Ellagsäure aus Galläpfeln dar. 


Darstellung von Galläpfelellagsäure und Vergleich derselben mit dem 
aus den Hainbuchenblättern gewonnenen Präparat. 


Ich zog zwei Kilogramm grob gepulverte Galläpfel mehrere Male 
mit Wasser aus bis zur möglichsten Erschöpfung. Die vereinigten, 
auf ungefähr vier Liter eingeengten Auszüge ließen freiwillig 16,7 g 
Ellagsäure fallen; nach dem Invertieren mit verdünnter Schwefelsäure 
erhielt ich noch weitere 15 g. Eine größere Ausbeute konnte auch 
bei längerem Erhitzen der Lösung nicht erhalten werden. 

Diese Ellagsäure war bei weitem reiner als die aus dem Hain- 
buchenblätterauszug erhaltene; sie stellte ein hellgelbes mikrokrystal- 
linisches Pulver dar; die Krystalle hatten dieselbe Form wie die aus 
der Gerbsäure von Carpinus Betulus erhaltenen, bestanden also 
anscheinend aus rhombischen Prismen. 

Ich konnte keinen nennenswerten Unterschied zwischen der 
Galläpfelellagsäure und der aus den Hainbuchenblättern isolierten 
Substanz auffinden; der einzige Umstand, welcher mir auffiel, bestand 
in der leichteren Löslichkeit der Galläpfelellagsäure in Kalilauge, 
wogegen die aus Weingeist mehrfach umkrystallisierte Heinbuchen- 
blätterellagsäure nur langsam von dem gleichen Reagens gelöst wurde. 
(Die Lösungen von ellagsaurem Kalium nehmen bekanntlich beim 
Stehen an der Luft in wenigen Augenblicken eine dunkelrote Farbe 
an, diese Färbung trat viel langsamer und weniger intensiv mit der 
aus Weingeist oft umkrystallisierten reinen Ellagsäure ein.) 


Literatur über die Ellagsäure. 


Ehe ich dazu übergehe, meine eigenen Beobachtungen, die zum 
Teil Neues enthalten, zu geben, möge hier eine kurze Zusammen- 
stellung der bisher über die Ellagsäure veröffentlichten Arbeiten folgen. 


Die Euagsäure wurde zuerst von Chevreul als Zersetzungsprodukt 
der Gerbsäure beobachtet. (Ann. de chim. et phys. [2], 9, S. 329) und von 
Braconnot (Ann. de chin. et phys. [2]. 9, S. 187), Pelouze (Ann. de chim. 
et phys. 54, S. 367, sowie Ann. d. Chem. u. Pharm. X, 1834, S. 163) und 
Robiquet (Ann. der Chem u. Pharm. XIX, 204) weiter untersucht. Ferner 
arbeitete Taylor über Ellagsäure (London and Edinb. Phil. Mag. 1844, Mai, 
S. 354). Wie spätere Untersuchungen gezeigt haben, ‚ist die Ellagsäure 
identisch mit der Bezoarsäure, die von Lipowitz (Simon’s Beiträge zur 


584 K. Alpers: Carpinus Betulus L. 


physiol. und pathol. Chemie, Bd. I, S. 464) so benannt wurde, da er sie in 
einer Art der Bezoare auffand. Eine wichtige Arbeit publizierten F. Merklein 
und F. Wöhler über die aus den Bezoaren isolierte Ellagsäure (Ann. der 
Chem. und Pharm. LV, 1845, S. 129 ff.) 

Fr. Goebel fand die Ellagsäure in den Harnsteinen und nannte sie 
harnige Säure (Annal. der Chemie und Pharm. 1851, 79, S.83). Ad. Goebel 
wies die Identität der harnigen Säure mit der Ellagsäure nach (Ann. der 
Chem. und Pharm. 1852, 83, S. 280). Wöhler hielt das Vorkommen der 
Ellagsäure im Castoreum für wahrscheinlich (Annal. der Chem. und Pharm. 
1848, 67, S. 361). Im Journal für Praktische Chemie (103, S. 464) erwähnte 
Löwe das Vorhandensein der Ellagsäure in der gebrauchten Gerberlohe. 

Eine Arbeit von Ernst und Zwenger (Ann. d. Chem, u. Pharm. 
1871, Bd. 159, S. 27 ff.) behandelt die Entstehung der Ellagsäure aus dem 
Gallussäureäthylester. Beim Studium der Einwirkung des Jods auf Tannin 
erhielt Griesmayer (Ann. d. Chem. u. Pharm. 1871, 160, S. 50) Ellagsäure 
aus Tannin. (Auch ich konnte nach dem von Griesmayer angegebenen 
Verfahren Ellagsäure aus käuflichem Tannin erhalten.) 

Eine ausführliche Arbeit von Schiff (Ann. d. Chem. u. Pharm. 1873, 
170, S. 75 ff.) hatte das Studium der Konstitution der Ellagsäure zum Zweck. 

Guibourt (Rev. scient. 13, S. 38) behandelte die Abscheidung der Ellag- 
säure aus dem Tannin. 

Von mehr oder weniger großer Bedeutung für die Kenntnis der Ellag- 
säure sind ferner folgende Arbeiten: 

Löwe: „Ueber die Gerbsäure der Dividivischoten und deren Beziehung 
zur Gallussäure“. (Fresenius, Zeitschr. f. anal. Chem, 1875, 14, 8.35); ferner 
von demselben Forscher: „Ueber die Gerbsäure der Myrobalanen und ihre 
Identität mit der Ellagengerbsäure“ (ebenda S. 44); 

H. Schiff: „Ueber Gerbsäure und einige Derivate derselben“ (Ber. 
d. d. chem. Ges. 1871, S. 967); 

Rembold: „Ueber einige Abkömmlinge der Ellagsäure“ (Ber. d. d. chem. 
Ges. 1875, S. 1494 ff.); 

L. Barth und G. Goldschmiedt: „Ueber die Reduktion der Ellag- 
säure durch Zinkstaub“ (ebenda 1878, I., S. 846); dieselben Autoren: „Studien 
über die Ellagsäure“ (ebenda 1879, S. 123 ff.); 

Hugo Schiff: „Zur Konstitution der Ellagsäure“ (ebenda 1879, II., 
S. 1533 ff.); 

A. Coblenzl: „Ueber die Einwirkung von naszierendem Wasserstoff 
auf Ellagsäure* (Wiener akad. Berichte 82, II., 506 und B. d.d. chem. G. 
1880, 1I., S. 2233); 

F. Stromer: „Ueber das Vorkommen der Ellagsäure in der Fichten- 
rinde“ (Monatshefte f. Chem. 1881, Bd. II, S. 539 ff.); 

G. Goldschmiedtund R.Jahoda: „Ueber die Ellagsäure“ (Monatsh. 
f. Chem. 1892, BJ. 13, S. 49 £.); 

Z,ölffel: „Ueber die Gerbstoffe der Algarobilla und Myrobalanen“ 
(Arch. d. Pharm. 1891, S. 123 ft.); 

C. Graebe: „Ueber die Konstitution der Ellagsäure“ (Ber. d. d. chem. 
Ges. 1903, 8. 212 ff.); 


K. Alpers: Carpinus Betulus L. 585 


Adolf Heinemann: „Patentverfahren zur Darstellung von Ellagsäure* 
(Chem. Zentralbl. 1901, II., S. 518); „Gallogen-Ellagsäure“ (Apoth.-Ztg. 1904, 
Ss. 178). 


Untersuchungen über den Wassergehalt der Ellagsäure. 


Merklein und Wöhler (Ann. d. Chem. u. Pharm. 1845, Bd. 55, 
S. 133) fanden in der Ellagsäure im Durchschnitt 10,88% Wasser; 
danach gaben sie der wasserfreien Ellagsäure die Formel C,4 Hs O3 
und der lufttrockenen C,4Hg03 + 2H30. Schiff dagegen kam zu 
anderen Resultaten. (Ann. d. Chem. u. Pharm. 1873, Bd. 170, $. 78 ff.) 
Er nahm in der Ellagsäure nur ein Molekül Krystallwasser an und 
schrieb der bei 110° getrockneten Verbindung die Formel C,4H3 0, zu, so 
daß die lufttrockene Säure die Zusammensetzung C}4H309 + Ha0 hatte. 

Diese sich widersprechenden Angaben veranlaßten mich, mit auf 
verschiedene Weise gewonnener Ellagsäure von neuem Wasser- 
bestimmungen vorzunehmen. 

+1. Ellagsäure aus Galläpfelauszug; aus Alkohol umkrystallisiert. 
Substanz ohne Anwendung von Wärme bis zur Gewichtskonstanz im Exsikkator 
getrocknet. 0,738 g verloren bei 180—1850 bis zur Gewichtskonstanz er- 
hitzt 0,085 g Wasser. Wassergehalt danach: 11,51%. 

2. 16,720 g Ellagsäure aus Galläpfelauszug, mit heißem Wasser gewaschen 
und bei 30—400 getrocknet, wurden im Exsikkator bis zur Gewichtskonstanz 
aufbewahrt. Nach 42 Tagen hatten diese 16,720 g 0,137 g Wasser im 
Exsikkator verloren. 1,152 g dieser exsikkatortrockenen Ellagsäure nahmen 
bei 180% getrocknet um 0,135 g ab. Wassergehalt danach: 11,71%. 

3. Ellagsäure aus dem weingeistigen Auszug der Hainbuchenblätter. 
Aus Weingeist bis zur Reinheit umkrystallisiert und in feuchter Kammer 
aufbewahrt. 

0,2715 g verloren bei 1800 0,031 g H30. Wassergehalt danach 11,42%. 

4. Ellagsäure aus Galläpfeln, in Natronlauge gelöst und mit Salzsäure 
wieder abgeschieden. Lufttrocken. 

0,2644 g verloren bei 1800 0,035 g Wasser. Wassergehalt danach: 13,26%, 

5. Ellagsäure aus Galläpfeln; in Schwefelsäure gelöst und mit Wasser 
wieder ausgefällt. Lufttrocken. 

1,1514 g verloren bei 18000,1594 g Wasser. Wassergehalt danach: 13,84 % 

6. Ellagsäure erhalten beim Eindampfen der Hainbuchenblättergerb- 
säurelösung.* In Weingeist gelöst, mit Al(OH); niedergeschlagen und aus der 
Aluminiumverbindung durch Auflösen der Tonerde in Salzsäure wieder- 
gewonnen. Lufttrocken. 

1,428 g verloren bei 1800 0,186 g Wasser. Wassergehalt danach: 13,02%, 

Die drei letzten Proben waren sehr fein und nur lufttrocken, woraus 
sich der höhere Wassergehalt erklärt. Es ist aber auffällig, wie selbst eine 
Substanz, die lange Zeit im Exsikkator bis zur Gewichtskonstanz aufbewahrt 
oder aus Weingeist umkrystallisiert wurde, doch einen Wassergehalt zeigte, der 
um 1% höher als der theoretisch berechnete (10,6%) war. 


586 K. Alpers: Carpinus Betulus L. 


Meine Trocknungsversuche führte ich zunächst bei 100°, dann bei 
180° aus und fand dabei, entgegen den Angaben Schiff’s (Ann. d. Chem. 
u. Pharm. 1873, Bd. 170, S. 78 ff.) und in Uebereinstimmung mit 
Barth und Goldschmiedt’s Untersuchungen (Ber. d. d. chem. Ges. 
1879, S. 1237), daß bei genügend langem Trocknen bei 100° die Ellag- 
säure sämtliches Wasser verliert, daß man aber besser bei 180° trocknet, 
da die letzten Anteile des Wassers nur schwer fortgehen. 

Die Angabe Schift’s (l. e.), daß Ellagsäure, welche bei 180° 
getrocknet ist, kein Wasser aus der Luft wieder aufnehme, ist, wie 
aueh schon Barth und Goldschmiedt feststellten, unrichtig. Ich 
hatte Proben bei 200° längere Zeit getrocknet; dieselben nahmen 
täglich beim Stehen an der Luft um einige Milligramme wieder zu 
und erlangten in feuchter Luft ihr altes Gewicht wieder. 


Konstitution der Ellagsäure. 


Die Frage der Konstitution der Ellagsäure ist eine viel- 
umstrittene. 

Graebe (Ber. d. d. chem. Ges. 1903, S. 212) faßt ee die 

Ellagsäure als das Dilakton der Hexaoxybiphenyldikarbonsäure auf und 
gibt ihr die Formel: 
a ) 
I) 
BIT 

\ 0- n/ 


Ferner läßt sich die Ellagsäure nach Graebe von dem Diphenyl- 


methylolid 
(0-0 


ableiten. Danach wäre die Ellagsäure Tetraoxybiphenyldimethylolid. 

Auch ich halte diese Formeln von allen bisher aufgestellten als 
die wahrscheinlichsten; es ist meiner Ansicht nach nicht ausgeschlossen, 
daß das Wasser, welches beim Trocknen der Ellagsäure entweicht, 
nicht Krystallwasser, sondern Anhydridwasser ist, so daß die luft- 
trockene Ellagsäure nichts weiter als Hexaoxydiphenyldikarbonsäure 
ist, die beim Erhitzen leicht das Dilakton bildet. 

Bei vielen Oxysäuren findet bekanntlich die Laktonbildung außer- 
ordentlich leicht statt; «-Oxysäuren spalten häufig schon bei gewöhn- 
licher Temperatur Wasser im Exsikkator ab. Bei j-Oxysäuren ist 


K. Alpers: Carpinus Betulus L. 687 


die Neigung Laktone zu bilden so groß, daß in wässeriger Lösung, 
langsam schon bei gewöhnlicher Temperatur, momentan in der Siede- 
hitze, Wasser abgespalten wird. 

Liegt in der wasserhaltigen Ellagsäure also die Hexaoxydiphenyl- 
dikarbonsäure vor, so müßte beim Erhitzen, sowie beim Behandeln mit 
ätzenden Alkalien sich leicht die Laktonform bilden, denn die unter- 
suchten Salze der Ellagsäure sprechen mehr für die Formel C,H, 05 
als für die Formel C44Hj001- Wir hätten dann bei der Salzbildung, 
die ja nur schwer stattfindet, keine Karboxylgruppen mehr im Molekül, 
sondern zur noch Hydroxylgruppen, und bekämen die unveränderte 
Hexaoxydiphenyldikarbonsäure beim Versetzen der Lösung der Ellag- 
säure in Kalilauge oder Natronlauge mit Salzsäure in krystallinischer 
Form wieder. Daß das beim Trocknen bei 100° entweichende Wasser 
von Anhydridbildung herrührt und nicht als Krystallwasser anzusehen 
ist, dafür spricht vielleicht auch der Umstand, daß selbst beim starken 
Erhitzen die Krystallform der Ellagsäure erhalten bleibt. Betrachtet 
man die wasserhaltige Ellagsäure unter dem Mikroskop, so erscheinen 
die Krystalle durchsichtig; die nach dem Trocknen bei 150—180° in 
absolutem Alkohol eingebetteten Krystalle sind trübe, werden aber in 
Wasser oder auch an der Luft unter Aufnahme von Wasser wieder 
durchsichtig. Jedenfalls ist diese Eigentümlichkeit der Ellagsäure, 
ohne Veränderung ihrer Krystallform Wasser abzuspalten und wieder 
aufzunehmen, bemerkenswert. 

Die völlige Aufklärung über die Struktur der Ellagsäure bleibt 
also noch der Zukunft anheimgestellt; sowohl Graebe’s Arbeit, sowie 
die im Anschluß daran von mir aufgestellten Vermutungen haben keine 
genügende experimentelle Grundlage für die endgültige Sicherstellung 
der Ellagsäureformel'). 


I) Anmerkung von G. Kaßner: 

Goldschmiedt kommt jetzt ebenfalls (Monatshefte für Chemie, Bd. 26, 
S. 1139—1148, 1905) und auf Grund einer Mitteilung von Perkin und 
Nierenstein (Proc. 21, 185) zu der Ansicht, „daß die Gräbe’sche 
Formel jetzt wohl als unbedingt zu Recht bestehend anerkannt werden muß“ 
und liefert durch die zwar schwierige und auf Umwegen durchgeführte 
Methylierung der Ellagsäure eine weitere Stütze für Gräbe’s Formel. Es 
gelang Goldschmiedt schließlich mit Hilfe von Diazomethan (Methyljodid 
und Dimetliylsulfat wirkten nur unvollständig ein) in mehrmaliger Behandlung 
eine Tetramethylellagsäure C44H30, (OCH3)4 in weißen mikroskopischen Nadeln 
zu erhalten. Mit überschüssigem Phenylhydrazin erhielt Gräbe leicht die 
Verbindung C4Hg0g-NgH, Ce, Es, in tiefgelben mikroskopischen Nadeln. — 
Ferner beobachtete A. G. Perkin (Proc. 22, 114, 1906, d. Chem. Centralbl. 
1906, II., 235), daß Ellagsäure sich beim Erhitzen mit konzentrierter Schwefel- 
säure auf 2300 C, unter Bildung eines neuen Körpers oxydiert, welcher ein 


588 K. Alpers: Carpinus Betulus L. 


Lösungsversuche mit der Ellagsäure. 


Ueber die Löslichkeit der Ellagsäure sind keine genauen Angaben in - 
der Literatur zu finden. Der Umstand, daß die Löslichkeit in Weingeist 
nicht immer die gleiche war, führte mich zu verschiedenen Vermutungen. 

Es konnten durch Massenwirkung Aethylgruppen ins Molekül 
eingetreten sein, oder die Ellagsäure hatte beim Umkrystallisieren ver- 
unreinigende Stoffe verloren, die lösend auf sie einwirkten; schließlich 
konnte auch der verschiedene Wassergehalt die Löslichkeit der Ellag- 
säure beeinflussen. 

Es gelang mir nicht, durch mehrstündiges Erhitzen der aus 
Weingeist oft umkrystallisierten Ellagsäure mit Wasser im Autoklaven 
oder durch Destillation mit verdünnter Kalilauge (konzentrierte Kali- 
lauge veränderte die Ellagsäure) nachweisbare Mengen Alkohol ab- 
zuspalten; es ist also höchst fraglich, ob Aethylgruppen beim Um- 
krystallisieren aus Weingeist ins Ellagsäuremolekül eintreten, zumal 
keine COOH-Gruppen darin anzunehmen sind. 

Ich stellte eine Reihe Lösungsversuche mit getrockneter und 
lufttrockener Ellagsäure verschiedener Herkunft an, indem die Substanz 
mit dem Lösungsmittel am Rückflußkühler gekocht wurde. Für die 
Versuche 1—5 verwandte ich absoluten Methylalkohol. 


1. 0,138 g Ellagsäure aus Hainbuchenb!ättern, mittelst Weingeist um- 
krystallisiert, völlig rein und lufttrocken, mit 100 ccm Methylalkohol 
30 Minuten gekocht. Ungelöster Rückstand 0,078 g. Gelöst waren also 
0,06 g in 100 ccm bei Siedehitze. 

1I. 0,3475 g einer gleichen Ellagsäure, aber von einer anderen Dar- 
stellung, mit 100 ccm Methylalkohol 1, Stunde gekocht. Ungelöster Rück- 
stand: 0,0670 g.. Gelöst waren also: 0,2805 g in 100 ccm bei Siedehitze. 

Es war besonders dieser verschiedene Ausfall obiger zwei Versuche, 
der mich zur weiteren Verfolgung derselben veranlaßte; im zweiten Falle 
hatte sich also mehr als das vierfache gelöst. 

III. 0,1813 g einer gleichen Ellagsäure mit 100 ccm Methylalkohol 
11, Stunden gekocht. Ungelöster Rückstand: 0,0934 g. Gelöst waren also: 
0,0879 g in 100 ccm bei Siedehitze. 

IV. 5,42 g einmal umkrystallisierte Ellagsäure aus Hainbuchenblättern 
mit 2 Litern 30 Minuten gekocht. Gelöst wurden 3,92 g bei Siedehitze, in 
100 ccm also 0,196 g. 


Hexaacetylprodukt Cj4Hjo(CaH30)g liefert und daher wahrscheinlich die 
Formel Cs Hg0yo besitzt. 

Nach Nierenstein ist auf Grund neuerer Untersuchungen (Chem. 
Centralbl. 1905, II., 407) die aus Myrobalanen-Ellagsäure dargestellte Tetra- 
acetylellagsäure vom Schmp. 313—3160C. identisch mit der von Perkin und 
Nierenstein synthetisch dargestellten Tetraacetylellagsäure, deren Schmelz- 
punkt jetzt auf 343—3440 CO. angegeben wird. (Chem. Centralbl. 1905, II., 1589.) 


K. Alpers: Carpinus Betulus L. 689 


V, 0,1797 g sehr reiner aus Alkohol umkrystallisierter Ellagsäure aus 
Hainbuchenblättern mit 200 ccm 3% Stunden gekocht und dann eine Stunde 
in Wasser von 200 gestellt. Es blieben bei dieser Temperatur 0,028 g un- 
gelöst. Gelöst also in 100 ccm bei 200 0,0758 g. 


Aus diesen Versuchen geht hervor, wie sehr die Ellagsäure dem 
Lösungsmittel widersteht und wie verschieden die in Lösung ge- 
gangenen Mengen bei gleicher Herkunft der Substanz sind. Es ist 
anzunehmen, daß sich bei Versuch II eine übersättigte Lösung gebildet 
hatte, und daß die übrigen Proben die annähernde Löslichkeit der 
Ellagsäure in absolutem Methylalkohol angeben. 

Ich prüfte terner die Löslichkeit der Ellagsäure in absolutem 
und Aethylalkohol von 90 Vol.-pOt. und zwar unter folgenden für alle 
Versuche gleichen Bedingungen: 

0,25 g Substanz wurde mit 50 ccm Lösungsmittel eine Stunde am Rück- 
flußkühler erhitzt und heiß durch ein dünnes Filter von 7 cm Durchmesser 
filtriert. Die Lösung wurde in einer Glasschale auf dem Wasserbade zur 
Trockne gebracht und der Rückstand gewogen. 

I. Ellagsäure aus Hainbuchenblättern, durch Umkrystallisieren völlig 
gereinigt, 65 Tage in feuchter Kammer aufbewahrt. Gelöst 0,0522 g in 50 ccm 
absolutem Aethylalkohol. 

II. Dieselbe Substanz wie zu Versuch I, aber bei 1000 getrocknet. 
Gelöst 0,0413 g in 50 ccm absolutem Aethylalkohol. 

III. Dieselbe Substanz wie zu Versuch I und II, aber bei 1800 ge- 
trocknet. Gelöst 0,0409 g in 50 ccm absolutem Aethylalkohol. 

IV. Ellagsäure aus Galläpfeln, in feuchter Luft aufbewahrt. Gelöst 
0,1253 g in 50 ccm absolutem Aethylalkohol. 

V. Ellagsäure aus Galläpfeln, aber aus der Lösung in Natronlauge 
wieder mit Salzsäure abgeschieden und völlig ausgewaschen. Gelöst 0,0913 g 
in 50 ccm absolutem Aethylalkohol. 

VI. Dieselbe Substanz wie zum Versuch V, aber bei 1000 bis zum 
konstanten Gewicht getrocknet. Gelöst 0,0543 g in 50 cem absolutem 
Aetbylalkoho). 

VII. Dieselbe Substanz wie zu den Versuchen V und VI, aber bei 1800 
bis zum konstanten Gewicht getrocknet. Gelöst 0,0583 g wasserfreier Substanz 
in 50 ccm absolutem Aetbylalkohol. 

VII. Ellagsäure aus Galläpfeln; aus Weingeist einmal umkrystallisiert. 
Lufttrocken. Gelöst 0,1044 g in 50 ccm absolutem Aethylalkohol. 

IX. Ellagsäure aus Galläpfeln, in Natronlauge gelöst und daraus wieder 
abgeschieden und aus Weingeist einmal umkrystallisiert. Lufttrocken. 
0,0804 g gelöst in 50 ccm absolutem Alkohol. 

X. Der ungelöste Rückstand von Versuch IX + 0,08 g derselben Ellag- 
säure, also wieder rund 0,25 g. Gelöst nur 0,0678 g in 50 cem absolutem 
Aethylalkobol. 


Aus den Versuchen I—III geht hervor, daß das vorherige 
Trocknen der Ellagsäure wohl die Löslichkeit derselben etwas er- 


590 K. Alpers: Carpinus Betulus L. 


schwert, daß aber jedenfalls bei genügend langem Behandeln mit dem 
Lösungsmittel dieselbe Menge von der wasserfreien und der wasser- _ 
haltigen Ellagsäure in Lösung geht. Es scheinen vielmehr die ver- 
unreinigenden Substanzen zu sein, welche die Löslichkeit der Ellag- 
säure so bedeutend erhöhen, wie die übrigen Versuche zeigen. Zwar 
ist die Ellagsäure, die aus einem Galläpfelauszug beim Eindampfen 
auskrystallisiert, viel feiner verteilt als die aus Alkohol umkrystallisierte 
Substanz, doch kann diese verschiedene Krystallgröße keinen großen 
Einfluß haben, wie die Versuche VI und VIII darlegen. Von der un- 
veränderten Galläpfeleilagsäure hatte sich am meisten gelöst, etwas 
weniger von den reineren Substanzen der Versuche VIII und IX, be- 
deutend weniger aber von der Galläpfelellagsäure, die schon mit 
Weirgeist behandelt war (Versuch X). 

Von einer Ellagsäure, die aus der Gerbsäure der Hainbuchenblätter 
abgeschieden und durch Kochen mit Weingeist vorgereinigt war, lösten 
sich 3,486 g in 3 Litern 96 %igem siedenden Weingeist, also 0,0581 g 
in 50 ccm. 

In Weingeist von 90 Vol.-pCt. ist die Ellagsäure schon ganz 
bedeutend schwerer löslich als in absolutem, im Durchschnitt löste 
sich nur 0,02 g in 50 cem. 

Nach Robiquet (Ann. d. Chem. und Pharm. XIX, 204) löst 
sich die Ellagsäure zu 0,0003 ihres Gewichtes in Wasser, also zu 
0,05% Ich kochte einige Gramm Ellagsäure mit 4 Litern Wasser 
längere Zeit und konnte dabei feststellen, daß die Löslichkeit der 
Ellagsäure in Wasser viel geringer ist, als Robiquet angibt; es hatten 
sich nicht mehr als einige Zentigramme in den 4 Litern Wasser gelöst. 

Ueber die Krystallform der Ellagsäure machte ich verschiedene 
Beobachtungen. Aus Weingeist krystallisierte dieselbe in den meisten 
Fällen in schön ausgebildeten scharfkantigen, länglichen, anscheinend 
rhombischen Prismen; aus einer übersättigten Lösung in Methylalkohol er- 
hieltich Büschel langer Nadeln; die Krystalle, welche sich beim Eindampfen 
der Gerbsäure der Hainbuchenblätter abschieden, schienen bald kurze 
rhombische Prismen darzustellen, bald zeigten sie fast kubische Form. 


Kennzeichen einer reinen Ellagsäure. 


Bei meinen Versuchen machte ich einige Beobachtungen, die als 
Kriterien für die Reinheit der Ellagsäure dienen können. 

1. Reine Ellagsäure löst sich mit gelber Farbe in konzentrierter 
Schwefelsäure; diese Lösung färbt sich auch beim Erwärmen bis zu 
160—180° nicht dunkler. Ellagsäure aus einem Galläpfelauszug, die 
äußerlich die Merkmale eines reinen Präparates zeigte, löste sich 
unter starker Braunfärbung in warmer konzentrierter Schwefelsäure. 


K. Alpers: Carpinus Betulus L. 691 


2, Reine Ellagsäure kann man, ohne daß sie sich dunkler 
färbt, trocken auf 180—200° erhitzen. 

3. Die Lösung reiner Fllagsäure in überschüssiger Kalilauge 
färbt sich viel langsamer und weniger als eine gleiche Lösung un- 
reiner Substanz. 


Betrachtungen über die Frage: Ist die Ellagsäure präexistierend in 
den Blättern von Carpinus Betulus vorhanden? 


Die Ellagsäure ist nirgends mit Sicherheit als präexistierend im 
Pflanzenreiche nachgewiesen worden. F. Stromer (Monatshefte für 
Chemie 1881, Il. Band, S. 540) nimmt allerdings an, daß die Ellag- 
säure in der Fichtenrinde fertig gebildet vorkomme; ich muß diese 
Ansicht jedoch sehr bezweifeln; die Ellagsäure dürfte auch hier wie 
sonst überall ein Spaltungsprodukt sein. 

Wäre die Ellagsäure präexistierend in den Hainbuchenblättern 
enthalten, so müßte starker Weingeist, welcher die Ellagsäure be- 
kanntlich viel besser löst, ein geeigneteres Extraktionsmittel als ver- 
dünnter Alkohol sein. Ich behandelte deshalb eine größere Menge 
Hainbuchenblätter mit 96 $igem Weingeist, erhielt aber aus dem Aus- 
zuge nach dem Abdestillieren des Weingeistes nicht die Spur von 
Krystallen, sondern nur Chlorophyll nebst anderen Extraktivstoffen. 
Es ist also die Ellagsäure ein Spaltungsprodukt, das sich erst in dem 
Auszuge, sei es durch Fermentwirkung, sei es durch den Sauerstoff 
der Luft, aus kompliziert zusammengesetzten Gerbstoffen bildet. 

Auch folgender Umstand ist beweisend für die Nichtexistenz 
freier Ellagsäure in den Hainbuchenblättern. 

Die Menge Ellagsäure, welche sich beim Einengen des Aus- 
zuges der Hainbuchenblätter mit verdünntem Weingeist abscheidet, 
ist allerdings gering, aber noch viel zu groß, um allein von dem ver- 
dünnten Weingeist in Lösung gehalten zu werden, es müßte dann 
schon sein, daß Extraktivstoffe die Löslichkeit wesentlich erhöhen. 

Es scheint auch die Ellagsäure sich nicht quantitativ in gleicher 
Weise aus den Molekülen der Gerbsäure der Hainbuchenblätter abzu- 
spalten, denn hat man den Weingeist aus dem Auszuge abdestilliert, 
so scheidet das Filtrat weder beim langen Stehen noch beim Eindampfen 
weitere Ellagsäure ab; fällt man aber in diesem eingeengten und 
filtrierten Auszuge die Gerbsäure mit Blei und entfernt das- letztere 
durch Schwefelwasserstoff, so läßt die auf diese Weise erhaltene Gerb- 
säurelösung beim bloßen Eindampfen weitere Mengen Ellagsäure aus- 
krystallisieren. Ferner beobachtete ich, daß der Auszug der Hain- 
buchenblätter mit verdünntem Weingeist schon beim bloßen Stehen 
Ellagsäure abgibt. 


592 K. Alpers: Carpinus Betulus L. 


Die Veränderlichkeit der Hainbuchenblättergerbsäure schien da- 
nach eine sehr große zu sein und die bisherigen Beobachtungen boten 
Interessantes genug, um dieselbe einer Untersuchung zu unterziehen, 
über deren Ergebnisse in dem zweiten Teil meiner Arbeit berichtet 
werden soll. 


Untersuchung des Hainbuchenblättergerbstoffs. 


Durch Vorversuche, die ich mit der Gerbsäure anstellte, kam 
ich zu folgenden Resultaten. 

Der hellgelbe Niederschlag, welchen man beim Versetzen des 
weingeistigen Auszuges der Hainbuchenblätter mit Bleiacetat erhält, 
besteht im wesentlichen aus gerbsaurem Blei; Oxalsäure, Zitronen- 
säure und Weinsäure sind in dem Bleiniederschlage nicht enthalten; es 
gelang mir nicht, andere Bestandteile als Gerbsäure und Farbstoffe 
darin nachzuweisen. 

Die Abspaltung der Ellagsäure aus dem Gerbstoff schien eine 
fast unbegrenzte zu sein, denn die in dem Filtrate mit Blei gefällte 
restierende Gerbsäure gab, mit Schwefelwasserstoff wieder in Freiheit 
gesetzt, eine Lösung, die weitere Mengen Ellagsäure abschied. Beim 
Eindampfen mit verdünnter Schwefelsäure erhielt ich außer Ellagsäure 
einen harzartigen Körper, der sich in Weingeist löste und ein dunkel- 
braunes Filtrat gab, das keine Neigung zum Abscheiden krystallisierbarer 
Spaltungsprodukte zeigte. 

Diese bemerkenswerten Eigenschaften der Hainbuchenblättergerb- 
säure machten mich auf die von Löwe und Zölffel isolierte Ellagen- 
gerbsäure aufmerksam. 

J. Löwe stellte zuerst aus den Dividivischoten eine Gerbsäure 
dar, die mit großer Leichtigkeit Ellagsäure abspaltete (Fresenius, 
Zeitschr. f. anal. Chem. 14, 1875, S. 35 ff.), und der er wegen dieses 
Verhaltens den Namen „Ellagengerbsäure“ gab. Dieselbe stellt ein 
gelbliches Pulver dar; nach Analysen von Proben verschiedener Her- 
kunft, die im Durchschnitt 49,70% C und 3,16% H ergaben, gab 
Löwe der Ellagengerbsäure die Formel C,4 Ho O10- 

Ferner stellte Löwe fest, daß die Gerbsäure der Myrobalanen 
mit der Ellagengerbsäure der Dividivischoten identisch ist (Fresenius, 
Zeitschr. f. anal. Chem. 14, 1875, S. 44.) Eine weitere eingehende 
Untersuchung über den Gerbstoff der Myrobalanen verdanken wir 
Zölffel (Archiv der Pharm. Bd. 229, 1891, S. 155 f.), welcher Forscher 
dieselbe auch in den Algarobillafrüchten fand (ebenda S. 123 #.) Die 
letztere Droge enthält nach Zölffel ein Gemisch zweier Gerbstoffe; 
der eine derselben ist das Glukosid der Gallusgerbsäure und liefert 
bei der Hydrolyse Gallussäure und Zucker; der zweite ist eine 


K. Alpers: Carpinus Betulus L. 593 


zuckerfreie Gerbsäure der Formel C}4H10010, welche sich leicht in 
Ellagsäure und Wasser spaltet, und welcher daher der Name Ellagen- 
gerbsäure mit größerer Berechtigung zukommt, wie Zölftel sagt, als 
der von Löwe dargestellten Gerbsäure aus den Myrobalanen und 
Dividivischoten. 

Aus den Gerbsäuren der genannten Drogen wurde nach der 
Hydrolyse Gallussäure in nicht unbeträchtlichen Mengen gewonnen. 

Die vielen übereinstimmenden Reaktionen des von mir in den 
Weißbuchenblättern aufgefundenen Körpers mit den Gerbstoffen der 
Algarobilla, Dividivischoten und Myrobalanen mußten mein Augen- 
merk darauf lenken, ein gleiches Produkt darzustellen wie Löwe oder 
Zölffel und möglichenfalls die Identität des Hainbuchenblätter- 
gerbstoffes mit dem der genannten Drogen festzustellen. Es ist mir 
nun wohl gelungen, nachzuweisen, daß der von mir isolierte Gerbstoff 
große Aehnlichkeit mit den von Löwe und Zölffel untersuchten 
Ellagsäure liefernden Produkten hat, daß aber noch wesentliche Unter- 
schiede bestehen, die mich davon abhalten, den Gerbstoff der Hain- 
buchenblätter identisch mit der Ellagengerbsäure resp. mit den Gerb- 
stoften der Dividivischoten, der Algarobilla und den Myrobalanen zu 
erklären, wie die nachstehenden Versuche zeigen. 


I. Versuch der Reindarstellung der Gerbsäure und Elementaranalyse 
= derselben. 


Der Reindarstellung der \Weißbuchenblättergerbsäure stellten sich 
große Schwierigkeiten entgegen. Die Lösung des Gerbstoffes, die ich 
aus dem Bleiniederschlag erhielt, war so leicht zersetzlich, daß bei 
fast allen Bemühungen, eine größere Menge der Gerbsäurelösung ein- 
zuengen, so viel Ellagsäure abgespalten wurde, daß der restierende 
Teil des Gerbstoffes schon stark verändert war. Es gelang mir aller- 
dings einige Male, kleine Mengen Geıbsäurelösung im Vakuumexsikkator 
ohne Abscheidung von Ellagsäure einzutrocknen, doch es genügte ein 
bloßes Wiederauflösen des Gerbstoffes in der Kälte, um eine starke 
Abscheidung von Ellagsäure zu erzielen. Aus diesem Grunde mußte 
ich darauf verzichten, die von Löwe und Zölffel angewandten Ver- 
fahren der Gerbsäurereinigung zu benutzen. 

Durch die außerordentlich leichte Zersetzlichkeit unterscheidet 
sich die Hainbuchenblättergerbsäure schon wesentlich von den Präparaten 
Löwe’s und Zölffel’s, die eine derartig leichte Ellagsäureabspaltung 
nicht erwähnen. Zölftel gelangte z. B. zu einem zur weiteren Ver- 
arbeitung brauchbaren unzersetzten Präparate durch Eintrocknenlassen 
der Gerbsäurelösung auf Glasplatten bei 50° im Kohlensäurestrome; 
ich erhielt dabei immer eine starke Abscheidung von Ellagsäure, trotz- 

Arch d. Pharm. UCXXXXIV. Bds 8 Left. r 38 


594 K. Alpers: Carpinus Betulus L. 


dem ich mir einen Apparat konstruiert hatte, der die Einwirkung der 
Luft völlig ausschloß. Da ich außer Farbstoffen keine anderen die 
Gerbsäure verucreinigenden Stoffe in dem Bleiniederschlag nachweisen 
konnte und sich eine verdünnte Lösung der Gerbsäure, wie ich sie 
durch Zersetzen des breiförmigen Bleiniederschlages mit Schwefel- 
wasserstoff erhielt, in der Kälte und bei nicht zu langem Aufbewahren 
unveränderlich zeigte, schien mir der Weg der wiederholten fraktionierten 
Fällung mit Bleiacetat zur Erlangung eines gleichmäßigen Präparates 
wohl gangbar. Ich verfuhr deshalb folgendermaßen: 

Die Blätter wurden zwei Tage mit Weingeist von 40 Volum- 
prozent ausgezogen; ein längeres Stehenlassen wurde vermieden, um 
nicht durch Abspaltung von Ellagsäure einen schon veränderten Gerb- 
stoff zu bekommen. Der mit überschüssigem Bleiacetat in dem 
filtrierten Auszug erhaltene Niederschlag wurde antangs durch 
Dekantieren mit destilliertem Wasser und dann auf Filtern völlig 
ausgewaschen. Um eine möglichst konzentrierte Gerbsäurelösung zu 
bekommer, wurde der Niederschlag breiförmig, wie er war, mit Schwefel- 
wasserstoff zersetzt. Aus der erhaltenen orangegelben Gerbsäurelösung 
entfernte ich den Schwefelwasserstoff durch Einleiten eines kräftigen 
CO;-Stromes und fällte dieselbe in Fraktionen. Nach dem Abfiltrieren 
des ersten Anteils erhielt ich eine sehr schwach gelb gefärbte Lösung; 
die färbenden Extraktivstoffe waren also in die erste Fraktion über- 
gegangen. Die aus dem Filtrat erhaltenen Niederschläge wurden noch 
zweimal in derselben Weise behandelt und die, nach zum dritten Male 
wiederholter Fällung, erhaltenen Lösungen im Vakuumexsikkator bei 
gewöhnlicher Temperatur auf Porzellantellern eingetrocknet. Bemerkens- 
wert war die Farbe der Bleiniederschläge; die Fraktionen I und II 
waren mattgelb wie Milchkaffee; die letzte III. Fraktion zeigte eine 
glänzende schwefelgelbe Farbe. Es spricht dieser Umstand dafür, daß 
der Gerbstoff der Hainbuchenblätter jedenfalls kein einheitlicher 
Körper ist. 

Die erhaltenen Präparate bestanden aus gelben bis bräunlichen 
durchscheinenden Blättchen, die nur Spuren Asche hinterließen und 
nach dem Zerreiben ein fast zitronengelbes Pulver von hygroskopischer 
Beschaffenheit gaben. Im verschlossenen Gläschen hielt sich dasselbe 
völlig trocken. Es war unmöglich, die Präparate bei höherer Temperatur 
nachzutrocknen; schon unter 100° wurde das Pulver schmierig und 
längere Zeit bei 100° erhitzt trat Dunkelfärbung ein, wie auch beim 
Eindampfen auf dem Wasserbade einer sehr wenig gefärbten Gerb- 
säurelösung stets ein dunkles Präparat erhalten wurde. In Wasser 
Jöste sich der Körper nur unter Abscheidung von Ellagsäure; die nach 
dem Absetzen der letzteren erhaltene klare Lösung war optisch inaktiv. 


K. Alpers: Carpinus Betulus L. 595 


Auch nachdem ich die Gerbsäurelösung mit verdünnter Schwefelsäure 
längere Zeit digeriert und zur Entfernung der letzteren mit einer hin- 
reichenden Menge Bleiacetat und Alkohol versetzt hatte, erhielt ich 
nach dem Filtrieren und weiteren Fällen mit Bleiacetat einen Nieder- 
schlag, der mit Schwefelwasserstoff zersetzt wieder eine Gerbsäure- 
lösung gab, die beim Eindampfen weitere Mengen Ellagsäure abschied. 

Der Gerbstoff der Hainbuchenblätter zeigte alle für die Gerb- 
säuren charakteristischen allgemeinen Reaktionen; Eiweiß-, Alkaloid- 
und Leimlösungen wurden gefällt; Eisenoxydulsalzlösungen wurden nur 
gelb gefärbt, Eisenoxydsalzlösungen jedoch blauschwarz gefällt. 

Da ein Trocknen bei 100° nicht möglich war, wandte ich zur 
Elementaranalyse den im Vakuumexsikkator völlig ausgetrockneten 
Gerbstoff an. Letzterer hinterließ eine sehr schwer verbrennbare 
Kohle; ich wandte deshalb Kupferschiffchen und einen Sauerstoffstrom 
für die Analysen an. Die Substanz wurde im Wägeröhrchen mit 
feinem Kupferoxyd gemischt. 


Gerbstoff aus der ersten Fraktion. 
0,3350 g gaben 0,5430 g COs und 0,1420 g Hg0. 
2. 0,3670 g gaben 0,6164 g COz und 0,1413 g H30. 
3. 0,3040 g gaben 0,4930 g COz und 0,1203 g H30. 


jet 
. 


Gefunden: 
17 2. 5 
C 44,22 44,59 44,23% 
H 4,74 4,19 4,43 „ 


Gerbstoff aus der zweiten Fraktion. 
0,1564 g gaben 0,2630 g CO; und 0,0582 g Hg0. 
2. 0,2610 g gaben 0,4320 g COz und 0,1023 g Hg0. 
Gefunden: 


u 


C 45,86 45,109, 
H 4,16 4,38 „ 


Gerbstoff aus der dritten Fraktion. 
0,2792 g gaben 0,4540 g COg und 0,1242 g HsO. 
Gefunden: 
C 44,35% 
H 498, 


Diese ziemlich übereinstimmenden Analysen beweisen, daß der 
Gerbstoff jedenfalls nur geringe Mengen fremder Stoffe enthält. Selbst 
die erste Fraktion, in die doch die färbenden Bestandteile mit über- 
gegangen waren, zeigte einen nicht viel niedrigeren Kohlenstoffgehalt 
als die übrigen Substanzen. 

38* 


- 5% K. Alpers: Carpinus Betulus L, 


Da vermutlich die Hainbuchenblätter ein Gemisch verschiedener 
Gerbstoffe enthalten, versuchte ich durch fraktionierte Zersetzung des 
Bleiniederschlages mit Schwetelwasserstoff und durch weitere 
fraktionierte Fällung der so erbalteren Lösungen mit Bleiacetat 
eine Trennung vorzunehmen. Es wurde dazu derselbe durch zwei- 
tägiges Digerieren der Blätter erhaltene Auszug wie oben benutzt. 
Diese Operation führte jedoch zu keinem bemerkenswerten Ergebnisse; 
die erhaltenen Präparate zeigten dieselben Eigenschaften, wenn auch 
die elementare Zusammensetzung verschieden war. 


I. Fraktion mit Schwefelwasserstoff, in zwei Anteilen mit Bleiacetat 
gefällt. 
a) 1. Anteil mit Bleiacetat der I. Fraktion mit HaS. 
1. 0,3570 g gaben 0,5930 g COg und 0,1410 g Ha0. 
2. 0,4819 g gaben 0,7932 g COs und 0,1744 g Ha0. 


Gefunden: 
C 45,30 44,899, 
H 4,42 4,05 „ 


b) 2. Anteil mit Bleiacetat der I. Fraktion mit BgS. 
0,2846 g gaben 0,4572 g CO; und 0,1186 g H30. 
Gefunden: 
C 43,82% 
H 4,66, 
II. Fraktion mit Schwefelwasserstoff, in zwei Anteilen mit Bleiacetat 


gefällt. 
a) 1. Anteil mit Bleiacetat der 1I. Fraktion mit HaS. 


0217 g gaben 0,3624 g COs und 0,0864 g Hs0. 
Gefunden: 
C 45,55% 
H, 445, 
b) 2. Anteil mit Bleiacetat der 1I. Fraktion mit HaS. 

1. 0,3515 g gaben 0,5200 & CO3 und 0,1608 g Ha0. 
2. 0,3990 g gaben 0,6050 g COg und 0,1694 g Ha0. 

Gefunden: 

1 2 


C 4035 41,36%, 
wol 4,74 „ 


Der Kohlenstoffgehalt der von Löwe und Zölffel isolierten 
Ellagsäure gebenden Präparate bewegte sich zwischen 49 und 50%, 
wogegen der Wasserstoffgehalt niedriger war als bei meinen Präparaten. 
Mehrere weitere Versuche, auf irgend eine Weise zu einer einheitlichen 
unveränderten Gerbsäure zu gelangen, verliefen ergebnislos. 


K. Alpers: Carpinus Befulus L. 597 


II. Annähernde quantitative Bestimmung des Rohgerbstoffes. 


Der weingeistige Auszug aus 580 g frischen Blättern gab eine 
Gerbsäurelösung, die nach dem Eindampfen 23,6 g eines dunkelbraunen 
Extraktes hinterließ, das nicht völlig ausgetrocknet werden konnte. In 
1000 & frischen Blättern waren also annähernd 40 g Gerbstoff enthalten. 

Der wässerige Auszug aus 500 g frischen Blättern gab bei gleicher 
Behandlung 14,63 g Robgerbstoff. Das Wasser stellt danach anscheinend 
ein schlechteres Extraktionsmittel dar, als der verdünnte Weingeist. 


III. Versuch, ob freie Gallussäure in den Hainbuchenblättern 
vorhanden ist. 


750 g trockene Blätter (im Juli bei Lintorf in H. gesammelt) 
wurden zweimal mit kaltem Wasser ausgezogen und der Auszug 
mehrmals mit Aether ausgeschüttelt. Letzterer nahm eine hellgelbe 
Farbe an; in dem nach dem Abdestillieren verbliebenen geringen Rück- 
stand konnte keine Gallussäure nachgewiesen werden. 


IV. Versuch, ob sich beim blofsen Eindampfen der &erbsäurelösung 
neben Ellagsäure allussäure abspaltet. 


Eine größere Menge einer aus alkoholischem Auszuge stammenden 
Gerbsäurelösung wurde auf dem Wasserbade langsam zur Trockne 
verdampft. Ich erhielt 90 g rohe Gerbsäure; dieselbe wurde wieder 
in Wasser gelöst und dreimal mit je 500 ccm Aether ausgeschüttelt. 
Bei dieser Operation hatte sich im ganzen 3,9 g Ellagsäure abgeschieden. 

Der nach dem Abdestillieren des Aethers verbleibende stark 
gefärbte Rückstand wog 14 g. Derselbe wurde in Wasser gelöst und 
durch Behandeln mit Tierkohle möglichst entfärbt. Da die aus- 
geschüttelte Lösung noch unveränderte Gerbsäure zu enthalten schien, 
fällte ich fraktioniert mit Bleiacetat. Aus der letzten Fraktion erhielt 
ich eine kleine Menge sehr hellen noch Ellagsäure liefernden Gerb- 
stoffes. Die ersten Fraktionen gaben nach dem Zersetzen mit 
Schwefelwasserstoff Lösungen, aus denen ich beim Eindampfen 
ungefähr 10 g noch verunreinigte krystallisierte Substanz gewann, die 
durch weiteres häufiges Umkrystallisieren unter Zusatz von Tierkohle 
völlig farblos und analysenrein erhalten wurde. 

Die Elementaranalyse der bei 1000 getrockneten Substanz lieferte 
folgende Resultate: 

1. 0,3504 g gaben 0,6370 g COg und 0,1177 g Ha0. 

2. 0,1918 g gaben 0,3530 g COg und 0,0602 g H50. 

Gefunden: 
5 2: 
C 49,58 50,19% 
H 3,77 3,51 „ 


598 K. Alpers: Carpivus Betulus L. 


Berechnet für C,H,0, (wasserfreie Gallussäure): 
C 49,41% 
H ., 302, 


Die Substanz gab ferner folgende Reaktionen, die für die Gallus- 
säure charakteristisch sind: 

l. Silbernitrat- und Goldchloridlösung wurden reduziert. 

2. Frisch bereitete Eisenoxydulsalzlösung wurde nicht gefärbt. 

3. In großer Verdünnung wurde die Lösung der Substanz durch 
ein wenig Eisenchloridlösung schön blau gefärbt, in FiRrBnNE Lösungen 
aber blauschwarz gefällt. 

4. Mit Pikrinsäurelösung und Ammoniak versetzt, entstand eine 
gelbrote Farbe. 

5. Mit Cyankaliumlösung trat Rotfärbung ein. 

6. Die Lösung der Substanz in konzentrierter Schwefelsäure 
ließ nach dem Anziehen von Wasser Rufigallussäure auskrystallisieren, 
die durch ihr unlösliches blaues Barytsalz identifiziert wurde. 

Es ist damit erwiesen, daß sich beim bloßen Erhitzen resp. Ein- 
dampfen reichliche Mengen Ellagsäure, ungefähr 4%, und Gallussäure, 
ganz annähernd bestimmt 10%, aus der Hainbuchenblättergerbsäure 
abspalten. 


Y. Versuche, ob bei der Spaltung der Gerbsäure Zucker erhalten wird. 


Kunz-Krause hat (Pharm. Centralhalle 1898, S. 446) bei einem 
Versuche einer rationellen Klassifikation der Gerbstoffe, für die er den 
Namen Tannoide vorschlägt, zwei Hauptgruppen aufgestellt: 1. Nicht- 
glykosidische Tannoide; 2. Glykosidische Tannoide. 

Ich war deshalb bestrebt, die Frage zu entscheiden, ob ein 
glykosidisches Tannoid in dem Hainbuchenblättergerbstoff vorlag. 

Eine wässerige Lösung, die durch längeres Erhitzen und Ein- 
dampfen Ellagsäure und Gallussäure abgespalten hatte, prüfte ich 
zunächst darauf, ob bei diesem einfachen Erhitzen auch Zucker als 
Spaltungsprodukt auftrat. Zu diesem Zwecke entfernte ich die Gerb- 
säure und Gallussäure mit Bleiacetat und dampfte das wasserhelle 
Filtrat nach dem Ausfällen des überschüssigen Bleis mittels Schwefel- 
wasserstoff auf dem Wasserbade bis auf einige Kubikzentimeter ein. 
Ich erhielt so eine hellbraune Flüssigkeit, die noch etwas Gerbsäure 
enthielt, zur  möglichsten Beseitigung derselben setzte ich basisches 
Bleiacetat hinzu, fällte im Filtrat das überschüssige Blei mit H,S und 
dampfte wieder ein. Es hinterblieben ca. 2,5 g einer gummiartigen gelb 
getärbten Masse, in der durch Polarisation, durch die Gärungsprobe, 
sowie mit Phenylhydrazin kein Zucker nachzuweisen war. Fehling’sche 
Lösung wurde allerdings reduziert. 


K. Alpers: Carpinus Betulus L 599 


Ich hydrolysierte dann 80 g Gerbsäure in wässeriger Lösung 
durch längeres Erhitzen auf dem Wasserbade unter Zusatz von 2% 
Schwefelsäure und beseitigte darauf die Gerbsäure usw. mit Blei- 
acetat. Zur vollständigen Entfernung der Schwefelsäure versetzte ich 
das Filtrat mit Alkohol, um die Schwefelsäure als Bleisulfat abzu- 
scheiden. Von dem Filtrat destillierte ich den Alkohol ab, entfernte 
in dem Rückstande das noch vorhandene Blei mit Schwefelwasserstoft 
und dampfte das Filtrat auf dem Wasserbade bis auf ungefähr 100 cem 
ein. Es hinterblieb eine schwach gelbgefärbte Flüssigkeit, die 
Fehling’sche Lösung reduzierte und aus der mit Phenylhydrazin 
nach der bekannten Zuckerprobe wohl geringe Mengen Krystallnadeln 
erhalten wurden, die sich aber nicht durch Umkrystallisieren aus 
Weingeist reinigen ließen und in keiner Weise einwandsfrei als ein 
ÖOsazon charakterisiert werden konnten. Auch beim wiederholten Ver- 
suche mit größeren Mengen Gerbsäure gelang es mir nicht, ein Osazon 
zu erhalten. Die Lösung drehte ferner das polarisierte Licht nicht. 

Um beim Eindampfen die Einwirkung der Essigsäure aus- 
zuschließen, wandte ich bei einem weiteren Versuch zur möglichsten 
Entfernung der Gerbsäure, Gallussäure und Schwefelsäure, anstatt 
Bleiacetat eine Mischung von Bleikarbonat und Bleioxyd an. 100 g 
rohe Gerbsäure wurden, wie oben, mit Schwefelsäure behandelt und das 
vom Bleiniederschlag erhaltene, entbleite Filtrat, welches möglicher- 
weise den Zucker entnalten konnte, noch mit Aluminiumhydroxyd 
weiterhin entfärbt; ich konnte darin ebenfalls weder durch Polarisation 
noch durch die Gärprobe Zucker nachweisen. 

Zölffel (Arch. d. Pharm. 1891, Bd. 229, S. 133) fand in dem 
von ihm isolierten Gerbstoff Zucker, und auch Rembold (Ann. d. 
Chem. und Pharm. 1867, Bd. 143, S. 285 ff.) will solchen in der 
Granatgerbsäure nachgewiesen haben. Es scheint mir jedoch fraglich, 
ob bei diesen Gerbstoffen Zucker als Spaltungsprodukt auftritt, da 
die Reduktion der Fehling’schen Lösung keineswegs zum Nachweis 
genügt; es ist ferner nicht ausgeschlossen, daß in manchen Fällen der 
mit Phenylhydrazin erhaltene Körper kein Osazon war, denn Böttinger 
(Ann. d. Chem. 1890, Bd. 259, S. 125 ff.) hat nachgewiesen, daß Gerb- 
extrakte ebenfalls krystallisierte Verbindungen mit Phenylhydrazin 
geben. Es entziehen sich bei der Entfernung der Gerbsäuren mit 
Blei stets geringe Mengen des Gerbstoffes der Fällung; man erhält 
so beim Einengen der vermeintlich zuckerhaltigen Flüssigkeit einen 
Sirup, der mit Phenylhydrazin geringe Mengen eines krystallisierbaren 
Körpers liefert, der zufällig denselben Schmelzpunkt wie das Gluko- 
sazon haben kann. Ich möchte deshalb an dieser Stelle hervorheben, 
daß es sich wohl empfehlen dürfte, die Gerbsäuren, welche nach 


600 K. Alpers: Carpisus Ba’ulus L. 


älteren Arbeiten als glykosidisch angenommen werden, nochmals einer 
Untersuchung zu unterziehen, um vor allen Dingen die Art des bei 
der Spaltung auftretenden Zuckers einwandsfrei nachzuweisen. 


VI. Analyse der durch Abspaltung von Gallussäure und Ellagsäure 
veränderten Gerbsäure. 

Wie oben auseinandergesetzt ist, bleibt nach der Abspaltung von 
Ellagsäure und Gallussäure noch ein Gerbstoff, der weiterhin Ellag- 
säure liefert, mit der Gallussäure in Lösung. Die Trennung von 
letzterer bot dadurch Schwierigkeiten, daß der Aether, welcher zum 
Ausschütteln der Gallussäure verwandt wurde, zugleich nicht un- 
beträchtliche Mengen der verbleibenden Gerbsäure löste, doch gelang 
es mir, aus der Gerbsäurelösung, die durch längeres Erhitzen auf dem 
Wasserbade verändert war, nach möglichstem Entfernen der Gallus- 
säure durch Ausschütteln mit Aether, in dem von letzterem befreiten 
Filtrat mittelst Blei in bekannter Weise eine Gerbsäurelösung zu er- 
halten, die im Vakuum bei gewöhnlicher Temperatur eingetrocknet, 
ein sehr helles Präparat ‘gab, daß sich wie die übrigen schon be- 
schriebenen Gerbstoffe verhielt, aber einen höheren Kohlenstoffgehalt 
hatte, und aus dem nur noch unbedeutende Mengen Gallussäure isoliert 
werden konnten. 

1. 0,360 g dieses Präparates gaben 0,6210 g COg und 0,1494 & H30. 

2. 0,196 g dieses Präparates gaben 0,3400 g COa und 0,1960 g Ha0. 

. Gefunden: 


C_ 47,07 47,31%, 
H 4,64 4,15 „ 

Aus der mit Schwefelsäure behandelten Gerbsäurelösung stellte 
ich in analoger Weise ein Präparat dar, daß einen noch höheren 
Kohlenstoffgehalt, im übrigen aber dieselben Eigenschaften aufwies, 
wie die anderen untersuchten Proben. 

1. 0,2214 g dieses Präparates gaben 0,404 g COg und 0,097 g H30. 

2. 0,2320 g dieses Präparates gaben 0,421 g CO3 und 0,0996 g Ha0. 

3. 0,2900 g dieses Präparates gaben 0,5232 g COz und 0,1139 g Ha0. 


Gefunden: 
1. &% & 
C 49,76 49,49 49,20% 
H. 4,90 4,80 4,39 „ 


Diese Zahlen kommen denen, welche von Löwe und Zölffel 
für die Ellagengerbsäure erhalten wurden, näher; es scheint, als. ob es 
nur verunreinigende Stoffe sind, welche den Unterschied zwischen den 
Ellagsäure und Gallussäure liefernden Gerbstoffen bedingen. _Wegen 
der Schwierigkeiten, welche die Untersuchung der Gerbstoffe bieten, 
waren weitere Bemühungen, genauere Kenntnis über die Zusammen- 


K. Alpers: Carpious Betulus L. 61 


setzung des Hainbuchenblättergerbstoffs zu erlangen, fruchtlos. Ich 
mußte hier deshalb meine Arbeit beschließen und es der Zukunft 
anheimstellen, in die Konstitution der Ellagsäure liefernden Gerbstoffe 
größeres Licht zu bringen. 


Zusammenstellung der Resultate. 


1. Die Blätter von Carpinus Betulus L. enthalten einen Gerb- 
stoff. der sehr leicht, zum Teil schon in dem Auszug der Blätter mit 
verdünntem Weingeist von 40%, Ellagsäure abspaltet. 

2. Glykoside oder Alkaloide waren in den Blättern nicht auf- 
zufinden. 

3. Außer von Weingeist wird die Ellagsäure noch von Methyl- 
alkohol und Aceton in einigermaßen bemerkenswerten Mengen gelöst. 
Alle übrigen gebräuchlichen Lösungsmittel nehmen die Ellagsäure nur 
in Spuren oder garnicht auf. 

4. Die Ellagsäure verkohlt erst bei 450—480° ohne vorher zu 
schmelzen. 

5. Die Krystallform der Ellagsäure wechselt, dem Anschein nach 
bestanden die unter dem Mikroskop betrachteten Präparate aus kurzen 
rhombischen Prismen und langen prismatischen Nadeln. 

6. Die Konstitution der Ellagsäure ist nicht sichergestellt'); die 
meiste Wahrscheinlichkeit hat die Formel Graebe’s. Das, bei 100° 
entweichende Wasser der lufttrockenen Ellagsäure ist möglicherweise 
Anhydrid- und kein Krystallwasser. Die lufttrockene Ellagsäure könnte 
danach als Hexaoxydiphenyldikarbonsäure aufgefaßt werden, und der bei 
109° entwässerten Substanz käme dann die von Graebe aufgestellte 
Formel zu, wäre also das Dilakton der Hexaoxydiphenyldikarbonsäure. 

7. Der Hainbuchenblättergerbstoff hat sehr viel Aehnlichkeit mit 
der Ellagengerbsäure; er liefert bei der Spaltung außer Ellagsäure Gallus- 
säure. Eine glykosidische Natur des Gerbstoffes konnte nicht fest- 
gestellt werden; durch diesen Umstand unterschied sich der Hain- 
buchenblättergerbstoff wesentlich von dem der Myrobalanen, der 
Algarobilla und Dividivischoten. 


Die vorliegende Arbeit wurde in der Zeit von Sommer 1903 bis 
Winter 1905 in der pharmazeutischen Abteilung des chemischen Instituts 
der Universität Münster ausgeführt; Herrn Prof. Kaßner spreche ich 
für den mir zuteil gewordenen Rat meinen aufrichtigenDank aus. 


1) Vergleiche die Anmerkung auf Seite 587. 


602 H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 


Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Wien. 


Beitrag zur Kenntnis der Thalleiochinreaktion. 
Von Hermann Fühner. 


(Eingegangen den 20. X. 1906.) 


Die Bemühungen derer, welche sich heute mit dem Studium 
der Alkaloidreaktionen befassen, sind fast ausschließlich darauf ge- 
richtet, bekannte Reaktionen charakteristischer zu gestalten, oder neue 
Nachweismethoden der Alkaloide aufzufinden. 

Von einem tieferen Eindringen in das Wesen der Reaktion, von 
einer Untersuchung des Chemismus derselben, wird meist abgesehen. 

Diese Tatsache wird verständlich, wenn man bedenkt, daß einmal 
die Konstitution vieler Alkaloide noch zu wenig bekannt ist, um als 
Unterlage zu solchen Untersuchungen zu dienen, daß andererseits viele 
Alkaloidreaktionen, die ja meist Farbenreaktionen darstellen, derart 
ephemerer Natur sind, daß Zwischenprodukte der Reaktion kaum 
isoliert werden können. 

In dieser Hinsicht günstiger liegen die Verhältnisse bei der 
Murexidprobe der Purinderivate, welche darum von verschiedener 
Seite in den letzten Jahren eingehender Untersuchung gewürdigt wurde 
und bei der, mit dieser in mancher Hinsicht verwandten Reaktion 
verschiedener Chinaalkaloide, der sogenannten Thalleiochinreaktion, 
zu deren Verständnis vorliegende Arbeit einen Beitrag liefert. 


Das Chinin wurde im Jahre 1820 von Pelletier und Caventou 
isoliert. Fügt man zur wässerigen Lösung eines Chininsalzes Chlorwasser 
und nachher Ammoniak in bestimmtem Verhältnis, so erhält man eine 
smaragdgrüne Lösung oder einen dunkelgrünen Niederschlag. 

Diese typische Identitätsreaktion des Chinins entdeckte im Jahre 1835 
der Apotheker J. J. Andr& in Metz, welcher im August dieses Jahres 
der Pariser Societ€E de pharmacie hierüber Bericht erstattete. Ich lasse 
letzteren in seinem französischen Wortlaut folgen: 

„Lorsque, dans une solution aqueuse de quinine ou de sel de quinine, 
; . on verse un peu de chlore liquide, la solution brunit l&gerement; .... 
Le chlore s’empare d’abord de ’ammoniaque unie A la resine de la quinine, 
en la forcant & rester en suspension, faute d’un dissolvant; ... mais, en 
ajoutant un exc&s de chlore, celui-ci dissout la r&sine suspendue .... Ayant 
voulu precipiter par ’ammoniaque faible la resine que je supposais avoir &te 
alterde par le chlore, j’obtins un precipite vert, qui se dissolvait & l’instant 


H. Fühner: Tballeiochinreaktion. 603 


dans la masse du liquide, et lui communiqua une couleur vert @meraude 
magnifique!).* 

Den unter gewissen Bedingungen bei dieser Reaktion entstehenden 
grünen Niederschlag studierte R. Brandes?) eingehender und nannte ihn 
Tballeiochin®). 

Von den Chinaalkaloiden geben Grünfärbung durch Chlorwasser und 
Ammoniak außer dem Chinin das Chinidin, das Cuprein und das mit letzterem 
isomere, aus Chinin darstellbare Apochinin. 

Wir wissen heute, daß die Chinaalkaloide einen reduzierten Pyridinring 
und einen Chinolinring enthalten. Das Chinin selbst besitzt, in Parastellung 
zum Stickstoff des Chinolins eine Methoxylgruppe, also den Komplex des 
p-Chinanisols. 

Im Jahre 1886 machte Zd. H. Skraup“) die Beobachtung, daß durch 
diesen Komplex die Thalleiochinreaktion des Chinins bedingt ist. 

Wie erwähnt, gibt nicht nur das Chinin, sondern auch das 
Cuprein genannte Reaktion. Das Cuprein besitzt an Stelle der 
Methoxylgruppe des Chinins nur eine Hydroxylgruppe: statt des 
p-Chinanisols das p-Oxychinolin. Diese Tatsache veranlaßte mich, zu 
prüfen, ob das p-Oxychinolin gleichfalls die Thalleiochinreaktion gibt, 
eine Vermutung, welche ich in der Tat bestätigt fand?). 

In letzter Instanz ist also auch die Thalleiochin- 
reaktion des Chinins auf das p-Oxychinolin zurück- 
zuführen. 

Das Studium der Thalleiochinreaktion zerfällt naturgemäß in eine 
Untersuchung und Reindarstellung erstens der durch Chloreinwirkung 
und zweitens der durch Einwirkung von Ammoniak auf erstere ent- 
stehenden Produkte. Sie beschränkt sich heute zweckmäßig auf eine 
Untersuchung der Produkte, welche aus p-Oxychinolin und p-Chinanisol 
dargestellt werden können, da einmal die Konstitution der China- 
alkaloide noch nicht vollständig aufgeklärt, es andererseits aber wenig 
wahrscheinlich ist, daß die aus diesen Alkaloiden entstehenden Derivate 
in dem in Betracht kommenden Chinolinanteil wesentlich von den hier 
zu untersuchenden einfachen Produkten abweichen. 

Leider muß ich aus äußeren Gründen gegenwärtige Untersuchung 
schon mit dem Studium der p-Oxychinolinderivate abbrechen; beim 
p-Chinanisol habe ich nur einige Vorversuche angestellt, welche mir 
aber zeigten, daß auch aus diesem ein beständiges Chlorprodukt 
gewonnen werden kann. 


1) Journal de Pharmacie, 2. eer., T. XXII, p. 133 (1836). 

2) Arch. d. Pharm. 2 R., 15, 261 (1838). 

8) Irrtümlicherweise nannte Brandes das Produkt „Dalleiochin“, 
trotzdem er den Namen, wie er selbst sagt, von duAksıw, grünen, ableitet. 

4) Wiener Monatshefte 6, 764 (1886). 

5) Ber. d. D. chem. Ges. 38, S. 2713 (1905). 


624 H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 


I. Allgemeiner Teil. 


Die Einwirkung von Chlor auf p-Oxychinolin ist von Th. Zincke'). 
in Gemeinschaft mit seinen Schülern eingehend studiert worden. 

Die negative Hydroxylgruppe des p-Oxychinolins wirkt auf die 
eintretenden negativen Chloratome orientierend in der Weise ein, daß 
das erste und zweite Chloratom in die der Hydroxylgruppe benach- 
barte ana (5)-Stellung, weitere Chloratome dann in meta (7)- und ortho 
(8)-Stellung eintreten. 

Als Endprodukt der Chlorierung des p-Oxychinolins (I) erhielten 
Zincke und Müller ein Tetrachlorketohydrochinolin (IV). Zwischen- 
stufen zu diesem mußten ein Monochloroxychinolin (II), und ein 
Dichlorketochinolin (III) sein. 


CH ca 
eat ah F-secend, OH 
a nn u 

N CH N @ 

I II. 

COls CCls 
MER, co RS co 
ya eh cHcı 

N & N ca 

II IV. 


Zincke nahm die Chiorierung in Eisessiglösung vor, wobei er 
das erwartete Monochloroxychinolin direkt isolieren konnte, während 
ihm die Darstellung des Dichlorketons nicht gelang. 

Entsprechend der Anwendung von Chlorwasser bei der Thalleiochin- 
reaktion ließ ich Chlor auf p-Oxychinolinchlorhydrat in wässeriger 
Lösung einwirken. Hierbei bildet sich nahezu ausschließlich das in 
kaltem Wasser fast unlösliche, in Eisessig aber leichtlösliche und 
darum von Zincke nicht erhaltene Dichlorketochinolin. 


CH Ccl 
Ten aß:ÖH Ir Bon 
hend “ +ha=-|.| + Hal 
en 

N CH C 
Morochloroxychinolin 

CcCi CCl 
ine Tl OH Di 
Ile + - Care 
eg Sihusso 

CH N CH 

ve 4 Dichlorketocbinolin. 


1) Liebigs Annal. d. Chem, 264, 201 (1891) und 290, 321 (1896). 


H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 605 


Ein diesem Dichlorketon isomeres Dichloroxychinolin (V) bekam 
Zincke durch Reduktion von Trichlorketochinolin (VI), welches 
durch Salzsäureabspaltung aus dem Tetrachlorketohydrochinolin (IV) 
gewonnen wird. 


Gel CClg 

esta: OH anne 00 
en | If 
60 Kiel Slonı 
N CH N CH 

VW ME 

00% cc 
Ed an 
EL), on, 

Gul N ca 

vu VII 


Dieses Dichloroxychinolin ist in seinen Eigenschaften vollständig 
verschieden von dem isomeren, von mir dargestellten Produkte. Es 
läßt sich als Phenol acetylieren und schmilzt bei 217°. 

Das von mir erhaltene Produkt schmilzt hingegen bei 58° und 
erinnert schon durch diesen niedrigen Schmelzpunkt an die von 
Zincke dargestellten Ketone, von denen das Trichlorketon (VI) bei 
105°—106°, das Tetrachlorketon (VII) bei 82°—83° schmilzt, während 
‘das Monochloroxychinolin (IT) bei 198°, das Trichloroxychinolin (VIII) 
bei 244° schmelzen. 

Das Dichlorketon verhält sich auch sonst genau den Zincke’schen 
Ketonen entsprechend: Es spaltet beim Kochen mit Wasser oder 
verdünntem Alkohol unterchlorige Säure ab und geht in das Monoehlor- 
oxychinolin (II) über, das, wie erwähnt, bei Chlorierung in Eisessig 
direkt erhalten wird. 


CO; cc 
SEE 


| | H = | = + C1:OH 
Su nzH Sn. =0H 
N CH N CH 
Dichlorketochinolin. Monochloroxychinolin. 

Wie Zincke sein Dichloroxychinolin durch Erhitzen des Trichlor- 
ketochinolins mit einer Lösung von Natriumbisulfit erhielt, so konnte 
ich das Monochlorprodukt aus dem Dichlorketon erhalten. 

C9NH;Clg0 + NaHSO; + H30 = CgNH,CIOH + NaCl + H,SO, 


Behandelt man das salzsaure Salz des Monochloroxychinolins in 
wässeriger Lösung mit Chlor, so entsteht wieder das Dichlorketochinolin. 


606 H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 


Wie die Chlorketochinoline von Zincke reagiert auch das 
Dichlorketochinolin leicht schon in der Kälte in alkoholischer oder 
alkoholisch-wässeriger Lösung mit primären Aminen, hingegen nicht 
mit sekundären. Mit Hydroxylaminchlorhydrat bildet sich ein braunes, 
mit Methylamin ein rotes Produkt, welches in alkoholischer Lösung 
stark orangerote, an Eosin erinnernde Fluoreszenz besitzt. 

Eingehender wurde die Einwirkung von Anilin auf das Dichlor- 
ketochinolin studiert. Hierbei entsteht in alkoholischer oder essig- 
saurer Lösung ein Monanilid, das nach den Untersuchungen und 
Erfahrungen vonZincke bei seinem Trichlorketochinolin die For el eines 
Monochlor - p-oxychinolylphenylamins (Anilidomonochloroxychinolins) 


besitzen muß. ccı 
—>"=0.08 


| 


SI _—n CH 
N Ü 


NH.CoH, 

Durch ihre Färbung interessant sind die mit ß-Naphtylamin und 
p-Amidochinolin entstehenden Kondensationsprodukte. Letzteres ist 
braungrün, ersteres chlorophyligrün gefärbt; durch diese Färbung 
erinnern die Produkte an das durch Ammoniakeinwirkung auf das 
Dichlorketochinolin sich bildende blaugrüne, dem Thalleiochin ent- 
sprechende Produkt. Vorübergehende Grünfärbung beobachtet man 
auch beim Zusammenbringen des Dichlorketons mit p-Phenylendiamin 
und ebenso mit Anilin. 

Die alkoholischen oder alkoholisch-wässerigen Lösungen des 
Dichlorketochinolins geben mit Ammoniak die für die Thalleiochin- 
reaktion typische Grünfärbung. Dieses Dichlorketon muß in 
der mit Öhlorwasser versetzten Lösung des p-OÖxychinolins 
vorhanden sein, damit durch Ammoniak eine smaragdgrüne 
Färbung zustande kommt. Die Lösungen des Monochloroxychinolins 
geben mit Ammoniak keine Grünfärbung. Höher gechlorte Produkte, 
die mit Alkalien Grünfärbung geben, wie dies Zincke z. B. am 
Tetrachlorketochinolin beobachtete, werden in der wässerigen Lösung 
nicht gebildet. 

Sind die Lösungen des Dichlorketons genügend konzentriert und 
nicht zu stark alkoholhaltig, so setzt sich nach Zusatz von Ammoniak 
nach längerem Stehen ein blauer amorpher Niederschlag ab, welcher 
dem Thalleiochin von Brandes entspricht, und für welchen ich den 
Namen Thalleiochinolin vorschlagen möchte. Für die Derivate 
kämen dann die Namen Methylthalleiochinolin bezw. Thalleiochinanisol, 
Thalleiocuprein, Thalleiochinidin in Betracht. 


H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 607 


Das Thalleiochinolin löst sich, wie dies in gleicher Weise vom 
Thalleiochin bekannt ist, in Säuren mit weinroter bis rotbrauner Farbe 
auf. Uebersättigt man die saure Lösung mit einem Alkali, z. B. Baryt- 
wasser, Natronlauge oder Natriumkarbonat, so entsteht wieder ein 
blaugrüner Niederschlag. Setzt man aber zu der ursprünglichen 
Lösung des Dichlorketons ein anderes Alkali als Ammoniak, so be- 
obachtet man höchstens rasch vorübergehende, niemals aber beständige 
Blaufärbung. Auch diese unbeständige Blaufärbung konnte ich nur 
durch Barytwasser, nicht aber durch Nätriumkarbonat oder Natron- 
lauge erhalten. Für das Verständnis der Reaktion durch Ammoniak 
ist es wichtig, daß die charakteristische Blaufärbung nicht nur durch 
dieses, sondern auch durch andere Alkalien hervorgebracht werden 
kann. Der rasch verschwindenden Blaufärbung folgt eine braune 
Fällung, welche man durch Natronlauge und Natriumkarbonat von 
vornherein erhält, und welche unter Umständen auch durch Ammoniak 
entsteht). 

Aehnliche braune Produkte hat schon s. Z. Brandes beim 
Chinin beobachtet und nannte sie Rusiochin und Melanochin. 

Die Bildung von Thalleiochinolin aus dem Dichlor- 
ketochinolin gelingt also mit keinem anderen Alkali außer 
mit Ammoniak. 

Schon diese Beobachtung führt zu der Annahme, daß der 
Ammoniakstickstoff einen integrierenden Bestandteil des Thalleio- 
chinolinmoleküls bildet, was durch die Analyse der Verbindung be- 
stätigt wird. 

Es gelang mir nicht, ein absolut chlorfreies Präparat herzustellen. 
Ich fand 1—1,5% Chlor. Dieses dürfte als Ammoniumchlorid vor- 
handen sein, kann aber durch Auswaschen nicht vollständig entfernt 
werden. Praktisch ist das Thalleiochinolin chlorfrei und die für 
Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff ermittelten Werte stimmen am 


1) Die genaueren Bedingungen, unter welchen sich das blaue oder 
braune Produkt bilden, sind folgende: Setzt man zur Lösung des Dichlor- 
ketons tropfenweise sehr verdünntes Ammoniak unter Umschütteln, so bekommt 
man, auch wenn schließlich ein Ueberschuß von Ammoniak vorhanden ist, 
niemals grünes, sondern nur braunes Produkt. Zur Erzielung des grünen 
Produktes muß man einen Ueberschuß von Ammoniak auf einmal zusetzen. 
Ich möchte diese Reaktion empfehlen zur Demonstration des Einflusses der 
„partiellen Absättigung“, welcher in der Kolloidchemie große Bedeutung 
zukommt. 

Ein weiteres Studium der Thalleiochinreaktion müßte zweckmäßig mit 
der Untersuchung dieser leicht zugänglichen braunen Produkte einsetzen und 
deren Verhältnis zu dem grünen Körper feststellen. 


608 H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 


besten auf die Formel: Ci H1Ns02. Die Formel C,H; N5Ö0 paßt, 
abgesehen von anderen Gründen, wegen ihres höheren Wasserstoff- 
gehaltes weniger gut zu den Ergebnissen der Analyse. 

Die Formel OgH3NaO kommt dem Aminooxychinolin zu. Ein 
5-Amino-6-Oxychinolin (s. u.) ist von Math&us!) beschrieben worden. 
Dieses Produkt ist farblos und krystallisiert . mit zwei Molekülen 
Wasser. Erhitzt man, so entweicht das Krystallwasser und der Rück- 
stand färbt sich grün. Vielleicht findet hier zugleich mit dem Wasser- 
verlust Oxydation und Uebergang zum Thalleiochinolin ‘oder einem 
ähnlichen Produkte statt. 


2C9HgN50 + O = CjeH1N40s + Hy. 


Sehr wichtig zum Verständnis der Konstitution des Thalleio- 
chinolins erscheint mir die Beobachtung von Math&us?), daß auch das 
aus dem 5-Amino-6-Oxychinolin durch Oxydation entstehende 5,6 
(B)-Chinolinchinon mit Ammoniak Blaufärbung gibt. 


CNH3 co 
Pe: 
N CH N CH 


5-Amino-6-Oxychinolin. 5,6-Chinolinchinon. 


Bei dieser Reaktion, auf welche ich in einem Anhang zu dieser 
Arbeit zurückkommen werde, entsteht jedenfalls ein, dem Thalleio- 
chinolin sehr nahestehendes, vielleicht mit ihm identisches Produkt. 

Ein Teil des Stickstoffs im Thalleiochinolin kann durch Baryum 
oder Natrium ersetzt werden. Erhitzt man das Produkt mit Natron- 
lauge, so entweicht Ammoniak. Das Thalleiochinolin ist also ebenso 
wie das Murexid ein Ammoniumsalz. 

Wie für die Cyanine®) muß man, schon wegen seiner gleichfalls 
intensiven Färbung, im Molekül des Thalleiochinolins zwei Chinolin- 
kerne annehmen, welche bei den Oyaninen wahrscheinlich durch eine 
CH-Brücke in T-Stellung, hier durch eine N-Brücke in p-Stellung 
verbunden sind. 

Entsprechend der empirischen Formel CjsH,4 N403 möchte ich 
die beiden folgenden Konstitutionsformeln zur Diskussion stellen: 
Erstens die eines Indamins (I) und zweitens die eines Oxazons (II). 


ı) Ber. d. D. chem. Ges. 21, 1646 (1888). 

2) Ibidem 8. 1887. 

8) A. Miethe u. G. Book, Ber. d. D. chem. Ges. 37, 2008, 2821 (1904) 
und 38, 3804 (1905). W. Koenig, Journ. f. prakt Chem. (2) 73, 100 (1906). 


H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 609 


Dichinolylindaminammoniak. Dichinolyloxazonammoniak. 


In beiden Formeln ist der Eintritt des die Chinolinkomplexe 
verbindenden Stickstoffs in Parastellung zum Chinolinstickstoff') 
angenommen und zwar wegen der Aehnlichkeit des Thalleiochinolins 
mit den einfachen Chinonimidfarbstoffen. Für die tertiäre Natur dieses 
Brückenstickstoffs lassen sich ähnliche Argumente geltend machen, wie 
für das entsprechende Stickstoffatom des Murexids, auf welchen 
Körper ich weiter unten zurückkommen werde. 

Die chromophore Gruppe in beiden Formeln ist diejenige des 
Chinondiimids: REN 
—N=C C=N— 

Als notwendige Voraussetzung zum Zustandekommen des Thalleio- 
chinolins aus dem Dichlorketochinolin erscheint es mir, daß dieses 
wenigstens zum Teil beim Behandeln mit Ammoniak in das 5, 6-Chinolin- 
chinon übergeht, und letzteres dann, vielleicht durch die freiwerdende 
Salzsäure, zum entsprechenden Hydrochinon reduziert wird. Die 
Bildung von Indophenolen und Oxazinen aus Chinonchlorimiden und 
Phenolen ist bekannt, und könnten ähnliche Kondensationen auch hier 
stattfinden. Als Zwischenstufe zum Thalleiochinolin wäre auch an eine 
Chinonimidbildung zu denken, wie solche bei der Ammoniakeinwirkung 
auf Alizarin bekannt ist?), vor allem aber halte ich intermediäre Chin- 
hydronbildung für sehr wahrscheinlich. Für eine solche möchte ich 
jedenfalls die vorübergehende Blaufärbung durch Barytwasser an- 
sehen. Das unbeständige Chinhydron geht bei Ammoniakeinwirkung 
in das gleichgefärbte Thalleiochinolin, bei der Einwirkung von Baryt- 
wasser in das früher erwähnte braune Produkt über. 

Mitbestimmend für die Aufstellung obiger Formeln für das 
Thalleiochinolin waren die Resultate der neueren Untersuchungen über 
die Konstitution des Murexids. 


1) Die obenerwähnte Entstehung eines grünen Produktes — vielleicht 
des Thalleiochinolins — aus dem 5-Amino-6-Oxychinolin scheint a priori 
gegen den Eintritt des N in 6-Stellung zu sprechen. Doch wird, wie oben 
angegeben, das Aminooxychinolin leicht zum 5,6-Chinolinchinon cxydiert, 
wobei Ammoniak abgespalten wird, von welchem man dann wieder Einwirkung 
in 6-Stellung annehmen kann. 

2) R. Scholl und M. Parthey, Ber. d. D. chem. Ges. 39, 1201 (1906). 


Arch. d. Pharm. CCXXXXIV. Bds. 8. Heft. 39 


610 H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 


Das Murexid ist bekanntlich ein Ammonsalz, wie das Thalleio- 
chinolin, und zwar das Ammonsalz der Purpursäure. Ein letzterer . 
entsprechendes Phenol muß in der rotgefärbten sauren Lösung des 
Thalleiochinolins angenommen werden. 

Die Murexidprobe, als Reaktion der Purinderivate, wird in 
ähnlicher Weise angestellt, wie die Thalleiochinreaktion. Man behandelt 
das Purinderivat zuerst mit einem Oxydationsmittel — Salpetersäure 
oder auch Chlorwasser — und nachher mit Ammoniak. 

Für das Murexid kommen nach den Untersuchungen von 
O. Piloty und K. Finckh!) zwei Formeln in Betracht, erstens die 
eines Ketonimids (I) und zweitens die eines Oxazons (II): 


eirzs I. 
C-ONH, co C-ONH, Ö 
HN ” ei cCuN=g = ei NH HN N NER NH 
oc ICH" OL yI0O 00. ..co oCL; ziCH 
NH NH NH NH 


Während Piloty die Formel des Oxazons vorzieht, entscheidet 
sich R. Möhlau?) hauptsächlich wegen der Unbeständigkeit des 
Murexids und der außerordentlichen Labilität der Purpursäure für die 
erste Formel, zu welcher ebenfalls M. Slimmer und J. Stieglitz?) 
auf Grund ihrer Ueberlegungen und Beobachtungen gelangen. 

Das Thalleiochinolin ist zwar, bedingt durch seinen aromatischen 
Charakter, beständiger als das Murexid, doch besitzt es immerhin 
nicht die Beständigkeit der Oxazone. Noch mehr aber, als die geringe 
Beständigkeit, dürfte folgende Beobachtung zugunsten der Indamin- 
formel für das Thalleiochinolin sprechen: 

Löst man dasselbe in Eisessig und versetzt mit überschüssigem 
Anilin, so findet Kondensation schon in der Kälte statt und man 
erhält eine durch Natronlauge in Form roter Flocken ausfallende Base, 
welche leicht mit Aether auszuschütteln ist. Verdampft man den 
Aether, so hinterbleibt ein krystallinischer Rückstand, dieser löst sich 
in konzentrierter Schwefelsäure mit blaugrüner Farbe, welche beim Ver- 
dünnen mit Wasser in ein schönes Violettrot übergeht. Die Substanz bildet 
also einsäurige rote und mehrsäurige blaue Salze, zeigt somit das 
Verhalten der Azine.*) Azinbildung ist bekanntlich eine typische 


1) Liebigs Annal. d. Chem. 333, 22 (1904). 

2) Ber. d. D. chem. Ges. 37, 2686 (1904). 

8) Amer. Chem. J. 31, 661 (1904). 

4) Einen ähnlichen mehr braun gefärbten basischen Körper mit den 
Eigenschaften der Azine erhielt ich als Nebenprodukt bei der Einwirkung 


H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 611 


- Eigenschaft der Indamine und es erscheint die Entstehung genannter 
Base als Argument für die Auffassung des Thalleiochinolins als eines 
Indamins. 

Ich halte darum die Formel I für den besten Ausdruck 
unserer gegenwärtigen Kenntnis der Eigenschaften des 
Thalleiochinolins. - 

Zur chemischen Charakterisierung der Thalleiochin- 
reaktion läßt sich auf Grund meiner Untersuchungen 
zusammenfassend folgendes aussagen: 

Die erste Phase der Reaktion besteht, jedenfalls beim 
p-Oxychinolin, voraussichtlich auch beim Cuprein, in der 
Bildung eines Dichlorketons durch Chlorwasser. Aus 
diesem entsteht in der zweiten Phase durch Ammoniak- 
einwirkung ein Chinonimidfarbstoff. Wie aber das Chlor- 
substitutionsprodukt der in der Phenolgruppe methylierten, 
Derivate, p-Chinanisol und Chinin konstituiert sein wird, 
läßt sich nicht voraussagen und muß durch weitere Versuche 
aufgeklärt werden. 


II. Experimenteller Teil. 


5, 5-Dichlor-6-Ketochinolin. 
(Dichlor-p-Ketochinolin). 


CCis 
N sah co 


| | 
ee 


N CH 
Ein Teil nach den Angaben von Skraup!) vermittelst Zinn- 
chlorür und Schwefelwasserstoff gereinigtes p-Oxychinolinchlorhydrat 
wird in dreißig Teilen kaltem Wasser gelöst; in die nahezu farblose 
Lösung wird ein lebhafter Chlorstrom eingeleitet. Eiskühlung ist 
überflüssig. Verläuft der Prozeß normal, so bildet sich schon in den 
ersten Minuten eine Krystallhaut auf der Oberfläche der Flüssigkeit, 


von Anilin direkt auf das Dichlorketochinolin und auch auf das entsprechende 
Chinolinchinon. Vergl. hierzu meine Untersuchung im Archiv f. exp. Pathol. 
und Pharmakol. 55, 27 (1906). Chinolinazine sind schon mehrere beschrieben. 
So von@. Wichern, Chinolinazine, Dissert. Hamburg 1905, und W. Meigen 
und E. Nottebohm, Ber. d. D. chem. Ges. 39, 744 (1906). 

1) Wiener Monatshefte, 3, 531 (1883). 


34* 


+ 


612 H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 


welche allmählich dicker wird, und bald zeigen sich in der Lösung - 
reichlich krystallinische Flocken. 

Es kann vorkommen, daß die Krystallabscheidung nicht erfolgt, 
wie hier angegeben. Dann zeigt sich erst nach längerer Zeit am 
Boden des Gefäßes ein gelbes Oel, das später krystallinisch erstarrt, 
und zugleich beobachtet man schwefelgelbe Krystallmassen in der 
Flüssigkeit. Die ausgeschiedenen Krystalle werden auf einem Filter 
gesammelt und mit kaltem Wasser gewaschen. Gießt man auf die 
schwefelgelbe krystallinische Masse Wasser, so entweicht Chlor unter 
Aufschäumen und es bleiben farblose Krystalle auf dem Filter zurück, 
wie man sie bei normalem Verlauf der Chlorierung sogleich erhält. 

Es empfiehlt sich, zuerst nur eine kleine Menge p-Oxychinolin 
zu chlorieren. Von diesem Produkt setzt man dann einige Krystalle 
der zu chlorierenden größeren Menge Lösung zu, um gleich krystallinische 
Ausscheidung des Dichlorketons zu bekommen. 

Das krystallinische Produkt wird zwischen Filtrierpapier gut 
ausgepreSt und im Vakuum über Schwefelsäure und Kali getrocknet. 

Ein Teil des gebildeten Dichlorketons bleibt im Wasser gelöst 
zurück; man schüttelt dasselbe zu dessen Gewinnung mit Aether oder 
Benzol aus und verdampft diese Lösungen, aus welchen sich das 
Produkt in großen durchsichtigen Krystallen ausscheidet. 

Auf diese Weise erhält man im ganzen 60% der Theorie an 
Dichlorketonbase. 

Das Dichlorketochinolin krystallisiert aus Petroläther in oft 
mehrere Zentimeter langen Prismen mit zugespitzten Enden oder in 
Tafeln mit abgestumpften Ecken. Die Krystalle sind nie ganz farblos, 
sondern schwach blaßgrün gefärbt. In vollkommen trockenem Zustande 
bleiben sie lange unverändert durchsichtig; an der Luft werden sie 
bald trüb und undurchsichtig und bräunen sich unter Zersetzung. 

Der Schmelzpunkt der Base liegt bei 58°"). Sie ist leicht löslich 
in den meisten organischen Lösungsmitteln, schwerer in Petroläther. 
Sie löst sich wenig in kaltem, ziemlich leicht in heißem Wasser. Die 
Lösung in heißem Wasser färbt sich gelb, bei längerem Stehen rot, 
hierbei findet Abspaltung von unterchloriger Säure statt, durch 
Jodkalilösung nachweisbar. 


Die Ergebnisse der Analyse sind: 


1. 0,1547 g der im Vakuum über Schwefelsäure und Kali getrockneten 
Substanz lieferten 0,2888 CO, und 0,0383 Hs0. 
2. 0,1588 g lieferten 0,2963 CO, und 0,0391 Hs0. 


!) Sämtliche Schmelzpunkte sind mit gekürzten Graebe-Anschütz- 
schen Thermometern bestimmt, also korrigiert. 


H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 613 


3. 0,1445 g lieferten 8,79 ccm N bei 21,40 und 762,5 mm. 
4. 0,3196 g lieferten 0,4322 AgCll). 


Berechnet für Gefunden: 

CoHs ON Ölg: 1; 2, g; 4. 
Cg 108,00 50,47 50,91 50,89 _ — 
H, 5,04 2,35 2,76 2,75 _ _- 
N 14,04 6,56 _ _ 6,97 - 
Ca 709 33,14 _ _ — 33,43 
16) 16,00 7,48 _ _ — — 

213,99 


Salzsaures Salz C,H,ON CI, HCl. Löst man die Base in 
Eisessig oder Aceton und setzt konzentrierte Salzsäure tropfenweise 
zu, so fällt das Chlorhydrat krystallinisch aus. Aus Eisessig kann 
man schön ausgebildete größere Krystalle in Würfelform von blaßgelber 
Farbe erhalten. Das Chlorhydrat färbt sich bei etwa 180° rot und 
schmilzt über 240° unter Zersetzung. 


Analysenwerte: 
1. 0,1544 g Substanz, im Vakuum über Schwefelsäure und Kali 
getrocknet, lieferten 0,2474 COg und 0,0359 Ha0. 
2. 0,1465 g Substanz lieferten 7,93 com N bei 20,40 und 763 mm. 


3. 0,1570 g Substanz lieferten 0,2732 g AgCl. » 

Berechnet für Gefunden: 
CgHg ON Olg: ı 2. 3: 

Co, 108,00 43,12 43,65 — _ 

He 6,05 2,41 2,58 _ —_ 

N 14,04 5,61 _ 6,23 _ 

Cl, 106,36 42,47 — _ 43,02 

6) 16,00 6,39 _ _ _ 
250,45 


5-Chlor-6-Oxychinolin. 
(Monochlor-p-Oxychinolin.) 


ccı 
Bee 


CH 
aulllen GB 
Kocht man das Dichlorketochinolinchlorhydrat mit verdünntem 
Alkohol am Rückflußkühler, so färbt sich die Flüssigkeit erst gelb, 
dann braun. Nach mehrstündigem Kochen verdampft man die Lösung 
zur Trockne, löst den Rückstand in verdünnter Salzsäure und fällt 
mit Natriumacetat. Das Chloroxychinolin fällt filockig krystallinisch 


1) Chlorbestimmungen mit Kalk und Soda nach Piria und Schiff. 


614 H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 


aus, ist gelb gefärbt und wird durch Kochen mit Tierkohle in 
alkoholischer Lösung gereinigt. In analysenreiner Form erhält man _ 
das Produkt durch wiederholtes Umkrystallisieren aus verdünntem 
Alkohol. Als ich die Dichlorketonbase in gleicher Weise mit ver- 
dünntem Alkohol kochte, erhielt ich harzige Schmieren. 

Ein gleich viel reineres Monochlorprodukt erhält man, wenn man 
das gepulverte Dichlorketon in eine heiße Lösung von Natrium- 
bisulfit einträgt und bis zur vollständigen Lösung erhitzt. Die heiße 
gelbe Lösung fällt man mit Natriumacetat. Um zu einem analysen- 
reinen Produkt zu gelangen, muß man aber auch hier mit Tierkohle 
kochen und wiederholt aus verdünntem Alkohol umkıystallisieren. 

Das auf diese Weise hergestellte Monochloroxychinolin 
entspricht in seinen Eigenschaften genau dem von Zincke und Müller!) 
aus dem p-Oxychinolin durch Chlorierung in Eisessiglösung direkt 
erhaltenen Produkte, ist also mit diesem identisch. Der genauen 
Beschreibung gerannter Autoren kann ich nichts Neues hinzufügen 
und wiederhole sie in den wesentlichen Punkten: 

Das Monochloroxychinolin bildet nahezu farbloseNadeln vom 
Schmelzpunkt 198°, welche bei höherer Temperatur unzersetzt 
sublimieren. Es hat sowohl die Eigenschaften einer Base, wie die 
eines Phenols; bildet mit Mineralsäuren gut charakterisierte Salze und 
löst sich in kohlensauren Alkalien. Mit Essigsäureanhydrid entsteht 
eine Acetylverbindung. 

Die Analyse der im Vakuum über Schwefelsäure getrockneten 
Substanz ergab: 


1. 0,1862 g Substanz lieferten 0,4073 COsz und 0,0634 Hs0. 
2. 0,2793 g Substanz lieferten 0,2231 Ag0l. 


Berechnet für Gefunden: 

Co He ONCI: il 2. 
Gy 108,00 60,15 59,66 — 
He 6,05 3,37 3,81 — 
N 14,04 7,82 -- _ 
Cl 35,45 19,75 —_ 19,76 
10) 16.00 891 —_ — 

179,54 


Das Chlorhydrat wie das Sulfat sind schwefelgelb gefärbt und 
krystallisieren leicht. 

Durch Kochen mit Essigsäureanhydrid und Umkrystallisieren aus 
verdünntem Alkohol erhält man ein Acetylprodukt in farblosen Nadeln, 
welche bei 100° schmelzen. 


1) Liebigs Annal. d. Chem. 264, 211 (1891). 


H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 615 


5-Chlor-6-Oxy-8-Anilidochinolin. 
(Monochlor-p-oxychinolylphenylamin.) 
dr ae pet 
bin aaa 
N Ü 
HE 

Ein Teil Dichlorketon wird in 25 Teilen Alkohol kalt gelöst 
und ein Ueberschuß Anilin (2,5 Teile) zugegeben. Die Mischung färbt 
sich erst olivgrün, aber bald rotbraun. Gelinde Erwärmung derselben 
ist zu beobachten. Man digeriert eine Stunde lang bei 50° und läßt 
dann 24 Stunden stehen; versetzt darauf mit verdünnter Essig- 
säure bis sich Trübung der Flüssigkeit zeigt, dann mit Wasser, so- 
lange Fällung eintritt. Schwarze Krystallmassen setzen sich an der 
Glaswand ab. Man löst diese nach Entfernung des Wassers in wenig 
heißem Alkohol und setzt zu der heißen Lösung konzentrierte Salzsäure. 
Bald beginnt Krystallisation und nach einiger Zeit ist die Flüssigkeit 
zum Krystallbrei erstarrt. Dieser wird nach dem Erkalten abgesaugt 
und erst mit verdünntem Alkohol, welcher mit etwas Salzsäure ver- 
setzt ist, später mit Wasser gewaschen. Der krystallinische Kuchen 
besteht aus dem braunrot gefärbten Chlorhydrat des Monanilids. Man 
erhitzt dasselbe mit Natriumacetatlösung, wodurch die freie Base in 
Form gelber bis kellbrauner Flocken ausgeschieden wird. Zu ihrer 
Reinigung kocht man in alkoholischer Lösung mit Tierkohle und 
krystallisiert wiederholt aus verdünntem Alkohol um. 

Aus dem alkoholisch-salzsauren Filtrat kann sich bei längerem 
Stehen — durch Wasserzusatz begünstigt — noch etwas rotes Chlor- 
hydrat abscheiden. 

ı Die stark gefärbte Lösung bleibt nach Ausscheidung 
des Chlorhydrats beim Zusatz von Wasser vollständig klar. Neutra- 
lisiertt man diese Lösung mit Natronlauge, so findet Abscheidung 
rotbrauner Flocken statt, welche in überschüssigem Alkali unlöslich 
sind, und leicht mit Aether ausgeschüttelt werden können. Aus Aether 
erhält man nach dem Verdampfen desselben einen z. T. krystallinischen 
Rückstand, welcher sich in konzentrierter Schwefelsäure mit blau- 
grüner Farbe auflöst. Verdünnt man diese Lösung mit Wasser, so 
geht die Farbe in Blutrot über. Die Lösungen fluoreszieren nicht. 
Ein einfaches Dianilid scheint hier nicht vorzuliegen: wahrscheinlich 
hat Azinringschließung stattgefunden. 

Auf ein ähnliches Produkt, welches ich aus dem Thalleiochinolin 
‘erhielt, komme ich bei diesem zurück. 


616 H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 


Aehnlich wie Zincke bei seinem Anilidodichlorchinolin 
(l. e. p. 219) kann man bei vorliegendem Monanilid verschiedene . 
Formen unterscheiden. Löst man das Produkt in Alkali und fällt 
mit Essigsäure aus, so ist der flockig-krystallinische Niederschlag blaß 
schwefelgelb gefärbt. Beim Abfiltrieren wird er hellbraun. Krystallisiert 
man aus Alkohol um, so scheiden sich erst derbe, dunkelbraune 
Krystallnadeln aus; später, bei vermehrtem Wasserzusatz feine gelbe 
Nadeln mit grünem Öberflächenglanz. Beide Produkte, gepulvert und 
im Exsikkator längere Zeit scharf getrocknet, haben den Schmelz- 
punkt 127°—128°. 

Chlorhydrat und Sulfat sind in heißem saurem Wasser 
löslich und kıystallisieren beim Erkalten aus demselben in kleinen 
zinnoberroten Krystallen aus. Durch heißes Wasser werden die 
Salze zerlegt. 

Die Analyse der Base ergab: 

1. 0,1095 g Substanz lieferten 0,2668 CO, und 0,0480 Hs0. 

2. 0,2430 g Substanz lieferten 0,1250 AgCl. 


Berechnet für Gefunden: 
Cj5Hy ON Cl: 1. 2. 
Cs 180,00 66,52 66,46 _ 
H;ı 11,08 "4,09 4,90 —_ 
Na 28,08 10,38 -- —_ 
Cl 35,45 13,10 _ 12,72 
Ö 16,00 5,91 _ _ 
270,61 


Thalleiochinolin. 
(Dichinolylindaminammoniak.) 


co NH,0—C 
ARTEN See 


| 
eh aloe nel ae 
N CH CH, 

2g Dichlorketochinolinchlorhydrat werden in 80 ecm Weingeist 
kalt gelöst. Die Lösung wird mit 600 ccm destillierten Wassers ver- 
dünnt, dann sofort mit 40 ccm (15 %igem) Ammoniak auf einmal ver- 
setzt und gut gemischt. Nachdem sich der blaugrüne flockige Nieder- 
schlag gebildet hat, wird mit verdünnter Essigsäure neutralisiert und 
filtriert'). Der Filterrückstand wird mit destilliertem Wasser in ein 
hohes Gefäß gespült und mit destilliertem Wasser verrührt. Nach 
etwa fünf Stunden hat sich der Niederschlag gut abgesetzt; die braun- 


1) Absaugen läßt sich das Produkt nicht. 


H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 617 


grüne Flüssigkeit wird abgehebert und neues Wasser zugesetzt. Zum 
Auswaschen der hier vorhandenen Menge Thalleiochinolin habe ich 
zehn Liter Wasser verwandt; trotzdem erwies sich das Präparat bei 
der Analyse als nicht absolut chlorfrei. 


Nach dem Dekantieren wird der Niederschlag auf ein gehärtetes 
Filter gebracht, die Hauptmenge Flüssigkeit mit Filtrierpapier 
abgesaugt, und darauf das Filter im Vakuumexsikkator über Schwefel- 
säure und Kali getrocknet. 

Die Ausbeute aus 2 g Chlorhydrat betrug etwa 0,8 g Ammon- 
salz, d. h. 30% der Theorie. Rechnet man die beim Dekantieren 
unvermeidlichen Verluste hinzu, so kann man annehmen, daß 40—50% 
des Dichlorketons in Thalleiochinolin übergehen. 

In der hier angegebenen Weise habe ich meine zwei Analysen- 
präparate dargestellt. Für erneute Darstellung würde ich vorziehen, 
die Dichlorketonbase (nicht das Chlorhydrat) in wenig Alkohol zu 
lösen, dann die zur Chlorhydratbildung genügende Menge verdünnter 
Salzsäure zuzusetzen und nach dem Verdünnen mit wenig Wasser 
in überschüssiges Ammoniak einzugießen. Das Dichlorketon muß 
sofort mit einem Ueberschuß von Ammoniak zusammentreffen, 
sonst bildet sich kein Thalleiochinolin. Löst man das Dichlor- 
keton in Alkohol, setzt Salzsäure im Ueberschuß zu und dann 
tropfenweise langsam Ammoniak, so beobachtet man erst Gelb- dann 
Braunfärbung der Flüssigkeit und schließlich bei Ammoniaküberschuß 
die Entstehung eines braunen Niederschlages. 

Das Thalleiochinolin CjsHı4N4032 ist amorph und bildet 
zerrieben ein dunkelblaues, hygroskopisches Pulver ohne Metallglanz. 
Auf dem Platinblech erhitzt, schmilzt es nicht. Es verbrennt sehr 
schwierig ohne Rückstand. Mit Natronlauge erhitzt, entweicht 
Ammoniak. Das Thalleiochinolin löst sich in Wasser, Aether, Chloro- 
form, Essigester und Petroläther nur spurenweise, etwas mehr in 
Alkohol. In Alkalien löst es sich in der Kälte kaum, mehr in der 
Wärme, wobei Zersetzung (Braunfärbung) eintreten kann. Frisch 
bereitete, noch nicht getrocknete Präparate sind gegen Aikalien 
beständiger als solche, die bei 110° getrocknet wurden. In Mineral- 
säuren löst sich das Thalleiochinolin mit karminroter bis rotbrauner 
Farbe. Kocht man verdünnte saure Lösungen und tällt dann wieder 
mit Alkali, so ist die Fällung häufig nicht mehr rein blaugrün, sondern 
zum Teil braun. 

Suspendiertt man Thalleiochinolin in Ammoniak und leitet 
Schwefelwasserstoff ein, so findet Reduktion unter Braunfärbung statt. 
Das gebildete Produkt wird an der Luft wieder grün. 

Die Analysen 1, 2, 3 sind von einem, 4 von einem zweiten 


618 H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 


Präparate gemacht. Die Substanzen wurden im Vakuumexsikkator 
über Schwefelsäure und Kali bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. 
Analyse 1 wurde mit diesem bei gewöhnlicher Temperatur getrockneten 
Präparate ausgeführt; zu den übrigen Bestimmungen wurden die 
Substanzen erst noch drei Stunden lang bei 105—110° getrocknet. 

1. 0,1856 g Substanz lieferten 0,4523 COa und 0,0714 Hs0. 

2. 0,3202 g Substanz lieferten 0,7839 COg und 0,1087 Hs0. 

3. 0,1239 g Substanz lieferten 18,79 ccm N bei 21,40 und 754 mm. 

4. 0,1918 g Substanz lieferten 0,4682 COs und 0,0679 Hs0. 


Berechnet für Gefunden: 
Cs Hy N Oz: 1; 2. 3. 4. 
Cs 216,00 67,89 66,46 66,77 — 66,58 
Hu 1411 4,43 4,30 3,79 — 3,96 
N, 56,16 17,64 — —_ 17,47 _ 
O5 32.00 10,05 — —_ _ 
318,27 


Die Analysen ergaben einen zu niedrigen Kohlenstoff- und 
Wasserstoffgehalt. Diese Tatsache wird dadurch verständlich, daß 
beide Analysenpräparate, trotz des sorgfältigen Auswaschens noch 
etwas Chlor enthielten. Eine quantitative Bestimmung desselben 
ergab einen Gehalt von 1—1,5%. 

Wenn auch die Analysenzahlen nicht genau auf die Formel 
CjsHıaN,0s stimmen, so dürfte diese doch als die Formel für das 
reine Präparat angesehen werden. Berücksichtigt man den Chlor- 
fehler, so paßt sie jedenfalls besser, als andere ihr nahestehende 
Formeln zu den Ergebnissen der Analyse, wie aus folgender 
Zusammenstellung zu ersehen ist. 


H N 
Gefundene Werte: 66,8 38 175 
Cjg HıaN4 Oa 683 38 1,7 
Cyg Hı4N4 0a 678 44 176 
CjeHıg N4 03 674 :50 ...:175 
Ce H14 N, Og 64,6 42 168 


Wenig befriedigend verliefen meine Versuche, andere Salze aus 
dem Ammonsalz darzustellen. Ich löste in dieser Absicht das Thall- 
eiochinolin in Eisessig oder verdünnter Salzsäure und fällte mit Baryt- 
wasser, Natronlauge oder Natriumkarbonat. Abgesehen davon, daß es 
sehr schwierig ist, die voluminösen Niederschläge, welche sich weder 
dekantieren noch absaugen lassen, auszuwaschen, sie also von Ver- 
unreinigungen zu befreien, ist es mir nicht gelungen, dieselben mit 
dem berechneten Stickstoff- bezw. Baryum- oder Natriumgehalt darzu- 
stellen. Die Präparate enthielten durohwwag zuviel Stickstoff und zu 
wenig Metall. 


H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 619 


Der Stickstoffgehalt für das Barytsalz müßte 11,41% betragen; 
ich fand in zwei Bestimmungen 14,27 und 14,29%. Ein solcher Stick- 
stoffgehalt paßt aber sehr gut zu dem Gehalt einer Mischung von 
gleichen Teilen Barytsalz und Ammonsalz. 

Das Natronsalz müßte 13,03% Stickstoff enthalten; ich fand für 
zwei verschieden dargestellte Präparate 15,59 und 16,34% Stickstoff. 
Eine Mischung von gleichen Teilen Natron- und Ammonsalz würde 
15,33% Stickstoff verlangen. Es scheint also auch hier eine solche 
vorzuliegen. j 

Das Thalleiochinolin, in Natronlauge suspendiert, reagiert mit 
Benzoylchlorid. 

Mit Anilin reagiert dasselbe schon bei gewöhnlicher Temperatur. 
Die mit überschüssigem Anilin versetzte anfangs graublaue - Lösung 
in Eisessig wird nach zwölfstündigem Stehen oder rasch beim Erwärmen 
violettrot. Man verdünnt mit Wasser und versetzt dann langsam mit 
Natronlauge. Es bildet sich, schon, solange die Lösung noch sauer ist, 
ein brauner Niederschlag, welchen man vom Anilinacetat abfiltriert. 
Man behandelt den braunen Rückstand mit verdünnter Salzsäure, in 
welcher er sich zum Teil mit schön violettroter Farbe auflöst. Man 
fällt aus dieser Lösung wieder mit Alkali und äthert aus. Die Farb- 
base geht mit braunroter Farbe in Aether. Ein Karbonat durch Ein- 
leiten von trockener Kohlensäure in die ätherische Lösung darzustellen, 
gelang mir nicht. Verdampft man die ätherische Lösung, so hinter- 
bleibt ein blutroter krystallinischer Rückstand. Dieser löst sich in 
konzentrierter Schwefelsäure mit blauer Farbe; beim Verdünnen mit 
Wasser wird die Lösung wieder violettrot. Bitteren Geschmack 
besitzen die Salze nicht oder nur in geringem Maße. 


III. Anhang. 
Ueber die Einwirkung von Ammoniak auf 5, 6 ($)-Chinolinchinon. 


Gelegentlich einer Untersuchung über das Verhalten des Chinolins 
im Tierkörper!) machte ich die Beobachtung, daß der Harn der 
Versuchstiere, nach dem Kochen mit Salzsäure, durch Ammoniak grür 
gefärbt wird. Diese Reaktion erinnert einerseits an die von Jaffe 
entdeckte Reaktion der Kynurensäure?), andererseits an die typische 
Identitätsreaktion des Chinins, die Thalleiochinreaktion. 

In der Hoffnung, durch das Studium dieser an sich interessanten 
Alkaloidreaktion zugleich zu einem Verständnis der schwierig aufzu- 


1) Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 55, 27 (1906). 
2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 7, 399 (1882—1883). 


620 H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 


klärenden Harnreaktion zu gelangen, machte ich die vorstehend 
wiedergegebenen Versuche. 

Wie oben gezeigt, läßt sich die Grünfärbung durch Ammoniak 
bei der Thalleiochinreaktion der von mir in dieser Richtung unter- 
suchten einfachen Chinolinderivate auf das Vorhandensein eines Dichlor- 
ketochinolins zurückführen. Ich vermutete, daß ein dem letzteren 
nahestehendes Produkt die Harnreaktion bedingt und fand als solches 
in der Tat das von Mathöus entdeckte 5, 6-Chinolinchinon. 

Bei der nahen Verwandtschaft von Dichlorketochinolin und 


CC, co 
ww Napa > co = Rn co 
| 
| | 
N ‚A N JH 


5, 5-Dichlor-6-Ketochinolin. 5, 6-Chinolinchinon. 
Chinolinchinon und der von mir angenommenen intermediären Bildung 
von Chinolinchinon bei der Einwirkung von Ammoniak auf das Di- 
chlorketochinolin erwuchs mir die Aufgabe einer Vergleichung des aus 
dem Chinon durch Ammoniakeinwirkung entstehenden rs: Produktes 
mit dem Thalleiochinolin. 

Entgegen den Angaben von Mathäöus konnte ich TEN 
daß eine Lösung von Chinolinchinonchlorhydrat nicht nur durch 
Ammoniak, sondern auch durch andere Alkalien blaugrün gefärbt 
wird. Doch während die Färbung beim Ammoniak an Intensität 
namentlich beim Schütteln der Lösung zunimmt, geht dieselbe bei den 
anderen Alkalien (Barytwasser, Natronlauge, Natriumkarbonat) rasch 
in Braun über, ist also unbeständig. Diese Beobachtung einer Grün- 
färbung auch durch Natronlauge und Natriumkarbonat ist insofern 
interessant, als es mir beim Dichlorketon nicht gelang, eine solche 
durch diese Alkalien hervorzubringen. Nur durch Barytwasser konnte 
ich bei beiden Produkten vorübergehende Färbung erzielen. Diese 
Färbungen durch die Alkalien lassen sich wohl nicht mit den Farb- 
reaktionen der Phenole durch Eisensalze vergleichen, bei welchen die 
Bildung einer chromophoren Gruppe —O—Fe<{ anzunehmen ist, 
sondern ich möchte sie, wie oben erwähnt, für Chinhydronbildung 
halten. Diese Annahme würde zugleich die Unbeständigkeit erklären. 
Bei Ammoniakeinwirkung mag sowohl beim Dichlorketon, wie beim 
Chinon anfänglich Chiohydron entstehen, welches dann in das be- 
ständigere Indamin übergeht. 

Es sei schon hier vorausgeschickt, daß ich in ihrer chemischen 
Zusammensetzung das Produkt aus dem Dichlorketon und 
dasjenige aus dem Chinon für identisch halte, trotzdem es mir 
nicht gelang, einen direkten analytischen Beweis hierfür zu erbringen. 


H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 621 


Für die Identität beider Produkte spricht, daß sie in gleicher 
Weise mit Anilin unter Azinbildung reagieren, daß sie bei Säure- 
zusatz beide eine rote Lösung geben, welche dann durch beliebige 
Alkalien dauernd blau gefärbt wird, endlich auch, daß man aus dem 
Chinon, ebenso wie dies beim Dichlorketon angegeben wurde, bei Zu- 
satz minimaler Mengen Ammoniak zu einem braunen Produkt gelangt, 
das sich, einmal gebildet, nicht mehr in das blaue Produkt durch 
weiteren Ammoniakzusatz überführen läßt. 

Was das Produkt aus dem Chinon von dem aus dem Dichlor- 
keton unterscheidet, ist sein verschiedenes physikalisches Verhalten, 
vor allem seine Leichtlöslichkeit in Wasser, Alkohol etc. Es muß 
aber betont werden, daß die aus dem Dichlorketon hergestellten 
Thalleiochinolinpräparate auch unter sich verschiedene Löslichkeit be- 
sitzen, und daß auch aus den Lösungen des Chinon-Thalleiochinolins 
unlösliche Präparate gewonnen werden können. 

Die Lösungen dieses Produktes sind nämlich in Wirklichkeit 
Pseudolösungen; das kolloidal gelöste blaue Produkt läßt sich darum 
aussalzsen. Zwischen beiden amorphen Produkten scheint nur ein 
Unterschied im Grade der Verteilung zu bestehen, bedingt in der 
verschiedenen Art der Entstehung beider Körper. In der Chinon- 
lösung bildet sich der Farbstoff in der ammoniakalischen Lösung 
allmählich unter Beteiligung des Luftsauerstoffs, in der Lösung des 
Chlorproduktes geht die Farbstoftbildung rasch vor sich, und der 
Luftsauerstoff scheiut hierbei nicht beteiligt zu sein; hier wirkt 
offenbar das Chlor als Oxydationsmittel. 

Zur Darstellung des Thalleiochinolins aus dem Chinon löste ich 
das Chlorhydrat in Wasser und übersättigte mit Ammoniak. Läßt man 
die ammoniakalische Lösung ruhig an der Luft stehen, so bildet sich 
an der freien Flüssigkeitsoberfläche eine Haut von blauem Farbstoff. 
Um die Bildung desselben zu beschleunigen, leitete ich längere Zeit 
einen Luftstrom durch die Lösung. Da sich das blaue Produkt nach 
dem Luftdurchleiten nicht absetzte, wurde der Alkaliüberschuß durch 
Salzsäure abgestumpft, wobei der Farbstoff in Flocken ausfiel. Er 
wurde von der Lösung abfiltriert und da er sich bei einem Versuch 
des Auswaschens mit Wasser in diesem auflöste!), wurde mit einer 
Ammoniumchloridlösung gewaschen, in welcher das Produkt unlöslich 
ist. Dann wurde auf dem Filter im Exsikkator getrocknet. Bemerkens- 
werterweise verlor das Produkt hierbei seine Löslichkeit in Wasser 
und konnte nunmehr durch Auslaugen mit großen Mengen Wassers 
und Dekantieren soweit vom Ammoniumchlorid befreit werden, daß 
bei der Analyse nur noch Spuren Chlor festzustellen waren. 

4) Vielleicht ließe sich das Produkt durch Dialysieren reinigen. 


622 H. Fühner: Thalleiochinreaktion. 


Aus 2 g Chinonchlorhydrat erhielt ich 0,6 2 trockenes, blaues 
Produkt. Verbrennung und Stickstoffbestimmung des zuerst im . 
Exsikkator und dann vier Stunden bei 105° getrockneten Präparates 
ergaben folgende Werte: 

1. 0,1947 g Substanz lieferten 0,4575 CO; und 0,0581 Hs0. 

2. 0,1833 g Substanz lieferten 23,19 ccm N bei 17,50 und 755 mm. 

Zu der früher für das Thalleiochinolin angegebenen Formel 
C;sHı4 N;0s stimmen diese Werte nicht. Sie nähern sich eher einer 
Formel C;sH},N,05;, welche ein Sauerstoffatom mehr im Molekül 
enthält, und ich stelle darum die Analysenresultate mit den für diese 
Formel berechneten Werten zusammen. 


Berechnet für Gefunden: 
Cs Hu N408: % 2. 
Cs 216,00 64,62 64,08 _ 
HB, 1411 4,22 3,34 _ 
N 56,16 16,80 _ 14,80 
OO; 48,00 14,36 _ _ 
334,27 


Die erhaltenen Werte würden also für einen Mehrgehalt an 
Sanerstoff im Chinon-Thalleiochinolin sprechen. Doch möchte ich auf 
diese Analysenresultate überhaupt keinen großen Wert legen, da das 
analysierte Chinonprodukt wahrscheinlich nicht einheitlicher Natur 
war. Während nämlich die anfänglich beim Stehen der ammoniakalischen 
Chinonlösung an der Luft sich bildende Haut rein blau war, erschienen 
die sich beim Versetzen mit Säure abscheidenden Flocken grün gefärbt, 
sodaß dieselben wohl eine Mischung von braunem und blauem Produkt 
darstellten. Jedenfalls halte ich das von mir aus dem Dichlor- 
ketochinolin dargestellte Produkt für einheitlicher, als das aus dem 
Chinon gewonnene. Doch sei hervorgehoben, daß meine Angaben 
über die Zusammensetzung auch des ersten Produktes nicht ab- 
solut zuverlässig sein können. Dies ist einmal dadurch bedingt, daß 
das Thalleiochinolin eine amorphe, hygroskopische, unbeständige 
Substanz darstellt, die keinen Schmelzpunkt besitzt und nur sehr 
schwierig gereinigt werden kann, hauptsächlich aber durch den 
Umstand, daß mir nur kleine Substanzmengen zu meiner Untersuchung 
zur Verfügung standen, Mengen, die zur Reindarstellung und 
Charakterisierung eines krystallinischen Produktes vielleicht ausgereicht 
hätten, aber bei einem amorphen Produkte nicht genügten. Meine 
Angaben über die Natur des Thalleiochinolins sind darum nur als 
ein erster Versuch des Eindringens in ein bisher nicht betretenes 
Gebiet zu betrachten. 


E. Wedekind: Santonin. 623 


Aus dem chemischen Laboratorium der Universität Tübingen. 


Beiträge zur Kenntnis des Santonins. 
(Studien in der Santoninreihe. 9. Mitteilung'). 
Von E. Wedekind. 

(Eingegangen den 27. X. 1906.) 


Die Chemie des Santonins und seiner Isomeren ist hauptsächlich 
durch die italienischen Forscher Cannizzaro, Andreocei, 
Francesconi u. a. gefördert worden; obwohl das von denselben 
gelieferte Tatsachenmaterial außerordentlich groß und mannigfaltig 
ist, so sind doch noch einige Lücken und ungelöste Probleme nach- 
geblieben, ganz abgesehen davon, daß eine Synthese des Santonins oder 
eines seiner Abbauprodukte noch nicht ausgeführt ist und auch wohl 
auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen dürfte. Ehe ich auf die 
Schilderung einiger Beobachtungen eingehe, die ich der Mitarbeit der 
Herren Oskar Schmidt und Adolf Koch verdanke, will ich kurz 
den heutigen Stand der Forschungen in der Santoningruppe 
skizzieren?). 

Die Konstitution des natürlichen Santonins ist bis auf zwei 
— unwesentliche — Punkte als aufgeklärt zu betrachten. Das Santonin 
C,;Hıs03 ist ein Abkömmling des 1, 4-Dimethylnaphtalins und besitzt 
gleichzeitig die Funktionen eines Ketons und eines Lactons. Das 
Karbonyl der Ketogruppe befindet sich nicht, wie J. Klein noch im 
Jahre 1903 (vergl. dieses Archiv 231, 701 ff.) annahm, in der Seiten- 
1) Frühere Mitteilungen s. Ber. d. d. chem. Ges. 31, 1860 (1898); 32, 
1411 (1899); 36, 1386 ff., 1395 ff. (1903); 38, 421 fi., 429 ff, 1845 ff. (1905), 
Zeitschr. f. physiolog. Chem. 43, 240 ff. (1904); vergl. auch Ber. d. V. inter- 
nationalen Kongresses f. angewandte Chemie, Sektion IVB, Bd. II, 979 f., 
sowie Zeitschr. f. Farben- und Textil-Chemie II., 230 ff. (1903). 

2) Da die einschlägigen Arbeiten ziemlich zerstreut und fast aus- 
schließlich in italienischen Journalen niedergelegt sind, so wird dieser kleine 
Exkurs vielleicht dem einen oder anderen Leser willkommen sein; näheres 
findet sich in meiner Monographie „Die Santoningruppe“, Sammlung chem. 
u. chem.-techn. Vorträge, Bd. VIII (1903). 


624 E. Wedekind: Santonin. 


kette (Lactonriug), sondern in demjenigen Benzolkern!) des Naphtalin- 
ringes, welcher auch die beiden in Parastellung befindlichen Methy]- 
gruppen enthält. Der Lactonring, welcher durch seine Beständigkeit 
als 7-Lacton?) gekennzeichnet ist, besteht aus einem Propionsäurerest, 
der in der a-Stellung des letzteren an den Naphtalinring angegliedert 
ist, und zwar an den nichtmethylierten Benzolkern; da nicht fest- 
steht, an welche Kohlenstoffatome der Lactonring angeschlossen ist, 
so sind vorläufig die beiden folgenden Konstitutionsformeln (I und II) 
für das Santonin als gleichberechtigt anzusehen: 


— CHs 
| 
CH, C CH, C 
Pa a Bann 
„9 u 6 CHa H5C & CHg 
I 0x | | | II. | | | 
CH—CH riet a Ai? 
5 —_a | ES 
CE, CH: © CH a 
| | 
CH3 076 0) CHs 


Hierzu ist zu bemerken, daß bis vor einiger Zeit noch eine 
dritte Formel diskutiert wurde, in welcher zwar die Angliederung des 
Lactonringes, wie in Formel I angenommen, der Ausgleich der 
Valenzen aber durch eine Parabindung (nach dem Vorbilde der alten 
Kekul&’schen Kampferformel) dargestellt wurde. Diese Formel III 


CH; 


muß aber nach meiner Meinung definitiv verlassen werden, seitdem 
Francesconi und Venditti?) nachgewiesen haben, daß die hydro- 


1) Von den verschiedenen Beweisen für diese Tatsache erwähne ich 
nur die Reduktion des Santonins mit Zinkstaub und Essigsäure, welche zu 
einem Pinakon (Santonon) führt, das zu einer Bis-p-dimethylphthalsäure ab- 
gebaut werden kann; vergl. Atti d. R. Accad. d. Linc. Rendic. (5), 1, IL, 62 ff., 
188 ff. und Gaz. chim. 30, II., 122 ff, 

2) Die zugehörige Oxysäure, die Santoninsäure, geht sehr leicht wieder 
in das Lacton (Santonin) über; beständiger sind die santoninsauren Salze. 

8) Gaz. chim. 32, I, 281 ff. 


E. Wedekind: Santonin. 625 


lytische Aufspaltung des methylierten Benzolkerns unter dem Einfluß 
des Sonnenlichtes!) zu zwei isomeren Derivaten des Dihydrobenzols 
führt, während bei Vorhandensein einer Parabindung Abkömmlinge 
eines hydrierten Benzocyklobutanringes 


zu erwarten wären. 

Die als Photosantonsäurelacton und Isophotosantonsäurelacton 
bezeichneten Produkte der „Photo-Hydrolyse“ entsprechen folgenden 
Formeln: 


CH; gr 
) 
CH CH CH CH 
_ 9-Ht Ü CHa _0D—CH U CH 
IV. CO | V..co | 
„SCH-—CH 6 u —CH—CH »:7 
5 a: EI | pe 
oT CH 2a CH © on “ 
CH3 CH3 
Photosantonsäurelacton. Isophotosantonsäurelaton. 


Nach den Formeln I und II müßte das Santonin zwei Kohlen- 
stoffdoppelbindungen erhalten; auf die hieraus sich ergebenden Kon- 
sequenzen ist w. u. einzugehen. 

. Die Konstitution des sog. Desmotroposantonins, welches 
durch Umlagerung des Santonins unter dem Einfluß von konzentrierter 
Salzsäure entsteht, ist als sicher gestellt?) zu betrachten; es ist die 
Enoltorm des Santonins, wie aus der folgenden Strukturformel zu 
ersehen ist: 


1) Das unter Ausschluß von Wasser durch Bestrahlung mit Sonnenlicht 
entstehende gelbe Produkt hat sich als ein Isomeres des Santonins erwiesen 
und heißt jetzt „Chromosantonin“; vergl. Montemartini, Gaz. chim. 32, 
L., 325 ff. 

2) Die Phenolnatur des Desmotroposantonins ergibt sich u. a. aus der 
Fähigkeit, mit Diazoniumsalzen echte Azofarbstoffe zu bilden; vergl. 
E. Wedekind u. O0. Schmidt, Berichte d. d. chem. Ges. 36, 1386 ff, (1903) 
und Zeitschr. f. Farben- u. Textilchemie II, 230 ff. (1903). 


Arch. d. Pharm. UCXXXXIV. Bds. 8. Heft. 40 


626 E. Wedekind: Santonin. 
CH3 
| 
CH; C 
Ba 1 
_d9—CH..C CH 
v1. CO | | | 
SICH—-CH 6 C:OH 
| an eo 
CH; CHa n 
CHa 


Die größte Unsicherheit herrscht noch in der Gruppe der 
Santorsäure; dieselbe ist isomer mit der dem Santonin zu Grunde 
liegenden Santoninsäure und entsteht aus dem Lacton durch längeres 
Kochen mit Barytwasser. Francesconi schreibt der Santonsäure 
die folgende Konstitutionsformel!) zu: 

CH; 
Be. 
VII. | 
HO a 1610) 


CHa ; 


Mit der Santonsäure stereoisomer ist die Metasantonsäure (deren 
Lacton das Metasantonin ist). Ueber die chemische Natur der sonstigen 
vielen Santonsäureabkömmlinge, wie Santonid, Parasantonsäure usw., 
ist z. Z. wenig bekannt. 


Zur Konstitution des Santonins nebst Bemerkungen über das Verhalten 
von Brom gegen Santonin. 


Was nun zunächst das Santonin selbst betrifft, so wäre auf 
Grund der oben diskutierten Formeln (I bezw. II) zu erwarten, daß es 
sich wie eine zweifach ungesättigte Verbindung verhält, also vier 
einwertige Elemente oder Atomgruppen zu addieren vermag. Ueber 
das Verhalten der Halogene gegen Santonin ist nun das Folgende be- 
kannt: Chlor wird nicht addiert, sondern als Substituent auf- 
genommen und zwar treten je nach den Versuchsbedingungen ein, 
zwei oder drei Chloratome in die Santoninmolekel ein. Ueber die 
Produkte, die durch Einwirkung von Brom auf Santonin entstehen, 
herrschte bis vor kurzem völlige Unklarheit; Cannizzaro und 


1) Zu derselben lassen sich verschiedene tautomere Formen konstruieren, 
eine davon ist die Formel VIII (s. u.) 


E. Wedekind: Santonin. 627 


Sestini erwähnten schon vor mehr als 30 Jahren ein rotes Additions- 
produkt von der empirischen Formel C,;HısOsBra (?); später hat 
J. Klein in diesem Archiv (Bd. 230, 675 ff.) ein Santonindibromid- 
acetat CO}; HısO3-Bra-Ca H; Os beschrieben !), das durch Einwirkung von 
Brom auf Santonin in eisessigsaurer Lösung entstehen soll. In Gemein- 
schaft mit A. Koch habe ich gezeigt”), daß ein Körper von der 
genannten Zusammensetzung sich unter den angedeuteten Bedingungen 
nicht bildet, daß vielmehr die Einwirkung von Brom auf Santonin — 
gleichgültig, ob in Eisessig- oder Chloroform-Lösung gearbeitet wird — 
zu einem Produkt von der Zusammensetzung Ogo Hg Os Br; führt. Das- 
selbe wird außerordentlich leicht in Santonin zurückverwandelt und 
erwies sich als eine salzartige Verbindung, in welcher Bromwasserstoff 
und zwei Atome Brom locker mit zwei Santoninmolekeln verknüpft sind, 
entsprechend der Formel [C4,;Hıs OslaBra-HBr. Dieses Hydroperbromid 
zersetzt sich bei 105°; es gibt fortwährend Brom ab, besonders unter 
dem Einfluß von Licht und Wärme, und kann durch Waschen mit 
Wasser (das schweflige Säure enthält) und durch Umkrystallisieren 
aus Alkohol wieder in Santonin übergeführt werden. Da Klein bei 
der Darstellung seines sog. Santoninacetatdibromides die Bromierungs- 
flüssigkeit in Wasser gießt, so konnte sich naturgemäß kein einheit- 
liches Produkt bilden. Die Sache wäre damit für uns erledigt 
gewesen, wenn nicht Herr Klein in einer privaten Mitteilung die 
Ansicht ausgesprochen hätte, daß die von ihm beschriebene und die 
von uns erhaltene Verbindung verschieden seien, daß also nach der 
von ihm gegebenen Vorschrift ein Körper von der empirischen Formel 
C}5Hı8s03-Brg:Ca H,O, entstehe, der sich kurz über 60° zersetzt und 
beim Kochen mit Alkohol und Anilin ein Monobromsantonin CO}; H;7 O3Br 
liefert. Um jeden Zweifel zu heben, haben wir folgenden Versuch 
genau nach dem Klein’schen Rezept angestellt; zu einer Lösung von 
4g Santonin in 12,5 g Eisessig wurde bei Zimmertemperatur (22°) 
eine Auflösung von 2,75g Brom in 7,5 g Eisessig gegeben; nach ca. 
1% stündigem Stehen schieden sich dunkelrot gefärbte Nadeln ab (bei 
Klein hatte sich anscheinend auch nach 5stündigem Stehen nichts 
abgeschieden). Das Ganze wurde dann in Wasser gegossen und mit 
etwas Alkohol versetzt. Das Ergebnis war eine trübe Flüssigkeit, 
die nach etwa 2 Stunden eine schmierige, hellgelbe Masse am Boden 
des Gefäßes absetzte (die Flüssigkeit klärte sich selbst nach mehr- 
tägigem Stehen in der Kälte nicht). Der Bodenkörper zersetzte sich 
gegen 100° unter Zersetzung; nach einmaligem Umkrystallisieren aus 


1) Vergl. auch Ber. d. d. chem. Ges. 25, 3318 (1892). 
2) Ber. d. d. chem Ges. 38, 429 ff. (1905). 


40* 


628 E. Wedekind: Santonin. 


Alkohol zeigte derselbe den Schmelzpunkt 105°, nach der zweiten 
Krystallisation!) 110° und nach der dritten 120°  Löst man die 
Substanz in heißer Natronlauge, fällt wieder mit Säuren und krystallisiert 
nochmals aus Alkohol um, so erhält man unverändertes Santonin 
(Schmelzpunkt 171°) zurück. Natürlich lieferte das Bromierungs- 
produkt beim Kochen mit Alkohol und Anilin auch kein Monobrom- 
santonin (vom Schmelzpunkt 149—151°), sondern reines Santonin. 
Es sei bei dieser Gelegenheit bemerkt, daß eine Substitution durch 
- Brom überhaupt auf große Schwierigkeiten stößt, denn der braune, 
amorphe Körper, der durch Einwirkung von Brom auf Santonin in 
der Wärme entsteht, ist halogenfrei, also wahrscheinlich ein 
Oxydationsprodukt. Die Angaben von J. Klein sind also sicher un- 
zutreffend und aus der Literatur zu streichen. Ein Analogon des 
roten Santoninhydroperbromides ist das olivgrüne Hydroperjodid 
[O5 Hıs03]2Js-HJ; die Verwandtschaft des Santonins zu Jod-Jod- 
wasserstoff ist so groß, daß beim Eintragen der feingepulverten 
Bitterstoffe in jodhaltige Jodwasserstoffsäure sofort die Bildung des 
grünbraunen Salzes erfolgt unter gleichzeitiger Entfärbung der Jod- 
wasserstoffsäure?). 


Aus allen diesen Beobachtungen ergibt sich, daß das Santonin 
sich wie eine am Kohlenstoff gesättigte Verbindung verhält, denn es 
erfolgt in keinem Falle eine direkte Fixierung von zwei bezw. vier 
Halogenatomen, wie man auf Grand der oben diskutierten Formel (mit 
zwei Doppelbindungen) erwarten sollte. Dieser Widerspruch ist aber 
nach meiner Meinung nur ein scheinbarer, denn man weiß, daß die 
Fähigkeit einer Kohlenstoffdoppelbindung, Brom zu addieren, ver- 
mindert bezw. aufgehoben werden kann?), wenn an den beiden Kohlen- 
stoffatomen eine Anhäufung von Atomgruppen stattfindet; eine solche 
ist aber an den Doppelbindungen des Santonins, welche von den 
gemeinschaftlichen Kohlenstoffatomen des Naphtalinkerns ausgehen, 
zweifellos vorhanden. Solche Doppelbindungen, die sich durch die 
üblichen Reaktionen nicht nachweisen lassen, können als versteckte 
oder Krypto-Doppelbindungen bezeichnet werden. Da eine Parabindung 
(welche an sich ja mit der nicht vorhandenen Additionsfähigkeit gut 


1) Das erhaltene krystallinische Produkt sieht scheinbar einheitlich aus; 
tatsächlich ist es ein Gemisch von Santonin und Hydroperbromid mit einem 
durchschnittlichen Bromgehalt von 5%. 

2) Man kann sich auf diese Weise schnell göbranttntääi kleine 
Mengen von farbloser Jodwasserstoffsäure herstellen; andererseits ist diese 
sehr charakteristische Erscheinung eine Reaktion auf Santonin. 

8) Vergl. u. a. H. Bauer, Ber. d. d. chem. Ges. 37, 3317 (1904). 


E. Wedekind: Santonin. 629 


harmonieren würde) aus den oben erörterten Gründen auszuschließen 
ist, so haben die obigen Santoninformeln (I und II) als gleichberechtigt 
zu gelten, solange die Stellung des Lactonringes noch nicht 
ermittelt ist. 


Ueber die basischen Eigenschaften des Santonins. 


Wenn das Santonin sich auch wie eine am Kohlenstoff gesättigte 
Substanz verhält, so hat es doch in anderer Beziehung einen 
ungesättigten Charakter, wie schon aus der Existenz der oben 
erwähnten salzartigen Verbindungen (Hydroperbromid und Hydro- 
perjodid) hervorgeht; daß dieselbe auf die basischen Eigenschaften des 
Karbonylsauerstoffes im Sinne der Oxoniumtheorie von Ad. Baeyer 
zurückzuführen ist, habe ich in einer in Gemeinschaft mit Ad. Koch 
ausgeführten Arbeit!) gezeigt; wir konnten nicht nur das schon von 
Andreocci?) erwähnte Additionsprodukt von Salpetersäure an 
Santonin als das Nitrat C,;Hıs03-HNO, charakterisieren, sondern 
auch eine Reihe von neuen Santoninsalzen isolieren ; unter diesen 
befinden sich die anomal zusammengesetzten Oxoniumsalze (C};HısO3)a 
SbCl,-HCl und (C;His03)aSnBr,-HBr, deren Zusammensetzung 
analog derjenigen des Hydroperbromides bezw. Hydroperjodides ist. 
Von sonstigen wasserfreien Metallhalogeniden reagieren mit dem 
Santonin Zinntetrachlorid und Eisenchlorid; das mit Eisenchlorid ent- 
stehende Salz bildet hellbraune Krystalle, die sich bei 210° zersetzen. 
Besonders charakteristisch sind aber die Fällungen, die man mit den 
zuerst von Baeyer empfohlenen Reagentien für Oxoniumbasen erhält, 
nämlich mit .Ferro-, Ferri- und Cobalti-cyanwasserstoffsäure; über 
diese Salze möchte ich hier kurz berichten. 

Um die Salze des Santonins mit den komplexen Säuren darzu- 
stellen, versetzt man eine konzentrierte Lösung von Santonin in 
Benzol mit einer frisch bereiteten Solution?) der genannten Säuren im 
Ueberschuß und schüttelt kräftig durch; bei Anwendung von 
Ferrocyanwasserstoffsäure erhält man sofort eine farbiose krystallinische 
Fällung, die alsbald scharf abgesaugt, wiederholt mit Aether gewaschen 


1) ], c. 38, 422 ff. (1905); diese Arbeit scheint den Herren A. Hantzsch 
und O. Denstorf, welche kürzlich eine kritische und experimentelle Studie 
über die Anlagerung von Halogenen und Perhalogenwasserstoffsäuren an 
Sauerstoffverbindungen veröffentlicht haben (vergl. Liebig’s Ann. 349, 1 ff.) 
entgangen zu sein. 

2) Atti d. R. Accad. d. Linc. Roma, Rendic. (5), 5, II., 309 ff. (1906). 

8) Dieselben waren nach der Vorschrift vonBaeyer und Villiger bereitet 
vergl. Ber. d. d. chem Ges. 34, 2687 (1901). 


630 E. Wedekind: Santonin. 


und über Aetzkali in Vakuum-Exsikkator bis zum konstanten Gewicht 
getrocknet wird. Das ferrocyanwasserstoffsaure Santonin wird. wie 
alle diese Oxoniumsalze durch Wasser momentan zerlegt; es zeigt 
keinen Schmelzpunkt, sondern verkohlt beim Erhitzen allmählich. 
Das Salz entspricht der Formel C,;H;803:H,Fe(CN),, wie aus 
den folgenden Analysenergebnissen hervorgeht: 


1. 0,4610 g Substanz!) lieferten 0,0770 g Feg0;: 
2. 0,356 5 nd) in OO in x 
3. 0,4540 „ ned are 


Berechnet für Gefunden: 
Ca Ha Oz NeFe: 1. 2. 3. 
Fe 12,09 11,69 11,76 12,23. 


Aus den Analysenresultaten ist zu entnehmen, daß das Salz nur 
dann ganz rein ist, wenn es mit Aether gewaschen war. Anscheinend 
hält das aus Benzollösung gewonnene komplexe Salz Lösungsmittel?) 
zurück, das erst durch Behandlung mit Aether entfernt werden kann. 
Ferrocyanwasserstoffsaures Santonin färbt sich beim Liegen an trockener 
Luft sowie auch beim Aufbewahren in geschlossenen Gefäßen himmel- 
blau bis blaugrün. 

Die Darstellung des ferricyanwasserstoffsauren Santonins verläuft 
viel langsamer und ungleichmäßiger; wenn man eine konzentrierte 
Lösung von Santonin in Benzol mit frisch bereiteter wässeriger 
Ferricyanwasserstoffsäure schüttelt, so entsteht zunächst kein Nieder- 
schlag; erst nach einiger Zeit bilden sich gelbliche Häute und darauf 
eine gelbgrüne Fällung, die filtriert und im Vakuum getrocknet wird. 

Auch hier weisen die Eisenbestimmungen auf ein Salz hin, daß 
aus 1 Mo]. Oxoniumbase und 1 Mol. komplexer Säure besteht: 


1. 0,7064 g Substanz lieferten 0,1121 g FegO3 


2. 0,4044 „ 3 x 0,0724, 5 
Berechnet für Gefunden: 
C45 Hg Og -Fe (CN)e B;: 1% 2. 
Fe 12,12 11,98 12,52. 


Indessen scheint noch ein anderes zusammengesetztes Salz zu 
existieren; wenigstens gewannen wir zufällig einmal ein ferricyan- 
wasserstoffsaures Salz, welches 20,5 Prozent Eisen enthielt. Das 


1) Nicht mit Aether gewaschen. 

3) Mit Aether gewaschen. 

3) Dies ergibt sich auch aus der Elementaranalyse eines nicht mit 
Aether gewaschenen Präparates, die zu hohe Zahlen für Kohlenstoff lieferte. 


E. Wedekind: Santonin. 631 


kobalticy anwasserstoffsaure Santonin ist deutlich krystallinisch, 
entsteht aber immer in schlechter Ausbeute, 

Nur diejenigen Santoninstoffe, welche eine unveränderte Keto- 
gruppe enthalten, geben Oxoniumsalze; so liefert z. B. die Santon- 
säure (s.o.) in Eisessiglösung mit Antimonpentachlorid einekrystallinische 
Verbindung, welche ziemlich luftbeständig ist und sich gegen 145° 
zersetzt; andererseits reagieren die Enolformen, wieDesmotroposantonia!) 
(s. 0.) und die sogenannten santonigen Säuren weder mit Antimon- 
pentachlorid bezw. Zinntetrabromid, noch mit den oben genannten 
komplexen Säuren. Der Träger der basischen Eigenschaften in den 
Santoninstoffen ist also die Karbonylgruppe \wenn man den Sauer- 
stoff in diesen Salzen nach dem Vorgang von Baeyer als vierwertig 
betrachtet, so wäre das Santonin-Nitrat z. B. durch tolgende Formel 
= 

H 
no; 
kologischen Standpunkt aus interessant, daß die ungesättigten (basischen) 
Eigenschaften Hand in Hand gehen mit den toxischen, denn die 
typische Santoninwirkung?) gegen Askariden zeigt in vitro nur das 
Santonin selbst (die Enolformen, wie Desmotroposantonin sind 
unwirksam). Im übrigen ist das Santonin bekanntlich ein spezifisches 
Menschengift, wie das Morphin; da es ferner in pflanzlichen Organen 
vorkommt und basische Eigenschaften besitzt, so fehlt ihm zum 
Alkaloid nur der Stickstoffgehalt. Es ist jedenfalls kein Zweifel, daß 
die basischen und giftigen Bitterstoffe®) den Alkaloiden sehr nahe 
stehen. 


wiederzugeben: CHn0x ); es ist nun vom pharma- 


Ueber Santoninsulfosäure. 
(Nach Versuchen von Dr. Ad. Koch.) 


Die Darstellung einer Santoninmonosulfosäure hatte in zwei- 
facher Hinsicht Interesse; vom rein chemischen Standpunkt war 
zu erwarten, daß eine solche Säure ein Analogon zu der bekannten 
Kampfersulfosäure*) bilden würde, welche zur Aktivierung von 
schwer spaltbaren razemischen Verbindungen dient. In Hinblick auf 
das relativ starke Rotationsvermögen des Santonins ([@]p in Chloro- 
form = —171,37°) sollte auch die Sulfosäure eine ziemlich hohe 

1) Danach ist der Lactonring nicht an der Salzbildung beteiligt. 

2) Vergl. E. Wedekind, Zeitschr. f. physiolog. Chemie 43, 247 (1904.) 

8) Auch den Kampfer könnte man hierher rechnen, denn derselbe bildet 
als Oxoniumbase ein Nitrat, Jodhydrat, ferrocyanwasserstoffsaures Salz usw. 

4) Vergl. u. a. Kipping und Pope, Journ. Chem. Soc. 63, 573, 


632 E. Wedekind: Santonin. 


Drehung aufweisen. Pharmäkologisch "hat eine solche Säure 
Interesse, weil sie in Form der Alkalisalze ein „lösliches Santonin“ 
darstellt, dessen physiologische Eigenschaften voraussichtlich ganz 
andere sind, als die der Muttersubstanz. 

Die praktische Durchführung dieser Aufgabe bereitete außer- 
ordentlich große Schwierigkeiten, denn die bekannten schönen Methoden, 
die für die Sulfurierung des Kampfers bezw. des Bromkampfers aus- 
gearbeitet sind, versagten hier beinahe völlig; im besonderen ließ sich 
die Sulfurierung des Santonins mit Hilfe eines Gemisches von 
Essigsäureanhydrid und konzentrierter Schwefelsäure!) nicht durch- 
führen. Hieran mag auch hauptsächlich die Empfindlichkeit des 
Santonins gegen konzentrierte Schwefelsäure Schuld sein. Mit Schwefel- 
säurechlorhydrin (Chlorsulfonsäure) reagiert der Bitterstoff zwar unter 
Abspaltung von Chlorwasserstoff; es gelang aber auf keine Weise die 
gebildete — in Wasser sehr leicht lösliche Sulfosäure — in ein unlös- 
liches Salz überzuführen und aus dieser im reinen Zustande zu 
regenerieren. 

Wir wählten daher das früher von uns beschriebene Monochlor- 
santonin?) als Ausgangsmaterial, das wir bei Temperaturen von 
140—150° mit neutralem Natriumsulfit umsetzten. Die freie Säure als 
solche konnten wir auch nach dieser Methode nicht isolieren, wohl 
aber das Natriumsalz, welches auch in konzentrierter wässeriger 
Lösung mit Metallsalzen (z. B. mit Kupfernitrat, Bleinitrat usw.) 
nur unbedeutende Niederschläge gibt; es scheinen daher alle Metall- 
salze der Santoninsulfosäure mehr oder weniger leicht löslich zu sein. 
Sehr merkwürdig ist das geringe Drehungsvermögen des Santonin- 
“ sulfosauren Natrons; es beträgt nur etwa !/,- von der spezifischen 
Rotationsfähigkeit des Santonins.. Das „lösliche Santonin“ ist nach 
Beobachtungen, die ich Herrn Professor Walter Straub in Marburg 
(jetzt in Würzburg) verdanke, eine durchaus harmlose Substanz; lebende 
Askariden werden durch Lösungen des Salzes in keiner Weise schädlich 
beeinflußt. Es ist nichts Ungewöhnliches, daß pharmakologisch wirk- 
same Stoffe, welche in Wasser wenig löslich sind, ihre typischen 
Eigenschaften durch Ueberführung in eine wasserlöslicke Form 
einbüßen?). 


1) Reychler, Bull. Soc. Chim. (3), 19, 120. 

2) Wedekind u. Koch, Ber. d. d. chem. Ges. 38, 1848 (1905). 

8) So ist es z. B. mit dem Sulfonal, vergl. Th. Posner, Chemik.-Ztg. 
1905, No. 83, S. 1107—1108. Nach der Theorie von Hans Meyer (Arch. 
exper. Pathol. 42, 118) sind nur chemisch indifferente Stoffe narkotisch 
wirksam. 


E. Wedekind: Santonin, 633 


Die Darstellung des santoninsulfosauren Natriums, das 
im günstigsten Falle 96,5%ig war, gelang auf folgende Weise: 

7 g Monochlorsantonin wurden mit Wasser angerieben, als Brei 
in ein Schießrohr gebracht und mit einer Lösung von 7,0 g 
krystallisiertem Natriumsulfit in 100—150 cem Wasser versetzt. Das 
Ganze wurde dann 3 bis 4 Stunden im Bombenofen auf 140 bis 150° 
erhitzt. Wenn die Reaktion beendet ist, befindet sich im Rohr eine 
klare Lösung; dieselbe wird in der Wärme mit soviel Salzsäure ver- 
setzt, als nötig ist, um das überschüssige Natriumsulfit zu zerstören. 
Das entstehende Schwefeldioxyd wird durch einen kräftigen Kohlen- 
dioxydstrom entfernt. Die Lösung wird dann eingedampft, der Rück- 
stand auf dem Wasserbad längere Zeit erwärmt, dann gerieben und 
im Vakuum bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. 

Aus dem Gemenge von santoninsulfosaurem Natrium und Chlor- 
natrium wird ersteres durch wiederholtes Auskochen mit absolutem 
Alkohol unter Abschluß von Feuchtigkeit extrahiert. Die Auszüge 
werden eingeengt und in der Kälte mit Aether versetzt, worauf 
Alkohol und Aether im Vakuum verdunstet werden. Es hinterbleibt 
ein farbloses Pulver, das bygroskopisch ist, aber immer noch geringe 
Mengen von Chlornatrium enthält. Da letzteres sich nur schwer 
völlig entfernen läßt, so wurde die Analyse in der Weise vorgenommen, 
daß zunächst der Gehalt an Chlornatrium ermittelt und darauf erst 
Schwefel und Natrium bestimmt wurden. 


0,4514 g Substanz lieferten 0,0396 g AgCl, entsprechend 2,17% CI, 
1,41% Na und 3,58% NaCl. 
0,5490 g Substanz lieferten 0,1600 g N33S0,. 


0,5038 „ 5 5 0,3142 „ BaSO,. Die Substanz ist 96,42% ig; 
Demnach: 
Berechnet für C,H1703S03Na: Gefunden: 
Na 6,62 i 7,84 
3... 9,951). 


Santoninsulfosaures Natrium ist linksdrehend; aus Mangel an 
Material mußte ein 50,85 %,iges Salz?) untersucht werden. 

Polarisation: 1,0 g Substanz, gelöst in 25 ccm Wasser von 20° 
zeigten im 2 dem-Rohra = —0,41°. Danach ist [«a]% = —10,25°, 


1) Der zu hohe Gehalt an Na und S rührt wahrscheinlich von der 
Bildung von etwas Natriumsulfat bei der Zersetzung des NagaSO; her. 

2) 0,6176 g dieses Präparates lieferten bei der Chlorbestimmung 
0,7440 g AgcCıl. 


634 E. Wedekind: Santorin. 


Zur Konstitution der Santonsäure. 


Eingangs wurde bereits angedeutet, daß die Francesconi’sche 
Santonsäureformel (VII) noch manche Unsicherheiten und Unklarheiten 
enthält; dieselben sind auch durch den von Francesconi bewirkten- 
Abbau zu der sog. Santorsäure, welcher die Konstitutionsformel VIII 
zugeschrieben wird, noch auch durch deren Umwandlungsprodukte 
(Santoronsäure, Santoron und Santoren) beseitigt worden. 

CHs 
| 
CHa C 
NH 11000H 


HO0C C 
VII. 


| 
HOOC—-CH, _C 
Ha _C00H 


>) 
==} 
e} 


Ci 
Santorsäure. 

Von der Lösung des Problems noch weit entfernt, halte ich es 
dennoch für geboten, schon jetzt diejenigen Ueberlegungen und Be- 
obachtungen mitzuteilen, welche mit der von Francesconi aufgestellten 
Konstitutionsformel mehr oder weniger schwer zu vereinigen sind. 

Der bedenklichste Punkt in dieser Formel ist zweifellos die 
Parabindung; abgesehen von der prinzipiellen Unwahrscheinlichkeit 
derselben (beim Kampfer ist z. B. die Parabindungsformel längst auf- 
gegeben) kommt der Umstand in Betracht, daß auch für das Santonin 
— aus den eingangs angeführten Gründen — eine Formel mit Para- 
bindung nicht mehr diskutiert werden kann; da nun die Santonsäure 
aus dem Santonin durch molekulare Umlagerung entsteht, so müßte 
man bei Annahme der Francesconi’schen Formel zu der Vorstellung 
greifen, daß während der Operation — Kochen mit Barytwasser — 
eine Parabindung in dem dimethylierten Benzolkern erzeugt wird, 
eine Hypothese, die nichts weniger als plausibel ist. 

Dazu kommt, daß der dimethylierte Benzolkern in der Frances- 
coni’schen Formel als eine naphtalinartige Kombination von zwei 
Cyklobutanringen erscheint, daß demgemäß auch gewisse Abbauprodukte 
der Santonsäure, wie die Santorsäure (VIII) Oyklobutanabkömmlinge 
sein müßten. Hierfür hat nun Francesconi bisher keinen Beweis 
erbracht (ebensowenig ist die Konstitution der Santoronsäure, der 
Ketosantorsäure und des Santorons!) als ermittelt anzusehen). 


1) Ketosantorsäure bezw. Santoron bilden sich, wenn man die Natron- 
schmelze der «-Santorsäure, welche bei 250—260° zu den sog. Santoronsäuren 
führt, bei Temperaturen von 2800 bezw. 380—4000 bewirkt. Die Ketosantor- 


E. Wedekind: Santonin. 635 


Von den verschiedenen tautomeren Formeln der Santonsäure, 
die Francesconi diskutiert, ist die folgende (IX) die wichtigste: 


CH, 
| 
CH, © 
ZASSIBZAUSR 
O0 Ü CHga 
IX. | 
HO 0C—HC—CH Ü 1610) : 
PR CH3 (Ha n 
CHs 


Dieses ist die Ketoform der Formel VII; die Santonsäure soll 
sich als Diketon dadurch zu erkennen geben, daß sie mit über- 
schüssigem Hydroxylamin ein Dioxim liefert. Letzteres läßt sich 
durch Behandlung mit Mineralsäuren nicht in Santonsäure zurück- 
verwandeln. Hieraus ergeben sich zunächst Zweifel, ob in dem sog. 
Dioxim das zweite Stickstoffatom wirklich in Form einer echten 
Oximidogruppe!) gebunden ist; in diesem Falle könnte auch das 
Santonin zwei Hydroxylaminreste aufnehmen, ohne daß in beiden 
Fällen die Gegenwart einer zweiten Ketogruppe bewiesen wäre?). 
Auf Grund dieser Ueberlegung hat Herr Dr. Oskar Schmidt das 
Verhalten des Santonins gegen überschüssiges Hydroxylamin unter- 
sucht und zwar in Anlehnung an die Vorschrift zur Darstellung von 
Santonsäuredioxim. 

20 g Santonin wurden in der berechneten Menge Kalilauge 
gelöst und in kleinen Portionen mit 140 g Hydroxylaminhydrochlorid — 
immer zugleich mit der äquivalenten Menge Kalihydrat — sehr 


säure soll die Kombination eines Sechsringes mit einem Vierring enthalten, 
während für das Santoron C3H,;,O die Formulierung als Aethylcyklohexanon 
oder Metbyläthylcyklopentanon diskutiert wurde. 

1) Ueber das Verhalten von Hydroxylamin gegen Santonmethylsäure- 
ester vergl. E. Wedekind, Ber. d. d. chem. Ges. 32, 1413 (1899); hierzu 
haben C. Harries und A. Stähler einige ergänzende Versuche gemacht 
(loc. cit. 37, 258—261), die zu dem Schluß führen, daß die Saptonsäure kein 
a, B-ungesättigtes Keton sei, daß die Doppelbindung vieimehr zwischen einen 
Ringkohlenstoffatom und dem Propionsäurerest sich befinde. 

3) Nach Untersuchungen von Harries und Haarmann, sowie von 
Posner u. a. addieren ungesättigte Säureester Hydroxylamin (vergl. Ber. d. 
d. chem. Ges. 36, 4305 und 37, 252); das sog. B-Oxim des Santonsäuremethyl- 
esters wird von Harries als Anlagerungsprodukt von Hydroxylamin an die 
Doppelbindung des ungesättigten Esters aufgefaßt. 


636 E E. Wedekind: Santonin. 


allmählich (innerhalb 4 Tagen) versetzt; das Ganze wurde dabei fort- 
während auf dem Wasserbade erwärmt. Darauf wurde vorsichtig mit 
Salzsäure schwach angesäuert, der gebildete Niederschlag filtriert und 
mit Wasser gewaschen. Die Reinigung erfolgte durch Umkrystallisieren 
aus siedendem Wasser, wobei ein harziger, unlöslicher Rückstand 
hinterblieb; in diesem fanden sich bei einer Wiederholung des Versuches 
geringe Mergen von Monoxim. Der neue Körper schmilzt unscharf 
zwischen 92 und 96°, ist leicht: löslich in Alkohol und Aether, schwer 
löslich in Ligroin und wenig beständig. Die Analysenresultate 
(Kohlenstoff- und Wasserstoffbestimmungen) st#amten bei Proben 
verschiedener Darstellung nicht ganz überein, ergaben aber, wie aus 
den nachstehenden Stickstoff bestimmungen zu ersehen ist, mit Sicher- 
heit die Anwesenheit von zwei Stickstoffgruppen: 


1. 0,1425 g Substanz lieferten 13,2 ccm N (23°, 734 mm). 
2. 0,1493 „ = 7 12,3. „1:5 A807 


Gefunden: 
1. 2. 
N 9,42 921 


Für ein Santonindioxim C};HsgNz0, berechnet sich ein Stick- 
stoffgehalt von 9,52% Abgesehen davon, daß der Kohlenstoff- 
gehalt niedriger gefunden wurde, als die Theorie für diese Formel 
verlangt, ist indessen kaum anzunehmen, daß in diesem Einwirkungs- 
produkt von zwei Mol. Hydroxylamin auf Santoninsäure ein Dioxim 
vorliegt, denn beim Erwärmen mit verdünnten Mineralsäuren liefert 
der Körper kein Santonin, sondern harzige stickstoffhaltige Produkte; 
in dieser Beziehung ähnelt derselbe also dem Santonsäuredioxim. Es 
ist wahrscheinlich, daß das zweite Mol. Hydroxylamin an eine vor- 
handene oder während der Reaktion gebildete Doppelbindung angelagert 
wird, also keine Oximgruppe bildet. 

Eine Konsequenz der Francesconi’schen Santonsäureformeln 
(VIII und IX) ist die Unmöglichkeit, eine dem Desmotroposantonin 
(VI) analoge Phenolform zu geben; tatsächlich begründet der italienische 
Forscher seine Formel durch diesbezügliche negative Versuche): 
Santonsäure soll beim Stehen seiner salzsauren Lösung nicht 
umgelagert werden. Herr Dr. Oskar Schmidt hat nach dieser 
Richtung einige Versuche angestellt, als uns noch die erwähnten 


1) Vergl. Gazz. Chim. Ital. 23, II, 9 (1903); Francesconi erhielt nur 
unveränderte Santonsäure und eine geringe Menge einer in Soda löslichen 
Substanz. 


E. Wedekind: Santonin. 637 


Angaben Francesconis unbekannt waren; im Gegensatz zu den- 
selben erhielten wir durch Behandlung von Santonsäure mit konzentrierter 
Salzsäure erhebliche Mengen von Desmotroposantonin, wie aus 
folgenden Daten zu ersehen ist: 

10 g reine Santonsäure (vom Schmelzpunkt 162—163°) wurden 
in 300 cem konzentrierter Salzsäure gelöst und auf dem Wasserbade 
während drei Stunden auf etwa 60° erwärmt; der gebildete Nieder- 
schlag wurde mit Salzsäure gewaschen und nach dem Trocknen aus 
heißem Alkohol umkrystallisiert. Es resultierten 2,3 g reines 
Desmotroposantonin vom Schmelzpunkt 259—260°. 


0,1992 g Substanz lieferten 0,4980 g COs und 0,1313 g Ha0. 


Berechnet für C45;Hj805: Gefunden: 
C 73,25 73,05 
H 7,32 7,32 


Das Desmotroposantonin wurde außerdem durch Ueberführung 
in das von E. Wedekind und OÖ. Schmidt beschriebene Benzol- 
azo-desmotroposantonin (Schmelzpunkt 260°) identifiziert. In einem 
anderen Versuche wurden 30 g Santonsäure in 300 ccm konzentrierter 
Salzsäure gelöst und bei Zimmertemperatur im Dunkeln während 
zwei Monaten sich selbst überlassen. Es hatten sich in dieser Zeit 
5,3 g reines Desmotroposantonin gebildet, welches bei 260° schmolz. 

Das Desmotroposantoniin kann nur aus Santonin (durch 
Umlagerung unter dem Einfluß von konzentrierter Salzsäure) gebildet 
sein; das Santonin seinerseits ist entweder in der Santonsäure vor- 
handen oder durch Rückbildung aus letzterer entstanden. Wenn auch 
zuzugeben ist, daß es schwierig ist, die Santonsäure völlig von 
Santonin zu befreien, so dürfte doch bei einem Präparat, das den 
richtigen Schmelzpunkt zeigt und mit alkoholischem Kali keine Rot- 
färbung!) mehr gibt, ein Gehalt von fast 30% Santonin (s. 0.) aus- 
geschlossen sein ?). 

Wenn diese Versuche auch keinen Anhaltspunkt für die Existenz 
einer besonderen Phenolform der Santonsäure gegeben haben, so 
machen sie es doch wahrscheinlich, daß die Umlagerung des Santonins 


1) Schon die geringsten Mengen Santonin geben diese charakteristische 
Färbung. 

2) Francesconi meint mit Bezug auf eine vorläufige Notiz in der 
„Chemiker-Ztg.“ 1902, No. 13, daß unsere santonige Säure noch Santonin 
enthalten, und daher Desmotroposantonin gegeben habe; vergl. Gazz. Chim. 
Ital. 23, II., 9 (1903). 


638 E. Wedekind: Santonin. 


in Santonsäure unter bestimmten Bedingungen rückgängig gemacht 
werden kann. 

Jedenfalls bietet die Frage nach der Konstitution der Sauton- 
säure noch erhebliche Schwierigkeiten und wird wohl erst durch eine 
Synthese der Abbauprodukte, im besonderen der Santoronsäuren, 
welche nach Francesconi dreibasische Fettsäuren sind, zu lösen 
sein. Derartige synthetische Versuche habe ich in Gemeinschaft mit 
Herrn Dr. Oskar Schmidt in verschiedener Weise in Angriff 
genommen; da dieselben aber meistens schon in den Anfangsstadien 
gescheitert sind, so will ich hier nicht darauf eingehen. 


Zum Schluß sei bemerkt, daß die in den Strukturformeln z. T. 
zum Ausdruck kommende Aehnlichkeit zwischen Santonin und 
Kampfer sich in dem chemischen Verhalten — abgesehen von der 
Oxoniumnatur der beiden Stoffe — viel weniger widerspiegelt, als 
man erwarten sollte. Von dem verschiedenen Verhalten bei der 
Sulfurierung war schon die Rede; neuerdings hat sich gezeigt, daß 
die in Bezug auf Umlagerungen so bewegliche Santoninmolekel sich 
gegen eine Reihe von Agentien sehr träge verhält, die in der 
Kampferreihe zu Umsetzungen in der Methylengruppe führen, wie 
Amylnitrit, Oxalester, Ameisensäureester u. s. w. in Gtaauyer von 
Natriumäthylat. 


Tübingen, im Oktober 1906. 


Anhang. 


Herr Prof. Dr. Straub-Würzburg hat mir .freundlichst einige 
Notizen über pharmakologische Versuche mit dem oben erwähnten 
Chlorsantonin zur Verfügung gestellt; dieselben mögen hier noch Platz 
finden, obwohl das Ziel der Versuche — ein Maß für die spezifische 
Wirksamkeit der Santoninstoffe zu finden — nicht erreicht wurde. 

„Die Versuchsanordnung war die folgende (vergl. die nach- 
stehende Figur): ein darmartig gewundenes Glasrohr, das mit einem 
vertikalen Ansatzrohr (a) versehen ist, wird mit Bunge’scher Lösung!) 


1) Dieselbe enthält 1% Chlornatrium und 0,2% kohlensaures Natrium; 
vergl. Zeitschr. f. physiolog. Chemie, Bd. VIII (1883/1884). 


E. Wedekind: Santonin. 639 


gefüllt; in dasselbe wird ein Spulwurm gebracht, welcher sich nach 
einiger Zeit bei c konstant aufhält. Das Ganze wird mit Hilfe eines 
Thermostaten auf 37° gehalten. Nach einigen Stunden wird mit der 
Pipette durch 4 etwas Chlorsantonin hineingebracht, so daß sich bei 


Spulwurm. 


ruhigem Stehen des Apparates ein Konzentrationsgefälle ausbildet. 
Man konnte nun in mehreren Versuchen beobachten, daß der Wurm 
durch die Windungen des Glasdarms nach oben entfloh, um bei b so 
lange zu bleiben, bis das Experiment abgebrochen wurde. Dieser Vor- 
gang ließ sich mit dem gewöhnlichen Santonin nicht stets aber ungefähr 
eben so oft beobachten, wie mit dem Chlorsantonin, so daß Unterschiede 
in der spezifischen Wirksamkeit der beiden Stoffe nicht zum Ausdruck 
kamen.“ Immerhin bietet diese Anordnung die Möglichkeit, wenigstens 
qualitativ eine „Santoninwirkung“ festzustellen; eine solche kommt 
dem Chlorsantonin zweifellos zu, welches — abgesehen vom Santonin- 
oxim — demnach das einzigste Santoninderivat sein dürfte, an welchem 
ein ähnliches pharmakologisches Verhalten, wie bei der Muttersubstanz 
bisher beobachtet worden ist. 

Herrn Prof. Dr. Straub möchte ich auch an dieser Stelle für 
sein Entgegenkommen meinen verbindlichsten Dank aussprechen. 


640 H. Thoms: Rottlerin. 


Arbeiten aus dem pharmazeutischen Institut der 
Universität Berlin. 


Ueber das Rottlerin. 
Von H. Thoms. 
(Eingegangen den 7. XI. 1906.) 


Im Heft 6 des Bandes 244 des Archivs der Pharmazie, aus- 
gegeben am 27. Oktober 1906, veröffentlicht H. Telle eine Studie über 
Kamala und Rottlerin. Diese Arbeit ist, wie eine redaktionelle Notiz 
beweist, am 25. September 1906 bei der Redaktion des Archivs der 
Pharmazie eingegangen. 

Demgegenüber weise ich darauf hin, daß ich in der am Montag, 
dem 17. September d. J., stattgefundenen Sitzung der Abteilung 
„Pharmazie und Pharmakognosie“ der Versammlung der Gesellschaft 
Deutscher Naturforscher und Aerzte in Stuttgart über Rottlerin einen 
Vortrag gehalten und über die von Herrn Apotheker Herrmann in 
meinem Laboratorium erhaltenen Resultate berichtet habe. Diese 
wurden bereits in der „Süddeutschen Apotheker-Zeitung“ vom 
18. September d. J. und in der „Apotheker-Zeitung“ vom 22. Sep- 
tember d. J. abgedruckt. 

Aus meiner Veröffentlichung geht hervor, daß Herrmann bei 
der Aufspaltung des Rottlerins ebenfalls Methyl- und Dimethyl- 
phloroglucin, wie H. Telle, sowie Zimmtsäure gefunden hat. 
Ich nehme für Herrn Herrmann das Recht in Anspruch, seine 
noch nicht völlig abgeschlossene Arbeit über das Rottlerin fortsetzen 
und beendigen zu können. 


Steglitz-Dahlem, den 5. November 1906. 


178 


 ACHTHYOL. 
Der Erfolg des von uns hergestellten speziellen Schwefelpräparats 
hat viele sogenannte Ersatzmittel hervorgerufen, welche nicht identisch 
_ mit unserem Präparat sind und welche obendrein unter sich verschieden’ 
sind, wofür wir in jedem einzelnen Fialle den Beweis antreten können. 
Da diese angeblichen Ersatzpräparate anscheinend unter Mißbrauch & 
unserer Markenrechte auch manchmal fälschlicherweise mit | 


Ichtihyol a 

oder Are 

Ammonium suifo-ichthyolicum 2% 
‚gekennzeichnet werden, trotzdem unter dieser Kennzeichnung nur unser 


- spezielles Erzeugnis, welches einzig und allein allen klinischen Versuchen : ® 
zugrunde gelegen hat, verstanden wird, so bitten wir um gütige Mit- 
teilung zwecks gerichtlicher Verfolgung, wenn irgendwo tatsächlich 
solche Unterschiebungen stattfinden. re 
| Ichthyol-Gesellschaft Be" 
3 Cordes, Hermanni & Co. 
HAMBURG. er 

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Hamburger Änderungen des „Ergänzungs- 


buches zum Arzneibuch für das Deutsche 
Reich“ und Vorschriften zu in Hamburg 
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Ergänzungsbuch aufgenommen sind. 
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Novargan, „Zur Zeit bestes, Mittel‘ bei alcdker Gäni 


GN völlig reizloses SIDE zur Iokalen gun | 
| Omorol, ::“; 
€“ » von iphtherie etc., NER: 


Bit e n al, Kohlensäureverbindu Be Sn Santalols, ; 


3} Wir fabrizieren ferner Acatylaulicyisäure in Sihstene ud als’ ka 
"I Tabletten, Haniakol, Benzonaphtol, Hexamethylentetraniin, Bismut, | 
MB); Verkauf durch den Gross- Drogenhandel. ö 


Chemische Fabrik von Heyden, Radebeul DR 


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| nn technischen Prüfungsmethoden | 


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herausgegeben 


Deutschen Apotheker -Verein 
unter Redaktion von | 


E. Schmidt und H. Beckurts. 


"Band 244. Heft 9. ee Ma 


(Schluss des Bandes.) 


ae ” > N f} 
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HORARUTT. 


\ BERLIN. | \schll 20R 
Selbstverlag des Deutschen Apotheker -Vereins. i | T\ x 


1906. je: 


® Ausgegeben den 31. Dezember 1906. ir Re 


C. Thomae, Ueber es ind 
Allgemeines und Darstellungsmethoden . {3 
Die Einwirkung von Ammoniak auf Acetophenon . 
‘C. Thomae und H. Lehr, Zur Kenntnis des Methyl- Bmohyikeons 
c. Thomae, Ueber Keton-Ammoniakverbindungen: 
Die Einwirkung von Ammoniak auf Mey een AB 
Methylpropylketonammoniak . . 4 NER; 
M. Greshoff, Ueber die Verteilung der Blausäure in BR Pflanzenreiche M) 
A. Simmer, Ueber das Verhalten der Alkaloidsalze und ‚anderer 
organischer Substanzen zu den Lösungsmitteln der Perforation 
methode, insbesondere Chloroform, sowie über Be 
der Alkaloide. . . . 
; ‚A. Tschirch und M. Wolif, Weitere Studien über den Sandarak . 
eäuhaltsverzeichnis . ..... .... =... 2 Da 


Eingegangene Beiträge. 


4. Pschirch und M. Wolff, Ueber das Vorkommen von Abietinsäure i im n Ha ö 

Ay E. Rupp und J. Mielck, Ueber die Bestimmung. superoxydischer Verbindu 

NRBENE Se mit Alkalihypojodit. SER 
- E. Peder, Eine Quecksilberlösung als Reagens auf Aldehyde, insbes 
Formaldehyd. Ta 

H. Kunz-Krause und R. Richter, Ueber einige Cyklogallipharate und 

u Verhalten der Cyklogallipharsäure gegen Eisenchlorid. RR 

EB. 'H. Madsen, Ueber die Kondensation von Aldehyden mit Phenol arbo 

säuren. - 

R. Weil, Die Entstehung des Solanins in den Kartoffeln als Produkt akte- 
rieller Einwirkung. - 

AR ‚ Buttenberg, Ueber Himbeersaft und Himbeersirup. 


: ; i | (Geschlossen den 25. ZUL. 10) nr 
: 


Diese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften (in ur "Reg el; je 
monatlich einmal) in einem jährlichen Umfange von 40 hie _ 2 } 
50 Bogen. Ladenpreis für den: Jahr ERER Mk. et " 


Alle Beiträge für das „Archiv“ sind an die 


Archiv- Bedaktion 


Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Dr. E. Schmidt in Marburg (1:9 25 1) 
oder Herrn Geh. Med.-Rat Professor Dr. A. werte... ‚chwei Ie- 
alle die Anzeigen u. s. w., überhaupt die Archiv-Verwaltı 
die Mitgliederliste betreffenden Mitteilungen an den ast is 


Deutschen Apotheker-Verein 
Berlin C. 2, Neue Friedrichstr. 43 sh 
einzusenden. is 


er 


C. Thomae:" Keton-Ammoniakverbindungen. 641 


Ueber Keton-Ammoniakverbindungen. 
Von Carl Thomae, Gießen. 
Nachtrag zur 1. Mitteilung. 


LIBRARY 
j NEW: YORK 

Allgemeines und Darstellungsmethoden. Bo N 
(Eingegangen den 17. XI. 1906.) GARDEN 


Der früher betonte Unterschied zwischen Keton- und Aldehyd- 
ammoniaken!) betraf bei letzteren nur die Produkte der aliphatischen 
Aldehyde, die bekanntlich durch Anlagerung von Ammoniak an die 
Aldehydogruppe entstehen. Zwischen den Ammoniakverbindungen 
aromatischer Aldehyde und den nach der Formel (R-C-R)sNa 
zusammengesetzten Ketonammoniaken besteht dagegen keine Ver- 
schiedenheit in der Konstitution; sie werden durch Kondensation 
dreier Moleküle Keton, bezw. aromatischen Aldehyd, mit zwei 
Molekülen Ammoniak gebildet und sind sauerstofffrei. 

Die neuen Ketonammoniake zerfallen, wie ich bereits in der 
ersten Mitteilung berichtet habe, bei der Einwirkung verdünnter 
wässeriger Säuren in die Komponenten, Keton und Ammoniak. Außer 
dieser ist bis jetzt in zwei Fällen, bei Acetophenonammoniak und 
Methyl-p-tolylketonammoniak, noch eine weitere Spaltung eines Keton- 
ammoniaks beobachtet worden: Durch Einwirkung von alkoholischer 
Pikrinsäure verlieren die genannten Verbindungen nur ein Molekül 
Ammoniak und bilden Produkte, die ich wegen ihres Gehaltes von 
einem Stickstoffatom Monazo-ketonammoniake genannt habe. Die 
Entstehung dieser Körper darf man als vorübergehend erfolgt 
vielleicht auch bei der Druckerhitzung des betreffenden Ketons mit 
alkoholischem Ammoniak annehmen. Ob tatsächlich hierbei zuerst 
das Ketonammoniak gebildet und dann eines Ammoniakkomplexes 
beraubt wird, oder ob das Monazo-Produkt ohne weiteres entsteht, ist 
allerdings noch eine offene Frage. 

Bei dem Uebergang des Ketonammoniaks in die Monazo- 
Verbindung erfährt meiner Ansicht nach das Molekül des ersteren 
zunächst eine Umlagerung in einen Körper mit primärem oder 

„sekundärem. Stickstoff. Dieses Produkt ist nicht beständig, sondern 
reßt aus seinem Gefüge ein Molekül Ammoniak heraus. Letzteres, 

Ye vielleicht durch Vereinigung einer Amino- oder Iminogruppe mit 

1) Arch :d; Pharm. 1905, 292 

vr Arch. d. Pharm. OCXXXXIV. Bds. 9. Heft. 41 

LEE 


642 C. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 


Wasserstoff entsteht, erfährt möglicherweise noch eine Aethylierung 
durch den als Lösungsmittel dienenden Alkohol. 

Die Monazo-Körper neigen dazu, unter Kohlenwasserstoffabgabe 
einen Ringschluß einzugehen und Pyridinderivate zu bilden. So 
erhalten wir durch Destillation von Monazo-acetophenonammoniak 
unter Abgabe von Methan Triphenylpyridin und bei der Druckerhitzung 
von Methyl-p-tolylketon mit alkoholischem Ammoniak ohne weiteres 
durch Toluolverlust Methylditolylpyridin. Daß in dem einen Fall 
Methan, in dem anderen Toluol abgespalten wird, dürfte wohl seinen 
Grund in sterischen Verhältnissen haben. 

Ketone, die in der Kälte nicht mit Ammoniak reagieren, ver- 
mögen immerhin noch bei der betreffenden Druckerhitzung Monazo- 
Produkte oder Pyridinkörper zu liefern. 

Die Tatsache, daß sich bei der Reaktion zwischen Ketonen und 
Ammoniak Sumpfgas abspalten kann, hat bereits P. Riehm!) erkannt. 
Allerdings unterschieden sich dessen Versuche von den meinigen 
dadurch, daß ich auf die Ketone in alkoholischer Lösung 
Ammoniak ohne besonders zugesetztes Kondensationsmittel einwirken 
ließ; P. Riehm verwandte dagegen einerseits wasserentziehende 
Agentien, Chlorzink und Phosphorsäureanhydrid, andererseits arbeitete 
er mit dem Chlorid oder mit Abkömmlingen des Ammoniaks, Acet- 
amid und Harnstoff. Bei diesen Untersuchungen wies der genannte 
Forscher die Entwickelung von Sumpfgas nach infolge der Erfahrung, 
die er beim Studium der Einwirkung von salzsaurem Anilin auf Aceton ‘®) 
gemacht hatte. Aus Gründen der notwendigen Ausführlichkeit muß 
ich hier bemerken, daß die Reaktion zwischen Anilinchlorid und 
Aceton?), sowie diejenige zwischen Ammoniak, Phosphorsäureanhydrid 
und Acetophenon?) bereits vor P. Riehm studiert waren, aber von 
ihm durch den Nachweis der Methanentwickelung weiter erforscht 
wurden. 

So verdienstvoll diese Erkenntnis von P. Riehm ist, so muß ich 
doch seine Behauptung’), „daß die Methyl enthaltenden Ketone bei 
der Kondensation mit Ammoniak Sumpfgas abspalten“, als zu allgemein 
gehalten bezeichren. Die bis jetzt ohne Anwendung eines besonders 
zugesetzten Kondensationsmittels in der Kälte aus methylhaltigen 
Ketonen gewonnenen Ketonammoniake entstehen nämlich ohne Methan- 
verlust, können allerdings, wie erwähnt, bei starker Erhitzung Kohlen- 


I) Annal. 238, 1—29. 

2) Annal. 238, 5. 

8) M. Pauly, Annal. 187, 222. 

4) C. Engler und H. Heine, Ber. 6, 638. 
5) Annal. 238, 27. 


C. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 643 


wasserstoff abgeben. P. Riehm’s Ansicht bezieht sich vielleicht nur 
auf die bei seiner Versuchsanordnung eintretenden Vorgänge, wofür 
die auch von ihm gemachte Angabe sprechen könnte, „daß ein CH; 
der Ketone unter Umständen ebenso abgespalten werden kann, wie 
das H-Atom der Aldehyde“!). Jedenfalls mußte ich auf seine Mit- 
teilungen hier eingehen. 

‘- Die Untersuchungen über Keton-Ammoniakverbindungen habe ich 
begonnen, weil ich der Ansicht bin, daß die Alkaloide der Pyridin- 
und Chinolinreihe — wenn nicht alle, so doch zum Teil — im Pflanzen- 
körper gebildete und chemisch weiter veränderte Reaktionsprodukte 
zwischen Ammoniak oder Aminen, bezw. deren Salzen und Derivaten, 
und gewissen keton- oder aldehydartigen Stoffen sind. 

Bemerken möchte ich noch, daß ich beabsichtige, neben alkoholischem 
Ammoniak auch das flüssige Gas auf Ketone einwirken zu lassen. 


Veber Keton-Ammoniakverbindungen. 
Von Carl Thomae, Gießen. 


5. Mitteilung. 
(Eingegangen den 17. XI. 1906.) 


Die Einwirkung von Ammoniak auf Acetophenon. 


A. Die bei gewöhnlicher Temperatur erzielte Reaktion. 


Eine Lösung von Acetophenon in dem doppelten Gewicht 
alkoholischem Ammoniak wurde bei ungefähr 20° 4—6 Wochen lang 
beiseite gesetzt und während dieser Zeit öfter mit trockenem Ammoniak 
nachgesättigt. Danach wurde die Reaktionsflüssigkeit obne Anwendung 
von Wärme auf flachen Tellern verdunstet und der ölige Rückstand, 
der bei nicht baldigem Verarbeiten sich grünlich färbte, mit Aether 
aufgenommen. Die Lösung wurde mit zerkleinertem Eis versetzt und 
mit sehr kalter, stark verdünnter Salzsäure in geringem Ueberschuß 
geschüttelt; dıe Säure war gemischt aus 1 Teil rauchender Salzsäure 
und 9 Teilen Wasser. 

Die Aetherschicht wurde von dem gelb gefärbten Salzsäurewasser 
getrennt und beide Flüssigkeiten für sich untersucht. In der ätherischen 
Lösung war enthalten sehr viel unverändertes Acetophenon, ferner 


1) Annal. 238, 29. 
41* 


644 C. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 


salzsaures Acetopheronammoriak, das sich bald abschied, und andere 
Körper, die info!ge ihrer geringen Menge noch nicht analysiert werden 
konnten, sowie eine teerige Masse. In der wässerigen Schicht wurde 
das Chlorid vom Monazo-acetophenonammoniak!) gefunden. 


Acetophenonammoniak. 


Diese Verbindung war als Chlorid in der Aetherlösung verblieben 
und fiel entweder sofort aus, oder krystallisierte nach einigem Reiben 
der Gefäßwandung in kleinen Blättchen. Die Ausbeute hieran war 
gering; sie betrug nur 6—7 g aus 150 g Acetophenon. Um die freie 
Base zu erhalten, wurde das Salz in viel Alkohol — die genannte 
Menge in 200 ccm — suspendiert und das Gemenge mit festem Aetz- 
kali bis zur schwach alkalischen Reaktion geschüttelt. Nun wurde 
von dem gebildeten Chlorkalium abfiltriert und die klare Flüssigkeit 
an der Luft verdunstet. Sobald der zum Teil schmierige, zum Teil 
mit Krystallen durchsetzte Rückstand durch Verreiben mit wenig 
Alkohol krystallinisch geworden war, wurde die Substanz von den 
flüssigen Anteilen befreit, mit Wasser gewaschen und aus Alkohol 
krystallisiert. Zur Zerlegung des in Alkohol aufgeschwemmten Chlorids 
konnte auch eine eben genügende Menge wässeriges Alkali verwendet 
werden. 

Die reine Substanz schmolz bei 115° und bildete gut entwickelte 
Krystalle, die bei längerem Verbleiben in der alkoholischen Lösung _ 
sehr schön wuchsen. Ueberhaupt zeigte Acetophenonammoniak eine 
ganz außerordentliche Krystallisationsfähigkeit. In prächtigen, großen 
monoklinen Säulen und Tafeln mit scharfen Kanten und abgeschnittenen 
Ecken wurde der Körper aus Jodmethyl, das ihn unter diesen Ver- 
hältnissen nicht angriff, oder noch besser, aus einer Mischung von 
Jodmethyl und Methylalkohol?) erhalten. Acetophenonammoniak erwies 
sich bei der Hinsberg’schen Probe mit Phenylsulfochlorid als tertiäre 
Base. Ueber den Schmelzpunkt erhitzt, zersetzte sich das Produkt 
unter Ammoniakentwickelung. Bei längerer Aufbewahrung färbte es 
sich unter Ketonabspaltung gelblich. 


1) 8. 641. 

2) Diese Mischung leistete auch bei dem später beschriebenen Methyl- 
p-tolylketonammoniak zur Erzeugung größerer Krystalle gute Dienste. Ihre 
Anwendung erfolgte in der Weise, daß die Substanz erst in wenig farblosem 
Jodmethyl kalt aufgenommen und diese Lösung mit viel frisch destilliertem 
Methylalkohol versetzt wurde. Es mußte mindestens das doppelte Volumen 
Holzgeist genommen werden, weil sonst die Krystalle auf der Flüssigkeit 
obenauf schwammen und sich dadurch nicht entwickeln konnten. Das Ganze 
wurde ein oder mehrere Tage in das Dunkle gestellt. 


C, Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 645 


Die Analyse der aus Alkohol krystallisierten und im Vakuum 
getrockneten Substanz ergab für die Formel: 
(CH3 : C - CoH;)a Na 
stimmende Werte. 


0,1914 g Substanz: 0,5925 g CO,, 0,1212 g HyO 
0,2152 „ EN ah 


0,2533 „ „ 0,7823 „Ey? 7Q1640% 5 
0,1606 „ 5 12,4 ccm N bei 22,50 und 755 mm 
0,1632 „ e 12,517 4 000 PR 08 
0,1298 „ A 1041 ud: ir „ 758 
Berechnet für Ca4 Hay Na: Gefunden: 
C 84,64 84,43 84,39 84,21 
EL: 0218 7,05 7,20 ) 
N 8,25 8,66 8,82 8,94 


Molekulargewichtsbestimmung in siedendem Benzol: 
0,3050 g Substanz: 19,9078 g Lösungsmittel, A = 0,119 
0,6366 „ r 19,9078 „ n A = 0,254 

m — Berechnet: 340 
Gefunden: 335 
3 32 


Kaltem Wasser gegenüber verhielt sich die Base indifferent. 
Fügte man jedoch ihrer wässerigen Suspension einige Tropfen Salz- 
säure hinzu, so trat schon bei gewöhnlicher Temperatur sehr bald 
Acetophenongeruch auf. 

Wegen dieses leichten Zerfalls ihres Moleküls schien es mir nicht 
ausgeschlossen, daß die Substanz therapeutischen Wert besitze. Eine 
solche Hoffnung durfte ich besonders deshalb hegen, weil einerseits 
Acetophenon unter dem Namen Hypnon als Schlafmittel gilt, anderer- 
seits die hydrolytische Spaltung des Präparats im Magen möglicher- 
weise eine erhöhte Acetophenonwirkung herbeiführen konnte. 

Herr Professor Dr. Geppert, Direktor des pharmakologischen 
Instituts der Universität Gießen, hatte die Liebenswürdigkeit, auf 
meine Bitte einige Versuche an einem Hund anstellen zu lassen, und 
teilte mir hierüber mit, daß die Substanz kein Hypnotikum sei, sondern 
im Gegenteil in kleinen Dosen Unruhe, in größeren (noch unter 1g 
liegenden) Gaben starke Diarrhöen hervorgerufen hätte. 

Auch an dieser Stelle danke ich Herrn Professor Geppert ver- 
bindlichst. 

Salzsaures Acetophenonammoniak. 

Das bei der Darstellung von Acetophenonammoniak erhaltene 
Chlorid ließ sich im Gegensatz zur Base nicht umkrystallisieren. Da 
infolgedessen eine Reinigung durch Umlösen nicht zu erzielen war, so 


616 GC. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 


wurde anfänglich, um eine Analyse auszuführen, das mit Aether ge- 
waschene Rohsalz zur Entfernung beigemischten Salmiaks mit kaltem 
Wasser behandelt und dann über Schwefelsäure getrocknet. Nach 
nochmaligem Abspülen mit Aether und längerem Liegen im Vakuum 
zeigte die Substanz einen viel zu hohen Stickstoffgehalt. Diese Tat- 
sache war darauf zurückzuführen, daß dem Chlorid wieder Chlor- 
ammonium beigemischt war, welches durch Schütteln der Analysen- 
substanz mit Wasser ausgezogen und nach dem Verdunsten der filtrierten 
Lösung nachgewiesen werden konnte. Die hier erfolgte Neubildung 
von Salmiak war damit zu begründen, daß das Salz im feuchten Zustand 
sich teilweise in Chlorammonium und freies Keton zersetzte. Vor der 
sofortigen und vollkommenen Spaltung schützte es nur seine Unlöslich- 
keit in Wasser. 

Bei der Aufbewahrung des trockenen salzsauren Acetophenon- 
ammoniaks konnte man das Auftreten des charakteristischen Aceto- 
phenongeruchs und bei längerer Berührung des Chlorids mit Wasser 
die Abscheidung des Ketons an einem hellgelben, öligen Ueberzug der 
Substanz beobachten. 


Acetophenonammoniak und Platinchlorid. 


Wegen der leichten Spaltbarkeit des salzsauren Acetophenon- 
ammoniaks wurde nicht dieses Salz, sondern die freie Base zu dem 
Versuch einer Platinsalzdarstellung angewendet. Es wurde also das 
reine Ketonammoniak kalt in Alkohol gelöst und die Flüssigkeit mit 
einer alkoholischen Lösung von Platinchlorid ohne Salzsäurezusatz 
vermischt; die im sogenannten Platinchlorid enthaltene Menge Chlor- 
wasserstoff mußte zur Bildung des Doppelsalzes hinreichen. Trotz 
aller Vorsicht konnte jedoch eine Platinverbindung der Base nicht 
erhalten werden, da sich nur Platinsalmiak ausschied, ein weiterer 
Beweis für \die leichte Spaltbarkeit der Acetophenonammoniaksalze. 
Sie erfolgte hier durch den Einfluß des im Platinchlorid und Alkohol 
enthaltenen Wassers. 


Acetophenonammoniak und Pikrinsäure. 
(Pikrinsaures Monazo-acetophenonammoniak.) 


Eine kalt bereitete Lösung von Acetophenonammoniak in Alkohol 
wurde mit soviel alkoholischer Pikrinsäureflüssigkeit versetzt, daß 
trockenes Kongopapier beim Betupfen ganz schwach gebläut wurde. 
Hierdurch bildeten sich bald zartgefederte, gelbe Krystalle. Krystallisierte 
man diese um, so erhielt man schöne Blättchen, die bei 210,5° schmolzen 
und sich identisch erwiesen mit Jem später beschriebenen Pikrat des 
Monazo-acetophenonammoniaks. 


C. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 647 


Während also das Chlorid des Acetophenonammoniaks durch 
Wasser und feuchte Luft eine Spaltung in Chlorammonium und Aceto- 
phenon erlitt, trat bei dem Pikrat in alkoholischer Lösung Verlust 
eines Moleküls Ammoniaks ein, das möglicherweige in statu nascendi 
ätbyliert wurde. 


Aufarbeitung der ätherischen Mutterlauge vom salzsauren 
Acetophenonammoniak. 


Die vom salzsauren Acetophenonammoniak abfiltrierte Aether- 
lösung enthielt sehr viel unverändertes Keton. Um es wieder zu 
gewinnen, wurde der Aether abdestilliert und die bei 200—210° über- 
gehende Flüssigkeit nach Passieren eines Luftkühlrohres, besonders 
aufgefangen. Als dieses Rohketon in einem Falle in der doppelten 
Menge Alkohol gelöst und die Mischung unter Abkühlen durch 
Eis und Kochsalz mit Ammoniakgas gesättigt wurde, schieden sich 
nadelförmige Krystalle ab, deren Menge beim Einengen der Flüssigkeit 
zunahm. Die Substanz war in Wasser schwer löslich und krystallisierte 
leicht hieraus. Eine Analyse konnte wegen zu geringer Substanzmenge 
nicht ausgeführt werden. 

Das zurückgewonnene Rohacetophenon wurde nochmals fraktioniert 
und nur der Anteil, der bei 200° überging und beim Abkühlen erstarrte, 
zu einem neuen Versuch mit alkoholischem Ammoniak angesetzt. 

Der Destillationsrückstand vom Rohacetophenon wurde ohne 
Thermometer mit starker Flamme weiter erhitzt. Nachdem hierbei 
noch etwas Acetophenon übergegangen war, trennte sich plötzlich das 
Liquidum in zwei Schichten, eine obere helle, die aus Ketonresten 
bestand, und eine untere rotbraune von der Beschaffenheit eines Teeres. 
Als letztere sehr hoch erhitzt wurde, trat zunächst eine lebhafte 
Wasserabspaltung und Entwickelung brennbarer, noch Toluol riechender 
Dämpfe ein. Dann destillierte ein gelbbraunes Oel, das anscheinend 
Dimethylanilin oder ein Derivat hiervon enthielt (Geruch, Grüntärbung 
sowohl beim Erwärmen mit Benzotrichlorid und Chlorzink, als auch 
beim Versetzen seiner stark abgekühlten alkoholischen Lösung mit 
Salzsäure und Natriumnitrit). Schließlich folgte eine zu schönen 
Krystallen im Luftkühlrobr erstarrende Substanz. Sobald sich hiervon 
nichts mehr verflüchtigte und eine zähe Schmiere erschien, wurde mit 
dem Erhitzen aufgehört. In dem Kolben befand sich danach nur eine 
total verbrannte Masse. 

Die Krystalle, die sich aus Alkohol umkrystallisieren ließen, 
waren stickstofffrei, lichtempfindlich und gaben im reinen Zustande 
mit konzentrierter Schwefelsäure eine intensive tietblaue Fluoreszenz. 
Da die Substanz kein Keton-Ammoniakprodukt ist und nach den 


648 C. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 


Analysen eicer besonderen Gruppe von Verbindungen anzugehören 
scheint, so wird über sie im speziellen berichtet werden. 


Untersuchung der wässerigen Salzsäureschicht, 
(Monazo-acetophenonammoniak.) 


In der gelbgefärbten Salzsäureausschüttelung des mit Aether 
aufgenommenen Verdunstungsrückstandes der Reaktionsflüssigkeit: 
„Acetophenonammoniak = alkoholisches Ammoniak“ war eine zweite 
Base enthalten. Diese bildete im Gegensatz zu Acetophenonammoniak 
ein in Wasser leichtlösliches Chlorid. 

Zur Gewinnung der neuen Verbindung wurden zunächst dem 
Salzsäureauszug, der sich allmählich unter Abscheidung eines an- 
scheinend aus Acetophenon bestehenden Oeles trübte, durch mehrmalige 
Ausätherung die Reste der ätherischen Schicht entzogen. Dann 
kühlte ich die Flüssigkeit durch hineingeworfene Eisstückchen ab und 
vermischte sie mit sehr kalter, nicht zu konzentrierter Ammoniak- 
lösung, wobei die Base in Freiheit gesetzt wurde. Nun ätherte ich 
aus, trocknete die Aetherlösung mit wasserfreiem Natriumsulfat und 
verdunstete sie an der Luft. Der Rückstand bildete ein wasser- 
unlösliches, gelbes Oel, das sich allmählich zu einer weichen Masse 
verdickte. 

Diese bestand zur Hauptsache aus Monazo-acetophenonammoniak, 
denn sie bildete in alkoholischer Lösung ein Pikrat, das identisch war 
mit dem später beschriebenen pikrinsauren Salz der durch Druck- 
erhitzung gewonnenen Monazo-Base. 


B. Druckerhitzung von Acetophenon mit alkoholischem Ammoniak. 


Monazo-acetophenonammoniak U, H5ı N. 


Eine Lösung von Acetophenon in der doppelten Menge Alkohol 
wurde in der Kälte mit Ammoniakgas gesättigt und 27 Stunden lang 
im zugeschmolzenen Glasrohr auf 150—180° erhitzt; während der 
Nacht blieb die Operation unterbrochen. Die Bombenröhren zeigten 
beim Oeffnen keinen Druck und enthielten eine braungelb. gefärbte 
Flüssigkeit, welche in derselben Weise aufgearbeitet wurde, wie es 
bei der Darstellung des Acetophenonammoniaks und seiner Begleit- 
körper angegeben ist. Während letztere alle auch hier vorgefunden 
wurden, konnte Acetophenonammoniak selbst nicht erhalten werden; 
statt dessen hatte sich eine größere Menge des bereits unter A er- 
wähnten Monazo-Produktes gebildet. Dieses war als Chlorid in dem 
hier goldgelb gefärbten Salzsäurewasser, aus dem sich ein gelbes 
Goldsalz fällen ließ, gelöst, 


C. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 649 


Machte man zur Gewinnung der Base die saure wässerige 
Flüssigkeit statt ammoniakalisch natronalkalisch, so fiel der Nieder- 
schlag nicht als Oel, sondern als beinahe feste, zusammenbackende 
Masse aus. Wurde diese mit kaltem Alkohol verrieben, so gingen 
die weichen Anteile in Lösung und in beträchtlicher Menge blieb ein 
amorphes Pulver zurück, das sich nach dem Glühen als natronhaltig 
erwies und unlöslich in Wasser und Alkohol, löslich in vengünnter 
Salzsäure war. Möglicherweise lag hier ein Imino-Salz vor. 

Sowohl die freie Base, als auch ihr Goldsalz konnten nicht 
gereinigt werden. Erstere stellte ein zu einem weichen, nicht 
krystallisabelen Produkt erstarrendes Oel dar und letzteres ließ sich, 
obwohl es unter dem Mikroskop undeutlich strahlig-krystallinische 
Struktur zeigte, nicht umkrystallisieren; es zersetzte sich nämlich 
mit sämtlichen angewandten Lösungsmitteln beim Erhitzen unter Gold- 
abscheidung. 

: Da auch die erwähnte Natriumverbindung nicht zur Analyse 
geeignet war, so mußte ich mich nach einem anderen Bestimmungs- 
körper umsehen. Einen brauchbaren fand ich im Pikrat. 

Zu dessen Darstellung wurde das basische Produkt kalt in 
Alkohol gelöst und das Filtrat mit alkoholischer Pikrinsäurelösung 
bis zur schwachen Bläuung von trockenem Kongopapier versetzt. Das 
Salz fiel entweder sofort aus oder krystallisierte nach einigen Minuten 
und wurde aus Alkohol, worin es im Verhältnis von ungefähr 1:400 
löslich war, umkrystallisiert. Hierbei erhielt ich schöne gelbe Blättchen, 
die, nochmals umkrystallisiert, den Schmp. 210,5° zeigten. Aceton, 
worin das Salz sich etwas leichter als in Alkohol löste, eignete sich 
ebenfalls als Krystallisationsmittel. 

0,2765 g Substanz: 0,6662 g COs, 0,1164 g H,O 

0209,  „ 0,4935 „ „ 00890 „ „ 


0,1961 „ 18,8 ccm N bei 21° und 752 mm 
0,1427 „ = BL -r 7  . Zotz 
Berechnet für 04 Hs; N-C;3H3 (OH) (NO3)g: Gefunden: 
C 65,18 65,71 65,37 
H 438 4,67 4,81 
N 10,17 10,81 10,72 


Beim Uebergießen des gepulverten Pikrats mit wässeriger 
Ammoniakflüssigkeit wurde unter Zusammenbacken der Substanz die 
Base zurückerhalten, die nach dem Ausäthern wieder eine zuerst ölige, 
dann weiche Konsistenz zeigte. Aus dem Ketonammoniak entsteht 
das Monazo-Produkt, wie bereits unter A berichtet, bei der Einwirkung 
von Pikrinsäure in zimmerwarmer alkoholischer Lösung, und zwar 
durch Verlust von einem Molekül Ammoniak. 


650 GC. Thomae: Keton-Ammoniakverbindunger. 


Ob nun bei der Druckerhitzung das Ketonammoniak sich zuerst 
und intermediär bildet und dann Ammoniak abspaltet, oder der 
Monazo-Körper ohne weiteres zu stande kommt, muß dahingestellt 
bleiben. 


Verhalten des Monazo-acetophenonammoniaks beim Erhitzen. 
(Ringschluß zu Triphenylpyridin.) 

Rohes, durch Druckerhitzung gewonnenes Monazo-acetophenon- 
ammoniak wurde in einem Fraktionskolben ohne Thermometer und 
Kühlrohr mit direkter Flamme erwärmt. Die sich hierbei ver- 
flüssigende Masse schied zunächst im Destillationsgefäß wenig flockige 
Substanz ab. Gleichzeitig gingen Wasser und Ammoniak. über. 
Steigerte man die Temperatur, so destillierte ein dunkel gefärbtes, 
dickes Oel, das in einzelnen Fraktionen aufgefangen wurde. Von den 
erstarrenden Proben wurden die meisten beim Verreiben mit Alkohol 
krystallinisch. Das Rohprodukt wurde auf Ton gebracht, mit Alkohol 
abgespült und aus diesem Lösungsmittel umkrystallisiert. 

Hierbei wurden lange Nadeln von dem Schmelzpunkt und den 
Eigenschaften des Acetophen(on)ins (Triphenylpyridins) erhalten. Da 
sich das Produkt am Licht rötlich färbte, so mußte es, sowie seine 
Lösung, in das Dunkle verbracht werden. 

0,1020 g Substanz: 0,3369 g CO;, 0,0533 g H30 


0,1210 „ " 0,3997, „51x 0,0633) Juras 
0,1302 „ or 5,3 ccm N bei 16,5% und 753 mm. 
Berechnet für CgHyrN: Gefunden: 
C 89,85 90,10 90,08 
H 5,58 5,78 5,87 
N 4,57 4,69 2 


Die beiden Kohlenstoff-Wasserstoffbestimmungen hat Herr 
W. Müller-Göttingen ausgeführt, dem ich für seine Liebenswürdigkeit 
bestens danke. 


Eine Einwirkung von Ammoniak auf Acetophenon haben die 
Herren C. Engler und H. Heine!) mit Hilfe eines besonders zu- 
gesetzten Kondensationsmittels erzielt. Sie sättigten das Keten mit 
trockenem Ammoniakgas, gaben etwas Phosphorsäureanhydrid zu und 
kochten eine Zeitlang am Rückflußkühler. Dann ließen sie abkühlen 
und wiederholten den Vorgang so oft, bis eine bestimmte Menge 
Phosphorsäureanhydrid verbraucht war. Nun destillierten sie das 
Reaktionsprodukt und erhielten ein Gemisch aus Triphenylbenzol und 
Triphenylpyridin, das sie äuf geeignete Weise trennten. 


1) Ber. 6, 638 (1873). 


GC. Thomae u H. Lehr: Methyl-p-tolylketon. 6öl 


Bei diesem Versuch hat sich vielleicht zuerst Acetophenon- 
ammoniak und dann die Monazo-Base gebildet, die bei der Destillation 
das Pyridinderivat unter Methanabspaltung lieferte. 

P. Riehm, ein Schüler von ©. Engler, hat bei der Engler- 
Heine’schen  Acetophen(on)indarstellung das Auftreten brennbarer 
Gase nachgewiesen und folgerte hieraus und aus dem von ihm 
experimentell durchgeführten Nachweis der Methanbildung bei ähnlichen 
Reaktionen, daß auch bei dem erwähnten Versuch Sumpfgas entwichen 
sei. Hierdurch wurde er veranlaßt, das Acetophenonin als Triphenyl- 
pyridin zu interpretieren. 

Um ihr Produkt bequemer zu erhalten, ließen ©. Engler und 
H. Heine alkoholisches Ammoniak unter Druckerhitzung auf Aceto- 
phenon einwirken, worüber sie berichten): „Ein Versuch, das Aceto- 
phenonin durch Einwirkung von alkoholischem Ammoniak auf Aceto- 
phenon darzustellen, gab keine günstigen Resultate. Nach dreitägigem 
Erhitzen eines Gemisches von alkoholischem Ammoniak und Aceto- 
phenon im zugeschmolzenen Rohr auf 150—180° ergab sich beim 
Verdunsten des Alkohols eine zähe Masse, aus welcher sich mittelst 
Salzsäure nur geringe Mengen einer durch Ammoniak fällbaren 
Substanz ausziehen ließen.“ 

Hierzu erlaube ich mir zu bemerken, daß OÖ. Engler und 
H. Heine deshalb kein befriedigendes Resultat erhalten haben, weil 
bei der Druckerhitzung von Acetophenon mit alkoholischem Ammoniak 
nicht das von ihnen erwartete Produkt, sondern ein Vorkörper, der 
erst durch Destillation das Acetophenonin liefert, gebildet wird. 


Zur Kenntnis des Methyl-p-tolylketons. 
Von Carl Thomae und Hermann Lehr. 


Methyl-p-tolylketon?)®) ist von Claus und Riedel nach der 
Methode dargestellt worden, die Claus und seine Schüler des öfteren 
zur Ketongewinnung anwandten und die zum ersten Mal bei dem 
Methyl-p-xylylketon beschrieben ist ?). 


1) Ber. 6, 640 (1873). 

2) Ber. 19, 234 (1886). 

8) Journ. f. prakt. Chem. II., 41, 400 (1890). 
4) Claus und Wollner, Ber. 18, 1856 (1885). 


652 C. Thomae u. H. Lehr: Methyl-p-tolylketor. 


Nach diesen Angaben haben auch wir zur Darstellung größerer 
Ketonmengen gearbeitet, hatten jedoch bei der Aufarbeitung des von 
uns auf zerschlagenes Eis gegossenen Reaktionsproduktes (Acetyl- 
chlorid, Toluol und Aluminiumchlorid) anfänglich eine Schwierigkeit . 
zu überwinden. Es trat nämlich eine lästige Emulsionsbildung ein, 
wenn die Ketonlösung von der wässerigen Schicht abgehoben, nochmals 
mit Wasser durchgeschwenkt und nach dessen Entfernung mit Soda- 
lösung gewaschen wurde. Wir halfen uns dadurch, daß wir den 
gesamten Brei in einen Kolben brachten und diesen, ohne zu schütteln, 
in heißes Wasser stellten. Sobald die Schichten sich getrennt hatten, 
gaben wir das Ganze, indem wir ein Durchrütteln vermieden, in den 
Scheidetrichter zurück und entfernten zunächst das durch die Wärme 
abgeschiedene Wasser. Dann gossen wir die Ketonlösung durch die 
obere Gefäßöffnung von dem restierenden Schleim ab und zogen diesen 
durch gelindes Durchschwenken mit Aether in offenen und mit Ausguß 
versehenen Zylindern einige Mal aus. Schließlich versetzten wir die 
übrig gebliebene Emulsion mit so viel wasserfreiem Natriumsulfat, daß 
eine dicke Masse entstand. Plötzlich war der Schleim verschwunden 
und die aus der Mischung herausgedrückte ätherische Flüssigkeit 
konnte mühelos von der jetzt körnigen Masse abgegossen werden. 

Nach dem Fraktionieren der vereinigten Lösungen, die aus 
Keton, Schwefelkohlenstoff und unverändertem Toluol bestanden, trat 
während einer sehr kalten Nacht der Fali ein, daß sich aus einem 
zwischen 150 und 220° liegenden Vorlauf das Keton in derben, bei 
28° schmelzenden Krystallnadeln abschied. Diese Tatsache kam uns 
sehr erwünscht, da der Schmelzpunkt des Methyl-p-tolylketons noch 
nicht in der Literatur angegeben ist. | 

Die zwischen 220 und 240° übergehende Fraktion, in der fast 
alles Keton enthalten sein mußte, destillierten wir nochmals. Hierbei 
erhielten wir, nachdem je S00 g Acetylchlorid, Toluol und Aluminium- 
chlorid in Reaktion gebracht waren, folgende Anteile: 


L.. ‚Destillat bis..2250 . .. ı. oa 
Il. % von 225—227° (unkorr.) 261 „ 
II. u ).) 227--290° (. olkufaiee 


Der letzte Tropfen von No. III ging noch ungefärbt über. Die 
über 230° siedende Flüssigkeit wurde nicht mehr destilliert und wog 
90 g. Nur Fraktion II verwandten wir als Reinketon. 


C. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 653 


Ueber Keton-Ammoniakverbindungen. 
6. Mitteilung von Carl Thomae, Gießen. 


Die Einwirkung von Ammoniak auf Methyl-p-tolylketon. 


Bearbeitet in Gemeinschaft mit Herm. Lehr. 
(Eingegangen den 17. XI. 1906.) 


A. Die bei gewöhnlicher Temperatur erzielte Reaktion. 


Eine Lösung von Methyl-p-tolylketon in der doppelten Menge 
absoluten Alkohols wurde unter Abkühlen in Eiswasser mit trockenem 
Ammoniakgas gesättigt. Hierbei schied sich das Keton oberhalb der 
Lösung in schönen Nadeln ab, die von dieser beim Umschütteln wieder 
aufgenommen wurden. Die Mischung setzten wir unter öfterem Nach- 
sättigen mit Ammoniak drei bis vier Wochen lang beiseite. Dann 
wurde sie in eine flache ‚Schale gegossen und an der Luft verdunstet. 
Der Rückstand, der flüssige Konsistenz besaß, wurde mit der drei- 
fachen Gewichtsmenge Aether aufgenommen. Nachdem die Lösung in 
einen Scheidetrichter gegossen und mit Eisstückchen versetzt worden 
war, wurde sie mit einer eiskalten Mischung aus 1 Teil rauchender 
Salzsäure und 9 Teilen Wasser bis zur sauren Reaktion versetzt und 
durchgeschüttelt. 

Methyl-p-tolylketonammoniak. 

Die ätherische Schicht wurde von der wässerigen getrennt und 
in ein starkwandiges Glas gegossen. Darnach wurden dessen Wandungen 
mit einem Glasstab gerieben. Schieden sich hierbei wässerige Tropfen 
ab, so wurde nochmals in ein trockenes Gefäß umgegossen und das 
Reiben des Glases hier fortgesetzt. Nach etwa einer Viertelstunde 
krystallisierten an den geriebenen Stellen die ersten Spuren des 
Chlorides vom Methyl-p-tolylketonammoniak an. Nun wurde das Gefäß 
unter zeitweiligem Abstreichen der Krystalle von den Wandungen 
beiseite gesetzt. Am nächsten Tag filtrierten wir das ausgeschiedene 
chlorwasserstoffsaure Methyl-p-tolylketonammoniak ab und gossen das 
ätherische Filtrat in ein Sammelglas für die später beschriebene Auf- 
arbeitung. Das Salz wurde mit Aether gewaschen und sofort auf Ton 
gestrichen. Nach dem Trocknen lagerten wir es auf einem Porzellan- 
teller unter öfterem Umschaufeln so lange an der Luft, bis es geruchlos 
geworden war, sich also die letzten Reste von anhaftendem Keton 
verflüchtigt hatten. Das Chlorid stellte dann ein schneeweißes Pulver 


654 C. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 


dar und wurde nunmehr in viel absolutem Alkohol suspendiert. Die 
Aufschwemmung schüttelten wir mit Stückchen Aetzkali bis zur 
alkalischen Reaktion. Sobald dieser Punkt erreicht war, ‘wurde die 
Flüssigkeit von dem Aetzkali abgegossen und filtriert, worauf die 
Lösung in flachen Schalen dem freiwilligen Verdunsten ausgesetzt wurde. 

Die zurückbleibende halbweiche Base, die durch Anreiben mit 
wenig absolutem Alkohol krystallinisch wurde und durch Waschen mit 
Wasser von anhaftendem Alkali befreit werden mußte, krystallisierten 
wir aus vier Teilen absolutem Alkohol um. Die hierbei erhaltenen, 
etwas derben Krystalle, die ungefärbt waren, begannen bei 107° sich 
zu verflüssigen und waren bei 111° klar geschmolzen. ‚Die schon 
unterhalb des eigentlichen Schmelzpunktes anfangende Verflüssigung 
rübrte daher, daß die Substanz zum Oeligwerden neigte. 

Die Bildung der Verbindung war dadurch vor sich gegangen, 
daß sich drei Moleküle Methyl-p-tolylketon mit zwei Ammoniak- 
komplexen unter Abspaltung von drei Molekülen Wasser vereinigt hatten. 

Methyl-p-tolylketonammoniak war als freie Base verhältnismäßig 
beständig und ließ sich mit kaltem Wasser unbeschadet waschen. 
Wenn man es jedoch im gepulverten Zustand: in Wasser suspendierte 
und nur einige Tropfen verdünnter Salzsäure zugab, so machte sich 
binnen weniger Minuten Ketongeruch bemerkbar, und allmählich färbte 
sich die Flüssigkeit hellgelb. 

Die Analyse der Base lieferte Resultate, die für die Formel: 
(CH; —-C—C; HB; - CH3)3 Na stimmten. 

0,1787 g Substanz: 0,5576 g CO,, 0,1352 g Hs0 


0,2295 „ E 0,1100, „Ps ALIooH me 

0,2583 „ 5 0,8012 „ao, stQ1371 yloig 

0,1177, ö 7,8 ccm N bei 220 und 757 mm 

0,1038 „ Y TO ir ae 

Berechnet für Ca7HgoNe: Gefunden: 

C_ 84,75 85,11 85,10 84,59 
ka | 8,39 8,19 8,05 
N 73 7,48 7,51 _ 


Molekulargewichtsbestimmung nach der Siedemethode: 
0,4084 g Substanz: 20,3526 g Benzol, A —= 0,14 
0,5076 „ r 20,6607 ,„ , N 
m = Barechnet: 382 
Gefunden: 373 
J 376 


Die Ausbeute war, selbst bei Versuchen, die über die angegebene 
Zeit gestanden hatten, gering: 

Fin Ansatz von 378 g Keton, die bei erschöpfender Ammoniak- 
kondensation 359,28 g Ketonammoniak entsprochen hätten, lieferte 


C. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 655 


nach dreivierteljährigem Stehen 21 g salzsaures Methyl-p-tolylketon- 
ammoniak, in denen 19,96 g Base enthalten waren. Die erzielte Aus- 
beute betrug in diesem Fall 4,72% der theoretischen. Ein anderer 
Ansatz von 272 g Keton, 258,53 g Ketonammoniak entsprechend, ergab 
nach einem Vierteljahr 10 g Chlorid, enthaltend 8,08 g Base. Hier 
wurden nur 3,13% der theoretischen Ausbeute erreicht. 

Da der eine von uns die Erfahrung gemacht hatte, daß in 
gewissen Fällen Jodmethyl oder eine Mischung hieraus und aus über- 
schüssigem Methylalkohol ein yorzügliches Lösungsmittel zur Erzeugung 
größerer, gut entwickelter Krystalle sein kann, so nahmen wir ohne 
Erwärmung etwas Methyl-p-tolylketonammoniak mit wenig farblosem 
Jodmethyl, worin es sich leicht löste, auf und gaben das dreifache 
Volumen frisch destillierten Methylalkohol zu. Nach ein- oder mehr- 
tägigem Stehen im Dunkeln bildeten sich kleine derbe Säulen, die oft 
sternförmig miteinander verbunden waren. Die Krystalle, die den 
Schmelzpunkt des Methyl-p-tolylketonammoniaks zeigten, waren größer 
entwickelt als bei der Krystallisation aus Alkohol. Eine Anlagerung 
von Jodmethyl erfolgte hierbei nicht, denn die Substanz blieb jodfrei. 

Bei der Behandlung mit Phenylsulfochlorid und Kalilauge erwies 
sich die Base als tertiär. 


Chlorid des Methyl-p-tolylketonammoniaks. 


Das bei der Darstellung von Methyl-p-tolylketonammoniak er- 
haltene salzsaure Salz wurde in der Regel als weißes Pulver gewonnen, 
das unter dem Mikroskop als dünne, quadratisch geformte Krystall- 
blättchen erschien. In einem Falle, wobei die Gefäßwandung nicht 
mit dem Glasstab gerieben worden war, erhielten wir es auch als derb 
entwickelte Krystalle von würfelförmigem Aussehen. In kaltem 
Alkohol war das Chlorid unlöslich. 


Platinsalz des Methyl-p-tolylketonammoniaks. 


Wegen der leichten Spaltbarkeit des salzsauren Methyl-p-tolyl- 
ketonammoniaks wurde nicht dieses, sondern die verhältnismäßig be- 
ständige Base zur Platinatgewinnung verwandt. Es wurden also 0,5 g 
Ketonammoniak kalt in 30 g absolutem Alkohol aufgenommen und 
das Filtrat mit einer Lösung von 0,8 g Platinchlorid in 5 g absolutem 
Alkohol vermischt; die im sogenannten Platinchlorid enthaltene Menge 
Chlorwasserstoff mußte zur Bildung des Doppelsalzes hinreichen. Bei 
der Zugabe der ersten Anteile Platinlösung entstand ein Niederschlag, 
der jedoch beim Zufügen der gesamten Platinlösung wieder verschwand. 
Nach wenigen Minuten fiel dann das Platinsalz als sandiges, gelbes 
Pulver, das unter dem Mikroskop als erstarrte Oeltröpfchen erschien, 


656 C. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 


aus. Es wurde bald abfiltriert, mit absolutem Alkohol gut gewaschen 
und bei gewöhnlicher Temperatur getrocknet. 

In Wasser löste sich das Produkt nicht. Da es sich auch aus 
anderen Solventien nicht umkrystallisieren ließ, so wurde es ohne 
weiteres zur Platinbestimmung verwandt. 

0,2572 g Substanz: 0,0639 g Pt 

Er 0,0568 „ „ 

Berechnet für CyHgoNs - 2HC1 - PtC};: Gefunden: 

Pt 24,60 3 24,46 24,92 

Der Schmelzpunkt des exsikkatortrockenen Platinsalzes lag bei 
203—204°., 

Monazo-methyl-p-tolylketonammoniak Cs, Ha, N. 


Während Methyl-p-tolylketonammoniak mit wässeriger Salzsäure 
eine Spaltung in seine Komponenten, Methyl-p-tolylketon und Ammoniak, 
erlitt, wurde es von alkoholischer Pikrinsäure in anderer Weise ver- 
ändert; nach dem Analysenbefund des resultierenden Produktes verlor 
die Base hierbei ein Molekül Ammoniak. Dieselben Vorgänge waren 
bereits bei Acetophenonammoniak beobachtet worden’). Auch hier 
trat mit wässeriger Salzsäure Hydrolyse, dagegen mit alkoholischer 
Pikrinsäure Verlust eines Ammoniakkomplexes ein. 

Zur Gewinnung von Monazo-methyl-p-tolylketonammoniak 
schüttelten wir das gepulverte Ketonammoniak mit etwas absolutem 
Alkoholan und gaben kalt gesättigtealkoholische Pikrinsäurelösung bis zur 
Bläuung von trockenem Kongopapier, die einen Ueberschuß der Säure 
anzeigte, hinzu. Das Ausgangsprodukt ging hierbei leicht in Lösung 
und nach mehrstündigem Stehen krystallisierte ein gelbes Pikrat in 
kleinen, derben Krystallen aus. Dieses wurde aus absolutem Alkohol, 
worin es schwer löslich war, umkrystallisiert und schmolz dann bei 
211° zu einer schwarzbraunen Flüssigkeit, die nicht krystallinisch 
erstarrte. 

Pikrinsaures Monazo-methyl-p-tolylketonammoniak dissoziierte bei 
gewöhnlicher Temperatur, selbst im gepulverten Zustand, nicht oder 
höchstens spurenweise beim Stehenlassen mit Wasser. 

0,2615 g Substanz: 0,6351 g CO,, 0,1204 g H,O 


0,2578 „ = DIRZB7,.. u: „lu EID ze 
0,1685 „ z 14,2 ccm N bei 150 und 738 mm 
0,1824 „ 4 re - 
Berechnet für CyHsN - CaHa(OH) (NOa)z: Gefunden: 
C 66,62 66,23 66,52 
H 5,09 5,12 5,08 
238 N 94 9,55 98 


1) 8. 647. 


C. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 657 


Die freie Base des Monazo-methyl-p-tolylketonammoniaks erhielten 
wir durch Schütteln des gepulverten Pikrats mit einer Mischung aus 
wässerigem Ammoniak und Aether. Die ätherische Schicht wurde 
von der gelb gefärbten ammoniakalisch-wässerigen getrennt, mit Wasser, 
das ihr die gelbe Färbung entzog, mehrmals ausgeschüttelt und mit 
wasserfreiem Natriumsulfat getrocknet. Nach dem Verdunsten der 
Aetherlösung hinterblieb das Monazo-methyl-p-tolylketonammoniak als 
eine in absolutem Alkohol leicht lösliche, nicht ganz fest werdende 
weißliche Masse, deren Umkrystallisation uns noch nicht gelungen ist. 

Die Entstehung der Verbindung ist dadurch zu erklären, daß 
Methyl-p-tolylketonammoniak bei dem beschriebenen Versuch ein 
Molekül Ammoniak verloren hat. 


Aufarbeitung der ätherischen Mutterlauge vom salzsauren 
Methyl-p-tolylketonammoniak. 


Die vom salzsauren Methyl-p-tolylketonammoniak abfiltrierte 
Aetherlösung enthielt viel unverändertes Keton. Zu dessen Wieder- 
gewinnung wurde zunächst der Aether abgetrieben; dann erhitzten 
wir die Flüssigkeit höher und fingen das bei 220—240° übergehende 
Destillat besonders auf, um es darnach in der erforderlichen Weise 
nochmals zu fraktionieren. 

Der Rückstand vom Rohketon wurde aus dem Fraktionskolben 
ohne vorgelegtes Kühlrohr weiter destilliert. Zunächst gingen noch 
Ketonreste über, dann aber trennte sich plötzlich das Liquidum in 
zwei Schichten, eine kleinere obere von heller Farbe, die im wesent- 
lichen noch aus Keton bestand, und eine größere untere von dunkel- 
braunem Aussehen und der Beschaffenheit eines sich beim Erkalten 
verdickenden Teeres. Nach völligem Abdestillieren der Ketonschicht 
und hohem Erhitzen trat zunächst eine lebhafte Wasserabspaltung und 
Entwickelung brennbarer Dämpfe ein. Dann ging ein bräunliches Oel 
über, das sehr bald zu einem Brei dünnblätteriger Krystalle erstarrte. 
Zum Schlusse destillierte eine hochsiedende, zähe Schmiere. Sobald 
diese erschien, wurde der Prozeß abgebrochen. 

Die Krystalle waren stickstofffrei und bildeten nach dem Um- 
krystallisieren aus verdünntem Alkohol silberglänzende Blättchen. Im 
reinen Zustand färbten sie sich am Lichte grünlich und gaben beim 
Uebergießen mit konzentrierter Schwefelsäure eine prächtige grünblaue 
Fluoreszenz. Aus Gründen, die bei dem entsprechenden Ac:tophenon- 
produkt angegeben sind und auch im vorliegenden Falle gelten, soll 
eine nähere Besprechung der Substanz einer besonderen Mitteilung 
vorbehalten bleiben. 

Arch. d. Pharm. CCXXXX1V. Bds. 9. Heft. 42 


658 C. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 


Uutersuchung der wässerigen Salzsäureschicht. 


Der im Scheidetrichter gewonnene Salzsäureauszug des mit 
Aether aufgenommenen Verdunstungsrückstandes, der nach dreiwöchiger 
Einwirkung von alkoholischem Ammoniak auf Methyl-p-totylketon er- 
halten worden war, besaß eine hellgelbe Farbe. Um hieraus das auf- 
genommene Keton möglichst zu entfernen, wurde die Flüssigkeit noch 
dreimal mit Aether ausgeschüttet. Dann wurde unter Abkühlung 
überschüssiges Ammoniak zugegeben und wiederum dreimal aus- 
geäthert. Die drei letzten ätherischen Ausschüttelungen vereinigten 
wir, trockneten sie mit wasserfreiem Natriumsulfat und verdunsteten 
sie an der Luft. 

Hierbei wurden aus 378g Methyl-p-tolylketon nur 0,52 diek- 
flüssiger Rückstand erhalten, der nach Keton roch und wohl haupt- 
sächlich hieraus bestand. Methyl-p-tolyiketon: war nämlich, . wie von 
uns angestellte Versuche ergeben hatten, in Salzsäure leichter löslich 
als in Wasser und wurde durch einfaches Ausäthern einer derartigen 
Lösung nicht entzogen, wohl aber, wie im vorliegenden Fall, nach dem 
Uebersättigen mit Ammoniak. 

Wegen seiner geringen Menge konnte der ätherische Auszug der 
ammoniakalisierten Salzsäureschicht nicht näher untersucht‘ werden. 


B. Die durch Druckerhitzung bewirkte Keton-Ammoniakreaktion. 


Eine unter Eiswasserkühiung mit trockenem Ammoniakgas ge- 
sättigte Lösung von 40 g Methyl-p-tolylketon in 80 g absqlutem 
Alkohol wurde in 12 Schießröhren aus Verbrennungsglas, die dadurch 
nur zu etwa ein Fünftel gefüllt waren, eingeschmolzen. Diese wurden 
dann dreimal je neun Stunden auf 150° erhitzt. Nach dem, Erkalten 
wurden die Spitzen der Röhren, die sich obne Druck öffneten, ab- 
gebrochen und der nunmehr braungelb gefärbte Inhalt in ein flaches 
Gefäß zum freiwilligen Verdunsten gegossen. Der Rückstand wurde mit 
150 ecm Aether aufgenommen und die Flüssigkeit mit ebensoviel Kubik- 
zentimetern einer Mischung aus einem Teil ranchender Salzsäure und neun 
Teilen Wasser durchgeschüttelt. Anfänglich kühlten wirdie Aetherlösung 
und die Salzsäure vor dem Zusammenbringen durch ‚hineingeworfene 
Eisstückchen ab, doch erwies sich diese Maßnahme ‚späterhin als: über- 
flüssig. Sobald sich die beiden Flüssigkeitsschichten im Scheidetrichter 
getrennt hatten, schwamm in den meisten Fällen auf: der. Salzsäure 
ein dickes, gelbes Oel, das sehr bald zu einer krystallinischen, nicht 
ganz festen Masse erstarrte und chlorwasserstoffhaltig war. ' Die 
saure Ausschüttelung der ätherischen Schicht wurde noch zweimal 
wiederholt, worauf sämtliche Salzsäurewässer vereinigt wurden. 


C. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 659 


Selten fehlte das erwähnte ölige Produkt, das nicht mit dem 
Chlorid des Methyl-p-tolylketonammoniaks identisch war. Auch aus 
den Aetherlösungen konnte das genannte Salz, das unter denselben 
Bedingungen bei der kalt verlaufenen Reaktion hier erhalten worden 
war, trotz Reibens der Gefäßwandung und Stehenlassens der Flüssig- 
keit nicht gewonnen werden. Vielleicht war jedoch vorübergehend 
das Ketonammoniak gebildet worden, hatte sich aber durch die Druck- 
erhitzung sofort in das zugehörige Monazo-Produkt und dann zur 
Hauptsache in das später beschriebene Methylditolylpyridin umgewandelt. 
An kalten Tagen erfolgt: allerdings auch eine Krystallisation aus der 
Aetherlösung, doch stellte die hierbei abgeschiedene Substanz im 
Gegensatz zum salzsauren Methyl-p-tolylketonammoniak Büschel langer 
Nadeln dar urd bestand aus salzsaurem Methylditolylpyridin, das in 
geringer Menge von derätherischen Schicht aufgenommen worden war. 

Die Aetherlösung, die sich beim Stehen am Licht allmählich 
schwarzbraun färbte, wurde in derselben Weise, wie bei der kalt ver- 
laufenen Keton-Ammoniakreaktion angegeben ist, fraktioniert. Da- 
durch wurde das vom Ammoniak nicht angegriffene Keton zum größten 
Teil wiedergewonnen. Hatten sich aus der ätherischen Flüssigkeit 
Krystalle von salzsaurem Methylditolylpyridin abgeschieden, so wurde 
vor der Destillation filtriert. 

Nach dem Abdestillieren des Rohketons aus der Aetherschicht 
blieb auch hier eine teerige Masse zurück, und zwar in erheblich 
größerer Menge als bei der in der Kälte erzielten Einwirkung von 
Ammoniak auf Methyl-p-tolylketon. Dieser Teer, der beim Abkühlen 
dickflüssig wurde, lieferte bei der Destillation ebenfalls die Krystalle, 
die in konzentrierter Schwefelsäure eine grünblaue Fluoreszens hervor- 
riefen. 

Metbylditolylpyridin. 

Die saure wässerige Schicht, die gelb gefärbt war, wurde sofort 
nach ihrer Gewinnung in den Scheidetrichter zurückgegeben und durch 
kräftiges Schütteln von dem aufschwimmenden Oel, das bei der Unter- 
suchung der ätherischen Scheidetrichterschicht erwähnt worden war, 
befreit. Da dieses an den Wandungen hängen blieb, so kunnte das 
Salzsäurewasser klar abgegossen werden, das dann in einem anderen 
Scheidetrichter durch dreimaliges Au-äthern möglichst ketonfrei ge- 
macht wurde. Hierauf krystallisierte in der Regel, namentlich an 
kalten Tagen, das Chlorid der in dem wässerigen Salzsäureauszug 
enthaltenen Base sofort aus, und zwar in Form seideglänzender Nadeln. 
Die Krystallabscheidung ließen wir, wenn sie eintrat, unbeachtet in 
Suspension und ‚gaben zu der mit Eis versetzten Flüssigkeit eiskalte 
Ammoniaklösung im Ueberschuß. Wie spätere Versuche ergaben, 

42* 


660 C. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 


konnte die Zerlegung des Chlorids auch ohne Kühlung vorgenommen 
werden. Die Krystalle verschwanden nach dem Eintreten der 
ammoniakalischen Reaktion und es bildete sich eine ölige Abscheidung, 
die den Scheidetrichterinhalt milchig trübte. Wenn kein Chlorid aus- 
krystallisiert war, wurde das Salzsäurewasser genau so behandelt, wie 
eben beschrieben worden ist. 

Die durch das Ammoniak in Freiheit gesetzte ölige Base wurde 
dreimal ausgeäthert, worauf die vereinigten Aetherschichten mit wasser- 
freiem Natriumsulfat getrocknet und an der Luft in einer tiefen Schale 
verdunstet wurden. Hierbei blieb eine mit Schmiere durchsetzte, 
krystallinische Masse zurück, die von oben herunter an den Wandungen 
der Schale erstarrte. Verdunsteten wir die Aetherlösung in einem 
flachen Gefäße, so wurde zuweilen nur ein zähes Oel ohne Krystalle 
erhalten. Eine tiefe Form der Schale förderte das F'estwerden der 
Base jedenfalls deshalb, weil hierbei an den Wandungen ein langsames 
Abfließen der flüssigen Teile stattfand. Die Krystalle wurden, um 
sie von der — möglicherweise Monazo-Produkt enthaltenden — Schmiere 
zu befreien, mit 96-prozentigem Alkohol abgespritzt, mit einem Glas- 
stab von dem Gefäß losgestoßen und danach auf ein Filter gebracht. 
Waren sie noch gelb gefärbt, so wurden sie nochmals mit dem 
genannten Alkohol abgespült und dann auf Ton gestrichen. Das 
Filtrat von den Krystallen lieferte durch Behandlung seines wiederum 
zum Teil erstarrenden Rückstandes mit 96-prozentigem Alkohol wach 
eine beträchtliche Menge Substanz. 

Das feste, fast weiße Rohprodukt wurde, um etwa vorhandene 
Spuren Natriumsulfat zu entfernen, mit Wasser verrieben und ge- 
waschen, worauf wir es aus 75-prozentigem Alkohol krystallisierten. 
Hierbei mußte darauf geachtet werden, daß die Substanz durch 
Schütteln in Bewegung gehalten wurde, da sie sonst zu einem Oel 
zusammenschmolz. Nach mehrmaligem Umkrystallisieren zeigte sie 
den konstanten Schmelzpunkt 97,5°. In großen, derben Krystallpolstern 
von strahligem Gefüge konnte die Base aus Ligroin, das bis zirka 
40° siedete, erhalten werden. Zu dieser Krystallisation mußte sie 
bereits aus 75-prozentigem Alkohol krystallisiert und schneeweiß sein, 
denn ein gelbliches Material wurde hierbei zwar in schöner Form, 
aber mit der Farbe des verwandten Produktes abgeschieden. 

Methylditolylpyridin ließ sich unbeschadet destillieren und ging 
hierbei als dickes gelbliches Oel über, daß sehr bald zu einer festen 
Masse erstarrte, die nach dem Umkrystallisieren den Schmelzpunkt 
97,5° zeigte. Im dampfförmigen Zustand bläute die Verbindung rotes 
Lackmuspapier. Ihre Salze krystallisierten sehr gut. Ebenso wie 
Methyl-p-tolylketonammoniak erwies sich auch Methylditolylpyridin 


C. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 661 


bei der Behandlung mit Phenylsulfochlorid und Kalilauge als 
tertiäre Base. 

Die Analyse der zuerst aus 75-prozentigem Alkohol und dann 
aus leichtsiedendem Ligroin krystallisierten Substanz, die in Vakuum 
getrocknet wurde, lieferte Daten, die für die Zusammensetzung eines 
Methylditolylpyridins sprachen. 

0,2227 g Substanz: 0,7164 g COs, 0,1389 g H,O 

0240, „ 0,7769, „ 0158, „ 

02557 5 025, ,„, — 

0,1932 „ N 8,8ccm N bei 100 und 742 mm 


0,1648 „ Ai year KA eea 
Berechnet für Ca,HjoN: Gefunden: 
C 87,85 87,72 8829 87,72 
Huu3.01 6,91 7,08 —_ 
N 5,14 5,33 5,15 — 


Molekulargewichtsbestimmung nach der Siedemethode: 

0,7350 g Substanz: 22,3093 g Benzol, A = 0,32 

061, 21,640, „ A= 0435 

m = Berechnet: 273 
Gefunden: 275 
R 266 

Ueber die Stellung der Radikale im Molekül können heute noch 
keine Angaben gemacht werden. 

Die Ausbeute war gering: Aus 67 g Methyl-p-tolylketon er- 
hielten wir im ganzen 2,5 g Methylditolylpyridin. Da die angewandte 
Menge Keton bei erschöpfender Umwandlung 45,50 g Methylditolyl- 
pyridin liefern mußte, aber bloß die erwähnten 2,5 g zu gewinnen 
waren, so wurden nur 5,49% der theoretischen Ausbeute erreicht. 

Die Entstehung von Methylditolylpyridin erklärten wir uns in 
der Weise, daß sich bei der Druckerhitzung aus drei Molekülen Methyl- 
p-tolylketon und zwei Molekülen Ammoniak zunächst Methyl-p-tolyl- 
ketonammoniak (Cs7Hso Ns) vorübergehend gebildet hatte. Dieses 
verwandelte sich unter Verlust eines Ammoniakkomplexes in Monazo= 
methyl-p-tolylketonammoniak (Ca Ha7N), und letztere Base lieferte 
unter Abgabe eines Moleküls Toluol durch Ringschluß das Pyridin- 
derivat (Ca HıaN). 

Chlorid des Methylditolylpyridins. 

Das bei der Darstellung von Methylditolylpyridin erhaltene salz- 
saure Salz dieser Verbindung krystallisierte, wie bereits erwähnt, in Form 
seideglänzender Nadeln aus dem nach der Druckerhitzung gewonnenen 
Salzsäurewasser aus. Auch durch Aufösen der reinen Base in heißer 
verdünnter Salzsäure und Abkühlen der Flüssigkeit konnte das Chlorid 
gewonnen werden. In kaltem Alkohol war salzsaures Methylditolyl- 


662 C. Thomae: Keton-Ammoniakverbirdungen. 


pyridin leicht löslich im Gegensatz zum salzsauren Methyl-p-tolyl- 
ketonammoniak. 
Uebergöß man es mit viel Wasser, so ging es in Lösung, bald 
aber trat Dissoziation ein, und die freie Base schied sich zuerst als 
weiße Trübung, dann als Niederschlag ab. 


Platinsalz des Methylditolylpyridins. 


Reines Methylditolylpyridin wurde in heißer verdünnter Salz- 
säure gelöst und das Filtrat in der Wärme mit wässeriger Platin- 
chloridlösung bis zur Gelbfärbung versetzt. Sofort entstand ein 
weißlichgelber Niederschlag, der aus absolutem Alkohol, dem einige 
Tropfen rauchender Salzsäure zugesetzt waren, umkrystallisiert wurde. 
Das auf diese Weise erhaltene Produkt stellte ein hellorangegelbes, 
sandigkrystallinisches Pulver dar, das unter dem Mikroskop als kleine 
derbe, meistens sternförmig mit einander verbundene Säulen erschien. 
Beim Glühen des Salzes hinterblieb metallisches Platin. 


Goldsalz des Methylditolylpyridins. 


Auf die nämliche Weise wie das Platinsalz erhielten wir auch 
das Goldsalz des Methylditolylpyridins. Es wurde also eine heiße 
Lösung der Base in verdünnter Salzsäure mit überschüssigem Gold- 
chlorid, das in wenig Wasser gelöst war, gefällt. Der sofort ent- 
stehende Niederschlag wurde aus absolutem Alkohol, der mit wenig 
konzentrierter Salzsäure angesäuert war, umkrystallisiertt. Das Salz 
stellte schöne, goldgelbe Nadeln dar, die sich beim Glühen als goldhaltig 
erwiesen. 

Pikrat des Methylditolylpyridins. 

Dieses Salz wurde dadurch erhalten, daß die Base bei gewöhnlicher 
Temperatur in absolutem Alkohol gelöst und die Flüssigkeit mit kalt 
gesättigter alkoholischer Pikrinsäurelösung bis zur Bläuung von Kongo- 
papier versetzt wurde. Das Pikrat fiel sofort aus und wurde aus 
absolutem Alkohol, worin es schwer löslich war, krystallisiert. Hierbei 
bildete es Strahlenbüschel goldgelber, langer und feiner Nadeln, die 
bei 211° mit hellbrauner Farbe schmolzen. Das verflüssigte Produkt 
erstarrte wieder beim Abkühlen, und zwar sehr bald und schön 
krystallinisch. Das Salz färbte sich unter dem Einfluß des Lichtes 
braun und wurde deshalb im Dunkeln aufbewahrt. 

0,1682 g Substanz: 16,1 ccm N bei 90 und 747 mm 


0,1762 „ d 168. 101, lan 9m Sarg 
Berechnet für Cs9Hj9N - CoH3OH (NO3)e: Gefunden: 
N 11,18 11,30 11,23 


Ebenso wie das Chlorid dissoziierte auch das Pikrat des Methyl- 
ditolylpyridins mit Wasser: Beim Stehenlassen der gepulverten, gut 


C. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 663 


benetzten Substanz hiermit und öfterem Umrühren konnte man bereits 
nach einem Tag beobachten, daß die Flüssigkeit sich gelb gefärbt 
atte und das Salz blasser geworden war. Nach dem Abfiltrieren und 
Auswaschen mit Wasser schüttelten wir das noch feuchte, zum Teil ver- 
änderte Produkt mit Aether; die ätherische Lösung hoben wir ab und ver- 
dunsteten sie auf einem Uhrglas. Hierbei blieb die infolge der Dis- 
soziation frei gewordene Base als weißes, krystallinisches Pulver zurück. 

Durch die Empfindlichkeit gegen Wasser und die Krystallform, 
sowie seine mit hellbrauner Farbe erfolgende Verflüssigung und das 
krystallinische Erstarren der erkaltenden Schmelze unterschied sich 
das Pikrat des Methylditolylpyridins von dem gleichhoch schmelzenden 
pikrinsauren Monazo-methyl-p-tolylketonammoniak. 


Das auf dem Salzsäurewasser schwimmende Oel. 


Wie schon berichtet wurde, war in der Salzsäureschicht, in der 
das Pyridinderivat gelöst war, ein gelbes Oel suspendiert, das sehr 
bald — in einigen Fällen zu verschmierten Krystallnadeln — erstarrte 
und von der Flüssigkeit getrennt werden mußte. Zu diesem Zweck 
schleuderten wir, wie bereits erwähnt, die weiche Masse durch 
kräftiges Schütteln an die Wandungen des Scheidetrichters, wo sie 
hängen blieb. Nun entfernten wir das Salzsäurewasser und spülten 
das erstarrende, nicht ganz fest werdende Produkt mit Aether ab. 
Wurde eine Probe hiervon mit konzentrierter Schwefelsäure über- 
gossen, so trat eine starke Salzsäureentwickelung ein. Die Masse 
schüttelten wir mit einer Mischung aus eiskaltem Ammoniak und 
Aether, worauf die ätherische Schicht mit geglühtem Natriumsulfat 
getrocknet und an der Luft verdunstet wurde. Danach hinterblieb 
ein braungelbes, sich verdieckendes Oel, das nach längerem Stehen 
krystallinische, aus Methylditolylpyridiu bestehende Abscheidungen 
zeigte und vielleicht auch Monazo-methyl-p-tolylketonammoniak enthielt. 

Wenn man dieses basische Produkt in einem Fraktionskolben 
ohne Thermometer und Luftkühlrohr mit freier Flamme erhitzte, so 
ging zuerst eine geringe Menge eines Krystallbreies über; später 
folgten als Hauptbestandteil hochsiedende, teerige Fraktionen, die nicht 
zur Untersuchung einluden. Die erhaltene Krystallmasse wurde auf 
Ton gestrichen, mit absolutem Alkohol gewaschen und nochmals auf 
Ton gebracht. Danach zeigte das an der Luft getrocknete Produkt, 
das glänzende Kryställchen darstellte, den Schmp. 176°. Es war in 
kaltem absolutem Alkohol schwer löslich und gab, mit konzentrierter 
Schwefelsäure übergossen, keine Fluoreszenzerscheinung. Die Stellen 
des Tonstückes, in welche sich der Waschalkohol beim Reinigen des 
Produktes eingesogen hatte, färbten sich an der Luft und am Licht violett, 


664 GC. Thomae: Keton-Ammoniakverbindungen. 


Diese Tatsache erinnerten uns an das Acetophenonin (Triphenyl- 
pyridin). Die bei dessen Reinigung im Ton aufgesogenen alkoholischen 
Mutterlaugen waren nämlich ebenfalls stark lichtempfindlich; allerdings 
trat dort Rotfärbung ein. Möglicherweise stellte daher der — leider 
nur in sehr geringer Menge gewonnene — Körper die dem .Aceto- 
phenonin entsprechende Verbindung dar. Deren Entstehung wäre 
denkbar, wenn das im Salzsäurewasser schwimmende Oel tatsächlich 
(chlorwasserstoffsaures) Monazo-Produkt enthalten hätte, denn es ist 
nicht ausgeschlossen, daß Monazo-methyl-p-tolylketonammoniak beim 
Destillieren geradeso wie Monazo-acetophenonammoniak Methan verlieren 
und dann Tritolylpyridin bilden könnte. 

Nichtsdestoweniger sind wir der Ansicht, daß bei ihm die Neigung, 
Toluol abzuspalten und in Methylditolylpyridin überzugehen, weitaus 
größer ist. 


Ueber Keton-Ammoniakverbindungen. 


7. Mitteilung von Carl Thomae, Gießen. 


Methylpropylketonammoniak. 


Bearbeitet in Gemeinschaft mit Herm. Lehr. 
(Eingegangen den 17. XI. 1906.) 


Eine mit Ammoniakgas gesättigte Lösung von Methylpropylketon 
in der doppelten Menge Alkohol, die unter öfterem Nachsättigen mit 
Ammoniak vier Wochen im Dunklen ' gestanden hatte, lieferte beim 
Verdunsten an der Luft ein basisches Oel, das sich am Licht gelb 
färbte und aus Methylpropylketonammoniak (CH; -C-C3H7)3 Na bestand. 

Die Analyse der einige Zeit in braungefärbtem Exsikkator auf- 
bewahrten Substanz lieferte die Daten: 

0,1388 g Substanz: 0,3830 g CO,, 0,1636 g H,O 


0,1089 „ * 0,3002 5, „ 01256, , 

0,1334 „ ” 13,7 ccm N bei 160 und 750 mm 

0,1113 „ 11,B.. ac „all 9 aha 

Berechnet für C,5 HzoNa: Gefunden: 
C_ 75,53 73,29. ‚78,21 
H 12,69 1332 12,86 
N 1178 11,84 12,04 


46 g Reaktionsfiüssigkeit, die ursprünglich ungefähr 15 g Keton 
enthielten, lieferten 3,0 g Ketonammoniak, was 21,7% der theoretischen 
Ausbeute entspricht, 


M. Greshoff: Blausiurevorkommen. 665 


Ueber die Verteilung 
der Blausäure in dem Pflanzenreiche. 
Von Dr. M. Greshoff, 
Direktor des Kolonial-Museums in Harlem. 
(Eingegangen den 10. XI. 1906.) 


In einem Vortrage auf der diesjährigen Versammlung der „British 
Association for the Advancement of Science“ zu York, 
habe ich eine tabellarische Zusammenstellung aller Blausäure-Pflanzen 
gegeben, geordnet nach den natürlichen Familien. Da diese Liste auch 
in diesem Archiv (Bd. 244, S. 397—400) Aufnahme fand, ist es viel- 
leicht angebracht, dieselbe hier mit einigen Erläuterungen zu versehen. 
Ich lasse dazu die cyanwasserstoffführenden Genera nochmals, doch 
jetzt in alphabetischer Ordnung, folgen, mit einigen Verbesserungen, 
und mit vielen Zusätzen aus allerletzter Zeit, wodurch diese zweite 
Liste 15 Genera mehr als die erste Liste zählt. Die Namen von 
Familie, Geschlecht, Art und Autor sind nach dem „Index Kewensis“ 
geschrieben. Hinter dem Pflanzennamen ist angegeben, von wem und 
wann die Blausäure in der Pflanze entdeckt wurde. Auch ist an- 
gedeutet worden, mit welcher anderen flüchtigen Substanz der Cyan- 
wasserstoff im Destillat der Pflanze zusammen auftritt: 4. deutet auf 
Aceton, B. auf Benzaldehyd; A.* und B.* auf Stoffe, welche mit Aceton 
resp. Benzaldehyd in der Struktur verwandt sind. Falls nur bekannt 
ist, daß die Pflanze keinen Benzaldehyd liefert, so ist dies mit n.B. 
angedeutet. Zweifel an der Richtigkeit des Blausäurebefundes finden 
durch ? Ausdruck. 

Die vollständige Untersuchung jeder Blausäure-Pflanze schließt 
natürlich die Reindarstellung und Analyse der bei der Hydrolyse Cyan- 
wasserstoff (mit Aceton, Benzaldehyd) liefernden glykosidischen Mutter- 
substanz ein. Nur beim kleinsten Teil dieser Pflanzen ist die Unter- 
suchung bereits so weit fortgeschritten. Ohne auf die Chemie der 
cyanogenen Glykoside hier einzugehen, sei nur erwähnt, daß wir bis 
jetzt foigende Vertreter dieser Gruppe kennen: _ 

1830. Amygdalin (Robiquet-Boutron Charlard). 
1874. Laurocerasin (Lehmann). 

1886. Manihotoxin (Peckolt). 

1891. Linamarin (Jorissen-Hairs). 

1891. Lotusin (Dunstan-Henry). 


666 M. Greshoff: Blausäurevorkommen., 


1902. Dhurrin (Dunstan-Henry). 

1903. Phaseolunatin (Dunstan-Henry). 
1904. Gynocardin (Power-Lees). 

1905. Corynocarpin (Easterfield). 

1905. Sambnnigrin (Bourguelot-Danjou). 
1905. Prulaurasin (Herissey). 


Von diesen Glykosiden gehören Laurocerasin, Sambunigrin, 
Prulaurasin, Corynocarpin (?) und gewissermaßen auch Dhurrin zum 
Typus des Amygdalins, also des Benzaldehydceyanhydringlykosides; 
Linamarin, Manihotoxin und gewissermaßen auch Gynocardin zum Typus 
des Phaseolunatins, also des Acetoncyanhydringlykosides. . Lotusin 
nimmt in der Struktur eine Sonderstellung ein. 

Wir kennen jetzt 84 Geschlechter der Phanerogamen als Blau- 
säure führend, mit etwa. 175 bereits analysierten Arten; außerdem 
4 Fungi (?). Es gibt 16 Genera mit Cyanwasserstoffaceton, 43. mit 
Cyanwasserstoff benzaldehyd; bei den übrigen (29) ist-die Art der Neben- 
stoffe noch nicht untersucht. Nach dem Pflanzensystem Bentham- 
Hooker’s, das dem „Index Kewensis“ zu Grunde liegt und in meiner 
systematischen Liste (auf S. 397—400 dieser Zeitschrift) kurz skizziert 
wurde durch Angabe der Haupteinteilung des Pflanzenreiches und 
Numerierung der Familien, gehören die Blausäure-Pflanzen zu 34 natür- 
lichen Familien, und zwar (vergl. die folgende Liste) zu: 


Anacardiaceae (siehe No. 13). 
Araceae (3, 11, 17, 37). 
Asclepiadacae (24). 

Berberidaceae (46). 

Bignoniaceae (49). 

Bixaceae (26, 29, 35, 51, 69, 80, 82). 
Caprifoliaceae (71). 

Celastraceae (36). 

Chailletiaceae (6). 

Combretaceae (12). 

Compositae (8, 84). 

Convolvulaceae (32). 

Cruciferae (38). 

Euphorbiaceae (5, 20, 27, 33, 42, 67). 
Gramineae (23, 25, 44, 52, 73, 77, 86). 
Leguminosae (9, 18, 31, 40, 55, 83). 
Linaceae (39). 

Melastomaceae (45). 

Myrtaceae (60). 


M. Greshoff: Blausänrevorkommen. 667 


Olacaceae (85). 

Passifloraceae (45', 48!, 53, 79). 

Ranunculaceae (2, 63, 81). 

Rhamnaceae (64). 

Rosaceae (1, 7,14, 15, 21, 22, 34, 47, 48, 50,57, 59, 61, 62, 
65, 74, 78). 

Rubiaceae (58). 

Rutaceae (10). 

Salicaceae (70). 

Samydaceae (28). 

Sapindaceae (16, 72). 

Sapotaceae (4, 41, 54). 

Saxifragacae (66). 

Stereuliaceae (76). 

Tiliaceae (19). 

Urticaceae (75). 


Wie gesagt, ist in einigen Fällen das Vorkommen des Cyan- 
wasserstoffs noch etwas zweifelhaft, so bei Fungi (30, 43, 56, 68). 
An der systematischen Durchsuchung der Genera und der Familien 
fehlt noch manches, so auch an der Reindarstellung der cyanogenen 
Muttersubstanzen; die pbysiologische Bedeutung der Blausäure ist nur 
bei Pangium, Phaseolus und Prunus untersucht worden. Es zeigt aber 
die Liste, wie ungeahnt groß die Verbreitung des Cyanwasserstoffs im 
Pflanzenreiche ist, und wie sehr schon deshalb das Studium der 
„Cyanogenese“ das Interesse des chemisch- botanischen Forschers 
verdient. 


Harlem, Laboratorium des Kolonial-Museums. 


Liste der Blausäure-Pflanzen 
(in alphabetischer Ordnung, vergl. S. 397—400). 


BR. Amelanchier vulgaris Moench. (Wicke 1851), A. canadensis 
Medic., A. alnifolia Nutt. (Greshoff 189). Fam. 
Rosaceae. 


2. n.B. Aquilegia vulgaris Linn. (Jorissen 1884), A. chrysantha 
Gray (Greshoff 1906). Fam. Ranuneulaceae. 

3. n.B. Arum maculatum Linn. (Jorissen 1884). Fam. Aroideae. 

i Bassia (Isonandra) Mottleyana Clarke. Fam. Sapotaceae. 

5. —- Bridelia ovata Decne (v. Romburgh 1899). Fam. 
Euphorbiaceae. 


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668 


27. 


28. 


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?.B. 


M. Greshoff: Blausäurevorkommen. 


Chailletia cymosa Hook. (Dunstan 1903). Fam. 
Ohailletiaceae (Dichopetalaceae). 

Chamaemeles coriacea Lindl. Fam. Rosaceae. 

Chardinia xeranthemoides Desf. (Eichler 1862). Fam. 
Compositae. 

Cicer arietinum Linn. (Leather 1906). Fam. Leguminosae. 

Citrus Medica Linn. Fam. Rutaceae. 

Colocasia gigantea Hook. (v. Romburgh 1897). Fam. 
Aroideae. 

Combretum constricttum Laws. Fam. Combretaceae. 

Corynocarpus laevigata Forst. (Easterfield 1903). 
Fam. Anacardiaceae. 

Cotoneaster integerrima (vulgaris) Medic. (Wicke 1851), 
C. microphylla Wall. (Greshoff 1896), O. affinis Lindl., 
C. Francheti Bois, ©. pannosa Franch., C. bacillaris Wall., 
©. buxifolia Wall., ©. frigida Wall., ©. horizontalis Dene., 
C. multiflora Bgl., C. thymaefolia Baker (Guignard 1906). 
Fam. Rosaceae. 

Crataegus Oxyacantha Linn. (Wicke 1851), C. orientalis 
Biel. (Greshoff 189). Fam. Rosaceae. 

Cupania sp. (v. Romburgh 1897). Fam. Sapindaceae. 

Cyrtosperma lasioides Griff., C. Merkusii Schott 
(Greshoff 1890). Fam. Aroideae. 

Dolichos Lablab Linn. (Leather 1906). Fam. Leguminosae. 

Echinocarpus (Sloanea) Sigun Blume (Greshoff 1892). 
Fam. Tiliaceae. 

Elateriospermum Tapos Blume (v. Romburgh 1899). 
Fam. Euphorbiaceae. 

Eriobotrya japonica Lindl. (Wicke 1851). Fam. Rosaceae. 

Exochorda Alberti Regel (Guignard 1906). Fam. Rosaceae. 

Glyceria aquatica Wahlenb. (Jorissen 1884). Fam. 
Gramineae. 

Gymnema latifoliia Wall. (Greshoff 1890). Fam. 
Asclepiadeae. 

Gynerium argenteum Nees (Fitschy 1906). Fam. 
Gramineae. 

Gynocardia odorata R. Br. (Greshoff 1890). Fam. 
Bixineae. 

Hevea brasiliensis Muell., H. Spruceana Muell. (v. Rom- 
burgh 1893). Fam. Euphorbiaceae. 

Homalium (Blackwellia) sp. div. (v. Romburgh 1899). 
Fam. Samydaceae, 


4A.* 


? B. 


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M. Greshoff: Blausäurevorkommen. 669 


Hydnocarpus venenata (inebrians) Gaerntn., H. alpina Wight 
(Greshoff 1890), H. anthelmintica Pierre (Power 1905). 
Fam. Bixineae. 

Hygrophorus agathosmus Fr., H. cerasinus Fr. Fungt. 

Indigofera galegoides DC. (v. Romburgh 189). Fam. 
Leguminosae, 

Ipomoea dissecta Willd. (Prestoe 1574), I. sinuata Orteg. 
(v. Romburgh 1894), I. (Merremia) vitifolia Sweet 
(Weehuizen 1906). Fam. Convolvulaceae. 

Jatropha angustidens Muell.e (Heyl 1902). Fam. 
Euphorbiaceae. 

Kerria japonica DC. (Guignard 1906). Fam. Rosaceae. 

Kiggelaria africana Linn. (Wefers Bettink 1891). Fam. 
Bixineae. 

Kurrimia ceylanica Arn. (v. Romburgh 1897). Fam. 
Celastrineae. 

Lasia aculeata (Zollingeri) Lour. (Greshoff 1890). Fam. 
Aroideae. 

Lepidium sativam Linn. (Schultze 1860). Fam. Cruciferae. 

Linum usitatissimum Linn., L. perenne Linn. (Jorissen 
1884). Fam. Linaceae. 

Lotus arabicus Linn, L. australis Andr. (Dunstan- 
Henry 1900). Fam. Leguminosae. 

Lucuma Bonplandia H. B. (Altamirano 1876), L. 
mammosa Gaertn, L. pomifera Peck., e. a. Fam. 
Sapotaceae. 

Manihot utilissina Pohl (Henry 1836), M. palmata (Aipi) 
Pohl (Francis 1870), M. Bankensis Hort. Bog., M. 
Glaziovii Muell. (Greshoff 1892). Fam. Euphorbiaceae. 

Marasmius oreades Bolt. (Loesecke 1871). Fungi. 

Melica altissima Linn., M. ciliata Linn., M. nutans Linn., 
M. uniflora Retz. (Fitschy 1906). Fam. Gramineae. 

Memecylon sp. div. (v. Romburgh 1899). Fam. Melasto- 
maceae. 

Modeeca Wightiana Wall. (Guignard 1906). Fam. 
Passifloreae. 

Nandina domestica Thunb. (Dekker 1906). Fam. Berberideae. 

Neviusa alabamensis A. Gray (Guignard 1906). Fam. 
Rosaceae. 

Nuttallia cerasiformis Torr. Fam. Rosaceae. 

Ophiocaulon gummifer Harv. (Guignard 1906). Fam. 
Passifloreae. 


670 


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50. 
51. 
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M. Greshoff: Blausäurevorkommen. 


Osmohydrophora nocturna Barb. Fam. Bignoniaceae. 

Osteomeles sp. Fam. Rosaceae. 

Pangium edule Reinw., P. ceramense Teysm. et Binnendyk 
(Greshoff 1889). Fam. Bisxineae. : 

Panicum maximum Jacq., P. muticum Forsk. e. a. 
(Brünnich 1903). Fam. Gramineae. 

Passiflora quadrangularis Linn., P. laurifolia Linn., P. 
princeps Lodet., P. hybrida Hort. (v. Romburgh 1897), 
P. eaerulea Lour. (Dekker 1906), P. suberosa Brot., 
P. maculata Scan,, P. foetida L., P. edulis Sims, P. alata 
Ait. (Guignard 1906). Fam, Passifloreae. 

Payena latifolia Burck. Fam. Sapotaceae. 

Phaseolus lunatus Linn. (Davidson. 1884), P. Mungo 
Linn, (Leather 1906). Fam. Leguminosae. 

Pholiota radicosa Bull. Fungi. 

Photinia (Heteromeles) arbutifolia Lindl. (Lustig 1882), 
P. serrulata Lindl., P. variabilis Hensl., P. Benthamiana 
Hance (Guignard 1906). Fam. Rosaceae. 

Plectronia dicocca Burck (v. Romburgh 1898). Fam. 
Rubiaceae. 

Prunus Amygdalus Stokes (Bohm 1801), P. Laurocerasus 
Linn. (Schrader 1803), P. Armeniaca Linn., P. Persica 
Stokes (Vauquelin 1803), P. Padus Linn., P. Cerasus 
Linn. (Ittner 1809), P. nana Stokes (Goeppert 1827), 
P. serotina Ehrh., P. virginiana Linn.,. P. avium Ln., 
P. domestica Linn., P. occidentalis Sw., P. pennsylvanica 
Lion., P. spinosa Linn., P. undulata Buch, P. Capollin 
Zucc., P. sphaerocarpa Sw., P.. chamaecerasus Jacg., 
P. Puddum Roxb., P. caroliniana Ait., P. americana 
(canadensis) Marsh (1850—1875), P. lusitanica Linn. 
(Flückiger 1879), P. alleghaniensis Porter, P. Besseyi 
Bailey, P. divaricata Ledeb., P. paniculata Thunb., P. 
pendula Desf. (Greshoff 1896), P.- subhirtella Mig: 
(v. d. Ven 1898), P. adenopoda Koord. et Val. P. 
javanica Miqg. (v. Romburgh 1898). Fam. Rosaceae. 


?B. Psidium montanum Sw. Fam. Myrtaceae. 


B. 


B, 


Pygeum africanum Hook. (Welwitsch 1860), P. parvi- 
florum Teysm., -P. latifolium Miqg. (Greshoff 1890), 
Fam. Rosaceae. 

Pyrus (Cydonia, Malus, Mespilus, Sorbus), sp. div.: P. Aria 
Ehrh., P. Aucuparia Ehrh., P. Cydonia Linn., P. japonica 
Thunb., P. Malus Linn., P. germanica, Hook. F., P. 


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63. 


64. 
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66. 


67, 


74. 


M. Greshoff: Blausäurevorkommen. 671 


pinnatifida Ehrh., P. torminalis Ehrh., P. americana DC. 
(+ 1850), P. spectabilis Ait, P. Ringo Wenzig 
(Greshoff 1896). Fam. Rosaceae. 


Ranunculus arvensis Linn., R. repens Linn. (Fitschy 1906). 
Fam. Ranunculaceae. 


Rhamnus Frangula Linn. (Gerber 1828). Fam. Rhamneae. 
Rhodotypus kerrioides Sieb. et Zuce. (Guignard 1906). 
Fam. Rosaceae. 


Ribes aureum Pursh (Jorissen 1884), R. nigrum Linn., 
R. Grossularia Linn, R. rubrum Linn. (Hebert-Heim 
1897). Fam. Saxifragaceae. 

Rieinus communis Linn. (Ritthausen 1870). Fam. 
Euphorbiaceae. 

Russula foetens Pers. Fungi. 

Ryparosa (Ryparia) caesia Blume, R. longepedunculata Kurz 
(Greshoff 1891). Fam. Bixineae, non Euphorbiaceae! 

Salix triandra (amygdalina) Linn. (Bougarel 1876), Fam. 
Salicineae. 

Sambucus nigra Linn. (Bourquelot-Guignard 1905). 
Fam. Caprifoliaceae. 

Schleichera trijuga Willd. (Thümmel 1889). _ Fam. Sapin- 
daceae. 

Sorghum (Andropogon) vulgare Pers. (Dunstan-Heury 
1902), S. halepense Pers. (Guignard 1905). Fam. 
Gramineae. 7 

Spiraea Aruncus Linn., ‘S. sorbifolia Linn., S. japonica 
Lion. (Wicke 1851), S. Kneiffii Hort. (Greshoff 1906), 
S. Lindleyana Wall, S. prunifolia Sieb. et Zucc. 
(Guignard 1906). Fam. Rosaceae. 


Sponia virgata Planch. (v. Romburgh 1899). Fam. 
Urticaceae. 

Sterculia (Pteroeymbium) sp. (v. Romburgh 1897). 
Fam. Sterculiaceae. 

Stipa hystrieina Speg., $. leptostachya Griz. (Hebert- 
Heim 1904). Fam. Gramineae. 

Stranvaesia glaucescens Lindl. (Guignard 1906). Fam. 
Rosaceae. 

Taesonia sp. (v. Romburgh 1898), T. van Volxemii Hook. 
(Dekker 1906). Fam. Passifloreae. 

Taraktogenos Blumei Hasskl. (Greshoff 1892), T. Kurzii 
King (Power 1904). Fam Bixineae, 


672 A. Simmer: Verhalten der Alkaloidsalze etc, 


81. 4A. Thalictrum aquilegifolium Linn. (v. Itallie 1905). Fam. 
Ranunculaceae. 

82. A.* Trichadenia zeylanica Thw. (Greshoff 1890). Fam. Bixineae. 

83. B. Vieia sativa (canadensis) Linn. (Ritthausen 1870), V. 
angustifolia Clos, V. hirsuta Gray (Bruyning- 
van der Harst 1899), V. macrocarpa Bertol. 
(Guignard 1905). Fam. Leguminosae. 

8. B. Xeranthemum annuum Linn, X.cylindraceum Sm. (Greshoff 
1899). Fam. Compositae. 

85. B. Ximenia americana (elliptica) Linn. (Ernst 1867). Fam. 
Olacineae. 

86. —. Zea Mays Linn. (Brünnich 1903). Fam. Gramineae. 


Mitteilungen aus dem pharmazeutischen Institut der 
Universität Strassburg. 


Ueber das Verhalten der Alkaloidsalze und anderer 
organischer Substanzen zu den Lösungsmitteln der 
Perforationsmethode, insbesondere Chloroform, sowie 
über Reduktionswirkungen der Alkaloide. 
Von A. Simmer. 
(Auszug einer Inaugural-Dissertation, Straßburg 1906.) 
(Eingegangen den 12. XI 1906) 


Die Beobachtung, daß bei der Extraktion in der toxikologischen 
Analyse viele Alkaloide, von denen man annahm, dıß sie wegen ihrer 
starken Basizität ausschließlich aus der alkalischen Lösung übergingen, 
teilweise schon aus der sauren Lösung von dem Chloroform und den 
anderen Lösungsmitteln aufgenommen werden, ist schon öfters Gegen- 
stand von Untersuchungen gewesen'). ‚Jedoch schien es angebracht, 
diese noch in vielen Beziehungen zu erweitern. So sollten vor allem 
in dieser Arbeit außer Anwendung verschiedener Perforationsmittel 
auch die völlig neutralen Alkaloidsalzlösungen und die sauren Lösungen 
mit verschieden starkem Säuregehalt zu den Versuchen herangezogen 


!) So namentlich durch Otto, Dragendorff, Kippenberger und 
Springer; s. L'teraturangabe der Dissertation. 


A. Simmer: Verhalten der Alkaloidsalze etc. 673 


werden. Wenn auch viele dieser Fälle für die Praxis nicht in Frage 
kommen, so schienen sie doch vom theoretischen Standpunkte aus 
nicht weniger interessant. Im Anschlusse an diese Versuche unter- 
suchte ich auch das Verhalten einiger anderer, nicht basischer Körper, 
welche schon aus der sauren Lösung meist völlig extrahiert werden, 
wie Kantharidin, Koussein, Santonin etc, wenn sie in alkalischer 
Lösung vorlagen. 

Beobachtungen einiger Autoren!), daß bei der Behandlung der 
Alkaloide mit Chloroform sowohl dieses zersetzend auf jene einwirken 
kann, als auch umgekehrt das Extraktionsmittel durch die Pflanzen- 
basen eine Zersetzung erleiden kann, bei der Salzsäure abgespalten 
wird, gab Veranlassung dazu, auch diesbezügliche Untersuchungen 
anzustellen. 

Endlich habe ich auch Versuche über Reduktionswirkungen der 
Alkaloide angestellt. Eine Klarlegung dieser Verhältnisse schien des- 
halb zweckmäßig, weil in der toxikologischen Analyse in den Lösungen 
sich häufig gleichzeifig oxydierende, giftige Metallsalze und reduzierende 
Alkaloide vorfinden, und dadurch die Möglichkeit von Veränderungen der 
letzteren gegeben ist. 

Die Arbeit ist daher in folgende Abschnitte eingeteilt: 


I. Abschnitt. 
Das Verhalten der Salze wichtiger Pflanzenbasen und 


anderer organischer Stoffe bei Perforation mit Chloroform 
und anderweitigen Lösungsmitteln. 


II. Abschnitt. 


Zersetzungserscheinungen bei Behandlung der Al- 
kaloide mit Chloroform. 


III. Abschnitt. 
Reduktionswirkungen von Alkaloiden. 


I. Abschnitt. 


Die Versuche wurden im allgemeinen in folgender Weise aus- 
geführt. Ich bereitete mir wässerige Lösungen von den verschiedenen 
Alkaloidsalzen, die in 50 g, auf das freie Alkaloid umgerechnet, 0,2 
enthielten. Gegebenenfalls säuerte ich dann mit der betreffenden 
Säure bis zu einem bestimmten Prozentgehalte an. Mit diesen Lösungen 

1) Bombelon, Pharmaz. Zeitung 189, 815 und E.Schmidt, Jahres- 
berichte der Pharmazie 34, 1899. 


Arch. d. Pharm. CCXXXXIV. Bds. 9. Heft. 43 


Verhalten der Alkaloidsalze etc. 


A. Simmer 


674 


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A. Simmer: Verhalten der Alkaloidsalze ete. 677 


und den betreffenden Extraktiorsmitteln beschickte ich sodann einen 
Perforator und ließ die Perforation eine Stunde lang in mäßiger 
Stärke vor sich gehen. Nun destillierte ich das in dem Siedekölbchen 
befindliche Extraktionsmittel ab und löste nach völligem Verdunsten 
desselben den Rückstand in einer gemessenen Menge !/s, Normalsalz- 
säure auf und titrierte unter Zuhilfenahme eines geeigneten Indikators 
mit "/so Kalilauge zurück. So erhielt ich die Menge des als freie Base über- 
gegangenen Alkaloides. Die titrierte Flüssigkeit versetzte ich jetzt mit 
überschüssigem Alkali und perforierte sie solange mit Chloroform, bis 
sie sich als völlig frei von Alkaloid erwies. Ich bestimmte wieder 
wie oben das übergegangene Alkaloid und erhielt so seine Gesamt- 
menge. Aus der Differenz dieses Resultates mit dem ersteren ergab 
sich die Quantität der als Salz übergegangenen Base. 

Ich muß selbstverständlich hier davon absehen, sämtliche Ver- 
suche anzuführen. In den vorstehenden Tabellen sind nur die wichtigsten 
enthalten. 

Aus den in der ersten Tabelle angeführten Beispielen geht her- 
vor, daß die neutralen Alkaloidsalzlösungen eine große Tendenz besitzen 
bei der Extraktion freie Base an das Chloroform abzugeben. Der 
Uebergang des freien Alkaloides hängt in erster Linie natürlich von 
dem Grade der Spaltung in Base und Säure ab, die das Alkaloidsalz 
in der wässerigen Lösung erleidet. Am wenigsten dissoziiert sind die 
Salze der starken Basen zumal, wenn sie an starke Säuren gebunden 
sind. Die neutralen Nikotin- und Atropinsalzlösungen geben daher 
nur außerordentlich geringe Mengen freier Base ab, so daß eine quanti- 
tative Bestimmung nicht ausführbar ist. Erheblicher ist dagegen die 
Abgabe des freien Alkaloides bei der Extraktion der Salzlösungen der- 
jenigen Pflanzenbasen, die in Bezug auf Basizität eine mittlere Stellung 
einnehmen, so Veratrin, Strychnin, Brucin, Kodein, Kokain und auch 
Morphin. Bei diesem letzteren Alkaloide ist natürlich auch die geringe 
Löslichkeit in Chloroform zu berücksichtigen. Noch bedeutend mehr 
freie Base geben die Salzlösungen der Alkaloide von sehr schwacher 
Alkalinität, wie z. B. Narkotin ab. 

Sehr viele neutrale Alkaloidsalzlösungen lassen außer der freien 
Base auch noch Salz in das Chloroform übergehen; so hauptsächlich 
die Lösungen der Salze der Halogenwasserstoffsäuren und der Nitrate, 
nicht dagegen die Sulfate, Phosphate, Tartrate und Citrate. 

Wesentlich anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn den 
Lösungen überschüssige Säure zugefügt wird. Bei den stärker basischen 
Alkaloiden hört dann der Uebergang der freien Base in vielen Fällen 
völlig auf oder geht wenigstens bedeutend zurück. Dagegen geht jetzt 
das Alkaloid, an Säure gebunden, wenn das betreffende Salz in Chloro- 


678 A. Simmer: Verhalten der Alkaloidsalze etc. 


form etwas löslich ist, in bedeutend größerer Menge über. Besonders 
auffällig ist die Tatsache, daß bei stärkerem Säurezusatz das Alkaloid- 
salz in immer größerer Menge übergeht. 

Ich wandte z. B. das Strychninhydrochlorid außer in neutraler 
Lösung auch gelöst in 0,1%, 1%, 10% und 25%iger Salzsäure an. Die 
Quantität des im Salzzustande übergegangenen Strychnins betrug bei 
den einzelnen Versuchen 0,0016, 0,0083, 0,025, 0,0559 und 9,0233. Am 
wenigsten Salz geht also aus neutraler Lösung über, am meisten aus 
der 10% Salzsäure enthaltenden. Bei Anwendung einer 2b%igen Salz- 
säure tritt wieder ein starker Rückgang ein. 

Auch die Lösungen der Hydrobromide und Nitrate der Alkaloide 
gaben in den meisten Fällen beim starken Ansäuern mit den betreffenden 
Säuren sehr erhebliche Mengen von Salz ab. Aus diesem Grunde sind 
eben die Halogenwasserstoffsäuren und die Salpetersäure zum Ansäuern 
in der toxikologischen Analyse unbrauchbar; auf jeden Fall dürfen sie 
nur in sehr geringen Mengen bis zur schwachsauren Reaktion der 
Lösungen zugesetzt werden. Dagegen ist ein Ansäuern mit Weinsäure, 
Zitronensäure, Phosphorsäure und Schwefelsäure zu empfehlen. Die 
Alkaloidsalze dieser Säuren sind fast völlig unlöslich in Chloroform, 
so daß auch, wenn sie selbst in großem Ueberschusse vorhanden sind, 
kein Salz in das Lösungsmittel übergeht. Nur ist bei Anwendung der 
schwächeren Säuren, wie Weinsäure und Zitronensäure, ein:reichlicher 
Zusatz geboten (etwa 2%), da sonst viele Alkaloide, wie Veratrin und 
Kokain, in ziemlicher Menge als freie Base übergehen. Das Verhalten 
der schwachen Basen, wie Colchicin, Koffein, Narkotin, Papaverin und 
Antipyrin, die in den Tabellen nicht aufgeführt sind, ‚sei hier noch 
einmal besonders erwähnt. Bei diesen Körpern war es hauptsächlich 
von Interesse festzustellen, ob wenigstens durch stärkeren Säurezusatz 
ein Rückgang im Uebergang der freien Base zu bemerken war. Als 
am schwächsten basisch zeigte sich Colchicin, das aus einer sehr stark 
salzsauren, schwefelsauren und weinsauren Lösung in derselben Menge 
überging, als aus einer reinen wässerigen Lösung des freien Alkaloides. 
Auch bei den Koffeinlösungen war der Zusatz irgend einer Säure 
kaum von einer Wirkung. Bei Narkotin, Papaverin und Antipyrin 
ließ sich wohl durch Zusatz der starken Mineralsäuren, wie Schwefel- 
säure und Salzsäure, der Uebergang der freien Base stark herabsetzen, da- 
gegen waren Weinsäure und Zitronensäure, auch in großen Mengen 
zugesetzt, vollständig ohne Einfluß. Thebain und Narcein gingen aus 
den schwach weinsauren Lösungen in bedeutend größeren Mengen über 
als aus den stark weinsauren. Die Aufnahme von Salz aus den salz- 
und salpetersauren Lösungen der schwachen Basen durch das Chloro- 
form war teilweise außerordentlich groß, wie bei Papaverin, Thebain 


A. Simmer: Verhalten der Alkaloidsalze etc. 679 


und zumal bei Narkotin, das aus einer 10%igen salzsauren Lösung 
fast völlig als Hydrochlorid extrahiert wurde, teilweise ging aber auch 
keine Spur Salz über, wie bei Koffein und Colchicin. Eine Abgabe 
von Tartrat und Citrat an das Chloroform wurde auch bei den schwach 
basischen Alkaloiden in keinem Falle beobachtet. 

Von den Körpern, die mit Alkalien Salze oder salzartige Ver- 
bindungen bilden, wurden untersucht Pikrotoxin, Santonin, Koussein, 
Kantharidin und Salieylsäure. Auch hier wurden mit Ausnahme bei 
Pikrotoxin zuerst Lösungen verwendet, die nur die Verbindungen der 
genannten Körper mit Alkalien ohne Ueberschuß des Alkalis oder 
der Säure bezw. des der Säure entsprechenden Anteils enthielten. 
Außerdem perforierte ich dann auch Lösungen mit überschüssigem 
Alkali. 

Die reinen Salzlösungen des salicylsauren und santoninsauren 
Natriums und des Natrium kousseinicum gaben bei der Perforation 
beträchtliche Mengen Salicylsäure, Santonin und Koussein an das 
Chloroform ab. Aus einer Lösung von Natrium cantharidinicum 
wurde dagegen noch nicht 0,001 Katharidin von dem Chloroform 
extrahiert. Bei Anwendung von Lösungen mit überschüssigem Alkali 
war nur noch bei Koussein und Pikrotoxin ein geringer Uebergang 
dieser Körper in das Chloroform nachweisbar. 

Die Versuche mit Benzol zeigen, daß dieses Lösungsmittel auch 
den meisten neutralen Alkaloidsalzlösungen die freie Base 
entzieht, natürlich, entsprechend seiner geringeren Lösungsfähigkeit 
für Alkaloide, in bedeutend schwächeren Maße wie Chloroform. 
Außerordentlich gering ist das Lösungsvermögen des Benzols für 
Alkaloidsalze.. Nur aus den stark salzsauren, bromwasserstoffsauren 
und salpetersauren Lösungen gingen zuweilen qualitativ nachweisbare 
Spuren von Salz über. 

Dem Benzol ähnlich verhält sich Aether. Für Alkaloidsalze 
scheint er ein etwas stärkeres Lösungsvermögen zu besitzen. 

Ferner wandte ich noch Tetrachlorkohlenstoff, Amylalkohol und 
Isobutylalkohol als Perforationsmittel an. Das erstere Präparat ist 
außer wegen seiner bedeutend geringeren Lösungsfähigkeit für Alkaloide 
auch durch seinen höheren Siedepunkt als Extraktionsflüssigkeit weniger 
geeignet als Chloroform. Eigentümlich ist, daß der Tetrachlorkohlenstoff 
in keinem Falle, selbst nicht aus den sehr stark salz- oder salpeter- 
sauren Lösungen, Alkaloidsalz aufnahm. 

Amylalkohol und Isobutylalkohol wandte ich nur bei Morphium 
an. Sie entzogen den neutralen Morphiumsalzlösungen, hauptsächlich 
den essigsauren, freies Alkaloid. Auch ging das Morphium, vor allem 
aus den sauren Lösungen, teilweise als Salz über. 


680 A. Simmer: Verhalten der Alkaloidsalze etc. 


IL. Abschnitt. 


Von einigen Autoren wurde die Beobachtung gemacht, daß bei 
der Perforation der Alkaloidlösungen in manchen Fällen sowohl die 
Alkaloide als auch das Chloroform durch Salzsäureabspaltung Zer- 
setzung erleiden. Hauptsächlich die letztere Beobachtung sollte in 
äieser Arbeit näher untersucht werden!). Ich beschickte zu diesem 
Zwecke einen Perforator mit 50 g Chloroform und 50 g Wasser. 
Letzterem hatte ich 2 g des betreffenden feingepulverten freien 
Alkaloides zugesetzt. Das Kölbchen, dem ich den Perforator aufsetzte, 
enthielt ebenfalls 50 g Chloroform. Ich perforierte nun 8 Stunden 
lang. Nach dieser Zeit untersuchte ich zuerst das Wasser. Dasselbe 
gab immer Opalescenz mit Silbernitrat, zeigte sich aber mit Aus- 
nahme von wenigen Fällen, in denen infolge schwererer Löslichkeit 
des Alkaloides in Chloroform ersteres nicht vollständig übergegangen 
war, völlig frei von Alkaloid. Ich verdampfte nun das im Kölbchen 
befindliche Chloroform und löste den Rückstand in Wasser, das eine 
hinreichende Menge Schwefelsäure enthielt. Ich fügte alsdann Silber- 
nitratlösung hinzu. In den Fällen, wo ein deutlicher Niederschlag 
eintrat, wurde derselbe abfiltriert, in Ammoniakflüssigkeit gelöst und 
wiederum mit Salpetersäure gefällt. Den auf diese Weise gereinigten 
Niederschlag brachte ich im Gooch’schen Tiegel zur Wägung. 


Ich erhielt folgende Resultate: 


Alkaloid |  Erhaltenes Entspricht Entspricht 
28 ApCl HCl Alkaloid 

Atropia N ]BINEBER III an | 0,0038 0,0069 0,0072 
Brucin ».2.2.... Ueup. I 0,0138 0,0033 0,0333 
EI de ae Spuren 

Cinchonidin !........ “ 

GIOCHOYIN., „Aha om 3 auen | - 

ln AT 0,0021 0,0005 0,0042 
Dodein’t. 1 Qi Spuren 

MorpiB® „are. 9,0% J 0 

NARCOEIN ar. re wars 0 

Nieotin HOBARFUUZE OR Spuren 

Papaverin .. !...... 121,0 

Solaninz .ıaka „nse. AT63 | Spuren 

SSERTCHNEER.. „Cu 204 jo Ta hafcn 0,0035 0,0008 0,0073 
ICHeBALTF LE arm elenp . Spuren 

Veratumı 225° WS 0,0043 0,001 0,0173 


1) Pharmaz. Zeitung 1894, 815 und Jahresbericht der Pharmazie 34, 1899, 


A. Simmer: Verhalten der Alkaloidsalze etc. 681 


Wie aus diesen Versuchen ersichtlich ist, ist die Einwirkung 
der Alkaloide auf Chloroform nur so gering, daß sie in der Praxis 
ganz außer acht gelassen werden kann. Nur Bruecin wirkte etwas 
stärker. Um eventuell gebildete Ameisensäure nachzuweisen, löste ich 
bei einem mit diesem Alkaloide angestellten Versuche den Chloroform- 
rückstand in schwefelsäurehaltigem Wasser und destillierte bei 100° 
einen Teil der Flüssigkeit über. Das Destillat dampfte ich, nach 
Zusatz von etwas Magnesia, auf dem Wasserbade auf einige Kubik- 
zentimeter ein und führte dann die verschiedenen Reaktionen auf Ameisen- 
säure aus, die jedoch alle nur negativen Erfolg hatten. 


III. Abschnitt. 


Zu den Versuchen über Reduktionswirkungen der Pflanzen- 
basen wandte ich im allgemeinen die Alkaloide in alkoholischen "/goo 
Normallösungen an und versetzte dieselben mit einigen Tropfen einer 
Lösung der betreffenden reduzierbaren Substanz. Soweit es möglich 
war, wandte ich daneben die Alkaloide auch in wässerigen Lösungen 
an. Das Verhalten der Alkaloidsalze in wässerigen und spirituösen 
Lösungen wurde ebenfalls untersucht. 


1. Verhalten der Alkaloide gegen Silbernitrat. 


Gegen Silbernitrat äußerte vor allem freies Morphin, sowoll in 
wässeriger als auch spirituöser Lösung, eine kräftig reduzierende 
Wirkung. Auch die Salze des Morphins reduzierten Silbernitrat in 
wässeriger Lösung noch ziemlich kräftig, dagegen konnten bei 
Anwendung spirituöser Lösungen in der Kälte Reduktionen erst nach 
mehreren Stunden beobachtet werden. 

Von den anderen Alkaloiden zeigte keines ein auch nur annähernd 
so kräftiges Reduktionsvermögen wie Morphin. 

Akonitin, Aspidospermin, Atropin, Brucin, Kodein, Emetin, 
Nikotin, Strychrin, Thebain, Veratrin reduzierten noch in der Kälte, 
aber meistens erst nach mehreren Stunden, während Chinin, Cinchonin, 
Kokain, Narcein, Narkotin, Papaverin und Solanin erst nach längerem 
Erwärmen der Lösung wirkten. 

Während also doch allen Alkaloiden eine wenn auch teilweise 
nur sehr geringe Reduktionsfähigkeit gegen Silbernitrat zukommt, 
war bei Koffein nicht die geringste derartige Wirkung festzustellen. 

Von den Alkaloidsalzen reduzierte keines außer Morphin das 
Silbersalz. Es scheint also dadurch, daß die alkalische Reaktion der 
Lösung aufgehoben ist, auch die reduzierende Wirkung der Pflanzen- 
basen zu verschwinden Vielleicht übt also die Alkalinität der Alkaloide 
im freien Zustande eine gewisse aktivierende Wirkung aus, Bekannt- 


682 A. Simmer: Verhalten der Alkaloidsalze etc. 


lich sind ja die freien Alkaloide fähig, viele Oxydationsvorgänge, wie 
z. B. zwischen Quecksilberchlorid und Guajaklösung, hervorzurufen 
oder wenigstens zu beschleunigen!). In den hier in Betracht kommenden 
Fällen wäre also das Alkaloid gleichzeitig der oxydable bezw. 
reduzierende und der aktivierende Körper. 


2. Verhalten der Alkaloide gegen Goldchlorid. 


Goldchloridlösung wurde außer von Morphin auch von einigen 
anderen Alkaloiden sehr kräftig reduziert, so von Aspidospermin, 
Emetin und Hydrastinin. Noch in der Kälte reduzierten, wenn auch 
erst nach längerer Zeit, Akonitin, Atropin, Kodein, Koniin, Nikotin, 
Solanin, Strychnin, Thebain und Veratrin. Nur in der Wärme 
reduzierten Chinin, Kokain, Narcein, Narkotin und Papaverin. Die 
reduzierende Kraft gegen Goldsalze ist lange nicht so auf die freien 
Alkaloide beschränkt, wie dies gegen Silbernitrat der Fall ist. So 
trat in wässerigenMorphiumhydrochloridlösungen nochgsofortige Reduktion 
von Goldchlorid ein. Ja selbst in stark salzsauren Morphiumlösungen 
trat noch Reduktion ein, wenn auch erst nach längerer Zeit und viel 
weniger intensiv. Ebenso zeigte Aspidospermin noch in einer Lösung 
von 25%iger Salzsäure deutliche Reduktionswirkung gegen Goldchlorid. 


3. Verhalten der Alkaloide gegen Quecksilberchlorid. 


Gegen Quecksilberchloridlösung zeigten nur sehr wenige Alkaloide 
Reduktionswirkungen schon in der Kälte, so Emetin, Hydrastinin und 
Nikotin. Die meisten anderen Alkaloide reduzierten erst nach längerem 
Erwärmen. Ich erwärmte deshalb die Lösungen eine Stunde lang auf 
dem Wasserbade. Wenn eine Trübung oder Niederschlag entstand, 
filtrierte ich ab und prüfte durch Betupfen des Filters mit Ammoniak- 
flüssigkeit auf Kalomel. Nur in wenigen Fällen ging die Reduktion 
bis zu metallischem Quecksilber. Dies war außer bei Emetin, das 
schon in der Kälte so kräftig reduzierte, nur bei Hydrastinin und 
Nikotin der Fall. Von den übrigen Alkaloiden zeigten noch Chinin, 
Koniin, Morphin, Narkotin, Papaverin, Solanin, Thebain und Veratrin 
eine schwächer reduzierende Kraft gegen Quecksilberchloridlösung. Fast 
nicht mehr reduzierten Akonitin, Aspidospermin, Atropin, Cinchonin, 
Kokain und Narcein, während Strychnin, Brucin und Koffein gar keine 
Wirkung mehr ausübten. 

Auffällig ist, daß Morphin, de doch sonst so kräftig reduzierend 
wirkt, in dieser Beziehung von anderen Alkaloiden bedeutend über- 
troffen wird. 


ı) Feder; Inauguraldissertation, Straßburg 1904. 


A. Simmer: Verhalten der Alkaloidsalze etc. 683 


Aehnliche Erscheinungen habe ich auch sonst vielfach beobachten 
können. Es ist daraus ersichtlich, daß man keineswegs aus dem 
reduzierenden Verhalten der Alkaloide in einem Falle auch auf ein 
solches in einem anderen Falle schließen kann. 

Daß die Salze der Alkaloide reduzierend auf Quecksilberchlorid 
wirkten, konnte ich in keinem Falle beobachten. 


4. Verhalten der Alkaloide gegen Eisensalze. 


Ich stellte zuerst mit den verschiedenen Alkaloiden die Berliner 
Blaureaktion an und zwar auf die übliche Weise. Ich löste ein Körnchen 
Kaliumferrocyanid in einem Tropfen Eisenchloridlösung und fügte etwas 
von dem freien Alkaloide hinzu. Es zeigte sich, daß außer Morphin 
noch viele andere Alkaloide fähig sind, diese Mischung zu reduzieren. 
Vollständig eben so intensiv wie Morphin lieferten diese Reaktion Brucin, 
Hydrastinin und Thebain. Nahezu so kräftig wie durch Morphin wurde 
die Mischung gebläut durch Akonitin, Aspidospermin, Kodein, Koniin, 
Nikotin und Narcein. Nur eine sehr schwache Wirkung äußerten 
Emetin, Papaverin und Strychnin. Kaum schneller als auch ohne 
Zusatz eines Alkaloides trat Blautärbung des Gemenges ein durch 
Atropin, Chinin, Cinchonin, Kokain, Narkotin, Solanin und Veratrin. 

Von den übrigen reduzierbaren Verbindungen wurden noch Platin- 
chlorid, Chromsäure, Jodsäure, Kaliumpermanganat und  Kupfer- 
verbindungen zu den Versuchen herangezogen. Gegen Platinchloridlösung 
konnte bei keinem Alkaloide ein reduzierendes Verhalten sicher fest- 
gestellt werden, da sich Platinchlorid in alkoholischer Lösung beim 
Erwärmen rasch zersetzt. 

Gegen Jodsäurelösung scheint ein reduzierendes Verhalten fast 
nur auf Morphin beschränkt zu sein. Nur bei Brucin und Strychnin 
konnte eine ganz schwach reduzierende Wirkung beobachtet werden. 
Ebenso war nur Morphin im stande Chromsäurelösung und ammoniaka- 
lische Kupfersulfatlösung zu reduzieren. Im ersteren Falle ging Morphin, 
wenn es als freie Base angewandt wurde, als Chromat in Lösung. 
Beim Erhitzen dieser Lösung schied sich ein brauner Niederschlag 
aus. Es scheint sich also hier um eine unvollkommene Reduktion der 
Chromsäure, wahrscheinlich zu chromsauren Chromoxyd oder Chrom- 
superoxyd, zu handeln. Bei sauren Lösungen des Morphins trat nur 
Dunkelfärbung ein. . 

Auch das Verhalten der Alkaloide gegen Kaliumpermanganat- 
lösung beansprucht noch einiges Interesse, Es zeigte sich bei meinen 
Untersuchungen, daß sämtliche Alkaloide im stande sind, Kalium- 
permanganat in schwefelsaurer Lösung zu reduzieren. Jedoch ist die 


684 A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 


Stärke und Geschwindigkeit, mit der die Reduktion von statten geht, 
bei den einzelnen Alkaloiden sehr verschieden. Eine sehr kräftige 
Wirkung äußern in dieser Beziehung Morphium, Thebain, Kodein und 
Emetin, während Akonitin, Bruein, Narcein, Narkotin, Nikotin, . 
Hydrastinin, Strychnin und Veratin schwächer wirken. Fast gar 
keine reduzierende Kraft gegen Kaliumpermanganat haben Atropin und 
Kokain. 


Arbeiten aus dem Pharmazeutischen Institut der 
Universität Bern. 


Untersuchungen über die Sekrete. 


76. Weitere Studien über den Sandarak. 
Von A. Tschirch und Max Wolff. 
(Eingegangen den 18. XI. 1906.) 


Während die meisten techrisch verwerteten Coniferenharze pathologische 
Produkte darstellen, indem sie erst einer tief eingreifenden Verwundung der 
Pflanze ihre Entstehung verdanken und zwecks rascher Wundverschließung 
in reichlichem Maße gebildet werden, ist das Sandarakharz ein physiologisches, 
in der Pflanze bereits in besonderen schizogenen Behältern vorgebildetes 
Sekret. Daher ist die Ausbeute desselben auch verhältnismäßig gering. Der 
Sandarak des Handels kommt aus dem westlichen Nord-Afrika über Mogador 
nach Europa. Er stammt von Callitris quadrivalvis Ventenat (Thuja 
articulata Vahl),. Ueber seine Gewinnung stimmen alle Literaturangaben 
dahin überein, daß das Harz entweder freiwillig austritt oder durch Einschnitte 
in die Aeste und Zweige des Baumes erhalten wird!). Der Sitz der Sekret- 
behälter ist die Rinde. Im Holz finden sich nach den Untersuchungen von 
Möller?), sowie denen von Tschirch und Balzer?) keine Sekretbehälter 
vor. Die Harzprodukte anderer COallitrisarten*) haben bis jetzt nur unter- 


1) Eine eingehende Mitteilung hierüber brachte Landerer in Buchners 
Repertorium f. d. Pharmazie (XCI) XLI, 1846, S. 232. 

2) Anatomie der Baumrinden, Berlin 1882, S. 17. 

8) Arch. d. Pharm. 1896, S. 314. 

4) Bezüglich australischer Sandaraksorten von Callitris verrucosa, Call. 
Preisii und anderer s. P. Maiden, Pharmac. Journ. and Transact. T. XX, 
S. 362, ferner Amer. journ. Ph. 1895. — Vergl. auch Flückigers Pharma- 
kognosie 8. 110, Tschirch und Balzer, Arch. d. Pharm. 1896, sowie 
Jahresber. d. Pharm. 1896 und folgende Jahrgänge. Siehe auch Dragen- 
dorft, Die Heilpflanzen der verschiedenen Völker und Zeiten 1898. 


A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 685 


geordnetes Interesse als Ersatz weicher Copale!). Für die in Lehr- und 
Handbüchern bis Mitte des 19. Jahrhunderts aufgeführten deutschen und 
schwedischen Sandaraksorten gilt Juniperus communis als Stammpflanze?), 
Wittstein®) hält jedoch den schwedischen Sandarak für Fichtenharz. 

Das Verhalten des Sandarakharzes Lösungsmitteln und Reagentien 
gegenüber wurde besonders von Hirschsohn®), Kliebhand), Tschirch und 
Balzer®) und Coffignier?) untersucht. Letzterer gibt‘ eine Zusammen- 
stellung der hauptsächlichsten Löslichkeitsangaben aus der französischen, 
K. Dieterich®) eine solche aus der deutschen Literatur. Flückiger?) 
studierte das Verhalten des Harzes gegen Schwefelkonlenstoff. 

Giese!?) hatte bei der Bereitung von Firnissen einen in Alkohol un- 
löslichen Rückstand isoliert, dem man in der Literatur unter dem Namen 
Sandaracin begegnet. Erst Unverdorben!!) unternahm die erste ein- 
gehendere Untersuchung des Sandarakharzes, indem er mit Hilfe von 
alkoholischem Kali sowie verdünntem Alkohol es in drei saure Harze trennte. 
Er erklärt bereits Giese’s Sandaracin für eine Mischung zweier saurer Harze 
von nicht konstanter Zusammensetzung, und führt dessen Bildung auf die 
Verwendung von nicht genügend konzentriertem Weingeist bei der Auflösung 
des Harzes zurück. In der Tat ist das Sandaracin auch bei späteren Unter- 
suchungen nicht mehr gefunden worden. Johnston!2) fand ebenfalls drei 
Harze in dem Sandarak, für die er auf Grund der Elementaranalysen die 
Wormeln CzHgzı 05, CyoHgı Os und CyHz0g aufstellte.e Sommer!?) sowie 
Hirschsohn!%4) fanden kein Umbelliferon im Sandarak, Hirschsohn stellte 
ferner auch die Abwesenheit von Stickstoff, Schwefel und Zimmtsäure in 
dem Harze fest. Krystallisierte Produkte erhielten zuerst Tschirch und 
Balzer!5). Aus einem durch mehrmaliges Fällen von alkoholischen Sandarak- 


1) Dieterich, K., Analyse der Harze, S. 171. 

2) J.W. Döbereiner und F. Döbereiner, Deutsches Apothekerbuch 
1842, S. 340, und Wiggers A., Handbuch der Pharmakognosie 1864, S. 195. — 
Murray, Apparatus medicaminum 1793, I., p. 53. 

3) Handbuch der Pharmakognosie des Pflanzenreiches S. 718. 

4) Arch. d. Pharm. 1877, XI, S. 62. 

5) Jahresbericht d. Pharm. 1837, S. 118. 

) Arch. d. Pharm. 1896, S. 293. 

°) Sur la solubilit€ de quelques r&sines tendres; Bulletin de la Societe 
Chimique de Paris, IIL., 27, 1902, No. 87. 

8) Analyse der Harze S. 171. 

%) Pharmakognosie 1891, S. 109. 

10) Scherers Journal der Chemie VIII (1801), S. 108 und IX, S. 536. 

1) Unverdorben, Ueber das Sandarakharz. Schweiggers Journal 
LX (1830), S. 82, und in Berzelius, Lehrbuch der Chemie, übersetzt von 
Woehler, 1838, S. 89. 

12) Phil. Trans. 1839, S. 233. 

18) Gmelins Handbuch d. organ. Chem. 1848—70, IV. 2 (VII), S. 1831. 

14) Arch. d. Pharm. 1877, 11, 62. 

15) Ebenda 1896, S. 296. 


686 A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 


harzlösungen mit Wasser gewonnenen Reinharz erzielten sie, durch Zusatz 
von Kali in Stücken zu dessen 1%iger alkalischer Lösung, eine Trennung in 
eine in überschüssigem Alkali unlösliche Säure, die Sandaracolsäure, und 
eine in diesem Medium lösliche Säure, die Callitrolsäure. Beide Säuren . 
krystallisierten schwer. Erstere löste sich in Alkohol, Aether, Aceton, ver- 
dünnter Kalilauge, in H3SO, mit roter Farbe, war dagegen unlöslich. in 
Benzol, Toluol, ‘ Petroläther, Chloroform, konzentrierter Kalilauge und 
Ammoniak. Sie schmolz bei 1400 und entsprach der Formel C,,He,0r, zu 
deren Bestätigung Kalisalz, Silbersalz, Acetyl- und Benzoylverbindung heran- 
gezogen werden konnten. Durch Destillation mit Zinkstaub wurde eine 
dunkele Flüssigkeit erhalten, die, nach der Reinigung mit Natronlauge und 
darauf folgendem vierstündigem Erhitzen über Natriummetall am Rückfluß- 
kühler, bei der Destillation Benzol, Toluol und andere aromatische 
Kohlenwasserstoffe enthaltende Fraktionen ergab. Oxydationen mit 
Salpetersäure ergaben neben einer Oxysandaracolsäure, CyHss0s, 
ÖOxalsäure und Pikrinsäure. Die zweite in der alkalischen Flüssigkeit 
gelöst gebliebene Säure, die Callitrolsäure, bildete nach langen erfolglosen 
Versuchen sargdeckelartige farblose Krystalle, die bei 2480 schmolzen, sich 
in Alkohol, Aether, Aceton, Eisessig, verdünntem Kalikarbonat auch in 
konzentrierter Kalilauge lösten, dagegen in Benzol, Toluol, Chloroform und 
Petroläther unlöslich waren. Die Verbrennungsresultate passen auf die 
Formel (g5H5)0,, die Molekulargewichtsbestimmung ergibt den Wert 921 
(CgaHg0 0, verlangt 952). Die Analyse der Acetylverbindung weist auf ein 
Hydroxyl, die des Kupfersalzes auf zwei Carboxylgruppen hin. Weiter isolierten 
Tschirch und Balzer 0,5% ätherisches Oel sowie einen jedoch nicht völlig 
reinen Bitterstoff. Derselbe zeigte keinen glykosidischen Charakter. Die 
trockene Destillation des Harzes lieferte Essigsäure und eine geringe Menge 
einer nach Kampfer riechenden Substanz. Bernsteinsäure konnte unter den 
Produkten der trockenen Destillation nicht bestimmt nachgewiesen werden. 

Henry), der sich ebenfalls mit der Untersuchung des Sandarak- 
harzes befaßte, versetzte eine alkoholische Harzlösung mit alkoholischem Kali, 
destillierte den Alkohol ab und löste den Rückstand in Wasser. Durch 
Schütteln dieser alkalischen Lösung mit Aether entfernte er die Kohlen- 
wasserstoffe. Durch Zusatz von 20%iger Kalilauge erhielt er einen Nieder- 
schlag, der nach wiederholtem Lösen in Alkali und Fällen mit konzentrierter 
Salzsäure in einen in Alkohol löslichen und einen in diesem Medium unlöslichen 
Anteil getrennt wurde. Aus dem in Alkohol löslichen Teil erhielt er eine 
krystallisierende Säure vom Schmp. 1710 und nannte sie i-Pimarsäure. 
Die Verbrennungsresultate entsprachen der Formel CsoHgo 0a und wurde 
letztere durch das Natrium- und Silbersalz, durch den Aethylester, sowie 
durch einen aus der Säure erhaltenen Kohlenwasserstoff von der Formel C59 Hza 
gestützt. Der in Alkohol unlösliche amorphe Teil löste sich in alkoholischem 
Kali und wurde, wenn mit Essigsäure gefällt, wieder in Alkohol löslich, blieb 
dagegen bei Anwendung stärkerer Salzsäure teilweise unlöslich. Henry 
führte die teilweise Unlöslichkeit auf die Bildung von Anhydriden zurück und 


1) Chem. investigat. of the constit, ofSandarac res., Dissert. London 1901. 


A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 687 


stellte für die Säure, die er ebenfalls Callitrolsäure nennt, auf Grund der 
Verbrennungszahlen der Anhydride sowie der dargesteilten Silbersalze die 
mutmaßliche Formel (39H, 0; auf. Henry gab dann noch eine Methode 
an zur Darstellung der i-Pimarsäure durch Destillation im Vakuum. 


I. Das Ausgangsmaterial. 


Bei unserer erneuten Untersuchung des Sandarakharzes haben 
wir den von Tschirch für die Analyse der Coniferenharze angegebenen 
bei der früheren Untersuchung des Sandaraks noch unbekannten 
allgemeinen Gang benutzt. Wir legten den Untersuchungen bestes, 
- von der Firma CO. Haafin Bern geliefertes Handelsmaterial zu Grunde, 
zogen aber auch Proben anderer Provenienz, sowie einen sehr lange 
gelagerten Sandarak') aus der Sammlung des pharmazeutischen Instituts 
in Bern zum Vergleich heran. 

Das Harz löste sich in Alkohol, Aceton und Amylalkohol voll- 
ständig, jedoch nur teilweise in Methylalkohol, Terpentinöl, Petrol- 
äther, Benzol, Toluol, Xylol und Schwefelkohlenstof. In einer 
konzentrierten alkoholischen Sandaraklösung wurde durch Zusatz von 
Methylalkohol ein erheblicher Anteil niedergeschlagen, der sich selbst 
beim Erwärmen nicht mehr völlig löste. 

Eine filtrierte konzentrierte Lösung des Harzes in Aether (1:3) 
wird auf weiteren Zusatz von Aether zunächst trübe und gibt dann 
einen Niederschlag, der sich nur teilweise wieder löst. Vollständige 
Lösung kann alsdann durch Zusatz von Essigsäure oder verdünnter 
Salzsäure erzielt werden. 

Die alkoholische Lösung des Harzes reagierte sauer. 

Das spezifische Gewicht wurde durch Schwimmenlassen des 
Harzes in eingestellten Glyzerinlösungen ermittelt. 


Es wurde gefunden für: 


das Untersuchungsmaterial das Sammlungsharz eine weitere Sorte 
1,071 1,098 1,064. 


Säure- und Verseifungszahlen. 


Die Bestimmungen dieser Zahlen wurden mit ”/s Kalilauge und 
”»/a Schwefelsäure, beide in alkoholischer Lösung, ausgeführt. Als 
Indikator wurde Phenolpthalein verwendet. 

1 g des Harzes wurde in 50 cem 95%igen Alkohols gelöst, dann 
zunächst soviel ®/s Kalilauge zugegeben, bis ein reichlicher Nieder- 


1) Es ist dies ein über 30 Jahre lang gelagertes noch von Flückiger 
der Sammlung einverleibtes Sandarakharz, welches, wohl infolge seines hohen 
Alters, einen leicht rötlichen Schimmer angenommen hat. 


688 A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 


schlag sich zeigte. Dieser wurde, wie Kremel!) es getan, durch 
Wasserzusatz leicht wieder in Lösung gebracht, und zwar wurden 
20 cem Wasser hinzugefügt. Dann erst wurde der Rest der 
alkoholischen ”/a Kalilauge zugegeben. 


Säurezahl. 


A. Direkt titriert. 
a) für das Untersuchungsmaterial. 


1. Bestimmung. 1,0 g Substanz verbrauchten 5 ccm 2a KOH = 140,0. 
2. a 1,0102 g „ . Din F — 138,6. 
D. 34 1,0 g ” - 595 3 = 140,0. 
4. s 30. kr e le n —= 140,0. 


Im Mittel S.-Z. = 139,65. 
b) für das Sammlungmaterial. 
1. Bestimmung. 1,0 g Substanz verbrauchten 5,2 ccm "/4 KOH = 135,6. 
2. » 1,0 „ P 44 5,1 5 5 — 142,8. 
Im Mittel S.-2. = 14422. 
B. Indirekt (sofort zurücktitriert). 
a) für das Untersuchungsmaterial. 
1. Bestimmung. 1,0 g Substanz verbrauchten 5,05 ccm "a KOH — 141,4. 
2, u 1.0 „ E z I or is —= 142,8. 
Im Mittel S.-Z. = 142,1. 
b) für das Sammlungsmaterial. 
1. Bestimmung. 1,0 g Substanz verbrauchten 5,4 ccm #/3J KOH = 15122. 
2. 10, f. I 5,370, Ni —= 148,4. 
Im Mittel S.-Z. = 149,8. 
C. Indirekt (nach zwei Stunden zurücktitriert). 
a) für das Untersuchungmaterial. 
Bestimmung. 1,0 g Substanz verbrauchten 5,35 ccm "/3KOH = 149,8. 
2. n 10, n ” 55 n = 154,0. 
Im Mittel S.-Z. = 151,9. 
b) für das Sammlungsmaterial. 
Bestimmung. 1,0 g Substanz verbrauchten 5,55 cem "/3, KOH = 155,4. 
2. = 10:5 1% r Datum „ = 156,8. 
Im Mittel 8.-Z. = 156,1. 


= 


= 


Verseifungszahl. 
A. Verseifung auf kaltem Wege, 
a) für das Untersuchungsmaterial. 


1. Best. 1,0 g Subst. verbrauchten nach 24 Stunden 5,8 ccm 2, KOH = 162,4. 
zus, es y „48 Wr 5,75, —= 161,0. 
33ab3! BAdnilg e PRoEN s 5,85 „ ana. 163,8. 
Auen ED Ace “ „196 Mr Dura, ei — 760,8. 


Im Mittel V.-Z. = 163,1. 
1) Kremel, Notizen zur Prüfung der Arzneimittel 1889, und Jahres- 
bericht der Pharmazie 1886. 


A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak., 689 


b) für das Sammlungsmaterial. 


1. Best. 1,0 g Subst. verbrauchten nach 24 Stunden 5,85 ccm n/; KOH = 163,8. 
ee HL 5 = 2 „ ==160,0, 
a : e eg "oe „. = 710066. 
A arm “ EG un = 1680, 


2) r 
Im Mittel V.-Z. = 166,25. 
B. Verseifung auf heißem Wege. 
a) für das Untersuchungsmaterial. 


1. Best. 1,0 g Subst. verbrauchten nach 1 Stunde 5,95 ccm "/3,KOH = 166,6. 
+ ji u A ET . „ 2 Stunden 5,85 „ A — 163,8. 
dan 10, 0a, $ aa yullt.Btie . 3 —= 168,0. 
Be ORT, 4 wong, y — 166,6. 


n » 
Im Mittel V.-Z. = 166,25. 
b) für das Sammlungsmaterial. 


1. Best. 1,0 g Subst. verbrauchten nach 1 Stunde 6,05 ccm »/3 KOH = 169,4. 

Bis, on WOiscain v „ 2 Stunden 6,0 „ L — 168,0. 

3. 1,0, ” n n„ 3 ” 60 5 n = 168,0. 

4. LU a nr rt. OD. ».. „= .166.6. 
Im Mittel V.-Z. — 168,0. 


Trockene Destillation. 


Tsehirch und Balzer hatten bei ihrer Untersuchung des 
Sandaraks auch die trockene Destillation herangezogen. Sie fanden 
unter den Destillationsprodukten einen Körper, der zwar auf Zusatz 
von Eisenchlorid einen zimmtbraunen Niederschlag gab, als Bernstein- 
säure jedoch nicht näher charakterisiert werden konnte. Um nun der 
Frage der An- und Abwesenheit der Bernsteinsäure unter den 
Produkten der trockenen Destillation des Sandarakharzes näher zu 
treten, wurden bei der gegenwärtigen Untersuchung gleichfalls einige 
Versuche unternommen. 

In einer etwa % Liter fassenden Retorte wurden 100 g Sandarak- 
harz im Sandbade der trockenen Destillation unterworfen. Durch den 
Tubus der Retorte tauchte ein Thermometer in die zu destillierende 
Masse. Zwischen 50 und 100° gingen einige leichte weiße Dämpfe 
über, die dem ätherischen Oel anzugehören schienen. Bei 135° blähte 
sich der Inhalt der Retorte mächtig auf und schmolz, gleichzeitig 
zeigte sich im Retortenhals ein geringer wässeriger Anflug. Bei 160 
bis 180° ging ein geringer öliger Anteil über (5 g) und stieg nach 
Auswechselung der Vorlage das Thermometer allmählich nnter starkem 
Schäumen des Retorteninhaltes auf 260°. Bei dieser Temperatur 
wurde die Vorlage wiederum gewechselt. Die erhaltenen Anteile (2g) 
zeigten, ebenso wie die vorherigen, gelbe Farbe ohne jegliche Fluor- 
eszenz. Zwischen 260 und 275° ging eine größere Menge eines 

Arch. d. Pharm. COXXXXIV. Bds. 9. Heft. 44 


590 A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 


bergamottgrünen Oeles über (47 g). Zwischen 275 und 320° wurde 
wieder ein gelbes, jedoch tiefer gefärbtes, blau fluoreszierendes Oel 
erhalten (11 g). Dieselbe blaue Fluoreszenz zeigten die folgenden bis 
360° und darüber erhaltenen Anteile (10 g), die immer noch ein - 
leichtflüssiges Oel darstellten. Das bei der trockenen Destillation 
gebildete Reaktionswasser betrug etwa 8 bis 10 g. Bei weiterem 
Erhitzen sammelte sich im Retortenhals eine geringe Menge eines 
zähen Destillates, welches mit krystallinischen Anteilen durchsetzt 
schien. In der Retorte blieben 3 g einer glänzend schimmernden 
Kohle zurück. 

Um die im Retortenhals sich befindenden krystallinischen Anteile 
zu gewinnen, wurde dieser zunächst mit heißem Wasser ausgekocht, 
wodurch jene nicht in Lösung gebracht wurden. Dagegen lösten sie 
sich leicht in Alkohol. Die alkoholische Lösung wurde zur Krystallisation 
gesetzt, doch ohne Erfolg. Die Lösung trocknete allmählich zu einer 
glasglänzenden harten Masse ein. Bei der Sublimation dieser Masse 
zwischen zwei größeren Uhrgläsern konnten unter dem Mikroskop in 
dem gleichfalls glasglänzenden harten Sublimat einige Büschel von 
Krystallnadeln erkannt werden, doch widerstanden diese allen Versuchen 
sie zu isolieren. Diese Krystallnadeln bestanden möglicherweise aus 
der in Harz vorkommenden krystallisierten Sandaracopimarsäure 
(s. weiter unten), welche sich wie angestellte Versuche zeigten, bei 
vorsichtigem Erhitzen sublimieren läßt, wobei sie sich allerdings teil- 
weise zersetzt. Bemerkt sei jedoch, daß diese krystallinischen Anteile 
im Retortenhals nur bei diesem ersten Versuche der trockenen 
Destillation, nicht mehr jedoch bei den weiteren Versuchen festgestellt 
werden konnten. Zur Isolierung der Fettsäuren wurden die erhaltenen 
flüssigen Destillationsprodukte wieder vereinigt und mit kochendem 
Wasser ausgezogen. Der schwach saure Auszug wurde mit Natrium- 
karbonat neutralisiert und auf 100 ccm eingeengt, dann wieder mit 
Schwefelsäure angesäuert und der Wasserdampfdestillation unterworfen. 
In dem Destillat konnte Essigsäure durch die drei üblichen Reaktionen 
nachgewiesen werden, dagegen blieben die Reaktionen auf Ameisen- 
säure aus. Das Destillat zeigte keinen Geruch nach Buttersäure. 

Die im Kolben verbliebene Lösung, welche unserer Vermutung 
nach die Bernsteinsäure enthalten sollte, konnte direkt zur Trockne 
eingedampft werden, zumal Bernsteinsäure selbst von konzentrierter 
Schwefelsäure nicht angegriffen wird'). Der Rückstand. wurde mit 
heißem absoluten Alkohol mehrmals ausgezogen, dieser von ungelöstem 
Natriumsulfat abfiltriert und eingedampft. Es hinterblieb jedoch kein 
Rückstand, ‘der auf Bernsteinsäure schließen ließ. 

1) E. Schmidt, Pharmazeutische Chemie 1901, II., 1, S. 480. 


4 


A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 691 


Dieser Versuch der trockenen Destillation wurde in dem gleichen 
Umfang noch zweimal wiederholt, doch gelang es in keinem Falle 
Bernsteinsäure nachzuweisen. Es kann somit angenommen werden, 
daß bei der trockenen Destillation des Sandarakharzes unter den 
gewöhnlichen Bedingungen Bernsteinsäure nicht gebildet wird. 

Die durch Ausziehen mit heißem Wasser von den Fettsäuren 
befreiten Destillationsprodukte wurden nun zur Entfernung der sauren 
Harzbestandteille in Aether gelöst und diese Lösung mit 1%iger 
Natriumkarbonatlösung ausgeschüttelt. Die Ausschüttelungsprodukte 
wurden mit salzsäurehaltigem Wasser gefällt; die Ausbeute (ungefähr 
2 g) bildete jedoch ein schmutzig graues verklebtes Pulver, welches 
sich nicht näher charakterisieren ließ. 


Da durch darauf folgende Ausschüttelungen mit Kalihydratlösung 
aus der ätherischen Lösung sich keine weiteren Bestandteile mehr 
abtrennen ließen, wurde sie durch Chlorcaleium getrocknet und dann der 
Aether durch Abdunsten entfernt. 


Wurde das Oel wiederum der fraktionierten Destillation unterworfen, 
so konnten aus ihm keine konstant siedenden Destillationsprodukte isoliert 
werden. Die über 200° siedenden Anteile wurden gesammelt und die 
Isolierung von Reten aus denselben versucht. 


Ein Teil derselben wurde während 5 Stunden mit Natriummetall 
am Rückflußkühler erhitzt, dann wiederum der fraktionierten 
Destillation unterworfen. Es wurden drei Fraktionen gesammelt, 
welche zwischen 220—250°, 250—230° und 280—320° übergingen. 
Sie waren fast farblos bis leicht gelblich mit leicht grünlichblauer 
Fluoreszenz. Aus den einzelnen Fraktionen konnten weder durch 
längeres Stehenlassen noch durch Krystallisationsversuche aus ver- 
schiedenen Lösungsmitteln krystallinische Abscheidungen erhalten 
werden. 

Mit dem anderen Anteil der über 200° siedenden Destillations- 
produkte wurde ebenfalls eine Isolierung des Retens versucht durch 
Erhitzen desselben mit Schwefel am Rückflußkühler und darauffolgende 
Destillation. 

Bei dem ersten Versuch wurden die von Tschirch und 
Studer!) gemachten Erfahrungen bei der Isolierung des Retens aus 
Harzöl, bei den weiteren Versuchen diejenigen von Easterfield?) 
bei der Isolierung von Reten aus Abieten zu Grunde gelegt. 


1) Tschirch und Studer, Archiv der Pharmazie 1903, S. 536. 
2) Hill Easterfield und George Bagley, Journ. of chem. Soc. 
1904, S. 1238. 
44* 


692 A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 


Erster Versuch. 30g des Oels wurden mit 10 g Schwefel 
vermischt am Rückflußkühler erhitzt, wobei eine mächtige Schwefel- 
wasserstoffentwickelung beobachtet werden konnte. Nach etwa ein- 
stündigem Erhitzen war die Reaktion beendet und wurde der ge- 
bildete dicke schwarze Teer zunächst mit Alkohol, dann mit Aether 
und Petroläther extrahiert. Nach dem Verdunsten der Lösungsmittel 
wurden nur ölige Abscheidungen erhalten, die auch bei der Be- 
handlung mit weiteren Lösungsmitteln keine krystallisierten Produkte 
ergaben. 


Zweiter Versuch. Wiederum 30 g des Oels wurden in der 
oben angegebenen Weise mit 10 g Schwefel erhitzt und der Teer bei 
gewöhnlichem Druck destilliert. Das übergehende leichtflüssige farb- 
lose Oel wurde unter vermindertem Druck (80 mm) in zwei Haupt- 
fraktionen getrennt, von denen die erste bei 240—260°, die zweite bei 
260—280° übergingen. Aus beiden Fraktionen konnte jedoch weder 
durch längeres Stehenlassen, noch durch Behandlung mit verschiedenen 
Lösungsmitteln krystallinische Abscheidungen erhalten werden. 


Dritter Versuch. Dieser wurde analog dem zweiten jedoch 
mit größeren Mengen Schwefel (20 g) ausgeführt. Derselbe ergab 
jedoch das gleiche negative Resultat. 

Bei der trockenen Destillation des mit gleichen Teilen Aetzkalk 
vermischten Sandarakharzes trat das lästige Aufblähen und Schäumen 
des Harzes nicht ein. Bei dem Ausschütteln der ätherischen Lösung 
der Destillationsprodukte mit Kali wurden denselben nur verhältnis- 
mäßig geringe Mengen entzogen. Die öligen Anteile zeigten sich nicht 
verschieden von den bei den vorhergehenden Destillationsversuchen 
erhaltenen Produkten. 


2. Methode der Untersuchung. 


Der für die Coniferenharzanalyse allgemein anwendbare bei der 
ersten Untersuchung des Sandaraks durch Tschirch und Balzer 
(s. oben) noch nicht bekannte Gang beruht im wesentlichen auf der 
fraktionierten Ausschüttelung ätherischer Harzlösungen mit stark ver- 
dünnten Ammonkarbonat- und Natriumkarbonatlösungen, sowie mit 
verdünnter Kalilauge verschiedener Konzentration und weitere Zer- 
legung der Fraktionen mit Hilfe von Bleiacetat oder Kalihydrat. Der 
durch Ausschüttelungen mit Alkali nicht abscheidbare Teil wird durch 
Wasserdampfdestillation in ätherisches Oel und Resen getrennt.') 


1) Vergl. Tschirch, Die Harze und die Harzbehälter. 


A. Tschirch u. M, Wolff: Sandarak. 693 


3. Gang der Untersuchung. 
A. Abscheidung der Harzsäuren (Resinolsäuren). 
a. Ausschüttelung mit Ammonkarbonatlösung. 


Sandaracinsäure. 


Eine filtrierte Lösung von 300 g Sandarak in etwa 1,5 Liter 
Aether wurde in einem Scheidetrichter mit je einem Liter 1%iger Ammon- 
karbonatlösung ausgeschüttelt, resp. zur Vermeidung von Emulsionen 
sehr vorsichtig umgeschwenkt. 

Nach der Trennung der beiden Flüssigkeitsschichten durch 
längeres Stehenlassen wurde die untere klare, bei den ersten Aus- 
schüttelungen tief gelbe, später nur leicht gelblich gefärbte bis fast 
farblose, wässerige Harzlösung abgelassen. Durch leichtes Erwärmen 
auf dem Dampfbade wurde sie von anhaftendem Aether befreit und 
nach dem Erkalten mit salzsäurehaltigem Wasser gefällt. Der flockige 
Niederschlag bildete nach dem Auswaschen und Trocknen eine leicht 
bräunlich gefärbte pulverige Masse. Durch wiederholtes Auflösen in 
Alkohol und Fällen mit säurehaltigem Wasser konnte eine Reinigung 
dieses Anteils zu einem, den späteren Ausschüttelungen entsprechenden, 
fast rein weißen Pulver erzielt werden. Die Mengen der Harzsäure, 
die durch Ammonkarbonatlösung gebunden wurden, betrugen für die 
ersten 10 Ausschüttelungen durchschnittlich je 0,5 g, nahmen jedoch 
bald bis auf ein Minimum ab, welches sich allerdings während fast 
100 Ausschüttelungen ziemlich konstant hielt. Nach etwa 120 Aus- 
schüttelungsversuchen wurde an die Ammonkarbonatlösung keine Säure 
mehr abgegeben. 

Die Gesamtausbeute der auf diese Weise erhaltenen Rohsäure 
betrug 7,0 g = 2,3% des Harzes. 

In der Absicht, diese Säure in weitere Bestandteile zu zerlegen, 
wurde zu ihrer wässerigen alkalischen Lösung festes Kali zugegeben, 
worauf jedoch die gesamte Menge der Harzsäure als Kalisalz ausfiel. 
Durch Zusatz einer alkoholischen Bleiacetatlösung zu der alkoholischen 
Lösung der Säure wurde ebenfalls die gesamte Menge des gebildeten 
Bleisalzes niedergeschlagen, während nur Spuren von Verunreinigungen 
in Lösung blieben. Nach mehrmaligem Fällen der Säure in Wasser 
bildete dieselbe ein fast weißes amorphes Pulver, ohne Geruch und 
Geschmack. Es löste sich in Alkohol, Methylalkohol, Aether, Aceton, 
bein Erhitzen in Eisessig. Die Löslichkeit in Methylalkohol wird 
durch Zusatz von Petroläther beschleunigt, obwohl es in diesem letzt- 
genannten Medium selbst nicht löslich ist. Unlöslich ist es ferner in 
Chloroform, Benzol und Wasser. Die alkoholische Lösung der Säure 


694 A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 


ist leicht gelb gefärbt und zeigt schwach saure Reaktion. Krystallisations- 
versuche mit Mischungen der verschiedenen Lösungsmittel schlugen 
sämtlich fehl, und wurde nun die Säure in der vorliegenden Form 
für die folgenden Reaktionen verwendet. 

Der Körper zeigt keinen exakten Schmelzpunkt, bei 175° beginnt 
er sich rötlich zu färben, und bei 180° sich zusammenzuziehen, er 
schmilzt bei 186—188° unter Zersetzung. 

Die Säure wurde Sandaracinsäure genannt. 


Säure- und Verseifungszahlen. 


Die Bestimmungen der Säure- und- Verseifungszahlen dieser 
Sandaracinsäure wurden mit alkoholischer */,, Kalilauge und 
alkoholischer */jo Schwefelsäure ausgeführt. Als Indikator diente 
Phenolphtalein. j 

Es zeigte sich jedoch hier, ähnlich wie bei den diesbezüglichen 
Bestimmungen des Rohharzes, das durch die alkoholische */;o Kalilauge 
das gebildete Kalisalz niedergeschlagen wurde, welches sich auf dem 
Boden des Gefäßes zu einer klebrigen Masse zusammenballte. 
Es wurde daher der 1l%igen alkoholischen Lösung der Säure 
zunächst nur soviel alkoholische ”/,, Kalilauge zugegeben, bis ein 
flockiger Niederschlag sich bildete, dann 20 ccm ausgekochtes 
destilliertes Wasser zugefügt, worauf sich der Niederschlag wieder 
vollständig löste. Alsdann wurde die Titration mit der alkoholischen 
2/0 Kalilauge beendet. 

Titriert man ohne Wasserzusatz nur in alkoholischer Lösung, 
so werden bei der Zurücktitrierung mit "/io Schwefelsäure, die auf 
dem Boden des Gefäßes zusammengeballten Massen nur sehr langsam 
wieder in Lösung gebracht, und das Resultat der Bestimmung be- 
einträchtigt. Es werden dann zu hohe Werte gefunden, da in der durch 
die Zurücktitrierung bereits entfärbten Lösung durch Verdünnen mit 
Wasser eine Rötung wieder hervorgerufen wird, zu deren Entfärbung 
wiederum 1,5—2 Zehntelkubikzentimeter *”/n Kalilauge benötigt 
werden. 

Säurezahl. 
A. Direkt titriert. 
1. Bestimmung. 0,2 g Substanz verbrauchten 5,8 ccm "/jo KOH 162,4. 
2. > 023yloT 5 A 58 „ J 162,4. 
Im Mittel S.-Z. = 162,4. 


B. Indirekt (sofort zurücktitriert). 
1. Bestimmung. 0,2 g Substanz verbrauchten 5,8 ccm "/j) KOH = 162,4. 
2. . 02, m 2 5,85 „ D —= 163,8. 
Im Mittel S.-Z. = 163,1. 


A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 695 


C. Indirekt (nach 2 Stunden zurücktitriert). 


1. Bestimmung. 0,2 g Substanz verbrauchten 5,9 ccm "»/j) KOH = 165,2. 
2, r 02 „ “ F 60,54 = — 168,0. 
Im Mittel S.-Z. = 166,6. 

Verseifangszahl. 

A. Verseifung auf kaltem Wege. 

173,6. 


1. Best. 0,2 g Subst. verbr. nach 24 Stunden 6,2 ccm "/jo KOH 
Ba wa ” „48 5 6,25 „ y 175,0. 
Im Mittel V.-Z. = 1743. 


B. Verseifung auf heißem Wege. 
1. Best. 0,2 g Subst. verbr. nach 1 Stunde 6,2 ccm »/jo KOH 
Ber y 02 yirsy 2 »„ 2 Stunden 6,3 „ . 
Im Mittel V.-Z. = 175,0. 


173,6. 
176,4. 


Elementaranalyse. 
Durch Verbrennung der bei 110° getrockneten Sandaracinsäure 
wurden folgende Zahlen erhalten: 
1. 0,1718 g Substanz gaben 0,3954 COs und 0,1288 H30. 


2. 0,1572 „ h „ >:0,4388 u 15 ,0,1424 , „. 
In Prozenten: 
1: 2. Im Mittel: Berechnet für Cgs Hay O5: 
Ci = 76,048 76,127 76,09 76,30 
— 10,182 10,154 10,17 9,83. 


Berücksichtigt wurden auch die Formeln: 

Cag Has O3: C= 75,86 %, H= 10,34 % und 
Os Has O3: C= 76,24 % H= 10,49 

Kalisalz. 0,2g Säure neutralisieren 5,8 ccm »/,, Kalilauge —= 0,02271 
Kalium, 100 g also 11,35 g K; dementsprechend befinden sich 10,32% Kalium 
im Kalisalz. 

Das Monokaliumsalz von der Formel C3aH3s0K verlangt 
10,16% K. Die Monokaliumsalze der ebenfalls berücksichtigten 
Formeln verlangen: 

[07 Hs; O;K — 10,10 % K und Osg H370;K = 9,75 % RK. 


Methoxylbestimmung. 


Der Versuch wurde nach der Zeisel’schen Methode ausgeführt 
mit 0,5 g der Säure. Die vorgelegte Silbernitratlösung blieb jedoch 


696 A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 


vollkommen klar, und ist hierdurch die Abwesenheit von Methoxyl- 
Gruppen in der Säure erwiesen. 


Optisches Verhalten. Die Sandaracinsäure ist optischinaktiv. 


Cholesterinreaktionen'). 

1. Liebermann’sche Cholestolreaktion. Phytosterin: rot, violett, 
blau, grün. Sandaracinsäure: kirschrot, rötlichbraun, schmutzig grünlichbraun. 

2. Salkowski-Hesse’sche Cholesterinreaktion. Diese Reaktion war 
wegen der Unlöslichkeit der Säure in Chloroform nicht anwendbar. 

3. Mach’sche Reaktion. Phytosterin: violettrot, blau, violett, grau- 
blau. Sandaracinsäure: violettrot, braunrot. 

4. Hirschsohn’sche Reaktion. Phytosterin: blauviolett, rötlichviolett» 
grünlichgelb. Sandaracinsäure: gelblich, rötlichgelb. 

5. Tschugaeff’sche Cholesterinreaktion. Phytosterin: Färbung rosa- 
rot. Fluoreszenz: grünlich-eosinartig. Sandaracinsäure: Färbung: rötlich- 
gelb, weingelb. Fluoreszenz: keine. 


b) Ausschüttelung mit Natriumkarbonatlösung. 


Während die vorhergehenden einzelnen Ausschüttelungen mit 
Ammoniumkarbonatlösung nur wenig Ausbeute lieferten, konnte da- 
gegen durch solche, die darauf mit einprozentiger Natriumkarbonat- 
lösung ausgeführt wurden, der ganze Rest der Harzsäuren er- 
halten werden. Die einzelnen Ausschüttelungen nahmen reichliche 
Mengen an Harzsäuren auf, doch zeigte sich hier, besonders im An- 
fang, der Uebelstand, daß zwischen Aetherschicht und Natriumkarbonat- 
lösung dicke Emulsionen sich bildeten, ja sogar sich feste Abscheidungen 
zeigten. Man mußte nach vorsichtigem Umschütteln 2—3 Tage stehen 
lassen bis die Emulsionen sich wieder zerteilten. Nach dem Ablassen 
der klaren Lösung, welche die durch Natriumkarbonat gebundenen 
Harzsäuren enthielt, wurden die festen Abscheidungen mit Wasser 
als kleine bröckelige Massen in einen weiteren Scheidetrichter ab- 
geschwemmt, wo sie durch Ueberschichten mit Aether zur Entfernung 
des mitgerissenen Resens und ätherischen Oels sowie durch Zugabe 
überschüssiger Natriumkarbonatlösung allmählich wieder in Lösung 
gebracht werden konnten. 

Eine weitere etwas schneller zum Ziel führende Methode die 
abgeschiedenen Massen wieder zu lösen bestand darin, diese, da sie 
hauptsächlich Natriumsalze der Harzsäuren darstellten, nach Ueber- 
schichtung mit Aether durch vorsichtige Zugabe von verdünnter Salz- 
säure in freie, in Aether leicht lösliche Harzsäuren zu verwandeln. 
Die so erhaltenen Lösungen wurden von der Hauptmenge getrennt für 


1) Zum Vergleich der Farbenveränderung bei den einzelnen Reaktionen 
ist Phytosterin aus Grasblättern (von Tschirch) herangezogen worden. 


A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 697 


sich ausgeschüttelt und stellten dann gefällt und getrocknet reinere 
Anteile der Säuren dar. Eine sonst manchmal nützliche Methode, 
durch Zusatz geringer Mengen Alkohol die Emulsionen zu zerteilen, 
war in diesem Fall nicht von Erfolg begleitet. 

Die Ausschüttelungsflüssigkeiten von denen die ersteren tief 
dunkelgelb und opalisierend, die späteren heller gefärht bis fast 
farblos waren, wurden nach dem Verjagen des Aethers zur Entfernung 
von etwas mitgerissenem Resen kalt filtriert und mit salzsäurehaltigem 
Wasser gefällt. Es fiel ein reichlicher Niederschlag aus, der bei den 
ersten 10 Ausschüttelungen mehr oder weniger gelblich war. Nach 
sorgfältigem Auswaschen zeigte er feucht ein gallertartiges Aussehen 
und bildete auf Tontellern, ohne Anwendung von Wärme getrocknet, 
ein gelbes verklebtes Pulver. Die Niederschläge der späteren Aus- 
schüttelungen wurden heller bis zuletzt rein weiß, nahmen aber an 
Quantität bald ab. Feucht sowohl, als auch getrocknet zeigten sie ein 
weißes pulveriges Aussehen. 

Es wurde hierbei die Beobachtung gemacht, daß bei den späteren 
noch schwach hellgelb gefärbten Ausschüttelungsflüssigkeiten beim 
Stehenlassen, zumal in der Kälte, das Natriumsalz einer Harzsäure 
sich in Form mikroskopisch kleiner Nadeln, die häufig zu Büscheln 
vereinigt waren, abschied. In der Absicht aus den Filtraten dieses 
Natriumsalzes noch weitere Krystalle zu erhalten, wurden diese vor- 
sichtig auf dem Dampfbade eingeengt, dann in die Kälte gestellt, 
worauf sich nach einiger Zeit dieser weiße Niederschlag mikroskopisch 
kleiner Nadeln in geringer Menge wieder einstellte..e Bei weiterem 
Einengen schied sich nichts mehr ab, und wurden die Filtrate, wie die 
ersten Ausschüttelungen, gefällt und getrocknet. Die Ausbeute des 
erhaltenen Natriumsalzes betrug ungefähr 2 g. 

Außer dieser ersten Krystallabscheidung konnte aus den letzten 
fast farblosen Ausschüttelungen, aus denen sich beim Stehenlassen in 
der Kälte kein oder fast kein Niederschlag mehr ausschied, ein zweites 
Natriumsalz erhalten werden durch Einengen der Ausschüttelungs- 
flüssigkeit auf etwa !/; ihres Volumens. Die erhaltenen Krystalle 
stellten makroskopische Blättchen und Nadeln dar, die auf dem Filter 
als eine perlmutterartig glänzende Haut zurückblieben. Aus warmem 
Wasser umkrystallisiert bildete die Substanz glänzende weiße Blättchen. 
Die ganze Ausbeute betrug jedoch nur einige Zentigramme. 
Ergebnisse der Ausschüttelungen mit Natriumkarbonatlösung: 


Bobalupe er si 0 
Erstes Natriumsalz ungefähr 2,„ 
Zweites n ” 0,04—0,05 g 


698 A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 


Trennung der Rohsäure. 


Zur weiteren Zerlegung der erhaltenen Rohsäure wurde zunächst 
eine Trennung versucht, durch Zugabe von Kali in Stücken aus der 
alkalischen Lösung der Harzsäure einen fällbaren Anteil von einem 
unfällbaren zu unterscheiden. Dieselbe gelang nicht, da die gesamte 
Rohsäure durch Kali niedergeschlagen wurde. Dagegen konnte durch 
Zusatz einer konzentrierten alkoholischen Bleiacetatlösung zu der in 
Alkohol gelösten Rohsäure eine Trennung in zwei verschiedene Säuren 
erzielt werden. 

Eine beträchtliche Menge Rohsäure wurde in Alkohol gelöst 
und durch allmähliches Eintragen unter Umrühren mit einer warmen 
konzentrierten alkoholischen Bleiacetatlösung versetzt. Sofort entstand 
ein voluminöser Niederschlag von welchem die überstehende Flüssig- 
keit unter tunlichster Beschleunigung abfiltriert wurde, um die Bildung 
von Bleikarbonat durch die Einwirkung der Luft auf das in der 
Lösung befindliche überschüssige Bleiacetat zu vermeiden. Nochmals 
mit Bleiacetatlösung versetzt, wurde sie in wohl verschlossenem 
Kolben 12 Stunden lang beiseite gestellt, und als sich nach dieser 
Zeit kein Niederschlag zeigte, mit salpetersäurehaltigem Wasser gefällt. 
Es wurde nur ein geringer Niederschlag erzielt, der durch Resen ver- 
unreinigt war. Er wurde ausgewaschen und getrocknet. 


Der auf dem Filter befindliche, mit Bleiacetatlösung erhaltene . 
Niederschlag wurde mit warmem Alkohol nachgewaschen, und zwar 
solange, bis einige Tropfen des Filtrates in Wasser gegossen keine 
Trübung mehr hervorriefen. Nun wurde die auf dem Filter zurück- 
bleibende breiige Masse allmählich unter Umrühren in mit Schwefel- 
säure versetzten Alkohol gegossen, wodurch die Harzsäure wieder in 
Freiheit gesetzt wurde und sich im Alkohol löste. 


Die von dem Bleisulfat abfiltrierte Lösung wurde wieder gefällt, 
sorgfältigst ausgewaschen und getrocknet. 

Wie es sich durch angestellte Versuche jedoch herausstellte, war 
die Trennung dieser beiden Säuren nicht vollkommen. Denn es zeigte 
sich, daß, obgleich auf Zusatz von Bleiacetatlösung keine weitere 
Fällung mehr erfolgte, durch Digerieren des mit Alkohol nach- 
gewiesenen Niederschlages mit alkoholischer Bleiacetatlösung kleine 
Mengen in Lösung gingen. Daher wurde das Trennungsverfahren noch 
ein zweites und drittes Mal durchgeführt, und wurden denn auch 
weitere geringe Mengen eines löslichen Anteils erhalten. 

Die durch Ausschüttelungen mit Natriumkarbonatlösung erhaltene 
Rohsäure läßt sich also durch Behandlung mit alkoholischer Bleiacetat- 
lösung weiter in zwei verschiedene Harzsäuren zerlegen, von denen die 


A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 699 


eine, den Hauptanteil bildende Säure, ein in Alkohol und in über- 
schüssiger Bleiacetatlösung unlösliches Bleisalz bildet, während von 
der anderen, nur in geringer Menge auftretenden Säure das Bleisalz 
durch überschüssige alkoholische Bleiacetatlösung gelöst wird. 


Sandaracinolsäure. 


Mit der in Alkohol ein unlösliches Bleisalz bildenden Säure 
wurden zunächst Krystallisationsversuche mit Alkohol, Methylalkohol, 
Aether, Aceton, Eisessig, Pyridin, dann mit Gemischen aus Aethyl- 
und Methylalkohol, Aethylalkohol und Petroläther, Methylalkohol und 
Chloroform angestellt, jedoch ohne jeden Erfolg. Es schieden sich selbst 
nach längerem Stehen entweder nur braune klebrige Schmieren ab, 
oder harte Krusten, die unter dem Mikroskop betrachtet völlig amorph 
waren und keinerlei Krystalleinschlüsse zeigten. Am besten waren 
noch die Abscheidungen aus Eisessig, die allerdings amorph, doch 
einigermaßen rein erschienen. In der Hoffnung, die Schmieren und 
Verunreinigungen, die bei dem Trennungsvertahren mit alkoholischer 
Bleiacetatlösung nicht durch konzentrierten Alkohol gelöst wurden, 
durch Behandlung mit verdünntem Alkohol aus der Säure herauszu- 
schaffen, wurde die gesamte Menge des bei der Trennung erhaltenen 
Materials mit 50 prozentigem Alkohol übergossen und während einiger . 
Stunden digeriert. Die gelbgefärbte Flüssigkeit wurde abgegossen und 
dieses Verfahren verschiedene Male wiederholt bis der überstehende 50 %ige 
Alkohol farblos war. Bei diesen Versuchen wurden bemerkenswerte 
Mengen an Substanz der Säure nicht entzogen, die Säure selbst jedoch 
wesentlich reiner erhalten. Sie wurde nun in reichlichen Mengen 
Alkohol gelöst, mit Wasser bis zur leichten Trübung versetzt, dann 
ein wenig erwärmt, worauf vollständige Klärung der Lösung eintrat. 
Langsam abgekühlt schied sich im Verlaufe mehrerer Stunden ein 
gelblich weißer Niederschlag aus, der selbst bei sehr starker mikro- 
skopischer Vergrößerung immer noch die Form von winzig kleinen 
Körnchen oder Kügelchen zeigte. Durch weiteres wiederholtes Versetzen 
des Filtrates mit Wasser bis zur beginnenden Trübung, Erwärmen bis 
zur Klärung, Stehenlassen, Abfiltrieren, konnte fast die gesamte Menge 
der Säure als ein stets gleichmäßiger Niederschlag erhalten werden. 
Mit verdünntem Alkohol ausgewaschen, bildete die Substanz nach dem 
Trocknen ein schwach gelblich weißes, äußerst feines, sich wie Talkum 
anfühlendes Pulver. Es löste sich in Alkohol, Aether, Aceton, Methyl- 
alkohol, Eisessig und Pyridin, (war dagegen unlöslich in Chloroform, 
Benzol, Petroläther und Wasser. Wiederum angestellte Krystallisations- 
versuche verliefen erfolglos. Der Körper ist bei 235° noch un- 
verändert, wird bei 240° rötlich, zieht sich allmählich zusammen und 


700 A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 


wird glasglänzend. Er zersetzt sich je nachdem man rasch oder langsam 
erhitzt zwischen 265 und 275°. 


Säure- und Verseifungszahlen. 


Die Bestimmung derselben wurde genau wie bei der durch Aus- 
schüttelung mit Ammonkarbonatlösung erhaltenen Sandaracinsäure 
ausgeführt. 

Die dort beschriebene Bildung eines in Alkohol unlöslichen 
Niederschlages auf Zusatz von ”/ı, Kalilauge trat auch hier ein, ebenso- 
erfolgte nach einer ohne Wasserzusatz ausgeführten indirekten Titration 
eine nachträgliche Rötung der bereits entfärbten Lösung auf Zusatz 
von Wasser. 

Säurezahl. 
A. Direkt titriert. 

1. Bestimmung. 0,25 g Substanz verbrauchten 7,1 ccm »/jo KOH 159,04. 
2. ? 085 ano, r 12, 3 161,28. 
Im Mittel S.-Z. = 160,16. 

B. Indirekt (sofort zurücktitriert). 

1. Bestimmung. 0,25 g Substanz verbrauchten 7,15 ccm =/jp KOH 160,16. 
2, i 025.5 5b, % 7,15 „ x 160,16. 
Im Mittel $.-Z. = 160,16. 


C. Indirekt (nach 2 Stunden zurücktitriert). 


1. Bestimmung. 0,25 g Substanz verbrauchten 7,15 ccm "#/jo KOH = 160,16. 
2. a 0,25 „ y r 730, “ — 159,04. 
Im Mittel S.-Z. = 159,60. 

Verseifungszahl. 

A. Verseifung auf kaltem Wege. 

1. Best. 0,25 g Subst. verbr. nach 24 Stunden 7,15 ccm 2/jo KOH 160,16. 


Il 


Br DO RE N 3 f 161,28. 
Im Mittel V.-Z. = 160,72. 


B. Verseifung auf heißem Wege. 


1. Best. 0,25 g Subst. verbr. nach 1 Stunde 7,35 cem "/jp KOH = 164,64. 
Di [0 DV e » ... 2 Stunden 7,60 „ . hi) 23, 
Stan (U 6 3 - dt) PR —= 172,48. 


” ” 
Im Mittel V.-Z. = 169,12. 


Wie aus obigen Zahlen ersichtlich, werden bei dieser Säure 
Wertunterschiede zwischen direkter und indirekter Titration, selbst bei 
indirekter Titration nach 48 Stunden nicht erhalten. Dagegen greift 
die heiße Verseifung die Säure ein wenig an, was auch schon äußer- 
lich durch eine starke Färbung der Harzkalilösung in Braunrot sich 
bemerkbar machte. 


A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 701 


Elementaranalyse. 
Die bei 110° getrocknete Substanz gab bei der Verbrennung 
‚folgende Resultate: 
1. 0,1378 g Substanz gaben 0,3922 g COs und 0,1216 g Ha0. 


2. 0,1374 „ 5 „08982, 0 „01222 500% 
3. 0,1424 „ 6 Supeem 1 v |\ ;/° TVRBRERURTS POLE; \ ERBE 
In Prozenten: 
1. 2. 8. Im Mittel: Berechnet für die Formel Cs) Hg, 05: 
C = 77,622 77,841 77,681 77,72 77,42 
H= 9891 9969 9,922 9,93 9,68 


Kalisalz. 0,25 g Säure neutralisieren 7,15 ccm "/o KOH = 
0,02789 K, 100 g also 11,154 g K; dementsprechend befinden sich 10,06% 
Kalium im Kalisalz. 

Das Monokaliumsalz der Formel C4 H3,03K verlangt 9,51% K. 


Acetilierung. 5 g Säure werden mit gleichen Teilen frisch 
entwässertem Natriumacetat und 15 g Essigsäureanhydrid während 
10 Minuten am Rückflußkühler erhitzt und das Reaktionsgemisch dann 
in kaltes Wasser gegossen. Die abgeschiedenen Tropfen, die allmählich 
erhärteten, wurden gepulvert und nach sorgfältigem Auswaschen aus 
alkoholischer Lösung gefällt. Immerhin erschienen sie für eine 
Elementaranalyse nicht genügend rein. 

Um die Substanz als Acetylprodukt zu charakterisieren, wurde 
sie in einprozentiger Natronlauge gelöst, in einem Kolben mit Schwefel- 
säure angesäuert und der Destillation mit Wasserdampf unterworfen. 
Das Destillat zeigte die drei üblichen Reaktionen der Essigsäure. 

Hierdurch ist das Vorhandensein von Hydroxylgruppen in der 
Sandaracinolsäure erwiesen. 


Einwirkung von alkoholischem Kali. 
(Hydrolysierungsversuch.) 


Nachdem sich bei der Bestimmung der Verseifungszahl auf 
heißem Wege eine geringe Einwirkung der alkoholischen ”/;, Kalilauge 
auf die Säure hatte feststellen lassen, wurde das Verhalten der Säure 
gegen stärkeres alkoholisches Kali geprüft durch dreistündiges 
Erhitzen am Rückflußkühler. Die Hauptmenge der Säure wurde nach 

“verschiedenen Reinigungsversuchen in der ursprünglichen Form 
zurückerhalten. Eine die rötliche Färbung bedingende Substanz konnte 
hierbei nicht isoliert werden. 


Methoxylbestimmung. 


Ein nach der Zeisel’schen Methode ausgeführter Versuch 
verlief negativ. 


702 A Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 


Cholesterinreaktionen. 


1. Liebermann’sche Cholestolreaktion: rötlichgelb, bräunlichgrün, 
schmutzig grünbraun. 

2. Salkowski-Hesse’sche Cholesterinreaktion: dieselbe ist wegen 
der Unlöslichkeit der Säure in Chloroform nicht anwendbar. 

3. Mach’sche Reaktion: rötlichbraur, bläulichgrau. 

4. Hirschsohn’sche Reaktion: gelblich, orangegelb. 

5. Tschugaeff’sche Cholesterinreaktion: rötlichgelb, weingelb, ohne 
Fluoreszenz. 


Optisches Verhalten: Die Sandaracinolsäure ist optisch inaktiv. 


Sandaracopimarsäure. 


Die mit überschüssiger Bleiacetatlösung ein lösliches Bleisalz 
bildende Säure wurde bei der Trennung der Rohsäure, wie bemerkt, 
in unreiner Form erhalten. Zwecks besserer Reinigung von Resen 
und Schmieren wurde die Gesamtmenge dieser Säure nochmals in 
Aether gelöst, die Lösung wieder mit 1%iger Natriumkarbonatlösung 
ausgeschüttelt und die wässerigen Anteile in die Kälte gestellt. 

Aus den ersten tief gelb gefärbten Ausschüttelungsflüssigkeiten 
schied sich ein weißer Niederschlag aus, der abfiltriert unter dem 
Mikroskop die Gestalt von Sphaeriten, kleinen, flachen, rundlichen 
Scheiben zeigte. Dieser Niederschlag wurde in wenig warmem Wasser 
gelöst, und diese hellgelbe Lösung wieder in die Kälte gestellt. 
Wiederum schied sich der gleiche Niederschlag aus, nur waren die 
Sphaerite bedeutend größer geworden, auch zeigten sich unter denselben 
einige Krystalle. Aus einer weiteren nunmehr fast farblosen Lösung 
dieses Niederschlages in warmem Wasser schieden sich beim lang- 
samen Abkühlen zahlreiche Büschel von Krystallnadeln ab, welche 
den bei der Ausschüttelung des Rohharzes mit Natriumkarbonatlösung 
zuerst erhaltenen Krystallbüscheln vollständig gleich waren. Sie 
zeigten, ebenso wie diese, die merkwürdige Eigenschaft, unter dem 
Mikroskop, sowie auf dem Filter, ebenso in Natriumkarbonatlösung 
die eigenen Krystalle teilweise unter Entwickelung von Gasblasen auf- 
zulösen und in Krystalle von anderem Aussehen, anscheinend der 
freien Säure, umzuwandeln. Dies läßt sich vielleicht dadurch erklären, ' 
daß die Natronsalze aller im Sandarak vorkommenden Harzsäuren 
bereits durch Einleiten von Kohlensäure in ihre wässerigen Lösungen 
zerlegt und die freien Säuren gefällt werden. Die Erscheinung gab 
Veranlassung, den Natriumgehalt des Salzes nicht gravimetrisch direkt 
aus diesem Salz, sondern durch Titration aus der darzustellenden 
Säure zu bestimmen. 


A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 703 


Aus den nächsten Ausschüttelungen krystallisierten bereits beim 
Stehenlassen in der Kälte geringe Mengen des Natriumsalzes aus, 
ebenso nach dem Einengen der folgenden Ausschüttelungsflüssigkeiten; 
nach 7 bis 8 Ausschüttelungen ging nichts mehr an die Natrium- 
karbonatlösung über. In Aether gelöst blieben Verunreinigungen, 
Resen und etwas ätherisches Oel. 

Die Filtrate der bei den Ausschüttelungen erhaltenen Nieder- 
schläge wurden mit salzsäurehaltigem Wasser gefällt und die kleinen 
Niederschlagsmengen nach dem Auswaschen und Trocknen in mit 
Methylalkohol versetzten alkoholischen Lösungen zur Krystallisation 
gestellt, wobei jedoch nur eine geringe Ausbeute an freier Säure und 
zwar in unreiner Form erhalten wurde. Die Lösung der erhaltenen 
Mengen des Natronsalzes wurden nun in salzsäurehaltiges Wasser 
langsam unter Umrühren eingetragen und schied sich die freie 
Säure in rein weißen Flocken ab. Ausgewaschen und getrocknet 
wurde diese in einer Mischung von Aethyl- und Methylalkohol zur 
Krystallisation gestellt, worauf sich nach ein bis zwei Tagen Büschel 
von 1 bis 2 cm langen Krystallnadeln zeigten, die auch nach dem 
Trocknen farblos blieben. Sie waren löslich in Alkohol, Methyl- 
alkohol, Aether, Aceton, Chloroform, Eisessig und Benzol, unlöslich 
in Petroläther und Wasser. Der Schmelzpunkt lag bei 170°, d.h. die 
Substanz begann bei 168° sich zusammenzuziehen und zu sintern; die 
Bildung eines klaren Tropfens erfolgte bei 170°. 

Beim Umkrystallisieren aus verdünntem Alkohol wurden kleinere 
Krystalle erhalten, die, so wie es Henry bei seiner Säure beschrieb, 
Rosetten flacher Nadeln darstellten, deren Schmelzpunkt jedoch 
derselbe war. 

Der gleiche Schmelzpunkt und dieselben Krystallformen wurden 
auch aus derjenigen Säure beim Krystallisieren aus Aethyl-Methyl- 
alkohol wie aus verdünntem Alkohol erzielt, die durch Zerlegung 
mittelst salzsäurehaltigem Wasser aus der bei der Ausschüttelung der 
ätherischen Harzlösung mit Natriumkarbonatlösung zuerst erhaltenen 
Krystallabscheidung gewonnen worden war. Da auch der Schmelz- 
punkt des Gemisches dieser beiden Substanzen keine Veränderung 
zeigte, so war die Identität derselben bewiesen. 


Säure- und Verseifungszahlen. 


Bei der Ausführung dieser Bestimmungen wurden Ausscheidungen 
eines Kalisalzes dieser Säure auf Zusatz von "io Kalilauge nicht 
wahrgenommen. Es konnte daher von einem Zusatz von Wasser 
abgesehen werden. 


704 A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 


Sänrezahl. 
A. Direkt titriert. 

1. Bestimmung. 0,15 g Substanz verbrauchten 5 ccm ?/jo KOH 186,66. 
2. x 0,15 „ 4 # en % 186,66. 
Im Mittel S.-Z. — 186,66. 

B. Indirekt (sofort zurücktitriert). 

. Bestimmung. 0,15 g Substanz verbrauchten 5 cem "/jo KOH — 186,66. 
2. J 0,15 „ M " Dil r — 186,66. 
Im Mittel S.-Z. = 186,66. 


C. Indirekt (nach 2 Stunden zurücktitriert). 


bh 


1. Bestimmung. 0,15 g Substanz verbrauchten 5 ccm "/io KOH = 186,66. 
2. 5 0,15 ,, & . Bass € — 186,66. 
Im Mittel S.-Z. = 186,66. 

Verseifungszahl. 

A. Verseifung auf kaltem Wege. 

1. Best. 0,15 g Subst. verbr. nach 24 Stunden 5,05 ccm »/jo KOH = 188,53 
Brio, OAD 5.29 ® „8 Baıla H Wmil R — 192,27. 
Sıab , B,1B 10 5 ” „e.592 x rer er —= 194,00, 


Im Mittel V.-Z. = 191,60. 


B. Verseifung auf heißem Wege. 
Best. 0,15 g Subst. verbr. nach 1 Stunde 5,25 ccm "/jo KOH = 194,00. 
e DIE Ban 2 „ 2 Stunden 5,30 „ = —= 196,80. 
Im Mittel V.-Z. = 1%,40. 


Dom 


Nach den obigen Ergebnissen besteht für die Säurezahl eine 
völlige Uebereinstimmung unter den durch direkte und indirekte 
Titration erhaltenen Werten. Auch ist die Differenz zwischen Säure- 
zahl und Verseifungszahl nicht groß genug, um als Esterzahl betrachtet 
zu werden. 


Elementaranalyse. 


Bei der Verbrennung der bei 110° getrockneten Sandaracopimar- . 
säure wurden folgende Zahlen erhalten: 


1. 0,1188 g Substanz gaben 0,3340 g COs und 0,1088 g Ha. 
2. 0,1232 „ a „' S0,8072 5 2° a 
3. 0,1138, R n 0,3304," „- "Si DURZE Seen 


In Prozenten: i 
1. Di 3. Im Mittel: 
C =:78,971:.: 79,073 ’ 79,181 79,08 
H = 10,266 10,172 10,067 10,17 
Berechnet für die Formeln: 
CpHa 03 Cop Hzo Og Cz0 Hgg 0a 
— 79,16 79,47 78,94% 
H = _ 9,73 9,94 10,35 „. 


A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 705 


Kalisalz. 0,15 g Säure neutralisieren 5 ccm "/jy KOH = 0,019 
Kalium, 100 g also 13,05 g K; dementsprechend befinden sich 11,57% Kalium 


im Kalisalz. 
Berechnet für die Formeln: 


Co Hz KOg Cgp Hsg KOg Coop Hsı KOg 
R:==’11,96 11,47 11,40%. 
Silbersalz. Dieses wurde nach der Liebermann'schen 
Methode dargestellt. Es bildete ein weißes amorphes Pulver, welches 
sich beim Trocknen bei 80° etwas bräunte. 0,0682 g des Salzes er- 
gaben 0,0182 g Silber = 26,69 %. 


Jodadditionsvermögen. 


Die Bestimmung der Jodzahl wurde nach der Hanus’schen 
Methode!) ausgeführt. Hierbei wurden folgende Zahlen erhalten: 

0,1360 g Substanz nahmen 0,1897 g — 139,485% Jod auf. 

DAT hör » 0415 „= 14024, „ „ 

Jodzahl im Mittel = 139,715. 

Aus den ermittelten Werten läßt sich die Zahl der addierten 

Jodatome im Molekül der Säure nicht mit Sicherheit feststellen. 
Das Jodadditionsprodukt CagHgoJg Oz verlangt 126%, Jod. 
n 2) Cao Ho J4 Os ” 168 > 

Es läßt sich auch nicht entscheiden ob eine Addition allein, oder 
vielleicht auch eine Substitution gleichzeitig mit der Addition statt- 
gefunden hat. 

Methoxylbestimmung. 


Auch bei dieser Säure war nach dem Zeisel’schen Verfahren 
eine Methoxylgruppe nicht nachweisbar. 


Acetylierungsversuch. 


2 g Säure wurden analog dem bei der Sandaracinolsäure be- 
schriebenen Acetylierungsverfahren mit 2 g frisch entwässertem 
Natriumacetat und 10 g Essigsäureanhydrid während 10 Minuten am 
Rückflußkühler erhitzt. Das Reaktionsgemisch wurde in kaltes Wasser 
gegossen, nach dem vollständigen Erhärten mit Wasser ausgewaschen, 
dann in Aethyl-Methylalkohol zur Krystallisation gestellt. Die an 
den Wandungen des Gefäßes abgeschiedenen krystallinischen Krusten 
ließen sich unter dem Mikroskop betrachtet schon durch die Form 
ihrer Krystalle als ursprüngliche Säure erkennen, jedoch waren sie mit 
klebrigen Schmieren verunreinigt. Trotz fortgesetzten Umkrystallisierens 


1) Zeitschrift für die Untersuchung der Nahrungs- und Genußmittel 
1901, S. 919. 


Arch. d. Pharm. UOXXXXIV. Bds. 9. Heft. 45 


706 A. Tsehirch u. M. Wolff: Sandarak. 


gelang es nicht, den Schmelzpunkt wieder vollständig auf die ur- 
sprüngliche Höhe (170°) zu bringen. 

Die Säure hatte also bei dem Acetylierungsprozeß eine teilweise 
Veränderung erlitten. 

Zur Erkennung einer vielleicht doch gebildeten Acetylverbindung 
wurden die krystallinischen Krusten nach öfterem Umkrystallisieren 
in verdünnter Natronlauge gelöst, und nach dem Ansäuern mit 
Schwefelsäure mit Wasserdämpfen destilliert. In dem Destillat war 
Essigsäure nicht nachzuweisen. 

Eine Acetylierung der Sandaracopimarsäure hatte demnach nicht 
stattgefunden. 


Optisches Verhalten: Die Sandaracopimarsäure ist inaktiv. 


Cholesterinreaktionen. 

1. Liebermann’sche Cholestoireaktion: rosa, kirschrot, grünlich- 
braunrot, braunrot. 

2. Salkowski-Hesse’sche Cholesterinreaktion: Chloroform: farblos 
Schwefelsäure: gelb; Tropfenfärbung: keine. 

3. Mach’sche Reaktion: rötlichviolett, bläulichschwarz. 

4. Hirschsohn’sche Reaktion: In der Kälte farblos; beim Erwärmen 
rosa, rötlich gelb. 

5. Tschugaeff’sche Reaktion: gelb, rosa, ohne Fluoreszenz. 


Säure des bei den Ausschüttelungen mit Natriumkarbonatlösung an 
zweiter Stelle abgeschiedenen Natriumsalzes. 


Das zuerst abgeschiedene Natriumsalz hatte sich als Verbindung 
der Sandaracopimarsäure erwiesen (s. oben). Beim Einengen der 
letzten Ausschüttelungsflüssigkeiten wurde eine ebenfalls schon erwähnte 
zweite Natriumverbindung isoliert, die sich aus Wasser, ebenso wie 
aus Benzol umkrystallisieren ließ. Lufttrocken schmolz der Körper 
bei 83—85°, löste sich in seinen Lösungsmitteln farblos auf, war 
geruch- und geschmacklos und reduzierte nicht Fehling’sche Lösung. 
Beim Aufbewahren, zumal im Exsikkator, nahm die Substanz einen an 
Formaldehyd erinnernden Geruch sowie einen bitteren Geschmack an, 
wurde gelblich, etwas klebrig und reduzierte dann Fehling’sche 
Lösung und Silbernitrat. Mit Wasser gab sie dann nur eine un- 
vollständige trübe Lösung, die erst nach Zusatz von geringen Mengen 
verdünnter Natronlauge oder Natriumkarbonatlösung wieder klar 
wurde, jedoch tiefgelb gefärbt blieb. Auf weiteren Zusatz von ver- 
dünnter Natronlauge oder Natriumkarbonatlösung krystallisierte die 
Substanz teilweise wieder in der Form perlmutterglänzender Blättchen 
aus, und konnte durch Umkrystallisieren in der ursprünglichen Gestalt 


A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 707 . 


wieder erhalten werden. Der Natriumgehalt der aus Benzol um- 
krystallisierten Substanz wurde als Sulfat bestimmt: 
0,2548 g Natriumsalz ergaben 0,0538 g Natriumsulfat = 6,83% Na. 
0,0916 „ 5 X. 0,0190 „ Ü =6,94,, , 
Nach dem Trocknen im Vakuumexsikkator wurde ein etwas 
höherer Wert erhalten: 
0,3788 g Natriumsalz ergaben 0,0884 g Natriumsulfat — 7,729, Na. 


Das Silbersalz wurde nach der Liebermann’schen Methode 
dargestellt, und der Silbergehalt durch Glühen bestimmt: 

0,0786 g Silbersalz ergaben 0,0176 g Ag = 22,3918% Ag. 

0b) „0042, „ = 2391, „ 

Die freie Säure wurde durch Eingießen der wässerigen Salzlösung 
in salzsäurehaltiges Wasser als weißer flockiger Niederschlag erhalten, 
der jedoch nicht zu krystallisieren war. Sie löste sich farblos in 
Alkohol, Aether, Aceton und Chloroform. Sie zeigte beim Auf- 
bewahren üher Schwefelsäure steigenden Schmelzpunkt und wurde 
schließlich über Phosphorsäureanhydrid getrocknet. Bei der Schmelz- 
punktbestimmung bemerkt man bei 90° Volumverminderung und bei 
146—148° eine Zersetzung unter lebhafter Entwickelung von Gasblasen. 
Die aus verschiedenen Proben des Salzes erhaltenen Fällungen zeigten 
bei der Elementaranalyse keine Uebereinstimmung. In dem einen 
Falle wurden erhalten: 

1. 0,1950 g Substanz gaben 0,5092 g COa und 0,1654 g Hs0. 

EA SE OBTAO, noir 

In Prozenten: 
1, 2. Im Mittel: 
C 71,216 71,528 71,37 
H 9,508 9,433 9,47 

In dem anderen Falle nach mehrwöchentlicher Aufbewahrung 
über Pa 0;: 

1. 0,1206 g Substanz gaben 0,3376 g COz und 0,1000 g H,O. 


2. 0,1304 „ J N. IRINA 
In Prozenten: 
1. 2. Im Mittel: 


C 76345 - 76,547 76,45 
H 9,294 9,387 9,34 
Auch die freie Säure zeigt nach längerem Aufbewahren den bei 
dem Salz erwähnten Geruch und bitteren Geschmack, sowie die Eigen- 
schaft in verdünnter Natronlauge aufgelöst Fehling’sche Lösung 
zu reduzieren. 
Ob und welche Beziehungen diese freie Säure zu den Anhydriden 
der Henry’schen Callitrolsäure zeigt, von welcher Henry aus ihrer 
ddr 


708 A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 


Lösung in absolutem Alkohol durch Zusatz von verdünntem Natrium- 
alkoholat einen an der Luft sofort zerfließlichen nicht isolierbaren 
Niederschlag eines krystallinischen Natriumsalzes erhielt, konnte bis 
jetzt nicht sichergestellt werden. 

Der den bitteren Geschmack bedingende Körper bleibt beim 
Fällen der freien Säure in mit HCl oder H,SO, angesäuertem Wasser 
in Lösung und konnte aus dem Verdampfungsrückstand des wieder 
neutralisierten Filtrates mit Alkohol ausgezogen werden. Nach dem 
Verdunsten des Alkohols blieb eine braune Masse zurück, die besonders 
im Nachgeschmack intensiv bitter und in ihrem Aussehen dem im 
Sandarak vorkommenden Bitterstoff ähnlich war. Weitere charakte- 
ristische Reaktionen konnten mit der geringen Menge nicht mehr vor- 
genommen werden. 

Hier offenbart sich nun zum ersten Male eine direkte 
‘ Beziehung zwischen einer geschmacklosen Harzsäure und 
dem im Harz vorkommenden Bitterstoff und wird hierdurch 
die Frage aufgeworfen, ob vielleicht nicht noch andere Harzsäuren, 
die leicht zu Umsetzungen (Autoxydationen u. s. w.) neigen, ähnliche 
Verhältnisse aufweisen. 

Cholesterinreaktionen. 

1. Liebermann’sche Cholestolreaktion: gelbrot, bräunlichgelb, 
grünlichbraun, braungelb. 

2. Salkowski-Hesse’sche Cholesterinreaktion: Chloroform: farblos; 
Schwefelsäure: gelb; Tropfenfärbung: keine. 

3. Mach’sche Reaktion: bräurlichrot, grünlich schimmernd. 

4. Hirschsohn’sche Reaktion: rosa, rötlichbraun, gelbbraun. 

5. Tschugaeff’sche Cholesterinreaktion: rötlichbraun, kirschrot, rot- 
braun, ohne Fluoreszenz. 


Prüfung der ohne Anwendung von Alkali isolierten Harzsäuren auf 
optische Aktivität. 


Nachdem die bei den Ausschüttelungen mit alkalischen Lösungen 
erhaltenen Harzsäuren sich als optisch inaktiv erwiesen hatten, war 
es von Interesse zu erfahren, ob diese bereits als inaktive Verbindungen 
im Sandarakharz vorkommen oder, ob sie erst durch die Darstellungs- 
weise ihr Drehungsvermögen verlieren,- welch letzterer Fall im Laufe 
der Untersuchung des Bordeaux-Terpentins bei der Pimarsäure!) nach- 
gewiesen worden war. 

Zu diesem Zweck wurde feingepulvertes Sandarakharz zur Ent- 
fernung des ätherischen Oels mit Petroläther in der Wärme ausgezogen, 
und nach völliger Erschöpfung zur Entfernung färbender Bestandteile 
mit 50 prozentigem Alkohol mehrmals digeriert. Der Rückstand wurde 


ı) Tschirch und Brüning, Arch. d. Pharm. 


A. Tschirch u. M, Wolff: Sandarak. 709 


in Alkohol gelöst und dieser konzentrierten Lösung Methylalkohol 
in überschüssiger Menge zugegeben, wodurch fast der gesamte Harz- 
anteil niedergeschlagen wurde. Die überstehende Flüssigkeit wurde 
sofort durch Abfiltrieren entfernt (bei längerem Stehenlassen löst sich 
ein Teil in dem Fällungmittel wieder auf) und der Niederschlag 
getrocknet. Eine 5prozentige alkoholische Lösung desselben lenkte die 
Polarisationsebene nicht ab. 

Die Säuren scheinen demnach bereits in inaktiver Form im 
Sandarakharz vorzuliegen. 


B. Der Bitterstoff. 


Tschirch und Balzer haben bereits aus dem Sandarakharz 
einen Bitterstoff isoliert und soweit als möglich durch Reaktion zu 
charakterisieren gesucht. Auch im Verlaufe der vorliegenden Arbeit 
wurde in den Laugen der Ausschüttelungsprodukte dieser Bitterstoff 
wieder gefunden. Da jedoch die weitere Reinigung und nähere 
Charakterisierung des Bitterstoffes, als einem Gliede einer bisher fast 
noch unerforschten Körperklasse äußerst schwierig und sehr zeitraubend 
sich gestalten würde, so mußte auf ein näheres Eingehen auf diesen 
Gegenstand zunächst verzichtet werden. 


C. Resen (Sandaracoresen) und ätherisches Oel. 


Nach dem Erschöpfen der ätherischen Harzlösung mit Natrium- 
karbonat wurden nach mehrmaligem Auswaschen mit destilliertem 
Wasser die Ausschüttelungen zunächst mit 1%iger, zuletzt mit 10%iger 
Kalihydratlösung fortgesetzt. Da jedoch weitere Anteile dem Harze 
nicht mehr entzogen werden konnten und selbst 50%ige Kalihydrat- 
lösung ohne Einwirkung blieb, wurden die Ausschüttelungen ab- 
geschlossen und die ätherische Lösung wiederum mit Wasser ausgewaschen. 
Nach dem Abdunsten des Aethers wurde der braune, zähe, aromatisch 
riechende Rückstand zur Trennung des ätherischen Oels von dem 
zurückbleibenden Resen einer Wasserdampfdestillation unterworfen. 
Nachdem die Hauptmenge des ätherischen Oels übergegangen war, 
wurde die weitere Destillation unter Kalizusatz vorgenommen. Dieses 
Verfahren nahm mehrere Monate in Anspruch bis das übergehende 
Destillat frei von Oeltropfen war. 

Das bei der Wasserdampfdestillation erhaltene angenehm 
aromatisch riechende, farblose ätherische Oel wurde durch Aussalzen 
und Extrahieren mit Aether gesammelt, die ätherische Lösung über 
Chlorcaleiam getrocknet und der Aether in der Kälte entfernt. In 
einem Fraktionskölbchen destilliert, ging der ganze Hauptanteil zwischen 
152° und 159° über, während nur ein sehr geringer Anteil zwischen 


710 A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 


260 und 280° übergetrieben wurde. Die Ausbeute an ätherischem 
Oel betrug 4 g = 1%% des Harzes. 

Das in dem Kolben zurückgebliebene Resen war braun und zu 
einem harten Kuchen zusammengeballt. Es wurde in Alkohol gelöst 
und dann mit salzsäurehaltigem Wasser gefällt. Der flockige Nieder- 
schlag, der hartnäckig Alkohol zurückhielt, ballte jedoch bald 
wieder zu einer klebrigen krümeligen Masse zusammen. Diese 
wurde in kaltem Wasser geknetet, wodurch sie wieder härter wurde 
und auch eine hellere Farbe annahm. Da das Kesen nach einiger Zeit 
jedoch wieder auffallend weich wurde, mußte eine teilweise Zersetzung 
desselben stattgefunden haben, und wurden auch tatsächlich ihm aus 
seiner ätherischen Lösung durch Ausschüttelungen mit 1%iger Kali- 
hydratlösung geringe Mengen von Ausschüttelungsprodukten entzogen. 
Der Aether wurde daher wieder durch Abdunsten entfernt, die 
Wasserdampfdestillation unter Kalizusatz von neuem aufgenommen, 
und zeigten sich auch sofort in dem Destillat wieder kleine Mengen 
ätherischen Oels, Nach etwa einmonatlicher unausgesetzter Destillation 
ging kein Oel mehr über. Das im Kolben zurückgebliebene nunmehr 
sehr harte Resen wurde zur Entfernung des Kali mit heißem Wasser, 
in welchem es zu zähen Tropfen oder Fäden erweichte, öfters durch- 
geschüttelt, bis eine herausgenommene Probe keinen Aschenrückstand 
mehr zeigte. Das erkaltete Resen konnte dann leicht zu einem feinen 
Pulver zerrieben werden, und wurde zum Trocknen einige Zeit über 
Schwefelsäure aufbewahrt. Es war ein bräunlichgelbes Pulver, löslich 
in Alkohol, Aether, Aceton, Benzol, Eisessig, unlöslich in Petroläther 
sowie in wässerigem Alkali. 

Es begann bei 46° zu sintera und schmolz bei 57°. Angestellte 
Krystallisationsversuche mit verschiedenen Lösungsmitteln waren, wie 
bei allen bisher isolierten Resenen ohne Erfolg. Bei mehrere Monate 
langem Aufbewahren im FExsikkator ballte sich jedoch das Resen 
wiederum zusammen zu einem klebrigen Pulver und wurden wiederum 
bei einer Wasserdampfdestillation Spuren ätherischen Oeles erhalten. 
Die Ausbeute des Resens betrug einschließlich der Verluste ungefähr 
10 g = 3%% des Harzes. 

Obwohl es sich beim Sandaracoresen um einen absolut reinen 
Körper nicht handeln konnte, wurden doch Analysen desselben aus- 
geführt, um wenigstens Anhaltspunkte für seine Zusammensetzung 
und seine Beziehungen zu den anderen Bestandteilen des Sandarak- 
harzes zu bekommen. 


Hierbei wurden folgende Zahlen erhalten: 

1. 0,1632 g Substanz gaben 0,4758 g COg und 0,1560 g H,O 
2. 0,1318 n ” rn , h n ” ) , n ” 
3.:0,1300 5, 5 52 0,3806: „biste DARBS ARE 


A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 7ı1 


In Prozenten: 


L 2. 3. Im Mittel: Berechnet für die Formel Cgg Hgs Os: 
C 79,512 79,419 79,846 79,59 3 
H 10,711 10,825 10,588 10,71 H 10,84 


Nach diesen Ergebnissen steht das Resen der krystallisierten 
Sandaracopimarsäure sowohl in Bezug auf die prozentische Zusammen- 
setzung (Kohlen- und Wasserstoffes), als auch in Bezug auf die 
berechnete Formel am nächsten. Ein genetischer Zusammenhang erscheint 
daher nicht ausgeschlossen. Andererseits deutet die Bildung eines durch 
Wasserdampfdestillation entfernbaren ätherischen Oels beilängerer Auf- 
bewahrung des Resens auf eine Depolymerisation desselben hin, eine Er- 
scheinung, welche für die Hypothese Tschirch’s „daß die Resene poly- 
merisierte Terpene oder Oxyterpene darstellen“ eine weitere Stütze bietet. 

Die Cholesterinreaktionen verliefen folgendermaßen: 

1. Liebermann’sche Cholestolreaktion: kirschrot, rotbraun. 

2. Salkowski-Hesse’sche Cholesterinreaktion: Chloroform: farblos; 
Berührungsschicht:: blutrot, dann kirschrot; Schwefelsäure: gelbbraun; Tropfen- 
färbung: keine. 

3. Mach’sche Reaktion: rötlichviolett, rotbraun, schmutzig graubraun. 

4. Hirschsohn’sche Reaktion: rötlichbraun, gelbbraun. 

5. Tschugaeff’sche Cholesterinreaktion: kirschrot, 
grünlich. 


Zusammenstellung der bis jetzt aus dem Sandarakharz isolierten 
Verbindungen. 


Fluoreszenz 


' Sandaracolsäure C,; Hy O7: Callitrolsäure Cg; Hg00g: 
Balzer | C = 75,331) C = 7815 
' d-Pinen?) | Anhydride der 
| Dipenten?) i-Pimarsäure Callitrolsäure 
Henry | Ozo Has: Coo Ho 03: Cgo Ha 04: 
C= 881 C.= 79,25 C = 76,38 
2 11% H —..940 H =; 93 
Sandaracin- Sandaracinol- Sandaracopimar- 
säure säure säure 
Ca3 Hg 07 , Ca Hg803 , | Coo Hao Os . 
C.= 76,9 C= 7773 C = 79,08 
ff | - ’ , 
a H = 10,17 Er: "ag Veh pri 
Säure des kryst. Na-Salzes: | Resen Cag Has Oa: 
C = 71,37 (76,45) C = 79,59 
H= 9,47 ( 9,34) | H = 10,71 


1) Die angegebenen Zahlen für C und H sind die Mittel der ge- 


fundenen Werte, 
2) Aus dem ätherischen Oel. 


712 A. Tschirch u. M. Wolff: Sandarak. 


Ordnet man diese Verbindungen nach steigendem Kohlenstoffgehalt 


Säure des kryst. Na-Salzes . . C = 7137;H = 9,47 
Sandaracolsäure . . . .. . (Ce 73H = 
Sandaracinsäure . . .» x....C = %,09; H = 10,17 
Anrhydride der Callitrolsäure 

(Henry). ee TE TE 
(Säure des kryst. Na-Salzes nach 

längerem Aufbewahren) Geo ea 
Sandaracinoisäure . TV RE 
Gallitrolsäure (Balzer) .. . C= 7,15; H = 8,40 
Sandaracopimarsäure . C = 79,08; H = 10,17 

identisch mit 
i-Pimarsäure Henrys ....0= 7935; H= 94 
Besen N „in team mafkerhne CL u BE Se 
Dipenten '. . „er „7, SG — EEE 


so erscheint es wahrscheinlich, daß einige Verbindungen, von denen 
oben bereits einzelne als leicht zersetzlich erkannt wurden, in einander 
überzugehen vermögen. Die nähere Charakterisierung. derselben wird 
hierdurch sehr erschwert. 

Nach den seitherigen Arbeiten können in dem Sandarakharz als 
sicher festgestellt gelten: Die mit Henry’s i-Pimarsäure identische 
Sandaracopimarsäure, das Vorhandensein von. Resen, ätherischem Oel 
und Bitterstoff, sowie eines weiteren Körpers, der eine krystallisierte 
Natriumverbindung gibt, die aus drei Sandarakproben verschiedener 
Provenienz in gleicher Weise isoliert werden konnte. 

Die nähere Charakterisierung der amorphen Säuren, die nur vor- 
läufige Trennungsbestandteile des Harzes darstellen, sowie die Wieder- 
gewinnung der krystallisierten Callitrolsäure muß weiteren Studien 
vorbehalten bleiben. 


Verzeichnis 
über Band 244 des Archivs der Pharmazie (Jahrgang 1906). 


I. Autorenverzeichnis. 


A. 
Alpers, K., Ueber die Bestandteile 
von Carpinus Betulus 575. 
B. 


Barger, G. u. Dale, H. H., Mutter- 
kornalkaloide 550. 
Beckurts, H., Kakao und Schoko- 
lade 486. 


Berlin, H., siehe Troeger, J. 326. 
D. 

Dale, H. H,, siehe Barger, G. 550. 
E. 

Echtermeier, P., Beiträge zur 

Kenntnis der Chinasäure BT. 


Emde, H,, Beiträge zur Kenntnis des 
Ephedrins und Pseudoephedrins 241. 
Derselbe, Ueber Styrylaminbasen 
und deren Beziehung zum Ephedrin 
und Pseudoephedrin 269. 


F. 


Franke,M , siehe Troeger, J. 307, 326. 
Frerichs, G., siehe Frerichs, H. 86. 
Frerichs, H. und Rentschler, O,, 
Einwirkung xanthogensaurer Salze 
auf Derivate der Monochloressig- 
säure dB 
Derselbe u. G. Frerichs, Veronal- 
vergiftung 86. 
Fühner, H., Beitrag zur Kenntnis der 
Thalleiochinreaktion 602. 


©. 
Gadamer, J., Alkaloide der Columbo- 
wurzel 255. 
Gaebel, O., Hordenin 435. 
Goeßmann, G., Alkaloide von 
Anagyris foetida 20. 


Gorter, K., Baptisia-Glykoside 401. 


Greshoff, M., Verteilung der Blau- 
säure im Pflanzenreiche 397, 665. 
Günzel, E., Alkaloide der Columbo- 
wurzel 257. 


Haehn, H., Neue Bildungsweise der 
Ketone 234. 
Hartl, F., siehe Vanino, L. 216. 
Heiduschk in" Verhalten einiger 
Körper bei tiefen Temperaturen 569. 
Herder, M., Alkaloidreagentien und 
deren mikrochemische Verwendung 


120. 

Holdermann, K., Quecksilber- 
oxycyanid 133. 
Horn, M,, ‚siehe Rupp, E. 405. 


Hübner,Ü 


)., Zur Kenntnisder Schweel- 
kohle 196. 


I. 


Itallie, L.vanundC. H. Nieuwland, 
Samen und Oel von Moringa 


pterygosperma 159. 

Dieselben, Surinamens. Copaiva- 

balsam 161. 

Dieselben, Vogelbeeröl 164. 
JS. 

Jolles, A., Ueber Lävulosurie und 


über den Nachweis der Lävulose 
im Harn 542. 


K. 
Kaßner, G., Diffusion der Gase 63. 
Keller, O., siehe Wintgen, M. 3. 
Kircher, A., Datura arborea 69. 
Kraft, F., Ueber das Mutterkorn 336. 


L. 
Lewinsohn, K., Myrrhenöl 412. 
Linde, O,, zur Kenntnis der Ver- 
holzung 57. 
Luther, A., Ueber Methylenver- 
bindungen und Derivate der m- 
Dioxybenzole 561. 


714 


Mai,C.und Rath, C.,Kolorimetrische 
Bestimmung kleiner Morphin- 
mengen 300. 

May, O., Untersuchung der Früchte 
von Sapindas Rarak DC. 25. 


N. 


Nieuwland, C. H. siehe Itallie, 
L. van 159, 161, 164. 


P. 


Pictet, A., Untersuchungen über die 
Alkaloide des Tabaks 375. 
Derselbe, Ueber die Bildungsweise 
der Alkaloide in den Pflanzen 389. 
Pieverling, v,Q ET 
5. 


R. 


Rath, C., siehe Mai, C. 300. 
Rentschler, Our8 Frerichs, H. 74; 
Richter, P.,, Guajakharz 90. 
Rosenthaler, L., _Temperatur- 
erhöhung beim Mischen von Aether 
und Chloroform 24, 239. 
Derselbe, Alkalische Quecksilber- 
jodidlösung als Reagens auf 
Hydroxyigruppen 373. 
Derselbe und Türk, F., Ueber die 
adsorbierenden Eigenschaften ver- 


schiedener Kohlensorten 517. 
Derselbe, Bemerkung zu dieser 
Abhandlung 535. 


Rupp, E., Quecksilberoxyeyanid 1. 
Derselbe und Horn, M., Volumetr. 
Bestimmung von J odiden bei Gegen- 
wart von Chlor- und Brom-Ionen 405. 
Derselbe, Gehaltsbestimmung von 
galenischen Präparaten des Arznei- 
buches 536. 
Derselbe und Horn, M., Titration 
von Ferrosalzen mit Alkalihypo- 


jodit 571. 
S. 

Schaub, F., siehe Troeger, J. 

302, 312. 


Schmidt, E., Mydriatisch wirkende 
Alkaloide der Daturaarten 66. 
Derselbe, Umwandlung des Ephe- 
drins in Pseudoephedrin 239. 
Scholtz, M,, Halogenalkylate des 
Sparteins 72. 
Derselbe, Ueber die Alkaloide der 
Pareirawurzel 555. 
Schulze, H., Akonitin und Akonin 
aus Aconitum Napellus 136, 165. 


Autorenverzeichnis. 


Simmer, A., Verhalten der Alkaloid- 
salze und anderer Substanzen zu 
den Lösungsmitteln der Perforations- 
methode, insbesondere Chloroform, 
sowie über Reduktionswirkungen 
der Alkaloide 672. 

Simon, OÖ. Ueber Cetrarsäure 459, 


T. 


Telle, H, Ueber Kamala und Bakt- 
lerin 441. 
Thomae,C., Ueber Keton-Ammoniak- 
verbindungen 641. 
Derselbe und Lehr, H. Methy]-p- 
tolylketon 651. 
Derselbe, Ueber Methylpropyl- 
ketonammoniak 664. 
Thoms, H., Rottlerin 640. 
Traube, W. und Winter, F., Syn- 
these von 3-Methylhypozanthin 11. 
Tröger, J. und Schaub, F., Ein- 
wirkung schwefliger Säure aufDiazo- 
m-toluolchlorid und -sulfat 302. 
Tröger, J. und Franke, M, Ein- 


wirkung schwefliger Säure auf 
Diazobenzolsulfat 307. 
Tröger, J., Warnecke, G. und 


Schaub, F,, Ueber die Konstitu- 
tionsformel ‘der durch SO, auf 
Diazo-m-toluol entstehenden Sulfon- 
säure C44Hı18 N4S05 312, 
Tröger, J., Berlin, H. u. Franke, 
M., Ueber die Konstitutionsformel 
der durch S0Og auf Diazobenzolsalz 
entstehenden Sulfonsäure CaHpN4 


8 . 
Tschirch, A. u. Wolff, M., Weitere 
Studien über den Sandarak 684. 
Türk,F.,sieheRosenthaler, L.517. 


V. 


Vanino, L.und Hartl, F., Organische 
Doppelsalze mit Wismutchlorid 216. 


ww. 


Warnecke, G., s. Tröger, J. 312. 
Wedekind, E., Beiträge zur Kennt- 
nis des Santonins 623. 
Wr 4 iß, H., Untersuchung der Rinde 
der Samen von Aegiceras 
ERju8 G. 271. 
Winter, F., siehe Traube, W. 11. 
Wintgen, "M. und Keller ”; 
Zusammensetzung von Lecithinen 3. 
Wintgen, M, Solaningehalt der 
Kartoffeln 360. 
Wolff, M,, siehe Tschirch, A. 684. 
W ollenweber, W. Ve Filixgerb- 
säure 466. 


Sachverzeichnis. 


715 


II. Sachverzeichnis. 


A. 


Acetophenonammoniak 644; — 
Salze 645. 

Adsorbierende Eigenschaften der 
Kohle 517. 

Aegiceras majus G., Untersuchung 
der Rinde und Früchte 221; — Rinde 
222; — Früchte 223; — in CHCh 
lösliche Anteil der Rinde 224; — 


das Rindensaponin 226; — das 
Samensaponin 231. 
Aether, Temperaturerhöhung mit 
Chloroform 24, 239. 


Akonin aus Aconitum Nap. 136; — 
freie Base 174; — Salze 174; 
Einwirkung von Phenylhydrazin 175; 
Einwirkung von salpetriger Säure 
176; Einwirkung von Phenylisocyanat 
176; Tetraacetylakonin 177; Ein- 
wirkung von Brom 183; Einwirkung 
von Methylsulfat 184; Einwirkung 
von Jodmethyl 186; — Einwirkung 
von Hg0s 191; — Oxydation mit 
Kaliumpermanganat 192; — Oxy- 
dation mit Chromsäure 193. 

Akonitin aus Aconitum Nap. 136; 
— Literaturübersicht 137; — Zu- 
sammenfassung der sicheren Re- 
sultate 153; — Darstellung 165; — 
Formel 169; — Hydrobromid 170; 
— Aurichlorid 171; — Hydrochlorid 
172; Akonin 174; Triacetylakonitin 
179; Tetraacetylpikrakonitin 181; 
Methylpikrakonitin 187; — Salze des 
Methylpikrakonitins 188; — Spaltung 
189; Aethylpikrakonitin 191. 

Aldehydammoniak-Wismutchlo- 
rid 218. 

Alkaloide, Bildungsweise in den 
Pflanzen 389; — Reduktions- 
wirkungen 681; — gegen Silber- 
nitrat 681; — gegen Goldchlorid 
682; — gegen @aecksilberchlorid 
682; — gegen Eisensalze 683. 

Alkaloidreagentien, neue und 
deren mikrochem. Verwendung 120; 
— Verhalten gegen Akonitin 122; 
— Verhalten gegen Strychrin 122; 
— in Chloralhydratlösung 124; — 
gegen Berberin 127; — Fibraurea 
chloroleuca 127; — Hydrastis 
canad. 128; — Strychnos nux vo- 
mica 128; — Cinchona Ledger. 130; 
— Conium macnlat. 131. 

Alkaloidsalze, Verhalten zu den 
Lösungsmitteln der Perforations- 


methode, insbesondere en 
672. 

Amylschwefelsäure, Reaktion 62. 
Anagyrin 22. 
Anagyris foetida, Alkaloide 21. 


Atropin aus Datura alba 68. 
B. 
Baptin 401. 
Baptisia-Glykoside 401. 
Baptisin 401. 
Baryumquecksilberjodid, als 
Alkaloidreagens 122. 
Bebeerin der Pareirawurzel 555. 
Benzophenon 238. 
Berberin in Fibraurea chloroleuca 
127; — Nachweis 127, 128. 
Betain aus Mutterkorn 352. 
Blausäure, Verteilung in dem 
Pflanzenreiche 397, 665. 
Butyron 238. 
©. 
Cacao siehe Kakao 486 


Caesiumquecksilberjodid als 
Alkaloidreagens 122 
Carpinus Betulus, Untersuchung 
der Bestandteile der Blätter 575; 
— Gewinnung und Untersuchung 
576; — Ellagsäure 582; — — Prä- 
existenz derselben 591; — Unter- 
suchung des Hainbuchengerbstoffs 
592; — — Analyse des durch Ab- 
spaitung von Gallussäure und 
Ellagsäure veränderten Gerbstoffs 


600; — Zusammenstellung der 
Resultate 601. 
Cetrarsäure 459; — _Dimethyl- 


Dioxybenzol 459; — Spaltungs- 


Re mit Natronlauge und 
inkstaub 462; — Verhalten gegen 
Brom 465. 
Chinaphenin - NOIERBFChIREG 
19, 


Chinasäure 37; — Cinchoninsalz 39; 
— Chinidinsalz 39; — Cinchonidin- 
salz 40; — Chininsalz 40; — Strych- 
ninsalz 41; — Silbersalz 41; — 
Methylester 41; — Phenylester 42; 
— Einwirkung von Ammoniak 43; 
— Einwirkung von Hydrazinhydrat 
43; — Verhalten gegen Phenyl- 
hydrazin und Anilin 44; Phenylester 
der Tetraacetylchinasäure 45; — 
Benzoylierungsversuche 46; Tetra- 
benzoylchinasäure 49; — Silbersalz- 
51; — Aethylester 5l; — Chlorid 


716 Sachverzeichnis. 


51; — Einwirkung von starker 
Salpetersäure und PaO5 56. 
Chinolinehinon 5, 6 (ß)-, Ein- 
wirkung von Ammoniak 619. 
Chloroform, Temperaturerhöhung 
mit Aether24,239; —Verhaltengegen 
Alkaloide 674. 
Chocolade, siehe Schokolade _ 486. 
Cholin aus Mutterkorn 353. 
Cinchona Ledger., Alkaloidnach- 
weis 130. 
Chlor-Oxyanilidochinolin 615. 
Chlor-Oxychinolin 613. 
Columbamin 260; — Tetrahydro- 
verbindung 265. 
Columbowurzel, Alkaloide‘ 255, 
257; — Darstellung 258; — Jodid 
des Columbamins 260; — — Chlorid 
262; — — saures Sulfat 264; — — 
Pentasulfid 264; — Tetrahydro- 
columbamin 265; — — Salze 267; 
— Versuch einer elektrolytischen 
Reduktion 268. 
Conium maculatum, Alkaloid- 
nachweis 131. 
Copaivabalsam, Hin 
1 


Cuminaldehyd aus Myrrhenöl 414; 
— Oxim; Semicarbazon 415. 
Cyanwasserstoff, siehe Blausäure 
97, 665. 

Cytisin, -Phenylthioharnstoff 23. 


D. 


Daturaalba, Alkaloide 66; — Scopol- 
amin 68; — Hyoscyamin 68. 
— arborea, Alkaloide 69. 
— fastuosa, Alkaloide 67. 

Diazobenzolsulfat, Einwirkung 
von schwefliger Säure 307; — ver- 
mutliche Konstitutionsformel der 
Sulfosäure Ci3Hja N4S05 326. 

Diazo-m-toluolsulfat bez. Chlo- 
rid, Einwirkung von schwefliger 


Säure 302; — Sulfosäure Cj4His 
N,S0O, 304; — vermutliche Kon- 
stitutionsformel derselben 312. 
Dichlorketochinolin 611. 
Diffusion der Gase 63. 
Dimethyl (1,2)-Dioxybenzol (3,5) 
aus Üetrarsäure 459. 
Dipenten aus Myrrhenöl 424. 


Diphenylamin - Wismutchlorid 
216. 


E. 
Eigelb, Lecithin 6. 
Ellagsäure aus Carpinus Betulus 
582; — Literatur 583; — Wasser- 


Hordenin 435; 


gehalt 585; — Konstitution 586; — 
Lösungsversuche 588; — Kenrn- 
zeichen reiner Ellagsäure 590; — 
Präexistenz derselben in Carpin. 
Bet. 591; — Bildung aus Hain-- 
buchengerbstoff 597. 
Emplastrum Hydrargyri, An 
{% 


Ephedrin, Umwandlung in Pseudo- 
ephedrin 239, 241; — Spaltung des 
Methylephedrin - Methylhydroxyds 

251. 


Ergosterin aus Mutterkorn 340. 

Ergotinin 350, 550. 

Ergotoxin 551. 

Eugenol aus Myrrhenöl 418. 
F. 

Fibraurea chloroleuca, Berberin- 

gehalt 127. 


Filixgerbsäure 466; — die natür- 
liche 472; — Darstellung 474; — 
Zusammensetzung 477; — Anbydride 
478; — Proto-Filixgerbsäure 480; 
— Bestimmung des Molekular- 
gewichts 481; — Basicität 483; — 
Einwirkung von Brom 483. 

Filixrhizom, Extraktausbeuten nr 5 

471: 


— Zuckergehalt 
6. 
Gase, Diffusion 63. 
Guajakblau 113. 
Guajakharz 91; — trockene De- 


stillation 96 ; — trockene Destillation 
der Guajakonsäure 100; — Guaja- 
konsäure 106; — Guajakblau 113; 
— Reduktion des Guajakblaus 116. 
Guajakonsäure 100. 


H. 
Hainbuchenblätter- BRcHebEN! 


— Gewinnung 436; 
— Konstitution 437. 
Hydrargyrumoxycyanatum!1,35, 

133; — Darstellungsmethode 135, 
Hydrastis canadensis; Berberin- 

nachweis 128. 
Hydroergotinin [.:850. 
Hydroxylgruppen, Reagens 373. 
Hydrozimmtsäure aus Baker 
Hyoscyamin aus Datura arborea 70; 

— aus Datura alba, fastuosa 68. 


J. 


Jodide, volumetrische Bestimmung 
neben Chlor- u. Bromionen 


Sachverzeichnis. 


Kakao 486; — Begrifisbestimmungen 
. und Beurteilungsgrundsätze 487; — 
Untersuchungsmethoden 499; — 
Leitsätze 508; — Beimengungen u. 
Verfälschungen 510; — — Unter- 
suchungsverfahren 5ll; — mikros- 
kopische Untersuchung 5lb; — An- 
haltspunkte zur Beurteilung 515. 
Kamala, Rottlerin 441, 640 
Kartoffeln, Solaningehalt 360. 
Ketochinolin, 5, 5-Dichlor-6-, 611. 
Keton-Ammoniakverbindungen 
641; — Allgemeines und Dar- 
stellungsmethoden 641; — Ein- 
wirkung von Ammoniak auf Aceto- 
phenon 643; — Acetophenon- 
ammoniak 644; — — Salze 645; — 
Monazo-acetophenonammoniak 648; 
— — Verhalten beim Erhitzen: 
Triphenylpyridin 650; — Methyl-p- 


tolylketon 651; — — Einwirkung 
von Ammoniak 653; — Methyl-p- 
tolylketonammoniak 653; — — Salze 


655; — Monazo=methyl-p-tolylketon- 
ammoniak 656; — Aufarbeitung der 
aether. Mutterlauge 657; — die durch 
Druckerhitzung bewirkte Keton- 
Ammoniakreaktion 658; — Methyl- 
ditolylpyridin 659; — — Salze 661; 
— Methylpropylketonammoniak 664. 
Ketone, neue Bildungsweise 234; 
— Aceton 236; — Propionon 237; 
— Butyron 238; — Valeron 238; 
— Benzophenon 238. 
Kohle, adsorbierende Eigenschaften 
517, 535; — die Kohlesorten 517; 
— Allgemeines über die Versuche 
519; — Kodein 519; — Koffein 520; 
— Saliein, Pikrotoxin 521; — Gallus- 
gerbsäure 522; — Gallussäure 523; 
— Oxalsäure, Indigo 524; — Dex- 
trose 525; — 5 Minuten-Versuche 
525; — Konzentrations- Versuche 
527; — Schlußfolgerungen 533; — 
Bemerkungen zu diesen Versuchen 
i 535. 


Laevulose, Nachweis im Harn 542. 
Laevulosurie 542, 
Lecithine, Zusammensetzung 30; — 

aus Sojabohnen 4; — aus Eigelb 6. 
Limonen, Rechts- aus Myrrhenöl 434. 


M. 
Methan, Explosion 


63. 
Methylamin-Wismutchlorid 218. 
Methylditolylpyridin 659. 


717 


Methylhypoxanthin-3, Fiat 

L 
Methyl-Orcin aus Cetrarsäure 459. 
Methyl-Phloroglucine aus Rott- 


lerin 455, 457, 640. 
BaunESPT Enten, Ammoniak 
Methyl-Pyrrolidin, N- in den 

Mohrrübenblättern 392. 
Methyl-p-tolylketon 651. 


Methyl-p ee a ie ade 
656. 

Mohrrübenblätter, Piperidin- und 
Methylpyrrolidingehalt 392, 
Monazo=-acetophenonammoniak 


648, 
Monazo= methyl-p-tolylketon- 
ammoniak 656. 


Monochloressigsäurederivate, 
Einwirkung auf xanthogensaure 
Salze 77. 
Moringa pterygosperma, Oel der 
Samen 169. 
Morphin, kolorimetrische Bestim- 
mung kleiner Mengen h 
Mutterkorn 336; — Methode der 
Isolierung der . Einzelbestandteile 


339; — Secalonsäure und Derivate 
344; — Alkaloide 347; — Ergotinin 
350; — Hpydroergotinin 350; — 


wasserlösliche Basen 352; — Secale- 
amidosulfosäure 353; — physio- 
logische Wirkung der Einzelbestand- 
teile 355; — Zusammenfassung der 
Resultate 359. 
Mutterkornalkaloide 550; — 
Ergotoxin 551; — Wirkung 552. 
Myrrhenöl 412; — Cuminaldehyd 
413; — — Oxydation 414; — — 
Oxim, Semicarbazon 415; — flüch- 
tige Säuren 416; — nicht flüchtige 
Säuren 416; — Eugenol 418; — 
Verhalten zu Petroleumäther 420; — 
Reduktion des Harzkörpers 421; — 
das entharzte Oel 422; — Terpene 
423; — Myrrhenöl II 426; — — 


Terpene, Sesquiterpene 427; — 
Myrrhenöl III 428; — — Terpene 
428; — — Sesquiterpene 429; — 
selbstdargestelltes Myrrhenöl 431; 
— — Verseifung 432; — — Terpene 
433; — Untersuchungsresultate 434. 
N. 
Nikotein 385. 
Nikotellin 388. 
Nikotimin 387. 
Nikotin, Konstitution 378; — Syn- 
these 381. 


718 Sachverzeichnis. 


Nitrosodimethylamin - Wismut- 


chlorid 217. 

Nitrosodiphenylamin - Wismut- 

chlorid 217. 
0. 


Orcin, Methyl-, aus Cetrarsäure 459. 
Oxyanilidochinolin, Chlor- 615. 
Oxychinolin, p-, Beziehung zur 


Taalleiochinreaktion 611. 

—, Chlor- 613. 
P. 

Pareirawurzel, Alkaloide 555. 


Perforationsmethode, Verhalten 
der Lösungsmittel 672. 
Phenylpropylen, «a- 289. 
Phlorogluein, Methyl-, Dimethyl-, 
Trimethyl-aus Rottlerin 455,457, 640, 
Pinen aus Myrrhenöl 423. 
Piperazin-Wismutchlorid 220. 
Piperidin in den Mohrrübenblättern 


392. 
Propionon 237. 
Proto-Filixgerbsäure 480. 


Pseudoephedrin, durch Umwand- 
lung von Ephedrin 239, 241; — Ein- 
wirkung von J odmethyl 246; Methyl- 
pseudoephedrinmet hyljodid 247; — 
Vergleich der durc Methylierung 
von Ephedrin und Pseudoephedrin 
erhaltenen Verbindungen 248; — 
Spaltung des Methylpseudoephedrin- 


methyihydroxyds 250. 
Pseudobaptisin 402. 
Pyrrolidin im Tabak 389. 

—, N-Methyl in den Mohrrüben- 

blättern 392. 

®. 
Quecksilber, Bestimmung in gale- 

nischen Präparaten 536. 


Quecksilberjodidlösung, alka- 
lische, Reagens auf gg ns Sn 
373 


Quecksilberoxycyanid i, 35, 133. 
—, Darstellungsmethode 135. 
Quecksilberpräparate, Bestim- 
mung des Quecksilbergebaltes 536. 


Rheumatin-Wismutchlorid 219. 
Rohrzucker aus Filixrhizom 472. 
Rottlerin, 441, 640; — Darstellung 
446; — Molekulargewicht 447; — 
Spaltung mit Barythydrat: Methyl- 
phloroglucin 448; — Spaltung mit 
Natronlauge und Zinkstaub: Methyl-, 
Dimethyl-, Trimethylphloroglucin 


449; — — Hydrozimmtsäure 454 
Spaltung mit Natronlauge von 20) 
und Zinkstaub: Methyl-, Dimethyl-, 


Wehe we ui 455; — Kon- 
stitution 458. - 
Ss. 
Sandaracinolsäure 699. 
Sandaracinsäure 693. 
Sandaracopimarsäure 702. 


Sandarak 684; — Säure- und Ver- 


seifungszahlen 687; — trockene 
Destillation 689; — Methode der 
Untersuchung 692; — Sandaracio- 


säure 693; — — Säure- und Ver- 
seifungszahl 694; — — Cholesterin- 


reaktionen 696; — Sandaracinol- 
säure 699; — — Säure- und Ver- 
seifungszahl 700;: — Sandaraco- 
imarsäure 702; — — Säure- und 
erseifungszahl 703; — — Jod- 


addition 705; — — Acetylierung 705; 
_ — Cholesterinreaktionen 706; — 
Natriumsalz der zweiten Harzsäure 


706; — Bitterstoff 769; — Reser, 
ätherisches Oel 709° 
Santonin 623; — Konstitution, Ver- 


halten gegen Brom 626; — basische 
Eigenschaften 629; — Sulfosäure 
631; — Konstitution der Santonsäure 
634; — Santoninsulfosäure 631; 
— Santonsäure, Konstitution 634. 
Sapindus Rarak DC., chemisch- 
pharmakognostische Untersuchung 


25; — Saponin 28; — Saponia- 
bestimmung 34; — anorganische 
Bestandteile 34. 


Saponin aus Sapindus Rarak DC. 
28; — Reaktionen 29; — Acetyl- 
derivat 30; — Spaltungsprodukte 


33; — quantitative Bestimmung 34, 


— aus Aegiceras majus G. 226, 231. 
Schokolade 486; — Begriffs- 
bestimmungen und DBeurteilungs- 
grundsätze 495; — Untersuchungs- 
methoden 499; — Fettbestimmung 
499; — Zuckerbestimmung 500; — 
Gehalt an Kakaoschalen 501; — 
Bestimmung der Xanthinbasen 505; 
—_ Sonstige Untersuchunesverfahren 
; Leitsätze 508; — Bei- 
mengungen u. Verfälschungen 510; 
— -— Untersuchungsverfahren 5i1: 
— mikroskopische Untersuchung 
515; — Anhaltspunkte zur Beur- 
teilung 515. 
Schweelkohle 196; — in Benzol lös- 
licher Teil 200; — Behandlung des 
Benzolextrakts mit Lösungsmitteln 


u ii 


Sachverzeichnis. 


205; Kennzeichnung der Verbindung 
Cs H3a0 206 ; — in Benzol unlöslicher 
Teil 218; — in Aether löslicher 
Teil 21 
Scopolamin aus Datura alba 68. 


— aus Datura arborea 70. 
Secaleamidosulfonsäure aus 
Mutterkorn 353. 


Secalonsäure aus Mutterkorn 344. 
Sojabohnen, Leecithin 5 
Solaningehalt der Kartoffeln 360; 
— der gesunden Kartoffeln 364; — 
der kranken Kartoffeln 366; — 
VersucheSolaninbildung zu a 


Sorbus aucuparia, Samen und 


Oel 164. 
Spartein, Halogenalkylate 72; — 
jodbenzylate 73; — jodmetbylat 


74; — physiologische Wirkung 76. 
Styrylacetamid 273. 
Styrylamin 271; — Salze 272; — 

Einwirkung von Jodmethyl 274; — 

Verhalten gegen Wasserstoff 286. 
Styrylaminbasen, Beziehungenzum 

Ephedrin und Pseudoephedrin 269; 

— Verhalten gegen Halogenwasser- 

stoff, Wasserstoff und HCIO 281. 
Styrylbenzamid 274. 
Styrylchlorid 270. 
Styrolmethylaminchlorid 277; 

— Salze 278; — Verhalten gegen 


HC10O 293. 
Styrylpyridinchlorid 280; — 
Salze 280. 


Styryltrimethylaminchlorid 276; 
— Verhalten gegen HBr 282; — 
Verhalten gegen HJ 284; — Ver- 
halten gegen Wasserstoff 286; — 
Verhalten gegen HC1O 289; — Re- 
duktion des Chiorhydrins 294. 

Sublimatpastillen, Prüfung 540. 

Sublimat-Verbandstoffe, Prüfung 

541 


Diazobenzolsalz 
307, 326 
— aus Diazo-m-toluol 302, 312. 


Sulfosäure aus 


T. 


Tabak, Alkaloide 375; — Konstitu- 
tion des Nikotins 378; — Synthese 
des Nikotins 381; — Nikotein 388; 


— Nikotimin 387; — Nikotellin 
388; — Pyrrolidin 389. 
Thalleiochinolin 603, 616. 


719 


Thalleiochinreaktion 60%; — 
allgemeiner Teil 604; — experimen- 
teller Teil 611; — Anhang: Ein- 


wirkung von Ammoniak auf 5,6 (ß)- 
Chinolinchinon 619. 
Thiohypoxanthin 18. 
Thiopyrimidin, Derivate 15. 
Triphenylpyridin 650. 


U. 


UnguentumHydrargyrialb., Prüfung 
539; — Hydrargyr. cin., Prüfung 538; 
— Hydrargyr. rubr., Prüfung 539. 


, 
Valeron 238. 
Wanill zul ol 8 ERISU UPE EREEE 


Verholzung 57; — Reaktion mit 
Vanillinschwefelsäure 60; — Reak- 
tion mit Amylschwefelsäure 62. 

Veronalvergiftung, Nachweis 86. 

Vogelbeeren, Samen und Oel 164. 


WW. 


Wismutchlorid - Doppel - Salze 
216; — mit Nitrosodiphenylamin 217; 
— mit Nitrosodimetbylanılin 217; — 
mit Aldehydammoniak 218; — mit 
Methylamin 218; — mit Rheumatin 
219; — mit Chinapbenin 219; — 
mit Piperazin 220, 


>. © 


Xanthogensaure Salze, Ein- 
wirkung auf Derivate der Mono- 
chloressigsäure 77; — Methylxan- 
togenacetylharnstoff 77; — Aethyl., 
Propyl-xantogenacetyiharnstoff 78; 
— Benzylxantogenacetylharnstoff 79; 
—  Methylxanthogenacetylmethyi- 
harnstoff 79; — Aetbyl-, Propyl-, 
Benzyl-xanthogenacetylmethylharn- 
stoff do: — Methyl-, Aethyl-, Propyl- 
xanthogenacetyläthylurethan 81; — 
Methyl-, Aethyl-, Propyl-xanthogen- 


acetanilid 82; — Aetbylxantogen- 
acetmethylanilid 83; — — benzanilid 
83; — — p-toluidid 83; — Aethyl-, 


Propyl-xantogenacet-p-toluidid 84; 

— Aethyixantogenacet -m-toluidid 

84; — — Diphenylamin 85; — — 

o-anisidid 85. 
zZ. 


Zimmtsäure aus Rottlerin 640. 


Druck von Denter & Nicolas, Berlin C. 


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ICHTHYOL. 


Der Erfolg des von uns hergestellten speziellen Schwefelpräparats 
hat viele sogenannte Ersatzmittel hervorgerufen, welche nicht identisch 
mit unserem Präparat sind und welche obendrein unter sich verschieden 
sind, wofür wir in jedem einzelnen Falle den Beweis antreten können. 
Da diese angeblichen Ersatzpräparate anscheinend unter Mißbrauch 
unserer Markenrechte auch manchmal fälschlicherweise mit 


Ichthyol 
oder 
Ammonium sulifo=-ichthyolicum 
gekennzeichnet werden, trotzdem unter dieser Kennzeichnung nur unser 
spezielles Erzeugnis, welches einzig und allein allen klinischen Versuchen 
zugrunde gelegen hat, verstanden wird, so bitten wir um gütige Mit- 
teilung zwecks gerichtlicher Verfolgung, wenn irgendwo tatsächlich 
solche Unterschiebungen stattfinden. 


Ichthyol- Gesellschaft 


Cordes, Hermanni & Co. 
HAMBURG. 


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